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EIN NORDMANN
FÜRS GROBE
Volvo Laplander (L 3314 HT)
Schweden Einen Valp für jeden Einsatz partie wurde der Wagen in Schweden
ist bekannt Die Idee für den Laplander entstand in «Valp» oder «Puppy» gerufen. Übersetzt
für die Geschichte der Anfangszeit kalten Krieges, den 50er bedeutet das so viel wie «Welpe». Dazu
der Wikinger. Im Lau- Jahren. Das schwedische Militär verlang- kamen Bezeichnungen wie «Feltvagn»
fe früher Jahrhunderte te nach einem geländegängigen Truppen- oder «Laplander». Angetrieben wurde die
erkundeten die raubei- transporter. Daraufhin entwickelte Volvo L33-Serie von B18-, später auch von B20-
nigen Nordmänner mit in Göteborg die ersten allradgetriebenen Motoren, die man bereits vom Volvo Ama-
ihren Langschiffen die Prototypen. Der hohe, kastenförmige Auf- zon kannte. So ausgestattet ging es mit
Weltmeere. Es gibt Hinweise, bau überzeugte schnell. Das Fahrzeug bot dem Laplander bald nicht mehr nur beim
dass ihre Handelsreisen und Raubzüge sie viel Platz für Mannschaft und Ausrüstung. schwedischen Militär über Stock und Stein.
bis nach Amerika führten. Kaum auszuden- Die Fahrzeugtechnik, wie der B16-Motor, Auch im Ausland und bei zivilen Einsätzen
ken, welche Strapazen das für die Boots- stammte zu grossen Teilen von den Vol- erfreuten sich die 4x4-Modelle immer
besatzung bedeutete. Ihre sagenhafte vo-Personenwagen. Das hielt die Kosten grösserer Beliebtheit. Und das vor allem
Geschichte wäre wohl um einiges einfa- überschaubar. an Orten, die auf echte Offroader angwie-
cher verlaufen, hätten sie schon damals Von 1961 bis 1970 gingen die L33-Mo- sen waren. So fanden die Laplander ihren
den Volvo Laplander gekannt. Statt über delle in verschiedenen Ausführungen und Weg auch in die Schweiz, wo sie in den ver-
unberechenbares Wasser hätten ihre We- Aufbauten in die Serienfertigung. Wegen schiedensten Ausführungen ihren Dienst
ge wohl übers Land geführt. seiner unbedarft dreinschauenden Front- bei Wind und Wetter versahen.
Nils-Magnus Hartelius, Volvo-Designer, lieferte die Vor- Die modifizierte Version der L33-Modelle fand man ab Parallel zum C202 entstand im schwedischen Volvo-
lage für den ersten Laplander. Die L33-Modelle überzeug- Mitte der 70er Jahre mit dem in Ungarn bei Ungaro- Werk die komplett neue C300-Reihe, die die grösste und
ten durch kompakte Abmessung und Geländegängigkeit. camion gefertigeten Volvo C202. schwerste Version des Laplanders bildete.
Laplander-Typen (Auszug)
Bauzeit Typ Stückzahl Motor Zylinder Leistung
1959–1961 L2304 (Vorserie) 91 B16 4 60 PS
1961–1970 L3314 7737 B18/B20 4 65 PS/82 PS
1977–1981 C202 3222 B20 4 82 PS
1974–1984 C300-Serie - B30 6 125 PS
Ab Mitte der 70er Jahre folgte die überar- komplett neue und schwere Zwei- oder Auch viele Oldtimerfans entdecken den
beitete Version des Allrad-Schweden, der Dreiachser-Version mit 6-Zylinder-B30- Abenteurer-Volvo für sich. In Skandinavien
Typ C202 mit altbewährtem B20-Motor. Motor. liegt der Schwerpunkt vor allem bei den
Das neue Modell stiess vor allem bei der alten Militärversionen. Doch auch hier-
ungarischen Speditionsgesellschaft Un- Der Laplander heute zulande erinnern sich immer mehr Lieb-
garocamion auf reges Interesse. Wegen Keine Frage – der Laplander zählt mit haber an den schier unverwüstlichen All-
der grossen Nachfrage entschied man seiner kantigen Formgebung nicht ge- radtransporter, der vielerorts treu seinen
sich im Hause Volvo 1977, die Fertigung rade zu den Designikonen seiner Zeit. Dienst versah.
des C202 komplett nach Ungarn auszu- Die Optik ist bei diesem Fahrzeugtyp So auch der Oberengadiner Architekt Da-
lagern. Bis zum Produktionsende 1981 kam aber auch nicht primär entscheidend. niel Pensa. «Wenn schon ein Klassiker an-
es dann bei diesen Ostblock-Modellen nur Vielmehr zählt, was der Schweden-4x4 geschafft werden sollte, dann musste es
allzu oft, wie es kommen musste. Wegen im Stande ist zu leisten. Ob Schotter- etwas Besonderes sein!». Damit meinte
mangelnder oder gar komplett fehlen- piste oder Wüstensand, sein ausgereif- er nicht das in seiner Berufsgruppe all-
der Rostvorsorge gab es vom C202 schnell tes Allradkonzept fühlt sich auf kaum seits beliebte Saab-900-Cabriolet. Es soll-
nur noch wenig zu berichten. einem Terrain nicht zu Hause. Dazu te ein Wagen mit Allradantrieb sein, aber
Die Königsklasse unter den Laplan- kommen die kompakten Fahrzeugab- die Riege der gängigen internationalen
dern bildete von 1974 bis 1984 messungen, die den Wagen überschau- 4x4-Klassiker beeindruckte ihn nicht wirk-
die C300-Serie. Dabei bar und wendig machen. Ganz in der lich. Nein, Daniel wollte mehr. Geländegän-
handelte es sich Tradition der Wikinger-Ahnen eignet gig, mit ausreichend Platz und nordischem
um eine sich der Laplander daher für Erkun- Flair – kurz: «Ein Laplander muss her!»
dungsfahrten bis in den letzten Winkel
dieser Welt. Ein Grund, warum die Mo- Restauration mit persönlicher Note
delle noch heute bei Weltenbummlern Einen gut erhaltenen Laplander aufzutrei-
hoch im Kurs stehen. Nicht wenige Lap- ben erweist sich heutzutage als nicht im-
lander, vor allem die Modelle mit Kasten- mer einfach. Daniel entschloss sich da-
aufbau, wurden als Wohnmobile oder her, ein betagtes Modell anzuschaffen
Expeditionsfahrzeuge umgerüstet und und es von Grund auf neu aufzubauen.
spulen noch immer ihre Kilometer rund In der Bodenseeregion wurde er fündig.
um den Globus ab. Ein Volvo Typ L 3314 HT Baujahr 1964 mit
Mit einem Oldtimer in die Wüste? Jawohl! Bruno J. Bürki aus Staad und sein Laplander sind der be-
ste Beweis dafür, dass so eine Tour möglich ist. Bruno baute seinen grünen L3314 von 1965 eigens
für solche Extremreisen zum Wüstenschiff um. Der Innenraum erhielt einen expeditionsfreundlichen
Wohnmobilausbau. Aussen wurde der Wagen mit Arretierungen für Sandbleche, Reserve-Benzin-
kanister und Ersatzrad sowie mit einer Dachträgerkonstruktion für Wassertanks und zusätzliches
Gepäck versehen. So ausgestattet konnte es losgehen. Unglaublich, aber wahr – die Tour führte im
Jahr 2007 von der Schweiz bis Afrika und wieder zurück. Und das in einem über 40 Jahre alten Auto!
Der Innenraum:
Platz für 8 Mitfahrer und jede Menge Ausrüstung.
R E P O R TA G E | VOLVO LAPLANDER
Kabinenaufbau bot die Basis für die ge- werden. Nur nicht ganz so dunkel wie Letzt erhielt der Kühler an der Front ei-
plante Totalrestauration, und so wechselte einst bei der Erstauslieferung. Das sah ne Edelstahlverblendung. Dies entsprach
der betagte Laplander den Besitzer. zu sehr nach Nutzfahrzeug aus. Besitzer zwar nicht dem Original, aber es ent-
Zu Hause wurde das Fahrzeug einer gründ- Pensa mochte es freundlicher, und so wur- schärfte die unschöne Optik des grossen,
lichen Bestandsaufnahme unterzogen. de der grosse Schwede in einem helleren asymmetrischen Loches am Lufteinlass.
Der Zustand der Carrosserie war äusserst Grauton gespritzt. Nun ging es an den Innenraum. Der Ar-
desolat. Auch die Technik und der In- Nach Abschluss der Lackierarbeiten konn- maturenträger wurde überarbeitet und
nenraum bedurften einer Generalüber- ten die Scheiben eingesetzt werden. Da mit einem Handschuhfach versehen. Der
holung. Einen zuverlässigen Partner für die Original-Frontscheibe nicht mehr vor- Rest der alten Innenausstattung konnte
diese Arbeiten fand Daniel in Markus handen war, wurde sie kurzerhand in ei- nur noch als Muster dienen. So wurden
Tanner von der Classic-Car-Connection in nem Fachbetrieb reproduziert. Bei den alle Verkleidungsteile nachgefertigt, ex-
Lichtensteig. Tanner und sein Team mach- Seiten- und Heckfenstern hatte man mehr tra Kartenfächer gestaltet und die Be-
ten sich zuerst an die zeitaufwändige Be- Glück. Diese waren alle vollständig und stuhlung des Achtsitzers entstand von
schaffung fehlender Ersatzteile. gut erhalten. Einziges Problem: Alle Sei- Grund auf neu. Für mehr Komfort der
Inzwischen ging es dem Laplander ans tenfensterdichtungen mussten neu an- Passagiere baute man bei dieser Gele-
Blechkleid. Dazu wurde der Wagen bis gefertigt werden. Aber auch diese Hür- genheit eine zusätzliche Heizung im hin-
auf das Fahrgestell zerlegt. Dann fertigte de nahmen die Profis aus Lichtensteig. teren Fussraum ein.
ein Spezialist bis auf die Dachpartie na- Fehlten nun noch die serienmässigen Das Fahrwerk blieb weitestgehend un-
hezu alle Blechteile der Carrosserie neu Rammschutzleisten aus Eschenholz an verändert, wurde aber für eine bessere
an. Unzählige Arbeitsstunden später war den Fahrzeugaussenseiten. Genau zwei Geländegängigkeit etwas modifiziert. Alle
der Aufbau in alter Form wieder herge- Originale waren noch erhalten und dien- einzelnen Originalteile bekamen eine
stellt. Nun konnte sich der Lackierer ans ten als Muster für die Rekonstruktion der Frischzellenkur. Das alte Achsgehäuse
Werk machen. Grau sollte der Laplander gesamten Seitenbeplankungen. Zu guter hatte Spiel und wurde durch ein neues
Anderthalb Jahre Arbeit beanspruchte die Totalrestauration des Laplanders bei der ClassicCarConnection in Lichtensteig.