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Bergeerleben

I.R.

DAS MAGAZIN DES ALPENVEREINS SÜDTIROL


0 1 / 20 www.alpenverein.it

KLIMAWANDEL
Poste Italiane SpA · Versand in PA · ges. Dekr. 353/2003 (abgeändert in Ges.27/02/2004 Nr. 46) Art. 1, Komma 1, NE BOZEN – TASSA PAGATA – TAXE PERCUE · Bergeerleben Nr. 1/2020, erscheint 5 x jährlich

TIEFRASTENHÜTTE
Unsere AVS-Hütten 32

ALLES ERLAUBT,
ODER? TIPP
Die Ethik des Eiskletterns 44
Sicher
umfädeln
DER ROSENGARTEN
Kunst & Berg 78
c l i m b i n g • t r e k k i n g • s k i t o u r i n g • t r a i l r u nEINSTIEG
n i n g

Liebe Mitglieder Liebe Leser

Break the law in diesen stürmischen Zeiten des Kli­


mawandels und der Folgen für unsere
Umwelt und Natur und somit auch für
„Über den Wolken muss die Freiheit
wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle
Sorgen blieben darunter verborgen“.

of gravity! unsere Freizeittätigkeit ist es höchst an


der Zeit, dass sich der Alpenverein mit
diesem Thema befasst.
Dieses Lied von Reinhard Mey vor
45 Jahren wurde zur Hymne der Flie­
gerei. Heute bleiben die Ängste und

ADDICTED
Sorgen nicht verborgen. Flugzeuge
Zum Titelthema haben wir die Ehre, sind der Luxus-Klimakiller bzgl. CO2-­
durch einen Beitrag von Georg Kaser – Ausstoß. Würden Flugreisen mit Kos­
einem weltweit anerkannten Klima­ tenwahrheit verbunden, reduzierten
forscher und Glaziologen und zugleich sich zumindest Spaß- und Wochen­
AVS-Mitglied – einen kleinen Einblick endtrips. Abgaben zur Kompensation
in seine Tätigkeit und die Forschungs­ von CO2 sind Placebos zur Gewissens­
ergebnisse zu unserem Klima zu beruhigung.
­erhalten. Der AVS äußerte sich gegen den
Aber nicht nur der meteorologische ­Ausbau des Flughafens Bozen; nicht

TO MOUNTAINS
Klimawandel ist für stürmische Zeiten alle unserer 72.000 Mitglieder stimmen
verantwortlich, auch in unserem Verein dem zu.
gilt es zurzeit kleinere Stürme zu über­ Heute finden Forderungen Gehör,
stehen: Der Rücktritt einiger Funktio­ ­welche die Wissenschaft schon vor
näre und die öffentliche Diskussion in 40 Jahren anmahnte. Greta Thunberg
der Presse haben uns veranlasst, in appelliert an Politik, Wirtschaft und
dieser Ausgabe diesbezüglich einen Gesellschaft, Maßnahmen gegen die
Beitrag zu bringen, damit auch die CO2-Emissionen zu treffen. Denn der
AVS-Mitglieder die Hintergründe un­ Mensch ist betreffend Klimawandel
seres internen Klimas erfahren. Täter und Opfer zugleich.
Die positiven Rückmeldungen und die Immer öfter erreichen mich Anfragen,
äußerst rege Tätigkeit in den Sektio­ warum wir Berichte von Touren in ferne
nen und Ortsstellen lassen mich aber Länder abdrucken. Die Kritik ist be­
zuversichtlich in die Zukunft blicken, rechtigt! Auch wir im AVS müssen zu
und ich bin überzeugt, dass auch diese einer Grundsatzposition gelangen
Klettern ist deine Leiden- „Stürme“ sehr bald abziehen werden. ­sowie die Tourenprogramme überden­
schaft und du gehst gerne Beide Klimathemen wollen wir Euch ken. Wir alle sind gefordert, das Kon­
t r vorenthalten und wünschen eine
bat fünicht
sum- und Mobilitätsverhalten zu verän­
an deine Grenzen. Dann dern. Denn die Freiheit über den
spannende Lektüre.

Ra
brauchst du die optimale Wolken ist nicht grenzenlos.
Ausrüstung, die dich
nach oben bringt.

er
Wir beraten dich gerne.
Mit d Simeoni
g l i eGeorg Ingrid Beikircher
AVS-Präsident Redaktionsleitung

www.mountainspirit.com

sportler.com
39100 Boze n • Z wölfma lgre ine r-S tra ße 8A/ 8B • Mounta inS pirit Te l. 0471 053 434 • Marmot Store Tel. 01/20
Bergeerleben 0471 979
3 614
Am 28. Oktober 2018 veränderte sich in einem ­Großteil
der Ostalpen das Gesicht der Wälder. Sie wurden
vom Sturm Vaia mit einer Geschwindigkeit von nahezu
200 km/h dem Erdboden gleichgemacht.
Das fotografische Projekt „We are here“ der Künstlerin
­Roberta Segata widmet sich diesem Ereignis und den
­Folgen für Mensch und Landschaft im Bereich der
­Magnifica ­Comunità di Fiemme.
„We are here“ war im Februar im Fotoforum Bozen zu sehen.
www.robertasegata.com – wearehereproject.net Foto: Roberta Segata
INHALT

Im Zeckenwald
TITELTHEMA
KURZ & BÜNDIG8

Ängste und Gefahren – ein Faktencheck


Klima- KLIMAWANDEL
Der Gletscherschwund in Bildern 10

wandel Interview: Georg Kaser


Glosse: Wir Umweltschützer
14
19
Zero-Waste-Aktion des Landeskaders 20
#MeinHausberg21
Kommentar: Flugschämen wir uns! 22
Nachhaltig reisen 24

AVS-AKTUELL
AVS-Hüttenserie: Tiefrastenhütte 32
Schutzhütten: Bescheidenheit am Berg 34
Fachtagung für Hüttenwirtsleute 2019 36
Jobs auf Alpenvereinshütten 37
Der AVS in den Schlagzeilen 38
In memoriam: Paul Andres 40
Neue Markierungsrichtlinien 41
Jubiläumsjahr feierlich beendet 42

ERSTBEGEHUNGEN
6 Erstbegehungen 43
88 Ethik des Eiskletterns 44
Foto: Catkin, pixabay
Pandora, neue Eislinie 47

UNTERWEGS
Bescheidenheit am Berg
Aus alt mach neu ? Die Schutzhütte zwischen Gäste­
Durch die Droites-Nordwand
Alpinwanderrouten im Val Forno
50
53
Über das Gehen auf Wegen anspruch und Authentizität 34 10 Im Rollstuhl durch die Dolomiten 56
Foto: Hans Pescoller Durch das Bachbett 60
In Holz gemeißelt Auf den Spuren des Klimawandels 62
Nachhaltige Bergerlebnisse
Neue Markierungsrichtlinien
mit Kindern 66

Die Welt ist


mit Landes­beschluss 41
GIPFELGESPRÄCHE
Erstbegehungen 43

nicht genug
Gehen auf „alten“ und „neuen“ Wegen 70
Die Welt ist nicht genug 74
Gewürzt mit Tiefblicken
Durch die Droites-Nordwand 50 KULTUR & CHRONIK
Fabian Haspinger im Gespräch Ausstellung „Mythos Rosengarten“ 78
Fornomenal!
Der Rosengarten in der Kunst 80
Neue Alpinwanderrouten in Die Erschließung des Rosengartens 84
­Graubünden 53
STRIX NATURFOTOGRAFEN
Wenn Wissenschaftler Thema: Bergformen 86
wandern
GEH-SUNDHEIT
Auf den Spuren des Klimawandels 62
Im Zeckenwald: Ängste und Gefahren 88
Nachhaltige Bergerlebnisse
TIPPS & INFOS
mit Kindern 66
Bergsteigertipp: Umfädeln 92
alpenvereinaktiv.com94
Produktneuheiten96
AVS-Bücherecke97
Titelfoto: Kultbuch/Impressum98
Hangender Ferner, Übeltalferner, Grüblferner |
Stubaier Alpen
oben: 2018; Fotograf: Christoph Oberschmied/
70 Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz
Foto: Alexander Alber unten: 1930; Fotograf: Richard Jöchler/Archiv:
Gianluigi Franchi
74
Foto: Fabian Haspinger
6 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 7
Kurz & Bündig

kurz & bündig Alpinismus ist


UNESCO-Kulturerbe
Das Bergsteigen erfreut sich wachsen­
der Beliebtheit, nicht nur in Südtirol,
nicht nur im Alpenraum – sondern inter­
Ötztal-Pitztal: Gletscherverbauung national. Nun ist der Alpinismus in die
vor dem Aus? „Liste des immateriellen Kultur­erbes
der Menschheit“ aufgestiegen. „Das
Auf Antrag der Skigebietsbetreiber von rund 90 Fußballfeldern (64 Hektar) Klettern und Wandern im Gebirge“,
wurde die für 22. bis 24. Januar 2020 an wild zerklüfteter Gletscherland­ schreibt die deutsche UNESCO-­
vorgesehene Verhandlung zum schaft zu Skipisten eingeebnet und Kommission zur Neuaufnahme, „basiert
­umstrittenen Projekt „Skigebietserwei­ planiert wird. Für die Errichtung neuer auf vielfältigem Wissen über die Natur-
terung und -zusammenschluss Pitztal- Gebäude sollen zwei Fußballfelder und Wetterverhältnisse sowie die eige­
Ötztal“ von der UVP-Behörde abge­ (1,6 Hektar) an Gletschereis abgetra­ nen körperlichen Fähigkeiten und be­
sagt. „Wir begrüßen diesen Schritt gen werden. Mit dem Linken Ferner­ tont Werte des Miteinanders und des
und sehen uns in unseren Argumenten kogel und den Gletschern Karlesferner, verantwortungsvollen Umgangs mit der
bestätigt. Gletscherlandschaften sind Hengender Ferner und Mittelbergfer­ Natur.“ Werte, die man beim AVS nur
hochsensible, nicht regenerierbare ner würde zugunsten des Massen­ unterschreiben kann und seit Bestehen
Lebens­räume, die besonderes Schut­ tourismus eine gänzlich ursprüngliche der Alpenvereine betont. „Der Alpinis­
AVS-Tour im Rahmen des Projekts ALPINIST.
zes bedürfen,“ heißt es vonseiten des und intakte Hochgebirgslandschaft mus ist für uns Alpinvereine Ursprung Tradition der Wanderweidewirtschaft – Das Projekt ALPINIST fördert mit großem
Öster­reichischen und Deutschen endgültig zerstört werden. und Motor allen Tuns – seit 150 Jahren“, auch der Alpinismus in die renommier­ Erfolg junge Südtiroler Bergsteiger im
selbstständigen Unterwegssein
Alpen­vereins, die sich gemeinsam mit Die Alpenvereine gehen davon aus, so AVS-Präsident Georg Simeoni. Für te L­ iste aufgenommen wurde und somit
Foto: Veit Bertagnolli
dem Alpenverein Südtirol im Rahmen dass die angesprochenen weiteren den AVS-­Präsidenten ist es eine beson­ 2019 gleich zwei für Südtirols Selbst­
der Kampagne #unserealpen entschie­ ­Erhebungen vor Ort zeigen werden, dere Freude, dass neben der Trans­ verständnis so bedeutsame Traditionen
den gegen das Projekt ausgesprochen dass aufgrund des fortschreitenden humanz – der länderübergreifenden Anerkennung erfuhren.
hatten. Die Gletscherverbauung Pitz­ Gletscherrückgangs derartige Projekte
Laura Rogora in L-Mens (8b+)
tal-­Ö tztal sieht vor, dass eine Fläche nicht zukunftsfähig sind. Foto: Federico Frullani
Gasherbrum-Expedition beendet Kurt Walde ist
Tamara Lunger und Simone Moro habe tung der beiden Acht­tausender
neuer ­Präsident
Laura Rogora ihre Gasherbrum-Expedition im Januar Gasherbrum I und G ­ asherbrum II der Bergführer
auf ­Höhenflug abgebrochen. Weil der Wahl­südtiroler ­(Hidden Peak) im Alpinstil.
Moro beim Überqueren e ­ iner Glet­ Zuletzt war das Vorhaben Reinhold Am 23. November
Die italienische Sportkletterathletin scherspalte in die Tiefe ­gestürzt war, Messner und Hans Kammerlander vor vergangenen Jahres
Laura Rogora befindet sich derzeit hatte sich Tamara beim Einbremsen 35 Jahren g­ elungen, als erste Acht­ hat Südtirols Ver­
in Topform. Nach der geschafften des Sturzes an der Hand verletzt. Die tausender­überschreitung überhaupt – band der Berg- und
Qualifikation im Dezember für die beiden Extremberg­steiger entschie­ allerdings im Sommer. Die Traverse Ski­führer einen neu­
Olympischen Sommerspiele 2020 in den daraufhin, die Expe­dition abzu­ wäre somit ein alpines Meisterstück en Ausschuss ge­
Tokio konnte die Römerin zum Jahres­ brechen. Geplant war die Überschrei­ gewesen. wählt. Der seit 2017
wechsel gleich zwei weitere Erfolge amtierende Präsi­
feiern: Mit „La Bongada“ im spani­ Tamara Lunger und Simone Moro dent Ingo Irsara hat
am Gasherbrum
schen Margalef konnte sie ihre insge­ sich nicht mehr der
Foto: Facebook/Tamara Lunger Foto: Verband der Südtiroler
samt fünfte 9a klettern, und mit der Wahl gestellt und Berg- und Skiführer
onsight-Begehung von L-Mens (8b+) die Vertretung der
im Mont­sant-Gebirge schuf sie einen rund 200 Mitglieder an den 57-jährigen
■ Skipisten neuen italienischen Rekord. Noch Pusterer Kurt W­ alde weitergegeben.
■ Seilbahnstation ­keiner italienischen Athletin war je zu­ Ingo Irsara blickt auf eine ereignisrei­
■ Aufschüttungen, vor eine onsight-Begehung in diesem che Amtszeit zurück: Vor ­allem die
Leitungen etc.
Schwierigkeitsgrad gelungen. Und für Neuorganisation der Wanderleiter und
■ Abtrag des Berggrats
die erst 18-jährige Nachwuchskletterin die Eintragung in das entsprechende
–– Seilbahnen
ist noch einiges drin; der nächste Sonderverzeichnis war eine zeitinten­
Schwierigkeitsgrad – 8c – konnte noch sive Aufgabe in der Verbandsarbeit
Visualisierung der geplanten von keiner Frau onsight geklettert wer­ der letzten beiden Jahre. Er übergibt
Skipisten und Seilbahnen um
den Linken Fernerkogel den. Vielleicht knackt Laura Rogora in an Kurt Walde einen gut aufgestellten
Foto: WWF Zukunft noch einen Rekord? Verband.

8 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 9


Klimawandel

Phänomene des Klimawandels


Der Gletscherschwund in Bildern

I
m Jahre 2050 wird die Hälfte der zulande großteils verschwunden sein. Die Wanderausstellung „Goodbye
Masse der Alpengletscher ver­ Die von der Agentur für Bevölkerungs­ glaciers“ war letzthin in Galtür, Bozen,
schwunden sein – unabhängig da­ schutz der Autonomen Provinz Bozen-­ Naturns, Antholz Mittertal und Sand in
von, wie wir uns bis dahin verhalten. Südtirol mitgestaltete Aus­stellung Taufers zu sehen.
Wenn wir es schaffen, die Erderwär­ „Goodbye glaciers“ veranschaulicht
mung deutlich unter zwei Grad zu ­anhand der Gegenüberstellung von Weitere Ausstellungsorte:
­begrenzen, wird bis 2100 ein Drittel ­alten und neuen Bergfotografien, wie Galerie Claudiana, Innsbruck
davon überleben – wenn nicht, wird rasch dieser Gletscherschwund in un­ 3.4. – 31.5.2020
es in den Alpen dann keine Gletscher seren Bergen ­vonstatten geht und wie Aquaprad, Prad am Stilfser Joch
mehr ­geben. wichtig es deshalb ist, dieses Phäno­ 5.6. – 2.8.2020
(Zekollari, Huss & F
­ arinotti, men – etwa mithilfe eines interregio­ Naturpark Haus Längenfeld,
The Cryosphere, 2019) nalen Gletschermonitorings – laufend ­Längenfeld 7.8. – 27.9.2020
Unsere Gletscher schwinden. An zu beobachten und zu analysieren.
­einigen heißen Sommertagen verliert Ein entsprechendes Monitoringkon­ Bergeerleben zeigt auf den folgenden
ein Alpengletscher im Schnitt 20 Zenti­ zept für Südtirol wird im Rahmen des Seiten einige markante Bildbeispiele
meter Eisdicke. Bis zum Ende des Jahr­ Projektes GLISTT (Glacier Inventory aus unseren Gletscherregionen.
hunderts wird das „ewige“ Eis hier­ South Tyrol-Tyrol) entwickelt.
2018

2018 1930 1931


Fürkeleferner, Zufallferner, Langenferner | Ortlergruppe Laaser Ferner | Ortlergruppe
Links – Fotograf: Stefano Benetton; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz Oben – Fotograf: Stefano Benetton; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz
Rechts – Fotograf: Mario Bossolasco; Archiv: Comitato Glaciologico Italiano Unten – Fotograf: Giuseppe Cantoni; Archiv: Comitato Glaciologico Italiano

10 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 11


2018 2018

Jahr unbekannt 1927


Suldenferner | Ortlergruppe Oberer Ortlerferner, Niederer Ortlerferner, Madatschferner | Ortlergruppe
Oben – Fotograf: Luca Messina; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz Oben – Fotograf: Stefano Benetton; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz
Unten – Fotograf: unbekannt; Archiv: Österreichischer Alpenverein Unten – Fotograf: Lorenz Fränzl; Archiv: Comitato Glaciologico Italiano

12 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 13


Klimawandel

„Gletscher sind Maschinen,


die Wetter in Klimasignale verwandeln.“
Georg Kaser

waren sie seit der letzten Eiszeit grö­ würden. Mit der Förderung und Ver­
ßer und kleiner als heute. Viele unse­ brennung von Kohle, Erdöl und Erdgas
rer kleinen Alpengletscher waren haben wir einen Speicher angezapft,
­sogar vorübergehend verschwunden. der nicht regenerierbar ist. Auch wenn
Die treibenden Klimaschwankungen sich technische Lösungen finden, das
­da­hinter waren zyklisch. Der men­ CO2 als Gas, flüssig oder fest aus der
schengemachte Klimawandel ist nicht Atmosphäre zu holen, bleibt immer
­z yklisch sondern stetig und anhaltend, noch die Frage nach der Lagerung.
und er passiert sehr schnell. Zyklische Forschungsprojekte, es in leer gewor­
Schwankungen werden von Schwan­ dene Ölkammern oder Salzstollen zu
kungen der Erdbahn um die Sonne pumpen, scheiterten teilweise am im­
­gesteuert. Die daraus folgenden zy­kli­ mensen finanziellen Aufwand. Zudem
schen Schwankungen der Sonnen­ ist ungewiss, ob das CO2 bei leichten
einstrahlung wurden vom serbischen tektonischen Verschiebungen nicht
Mathematiker Milankovic berechnet, doch entweichen kann. Anders ist das
sie lassen sich über Jahrmillionen prä­ Verbrennen von Biomasse: Da beim
zise rekonstruieren und vorhersagen. Nachwachsen die Photosynthese CO2
Ein weiterer Faktor für (episodische) wieder bindet, bleibt die CO2-Konzen­
Klimaschwankungen sind große Vulkan­ tration in der Atmosphäre konstant.
eruptionen, die in den meisten Fällen
Wie verhalten sich die CO2-Gase

Südtirols Gletscher
wegen des damit verbundenen
Trübungseffektes in der Atmosphäre in der Atmosphäre bzw. in den
zu einer Abkühlung führen und etwa Weltmeeren?
fünf Jahre dauern können. Etwa zwei Drittel der momentanen

werden bald verschwinden


Das, was wir Wissenschaftler als CO2-­Emis­sionen bleiben in der Atmo­
Klima­wandel bezeichnen, ist die Ände­ sphäre, das restliche Drittel wird in den
rung des energetischen Zustandes des Meeren gelöst. Das führt zur Abnahme
Klimasystems. Der Energieinhalt nimmt des pH-Wertes in den Ozeanen und
Ein Gespräch mit dem Glaziologen und Klimaforscher Georg Kaser Foto: Daniela Brugger
mit der Konzentration von Treibhaus­ damit zur Versauerung. Als Folge sind
gasen zu. Die anhaltenden Emissionen bereits jetzt nachteilige Verände­
von Treibhausgasen durch den Men­ rungen im Nahrungskreislauf der
Georg Kaser gilt als einer der ein- Uni Innsbruck. Wir sprachen mit Nordwesten des Karakorum, wo infol­ höher als unsere Gipfel. Weil Gletscher schen, allen voran CO2, führen also zu Meereslebe­wesen erkennbar.
flussreichsten Klimaforscher dem in Karthaus im Schnalstal ge des Klimawandels Verschiebungen träge reagieren, ist ihr Schwund erst einem stetigen Anheben des Systems
­weltweit. Zweimal arbeitete er als wohnhaften Wissenschaftler und der Monsunmuster einige wenige jetzt deutlich sichtbar. Bereits beim auf ein immer höheres Energieniveau. Mit welchen weiteren Auswirkun-
Leitautor am Sonderbericht des passionierten Bergsteiger. Gletscher wachsen lassen, ist weltweit jetzigen Klima hat kein Südtiroler Glet­ Die natürlichen Schwankungen und gen in den Meeren ist zu rechnen?
Weltklimarates der Vereinten Natio­ ein massiver Rückgang der Gletscher scher eine Überlebenschance. Da ist Episoden werden mitgenommen. Wir Neben der Versauerung werden die
nen mit, der 2007 den Friedens- Vor 120 Jahren betrug die Fläche zu verzeichnen. Große Gletscher zer­ jede aktuelle oder künftige Eindäm­ sind bereits mitten in dieser klimati­ obersten Schichten der Ozeane immer
nobelpreis verliehen bekommen des Okjökull in Island 38 km², vor fallen in kleine, die kleinsten ver­ mung des CO2-Ausstoßes bereits zu schen Systemänderung. Eine Folge wärmer. Dadurch vermischen sie sich
hat. Seit 2017 ist Georg Kaser 40 Jahren waren es noch 3 km². schwinden als erste. spät. Viele kleine Gletscher gibt es ja des erhöhten Energieniveaus ist die schwerer und es kommt kein Sauer­
­Mitglied der Österreichischen 2019 wurde er als erster Gletscher bereits nicht mehr und in 30, 40 Jahren Verschiebung von globalen Nieder­ stoff mehr in die Tiefe. Neben diesen
­Akademie der Wissenschaften, weltweit für tot erklärt. Todesursa- Droht Südtirols Gletschern das­ werden auch die letzten verschwinden. schlagsmustern und -intensitäten. ökologischen Veränderungen in den
2018 ­erhielt er das Österreichi- che: die Klimakrise. Wie sehen Sie selbe Schicksal wie dem Okjökull? Weltmeeren ist das wohl größte Prob­
sche Ehren­k reuz für Wissenschaft die Entwicklung unserer Gletscher? Die Gletscher in Südtirol sind ver­ Kritiker des Klimawandels sagen, Worin liegt die Hauptursache von lem des Klimawandels der Anstieg
und Kunst, I. Klasse. Als Professor Von solchen kleinen Gletschern sind gleichsweise winzig. Die Gleichge­ dass hohe Bergregionen früher CO2-Emissionen? des Meeresspiegels. Der setzt sich
für Klima- und Kryosphärenfor- weltweit schon viele verschwunden wichtslinie, über der im Herbst der auch eisfrei waren und sich dieser Die Ursache ist das Verbrennen fossiler aus den Massenverlusten der polaren
schung sowie als Dekan der Fakul- und es verschwinden alljährlich weite­ Schnee liegen bleibt und unterhalb Vorgang einfach nur wiederhole … Brennstoffe, die erst in Jahrmillionen Eisschilde, dem Schmelzen der rund
tät für Geo- und Atmosphären­ re, gerade auch bei uns in den Alpen. welcher das Eis schmilzt, liegt hier be­ Gletscher folgen mit Verzögerung wieder gespeichert und gewaltige tek­ 200.000 Gletscher weltweit und der
wissenschaften wirkt er an der Bis auf ganz wenige Ausnahmen im reits seit rund eineinhalb Jahrzehnten klima­tischen Veränderungen und so tonische Verschiebungen voraussetzen thermischen Expansion des sich

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Klimawandel

Kumulative Längenänderung Südtiroler


done – Not what is politically feasible!“ Gletscher. 0

Kumulative Längenänderung in m
Wenn wir noch eine Chance haben Die Vorstöße von 1970 bis Ende der –200
1980er-Jahre sind durch die Trübung der
wollen, den Klimawandel einigerma­ globalen Atmosphäre durch den Schwefel­ –400
ßen mitzugestalten, müssen wir ihn in ausstoß der Industrie entstanden. Vor 1970:
Rückzug aus Kleiner Eiszeit, dann zwar Kli- –600
den nächsten 10, 15 Jahren in den Griff maerwärmung, aber durch Schwefel
bekommen. Das müssen auch die Poli­ maskiert. Filteranlagen gegen Wald­s terben –800

tik und die Wirtschaft begreifen. Ich und Zusammenbruch der UdSSR haben zur –1000
Reduktion der Schwefelemis­sionen geführt.
hoffe, dass die Jugend mit ihren For­ Daten: Hydrographisches Amt der Autonomen Provinz Bozen. –1200
derungen noch massiver wird – Forde­ Darstellung: Klimareport 2018, Eurac Research
–1400
rungen, welche die Wissenschaft seit
–1600
40 Jahren stellt, die aber nicht gehört
wurden. In Tausenden Vorträgen und –1800
1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020
Berichten weltweit haben wir Klimafor­ Und, es werden viele Menschen kom­
scher auf das Problem aufmerksam ge­ men, die aus unbewohnbar werden­ Östlicher Nevesferner Gliederferner
macht. Nichts ist passiert. Erst einem den Gegenden weg müssen. Hochjochferner Bärenbartferner
16-jährigen Mädchen gelang es, die Langtaufererferner Langenferner
Zufallferner Fürkeleferner
Welt wachzurütteln. Wo müssen wir ansetzen?
Hohenferner Ultenmarktferner
In Südtirol stehen wir mit der vielen er­
„Fokussiere dich auf das, was getan werden Steigt der Meeresspiegel auch „nur“ „Wir müssen die ewigen Propheten neuerbaren Energie nicht ganz
muss – nicht auf das, was politisch machbar
ist!“ Greta Thunberg um 10 Zentimeter, bedeutet dies z. B. des Untergangs und die Vorher­ schlecht da. Die Hauptverursacher an Was nützen Maßnahmen im ein Problem, das viele Entscheidungs­
Foto: wikimedia commons/Leonhard Lenz im Nildelta landeinwärts eine kilo­ sagen einer Apokalypse ablehnen“, den Südtiroler Treibhausgasemissio­ ­Kleinen gegen die CO2-Schleudern träger in den Bundesstaaten und in
meterweite Versalzung; Auswirkungen sagte Donald Trump beim dies­ nen sind der Verkehr, das Heizen und wie China, Amerika, Indien? großen Firmen erkannt haben. Indien
sind bereits jetzt, mit rund 20 Zentime­ jährigen Wirtschaftsforum in Kühlen von Gebäuden sowie v. a. die Wenn wir die Treibhausgasemissionen hat eine sehr niedrige Prokopfemis­
­ rwärmenden Meerwassers zusam­
e tern höherem Meeresspiegel gegen­ ­Davos. Wie fühlen Sie sich als industrialisierte Landwirtschaft. Der auf null reduzieren wollen, müssen alle sion. Auch in unserem Land müssen
men. 2018 stieg der Meeresspiegel im über vorindustrieller Zeit, festzustellen, ­direkt angesprochener Wissen- Verkehr muss also massiv zurückgefah­ mitmachen. China rüstet bereits mit vernünftige politische Lösungen
globalen Mittel um 3,4 Millimeter an, Anbaumethoden und Nahrungsmittel­ schaftler? ren, die öffentliche Mobilität ausge­ riesigen Flächen an Windrädern und ­gefunden werden, v. a. im Bereich
es ist der bisherige Rekordwert seit versorgung sind gefährdet. Dasselbe Ach, mir ist ein Donald Trump wurscht. baut werden. Weiters muss eine Fotovoltaikanlagen sowie Wasserkraft­ Mobi­lität, aber auch in der Gebäudein­
der Aufzeichnung. Der Meeresspiegel gilt im Golf von Bengalen. Die Folge Problematisch sind die, welche seines­ CO2-Abgabe eingeführt werden, wel­ projekten auf. Die politischen Umset­ frastruktur, der Landwirtschaft, im Tou­
steigt jedoch nicht überall in gleichem werden globale Völkerbewegungen gleichen in wählbare Positionen brin­ che dann sozial gerecht verteilt wird. zungsmethoden sind natürlich bei uns rismus. Die Interessenkonflikte werden
Maße. Die größte Zunahme haben wir sein. Was derzeit an Migration nach gen, und jene Massen, die sie dann undenkbar. Dass ich nicht das Brixner sich in dem bereits begonnenen ge­
in den Tropen, während in den Zonen Europa strömt, ist im Vergleich zu dem, auch wählen und damit unsere Demo­ Becken mit einem Stausee fluten oder sellschaftlichen Wandel auch in unse­
Der Anstieg der mittleren Temperaturen
der größten Eisschmelze wie Patago­ was kommen wird, ein Klacks. kratien massiv beschädigen. Damit an der Messstation in Bozen seit 1960 den Vinschgau mit Solarpaneelen zu­ rem Land verstärken und unsere Ge­
nien, Alaska oder Grönland das Meer wird ein friedlicher gesellschaftlicher Darstellung: Klimareport 2018, Eurac Research decken kann, ist klar. Die USA haben sellschaft durchdringen und belasten.
sogar zurückweicht, da die Massen­ Was tun gegen den Klimawandel? Wandel, der auch das Klima in letzter Da wird ein starkes demokratisches
anziehungskraft der schwindenden Das, was die Fridays-for-Future-Bewe­ Minute in den Griff bekommen könnte, Mit diesem Mathematische Modelle Dieser Temperatur- und solidarisches Bewusstsein drin­
Kontinentaleismassen abnimmt. Viele gung sagt: Endlich aufhören mit dem immer schwieriger. Temperaturanstieg liefern keine hundertprozentig anstieg ist zu gend notwendig werden.
Inseln und Küsten der niederen Breiten ganzen System des Ausbeutens, ist zu rechnen, sicheren Vorhersagen. Der erwarten, sollten
wenn die Emissionen farbige Bereich zeigt die die Emissionen ab
werden in den nächsten 100 Jahren des An-die-Wand-Fahrens! Greta Wie wird sich der Klimawandel nicht sinken. Spannbreite der Unsicherheit 2040 zurückgehen GLETSCHER WELTWEIT
überflutet werden, Millionen von Men­ Thunberg formuliert es blitzscharf: in Südtirol auswirken?

Jahreszeitliche mittlere Temperatur


schen müssen dann ihr Land verlassen. „Start focusing on what needs to be Bisher blieb in Südtirol der Aufbau der Anzahl: ca. 200.000
Winterschneemengen noch halbwegs Ausdehnung: 726.258 km²
27,5
38,5% münden ins Meer (ca. 320 mm
im Rahmen. Solange auf 2.000 Metern
Meeresspiegeläquivalent)

[°C] im Sommer
bis zu Beginn der Vegetationsperiode
„Im Jahr 2050 wird die Hälfte der Masse der im Tal eine Schneedecke liegen bleibt,
25,0 Quelle: IPCC AR5 WG1 Ch. 4 (2013) / Pfeffer et al JoG (2014)
/ Forinotti et al Nature GS (2019)

­Alpengletscher verschwunden sein – unab- ist der Wasserhaushalt in Ordnung.


Falls nicht, wird es wassertechnisch
22,5

hängig davon, wie wir uns bis dahin verhalten. problematisch werden. Wenn Glet­
20,0
GLOBALE ERWÄRMUNG
scher verschwinden, hat das hydrolo­ 0,5° C Unterschied ist bedeutend
Wenn wir es schaffen, die Erderwärmung unter gisch nur geringe Auswirkungen, es 1960 1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100 +1,0°C (heute): Auswirkungen sichtbar
können Seen entstehen, die Fauna
2 Grad zu begrenzen, wird bis 2100 ein Drittel
+1,5°C: ernsthafte Auswirkungen
Beobachtung
und Flora wird sich im Hochgebirge einzelner Jahre +2,0°C: Auswirkungen z. T. irreversibel

davon überleben – wenn nicht, wird es in den ändern. Arten werden höher wandern,
­einige nach oben hin verschwinden.
10-jähriges Mittel
+1,5 C kann gehalten werden mit
45 % CO2-Reduktion bis 2030 und
Alpen dann keine Gletscher mehr geben.“ Schädlinge werden zunehmen. Extrem­ Die Linie steht für
die Mittelwerte
Die Punkte bezeichnen
die Temperaturen der
Szenario 0-Netto-Emissionen bis 2050
ereignisse wie Stürme und Unwetter der Vergangenheit. einzelnen Jahre. RCP4.5 RCP8.5 Quelle: IPCC Spezialbericht SR1,5 (2018)

Georg Kaser werden stärker und häufiger werden.

16 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 17


Klimawandel

Treibhausgas-Ausstoß pro Kopf in Südtirol


und in Italien im Jahr 2013, aufgeschlüsselt 8 GLOSSE
nach Sektoren (in Tonnen Co2-Äquivalent)

Wir Umweltschützer
Daten: ISPRA, Amt für Luft und Lärm, Autonome Provinz
­Bozen. Darstellung: Klimareport 2018, Eurac Research 7
0,60 Abfall und Verkehr
(nicht Straße)
6
1,79 Energieproduktion
5
0,13
0,37
und Verteilung Nachhaltig dargestellt von Erich Daniel
Welchen Einfluss hat die Über­ von Brennstoffen
0,46
bevölkerung? Industrie
4 1,12
Die Ernährung der heutigen Bevöl­ 0,95 Der Schutz der Bergwelt ist für die Frei wie die Berge sie aber gebaut sind, erkennen wir
Landwirtschaft
kerung wäre bei geeigneter Umver­ Alpenvereine Programm und Ver- Da für den Bergsteiger der Weg nicht ­sofort ihre Unverzichtbarkeit und
3 0,62 Nicht Industrie
teilung kein Problem. Das globale 1,08 pflichtung. Aber der Teufel steckt das Ziel, sondern nur Mittel ist, stellt ­nutzen sie – mit dem AVS-Ausweis in
(Heizung)
Bevölkerungs­wachstum hat bereits bekanntlich im Detail und das sind sich die Frage nach dem idealen Ver­ der Hand, wegen der Ermäßigung.
1,30 Straßenverkehr
­abgenommen und wird um 2050 null 2 die Mitglieder. Es wäre reizvoll her- kehrsmittel: Zug, Bus, Seilbahn wären
werden. Die Herausforderung ist die auszufinden, ob sich AV-Mitglieder umweltfreundlich, aber man ist zeitlich Neinsager als Kompliment
Umverteilung. 1 2,31 umweltbewusster verhalten als gebunden, und der Tiroler will frei Also alles Fockalotti? Keineswegs! Es
1,59 ­andere Bergfexen. Wollen wir ihnen sein, frei wie seine Berge! Also hinein gibt die vielen engagierten, ehrenamt­
Der Evolutionsbiologe Irenäus – (uns) ein wenig zuschauen? in den SUV, denn wozu hat eine um­ lichen, umweltbewussten und umwelt­
Eibl-Eibesfeldt schreibt in seinem Italien Südtirol weltbewusste Politik den Bau der aktiven Alpenvereinsmitglieder, die
Buch „In der Falle des Kurzzeit­ Ein vollwertiges Mitglied unserer Ge­ Bergstraßen subventioniert? Wander­ Wege und Almen pflegen und Müll ein­
denkens“ über das Problem des sellschaft muss kaufen, damit es etwas steige sind ohnehin nur Rennstrecken sammeln, es gibt die Hüttenwirte, die
Menschen, nur seine eigene oder zum Wegwerfen hat. Dabei lassen für Mountainbiker. mit dem Umweltgütesiegel ausgezeich­
höchstens noch die nächste gesellschaftlichen System. Dieses wür­ ­ erne weglos in den Bergen unter­
g wir uns als (Werbe-)Träger des neues­ net werden. Trotzdem muss der Alpen­
­Generation zu überschauen, im de sich radikal ändern, wenn ökolo­ wegs – allein und mit der Sehnsucht ten Outdoor-Outfits von den Sport­ In der Komfortzone verein als „Anwalt der Alpen“ wachsam
­Sinne von „nach mir die Sintflut“. gische Kostenwahrheit erzielt würde. zur Selbstbesinnung. Einige Berge in geschäften den richtigen Weg weisen. Viele Alm- und Schutzhütten erfüllen bleiben und den Vorwurf des „ewigen
Sehen Sie das auch so? ­A sien, in den Dolomiten sind für Wir kaufen nicht mehr Rindsleder und unsere Erwartungen mit Speisen à la Neinsagers“ als Kompliment sehen.
Ja, so scheint es leider zu sein. Noch Auch der Bergsteiger „konsumiert“, mich die spirituellsten Orte der Welt, Schafwolle, sondern goretexische was­ carte, Warmwasser, Dusche und Strom Die Ökobilanz des Bergsports ist
dramatischer ist es aber in der Politik, indem er weltweit neue Ziele die es gibt. serdichte, windfeste, schweißabson­ rund um die Uhr (notfalls aus dem erwiesenermaßen insgesamt negativ.
wo man in noch kürzeren Legislatur­ ­kennenlernen will … Ingrid Beikircher dernde, atmungsaktive, superleichte Diesel­aggregat nebenan). Aber eine Aus der Sicht der Umwelt und der
perioden denkt. Es wird kaum einen Ich weigere mich, Vorschriften zu Kunstfasern, mit denen wir langfristig Sauna mit Whirlpool auf 3.000 Metern Vereins­kasse sind also jene AVS-Mit­
Politiker geben, der Entscheidungen ­machen. Jeder Einzelne und auch der die Fische des Meeres füttern, die ist natürlich ein Leckerbissen, nicht nur glieder die idealen, die pflichtbewusst
trifft, die für ihn, für die Partei von Alpen­verein sollten sich aber bewusst ­unsere Enkel dereinst essen werden, für unser Klima. Unseren Abfall nimmt ihren Jahresbeitrag zahlen, die Berge
Nachteil sind. Mutige, weitsichtige werden, mit welchem Aufwand er was daher der Ausdruck „enkeltauglich“. der Hubschrauber mit ins Tal, wenn von unten anschauen und vom freien
Maßnahmen entstehen erst, wenn betreibt, mit welchem ökologischen Dass wir AVSler hierin führend sind, er die Bierfässer abgeladen hat. Nur Betretungsrecht keinen Gebrauch
Zwänge es erfordern wie durch wetter­ Fußabdruck. lassen wir uns nicht nehmen! unseren ökologischen Fußabdruck ­machen.
bedingte Katastrophen oder wenn Das Getränk: Dose oder Plastik­ nimmt uns leider niemand ab. Erich Daniel, Sektion Schlanders
der Druck aus der Bevölkerung zu groß Der Alpenverein setzt sich zwar flasche? Was lässt sich unauffälliger Selbstverständlich protestieren wir
wird wie jetzt durch die Fridays-for-­ massiv für den Umweltschutz ein, entsorgen? Bergsteiger umwelt- und pflichtbe­
Future-Bewegung. Die Dürreschäden was allerdings in all den Jahr­ Wanderstöcke braucht jeder, ob wusst gegen den Bau neuer Straßen, Ausschnitt aus dem Südtirol-Spiel im
in den beiden letzten Sommern in Mit­ zehnten erreicht wurde, ist recht Mama oder Kind, ob auf der Alm oder Seilbahnen, Pisten und Hütten. Sobald ­Touriseum Meran. Der Riesenflipper setzt
teleuropa haben die Unmittelbarkeit bescheiden. Wie sehen Sie das? auf dem Tappeinerweg, sie degenerie­ sich ironisch mit dem Südtiroler Tourismus
und natürlich auch mit den Auswirkungen
der bereits begonnenen Klimaverän­ Wir Wissenschaftler waren jahrzehnte­ ren uns zu Vierbeinern und ruinieren des Alpintourismus auseinander
derung den Politikern und der Gesell­ lang nur Rufer in der Wüste und plötz­ unser angeborenes Gleichgewichts­ Foto: Touriseum – Südtiroler Landesmuseum für Tourismus

schaft ganz klar vor Augen geführt. lich zündete durch Greta Thunberg Georg Kaser (* 1953 in Meran), Stu­ gefühl.
der Funke. Nur weil Erfolge oft nicht dium der Meteorologie und Geografie.
Wie lässt sich die westliche Wohl- umgehend eintreten, darf man sich Als Professor für Klima- und Kryosphä­
stands- und Spaßgesellschaft von nicht vom Weg abbringen lassen. renforschung wirkte er am Institut für
ihrem Denken abbringen? Ich denke, dass der Ruf des Alpen­ Meteorologie und Geophysik und war
Unser Wohlbefinden ist scheinbar nur vereins für den Naturschutz sehr nach­ Vorsitzender des Zentrums für Klima
über Konsum und Wirtschaftswachs­ haltig ist. und Kryosphäre an der Leopold-­
tum zu erreichen, und zwar auf Kosten Franzens-Universität Innsbruck. Heute
von nicht erneuerbaren Ressourcen. Was bedeuten für Sie die Berge? gilt Georg Kaser als einer der bedeu­
Dieses Muster an „Wohlstand“ muss Es ist die mir vertrauteste Landschaft. tendsten Klimaforscher weltweit und
sich ändern. Wir sind gefangen im Ich hatte schon immer den Drang, war Mitglied im Weltklimarat der
­derzeitigen und bisher ja nicht erfolg­ auf Grate und Gipfel zu steigen, um ­Vereinten Nationen.
losen politischen, wirtschaftlichen und dar­über hinauszuschauen. Ich bin

18 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 19


Klimawandel

Eine Woche, #MEINHAUSBERG


26 Kids, Eine Mitmach-Aktion

ein Müllsackl
des Alpenvereins
­zugunsten unserer
Umwelt
Zero-Waste-Aktion des AVS-Landeskaders

N
achhaltigkeit ist ein Thema von
ernstzunehmender Bedeu­
Positive Bilanz: ein kleiner Müllsack. Als
Für das Sportkletter-Trainingslager ­ aren also nicht nur sportlich hoch­
w Gegen­gewicht haben die Jugendlichen am tung, gerade in einer Gemein­
in den französischen Westalpen motiviert. Durch die Einbeziehung der Wandfuß in Cèüse einen Papiersack voll schaft wie dem Alpenverein, der sich
Müll eingesammelt
hat sich der AVS-Landeskader eine Jugendlichen bereits in der Vorberei­ dem Natur- und Umweltschutz ver­
besondere Aufgabe gestellt: So we- tungsphase wurde das Müllprojekt von schrieben hat. Als Verband unterhalten
nig Müll produzieren wie möglich. allen mitgetragen und gelebt. wir ressourcenaufwendige Infrastruk­
Eine Aktion, welche die 26 Jugend­ Am Ende der Kletterwoche blieb ein turen wie die Landesgeschäftsstelle,
lichen von 12 bis 19 Jahren und ihre Die rote Welle kleiner Müllsack übrig, von dem der Vereinslokale und Kletterhallen; wir be­
Betreuer nicht nur sportlich zur Sobald die „Rote Welle“, der AVS-­ Großteil aber aus recycelbarem Müll treiben Schutzhütten, die wir zwar in
Höchstform auflaufen ließ. Landes­kader in seinen roten T-Shirts, bestand. Um dem ein Gegen­gewicht den vergangenen Jahrzehnten auch
im Klettergebiet aufgetaucht war, pur­ gegenüberzustellen, haben die Kletter­ im ökologischen Sinne modernisiert

C
èüse ist ein weltbekanntes Klet­ zelten die Grade: eine Route nach der kids am Wandfuß des Kletter­ge­bie­tes haben, bei denen wir uns aber immer
tergebiet in den französischen anderen wurde geklettert. Die anfäng­ herumliegenden Müll gesammelt. noch verbessern können. Unsere
Hautes Alpes. Er liegt etwas liche Skepsis bei den anderen Klette­ Am besten spiegeln die Kommen­ ­Mitglieder unternehmen Fernreisen
­abseits, rund eine halbe Autostunde rern angesichts einer so großen Grup­ tare einiger Athleten die Stimmung ­genauso wie wöchentliche Ausflüge –
von der Provinzhauptstadt Gap ent­ pe schlug bald in Bewunderung und der gelungenen Aktion wider: meist mit dem Privatauto – zu Wan­
fernt. Die Trainingsgruppe der Sport­ Anerkennung um. Die Klettergruppe Jana: „Das gemeinsame Einkaufen der-, Kletter- und Bergsteigerdestina­
kletterer im Alpenverein Südtirol ver­ war bald in der näheren Umgebung hat mir besonders gefallen. Ich war tionen, die wir in vorliegendem Magazin
brachte im vergangenen August ein bekannt. vorher noch nie in einem verpackungs­ regelmäßig abdrucken und somit be­
einwöchiges Trainingscamp auf einem Vor der Abfahrt war nach Menüplan freien Supermarkt.“ werben. Der Alpenverein mit seinen
Campingplatz am Fuße des Kletter­ in einem verpackungsfreien Super­ Lukas: „Als wir heimfuhren und an über 72.000 Mitgliedern verbraucht
gebietes – mit dem Ziel, sich auf die markt in Bozen eingekauft worden. Vor einer Raststätte haltmachten, hat mich Ressourcen und trägt Mitverantwor­
kommende Wettkampfsaison vorzu­ Ort konnten die Jugendlichen bei nach der Campingwoche inmitten der tung für den Klimawandel. Es ist ein
bereiten und dabei so wenig Müll wie ­einem Bauernhof Frischmilchprodukte Felder die Übermenge an Waren be­ Trugschluss zu glauben, dass wir das
Das Sarner Weißhorn
möglich zu produzieren. Die Kids wie Milch, Käse und Joghurt abfüllen. eindruckt.“ von heute auf morgen ändern können.
Foto: Miriam Federspiel
Andi: „Das Ergebnis von nur einem Aber wir können damit beginnen, uns
Sackl Müll war toll.“ der Verantwortung zu stellen. Und wir
Alina: Wieder zu Hause ist mir auf­ können versuchen, es in Zukunft bes­ steiger, jedes Mitglied dazu auf, zumin­ Im Sinne einer umweltfreundlichen
gefallen, dass es nicht leicht ist, wenig ser zu machen. Als Alpenverein ist das dest bei einer Bergtour im Jahr auf die Fortbewegung zwischen Tal und Berg
Müll zu produzieren. unser großes Ziel für die kommenden Anreise mit dem Auto zu verzichten können alle Teilnehmer, auch Indivi­
Maximilian: „Mir haben das Klettern Jahre. Vor allem aber können wir schon und eine Tour auf den eigenen Haus­ dualisten, ihren Beitrag zum respekt­
und das Leben am Camping am bes­ jetzt ohne großen Aufwand ein Zeichen berg zu unternehmen – möglichst mit vollen Umgang mit der Natur leisten.
ten gefallen!“ setzen. Weil wir viele sind. fairen Mitteln, d. h. entweder nur durch Hauptsache nachhaltig und verkehrs­
Ulla Walder Gemeinsam mit dem Deutschen Muskelkraft (zu Fuß, mit dem Rad) meidend!
und Österreichischen Alpenverein oder mithilfe öffentlicher Verkehrsmit­ Um die Aktion publik zu machen,
Der Landeskader wird unterstützt von ­haben wir seit vergangenem Jahr mit tel vom Heimatort aus. bitten wir euch nicht nur – auch mehr­
der Kampagne #UNSEREALPEN (www. #MEINHAUSBERG kann der hoch mals – mitzumachen, sondern auch
unsere-alpen.org) den Wert der Alpen aufragende Gipfel über dem Dorf sein, euer Foto auf den sozialen Netzwerken
in den Fokus gestellt. Dieser Kampa­ der regelmäßig vom Bergläufer im zu teilen! Setzen wir gemeinsam ein
gne ist das Projekt #MEINHAUSBERG Training schnellstmöglich bestiegen Zeichen und teilen die Gipfelfotos von
entsprungen. Mit #MEINHAUSBERG wird, aber auch ein unscheinbarer Hü­ unserer Hausbergbesteigung 2020 mit
Mit den Einkäufen aus dem verpackungs-
freien Supermarkt rufen wir nicht nur unsere Sektionen gel, wo die ganze Familie zusammen dem Hashtag #MEINHAUSBERG!
Foto: Jan Schenk und Ortsstellen, sondern jeden Berg­ den Sonntag beim Picknick verbringt. Euer Alpenverein Südtirol

20 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 21


Klimawandel

Allerdings hat der Mensch im Zuge Kritisch betrachtet kommt dieses Reise­ meine Gewohnheiten verändern und
seines zivilisatorischen Fortschritts die verhalten einer Kaffeefahrt gleich, bei hie und da für meine Touren eine Hüt­
Möglichkeit kennengelernt, die Welt der sämtliche Fluggäste die Kontrolle tenübernachtung einplanen. Vielleicht
zu bereisen. Besonders nach dem über ihren eigenen ökolo­gischen Fuß­ erreiche ich die Westalpen, die unent­
Zweiten Weltkrieg haben wir, nach der abdruck verloren haben. deckten Julischen Alpen, die Pyrenäen
Erfüllung unserer gesellschaftlichen oder die mir noch unbekannten Gebir­
Grundbedürfnisse, den Drang nach Luft nach oben ge ganz stolz mit der Bahn. Kann mei­
Freiheit durch das grenzenlose Reisen Der DAV-Summit-Club ermutigt seine ne langersehnte Fernreise, die für mich
gestillt. Dieser Freiheitsdrang ist not­ Kunden, bei der Urlaubsplanung eine Ausnahme ist, in Zukunft nicht
gedrungen mit dem Fliegen verbun­ ­darüber nachzudenken, ob diese – an­ auch länger als 20 Tage dauern?
den. Es versteht sich von selbst, dass stelle von mehreren kurzen Reisen im Als Freizeitbergsteiger stelle ich mir
man Weltoffenheit hinter dem Hori­ Jahr – sich eher für eine längere Reise aber die Frage, ob nicht auch die Be­
zont erfährt und dass uns das Reisen entscheiden sollen. „Auf das Jahr ge­ rufsbergsteiger, die vielen wandelnden
kulturell prägt oder sogar verändert. sehen verringert sich damit der ökolo­ Litfaßsäulen und andere angebetete
gische Fußabdruck, während der Er­ Alpin-Ikonen hier ein Zeichen setzen
Flugscham? Zu Recht!! holungswert um ein Vielfaches steigt“, sollten und ihre „Projekte“ in der
Vorschläge wie die Kerosinsteuer, so der Berg-Reiseveranstalter. ­Antarktis durch einfach erreichbare
­Deckelung von Flugreisen, CO2-Steuer Wenn ich mal meinen ökologischen Ziele in den Alpen ersetzen. Vielleicht
und Klimaprämien wurden auch in der Fußabdruck kritisch betrachte, dann können wir im Alpenverein den Anreiz
Politik alle schon genannt. Aber kann erkenne ich, dass auf meinem Weg zur schaffen, wenn der mit der Tour ver­
ein kultureller Wandel, den eine Ge­ Nachhaltigkeit noch sehr viel Verände­ bundene CO2-Ausstoß in der Schwie­

KOMMENTAR sellschaft auch mitträgt, von oben ver­


ordnet werden? Oder reicht es, den
rung möglich ist und dass die „Luft da
oben“ bedeutend weniger CO2-haltig
rigkeitsskala von Berg- und Hoch­
touren eine Rolle spielen würde?
Leuten ein schlechtes Gewissen, wie sein muss. Eigentlich brauche ich nur Peter Righi, designierter AVS-Kulturreferent

Flugschämen wir uns!


ich die „Flugscham“ nenne, einzure­
den? Diese kann man bekanntlich, wie
dies der DAV-Summit Club vormacht,
mit einigen „Kompensations-Euros“
Peter Righi zwischen Reiselust und Flugscham ausgleichen und sein Gewissen be­
ruhigen.
Da kann ich nur sagen: „Flug­
Fünf Skitouren im Kaukasus, eine Augenzeugen des Klimawandels dass wir aber so einiges an unserem schämen sollt ihr euch!“
Woche Trekking in Nepal, Wande- Eigentlich sind wir Bergsteiger Augen­ Lebensstil verändern müssen. Schnell Fakten belegen, dass ein zurück­
rungen auf den Kanaren und ein zeugen des Klimawandels. Wer mit sogar. gelegter Personen-Kilometer mit dem
paar Tage Klettern in Oman. ­offenen Augen durch die Bergwelt Wenn wir etwas gegen den Klima­ Flugzeug ein Vielfaches mehr CO2 in
geht oder rennt, dem fallen die klima­ wandel tun möchten oder ihn zumin­ die Atmosphäre pumpt, als eine Zug­

S
eit Beginn der 1990er-Jahre sind tischen Veränderungen dieses sen­ dest einbremsen wollen, dann muss fahrt es tut. In Schweden macht man
auch die alpinen Vereine auf den siblen Ökosystems auf. Die Gletscher unser CO2-Ausstoß drastisch verrin­ dagegen mit einer Kampagne mobil,
Geschmack gekommen, dem schmelzen dahin, die Baumgrenze gert werden. Nun höre ich wieder die und seit etwa einem Jahr wurde auch
Bergruf der Ferne zu folgen, und flie­ steigt und die Vegetationszonen ver­ Gegenstimme brummen: „Das ist ja bei uns die Wortschöpfung „Flug­
gen immer häufiger exotische Destina­ ändern sich. Immer häufiger beob­ ein globales Thema, die Mächtigen scham“ ins Vokabular aufgenommen.
tionen an. Auf der Strecke bleibt dabei achten wir Ereignisse wie Bergstürze, dieser Welt sollen dies ändern. Ich
der ökologische Fußabdruck. ­Muren, Steinschläge durch den schwin­ kann das Weltklima eh nicht verändern Die Kontrolle verloren
„Der ökologische ... was? Fußab­ denden Permafrost. Aber auch im All­ und da sollen zuerst einmal China, In Deutschland ist der Anteil der Flug­
druck? Hör bitte auf! Komm mir bitte tag sind wir immer häufiger mit Stark­ ­Indien und viele Entwicklungsländer reisen von ca. 30 Prozent aller Reisen
jetzt auch noch mit der ‚Flugscham’, regen, Dürre, Windsturm und anderen ihre Hausaufgaben erledigen. Außer­ im Jahr 2000 auf mehr als 41 Prozent
du Gretajünger du!“ Wetterextremen konfrontiert. In letzter dem hält die USA auch nicht das im Jahr 2018 gestiegen. Nur acht Pro­
Meine (selbst)kritischen Gedanken, Zeit sind die Stimmen der Klimawan­ ­Pariser Klimaschutzabkommen, des­ zent sind Fernreisen. Auch in Öster­
die ich nun in dieser Kolumne kundtue, del-Zweifler leiser geworden, aber halb ist ja eh alles egal!“ reich verzeichnen die größeren Flug­
werden irritieren. Dabei ist mir auch ­neben den vielen Warnrufen gibt es häfen seit dem Jahr 2014 zweistellige
mein inkonsequentes Handeln be­ nicht viele Lösungsansätze für diese Drang nach grenzenlosem Reisen Zuwachsraten. Vorwiegend sind es die
wusst, denn auch ich fliege immer wie­ weltweite Herausforderung. Ob die Gewiss ist, dass alle Länder der Welt Zwei- bis Viertagestrips in die über­
der zum Wandern und Bergsteigen in Lösung des globalen Klimawandels nur ihre Klimapolitik überdenken müssen laufenen europäischen Hauptstädte,
die Ferne und fahre jährlich viele Kilo­ im kompromisslosen Verzicht auf die und dies unsere Mobilität, unsere die von Billigfluggesellschaften an­
meter mit meinem „Euro-4-Stinker“ intensiven Abenteuer und Fernreisen Landwirtschaft und unser Konsumver­ geflogen und von konsumorientierten
Fotos: Pixabay
durch die Alpen. liegt, bleibt dahingestellt. Sicher ist, halten nachhaltig verändern wird. Schnäppchenjägern abgehakt werden.

22 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 23


Klimawandel

steigende Problembewusstsein den, wie etwa ein Moratorium für neue


­konkurriert aber immer wieder mit Tourismuszonen.
­Faktoren wie Reisepreis oder der Der zweite Punkt ist die soziale
verfüg­baren Zeit. Nachhaltigkeit. Eine Stärke des Mo­
dells Südtirol ist die gestreute Eigen­
Rüttelt dich die Fridays-for-­ tumsstruktur, d. h. eine breite Bevölke­
Future-­Bewegung auf? rungsschicht profitiert vom Tourismus.
Die wesentlichen Aspekte waren schon Essenziell ist auch die Qualität der tou­
vor knapp 40 Jahren Grundlage der ristischen Jobs in Bezug auf Arbeits­
Umweltdebatte. Momentan sehe ich zeiten und Arbeitsbedingungen oder
sehr viel Idealismus, aber wenige Ant­ der Anteil der Arbeitsplätze, der über­
worten. Was mir eher Unbehagen be­ haupt noch durch Einheimische abge­
reitet, sind eine bestimmte Hysterie deckt wird. Die Wertschöpfung soll
und mangelnde Meinungspluralität – eine große regionale Breitenwirkung
ich sehe fast schon ersatzreligiöse Ten­ entfalten und vor allem auch Land­
denzen, die leicht missbraucht werden gemeinden zugutekommen.
könnten. Bestimmte Kräfte stellen in Ökonomische Nachhaltigkeit
diesem Zusammenhang bereits die schließlich bedeutet, dass die Betriebe
Demokratie in Frage. Es braucht nun und eine Region auch wirtschaftlich
sehr viel Verantwortungsethik, Weit­ gesund sind. Hier ist weniger oft mehr,
sicht, Wissenschaftlichkeit und techni­ und die regionale Verwurzelung ist
sche Innovationen. Und natürlich die zentral für die Akzeptanz des Touris­
entsprechenden infrastrukturellen mus in der Bevölkerung. Regional ge­
Rahmenbedingungen. Beispiel: Inves­ wachsene Betriebe sind sensibler für
titionen in den Schienenverkehr. lokale Besonderheiten und Produkte,
Traditionen, den Landschaftsschutz,
Südtirol ist ein beliebtes Reiseland. das soziale Gefüge vor Ort oder die
Was könnten Tourismustreibende Vermarktung von landwirtschaftlichen
für mehr Nachhaltigkeit tun? Produkten aus regionalen Kreisläufen.
Südtirol ist mit über 33 Millionen Näch­
tigungen eine Massendestination, ver­ Warum ist der Bereich Mobilität
gleichbar mit anderen intensivtouristi­ für eine nachhaltige touristische
schen Alpenregionen oder Mallorca. Entwicklung so wichtig?
Da muss man sich mit Nachhaltigkeit Je nach Tourismusart benötigen die
auseinandersetzen, um nicht den Ast An- und Rückreise und die Fortbewe­

Nachhaltig reisen
abzusägen, auf dem man sitzt. Der­ gung vor Ort einen großen Teil der
Begriff wird oft in ökologische, soziale Ressourcen. Hier muss angesetzt wer­
und ökonomische Nachhaltigkeit un­ den. Südtirol hat klugerweise viel in
terteilt. den öffentlichen Nahverkehr investiert.
Im Gespräch mit Wolfgang Niederhofer Ökologisch geht es vor allem um Für die Erreichbarkeit Südtirols mit der
den Ressourcenverbrauch hinsichtlich Bahn wird dagegen viel zu wenig ge­
Energie, Wasser, Lebensmittel, Grund tan. Durch den Ausbau des italieni­
„Urlaubsreisen mit der Bahn sind bis zu
Klimawandel, Ressourcenverbrauch haltiger werden? Reiseunterneh- ­einer Entfernung von 1.000 Kilometern war es für mich naheliegend, Regionen und Boden, Müllmenge, Verkehrsbe­ schen Hochgeschwindigkeitsnetzes
und Nachhaltigkeit begleiten unser mer und Eisen­bahnfan Wolfgang ohne großen Zeitverlust bei mehr Qualität bis zu ­einer Entfernung von mindes­ lastung usw. Der Einsatz muss so spar­ gibt es mittlerweile einige attraktive
möglich.“
tägliches Leben. Als Bergsteiger- Niederhofer spricht mit uns tens 1.000 Kilometern Luftlinie mit der sam wie möglich sein und selbst dann Züge Richtung Süden. Die Anbindung
Foto: Wolfgang Niederhofer
verein bekommt der AVS die Aus- übers Reisen mit der Bahn, das Bahn anzubieten. Logistisch ist es muss über Grenzen nachgedacht wer­ Richtung Norden ist besonders am
wirkungen des Klimawandels deut- ­Reiseland Südtirol und über Nach- ohne großen Zeitverlust bei mehr
lich zu spüren: bei den Touren, bei haltigkeit. Qualität möglich.
der Infrastruktur, bei den Ressour- se Reiseform. Unabhängig vom Um­
cen für die Hüttenversorgung. Wie kam es dazu, dass du einen Teil weltaspekt hat sie einen ganz anderen Merkst du, dass sich durch die
­Zugleich stehen Bergsteiger im deines Reiseangebots mit der Bahn Reiz als Flugreisen. Ein Reiseautor hat Klima­wandel-Diskussion mehr „Reisen auf dem Landweg:
Spannungsfeld zwischen eigenem
Mobilitätsverhalten und dem
anbietest?
Ich habe immer schon ausgedehnte
einmal geschrieben: „Fliegen hat mit
Reisen gleich viel zu tun wie saufen
­Leute für alternative Reise­
angebote interessieren?
Eines ist der Umweltaspekt, das andere sind
­Einsatz für den Umweltschutz. Reisen auf dem Landweg unternom­ mit trinken.“ Fliegen ist Mittel zum Angebote mit öffentlichen Verkehrs­ reisephilosophische Aspekte.“
Was können wir selbst anders ma- men, teils bis nach Hongkong oder Zweck, man kommt schnell irgend­ mitteln und nachhaltige Reiseformen
chen? Wie kann Tourismus nach- Nepal. Auch heute fasziniert mich die­ wohin. Aus dieser Erfahrung heraus werden verstärkt nachgefragt. Das Wolfgang Niederhofer

24 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 25


Klimawandel

Tagesrand mangelhaft und könnte mit verschlafen wurden. Ohne ein zusam­ Wie ist die Situation in Südtirol?
bestehender Infrastruktur deutlich ver­ menhängendes europäisches Hoch­ Man hat vieles richtig gemacht. Nun
bessert werden, z. B. durch attraktive geschwindigkeitsnetz, innerhalb dem gilt es, den zweiten Qualitätssprung
Morgen- und Abendverbindungen, der Brennerbasistunnel ein Bindeglied anzugehen. Das erfordert Investitionen
wofür ich mich schon seit knapp zehn darstellt, die entsprechende Infra­ in die Infrastruktur. Auf der regionalen
Jahren vergeblich einsetze. Damit lie­ struktur auf den Bahnhöfen und attrak­ Hauptachse Brixen–Bozen–Meran
ße sich ganz Mitteleuropa attraktiv an tive Züge mit genügend Platz und braucht es längere Züge mit mehr Sitz­
einem Tag erreichen, was für den Komfort ist eine Verkehrswende nicht plätzen. Hierfür ist der Ausbau der
Standort Südtirol eine selbstverständ­ zu bewältigen. Um diesen Sachverhalt Strecke Bozen–Meran, die das Land
liche Notwendigkeit darstellt. zu verdeutlichen: Die Zulaufstrecken übernehmen sollte, notwendig. Neben
Fakt ist, dass die Bahn heute ledig­ zum Brennerbasistunnel in Deutsch­ der Riggertalschleife und der Elektri­
lich einen Anteil der Ankünfte im ein­ land werden mit Zeithorizont 2040 ge­ fizierung der Vinschgaubahn sollten
stelligen Prozentbereich abwickelt. plant. Ob der Bahnhof Bozen in Zu­ auch Projekte wie ein Tramnetz für
Südtirol sollte sich als Tourismusregion kunft mit lediglich acht Gleisen und ­Bozen mit Erweiterung Richtung Über­
wesentlich ambitioniertere Ziele setzen, nicht nennenswert großzügigeren etsch/Unterland oder andere zukunfts­
etwa eine Steigerung auf 15 Prozent bis Unter­führungen und Treppenaufgän­ weisende Bahnprojekte angegangen
2025 und auf 25 Prozent bis 2030. gen eine massive Verkehrssteigerung werden.
bewältigen kann, ist durchaus fraglich. Im Busverkehr gab es letzthin auf
Was wäre notwendig, um diese Würde Europa über ein Hochge­ etlichen Linien qualitative Rückschritte.
­Ziele zu erreichen? schwindigkeitsnetz, wie etwa China Hier ist es dringend nötig, durch gut
Die in Sonntagsreden schon lange an­ verfügen – das in weniger als 20 Jah­ ausgebildetes Personal und geeignete
gekündigte Verlagerung auf die Schiene ren gebaut wurde – könnten wir Busse mit ausreichend Sitzplätzen,
bedarf massiver Investitionen in das 80 Prozent unserer Reiseangebote ­besonders im Überlandverkehr, für ein
Schienennetz. Die Bahn stößt in vielen ­attraktiv mit der Bahn durchführen. angenehmes Fahrerlebnis zu sorgen.
europäischen Ländern an ihre Kapazi­ Flugverkehr wäre dann nur mehr für
tätsgrenze, da wichtige Investitionen Fernreisen notwendig. Die meisten Bergfreunde sind mit
dem Auto zu ihren Ausgangs­
punkten unterwegs. Wie bringt
man sie mehr auf öffentliche
Tourismusregionen wie Südtirol sollten
Verkehrs­mittel? massiv ins Schienennetz investieren zwei, drei Wochen alle zwei Jahre zu
So wie in der Schweiz, dort ist es machen, als jährlich zwei oder mehrere
­gelungen, auch verstärkt den Freizeit­ Kurzreisen per Flug.
verkehr auf die öffentlichen Verkehrs­
mittel zu locken. Gerade der Berg­ Gibt es neben der An- und Rück­
tourismus ist jedoch ein sehr individuell Was hältst du von Kompensations- reise noch andere Aspekte, die du
ausgerichtetes Verkehrssegment, zahlungen? Ist das für dich ein berücksichtigst?
das immer noch stark mit dem Auto ­Freikaufen oder ein konkreter Wichtig ist die Gesamtverantwortung
abgedeckt wird. ­Ansatz zu mehr Klimafreundlich- gegenüber einer Reisedestination.
keit? Bei Möglichkeit versuchen wir immer
Die Südtiroler reisen sehr gerne – Die Idee ist, jene Ressourcen, die für regionale Wirtschaftskreisläufe zu un­
auch nach Übersee … einen Flug aufgebracht werden, über terstützen, mit Partnern zusammen­
Damit kommen wir zur „Erbsünde“ des die Finanzierung von Projekten an an­ zuarbeiten, die in ihrer Region verwur­
Tourismus, dem Flugverkehr. Und die derer Stelle einzusparen. Der Ansatz zelt sind und die selbst Sensibilität für
Wolfgang Niederhofer Jahrgang
Ressourcen, die für einen Flug aufge­ ist nicht schlecht. Es wird aber vor ökologische und soziale Zusammen­
1968, war 6 Jahre lang als Lehrer für
bracht werden, mache ich nicht etwa ­allem dann kompensiert, wenn der hänge zeigen, oder auch darauf zu
Wirtschafts- und Rechtskunde an der
mit dem Besuch eines Ökoprojektes ­Betrieb oder die Behörde die Kom­ achten, dass z. B. in Schwellen- und
Oberschule tätig, bevor er 2001 sein
oder dem Essen in einem vegetari­ pensation übernimmt. Im privaten Entwicklungsländern auch Frauen vom
Reiseunternehmen mit Schwerpunkt
schen Restaurant wett. Lösungsansät­ ­Bereich wird nur ein sehr geringer Tourismus profitieren und ein eigenes
Wanderreisen gründete. Gebürtig
ze sind hier schwierig. ­Prozentsatz kompensiert. ­Einkommen ­erwirtschaften. Der Touris­ aus Bruneck, lebt er mit seiner Familie
mus ist mittlerweile weltweit der größ­ in Villnöß und pendelt fast täglich mit
Fernreisen sind ohne Flugzeug te Wirtschaftszweig. Will man die öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit
kaum denkbar, wie kann man sie Grund­lagen, von denen der Tourismus nach Bozen. Niederhofer war 15 Jahre
Der Pragser Wildsee ist Südtirols bekann- nachhaltiger gestalten? lebt, nicht zerstören, sind mehr Nach­ lang Vorstandsmitglied im Dach­
tester Tourismus-Hotspot. Die Zufahrt Eine Möglichkeit ist, die Reisedauer haltigkeit und eine Gesamtverantwor­
zum See wurde aufgrund der Verkehrs­ verband für Natur- und Umwelt-
problematik beschränkt mit der Flugentfernung zu koppeln. tung aktueller denn je. schutz.
Foto: Miriam Federspiel Es ist nachhaltiger, eine Fernreise über Judith Egger

26 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 27


2018 2018

1922 1880
Gepatschferner, Langtauferer Ferner, Bärenbartferner | Ötztaler Alpen Grubferner, Lodnerferner | Ötztaler Alpen
Oben – Fotograf: Luca Messina; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz Oben – Fotograf: Luca Messina; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz
Unten – Fotograf: unbekannt; Archiv: Kaunertalarchiv Unten – Fotograf: Franz Largarjoli; Archiv: Bernhard Johannes

28 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 29


2018

1935
Rieserferner | Rieserfernergruppe
2018
Oben – Fotograf: Luca Messina; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz
Unten – Fotograf: Carlo Semenza; Archiv: Club Alpino Italiano

2018

1930 1863
Gelltalferner | Rieserfernergruppe Prettaukees, Äußeres Lahnerkees | Venedigergruppe
Oben – Fotograf: Luca Messina; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz Oben – Fotograf: Christoph Oberschmied; Archiv: Agentur für Bevölkerungsschutz
Unten – Fotograf: Friedrich Mair; Archiv: Erich Egger Unten – Fotograf: Gustav Jägermayer; Archiv: Franz Hinteregger

30 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 31


AVS-Aktuell

Die Tiefrastenhütte wurde als Ersatz für


In einem landschaftlich einmalig die ehemalige Fritz-Walde-Hütte errichtet
schönen Hochkar der Pfunderer Foto: Martin Niedrist

Berge liegt die Tiefrastenhütte.


Bergsteiger finden hier an zahl­
reichen Gipfelzielen ihr Glück.
­Familien mit Kindern können sich ­ runeck, er verbindet insgesamt vier
B
am direkt neben der Hütte gelege- Schutzhütten: die Simile-Mahd Alm,
nen Bergsee erfreuen. Für Fern- die Brixner Hütte, die Edelrauthütte
wanderer dient die AVS-Hütte als und die Tiefrastenhütte.
Stützpunkt auf dem Pfunderer
Höhen­weg. Historisches
Bereits 1912 wurde auf Initiative der

D
er Aufstieg zur Tiefrastenhütte Sektion Brixen am Standort der heuti­
beginnt oberhalb von Teren­ gen Bergunterkunft eine Hütte fertig­
ten, das in schöner Lage auf gestellt, die nach dem Brixner Kauf­
der Sonnenterrasse des Pustertales mann Fritz Walde, einem großzügigen
liegt. Vom Parkplatz im Winnebachtal Unterstützer des Bauprojektes be­
gelangt man zunächst in einem 20-mi­ nannt wurde. Das klassische Steinhaus
nütigen Fußmarsch zur Astnerbergalm mit Satteldach verfügte über zwölf
(1.641 m). Weiter geht es an der Tal­ Lager­schlafplätze. Doch schon nach
station der Materialseilbahn vorbei, zwei Sommersaisonen, in denen die bis 1944 verwaltete. Im Laufe der Zeit natürlichen Ressourcen geschont und
wo der Forstweg schon bald in einen Fritz-­Walde-­Hütte für Besucher geöff­ kam es zu Plünderungen, die Hütte die regio­nale Wirtschaft gefördert
Steig übergeht. Nach etwas steilerem net war, brach 1914 der Erste Weltkrieg verwahrloste zusehends, bis schließlich werden. Hütten­wirt Stefan und sein
Anstieg passiert man einen rauschen­ aus, an eine Weiterbewirtschaftung ein Brand zur völligen Zerstörung führ­ Team ­freuen sich auf euren Besuch!
den Wasserfall und gelangt beim Tief­ war nicht mehr zu denken. Nach dem te. Wieder war es die Sektion Brixen, Martin Niedrist
rastenhüttl (2.025 m) in den Bereich Krieg wurde die Hütte enteignet und die Mitte der 1970er-Jahre gemeinsam
­eines reizvollen Niedermoors. Der letz­ an den CAI übergeben, der sie mit ihren tatkräftigen Ortsstellen
te A
­ bschnitt wird wieder etwas steiler, Teren­ten und Vintl das Heft in die TIEFRASTENHÜTTE (2.312 M)
bis die Felsschwelle des Hochtals Hand nahm und die Wiedererrichtung
überwunden und die Tiefrastenhütte der Schutzhütte anstrebte. Nach mehr­
Hüttenwirt
erreicht ist. Hüttenwirt Stefan Oberhollenzer sorgt auf jähriger Bauzeit von 1975 bis 1978
der Tiefrastenhütte für ausgezeichnete
Stefan Oberhollenzer
konnte die neue alpine Unterkunft fer­ Öffnungszeiten
Mahlzeiten ... danach schmecken die Berge
Bergseen und Aussichtsberge umso besser! tiggestellt werden. Seitdem können von Mitte Mai bis Anfang November
Als lohnende Gipfelziele bieten sich sich Bergwanderer an der zweckmäßig

Die
Foto: privat
Kontakt
die Hochgrubbachspitze (2.809 m) ausgestatteten Hütte erfreuen. Die Tel. Hütte: 334 9896370
oder die Kempspitze (2.704 m) an, von ­Belieferung wird durch eine Material­ info@tiefrastenhuette.it
denen man prachtvolle Ausblicke auf seilbahn sichergestellt, die Stromver­ www.tiefrastenhuette.it

Tiefrastenhütte
die Zillertaler Berge im Norden und sorgung durch ein kleines E-Werk. Erst Schlafplätze
die Felsburgen der Dolomiten im Sü­ vor kurzem ist die Abwasser­auf­berei­ 12 im Mehrbettzimmer, 38 im
den genießen kann. Oft und gerne er­ tungs­anlage saniert und um ein Matratzen­lager, 2 im Winterraum
klommen wird auch die Eidechsspitze ­Trockenbeet ergänzt worden. (Schlüssel 0472 544424)
Hüttenserie: AVS-Hütten (2.738 m), der südwestliche Eckpfeiler Anreise mit Bus und Bahn
des Terentner Gebirgskammes. Zu den So schmecken die Berge Mit Bahn oder Bus bis Brixen bzw.
landschaftlichen Reizen der Pfunderer Die Tiefrastenhütte wird von Stefan bis Vintl, von dort mit Linienbus nach
Bergwelt gehören bekanntlich auch Oberhollenzer aus Ahornach liebevoll Terenten
die zahlreichen eiszeitlichen Kare und bewirtschaftet, die Küche bietet Hüttenzustieg
Bergseen. Der Tiefrastensee, direkt schmackhafte Südtiroler Spezialitäten. Durch das Winnebachtal an der Astner­
neben der Hütte gelegen, stellt ein Stefan nimmt an der Alpenvereins-Ini­ bergalm vorbei aufwärts zur Tiefrasten­
hütte in 2,5 h
hydro­logisches Naturdenkmal dar. tiative „So schmecken die Berge“ teil.
Tourenmöglichkeiten
Weitere Beispiele in Wanderreichweite Ob Käsenocken, Pressknödel, Schlutz­
Hochgrubbachspitze (2.809 m),
sind der Kompfoss-See oder der Pas­ krapfen oder Wildgerichte: bei den
Kempspitze (2.704 m),
sensee. Die Tiefrastenhütte ist Etap­ Lebens­mitteln und Zutaten wird darauf
Eidechsspitze (2.738 m)
Mehrere stattliche Gipfel wie penziel auf dem Pfunderer Höhenweg. geachtet, dass sie aus der unmittel­
Nachbarhütten
die Rotwand (2.774 m) umringen Der durchaus anspruchsvolle, rund baren Umgebung bezogen werden. Edelrauthütte (2.545 m)
die Tiefrastenhütte
70 Kilometer lange Höhenweg führt Dadurch sollen die bergbäuerlich ge­
Foto: Mark Zahel
von Sterzing nach St. Georgen bei prägte Kulturlandschaft erhalten, die

32 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 33


AVS-Aktuell

AVS-Präsident Georg Simeoni. Denn Einfachheit und Authentizität als


neben dem eigentlichen Eingriff in die Werte stärken
Landschaft bringt eine Erschließungs­ In Zeiten des Klimaschutzes müssen
straße auch eine Vielzahl von Proble­ Schutzhütten darauf achten, unnötige
men mit sich. Neben einer veränder­ Umweltbelastungen infolge eines
ten Bewirtschaftungsweise mit einer ­erhöhten Versorgungs- und Energie­
Ausdehnung des Angebots sind es bedarfs zu vermeiden. Wenn einzelne
der unkontrollierbare Personen- und Hütten ihr Angebot erweitern, bekom­
Gäste­transport, parkende Fahrzeuge men andere den Druck nachzuziehen.
im Hüttenumfeld und nicht zuletzt der Stellen sich hingegen die Hütten­

Bescheidenheit am Berg
große ökologische Fußabdruck durch betreiber solidarisch gegen den Trend
die Mobilität am Berg. Vielverspre­ zu mehr Komfort, ist es leichter mög­
chender sind hier die Materialseilbah­ lich, Wanderer und Gäste über die er­
nen. Der AVS setzt sich seit Jahren ge­ schwer­ten Rahmenbedingungen im
Die Schutzhütte zwischen Gästeanspruch und Authentizität meinsam mit den Alpenvereinen im Gebirge aufzuklären. Die Schutzhütten
Club Arc Alpin dafür ein, Materialseil­ werden vielfach bereits mit den Wer­
bahnen mit Werksverkehr für einge­ ten der Einfachheit und Authentizität
Die Radlseehütte in den Sarntaler Alpen
Die steigenden Gästeansprüche Komfort ist auch jenseits der Baum­ wird mittels Materialseilbahn versorgt schränkten Personentransport zu er­ assoziiert. Dieses Profil als ökologische
Wird eine neue Zufahrt gebaut, verändert
und der hohe Tourismusdruck grenze als Trend erkennbar. Hütten­ Foto: Martin Niedrist möglichen, indem er die Erarbeitung Inseln in einer intakten Natur gilt es sich auch die Bewirtschaftungsweise einer
­führen dazu, dass viele Hütten­ wirte müssen sich zusehends rechtfer­ einer entsprechenden EU-Norm aktiv gemeinsam zu schärfen. Hütte
betreiber ihr Beherbergungs- und tigen, wenn die Wünsche der Gäste unterstützt. Martin Niedrist Foto: Judith Egger

Gastronomieangebot ausbauen. nicht erfüllt werden können. Dass die


Für den Alpenverein ist hier weni- meisten Schutzhütten aber entlegene des kulinarischen Angebots auf eine
ger oft mehr. Will man authentisch Inselanlagen sind und völlig andere, einfache Verköstigung mit drei ausge­

5
und glaubwürdig bleiben, müssen ganz individuelle Voraussetzungen wogenen Hauptgerichten im Kriterien­
Schutzhütten ihren ursprünglichen ­haben, was die Versorgung mit Trink­ katalog positiv bewertet wird. Durch
Charakter als einfacher Stützpunkt wasser, Lebensmitteln und Energie an­ eine clevere, schlanke Bewirtschaftung
am Berg beibehalten. geht, wird dabei oft vergessen. verspricht man sich auch den Personal­
bedarf etwas zu senken, was in der
Promille
I
m regionalen Gastgewerbe wurde Beschränktes Angebot auf Folge weniger Ertragsdruck aufgrund
der Standard in den letzten Jahren ­Schutzhütten geringerer Personalkosten und gleich­ der Einkommenssteuer
immer weiter nach oben geschraubt. Hütten ohne Netzanbindung oder sta­ zeitig weniger Bedarf an Personal­
Das qualitativ steigende Angebot geht
einher mit wachsenden Ansprüchen
biles Wasserkraftwerk müssen bei der
Stromversorgung genau haushalten,
räumen bedeutet. Ganz im Sinne der
in den AVS-Grundsätzen festgeschrie­
für die AVS-Sektionen
vonseiten der Gäste. Immer öfter wer­ um einigermaßen über die Runden zu benen Vermeidungsstrategie ist die
den dabei die Erwartungen an Beher­ kommen. Bereits die Bereitstellung kritische Haltung zur Ausstattung alpi­
bergungsbetriebe im Tal auf den Berg von Warmwasser oder der Betrieb der ner Unterkünfte mit Zweibettzimmern. Wertes Mitglied, liebe Bergfreunde!
und seine Hütten projiziert. Ob mehr­ Spülmaschine kann hier purer Luxus Die hüttentypische Übernachtungs­
Wenn Sie demnächst als Einzelperson oder als Firmeninhaber Nicht zuletzt wollen wir ein ganzheitliches Naturverständnis
gängige Menüs, Hütten-WLAN, Lade­ sein. Wer hier ressourceneffizient wirt­ form mit Mehrbettzimmern und
strom oder Zweibettzimmer mit Privat­ schaften will, muss sich einschränken.
die Steuererklärung ausfüllen, dann haben Sie die Möglich- fördern und als „Anwalt der Berge“ jene Lücken schließen,
Matratzen­lagern gilt in Alpen­vereins­
dusche – die Nachfrage nach mehr Eine begrenzte Infrastruktur bedingt kreisen als wesentliches Element der keit, 5 Promille der Einkommenssteuer für ehrenamtliche welche der öffentliche Natur- und Umweltschutz offen lässt.
konsequenterweise ein reduziertes An­ Einfachheit am Berg und soll auch Organisationen zuzuweisen. Voraussetzung dafür ist allein
gebot. Aktuell überarbeiten die Alpen­ weiter­hin bestehen bleiben. Ihre Unterschrift im hierfür vorgesehenen Feld der Steuer- Zur Aufrechterhaltung unserer Leistungen sind wir zusehends
vereine AVS, ÖAV und DAV die Krite­ erklärung, zusammen mit der Angabe unserer Steuernummer auf Eigenmittel angewiesen. Mit den 5 Promille können Sie
rien für das Umweltgütesiegel. Diese Zufahrtsstraßen bedenklich 0037 047 0213. unseren Sektionen Ihre indirekte Unterstützung gewähren.
Auszeichnung kann ressourcen­effizient Um die Versorgung von Hütten zu Dafür bedanken wir uns im Voraus!
und ökologisch vorbildlich geführten ­vereinfachen, werden immer wieder Die Leistungen des AVS für die Gesellschaft sind vielseitig.
Alpen­vereins­hütten verliehen werden. Forderungen nach neuen Zufahrts­ Sie bestehen im Einsatz für unsere Infrastrukturen, die Wan- Stellvertretend für unsere 35 Sektionen
Neu vorgeschlagen haben die Alpen­ wegen laut. derwege, für Schutzhütten, Kletteranlagen und Klettergärten.
vereine etwa, dass eine Reduzierung Hier warnt der Alpenverein. „Die
Georg Simeoni
weitere Erschließung von Schutzhütten
Das Tourenangebot unserer Sektionen und Ortsstellen ist Präsident
durch Zufahrten ist eindeutig der fal­
sche Weg. Denn eine Zufahrtsstraße umfangreich. Allein um dieses sicher und erlebnisreich
Materialseilbahnen mit Werksverkehr schraubt die Ansprüche nur noch zu gestalten, benötigen wir eine Vielzahl gut ausgebildeter
­können zu einer nachhaltigen Hütten­
versorgung beitragen ­weiter in die Höhe und erhöht somit Führungskräfte.
Foto: Martin Niedrist den Druck auf die alpine Umwelt“, so
Zu den Kernaufgaben des Alpenvereins zählt zudem der
Einsatz für eine attraktive Jugendfreizeit.
34 Bergeerleben 01/20
AVS-Aktuell

Was Hüttenwirten unter


den Nägeln brennt Die Teilnehmer der AV-Hüttenwirtetagung
Fachtagung für Hüttenwirtsleute 2019 Die Hochfeilerhütte
Foto: Andreas Hernegger
im Tiroler Ebbs im November 2019
Foto: Florian Illmer

Die Fachtagung für Hüttenwirts- 2019 fanden sich über 40 Teilnehmer Mitarbeiter finden – wie und wo? Tal vor und schilderte die Höhepunkte während Unterkünfte in unbekannte­ Nach drei intensiven Tagen kam die
leute hat sich in den letzten Jahren aus dem deutsch­sprachigen Ostalpen­ Die zunehmende Schwierigkeit, geeig­ der ersten Hüttensaison für sich und ren Gegenden unter zu wenigen Besu­ Fachtagung für Hüttenwirtsleute zum
zum fixen Bestandteil im Hütten­ raum in Ebbs in Tirol ein, um sich nete Mitarbeiter für das Hüttenteam seine Familie. Aktuelle Themen sind chern leiden. Als Gegenmaßnahmen Abschluss. Neben den Informationen
bereich etabliert. Die Fortbildungs- über gemeinsame ­Anliegen auszu­ zu finden, erfordert mitunter kreative gemeinsam mit Experten beim „Hüt­ wurden gezieltere Lenkungsmaßnah­ und Tipps sind es sicherlich auch die
und Austauschplattform der tauschen. Vorgehensweisen. Erfolgversprechen­ tenstammtisch“ diskutiert worden. men etwa durch Online-Umbuchungs­ neu geknüpften Bekanntschaften mit
­Alpenvereine findet jährlich im Nach der Begrüßung durch AVS-­ de Ansätze und Tipps zur Mitarbeiter­ Hier konnte man etwa erfahren, dass vorschläge, verstärkte Öffentlich­ Gleichgesinnten, von denen die
­November statt und unterstützt Präsident Georg Simeoni stellver­ führung kamen am zweiten Veranstal­ diesseits wie jenseits des Brenners keitsarbeit oder eine Reduktion des ­Teilnehmer von nun an profitieren
gleichermaßen neue wie erfahrene tretend für die Alpenvereine wurden tungstag zur Sprache. Hinsichtlich ­bestimmte an Hotspots gelegene Komfortangebotes auf Alpenvereins­ ­können.
Hüttenwirte, um ihren Betrieb zu zum Einstieg die Vorteile moderner Beschwerde­management wurde über ­Hütten lange vorab ausgebucht sind, hütten besprochen. Martin Niedrist
optimieren und mit frischen Ideen Kassensysteme und digitaler Helfer für den richtigen Umgang mit dem Gast
in die neue Saison zu starten. die Küchen- und Serviceabläufe wie referiert und aufgezeigt, welche Schrit­
­Orderman oder Chipkarten genauer te gesetzt werden sollten, um aus

A Arbeite mit
ls Hüttenwirt ist man heutzu­ unter die Lupe genommen. Der Vor­ eventueller Kritik auch positive Effekte
tage nicht immer zu beneiden, trag „Food Waste Management“ wid­ für den Hüttenbetrieb zu ziehen. Sen­

auf einer AVS-Hütte!


die Bewältigung eines so mete sich der Abfallvermeidung bei sibilisiert wurde auch für das Thema
breit gefächerten Aufgabenspektrums Lebensmitteln – etwa durch gezieltere der sexualisierten Gewalt, die sowohl
ist eine wahre Herausforderung. Aus­ Abfrage der gewünschten Portions­ unter Mitarbeitern als auch unter
kennen muss man sich in den unter­ größen. Anhand eines Praxistests ver­ ­Gästen vorkommen kann. Bei beob­
schiedlichsten Bereichen, ob in der anschaulichte der Hüttenwirt der achteten oder gar erfahrenen Ver­ Bis zum Beginn der Sommersaison ist pliziertheit, Teamfähigkeit sowie eine
Gastronomie, der Hüttentechnik, beim ­Geraer Hütte die Vorzüge des maß­ dachtsfällen wurden die Hüttenwirte es nicht mehr weit und viele Hütten­ gesunde Portion Durchhaltevermögen
Marketing oder im Umgang mit dem geschneiderten Online-Reservierungs­ aufgefordert, nicht wegzuschauen, wirte sind bereits auf der Suche nach mit. Idealerweise sollte man auch für
Personal. Um ihren Hüttenwirten eine systems für Alpenvereinshütten. Aus sondern Grenzen aktiv aufzuzeigen. engagierten Mitarbeitern, die fleißig ein Treffen mit den Hüttenwirten be­
professionelle Unterstützung bei der technischer Sicht interessant war die anpacken. Die Arbeit auf einer ­Hütte reit sein, um sich bereits vor Saison­
Weiterbildung anzubieten, organisie­ Vorstellung des Projekts „CO2-Bilan­ Meine Hütte – Mein Konzept ist nicht nur wegen der einmaligen start besser kennenzulernen.
ren die Alpenvereine AVS, ÖAV und zierung auf Alpenvereinshütten“: Ein besonderes Schmankerl aus Süd­ Lage besonders, die Tätigkeiten sind Die Job-Angebote werden auf der
DAV jährlich Ende November die Fach­ ­Dabei wurden sechs Hütten hinsicht­ tiroler Sicht war der Praxisvortrag von vielfältig und reichen vom Koch zur AVS-Webseite laufend aktualisiert.
tagung für Hüttenwirtsleute. Es han­ lich Umwelt­auswirkungen von Ge­ Andreas Hernegger, dem neuen Hüt­ Servicekraft bis hin zum Allrounder. Wenn du Lust auf einen
delt sich dabei um eine drei­tägige Ver­ bäuden und Bauteilen über deren tenwirt der Hochfeilerhütte. Andreas Mit der Job-Börse unterstützt der außergewöhnlichen
anstaltung mit abwechs­lungs­reichem ­gesamten Lebenszyklus untersucht stellte sein Führungskonzept für die AVS seine Hüttenwirte bei der Per­ Arbeits­platz hast – schau
Programm und sach­kundigen Fach­ und Handlungsempfehlungen ab­ 2.715 Meter hoch gelegene Bergstei­ sonalsuche. Interessierte bringen die rein!
referenten. Vom 25. bis 27. November geleitet. gerunterkunft im hintersten Pfitscher Freude am Arbeiten am Berg, Unkom­ Martin Niedrist

36 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 37


AVS-Aktuell

zustän­digen Gremien, bei großen Ent­


scheidungen die Hauptversammlung,

Der AVS abstimmen.


Die Aufgabe des Präsidiums ist es,
demokratische Beschlüsse der Haupt­

in den Schlagzeilen
versammlung bzw. der Landesleitung
durchzuführen und deren Einhaltung
zu gewährleisten.
Anderer Meinung ist der Erste Vor­
Information für unsere Mitglieder sitzende der Sektion Bruneck Georg
Larcher. Er hat gegen den Beschluss
der Hauptversammlung zur Verwen­
dung von Wegweisschildern aus Holz
Stimmung gemacht; und dies als Mit­
glied des Präsidiums und Vize­präsi­dent
des Gesamtvereins. Der ­Beschluss
wurde übrigens von der Landes­
verwaltung, dem Gemeindenverband,
der Forstbehörde und den Tourismus­
Foto: Ute Prast
verbänden vollinhaltlich mitgetragen.
Präsident Simeoni als Diktator zu be­
zeichnen, wie von Larcher in der Presse 72.000 Mitgliedern aber nicht jedes Am 15. Januar 2020 fand ein
zitiert, nur weil er die Einhaltung von Mitglied des AVS einverstanden sein ­ espräch ­z wischen Präsident Georg
G
Mehrheitsbeschlüssen einfordert, ent­ kann, mit dem was der Verein nach ­Simeoni und der zurückgetretenen
behrt jeder Berechtigung. ­außen kommuniziert bzw. beschließt, Referats­leiterin für Jugend & Familie
Im Herbst 2019 beschloss das Präsi­ liegt in der Natur der Dinge. Judith Bacher statt, das den Status
dium, im Bereich Versicherungen eine Davon a ­ bgesehen sind Kritiken im­ quo unterstrich.
Marktanalyse durchzuführen, und zwar mer erwünscht und fruchtbringend, Ende Jänner 2020 boten sich Mayrl
in Verantwortung den Mitgliedern sofern sie dem Leitbild des Vereins und Larcher für ein Gespräch mit
bzw. dem Gesamtverein gegenüber. entsprechen, nicht jedoch, wenn sie ­Simeoni an. Das Präsidium wurde in
Der Vorsitzende der Sektion Schlern auf persönlichen Ressentiments und der Sitzung vom 3. Februar 2020 den
­Hubert Mayrl saß selbst lange in der Animositäten beruhen. Wünschen gerecht und lud die Herren
Landesleitung und im Präsidium, und Die Landesleitung hat sich in der schriftlich zu einem Gespräch mit
Foto: Stephan Illmer
seit 25 Jahren ist er im AVS der Ver­ Sitzung vom 7. Januar 2020 mit den dem Präsidium ein mit dem Anliegen,
mittler für Versicherungen. 2019 hat Vorwürfen auseinandergesetzt und die vorab als Gesprächsgrundlage kon­
Nachdem Ende 2019 der AVS in auch ohne vorherige Mitteilung. Vor­ und zwar hauptsächlich durch die das Präsidium den exklusiven Broker­ Fakten gegenübergestellt. Es wurde krete ­Themenpunkte zu deponieren.
den Medien mehrmals in die Kritik haltungen, das Referat hätte sich nicht ­Ersten Vorsitzenden der Sektionen vertrag gekündigt und die verschie­ einstimmig ein 19-Punkte-Dokument (Stand: Druckfreigabe der Ausgabe
geraten war, wollen wir für unsere entfalten können, sind unserer Mei­ Bruneck und Schlern sowie durch zu­ denen Deckungen nur mehr einzeln verfasst und am 8. Januar 2020 an die Bergeerleben 01/20).
Mitglieder die Sachlage kurz nung nach in keiner Weise gerechtfer­ rückgetretene Referatsleiter. Wer in beauftragt. Ob die Animositäten Sektionen, Ortsstellen und Ehrenmit­ Abschließend betonen wir, dass es
­erklären. tigt. Das Referat Jugend und Familie diesem Zusammenhang zudem interne gegen­über der Vereinsleitung in der glieder geschickt. Weiters hat die wohl weit vernünftiger und dem Verein
hatte immer die vollste Aktionsfreiheit. E-Mails an die Medien weitergeleitet Presse in diesem Zusammenhang zu Landes­leitung am 7. Januar 20 die ge­ dienlicher gewesen wäre, wenn sich die

E
s wurden der Präsident, dessen Aus Solidarität legte auch der Re­ hat, entzieht sich unserer Kenntnis. sehen sind, entzieht sich unserer nannten Rücktritte zur Kenntnis ge­ Genannten vorher gemeldet und ihre
beide Stellvertreter sowie der ferent für Bergsport sein Amt nieder. Einer der Vorwürfe lautete, die Kenntnis. nommen. Um die möglichst baldige Anliegen unterbreitet hätten. Auch bei
Geschäftsführer in den Medien Dessen Stellvertreter Thomas Mair AVS-Spitze beschließe eigenmächtig Kritisiert wurde weiters, dass sich Neubesetzung der vakanten Referate Meinungsverschiedenheiten finden
mehrmals öffentlich kritisiert. Da durch ­erklärte sich bereit, die Referatsleitung Dinge. Fakt ist, dass die Beschlüsse der AVS verstärkt bei politischen Ent­ werden sich die zuständigen Gremien sich immer Wege für ein Miteinander,
diverse Anschuldigungen der gesamte bis zum Ende der Legislaturperiode zu mit 96,50 Prozent Zustimmung zustan­ scheidungen positioniere. Dazu ist zu bemühen. vorausgesetzt man tritt sich mit Res­
Alpenverein Südtirol in ein schlechtes übernehmen. de gekommen sind. Beschlüsse, denen sagen, dass der AVS nie Parteipolitik Was den zeitgleichen Rücktritt im pekt und Achtung gegenüber – und
Licht gerückt wurde, sieht es das Prä­ Am 16. Dezember 2019 organisierte auch jene zugestimmt haben, die betrieben und – im Gegensatz zu an­ Referat Tourenleiter betrifft, geht es mit dem Willen für eine konstruktive
sidium als angebracht, hier einige Fak­ die Landesleitung einen Informations­ ­heute anscheinend nichts mehr davon deren Vereinen und Verbänden – auch um Strukturänderungen beim Aus­ Zusammenarbeit entsprechend dem
ten klarzustellen. abend, zu dem Sektionsvertreter und zu wissen glauben. Im AVS gibt es nie Wahlempfehlungen abgegeben bildungs­modus und hat mit obigen Leitbild des Vereins. Nur mit Reden
Die Rücktritte im Referat Jugend & Ehrenmitglieder geladen waren. Bei ­Sektionen, Ortsstellen, Referate, Refe­ hat. Sehr wohl positioniert sich der Sachverhalten nichts zu tun. Die kommen die Menschen zusammen.
Familie erfolgten am 30. November dieser Diskussionsrunde konnten die ratsleiter, Fachausschüsse, eine Lan­ AVS jedoch zu sachpolitischen The­ Landes­leitung bemüht sich jetzt in In diesem Sinne bemüht sich das
2019, ohne vorher ein Gespräch mit Zurückgetretenen nur Allgemeinplätze des­­leitung und ein Präsidium. Alle men, auch im Bereich des Umwelt­ Zusammen­arbeit mit den Sektionen, Präsidium, die Sachlage zu befrieden
den Gremien zu suchen, wo man etwa­ vorbringen. ­zusammen kommen in einem basis­ schutzes, dazu ist er seinem Leitbild das ­Referat neu zu besetzen und und den Verein verantwortungs­
ige Meinungsverschiedenheiten hätte In der Presse wurde die Kampagne demokratischen Prozess zu einer und seinem Grundsatzprogramm ent­ die gewünschten Änderungen im bewusst in die Zukunft zu führen.
besprechen können, und sie erfolgten gegen die Vereinsführung fortgesetzt, ­Entscheidung, über die dann die sprechend sogar verpflichtet. Dass bei gemein­samen Einklang durchzuführen. Das AVS-Präsidium

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AVS-Aktuell

In Holz gemeißelt
Neue Markierungsrichtlinien mit
Landesbeschluss
in memoriam
Seit letztem Frühjahr gelten mit Zusatztafeln, Plaketten und

Paul Andres
Beschluss der Landesregierung Zwischenmarkierungen ab­
für alle Wegehalter einheitliche gebildet und exakt mit Maß­
Richtlinien für die Markierung und angaben beschrieben, und
Beschilderung der Wanderwege. auch die Anwendung der
Wegnummerierung, der Zeitangaben
Ehrenmitglied des Alpenvereins
V
orweggenommen, der beste­ sowie der Topo­nomastik sind kurz
Foto: AVS-Archiv
hende und bewährte Markie­ ­erklärt.
rungs- und Beschilderungs-­
Standard bleibt erhalten. Die für Eine unverzichtbare Grundlage führenden technischen Angaben und
­Südtirol so charakteristischen Holz­ Die Richtlinien sind demnach die un­ ­detaillierten Ausführungen zur Mar­
wegweiser werden also weiterhin das verzichtbare Grundlage für alle Wege­ kierung des Wegenetzes in Südtirol zu
Landschaftsbild prägen. halter, um ihre Wege den offiziellen erstellen, ein Handbuch, das den
Am 19. November 2019 verstarb meinsamen Singen. So wie alles ein Vorgaben entsprechend und landes­ Wege­warten Leitfaden für ihre Tätig­
Paul Andres im Alter von 96 Jahren. Ende hat, währte auch der Völkerstreit Einheitliche Richtlinien weit einheitlich zu markieren und zu keit sein soll und praktische Hilfe­
Paul, geboren am 26. August 1923, nicht ewig. Paul begann wieder dort, Wie in der seit Jänner 2017 geltenden beschildern. Schlussendlich ist die stellung in der Umsetzung ihrer Arbeit
war Sektionsvorstand von Bruneck, wo er aufgehört hatte. Im Laufe der „Vereinbarung zur Aufwertung, Arbeits­gruppe jetzt gefordert, das bieten wird.
Vize-Präsident des Gesamt­vereins Zeit wurde er Geschäftsführer und sei­ Instand­haltung, Verwaltung und Nut­ ergän­zende Handbuch mit weiter­ Karin Leichter
und stellvertretender Sektions­ ne berufliche Karriere wies erfolgreich zung der Wanderwege in Südtirol“
Foto: Privat
vorstand in Bozen. Seit 1994 war und steil nach oben. vorgesehen, hat die Landesregierung
Paul Ehrenmitglied des AVS. Luis am 19. März 2019 „Richtlinien zur ein­
Vonmetz hat ihm einen Nachruf Ein Leben für den Alpenverein zerstörte, lag der Wiederaufbau haupt­ heitlichen Markierung und Beschilde­
­gewidmet. Dann gab es da noch die Berge, das sächlich bei Paul und seinen Helfern. rung der Wanderwege“ erlassen.
Klettern, den Bergrettungsdienst. Paul Es war wohl eine Sternstunde seines ­Diese Richtlinien wurden gemeinsam

L
iebe Freunde, wir trauern um übernahm die Führung des Alpenver­ Lebens, als 1986, 25 Jahre nach der von den Wegehaltern (Tourismus­
­einen Menschen, den wir hoch­ eins in Bruneck. Später folgte er dann ersten Einweihung, über 1.000 Mitglie­ vereine, AVS, CAI und Naturparke) un­
geschätzt und den wir einfach dem Ruf in die Hauptleitung des AVS, der die Wiedereröffnung am Schlern­ ter Koordination des zuständigen
gern hatten. Ich darf hier hauptsäch­ wo er die verantwortungsvolle Aufga­ bödele feierten. Funktionsbereich Tourismus des Lan­
lich an Pauls Wirken im Alpenverein be als Zweiter Vorstand übernahm. Der Alpenverein war Pauls Leben. des erarbeitet, wobei der AVS feder­
­erinnern. Aber der Alpenverein brachte nicht nur Er sah im Verein eine Wertegemein­ führend tätig war. Sie umfassen die
Freuden, sondern auch arge Enttäu­ schaft, deren Inhalt die Bergwelt, die zentralen Elemente der Beschilderung
Frühe Jahre schungen, und den Wert eines Men­ überlieferte Tradition und ein gelebtes und Markierung und definieren deren
Nachdem es ihn nach Bruneck ver­ schen erkennt man daran, wie dieser Tirolertum waren. Paul und Herta Anwendung, das Material, das Aus­
schlagen hatte, fand er dort nicht nur damit umgeht. ­wanderten gemeinsam ein Leben lang. sehen, die Maße, den Inhalt und die
eine Lehre und Arbeit, sondern es gab Es kam der Umzug ins eigene Heim Oft traf man sie am Gardasee. Die ein­ Anbringung.
auch erste Kontakte mit dem Verein, nach Bozen. Paul hatte in Bruneck Her­ samen Steige dort, die weißen Gipfel,
der ihn ein Leben lang geprägt hat. ta kennengelernt, die spätere Mutter die Weite und das blaue Wasser tief Holz als Alleinstellungsmerkmal INNOX PRO GTX LO | All Terrain Sport www.lowa.com
Paul lernte Freunde im Alpenverein seiner vier Kinder: Gerda, Hubert, Bri­ unten vermitteln einen Hauch unend­ Interessanterweise haben sich alle Ver­
kennen, er entdeckte seine Berglei­ gitte und Michi. Ihnen allen ließen Paul licher Freiheit. treter der Wegehalter in der Arbeits­
denschaft und darin mag wohl auch und Herta die freie Entscheidung, ihr Liebe Freunde, jeder Todesfall gruppe für Holz als Material für die
seine Heimatverbundenheit begrün­ Leben nach ihrem Maß zu ordnen und ­erinnert uns an das Leben einer Blume. Wegweiser ausgesprochen, nicht zu­
det sein. zu verwirklichen. Sie wächst aus dem Samen zur Knospe, letzt deswegen, da die Holzschilder in­

Photo: ©Max Seigal


Dann kam der Krieg und der brach­ Auch der Alpenverein in Bozen sie reift zur vollen Blüte, verschenkt zwischen ein Alleinstellungsmerkmal
te ihn an die vorderste Front. Paul hat klopfte an Pauls Tür. Er half, wo er sich, welkt, stirbt und gleichzeitig legt für Südtirol darstellen und damit ein
nie von Angst erzählt oder vom Leid konnte. Er übernahm die Aufgabe als sie den Grundstein für neues Leben. nützliches Marketinginstrument sind.
und unmenschlichen Strapazen, aber Zweiter Vorsitzender der Sektion. Als Wir alle trauern um Paul. In den Richtlinien sind Pfosten, Weg­
viel von Kameradschaft und vom ge­ eine Lawine die Schlernbödelehütte Luis Vonmetz weiser, Richtungsweiser, Tourenweiser,

40 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 41


AVS-Aktuell

150 Jahre Erstbegehungen


Barba bianca
Travenanzestal,
Ampezzaner ­Dolomiten

in
Alpenverein
Christoph Hainz und Manuel Baumgart­
Kami(n)kaze ner konnten diese neue Linie im Tra­
Rapunzel Mur del Pisciadú venanzestal klettern. Laut den beiden
Heiligkreuzkofel Simon Kehrer und Lukas Troi gelang am Erstbegehern handelt es sich um eine
Das Jubiläumsjahr Manuel und Martin Baumgartner konn­ Mur del Pisciadù neun Seillängen im Route mit schöner Mixedkletterei in herr­
licher Umgebung. Je nach Eisbildung ist
feierlich beendet ten gemeinsam mit Simon Messner diese ­Mixed- und Eisgelände. Die beiden
die Route nicht immer leicht abzusichern.
Eislinie in der Nordwestwand des Heilig­ Bergführer tauften ihre neu gekletterte
kreuzkofel klettern. Laut den Alpinisten Route Kami(n)kaze, da die Eislinie über
eine interessante Eisformation, die sich einen s-förmigen Kamin herunterge­
selten so gut bildet wie letzten Winter. wachsen war.
Am 11. Dezember 2019, zum Inter­
nationalen Tag der Berge, hat der
Alpen­verein Südtirol offiziell das
Jubiläums­jahr bei einer Abschluss-
veranstaltung in der Rockarena
Meran beendet. Die vorangegan­
genen zwölf Monate standen im
Zeichen zahlreicher Jubiläums­
initiativen und Feierlichkeiten.

A
m 11. Dezember 2018, exakt ein ließ, gehörten auch zwei Wettbewerbe AVS-Präsident Georg Simeoni (l.) und der
Referent für Sportklettern Ernesto Scarperi
Jahr zuvor, hatte der Alpenver­ für die Alpenvereinsmitglieder, deren (r.) übergeben die Hauptpreise der Sport-
ein Südtirol sein Jubiläumsjahr Gewinner in der Rockarena M­ eran prä­ kletteraktion „Jubiläumsroute“ an (v. l.):
Stefanie Gufler aus Meran, Emma Schwitzer
eingeläutet. Den Auftakt zu einem miert wurden. aus Sarntal, Jakob Staffler aus St. Pankraz
dichten Veranstaltungsjahr bildete die Fotos: Miriam Federspiel

Ausstellungseröffnung „Hoch hinaus. Gewinner der Jubiläumsaktionen


Wege und Hütten in den Alpen“ im Ausgezeichnet wurde der Hauptgewin­
Stadtmuseum Bozen mit gleichzeitiger ner der in Zusammenarbeit mit Rai Jubiläums­route erklimmen, Stempel
Vorstellung des geschichtlichen Lese­ Südtirol gestalteten Radio-Sendereihe sammeln und an einer Endverlosung
buchs „150 Jahre Alpenverein in Süd­ „Über Stock und Stein – Familienwan­ teilnehmen. Dabei zeigte sich einmal
tirol“ und des „Seilschaftsfonds“, eines derungen in Südtirol“: Von Anfang Ap­ mehr, dass Klettern ein Familiensport
Hilfsprojekts für in finanzielle Not ge­ ril bis Ende November hatten Sektio­ ist. Unter den Gewinnern waren zahl­
ratene Angehörige von verunglückten nen und Ortsstellen des Alpenvereins reiche Kinder und Familien, die teilwei­
AVS-Mitgliedern. Zu den Jubi­läums­­ samstagvormittags insgesamt 35 fami­ se sogar alle 15 Stempel gesammelt
aktionen, die AVS-Präsident ­Georg lienfreundliche Wanderungen aus allen hatten. Die Hauptpreise, jeweils ein
­Simeoni bei der Abschlussveranstal­ Landesteilen vorgestellt. Am Ende je­ Reisegutschein, gingen an Stefanie
tung im Dezember Revue passieren der Sendung konnten die Hörer im Gufler aus Meran, Emma Schwitzer aus
Rahmen einer Quizfrage ein kleines dem Sarntal und Jakob Staffler aus
AVS-Geschenkspaket gewinnen. Unter St. Pankraz. Zsigmondycouloir Die Diktatur der Uhr Olle Heilign Zeitn
den 35 Quizsiegern wurde nun ein Zsigmondykopf Nordwestseite, Mëisules dala Biesces, Sella Mont de Seura, Val Chedul
Hüttenaufenthalt auf einer AVS-Schutz­ Sektion Meran beginnt Sextener Dolomiten Die jungen Grödner Kletterer Matteo Andreas Brunner gelang zusammen mit
hütte nach Wahl als Hauptpreis verlost, ­Jubiläumsjahr Hannes Pfeifhofer, Bergführer aus ­Vinatzer und Aaron Moroder konnten im Florian Leitner Anfang November 2019
über den sich Burkhard Bancher aus Für den Alpenverein ist das Jubiläums­ ­Sexten, entdeckte im Herbst während Sommer 2019 diese neue L­ inie erstbe­ eine neue Route am Mont de S ­ eura. Die­
Neumarkt freuen konnte. jahr nun zu Ende, für die einzelnen der Überprüfung des Alpinisteiges, dass gehen. Die Route verläuft abwech­selnd ser befindet sich hinter den Cirspitzen:
Ihren Gewinn abholen durften auch Sektionen geht es aber weiter. AVS-­ sich im Colouirs an der Nordwestseite über steile Wandpartien, die athletische ein Felsriegel mit mehreren um die
die Teilnehmer an der Sportkletter­ Vizepräsident und der Vorsitzende der des Zsigmondykopfes Eis gebildet hatte. Bewegungen erfordern, und kompakte 150 Meter hohen Türmen, an denen
aktion „Jubiläumsroute“. In den 15 Sektion Meran Elmar Knoll leitete in So gelang ihm gemeinsam mit Hannes „Mëisulesplatten“, die dem Techniker zu­ noch einiges an Potenzial für neue
AVS-­Kletterhallen konnten alle kletter­ ­einer Ansprach das Jubiläumsjahr der Egarter die erste Begehung dieser Linie. gutekommen. Der Fels ist durchwegs von ­Routen sein dürfte.
begeisterten AVS-Mitglieder eine Sektion Meran ein. Die Sektion Meran bester Beschaffenheit, auch im oberen
war 1870, nach Bozen und Niederdorf, Bereich. Die Stände sind eingerichtet,
als dritte Sektion des Alpenvereins alle Zwischenhaken wurden belassen und
Ließ das Jubiläumsjahr Revue passieren: ­gegründet worden. auch diverse Sanduhren sind bereits ge­
AVS-Präsident Georg Simeoni Evi Brigl fädelt.

42 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 43


Erstbegehungen

Alles erlaubt,
oder?
Gedanken zur Ethik
des Eiskletterns

Diskussionen um alpine Ethik sind Zeit wird der Alpinismus von Letzterem hen und Schmelzen findet zwar jedes Martin Dejori in „Piovra direkt“, auf die Was will ich? Was kommt gut an? kommt gut an?“ Man könnte jetzt na­
man manchmal 2 – 3 Jahre warten muss
seltener geworden. Über das geprägt. Im Grunde erkennen wir in Jahr statt, spielt sich aber immer un­ Foto: Adam Holzknecht
Ich will mich jedoch nicht nur auf das türlich auch argumentieren, gut an­
­Klettern im Eis werden sie fast gar dieser Entwicklung den Zeitgeist wie­ terschiedlich ab. Für uns Eiskletterer leidliche Thema Bohrhaken versteifen, kommen will ich ja „selbst“, es geht
nicht geführt. der. Der Individualismus hat einen ho­ nimmt daher die Beobachtung eine Der Autor dieser Zeilen in „Amore e sondern versuchen, das Eisklettern also schon um meine eigenen Wün­
­O mbra“, dankbar vom Lehr­meister Adam
hen Stellenwert erlangt und führt dazu, zentrale Rolle ein. Nicht jeder Moment Holzknecht mit­genommen worden zu sein ganzheitlicher zu betrachten. Der sche; aber dennoch verkommt dann

D
ank sozialer Medien sind wir so dass wir Kritik oft auf persönlicher Ebe­ ist perfekt zum Klettern; im Gegenteil, Foto: Adam Holzknecht Trend geht eindeutig in Richtung mehr das Klettern nur zum Mittel, um soziale
informiert wie niemals zuvor. ne auffassen. Dabei ist es mir nur wich­ die wenigsten sind es. Das fordert von Sicherheit und das finde ich überaus Anerkennung zu gewinnen. Genau das
Beinahe in Echtzeit scheinen tig, ein paar Gedanken loszuwerden uns Geduld und die Bereitschaft zum positiv. Wenn wir uns fragen, wie wir sollte meiner Meinung nach auf keinen
Erstbegehungen, aktuelle Verhältnisse und jeden zur Selbstreflexion einzula­ Verzicht. Doch sind wir dazu wirklich das Risiko reduzieren wollen, gehen Fall passieren, da müssen wir mit uns
und spektakuläre Fotos auf unseren den. Einiges, was ich folgend kritisiere, imstande? Oder geben wir der Anzie­ viel Eis gebildet? Höchstwahrschein­ die Meinungen jedoch auseinander. selbst kritisch umgehen.
Bildschirmen auf. Eigentlich beste Vor­ habe ich nämlich selber auch schon hung der Senkrechten, der Aussicht lich. Gewiss wurde auch gut beobach­ Ich denke, größere Sicherheit finden
aussetzung, um uns eine Meinung zu gemacht. auf raschen Erfolg allzu oft nach? Ge­ tet, und man hat bestimmte Linien ent­ wir nur in uns selbst, indem wir unsere Was ist eine Erstbegehung?
bilden und gewisse Tendenzen zu hin­ wisse Eisfälle kann man nur alle paar deckt, die selten so viel Eis aufweisen. Fähigkeiten, Ansprüche und Motiva­ Gleich kritisch sollten wir uns nach ver­
terfragen. Stattdessen sind wir unkriti­ Das Eis und die Geduld Jahre klettern. Es lohnt sich definitiv, Rechtfertigt das aber den recht groß­ tionen reflektieren. In den sozialen meintlichen Erstbegehungen die Fra­
scher denn je. Alles wird akzeptiert, Eis ist eine faszinierende Materie und so lange zu warten, die Genugtuung zügigen Einsatz von Bohrhaken? Könn­ ­Medien jedoch kehren wir alles nach ge stellen, ob wir auch wirklich die Ers­
was freilich auch positive Seiten hat: So Sinnbild für die Vergänglichkeit auf wird dann ungleich größer sein. te es nicht sein, dass die Linie bereits außen. Es kommt zu Verzerrungen, ten waren, die über den gefrorenen
kann jeder klettern, wie er will. Akzep­ dieser Welt. Es lehrt uns, dass die Na­ In den Dolomiten sind in den letz­ nächstes Jahr so viel Eis aufweist, dass weil wir uns mit den Augen der ande­ Wasserfall hinaufgeklettert sind. Von
tanz und Gleichgültigkeit liegen je­ tur stets im Wandel und jeder Augen­ ten Jahren und heuer viele neue Eis­ sie mit Eisschrauben allein vernünftig ren betrachten. Teilweise denken wir zwei „Erstbegehungen“ im Langental
doch nahe beieinander und in letzter blick anders ist. Der Zyklus aus Entste­ routen entstanden. Hat sich besonders sicherbar ist? nicht. „Was will ich?“, sondern „Was aus dem Winter 2018/2019 weiß ich,

44 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 45


Erstbegehungen

Die Folge von Social Media, wenn alle zu


den gleichen Eisfällen wollen, in dem Fall
die „Zauberflöte“ im Langental
Foto: Martin Dejori

Bohr­maschine kann man auch nur ei­


nen Handbohrer mitführen und schon
ändert sich die Auffassung, wie viele

Pandora
Bohrhaken wirklich notwendig sind.
Außerdem sollten wir mit den Klettern­
den vor Ort, den Locals, öfters in Kon­
takt treten. Da bieten uns die sozialen
Medien mit ihren zwanglosen Kontak­ Neue Linie von Simon Gietl und Vittorio Messini
tierungsmöglichkeiten wieder einen
großen Vorteil. Ich bin überzeugt, dass
an der Pordoi-Westwand
wir manche vermeintliche Erstbege­
hung auch überhaupt nicht publizieren
sollten. Somit können die nachfolgen­
den Alpinisten auch noch das ganz be­
sondere Abenteuer erleben, das nur
dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit ­ oute„Solo per un altro Hashtag“ in
R eine Erstbegehung zu bieten vermag.
schon viele Jahre vorher geklettert Val ­Lasties ist ein gutes Beispiel: Sie Natürlich wird der Ärger groß sein,
wurden. Warum nicht mit Sicherheit? wurde 2018 mit einem schwierigen wenn man dann doch einen Haken fin­
Weil jene Alpinisten damals weder die Mixed-­Einstieg eröffnet, wohingegen det. Aber wenn man das Erlebnis und
Möglichkeit noch das Interesse hatten, die fragile Säule in diesem Winter bis nicht die mit dem eigenen Namen ver­
ihre Begehungen irgendwo groß zu zum Boden gewachsen ist. Besonders knüpfte Neutour in den Vordergrund
publizieren. Um ein breites Publikum ärgerlich: Ursprünglich wurde die stellt, wird dieser Ärger sich schnell
zu erreichen, reichten nicht wenige Mixed-­Seillänge im besten Stil clean auflösen.
Klicks auf dem Smartphone, man eröffnet, aber nur wenige Tage darauf Gleichermaßen wie das Eis sich je­
musste schon die Fachzeitschrift an­ bohrten sich andere Eiskletterer an der den Frühling auflöst, um sich im nächs­
schreiben, per Post. Viele gingen da gleichen Stelle mit sieben Spit hinauf. ten Winter wieder in einer ganz neuen
doch lieber wieder klettern, für sich Form zu bilden. Wir werden das Glück Foto: Simon Gietl

selbst im Stillen. Teils galt auch die Was sollen wir tun? haben, daran klettern zu dürfen. Viel­
Meinung, dass man beim Eisklettern Es drängt sich die Frage auf, was wir leicht sogar als Erste, wenn wir Geduld
sowieso keine Erstbegehung machen tun können. Ich denke, wir sollten aufbringen und lernen zu beobachten Dass an der steilen Wandflucht der starten. Am 10. Dezember schließlich stiegen wir wie geplant die ersten Seil­
kann, weil das Eis im Frühjahr schmilzt ­unseren leichtfertigen Einsatz von und die Stille zu genießen. Pordoi-Westwand im Winter immer konnten Vittorio und ich das erste Mal längen hoch. Beim Hinaufblicken zum
und die Route nächstes Jahr schon Bohrhaken überdenken. Statt der Alex Walpoth wieder beeindruckende Eisforma­ in die Westwand einsteigen. Eisgebilde realisierten wir sofort, dass
ganz anders ausschauen könnte. Die­ tionen entstehen, war uns schon es überaus anspruchsvoll werden wird.
ser alljährliche Wandel wirft wieder die vor einigen Jahren aufgefallen. Erkundungstag Ob wir nun als erste oder zweite Seil­
Frage auf, inwiefern der Einsatz von ­Unser Freund und Bergführerkollege In erster Linie wollten wir uns an die­ schaft die Eisformation bzw. die Route
Bohrhaken beim Eisklettern überhaupt Isidor Poppeler kontaktierte uns sem Tag eine Übersicht verschaffen, klettern, war für uns in diesem Moment
gerechtfertigt ist. Wenn eine Linie aus Anfang Dezember 2019 und schwärm- die Bedingungen testen und eine unbedeutend.
Eis sich ein einziges Mal bildet, der zu­ te von einer schier unglaublichen mögliche und insbesondere logische Da wir diesen 10. Dezember nur als
grundeliegende Felsen aber für immer Eisspur im oberen Teil der Wand, Linie auskundschaften. Im Mittelpunkt Erkundungstag einer möglichen Route
mit Bohrhaken übersät bleibt, ist das die sich leicht links der bekannten unseres Projektes stand stets das ein­ wählten, hatten wir weder Material zum
verhältnismäßig? Vielleicht lässt sich Niagara-Führe gebildet haben soll. drucksvolle Eisgebilde, das sich schät­ Biwakieren noch ausreichend Verpfle­
die Route schon ein Jahr darauf voll­ zungsweise 450 Meter über den Boden gung dabei. Nach knappen 150 Metern

U
ständig auf dem Eis klettern. Die ns war von Anfang an klar, dass gebildet hatte. Bereits beim Zustieg fixierten wir unsere Seile und seilten ab.
es sich dabei um eine außerge­ entdeckten wir eine Seilschaft, die Kurz darauf seilte auch die andere Seil­
wöhnlich steile und anspruchs­ augen­scheinlich denselben Plan hatte. schaft ab. Unser Vorhaben war es nun,
Adam Holzknecht in „Legrima“ am Lang­ volle Eiskletterei handeln würde. Dar­ Speziell bei den herrschenden Tem­ in den nächsten Tagen nochmals einzu­
kofel, erstbegangen am 7. und 8. Jänner
2013 mit Hubert Moroder. Sie haben
über hinaus kamen Ausgesetztheit, peraturen und Wetterverhältnissen an steigen und die Route fertig zu klettern.
10 Jahre darauf gewartet, dass die Linie Länge und Logistik dazu, die das gan­ diesem Tag waren wir ziemlich verwun­ Wie bereits erwähnt, legten wir dabei
­genug Eis zum Klettern aufweist. In jener ze Vorhaben zusätzlich erschweren dert. Ein scharfer, kräftiger Nordwind unseren Fokus auf die ca. 150 steilen
Form hat sich „Legrima“ seither nicht mehr
gebildet sollten. Es war uns zeitlich allerdings ließ die ohnehin schon tiefe Tempera­ Meter im oberen Teil, die entlang die­
Foto: Hubert Moroder nicht möglich, sofort das Projekt zu tur um vieles kälter wirken. Trotzdem ser imposanten Eisfigur führen sollten.

46 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 47


Erstbegehungen

6 Seillängen im Eis;
In einem Push Leichter Schneefall und leichte spanntes Biwak einrichten. Wir bereite­ im Bild Vittorio Messini
Am 16. Dezember stiegen wir erneut Minus­temperaturen waren kein nen­ ten uns so gut wie möglich auf die be­ Fotos: Simon Gietl

in die Wand ein. Nach ausgiebigem nenswertes Problem. Im Vergleich zum vorstehende Nacht vor und ließen die
Simon Gietl und Vittorio Messini
Wandstudium und sorgsamem Zusam­ ersten Mal waren die Bedingungen geschafften Klettermeter gedanklich
menstellen unserer Ausrüstung waren ­sogar beinahe angenehm. Die ersten nochmals Revue passieren. Obwohl wir
wir für unser Vorhaben gewappnet, die 150 Meter stiegen wir über unsere mit dem Geschafften am ersten Tag
Wand in einem Push zu durchsteigen. ­fixierten Seile auf. Die Schwierigkeiten mehr als zufrieden waren, drängten
Gerüstet für zwei Tage stiegen wir wie­ im ersten Teil erreichen ca. den sich auch Zweifel auf. Zweifel darüber, manöver, das nochmals drei Stunden
derum in die Wand ein. Unser Vorsatz 4. Grad, wobei man beachten sollte, ob die Kletterei entlang des steilen dauern sollte.
war jedenfalls, den Eisfall so logisch dass diesen Abschnitt reichlich Schnee Eisfalles überhaupt möglich und eini­ Um 7 Uhr abends hatten wir schließ­
wie möglich zu erreichen, um diesen bedeckt und das nicht zu unterschät­ germaßen absicherbar sein würde. lich wieder festen Boden unter den
dann zu klettern, egal ob als Erstbege­ zen ist. Am erstmaligen Umkehrpunkt ­Füßen und konnten im Stirnlampen­
hung oder Wiederholung, falls in der angelangt, ruhten wir uns nur kurz aus Schrille Umgebung licht voller Zufriedenheit mit unseren
Zwischenzeit vielleicht jemand „unsere“ und kletterten schließlich zwei weitere Am zweiten Tag machten wir uns be­ Skiern Richtung Auto abfahren. Insge­
Route gemacht haben könnte. Seillängen. Den erreichten Absatz hät­ reits um 6 Uhr bereit, um die Route samt war es eine mehr als abenteuer­
Um diesen steilen Eisfall zu errei­ ten wir eigentlich als Biwak-Platz nut­ entlang der Eisformation zu vollenden. liche Aktion in einer wilden, alpinen
chen, „bastelten“ wir uns schon im zen wollen. Doch derselbe entpuppte Wir standen nun genau an dem Ort, Umgebung. Die faszinierende und per­
Kopf eine mögliche kombinierte Linie sich als schmaler und heikler als ur­ von dem wir schon Tage vorher fekte Eisformation und die fantastische PANDORA
zwischen der Abram- und der Niagara­ sprünglich angenommen. Wir ent­ schwärmten, am Fuße eines gewalti­ Kletterei, die sie bieten konnte, wer­
route zusammen. schieden uns, weiterzuklettern, auf die gen Eisfalles, der hinsichtlich Ausge­ den uns noch sehr lange in Erinnerung Erstbegeher: Simon Gietl und
Gefahr hin im Stirnlampenlicht einen setztheit, Struktur und Ambiente alles bleiben. Ein wahres Präsent der Natur, Vittorio Messini
Biwakplatz finden zu müssen. Um zur zu übertreffen schien, was wir in unse­ das uns sehr viel Freude und Glück Erstbegehung:
Der niederschlagsreiche
Herbst hatte für viel logischen Rampe zu gelangen, die uns ren heimatlichen Bergen jemals zu Ge­ ­bescheren konnte. Pandora – für uns Dezember 2019
Eis gesorgt: Simon Gietl Richtung Niagara-Führe leiten sollte, sicht bekamen. Wir fanden einen er­ beide war die Route buchstäblich ein Schwierigkeit:
in ­Pandora
seilten wir uns an einem Felskopf staunlich guten Weg vom Felsen in das verfrühtes Weihnachtsgeschenk! 5, M5, A0, WI6 (600 m)
Foto: Vittorio Messini
20 Meter ab, an welchem sich bereits senkrechte Eisgebilde. Die Kletterei Simon Gietl
eine Schlinge mit einem Karabiner be­ gestaltete sich ausgesprochen an­
fand. An der Rampe angelangt, ging spruchsvoll. Insbesondere die ersten
es auf logischem Weg zunächst Rich­ beiden Seillängen im Eis waren über­
tung Niagara-Route und schluss­ aus steil und die Kletterei ebenso ernst
endlich zum Eisfall, unserem Hauptziel. wie schwierig. Wir realisierten aller­
dings rasch, dass wir die Gunst, diesen
Erster Klettertag einmaligen Eisfall klettern zu dürfen,
Wie man im Kletterjargon zu sagen nutzen sollten. Wahrscheinlich hatte
pflegt, löste sich alles erstaunlich lo­ der niederschlagsreiche Herbst dazu
gisch auf. Weiter ging es diagonal zu geführt, dass sich dieses Jahr das Eis
einer auffallenden Verschneidung. Im so auffallend groß entwickeln konnte.
Anschluss daran kletterten wir einen Die Perfektion des Eisfalles ist schwie­
Rechtsbogen und streiften dabei stel­ rig zu beschreiben. Das Klettern in
lenweise die Route Dornröschen. Trotz ­dieser schrillen Umgebung und das
der eindrucksvollen Felsqualität ge­ Wissen, dass wir es schaffen werden,
staltete sich das Höhersteigen entlang vermischten sich zu einer fast verrück­
des mit Schnee bedeckten Felsens ten Atmosphäre. Die darauffolgenden
sehr heikel und abschnittweise kritisch. Längen im Eis waren geprägt von tol­
Doch Motivation und unser Wille, die ler Kletterei, die uns großen Genuss
letzten Meter bis zum Band, dem mög­ bereitete. Die Bedingungen hätten
lichen Biwakplatz, zu schaffen, waren kaum besser sein können. Nach sechs
bemerkenswert. Das Zusammenspiel Seillängen im Eis erreichten wir am
von Kletterei und Logistik, damit ist späten Nachmittag um 4 Uhr das Ende
größtenteils das Hochziehen des des Eisfalles. Unser Projekt war ge­
schweren Biwak-Materials gemeint, schafft! Dort angekommen, umarmten
schien außergewöhnlich gut zu laufen. wir uns voller Genugtuung und Freude
Voller Freude konnten wir letztendlich darüber, dass wir dieses einzigartige
das ausgeprägte Band unter dem Geschenk der Natur klettern und auf
spektakulären Eisgebilde erreichen. diesem Wege annehmen konnten. Kur­
Ebenda konnten wir ein relativ ent­ ze Zeit später starteten wir das Abseil­

Bergeerleben 01/20 49
Unterwegs

unserem Fall als die weitaus schwie­ schmalen Firngrat, der vom höchsten
rigsten der gesamten Tour herausge­ Punkt dieses gewaltigen Westalpen­
stellt haben. Nach dieser nicht gerade berges herabzieht. Nur noch wenige
einladenden Begrüßung bietet uns die Meter und die Wand liegt komplett
Wand nun für rund 250 Höhenmeter unter uns. Wahnsinn!
eine schöne, nahezu senkrechte Eis­
kletterei im Schwierigkeitsbereich WI4. Die schönsten drei Quadratmeter
Nach diesem Aufschwung legt sich die der Welt
Wand zurück. Wir können unser Seil Auf der kleinen Platte am Gipfel, wer­
wieder in den Rucksack stopfen und den wir mit einem unbeschreiblichen
uns einen Schluck aus der Teeflasche Ausblick belohnt. Keine Menschen­
gönnen. Ab hier werden wir mit aller­ seele ist zu sehen. Dafür haben wir die
bestem Trittschnee belohnt. Auch die legendäre Nordwand der Grand
Spindrifts, die uns in der Nacht un­ ­Jorasses und den Montblanc direkt im
unterbrochen gegeißelt haben, lassen Visier, während wir uns mit einem kräf­
endlich nach. Von der saugenden Tiefe tigen Handschlag beglückwünschen.

Gewürzt mit
unter uns haben wir aufgrund der be­ Wohlwissend, dass wir noch immer
grenzten Leuchtweite unserer Stirn­ dem Berg gehören und die warmen
lampen noch nichts bemerkt. Als wir Temperaturen sowie die intensive Son­
uns jedoch bei Anbruch des Tages­ neneinstrahlung den Abstieg durch

­Tiefblicken
lichts in der ausgesetzten Linkstraver­ die Südwand nicht gerade sicherer
se in halber Wandhöhe wiederfinden, machen, bereiten wir uns sofort wieder
werden wir uns der vielen Luft unter für den Abstieg vor. Während Chris
den Füßen dann doch noch bewusst. noch seine Steigeisen festzieht, hänge
Durch die Droites-­Nordwand Einige Höhenmeter weiter oben ste­ ich meinen Tube in das Seil … Fokus­
hen wir vor zwei großen, nicht weiter siert, aber doch schweren Herzens!
einsehbaren, parallel verlaufenden Denn dort oben auf der kleinen Platte
Die Nordwand der Droites
10. Jänner 2020: Mein Kumpel Chris Zeit befinden wir uns schon auf dem schon im Blick beim Hüttenzustieg ­Rinnen. Auf unserer ohnehin nicht so realisiere ich, wie abgelegen und un­
aus Innsbruck und ich sind gerade Ausläufer der Droites und steigen der über den Argèntieregletscher auskunftsfreudigen Beschreibung sind endlich weit weg wir in diesem Mo­
eine kombinierte Linie auf dem Nordwand durch etwas Spaltengewirr Foto: Chris Hiller (gopro5)
diese zwei Couloirs nicht weiter be­ ment von der Zivilisation und dem
Sella­pass geklettert und nun auf entgegen. Das immens aufragende, schrieben. Da wir auch kein Foto vom ganzen Trubel unten in Chamonix sind.
Volle Konzentration in der ausgesetzten
dem Heimweg. Begeistert erzählt tausend Meter hohe Platten- und Eis­ oberen Teil der Wand haben, ent­ Ein besonderer Ort, an dem man ewig Linkstraverse
er mir von einer bayrischen Seil- schild über uns wirkt erdrückend und scheiden wir uns für die linke Rinne, verweilen möchte. Zu diesem Zeit­ Foto: Max Lanzinger (gopro7)

schaft und ihrem geglückten die steilen Eisfälle im unteren senk­ de, wo sich das ganze gute Eis durch die uns schlussendlich zu den fels­ punkt einfach die schönsten drei Qua­ Geschafft! – Im Hintergrund die für Chamo-
Durchstieg einer 4000er-Nord- rechten Wandteil glänzen im Mond­ die hohen Temperaturen der letzten durchsetzten Ausstiegslängen führt. dratmeter auf der Welt; und nach den nix typischen schlanken Felstürme
wand in Chamonix. licht und wirken einschüchternd und Tage abgelöst und in den Schlund der Nach einigen Höhenmetern im kom­ vielen Stunden in der Vertikale, die Foto: Max Lanzinger (gopro7)

unheimlich. In der „taghellen“ Nacht Randspalte verabschiedet hat. Für ei­ binierten Gelände erreichen wir das Waagrechtesten auch noch dazu – fast Die letzten Meter am Gipfelgrat

1
3. Jänner 2020: Nach einigen we­ können wir unsere Route schon von nen direkten Anstieg auf den rund vier Gipfeleisfeld und schließlich den wie zu Hause in der Stube. Foto: Chris Hiller (gopro5)

nigen Stunden Schlaf im Winter­ Weitem gut erkennen, dennoch ge­ Meter hohen, überhängenden Berg­
raum des Refuge d’Argentière bin staltet sich die Orientierung am brei­ schrund ist der Schnee definitiv zu
ich bereits vor 2 Uhr wach. Wie immer ten Wandfuß zu Beginn nicht ganz weich. Wir wissen beide, dass es nur
aus Angst, den Wecker zu verpassen. ­einfach. Wir nehmen kurz die Fotos zur einen Weg über die mächtige Rand­
Gerade jetzt wäre es unter der warmen Hand, die wir während des Zustiegs spalte gibt. Dieser führt wohl oder
Decke am „angenehmsten“… Nach zur Hütte am Nachmittag zuvor ge­ übel ausschließlich über die athleti­
­einem kargen Frühstück verlassen wir macht hatten. Die Überschreitung der sche Mixedkletterlänge! Gesagt, ge­
unser Lager und fahren auf das große Randspalte sollte laut Bericht der tan! Im abschüssigen und nicht absi­
Plateau des Argentièregletschers ab. ­bayrischen Seilschaft relativ einfach cherbaren Plattengelände kämpfen wir
Während dem Auffellen blicke ich über eine gute Eisauflage zu meistern uns mit unseren Eisgeräten an den
nochmals zurück zur futuristischen sein. Unspektakulär, anscheinend kleinen Felsstrukturen etwa 30 Meter
Hütte, die in der hellen Mondnacht wie „a g’mahte Wiesn!“ empor. Den Funken zufolge sollten
ein Schloss hoch über dem Gletscher ­unsere Steigeisen nach dieser Länge
thront und erst noch vor wenigen Stun­ Viel Luft unter den Füßen für den Tag bestens geschärft sein.
den Stützpunkt einer spektakulären Anhand der Fotos und einiger Steig­ Gewürzt mit einem eindrücklichen
Hubschrauberrettung aus der benach­ eisenspuren finden wir den Einstieg Tiefblick in den Rachen der Spalte
barten Courtes-Nordwand war, die wir ­relativ rasch. Allerdings führen die ­können wir die vermeintlich einfachen
hautnah miterlebt hatten. Nach kurzer Spuren nach rechts in plattiges Gelän­ ­Meter hinter uns bringen, die sich in

50 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 51


Unterwegs

Entscheidung werden wir mit Bruch­


harsch vom Feinsten, Gegenanstiegen,
unzähligen Kratzern im Skibelag und
Fornomenal!
noch einem Fußmarsch zum Auslo­
ckern belohnt. Aber sportlich war’s
alle­mal…
Aber halt? Wo war jetzt nochmal un­
ser Auto? Ok – die allerletzte Heraus­
forderung steht doch noch bevor, und
zwar die Busfahrt von Chamonix nach
Argentière und unsere nicht vorhande­
nen Französischkenntnisse. Aber das
ist eine andere Geschichte …
Max Lanzinger

LES DROITES (4.000 M)


Abfahrt in Richtung Mer de Glace mit
dem Montblanc im Visier zunge fahren wir durch eine tief einge­ Schwierigkeiten am 13.1.2020:
Foto: Chris Hiller (gopro5) schliffene Rinne hinunter zum Mer de Lagarde direct TD-, 1000 m, WI4, bis
Glace und über dieses auf breiter Ski­ 85 °.M3–M4
spur in Richtung Chamonix. Nach Bergschrund über 90°, bei Umgehung
­einem kurzem Gegenanstieg und einer M5
Hauptsache sportlich … unsportlichen, aber notwendigen Seil­
Nach unzähligen Abseilfahrten an bahnfahrt hinauf nach Montenvers
Schlingen und Haken jeglichen Alters liegt wieder eine Etappe hinter uns.
sind wir froh, endlich die große Flanke Oben ausgestiegen, haben wir noch
erreicht zu haben. Ab hier können wir die letzte Hürde vor uns, die uns zwei
unsere Skier vom Rucksack nehmen Optionen bietet. Entweder Zahnrad­
und steil auf den rund 700 Meter tiefer bahn oder Skiabfahrt mit einer Höhen­ Neue Alpinwander­routen in Graubünden
gelegenen Leschauxgletscher abfah­ differenz von knapp 1.000 Metern.
ren. Ein fast nicht enden wollendes Un­ Da uns die erste Möglichkeit wieder zu
Die Fornohütte – im Hintergrund der
terfangen. Und die Müdigkeit setzt unsportlich ist, gehen wir ohne ein In der Umgebung der Fornohütte kaum noch besucht. Grund dafür ist ­Fornogletscher, zweitgrößter Gletscher
auch langsam ein. Von der Gletscher­ Wort zu wechseln an der Bergstation des Schweizer Alpenclubs (SAC) der allmähliche Rückgang des Eises, Graubündens
der Zahnradbahn vorbei. Die Wahl ist sind zwischen 2015 und 2018 gleich der die Zugänglichkeit einiger Gipfel Fotos: Beat Kühnis

somit klar und demokratisch auf die mehrere neue Alpinwanderrouten immer stärker eingeschränkt hat.
Skiabfahrt gefallen. Für diese weise entstanden. Sie richten sich an Um dem Gästeschwund entgegenzu­
­erfahrene, trittsichere Wanderer, wirken, hat der Hüttenwart Beat Kühnis
WARUM ICH MITGLIED BEI welche die Ruhe abseits der großen in Zusammenarbeit mit dem SAC, Tour, ist aber durch Stahlketten und
DER HG BIN? Touristenströme suchen. der örtlichen Gemeinde und Nachbar­ Eisen­bügel entschärft. Beim Kreuz
hütten neue Möglichkeiten für Alpin­ auf dem geräumigen Gipfel genießt

D
• Beisammensein und Treffen mit
ie Fornohütte liegt im Kanton wanderer geschaffen: So wurden im man ein gigantisches Panorama.
Gleichgesinnten Graubünden, am Schnittpunkt nicht vergletscherten Bereich des Val
• Gelebte Bergsteigerkameradschaft in von Engadin und Bergell, und Forno Wege auf Dreitausender ange­ Monte Rosso (3.087 m)
lockerer Atmosphäre nur einen Kilometer von der italieni­ legt und Übergänge in andere Täler Diese Route wurde im Jahr 2017 er­
• Aufrechterhalten der langjährigen schen Grenze entfernt. Auf einer Höhe ausgebessert. Das entstandene klei­ stellt. Mithilfe von Eisenbügeln und
Tradition der Hochtourengruppen von 2.574 Metern gelegen, bietet sie ne Wanderwegnetz ist wild, hochalpin 400 Meter Stahlketten durchsteigt man
• Gedanken- und Informationsaus­ einen prächtigen Ausblick auf den For­ und noch verhältnismäßig unbekannt. auf Gras- und Felsbändern diagonal
Maximilian „Max“ Lanzinger aus tausch innerhalb der Gruppe nogletscher. Während früher vor allem die exponierte Westflanke des Monte
Prags, Jahrgang 1992, ist Mitglied der • Gemeinsame Ziele und Projekte ver­ Alpinisten die Hütte frequentierten, Monte del Forno (3.213 m) Rosso (spektakuläre Tiefblicke hinunter
Hochtourengruppe Pustertal und folgen und umsetzen sind es heute meistens Wanderer, die Die Route von der Fornohütte auf den zum Fornogletscher), bis man nach
leiden­schaftlicher Bergsteiger mit Interessierte Bergsteiger sind bei der im Sommer den vier- bis fünfstündigen Monte del Forno ist seit 2015 markiert. 90 Minuten eine begrünte Schulter
Vorliebe für alpine Eis- und Skitouren HG Pustertal jederzeit willkommen. Weg ab Maloja unter die Füße neh­ Man steigt auf die Sella del Forno mit monumentaler Aussicht zur Nord­
im Winter sowie klassische alpine Infos bei der Leiterin Dorothea Volgger: men. Denn die Gletscherberge zuhin­ und von dort, parallel zum Südgrat, wand der Cima di Rosso erreicht. Von
­K letterführen und Hochtouren im hochtourengruppe.pustertal@ terst im Val Forno sind zwar beliebte zum steilen und felsigen Gipfelaufbau hier aus leiten die Markierungen zur
Sommer. alpenverein.it Skitourenziele, werden nach der hinauf. Die Passage durch die Gipfel­ Südwestflanke des Gipfels hoch, den
Schneeschmelze im Frühsommer aber wand bildet die Schlüsselstelle der man nach kurzer Kraxelei erreicht.

52 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 53


Unterwegs

Ankunft auf dem Gipfel des Monte Rosso

Panoramareicher Aufstieg zum


Pass da Casnil Sud

ger geröllig, deutlich aussichtsreicher


und vor allem weitestgehend stein­
schlagsicher geworden. Hat man nach
vier Stunden Gehzeit die Passhöhe
­erreicht, sind es nochmals weitere
90 Minuten bis zur Albignahütte.

Sella del Forno (2.769 m) | Sentiero


Bernina Sud
Auch an der Sella del Forno wurde ein
bestehender Weg teilweise neu ange­
legt: Seit 2018 ist der Routenverlauf auf
Passo Vazzeda (2.966 m) und Cima markiert – wer Lust hat, kann in einer der italienischen Seite des Passes bes­
di Val Bona (3.032 m) guten Stunde zur CAI-Hütte Del ser dem Gelände angepasst. Statt
Die Cima di Val Bona erhebt sich un­ ­Grande e Camerini absteigen. durch mühsamen Schutt führt der Weg
mittelbar nördlich des Passo Vazzeda, nun über Wiesen und Felsplatten. Der
und es bedarf nur eines 20- bis 30-mi­ Pass da Casnil Sud (2.940 m) Übergang ist Teil des Sentiero Bernina
nütigen Abstechers von der Passroute, Gepickelt, gebohrt und gemalt wurde Sud, einer viertägigen, nur mäßig an­
um den Gipfel zu ersteigen. Der Weg­ 2017 auch am Pass da Casnil Sud. Zwar spruchsvollen Wanderung entlang der
verlauf zwischen der Fornohütte und ist der Übergang zwischen der Forno- Südhänge des Bernina-Massivs, die
dem Passo Vazzeda ist während der und der Albignahütte des SAC schon das Val Forno mit dem Valmalenco und
ersten 90 Minuten derselbe wie zum seit Längerem markiert, doch früher dem Val Poschiavo verbindet. Die erste die Sella del Forno zur CAI-Hütte Lon­ Passo di Campagneda wieder zurück in Etappe besser ausgeschildert. Grenz­
Monte Rosso. Nach der Abzweigung führte die Route direkt über den Forno­ Etappe ist der Aufstieg zur Forno­hütte. goni und bietet eine beeindruckende die Schweiz – durch Tannenwälder ab­ über­schrei­tende nachbarschaftliche
führen die Markierungen den Wande­ gletscher und dessen linke Moräne. Die zweite führt in 5,5 Stunden über Aussicht zum Monte Disgrazia. Die drit­ steigend, erreicht man das schmucke Zusammenarbeit – das sei doch forno­
rer ins einsame, paradiesische Hochtal Weil diese aber immer steiler und in­ te Etappe ist geprägt von einzigartigen Dorf Poschiavo, wo sich eine Haltestel­ menal, findet Beat Kühnis.
zu Füßen von Cima di Vazzeda und stabiler wurde, musste der Weg zu Ausblicken auf die Gipfel und Glet­ le der Rhätischen Bahn mit guten Ver­ Remo Signer
Cima di Rosso. Von diesem aus er­ zwei Dritteln neu angelegt werden. scher der Berninagruppe – die Forcella bindungen nach St. Moritz und Tirano
Im Aufstieg zur Cima di Val Bona. Blick
reicht man die Passhöhe über Geröll Unterdessen umgehen die Markierun­ in Richtung Cima di Vazzeda und Cima di d’Entova überschreitend gelangt man befindet. Während Beat Kühnis den
und Gletscherschliffplatten. Nebst der gen sowohl den Gletscher als auch die ­Rosso zur CAI-Hütte Zoia (Gehzeit 6 Stunden). Weg über die Sella del Forno besser
Auf dem Sentiero Bernina Sud zwischen der
Schweizer Seite des Passes wurde im Moräne. Dadurch ist die Route zwar Die Longoni-Hütte – durch den Sentiero Die vierte und längste Etappe (Gehzeit angelegt hat, hat der Hüttenwart der Forno- und der Longoni-Hütte. Blick Rich-
Jahr 2017 auch die italienische Seite ein klein wenig länger, aber auch weni­ Bernina Sud mit der Fornohütte verbunden ebenfalls 6 Stunden) führt über den Longoni-Hütte, Elia Negrini, die zweite tung Sella del Forno und Monte del Forno

54 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 55


Unterwegs

„Zeig mir meinen Silberstreifen“


Im Rollstuhl durch die Dolomiten

D
Fünf Freunde haben die 27-jährige an
Sechs Freunde, ein Rollstuhl, die ie Tropfen fallen schwer vom mer wieder zur Seite. Ich bin zu er­ ALS-erkrankte Sarah in ihrem Rollstuhl meinen Körper stabil zu halten. Es wür­ staben bestimmen meine Zukunft.
Dolomiten – ein Traum. Der Traum Himmel. Meine rote Baumwoll­ schöpft, um ihn noch aus eigener Kraft durch die Dolomiten begleitet den noch viele weitere Kämpfe folgen A-L-S. Der Tod kommt zu schnell und
davon, die Dolomiten zu überque- kletterhose saugt jeden einzel­ zu halten. Wir alle sind stumm und lau­ und unendliche Anstrengungen, atem­ zu langsam zugleich. An der Welt,
„Die Anstiege wurden immer steiler, die
ren. Sarah Braun ist 27 Jahr alt und nen Tropfen gierig auf und färbt sich schen nur den angestrengten Atemzü­ Jungs immer stärker.“ beraubende Naturerlebnisse sowie wie ich sie kannte, kann ich nicht mehr
lebt mit der Diagnose ALS. Sie wird sofort einen Ton dunkler. Die Beine vor gen der anderen. Einzig ganz vorne Fotos: Markus Frühmann überstrapazierte Lachmuskeln hin­ teilhaben. Mein Körper nimmt mich
bald sterben – sagen die Ärzte. Wir mir, die mich ziehen, heben sich nur zieht eine schier unerschöpfliche Ener­ zukommen. Im Moment zählt aber nur ­gefangen, der Geist kann aber noch
schieben dich, egal wohin – sagen noch langsam. Es ist, als würden sie gie, die unsere Karawane in Bewegung der nächste Schritt. Einfach nur der ausbrechen. Die Ideen, die dort ent­
die Freunde und ihr Bruder und er- auf flüssigem Beton gehen. Jeder hält. Seit über neun Stunden nähern nächste Schritt, mit Sehnsucht nach springen, sind häufig fern von ver­
füllen ihr den Wunsch, die Kraft der Schritt scheint schwerer zu werden. wir uns nun den majestätischen Anfän­ ten Tag und am Ende unserer Kräfte. dem letzten. Zumindest für heute. nünftig. Treffen diese dann auf mein
Berge noch einmal zu spüren. Sarah Der Atem, der mich schiebt, geht so gen der Dolomiten. Die Dolomiten zu Zu diesem Zeitpunkt ist keinem von Umfeld, nähern sie sich den Grenzen
Braun hat die dreitägige Wande- schnell, ich kann den Takt kaum mit­ überqueren, war mein Traum gewesen. uns bewusst, was wir noch schaffen Wie es anfing zum Wahnsinn. So geschehen mit
rung durch die Dolomiten niederge- zählen. Ich frage mich, was wir hier ei­ Die fünf Menschen um mich, wollen würden. Wie sehr wir die Grenzen zwi­ Seit nun fast zwei Jahren sitze ich im ­meinen zwei Lieben aus dem Sand­
schrieben. Es ist eine Geschichte gentlich machen. Sind wir alle kom­ ihn mir erfüllen. Früher wäre ich selbst schen unmöglich und möglich ver­ Rollstuhl. Ich habe eine Nervenkrank­ kasten – Joni und Felix. Unsere Ideen
über das Mögliche im Unmöglichen, plett verrückt geworden? Mein gegangen. Heute kann ich es nicht schieben würden. Zu sehr waren die heit, die nach und nach all meine waren schon immer frei von Unmög­
über Freundschaft und was sie im- Oberkörper schmerzt mit jeder Er­ mehr. Doch dies ist erst der Anfang anderen damit beschäftigt, den nächs­ moto­rischen Nerven abtötet und in lichkeiten. Als ich ein paar Monate im
stande ist, zu bewegen. schütterung mehr. Mein Kopf fällt im­ unseres Abenteuers. Wir sind am ers­ ten Schritt zu schaffen, und ich damit, weiterer Folge alle Muskeln. Drei Buch­ Rollstuhl saß, spannen wir die Idee,

56 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 57


Unterwegs

sagen zu können, fordert mir viel ab. gewohnt war. Helfen konnte er mir
Jedes Mal, wenn sich eins ihrer Gesich­ aber nicht. ­Nächte müssen einfach
ter zu mir umdrehte, erwartete ich zu­ überstanden werden. Zwar bauten mir
mindest eine genervte Regung. Trotz die Jungs j­eden Abend einen ausge­
der Erschöpfungen erntete ich nur wachsenen Joint, aber der hilft nur
liebe­volles Lächeln. Diese Menschen durch den ­Anfang der Nacht.
sind wirklich unbeschreiblich. Ich war
es ihnen schuldig, dieses Abenteuer Tag 3
mit ganzem Herzen zu genießen. Mit Der Name Adolf Munkel wird nicht so
einem schlechten Gewissen half ich schnell aus unserem Gedächtnis ver­
­ihnen nämlich auch nicht den Berg schwinden. Wir wollten unterhalb des
­hinauf. Wir waren bereits mitten in den Sass Rigais über eine Anhöhe zum Pa­
Ersehnte und wohlverdiente Rast auf der
Hütte Dolomiten angekommen und die Wun­ norama von Sellastock, Langkofel, vor­
der unserer Welt erhoben sich pracht­ bei an den Rosszähnen bis hin zum
Sarah mit ihren Freunden Barbara, Joni
und Felix (v. l.) voll um uns. Nach einem mühevollen Schlern wandern. Unsere Welt hat
Anstieg erreichten wir nach fünf Stun­ kaum etwas Schöneres zu bieten. Da­
den die Hütte. Wir waren früh dran von trennte uns allerdings der Adolf-
und ich konnte mich entspannt von Munkel-Weg. Dieser sollte uns noch
in irgend­einer Form einen Teil der definitiv noch ein weiter Weg. Ich ver­ Ende. Doch es standen noch zwei meinem Bruder duschen lassen. Das einmal alles abverlangen. Die Fünf hat­
­Alpen zu überqueren. suchte mein Wissen mitzuteilen, schei­ Stunden bevor. Einzig Lefti versprühte ist bei Weitem nicht selbstverständ­ ten mittlerweile ihre Kommandos per­
In Amerika hatte ich einen Wander­ terte allerdings kläglich. Das Einzige, eine unendliche Kraft. Er war bereits lich. Ein großer Bruder hat gewöhnlich fektioniert, die sie sich von vorne und
rollstuhl gesehen, der für unser Vorha­ was noch klar und deutlich aus mei­ den ganzen Tag mit seiner Kamera ne­ eine andere Rolle, als die eines Pfle­ hinten zuriefen. Dieser Weg war trotz­
ben perfekt schien. Nur woher sollten nem Mund kommt, ist nämlich Spucke. ben uns hin und her gesprintet und gers. Trotzdem macht er es, seitdem dem ein Kraftakt der besonderen Art.
wir so ein Ding bekommen? Da kam So gab ich die Kontrolle ab. Wir wür­ jetzt zog er meinen Rollstuhl in einem ich es benötige, ohne mit der Wimper Wir kamen zu der Erkenntnis, dass
Gezogen und geschoben: Mit ihrem Roll-
mein Bruder Alex ins Spiel. Er fand den unseren Weg gehen. Tempo, dem ich früher nicht standhal­ zu zucken. Dafür bin ich ihm unendlich Vieh-Gatter definitiv nicht barrierefrei stuhl wiegt Sarah 70 Kilogramm
eine Schule in Baden-Württemberg, Nach der Mittagspause wurde der ten hätte können. Irgendwann um acht dankbar. Es macht mein Leben um so sind. Der Rest der Dolomiten natürlich
die uns das sänftenartige Gefährt für Weg beschwerlicher und war voller am Abend erreichten wir vollkommen vieles leichter und diese Tour für alle schon. Meine Atmung wurde immer
5 Euro am Tag leihen würde. Im Zuge Barrieren, die wir nur mühevoll über­ erschöpft die heiß ersehnte Hütte. ohne Bauchschmerzen möglich. Dies­ schwerer, weil die Muskeln um meinen
dessen wollte er auch mit uns in das winden konnten. Dann näherten sich Was für ein erster Tag, was für eine mal stand eine Nacht im Bettenlager Brustkorb bei jeder Einatmung mehr gemacht, loszulassen und komplett zu
Abenteuer starten. Als ich dann noch auch noch bedrohliche Gewitterwol­ wahnsinnige Leistung. Danke ihr Ver­ bevor. Als Schwerbehinderte durchaus schmerzten. Joni hatte mein Wohlbe­ vertrauen. Als ich so vor mich hinru­
Lefti und Babi, zwei Freunden aus ken und wir mussten Unterschlupf in rückten. Hallo Herzensberg. aufregend und auch für die Menschen finden ständig im Blick. Auch die letz­ ckelte und daran dachte, kamen mir
Wien, von unserem Vorhaben erzählte einer von Kühen bewachten Alm su­ um mich nicht unbedingt erholsam. ten Tage schon hatte er mir mit einer die Tränen. Sie hatten mir mehr ge­
und sie mehr als begeistert davon wa­ chen. Auf diesem Stück verloren wir Tag 2 Trotzdem ist es wie ein Geschenk. Ich Engelsgeduld Kaffee in den Mund ge­ schenkt, als man vom Leben erwarten
ren mitzukommen, war mein Traum knapp zwei Stunden und viel Energie. Der Wecker klingelte um halb sieben. kann an etwas teilhaben, was eigent­ löffelt, mir wie selbstverständlich Was­ kann. Ich hatte mit vielem auf dieser
perfekt. Fünf wundervolle Menschen, Beim Anblick, was uns noch bevor­ Wir wollten um den Peitlerkofel auf die lich nicht mehr für möglich gehalten ser in die Magensonde gespritzt, und Reise gerechnet, Schmerzen erwartet
alle bereit, mit mir zu träumen. stand, musste Babi gekonnt ihre skep­ Schlüterhütte wandern. Den Anfang wird. Felix stand mehrmals die Nacht mich aufs Klo gebracht. Meine Bedürf­ und magische Momente erhofft. Ich
Felix übernahm die Planung der Rou­ tischen Sorgenfalten verstecken. Be­ machte ein wahrlich verwunschener besorgt neben meinem Bett, weil er nisse einzufordern, fällt mir nicht leicht. hatte nicht damit gerechnet, die Fünf
te und die Auswahl der Hütten. Wir herzt, aber voller Ruhe trieb sie die Wald mit riesigen Felsen, die irgend­ mein schmerz­verzerrtes Stöhnen nicht Die Fünf hatten es mir jedoch einfach so leiden zu sehen und sie noch mehr
würden über meinen Lieblingsberg in Jungs an. Im Laufe der nächsten Tage wann einmal vom Kofel heruntergebro­ in mein Herz zu schließen, als es ohne­
die Welt der Dolomiten eintauchen. Wir sollte sie mich immer wieder mit ihrer chen sein mussten. Ich spürte bereits hin schon der Fall war. Auch nicht da­
klärten medizinische Risiken ab, pack­ bestimmten Ruhe beeindrucken. Wa­ die Schläge vom ersten Tag wieder in mit, dass wir so viel Glück haben wür­
ten Morphium und viel Marihuana ein. ren wir zu spät dran, übernahm sie ein­ meinen Muskeln. Und dann kam der den. Ein Abenteuer, das uns für immer
Risikoanalysen wurden angefertigt, fach die Aufgaben der anderen. Sie Anstieg, den wir bereits etwas ge­ verbindet. In meinem Ohr hörte ich die
Packlisten geschrieben, Hütten ge­ hatte alles im Blick und blieb einfach fürchtet hatten. Mit Seilen spannten Zeilen von „My Silver Lining“:
bucht. Das Abenteuer konnte losgehen. immer gut gelaunt. wir noch zwei Personen vor mein Ge­ Something good comes with the bad
Die Anstiege wurden immer steiler, fährt. Der Anblick glich einer Postkut­ A song’s never just sad
Tag 1 die Jungs immer stärker. Es war un­ sche. Meine Pferde schnauften. Ich There’s hope, there’s a silver lining
Wir starteten in Zumis bei bestem heimlich, wie sie mich die Anhöhen fühlte mich wunderbar und schrecklich Show me my silver lining
Wetter. Für meine Begleiter war es an­ hochbuxierten. Auch bergab wurde es zugleich. Auf der einen Seite war ich in I won’t take the easy road
strengend, aber einfacher als gedacht. immer steiler. Ein falscher Schritt, ich dieser wahnsinnig kraftvollen Natur,
Entspannt kamen wir an unserem Mit­ hätte Babi überrollt und wäre den Berg die ich am liebsten mit jedem Atemzug Wir haben nicht den einfachen Weg
tagsziel an. Eine wunderschöne Hütte, hinabgesaust. Als es dämmrig wurde, festgehalten hätte. Auf der anderen genommen. Wir haben einen unvor­
mit Blick auf den Peitlerkofel – unser wurden die Schläge auf meine Wirbel­ Seite plagten sich meine Freunde für hersehbaren genommen. Wir haben
„Etwas Gutes kommt mit dem Schlechten
heutiges Etappenziel. Der Blick auf un­ säule unerträglich. Meinem Team sah mich diesen Berg hinauf. Es ist nicht Ein Lied ist nie nur traurig uns selbst das Leben geschenkt. Alles
ser Ziel beruhigte mich allerdings we­ ich die Anstrengung auch zunehmend einfach, Menschen so etwas für einen Es gibt Hoffnung, es gibt einen Silberstreifen ist gut. Es muss nicht besser werden.
Ich werde nicht den einfachen Weg nehmen“
nig. Es war am Ende des Horizonts und an. Wir alle hofften auf ein baldiges tun zu lassen. Nicht mal deutlich Danke Sarah Braun

58 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 59


Unterwegs

Kurz vor der Cristalloscharte ist man froh,


wenn einige feste Steinen einen ganzen
Schritt nach oben zulassen
Fotos: Walter Rass

Bevor es am Ende der Seiser Klamm sehr


eng wird, sind noch einige große Fels­
brocken zu umgehen

Schutthänge erfordert hohe Konzen­


tra­tion. Endlich am kleinen Wasserlauf
angekommen, galt es ihm nach oben
zu folgen, bis der Wasserlauf irgendwo
verschwindet. Die letzten 100 Höhen­
meter waren mit harter Arbeit verbun­
den. Ein Schritt vorwärts, wobei die
Hälfte aufgrund des lockeren Gesteins
zurückrutschte. Eine Wohltat war
schon, wenn ein fester Stein den ge­
samten Schritt ermöglichte. Endlich
gelangten wir an die Scharte. Nun ging ze Kletterpassagen im guten zweiten der Dunkelheit wollten wir wieder am
es den Sommerweg auf der Süd- und Schwierigkeitsgrad zu überwinden. Tre-Croci-Pass sein. Beim Abstieg folg­

Durch das Bachbett


Südwestseite weiter. Wir folgten zuerst Stetig ging es nach oben, bis sich in ten wir der Aufstiegslinie. Lediglich am
dem langen Band, das gegen Süden Gipfelnähe der Cristallo etwas zurück­ Schuttkar ging alles recht schnell, da
führt, und einem steilen Steig, der mit neigt. Lange hielten wir uns nicht am wir zügig im Schlittschuhschritt an
Steinmännchen markiert ist, immer höchsten Punkt auf, die Zeit war schon Höhe verloren.
Zum Schlern und zum Monte Cristallo nach oben. Zum Teil waren einige kur­ weit fortgeschritten und vor Einbruch Walter Rass

Der Bozner Tourenleiter Walter Gehzeit war sie da: breit und mächtig durchzogen ist, querten wir nach links,
Rass stellt uns zwei Klamm-Touren in Felsen und Geröll eingebettet. Nun ostseitig, und erreichten sogleich die

3hochk.de
vor. galt es, kleine und große vom Wasser Hochebene des Schlernplateaus.
geschliffene Steine zu überwinden. Nichts erinnerte mehr an die heikle
Seiser Klamm Steig gibt es keinen mehr, hie und da Schlussphase. Nun ging es im gemütli­
Ausgeprägt und sehr lange zieht sich aber kennzeichnen ein paar Stein­ chen Schritt zum Petz und anschließend
der „Weg“ durch die Seiser Klamm. männchen den Weg. Sie kennzeichnen über den Gamssteig und die Schlern­
Fährt man von Kastelruth nach Seis, eher ein Vorhandensein des Steiges bödelehütte zurück nach Bad Ratzes.
zeigt sich die Seiser Klamm in all ihrer und geben einem das Gefühl, nicht
Schönheit und Größe. Ein riesiger Ein­ ganz alleine in dieser mächtigen und Monte Cristallo
schnitt, der sich zwischen Jungschlern fast bedrohlichen Umgebung zu sein. Ähnlich verläuft die Tour zum Cristallo.
und Santner sowie Burgstall öffnet. Die Der sogenannte Weg ändert sich auf­ Auch dort geht der Sommerweg über
Seiser Klamm beginnt sehr breit auf grund der unregelmäßigen Wasser­ die südliche Seite hinauf zur Cristallo­
ca. 1.500 Metern Höhe und endet mit mengen ständig. Wir folgten Stein um scharte. Viele kennen den beliebten
einem engen und steilen Abschluss auf Stein, Kiesbett um Kiesbett, Rinnsal Aufstieg im Winter als Skitour, von der
2.400 Metern. um Rinnsal, bis die Klamm so eng wur­ Nordseite her. Im Sommer führt ein
Schon lange stach uns dieses Ziel de und uns ein altes, schon vereistes flach angelegter Weg mit einigen Keh­
ins Auge, aber erst Anfang August gin­ Schneefeld den Weg versperrte. Über ren bis zu einer Almwiese, Col da
gen wir endlich ans Werk. Beginnend einen Umweg mit ein paar leichten ­Varda. Von dort ist die Schlucht zur Villeroy & Boch

kurz vor Bad Ratzes folgten wir dem Kletterstellen umgingen wir die Cristallo­scharte gut ersichtlich. Die
Weg zur Ruine Hauenstein. Die alten Engstelle. Die Klamm wird nun zuse­ Einheimischen nennen sie Graa de
Gemäuer der Burg beeindruckten uns hends enger, steiler und der Fels ­Cirijeres. Es ist eine Art V-Schlucht mit
wenig, denn wir waren auf ein anderes brüchiger. Da wir zu viert in der engen riesigen Ausmaßen. Im obersten Teil
Ziel fixiert. Über den Weg 3A und eine Schlucht waren, mussten wir beim Aus­ nur mehr einige Meter breit, an der
Forststraße, die bald endet, gingen wir stieg äußerst konzentriert gehen, um ­Basis einige hundert Meter. Auch dort
nach oben. Im weiteren Verlauf gibt es
keine Markierung. Wir orientierten uns
keine Steine und kein Geröll loszutre­
ten. Da der direkte Ausstieg mit zum
geht’s darum, zunächst in das Zentrum
der Schlucht zu gelangen. Die Que­
Etwas Warmes braucht der Mensch. Und im Bad
etwas Schönes und Funktionales noch dazu.
Jetzt bei INNERHOFER erleben, worauf man sich,
FREU DICH AUF ...
einfach Richtung Klamm. Nach kurzer Teil senkrechten, brüchigen Felsen rung der verschiedenen steilen wenn’s draußen hässlich ist, schön freuen kann.
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60 Bergeerleben 01/20

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Unterwegs

Wenn
In fünf Tagen haben 15 Forscher die Berg-
steigerdörfer Vent und Matsch durch­ Unwiederbringlich weggeschmolzen
wandert – bei wechselhaftem Wetter Ulrich begleitet die Gruppe durch das
Fotos: EURAC
angezuckerte Rofental. Er ist Professor

Wissenschaftler ­
an der Uni Innsbruck und befasst sich
mit dem Wasserhaushalt des Ötztals
und den Auswirkungen des Klimawan­
den Öffis nach Obergurgl zu gelan­ dels. Welche Ausmaße der Gletscher­

wandern gen. Von dort hat sich die Gruppe eine


mehrtägige Überschreitung des
Alpen­hauptkamms von Vent über
Schnals ins Vinschger Matschertal vor­
rückgang inzwischen erreicht hat, ist
offensichtlich: Über sechs Kilometer
folgen die Wissenschaftler den Spuren
der ehemaligen Zunge des Hochjoch­
genommen. Dabei geht es einerseits ferners, vorbei am Hochjochhospiz.
um den Wissensaustausch mit Fach­ Auch der benachbarte Matscher Fer­
kollegen; zum anderen wollen wir ner auf Südtiroler Seite hat seit dem
Messstationen besichtigen, die auf Jahr 1850 knapp 60 Prozent seiner Flä­
dieser Route liegen, und mit der che verloren. Allein von diesem Glet­
­Ak­tion die ökologischen Forschungs­ scher fließen im Sommer 300 Liter an
arbeiten besser bekannt machen. ehemaligem Gletschereis unwieder­
Außer­dem soll unser Weg die beiden bringlich davon. Und zwar jede Sekun­
Bergsteigerdörfer Vent und Matsch de. Der Jahrhunderte alte Weideweg
miteinander verbinden. dreht nun Richtung Süden, steigt sanft
an. Nach einem letzten Anstieg aufs
Das Netzwerk Hochjoch erblicken wir die grauen,
Im Ötztaler Längenfeld wird ein kurzer spärlichen Reste des Gletschers. Aus
Zwischenstopp im Naturparkhaus ein­ der Ferne wirken die Liftmasten des
gelegt. Anschließend schlängelt sich kleinen Gletscherskigebiets wie Nägel,
der Bus die vielen Kurven hoch nach die verzweifelt versuchen, das schmel­
Obergurgl. Die Gruppe drängt ins zende Eis noch irgendwie festzuhalten.
Freie: Botaniker aus dem Apennin, Zurückgeblieben ist eine eindrucks­
Boden­kundler aus Bozen, Hydrologen volle, fast mondähnliche Landschaft.
aus Innsbruck, sogar eine Meeresbio­
login aus Ischia und ein Limnologe aus Die Farben der Seen
Ein Spezialist für Bergseen erklärt das
Dänemark. Tag 3 startet mit Überraschungen. Das Lebewesen auswirken. Ist ein See z. B. ­Phänomen der unterschiedlichen Farben
Das vereinende Element dieser so Wetter ist zunächst besser als vorher­ von einem Gletscher beeinflusst, trü­ von Gebirgsseen am Beispiel der
Saldurseen
unterschiedlichen Gruppe ist ihre gesagt, dafür muss die Route geän­ ben die im Gletscherwasser gelösten
Zuge­hörigkeit zum LTER-Netzwerk dert werden. Ein Steinschlag hatte den Sedimente das Wasser und der ge­
(Long Term Ecological Research), einzigen Übergang zwischen dem hin­ samte See wird türkis-milchig und trüb.
­einem weltweiten Verbund von For­ teren Schnalstal und der Oberettes­ Ist ein See klar und durchsichtig, kann kurzfristigen Wetterkapriolen wird es
schungsstandorten, an welchen Lang­ hütte, dem nächsten Etappenziel, ver­ man sicher sein, dass das Wasser nicht auch in Zukunft geben. Nach dem
zeitbeobachtungen durchgeführt legt. Ein kurzfristig organisierter von abschmelzenden Gletschern ­Abziehen der Front stapfen die Wan­
Auf den Spuren des Klima­wandels werden. Auf über 1.900 Metern Mee­ Kleinbus bringt die Gruppe über das stammt. Art und Menge der Sedimen­ derer durch den Schnee hinab zur
zwischen Vent und Matsch reshöhe befindet sich der österreichi­ Vinschger Haupttal in das Talende des te im Wasser bestimmt wiederum, wel­ Oberetteshütte. Wissenschaftler sind
sche Standort Ober­gurgl. Von der Matscher Tales. Beim Aufstieg zu den che Tiere und Pflanzen in welcher Tiefe einiges gewohnt: Jeden Tag stehen sie
Univer­sität Innsbruck werden hier seit Saldurseen wechseln sich Sonne und im See vorkommen. Es ist erstaunlich, vor unendlich hohen Datenbergen.
Wissenschaftler sind scheue We- manchmal auch sich selbst über- 1953 eine Reihe von Wetterstationen Graupelschauer im Minutentakt ab. was man alleine aus der Farbe eines Aber die echten Berge können auch
sen und nur selten in freier Wild- wunden. Die wichtigsten Erkennt- betrieben sowie die Bereiche Vegeta­ Aber als die Gruppe die Hochebene Bergsees herauslesen kann. Vollge­ ganz schön einschüchternd sein.
bahn anzutreffen. Meist arbeiten nisse dabei: 1. Dies- und jenseits tionsökologie, Klimageschichte oder erreicht, reißt ein Sonnenfenster auf packt mit neuem Wissen folgt die
sie zurückgezogen in Labors und der Weißkugel sind die Heraus­ auch Gletschersukzession und Boden und die unteren Saldurseen funkeln Gruppe dem Weg weiter nach oben. Das bestuntersuchte Alpental
wagen sich höchstens zur Proben- forderungen für Berggebiete die- untersucht. den Wanderern in allen erdenklichen Die höher gelegenen Seen sind durch Tag 4, das Wetter hat sich heute für
nahme ans Tageslicht. Vergangenen selben. 2. Klima ist nicht gleich Am nächsten Morgen geht es mit Grün- und Blautönen entgegen. Dean das aufziehende Schneetreiben gera­ leichten Nieselregen entschieden.
September jedoch haben sich eini- Wetter, aber beides ändert sich dem Bus noch weiter ins Bergsteiger­ ist Spezialist für Hochgebirgsseen und de noch zu erahnen. Kurz vor dem Dennoch, nach der zweiten schlaf­
ge auf Wanderschaft begeben. In ­rascher als erwartet. dorf Vent, den eigentlichen Start­ löst das Rätsel der unterschiedlichen höchsten Punkt der Wanderung kom­ losen Nacht in der Höhe, sind alle
fünf Tagen haben 15 Forscher die punkt. „Wechselhaft“ hatte der Wet­ Farben auf. Er hat Bilder und Grafiken men zum Schneesturm noch Blitz und ­darüber froh, dass es nun einige

D
beiden Bergsteigerdörfer Vent und as erste Tagesziel der Wander­ terbericht die bevorstehenden Tage mitgebracht und erklärt, wie sich Eis­ Donner. Auch wenn es in den Alpen in Höhen­meter nach unten geht. An der
Matsch durchwandert und dabei gruppe ist bescheiden: Es gilt beschrieben, und er sollte recht be­ schmelze und Temperaturerhöhung den nächsten Jahrzehnten noch einmal Matscher Alm taucht zudem Verstär­
Höhenmeter, Staatsgrenzen und möglichst klimaschonend mit halten. auf den Zustand der Seen und seine um bis zu 5 Grad wärmer wird, solche kung auf: V
­ ertreter von Alpenverein,

62 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 63


Unterwegs

Forstbehörde und einige Interessierte davon ausgehen, dass es für die Lär­ dreht ­Steine um, auf der Suche nach
gesellen sich an einer Klimastation zur che am Taleingang des Matscher Tales kleinen Wasserinsekten. Bei der enor­
Gruppe: 19 solcher Stationen gibt es in Zukunft zu trocken wird. Wir haben men Gletscherschmelze im Sommer
im Matscher Tal und machen es damit festgestellt, dass die Lärche momen­ machen sich die kleinen Tierchen rar,
zum wohl bestuntersuchten Tal der tan die besten Bedingungen nahe der die starke Strömung und der hohe
­Alpen. Verschiedene Daten zu Mikro­ Waldgrenze findet und hier auch die Sandgehalt behagen ihnen nicht. Der
klima, Kohlendioxidbilanzen bis hin zur größten Wachstumsraten aufweist.“ Klimawandel hat in der Tat viele ver­
Bodenfeuchtigkeit werden automa­ Francesco von der Universität Bozen steckte Facetten, wird den Wissen­
tisch gemessen und an die Eurac nach zeigt daraufhin auf einige Metallröhren schaftlern wieder deutlich bewusst,
Bozen gesendet. Dazu kommen noch im Saldurbach. „Eine Art Mikrofon.“, während sie über die Eisawiesen ins
Daten zu Artenvielfalt, Wasserabfluss erklärt er. „Damit kann gemessen wer­ Bergsteigerdorf Matsch weitergehen.
und Baumwachstum. Wissenschaftler den, wie viel Sand und Steine vom
sind stolz auf ihre Datenberge. Aber Bach transportiert werden“. 10.000 Ku­ Keine Sorge um Forscher­
wozu braucht es stündlich 3.000 Para­ bikmeter jedes Jahr, so seine Schät­ nachwuchs
meter aus einem Tal? „Gute Frage, zung. Ein großer Teil davon ist vom Tag 5. Die Sonne hatte sich rar ge­
aber die Daten geben uns nicht nur Gletscher freigegebener feinster Sand. macht in den letzten Tagen. Aber
den genauen Ist-Zustand unserer Um­ Je stärker die Gletscherschmelze, ­heute entschädigt das Wetter die
welt wieder, sie lassen uns auch in die ­desto höher ist der Sedimentgehalt, Wanderer mit blauem Himmel und
Zukunft blicken“, erklärt Georg. „Sie der sich jetzt unter anderem durch die
zeigen uns zum Beispiel, dass sich mit Turbinenräder der Wasserkraftwerke
den steigenden Temperaturen das frisst. Alberto neben ihm nickt. Nor­
Das bestuntersuchte Alpental: 19 Klima­ Für die Lärchen wird es zunehmend zu
Wachstum der Almgräser fast verdop­ malerweise steht er mit hüfthohen stationen gibt es im Matscher Tal ­trocken in den niedrigeren Lagen. Das be- ­ ause: zurück nach Innsbruck, nach
H LTER
peln wird. Gleichzeitig müssen wir aber Gummi­stiefeln mitten im Bach und Foto: EURAC weisen auch die Erhebungen der EURAC Kopen­hagen, nach Ischia. Noch eine
letzte kurze Etappe mit dem Bus nach LTER steht für „long term ecological
Am Saldurbach wird gemessen, wie viel
Sand und Steine vom Bach transportiert Bozen zum offiziellen Abschluss. Hier ­research“ und vereint weltweit Stand­
werden findet abends die Lange Nacht der orte, an denen ökologische Langzeit-­
Fotos: Anna Pichler
Forschung statt, für uns eine gute Ge­ Forschung betrieben wird. Grundidee
legenheit, um einem breiten Publikum des Netzwerks ist, dass schleichende
unsere Tätigkeiten und die grenzüber­ Prozesse wie Klima- und Landnutzungs­
schreitende Wissenswanderung vorzu­ wandel nur mit langfristigen Beobach­
fantasti­schem Ortlerblick. Wieder be­ stellen. Der Trubel im Bozner Techno­ tungen ausreichend zu verstehen sind.
kommen die Wissenschaftler Ver­ logiepark zerrt die Wanderer unsanft Im Vinschgauer Matscher Tal werden
stärkung. Diesmal von Schülern der in die Hektik des Alltags zurück. In den seit 2009 ausgedehnte Messungen
Fach­oberschule Fürstenburg, die im neuen Klimakammern des terraXcube durchgeführt, seit 2014 ist der Standort
Rahmen einer Exkursion das Matscher lassen die Forscher die Wanderung Teil des LTER-Netzwerkes. Unter ande­
Tal besuchen. Die Wanderung heute ­erschöpft, aber zufrieden noch einmal rem wurde ein engmaschiges Netz be­
ist vergleichsweise gemütlich und Revue passieren. Minustemperaturen, stehend aus 19 Klimastationen errichtet,
­verläuft oberhalb des Dorfes entlang Schnee, Sonne, sogar Luftdruck, alle das ein kontinuierliches Monitoring von
des Ackerwaals. Als Relikt der tradi­ Elemente der letzten Tage können in Parametern wie Lufttemperatur, Wind,
Strahlung, Niederschlag oder Boden­
tionellen Landwirtschaft ist auch er, diesen Kammern simuliert werden, um
feuchte ermöglicht. Das Matscher Tal ist
wie die Gletscher der Tage zuvor, vom die Auswirkungen des Klimawandels
deshalb interessant für die Forschung,
Aussterben bedroht. Unterwegs mes­ im Gebirge zu untersuchen. Nur eines
weil es eines der trockensten Täler Süd­
sen die Jugendlichen mit speziellen werden die Klimakammern nie erset­
tirols ist und daher schon heute mögli­
Sensoren den Bodenwassergehalt der zen können: das Erlebnis in den Ber­
che Auswirkungen des Klimawandels
Wiesen, sie bestimmen Pflanzen und gen. Dazu müssen sich die Wissen­ untersucht und vorhergesehen werden
wundern sich, wie viele Lebewesen in schaftler auch in Zukunft in die freie können. Außerdem ist es möglich, durch
Boden und Bach zu finden sind. Die Wildbahn begeben. den geschlossenen Wasserkreislauf
Wissenschaftler sind erstaunt über Georg Niedrist, Veronika Fontana (bis zum Taleingang bei Schluderns),
das Interesse der Jungen. Nein, zu­ Gletscher, Schnee und Regenabflüsse
mindest um den Forschernachwuchs Die EURAC-Forscher berichten bei der zu messen sowie Bodenfeuchtemodelle
­brauchen sie sich keine Sorgen zu Exkursion „Landschaft-Wasser-Klima: zu berechnen. Zusätzlich beherbergt
­machen. Forschung im Matschertal“ am 19. Sep­ das Matscher Tal alle typischen alpinen
Gegen Mittag wird es hektisch. tember 2020 über ihre Forschungs­ Ökosysteme sowie auch vom Menschen
Das Wochenende ruft und die Schüler ergebnisse. Alle Informationen dazu beeinflusste Systeme wie Obstkulturen.
drängen zum Bus. Auch die Wissen­ gibt’s im aktuellen AVS-Kursprogramm. Weitere Infos unter www.lter.eurac.edu
schaftler zieht es allmählich nach

64 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 65


Unterwegs

Bei der Anfahrt mit Bahn oder Bus sind wir


nicht nur umweltfreundlicher unterwegs,
sondern ermöglichen unseren Kindern ganz
nebenbei zusätzlich wertvolle Erfahrungen
Foto: Stefan Steinegger

Mit wiederverwendbaren Proviantboxen


und Trinkflaschen anstelle von Einweg­
verpackungen vermeiden wir jede Menge
Wander-Abfälle
Foto: Friedl Brancalion

dort lassen sich die Verbindungen der


öffentlichen Verkehrsmittel schnell
und einfach finden.

Auf zum Bauernmarkt


Als Sabine und Christian ihren Kindern
den Wandervorschlag für das nächste
Wochenende vorstellen, sind die Klei­
nen begeistert. Da sie ihren täglichen
Schulweg zu Fuß meistern, freuen sie

Nachhaltige Bergerlebnisse
sich gerade auch auf die Zugfahrt
­besonders. Sabine zaubert ein Rezept
für selbstgemachte Müsliriegel auf den mit. Da sie diese nicht so oft sehen genen Tagen auch kleine Trinkflaschen

KINDERN
Tisch, das sie im Laufe der Woche mit können, ist die Vorfreude dementspre­ aus Edelstahl in ihrer jeweiligen Lieb­
den beiden Kindern gemeinsam aus­ chend groß. Und umso sinnvoller ist lingsfarbe besorgt, die sie von nun an
MIT probieren möchte. Diese selbstge­ auch die Entscheidung, mit der Puste­ immer wieder verwenden können. Ein
machten Energielieferanten schme­ rer Bahn anzufahren. Wegen einer kleines Buch und die Spielkarten für
cken nicht nur besser, sondern sind überzähligen Person im Fünfsitzer hät­ die Zugfahrt dürfen außerdem nicht
auch völlig verpackungsfrei. Außerdem te die Wanderfamilie sonst mit zwei fehlen.
beschließt sie, als Wanderproviant Autos fahren müssen. So sind anstatt
Umweltbewusstes Wandern be- Auto genommen. Beim Auspacken der Option Bahn und Bus diesmal auf dem Bauernmarkt lokales, zwei Verkehrsteilnehmern und Fein­ Zwei Fliegen mit einer Klappe
ginnt schon vor dem Schnüren der Rucksäcke ist ihnen außerdem auch Sabine nimmt einen Führer mit Fami­ saisonales und frisches Obst und Ge­ staub­erzeugern mehr jetzt gar keine Der Zug fährt pünktlich ab, der Fami­
kleinen und großen Wanderschuhe: erst richtig bewusst geworden, wie viel lien­wanderungen aus dem Bücher­ müse zu besorgen, aber auch selbst­ zusätzlichen Autos unterwegs. Außer­ lienpass für die öffentlichen Verkehrs­
eine fiktive Geschichte. Müll ihre Wanderjause wieder verur­ regal und meint, dass es im nahen gemachtes Brot und hofeigenen Käse. dem können Oma und Opa in Olang mittel in Südtirol zahlt sich heute auf
sacht hat. Einweg-Verpackungsmate­ ­Umfeld durchaus spannende Wande­ Dadurch, erklärt sie den Kindern, ver­ perfekt zusteigen. jeden Fall aus. Sabine beobachtet die
Von Erkenntnissen und Vorsätzen rial und Getränke in Plastikflaschen, rungen mit kurzer Anfahrtszeit gebe, meiden sie, Lebensmittel zu kaufen, Neugier ihrer Kinder. Woher kommen
Christian und Sabine fallen auf das weil sie ihren Proviant erst noch in Eile die sie mit ihren Kindern noch nie un­ die per LKW von weit her angeliefert Ein Rucksack voller Wieder­ die Züge? Wohin fahren sie? Die An­
Sofa ihrer Wohnung in Mühlbach, auf der Hinfahrt besorgt haben. Zwar ternommen hätten. Christian stimmt und unnötig verpackt werden. Gleich­ verwendbarem zeige­tafeln, das Stempelsystem. Sie
Tochter Lisa und Sohnemann Klaus im haben sie ihren Müll vorbildlich wieder ihr zu, dass es tatsächlich nicht nötig zeitig unterstützen sie die Bauern ihrer Heute heißt es früh aufstehen, um hat das Gefühl, dass die Benützung
Grundschulalter sind im Bett. Zeit für nach Hause gebracht, aber trotzdem sei, immer weiß Gott wie weit zu fah­ Umgebung. Bei den wenigen Sachen, Punkt 7 Uhr Uhr fährt der Zug in Mühl­ der Bahn nicht nur der Nachhaltigkeit
die beiden Eltern, über die heutige nagt die Bilanz wieder einmal an ihrem ren, um etwas Spannendes zu erleben. die sie doch im Supermarkt besorgt, bach ab. Christian und Sabine haben wegen eine gute Entscheidung war,
Familien­wanderung zu ratschen. Ihr Gewissen. Es ist an der Zeit, ihre Doch die Wanderung durch das schö­ achtet sie diesmal besonders auf deren ihre Rucksäcke bereits gepackt und an sondern die Kinder dabei auch wert­
­Resümee, da sind sich beide einig, ­guten, aber immer wieder aufgescho­ ne Innerfeldtal hinauf zur Dreischuster­ Herkunft und darauf, auf Produkte mit ­alles gedacht. Den Proviant haben sie volle Erfahrungen sammeln können.
fällt ziemlich nüchtern aus. Die lange benen Vorsätze, in die Tat umzuset­ hütte im Hochpustertal, von der eine zusätzlicher Verpackung zu verzichten. in wiederverwendbare Lebensmittel­ In einigen Jahren werden auch sie mit
Hin-, vor allem aber die Rückfahrt im zen – die nächste Wanderung soll Arbeitskollegin erst kürzlich erzählt Oft hat sie die wiederverwendbaren boxen verstaut oder in langlebige, den öffentlichen Verkehrsmitteln zur
Schritttempo inmitten der üblichen nach­haltiger erfolgen, möglichst Ver­ hatte, reize ihn doch sehr. Das sei dann Einkaufstaschen und Obstbeutel zu abwasch­bare und eventuell auch selbst Schule fahren. Zwei Fliegen also mit
Blechlawine an Schönwetter-Wochen­ kehr und Müll meidend. Schließlich zwar doch nicht so nahe, dafür aber Hause vergessen und die Lebensmittel herstellbare Bienenwachstücher ge­ ­einer Klappe.
enden war nicht nur für die Kinder auf wollen sie ihren Kindern eigentlich ausgezeichnet mit den öffentlichen schlussendlich wieder in Plastiktaschen wickelt. Sabine hat sich im Bioladen
dem Rücksitz, sondern auch für sie auch umweltfreundliches Unterwegs­ Verkehrsmitteln Bahn und Bus erreich­ aus dem Geschäft nach Hause ge­ infor­miert – Bienenwachstücher seien, Vorteil Wanderbus
selbst eine nervliche Zerreißprobe. sein vorleben. Beiden ist klar: Ein nach­ bar. Vom Linienbus Innichen–Sexten, bracht. Diesmal ist ihr das nicht passiert. sofern ohne zusätzliche Öle behandelt, Oma und Opa steigen um 7.45 Uhr
Und obwohl beiden vollkommen haltiges Unterwegssein am Berg der direkt am Zugbahnhof in Innichen sogar hygienischer als die üblicher­ in Olang zu und auch der Umstieg
­bewusst ist, dass sie selbst Mitverur­ ­beginnt schon vor dem Schnüren der startet, steigt man noch einmal auf Aus 2 mach 0 weise nur einmal verwendeten Frisch­ in Innichen vom Zug auf den Bus
sacher dieses Verkehrs- und Umwelt­ kleinen und großen Wanderschuhe. ­einen Bus um, der ins Innerfeldtal Christian hat noch eine Überraschung haltefolien. Christian hilft den Kindern nach Sexten klappt wie geplant
problems sind, haben sie aus Bequem­ Wir begleiten die Familie bei der Um­ fährt. Christian hat sich auf südtirol­ für die Kinder parat. Oma und Opa aus beim Packen ihrer kleinen Rucksäcke. ­(Ankunft Zug um 8.10 Uhr und Abfahrt
lichkeit trotzdem schon wieder das setzung ihres Vorhabens. mobil (www.sii.bz.it) schlau gemacht, Olang kommen auf die Wanderung Heimlich hatte er für sie in den vergan­ Bus um 8.20 Uhr). Am Eingang zum

66 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 67


Unterwegs

Der Innerfeldtal-Bus bei der Endhaltestelle


Antoniusstein. Das Netz an Wanderbussen
und Wander-Taxis wurde in den letzten
­Jahren stetig qualitativ und quantitativ
­ausgebaut
Foto: Martin Niedrist

Brote schmecken wahnsinnig gut und


für die Bananenschalen und anderen
Obst­reste hat Christian extra ein lee­
res Frischhalte-Sackl mit Verschluss­
system eingepackt. Das ist zwar aus
Plastik, da so der durchfeuchtende
Bio-Müll nicht die Wechselbekleidung
im Rucksack besudelt. Aber schließlich
kann man dieses Sackl zu Hause mit
Wasser ausschwänzen und für den
Zweck des Bio-Müll-Transports auch
ewig verwenden. Lisa fragt, wieso sie
ihren Apfelbutzen nicht einfach liegen
Ein Genuss von zwei Minuten wird zu einer
Umweltbelastung für viele Jahre fach links und rechts von der Straße um – wie immer will er es sich nicht lassen darf, irgendein Tier würde sich wählte regionale Produkte als Zutaten standen sind, spielen sie heute auf der
wie Kraut und Ruab’m in den Wald ge­ nehmen lassen, mit dem Taschenmes­ sicher darüber freuen. Oma erklärt ihr, ihrer Gerichte legen. Wer seine Wan­ Rückfahrt gemeinsam Karten. Christian
Auch Bio-Abfälle nehmen wir wieder mit
nach Hause, wo wir sie dann entsprechend parkt. Und das hier mitten im Natur­ ser seinen beiden Enkelkindern zwei dass Äpfel aber nicht zum natürlichen derung mit Hüttenbesuchen verbin­ steigt erst in der nächsten Spielrunde
dem Müll-Trennsystem entsorgen park Drei Zinnen!“ In sehr vielen Orten schöne Wanderstöcke zu schnitzen. Speiseplan unserer tierischen Berg­ den möchte und etwas auf Nachhaltig­ ein, er möchte zuerst schnell seine
Fotos: Judith Egger
sei das leider nach wie vor so, bemerkt Sabine durchschaut ihren Vater und bewohner gehören, außerdem sind keit hält, tut sicher gut daran, sich auch Kopfrechnung zu Ende bringen: Mit
Oma, die sie sich außerdem jetzt bittet ihn, dafür zukünftig aber keine die Schalen mancher Obstsorten mit über diesen Aspekt einer Hütte zu dem Auto hätten sie für die Hin- und
schon darauf freut, am Nachmittag frischen Äste mehr abzuschneiden, ­chemischen Mitteln behandelt, die im infor­mieren. Neben den tatsächlich Rückfahrt etwa zweieinhalb Stunden
nicht in eines der staubigen, von der sondern Stöcke zu verwenden, die be­ Waldboden und im Magen der Tiere unwiderstehlichen Apfelkiachln punk­ gebraucht, ohne den gut möglichen
I­nnerfeldtal (Haltestelle Abzweigung gleißenden Sonne aufgeheizten Autos reits am Boden liegen. Der Aufstieg nichts verloren haben. ten bei den Kindern auch die Spiel­ Stau auf der Pustertaler Straße einzu­
Innerfeldtal) kommt um 8.40 Uhr der einsteigen zu müssen. Dieser Parkplatz vom Parkplatz „Antoniusstein“ zur möglichkeiten an der Hütte. rechnen, ohne Pipi-Pausen und wahr­
Shuttle-Bus, der Wanderer im Sommer ist zwar kostenfrei, aber i­mmer mehr Dreischusterhütte dauert nicht sehr So schmecken die Berge scheinlich einige kurze Rastpausen, da
vom 21. Juni bis 4. Oktober ins Tal hin­ Wanderparkplätze sind heute gebüh­ lange, nur eine halbe Stunde Gehzeit Nach dem Verzehr des selbst mitge­ Mau-Mau statt Reise-Stau Lisa beim Autofahren oft schlecht wird.
einbringt. Dort kann man, je nach Hal­ renpflichtig – neben dem häufigen etwa auf dem Wanderweg 105, der Teil brachten Bergsteiger-Mittagessens, Langsam wird es aber dennoch Zeit Mit der Pusterer Bahn und den Linien­
testelle, zwischen einem kürzeren oder Problem des Parkplatz-Findens ein des Dolomiten Höhenwegs 4 ist. Dafür dem gemeinsamen Steinmandl-Bauen aufzubrechen, will die Familie den Bus bussen haben sie zwar etwa 1,5 Stun­
längeren Zustieg zur Dreischusterhütte Grund mehr, den Bus zu ­nehmen. wird dort dann umso mehr Zeit blei­ und einigen Kraxeleien auf den rund am Antoniusstein um 14 Uhr nicht ver­ den länger gebraucht – ein kleiner
wählen. Der Innerfeldtal-Bus ist ein ben, die Hüttenumgebung zu erkun­ um den Rastplatz herumliegenden passen. Die Verbindung ist auch auf Preis aber, wenn er daran denkt, um
richtiger Linienbus. Aber auch das Keine Spuren hinterlassen den. Der große, flache Almboden und Felsblöcken macht sich die Wander­ der Rückfahrt gut auf den Bus von Sex­ wie viel weniger genervt er heute
Netz an Wanderbussen hin zu Aus­ Klaus zappelt schon eine ganze Weile, die ungefährlichen Geröllflächen sind familie langsam auf den Rückweg. Wie ten nach Innichen und dieser wieder­ Abend sein wird. Und vor allem daran,
gangspunkten beliebter Wanderungen er muss „groß“. Im Bus war dazu keine ein idealer Naturspielplatz. Am direkt von Oma versprochen, gibt’s auf der um auf den dort um 14.50 Uhr starten­ wie klein der ökologische Fußabdruck
wurde letzthin in Südtirol ständig aus­ Möglichkeit und jetzt wird es langsam hinter der Hütte liegenden Kletter­ Dreischusterhütte aber noch einen den Zug getaktet. Auch jetzt klappt ist, den die Familie am Ende dieses
gebaut. Die Familie beschließt, erst dringend. Ein paar Hundert Meter garten können die Kinder zudem den ­leckeren Kuchen. Die ältere Frau, zu alles nach Plan, alles pünktlich. Keine Wandertages hinterlassen haben wird.
bei der letzten der drei möglichen Wanderweg bergauf holt Christian Kletterern zuschauen. Immer wieder der sich die Familie an einen großen halbe Stunde später fährt der Zug in Ralf Pechlaner
Halte­stellen, am „Antoniusstein“, aus­ eine Rolle Toilettenpapier aus seinem erinnert Sabine die Kinder, auch in Tisch setzt, flüstert Klaus und Lisa ins den Bahnhof von Olang ein. Durch die
zusteigen. Es ist jetzt 8.50 Uhr. Der Rucksack und zwinkert Klaus zu. Der ­ihrem Entdeckungseifer auf dem Wan­ Ohr, unbedingt die Apfelkiachlan mit Scheibe winken Oma und Opa ihren ANREGUNGEN ZUM NACH-
große Wanderparkplatz dort ist schon staunt nicht schlecht, erinnert sich derweg zu bleiben, um keine Pflanzen Vanilleeis zu nehmen – eine Spezialität Lieben vom Bahnsteig aus noch lang HALTIGEN WANDERN
ziemlich vollgeparkt. „Seit dem für aber daran, in einem Umweltprojekt oder Pilze umzutrampeln. Oben bei des Hauses. Die Wahl ist also schnell nach. Für Lisa, Klaus und ihre Eltern,
Privat­autos eingeführten Fahrverbot in der Schule gelernt zu haben, dass der Hütte beschließt die Familie, erst getroffen. Christian deutet auf die bei­ die sich an einem Tisch im Zug sogar • AVS-Broschüren „Wandern ohne Auto“
ins Tal zwischen 9 und 18 Uhr vor eini­ sich Toilettenpapier deutlich schneller später einzukehren, zunächst noch ein den neben dem Hütten-Eingang ange­ gegenübersitzen können, geht die • Liste 150 umweltverträgliche Touren
gen Jahren hat sich die Situa­tion zwar zersetzt als die von vielen Wanderern Stück Richtung Morgenkopf weiter­ brachten Blechschilder mit den Auf­ kleine Wanderreise noch ein Stück wei­ in Südtirol auf alpenvereinaktiv.com
gebessert“, erzählt der Busfahrer, in der Notdurft verwendeten, impräg­ zuwandern und sich dort ein gemüt­ schriften „Mit Kindern auf Hütten“ und ter, bis ihr Zug um 16 Uhr in Mühlbach • Auswahlmöglichkeit „Mit Bahn und
mit dem Opa beim Aussteigen ins Ge­ nierten Papiertaschentücher. Er hat liches Plätzchen für ihre Wander-Jause „So schmecken die Berge“. Zwei Kam­ halten wird. Klaus hat Lust auf eine Bus erreichbar“ bei der Tourensuche
spräch kommt – „Denn diejenigen, die auch gelernt, dass man seine Hinter­ vom Bauernmarkt zu suchen. Die pagnen der Alpenvereine, habe er im Runde Mau-Mau. Als Sabine die Kar­ auf ­alpenvereinaktiv.com
erst spät dran sind, müssen jetzt über­ lassenschaft mit Steinen oder Erde ­Aussicht hinauf zum Gipfel der über Internet herausgefunden, die Hütten ten aus dem Rucksack holt, wird ihr • Auflistung landesweiter Wanderbusse
haupt draußen bleiben. Früher aber ­verdeckt, denn ein Wald voller Papier­ 3.000 Meter hohen Dreischusterspitze auszeichnen, die besonders kinder- klar: Während sie vor einer Woche um auf der AVS-Webseite (kein Anspruch
haben die, die keinen Parkplatz mehr fetzen hat auch wirklich nichts Ästheti­ und zu den anderen Bergen der Sext­ und familienfreundlich sind bezie­ diese Uhrzeit angeschnallt und mit Kli­ auf Vollständigkeit)
ergattert haben, ihre Autos dann ein­ sches an sich. Opa schaut sich derweil ner Dolo­miten ist atemberaubend. Die hungsweise großen Wert auf aus­ge­ maanlage auf Hochtouren im Stau ge­

68 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 69


GIPFELGESPRÄCHE

In Südtirol gibt es ein weitreichen- erzählen. Zu hören sind jetzt nur noch
des Wanderwegenetz. Besonders die knirschenden Sohlen auf dem
die alten Wege haben ihren Charme. ­weichen, mit Laub bedeckten Wald­
Müssen diese weichen für die boden, aus dem sich die Wurzeln wie
­neuen? Und was bedeutet das für Tentakeln in alle Richtungen winden.
unser Gehen am Berg? Eine Wan­ Man muss kein Einheimischer sein,
derung am Naturnser Sonnenberg. um sich auf unebenen Böden wohl­
zufühlen. Etwas erstaunt beobachte
Intuition ich, wie Dunja sich hier ganz intuitiv
Schritt. Stopp. Pause. Leise kracht ein und ­sicher bewegt. Sie kommt aus
morscher Ast unter meinem Wander­ dem Ruhrgebiet und hat als Kind viel

Aus alt mach neu?


schuh und zerbricht in zwei Teile. Es ist Zeit barfuß und spielend im nahen
das einzige Geräusch, das in diesem Wald verbracht, wahrscheinlich mehr,
Moment in der Stille zu hören ist. Und als die meisten Kinder es hier bei uns
das einzige Element, das auf diesem heute tun.
Boden auf dem Naturnser Sonnenberg Durch meine Arbeit am Barfuß­
Über das Gehen auf Wegen im Weg liegt. Sofern man das über­ schuh-Projekt „Fivefingers“ durfte ich
haupt so nennen kann, im Weg liegen. einiges über das menschliche Gehen
Was mich hier heute erwarten soll und lernen. Begreifen, dass unser Körper
Robert von mir möchte, weiß ich selbst im Laufe von circa vier Millionen Jah­
nicht so genau. Ich glaube, er auch ren zu einer beachtlichen Laufmaschi­
nicht. Übers Gehen will er sprechen. ne optimiert worden ist, der meist
Die natürlichste Art, sich zu bewegen. zweibeinig in dynamischem Gleichge­
Und über Wanderwege. Die, sagt wicht schnell und effizient mit beinahe
­Robert mir, teilen sich hier nämlich in jedem Terrain umzugehen weiß.
alte und neue Wege. Wer als Bergsteiger, Wanderer oder
Es ist ein Mittwoch im Januar und Trail-Läufer unterwegs ist, kennt das
der Wind weht mir um die Ohren. Gefühl, über den Weg fliegen zu kön­
Wir gehen vorbei an Flaumeichen, Bü­ nen. Ohne es bewusst gelernt zu
schen, die schon so lang den Regen ­haben, weiß unser Körper, wohin der
nicht mehr gespürt haben. Die Felsen, nächste Schritt gehört. Wie sicher –
mit Moos überzogen, drapieren sich oder eben nicht – ein Tritt sitzt. Wie
fast unscheinbar am Wegesrand. Sie viel Kraft nötig ist, um optimal weiter­
sind kalt und rau, aber schimmern wun­ zukommen oder stehen zu bleiben.
derschön in der Sonne. Der Weg hier Intui­tiv eben. Angeboren. Theoretisch
erinnert mich ein bisschen an einen in jedem von uns.
ausgelatschten Trampelpfad. Ich kann Dabei ist es erstmal gar nicht so re­
den Hans-Guck-in-die-Luft spielen – levant, welches Schuhwerk man dabei
Überraschendes wird vor mir nicht pas­ trägt. Viel wichtiger ist, dass man sich
sieren. An einer Kurve am Waalweg wohl damit fühlt. Große Auswirkungen
Richtung Wallburgböden biegen wir auf die Qualität unserer Bewegungen
rechts ab und verlassen die Komfort­ hat hingegen der Untergrund, auf dem
zone. Man muss schon genau hin­ wir uns austoben. Monoton, ja beinahe
schauen – oder vielleicht auch einfach langweilig ist ein Weg ohne natürliche
nur hier aufgewachsen sein –, um über­ Unebenheiten. Wie zum Beispiel hier
haupt einen Weg zu erkennen. ­Zumal in Naturns, auf dem Waalweg, auf dem
der hier noch nicht mal eine Beschil­ wir heute unsere Wanderung begin­
derung hat. Aber macht nichts, Robert nen. Kein Stein, kein Ast, kein Strauch
weiß, wo es langgeht. Dicht drücken kreuzt uns. Alles ist eintönig und eben.
sich die Sträucher an uns heran, immer Eine solche gleichmäßig steile
steiler führen die Stufen aus Wurzeln ­Rampe wird der Logik eines Fahrzeu­
den Berg herauf. Eine Eiche versperrt ges gerecht, nicht aber unseren Füßen
den Weg, der hier immer schmaler und Beinen. Nur menschengemachte
wird. Meine Hände suchen Halt an den Dinge funktionieren auf flachen
Stämmen, die mit ihren Einkerbungen ­Ebenen. Die Natur hat eine andere
Fotos: Alexander Alber
Geschichten einer vergangenen Zeit ­Logik.

70 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 71


GIPFELGESPRÄCHE

mie und sind das, was wir uns unter bereich oder einen in mittlerer Höhe Wege­netze. Der Grund ist simpel:
echtem Wander- oder Bergerlebnis handelt. Egal, ob Naturpark oder nicht. Der alpine Gast hat kein Interesse, sei­
vorstellen. Sie sind auf den Titelblät­ Bauen wir einfach drauf los, ohne zu nen Urlaub auf Forstwegen oder
tern der Outdoor- und Bergmagazine realisieren, wie wir unsere Wege ent­ ­eingeebneten Wanderpisten zu ver­
präsent und machen Lust zum Gehen menschlichen und damit auch uns bringen. Sollte Südtirol also anfangen
oder Laufen. selbst? Nehmen wir dadurch auch in Zukunft besser und bewusster
Die neuen Wege sind in der Regel ­unseren Gästen das Erlebnis Gehen- ­abzuwägen, wo es welche Wege bau­
durch Zuhilfenahme von Maschinen er­ am-Berg Meter für Meter weg? en lässt?
richtet worden und meist ebenmäßig Wir, damit meine ich uns Südtiroler,
terrassiert. Nur ein leichter Druck am Ist Gehen überhaupt noch gangbar? könnten unsere Geh- und Wegkultur
Hebel reicht aus und weg sind Baum, Ich bin in diesem Land keine Touristin. durchaus ausbauen. Indem wir selbst
Stein, ein kleiner Fels. Derweilen tut War ich nie. Seit zweieinhalb Jahren auf die Wegbeschaffenheit achten. In­
sich die Maschine mit unebenem lebe ich hier, bin fast jeden Tag auf dem wir die Wildheit des Berges ak­
Unter­grund fast immer schwer. Somit dem Berg unterwegs. Ich treffe oft zeptieren und verstehen lernen. Und
wird der Weg automatisch zu einem Touristen aus Deutschland. Einmal vielleicht auch, indem wir die Kunst
Fahrweg. Da die meisten Maschinen habe ich einen Mann barfuß laufen des alpinen Wegebaus neu erfinden,
einen großen und unflexiblen Bewe­ ­sehen. Doch die meisten sind top aus­ mit Stolz leben und an unsere Kinder
gungsraum haben, müssen Bäume und gerüstet. Haben Stöcke und Rück­ ein charakteristischer Teil unserer Re­ seiten unserer Gäste erfahren. Die und Gäste weitergeben.
Vegetation auch im Böschungsbereich säcke, Funktionskleidung und einen gion, und bin stolz darauf, dass wir das ­Suche nach Ursprünglichkeit im Wege­ Robert Fliri, Dunja Smaoui
des Weges weichen. Haufen Kleinzeugs dabei. Manchmal Angebot noch haben. netz ist somit nicht nur ein romanti­
So entstehen Straßen am Berg, von frage ich mich trotzdem, ob ein Tourist Ich verstehe oft nicht, warum scher Gedanke, sondern könnte durch­
mittel bis sehr breit, aber immer eben überhaupt solche alten, alpinen Wege eigent­lich alles auf die Touristen aus­ aus als Merkmal unseres Landes
und mit möglichst gleicher Steigung. gehen möchte. Vielleicht sucht er doch gelegt ist. Was ist mit den Einheimi­ empfunden und auch verkauft werden.
Gut für Fahrzeuge, durchaus gut für etwas Sicheres. Promenaden zum Bei­ schen? Den Menschen, die langfristig
Alte Wege, neue Wege Promenaden. Aber auch monoton für spiel. vor Ort leben? Was suchen und brau­ Blick in die Zukunft
Ich muss gestehen, ich gehe diesen den menschlichen Körper, der einsei­ Promenaden sind nur scheinbar chen sie? Wäre es nicht schön, sich an So langsam neigt sich die Wanderung
fast unsichtbaren Weg ohne Beschil­ tig belastet und dessen hochent­ ­sicher, weil wir es gewohnt sind, uns in ihnen zu orientieren, wenn es um Fra­ dem Ende zu. Es ist schön, nicht so
derung selten allein. Schade eigent­ wickelte Motorik und Intuition hier flachem Gelände zu bewegen. Ich bin gen des Wegenetzes geht? recht zu wissen, wo man rauskommt.
lich, denn ich fühle mich wie in einem ­definitiv unterfordert sind. in diesem Land aufgewachsen. Seit Wer hier bei uns lebt, soll Berge und Und noch schöner, das Zeitgefühl zu
Labyrinth der Natur. Wo ich zuvor vom Während das alte Wegenetz im kleinauf immer im Unebenen unter­ Natur leben, und unser Umfeld muss in verlieren. Bin ich auf einem klar aus­
Wegesrand ins Tal auf die Apfelplan­ Kleinen recht gut gepflegt wird (den wegs gewesen und bewege mich dort erster Linie uns selbst gefallen. Viele geschilderten Wanderweg unterwegs,
tagen blickte, mir die Sonne warm ins vielen Freiwilligen sei Dank, wird beim intuitiv und gerne. Auch habe ich Menschen aus meinem Bekanntenkreis weiß ich meist, wann ich in etwa wie­
Gesicht schien, ist die Sicht und auch Neubau oder einer größeren Weg­ durch meine Arbeit andere Kulturen wünschen sich natürliche Wege und der zu Hause sein werde. Diese gerad­
das Gefühl hier ein ganz anderes. Die reno­vierung in Südtirol immer noch und Arten zu leben kennengelernt. können sehr gut mit ihnen umgehen. linigen Wege zu verlassen, heißt, mit
Sonnenstrahlen weichen dem Schat­ gerne – und ich wage zu behaupten, Ich weiß, dass sich nicht jeder im Un­ Allerdings werden viele infrastruktu­ der Natur zu gehen, die Zeit zu verges­
ten, die Baumkronen ziehen sich zu­ unreflektiert – zum Bagger gegriffen. ebenen wohlfühlt. Aber ich glaube, relle Entscheidungen nicht von Berg­ sen. Oder: Sich wieder Zeit für die rich­
sammen, bilden eine Einheit hoch Egal, ob es sich um einen Weg im Tal­ das Gehen auf unplanierten Wegen ist menschen getroffen, sondern auf tigen Dinge zu nehmen. Ohne Druck.
oben in den Gipfeln. Welche Farbe der ­Ämtern und in Tourismusbüros. Und Ohne Zeitfenster. Nur Gehen in der
Sonnenberg hat, hängt nicht nur vom da gibt es oft noch den Ansatz, dass Natur.
Himmel, vom Licht und von der Höhe Kinderwagentauglichkeit immer und Bewusst oder unbewusst gibt es bei
Robert Fliri, Jahrgang 1976, aufge­
ab. Sie hängt auch vom Weg ab, auf überall ein willkommener Wert ist, uns eine Kultur des Gehens am Berg.
wachsen zwischen Dorf und Berghof.
dem man geht. Und der hier ist wahr­ wenn es um Wege geht. Definiert wird sie von Menschen, die Aus­bildung zwischen Maschinenbau,
scheinlich einer der schönsten, auf Also sollten wir uns auf die Bedürf­ sich viel am Berg bewegen. Aber nicht Waldarbeit und Produktdesign. Arbei­
dem ich bisher gegangen bin. nisse der Menschen konzentrieren, nur. Die Rahmenbedingungen be­ tet als Schuhentwickler. Verheiratet,
Das Bergwegenetz in Südtirol be­ nicht auf das, was uns mehr Geld durch stimmt zum großen Teil die Wirtschaft. drei Kinder. Gerne unterwegs am
steht aus zwei Teilen: den alten und Touristen bringen könnte? Heißt: Wie­ Land- und Forstwirtschaft zum einen, Berg – am liebsten weglos.
den neuen Wegen. Der alte ist ein ge­ der mehr Ursprünglichkeit, weniger Tourismus zum anderen. Nicht immer
wachsener, von Hand gebauter Weg, ­Sicherheit? ist der praktische Forstweg jedoch ein Dunja Smaoui, Jahrgang 1985, Jour­
der nur in Ausnahmefällen eben ist. Ich glaube nicht, dass wir Ursprüng­ guter Ersatz für den Wurzel- und Plat­ nalistin und seit zweieinhalb Jahren in
Steine wurden früher dort gelassen, lichkeit und Natur dem wirtschaft­ tenweg. Südtirol. Aufgewachsen am Rande des
wo sie waren, die Wege sind bis heute lichen Erfolg oder der Sicherheit ge­ Schaut man in andere Tourismus­ Ruhrgebiets, wo sie als Kind barfuß
haltbar, da die vielen Hindernisse den genüberstellen sollten, als ob das eine regionen, in die Schweiz oder nach durch die Wälder rannte. Verbringt
Wasserabfluss effizient bremsen und das andere stören würde. Schaffen wir Deutschland, lässt sich erkennen, dass ihre Zeit gerne oben auf den Bergen.
auch der Nutzung durch den Wande­ es, uns auf die grundlegenden Bedürf­ sie ihren alpinen Gästen zunehmend Ungestört und am liebsten ohne Stock
rer gut standhalten. Diese alten Wege nisse des Menschen zu konzentrieren, maßgeschneiderte Wanderangebote und Rucksack.
entsprechen der menschlichen Anato­ werden wir auch Wertschätzung von­ bieten – einschließlich natürlicher

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GIPFELGESPRÄCHE

Langlaufloipe bei Taisten

auf die Natur durch immer mehr Er­ verkitschter Tradition inklusive Insze­
schließungen steigt stetig. Und wir nierung durch künstliche Installatio­
fragten uns, ob man sich dem fügen nen.
muss oder ob nicht das Tourismus­
konzept zugunsten von mehr Natur Was wäre dein Vorschlag?
überdacht werden sollte. Es liegt mir fern zu urteilen. Ich denke
aber, unsere einmalige Landschaft ist
Was soll der Titel aussagen? Attraktion genug. Wir sollten authen­
Dass offenbar die Welt, wie sie ist, tisch bleiben und darauf bauen, was
nicht genug ist. Für viele scheint die uns ausmacht. Wir verlieren unsere
Natur in ihrer Einfachheit zu wenig Werte, wenn wir immer nur den neues­
sein, zu langweilig. Deshalb werden ten Trends hinterherlaufen. Und wir
Installa­tionen in die Landschaft ge­ sollten die Menschen für unsere Natur
baut, um auf die Landschaft hinzuwei­ sensibilisieren. Sie ist ein Highlight!
sen. An sich ein Widerspruch und doch Da braucht es kein von Menschen ge­
in der heutigen Zeit als „Attraktion“ machtes.
Kunstrasenwiese am Fuße des Boèseekofels
verkauft. Man will den Kunden, den

Die Welt ist nicht genug


Fotos: Fabian Haspinger
Touristen ­einen Mehrwert bieten und Was willst du mit deinem Projekt
die Absicht dazu mag sicher auch gut „Schnee 2.0“ vermitteln?
gemeint sein. Ich meine: Wir leben in Die Fotos entstanden in einem sehr
Scheinwerfer der Schneekatzen und einer der schönsten Gegenden der schneearmen Winter. Die Schneisen
Der Fotograf Fabian Haspinger Schneekanonen und es war eine Erde. Da sollte eigentlich die Natur al­ der Kunstschneepisten und -loipen
unent­wegte Maschinerie im Gang. lein spektakulär genug sein. Stattdes­ ­zogen sich wie weiße Adern in die
Welche Kosten stecken dahinter, frag­ sen lotsen wir die Besucher weg von braune Landschaft. Einzigartige
Fabian Haspinger lebt als freischaf- Wie kam es zu deinem Projekt am Pfannhorn erleben. Abends auf der ten wir uns. Nutzen? Naturverträglich­ unserer einzigartigen Natur und Ruhe ­Motive. Ich kritisiere nicht den Auf­
fender Fotograf in Taisten. Seine „Die Welt ist nicht genug“? Terrasse bemerkten wir mit Blick auf keit? Nachhaltigkeit? Klimawandel? hin zum Trubel und zurück ins Urbane. wand an Ressourcen zur Erzeugung
Bilder sollen den Betrachter zum Das Schlüsselerlebnis war auf der die gegenüberliegenden Berge ein All diese Gegensätze ließen sich für Wir bringen dem Stadtbewohner ein von Kunstschnee, weil gewiss ein
Nachdenken anregen. Wir sprachen ­Bonner Hütte bei Toblach, wo meine ­reges Treiben. Die Skigebiete Rot­ uns nicht leicht erklären. Gewiss, der Stück Stadt in die Berge. So absurd Großteil des Tourismus und der Wirt­
mit dem 40-Jährigen und stellen Frau und ich übernachteten. Tags wand, Helm und Kronplatz waren voll Tourismus generiert in Südtirol über das auch klingen mag – es ist Realität. schaft davon abhängt. Interessante
Auszüge aus seinen Projekten vor. ­darauf wollten wir den Sonnenaufgang von Lichterbahnen. Wir sahen die 35.000 Arbeitsplätze. Aber der Druck Man bietet einen Mix aus Natur und ­Fotomotive waren es allemal.

74 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 75


GIPFELGESPRÄCHE

­ otos sprechen für sich, im Guten wie


F Looping an der Bergstation Plose
im Schlechten. Dazu braucht es keine
Erklärung. Ich gebe nur einen Istzu­
stand wieder von Dingen, die mir
­persönlich auffallen. Nicht mehr. Diese
Bilder könnten auch in einer Werbe­
broschüre zu sehen sein. Der eine sieht
es als Attrak­tion, der andere als Stör­
faktor.

Welches sind für dich persönlich


Störelemente in der Natur?
Wenn ich im Wald oder auf dem Berg
die Natur in ihrer Stille mit all meinen
Sinnen erleben will, stört mich das
Drumherum von Aufstiegsanlagen
oder Menschenmassen. Das Wesent­
liche zu sehen, wird mir genommen.
Als Beispiel nenne ich die Reinbach-­
Wasserfälle bei Sand in Taufers. Sie
gehören zu den imposantesten Natur­ Fuße des Boeseekofels als Startbahn öffnen. Die Aufzeichnung dieser Ab­
schauspielen Südtirols, sind ein touris­ für Paragleiter und Drachenflieger. surditäten geben den Anstoß, gewisse
tischer Magnet und zählen jährlich Braucht es das? Auswüchse zu hinterfragen. Meine Art
­Tausende von Besuchern. Warum man die Dinge zu fotografieren, ist urteils­
gerade dort eine Fly-Line installieren Welche Botschaft steckt hinter los und neutral. Auf besondere Stilmit­
musste, bleibt die Frage. Um noch deinen Fotos? tel verzichte ich bewusst. Ich gebe die
Fly-Line bei den mehr Menschen anzulocken? Ein ande­ Ich sehe es geradezu als Pflicht, auf Bilder wieder, wie sie sind, und verfäl­
Reinbach-Wasserfällen
res Beispiel ist im Gadertal, wo bei gewisse Dinge aufmerksam zu ma­ sche sie technisch nicht. Die Fotos sind
­einer Bergstation Fitnessgeräte aufge­ chen. Die Interpretation des Betrach­ aber bewusst kontrastreich und gewis­
Mit Kunstschnee verbunden ist stellt sind. Ich verstünde, wenn diese ters, was er daraus abliest oder wie sermaßen „laut“. Gerne mit einem
„Man bietet einen Mix aus Natur und das Thema Klimawandel. Wie siehst im Tal installiert wären, aber zu wel­ sehr es ihn emotional bewegt, bleibt Hauch von Ironie.
du dieses Problem? chem Zweck in den Bergen? Und dann ihm überlassen. Meine Fotos sind ein
­verkitschter Tradition inklusive Inszenierung
Ingrid Beikircher
Als naturverbundener Mensch bemer­ gibt es noch eine Kunstrasenwiese am Versuch, den Menschen die Augen zu
durch künstliche Installationen.“ ke ich auch bei uns die Veränderung
des Klimas und ich denke, dass jeder Parkplatz bei der Auronzohütte
am Fuße der Drei Zinnen
Fabian Haspinger Einzelne seinen Beitrag dazu leisten
sollte, angefangen beim Kauf regiona­
ler Produkte, um den Warenverkehr zu
verringen. Für den Tourismus sehe ich
bei uns Chancen in neuen Konzepten
für den sanften Tourismus für ein Inne­
halten und nicht für ein Immer-Mehr.

Willst du mit deinen Fotos einen


Fingerzeig auf den Overtourism
lenken?
Bevor ich hauptberuflich Fotograf wur­ Fabian Haspinger besuchte die
de, arbeitete ich drei Sommer lang als ­Prager Fotoschule Österreich in Linz.
Betreuer im Naturpark Fanes-Sennes-­ Seine fotografischen Schwerpunkte
Prags und Drei Zinnen. Dabei wurde liegen in der Street-, Architektur-
ich auf viele Dinge aufmerksam: auf und in der konzeptionellen Foto­
die vielen Menschen, auf den vielen grafie. Für die Alpenvereinskampagne
Müll, auf den vielen Lärm. Auf zu viel #unserealpen stellte er bereits Aus­
von vielem. Ich erhebe nicht den züge seiner Werke zur Verfügung.
Fitnessgeräte an der Zeige­finger, sondern gebe mit meinen
­Bergstation Piz Sorega
Bildern nur Tatsachen wieder. Die

76 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 77


KULTUR & CHRONIK

im damaligen Stadtpark, das erfreu­


licherweise zu unserem 150-jährigen
Bestehen durch die Stadtgemeinde
aufpoliert und mit einer Gedenktafel
ausgestattet wurde. Weniger bekannt
sein dürfte, dass die Sektion nach
dem Tode von Heinrich Noe sein Werk
­„Bozen und Umgebung“ im Eigen­
verlag herausbrachte. Der Erlös ging
an die Hinterbliebenen des Schrift­
stellers. Zudem war 1890 eine Gedenk­
tafel zu Ehren des Minnesängers
­Oswald von Wolkenstein an der Ruine
Hauenstein oberhalb Seis angebracht
worden – sie besteht heute noch. An­
lässlich der Generalversammlung des
Gesamtvereines 1876 in Bozen zeigte
man eine Bilderausstellung von Künst­
lern wie Defregger, Moser, Seelos u. a.
Die Initiative für die bildenden Künste
fand eine Fortsetzung anlässlich der
125-Jahrfeier im Jahr 1994, indem eine
Gedächtnisausstellung zum Kunst­
„Mythos Rosengarten“ zeigt Rosen­
maler Erwin Merlet das Programm der Bozen stellt der Rosengarten nicht nur heiten des Aufenthaltsortes des gartenbilder von historischen und zeit-
Festveranstaltung erweiterte. Es folgte das nächstgelegene bergsteigerische Absenders. genössischen Künstlern
1996 zur 50-jährigen Wiedergründung Betätigungsfeld dar, er ist auch der Fotos: Miriam Federspiel

des Vereines eine Ausstellung im Motivberg der Stadt schlechthin. Das Eine Seilschaft für den Motivberg
Schloss Maretsch mit dem Titel „E. T. zeigen historische Postkarten aus den Die Initiative zur Ausstellung fand im
Compton – Blick auf die Alpen“. So Jahren 1895 bis 1920, ausgestellt im Sektionsmitglied Gerald Mair einen
glaubte die Sektion im Rahmen des Turm des Stadtmuseums. Die Postkar­ kunstsinnigen Promotor, der auch in Ausstellungsort im Stadtmuseum
150-jährigen Bestehens gut zu tun, die ten dienten zu dieser Zeit zur Über­ seiner Funktion als Obmann des ­Bozen ebnete. Die Ausstellung ent­
Tradition fortzusetzen und nun den mittlung der landschaftlichen Schön­ ­Museumsvereins Bozen den Weg zum stand so durch das Zusammenwirken

Mythos
Rosen­garten in den Mittelpunkt einer der Sektion mit dem Museumsverein
Ausstellung zu stellen. und dem Stadtmuseum Bozen, letzte­
res in der Person von Stefan Demetz.

Rosengarten
Der Rosengarten als Motiv für Anfänglich stand die Kunsthistorikerin
­Sagen, Postkarten und Kletterer Sabine Gamper mit wertvollen Anre­
Die deutsche Namensgebung des ge­ gungen zur Seite, schlussendlich war
nannten Bergmassivs leitet sich ver­ Hartmut Prünster für die Gestaltung
mutlich aus einer rätischen Sage ab, der Bilderausstellung zuständig. Die
Eine Ausstellung der AVS-Sektion Bozen denn die deutsche Bezeichnung taucht Veranstaltung wurde in finanzieller
zur 150-Jahrfeier erst im 15. Jahrhundert auf. Die räto­ Hinsicht durch die Stiftung Südtiroler
romanische Bezeichnung „ciadenac“ Sparkasse und die Abteilung Deutsche
für Geröllhalde findet sich in der italie­ Kultur der Landesverwaltung maß­
Aus Anlass ihres 150-jährigen Be- steht in einer langen Tradition nischen Bezeichnung Catinaccio wie­ geblich ermöglicht. Die Bildverleiher
stehens zeigt die Sektion Bozen ­kultureller Initia­tiven durch die der. Der abendliche Sonnenuntergang stellten in lobenswerter Weise ihre
des Alpenvereins Südtirol gemein- Sektion Bozen, wie der Kurator der taucht die Bergkette in eine eindrucks­ ­E xponate unentgeltlich zur Verfügung.
sam mit dem Museumsverein Bozen Ausstellung Helmuth Scartezzini volle Rotfärbung. Diese Naturerschei­ Die Ausstellung im Turm des Stadt­
und dem Bozner Stadtmuseum zu berichten weiß: nung findet sich in der rätischen museums bleibt noch bis 22. April 2020
eine Ausstellung zum Thema ­Legende als „enrosadora“. Um den frei zugänglich.

D
­„Mythos Rosengarten“. Damit ie Sektion Bozen hat bereits alpi­nistischen Aspekt in der Ausstel­ Helmuth Scartezzini
möchte die Sektion einen Bogen bald nach der Gründung 1869 lung mitzunehmen, wurde in der
zwischen der Bergsteigerstadt ihre Tätigkeit auch auf den Bilder­aus­stellung ein Foto zur West­
­Bozen und der prägenden Kulisse ­kulturellen Bereich ausgeweitet und seite des Rosengartenmassivs mit ein­
Die Ausstellung wird u. a. von einer
des Rosengartens in der bildenden Initia­tiven ergriffen. Davon zeugt die gezeichneten Routen der Erstbege­ ­Sammlung historischer Postkarten mit
Kunst spannen. Die Ausstellung Errichtung des Noe-Denkmals 1899 hungen eingebaut. Für die Stadt Rosengarten­motiv begleitet

78 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 79


KULTUR & CHRONIK

Der Rosengarten ist Südtirols sa- die darstellende Kunst entdeckt wor­
genumwobenster Berg und Kulisse den. Wenn man also die in Pinako­
der Landeshauptstadt Bozen. theken und Sammlungen vorhandenen
­Zahlreiche Künstler haben sich mit Abbildungen mit Schwerpunkt Berg
dem Motiv auseinandergesetzt. durchforstet, entdeckt man, dass mit
Der ­Obmann des Museumsvereins dem Bau der Brennerbahn um 1860
­Bozen Gerald Mair stellt uns an- auswärtige Künstler mit der maleri­
hand der aktuellen Rosengarten- schen Darstellung unserer einheimi­
ausstellung im Stadtmuseum ­Bozen schen Bergwelt begonnen haben. Bei­
einige künstlerische Perspektiven spielhaft dafür stehen die Engländer
einheimischer und auswärtiger Edward Theodor Compton und dessen
­Maler­auf den Rosengarten vor. Sohn Edward Harrison. Ihnen folgten
bald darauf auch einheimische Maler

A
ls der Wunsch seitens der Sek­ bis herauf in die Gegenwart.
tion Bozen des AVS an mich
heran­getragen wurde, anläss­ Blickfang Rosengarten
lich des 150-jährigen Gründungs­ Einen Querschnitt durch diese etwa
jubiläums der Sektion eine Bilderaus­ 150 Jahre versucht unsere Ausstellung
stellung zum Thema Rosengarten im im Turm des Stadtmuseums zu bieten,
Turm des Stadtmuseums mit dem wobei eine bunte Vielfalt von den be­
­Bozner Museumsverein als Partner zu kanntesten Südtiroler bis zu auslän­
zeigen, mag ich wohl kurz gezögert dischen Malern zusammengetragen
haben in Vorahnung der großen Arbeit wurde, die sich bei uns niedergelassen
und der Verantwortung für die Sicher­ haben oder als kurzfristige Besucher
heit der Exponate usw., aber dann Motive aus unserer Bergwelt abgebil­
­erinnerte ich mich an die frühe Verbin­ det haben. Wohl am häufigsten wurde
dung zwischen Museumsverein und dabei der im Nordosten von Bozen
Alpen­verein in Bozen und sah die sichtbare Dolomitengipfel des Rosen­
Möglichkeit, diese wieder wachzu­ gartens als Motiv gewählt, meistens
rufen. Viele der Gründer des Bozner vom Bozner Talkessel oder auch vom
Museums­vereins vor über 135 Jahren Tierser Tal aus, von wo der Rosengar­
waren bereits aktive Mitglieder des ten besonders beeindruckend wirkt.
Deutschen und Österreichischen Der Rosengarten wurde zum Blickfang
Alpen­vereins. sowohl in der Literatur (Karl Felix
Nach einem Gespräch im Vorstand Wolff) als auch in der Kunst ein be­
des Museumsvereins, wo das Projekt liebtes Malermotiv.
einstimmig gutgeheißen wurde, konnte Wenn man bedenkt, dass in den
ich dem AVS eine Zusage machen und Jahrzehnten zuvor bedeutende Reprä­
an die Arbeit gehen. Als das geringste sentanten der deutschen Hochkultur,

König Laurins Berg


Problem erwies sich dabei das Aus­ wie J. W. v. Goethe, Heinrich Heine,
findig­machen der Bilder. Unser Verein W. A. Mozart und viele andere, in
konnte selbst acht der wichtigsten Bil­ ­Bozen waren und keiner davon das
der zur Verfügung stellen, und die an­ Rosen­garten­gebirge weder wahrge­
Der Rosengarten in der Kunst deren wurden mir von persönlich be­ nommen noch erwähnt hat, lässt das
kannten Sammlern gerne ausgeliehen. tief blicken.

Der Berg als Objekt für die Kunst


Wie hat sich die Sicht auf die Berge im Compton, Pionier der Bergmalerei
Laufe der Zeit verändert? Eines ist klar, Die klassische alpine Malkunst ging
die Berge sind erst vor nicht allzu lan­ in unserer Gegend, wie ich schon ein­
ger Zeit als interessante Objekte für gangs verraten habe, vom Engländer
Edward Theodor Compton aus. Er
folgte seinen britischen Landsleuten
bei der Erschließung der Alpen als
Gotthard Bonell, Im Rosengartengebiet,
Öl auf Leinwand, 2011, im Besitz des
Bergsteigerparadies und lernte dabei
­Künstlers wohl die Berge mit anderen Augen zu

80 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 81


KULTUR & CHRONIK

Richard Wolff, Ansicht des Rosengartens Josef Costazza, Rosengarten vom Balkon
von Tiers aus, Öl auf Karton, ca. 1905–1910, des Malers aus gemalt, Öl auf Leinwand
im Besitz des Museums­vereins Bozen in Spachteltechnik, 2018. Das Gemälde, im
Besitz des AVS, ist ein Geschenk des ÖAV
anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Alpen-
verein und wurde am 15. Juni 2019 in
­Toblach überreicht

betrachten. Seine Art, die Berge dar­


zustellen, stellte alles, was es bis dahin
auf dem Gebiet gab, in den Schatten.
Daher gibt es heute wohl kein alpines dass Hans Prünster am ehesten als
Museum, das nicht einige Compton-­ Künstler den alpinen Geist im Sinne
Bilder hängen hat. Auch dessen Sohn des AVS verkörpert hat.
Edward Harrison entwickelte sich zu Andere namhafte Künstler wären
­einem guten Berg- und Landschafts­ hier noch zu nennen, wie z. B. Hugo
maler, wenn er auch nicht das Niveau Atzwanger, Max Sparer, Hubert
seines Vaters erreichte. Drei der Bilder ­Mumelter, Ulderico Giovacchini,
in unserer Ausstellung stammen von ­Emanuel Fohn, Hans Weber Tyrol,
ihm. Hans Gostner, Gottfried Seelos, Gott­
fried Überbacher, Titti Pobitzer Gotter,
Rosengartenmaler Wolff Vanni V­ iviani, Pierina Rizzardi, u. a.
Der Rosengartenmaler schlechthin un­
ter den einheimischen oder eingebür­ Die Zeitgenössischen: Bonell,
gerten Malern war Richard Wolff, der ­Kostner, Costazza
Bruder des Sagenforschers Karl Felix Den unbestrittenen Höhepunkt der
Wolff. Man nannte ihn nicht umsonst Ausstellung bildet ein wunderbares
den Rosengartenmaler, da dieser Berg Ölbild. Betritt man den Ausstellungs­
das häufigste Motiv seiner Bilder war. raum im Museumsturm, ist das Auge
So ein Rosengartenbild ist eines der des Betrachters sofort gefesselt von
zentralen Exponate der Ausstellung diesem großen Ölbild von Gotthard
und befindet sich im Besitz des Muse­ Bonell, sicher einer der bedeutendsten
umsvereins Bozen. Es wurde auch als Südtiroler Maler der Gegenwart. Der
Deckblatt für das Jubiläumsbuch der Bergsteiger erkennt darin sofort die
Sektion verwendet – eine bessere waagrechten Felsbänder, die den Ro­
Wahl hätte man nicht treffen können. sengartensockel oberhalb der Kölner
Hütte durchziehen. Hier ist meisterhaft
Moser, Stolz u.v.m. das Detail eines Berges eingefangen, Reiz. Die auf das Minimum in Grau und ein Geschenk des ÖAV an den AVS an­
Es wäre eine Sünde, die übrigen Maler, das für das unsichtbare Ganze steht. Weiß reduzierte Silhouette der Rosen­ lässlich der 150-Jahr-Feier in Toblach,
von denen Werke in der Ausstellung Auch die den Ausstellungsraum am gartenkette spricht den Betrachter auf stellt ein interessantes Beispiel für den
hängen, zu übergehen. Es bleibt mir Eingang begrenzende Rosengarten­ einer fast abstrakten Ebene an. Versuch dar, das in unseren Köpfen ge­
im Rahmen dieser Zeilen aber nur die grafik des Kastelruther Künstlers Das vom Neumarkter Künstler Josef prägte naturalistische Rosengartenbild
Möglichkeit, sie zu skizzieren: Da ist ­Hubert Kostner hat ihren besonderen Costazza gemalte Rosengartenbild, in ein Spannungsgleichgewicht zwi­
einmal der allseits bekannte Bozner te Maler vertreten: Anton Terza, ein Karl Kamaun, der allseits bekannte schen Flächen, Linien und Nichtfarben
Maler Carl Moser zu nennen. Seine Epigone von Carl Moser. „Vögelewirt“ aus Bozen. Er war Auto­ zu versetzen.
Rosen­garten-Holzschnitte zieren zu­ Erwin Merlet, Bozner Bergsteiger didakt und hat Albert Stolz in dessen Das ist nicht mehr bloße Abbildung
sammen mit Sarner Köpfen und den und Maler, der u .a. das leider nicht Wohnung in der Bozner Rosministraße nach gewohntem Muster, sondern die
Bildern aus der Bretagne fast schon mehr vorhandene Hintergrundfresko einige Male beim Malen zugeschaut Erschließung einer neuen Dimension,
pflichtmäßig viele Bozner Wohnungen. an der Turmuhr des Museums geschaf­ und ein bisschen daraus gelernt, wie er tieferer Schichten unseres Bewusst­
Auch Albert Stolz darf nicht ver­ fen hat. mir einmal erzählte. seins.
gessen werden. Zusammen mit seinen Rolf Regele, der Bozner Maler von Hans Prünster, der hoch angesehe­ In all diesen Bildern treffen sich Mal­
Brüdern Ignaz und Rudolf Stolz bilde­ europäischem Bekanntheitsgrad, u.a. ne akademische Maler, aus dem kunst und Berg, Kultur und Naturerleb­
ten diese die bekannte Bozner Stolz-­ wegen seiner im ganzen deutschen Passeier gebürtig, aber lebenslang in nis, in einem weiteren Sinn: Museums­
Malerdynastie. Von Albert stammt das Sprachraum bekannten Blumenbilder. Bozen ansässig. Er hat für den Alpen­ verein und Alpenverein. Dass der
schöne Rosengartenbild mit Bozen-­ Hermann Rammlmair, der Bozner verein Südtirol wiederholt Zeichnun­ Maler auch Bergsteiger sei, kann nicht
Gries im Vordergrund. Aquarellist für stimmungsvolle Land­ gen mit alpinen Themen verfasst für gefordert werden. Ein geschultes
Mit qualitätsvollen Bildern aus der schaftsbilder, meistens vom Ritten aus Urkunden, Auszeichnungen und Diplo­ Auge kann aber erkennen, ob der
Zwischenkriegszeit und der frühen gemalt, wo er seine Sommerresidenz me, kostenlos als großzügiger Unter­ ­Maler auch Bergsteiger war.
Nachkriegszeit sind folgende namhaf­ hatte. stützer des Vereins. Man kann sagen, Gerald Mair

82 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 83


Laurinswand Rosengartenspitze
KULTUR & CHRONIK 2.981 m
Südgipfel
Hauptgipfel 2.813 m Südturm Rosengarten
2.819 m 2.767 m
Südgipfel
2.913 m
Vajolettürme
Mittel-
scharte Süd-
scharte

Delagoturm
Nordturm Hauptturm 2.790 m Baumannkamm
2.810 m 2.821 m 2.736 m
Lämmerköpfe
2.682 m Piazturm
2.670 m 40
Vajoletnadel 39 42
Torre Estrema Winkler- 41 43 44
Rosengarten
Vierter 2.710 m scharte Laurins- Südscharte
Scharten-
Lämmerkopf 2.620 m pass 45 2.680 m
turm 23
2.651 m 2.627 m
2.660 m
26
21 22
19 Baumannpass
Vajolet- Große
5 2.657 m
pass Scharte
2.549 m 2.580 m 6 18 46

12

3
16
11 34 47
8
22 48
9
15 20 25 26
17 19 24 21 29
27 30 35
28 33
36
31 32 37
2 4 38

7 13 14
1 10 Für die vollständige grafische Übersicht der
Foto: Ulrich Robatscher, 2015
Routenskizzen: Stephan Obkircher, 2016 ­Erstbegehungen siehe www.alpenverein.it –
Erstbegehungen
Berglerhütte

Die Erschließung
2.022 m
Santner­pass, der heute | als Klettersteig 1888, am Weißhorn in der Schweiz. Touren eröffnet, die jedoch wenig be­ Ein neuer Stil in dieser Wand wurde
|
von der Kölner Hütte zum Gartl führt. ­Seine Leiche wurde 1956 vom Glet­ gangen werden. Ein bedeutender Auf­ von den Meranern Leo Breitenberger
Ein Jahr später, 1879, stieg Santner scher freigegeben. stieg ist der Rosengarten-Südgrat. Er und Karl Glatz am 1. und 2. Juni 1969

des Rosengartens
A nvon
­allein g e l der
w i e sheutigen
en Berglerhütte Der Stabelerturm wurde am 16. Juli gelang am 31. Juli 1887 Johann Santner praktiziert. Die Tour wurde als erste
über den sogenannten Laurinspass zur 1892 von Hans Stabeler und seinem mit Gottfried Merzbacher, weist die mit VII+ bewertet und ist bis heute
Scharte unter den südlichen Vajolettür­ Gast H. Helversen erobert und wird Schwierigkeiten III und IV auf und wird eine der schwierigen geblieben.
men. Damit hatte er den Zugang von heute mit Schwierigkeit III bewertet. sehr häufig als direkter Anstieg auf Als abschließende Entwicklung in
Süden und vom Westen ins Gartl er­ Den Delagoturm bestieg Hermann den Rosengartengipfel genutzt. der Laurin-Westwand sollte man noch
Die Bergrettung Tiers hat für die Schwierigkeit II bis III bewertet. Die möglicht. Delago am 22. September 1895 allein, Nach dem Zweiten Weltkrieg ging zwei Felsfahrten anführen: Im Sommer
Rosengartenausstellung im Stadt- Seilschaft ging von Vigo di Fassa weg, Am Übersichtsbild sind drei Vajo­ zum Teil barfuß über die Südwand­ der Stern des Bozners Otto Eisen­ 1992 eröffnete die Seilschaft Resch-­
museum Bozen (siehe vorhergehen- erreichte den Platz der heutigen lettürme sichtbar: der Hauptturm, der kamine. Er hatte kein Seil dabei und stecken auf. Seine Erstbegehungen in Pardeller aus Welschnofen die so­
de Seiten) ein Bild der Rosengar- ­Vajolethütte, stieg durch die Rosen­ Nordturm und der Delagoturm. Insge­ musste alles wieder abklettern. den Dolomiten zählen heute noch zu genannte „Schweißspur“, die mit
tengruppe mit den eingezeichneten gartenschlucht aufs Gartl und weiter samt gibt es aber sechs Vajolettürme, Die Tour wird heute mit IV und IV+ den schwierigsten Anstiegen. Er hat Schwierigkeit VIII eingestuft wird.
Kletterrouten leihweise zur Ver­ durch die Westwand auf den Rosen­ drei nördliche und drei südliche. Wer ­bewertet. seine Spuren im ganzen Rosengarten­ 2009 gelang der Seilschaft Ausser­
fügung gestellt, das am Eingang garten-Gipfel. Dies war eine Riesen­ sich mit der Rosengartengruppe be­ Eine der beliebtesten Dolomiten­ gebiet hinterlassen und seine Erst­ dorfer-Celva die Route „Similde“,
der Bilderausstellung aufgestellt leistung, da der Bergführer als Fran­ schäftigt, dem sollte auch die Erstei­ touren ist heute die Delagokante, die begehung an der Kleinsten Zinne nach der Laurin-Sage benannt, mit
wurde. Dort sind die Daten der zose keine Zeit für Erkundigungen gungsgeschichte der südlichen Türme, am 9. August 1911 unter der Führung wird ganz selten wiederholt. Auf unse­ Schwierigkeit VIII+.
Erst­begehungen und der Erstbe­ aufwenden konnte. Nachdem die die oberhalb der heutigen Gartlhütte von Tita Piaz mit seinen Begleitern Iori rem Bild sind eine Tour am Vajolet-­ Der Rosengarten ist das Wahrzei­
geher sowie die Schwierigkeiten ­Briten einen großen Teil der Westal­ stehen und von denen nur der Delago­ und Glaser eröffnet wurde. Hauptturm und zwei Touren in der chen von Bozen, die Sage um den
der T
­ ouren angeführt. pen erschlossen hatten, wandten sie turm abgebildet ist, bekannt sein. Ein Meisterwerk von Sepp Schrott Laurinswand eingezeichnet. ­König Laurin ist uns seit unserer Kind­
sich den Ostalpen zu und da waren Als Erster kam am 17. September war die direkte Nordwestwand des Die meistbegangene Tour in der heit vertraut. Die Ersteigungsge­

D
ie Rosengartenspitze wurde die Dolomiten besonders begehrt. 1887 der 18-jährige Georg Winkler aus Delagoturmes. Sie ist ihm im August Laurins-Westwand ist die Hocke- schichten um unseren heiligen Berg
am 31. August 1874 von den An der Erschließung der Rosengar­ München ins Gartl und bestieg allein 1959 mit Dieter Hasse gelungen und Buratti-­Brunner mit ihrem tückischen beflügeln unsere Phantasie, und wenn
britischen Bergsteigern Tucker tengruppe hatte der Bozner Johann den später nach ihm benannten Wink­ war seinerzeit der schwierigste Anstieg Quergang, der für den Zweiten der er im Abendrot leuchtet, gehört er
und Carson mit dem Bergführer Santner besonderen Anteil. Am lerturm über den Winklerriss, der in der Rosengartengruppe. Seilschaft schwieriger ist als für den uns.
Devou­assaud aus Chamonix erstbe­ 19. Juni 1878 beging er mit dem Tierser ­heute mit dem IV. Grad bewertet wird. Vom Gartl auf die Rosengarten­ Ersten. Sie wurde am 4. August 1921 Luis Vonmetz
gangen. Die Tour wird heute mit Villgrattner zum ersten Mal den Winkler verunglückte ein Jahr später, spitze wurden ziemlich viele weitere eröffnet.

84 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 85


Thema: Bergformen
Foto: Walter Oberlechner – Strix Naturfotografen Südtirol Foto: Georg Kantioler – Strix Naturfotografen Südtirol

Foto: Paul Erlacher – Strix Naturfotografen Südtirol Foto: Alfred Erardi – Strix Naturfotografen Südtirol
GEH-SUNDHEIT

Hat die Zecke zugestochen, gilt es, sie


­möglichst schnell zu entfernen, um der
Übertragung von Krankheiten vorzubeugen
Foto: wikimedia commons

schweren Verlauf. In Südtirol haben wir


im Schnitt einen gemeldeten FSME-­
Fall im Jahr, also eine FSME-Infektion
mit auftretender Hirnhautentzündung
(Enze­phalitis). Im Überetsch hatten
wir in den letzten Jahren vier nachge­
wiesene Fälle von FSME-Infektionen
bei Kindern und Erwachsenen ohne
schwerwiegende Folgen. Unter sechs
Jahren verlaufen FSME-Erkrankungen
im Normalfall glimpflich, d. h. wie ein
schwerer grippaler Infekt – oft mit behandel­bar. Wenn Borreliose nicht Mal verabreicht, eine Auffrischung
neurolo­gischen Symptomen, aber die behandelt wird, können auch noch ­erfolgt dann alle drei bis fünf Jahre.
Kinder werden im Normalfall wieder Jahre später neurologische Schäden, Grundsätzlich kann man Kinder ab
gesund. Gelenks-, Rückenmark- sowie auch ­einem Jahr impfen; wir empfehlen eine
Hirnhautentzündungen auftreten. Impfung aber erst ab zwei Jahren, da
Welche Symptome haben die Bei FSME treten eine Woche bis in den ersten beiden Jahren schon
­beiden Erkrankungen? zehn Tage nach dem Zeckenstich ­einige wichtigere Impfungen anfallen.
Und wie werden sie behandelt? grippe­ähnliche Symptome mit hohem Als Prävention ist es aber natürlich
Bei Borreliose kommt es meistens drei ­Fieber, Kopfschmerzen und Übelkeit vor allem sinnvoll, einen Zeckenstich

Im Zeckenwald
bis vier Tage nach dem Zeckenstich auf, die aber wieder abklingen. Eine zu vermeiden.
zu einer Hautrötung rund um die Ein­ weitere Woche bis zehn Tage später
stichstelle. Der Fleck wird handteller­ können dann aufgrund einer Entzün­ Wie treffe ich Vorkehrungen?
groß und erblasst in der Mitte, sodass dung der Hirnhäute schwere neuro­ Ich sollte lange und helle Kleidung tra­
Über Ängste und Gefahren. Ein Faktencheck Foto: Stefan Steinegger
er einen Kreis bildet. Der Kreis wan­ logische Symptome wie Verwirrtheit, gen, eine Mütze, und den Hosenbund
dert dann über den Körper, daher Übelkeit und massive Kopfschmerzen in die Socken stecken. Helle Kleidung
spricht man von einer Wanderröte. Die auftreten. Eine FSME-Erkrankung deswegen, weil ich auf einem hellen
Die Schilder lauern am Wegesrand, bei den Eltern sind große Ängste vor Von welchen Erkrankungen infolge Wanderröte ist normalerweise nicht macht einen Krankenhausaufenthalt Stoff die Zecke besser erkennen kann.
genauso wie die Tiere, die sie abbil- durch Zecken übertragene Krank­ eine Zeckenstichs sprechen wir? schwer zu erkennen und leicht von der erforderlich, bei dem aber nur die Gleich wie gegen Mücken gibt es
den. Die Informationstafeln warnen heiten spürbar, und es steht vor allem Und wie häufig sind sie? normalen Rötung einer Einstichstelle Symptome behandelt werden können. auch Repellents. Je nach Repellent
die Besucher von Risikogebieten die Frage im Raum, ob sie ihre Kinder Zeckenstiche können zwei Krankhei­ zu unterscheiden. Borreliose ist bei Bei FSME ist es also umso wichtiger ­haben sie eine Wirkung von einer hal­
vor Zecken und Infektionskrank­ impfen lassen sollen oder nicht. ten verursachen: die Frühsommer- rechtzeitiger Erkennung gut mit einer auf Prävention zu setzen. ben Stunde bis zu fünf Stunden. Die
heiten – aufklärend, genauso wie Meningo­enzephalitis (FSME) und die dreiwöchigen Antibiotikatherapie Wirkung ätherischer Öle wie z. B. Tee­
bedrohlich. Da kann man schon mal Und was empfehlen sie? Borreliose. Die Borreliose gibt es in Was kann ich zur Prävention tun? baum­öl ist nicht nachgewiesen. Und
den Wald vor lauter Zecken über­ Ich frage die Eltern, ob sie selbst Südtirol seit den 1980er-Jahren; aktuell Impfen? man kann nur vermuten, dass sich eine
sehen. Viele Menschen meiden die geimpft sind. Den Eltern ist meistens sprechen wir von jährlich 8 bis 16 Fäl­ Die Impfung schützt nur vor FSME. hungernde Zecke nicht von abstoßen­
Wälder und Wiesen, besonders nicht klar, dass sie selbst einem grö­ len. Borreliose wird durch Bakterien Sie ist gratis und der Impfstoff wird den Gerüchen abhalten lässt. Also ist
im Überetsch/Unterland, beson- ßeren Risiko ausgesetzt sind als ihre ausgelöst, die von jedem Tier über­ sehr gut vertragen. Nebenwirkungen die Wirkung von Repellents einge­
ders Familien mit Kindern. Wir Kinder. Kinder sind zwar am Wegrand tragen werden können, das sticht. können eine Schwellung oder Rötung schränkt.
­haben mit der Kalterer Kinderärztin in den Gräsern unterwegs, aber die Das kann im Grunde auch eine Hum­ der Einstichstelle sein, sehr selten auch Das Tückische an den Zecken ist,
­Christiane Spitaler über reelle größeren neurologischen Folgeschä­ mel oder Mücke sein. leichtes Fieber. Die Impfung wird drei dass ich sie weder auf meiner Haut
­Gefahren und übertriebene Ängste den nach einer Infektion treffen die FSME überträgt nur die Zecke und krabbeln noch ihren Stich spüre. Also
gesprochen. Erwach­senen. Je jünger ein Kind ist, ist in Südtirol seit der Jahrtausend­ lässt sich die Zecke viel Zeit, bis sie
­desto gutartiger ist der Verlauf bzw. wende nachgewiesen. Je nach Risiko­ eine geeignete Stelle findet. Oft ist
Kaltern gehört zu den Zecken-­ unwahrscheinlicher ist eine schwere gebiet ist jede zwanzigste bis tau­ Wanderröte als typisches Symptom der das der Nacken, hinter den Ohren, die
Borreliose: Drei bis vier Tage nach dem
Risiko­gebieten. Sind Zecken ein Erkran­kung. Die meisten Eltern wissen sendste Zecke Träger des FSME-Virus, Zecken­s tich kommt es zu einer Hautrötung
Knie- und Armkehlen und auch gerne
Thema in ihrer Kinderarztpraxis? das nicht und reagieren überrascht. aber nur bei einem Drittel der Perso­ rund um die Einstichstelle, der Fleck wird die Leisten. Also sollte ich nach jedem
Zecken sind ein häufiges Thema. Die Besteht der Wunsch nach einer Imp­ nen, die infiziert werden, treten Krank­ handtellergroß und erblasst in der Mitte, Waldbesuch die Kleidung wechseln
sodass er einen Kreis bildet. Der Kreis wan-
Anfragen haben in den letzten vier fung, raten wir, die ganze Familie zu heitssymptome auf, und nur bei einem dert über den Körper und mich und meine Kinder am gan­
Foto: Stefan Steinegger
bis fünf Jahren stark zugenommen; impfen. kleinen Anteil kommt es zu einem Foto: wikimedia commons zen Körper absuchen.

88 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 89


GEH-SUNDHEIT

Schildern geschieht, macht natürlich


Angst. Ich denke, dass man sich mit
der Zeit an die Schilder gewöhnen
wird, die Angst abnimmt und die
Norma­lität zurückkehrt. Jedenfalls ist
es schade, wenn jemand aus Angst vor
Zeckenstichen den Wald meidet.

Also: Den Aufenthalt im Wald


­genießen oder Zeckengebiete
­meiden?
Ich soll mich schützen, so gut ich kann:
also ordentlich kleiden, absuchen,
die Zecke entfernen! Aber den Wald
meiden muss und soll ich nicht. Durch
­Zecken übertragene Krankheiten sind
selten. Bei guter Prävention handelt
es sich um ein minimales Restrisiko.
Die Begegnung der Kinder und auch

Die Zecke
der Erwachsenen mit der Natur und
dem Wald hat den weitaus größeren
Haupt-Verbreitung von FSME in Nord-,
Süd- und Osttirol auch mit den Fingernägeln, wenn ich Benefit und die größere Heilwirkung
Quelle: Gernot Walder, Tirol Atlas sonst nichts dabeihabe. Einfach als die Gefahr eine Infektion. Kinder
­packen und mit Gefühl rausziehen! sollen unbedingt in den Wald. Beim Wo und wie sie lebt Foto: pixabay/Meli1670
­Bitte die Zecke beim Herausziehen Thema Kinder sind wir immer sehr ver­
nicht drehen und keine Zusatzmittel letzlich, aber wir müssen damit um­

D
Und wenn mich eine Zecke wie Klebstoff, Zahnpasta, Öl etc. ver­ zugehen lernen, dass ich mein Kind ie Zecken (Ixodida) sind eine stetig steigenden Durch­schnitts­tem­ gend kleine bis mittelgroße Säuge­
­gestochen hat? wenden. Die Zecke tendiert dabei nicht hundertprozentig absichern Ordnung der Milben und ge­ pe­ra­turen nicht auszuschließen. Zu­ tiere wie Mäuse oder Igel, aber auch
Wichtig ist, die Zecke sofort zu entfer­ eher zu erbrechen und somit Borre­ kann. Der Wald ist für die Entwicklung hören zur Klasse der Spinnen­ dem sind auch Verfrachtungen durch Reptilien und Vögel.
nen. Denn der Faktor Zeit kann bei liose-Bakterien freizugeben. meines Kindes einfach zu wichtig. tiere. Alle Arten sind blutsaugende Menschen sowie Wildtiere möglich. Ausgewachsene Tiere suchen wie­
Borreliose eine entscheidende Rolle Evi Brigl Ekto­parasiten an Wirbeltieren, d. h. Zecken leben meistens in feuchten, derum einen Wirt auf (oder bleiben am
spielen. Im Gegensatz zu FSME, das Wann muss ich zum Arzt? sie dringen nicht vollständig in ihren schattigen Lebensräumen, also in selben sitzen). Ein Männchen nimmt
von Viren über den Speichel der Zecke Wenn ein Kind eine Woche nach einem Wirt ein. Laub- und Mischwäldern, Auen, Wald­ nur wenig oder gar kein Blut mehr auf,
beim Stich übertragen wird, handelt es Zeckenstich wirklich hohes Fieber Die weltweit etwa 900 bekannten lichtungen und am Wegesrand. Sie im Gegensatz dazu brauchen die
sich bei Borreliose um ein Bakterium, ­bekommt, dann sollte man einen Arzt Arten werden in zwei großen Gruppen sind besonders vom Frühjahr bis Weibchen eine ergiebige Blutmahlzeit
das erst übertragen wird, sobald die informieren. Dann kann man den Ver­ eingeteilt: Herbst aktiv. Die Aktivität hängt je­ (über mehrere Tage), um Eier zu pro­
Zecke ihren Magen- und Darminhalt lauf gemeinsam beobachten und bei Die Lederzecken, die bevorzugt doch stark von den klimatischen duzieren.
in den Menschen „leert“, was in der einer Verschlechterung des Allgemein­ ­Vögel parasitieren, sind an ihrem meist ­Bedingungen ab; sind sie günstig,
Regel erst nach 12 bis 24 Stunden pas­ zustandes entsprechend reagieren. runzligen Rückenschild zu erkennen. ­werden einzelne Tiere auch in den Überlebenskünstler
siert. Je schneller ich die Zecke entfer­ Mindestens zwei Arten davon sind für Wintermonaten aktiv. Zecken haben kaum natürliche Fein­
ne, umso eher vermeide ich also eine Der Sanitätsbetrieb rät auf seiner Südtirol bekannt: die Taubenzecke und de und sind sehr resistent. Sie können
Infektion mit Borreliose-Bakterien. Webseite: Bei Kindergarten- und die Fledermauszecke (Argas reflexus, Von der Larve zum adulten Tier Kälte durch eine Art Winterstarre über­
Schulausflügen in Risikogebieten A. vespertillionis). Die im Frühjahr aus Eiern geschlüpf­ dauern und zudem längere Zeiten
Viele haben Angst, die Zecke soll darauf geachtet werden, dass Die Schildzecken sind für den Men­ ten Larven brauchen eine Blutmahlzeit, ohne Nahrungsaufnahme überleben.
„falsch“ zu entfernen oder zu die „Kinder paarweise oder in einer schen wesentlich bedeutsamer. Aus um sich weiterzuentwickeln. Zum Da es sich um Gliederfüßer (Arthropo­
­beschädigen. Wie mache ich es Reihe in der Wegmitte“ gehen? dieser Gruppe sind zumindest fünf ­Auffinden eines Wirtes klettern sie den) handelt und sie gleich wie Insek­
richtig? Schüren solche Aussagen Ängste? ­Arten in Südtirol nachgewiesen. Eine auf Gras- bzw. Pflanzenhalme bis auf ten über ein Außenskelett aus Chitin
Ich habe beim Entfernen nichts zu be­ Das ist sicher nicht der Sinn eines Dr. Christiane Spitaler, geboren häufige Art in Mitteleuropa und auch ca. 1,5 Meter Höhe. Dort lauern sie verfügen, können sie Höchsttempe­
fürchten. Dass ich der Zecke den Kopf Waldausflugs. Wenn ich im Montiggler 1969 in Bozen, Ausbildung zur Kinder- hierzulande ist Ixodes ricinus, auch als und verhaken sich an Fell, Haut oder raturen von bis zu 42 Grad Celsius
abreiße, ist ein Irrtum. Wenn die Zecke Wald spazieren gehe, sehe ich überall und Jugendärztin in Innsbruck und Gemeiner Holzbock bekannt. Kleidung des vorbeiziehenden Wirtes überleben. Erst ab dieser Temperatur
beim Entfernen „bricht“, bleibt nur das die Warnschilder mit groß abgebilde­ Linz. Seit 12 Jahren in Kaltern als und krabbeln weiter an eine zum Blut­ beginnt sich das Chitin aufzulösen.
Stichwerkzeug in der Haut, von dem ten Zecken. Das vermittelt das Gefühl, Kinder­ärztin tätig. Diplom der öster­ Ein Leben im Schatten saugen geeignete Stelle. Nach der ­Daher müssen Kleidungsstücke bei
keine größere Gefahr ausgeht als von dass hinter jedem Baum ein Unge­ reichischen Ärztekammer für chinesi­ Grundsätzlich sind Zecken in Südtirol ­ersten Häutung folgt das Nymphen­ min­destens 50 Grad in der Maschine
einem gewöhnlichen Holzschiefer. heuer lauert. Ich finde es wichtig, dass sche Akupunktur und Homöopathie. in Tallagen bis zu 800, 900 Metern stadium, das wiederum mit einer Blut­ gewaschen werden, um sicherzu­
Die Zecke entferne ich am besten man die Bevölkerung informiert. Dass Mutter von 4 Kindern. Höhe vorzufinden. Jedoch ist ein Vor­ mahlzeit und einer Häutung endet. stellen, dass keine Tiere überleben.
mit einer normalen Greifpinzette oder das sehr plakativ mit den aktuellen kommen in höheren Lagen durch die Larven und Nymphen befallen vorwie­ Simone Ballini, Südtiroler Biologenvereinigung

90 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 91


TIPPS & INFOS

BERGSTEIGERTIPP 3. Schraubkarabiner: Beim Umfädeln


braucht es einen Schraubkarabiner. Ein
Schraubkarabiner ist für ein sicheres

Sicher umfädeln
Umfädeln unbedingt erforderlich; das
soll schon beim Einstieg in die Route
bedacht werden. Meistens ist den Klet­
terern bereits bekannt, in welchem Ge­
biet umfädeln Usus ist. Nur in Notfällen
sollen zwei gegengleiche Karabiner der
Expressschlingen verwendet werden.
4. Seilpartner: Der Sichernde bleibt
während des gesamten Umfädelns
aufmerksam in Blickkontakt und das
Sicherungs­gerät bleibt eingehängt.

Französische Methode
Diese Art des Umfädelns bewährt sich
wegen des einfachen Handlings; die
Methode ist sicher, übersichtlich und
schnell. Einziger Nachteil: Bei zu klei­
nem Umlenkkarabiner oder -ring kann
das Seil nicht doppelt durchgefädelt
werden.
1. Der Kletterer fixiert sich am
Standplatz. (Bild links) Wie schon oben
erwähnt, soll dabei die letzte Zwi­
schen­sicherung in jedem Fall auch im
­Toprope eingehängt sein. am Stand fixiert hat, bindet er im Genügend Seil in einer Doppelschlaufe Kommando „Zu!“ an den Seilpartner
durch den Umlenkkarabiner oder -ring ein-
2. Er zieht genügend Seil in einer Kletter­seil mittels Achterknoten eine ziehen! und die Blickkontrolle (Punkt 6 und 7
Doppelschlaufe durch den Umlenk­ Schlaufe und fixiert diese mittels In der entstandenen Öse wird das Seil nun
oben).
karabiner oder -ring. (Bild S. 93, links) Schraubkarabiner am Anseilring des mittels Schraubkarabiner an den Seilring Vorteil ist der geringere Seilver­
3. In die durchgezogene Schlaufe Gurtes. Dann bindet er seinen An­ des Gurtes gehängt brauch und die Möglichkeit, auch bei
wird ein doppelter Achterknoten ge­ seilknoten aus, zieht das so gewonne­ Nun erfolgt das Kommando „Zu!“ an den engen Karabinern umzufädeln. Um
Seilpartner. Der Kletterer spürt sofort den
bunden. ne Seilende durch den Umlenkkarabi­ richtigen Zug am Klettergurt ­redundant gesichert zu sein, muss die
4. In der entstandenen Öse wird ner oder -ring und fixiert das Seilende Fotos: Ulla Walder letzte Zwischensicherung unbedingt
das Seil nun mittels Schraubkarabiner mittels gebundenen Achterknoten eingehängt sein.
an den Seilring des Gurtes gehängt. wieder am Klettergurt. Es folgen das Ulla Walder
(Bild S. 93, Mitte)
5. Erst jetzt wird der fixe Anseil­
knoten gelöst und das lose Seil durch­
gezogen. Preis-Vorteil für AVS-Mitglieder
6. Nun erfolgt das Kommando „Zu!“
Von der Halle an den Fels – die
­Saison im Klettergarten hat begon-
nen. Beim Felsklettern kann es vor-
Es gibt zwei bewährte Methoden:
die Französische und Schweizer Me­
thode. Beide beruhen auf denselben
an den Seilpartner. Der Kletterer spürt
sofort den richtigen Zug am Kletter­
gurt. (Bild S. 93, rechts)
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kommen, dass man am Umlenker
(Stand) keinen Karabiner vorfindet
und umfädeln muss.
Grundprinzipien.
1. Sicherheit: Der Kletterer ist in
­jedem Moment des Umfädelns redun­
dant gesichert. Besonders im Toprope
7. Wichtig, die letzte Blickkontrolle
vor dem Aushängen der eigenen
Selbstsicherung und vor dem abschlie­
ßenden Kommando „Ab“!
Kollektionen
D
as Umfädeln brauchen wir im­ ist zu beachten, dass vor dem Umfä­
mer dann, wenn das Seil durch deln das Seil auch in der letzten Zwi­ Schweizer Methode
ein geschlossenes System schensicherung eingehängt wird. Diese Methode ist auch bei engen
­gefädelt werden muss, wie es ein Ring, 2. Seilring: Der Seilring am Gurt ist Umlenkkarabinern, z. B. kleinen Maillon
ein Maillon Rapide, ein geschlossener der einzig zulässige Anhängepunkt. Das Rapide, möglich. Sie unterscheidet
Karabiner oder zwei Ringe oder Klebe­ Seil wird mittels Schraubkarabiner im­ sich von oben genannter Methode ab
haken sein können. mer – und nur am Seilring – angehängt. Punkt 2. Nachdem sich der Kletterer

92 Bergeerleben 01/20 www.thomaser.it


TIPPS & INFOS

Hans Oberkalmsteiner, Gabi Seebacher, AVS Sarntal

alpenvereinaktiv.com
Über die Sarner Scharte zum Totenkirchl
#MEINHAUSBERG Bergtour von Sarnthein nach Reins­wald.
Unterwegs kommen wir immer wieder

I
an geschichtsträchtigen Sehens­würdig­
n Südtirol gibt es unzählige Haus­ vermögen. Aber alles ist machbar und Tour. Vom Gipfel kann der gleiche Weg keiten vorbei. Dazu ­gehören das Toten­
berge, jedes Dorf hat seinen eige­ für viele passionierte Wanderer ein zurück nach Hause genommen werden. kirchl, das Zeuge der Pestepidemie im
nen und von den meisten Dörfern Muss, auf den eigenen Hausberg zu­ Interessanter ist es aber, einen ande­ 16. Jahrhundert ist, der Stolleneingang
aus ist der Hausberg als Tagestour gut mindest einmal im Jahr auch wirklich ren Rückweg zu nehmen oder aber als am Ribner Seeberg, der uns an eine
machbar. Anspruchsvoller ist es da von zu Hause aus zu Fuß zu starten. Überschreitung zu einer anderen Ort­ längst vergan­gene Bergbautätigkeit
schon für die „Stadtler“, denn um von Die hier vorgestellten Touren kön­ schaft abzusteigen, um von dort aus STRECKE 16,1 km
­erinnert, und die gut erhaltenen
Bozen aus den Schlern, von Brixen die nen mit nur wenig mehr Zeitaufwand mit dem Bus zurück nach Hause zu DAUER 7:30 h
Reinswalder Mühlen.
Plose oder von Meran die Mutspitz zu direkt von den jeweiligen Ortschaften ­fahren. AUFSTIEG 1690 m Auf der Sarner Scharte eröffnet sich
ersteigen, braucht es schon etwas aus gestartet werden und eignen sich Karin Leichter
nach einem anstrengenden Aufstieg
ABSTIEG 1070 m
mehr Gehfreudigkeit und Durchhalte­ daher bestens als #MEINHAUSBERG-­ ein einmaliger Rundblick über das
SCHWIERIGKEIT schwer ­Sarntal. Bemerkenswert ist: Der Gipfel
der Sarner Scharte ist mit seinen
KONDITION
2.458 Metern die höchste Erhebung aus
TECHNIK IV ­Porphyr in Südtirol.
HÖHENLAGE
2510 m
Josef Essel, ÖAV Innsbruck   960 m

Sarlkofel AVS-Sektion Passeier

Der Sarlkofel ist ein vorgelagerter


Dolomiten­berg und zugleich der Haus­
berg von Toblach. Die Aussicht auf die
Von Platt auf die Matatzspitz Diese Wanderung führt uns von Platt
nach Ulfas, einer kleinen Fraktion von
vielen schroffen Gipfel ist grandios. Moos in Passeier, die von Bergbauern­
Der Anstieg ist alpintechnisch durch­ höfen geprägt ist und am bekannten
aus unschwierig, wobei aber der Steig Meraner Höhenweg liegt. Ab dem
im Waldbereich immer wieder steil Parkplatz Kratzegg führt ein breiter
nach oben führt. So schroff sich der Forstweg bis hin zur Ulfaser Alm. Ab
Sarlkofel von der Nordseite präsen­ der ­Ulfaser Alm befinden wir uns im
tiert, zeigt er auf der Südseite mit den Almgelände und steigen bis zur Ma­
weitläufigen alpinen Wiesen ein völlig tatzspitze unschwierig auf. Der breite
STRECKE 14,2 km
anderes Bild. Die Bergtour auf den STRECKE 15,4 km Rücken Hitzen­bichl bietet ebenso wie
Sarlkofel kann man als Rundtour über DAUER 5:45 h
DAUER 7:30 h
der Gipfel eine wunderbare Aussicht
die Putzalm und den Putzgraben aus­ AUFSTIEG 1260 m auf Jaufen­kamm, Hinterpasseier und
dehnen.  AUFSTIEG 1057 m
die Ortschaft St. Leonhard. Das Weg­
ABSTIEG 1260 m
ABSTIEG 1538 m stück zwischen Waaler Hütte und
SCHWIERIGKEIT mittel St. Leonhard führt größtenteils durch
SCHWIERIGKEIT schwer einen Fichtenwald. Beim Weiler Christl
KONDITION
KONDITION
queren wir erneut den Meraner
TECHNIK III ­Höhenweg.
TECHNIK III
HÖHENLAGE
2378 m HÖHENLAGE
1200 m 2178 m
  664 m

94 Bergeerleben 01/20 Bergeerleben 01/20 95


TIPPS & INFOS

u k t-
Prod euheiten
HAMPI ROCK PANT
PATAGONIA Bücher aus der AVS-Bibliothek
n -MITGLIEDER
FÜR ALLE AVS
Angenehm, robust und elastisch – mit der Hampi Rock
Im neuen Online-Katalog kann im Bestand der AVS-Bibliothek
Pant von Patagonia bleibst du bei jedem noch so hei­
ßen Sommertag richtig cool. Der Materialmix aus gestöbert werden: alpenverein.it/online-katalog
Hanf, recyceltem Polyester und Elasthan sorgen für un­
KOSTENLOS AUSZULEIHEN
BOOSTER schlagbaren Tragekomfort. Die ergonomische Schnitt­
führung und die elastische Konstruktion sorgt dafür,
SCARPA dass jeder hohe Tritt problemlos erreicht wird. Damit Conrad Stein
Der vegane Kletterschuh – der neue Booster aus dem Hause diese auch gesehen werden, wurden an den Beinen­
Scarpa kommt komplett ohne tierische Produkte auf den Markt. Ein den elastische Abschlüsse angebracht, die bei Bedarf Christian K. Rupp Roland Daniel Hüske
­präziser und asymmetrischer Kletterschuh, der ideal zum Bouldern und auch hochgezogen werden können. Der flache und re­ München – ­Schmellenkamp Neuseeland
Felsklettern geeignet ist. Der enge Booster überzeugt mit DTS-Tension- gulierbare Bund garantiert selbst beim Tragen eines ­Venedig Alpe-Adria-Trail ­Südinsel
und PAF-Technologien, die vor allem punktgenaue Tritte und leistungs­ Klettergurtes ein hervorragendes Tragegefühl. Zwei Über die Alpen in 25 Wanderungen
orientiere Kraftübertragung im Vorder- und Hinterbereich ermöglichen. Einschubtaschen und eine kleine Sicherheitstasche 28 Etappen zwischen Bergen,
Die weiche Gummimischung M50 Rubber umschließt den Fuß, bieten Stauraum für Kleinkram und Wertsachen. Buchten und
bietet beste Sensibilität und Trittsicherheit. Preis: 89 € ­Regenwald
Preis: 159 €

SWIFT PROTECT PRO DRY


GUIDE LITE 30 Tyrolia
8,9 MM
DEUTER EDELRID Walter Uwe Dominik Prantl
Das Leichtgewicht am Berg: Der sowohl sommer- als ­Spitzenstätter ­Schwinghammer
Das neue Edelrid Swift Protect Pro Dry 8,9 mm ist das Tirol.
auch wintertaugliche Rucksack von Deuter besticht mit erste Einfachseil mit Aramidanteil im Mantel, somit wird Ehrensache Freizeit in Tirol Eine Land­
seinem unschlagbaren Gewicht von nur 900 Gramm eine noch höhere Abriebfestigkeit an scharfen Kanten ­Leben retten Die 100 schönsten vermessung in
bei 30+ Liter Volumen. Durch Erhöhung des Deckels erreicht. Durch ein spezielles Spinnverfahren bleibt das Die Geschichte der Ausflugsziele in 111 Begriffen
kann zusätzliches Volumen generiert werden. Swift Pro Dry trotzdem noch dynamisch. Doch damit Nordtirol Launige Landes­
Bergrettung Tirol
Der Guide Lite 30+ bietet alles, was nötig nicht genug: Das Seil verfügt über eine Pro-Dry-Behand­ kunde für Einheimi­
ist, um eine gut organisierte Tour zu be­ lung und ist somit extrem wasserabweisend und kann sche, Zugereiste
wältigen: Abnehmbare, individuell ver­ somit auch in feuchten Gebieten eingesetzt werden. und Gäste
stellbare Hüftflossen mit RV Fach, ein aufs We­ Dazu kommen noch Cut Protect, 3D Loop Coil für eine
sentliche reduziertes Rückensystem mit hohem Tragekomfort und schnelle Verwendung nach dem Kauf und das Thermo
mehrere Halterungen für Eisgeräte, Helm und Skier gehören zur Grund­ Shield für die Hitzebeständigkeit dazu. Das mit dem Versante Sud Brandstätter Rotpunktverlag
ausstattung dieses Rucksacks. Die Lageverstellriemen halten die La­ Nachhaltigkeits-Label Bluesign versehene Swift Pro Dry
dung an Ort und Stelle, sodass auch technische Passagen mit Leichtig­ ist der ideale Begleiter für bergbegeisterte Alpinisten. Vittorio Messini Matthias Marcel Hänggi
keit bewältigt werden können. Der gesamte Rucksack wurde ohne die Preis: ab 209 € Osttirol ­Schickhofer Null Öl.
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und kleines Packmaß sucht, der sollte sich den Hydrogen von
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leichtgurt von Petzl und wurde für
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­gegen Feuchtigkeit unempfindlich. Das ultraleichte Pertex-Quan­ Wandel Susanne Gessner, Klimageschichte
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lung ist hingegen dauerhaft schmutz- und wasserabweisend. Der ­Bonnelame
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Boden angelegt werden, verfügt über mehrere Material­
mische Schnittführung, die kleine Innentasche und der Saumkor­ Qualitätsstandard das 21. Jahrhundert
schlaufen mit hochfester Polyethylen-Verstärkung und kann
delzug im Kopfbereich erhöhen den Komfort. Die verwendeten für sanftes Reisen
auf ein kleines Packmaß komprimiert werden. Das innova­
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Bergeerleben 01/20 97
TIPPS & INFOS c l i m b i n g • t r e k k i n g • s k i t o u r i n g • t r a i l r u n n i n g

KULTBUCH

Al Gore

Eine unbequeme Wahrheit


Break the law
Die drohende Klimakatastrophe
und was wir dagegen tun können
„Das Einzige, was uns möglicherweise fehlt, um dieses ­
Problem zu lösen, ist die Bereitschaft zum Handeln.“
of gravity!
Es ist jene kleine, kugelrund ausge­
stanzte Fläche, die den Leser dazu
­veranlasst, den Schutzumschlag des
­aktuellen Kultbuches aufzuklappen
und dann auf eine der populärsten
­Ansichten unseres blauen Planeten zu
schauen. 45.000 Kilometer war die Be­
ADDICTEDdert es nicht, dass der ehemalige
Vizepräsident der USA, Al Gore, genau
dieses Bild an den Anfang seines welt­
bekannten Buches zur Klimakrise stellt.
Nicht minder symbolhaft ist das Cover
des 2006 gleichzeitig erschienenen
­Filmes, auf dem sich die Rauchschwa­
„An unconvenient truth“ (so der Titel in
der amerikanischen Originalausgabe)
untermauert Al Gores Argumentation,
dass es – immer noch und mehr denn
je – Zeit ist zu handeln, um die Erde zu
retten, oder vielmehr: um die Erde als
Lebensraum für uns Menschen zu be­

TO MOUNTAINS
satzung der Apollo-17-Mission von der den der Fabrikschlote zu einer Konstel­ wahren! Und es zeigt auf, dass – und vor
Erde entfernt, als sie 1972 ein damals lation formieren, die unverkennbar an allem: wie – jeder einzelne Mensch tag­
sensationelles Foto aufnahm: die „blue einen – wiederum aus dem All beob­ täglich Dinge verändern und so selbst
marble“, die Erde als kleine, blaue achteten – Wirbelsturm erinnert. Buch zu einem Teil der Lösung werden kann.
Murmel. Diese Aufnahme des voll er­ wie Film räumen auf mit Mythen und Eine unbequeme Wahrheit. Die
leuchteten Erdballes wurde bald nach Missverständnissen und überbringen ­drohende Klimakatastrophe und was
ihrer Veröffentlichung zu einem Sinn­ die klare, wenngleich unbequeme wir dagegen tun können.
bild für die Besonderheit und Verletz­ ­Botschaft: Die globale Erwärmung ist Riemann-Verlag, München 2006
barkeit des Planeten. Und so verwun­ eine echte und gegenwärtige Gefahr! Stephan Illmer

Impressum

37. Jahrgang, Nr. 01/2020


Redaktionsschluss für die
Eigentümer und Herausgeber: nächste Ausgabe: 31. März. 2020
Alpenverein Südtirol, I-39100 Bozen,
Giottostraße 3 Anzeigenannahme: Die Drucklegung dieser Zeit­
Tel. 0471 978 141 · Fax 0471 980 011 Alpenverein Südtirol, z. H. Miriam Federspiel schrift wird gefördert durch:
www.alpenverein.it Giottostraße 3, I-39100 Bozen Klettern ist deine Leiden-
E-Mail: office@alpenverein.it bergeerleben@alpenverein.it, Tel. 0471 053 190
schaft und du gehst gerne
t
bat für
Presserechtlich verantwortlich
Die Redaktion behält sich die Auswahl, Kürzungen, Unsere Partner:
und Redaktionsleitung: Ingrid Beikircher
Stellv. Redaktionsleitung: Evi Brigl
die redaktionelle Bearbeitung und den Erschei­ an deine Grenzen. Dann
nungstermin der Beiträge vor.

Ra
Redaktion: Judith Egger, Stephan Illmer, Ralf
Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge brauchst du die optimale
Pechlaner, Stefan ­Steinegger, Gislar Sulzenbacher
und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.
Ermächtigung: Die Artikel geben die Meinung der Autoren und
Ausrüstung, die dich
Landesgericht Bozen, Nr. 4/84 vom 27.1.1984 nicht jene der Redaktion wieder. Die männliche nach oben bringt.
Druck: Fotolito Varesco GmbH, Auer ­Bezeichnung schließt die weibliche immer mit ein.

er
Wir beraten dich gerne.
Mit
Mehrfachzustellung & Adressenkorrektur

glied
Auflage: 44.000 Verkaufspreis: Wir bitten alle Mitglieder, eventuelle Mehrfachzustellungen in der
Einzelpreis/Abo Familie oder falsche Adressenangaben der Landesgeschäftsstelle
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· für Mitglieder im Mitgliedspreis enthalten (T 0471 978 141, mitglieder@alpenverein.it) bzw. der jeweiligen
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