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Bergeerleben

DAS MAGAZIN DES ALPENVEREINS SÜDTIROL


0 1 / 21 www.alpenverein.it

Führen
am Berg
Poste Italiane SpA · Versand in PA · ges. Dekr. 353/2003 (abgeändert in Ges.27/02/2004 Nr. 46) Art. 1, Komma 1, NE BOZEN – TASSA PAGATA – TAXE PERCUE · Bergeerleben Nr. 1/2021, erscheint 5 x jährlich

AVS-WEBSITE NEU
Die Berge online erleben 46

#MEINHAUSBERG
Frühlingswanderungen 78

XYLOPHON
Neutour am Heiligkreuzkofel 92
c l i m b i n g • t r e k k i n g • s k i t o u r i n g • t r a i l r u n n i n g EINSTIEG

In the mountains
my heart beats faster. Liebe Mitglieder Liebe Leser

Die Eigenschaft, am Berg zu führen, Seit einem Jahr leben wir im Bann der
kann eine Gabe sein oder auch erlernt Pandemie. Die gesellschaftliche Ver­
werden. Bergsteiger zu führen ist änderung und der wirtschaftliche Um­
­etwas Schönes, Erlebnisreiches und bruch sind enorm, die Auswirkungen
sehr Erfüllendes. Es gibt Menschen, von Corona noch nicht absehbar.
die diese Tätigkeit gerne übernehmen, Ein Teil der Ausbildungskurse im AVS
­andere lassen sich lieber führen. konnte in Präsenz abgehalten werden,
andere online, wodurch Zeit, Fahrkilo­
Ob im Berufsleben, in der Freizeit und
meter und Ressourcen eingespart wur­
im Speziellen am Berg: Führung benö­
den. Auch künftig wird der AVS, wo
tigt viel Motivation und Verantwor­
möglich, auf die digitale Schiene setzen.
tungsbewusstsein. Zur Führung einer
Tour gehört je nach Schwierigkeits­ Der Artikel von Dr. Bernd Gänsbacher
grad die entsprechende Vorbereitung in der Ausgabe 3/20 hat einige Leser
in organisatorischer und alpiner Sicht. befremdet, weil wir nicht auch Gegen­
In den Kursen des AVS kann man sich meinungen zu den Aussagen des aner­
hierzu viele Tipps und Tricks aneignen, kannten Immunologen brachten. Nun
um eine Gruppe richtig zu begleiten. ja, jedem kann man es nicht recht ma­
Dasselbe gilt für die Vereinsführung, chen. Wenn jemand nicht akzeptiert,
die am leichtesten mit viel Grund­ was derzeit Stand der Wissenschaft
wissen, das in der Ausbildung ver­ und nicht Privat­meinung ist, dann liegt
mittelt wird, zu gestalten ist. die Toleranzverweigerung der Diskus­
sion bei ihm selber; der AVS kann je­
Führen im Ehrenamt ist um ein Viel­
denfalls nicht eine Hick-Hack-Plattform
faches komplizierter als im Berufs­
zu ­Covid-19 sein.
leben. Ehrenamtliche begeistern sich
für Tätigkeiten, die sie gerne tun. In diesem Kontext bringen wir in dieser
­Deshalb ist es eine besondere Auf­ Ausgabe die Meinung der ehemaligen
gabe, die Führungskraft in ihrer ge­ AVS Vizepräsidentin Margareth Ploner,
liebten Tätigkeit zu motivieren und die mit schwerem Covid-19 wochen­
zu ­fördern. Gelingt dies gut, so er­ lang im Koma lag und nach einem Jahr
geben sich unschlagbare Führungs­ immer noch an den Folgen leidet.
gremien, die beneidenswerte Leistun­ ­Margareths Botschaft soll ein Aufruf
gen erbringen. sein, die Vorsichtsmaßnahmen einzu­
halten, damit diesem verdammten
t
bat für
Mitglieder, die sich diesen Aufgaben
­Virus endlich Einhalt geboten werden
Von der Seiser Alm bis widmen möchten, sind stets will­
kann. Ob sich jemand daran halten
Ra

zu den Torres del Paine. kommen und können sich gerne im


mag, sei ihm selbst überlassen. Das
Für jede Wand und jedes Alpen­verein ausbilden lassen, gemein­
­Virus ist jedenfalls unleugbar und
sam die schöne Bergwelt zu erleben.
Terrain das richtige Pro- ­dessen Wucht entsetzlich.
dukt. In unserem Shop
er

Mit
oder auf: glied
www.mountainspirit.com
Elmar Knoll Ingrid Beikircher
AVS Vizepräsident Redaktionsleitung

3 9 1 00 B oze n • Z w öl fma lg reiner - S t ra ß e 8 A /8 B • Mo u ntain Sp ir it Tel. 0 4 7 1 0 5 3 4 3 4 • Kar p o s Sho p Tel. 0471 979 614 Bergeerleben 01/21 3
Leise Bewegung
bebt in der Luft
reizende Regung
schläfernder Duft
Johann Wolfgang von Goethe
Foto: Annamaria Pernstich – STRIX Naturfotografen Südtirol Aus: Frühzeitiger Frühling
INHALT

Von Affen, 7. Grad


TITELTHEMA
KURZ & BÜNDIG8

und Olympia Führen am Berg


TITELTHEMA
Der Alpenverein und das Führerwesen 10
Impulsgeber AVS 15
Reinhold Messner im Gespräch Führen auf Vereinstour 18
Meister der Vertikale 20
Frühe Meraner Bergführer 25
Kurt Walde im Gespräch 28
Bergführer? Was ist das? 30
Bergführerin Stephanie Marcher 34
Gut geführt 36
Wanderleiter Mario Larcher 38

AVS-AKTUELL
Günther-Messner-­Hochferner-Biwak 42
Stefan Scarperi klettert 8c bloc 44
Daniel Springeth stellt sich vor 44
AVS-Landeskader45
AVS-Website neu 46
Ausbildung im AVS 47
Bürokratie vs. Ehrenamt 48
AVS-Archiv49
70 150 Jahre Sektion Meran 50
Foto: Alexandra Ladurner 150 Jahre Sektion Bruneck 54

NATUR & UMWELT


Saubere Berge – sauberes Land 58
Baum- Zu faszinierenden Umweltaktionen Sektion Lana
Baumtrommler Specht
62
64
trommler Naturschauspielen Foto: Kurt Walde
10
STRIX NATURFOTOGRAFEN
Der Specht mit Kindern
Wettbewerb Siegerfotos 66

GIPFELGESPRÄCHE
Reinhold Messner im Gespräch 70

GEH-SUNDHEIT
Am seidenen Faden 72

KULTUR
82 Südtiroler Bergnamen 74
Foto: Ingrid Beikircher
UNTERWEGS
Unterwegs mit alpenvereinaktiv 76
#MEINHAUSBERG78
Ausbildung im AVS Am seidenen Faden Naturschauspiele mit Kindern 82
Kurse im schwierigen Corona-Jahr 47 Wenn das Virus zuschlägt 72 Klettergarten Juval 85
Neutour am Piz Ciavazes 86
150 Jahre Alpenverein Hirten, Säumer, Träger 37. internat. Skitourenwoche 89
Sektion Meran 50 Südtiroler Bergnamen 74 Für ein besonderes Foto 90
Sektion Bruneck 54

Klettern
Ein Juwel aus Gneis ERSTBEGEHUNGEN

Saubere Berge – Der Klettergarten Juval 85 Sechs Erstbegehungen 91


Xylophon92

mit K(n)öpfchen
sauberes Land
50 Jahre Referat TIPPS & INFOS
Natur & Umwelt 58 Produktneuheiten95
Bergsteigertipp96
Ein Knoten am Ende des Seils kann Leben retten
Silvan Lamprecht Sicher sichern 97
64 STRIX Naturfotograf des Bücherecke98
Foto: Ingrid Beikircher Titelfoto: Kultbuch | Impressum 99
Jahres 2020 66 Foto: Kurt Walde
96
Foto: Ulla Walder
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Kurz & Bündig

kurz & bündig Drei Bartgeierbruten


im Vinschgau
Historisches ­Alpenarchiv: Neuer Webauftritt
Das Historische Alpenarchiv wurde die virtuelle Recherche in den Archiv­
2006 ins Leben gerufen. Der Deutsche, beständen wieder möglich. Die
Die Rückkehr der Bartgeier in den der Österreichische und der Südtiroler ­Online-Datenbank der drei Alpen­
Familienbergwoche mit dem Verein Südtiroler Alpen­raum ist eine Erfolgsgeschichte – Alpenverein pflegen seitdem ihre vereine präsentiert sich mit einer
in der Welt auch in Südtirol. Bereits seit mehreren Archi­valien und Sammlungen in eine ­komplett neuen Such­oberfläche, mit Foto: Marko Mutanen / Peter Huemer
Jahren brütet unser größter Greifvogel gemeinsame Datenbank ein und einem modernen L­ ayout und einer
In den Dolomiten wandern, klettern, ­Familien abwechslungsreiche erfolgreich im Vinschgau: im National­ ­machen sie über die Website www. opti­mierten Anzeige von digitalen
Überlebenstechniken in der Natur Tage mit Familien mit Südtiroler park Stilfserjoch und außerhalb. Auch historisches-alpenarchiv.org der ­Inhalten. Bisher unbekannte
kennen­lernen, im Dürrensee planschen ­Wurzeln aus verschie­denen Ländern. heuer haben die Bartgeierpaare in Öffent­lichkeit zugänglich. Schmetterlingsart
und mit Naturparkbetreuern unter­
wegs sein: Bei der gemeinsam mit
Die ­internationale ­Atmosphäre ­Trafoi, Martell und Schnals im Jänner
mit dem Brutgeschäft begonnen.
Mit Jahres­beginn ­erfolgte ein
­Relaunch ­dieser Website. Somit ist
Die neue Rechercheplattform der Alpen­ ­entdeckt
­bietet Gelegen­heit, länder­über­ vereine DAV, ÖAV, AVS ist nun online
dem Verein Südtiroler in der Welt greifende Freundschaften In diesen Tagen ist mit dem Schlüpfen Im Juni 2006 gelang dem Tiroler Biolo­
organi­sierten Familienbergwoche zu ­knüpfen. Anmeldung unter: der Jungen zu rechnen. Wie viele gen Peter Huemer im Rahmen des
vom 9. bis 15. August im AVS-Berg­ ­suedtirolerinderwelt.kvw.org, Jungvögel tatsächlich ausfliegen, wis­ jährlich vom Naturmuseum Südtirol or­
heim Landro verbringen Südtiroler Infos auf der AVS-Website. sen wir Anfang Juli. Bartgeier legen ganisierten Tages der Artenvielfalt
meist zwei Eier, doch auch wenn zwei eine Sensation: Er entdeckte am Fuße
Küken schlüpfen, überlebt nur eines. der Vajolet-Türme eine bis dahin unbe­
kannte Schmetterlingsart. Fachleute
haben sie nun – rund 15 Jahre später –
mit modernsten genetischen Metho­
den von ähnlichen Arten abgegrenzt
und als Raufußkauznestmotte benannt.
Die Raupen des Schmetterlings entwi­
ckeln sich nämlich fast ausschließlich in
den Nestern des Raufußkauzes und er­
nähren sich von der Hornsubstanz sei­
ner Federn; deshalb die deutsche Be­
zeichnung Raufußkauznestmotte. „Die
neue Art ist biologisch interessant als
Brütender Bartgeier Neue Pächter auf der AVS-Brixner Hütte Indikator für die Anwesenheit von sel­
Foto: Stefan Steinegger Foto: Klaus Bliem
tenen Eulen im untersuchten Gebiet“,
Die beliebte Unterkunft am Pfunderer Ab Juni übernimmt die AVS Brixner weiß Peter Huemer. „Die Entdeckung
Höhenweg im hintersten Valser Tal Hütte ein junges, sympathisches von neuen, bisher namenlosen Tierar­
AVS-Sternfahrt in Lungiarü Aktion unVERZICHTbar wurde seit 1974 von Martha Oberhofer und motiviertes Dreiergespann: ten in Europa ist immer eine kleine
und ihrer Familie beispielhaft und zur ­Magdalena Jöchler aus Vahrn, Simon Sensation, denn Europa ist aus zoolo­
Am Sonntag, den 6. Juni 2021 findet Wander- und Spielefest bringt an Aus der „Aktion Verzicht“ wird heuer vollen Zufriedenheit der Gäste aus nah Baumgartner vom Ritten und gischer Sicht so gut untersucht wie
im Bergsteigerdorf Lungiarü (Campill) ­einem wunderschönen Platzl in den die „Aktion unVERZICHTbar“: Im Zeit­ und fern bewirtschaftet. Nun verab­ ­Christoph Giacomuzzi aus Kaltern. kein anderes Gebiet weltweit.“
im Gadertal die nächste Sommer­ Gader­taler D
­ olomiten wieder Kinder, raum von Aschermittwoch, 17. Februar, schiedet sich Martha als dienstälteste Wir wünschen den neuen Pächtern
sternfahrt statt. Das traditionsreiche Jugend­liche und Familien aus allen bis Karsamstag, 3. April, wird die Be­ AVS-Hüttenwirtin in ihren wohlverdien­ und der hüttenverwaltenden AVS-Sek­
Landesteilen zusammen. völkerung wieder zum Mitmachen auf­ ten Ruhestand. Für den unermüdlichen tion Brixen eine gute Zusammenarbeit
Die Jugendführer des AVS Ladinia gerufen, und zwar dieses Mal, um auf Einsatz bedankt sich der Alpenverein und viel Erfolg! AVS weltweit höchste
und der Lia da Munt werden spannen­ bestimmte Werte, Haltungen und Südtirol ganz herzlich. Mitgliederdichte
de Stationen für die kleinen und gro­ ­Ideale trotz Corona nicht zu verzichten.
ßen Sternfahrer vorbereiten. Anlässlich Die Aktion wird von der Caritas, dem Der Alpenverein Südtirol kann im Ver­
des 50-Jahre-Jubiläums des AVS Refe­ Katholischen Familienverband, dem hältnis zu seiner potenziellen Mitglie­
rats Natur & Umwelt steht die Veran­ deutschen und ladinischen Bildungs­ der-Zielgruppe, der deutsch- und ladi­
staltung im Zeichen des Umwelt- und ressort und der Arbeitsgemeinschaft nischsprachigen Bergsteigervereine
­Klimaschutzes. der Jugenddienste unterstützt. Die Südtirols, die weltweit höchste Mitglie­
Durch die Austragung in Lungiarü für jeden Menschen unverzichtbaren derdichte aller Alpenvereine aufwei­
­lernen die Teilnehmer außerdem die Werte wie Vertrauen, Beziehungen, Be­ sen. Der Netto-Mitgliederzuwachs der
Alpenvereins­initiative Bergsteiger­ wegung usw. sind als Worträtsel auf letzten vier Jahre beläuft sich jährlich
dörfer und die ­ladinische Sprache nä­ den Plakaten zu finden und werden als auf durchschnittlich 2,3 Prozent. Der
her kennen. ­Infos unter: alpenverein.it/ GIFs auf Facebook und Instagram ge­ AVS zählt derzeit 72.635 Mitglieder
Foto: AVS Jugend
sternfahrt2021 postet. ­Infos unter: www.aktion-verzicht. (Stand Dezember 2020).
Magdalena Jöchler, Simon Baumgartner
und Christoph Giacomuzzi
Foto: Magdalena Jöchler
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Führen am Berg

Dem Aufruf des eben gegründeten


DAV in über 200 Zeitungen an die zahl­
reichen Alpenfreunde, „in allen Gauen
Deutschlands“ Sektionen zu bilden,
fand auch in Südtirol Zuspruch und
führte zwischen 1869 und 1915 zur
Gründung von 14 Sektionen mit knapp
2.500 Mitgliedern. Zudem etablierte
sich Südtirol zu einem der wichtigsten
Arbeitsgebiete auch alpenferner Sek­
tionen. Die Auswirkungen der bereits
1869 vom DAV verankerten Satzungs­
ziele bilden damit eine wesentliche
Voraus­setzung für Südtirols touristi­
sche Entwicklung.

Organisation des Führerwesens


Ein besonderes Anliegen des Alpen­
vereins war die „Einflussnahme auf die
Organisierung des Führerwesens“, wie
es der ÖAV bereits 1862 in seiner Sat­
zung verankert. Mit dieser Zielsetzung
wurde der Nachfrage an verlässlichen
und ortskundigen Führern und der
Die Bergführergruppe aus Tiers um 1900
steigenden Anzahl an Bergreisenden die ­Verwaltung eines Führerverzeich­ Foto: Archiv AVS-Ortsstelle Tiers
Rechnung getragen. Die Vereinsfüh­ nisses.

Der Alpenverein rung entschied sich dabei, das Führer­


wesen unter behördliche Aufsicht zu
stellen. Der Alpenverein arbeitete für
Der Einfluss des Alpenvereins und
die Auswirkungen auf die Organisation
des Führerwesens im Ostalpenraum mächtig sein. Über den Gesundheits­

und das Führerwesen


die Landesbehörden eine Führerord­ lassen sich an der Zahl der Bergführer zustand holten sich die Sektionen
nung aus und von der Vereinsleitung ermessen. Von 236 Führern im Jahr beim zuständigen Arzt selbst das not­
oder den örtlichen Führergruppen 1870 stieg die Anzahl bis 1913 auf bei­ wendige A ­ ttest und der Gendarm des
wurden geregelte Führertarife fest­ nahe 1.500. Im selben Zeitraum entwi­ betreffenden Ortes musste den Be­
Vom Satzungsziel bis zum eigenständigen Verband gelegt. ckelte sich die Zahl des zwischenzeit­ werber als „nüchternen und verläss­
Selbstredend unterlag die Anwen­ lich vereinten D. u. ÖAV von 2.750 auf lichen Menschen“ bestätigen. Wegen
dung und Einhaltung dieser Rahmen­ rund 100.000 Mitglieder. des Wilderns Verurteilte wurden vom
bedingungen den subjektiven und Alpenverein zur Ausbildung nicht zu­
Die Geschichte der Bergführer und für Einheimische nur als Jagdgebiet 1862 als Österreichischer (ÖAV) und teils unterschiedlichen Ansichten der Ausbildung gelassen. Mangels heutiger Informa­
des Alpenvereins ist die einer von Nutzen und damit nur wenigen 1869 als Deutscher Alpenverein (DAV) behördlichen Vertreter, der Bevoll­ So wie der Alpenverein die Organisa­ tionskanäle war die Ortskenntnis ein
wechselvollen und vielschichtigen Gamsjägern bekannt. gegründet, wesentlich beigetragen, mächtigten der Alpenvereine und der tion des Führerwesens gezielt und wesentliches Kriterium: Den Städtern
Entwicklung. Ein Rückblick auf die Die Kenntnisse über die Bergregio­ wenn auch ursprünglich in unterschied­ Führer selbst. Auch regional entwickel­ strukturiert verfolgte, legte er auch war die Ausbildung untersagt und Füh­
Ursprünge des Führerwesens lässt nen der Alpen sind nur dürftig und licher Ausrichtung. ÖAV wie DAV hatten ten sich die Bestrebungen zur Rege­ Wert auf eine gediegene Ausbildung rer durften sich keinesfalls länger als
erahnen, weshalb uns heute mehr nur wenige Reisende nehmen die Be­ sich zwar dieselben Vereinszwecke und lung des Führerwesens recht unter­ und entwickelte hierfür beinahe eine 24 Stunden in einer fremden Region
denn je gemein­same Ziele und Ziel- schwerden einer Alpenreise auf sich. auch die Maßnahmen zum Erreichen schiedlich. Zwar scheiterten die Monopolstellung. Nach dem Schwei­ aufhalten.
gruppen verbinden. Mit dem Aufschwung der Städte dieser Ziele auf die Fahnen geschrie­ Bemühungen um eine gesetzliche und zer Vorbild wurde die Bergführeraus­ Wurden sämtliche Kriterien erfüllt,
und der Entwicklung eines kapillaren ben, doch während beim ÖAV sämt­ einheitliche Regelung des Führer­ bildung über den D. u. ÖAV von den konnte der Bewerber nach zweijähriger

S
tellen wir uns den Alpenraum vor Eisenbahnnetzes erhalten die Alpen­ liche Fäden in Wien zusammenliefen, wesens auf Reichsebene, doch stimm­ ­Behörden als Voraussetzung zur Aner­ Tätigkeit als Träger eines erfahrenen
gut 150 Jahren vor: Städte und gebiete eine besondere Anziehungs­ war in der Satzung des DAV bereits die ten die Führerordnungen der Länder kennung des Führerberufes erhoben. Führers den Führerkurs besuchen und
Dörfer sind noch mit Schotter­ kraft und erleben innerhalb weniger „Herstellung von Wegen und Schutz­ in den wesentlichen Punkten überein. Nur der Società Alpinisti Tridentini SAT erhielt nach weiteren ein bis zwei Jah­
straßen verbunden, auf denen Pferde­ Jahrzehnte einen rasanten Struktur­ hütten“ und insbesondere die Glie­ Abgesehen von der Zusammen­ wurde die gleichwertige Ausbildungs­ ren die Autorisierung zum Bergführer.
fuhrwerke und -kutschen verkehren, im wandel. derung in „Sectionen“ verankert. Die arbeit mit den Behörden umfasste rolle zuerkannt. So wurden zwischen 1881 und 1913
ländlichen Bereich sind Unterkünfte Errichtung von Infrastrukturen und ein die Zuständigkeit des Alpenvereins Nach den Richtlinien des Alpen­ vom D. u. ÖAV 85 Ausbildungskurse
noch selten, Wege im heutigen Sinn Der Alpenverein als Strukturhelfer dezentraler Organisationsaufbau waren für≈das Führerwesen weitere Auf­ vereins durfte ein angehender Berg­ mit 2.021 Teilnehmern abgehalten, in
verbinden Höfe, Streusiedlungen und Zur wirtschaftlichen, sozialen und kul­ nämlich die wesentlichen Voraussetzun­ gaben wie die Ausbildung der Führer, führer nicht älter als 30 Jahre und Grenz­gebieten auch in italienischer
Übergänge von Tal zu Tal. Die Region turellen Veränderung des Alpenraums gen, die das Bergsteigen einer breiten deren Alters- und Krankenversorgung, musste „körperlich rüstig und kräftig“ Sprache. Die Ausbildungskurse fanden
oberhalb von Wäldern und Almen ist haben die Alpinen Vereine, so auch der Zielgruppe ermöglichen sollten. die Kontrolle ihrer Ausrüstung und sowie des Lesens und Schreibens in Blöcken von 9 bis 14 Tagen und

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Führen am Berg

kung oder auf Selbstkosten. Allein der sicherungen geregelt. Zumal die Füh­ andere als hüttenverwaltende Sektion
Rucksack war bis dahin unbekannt, rer keine Prämie zahlten, trat der über das Verhalten eines Führers ent­
­zumal Einheimische nur geflochtene Hauptausschuss ab 1894 selbst als Ver­ scheiden mussten. Dies führte 1905
Körbe oder Tragtücher kannten. sicherer auf und gewährte den Führern zur Einführung von rund 50 Führer­
­Alters- und Unfallrenten, Kranken-, aufsichtsgebieten, die einzelnen Sek­
Führerkasse Invali­den-, Witwen- und Waisenunter­ tionen unterstellt wurden. Die Sektion
Kein anderer Berufszweig hatte bis da­ stützung. 1917 wurden z. B. 681 Pensio­ Bozen wurde somit zuständig für
hin eine solche Wohlfahrtseinrichtung, nen ausbezahlt und 115 Hinterbliebene 4 Bezirke mit 94 Führern.
als 1877, auf Anregung der Sektion finanziell unterstützt. Die positive Ent­
Dresden und dem Selbstverständnis wicklung der Finanzgebarung trug Das Führerwesen in Südtirol
des Alpenvereins entsprechend, die auch dazu bei, dass die Führerkasse Das Führerwesen hat seit der Grün­
Führerkasse eingerichtet wurde. Damit ein Prestigeprojekt des D. u. ÖAV war. dung des Alpenvereins 1869 in Südtirol
sollten alte, kranke und invalide Führer eine rege Tradition. Bereits im Grün­
sowie Hinterbliebene von Führern Das Führerzeichen dungsjahr gab es im Gebiet von
finan­ziell unterstützt werden. Die Entwicklung der Bergführertätig­ Kastelruth eine Tarifordnung und 1871
Bemerkenswert ist, dass in den ers­ keit zu einer professionellen Dienst­ erlangte die ,,Führerordnung“ in Süd­
ten Jahren die Führerkasse von der leistung und eine klare und sichtbare tirol Gesetzeskraft. Unter der Obhut
Sektion Hamburg geführt wurde und Distanzierung von nicht autorisierten des Alpenvereins wurden ortskundige,
erst dann der Hauptausschuss des Personen führte bereits 1882 zur Ein­ gesunde und verlässliche Leute aus
D. u. ÖAV diese Aufgabe übernahm. führung des Führerzeichens. Dieses ­allen Teilen Süd- und Welschtirols aus­
Damit wurde aus der ursprünglichen wurde vom Centralausschuss an die gesucht und zu Bergführern ausge­
Form eines Spendenfonds eine offi­ Sektionen und von diesen an die Berg­ bildet.
zielle Versicherung, die für alle Sektio­ führer übergeben, die es gut sichtbar Für jeden Führer gab es ein ,,Grund­
nen eine Abgabe von 30 Pfennig pro an ihrer Jacke trugen. Der Alpenverein buchsblatt“, das außer den Personal­
Mitglied vorsah. Die Absicherung der unterstützte ­diese Wahrnehmung daten auch seine besonderen Fähig­
Lehrer herantreten können“. Bestimmt zugesicherten Leistungen wurde vom durch eine detaillierte Beschreibung keiten enthielt. In manchen Orten
waren für die Führer das lange Sitzen Hauptausschuss einige Zeit über Ver­ des echten Abzeichens in seinen Mit­ schlossen sich die Bergführer schon
bei täglich fünf bis sechs Stunden teilungen. Zusätzlich besaß jeder Füh­ damals zu kleinen Führergruppen zu­
Unter­richt und die theoretischen rer ein amtliches Führerbuch, worin sammen, so 1899 in Campitello di
Bergführerbuch der Bezirkshauptmann­ Luis Trenker wurde 1917 Bergführer.
schaft Bruneck von 1873 | Idem für Johann Lehrinhalte anstren­gend, doch ob dies sämtliche Touren mit einem Vermerk ­Fassa oder 1903 in Tiers. Bis 1913 wur­ Bei der Bergführer-Generalversammlung
Bergführerabzeichen von Andrä Ploner
Hofer aus St. Jakob, zuständig für die Orts­ pauschal auf alle Bewerber zutraf, wie aus Wengen des Gastes ein­getragen wurden. Ob den in Südtirol bei 22 Kursen nicht 1920 in St. Ulrich warnte er die Bergführer
gemeinde Prettau, Bezirk Taufers eindringlich vor der Neuorientierung in
aus Vereinsschriften um 1900 zitiert: Fotos: Markus Ploner Lob oder Beschwerde, das Führerbuch ­weniger als 488 Führer ausgebildet Richtung des Club Alpino Italiano.
Foto: Archiv Ingrid Beikircher
„Die meisten Kursteilnehmer verfügen unterlag der jährlichen Kontrolle durch und so zählte allein die Sektion Taufers Foto: Archiv DAV

über ein langsames Auffassen, Sprö­ die Bezirks­hauptmannschaft. 26 Führer.


digkeit des Gedächtnisses und des Vor dem Ersten Weltkrieg erreichte
nach einheitlichen Lehrplänen statt. Intel­lekts gegenüber neuen Eindrü­ Führeraufsicht das Bergführerwesen einen ausge­
Ursprünglich ging man davon aus, cken, j­edoch ein sicheres Behalten des Aus der ursprünglichen Vermittlerrolle sprochenen Höhepunkt, der Erste Art stillen Aufsicht geleitet wurden.
dass die praktische Erfahrung ­bereits ­einmal wohl Verstandenen“, bleibt zwischen Touristen und Führer ent­ Weltkrieg selbst brachte jedoch ein Diese Maßnahme sollte auch dazu die­
vorhanden sei, weshalb zusehends fraglich. wickelte sich zudem eine umfassende ­jähes Ende. Die Bergführer waren auf­ nen, dem Alpenverein die Organisa­
auch diese Lehrinhalte am Berg einge­ Immerhin, die Ausbildung sollte Aufsichtsrolle des Alpenvereins. Die grund ihrer Fähigkeiten die Ersten, die tion des Führer­wesens gegenüber
baut wurden. Die Kosten für zum eigenständigen Lernen befähigen Sektionen, so auch alpenferne mit an der Dolomitenfront, am Ortler, im dem Club Alpino Italiano (CAI) zu si­
­Ausbildung und Aufenthalt, auch jene und dazu verfasste der D. u. ÖAV das Arbeits­gebieten in den Alpen, über­ Adamello- und Presanellagebiet ein­ chern, der b­ estrebt war, die Bergführer
der Kurswiederholung übernahm der Handbuch „Anleitungen zur Ausübung nahmen in ihren Arbeitsgebieten gesetzt wurden, und viele von ihnen in den Grenzgebieten abzuwerben.
Alpen­verein. Erst beim dritten Besuch des Bergführerberufs“, das in sechs die Führeraufsicht. Diese bestand in mussten den Einsatz für ihre Heimat Auch die stockende Auszahlung der
des Führerkurses musste der Bewer­ Auflagen wie auch in italienischer Fas­ organisatorischen Aufgaben wie dem mit dem Leben bezahlen. Pensionen durch den D. u. ÖAV seit
ber die Spesen aus eigener Tasche sung veröffentlicht und allen Führern Führen des Führerverzeichnisses, dem Ende des Ersten Weltkriegs trug
­bezahlen. kostenlos übergeben wurde. ­allen Maßnahmen rund um die Führer­ Zwischenkriegszeit dazu bei, dass ein Teil der Bergführer
kasse und die Kontrolle des Führer­ Nach dem Ersten Weltkrieg machten fortan unter dem Club-Zeichen des
Unterricht Ausrüstung buches oder darin, auf das Verhalten sich einzelne Sektionen des ehema­ CAI führte. Das unverhoffte Ende kam
Bei einem Bergführerkurs zu unterrich­ Die Qualifikation eines Bergführers der Führer zu achten oder mit den ligen D. u. ÖAV als eigenständige im Mai 1922 mit der neuen Bergführer­
ten, dürfte eine besondere Heraus­ konnte sich nicht auf den alleinigen ­Behörden allfälligen Beschwerden Alpen­vereine an den Neuaufbau des verordnung der italienischen Regie­
forderung gewesen sein, so zumindest Besuch des Bergführerkurses be­ nachzugehen. Führerwesens. Wegen der politischen rung, die den Alpenverein ausschalte­
laut den Erläuterungen zum Lehrplan schränken. So richtete der Alpenverein Die Zunahme an Führern wie auch Unsicherheit halber wurden die Berg­ te und alle Bergführer der Behörde
der Führerkurse, denn „dies gehört zu Führerbibliotheken zur kostenlosen an Sektionen führte zu manchen Kon­ führer als eigenständige Genossen­ und dem CAI gegenüber zu striktem
den allerschwierigsten didaktischen Ausleihe ein, unterstützte die eine gute flikten unter den Sektionen, wenn z. B. schaft organisiert, die von den Sektio­ Gehorsam und zum Tragen des
Aufgaben, welche überhaupt an einen Ausrüstung der Führer durch Schen­ eine in ihrer Aufsichtsrolle oder eine nen Bozen, Meran und Brixen in einer CAI-Abzeichens verpflichtete.

12 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 13


Führen am Berg

aus den Reihen des AVS teilnahm. nach Ursprünglichkeit und unberührter
„Geführt“ werden durfte allerdings Natur.
erst mit abgelegter Lizenzprüfung, für Für den „Aufbruch ins Abenteuer“
die die Landesregierung zuständig war ihrer Kunden sind Bergführer mit neu­
und die jährlich erneuert werden en Herausforderungen konfrontiert,
musste. um das Produkt Berg als nachhaltiges
1976 wurden die AVS-Bergführer in Erleb­nis, verbunden mit Spaß und
den internationalen Bergführerver­ Sicher­heit am Berg, zu vermitteln. Die
band aufgenommen und verfügen Alpenvereine als Interessensvertreter
seitdem über einen international gülti­ aller Bergsteiger stehen dieser Ent­
gen Ausweis ohne Vereinsabzeichen. wicklung nicht im Wege und setzen
Mit dem Landesgesetz zur Berg- sich für ein respektvolles und verant­
und Skiführerordnung von 1978 wurde wortungsbewusstes Bergsteigen ein.
die Landesberufskammer der Berg- Die Wechselbeziehungen im Be­
und Skiführer Südtirol ins Leben geru­ reich der alpinen Infrastrukturen und
fen und 1980 der Verband der Südtiro­ der alpinen Ausbildung und Sicherheit
ler Berg- und Skiführer gegründet. Seit werden die Zusammenarbeit zwischen
dieser Zeit sind die Bergführer unab­ Bergführern und Alpenverein auch in
hängig von den alpinen Vereinen AVS Zukunft beleben. Denn was Bergführer
und CAI organisiert und führen die und Alpenverein direkt verbindet, sind
Aus- und Fortbildung in Zusammenar­ die Menschen, als Kunden und Mit­
beit mit dem zuständigen Landesamt glieder.
Helli (1. v. l. ) mit jungen Alpinisten
durch. 1991 wurde das Landesgesetz Gislar Sulzenbacher in Venezuela
überarbeitet und ist bis heute gültig. Foto: AVS Projekt ALPINIST

Heute haben die rund 184 Süd­


tiroler Bergführer international einen

Impulsgeber AVS
überaus guten Ruf, der durch die Bergführer Michl Innerkofler, Erstbesteiger
der Kleinen und der Westlichen Zinne, des
­qualitativ hochwertige Arbeit der Zwölferkofels oder der Grohmannspitze
Berg­führer und eine anspruchsvolle (im Alleingang)
Ausbildung gerechtfertigt ist.
Aus den Fußstapfen im Vereinsleben hin zum Beruf des Bergführers
Wanderleiter
Dem Nordtiroler Modell folgend führt
Sepp Innerkofler war symbolhafte Figur
für die Leistungen und den Tod von Berg­ der AVS 1996 die einwöchige Ausbil­ Gibt es den Bergführer, der sich mischen Aspekten, gekonnt zu ver­ teil, das ihn in seiner persönlichen
führern an der Dolomitenfront dung zum Wanderführer ein. Der Wan­ aus dem AVS heraus entwickelt? mitteln. Er war auch Initiator des AVS-­ Bergsteigerentwicklung unterstützte.
Fotos: Archiv ÖAV
derboom und die touristische Nach­ Dieser Frage wollte ich nachgehen. Projektes ALPINIST. Helmut (Helli) Alle vier Bergführer haben eines ge­
frage führen 2016 zur Gründung des Nach mehreren Gesprächen kam Gargitter aus Feldthurns kennen viele meinsam: Der AVS als Vertreter der
eigenständigen Vereins der Südtiroler ich zum Entschluss, dass es darauf Vereinsmitglieder noch aus der Zeit, Bergsteigergemeinschaft und Förde­
Wanderleiter/Wanderführer und im keine einheitliche Antwort geben als er in den 1990er-Jahren den Auf­ rer des Alpinismus war und ist für sie
Zurück zu alten Strukturen? selben Jahr zur gesetzlichen Anerken­ kann. Jeder Bergführer, der ein trag erhielt, das Klettern im Verein nicht nur Arbeitgeber, sondern auch
1946 wird der Alpenverein Südtirol als nung der aktuell 309 Wanderleiter im ­enges Verhältnis zum AVS hat, hat voran­zutreiben. In Folge waren beide der Verein, den sie mitgestalten konn­
eigenständiger Verein gegründet. Es Rahmen eines Sonderverzeichnisses seine eigene Entwicklung und lange Zeit auch Ausbildner des AVS. ten und der mehr oder weniger ihr
vergehen elf Jahre, bis wieder an eine der Landesberufskammer der Südtiro­ ­Geschichte. Tobias Engl aus Terenten hat diesen ­Leben und ihre persönliche Entwick­
eigene AV-Bergführergruppe gedacht ler Berg- und Skiführer. Sommer noch den Aufstiegskurs vor lung mitgeprägt hat.

U
werden kann, und der damalige Erste m den Bezug der alpenvereins-­ sich und ist dann fertig ausgebildeter
Vorsitzende Hanns Forcher-Mayr die Die alpine Bewegung wächst nahen Bergführer besser darzu­ Bergführer. Lange Zeit war er selbst Helli, der Kletterpionier und
Schaffung einer dem Verein zugehö­ Arbeitsrechtliche Veränderungen und stellen, habe ich mit vier Berg­ Jugendführer. In seiner Zeit bei der ­Vorreiter
renden Bergführergruppe anregt. So der Anspruch breiter Beschäftigungs­ führern gesprochen, die ich aus meiner AVS-Jugend und bei der erlebnispäda­ Helli begann als Jugendlicher aus der
kommt es trotz aller Schwierigkeiten schichten auf Urlaub führten bereits Zeit beim Alpenverein kenne und mit gogischen Ausbildung hatte er noch eigenen Motivation heraus mit dem
unter der Obhut des AVS so weit, dass nach dem Ersten Weltkrieg zu neuen denen ich immer noch in K ­ ontakt bin. Renato als Referenten und Helli als Klettern. Im nahen Militärklettergarten
die ersten AV-Bergführer ihre ­Prüfung Rahmenbedingungen im Freizeitver­ Renato Botte, Bergführer aus Jene­ Kletterlehrer. P­ hilipp Micheli, Jugend­ Mahr zeigten ihm die Alpini erste
bestehen können. halten und zu einer merklichen Zunah­ sien, war pädagogischer Mitarbeiter führer und seit 2020 in der Bergführer­ Tricks und Sicherungstechniken.
Ab 1963 war gesetzlich nur mehr me im alpinen Tourismus. In weit beim AVS und leitete die Jugendfüh­ ausbildung kommt aus Tramin. Er ­„Meine Kletterfreunde und ich began­
der CAI berechtigt, Bergführerkurse ­größerem Ausmaß ist die Gesellschaft rerausbildung. Als Bergführer schaffte ­verkörpert sozusagen die jüngste Ge­ nen selbst, für Kinder Kletterkurse zu
abzuhalten, wobei an jedem Kurs eine von heute, geprägt durch eine zuneh­ er es, vielen Jugendlichen alpine neration. Philipp nutzte die Chance organisieren, und holten namhafte
gehörige Anzahl junger Bergsteiger mende ­Urbanisierung, auf der Suche ­Themen, verknüpft mit gruppendyna­ und nahm am AVS-­Projekt ALPINIST Klettergrößen wie Wolfgang Güllich

14 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 15


Führen am Berg

Grundstein für viele zukünftige Süd­ in ihrer Entwicklung zu fördern. Viele Philipp: von der Vereinsförderung
tiroler Bergsteiger und Alpinisten. Teilnehmer der letzten Jahre sind heu­ hin zur Selbstständigkeit
„Auf diesem Weg lernte ich auch te selbstständige Alpinisten, die nun Philipp ist einer der Neulinge und
­Renato als Jugendführer kennen. Ich Erstbegehungen machen, schwierige steckt noch in der Bergführer-Ausbil­
leitete einen Kletterkurs für die Ju­ Routen wiederholen oder sogar den dung. Hauptberuflicher Bergführer zu
gendgruppe von Renato, der sehr ge­ Schritt hin zur Bergführerausbildung werden, wäre für ihn durchaus denk­
spannt war, wie man einen solchen wagen. Als einer der Vorantreiber bar. Philipp ist Maschinenbauingenieur
Kurs gestaltet.“ Seit dieser Zeit sind übernahm Renato drei Jahre die eh­ und unterrichtet zurzeit an der Techno­
beide Freunde und passionierte Klet­ renamtliche Leitung, um das AVS-Pro­ logischen Fachoberschule Max Valier.
terer. Schon bald folgte für beide die jekt ALPINIST umzusetzen. Dann, ganz Auch er ist gespannt, was die Zukunft
Entscheidung, die Bergführerausbil­ nach seiner Art, übergab er der nächs­ bringen wird. „Mich als Bergführer
dung zu absolvieren. „Wir beide er­ ten Bergsteigergeneration ein gut auf­ selbstständig zu machen, würde be­
kannten, dass es sehr schwierig ist, gebautes und funktionierendes Kon­ deuten, viel Energie in die Aufbau­
Vereinsleben mit Klettern auf hohem zept, das bis heute Sprungbrett für arbeit zu stecken.“ Philipp sieht dabei
Niveau zu vereinbaren.“ Der ehrenamt­ viele junge Südtiroler Alpinisten ist. viele Chancen, als junger Bergführer in
liche Einsatz der beiden kam zwar in vielen Berggegenden Südtirols und
Folge zu kurz, doch mit dem Ent­ Tobias: vom jungen Kletterer zum der Welt unterwegs zu sein. „Alleine
schluss, Bergführer zu werden, gewann Jugendarbeiter und Bergführer unsere Berge bieten derart vielfältige
der AVS zwei Ausbildner, die lange Diese Gelegenheit nutzte in seinen Möglichkeiten, dass es beim Führen
Zeit nicht nur die Alpinkurse für Mit­ jungen Jahren auch Tobias Engl. Mit nicht langweilig werden kann.“ Lange­
glieder leiteten, sondern auch die 17 Jahren nahm er an einer AVS-Sport­ weile gab es in Philipps Leben nie.
Touren­leiterausbildung und Jugend­ kletterfahrt nach Südfrankreich teil. Als Auch er lernte durch die Eltern, dann
führerkurse gestalteten. Begleiter mit dabei: Helli. „Von da an bei der AVS-Jugend und später mit
wurde ich fanatischer Kletterer und bin Freunden, dass seine Leidenschaft das
Renato, der Mitdenker und in allen Spielformen des Kletterns an­ Bergsteigen ist. „Besonders mit mei­
­zielorientierte Vorantreiber zutreffen.“ Aus der Begeisterung sei­ nen etwas älteren Freunden, die selber
Renato ergänzte seine berufliche ner Kindheit, in der ihn sein Vater bei Jugendführer waren, habe ich viel un­
­Karriere noch mit der erlebnispädago­ zahlreichen Dolomitentouren mitnahm, ternommen und dann selbst die Ju­
Philipp ( v. r.) unterwegs als Jugendführer:
gischen Ausbildung, was vor allem der wurde eine Leidenschaft, die bis heute gendführerausbildung besucht.“ So ist AVS-Projekt ALPINIST erweitern. Da­ Der Gedanke, die Bergführerausbildung
Jugendführerausbildung zugutekam. anhält. „Viele tolle Momente erlebte auch Philipp in die Bergsteigerszene durch schließt sich der Kreis der hier ­anzugehen war damals noch weit weg
Renato erinnert sich an die Zeit als ich auch mit der AVS-Jugend Terenten. hineingewachsen und konnte an eini­ vorgestellten Bergführer R ­ enato und Foto: Philipp Micheli

­pädagogischer Mitarbeiter bei der Es war ein selbstverständlicher Schritt gen A ­ ktionen und Fahrten des AVS-­ Helli, die den AVS mit­ent­wickel­ten
Die Seilschaft Helli und Renato bei einer
­ihrer Erstbegehungen. Gemeinsam stand AVS-Jugend gerne zurück. „Die inter­ für mich, schon bald in die Fußstapfen Projekts ALPINIST teilnehmen. Einen und der jungen Bergführer Tobias und
das Abenteuer und Erlebnis beim Klettern nationalen Jugendwochen, die ich be­ meiner Vorbilder zu treten und selbst wichtigen Schritt hin zur Selbstständig­ ­Philipp, die im AVS heranwuchsen. irgend­wann wieder ein kleines Stück
im Vordergrund
gleiten durfte, waren Vorreiter vieler als Jugendführer die Freude am Berg keit und dem Gedanken Bergführer zu Es ist schwer zu sagen, wer vom AVS zum Vereinsleben beiträgt. Egal ob
Foto: AVS-Archiv
zukünftiger Aktionen für die Bergstei­ und Begeisterung am Klettern weiter­ werden erlebte Philipp, als er arbeits­ profitiert, um dann Bergführer werden als Kurs­leiter, Mitgestalter oder konst­
gerjugend. Bereits damals stand der zugeben.“ An die Zeit als Jugendfüh­ bedingt für eineinhalb Jahre im Berner zu können, oder wer aus dem AVS ruktiver Kritiker.
kulturelle Austausch und das Abenteu­ rer denkt Tobias gerne zurück. „Beson­ Oberland tätig war: „Dort unternahm ­heraus als nächsten Schritt die Berg­ Stefan Steinegger
oder Kurt Albert zu Vorträgen nach er Berg jungen Menschen näher zu ders die Skitouren mit der AVS-Jugend ich mit meiner damaligen Freundin führerausbildung absolviert. So viel­
Südtirol.“ Hellis Eigenmotivation war bringen im Mittelpunkt.“ Der AVS er­ Terenten waren einige der schönsten ­viele klassische Hochtouren und Grat­ fältig, wie der Alpenverein ist, sind
damals enorm. Und das in einer Zeit, möglichte es der Jugend, etwas von Erlebnisse, die mich bis heute prägen.“ über­schrei­tun­gen. Dabei war ich oft auch die Beweggründe und die per­
wo es ohne AVS als Unterstützer um der Welt zu erleben und Abenteuerluft Tobias arbeitet zurzeit als Sozial- und gefordert, selbstständig und alleine sönliche Entwicklung vieler Alpinisten.
Tobias Engl (l.), Renato Botte (M.),
­einiges schwieriger war als heute. zu schnuppern. „Mit Helli strebte ich Erlebnispädagoge. „Viele Erfahrun­ Entscheidungen zu treffen.“ Alleine Die große Hoffnung und Erwartung Helmut Gargitter (r.)
Doch mit der Begeisterung fürs Klet­ gemeinsam mit der AVS-Jugend an, gen, die ich als Jugendführer gemacht Verantwortung für andere zu über­ des AVS ist es, dass jeder von ihnen Foto: Stefan Plank (l.), Privat (M.). Bernhard Mock (r.)

tern bewegte er außerhalb des Alpen­ dass der AVS spezielle Aktionen für habe, nehme ich als gute Vorausset­ nehmen, war für Philipp eine neue
vereines sehr Vieles. „So kam es auch, junge Alpinisten anbieten sollte. Für zung in meinen Beruf und in die Tätig­ ­Erfahrung und Herausforderung. So
dass die AVS-Jugend mich für sich ge­ uns beide war es ein Wunsch und Ziel, keit als Bergführer mit.“ Auch wenn die entstand auch die Idee, durch die
winnen konnte und mich damit beauf­ dass Alpinismus und AVS näher zuein­ Bergführerausbildung lange Zeit für Bergführerausbildung dieses Hand­
tragte, Kletterkurse und Fahrten für anderfinden.“ Renato steckte viel per­ Tobias nicht präsent war: „Wichtig war werk richtig zu erlernen.
Jugend­liche zu organisieren und die sönliche Begeisterung und Einsatz in einfach, selbst bergsteigen zu können, Tobias und Philipp sehen es als sehr
lokalen Jugendgruppen beim Klettern dieses Ziel. In der Folge haben Helli egal in welcher Form.“ Zur Ausbildung wertvoll an, als Jugendführer viel Ver­
zu unterstützen.“ Mit diesem Auftrag und Renato bereits sieben Jahre bevor bewogen hat Tobias die Erkenntnis, antwortungsbewusstsein gesammelt
begann Hellis berufliche Zeit als Klet­ das AVS-ALPINIST-Projekt realisiert wur­ dass es eine ideale Möglichkeit wäre, zu haben, das ihnen als Bergführer
terpionier beim AVS, auch wenn er de, gemeinsam mit der AVS-Jugend Leidenschaft und Beruf zu verbinden zugute­kommt. Die alpine Erfahrung
noch kein Bergführer war. Mit diesem durch diese Alpinwochen einen ersten und als Bergführer ein zweites beruf­ konnten sie durch ihre Ausbildungen
Schritt legte der AVS einen wichtigen Akzent gesetzt, um junge Bergsteiger liches Standbein aufzubauen. bei der Alpenvereinsjugend und beim

16 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 17


Führen am Berg

Es zählt die
Hanni Riegler unterwegs am Klettersteig …
Frauen in alpinen Führungsrollen
… und auf AVS-Tour (3. v. r.) nehmen zwar zu, sind aber immer
Fotos: Privat
noch in der Minderheit. Bekommst

­Gemeinschaft
du das zu spüren?
Persönlich habe ich nie das Problem
gehabt, nicht ernst genommen zu
hier gut unterstützen, außerdem ist ­werden. Aber auch mir haben gerade
Über das Führen auf Vereinstour ­jedes Erlebnis in der Gruppe verstärkt. Frauen schon gesagt, dass sie sich
Ich beobachte bei unseren Sektions­ wohler oder sicherer fühlen, wenn
ausflügen, dass auch selbstständige Männer auf Tour dabei sind. Grund­
Bergsteiger mit dem Verein gehen, sätzlich ist es erfreulich, dass immer
das zeigt einmal mehr, dass es nicht mehr Frauen auf Tour sind. Und
nur um eine geführte Tour geht, son­ dass der Anteil an Frauen zunimmt,
dern um das gemeinsame Erlebnis. ­sehen wir auch bei unseren Vereins­
touren.
Steht das unentgeltliche Touren­
angebot des AVS nicht auch in Woher nimmst du nach 40 Jahren
­Konkurrenz zu jenem der Berg­ die Motivation, weiter ehren­
führer? amtlich zu führen?
Wenn wir Tourenbegleiter bei dem sind wir nicht wie ein Bergführer nur Ist es schwierig, immer wieder Jede Tour ist nach wie vor anders: ein
­Angebot bleiben, für das wir ausge­ mit unseren zwei, drei oder vier Gästen neue Tourenvorschläge zu finden? anderes Gebiet, andere Teilnehmer,
bildet sind, gibt es kaum Konkurrenz. unterwegs, sondern sind ein Team von Wenn man schon so lange Touren andere Bedingungen. Tourenführung
Wir dürfen uns aber nicht dazu verlei­ Begleitern, das mit einer größeren führt, ist es nicht so schwierig. Ich ken­ bleibt auch nach jahrelanger Erfah­
ten lassen, über unsere Grenzen zu Teilnehmergruppe in die Berge geht. ne durch meine Tätigkeit beim AVS in rung eine Herausforderung, es ist
­gehen. Selbstgefälligkeit hat bei der Das erfordert nochmal mehr Abstim­ jedem Tal jemanden und so tu ich mich spannend und sehr beglückend. Wenn
Tourenplanung nichts zu suchen. Zu mung untereinander. leicht, die aktuellen Bedingungen zu du am Abend die strahlenden Augen
anspruchsvolle Touren sind gefährlich erfahren. Gerade bei Skitouren tele­ und lachenden Gesichter siehst, ist
und Angelegenheit der Bergführer. Haben sich die Grenzen des foniere ich ein bis zwei Tage vorher das der beste Lohn für mich als Ehren­
Natürlich habe ich, wenn ich z. B. den ­Führens auch im Hinblick auf fleißig herum, um eine Tour zu finden, amtliche. Die Freude, jemanden ein
Ortler ins Tourenprogramm aufnehme, Sicher­heitsbewusstsein und recht- die nach Länge und Höhenmetern neues Gebiet, eine neue Möglichkeit
schon am nächsten Tag zig Anmeldun­ liche Verantwortung verändert? der Ausschreibung entspricht und auf­gezeigt zu haben, das ist meine
gen aus dem ganzen Land. Aber das Natürlich. Wenn ich so an meine Zeit möglichst gute Bedingungen bietet. Motivation.
darf nicht unser Ziel sein. Die Promi­ als Jugendführerin denke, da waren Evi Brigl
nenz des Gipfels hat sowieso nichts wir auf Touren unterwegs, die ich heu­ In über 40 Jahren als Touren­
mit dem Erlebnis für die Gruppe zu te keinesfalls mehr mir Kindern ma­ begleiterin gab es sicher auch
tun. Wer den Ortler besteigen will, soll chen würde. Damals war es einfach ein ­negative Erfahrungen, wie gehst
Seit mehr als 40 Jahren ist Hanni ­ arum, ein Ziel, ein Erlebnis gemein­
d sich einen Bergführer nehmen. Und Abenteuer, und vielleicht hatten wir du damit um?
Riegler Tourenbegleiterin in der sam zu erreichen. Wir Tourenbegleiter schon gar nicht kann ich als Touren­ einfach Glück. Für uns Ehrenamtliche Ich sehe im Nachhinein immer das
AVS-Sektion St. Pauls. Vom Hütten- im AVS bieten zwar auch eine Dienst­ begleiter vier Leute im Seil haben, wo war es früher unbeschwerter, weil wir ­Positive, die schönen Erinnerungen.
lager bis zur Skihochtour auf die leistung an, aber als solcher schenke sogar der Bergführer nur zwei Gäste nicht so viel über die rechtliche Ver­ Natürlich gibt es manchmal auch Teil­
Viertausender der Westalpen: ich den Tag, meine Zeit, mein Know­ auf eine Route mitnimmt. antwortung wussten. Dank der Aus­ nehmer, die unzufrieden oder grund­
­Hanni hat unzählige Menschen für how der Vereinsgemeinschaft. Es ist bildung und der kontinuierlichen sätzlich anstrengend sind. Solche
den Alpenverein Südtirol in die Ber- ein Dienst an der Allgemeinheit, wie Wie wichtig ist es für die Sicher- Weiter­bildung sind wir uns heute der ­Ereignisse vergesse ich schnell und sie
ge begleitet. Im Interview erzählt ihn so viele Ehrenamtliche – sei es bei heit, die persönlichen Grenzen Verantwortung bewusster, aber auch sind trotz der über 40 Jahre absolute
sie von ihrer Sicht auf das Führen, der Feuerwehr oder der Bergrettung zu kennen? sehr gut auf die vielen möglichen Ausnahmen. Die schönen Erlebnisse
von Verantwortung und Motivation. usw. – in Südtirol leisten. Für mich be­ Als Tourenbegleiter muss ich meine ­Situationen vorbereitet. hingegen, wo wir als Gruppe einfach
deutet Ehrenamtlichkeit auch Freiheit. Grenzen kennen und respektieren. Spaß hatten, die schönen Touren,
Worin liegt der Unterschied Auf Vereinstour steht im Gegensatz zur Wir Tourenbegleiter haben alle einen Was sind die besonderen Heraus- wo wir beim Lagerfeuer gesungen
­z wischen einer vom Bergführer Individualtour die Gemeinschaft und unterschiedlichen alpinistischen Hin­ forderungen im Umgang mit e ­ iner ­haben, die vergesse ich nie und sie Hanni Riegler (*1961) war in der
­geführten Tour und einer nicht der Einzelne im Vordergrund. tergrund, aber grundsätzlich gilt es, Gruppe? sind mein Antrieb. Schwierig ist es ­AVS-­Sektion St. Pauls als Jugend­
­Vereins­tour? In der Gemeinschaft kann der Einzelne bei der Auswahl der Führungstouren Das Schwierige am Führen ist grund­ ­hingegen, ­einem Teilnehmer auch führerin tätig und ist als Tourenleiterin
Der Bergführer wird dafür bezahlt, oft höhere Ziele meistern als allein. mindestens ein bis zwei Stufen unter sätzlich, die Schnellen zu bremsen und mal eine Absage zu erteilen. Die Ent­ ehrenamtlich mit Mitgliedern unter­
dass er dem Gast das bestmögliche Der Einzelne scheitert oft an der Tou­ dem eigenen Leistungsvermögen zu die Langsameren mitzuziehen, sodass scheidung, wer auf die Tour mit­ wegs. Die Berge sind für sie große
Erlebnis liefert. Er bietet eine Dienst­ renwahl, an technischem Wissen wie bleiben, um i­mmer eine Reserve für die Gruppe nicht auseinanderbricht kommen kann, liegt aus Sicherheits­ Lehr­meister und Kraftorte.
leistung an. Bei der Vereinstour geht Kartenlesen oder auch am Umgang Unvorherge­sehenes wie einen Wetter­ und trotzdem alle ein möglichst tolles gründen nun mal in der Verantwortung
es hingegen um die Gemeinschaft, mit der Ausrüstung. Die Gruppe kann umbruch zu haben. Auf Vereinstour Bergerlebnis haben. des Tourenbegleiters.

18 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 19


Führen am Berg

Sicherer Rückhalt auf Hochtouren:


Die Bergführerausbildung umfasst auch
kombiniertes Gelände
Foto: Kurt Walde

Lichtblick in düsteren Zeiten: Im Juli 1924


ging’s mit Führer auf den Ortler
Foto: Sammlung Alpinschule Ortler

Bergführerwesens aber in keiner Weise


wider. Das weiß auch die Obrigkeit,
weshalb die k. u. k. Statthalterei am
4. September 1871 die erste „Berg­
führerordnung giltig für Tirol und Vor­
arlberg“ erlässt und damit das erste
behördliche Regelwerk eines neuen,
aufstrebenden Berufs. Die Aufgabe
des Bergführers besteht laut der ers­
ten Bergführerordnung darin, „das rei­ Autori­täten, sie sitzen in den Gemein­ gung durch einen Großteil der Wand,
sende ­Publikum auf der bestimmten deräten, können sich ein ansehnliches meistert alle Schlüsselstellen und kehrt
Route zu begleiten, Verirrungen zu ver­ Vermögen aufbauen, investieren in erst um, als der Weg auf den Gipfel
hüten und Unglücksfälle von Touristen die touristische Infrastruktur und wer­ klar ist, während sein „Herr“ genüss­
­thunlichst hintanzuhalten“. den selbst oft zu Schutzhütten- oder lich im Gras liegt und Appenbichler

Der lange Weg zum


Es sei Pflicht des Bergführers, „sich Hotelbetreibern. durch das Fernglas verfolgt. Der Aus­
anständig, artig, freundlich und zuvor­ Das liegt auch daran, dass die Füh­ druck „im Vorstieg“ bekommt hier
kommend gegen dieselben (die Gäste, rer­löhne verglichen mit dem bäuer­ eine ganz neue Bedeutung.
Anm. d. Verf.) zu benehmen und ihnen lichen Auskommen fürstlich sind. So

Meister der Vertikale


alle thunliche Beihilfe zu leisten“. Auch schlug etwa die Besteigung des Ort­ Qualitatives und quantitatives
wird der Führer verpflichtet, mindes­ lers über den Normalweg in den Wachstum
tens 15 Kilo Gepäck kostenlos für seine 1880er-Jahren mit 10 Gulden zu Buche, Kein Wunder also, dass die Führer in
Gäste zu schultern, ein geeignetes Seil die Überschreitung der Rosengarten­ den Chroniken meist unterschlagen
Die Geschichte des Bergführerwesens bei sich zu haben, sich selbst zu ver­ spitze mit 11 Gulden, die Tour auf die oder erst unter „ferner liefen“ genannt
pflegen und keine Gebühren zu ver­ Königspitze mit 12 Gulden. Zum Ver­ werden. Trotzdem gehen aus dem
rechnen, die über die festgelegten gleich: Ein durchschnittlicher Monats­ Goldenen Zeitalter die ersten berühm­
Vom menschlichen Lastenesel und Berge als Gamsjäger, Kristallsammler Berg­gegenden zu ziehen, diese all­ ­Tarife hinausgehen. Die Rechte seinem lohn belief sich damals auf rund ten Führerpersönlichkeiten hervor:
Wegweiser zum König der Alpen, oder Hirten kennen und von den mählich mehr bekannt und zugänglich Gast gegenüber reichen dagegen 16 Gulden. Michl Innerkofler in Sexten, Johann
von dort zurück in die Niederungen ­Engländern als Träger und lebende zu machen“. weit weniger weit: „Ungebührliche Zu­ Auch alpinistisch steigern sich die Niederwieser, „Stabeler“, in Taufers,
von Not und Krieg und wieder Wegweiser engagiert werden. muthungen oder üble Behandlung von Bergführer zusehends. Anfangs noch die Dynastie der Pinggeras oder Peter
­hinauf zum gesuchten Profi am Was für die einen Sport ist, wird für Führer und Gast? Seite der Reisenden hat [der Führer] als Navigator am Berg gebraucht, Dangl in Sulden, Angelo Dibona oder
Berg, zum Meister der Vertikale. die anderen also mehr und mehr zum Nein: Diener und Herr mit ruhigem Ernste zurückzuweisen“, übernehmen sie nun die alpinistische Santo Siorpaes in Cortina. Zugleich
Wäre es nicht allzu klischeehaft, Broterwerb. Ab den 1860er-Jahren Die rasante Entwicklung des Bergfüh­ heißt es im Reglement. Mehr nicht. Führung. Kaum eine Erstbesteigung wächst die Bergführerschaft auch in
könnte man sagen: Die Geschichte entwickelt sich der Alpintourismus zum rerwesens Mitte des 19. Jahrhunderts der wichtigen Gipfel gelingt ohne die Breite: von gerade einmal 99
von Südtirols Bergführern ist eine bedeutenden Wirtschaftsfaktor, der sorgt anfangs für Wildwuchs. Schließ­ Das Goldene Zeitalter der Bergführer und so manche „Erstbestei­ „autori­sierten“ Führern im Jahrzehnt
mit komplizierten Auf- und rapiden den bis dahin völlig abgeschiedenen lich sind es die politischen Behörden, ­Bergführer gung“ ist wohl gar keine. Keine echte 1870 – 1880 auf über 850 zur Jahrhun­
Abstiegen. Alpentälern eine einmalige Chance die zwischen Führer und Nicht-Führer Die erste Bergführerordnung für Tirol zumindest, werden die Routen doch dertwende.
in die Hände spielt. Und man weiß: Der entscheiden, darüber also, welcher der zeigt: Die Beziehung zwischen Führer vorher von den Führern meist einge­ Gerade weil diesen eine Schlüssel­

D
er Ursprung dieser Geschichte Schlüssel zu dieser Chance liegt in den Kandidaten ein Bergführerbuch be­ und Gast ist anfangs eine zwischen hend „rekognosziert“, sprich: Man rolle in der Entwicklung des Tourismus
liegt im Nichts. Noch in der Händen der Bergführer, die damals kommt und welcher nicht, nachdem sie Diener und Herr. Trotzdem legen die steigt zuerst einmal allein oder mit ei­ in den Alpen zukommt, hat die Obrig­
ersten Hälfte des 19. Jahrhun­ nicht nur Touristen auf die Berge füh­ sich „von deren genügender Erfah­ Bergführer einen rasanten gesell­ nem Führerkollegen auf den ­Gipfel. keit ein waches Auge auf sie, regelt
derts steigt in Südtirol nur, wer unbe­ ren, sondern auch den Wege- und rung, Verläßlichkeit, genauer Orts­ schaftlichen Aufstieg hin. Von 1880 bis Als sich etwa Viktor Wolf von den Beruf mehrmals neu und führt
dingt muss, auf Berge. Das ändert sich Hüttenbau vorantreiben. Deshalb kenntniß und physischer Tauglichkeit zur Jahrhundertwende, im Goldenen ­Glanvell, heute als der Erschließer der auch ein Aus- und Fortbildungspro­
mit der Ankunft der Engländer, die sucht die k. u. k. Verwaltung händerin­ in geeigneten Wegen überzeugt Zeitalter des Bergführerwesens also, Pragser Dolomiten bekannt, 1891 in gramm ein. So findet 1884 der erste
Zeit, Lust, Laune und das nötige Klein­ gend nach Kandidaten, „geeignet, ­haben“, wie es in einer ministeriellen sind die Führer gesellschaftlich so den Kopf setzt, den Herrsteinturm als „Führer-Instructionscurs“ in Salzburg
geld haben, um sich die Alpen von Touristen in die bisher wenig began­ Anordnung von 1865 heißt. ange­sehen und wirtschaftlich derart Erster zu ersteigen, schickt er erst ein­ statt, 1888 der erste in Bozen. Gelehrt
oben anzusehen. Dafür benötigen sie genen, an Naturschönheiten und ro­ Eine solche Regelung spiegelt die gut gestellt wie nie zuvor und auch mal seinen Führer Josef Appenbichler werden Gebirgs- und Gletscherkunde,
die Hilfe der Einheimischen, die ihre mantischer Abwechslung reichen mittlerweile enorme Bedeutung des nie wieder danach. Bergführer sind los. Der steigt am Vortag der Bestei­ Geografie und Kartenlesen, Erste Hilfe

20 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 21


Führen am Berg

In voller Montur: Die Grödner Bergführer


posieren im ausgehenden 19. Jahrhundert Führen im Schwarzhemd CAI – gedacht als Geschenk an den
für den Fotografen Die Nachkriegsjahre sind also solche, Duce, dessen Besuch in Südtirol be­
Foto: Sammlung Gregor Demetz
in denen viele Führer ihrem Beruf den vorsteht. Als Ausführende werden die
Stets den Gast im Blick: Der Suldner Berg­ Rücken kehren, um sich einigermaßen Grödner Bergführer Ferdinand Glück
führer Adelbert Reinstadler bei der Arbeit über Wasser zu halten. Knapp über 100 und Juani Demetz sowie der Sextner
Foto: Sammlung Olaf Reinstadler sind es noch, als das faschistische Re­ Träger Anton Schranzhofer angewor­
gime im Oktober 1922 das Ruder über­ ben, um „Ihm (Großschreibung im Ori­
nimmt und zügig mit der politischen ginal, Anm. d. Verf.) zu zeigen, wie
und ethnischen Gleichschaltung be­ groß die Liebe ist, die ihr Herz wärmt“.
Das Kriegsende bringt demnach ginnt. So wird der Deutsche und Öster­
zwar eine Niederlage, allerdings auch reichische Alpenverein, bis dahin der Nur Scherben, sonst nichts
Erlösung. Und für Südtirol das Erwa­ organisatorische Stützpfeiler des Berg­ Politisch missbraucht, organisatorisch
chen in einem neuen Staat. In diesem führerwesens, verboten, sein italieni­ gegängelt, wirtschaftlich stagnierend:
versucht man sich zurechtzufinden, die sches Pendant, der CAI, soll einsprin­ In den 1930er-Jahren ist der Berg­
alte Ordnung aufrechtzuerhalten und gen, ist mit dieser Aufgabe anfangs führerberuf kein einfacher, die wirklich
in die neue zu starten. Für die Berg­ aber völlig überfordert. Dazu kommen schlimmen Jahre folgen aber erst: mit
führer erweist sich dies als besonders die ständigen Zwischenrufe des Regi­ der Option von 1939, mit dem Beginn
schwierig, liegt doch der Tourismus mes, die immer wieder neuen recht­ des Zweiten Weltkriegs, mit dem Ein­
und Alpintechnik. Zugleich wird erst­ der Wind für die Führer erstmals von völlig darnieder. „Der Touristenver­ lichen Grundlagen des Führerberufs, marsch der Nationalsozialisten 1943
mals zwischen (voll ausgebildeten) vorn. So rückt ihnen das Finanzamt auf kehr“, schreibt „Der Tiroler“ im Hoch­ die Organisation in faschistischen und dem totalen Zusammenbruch.
Führern und Trägern unterschieden. die Pelle, die Heeresleitung verpflich­ sommer 1922, „ist gleich Doppelnull Syndika­ten, der Zwang, der faschisti­ Wie 1919 stehen die Bergführer auch
Als Azubis am Berg kam den Trägern tet sie zu großangelegten Manövern und wird auch so bleiben“. Auch im schen Partei anzugehören, wenn man 1945 vor den Scherben ihres Daseins:
die Aufgabe zu, das Gepäck von Füh­ und an der Südgrenze des k. u. k. Rei­ Sommer 1923 ist die Situation nicht den Führerberuf überhaupt ausüben Rechtlich herrscht ein Vakuum, die
rer und Gast auf den Gipfel zu schlep­ ches kommt es zu ersten Reibereien, besser: „Die Bergführer zählen heute wollte. Wirtschaft ist am Boden, der Touris­
pen, zudem sollten sie in der Beglei­ in die auch die Führer verwickelt sind. förmlich zu den Arbeitslosen“, heißt Das Regime widmet den Führern mus zusammengebrochen.
tung der Führer auch das Handwerk Es sind die ersten dunklen Wolken, die es da. eine Aufmerksamkeit, die ihre zahlen­ Von diesem Rückschlag erholt sich
lernen. am Horizont aufziehen, sich verdichten mäßige Bedeutung weit übertrifft. Der das Bergführerwesen nur langsam. Bis
In den ersten drei Jahrzehnten sei­ und zu einem Sturm werden, der das Grund dafür ist einfach: „Die Pracht­ weit in die 1960er-Jahre hinein dauert
nes Bestehens kennt das Bergführer­ alte Europa ein für allemal wegfegen söhne unserer Berge“, wie Benito es, bis die Gästezahlen der Zwischen­
wesen in Tirol also nur eine Richtung: wird. ­Mussolini die Führer nennt, gelten als kriegszeit wieder erreicht werden und
jene nach oben. Die Führerschaft Als am 28. Juni 1914 die Schüsse Sinnbild des Homo novus. „Kein damit überhaupt erst ein Fundament
wächst quantitativ und qualitativ, sie von Sarajevo fallen, signalisieren sie Mensch“, tönt etwa CAI-Präsident für die Bergführer geschaffen wird.
übernimmt die Schlüsselrolle in der nicht nur den Auftakt zu einem bis ­Angelo Manaresi, „ist faschistischer als „Zu unserer Zeit hatte man Glück,
Extremer Fototermin: Fürs Erinnerungsbild
Entwicklung des Tourismus in den Ber­ ­dahin ungekannten Weltenbrand, sie der Mensch der Berge, der durch die wenn man jemanden kannte, wenn wird – wohl Anfang des 20. Jahrhunderts –
gen und legt Anfang des 20. Jahrhun­ läuten auch das Ende der klassischen Risiken und Gefahren des Gebirges man vermittelt wurde oder ein älterer auch schon einmal die Besteigung des
­Ortlers unterbrochen.
derts auch den Grundstein für eine Ära der Bergführerei ein. Bergführer abgehärtet und daher für jedes Unter­ Bergführer uns einen Gast überlassen
Foto: Sammlung Alpinschule Ortler
ganz neue Saison: jene im Winter. So werden zuerst an fremden Fronten ein­ nehmen, für jede Eroberung bereit hat“, erinnert sich das Grödner Berg­
werden anfangs des Jahrhunderts ers­ gesetzt, danach kommt ihnen eine ist – mutig, einfach und gelassen, allen führer-Urgestein Mario Senoner.
te Skifahrer auf den Höhen um Meran Schlüsselrolle im Krieg in Fels und Eis Widrigkeiten zum Trotz“. Darüber hinaus ziehen sich nach
gemeldet, „angestaunt von der Bevöl­ zu. Sie versichern Nachschubwege, Das Regime hat also gleich ein dop­ dem Krieg die ethnischen Auseinan­ se Situation grundlegend. Überhaupt
kerung, die bisher von solchen Fort­ führen Soldaten durchs Gebirge, kund­ peltes Interesse, das Bergsteigen in dersetzungen auch in die Bergführer­ läuten die 1970er-Jahre eine ganz neue
bewegungs­apparaten keine Ahnung schaften feindliche Stellungen aus Südtirol zu fördern. Zum einen bereitet schaft hinein, AVS und CAI streiten Ära im Bergführerwesen ein. Erstmals
hatte“, wie die „Bozner Nachrichten“ und greifen überraschend dort an, wo es in den Augen der Faschisten auf be­ sich um den Zugriff auf die Führer, wo­ erweitern die Südtiroler Führer etwa
schreiben. „Sind die hiesigen Berg­ der Feind niemandem auch nur ein vorstehende Eroberungszüge vor, zum bei der CAI dank seiner Unterstützung systematisch ihren Horizont und führen
führer erst vom Alpenverein in diesem Hinkommen zugetraut hätte. Die Füh­ anderen trägt es zur Italianisierung der aus Rom am längeren Hebel sitzt. nicht mehr nur vor der Haustüre, son­
Sport unterwiesen, zu welcher Ausbil­ rer – allen voran der Sextner Sepp Region bei. Der CAI wird deshalb an­ Führerkurse und -prüfungen finden dern im ganzen Alpenraum. Aus dieser
dung begründete Aussicht bestehen ­Innerkofler – werden so zu den Gesich­ gewiesen, möglichst viele Ausflüge so ausschließlich auf Italienisch statt, Entwicklung entsteht auch ein neues
soll, dann werden in der Umgebung tern des Gebirgskrieges, sie werden zu und Ferienaufenthalte in Südtirol zu or­ so mancher fähige Führer scheitert an Verhältnis zwischen Führer und Gast.
Hochtouren zur Winterszeit öfters aus­ Helden im Kampf Mann gegen Mann ganisieren, mit den Staatsbahnen einer sprachlichen Barriere und die Während Gäste ihre Führer früher vor
geführt werden.“ hochstilisiert, die die Propaganda als kommt man nun verbilligt ins Land und Landes­politik wettert zwar, schaut an­ Ort ausgesucht, sie also gewechselt
ritterlichen Gegenentwurf zum indus­ in der Propaganda nehmen Bergführer sonsten aber hilflos zu, weil ihr die Zu­ haben, wenn sie in einem anderen
Von hundert auf null triellen Schlachten an der Westfront und ihre alpinistischen Leistungen ei­ ständigkeit für das Alpinwesen fehlt. ­Gebiet Erfahrung sammeln wollten,
Das kontinuierliche, nahezu grenzenlos braucht. Dass dieser Krieg in Wirklich­ nen prominenten Platz ein. So ist etwa wird der Führer nun zum ständigen al­
erscheinende Wachstum im Bergfüh­ keit auch für die Bergführer nichts die erste Durchsteigung der Nord­ Eine neue (autonome) Ära pinistischen Begleiter seiner Stamm­
rerwesen verlangsamt sich erst in den ­anderes ist als ein sinnloses Leiden, westwand des Piz Gralba im Herbst Das Paket von 1969 und das Zweite gäste. Und der kümmert sich meist
ersten 1910er-Jahren. Damals kommt Quälen und Sterben, geht unter. 1933 eine „Auftragsarbeit“ des Bozner Autonomie­statut von 1972 ändern die­ auch um Anreise, Unterbringung etc.

22 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 23


Führen am Berg

Aus Bergführern werden so nicht nur Und weil mit einer neuen, autono­ kennt den Grund. „Die Alten haben
geografische Allrounder, sondern auch men Regelung auch das Selbst­ damals aufgehört zu führen“, erinnert
Reiseveranstalter. bewusst­sein der Führer steigt, wollen er sich, „weil sie alle gebaut haben“.
Weil dadurch auch die Anforderun­ sie sich in den ausgehenden 1970er-­ Heißt im Klartext: Das in den Jahren
gen wachsen, bündeln die Bergführer Jahren auch von den alpinen Vereinen zuvor im Führerberuf Verdiente wird in
ihre Ressourcen, erste Alpinschulen abkoppeln. Lange wird über ein neues Pensionen oder Hotels investiert und
entstehen, allen voran die Alpinschule Organisationsmodell verhandelt, be­ das Führen an den Nagel gehängt.
Col Raiser von Luis Schenk und die vor 1980 der Verband der Südtiroler Es ist demnach eine neue Genera­
Alpin­schule Südtirol von Reinhold Berg- und Skiführer gegründet wird – tion von Führern, die ab den 1980er-­
Messner. Sie heben das Bergführer­ als erste eigenständige, von den Jahren das Ruder übernimmt: bestens
wesen auf ein neues Niveau, professio­ Alpen­vereinen unabhängige landes­ vorbereitet, organisatorisch gut auf­
nalisieren es, kommunizieren es einer weite Berufsorganisation, die auch gestellt und mit Arbeit zuhauf. Auch
breiteren Schicht und erweitern Schritt heute noch die Geschicke des Berg­ dieser Generationswechsel zeigt: Im
für Schritt das Angebot. Das Spek­ führerwesens lenkt. Verlauf von rund 120 Jahren hat sich
trum, das eine Alpinschule anbietet, das Südtiroler Bergführerwesen grund­
reicht nun von Halbtagswanderungen Die Meister am Berg legend gewandelt, hat Höhen und Tie­
am eigenen Hausberg bis zu Expedi­ Der Verband kommt zu einem Zeit­ fen erlebt, ist hoch geflogen und tief
tionen an den höchsten Bergen der punkt, zu dem die touristische Rakete gefallen, hat sich aber immer wieder
Welt.
Auch rechtlich ändert sich in den
1970ern alles. Erstmals seit dem Gol­
namens Südtirol gerade erst abhebt.
Ab den späten 1970er-Jahren zeigt die
Wachstumskurve in Südtirols wichtigs­
aufgerappelt und steht heute rundum
gefestigt da. Aus den Dienern am Berg
sind Profis geworden: umfassend aus­
Das Bergführerwesen
im Meraner Raum
denen Zeitalter des Bergführerwesens tem Wirtschaftssektor nahezu stetig gebildet und rundum geschätzt. Dazu
ist es nun wieder das Land, das für die nach oben. Und weil Südtirols Touris­ tragen auch die hohen Zugangshürden
Organisation und Regelung des Berg­ mus in erster Linie ein Berg- und das zum Beruf bei. „Die Kandidaten für die
führerberufs zuständig ist. So wird im heißt: Wander-, Bergsteig- und Klet­ Ausbildung sind alle schon selbststän­
Sommer 1978 die erste autonome tertourismus ist, profitieren die Berg­ dige Alpinisten auf hohem Niveau, die Seit der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg
„Berg- und Skiführerordnung“ in der führer im Land an vorderster Front vom ,nur‘ noch mit den methodischen und
Geschichte des Landes verabschiedet, Boom. Die Nachfrage steigt von Jahr didaktischen Aspekten des Führens
Die Teilnehmer der Nordpolexpedition
die auch heute noch – mit den nötigen zu Jahr, die Führer sind gut ausgelas­ vertraut gemacht werden müssen, Nachdem 1862 der Österreichische Die Bergführerordnung von 1872–74.
Anpassungen natürlich – die Grund­ tet. Allerdings frisst der Erfolg seine ­damit sie auch gute Führer werden“, Alpenverein gegründet worden Die Bergführerordnung brachte dann Foto: E. Rabending

lage des Bergführerwesens bildet. Kinder. So herrscht etwa Ende der erklärt Ausbildungsleiter Erwin Steiner. war, folgte 1869 die Gründung des Klarheit und Ordnung in die ganze
­Wenig später werden auch erste Süd­ 1970er-Jahre in Sulden „eine riesige Das „Nur“ setzt Steiner dabei nicht Deutschen Alpenvereins. 1873 ­Sache. 1881 wurde der erste Berg­
tiroler Ausbildungskurse angeboten, Bergführernot“, wie Ernst Reinstadler ­zufällig unter Anführungszeichen. schlossen sich diese beiden Vereine führerkurs in Innsbruck abgehalten. 1893 gab es in den Südalpen schon
die von Südtiroler Ausbildern geleitet erzählt. Er schafft in diesen Jahren Schließlich geht mit der Zulassung erst zusammen. Bereits 1871 gab es in 1888 gab es dann einen Bergführer­ 293 Bergführer bzw. Träger.
werden. Die neue Landesautonomie selbst den Sprung zum Führer und ist ein zweijähriger Ausbildungszyklus mit Tirol die erste Bergführerordnung, kurs in Bozen, der auf Deutsch und 1880 wurde der Bergführerverein in
wird bei den Bergführern also bis ins von Anfang an mit Arbeit eingedeckt, den praktischen Kursblöcken Fels, die 1892 noch einmal verbessert Italie­nisch abgehalten wurde. Es be­ Sulden gegründet, er hatte sogar eine
kleinste Detail hinunterdekliniert. weil die Konkurrenz fehlt. Reinstadler Schnee und Hochtouren los. Dazu wurde. teiligten sich 33 deutsch- und 26 ita­ alpine Bibliothek und wurde von der
kommen Theorieeinheiten, in denen lienischsprachige angehende Berg­ AVS-Sektion Meran betreut, genauso

S
rechtliche Fragen genauso angegan­ chon vor dem Alpenverein und führer. 1893 fand wiederum ein Kurs wie die Bergführergruppen in der
gen werden wie wirtschaftliche, gesell­ dessen Bergführerordnungen in Bozen mit 24 deutsch- und 17 italie­ westlichen Landeshälfte; die Sek­tion
schaftliche, pädagogische und psycho­ und -kursen gab es „Bergführer“. nischsprachigen Teilnehmern statt, Meran war die Vermittlerin zum Zent­
logische. Nicht umsonst ist der Titel Es waren bergkundige Einheimische, ebenso 1893 ein deutschsprachiger ralausschuss in München. Ab 1893 wur­
„Bergführer“ demnach der höchste, meist Jäger, Wilderer oder Mineralien­ Kurs in Meran mit 41 Teilnehmern. den dann die Bergführergruppen im
den man in Alpinistenkreisen erreichen sucher. Zum Beispiel war Josef Pichler, 1898 und 1909 wurden weitere Kurse Obervinschgau, in Sulden und im
kann – vergleichbar mit einem Hand­ Erstbesteiger des Ortlers, ein Gämsen­ in ­Bozen abgehalten. Man sieht, es Martell­tal der Sektion Prag unterstellt.
werker, der sich zum Meister ausbilden jäger und Jacques Balmat, Erstbestei­ herrschte eine große Nachfrage an ­Meran hatte nun nur mehr die Tal­
lässt. In diesem Fall zum Meister der ger des Mont Blanc, ein Mineralien­ Bergführern. schaften Meran, Schnals, Ulten und
Vertikale. sammler. Einige Erstbesteigungen Alle Teilnehmer mussten ein Leu­ Passeier zu betreuen. Jede Talschaft
J. Christian Rainer wurden eben von solchen ­Leuten munds- und Gesundheitszeugnis vor­ hatte ihren Führerobmann, und jährlich
Quelle: siehe Buchtipp S. 33 schon vor dem Bestehen des Alpen­ weisen. Jeder Teilnehmer erhielt die wurden in den jeweiligen Talschaften
vereins gemacht. Als dann die ersten Hin- und Rückfahrt erstattet, ebenso sogenannte Führertage abgehalten.
Touristen in die Berge kamen, gaben Unterkunft und Verpflegung, weiters Die AV-Sektion Bozen hatte die Berg­
sich außer den Ortskundigen auch erhielt er ein Erste-Hilfe-Paket, einen führer von Bozen, Fassa, Fleimstal,
Autonomie-Geschichte: 1982 findet der Nicht-Ortskundige als „Führer“ aus, Kompass, eine Landkarte und das Gröden und Primör unter sich, die
­erste Südtiroler Ausbildungskurs für Berg­
führer statt denn es war eine gute Gelegenheit, Lehrbuch „Anleitung zur Ausübung ­Sektion Trient die Führer von Cles,
Foto: Sammlung Hermann Tauber um etwas Geld zu ver­dienen. des Bergführerberufes“. ­Tione, Rovereto, Borgo und Riva.

24 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 25


Führen am Berg

Herausragende Bergführer wie Payer in seinen Büchern schreibt. oder den Missbrauch des Hütten­ fremden Gebiet „arrestiert“ wurden
Von den herausragenden Bergführern Haller war auch Payers persönlicher schlüssels, aber auch Streitsucht und und daraufhin mithilfe der Advo­katen
ist einmal Johann Pinggera (1838 – 1916) Adjutant und schrieb ein interessantes Rauferei. Einmal war eine Beschwerde der Alpen­vereins­sek­tion wieder befreit
aus Sulden zu nennen, der bei der Tagebuch. Beide, Haller und Klotz, wegen Vertrauensbruch, Unterschla­ werden mussten. Spe­ziell die Schnal­
Karto­grafierung der Ortler- und Ada­ ­erhielten nach der Expedition eine gung von Geldern und Trunksucht ei­ ser und Passeirer Führer waren betrof­
mellogruppe monatelang mit Julius gute Arbeitsstelle: Haller wurde Ober­ nes Führers bei der Sektion eingegan­ fen und es wurde erwähnt, dass auch
Payer (1842 – 1915) unterwegs war. Die­ förster im Oberinntal und Klotz Burg­ gen. Dieser Führer wurde dann aus der die Ötztaler Führer in Schnals und
ser lud ihn sogar ein, an der Ungarisch-­ wart auf Schloss Kreutzenstein bei Führerliste gelöscht und musste Abzei­ Passeier Gäste für den Heimweg an­
Österreichischen Nordpolexpedition Wien. Beide hatten zwar keine Berg­ chen und Schlüssel abgeben. Oftmals nehmen konnten – warum also sollten
(1872 – 74) teilzunehmen, welche er zu­ führerkurse besucht, sich in schwieri­ kam es auch vor, dass Führer vor Ge­ auch sie das nicht dürfen?
sammen mit Carl Weyprecht (1938 – 81) gen Situationen als Führer aber trotz­ richt gestellt wurden, weil sie, wenn sie Im Ultental gab es ein besonderes
leitete. Payer war damals beim Militär dem gut bewährt. mit dem Gast in das Nachbartal ka­ Problem: Dort war der einzige Berg­
in Rovereto stationiert und bestellte men, nach Verabschiedung des bis­ führer im hohen Alter verstorben. Sein
Pinggera zu sich nach Rovereto. Dem Bergführer im Konflikt mit den herigen Gastes warteten, bis sie einen Sohn machte den Antrag, zum Berg­
Suldner Führer war die Reise dorthin ­Behörden neuen Gast im Tal anheuern konnten, führerkurs angenommen zu werden.
schlichtweg zu lang und so entschloss Da jeder Interessierte ein gutes Leu­ um Touren zu machen oder ihn zurück Da er aber schon Jahre vorher wegen
er sich unterwegs, lieber in sein Hei­ mundszeugnis vorweisen musste, um übers Joch ins Heimattal zu führen. In Wilderns zu drei Wochen „Kerker“, we­
Die beiden Tiroler Teilnehmer an der
­Payer’schen Nordpol-Expedition Johann Was den Gesundheitsstand betrifft, matdorf zurückzukehren. Eine weitere Bergführer zu werden, gab es öfters den Protokollen wird im Zusammen­ gen Patronendiebstahls zu 48 Wochen
Haller (r.) und Alexander Klotz (l.) findet man kuriose Eintragungen: erwähnenswerte Begebenheit findet Probleme. Die Vergehen betrafen hang mit diesem sogenannten Staffeln „Arrest“ und wegen Fischdiebstahl
Foto: L. Bresslmair, Meran 1872
„kranker Magen, kann keine Speisen sich mit Prof. Viktor Hecht aus Prag, hauptsächlich das Wildern, Diebstahl einige Male erwähnt, dass Führer im wiederum zu 21 Wochen „Kerker“ ver­
mehr zu sich nehmen“, „leidet unter den Pinggera oft führte. Als beide sich urteilt worden war, konnte er nicht zum
Atembeschwerden“, „wirkt etwas kor­ 1872 anschickten, als Erste den Lodner Kurs zugelassen werden. Da im Tal
pulent und seine Augen sind schlecht“, (3.219 m) zu besteigen, fuhren sie von aber gerade die Höchsterhütte ­gebaut
Betreuung der Bergführer „hat Gelenkentzündungen an den Sulden mit dem Stellwagen bis auf die wurde, setzte sich die Sektion Meran
Jeder angehende Bergführer hatte Händen und atmet schwer“. Töll. Dort bemerkte Pinggera, dass er mit der Begründung für ihn ein, dass
sein Standblatt, in das alle ihn betref­ Bei den Führertagungen wurden seinen Eis­pickel vergessen hatte. Beim es im Ultental unbedingt einen Führer
fenden Angaben eingetragen wurden. auch Unfall-, Kranken-, Witwen- und Schmied in Partschins besorgte er sich brauche, und da die Strafen schon
Bei den Führertagungen wurden zu­ Rentenversicherungen der Bergführer ein Beil – und am nächsten Tag führte ­abgebüßt wären, sollte dieser Mann,
sätzliche Ergänzungen und sonstige behandelt und eingetragen. Ein tragi­ er den Professor auf den Lodner. Aller­ der als Einziger das Gebiet gut kenne,
Bemerkungen hinzugefügt. Nach be­ scher Fall scheint beim Bergführer dings wurde ihr Gipfelglück von Ma­ als Führer zugelassen werden.
standener der Prüfung erhielt er das ­Alois Öttl aus dem Passeiertal auf: genproblemen getrübt, deren Ursache Ein aktiver Führer aus Pfelders hatte
Bergführerabzeichen und das Berg­ „1906 sind zwei Töchter, 17 und 20 Jah­ ein ebenso im Dorf gekaufter verdor­ ebenfalls Ärger mit der Justiz: Auch er
führerbuch, in das sich die Gäste ein­ re alt, innerhalb eines Monats an Aus­ bener Speck war. wurde wegen Wilderns angezeigt und
tragen mussten. Ebenso erhielt der zehrung gestorben und Alois ist auf Von zwei weiteren Bergführern zudem hatte er seinen Schlüssel zur
Führer einen nummerierten Universal­ Grund dieses Schicksals ganz herun­ möchte ich auch berichten: Es sind Stettiner Hütte an einen anderen Wil­
schlüssel für sämt­liche Alpenvereins­ tergekommen und bittet um eine dies Johann Haller (1844 – 1906) und derer weitergegeben, der im Spät­
hütten. ­Invalidenrente“. Bedürftige Führer ­Alexander Klotz (1834 – 1893) aus herbst in der Hütte hauste. Einer von
Bei den Tagungen wurde auch die konnten einen Antrag für ihre Aus­ Passeier, welche 1872 – 1874 mit Julius den beiden hatte noch dazu vier
Ausrüstung überprüft, ebenso die rüstung stellen. Payer mit Schiff und Hundeschlitten Schlüssel nachmachen lassen. Die an­
­Erste-Hilfe-Schachtel und ein anwe­ Immer wieder kam es vor, dass bei der oben genannten Expedition deren Führer waren deswegen darüber
sender Arzt kontrollierte den Gesund­ Bergführer das Führerabzeichen oder zum Nordpol unterwegs waren. Sie sehr erbost, und es begann ein langer
heitszustand und eventuelle Verän­ den Hüttenschlüssel verloren, deren waren als Kaiserjäger 1866 an der Front Schriftwechsel mit dem Zentralaus­
derungen im Familienstand; ebenso Ersatz vom Zentralausschuss in Mün­ am Tonalepass und am Stilfser Joch schuss in München.
wurden Heirat, Geburten der Kinder chen genehmigt werden musste. Der eingesetzt gewesen. Payer kannte Man könnte meinen, früher sei die
usw. festgehalten. rege Schriftverkehr zwischen Meran ­Haller, weil er ihn zusammen mit Behörde nicht so streng gewesen,
1881 wurden die sogenannten und München wurde in den Protokoll­ ­Pinggera im Ortler- und Adamelloge­ aber schon damals sorgte sie für Ord­
Normal­seile eingeführt, da bis dahin bücher festgehalten. biet begleitet hatte und mit ihm sehr nung – auch bei den Bergführern.
offenbar jeder Führer irgendein Seil Ab 1911 konnten sich die Bergführer zufrieden gewesen war. Er beauftragte Ulrich Kössler
verwenden konnte. Bei den Ausrüs­ erstmals zu einem Skikurs anmelden. Haller, noch einen bergtüchtigen, star­
tungskontrollen wurden hauptsächlich 1914 hatte es in Meran sogar einen ken und verlässlichen Führer zu su­
die stumpfen Steigeisen und schad­ „Katholischen Bergführerverein“ ge­ chen, und so empfahl Haller Alexander
Protokoll eines Führertages 1908 in
haften Pickel beanstandet. Einmal war geben. 1923 waren noch 22 Bergführer Klotz. Beide wurden dann als Schlitten­ Schnals mit Verzeichnis der an- und abwe-
auch ein „geflicktes Seil“ dabei. Die im Einzugsgebiet von Meran angemel­ hunde­führer und Jäger eingesetzt und senden Träger, Aspiranten, Führer und
Erste-Hilfe-Schachteln waren auch det, dann endeten die Aufzeichnun­ haben alle Strapazen gut überstanden. ­deren Stand. Der Führer Wendelin Nischler
„erhielt als Geschenk für 25-jährige Dienst-
meist leer, wahrscheinlich aufgrund gen aufgrund des Verbotes des Alpen­ Sie schossen über 100 Eisbären und zeit K 50.- von der Sektion“.
privaten Gebrauchs. vereins durch die Faschisten. waren handwerklich sehr geschickt, Foto: Stephan Illmer

26 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 27


Führen am Berg

als wir Kinder unsere sogenannte halten, haben wir gute Karten, der
Sommer­frische immer in Kasern oder ­Pandemie entgegenzutreten. Unsere
Weißenbach im Ahrntal auf einem Hof Mitglieder weisen wir eindringlich
verbrachten und herumtollten. Die ­darauf hin. Die Einhaltung eines gewis­
­„Infizierung“ durch die Natur geschah sen Abstandes ist durchaus möglich.
gewiss in dieser Zeit. In meiner Teen­ Unangenehmer empfinden unsere
agerzeit machte ich Yoseikan Budo Gäste mögliche Menschenansamm­
und unterrichtete diesen Sport auch. lungen sowie die Enge in Hütten und
Mit der zunehmenden Mobilität durch ­fragen uns nach Alternativen. Durch
die Erlangung des Führerscheins mit den Lockdown waren die Einbußen in
18 Jahren interessierten mich die unserem Beruf jedoch gewaltig.
­Berge immer mehr. Kollegen nahmen
mich mit und so kam ich zum Klettern. Du und deine Kollegen haben
Ziemlich bald schon – anfangs aus 800 Bergtage für Heim- und
­einem gewissen Bestätigungsdrang – Gesund­heitspersonal verschenkt.
machte ich die Bergführerausschei­ Ein tolle Aktion! Wie kam es dazu?
dung und mit 23 die Bergführerprü­ Über Medien und Bekannte erfuhr ich
fung. Seitdem ist es mein Beruf. Etwa von der extremen Belastung durch
10 Jahre später wurde ich Ausbildner ­Covid-19 für das Personal in den
für Bergführer auf nationaler Ebene. Kranken­häusern und Seniorenheimen;
Für längere Zeit war ich auch im Vor­ das geht von Ärzten, Pflegern bis hin
stand der Berufskammer in Südtirol zum Küchen- und Reinigungspersonal.

„Am Berg bring ich meine und später in der nationalen Berg­füh­
rer­kam­mer tätig. Rund sechs Jahre
­arbeitete ich im Vorstand und als Vize­
Ganz spontan kam mir die Idee für
eine gratis Führungstour, die ich einer
Person aus dem Krankenhaus Bruneck

Gedanken zum Fliegen“


präsident der technischen Kommission zukommen ließ. Das Feedback dieses Kurt Walde, der Präsident der
Südtiroler Berg- und Skiführer
der internationalen Vereinigung der geschenkten Bergtages war so enorm,
Bergführerverbände IVBV /  IFMGA. dass ich einen Newsletter an meine
Bergführerkollegen und Wanderleiter später. Da muss natürlich jeder einzel­
Der Bergführer Kurt Walde im Gespräch Fotos: Kurt Walde Du warst auch im Himalaya schickte mit dem Ansporn, mitzu­ ne Bergführer, aber auch die Landes­
­unterwegs … machen. Sofort meldeten sich über berufskammer der Südtiroler Berg-
In meinen jungen Jahren reizte es 50 Kollegen und ebenso viele Wander­ und Skiführer ordentlich was tun,
Kurt Walde ist seit Dezember 2019 Empathie und die Wertschätzung für i­mmer dabei, wie bei vielen anderen mich, ferne Berge und Kulturen kennen­ leiter aus allen Teilen des Landes. So diesen Trend mitzugestalten. Wir wer­
Präsident der Landesberufs­ den Kunden ist eine Grundkomponen­ Berufen auch. zulernen. Mit Lois Brugger gelang uns konnten wir insgesamt 800 Gratis­ den uns weiterbilden müssen, ständig,
kammer der Südtiroler Berg- und te des Bergführerberufs. Wenn ich eine der schnellsten Besteigungen des führungen für Krankenhauspersonal damit wir imstande sind, das zu bieten,
Skiführer und Wanderleiter. Der meinen Gästen ein tolles Erlebnis ver­ Welches Ziel setzt du dir als Präsi- Ama Dablam, meine erste Erfahrung anbieten. An der Aktion beteiligte sich was Menschen künftig suchen und
59-Jahrige verrät uns seine Leiden- mitteln kann, macht es auch mir eine dent des Bergführerverbandes? im Himalaya. Vollgestopft mit Übermut jeder Bergführer ehrenamtlich und brauchen werden. Die Unterweisung in
schaft zu seinem naturverbunde- große Freude. Und wenn ich allein un­ Unser Land hat in der internationalen und Adrenalin über die Westwand ohne Zuschuss aus der öffentlichen den verschiedenen alpinistischen Dis­
nen, aber verantwortungsvollen terwegs bin, genieße ich die Natur oft Alpingeschichte stets eine zentrale ­hinauf und auf der Normalroute hinab. Hand. Mein herzlicher Dank gilt allen ziplinen hat bereits eine große Bedeu­
Beruf. fotografierend oder einfach nur stau­ Rolle gespielt. Auch stand Südtirol Nun meinten wir den Schlüssel für die Kollegen, die mitgemacht haben. tung, wird aber noch viel wichtiger
nend. Ich erfahre so starke Empfindun­ z. B. Pate im Aufbau des Bergführer­ Achttausender in der Tasche zu haben, werden. Unsere Körper werden ver­
Was macht einen guten Berg­ gen, die ich schwer beschreiben kann. verbandes in Slowenien. Außerdem ist scheiterten dann aber an der Lhotse-­ Wie siehst du die Zukunft für den mehrt motorisch-technische Abläufe
führer aus? die Entwicklung des Tourismus ganz Südwand. Zusammen mit Polen miss­ Bergführerberuf? lernen wollen, um so jedes Berg- und
Als Bergführer gilt es, sich in die Ver­ Bergführer haben einen extrem eng mit dem Alpinismus verknüpft. lang mir auch die Winterbesteigung Großartig. Dass sich die Welt durch Naturerlebnis nochmals steigern zu
fassung des Gastes einzufühlen und ­gefährlichen Beruf und sind Mein Ziel ist es, das Berufsbild des des Nanga Parbat. 1988 gelang mir die die Pandemie verändert hat, liegt auf können. Was jedoch die geteilte men­
ihm einen schönen Tag in der Natur zu ­täglich Gefahren wie Steinschlag, Bergführers verstärkt in der Gesell­ zweite Besteigung der Südwand am der Hand. Der Trend zurück zur Natur tale Kraft einer Seilschaft anbelangt,
bieten. Dabei bedarf es einer Kombi­ Gewitter oder Lawinen ausgesetzt. schaft zu etablieren. Uli Biaho Tower (6.109 m) im Karakorum hat begonnen. Wir haben erkannt, werden die Bergführer in Zukunft
nation aus Körper und Psyche, damit Wie gehst du damit um? in Pakistan. Als Bergführer unternahm dass am Ende die Natur das Wichtigs­ höchstwahrscheinlich einen nennens­
es für ihn ein schönes Erlebnis wird, ich In der nationalen Auflistung des Ge­ Ging mit dem Bergführerberuf ich auch Trekkings, so zum Basecamp te ist, was wir haben. Egal, wie techno­ wert größeren Anteil als früher über­
die individuellen Möglichkeiten aus fahrenpotenzials für Berufe ist der für dich ein Kindheitstraum in des K2. logisch wir daheim ausgerüstet sind, nehmen müssen. Was die Nachfrage
der Person herauskitzeln kann und Bergführerberuf nur im mittleren ­Erfüllung? am Ende wollen wir alle raus in die Na­ für unseren Beruf anbelangt, da schaut
nicht über deren Grenze gehe. Die ­Risikobereich eingestuft. Das trifft in­ Nicht unbedingt. Durch den elterli­ Wie geht Bergführen in Zeiten tur. Das ist unsere Natur. Die Fan-Ge­ es nicht so schlecht aus. Eine junge, in­
­Intensität des Bergtages hängt nicht sofern zu, als sich die Gefahr immer chen Süßwarenbetrieb war es nahezu von Corona? meinde der Berg- und Naturliebhaber telligente, gebildete und gut trainierte
von der Schwierigkeit einer Tour ab, gut abschätzen lässt, wenn man in der vorgegeben, mich als Konditor aus­ Wenn wir alle – und dies gilt nicht nur ist das vergangene Jahr enorm gestie­ Generation steht in den Startlöchern.
sondern von der Balance der körper­ jeweiligen Situation mit Vernunft und bilden zu lassen. Den Zugang zur für meinen Beruf – mit Disziplin und gen. Dies wird sich unweigerlich auch Willkommen in der Ausbildung!
lichen und geistigen Empfindung. Die Kontrolle vorgeht. Ein Restrisiko ist ­Natur jedoch fand ich schon als Bub, Respekt die Vorsichtsmaßnahmen ein­ auf unseren Beruf auswirken, jetzt und Ingrid Beikircher

28 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 29


Führen am Berg

Von der Leidenschaft Spezialisierung in der ­ nden, in den Ural oder die Rocky
A
­Spezialisierung Mountains.
für die Berge und Mit dem sich grundlegend ändernden Diese globale Ausrichtung rüttelt
der Verlässlichkeit Markt haben sich auch die Bergführer auch an eingefahrenen Vorstellungen
­einer Seilschaft gewandelt. So ist der Beruf heute – des Berufs: „Wir haben immer noch

Bergführer?
wie so viele andere – vielschichtiger, die Struktur mit den Hochsaisonen im
heikler, anspruchsvoller und differen­ Kopf, aber in der Realität gibt es das
zierter, als er es im 19. und 20. Jahrhun­ für viele Bergführer gar nicht mehr“,

Was ist das denn?


dert war. Und so gibt es den Bergfüh­ sagt Erwin Steiner. „Für mich zum Bei­
Im Blick zurück in die Geschichte rer heute nicht mehr, es gibt vielmehr spiel ist der August gar nicht mehr so
zeigt sich: Südtirols Bergführer zig Spielarten des Berufs. Die augen­ wichtig, dafür geht es Ende Oktober,
­stehen heute gefestigter da als je scheinlichste Unterscheidung ist jene Anfang November rund.“ Nicht jeder
zuvor. Aber wer sind Südtirols zwischen haupt- und nebenberuflichen aber kann oder will es sich leisten,
­Bergführer? Gibt’s den Bergführer Führern. Dazu kommen aber auch ganz wochen­lang von zu Hause weg zu sein,
überhaupt? Und was macht diesen eigene Modelle, nach denen geführt weshalb es auch andere, berufsfernere
so außergewöhnlichen Beruf wird. Das von den Bergführern selbst Möglichkeiten gibt, als Bergführer in
­eigentlich aus? oft gern „Suldner Modell“ genannte der toten Zeit über die Runden zu
ist auf ein bekanntes Ziel fokussiert – kommen: mit dem Einrichten und

R
echtlich stehen die Bergführer im Suldner Fall auf den Ortler, im ­Sanieren von Klettersteigen, mit
heute auf stabilen Beinen, insti­ Hochpusterer Fall auf die Drei Zinnen. Höhen­arbeiten, Baumschnitten oder
tutionell werden sie durch ihre Was sich ändert, ist also weniger die Fels­sicherungsarbeiten. „Man muss“,
Berufskammer vertreten, für die Wei­ Umgebung, als vielmehr der Gast. Ein sagt Hanspeter Eisendle zu den vielen
terentwicklung des Berufs haben sie solches Tagesgast-Modell funktioniert Seiten des Berufs, „in der Spezialisie­
im Verband eine effiziente Struktur nur, wenn man einen berühmten Berg rung noch einmal seine eigene Spezia­
und mit der Alpinschule auch wirt­ vor der Haustür hat, deshalb gibt es lisierung finden, das, was man gern
Auch in der Comici-Führe in guten Händen:
schaftlich ein Modell geschaffen, das am gegenüberliegenden Ende der macht. Darin wird man auch erfolg­ Das Habitat der Bergführer ist und bleibt
trägt und die Lasten auf viele Schul­ Skala ein Modell, das ganz auf Stamm­ reich sein“. die Wildnis
tern verteilt. All dies fällt altgedienten gäste setzt und darauf, ein persön­ Foto: Marcello Cominetti

Führern allerdings nicht als Erstes ein, liches Verhältnis, ja Nähe zu den Kun­ Die Wildnis erhalten
wenn man sie danach fragt, was denn den aufzubauen. Einer großen Herausforderung sehen
heute anders sei im Vergleich zu frü­ Die Unterscheidung zwischen Ta­ sich die Bergführer indes gegenüber.
her. Die einhellige Antwort ist dann ges- und Stammgast-Modell zeigt Auf Dauer können sie nur überleben, schon vielen und immer mehr werden­
vielmehr: „Wir arbeiten mehr.“ auch: Die Bühne, auf der sich der Berg­ wenn auch die Wildnis überlebt, der den Menschen, die die Natur suchen,
Hinter dieser lapidaren Feststellung führerberuf abspielt, kann mehr oder ungeregelte, vor allem aber ungesi­ die Einsamkeit, das Ausgesetzt-Sein,
stehen grundlegende gesellschaftliche weniger groß sein. So gibt es Führer, cherte Raum. Wo Touren bequem ein­ das unverfälschte, authentische Erleb­
Entwicklungen, die den Führern in die die lieber vor der eigenen Haustür füh­ gebohrt und Klettersteig-ähnlich ver­ nis. Das ist nur dort zu finden, wo der
Karten spielen. Da ist zum einen der – ren, und solche, die die ganze Welt zu sichert werden, braucht es den Führer Berg Berg sein darf: mit all seinen Her­
trotz der derzeitigen Krise – immer ihrem Einsatzgebiet gemacht haben. auf Dauer nicht mehr. Um den Ster­ ausforderungen und Unwägbarkeiten.
noch anhaltende Tourismusboom in Seit dem Olanger Hermann Tauber in zinger Bergführer-Doyen Hanspeter Wo er dagegen rundum abgesichert
Südtirol, zum anderen der Outdoor­ den 1980er-Jahren haben viele Süd­ ­Eisendle zu zitieren: „Wenn wir ernst wird, ist auch das Erlebnis nur noch ein
trend, der immer mehr Menschen in tiroler Bergführer die Welt entdeckt, nehmen, dass die Berge ein wilder Er­ eingeschränktes. Das Verbauen und
die Natur treibt. Dazu kommt das brei­ organisieren im Frühjahr, Herbst und fahrungs- und Rückzugsraum sind, Versichern der Berge läuft demnach
tere Angebot im Winter (Skitouren, Frühwinter Expeditionen, Trekkings, dann müssen wir sie so erhalten und nicht nur ethischen Prinzipien entge­
Schneeschuhwandern, Eisklettern) und Skitouren- oder Kletterreisen rund um nicht urbanisieren.“ gen, sondern auch dem gesellschaft­
nicht zuletzt die Tatsache, dass auch den Globus: in den Atlas oder den Das ist indes nicht nur für die Führer lichen Trend. Zudem bringt es nicht
Südtiroler immer mehr auf die Dienste Oman, in den Himalaja oder die zentral, sondern auch für die jetzt einmal das Ergebnis, das man sich zu­
der Bergführer zurückgreifen. „Früher allererst wünscht: mehr Sicherheit am
haben sich die Einheimischen fast ge­ Berg. Schließlich zieht ein Erlebnispark
schämt, mit einem Bergführer zu ge­ namens Berg mehr Menschen an, die
hen“, sagt dazu etwa Adam Holzknecht ihm nicht gewachsen sind.
von der Alpinschule Catores. Und „Ich empfinde es als Privileg, Menschen Das Zuhause des Bergführers ist der
­heute? „Es ist in, sicher in die Berge zu
gehen, und gehört zum Prestige, mit
auf Berge zu bringen, draußen zu sein und Berg in seiner Urform. Dort und nur
dort bleiben die Bergführer auch wei­
einem einheimischen Bergführer eine das zu tun, was wirklich Freude bereitet.“ terhin unentbehrlich und können ihr in
Tour unternommen zu haben“, so das mehr als 150 Jahren erkämpftes Terri­
Foto: Kurt Walde Führer-Urgestein Erich Gutgsell. Erwin Steiner torium verteidigen. „Überall dort, wo

30 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 31


Führen am Berg

Höchstmaß an Sicherheit in einer unbere­


es Risikofaktoren gibt, wo es Risiko­ chenbaren Welt: Die Grödner Führer ich ihm beim ersten Mal total fremd Dass sich diese Leidenschaft draußen
Im Verzeichnis der Landesberufs­
reduktionsmethoden braucht, um zu ­Battista und Germano Mussner sichern in bin“, so der Grödner Flavio Moroder. entfaltet, dass ihre Bühne die ungezü­
der Grohmannwand kammer der Südtiroler Berg- und
entscheiden, ob man geht oder nicht, „Ich mache einen Halbmast und sage: gelte Natur ist, trägt dabei viel zur Fas­ ­Skiführer sind 354 Mitglieder ein­
Foto: Sammlung Gregor Demetz
wird uns das gern überlassen“, sagt ,So, jetzt lehn dich hinaus!‘ Aber der zination der Führer bei. „Das Schönste getragen (Stand Jänner 2021).
der Präsident des Bergführerverban­ kennt mich ja nicht einmal; er weiß nur, an meinem Beruf ist zugleich auch das Unter den 230 aktiven sind:
des, Kurt Walde. „Das sind wir gewohnt wenn ich loslasse, stirbt er.“ am wenigsten Schöne: mein Büro“,
198 Berg- und Skiführer, davon 5 Frauen
und dafür sind wir auch ausgebildet.“ Können, Erfahrung, Sicherheit, Ein­ schmunzelt Bergführerpräsident Kurt
  11 Berg- und Skiführer-Anwärter
Dort, wo der Berg seinen Nimbus fühlungsvermögen: Alles, was ein Walde. „Wenn das Wetter nämlich
  21 Alt-Bergführer
behält, etwas Ernstes zu sein, werden ­guter Bergführer wissen und können schlecht ist, ist mein Büro an einem
Bergführer also auch künftig ge­ muss, kommt letztendlich dem Kunden Sch…-Ort.“
braucht. Geht die „Erschließung“ der zugute. Er ist der Kulminationspunkt,
Berge aber weiter, werden immer mehr der Hauptdarsteller der Tour und nicht Die Menschheit kennenlernen Menschen auf eine ganz natürliche
Touren zu Plaisirrouten aufgerüstet, der Führer. „Ein guter Bergführer muss Die Leidenschaft für die Berge und Art – „unverblümt“, wie der Sterzinger
bleibt mit dem Risiko das Abenteuer nicht sagen, was er kann“, sagt der die Natur ist zwar eng mit dem Berg­ sagt. „Man kann über die eigene
und mit den Regeln die Freiheit auf Grödner Adam Holzknecht lapidar, steigen verbunden, nicht zwangsläufig Tätig­keit die Menschheit kennenler­
der Strecke. Das Können des Berg­ „bei dem sieht man’s ja“. Ein guter aber mit dem Bergführen. „Wenn man nen.“ Nicht mehr und nicht weniger.
führers besteht also darin, ein Höchst­ Bergführer nimmt sich also zurück. sie nur für sich behalten will, wird man Bei aller Verantwortung, allem Un­
maß an Sicherheit in einer unsicheren, Oder in den zeitlosen Worten von besser nicht Bergführer“, sagt dazu bequemen, allem Unvorhersehbaren
unberechenbaren Welt zu bieten. ­Mario Senoner, seit mehr als einem Ausbildungsleiter Erwin Steiner. Damit und Gefährlichen: Bergführer zu wer­
Oder wie Hanspeter Eisendle sagt: halben Jahrhundert Bergführer: kommt ein dritter von allen Führern den, Bergführer zu sein, scheint noch
„Nur dort, wo es gefährlich und unbe­ „Ein guter Bergführer zeigt, wie gut genannter Aspekt ins Spiel: das Zwi­ immer mehr Berufung als Beruf zu
quem ist, können wir Lehrmeister der der Gast ist, und nicht, wie gut er schenmenschliche. „Alles wird da­ sein. „Ich empfinde es immer noch
einzigen Kunst sein, die in den Bergen ­selber ist.“ durch komplexer – und auch befrie­ als Privileg, Menschen auf Berge zu
zählt: mit den Mitgliedern unserer Seil­ digender“, erklärt Hubert Eisendle bringen, draußen zu sein und das zu
schaft zu überleben.“ Leidenschaft vermitteln aus Pflersch. tun, was wirklich Freude bereitet“, sagt
Auch wenn es – wie eingangs gesagt – Es ist also der enge Austausch mit dann auch Erwin Steiner. Und sein
Warum wird man Bergführer? den Bergführer heute nicht mehr gibt, Menschen, der das Führen im Kern Passeirer Kollege Michael Tschöll ist
Wer aber setzt sich freiwillig dem Un­ auch wenn jeder eine ganz eigene ausmacht. „Was mir Freude machen überzeugt: „Es gibt selten einen Beruf,
bequemen und Gefährlichen aus? Von Heran­gehensweise und der Bergfüh­ wird, ist, den Leuten etwas bieten, et­ von dem so viel Positives zurück­
Liebe, von Passion, von Leidenschaft rerberuf zahllose Facetten hat: Wenn was erzählen, etwas beibringen zu kommt.“
ist häufig die Rede, wenn man Berg­ man Bergführer fragt, was denn das können, also das, was man am liebsten J. Christian Rainer
führer fragt, warum sie diesen Beruf er­ Schönste an ihrem Beruf sei, fallen die tut, anderen zu übertragen“, prognos­ Quelle: siehe Buchtipp

griffen haben. Und fast ebenso häufig Antworten erstaunlich einheitlich aus. tiziert der Grödner Jungführer Aaron
ist die Rede davon, dass man das, was Sie drehen sich fast immer um drei Moroder. Es gehe darum, im Kunden
man am liebsten tut, in einen Brot­ Faktoren: die Leidenschaft, die Natur „die gleiche Begeisterung sehen zu
erwerb verwandelt habe. Nur das Dik­ und den Umgang mit Menschen. können wie bei mir selbst“. Diese
tum vom Hobby, das man zum Beruf Die Leidenschaft für den Berg und ­Begeisterung zu wecken und zu spü­
gemacht habe, lassen die meisten das eigene Tun an und auf ihm ist da­ ren, scheint der – neben dem finan­
­Führer nicht gelten. Bergsteigen und bei nicht bloße Rhetorik, sondern spür­ ziellen – eigentliche Lohn der Führer
Bergführen sind nun einmal nicht das­ bar. Das Schönste am Führen ist etwa zu sein. Oder in den Worten von Adam
selbe. Bei Ersterem trägt man nur Ver­ für Enrico Baccanti aus dem Gadertal, Holzknecht: „Wenn man eine schöne
antwortung für sich selbst und schei­ „das zu tun, was man am liebsten tut“. Tour führt, dann ist man der King.“
tert auch nur an den eigenen Grenzen. Und er ergänzt: „Das mag naiv klingen, Interessant ist, dass aus der Kombi­
Bei Letzterem liegt der Fokus auf dem ist aber wahr. Schließlich ist das ein Be­ nation von Leidenschaft, wilder Berg­
Gast „und auf den Möglichkeiten, die ruf, den man aus Leidenschaft macht.“ welt und dem Miteinander in der Seil­
er mir zur Verfügung stellt“, wie es Kurt schaft Nähe entsteht, auch wenn sich
Stauder aus Toblach formuliert. führer Ulli Kössler. „Das fängt schon erklärt Hubert Eisendle aus Pflersch.
Meister der Vertikale
Kunde und Führer vor der Tour nicht
Die Geschichte der

BUCHTIPP!
Klar ist: Ein guter Bergführer ist im­ beim Schritt an, den man seinem Gast „Er muss die Gäste gut einschätzen gekannt haben. „Ich habe gemerkt,
mer auch ein begeisterter Bergsteiger. anpassen muss. Man muss sich einfüh­ können und auch die Schneid haben „Ein guter Bergführer dass sich Menschen am Berg in einer
­Südtiroler Bergführer
Und diese Begeisterung gilt es, auf len können und nicht nur tun, was man zu sagen: Jetzt ist genug.“ Von der anderen Weise öffnen als im Tal“, resü­ v. J. Christian Rainer
den Gast zu übertragen. Dafür braucht gern tun würde.“ Auswahl der Tour bis zu einem eventu­ zeigt, wie gut der miert Kurt Stauder seine fast 30-jähri­ Hrsg: Verband d. Südtiroler
es in erster Linie Empathie, es braucht
Einfühlungsvermögen, aber auch eine
Sich einfühlen können. Das beginnt
schon lange vor dem Einstieg in die
ellen Umdrehen geht es also stets dar­
um, den Gast in den Mittelpunkt zu
Gast ist, und nicht, ge Karriere als Führer. Ähnlich sieht
das auch Hanspeter Eisendle, der noch
Berg- u. Skiführer
ca. 256 Seiten | Hardcover
Portion Bescheidenheit und Demut. Wand. „Ein guter Bergführer muss stellen, sein Vertrauen zu gewinnen – wie gut er selber ist.“ ein gutes Jahrzehnt mehr Erfahrung im ISBN 978 – 88-7283 – 364-1
„Als Bergführer muss man auf viel ver­ spüren, was die Leute wollen und brau­ oder besser: zu halten. „Ein Gast legt Beruf draufpackt. Als Bergführer erle­ Erscheint Ende März 2021
zichten“, sagt dazu der Meraner Berg­ chen, was sie für Bedürfnisse haben“, sein Leben in meine Hände, obwohl Mario Senoner be man die verschiedenen Arten von

32 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 33


Führen am Berg

Sonne, Meer und Klettern, wie hier


in ­Sardinien – so passt’s für Stephi!

ich, dass Frauen sich viel zu wenig zu­


trauen oder sich in gewissen Berufen
Männern gegenüber geringer ein­
schätzen. Frauen sollten mutiger sein
und Berufe wagen, die nicht in das üb­
liche Arbeitsbild passen. Wichtig ist,
dass der Job einen erfüllt und Spaß
macht. Mit mir unterwegs kann man
übrigens auch viel Spaß haben, lange
Gesichter mag ich nicht.

Aber Frauen sind kräftemäßig


­Männern unterlegen. Wie gehst
du damit um?
Indem ich überlegt agiere. Beim Ge­
hen am kurzen Seil z. B. kann ein Mann
unter Umständen die größere Kraft
aufbringen, einen Sturz zu halten, aber

Die Bergführerin
damit es nicht soweit kommt, sichere
ich auch an Stellen, wo Männer viel­
leicht frei gehen. Konditionell und Gibt es Vorbilder? Winter arbeitete ich bedeutend weni­
kletter­technisch sind Frauen aber nicht Ich bewundere total die Pioniere am ger als sonst. Zu beobachten ist, dass
Stephanie Marcher aus Uttenheim unterlegen. Natürlich muss ich meinen Berg, die mit ihren damaligen Aus­ wegen der geschlossenen Skipisten
Körper fit halten, aber das mach ich rüstungen grandiose Leistungen voll­ sehr viele Einheimische auf Skitouren
auch in meiner Freizeit sowieso. Mein brachten. Zudem waren früher auch umsteigen und Ausbildungskurse be­
Stephi führt am Normalweg zum Ortler
Stephanie Marcher (*1986) ist die Wie wurdest du von den Kollegen Fotos: Stephanie Marcher
größter Impuls ist, mich zu bewegen, Kartenmaterial, Wetterbericht, Ver­ suchen. Die Pandemie ist eine schlim­
dritte Frau, die in Südtirol die Berg- aufgenommen? ich bin schon ein bisschen ein Energie­ ständigungs- und Reisemöglichkeiten me Situation, aber jammern bringt
und Skiführer-Prüfung abgelegt Ich wurde genauso wie die Jungs be­ bündel und immer extrem motiviert. ganz andere, das kann man sich heute nichts. Ich finde Zufriedenheit in mei­
hat. Im Verband der Südtiroler handelt und bin sehr froh darüber. gar nicht mehr vorstellen. Gerne ver­ nem Leben. Ich habe meinen Traum­
Berg- und Skiführer sind derzeit ­Warum sollte ich eine Sonderbehand­ Was kann eine Frau in diesem Beruf Wolltest du immer schon Berg­ tiefe ich mich in Bücher der Alpin­ beruf gefunden, und wenn es damit so
fünf Frauen eingetragen, aber nicht lung erfahren, nur weil ich eine Frau besser als der Mann? führerin werden? geschichte und bin immer wieder faszi­ weitergeht und ich gesund und ver­
alle davon sind aktiv. bin? Es hätte mir nur zum Nachteil ge­ Ich kann mich gut in Menschen einfüh­ Nein. Ich wuchs mit drei Schwestern niert davon. letzungsfrei bleibe, bin ich meinem
reicht, denn schließlich muss ich als len, bin geduldig und mache alles mit auf einem Bauernhof in St. Jakob im Schutzengele ganz fest dankbar.
Stephi, die Bergführerin; wie fühlt Bergführerin die gleiche Arbeit ma­ Bedacht. Mich bringt nichts so schnell Ahrntal auf. Die Perspektive war, eine Was zählt zu deinen Highlights? Ingrid Beikircher
sich das an? chen wie die Jungs. Von den Ausbild­ aus der Fassung. Stress am Berg mag gute Arbeit zu finden, und ich arbeite­ Oh, da gibt es viel Schönes: mit mei­
Es geht mir prächtig, ich habe mein nern wurde ich nicht geschont und die ich überhaupt nicht. Als Bergführer te als Verkäuferin. Für mich war nicht nem Partner Diddi am Berg und im
Hobby zum Beruf gemacht und führe Kollegen haben mich voll akzeptiert. musst du die Psyche der Kunden ver­ der Job das Problem, sondern dass ich ­Leben – er ist übrigens auch Bergfüh­
seit 2017 hauptberuflich. Es war eine tolle Truppe. stehen können. Gerade Frauen sagen relativ wenig Freizeit hatte. Meinen rer – sowie mit meiner Familie und im
mir, dass es angenehm sei, mit mir zu ausgeprägten Bewegungsdrang ver­ Freundeskreis. Ein Highlight sind die
Wie war die Ausbildung? Und wie gehen neue Kunden auf gehen, da sie von einer Frau besser spürte ich schon früh. Später arbeitete Ahrntaler Berge, die Dolomiten, und
Die Bergführerausbildung in Südtirol dich zu? „verstanden“ würden. Allgemein finde ich in Industriebetrieben, wo ich mir generell ist jeder Berg auf seine Weise
ist sehr anspruchsvoll und sehr gut. Diese Frage musste kommen. (lacht) die Freizeit gut einteilen konnte. In interessant. Mit einer Freundin war ich
Sie überhaupt zu probieren, dazu hat Es macht mir nichts aus, wenn mich ­dieser Zeit begann ich die Bergführer­ zum Klettern auch mal in Yosemite und
mich mein Freundeskreis gedrängt, Kunden anfangs mustern, denn eine ausbildung. Nach geglückter Ab­ Utah, das war cool. Weiters bereitet
da ich doch recht beachtliche Touren Frau in diesem Job ist halt die Aus­ „Frauen sollten schlussprüfung stand für mich die mir Freude, wenn ich den Glanz in den
aufzuweisen hatte. Ohne mir viel dabei nahme. Ich bin ein sehr offener Typ, große Entscheidung an, ob ich mich Augen meiner Kunden sehe, wenn wir
zu denken, machte ich die Aufnahme­ gehe auf die Menschen zu und hatte mehr Mut haben ganz dem Bergführen widmen solle. gemeinsam schöne Ziele erreichen.
prüfung. So wirklich glaubte ich an­
fangs nicht, die Ausbildung zu schaf­
bisher noch nie Probleme. Dass meine
Arbeit geschätzt wird, bestätigen mir
das zu tun, was man „Wann, wenn nicht jetzt?“, sagte ich
mir, „wenn du etwas Neues wagen Wie siehst du die Zukunft?
fen, sie war nämlich schon eine große die Stammkunden und die positiven ihnen nicht zutraut.“ willst, musst du es sofort tun!“ So ent­ Die letzten Jahre und auch im Sommer
Herausforderung für mich. Es klappte Feedbacks, das ist schon eine Genug­ schied ich mich für neue Wege und 2020 war viel zu tun. Aufgrund der
dann aber bestens. tuung. Stephanie Marcher habe es bis heute nicht bereut. Touris­mus­f laute durch Corona diesen

34 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 35


Führen am Berg

Weltoffenheit und Toleranz


Maßgeblich waren für mich jene Berg­
führer, die uns als Ausbildner bei den
Skitourenwochenkursen auf der AVS-­
Sesvennahütte unvergessliche Tage
beschert haben. Einer von ihnen, der
wenig Wert auf modischen Schnick-
Schnack legte und sonnengebleichte
Rucksäcke liebte, war ein lebendes
­Lexikon, und mit ihm am Gipfel zu ste­
hen und sein Bergwissen zu erfahren,
war ein Hochgenuss. Er hat in uns die
Neugierde nach der Ferne geweckt
und uns auf die Tücken der Lee-Hänge

Gut geführt
hingewiesen, da es gerade jene Wind­
schattenhänge sind, in denen sich die
tödlichen Fallen für Skibergsteiger ver­
stecken.
Über Vorbilder, Selbsterfahrung und Fremdorientierung Fotos: Kurt Walde Sein stockendes „Segg’s de Flanke? und ein anderer hatte bereits am nahe-Unglücke unserer Berg-­Profis. Es
Des isch a Lee-Hong“, begleitet mich El Capitan im Yosemite geklettert. waren keine Heldengeschichten, es
im Ohr heute noch auf jeder Skitour. Ein weiterer schwärmte vom Klettern waren Erfahrungsberichte über Freud
Es gibt Menschen, die das Leben lehrt und habe den Geschmack von trotzte unbeeindruckt auf seinem Weg Mit dabei waren auch die jungen in den Calanquen und von Skitouren und Leid, Erfolg und Scheitern, Demut
­eines jungen Menschen prägen. Magnesia und die Bodenhaftung der nach oben der Schwer­kraft. Auch bei Bergführer, die bereits weltweit unter­ in Korsika. und Lebensfreude. Ich profi­tiere heute
Für mich waren es Bergführer, die Klebefelle kennengelernt. Skitourenkursen und Weiterbildungen wegs waren. Einer, mit runder Intellek­ Am Abend lauschten wir den auf­ noch davon und bin euch unendlich
ich bei vielen AVS-Ausbildungs­ Bei Kursbeginn stellte uns ein weiß­ zeigte er mir, wie man richtig eine Spur tuellen-Brille, hatte bereits Erfahrun­ regenden Geschichten und Erlebnis­ dankbar dafür.
kursen kennenlernen durfte. Ihre bärtiger Mann, ein hauptamtlicher anlegt und dass die wahre Stärke am gen im Kanada-Pulver gesammelt sen über Selbsterfahrungen und Bei­ Peter Righi
Vorbildwirkung war nicht selten ­Mitarbeiter des AVS, mit ruhiger, groß­ Berg die Langsamkeit und zugleich der
ausschlaggebend für bestimmte väterlicher Stimme die Bergführer vor. rastlose Schritt ist.
Entscheidungen in meinem Leben Zu jedem der Gesellen mit braun­
und das Ziel, nicht ein exzellenter, gebranntem Gesicht verlor er einige Voraus, aber niemals der Erste sein

3hochk.de
sondern ein alter Bergsteiger zu Sätze über dessen Besonderheiten. Ich habe von den Bergführern gelernt,
werden. Die Bergführer trugen damals rote, mit dass sie vorausgehen und niemals
weißen Streifen durchzogene, meist mit Autoritätsdruck uns mit einer gu­

G
etrieben vom Drang nach Frei­ sonnengebleichte Pullover. Wir nah­ ten Portion Selbsterfahrung den Weg
heit hatte ich in jungen Jahren men Beziehung mit den Kursleitern zeigen. Eine Lebenserfahrung, die
das Glück, das Abenteuer in auf, die mit ihrer besonnenen Stimme, auch mein Berufsleben geprägt hat.
den Bergen kennenzulernen. Die Berg­ ihren selbstsicheren Bewegungen und Ich erinnere mich an einen smarten
landschaften waren für mich – und sind ihrer unerschütterlichen Art nach und Bergführer, einen erfinderischen
es heute noch – ein Ort, in denen mein nach unser Vertrauen gewonnen haben. MacGyver in Sachen Knotentechnik,
Geist bebt, meine Neugier und Fan­ der öfters in aller Herrgottsfrüh über
tasie das Grenzenlose sucht. Nie waren Langsam und stetig die Glanwell-Route auf die Santner­
es Komfortzonen, in denen die „Seele „Merkt euch: Es ist leicht, ein guter spitze stieg, abseilte und pünktlich zur
baumelt“, sondern eine Wildnis, die ­Alpinist zu werden, aber noch wichtiger Öffnungszeit in der Bergsportabtei­
meine Sinne fordert, sodass ich mich ist es, ein alter Bergsteiger zu ­werden“, lung seines Arbeitsgebers in Bozen
selbst dabei spüre. Nach der Lektüre sagte ein etwas kleinerer, muskulöser stand.
der B
­ ücher von Reinhard Karl (Erlebnis Blondschopf mit dicken Brillen. Sein Prägend war für mich auch ein älte­
Berg. Zeit zum Atmen) und Reinhold Pullover war nicht nur sonnengebleicht, rer Bergführer, ein Urgestein wie es im Villeroy & Boch

Messners „7. Grad“ lehnte ich Fremd­ sondern an einigen Stellen ziemlich Bilderbuch steht, der uns die Flora und
orientierung ab und suchte mich in abgewetzt und löchrig. Er kletterte in die Heilwirkung von Kräutern erklärt
der Selbsterfahrung. Ich wollte aber Zeitlupe, und wenn sich seine kräftige hat. Er brannte bei seinen Schilderun­
auch eine bessere alpine Ausbildung Hand wie eine Zange um den Griff gen vor Leidenschaft und schilderte
kennen­lernen und nutzte das Kurs­ klammerte, legte er ohne irgendwelche uns in bildhafter Sprache, in unver­
angebot des Alpenvereins Südtirol, Zweifel die Sohle seiner Kletterschuhe kennbarem Hochpusterer Dialekt, wie
der für mich bis dahin eher ein ver­
staubtes „Knicker­bocker-Image“
auf den richtigen Tritt. Unabgelenkt
hat er sich auf die paar Quadratmeter
Warzen und Ekzeme durch das Einwir­
ken von Tinkturen und Salben entfernt
Etwas Warmes braucht der Mensch. Und im Bad
etwas Schönes und Funktionales noch dazu.
Jetzt bei INNERHOFER erleben, worauf man sich,
FREU DICH AUF ...
­besaß. Ich wurde eines Besseren be­ Fels um sein Sichtfeld konzentriert und werden. wenn’s draußen hässlich ist, schön freuen kann.
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Führen am Berg

Blumen und Kräuter sind das gro-


ße Interessensgebiet von Mario
­L archer aus Sand in Taufers. Seit
rund 30 Jahren gibt Mario bei
Kräuter­wanderungen sein Wissen
weiter und seit 20 Jahren ist er als
Wanderleiter tätig. Er ist einer der
309 in Südtirol aktiven Wander­
leiter (Stand Jänner 2021).

Mario, wie läuft so ein Wandertag


mit dir ab?
Nach dem Treffen mit den Teilneh­
mern stelle ich mich und die geplante
Tour kurz vor. Ich kontrolliere, ob alle
die entsprechende Ausrüstung
dabeihaben und notfalls werden noch
schnell fehlende Sachen besorgt. Ist es oft schwierig, eine größere, lenkt sind und sich dadurch nicht voll­
Anschlie­ßend fahren oder gehen wir heterogene Gruppe beisammen­ kommen auf das Erlebnis einlassen
gemeinsam zum Ausgangspunkt der zuhalten? können. Das war früher ohne Handys
Wanderung. Die Höhenmeter der Ja, das ergibt sich allein dadurch, dass nicht so; ich thematisiere das während
angebo­tenen Wanderungen liegen Personen aus unterschiedlichen Kultu­ der Wanderungen auch und wir disku­
zwischen 800 und 1.000 Metern. Wäh­ ren teilnehmen und italienische sowie tieren darüber.
rend der Tour gebe ich den Personen deutsche Gäste aufeinandertreffen.
Einblicke in die Geologie, in die ver­ Treten Schwierigkeiten bei einzelnen Was geben dir persönlich diese
schiedenen Vegetationsstufen und in Personen auf, etwa dass ihnen die Touren mit Menschen, die du
die Alpenflora. Je nach Kondition der Kondition fehlt, ist die Gruppendyna­ ­vorher nie gesehen hast?
Teilnehmer machen wir Pausen, wo ich mik meist sehr hilfreich und so können Es ist für mich bereichernd zu sehen,
dann nochmals gezielter auf Fragen die Leute auch weiter motiviert wer­ wie sich die Leute bei den Wande­
Einzelner eingehen kann. Mit dem Er­ den. In jedem Fall braucht es ein gutes rungen entspannen und sich viele
reichen des Tourenziels gibt es eine Einfühlungsvermögen. Probleme, die ­Pro­bleme, die sie sonst im Alltag
längere Pause. In Almen oder den Hüt­ sich z. B. aus einem Wettersturz erge­ ­beschäftigen, relativieren.
ten kehre ich meistens am Rückweg ben könnten, versuche ich bereits in
ein, wo typische Gerichte unserer Ge­ der Planungsphase der Wanderung zu Deine Vorliebe sind Kräuter­
gend aufgetischt werden, bevor wir vermeiden. wanderungen …
dann zum Ausgangspunkt zurückkeh­ Ja, diese sind immer sehr gut besucht.
ren. So ein Wandertag dauert etwa Was hat sich in all den Jahren In den Saisonen vor Corona nahmen
8 – 9 Stunden. Kräuterwanderungen ­bezüglich der Teilnehmer geändert? 800 – 9 00 Personen pro Jahr daran teil,
hingegen dauern ca. 3 – 4 Stunden und Positiv ist, dass die Teilnehmer immer wobei 80 Prozent der Teilnehmer
sind wandertechnisch weniger an­ besser ausgerüstet und auch kondi­ ­Frauen sind. Männer gehen zunächst
spruchsvoll. Die Wanderungen stimme tionell sehr gut unterwegs sind. An meist nur als Begleiter ihrer Frau mit,
ich gerne auf die Jahreszeiten ab. meinen Wanderungen nehmen vor­ entwickeln aber im Laufe der Wande­
Wenn die Hauptvegetationszeit der wiegend Personen teil, denen die rung dann oft ein großes Interesse.
Flora abnimmt, verlagert sich der Umwelt­themen sehr am Herzen liegen, Das erkläre ich mir dadurch, dass die
Themen­schwerpunkt mehr in Richtung allein durch die Schwerpunkte, die Gesundheit der Familie geschichtlich
Entstehung der Landschaft bzw. meine Wanderungen haben. Daraus gesehen lange fast ausschließlich in
Kultur­landschaft oder auch in den ergeben sich oft recht interessante der Hand der Frau lag. Generell steigt

Der Blumenflüsterer
­Bereich der Südtiroler Geschichte. Gespräche, die auch für mich berei­ das Interesse für Kräuterkunde, und
Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer chernd sind. Speziell italienische Gäste bei vielen Teilnehmern sind gewisse
liegt bei 50 Jahren. interessieren sich, über das Wandern Grundkenntnisse häufig schon da.
hinaus, sehr für die Geschichte unseres
Wanderleiter Mario Larcher Landes. Verwendest du selbst auch
Schlehdorn (Prunus spinosa)
Allerdings kommt es immer wieder ­Heilkräuter?
Fotos: Margot Winkler; sie ist die Ehefrau von Mario Larcher, vor, dass Teilnehmer durch das Smart­ Ich verwende Kräuter für kleinere
begeisterte Fotografin, Mitglied der Vereinigung Strix
­Naturfotografen Südtirol und befasst sich vorwiegend mit
phone und die damit verbundene ­Wehwehchen, etwa einen harmlosen
­B lumen und Makrofotografie ständige Erreichbarkeit stark abge­ Schnupfen oder Husten. Mir ist aber

38 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 39


Führen am Berg

Mario, wie kam es eigentlich dazu, schließlich ehrenamtlich für den Alpen­
dass du Wanderleiter geworden verein Südtirol unterwegs, während
bist? Wanderleiter die Touren gegen Bezah­
Ausgehend von den Kräuterwanderun­ lung anbieten und in dieser Hinsicht
gen für den Sandner Tourismusverein, haupt- oder nebenberuflich arbeiten.
nahm ich 1998 die Gelegenheit wahr,
die Ausbildung zum Wanderführer Wie siehst du die Zukunft für
zu machen, die vom Alpenverein ­Wanderleiter?
­Südtirol angeboten wurde. Die Aus­ Im Allgemeinen sehe ich die Zukunft
bildner w
­ aren durchwegs sehr versiert, sehr gut. Allerdings fehlt momentan
allen voran der Bergführer Maurizio noch ein Ausbildungsteil, der für
Lutzenberger, der Meteorologe Karl Wander­leiter das Schneeschuhwan­
Gabl und der Naturkundler Peter dern ­abdeckt; in Tirol ist das z. B. be­
­Ortner. reits Standard. In Italien sind per
­Gesetz Schneeschuhwanderungen
Du bist selbst auch Ausbildner den Bergführern vorbehalten. Viel­
für Wanderführer. Erzähle in leicht könnte durch die Autonomie
­kurzen Worten, wie so eine ­unseres Landes eine Gesetzesände­
­Ausbildung ­abläuft … rung erreicht werden. Wo ein Wille,
Bei den Ausbildnern bin ich seit da auch ein Weg.
ca. 1999, da Peter Ortner aus zeitlichen
Gründen nicht mehr dabei sein konnte. Seit 1999 führst du auch Wande-
Der Ablauf ist folgender: Vormittags rungen im Naturpark Rieserferner
Arnika (Arnica montana)
zeige ich den Teilnehmenden bei einer Ahrn. Woran sind die Teilnehmer
kurzen Wanderung die wichtigsten ­interessiert?
Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
wichtig zu betonen, dass ich kein Me­ ­ homas Wilhalm vom Naturmuseum
T Pflanzengattungen und -arten, die in Die Teilnehmer zu den Naturpark­
diziner bin und ich immer davon Bozen. In dem Zusammenhang finden der Heilkunde sowie in der Küche ver­ wanderungen sind nicht ausschließlich
­absehe, den Teilnehmern Tipps für immer wieder Blumenwanderungen wendet werden. Zudem thematisiere an Kräutern usw. interessiert, sondern Die Almbewirtschaftung in Natur- den gerechten Preis für regionale und
ihre gesundheitlichen Beschwerden zu statt, und sofern es meine Zeit zulässt, ich die Verwendung dieser Pflanzen in ihr Interessensgebiet ist viel umfang­ parks hat sich verändert, die ethisch fair produzierte Lebensmittel
geben. Ich erzähle ausschließlich, wie nehme ich gerne daran teil. Auch dort der Volksheilkunde. Nachmittags fin­ reicher und umfasst z. B. Geologie, ­Biodiversität der Wiesen nimmt ab. zu bezahlen.
die Kräuter im Laufe der Geschichte entdecken wir immer wieder Pflanzen, det der theoretische Teil statt, bei dem ­Geschichte, Kultur. Viele Teilnehmer Wie siehst du diese Problematik?
bis heute Verwendung finden. Bei dar­ von denen wir vorher nicht wussten, diese Thematik vertieft wird. Dabei möchten aber vor allem unberührte Das ist leider eine sehr bedenkliche Was ist deine Meinung zum Thema
über hinausgehenden Fragen verweise dass sie in der bestimmten Gegend geht es auch um die Herstellung von Natur erleben, in die der Mensch noch Entwicklung und betrifft nicht nur die Wander-Hotspots, wo sich viele
ich auf Arzt oder Apotheker. Weiters vorkommen. Auf die Entdeckung einer Tinkturen und wie man Schnäpse aus nicht ein­gegriffen hat. Sie haben den Almen im Naturpark. Die intensive Menschen über die Wege laufen?
ist zu sagen, dass das Sammeln von bisher komplett unbekannten Pflan­ Kräutern und Wurzeln ansetzt. Wunsch nach Wildnis, in der sich die Landwirtschaft, so wie sie im Talboden Hotspots wie etwa den Pragser Wild­
Kräutern in der heutigen Zeit proble­ zen­art in unserem Tal hier warte ich Eine Definition möchte ich noch Natur unge­stört entfalten kann. Leider betrieben wird, überträgt sich auch see sehe ich als sehr problematisch.
matisch ist, da die Kräuter aufgrund aller­dings noch. präzisieren: Wanderführer sind aus­ kann das der Naturpark nicht bieten. auf höhere Gebiete. Das hat eine Ab­ Das beginnt schon bei den Staus an
der intensiven Landwirtschaft oft mit nahme der Biodiversität zur Folge. den Zufahrtsstraßen und überfüllten
Pestizid – und Herbizidrückständen Aus Magerwiesen mit ihrer großen Parkplätzen und endet mit der konti­
belastet sind. Zudem ist es nicht opti­ Arten­vielfalt entstehen Fettwiesen, in nuierlichen Reizüberflutung an solchen
mal, wenn zu viele Menschen Kräuter denen die Artenvielfalt um ein Viel­ Hotspots. Die Menschen interessieren
sammeln, da dies der Natur schadet. faches abnimmt. sich oft kaum mehr für den Ort, es
Deshalb ist es sinnvoller, direkt zu Früher verbrachte ein Teil der geht vielfach nur darum, dass man da
Kräuteranbauern zu gehen, deren Bauern­familie den Sommer auf der gewesen ist ist und schnell ein paar
­Produkte auf die Inhaltsstoffe geprüft Alm, heute wird die Alm meist vom ­Fotos macht. Die Landschaft wird für
sind. Hof aus bewirtschaftet. Da braucht die eigene Selbstdarstellung genutzt;
es selbstverständlich eine Zufahrt; sie wird sozusagen „konsumiert“.
Du hast einen besonderen Zugang aller­dings fördert diese ihrerseits
zu Blumen. Gibt es außergewöhn­ ­wieder die intensive Landwirtschaft. Siehst du dich irgendwo auch als
liche Entdeckungen? Insgesamt gesehen befindet sich Botschafter für den Naturschutz?
Ja. Hier im Ahrntal entdeckte ich den die kleinstrukturierte Berglandwirt­ Ich finde, dass wir alle auf unsere Art
Moorenzian, der bis dato in dieser schaft in einer Krise und es bräuchte und Weise Botschafter für den Natur­
­Gegend nicht bekannt war. Ich arbeite einen Paradigmenwechsel, z. B. mehr schutz sein können und sollen. Dafür
auch bei einem Flora-Arbeitskreis mit, Biolandwirtschaft. Es sollte generell muss jemand nicht unbedingt, so wie
der die Vegetation in Südtirol Rundblättriger Sonnentau ein Umdenken stattfinden, das heißt, ich, in den Bergen unterwegs sein.
(Drosera rotundifolia) Fettkraut (Pinguicula vulgaris)
­bestimmt; dessen treibende Kraft ist wir Konsumenten sollten bereit sein, Ingrid Beikircher

40 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 41


AVS-Aktuell

Das Günther-Messner-Hochferner-Biwak
im hintersten Pfitscher Tal
Foto: Siegfried Kofler

Die Durchsteigung der Hochferner-Eiswand


bleibt erfahrenen Kletterern vorbehalten
Foto: Siegfried Kofler

Ausgestattet ist das Biwak mit sechs


Matratzen-­Schlafplätzen, bei Bedarf kön­
nen drei zusätzliche Schlafpritschen
herunter­geklappt werden
Foto: Peter Payrer

ten. Um einen unnötigen Wartungs­ fünften Kehre folgen, von da aus be­
aufwand zu vermeiden sind die Gäste trägt die Aufstiegszeit noch rund eine
aufgefordert, das Biwak so zu hinter­ Stunde. Im Winter ist besonderes
lassen, wie sie es vorgefunden haben Augen­merk auf die aktuelle Lawinen­

Das Günther-Messner-­
und ihren Müll wieder mit ins Tal zu situation geboten.
nehmen. Martin Niedrist

Hochferner-Biwak
Der Normalweg zum Biwak
Ab Sterzing fährt man zunächst durch GÜNTHER-MESSNER-­
das gesamte Pfitscher Tals und zur HOCHFERNER-BIWAK, 2.510 M
dritten Kehre der Pfitscher-Joch-Straße,
dem eigentlichen Ausgangspunkt und
AVS Sterzing
Notunterkunft unter 1972 erbaut, 1999 durch Neubau nach dem am Nanga Parbat verschol­ ­Falle eines Schlechtwettereinbruchs. Parkplatz zur Hochfeilerhütte. Von
Website
­ersetzt lenen Günther Messner. Etwas oberhalb des Standortes wurde hier aus ist das Biwak in rund zwei
Eiswänden und Um den Begehern der Eiswände den An hochalpinen Strukturen nagt ein Hubschrauberlandeplatz für Stunden Fußmarsch durch das Ober­
www.alpenverein.it
Schlafplätze
­Ausgangspunkt für Zustieg zu erleichtern, wurde von der der Zahn der Zeit bekanntlich beson­ Rettungs­einsätzen eingerichtet. Die bergtal, ein idylllisches Seitental des 6 Notlager
Ambitionierte AVS-Sektion Sterzing die Idee verfolgt, ders stark, so dass es 1999 – nach Ausstattung des Biwaks ist gut durch­ Pfitscher Tales, erreichbar. Alternativ Anreise mit Bus und Bahn
in der Nähe des Wandeinstiegs eine 27 Jahren – notwendig wurde, das dacht, wenn auch etwas spartanisch kann man zunächst der Pfitscher-­Joch-­ Mit Bahn oder Linienbus nach Sterzing,
Die Spitze des Hochferner bildet Biwakschachtel zu errichten. Mit Unter­ Bauwerk zu ersetzen. Wiederum ent­ und natür­lich auf reine Selbstver­ Straße gleichmäßig ansteigend bis zur dann mit Linienbus ins Pfitscher Tal bis
mit ihren 3.470 m die dritthöchste stützung der Sektion Bozen, die finan­ schied man sich für die bewährte und sorgung ausgelegt. Insgesamt sind zur letzten Haltestelle (Angerhöfe), im
Erhebung der Zillertaler Alpen. Vom zielle Mittel zur Verfügung stellte, klassische Tonnen-Form. Das alte neun Schlafplätze vorhanden, sechs Sommer Shuttlebus Pfitscher Joch bis
Gipfel stürzen mit der Griesferner- konnte 1971 mit den Vorbereitungen ­Biwak wurde Reinhold Messner über­ Matratzen­lager und drei weitere Not­ zur 5. Kehre
HINWEIS ZU BIWAKS,
und Hochferner- Nordwand zwei und dem Bau der Fundamente begon­ lassen. Es war daraufhin lange Zeit plätze mittels Liegepritschen. Tisch Normalzustieg
WINTER­R ÄUMEN UND
beeindruckende und äußerst nen werden. Im Folgejahr wurden die in Sulden platziert, bis es 2019 für und Bank sowie Decken sind vorhan­ Von der 3. Kehre der Pfitscher-­Joch-­
SCHUTZRÄUMEN
schwierig zu begehende Eiswände Bauarbeiten unter Mithilfe der Sektion ein Südtiroler Kunstprojekt auf der den, Koch- oder Heizgelegenheit hin­ Straße in ca. 2 Std.
ab. Durch diese bis zu 70° steilen und des Bergrettungsdienstes Sterzing Biennale von ­Venedig Verwendung gegen nicht. Tourenmöglichkeiten
Hängegletscher führen klassische ­abgeschlossen. Am 17. Juni 1972 er­ fand. Die Wartung des Günther-Messner-­ Vom AVS betreute Biwaks, Winter­ Hochfeiler (3.509 m), Hochferner (3.470 m)
räume und Schutzräume bleiben aus Nachbarhütten
Eis- und Mixed-Touren. Nahe dem folgte die feierliche Einweihung, womit Hochferner-Biwaks erfolgt dankens­
Gründen der Sicherheit am Berg auch Pfitscher-Joch-Haus
Wandfuß der Hochferner-Nord- die Notunterkunft ihrer Bestimmung Zum Schutz für Bergsteiger werterweise durch den Bergrettungs­
in Corona-Zeiten unverschlossen, sind (2.276 m), Hochfeiler­
wand befindet sich, mit gelber übergeben wurde. Es war somit die Neben seiner Funktion als Ausgangs­ dienst Sterzing. Von Mai bis Oktober
jedoch ausschließlich dem alpinen hütte (2.715 m), Lands­huter-­
Signal­farbe weithin sichtbar, das erste Biwakschachtel, die im Alpen­ punkt für Steileistouren dient das steigen Mitglieder der Rettungsstelle
Notfall vorbehalten! Europa-Hütte (2.693 m)
Günther-Messner-Hochferner-­ verein Südtirol seit seinem Bestehen ­Biwak auch Wanderern im hintersten abwechselnd alle zwei W ­ ochen zum
Biwak (2.510 m). errichtet wurde. Benannt wurde sie Pfitscher Tal als Notunterkunft im ­Biwak auf und sehen nach dem Rech­

42 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 43


AVS-Aktuell

Kletter-
Big Illusion nachwuchs
Stefan Scarperi klettert 8c bloc in Aktion
AVS-Landeskaderathleten
bei den Jugendbewerben

Das gemeinsame Klettertraining


ist eine Bereicherung und willkom-
mene Abwechslung für die jugend­
STEFAN SCARPERIS lichen AVS-Landeskaderathleten
­SCHWIERIGSTE BOULDER im Lockdown und im Online-Schul­
alltag, wo soziale Kontakte und
­Bewegung Mangelware sind. Laut
Big Illusion, Trentino 8C
nationalem Dekret dürfen nämlich
Bügeleisen sit, Maltatal, Österreich 8C
Athleten mit „nationalem Interes- Die Covidauflagen werden auch bei
Black Eagle assis, Rocklands, Süd­ ­Trainings und Trials streng eingehalten.
afrika 8B+
se“ in Anwesenheit trainieren. Alle Athleten und Techniker müssen einen
Negativtest aufweisen und M-N-Schutz,
Anam Cara, Silvretta, Österreich 8B+ Abstand, Händewaschen werden befolgt.
Stefan Scarperi in Big Illusion Book Club, Rocklands, Südafrika 8B+ Trials – Sichtungstrainings
Foto: Alexandra Ladurner
Foto: Privat Die Einberufung der Jugend-National­
mannschaft im letzten September zum
ersten Sichtungstraining U16 im natio­ Engele (AVS Meran), Matilda Moar Wettbewerbe 2021
Ende Oktober vergangenen Jahres gung musst du eine Ferse sehr genau ten probiert habe. Die Erstbegehung nalen Kletterzentrum in Arco war ein (AVS Brixen), Lukas Pixner (AVS Passei­ Das vom Dezember 2020 verschobene
gelang Stefan Scarperi die Begehung setzen und ziehen, es muss einfach al­ zählt für mich persönlich sehr viel, auch kleiner Lichtblick. Wieder gemeinsam er); Jahrgang 2006: Elsa Giupponi (AVS Training der Jugendnationalmann­
eines sehr schwierigen Boulders mit les zusammenpassen. Für mich war es mehr als eine schnelle Wiederholung zu klettern und sich gegenseitig zu Meran), Leonie Hofer (AVS Passeier), schaft Boulder in Schio wurde im
15 Zügen im Klettergebiet von Val das schwierigste Boulderproblem, das eines bestehenden Boulders.“ messen, war für die 14-Jährigen eine Maximilian Hofer (ASV Gherdeina), ­Jänner 2021 nachgeholt. Elf AVS-Lan­
­Daone im Trentino. Er schaffte die ich geklettert bin und auch am längs­ Ulla Walder tolle Erfahrung und ein großer Moti­ ­Vanessa Kofler (AVS Passeier), Oliver deskaderathleten wurden dazu ein­
­Verbindung zweier bestehenden vations­anschub. Insgesamt nahmen Root (AVS Brixen); Jahrgang 2005: geladen. Mit Ende Jänner begannen
­Klassiker, des 8A+ L’avenir nous beim ersten nationalen Training acht Andreas Cagol (AVS St. Pauls), Hannes auch der Italiencup und die Jugend­

Daniel Springeth stellt sich vor


­re­serve rien de bon von Alessandro Südtiroler Landeskaderathleten der Grasl (AVS Passeier), Samuel Pernthaler bewerbe. In Mailand und Cuneo fan­
­Gandolfo und des 8A+ Big Bamboo. Jahrgänge 2005/2006 teil. Aufnahme­ (AVS Brixen). den je ein Speed- und ein Boulder­
Scarperis Ergebnis: Big Illusion 8c, kriterium war die Platzierung der wett­bewerb statt. In Brixen wurden die
der schwierigste Boulder im Val Ich bin gebürtig aus St. Pauls und jongliere beruflich sowie Jugend­italien­meisterschaft 2019 in Die Jugendnationalmannschaft Regionalmeisterschaften Boulder
­Daone und einer der wenigen 8c privat zwischen neuem Lebensstil, alten Bräuchen und anti­ ­einer der drei Disziplinen unter den Auch die älteren AVS-Jugendathleten, ­unter strengen Covidauflagen orga­
­Boulder in Italien. kem Wissen aus der Yoga-­Lehre. Seit dem Sommer 2020 besten zehn. die bereits in die Nationalmannschaft nisiert, um weiteren AVS-Landeskade­
Stefan spielt auf den Namen des arbeite ich als Landeskadertrainer an der Seite von An drei Tagen wurde in jeweils einer einberufen waren, hatten die Gelegen­ rathleten den Zugang zu den Italien­
Boulders an, wenn er meint, dass ihm ­Alexandra Ladurner und Ulla Walder in der AVS-Landes­ Disziplin eine Wettkampfsimulation heit, Ende August 2020 in Arco an cups zu ermöglichen.
zu Beginn des Probierens die Züge geschäftsstelle. Dank einer aktiven Familie bin ich sehr geklettert: Boulder, Lead, Speed. ­einem Trainingswochenende teilzu­ Auch der Juniorcup startet wieder.
­unmöglich erschienen. Als er die Route sportlich aufgewachsen und hatte bereits früh Zugang zu Ende Oktober kam es zu einem zwei­ nehmen und sich mit ihren Alters­ Im Kalender stehen Wettbewerbe in
nach dem Lockdown im September den unterschiedlichsten Outdoor Sport­arten. In meiner ten Sichtungstraining. Aufgrund der kollegen aus ganz Italien auszutauschen. Meran, Bruneck, Brixen, Arco und
letzten Jahres erneut versuchte, merk­ ­frühen Jugend war ich viel in die Aktivitäten des AVS invol­ Leistungen des ersten Trials wurden Dabei waren: Jonathan Pallhuber (AVS Mezzolombardo.
te er eine ansatzweise Besserung am viert und konnte dort erste Erfahrungen im Klettertraining die Athleten des Jahrgangs 2006 ein­ Bruneck; Jahrgang 2005), Evi Nieder­ Ulla Walder
Felsen. Die Züge schienen möglich. und den Wettkämpfen sammeln. Heute bin ich froh, dass berufen und neu dazu kamen die wolfsgruber (AVS Bruneck; Jg. 2004),
Im Oktober herrschten dann ideale ich selbst Athlet war und den Kletterern als Trainer mit 2007er. Neun Athleten durften für ihre Jonathan Kiem (AVS Meran; Jg. 2003) Der Landeskader wird gefördert von
Bedingungen. Zur gelungenen Bestei­ ­meinem Wissen zur Seite stehen kann. Als passionierter Südtiroler Vereine an den Start gehen. sowie Elisabeth Lardschneider (AVS ­Alperia und Salewa.
gung selbst sagt Stefan: „Um solche Kletterer und Yogi verbringe ich die Zeit am liebsten am Für die Trials U16 nahmen folgende Meran), Johannes Egger (AVS Brun­
Schwierigkeiten zu klettern, braucht es Fels oder auf der Matte. AVS Athleten teil: Jahrgang 2007: eck), 2001 Jana Messner (AVS Brixen);
Foto: Privat
auch das nötige Glück. Bei der Bestei­ Daniel Springeth ­Greta Burgmann (AVS Passeier), Fritz alle Jg. 2002.

44 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 45


AVS-Aktuell

­ n­gepasst werden. Beiträge von der


a
Hauptseite können automatisch über­
nommen werden und machen somit
eine selbständige Wartung und Aktua­
lisierung der sogenannten Microsites
möglich aber nicht zwingend not­
wendig.

Ausbildung im AVS
Die starre Seiteneinteilung war auf
der „alten“ Site stets ein Problem,
­viele Beiträge mussten doppelt ange­
legt werden. Ein flexibles Blogs­
system schafft da Abhilfe. Mit Kenn­ Kurse trotz Einschränkungen im schwierigen Corona-Jahr
zeichnungen und sogenannten Tags
können themenübergreifende Beiträ­
    Besonders erfolgreich waren die Online-­
ge zugeordnet werden. Wir stellten Im Vereinsjahr 2020 waren insge- • 14 Gruppenleiter für Bergsteigen & Lawinenvorträge „Sicher durch den
auch die Navigation um, reduzierten samt 112 AVS-Ausbildungskurse Klettersteige ­W inter“, an denen Tausende Teilnehmer
­digital teilgenommen haben
Modern und übersichtlich – Menüpunkte, um ein klares und leicht ­geplant. Aufgrund der Vorsichts- • 15 Jugendführer
so präsentiert sich die neue Website Fotos: AVS
verständliches Design zu erhalten, maßnahmen wegen Covid-19 konn- • 19 Übungsleiter für Sportklettern
Foto: AVS
das den User mit wenigen Klicks zum te das Programm nicht vollständig • 8 Routenbauer
gewünschten Inhalt bringt. ausgeführt werden, aber 58 Kurse

Willkommen beim
Die Vernetzung mit sozialen Medien mit 800 Teilnehmern fanden Lawinenvorträge
wie Facebook und Instagram muss immer­hin statt. Üblicherweise organisieren AVS-Sek­ und 1 ⁄ 3 schauten die Vorträge nach­
auch berücksichtigt werden und kann tionen und BRD-Rettungsstellen vor träglich an. Die Videos bleiben auf

­Alpenverein Südtirol B
aufgrund des neuen CMS mit viel we­ eim ersten Lockdown im Früh­ Ort Lawinenvorträge und Lawinen­ dem Youtube-Kanal das AVS zum
niger Aufwand bespielt werden. jahr 2020 wurden die Kurse übungen im Gelände. Aufgrund der Nachschauen online.
Die Positionierung und Auffindbar­ ­abgesagt, im Herbst boten wir Corona-Einschränkungen haben die Durch diese Online-Vortragsreihe
keit der Site bei Suchmaschinen wie Alternativen an. Das Basismodul Landesverbände von AVS, BRD, Lawi­ wurden 109,78 Fahrkilometer ver­
Die Berge online erleben Google ist für uns ebenso wichtig. Die „Orien­tierung, Tourenplanung & Wet­ nenwarndienst Südtirol und Südtiroler ursacht und 150.200 eingespart; dar­
Suchmaschinenoptimierung (SEO) wird terkunde“ wurde online abgehalten, Bergführerverband gemeinsam eine aus ergibt sich eine Kompensation
nun auch berücksichtigt und sorgt im an dem 70 Funktionäre aus den Sektio­ Online-Vortragsreihe „Sicher durch den von 2.170 kg CO2.
Der Zeit entsprechend und funk­ die Lupe genommen. Ziel war ein um­ Netz für ein besseres Ranking. nen und Ortsstellen teilnahmen. Die Winter“ organisiert. An den fünf Vor­ Ein erfreuliches Zeichen für den
tional – so soll sie sein, unser neuer fassendes Leistungsverzeichnis als Als dann im Dezember 2019 unsere Abendeinheit „Wetter“ ist ebenso Teil tragsabenden nahmen rund 6.000 Per­ AVS also, dass die Vortragsreihen so
Internetauftritt. 2021 geht ein Grundlage für eine Ausschreibung. Es sogenannte Wunschliste komplett war, des Basismoduls „Orientierung, Tou­ sonen teil, allein am 2. Vortragsabend gut angenommen werden. Weitere
­langes und intensives Projekt in stellte sich bald heraus, dass wir nicht veröffentlichten wir die Ausschreibung. renplanung & Wetterkunde“: Beispiels­ waren es 1.335. 1 ⁄ 3 der Teilnehmer ­Infos unter: http://alpenverein.it/
die nächste und wohl wichtigste nur auf einen einfachen Internetauftritt Wir schrieben ca. 15 Firmen an. Das weise reisten die Teilnehmer für diesen ­haben die Vorträge live über Zoom sicherunterwegs.
­Runde: Die neue Website des AVS zugingen, sondern dass wir eine um­ Rennen machte die Firma alpinonline zweistündigen Vortrag aus allen Lan­ ­gesehen, 1 ⁄ 3 live über Youtube-Stream Elmar Knoll
geht in wenigen Wochen online. fangreiche Website mit vielen unter­ von Riki Daurer, nicht zuletzt wegen desteilen in die Landesgeschäftsstelle
schiedlichen Anforderungen, sei es der alpinen Fachkenntnis. Die Firma nach Bozen. In Zukunft wird dieser Vor­

D
er Mitgliederbereich und die technisch, grafisch und v. a. inhaltlich Tuga aus Lana von Harald Gruber ist trag immer online angeboten. So spa­
Seiten der Sektionen und Orts­ vereinen möchten. weiterhin zuständig für AVS-Office und ren sich die Teilnehmer viel Zeit, Fahrki­
stellen sowie die Schnittstelle Wir wollen Unabhängigkeit, d. h. ein alle technischen Neuerungen, die die lometer und Ressourcen. Ein p ­ ositiver
zu unserem Verwaltungsprogramm neues CMS (Content Mangagement Schnittstelle zwischen dem vereins­ Aspekt also, der sich für den AVS aus
AVS-Office wurden überarbeitet und System), das Redakteuren die Arbeit eigenen Programm und der neuen dieser Pandemie ergibt.
sollen sich genau wie der Rest der Site erleichtert und nicht fortlaufend an ­Seite betreffen. Das AVS-Kursprogramm liegt nicht
funktional, flexibel und zeitgerecht technische Grenzen stößt, v. a. im Be­ Viele Arbeitsstunden der Haupt­ mehr in der Print-Ausgabe vor, son­
darstellen. reich Mitglieder- und Kursanmeldung. amt­lichen im AVS – zum größten Teil dern nur mehr online; siehe
Der Weg dahin ist wie bei vielen Zudem wird die neue Site mit allen in Heimarbeit – wurden investiert, um AVS-Homepage.
uns bekannten Bergtouren ein langer Endgeräten kompatibel sein, also auch das Projekt letztendlich als gelungen
und zum Teil auch ein mühsamer. Die auf Handys und Tablets richtig ange­ bezeichnen zu können. Neue Kräfte im Einsatz
erste Webseite wurde 1999 präsentiert zeigt. Das CMS muss aber auch für Wir alle, die auf Berge klettern, wis­ Trotz der schwierigen Situation im Jahr
und 2008 folgte der erste Relaunch; ­Redakteure in Sektionen und Orts­ sen: Es ist immer weiter, höher und 2020 konnten zahlreiche AVS-Funktio­
seither gab es keine größeren Ände­ stellen ohne umfangreiches techni­ schwieriger, als es aussieht. Aber mit nare eine Grundausbildung erfolgreich
rungen. 11 Jahre später begannen wir sches Wissen einfach zu bedienen Durchhaltevermögen, den besten Berg­ abschließen. So freuen wir uns über:
mit der Planung der anstehenden sein. Die Sektionsseiten gleichen im kameraden und einer guten Por­tion • 18 Gruppenleiter Schnee
Tour: 51.000 URLs, 11.000 Sites, 38.000 Design und der Funktion der Haupt­ Motivation ist jeder Gipfel möglich! • 6 Gruppenleiter Schneeschuh­
Bilder und 1.100 Dateien wurden unter seite, können jedoch individuell Miriam Federspiel wandern

46 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 47


AVS-Aktuell

KOMMENTAR Der Alpenverein im


­Archivkarton
Historische Dokumente des Referats Natur
und Umwelt sind nun geordnet Foto: Stephan Illmer

Im Jahr 2020 durfte ich vier Monate schreiben. Als ich anfragte, ob ich da­ Wertvolle Dokumente
im vermeintlich unaufgeregtesten für das Vereinsarchiv verwenden dürfe, In den Akten des Referates für Natur
Ort der Welt verbringen: im Archiv wurde ich prompt eingestellt, um das und Umwelt Akten finden wir Protokol­
des Alpenvereins Südtirol. Zwischen Archiv vorher aufzuräumen. Die ältes­ le von Ausschusssitzungen, Notizen,
stummen Regalen und grauen ten Akten des Vereins waren bereits Veranstaltungsflyer, Informations­

Bürokratie versus
Archiv­kartons machte ich mich archiviert, alles aus der Zeit nach dem material zu Themen, das von Gutach­
auf die Suche nach der bewegten Zweiten Weltkrieg war hingegen noch ten bis zu Broschüren reicht, verschie­
Beziehung zwischen Alpenverein ungeordnet. Passend zu meiner Mas­ dene Arten von Korrespondenz und

Ehrenamt
und Naturschutz. terarbeit bestand meine Aufgabe nun sogar die 4.800 Unterschriften zur
darin, die Akten, Dokumente und Ma­ Naturschutz­aktion des AVS zum Erhalt

I
n der Landesgeschäftsstelle des terialien des Referates für Natur und der Confinböden.
Alpen­vereins Südtirol in Bozen liegt Umwelt zu archivieren. Die Unterlagen bieten einen inter­
eine verborgene Schatzkammer: Während des Sommers verbrachte essanten Einblick in den Einsatz­
Erleichterung in der Vereinsführung das Archiv des AVS. Hier sind die Do­ ich meine Tage also im gekühlten Ar­ bereich des AVS für den Erhalt unserer
wird dringend gefordert Foto: Pixabay, Mariann Szöke
kumente aus der langen und beweg­ chiv, ordnete Dokumente und trug sie in Umwelt. Sie zeigen, welche Themen
ten Geschichte des Vereines verwahrt. die Datenbank des Historischen Alpen­ früher den Naturschutz bestimmten,
Allerdings ist ein Gutteil der Doku­ archivs ein. Dieses enthält die Archiv­ sowie Probleme, die heute noch
„Die Bürokratie ist mittlerweile einem Amt, das mit bezahlten Beam­ vor Ort. Von den Behörden wird das mente noch nicht in ein Archivsystem daten der drei Alpenvereine Deutsch­ ­aktuell sind. Die wertvollen Dokumen­
­leider in sehr vielen Bereichen ten besetzt ist und wo man anschaffen Gesetz zitiert, und dass ihnen die übertragen worden. Nun kam ich ins lands, Österreichs und Südtirols und ist te sind nun alle fein säuberlich archi­
untrag­bar geworden“, sagt Erwin und fordern kann. ­Hände gebunden seien. Wer macht Spiel: Ich wollte meine Masterarbeit im eine Fundgrube für jeden, der sich mit viert.
Altstätter, AVS-Ehrenmitglied, aber diesen unüberschaubaren Wust Fach Geschichte über die Umwelt­ der Geschichte der Alpenvereine, der Philipp Ferrara
langjähriger Erster Vorsitzender Vereine werden aufgeben müssen an Gesetzen? schutzaktivität des Alpenvereines Alpen und ihrer Erschließung befasst.
der Sektion Martell und langjähri- Wenn die Bürokratie die Vereine Jahr Wenn wir nicht wollen, dass das

5
ger Bürgermeister der Gemeinde für Jahr mit neuen Bestimmungen Ehren­amt den Bach hinuntergeht, und
­Martell. Ein Mann der klaren Worte, überhäuft und alles komplizierter und wenn wir weiterhin gemeinnützige
wie er in seinem Kommentar unüberschaubarer wird, bekommen ­kulturelle und soziale Vereine erhalten

Promille der Einkommenssteuer


wieder­g ibt. wir Probleme, in Zukunft überhaupt wollen, besteht dringender Hand­
Leute zu finden, die bereit sind, Ver­ lungsbedarf! Schönrederei vom Ab­

W
enn ich allein auf meine jahr­ antwortung über die Vereinsfunk­ bau der Bürokratie, wie sie das Wähler­
zehntelange ehrenamtliche
Tätigkeit im Alpenverein
tionen zu übernehmen. Die Konse­
quenz ist, dass die Tätigkeit auf ein
volk vor jeder Wahl zu hören bekommt,
ist zu wenig.
für die AVS-Sektionen
Südtirol zurückblicke, muss ich fest­ Mini­mum eingeschränkt oder ganz Erwin Altstätter
stellen, dass die Bürokratie nicht zu eingestellt wird. Viele Vereine wird es Wertes Mitglied, liebe Bergfreunde!
100 Prozent, sondern zu 500 Prozent dann in Südtirol nicht mehr geben.
zugenommen hat. Betrachten wir die Diese logische Folgerung muss den Wenn Sie demnächst als Einzelperson oder als Firmeninhaber Nicht zuletzt wollen wir ein ganzheitliches Naturverständnis
Bürokratie, die den Vereinen derzeit Führungskräften im Land ganz deut­ die Steuererklärung ausfüllen, dann haben Sie die Möglichkeit, fördern und als „Anwalt der Berge“ jene Lücken schließen,
auferlegt wird: Satzungsänderungen, lich aufgezeigt werden. 5 Promille der Einkommenssteuer für ehrenamtliche Organisa- welche der öffentliche Natur- und Umweltschutz offen lässt.
Buchhaltung, ­Bilanzen, Finanzen, Ab­ Wo sind unsere Politiker in Rom ge­ tionen zuzuweisen. Voraussetzung dafür ist allein Ihre Unterschrift
Zur Aufrechterhaltung unserer Leistungen sind wir zusehends
rechnungen, Veröffentlichungen usw. blieben und welchen Einsatz haben im hierfür vorgesehenen Feld der Steuererklärung, zusammen mit
auf Eigenmittel angewiesen. Mit den 5 Promille können Sie
Die Politiker sprechen immer salbungs­ sie gezeigt, wenn es um die Vereine der Angabe unserer Steuernummer 0037 047 0213.
unseren Sektionen Ihre indirekte Unterstützung gewähren. Dafür
voll vom Ehren­amt und dessen Werten. und um das Ehrenamt geht? Im Land­
Die Leistungen des AVS für die Gesellschaft sind vielseitig. bedanken wir uns im Voraus!
Was tun aber die Politiker und die lei­ haus werden für das Ehrenamt neue
Sie bestehen im Einsatz für unsere Infrastrukturen, die Wander-
tenden Beamten, außer die kleinen Ämter geschaffen und Leute einge­ Stellvertretend für unsere 35 Sektionen
Vereine beim Kragen zu nehmen und stellt. Diese beraten zwar, nehmen den wege, für Schutzhütten, Kletteranlagen und Klettergärten.
Georg Simeoni
die notwendige Lebensluft abzuschnü­ Vereinen aber keine Arbeit ab oder Das Tourenangebot unserer Sektionen und Ortsstellen ist umfang-
ren? So manche Herren in der obers­ helfen über Hürden hinweg. Diese Präsident
reich. Allein um dieses sicher und erlebnisreich zu gestalten,
ten Etage vergleichen einen Verein mit bleiben nach wie vor bei den Leuten benötigen wir eine Vielzahl gut ausgebildeter Führungskräfte.
Zu den Kernaufgaben des Alpenvereins zählt zudem der Einsatz für
48 Bergeerleben 01/21
eine attraktive Jugendfreizeit.
AVS-Aktuell

150 Jahre
Jugendskilager der AVS Sektion Meran auf
der Piffinger Alm
Fotos: AVS Sektion Meran

Im Gasthof Grafen von Meran fanden die

Alpenvereins-
Gründungsversammlung und die ersten
Treffen der Sektion Meran statt.

Sektion von Bozen bis Reschen mit allen Sei­


tentälern“. Zum Vergleich: Heute zählt

Meran
die Sektion Meran sechs Ortsstellen
in der Umgebung: Algund, Dorf Tirol,
Marling, Partschins, Schenna und Vöran.
1873 schlossen sich der Österreichi­
sche und der Deutsche Alpenverein
Kurzer Gang durch die zum Deutschen und Österreichischen
Alpenverein (D. u. ÖAV) zusammen.
Geschichte einer der Die Sektion Meran war also ab 1874
ältesten Sektionen in eine Sektion des D. u. ÖAV.

Südtirol
Die Alpenvereins-Sektion Meran
wurde am 2. November 1870 ge-
gründet. Das Jubiläum zum 150-jäh-
rigen Bestehen sollte 2020 mit
­einem Festakt begonnen werden,
auch waren für das Jubeljahr zahl-
reiche Veranstaltungen geplant.
Coronabedingt mussten nahezu
alle Vorhaben abgesagt werden.
Grund genug, für Bergeerleben
­Eckdaten der wechselvollen
­Geschichte einer der größten
­Sektionen unseres Vereins Revue
passieren zu lassen.
dung weiterhin mit großem Eifer, so der Gefertigte, alle Einheimischen und mäßigen Bedingungen offen.“ Bereits „Aquirierung eines größeren Lokals“; In den Folgejahren wuchs die Sek­
Die Gründung hoffte er zwar 1869, sein Vorhaben end­ Kurgäste zur Konstituierung der Sec­ beim Vorbereitungstreffen wurde als dieses wurde im Forsterbräu gefun­ tion ständig an und es wurden Wege
Die Ursprünge des Gründungsvorha­ lich in die Tat umsetzen zu können, aber tion Meran am Sonntag, 23. Oktober, Zweck des Vereins u. a. definiert: „Die den. zu den umliegenden Gipfeln befestigt.
bens gehen bereits auf das Jahr 1868 seine ganze Kraft galt in diesem Jahr 8 Uhr Abends in das Gasthaus zum Verbesserung der Gebirgswege für Dass auch Frauen ihr Interesse an Von Anbeginn verfolgte die Sektions­
zurück und sind dem unermüdlichen der Gründung des Deutschen Alpen­ Grafen von Meran einzuladen. Franz Touristen und Regelung des Führer­ Fragen des Alpinismus zeigten, war leitung auch das Ansinnen, Schutz­
Einsatz des Kuraten von Vent Franz vereins. So schrieb er in einem Brief Senn, Kurat in Vent.“ Bei diesem Tref­ wesens im Rayon des Vereins“ dem Berichterstatter der Meraner hütten zu errichten, damals noch im
Senn, dem Erschließer der Ötztaler vom 4. Dezember 1869 an einen Freund: fen hat es sich vermutlich um ein Vor­ ­Zeitung eine eigene Erwähnung wert. wahrsten Sinne des Wortes, um den
­Alpen, zu verdanken. Von der Grün­ „Nach Meran bin ich leider nicht ge­ bereitungstreffen für die tatsächliche Die ersten Jahre bis zum Ersten Er schreibt nämlich, dass an der Ver­ Bergbegeisterten Sicherheit zu bieten
dung selbst sind weder im Archiv der kommen, sonst würde dort, wo eine Gründung gehandelt, denn am 5. No­ Weltkrieg sammlung vom 22. Oktober „neben und längere Touren mit beschwer­
Sektion Meran noch in den Archiven Section schon lange vorbereitet ist, vember 1870 findet sich in der Meraner Die junge Sektion, die innerhalb kurzer 5 hohen Kurgästen auch 2 Damen teil­ lichen Anstiegen zu ermöglichen.
des Deutschen bzw. Österreichischen dasselbe geschehen sein.“ (Mit „das­ Zeitung folgende Nachricht: „Am 2. Zeit 36 Mitglieder zählte und bald die genommen haben“. Die junge Mera­
Alpenvereins Unterlagen vorhanden. selbe“ meinte er die Gründung der des Monats constituierte sich hier eine mitgliederstärkste ganz Tirols wurde, ner Sektion hatte also im 1. Vereinsjahr Die Zwischenkriegszeit
Wir sind daher auf Zeitungsmeldungen Sektion Innsbruck, die 1896 erfolgte). Section Meran des deutschen Alpen­ hatte ab 1870 in der Pension von Alois bereits eine rege Aktivität entwickelt. Durch die Annexion Südtirols an Italien
und auf spätere schriftliche Aussagen Wiederum verging fast ein Jahr, bis vereins. (…) In den Sectionsausschuss Holzeisen ein eigenes Lokal für Ver­ Mitgliederversammlungen wurden nach dem Ersten Weltkrieg mussten
von Zeitzeugen angewiesen. Einen ers­ Franz Senn endlich sein Ziel erreichte. wurden gewählt: Vorsteher Dr. L. Klein­ sammlungen und zur Aufbewahrung grundsätzlich jeden Monat abgehal­ die Südtiroler Sektionen ihre Zugehö­
ten Versuch startete Franz Senn An­ In ihrer Ausgabe vom 19. Oktober 1870 hans, Stadtphysikus; Stellvertreter: von Büchern, Mineralien, Pflanzen usw. ten, zu denen auch Kurgäste zugelas­ rigkeit zum Deutschen und Österrei­
fang November 1868, als er in Meran schreibt die Meraner Zeitung: „Dem ­Georg Götsch; Fr. Plant, Buchhändler, Da dieses Lokal bald zu klein war, sen waren: Man erhoffte sich dadurch chischen Alpenverein zwangsweise
weilte und erste Kontakte mit bergbe­ Wunsche vieler entsprechend, auch in Schriftführer; Johann Hechenberger, die Sektion zählte mittlerweile 40 Mit­ neue finanzkräftige Mitglieder. aufgeben. Um weiterbestehen zu kön­
geisterten Persönlichkeiten geknüpft Meran eine Section des deutschen Kassier. Der Beitritt steht Fremden und glieder, beschloss man bei der Ver­ Als Einzugsgebiet der Sektion defi­ nen, wurden die Südtiroler Sektionen
haben dürfte. Er verfolgte die Grün­ Alpen­vereins zu gründen, erlaubt sich Einheimischen unter den statuten­ sammlung am 22. Oktober 1871 die nierte man zu Beginn „das Etschthal zu selbständigen Alpenvereinen

50 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 51


AVS-Aktuell

Skitour der Jugendgruppe auf den Gemeinsame Skitouren zählten schon früh
­Mittager im Dezember 1958 Vereins­leitung von Helmuth Ellmen­ zum Vereinsgeschehen der Sektion Meran
Foto: Archiv Sektion Meran reich der Meraner Höhenweg eröffnet. Foto: Archiv Sektion Meran

Bis 1976 hatte der Verein seinen Sitz


im Gasthof Goldene Rose unter den
Lauben, wo auch jährlich der tradi­
neuen, südtirolweiten Alpinvereins hin­ tionelle Bergsteigerball abgehalten Fertig­stellung fiel mit dem Ableben
gewiesen und als Begründung dazu wurde. Von 1957 bis Ende der 1970er-­ Christomannos zusammen und so wur­
geschrieben: „Zusammenfassung der Jahre verfügte der Verein über eine de dieses im Rahmen der Eröffnung
noch lebenden Mitglieder des Deut­ „Kanzlei“ im ehemaligen Putzdurch­ nach ihm benannt. Mit der Auflösung
schen und Österreichischen Alpenver­ gang. des Vereins durch den Faschismus ging
eins, welcher ja Sektionen in Südtirol auch der gesamte Hüttenbesitz verlo­
mit zahlreichen Mitgliedern hatte, Sek­ Die Schutzhütten ren. Nach der Neugründung im Jahr
tionen, die 1923 aufgelöst und deren In der Festschrift zum 100-jährigen Be­ 1946 pachtete die Sektion Meran so­
­ mgebildet, die seitens der italieni­
u der Sektionen eingezogen und jede Besitz damals gewaltsam enteignet stehen der Sektion schrieb Hans Klotz gleich das Hochganghaus. 1967 konnte
schen Behörden die Vereinszulassung Vereinstätigkeit wie Versammlungen wurde“ 1970 über die Schutzhütten der Sek­ sie die Meraner Hütte auf Meran 2000
erhielten. Die Sektion Meran beschloss und Zusammenkünfte strengstens ver­ Die erste Südtiroler Sektion nach tion, dass die Vereinsführung schon eröffnen; diese wurde nach Hermann
im Juni 1920 die Änderung des Namens boten. Die Südtiroler AV-Mitglieder dem Krieg wurde am 9. Juli 1946 im bald nach ihrer Gründung erkannte, Gritsch benannt. Erwähnenswert ist
von „Sektion des D&ÖAV“ zu „Alpen­ wurden von der AV-Sektion Innsbruck Gasthof Rainer von 28 Meranern ge­ dass zur Förderung der alpinen Tätig­ auch die Biwakschachtel auf der Milch­
verein Meran“ sowie der Statuten, die übernommen. Der Alpenverein lebte gründet. Treibende Kraft waren Franz keit nicht nur die Schaffung der Wege seescharte, die 1974 vom Berg­rettungs­
mit Erlass des Generalvizekommissars in Südtirol ab jetzt in geheimer Form Huber, der im Laufe der Gründungs­ gehöre, sondern auch der Bau von dienst Meran errichtet wurde und von
von Meran am 13.6.1921 genehmigt weiter, sozusagen im Untergrund: versammlung zum Ersten Vorsitzenden Unter­standshütten. So wurden 1874 Beginn an von der Sektion gemeinsam
wurden. Man traf sich insgeheim, unternahm der neuen Sektion gewählt wurde, so­ die Hirzerhütte und 1875 die Laugen­ mit den Ortsstellen geführt wird.
Anlässlich der 50-Jahre-Jubiläums­ gemeinsame Wanderungen und hielt wie der spätere erste Landeshaupt­ hütte errichtet, 1877 folgten die Gfall­
feiern im Oktober 1920 sah man noch an den Grundsätzen und Idealen des mann von Südtirol Karl Erckert, der bei wandhütte im Bereich der Zielspitze Die Rockarena
voller Optimismus in die Zukunft. D. u. ÖAV fest. Die nun heimatlos ge­ der Gründungsversammlung den Vor­ und 1891 die Lodnerhütte. Ab 1891 Zentrales Tätigkeitsfeld der Sektion, Die Sektion heute
Dr. von Sölder schreibt in der Fest­ wordenen Alpenvereinsmitglieder ver­ sitz führte. Mit bewegenden Worten war Theodor Christomannos der Erste besonders für die Jugend, ist das Heute zählt die Sektion über 7.270 Mit­
schrift: „Der Aufschwung, den die Sek­ band weiterhin ein starkes Band der sprachen die beiden den Wunsch aus, Vorsitzende der Sektion; unter seiner Sportklettern und damit die Führung glieder, wobei die Hälfte davon in
tion im 50. Vereinsjahre genommen Freundschaft und Kameradschaft. Es „die neue Sektion möge dazu beitra­ ­Regie errichtete die Sektion Meran der vereinseigenen Kletterhalle Rock­ ­Meran ansässig ist und die andere
hat, ihre Wiedergeburt und die ju­ bildete sich eine verschworene Berg­ gen, die Bergbegeisterung und die am Pordoijoch ein Schutzhaus, die arena. Diese ist ein nicht mehr wegzu­ Hälfte in den sechs Ortsstellen Al­
gendlich frohe Überwindung der Läh­ steigergemeinschaft, aus der nach Liebe zur Heimat wieder aufleben zu denkender Pfeiler des Sport- und Frei­ gund, Partschins, Dorf Tirol, Schenna,
mungen der Kriegsjahre erlauben den dem Z ­ weiten Weltkrieg jene Männer lassen. Besonders der Jugend möge zeitangebots in Meran und im Bezirk. Marling und Vöran. Eine Vielzahl an
Blick frohgemut in die Zukunft zu len­ kamen, die mit der Gründung des AVS gezeigt und gelehrt werden, was Das große Interesse vonseiten der Gruppen bildet heute einen bunten
ken und ein neues Leben und Wirken ein neues Kapitel des alpinen Vereins­ ‚Bergsteiger sein‘ heißt und sein soll“. Kletterer hat dazu geführt, dass die Reigen, der nahezu alle alpinen Tätig­
des Meraner Alpenvereins zu erschau­ wesens in Südtirol aufschlugen. Die neugegründete Sektion entwi­ Kletterhalle seit der Eröffnung 1998 keitsfelder abdeckt: Hierzu zählen in
en, zu Nutz und Frommen des deut­ ckelte sich rasch in den verschiedens­ bereits zweimal qualitativ erweitert erster Linie die Familien- und Jugend­
schen Volkes und der deutschen Berge Die Neugründung nach dem ten Bereichen und war auch landesweit wurde (2007: Bau des zweiten Klet­ gruppe, die Seniorengruppe, aber
in unserer Heimat Tirol-“ ­Zweiten Weltkrieg immer wieder Fanal mit dem Beginn terturms, Erweiterung Boulderraum, auch eine Gruppe für „Wandern mit
Am Neuaufbau des Südtiroler Nach dem Einmarsch der deutschen neuer Tätigkeitsfelder. So wurde u. a. Errichtung Trainingsraum und 2015: Hunden“. Zentraler Bestandteil des
Alpen­vereins­wesens beteiligten sich Truppen im September 1943 hofften recht rasch die Jugendgruppe wieder­ ­Errichtung ­einer Outdoorwand mit Jahresprogramms sind die „Geh
hauptsächlich die drei großen Vereine die ehemaligen Mitglieder des gegründet und ihr Leiter Helmut Rueb genormter Speedroute für Wettkämp­ mit“-Wanderungen, ursprünglich als
Meran, Bozen und Brixen. Angeregt D. u. ÖAV, die unterbrochene Alpen­ mit dem Aufbau der AVS-Jugend lan­ fe). Beeinflusst durch die baulichen Gästetouren konzipiert, ist dieses An­
wurde die Bildung eines „Verbandes vereinstätigkeit offiziell wieder aufneh­ desweit betraut. Bereits 1947 mietete Maßnahmen, aber auch durch das gro­ gebot für viele alpinfitte Meraner fixer
der Südtiroler Alpenvereine“, wobei men zu können, was aber nur in be­ die Sektion Meran ein Winterquartier ße K­ ursangebot und die enge Zusam­ Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung.
man allerdings zweifelte, ob ein sol­ schränktem Maße erlaubt wurde. Erst im heutigen Gebiet von Meran 2000 menarbeit mit den Schulen, konnte Über die Wintermonate ist die Skitou­
cher Verband von der Behörde erlaubt nach dem Zweiten Weltkrieg, im De­ an. Ab 1956 war die Piffinger Alm die Anzahl der Eintritte stetig erhöht rengruppe aktiv, die auch mit ihren
würde, wie aus einem Schreiben des zember 1945, gab die Alliierte Militär­ Jugend­herberge für die den gesamten werden. Sehr erfolgreich ist auch mehrtägigen Aktionen immer wieder
AV-Bozen an den AV-Meran hervor­ regierung grünes Licht für die Grün­ Alpenverein bis zur Eröffnung der Me­ das Kletter­team der Rockarena. Die Skitourenbegeisterte neue Alpinregio­
geht. Der von Dr. von Sölder erhoffte dung des Alpen­vereins Südtirol, die raner Hütte 1970. Ebenfalls 1947 wurde Namen einiger Mitglieder unseres nen kennenlernen lässt. Weiterhin
Aufschwung des alpinen Vereins­ dann am 14. Juni 1946 in Bozen erfolg­ die Bergrettungsstelle von Meran aus Kletterteams finden sich mittlerweile ­aktiv ist auch die Hochtourengruppe.
wesens sollte sich nicht erfüllen. Die te. Initiatoren für die Gründung des der Taufe gehoben, 1961 die Hoch­ in den Siegerpositionen nationaler Seit 1976 hat die Sektion eine eigene
Situa­tion änderte sich radikal nach der AVS waren ehemalige Mitglieder der touristengruppe. Hervorzuheben ist und internationaler Bewerbe. Geschäftsstelle mit Vereinslokal im Ge­
Machtergreifung durch den Faschis­ D.-u.-ÖAV-Sektionen. Einer der Grün­ die Hindukusch-Expedition 1965 von bäude der Grundschule Franz Tappeiner
mus: 1923 wurden alle neu gegrün­ derväter des AVS war der spätere Erste Uli Kössler, Helmuth Larcher und in der Galileistraße in Meran.
deten Alpenvereine (Meran, Bozen, Vorsitzende der Sektion Meran, Franz ­Dieter Drescher, diese war die erste Thomas Greif
Die Hirzerhütte im Jahr 1932 (oben) und
Brixen usw.) durch die Faschisten auf­ ­Huber. Bereits im November 1945 Expedi­tion von Südtirolern überhaupt die Meraner Hütte (unten) Quellen u. a.: Festschrift 100 Jahre Alpenverein Meran, Berichte
gelöst, Schutzhütten und Eigentum ­hatte er auf die Notwendigkeit eines im H
­ imalaya. 1986 wurde unter der Foto: DuOeAV (oben), Roberto Iacono (unten) von Dr. Andreas Folie über den Alpenverein Meran

52 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 53


AVS-Aktuell

Brunecker auf der Marmolata 1956


schüchtern. Unter den Brüdern Josef

150 Jahre
Fotos: AVS Sektion Bruneck
und Max Hruschka fand sich eine akti­
ve Bergsteigergruppe in der „Brune­
cker Alpenfamilie“ zusammen. In die­

Alpenverein-­
einem Strohsack, Strohkopfpolster und ser Zeit und bis in die 1950er-Jahre
einer Decke für Führer oder Träger zu haben die Hruschkas den Alpinismus
errichten.“ So kann „das Schutzhaus im Pustertal geprägt und Bruneck zu

Sektion
nach jeder Richtung entsprechen und einer Bergsteigerstadt gemacht.
eine neue Zierde unseres mächtigen Dr. Josef Hruschka war es auch, unter
Vereins werden.“ Finanziert wurde der dessen Führung sich 1947 die Neu­

Bruneck
Bau zu einem großen Teil vom Central-­ gründung der Sektion Bruneck im
Ausschuss des Alpenvereins in Berlin, Alpen­verein Südtirol vollzog. Um über
auch wenn man dort die Notwendig­ das umfangreiche Wirken der Hrusch­
keit des Hüttenbaus nicht ganz einsah: kas zu erzählen bedürfte es allerdings
„Die Pusterthaler – und viele andere einer eigenen Rubrik.
Eine bewegte Erfolgsgeschichte Gebirgs-Sektionen – können aber
Das Brunecker Haus am Kronplatz

nicht leben, wenn sie nicht als Beweis Sektion und Ortsstellen
ihrer Thätigkeit mit den Fingern auf Die Neugründung der Sektion Bruneck
eine Hütte hinweisen können, die man 1947 brachte Aufbruchstimmung in die Die Hochtouristengruppe
von der Thalstation auch sehen kann.“ Bergsteigerkreise und mit ihr die Ein­ In den 1930er-Jahren gab es in Brun­
Am 12. August 1895 schließlich konnte satzfreude, in den Dörfern eigene eck eine überaus aktive Klettergilde
„das schöngelegene Haus zur Freude Ortsstellen zu gründen. So entstanden um die Brüder Hruschka und Feil, Hans
Aller eröffnet und dem Verkehre über­ in der Folgezeit neben der Ortsstelle Frisch, Pepi Corradini und andere. Aus
geben werden.“ Zu Ehren des tüchti­ Bruneck Stadt die Ortsstellen: Olang dieser Initialzündung entstand 1952
gen Sektionsleiters, beschloss man (1958 – 1983; ab dann selbständige die Hochtouristengruppe (HG) Brun­
1912 das Schutzhaus am Kronplatz von ­Sektion), Antholz (1959), St. Lorenzen eck. Mit 197 schwierigen Hochtouren
nun an Major-Platter-Haus zu benen­ (1968), Alta Badia (aufgelöst 1994), war die HG Bruneck 1954 beispielswei­
nen, eingebürgert hat sich dieser ­Mareo (1979), Wengen (1981) und Kiens se die weitaus aktivste HG des Landes.
Name jedoch nicht. (2010). Ab 2014 wurde die Ortsstelle Die Brüder Sepp und Konrad Renzler,
Fodom/Buchenstein (ursprünglich Hans und Ernst Steger, Hans und
Die Brunecker Alpenfamilie beim D. u. ÖAV) als Ortsstelle der Sek­ ­Herbert Pescoller sowie Walter
1923 traf die Sektion Bruneck mit der tion Bruneck geführt. 2016 aber traten ­Lehmann, Siegfried Hilber und weitere
Auflösung durch das faschistische Mareo, Fodom und Wengen als Ort­ herausragende Bergsteiger stießen zur
­Regime dasselbe Schicksal wie alle stellen aus und gründeten gemeinsam erlesenen G­ ilde hinzu, der auch Lina
­anderen Sektionen des Landes. In mit St. Martin in Thurn die eigene Sek­ Krapf als einzige Frau angehörte.
Bruneck ließ man sich aber nicht ein­ tion Ladinia. Die Namen Frisch, Corradini, Steger
Die Alpenverein-Sektion Bruneck erweckt. Eine große Aufbruchstim­ von St. Vigil aus propagierte. Ebenso oder Renzler sind durch ihre sensatio­
wurde im Jahre 1870 aus der Taufe mung ließ große Taten folgen wie die beteiligte sich die jüngst gegründete nellen Klettertouren und Erstbegehun­
gehoben. Eine Feier zum 150-Jahre-­ Wegebauten zur Großen Windschar, Sektion Bruneck des Österreichischen gen für immer in die Südtiroler Berg­
Jubiläum im Jahr 2020 kam wegen auf den Kronplatz, Peitler Kofel, Touristenklubs am Konkurrenzkampf welt gemeißelt.
der Pandemie leider nicht zustan- Rammel­stein, Sambock, auf die für einen Hüttenbau am Kronplatz­gipfel. Der später Hochtourengruppe be­
de. So wollen wir auf diesem Wege Eidechs­spitze und auf die Schwarze 1892 übernahm Mathias Platter, nannten HG trat in den 1980er-Jahren
einen kurzen Gang durch die Wand. Neben der Markierung von k. u. k. Hauptmann und späterer Major, ebenso Friedl Mutschlechner bei, ihm
Vereins­geschichte der Sektion ­Wegen übernahm die Sektion auch die Leitung der Sektion Bruneck mit gelangen zahlreiche Erst- und Allein­
Bruneck unternehmen. die Aufsicht und Betreuung der Berg­ mittlerweile 66 Mitgliedern. Platters begehungen in den Dolomiten und
führer und Träger in Bruneck. Einsatzfreude und Zielstrebigkeit ist es Westalpen sowie drei Achttausender

D
ie Sektion Bruneck im Deut­ zu verdanken, dass 1893 die Sektion im Himalaya. Allzufrüh verlor Friedl bei
schen Alpenverein wurde im Das Schutzhaus am Kronplatz Bruneck ein Grundstück am Kronplatz der Expedition zum Manaslu 1991
April 1870 mit 22 Mitgliedern In den 1890er-Jahren lag im Bau einer von der Gemeinde Reischach für den durch Blitzschlag sein Leben.
gegründet. Dem Ersten Vorsitzenden, Schutzhütte auf dem Kronplatz das Bau eines Schutzhauses erwerben Aus jüngster Zeit ragt der Extrem­
Herrn von Dalla Torre, sollte bis zur Hauptinteresse der Sektion Bruneck. konnte. Am 30. März 1894 stand be­ kletterer Simon Gietl aus der HG her­
Auflösung der Sektion nach drei Jah­ Das Vorhaben beanstandete die Sek­ reits der Rohbau und „der Sections-­ vor.
ren eine kurze Amtszeit beschieden tion Ladinia, welche eine bereits be­ Ausschuß hat beschlossen, in den drei
sein. Im Jahre 1880 haben 19 Mitglie­ stehende Hütte an der Südseite etwas Schlaf Räumen des 1. Stockes vorder­
der unter der Leitung von Dr. Hibler unterhalb des Kronplatzes und eine hand 13 komplette Betten aufzustellen
die Sektion wieder zu neuem Leben leichtere Erreichbarkeit des Gipfels und am Dachboden 4 Pritschen mit je Sektionsausflug nach Antholz

54 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 55


AVS-Aktuell

unter der Obmannschaft von Hermann Das Kletterzentrum Bruneck (1949 – 1952). Das Referat für Hütten
Lehmann. Sie ermöglichte es, als juridi­ Knapp 20 Jahre stand Georg Larcher hatte Hermann Lehmann von 1966 – 
sche Person stellvertretend für den der Sektion Bruneck vor. Er hat sich be­ 1971 und von 1985 – 1987 inne, das
Gesamtverein als Sachverwalterin der sonders für das aktuelle Vorzeigepro­ ­Referat Kommunikation Herbert
Liegenschaften aufzutreten. jekt der Sektion stark gemacht, näm­ Guggen­bichler (1973 – 1987) und das
Bei einer außerordentlichen Sek­ lich das Kletterzentrum Bruneck. Die Referat für Natur & Umwelt Edmund
tions­versammlung am 24. Februar 1962 Grundsteinlegung für den Bau ­erfolgte Gasteiger (1997 – 2002). Im Referat
wurde das Bauvorhaben für die Schutz­ 2013 und am 1. August 2015 wurde die Rechtswesen scheinen Walter L­ ehmann
hütte vorgestellt und am 4. Oktober neue Kletterhalle mit 2.500 m² Kletter- (1963 – 1966) und Ivo T
­ schurtschenthaler
1964 konnte im Zuge eines großarti­ und Boulderfläche eröffnet. Das als (seit 2015) auf. Als Rechnungsprüfer
gen Bergsteigerfestes das Brunecker „Gebirge hinter Glas“ konzipierte Ge­ sind Paul Andres (1979 – 2002), Othmar
Haus seiner Bestimmung übergeben bäude entspricht dem Südtiroler Stan­ v. Sternbach (1994 – 1997), Hermann
Vereinsausflug der Sektion Bruneck
werden. dard Klimahaus A und wird auch für Lehmann (1999 – 2012) angeführt und
Durch die Expansion des Skitouris­ den Schulsport genutzt; den Sektio­ als Archivar und Bibliothekar Herbert
mus am Kronplatz verlor das Brunecker nen Brixen und Bruneck ist die Füh­ Guggen­bichler (1985 – 1990). Beiräte für die Berge und den Verein nach­ DIE SEKTION IN ZAHLEN
Haus aber zusehends an alpiner Be­ rung der Kletterhalle übertragen wor­ der Landes­leitung waren Hans haltig zu begeistern. Viele der heute
deutung und wurde deshalb 1994 nach den. In diesem Zusammenhang sei ­Harrasser und Herbert Guggenbichler längst zu Erwachsenen gewordenen
Vorstände der Sektion Bruneck
30 Betriebsjahren veräußert. Aus ei­ auch die Gründung der Sportkletter­ (beide von 1964 – 1966). Vereinsmitglieder erinnern sich oft und
1870 Gründung der Sektion Bruneck im
nem Teil des Erlöses entstand 1997 bei gruppe der Sektion Bruneck im Jahre gerne an die von ihm und ­seinen enga­ Deutschen Alpenverein
Arco der AVS Zeltlagerplatz Laghel 2011 erwähnt, aus denen talentierte Herausragendes gierten Mithelfern alljährlich in den 1870 – 1873 H. v. Dalla Torre (bis zur Auf­
­sowie 2001 in Innervillgraten in Osttirol Athleten hervorgehen und von denen Wie kein anderer, hat Günther Adang Bergen organisierten Zelt­lagern oder lösung der Sektion)
eine Selbstversorgerhütte des Alpen­ einige bereits Erfolge im Nationalteam in seiner knapp 30-jährigen Amtszeit an die bereits Anfang der 1970er-Jahre 1880 – 1891 Dr. Hieronymus Hibler (1880
vereins Südtirol; es ist dies die einzige und beim Europacup aufzuweisen ha­ die Sektion Bruneck geprägt. Es ge­ von ihm geführten Ski- und Firngleiter­ Neugründung)
AVS-Hütte außerhalb Südtirols. Be­ ben. Weiters setzte sich Larcher in der lang ihm, vor allem die Jugend­lichen touren von der Drei­herren­spitze bis 1892 – 1912 Major Mathias Platter
Sektionstour 1955 auf den Sarlkofl
nannt ist das Bergheim nach dem Landesleitung für leichter sichtbare zum Montblanc. In all den Jahren 1912 – 1914 Rudolf Franzelin
Brunecker Extrembergsteiger Friedl Beschilderungsformen ein, doch trotz stand ihm auch seine Frau Herlinde Ab 1914 Franz Leiter Geschäftsführer
Mutschlechner. seiner Funktion als Vize­präsident im Hans Frisch bei der ersten Winterbestei­ Seyr mit unermüdlichem Einsatz zur der Sektion
AVS vermochte er nicht, sie als neues gung der Peitlerkofel-Nordwand 1955 Seite. Am 17.12.2001 fiel Günther 1923 Auflösung der Sektion durch das
Das Brunecker Haus Die Rieserfernerhütte Markierungskonzept durchzusetzen. Adang einem Lawinenunglück am faschistische Regime
In den Zeiten des faschistischen Regi­ Unter dem rührigen Vorsitzenden Merbjoch zum Opfer und hinterließ 1947 Neugründung der Sektion Bruneck
mes wurden 1921 die Schutzhütten ­Günther Adang entstand ein Aus­ Brunecker Vertreter in der AVS LL eine große Lücke in der Sektion. im Alpenverein Südtirol durch Dr. Josef
dem Alpenverein enteignet und in hänge­schild der Sektion Bruneck: die In der AVS-Landesleitung waren bzw. 1958 entstand eine eigene Jugend­ Hruschka
Zuge dessen das Kronplatzhaus dem Rieserfernerhütte am Gemsbichljoch sind zahlreiche Brunecker vertreten. gruppe der Sternsinger im AVS, wel­ 1948 – 1950 Franz Mair
Club Alpino Italiano (CAI) übertragen. (2798 m). Erbaut als Gemeinschaftspro­ Als Vizepräsident der Landesleitung che am ersten Adventsonntag von 1951 – 1952 Hermann Gasser
Anfang der 1960er-Jahre entstand un­ jekt der Sektionen Bozen und Bruneck fungierten: Paul Andres (1963 – 1972), Haus zu Haus ging und Geld für be­ 1953 – 1954 Hans Pescoller
1955 – 1959 Paul Andres
ter Brunecker Touristikern der Plan, auf ersetzte sie die 1903 durch den Deut­ Hermann Lehmann (1973 – 1997), dürftige Bergbauernfamilien sammel­
1960 Bernhard Feil
den Kronplatz eine „Schwebebahn“ schen und Österreichischen Alpenver­ ­O thmar v. Sternbach (1998 – 2016) und te.
1961 Paul Andres
zu errichten. Dieser zündende Gedan­ ein geschaffene Fürther Hütte, welche Georg Larcher (2016 – 2018); dritter Spenden gesammelt wurden eben­
1962 – 1970 Walter Lehmann
ke übertrug sich auf die AVS-Sektion in den Wirren der Kriege zerstört wor­ ­Vorsitzender war Josef Hruschka so für die Nepal- und Karakorumhilfe
1970 – 1997 Günter Adang
Bruneck, am Kronplatz eine sektionsei­ den war. Am 20. Juli 1980 wurde die oder für einheimische Familien, die
1997 – 2000 Othmar v. Sternbach
gene Schutzhütte zu bauen, einerseits, Rieserfernerhütte ihrer Bestimmung durch ein Unglück in Notlage gekom­ 2000  –  17.12.2001 Günther Adang (bis
um im Winter dem Skisport zu frönen übergeben und nach Hanns Forcher-­ men sind. zum tödlichen Unfall)
und andererseits, um mit dem erhoff­ Mayr benannt, dem Ersten AVS-Vor­ Günther Adang (l.) hat die Sektion Bruneck Ein Highlight in der Sektionsge­ 2002 – 21.07.2020 Georg Larcher
wie kein anderer geprägt
ten Touristenandrang im Sommer, die stand nach dem Zweiten Weltkrieg. Georg Larcher (r.) stand der Sektion knapp schichte war die Wanderausstellung Ab 28.07.2020 Martin Krautgasser
Vereinskasse zu füllen. Zur Finanzie­ Eingebürgert hat sich – wie beim Kron­ 20 Jahre vor „Berg Heil 1918 – 1945, welche von Juni
rung des Baus trugen neben Zuschüs­ platzhaus – die Personenbenennung bis Oktober 2013 auf Schloss Bruneck Ehrenmitglieder der Sektion Bruneck
sen der Region, der AVS-Hauptleitung, aber nicht, und die Hütte ist als AVS-­ gezeigt wurde. 1969: Max Hruschka
der DAV-Sektion Landau sowie Spen­ Rieserfernerhütte bekannt. Sie erhielt Und viele weitere Höhepunkte wer­ 1978: Lina Krapf
den, auch Anleihen der Mitglieder des auch das Umweltgütesiegel für Alpen­ den folgen. Die AVS-Sektion Bruneck 2008: Herlinde Adang
2011: Walter Lehmann und Hans
Hüttenbauausschusses bei, die mit vereinshütten. Hüttenwirt der ersten ist zwar 150 Jahre alt, der aktuelle Aus­
­Pescoller
­ihrem persönlichen Besitz bürgten. Stunde bis heute ist Gottfried Leitgeb schuss aber sprüht vor Einsatzfreude
In diesem Zusammenhang entstand, aus Antholz. Im Nahbereich der Hütte und Tatendrang. In diesem Sinne: Gra­ Ehrenmitglieder im AVS-Gesamt­verein
da dem Alpenverein keine Rechts­ entdeckte er in der Zeit von 1992–1994 tulation – und auf weitere 150 Jahre! 1994: Paul Andres
persön­lichkeit zustand, im Juni 1963 Gewebereste aus der Hallstattzeit, die Ingrid Beikircher 1998: Hermann Lehmann
die AVS Schutzhüttengenossen­ als Rieserfernerfund in die Archäolo­ Quellen: Chroniken u. Dokumente der Sektion Bruneck | 2017: Othmar v. Sternbach
schaft m.b.H. mit Sitz in Bruneck und giegeschichte eingegangen sind. Jubiläums­buch 150 Jahre Alpenverein Südtirol, 2019

56 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 57


Natur & Umwelt

Die Ortsstelle Aldein beteiligte sich an


der Aktion Saubere Berge – Sauberes Land se wurden in einem zusammenfassen­
im Jahr 1977 den Pressebericht veröffentlicht. Der
Fotos: Archiv AVS
CAI startet ebenfalls eine Säuberungs­
aktion am Sellajoch. Im gleichen Jahr
organisierten die AVS-Sektionen in
­Ulten die Aktion Sauberes Ultental,
damalige Umweltassessor Giorgio bei der Freiwillige aus verschiedenen
­Pasquali war ebenfalls anwesend. Sein Vereinen bereits vorher gemeldeten
Assessorat unterstützte den AVS auch Sperrmüll sammelten und für den Ab­
finanziell durch die Übernahme der transport aufbereiteten. Dabei ging es
Kosten von 3.151.650 Lire für den An­ auch um die Entsorgung alter Autos
kauf von Material wie Säcken, Hand­ (inklusive Motorenöl und Autobatte­
schuhen, 3.150 Plakaten und Hinweis­ rien) und sogar von zwei alten Bau­
tafeln für die erfolgte Säuberung. kränen. Entsprechend groß war die
Die Aktion erreichte eine große Betei­ gesammelte Menge: Das Alteisen wur­
ligung: 44 Sektionen und Ortsstellen de in 22 LKW-Fuhren abtransportiert.
mit 933 Personen beseitigten Müll Über 50 Personen waren im Einsatz,
auf 76 Gipfeln und Wegen. Dabei wur­ der harte Kern der Gruppe sogar vier
den 1.199 Säcke Müll eingesammelt. Tage lang.
Die Ortsstelle Neumarkt beispielswei­ Allen Müllsammel- und Säuberungs­

50 Jahre Referat
se säuberte den Gipfel des Weißhorns, aktionen ist eines gemeinsam: In der
die Schlanderser waren am ­Zermininger Bevölkerung, bei anderen Verbänden
unterwegs und die Sek­tion Laas befrei­ und bei den Gemeindeverwaltern fand

Natur & Umwelt


te die Gipfel Sauriaßl und Taitschroi man dafür oft Zustimmung. Gleichzei­
vom Müll. Die Naturschutzgruppe tig wurde so auch die Voraussetzung
­Bozen war zusammen mit der Sektion geschaffen, diese Institutionen für
Schlern und der Ortsstelle Tiers mit der ­andere Naturschutz-Themen zu sensi­
großräumigen Säuberungsaktion rund bilisieren.
Die Säuberung des im Volksmund Bundeltal
Müll sammeln als erste Hauptversammlung von 5. März 1977, es möglich ist, diese Berge vom Dreck um den Schlern medienwirksam in Er­ Judith Egger genannten Gebiets unterhalb der
dass das Ziel eine „schlagkräftige zu säubern, so hat der AVS sicherlich scheinung getreten. „Der Sinn jeder Laurinswand erbrachte u. a. 43 Säcke voller
landesweite Natur-
Quellen: Alpenverein Südtirol 1945 – 78 | Ein Bericht, Bozen 1979 |
Jahresbericht der Naturschutzgruppe Bozen, 1977 | Jubiläumsbuch Blechdosen. AVS-Ortsstelle Tiers, 1985
Organi­sation nach dem Vorbild der eine große Tat gesetzt. Aber wir wollen Gipfelsäuberung ist sicher auch, die 150 Jahre Alpenverein in Südtirol, 2019 | Protokolle des Natur-

schutzaktion AVS-Jugend“ sei. Verständlich, dass keine alpine Müllabfuhr sein, wir wollen Berglandschaft von Dosen, Flaschen, schutz-Referats Jahre 1977 u. 1989 | Protokolle der Jahresver-
sammlung der Naturschutzreferenten v. 19.3.99 u. 28.1.2000 | Pro-
neben der Aufbauarbeit nicht mehr nur ein Beispiel geben und sowohl im Scherben und Papier zu befreien.“ tokolle zur 36. HV 1977 u. 37. HV 1978

Das Referat für Natur & Umwelt, viel Zeit für ein umfangreiches Tätig­ Vereine als auch außerhalb für den
von dessen Gründung bis ins Jahr keitsprogramm zur Verfügung stand. ­Natur- und Umweltschutz werben.“ Großes Medienecho ­ nderen Art der Kommunikation:
a
2000 als Naturschutzreferat be- Von der Hauptleitung angeregt wurde Einen Nachbericht über den Erfolg Im Laufe des Aktionszeitraums wurden Müll.Berge, eine neue ­Ironie und Witz und auch eine Prise
zeichnet, hat seine Anfänge vor 50 daher die fleißige Beteiligung an der der Aktion lieferte der Naturschutz­ 27 Zeitungsartikel und Ankündigungen Selbst­kritik anstelle des erhobenen
Jahren, als Pater Viktor Welponer gemeinsamen Aktion Saubere Berge – referent bei der Hauptversammlung im alleine in der Tageszeitung Dolomiten Art der K
­ ommunikation Zeige­fingers. Daraus entstand das
vom damaligen Ersten Vorsitzen- Sauberes Land und an einem Landes­ Frühjahr 1978. Sinn und Zweck der ge­ veröffentlicht, dazu kamen verschiede­ zum Thema Müll Motto Müll [Punkt] Berge. Weniger
den Gert Mayer als Naturschutz­ treffen der Naturschutzreferenten zum meinsamen Aktion war es zum einen, ne Radio- und Fernsehberichte. Durch Müll, mehr Berge. Höhepunkt: die Aus­
referent in der Hauptleitung vor­ Zwecke der „demonstrativen Abgren­ allen (neuen) Naturschutzreferenten die spontan angebotene Mitarbeit Der Blick in die Vereinsgeschichte stellung „Neobiota. Artenvielfalt von
geschlagen wurde. Nach mehreren zung eines Biotops in Antholz“, Das eine erste Betätigungsmöglichkeit zu des Delfin-Sub-Clubs von Bozen wur­ zeigt, dass das Thema Müll immer wie­ Menschenhand“, die Müllsorten mit
Jahren des Aufbaus trat der AVS Motto Saubere Berge – Sauberes Land bieten, andererseits wollte man bei den außerdem der Durnholzer See, der und auch landesweit aufgegriffen neu eingewanderten fremden Lebe­
1977 mit der ersten landesweiten wurde von der AVS-Jugend unter Mitgliedern und Öffentlichkeit auf die der Antholzer See, der Mitterstielersee wurde. Verschiedene Schilder und wesen (= Neobiota) vergleicht und sie
Naturschutzaktion Saubere B ­ erge – Landes­jugendführer Luis Vonmetz vor­ Naturschutztätigkeit des AVS aufmerk­ und der Göllersee von Unrat gereinigt. Sensibilisierungsaktionen wurden mit nicht nur wissenschaftlich benennt,
Sauberes Land schlagartig als geschlagen und vom Gesamtverein sam machen. Drittens wollte man Rückblickend erkannte man, dass der­ unterstützt oder sogar initiiert. So wie sondern auch ihre typischen „Lebens­
Naturschutz­organisation an die übernommen. „konkrete, beispielhafte Taten setzen artige Aktionen durch die Zusammen­ sich die Art des gesammelten Mülls räume“ vorstellt. In sieben Jahren
Öffent­lichkeit. um zu zeigen, dass bei etwas gutem arbeit mehrerer Ortsstellen noch er­ im Laufe der Zeit geändert hat – von ­tourte die Wanderausstellung durch
Müllfreie Gipfel Willen unsere Bergwelt auch wieder folgreicher sein könnten. großen Mengen Sperrmüll oder gar verschiedene Besucher- und Bildungs­

D
as Naturschutzreferat hatte Die Sektionen und Ortsstellen waren sauber werden könnte“. ille­galen Müllablagerungen hin zu zentren in Südtirol, Deutschland und
sich zuvor mit der Ernennung aufgerufen, mindestens einen Berg­ Die Aufmerksamkeit der Öffentlich­ 10 Jahre später hauptsächlich kleineren Verpackungs­ Österreich – und erinnert alle Interes­
von Referenten in den Sektio­ gipfel in ihren Arbeitsgebieten vom keit erreichte man mehrfach. Bei der Etwas mehr als zehn Jahre später fand materialien – so hat sich auch die Kom­ sierten daran: Auch wir sind nicht
nen und Ortsstellen und der Bildung Müll zu befreien. Bei der Hauptver­ einleitenden Pressekonferenz Anfang 1989 eine Neuauflage von Saubere munikation zum Thema Müll und Müll­ vor dem sprichwörtlichen Dreck am
eines Ausschusses in der Hauptleitung sammlung im Frühjahr 1977 berichtete Juni stellen Pater Welponer und der Berge – Sauberes Land statt. 55 Grup­ vermeidung geändert. Das Referat für (Wander-)Stecken gefeit (wie folgender
eine Struktur gegeben. Naturschutz­ Welponer: „Bisher wurden erfreulicher­ Schriftführer der AVS-Hauptleitung pen haben mit „durchschnittlich guter Natur & Umwelt beschäftigt sich seit Beitrag des Ini­tiators von Müll.Berge
referent Welponer berichtete in der weise 89 Gipfel angemeldet, und wenn Dr. Fritz Schmidl die Aktion vor. Der Beteiligung mitgewirkt“. Die Ergebnis­ knapp zehn Jahren mit einer etwas beschreibt).

58 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 59


Natur & Umwelt

… hin zur künstlerischen Intervention heuti­


kommen ist, dem seien hier zwei Fall­ ger Tage mit dem Projekt Neobiota (2013)
beispiele – um nicht zu sagen: (Ab) unter völligem Verzicht auf Zeigefinger und
Rufezeichen
Fallbeispiele – vor Augen geführt
Foto: Stephan Illmer
(S. 60 unten und 61 oben). Sie zeigen
eindrücklich, dass letzten Endes auch
die Naturschutzbewegung im Zuge
­ihrer Sensibilisierungsarbeit nie voll­ Was muss man bei der Organisation
ständig vor dem sprichwörtlichen bedenken bzw. beachten?
Dreck am (Wander-)Stecken gefeit ist. Bei uns koordiniert die Gemeinde die
Und dass auch diejenigen, die – in Aktion. Das Müllsammeln muss nicht
­gutem Glauben freilich – die Tafeln, an einem einzigen Tag stattfinden.
die Postkarten, die Aufkleber ge­ Es gibt einen Plan mit Einteilung des
macht und platziert haben, Natur­ Dorfgebiets und mit der Zuweisung
nutzer und -verschmutzer sind; dass von Zonen oder Straßenzügen an die
also der Alpen­verein in puncto Um­ beteiligten Vereine. Wir vom AVS ha­
weltverschmutzung den Zeigefinger ben meistens einen Straßenzug über
zunächst immer auch auf sich selbst und säubern auch immer den Höllen­
richten darf. talbach mit seinen Böschungen. Die­
Stephan Illmer sen teilte man uns zu, weil wir vom AVS
Quelle: Jubiläumsbuch 150 Jahre Alpenverein in Südtirol, 2019 wohl geländegängig genug sind, um
an den Böschungen herumzukrabbeln. der Gemeinde als Dankeschön für un­ die Jugend zu viele Dinge wegwirft
Die Gärtner der Gemeinde stellen die sere Arbeit. In Tramin haben wir das und noch nicht genügend sensibilisiert
Die Ausstellung „Neobiota. Artenvielfalt Müllsammelaktionen Müllsäcke, Arbeitshandschuhe und Glück, dass wir viele Vereine haben, ist. Vielleicht müsste man das Thema
als Abfall am Boden landen. Wenn uns Klammern zum Aufsammeln des Mülls die mitmachen möchten. Deshalb sind noch intensiver über die Schulen ver­
von Menschenhand“ vergleicht Müllsorten
mit eingewanderten fremden Lebewesen also die „Werbemittel“ nicht in dem als Teil der Vereins­ zur Verfügung. Die Säcke werden an wir vom AVS auch meistens nur mit mitteln. Dennoch sehe ich diese Auf­
Foto: Philip Unterholzner
ihnen eigentlich zugedachten Status tätigkeit bestimmten Stellen an der Straße ge­ drei, vier Leuten dabei. gabe als einen wichtigen Teil unserer
begegnen, sprich: fein säuberlich an sammelt und dann von den Gemein­ Vereinstätigkeit. Es wäre viel zu tun,
eine Rastbank befestigt; in einem Post­ dearbeitern zur Entsorgung abtrans­ Jahr für Jahr aufs Neue Müll die Naturschutzarbeit sollte gleich
kartenhalter verstaut usw., sondern im Das Müllsammeln gehört in vielen portiert. Nach getaner Arbeit treffen ­einsammeln – verspürt man da wichtig sein wie die Organisation von
Müll-Berge … und wie man sie flach abgenutzten, vergilbten, zusammen­ AVS-Sektionen und -Ortsstellen zum wir uns am Festplatz zum geselligen nicht Frust? Veranstaltungen und Wanderungen.
zu halten versucht geknitterten, dreckigen Zustand – so­ fixen Tätigkeitsprogramm. Othmar Teil und zur Marende, spendiert von Man ärgert sich über bestimmte Din­ Judith Egger
Seit Jahrzehnten schreibt sich der zusagen in ihrer Lebensphase als Peer, seit 2006 Referent für Natur & ge: Jahr für Jahr finden wir im Bach­
Alpen­verein das Thema Müllvermei­ Müll – in Erscheinung treten. Wem der­ Umwelt der Ortsstelle Tramin, erzählt bett Verpackungsmaterialien von Sü­
dung – mal größer, mal kleiner – auf gleichen bislang noch nicht unterge­ uns, wie die Dorfreinigungsaktion in ßigkeiten oder Getränkedosen, also
Müllsammlungen heute: Manchmal findet MACHT MIT UND TEILT MIT
seine grüne Fahne und will seine Mit­ Tramin abläuft. man in unseren Bergen Kurioses Müll, der eher von Jüngeren produ­
UNS EURE (MÜLL-)BILDER
glieder und Nicht-Mitglieder für eine Foto: Stephan Illmer ziert wird. Ich habe das Gefühl, dass
müllfreie Bergwelt gewinnen. Seit wann gibt es die Müllsammel­
Ihr reinigt Wandersteige und Berg­
Um sein Hoheitsgebiet einigerma­ aktion in Tramin?
gipfel in eurem Einzugsgebiet vom
ßen sauber zu halten, bedient sich der Die Dorfreinigungsaktion gibt es nun
typi­schen (Gebirgs-)Müll. Schickt uns
AVS seit jeher vielfältiger Kommunika­ seit ca. 10 Jahren. Die Initiative ging
eure Bilder für die Veröffentlichung
tions- und Sensibilisierungsformen. damals von der Gemeinde aus. Die
in unseren Vereinsmedien: Teilt uns
So wird man etwa oben am Berg auf ­A ssessorin für Umwelt schrieb alle
dazu die Zahl der Helfer, die Örtlich­
Schritt und Tritt von Schildern oder ­Vereine und Interessensvertretungen keit(en) und die geleisteten Stunden
Aufklebern älteren wie neueren Da­ an. Der AVS ist seither jedes Jahr, un­ mit.
tums an die gängigen hygienischen gefähr Mitte März, bei der Aktion da­ Wir möchten darauf aufmerksam ma­
Pflichten erinnert – die man als pflicht­ bei. Viele andere Vereine beteiligen chen, dass – oft still und leise – viele
bewusster Mensch ohnehin kennt und sich abwechselnd, und auch die Ehrenamtliche mithelfen, unsere Berge
selbstverständlich auch einzuhalten Grund- und Mittelschüler machen mit. sauber zu halten. Als Dienst an der
weiß (nur die jeweils anderen bedauer­ ­Allgemeinheit, aber auch, weil sie
licherweise nicht …). ­#UnsereAlpen lieben und wollen, dass
die Berge #EinfachSchön bleiben.
Veränderung der Kommunikationsmittel im
Wenn die Mittel der Kritik selbst AVS als Zeugnisse ihrer Zeit. Von der alten
Wir wollen mit einem #Donkschian
zum Gegenstand der Kritik werden Gebotstafel mit den strengen Lettern: ­euren Bemühungen mehr Sichtbarkeit
Umso verstörender wirkt es dann, „Hier haben Bergsteiger den Dreck weg­ verleihen. Weitere Informationen dazu
geräumt. Lass auch du keine Abfälle zurück.
wenn die materiellen Träger dieser Halte die Berge sauber!“ (1977) findet ihr in Kürze auf der AVS-Website.
Botschaften am Ende ihrer Tage selbst Foto: Stephan Illmer

60 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 61


Natur & Umwelt

Die Blumenwiese in Gfrill weist bereits


jetzt eine hohe Artenvielfalt auf Wiese von den Vereinsmitgliedern ge­
Foto: Georg Niedrist mäht und das Mähgut entfernt. Von
den Bodeneigenschaften her ist die
Das Gelände der Wiese wird mit
­vereinten Kräften eingezäunt Fläche ideal für die Ansiedlung sehr
Foto: AVS Lana schöner Blumen wie Türkenbund und
Feuerlilie, die hier ursprünglich vor­
kamen. Künftig möchte man mit klei­
nen Informationstafeln auf die ver­
meter große ein­gezäunte Wiese wie­ schiedenen Blumenarten aufmerksam
der in eine Magerwiese mit hoher machen.
Arten­vielfalt umzuwandeln und zu pfle­ „Leider hat uns auch bei der Aktion
gen. Man will damit ein Zeichen für den Blumenwiese Corona einen Strich
Erhalt der Artenvielfalt setzen und ei­
nen Beitrag zum Naturschutz leisten.
Die Wiese am Raingut­hof in Gfrill ist
gut erreichbar, liegt neben den Gehe­
gen der „Tierwelt“, die von zahlreichen
Familien besucht werden, und hat so­
mit großes Potenzial, Interes­sierte über
das Thema Artenvielfalt aufzuklären.

Zum Schutz von Wald Die AVS-Sektion hat sie vorerst für fünf
Jahre von der Besitzerfamilie gepach­
tet. Fachliche Unterstützung für die

und Wiese
Umsetzung der Aktion Blumenwiese
bekam die Sek­tion von der Forststa­
tion Tisens und vom Biologen Georg
­Niedrist, Forscher an der EURAC B ­ ozen.
Naturschutzaktionen der AVS-Sektion Lana Für die Aufwertung der Wiese wur­
den einerseits mit erheblichem Auf­
wand selbst gesammeltes Saatgut ein­
Wir erinnern uns an den Sturm Aufruf, sich an der Aufforstungsaktion Hofer berichtet: „Die Corona-Lage hat über die Blumen­arten. Seit 2018 be­ gebracht, andererseits eine spezielle durch die Rechnung gemacht“, so
Vaia, der 2018 orkanartig über un- zu beteiligen. An einem einzigen Tag unsere Planungen behindert, wir konn­ schäftigt sich eine Gruppe rund um Saatgutmischung für Magerwiesen Sektions­vorstand Sepp Hofer. „Auf­
ser Land hinweggefegt ist und wurden mit Unterstützung von zwei ten nur als kleine Gruppe arbeiten und Sektionsvorstand Sepp Hofer mit dem eingesetzt. Um das Aufkommen zahl­ grund der Beschränkungen konnten
in vielen Gebieten Südtirols ein Bild Förstern unterhalb des Restaurants haben den Termin kurzfristig festge­ Anliegen, eine rund 2.000 Quadrat­ reicher Arten zu unterstützen, wird die wir ein weiteres Anliegen, nämlich auf
der Verwüstung hinterlassen hat. Bergstation Sessellift auf ca. 1.800 Me­ legt. Die Idee, gemeinsam mit Schul­ dem Grund auch noch einen kleinen
Nach zweieinhalb Jahren ist ein ter Meereshöhe rund 600 Jungbäum­ klassen Bäume zu pflanzen, um auch Teich für Amphibien anzulegen, nicht
großer Teil des Schadholzes auf­ chen gepflanzt: Fichten, Lärchen, die Kinder zu sensibilisieren, mussten umsetzen. Ich hoffe, dass wir dieses
gearbeitet, die Wiederbewaldung ­Buchen, Vogelbeeren, Birken und wir leider fallen lassen.“ Die Idee der Vorhaben heuer angehen können.“
der Kahlflächen wird auf einigen Berg­ahorn unterstützen das Aufkom­ Baumpflanzaktion ist nicht neu, bereits Klein­f lächige Gewässer gehören zu
Arealen durch Baumpflanzungen men des Schutzwaldes auf einer Flä­ vor rund zehn Jahren hat die Sektion den Lebensräumen, die laufend ver­
unterstützt. Sepp Hofer, Erster che von ca. 3,5 Hektar. Die Bäumchen unterhalb des Laugens im Gebiet der schwinden und mit ihnen auch die
Vorsitzender des AVS Lana, orga­ stammen aus dem Pflanzgarten der Gfrillner Laugenalm etwa 300 Lärchen ­daran a ­ ngepassten Tier- und Pflanzen­
nisierte im Frühsommer 2020 Forstbehörde und sind an den Stand­ aufgeforstet. Und in einem anderen, arten.
gemein­sam mit der Forststation ort angepasst. Am steilen, sonnen­ erosionsgefährdeten Gebiet – eben­ Die Aktionen der Sektion Lana rei­
Lana eine Baumpflanzaktion auf exponierten Hang braucht der natür­ falls am Laugen – 250 Jungfichten hen sich nahtlos in ein Anliegen des
den Schadflächen am Vigiljoch. liche Aufwuchs länger, berichtet der ­gepflanzt. AVS-Referats für Natur & Umwelt ein:
Es war eine von mehreren Natur- zuständige Förster, der sich über die bei Mitmachaktionen selbst Hand an­
schutz-Aktionen der Sektion. Unterstützung und gute Zusammen­ Aktion Blumenwiese in Gfrill zulegen und dadurch die Artenvielfalt
arbeit mit den Freiwilligen freut. Die Die Sensibilisierung für die Artenviel­ zu fördern.
Baumpflanzungen am Vigiljoch Pflanzen wurden ohne Einzelschütze falt unserer Wiesen ist die Idee, die Judith Egger
Das Sturmtief zog am 29. Oktober 2018 (Umzäunungen jedes einzelnen Bau­ hinter der Aktion Blumenwiese steht.
unter anderem von Ulten her über mes) gepflanzt, wodurch sie dem Wild­ Durch die Intensivierung und zuneh­
­Pawigl und die Randgebiete des Wan­ verbiss mehr ausgesetzt sind. Das Wild mende Düngung der Wiesenflächen
dergebiets am Vigiljoch – seit jeher knabbert jedoch lieber an jungen verschwinden in Südtirol immer mehr Naturschutzaktion in Corona-Zeiten: Mit
Sicherheits­abstand und viel Enthusiasmus
Arbeits­gebiet der Sektion. Eine Grup­ Laub­bäumen, somit können die Nadel­ artenreiche Blumenwiesen. Und damit wurde die Baumpflanzaktion durchgeführt
pe von elf AVS-Mitgliedern folgte dem bäume ungestörter wachsen. Sepp verschwindet auch auch die Kenntnis Fotos: AVS Lana

62 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 63


Natur & Umwelt

Buntspechthöhle Grünspecht (Präparat)


Foto: Alois Dirler
überlangen Zunge mit harpunenarti­ Foto: Ingrid Beikircher
ger, klebriger Spitze werden Beute­
tiere aufgespießt oder angeklebt und
aus Ritzen und Gängen gezogen. Die
Weniger anspruchsvolle Arten wie Länge und Spitze der Zunge ist bei destens 100-jährige Buche mit einem
der Buntspecht finden sich mit unter­ den einzelnen Arten an die Hauptbeu­ Stammdurchmesser ab 40 cm, die
schiedlichen Bedingungen zurecht. Er te angepasst. Grau- und Grünspecht ­einen freien Anflug ermöglicht. Der
bewohnt Nadel-, Laub- und Mischwäl­ haben die längste Zunge. Sie können Schwarzspecht baut die größten Höh­
der, Streuobstanlagen oder Parks in die Zunge bis zu 10 cm aus dem len und erschließt damit den Wald für
den Siedlungsgebieten und kommt in Schnabel strecken und damit effizient andere Großhöhlenbrüter wie Hohl­
allen Höhenstufen vor. Spezialisten wie Ameisen auflesen. taube, Waldkauz, Raufußkauz, Dohle
der Kleinspecht hingegen tun sich in Das Vorkommen verschiedener und Baummarder und genauso für
Südtirol immer schwerer, da selten Spechtarten im selben Wald gilt als Nachmieter wie Star, Siebenschläfer,
­gewordene Waldtypen wie Feucht­ ­Indikator für einen intakten, natur­ Fledermäuse, Hornissen und Wild­

Baumtrommler
gebiete und Auwälder immer kleiner nahen Wald und ist Anzeiger für das bienen.
werden. Der meisengroße Specht hat Vorkommen weiterer anspruchsvoller, Durch die Vielfalt an Kleinstrukturen
einen sehr feinen Schnabel und bevor­ waldbewohnender Vogelarten. mit unterschiedlichen Lebensbedin­
zugt morsche Weichlaubhölzer wie gungen weisen alte Bäume ein wesent­
Weide, Erle, Birke oder Pappel für die Was können wir für unsere lich größeres Angebot an Insekten auf.
Der Specht und seine Nahrungssuche und die Anlage der ­Spechte tun? Sie sind besonders während der Win­
enge Verbindung zum Wald Bruthöhle. Spechte brauchen für die Anlage ihrer termonate wichtige Nahrungsliefe­
Aus der engen Bindung der Spech­ Brut- und Schlafhöhlen alte Bäume mit ranten. Im heutigen Wirtschaftswald
te an das Ökosystem Wald gehen ver­ toten Ästen, Faul- und Bruchstellen. werden die Bäume meistens lange vor

J
Seit Jahrtausenden besiedelt eine ede Waldzusammensetzung weist blüffende Anpassungen hervor. Der ideale Höhlenbaum für den größ­ dem Erreichen eines hohen Alters ge­
außergewöhnlich vielfältige Vogel- eine eigene Vogelwelt auf und ten Specht Europas, den Schwarz­ schlagen. Erst dann aber werden sie
welt unsere Wälder. Von der nie­ stellt besondere Anforderungen Regulation in Nadelwäldern specht, ist z. B. eine freistehende min­ aus ökologischer Sicht besonders
deren Strauchschicht bis in die an die Waldstruktur, die Baumarten Mit Hilfe der Wendezehe, der schar­ wertvoll und können vielfältige Funk­
höchsten Baumkronen finden ver- und die Nahrung. Veränderungen in fen, langen Krallen und einem mit tionen im Ökosystem erfüllen. Darum
schiedenste Vogelarten fast das der Nutzung der Wälder wirken sich Feder­kielen verstärkten Stützschwanz spielen nicht bewirtschaftete, vernetz­
Der Schwarzspecht ist unser größter
ganze Jahr über günstige Lebens­ deshalb für jede Art anders aus. Von (dem Wendehals fehlt dieser) kann sich ­heimischer Specht te Waldreservate eine große Rolle.
bedingungen. den in Südtirol brütenden sieben der Specht an vertikalen Stämmen flink Foto: Peter Hofer

Spechtarten Schwarzspecht, Grün­ und geschickt fortbewegen. Botschafter des Ökosystems Wald
specht, Grauspecht, Buntspecht, Drei­ Der meißelartige, starke Schnabel Wir müssen den Wald wieder vermehrt
zehenspecht, Kleinspecht und Wende­ wird vielseitig eingesetzt: Mit rhythmi­ als wertvollen und unersetzlichen Le­
hals sind sechs mehr oder weniger schem Trommeln demonstrieren bensraum für uns und alle freileben­
stark vom Lebensraum Wald abhängig. Spechte ihren Revieranspruch und zim­ den Tiere und wildwachsenden Pflan­
mern mit gezieltem Hacken ihre Brut­ zen sehen. Jeder Waldbenützer sollte
Anpassung an das Ökosystem höhlen. Klopfend und hackend suchen sich verpflichtet fühlen, die verschie­
Nur der Wendehals, der nach seinem Spechte nach unter der Rinde ver­ denen wichtigen Funktionen des Wal­
Äußeren eher Ähnlichkeit mit einem steckten Insekten, dazu zählen auch des als Lebensraum zu respektieren.
Sperling hat, lebt vorwiegend im halb­ die gefürchteten Borkenkäfer – eine Setzen wir uns außerdem für eine na­
offe­nen Kulturland und zieht als Ein­ Leibspeise des Dreizehenspechtes. turnahe Nutzung des Waldes und eine
ziger im Winter in den Süden. Er kann Spechte spielen für deren Regula­ nachhaltige Waldbewirtschaftung ein.
mit seinem kurzen Schnabel weder tion in Nadelholz-dominierten Wäldern Zum naturnahen Wald gehört die
überwinternde Insekten aus Rinden eine große Rolle. Ihre Wirkung ist dort standortgerechte Bestockung mit ein­
und Ritzen hämmern noch Zapfen und am größten, wo sie ganzjährig vorkom­ heimischen Baumarten, wie sie heute Tanja Dirler ist Freizeit-Ornithologin
Nüsse zerlegen. Seine Nahrung sucht men und auch brüten. Eine weitere ty­ wieder vielerorts erfolgreich praktiziert und Vorstandsmitglied der Arbeits­
er hauptsächlich am Boden. Seinen pische Verhaltensweise ist das Hacken wird. gemeinschaft für Vogelkunde und
Namen verdankt er seiner Drohgeste: kleiner Reihen von Löchern in die Rin­ Diese vielschichtigen Zusammen­ Vogel­schutz in Südtirol (AVK); aktives
Er simuliert mit vorgestrecktem Hals de („ringeln“), um Baumsaft zu trinken. hänge machen die Spechte zu her­ Mitglied der Arbeitsgruppe für
schlangenartige Bewegungen. vorragenden Botschaftern des Öko­ ­Natur „Au-Raum" in Brixen.
Anpassung von Schädel und Zunge systems Wald. Mit ihrer Hilfe kann die In Kooperation mit der AVK veröffent­
Die speziell angepasste Schädelana­ Öffentlichkeit für Zusammenhänge lichen wir regelmäßig B ­ eiträge
tomie des Spechtes verhindert, dass und Probleme in diesem Lebensraum zu ­Themen der Vogelkunde und
das Gehirn durch harte Schläge Scha­ sensibilisiert werden. des Vogelschutzes.
Buntspecht Altvogel (l.) mit Jungem
Foto: Ingrid Beikircher den nimmt. Mit Hilfe der dünnen, Tanja Dirler

64 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 65


Silvan Lamprecht ist
Sieger der Kategorie Vögel

Südtiroler ­Naturfotograf
des Jahres 2020
Der STRIX-Wettbewerb zum Südtiroler Der Titel „STRIX-Südtiroler Natur­
Naturfotografen des Jahres wird ein­ fotograf des Jahres“ hat bei den Mit­
mal jährlich für alle Mitglieder aus­ gliedern einen großen Stellenwert.
getragen. Er setzt sich aus sieben Das Niveau des Strix-Wettbewerbes
Katego­rien zusammen: Landschaft, ist dementsprechend hoch und erfor­
Säugetiere, Vögel, andere Tiere, Pflan­ dert für die Naturfotografen neben
zen & Pilze, Atelier Natur und eine ­Talent viel harte Arbeit, Leidenschaft,
­variable Kategorie zu einem speziellen Begeisterung – und Geduld.
Thema; das variable Thema 2020 war Mehrere Mitglieder von STRIX wa­
„Linien in der Natur“. Die Teilnehmer ren bereits bei internationalen Wett­ von Gesamtsiegen, Kategoriesiegen
können jeweils ein Bild pro Kategorie bewerben sehr erfolgreich, z. B. bei: bis hin zu lobenden Erwähnungen.
einreichen, die Bilder werden anonym bei: „Wildlife Photographer oft he Die STRIX-Wettbewerbe sind unter
präsentiert und bewertet. Unter den Year“ des Naturhistorischen Museum www.strixnaturfoto.org unter der Rub­
24 Teilnehmern wurde Silvan Lamprecht London, „GDT Europäischer Natur­ rik Wettbewerb zu finden, wo jährlich
zum Südtiroler Naturfotografen des fotograf des Jahres“, „Asferico“, u. a. die besten zehn Bilder jeder Kategorie
Jahres 2020 gekürt. Die internationalen Erfolge reichen präsentiert werden. Silvan Lamprecht – Auge in Auge

Bild des Jahres und Sieger der Kategorie Landschaft Sieger der Kategorie Atelier Natur

Matthias Gritsch – Sommergewitter

Helmut Elzenbaumer – Gefrorener Schlamm


Sieger der Kategorie Pflanzen Sieger der Kategorie Säugetiere

Helmut Elzenbaumer – Wintereinbruch im Buchenwald Massimo Santoro – Gamsbock

Sieger der Kategorie Andere Tiere Sieger der Kategorie Linien

Peter Pliger – Galaxy Silvan Lamprecht – Eislinien


Gipfelgespräche

die Eröffnungstour in Australien und Nun zum Klettern. Ist das auch
Neuseeland geplant, ein Festival, wel­ eine Folgeerscheinung des
ches die Entwicklung des traditionel­ ­Alpinismus?
len Alpinismus anhand von Vorträgen Ja, Schifahren war die erste Absplitte­
und zweier anschießender Filmtage rung. In den letzten 40 Jahren wurde
­erklärt. Covid-19 hat dem einen Strich Bergsteigen in viele Disziplinen ge­
durch die Rechnung gemacht. splittet, so auch in Klettern als Sport
Ich frage mich auch, wie junge ta­ und Klettern in der Halle, was ja nichts
lentierte Alpinisten heute Expeditio­ mehr mit Alpinismus zu tun hat. Es ist
nen unternehmen können, wo doch al­ eine Folgeerscheinung.
les so kostspielig und unbezahlbar ist. Ulla Walder, Reinhold Messner
Auch deshalb haben wir die „Mountain Klettern als Sport? Alpinismus als und Alexandra Ladurner
Fotos: Alexandra Ladurner
Messner Heritage“ gegründet. Sport?
Alpinismus als Sport gibt es nicht. Ich
Was wollen Sie mit diesem Projekt werde jetzt ein Buch schreiben, wo ich Und Sportklettern ist nun bei den Beteiligung alles mit sich bringt. Klet­
vermitteln? das Ganze erkläre. Es geht um ein Olympischen Sommerspielen … tern als Sport hat nur den Ursprung
Wenn man die ganze alpine Geschich­ Aben­teuer, ein Erlebnis, um Werte und Sportklettern hat geschichtlich den im Alpinismus, hat damit aber nichts
te kennt, ist es sehr interessant. Bis um die Haltung den Bergen gegen­ langen Weg der Rotpunktbewegung mehr zu tun. Mit Klettern bei Olympia
­Anfang der 1930er-Jahre gab es eine über. Diese Haltung ist entstanden seit hinter sich und entwickelt sich immer geht eine Prise des Flairs verloren, die
Entwicklung, die war nur eine. Die Leu­ 250 Jahren, seit der Mensch überhaupt weiter. Es ist ein gesunder und viel­ es hatte.
te sind in Berge gegangen, schwieri­ auf Berge geht. seitiger Sport. Es kann auch gut zur

Von Affen, 7. Grad


ger oder leichter, die Pioniere sind Sport ist messbar. Die Werte sind Vorbereitung von alpinistischen Unter­ Wie sehen Sie generell die
dem Abenteuer nachgelaufen. Das ist vergleichbar. Das alles gibt es beim nehmungen dienen. Mittlerweile ist es ­Entwicklung im Alpinismus?
nicht besser oder schlechter. Bergstei­ Alpi­nismus nicht. Mir ist es wichtig, ja auch durch das Hallenklettern sehr Ich habe ja den Alpinismus in verschie­
gen ist eine sehr junge Erscheinung. dass Wettkampfklettern nicht mit Alpi­ populär. Es ist gut und erstaunlich, dene Etappen eingeteilt. Den Erobe­

und Olympia Vorher hatten Menschen praktische


Bedürfnisse. Alpinismus ist eine Deka­
denzerscheinung. Auch bei meinem
Alpinismus. Ich habe das immer schon
nismus gleichgesetzt wird. Es hat
nichts mehr miteinander zu tun, auch
wenn es die Wurzel im Alpinismus hat.
Bereits Paul Preuss war ein Boulderer.
dass ein kleines Land wie Südtirol mit
Michael Piccolruaz einen von nur 20
Athleten weltweit für Olympia qualifi­
zieren konnte. Sorge bereitet mir die
rungsalpinismus, den Schwierigkeits­
alpinismus, den Verzichtsalpinismus
und letzthin den Pistenalpinismus und
den Ankündigungsalpinismus.
Reinhold Messner im Gespräch gesagt, es ist eine Dekadenzerschei­ In Courmayeur gab es einen Felsblock, Einbindung in die olympische Bewe­
nung mit affenähnlichem Verhaltens­ den nur Preuss imstande war zu be­ gung an sich. Die ganze Bürokratie Was meinen Sie mit den zwei
muster. Würde man heute Affen bei klettern und der lange ein ungelöstes und das viele Geld, die damit in Zu­ ­letzten Alpinismusarten?
„So sehr ich eine Kletterolympiade, wusste, der siebte Grad und noch Wettbewerben zulassen, das Speed­ Problem für viele Bergsteiger darstell­ sammenhang stehen, und auch die Pistenalpinismus, da bei den Expe­di­
ein Klettern auf Zeit, ein Klettern mehr sind möglich. Olympia nannte ich klettern würden sie gewinnen. te. Bei den Engländern waren die ­negativen Folgeerscheinungen wie tionen im Himalaya – und nicht nur –
nach Punkten, überhaupt jedes in diesem Zusammenhang als alles Die erste Abspaltung vom Alpinis­ Schwierigkeitsgrade eine ethische das Doping. von den Sherpas „Pisten“ für die
Wett- und unmittelbare Vergleichs­ Messbare, was den Sport an sich aus­ mus gab es mit dem Schifahren. Die ­Haltung, eine Einstellung zu den Absi­ Wieder­holer angelegt werden. Das
klettern ablehne, so sehr fasziniert macht – und das gibt es im Alpinismus Leute begannen mit Brettern über die cherungen. Meinen Sie, dass das Verständnis führt zu einem wahren Overtourism
mich der Gedanke an den siebten nicht. Berge zu rutschen. Clevere Touristiker des Alpinismus unter der Zulassung in schlimmster Form. Ankündigungs­
Schwierigkeitsgrad.“ Dieses Zitat erkannten, dass mit dem Anlegen von Auch Sie haben an der Hauswand von Sportklettern bei Olympia alpinismus, wo die „Instayuppies“
von Reinhold Messner stammt aus Wurde Ihre These anerkannt? Pisten, dem Sichern von Hängen und trainiert und an Felsblöcken ­leidet? ankün­digen, was sie zu tun gedenken,
seinem Buch „Der 7. Grad“ aus dem In der Alpingeschichte wurden die An­ Anlegen von Beförderungshilfen sich ­gebouldert … Es ist sehr aufzupassen, dass die breite es aber niemals schaffen.
Jahr 1973 und ist aktueller denn je. sichten der extremen Kletterer immer sehr viele Menschen in die Berge füh­ Für uns war es vor allem ein Spiel und Masse Sportklettern nicht mit Alpinis­
Wir führten mit Messner ein zuerst angezweifelt und die Extremen ren lassen. Spaß. Es zählten die Erstbegehungen, mus gleichsetzt. Der Laie versteht den Was sagen Sie zu Nirmal Purja?
­Gespräch über Sportklettern, waren ausgegrenzt. Auch zu meiner die womöglich so schwer sein sollten, Unterschied nicht. Würde ich einem Nirmal entstammt einem sehr starken,
­Alpinismus und Olympia. Zeit. Man muss die Geschichte kennen, Auch heute boomt das Skiberg­ dass sie niemand so schnell wieder­ ­alpinen Verein vorstehen, hätte ich es nepalesischen Volksstamm, den
um auch deren Entwicklung zu verste­ steigen … holen könnte. Deshalb erkannte ich lieber gesehen, dass Sportklettern Gurkha, dessen Angehörige auch von
Herr Messner, Sie waren sehr weit- hen. So wurde z. B. Albert Mummery Die alpinen Vereine tun gut daran, das auch, dass die Grenzen nach oben nicht olympisch ist, aber nur wegen den Engländern im Falklandkrieg als
sichtig, als Sie bereits vor rund 1875 nicht im Alpine Club aufgenom­ Gespräch mit den Pistenbetreibern zu ­offen sind. des Bedenkens, was eine olympische Elitetruppen eingesetzt wurde. Purjas
50 Jahren das Klettern mit Olympia men, da er ohne Bergführer in die Ber­ suchen. Es ist nicht selbstverständlich, Leistungen sind beeindruckend. Sie
in Verbindung brachten … ge ging. dass jedermann die Pisten nutzen darf. wurden zu Beginn in der Heimat nicht
In diesem Buch ging es mir vor allem Die Entwicklung zu verstehen ist Es handelt sich um eine Infrastruktur, geschätzt und a ­ nerkannt, denn – wie
um die Öffnung der Schwierigkeits­
skala nach oben hin. Ich hatte erkannt,
wichtig. Deshalb habe ich mit meiner
Partnerin eine Firma, die „Mountain
und diese kostet. Es wird wahrschein­
lich dahin kommen, dass eigene Ski­
„Mir ist es wichtig, dass Wettkampfklettern so oft – zählt der Beste in der eigenen
Heimat nicht.
dass das Ende am sechsten Grad in Messner Heritage“, gegründet, die wege angelegt werden und dass die nicht mit Alpinismus gleichgesetzt wird.“ Ulla Walder, Alexandra Ladurner
eine Sackgasse führt. Die Skala musste zum Verständnis der Alpingeschichte Benutzer der Pisten eine Parkplatz­ Weiterführende Bibliografie: Der 7. Grad, BLV, 1973, Reinhold
Messner | Vertical, 170 Jahre Kletterkunst, 2018, Reinhold Messner,
nach oben hin geöffnet werden. Ich beitragen soll. Im Sommer 2020 war gebühr entrichten. Reinhold Messner Simon Messner.

70 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 71


Geh-sundheit

Am seidenen Faden
Pfelders.
Wenn das Virus zuschlägt

28 Tage lag Margareth Ploner aus „­Anfang März kam ich dann zur wei­ Schreckliche Albträume begleiteten

Dein Herz und Deine Seele.


Tiers auf der Intensivstation in teren Schmerz- und Physiotherapie ihre Nächte. Das Erinnerungsver­
­Bozen im Koma, mit schwerem in eine Privatklinik“, sagt Margareth, mögen hing in Nebelschwaden.
­Covid-19. Heute, rund ein Jahr die selbst über 30 Jahre als Kranken­
­später, leidet sie immer noch an pflegerin gearbeitet hat. Dass es etwas … und zum Ortler?
den Folgen. an Zeit für die Gesundwerdung brau­ Was gab ihr die Kraft zu kämpfen?
chen wird, ist ihr klar. Dass es nahezu ­Gewiss ihr sonniges Wesen und „die
ein Jahr werden würde, nicht. unermüdliche Unterstützung meiner
Familie. Meiner Tochter hatte ich zum
Zum Mond … Geburtstag eine gemeinsame Tour
Am 7. April treten vermummte Sanitä­ zum Ortler geschenkt. Das wollte, das
ter vom Weißen Kreuz in ihr Klinikzim­ musste ich erleben! Was ich besaß,
mer, um sie erneut ins Krankenhaus zu war ein starker Wille, wieder gesund zu
überstellen. „Wohin soll ich mit euch? werden, was mir fehlte, war Geduld.
Auf eine Reise zum Mond?“, scherzt Mein Kopf ging dem Körper voraus,
sie. Es sollte für eine lange Zeit ihr letz­ dieser konnte ihm nur langsam folgen.“
ter Jux gewesen sein. Aufgrund ihres Heute leidet Margareth immer noch
sich rapide verschlechternden Zustan­ an Nachwirkungen von Corona, doch
des und alarmierender Werte wird „es geht mir mit jedem Tag besser.
sie wenige Stunden später sediert und Es geht mir eigentlich wirklich gut!
intubiert, ihr Covid-19-Test ist positiv. Und wenn ich beim Bücken halt mal
Die Lunge bereits stark geschädigt. das Gleichgewicht verliere, muss ich
28 Tage hängt Margareth am seide­ über mich selber lachen und bin froh,
nen Faden, zweimal haarscharf zwi­ dass ich mich jetzt wieder ohne frem­
Margareth Ploner mit Sonne im Herzen
und mit Dankbarkeit, ihren Horrortrip schen dem Hier und dem Dort. Die de Hilfe aufrappeln kann.“
­überwunden zu haben Ärzte kämpfen um ihr Leben. „Obwohl Sie wandert wieder, sie kann wieder
Foto: privat
ich das nicht bewusst mitbekommen steigen. „Dabei sah ich einmal einen
habe, ist es in meinem Unterbewusst­ wunderschönen Sonnenuntergang.
sein abgespeichert.“ Die magische Stimmung, das warme

M
ancher versteht die Wucht Licht gaben mir die Gewissheit: Alles
dieser Pandemie erst, wenn … und zurück … wird gut.“ Mit den Strahlen schickt sie
er selbst oder jemand aus Endlich kann Margareth aus dem Tief­ ihr Dankgefühl in den Himmel, den un­
seinem nahen Umfeld schwer betrof­ schlaf geholt werden – bis sie das sagbaren Dank an Ärzte, Pfleger, an

brandnamic.com | Foto: Brandnamic


fen ist. Nehmt dieses Virus ernst!“, Krankenhaus aber verlassen darf, ist es das gesamte Krankenhausteam, das
mahnt Margareth Ploner. Juni. „Als mich meine Tochter abholte, sie gerettet hat.
weinten wir beide vor Freude und Er­
Margareth, eine passionierte Bergstei­ leichterung.“ Das lange Ringen ums Margareths Botschaft
gerin, ehemals aktive Bergretterin und Überleben hat indes Spuren hinterlas­ „Liebe Südtiroler von Jung bis Alt, bit­
Fallschirmfliegerin, ist eine Frau mit sen, die Post-Covid-Syndrome sind te tragt Mund- und Nasenschutz, haltet
Feuer im Blut. Für die fitte 71-Jährige gravierend. „Ich musste von null auf die Abstandsregeln ein und lasst euch
und AVS-Vizepräsidentin (von 1996 bis wieder stehen und gehen lernen, hatte impfen. Es ist ein geringer Aufwand
2008) macht sportliches Aktivsein ei­ Schwierigkeiten, mich auszudrücken, mit enormer Wirkung. Umso schneller
nen wichtigen Teil ihres Lebens aus. die richtigen Worte zu formulieren.“ können wir wieder ein Leben führen
Bis es eines Tages im Rücken zwickt. Kraftlosigkeit schon bei der kleinsten wie früher. Das geht aber nur, wenn wir „Hoach Wilde, Sealnkogl, Loudner – i kenn die Pfeldrer Berge wia meine
Da die Schmerzmittel kaum helfen, Anstrengung, das Aufstehen vom Bett alle solidarisch sind und für­einander Weschtntasche und bigleit Enk sicher af insre Dreitausnder.“
wird sie am 24. Februar 2020 stationär wie ein Marathon. Geschmacks- und einstehen. So, wie eine Kameradschaft
Thomas Brunner, Bergführer, ist seinem Heimatort treu geblieben.
im Krankenhaus aufgenommen, Geruchssinn waren weg, ihre schönen, am Berg gelebt gehört.“
­Diagnose: Bandscheibenvorfall. pechschwarzen Haare fielen aus. Ingrid Beikircher
pfelders.info
72 Bergeerleben 01/21
Kultur

Am Samerjoch zwischen Nonsberg


und Ultental dagegen im Flurnamen Samoar im
Foto: Stephan Illmer ­hintersten Niedertal, das zu Schnals
gehört, aber im Ötztal liegt. Genau
Träger am Suldenferner
an dieser früheren Raststation der
Foto: Archiv des DAV, München
­Säumer steht heute das Martin-Busch-
Haus.
In diesem Zusammenhang gibt es
­ altlswarter (3.095 m; nach einem Valtl,
V einen weiteren besonderen Flurnamen:
also Valentin) und einen Toniwarter Samerschlag, ein Begriff, der einen
(2.868 m; nach einem Anton), oberhalb Sammelplatz für Saumlasten bezeich­
des Berghofs Schnatz am Naturnser nete. So ein Samerschlag befindet sich
Sonnenberg einen Karlwarter (2.502 m; am Jochübergang zwischen dem Lich­
nach einem Karl), den Loisenwarter tenberger Alptal und der Stilfser Alp
(3.134 m) am Grenzkamm zwischen im Oberen Vinschgau (2.569 m) – auf
Schnals und Partschins (nach einem Lichtenberger Seite kennt man zusätz­
Alois) sowie den Grazenwarter lich noch einen Weideboden namens
(2.385 m) am Eck oberhalb von Giggel­ Sam. Am Goldrainer Jochweg, einem
berg (Partschinser Sonnenberg), be­ urgeschichtlichen Übergang zwischen
nannt nach einem Graz, einem Pankraz dem Vinschgau und Schnals, befindet
also. All diese entlegenen Warter sind sich auf 2.469 m der auffällige Hang­
gleichzeitig lohnende Gipfelziele, zu sporn namens Samerschlög, also
denen höchstens ein paar Steigspuren gleich mehrere Samerschläge. Auch in
hinführen. Allris, einem Seitental in Pflersch, be­

Hirten, Säumer, Träger


findet sich am sonnseitigen Hang ein
Träger und Säumer Samerschlag. Und direkt am Staller­
Träger und Säumer sind gewisserma­ sattel befindet sich eine kuppenförmi­
ßen Vorläufer der Bergführer. Wie die­ ge Anhöhe Samschlag (2.085 m). Auf Raber und Gendarm
Aus der Serie Südtiroler Bergnamen se müssen sie in der Lage sein, Unbil­ einem Waldrücken (1.599 m) oberhalb Mit Saccharin und Tabak ging’s bei
den des Wetters und die Tücken des von Stilfes im Wipptal liegt ebenfalls Nacht und Nebel über die „weiße
Hochgebirges genau einschätzen zu ein Samschlag. Grenze“, um sich in harten Zeiten ein
Die ersten Bergführer waren geh- gen, es waren nur drei Hirten, denn Schaferegge (2.430 m) am Seeber Kar können. Hie und da weisen Marterlen Wo selbst Saumtiere nicht mehr hin­ kleines Zubrot zu verdienen. Allein in
tüchtige Männer, die schon von eine steile Weidefläche auf Ultner Sei­ im Hinterpasseier oder der Schafernitl darauf hin, dass manche von ihnen konnten, dorthin schleppten Kraxen­ Schnals kennt man zwei Schmuggler­
­Berufs wegen höchste Jöcher er­ te – etwas unterhalb des Gipfels – ist (2.575 m) hoch über dem Weithal-Hof von einem Kaltlufteinbruch überrascht träger in einer Rückenkraxe ihre scharten, einmal am Oberen Kurzen­
stiegen, als Hirten, um das Vieh in die Dreihirtenspitzleit. Uneinigkeit be­ in Katharinaberg/Schnals. Mit Nitl bzw. wurden und im Schneesturm erfroren. schwere Fracht. In Defereggen/Ost­ berg (Kurzras; die Scharte wurde auch
entlegene Weidegebiete zu treiben, steht aber auch darin, welcher Knott Itl wird in Schnals und Passeier übri­ Nach den Säumern (mundartlich Sa­ tirol kannte man spezielle „Tauakraxn“, als anspruchsvolle Variantenabfahrt
als Träger, um Baumaterialien, der Vierhirtenknott genau sei: Für die gens ein Hangsporn bezeichnet. mer), die eine Saumlast mit Hilfe eines also Traggestelle, um über den Tauern benutzt) sowie am Kleinen Similaun auf
Werkzeug und Verpflegung auf Naturnser ist es der südlichste Punkt Die genügsamen Schafe beweiden Saumtieres von A nach B transportier­ zu gehen. In Pfitsch gibt es den Kra­ 3.180 m, um abseits des Niederjochs
höchste Schutzhäuser zu tragen, der Katastralgemeinde Naturns (Fran­ das felsige Hochgebirge, es lauern vie­ ten, sind manche Bergfluren benannt. xentrager (1667 „Salztrager“; mundart­ und der Similaunhütte einen alternati­
oder als Schmuggler, um begehrte ziszeischer Kataster 1858: Vier Hirten lerorts Gefahren. Absturzstellen hei­ Dazu zählt z. B. der Samerboden lich „Kraxntrouga“, 2.999 m) als Gipfel­ ven Grenzverkehr zu betreiben.
Ware über Staatsgrenzen zu Spitze) – die Ultner jedoch nennen ge­ ßen demnach Schaftod (mundartlich (2.485 m) in Langtaufers unterhalb des namen, wohl nach der auffallenden Schmugglersteige bzw. -wege kennt
„schwärzen“. Besonders die Gams- nau diesen Knott Dirchl (zu mundart­ „der Schoftoat“), von denen es alleine Weißseejochs, das ja bereits seit Felsfigur benannt. man außerdem noch in Prad, Platt in
jäger drangen in felsige, eisige Kare lich „dirchl“, das bedeutet „löchrig“). im Schaf- und Lärchental Schnals de­ urdenk­lichen Zeiten als Übergang zwi­ Eine Erhebung im Felskamm zwi­ Passeier, Partschins, Gsies und Tob­
vor, um das Wild zu stellen – dies Dem gegenüber nennen sie eine Erhe­ ren fünf gibt. In Wolkenstein finden schen Langtaufers und dem Kaunertal schen Frankbach und Keilbach im lach. Aber aufgepasst: Nicht weit vom
befähigte im Jahre 1804 auch das bung nördlich davon (2.546 m) nach wir hingegen am Fuße der Stevia-Fels­ dient. Ob der Samerberg (die Welsch­ Ahrntal ist die Kopfkraxe (2.936 m) – Schmugglersteigele am Tschigat wacht
Pseirer-Josele aus Schluderns, die den drei oder vier Hirten, die dort wände im Langental den überaus be­ nons­berger sagen Montáut, also der Fels ist nach einer Kraxen-Spezial­ der Gendarm – so heißen zwei auf­
Erstbesteigung des Ortlers vorzu- einst einen tödlichen Arbeitsunfall er­ redten Flurnamen Curtina dlas biesces, „Hochalm“) zwischen Proveis und Ul­ form benannt worden: Durch ein Holz­ recht stehende Felsfiguren am Kamm
nehmen. litten. Man kann sich also um Gipfel zu deutsch Schaffriedhof. ten auch dem Warentransport diente, gestell auf dem Kopf konnte die Last links vom Tschigat und rechts von der
und ihre Lage trefflich streiten … kann angenommen werden, wenn noch geschickter verteilt werden. Hochgangscharte (vom Burggrafenamt
Vierhirtenknott (2.530 m) Schneidige Männer als Namens­ auch das mundartliche „Sam“ in den Links vom Ratschinger Ziechengra­ aus gesehen). Außerdem gibt es eine
Der Kamm zwischen dem Vinschgau Schaferegge, Schaftod und Curtina patrone der „Wårter“ meisten Fällen „Saum; Höhenrand“ ben heißt ein felsiges Waldgebiet Felsfigur namens Gendarm beim Ifin­
und Ulten westlich der Naturnser dlas biesces In der Partschinser und Schnalser Ge­ bedeutet. Althochdeutsch soum Kraxen­trager (1.550 m), in Gfeis (Ge­ ger und unterm Wolfendorn am Bren­
Hochwart besteht aus mehreren un­ Nach Anhöhen, die von Schäfern auf­ gend ist der Begriff „Warter“ häufig zu „Saum“ ist Lehnwort zu lateinisch sag­ meinde Riffian) heißt eine Bergwiese ner (2.660 m). Die Namen stammen na­
scheinbaren Erhebungen. Eine davon gesucht werden, um die Schafherden hören. Besondere Plätze wurden von ma „Last“ und althochdeutsch „saum“ des Kinighofs Kraxner, in Stuls in türlich noch aus der k.-u.-k.-Monarchie,
ist der Vierhirtenknott: Laut Überliefe­ zu beobachten, sind im Alpenraum un­ Gamsjägern durch aufgeschichtete bedeutet „Rand“ – beides wird in Passeier gibt es im Bereich der Silber­ denn 1919 wurden die Gendarmen bei
rung sollen am Gipfel vier Hirten vom zählige Erhebungen benannt – oft weit Steinmale gekennzeichnet. So kennt der Tiroler Mundart zu „Sam“. Das hütthöhe in der Wiese einen Raststein, uns von den Carabinieri abgelöst.
Blitz getötet worden sein. Manche sa­ oberhalb der Baumgrenze; z. B. das man hoch überm Pfossental einen roma­nische sagma bzw. samaira steckt den Kraxenstein. Johannes Ortner

74 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 75


Unterwegs

Johannes Renfordt, Community


UNTERWEGS MIT
Naturnser Hochwart und Drei-Hirten-Spitze
alpenvereinaktiv.com
Aussichtsreiche Kammüberschreitung
der letzten alpinen Gipfel des Zufritt-

Gipfel und Fluren


kamms: Die Naturnser Hochwart zählt
zu den beliebtesten Gipfeln im Zufritt-
kamm, der seinen Ursprung im Herzen
der Ortleralpen hat und schließlich

A
Vinschgau und Ultental voneinander
uf der Suche nach interessan­ ­ amberg sind Zeugen historischer
S den Bergen unterwegs sein zu dürfen, trennt. Aus beiden Tälern wird die
ten Gipfel und Fluren, die Tätig­keiten auf den Bergen, die oft mit steht wohl im Vordergrund. STRECKE 15,7 km
Hochwart als perfekt gelegener Aus-
­vermutlich bereits vor Urzeiten großen Mühen und auch Gefahren ver­ Karin Leichter DAUER 6:00 h
sichtsgipfel gerne und auf recht einfa-
von Hirten, Säumern und Trägern bunden waren. AUFSTIEG 1.189 m chen Wegen und Steigen erklommen.
­begangen wurden, sind wir in Heute führen gut ­markierte Steige Wer damit noch nicht ausgelastet sein
ABSTIEG 1.189 m
­alpenvereinaktiv.com fündig gewor­ oder viel begangene Anstiege auf sollte, ist bei diesem Tourenvorschlag
den. Die Bezeichnungen Kraxentrager, oder um diese denkwürdigen Ziele, genau richtig, denn es schließt sich
SCHWIERIGKEIT mittel
Hochwart, Drei-Hirten-Spitz und und das Vergnügen, in der Freizeit in noch eine kurzweilige Gratwanderung
KONDITION
über die Drei-Hirten-Spitze an!
TECHNIK III

HÖHENLAGE
2.608 m
Josef Essl, ÖAV Innsbruck 1.540 m

Kraxentrager – Firntour aus dem Pfitschertal Christian Kaufmann, AVS Welschnofen

Obwohl der Kraxentrager die 3.000er-­


Marke um einen Meter nicht erreicht, ist
er eine sehr interessante Berggestalt
Um den Samberg und den Talt
mit drei verschiedenen Gesichtern. Auf
der Nordseite wirkt dieser Berg unnah- Wanderung vorbei an den Erdpyrami­
bar. Die Westseite ist geprägt von den und der Wolfsgrube: Bei diesem
­einem weit ausladenden Becken und angenehmen und abwechslungsrei­
­einer sehr steilen Gipfelflanke. Am sanf- chen Tagesausflug wandern wir durch
testen präsentiert sich der Kraxentrager dichte Fichten- und offene Kiefern­
von Süden, wobei auch hier die Hänge wälder, über gepflegte Wiesen und
aufgrund ihrer Steilheit keinesfalls unter­ Flure. Der beeindruckende Ausblick
STRECKE 10,9 km
schätzt werden sollten. Die Südhänge STRECKE 15,7 km
auf die umliegenden Bergmassive
sind zwar steil, aber wenig felsdurch- DAUER 5:45 h ­begleitet uns den ganzen Tag.
DAUER 6:00 h
setzt und das Gelände bietet im Früh- AUFSTIEG 1.560 m
jahr herrliche Firnhänge. Der Kraxen­ AUFSTIEG 1.189 m
ABSTIEG 1.560 m
trager wird von einem Perlenkranz ABSTIEG 1.189 m
heraus­ragender Gipfel der Zillertaler
SCHWIERIGKEIT schwer
­Alpen und Pfunderer Berge umrahmt SCHWIERIGKEIT mittel
und gilt nach wie vor als ein kleiner KONDITION
KONDITION
­Geheimtipp in den Brennerbergen. TECHNIK IV
TECHNIK III
HÖHENLAGE
2.999 m HÖHENLAGE
1.440 m 2.608 m
1.540 m

76 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 77


Unterwegs

penlandschaft, die im Vinschgau Lei­


ten genannt wird. Die Schlanderser
Leiten sind als Biotop ausgewiesen.
Wir finden hier eine Verzahnung von
Trockenrasen mit Flaumeichen-Busch­
wald, an den trockensten Stellen auch
ausgedehnte Föhrenwälder. Einige
Bergbauernhöfe am Sonnenberg wur­
den ob ihrer extremen Lage aufge­
lassen. Bei der Wanderung haben wir
einen schönen Ausblick auf die gegen­
überliegende Talseite, die Nörderseite

Mitmachaktion
mit ihren schattigen Fichtenwäldern.
Darüber zeigen sich die schneebe­

#MEINHAUSBERG
deckten Dreitausender der Ortlergrup­
Stoanerne Mandln
pe. Unser Ziel, der Weiler St. Martin im
Foto: Martin Plattner
Kofel, thront wie eine Aussichtskanzel
hoch über dem Vinschger Talboden.
In der dortigen Wallfahrtskirche befin­ wetter doch etwas mehr Trubel gibt. jahr). Von der Hochfläche bei der

geht weiter
det sich das Höhlenheiligtum des Im Frühjahr ist die Krokusblüte auf den ­Cisloner Alm hat man einen schönen
hl. Martin. Weiden des Salten überwältigend. Ausblick auf das Unterland und den
Wegbeschreibung: Vom Bahnhof Wegbeschreibung: Wir starten im Mendelkamm. Von der Alm geht es
Die Spitzige Lun (2.317 m) in Schlanders gehen wir durch das Dorfzentrum von Mölten und gehen weiter über Lärchenwiesen zum Jäger­
Tourenvorschläge aus den AVS-Sektionen Foto: Karin Leichter Dorf und entlang der Sonnenprome­ ca. 300 Meter auf dem Gehsteig in kreuz mit Ausblick auf Schwarz- und
nade (Weg Nr. 1). Danach folgen wir Richtung Schlaneid. Nun nach rechts Weißhorn und auf das Dorf Truden.
dem Weg Nr. 14 Richtung Patsch. Von abbiegen und auf Weg Nr. 13 bis Hohl­ Unter uns liegen die Rentsch Wiesen.
Wir wollen uns gemeinsam der Ver- bietet aber trotzdem eine einmalige dem Citybus zurück nach Mals (Ver­ Patsch geht’s zum Zuckbichl, dann vor­ weg, wieder rechts abbiegen und auf Der Weg unter der Hochwand wird
antwortung für den Klima­schutz Aussicht über den Obervinschgau: bindungen mehrmals wöchentlich). bei an der Ruine Laggàr bis zum Gast­ Weg Nr. 4A und 14A nach Kircheben; schmaler, man wandert unter der Fels­
stellen und für ein möglichst nach- Die Berge des Ortlermassivs scheinen Gesamtgehzeit: 4 h 50 min hof Egg (Einkehrmöglichkeit). Nun fol­ auf Weg Nr. 15 zur Sattlerhütte und zur wand hindurch (kurze Seilsicherung,
haltiges Unterwegssein sensibili- zum Greifen nah. Der Blick ins Tal zeigt Höhenmeter im Aufstieg: 740 Hm gen wir weiter der Nr. 14 bis zum Ende Möltner Kaser; weiter auf Weg Nr. 28 Zaun als Absturzsicherung). Wir bli­
sieren. Warum also in die Ferne die Vielfalt des Obervinschgaus mit der Tour in St. Martin im Kofel, von wo und später auf Nr. 23A zu den Stoaner­ cken auf Aldein und im Hintergrund
schweifen – liegt das Schöne ja so Kulturflächen und ursprünglichen Die Vinschger-Leiten-Wanderung wir mit der Seilbahn hinunter ins Tal nen Mandln; auf Weg Nr. 23 über die auf die Berge der Sarntaler Alpen. Der
nah! Macht also auch heuer bei Ortskernen. Rund 700 Höhenmeter Bei unserer Hausbergwanderung von nach Latsch schweben. Von Latsch Blas zum Jenesinger Jöchl; über Weg Abstieg führt durch einen Buchen-­
#MEINHAUSBERG mit, mit mög- sind zu bewältigen, um auf einem der Schlanders nach St. Martin im Kofel nach Schlanders zurück geht es mit 23B, 5 und 8 über die Forststraße zur Föhren-Wald und wir erreichen bei den
lichst fairen Mitteln: entweder nur schönsten Aussichtsberge oberhalb lernen wir die Besonderheiten des der Vinschger Bahn (Linie 250); von der Kirche Kampidell und weiter zum Gast­ Kalditscher Höfen wieder das Sied­
mit Muskelkraft (zu Fuß, mit dem von Mals zu stehen, wenn wir für den Vinsch­ger Sonnenbergs kennen. Da Seilbahn bis zum Bahnhof sind es nur haus Lanzenschuster; durch Wiesen lungsgebiet von Montan.
Rad) oder mit Hilfe öffent­licher Aufstieg mit dem Citybus nach Matsch das Gebiet extrem niederschlagsarm wenige Gehminuten. auf den Wegen Nr. 8A, 17A und 5 nach Wegbeschreibung: Wir starten im
Verkehrsmittel von eurem Heimat- fahren. Etwas mehr Ausdauer benötigt ist, bildete sich eine klassische Step­ Gesamtgehzeit: 4 h 30 min Schermoos. Die Rückfahrt erfolgt mit Ortszentrum von Montan. Wer mit
ort aus. man hingegen für den direkten Höhenmeter im Aufstieg: 1.100 Hm dem Bus (Linie 156) nach Mölten. dem Bus anreist (Linie 140), geht von
­Anstieg von Mals, bei dem gut 1.300 Gesamtgehzeit: 6 h der Bushaltestelle an der Dolomiten­

N
achfolgend stellen wir eine Höhenmeter zu bewältigen sind. Von Mölten zu den Stoanernen Höhenmeter im Aufstieg: 1.190 Hm straße ein kurzes Stück der Straße ent­
Auswahl an Bergtouren unse­ Wegbeschreibung: Vom Dorf­zen­ Mandln lang und gelangt dann über Weg Nr. 4
rer Sektionen und Ortsstellen trum Matsch (Bushaltestelle) wandern Diese anspruchsvolle, lange Bergtour Rundwanderung am Cisloner Berg ins Ortszentrum. Wir wandern auf Weg
vor. Die meisten davon wurden im wir Richtung Westen auf dem Almweg bringt uns zur prähistorischen Kultstät­ Diese aussichtsreiche Wanderung ist Nr. 4 hinauf (die Windisch Wiesen
­Rahmen des Projekts Wandern ohne mit der Nr. 13 in mäßiger Steigung te der Stoanernen Mandln. Niemand besonders im Frühjahr und Herbst zu querend) zu einem Forstweg und über
Auto erarbeitet. Bitte beachtet bei durch den Wald. Nach ca. einer Drei­ weiß, warum die Steintürme auf dieser empfehlen. Sie führt von Montan über diesen teilweise leicht absteigend zum
der Tourenplanung stets die aktuelle viertelstunde den Almweg nach rechts Anhöhe aufgeschichtet wurden und die Cisloner Alm und zum Cisloner Zufahrtsweg des Rienzner Hofes. Dem
Situation auch hinsichtlich der Schnee­ verlassen und der Wegmarkierung welche Bedeutung sie haben. Einige Berg. Vom Ortszentrum in Montan bli­ Weg Nr. 1 zuerst der Straße folgend,
reste in den Höhenlagen und rüstet Nr. 13 bis zum Gipfelkreuz der Spitzigen sagenumwobene Erzählungen versu­ cken wir auf das malerisch gelegene dann in Serpentinen mäßig steil durch
euch entsprechend aus. Lun folgen. Der Abstieg nach Mals er­ chen Aufschluss über die Bedeutung Schloss Enn, ein altes Herren- und Ge­ den Wald hinauf bis zu einem Fahrweg
folgt über Weg Nr. 12 nach Malettes dieses mystischen Ortes zu geben. Tei­ richtsschloss, das 1173 von den Grafen und von dort bis zur Cisloner Alm
Auf die Spitzige Lun und stets der Markierung 12 folgend le der Wanderung führen noch durch Enn erbaut wurde. Weitere Höhepunk­ (1.249 m). Weiter über Weg Nr. 3 (teils
Hoch über Mals baut sich der Berg­ über die St.-Martin-Kapelle ins Orts­ eine relativ ruhige Zone des Tschöggl­ te der Wanderung sind die Windisch Forststraße) aufsteigend bis zum
rücken der Spitzigen Lun auf. Der zentrum von Mals. bergs, während es bei der Sattler­ Wiesen, Lärchenwiesen oberhalb des Jäger­kreuz (1.434 m). Von dort über
Am Sonnenberg
­Gipfel zählt mit seinen 2.317 Metern Variante: Vom Gipfelkreuz auf Weg hütte, bei den Mandln und bei der Dorfes, die für ihren Orchideenreich­ Weg Nr. 2B Richtung Norden zur
Foto: Judith Egger
nicht zu den höchsten der Umgebung, Nr. 12 A nach Planeil absteigen und mit Möltner Kaser bei schönem Ausflugs­ tum bekannt sind (Blütezeit im Früh­ Hochwand. Abstieg über Weg Nr. 2A

78 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 79


Unterwegs

Jägerkreuz auf dem Weg zum Cisloner Berg


Foto: Anna Pichler
reichen wir zunächst die Siedlung ße Richtung Rittner Horn, Markierung
Brach und anschließend Enneberg-­ Nr. 1. Vorbei am Gasthaus Rittner Stu­
Pfarre. Über Weg Nr. 2 steigen wir be überquert man den Kreisverkehr
schließlich zur Bushaltestelle bei Fra­ und folgt noch ca. 200 Meter der Lan­
Kapelle vorbei, die im Zuge der Pest macia an der Hauptstraße ab. Die desstraße Richtung Pemmern. Von
1635 errichtet wurde. Nach dem Rückfahrt erfolgt mit dem Bus (Linien dort folgen wir Weg Nr. 1, vorbei am
­Anstieg lädt bei der gemütlichen 461 und 460). Kleehof, in Richtung Waldhotel Tann.
Tschafonhütte eine sanft geneigte Gesamtgehzeit: 4 h 30 min Dort beginnt die Forststraße zum
Wiese zur Rast ein. Der Weg zum Höhenmeter im Aufstieg: ca. 750 Hm ­Loden (Nr. 27). An der Weggabelung
­Gipfel ist nun nicht mehr weit und nach ca. 1 km links halten. Dem Forst­
führt durch Wald und Latschenge­ weg weiter nach Osten folgen (immer
büsch. Dieser Tourenvorschlag ist mit Von Klobenstein zum Saubacher Weg Nr. 27). An der Kreuzung nach
Überschreitung nach Völser Aicha und Rittner Schritzenholz rechts dem Rampoldsteig folgen, an
­gedacht. Alternativ: Rückweg am Auf­ Diese aussichtsreiche Wanderung für dessen Ende man das Saubacher
stiegsweg. ausdauernde Wanderer führt uns auf Schritzenholz (1.457 m) erreicht. Dort
zu einer Forststraße (Nr. 2), dann über ­ inen Wiesenweg, anschließend auf
e Wegbeschreibung: Wir starten am die schönen, mit Lärchen bestockten angekommen, halten wir uns bei der
Weg Nr. 3c (zunächst Steig, dann der Zufahrtsstraße an mehreren Hof­ Dorfplatz in Tiers oder von der nahen Almwiesen, die als Schritzenholz be­ Weggabelung rechts (Weg Nr. 34) und
Forststraße) in weiten Schleifen bis zu stellen vorbei und bleiben immer auf Bushaltestelle und steigen am Weg zeichnet werden. Nachdem wir das wandern nach Süden weiter. Der Weg
den Kalditscher Höfen oberhalb von Weg Nr. 6, bis wir über einen Güter­ Nr. 4 zur St.-Sebastian-Kapelle auf. Von Siedlungsgebiet hinter uns gelassen ist nun etwas steil und abschüssig und
Montan. Von dort der Markierung Nr. 3 weg durch Wald die Sieben Schupfen dort geht‘s weiter zum Wuhnleger. haben, führt unser Weg durch schöne erfordert vor allem bei der Überque­
bis zur Hauptstraße (Bushaltestelle erreichen. Weiter geht es über den Stets auf Weg Nr. 4 und steil bergauf Kiefern- und Tannenwälder. Am soge­ rung des Diktele­gra­bens Trittsicher­
beim Hotel Tenz) folgen oder ins Orts­ Steig Nr. 6 steile Bergwiesen querend erreichen wir die Tschafonhütte. Von nannten Loden gelangen wir auf eine heit. Anschließend erreicht man das
Höhenwanderung von St. Lorenzen nach
zentrum von Montan. zum Rosswang und anschließend dort auf Weg Nr. 9 zum Völsegg-Spitz. Enneberg große, idyllische Lichtung, an deren Rittner Schritzenholz (1.473 m). Von hier
Variante: Von der Cisloner Alm aus­ durch schroffe Waldhänge abwärts zur Für den Abstieg wandern wir zur Foto: Herbert Lauton oberem Rand eine unbewirtschaftete führt der Wanderweg Nr. 34 weiter
gehend nach Norden abzweigen, dem Oberbergalm. Hier endet der Sieben-­ Tschafonhütte zurück und steigen auf Forsthütte steht. Kleine Seen, Moore zum Aussichtspunkt Grindlegg
Forstweg (Markierung Nr. 2) folgen Schupfen-­Weg. Über den Fahrweg Weg Nr. 4 nordseitig bis zur Wegkreu­ und Zirben prägen diese magisch an­ (1.425 m). Auf einer kleinen asphaltier­
und nach Montan absteigen; Zeiter­ Nr. 9 steigen wir ab nach Weißenbach. zung mit Weg Nr. 7 A ab. Dort biegen mutende Umgebung am Heidrichs­ ten Straße steigen wir bis zum Gast­
sparnis gut eine Stunde. Die Rückfahrt erfolgt mit dem Bus wir nach links ab und erreichen auf Von Hof zu Hof über dem Gadertal berg. Man befindet sich hier in einem haus Egarter und nach Maria Saal ab.
Gesamtgehzeit: 5 h 45 min ­(Linie 150). Weg Nr. 7 A das Gasthaus Schönblick. Bei dieser Höhenwanderung von naturnahen Waldgebiet, das von klei­ Von dort entweder mit dem Bus (Linie
Höhenmeter im Aufstieg: 1.030 Hm Gesamtgehzeit: 3 h 20 min Von dort führt uns Weg Nr. 7 zum St. Lorenzen nach Enneberg erhalten nen Weide- und Wieseninseln unter­ 165) oder zu Fuß über den Erdpyrami­
Höhenmeter im Aufstieg: 460 Hm Schnaggenkreuz und weiter nach wir einen Einblick in Kultur und Tradi­ brochen wird. Hier findet man noch denweg nach Lengmoos und zurück
Der Sieben-Schupfen-Weg im ­Völser Aicha. Die Bushaltestelle (Linie tion des Gadertals. Wir wandern auf zahlreiche Moorflächen – eine Selten­ nach Klobenstein.
­Sarntal Von Tiers auf den Völsegg-Spitz 185) befindet sich an der Landstraße. ­alten Wegen hoch über dem Tal und heit am wasserarmen Ritten. Ab dem Gesamtgehzeit: 5 h 15 min (bis Maria
Diese Almrundwanderung führt uns Der Völsegg-Spitz ist trotz seiner rela­ Gesamtgehzeit: 5 h 45 min kommen immer wieder an alten Bau­ Loden führt unser Weg über den Saal)
von Pens nach Weißenbach. Am Be­ tiv geringen Höhe von 1.829 Metern Höhenmeter im Aufstieg: 850 Hm ernhöfen und den sogenannten Viles, Rampold­steig, an dessen höchster Höhenmeter im Aufstieg: 600 Hm
ginn der Wanderung können wir schö­ ein wunderbarer Aussichtsberg; vom den typischen ladinischen Weilern, Stelle sich uns ein atemberaubendes
ne Trockenmauern bestaunen. Am Gipfelkreuz genießt man ein weitrei­ vorbei. Bei diesem sonnigen Ausflug Panorama auf die Dolomiten eröffnet.
Ende der Höfezufahrt befindet sich chendes Panorama. Beim steilen Auf­ Almhütten im Oberbergtal, Sarntal überschreiten wir die Sprachgrenze Wegbeschreibung: Vom Bahnhof Rastplatz am Loden
das spätgotische St.-Johann-Kirchlein; stieg kommen wir an der St.-Sebastian-­ Foto: Karin Leichter zwischen dem Deutschen im Pustertal Klobenstein folgen wir zuerst der Stra­ Foto: Cristina Camerota

ein Abstecher lohnt sich, denn innen und dem Ladinischen im Gadertal.
und außen sind Fresken aus verschie­ Wegbeschreibung: Wir starten vom
denen Epochen zu sehen. Im weiteren Dorfzentrum oder vom Bus- bzw. Zug­
Wegverlauf erreichen wir die kleinen bahnhof von St. Lorenzen aus. Auf
Blockhütten, die vor nicht allzu langer Weg Nr. 8A wandern wir in Richtung
Zeit während der Heuernte als Unter­ Süden nach St. Martin, vorbei an der
kunft dienten. Von den Almhütten stei­ Michelsburg bis zum Weiler Moos.
gen wir dann durch Nadelwald ins Wir bleiben stets auf Weg Nr. 8A und
Oberbergtal ab. Dieses Seitental des wandern leicht ansteigend zum Krinner
Penser Tals wird vom mächtig aufra­ Kreuz. Bei der Wegkreuzung wechseln
genden Gipfel des Sarner Weißhorns wir auf Weg Nr. 8B und folgen diesem
beherrscht. bis kurz vor den Pfaffenberger Höfen.
Wegbeschreibung: Wir gehen vom Nun wechseln wir auf Weg Nr. 12A und
Dorfzentrum oder der Bushaltestelle wandern über eine Forststraße weiter
in Pens auf Weg Nr. 6 die Hauptstraße zu den Weilern La Munt und Ciaseles.
entlang in Richtung Weißenbach. Wir Der Weg 12A mündet nun in den Weg
verlassen die Straße, wandern über Nr. 12. Über die asphaltierte Straße er­

80 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 81


Unterwegs

Die Natur hält für kleine und große


Entdecker unermesslich viele
Schätze bereit. Schon ein gruselig
anmutender Wurzelstock, ein
­bizarrer Stein, oder ein blubbern-
des Rinnsal können Kinder zum
Staunen bringen.

O
bwohl wir, wenn wir genau
­hinsehen, überall kleine und
große Naturwunder finden
können, hat sich die Natur an einigen
Orten doch ganz besondere Überra­
schungen einfallen lassen. Schauspie­
le, die uns mitunter verblüffende Rät­
sel aufgeben. Die meisten davon
mögen heute zwar wissenschaftlich

Zu faszinierenden
­erklärt sein, doch gerade mit Kindern
ist es unglaublich spannend, zu hinter­
fragen, wie diese Phänomene ent­
Bei einer der Ultner Urlärchen können
standen sein könnten. Und selbst wenn Zu den Eppaner Eislöchern den Schlössern Englar und Gandegg,

­Naturschauspielen
wir sogar in das Innere des Baumes hinein­
wir sie uns mitunter nicht erklären schlüpfen Wir beginnen die Rundwanderung im in etwa 45 Minuten wieder unseren
­können – wie langweilig wäre doch Foto: Carmen Kofler
Dorfzentrum von St. Michael/Eppan Ausgangs­punkt in St. Michael.
die Welt, wenn wir über nichts mehr Ob hier auch Waldfeen leben? Die Eislöcher und wandern, vorbei an Raiffeisensaal Gehzeit: 2,5 – 3 Std.

RN
staunen dürften? und Eishalle, zuerst den Kreuzweg hin­ Höhenmeter im Aufstieg: 300 Hm

E
bei Eppan sind ein spannendes und gleich­

IND
sam mystisch anmutendes Plätzchen

K
Die hier vorgestellten Wandervor­ auf zur Gleifkirche (Markierung 8B) und
MIT schläge können sehr gut mit öffentli­
Foto: Tourismusverein Eppan, Marion Lafogler
durch Obst- und Weingüter über das Zum Stieber Wasserfall und den
chen Verkehrsmitteln erreicht werden. Schloss Moos (Markierung 540) zum Gletschermühlen bei Platt
Im Frühjahr (oder Spätherbst) ist es rat­ Gasthof Steinegger. Der Weg 7a führt Das hintere Passeiertal ist reich an
sam, sich vorab zu informieren, ob die uns nun durch schönen Mischwald in spektakulären Naturschauspielen. Ent­
Wege eisfrei und begehbar sind. Wei­ Urlächen. Die drei bis zu 850 Jahre ca. 30 Minuten ins Biotop Eislöcher lang unserer unschwierigen Wande­
tere Infos sind auf dem Alpenvereins-­ ­alten, von Wind und Wetter gezeichne­ am Fuße des Gandberges. Die dort in rung dürfen wir gleich mehrere davon
Tourenportal www.alpenvereinaktiv. ten Lärchen zählen zu den ältesten einer 200 Meter langen und 50 Meter bestaunen. Vom Dorfzentrum in Moos
com zu finden. Nadel­bäumen Europas und zum breiten Mulde verstreuten, moosbe­ in Passeier (großer, kostenloser Park­
UNESCO-­Welt­natur­erbe. Der höchste deckten Porphyr-Blöcke sind ein klei­ platz) folgen wir der hervorragenden
Zu den Ultner Urlärchen der drei Methusalems ist 36 Meter nes Kraxl- und Naturlabor für Kinder Beschilderung und bald die Passer
Diese mit Kindern 4 bis 4,5-stündige hoch, der Wuchtigste misst 8 Meter im und ein seltenes Naturspektakel: War­ querend dem Stieber Wasserfallweg
Rundwanderung hält gleich mehrere Umfang, und bei einer der Lärchen me Luft, die oben in die zerklüfteten Richtung Platt. Nach gut 30 Minuten
spannende landschaftliche und kultur­ können wir sogar in den hohlen Stamm Felsspalten strömt, wird dort abge­ erreichen wir den imposanten Wasser­
historische Erlebnisse bereit. Von hineinschlüpfen. Nach einer weiteren kühlt und entweicht in Bodennähe wie­ fall, an dem der Pfeldererbach in zwei
St. Nikolaus in Ulten (das dortige Tal­ halben Stunde auf unserem Rückweg der als 0 – 7 °C kalte Luft. Dies bewirkt, 18 und 19 Meter hohen Kaskaden to­
museum ermöglicht uns vor oder nach nach St. Nikolaus erreichen wir ein dass sich in den Felsritzen dieses uri­ send in die Passer hinabstürzt. Nun
der Wanderung Einblicke in die bäuer­ zusätz­liches Highlight – den Wasserfall gen und geheimnisvoll wirkenden wandern wir der Markierung 5 folgend
liche Kultur) wandern wir zunächst auf des Klapfbergbaches, der gerade im Plätzchens auf rund 500 Meter Meeres­ an Bad Sand (Einkehrmöglichkeit) vor­
der Ultner Sonnenseite auf dem Ultner Frühjahr zur Schneeschmelze beson­ höhe sogar im Sommer Eiszapfen bil­ bei durch Wald und Wiesen unterhalb
Höfeweg an zahlreichen alten, maleri­ ders viel Wasser führt. Eine kürzere den und eine besonders reiche Flora des Dorfes Platt talauswärts und ge­
schen Bauernhöfen vorbei taleinwärts ­Variante mit kleineren Kindern: von vorzufinden ist, mit Pflanzen, die sonst nießen an einer ­offenen Wiesenstelle
bis nach St. Gertraud. Nach dem Be­ St. Gertraud über die Urlärchen zum erst über 1.000 Metern gedeihen. besten Ausblick hinüber zum beein­
such des Nationalparkhauses Lahner­ Wasserfall und wieder zurück (ca. Auch wenn der Unterschied dieser druckenden Stuller Wasserfall, bevor
säge, das sich dem Thema Holz und 2 Stunden, 170 Hm). Da es auf der Kaltluft zur Umgebungstemperatur im wir zu einer kleinen Kapelle kommen.
Wald widmet, gelangen wir auf der ge­ ­Ultner Schattenseite länger winterlich Sommer am stärksten ist, können wir Dort befindet sich im Wald ein weite­
genüberliegenden, schattigeren Tal­ sein kann, empfehlen wir die Wande­ das Phänomen auch an warmen Früh­ res Naturschauspiel: die Gletscher­
seite, aber immer dem Ultner Höfeweg rung vorsichtshalber erst im fort­ lingstagen deutlich spüren. Auf dem mühlen von Platt. Hier hat der Druck
folgend, auf den Rückweg und errei­ geschrittenen Frühjahr. Rückweg folgen wir jetzt dem Weg der Gletscher während der Eiszeit
Stieber Wasserfall
chen nach ca. 30 Minuten ein außerge­ Gesamtgehzeit: 4 – 4,5 Std. Nr. 15 und später, rechts abbiegend, durch rasant fließendes Eis, Wasser
Foto: Tourismusverein Passeiertal
wöhnliches Naturdenkmal – die Ultner Höhenmeter im Aufstieg: 350 Hm der Nr. 540 und erreichen, vorbei an und mitgeführte Steine mehrere Meter

82 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 83


Unterwegs

Ausgangspunkt zurückwandern. In ser, das mit 3,7 l/s Außerprags ver­


Moos bietet sich an, noch ein Stück am sorgt. Die Maite-Quellen weisen eine
eindrucksvollen Passerschluchtenweg Vielfalt an Lebewesen auf: Steinflie­
bis zu den ersten Aussichtsplattformen genlarven, Wassermilben und Mu­
hinauszuwandern. Als Alternative ist schelkrebse neben Strudelwürmern,
ein Besuch im Bunker Mooseum, das Schnecken und Wasserflöhen. Seid
uns Einblicke in den Naturpark Texel­ ganz leise, liebe Kinder, vielleicht hört
gruppe sowie in die Siedlungs- und ihr ja sogar den quirlenden Gesang
Zeitgeschichte des Ortes gibt, emp­ der Wasserelfen … Pst!
fehlenswert. Die Wanderung beginnt bei der
Gehzeit ohne Busnutzung ab Platt Bushaltestelle Altprags taleinwärts
(beim Rückweg): 3 Std. (1.370 m), wo direkt rechts der Quellen­
Höhenmeter im Aufstieg: 300 Hm weg abzweigt. Wir durchqueren eine
Wiese und überbrücken bald darauf
Zu den Maite-Brünnlein den Stollabach. Links ab wandern wir
In Altprags lädt der Quellenweg zu ei­ nun auf der Forststraße Nr. 37 an der
ner hübschen, leichten Wanderung orografisch linken Bachseite weiter bis
ein. Er führt entlang der Maite-Quellen zu einer kleinen Steigung. Nun

Ein Juwel aus Gneis


und wurde von der Landesagentur für
save:Juval-Vinschgau-Passeier
­verfolgen wir nicht den Forstweg, son­
Umwelt und dem Amt für Naturparke dern biegen links ab zum schmalen
angelegt. Maite (auch Meute oder Weg in den Wald hinein. Bald schon
Meuthe) ist der Name dieses Quellen­ treffen wir auf Bächlein und Brücken Athletische Kletterei
Zeugen aus der Eiszeit - die Gletschermühle
bei Platt ermöglicht uns einen Tiefblick in gebietes, das von den Einheimischen entlang der Maite-Quellen. Am Ende Der Klettergarten Juval an bestem Gneis
Foto: Alex Alber
die Erdgeschichte Maitbrünndl genannt wird. Das Wort des Quellenweges kehren wir auf glei­
Foto: Tourismusverein Passeiertal
Maite soll mit dem Dialekt-Ausdruck chem Weg zurück. Variante: Das Ende
Maute zusammenhängen, womit man des Quellenweges mündet in eine Am Eingang zum Schnalstal, unter- rial des Sees wurde an den Taleingang ist in unmittelbarer Nähe. Viele junge
regnerisches Wetter meint: Ein Maut­ Forststraße, die wir links ab taleinwärts halb von Schloss Juval, befindet befördert und eingeebnet. So ent­ Kletterer aus dem Meraner und
tag ist ein bewölkter, jedoch nieder­ verfolgen. Bald darauf zweigt rechts sich ein kleines Kletterjuwel: der stand die große, ebene Fläche, auf der Vinsch­ger Raum wissen das zu schät­
tiefe Löcher in das Gestein gemahlen. schlagsfreier Tag. Verschiedene Quel­ ein Steiglein ab, das uns durch Wald Klettergarten Juval. heute Obstwiesen samt großem Park­ zen. Der ebene Wandfuß und die
Zwar können wir uns nur einem dieser lentypen treten hier auf: Fließ- und bis nach Brückele führt (1.490 m; platz Platz finden. Der Parkplatz dient Nähe des Schnalser Baches samt an­

D
durch Gletscherstrudel ausgeschliffe­ Sturzquellen, Sumpf-, Sicker- und Tüm­ ca. 1,5 Std.; von hier mit Bus zurück). ie Kletterei auf bestem Gneis­ vor allem als Besucherparkplatz für geschwemmtem Flusssand machen
nen Löcher unmittelbar nähern, doch pelquellen. Aus unzähligem Sprudeln Die Forststraße Nr. 37 ab Schmieden fels ist eine für dieses Gestein Schloss Juval und einen Bauernladen. das Gebiet auch für Familien attraktiv.
ist es allemal spannend, geschützt von entstehen Bächlein, Tümpel und Seen. als Ausgangspunkt verlängert die Tour typische Riss- und Platten­ Wenn der Eigenbedarf es zulässt, dür­ Damit dieses Kleinod auch so
einer Um­zäunung, in dieses andert­ Das Quellenwasser wird teils für eine um ca. ½ Std. kletterei. Die Schwierigkeitsgrade fen die Kletterer den Platz ebenso be­ bleibt, ersucht die AVS-Sektion Unter­
halb Meter breite und rund vier Meter Fischzuchtanlage verwendet, (bereits Gehzeit: 1,5 – 3 Std., je nach Variante ­variieren von mittelleicht bis schwer. nutzen, es wird aber um Rücksicht ge­ vinschgau die Besucher, die allgemei­
tiefe Kunstwerk aus der Eiszeit hinab­ im 19. Jh. hatte man hier Forellen und Höhenmeter im Aufstieg: 60 – 120 Hm Geklettert wird in diesem Gebiet beten und auf die Einhal­tung der nen Verhaltensregeln zu beachten.
zublicken. Auf dem Rückweg können Saiblinge gezüchtet), teils für Trinkwas­ Ralf Pechlaner, Ingrid Beikircher bereits seit den frühen 1970er-Jahren; Parkplatzregeln hin­gewiesen. Ulla Walder
wir an der Kapelle vorbei zunächst die Ersten, die die Felsen für Übungs­ Ein Pluspunkt für den Klettergarten
noch ein paar hundert Meter Richtung zwecke nutzten, waren Mitglieder der ist die gute Erreichbarkeit mit den
Breiteben wandern, um dort noch ein­ Alpingruppe der Finanzwache, die im öffent­lichen Verkehrsmitteln. Der Er­ für 1 Jahr
mal einen spektakulären Blick auf die Schnalstal stationiert war. Bald schon lebnisbahnhof Staben der Vinschger Kostenloses Topo

Stuller Wasserfälle zu erhaschen, die wusste dann auch die einheimische Bahn liegt unmittelbar gegenüber dem Juval
zu den höchsten Wasserfällen Europas Kletterszene den leicht zugänglichen Klettergarten, der über eine ­Brücke gut code: Faxe
zählen. Von der Kapelle führt der Rück­ Felsen und die ideale Ausrichtung für erreichbar ist; auch die Bushaltestelle
weg über die Breitebenstraße (Markie­ Trainingszwecke zu nutzen. Heute wird
rung 6) wieder taleinwärts in ca. 20 Mi­ der Klettergarten vorbildlich gewartet. Schloss Juval
↖ Schnalstal
nuten nach Platt. Hier können wir Die Sektion Untervinschgau ist An­
entweder mit dem Linienbus nach sprechpartner für alle Belange, den H
G
JUVAL F
Moos fahren, oder noch einmal ent­ Klettergarten betreffend. E
D ↗ Meran
C
lang des Stieber Wasserfallwegs zum A B

Gute Erreichbarkeit
Die Geschichte des Gebiets ist interes­ Vinschger
NATURNS
Bauernladen
sant: Die heutige Beschaffenheit des
Geländes kam vor allem durch den
Idyllischer Rastplatz im Quellengebiet ← Reschen
­Maite Brünndl in Prags Bau des Vernagtstausees im hintersten
Foto: Ingrid Beikircher Schnalstal zustande. Das Aushubmate­

84 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 85


Unterwegs

In Richtung des Ausstieges befinden sich


silbrige feste Plattenzonen, die mit Sand­ Wie ein hämisches Gesicht grinste sicherlich mehr als grauenhaft. Erst
uhren abgesichert werden die sich aufbäumende, schaurige Jahre später stellte ich fest, dass der
Fotos: Barbara Holzer
Schluchtwand aus dem oberen Teil he­ Weg durch den unteren Schluchtgrund
rab, um vielleicht im stillen Wortlaut vermutlich eine Erstbegehung gewe­
auszudrücken: „Für die menschlichen sen war, denn Gino Soldà erkletterte
Hände und Gliedmaßen habe ich kein einen Doppelriss mit sehr guten Fel­
det die Schlüsselstelle und ein Quer­ Erbarmen.“ Farben mit feurigem Cha­ sen an der rechten Schluchtwand. Die
gang, der aus der zentralen Wand rakter, einmal gelb, einmal rot und ins Erzählungen über Gino Soldà und sei­
nach rechts führt, sei äußerst heikel Schwarze überlaufend, leuchteten von ne Routen ließen mir scheinbar keine
abgesichert. Welche gruselige Nei­ den Überhängen herunter. Im Spreizen andere Wahl, als mich sofort in den
gung, dachte ich mir, muss dieser itali­ war der erste Kamin noch leicht zu dunklen moosigen Höllenschlund der
enische Kletterer gehabt haben, wenn ­bewältigen. Der Fels wurde brüchiger. Schlucht zu begeben, und so übersah
er durch schluchtähnliche Wandzonen Es steckte sogar ein Haken im Lehm. ich alle anderen schöneren Möglich­
mit jähen und schaurigen Felsforma­ Sandige Leisten gaben ein ungutes keiten eines logischen Aufstieges, der
tionen klettert. Der Name Soldà ließ Gefühl. Der Quergang ließ sich bewäl­ sich an der Seite angeboten hätte.
mich nicht zur Ruhe kommen. tigen und siehe da, der Doppelüber­ Die Suggestionskraft, die mit Namen
Im gleichen Jahr war ich mit Freun­ hang ebenfalls. Ich führte kein Seil, und Erzählungen verbunden ist, darf
den am Sellapass. Ich blätterte in dem sondern nur zwei Bandschlingen und man wohl nicht als gering einschätzen.
besagten Führer und meinte scherz­ zwei Karabiner mit mir. In leichten Be­
haft, dass doch die Soldà für uns alle wegungen ließen sich auch die folgen­ Weitere Wiederholungen und ein
geeignet wäre. Sie wird wenig wieder­ den Passagen turnerisch, oft mit erster neuer Versuch
holt, jetzt im Herbst sei sie aber doch Spreizschritten, ersteigen. Ja, sehr Etwa im Jahre 1980 wiederholte ich mit
sicherlich trocken und biete eine Gele­ schön, herrlich war die Zone, und dies Reinhard Schiestl die Route. Wir führ­
Viele Passagen in bestem Fels kennzeich­
genheit für ein besonderes Abenteuer. tatsächlich ohne Ironie. Der Fels zeigte ten nur ein einfaches Halbseil mit, nen den oberen Wandteil
Die Freunde zeigten wenig Begeiste­ beste Solidität und ein Optimum an ledig­lich für den mittleren Quergang
rung. Der Älteste meinte, dass aus die­ Griffigkeit. Am Ausstieg wunderte ich und den Doppelüberhang seilten wir

Die Geschichte sem Abgrund keiner lebend heraus­


kommen könne.
mich, dass die Führerbeschreibung
zum Schluss kam, die Route sei nicht
zu empfehlen. Vielleicht haben die Er­
uns an, den Rest kletterten wir seilfrei.
Leicht, ja leichtfertig waren wir in die­
sen Jahren unterwegs.
Doppelüberhang in der rechten
Schlusswand befindet. Die Route wur­

einer ­Erstbegehung
Alleingang durch die Soldàführe steller der deutschen Beschreibung Es vergingen die Jahre und es trat de unbegehbar. Jahre später brach ich
Heimlich, ohne den Freunden Bescheid diesen Weg nur nach dem ersten, sub­ ein Felssturz genau an der Schlüssel­ dennoch mit Sigrid Königseder mit
zu sagen, wanderte ich vom Sellapass jektiven Eindruck bewertet, und der ist passage ein, an der Stelle, wo sich der ­einigen Klemmkeilen und wenigen alt­
hinüber zu der Schlucht, in der das modischen Friends zu einem weiteren
Aus einer alten Route entspringt eine neue Abenteuer mit seinen Geheimnissen Versuch auf. Einen Hammer und drei
beginnen sollte. Nach einigen leichten Haken steckte ich zur Vorsicht in das
Felsen strebte ich, wie von unsichtba­ Gepäck. Wir hatten zu dieser Zeit das
Kaum eine Route begleitet mich schmitzt und ironisierte: „Herrlich war ren Händen angezogen, in das Zent­ Ideal, mit möglichst wenig Ausrüstung
von Jugend an bis zum heutigen es, biwakiert und gefroren haben wir. rum des Schluchtgrundes. Dort war es und leichten Ansätzen der Bewegung
Tag wie der Weg von Soldà, der Im schwarzen glitschigen Kamin ist nicht mehr ganz so hell wie draußen. die Schwierigkeiten zu lösen. Den
durch die steilen Abgründe des mein Kollege geflogen, ja, außer­ Der Name Soldà hatte in mir bereits Quergang, der unangenehm brüchige
Piz Ciavazes der Sella zieht. ordentlich herrlich war es!“ Er meinte einen derartig tiefen Eindruck hinter­ Passagen aufweist, konnte ich umge­
mit diesen Kommentaren genau ge­ lassen, dass ich nur das Schauderhaf­ hen. Die Felsen strahlten Festigkeit

D
ie Besten der damaligen Klet­ nommen, dass sie noch einmal glimpf­ teste an den Felsen suchte; dass ich und Griffigkeit aus. Nun galt es, den
terszene erzählten mit Schau­ lich davongekommen waren. aber die schönen Felsen des Original­ steilen und scheinbar unbegehbaren
dern von der Durchsteigung aufstieges b­ ereits verfehlt hatte, war Mittelausbruch rechts zu überwinden.
der Südwestwand der Marmolata, Die heranreifende Idee mir nicht ­bewusst. Es gelang. Ich erreichte eine kleine
die Gino Soldà in der Vorkriegszeit Eine halbe Seite widmete ein Führer, Viele moosige, schwarze, beschich­ Kanzel und zur Überraschung zierte
­eroberte. Wasserfälle, die aus einer der mir 1977 zufällig in die Hände fiel tete Kamingründe kamen meinen Sin­ eine schöne, dicke Sanduhr diesen
­eisigen Ausstiegsschlucht entspringen, und den ich mit größter Neugier nen entgegen. Einmal spreizend, ein­ Standplatz. Die Umgehung war ideal.
schwere Quergänge, gelber, nicht im­ durchblätterte, der Route von Gino mal stemmend arbeitete ich mich Wir hatten es geschafft, so dachte ich
mer zuverlässiger Fels, schaurige Soldà und Guido Pagani, die 1947 die diesen Schlund empor. Haken oder wenigstens. Die Schlüsselstelle war
Überhänge und natürlich extreme, Wand durchkletterten. Es hieß, dass Standplätze waren nicht vorhanden. Es überwunden.
­alpine Schwierigkeiten waren die sie nicht zu empfehlen sei, kaum Wie­ folgte ein großer Klemmblock, der sich
Kennzeichen einer Route von Soldà. derholungen aufweise; sie sei nass, aber mit Eleganz überspreizen ließ,
Ein Münchner „Sestogradist“ erwähn­ brüchig und führe durch eine wulstarti­ und bald erreichte ich das große Band Ein Klemmblock motiviert zum weiten
te den Namen Soldà, lachte ver­ ge Schlucht. Ein Doppelüberhang bil­ in der Mitte der Wand. Spreizen

86 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 87


Unterwegs

Es gibt unterschiedliche Überra­ Das Geheimnis des Erfolges liegt nicht


schungen, die den Bergsteiger bei der nur im unentwegten Tun zur Sache.
Durchführung eines Unternehmens ­Sobald die Frau von der Sache über­
treffen können. Allgemein spricht man zeugt ist, wird sie auf magische Weise
von subjektiven und objektiven Gefah­ des Mannes Hände und Sinne führen.
ren. Was sich aber nun entfesselte, Bergsteiger sollten deshalb den Um­
stellte sich weder subjektiv noch ob­ gang mit dem weiblichen Geschlecht
jektiv, sondern „metaphysisch“ dar. in besonderem Maße pflegen, denn
Die Launen einer weiblichen Kletter­ sie werden erstaunt sein, wie sich dann
partnerin müssen nach meiner Erfah­ mysteriöse Kräfte freisetzen, die zum

Mit Freunden in die Silvretta


rung ernst genommen werden. Die Erfolg eines Unternehmens beitragen.
Partnerin wollte nach der Schlüssel­
passage unvermutet umkehren. „Wir Neuausrüstung und weitere
haben nur noch einen Haken und sind ­Verbesserungen der Route
noch nicht in der Originalroute, wo die Die Soldà war immer noch ein Stiefkind 37. Internationale Skitourenwoche in Schruns
Überhänge warten“, meinte sie. Mein in der alpinen Geschichte. Mit Florian
gutes Zureden, dass ich die Route in Kluckner und Franz Heiß starteten wir
dem oberen Teil kenne und es das eine Unternehmung und rüsteten die Wer hätte je gedacht, dass ein zierte Personenanzahl in der Seilbahn Letztendlich war die Internationale
Beste sei, das schöne Gipfelplateau zu Route aus, sie wurde ganz neu und un­ ­Virus auf eine Skitourenwoche und beim Shuttleservice. Das konnte Skitourenwoche wieder ein erfolgrei­
erreichen, scheiterten kläglich. Die ei­ abhängig. Ringe am Standplatz berei­ ­einen so großen Einfluss haben jedoch der guten Stimmung nichts ches Treffen mit viel Gedankenaus­
gentliche Schlüsselstelle bildet nicht cherten die Sicherheit. Eine neue Rou­ würde. So waren die zwei Wochen ­anhaben. So führten wir an diesem tausch und angenehmen Begegnun­
selten das weibliche Gemüt. Wir seil­ te über 14 Seillängen entstand. Da der vorher von großer Unsicherheit wunderschönen Tag herrliche Touren gen mit altbekannten Freunden. Ein
ten, um das Mysterium unserer Seil­ untere Teil der Schlucht mit seinen in­ ­geprägt. Wir wussten nicht, ob wir durch, wobei ich die Abfahrt eher als aufrichtiger Dank gebührt den Orga­
schaft zu erhalten, ab. teressanten Passagen relativ spät be­ nach Montafon in Vorarlberg ein- eine Herausforderung bezeichnen wür­ nisatoren, besonders Max und Silke,
ginnt und nur fünf Seillängen aufweist, reisen dürfen, da unser Land in die de, da der Schnee durch den Wärme­ die es trotz schwieriger Bedingungen
Die Neudurchsteigung der Route fügten wir kürzlich noch drei Seillängen rote Pandemiezone geschlittert einbruch schwierig zu bewältigen war. geschafft haben, eine unvergessliche
Am Abend und am nächsten Morgen hinzu. Die „Guardando la Soldà“ war war. Schließlich fand die Skitouren- Die Prognose für den letzten Tag Woche für uns Teilnehmer zu veran­
fanden einige Gespräche über die entstanden. Für sommerliche und woche 2020 doch statt und wir war sehr unsicher. Nach morgend­ stalten. Wir Südtiroler traten am Sams­
­Logik und Schönheit einer Route statt. herbstliche Tage bietet diese Route Südtiroler nahmen mit voller Mann- lichem Regen starteten wir wieder tag mit Covid-19-Eigenerklärungen
Meine Argumente überzeugten die eine einzigartige Aufstiegserfahrung. schaft daran teil. ­etwas später. Das Ziel für alle Teil­ in der Tasche die Heimfahrt auf fast
Weiblichkeit. Wir stiegen jedenfalls in Sowohl der untere als auch der obere nehmer war die Lindauer Hütte, je­ leeren Straßen an.

I
Übereinstimmung ein und genossen Teil weisen nun eine Anzahl von idealen nsgesamt war die Teilnehmerzahl doch mit verschiedenen Aufstiegen. Hermann Pfeifhofer
das Streicheln der Sonne. Wir fanden Seillängen auf, die nicht mehr höchste aufgrund der Pandemie wesentlich Dort angekommen, lichteten sich die
einen herrlichen Ausstieg rechts der Waghalsigkeit einfordern. Mittlerweile niedriger. Erst im zweiten Moment Wolken und die bekannten Drei Tür­
Soldàführe. Es ließ sich die Route mit sind weitere Haken und zusätzliche rückte für uns die Wetterprognose für me, das Wahrzeichen von Montafon, Die Drei Türme, das Wahrzeichen von
Sanduhren und natürlichen mobilen Sanduhrschlingen hinzu­gekommen. die Woche in den Vordergrund, die vor präsentierten sich in einer faszinieren­ ­Montafon

Siche­rungen zuversichtlich klettern. Heinz Grill allem zu Beginn nicht vielversprechend den Stimmung zwischen Nebel und Herrliche Skitourentage in der Silvretta
war. So brachen wir am ersten Skitou­ Sonnenschein. Fotos: Hermann Pfeifhofer

rentag, der mit dichtem Schneefall


­begann, verspätet zu kurzen Touren
auf. Tags darauf am Dienstag war die
thomaser.it Situation sehr ähnlich, weshalb einige
Teilnehmer das Zeppelin-Museum in
Friedrichshafen und die Kletterhalle in
Dornbirn besuchten.
Erst am Mittwoch besserte sich das
Wetter und eine Gruppe wagte eine
TERRABONA.IT

Tour Richtung Silvretta. Wegen des


Preis-Vorteil für AVS-Mitglieder Neuschnees gab es in höheren Lagen
schönen Pulver und für die Teilnehmer
erlebnisreiche Abfahrten; die Tempe­
ratur war jedoch sehr mild. Nach einer
sternklaren Nacht und bei wolkenlo­
sem Wetter ging es am Donnerstag in
die Silvretta. Erste Auswirkungen auf­
grund von Corona waren eine redu­

Bergeerleben 01/21 89
Unterwegs

Lebenslauf
Erstbegehungen Durrerspitze, Riepenscharte,
­Antholz
Bei langanhaltendem stabilem Herbst­
SpaceShuttle Zinnfiziert

Für ein
wetter konnten Manuel Gietl und Jakob
Kleine Rodelheilspitze, Sellagruppe Westliche Zinne
Steinkasserer die neue Route Lebenslauf
Auf dem Weg zum Grödner Joch fiel Im Oktober 2019 und Juli 2020 gelang in der steilen Wandflucht des „kleinen
Hannes Pfeifhofer und Diddi Nieder­

besonderes Foto
Markus Huber eine Mixedlinie an der Hochgalls“ eröffnen. Die Linie verläuft
kleinen Rodelheilspitze auf. Noch am sel­ brunner erneut eine Erstbegehung in den durch die schuppige und rissdurchzoge­
ben Tag stieg er mit Peter Zischg in die Zinnen. Ihre neue Route Zinnfiziert führt ne Wand, die vor allem in der zweiten
Wand ein und begann mit der Erstbege­ an der Südseite der westlichen Zinne Hälfte recht luftig ist. Trotz gebohrter
hung der Route Space Shuttle. Nach drei nach oben. Die Schwierigkeit von VI+ wird Stände verspricht die Route abenteuerli­
Zur Erinnerung an J­ akob Müller Anläufen gelang ihm mit Igor Griesmair in den 370 Metern nie überschritten und ches alpines Klettern auf größtenteils
die erste freie Begehung der Route. bewegt sich meist im Bereich V-VI Grad. kompaktem, granitähnlichem Gestein.
Die Route verspricht einen schönen, alpi­
nen Aufstieg auf gutem Fels.

Am 18. Juli 2020 stehen Ernst Müller, deren Wert: Die Freude über die ge­
Klaus Zelger und Stefano Im am glückte Tour, Spaß und die Leiden­
Ausstieg der Kletterroute Schlern- schaft für die Berge und das Klettern,
schatten. Nach sechs Seillängen all das strahlt Jakob auf dem Foto aus.
fehlt noch der wichtigste Griff des
Tages– jener zum Fotoapparat. Schlernschatten zum Zweiten
Gerne habe ich Ernst den Wunsch er­

G
enau dieses Gipfelfoto hätte ich füllt. Der vereinbarte Termin fiel auf
auch gerne!“ Vor einiger Zeit den 18. Juli. Es war ein sonniger Tag,
trat Ernst Müller mit diesem für die Jahreszeit aber ziemlich kalt,
Wunsch an mich heran. Im Juli 2020 war vor allem für eine Tour, die den ganzen
es schließlich soweit. Wie schon drei Tag über kaum einen Sonnenstrahl ab­
Jahre vorher war auch ­Stefano mit von kriegt. Nicht von ungefähr der Name
der Partie, er hatte d
­ amals das begehr­ Schlernschatten. Doch ausgemacht ist des großen Bruders steht da nun der
te Gipfelfoto g­ eschossen und sollte es ausgemacht. Beim Einstieg war ich kleinere auf dem Foto. Es war ein
auch diesmal machen. dann doch etwas angespannt. Erste ­ergreifender Moment für alle, in den
Seillänge, 6b, 50 Meter. Das sollte nor­ Erinnerungen war auch Jakob mit uns.
Das Foto malerweise kein Problem sein, mit Vergessen waren die Kälte und die
Aufgeregt und glücklich wie ein klei­ so tiefen Temperaturen hatte ich aber anstren­gende Kletterei angesichts
nes Kind bei seiner Lieblingsbeschäfti­ nicht gerechnet. Auch meine beiden der Emotionen und der Dankbarkeit,
gung. So wirkt Jakob Müller auf dem Seilpartner im Nachstieg kämpften mit die Ernst ausstrahlte.
Gipfelfoto. Entstanden ist es im Som­ den Graden, in zweierlei Hinsicht. Den Tag ließen wir in der Schlern­
mer 2017 nach dem Ausstieg aus der Ernst ließ sich aber nicht von seiner bödele­hütte mit ein paar Bier und schö­
Klettertour Schlernschatten am gro­ ­Euphorie abbringen. Hochmotiviert nen Erinnerungen an unseren ­Bruder
ßen Schlernkopf. Ein Foto unter vielen bezwang er Seillänge um Seillänge und Seilpartner Jakob aus­klingen.
Gipfelfotos, eigentlich. Für seinen und erreichte jeden Standplatz mit ei­ Klaus Zelger, Stefano Im
­Bruder Ernst hat es aber einen beson­ nem glücklichen Lachen im Gesicht.
Jakob kletterte schließlich immer mit
In fremden Landen
ihm. Im Gedanken, und auf dem Foto Pichler Pfeiler, Staller Sattel,
JAKOB MÜLLER Corona Clean Freistil
in der Jackentasche. Das Foto, wes­ ­Rieserfernergruppe
wegen wir hier waren. Tranvenanzestal, Cortina Zehnerspitze, Kreuzkofelgruppe Bei einer Begehung der Route Jung und
Im Februar 2018 verunglückte Jakob
­d’Ampezzo Tobias Engl und Johannes Erlacher ge­ Alt am Pichler Pfeiler fiel Martin Stolz­
Müller tragischerweise in der Kletter­
Auf dem Gipfel halle. Als langjähriges AVS-Mitglied Im Februar 2020 gelang Simon Kehrer lang die Neutour Freistil auf einen vorge­ lechner und Lukas Troi eine neue, mögli­
Nach dem Ausstieg übernahm Stefano, und als Tourenleiter war er weitum und Lukas Troi nach der Durchsteigung lagerten Nordwand-Gipfel der Zehner­ che Linie auf. Ihre Erstbesteigung In
der Fotograf, die Regie. Das blaue ­bekannt. Seine große Leidenschaft war der Linie Il soffio di Horus mit einer wei­ spitze. Die Kletterei ist von kompakten fremden Landen mit 5 Seillängen auf
Das besondere Foto;
v.l. Klaus ­Zelger, T-Shirt, in dem Jakob vom Foto lacht, das Felsklettern, aber auch in den teren Seillänge die eine neue Mixedlinie Platten bis hin zu heikleren Quergängen strukturiertem Granit verspricht einen
Ernst Müller, trug auch Ernst zwei Jahre später bei Kletter­hallen war der gesellige Berg­ Corona Clean. Wie der Name bereits und Rampen geprägt. Die Absicherung wahren Klettergenuss. Die Route ist mit
­Stefano Im Bohrhaken abgesichert, zusätzlich sind
sich. Er bevorzugte dann doch die steiger oft anzutreffen. sagt, wurde die Tour in puristischer Form, erfolgte mittels Sanduhren, Friends und
Fotos: Stefano Im
­warme Jacke für das Foto. Anstelle also clean, ohne Haken eröffnet. Normalhaken. Friends zur Absicherung nötig.

90 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 91


Erstbegehungen

Titus und Alex in der vierten


­Seillänge von Xylophon breiten Felswand mit ihrer einzigarti­ ­ inige Meter nach rechts und schlägt
e Dafür ist das Wetter am nächsten
Fotos: Martin Dejori gen Dichte an schwierigsten und oft zwei gute Haken. Stand. Ich steige Tag alles andere als gemütlich. Schwe­
prekär abgesicherten Anstiegen. Un­ nach und genieße die Kletterei, weil re, dunkle Wolken hängen am Himmel
ser Ziel ist der Wandbereich ganz links, ich auch die unsicheren Griffe beden­ und ein kalter Wind lässt einzelne
der den 2.907 Meter hohen Gipfel­ kenlos belasten kann. Vom Standplatz schwerelose Schneeflocken in der Luft
aufbau namens Ciaval bildet. George lehnt sich die Wand weit nach außen. tanzen. Unsere Körper sind hingegen
Livanos schuf hier bereits 1953 eine Etwas darüber schlage ich einen Ha­ schwerfällig, am liebsten würden wir
legen­däre Route. Sein Bericht davon ken. Dieser bremst den folgenden unsere Bewegungen darauf beschrän­
lässt ein großartiges Abenteuer erah­ Sturz, während der etwas höher ge­ ken, den Wärmekragen des Schlaf­
nen. Dem äußerst brüchigen Gestein schlagene Haken den Weg nach unten sackes fester zuzuziehen. Für mich gilt
und anderen Widrigkeiten begegne­ zu meinem Gurt findet. Ein paar Haken das sogar, weil Titus und Martin heute
ten er und Robert Gabriel mit Gelas­ später erreiche ich einen schrägen weitermachen sollten. Doch als die
senheit und Ironie. So wollen auch wir Riss, den man gut mit Friends absi­ beiden sich frierend in der abweisen­
an die Kletterei herangehen. chern kann. Der Fels ist nun sehr kom­ den Wand abmühen, empfinde ich
Links der Livanos, da, wo wir hinauf­ pakt und rau und würde sehr elegante schlechtes Gewissen und beginne eine
wollen, ist die Wand bei vergleichbarer Bewegungen zulassen, wenn meine neue Biwakstelle zu bauen, wo wir alle
Brüchigkeit noch steiler. Nach den ers­ Arme bloß nicht vom Hakenschlagen drei nebeneinander Platz haben wür­ Titus steigt in der 5. SL nach, auf
ten 40 Metern winkt aber schon Kalk­ so ermüdet wären. den. Das einfache Abtragen von Geröll schönen, grauen Platten, bevor
der letzte, gelbe Abschnitt folgt
fels allerbester Qualität. Die schwer Mittlerweile ist Titus über ein fixier­ reicht dazu nicht aus, somit baue ich
auf den Schultern lastenden Rucksäcke tes Seil zu Martin aufgestiegen. Er auf der unteren Seite eine Mauer aus
lenken uns vom beschwerlichen Zu­ ­klettert zu mir hoch, an seinem Lächeln großen Blöcken. Irgendwann vergesse gepeilte Linie zu schneiden und den
stieg ab. Am Einstieg, den wir am spä­ und konzentrierten Blick erkenne ich, ich, warum wir eigentlich hier sind, bis Gipfel mit einem äußerst schwierigen
ten Vormittag erreichen, erwartet wie sehr er sich auf die nächste Seil­ ich Titus’ freudigen Ruf vernehme. Er Finale zu erreichen. Natürlich sind wir
uns eine Überraschung. Ein schöner länge freut. Vom Stand klettert er wie­ hat in zwei Stunden zwar nur zwei neue enttäuscht und legen unser eigenes
Rucksack hängt dort in einer kleinen der etwas zurück und überwindet Meter geschafft, jedoch eine solide Projekt aufgrund des abgeschnittenen
Nische, vollgefüllt mit Normalhaken ­einen kleinen Überhang mithilfe eines Sanduhr gefunden. Eigentlich ist es Weiterwegs zunächst beiseite.
und Seilstücken. Natürlich denken wir langen Zugs. Nun hängt er mit den schon eine Leistung, bei dieser bei­
sofort, dass jemand die neue Route ­Armen an der Kante des schmalen ßenden Kälte überhaupt zu klettern.  Sommer 2020
bereits begonnen habe. Erwartungs­ ­Absatzes, die Füße verschwinden Dank der guten Sicherung scheint nun Weil unsere freie Zeit durch die unauf­
voll legen wir unsere Köpfe tief in den ­unter dem Überhang. Unter Aufwand der Weg nach oben greifbar. Doch die haltsamen Wendungen des Lebens
Nacken, sehen aber nur blanken von viel Kraft stemmt er sich nach herben Bedingungen und vor allem weniger geworden ist, legen Martin,
­Felsen; keine Schlinge, keinen Haken. oben, sodass die Füße den Platz der das nahende Konzert von Giorgio Titus und ich schon einen Monat im
Sollten wir den Rucksack also mit­ Hände einnehmen und Letztere die ­Moroder drängen uns zum Abbruch, Voraus ein Wochenende fest, an dem
nehmen und dem Besitzer zurück­ ­darüber liegende glatte Wand abtas­ der uns aufgrund der eben genannten wir wieder ein Abenteuer erleben
geben? Man kann schlecht eine Route ten, auf der Suche nach kleinsten zwei Gründe viel leichter fällt als sonst.  ­wollen. Mehrere Ideen schwirren uns
reservieren, indem man einfach einen ­Senkungen oder Vorsprüngen des Der helle Schein unserer Stirnlam­ durch den Kopf. Manche davon wür­
Rucksack unter die Wand stellt. Bevor ­Felsens. Nachdem die Hände dürfti­ pen im Biwak am Wandfuß ist nicht un­ den am knappen Zeitfenster, andere

Xylophon
wir solche Überlegungen v­ ertiefen und gen Halt gefunden haben, ist der Cliff­ bemerkt geblieben. Vorbildlich hatte wohl an der fehlenden athletischen
wohl schnell verlieren würden, wenden hanger an der Reihe. Darin verharrend Martin die Landesnotrufzentrale dar­ Vorbereitung scheitern. Wir kramen
wir uns dem Klettern zu. kann Titus einen Haken schlagen, den auf hingewiesen, dass wir geplant bi­ auch die Wandbilder des Ciaval hervor
letzten für heute. wakierten und keine Hilfe benötigten. und erkennen freudig, dass die Wand
Neutour am Heiligkreuzkofel Los geht’s! Über Umwege muss auch der Besitzer breit genug ist, um unsere begonnene
Martin klettert los, einer Verschnei­ Abbruch des Rucksackes über unseren Ausflug Route links von Stigmata auf unberühr­
dung entgegen, die nur durch arg Die tief stehende Sonne wirft ein er­ erfahren haben, denn wenige Tage tem Felsen bis zum Gipfel zu klettern.

A
Anfang September 2020 haben m nächsten Tag würde Giorgio brüchiges Gelände zu erreichen ist. staunlich warmes Licht auf die nach später befindet er sich in der gleichen Also hoffen wir nur noch auf gutes
Martin Dejori, Titus Prinoth und Moroder auftreten und das Ein Kletterfluss kommt bei Martin erst Nordwesten ausgerichtete Wand. Wand. Wir wissen nicht, ob seine Pläne Wetter.
Alex Walpoth eine Erstbegehung wollten wir auf keinen Fall ver­ gar nicht zustande, dazu ist er viel zu Wir wissen, dass dieses erfüllende sowieso schon feststanden; anderer­ Am 5. September sind wir nach vier
am Heiligkreuzkofel abgeschlossen, passen. Dafür mussten wir unser Pro­ sehr mit dem Entfernen loser Blöcke Farben­spiel aber schon bald der seits ist es kein Geheimnis, dass diese Jahren wieder unter der Wand, die
die sie vor vier Jahren begonnen jekt am Heiligkreuzkofel unvollendet beschäftigt. Schon bald bessert sich ­kalten Dunkelheit weichen wird. Des­ Wandflucht in den nahezu vollständig uns noch genauso fesselt wie damals.
hatten. Die Route beginnt zwischen zurücklassen. Aber die Berge sind die Felsqualität und mit dem ersten halb seilen wir ab. Titus hat schon erforschten Dolomiten zu den begehr­ Die Biwakebene, für deren Benutzung
Stigmata und Das 5. Labyrinth, ­bekanntlich geduldig, während vom Haken schwindet auch die Gefahr ei­ am Vormittag drei ebene Flächen im teren Zielen gehört. Noch in diesem sich Simon und Andrea herzlich bei
zwei ebenfalls recht neuen Routen Menschen geschaffene Ereignisse nes Sturzes mit unangenehmen Fol­ geneigten, mit Schutt bedeckten Jahr 2016 entsteht am Heiligkreuzkofel uns bedankt haben, ist noch intakt.
von Südtiroler Alpinisten; erstere meistens einzigartig sind. gen. Die gelbe Wand und ein fragiler ­Vorbau ausgegraben. Allzu großzügig die Route Stigmata von Simon Gietl Schade bloß, dass wir auch diesmal
wird ungefähr in Wandmitte ge-  Am 11. August 2016 brechen wir Pfeiler bilden die Verschneidung, in war er nicht mit dem Platz, aber wir und Andrea Oberbacher. Die Stigmata nicht darauf schlafen werden.
kreuzt. Ein Bericht über das sub- früh am Morgen zum Heiligkreuzkofel der Martin bedächtig nach oben sind definitiv un­gemütlichere Biwaks beginnt weiter links, bewegt sich dann Martin hat die erste Seillänge
jektive Erleben von Alex Walpoth auf, dieser majestätischen kilometer­ spreizt. Zum Schluss quert er noch gewohnt. aber nach rechts, um die von uns an­ brüchiger und halsbrecherischer in

92 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 93


Erstbegehungen

u k t-
Prod euheiten
Am Nachmittag erreichen wir den
oberen Steilaufschwung, die Felsfarbe
wechselt wieder von dunkelgrau zu
blassem Gelb. Eine Verschneidung n WANDER­
weist den Weg. Davor müssen ein klei­
nes Dach und eine sehr brüchige RUCKSACK
Schuppe überwunden werden. Titus VAUDE BRENTA 30
zögert nicht allzu lang. Den hohlen
HELM Der sportliche, wasser-
und furchteinflößenden Klang der SKYLOTEC VISO
abweisende Wander-
Schuppe versuchen wir mit aufmun­ Mit 290 Gramm ist der VISO der
rucksack für anspruchs-
ideale Begleiter für alle Spielarten
ternden Zurufen zu übertönen. Drei volle Tagestouren
des Kletterns. Der Allrounder mit
sehr solide Standhaken bringen unsere besticht mit seinem
großen Belüftungsöffnungen und
Zuversicht zurück. Martin robbt über sehr hohen Tragekom-
herausnehmbarer und waschbarer
die glatte Verschneidung nach oben. fort durch stufenlos an-
Die Xylophonspieler Polsterung sitzt angenehm auf dem Kopf
Martin Dejori, Ein letzter brüchiger Überhang wird passbare Rückenlänge
und lässt sich durch das textile Verstellsys-
Alex Walpoth und mit zwei langen Haken verziert und an­ und sein innovatives
Titus Prinoth tem wie maßgeschneidert anpassen. Der Helm
schließend frei überwunden. Zunächst und sehr gut belüftetes
ist aus drei Schalen aufgebaut und erhöht
treten die zwei Haulbags und der Rückensystem, durch
­dadurch Schutz und Stabilität. Größe: 53 – 61 cm
anatomische Schulterträger sowie funktionelle Fächerauftei-
Erin­nerung, als er sie diesmal empfin­ und klettert dann weit nach oben, Rucksack den Weg nach oben an, Titus Preis: 80,00 €
lung. Der praktische Frontzugriff garantiert einen schnellen
det. In der zweiten Seillänge ergeht ohne Zwischensicherung. Wieder und ich folgen und haben Erstere bald
Zugriff auf den Rucksackinhalt; Kompressionsriemen sorgen
es mir ähnlich: Ich habe sie schwieriger überwiegt seine Sturzangst gepaart überholt. Wir sind am Gipfel, bevor die
für einen stabilen Halt in jeder Tragesituation. Eine Vielzahl
eingeschätzt. Aber es spielt an­ mit Können und er schafft auf Anhieb Sonne den Horizont im Westen er­
weiterer Funktionen wie das Wertsachenfach, das geräumige
scheinend doch eine Rolle, wenn man einige wirklich schwierige Züge, die reicht, an dem eine durchziehende
Stretchfach an der Vorderseite, die Aufnahme für Trekking­
­neben dem Klettern auch den Ham­ Martin und mich auch im Nachstieg Kaltfront ein eindrucksvolles Schau­
mer schwingt. Titus erreicht den Um­ eindeutig herausfordern. Titus erreicht spiel aufführt. SCHUHE stöcke, die Vorrichtung für ein Trinksystem oder die integrierte
Regenhülle runden den Brenta 30 ab. Das VAUDE Green
kehrpunkt und ist von der Sanduhr den Stand unserer Vorgänger, zur Si­ MEINDL ARUBA GTX
­Shape-Label steht für ein umweltfreundliches, funktionelles
nicht mehr ganz so überzeugt. Einmal cherheit schlägt er noch einen zusätzli­ X wie Xylophon Der leichte, funktionelle Produkt aus nachhaltigen Materialien. Gewicht: 1.150 g
mehr wird uns bewusst, wie sehr unser chen Haken. Wir kreuzen nun Stigmata Wir sind zu euphorisch, um schon ab­ Aruba GTX ist der per- Preis: 130,00 €
Erleben von Erwartungen geprägt ist. und klettern links weiter, über schöne zusteigen, und der Gedanke, Schlaf­ fekte Alleskönner für
Titus quert von der Sanduhr zu­ Platten und einen perfekten Riss. Die säcke und Isomatten umsonst hoch­ den sportlichen Ein-
nächst mit etwas Seilzug nach links Schwierigkeiten halten sich in Grenzen. gehievt zu haben, widerstrebt uns. satz in der Natur. Er
Daher verbringen wir die Nacht am punktet vor allem auch
Gipfel, zelebrieren die wunderschöne durch seine griffigen Gummipro-
filsohlen mit gut dämpfenden EVA-Dämp-
neue Route mit delikatem Couscous
fungskeilen, einer perfekten Anpassung an den Fuß durch die aus-
und Käse und schimpfen am nächsten
geklügelten Schnürsysteme variofix® und Duo-Lancing-System
Tag über die Kaltfront und die damit
und bietet durch weiche Schaftabschlüsse besten Tragekomfort.
einhergehende Feuchtigkeit. In Wahr­
Preis: 190,00 €
heit lässt uns die Zufriedenheit darü­
ber schweben. Bereits am Gipfel hat
­Martin den Namen Xylophon für die STIRNLAMPE
neue Route vorgeschlagen, weil der LUPINE PENTA
erste Buchstabe den Verlauf unserer ISOMATTE SEA TO SUMMIT Kompakt, stark, vielseitig. Diese Stirnlampe vereint 1.100
und Gietls Route beschreibt und er ETHER LIGHT XT INSULATED ­Lumen mit integrie­r tem Akku und zahlreichen Leuchtfunk­
klanglich zu den anderen wilden Rou­ Die ultraleichte Isomatte mit kleinem Packmaß für Übernachtungen von tionen. Hauptscheinwerfer, Rotlicht, in Stufen dimmbares
ten am Heiligkreuzkofel passt. Frühjahr bis Herbst zählt mit 10 cm Dicke zu den besonders komforta­ Diffus­licht oder Boost – mit den zwei Tasten auf der Oberseite
Alex Walpoth blen Thermomatten mit hohem Liegekomfort. Sie besteht aus der Lampe lassen sich alle Leuchtfunktionen spielerisch
rutschfestem, robustem Material, die mikrobielle Behand- und leicht kontrollieren. Das weichere und breitere
lung des Innermaterials verhindert Schimmel­ Leuchtbild der Penta, die sich mit dem optionalen Front-
TECHNISCHE DETAILS bildung. Das flache Multifunktionsventil Click System ganz einfach an jedem Helm montieren lässt,
­ermöglicht leichtes Befüllen ohne eignet sich perfekt für Sportarten wie Laufen, Klettern, Berg-
Luftverlust, Regulieren und steigen. Die Penta ist wasserdicht, schlagfest und mit Abma-
Erstbegehung am 11 . und 12.8.2016
Ablassen. Der Packsack ßen von gerade einmal 62 x 46 x 30 mm und einem Gewicht
und am 5.9.2020
ist auch gleichzeitig von nur 86 g perfekt, wenn es darum geht, den Rucksack
Schwierigkeit: VIII+ A0 (frei vermut­
als Pumpsack nutzbar. möglichst klein zu halten.
lich IX)
Preis: 189,90 € Preis: 160,00 €
Länge: 240 Meter, 7 Seillängen

94 Bergeerleben 01/21
TIPPS & INFOS

Partnercheck: Kletterbeginn nur nach


BERGSTEIGERTIPP ­komplettem Partnercheck sowohl beim
Klettern im Freien als auch in der Halle!

schätzbar und Meterangaben im


Kletter­garten­führer sind manchmal
­ungenau. Weiters zu beachten ist
die Art des Wandfußes: Eine abschüs­
sige Rampe oder ein Wandsockel
kann da schnell zur tödlichen Falle
bei einem auch nur kurzen Absturz
werden.
Ulla Walder

KONTROLLE BEIM
­PARTNERCHECK

1. Gurtverschlüsse
2. Anseilknoten
ist deshalb unerlässlich, lässt sich be­ Im Klettergarten
3. Sicherungsgerät und Verschluss­
sonders in der Halle gut üben und Im Klettergarten kommt die Beschaf­ sicherung beim Sicherungskarabiner
­angewöhnen und sollte zur Routine fenheit des Geländes noch hinzu. 4. A
 bgeknotetes Seilende
werden. Die Routenlängen sind schwerer ein­

Klettern mit K(n)öpfchen!


Ein Knoten am Ende des Seils kann Leben retten Sicher sichern

D
Die Kontrolle des abgeknoteten as passiert bei einem plötzli­ halb sowohl beim Klettern im Freien Die AVS-Postkartenserie für Darstellung machen den Inhalt gut
Seilendes ist einer der vier Punkte chen „Seil aus“: Das Seil geht als auch in der Halle wichtig! Sicherungs­geräte hat sich gut be- überschaubar und leicht verständlich.
beim Partnercheck und kann Leben dem Sichernden unkontrolliert währt und wurde neu aufgelegt. Die Postkarten liegen in den Kletter­
retten. Laut Statistik des Öster­ durch die Sicherungshand und an­ In der Kletterhalle hallen auf und können bei Bedarf auch
reichischen Kuratoriums für Alpine schließend durch das Sicherungsgerät. In der Halle kann es durch ein zu kur­ Jedes einzelne Sicherungsgerät wird gerne bei Kursen verteilt werden.
Sicherheit ereigneten sich in den Der Sichernde ist machtlos, der Klet­ zes Seil zum plötzlichen „Seil aus“ in den drei Positionen erklärt: beim Die Aktion wird unterstützt vom
letzten zehn Jahren beim Sport- ternde stürzt ab. Es ist unmöglich, kommen. Dies kann passieren, wenn Seil von oben (toprope) Sichern, beim Südtiroler Bergführerverband und der
klettern die meisten töd­lichen den≈freien Fall des Kletterers zu hal­ durch Positionswechsel des Sichern­ Vorstiegsklettern und beim Ablassen. Versicherungsgesellschaft Assibroker.
­Unfälle gerade beim ­Abseilen. ten. Das plötzliche Ausrutschen des den in der Halle ein zuvor richtig Die erste Postkartenauflage von
Seil­endes kommt einem Seilriss gleich. ­bemessenes Seil nicht mehr ausreicht 2013 wurde aktualisiert und nach Bremshandprinzip umschließt immer das Sicherungs­
Auch bei einem Absturz von wenigen oder der Routenverlauf länger ist als ­demselben Muster entworfen. Das Bei jedem Sicherungsgerät gilt das gerät, auch bei Halbautomaten.
Metern freien Falls kann es zu schwe­ vorgesehen bzw. eingeschätzt und hand­liche Format und die bildliche Bremshandprinzip. Die Bremshand UIlla Walder
Klettern mit K(n)öpfchen: eine Auswahl an
Möglichkeiten für Knoten am Seilende ren Verletzungen oder zum Tod führen. dann das Seil beim Ablassen plötz­
Fotos: Ulla Walder Der komplette Partnercheck ist des­ lich aus ist. Der Knoten am Seil­ende

Bremshand
Fotos: Benjamin Kofler

96 Bergeerleben 01/21 Bergeerleben 01/21 97


c TIPPS
l i &mINFOS
b i n g • t r e k k i n g • s k i t o u r i n g • t r a i l r u n n i n g

Bücher aus der AVS-Bibliothek -MITGLIEDER


KULTBUCH
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durchsucht werden: alpenverein.it/online-katalog

In the mountains KOSTENLOS AUSZULEIHEN Anleitung zur Ausübung des


Bergführerberufes
Folio Verlag
Peter Righi 
my heart beats faster.
Versante Sud
Raffaele Giannetti Daniel Rogger
Deutscher und Oesterreichischer Alpenverein

Zweitages­ Toskana und Dolomiten ohne


„An die Führer, für welche dieses „Von den Landkarten“ verstehen;
touren in Elba Grenzen
­Südtirol Buch geschrieben ist, richten wir drittens sollte er „Die Alpen“ kennen;
91 Klettergärten Der Grenzen Anleitung zur Ausübung des Bergführer-Beru-
zwischen Apuanen ­verbindende die Mahnung, es langsam und mit viertens hatte er sich die „Anleitung, fes. Verlag des Deutschen und Oesterreichi-
Die schönsten
Bergwanderungen und Argentario Klettersteig­ Bedacht zu lesen, auch nicht unge- wie sich die Führer bei plötzlichen schen Alpenvereins, Wien 1891 + Pflichten des
Bergführerberufes und Technik des Berg-
mit Übernachtung höhenweg der duldig zu werden, wenn ihnen Unglücksfällen und Erkrankungen zu steigens. Verlag des Deutschen und Oester-
in Schutzhütten ­Dolomiten nicht alles sofort klar ist; das Ver- verhalten haben“ anzueignen; und reichischen Alpenvereins, Innsbruck 1906
ständniß wird kommen.” fünftens sollte ihm „Das Führerwesen
Verständnis für die Berge, Verständnis und der Deutsche und Oesterreichi-
für die Geführten: Das sind – und wa- sche Alpenverein“ ein Begriff sein. Ein- wonnenen Regeln des Bergsteigens
Rother Verlag ren wohl von Anfang an – die beiden studieren konnte er all dies anhand der zusammenstellt.“ Das komplette
Mark Zahel  Jubiläums- wichtigsten Kompetenzen, um im fünf im Lehr- und Lernbuch behandel- „Verständniß“ kommt eben immer
Mark Zahel  „Führerhandwerk“ eine passable Figur ten Abschnitte, deren Überschriften erst mit der Zeit.
Kleinwalsertal Wander­führer
Trekking in mit Oberstdorf abzugeben. Wer sich im ausgehenden hier im Wortlaut zitiert wurden. Das Stephan Illmer
Alpen
­Vorarlberg und Umgebung 19. Jahrhundert in besagtes Handwerk in den 1880er-Jahren erstmals heraus-
Die Lieblingstouren
Fünf mehrtägige einarbeiten wollte, der sollte dies an- gegebene Handbuch „mit 16 Abbil-
der Rother-Autoren
Touren von Hütte
100 Touren-High­ hand einer theoretischen „Anleitung“ dungen und 6 Kärtchen im Text und BERICHTIGUNG
zu Hütte
lights tun! Die Bergführerei war also immer 4 Karten-Beilagen“ wurde alsbald ver-
schon mehr als eine bloße Tätigkeit vollständigt durch ein Begleitheft mit In der Ausgabe 04/20 ist uns leider
der Hand oder des Fußes: sie war von dem Titel „Pflichten des Bergführer- ein Druckfehler unterlaufen: die
Anbeginn auch Kopfarbeit. Ein Berg- berufes und Technik des Bergsteigens“, abgebildete Person auf Foto S. 79 (r.)
steiger, der gewerblich mit Kunden das nun gedacht war als „eine Ergän- ist Lukas Troi, der Fotoautor auf S. 47
Tappeiner unter wegs sein wollte, musste erstens zung, welche die Berufspflichten ein- ist ebenso Lukas Troi. Wir bitten
„Das Wichtigste aus der allgemeinen gehender behandelt und im zweiten den Fehler zu entschuldigen.
Katharina Avi, Erdkunde“ wissen; zweitens etwas neuen Teile die aus der Erfahrung ge-
Leo Brugger
­Hannes Silbernagl Skitourenatlas
Einfach Südtirol Dolomiten
Offizielle
Winterwandern 150 Touren in
­E-Bike-Touren Impressum
zu Almen und ­Südtirol, Osttirol,
im Vinschgau
Hütten Friaul, Belluno, 38. Jahrgang, Nr. 01/2021
30 einfache Redaktionsschluss für die
30 einfache und Trentino
entspannte Winter­
­E-Bike-Touren mit Eigentümer und Herausgeber: nächste Ausgabe: 05. 04. 2021
Kultur- und Genuss­ Alpenverein Südtirol, I-39100 Bozen,
touren in Südtirol Giottostraße 3 Anzeigenannahme: Die Drucklegung dieser Zeit-
highlights
Tel. 0471 978 141 Alpenverein Südtirol, z. H. Miriam Federspiel schrift wird gefördert durch:
www.alpenverein.it Giottostraße 3, I-39100 Bozen
E-Mail: office@alpenverein.it bergeerleben@alpenverein.it, Tel. 0471 053 190

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Ra

Martin
zu den Torres del Paine. Ruepp, David Coulin Markus Thek Ralf Pechlaner, Stefan Steinegger,
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von Hütte zu ­fotografieren Ermächtigung: Die Artikel geben die Meinung der Autoren und
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