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So wandte sich der junge Mann in seiner Bedrängnis an mich, seinen Großvater,
mit der Bitte um möglichst schnelle Hilfe. Der gute Pépé wollte bereits
kapitulieren. Doch stieß er in letzter Minute mit Hilfe des Internets auf die
„Étude sur la vie quotidienne au grand-duché de Luxembourg au cours de la
Grande Guerre (1914-1918) à travers le „Kriegstagebuch“ (journal de guerre)
de Jean-Pierre Flohr (Studie über das tägliche Leben im Großherzogtum
Luxemburg im Verlauf des Großen Krieges (1914-1919) nach dem
Kriegstagebuch von Jean-Pierre Flohr. Eine Seminararbeit von Sarti Laury, nach
der Chronik von Jean-Pierre Flohr, veröffentlicht in den Wissenschaftsarchiven
des deutschen GRIN Verlags (www@grin.com).
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Durch Zahlung eines Geldbetrages konnte ich ohne Weiteres diese Studie, auf 72
Seiten, herunterladen. Leider wird derzeit die Studie nicht mehr vom GRIN-
Verlag angeboten. Des Weiteren meldet „Amazon“, dass die Broschüre, in der
ebenfalls die gleiche Studie abgedruckt ist, zurzeit vergriffen ist.
Wie aus den vorhergehenden Erklärungen hervorgeht, handelt es sich bei der
Publikation über „Luxemburg im zweiten Weltkrieg“ nicht über die integrale
Veröffentlichung des Kriegstagebuchs des Luxemburger Jean-Pierre Flohr. Das
von Flohr verfasste Tagebuch dient vielmehr dem Deutschen Sarti Laury, der
Geschichte an den „Facultés Universitaires Saint-Louis“ in Brüssel (FUSL)
studiert, zu einer Seminararbeit über das Leben in Luxemburg unter deutscher
Besetzung. Wobei er zusätzlich höchst arbeitsam die wissenschaftlichen
Arbeiten namhafter Luxemburger Historiker, wie Christian Calmes, Gilbert
Trausch, Jean Kill, Emile-Théodore Melchers…, konsultierte.
Bayern unternahm (Das Haus Luxemburg war mit dem bayerischen Königshaus
verwandt und hatte dazu noch Besitztümer in Bayern), ist anzunehmen, dass er
bereits vor dem ersten Weltkrieg im Dienst der großherzoglichen Familie stand!
Zum allgemeinen Verständnis stellt Autor Laury Sarti das Kriegstagebuch des
Luxemburger Jean-Pierre Flohr in einen historischen Rahmen. Ein Luxemburg,
das infolge seines Beitritts zum deutschen Zollverein industriell regelrecht
aufblüht. So sind zu Ende des 19. Jahrhunderts an dem Aufbau der
Stahlindustrie, mit deutschem Kapital, vornehmlich Deutsche beteiligt. Die so
eingeleitete Industrialisierung des Landes führt zu einer starken Einwanderung
von deutschen Staatsbürgern. So wird auch verständlich, dass die
Großbourgeoisie Luxemburgs rein wirtschaftlich nach Deutschland ausgerichtet
ist. Was nicht verhindert, dass sie kulturell eher nach Frankreich tendiert.
Dagegen schwimmen die anderen Bevölkerungsschichten des Landes, vom
einfachen Bürgertum bis zu den Arbeitern, eher auf einer patriotisch-
nationalistischen Welle. So ist das Volk je nach Agieren seiner Nachbarländer
einmal gegen Deutschland, das andere Mal gegen Frankreich und wenn
erforderlich gegen Belgien.
Die eigentliche Invasion Luxemburgs durch die Deutschen Truppen datiert auf
den 2. August 1914.
Doch am 2. August 1914 wird es ernst. Die deutschen Truppen rücken nicht nur
massiv über den Landweg in Luxemburg ein, sondern auch mit der Eisenbahn.
Dennoch nimmt das Leben im Lande irgendwie seinen geordneten Weg. So sind
am späten Abend in der Hauptstadt (20.539 Einwohner) die Wirtshäuser auf der
Place d’Armes prallgefüllt mit Luxemburgern, die eifrig das Tagesgeschehen
kommentieren. Plötzlich werden die Gespräche von Pferdegeheul übertönt.
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Denn genau vor den Gästen in den Wirtshäusern, also auf der „Place d’Armes“
(Paradeplatz), hat sich eine erste deutsche Artilleriekolonne eingenistet.
Die Deutschen Landser kommen im guten Glauben nach Luxemburg, das Land
von den französischen Soldaten zu befreien! Darum auch ihr Gebrüll in den
Gassen der Stadt Luxemburg „Wo sind die Franzosen?“
Das neutrale Luxemburg sind die Hände gebunden: Es darf sich nicht
wehren!
Die wenigen Luxemburger Soldaten dürfen bei dem Einmarsch der Deutschen
nicht eingreifen, da Luxemburg als neutrales Land nicht das Recht auf
Selbstverteidigung hat. Soll doch u.a. Deutschland nach Beschluss des Wiener
Kongresses für die Unabhängigkeit des Landes bürgen! Dagegen haben die
Soldaten Luxemburgs einzig und allein für Ruhe und Ordnung in Luxemburg zu
sorgen.
In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1914 durchqueren 13.535 deutsche
Soldaten das Großherzogtum Luxemburg in Richtung Frankreich und Belgien.
Erst am Tag nach der Invasion Luxemburgs, nämlich am 3. August 1914, erklärt
das Deutsche Reich der Republik Frankreich den Krieg!
Die Antwort aus Berlin lässt nicht auf sich waren. So erkennt Reichkanzler
Theobald von Bethmann Hollweg (1856 – 1921) das dem Lande angetane
Unrecht zur alleinigen Verteidigung des Deutschen Volkes. Bei der Besetzung
Luxemburgs handele es sich keineswegs um einen feindlichen Akt gegenüber
einem mit Deutschland befreundeten Land (!). Auch verspricht er
Reparationsgelder nach Kriegsende.
Am 6. September 1914
macht Großherzogin Marie-Adélaïde
den riesengroßen Fehler,
den Deutschen Kaiser
in Audienz zu empfangen.
Beim anschließenden Essen
im großherzoglichen Palais
lässt sich der Kaiser
von Reichkanzler von Bethmann-Hollweg,
dem Staatsekretär im Auswärtigen Amt
Gottlieb von Jagow (1863 – 1935)
und von Großadmiral Alfred von Tirpitz (1849- 1930) assistieren.
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Von Jagow, von 1907 bis 1909 Gesandter Deutschlands in Luxemburg, war
gegen die Verletzung der Neutralität von Belgien und Luxemburg gewesen.
Im besetzten Luxemburg sieht die Regierung keinen anderen Ausweg als mit
Deutschland eine Vereinbarung über die Führung des Landes zu finden. So
sollen sich die Interventionen des Okkupanten auf Militär und Polizei, der
Kontrolle der Brücken und der Eisenbahnen und der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung und Ruhe, sowie der Verhaftungen von
Spionageverdächtigen beschränken. Die Regierung verpflichtet sich ihrerseits,
das Land nach streng neutralen Prinzipien zu führen, sowie die Beziehungen mit
Deutschland zu pflegen. Im Gegenzug gewährleistet der Okkupant Ruhe hinter
der Front durch den Einsatz von Landsturmbataillonen.
Am 28. September 1918 atmen die Luxemburger auf, als die 8.nach 1914
gebildete Regierung ihre Geschäfte aufnimmt. Dies zu einem Zeitpunkt, wo nur
noch Nahrungsmittel zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt erhältlich
sind, und das Land darüber hinaus vor seinem wirtschaftlichen Ruin steht .Vor
dem Abgeordnetenhaus legt die Regierung eine Prioritätsliste vor, mit
eigenartigerweise an erster Stelle die Revision der Verfassung, gefolgt erst an
zweiter Stelle von der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln.
Weiterhin will man sich der internationalen Beziehungen vorrangig annehmen.
Abgeordnetenhaus und Presse fordern die Freilassung der nach Deutschland
verschleppten Luxemburger. Auch prangern sie die sehr miesen Verhältnisse im
Eisenbahnwesen an!
Fazit: Nach dem Tode von Staatsminister Paul Eyschen haben Legislative
(Großherzogin und Abgeordnetenhaus), sowie Exekutive (Großherzogin und
Regierung) total versagt. Die Großherzogin, da sie zu sehr auf ihre Vorrechte
pochte, während die politischen Gruppierungen sich rein bildlich bis aufs
Messer bekämpften. Anstatt eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden.
Wie soll unter solchen Voraussetzungen eine Regierung von Bestand sein?
Kein Wunder demnach, dass nach dem Krieg der Ruf nach der Bildung einer
Republik wach wurde!
In Wirklichkeit sind es die Luxemburger Bauern und Händler, welche die Waren
aufstocken, um sie darauf umso teurer verkaufen zu können. So ist in den
Jahren 1914-1916 der Brotpreis um 25%, der Kartoffeln um 33% und von Milch
auf 75% gestiegen. Reis und Gemüse kosten das Doppelte. Um diese
Teuerungen einigermaßen abzubremsen erhalten die Arbeitnehmer eine
Teuerungszulage. Die bedauerlicherweise dazu führt, dass die Preise für
Nahrungsmittel in Luxemburg noch teurer worden. So steigt allein im Jahr 1916
der Lebenskostenindex von 40 auf 50%.
Obwohl ab April 1917 der Verkauf von Nahrungsmitteln in den Geschäften unter
Regierungskontrolle steht, ist der Preiszerfall nicht aufzuhalten. Insbesondere
auch in den Metzgerläden. Dagegen blüht der Schwarzhandel geradezu auf! Nur
muss man die erforderlichen Geldmittel oder wertvolle Gegenstände zum
Umtausch haben!
Obwohl im Januar 1918 die Deutschen nicht weniger als 172 Waggons mit
Getreide und 72 Waggons mit Mehl nach Luxemburg liefern, werden in den
Läden Luxemburgs im Frühjahr des gleichen Jahres nur Kartoffel angeboten.
Im September 1918 setzt die Regierung den Kartoffelpreis für 100 Kg auf 22
Franken fest .In Wirklichkeit müssen die Einwohner Luxemburgs aber 50 bis 60
Franken zahlen.
Noch kann das Volk nicht aufatmen, wütet doch im ganzen Lande die sehr
gefürchtete, da äußerst gefährliche spanische Grippe!
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Darüber hinaus befürchten viele Luxemburger, dass das Land für die allzu
sympathische Haltung der Großherzogin und der Regierung gegenüber dem
deutschen Okkupanten teuer bezahlen müsse.
Die Deutschen, die zu Kriegsbeginn fest überzeugt waren, aus den Kämpfen
siegreich hervorzugehen, wollten nach Kriegsende ein etwas größeres
Luxemburg schaffen. So sollten die Region um Longwy und der
deutschsprachige Teil Belgiens zu Luxemburg kommen. Um dann als
Föderalstaat fest in deutsche Hand zu kommen!
Doch nach dem 11. November 1918 sind nicht mehr die Deutschen, sondern
vielmehr die Alliierten am Zuge. Diese werfen Luxemburg
Neutralitätsverletzung vor, da die Deutschen ungehemmt ihr Kriegsmaterial und
die für die Soldaten erforderliche Verpflegung durch Luxemburg transportieren
durften. Darüber hinaus sei die Luxemburger Stahlindustrie in hohem Masse in
die Deutsche Kriegsmaschinerie eingebunden gewesen.
Nichts ändern an diesen Plänen können die Tausenden von Luxemburgern, die
im November 1918 vor dem großherzoglichen Palais die Ausrufung der
Republik Luxemburg durch linksgerichtete Politiker beklatschen.
Es folgt das Referendum vom 28. September 1919, wo die Luxemburger sich
mit großer Mehrheit für die Beibehaltung einer konstitutionellen Monarchie
unter Großherzogin Charlotte aussprechen, sowie für eine Wirtschaftsunion mit
Frankreich.
So wird der Weg frei für die „Union Économique belgo-luxembourgeoise“, die
im Jahr 1922 ihre Arbeiten aufnimmt.
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