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Landesmuseum
für Technik und Arbeit
in Manrrlreim
Die Goldenen 2Oer in Bildern, Szenen
und Objekten
Nornrierung 2 K. Budde
Massensport H. Steffens/M.Unser
Bilderwelten H. Steffens
lmpressum
O beinr Herausgeber:
Lanclesnruseunr {Lrr Teclrnik und Arbeit
in l.4annheinr
N4u>etttr',slralle l. 68 165 l.la'rnlreirrr
A le Rechte vorbehalten, lr.4annheinr 1994
Geclruc[t nrit f reuncilicher UnterstirtzLrng cles
It.4useunrsvereins f llr Technik uncJ Arbeit e.V
Der erste expressionistische Riesenfilm Mil Mannheimer Publikums schien sich jedoch in
marktschreierischer Chuzpe lancierte im Juni Grenzen gehalten zu haben. Wie andere Mo-
1920 das Mannheimer Lichtspiel-Theater n u menta|Fil mwerke auf den verschiedenen
"Schauburg" einen Film, der heutzutage als Pracht-S piel plänen der zah lreichen
Fil mtheater
einer der meistdiskutierten und berühmtesten verschwand auch "Caligari" nach einerWoche
Filme der Filmgeschichte gilt. ÄiesenfrTm, das aus dem Programm. Noch schlechter erging
klang nach Jahrmarkt und Hollywood, war je- es Friedrich Wilhelm Murnau mit "Nosferatu.
doch auf Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Eine Symphonie des Grauens" im Juni 1923;
Caligari" gemunzt. Nach seiner Uraufführung nur vier Tage unterhielten Ängst, Spuk, Traum,
Ende Februar 1920 war er im Berliner "Mar- Horror, Seuche und Tod das Mannheimer Pub-
morhaus" drei Wochen gelaufen und hob sich likum. Beide Filme thematisierten zentrale Zeit-
damit von der Dutzendware im wöchentlichen erfahrungen - vor allem die existentielle Unsi-
Programmwechsel ab. Die Begeisterung des cherheit in der jungen Republik. War es das,
was das Publikum so kurz nach Weltkrieg und
Abb.1 Revolution nicht sehen wollte?
"Dß Kabhrctt des
Dr. Caligari"
Das Kino ist billiger Wechsel von Buntheit, Nie-
gesehenem, Dummheit, Ernst, Lüge. So provo-
zierte nach einem Jahrzehnt beeindruckender
Erfolge des deutschen Films der Kritiker Hart-
mut Baer 1931 in der Zeitschrift "Der Schein-
werfer" die Filmschaffenden. Und er hatte in
einem Recht: Die Spielpläne der Filmtheater
waren geprägt durch den fliegenden Wechsel
von Sensation und Liebe, Historie und Zukunft,
Erotik und Western - abgedreht allein im Jah-
re 1920 in einer Überproduktion von mehr als
500 Filmen. Die schleichende Geldentwertung
hatte den deutschen Film wirklich billig werden
und damit seine Exportchancen steigen lassen:
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Abb.2
''Nosferaht"
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abb.5
Billitte Helm ab
illerscbenmscbine
in"Merropolß", 1926
Seit 1915 als Pionier des Action-Films etabliert, Kameramann sogar an einen Windmühlenflü-
bot Piel seinen Zuschauern unendlich viele und gel binden, um einen gewünschten Fahreffekt
immer neue Stunts, Tricks - vor allem aber le- zu erreichen, berichtet der Filmhistoriker
gendäre, authentische Crashs und Explosio- Matias Beckman.
nen, die ihm im neidischen Kollegenkreis den
R uf e nes Dyn a m it- Reg isseurs ei n brachten. M it
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Abb.9
Illu st tioTq' FiInr -Krffiar
Nr. 2172t19:l,t
''Der Ilen'der W'elt"
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abb.10
A tt z e ige n t I Etöffi t t t, t I
der Sclsattburg
An die verehrlen Kinoheundinnen und Freundel
,,Schauburg"
am Samslag, den 3, Arrgust l$18, ltashtnitlags 5 Uhr
1923 598
1924 612
Abb.12
Lic llt spic I ltat ß A I hdnt bft t,
Milulbeint
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Abb. 14 und 15
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I.-assAde
Ztr,sci:tnrcn'aunt des
Ca\ilol, trlannbeint
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verzauberte durch maunsche Motive in der ma-
lerischen und plastischen Ausschmückung. Die
vorherrschende Farbe, ein /ebhaftes Rot, und
der reichlich verwendete hellrote Samt wurden
ergänzt durch ein festliches Go/d. lnmitten der
fremdländischen Pracht war moderne Technik
untergebracht: aufwendige Beluftungs- und
Beleuchtungsanlagen. Sehr appart ist die Aus-
schmückung der Decke mit einem reichorna-
mentierten ovalen Goldkranz, in den elektri-
sche Mattbirnen eingelassen srnd. Drei Jahre
später hatte sich auch die Kinoarchitektur von
ihren Theatervorbildern gelöst. Grdßte Sach- zt.?,
lichkeit und Einfachheit prägten nun den Zu-
Abb. 16 und 17
schauerraum des "Capitol", in dem 1.200 Per- Ufa-Palßt UrtiL'eßun,
sonen Platz fanden. Nur auf der Bühne, rechts Marütlreirrt
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Abb.18
Detekliu ".\l{Ä Ldnda"
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hinzu Hier landet der gehetzte Großstadt- in der deutschen Kinolandschaft war durch
mensch in einem Hafen, den er begrüßen diesen Boom an Theaterbauten gefestigt. Aber
möchte: 'Du bist die Ruhe'. solange der Film stumm blieb, war das große
Kino ja nicht nur'eine technische Abspielstätte,
Das "Alte" und das "Neue" standen sich in bei- sondern Unterhaltungsbühne, die neben den
den Stilrichtungen gegenüber. Aber eine Stei- optischen Reizen bewegter Bilder auch die Büh-
gerung war immer noch möglich. "Amerika" nenshow und die musikalische Begleitung der
hielt Einzug, als im Sommer 1929 der Ufa-Pa- Filme bot.
last "Universum" in N 7 errichtet wurde. Mit
1.250 Sitzplätzen war er das größte Mann-
heimer Kino, erstmals in einem Hochhausbau fJber Mannhelm nach Hollywood:
Ewald Andr€ Dupont und seln I(lnovarlet€
und erstmals mit Angliederung eines 6.000 qm
großen Warenhauses. Das "Universum" galt Kino und Variet6 - die gemeinsamen Wurzeln
natürlich als das modernste [Filmtheater] von ihrer Publikumsgunst lagen im Jahrmarkt, in
ganz Süddeutschland' als Beispiel moderner der Wandershow - hatten um '1910 begonnen,
Theaterbauwese hatten die Architekten auch sich zu trennen. Nachdem der Film zunächst
hier in der Farbgebung zurückhaltend agiert. ein "Parasit" des Varietö-Spektakels gewesen
Viel Licht und Geräumigkeit waren mit den war, machte er sich nun selbständig und wur-
hellen Farben Gelb und Grün kombiniert; das de zum ernsthaften Konkurrenten der Bühne.
Kino zeigte den neuzeitlichen Gerst der Bau-
kunst in schmuckloser Echtheit und absoluter Ewald Andrö Dupont war beiden Medien ver-
Geschlossenheif - wie die Mannheimer Presse bunden: Als Redakteur der "Berliner Zeitung"
ü bereinsti mmend feststellte. entwickelte er 1916 die regelmäßig erscheinen-
de Feuilleton-Seite yariefe und Film; parallel
Sowohl das "Universum" als auch das "Capi- dazu heizte er mit Drehbüchern die Konjunktur
tol" waren in Rekordbauzeiten von vier und der Detektiv-Serienfilme ordentlich an. Gleich-
fünf Monaten entstanden; eine unvorstellbare sam in Konkurenzzu Harry Piel geriet Dupont
Geschwindigkeit, die die Betrachter davon 1918/19 mit seiner spektakulären "Max-Landa-
schwärmen ließen, daß die Bauten wie im Ford- Serie", die ihn auch dem Mannheimer Publi-
system entstanden seien. Mannheims Position kum als Regisseur und Drehbuchautor bekannt
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Abb.19
Jttbel ttn cincn l;ilnßlar:
Hqut-y P(rleil 1926 in
Kiiltt
werden ließ. Seinem populistischen Einstieg in Mannheim schon bekannt, garnierte 1932 ne-
das Filmgeschäft folgte mit "Die Geier-Wally" ben dem "Dompteur Brick mit seinem Löwen
ein Erfolg - auch fur Henny Porten und den Habidi" die Aufführungen von Anny-Ondra-
Ludwigshafener Wilhelm Dieterle in den Haupt- bzw. Willy Fritsch-Filmen. Für die Artisten wur-
rollen - und mit "Alkohol" die Integration des den Auftritte in Kinos zu einem zweiten ge-
Varietes in den Film: Der ganzen Eigenart des schäftlichen Standbein. Andererseits boten Va-
Films als Vailetö-Film ist in jeder Weise Rech- rietös Nischen für umstrittene Filmkunstwerke:
nung getragen, warb das Mannheimer "Palast- Als kein Mannhermer Kinobesitzer sich traute,
Theater" im Februar 1920. Und: Die einzelnen Eisensteins " Panzerkreuzer Potemkin " zu zei-
Varietönummern, die sehr geschickt das Leben gen, hatte das Apollo-Variet6 mit diesem Film
und Treiben des Festes unterbrechen, bringen einen sensationellen Erfolg.
viel Abwechslung und sind selbst ein bunt-
bewegtes Bild für sich. lm Frühjahr 1924 meldete das offizielle Publi-
kationsorgan der lnternationalen Artistenloge,
Während Dupont die Glitzerwelt der Artisten "Das Programm", aus Mannheim folgende
auf Zelluloid bannte, versuchten Kinos ihre Pro- Neuigkeit: lm Apollo-Theater ist der neue Di-
gramme durch Live-Auftritte beruhmter Varie- rektor, der bekannte Filmregisseur und frü-
tökünstler attraktiver zu machen; war noch um here Varietö- und Filmredakteur der '8.2. am
die Jahrhundertwende der Frlm beiläufiqer Be- Mittag'(Berlin), E. A. Dupont, bestrebt, neben
standteil des Varietöprogramms gewesen, so einem großen Film stets auch noch etwa 6 Va-
traten nun die Artisten in die Rolle eines bei- rietönummern erslen Ranges zu bringen. Die
läufigen Teils innerhalb eines [Kino-] Gesamt- Programme sind durchweg von einer Qualität,
programms. Das Mannheimer Ehepaar Dürr- wie sie von keinem Kinovarietö in Deutschland
Benett, später die "2foros" genannt, fuhrten übertroffen werden dürften. Solcherart durch
im April 1919 im "U.T." spanische Handspring- die internationalen Artisten geadelt, schien für
akte vor; das "Alhambra" bot 1926 die sechs Mannheims Parade-Variet6 die gute alte Zeit
Tänzerinnen " Las Marvillas" samt erstklassi- wieder anzubrechen, denn vor dem Ersten
gem Künstlerorchester auf, um einen Lilian- Weltkrieg galt das Apollo schon einmal als eine
Harvey-Film zu begleiten, und Adolph Behrend, der f ührenden europäischen Varietö-Bühnen.
als "Salerno, König der Jongleure" auch in Entsprechend selbstsicher ließ Ewald Andrö
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Abb.20
E. A. [)upoilt : "Va rietö ",
192t
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daß E.A.Dupont [...] von Berlin ldeen mit nach
Mannheim gebracht hat, die der Regie indivi-
duelle Züge verleihen.
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Das
war zunächst attraktiv. Zeitweise wurden die
Anfangszeiten des Apollo vorverlegt, sodaß Be-
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i). sucher aus Heidelberg, Ludwigshafen und der
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Umgebung die Möglichkeit hatten, mit den
('''!ff@d&'.!st letzten Zügen Mannheim wieder verlassen zu
E.ADUPONT können. Duponts Konzeption bestand offen-
kundiq darin, seiner international renommier-
Dupont in einer Anzeigenkampagne verkün- ten Artistenschar stets spektakuläre G roßf lme
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den, daß das Apollo-Theater in Mannheim die zur Seite zu stellen. Solche fand er oft in ame-
Weltstadt- B ü h ne Süd deutsch Ia nds g ewo rde n rikanischen Produktionen. Er eröffnete mit
6t. "Rummelplatz des Lebens", an dem der Regis-
seur Erich von Stroheim in den USA geschei-
ln einer Situation, als das "Wunder" des Ra- tert war, und zeigte Jackie Coogan in "Zirkus-
dios und das Kino für das Variet6 immer ge- kind". Natürlich standen auch die erfolgrei-
fährlicher wurden, schlug Dupont die Gegen- chen deutschen Großproduktionen mif ameri-
richtung ein und verabschiedete sich für ein kanischer Wirkung wie "Der Raub der Hele-
Jahr aus den Ateliers der Filmproduktionsstät- na" und "Der Untergang Trojas" auf dem Pro-
ten. Er bekam die Chance, in Mannheim als gramm. Aber die Symbiose von Kino und Va-
5pielleiter und Direktor zu arbeiten. Sein erstes rietö ließ sich nicht durchhalten. Die lnvestitio-
Progranrm fand großen Anklang: Man kann nen und Programmkosten stiegen nämlich für
in der Aufmachung von amerikanischem Zu- beide ins Unermeßliche. Die Variet6künstler
schnitt sprechen, notierte der "General-An- verteidigten natürlich ihre Tariflöhne und ihre
zeiger" und lobte vor allem das flotte Ausse- Auftritte verlangten eine besondere Bühnen-
hen des durchweg weiblichen Personals, auch technik; auf der anderen Seite ließ die Vervoll-
etwas völlig'Neuarttges. Man merkt hierbei, kommnung der Kinotechnik die Einrichtung
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Abb.21, 22, 23
Die etttlessehe Kunrcm -
at( der Schiene, at( dent
I;ul:rgeslelI urtd nuf der
Gleitbalstt
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gung. ln den Akrobatikszenen tanzt sie auf
den Trapezen zusammen mit den Gestalten
Abb.24 des Films Eher mit Harry Piel als mit Fritz Lang
Hdndzetlel ztt Metrcpo-
lis",7926
verwandt, hatte der Film eine leichtverständli-
che Fabel, die, so Toeplitz. die Menschen von
außen, aus der Sicht der Zuschauer zeigte
und sich nicht bemühte, die Geheimnisse der
menschlichen See/e von innern heraus zu ent-
wickeln - und darauf beruhte sein Erfolg, nicht
nur in Deutschland.
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Abb.28
Eti il ne t1 t t t gs bld t t nt it
Alio!ltz4)b: Anüdd V'eidt,
1929
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OHNE FRAUEN'
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Abb.29
At (le nd u/i ta 11 nrc n nt il
Mikntpbon unt Galgen
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Der Tonfilm in Mannheim. Freuen wtr uns. En- Zeitung" faßte das Mannheimer Urteil in die
thusiastisch begrüßte die "Neue Mannheimer prägnanten Worte: Adieu, stumme Frlmkunst
Zeitung" das klingende und tönende Zeitalter Abec beim heiligen Chaplin, wir sehen uns
Aber auch Prognosen wie Der Siegeszug des wieder.
Tonfilms wird unaufhaltsam sern - so die mit-
telständisch-gewerblich orientierte "Neue Der "Kunstkrieg" wurdeledoch nichtvon den
Wiesbadener Zeitung " - waren mit Vorsicht zu Kritikern entschieden, sondern vom Publikum.
genießen, denn allzu gewaltig ragte noch Überall wo 1929 Filme in die Kinos kamen,
die schauspielerische Wirkung der Stars in die die als der erste wahre oder der erste kunst/e-
Wahrnehmungen der Zeitgenossen. Wir glau- nsche oder der erste 100 prozentige Tonfilm
ben: der stumme Film wird weiter bestehen angekundigt wurden, standen die Menschen
bleiben, weil er etne Kategorie für sich bildet, 5chlange. Zunächst waren es nur die großen
eine Abstraktton, die in ihrer Art zu den Ge- Lichtspielhäuser, die sich eine Tonfilmapparatur
wohnheiten des Lebens wurde. Die"Yossische leisten konnten. Je nachdem, ob ein Film nach
amerikanischem oder deutschem Tonverfahren
Abb. -30
aufgenommen worden war, konnte es Tage
L. A. DItp(iltt: Atldtrtic"
r929 dauern, bis Techniker eine zuf riedenstellende
Wiedergabequalität erreicht hatten. Vor allem
ein Film war es dann, der im Oktober 1929 in
Deutschland die Kontroverse um den Tonfilm
verschärfte und gleichzeitig zu seinem Sieges-
zug beitrug: "Atlantic" von Ewald And16 Du-
pont. Mit dessen Premiere liegt ern Versuch
hinter uns, vergleichbar dem Bemühen einer
chemischen Aktrengesellschaft, die hundert
Chemiker anstellt, um ein neues Haarwasser zu
erfinden, notierte die "Deutsche Allgemeine
Zeitung" im Wissen, daß Kino immer auch
Kommerz war. Duponts f ilmische Verarbeitung
der Titanic-Katastrophe von 1912 war f ür ein
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Abb.31 und 32
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Abb.34
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englischen und deutschen Schauspielern in den geraten war "Wien, du Stadt der Lieder" war
gleichen Kulissen denselben Film gleich in zwei deshalb Richard Oswald's erste 100ok Sprech-
Sprachen gedreht, ein Verfahren das schnell und Tonfilmposse; für Stars wie Willy Fritsch
Schule machte. Der Erfolgsfilm "FP 1 antwortet brachte der Tonfilm eine neue Karriere mit "Me-
nicht" wurde gleich in drei Versionen - eng- lodie des Herzens"; bei Willy Forst und Oskar
lisch, französisch und deutsch - gedreht. Mit Karlweiß schlugen "Zwei Herzen im 3/4 Takt".
Macht erschlossen sich nun die großen Produk- Filmkomponisten wie Werner R. Heymann
tionsfirmen den Markt, und sie hatten wohl prägten nun mit ihren eingängigen Komposi-
vor allem im Ohr, daß der Tonfilrn kein gefilm- tionen den Film. ZLrm überragenden geschäft-
tes Theater sein dürfe, sondern hauptsächlich lichen Erfolg der Saison 1930/31 wurde der
in musikalischer Hrnsrcht von Bedeutung sei. Wilhelm-Thiele-Film "Die Drei von der Tank-
Und der Erfolg von Al Jolson hatte 1a nicht da- stelle", fur den wiederum Heymann die Musik
rauf beruht, daß der ganze Film vertont gewe- geschrieben hatte. Nach der Dutzendware der
sen wäre - nein, die "Schlager" warerr es, die Detektiv- und Abenteuerfilme, der Historien-
allein den Filrn zurn Tonfilm hatten werden las- schinken und der Sitten- und Auf klärungsfilme
sen. Schon Ende '1928 prophezeite die "Neue waren es nun die "Schnulzenfilme", die die
Mannheimer Zeitung". Es wird sich deshalb meisten Zuschauer erreichten und deren Kino-
mit der Zeit eine Art Film-Oper herausbilden, wahrnehmung pragten.
die der Theateroper eine kleine Konkurrenz
bieten dürfte. Wenn auch nicht mit Film- Gewinner des Tonfilms gab es viele Vor allem
Opern, sondern mit Operetten- und Musikfil- seine enormen Kosten förderten den Konzen-
men machten die deutschen Hersteller in den trationsprozeß in der Kinowirtschaft. Lichtspiel-
nächsten Jahren Kasse. Lustspiele mit Gesangs- theater, die wenige Jahre zuvor mit großem
einlagen zählten zu den Rennern einer Zeit, Pomp ihre stumme Bühne mit Oskalyd-Orgel,
die nach der Weltwirtschaftskrise ins Taumeln Orchester-Graben und aufwendiger Tech nik
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Abb.35
Protcsle dü Atlistett ilttd t
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eröffnet hatten, mußten nun nachrüsten oder * { \{,{
gar völlig neue Projektionsanlagen einrichten. I
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Zu den Verlierern zählten nicht nur kleinere
Theater, sondern ein ganzer Berufsstand: die
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Kino-Unterhaltungskünstler; also jene Musiker .l
und Artisten, die das Live-Element des stum-
men Films gewesen waren. lhnen war nun die
Existenzgrundlage entzogen. Kein Wunder; daß
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sie, als ihre öffentlichen Proteste wirkungslos
verhallt waren, mancherorts zur Selbsthilfe qrif-
fen. ln Stuttgart haben sich 40 arbeitslose Ki-
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nomusiker zusammengeschlossen und in ei-
nem gemieteten Saal ein Kino eröffnet, in dem f
nur stumme Filme gebracht werden so//en, mel-
dete die Presse im März 1931 Natürlich mach-
ten die ehemaligen Arbeitgeber der Musiker,
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die im "Verein der Lichtspieltheater Württem-
bergs" zusammengeschlossen waren, nun J
Front gegen solch unliebsame Konkurrenz. Und i
sie hatten einen starken Partner an ihrer Seite:
den Tonfilm. Da mochte Brüning mit Notverord-
nungen regieren - in der Dunkelheit des Kino-
saals boten jene Filme Unterhaltung, die, wie
1931 die "Neue Mannheimer Zeitung" schrieb,
trotz ihrer technischen Verfeinerung zum weit-
aus größten Teil der gleiche Kitsch geblieben
sind, wie ehedem.
Horst Steffens
23
Zltlerte und welterfühf ende Llteratur
München 1992.
Toeplitz, Jerzy:
'1928.
Cziffra, G6za von: Geschichte des Films. Bd.1: 1895 -
Kauf dir einen bunten Luftballon. Bd.2: 1928 - 1933.
Erinnerungen an Götter und Halbgötter Berlin 1992.
München - Berlin 1975.
Zglinicki,Friedrich von:
Dahlke, Günther/Karl, Günter (Hg.): Der Weg des Films.
Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933. Hildesheim 1979.
Ein Filmführer.
Berlin 1988.
Engell, Lorenz:
Sinn und lndustrie. Einführung in die Filmgeschichte
Frankf urt a.M.-New York-Paris'1992.
Titelbild
Marlene Dietrich als Lola im "Blauen Engel"
Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
Kunstwerk
Landesmuseunr für Technik und Arbeit in Mannheim
Abb. t0,11, 12
Stadtarchiv, Mannheim
Abb.20
Stiftung Deutsche Kinerrathek, Berlin
Rückseite
Prolektoren der 20er und 30er Jahre aus der Sammlung
des Landesmuseums f ür Technik und Arbeit in Mannhein.r