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Günter Abel und John McDowell sind zwei der wichtigsten Gegenwartsphiloso-
phen. Sie sind sich darin im Wesentlichen einig, welches Verhältnis zwischen
Geist und Welt bestehen muss, damit Denken möglich ist. Sie sind sich aber darin
uneinig, ob dieses Verhältnis notwendigerweise nur zu einer Welt bestehen muss.
McDowell denkt, dass es so ist. Abel geht von vielen Welten aus. Im vorliegenden
Beitrag geht es um diese Kontroverse. Indem ich Argumente von McDowell auf-
greife, argumentiere ich für die Annahme von nur einer Welt.
Die deutsche Formulierung ist der Buchtitel eines der Bücher von Abel und die englische
Phrase die Überschrift der Vorlesung II von (McDowell 1996).
https://doi.org/10.1515/9783110522280-062
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ist eine bestimmte Auffassung von Erfahrung und Wirklichkeit. In seiner Version
dieser Auffassung geht Abel von Zeichen und Interpretationen aus, während
McDowell von Begriffen spricht. Dieser Unterschied ändert nichts an der Ge-
meinsamkeit, um die es hier geht.
Nach Abel ist Erfahrung zeichenverfasst und interpretationsabhängig. Wirk-
lichkeit muss verstanden werden als zeichenverfasste und interpretativ formierte
Wirklichkeit. So ist das Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit
ein „drehtürartiges“ (Iw 177; vgl. SZI 50; ZdW 13, 15): Einerseits muss Erfahrung als
zeichenverfasste und interpretationsabhängige Erfahrung von einer zeichenver-
fassten und interpretativ formierten Wirklichkeit verstanden werden und ande-
rerseits muss Wirklichkeit als eine in Zeichen- und Interpretationsprozessen for-
mierte Wirklichkeit verstanden werden. Dadurch, dass Erfahrung ein die
Wirklichkeit formierender Zeichen- und Interpretationsprozess ist und Wirklich-
keit eine immer schon in Zeichen- und Interpretationsprozessen formierte Wirk-
lichkeit ist, kann keine (überbrückte) Kluft zwischen nicht-irrtümlicher Erfahrung
und Wirklichkeit bestehen. Erfahrung ist kein Etwas, das im Nicht-Irrtumsfall mit
einer von der Erfahrung begrifflich unabhängigen Wirklichkeit übereinstimmt,
sondern in nicht-irrtümlicher Erfahrung wird die Wirklichkeit selbst erfahren (vgl.
Iw 175 ff.; SZI 46 – 51; ZdW 13 – 18).
Diesen Gedankengang findet man auch bei McDowell, wenn er schreibt:
„That things are thus and so is the conceptual content of an experience, but if the
subject of the experience is not misled, that very same thing, that things are thus
and so, is also a perceptible fact, an aspect of the perceptible world.“ (1996: 26) Es
ist für unsere Zwecke nicht entscheidend, dass McDowell den Inhalt von Erfah-
rung begrifflich und propositional versteht.² Wichtig ist, dass bezüglich Erfahrung
und Wirklichkeit bei McDowell die Begrifflichkeit der Erfahrung die gleiche Rolle
spielt wie bei Abel die Zeichenverfasstheit und die Interpretativität.Wie nach Abel
das Verhältnis zwischen Erfahrung und Wirklichkeit ein drehtürartiges ist, ver-
steht McDowell es als ein Verhältnis, in dem weder Erfahrung noch Wirklichkeit
‚Priorität‘ hat (1996: 28): Einerseits muss Erfahrung aufgrund ihrer begrifflichen
Struktur im Nicht-Irrtumsfall als Erfahrung der begrifflichen Struktur der Wirk-
lichkeit verstanden werden. Andererseits muss die Struktur der Wirklichkeit als
etwas verstanden werden, das gedacht und erfahren werden kann und somit die
begrifflichen Strukturen von Gedanken und Erfahrungen hat (vgl. 1996: 24– 29).³
In (McDowell 2009a) wird die Auffassung, dass Erfahrung propositionalen Inhalt hat, aufge-
geben, aber es wird an ihrem begrifflichen Inhalt festgehalten.
Interessanterweise verweisen Abel sowie McDowell in diesem Kontext auf Paragraf 95 von
Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen, in dem Wittgenstein schreibt (vgl. ZdW 17;
McDowell 1996: 27): „Wenn wir sagen, meinen, daß es sich so und so verhält, so halten wir mit
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dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache; sondern meinen, daß das und das – so und
so – ist.“ (Wittgenstein 1953: 294).
Dies sind natürlich Titel von Büchern von Abel und McDowell.
Nach Abel können wir aber immer nur in einer Interpretation1-Welt leben (Iw 477) und können
die Grenze dieser Welt „nicht von außen betrachten“ (Iw 114); mehr dazu in (Gunnarsson 1996:
871 f.).
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Nach McDowell setzt Denken über die Welt der Erfahrung voraus, dass es
dabei um die Erfahrung einer einzigen Welt geht. Dies ist, denke ich, ganz klar
einer der zentralen Gedanken seiner Philosophie. Er spricht auch durchgehend
von ‚der Welt‘, zu der wir in der Erfahrung offenen Zugang haben. Es besteht also
meines Erachtens kein Zweifel, dass McDowell Abels Annahme einer Welten-
vielfalt ablehnen würde. Um diese Interpretation zu untermauern und den Kon-
trast zwischen den Positionen der beiden Autoren zu verdeutlichen, möchte ich
aber auf einige konkrete Stellen und Themen bei McDowell eingehen.
McDowell grenzt sich klarerweise von Richard Rortys Perspektivismus ab.
Nach Rorty gibt es eine Pluralität gleichlegitimer Interpretationen oder Vokabu-
lare. Die Wirklichkeit kann über die Richtigkeit solcher Interpretationen oder
Vokabulare nicht entscheiden (vgl. Rorty 1989; Rorty 1998). McDowells Ableh-
nung von Rortys Position beruht u. a. darauf, dass die Wirklichkeit auf diese Weise
in Rortys Konzeption keine Rolle spielt (vgl. McDowell 1996: 146 – 156; McDowell
2009c): Rorty zufolge ist die Welt „well lost“ (Rorty 1982). In Abels Konzeption ist
dies anders. Interpretationen3 können an den in Interpretationen1 formierten
Welten „scheitern“ (Iw 15, 176). Auch wenn es meines Wissens in McDowells
Schriften keine explizite Auseinandersetzung mit solchen Positionen wie der von
Abel gibt (beispielsweise auch nicht mit dem Ansatz Nelson Goodmans, der Abels
Theorie ähnlich ist⁶), lehnt er dennoch solche Positionen sicherlich ab. Diese
Interpretation McDowells möchte ich zusätzlich begründen, indem ich auf einige
seiner Äußerungen im Kontext einer Diskussion von Hans-Georg Gadamer ein-
gehe, um dann einige Worte über seine Metapher der „openness to reality“ zu
sagen (1996: 26).
McDowell kritisiert Michael Friedmans Interpretation von Gadamers Rede von
unterschiedlichen Welten und legt diese Rede in Kontrast zu Friedman folgen-
dermaßen aus:⁷ „This talk of different ‚worlds‘ is only vivid imagery for the un-
disputed idea of striking differences between mutually accessible views of the one
and only world.“ (McDowell 2009b: 140) Dabei geht es aber nicht nur um die Kritik
einer Interpretation Gadamers, sondern auch um die Erläuterung der Auffassung,
die McDowell meint mit Gadamer zu teilen, „that there is only one world“ (2009b:
141).
Nach McDowell beruht die Legitimität der Rede von „openness to reality“ auf
zwei Grundlagen. Die eine Legitimierung wurde bereits im ersten Abschnitt er-
läutert: Wahrnehmung und Welt haben die gleiche begriffliche Struktur. Die an-
Zu den Gemeinsamkeiten und Differenzen der Positionen von Abel und Goodman siehe
(Gunnarsson 1996: 867– 872).
Gemeint ist die Diskussion in (Gadamer 1986: 450 ff.).
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dere Grundlage besteht in der Passivität von Erfahrung: „The image of openness
is appropriate for experience in particular; and to bring the image into play, we
need to appeal to the distinctive passivity of experience.“ (1996: 29) Die Passivität
von Erfahrung bedeutet nicht, dass Erfahrung keinerlei Aktivität involviert. Aber:
„one’s control over what happens in experience has limits; one can decide where
to place oneself, at what pitch to tune one’s attention, and so forth, but it is not up
to one what, having done all that, one will experience.“ (1996: 10n) Was man in
Erfahrung passiv erfährt, ist die Welt: „in enjoying an experience one is open to
manifest facts, facts that obtain anyway and impress themselves on one’s sensi-
bility“ (1996: 29). Auch wenn McDowell es an dieser Stelle nicht explizit sagt, ist
klar, welches Bild hier gezeichnet wird. Es ist das Bild einer Welt, die auf das
Wahrnehmungsvermögen von Personen einwirkt und die bei erfolgreicher Aus-
übung dieses Vermögens sich ihnen offenbart (vgl. McDowell 2009d). Mit seiner
Rede von „openness to reality“ meint McDowell also den Zugang zu einer einzigen
Welt, nicht einer von vielen Welten. Es ist natürlich eine weitere Frage, ob
McDowell damit Recht hat, dass die Rede von „openness to reality“ mit einer
Vielfalt von Welten unvereinbar ist. Dafür werde ich erst im vierten Abschnitt
argumentieren.
Konzeptionen erfolgreich auf die Welt anwenden.⁸ Der Interpretationist hatte die
Welt erst gar nicht verloren, da der direkte Gebrauch und das direkte Verstehen
der Interpretationszeichen, mithin der realitätshaltigste Zeichengebrauch über-
haupt, die Welt gar nicht verlieren kann.“ (SZI 50 f.)
Die Themen des Kohärentismus einerseits und des Idealismus andererseits
tauchen in (McDowell 1996) an zwei dialektisch unterschiedlichen Stellen auf.
McDowell geht davon aus, dass Denken über die Erfahrungswelt nur möglich ist,
wenn das Denken rationalen Einschränkungen seitens der Erfahrung und der
Welt ausgesetzt ist. Die Position des Kohärentismus, die er Donald Davidson zu-
schreibt, schließt solche rationalen Einschränkungen aus. Nach dem Kohären-
tismus bestehen zwischen Überzeugungen und Erfahrung keine rationalen Ver-
bindungen, sondern nur rein kausale Beziehungen. Begründungsbeziehungen
kann es nur zwischen Überzeugungen geben. Nach McDowell würde dies aber
bedeuten, dass es keine Gedanken über die Welt geben kann. Da nach dem Ko-
härentismus unsere Überzeugungen von der Erfahrung nicht rational einge-
schränkt werden, kann das Denken seitens der Welt keinen rationalen Ein-
schränkungen unterliegen und so kann es überhaupt keinen Bezug des Denkens
auf die Welt geben (vgl. 1996: 13 – 18). ‚Das Denken‘ wäre kein Denken über die
Welt, sondern „a frictionless spinning in a void“ (11). McDowells eigener Ansatz
soll erklären, wie man den Kohärentismus vermeiden und die rationalen Ein-
schränkungen seitens der Erfahrung erklären kann, ohne dem „Myth of the Given“
zu verfallen (vgl. 1– 18).
In (McDowell 1996) taucht der Idealismus erst auf, nachdem McDowell seine
Position als Alternative zum Kohärentismus und Mythos des Gegebenen ent-
wickelt hat. Sein Ansatz soll Wahrheitsmomente in den beiden Auffassungen
aufgreifen, ohne die Fehler dieser Positionen zu begehen: Von Vertretern des
Kohärentismus wird richtig gesehen, dass die Einschränkungen des Denkens
rational sein müssen; von Verfechtern des Mythos des Gegebenen wird richtig
gesehen, dass Überzeugungen Einschränkungen von außerhalb der Überzeu-
gungen brauchen (vgl. 13 – 18). Der Idealismus hingegen wird nicht als eine Po-
sition präsentiert, in der ein Wahrheitsmoment steckt. Nachdem McDowells Po-
sition im Wesentlichen entwickelt worden ist, taucht der Idealismus als der
Einwand auf, dass McDowells Position auf einen Idealismus hinauslaufe: Es wäre
Idealismus, die Welt als begrifflich strukturiert zu verstehen (vgl. 25 f.).
Beide Teile seiner Antwort in (McDowell 1996) auf den Idealismusvorwurf
sind z.T. erläutert worden (vgl. aber auch McDowell 2009b: 134– 141): Einerseits
An dieser Stelle im Zitat habe ich Abels Fußnotenverweis auf McDowells Mind and World
weggelassen.
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An dieser Stelle im Zitat habe ich Abels Verweis auf Putnams The Many Faces of Realism
weggelassen.
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Interpretationen1 formen die Welt und können nicht an ihr scheitern oder durch
sie legitimiert werden.
Wenn Interpretationen1 durch die von diesen Interpretationen1 formierte Welt
nicht legitimiert werden können, ergeben sich interessante Konsequenzen. Eine
erste Konsequenz betrifft die Drehtürmetapher. Im ersten Abschnitt hatte ich er-
läutert, dass Abel sowie McDowell das Verhältnis zwischen Geist und Welt als ein
drehtürartiges verstehen wollen. Diese Gleichsetzung von Abel und McDowell
beruhte u. a. darauf, dass McDowell das Verhältnis von Geist und Welt als ein
Verhältnis ohne Priorität versteht. Wenn mein Argument stimmt, zwingt Abels
Annahme einer Vielfalt von Welten ihn dazu, den Interpretationen1 der Welt ge-
genüber eine gewisse Priorität zu verleihen. Die Identität einer Welt – ihre Un-
terscheidung von anderen Welten – ist von der relevanten Interpretation1 ab-
hängig. Deshalb kann eine Interpretation1 nicht durch die von ihr formierte Welt
legitimiert werden. In diesem Sinn hat eine bestimmte Interpretation1 gegenüber
der relevanten Welt Priorität. Es stellt sich hier die Frage, ob aufgrund dieser
Priorität die Drehtürmetapher noch angebracht ist. Da jedoch nichts Substanti-
elles davon abhängt, ob Abels Ansatz treffend durch die Drehtürmetapher be-
schrieben wird, werde ich dieser Frage aber nicht weiter nachgehen.
Eine zweite Konsequenz ist aber schwerwiegend. Es stellt sich heraus, dass
McDowells Kritik des Kohärentismus doch auf Abels Interpretationsphilosophie
zutrifft. Da nach McDowell in Davidsons Kohärentismus keine rationalen Ver-
bindungen zwischen Überzeugungen und Erfahrungen bestehen, konzentriert
sich seine Kritik auf dieses Verhältnis. Die Pointe seiner Kritik ist aber eigentlich,
dass Überzeugungen im Kohärentismus keinen rationalen Einschränkungen sei-
tens der Welt unterliegen. Dies gilt nun genauso für Interpretationen1 in der In-
terpretationsphilosophie. Daraus folgt: Wenn man von einer Vielfalt der Welten
ausgeht, können Interpretationen1 sich nicht auf die Welt beziehen: Sie sind „a
frictionless spinning in a void“.
Ich habe nicht gezeigt, dass McDowells Kritik am Kohärentismus richtig ist.
Gezeigt wurde nur, dass sie auch auf Abels Interpretationsphilosophie zutrifft.
Wenn McDowell Recht hat, macht der Kohärentismus es unmöglich, dass es
Denken über die Welt der Erfahrung gibt. Das gleiche müsste dann für Abels In-
terpretationsphilosophie gelten.
nicht einverstanden bin, ist seine Position zu diesem Thema sicherlich einer der
wichtigsten Beiträge zur Gegenwartsphilosophie. McDowell scheint an diesem
Thema aber relativ wenig interessiert zu sein.
Wie soll man nun die Pluralität von richtigen und konkurrierenden Inter-
pretationen verstehen, wie sie sich beispielsweise in den Begriffen Tisch und Stuhl
einerseits und Partikel und Feld andererseits zeigt? Wenn meine bisherige Argu-
mentation stimmt, muss man sie als Interpretationen ein und derselben Welt
verstehen. Die Frage ist dann, wie es richtige aber unterschiedliche Interpreta-
tionen ein und derselben Welt geben kann. Meines Erachtens gibt es zwei Mög-
lichkeiten, diese Frage zu beantworten. Einerseits könnte man bestreiten, dass es
wirklich konkurrierende Interpretationen1 gibt. Wir können verstehen, dass man
die Welt sowohl mithilfe der Begriffe Tisch und Stuhl als auch mithilfe der Begriffe
Partikel und Feld richtig beschreiben kann. Wenn das aber so ist, sind diese Be-
griffe dann nicht auf einer höheren Ebene als der Ebene der Interpretationen1 zu
verorten (d. h. auf den Ebenen der Interpretationen2+3)? Mit anderen Worten: Kann
man nicht immer für jeden Kandidaten für Begriffe, die angeblich der Ebene der
Interpretationen1 zuzuordnen sind und miteinander in Konkurrenz stehen, zei-
gen, dass diese Begriffe einer höheren Ebene zuzuordnen sind und den höheren
Ebenen eine einheitliche Interpretation1-Ebene zugrunde liegt? Auf diese Mög-
lichkeit habe ich in (Gunnarsson 2001) kurz hingewiesen und sie soll hier nicht
weiter diskutiert werden.
Eine andere mögliche Antwort auf diese Frage würde mit dem Zugeständnis
beginnen, dass es auf der Ebene der Interpretationen1 in der Tat richtige aber
konkurrierende Interpretationen1 gibt. Die Aufgabe wäre dann zu zeigen, wie
diese Annahme damit vereinbar ist, dass es nur eine Welt gibt, deren Verhältnis
zum Geist als ein drehtürartiges aufzufassen ist – also eine begrifflich struktu-
rierte bzw. in Zeichen verfasste Welt. Dieser Aufgabe bin ich in (Gunnarsson 1996)
nachgegangen. Im vorliegenden Aufsatz will ich diese Frage aber nicht weiter
thematisieren. Zum Schluss möchte ich nur betonen, an welcher Stelle in der
philosophischen Debatte die Frage nach dem Verhältnis zwischen Wirklichkeit
und der Pluralität von Interpretationen auftaucht.
Putnam mag mit seinem internen Realismus die Position vertreten, dass es
nur eine Welt gibt, von der es aber viele unterschiedliche richtige Interpretationen
geben kann. In einem Symposium zu Abels Interpretationswelten habe ich selbst
eine solche Auffassung vertreten und sie den „interpretationspluralistischen
Monismus“ genannt (vgl. Gunnarsson 1996). In seiner Antwort auf meinen Beitrag
hat Abel geschrieben, dass der Vertreter des interpretationspluralistischen Mo-
nismus zeigen müsse, dass „die Annahme ‚der Ein und Derselben Welt‘ kondi-
tional ist, wir es mithin gar nicht mit einer bestimmten Welt und nicht mit be-
stimmten Interpretationen zu tun haben könnten, wenn nicht ‚Die Eine Welt‘
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angenommen wäre.“ (Abel 1996: 909) Der vorliegende Beitrag liefert den von Abel
erbeteten Nachweis: Bestimmte Interpretationen kann es nur dann geben, wenn
es nur eine Welt gibt. Sonst wären unsere Interpretationen nur „a frictionless
spinning in a void“.
Aus meiner Sicht ist die Argumentationssituation also die folgende: Damit
Denken möglich ist, müssen wir von einer und nur einer Welt ausgehen, die be-
grifflich strukturiert bzw. in Zeichen verfasst ist. Die Frage nach der Pluralität von
Interpretationen taucht erst vor diesem Hintergrund auf. Wir können also die
Tatsache, dass es mehrere richtige und anscheinend konkurrierende Interpreta-
tionen gibt, nicht verwenden, um für die Pluralität wirklicher Welten zu argu-
mentieren. Die eigentliche Frage bezüglich der Pluralität von Interpretationen ist
deshalb: Wie kann man die Annahme von einer einzigen Welt und die Annahme
von vielen unterschiedlichen richtigen Interpretationen miteinander vereinbaren,
ohne in einen metaphysischen Realismus zu verfallen?¹⁰
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McDowell, John 2009c: Towards Rehabilitating Objectivity, in: ders.: The Engaged Intellect.
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McDowell, John 2009d: Experiencing the World, in: ders.: The Engaged Intellect. Philosophical
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Rorty, Richard 1982: The World Well Lost, in: ders.: Consequences of Pragmatism,
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Rorty, Richard 1989: Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge, Mass.
Rorty, Richard 1998: The Very Idea of Human Answerability to the World. John McDowell’s
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