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Reiche Region:
Sonnige Plätze & sonnige Aussichten
magazin aus der mitte | 3
Editorial
Ungewollte Aktualität
Irgendwann, es muss im Oktober vergangenen Jahres gewesen sein, da keimte die Idee, nach
den Schwerpunktthemen Kunst, Wasser, Wandern und Märchen die Ausgabe Nr. 5 dieses Maga-
zins der Sonne zu widmen. Neben lohnenswerten Ausflugszielen (Sonnige Plätze!) wollten wir
zum Beispiel auch Orte vorstellen, die ihren gesamten Energiebedarf mit umweltfreundlicher
Sonnen- und Windenergie decken und sich unabhängig machen wollen von konventionellen
Kraftwerken. Sonnige Aussichten!
Die Idee reifte dann schnell, zumal schon klar war, dass die Organisatoren des weltweit
größten wissenschaftlichen Solarkongresses nicht Istanbul, nicht Neu Delhi und auch nicht
Cancun, sondern Kassel als Veranstaltungsort auserwählt hatten. Warum? Ganz einfach: In Kas-
sel und der Region gibt es eine außergewöhnliche Dichte von Know-how und wegweisenden
ze, an denen sie einfach nur in der Sonne sitzen, denken und träumen oder hören und staunen.
gen und vielen Gaststätten. Andere schwangen sich auf die bisher von ihnen verpönten E-Bikes, radelten durch die ganze
Region, gingen dem Genuss nirgends aus dem Weg und lassen uns mit ihrem Bericht auch teil-
Infos unter www.nvv.de oder am ServiceTelefon 0180-234-0180*. haben an der neuen Leichtigkeit des Seins auf zwei Rädern. An einem sonnigen Wochenende.
Wir erinnern abschließend an die Lektion, die schon der berühmte Alexander der Große,
nach zahllosen Feldzügen Herrscher über ein Weltreich und über die Maßen wohlhabend, lernen
musste. Er soll den Philosophen Diogenes, der in einer Tonne hauste, arm und einfach, gefragt
haben, was er für ihn tun könne. Die Antwort des Diogenes’ ist legendär: „Du kannst mir aus
der Sonne gehen!“
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Sunny Boys, autarke Inseln
Die Üppigen und die Grazile und sonnige Aussichten
Sonnige Plätze
Vom Glück auf einer Bank im Park, dem atemberaubenden Blick von einem Berg, einem fabelhaften
Platz zum Hören und Staunen oder dem erhabenen Gefühl auf einer Sonnenterrasse über dem Was-
ser: Unsere Autoren Verena Joos, Ilona Lehnart, Anne Riedel, Juliane Sattler, Rainer Schumann, Anne
Kathrin Stöber und Sabine Wilms beschreiben einige der schönsten sonnigen Plätze in der Region.
Denken und träumen am Lac Meißnerdörfer: rote Punkte im Grün der Landschaft. Weit dahinter,
Immer habe ich ein Ziel. Den Mulang überqueren und in den Berg- in verblauender Ferne, sanfte Bergzüge. Ausläufer des Thüringer
park Wilhelmshöhe hinein, vorbei an dem chinesischen Taschentuch- Waldes, vermuten einige, während andere, den Blick nach Norden ge-
Baum, der mit seinen hängenden großen weißen Blättern fasziniert. wendet, vermeinen, im glasigen Sonnenlicht die Ausläufer des Harzes
Weiterlaufen, das Knirschen der Steine unter den Füßen im Sommer, zu erblicken.
das Rascheln des Laubes im Herbst, fast lautlos im Schnee. Vorbei In westlicher Richtung setzen wir unsere Wanderung fort. Dem
an den großen Steinen, die aussehen, als habe ein Riese sie hier ab- Farbenspiel der sonnigen Ebene weichen die Schattenzonen des
gelegt, die leichte Biegung herum und dann auf die Zielgerade, fünf Waldes. Die Sonne steht nun höher und im Gegenlicht hebt sich die
einfache Bänke stehen hier. Ich bevorzuge die Bank in der Nähe des umgebende Natur in schwarzen, scharfen Linien gegen das helle Fir-
Hügels. Das ist mein Sonnenplatz. mament ab. „Giotto!“, sagt da einer und blickt, wie zur Bestätigung
Hinsetzen und auf den See schauen. Den Rücken an die Holzleh- seiner plötzlichen Eingebung in die Runde. Ja, fährt er fort, die-
ne drücken, das Gesicht in die Sonne halten. Aus dem Tal nach oben ser Künstler der italienischen Frührenaissance habe erstmals um die
blicken, die Rückseite des Schlosses sieht trutzig aus, so weit weg, so Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert das vom wechselnden Lichtein-
geheimnisvoll. Von meiner Bank aus sehe ich zwischen den Bäumen fall abhängige Farbenspiel in der Natur malerisch umgesetzt: schwarz
die Silhouette der Löwenburg und wenn ich meinen Kopf ganz weit im Gegenlicht, buntfarbig, sobald Licht auf Bäume, Wiesen, Felder
Das Wetter bleibt hinter Glas, als wir einen Latte macchiato trinken nem dunklen Wasser unter der grünen Grütze. Ein Platz zum Träumen er strömen in die stets ausverkauften Vorstellungen. 2014 soll die Als die Kinderbeine noch kurz waren, begnügten wir uns mit
und vom Kaffeetisch in 200 Metern Höhe aus noch einmal nachvoll- im Garten des Klosters Haydau. Passion wiederholt werden. Siebenmal hat es bislang die Haydauer Ausflügen zu den Helfensteinen. Bizarre Felsen aus Basalt zwi-
ziehen, wo wir gewandert sind. Dort drüben, das alles gehört zum Das Kloster gründet sich – mit Brief und Siegel – im Jahre 1234. Filmtage gegeben. Immer im September. Dann zeigen Studenten der schen Hohem und Kleinen Dörnberg, die verführerisch aufragen,
Nationalpark Kellerwald! Da haben wir den Urwaldsteig erkundet und Es waren Zisterzienserinnen, die hier ihren frommen Dienst versahen. Kunsthochschule Kassel Filme, die sie erdacht und gedreht haben. die Kleinen zum Klettern rufen und in deren Windschatten wir, die
uns vom Knorreichenwald verzaubern lassen. Und da hinten, riesige Fast dreihundert Jahre lang. 1527 nahm die Reformation den Nonnen Wenn am kleinen Teich beim Träumen auch unserer Fantasie Erwachsenen, auf Wolldecken die erste Frühjahrssonne genossen.
Sperrmauer, der schimmernde See, die weiten Hügel! das Kloster weg. Der damalige hessische Landgraf suchte dringend Flügel gewachsen sind, dann gehen wir hinüber, in das alte Forst- Oder damals, Ostern! Wir wollten unbedingt laufen, aber – wie so
Der Kaffee ist getrunken, wir gehen noch einen Moment auf die ein Jagdschloss in dieser Gegend. Jetzt hatte er eins. Ein hübsches, amt, das schon bei den Gästen des damaligen Jagdschlosses Haydau oft hier oben – es pfiff uns der Wind gehörig um die Ohren; nicht
Terrasse, die „Altane“. Die Wolkendecke reißt auf und lässt die Son- sonniges Plätzchen, das er für seine Zwecke zurechtbauen ließ. einen exzellenten Ruf hatte. Dort werden wir dem Genuss nicht umsonst treffen sich hier die Segelflieger. Mit Kapuze und Schal
nenstrahlen zu uns. Was für ein Juwel, dieser Platz! Heute entwickelt sich Kloster Haydau immer mehr zu einem so- aus dem Wege gehen; im feinen Restaurant oder bei gutem Wetter trotzten wir dem einsetzenden Schneetreiben, ließen uns auf dem
www.edersee.com zialen und kulturellen Mittelpunkt. Morschens Rathaus findet sich draußen im Biergarten. Alpenpfad durchpusten, der mit seinen Wacholderbüschen und dem
in den alten Mauern, in denen auch wissenschaftliche Seminare und www.kloster-haydau.de Magerrasen an voralpine Landschaft erinnert.
Ein Platz zum Träumen im Kloster Haydau Tagungen angeboten werden. Und die Kunst erobert das Kloster. Zum Und heute? Es gibt kein Vierteljahr, in dem wir nicht einmal
Ein Teich, in dem Jahrhunderte versunken scheinen. Spurlos. Rosen ersten Mal stehen die „Passionsspiele“ über das Leben und Sterben Grüße aus „lieblicher Bläue“ am Ettelsberg hierher kommen, die Runde um die sagenhafte Wichtelkirche zum
bewachen ein Ufer. Buntes Laub fällt auf den kleinen Tümpel mit sei- Jesu im Jahre 2009 auf dem Programm. Mehr als 3.000 Zuschau- 838 Meter ragt der Ettelsberg, Willingens Hausberg, in den Sauer- Kult-Ort Hohlestein machen, am Aufstieg zum Hohen Dörnberg tief
länder Himmel hinein. Für weitere 59 Meter und eine Rekordmarke schnaufen, aber dann von der Ringwallanlage aus einen wunderbaren
sorgt der Hochheideturm, eine lichtgraue achteckige Konstruktion Rundblick über Kassel und Herkules, Weimar, Ahnatal, Fürstenwald,
aus Stahl, Beton und Glas: Auf 875 Meter ü. NN ist seine Plattform den Habichtswald und den Reinhardswald genießen. Oft landen wir
der höchste Aussichtspunkt weit und breit. zum Schluss am Bergcafé Friedrichstein, auf der sonnigen Holzterras-
Der Panoramablick, vor dem das Erklimmen von 241 Treppenstu- se vorm Haus. Wir strecken die Füße weit von uns und strahlen die
fen oder eine Aufzugsfahrt steht, ist atemberaubend: Ganz links sieht Hügel vor uns an. Und beim Sonnenuntergangs-Bier wird schon die
man den Astenturm, daneben die Hunau, in einer Tannenfalte die Kli- nächste Dörnberg-Tour geplant: Wir wollen uns endlich mal mit sei-
nik Brilon Wald, schräg dahinter die Windräder von Paderborn, rechts ner frühesten Besiedlung in der Eisenzeit befassen. Denn er ist voller
einen Zipfel Edersee: Die Bergwelt Willingens, des Hochsauerlands, Geschichte und Geheimnisse, dieser Dörnberg.
des Waldecker Landes, bei schönen Wetter gar weit darüber hinaus, www.kassel-land.de
sie alle grüßen, von nah und fern, „aus lieblicher Bläue“.
Wir steigen vom luftigen Ort wieder hinab und machen uns ent- Göttliche Aussicht am Herkules
weder auf einen aussichtsreichen Rundweg über die Dammkrone – Der Herkules genießt hoch oben eine göttliche Aussicht. Siebzig Meter
oder aber zu „Siggis Hütte“, wenige Schritte von der Bergstation weiter unten, auf der Terrasse vor dem Oktogon, können wir Sterb-
entfernt. Vorschlag eins beinhaltet typische Heidevegetation und lichen es dem sagenhaften Sohn von Jupiter und Alkmene gleichtun
einen zauberhaft verträumten Bergsee, Vorschlag zwei „brennenden – gesetzt den Fall, die Sonne meint es gut. Unser Blick fällt zunächst
Hüttengeist“ und Erbsensuppe im Bierseidel. Die Geschmäcker sind über die Kaskaden und Schloss Wilhelmshöhe auf die Wilhelmshöher
eben verschieden ... Allee, jene Verkehrsader, die pfeilgerade in die Innenstadt zielt, ehe sie
www.willingen.de an der Krümmung beim Brüder-Grimm-Platz ihren Namen einbüßt und
unsichtbar wird. Zeit, das Auge in die Ferne schweifen zu lassen. Da ist
Licht und Sicht am Dörnberg der Reinhardswald zu erkennen, der Hohe Hagen mit dem Gaußturm,
Müsste ich jemanden für Nordhessen begeistern, dann wüsste ich ein der Kaufunger Wald, der Hohe Meißner, die Söhre. Bei „Kaiserwetter“
Foto: Rainer Wittich
Zaubermittel: Ich wanderte mit ihm am Dörnberg. So, wie ich es mit sieht man gar den Brocken im Harz. Und wenn wir uns sattgesehen
Freunden, den Kindern und mit allen mache, die Lust auf Natur, Luft haben an diesem erhabenen Platz, dann lassen wir uns auf der benach-
und Sonne haben. Die dem ersten Frühlingssehnen nach Grün und barten Restaurant-Terrasse nieder, bestellen uns einen Kaffee und ein
Licht nachgeben. Oder im Herbst den grauen Stadthimmel vergessen. unbeschreibliches Glücksgefühl überkommt uns.
Foto: Teich im Garten des Klosters Haydau Hier ist Sicht über freie Kuppen und weites Land. www.museum-kassel.de, www.kassel-marketing.de
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stärker als in den Wintermonaten. Und, wer Unser Organismus braucht die UV-B- fleckige Haut. Ein guter Grund, lange Son-
wüsste das nicht: Wenn die Sonne lacht, Strahlen der Sonne zudem, um Vitamin D nenbäder zu vermeiden und empfindliche
lacht das Herz gleich mit. Wir fühlen uns herzustellen – eine lebenswichtige Sub- Hautpartien in der Mittagshitze zu bede-
beschwingt und wir entspannen uns in stanz, die für gesunde Knochen sorgt. Vita- cken. Denn es ist zwar aus gesundheitlichen
der Wärme. min D schützt Kinder vor Rachitis und ältere Gründen nicht nötig, wie ein Käsemännchen
Forscher haben inzwischen herausge- Menschen vor Osteoporose. Und es kann herumzulaufen – aber wie eine Backpflaume
funden, wie die wohltuende Wirkung des noch mehr: Es senkt das Risiko, an Multipler wollen wir später auch nicht aussehen.
Sonnenlichts auf Körper und Seele zustande Sklerose, Diabetes, Rheuma oder Asthma zu Wie also findet man ein gutes, gesun-
kommt. Die Strahlen regen die Herstellung erkranken. Kein Wunder also, dass ein altes des Maß? Ganz einfach, es genügt, zweierlei
eines Hormons im Gehirn an, das für gute deutsches Sprichwort sagt: „Wo die Sonne zu wissen: Um genug Vitamin D zu bilden,
Laune sorgt. Mediziner setzen den Stim- scheint, kommt der Arzt nicht hin.“ reicht es, Hände und Gesicht unbedeckt zu
mungsaufheller und Glücklichmacher Sonne Diese gesundheitsförderlichen Effekte lassen. Und: Nach 20 Minuten hört der Kör-
heute sogar therapeutisch ein. Etwa bei sind jedoch kein Grund dafür, exzessiv in der per mit der Vitaminherstellung auf. Wer also
seelischen Erkrankungen. So haben Studi- Mittelmeer-Sonne zu braten – da sind sich mittags vor der Kasseler Orangerie, auf der
en gezeigt, dass ein täglicher, einstündiger die Mediziner einig. Denn so nützlich die Terrasse der Sababurg, dem Marktplatz von
Mittagsspaziergang die Heilung depressiver UV-B-Strahlen sind, im Übermaß lösen sie Fritzlar oder einem anderen schönen Platz
Wär nicht das Auge sonnenhaft, Verstimmungen unterstützt – und ganz ne- Sonnenbrand aus, schädigen dabei Zellkerne 20 Minuten lang draußen einen Espresso
die Sonne könnt es nie erblicken. benbei noch das Herz stärkt. Auch soge- und können so Hautkrebs Vorschub leisten. genießt und ein paar Schritte zu Fuß zu-
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft, nannte Winterdepressionen lassen sich mit Die Schwesterstrahlen vom Typ UV-A sind rücklegt, befindet sich auf der sicheren –
Wie könnt uns Göttliches entzücken? sehr hellen, 10.000 Lux starken Speziallam- auch nicht viel besser: Die machen früher und noch dazu sonnigen – Seite.
Johann Wolfgang von Goethe, Zahme Xenien pen oft gut behandeln. alt, bescheren uns vorzeitig faltige und Corinna Schoeps
Sonnige
Aussichten
Von Joachim F. Tornau
nebach kommt, wird von einem Wald aus 69 duktion von Solar- und Industrie zu transportieren. Heute müssen zurückblicken. Zu Füßen der hochaufra-
aufgeständerten Solaranlagen begrüßt, der Windkraftanlagen, son- die Netze aber auch in der Gegenrichtung genden Felsburg – einer von drei mittelalter-
sich beim Näherkommen als ausgesprochen dern auch in Planungs- funktionieren, weil durch die zunehmende lichen Festungsruinen auf dem Stadtgebiet
tierreich erweist: Unter den Baumwipfeln aus büros oder bei der en- Nutzung erneuerbarer Energien immer mehr – drängt sich im Rund der historische Stadt-
Sonnenkollektoren tummeln sich in einem ergetischen Gebäude- Strom lokal erzeugt und eingespeist wird – kern zusammen.
Freiluftgehege unzählige weiße und brau- sanierung. Tendenz: wei- aus unzähligen Quellen und in schwanken-
ne Hennen – und legen, passend zum Öko- ter steigend. den Mengen: Wie viel die Leitungen aufneh- Felsberg ist ein Ort mit Vergangenheit,
Strom, Bio-Eier. Der Boom der regene- men müssen, hängt vom Wetter genauso ab der sich jetzt auf den Weg in die Zukunft
„In Alheim wachsen die Solarbäume in rativen Energien wirft wie von der Tageszeit. Eine Herausforderung gemacht hat.
den Himmel“, schrieb hübsch doppelsin- aber auch neue Probleme für die alten Netze der Stromversorger. Doch
nig die FAZ. Denn die Sonne trägt nicht auf. Jahrzehntelang waren auch daran wird in Nordhessen gearbeitet. Langfristig soll auch hier der gesamte
nur entscheidend dazu bei, dass in der Ge- Stromleitungen Einbahn- Rund 25 Kilometer nordwestlich von Al- Strombedarf mithilfe von Sonne, Wind, Was-
meinde schon heute weit mehr Energie aus straßen: Es ging allein heim liegt das Fachwerkstädtchen ser, Erdwärme und Biomasse gedeckt wer-
erneuerbaren Quellen gewonnen wird, als darum, die zumeist ir- Felsberg. Auf eine über den; mehr als die Hälfte des verbrauchten
die privaten Haushalte aller zehn Ortsteile gendwo in der Ferne 900-jährige Geschichte Stroms wird auch heute schon umwelt-
verbrauchen können. Sie hat auch 250 Ar- erzeugte Energie zu kann die Kleinstadt freundlich und lokal gewonnen.
beitsplätze im Dorf geschaffen und lässt die den Verbrauchern in im Schwalm- Und: In Felsberg soll in den nächs-
Gewerbesteuer derart sprudeln, dass man Haushalten und Eder-Kreis ten Jahren ausprobiert werden, wie
sich über Schuldenmachen im Rathaus der- das Stromnetz der Zukunft aussehen
zeit nicht den Kopf zerbrechen muss. muss. „Smart Grid“ heißt die Zauber-
Der Grund dafür steht als „Kompetenz- formel: Das Netz soll „denken“ ler-
zentrum Erneuerbare Energien“ unüberseh- nen, soll Erzeugung und Verbrauch
bar gleich neben dem kleinen Bahnhof von von Energie intelligent steuern
Heinebach: Aus einem kleinen Elektrobe- können – damit beispiels-
trieb, der 1991 gegründet wurde, entstand weise Waschmaschinen vor
mit der Kirchner Solar Group ein interna- allem dann laufen, wenn
tional führender Unternehmensverbund, der die Sonne scheint und
bereits mehr als 5.500 Photovoltaikanlagen der Wind weht. In einem
und Solarparks weltweit realisiert hat – Wettbewerb, der vom Ener-
nicht zuletzt diejenigen in Alheim selbst. gieversorger und Netz-
Wenige Hundert Meter vom Eingang ent- betreiber E.ON Mitte zu-
fernt beginnt seit einem Jahr ein „Energie- sammen mit dem nord-
lehrpfad“, den die Gemeinde Alheim zusam- hessischen Kompetenz-
men mit ihren südlichen Fuldatalnachbarn netzwerk Dezentrale Ener-
Rotenburg und Bebra eingerichtet hat: Auf gietechnologien (deE-
einer Strecke von 19 Kilometern informie- Net) ausgerichtet
ren zwölf Tafeln über all das, was die drei wurde, setzte
Kommunen in Sachen regenerativer Ener-
gien schon Beachtliches zustande gebracht
haben – Lernen im Vorbeigehen. Oder ein-
facher noch: im Vorbeifahren: Die Route
liegt auf dem beliebten Radfernweg durch
das Tal der Fulda.
Erneuerbare Energien als Jobmotor: Was
in Alheim gelang, ist in Nordhessen keine
Ausnahme. Nach einer Studie der Universi-
tät Kassel verdienen in der Region derzeit
mehr als 14.000 Menschen ihr Geld in der
Branche der dezentralen Energie- und Effi-
zienztechnologien – nicht nur in der Pro-
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sich die 11.000-Einwohner-Stadt dafür und die Höhe des Zuschusses richtet sich Null senken – private Haushalte, Betriebe und Vor den Lohfeldenern liegt noch ein lan- Seit mehr als 700 Jahren thront auf einem Wer den Trendelburger Burgberg mit
als „ideale Testumgebung“ gegen 26 an- nach der Menge der eingesparten Energie. Verkehr inklusive. Eine Vorgabe, auf die sich ger Weg. Doch um zu erleben, dass die Sandsteinfelsen über dem Tal der Diemel die seiner hübschen Altstadt hinabsteigt und
dere Kommunen durch. Neben geeigneten Seit 2007 haben rund 150 Hausbesitzer von die Weltpolitik bislang nicht einigen konnte. Energiewende tatsächlich gelingen kann, Trendelburg. Von den Zinnen der gut erhal- dem Straßenschild „Zur Alten Mühle“
technischen Voraussetzungen und einer ty- dem Angebot Gebrauch gemacht. Die aber dringend notwendig wäre, um den müssen sie gar nicht weit reisen – gerade tenen Festungsanlage mit ihrem mächtigen folgt, stößt auf ein Idyll. Seit dem Jahr
pischen Netzstruktur gab das besondere En- Die vor zwei Jahren eröffnete Gemein- Klimawandel zu stoppen. einmal 40 Kilometer nach Norden nämlich. Bergfried bietet sich ein prächtiger Ausblick 1455 treibt hier das Wasser der Diemel die
gagement von Verwaltung, Wirtschaft und debücherei im Zentrum von Lohfelden ist weit hinaus über die geschwungenen Hügel landgräfliche Mühle an. Der beeindruckende
Bevölkerung den Ausschlag. Denn ohne eine ein Blickfang. des Umlands und tief hinab auf die Dächer Fachwerkbau ist so liebevoll restauriert,
aktive Beteiligung der Bürger, das wissen der Kleinstadt, die der Burg ihren Namen dass er vor zwei Jahren mit dem Hes-
alle kommunalen nordhessischen Energiepi- In allen Farben des Regenbogens erstrah- verdankt. sischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet
oniere, kann der Weg zur energieeffizienten len die Lamellen, mit denen die Glasfront wurde.
Kommune nur in der Sackgasse enden. der Bücherei verkleidet ist. Am Horizont drehen sich Windräder und Künstler haben sich auf dem Areal
Überall setzt man daher auf Aufklärung, unten im Tal werfen Solaranlagen die angesiedelt. Die Mühle selbst beherbergt
auf Einsicht, auf „Domino-Effekte“. Sobald Ein architektonisches Schmuckstück. Strahlen der Mittagssonne als helles Glei- heute das Trendelburger Heimatmuseum,
die ersten Menschen positive Erfahrungen Aber nicht nur das. Auf dem Dach hat die ßen zurück. ein Café und das „Infozentrum Wasser“.
etwa mit Solarthermie-Anlagen zur Warm- Gemeinde eine Photovoltaikanlage installiert Und ein Kraftwerk: In dem historischen Ge-
wasserbereitung gesammelt hätten, werden – ebenso wie auf der angrenzenden Gesamt- Rund 5.400 Menschen leben in der Klein- bäude steckt eine moderne Wasserturbine,
ihre Nachbarn, so hofft man, dem Beispiel schule und auf der Tribüne des Stadions. Um stadt im Kreis Kassel mit ihren acht Ortstei- die mit einer jährlichen Stromproduktion
folgen. Zumal steigende Energiekosten die Rathaus, Bürgerhaus und Grundschule schon len. Nicht nur ihr privater, sondern auch der von 1,2 Millionen Kilowattstunden alleine
Investition ins Sparen auch wirtschaftlich bald kohlendioxidneutral beheizen und gesamte gewerbliche Energiebedarf wird aus acht Prozent des gesamten Trendelburger
immer interessanter machen. gleichzeitig grünen Strom ins Netz einspei- erneuerbaren Quellen gespeist – und trotz- Energiebedarfs deckt.
In Lohfelden – einer 14.000-Einwohner- sen zu können, werden derzeit drei Block- dem bleibt immer noch jede Menge Ökostrom Die alte landgräfliche Mühle in Tren-
Gemeinde im Speckgürtel von Kassel – ver- heizkraftwerke gebaut, die von einer neuen übrig. Fast 30 Millionen Kilowattstunden delburg ist eines von vier Wasserkraftwer-
sucht man es auch mit finanziellen Anrei- Vergärungsanlage am Ortsrand mit Biogas werden hier alljährlich erzeugt, fast das Dop- ken, die auf dem Gebiet der Kleinstadt ih-
zen. Photovoltaikanlagen werden seit vier versorgt werden. Und im Neubaugebiet Lin- pelte des lokalen Bedarfs. Schon 1996 wur- ren Dienst verrichten. Das größte stammt
Jahren, anders als früher, nur noch dann denberg soll eine Siedlung aus Passivhäusern den die beiden Windparks angelegt, in de- aus den 1920er Jahren, steht im Ortsteil
aus kommunalen Mitteln bezuschusst, wenn entstehen – aus Energiesparhäusern also, die nen sich heute 23 Windräder drehen. Hinzu Wülmersen und hat es, obwohl erst knap-
das Haus zuvor energetisch saniert wurde: ohne klassische Heizung auskommen. kommen zwei Biogasanlagen, an die hundert pe 90 Jahre alt, auch schon zum Museum
Auch Ökostrom soll ja nicht verschwendet Es sind die ersten Schritte hin zu einem private Photovoltaikanlagen – und die ältes- gebracht: In dem „Live-Museum“ kann
werden. Deshalb gibt es jetzt auch Geld für großen Ziel: Bis zum Jahr 2030 will Lohfelden te Form der natürlichen Energiegewinnung: Wucht und Größe einer Turbine, die 1985
Dämmmaßnahmen oder Isolierglasfenster – seinen Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) auf die Wasserkraft. still- und trockengelegt wurde, bestaunt
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Sonnige Aussichten II
gender Heizkosten auch in Zukunft noch
leisten kann.
Schon heute kommen in Wolfhagen 15
Prozent des Stroms aus Sonnenenergie. Die Weltweiter Solarkongress in Kassel stützt vom Netzwerk deENet und zahlreichen Versammelte Kompetenz
Dichte von Solaranlagen ist zehn Mal hö- Die außergewöhnliche Dichte an Hightech- anderen Akteuren in der Branche. Wenn es in Nordhessen um erneuerbare En-
her als im Bundesdurchschnitt. Doch um Solarunternehmen, Forschungsinstituten, in- Es sind Repräsentanten der weltweit wich- ergien geht, läuft fast nichts ohne das Kom-
wirklich unabhängig zu werden von fossilen novativen Energieversorgungskonzepten und tigsten Solarforschungsinstitute und Univer- petenznetzwerk deENet. Das Kürzel steht für
Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas, werden bemerkenswerten Projekten in der Region sitäten, die sich auf dem diesjährigen Solar „Dezentrale Energietechnologien“ und für
die Stadtwerke vor allem den Wind nutzen Nordhessen hat längst auch internationale World Congress (28. August bis 2. Septem- einen 2003 in Kassel gegründeten Verein, zu
müssen, der über die Erhebungen des Wolf- Aufmerksamkeit erregt. Der Solar World Con- ber) im Kasseler Kongress-Palais treffen und dem sich mittlerweile rund 110 Unternehmen
hager Landes weht. gress, der weltweit größte Wissenschafts- sich dort über die neuesten Entwicklungen und Forschungseinrichtungen aus der Region
Kiefern und Lärchen, Eichen und Bu- kongress zur Solarenergie, wird deshalb in der Solarenergie austauschen wollen. Insge- zusammengeschlossen haben – mit einem
chen bedecken den Rödeser Berg beim diesem Jahr in Kassel ausgerichtet – nach samt werden mehr als 1.000 Teilnehmer aus ehrgeizigen Ziel: Die Branche soll zum wirt-
Ortsteil Nothfelden. Wanderwege führen Peking (2007) und Johannesburg (2009). aller Welt erwartet. schaftlichen Motor der Region werden und
über die 417 Meter hohe Kuppe. Von hier, Kassel behauptete sich gegen starke Mit- International ist Kassel bereits bekannt als eine Rolle einnehmen, wie sie heute die Au-
wo sich Füchse und Hasen, Waschbären und bewerber: Neu Delhi war ebenso im Rennen Stadt der documenta und als Heimat der Brüder tomobilindustrie in Nordhessen hat. Bis zum
Wildschweine gute Nacht sagen, soll künf- wie der mexikanische Badeort Cancun und Grimm. Nach dem weltweiten Solarkongress wird Jahr 2020 sollen so 20.000 neue Arbeitsplät-
tig der Strom für Wolfhagen kommen. Ge- die türkische Millionenstadt Istanbul. klar sein, dass Kassel und die Region Nordhes- ze in Nordhessen entstehen. Und damit wür-
plant ist ein rund 20 Millionen Euro teurer Inititiert wurde die Bewerbung von Prof. sen auch in Sachen erneuerbare und dezentrale de die Branche einen Stellenwert erreichen,
Segway fahren
darüber beraten, ob und wie das örtliche geht, kann sich Wolfhagen rühmen, in geplanten Riesenwindmühlen kritisiert,
Stromnetz künftig von den Gemeinden be- derselben Liga zu spielen wie Stuttgart als Gefahr für die Artenvielfalt. Wer im
trieben werden könnte. und Magdeburg oder die Ruhrgebietsme- Bereich Wolfhagen am Rödeser Berg spa-
mit Sonnen-Energie
Wolfhagen – ein malerisches Städt- tropole Essen. zieren geht, sieht allerdings auch heute
chen westlich von Kassel, gelegen an der längst keine unberührte Natur mehr. Die
Deutschen Märchenstraße – hat schon vor Das Bundesforschungsministerium hat Forstwege führen an großen Schneisen
Segways sind der neue Trend auf zwei Rädern. Das aktuelle Tourenprogramm finden Sie im Internet
Jahren bewiesen, dass es auch ohne die Wolfhagen zu einem von nur fünf Preis- vorbei. „Kyrill“ und „Emma“ haben sie in
Kurven Sie mit uns in relaxter Atmosphäre durchs mittlere Fuldatal. unter www.kirchner-solar-group.de/segway
großen Stromkonzerne geht: Im Jahr 2006 trägern im Wettbewerb „Energieeffiziente den Wald gerissen – Stürme, wie sie immer
kauften die Stadtwerke dem Energierie- Stadt“ gekürt. In den nächsten fünf Jahren öfter übers Land fegen, als spürbare Folge
sen E.ON das lokale Leitungsnetz ab und können die Nordhessen jeweils bis zu eine der Erderwärmung. Denn nicht nur der Kli-
nahmen die Energieversorgung der knapp Million Euro beantragen, um zusammen maschutz ist angekommen in Nordhessen. Saubere Energie aus der Region Wir bauen Zukunft auf Ihr Dach
13.000 Einwohner selbst in die Hand. Mit mit wissenschaftlichen Partnern wie dem Auch der Klimawandel. Seit 2004 hat die Kirchner Solar Group allein in Nordhessen Solarparks mit einer Spitzenleistung von Nutzen Sie die Energie der Sonne auch für Ihr Zuhause.
einem ehrgeizigen Ziel: Bis 2015 wollen sie Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Kas- über 5 Megawatt installiert. Das entspricht dem Energiebedarf von ungefähr 2.000 Haushalten und spart Eine Dachanlage ist äußerst rentabel und sichert
den gesamten Strombedarf der Wolfhager sel ihre Ideen weiter voranzutreiben und gegenüber konventionell erzeugtem Strom jährlich ca. 4 Millionen Kilogramm CO 2 ein. Ihnen mehr Unabhängigkeit. Wir beraten Sie gerne!
Bürger und Gewerbebetriebe mit grünem in der Praxis zu erproben. So will man etwa www.deenet.org
Strom decken, der zu 100 Prozent vor Ort die Rolle ausloten, die Elektroautos künf- www.alheim.de
erzeugt wird. tig für die Mobilität im ländlichen Raum www.felsberg.de Info-Abend
Ruhig und beschaulich geht es in den spielen können. Und es sollen neue Tech- www.lohfelden.de Photovoltaik
fachwerkgesäumten Straßen und Gassen niken zur Wärmedämmung von historischen www.trendelburg.de an jedem
g
er sten Frei ta
zu. Die Altstadt wird von der gotischen Gebäuden entwickelt werden. Damit man www.wolfhagen.de on at · 18 U hr
im M
St.-Anna-Kirche beherrscht, deren Turm als sich das Leben im Fachwerkhaus trotz stei- www.wolfhagen-energenial.de
Kirchner Solar Group GmbH · Auf der Welle 8 · 36211 Alheim · Fon 05664 93911-0 · www.kirchner-solar-group.de Ausgezeichnet mit dem Deutschen Solarpreis 2010
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zehn Prozent der Raumheizung sollen mit Son- giesparen investiert. Das Ergebnis: Von 2006, wendet. Die Wärmerückgewinnungszentrale, und Photovoltaikanlagen sie pro Einwohner
nenenergie gedeckt werden. Im Gegenzug über- als das Unternehmen sein mehrfach ausge- die das ermöglicht, war ein echtes Schnäpp- vorzuweisen hat.
nimmt die Kleinstadt vor den Toren Kassels die zeichnetes Modellprojekt „Effizienz Plus“ chen: Zwar hat sie 3,2 Millionen Euro gekos- In Hessen ist Kassel in dieser „Sportart“
Kosten für eine Energieberatung. Abschreckend startete, bis heute ging der Verbrauch von tet – doch dafür spart sie fast 600.000 Euro sogar die unangefochtene Nummer eins unter
hat diese Verpflichtung offenbar nicht gewirkt: Energie aus Kohle, Öl und Gas um 40 Prozent an Heizkosten ein. Jedes Jahr. den Großstädten: mit 46 Punkten vor Frank-
Von den 350 Bauplätzen sind Anfang 2011 zurück. Der Kohlendioxidausstoß sank um www.effizienz-plus.de furt (11) und Darmstadt (9). Da wundert es
nur noch drei zu haben. Und nur ein kleiner 12.000 Tonnen im Jahr. Knapp die Hälfte der kaum, dass auch Nordhessens größte Anlage
Teil der Bauherren hat es vorgezogen, die bei Einsparung gelang dabei durch die Nutzung zur Nutzung der Sonnenenergie in Kassel zu
Nichterfüllung der Verpflichtung vorgesehene von Solarenergie, Biomasse und Erdwärme. Hause ist: Auf den Dächern der Logistikhal-
Strafe zu zahlen, statt in erneuerbare Energien Noch wichtiger aber war die konsequente Aufstieg in die Bundesliga len im Unternehmenspark Kassel (UPK) ging
zu investieren. Im Jahr 2004 wurde das Vell- Steigerung der Energieeffizienz – auf allen Was beim Fußball vielleicht noch ein paar im Sommer 2010 ein Solarkraftwerk der Su-
marer Modell der Solarthermie-Pflicht mit dem Ebenen. So wurden nicht nur die Fabrikhal- Jahre dauern wird, hat Kassel bei der Nut- perlative in Betrieb: Rund 10.000 Silizium-
Deutschen Solarpreis ausgezeichnet. len wärmegedämmt und der Maschinenpark zung der Sonnenenergie längst geschafft: Module sollen jährlich bis zu 1,8 Millionen
www.vellmar.de modernisiert, sondern gleich die gesamte Die nordhessische Großstadt ist in die Bun- Kilowattstunden sauberen Strom liefern. Das
Fertigung platzsparend neu aufgebaut: Weil desliga aufgestiegen. In der „Solarbundesli- ist genug, um 450 Vier-Personen-Haushalte
die neuen Anlagen auf einer Fläche unter- ga“ – einem Wettbewerb der Fachzeitschrift mit Energie zu versorgen. Die riesige Anlage
gebracht wurden, die um ein Drittel kleiner „Solarthemen“ und der Deutschen Umwelt- bedeckt eine Fläche von fast 13.000 Quadrat-
Forschen für die Praxis ist als früher, muss deutlich weniger Raum hilfe – liegt Kassel unter den teilnehmenden metern – so viel wie zwei Fußballfelder.
Wissenschaft zum Wohle der Wirtschaft: Ein beleuchtet, geheizt und belüftet werden. deutschen Großstädten derzeit auf Rang 11. www.solarbundesliga.de
neues Forschungsinstitut an der Universität Und: Die Abwärme, die bei der Produktion Bei dem Ranking bekommt eine Kommune www.upk-kassel.de
Kassel greift der Industrie bei der Entwicklung entsteht, wird für die Heizung des Werks ver- umso mehr Punkte, je mehr Solarthermie- jft/ari
von umweltfreundlichen Energietechniken
Um das zu erreichen, hat sich deENet Serie hergestellt. Mindestens 500 Exemplare unter die Arme. Das „Institut für dezentrale
an zahlreichen bundesweiten wie regiona- des 42.000 Euro teuren Gefährts will das Un- Energietechnologien“ (IdE) wurde im Februar
Sparkassen-Finanzgruppe
len Projekten beteiligt. Forschungsstudien ternehmen in diesem Jahr auf die Straßen 2011 von der Hochschule zusammen mit vier Hessen-Thüringen
wurden ebenso übernommen wie konkrete schicken. Mit einer Batterieladung soll der Unternehmen der Region gegründet. Beteiligt
Planungsarbeiten. 120 Stundenkilometer schnelle „Stromos“ bis sind der Solartechnik-Hersteller SMA, der Hei-
www.deenet.org zu hundert Kilometer weit kommen. zungsbauer Viessmann, der Energieversorger
Die dreifache Reichweite hat dage- E.ON Mitte sowie die Städtischen Werke Kas-
gen ein kleiner Elektroflitzer, den die E-mo- sel, zudem die Stadt Kassel und deENet. Wann ist ein Geldinstitut
bile Motors GmbH in Rosenthal (Kreis Wal- Das IdE beschäftigt sich mit allen Proble-
Mit Strom unterwegs deck-Frankenberg) entwickelt hat. Denn der men rund um eine nachhaltige dezentrale En-
gut für Deutschland?
Noch sind Elektroautos auf deutschen Straßen dreirädrige Zweisitzer mit dem sperrigen Na- ergieversorgung – von intelligenten Leitungs-
ein rarer Anblick. Doch in Nordhessen arbeitet men „TW4XP“ ist extrem sparsam: Auf hun- netzen, die Schwankungen bei der Produktion
Wenn es nicht nur dabei
S
man daran, dass sich das ändert – und das dert Kilometern verbraucht er gerade einmal von Strom aus Sonne und Wind ausgleichen
nicht nur in einem Unternehmen. Das Volks- zehn Kilowattstunden Strom – das entspricht können, über energiesparende Heizsysteme bis hilft, Geld zu sparen.
wagen-Werk in Baunatal wird von 2013 an umgerechnet einem Liter Benzin. zur Elektromobilität. Als Anwendungszentrum Sondern auch Energie.
den geplanten VW-Elektrokleinwagen „Up!“, www.volkswagen.de ist das Institut dabei sehr praxisnah ausgerich-
von dem allein im ersten Jahr rund 10.000 www.german-e-cars.de tet: Nicht Grundlagenforschung, sondern die
Sparkassen fördern den Klimaschutz in allen Regionen
Stück ausgeliefert werden sollen, mit Motoren www.tw4xp.com ganz konkrete Entwicklung von Pilotanlagen
Deutschlands. Mit Angeboten zur Energieberatung, zu nach-
und Getrieben ausstatten. Rund zehn Millio- und Prototypen steht auf der Agenda. haltigen Geldanlagen und fairer Finanzierung für umweltbewusstes
nen Euro will der Automobil-Konzern dafür an www.uni-kassel.de Modernisieren und Bauen unterstützen wir unsere Kunden bei
seinem nordhessischen Standort investieren. ihrem ganz persönlichen Beitrag zum Klimaschutz. Das ist gut für die
Mit solchen Zahlen kann German E-Cars Sonnenpioniere Umwelt und gut für Deutschland. www.gut-fuer-deutschland.de
– ein Tochterunternehmen der Fräger-Gruppe Als erste deutsche Kommune hat Vellmar be-
in Immenhausen bei Kassel – zwar nicht mit- reits im Jahr 2002 für ein Neubaugebiet die Ausgezeichnet: Modellprojekt
halten. Doch dafür ist das Familienunterneh- Solarpflicht eingeführt: Wer auf dem Osterberg Auch Industrieanlagen müssen keine Strom-
men schon viel weiter als der Weltkonzern: sein Eigenheim errichten will, muss sich zum fresser sein. Rund 220 Millionen Euro hat der
Der „Stromos“, ein auf Elektroantrieb umge- Einbau einer Solaranlage bereit erklären. Min- Heiztechnikhersteller Viessmann an seinem
rüsteter Suzuki-Kleinwagen, wird bereits in destens die Hälfte des Warmwasserbedarfs und Stammsitz in Allendorf an der Eder ins Ener-
Sparkassen. Gut für Deutschland.
magazin aus der mitte | 27
Schmid: Ja, das geht, ich habe keinen Zwei- Magazin: Revolutionär mutet auch an, was
fel. Und wir könnten mit den bereits vorhan- Sie in ihrem Test- und Prüfzentrum für E-
denen Technologien sogar schon in 20 Jahren Mobilität – es gilt als das weltweit führende
eine komplette Versorgung mit erneuerbaren – entwickelt haben.
Energien realisiert haben. Ganz problemlos,
ohne große Anstrengungen. Die Kapazitäten Schmid: Wir bauen am neuen Standort des
sind da – man muss es nur machen. Zentrums in Fuldatal-Rothwesten eine Test-
strecke, auf der sich E-Fahrzeuge beim Fah-
Magazin: Mit Blick auch auf die Klimaverän- ren aufladen. Wir werden dort zeigen, dass
derungen: Haben wir denn eine Alternative? das funktioniert.
Schmid: Nein. Ich kenne keine. Magazin: Bitte erklären Sie uns die Funkti-
onsweise.
Magazin: Glauben Sie, dass die Energiewende
aufgrund der Katastrophe in Japan schneller Schmid: Im Boden befindet sich eine elek-
kommen wird? trische Spule, die ein Magnetfeld entwi-
ckelt, und im Auto ist ebenfalls eine Spule,
Schmid: Es sieht so aus. Möglicherweise die sich diese Energie holt. Das ist dann
geht es sogar sehr viel schneller. Denn der etwa so wie beim Transrapid. Wir haben die
politische Wille ist, mit Blick auf die Katas- Infrastruktur für Stromparkplätze entwi-
trophe in Japan, stärker. Allerdings frage ich Schmid: Ja, das ist wichtig. Denn wir könnten ckelt, die nach diesem System funktionie-
mich derzeit, wie lange das anhält.*) die Schwankungen zwar weitgehend über ren. Denkbar ist, auch im Bereich von Am-
große, intelligente Netze mit Anschlüssen peln solche Auflade-Systeme zu installieren
Magazin: Was müsste jetzt aus Ihrer Sicht zum Beispiel nach Norwegen ausgleichen, – und langfristig die Autobahnen entspre-
geschehen, um die Nutzung regenerativer aber wir selbst brauchen auch Energiespei- chend auszustatten.
Energien stärker voranzubringen? cher, mit denen wir ein paar Wochen über die
Runden kommen könnten. Ein solches Spei- Magazin: Das kostet doch vermutlich unge-
Schmid: Also, wichtig wäre es, jetzt sehr chersystem gibt es. heure Summen …
schnell die erforderliche Infrastruktur zu pla-
nen und zu installieren und rasch zum Bei- Magazin: Aber alle suchen nach Speicher- Schmid: Der Bau von Autobahnen ist so teu-
spiel auch Förderprogramme einzuführen. lösungen! Wie funktioniert Ihre? er, da fällt die nötige Installation nicht ins
Gewicht. Außerdem: Wenn man irgendwann
Magazin: Lassen Sie uns in diesem Zusam- Schmid: Ganz einfach: Wenn wir zu viel so etwas baut, könnte man damit auch eine
menhang auch über die Forschungs- und Ent- Energie aus Sonne und Wind haben, produ- automatische Spurführung realisieren: Dann
wicklungsarbeit an Ihrem Institut reden. Er- zieren wir mit der überschüssigen Energie kann der Fahrer Zeitung lesen, sich entspan-
zählen Sie uns von den aktuellen Highlights. zunächst Wasserstoff. Das geht einfach über nen und sicherer zum Ziel kommen.
Elektrolyse. Aus dem Wasserstoff machen
DAS INTERVIEW Schmid: Wir haben für die großen Energie- wir Methan, also Erdgas. Das können wir in Magazin: In ihrem Test- und Prüfzentrum
versorger wie RWE und E.ON ein System für das bestehende Erdgasnetz einspeisen und erforschen Sie auch andere, hoch innovative
mit dem Auto dann ins Büro fahren, dann der Fläche für Windkraftanlagen ausge- Magazin: Die Argumente der Gegner, etwa Magazin: Lassen Sie uns nochmals über das Magazin: Was bedeutet das für den Verbraucher? allein beim Strom im Jahr 2050 gegenüber
könnte ein gewisser Teil der gespeicherten wiesen, das müsste mindestens verdop- zur Lärmbelästigung, bekommen Sie damit generelle Problem der Schwankungen reden: dem herkömmlichen fossil-nuklearem Sys-
und aktuell nicht benötigten Energie ins pelt werden. doch nicht vom Tisch. Wenn zum Beispiel im Sommer den ganzen Schmidt: Noch hat der Verbraucher keiner- tem rund 62 Milliarden Euro Energiekosten
Netz zurückgegeben werden – gegen einen Tag die Sonne scheint, gibt es Energie im lei Informationen über die Lieferfähigkeiten eingespart werden könnten. Pro Jahr!
finanziellen Ausgleich. Magazin: Aber nicht alle schätzen eine Land- Schmid: Das ist wohl richtig. Aber es gibt Überschuss – und nachts weht vielleicht von Strom, das wird sich ändern. Und es wird Interview: Anne Riedel
schaft mit riesigen Windrädern. ja viele neue Ansätze. Zum Beispiel müs- nicht einmal ein leichter Wind. wahrscheinlich so sein, dass der Strompreis Fotos: Pia Malmus
Magazin: Das können doch nur minimale En- sen die Windparks nicht unbedingt mit bei Knappheit höher ist und bei Stromüber-
ergiemengen sein, die so eine Autobatterie Schmid: Wenn wir das System auf erneu- permanent blinkenden Lichtern ausge- Schmid: Deshalb brauchen wir unter ande- schuss niedrig. Dann werden zum Beispiel die * Das Interview mit Prof. Schmid wurde Ende
dann abgibt – oder? erbare Energien umstellen wollen, kommen stattet sein. Es gibt zum Beispiel eine Art rem weitreichende elektrische Netze – vom Waschmaschinen – automatisch gesteuert – März 2011 geführt.
wir an Windkraft nicht vorbei. Erzwingen Bewegungsmelder, der das Licht nur dann Nordcap bis Gibraltar und darüber hinaus vielleicht überwiegend dann laufen, wenn
Schmid: Wir haben über 40 Millionen Autos können wir die Akzeptanz nicht, aber wir leuchten lässt, wenn Flugzeuge in die Nähe bis Afrika –, um die Schwankungen auszu- die Sonne scheint und genug preiswertere
in Deutschland. Wenn sich nur die Hälfte müssen versuchen, sie zu erreichen. Wir kommen. Und die Lärmbelästigung durch gleichen. Wenn hier der Wind nicht weht Energie zur Verfügung steht. IWES
beteiligen würde, dann brächte das eine haben nicht viel Zeit, aber man muss es die Windräder ist zwar relativ gering, aber und die Sonne nicht scheint: Irgendwo in
höhere Leistung als derzeit alle Kraftwerke trotzdem versuchen. Wenn den Menschen es gibt bereits neue Profile, die den Lärm Europa gibt es immer Wind. Und wenn es Magazin: Das klingt nicht danach, als könnte Das Fraunhofer-Institut für Windenergie- und
zusammen. bewusst wird, dass es um einen wichtigen noch weiter reduzieren. entsprechende Netze gibt, können diese damit viel bewegt werden … Energiesystemtechnik (IWES) wurde im Jahr
Baustein für die Zukunft geht, sehen sie das zum Beispiel auch an die Speicherwas- 2009 gegründet und ist aus dem ehema-
Magazin: Das aber ist wohl noch Zu- vielleicht anders. Magazin: Nun weht auch auf den nordhes- serkraftwerke in Norwegen angeschlossen Schmid: … wir haben rund 40 Millionen ligen Fraunhofer-Center für Windenergie und
kunftsmusik. Schneller realisierbar dürfte sischen Bergen nicht immer starker Wind. werden. Haushalte – darin steckt ein ganz gewaltiger Meerestechnik CWMT in Bremerhaven sowie
die stärkere Nutzung von Windkraft sein, Magazin: Wie wollen Sie diesen Bewusst- Hebelarm zum Ausgleich! dem Institut für Solare Energieversorgungs-
die hierzulande die größte Rolle spielen seinswandel erreichen? Schmid: Trotzdem funktioniert die 100 %ige Magazin: Welche Rolle spielen die soge- technik ISET e.V. in Kassel hervorgegangen.
könnte. Versorgung mit erneuerbaren Energien so- nannten Smart Grids, die „intelligenten“ Magazin: Nicht nur Gegner der Energiewende Die Forschungsgebiete des IWES umfassen
Schmid: Das Schlüsselwort heißt Partizipa- gar an schwierigen Standorten. Wir haben Netze? behaupten, dass Energieversorgung komplett das gesamte Spektrum der Windenergie
Schmid: Ja, aber da müssten sehr schnell die tion. Wir müssen die Menschen beteiligen das zum Beispiel für Hann. Münden unter- aus regenerativen Quellen mehr kosten wird. sowie die Integration aller erneuerbaren
Rahmenbedingungen geändert werden. – Stichwort Bürgerwindpark – und sie müs- sucht und festgestellt: Mit den bestehen- Schmid: Bei diesen Smart Grids geht es da- Energien in Versorgungsstrukturen. Prof.
sen davon profitieren. Zum Beispiel über den Richtlinien ist das zwar nicht realisier- rum, Energieangebot und -nachfrage intelli- Schmid: Das ist falsch. Zwar kostet die Um- Dr. Jürgen Schmid, Jahrgang 1944, kam im
Magazin: Die aktuellen Vorschriften sind Ih- Steuern oder Ausgleichszahlungen. Und wir bar, weil es noch Höhenbegrenzungen für gent zu steuern und auszugleichen. Da sind stellung auf erneuerbare Energien erst ein- Oktober 1995 als Vorstandsmitglied an das
nen zu restriktiv … müssen vermeiden, dass gesichtslose In- Windräder gibt. Wenn das geändert würde, wir die Pioniere für ganz Europa, haben die mal Geld, weil zum Beispiel neue Netze und ISET. Drei Jahre später übernahm er den Vor-
vestoren da etwas bauen und der Verdacht könnten wir die Stadt trotz der Tal-Lage wichtigsten Projekte geleitet und die ent- Anlagen gebaut werden müssen. Langfristig standsvorsitz, seit dem Übergang des ISET in
Schmid: … ja, viel zu restriktiv! Beispiel entsteht, dass sich da jemand die Taschen komplett mit Energie aus Wind-, Wasser- sprechende Technik auch für intelligente allerdings werden die Kosten sehr viel nied- die Fraunhofer-Gesellschaft ist er Instituts-
Hessen: Hier ist weniger als ein Prozent füllen will. und Sonnenkraft versorgen. Zähler entwickelt. riger sein als jetzt: Wir haben errechnet, dass leiter des IWES in Kassel.
Die Üppigen …
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„Zerrissenheit“ mag sie nicht darstel- Kindern kümmert, in der Freizeit ihre lichen Frohnaturen werden gekauft, vielleicht die man schützend den Arm legen würde,
len. Und sie erzählt, wie verloren sie sich stattlichen Geschöpfe in Form bringt und sogar schneller, als ihrer Schöpferin lieb ist. wenn man nicht wüsste, welche Energien
am Anfang ihres Jurastudiums gefühlt hat, diese dann auch verkauft. Beispielsweise „Ich gehe nicht mit, wenn sie abgeholt und in Wahrheit in ihr stecken.
als sie aus dem „warmen Nest“ der Wal- an Schönheitschirurgen, „bei denen das an anderen Orten aufgestellt werden.“ Das Bernhard Heitsch
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Märchenhafte Sonnen
und verzauberte Prinzessinnen
Die Sonne in den Märchen die Sonne dabei zu. Ihr „Widerschein blinkte leuchtete zum ersten Mal die ganze Welt.
und Sagen an der Wand so hin und her und machte Krin- Das gefiel einem guten Geist im Himmel so
gel.“ Und der Schneider murmelt: „Ja, sie sehr, dass er beschloss, von nun an immer
„Es war einmal ...“ So fangen für gewöhnlich will’s an den Tag bringen und kann’s nicht.“ für Licht und Wärme auf der Erde zu sorgen.
Märchen bei den Brüdern Grimm an. Aber nicht Das hört seine Frau und will sogleich wis- Deshalb sammeln er und seine dienstbaren
das mit dem Titel „Die klare Sonne bringt’s an sen, was er damit meint. Erst sträubt sich Geister jede Nacht Feuerholz, schichten es
den Tag“. Die Geschichte klingt auch ohnehin der Übeltäter, dann beichtet er schließlich auf und zünden es morgens an. Und gegen
nicht nach einem Märchen, eher nach einem seine üble Tat. Seine Frau ist entsetzt, läuft Mittag, wenn das Holz lichterloh brennt,
Krimi. Da geht es um einen armen Schnei- zu ihrer „Gevatterin“ und erzählt ihr alles, wird es überall richtig warm. Bis zum Abend
dergesellen, der „reiste in der Welt auf sein nicht ohne sie zu absolutem Stillschweigen dann verglühen die Scheite und die Sonne
Handwerk herum“. Auf seiner Wanderschaft zu verpflichten, was freilich wenig nützt. geht unter.
von Stadt zu Stadt trifft er eines Tages auf Und so spricht sich das lange zurückliegende Und dann ist da noch die Tochter des Grü-
einen Fremden, bei dem er Geld vermutet. Das Verbrechen innerhalb von drei Tagen in der nen Kaisers, die sich nichts Schöneres vorstel-
will er ihm stehlen, denn seit Langem schon Stadt herum. Der Schneider „kam vor das len konnte als die prickelnden Sonnenstrahlen
hat er kein eigenes mehr und sein Hunger Gericht und ward gerichtet“. So brachte die auf ihrer Haut. Ihr Vater, der sie endlich ver-
ist groß.
Also „stößt er Gott aus seinem Herzen“
klare Sonne einen Mord an den Tag.
Bei den Grimms wird die Sonne im
heiraten wollte, stellte ihr Prinzen aus aller
Welt vor, aber heiraten wollte sie keinen. „Mir
UNSER ENGAGEMENT FÜR DIE REGION:
Jakobikirche, dem historischen Rathaus und dingt Bad Wildungen sehen, wo nicht weni- gilt das Ensemble als größter Kurpark Eu- Von Frankenberg könnten wir am nächs-
einem hübschen Fachwerkhaus-Ensemble. Am ger als 22 heilkräftige Quellen entspringen – ropas. Es versteht sich von selbst, dass wir ten Tag nach Korbach radeln, immerhin
Fuldaufer liegt das alte Landgrafenschloss, so viel wie sonst nirgendwo in Deutschland. unsere Räder hier, in diesem schönen Park, Hessens einzige Hansestadt mit mehr als
heute Sitz der Finanzschule des Landes Hes- Kein Wunder, dass sich im 19. Jahrhundert, schieben. Nicht nur, weil die Akkus leer sind. tausendjähriger Geschichte, könnten dort
sen. Irgendwann stoßen wir auf Reste der zur Hochzeit der Bäderkultur, dort ein exqui- zwischen dem weitgehend erhaltenen, his-
alten Festungsmauer mit Bürger- und Hexen- siter Kurbetrieb etablierte. Neue Akkus gibt torischen Doppelmauerring und dann in
turm. Sie erzählen von mittelalterlicher Die Altstadt prunkt mit reichlich histo- der Altstadt flanieren, einen Blick in das
es kostenlos
Wehrhaftigkeit und Grausamkeit. Genug für rischem Fachwerk und wir gönnen uns einen ungewöhnliche, mehrfach ausgezeichnete
heute, ab zum „Löwen“. Blick in die gotische Stadtkirche: Sie birgt, Neue holen wir uns in der Wandelhalle des Wolfgang-Bonhage-Museum werfen und uns
Samstag, 10 Uhr: Wir haben gut gefrüh- mit dem Flügelaltar des Conrad von Soest aus Reinhardshausener Kurparks, auch eine mo- danach auf der Terrasse des geschichtsträch-
stückt, gleich wird uns der Cantus in etwa dem frühen 15. Jahrhundert, eine kunsthis- velo-Station. tigen Hotels Goldflair am Rathaus stärken.
10 Minuten nach Malsfeld-Beiseförth bringen torische Besonderheit, die erste Darstellung Es ist nach 16 Uhr, jetzt müssen wir uns Und weiter ginge es dann in die sehens-
und mit uns durch Aalheim fahren: Ein Ort, eines Brillenträgers nördlich der Alpen. schon wieder entscheiden: Fahren wir von werte Barockstadt Bad Arolsen, „Hessens
so hat man uns erzählt, in dem die Solar- Oben am Berg steht das barocke Schloss hier mit dem Bus nach Frankenberg? Das ist Versailles“ bestaunen – das imposante Resi-
bäume in den Himmel wachsen. Und in der Friedrichstein, an die Brunnenallee schmie- zweifelsfrei eine schöne Stadt – mit dem be- denzschloss derer von Waldeck und Pyrmont
Tat: Photovoltaik-Anlagen, wohin das Auge gen sich beidseitig prächtige Jugendstil- und rühmten, über 500 Jahre alten, zehntürmigen – und von dort dann mit der Regionalbahn
schaut! Wenig später geht es an Altmorschen Gründerzeitvillen an. Wir fahren wie von un- Rathaus und direkt vor dieser pittoresken Ku- nach Kassel zurückfahren.
vorbei, hier liegt das Kloster Haydau. Auch sichtbarer Hand gezogen die Allee hinauf, lisse das Hotel „Die Sonne“, nicht nur für Fran- Mit Blick auf die besseren Radwege ent-
radeln gänzlich mit eigener Kraft. Das geht, mit Glockenspiel von 1603 und das Hoch- ein sehenswerter Ort. weiter zum Kurpark, der durch eine „grüne kenberger eine exquisite Adresse für Speisen scheiden wir uns dafür, stattdessen von Bad
wenngleich jetzt deutlich mehr Anstrengung zeitshaus von 1667. In Malsfeld starten wir am Bahnhof mit Brücke“ mit dem benachbarten Kurpark Rein- und Übernachtung. Nota bene: Das noble Haus Wildungen aus zum Edersee zu radeln. Auf
erforderlich ist. Die Anzeige am Rad signalisiert, dass der unseren Pedelecs auf der Landstraße 3427 in hardshausen verbunden ist. Mit 50 ha Fläche hat auch spezielle Arrangements für Biker. geht’s, die nicht einmal 20 Kilometer lange
Ein paar Kilometer hinter Witzenhausen Energievorrat bald am Ende ist. Deshalb ho- Richtung Dagobertshausen und dann weiter
genießen wir den „Zwei-Burgen-Blick“, legen len wir uns im Kurparkhotel am Brunnenplatz nach Ostheim. Dort überlegen wir: Sollen wir
eine kleine Pause ein, nehmen einen kräftigen neue Akkus ab. Kostenlos. Denn der Akku- am Goldbergsee vorbei nach Homberg? Dort
Schluck Wasser – und weiter geht’s. Der Rad- tausch ist im Mietpreis der movelo-Räder sind Teile der alten Stadtmauer mit einigen
weg führt ein Stück entlang der ehemaligen enthalten. Wehrtürmen und der mittelalterliche Stadt-
DDR-Grenze, links sehen wir das thüringische kern mit viel historischem Fachwerk erhal-
Stockmacherdorf Lindewerra, das über eine ten. Und wir könnten das berühmte Gasthaus
kleine Brücke erreichbar ist. Wanderer aus al-
Locker und lustvoll an „Zur Krone“, ein Kleinod aus dem Jahr 1480,
ler Welt stützen sich seit mehr als 170 Jahren anderen Radlern vorbei bestaunen oder die Marienkirche, die Religi-
auf Stöcke, die in diesem Ort gefertigt wer- onsgeschichte geschrieben hat: In ihr wurde
den. Das schauen wir uns ein anderes Mal an. Jetzt genehmigen wir uns auf der schönen anno 1526 die Reformation für Hessen ver-
Gegen 16.30 Uhr erreichen wir Bad Soo- Terrasse am Kurparkhotel noch ein großes kündet. Wir entscheiden uns anders, fahren
den-Allendorf, auch „Perle des Werratales“ Radler, denn die nächste Etappe bis Bebra von Ostheim auf der L 3427 nach Rhünda
genannt. Westlich des Flusses liegt Bad werden wir bequem mit dem Cantus fahren, und erreichen dort die Ederauen und den
Sooden, international renommiertes Sole- Abfahrt: 17.39. „Alles einfach gut verbunden gleichnamigen Radweg, der uns nach Bad
Heilbad schon im späten 19. Jahrhundert. ...“, heißt ein Slogan des NVV. Stimmt. Wildungen führen wird.
Mit der Werratal-Therme lässt sich der Bade- 18.24 Uhr, Ankunft in Bebra. Dort steigen Locker und lustvoll ziehen wir an Stei- Prof. Dr. Ing. habil. Michael Fette,
wir letztmals an diesem Tag auf die Räder, gungsstrecken an anderen Radlern vorbei. Fachbereich Nachhaltige Energiekonzepte
betrieb von einst nicht vergleichen, doch ist
Uni Paderborn
die Historie in unmittelbarer Nachbarschaft fahren die noch verbleibenden wenigen Kilo- Gegen 13 Uhr kommt Fritzlar in Sicht. An
präsent: Das letzte von ehemals 14 Gra-
dierwerken, von Einheimischen „Senkrechte
meter der Fulda entlang nach Rotenburg und
dort schnurstracks zum „Goldenen Löwen“. Da
der Ederbrücke entscheiden wir uns für einen
kleinen Umweg in diese geschichtsträchtige
„Ein zukunftssicheres Energienetz
”
Nordsee“ genannt. haben wir die beiden einzigen Gästezimmer Stadt mit dem altehrwürdigen Dom und dem
braucht eine starke Partnerschaft.
Über die Bahnhofstraße erreichen wir reserviert und dort werden wir uns ein gutes malerischen Marktplatz. Es soll einer der
den Stadtteil Allendorf jenseits der Werra. Abendessen und ein Gläschen Wein gönnen. schönsten in ganz Hessen sein. Ein vortreff- Ein zukunftssicheres und intelligentes Energienetz für zentrale und zunehmend dezentrale Energieerzeuger ist eine der wichtigsten Grundlagen
Die Altstadt wartet mit einem Ensemble mit- Danach ist ein abendlicher Stadtbummel an- licher Ort für eine Mittagspause mit einem für gutes Wachstum in unserer Region. Deshalb gewährleisten wir in über 200 Städten und Gemeinden rund um die Uhr, dass Energie störungsfrei
telalterlicher Fachwerkbauten auf, wie es in gesagt. Die Alte Fuldabrücke führt, an der le- kleinen Imbiss. und gut koordiniert fließt. Zukunftsweisende Technologien und Konzepte zur Energieeffizienz und CO2-Einsparung werden mit uns schon heute
umgesetzt. E.ON Mitte – ein starkes Netz für die Region.
dieser Geschlossenheit selten anzutreffen bensgroßen Bronzestatue „Zwei Knaben“ von Frisch gestärkt fahren wir gegen 14 Uhr
ist. Der Marktplatz beherbergt gleich zwei Ewald Rumpf vorbei, mitten in die Altstadt weiter auf dem Ederradweg, verlassen ihn www.eon-mitte.com
architektonische Kostbarkeiten: das Rathaus hinein zum Marktplatz mit der spätgotischen aber bei Wega wieder. Denn wir wollen unbe-
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Wir treten kräftig in die Pedale, bekom- radeln wir los, erst einmal Richtung Ipping- schwer. So nutzen wir noch einmal die vor- M
Am Anfang stand eine gute Idee: Wenn Original Teile nach vielen Den Nutzen haben die Kunden und die Umwelt. Original Austausch
men postwendend starken „Rückenwind“, hausen, durch das „Mühlenholz“, genießen handenen Annehmlichkeiten: Wir fahren ein- Y gefahrenen Kilometern ausgetauscht werden müssen, sind sie Teile verfügen über Neuteile Qualität und sind durchschnittlich
aber der reicht uns auf dieser steilen Stra- die Ruhe und die schöne Landschaft, fahren fach mit der Straßenbahn hinauf zum Bahn-
CM eigentlich viel zu schade, um verschrottet zu werden. Denn in 40 Prozent preiswerter als die entsprechenden Neuteile. Und Roh-
ße nicht. Denn unsere Kondition lässt noch an der geschichtsträchtigen Weidelsburg hof Wilhelmshöhe, stellen unsere Pedelecs
MY
ihnen stecken immer noch wertvolle Ressourcen, die es wert stoffe, Energie und CO 2 -Emissionen in immenser Höhe werden
zu wünschen übrig. Macht nichts, das letzte vorbei, sehen Windräder am Horizont und am Fahrradhof ab, werfen noch einen Blick sind, erhalten zu werden. Daher nimmt Volkswagen bereits seit eingespart. Das zeigt, dass unser Austausch Programm tatsächlich
Stück schieben wir – freilich auch nicht mü- steuern dann Wolfhagen an. Die Altstadt ist hoch auf das imposante Schloss Wilhelmshö- CY
1947 gebrauchte Teile zurück, bereitet sie industriell auf und eine gute Idee ist. Heute noch genauso wie 1947.
helos. Denn das Gewicht der Technik schlägt hübsch, das Rathaus imposant und der Brun- he und den Herkules ganz oben auf dem Berg CMY
bietet sie als Original Austausch Teile an. Original Austausch Teile der Volkswagen AG – Werte erhalten.
mit etwa 5 Kilo zu Buche. Aber die Anstren- nen auf dem Marktplatz märchenhaft: An ihn und sind sicher: Bald, sehr bald werden wir K
gung lohnt sich. Jetzt stehen wir oben auf lehnt sich der Wolf an, der die sieben Geißlein wieder radeln. Mit oder ohne Rückenwind.
der Terrasse von Schloss Waldeck und genie- verschlungen hat. Bei lebendigem Leib. Verena Joos, Anne Riedel, Burkhard Fincke
ßen den atemberaubenden Blick hinunter Mit Blick auf die Uhr entschließen wir uns,
auf den Edersee, hinüber zum Nationalpark. von Wolfhagen aus mit der Bahn nach Kassel
Mach es wie
die Sonnenuhr …
Sonnenuhren, Prunkuhren und
andere Schätze im Museum für
Astronomie und Technikgeschichte
Orangerie
Es ist ein sonniger Frühlingstag, als wir Besuchern. „Und sie dreht sich doch!“, ru- trumente zur Sonnenhöhenmessung – an-
dem Drängen unseres Freundes Reinhard fen sie sich zu – nicht etwa so, als seien schaulicher könnten die hier versammelten
nachgeben und uns zu einem gemeinsamen nun letzte Zweifel an der Erdrotation be- Präzisionsinstrumente nicht vom wissen-
Besuch im Kasseler Museum für Astronomie seitigt. Eher, als freuten sie sich, dass sich schaftlichen Erkenntnisinteresse des Landes-
und Technikgeschichte treffen. Reinhard die Erde trotz allem, was ihr der Mensch fürsten erzählen. Für Wilhelm war „Stern-
ist pensionierter Mathematiklehrer und zumutet, immer noch dreht und dreht … kunde“ nicht fürstlicher Zeitvertreib – nütz-
Hobby-Astronom, mit einer Leidenschaft „Witz“, verstanden als Geistesblitz oder lich zur Errechnung von Horoskopen – , für
für Sonnenuhren. Er hat sich in seinem Geniestreich, hat das Experiment, mit dem ihn war sie Mittel zum Zweck exakter Obser-
Garten eine Horizontalsonnenuhr installie- der französische Physiker Jean Bernard vationen. Seine um 1560 im Kasseler Stadt-
ren lassen, deren historisches Vorbild sich Léon Foucault 1851 die Rotation der Erde schloss errichtete Sternwarte war die erste
im Astronomiesaal der Orangerie befindet. nachwies, zweifellos. Dreihundertfünfzig in Mitteleuropa.
Seither lässt er nicht locker in dem Bemü- Jahre früher – und der Astronom Nikolaus Im berühmten „Astronomisch-physika-
hen, uns mit dieser uralten, aus der Antike Kopernikus (1473–1543) hätte mit dem lischen Kabinett“ des Landgrafen, erzählt
überlieferten Form der Tageslichtzeitmes- Foucaultschen Pendel einen im wahrsten uns Reinhard, dass er früher oft mit Schul-
sung durch Sonne und Schatten bekannt zu Sinne des Wortes „schlagenden Beweis“ klassen die Sammlung besucht habe, was
machen. für seine kühnen, die Zeitgenossen bestür- wohl nicht ganz einfach war: „Versucht
Obwohl unser Freund am liebsten sofort zenden Beobachtungen gehabt: Dass nicht einmal, vierzehnjährigen Schülern begreif-
mit uns ins Obergeschoss wandern möchte die Erde, sondern die Sonne den Mittel- lich zu machen, dass alles Denken, Rech-
und dort vor allem zu den Sonnenuhren, punkt des Sonnensystems bildet, dass die nen und Philosophieren mit der Astronomie
wartet er mit uns anfangs das Hin und Her Erde täglich um die eigene Achse rotiert begonnen hat, schon in Mesopotamien und
des Foucaultschen Pendels ab. Einige Minu- und sich jährlich in kreisförmigen Bahnen im Alten Ägypten. Und dass es ohne die
ten stehen wir vor dem Kreis aus beweg- um die Sonne bewegt, nicht anders als die Astronomie keine Zeitrechnung gäbe, keine
lichen Metallstäben, bis die schwere Kugel übrigen Planeten auch. verlässliche Nautik, geschweige denn As-
am unteren Ende des neun Meter langen Wir durchwandern die rekonstruierte tronautik.“
Fadens einen der Stäbe zu Fall bringt – ge- Sternwarte des Landgrafen Wilhelm IV. von Gewiss, fügt er hinzu, heute gebe uns
radeso gleichmütig, wie sich unser blauer Hessen-Kassel (1532–1592), genannt „der die Atomuhr den Zeittakt an, er aber hält
Planet einmal am Tag um die eigene Achse Weise“. Prunkuhren, Astrolabien, Sextanten, sich lieber an den alten poetischen Rat-
Globus- und Vertikalsonnenuhr, Anfang 18. Jahrhundert dreht. Aufatmen und Gelächter unter den Quadranten, Himmelsgloben, Teleskope, Ins- schlag: „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl’
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Festspiele, Konzerte an historisch bezaubernden Spielorten, Kabarett im Park, Musicals in altehrwürdiger Ruine,
Fanfarenklänge vorm Barockschloss, Gaumenfreuden auf der Straße, Märchen auf einer Insel, feiern und
tanzen am Fuldaufer: Freunde von Festspielen, Festivals und Festen kommen in Nordhessen auf ihre
Festivals, Kosten. Hier eine kleine Auswahl (mehr unter www.nordhessen.de):
www.bad-hersfelder-festspiele.de An der Orangerie lockt ein nostalgischer Park mit Riesenrad, einem
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Hypnose, rauschhafte Sex-Parties, Cat-Walks dabei aber immer das Offene, Flexible. Und
zweier Models und eine Menge Magie. Alles dann benutzt sie Metaphern: Die documen-
fließt ineinander und auseinander, nichts ta als Pflanze, als etwas Organisches, das
passt zusammen, nichts hat Bestand. wächst und wächst. Schön auch das Bild vom
Giuseppe Penone: Idee di Pietra, Bronze und Stein, 2004/2010
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Businessplanwettbewerb
Beratern und Künstlern gebildet, die ihren Weg
mitgehen. Zum Teil gibt die künstlerische Lei- promotion Nordhessen 2011
terin dabei auch ihre Handlungsmacht an ihre
Agenten ab, sodass auch hier bewusst ein Mo-
Creative Industries
ment der Unsicherheit eingebaut ist. Sie suche,
so hat CCB ebenfalls in San Francisco zu ihren
Zuhörern gesagt, das Neue und das kann genau-
so das Vergangene wie das Gegenwärtige sein.
Carolyn Christov-Bakargiev ist wohl die Philo-
sophin unter den documenta-Leitern. Fragen zu
stellen ist besser als Antworten zu finden.
Auf den Spuren zur kommenden documen-
+alle Branchen
ta bleibt noch das erste Kunstwerk, das bereits
im letzten Sommer in der Kasseler Karlsaue ge-
pflanzt wurde: Der Bronzebaum „Idee di Pietra“
von Giuseppe Penone trägt in seiner Krone einen Online-Anmeldung:
schweren Granit-Findling. Am Fuß der Skulptur www.promotion-nordhessen.de
wurde eine kleine Stechpalme gepflanzt. Wie
Made in Nordhessen
Unternehmen beim bundesweiten Wettbe- Cramer. Eine Laufzeitverlängerung für Atom- Bereich dezentrale Energietechnologien, in ter erhöhen.“ Schließlich will er Nordhessen
werb Great Place to Work zum Sieger in der meiler hielt er immer schon für unnötig; für dem sich inzwischen rund 110 Unternehmen zu einem Zentrum für erneuerbare Energien
Kategorie Unternehmen mit mehr als 5.000 realistisch hingegen hält er es, in Deutsch- und Forschungseinrichtungen aus Nordhessen von internationalem Rang ausgebaut sehen.
Beschäftigten gekürt. Es gibt noch andere land bis zum Jahr 2020 fünfzig Prozent der zusammengeschlossen haben. Das Ziel ist for- Demnächst steigt er übrigens aus dem
Indizien: Ein sensationell niedriger Kranken- Energie aus „den Erneuerbaren“ zu gewinnen, muliert: Bis zum Jahr 2020 sollen in der Region SMA-Vorstand aus – und um in den Auf-
stand und kaum Fluktuation in der Stammbe- davon zehn allein durch Photovoltaik. „Wenn 20.000 neue Arbeitsplätze im Bereich EE ent- sichtsrat. Dann soll auch ein anderer, lang
legschaft. Sinnvolles leisten für eine klimaf- es politisch gewollt ist, ist der Ausbau der
reundliche Zukunft – man kann kaum umhin, Photovoltaik auch schneller möglich“, sagt
sich SMA-ler glücklich zu denken. Cramer, Jahrgang 1952. „Dann habe ich viel-
Einer von ihnen – grüne Softshell-Jacke, leicht die Chance, den Umstieg auf eine hun-
Drei-Tage-Bart, sympathisches Lächeln – ist dertprozentige Versorgung mit erneuerbaren
Matthias Schäpers. Er war Projektleiter beim Energien noch zu erleben.“
Bau des neuen Schulungszentrums für Solar- Sein Wort hat Gewicht, auch als Präsident
installateure, der Solar Academy, und er ist des Bundesverbandes Solarwirtschaft. In die-
stolz auf das außergewöhnliche Gebäude. Es ser Funktion konnte er unter anderem in Ge-
ist nicht nur ein architektonisches Glanzstück sprächen mit Bundesumweltminister Norbert
am grünen Aue-Rand, das auf Stelzen steht Röttgen „eine Verständigung der PV-Branche
zum Schutz gegen Hochwasser der nahe ge- mit dem Umweltministerium auf eine vor-
legenen Fulda. Es verfügt vor allem über ein gezogene Anpassung der Solarförderung in
einzigartiges Energiekonzept. Versorgt wird diesem Jahr“ erreichen. Nach diesem soge-
das Gebäude ausschließlich mit erneuerbaren nannten Solarkompromiss werden die Ein-
Energien – ohne eine Anbindung an das öf- speise-Vergütungen für Solarstrom schnel-
fentliche Stromnetz. „Mit der Solar Academy“, ler als geplant gekürzt, wobei die Kürzung
so formulierte es das Unternehmen selbst, vom weiteren Zubau an PV-Anlagen abhängt.
„machen wir eine Vision von SMA erlebbar: Die Solarbranche selbst, die vor wenigen
Die Solar Academy Günther Kramer
die zuverlässige Energieversorgung aus erneu- Monaten einen eigenen Ausbauplan für die
erbaren Energien – an jedem Ort der Welt“. Photovoltaik in Deutschland veröffentlich-
men gerade erzeugen. Sie erlaubt auch den Bemerkenswert wie die rasante Entwicklung In der Academy kommt die Energie, die te, hatte diesen Schritt vorgeschlagen, weil stehen. Und Nordhessen ist schon sehr weit. gehegter Traum verwirklicht werden: Neben
Blick auf einzelne Regionen – aufgelöst bis der SMA ist auch die Unternehmensführung. das lichte Gebäude mit jährlich 15.000 Semi- die Kritik an den Kosten der Förderung für Hier gibt es zum Beispiel Leuchtturmprojekte kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen
auf Postleitzahlenebene: Nordsee bis Alpen, je Ein Kooperationsmodell, das in der diskutier- narteilnehmern benötigt, von der Sonne und Sonnenstrom immer stärker wurde. „Die vor- wie das neu gegründete Institut für dezentrale Projekten in der Region will er sich gemein-
nach Wetter und Tageszeit erscheinen die jewei- freudigen Uni-Zeit wurzelt. Man tauscht sich aus einem kleinen Biogas-Blockheizkraftwerk, gezogene, zubauabhängige Anpassung der Energietechnologien (IdE), hier gibt es zahl- sam mit seinen Gründerkollegen Peter Drews
ligen Regionen auf der Karte in dezentem Grau so lange aus, erzählt Cramer, bis alles durch- für sonnenarme Tage. Weiße Flure, rote Sofas Solarförderung soll dazu beitragen, dass wir reiche Forschungseinrichtungen und wegwei- und Reiner Wettlaufer um Geschäftsmodelle
(nachts) oder freundlichem Gelb bis zu Dun- dacht ist, es eine gemeinsame Position gibt. in der Lobby – und in den Glasfassaden sind das Ausbauziel der PV-Branche von 10 Prozent sende Konzepte auch von Unternehmen und für die Energieversorgung „netzferner“ Ver-
kelrot bei gutem Wetter und voller Sonnenein- Ebenso klare Regeln gibt es für den Um- unzählige Solarmodule eingelassen. Diese er- Anteil am deutschen Strommix bis 2020 errei- hier gibt es eine bemerkenswerte Zusammen- braucher kümmern, etwa in Afrika. Basis
strahlung. An sonnigen Tagen steigt die Sum- gang mit den Mitarbeitern. Diese werden, das zeugen zusammen mit der Photovoltaikanlage chen und dabei gleichzeitig die Kosten für die arbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. wird eine gemeinsame Stiftung sein. Etwa
me der aktuellen Leistung der PV-Anlagen in gehört zur Firmenphilosophie, „mit Kopf, Herz auf dem Dach den Strom für die Academy. Bei Förderung nicht weiter steigen“, sagt Cramer. „Wir haben in der Region bereits viel erreicht, ein Fünftel der Aktien gehen als stattliche
Deutschland inzwischen auf 12 GW und mehr, und Portemonnaie“ beteiligt. Die Mitarbeiter Bedarf unterstützen weitere Photovoltaikan- Wie Nordhessen in Sachen Erneuerbaren En- haben hier zum Beispiel bereits überdurch- Ausstattung in diese Stiftung.
das entspricht der Leistung von zehn Kernkraft- seien beispielsweise in alle Informations- und lagen vor dem Gebäude das System. Die Sunny ergien (EE) dasteht? Prächtig, meint er auch schnittlich viele PV-Anlagen“, sagt Cramer, Und schon ist das Unmögliche wieder ein
werken. Wie singen die Beatles in der SMA- Entscheidungsprozesse mit einbezogen, sagt Boys wandeln den so gewonnenen Gleich- in seiner dritten Funktion – als Vorstandsvor- „aber wir müssen unser Tempo beim Ausbau gutes Stück realistischer …
Telefon-Warteschleife? „Here comes the sun!“ Cramer. Und 16 Prozent des Unternehmens- strom in Wechselstrom um und speisen ihn ins sitzender von deENet. Das ist ein Netzwerk im der dezentralen Energieversorgung noch wei- Anne-Kathrin Stöber
Die Wechselrichter, die SMA produziert, gewinns werden als Erfolgsbeteiligung an die Inselstromsystem des Schulungszentrums ein.
bilden das Herz jeder PV-Anlage, die Strom Mitarbeiter gezahlt, das sind häufig einige Es ist ein intelligentes System, zentral
aus Sonnenlicht gewinnt; sie wandeln Gleich- Monatsgehälter zusätzlich. Auch die Zeitar- und automatisch gesteuert. Was bei der So- SMA tovoltaik-Wechselrichtern, einer zentralen Gebäude und Maschinen investieren. Hauptsitz
strom in Wechselstrom um. Diese Hightech- beiter, die SMA beschäftigt, „um flexibel auf lar Academy realisiert wurde, kann problem- SMA steht für Solar-, Mess- und Anlagetech- Komponente jeder Solarstromanlage. Die des Unternehmens ist Niestetal bei Kassel, da-
Produkte sind im Unternehmen überall zu die sehr dynamische Entwicklung der PV-Mär- los übertragen werden – beispielsweise auf nik. Mit einem Umsatz von 1,9 Mrd. Euro im jährliche Produktionskapazität von SMA hat neben hat SMA inzwischen 17 Auslandsgesell-
sehen, aktentaschen- bis schrankgroße rote, kte reagieren zu können“, sind am Unterneh- Gebiete in Entwicklungsländern, die fernab Jahr 2010 hat das Unternehmen den Rekord sich 2010 auf insgesamt 11 Gigawatt verdop- schaften auf vier Kontinenten, unter anderem
gelbe oder blaue Kästen. Viele von ihnen wur- menserfolg finanziell beteiligt. des öffentlichen Stromnetzes liegen. aus dem Vorjahr (0,9 Mrd.) erneut übertrof- pelt. Das Budget für Forschung und Entwick- in den USA, Kanada, Australien, China, Korea
den übrigens mit Designpreisen ausgezeich- Aufgrund der besonderen Unternehmens- „Unsere Vision ist eine dezentrale, zu fen, auch der Konzernüberschuss hat sich lung liegt in diesem Jahr bereits bei ca. 100 und Indien. Die Unternehmensgruppe be-
net. Sie heißen, irgendwie logisch, „Sunny kultur schneidet SMA als Arbeitgeber seit hundert Prozent auf erneuerbaren Ressourcen mit 365 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Die Mio. Euro, außerdem will das Unternehmen in schäftigt bereits mehr als 5.000 Mitarbeiter,
Boy“ oder „Sunny Tower“ und „Sunny Central“. vielen Jahren glänzend ab. Jüngst wurde das beruhende Energieversorgung“, sagt Günther SMA-Gruppe ist Weltmarktführer bei Pho- diesem Jahr zwischen 150 und 200 Mio. Euro in inklusive Zeitarbeitskräfte.
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Impressum
Herausgeber
Rätselhaft
Regionalmanagement Nordhessen GmbH
Ständeplatz 13 · 34117 Kassel
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Ausgezeichnete Rad- und Wanderwege, einzigartige Wälder, bezaubernde Landschaften, Seen A44
und Flüsse, malerische Fachwerkstädte, märchenhafte Schlösser und Burgen: Nordhessen ist
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eine Schatzkammer, reich an Natur- und Kulturschätzen. Diese werden zunehmend auch von 3
Touristen entdeckt: Jahr für Jahr kommen bereits weit über zwei Millionen Urlaubsgäste. Eine Hann. Münden
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Tour mit Rädern, Bussen und Bahnen durch alle fünf Kreise ist auf der Karte rot eingezeichnet 252
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(Alternativ-Routen gestrichelt); weitere Tipps stehen unter www.nordhessen.de Bad Arolsen A7
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Wolfgang-Bonhage-Museum Bahnstrecke
mit Kilianskirche, Korbach Rathaus, Frankenberg Küsterhaus, Bad Hersfeld Schloss Wilhelmshöhe, Kassel
Gewässer
Es gibt Regionen, die
lassen die Sonne nur scheinen.
Und es gibt Nordhessen.
Hier finden Sie Antworten auf die Zukunftsfragen der Energieversorgung. Nordhessen verfügt über
weltweit führendes Know-how in Wissenschaft, Forschung und Industrie – nicht nur auf dem Gebiet
der Solartechnik. Deshalb haben sich die dezentralen Energietechnologien als Jobmotor mit besten
Wachstumsperspektiven entwickelt. Denn Nordhessen hat die Energie der Zukunft.
www.regionnordhessen.de