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Hannover

fiph
Philosophie
Institut für
Forschungs

Nr. 17 April 2011 J O U R N A L

Inhalt

1 Schwerpunktthema:
Politische Repräsentation
Die politische Repräsentation Schwerpunktthema:
und ihre Krise

5 Philosophisches Interview Politische Repräsentation


6 Schwerpunktthema:
Politische Repräsentation
Demokratische Repräsentation und die
alten und neuen politischen Körperlehren

8 fiph Ausblick
Die politische Repräsentation
12 fiph Terminübersicht

14 pro & contra


und ihre Krise
16 fiph Rückblick
Der Schlüsselbegriff der „Repräsentation“ hat, je nach Perspektive,
24 Schwerpunktthema: verschiedene Bedeutungen. Er bezeichnet, etwa im Französischen,
Politische Repräsentation insbesondere die Vorstellungen, die Menschen von einem Gegen-
Politische Repräsentation stand haben, und diese können sehr verschieden sein. In der politi-
und radikale Demokratie schen Theorie ist die Vertretung bestimmter Personen oder Perso-
nengruppen durch andere gemeint. Vertretene und Stellvertreter,
26 Schwerpunktthema: Vorstellungen und Vorgestelltes sind nicht dieselben und können
Politische Repräsentation voneinander abweichen oder gar in krisenhaften Spannungen zu-
Repräsentative und repräsentierte einander stehen.
Sittlichkeit Wenn die Wählerinnen und Wähler sich von Parteien abwenden,
so heißt dies, dass sie ihre Vorstellungen in diesen nicht mehr hinrei- Michael Vester ist Professor
28 Drells Buchempfehlung chend vertreten sehen. Dies ist nicht ein Problem, das einfach durch emeritus für Politische
Diskurs und Diskussion gelöst werden könnte – etwa in dem Sinne, Wissenschaft an der
30 Philosophie am Kröpcke dass man nur lange genug miteinander reden müsste, um zu einer Universität Hannover.
Fühlen Sie sich von der Politik gemeinsamen Auffassung zu kommen. In einer Gesellschaft, in der
repräsentiert? die Menschen verschiedene soziale Stellungen einnehmen, ist es
notwendig und unvermeidbar, ja sogar sinnvoll, dass die Menschen
auch verschiedene Interessen und Sichtweisen haben.
Die Gesellschaft gliedert sich in verschiedene soziale Gruppen
und Milieus und in verschiedene politische Lager, die Kontrahen-
ten sind, das heißt miteinander kämpfen und ebenso auch mitein-
ander Kompromisse schließen. Sie tun dies über ein System der
Repräsentation, und zwar gleich doppelt, auf zwei verschiedenen
Ebenen. Die erste Ebene ist die gesellschaftliche: das Konflikt- und
Forschungsinstitut
Aushandlungssystem der Interessengruppen und -verbände im so-
für Philosophie Hannover genannten korporativen Vertretungssystem. Die zweite Ebene ist
die politische: das Konflikt- und Aushandlungssystem der politi-
Gerberstraße 26 schen Parteien im System der repräsentativen Demokratie. ➤ Fortsetzung S. 3
30169 Hannover
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Fax (05 11) 1 64 09-35
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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!


Wie die Probleme um die Stabilisierung parteien erheblich vergrößert worden sei.
des Euro zeigen, sind die Folgen der Philip Manow, Politikwissenschaftler an
Finanzkrise noch keineswegs ausgestan- der Universität Bremen, wendet sich ge-
den. Auch die Ursachen, die zu der Krise gen die These von der Körperlosigkeit der
geführt haben, sind nur zum Teil behoben. demokratischen Repräsentation, indem
Angesichts dieser Situation konstituierte er deren Wurzeln in den monarchistischen
sich unter der Leitung des Vorstandsvor- Repräsentationsfiguren der frühen Neuzeit
sitzenden des fiph, Ulrich Hemel, und freilegt. fiph-Fellow Andreas Hetzel gibt
Andreas Fritzsches ein interdisziplinärer der Absage radikaler Demokratietheorien
Arbeitskreis „Habituelle Unternehmens- an den Repräsentationsgedanken mehr
ethik“. Es soll darauf hingewirkt werden, Kredit, kritisiert aber mit Rückgriff auf Pi-
die Unternehmensethik wieder an die erre Bourdieus „Zirkel der Repräsentation"
Ethik des Alltags zurückzubinden. Auf einer deren Erklärung kollektiven politischen
eigenen Webseite werden im Laufe des Handelns. Eike Bohlken hält eine Überwin-
Sommers die ersten Ergebnisse präsentiert dung der Krise der politischen Repräsen-
(www.habituelleunternehmensethik.de). tation durch eine stärkere Orientierung
Im letzten Halbjahr wurden am fiph auch am Begriff des Gemeinwohls für möglich.
neue Formate eingeführt: So fanden im Er konkretisiert diese These anhand der
Masa und im Maestro vier „Philosophische Unterscheidung einer repräsentativen
Cafés“ statt (Näheres dazu auf S. 19). Sittlichkeit der politischen Eliten und einer
Durch Wolfgang Gleixner, seit Oktober repräsentierten Sittlichkeit sämtlicher
Wissenschaftlicher Referent am fiph, ist es Bürger/innen. Das Thema der politischen
nun auch möglich, einen Lektürekurs am Repräsentation markiert eine wichtige Di-
Institut anzubieten (siehe S. 8). mension der Frage nach den Bedingungen
Von den zahlreichen im letzten Halbjahr sozialen Zusammenlebens, einer Frage, mit
durchgeführten Veranstaltungen seien an der wir uns auch künftig weiter beschäf-
dieser Stelle zwei hervorgehoben: Matthias tigen werden. Auch diesmal sei allen
Möhring-Hesse von der Universität Vechta Teilnehmern/innen an unseren Veranstal-
führte im Dezember 2010 den interdiszipli- tungen und den Förderern/innen unserer
nären Workshop „Grammatik der Genera- Arbeit für ihre Unterstützung gedankt.
tionengerechtigkeit“ am fiph durch. Das
Kolloquium „Junge Religionsphilosophie“
widmete sich in diesem Jahr im Anschluss
an die Arbeiten von Ernst Kantorowicz der
Frage nach der Bedeutung eines politi- E ike B ohlken / J ürgen M anemann
schen Körpers für die Demokratie. Das
fiph-Journal knüpft mit den Beiträgen zum
Schwerpunktthema „Politische Repräsen-
tation“ an die dort geführten Diskussionen
an und führt sie weiter: Der Hannoversche
Politikwissenschaftler Michael Vester
bietet in seinem einführenden Text drei
Erklärungsansätze für die gegenwärtige
Krise der politischen Repräsentation in
Deutschland an. Besondere Bedeutung
komme der sozialen Ungleichheit zu, die
durch die neoliberale Politik der Volks-

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Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

➤ Fortsetzung von S. 1 dungen vorab zwischen Machtinteressen „hinter den Kulissen“ aus-
gehandelt werden anstatt durch eine rationale öffentliche Argu-
mentation. Hier stehen sich zwei Konzepte gegenüber: auf der ei-
Beide Vertretungssysteme sind ihrerseits in sich komplex, unter nen Seite das Ideal eines Marktmodells rationaler Argumente, dem
anderem durch die Stufung in kommunale, föderale, nationale und zufolge sich die besten Argumente durchsetzen; auf der anderen
sogar übernationale Vertretungs- und Aushandlungsebenen. Seite die Praxis des Aushandelns zwischen Interessengruppen, in
Durch diese Komplexität sind die Vertretungen zwar potenziell der der Erfolg vom Machtpoker abhängt. Dies entspricht dem klas-
überall in Berührung mit der lebendigen Vielfalt der sozialen Be- sischen Gegensatz von Geist und Macht. Dieser ist in gewisser Wei-
dürfnisse, Interessen und Tätigkeiten. Aber sie unterliegen auch se mit dem Gegensatz zwischen bestimmten sozialen Milieus ver-
einer Gegentendenz, nämlich der Schwerkraft einmal etablierter bunden. Die Angehörigen der intellektuellen Berufe, die auch mit
Verhältnisse der Macht und Eigenmächtigkeit, der Gewohnheiten Interessenverbänden nicht so direkt verbunden sind, setzen auf das
und auch der gewollten und ungewollten Abschottungen gegen Individuum und die Rationalität seiner Argumente. Die Angehöri-
Einblicke von außen. Damit entsteht das Problem der Verselbst- gen anderer Gruppen, die z.B. als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer
ständigung der Repräsentanten gegenüber den Bürgerinnen und interessenbezogen denken, halten es hingegen für selbstverständ-
Bürgern, der Intransparenz und der Bildung von „Oligarchien“, also lich, das Gewicht ihrer sozialen Gruppen auch wirksam zur Geltung
von „Klüngeln“, die kaum noch kontrolliert werden. Diese Erstar- zu bringen und mit den anderen Interessen auszubalancieren.
rungen machen einen Teil der Krise in den Beziehungen zwischen Die klassischen Begründer der politischen Sozialwissenschaft,
dem Volk und seinen Vertretern aus. Max Weber und Emile Durkheim, sehen hier nicht unbedingt einen
Von unten oder von außen können diesen Erstarrungen zwar – Gegensatz zwischen „demokratisch“ und „undemokratisch“. Sie er-
potenziell – immer wieder Bewegungen mit dem Ziel von Erneue- innern daran, dass die moderne Demokratie letztlich auf die politi-
rungen entgegengesetzt werden. Diese Bewegungen müssten sche Selbstvertretung der Berufsgruppen zurückgeht, wie sie im
aber aus der Gesellschaft selber kommen. Die soziale Gliederung, korporativen System der antiken und der mittelalterlichen Städte
die „oben“ – auf den beiden Ebenen der korporativen und der par- erkämpft worden ist. Die Interessenpolitik ist demnach kein zu ver-
lamentarischen Repräsentation – repräsentiert werden soll, ist je- meidendes Übel, sondern der notwendige Unterbau der Repräsen-
doch seit einiger Zeit durch einen tiefgreifenden wirtschaftlichen tation durch politische Parteiungen. Es komme nur darauf an, das
und sozialen Wandel und entsprechende Konflikte in Bewegung Aushandlungssystem, in dem vieles vorentschieden wird und sich
gekommen. So verschieben sich die Gewichte zwischen den sozi- Oligarchien herausbilden, durchsichtiger, offener und umfassender
alen Gruppen und auch die Passungen zwischen ihnen und den sie zu machen, also dem Einfluss und den Argumenten von nicht ver-
vertretenden gesellschaftlichen Interessenverbänden und politi- tretenen Gruppen – wie einst den Gewerkschaften, den Frauen, den
schen Parteien. Bürgerbewegungen – mehr Geltung zu erkämpfen.
Als Ausdruck der Krise zwischen Repräsentierenden und Reprä- Ein zweiter Aspekt der Erklärung für die Krise der politischen Re-
sentierten gilt seit Beginn der 1990er Jahre die sogenannte politi- präsentation bezieht sich auf die Schere zwischen parteipolitischem
sche Verdrossenheit, der Mangel an Vertrauen in „die Politiker“, die und bürgergesellschaftlichem Engagement. Auf der einen Seite steht
aus dieser Perspektive eher an sich selbst als an die Bedürfnisse der die Zurückhaltung von (mindestens) 98 Prozent der Bevölkerung, in
Bürgerinnen und Bürger denken. Diese Unzufriedenheit, um 1980 einer politischen Partei aktiv mitzuarbeiten. Auf der anderen Seite ist
nur wenig über 10 Prozent, wird seit etwa 1990 auf etwa 60 Pro- aber zu beobachten, dass etwa 30 Prozent der Bevölkerung sich sehr
zent gemessen und hat sich seitdem in dieser Höhe verfestigt. Bei wohl über ehrenamtliche Aufgaben unterhalb der parteipolitischen
den Zwischenwahlen für die Landtags- und Kommunalparlamente Ebene sozial und gesellschaftspolitisch engagieren. Das Problem
in den 1990er Jahren begannen die Verluste der damaligen Regie- liegt demnach weniger im mangelnden Interesse an anderen Men-
rungspartei CDU zu steigen, aber dies nützte der oppositionellen schen (also der sogenannten Individualisierung) und auch nicht al-
SPD wenig; denn die bürgerlichen Wähler wechselten weniger zu lein in Überlastungen oder politischem Nichtwissen. Es besteht, so
ihr als zu den Nichtwählern und zu den ‚Grünen’. Dies reichte zwar, betont der französische Soziologe Pierre Bourdieu (Die feinen Unter-
um 1998 eine rot-grüne Koalition an die Macht zu bringen. Aber schiede, Frankfurt a. M. 1982, S. 620-726), in einer Art Bruch zwi-
unter dieser verlor die SPD ihrerseits noch mehr Vertrauen als vor schen der Alltagswelt mit ihrer sozialen Nähe und der Welt der politi-
ihr die CDU/CSU. Von dem großen rotgrünen Wählerpotenzial fin- schen Institutionen. Diese machen, mit ihren verwaltungstechni-
det sich inzwischen mehr als die Hälfte bei den ‚Grünen’, bei der schen, finanziellen, juristischen und intellektuellen Fachdiskursen,
Linkspartei und nicht zuletzt bei den Nichtwählern wieder. die politische Sphäre zu einer Welt der hauptberuflichen Politik, die
Umfragen weisen darauf hin, dass die Bereitschaft der Bürge- nur gelernten Experten, Berufspolitikern und Angehörigen der höhe-
rinnen und Bürger, den politischen Parteien ihr Vertrauen oder En- ren Bildungsmilieus vertraut sein kann.
gagement zu schenken, im Wesentlichen auf dem niedrigen Pegel Aber das muss nicht zwingend zu einer „Entpolitisierung“ füh-
von etwa 40 Prozent beim Vertrauen und etwa zwei Prozent beim ren. Zwar können sich, infolge der Trennung in Berufspolitiker und
aktiven Mitarbeiten ist. Ich möchte näher auf drei Punkte einge- politische Laien, nur wenige aktiv engagieren. Aber es könnten
hen, die als Erklärungen für die Krise der politischen Repräsentati- trotzdem mehr Menschen zur Wahl gehen oder auf andere Weise
on dienen können. ihre Meinungen und Interessen kundtun, also sich repräsentieren
In meinem ersten Punkt geht es um den Gegensatz von Argu- lassen oder ihre Repräsentanten mit eigenen, staatsbürgerlichen
menten und Interessen. Der politische Verdruss der Wählerinnen Initiativen unter Druck setzen. Man muss nicht Schuster sein, um in
und Wähler wird darauf zurückgeführt, dass politische Entschei- Schuhen zu gehen, bemerkte einst Max Weber – so wie wir als Laien

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Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

kompetent ein Auto fahren können, ohne genau zu wissen, wie es Aus diesen Gründen stehen vier Fünftel der Bevölkerung dem
konstruiert wird. Wechsel zum neoliberalen Entwicklungspfad sehr ablehnend ge-
Eine Verbindung der beiden Sphären der Alltagswelt und der genüber. Der moralische Schmerzpunkt (und damit der sozialpoliti-
politischen Institutionen ist dann möglich, wenn es einzelnen Poli- sche Interventionspunkt) ist für die meisten Milieus nicht erst dann
tikern durch ihren Stil und persönlichen Einsatz, durch ihren Habi- erreicht, wenn ein absolutes materielles Minimum unterschritten
tus und ihre Praxis gelingt, eine Identifikationsmöglichkeit zu schaf- wird. Er ist erreicht, wenn die gewohnte respektable Lebensweise
fen. Das auf diese Weise gewonnene Vertrauen kann aber, beson- und die Vorstellungen einer gerechten sozialen Ordnung in Frage
ders von den heutigen skeptischen Bürgerinnen und Bürgern, auch gestellt werden. Empörung entsteht, wenn Risiken asymmetrisch
wieder entzogen werden, wie dies dem Bundeskanzler Schröder verteilt sind, wenn beispielsweise Entlassungen gerade von sol-
widerfahren ist. Vertrauen ist wie ein Scheck. Wenn er nicht durch chen Firmen vorgenommen werden, die höchste Gewinne einfah-
das Einhalten der Versprechungen eingelöst wird, sehen sich die ren. Absenkungen sozialer Sicherungen auf Minimalstandards,
Menschen geprellt. etwa auf das Sozialhilfeniveau des Arbeitslosengeldes II („Hartz
Dabei betrachte ich den Stil und Habitus nicht als etwas nur IV“), werden als Verletzungen des zentralen Grundsatzes angese-
Äußerliches, das über Werbemittel beliebig vorgetäuscht werden hen, dass die durch eigene Leistung ermöglichte Lebensweise auch
kann. Der Habitus und das, wofür jemand politisch oder program- in der Not fortgesetzt werden kann. Hartz IV wird als die Drohung
matisch eintritt, haben durchaus miteinander zu tun. Wenn Perso- erlebt, in die unsichere und chancenlose Lage der gering qualifizier-
nen die Vorstellungen (Repräsentationen) sozialer Milieus auch in ten unterprivilegierten Milieus abgedrängt, also materiell und mo-
Stil und Handlungsweise „verkörpern“, dann können sie für diese ralisch ausgegrenzt zu werden.
Milieus auch stellvertretend handeln, ihre politische Repräsentati- Seit der neuen Wirtschaftskrise ist das finanzmarktgetriebene
on übernehmen. Der Habitus kann zwar von Hochstaplern nachge- neoliberale Wachstumsmodell an seine Grenzen gekommen. Zu-
ahmt werden – aber nur einmal. Grundsätzlich bleibt er, wie wie- nehmende soziale und internationale Spannungen sowie ökologi-
derum Bourdieu aufgewiesen hat (Die feinen Unterschiede, S. 277- sche Katastrophen motivieren eine – langsame und nach Ländern
404), ein untrügliches Indiz dafür, „wes Geistes Kind“ jemand ist. ungleichmäßige – Entstehung neuer Interessenkoalitionen und
Mein dritter und letzter Punkt für die Erklärung der gegenwär- Konzepte. Dabei geht es vor allem um zweierlei, erstens um neue
tigen Krise politischer Repräsentation bezieht sich auf den Wech- Konzepte eines Wirtschaftswachstums, gestützt auf ökologische
sel der Volksparteien von einer ausgleichenden zu einer ungleich- Technologien und sozialstaatliche Dienstleistungen, und zweitens
heitsbetonten Gesellschaftspolitik. Die Volksparteien der Bundes- um eine erneuerte innergesellschaftliche und internationale Ord-
republik sind historisch mit dem wohlfahrtsstaatlichen Sozialmo- nung, gestützt auf mehr demokratische Partizipation. Sofern dieser
dell entstanden. Die CDU/CSU repräsentierte es in einer mehr Wandel gelingt, würde er auch die Krise der politischen Repräsen-
hierarchisch-patriarchalischen Variante mit Schwerpunkt in den tation deutlich entschärfen.
bürgerlichen Milieus und den kleinbürgerlichen Volksmilieus. Die
SPD verkörperte es in einer eher egalitär-solidarischen Variante Eine ausführlichere Fassung dieses Textes findet sich unter dem
mit Schwerpunkt in den moderneren Bildungs- und Arbeitnehmer- Titel „Die Krise der politischen Repräsentation aus der Sicht eines
milieus. Im Rahmen dieser Schwerpunkte mussten beide Volkspar- Wissenschaftlers“ in: Detlef Horster (Hg.): Die Krise der politischen
teien eine heterogene Mischung von oberen, mittleren und unte- Repräsentation. Hannah-Arendt-Lectures und Hannah-Arendt-
ren Milieus mit einem Konzept sozialen Ausgleichs binden und in- Tage 2007, Weilerswist 2008, S. 59-83.
tegrieren. Zu diesen vertikalen Unterschieden kamen auf jeder
Milieustufe seit spätestens den 1970er Jahren neue horizontale
Differenzierungen. Die älteren Milieufraktionen mit ihren konven-
tionellen und hierarchischen Lebens- und Politikformen gerieten
zunehmend in Konflikt mit wachsenden jüngeren und besser ge-
bildeten Milieufraktionen. Diese setzten auf einen Abbau der Au-
toritätshierarchien im Betrieb, in der Familie, zwischen den Ge-
schlechtern, im Bildungswesen und im Alltag, auf mehr eigenver-
antwortliche Partizipation und auf eine neue Ökologie- und Frie-
denspolitik.
Von den 1970er Jahren an wurde die internationale Wirt-
schaftskonkurrenz zunehmend dereguliert. Entsprechend nahmen
auch die innergesellschaftlichen Konkurrenzkämpfe zu, in denen es
um die Verteilung materieller Lebenschancen und sozialer
Machtchancen ging. Aus diesen Kämpfen sind – jedenfalls bis zur
neuen Weltwirtschaftskrise – die wirtschaftsliberalen Flügel beider
Volksparteien als Sieger hervorgegangen, jedoch um den Preis www.fiph.de
wachsender innergesellschaftlicher wie außenwirtschaftlicher Un-
gleichgewichte. Für die unteren Milieus kehrten die Erfahrungen Hier finden Sie aktuelle Informationen über unsere Arbeit.
sozialer Ausschließung zurück, für die mittleren Milieus die Erfah- Gehen Sie online, und denken Sie mit uns dort weiter!
rungen sozialer Unsicherheit.

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Philosophisches Interview

P hi l o s o phi s c h e s
Interview

Julian Nida-
Rümelin
ist Professor für
Philosophie an der
Ludwig Maximilian
Universität München.

fiph: Sehr geehrter Herr Nida-Rümelin! Sie haben sich in den dings sind die politische und die wissenschaftliche Rationalität
letzten Jahren stark für die Förderung der Geisteswissenschaf- nicht die gleiche, die eine ist überwiegend erkenntnis- und
ten eingesetzt. Ist die Philosophie für Sie eine Geisteswissen- die andere ist überwiegend handlungsorientiert. Auch in der
schaft? In welchem Verhältnis steht sie zu den (anderen) Geis- Wissenschaft gibt es zahlreiche Gefährdungen „des freien
teswissenschaften? Urteils der Vernunft“, wie in der Politik. Es ist eine Frage des
Wenn man zwei Kategorien von Geisteswissenschaften an- Charakters, ob man diesen Gefährdungen nachgibt.
nimmt, nämlich philologische und historische, dann ist die Phi-
losophie als Ganze in der Tat keine Geisteswissenschaft. Sie ist fiph: Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste gegenwärtige
weder eine philologische noch eine historische Disziplin. Die Strömung in der Philosophie?
Philosophie ist Mutterwissenschaft, sowohl der Natur- wie der Das ist nach wie vor – international gesehen – die analytische
Geistes-, wie der Sozialwissenschaften. All diese Wissenschaf- Strömung, wenn sich diese auch aufgefächert hat und Verbin-
ten haben sich erst im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts aus dungen, z.B. mit dem Kantianismus, eingegangen ist.
dem Schoß der Philosophie entwickelt. Es ist ähnlich wie mit
der Mathematik. Diese ist eigentlich keine Naturwissenschaft, fiph: Welchen Themen sollten Philosophen und Philosophinnen
wird aber dazu gezählt. mehr Beachtung schenken?
Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Rolle der Lebens-
fiph: Gibt es Ihrer Meinung nach eine einheitliche Methode, ein form für unsere Theoriebildung ein interessantes Thema
methodisches Fundament, das alle wissenschaftlichen Diszipli- darstellt. Jedenfalls beschäftigt mich das seit geraumer Zeit.
nen miteinander verbindet?
Es gibt ein gemeinsames Ethos, das Ethos der kritischen Prü- fiph: Glauben Sie, dass es in der Philosophie Fortschritt gibt?
fung, der Inklusion Aller unabhängig von weltanschaulicher Besonders offenkundige Erkenntnisfortschritte in der Philoso-
oder kultureller Zugehörigkeit, die Erkenntnisorientierung, phie haben in der Vergangenheit häufig zur Etablierung neuer
aber kein gemeinsames methodisches Fundament aller wis- Disziplinen geführt. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlos-
senschaftlichen Disziplinen. sen, wie es scheint. Aber auch in den zentralen Fragen, die der
Philosophie erhalten bleiben, gibt es gelegentlich deutliche
fiph: Sie haben als Kulturstaatsminister Erfahrungen in der Fortschritte.
Regierungspolitik gesammelt. Sollten Philosophen – frei nach
Platon – politische Ämter übernehmen, oder stimmen Sie eher fiph: Haben Sie gegenwärtig Lieblingsphilosoph(inn)en, deren
der Befürchtung Kants zu, dass politische Macht das „freie Ur- Werke Sie besonders gern lesen?
teil der Vernunft“ gefährdet? Wenn ich nicht an eigenen Texten arbeite, lese ich fast aus-
Ich denke, dass es weder der Politik noch der Wissenschaft gut schließlich Klassiker, manche Texte zum fünften oder sechsten
tut, dass diese beiden Sphären fast vollkommen voneinander Mal, wie etwa die Nikomachische Ethik des Aristoteles.
getrennt sind. Personelle Wechsel zwischen diesen beiden
Sphären könnten auf beiden Seiten befruchtend wirken. Wenn
Platon von „Philosophie“ spricht, meint er „Wissenschaft“. Aller- Die Fragen stellte Eike Bohlken.

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Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

Demokratische Repräsentation und die alten


und neuen politischen Körperlehren

In der zeitgenössischen Demokratietheorie herrscht die wahre Bilder, über den alten monarchischen und den neu-
Meinung vor, Volkssouveränität sei prinzipiell nicht dar- en demokratischen Souveränitätskörper verstanden wer-
stellbar und die Vorstellung eines politischen Volkskör- den kann. Diese Gegenthese lautet: Am Anfang unserer
pers seit langem verabschiedet. Die Rede vom politischen demokratischen Repräsentationstheorie steht ein „sub-
Körper gilt heute als anachronistisch, die Körperlosigkeit stitutiver Bildakt“ (Horst Bredekamp), der den Königskör-
der Demokratie wird geradezu zum Definitions- und Ab- per durch das kollektive Körperbild ersetzt. Wie ist das zu
grenzungskriterium gegenüber der Monarchie mit ihrem verstehen?
politischen Königskörper: Demokratie beginne überhaupt Zunächst ist darauf zu verweisen, dass das moderne
erst am Ende aller politischen Verkörperungsmechanis- Repräsentationskonzept in der Vorstellung vom politi-
men, demokratische Herrschaft sei gleichbedeutend mit schen Körper des Königs, in der „Metaphysiologie“ der
der „Entkörperung der Macht“ (Claude Lefort). Der „Platz politischen Theologie des Mittelalters wurzelt. In ihrem
des verabschiedeten Volkskörpers“ markiert daher einen Zentrum steht die von Ernst Kantorowicz in „Die zwei Kör-
„vakante[n] Sitz der Souveränität“ (Jürgen Habermas: per des Königs“ ausführlich dargestellte Lehre vom natür-
Philip Manow ist Professor Faktizität und Geltung, Frankfurt a.M. 1992, S. 626). Aber lichen und politischen Körper des Königs, die in der Effigies-
für Politikwissenschaft an der was füllt diese Leerstelle? Welcher „symbolische Körper praxis des Mittelalters, dem Umgang mit Königspup-
Universität Bremen. [tritt] an Stelle eines Volkes, das unauffindbar ist und pen (effigies) oder auch leeren Särgen bei königlichen
nicht dargestellt werden kann“ (Pierre Rosanvallon: Le Bestattungen, ihren nachhaltigsten rituellen Ausdruck
Peuple introuvable. Histoire de la représentation démo- findet. Die Suche nach den Ursprüngen demokratischer
cratique en France, Paris 1998, S. 20)? Repräsentationstheorie kann nun zunächst begriffsge-
Es ist nicht recht vereinbar mit der Behauptung der schichtlich ansetzen: Die hölzerne oder wächserne Puppe,
Bilder- und Körperlosigkeit demokratischer Herrschaft, die in den königlichen Bestattungszeremonien den wirkli-
dass eine neuere Literatur nun jene „Kollektivgespenster“ chen Königskörper ersetzt, wird „Repräsentation“ ge-
zu entdecken beginnt, die seit dem 19. Jahrhundert unse- nannt. Nach zunächst uneinheitlichem Sprachgebrauch
re politische Imagination beherrschen, dass sie die Perso- hat sich dieser Begriff für die Königs-Effigies Ende des 16.
nalisierung politischer Angstfiguren in den europäischen Jahrhunderts in England etabliert. Thomas Hobbes
Massendemokratien im ausgehenden 19. und beginnen- macht die politische Repräsentation in Kapitel XVI. des
den 20. Jahrhundert nachzeichnet (etwa in der neuen Fi- „Leviathan“ zu einem zentralen Element seiner Argumen-
gur der politischen Masse) oder das „Politisch Imaginäre“ tation. Dass er dabei die wichtige zeitgenössische Debat-
in allen seinen unsere politischen Vorstellungswelten be- te um die künstlichen Herrschernachbildungen auf-
herrschenden Facetten zu beschreiben beginnt (etwa in nimmt, belegt nicht zuletzt das Leviathan-Titelbild selbst.
Form der neuen politischen Kollektivgröße der ‚Nation‘). Hobbes formuliert mit ihm schon 1651 einen „Grundge-
In Überschneidung von Literaturwissenschaft, Kunstge- danken der Demokratie“, in dem er alle Bürger zum Teil
schichte und Politikwissenschaft entsteht momentan eine eines lebendigen Bildes macht, dessen „visuelle Präsenz
neue „Politische-Phantasma-Forschung“, die – so mein … gegen den potentiell drohenden Bürgerkrieg“ gestellt
Eindruck – die überfällige Revision der zuletzt nur noch wird (Horst Bredekamp: Theorie des Bildaktes, Frankfurt
gedankenlos kolportierten These von der angeblichen a.M. 2010, S. 195).
Körperlosigkeit und Bilderferne der modernen repräsenta- In der Hobbes-Literatur wird hingegen überwiegend
tiven Demokratie vollzieht. entweder auf die juristische Verwendung des Repräsenta-
Es wird zunehmend bezweifelt, dass sich eine Gesell- tionsbegriffs im Sinne des zu Geschäftsabschlüssen auto-
schaft einfach damit abfinden könne, dass sie keine Vor- risierten Stellvertreters oder auf die für Hobbes ebenfalls
stellung ihrer selbst als politisch verfasster Ordnung be- wichtige Verbindung zum Theater, auf die „Impersonati-
sitzt. In diesem Zusammenhang ist nun nicht nur gegen on“, das heißt auf die Repräsentation einer Person durch
die Hypothese vom demokratischen Ikonoklasmus darauf einen Schauspieler, verwiesen (vgl. Hannah Pitkin: The
zu insistieren, dass auch moderne demokratische Gesell- Concept of Representation, Berkeley 1967). Für das Ver-
schaften selbstverständlich ein Bild ihrer selbst entwic- ständnis von Hobbes' „Leviathan“ und insbesondere für
keln, sich Herrschaftszeichen geben, sich – wie jede Macht sein Konzept der politischen Repräsentation ist jedoch
– ostentativ zeigen. Vielmehr ist sogar das exakte Gegen- die symbolisch-mimetische Repräsentation des Königs-
argument zu vertreten, dass die Entwicklung der moder- körpers zentraler. Der Leviathan als Reflexion „über den
nen demokratischen Repräsentationstheorie überhaupt Moment, in dem der Staat eine künstliche Herrscherfigur
nur vor dem Hintergrund des Streites über falsche und nötig hat“ (Horst Bredekamp: Thomas Hobbes' visuelle

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Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

Strategien. Der Leviathan: Urbild des modernen Staates; Werkillu- „Repräsentation genannten Bildnis des Königs“ (Carlo Ginzburg:
strationen und Porträts, Berlin 1999, S. 106), findet für den Mo- Repräsentation. Das Wort, die Vorstellung, der Gegenstand. in:
ment des Übertragungsvorgangs der politischen Funktionen auf ders.: Holzaugen. Über Nähe und Distanz, Berlin 1999, S. 97-119,
einen künstlichen Körper den Begriff der Repräsentation: „In dem hier S. 113). Seine These lautet, dass man in der Folge des Transsub-
Intervall zwischen dem Tod des alten Königs und der Inthronisie- stantiationsdogmas „lernte, die Bilder zu zähmen“, dass „die Angst
rung seines Nachfolgers herrschte die königliche Repräsentation“ vor der Idolatrie allmählich nach[ließ]“, was zur „Rückkehr zur Illu-
(Friedrich Balke: Figuren der Souveränität, München 2009, S. 65). sion in der Bildhauerkunst und Malerei“ (ebd.) führte, und dass dies
Die Theorie demokratischer Repräsentation entwickelt sich aus der schließlich auch in der politischen Theologie und Liturgie des Mit-
(protestantischen) Bilderkritik am „Porträt des Königs“, an der Pra- telalters die bildhafte Repräsentation der Königsidee in den Effi-
xis der königlichen Herrschaftsrepräsentation. Wir sollten es ernst giesfiguren ermöglichte. Diese These wird von der entgegengesetz-
nehmen, dass die zentrale ideologische Auseinandersetzung zwi- ten Entwicklung am Ende dieser Epoche bestätigt: Im Kontext des
schen den Royalisten und den Parlamentariern zu dem Moment, als konfessionellen Bürgerkriegs im 16. und 17. Jahrhundert nahm die
im Englischen Bürgerkrieg erstmals eine Alternative zum mittelal- Angst vor der Idolatrie sprunghaft zu. Der Vorwurf einer götzendie-
terlichen Königtum aufscheint, zwischen der königlichen Rechtfer- nerischen Bildverehrung wird zur stärksten Waffe des Protestantis-
tigungsschrift „Eikon Basilike“ und John Miltons „Eikonoklastes“ mus, zugleich endet die politische Effigies-Praxis abrupt, und die
ausgetragen wird. Wenn die Revolutionäre nach der Hinrichtung ikonoklastische Grundtendenz der Zeit führt zu einem neuen Sieg
des Königs am 30. Januar 1649 das Volk als neue, abstraktere der politischen Abstraktion, wie er uns im Leviathan-Titelbild ent-
politische Souveränitätsfigur installieren, so ist dieser neue Kollek- gegentritt: Die Vorstellung vom politischen Körper löst sich vom
tivakteur ein Resultat der protestantischen Kritik an der königli- König und wird nun übertragen auf ein neues fiktives Kollektivwe-
chen Bilderpraxis, die als „Idol worship“ denunziert wurde. Die Ur- sen. Repräsentation ist nicht mehr eine magische Praxis im Vollzug
sprünge der Demokratie sind also in den Praktiken der Monarchie der königlichen Herrschaftsnachfolge, sondern wird schrittweise zu
zu suchen. einem politischen Autorisierungsvorgang durch ein hoch abstrak-
Schon bei Hugo Grotius taucht der Begriff der Repräsentation tes Gebilde, das Volk oder die Nation, und bekommt damit die Be-
im siebten Kapitel des zweiten Buches von „De Jure Belli et Pacis“ deutung, die uns heute vertraut ist. Den Zeitgenossen ist dieser
bei der Darstellung des französischen Thronfolgereglements auf, Zusammenhang zwischen religiöser und politischer Bilderfeindlich-
dem zufolge die Herrschaft nie innerhalb derselben Generation, keit offenkundig.
sondern nur an den männlichen Nachkommen der nächsten Gene- Die bis zu Jakob I. reichende Praxis der königlichen Scheinlei-
ration vererbt wurde. Eben diese Bestimmung, das Eintreten des ber bei den Begräbniszeremonien, die aufwändige Restauration
Sohnes für den verstorbenen Vater, die stellvertretende Nachfolge, der alten hölzernen und wächsernen Königspuppen der Westmin-
mache das „repräsentative“ Moment aus. Der herrschende König ster Abbey 1607, schließlich die Kontroverse um die Idolisierung
hatte dabei keinerlei Recht zum Mitentscheid. Hatte er keinen Charles I. nach seiner Hinrichtung – alles vor dem Hintergrund des
männlichen Nachfolger, ging man in der dynastischen Linie zu- blutigen konfessionellen Konflikts um die Realpräsenz Christi in
nächst wieder zurück, um dann in der nächsten Nebenlinie nach Brot und Wein –; es ist schwer vorstellbar, dass Hobbes bei der Ver-
dem Kronprinzen zu suchen. So sollte garantiert werden, dass es wendung des Repräsentationsbegriffs nicht auch jene Debatten
immer einen und nur einen Thronfolger gab. Entscheidend war mit erinnert, die um den Herrscher als Effigies und Idolfigur kreisen
nicht die größte Nähe zum vorigen Throninhaber, sondern die und jene andere fundamentale Debatte reflektieren: die um die
korrekte Repräsentation desselben. Eine solche „repräsentative“ Repräsentation oder Präsenz Christi im Abendmahl. Das Argument
Nachfolgeregel ist von zentraler Bedeutung, um die Gesellschaft würde hier also lauten, dass die protestantische Kritik an der katho-
vor dem Rückfall in den Bürgerkrieg zwischen den um die Herr- lischen Idolreligion auch ein Sakralkönigtum treffen musste, des-
schaft konkurrierenden Parteien zu schützen. In den monarchi- sen Herrschaftspraxis ganz zentral auf die repräsentative Herr-
schen Begräbniszeremonien greifen die symbolische Darstellung scherdarstellung setzte. Schon im Zuge der vehementen, religiös
des politischen Königskörpers und die Regelung der monarchi- fundierten Bilderkritik an der Darstellung des Königskörpers ver-
schen Nachfolge ineinander. Die Königspuppe symbolisiert den schwindet die Praxis der Königseffigies, und erstmals tritt eine
Machtübergang auf den repräsentativen Nachfolger. neue imaginäre politische Gestalt – ein artificiall man – auf die
Über die Rekonstruktion dieses historischen Zusammenhangs Bühne des politischen Geschehens. Das Leviathan-Titelbild zeigt
zwischen Königsabbild und Sukzessionsprinzip kommen wir auch sie uns. In unserem Urteil vom politischen Ikonoklasmus der Demo-
zur Ablösung der monarchischen Repräsentation durch die neue, kratie schwingt noch die protestantische Polemik gegen das katho-
demokratische Ordnung und zu dem Bilderstreit, der diesem Ablö- lische Sakralkönigtum mit, aber sie markiert doch überwiegend ein
sungsprozess zugrunde liegt. Zunächst können wir danach fragen, ideologisches Wunschdenken: Denn wir haben nur einen Herr-
wann und warum die Praxis der königlichen Scheinleiber erstmals schaftskörper durch einen anderen ersetzt.
auftritt und wann und warum sie wieder verschwindet. Carlo Ginz-
burg sieht für den Entstehungskontext der politischen Theologie
des Mittelalters einen Zusammenhang zwischen einer abnehmen-
den „Angst vor der Idolatrie“ durch das Dogma der Transsubstan-
tiation (1215), das er als „außergewöhnlichen Sieg der Abstrakti- Lesetipp: Philip Manow: Im Schatten des Königs.
on“ wertet, und dem Entstehen einer politischen Praxis, die zu ei- Die politische Anatomie demokratischer Repräsentation,
nem „konkreten Symbol der Abstraktion des Staates“ führt: dem Frankfurt a.M. 2008.

j o u r n a l fiph 7
fiph Ausblick

fiph Ausblick
Rin gvo r l e su ng Lektürekolloquium vortragsreihe

Energiewende Vorträge der fiph-


Vom 13. April bis zum 13. Juli veranstaltet
Fellows
die Forschungsinitiative „Energie 2050 –
Transformation des Energiesystems“ der
Leibniz Universität Hannover zusammen Vom 02. Mai bis zum 11. Juli führt
mit dem fiph eine interdisziplinäre Dr. Wolfgang Gleixner am fiph montags
Ringvorlesung zur Transformation des von 11:15 bis 12:45 Uhr ein offenes
Energiesystems. Lektürekolloquium zu dem Text
„Das Unbewusste“ (1915) von
Sigmund Freud durch.

Die Psychoanalyse gehört mit zur Reflexi-


onsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Sie ist
nicht nur eingebettet in die Wiener Moder- Auch im Sommersemester präsentieren
ne; sie ist eine der wesentlichen Gestalten unsere Fellows Teile ihrer Forschungs-
der kulturellen Revolution des zurücklie- projekte am fiph.
genden Jahrhunderts. Ihre therapeutischen
Möglichkeiten dürfen nicht zu hoch veran- 10.05.2011: Marie Kajewski: „Wahrheit
schlagt werden. Hingegen kann ihre philo- und liberale Demokratie“. Keine gesell-
Der Klimawandel wird nur durch eine Ener- sophische Bedeutung kaum über­ schätzt schaftliche Ordnung kann sich auf Dauer auf
giewende, durch einen schnellen und grund- werden. das Prinzip gründen, dass nichts wahr sei –
legenden Umbau des gesamten Energie- Vor allem ein Begriff der von Freud begrün- auch die liberalen Demokratien westlicher
systems, in erträglichen Grenzen gehalten deten psychoanalytischen Tradition ist es, Prägung nicht. Doch zeigt sich bei näherer
werden können. Die öffentliche Ringvorle- der philosophisch wie theologisch heraus- Betrachtung, dass Wahrheit allerorten ge-
sung „Transformation des Energiesystems“ fordert: „Das Unbewusste." Und es erstaunt, leugnet wird. An die Stelle von Wertgebun-
behandelt technische, umwelt- und technik-
wie gleichgültig die Philosophie und die denheit tritt Wertneutralität. Doch wo Neu-
ethische sowie juristische und historische
Theologie darüber hinwegsehen. Denn tralität herrscht, kann Wahrheit nicht sein.
Voraussetzungen eines solchen Umbaus. So
hier entscheidet sich die Dignität der philo- Der Vortrag wird, von diesem Befund ausge-
geht es etwa um technische Grundlagen der
sophischen Geltungsbehauptung. hend, das Verhältnis von liberaler Demokra-
Wind- und Solarenergie im Allgemeinen und
Der Begriff ist nun gar nicht so neu. Die Ah- tie und Wahrheit darstellen. Dabei sollen
den Ausbau und die Einbindung der Wind-
energie in der Region Hannover im Besonde- nenreihe derer, die sich dieser Vorstellung Vorbehalte ebenso thematisiert werden wie
ren, um die „Natur als Leitbild der Energie- angenähert haben, ist beeindruckend. Zu- positive Bezugnahmen. Daran anschließend
versorgung“ und den Übergang von einer meist waren es ‚Außenseiter‘ der universi- wird die Bedeutung von Wahrheit für libe-
Technikfolgenabschätzung zu einer Technik- tären Philosophie, zum Beispiel Leibniz, rale Demokratien dargelegt und mit dem
bewertung, um rechtliche Hindernisse und Schopenhauer und Nietzsche, oder Schrift- Publikum diskutiert werden.
Förderpotenziale sowie um „Machtkonflikte steller wie Dostojewski, dessen Romane
und Naturgrenzen“ der angestrebten Trans- sich wie psychoanalytische Fallgeschichten 07.06.2011 PD Dr. Andreas Hetzel: „Evolu-
formation. lesen lassen. tionäre Verantwortung. Biologische und
Das vollständige Programm finden Sie auf ethische Aspekte“. Mit unseren Eingriffen
unserer Homepage: www.fiph.de Termine: 02., 09., 23. Mai, in die Ökosphäre bedrohen wir unsere Mit-
06., 20., 27. Juni, 04., 11. Juli geschöpfe nicht nur unmittelbar, sondern
Universität Hannover, Hauptgebäude, Ort: Vortragsraum des fiph, auch in ihren evolutionären Perspektiven.
Welfengarten 1, Hörsaal B 305, Gerberstraße 26, 30169 Hannover Der Vortrag diskutiert, ob und wie evolutio-
mittwochs 18:15-19:45 Uhr Anmeldung: (0511) 1 64 09 10 nären Perspektiven ein Wert zugesprochen

8 fiph j o u r n a l
fiph Ausblick

werden kann. In der zeitgenössischen Biolo- vers diskutiert. Auch dieser Aspekt soll Ö ff ent liche
gie wird das phylogenetische Artkonzept nicht ausgelassen werden. Vo rlesung
zunehmend durch ein evolutionäres Artkon-
zept abgelöst. Eine Art definiert sich dem- 05.07.2011 Prof. Dr. Karen Joisten: „Wi-
nach über ihr Potenzial zur weiteren Evoluti- der die Geschichtenvergessenheit. Zu Globale Ethik
on. Könnte insofern aus der Verantwortung Wilhelm Schapps ‚Philosophie der Ge-
für den Erhalt einer Art auch eine Verant- schichten‘“. In dem zweiten Band seiner Vom 11. Mai bis zum 06. Juli 2011 werden
wortung für ihre möglichen Zukünfte fol- Geschichtentrilogie, der überschrieben ist Jürgen Manemann und Eike Bohlken
gen? Und wie ließe sich eine solche evolutio- mit „Philosophie der Geschichten”, unter- mittwochs von 19:30 bis 21:00 Uhr im
näre Verantwortung begründen? nimmt Schapp den groß angelegten Ver- Vortragsraum des fiph eine Vorlesung zur
such einer Destruktion der abendländi- Globalen Ethik halten.
28.06.2011 Dr. Yoko Arisaka: „Nishidas schen Geschichtenvergessenheit. Beson-
Wie kann in einer von Konflikten geprägten
Philosophie der Erfahrung: Eine Einfüh- dere Aufmerksamkeit schenkt er dabei
Weltgesellschaft ein (zwischen)menschli-
rung in die moderne japanische Philoso- nicht nur dem inneren Zusammenhang
ches Zusammenleben gewährleistet wer-
phie“. In diesem Vortrag werden einige von „Welt und Geschichten“ bei Platon,
den? Der These vom unvermeidlichen
Schlüsselideen des „Vaters der modernen Descartes und Kant, sondern auch dem
„Kampf der Kulturen“ stehen verschiedene
japanischen Philosophie“, Kitaro Nishida Weg von Homers Allgeschichte über die Modelle einer interkulturellen oder globalen
(1870-1945), vorgestellt. Unter dem Ein- Sachverhalte der antiken Wissenschaft bis Ethik entgegen, in denen Forderungen nach
fluss westlicher Philosophen wie James, hin zum „Sachverhalt der modernen Wis- einem „Weltethos“, einer „Weltkultur“ oder
Hegel und Marx, aber auch mit Bezügen senschaft“. Ziel dieser Destruktion ist es, einer „interkulturellen Sittlichkeit“ erhoben
auf den Buddhismus entwickelte Nishida wieder zu den „Urgebilden“ und „Urphäno- werden. Wie kann eine globale Ethik als
seine eigene Philosophie der Erfahrung so- menen“ der Geschichten vordringen zu Maßstab einer globalen Politik aussehen?
wie eine metaphysische Theorie des „abso- können, in die der Mensch konstitutionell Darüber soll in der Vorlesung nachgedacht
luten Nichts“. Seine politische Theorie der verstrickt ist. und diskutiert werden.
Weltgeschichte, die während der Zeit des
japanischen Imperialismus in den 1940er Ort: Vortragsraum des fiph, Gerberstraße 26, Ort: Vortragsraum des fiph, Gerberstraße 26,
Jahren entstand, wird heute sehr kontro- 30169 Hannover, Eintritt frei 30169 Hannover, Eintritt frei

Porträt

Ich habe eine systematisch ausgerichtete Arbeit über die Phä-


Wolfgang Gleixner nomenologie als Grundlagenforschung vorgelegt (Berlin 1986).
ist seit dem 01. Oktober 2010 Wissen-
Auch meine weiteren Buchveröffentlichungen verstehen sich
schaftlicher Referent am fiph.
als Beitrag zu einer systematischen phänomenologischen
Geboren bin ich in der Oberpfalz, einer Landschaft, die den Forschung. Gleich nach dem Studium wurde mir im Bistum Hil-
Menschen zum Nachdenken anregt, vielleicht sogar zwingt. desheim die Möglichkeit geboten, als Referent für Kirche und
Beruflich in Bonn gelandet, besuchte ich dort das Abend- Arbeitswelt zu arbeiten. Anfang der 90er Jahre habe ich die
gymnasium. An der Ordenshochschule St. Augustin begann ich Leitung des Referats „Kirche und Gesellschaft" und die Ver-
das Studium der Theologie und Missionswissenschaft. Ab 1978 antwortung für die Arbeitnehmerseelsorge des Bistums über-
studierte ich zusätzlich an der Bonner Universität Philosophie, nommen. Im Jahre 2000 übernahm ich die Funktion eines
Kommunikationsforschung und vergleichende Religionswissen- Stellvertretenden Direktors der Akademie der Diözese Hildes-
schaften. In großer Dankbarkeit erinnere ich mich an meine heim. Seit Oktober 2010 bin ich als wissenschaftlicher Referent
Lehrer, vor allem an Hans Wagner, einen der großen Geltungs- am fiph beschäftigt. Daneben bin ich vor allem für die Arbeits-
theoretiker, an Pater Hammer (im kleinsten Kreis haben wir stelle für Konfliktberatung, Coaching und Training in der
Husserl gelesen) und an meinen Doktorvater Gerhard Pfafferott. Familien-Bildungsstätte Salzgitter tätig.

j o u r n a l fiph 9
fiph Ausblick

B u c hp r ä s e ntation

Die Verantwortung
der Eliten
Am Dienstag, den 17. Mai, von 18:00
bis19:30 Uhr wird fiph-Mitarbeiter Eike
Bohlken sein neues Buch „Die Verantwor-
tung der Eliten. Eine Theorie der Gemein-
wohlpflichten“ am Institut präsentieren.
Volker Drell stellte ihm vorab einige Fragen:

Kann mit Blick auf die Eliten der Bundesre-


publik in den letzten zehn Jahren tatsäch- Volker Drell befragt Eike Bohlken zu seinem neuen Buch, das am 17. Mai am fiph präsentiert wird.
lich von einem Elitenversagen gesprochen
werden? Was ist falsch am Paradigma der
Funktionseliten?
Die immer gebräuchlicher werdende Rede
von einem „Elitenversagen“ bezieht sich Ersetzen verantwortliche Eliten die Bür- gen, aber auch eine basale Schulbildung
auf den Eindruck, dass Politiker oder Mana- gergesellschaft? und eine Rechtsordnung, die z.B. das Recht
ger den Blick für das gesellschaftliche Gan- Nein. Ich gehe zwar davon aus, dass es be- auf Leib und Leben schützt. Diese existenz-
ze verloren haben und nur noch als Agen- sondere Gemeinwohlpflichten der Eliten notwendigen Güter müssen jedem Mit-
ten ihrer eigenen Interessen oder der Inte- in den verschiedenen gesellschaftlichen glied des Gemeinwesens zur Verfügung
ressen ihrer Klientel auftreten. Diese Beob- Teilsystemen gibt; daneben bestehen aber stehen. Alles, was darüber hinausgeht,
achtung scheint mir in vielen Fällen zuzu- auch allgemeine Gemeinwohlpflichten kann nur in demokratischen politischen
treffen. Das Problem des Paradigmas der sämtlicher Bürger, wie die Pflicht, von ih- Abstimmungen beschlossen werden.
Funktionseliten liegt darin, dass es genau rem Wahlrecht Gebrauch zu machen und
diese Haltung fördert. Zwar ist es richtig, sich entsprechend über das politische Ge- Wie reagieren Sie auf „realistische“ Theo-
zwischen den Eliten und den Eigengesetz- schehen zu informieren, oder die Pflicht, rieansätze, die bei steigender Macht kei-
lichkeiten der verschiedenen gesellschaft- keine umweltschädlichen Produkte zu nen Zusammenhang zu einer gesteiger-
lichen Teilsysteme zu differenzieren. Die kaufen. Zudem schließt mein Begriff von ten Bereitschaft verantwortlichen Han-
oft unausgesprochen dahinter stehende Elite auch die Führungsspitzen einfluss- delns sehen?
These, dass das Gemeinwohl am besten reicher Sozialer Bewegungen als „Gegene- Meine Theorie ist zwar insofern ideal, als
gefördert werde, wenn jeder in seinem Be- liten“ mit ein. sie aus ethisch-normativer Perspektive
reich das tut, was er am besten kann, ist nach den Ermöglichungsbedingungen eines
jedoch gefährlich. Sie führt zu einer Ent- Besteht mit der Rückkehr zum Gemein- guten Gemeinwesens fragt und dabei eine
normativierung des Gemeinwohlbegriffs wohlbegriff nicht die Gefahr, dass den Reihe von Gemeinwohlpflichten postuliert.
und damit im Extremfall zu einem Zustand Bürgern allgemeine Ansprüche unter- Hinsichtlich der Motivation zur Erfüllung
organisierter Unverantwortlichkeit. stellt werden, die sie gar nicht haben? derselben ist sie aber durchaus realistisch:
Zu den Einwänden, die gegen den Ge- Gemeinwohlpflichten lassen sich nicht zu-
Worin besteht die Verantwortung der Eliten? meinwohlbegriff als zentrale Kategorie letzt dadurch von Tugendpflichten unter-
Zu einer Elite gehören für mich Menschen, der politischen Ethik erhoben worden scheiden, dass sie nicht aus einer genuin
denen es gelungen ist, in einem Auswahl- sind, zählen die Vorwürfe, er sei inhaltlich moralischen Gesinnung heraus erfüllt wer-
prozess aufgrund persönlicher Leistungen unterbestimmt, ideologisch oder gar pa- den müssen. Eine Erfüllung aus Eigeninte-
Führungspositionen in wichtigen sozialen ternalistisch. Um diesen Einwänden zu resse ist völlig ausreichend. Um dieses in
Institutionen zu erreichen, die mit beson- begegnen, habe ich einen Begriff des Ge- die richtigen Bahnen zu lenken, bedarf es
derer Macht oder besonderem Einfluss ver- meinwohls zugrunde gelegt, der bei den aber eines Systems von checks and balan-
bunden sind. Da die Eliten damit ein be- existenziellen Bedürfnissen jedes Men- ces, in dem auch dem sozialen Druck einer
sonderes Potenzial zur Gestaltung des Ge- schen ansetzt. Das basale Gemeinwohl, kritischen Öffentlichkeit eine große Rolle
meinwesens besitzen, kann man ihnen wie ich es nenne, umfasst all diejenigen zukommt.
auch eine besondere Verantwortung für Güter, die ein Mensch als in Gemeinschaft
das Gemeinwohl, genauer: für die Herstel- lebendes Natur-Kultur-Wesen braucht,
lung, Bereithaltung und langfristige Siche- um sich in seiner Existenz zu erhalten, Ort: Vortragsraum des fiph,
rung einer Reihe von Gemeinwohlgütern also etwa Nahrungsmittel und Trinkwas- Gerberstraße 26, 30169 Hannover
zuschreiben. ser, lebenszuträgliche Umweltbedingun- Eintritt frei

10 fiph j o u r n a l
fiph Ausblick

Meisterkurs kong, Louvain-la-Neuve, San José, New scheiden ist, lässt sich weder aus Eigenem
York, Prag, Rom, Rotterdam und Wien. Bern- herleiten, noch in ein Ganzes integrieren.
Antwort auf das hard Waldenfels gilt als einer der wich-
tigsten Vertreter der Phänomenologie in
Autonomie des Subjekts und Universalan-
spruch der Vernunft stoßen an ihre Grenze,
Fremde. Grundzüge Deutschland. Seine Arbeitsschwerpunkte wenn sich etwas so zeigt, dass es sich un-
sind: Phänomenologie und neuere franzö- serem Zugriff entzieht. Die stetige Beunru-
einer responsiven sische Philosophie sowie spezielle Themen higung, die davon ausgeht, provoziert An-
Phänomenologie wie Lebenswelt, Leiblichkeit, Fremdheit, Re-­
sponsivität, Bild, Phänomenotechnik, Ort
eignung und Abwehr. Die responsive Phä-
nomenologie sucht indessen nach einer
und Raum. kreativen Form des Antwortens, die sich
Philosophischer Meisterkurs mit
Veröffentlichungen in Auswahl: Phänomeno- den überraschenden Ansprüchen des Frem-
Prof. Dr. Bernhard Waldenfels (Bochum)
logie in Frankreich (1983); Ordnung im Zwie- den aussetzt. Dies betrifft Umbrüche im
vom 19. bis 23. September 2011
licht (1987); Der Stachel des Fremden (1990, persönlichen Leben wie auch Erfindungen,
in der Evangelischen Bildungsstätte
³1998); Antwortregister (1994); Deutsch- Revolutionen und kulturelle Neuerungen.
auf Schwanenwerder, Berlin.
Französische Gedankengänge (1995); Topo- Dabei verteilt sich das Fremde auf verschie-
graphie des Fremden (1997); Das leibliche dene Dimensionen. Wir erfahren es am ei-
Selbst (2000); Bruchlinien der Erfahrung genen Leib, im Unbewussten, im Körperge-
(2002); Phänomenologie der Aufmerksam- schehen. Es begegnet uns im Angesicht des
keit (2004); Idiome des Denkens (2005); Anderen, im fremden Blick und in der frem-
Grundmotive einer Phänomenologie des Frem- den Stimme. Als Außerordentliches beglei-
den (2006); Schattenrisse der Moral (2006); tet es jede Ordnung wie ein Schatten. Es
Philosophisches Tagebuch (2008); Ortsver- bildet ein Bezugs- und Konfliktfeld zwi-
schiebungen, Zeitverschiebungen (2009); schen Geschlechtern, Sprachen und Kul-
Sinne und Künste im Wechselspiel (2010). turen. Fremde begegnen uns als Gast auf
der Schwelle, als Feind vom anderen Ufer.
Das Thema: Im Mittelpunkt des Kurses ste- Barbaren, Ungläubige und Wilde, Emigran-
hen Fragen wie: Auf welche Weise und un- ten und Asylanten gehören zur Politik des
Bernhard Waldenfels ist Professor emeritus für ter welchen Voraussetzungen begegnet Fremden. Fremdes, das Tag für Tag auf-
Philosophie an der Universität Bochum. uns das Fremde? Welche Ansprüche gehen taucht, wenn uns etwas auffällt oder ein-
von ihm aus? Wie verkörpert es sich? Diese fällt, gipfelt schließlich in der Aufmerksam-
Der Meister: Bernhard Waldenfels, geb. Fragen werden aus der Sicht einer respon- keit. Die Aufmerksamkeit, die wir schenken,
1934, ist Professor emeritus für Philoso- siven Phänomenologie erörtert. Radikal berührt sich mit der Achtung, die wir Ande-
phie an der Ruhr-Universität Bochum und Fremdes, das von allem relativ Unbekann- ren schulden. Hier entspringt eine respon-
lehrte als Gastprofessor in Debrecen, Hong- ten und Unverständlichen wohl zu unter- ➤ Fortsetzung S. 13

n e u e r s c h e in u n g

Die Verantwortung der Eliten


Immer häufiger ist von einem Versagen der Eliten die Rede. Was für
Eliten aber brauchen wir? Eike Bohlken entwickelt eine philosophisch-
normative Elitentheorie, die den Eliten der verschiedenen gesell-
schaftlichen Teilbereiche aufgrund ihrer Macht eine besondere Ver-
antwortung für das Gemeinwesen zuschreibt. Maßstab dieser Verant-
wortung ist der Begriff des Gemeinwohls, der gegen eine Reihe von
Einwänden als Grundbegriff der politischen Ethik verteidigt wird. Auf Eike Bohlken:
seiner Basis wird eine Theorie der Gemeinwohlpflichten herausgear- Die Verantwortung der Eliten. Eine
beitet und anhand der spezifischen Anforderungen an die Eliten in Theorie der Gemeinwohlpflichten,
den Bereichen von Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Kunst Frankfurt a.M./New York: Campus
und Religion konkretisiert. 2011, 445 Seiten, 39,90 Euro

j o u r n a l fiph 11
Hannover
Philosophie
fiph ausblick

Institut für
Forschungs

Um Ihnen einen besseren Überblick über unsere Veranstaltungen zu ermöglichen, haben


wir eine Terminübersicht für Sie zusammengestellt:

fiph-Terminübersicht Sommer 2011


Di 10.05. Mi 22.06.
Wie Sie uns erreichen fiph-Fellows I Vorlesung Bohlken/Manemann:
Das Forschungsinstitut für Vortrag Marie Kajewski: „Wahrheit Globale Ethik
Philosophie Hannover ist vom und liberale Demokratie“ (19:30 Uhr)
Hauptbahnhof aus leicht zu (18:00 Uhr)
Fuß zu erreichen (15 Minuten): Di 28.06.
Vom Hauptbahnhof halb rechts Mi 11.05. fiph-Fellows III
(rechts am Kaufhof vorbei) in die Beginn Vorlesung Bohlken/ Vortrag Dr. Yoko Arisaka: „Nishidas
Schillerstraße. In der Georgstra- Manemann: Globale Ethik Philosophie der Erfahrung: Eine Ein-
ße halb rechts bis Steintor, dort (19:30 Uhr) führung in die moderne japanische
halb links in die Münzstraße, die Philosophie“
in die Goethestraße übergeht. Di 17.05. (18:00 Uhr)
Nach der Leine-Brücke rechts Buchpräsentation PD Dr. Eike
(Brühlstraße). Nach weiterer Bohlken: „Die Verantwortung der Mi 29.06.
Leinebrücke links in die Ander- Eliten. Eine Theorie der Gemein- Vorlesung Bohlken/Manemann:
tensche Wiese. wohlpflichten“ Globale Ethik
(18:00 Uhr) (19:30 Uhr)
Das FIPH ist das Gebäude mit
weiß-rosa Streifen an der Ecke
Mi 18.05. Di 05.07.
Gerberstraße/Andertensche
Vorlesung Bohlken/Manemann: fiph-Fellows IV
Wiese.
Globale Ethik Vortrag PD Dr. Karen Joisten:
(19:30 Uhr) „Wider die Geschichtenvergessen-
heit. Zu Wilhelm Schapps
Mi 25.05. ,Philosophie der Geschichten‘“
Vorlesung Bohlken/Manemann: (18:00 Uhr)
Globale Ethik
(19:30 Uhr) Mi 06.07.
Abschluss Vorlesung Bohlken/Mane-
Mi 01.06. mann: Globale Ethik
Vorlesung Bohlken/Manemann: (19:30 Uhr)
Globale Ethik
(19:30 Uhr) Mi 13.07.
Vortrag PD Dr. Eike Bohlken:
Di 07.06. „Von der Technikfolgenabschätzung
fiph-Fellows II zur Technikbewertung – Warum die
Vortrag PD Dr. Andreas Hetzel: „Evo- Philosophie bei der Energiewende
lutionäre Verantwortung. Biologische ein Wörtchen mitzureden hat“,
und ethische Aspekte“ (18:00 Uhr) Universität Hannover, Hauptgebäude,
B 305 (18:15 Uhr)
Mi 08.06.
Vorlesung Bohlken/Manemann: Sa 10.09.
Globale Ethik Preisverleihung für die Essayfrage
(19:30 Uhr) 2011 „Können Bilder Argumente
sein?“, Dombibliothek Hildesheim
Mi 15.06.
Vorlesung Bohlken/Manemann: 19.-23.09.
Forschungsinstitut
für Philosophie Hannover Globale Ethik Philosophischer Meisterkurs mit
(19:30 Uhr) Prof. Dr. Bernhard Waldenfels, Berlin
Gerberstraße 26
30169 Hannover
Fon (05 11) 1 64 09-30
Fax (05 11) 1 64 09-35
kontakt@fiph.de
12 fiph j o u r n a l
www.fiph.de
fiph Ausblick

sive Form der Ethik, die jeder Ziel- und Nor-


Projekt höchst bedeutsame Möglichkeiten für Er-
methik zuvorkommt. kenntnis-, Wissenschafts- und Handlungs-
theorie, die in den tiefenpsychologischen
Informationen zur Teilnahme finden Sie Das Denken der Reflexionen des Wengener Kreises aufschei-
auf unserer Website www.fiph.de nen. Deren auch philosophisch beeindru-
Großstadt ckende Reflexionen eröffnen die Möglich-
Ein Projekt von Wolfgang Gleixner keit einer Radikalisierung des Lebenswelt-
begriffs in der Moderne: Die Lebenswelt rea-
preisverleihungs- lisiert sich als Großstadt, die als Gestalt und
Gestaltung (Bestimmungsgrund) der mo-
tagung
dernen Existenz zu verstehen ist. Als inter-
nalisierte Lebenswirklichkeit ist sie die Be-
Können Bilder dingung der Möglichkeit des Daseins der
Moderne. Diese Reflexionsform markiert ein
Argumente sein? transzendentales Denken, das sich von je-
dem Idealismus löst. Husserls Forderung,
Wolfgang Gleixner ist seit dem 01. Oktober 2010 systematisch zu denken, wendet sich damit
Wissenschaftlicher Referent am fiph. selbst gegen Husserls idealistisch gerichte-
te Phänomenologie. Der phänomenologi-
Meine Überlegungen zum Denken der sche, auf das Wesentliche gerichtete Blick
Großstadt verstehen sich als Konkretisie- erstreckt sich auf das notwendige Verhältnis
rung der Lebenswelt-Theorie Husserls. Die und Verhalten im Hier und Jetzt: auf den
Lebenswelt ist das von den Wissenschaften Menschen und seine wirklich-wesentliche
unbedacht vorausgesetzte Sinnfundament. Lebenswelt, die Großstadt.
Die Preise für die diesjährige Wissenschaft- Der Mensch, sein Handeln und Denken (sei- Von einer solchen nicht anthropologischen,
liche Preisfrage werden am 10. September ne Wirklichkeiten und seine Möglichkeiten) sondern ontologischen Daseinsanalyse geht
2011 im Rahmen einer Festveranstaltung bewegen sich „selbstverständlich“ in die- der phänomenologische Blick weiter auf
in der Dombibliothek Hildesheim verlie- sem Horizont. Husserl hat diesen Zusam- die Gestaltungen dieser konkreten Daseins-
hen. Informationen zu den Preisträgern so- menhang in seiner Spätschrift „Die Krisis wirklichkeit. Diese Gestaltungen (Bilder,
wie das Programm der Veranstaltung fin- der europäischen Wissenschaften und die Symbole, Rituale sowohl der Kunst, der Reli-
den Sie ab Anfang August auf unserer transzendentale Phänomenologie“ entfal- gion als auch des Miteinander) lese ich als
Website unter www.fiph.de. tet. Die Theorie der Lebenswelt bietet ‚Reflexionen‘ großstädtischer Existenz.

Das fiph auf Vortragsreise – eine kleine Auswahl

Dr. Yoko Arisaka PD Dr. Andreas Hetzel


Philosophischer Universalismus bei Nishida und die Politisierung der Grenzen. Eine radikaldemokratische
Abgründe der Macht. Internationale Tagung: Kitaro Perspektive? „Crossing borders – Grenzen (über)denken“,
Nishida (1870-1945) in der Philosophie des 20. Jahr- 9. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für
hunderts. Zum 100. Erscheinungsjubiläum der Studie Philosophie Wien, 02.-04. Juni 2011
über das Gute (Zen no kenkyu, 1911), 05.-09. September
2011, Universität Hildesheim Prof. Dr. Karen Joisten
Virtue ethics – a call and challenge for any athlete
PD Dr. Eike Bohlken International Conference of the European Association of
Von der Technikfolgenabschätzung zur Technikbewer- Philosophy of Sport, Prag, 19.-21. Mai 2011
tung – Warum die Philosophie bei der Energiewende ein
Wörtchen mitzureden hat. Ringvorlesung „Transformati- Prof. Dr. Jürgen Manemann
on des Energiesystems“ der Universität Hannover, Political Theology in a Globalising World
13. Juli 2011 Universität Leuven, 4. Mai 2011

j o u r n a l fiph 13
pro & contra

pro&contra

pro: Herfried Münkler


Herfried Münkler ist Professor für Theorie der Politik
an der Humboldt Universität zu Berlin.

Wenn von Helden die Rede ist, wird gerne der selbst wenig helden- Schlachtenlärm, sondern um Mut und Leidensbereitschaft, die hier
hafte Brecht zitiert: Als bekannt wird, dass Galilei sich den Forde- mit dem Eintreten für die Wahrheit verbunden sind. Unglücklich
rungen der päpstlichen Kurie gebeugt und widerrufen hat, ruft der das Land, in dem es Mut und Leidensbereitschaft braucht, um für
enttäuschte Andrea aus: „Unglücklich das Land, das keine Helden die Wahrheit oder ethische Werte einzutreten. Aber dieses Un-
hat.“ Galilei selbst akzentuiert sein Entscheidungsdilemma etwas glück wird nicht durch den Verzicht auf Heldentum, sondern durch
anders: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“ Diese Fest- dessen massenhaftes Auftreten überwunden. Nach der friedlichen
stellung wird gerne zitiert, wenn man etwas gegen das Erfordernis Revolution in der DDR war von der „Heldenstadt“ Leipzig die Rede,
von Helden sagen will. Aber so ist sie eigentlich nicht zu verstehen. weil die Menschen dort bei den Montagsdemonstrationen die
Gegen Andrea besteht Galilei darauf, dass das Unglück eines Lan- Angst überwunden hatten, die ihnen vom Regime eingebleut wor-
des nicht im Fehlen, sondern im Erfordernis von Helden liegt. Doch den war. Und weil das nicht nur ein paar Wenige, sondern Viele und
das Unglück, auf Helden angewiesen zu sein, lässt sich nicht da- schließlich immer mehr taten, ist es ihnen gelungen, das Regime
durch aus der Welt schaffen, dass man der Bewältigung schwie- ohne Gewaltanwendung zu Fall zu bringen. Das Glück der Selbst-
riger Konstellationen die Helden verweigert. Keiner hat das besser befreiung wäre ohne den Mut und die Leidensbereitschaft dieser
gewusst als Brecht. Freilich hat er auch gewusst, dass er selber zum Menschen nicht eingetreten.
Helden nicht taugte. Deswegen hat er sich mit Galilei identifiziert. Heldentum ist eine außergewöhnliche Disposition, und sie soll
Politische Konstellationen und Herausforderungen folgen nicht auch nicht alltäglich werden. Alltäglich ist der Austausch von
unbedingt den Imperativen der Glücksgarantie für ein bestimmtes Äquivalenten, bei dem die Tauschenden ihren jeweiligen Vorteil
Land. Man muss gerüstet sein, auch weniger glückliche Konstellati- im Auge haben. Heldentum dagegen beruht nicht auf Tausch-,
onen bewältigen zu können – und dafür braucht man mitunter sondern auf Opferbereitschaft, insofern hier mit dem eigenen Le-
Helden. Helden sind also zu definieren als die Unglücksbewälti- ben etwas eingesetzt wird, wofür es kein Äquivalent gibt. Helden-
gungsreserve eines Landes. Man muss sich mit ihnen nicht brüsten tum ist die Bereitschaft, etwas einzusetzen, das buchstäblich unbe-
oder gar gegenüber Anderen hervortun. Aber man ist gut dran, zahlbar ist. Dies kann auch in Situationen erforderlich sein, in de-
wenn man in Situationen, wo es der Helden bedarf, auf diese zu- nen das Leben Einzelner oder Mehrerer in großer Gefahr ist. Glück-
rückgreifen kann. lich das Land, das in solchen Situationen auf die Bereitschaft Ein-
In der Vergangenheit ist das Bild des Helden vor allem durch das zelner zum Heldentum bauen kann.
Kriegsgeschehen geprägt worden. Aber das ist keineswegs zwin-
gend. In Brechts „Galileo Galilei" geht es in dem Disput über Un-
glück und Heldentum bekanntlich nicht um Kriegsruhm und

14 fiph j o u r n a l
pro & contra

Brauchen wir Heroen?

contra: Franziska Martinsen


Franziska Martinsen ist Doktorin der Philosophie und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut
für Politikwissenschaft der Leibniz Universität Hannover.

Die mediale Inszenierung von Politik und Ökonomie scheint auf Mensch „opfern“! Die demokratische Gesellschaft – vorausgesetzt,
Helden nicht verzichten zu können. Was aber macht Heroen so at- sie kommt mit der Pluralität ihrer Mitglieder zurecht und affirmiert
traktiv, dass sie immer wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt diese eventuell um ihrer selbst willen – verlangt nicht nach der Ex-
werden, in die sie von Aufklärung, Liberalisierung und Gleichbe- klusivität einer Heldenkaste, die von „den anderen“ vergöttert wird.
rechtigung verbannt worden waren? Der Mythos des Helden speist Die demokratische Gesellschaft sollte sich um die Inklusion aller,
sich aus seinen herausragenden, nicht-alltäglichen, „titanischen“ und zwar in ihrer jeweiligen Besonderheit, bemühen. Das mag zwar
Taten. Im Kern besteht seine Rolle in der mutigen Opferbereit- wenig glamourös klingen, muss aber nicht unspannend sein: Der
schaft für das Kollektiv. Welches Opfer jedoch sollte eine moderne Umgang mit Besonderheiten von Individuen und Gruppen kann
demokratische Gesellschaft von Helden verlangen können, das sich mitunter via Streit, Dissens, ja, durchaus in Kämpfen ausdrü-
„wir“ tatsächlich bräuchten? cken. Entscheidend ist dabei, dass diese Auseinandersetzungen
Das Problematische am Opfergedanken ist nicht nur sein Hang zur weder von Siegertypen dominiert noch durch deren glorreiche Ta-
Märtyreridee, die eine merkwürdige Teilung der Gesellschaft in ten – und damit „von oben“ – legitimiert werden müssen, um als
eine ruhmreiche und ehrwürdige Elite und eine mittelmäßige Mas- wert- und verdienstvoll zu gelten.
se zur Folge hat. Selbst Wendungen wie „stille Helden“, „Helden der Heldenskepsis zieht immer den Verdacht des Neids auf sich. Das
Arbeit“ oder gar „Helden der Liebe“ können die dem Opfergedan- mag Richard Rortys Auffassung, dass die Demokratie eher fade und
ken inhärente, unheilvolle Dichotomie, durch die die einen zu Akti- unheroische Charaktere hervorbringe, geschuldet sein. Jedoch hat
onismus, die anderen zu Anbetung verurteilt werden, nicht aufbre- er sicherlich Recht damit, dass dieser Preis letztlich angemessen für
chen. Es ist ein Irrglaube, dass Helden durch ihre außergewöhn- die politische Freiheit innerhalb liberaler Demokratien ist. Was wir
lichen Handlungen erst heroisiert würden. Genau anders herum also vielmehr brauchen, sind Rebellen des Alltags, egal ob hero-
verhält es sich – und darin liegt eine Gefahr des Opfergedankens ischen oder durchschnittlichen Charakters. Menschen, die sich im-
für die Demokratie: dass Wert und Berechtigung eines (vermeint- mer wieder einmischen in politische und gesellschaftliche Prozesse,
lichen) Opfers durch Tat und Aura des Helden verschleiert und der weil sie sich bewusst darüber sind, dass demokratische Freiheit kei-
kritischen Reflexion entzogen werden. Gewinnertypen müssen sich ne Kampftrophäe ist, sondern in unzähligen und vielerorts unspek-
nicht rechtfertigen. Und Heroen sind nun einmal per definitionem takulären Aktionen stets aufs Neue zu erringen und zu bewahren
keine Verlierer. Diese Heldenlogik, die sich nicht zuletzt auch nach ist.
wie vor in für das Geschlechterverhältnis blamablen Stereotypen
niederschlägt, verträgt sich nicht mit den Gleichheits- und Partizi-
pationspostulaten moderner Demokratien. Für sie muss sich kein

j o u r n a l fiph 15
fiph Rückblick

fiph Rückblick
Vortrag

Ethik zwischen
den Kulturen

R I N GVor l e s u ng ner Erziehung ohne Zwang erreicht zu ha-


ben. Die Forderungen nach Zucht und Un-
terweisung verfehlten meist die Frage nach
Freiheit und Disziplin einer vorbildhaften natürlichen Autorität,
Vorschläge für eine Reform der Bildung die für ihr Ziel der Bildung moralischer Per-
– Hannoversche Zwischenrufe 2010 sönlichkeiten nicht auf das Mittel der Stra-
fe angewiesen sei. Eike Bohlken bei seinem Vortrag zu den Grund-
Die Ökumenische Ringvorlesung 2010 stell- Am 27. September stellte Bernhard Bueb, lagen einer interkulturellen Ethik.
te sich die Frage, wie wir unseren Kindern langjähriger Leiter der Schule Schloss Salem
Fähigkeiten vermitteln, die sie befähigen, und Autor des Bestsellers „Lob der Diszi- Am 18. November, dem Welttag der
ein Selbst auszubilden, sich sinnhaft zu ver- plin“, seine Vorschläge für eine Reform der Philosophie, für den die UNESCO den
wirklichen und Zukunft zu gestalten. Frei- Bildung vor. Anders als Brumlik setzte er auf Schwerpunkt „Interkulturalität“
heit und Disziplin waren die Leitbegriffe, strikte Grenzziehungen, die für ein Leben in empfohlen hatte, hielt Eike Bohlken am
von denen aus die Frage nach einer zu- einer Schulgemeinschaft notwendig seien. fiph einen Vortrag zu den Grundlagen
kunftsfähigen Reform der Pädagogik und Zur Einhaltung seien auch Disziplinierungs- einer interkulturellen Ethik.
Bildung diskutiert wurde. Zwei bekannte, in maßnahmen notwendig, die von den Schü-  
ihren Positionen stark gegensätzliche Au- lerinnen und Schülern nicht als einengend Im Anschluss an die Klärung von Grundbegrif-
toren aus Wissenschaft und Erziehungspra- empfunden würden. Diese müssten aber al- fen wie „Kultur“, „kulturelle Differenz“, „Multi-
xis nahmen dazu Stellung. Als Ort des zeit- tersgerecht angewandt werden, gehe es kulturalität“ und „Interkulturalität“ wurde ein
lich versetzten Schlagabtausches war die doch um die Freisetzung, nicht um die Modell skizziert, das es ermöglichen soll, Kon-
St. Ursula-Schule Hannover gewählt wor- Knechtung des Individuums. Einig, so Bueb, flikte zwischen Menschen, die sich verschie-
den, um dem konkreten Bildungsgesche- sei er mit Brumlik in dem Ziel der Bildung denen Kulturen zugehörig fühlen, einer mo-
hen und den von diesem „Betroffenen“ selbstständiger, charakterlich gefestigter ralphilosophischen Beurteilung zu unterzie-
möglichst nahe zu sein. Persönlichkeiten. Anders als dieser halte er hen. Bohlken ging davon aus, dass es eine
Zunächst trat am 20. September der Frank- jedoch an der Ausrichtung an konservativen Reihe universell verstehbarer Kulturgebiete
furter Erziehungswissenschaftler und Phi- Werten und an dem Verständnis von Leh- oder Sinnhorizonte – wie Wissenschaft, Ethik,
losoph Micha Brumlik als Verteidiger re- rern als Autoritäten fest. Kunst und Religion – gebe, vor deren Hinter-
formpädagogischer Vorstellungen auf den grund konkrete Normen und kulturelle Prak-
Plan, wie sie im Anschluss an die Bewe- Die Hannoverschen Zwischenrufe 2010 tiken verschiedener Kulturgemeinschaften
gung der 68er entwickelt worden sind. Er wurden vom fiph gemeinsam mit der Evan- aufeinander bezogen werden könnten. Die
betonte die Leistung der Reformpädago- gelischen Regional- und Stadtakademie im Zusammenführung dieser Sinnhorizonte eta-
gen, gegenüber der vorgefundenen und Sprengel Hannover e.V., der Evangelischen bliere ein Ideal der „kulturellen Autonomie“
zum Teil am eigenen Leibe erlebten autori- Akademie Loccum und der St. Ursula-Schu- als der Freiheit eines Menschen, sich in allen
tären Fassung des Lehrer-Schüler- wie des le Hannover veranstaltet. Finanziell geför- von ihnen betätigen zu können. Eine Grenze
Eltern-Kind-Verhältnisses eine weitgehen- dert wurde die Ringvorlesung durch die finde diese Autonomie nur an dem Maßstab
de emotionale Akzeptanz für das Ideal ei- „Marktbuchhandlung“. der „interkulturellen Sittlichkeit“. Diese ma-
che es notwendig, Wertvorstellungen, Nor-
men und Sitten von Mitgliedern eines Ge-
meinwesens daraufhin zu überprüfen, ob sie
mit der kulturellen Autonomie von Mitglie-
dern, die sich anderen Kulturgemeinschaften
zugehörig fühlen, in Einklang stehen. In der
lebhaften Diskussion ging es vor allem um
Fragen der Integration. Bohlken lehnte die
Vorstellung einer Leit- oder Dominanzkultur
ab und forderte ein offenes Verständnis von
Integration, das in Orientierung an den Maß-
stäben der kulturellen Autonomie und der in-
terkulturellen Sittlichkeit potenziell allen Be-
Micha Brumlik verteidigt die Reformpädagogik. teiligten Zugeständnisse abverlange.

16 fiph j o u r n a l
fiph Rückblick

W or ks h op de Generation der Menschen etwa sei in n e u e r s c h e in u n g


diesem Sinne nicht hinreichend bestimmt.
Eine Ausweitung von Pflichten in eine zeit-
Grammatik der Genera- lich unbestimmte Zukunft verbiete sich da-
tionengerechtigkeit her. Für die präzise Festlegung intergenera-
tioneller Rechte sei es weiterhin wichtig,
sie in Rechte und Pflichten innerhalb einer
Generation zu übersetzen, damit klar wer-
de, welche Individuen belastet bzw. berech-
tigt sind. Es liege im Konzept der Generati-
on selbst, dass bei dieser Zuteilung norma-
tiv von einem Egalitarismus ausgegangen
werden müsse. Der verpflichtende Grund
sei nämlich die Zugehörigkeit zu einer Ge-
neration – und nichts anderes.
Zeit ist für die Generationengerechtigkeit
eine zentrale Kategorie. Die gramma-
Matthias Möhring-Hesse, Professor für philoso-
phische und theologische Grundlagen des sozialen tischen Vorgaben verlangten daher auch
Handelns an der Hochschule Vechta, veranstaltete eine Bezugnahme und Anerkennung der Sabine Schößler:
in Kooperation mit dem fiph einen Workshop zeitlichen Reichweite der postulierten ethi- Der Neopragmatismus von Hans
zum Thema Generationengerechtigkeit. schen Ansprüche. Wie bei anderen politisch Joas. Handeln, Glaube und Erfahrung.
ausgerichteten Konzepten könnten die Münster: Lit 2011,
Am 2. und 3. Dezember 2010 fand am Gründe für die Ansprüche nur von leben- ca. 210 Seiten,
fiph ein Workshop zu den Ergebnissen den Personen anerkannt werden. Ein sinn- 19,90 Euro
eines Forschungsprojektes über die voller Gebrauch müsse daher die Reichwei-
logischen Restriktionen des Konzeptes te der Verpflichtungen angeben.
intergenerationeller Gerechtigkeit statt. Am Ende wurde noch die Schwierigkeit dis- Der Neopragmatismus
Im Rahmen des durch die Hans Böckler kutiert, ob und inwiefern die Verwendung von Hans Joas
Stiftung geförderten Projektes präsen- des Generationenbegriffs bei der Bestim-
tierte Matthias Möhring-Hesse den mung von Gerechtigkeitsforderungen über- Hans Joas ist einer der international
Teilnehmern/innen seine umfangreiche haupt sinnvoll sein könne. So stünden sich bedeutendsten deutschen Soziologen
Ausarbeitung zu einer Grammatik der mit Blick auf die sozialen Sicherungssysteme
der Gegenwart und einer der profilier-
Generationengerechtigkeit. keine „Generationen“ mit ihren Forderungen
testen Vertreter des Neopragmatis-
gegenüber. Vielmehr verliefen Ansprüche,
mus. In der prägnanten und gut
Eine Grammatik der Generationengerech- Forderungen und Leistungen entlang sozia-
lesbaren Arbeit führt Sabine Schößler,
tigkeit soll es ermöglichen, sinnvolle von ler und ökonomischer Faktoren, die nur we-
Leiterin des Referats für Bildung,
nicht-sinnvollen Verwendungsweisen des nig Überschneidung mit der Generationen-
Kultur und Medien im Generalsekreta-
Begriffes im politischen und wissenschaft- zugehörigkeit hätten. Bedürftigkeit und Lei-
stungsfähigkeit seien hier ausschlagge- riat des Zentralkomitees der deut-
lichen Diskurs zu unterscheiden. Fehler
könnten besser erkannt, genauer identifi- bender als die Zugehörigkeit zu derselben schen Katholiken, erstmalig in die
ziert und gemäß Harry Frankfurt als „Bull- Alterskohorte. Das Konzept der Generatio- Grundzüge seines Neopragmatismus
shit" gebrandmarkt werden. Ein sinnvoller nengerechtigkeit führe in diesem Zusam- ein und rekonstruiert die Entwicklung
Gebrauch zeichne sich durch den Gebrauch menhang eher zu einer Vernebelung als zu seines Denkens. Als tragende Säulen
von vier Dimensionen aus. Diese seien: a) einer Klärung der realen Konfliktlinien. der Joas’schen Sozialtheorie kommen
Generationen und ihr Verhältnis zueinan- dabei eine systematische Handlungs-
der, b) intergenerationelle Rechte und Teilnehmer/innen theorie, die am Konzept eines
Pflichten, c) intragenerationelle Rechte Eike Bohlken (Hannover/Tübingen), kreativen Handelns ausgerichtet ist,
und Pflichten und d) der Zeitbezug der je- Dieter Birnbacher (Düsseldorf), sowie eine auf die Entstehung von
weiligen Verbindlichkeiten. Werde eine Di- Uwe Daher (Vechta), Werten fokussierte Ethik in den Blick.
mension unbestimmt gelassen, so komme Volker Drell (Hannover), Joas’ zentrale religionssoziologische
es zu Fehlern und Unklarheiten, die poli- Felix Ekardt (Rostock), Thesen werden ebenso entfaltet wie
tisch missbraucht werden können. Hermann-Josef Große Kracht (Darmstadt), sein Verständnis von Menschenwürde
Beispielhaft für einen grammatischen Feh- Anna Maria Hauk (Hannover), und der Entstehung von Menschen-
ler sei es, einer weit in der Zukunft gebore- Friedrich Heckmann (Hannover), rechten.
nen Generation Pflichten und Rechte zuzu- Thomas Klie (Freiburg),
schreiben. Innerhalb der ersten gramma- Jürgen Manemann (Hannover),
tischen Dimension könnten allein klar zu Christoph Mock (Vechta),
benennende Personengruppen Träger ent- Matthias Möhring-Hesse (Vechta), Das Buch erscheint im Mai 2011 in der
sprechender Rechte sein. Die letzte leben- Werner Veith (München). fiph-Buchreihe „Philosophie aktuell“.

j o u r n a l fiph 17
fiph Rückblick

F o r s c h u n g s pr oje k t Tag u ng schaft in dieser Entwicklung spielen könne,


war in der Diskussion teilweise heftig umstrit-

Habituelle Arbeitstagung des ten. Wegner interpretierte dabei die Übertra-


gung sozialstaatlicher Leistungen an Social
Unternehmensethik Ökumenischen Arbeits- Entrepreneurs als eine Wiederaneignung
spezifischer sozialer Fähigkeiten, die gerade
Mit einer Reihe von Kooperationspart- kreises Sozialethischer armen Menschen über die Zugangsschwellen
hin zu einer Selbstgestaltung des Lebens hel-
nern hat das fiph das Forschungsprojekt
„Habituelle Unternehmensethik“ ins
Institute in Frankfurt fen könne. Jürgen Manemann stellte sein
Leben gerufen. Unter Federführung von Modell einer politischen Ethik vor. Er betonte
Ulrich Hemel und Leitung von Andreas Die Arbeitstagung des Ökumenischen dabei im Anschluss an Jacques Rancière die
Fritzsche trafen sich die Mitglieder des Arbeitskreises Sozialethischer Institute besondere Aufmerksamkeit, die eine solche
Arbeitskreises im Dezember 2010 zu (ÖASI) fand dieses Jahr am 21. und 22. Ethik der Störung widmen müsse, die von
ihrer ersten Sitzung. Januar an der Hochschule St. Georgen in der Ohnmacht der Anteilslosen ausgehe.
Frankfurt am Main statt. Unter den Andreas Hetzel bereicherte die Diskussion
Der Begriff des Habitus hat seine Wurzeln in Überschriften „Postdemokratie“ und durch einen Vortrag über radikale Demokra-
der Aristotelischen Tugendethik, spielt aber „Radikale Demokratie“ ging es um tietheorien. Sofern von einem Kern der unter
auch in der Philosophie des Mittelalters und aktuelle Ansätze aus dem Bereich der diesem Begriff zusammengefassten Ansätze
in der kritischen Soziologie Pierre Bourdieus Politischen Philosophie. gesprochen werden könne, liege er in der
eine wichtige Rolle. Moralphilosophisch These, dass die Mitte der Gesellschaft leer
steht er für die innere Haltung eines Men- Marie Kajewski diskutierte die zeitdiagnos- bleiben müsse. Die Rede von einem Zentrum
schen, aus der heraus dieser geneigt oder tische These von Colin Crouch, wir lebten in sei obsolet geworden, weil angesichts der
auch nicht geneigt ist, moralische Anforde- dem Zustand einer „Postdemokratie“. Dem- Komplexität der (welt-)gesellschaftlichen Ver-
rungen in seinem Handeln zu verwirklichen. nach litten die westlichen Gesellschaften un- hältnisse niemand mehr für sich beanspru-
Ziel des Forschungsprojektes ist es, auszu- ter erheblichen Demokratiedefiziten, da das chen könne, einen Überblick oder gar reale
loten, wie der Habitus zur Verwirklichung politische System zunehmend auf Output-Le- Steuerungsmöglichkeiten zu besitzen. Auch
eines moralisch guten Handelns innerhalb gitimation setze und so den gelebten Eigen- „vorpolitische“ Konzepte wie Gerechtigkeit
der Wirtschaft beschaffen sein müsste, um wert demokratischer Institutionen untergra- oder die Menschenrechte seien nicht mehr in
auf dieser Basis eine habituelle Unterneh- be. Dies betreffe Regierung, Parteienwesen der Lage, diese Leerstelle zu füllen. In der ab-
mensethik zu entwerfen. Die erste Sitzung und Medien gleichermaßen. Volker Drell the- schließenden Diskussion über die Tragfähig-
des Arbeitskreises diente der Planung des matisierte im Anschluss an Harald Welzer keit der Diagnose postdemokratischer Zu-
weiteren Vorgehens sowie der Verständi- und Claus Leggewie zwei gegenwärtige Pa- stände und der Forderungen radikaler Demo-
gung über verschiedene Aspekte des Habi- thologien westlicher Demokratien: die man- kratie ging es um die Frage, wie die Demokra-
tusbegriffs. Diskutiert wurden Referate von gelnde Repräsentation des Gemeinwohls tie als Prinzip gegen antidemokratische Kräf-
Ulrich Hemel („Wertelandschaften, Wirt- durch die Eliten und den Passivbürger der so- te verteidigt werden könne, um die Entste-
schaftsanthropologie, Menschenwürde“) und genannten Zuschauerdemokratie. Das zweite hungsbedingungen politischer Ordnung so-
Jürgen Manemann („Werte und Haltungen. Problem mache eine Art „Kulturrevolution wie um das Verhältnis realer und idealer De-
Unterwegs zu einer habituellen Unterneh- des Alltags“ erforderlich, die sich etwa an mokratiebegriffe. Die nächste ÖASI-Tagung
mensethik“). Fragen wie „Was für ein Mensch will ich gewe- wird im Januar 2012 erneut in Frankfurt am
sen sein?“ und „An welchen Bewegungen will Main stattfinden.
ich teilgenommen haben?“ orientieren kön-
ne. Gerhard Wegner stellte Überlegungen zur Teilnehmer/innen
Teilnehmer/innen Überwindung des paternalistischen Sozial- Eike Bohlken (Hannover/Tübingen), Uwe
Eike Bohlken (Hannover/Tübingen), staates an. Die Rolle, die die Bürgergesell- Daher (Vechta), Markus Demele (Frankfurt
Andreas Fritzsche (Hannover/Lüneburg),
Anna Maria Hauk (Hannover),
Ulrich Hemel (Berlin),
Marlene Kammerer (Berlin),
Thomas Köhler (Hannover),
Jürgen Manemann (Hannover),
Thomas Polednitschek (Münster),
Dieter Timm (Hannover).

Nähere Informationen zum Forschungs-


projekt finden Sie auf der Website www.
habituelleunternehmensethik.de oder
auf der fiph-Homepage www.fiph.de. Jürgen Manemann stellt sein Konzept einer politischen Ethik vor.

18 fiph j o u r n a l
fiph Rückblick

a.M.), Volker Drell (Hannover), Bernhard Veranstaltungen durchgeführt wurde, bot mische Herangehensweise noch gesteigert
Emunds (Frankfurt a.M.), Marianne Heimbach- genau für diese Fragen Raum zum Nachden- werden. Die einzelnen Veranstaltungen er-
Steins (Münster), Andreas Hetzel (Darmstadt/ ken und zur Diskussion miteinander. Damit hielten ihren Charme durch die individuelle
Hannover), Friedhelm Hengsbach (Ludwigsha- ging es zu den Anfängen der Philosophie Herangehensweise des jeweiligen Modera-
fen), Harry Jablonowski (Hannover), Marie- zurück, zum Staunen und Fragenstellen. tors, aber auch durch die aufgeschlossene
Christine Kajeweski (Hannover), Stefan Eine Frage, die allen vier Veranstaltungen und schnell miteinander vertraut gewor-
Leibold (Münster), Jürgen Manemann (Hanno- übergeordnet war, interessierte besonders: dene Teilnehmerrunde.
ver), Wolfgang Marhold (Münster), Andreas Was bedeutet das eigentlich alles? Ist Maxi- Insgesamt war das Philosophische Café
Mayert (Hannover) Matthias Möhring-Hesse mierung von Lust ein erstrebenswertes Ziel? auch deswegen ein Erfolg, weil andere Men-
(Vechta), Wolf-Gero Reichert (Frankfurt a.M.), Was interessiert die Philosophen an dem schen für das philosophische Denken be-
Franz Segbers (Marburg), Wolf von Nordheim Begriff der Arbeit? Gibt es überhaupt ein geistert und die philosophischen Gedanken
(Hannover), Thomas Wagner (Frankfurt a.M.), reines Glück? Sollen wir unentwegt an den zu den Menschen gebracht werden konnten.
Gerhard Wegner (Hannover). Tod denken? Das Moderatorenteam hat viele interessan-
Zur Beruhigung: Keine dieser und der vielen te Erfahrungen gemacht, neue Denkimpulse
anderen Fragen, die uns über den Weg lie- erhalten und letztlich von den Teilnehmern
Philosophisches Café fen, konnten in den Räumen des Masa bzw. gelernt, die Philosophie durch ihre Augen zu
des Maestro abschließend beantwortet wer- sehen. Da es noch viele Fragen gibt, steht
den. Trotzdem war die Neugier bei den Teil- bereits fest, dass es eine Fortsetzung im
Ein Ort des kreativen nehmern groß, und jede Veranstaltung nächsten Wintersemester geben wird.
brachte interessante Gedanken, die nach-
und freien Denkens wirkten. Im Philosophischen Café haben wir Mandy Dröscher studiert Philosophie
die Ruhe des Schreibens genutzt, um die an der Universität Hannover und ist
Von November bis Februar erprobte das Konzentration der Teilnehmer, die nicht nur Mitorganisatorin des Philosophischen Cafés.
fiph im Wintersemester 2010/11 jeden passive Zuhörer, sondern aktive Mitgestalter
zweiten Montag im Monat ein neues waren, zu bündeln und die Empfindsamkeit
Veranstaltungsformat. Im Philosophischen für das Thema zu fördern. Bilder, Musik, Zi-
Café, das für die vier Moderatoren Eike tate, kleine Texte, Geschichten und nicht zu-
Bohlken, Volker Drell, Mandy Dröscher und letzt eine inspirierende Café-Atmosphäre
Jürgen Manemann ein interessantes förderten das eigenständige Denken und
Experiment bedeutete, erlebten die brachten die philosophischen Themen nä-
Teilnehmer, dass komplexe Inhalte und her an die Lebenswelt. „Luströllchen“ (kleine
anschauliche Vermittlung sich nicht mit Schleifen versehene Textrollen zum
ausschließen. Thema „Was ist Lust?“), Schokolade und
Glückskekse zeigten, dass man auch augen-
Jeder Mensch kann philosophieren, weil die zwinkernd Philosophie betreiben kann. Die
existenziellen Fragen des Lebens jeden Ernsthaftigkeit, die jedes der Themen ver-
Menschen betreffen. Das Philosophische dient hat, ging trotz aller Kreativität nicht Beiwerk oder Bedingungsgüter? Die Tischdekoration
Café, das vom fiph zum ersten Mal mit vier verloren und konnte über die unakade- zum Thema „Was ist Glück?“.

Das fiph in der Lehre


Sommersemester 2011

Dr. Yoko Arisaka Prof. Dr. Karen Joisten


Universität Hildesheim: Institut für Philosophie  Kunsthochschule Kassel/Universität Kassel
Seminar „Feminist Philosophy“ Philosophisches Seminar
Seminar „Vilém Flussers Medientheorie“
PD Dr. Eike Bohlken
Universität Tübingen: Philosophisches Seminar Prof. Dr. Jürgen Manemann
Seminar „Fichte: Die Bestimmung des Menschen“ Universität Erfurt
Katholisch-theologische Fakultät
PD Dr. Andreas Hetzel Vorlesung „Philosophie im 20. Jahrhundert“
Alpen-Adria Universität Klagenfurt:
Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften
Seminar „Kulturindustrie heute“

j o u r n a l fiph 19
fiph Rückblick

Kol l oqu i u m Michael Bloch präsentierte ein bislang unver- Vo rt ragsreihe


öffentlichtes Manuskript von Kantorowicz, in
dem dieser unter dem Titel „Synthronos. One
4. Kolloquium Junge Throne-Sharing of Gods and Men“ die antike Vorträge der fiph-Fellows
Religionsphilosophie Vorstellung einer geteilten Gottesmacht dar-
stellt. Der Gedanke der Machtteilung wäre
Repräsentation. Kanto- demnach kein Exklusivbesitz der Aufklärung.
Andreas Lotz verglich die rechtlose Figur des
rowicz und die Folgen Piraten als communis hostis omnium aus der
römischen Antike mit dem Bild des „noma-
Vom 24.–26. Februar 2011 veranstaltete dischen Terroristen“ der Jetztzeit. Dietrich
die Katholische Akademie in Berlin Schotte untersuchte den Staat als „Repräsen-
gemeinsam mit der Professur Religions- tant mythischer Ordnung“ bei Thomas Hob-
philosophie der Goethe-Universität bes und Carl Schmitt. Dirk Lüddeke zeichne-
Frankfurt/Main und dem fiph das vierte te das Dante-Verständnis Kantorowicz’ als fiph-Fellow Marie Kajewski demonstriert die
Kolloquium der Reihe „Junge Religions- „Schlüssel zur politischen Theologie“ nach, Aktualität der politischen Philosophie Hermann
philosophie“. Das Kolloquium versteht und Erdin Yildiz und Rebekka A. Klein nahmen Lübbes.
sich als interdisziplinäres Forum für die Bruchstellen zwischen der politischen Re-
religionsphilosophisch interessierte präsentationstheorie der zwei Körper und der Auch im Winterhalbjahr 2010/11 haben
Nachwuchswissenschaftler/innen. These Claude Leforts einer Entkörperung der die fiph-Fellows in monatlichen Vorträgen
demokratischen Souveränität genauer in den ihre Projekte vorgestellt.
Das 4. Kolloquium Junge Religionsphiloso- Blick. Yildiz warf dabei die Fragen auf, ob nicht
phie hatte sich mit Ernst Kantorowicz einen eher eine pluralisierende Zersplitterung als 02.11.2010 Yoko Arisaka konkretisierte
Denker zum geistigen Paten gewählt, der mit eine Entkörperlichung der Repräsentation ihre im letzten Sommer vorgetragenen
seinem 1957 in Princeton erschienenen Klas- vorliege und was in einer Demokratie über- Überlegungen zur Übertragbarkeit des
siker „The King’s two Bodies“, einer Analyse haupt repräsentiert werden solle: die Einheit amerikanischen „Race discourse“ auf deut-
des politischen Repräsentationsgedankens des Staates, die Gesamtheit der Bürger bzw. sche Verhältnisse anhand einer Diskussion
im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, das allgemeine Interesse, Souveränität als for- des „Paradoxes der Würde“ und der These
Maßstäbe für das Thema Repräsentation ge- males Prinzip oder die universelle Gerechtig- vom „Scheitern des Multikulturalismus".
setzt hat. keit der Menschenrechte? Das Paradox der Würde bestehe darin, dass
Das Kolloquium begann mit einem öffentli- Als ebenso beeindruckend wie hilfreich für der Würdebegriff in seiner Universalität
chen Abendvortrag des Hannoverschen Rechts- das Verständnis der Thesen Kantorowicz’s er- kein Sensorium für gruppenbezogene Dis-
wissenschaftlers Ulrich Haltern. Gegen die wies sich die semantische Analyse des Grab- kriminierungen, etwa rassistischer Art, be-
Thesen einer Entkörperlichung der Macht und mals Wilhelm von Oraniens in Delft durch die sitze. Um dieses Manko auszugleichen,
einer allenfalls noch symbolischen Repräsen- Kunsthistorikerin Anna Pawlak; die zwei Kör- müsse er daher auch als kulturell geprägt
tation derselben in modernen Demokratien per des Generalstatthalters werden dort in gedacht werden. Der Multikulturalismus
stellte er mit Verweis auf den politischen Kör- historisch einmaliger Weise sichtbar und ver- berge insofern ähnliche Probleme, als er
per Barack Obamas die Frage, ob wir nicht im- ständlich. Hinzu kamen die Vorträge der offe- ebenfalls das faktische Problem rassisti-
mer noch im Schatten des Körpers des Königs nen, nicht an Kantorowicz gebundenen Sekti- scher Diskriminierung verdecke und in sei-
stehen. Der politische, vom konkreten Politi- on, in denen es u.a. um Religion als säkulari- ner Laisser-faire-Variante als „organisierte
ker nur repräsentierte Körper stehe auch heu- sierte Machtressource und das Verhältnis von Unverantwortlichkeit“ erscheine. Gleich-
te noch für eine Schicht der „Letztbedeutung“, politischem Liberalismus und Religion ging. wohl sei es falsch, von einem Scheitern des
in der es um die Unsterblichkeit des Staates Multikulturalismus zu sprechen, da er als
als geschichtsstiftender Macht, oft im Sinne bester Entwurf des Liberalismus mehr Ak-
einer legendenhaften Geschichte erbrachter zeptanz gegenüber den Mitgliedern ande-
Opfer und gewirkter Wunder gehe. Dem pro- rer ethnischer Gruppen bewirkt habe.
testantisch-bilderstürmerischen Versuch, die-
se Bedeutung von der Person des Monarchen 07.12.2010 Marie Kajewski erörterte die
auf die Institution der Verfassung, den Begriff Aktualität der politischen Philosophie Her-
der Menschenwürde oder eine politische Kul- mann Lübbes im Hinblick auf deren Erklä-
tur des Diskurses zu übertragen, stehe offen- rungskraft für das Phänomen der Politik-
bar nach wie vor ein vordemokratisches Be- verdrossenheit. Das Problem einer man-
dürfnis nach einer mystischen bzw. hieropha- gelnden Identifizierung mit der Demokra-
nen Sinnstiftung auch im Politischen entgegen. tie könne gut mit den Lübbe’schen Begrif-
Die Beiträge der folgenden Sektionen ver- fen des „Traditionsverlusts“, einer „Gegen-
folgten die von Kantorowicz herausgearbei- wartsschrumpfung“ und eines „Vertrau-
tete Spannung zwischen symbolisch-poli- ensschwunds“ beschrieben werden. Das
tischem und realem Körper quer durch die Ulrich Haltern bei seinem spannungsreichen Vor- Verschwinden tradierter Geschichte(n) als
Jahrhunderte. trag über den politischen Körper Barack Obamas. Weisen der Identitätsrepräsentation, die

20 fiph j o u r n a l
fiph Rückblick

abnehmende Haltbarkeit von Traditionen Nichtwissens, die in der Mitte zwischen radi- in Frage zu stellen. Das weist sie als selbst-
angesichts beschleunigter Entscheidungen kaler Skepsis und naivem Fortschrittsopti- reflexive Disziplin aus. In diesem besonde-
und das Fehlen einer stabilen Zivilreligion mismus den nie vollständig begrifflich zu ren Sinn zu fragen, bedeutet daher immer
lieferten sowohl Erklärungen für die gegen- fassenden Eigensinn des Ethischen würdige. schon philosophieren. Eben deshalb heißt
wärtige Situation als auch Hinweise, wie Beiträge aus dem Publikum wiesen teils er- zu philosophieren, das Fragen zu lernen.
diese bewältigt werden könne. Lebhaft dis- gänzend, teils kritisch auf die Probleme Doch wonach genau fragen beispielsweise
kutiert wurde das auch gegen die Diskurs- eines Handelns trotz vorhandenen Wissens die Mitarbeiter/innen und Fellows des fiph,
theorie gerichtete Lob eines politischen und eines Nicht-Wissen-Wollens hin. und wie sieht Philosophie als Wissenschaft
Dezisionismus, der es den in Abstimmungen dort aus? Manemann setzte in seiner Ant-
Unterlegenen nicht mehr zumute, die Posi- wort bei der 2010 erschienenen kritischen
tion der Mehrheit als vernünftig akzeptie- D is k ussio ns- Stellungnahme des fiph zum Thema „Kir-
ren zu müssen. che – Kernenergie – Klimawandel“ an, in
v e r anstalt ung der die akute Problematik der Legitimation
18.01.2011 Karen Joisten gab eine Einfüh- der Kernenergie auf die philosophische
rung in die „Geschichtenphilosophie“ Wil-
helm Schapps (1884-1965) als einer ur-
Was ist das eigentlich – Grundfrage danach, wie wir zusammenle-
ben sollen, bezogen und vor deren Hinter-
sprünglichen Hermeneutik, die das In-Ge- Philosophie? grund diskutiert wird. Zentral für die the-
schichten-verstrickt-Sein des Menschen als matische Ausrichtung des fiph sei die Frage
Urphänomen und eigentlichen Horizont Am 16. März 2011 war der Kurs „Werte nach Gerechtigkeit. Die Ergebnisse der For-
des Menschen begreift. Das Wahre sei nur und Normen” der elften Klasse des schungen werden nicht nur in der Fachphi-
im lebendigen Zusammenhang erlebter Eichsfeld Gymnasiums Duderstadt von losophie vertreten, sondern auch in die
und tradierter Geschichten aufzufinden. Dr. Guntram Czauderna am fiph zu Gast. breite Öffentlichkeit hineingetragen.
Der Mensch könne nicht aus dem Horizont, Jürgen Manemann und René Böse Die Relevanz der Philosophie schien auch
dem Sinnzusammenhang seiner Geschich- sprachen mit Schülerinnen und Schülern den Schülerinnen und Schülern damit au-
ten heraustreten, sich der Verstrickung in über die Philosophie sowie über das ßer Frage. Würden sie jedoch Philosophie
dieselben nie vollständig entziehen. Mög- Philosophiestudium. Ein Einblick in die selbst wissenschaftlich betreiben wollen?
lich seien lediglich Selbstprüfung und Selbst- wissenschaftlich-philosophische Arbeit Auf diese Frage machte sich ein Schmun-
besinnung, die auf das Erkennen von Mu- am fiph sollte die Lust an der Auseinan- zeln breit – wohl eher nicht. René Böse, Stu-
stern der eigenen Erzählungen führten. Es dersetzung mit philosophischen Themen dent der Philosophie an der Universität
komme darauf an, handelnd und sprechend befördern. Magdeburg und Praktikant am fiph, erläu-
den eigenen Lebensfaden zu spinnen. In terte dennoch den Ablauf des Studiums
der Diskussion, in der sich auch Schapps „Was ist das – die Philosophie?” Mit diesen und mögliche Berufsaussichten. Ob die
Sohn, der Rechtswissenschaftler Jan Schapp, von Martin Heidegger entlehnten Worten Hinweise auf den inhaltlichen Reichtum
zu Wort meldete, ging es einerseits um die eröffnete Jürgen Manemann das Zusam- der Philosophie und auf das Interesse be-
Frage der Autonomie gegenüber Erzäh- mentreffen mit Schülerinnen und Schülern stimmter Wirtschaftszweige an philoso-
lungen, etwa um die Möglichkeit, mit Tradi- der gymnasialen Oberstufe des Eichsfeld phisch geschulten Köpfen den einen oder
tionen zu brechen oder sich selbst neu zu Gymnasiums Duderstadt und ihrem Lehrer, die andere doch noch zu einem Philoso-
erfinden, andererseits um das Verhältnis Dr. Guntram Czauderna. Jede Frage stellt phiestudium verleiten konnten, wird sich
von Geschichten und Sachverhalten. auf einen bestimmten Weg und führt zu ei- erst noch herausstellen müssen. Was sie je-
ner entsprechenden Antwort, das wurde doch auf jeden Fall mitnehmen, ließen die
08.02.2011 Andreas Hetzel sprach im Rah- den Schülern/innen schnell klar. Es ist der Schüler wissen: Richtig zu fragen und hierin
men seines Projekts zur Biodiversität über besondere Sinn der Philosophie, Fragen zu ehrlich zu sein, das sei von nicht zu unter-
die „moralische Signifikanz des Nichtwis- stellen und auch sich selbst immer wieder schätzendem Wert.
sens“. Im Hinblick auf unser Verhältnis zur
Natur verweise der Begriff des Nichtwissens
auf unbekannte Nebenwirkungen und Ri-
siken der Versuche, die Natur zu beherr-
schen. Wissenschaftstheoretisch offenbare
die Vermehrung unserer Kenntnisse immer
neue Lücken und lasse eine umfassende
oder gar vollständige Theorie der Natur in
weite Ferne rücken. In ethischer Hinsicht
führe die Reflexion auf das, was wir nicht
wissen und wahrscheinlich niemals wissen
werden, auf Lücken im Bereich der deskrip-
tiven Ethik, die, so Hetzels These, auch die
Möglichkeit einer gesetzartigen Begrün-
dung des moralisch Richtigen in Frage stel- Guntram Czauderna, René Böse und Jürgen Manemann im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern
len. Notwendig sei daher eine Ethik des des Eichsfeld Gymnasiums Duderstadt.

j o u r n a l fiph 21
Hannover
Philosophie
fiph ausblick

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fiph Rückblick

Was wurde eigentlich sität Zürich. Meine Habilitationsschrift habe


ich schließlich im Jahr 2009 bei der Philoso-
Im Jahre 2005 endete meine Zeit als Sti-
pendiat der Rosa Luxemburg-Stiftung in
aus … phischen Fakultät der Universität Bonn ein- Berlin. Mein Projekt „Zivilgesellschaft und
gereicht, dort wurde mir Anfang 2010 die Demokratie – Wie viel Zivilgesellschaft
… Corinna Mieth? venia legendi für das Fach Philosophie verlie- braucht die moderne Demokratie?“ war ab-
hen. Seit April 2010 bin ich W3-Professorin geschlossen. Wohin würde die Wanderung
für Praktische Philosophie unter besonderer jetzt weiter gehen?
Berücksichtigung der Politischen Philosophie Bei der Suche nach neuen Optionen
und der Rechtsphilosophie an der Ruhr-Uni- stieß ich auf das Forschungsinstitut für Phi-
versität Bochum. losophie in Hannover mit seinen einma-
Meine Forschungsschwerpunkte liegen ligen Arbeitsmöglichkeiten. Während eines
weiterhin in der praktischen Philosophie. Gesprächs mit meinem Doktorvater, Profes-
Derzeit arbeite ich an der Veröffentlichung sor Regenbogen von der Universität Osna-
meiner Habilitationsschrift „Positive Pflich- brück, schlug mir dieser vor, eine Stipendi-
ten. Über das Verhältnis von Hilfe und Ge- umsbewerbung am fiph einzureichen. Ich
rechtigkeit in Bezug auf das Weltarmuts- bewarb mich erfolgreich mit dem For-
problem“, die im Jahr 2012 bei de Gruyter, schungsprojekt „Die Gestaltungspotenti-
Berlin, erscheinen wird. Ferner schreibe ich ale der Zivilgesellschaft für eine konstruk-
Corinna Mieth ist Professorin für Philosophie an an einem neuen Einführungsbuch zu John tive Demokratiestabilisierung in Bosnien
der Universität Bochum. Rawls für die Reihe „Grundwissen Philoso- und Herzegowina“. Damit begann für mich
phie“ des Reclam-Verlages. Zu diesen For- eine anregende und ertragreiche Zeit-
Seit 2002 war ich Wissenschaftliche Assi- schungsthemen hinzugekommen sind zwei periode. Die vielen Meinungsaustausche
stentin an der Universität Bonn und arbei- neue Bereiche: Meine Bochumer Antritts- über methodische Fragen mit anderen Sti-
tete neben meinen anderen Verpflichtun- vorlesung habe ich zum Thema „Moral und
pendiaten und dem jungen Team um Ger-
gen an meiner Habilitationsschrift. Dabei Glück. Zwei prekäre Konstellationen“ ge-
hard Kruip inspirierten mich sehr. Die ge-
erwies es sich als Herausforderung, For- halten und dazu auch im Februar 2011 ei-
meinsamen Veranstaltungen sorgten für
schung, Lehre und andere Tätigkeiten „un- nen Workshop veranstaltet. Dabei interes-
viel Abwechslung. Eine bessere Arbeitsat-
ter einen Hut zu bringen“. Daher war ich sieren mich besonders Konfliktfälle zwi-
mosphäre hätte ich mir kaum wünschen
außerordentlich froh, dass mir das fiph schen Moral und Glück und die Frage, ob
können.
durch ein Research Fellowship von Oktober und in welchen Fällen es erlaubt sein kann,
Mein Aufenthalt am Forschungsinstitut
2007 bis Juli 2008 großartige Forschungs- auf Kosten der Moral glücklich zu werden.
möglichkeiten zur Verfügung stellte, sodass dauerte zehn Monate (von Oktober 2005
Ferner befasse ich mich mit moralischen Di-
ich in dieser Zeit neben einigen Artikeln bis Ende Juli 2006). Nach meiner Rückkehr
lemmasituationen in der Rechtsphiloso-
und Vorträgen meine Habilitationsschrift nach Bosnien-Herzegowina verfolgte ich
phie, etwa mit der Frage, ob es moralisch
zum Thema „Positive Pflichten“ größten- ein weiteres Forschungsprojekt in dem
erlaubt sein kann, ein Unrecht zu begehen,
teils fertigstellen konnte. Dabei habe ich Themenfeld Religion, Säkularisierung und
um ein anderes zu verhindern.
von den vielen Diskussionen über meine Zivilgesellschaft und wurde auf eine Ver-
Arbeit im Forschungskolloquium des fiph, tretungsprofessur an der Juristischen Fa-
insbesondere mit Gerhard Kruip und Detlef kultät der Universität Travnik berufen. Hier
Horster, außerordentlich profitiert. Lehr- Was wurde eigentlich erhielt ich 2009 den Ruf auf den Lehrstuhl
für Soziologie und Philosophie und über-
reich waren auch die Kontakte zur Universi-
tät Hildesheim, an der ich einen Lehrauf-
aus … nahm gleichzeitig die Aufgabe des Dekans
trag wahrgenommen habe und zur Zentra- an der gleichnamigen Fakultät.
… Mensur Kustura? Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist bis
len Einrichtung für Wissenschaftsphiloso-
phie und Wissenschaftsethik an der Univer- heute der Bereich „Zivilgesellschaft und
sität Hannover, deren Ringvorlesung ich re- Demokratie“ geblieben, mit dem ich mich
gelmäßig besucht habe. Die Zeit am fiph, bereits in meiner Dissertationsschrift aus-
die kreative und herzliche Atmosphäre und einandergesetzt hatte. Und so arbeite ich
der konstruktive Umgang miteinander wa- aktuell an einem Forschungsprojekt über
ren für meine Forschung eine großartige „Ethnische Vereinigungen und Parallelge-
Unterstützung. sellschaften in Bosnien und Herzegowina“,
Im Anschluss an mein Fellowship habe ich das von der Uni Travnik unterstützt wird.
von Oktober 2008 bis März 2009 eine W2- Daneben sind jene soziologischen Pro-
Forschungsprofessur an der TU Darmstadt im bleme Gegenstand meiner Lehr- und For-
Rahmen des Exzellenzclusters „Die Heraus- schungstätigkeit geworden, über die wir in
bildung normativer Ordnungen“ vertreten, Mensur Kustura ist Professor für Soziologie meiner Zeit in Hannover so intensiv disku-
danach hatte ich von April bis Juni 2009 ein und Philosophie an der Universität Travnik in tiert haben: die Fragen nach der univer-
Corti-Fellowship am Ethik-Institut der Univer- Bosnien-Herzegowina. sellen Geltung von Ethik und Politik.

j o u r n a l fiph 23
Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

Politische Repräsentation und


radikale Demokratie
Das im antiken Latein alltagssprachlich für „sich etwas kapitalistischen Produktionsweise automatisch ergeben-
vorstellen“ verwendete Verb repraesentare taucht seit de Revolution, sondern auf ein Beim-Wort-Nehmen der
dem Mittelalter verstärkt in juristischen, wirtschaftlichen sich in den neuzeitlichen demokratischen Ideen und In-
und politischen Zusammenhängen auf. Die Substantiv- stitutionen abzeichnenden Ansprüche auf Freiheit und
form repraesentatio markiert den Anspruch eines heraus- Gleichheit, die nach einer größtmöglichen Demokra-
gehobenen Teiles zunächst der Kirche, dann aber auch der tisierung von Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, nach
Gesellschaft, das Ganze in privilegierter Weise verkörpern einer Erweiterung von Partizipationschancen sowie nach
zu können. Einen Höhepunkt findet diese Entwicklung in einer Politik größtmöglicher Inklusivität verlangen.
Thomas Hobbes’ Formel „rex est populus“. Die in dieser Bereits für Castoriadis und Lefort, die Radikaldemo-
Wendung ausgesagte Identität der repräsentierenden kraten der ersten Generation, ist der Gedanke entschei-
und der repräsentierten Instanz manifestiert sich in einer dend, dass in demokratischen Gesellschaften ein „Unvor-
absoluten Souveränität, welche sich wiederum im Körper hersehbares und Unbestimmtes“ im Zentrum steht (Cor-
des einen Königs inkarniert. Nur durch den Willen des nelius Castoriadis: Welche Demokratie?, in: ders.: Auto-
Königs, der sie beherrscht, wird die Menge für Hobbes zu nomie oder Barbarei? Schriften Bd. 1, Lich 2006, S. 69-
Andreas Hetzel ist Privatdozent einem politischen Körper: „For it is the Unity of the Re- 112, hier S. 79), dass „der Ort der Macht zu einer Leerstelle
für Philosophie an der Tech- presenter, not the Unity of the Represented, that maketh wird“ (Claude Lefort: Die Frage der Demokratie, in: Ulrich
nischen Universität Darmstadt the Person One.“ (Thomas Hobbes, Leviathan I, 16.) Rödel (Hg.): Autonome Gesellschaft und libertäre Demo-
und Fellow am fiph. Diese von Ernst Kantorowicz und Louis Marin aus- kratie, Frankfurt a.M. 1990, S. 281-299, hier S. 293), die
giebig untersuchte Repräsentation des Volkes durch den auch leer bleiben sollte. Die westlichen Gesellschaften
König wird mit der Geburt der Volkssouveränität im verfügen nach der Französischen und Amerikanischen
England des 17. Jahrhunderts nicht einfach ad acta ge- Revolution, so Lefort, „nicht mehr über eine Reprä-
legt, sondern in das Konzept einer repräsentativen Demo- sentation ihrer Ursprün­ge, Ziele und Grenzen“, sondern
kratie überführt. Als wesentliches Unterscheidungskrite- gehen aus dem Konflikt partikularer Perspektiven hervor.
rium antiker und neuzeitlicher Demokratie gilt allgemein, Die Rolle einer möglichen Zentralinstanz der Gesellschaft
dass sich die Demokratie der Polis direkter Verfahren bleibt dabei unbesetzt. Die Leere im Zentrum der Ge-
bedient habe, wohingegen sich die Demokratie in den sellschaft markiert die einzige Universalie im radi­kal­
bevölkerungsreichen neuzeitlichen Nationalstaaten auf demokratischen Denken, allerdings nur unter negativem
die Wahl von Vertretern in ein Parlament gründe. Spätes- Vorzeichen. Die „leere Mitte“ dient Lefort als Inbegriff
tens seit John Locke, James Madison und Thomas Paine dessen, was in einer Gesellschaft im Werden bleibt. Sie ist
gelten die Mitglieder des Parlaments als die „represen- ein anderer Name für die Perspektivität und Partikularität
tatives" eines Volkes, dessen Souveränität über Verfahren sämtlicher Positionen im politischen Prozess und steht für
der Delegation mediatisiert, symbolisch gebrochen und die Unmöglichkeit jeder im substanzia­listischen Sinne
pluralisiert wird; im ideengeschichtlichen Kontext der verstandenen universalen Instanz, in deren Namen die
Amerikanischen und der Französischen Revolution zeich- politische Auseinandersetzung mit je konkreten Gegnern
nen sich die Konturen jener repräsentativen Demokratie umgangen werden könnte.
ab, in der wir noch heute leben. Von Castoriadis über Lefort bis zu Laclau, Mouffe und
Wollte man das Programm einer radikalen Demokratie Derrida finden sich immer wieder Plädoyers für die Aus-
unter Rekurs auf das Konzept politischer Repräsentation weitungen von Formen direkter Demokratie – auch unter
definieren, müsste zunächst zurückgewiesen werden, dass den Bedingungen moderner Territorialstaaten und der
ein Teil der Gesellschaft das Ganze adäquat repräsentieren zunehmenden Globalisierung von Entscheidungsstruk-
kann. Das Stichwort ‚radikale Demokratie’ geht auf die turen. Diese Plädoyers knüpfen an repräsentations-
Arbeiten von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe (Hege- kritische Argumente Martin Heideggers, des amerika-
monie und radikale Demokratie, Wien 1991) zurück, wird nischen Pragmatismus, Ludwig Wittgensteins und Michel
heute aber in der Regel nicht als Schulbezeichnung, son- Foucaults an. So behauptet etwa Castoriadis: „Keiner von
dern eher im Sinne einer Familienähnlichkeit diverser An- denen, die derzeit über Politik schreiben, liefert irgendeine
sätze verwendet, sodass auch die politischen Philoso- ‚Philosophie der Repräsentation’. Ich habe nirgendwo
phien von Cornelius Castoriadis, Claude Lefort, Jacques eine Begründung oder Erklärung dafür gefunden, was
Derrida, Etienne Balibar und Jacques Rancière als ‚radi- eine ‚politische Repräsentation’ wohl sein mag“ (Welche
kaldemokratisch’ gelten können. Gemeinsam ist diesen Demokratie?, S. 81): Mit der Reduktion von politischer
Positionen, dass sie sich als ‚postmarxistisch’ verstehen, Partizipation auf eine alle vier Jahre stattfindende Wahl
das heißt am emanzipatorischen Anspruch des Marxismus geben wir bestimmten Delegierten oder Repräsentanten
festhalten, zugleich aber mit seinen objektivistisch-ge- ein „langfristiges und unwiderrufliches Mandat, sodass
schichtsphilosophischen Implikationen brechen. Sie setzen diese durch ihr Handeln unumkehrbare Situationen
nicht länger auf eine sich aus den Widersprüchen der schaffen können – mithin die Parameter und die Thematik

24 fiph j o u r n a l
Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

ihrer ‚Wiederwahl’ selbst bestimmen“ (a.a.O, S. 82). Über politische Der radikaldemokratische Diskurs fordert die Ausweitung von
Repräsentation bilde und immunisiere sich ein elitärer Apparat, direktdemokratischen Entscheidungsprozessen auf allen gesell-
der dem Gesetz der Selbsterhaltung und eigenen Interessen folge. schaftlichen Ebenen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine
Weiterentwickelt und systematisiert wird dieses für den radi- radikale Demokratie auf Elemente politischer Repräsentation
kaldemokratischen Diskurs zentrale Argument von Pierre Bourdieu. verzichten müsste. Nur um den Preis einer Überforderung der
Gemäß der herkömmlichen Theorie politischer Repräsentation Individuen ließen sich alle Bereiche einer ausdifferenzierten und
„scheint die Gruppe den zu erschaffen, der an ihrer statt und in überkomplexen Gesellschaft direktdemokratisch steuern. Reprä-
ihrem Namen ... handelt“. In Wirklichkeit aber sei es „kaum minder sentation schafft neben Entfremdung auch Entlastung und plura-
richtig zu sagen, daß es der Sprecher, der Wortführer ist, der die lisiert, wie schon Locke, Madison und Paine wussten, die Souve-
Gruppe erschafft“ (Pierre Bourdieu: Delegation und politischer ränität des Volkes.
Fetischismus, in: ders.: Rede und Antwort, Frankfurt a.M. 1992, Vielleicht sollte das Verhältnis von direktdemokratischen und
S. 174-192, hier S. 174/175). Bourdieu geht davon aus, dass sich repräsentativen Elementen in der Form einer Aporie konstruiert
politische Gruppen über die Benennung eines Vertreters bilden. werden, die es nicht aufzulösen, sondern auszuhalten gilt. Aus der
Durch den Akt der Repräsentation wird die vertretene Gruppe in Sicht radikaldemokratischer Positionen ist das politische Feld mehr-
einer Art „Urzirkel“ ebenso geschaffen wie der Repräsentant, der fach aporetisch gebrochen. Idee und Wirklichkeit moderner Politik
einzig deshalb existiert, weil er die Gruppe repräsentiert. Die sind gefangen zwischen den konfligierenden Ansprüchen von Insti-
unverbundenen und politisch anteilslosen Individuen können sich tution und offener Gestaltung (Instituierung), Utopie und Realis-
nur dadurch zu einer politisch signifikanten Gruppe verbinden und mus, liberaler und demokratischer Tradition, Vernunft und Leiden-
mit einer Stimme sprechen, dass sie das Recht auf das Erheben der schaft, Universalismus und Partikularismus und, so ließe sich ergän-
Stimme delegieren. Dieser Prozess hat aber den hohen Preis einer zen, direkten und repräsentativen Formen der Demokratie. Als
politischen Entfremdung. Diese dem Politischen innewohnende radikal erwiese sich der Anspruch des Diskurses der radikalen
Aporie werde in der repräsentativen Demokratie durch einen Demokratie nur dann, wenn es ihm gelänge, diese Aporien nicht in
Fetischismus kompensiert, durch ein „Mysterium des ministeriums“: einem wie auch immer gearteten Versöhnungshorizont aufzulösen,
Dem Mandatsträger werde ein Wert zugesprochen, der als dessen sondern als unendliche Aufgabe zu begreifen und zu gestalten.
persönliche Eigenschaft erscheint, wobei nicht gesehen wird, dass
ihm dieser Wert erst von der Gruppe geschenkt wurde. Reprä-
sentation führt daher auch für Bourdieu notwendig in eine sich Lesetipp: Oliver Flügel/Reinhard Heil/Andreas Hetzel (Hg.): Die
selbst immunisierende Bürokratie sowie zur Erzeugung charisma- Rückkehr des Politischen. Demokratietheorien der Gegenwart,
tischer Herrschaft. Darmstadt 2004.
Trotz dieses gegenüber repräsentativen Verfahren skeptischen
Tenors wäre es vorschnell, die Forderung nach einer Radikalisierung
von Demokratisierungsprozessen mit einem ausschließlichen Plä-
doyer für Formen direkter Demokratie gleichzusetzen. Vielleicht
lässt sich, so meine Vermutung, aus Bourdieus Argumenten eine
repräsentationsaffine Ergänzung oder gar Korrektur des radikal-
demokratischen Diskurses gewinnen. Diese Korrektur könnte die
von Lefort, Laclau und Mouffe favorisierte „agonistische“ Erklärung
der Formierung politischer Gruppen betreffen: Erst die Kämpfe
unterschiedlicher Akteure gegen einen gemeinsamen Gegner
„artikulieren“ aus der Sicht von Laclau und Mouffe deren Forde-
rungen und formen somit ein politisches Wir. Erst der Gegner stiftet,
als ausgeschlossener Dritter, eine Äquivalenz partikularer Forde-
rungen. Mit dem Hinweis, dass die Auseinandersetzung mit dem
Gegner in einem symbolischen Universum stattfinde und dass der
Gegner insofern vom physisch zu vernichtenden Feind zu unter-
scheiden sei, versuchen Laclau und Mouffe ihren Agonismus vom
Antagonismus Carl Schmitts abzuheben, vermögen aber den Über-
gang ins Symbolische nicht wirklich zu erklären.
Zu fragen wäre an dieser Stelle, ob der von Bourdieu freigeleg-
te „Urzirkel der Repräsentation“ nicht ein differenzierteres Modell
der Entstehung kollektiver politischer Akteure darstellt. Für
Bourdieu formieren sich Gruppen nicht primär gegen einen aus-
geschlossenen Dritten, sondern über einen Akt der Delegation an
einen eingeschlossenen Dritten. Solche Verfahren der Repräsen-
tation, mittels derer sich eine Gruppe noch vor der Konfrontation
mit dem gemeinsamen Gegner konstituiert, scheinen genau den
Übergang ins Symbolische, d.h. den Übergang vom Antagonismus
zum Agonismus, gewährleisten zu können, den Laclau und Mouffe
nur postulieren.

j o u r n a l fiph 25
Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

Repräsentative und repräsentierte Sittlichkeit

Unabhängig von der jeweiligen Regierungsform stehen die sich dem liberalen demokratischen Verfassungsstaat mit
Inhaber der politischen Macht in einem repräsentationalen seinem allgemeinen und freien Wahlrecht und seiner Tei-
Verhältnis zum Gemeinwesen. Als Gegenstand der Reprä- lung der Gewalten – einem Theorie- und Gesellschaftsrah-
sentation können dabei einerseits abstrakte Größen – der men, der auf eine Identifikation der Bürger mit den staat-
Staat, die Souveränität oder das allgemeine Interesse lichen Institutionen und auf ein entsprechendes politisches
(Gemeinwohl) – gesehen werden, andererseits Personen- Engagement für das Gemeinwesen hofft, dieses aber durch
gruppen bis hin zur Menge aller Bürger oder der gesamten starke Abwehrrechte gegen den Staat in deren Belieben
Wohnbevölkerung. In modernen Demokratien scheinen sich stellt. Die Vielfalt der Repräsentationsmöglichkeiten und
diese Repräsentationsverhältnisse allerdings zu verflüch- die verfassungsmäßig gesicherte politische Freiheit stehen
tigen: Der Widerstreit vieler Gruppen mit zum Teil stark di- jedoch einer zentralen, als allgemein verbindlich akzep-
vergierenden Interessen scheint eine zentrale Repräsenta- tierten politischen Repräsentation entgegen: Antinationa-
tion des politischen Ganzen unmöglich zu machen. Man listen sehen die schwarz-rot-goldene Fahne nicht als die
kann das Festhalten an dieser Idee sogar für gefährlich ihre, Kritiker eines ethnischen Volks- und Kulturbegriffs
halten, weil sie im Namen des Allgemeinen zu einer pater- wollen die Reichstagsinschrift „Dem deutschen Volke“
Eike Bohlken ist Wissenschaft- nalistischen Unterdrückung des Besonderen, von Individuen durch „Der deutschen Bevölkerung“ ersetzt sehen; Teile die-
licher Assistent am fiph und und Minderheitengruppen, verleite. ser Bevölkerung haben kein Wahlrecht, wogegen ein immer
Privatdozent für Philosophie an Damit ergeben sich zwei fundamental entgegenge- größerer Anteil der wahlberechtigten Bürger von seinem
der Universität Tübingen. setzte Perspektiven auf die Krise politischer Repräsentation: Stimmrecht keinen Gebrauch mehr macht und damit aus
Sie kann entweder negativ als Missstand gesehen werden der Repräsentation durch die Parteien herausfällt. Schließ-
oder aber positiv als Ausdruck demokratischen Fortschritts. lich können auch die Gewaltenteilung selbst und das föde-
Gemäß den Ansätzen ‚radikaler Demokratie‘ (vgl. den Artikel rale System als Abschwächung einer allgemeinen, zentralen
von Andreas Hetzel auf S. 24f.) ist das Verschwinden einer politischen Repräsentation gesehen werden.
zentralen Repräsentationsinstanz Ausdruck politischer Viel- Die Bestandsaufnahme zeigt, dass das Repräsentations-
falt und Freiheit; die entstehende Lücke muss nicht etwa problem in der modernen Demokratie weniger ein Problem
gefüllt, sondern soll als Leerstelle offengehalten werden. fehlender Repräsentationsmöglichkeiten, sondern eines
Das traditionelle Gemeinwohldenken schreibt dem Ge- fragmentierter und nicht mehr angenommener Möglich-
meinwohl dagegen nicht nur die Funktion der Legitimation keiten der Identifikation mit dem Gemeinwesen darstellt.
bestimmter Normen und Handlungen sowie der Kritik rein Hinter dieser mangelnden Identifikation steht das Problem
eigennützigen, gemeinwohlschädlichen Handelns zu, son- enttäuschter Erwartungen: Viele Bürger fühlen sich von
dern auch die einer Integration der Mitglieder des Gemein- den Parteien und Abgeordneten nicht (mehr) gut vertreten.
wesens. Im Sinne dieses Gemeinwohldenkens erscheint der Beklagt wird einerseits die mangelnde Ausstrahlung und
Verlust einer repräsentationalen Verkörperung des allge- Glaubwürdigkeit des politischen Personals, zum anderen
meinen Willens als gravierendes Problem. Ich möchte im die unzureichende Berücksichtigung der Interessen des
Folgenden aus der Perspektive einer diesem Denken verbun- Volkes bzw. der je eigenen Interessengruppe(n).
denen Theorie der Gemeinwohlpflichten einen Hinweis Die Kritik an Auswüchsen der „Parteiendemokratie“
dazu geben, wie das Problem der politischen Repräsen- und an der Stromlinienförmigkeit der Politiker erfasst je-
tation in modernen Demokratien einer Lösung näher ge- doch nur einen Teil des Problems, da sie allein die Ver-
bracht werden könnte. Den Kernpunkt meiner Überlegun- antwortung der Repräsentanten und nicht auch die der
gen bildet das Begriffspaar einer repräsentativen Sittlichkeit Repräsentierten in den Blick nimmt. Daher sollte nicht nur
der politischen Eliten und einer repräsentierten Sittlichkeit von einer repräsentativen Verantwortung bzw. Sittlichkeit
sämtlicher Mitglieder eines Gemeinwesens, die ich im An- der politischen Eliten, sondern auch von einer repräsentier-
schluss an eine Analyse des Repräsentationsproblems näher ten Sittlichkeit der Bürger gesprochen werden. Der Begriff
erläutern werde. der repräsentativen Sittlichkeit bezieht sich auf die ange-
Welche Möglichkeiten einer zentralen politischen Re- messene Vertretung des Volkes bzw. auf die Verwirklichung
präsentation bieten moderne Demokratien? Schon ein des Gemeinwohls. Da sich diese Anforderungen in
erster Blick stößt auf eine Vielzahl von Menschen und besonderer Weise für die Mitglieder politischer Eliten
Gegenständen, die das Volk und den Staat repräsentieren stellen – Inhaber der Regierungsämter, Führungsspitzen
sollen. Die Liste reicht von Ämtern und den sie bekleidenden der parlamentarischen Opposition sowie Führungsspitzen
Personen (Mitglieder der Bundesregierung, Bundespräsi- einflussreicher Interessengruppen (Gegeneliten) –, können
dent, Abgeordnete des Bundestages) über staatliche Ge- sie als rollen- und positionsspezifisch bezeichnet werden.
bäude (z.B. den Reichstag mit der Aufschrift „Dem deut- Gegen eine derartige Rollen- bzw. Funktionsbestimmung
schen Volke“) und Symbole (Bundesadler, Nationalflagge) lässt sich einwenden, dass sie die Forderung der politischen
bis hin zu Diagrammen der Wahlergebnisse (insbesondere Gleichheit verletzt. Dieser Einwand, der mit dem Ideal
der Sitzverteilung im Bundestag). Diese Vielfalt verdankt direkter Demokratie verknüpft ist, widerspricht jedoch nicht

26 fiph j o u r n a l
Schwerpunktthema: Politische Repräsentation

nur dem Modell der repräsentativen Demokratie in Theorie und einen wichtigen Beitrag zur Überwindung des Repräsentations-
Praxis, seine politische Umsetzung – der Verzicht auf politische Hierar- problems leisten.
chien – wäre nicht mit den organisatorischen Notwendigkeiten mo- Bezeichnet der Begriff der repräsentativen Sittlichkeit die sitt-
derner Großgesellschaften in Einklang zu bringen. Zwar trifft es zu, liche Dimension der Gemeinwohlpflichten der politischen Eliten, so
dass allen Mitgliedern eines Gemeinwesens eine gewisse Verant- bringt die Rede von repräsentierter Sittlichkeit die sittliche Dimen-
wortung für einen guten Zustand desselben zugesprochen werden sion der Gemeinwohlpflichten sämtlicher Bürger zum Ausdruck. Von
kann; den politischen Eliten kommt aber aufgrund der besonderen „Sittlichkeit“ kann insofern gesprochen werden, als es um ein Handeln
Macht bzw. des besonderen Einflusses, die/den sie auf die Gestaltung geht, das sich einer pflichtbewussten Orientierung am Gemeinwohl
der gesellschaftlichen Strukturen ausüben, eine besondere Verant- verdankt. Dieses Handeln unterscheidet sich von der Moralität der
wortung dafür zu. Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten muss daher ‚personalen‘ Sittlichkeit Kants dadurch, dass es nicht auf einer tugend-
sowohl allgemeine Gemeinwohlpflichten aller Bürger als auch haften Gesinnung beruhen muss. Vielmehr können Gemeinwohl-
besondere Gemeinwohlpflichten der politischen Eliten enthalten. pflichten auch aus bloßem Eigeninteresse, z.B. aus dem Wunsch nach
„Besonders“ können deren Pflichten entweder hinsichtlich ihrer sozialer Anerkennung, erfüllt werden. Der Gemeinwohlgedanke
Intensität oder aber hinsichtlich ihres Inhalts sein – so ist etwa die wirkt dabei als tertium comparationis, dem die Mitglieder der
Gesetzgebung zwar an die Souveränität des Volkes rückgebunden, politischen Eliten ebenso verpflichtet sind wie alle übrigen Bürger.
wird aber konkret nur von den Mitgliedern des Parlaments ausgeübt. Damit füllt er die Leerstelle der zentralen Repräsentation. Dies ist
Die repräsentative Sittlichkeit der Bürger bezieht sich auf die gegen die Einwände der Anhänger der radikalen Demokratie dann
Verantwortung der Regierten für die Wahl der Politiker, die sie im vertretbar, wenn man einen zweistufigen Begriff des Gemeinwohls
Parlament repräsentieren sollen, sowie der Führungspersonen, von zugrunde legt: Die erste Stufe eines basalen Gemeinwohls umfasst
denen sie sich als Mitglieder von Interessengruppen vertreten lassen. diejenigen Güter, die Menschen benötigen, um sich in ihrer Existenz
Da sie an den Status des wahlberechtigten Bürgers bzw. an die als in Gemeinschaft lebende Natur-Kultur-Wesen zu erhalten, also
Mitgliedschaft in Interessengruppen gekoppelt ist, ist sie ebenfalls unter anderem Grundnahrungsmittel, Trinkwasser, eine nicht durch
rollen- bzw. positionsspezifisch. Sie manifestiert sich primär in der Schadstoffe beeinträchtigte lebensfreundliche Umwelt sowie eine
Erfüllung der Gemeinwohlpflicht, das heißt der ethisch legitimierten Grundrechte wie das Recht auf Leib und Leben sichernde (demokra-
sozialen Erwartung der Bürger eines Gemeinwesens aneinander, von tische) Rechtsordnung. Die über eine transzendentalphilosophische
ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, um so an der Bestimmung des Reflexion vorgenommene inhaltliche Bestimmung des basalen Ge-
allgemeinen Willens mitzuwirken. Die Wahlpflicht schließt eine meinwohls kann insofern als „demokratietranszendent“ bezeichnet
Informationspflicht ein, da nur gut über zentrale Themen und die werden, als die Aufgabe der Herstellung, Bereithaltung und lang-
Programme der Parteien informierte Bürger eine verantwortliche fristigen Sicherung der betreffenden Gemeinwohlgüter für alle Mit-
Wahlentscheidung treffen können. Sie beinhaltet auch die Forderung, glieder des Gemeinwesens politisch nicht zur Disposition gestellt
sach- statt sympathieorientiert zu entscheiden, also etwa Politiker, die werden kann. Für alle nicht existenznotwendigen Güter kann dage-
sich als unfähig, korrupt oder rechtsbrüchig erwiesen haben, nicht gen nur in demokratischen Verfahren und damit über die öffentliche Aus-
wiederzuwählen. Schließlich ist sie mit einer Pflicht zur Kritik und Kon- einandersetzung gegenläufiger Interessen entschieden werden, ob
trolle der politischen Repräsentanten verbunden, wenn diese gemein- sie vom Gemeinwesen bereitgestellt werden sollen oder nicht.
wohlschädlich handeln, und zwar insbesondere derjenigen, die man Die Unterscheidung zweier Gemeinwohlstufen ermöglicht es, der
selbst gewählt hat. von Kritikern zu Recht gestellten Forderung nach einem nicht sub-
Um den Bürgern eine solche Wahl-, Informations- und Kontroll- stanzialistischen, entideologisierten, zudem weder partikularen noch
pflicht zumuten zu können, bedürfte es aber einer wichtigen Mo- paternalistischen, sondern prozedural offenen Gemeinwohlbegriff zu
difikation des Wahlrechts, nämlich der Einführung einer verfahrens- entsprechen (Zur Diskussion dieser Forderungen vgl. Eike Bohlken:
konformen, öffentlich sichtbaren Enthaltung. Zwar besteht auch Die Verantwortung der Eliten. Eine Theorie der Gemeinwohlpflichten,
derzeit die Möglichkeit eines Verhaltens, das einer Enthaltung gleich- Frankfurt a.M. 2011, S. 180-209). Paradoxerweise ist es gerade die
kommt, nämlich entweder nicht zur Wahl zu gehen oder einen Auszeichnung bestimmter Grundgüter und -rechte als „demokratie-
ungültigen Stimmzettel abzugeben. Beide Optionen bleiben aber transzendent“, der eine zentrale Funktion für die Integration und die
uneindeutig und sind daher repräsentationstheoretisch problema- zentrale politische Repräsentation des allgemeinen Willens zu-
tisch: Wer der Abstimmung ferngeblieben ist, kann dies ebenso aus kommt. Die Auszeichnung eines politisch nicht disponiblen basalen
politischen wie aus unpolitischen Gründen – etwa aus Bequemlichkeit Gemeinwohls wirkt der Hypostasierung des Eigeninteresses ent-
oder Desinteresse – getan haben. Und ein ungültiger Stimmzettel gegen, die über die Vorherrschaft funktionalistischer Gemeinwohl-
gibt keine Auskunft darüber, ob er absichtlich oder versehentlich theorien etabliert worden ist. Als zentrale Repräsentationsinstanz
inkorrekt ausgefüllt wurde. Ein entscheidender Vorteil einer offiziellen des allgemeinen Willens verdeutlicht der Kern des basalen Gemein-
Enthaltung durch das Ankreuzen eines entsprechenden Feldes auf wohls, dass es gemeinsame Interessen aller Mitglieder eines Gemein-
dem Wahlzettel läge darin, dass auch die Stimmen der fundamental wesens gibt, die es solidarisch gegen politische Veruntreuung zu
Unzufriedenen – in symbolischer, aber klar quantifizierter Form – eine schützen gilt. Das Begriffspaar der repräsentativen und der repräsen-
politische „Repräsentation“ erhielten. Zwar hätte diese zunächst nur tierten Sittlichkeit erinnert daran, dass eine solche Veruntreuung
einen theoretischen Charakter, da ihr kein Mandat entspricht. Ihr nicht nur von ‚denen da oben‘, sondern auch von den politisch
könnte aber dadurch politische Wirksamkeit zukommen, dass Wahl- Repräsentierten betrieben wird, wenn sich jeder nur noch selbst der
ergebnisse mit hohen Enthaltungsanteilen die Parteien dazu moti- Nächste ist und die Förderung des Gemeinwohls nur noch von einer
vieren sollten, überzeugendere Kandidaten aufzustellen. Die Ein- unsichtbaren, marktförmigen Systemrationalität erwartet wird.
führung einer offiziellen Enthaltung im Rahmen einer Gemeinwohl-
pflicht, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen, könnte damit

j o u r n a l fiph 27
Buchempfehlungen

N e u e r s c h e in u n g

Das Böse
Trotz seiner unübersehbaren Präsenz im menschlichen Leben wird das Böse in der ge-
genwärtigen Diskussion oft vernachlässigt. Es spielt jedoch nicht nur für die Frage der
Theodizee („Warum lässt Gott das zu?“), sondern auch für das Selbstverständnis des
Menschen („Sind wir von Natur aus gut oder böse?“) und die Frage nach den Beweg-
gründen zu (un-)moralischem Handeln („Wie können Menschen so etwas tun?“) eine
entscheidende Rolle. Der vorliegende Band bietet drei Annäherungen an das Böse aus
christlicher und islamischer Sicht.
Der protestantische Theologe und Religionsphilosoph Ingolf U. Dalferth, Karl Kardinal
Ingolf U. Dalferth,
Lehmann und der Orientalist und Publizist Navid Kermani befassen sich mit den Fragen,
Karl Kardinal Lehmann,
was genau unter dem Bösen zu verstehen ist und wo sein Ursprung zu suchen ist. Sie
Navid Kermani:
thematisieren dabei das Verhältnis des Bösen zu den vermeidbaren und unvermeidbaren
Das Böse.
Übeln dieser Welt und die funktionale Bedeutung der Rede vom Bösen für die Erklärung
Drei Annäherungen
und Bewältigung dieser Übel; sie hinterfragen traditionelle Erklärungsmodelle für die
Freiburg im Breisgau:
Entstehung des Bösen und verfolgen das Theodizeeproblem im Islam, wie es sich an der
Herder 2011,
Darstellung Hiobs im Koran und an dem Phänomen der „Gottesklage“ zeigt.
120 Seiten, 16 Euro

D r e l l s B u c h e m pf e h l u n g

Kompass ins Nirgendwo


„Gerechtigkeit ist die erste Tugend sozialer Institutionen, so wie die Wahrheit bei
Gedankensystemen“. Dem britischen Philosophen Raymond Geuss zufolge kann die-
ser Ausgangspunkt, den John Rawls in seiner „Theorie der Gerechtigkeit" wirkungs-
voll gesetzt hat, die politische Theorie nur in die Irre führen. Weder ist sie geeignet,
die normative Welt angemessen zu erfassen, noch könnten oder dürften die poli-
tisch Handelnden – und damit sind nicht nur die Vertreter der politischen Klasse
gemeint – Gerechtigkeit zu ihrem höchsten Handlungsprinzip erheben. In seinem
kurzen Werk, „Kritik der politischen Philosophie", die im Original weniger anspruchs- Raymond Geuss:
Volker Drell voll als „Philosophy and real politics" 2008 erschien, plädiert Geuss dagegen für ei- Kritik der politischen
ist Wissenschaftlicher nen Realismus in der politischen Theoriebildung. Dabei sollen die normativen Orien- Philosophie. Eine Streit-
Mitarbeiter am fiph tierungen in ihrem jeweiligen historischen Kontext betrachtet und in ihrer Bedeu- schrift
und betreut dort u.a. tung für die tatsächlichen Motivationen und Handlungen der personalen und insti- Hamburg: Hamburger
die Bibliothek. tutionellen Akteure eingeschätzt werden. Eine politische Theorie, die stattdessen Edition 2011,
wünschbare Zustände in den Mittelpunkt rücke und keine Antwort auf die Fragen 148 Seiten, 12 Euro
nach der Macht gebe, habe mehr als nur Schönheitsfehler. Geuss formuliert deutlich:
„Ein theoretischer Ansatz, der keinen Platz für eine Theorie der Macht vorsieht, ist
nicht bloß gravierend unzulänglich, sondern schadet aktiv, weil er mystifizierend
wirkt.“ (128). Nur eine politische Philosophie, die auf die Macht, den historischen
Standort und die Reichweite sowie auf den fragmentarischen Charakter normativer
Orientierungen reflektiere, könne der politischen Urteilsfähigkeit nützliche Orientie-
rung bieten. Geuss will keine umfassende Theorie aufstellen, aber helfen, die rich-
tigen Fragen zu stellen. Die Frage, inwiefern sein Realismus über den Status quo in
eine allgemein erstrebenswerte Zukunft weisen kann, bleibt jedoch offen.

28 fiph j o u r n a l
Buchempfehlungen

Non-stipendiary Fellowships
Das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover bietet Wissenschaftlern/innen, die im Fach Philosophie oder einem geisteswissen-
schaftlichen Fach arbeiten, die Möglichkeit, als „Non-stipendiary Fellow“ oder als „Non-stipendiary Graduate“ zu einem Forschungs-
aufenthalt an das Forschungsinstitut zu kommen.
Grundsätzliche Voraussetzung für eine Bewerbung auf eines dieser Fellowships ist, dass Sie selbst über eine Finanzierung von dritter Seite
verfügen (Stipendium etc.) und In­teresse an einer Anbindung Ihrer Forschungsarbeit an das fiph haben.

Weitere Voraussetzungen sind:


für die Bewerbung als Non-stipendiary Fellow: Habilitation

für die Bewerbung als Non-stipendiary Graduate: abgeschlossenes Studium oder Promotion,
Arbeit an einem Promotions- oder Habilitationsprojekt
Ihre Bewerbung kann als Initiativbewerbung, unabhängig von Terminen, erfolgen.

Unsere Leistungen:
Arbeitsplatz im Forschungsinstitut
Teilnahme am internen Forschungskolloquium
Möglichkeit, das Forschungsprojekt in einem öffentlichen Vortrag zu präsentieren

Bewerbungsunterlagen (inkl. Lebenslauf, Publikationsliste, Beschreibung des Forschungsvorhabens [5-10 Seiten], ggf. Gutachten) in
deutscher oder englischer Sprache richten Sie bit­te an den Direktor des Forschungsinstituts: Prof. Dr. Jürgen Manemann,
Forschungsinstitut für Philosophie Hannover, Gerberstraße 26, 30169 Hannover

Informationen zum Forschungsinstitut finden Sie auf www.fiph.de

N e u e r s c h e in u n g

Hegel und Levinas: Kreuzungen, Brüche,


Überschreitungen
Mit Hegel und Levinas bringen die Beiträge dieses Sammelbandes zwei äußerst gegen-
sätzliche Denker zusammen. Steht der eine für den Versuch, allem Erfassbaren seinen
Ort in einem System des Geistes zu geben, beharrt der andere auf der eigenständigen
Stellung des Anderen, der als das Fremde und Nicht-Einsehbare nicht zu vermitteln sei
und sich damit der Gewissheit entziehe.
Die Zugriffe des auf eine internationale Tagung zurückgehenden und um weitere Bei-
träge ergänzten Bandes sind vielfältig: Der kritischen Befragung von Hegels Philoso- Brigitta Keintzel/
phie durch Levinas („Aufbrüche“) folgt ein Vergleich der theoretischen Grundbegriffe Burkhard Liebsch (Hg.):
(Freiheit, Recht, Anerkennung). Pascal Delhom zeigt, dass die Verletzlichkeit der Person Hegel und Levinas:
bei beiden Denkern am Anfang ihrer rechtsphilosophischen Überlegungen steht. Doch Kreuzungen, Brüche,
tritt der Unterschied bei der Funktion der Strafe deutlich hervor: Hegel geht es um die Überschreitungen
Wiederherstellung des Rechts durch die Strafe, die als Achtung des freien Willens des Freiburg im Breisgau:
Verbrechers verstanden wird. Für Levinas hingegen bildet die historische Erfahrung des Alber 2010, 416 Seiten,
Leids des Anderen als beschädigtes Opfer den zentralen Bezugspunkt der Strafe. 39 Euro
In weiteren Sektionen werden beide Theoretiker zunächst unter aktuellen Gesichtspunk-
ten wie „Gender“ und „Transformation“ diskutiert, dann Rezeptionslinien und Deutun-
gen, etwa bei Rosenkranz, rekonstruiert. Der abschließende Teil („Differente Idiome“)
versucht, punktuelle Gemeinsamkeiten weiterzuentwickeln. So Robert Bernasconi, wenn
er den Begriff der Unendlichkeit in Hegels Schrift „Glaube und Wissen" durch die
Levinas’schen Ausführungen neu liest. Der abschließende Beitrag von Burkhard Liebsch
nähert sich den beiden Autoren kontinuierlich fragend und lässt so „ein unendliches Ge-
spräch über die philosophische Relevanz von Hegel und Levinas beginnen“.

j o u r n a l fiph 29
Philosophie am Kröpcke

dementsprechend eine streng wissenschaftlich kontrollierte Studie durch: Wir

schreiten zum Kröpcke, der Agora Hannovers, mit Digitalkamera und Aufnahme-

gerät bewaffnet, und stellen allen Passanten, die nicht schnell genug flüchten,

dieselbe Frage. Auf den Spuren des Sokrates, aber bar jeder Ironie.

Philosophie am Kröpcke
Passend zu unserem Schwerpunktthema „Politische Repräsentation“ wollten wir

diesmal wissen: „Fühlen Sie sich von der Politik repräsentiert?“ Da dies man-

Philosophie – eine Wissenschaft im Elfenbeinturm? Weit gefehlt! Das Forschungsinsti- chen zu kompliziert war, haben wir auch volksnäher gefragt: „Sind Sie politikver-

tut für Philosophie Hannover macht es sich zur Aufgabe, herauszufinden, was der Mann drossen?“ Auszüge aus den profunden Antworten lesen Sie hier …

(und die Frau) von der Straße von den philosophischen Inhalten, die am Institut er-

forscht werden, weiß und hält. Pünktlich zu jeder Ausgabe des fiph-Journals führen wir E ike B ohlken , R en é B öse

Fühlen Sie sich von der Politik repräsentiert?

fiph: Unsere Politiker sind fiph: Meinen Sie, dass wir zu


also nicht schlechter als wir? viel arbeiten und dass das dem
Thomas: Ja, wenn ich mir die politischen Engagement
Politiker so anschaue, die schadet?
haben ja häufig nur das eine Thomas: Mir fehlt einfach die
Ziel: Ich geh‘ in die Politik, da Zeit, neben meiner beruflichen
geht’s mir gut. Und da lassen Tätigkeit.
fiph: Fühlen Sie sich von der fiph: Fühlen Sie sich von der sich dort auch Leute nieder, die
Politik repräsentiert? Politik repräsentiert? in der freien Wirtschaft, wo sie
Farid: Also ich vertraue Thomas: Überwiegend nicht. richtig was bringen müssten,
überhaupt keinem Politiker. Es wird sehr viel am Volkswil- gar keine Chance hätten. Die
fiph: Warum nicht? len vorbei politisiert und verdrücken sich dann lieber in
Farid: Weil die sagen ‘was und entschieden. die Politik und halten kluge
die machen ‘was anderes. Die fiph: Hätten Sie eine Idee, Reden und glauben, sie
sagen, was die wollen. Die wie man das ändern könnte? würden für das Volk etwas
versprechen, was sie nicht Thomas: Ich denke, die Mensch- Gutes tun. Ich gehe zwar fiph: Sind Sie politikverdrossen?
halten können. Ich meine, heit müsste sich ändern. Denn immer noch regelmäßig zur Sabine: Ja, teilweise. Einmal
wenn ich etwas verspreche, die Menschheit ist mittlerweile Wahl, aber je älter ich werde, jetzt mit dem Guttenberg –
dann muss ich machen, was durch und durch egoistisch. desto mehr lässt meine frühere dass solche Leute immer noch
das Volk will, und nicht, was Nach mir die Sintflut und gut ist. politische Euphorie nach. gestützt werden ...
ich selber oder meine Partei fiph: Sie meinen also, eine fiph: Was könnte Sie wieder fiph: Also fanden Sie es richtig,
will. adäquate Repräsentation des in einen solchen Zustand dass er zurückgetreten ist?
fiph: Woran liegt das? Sind Volkswillens ließe sich nicht versetzen? Sabine: Anfangs habe ich
das schlechte Menschen? allein durch eine Verände- Thomas: Man müsste vielleicht gedacht, es ist vielleicht ein
Farid: Ich glaube, das ist rung der politischen Struk- auch mal selbst eingreifen. bisschen übertrieben, weil ich
überall so, nicht nur in turen herbeiführen? Aber das lässt ja meistens der nicht gewusst habe, ob er das
Deutschland. Auch bei uns Thomas: Das müsste eigent- Lebensweg, den man mal wirklich absichtlich gemacht
– ich komme aus Syrien. lich auch schon im Elternhaus irgendwann eingeschlagen hat. Wären es nur kleinere,
Ich glaube, dass, wenn man in geschehen, dass das Gemein- hat, gar nicht mehr zu. Wenn auf Unachtsamkeit beruhende
der Politik arbeitet, man so schaftsdenken wieder mehr ich zu Hause bin, dann lege ich Mängel, dann hätte man
sein muss. Als Politiker muss entwickelt wird. Das ist nicht lieber die Beine hoch und darüber hinwegsehen können.
man immer lügen. Man muss nur eine politische Sache, pfleg‘ mich oder gehe ins fiph: Und fühlen Sie sich ansons-
aber ehrlich sein. sondern auch eine erzieherische. Sportstudio. ten von der Politik vertreten?

30 fiph j o u r n a l
Philosophie am Kröpcke

Sabine: Im Grunde müsste man Jana: Nö. Gar nicht! Die Linke, wird nicht gewählt. Ignatz: Wir haben zwar eine
sich mehr einbringen. Ich fiph: Was müsste sich Ihrer fiph: Sie würden sagen, es ist Demokratie, aber letztendlich
möchte eigentlich die Politik Meinung nach ändern? ein Problem der Bürger, dass sie ist es so, dass wir alle vier Jahre
nicht verdammen, weil ich mir Jana: Mehr Profil, Menschen so inkonsequent sind? entscheiden dürfen, wer uns
sage: Solange ich mich nicht mit einer Meinung, die sich auch Nadine Na ja. Sie halten die für verarscht. In der Schweiz, da
selber genug engagiere, kann trauen, die zu sagen. Aber linke Spinner. gibt es Volksabstimmungen,
ich nicht bloß meckern. Politiker haben alle keine fiph: Denken Sie, man könnte das könnte man bei uns ja auch
fiph: Sie finden es also gut, Meinung, dürfen sie auch gar die politische Repräsentation machen.
dass Ihnen jemand die nicht haben – so ist Politik. verbessern?
politische Arbeit abnimmt? fiph: Könnte man an den Nadine: Ich bezweifle es. Denn
Sabine: Ja. Strukturen etwas ändern, oder wir haben momentan kaum
fiph: Könnten Sie sich sind es nicht auch die Wähler, Politiker, denen die Bürger
vorstellen, sich stärker die Politiker abstrafen, wenn sie vertrauen. Außer Guttenberg,
politisch zu engagieren? eine eigene Meinung vertreten? der jetzt raus ist (lacht).
Sabine: Eigentlich nicht. Denn Jana: Natürlich ist das so. Die fiph: Würden Sie auch sagen,
es fehlt mir an Durchsetzungs- können kein Profil zeigen, aber dass zu Guttenberg eine
kraft und Mut, mich vor vielen dennoch muss mir das nicht vertrauenswürdige Person ist? fiph: Fühlen Sie sich von den
Leuten zu präsentieren. gefallen. Wahrscheinlich Nadine: Der Guttenberg? Nein, Politikern gut vertreten?
fiph: Was würde für Sie einen könnte man mit viel Mühe und nicht aus meiner Sicht. Aber Theresa: Uff – (überlegt). Kann
idealen Politiker auszeichnen? Kleinarbeit innerhalb von 100 viele Menschen vertrauen ihm. ich gar nicht so wirklich drauf
Sabine: Ehrlichkeit und auch Jahren etwas dran ändern, aber fiph: Können Sie sich vorstellen, antworten, da mir ein richtiges
Engagement, das versuchen da fehlt mir die Geduld. sich selbst politisch zu engagieren? Verhältnis zur Politik fehlt.
durchzusetzen, was uns im Nadine: Darüber habe ich fiph: Müsste sich in der Politik
Wahlkampf versprochen tatsächlich schon einmal etwas ändern, damit ein solches
wurde. Ich verstehe zwar nachgedacht, aber ich habe Verhältnis für Sie entstehen
teilweise, dass es diese keine Lust so viel rumzuschwa- könnte?
Fraktionsdisziplin gibt. Aber feln und darum: Nein. Theresa: Ja, ich glaube, wenn
dass ein Politiker oft nicht für man irgendwelche Aktionen
sich alleine entscheiden kann, organisieren würde, um direkt
das stört mich. die Jugend anzusprechen. Denn
fiph: Sind Sie politikverdrossen? so, wie sich Politiker oftmals
Nadine: Es kommt darauf an, ausdrücken, hören viele in
wie man Politikverdrossenheit meinem Alter nicht zu. Es ist
definiert. Wenn man sagt, dass schon manchmal sehr mühselig,
man überhaupt kein Interesse zu verstehen, was die einem
mehr an der Politik hat, weil fiph: Fühlen Sie sich von der überhaupt vermitteln wollen.
alles Scheiße läuft … Ich finde Politik repräsentiert? fiph: Könnten Sie sich vorstellen,
nicht cool, wie es gerade läuft, Ignatz: Nein. Es ist eigentlich sich politisch zu engagieren?
fiph: Sind Sie politikverdrossen? aber ich hab‘ trotzdem fast egal, welche Partei man Theresa: Nein, gar nicht.
Jana: Nein, überhaupt nicht, Interesse und möchte mich ein nimmt – jede kuckt immer nur fiph: Dann stellt sich aber die
oder (nachdenkend) doch, Stück weit beteiligen. auf die nächste Wahl. Es geht Frage, wie Politiker in Erfahrung
irgendwie schon. Weil Politiker fiph: Fühlen Sie sich von der nicht um den Bürger. Für mich bringen sollen, dass Ihre
alle nur Mist reden, immer nur Politik repräsentiert? jedoch ist ein Politiker ein Interessen nicht vertreten
auf einer Ebene reden, auf der Nadine: Nein, und zwar weil Vertreter des Volkes, das heißt, werden.
sie nicht angreifbar sind, leeres, alle Deutschen alles Mögliche er muss sich informieren, was Theresa: Ach, ich lass die
hohles Gerede von sich geben, wollen, aber keine der Parteien will das Volk wirklich. Die Leute einfach mal so machen.
ohne Inhalt, ohne irgendwas wählen, die das vertreten. 70 boykottieren E 10, aber die Irgendwann wandere ich
dahinter. Und das ist parteiüber- Prozent der Deutschen sind für Politiker setzen trotzdem alles sowieso aus.
greifend immer das Gleiche. den Atomausstieg, gegen den daran, das durchzuboxen! fiph: Vielen Dank!
fiph: Offenbar fühlen Sie sich Klimawandel und gegen den fiph: Wie könnten Politiker sich
von der Politik nicht allzu gut Krieg in Afghanistan, und die besser über den Volkswillen (Die Namen der Befragten wur­den
repräsentiert? einzige Partei, die das vertritt, informieren? von der Redaktion geändert.)

j o u r n a l fiph 31
Hannover
Philosophie
Institut für
Forschungs

Impressum
Herausgeber

Ausschreibung eines Research Fellowships Forschungsinstitut für


Philosophie Hannover
Prof. Dr. Jürgen Manemann
Das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover vergibt zum 1. Oktober 2011 wieder ein Research
Fellowship, das einen Forschungsaufenthalt von bis zu 10 Monaten am Forschungsinstitut ermög- Redaktion
licht.
PD Dr. Eike Bohlken
Wissenschaftler/innen, die im Fach Philosophie oder einem geistes- bzw. sozialwissenschaftlichen
Wissenschaftlicher Assistent
Fach an ethisch relevanten Themen arbeiten, bekommen die Möglichkeit, ihrem Forschungsvor-
haben in einem kreativen, interdisziplinären und internationalen Umfeld nachzugehen.

Bewerbungsvoraussetzung: Professur oder Habilitation Wissenschaftliche Mitarbeiterin


Anna Maria Hauk M.A.
Für nähere Auskünfte (Vergütung des Fellowships etc.) wenden Sie sich bitte an Frau Hauk
(Tel. 0511 / 164 09 10).

Bewerbungsunterlagen (inkl. Lebenslauf, Publikationsliste, Beschreibung des Forschungsvor- Wissenschaftlicher Mitarbeiter


habens [5-10 Seiten], ggf. Gutachten) in deutscher oder englischer Sprache richten Sie bit­te bis Volker Drell M.A.
spätestens 25. Mai 2011 an den Direktor des Forschungsinstituts, Prof. Dr. Jürgen Manemann,
Forschungsinstitut für Philosophie Hannover, Gerberstraße 26, 30169 Hannover

Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen mit Kindern sind besonders erwünscht. Wir bemühen uns
um Regelungen für das Fellowship, die an die persönliche Situation der Frauen angepasst sind. Sekretariat
Sigrid Wittkamp

Mitglieder des Vorstands der Stiftung


„Forschungsinstitut
für Philosophie Hannover“

Prof. Dr. Ulrich Hemel,


Universität Regensburg, Vorsitzender
Ausschreibung eines Stipendiums der Geschäftsleitung „Strategie und Wert
Beratungs- und Beteiligungs-GmbH“,
Direktor des „Instituts für Sozialstrategie“,
Das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover vergibt zum 1. Oktober 2011 ein Stipendium, das Laichingen, Jena, Berlin
einen Forschungsaufenthalt von bis zu 10 Monaten am Forschungsinstitut ermöglicht. (1. Vorsitzender)
Nachwuchswissenschaftler/innen, die im Fach Philosophie oder einem geistes- bzw. sozial- Generalvikar Dr. Werner Schreer,
wissenschaftlichen Fach über ethisch relevante Themen promovieren oder sich habilitieren, erhalten Hildesheim (2. Vorsitzender)
die Möglichkeit, ihrem Forschungsvorhaben in einem kreativen, interdisziplinären und internatio- Prof. Dr. Hans-Joachim Höhn,
Universität zu Köln
nalen Umfeld nachzugehen.
Prof. Dr. Hans Joas, Universität Freiburg,
Freiburg Institute for Adavanced Studies,
Bewerbungsvoraussetzungen: Abgeschlossenes Studium oder Promotion, Committee on Social Thought,
Arbeit an einem Promotions- oder Habilitationsprojekt University of Chicago
Prof. Dr. Thomas M. Schmidt,
Wir bieten: Universität Frankfurt/M.
• ein Stipendium für die Dauer von bis zu 10 Monaten Prof. em. Dr. Christian Starck,
• ein eigenes Arbeitszimmer im Forschungsinstitut
Universität Göttingen
Prof. Dr. Saskia Wendel,
• Unterstützung bei der Beschaffung von Literatur durch eine wissenschaftliche Hilfskraft
Universität zu Köln
• kompetente persönliche und projektbezogene wissenschaftliche Beratung und Begleitung

Herstellung und Gestaltung


Für Auskünfte zur Höhe des Stipendiums wenden Sie sich bitte an Frau Hauk (Tel. 0511 / 164 09 10).
Bernward Medien GmbH
Druck
Bewerbungsunterlagen (inkl. Lebenslauf, Publikationsliste, Beschreibung des Forschungsvorhabens Druckhaus Köhler, Harsum
[5-10 Seiten], ggf. Gutachten) in deutscher oder englischer Sprache richten Sie bit­te bis spätestens Auflage
25. Mai 2011 an den Direktor des Forschungsinstituts, Prof. Dr. Jürgen Manemann, Forschungsinstitut 5 300
für Philosophie Hannover, Gerberstraße 26, 30169 Hannover. Erscheinungsweise
halbjährlich
Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen mit Kindern sind besonders erwünscht. Wir bemühen uns
um Regelungen für das Stipendium, die an die persönliche Situation der Frauen angepasst sind.

32 fiph j o u r n a l

ISSN 1612-7994

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