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S Y M B O L I K

UND

MYTHOLOGIE
D E R ALTEN V Ö LK E R

BESO ND ERS DER G R IEC H EN

VON
D r . F R IE D R IC H C R E U Z E R
PR O FE SSO R OER ALTEN LITERATUR ZU U EID ELEER C.

ERSTER T H E IL
JO r EINEM HEFTE VON ABBILDUNGEN UND MIT EINGEDRUCKTEN
UOLZSCUmiTEN.

Z W E IT E VÖLLIG UMGEARBEITETE AUSGABE.

LEIPZIG UND DAHMSTADT


B E I B E T E R UND LESRE.
8 I 9*
F R IE D R IC H C R E U Z E R S

SY M B O L IK UND M Y T H O L O G I E .

MIT

E IN E M H E F T A B B IL D U N G E N
zcM G a n z e n w e r k

AUF SECHSZIG T a FELN

U N D MI T

HEH REREN EINGEDRÜCKTEN HOLZSCHNITTEN.

LEIPZIG UND DARMSTADT


B E I H E Y E R U N D LE SKE .
1819.

Z u r N a c b r ic liL
O h m yth o lo g isch tn jibhildungen werden auch besonders v e r·
k a u jt 9 das H^erk aber nicht ohne die Abbildungen,
S E IN E N T H E Ü R E N F R E U N D E N

DEN HERREN

JOHANN FRIEDRICH ABEGG


GROSBEBZOGUCa BADISCHEM URCUENllATH. DOCTOR OER THEOLOGIE
UND PFARRER AN DER RIRCHE ZUM H. GEIST IN HElpELBERG

CARL DAUB
GEHEIMEM RIRCHENRATH. DOCTOR UND PROFESSOR DER THEOLOGIE
DASELBST

JOHANN FRIEDRICH MIEG


KIRCHFKRATH UND DOCTOR DER THEOLOGIE DASELBST

FRIEDR. HEINR. CHRIST. SCHWARZ


UKCBEKRATH, DOCTOK CRO PllOFESSOR DER TBEOUKilE OASEUST

WI DMET
D I E S E S H A N D B U C H A L T E R T H E O M T T H IE N
AUS AD FRI CUT IC ER H O CH ACH TU N C

DER TERFASSER
VORREDE ZUR ΖΛΥΕΙΤΕΝ AUSGABE

D i'ie gegen mein Elrwarten bald nothwendig ge-


'wordene Erneuerung dieses Buchs legte mir neue
Verpflichtungen auf. Ich hatte es zuerst haupt­
sächlich in der Absicht geschrieben, um meinen
Z uhörern, die mir so viel Zutrauen ges«.‘hentt,
einen mit den nöthigen Beweisstellen versehenen
Grnndrifs in die Hand zu geben. Unter der Ar­
beit halte sich der Plan erweitert, und besonders
in den letztenTheilen war ein ausführliches Hand­
buch daraus geworden. Hier war nun Gleich­
stellung der einzelnen Parihien dringende und
vpn vielen Seiten W'iederholle Forderung. Ihr
wollte ich, nach Kräften, Genüge leisten. Dies
Bestreben war eine schuldige Erwiederung dessen,
was ich seither auf so erfreuliche Weise erfahren.
D er Eifer meiner Zuhörer halte sich verdoppelt;
auf dem Gebiete dieser Forschungen war mir die
Zustimmung der würdigsten, gelehrtesten und
geistreichsten Männer begegnet, und unter denen,
welche Geistesbildung und Religiosität für unzer-
VIII

trenn]ich halfen, hatte mir dies Buch viel liebe


und theure Freunde erworben.
Sie. die zum Urtheil Berufenen, mögen nun
entscheid <‘n, ob ich bei dieser Umarbeitung auch
geleistet habe, was zu leisten ich schuldig war.
Was ich zu leisten gesucht, nufs ich nun kürz­
lich sagen. Hauptabsicht war, wie bemerkt, zu­
vörderst Ausführung alles dessen, was bisher in
ungenügenden Umrissen nur angedeutet worden.
Dies war natürlich nicht ohne nochmalige Durch­
sicht und neue Prüfung der wichtigsten Beweis­
stellen und Sätze möglich, die dieser Mythologie
im Ganzen und Einzelnen zur Grundlage dienen.
Hieran reihele sich die Bearbeitung mehrerer
My thenkreise, d ie vorher, d er Kürze wegen, ganz
übergangen worden waren. Ferner durfte nun
die Uebe> sicht der Indischen und Persischen Re­
ligionssysteme in einem Buche nicht mehr feh­
len, dessen Verfa.sser sich allenthalben auf den
Orient beruft.
Wem nun diese beiden letzten Capitel des
ersten Bandes im Vergleich mit dem von Aegyp­
tens Religion zu kurz Vorkommen sollten, den
bitte ich erstens zu bedenken, dafs beim Aegyp-
tischen Abschnitte theils aus vernachlässigten oder
ungedruckten Schriftstellern , theils aus einer
neulich gcw'onnenen Fülle von Denkmälern aller
Art, vieles Dunkele ins Licht zu setzen war; zwei­
tens, dafs ich, weil Aegypten eine Hauptbrücke
ist, worüber Europa die religiöse Cultur der Mor­
IX

genländer ubcrLommen« auf meinem Wege τοη


jenem Lande ausgelie. Je frem der, ja seltsamer,
aber die Dinge sind, die uns gerade beim ersten
Ausgange dort begegnen, desto nöthiger schien
es m ir, dieses Aegjptiscbe Gebiet zur Vorschule
zu machen, wo die orientalische Denkart gelernt
werden mnfs. Eigentlich hätte ich noch aus­
führlicher seyu müssen. W eil ich aber dachte,
manches Dunkele werde ans meinen Herodotei-
schen Abhandlungen deutlich werden, so konnte
ich in jenen Grenzen stehen bleiben.
E ndlich, um zur Angabe meiner neuen Be­
mühungen zurückzukehren, so waren eine Menge
ungenauer oder falscher Anführungen zu berich­
tigen. Einige hatte ich selbst verschuldet. Die
meisten hatte der unbeschreiblich fehlerhafte
Druck der ersten Ausgabe erzeugt. Bei dieser
Arbeit sind mir nun meine Freunde, die Herren
Professoren K a j s e r und M o s e r, sehr behülf-
lich gewesen. Hierbei mnfs ich zwei andern
Freunden meine schuldige Danksagung öffentlich
abstatten, dem HeiTn Professor Mo n e für die
schätzbaren und belehrenden Beiträge, die er
m ir zum ersten Buche mitgetheilt hat, wo sie
unter seinem Namen abgedruckt w orden; sodann
d.emHerrnCandidaten C h r is tia n F e lix B ä h r,
Mitglied unsers philologischen Seminars, der mir
nicht nur beim Redigiren meiner schriftlichen
Sammlungen mit verständigem und gelehrtem
Fieiftc unermüdet beigestanden, sondern auch
die G>rrectur auf das sorgfältigste verwaltet h a t.
Da ein sehr einsichtsvoller Setzer, welcher sich
in seinen fniheren Jahren anf einer hohen Schale
wissenschaftliche Kenntnisse sammelte, diesmal
das bei einem solchen W erke nicht leichte Ge>
schäft geführt, so w ird, hoffe ich , von dieser
Seite dem Leser nichts Wesentliches zn wünschen
übrig bleiben.
Die Vorrede zur ersten Ausgabe wollte ic h
erst ganz wegstreicben, da ich mich neulich in
den Briefen über Homer an Hermann über meine
mythologischen Grundsätze ausführlich erklärt
habe. Indessen fügte ich mich der Erinnerung
einiger Freunde, die dasjenige daraus bei behalten
wünschten, woraus die Stellung ersichtlich sey,
in der ich mich gewissen Gelehrten gegenüber
befunden, als ich den Anfang der ersten Arbeit
hervortreicn liefs.
Was diese nicht konnten, auch wohl eben
nicht wollten — mich b e l e h r e n , das haben
seitdem Görres, Schelling, Silvestre de Sacy,
von Hammer, M ünter, Sickler, Ouwaroff, Her­
mann und andere würdige Gelehrte gewollt und
— ich bekenne es dankbar — in reichem Maafse
vermocht. W enn der letzte unter den genannten
noch immer im Streite mit mir beharrt , so*)

*) Ueber das Wesen and die Behandlung der Mytho­


logie· Ein Brief an Creuzer τοη Gottfried Hermann»
Leipzig, bei Gerb. Fleischer. 1819·
XI

tami icii den Ehren werthea daram nicht weniger


ehren. Vielmehr wird dieser Gegner mir immer
achtbarer nnd lieber, je länger er mir eutgegen-
steht Denn auf diesem Felde thut Krieg und
Streit TOT andern Noth, weun er nur mit so ehr­
lichen Waffen und so tüchtig geführt w ird , wie
Hermann zu ihun gewohnt ist; u n d , wie die
Sachen stehen, dürfte selbst ein geschickter und
geistreicher Vermittler, der neulich zwischen
uns a u ^ t r e t e n n i c h t mit ganz befriedigendem
Erfolg arbeiten. Aber darum arbeitet er nicht
Teigeblicb. Am wenigsten werde ich ihm diese
grolsherzige und milde Gesinnung mit Undank
lohnen. Im Gegentheil, ich bezeuge ihm hier
öffentlich, dafs m ir, seitdem ich mich mit dieser
Wissenschaft beschäftige, nicht leicht etwas er­
freulicher gewesen, als die Aufinerksamkeit, wo>
mit sein erleuchteter Geist meine Ideen aufge­
nommen. Meinen Hauptsatz aber halte ich in
seiner ganzen Ausdehnung gegen den Mann, zu
dem der Vermittler auch gesprochen, fest. Es
ist die Grundlehre von einer anfänglichen reinen
Erkenntnifs und Verehrung Eines G ottes, zu
welcher Religion sich alle naebherigen wie diö*)

*) V., Oawaroff über das Tor-Homerische Zeitalter.

£in Anhang zu den Briefen über Homer und Hesiod


T on Gottfried Hermann und Friedricb Creuzer. —
8t. Petersburg, gedruckt bei der Kaiserlichen Aka­
demie der Wisseoschaiten. i8iq.
XII

gebrocheaea und verblafsten Lichislrablen zu dem


vollen Licbtquell der Sonne verhalten. Diese
Ueberzeuguog ist in mir durch diese neue Arbeit
immer fester geworden. Sie mn&te mich daher
auch diesmal auf meinem Wege leiten. Da konnte,
da durfte ich nun nicht fragen, welchen Namen
u od W erlh diesesVerfahren anjezt im literarischen
Verkehre hat. Ich mufste auf die Sache sehen.
Unkundige reden da gleich von Synkretismus.
Um sie soll man sich überhaupt nicht bekümmern,
und ich hätte daher auch eine Anmerkung (p.7S3.
n o t i53.) {uglich ausstreichen können. Einsich­
tige wissen, dafs jenes beständige Hinblicken zn
der bemerkten Einen Religionsquelle ganz und gar
nicht im W iderspräche steht mit dem beding­
testen Forschen im Einzelnen. Sie wissen, dafs
man deswegen doch einem jeden Volke sein Recht
Aviderfahren lassen, und es auf seiner natürlichen
Stelle auftassen und zeichnen kann. Und dies
s o l l geschehen. Der Mytholog soll nach eines
jeglichen Landes und Volkes Art fleifsig forschen.
Rerg und Thal, Fl üfs und W ald, wie Stamm und
Sinnesart, Sprache, Sitte, Gesetz und Sage — sind
die Elemente, worin ihm die ächten mythologi­
schen Anschauungen aufgehen. Jeglicher Mythus
will auf seinem Grund und Boden, von der
W urzel seines natürlichen Lebens an bis in den
Kelch seiner Blüthen, verfolgt und durefaspähet
scyn, soll er anders in seinem eigenen Bestand
und Wesen — und das ist des Mylhologen Amt —
ΧΠΙ

iriedergegeben Zierden. — Aber dabei xs'ird es


dem 'wahren Verstandnirs doch io derTbat mehr
förderlich als hinderlich seyn, wenn Du nun,
nach Vollendung jener Naturbeschreibung eines
örtlichen Bildes und Mythus, das Gleiche oder
Aehnliche hiozuthust, das in andern Landen
und unter einem andern Himmel gewachsen.
Das isl’s , was ich diesmal mit erneutem Fleifse
zu th n n Tersucht “Wa« jedes Symbol und jeder
M ythus zuerst örtlich und volLsthümlich, wie sie
einzeln und abgesondert bald hier bald da Tor·
kommen, sagen und bedeuten wollen, habe ich
möglichst zu zeigen gesucht Darum bann ihr be­
stimmtester Sinn niemalszwcifelhaft bleiben. Aber
eben weil die Hauplsymbole tind die grofsen Al­
legorien, worin die Gründung des agrarischen
Gesetzes, die Rettung vom wilden Hirtenleben
u n d die Heilsordnung für die Völker niedergelegt
worden — weil diese eine einzige gemeinsame
Quelle verralben, eben darum mufste bei jedem
agrarischen Orts- und Volksmylhus der erste Ur­
sprung angegeben werden, woraus t r entsprin­
gend, reiner und allgemeiner am Anfang, im
Verianfe der Zeit und mit den Wanderungen
der Völker immer nnd. immer örtlicher und be-
sdiränkter geworden.
N un bin ich weit entfernt von der Anmafsung,
m glauben, dals mir dieses Forschungsgeschäit
immer und in gleichem Maafse gelungen. Dafs
es m ein redliches Bestreben war, das religiöse
XIV

Leben der alten Völker zu eehen und zu zeigen,


bin ich mir bewufst; und darum rechne ich bei
kundigen und eben deswegen billigen Lesern auf
Nachsicht in demjenigen, worin ich auch dies­
mal gefehlt.
Der zweite, gleich diesem ersten ganz um­
gearbeitete Band dieses Werkes wird io der Mi­
chaelismesse dieses Jahres erscheinen. Von dem
dritten und vierlcn Bande, welche auch der er­
sten Anlage nach völlige Ausführungen enthalten
und daher weniger verändert werden , dürüe
die neue Ausgabe noch etwas länger ausbleiben.
Mit diesem ersten Bande wird ein eigenes Heft
bildlicher Darstellungen, theils in Kupferstich»
tbeils in Steindruck, mit beigefüglen Angaben
und Erklärungen, ausgegeben.

Heidelberg den lo. Juni 1819.

F r. C r e u z e r .
AUS DER

VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE.

I ^ e r allgemeine Tbeil, welcher die inneren ΒΠ-


duDg.<sge8etze des symbolischen und mythischen
Ausdrucks betrachtet, mufsle Terhällnifsmäfsig
eine gröfsere Ausdehonng erhalten, weil hieraus
die Grundsätze zur Beurtheilung der besonderen
Symbole und Mythen, so wie mancher Erschei­
nungen in der alten Kunst, hervorgehen müssen,
und weil gerade hier noch so manches im Dun­
kelen liegt. Im ersten Buche, oder in dem Theile^
welcher die Theorie des Symbols, des Mythus,
der Allegorie u. s. w., so wie allgemeine Betrach­
tungen über die verschiedenen Formen, Aeufse-
rungen, Anstalten und Personen des Götterdien­
stes begreift, bin ich von demGriecbischen Aller-
thum aaegegangen, nicht nur deswegen, weil der
Griechische Götterdienst den Mittelpunkt dieser
Untersuchungen bildet, sondern auch in der
Ueberzengung, dafs wir gerade den Uebergang
einer Bildungsperiode in die andere an der Grie­
chischen Nation, wegen der relativen Vollstän­
digkeit ihrer Literatur, am sichersten im Allge­
meinen zeigen können.
XVI

Im Betreff der Grundsätze, vronach die alte


Mylliologie behandelt w ird, habe ich bei jedem
Mythenkreise, so weit es die Kürze erlaubte, die
bedeutendsten Vorstellungsarten, wieder Verfolg
noch mehr zeigen wird, einander gegenüber ge­
stellt. W ohin ich mich selbst neige, ist weder im
Allgemeinen, noch bei einzelnen Lehren, jemals
unentschieden gelassen. Und hiermit könnte ich
die Leser sofort auf das Buch selbst verweisen.
W eil aber eben jezt, in diesem Zwiespalt der
Meinungen, eine offene Erklärung dem Charakter
des Lehrers und Schriftstellers am angemessensten
seyn möchte, damit ein Jeder gleich im voraus
wisse, wessen er sich zu einem Mylhologen zu ver­
sehen habe, so will ich die Grundsätze, von denen
ich ausgegangen bin, kürzlich darlegcn.
Die Beurtheilung und Behandlung aller Re*
ligionstheorien ist nicht trennbar von dem eigenen
Denken über den W erth der Religionen über­
haupt. Was nun das meinige betrifft, so ist m ir
die Religion die beste, die den elbischen Charak­
ter am reinsten bew'ahrl, und den Völkern das
schärfste sittliche Maais vorhält. Damit glaube ich
aber keinesweges, dafs die Moral den ganzen In-
haU der Religion erschöpfe, weifs auch, dafs die
edelsten Menschen und die merkwürdigsten Völ­
ker alter und neuer Zeit in ihnen noch etwas
Weiteres gesucht und gefunden bähen, höhere
Aufschlüsse über das Geheimnifs unseres Dasejns
und unsererBeslimmung. ln jedem Birlracht lege
ich daher dem Chrisicuthuro einen hohen, ja
unter allen bekannten Religionen den höchsten
W erth bei, betrachte auch die religiöse Cultur
der Griechen, in so fern sie auf den Mysterien
beruhte, als ziemlich gleichartig mit jenem, im.
öilentlichen Cultus aber als eine iiolhwendige
Vorstufe zu demselben, ln dieser Ueberzeugung
halte ich das Verfahren D erer, die in der G rie-
XVII

cbilclieo u nd Römischen Mythologie die bedeut-


camsten R<;tigionelebren und Philoeopbeme ent-
ireder durch Auslegung ihres wichtigsten Inhalts
zu berauben, oder genissentlicb in Scbatlen au
stellen u n d die Zeugen dafür auf alle Weise
▼erdäcbtig zu machen suchen, für durchaus
bisch u n d unkritisch.
W as also namentlich die Quellen der Grie­
chischen Mythologie betrifil, so ist der grofse
W erth der classischen D ichter, und besonders
der ältesten, nicht zu verkennen. Da aber Ho­
merus (was h ie r freilich nicht bewiesen werden
kann) von manchem alten Cultus seiner iVation
absichtlich keine Notiz genommen bat, so mufs
der Maaisstab ganz unrichtig w'erden. wenn aus
den Homerischen Gedichten entschieden werden
toli, was alter Griechenglaube w ar, oder nicht
war. Eine gehörige Aufmerksamkeit auf die
fiesiodeischeu Poeme, auf die Homeridischen
H ym nen, auf Pindarus, ja auf die Homerischen
(jedichte selbst, läfst den Kundigen schon nicht
mehr zweifelhaft, dals die Grie<msche Religion
in manchen ihrer Zweige weit mehr Bedeut­
samkeit batte, als die dem Schönen huldigenden
D ichter zu ihrer Absicht brauchen konnten.
Pausanias bestätigt diesen Satz durch fedes Ca-
pitel seiner Beschreibung alter Götterbilder und
Götterverehrung.
Desto wichtiger werden die alten Historiker
ond die Bruchstücke der Verlornen, da diese
Claese von S<'briftstellern von Allem Kunde giebt,
was ihrem Forschungsblicke merkwürdig schien,
and keine Rücksichten zu nehmen hatte, die
dem D ichter Fesseln anlegten. Eben so heach-
tangswertb sind die Philosophen, nicht nur die
W erke und P'ragmeote der älteren, sondern auch
derer, die, seit der Verbreitung des Christeo-
6 a m s , durch die reicheren Hülüquellen der
«»
x v in

Literatur in den Stand gf^etzt -waren, mancKee


merkwürdige und vergessene Datum früLerer Re··
ligion ans Licht zu ziehen. Es ist nicht zu leug­
nen, dafs sie, und dies gilt besonders von den
Neuplatonikern, erosliich darauf aiisgiogen ; und
wenn auch die Liehe zur Schule und polcmi.schc
Absithien auf ihr Urtheil nicht selten Einflufk
gewannen, so setzen uns ihre Naihrichten, bc·
sondeis wenn sie, wie dies häufig geschieht,
einen tüchtigen Zeugen aufser der Stdiule an­
führen, oft einzig und allein in den Stand , den.
Schlüssel eines alten Glaubens und Mythus zu
finden.
W ie jenes Ignoriren wichtiger Hülfsquellen,
wohin ich euch die W eike alter Kunst lecbue,
zur Einseitigkeit führt, eben so mufs ein zu sU en­
ges Isolircn der Griechischen Mythologie unver­
meidlich den Blick beschränken. Dafs iin G rie-
«hiseben Tempeldienste jeder fremde Gebraucia
sofort wesentlich verändert w ard, habe ich i n
der Schrift selbst zum öfteren bemerkt, und d ie
Fortsetzung wird dies ηο<·Η deutlicber zeigen.
Aber damit soll mau den Griechischen M ythen
nicht die W unteln absebneiden, die bis in a n ­
dere Länder forllaufen. Die ältesten nnd glaub­
würdigsten Schriftsteller wiesen von den frem den
Einwirkungen viel zu erzählen. Ja es ist n u i'
e in e Stimue darüber, dafs die Religion d c i'
Griechen grofseblheils aus der Fremde h e re in -
gekommen .sey. Und die neuesten ü n lersu ch u n -
gen, die H e e re n so g lü ck lk h ü b eralten V ö lk er-
verkehrangestdli bat, was geben sie für Resultate ?
Haben jene Nationen der vorweit einander n u r
Elepbanlenzähnc zucefübrt, nnd Gold und S k la ­
ven? Nicht auch Erkenntnisse, religiöse G e ­
bräuche und Götter? So wenig es also H e r d e a*
der Erklärung alter Denkmäler vortbeilhaft fa n c l,
«wenn man die Völker, unter denen sie e r r i c h t e t
XIX

wordeo, abgetreant und gleichsam so isolirtbe·


trachtet, als ob keine mehr auf der Erde gewesen
wären*, so wenig kann ich diese Erklärungsart
der alten Mythologie vorllieilbaft (inden.
Damit wird keineswegs der heramschweifen·
den W illkühr T hür and 'l'hor geöiTnet. Der alle
Grtecbiscbe Mythus ist für uns ein historisches
Factum, und als solches soll er auf dem Wege
historischer i*'orsohiing, durch grammatische Aus·
legoog, aus den Wurzeln Griechii*oher Sprache
und aus dem Sprachgeliranch, mit Einem W ort
aus scbrifilicheo und bildlichen Denkmalen, so
weit steaufGriechischem Grund und Boden ruhen,
ansgemilteltand herauspehildei werden, und man
soll nicht in der Fremde sncben wollen, was
hier als einbeimiscb zu ßnden und befriedigend
za erklären ist. Aber man soll auch nicht die
Angen versobliefsen, wenn glaubwürdige Grie-
cbisuhe F ührer selbst auf fremdes Vaterland und
fremden Ursprung einer Lehre hinweisen. Zu
dieserSelbslverbleodung rechne ich esz B., wenn
man das einhellige Zeugnifs der alten Völkerge>
schichte, dafs ein Hauptzweig Griechischer Reli­
gion aus Oherasien nach Europa verpflanzt wor­
den, u n d die Zusliminnng aller übrigen Zeugen,
aus Vorliebe zu einem einzigen Schriftsteller, der
darüber schweigt, sofort für einen blinden W ahn
erklärt. Gegen solche Irrlhümer kann schon der
FJeifs gelehrter Forschung schützen. Gegen an­
dere schützt nur jener höhere Sion, der die Denk­
art des Alterthums in ihren edelsten Aeufserungea
zu erfassen, und das religiöse Leben der Völker
zu verstehen und zu deuten weifs.
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegendes
H andbuch bearbeitet. Sollten sie für mystisch
ausgegeben werden, so will ich mich zu diesem
Mysticismus hiermit öfFentlirh bekannt haben.
Ganz a u f dieselbe Weise sind auch meine Uutcr-
XX

suchungen äher den Bacchisch^n Mythenlreie


eotworfea und zum Theü ausgefuhrt wurden.
Letztere haben sich der öirentiiunen Zustimmung
einiger anerkannten Meister zu erfreuen gehabt.
Audi ist der ernsthafte Zweck und Inhalt meiner
mytholugischen Vorle'ungen dem Ernste der Zu­
hörer begegnet, und die gleichartige Stimmung
hat meinen Vortrag nicht wenig geft>rdert. Unter
so aufmuoterndea Erinnerungen fühle ich nicht
den geringsten Beruf, jezt wieder aufzunehmen·
was ich sogleich fallen liefs, als es zu meiner
Kenntttifs kam, oder die Klarheit meines Be-
wufsiseyns dadurch zu trü b en , dafs ich mir die
Mühe gäbe, den dunkolen Bewegung^ründen
eines anonymen Tadels nacbzugehen. Es ist be­
lohnender, das belehrende Urtheil der Kenner
zu hören, und das Zutrauen junger Männer zu
achten, die, unbekannt mit fremdartigen Ab­
sichten, einem so wichtigen Gegenstände ein vor-
urtheilfreies und angestrengtes Nachdenken wid­
men Den Zrusammenbang und Geist des alteu
Glaubens, Dichtens und Bildens zu erforschen,
und io den Werken des Allerthums den religiösen
Mittelpunkt, worin sie sich vereinigen, nachzu­
weisen, halte ich für einen Hauptzweck meines
Lehrherufs und meiner übrigen wissenschaftlicheu
Bestiebungen.
INHALT D ES ER STEN T H E IL S .

E r s t es Buch.
Allgem eine B e e e b r e i b u n g dee e j m b o l i e c b e i i
a n d m y t b i s e b e n K r e is e ·.
Seit·
Erstes C a p i t e l · Lehrbedurfniss· uod Lebrarl
der Vorw elt. §· i — i i incl_____ _____ 3
Zweites C a p i t e l . Grammatische Grundlegong«
§. la — 35 incl__________________ *__ ai
Dri ttes C a p i t e l . Ideen zu einer Phjaik des Sym­
bols Qod Mythus. §. a6 — 43· __ ______ 5«
Vi e r t e s C a p i t e l . Von den Arten und Stufen
der Sjnibole und Allegorien. §. 44 — 53. . . 104
(Hierzu eine Tafel S. 146.)
Fünftes C a p i t e l . Ueberblick der Glaubens·
formen und der wesentlichen TheiJe des Cul­
tus , besonders des polytheistischen. $. 54
— 5q. ----------- --------------------------------- i 5o
( Einleitung §. M* p. liO. — O rte , die man zum Got­
tesdienst wählte; G ebet; 5·ός SS, p. 156. —
O p fe r, Feste, Idololairie $.56. p. 171 f. — Prie­
ster , Seber $.57. p. 179f. — Divination und O ra-
keiwesen $.58. p. 185 f. — Einzelne O raktl $. 59.
p . 190.)
S e c h s t e s C a p i t e l . Historische Cebersicht der
Perioden älterer und neuerer Symbolik und
Mythologie. $. bo -i- 76. .............................. .. 196
XXII

Z w e i t e s Buch*
Ethnographische Betrachtung derG ottheiten
und des G u tterd ien ates.
ieica
Erstes CapiteL V o n d e r R eligion des allen
A egyptens·
S· 1. Quellen der AegypüschenSymbolik uodM y-
tholojpe ----------- 240
2· Die Priesterschafl ________________ 244
$. 3. Andeutungen des Ursprungsund W esens der
Avgy'ptiecfaenReligion _______ 254
$. 4. Isis und Osiris 25S
§. 5. Fortsetzung ______ ......... 295
§· 6« UiJdliche Darstellungen der Volksgottheiten . . 507
S« 7. Serapis . . . . __ _ 312
$. 8. Typhon _____________ ........ 5l7
§. 9. Typhon · Aniaus und Sem * Herakles . . . . . . 326
$. tO. Sein-H ercules in den Mythen der Nachbar«
ISnder 94t
§. 1t. Ru^tiriH und Sem ^Herakles . . . . . . _____ . . . 352
$. 12. llcrtDts . . . . . . __________ . . . . _________ 363
ff. 13. Die Lehre von der AVelt, von den Geistern
und von der Seelen Natur und Schicksal 389
$. l4. Fortsetzung. ( Todtenbestattung der Atgyptier
u. s. w.) _____ ................ 4o4
S' Fortsetzung. (Todtengericht ii. 8. w.) . . . . 424
ff. l6. Fortsetzung. ( Historische Anwendung des Gei*
sterreichs auf die Perioden der Aegypti«
schtn Geacbicbte _____ ........ 4.11
$. 17. Cyclen der Afgyptler* (Jahrescyclus, A pis«,
Phönix - Periode. — D er Vogel Phönix.
Alusik der Aegyptier besonders in religiöser
Bestimmung.) . . . . . . . . ______ . . . . . . . . 435
S· 18. Pbam enophis«M em non; die Memnonischen
Musen . . . . . . . . . . . . . . . . ___. . . . . . . . . 450
§.19· Thierdienst . . . . . . . . . . . . ______ . . . . . . . . . . 475
§.20. Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . _____ . . . . . . . . . . 4S3
ff. 21· Fortsetzung (Sphinxe u. s. w.) . . . . . . . . . . 493
XXIIl

Seit«
$. 22, V oa einigen andern Acj^yptiechen Symbolen.
( L otus, Palme , M eeriw iebel, Ptrsca ,
AegyptiscbesTau, Sistrum, abgestumpfter
K egel, W asser.) ___________________ 508
f. S3. Rückblick auf das Aegyptische GÖtfersystem .* S i/

Z w e ite s Capitel. T o n den R eligionen Indiens.

$ . 1. Einleitung . . . . . . __ ____ . . . ___ 533


$· 2. Quellen , und zwar Griechische und Uömi>ciie 5)2
$. 3. Indische QuelUn . . . . . . . . _____. . . . . ____ 544
( V^eda’s , Purana*s, MahabJ ärara , G e ­
setzbuch des Menu , Pliilosophie, Dra·
niatische Poesie , Apolog.)
$. 4. Uebersicbt der indischen Bniidenkmale . . . . 562
5. Von den verschiedenen Indiachen Religione-
Perioden . . . . ____ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
$· 6. Betrachtung der indischen Retigiomilehre ______583
$. 7. Indische Kosmogouie ..................... . . . . . 5«^5
$· 8, Fortsetzung _______ . . . 60t
$· 9- Ein Blick auf die Vielgötterei der im lier; Schri -
Rama, Sita und Hanuman; Indischer Thier»
dienst; Verwandtschaft der indischen iin«(
Aegyplischen Religion _________ _____ 604
$ .1 0 . Krischoa ( Krishno ) ............ 6l8
$ .1 1 . Indische Fneomatologie und Ethik . . . ___ 625
$· 12. Fortsetzung. ( Einkleidung der Moral in BiN
dem ; Charakter der Indischen Allegorie
und K unst.) _____ 638

D r i t t e · Capitel. Ton der Medisch-Persischen


Beli^OD.
$ . 1. Einleitung 650
$· 2» Quellen. Ueberblick der fleroensagen, der
Religionsperioden und der Denkmale . . 652
$. 3. Medisehe und Persische Archiiekiurroonu«
m ente ______ 685
$· 4. Anlässe und Grundlebren der M ed iscb -P er­
sischen Religion 692
XXIV

Seite
5i Höhere Ansicht des M afiersystems ------------ 700
$· 6. Dainonoiogie 9 Kosmogonie und Eschatologie 702
$· 7· E th ik , Liturgie und religiöse Ansicht des Le*
bens _______ _____ _______ _— 709
$· e. Charakter der Symbolik und Myihik der alten
P erser ________ _— 71·
9· M itra * M iihras _______ ________ _ 72·
§. 10. M ithras __ ___________ . . . . . 71·
11* Mithrasmonumente 9 Mithrasmysterien ti. e. w. 74t
$. 12. F ortsetzung_____. . . ____ 757
$. 13. Mithras Perses oder Perseus 769
$· 14. M ithras als Mittler 795
S Y M B O L I K tND M Y T H O L O G I E

ERSTER THEIL
,
Kein heiligeres Priticip bat die Ge^chichte su Vertheidigen usid
heines hat sie mit mehr Blut und Tod gegen alle individuelle B eacbränkU
heit durchgesetzt, als jenes von ihrem eignen stetigen W acbsthum o h n ·
Beschränkung in der ·εΗπυιλοηlosen Zeit. Auch die Religion in ih r e r
Endlichkeit nimmt an diesem Wachethum Theil« sie selbst ist in den
Kreis der Seelen Wanderung eingeschlossen. W ie F o durch achtseig-
tausend Gestalten durchgelaufen, ehe t r zu Gott gelangt, also mufs
auch sie vielfältig wiedergebören w erden, ehe sie w ie d e rk e h rt, v o n
wannen sie gekommen« Auch an ihr m^^gen Tod und Vergänglichkeit
ihre Macht wohl üben W'ie der Zeistöier S c h i v a vieler gestorbe­
nen Brahma’*s Schädel trä g t, also auch sind viele religiöse Form en r o r
dem Ewigen schon zerfallen, und ihre Mumien nur noch in d er Ge·
schichte aufbewalirt,
G örrxs in der Afythengeschichte*
E r s t e s B u c h .

Ällgemeine Beschreibuog des symbolischen


imd mythischen Kreises.

E r s t e s C a p i t e l .

Lehrbedürfnisse und Lehrart der Vorwelt.


C jlu cb licb e ToUier der V o rze it, gleich Anfänge zu
hUrer Besonnenheit erwacht^ und fortdauernd in diesem
Lichte wanddnd, mufsten ganz andere Lehrbedürfnisse
haben , als die Nationen, von denen wir hier zu handeln
gedenhen. Jenen honnte selbst das Geistigste in schlich­
ter Prosa mitgetheilt werden , und ihrem hellen Denken
mnfstc die eigentlichste Bezeichnung die angemessenste
sejn. Ob eine so ungefährdete Klarheit des Lebens als
der ursprüngliche Zustand des Menschengeschlechts ge­
dacht werden müsse, und mithin die nachherigen Denk­
arten sammtlich nur ans einer allmähligen Verdunkelung
erklärbar seyen, darüber enthalten wir uns hier aller
Untersuchung. W i r haben eine hulflosere Lage unseres
Geschlechts und eine Periode zu beschreiben, welche
ton jener Herrschaft des Geistigen in Gedanke und Aus-
drncli ferne abliegt» Yen dem geringen ^ armlicben
Anfang religiöser Erbenntnifs unter den Griechen , die
uns hier zunächst beschäftigen giehtuns die Geschichte
eine inhaltsreiche > bestimmte Nachricht:

2.
«Es opferten aber die Pelasger, me ich zu Dodona
Ternommen, anfänglich ifnter Gebeten den GSttern alles
Mögliche Jedoch legten sie Keinem derselben einen
Beinamen oder Namen bei, dieiveil sie noch niemals
dergleichen gehört hatten· G ö t t e r ^ benannten sie

1) Denn wenn wir auch jezt nach dem erweiterten Plane


dieses W erkes das Religionswesen m ehrerer und beson«
ders orientalischer Völker in den Kreis unserer Be rach<^
tung ziehen, so bleibt doch die Religion der G riechen
und Röm er und die Art, wie sie ihren religiösen Glauben
zur Anschauung brachten, fUr unsem Zweck die Haupte
Sache.
2) oder: insgemein, im Allgemeinen ; reevra statt travrw^ Sieh.
Wesseling und Larcher zu dieser Stelle.
3) Ueber das W esen dieser ältesten Griechischen ( Pelasgi^
sehen) Götter erklärt sich Plato auf eine bemerkens«
werthe Weise im Kratylus p. 397 c. d Sieph. p. 49 Hein·^
dorf. 80: n ältesten Bewohner von Hellas haben,
meines BedUnkens, die allein fQr Götter gehalten, welche
auch jezt noch vielen Barbarin dafUr gelten, Sonne,
Mond und Erde, die Gestirne und den Himmel.** W enn
Plato hier blos v e r m C i t h e n d spricht, ( Ma n bemerke
das mit dem I n f i n i t i v ) so könnte es auf den
ersten Blick gewagt scheinen, diese Stelle zur Grundlage
der ältesten Religionsgeschichte Griechenlands zu machen,
wie doch neulich P a y n e K n i g h t ( An Inquiry into the
•ymbolical Language of ancient Art and Mythologie. Lon­
don iHts. p. 1. $.2.) gethan bat. Indessen hätte sich der
Griechische Philosoph hier immer einen positiveren Aus-^
druck erlauben dürfen; denn einmal zeugen viele unzwei­
deutige Spuren dafür, dafii der alte Felasgerglaube voi^
lie, m i deffthalb, weit sie alte Dinge in Wohlordnung
gesetsct, und Alles in Eintheilung gebracht. Später,
nach ib ta u f geraumer Z eit, erfahren sie der übrigen
Götter Namen, und viel später noch den des Dionysus 4).
Dsraof befragten sie sich dieser Namen wegen zu Do·
äosa) denn dieses Orakel wird für das älteste in Hellas
gehalten, und war dazumalen das einzige. Da die Pe-
laager nun in Dodona anfragteo, ob sie die Ton den Bar­
baren berkommenden Namen gebrauchen sollten , so
antwortete das Orakel » sie sollten sie gebrauchen. Von
dieser Zeit an gebrauchten sie dann diese Gotternamen,
wann «ie opferten. Von den Pelasgern aber empfingen
sie nachgehends die Hellenen y> ^).
Dieser robe Dienst eines hülflosen Y olkes, das nur
b stummen Handlungen dem Drange des andächtigen

sQglich an jenen Gegenständen der Verehrung hing; und


man vergleiche mit jen er Platonischen Stelle nur die
Zeugnisse anderer Schriftsteller z. ß . des Simplicius ziun
Epiktet. p. 358 Sch«veigh. und des Eiistathius zur Iliade I.
p. 9 Basil. und XIV. p. 966, Sodann sind unter jenen
B a r b a r e n gewifs die alten P e r s e r mit gemeint; und
von diesen sagt Herodotus selbst bestimmt dasselbe I.
13t; und wir können nach Cäsar (d e Bell. Gail. VI. 21·
\ergh mit Tacit. de morib. German, cap. dO.) an unsere
eigenen Deiitschra Vorfahren mit dabei denken. Boni*
facius, der Deutschen Apostel (Epistt. p. 170 ed. W ttrdt·
wein) und sein Biograph (Othlon in vüa Bonifacii cap. 27.
ap Johannein Scriptorr. rerum Moguntiacc. 1. pag. 220.)
bestätigen oder vervollständigen wenigstens jene Nach-»
richten der Römer. — Somit spräche also auch die Analogie
für jenen Platonischen Satz — eine Analogie, die wir noch
Ton vielen Seiten her vermehren könnten.
Ueber die verschiedenen Herleitungen des W ortes
(Gott) bei den Griechen vergleiche man die Nachweisun·
gen im Verfolg §. 5d.
d) den man aus Aegypten hercingebracht.
Uerodot· 11. 52·
Gemüths Luft macht, wie sehr dnterecheidet er sich
nicht Yon den beredten Göttergeschichten, in YFelchen,
VFie dieselbe Urhande sagt, zuerst durch Hesiodus und
Humerus bereits ein jeglicher Gott sein Geschlechts-
register, seine Ehren und Aemter, seine Beinamen und
seine bildliche Gestalt erhalten hatte. Jener rathloSe
Zustand einer fast stummen Verehrung und diese mähr-
chenreiche, geschwätzige Religion setzen nothwendig
einen Mittelzustand des allmähligen Uebergangs von Einem
in das Andere voraus. W ie diese Zwischenperiode be­
schaffen wa r , hönnen wir aus manchen Nachrichten des­
selben Geschichtschreibers schliefsen, z. B. aus dem
willhommenen Bericht von der Gestalt der alten Pelas-
gischen Hermesbilder 7) und von der daran gehuupftea
Lehre der Priesterschaft auf Samothrace.

$. 3.
Es war eine Zwischenperiode des Priesterthums·
Diese Priester nun, einem so spracharmen Volke gegen­
über gestellt, mit welchen Forderungen konnten sie ihm
nahen? Nicht mit der Voraussetzung eines grofsen V o r-
raths von Begriffen und einer damit im Verhältnifs ste­
henden geistigen Gewandtheit. Der Vernunffschlufs und
A lles, was dialektische Uebung fordert, war hier so
wenig an seiner Stelle, dafs selbst der einfachste Satz
des discorsiven Denkens seine W irkung verfehlen mufste·
Durch d i r e c t e Mittheiluiig werden Menschen in jen er
Lage nicht gebildet, und der Richtweg der Demonstra­
tion ist hier nicht der kürzeste. Das reinste Licht d er
lautersten Erkenntnifs mufs sich zuvor in einem körper­
lichen Gegenstände brechen, damit es nur im Reflex und
im gefärbten , wenn auch trüberen Schein auf das un -

6) Cap. 53.
7) Cap. 51,
getrübte Ange falle* Nar das Imposante bann ans dem
Schlummer halbthieriscber Dumpfheit aufwecken. Was
ist aber imponireoder als das Bild? Dip Wahrheit einer
heilsamen Lehre, welche auf dem weiten W ege des Be-
griiTs rerloren gehen würde , trifft im B'lde unmittelbar
vom Ziele. Das Geistige, in den Mompnt eines Blickes
nad in den Brennpunkt des Augenblicklichen und Au­
genschein lieben zusammengedrängt, ist für rohe Gemü·
Iher erwecklioher als die gründlichste Belehrung«

5. 4.
Dafs mm die ältesten Lehrer des Griechenyolks jene
Grundgesetze des menschlichen Geistes und jene Bedin­
gungen ihres Geschäfts wohl rerstanden, und in dieser
üeberzeugung gehandelt haben, dafür sprechen die un­
zweideutigsten Zeugnisse. £in Schriftsteller ^ der den
rdigidsen Instituten der Griechischen Vorwelt eine löb­
liche Aufmerksamkeit gewidmet hat , läfst sich darüber
so Ternehmen «(Ich gelangte nachher zu der Einsicht,
dafs die Weisesten unter den Griechen nicht in deut-
Uchen Worten sondern auf eine räthselhafte W eise
ihre Gedanken vor Zeiten yorgetragen haben : daher be­
trachte ich auch das, was sie yon dem Kronos sagen,
als eine Aeufserung weiser Ueberlegung. a Das höbe
Akertbum nnd die Allgemeinheit dieser Lehrweise be­
zeuget nicht minder C l e m e n s y o n A l e x a n d r i a
« W ie ich denn, sagt e r, bewiesen habe, dafs der sym­
bolische Vortrag alt sey, und dafs sich desselben nicht

8) Pausanias Arcad« cap« 8. $· 2*


9) ρυ’ΐΜhc του P l u t a r o h u s Symposiac· V H i. 7. pag*
72b. sagt eben so bedentend: /uuj χατ^ ·υ;^υα)^ιαυ. Eben so
bemerkenswerth ist die Bezeichnung dieser Begriffe in der
Stelle de l e i d , e t Q s i r i d . p. 358.
10) Stromat. lib« VI* scct. II. p. 737 Potter.
8

nur unsere Propheten bedient haben, sondern auch die


meisten Lehrer der alten Griechen, ond nicht m nige
der verschiedenen Nationen unter den Barbaren, v Und
vvenn der zuerst genannte Schrirtsteller jene Lehrart als
eine Frucht der Klugheit preist, so stimmt ihm in an­
dern Stellen der letztere nicht nur bei» sondern macht
auch auf die N o th w e ndi gh ei t dieser Methode in Be­
ziehung auf die Bedürfnisse der Lehrlinge in der Vor­
zeit aunnerhsam
Dafs aber insbesondere die imposante Kürze Grund-
charahter ältester Religionslehre war, darüber erlaubt
uns eine andere Stelle des Pausanias heihen Zweifel,
wo dieser, in einem sehr verständigen Urtheile über die
älteste Griechische Lehrpoesie, gerade die K ü r z e zum
sicheren Mcrhroahl derselben macht, und ausdrücklich
hinzusetzt, sie ermangelten des Reizes schöner Form ti),
F s war dies also noch nicht jene besser ausgestattete
Dichtkunst, in welcher, wie Pindarus singt, «die
Weisheit lockend durch Mythen zaubert v , sondern ein
rauherer Priesterton, der ein gewichtvolles W ort in
einem grellen Bilde ausprägt, und, dem Gedächtnifs wie
dem W illen des Zubürers gebietend, alle Schmeicbel*

11) Stromat. lib. II. sect. 1, p., 429. ro — t3 συ/üu


ßoXiKov τ ο υ τ ρ κα) αίνίγματΛδ8ς st$og — y^QvjatfMurarov ^ /txaAAcv
δε dydyaatoTJTOv rg γναίσβ/ τ^;*αΛ);9β/α; worüber er
sich dort selbst in bilderreichem V^ortragc verbreitet; so
wie er denn gern auf dieses Thema ziirttckkommt, z. B·
lib. IV. sect« 1. lib. V. sect. 4. .5 und l4. Auch aus an­
dern Schriilstellern liefsen sich die Zeugnisse für diese
älteste Lehrmethode sehr vermchreii. Es genügt hier
noch das einzige des J a m b l i c h u s anzulühren, de vit·
Fythagor. cap. 23. p. 86 Küster.
12) Boeot. cap. SO extr. §. S und 6. Sieh, Ruhnkenii praefat.
ad Homeri hymn. in Cerer« p. IX,
13) >Iem. VII. 33 seq.
künste Tersekmaht) wodarch der dem SchSnen bnldi·
gende D iditer die Phantasie der Völker fessert

$. 5.
Betrachten ^ ir, nach den gegebenen historischen
VFtnken, jene alte Lehrart naher, so ergiebt sich , dafs
sie meht eine Offenbarung w a r , als ein Vordenken mit
bestimmter Sonderung und Verbindung der vei*schiede·
Den Merkmahle eines Begriffs. Es bedarf aber die Be­
deutung, in der wir das O f f e n b a r e n nehmen, einer
nähern Erörterung. Bei allen Völkern, die dem Eie-
mentendienst anhängen, insonderheit bei den Griechen,
deren rege Einbildung Alles beseelte, entstehet früh die
Ahnung, oder, wenn man will, der Glaube einer Be­
deutsamkeit der einzelnen Phänomene der Natur, dafs
sie Zeichen gebe, und, wiewohl nur den Kundigen rer·
nehmlich, zum Menschen rede. Es ist dies bei weitem
noch nicht das Philosophem τοη dem W eltganzen, als
einem grofsen Thiere (ζ<!)ον) , noch weniger die sublime
Lehre von der W eltseele, wohl aber der Keim dazu,
der aocb in der rohen Menschheit liegt, die ersten Re­
gungen, die sich jedoch schon in mancher Volksmoinung
wirksam zeigen. Vorerst negativ. Nichts, schlechthin
Nichts in der ganzen sichtbaren Körperwelt als ganz todt
XL· denken, sondern auch dem Steine selbst eine Art
von Leben zu leihen, ist dieser Denkart eigenste Ge­
wohnheit. Aber auch bestimmter und positiv äuikert
sich dieser Pantheismus der Phantasie« Sie bevölkert
jeden K örper, jede Aeufserung und Kraft der physischen
W elt mit ihren Göttern, oder vielmehr jene Kräfte und
Aeufserungen sind ihr selbst die Götter. W as also spä·
ter pantbeistische AbstractioD gebildeter in dem Satze
zusarnmenfafst: « Es läfst sich nichts gedenken, das nicht
ein Bild der Gottheit wäre)), das ist im Grunde unter
soleheo Völkern alter Glaube, nur polytheistisch gefafst
ΙΟ

'wd auegeptriSgt· Un^ was als höheres Besultat das phi-»


losopbiredden Denkens im späteren Aitertbnm erschei­
net: «dofs sich die Natur darin gefalle, ihre unsichtba«
ren B egriffe, rermittelst der Symbole, in sichtbaren
Formen anszuprägen, so i/vie die Gottheit es lieb e, die
Wahrheit der Ideen durch sinnliche Bilder zu bezeich­
nen », das regt sich schon in der schöpferischen Kindes-»
phantasie bräffiger Völker der grauen Vorweil·
So bildete sich« unter niederdrückender Furcht und
unter erhebendem,Selbstgefühl zugleich, der alte Glaube,
dafs unter allem Lebendigen einzig der Mensch des Vor-
Zugs geniefse, mH Göttern umzugehen, die ihm Nachts
durch die Träum e, und am Tage durch Vögel, durch
die Eingeweide des Opferthiers, durch den Dunst aus
den Tiefen der E rde, oder in der geheiligten Eiche» so
wrie durch unirarhoffte Zeichen (σύμβολα) aller Art, Ge^
genwart und Zukunfl; klar und Terständlich machten.

6,
An solche Ueberzeugungen knüpfte sich die älteste
Priesterlehre der Griechen an , und in diesem Geiste
ward sie rorgetragen. Was war sie also , oder yielmehr
'was konnte sic seyn? Vorerst ein Namengeben, wie
wir sahen, für das vorher Namenlose, und mithin ein
Yorbeten in kurzer, gedrungener Formel« Und war
anders dieser erste Beter, wie nicht zu zweifeln steht,
selbst durchdrungen von der Ueberzeugnng der nahen
Gottheit, so sprach er auch in diesem Sinne, und sein
Fürwort, womit er das Volk vertrat, hatte selbst das
Gewicht eines Götterspruchs., dessen Merkmahl ein herr­
schender Glaube eben in jener inhaltsschweren Kurze
setzte. So ^ie demnach das Gebet eine Hsuptwurzcl
alter Lehre wa r , so war das D e u t e n u n d O f f e n b a «
r e u ihre ursprüngliche Form. Der Priester lehrte,
wenn er in räthselhaftem Sprache eine Ahnung nieder­
11

legte. E r lehrte auch, wenn er auf die in der Macht


der Elemente mächtigen Götter h i n d e u t e t e , wenn er
b in w i e s auf die 2k;ichen des Himmels und auf die Bil*
der der Sterne, wenn er r o r z e i g t e das Merhmahl
des Göltlichen im Eingeweide des Opferthiers, wenn er
d er ansicbtbaren Spur eines Traumes n a c h g i n g , und
wenn er endlich den seltenen, unrerhofl^en Vorfall mit
einer ungemeinen Lage z u s a r a m e n h i e l t . Dieser Un*
terricht für den Sinn, dieses W e i s e n und Z e i g e n
w ar die erste Hülfe , welche der Einsichtsvollere dem
ro h e n , aber nach Belehrung ringenden Haufen leistete^
D iese Yorträge waren heine Demonstrationen, und
bonnten es nicht se jn , heine Gotteslehren in folgerech­
te r Gliederung, sondern es waren L e i t u n g e n zum
Göttlichen, OHenbarungeu, W e i s u n g e n oder, wenn
wir einen der Zauberei zugeeigneten Kunstausdruch hier
würdiger anwenden dürfen^ ί ε ί ξ ^ ν ς
$. 7.
Denn selbst der alterthümliche S p r a c h g e b r a u c h
giebt uns den Beweis, dafs der Gang der Lehrbildung
unter den Griechen dieser und hein anderer war. Die
Sprache aber ist die treueste Urkunde der Völker. W ir
befragen sie daher auch für den vorliegenden Fall, ln
allen Stellen ältester Dichter und Prosaiker, in denen
Ton Lehre und Unterricht die Rede ist, sind die ihn be­
zeichnenden Ausdrücke vom A u g e n s c h e i n , von
Z e i g e n und W e i s e n oder von Beziehungen herge-
nonunen , die wir so eben erörterten.. Vorerst singt
Homerus von einer L eh re, die Hermes gegeben :
Also sprach, und reichte das heilsame Kraut Hemieias,
D as er dem Boden eotrifii, und z e i g t e mir seine N atur an.

14) Alciphrop, epist. Hb. II. 4· p. 328 ed. W agner.


15) Odyss. X. 302 seq. übersetzt von Voft. Im Griechischen
cteht Γδβ/ξβν. D aher auch BstwiSvat Wq, d i c e r e bei He-
12

Desselben W ortes bedient sieb, der Homerisoben


Sprache gelreu, Euripides in den Pbeinizierinnen
Und voh der Einsetzung des Geheimdienstes zu Eleusis
wird im Homeridischen Hymnus auf die Demeter gesagt,
diese Göttin habe dem Eumolpds und andern Königen
von Attika g e z e i g t ‘7)
Ihren lieiti^n Qpferdienst und verborgene Bräuche.

Derselbe Eumolpus , des Musäus Sohn, sagt die


Parische Chronik, w ie s zu Eleusis die Mysterien *®);
ein Ausdruck, dessen eich auch Homerus von dom Seher
Kalohas bedient:
— wann den Achaiern der Götter Rath du e n th 011e s t

A ndere, aber ans demselben bildlichen Kreise h e r-


;enoramcne Bezeichnungen braucht Herodotus gleichfaHs
on einem Lehrer der Griechischen Vorw elt, doch »o,,
aCs er mit jenen, schon durch Homerischeo Sprachge­
brauch befestigten Ausdrücken abwechselt· So erzählt

siod. ΈζΤΫ, 502. (ah 47^.) und daselbst Heineius und Grae--
vii Lect. Hesiodd. cap. i2 p. 6h So z. B. Sophocles in
Electy. 425. Ήλ/ω &β/κνυσ( τούνα^.
16 )533 nach Valckenaers und Heringa*s Verbesserung 3βΤςατ·
Vorher
17) Δί7£β Flomeri Hymn. in Cerer. 479 , woselbst die A nm er­
kung des Rubnkenius zu vergleichen ist.
18) Marmora Oxoniens. p. 23. E'jfJtoXTog o Μουσαίου τά
ανί'φι^νβν ev Έλβυσ»/.
19) Iliad. I. 87. Vofo Hebers. dva((^xtv8t;f a n d e re r
Stellen nicht zu gedenken, wie z. B. Aristophanes Αν. 708^
wo der gelehrte B e c k nachzusehen ist. Auch ahmez^
Römische Dichter diese Bezeiohnungsart nach, und g e ­
brauchen in gleicher Bedeutung ihr m o n s t r a r e , w i ^
S t a t i u s Achill· I. Il8,
Aut m o n s t r a r e lyra veteres Heroas alumno.
i5

er Ton Melarapas, dem Sobne des Amytbaon, er habe


zwar zu der Benennung und zu dem Dienste des Dionj-
aus Anleitung gegeben (εξηγησάμενοίτ) ^ jedoch nicht die
ganze Lehre im Zusanunenbange g e w i e s e n (ίφτ^νε)^
sondern die nachfolgenden Weisen hätten sic rolistän·
diger T o r g e w i e s e n (έξέφηναν); hingegen zu andern
Theilen dieser Feier habe er gute Anleitung gegeben
(χαητηγησάμενος) 20^ 8 q bereits bemerhten Aus­
drucke φαίναν^ ixtpaivtiVf äva^ulveiv ganz dem Sinne
des Gesichts angeboren, so bezeichnen diese (^ηγεϊσ^αι,
xodij/cle&ai) das Geschäft der heiligen Erklärer. Zu-
Torderst freilich hiefsen diejenigen έξr^γ1ιτaίy die das
Aeufsere der Merkwürdigkeiten einer Stadt oder eines
Tempels Wifsbegierigen zeigten, und die man in so weit
auch περαιγηταί nannte; insbesondere jedoch Personen
höherer Bestimmung, die den Laien mit dem Göttlichen
in EioTerständnifs setzten ^ die die Zeichen des Himmels
und die Merkzeichen in den Opferthieren w i e s e n und
die Orakel deuteten 2I).

Die den Orakeln natürliche Dunkelheit theilt sich


aber der Sprache dieser Exegeten mit f und wenn sie
einerseits den Sinn göttlicher Vorzeichen durch Verglei­
chung zu enträthseln suchen (είχάζο'ϋσι) 22^^ go werden
sie hinwieder selbst dunkel in der Fülle der ihnen za
Theil gewordenen Offenbarung. W eit entfernt also yon
der allgemeinen Verständlichkeit einer erlernten Be-
grifisweisheit, müssen solche erste Lehrer yielmehr

iO) II. 4p. cf. VI. 135. VII. 183.


e t) Timaei Lexicon Platonicum mit den Bemerkungen von
Hemsterbuis und Ruhnkenius p. 11f.
22) Herodot. I. 84. und daselbst Valckenaer (Schweigh· T* V·
p. P6.) und Rubnketiius ad Tim· Lex. Plat. p. 95.
u
S e h e r hcifscn, und Bathselcr (αΙν%%ταΙ) 23)^ die
Gottheit, deren Sprüche sie deuten.

§. 8.
A ber, wie sich die fromme Ahnung jener Pelasger
an einen Namen linupfte^ und mit der YervieifaUigung
der Namen im Gebet mehr und mehr ihr religiöses D en·
hen sich ordnete , so fordert ein allgemeiner Drang der
Menschennatur sehr früh bestimmte aufserliche Zeichen
und Bilder für unbestimmte Gefühle und dunheles Ah­
nen. Sehen wir doch selbst solche Yolher der Yorwelt,
die dem Sterndienste huldigen, in Idololatrie verfallen :
wie viel mehr mufste dies bei einem sinnlichen Pan­
theismus eintreten ! Und wenn jezt ein allgemeines Re­
gen der physischen Natur mit blinder Gewalt ein frisches,
hräfliges Volk ergriff, und dieses auch darin, und darin
hauptsächlich, die verborgene Herrschaff eines beson­
deren Gottes erkannte, so ward dringend gefordert,
dafs dieses Gottes Gestalt und Kraft sichtbar werde. In
solcher Lage mufste der Priester, wollte er anders sei­
nen göttlichen B eruf beglaubigen, selbst schöpferisch
werden. Er mufste wirken und bilden ; und wenn er
jezt das vorher Unsichtbare hinstellte in sichtbarer Ge­
stalt, wenn er so das Göttliche e r z e u g t e , dann b e -
z e u g te er auch Beides, des Gottes Kraft und die W ahr­
heit seiner Andacht: dann war der Ex eget ein MtaXa·
24) ^ -wie er in der Mundart alter Dorer hi
Auch von diesem Lehrverhältnifs hat die Lateinische
Sprache, so wie die Deutsche, in der nicht trennbaren
Verbindung der Begriffe eines Z e u g e n und eines
Z e u g e n d e n bemerkenswertbe Spuren aufbewahrt·

23) Diogen. La^rt. lib. IX. sect. 6. Pliitarch« de Pylh. orac.


6ST, de aiiim. generat, in Tim. p. 177·
84) Hesych. unter diesem Worte·
iS
Bei jenen Pelasgern war dieser Drang bereits befriedigt
worden. Schon hatte ihnen ein schöpferischer Bildner
die Natnrhraft, deren geheime Gewalt sie empfanden^
in einer Herme verhorpert


Sjmbole deuten und Sjmbole bilden und schaffen^
fallt mithin in dieser Vorschule ältester Religion zusam·
men, und so wie die heiligsten Bilder von den Gditem
selbst gestiftet worden, so treten die Unsterblichen auch
selbst als die ersten Lehrer auf« Auch dafür liefert das
älteste Griechenland die mannigfaltigsten Beweise. Fast
in jedem der ehrwürdigsten Tempel desselben verwahrte
man ein λ ο π ετές, ein Schnitzbild oder steinernes Idol^
dal in roher Arbeit sein hohes Alterthum verrieth, und
an dem m an, da man es aus den Hohen des Himmels von
Zevs herabgesendet glaubte, mit so fester Zuversicht
hing, dafs man an seinen Besitz die Wohlfahrt des ge­
meinen W esens, als an das sicherste Pfand, anhnüpfte.
Als erste Lehrer aber erscheinen mehrere der Griechi­
schen Gottheiten 9 z. B. Apollon bei der Einsetzung sei­
nes Dienstes zu Delphi, und Demeter, die, nach dem
oben angeführten Vers des Homeriden, den Attischen
Königen zu Eleusis den ersten Unterricht in der Geheim^
lehre ihres Dienstes gab, hatte selbst auch , bekümmert
um die verlorne Tochter, auf ihrer Wanderung den
hülfteichen Gebrauch der heiligen Zeichen oder S y m ­
bol e geftinden

25) Die ersten Bilder scheinen mit Figuren der G o t t h e i t e n


angefangen zn haben. Vergl. Winckelmanns Gesch. d« K·
L S. 6. Ueber den Ursprung der Hennen sind die An­
gaben verschieden· Sieh. Fea zu Winckelmann Gesell,
d. K. S, 271 der neuesten Ausgabe.
26) S^oliast. Pindari Olymp. Xfl. iO; p. 436 ed« Heyne nach
So yerbindet sich demnach im Ursprünge des reli­
giösen Lehramts Göttliches und Menschliches wunderbar
mit einander. Nicht blos bei Griechen, sondern bei
den meisten Ydlkern hohen Alterthums wird der zuerst
und yorzüglich Anbetungswürdige auch der erste Lehrer
des Gebets und der erste Beter. Ja selbst Inhalt des
Gebets und der Lehre schmilzt oft mit dem Beter und
Lehrer in der religiösen Sage zusammen. Der Segen
bringende Quell der höchsten Weisheit^ Hermes, ist
dem alten Aegyptier auch Weisheitslehrer und erster
Stifter heiliger Gebräuche, und mit seinem Namen yer·
band die Priesterschaft zugleich den BegriiF des Buches
der Bücher. Aehnliche Ideen treffen in dem älteren
Buddha der Indier zusammen. Der Hom der Parsen
aber, den die Griechen Homanes nennen, wird in
dem Zendavesta nicht blos zum Lehrer des ew ig leben·
digen W ortes, sondern auch zu seinem irdischen W ie­
derhall , nicht blos zum Verkündiger des Heiles^ son­
dern auch zum Trank des Heiles und zum erquickenden
Lebensbaum selber; Vorstellungen , die sich anch noch
in den Mythen der Griechen yon ihrem Dodonäischen
Orakelbaum, yon der göttlichen Abkunft und W o n d er-
kraft ihres Orpheus, Melampus, Polyidus und anderen:
alter Seher abspiegeln.

10.
Ein solcher Lehrer der Vorwelt ist in je d e r B e z ie ­
hung ein Gott Verwandter und es ist ein
Hauptgeschäft seines Lehrberufs, dafs er B ild e r sc h a ffe ;
es sey nun , dafs er das yon Gott empfangene Idol (du*
Μ τ έ ς) der Gemeine hlnstelle, und es ihr d e u te , o d e r

dem Zeugnifs des Archilochus, und Seboliast« A ristoph·


AV..720 p. 76 ed. Beck.
27) A n h a n g z u m Z e n d a v e s ta . I I . B . N o . 83. SS«
»7
dafs er selbst B ild n er eines sicbibaren G ottes w erde,
immer bleibt es B estinnnung seines LebrgesobaA s, F o r ·
men zu g e b e n . Jeglicher U nterricht ist noch ein
Weben, ein Z eig en , ein B i l d e n für den S i n n ; und
jene altertbümliche D enkart unterscheidet noch nicht die
Si onbi l dnc r c i f ü r d a s O h r von der für das A u g e .
Wenn w ir m ithin ssuin B ehuf d er T heorie phonetische
Sjmbole Ton den aphonischen (σν^βολα ψωνητιχά w,
άί^ονα oder ηα^άσν,μα ) unterscheiden müssen , so wÜre
diaerUnterschied h i e r eine d er V orzeit aufgedi^ungene
Subtilität.
Dafs T o re rst die ältesten R eligionsstiftcr ihre Dog­
men in w irhlicben Bildw erken hin stellten , dafür spre­
chen die bestim m testen Zeugnisse. So hatte , nach der
Erzlblnng des E u b u l u s beim Porpbyrius Zoroa«
itcr in einem an Persis angränzenden B erge eine kos-
mische G ro tte g eb ild et, worin die Erdzoiien und E le­
mente symbolisch versinnlicht wären. Man nannte eie
die Hoble des M ithras, und sie war ein vom Volke lange
bewandertes lleiligthum . Jene B rachm anengrotte bei
den In d iern , m it den darin verehrten G ötterbildern,
war ohne Zw eifel gleichfalls eine solche alte religiöse
Lehr >A rch itek tu r j anderer W e rk e der alten Aegyp-
tier nich( zu ged en k en , welche m ehr als andere V ölker

2Sj de a n tr o N y m p h a r . co p . 6 c o n f. C le m e n t. A le x . Strom «
lib. V . cap« .5. p. 6(>i. D afs d G iie c b is c h e P h il o ­
s o p h e n in d e m lloineris^chen S c h ild e d e s A cliilles n ic lits
als e in e ρhyNi^ehe u n d k i'b in o g o n ib c h e A lle g o rie fan d en
( E u s t a t h . ad Iliad . XV Ü I . p. 11 i4 .) , sey h ie r v o r ­
läufig n u r b c m c r k i ; ira V erfo lg w ird u n te r s u c h t w e rd e n ,
o b u n d in w iefern d ie se u n d ü h n lic h e A u sle g u n g e n d e s
HoiTUfr G r u n d h a b e n o d e r n ic h t.
29) P o r p b y r i u s d e Styge a p .S t o b a e u r a , E c lo g .p h y s . lib . I .
cap. 4 . p . 145 e d . H e e re n . K u s ta tb . ad O d y ss. O ( X V ·
p. 2S HasU.) sa g t z u d ie s e r S te l le , w o v o n D e lu s
I. a
i8
die symbolische Baukunst als Organ der Lehre zu ge­
brauchen verstanden. Alles spricht dafür, dafs in jenem
hohen AUerthume das Bild ans geschickten Priester·
b a n d e n und das Bi d priesterlicher B e d e in Ursprung
und Absicht Eins und dasselbe war. Es >var ausgeprägt
für den Unterricht, und, gesprochen oder gemodelt,
immer gehoiie Cs dem Sinne an, und stellte sich dem
Auge dar. ln dem einen Falle war es ein S i n n s p r u c h ,
in dem andern ein S i n n b i l d . Jene gesammte Spruch­
weisheit des alten Orients, und die dem morgenländi­
schen Charakter getreue Lehrweisheit der Griechen,
was ist sie anders , als ein beständiges Ausprägen in­
haltsreicher Bilder? Die Apologen eines W ischnu-
Sarma und P ilpai, die Spruche der Hebräischen Pro­
pheten , die Orakel der Griechen, die Symbola des Py­
thagoras, kommen in der gemeinschaftlichen Eigenschaft
überein, dafs sie in Beharrlichem verweilen und für das
Auge malen. Der Lchrkreis, den sie beschreiben, ist
die bleibende Ordnung der Natur und ihre sichtbaren
Erscheinungen , die beständige Harmonie der Himmels­
körper, die sprechenden Farben und Formen des Pflan­
zenreiches und sein Kreislauf und die Bestandheit und
Lebendigkeit der Tbiercharaktere. A uf diese Gesetze
der sichtbaren W elt weisen sie bin, und auf sie grün­
den sie die verborgenen Gesetze unseres Ycrhaltcns.
ln den Spiegel eines solchen Vortrags aufgefafst, wird
die Handlung eines Thieres, das Leben, Aufblühen und
Verblühen einer Pflanze , das belehrende Bild einer
sittlichen Wahrheit. So gewinnt das ernste W ort der
Lehre einen sinnlichen Bestand, und dringt sich in
dem fruchtbaren Moment einer einzigen Erscheinung

und S y n is die Rede ist: Sre^oi i i (paetv^ σχήλαΐίν that


bt' c*J τας TO’j '»ίλιου «ικος iσiffΛttcΰvτo τ^οτάς* ο Kofi
biu τοΰτο σττ-^λαιον Ιλίγβν. ~ A ls o e in e S o n n e n g r o t t e ·
*9
zusammen. Daher auch die Umsetzung solcher alten
Sinnspruebe und Gnomen in ein Bild fürs Auge so leicht
geschiehet 9 und ohne 'wesentliche Yeränderung ihres
Inhalts. Bild und W o rt, Bildnerei und Rede sind in
dieser Denhart noch nicht geschieden, sondern unter­
stützen , ja durchdriiigen sich gegenseitig. Auch davon
haben fast alle Sprachen Spuren aufbc'wahrt, insbeson­
dere die alten. Es ist schon von Mehreren bemerht
worden, dafs das Hebräische Vd O nicht blos p r ä g e n
bedeutet, oder e in B i l d a u f d r u c h e n , sondern auch
ein G l e i c h n i f s in d e r R e d e n i e d e r l e g e n , oder
in e i n e m S p r u c h e a u s d r u c h e n (daher die
.iläV ü 30), 80 wie endlich e in W o r t a u f -
d r u c k e n , das Gepräge des W illens, und mithin
h e r r s c h e n . Alle diese Bedeutungen und eine Fülle
anderer Begriffe vereinigt das inhaltsreiche σνμ^ολον
der Gri echen , das in jedem Betracht eine besondere
grammatische Erörterung fordert. Hier wollte ich nur
bemerklich machen, dafs in der symbolischen Priester­
lehre d e r Yorw elt d a s G e b i e t d e r R e d e v o n d e m
des s i c h t b a r e n B i l d e s n i c h t g e t r e n n t sey^
und dafs die Weisheit dieser Periode durch das Gewicht
der Sinnsprilche und Sinnbilder den Geist des roheren
Haufens beherrscht und bildet.

30) Im AlUeutschen iSfst sich dasselbe nachweisen. P r ä g e n


heifst ein Bild aufdrOckco, und B r e c h e n , P r e g e n ,
P r e h h a n heifst S p r e c h e n und G l ä n z e n . F u l d a
Ob. German. Wurzelwörter S. 117.125. B r e c h e n heist
bei den Alten auch spalten, reifsen. Verwandt sind diese
Begriffe mit s c h n e i d e n und s c h n i t z e l n . Otfrit IV·
33, 65. B r i n g e n ist desselben Stammes, heifst beiden
Alten f e s t s t e l l e n , stabilire. UrsprQnglich etwas Sinn­
liches in die Hand geben oder vor Augen stellen. Notker
20, 12. Schilter im Gloss. s. v. Anmtrkung meines
I^eundes, des JDr, M o n t.
20
$. 11.
6o neigt sich aller Vortrag und aller Dienst des
höheren Altertbums zum Symbolischen hin. Mehrere
Schriftsteller der Griechen unterstützen diese Bemer­
kung durch bestimmte Zeugnisse, und, nicht zufrieden,
die V^erschiedenheit dieser Lebrart τοη dem später herr­
schend gewordenen demonstratiren oder discursiren
Vortrage nachzuweisen , theilen sie den bildlichen Lebr-
breis selbst wieder in mehrere Felder oder in yersebie-
dene Abtheilungen eines grofsen Gebietes ein. £s ist
daher der Muhe werth, die Hauptstellen dieser Art etwas
näher zu betrachten. Dieses soll der Gegenstand des
nächsten Capitels seyn. Vorjezt schlicfsen wir mit der
Bemerkung, dafs in einer Periode, worin wir blos die
natürlichen Anlässe , die ursprüngliche NÖtbigung und,
so zu sagen, den Drang zum Symbolischen nachzuweisen
batten , von einer bestimmteren T h e o r i e desselben
noch nicht die Bede seyn konnte. Von dem, was be­
reits W erk der Freiheit war, wurde nur Weniges leise
berühret. F r e i machte sich das Symbol bereits in
Aegypten und im allen Morgenlande; zum Schönen gebiU
det ward cs bauptsächlicb durch die Griechen. Und w'enn
diese einerseits in der Schule der Aegyptier gelernt hat­
ten, zum Behuf mancher Lehrvorträge die Evidenz mehr
bei dem Sinne zu suchen als bei dem Verstände, so batte
es ihnen hingegen ihr eigener glücklicher Geist eingege­
ben, den bildlichen Ausdruck der Ideen mit demScaönen
zu verbinden, und sie wurden und blieben in dieser
Kunst unerreichte Muster.
21

Z w e it e s C a p i t e l

G ram m atische G rundlegung.


12.
E ine allgemeine Beschreibung des syraboliseben Vor­
trags der Alten enthalten die oben bereits miigetbeilten
Stellen des Pausanias und Clemens yon Alexandria ^ ho-
mil man noch die Hauptstelle von den Aegyptiern ver­
binden bann, welche noch den bemerlvenswerthen Kc-
benzug entiialt, dafs diese Art des Ausdrucks alseine
^'achahraung der sinnbildlich wirkenden Natur selbst zu
betrachten sey *). Schon etwas bestimmter sondert ein
anderer Schriftsteller die zwei Hauptgebicte jenes gan­
zen Kreises , wenn er bem erkt, einige der alten Lehrer
batten die mythische Hülle für den Vortrag ihrer Ge­
danken gewählt, andere die symbolische Hier sehen
wir die £rzcugnisse alter Religion und Philosophie in
zwei grofse Massen zerfallen, in die s y m b o l i s c h e
und in die my t h i s c h e ^ welche fortdauernd bei weitem
die grüfste Ausdehnung behielten, und daher für unsere
ganze folgende Untersuchung die bleibende Grundlage bil­
den werden. Um sie jedoch ganz in ihrem Wesenzu erken­
nen, mufs sowohl ihr Ilauptgegcnsatz als auch noch eine
und andere Nebenart erwogen werden. W ir gehen von
folgeuder Hauptstelle eines Griechischen Philosophen aus:

$. i3.
«I>ie von güttlichen Dingen durch Z e i c h e n a n-
d e u t e n d ( d. h. intuitiv) reden, reden entweder s y m-

3l ) J a m b l i c h , de m y s te r. A egypt. S e c t. V IL c a p . 1. p . 150
c d . G a le . D ie d a m it v c rin is c b le n th e u rg is e b e n V o rstc l*
langen ü b e rg e h e n w ir billig h ie r .
32} S i m p l i c i u s P ra e f a t. in A risC o ic l.C a te g o r, S e c t . X c t X I .
22

b ο 1 i s c h und m y t h i s c h oder durch B i l d e r . Die


aber a n y e r b ü l l t ihre Gedanken ausdruchen, tragea
eie theils in W i s s e n s c h a f t l i c b e r a D u r c h d e n k e n
vor , oder Termittclst einer g ö t t l i c h e n E i n g e b u n g ·
Ein Yortrag, der durch die Symbole das Göttliche auszu­
sprechen strebet, ist Orphisch und überhaupt den V er­
fassern der Theomythien eigen ; der Vortrag durch B il­
der ist Pythagoreisch»
Das E n d e i k t i s c b e ( I n t u i t i v e ) vorerst nimmt
hier Proclns in seiner ersten und eigentlichsten Bedeu­
tung, wonach cs ein Hinweisen mit dem Finger anzeigt,
in welcher es auch Polybius braucht Dafs das u n -
v e r h ü l l t (άπαςακαλύτιτως) reden den Gegensatz bil­
det, darf nicht auffallen, da in dem R e d e n d u r c h
Z e i c h e n (in der ίν^ειξις) schon der Begriff der Hülle
enthalten ist, weil das, was seinem Wesen nach aufser

33) P r o c i US in Theolog· Platon, lib. I. cap. IV. pag. 9·


0 / μ«ν yd^ it* Bv δε ίζεω ς τίξ-ί reCv Λυν λίγοντβς, ij συμβο·
XtK(S% καί /αυ3ικως, ζ δ t' οι δkdτa·
ρ^καλυΐΓταις τάς εαυτών έιανο>;7 £/; α'ταγγΑλοντίς, οι μεν
κατ' ετίστήμι^ιν yο! δε κατά rijv εχ Βεών §‘ΐ τίτνααν ιτοιουν-
ται τους λογονς. ^Εση δ^ ό μεν διά των συμβόλων τά $ε7α μι^·
νυειν εφαμ^νο^^ Ό^φικδς, καί ολ(ο; το7ς τάς ΒεομυΒίας γ^.άφου-
σιν οικ^/ος * δ δδ δία, των εικόνων, ΙΊυ3αγο^€ΐος.
34) III. 38, 5. mit Schweighäusers Bemerkung. Vergi. A e -
sc h i η. Dialog. III. 2. und Fischers Index unter ενδειχνυω^
wo auch einige Stellendes N .T . nachgewiesen sind. Man
vergleiche auch P h i l o de Op. Aiundi T. I. p .9. p. 20.
Wenn Übrigens H e s y c h i u s das tvδεiyμa durch άτόδβιξις
erklärt, so darf dies nicht irre ftlhren, denn ά^τοδβίζΐς
(dessen erste Bedeutung W y t t e n b a c h a d Herodot. 1.1.
wohl entwickelt hat) gehört im Gegentheil der andern
Sphäre des Vortrags, der philosophischen, in Begriffen
an , und die ^Bokoyta αττοδειχηκη bezeichnet die de­
monstrative Theologie, sieh. M a x i m u s in Schol. ad
Di o n y s , de T h e o l o g . p. l58. Έτι'δβιξις heifstbekannt­
lich eine Kuiistrede der Sophisten«
3S
dem Kreise der Formen liegt, um der Änscbaulioblicit
der Erkenntnifs willen darch Formen angedeutet
wird. Mithin ist das Endeiktische hier ganz synonym mit
dem, was ein anderer Schriftsteller durch den ver-
seUeiemden Vortrag bezeichnet; und so wie ihm hier
da» Unverbulhe ( άπαρακάλνττον) entgegengesetzt ist,
so wird in andern Stellen ihm das D i s c u r s i v e des
Vortrags entgegengestellt. Dies ist namentlich in iol*
gender Hanptstelle der F a ll: « So waren auch die W ei·
een der Aegyptier, möge nun Tollendete Weisheit es
ihnen eingegehen haben, oder ein Instinkt der Natur,
meines Erachtens nicht geneigt, was sie von ihrer
Weisheit mitrheilen wollten, den Schriftzügen der Buch­
staben anznyertrauen, die in d i s c u r s i y e r G e t r e n n t ­
heit Schlüsse und Urtheile herrorbringen, und den
Laut und articulirten Wertausdruck der Lchrvorträge
nachakmen ; sondern sie haben vielmehr dadurch, dafs
sie Bilder in ihre Beligionsbücher einzeichneten , und
für jegliche Idee ein eigenes Bild ausprägten, die Tota­
lität des d i s c u r s i v e n D e n k e n s auf Einmal hervor­
gebracht» 37^. In dieser Beschreibung der Aeg}'ptischen
Lebrart bildet das d i s c u r s i v e Lehren (dtssodsusir)
einen scharfen Gegensatz mit dem gesammten a n d e u -
tenden Vortrag ( Dieser Bedeutung
gemäfs bezeichnet auch Clemens durch δι ε ξ ο^ο^ eine
zur Ueberzeogung führende S c h l u f s f o l g e Die­
ser Gebrauch von διέξοδος iliefsct aus dem Begriffe des
ίαξίέναι und ^ιεξεΧ^έίΡ ^ womit eine jede Art von
sosammenhängender Rede und Erzählung bezeichnet

35) D a m a s c i u s yjgwixsSa *v δέ«ξ /v reüv *J-χίζ-


tihiwv.
36> S i m p l i c i u s 1. I. T^^atrsrdfffxaTa*
S7) Pl ot in. Enn. V. 8. 6.
33) Stroraat. IV. 25.
Η
ΛΠΓ(1 39) ^ uiifl 30 wie es arsprunglicli örtlich einen gcra·
den Ausgang b e d e u te t, und nachher die Richtung und
das Ziel von Gedanhcn und Enl>vürfcn so gehet
seine B edeutung auch nachher in da^ logische Gebiet
ü b e r , und es bezeichnet einen d i s c i i r s i v e n or­
t r a g in B egriffen.
Auf diese W cifc müssen sinnliche A usdrücke zur
Benennung des nicht sinnlichen V ortrags dienen. Ja
selbst ein Mythus mufsle dem on die B ildersprache ge­
w öhnten Gricchenvolke die Entstehung des discursiven
R edens und der damit verbundenen B uchstabenschrift
versinnlichen. Herm es war fü r heide Erfindungen das
Symbol» ein heiliger Steinhaufe Mar das Bild d e r au sB e-
griflen zusammengesetzten Rede und der aus E lem enten
nach und nach znsammengesetzten B uchstabenschrift
W ir kehren zu unserer E rö rteru n g zu rü ck . Eine
jede der oben bem erkten beiden H auptarten alles L eb r-
vortrags bat ihre U nterabthcilungen. Unsere A b sich t er-

3y) W y t t e n b a c h in d e n S e le c tis p rin c ip . H is to r · p . 354.


u n d in d e n Z u s ä tz e n z u r n e u e n A usjjahe p. 447 f.
40) H e ro d o t. II. , wo (die g e r a d e n W e g e — b a ld
d a ra u f s ic h t Sie^icvr/) d e n k ru m m e n G än^jen e n i g e g e n g e -
ae tz t sind. E b e n d a s . ΙΠ . 156. u n d V I I . ^34. k o m m e n in
m e ta p h o ris c lie m Sinne ßovXivudrwy v o r .
41) S uidas s. E u d o c ia c V^olar. p. 159. in V illo is o n · A n e c -
d o t. D ie s e s w ar n äm licli e in e d e r v ie le n D e u t u n g e n v o n
d e n h eilig e n S te in e n , die m a n d e m H e rm e s w idm et«», w e l c h e
e rs t d u rc h die A e g y p tisc h e Sage b e im H e r o d o t I I . 136·
L ic h t g e w in n t, w o die l 'o c h t e r d e s C h e o p s s i c h a u s e r ^
b e tte lte n S teinen n ach u nd n a c h eine P y r a m i d e b a u t ·
A n d e re E rk lä r u n g e n h a t S l u i t e r L e c tio n n . A n d o c k l . p .
44 s q q . g e sa m m e lt. Z u u n s e rm Z w e c k e b e m e r k e n w ir
die W o r te hei d e r E n d o cin : rev^J; XiBay iv, μ/χς>ών
/xeyjcv cyy.ojTCU κ;λαν^ν, corty v.'xt
κ ώ ς , ίκ β^α'χυτάτΰύν crotyjiuiv re vSi καί A f * ;f o u v σ € -

ττολυ κ0^Λψ;υταί.
fordert bier blos die nähere Betrachtung des einen G e­
biets oder des c n d e i h t i s c b e n .
So M'ie Ton Proclus die i v 9$ ς allgemeine
Bezeichnung für die ganze Sphäre des i n t u i t i v e n
l^tibrens gebraaebt 'wird, so fafst ein anderer Schrift*
steiler alle Unterarten desselben Kreises unter dem Aua^
drucke σ ν ν ^ ή α α τ α zusammen^-)·

§. 14.
Jene allgemeine Abtheilung des i n t u i t i v e n Leb*
rens oder jene i v S ει ξι ς^ die sich der συ τέρατα,
der sichtbaren Zeichen oder anschauHcben Bezeich­
nungen , zu ihrem Ausdrucke bedient, zerfallt nun^
nach P roclus, eigentlich in zwei Unterarten» in die
symbolische und mythische und in die, welche durch
B i l d e r (di'stxorov) redet. Denn dafs der genannte
Schriftsteller, hier w’enigstens, das Symbolische dem
Jiljthischen nicht entgegensetzt, ergiebt sich thcils aus
dem Bindeworte χαΐ , 'womit er diese beiden Arten ver­
knüpft, theils daraus, dafs er den symbolischen Ausdruch
den Orphikern und allen denen beilegt, welche T h e o m y -
t b i e n (Gdttermylhen) gedichtet haben. Unter den letzte­
ren ist oBenhar die Orphisebe Theogonie und Kosmogonie
zu verstehen, welche poetisch in s y m b o l i s c h e n M y ­
t he n ^3) vorgetragen wurden. So wie demnach das My­
thisch-Symbolische Orphisch heifst, so wird der Vortrag
durch Bilder (Jt* εΙχόνων) Pythagoreisoh genannt. De»
Sinn dieses letzteren Satzes ergiebt sich sogleich aus dem
Folgenden. Es werden nämlich die mathematischen Figu«

42) J a m bl Sch. de Myster. Aegypt. $ect. Γ. cap. 2t. nach


der Verbesserung von Gale. Cf. Suidas in
4 3 ) S u id a s s . Ό ^ φ . und E u d o c i a V io la r. p. 3 f 8 , wo es v o n
O r p h e u s b e ^ f^ t ί «V Τ0ΙΪ5 5 /d /ixv5<y.(vv (Tvfxßokwv
r d ; twv ts xui σαζά^·
o6

ren dironter Teretanden, vodorcli Pjthagoras die Be­


griffe im Baume construirte. Diese Figuren {οχήματα)
und die Zahlen [ά^ι^μονς), heifst es im V e rfo lg , habe
Pythagoras auf die Götter bezogen ; sie batten ihm als
B i l d e r zur Bezeichnung des Göttlichen dienen müssen·
Hiermit verschwindet auch ein anscheinender W ider­
spruch der verschiedenen Referenten in derselben Sache·
Denn nach Iamblichus 4^) hielt Pythagoras die s y m b o ­
l i s c h e Lehrart für sehr nothwendig. Dieser letztere
Schriftsteller redet aber dort nicht von der mathemati­
schen Lcbrart der Pythagoreer, sondern von ihren
sy mb o 1 i s c h e n S p r ü ch en und ähnLohen von der
gemeinen Sprechart abweichenden Bezeichnungen* L etz­
tere lernen wir bestimmter aus Porphyrius kennen
«Einiges, erzählt dieser, sagte Pythagoras auf verbor­
gene Weise symbolisch, welche Ausdrucke Aristoteles
grofsenthcils aufgezeichnet hat. So nannte er z. B· das
Meer die Thräne, die Bären ( am Polarkreise) aber der
Rhea Hände; die Plejade der Musen Leier; die Planeten
endlich die Hunde der Persephone· v
Jene Schriftsteller sprechen also von verschiedenen
Lehrarten einer und derselben Pythagoreischen Schule,
welche eben so wohl einen symbolischen Vortrag bann­
te , als die Orphische. Unter dem Symbolischen ver­
stehen alle angeführten Beferenten die alterthumliche
b i l d l i c h e B e d e . Dafs aber Sinnbilder für das A uge,
durch Malerei, Plastik u. derg). dargestellt, nach a lt­
griechischem Sprachgebrauche auch σύμβολα hiefsen,
bedarf keines Beweises, und ergiebt sich aus dem Fol­
genden von selbst.
Aus dem Bisherigen bildet sich folgende kurze Ue-
bersicht:

44) de vit· Pythagor. cap. 23. p. 86 ed. Kust.


45) de vit· Pythagor. p. 4l sq« ed« KusU
B ie Lehre τοη dem Gottlichea trird Torgetragen:
entweder oder
yerhullt (iv παραπεχάσμασιν) nnycrhüllt {άπαξαχαλύηχως)
Intuitire L e h r a r t D i s c a r e i y e L e h r a r t (Δ»έξο9ος)
Diese ist Diese entsteht
entweder oder oder entweder oder aus
symbolisch mythisch ihonisch ( mathematisch) wissenschaftlich Inspiration
xh συμβολικόν xh μυθικόν το εικονικόν κατ’ έπιστημην κατ inlnvoiar·
I
Lehrart der Pythagoreer
und zwar in so fern sie durch
entweder oder mathemathische Figuren
fürs Auge fürs Ohr (^σ χ^ή^μ^___
α τ α^
)
durch d a s B i l d durch die R e de. oder durch Z a h l e n (αριθμοί)
1 lehren,
— ---------------
entweder oder
Orphisch P y th a goriscb ,
in in βο weit
in a e n Γ h e o nry t h i e n die P y th a g o r e e r
(i v ται( ^ μν^ i αις) in S p r ü c h e n ( όλο 1
reden.
2S

$. ι5·
Der Gegenstand unserer Untersuchung fordert nur
die Kenntnifs des Hauptunterschiedes, wodurch sich das
Symbolische von dem Mythischen trennt, und die ge­
nauere Betrachtung einer jeden dieser grofseren Gattun­
gen. Speciellere Unterscheidungen und Classificationeni
zum Theil aus einem sehr späten Zeitalter herriihrend
würden uns nur von dem einfacheren Sinne des Alter-
thuros ablenheii. Hingegen jene Unterscheidung des
Symbols und Mythus ist nicht etwa ein Lehrsatz späterer
Theorie, sondern vielmehr in dem Wesen des Alter­
thums selbst gegründet.
S y m b o l zuvörderst und s y m b o l i s c h wird von den
Neuern behanntlich grofsentheils ineinemSinnegebraucht^
Avelcbcn der Sprachgebrauch der Alten nicht gestattet·
Die daraus unausbleiblich hervorgehende Verwirrung
der Begriffe macht cs jezt mehr als jemals notbwendig,
zur Schule der Griechen zuriiclizubehren , und vorerst
an ihrem S p r a e h g e b r a u c h e die Entstehung und Ft»rt-
bildung dieser so ganz alterthüuilicheii Ideen zu lernen·

§. i6.
Drei Hauptbedeutungen des Zeitwortes σνμβάλλην
und σνμβάλλίσ^αι sind gleichsam die Wurzeln einer
ganzen Fülle von Begriffen, die der Grieche mit seinem
σν μ ß oXo V verband. Vorerst σνμβάλλειν v e r e i n i ­
g e n , v e r b i n d e n , das G e t r e n n t e z u s a m m e n -
b r i n g e n ; sodann σνμβάλλεσ^αι und σνμβάλλαν^ mit

46) Z . B. die Einthcilung^n des M a x i m u s in den Scholien


zum sogenannten Dionysius A r e o p a g i t a p. 158« und
des P a c h y n i e r e s in der Paraphras. ibid. p. l69. Die
Classificuion des J a i n b l i o h u s de myster. Aegypt· Scct·
I. cap. 11. p. 2o. eiubalt schon mehr Brauchbares, weU
dies unten am gciiörigen Orte bemerkt werden wird·
39
dem Daüv der Person, m it J e m a n d z o s a m m e n -
t r e f f e n (in jedem Sinne), m it ibm e t w a s v e r h a n ­
d e l n , eine V e r b i n d u n g schli ef se n f endlich
s e i n e M e i n u n g mi t e i n e m v o r l i e g e n d e n F a l l e
vergleichen^ v e r m u t b e n , co n jic e r e , scblie-
f s e n , besonders e t w a s R ä t h s e l h a f t e s z u e r r a -
t b e n s u c h e n ; daher besonders von der Deutung der
Gdttersprache und Weissagungen gebräuchlich
D er einfachste Begriff von σύμβολον^ unmittelbar
ans jener ersten Bedeutung des Verbum entspringend»
ist folglich der von Plato gebrauchte: £ i n s ans
Z w e i e n Z u s a m m e n g e s e t z t e s , und auf diesem
einfachsten Sprachgebraucbe beruht auch der älteste
Gebrauch der Versicherungszeichen selbst.
Ein Täfelchen zu zerbrechen und die getrennten
Hälften als Unterpfand und Zeichen eines geschlossenen
Gaslrechts aufzubewahren , war eine uralte, auch in
Griechenland geheiligte Sitte Jenes Bruchstück der

47) 8· D o r v i l l e ad Chariton. p. 2B8 ed. Lips., wo zugleich


die Verschiedenheit von συμβολ^Τν, welches manche dieser
Bedeutungen mit &'Jμßά\λs^v gemein hat , bemerkt wird.
48) In diesem Sinne sagt H e r o d o t u s συμβά>>ίσ^>αι^ z. B. Γ,
68. IV, 111. und öfter; andere Schriftsteller auch <τυμβάλ·
Aje/v. So P l a t o , worauf P h o t i u s Lex. gr. pag. 4o4.
ohne Zweifel hinweiset. Einige folgen dem Spiachge-
brauche des Herodotus, wie D i o n y s i u s von Halicarnalh
de Compos. Verb. p. 1S9 ed. Schäfer. Die zuerst ange^
führte Stelle des Herodotus hat mir zu mehreren Sprach-
bemerkungen (unter andern auch Über das Verbältnifs
zwischen συλλαμβάνί/ν und σνμβάλλίσΒαι) Veranlassung ge­
geben in den Commentatt.Herodott. Part. I. cap. II. $· 23.
49) Sympos * cap. XVI. init· So auch A r i s t o t e l e s de ge­
nerat. aniram. I. 18.
50) I s i d o r i Etymolog, lib. V. cap. 24. pag. 204 ed. Arevali.
Die tessera hospitalis hiefs auch σψβόλοίον. Sieb, die Aus*
So

gebroclienen Tafel (tessera) ward nun eber S j m b o l


{σνμβολον) oder t e s s e r a h o s p i t a l i s selbst genannt.
Das W o rt blieb nicht bei jener Gattung von V ertrag
stehen, sondern nmfafste nun a l l e V e r b i n d u n g e n ,
die man durch ein sichtbares Zeichen behräftigte. Auch
ward A l l e s das m i t d i e s e m s e l b i g e n W o r t e
b e z e i c h n e t , wa s na ch und n a c h die g e b i l ­
d e t e S i t t e an d i e S t e l l e j e n e s e r s t e n r o h e n
J f e r h z e i c h e n s g e s e t z t h a t t e . Der Begriff Sym­
bol (arpßoXor) schlofs nun in sich: das Gesetz einer
Verbundung von Staaten, die Bundesacte; besonders
eine Handelsverbindung der Staaten eine rechtliche
Vebereinkunft bei solchen öffentlichen Handelsbündnis­
sen ; ferner ein jedes Unterpfand bei jeglicher A rt
Ton Kauf oder Contract; der Ring» den man zum Un­
terpfand demjenigen statt der wirklichen Beiträge gab,

leger zu Lucian« Asin. Tom. VI, p. 46& Bip. ( T. 1f. p.


567 sq. Hemsterh. Vergl. Tomasini de tesseris hospitalit.
p. 120 — 126.) In t e s s e r a liegt der GrundbegrtiF eines
jeden vierseitigen Körpers (reVe-o^). Später zerbrach
man einen Ring, oder gab dem Gasifreund deu Siegel-
abdnick; vergl. BöUiger KunsUnythol. des Zeus p. 42.
öl) In welchem Sinne man gewöhnlich σνμβόλοίον sagte, s·
P h o t i u s Lex. graec., wo eine Stelle des M e n a n d e r
angeführt wird. Scholia und Heindorf zu Plat. Gorg. p.
127. und was wir selbst znnr Proclus de unit. ad calcem
Plotini de pulcrit. p. 115. bemerkt haben. Doch halte
Demosthenes auch <τυμβολον in dieser Bedeutung gebraucht,
Orat. de Halones. p . 70. conf. O u d e n d o r p ad Thoiu.
Magist. p. 818.
52) Harpocrat. s. σύμβολα ibique Va l e s i u s . D i o g . L a € r f ·
X. §. 150. ibique Kuhn. Daher 3/κοί συμβολών die
nach solchen Öffentlichen Handelsacten zu schlichtenden
Streitigkeiten und Recfatshändel. Hesych. s. συμβολαίαι hU
KO/. Pollux VIII. Segm. 88. p. 908 Hemsterh. conf. Aug.
Matlhiae de judiciis Atheniensium» in dessen Miscell.
3t
der eine gemeinschaftliche Mahlzeit ausrichtete ein
Pfand bei Wechselgeschäften; die Tafel mit dem Loo·
snngsworte bei dem Militär (tessera militaris , das Loo-
songswort (Parole) selb st, auch jedes verabredete Zei­
chen im Kriege {σνν^γιμα,τα und πα^ασνν^ϊΐματα ge­
wöhnlich genannt); jede Marhe, Schauspielmarke und
deigl. Ingleichen jedes Zeichen, bei einer Yerlobnng
oder ehelichen Yerbindung gegeben , besonders der
Trauring und weil das auf dem Siegelringe einge­
grabene Bild das Kennzeichen und Yersicherungszeichen
der ihn fahrenden Person w ar, so bildete sich daran»

phiiol. I· p. — Κοινανβινατί wird von W ech­


selgeschäften gebraucht, A r i s t o t e l . R h e t o r , ad Alex-
andr. cap. 3. P o l i t i c . III. pag. 88 ed. Schneider« Von
einem gerichtlichen Instrument oder ActenstQcke kommt
συ/χ/8οΛα<ον häufig vor in der vierten Just. Novelle. Man
sehe gleich das Proömium, wo der tabellio (der N o t a r )
mehrmals σ·-/χ/3ολοΛ7^αφο; genannt wird ; Uber welche Aus­
drücke sich Scipione Maifei verbreitet in der letoria dN
plomatica p. l i . Συμβόλαια τ^οινιωα Übersetzt Theopbilus
m den Institutionen III. 1. 6, die instrumenta dotalia oder
die £hepacten, worin Mitgift oder Aussteuer bestimmt
wird« Man vergleiche R e i z im Glossai dazu p. 1292«
53) Diese Mahlzeit hiefs oder 8siirvoy diri συμβολήν. D et
Beitrag hiefs συ^βολ^ (symbola); der denselben vertre­
tende Ring oder jedes an die Stelle desselben gesetzte
Pfand hiefs σύμβολον y A t h e n a e u s lib. III. cap. 86«
und daselbst C a s a u b o n . Tom. II. p. 320 ed. Schweigh«
ibiq. Terent. Eunuch. Hb 4. und andere Stellen.
54) Xenoph. Cyropaed. VI. 1. 45. ibique Fischer. Homer«
Odyss. ψ. 109 seq. (wo es σ^μα heifst). Euripid. Helen.
298. ibiq. Barnes. — Die Bedeutung M a r k e hat συ/χ/3ολον
in vielfacher Beziehung , s. Casaubon. ad Theophrast.
Charact. VI. pag. 87. Auch Eiiilafsmarken zu gehei­
mem Gottesdienste, welche Appulejus Apolog« s i gnuui
nennt«
3a
die allgemeine Bedeutung Siegelring und H i n g
überhaupt

§. 17.
Da σ ν μ β ο λ ο ν ein Z e i c h e n aller dieser V er­
hältnisse und Verbindungen bedeutet, so ist es sehr na­
türlich, dafs es nun mit dem allgemeinen Begriffe Z e i ­
c h e n (σνμεΐον) selbst zusammenfällt Daher nun
auch das Zeichen im Gegensatz gegen das W e s e n , die
blofse Andeutung im Gegensatz gegen die angedeuteto
Wahrheit selbst, σύμβολον heifst so "wie von dem
bemerhten Grundbegriffe mehrere bestimmte Bedeutun­
gen ausgehen. A’^orerst heifst nun das W o r t , als Zei­
chen der Sache, σνμβολον und mithin auch das
S i n n b i l d als äufserliches Zeichen einer Handlung eder
einer Gesinnung

55) P lin . H . N . lib . X X X I I f . I. 4. A n n u lu tn — p o s te a v o c a ­


b a n t e t G ra e c i e t R o m a n i s y m b o l u m . H ie rm it h ä n g t
a u c h die ß rd e iitu n g v o n iV lU n z e z u s a m m e n , n ä m lic h in
B e z u g aufs G e p rä g e .
56) S e x t u s E m p i r i e , a d v . M a th e m . V III. p . 495 P a b r ic .,
w o so w o lil v o n d e n v e r s c h ie d e n e n A rte n d e r cyjtxsJuy a ls
v o n d e r N a tu r d e s \m G e g e n s a tz g e g e n d as
ro v , n acli b k e p tisc h e n G ru n d b ä tz e n g e h a n d e lt w ird , S o
k o m m t σύμβολου bei D io g e n , L a e r t, IV , p. 46. v o r , w o
c s das k o m is c h g e b ra u c h te συτγιναφ*ί e rlä u te r t.
57) P I c t Ä o n i s S c h o l. ad O r a c o h m a g . Z o r o a s t r . c f . h i e u r -
sii E le u s in , c a p . X I . E s heifbt b e i P l e t h o n , die
u n d w as so n s t n o c h d e n E in g e w e ih e te n in die E le u sin ie n
b e i d e r avro^U g ez e ig t w e rd e , σύμβολα α>-λα·; so-rh, oj
Ssov r i ; φυσ/;.

58) A r i s t o t e l e s *>Γ6ζνί α?<τ5·.^σ. cf. B u d a e i C o m m e n ta r« ling,


g r. p. 867. C ic e ro T o p . 8. n e n n t d a h e r d a s W o r t : n o t a ,
59 ) l n j e n e m S in n e n e n n t C a l l i m a c h u s F ra g m . C III. p .
475 E r n e s t. d e n E p p ic h d a s συμβολον in d e n Is th m is c h e n
55
Alle bisher bemerbten Bedeutungen lassen sich aus
dem ersten Gebrauche yon σνμβάλλειν, e t w a s G e ­
t r e n n t e s z u s a m m e n f ü g e n , und dem damit zusam­
menhängenden einfachsten Begride τυη σνμβολον (ein
Z u s a m m e n g e s e t z t e s ) ohne Schwierigkeit ableiten·
Auch behält dieser einfachste BegrifT des W ortes im
Folgenden seine Gültigkeit. Jedoch mufs für den höhe­
ren Sinn Tou σνμβολον zugleich an die beiden andern
Bedeutungen des Zeitw'ortes, erstens: Z u s a m m e n ­
t r e f f e n , b e g e g n e n , besonders u n v e r h o f f t b e ­
gegnen , zweitens: a u s d u n k e l c n A n d e u t u n ­
gen e r r a t h e n , erinnert werden, um so mehr, da die
Temachlässigung dieser höheren Beziehungen, ^ie wir
unten sehen werden, grundfalsche Ansichten der gottes­
dienstlichen Symbolik zur Folge gehabt hat.


Es eröffnet sich mit jener Bemerkung der Kreis
der religiösen Auslegung und Deutung , nach den Vor­
stellungen der Griechen. Diese Deutung (μαντεία) be­
zieht sich auf den Sinn des Gehörs und des Gesichts·
Zudem Göttlichen, was, nach Griechischem Volksglau­
ben, das O h r berührte , gehöret χγη<^μός^ der Orakel-
sprneb; φήμη und νλτβών ^0) , bedeutsame Laute, be­
sonders Vogelgeschrei, omina ex v o c e . Die Andeu­
tungen fürs A u g e haben folgende besondere Bezeich­
nungen: φάσμα y ein Gesicht, eine Erscheinung; sodann

S p ie le n . V e rg l. F ra g ra . C X X ll. In d ie se m sag t P l u -
t a r c h 11 s ( P r a e c e p t. c o n ju g . p . i4K W y lte n b O s e h r s c h ö n
von E h e g a tte n : tc J μα}αστ(ί ψ<λβ7ΐ/ τ ω udXijrj,
σ^μβόλοί α>^^;λους.
60) Die Atiiker fassen diese beiden Arten unter dem Worte
erra zusammen, und die Dichter unter Ruhnken.
ad Tim. s. orra.
I δ
54

ivieder όμψη, nach der doppelten Bedeutnng dieses


W ortes, gleichfalls Erscheinung (yisio); τέρας, ein
vom geyv’dbnlichen Gange der Dinge und von den Natur­
gesetzen abweichendes Phänomen (monstrnm); endlich
σ ν μ β ο λ ο ν ^ vorerst, wie bemerht, jedes Zeichen,
woraus man etwas schliefst, sodann aber ein in die
A u g e n fallendes Zeichen, vorzüglich mit dem Neben·
begriffe des Z u f ä l l i g e n , U n v e r h o f f t e n , und na­
mentlich das z u f ä l l i g e o m i n o s e B e g e g n e n e i n e s
M e n s c h e n ^0· — Auch Zeichen in hoher Luft heifsen
σνμβολα, ζ· B. B l i t z e und ähnliche μετέωρα ; ins­
besondere der b e d e u t s a m e Y o g e l f l u g , und alle
Augurien aus dem Erscheinen und Begegnen der für
heilig gehaltenen Vogel

61) Indiesem Sinne braucht es X e n o p h o n Memorabil. So*


erat. I. 1. 3; in eintm ähnlichen, doch etwas ausgedehnt
teren, P h i l o s t r a fus fitroic. pag. 2, wo der gelehrte
B o i s s o n a d e die Xenophontische Stelle und andere
nicht unberöhrt gelassen; s* dessen Note pag. 280. Vor­
züglich aber mufs VVy i t en b a c ! - genannt werden, der
in seinen Erläuterungen des J u l i a n u s p. 158 cd· Lips·
diese Sphäre der fxdivri/a nach seiner Art, d. b . erschö­
pfend , behandelt hat.

62) Iiiterprett. ad Xenoph. I. I.

6l) Daher auch A e s c h y l u s im Prometheus (487 SchOtz·)


das ominöse Begt gnen auf dem Wege ( βνοδ/ους ^μβολους )
und den Vogelfliig mit einander veibindet, cf. S c h ü t z
daselbst. Ein s<dcht-r Vogel heifst aus diesem Grunde
selbst συμβολοζ ος.ν/;, Aristopban. av. 720, mit dem Scho-
lia.sten u n d B e c k s Anmerkung. S y m b o l u s a ls Mae-
culin braucht P l a u t u s zur Bezeiclinung ilee Symboli­
schen gewöhnlich. Ueber den hier berührten symbolischen
Kreis der A u g u rie n verbreitet sich Ez· S p a n h e i m ad
C a l l i m a c h i hymn. in Pallad« 123.
55
$. i3.
In dieser neuen Ideenreilie treten nun ganz unrer-
kennbar einige Grundbegriffe h ervor, die um so mehr
einer Erörterung bedürfen, Je weniger sie von Griechi·
sehen Grammatikern selbst gehörig beachtet worden sind·
Es ist vorerst die Vorstellung des N a t ü r l i c h e n , U r ­
s p r ü n g l i c h e n , aber auch des Z u f ä l l i g e n , des in
seinem U r s p r ü n g e D u n k e l e n , mithin, nachdem
Glanben des Alterthums, G ö t t l i c h e n · Wenn daher
ein Griechischer Lexicograph sagt: B i l d und A b ­
b i l d u n g (εΙχών χαΐ ομοίωμα) nenne man das, was von
Natur (φ νσ ε ι) und bei Allen sey, wtis es sey, wio
das Bild eines Löwen u. s. w ., hingegen σνμβυλον und
σιτρείον, Symbol und Zeichen, heifse das, was nur durch
ü e b e r e i n k u n f t (Seaec) sey, was es sey, z. B. das
Zeichen für Krieg oder Frieden, das bei Biimern und
Persern s o , bei andern Nationen aber anders beliebt
worden u. s. w .; so hat er zwar über den Gegensatz,
der zwischen dem k y r i o l o g i s c h e n B i l d und S i n n ­
bild statt findet, etwas Wahres gesagt; aber wie nie­
drig ist die Stufe, auf der ihm das Symbolische erschien,
oder vielm ehr, wie wenig hat e r, hei dieser Beziehung
des bloe S i n n b i l d l i c h e n , das Wesen des eigent*
lieh Symbolischen berühret. Es ist also unnothig hier­
bei zu verweilen , da ja der eben naebgewiesene Sprach*
gebrauch der classiscben Schriftsteller Griechenlands,
eines Aeschylus, Aristophanes, Xenophon und Anderer,
das Symbol in den Kreis der Religion einführet, und
ganz deutlich zu erkennen g ie b t, dafs es die Verhält­
nisse zwischen Göttern und Menschen bezeichnete, die
keiner E r k l ä r u n g , aber einer D e u t u n g fähig seyen.

64) Lexici graeci Augustan. ad calc« Hermanni


F ra g m e n tu m
de emendand· rat. G ra m m · gr. p· 31p·
3G
W as unrerhofll aus den Terlrorgenen Tiefen der Natnr
durch das Auge, als Vorzeichen oder W arnung, den
Menschen ansprach, und als etwas Ungemeines in An­
spruch nahm, das war ein σνηβολον. Es war ein zufäl­
liges Zeichen, das ihm geworden war, und wenn er
dergleichen in wichtigen Lagen des Lebens zu erlangen
suchte, so geschah es unter Vorbereitungen, wodurch
er seine Abhängigkeit von der dunhelen Macht höherer
Naturwesen anerkannte. Der Begriff des U r s p r ü n g ­
l i c h e n im Symbol entwickelte sich aber fr äh aus dem
oben bemerkten Glauben einer Beseelung der ganzen
Kdrperwelt und der redenden Zeichen , die sie dem
Menschen gebe. Die Grundkräfte, in Götter personi«
ficirt, walteten über diese Zeichen, und waren als Er­
finder der Mantih selbst die ersten Ausleger. Die Ver­
bindung solcher Zeichen mit dem Bezeichneten ist mithin
ursprünglich und göttlich; und wie der ganze Gütter-
dienst eine Fortpflanzung jener Hülfe ist, die dieGütter
selbst zuerst den Menschen geleistet haben, so beruhet
auch alle Symbolik, wodurch die Priesterschaft das
höhere Wissen abspiegelt, nicht auf willkuhrlieber,
menschlich veranstalteter Bezeichnung, sondern eben
auf jener uraofänglichen Veibindung selbst. Hierdurch
ward also das Symbol hoch über andere Arten bildlichen
Ausdrucks gestellt — Nach diesen Λ orstellungen bil­
deten spätere Philosophen, die die Gründe der National-
reügion aufsuchten, eine Stufenfolge der bildlichen Be­
zeichnung religiöser Wahrheiten, worin das Symbolische
in der eben bemerkten Würde erscheint. So sagt Jam-
blichus : Einige gottesdienstliche Darstellungen seyen
als S y m b o l e v o n j e h e r dem Höheren gewidmet

65) De myster. Aegypt. I. ii, p. 20. tu σύμβολα


^w T U i {ξ aiS/ov rot:, κ^β/ττοσι. P lftijonis 5>cliolia in O racula
Zuioastr, pag. 45 ed. Opsopaei, pag. SS ed. Galeif
3?
mit Hinweisang auf die ejmboHsche Sprache der Natar
seihst, und unterscheidet von jenen das B i l d (ε’ίίώρ)
und die V e r ahn l i e h α ng ( α<ροροιωσ»£) des Mensch­
lichen mit dem Göttlichen , so mie das Bcstrehen, sich
das letztere a n z u e i g n e n (οΐχ^ιωαις’. Hiernach bildet
sich also ein Vcrbältnirs zwischen Bild und Sjmbol,
ganz entgegengesetzt dem oben aufgestellten , wo das
J i j r i o l o g i s c h e B i l d mit seinem Gegenstände noth«
w e n d i g Terhunden erschien , und das S i n n b i l d nur
zaiallig.

$. 20.

Auch die Lehre der Stoiber von den s y m b o l i ­


s c h e n A n t w o r t e n giebt über einen Grundbegrilf
jenes W ortes Aufschlufs Der Lexicograph Ammo-
nias sagt, bei der Untersuchung des Unterschieds
zwischen der F r a g e (Ιρώτι^σ^) und £ r b und i g u n g
, nach der Philosophen Meinung sey die Frage

Ό χατ^ικβς νους, } τί^ς θι^λαίι} ουσίας


yo^ J ουτος ταΓ^ avfcVTf/^e ( Lit^s iv6^vtt(js mit Opso-
paeus und cinrr Handschrifi.) καί τά σύμβολαy -^rot τάς rwv
vcyjTW'j ί/δ ώ ν y «5 uiv TCy^ r c iv o v ra ;y ψ ^ χ ι ; ί'^ΐστη «v tJ to ·

Ty d f t Y.^y,7>jTXt X o y s 'J i ·

66) Fine symbolische Antwoii des Zeno erzählt Sextus Eran


piricus adv. Matth* II. 7 , welche Steile üavisiiis za Cic·
de Pin. II. 6. init. cilirt.
67) s. V· Es bind dies Sätze des um die Grammatik
bekanntlich sehr verdienten Z eno, wie aus der Verglei·
chung mit Diogen. Laört. VII. 66. liervorgcht. Beide
Stellen mufsten von mir hier verbunden werden , weil
eine durch die andere erst verständlich wird. Auch ge­
hört E u s t a t h i u s ad Odyss. III. pag. 112. ltn. 52 seqq.
Basil. hierher, Su id a 8 in αξ/α/χζ und P ro e i n s in sei·
nem Commentar zu Platons Alcib. I. in cod. Monac. fol.
Vers. 107. Die nähere kritische Erörterung Ober diese
Stellen Qbergehe ich hier.
58
ein Ansdrucli, der eine symbolische Antwort fordere,
als : J a , N e i n , Ge w i f s , U n g e w i f s , z. B. der Satz:
I s t es T a g ? ist eine Frage» worauf symbolisch geant·
w ertet w4rd. Hingegen die πavσiς (πνσμα) ist eine £ r·
hundigung, die nicht durch eine symbolische Antwort
befriedigt w ird , wie wenn gefragt w ird ; « W o wohnt
Ariston ? » worauf eine bestimmte Angabe seines W ohn­
ortes folgen mufs. So weit der Grammatiher. D er
weitere Verfolg dieser äufserst einfachen Erörterung
huromert uns nicht; uns genügt der Begriff der sym ·.
b o l i s c h e n A n t w o r t . Es war eine Antwort durch
einen Winh oder durch einen Gest> ein kurzes körper­
liches Zeichen^ und weil nun Ja und N e i n und der­
gleichen nichts anders sind, als ein ausgesprochener
W ink oder Gest, so wurden sie symbolische Antwortea
genannt. Sie waren Stellvertreter einer körperlichen
Zeichensprache, deren Wesen es mit sich bringt, k u r z
zu seyn und a b z u k ü r z e n . Dieses Ja oder N e i n ,
wie jener W i n k oder Gest, erscheinet dem Sinne a u f
e i n m a l , in dem einen Falle dem A u g e , im andern
dem O h r · Jeder, der einen solchen Wink empfängt,
eichet damit a u f e i n m a l , mit Einem Blicke , das
Ganze.
Aus diesem Allem geht ein neuer Grundbegriff von
σ ό α ^ ο λ ο r h ervor, den wir in den W orten m o m e n ­
t a n e A n s c h a u l i c h k e i t zusammenfassen.

§· 21*
Ein jedes Zeichen oder W o r t, das, die W ahrheit
einer Aussage oder Lehre bestätigend, mit Einemmale

68) Sein Erkennen ist also eine oder wie


denn SfätrSai das Sehen auf einmal und im Ganzen
zeichnet, cf. Scholiast. ad Euripid« Med· p· 27i ed. Beck,
Flotin. £nn· V. 8, iO·
39
ToBe üeberseagmig giebt, beifst nun aueb σνμβολορ.
b diesem Sinne brancfaen es die besten Schriftsteller.
Jesei denkwürdige W ort lebendiger Erinnerung, wel­
ches Periander durch das Todtenorahel der Melissa
Tenihm, und welches ihm den Glauben an die Wahr­
heit des Ansspruchs mit Einemmale in die Hand gab,
wird gerade so genannt Es war ein untrügliches
Zeichen, dieses erinnernde bildliche W ort
hiersn knüpfen wir eine neue Ideenreibe, die in jenem
Worte liegt·
So wie nämlich σνμβολορ dem Volhscultus angehürt,
und gewisse Theile des Gotterdienstes bezeichnete« so
besieht es sich auch auf die Geheimlehre und auf den
Dienst in den Mysterien. Hieraus entlehnte nachher die
ilteste Christliche Kirche diesen Sprachgebrauch. Zn-
Torderst vom Heidenthume. Dafs die für den geheimen

69) Eigentlich σ^μΒόλοίον. Dic Stelle steht bei Herodotus V.


92 , 7 i und Sophokles, im Ausdruck, wie in Denkart,
diesem Geschichtschreiber nabe verwandt, braucht das­
selbe W ort von einem Z e i c h e n , PhilocU 904; συν
/3ολον sagt er in derselben Tragödie 407. in demselben
Sinne.
70} Daher auch συμβ&Καιζν fQr E r i n n e r u n g selbst und mit
dem latinisirenden κο/χ/Λον/τόξ-ιον synonym gebraucht wird«
So hat die Novelle CXXVIIi. J&aTjv v.sa/xcviTs^./sv, wofür in
den Basiliken S>s7g‘j σ^/Λ/3όλαΐ5ν steht. Zonaras sagt βντΛλτ?}-
in demselben Sinne. Es bezeichnet bald P r o t o k o l l e
öiFentlicber Verhandlungen, z. B. in den Conventen der
Geistlichkeit; bald und insbesondere aber E r i n n e ­
r u n g s s c h r e i b e n und O r d o n n a n z e n der Kaiser,
Statthalter und Bischöfe. S. D u C a n g e i n Muuovyjroqtov
(Ober die verschiedene Schreibart dieses Wortes vergl.
ebendaselbst und T i t t m a n n ad Zonarae Lex. gr* pag.
1240. not. 6.) S u i c e r im Thes. unter demselben Worte
und besonders Jacobi C u j a c i i Observatt. et Emendatt.
Lib. XU. cap« 22. p. 408 sq. ed. Ilrineccii.
4o

Dienet desselben ansgetrablten höheren Sinnbilder σνμ^


ßoXm hiefsen, bedarf heines ausführlichen Beweisen,
Diesen iSamen führten z. B. die Hir&cbhalbfelle, wo­
mit sich die Eingeweiheten verhüllien "*), die Cica·
den, die sie im Haare trugen , die purpurnen Teppichef
worauf sie traten , und alle dergleiehen bildliche Zei­
chen, wodurch man verborgene Wahrheiten andeotem
wollte.
Zweitens hiefeen auch jene bestimmten F o r m e l n
und Älcrkworte σ ίψ β ο λ α , woran sich die Eingeweiheten
erhannton, und wodurch sic in den Stand gesetzt wur­
den I die Cngewciheten auszuschlicfeen. In allen den
Stellen, wo die Alten dergleichen Formeln anführen,
benennen sie sie mit diesem oder mit einem s^nonjinen
W orte

5.
Alle diese Bedeutungen gingen nun in das Christen-
tbum über. Vorerst benannte bekanntlich auch die
Kirche i hr e, in beslimmlcn Formeln niedergelegten,
Hauptlehrcn, oder jene Glaubensbekenntnisse, σύμβολα^
wie nicht minder alle Erkennungsworte und Hennzei-

71) E ty m o lo g , m a g n . s. rJfx3z>,j. E in e s o lc h e s y m b o lis c h e


o d e r a llrg o ris c lia B e z e ic h n u n g h e ifst im ä lte re n R ö m is c h e n
S p ra c h g e b r ä u c h e sig n ificatio 5 u nd C i c e r o d e N a t. D ·
I . Ti. sag t in d ie se m S inne v o n d e r a lle g o ris c h e n G ö t t e r ­
le h r e d e r S to i k e r : p e r q u a n d a n i s i g n i f i c a t i o n e m
n o m in a tr ib u e r e . G e l l i u s N . A, lib. IV . c a p . I I . p a g .
286. G r o n o v , sagt d a g e g e n v o n d e n P y th a g o r e is c h e n
S y m b o le n ; o p e r t o e t s y m b o l i c e a p p e lla re .
72) Z. B . C l e m e n s v o n A le x a n d ria b r a u c h t v o n e in e r s o l ­
c h e n F o rm e l bei d e r F e ie r d e r E le u sin ie n d a s W o r t
cvvSr^jxa, B. P r o t r e p ti c . p . 18 P o t l e r . ; A r n o b i u s a d v .
g e n t. lib . V. p. 103 e d , E l m e n h o r s t . , d e r je n e S te ile des
C le m e n s ü b e rs e tz t l u t , s a g t s y m b o l u m ·
4t
eben, wodurch sielt der Christ τοη dem Nicht eh rieten
schied. DaPs dieser Sprachgebrauch unter den Christen
statt fand, lü^äre überflüssig im Allgemeinen beweisen
Mu wollen. Einige besondere Bemerhangen werden nach­
her an ihrer Stelle s c y n .
Zweitens, so wie in den heidnischen Mysterien ans-
gewahlte Zeichen und symbolische Handlungen geheime
Wahrheiten andeuteten, so wurden nun auch im Chri-
stenthume die sichtbaren Zeichen und UnterpFönder des
unsichtbaren Heiles σύμβολα genannt. So heifsen Tor-
ersi die Sacramente im Allgemeinen, besonders mit Hin-
safugung yerherrlichender Priidicate 73^. Daher denn
ssnwcilen die sich mit den Sacramenten beschäftigende
Theologie die symbolische (στμβολιχή) genannt, und in
so fern der demonstrativen Theologie (άπο^βιχτιχ·^) ent­
gegengesetzt wird 74). Insbesondere werden noch ein­
zelne Sacramente σύμβολα genannt, und ebenfalls öfter
mit hinzugefügten näheren Bestimmungen, zum Aus­
druck der Wurde. So die Taufe 75) j ingleichen das
heilige Abendmahl 75), Daher wird Christus, mit einer
won den Griechischen Philosophen entlehnten Benen­
nung, als Stifter der Sacramente 6 τών συμβόλων di?-

T3) Ζ φB. cs2d(TiJit% c'jjxßoAu. D i o n y s , qui fertur, Areopag.


de eccles. flierarcli. cap. V, p. 308. vergl, M a x i m u s
i n Schol. ad Dionys, cap. T . p a j j . 3 8 , wo es heifst: ou rwv
τίλβταί fvσυαβολο/; y.at τυτί/ς.
74) Maximus in Schol. ad Dionys, epist. ad. Tit. IX, p. 150.
cf. Budaei Comment. ling. gr. p. b67 seq.
7 5 ) Gu i c c r i Tliesaur. eccles. ibiq. Isidor. Pelusiot. Γ. opist.

37. Athanasius in Conc. Nie. Disp« c· Ar. I. pag. l4l.


dyiacrfXGv.
76) S u i c e r . ibiq. Dionys, ay.cjrara σύμβολα. Gregor. Nys-
seniis μ υ σ τίκ ά σό μ β ο λα . Man verg)«*iche auch die von
Suicer. Qhersehene Stelle des Chrysostomus in Matth, p.
699, wo das heil· Abendmahl σύμβολα τά raXoJ/^m heifst*
4a

μιονργός genannt ; so wie andrerseits philosopUselie


Schriftsteller der Heiden in Beziehung auf ihre Religion
Kutreilen Ausdruche brauchen, welche sich die Christ·
liehe Lehre τοα den Sacramenten zugeeignet hatte

$. 23·
Dafs nun die durch diese ganze Wortfamilie hin­
durch ziehende Grundbedeutung des Z e i c h e n s , be­
sonders des s i c h t b a r e n Zeichens, auch bei dem
christlichen Gebrauche statt fand, ergiebt sich theils
aus dem Bisherigen theils erklären sioh auch christliche
Schriftsteller ausdrücklich darüber. So sagt z. B. ein
erst neuerlich bekannt gewordener Griechischer Erklä­
rer des Symbolum fidei sehr populär: «Eis sey arfi-
βολον genannt worden, als ein Zeichen des in der Seele
Torhandenen Glaubens; denn die unsichtbaren lieber«
Zeugungen der unsichtbaren und unkürperlichen Seele
seyen eines äufserlichen Bekenntnisses bedürftig , damit
durch dasselbe der in der Seele liegende Glaube sicht­
bar werde, und nicht im Dunkeln zweifelhaft bleibe.»
Bei der näheren Frage nach dem U r s p r ü n g e der
Benennung σνμβολορ^ in dem Sinne einer christlichen
Glaubensformel oder eines Sacraments, offenbarte sich
unter älteren und neueren Kirchenlehrern eine grofso
Verschiedenheit der Meinungen. Einige dachten an die

77) Is, C a s a u b o n i Exercitatt, in Baron. XVI. p. 457·


78) bo braucht s, ß. Proclus in Platon. Tim. pag. 83, wo e r
von Göiterbildern redet, womit man die Gottheit naher,
als mit den gewöhnlichen Tempelbildern , verbunden
glaubte, den Ausdruck s y m b o l i s c h e G e g e n w a r t
der Götter, συμβολιγ.^ τών
7if) Matthaei Lectiones Mosquenses Vol. II p. fiS. Nach
der Vermuthung des gelehrten Matthaei könnte Eutby«
inius Zygabenus der Verfasser scyn.
45
σν(ΐ^ολΐ79 und leiteten jenen Sprachgebrauch von dem
Symbolam Apostolicum h e r , ^ozu jeder Apostel seinen
geistigen B eitrag, seine Symbola, gegeben habe
Andere stellten die Kirche als einen Kriegsstaat dar,
dessen Regenten, Christus, sieh der Gläubige durch
jene Formel, ^rio der Krieger seinem Feldherrn durch
den £id, dienstpflichtig zueigne Der einzig ivahre
Grand dieses Sprachgebrauchs ist aber allein im Heiden·
thnme aufzusuchen. Denn wenn die gebildeten Beken­
ner des Griechischen Polytheismus in dem oflentlichen
Cultus ihrer Beligion keine Befriedigung fanden, und
deswegen in abgesonderte Gesellschaften zusammentra­
ten, worin ihnen eine reinere Lehre und die Frucht
eines geistigem Denkens mitgetheilt ward, so legten sie
diesen Gewinn ungemeiner Erkenntnifs in Zeichen und
Formeln nieder, worin sie sich gegenseitig wiedercr-
kannten und vom Ungeweiheten absonderten. In einem
gleichen yerhältnifs zum gesammten Heidenthume be­
trachtete sich die Beligion der Christen, und in der
Ueberzeugnng, wie iiöthig auch ihr Yereinigung in sich
selbst und Absonderung τοη dem Nichtchristlichen sey,
behandelte auch sie die Sacramente und die Bekennt-
nifsworte als unterscheidende Zeichen ihrer Bekenner.
W ieYieles ans den heidnischen Mysterien in die Litur­
gie der Christen aufgenommen worden sey $ ist bereits
Ton grofsen Kennern der älteren Kirchengeschichte be­

merkt worden 82^· Dieses gilt namentlich τοη dem Ge*

80) I s i d o r u s Eiymolog. Hb. VI. cap* 19· p· 288 ed. Areval«


Casaubon findet diese Auslegung lächerlioh; s. Casaubo-
niana p. 127.
81) Sui ceri Thes. eccles. Β,σ^μβολον. Zn dieser Meinung
bekannte sich Vo s s i u s de Symb. Disput. I. $. 19, und
Casaubon halt Sie nicht für ganz unwafarscheinlich; 8. 1. 1·
88) Z. B. von Henri Val oi s (Valesius) zu Eusebii Hist.
44
brajDolie der S j m b o l e , ia \iFeIcbes W o r t, -wie wir
sahen, bereits die Volksreligion und die Geheimlchre
der Griechen eigene, dem Gottesdienste vorbehaltene
Bedeutungen gelegt hatte· Dieses Ausschliefsliche hö­
herer Bedeutung des Wortes σνμβολορ ging folglich
zugleich mit der Sitte, gewisse Handlungen und W orte
als Zeichen höherer Weihe auszupragen, ans dem Hei-
denthume in das Christcnlhum uber. Die Begriffe B e *
d e u t s a m k e i t und n a c h d r u c k s v o l l e K u r z c blei­
ben , hier wie dort, entschieden vorherrschend·

2 .4 .

Auch der Begriff des M y t h i s c h e n fordert seine


grammatische Erläuterung· Hierüber können wir jedoch
kurzer seyn·
Zuvörderst bemerken wir den U r s p r u n g und den
Grundbegriff von μν^ος, und von den damit in Verbin·
düng stehenden W orten: λό^ος, Ιπος und Sodann
wird das Verbällnifs erörtert, in welchem nach dem
S p r a c h g e b r a u c h e diese Begriffe stehen.
Μ τ ^ ο ς , man mag es nun unmittelbar von μύοψ
claudo, herleiten, oder von dem davon herstammenden
fIvcω, arcanis initio, oder endlich von dem W’orte glei­
chen Ursprungs μτ^ω oder μνζ ω^ m u s s o , clauso ore
sonum aliquem per nares edo — immer bleibt ihm die
G rundbedeutung des n o c h n i c h t a u s g e s p r o c h e ­
n e n , s o n d e r n im G e m ü t h e v e r s c h l o s s e n e n
G e d a n k e n s ; woran sich frühe der Begriff anschlofs:
B e d e , als A u s d r u c k des G e d a n k e n s . Von je­
ner Urbedeutung zeugt nicht nur der naive Homerische
Ansdruck 8^): «tEr sprach zu seinem G e m ü t h e » ,

eccles. pag· 2t9, und von C a s a u b o n Exercitt· Baron.


XVI. p* 484· cf· J . Chr W o l f ad Casauboniana p«319·
83) Ilias XVII. 800. μυΙ^ι^σατο ev ^μον.
45
sondern aucli die Terwandtschaft dieses letzteren W e r ·
tes mit dem Griechischen ^4). Αόγοςψ von λίγω^
ich l e g e , ich fege in Z a h l e n und sodann in W o r ­
ten das E i n z e l n e d a r , hat eben daher den Grund-
des Z d h l e n S f H i n z u l e g e n s und R e e h «

S4) Die a n a g r a m m a tis c li e Verwandtschaft von Βνμος und


welche Damm Lex. Homer, s. v« behau^>et, las­
sen wir auf sich beruhen, dagegen in der bemerkten
Verwandtschaft von Ge mUt h und stimmen wir
ihm b e i, und erinnern zugleich mit T i b e r i u s He m«
s t e r h u i s (in Lennep. Etymolog· ling. gr. p, 432. zweite
Ausg.) an welches von der geschlossenen
M u s c h e l gebraucht wird. Dieser letztere leitet auch
fxu5o; von der Form h er, weiche, so wie μυ'ζω, von
μυοί, ich v e r s c h l i e f s e , abstammt· £u«^tath· zu Ho«
mer· II. Vol. f. p· 334. lin. 45 Basil· sagt: ivr/ Si μυ'ζβίνρ
ω ς κ α ί ο κ ω μ ίκ ο ς 5>;λο?, r i tjJv του μ a r c t y s i o x j €κφαν«7ν,
ίκ 3i του μ \ ! ζ ξ ί ν κ α ι 6 μ υ κ τ ’η ^ ) t y s T a t καί ο μ '.·γ ίΛ ο ς καί τ 6 μ ^ -
, τα^α τί Α/τχυ'^ω καί a/Jo/;. Ουτω καί ά τί τ ό υ g
x a ^ i f ^ € 7 r a i 6 ξ ο 7 ζ ο ς , καί ατό του σ 6 σ ι γ μ ό ς ,

„Von GemQth ist der Stamm M u t h , ein in der


teutschen Sprache Überreiches Wort. S. darüber W ä c h ­
t e r im Glossar, der es mit mens und zusammenhält,
ohne die allgemeine Bedeutung des Wortes genau anzuge­
ben. M ath, altteutsch Muat, hat vielleicht seine eigene
letzte Bedeutung in Mutter , altt. Muat er; bei unsein
Alten bezeichnet es die ganze geistige I hüiigkeit des Men­
schen , vorzüglich seine W i l l e n s k r a f t , was wir Ge­
danken und Herz nennen, letzteres am meisten, womit
die jetzige Bedeutung von GemOth Qhcreinsiiinmt. G e ­
danke heifst es in folgender Stelle der Nibelungen, 1121·
Vil manich reche tumber des tages bete m u o t , daz et"
an ze sehene den vrovweii wnre guot. — He r z in folgen­
der, die mit der angeführten Homerischen grofse Aehii-
lichkeit hat (Nib. L. 1153.): Er d a h t in sinem m u o t e .
swamacb ieslicbein daz h e r z e iruoch den niuoi. 6SS\),
vergl.5544. 542^3, 5635 u. A·^ Z u sa tz von Aio/ze.
46
nens sodann der d a r l e g e n d e n R e d e , und
somit des r e c h n e n d e n V e r s t a n d e s , des Verstan­
des uberbanpt und der V e r n u n f t. £ 9r o ς ist ursprüng­
lich das Y e r h n u p f t e , a n g e f ü g t e W o r t , di e
R e d e i n i h r e r F o l g e , yon ίπ & (verwandt mit
und mit dem altlateinischen a p i o , ich h n ü p f e , daher
aptus, v e r b u n d e n , g e f ü g t ) , welches £in W o rt
mit dem veralteten ίπω ist, indem nur der Hauch verän­
dert worden· Im gebildeten Sprachgebrauche blieb
in der Bedeutung des A n s c h l i e f s e n s und
des u n m i t t e l b a r e n F o l g e n s . Diese letzte Bedeu­
tung behielt das Römische s e q u o r , welches dasselbe
W o r t, mit Vorgesetztem Zischlaute, ist Die alten
Römer brauchten ihr s e q u o und i n s e q u o , jenem
Grundbegriffe getreu, für: ic h s a g e , r e d e , und Li­
vius Andronicus hatte in dem ersten Verse der Odjssee
ί ν ν ε π ε durch i n s e c e übersetzt Ύ η μ α endlich,
Ton ρέω, f l u o , bezeichnet eigentlich das dem M u n d e

SS) L e n n e p Etymolog, p. 356. D a m m Lex. Homer, s. v.


K a n n e Ober die \ erwandtschaft der griechischen und
deutschen Sprache« S. 2S2,
86) S c h e i d i i Animadversiones ad Analog, ling. graec. pag.
434. cf. L e n n ep Etymol. p. 2i4. feVw, «kw, (ijKw,
sequo (qu =; k) sequor.
87) Ge l l i i No c t . A. lib. XVilF. cap. 9. Dieser Gebrauch
von s e q u i erinnert von selbst on das Deutsche s a g e n
und Sage, ln diesem Worte liegt gleichfalls der Grund­
begriff der F o l g e , und in so weit ist es mit L e b e r l i e ­
fe r u n g synonym, indem es die in der s t e t i g e n Z e i t · »
f ol ge fortgesetzte MUtheilung bezeichnet (vergl. Eber ·^
h a r d s Synonymik ΙΠ. S. 265.). Die durch den Gelang
des Poäten ausgebildete Sage ist das E p o s ; und das
W^ort βτος ( E p o s ) bezeichnet nach dem Obigen, als
Benennung einer Dichtungsart, den innersten Charakter,
das Wesen derselben , welches die s e b ö n g e f ü g t e ,
w o h l g e o r d n e t e F o l g e selbst ist.
47
e n t f l i e f s e n d e W o r t, eine Beziehung, welche der
Naturmaler H o m e r u s in der Beschreibung der Rede
des N estor:
«Dem von der Zunge ein Laut wie des Honigs SQfse da-«
herflofs “
so wie in andern Stellen , so gluchlich zn bezeichnen
weifs 88).

$· o5.
Im S p r a c h g e b r a u c h e bildeten sich nun fol·
gende Yerhältnisse: Μ ν ^ ο ς , in alterthumlicher Sprech­
art > bezeichnete j e d e n V o r t r a g , er sej nun anzei­
gend oder gebietend, erinnernd oder warnend. Home·
rus demnach und die seine Sprache nachbildenden Dich-*

88) Ilias L 249, nach V o f s i s c h e r üebersefzung, welche


Stelle nachher von T h e o c r i u i s Idyll. XX. 27· und
B i o n Idyll. IV, fin. nachgebildet worden; vergl. Val-·
c k e n a e r in Le nne p. Etymolog, ling. gr. p 631. Auch
f l u o , mit pVw, dico, ursprünglich dasselbe W ort,
hat vielleicht seine Wurzeln ins Deutsche herUberge-«
pflanzt, und fVcu, piiScu scheint Ein Wort zu seyn mit r e ­
d e n und ra t h e n , welches letztere ursprünglich synonym
mit r e d e n war, vielleicht auch selbst (durch
φρα&}) mit frage η; sieh. K a n n e V'erwandtschaft S. 5l.
Aber auch wieder fVw ich fliefse, altdeutsch r i n n e , da­
her der Rh e i n d. i. Flufs, wie die R h o n e (Rhodanus,
*Po3ovo; — wie denn Einige im Homer Iliad. XVΙΠ. 576·
ire^i Soveat^a durch foavov und ρίυ<ττικςΓν erklärten ; 8·
H e y n e zu dieser Stelle pag. 556 unten). JVlit r i n n e n
wendet sich der Wortstamm wieder zur Rede ; denn von
rinnen kommt r u n e n , lispeln, geheim reden. M ö s e r
(Vermischte Schriften S. 278.) setzt den vermittelnden
Begriff tn das E in s c h n e i d e n von den Flüssen und von
Werkzeugen, mit welchen letztem die R u n e n geschnit­
ten wurden. E r verweiset auf Keyfsler. Antiqq. septtntr.
p· 376 —460. und auf Wächter unter dem Worte R u n e n .
48
te r, insbesondere auch die Tragiker, braueben jenes
W ort für Rede, Meldung, B efehl, Erinnerung, Auf-
irag , und in ähnlichem Sinne ganz allgemein Hier
ist tblglich noch keine Scheidung von W a h r h e i t oder
U n w a h r h e i t des Inhalts bemerkbar, und eben so all­
gemein braucht Homerus und jeder Homerisch redende
Dichter das Yerbum μν^εΐσ^αι, für r e d e n und e r z ä h ­
l e n überhaupt. Dafs cs auch in der älteren Jonischen
Prosa so gebräuchlich gewesen, beweiset ein Fragment
des alten Logographen Hecataeus von Milet Ueber-
haupt gebrauchten die Jonicr μν^ος in vielfacher, aus
dem Urbegriffe G e d a n k e und R e d e iliefsender Be­
deutung. Sie nahmen es für U e b e r l e g u n g ; und eine
öffentliche B e r a t h u n g hiefs ihnen μν^ος δημόσιος,
woraus sich dann unmittelbar die gleichfalls aus Joni­
schen Schriftstellern erweisliche Bedeutung F a c t i o n,
und eine durch öffentliches Reden sich ankundigende
P a r t h e i ^ O entwickelte; so wie der S p r e c h e r und
das F a c t i o n s h a u p t selbst bei ihnen μ ν ^ ιη τ ν ις
hiefs Die Allgemeinheit jenes Sprachgebrauchs

S9) E u s t a t h i u s a d Iliail. ί· p. 22ed.Ba$n. (p.2<^ed.Rom.)


Vergl* G r e g o r i u s d e Dialect. p. 2d5. ibiq. Ko e n und
H e y n e ad Homer. 11. 1. 221. Eustatliius erinnert durch
die BedeuUing des Worce« ·κα^αμ^Βία an die alle Allge··
meinlieit des Wortes Als Beispiel des Sprachge­
brauchs der Tragiker mag hier Eines für viele: Euripid·
Phoeniss. 456· bemtrkl werden.
90) Hecataeus ap. Demetrium de Elocut. §. 12. JVIr-
ώδί κ. r. λ. und die Bewohner von der
Insel Cyprus sagten fxu^a für S t i m m e ^ R ede· He-
sych. s. V·
9 0 S c h o H a s t . ad O d y ss.X X I. 7 l , der durch σ τ α η ς
e rk lä rt, cf. T ib. H e m s t e r h u i s in Lennep· Etymolog·
p. 436.
92) So sagten die J o n ie r statt oder , s. A p o l -
l o n i i L exic, Homer· p. 55ü· ibiq· Vilioison· cf« A l b e r t i
49
scMmmert ancli nocb hei Attisclien Scliriftstellern durch;
wie denn P l a t o z. B. das Zeitwort μν^ολογεΐν noch
Tollig alterthumlich für r e d e n , c r z a h I e n überhaupt»
gebrauchet
Jener Unterschied zwischen λόγος und μνί^ος war
indessen doch schon vor Ausbildung der Attischen Prosa
efngetreten. Man bczeichnete vorerst durch λόγος die
S a g e schlechthin , ohne Rüchsicht auf die Wahrheit
oder Nichtwahrheit ihres Inhalts Doch bald unter­
schied man bestimmter so, dafs λ ό γ ο ς die wahrhafte
Sage, μ ϋ ^ ο ς dagegen die erdichtete bezeichnete. ln
diesem Sinne brauchen bereits Pindarus und Herodotus
das W o r t ; bei Thucydides, Plato und bei den pla-
tonisirenden Schriftstellern, so wie forthin in dem herr­
schenden Sprach gebrauche, gilt nun hauptsächlich, ja
fast allein diese letztere Bedeutung. Diesem Redege­
brauche zufolge nennet schon Aristoteles die poetische
Erfindung einer Fabel in der Tragödie den μν^ος^ und
zählt ihn in so weit den Hauptbestandtheilen j eder Tra-

ad Hesych. Π. p. 6^4. Die Form leidet keinen


Zweifel. μυ$ήτ*]ς wird ebenfalls aus Jonischen SchrifL-
stellern angeführt, s. F i s c h e r ad Anacreontis Fragm·
N o. 47. p. 3bO. und B a s t Epistola critica p 202. ( latein.
A usg.), und daselbst Apollonius D y s c o l u s 'Τ. Die
letzte Form fehlt im Schneiderischen Wörterbuche·
93) Z . B. de Legg. I. p. 6i2. E . , wo es heifst ^ιαμ\)Βολο^ί1ν^
cf. H e i n d o r f ad Phaedr. p. 347
94) So braucht es Hecataeus bei Demetrius de Elocut $· 12.,
80 auch Herodotus , z. B. fl. cap. 3 und 99· Vergl. meine
Schrift, d ie h i s t o r i s c h e K u n s t d e r G r i e c h e n
S. 173.
95) Z . B· P in d a r Otymp. I, 47, wo μ^^^ς die e r d i c h t e t e
Erzählung ist, vergl. Nem. Vfl. 34. Herodot. 11. 45. Plato
Gorg. 312. E. Phaedon, p. 399. A.
L 4
5o
godie bei Und uvenn man einerseits , mit einiger
Befolgung des ältesten Sprachgebrauchs, zuweilen z a
dem W orte μν^ος ein näher bestimmendes Prädikat
setzte, um das E r d i c h t e t e zu bezeichnen so
setzte man hinwieder, nach einmal befestigtem Sprach-
gebrauche, beide W örter in einen scharfen Contrast,
und nannte die in einer Sage der Dichtung (μν^ος)
eingehüllte W a h r h e i t den λ ό / ο ς iv μνΒφ^ und weil
ein M y t h u s oft die Hülle einer W ahrheit und Lehre
w ard , so definirte man ihn auch wohl s o : «er sey eine
Dichtung, in der sich die Wahrheit abspiegele»

Dafs das Lateinische F a b u l a sowohl in seinem Ur­


sprünge Ton f a r i , r e d e n , als in seiner ersten too^

V6) Poetic. VI· $. 8.


97) Z . B· x f νλασ/χίνους μυ^ου^ Diodor. I. 93. p. 104 WeS-
sel. μΰSoς hcu trXdfffxa Plut. Thes. cap. 88. σβ^οφισ/^/νοι
2 Petri I· 16· In andern Stellen des N. T . heiTst /aü8o;,
ohne Zusatz, D i c h t u n g , z. B. 1 Tim. 1. 4 , s. W e t ­
s t e i n N. T . 11. p. 70t.
98) So redet O r i g e n es c. Cels. lih. I. p. 330 D. cf. W y t -
t e n b a c h . ad Plutarch· de $. N. V. pag. 83, wo der
Sprachgebrauch des Plato und des hierin platonisirenden
Pluiarchiis erläutert ist, mit Anführung des O l y m p i o ^
d o r u 8 m scr., dessen Scholion verbessert wird.
99) λ^γος >^^ίυλ)ς crxov/i^wv ·τψ äXiiSstuv T h e ο η in Progymn·
und Sui da s unter fxu^o;.
10t>) F a b u l a a f a n d o dicta; Varro de ling. Lat. lib. V. 7·
p. 5i Seal. A u g u s t i n de Civit. D . VI. 5. init. Daher
auch hier die erste Bedeutung E r z ä h l u n g , R e d e
überhaupt. Wie f a b u l a , von fari, ursprünglich den
ganz allgemeinen Begriff der S a g e , ohne Unterschei­
dung von w a h r oder n i c h t w a h r , bezeichnet; wie
ferner f a m a und f a t u m (d. i. dictum oraculum) ur-
5i
ond in den naclifolgenden Bedeutungen ticli TielfacH an
das Grieehiache μύ^ος anschliefat, bedarf keiner auafuhr«
liebem Erörterung.

fprOnglich ^anz allgeipeine BetrilFe waren, und nachher


die besten Schriftsteller eben deswegen f a b u l a f i c t a
sagten , wenn aie eine Dichtung bezeichnen wollten —
dies Alles hat neuerlich W y t t e n b a c h <Philomath.
Part. Ilf. pag. dQ2seq.) sehr bündig gezeigt. In diesen
Kreis gehört auch F a u n u a und F a u n a (von
φίζύο», daher φαυσκιν^ τ/φαυσχου, ic h b r i n g e a n d e n
T a g , (pKx/vcv, daher ich r e d e u· a. w. ), jene Silteaten
Sänger und Sängerin, wie aie Italien lange vorher be«
zeichnete, ehe p o ä t a gebräuchlich ward. Mithin fehlte
wenigstens der Name den altitalischen Völkern nicht,
wie man neulich gegen N i e b u h r hat behaupten wollen;
uns von der Carmentia und ähnlichen alten Namen nicht
za sprechen«
Stk

D r i t t e s C a p i t e l.

Ideen zu einer Physik desSymbolsunddesMylhus.

26.
IN^eoere Schriftsteller, besonders seit den Untersuch an··
gen Ton Goguet, haben aller Symbolik eine rohe Hi*
storienmaleiOi zum Grunde gelegt , und aus der soge­
nannten und sogleich unten zu erklärenden kjriologi-
schen Schrift die gesammte Hieroglyphik berzuleiten
unternomroen. Nach diesem Systeme stellt man an die
Spitze aller bildlichen Versuche jene Knotenschnure
(Q uipos) der Peruaner, oder die Nägel, die der alte
Römer, zur Jahreszählung oder in anderer Absicht, an
seine Tempel schlug. Darauf folgen die verschiedenen
Bemühungen htilfloser Völlier , welche, entweder in
M'cichen Massen abbildcnd oder in härtere Stoffe eingra­
bend, mit sklarischer Treue das Körperliche körperlich
darzustellen versuchen. Hieran schliefsen sich die zwar
immer noch leiblichen, jedoch schon abgekürzten Bil­
der , da tausend Ursachen frühzeitig Kürze geboten
Jene Λ'ersuche werden zugleich als Vorstufe der Buch­
stabenschrift betrachtet, indem man z. B. annimmt, dafs

lül) C l e m e n s von Alexandria (Strom. V. p. 657.) nennt


die abgekürzten andeutenden Abbildungen
die vüllsiündig ausführenden , ganz getreu darstellenden
liingegtn wj^icXcyt^d. Die naiven Vorstellungen auf altert
Griechischen Münzen erinnern oft an je n e , z. B. das
Plataniisblatt auf den Peloponiiesischen bei Peilerin T. I·
PI. XVI,, weiches ein blos kyriologisches Bild ist. D er
Kreis für die Sonne und ähnliche Abkürzungen sind Bei·«
spiele von den letzteren·
55
aus jener Kynologie die ScbrifY der Chinesen sich un·
mittelbar herleiten lasse, ivelcbe, von sechs Grundzügen
ausgehend, durch mannigfaltige Coinbinationen bis zu
einer Anzahl yon achtzigtausend Charahtercn angewach­
sen ist Auf diesem Punkte thcilt sich der W eg,
und so wie hier mit dem ersten Versuche, Töne zu ma­
len, sich W o r t-, Sylben- und endlich Buchstabenschrift
erzeuge, so werde dort das Unsichtbare und Unkörper-
liehe allmählig als ein Körperliches dem Auge des Gei­
stes dargestellt· ln dem Buchstab sey mithin ein Bild
des Tones, und in der Hieroglyphe ein sichtbares Bild
des Begriffes gegeben·

§. 27.
Ob auf diese W eise die grofse Erfindung der Buch­
stabenschrift erklärt werden könne, lassen wir hier un-
erörtert. Dafs aber das W esen des Symbols auf diesem
W ege nicht gefunden Averde, ergiebt sich aus der ein­
fachen Bemerkung, dafs Sinnbild und Symbol yon der
kyriologischen Schrift nicht dem Grade nach, sondern
generisch versebieden sind. Es sondert sich der ge-
sammte Ikonisrous in zwei wesentlich yerschiedene Gebiete
ab, deren Mittelpunkt, wenn sie sich gleich hier und da
an den Gränzen zu berühren scheinen, in keiner Rich­
tung mit einander in Berührung kommt : in das kyriolo-
gische Gebiet und in das s)'mboli5che. Um letzteres
auszumessen, können nicht die rohen Versuche in jenem
ausreichen, sondern die Erklärung mufs auf diesem Felde
selbst die W urzel aller bildlichen Darstellung suchen.
Ein Blich auf die Dichtungen und Religionen der
Völker zeigt uns als unleugbares Factum den überall
herrschenden Glauben an ein allgemeines Leben der

10-«^) Cf.G ö r re 8 Mythengeschichtc der Asiatl^icben WeU I·


3. 14 ff.
54
Dinge. latbesondere die Y orw elt, die in naiyem, g e ·
rädern Denken Alles umfafste, 'v?ar noch ganz unbekannt
mit jener uns geläufigen Trennung des Leiblichen nnd
Geistigen. Ueberall Lebendiges zu erkennen, war dieser
Denkart eigenste Gewohnheit. J a , nicht Lebendiges
blos, sondern selbst Menschliches. W as sich ao allge«
mein ankundigt, und zumal in einem Zeitalter, dessen
Torstellungen nicht durch Verbildung von dem W ege
der Natur abgelenkt sind, müfste schon deswegen als
Naturtrieb und Stimme der Natur selbst gelten. Mithin
erkennen wir eine N ö t h i g u n g an, die den Menschen
bestimmt, sich als Mittelpunkt der W elt zu setzen, nnd
in allen Reichen der Natur sich immer nur selbst zu be­
spiegeln. Es kann nicht unsere Absicht seyn, dem
Quell und Ursprung dieser Denkart naebzugeben, und
sie an dem Faden philosophischer Speculatien in jenem
Geheimnifs alles Daseyns aufzusucLen > das originale
Denker unserer Nation bald durch den Ausdruck eines
thätigen Bandes (copula) zwischen der Seele und Natur
bezeichnen, bald die lebendige Mitte beider nennen.
W ir haben yielmehr unsern Blick abwärts auf das iko-
nische Gebiet selbst zu wenden, und dort die Mannig*
faltigkeit und die Formen der Erzeugnisse jenes Natur<-
triebes nachzuweisen. Zu diesem Zwecke genügen uns
dieser einzige Satz und folgende wenige G esetze:
Es ist Torerst die einfache Bemerkung, dafs die,
wie gesagt, überall und besonders im Alterthume
herrschende Anschaulichkeit nnd Bildlichkeit der Schrift
und Bede des Denkens nnd Dichtens nicht afs eine will-
Uihrliche und figürliche, sondern als eine an sich und
schlechthin nothwendtge Ausdrucksart zu betrachten ist·
Da mithin dieser natürliche B eru f, dieses höhere
Nüthigen den Menschen in den Mittelpunkt der ganzen
Schöpfung stellt, damit sich in ihm , als in dem Mikro­
kosmus , die Strahlen aller W esen sammeln« und er
55
folglich alle Naturen in seiner Natur erblichet, so Ter-
mag er sich nicht anders als nach den Gesetzen seiner
selbst zu betrachten· W as also der abstrakte Verstand
Trirhende Kraft nennet 9 ist der ursprünglichen, nairen
Betrachtungsart P e r s o n · Hiermit ist aber sofort das
G e s c h l e c h t l i c h e gegeben und alle Aeofserungen,
die daran hängen, L i e b e u n d H a f s , Verbindung und
Trennung, wovon >ene Z e u g u n g und G e b ä r e n ,
diese T o d und U n t e r g a n g als unmittelbare Folge
setzt ^ so wie hinwieder das Leben aus dem Tode neu
hervorgeht·
Somit ist also, was wir Bildliches nennen, nichts
anderes als das Gepräge der Form unseres Denkens,
eine Nothignng, der sich auch der abstraktesta und
nüchternste Geist nicht entziehen kann, welcher aber
das Alterthnm williger zugethan blieb. Als Denkmale
dieser bildlichen W eise liegen die Religionen der Vor­
w elt, besonders der polytheistischen, und die Dichtun­
gen alter Poeten vor uns, insbesondere die Theogonien
und Kosmogonien, deren Grundwesen auf Personification
wirkender Kräfte beruhet, und in denen Eros als perso·
niheirte Einigung wirkender Kräfte so grofse Bedeutung
bat. Jene Denkart war in Griechenland allgemein ver­
breiteter Glaube, an dem das Volk mit bleibender Liebe
hin g, wie sich in der Bildlichkeit und in dem mythischen
Charakter seiner Sprache zeigte Dieselbe Empfin­
dung und dieselbe bildliche Sprache vernahm diese un-

103) P a u s a n i a s , der manchen schätzbaren Beitrag zur


Kenntnifs Griechischer Volksansicht giebt, sagt z· B·
Aroad· cap· , 4. pag. 419 seq. F ac., dafs die Arkadier
einige ausgezeichnete Cypressen bei Psophis Jungfrauen
nannten, ln demselben Sinne sprach das Volk die allge­
mein geglaubte Vereinigung des Alpheus mit der Are­
thusa durch die Sage von der Liebe des Flufsgottes zu
dieser Nymphe aus, Eliaca I. cap. 7, 2. p. 26 Fac·
56
selmldigere Yorwelt in den Elementen der Natur. Man
'Wttfste nicht anders, als dafs auch diese durch Freude
und Leid rührbar sey» und ihre Empfindungen in reden*
den Bildern ausdrücke. Den Tod eines geliebten und
bewunderten Helden beklagt der vaterländische B o­
den nicht weniger als das Volk. Die Erde mufs Blumen
hervorbringen, die in Farbe und sprechenden Charak­
teren ihre Trauer mit den Klagen der Menschen verei­
nigen ; und damit das Andenken an den Betrauerten
nicht erlösche , wird ein Jahresfest angeordnet t an w el­
chem die stumme Sprache jener Pilanzen zum vorzüg­
lichen Zeichen der Erinnerung dient.

§. 28.

Nach diesen Yorberoerkungen schreiten wir zur nä­


heren Erörterung des bildlichen Ausdrucks fort. D ie
Merkmale, welche in den von Aristotele^ angeführ­
ten Beispielen von M e t a p h e r (μξταψο^ά) und B i l d
(εΐκών) liegen, führen uns sofort auf die GrundbegriflTe
der symbolischen Darstellung. Sagt der Dichter| b e­
merkt jener Kunstrichter, «wie ein Löwe stürmt Achil­
leus daher , so hat er in einem B i l d e gesprochen,
dahingegen der Ausdruck «der Löwe stürmte daher»,
auf Achilles bezogen, eine Metapher seyn würde. E s

104) Nach des Ajas T o d e, erzählten die Salaminier, ward


zuerst eine weifse und röthliche Pflanze gesehen« welche
dieselben traurigen Züge aut* ihren Blättern hatte, die
man an der Hyacinthe bemerkt. Pausan. Attica s. 1« 35.
$· 3. p. 135 Fac. — Eine ähnliche Blume, Kosmosanda-
lon genannt, trugen die Männer und Frauen an dem Ja h ­
resfeste der Demeter Chlhonia zu Hermione , Corin-
tliiaca cap. 35. $. 4. p. 3l4.
105) Rheloric. 111. cap. 4. In der Poetik cap. XXI. $. 7 sqq.
erklärt sich Aristoteles weiter Uber die Metapher und ihre
Arten.
5?
sind nämlich hier mehrere Eigenschaften, die der Kraft,
die des Muthes , der unwiderstehlicbeii Furchtbarkeit
\i. s. Λν» durch die metaphorische und bildliche Bezeich­
nung in den Brennpunkt eines einzigen Eindrucks zu­
sammen gedrängt, der sich auf einmal der Seele darstellt·
Dieses gilt yon allen Arten des tropischen Ausdrucks,
er mag nun entweder auf einer wabrgenommenen Aehn-
iiebkeit beruhen ( Metapher) , oder in einer äufseren
oder inneren Verbindung zweier Dinge (Metonymie und
Synekdoche). Immer bleibt es wesentliche Eigenschaft
dieser Darstellungsart^ dafs sie ein Einziges, ein Unge-
theütes giebt. Was der sondernde und sammelndeVerstand
in snccessiver Reihe als einzelne Merkmale zur Bildung
cinesBegriiTs zusammenträgt, und eben so snccessiy wieder
in seine Bestandtheile trennt, das giebt jene anschau-
Rehe W eise ganz und auf einmal. Es ist ein einziger
Blick; mit Einem Schlage ist die Intuition yollendet,
wie denn die Griechische Sprache, nach obiger Erläu­
terung, sich wirklich dieses bildlichen W ortes (προς-
ßoXrj) zur Bezeichnung des Bildlichen bediente, und für
die langsame Verfahrungsart des Verstandes eben so
glücklich den an einen langen W eg erinnernden Aus­
druck διέξοδος erfand, dessen Uebersetzuzg wir in dem
W o rte des discursiven Denkens aus der Römischen
Sprache entlehnt haben*

$. 29.
W ill nun die Seele das Gröfsere yersuchen, sich
zur W e lt der Ideen aufschwingen, und das Bildliche
zum Ausdruck des Unendlichen machen, so offenbaret
sich yorerst ein entschiedener, schneidender Zwiespalt·
W ie könnte doch das Begränzte, so zu sagen, Geiafs
und Aufenthalt des Unbegränzten werden? Oder das
Sinnliche Stellyertreter dessen, was, nicht in die Sinne
fallend* nur im reinen geistigen Denken erkannt za
58
werden vermag? Die Seele» befangen in diesem W i­
derspruche, und ihn wahrnehmend, siehet sich mithin
Torerst in den Zustand einer Sehnsucht versetzt. Sie
mochte das Wesen erfassen ganz und unverändert, und
es in der Form zum Leben bringen; aber in die Schran-
ben dieser Form will sich das W esen nicht fügen. Es
ist ein schmerzliches Sehnen, das Unendliche im End­
lichen zu gebären. Der in die Nacht dieser Unterwelt
gestellte Geist mochte sich erheben und hindurcbdringen
zu der vollen Klarheit des heiteren Tages. An sich und
ohne Bulle möchte er sehen, was allein wahrhaft ist
und unveränderlich bestehet, und im Abbilde es hin-
atellen in dieser wandelbaren W elt des schattenähnlichen
Daseyns.
Da mithin die Seele, so betrachtet, zwischen der
Ideenwelt und dem Gebiete der Sinne schwebet, da sie
beide mit einander zu verbinden und im Endlichen das
Unendliche zu erringen strebt, wie bann es anders
seyn, als dafs das, was sie erstrebt und errungen hat»
die Zeichen seines Ursprungs an sich trage, und selbst
in seinem W esen jene Doppelnatur verrathe? Und in
der That lassen uns die wesentlichen Eigenschaften , und
gleichsam die Elemente des Symbols, jene doppelte
llerhnnft deutlich erhennen.

$. 3o.
Vorerst ist jenes S c h w e b e n selbst sein Loos.
Ich meine jene Unentschiedenheit zwischen Form und
W esen. Es ist im Symbol ein allgemeiner Begriff auf­
gestiegen» der da kommt und fliehet und, indem wir ihn
erfassen w ollen, sich unserm Bliche entziehet. So wie
es einerseits aus der W elt der Ideen, wie aus dem vol*
len Glanze der Sonne abgestrahlt, sonnenähnlich heifsen
kann, einen Platonischen Ausdruck zu gebrauchen, so
ist es hingegen durch das Medium getrübt, wodurch es
59
in un ser Ange föllt. Und wie das Farbenepiei des Re-
genbogens durch das an der dunhelen Wollte gebro·
ebene Bild der Sonne entstehet, so M^rd das einfache
Licht d er Idee im Symbol in einen farbigen Strahl yon
Bedeutsemheit serlegt.
Denn bedentsam und erwechlich wird das Symbol
eben durch jene Incongruenz des ΛVe8ens mit der Form
und durch die üeberfülle des Inhalts in Vergleichung
mit seinem Ausdruche. Desto anregender daher, je
m ebr ea zu denhen giebt» Aus diesem Grunde haben es
die Alten Torzuglich wirlisam geachtet, um den Men«
seben aus der Gewohnheit des täglichen Lebens zu einem
höheren Bestreben zu erwecken. Ein Kunstrichter, der
über die Natur der Sprache mit ungemeinem Scharfsinne
nachgedacht h a t , bemerkt daher sehr treffend: « Alles,
was nur geahnet wird, ist furchtbarer, als was bullenlos
Tor Augen liegt. Daher auch die Geheimlebren in Sym·
holen yorgetragen werden, wie in Nacht und Dunkel.
E s ist aber das Symbolische dem Dunkeln und der Nacht
zu yergleichen a

§. 3i.
Jenes Erweckliche und zuweilen Erschütternde
bangt mit einer andern Eigenschaft zusammen , mit der
K u r z e . Es ist wie ein plötzlich erscheinender Geist,
oder wie ein Blitzstrahl, der auf einmal die dunkele
Nacht erleuchtet. Es ist ein Moment, der unser ganzes
W esen in Anspruch nimmt, ein Blick in eine schran­
kenlose F e m e , aus der unser Geist bereichert zuruck-
kehrt. Denn dieses Momentane ist fruchtbar für das
empfängliche Gemdth, und der Verstand, indem er sich

106) D e m e t r i u s de elocut. §. 100 sq. —* fom« ^ και ^ αλλψ


γο^ίά τώ και rj νυκτΛ Hier sowohl als im ä43. ist
und ^μβολσν synonym.
6o
das Viele f 'was der pragnaote Moment des Bildes rer·
schliefst, in seine Bestandtheile auflöset und nach und
nach zueignet, empfindet ein lebhaftes Vergnügen , und
wird befriedigt durch die Fülle dieses Gewinns, den er
allmählich übersiehet. Daher auch die Vorliebe der
Alten zu dieser Bozeiebnungsart. Hatte sie zuerst ein
glüchlicher Naturtrieb zu ihr hingeleitet, so gaben sie
sich nachher von ihrem Wesen Rechenschaft. Wegen
jener fruchtbaren Kürze vergleichen sie es namentlich
mit dem Lakonismus , und Demetrius erklärt sich auch
hierüber treiFend in folgenden Worten :
« Auch im Uebrigen Hobt der Lakonier von Natur
die Kürze. Denn nachdrücklicher ist das Kurze und
zum Gebieten geeignet. Weitläufig seyn, kommt mehr
dem Bitten und Flohen zu. Daher haben auch die Sym­
bole so viel Nachdrückliches, weil sie den Brachylo-
gien so ähnlich sind. Denn bei dem kurz Gesagten mufs
das Meiste errathen werden , so wie bei den Sym­
bolen
Aber nur die prägnante Kürze ist nachdrücklich.
Jene anregende Bedeutsamkeit stehet in geradem Ver-
hältnifs mit der Wichtigkeit des Inhalts. W er etwas
Gemeines zu sagen hat, und es durch gesuchte W o rt­
kargheit zum Ungemeinen zu stempeln sucht, verfehlet
seinen Zweck und wird lächerlich. So auch im Symbo­
lischen. Einen jeden leichten Gedanken durch die
Hülle des Symbols verbergen, hiefse die Dürftigkeit
durch ein kostbares Kleid verstecken; und der Beleh­
rung suchende Verstand würde nur die Unlust einer ge­
täuschten Erwartung empfinden, die sich durch Lachen
rächt. Es kann mithin nur das Bedeutende bedeutsam

107) Ibid. 2*13. Ato παί τά σύμβολα, ^ i t , ort


τΛ?ς ß^ayvXcytcii^. Καί ya^ «t του ß^ yiw ^ -Jirc.
τα τλδΊστα κα^αιτ£^ σ\»μβ6λοιν»
6i
werden, und nur das Wiebtige mit der W urde des
Symbols in Eintracbt boionien· W o nir ahnen und
furchten, was uns Vieles zu denken eiebt, wa» den gan­
zen Menschen in Anspruch nimmt, m as an das Geheim-
nifs unseres Daseyns erinnert, was das Leben erfüllet
und beweget, die theuersten Bande und Beziehungen,
Bund und Trennung, Lieben und Lassen « oder woran
wenigstens des ganzen Lebens äufsere Wohlfahrt hängt,
das sind Dinge, deren das Symbol bedarf, und die et
mit eich zu vereinigen strebet, ln >vichtigen Lagen des
L ebens, wo jeder Moment eine folgenreiche Zukunft
verbirgt, die Seele in Spannung erhält, in verbangnifs-
vollen Augenblicken, waren daher auch die Alten der
göttlichen Anzeigen gewärtig, die sie, wie bereits be­
merkt worden, Symbola nannten. Ein Beispiel wird
diese Denkart deutlicher machen. Helenus auf
der Flucht aus T roja, seiner Vaterstadt, hat während
einer langen, bcschwerdc vollen Irrfahrt eine Heimath ge­
sucht, und opfert jezt auf der Küste von Epirus endlich
die Epihateria. Der Opferstier, da der Todesstreich
2in nicht zu Boden wirft, reifst sich los, stürzt ins
M eer, schwimmt über eine Bucht, legt sich dort am
Strande n ieder, und stirbt. Das war ein göttliches
S y m b o l . Der Held ergreift es in diesem Sinne
legt sofort auf jener Stelle den Grundslein zu seiner
Stadt, und nennet den Ort vom v e r w u n d e t e n S t i e r
Βοι^τρωτος. Dieses Symbol war gelieimnifsvoll. W ie
^vielerlei Deutung liefs nicht der unverhoffte Vorfall
zu ? Doch für den Helden hatte er einen bestimmten
Sinn, wiewohl er ein Zeichen von jenen dunkelen Mach-

108) Etymologicum magnum in /8ουτ(,«ϋτ5ς, p. 2t 0, 2l Sylb. p,


191 Lips. Etymolog. Gudianum p. I t i , 33.
109) χζ^ψταμενοςί wofür IniEiymol. Gudlan. steht t
62

ten ivar, die man GStter nannte. E t war ein böchst be·
deutendes Symbol. Bedeutend durch den Ursprung and
Anlafs: beim Gottesdienst; bedeutend und wichtig durch
den Gegenstand: des Lebens W obifahrt, die Erwerbung
eines Vaterlandes. Uns ist endlich diese Eraäblung be-
merhcnswerth als Beispiel einer N a m e n s y m b o l i b f
d ie , wenn gleich rerwerfHch im Gebiete der Kunst, wie
wir unten sehen werden, dennoch in religiösem Gebrau·
ehe Ton den Alten ungemein geschätzt wurde.

§. 3s.
Dies führet uns zur Steigerung des Symbols oder
zu seinem höheren Gebrauche. Setzt sich nämlich der
bildende Geist mit der Kunst in Berührung, oder waget
er das religiose Ahnen und Glauben in sichtbaren For*
men niederzulegen, so mufs das Sjrmbol sich gleichsam
zum Unendlichen und Scbranhenlosen erweitern. A u f
dieser Stufe soll es sich über sich selbst erbeben, und
die allgemeinsten und höchsten Begrifie rerhdrpern.
Soll aber die unerschöpfliche Fülle und die unergründ­
liche Tiefe in der Form offenbar werden, so ist hiermit
eine Aufgabe gegeben, die, so schlechthin betrachtetf
sich selbst aufbeben wurde. Oder rermoebte das Be­
dingte die Stelle des Unbedingten zu yertreten, und das
Sterbliche Träger des Unsterblichen zu seyn? Aus die­
ser Unzulänglichheit der Kraft zu der Aufgabe entspringt
nun ein zwiefaches Bestreben. Entweder folget das
Symbol seinem natürlichen Hange, der auf das Unend­
liche gerichtet is t , und suchet, einzig bemühet, diesen
zu befriedigen , vor Allem nur recht bedeutsam zu seyn.
In dieser Bestrebung genügt es ihm n ich t, Viel zu sa­
gen ; es will Alles sagen. Es will das Unermefsliche
ermessen, und das Göttliche in den engen Baum mensch­
licher Formen zwingen. Diese Ungenugsamheit folget
einzig dem dunhelen Triebe des namenlosen Ahnena
65
und G lau b en ·, u n d , beiner Naturgesetze aebtendf
schweift sie über alle Gränzen aus, mnfs aber eben da*
durch in schwebender Unbestimmtheit räthselhaft wer­
den. Hier waltet das Unaussprechliche Tor, das, indem
es Ausdruch suchet, zuletzt die irdische F orm , als ein
zu schwaches Gefafs, durch die unendliche Gewalt sei­
nes Wesens zersprengen wird. Hiermit ist aber sofort
die Klarheit des Schauens selbst Yemichtet, und es blei­
bet nur ein sprachloses Erstaunen übrig. W ir haben
hiermit das Extrem bezeichnet, und nennen die Symbo-
lih diesesCharahters die m y s t i s c h e , die jedoch, wenn
auch dieser Bichtung hingegeben, so lange sie noch
Schranken anerkennt und nicht das Aeufserste suchet,
dem religiösen Glauben zum glücklichen, bedeutsamen
Ausdrucke dienet.
Oder das Symbolische beschränkt sich selber, und
halt sich bescheiden auf der zarten Mittellinie zwischen
Geist und Natur. In dieser Mäfsigung gelingt ihm das
Schwerste. Es vermag selbst das Göttliche gewisser-
mafsen sichtbar zu machen. Also weit gefehlt, dafs es
nun der Bedeutsamkeit ermangele, wird es vielmehr
höchst bedeutsam durch den grofsen Inhalt seines W e­
sens. Mit unwiderstehlicher Gewalt ziehet es den be­
trachtenden Menschen an sich, und nothwendig, wie
der W eltgeist selbst, greift es an unsere Seele. Es ist
quellende Exnberanz lebendiger Ideen , die sich in ihm
reget; und was die Yernunft, mit dem Verstände verei­
nigt , in successiver Schlufsfolge erstrebet, das ge­
winnet sie h ier, im Bunde mit dem Sinne, ganz und auf
einmal.
Hier strebet das W esen nicht zum Ueberschweng-
lichen hin , sondern, der Natur gehorchend, fuget es
sich in deren F o rm , durchdringet und belebet sie«
Jener Widerstreit zwischen dem Unendlichen und dem
Endlichen ist also aufgelüset, dadurch dafs jenes, sich
64
selbst begranzend, ein Menschliches Vrard· Ans dieser
Laaternng des Bildlichen einerseits f und aus der frei-
mlligen Yerzicbtleistung auf das Unermersliche andrer­
seits , erblühet die schönste Frucht alles Symbolischen.
£s ist das Gottersymbol, das die Schönheit der Form
mit der höchsten Fülle des Wesens wunderbar vereinigt,
und, weil es in der Griechiseben Sculptur am vollen­
detsten ausgeführt ist, das p l a s t i s c h e S y m b o l
heifsen kann.

33.
Diese höchsten Aeufserungen des bildenden Yer-*
mogens nennen wir S y m b o l e , und auf diesen enge·^
ren Kreis verkörperter Ideen sollte diese Benennung im
streng wissenschaftlichen Gebrauche eingeschränkt blei­
ben. Sie sagt A lles, was dieser Gattung eigenthümlich
ist, und sie auf die buchste Stufe erhebt: das M o m e n ­
t a n e , das T o t a l e , das U n e r g r ü n d l i c h e i h r e s
U r s p r u n g s , das N o t h w e n d i g e . Durch ein ein­
ziges W ort ist hier die Erscheinung des Göttlichen und
die Yerklärung des irdischen Bildes bezeichnet, und
zwar, wie dargethan w^orden, ganz dem höheren Sprach-
gebranche der Alten gemäTs, die jedoch den Umfang
dieses vielsagenden W ortes auch auf geringere Begriffe
ausdehnten.

Das deutsche S i n n b i l d hingegen ermangelt jener


bedeutungsvollen W ürde gänzlich. Es sollte daher a u f
die niedere Sphäre dieser Bildnerei eingeschränkt blei­
ben, und gänzlich ausgeschlossen werden von symboli­
schen Sprüchen. Häufig hat man auch eine Art dieser
ganzen Gattung S i n n b i l d e r genannt, die zu ih re r
Beihülfe der Schrift bedürfen, eine Unterstützung , de­
ren sich die Griechische Kunst bei ihren W erken selten^
und nur hauptsächlich im hohen Alterthume bei R eliefeii
65
tind auf Vasen bediente In so fern bSnnen sie auch
E m b l e m e heifsen, ^e'wohl dieses letztere W ort bis·
her in sebr verschiedenem Sinne gebraucht worden.
D ie Alten bezogen es zunächst auf die bildende Kunst,
und verstanden insbesondere Bilder darunter, die an
eilbemen, goldenen und ähnlichen GefaTsen angebracht
waren, und von ihnen abgenommen werden konnten,
wie denn der raubsuchtige Verres in Sicilien häufig g e·
tban hatte. £in alter Bfimischer Dichter hatte bereits
das W ort etwas huhn metaphorisch gebraucht von dem
ängstlich gesuchten Schmucke einer zierlich gesetzten
Bede ^^0· Später hat man es ganz in den Kreis der
Sinnbildnerei gezogen, und bald V erse, insbesondere
Distichen damit bezeichnet, die in gedrängter Kürze die
Bedeutung eines Sinnbildes anzudeuten bestimmt und
gewöhnlich mit ihm auch vereinigt waren , bald hat

110) Wovon viele V^asengemUWe bei H a m i l t o n , M i l l i n ,


L a m b e r g U . A. Beispiele liefern.
111) L u c i l i u s beim Cicero de Orat. III. 43. Vergl. £ r ·
n e s t i Clav. Cic. unter diesem Worte. Ueber die Be­
deutung in der bildenden Kunst verbreitet sich S a l m a ·
s i u s Plin. Elxercilt. p. 735 seqq., der ifxßXjf^ara
fUr K a m e e n halt. Die Bedeutung der incrustirten oder
eingefugten Figuren an Gefäfsen u. dergl. hat He y n e
berOhret in der S a mml ung a n t i q u a r . A u f s ä t z e D
S. 147 f.
112) Wie in der Schrift des Italienischen Humanisten A l.
c i a t i , die unter dem Titel E m b l e m a t a bekannt ist·
W i n c k e l m a n n i u dem Versuche einer Allegorie T .II·
S. 467, neueste Ausgabe, dehnt den Begriff des S i n n ·
b i l d e s und E m b l e m s zu weh ans auf alle für sich
bestehenden Bilder, die nicht als mitwirkende Bilder zur
Bedeutung eines andern dienen, wenn er auch etwa das
Göttersyrobol davon ausschlofs $ was auch seinem scharf·
sinnigen Erklärer M e y e r nicht entgangen ist· Man
vergleiche S· 6S5« 629· 742·
L 5
Γ)6
man diese letzteren £ m b lerne genannt. In jedem Falle
sollte es auch auf die geringeren Aeufserungen des bil­
denden Yermdgens eingeschränkt bleiben, und Emblem
so ivenig als Sinnbild jemals auf die Gdttersjmbole oder
auf geheimnifsvolle Symbole der Religion übertragen
werden.

$. 34.
Die obige Erwähnung der Sinnbilder mit beigefügter
SchriR fübi*et uns zn einigen F o r d e r u n g e n an das
Symbol. W ir schränken uns hier auf die hauptsächlich­
sten ein. Das Uebrtge wird sich aus dem Verfolg er­
geben. Zuvorderst τοη der Klarheit. Doch scheinet
diese Forderung sich seiest zu widersprechen, indem
sie das Wesen des Symbols zu zernichten drohet. Denn
ist es wahr, was bereits von den Alten erkannt worden,
dafs die Natur des Symbols eben das Dunkelnde und das
Dämmernde ist, wie Termüebte es doch seine Natur zu
verleugnen und klar zu seyn ? Das Symbol, indem es,
was kein Bild hat oder das Göttliche einer höchsten
Idee im Bilde wiederzugeben strebet, wird allerdings
das volle Sonnenlicht des göttlichen Strahles nicht un­
getrübt abzustrahlen vermögen. Das Dämmerlicht und
der trübere Schein seines Ausdrucks werden allerdings
seine irdische Abkunft verrathen. Aber indem es an­
drerseits sich der Erde entwinden und nach dem Höch­
sten streben will, überilieget es leicht sich selber, wenn
es der ihm gegebenen Gesetze gar nicht achtet. Mithin
will jene Beorderung nur an diese Gesetze der Natur er­
innern , die niemals ungestraft übertreten werden. Mit
andern W orten, das Symbol will Viel sagen, und soll
Viel sagen; es will und soll das Göttliche andeuten, aber
was es zu sagen hat, soll es entschieden sagen, ohne
Umschweife und Verwirrung. Es soll einfältig zum
Sinne sprechen.
67
Diese Forderungen geschehen besonders an die
Sjmbolih der Kunst. Die Griechen iit ihren besten Zei­
ten haben sie streng erfüllt. Sie entfernten alles zer­
streuende Beiwerk f und wo die neuere Symbolik Tieler
Anstsften bedurfte, da waren ihnen einige sprechende
Züge zureichend. W ie viel haben sie nicht mit W eni­
gem geleistet. Sie blieben der Natur getreu und yer-
mieden das UngemaTsigte. Dadurch ward auch das Un-
yerstandliche vermieden. K ü r z e war ihr zweites Ge­
setz. Sie suchten auf dem geradesten W ege zum Ziele
zu kommen. Sie suchten das Bedeutende nur so , dafs
es dem Sinne zusagte. Ihn nicht zu beleidigen, war
ihre erste Sorge, und so mofste ihn'n bei strenger Ent·
haltsamkeit , unter dem Zusammenwirken glücklicher
Umstande, das L i e b l i c h e und das S c hü ne gelingen,
ln dieses Maafs batte sich der Kreis ihrer Kunst gefügt.
Doch kannten sie auch eine andere Symbolik. W enn
sie nämlich ihr höheres Wissen ausdrückon, und die
vom gemeinen Glauben abweichenden Belehrungen ein­
dringlich machen wollten, so mufste das Symbol Organ
gebeimnifsvoller Wahrheiten und Ahnungen werden,
ln dieser Bestimmung suchte es hauptsächlich bedeut­
sam zu scyn , unbeküramerter um das Gefällige und
Schone. Je mehr es diesem heiligen Bedürfnifs hul­
digte y desto grofser die Neigung zum Unverständlichen,
bis cs im Aeufsersten endlich zu einem verkörperten
Bäthsel ward. Auf diesem W ege liegt ein grofser Theil
der gesammten Tempelsymbolik des ältesten Griechen-
landes und Roms. W ie oft trat daher nicht der Fall ein,
dafs ein recht bedeutsames Tempelbild mehrere Ausle­
gungen zuliefs In noch höherem Grade gilt dieses
von dem eigentlich mystischen Symbol. Man lese z. B.

113) Beispiele fimien sich in den Alten unzählige, besonders


im Pausanias· Um an ein bestimmtes zu erinnern, so
68
n u r , ΜΏ6 Clemens τοη Alexandria über die Tiden Deu­
tungen der OrpIHschen Thallopboric sagt; es fast
Verwunderung erregt ^ dafs ein anscheinend so einfacher
Gebrauch so vieldeutig geworden war. Manche batten den
Schlüssel verloren , den man im Unterricht der Myste­
rien empiing; wie denn alle Symbolik dieses geheimen
Dienstes eine Belehrung Toraussetzte, die der Einge-
weihete nur von den Ordenspriestern und Exegeten er·
hielt. Wenn daher das Kunstsymbol sich ganz und voll­
ständig selbst ausspracb, und wenn das, was man Bil­
dungnennt, schon zu seinem Verstehen fähig machte,
so mufsie dort hingegen ein besonderer Unterricht die
Mittel an die Hand geben , gleichsam die barte Schale
zu zerbrechen, unter welcher der Hern verborgen lag.

§. 35.
W ir haben bisher das Symbolische als die W urzel
alles bildlichen Ausdrucks dargestellt, und zugleich die
höchste Aeufserung und, so zu sagen, die Blüthe dee
letzteren darin erkannt. Dieser Satz fordert nun noch
seine Bestätigung durch Vergleichung des Symbols mit
den übrigen Haupterzeugnissen des Ikonismus. Zuerst
mit der A l l e g o r i e , die der gewöhnliche Sprachge­
brauch so oft mit dem Symbole verwechselt. Das W esen
des allegorischen Bildes erklärt sich leicht durch den
Gegensatz des historischen od er, wie es vielleicht rich­
tiger h iefse, des kyriologischen. Man stelle diesem
letzteren einen Beschauer gegenüber, von dem wir eine
Erklärung des Gesehenen fordern. W as hat er als Er­
klärer zu thun? Er meldet, er berichtet uns durch
Wo r t e , w^as er auf dem Bilde siebet; und ist die Male­
rei, wie die Alten sagten, eine stumme Poesie, so leihet

vergleiche man nur, was er Ober die Fackel der Ilithyia


sagt Achaic. cap. S3. S. d. p. 922 Fac,
eg

ih r der Erklärer Sprache. Er setzt den Ansdrach des


BUdes in einen andern Ansdruck am; nickt aber setzt
e r ans seiner Seele etwas hinzu. E r berichtet, aber er
deutet nicht. Nun trete aber der Erklärer re r ein alle«·
gorisckes Bild. Er bcricbto auch» was sein Auge tie«-
het. Hai er damit den Sinn des Bildes erschöpft, hat
er berausgenommcn , was darin liegt ? Mit eichten. Sein
hloiaer Bericht wird jeden Zuhörer unbefriedigt lassen.
E r soll noch etwas hinzuthun, was uns den hinter der
Oberfläche Hegenden Sinn eaadUiefst. Er soll noch
etwas Anderes sagen, als was er sieb^'t. Er soll es
deuten. Das Gemälde sej die Verwandlung der Gefähr­
ten des Ulysses. Betrachten wir dieses Bild als ein
historisches, so dürfen wir nur sagen, was wir mit Au­
gen sehen. Legen wir aber mit Socrates und mit andern
Alten in jene Dichtung und folgHcb in das Bild den Sinn
der Erniedrigung des Menschen durch sinnliche Lust
ao müssen wir es deuten. Dieses drückt sowohl die
ältere Bezeichnung dieser bildlichen Art aus, nach der
sie i -πόνοια hiefs, als auch die spätere: άλΚηγοςία.
Denn jenes bezeichnet einen v e r h ü l l t e n , einen v e r ­
s t e c k t e n S i n n ; dieses, dafs das Bild etwas Anderes
etwas Anderes bedeutet

Il4) Den nicht nur Socrates, soridern auch antlrre Griechi«


sehe L^hilosophen darin famUn. Xenoplion Meinorab. 1.
3. 7. Eustatbius ad llomeri Oclyss. X. l36 seqt|.
115} άλλο fjikv άλλο νο«Γ. lieber υτονοια, an des^
sen Stelle später erst dXXijyogiu trat ( daher Demetrius und
der Verfasser der Homerischen Allegorien, Heraclides,
schon allein deswegen fUr kpiltere Schriftsteller gelten
müssen , dafs sie den letzteren Ausdruck brauchen) , s·
R u h n k e n i u s ad Tim. pag. 20Θ. Vergl. N e u e Bi ^
b l i o t h e k d e r s c h ö n e n W i s s e n sch . III. S. 2Ϊ0
und 224* Ober Sache und Wort. Nur wird hier W in ^
cke 1m a nn mit Unrecht getadelt· Dieser hatte im V e r «
70

Hieraus ergicbt sich sofort der Unterschied zwischen


symbolischer und allegorischer Dametlinig. Diese be­
deutet blos einen allgemeinen Begriff, oder eine Idee«
die Ton ihr selbst verschieden is t; jene ist die versinn­
lichte, rerhorperte Idee selbst. Dort hndet eine Stell-
Tertretnng statt. £s ist ein Bild gegeben, das, wenn
wir es erblichen , uns bindentet auf einen Begriff, den
w ir nun zu suchen haben. Hier ist dieser Begriff selbst
in diese Kdi'perwelt herabgestiegen, und im Bilde sehen
wir ihn selbst und unmittelbar. £s ist daher aueh der
Unterschied beider Arten in das Momentane zu setzen,
dessen die Allegorie ermangelt, ln einem Augenbliche
und ganz gehet im Symbol eine Idee auf, und erfafst
alle unsere Seelenhräfte. £s ist ein Strahl, der in ge«
rader Bichtung aus dem dunhelen Grunde des Seyns und
Denhens in unser Auge fallt, und durch unser ganzes
W esen fährt. Die Allegorie lochet uns anfzublichetf,
und nachzugehen dem Gange, den der im Bilde verbor­
gene Gedanhe nimmt Dort ist momentane Totalität;
hier ist Fortschritt in einer Reihe von Momenten« Da­
her auch die A llegorie, nicht aber das Sym bol, den

6u ch e i n c r A11e g. S. 4 So ( neueste Ausg.) , mit An-


ftthning von Casaubon. ad S t r a b o n . (lib. I. p. 67 Al­
ltel. cf. W e s s e l i n g , ad D i o d o r . }^IX* 46. 15.), be­
hauptet, etwas allegoriscb darstelleii, batten die Griechen
genannt. Ricbtig wird nun dort bemerkt, dafs
die angeführten Belege keinen Beweis für diesen Sprach­
gebrauch enthalten. Gleichwohl bleibt Winckelmanns
Behauptung gegründet. Den Beweis dafür, dafs
φεσ^οί von symbolischer und allegorischer Bezeichnung
gebraucht wurde, liefern Stellen, wie folgende: J a m -
b l i c b . de Myster. Vif. 1. Ss rcuv 6ημιου^(α β1λ4&£<αν
TttTv ειδών διά των φανερών ctWvcvy ά“τ ε·γζάψ ατο. Mithin
entsprechen sich und υτcγ^άφsσJ^cu als correlate
Begriffe·
7^
X jtlio s nnter sich begreift dessen Wesen das fort­
schreitende £pos am vollkommensten ansspncht, und
d e r nur in der Theomytbie, wie wir unten sehen werden^
sich sum Symbolischen zusammenzudrängen strebet.
K.S liegt daher ctAvas sehr Wahres darin, dafs manche
1\betören die Allegorie eine Durchführung oder, so zu
sagen, die Entfaltung eines und desselben Bildes (T ro ­
p u s, Metapher u. s. w .) nannten ; denn dieses Durch­
fuhren und Fortleiten des Bildlichen ist allerdings ein
d e r Ailegone angeborner Hang. Daher hat auch hier
d er combinirende W itz und der nachdenkende Verstand
sein eigentliches Feld. Hier giebt es Züge zusammen
SU lesen, und sic in gehöriger Folge mit den Merkma­
le n des BegrifTs zu vergleichen, das Aehnliche zu rer-
binden, und das Unähnliche abzusondern. Hier ist mit­
hin mehr Freiheit* und die Spiellust der Phantasie
umschwebet den Gedanken, ehe sich der Geist seiner
bemächtiget.
Im Symbol fühlt sich unsere Seele ergriflen, und
die Nothwendigkeit der Natur waltet über uns. Darin
sind sich beide ähnlich, dafs beide eine wichtige, oft
tiefe Wahrheit in dem Danke) ihrer Hülle verbergen.
Nur gleichet das Symbol mehr der halb verschlossenen
Blnmenknospe, welche in ihrem Kelche das Schönste
unentwickelt verschliefst; die Allegorie den in die Breite
rankenden Zweigen einer üppig vegetirenden Pflanze.
Die gelungensten Allegorien der Alten können für diese

u6) Wie S c a l i g e r richtig bemerkt Poölic. lib. III. cap.52.


Den Gegensatz und die Gründe habe ich hinzugefllgt.
Das Be de ut e n als Wesender Allegorie und das Seyn
als Wesen des Symbols hat M e y e r zu Winckelmann,
der den Unterschied beider Arten nicht gehörig erörtert
hatte, wohl bemerkt; sieh* zum Versuch einer Allegorie
S. 6bS.
73
Terwandtscliaft und Abweicbting beider Arten Beweise
liefern
36.
Betrachten wir jenen Charahter der Nothwendigheit,
den wir oben dem Symbol zueigneten» noch etwas näher.
Wil* honnen ihn auch die symbolische Natursprache
nennen. W ie die Natur in ihren unwandelbaren Ge­
setzen schwelgend gebietet» eben so stili und gleichsam
willenlos gebietet eine ewige Wahrheit in jenem bedeut­
samen Bilde. Ist es doch in seinem Ursprünge und al-
terthuoalichen Gepräge nur eine Erinnerung an das» was
in der Natur als unyeränderliches Gesetz sinnbildlich zn
dem Menschen spricht. Die Yorwelt liebte diese Erin­
nerung sehr und erneuerte sie bei jedem wichtigen An-
lafs. Die Dichtungen des Alterthums» so wie die Ge*
schichte» liefern Beispiele in Menge. Ethische Bewe-
gungsgrunde , die Selbstbestimmungen der Freiheit»
werden durch solche Symbole Tersinnlicht; und will
z. B. der Mensch seinen W illen als fest und unwandel­
bar darstellen» so knüpft er den Entschlufs an die un­
wandelbaren Gesetze der Natur. Achilles schwüret t
»»Wahrlich bei diesem Zepter» der niemals Blatter und
Zweige
Wieder zeugt» nachdem er den Stumpf im Gebirge ver*
lassen f
Nie mehr sprofst er empor» denn ringsum schalte das
Erz ihm
Laub und Rinde hinweg; und edeie Söhne Achaja’a

117) Z . B. die Platonische von der Seele, als Wagenführer» kn


Phadrus p.2l7 Heindorf.» die berühmte Allegorie von Amor
und Psyche. Die verschiedenen Momente des Ringens
versinnlicht das allegorische Gemälde der Palaestrica mit
ihrer Umgebung h e I P b i l o s t r a t u s Imagg« No. XXXII·
Unter die gelungensten gehören aber nur die beiden er­
sten Beispiele.
75
Tragen ihn jetzt iit der Hand, die richtenden, welchen
Kronion
Seine Gesetze vertraut: dies eey dir die grofse Betheu*·
rung*
Auf ähnliche Weise echwtJren die Phohäer, nicht
eher wieder in ihr Yaterlaod zurüchztiliehren, Bis der
von ihnen insMeer versenkte Stein (oder die Eisenmasse)
obenauf schwimmen werde. Eine Betheurung, dienachher
als Denkspruch von der ewigen Dauer des Römischen
Reiches gebraucht wurde W ie man hier die geglaubte
Ewigkeit einer menschlichen Einrichtung durch einen
Sinnspruch anschaulich machte, so wurden auch andere
Mensclienwerke durch symbolische Erinnerung an den
ewigen Gang der Natur der Ewigkeit gewidmet. Die eherne
Jungfrau auf dem Grabmal des Midas spricht :
y,Eherne Jungfrau bin ich, und lieg’ auf dem Grabe des
Midas,
I m m e r , so l a n g e s i c h W a s s e r e r g i e f s t , h o c h
g r ü n e n die B ä u m e ,
Bleibend am nämlichen O rt, auf dem vielbethräneteii
Grabmal,
Ich verkünde dem W andrer, dafs hier liegt Midas be«
erdigt. “
So dichtete die naive Denkart der Vorzeit. Sie lieh
der Natur Sprache ^ und liefs durch sie dem Menschen

118} Ilias I. 834. (P. nach Vofs.


119) Herodot. I. l65. cf. Sponheim, ad Callimach. H. Dian.
49· und Callimachi Fragmm. No. CCIX. ibiq· Ernesti
p. it8. Gelegentlich bemerkt kann das Herodeische
Stein oder Eisen bezeichnen. Vergl. MUnters andquam
Abhandll. p. 275 und p. S32.
120) Bei Plato am Phaedrus p. 309 rd. Heind. übersetzt von
Ast (Flat. Phaedrus und Gastmalil S. 66.). Vollständiger
findet sich dieses Epigramm des Kleobulus von Lindus,
oder der Kleobulina, seiner Tochter, in der Griechischen
Anthologie Vol. 1. pait· I· p. 193 ed. Jacobs·
74
wichtige Wahrheiten zurufon. Es war dies heine Aeu-
fseroog hunstlicher Reflexion, sondern sie erbluhete
ans dem Geheimnifs alles Lebens, aus jener evi^igeo und
Terborgenen Vereinigung der Seele mit der Natur selbst·
Mochte auch das alte Hirtenleben jener Denkart günstig
sejn , wie denn Hirtenvölker und überhaupt Menschen
auf der Stufe freier Entwickelung und frischer Kraft ihr
besonders zugetban sind, so entspringt sie doch eigent­
lich aus einem Grundtriebc unseres ganzen Wesens >
und wenn der nomadische Araber und der Grieche der
alten Heldenzeit mit ihrem Rosse in einen persönlichen
Verkehr treten, und ihm menschliche Empfindung lei­
hen 9 so ist dabei zuerst an eine N ö t b i g u n g zu den«
ken, die sie zu diesem Glauben treibt; dann ist aber
auch die Gelegenheit anzuschlagen, die diesen begün­
stigt. Aus derselben tiefen W urzel alles Dasejns er­
wächst der im ganzen Alterthuroe herrschende Hang,
der unbelebten und thieriseben Natur e t h i s c h e Ge­
setze unterzulegen, und sie zum Spiegel des Verhaltens
für freie Wesen zu machen. Der lebendige Wechscl-
Terkehr aller Kräite und Thoile der sichtbaren Schö­
pfung , besonders der T hiere, mufste zur Lehre und
Warnung für die menschlichen Verhältnisse dienen.
Ein solches W ort der Lehre und W arnung, worin ein
Bild lebendig vor dio Seele tra t, hiefs ein W ort des
W eisen, ein inhaltSTolles W o rt, ein nützliches W ort,
ein W ort der Bewundernng und Beherzigung wertb

12t)Dies ist die älteste Bedeutung des Griechischen αΤνος,


woran auch seine Verwandtschaft mit g e wi c h t i g ,
b e d e u t e n d , erinnert, vergl. Va l c k e n a er. ad Ammon,
p. 15. Da Jene Beziehung zwischen Bild und Lehre aber
schon ein geOhtes Nachdenken voraussetzte , so bekam
α7νος frOh den NebertbegrifF des höheren W ortes, und
mithin des Weisheitswortes, cf· Scaliger Foetic. III· cap.
?5
ond die bedeutsame Kurze vfar sein ältester Cbarabter.
W enn also auch die spätere Rhetorik einen Unterschied
zwischen dem kürzeren W orte symbolischer Lehre und
den ausgeführten Apologen setzte, so hiels doch ur«
sprungUch eines wie das andere eia nachdrneksTolles
ΛΥοΓί (αίνος). Mithin wurde das, wras wir S p r i c h ·
w o r t nennen, in so fern es in dem Munde des Volkes
ist, oder D e n k s p r n c h y in so weit es eine im Ge-
dächtnifs niedergclegte Lebensregel ist, oder endlich
S i n n s p r u c h , in welchem die Natur zum Geiste spricht
(ein Sprach durch und für den Sinn), kurz alles das,
%ras man nachher wupoipta nannte, αίνος genannt. Und
diese gewichtvolle Gnome, dieses ponderose W ort der
W eish eit, es war ursprünglich auch ganz symbolisch.
£s war ein W i n k , ein Hindeuten anf den Spiegel der
Natur, ein Erinnern an ihre ewigen Gesetze. Eben
dadurch ward es aber auch anschaulich, es ward ein
Sinnspruch A ber, wie bemerkt, die Weisheit der

83. (p. 3t9 ed. 4.) In dieser Beziehung hängt es mit oiV/e·
das Räthselhafte erratheii, uud mit aivtyμa zusam·
men. Die Nutzbarkeit und praktische Wichtigkeit be«
zeichnet der Name der Indischen Apologensaminlung
llitopadesa d. i. n ü t z l i c h e s W o r t , s. Jones Abhand­
lungen Ql>er die Geschichte Asiens I. S. 21. Bei Homer
Odjrss. XIV, 50S. wird eine vom Ulysses erdichtete E r­
zählung (ein Vorfall aus dem Feldzüge vor Troja) in der
Absicht ersonnen, um dadurch einen nächsten Zweck zu
erreichen , αίνος genannt. Man lese dort auch den £ u -
atathius nach (p . 556, lin. 10 seq. Basil.) , wo auch vom
Hesiodeischen alvo^ gesprochen wird, und Definitionen
dieser Gattung angegeben werden»
122) Ich glaube nämlich nicht, wie Eberhard in der Syno­
nymik thut, daik das Witzige und S i n n r e i c h e der An-
lafs zum Worte S i n n s p r u c h und seine erste Bedeu­
tung sey, sondern das S i n n l i c h e . Dieses sinnliche
Leben haben auch die ältesten SinnsprQche der Griechen,
76

Vorwelt iuelite auch durch Dunhelheit bedeuleam su


werden· Daher ward auch das R a t h s e i ein uralter
Ausdruck höherer ErhenntniTe. Dieser Sata bedarf
keines ausführlichen Beweises. Die Form einer ganaen
Menge τοη Orakeln bestätiget ihn ^ so wie die Dichtung
Ton der Sphinx, die im alten Aegypten ein Symbol gött­
licher W eisheit, von den Griechen als Räthselgeberin
Tercwigt ward. Das Morgenland liebt bis auf den heu­
tigen Tag diese Form aufserordentlicb Dafs aber
auch das alte Griechenland sie ausgebildet hatte, bewei­
set die Classification, wonach spätere Schriftsteller die
Arten derselben mittheiiten , und bildlich, wie das
Bäthsel der Griechen in seinem ursprünglichen W esen
war, hatte es auch einen bildlichen Namen. Man nannte
es γρίφος, ein Binsennetz, weil im Räthsel dem nacb-
dcnkendeu Verstände ein Netz durch die Rede gestellt
wird. W enn in diesem W orte das Verschlungene an­
gedeutet war , woraus nur der geübte Denker sich her­
auswindet, so zeigte die andere Benennung,

z. B. A* κισσός fMtr' *Αν^8στηξΐα „ der Epheu nach den An·


thesterien** von dem, was zu sp3t schiebet, und M^vä
/3oy; ‘iror iv ßoräv^ von dem, was noch gute Weile h at;
8. Ammonius ed. Valckenaer p. 8.
123) Den alten Orient betreffend, so erinnere ich nur an die
Erzählung des J o s e p h u s Antiqq. Judaicc. VIII. 5. p.
267 Colon, p. 434 sq· Haverc.: Hiram, König von Tyrus,
benutzte das freundscbaftliche Verhältnifk mit dem Jüdi­
schen Könige Salomo auch dazu , dafs er ihm schwere
Fragen und Räthsel zusendete (κσί σοφίσματα Si καί λ^γόνς
αηίγματωδβίς ^/βτήυκψατο ιτ^ς τον £ο)^μννα). Eine Stelle,
die ein nicht ungelehrter Griechischer Leser dem Ge­
schichtschreiber zum Vorwurf macht (s. meine Melete-
matt. I. pag. 99.).
124) Clearchus beim Athenaeus X» p. l43 Schweigh· unter­
scheidet sieben Arten.
77
die Dmibelheit eines solchen W ortes der W eishek
a n «5).
Aber so T i e l e Unterscheidungen der sondernde T^er^^
s t a n d nachher auch machen mochte, so ziehet doch ur>
sprunglich das S y m b o l i s c h e m c ein Gmndfaden
durch die g a n s e Spruchweisheit des Alterthums· Sprich·

125) latein* s c i r p u s , s· Joseph Scali^er ad Varron.


de L. L·. üb. IV. p. 34 conjectan. p. 60. G. J* Vossii
Institut. Orat. Üb. IV. cap. XI , V. p. 203. — ahty^xa vid·
Etymolog. M. S. v. αΙνΓ/μα. Tra^cißoXijy ^ 6 ν.α) σκο*
TfrA^ Xiyo^. Gell. N. A. XII. 6. H y g i n fab. 67. ibique
M oncker, wo c a r ra e n steht. Der verwundernde Aus«i
ruf o7 ist die Wurzel von αίνος und αίνιγμα· — Andere un­
terscheiden γξίφος als e r n s t h a f t e s Räthsel der Weis*
heit von dein s c h e r z h a f t e n αϊνιγμα, s. Casaubon· ad
Athen. X. cap. 69· Solanus ad Lucian. Vitar. Auct.
p. 554 seq. T . 1. ed. Hemsterh. (Vol. III. p. 443 Bip.) —
Auch Ober die Delitiiiion war schon im Alterthume Streit,
so wie unter den N euem ; cf. Athen. 1.1. Aristotel. Rhe*
toric. III· 2. Po^tic. 22. Demetrius de Elocut. $. 102. —·
Beispiele sinnbildlicher alter RSthsel sind das dem Simson,
B. der Richter XIV« 1.3 , das dem Oedipus von der Sphinx
gegebene, Apollodor. III. 5. 8; das Rsthsel Vom Jahre,
das dem Kleobulus zugeschrieben ward, wie denn die
sieben Weisen auch Rsthselgeber w arm , bei Stobaeus
Eclog· phys. pag. 240 Heer. Mehrere Beispiele von Gri-
phen giebt Eustalhius ad Odyss. IX. 366. pag. 362 Basil.
Andere aus Handschriften habe ich in der 6lsten An­
merkung zum Nonnus niedergelegt , und auch Uber
oTviyfxa und mehrere Nachwetsungen gegeben (sieh·
Meletematt. 1. p. 85 seq.). — Auch Hermen wurden als
Träger von Räthseln gebraucht (£üne dergleichen hat
Visconti erläutert, Museo Pio-Clement. VI. p, 46.), so
wie Hipparchus in Athen DenksprUche für das Volk dar·
auf halte eingraben lassen. In vielen a l t d e u t s c h e n
Liedern herrscht der räthselhafte Vonrag gleichfalls.
Ein auffallendes Beispiel liefert der W a r t b u r g e r
K rie g .
78

wort, Denhspruch, Rathsei, Gnome, eines wie das andere


war ein W ort ans dem Boche der N ator, ein Charahter
ao8ihrer onveränderlichen Bilderschrift. Jener bleibende
Habitos der Pflanzenwelt, jener sich immer gleiche Be*
stand der Thicrcharahtere, einer wie der andere ward
frühe zom festen Ponhte genommen, om daraof einen
Grondsatz fürs Leben zo stützen. Dichter, wie Homeros
ondKalidas, machten dadnreh die Handlongen ond Lei­
denschaften ihrer Helden anschaolich.

$· ^7·
Aber nicht blos zom freien Spiele der Phantasie
worden jene nnverloschlichen Bilder gebraoeht, sondern
anch zom ernsten Zwecke der Lehre. Ja man kann fra­
gen , wozu am häufigsten ? Wenigstens war dieser letz­
tere Gebrauch, den man davon machte, eben so ur­
sprünglich, ond nicht minder als jener in einem dem
Menschen natürlichen Drange gegründet. Besonders
bei dem Morgenländer, dessen Geist mehr für Anschauun­
gen empfänglich ist, als für Folgerungen und Schlüsse.
Die symbolische Lchrart blieb nicht bei gewicht vollen
W ollen und Sprüchen stellen, sondern frühzeitig cr-
blühete aus gereifter Beobachtung eine vollendetere
Form ond entialtcte sich zu dem, was nun eigentlich
A e n o s (αίνος) heifset, oder zu dem sogenannten Apo-
log Kein Land der Vorzeit, das zu einiger Bildung

126) cf. Ammonius p. 8. cf. Scaliger Poetic. p. 351. Aus der


tirspranghchen Bedeutung der E r z ä h l u n g ist nachher
die bemerkte für das W ort άτόλογος entstanden. D er
Deutschen Spruche mangelt eine bestimmte Benennung
fUr diese Art, und man bat sich bald mit dem Worte
N a t u r f a b e l , bald mit A e s o p i s c h e r F a b e l behol«
fen. Ara besten bebak man das Griechische A e n o s
bei. Das altdeutsche W ort fUr Fabel Oberhaupt ist Bei«·
s p i e l , d. i. eine den Sinn bekleidende Rede.
79
gereift w a r , ermangelte dieser ethischen Diohtart. Von
Indien her, über Persien und Palästina, durch Klein-
asien h in , bis nach Griechenland und Italien hinüber,
nmfafst dieser ethische Tbierkreis die We l t , und das
ihn durchziehende Licht der Weisheit erleuchtet wohl-
thätig die Volker. Freilich liegt ein jeglicbes Land onter
einem besonderen Himmelszeichen; in s e i n e r Natur,
in s e i n e n Pflanzen nnd Thiergcschlechtern erblicht es
die Sinnbilder für sein Thun uTid Leben· Den Indischen
Lehrern \^ishnu-Sarma und Pilpai dienten Sandelbäume
und Schakals , um die Gesetze der Sittlichkeit zu
versinnlichen. Auch der Hebräer hatte seinen Aenos,
und in der bekannten Baumfabel wird eine für die

i27) Im Griechischen heifsen diese Thiere Aristotel.


Hist. Anim. IX. 34. ( 29· p. 313 ed. Schneider· Vergl· des-«
sen Anmerk· p. 321 sq. VVoselbst auch Ober den Accent·)
Jener Indier wird als Verfasser der Hitopadesa genannt»
£in Mehreres darüber in der Einleitung zu den Indischen
Religionen. Alle diese Dichtungen beruhen auf dem
Grundtriehe des Menschen, sich selbst der ganzen Natur
als Folie unterzulegen, und ihr mithin Gedanken und
Sprache za leihen, woran sich in den Griechischen Sa^
gen von der redenden Eiche zu Dodona, von dem Wid·
der des Phrixus, von der redenden Argo, von dem Se··
her Melampus, der die Würmer sprechen hörte (ApoU
lod. I. 9. 12.) , und in der Homerischen Poesie von dem
redenden Rosse Xanthus (lliad. XIX. 407. cf, Heyne da­
selbst) , Spuren in Menge finden. Auf welcher Ansicht
nachher Aesopus seinen Aenos erbaiiete« Da.s Lebendig-«
machen desTodten betrachten die Alten schon als Grund-
aug der Homerischen Poesie, s. Aristotel. Rhetor. HI-
cap. 11.
IfS) Buch der Richter IX. 8. Bekannt ist Nathans Fabel
IL B. Samuel. 12. Inhaltsreiche Bemerkungen Über diese
Lehrarc der Hebräer in älterer und späterer Zeit macht
C. V i t r i n g a in seinen Observv. saerr· cap. XII. p. 209
zqq., WO auch Beispiele gegeben werden·
So
bürgerliche Gesellschaft ^richtige Wahrheit becleutsaiii
dargestellt. So trug sich das alte Lydien mit einer Fa­
bel , i?ie einst am Tmolus ein Oelbaum mit einem Lor­
beer um den Torzng gestritten Es irard nämlich
fortan, besonders unter den Griechen , S itte, durch die
an die Spitze solcher Dichtungen gestellte Form el:
«E s s a g t d e r a l t e S p r u c h s darin enthal­
tene Lehre in den dunhelen Hintergrund der fernen
Vorzeit zuruch zu yersetzen, gleichsam an den Anfang
der Dinge und in den Stand der Unschuld, worin der
Mensch, der Gottheit näher, unmittelhar ihre Lehren
empfangend, den Irrthumern menschlichen Denhens noch
nicht unterworfen war. Die geglaubte Abstammung
einer Wahrheit aus der Güttcrwelt machte sie eindring­
licher und hostbarer.
Das alte Griechenland scheint auch in dieser Gattung
Torzuglich reich gewesen zu sejn. Die Lehrpoeme in
der heroischen Periode, wie die des Pittheus tat), waren
gewifa häufig in diesem symbolrechen Charakter gefafst,
und wenn man auch nur sehr uneigentlich dem Homerus
diese Dichtart zuschrieb, der ja in dem hellen Spiegel

129 ) Callimachi Fragmin. No, XCIU. p.46l cd. Emesti, nach


ßcnticy’s Vcrtiesscrung, der auch Vaickenaer beistinimU
Die Grammatiker ftlbren einen Vers an, der böclistwahr-
scheinlich zu diesem Aenos gehört: Der Oelbaum spricht:
nunter allen BSumen bin ich der geringste** ^ s. die Aus­
leger zur a. St.
130) τ/ς ιίστ' άξγα7ο^ d'jB^wvwv οδβ, und so M’ird immer
ntaXeui^ abmt, und λόγος bedeutsam wiederholt. Cf·
Vaickenaer ad Amnion. I. 3. p· 17·
131) Plotarchus im Theseus Tom. I. cap. 3. p· 3 Hutten, p. 3
Leopold. Ueber das Folgende vergl. Hesiodi Έ^γ. 202 —
2ll. — H u s c h k e d e fabulis Archilochi in Matthiae Mis-
cell. phil. I. Aristotelis Rbetoric. 11. 20· von Stesicho-
me. Vom Menenius erzählt Lirius II. 32.
8i

des Epos beinesweges in didaktiscber Absicht die Tbiere


d arstellie, so batte doch Hesiodus in den Hauslehren
durch seine Fabel Tom Habicht und τοη der Nachtigall
ein grofses Beispiel gegeben ^ dem auch die alteren
Ljriber folgten, wie Archilochus, dessen Fabeln sehr
berühmt waren, und Stesichorus durch seinen Apolog
Tom Pferde und Tom Menschen, wodurch eine politische
MaiiLime anschaulich gemacht w ard, wie in der behann*
ten Dichtung des Römers Menenius Agrippa» ln allen
diesen Apologen ward auf die Symbole in der sichtbaren
Schöpfung hingewiesen. Dadurch unterschieden sie sich
von der P a r a b e l ) die einen erdichteten Fall ans dem
Menschenleben zur Darstellung einer wichtigen Lehre
wählt ^^2)^ noch mehr vom E x e m p e l (ηαρά9είγμα)^
welches letztere aus der wirklichen Geschichte einen
ähnlichen Fall zur Bestätigung sucht. Keines von beU
den hat jene Nothwendigkeit, die dem Aenos eigen ist.
Das Beispiel erläutert, aber es zwingt nicht» Eine Pa*
rabel macht wahrscheinlich, giebt aber keine überzeu·
gende Gewifsheit. Dort wie hier wird ein Factum als
möglich Torausgesetzt

132) Ein Beispiel giebt Aristoteles Rhetor. II, 20. und eine
grofse Fülle derselben das N. T ., da Christus diese ake
Lehrart Palästina’s zu seiner Abbicht tauglich fand, nach
der Bemerkung des Hieronymus ad Evang. Matth. XVIIL
Die Definition der τα^αβολ^^ wird Übrigens bald weiter, bald
enger gefafst.
153) S t o r r de Parabolis Christi 2. H e r d e r Zerstreute
Blatter Hl. 165. Auf die Bestandheit des Thiercharakters
hat schon Leg s i ng (Utber die Fabel S. ISt ff.) aufinerk«·
sam gemacht. Nach Herder ist der Aenos, wie ich ihn
nach Scaligers Vorgang nenne, eine Dichtung, die fUr
einen gegebenen Fall des menschlichen Lebens in einem
«Odern congruenten Falle einen Erfahrungssatz oder eine
Lehre nach i n n e r e r N o t h w e n d i g k e i t derselben
L 6
82

Und fest ^ nachdem \n*r den symbolischen Lehrhreis


des Alterthauis iiberblieht haben, können inr fragen»
^ ie sich Symbol und Aenos κα einander yerhalten·
Beide congruiren sichtbar in der Wichtigkeit der W ahr­
heit« die sie darstellen. So ivenig das Symbol dem Un­
bedeutenden dienet, so mufs es auch ein wichtiger An«
lafs seyn, wobei ein Aenos erfunden wird. Beide stutzen
sich auch auf das Beharrliche in der Matur, und machen
durch den Habitus τοη Pllanzen, Thieren und derg)·
einen Begriff eindringlich. Sie unterscheiden sich jedoch
in ihrer Form und im Inhalt. In der Form: der Aenos
hat nicht jene momentane T otalität, die wir dem Sym­
bol eueigneten; er liebt yielmehr Entfaltung in suc­
cessi ver Folge. E r leitet mehr zum Matsrbilde hin, als
dafs er selbst als solches bervorträte. Dem Inhalte
nach weichen sie in Folgendem von einander ab. D ie
Wahrheit des Aenos ist eine praktische Lehre» gewoba-
lich eine ethische. Das Symbol hat auch seine W ahr­
heit, es ist aber nicht gerade eine ethische. Es ist o ft
eine tiefe W ahrheit, ein Geheimnifs des Detikcns und
des Glaubens, ein Geheimnifs der Matur. Daher auch

so anschaulich macht, dafs die Seele nicht etwa nur Ober-^


redet, sondern kraft dor vorgesteilun Wahrheit selbst
sinnlich Überzeugt werde. — Die Parabeln des Oriente
nähern sich dem Aeiios schon mehr durch die in ihnen
herrschende naive Bildlichkeit. Man erinnere sich a n
die Parabeln Chrisii vom Feigenbaum, vom SSeniann»
vom guten Hirten u. s. w. , denn alle tragen diesen C ha­
rakter. Auch der älteste Griechische Geschichtschrei­
ber hat uns dergleichen Reste orientalischer B eredt-
samkeit aufbehalten. Dieser Art ist die Parabel des Cy­
rus vom Flötenspieler und von den Fischen, Herodot. I·
l4l. Jeder Grieche kannte die Parabeln der sieben W ei­
sen. Die altdeutsche Literatur weis von Parabeln d e r
sieben weisen Meister.
85
der Aenos jene Tiefe nicht Bat, die dem Sjmbol eigen
ist« Mit einem W o r te : der Aenos in seiner alten Natur«
form konnte yielleicht ein ethisch gewendetes und er«
weitertes Sjmbol beifsen.

38.
Nun ist noch der M y t h u s zu betrachten, sowohl
an sich , als in seinem Yerhältnifs zo den andern bild­
lichen Arten. Vorerst Ton seiner Genesis. W e r ver­
mochte aber wohl die unzähligen Anlässe aufzuzählen,
die ihm das Dasejn geben, besonders wenn die eigent­
liche Heldensage mit in Anschlag kommt? Ist einmal
der gebildetere Fremdling, dem es gelang, unter wilden
Stämmen den Saamen ausländischer Cultur auszustreuen^
oder das durch körperliche und geistige Eigenschaften
ausgezeichnete Stammhanpt selbst, ein Gdttersohn ge­
nannt worden, und sind einmal zum Andenken jener
Wohltbaten Feste angeordnet, so kennet auch fernerhin
d:o Dankbarkeit und Bewunderung keine Gränzen mehr,
und die Alles ergreifende Stammsage schreitet ins Un­
endliche fort. £s werden Trieteriden, Penteriden und
Jabresfeste gestiftet, um das Denkwürdige nicht unter­
geben zu lassen. Bildwerke, Aufzuge, scenische Ge­
wänder und mimische Handlungen müssen die Feierlich­
keit der Zeit und des Ortes verherrlichen helfen. For­
meln e r s t, dann Invocationen und Lieder, melden den
Anlafs und preisen den Gegenstand des Festes. So ist
der Inhalt der Sage, als Vorläuferin der Historie, ge­
geben. Die Sage, so wie das in regelmäfsiger Ordnung
wiederbebronde Fest selber, vertraten noch die Stelle
geschriebener Annalen. Der physischen Anlässe sind
vielleicht noch m ehrere, als der historischen. Bald
giebt der hervorstechende Charakter eines Thieres, oder
die ihm beigelegte anfserordentliche Kraft^ einer Sage
das Dasejn ^ bald ist es die ansdruclisTolIe Gestalt
oder die Tom GeMÖhnlleben abweichende Eigenschaft
eines Natnrhdrpers, der die Bliche der Menschen auf
sich siehet und die versuchte Erhlärung pflanzt
sich dann als ein eben so sprechender Mythus fort.
Koch mehr erregten die verborgenen Kräfte der Natur
die dichtende Phantasie. Ihr geheimes W irken und
Bilden und ihr lebendiger, alle Wesen durchdringender
Odem mufste um so mehr zum Nachdenken locken, je
mehr dieser frühere Naturmensch ihren unmittelbarsten
Einwirkungen hingegeben war. Und äufserte sich dieses
Nachdenken, wie es denn nicht anders konnte , bild·
lieh, so war damit eine Menge von Erzählungen gegeben,
wrorin ein physisches Element oder ein merkwürdiges
Naturphänomen als handelnde Person thätig erschien.
Feld und W ald, Gebirge, Flusse und Grotten wurden
nun zum Schauplatze von Begebenheiten und Handlun«
gen jener Naturwesen und ihrer Sohne, jener verherr­
lichten Helden , gemacht. Die Sprache selbst wird eine
fruchtbare Hutter von Göttern und Helden. Bildlich

i34) Ein Beispiel mag hier die Stelle einer ganzen Menge
vertreten. D er bei Maminea vorbeifliefoende Flufs hiefs
O p h i s , die Schlange , w e i l e i n s t e i n e S c h l a n g e
dcMi E i n w o h n e r n b e i d e r N i e d e r l a s s u n g z u r
F ü b i e r i n g e d i e n t h a t t e . Pausan. Arcad. cap. 8.
§. 3.
13i; Der Myrtenbaum zu Troezen mit durchlöcherten BI8U
tern. Die hoffnungslose Phaedra hatte sie mit ihren Na^
dein durchstochen. Pausan. Atiica XXI! 2. Der Wun­
derfels am Sipylus, der , tn einiger Entfernung gesehen,
einer gebückten, weinenden Frau ähnlich war. Es war
die verwandelte Niobe. Ibid. XXf. 5. Der krummgebo«·
gene Oelbaum in Argolis. Herakles hatte ihn so gebogen
zum GrSnzzeicben ftlr das Land der Asinäer· Corinthiae·
XXVHI s 2. p. 283 Fac»
85
und sinnbildlich, wie sie w ar, mufste sie unter einem
andern Volke und in einiger Zeitferne oft ein sehr
fremdartiges Ansehen erhalten, und das Mifsverstandene
ward in einem erklärenden Mythus ausgeprägt. So ward
etwa die elfenbeinerne Schulter des Pelops^ ursprüng­
lich nur ein lobpreisendes Epitheton, in eine seltsame
Sage von der Frevelthat des Tantalus umgedeutet; und
Pindarus, der jene mit seinen würdigern Begriffen von
der Gottheit nicht zu vereinigen weis, sucht diesem
Sinne auf eine Art auszuweichen, die hinlänglich zeigt,
dafs zu seiner Zeit schon der Schlüssel zur wahren Er­
klärung derselben verloren war. Hatten vielleicht bild­
liche Ausdrücke alter Griechischer Lieder dieses Schick­
sal , wie viel mehr mufste das Fremde dem Mifsverste-
hen unterliegen. Besonders aus der Hülle des Symbols
und der Verschlossenheit der Hieroglyphe ist erwcifslick
eine [;anze Schaar von Sagen ausgegangen· Vorzüglich
die orientalische Denkart, in Berührung gesetzt mit
dem beweglichen Geiste des G riechen, brachte viel
Mythisches hervor. Vor allen andern die hieroglyphi-
sehe Arcbitectur und Sculptur des Aegypters, aus denen
der witzige Grieche mit dem Zauberstabe seiner Fban«
tasie eine ganze Reibe von Fabeln her vorrief. Das
schweigende Standbild genügte ihm nicht, er liebte mehr
die geschwätzige, ausführliche Sage; und wenn auch,
w ie sich denn nicht leugnen läfst, der Aegyptische
Volksunterricht grofsentheils sehr mythisch war , so
mufste eben deswegen der in einer andern W elt leben­
den Priesterschaft der Grieche mit seinen vielen Göttern
und Heldenmythen sehr unmündig erscheinen. Immer
und im Ganzen blieb jenes Volk in seinen höheren Re*
präsentanten dem Symbolischen getreu, Griechenland
aber ward frühzeitig der Mythen fruchtbare Mutter

136) Mu5croKo;
86
W ollten v ir diesen Hang, das Hierogljphisclie und Sjrm·
boHsche in eine Sage um iosetzen, in allen seinen Rich­
tungen yerfolgen, so wäre dies StofF zu einer eigenen
inhaltsreichen Untersuchung· Hier mögen uns einige
Beispiele genügen· Der Nilhrug des Aegypters^ den
man mit einem Menschenhopfe verband» und mit Schlau«
gen an den Henheln verzierte» mufste in seiner auflal-
leuden Gestalt die Neugier des Griechen reizen· Die
Bedeutung dieses heim Geheimdienste der Isis gebräuch­
lichen Gefäfses ward natürlich in dem damit verbunde­
nen Unterrichte erhlärt. W enig bekümmert um solche
Erklärung wufste der Griechische W itz Rath zu schaf­
fen· Das Symbol ward in das Denkbild eines Griechi­
schen Heros umgedeutet, und» mit der Trojanischen
Heldensage verbunden» mufste es einem ausführlichen
Mythus zur Stütze dienen. Dafs dieses Sinnbild zuweilen
unter andern Modificationen erschien» und » mit der
Lampe des Anubis verbunden, nationale Yorstellungen
von den Elementen versinnlichte» störte ihn auch nicht·
Tielmehr ward eine neue Sage erfunden» um auch hier­
auf keine Antwort schuldig zu bleiben. Die seltsame
Erzählung von dem Kretischen Minotaurus hat keinen
andern Ursprung. Auch hier ging die ursprüngliche
Bedeutung eines uralten physischen Symbols verloren,
und der geschäftige Verstand des Griechen spann eine
lange Geschichte ans» die in der Rohheit ihres Geistes
beweiset» wie frühe schon ans jenen Anlässen Mythen
entstanden. So gab also nicht blos die bedeutsame re­
dende Natur, sondern auch die Geschichte und die
sinnbildlich lehrende Yorwelt selbst» dem menschlichen
Geiste einen unerschöpflichen Stoff zu unzähligen Sa­
gen und Ueberlieferungen» wovon hier in der Kürze
nur das Auffallendste angedeutet werden konnte.
8?
5· 39*
Es «ertlieilt sieh mithiii der Mythus 9 seiftem Inhalte
nach, in zwei Hauptüste* Er enthalt entweder alte Be­
gebenheiten , und in so fern heifst er S a g e ^ oder
alten Glauben und alte Lehre ^ und wir nennen ihn mit
einem W orte, das der genauere Sprachgebrauch einzig
dieser Gattung Torbehalten mochte: U e b e r l i e f e r u n g .
D er alte epische Gesang schied bereits diese zwei A r­
ten , wie in folgender Stelle der Tbeogonie geschieht,
wenn sie auch nicht Ton dem Dichter des Uebrigen her-
ruhren sollte:
„die löblichen Thaten der Vorwelt
und die Götier auf steligen Höh'n des Olympus“
Dafs jedoa dieser beiden Elemente ein Yielartiges ent­
halt, bedarf kaum einer besondern Bemerkung. W ir
hescbränken uns daher auf Andeutung des Wesentlich­
sten Zuvörderst der bistoriscbe Ast breitet sich
in verschiedene Zweige a us : Sagen aus der Fremde,
die Begebenheiten der Asiatischen V orzeit, die W un­
der des Auslandes, besonders des Wunderlandes Aegyp­
te n , Scbiffersagen und Berichte von andern Reisenden.
Oder sie meldet einheimische Ereignisse, die Wande-
rongen des eigenen Stammes, die Anpflanzung einer
Gegend, die Gründung einer Stadt, die Thaten eines

137) Sprechender ist der Griechische Ausdruck


δοτά, dessen sich Strabo und Dionysius von Halicaruafil
Amiqq. Rom. lib. V. cap. 48. bedienen.
138) Hesiodi Theogon. 100 f. nach Vofs.
139) Man hat den Sinn des Mythus bald iu acht Unterarten
zerlegt, wie K ircber, bald hat man sich auf einen drei­
fachen Sinn beschränkt, den physischen, ethischen und
politischen, wie Coel. Rhodiginus Lectt. antiqq. lib. X.
o. 6. p. 445. (Paris 1517» fol.)
88
Stammfureten und die merliwurdigen Ereignisse alter
Königshäuser. Dasselbe gilt von dem andern EUemente.
Auch hier sind wesentliche Bestandtheile zu unterschei­
den 9 die man sehr unbequem unter dem Namen Philo-
sopheme zusammen zu lassen suchte. Passender wäre
noch der Ausdruck l'heologumene oder richtiger T b e o -
m y t h i e n gewesen, da ja bekanntlich der ganze Inbe-
grif!' des gesammten Glaubens und \Yissens bei den älte­
sten Völkern im Schocxfse der Religion lag. W i r , auf
unserm Standpunkte, unterscheiden auch hier verschie­
dene Zweige. Vorerst diejenigen Ueberzeugungen, die
sich auf Mensch , Natur und G ott, als die Gegenstände
des heiligen Glaubens, bezogen^ theologische Mythen
im engeren Sinne; sodann die bestimmt ethischenSätze^
die den ganzen Inhalt einiger Mythen erschöpfen; fer­
ner bestimmt physikalische Traditionen, worin alte Na­
tur - und insbesondere Sternkunde liegt; endlich solche
Mythen, die ein bereits geübteres Denken verratben^
und worin Speculationen alter Weisheit versinnlicht
sind, die im engeren Sinne Philosopheme heifsen kön­
ne n, wiewohl auch hierbei, wie bei allen andern Ueber-
lieferungen, sich der religiöse Mittelpunkt nicht ver­
kennen läfst, worauf sich alles Ahnen und Wissen d er
Vorwelt bezog.

$· 4^·
So viel von dem Inhalte. So rein und so scharF
begränzt erscheint er jedoch selten. Der Mythus is t
wild gewachsen, die Natui* aber trennet und unterschei­
det nicht, wie der Begriff und die Reflexion sonderia
und unterscheiden. Sie wirket und bildet in flielkenden
Vebergängen. Daher durchdringen jene mylhischeia
Elemente eines das andere, im Grofsen wie im Kleinen·
Jene Aeste und Zweige haben ihre Verastnngen und
Verzweigungen, und das Ganze stehet yor uns als ein
«9
einziger grofser Baum, aus Eider W urzel erwachsen,
aber nach allen Seiten hin verbreilet mit unzähligen
B lättern, Bluthen und Früchten. Denn zuvorderst die
Sage erscheinet fast nie rein , als eigentlich historische
Meldung. Fast niemals ist das Factum unvermischt im
Munde des Volkes fortgepflanzt worden, und zwar aus
tausend Ursachen. Es waren ja Feste und religiose Ge­
bräuche , die, wie oben bem erkt, vorzüglich die Sage
erzeugten. Festliche Gemuthsstimroung und religiose
Gefühle mufsten demnach im Ausdrucke derselben
widerstrahlen. Solche Gefühle aber beschränken sich
nicht im engen Kreise der W irklichkeit, sondern suchen
allenthalben das Schrankenlose und Ungemeine· Auch
ist es schon an sich die Art der jugendlichen Phantasie
eines frischen, kräftigen Naturmenschen, ins Ungewöhn­
liche hinüber zu gehen, und den Ueberflufs der vollen
Kraft in freien Dichtungen auezogiefsen. Rühret aber
die erzählte Begebenheit aus der Fremde her, so mnfs
auf den früheren Stufen der Cultnr die ihnen eigene ge­
schlossene Nationalität ein Hindernifs werden, die W ahr·
heit rein aufzufassen und rein wiederzugeben. Je mar-
kirter ein Volkscharakter ist, desto leichter wird er
eine fremde Sage durch einheimische Zusätze entstellen.
Die Ehre des Stammes hat auch eine Stimme, und der
vaterländische S tolz, der die Heimath als den Mittel­
punkt aller Dinge betrachtet 9 giebt unvermerkt der Er­
zählung Ton und Farbe. Aus diesen und ähnlichen
Gründen erscheinet also das Factum in der Sage my­
thisch gewendet und colorirt Dies geschieht ent*·
weder so , dafs die zwei Hauptelemente alles Mythus,
alte Begebenheit und alter Glaube, im Ganzen und in
Hasse mit einander vermischt werden. Bald bildet das
Factische die Grundlage, und das Beligiüse ist hinzu·

l40} ^arf§ira^diora fAifxvl^svf*iya*


90
getban ^ bald ist das Göttliche in den Kreis der mensch­
lichen Ereignisse herabgesogen. A uf diese Weise wird
bald das Eine bald das Andere als mythischer Zusatz
hinzagethan So erscheinen auch die einselnen
Zweige jener zwei Hauptäste yielfaltig in einander rer-
wachsen. Da ist bald ein physihalischer Mythus mit
einer Stammsage gepaart, eine Naturbegebenheit mit
dem Schichsale dos Y olhes, bsld eine astronomische
Lehre mit der Heldensage , und zwar so , dafs man ent­
weder den Heros unter die Sterne rersetzte, um ihn im
Stern bilde zu verewigen, oder die Priester hüllten eine
astronomische Wahrheit in das Gewand einer alten B e­
gebenheit, und hnüpften bürgerliche Zeitabtheilungen
und Feste daran. Bald wird ein ethischer Satz mit einem
SchifFermäbrchen verbunden, wie z. B. in der Odyssee,
nach der Erklärung der A k e n , eine gefabelte Zauber­
insel zur Yersinnlichung einer sittlichen Lehre diente.
Mit Einem W o rte , es linden in diesen Yerhältnissen
der mythischen Elemente die mannigfaltigsten Combi«
nationen und Proportionen statt.

§. 4 i.
W ir erörtern nun d e n C h a r a k t e r d e s M y ­
t h u s , s e i n e n S t u f e n g a n g und s e i n Y e r h ä l t -
nifs zum S y m b o l und andern H a u p l a r t e n
de s I h o n i s m u s . Im Symbol nimmt ein allgemeiner
Begriff das irdische Gewand an, und tritt als Bild be­
deutsam vor das Auge unseres Geistes Im Mythus
äufsert die erfüllte Seele ibr Ahnen oder Wissen in einem
lebendigen W orte. Es ist auch ein Bild, aber ein sol­
ches , das auf einem andern W e g e , durch das Ohr,
zum inneren Sinne gelanget. Ursprünglich weichen Bild
nnd W ort nicht von einander ab, sondern, auf einer

l4l) Welches Strabo Hb. I. p. 27 Alm. nennt·



W u rz e l gewachsen, waren sie innig gegattet und darcb·
drangen sich gegenseitig. Mochte ein Gedanke zaerst
als Bild ausgeprägt seyn, oder als W ort gesprochen , er
hielt sich einmal wie das anderemal in der sinnlichsten
Anschaulichkeit. Beharrliche Bildlichkeit ist der Grund­
charakter der ältesten Satzungen» der Glaubenssätze
und der Gebote. Merken wir aber auf den Geist der
ältesten Mythen, so miiesen wir noch weiter gehen und
behaupten, dafs, wo nicht die meisten, doch aufseror-
dentHch viele ursprünglich nichts als a u s g e s p r o ­
c h e n e S y m b o l e sind. Die priesterlicbe Deutung,
der Ausspruch eines £\egeten über eines Symbols Sinn
und Absicht, gab ohne Zweifel vielen Mythen zuerst
das Daseyn. Welchen Charakter mufste ein solcher
ältester Mythus haben ? Keinen andern als den des Sym­
bols selber, nur natürlich in der T^erwandlung, die
die Bede mit sich brachte. Ursprünglich also mufste er
als blofse Formel oder Satzung und gedrungene Mel­
dung erscheinen; wie denn die von den Griechen hier
und da gegebenen Erklärungen alter Hieroglyphen nichts
anderes als Formeln sind. Trocken, abgebrochen und
hart, erinnerte dieser älteste Mythus mehr an das Bild­
werk , dessen Wesen das Beharrliche im Raume is t, als
an das Fortschreitende der Sprache und Rede. Nicht
blos aber durch das Bildliche und Kurze verrieth der
Mythus seinen Ursprung aus dem Symbol, sondern auch
durch das Gewicht und durch die Tiefe seines Inhalts.
Das Unbegränzte zu umfassen und das Unergründliche
zu ergründen, war sein angebornes Streben. W ie das
Symbol wollte er vor Allem rocht bedeutsam seyn, oder
doch so viel mdglich das Göttliche einer höchsten Idee
zur unmittelbaren Anschauung bringen. Daher denn
eben in dieser Bedeutsamkeit auch das Seltsame seines
W esens und das Dunkele seines Ausdrucks. Man glaube
n ich t, dafs dieser Charakter nur den theologischen und
jnystiscTien Mythus aaszeSchne. Selbst die historische
Sage bann ihn nicht ganz yerleugnen· Auch der älteste
Heidenmythus setzt sich in gedrungener Kürze und
gleichsam als ein festgegründetes Standbild hin, und
spricht durch seinen leiblichen Ausdruck fast mehr zum
Auge ais zum Ohre· Die Heldenthat ist an sich anschau­
lich , aber auch die Motive des Handelns und die Bewe-
gtmgen des Gemüths drängen sich hier in einem äufser-
lichen Bilde zum Sinne. Der Heldencharahter wird zum
Thiere, und jeder Zug des ersteren wird in dem Thun
und in der Art des letzteren vor Augen gestellt. Daher
auch der symbolische Orient in den Sprüchen der Pro­
pheten die Nationen als Thiere erscheinen läfst, und die
Gedichte des Humerus enthalten ja eine ganze Bilder­
reihe solcher versinnlichten Charaktere. Diese Mythen
des ältesten Styls gleichen den Sesostrischen Sculpturen
an den Temoelwänden , wo im Meldenkampfe der hell-
colortrte Sieger den schwarzen Flüchtling zu Boden
tritt. So liebt auch die alte Heldensage grelle Farben­
gebung und das Plastische, befestigt auf der Fläche des
Steines.
Aber gerade die Heldenhandlnng führet den Mythus
w eiter, und loset ihn gleichsam ab von dem steinernen
Grunde. Zuei*8t versuchet der Gesang die ausgezeich­
nete That aus ihren Anlässen herzuleiten, und in allen
ihren Momenten nach der Folge vorzustellen. Es ist
nicht mehr der imposante Moment, der im kurzen bild­
lichen W orte erscheint: der ganze Fortschritt wird in
a l l e n anschaulicheu Momenten sichtbar. Der Gesang
lernet sich immer menschlicher beschränken, und in
dieses Maafs füget sich auch die Sage. Das Darstellbare
wird immer schärfer von dem Ueberschwenglichen ab­
gesondert f der verfeinerte Sinn wird ausschliefsend
Richter, das Epos gelanget als gemessene Darstellung
des Fortschreitenden zu seiner Vollendung , und der
95
Mjthns mrd τοη diesem poetischen Wesen ganz nnd gar
durchdrungen, ln dieser Entwickelung entfernet sich
die Sage immer mehr von dem ruhenden Symbol, und
nahet sich gänzlich der Erzählung und dem schreitenden
Liede. "Verlieret jezt das Historische in ihr die grelle
Colorirung und wird in sanfterer Färbung gefälliger für
den Sinn, so Terzichtet aber auch das Theologische
fast ganz auf die Bedeutung seines Inhalts. A uf dieser
Stufe ist der Mythus dem Schonen befreundet, aber ent·
kleidet τοη seiner alten mystischen Wurde. W ie im
E pos, herrschet in ihm das Historische Tor und so
wie dieses strebet, die Heldenhandlung auf den Gipfel
einer sinnlich schönen Erscheinung zu erheben, so ver­
lieret der ihm dienende Mythus seine geheime Bedeut­
samkeit gänzlich.
Hiermit sind nur die beiden Endpunkte bezeichnet,
auf denen die Mythik der Alten, und namentlich der
Griechen, erscheinetr Dafs eine Reihe von Zwischen­
stufen hier mitten inne liegt, ergiebt sich von selbst.
Auch spricht selten ein Mythus einen der bezeichneten
Haupteharaktere so ganz entschieden aus. Denu auch
in seiner alten symbolischen Form verräth sich doch
schon eine Hinneigung zur Sage, und hinwieder ver­
mag doch auch manche vom Epos ganz durchdrungene
üeberlieferung, wie wir sogleich aus Homerischen
Beispielen sehen werden , selten so ganz von der Art
zu lassen , dafs sie nicht Spuren alter hoher Bedeutung
an sich trüge.

l42) Wie denn die alten Knnstlehrer das Historische der


Poesie als wesentlich ziischrieben, Diomedes Scholast.
in Dionys. Ih ra c . in Villuison Aneedot. gr. II. pag. 172.
not. I. Auch «erinnere mau sich, was Aristoteles Poetic.
VI. 8. vomfAuSo;, als poetischer Erfindung einer Kibel,
sagt. Worüber ich in den Briefen Uber Homer p. 12b Γ.
ein Mehreres bemerkt habe·
94
Der W erth des Mythus und seine Yollhommenheit
mrd anders auf dem Standpunkte der Theologie und
Philosophie, anders auf dem rein poetischen erscheinen.
Die Poesie, der Bedeutsamheit nicht achtend, will ihn
lieber in seiner Tollen Schönheit sehen. Die religiose
Betrachtungsart beklagt es, dafs durch die poetische
Mythik der Griechen der höchste Ernst grauer Vorzeit
in ein freies Spiel der Phantasie ausgeartet, oder dafs
das geheimnifsTolle W esen des grofsen Weltgeistes in
einen leichten Hauch aufgelöset worden y der die Flöten
der Griechen erfüllet *4^).

$· 42·
So war mithin der Mythus ein blofses Mittel der
Ergötzung geworden. Hierin erkannte auch der helle
Verstand der Alten seinen Haupt unterschied Tom Aenos.
Letzterer diente der blofsen Belustigung n ie, sondern
seine Endabsicht war immer ethisch· Daher war er
auch in einer Demegorie (Bede in öffentlicher Ver­
sammlung) zulässig, wovon dagegen der Mythus ausge­
schlossen blieb Ingleichen kündigte der Aenos
seine praktische Bestimmung schon frühzeitig durch die
W ahl der Prosa an, in welcher schon einer der ältesten
Meister dieser Gattung, Aesopus, ihn vorgetragen hatte,
in einem ähnlichen Sinne, wie später Sophron und Xe-
narchus ihre Mimen auch in Prosa gedichtet batten, weil

t4i) Durch dieses Bild bezeichnete Bacp glücklich die Unbe«


deutsamkeit der poetischen Sage der Griechen, de Augnim.
Scientt. lib. Π. cap. 13. Fabulae mythologicae videntur
esse instar tenuis ciijusdam aurac, quae ex traditionibus
nationum magis antiquarum in Graecorum fistulas inci­
derunt. In den KreuzzOgen des FhUologen ist dasselbe
Bild copirt S. 185.
144) Aristotel. Rhetor. II. cap. 20.
95
sie nnmilte11>ar in die Wahrheit des Lebens prahtisch
eingreifen wollten.
Der Mythos hingegen yerliefs den niederen Boden
der W irklichheit, erhob sich mit dem Rhythmus der
Poesie, und ward auf der tragischen Buhne das Mittel
ideaKscher Schdpfungen. W enn ihm aber auch prah*
tisebe Zwecke der unmittelbaren Belehrung und Besse*
rong an sich fremd waren, so hatte er doch schon im
£ p os, selbst unter leichtfertigen Bildern, wie in der Er*
sahlung Ton Ares und Aphrodite« tiefe Geheimnisse der
Natur angedeutet. W ir dürfen uns daher nicht wun­
dern, dafs auch Plato die höchsten Resultate seinea
Philosophirens im Mythus niederzulegen liebte, wie
z. B. im Kritias, im Timäus, im Gastmahl, im Phädon
und in den Büchern τοη der Republik. « Hier berührte
die hüchste Wahrheit die mythische Dichtung» und
ein Bewunderer jenes Philosophen sagte später davon:
€ Plato habe in Mythen manch ernstes W ort gespro*
eben » In diesem philosophischen Gebrauche des
Mythischen vertritt die Sage die Stelle des discursiven
Yortrags. Beide haben Fortschritt und successive Dar·^
Stellung. Nor wirken dort Verstand und Vernunft in
einer Reihe gegliederter Schlüsse; hier stellt die Ver*
Bunit und der Sinn dar in einer Folge anschaulicher
Handlungen.

$. 43.
Dafs nun der Mnhus in seiner ältesten Form, durch
gedrungene Kürze und momentane Totalität seiner Wir*
knng , sich noch getreuer an das Symbol anschliefse,
und allmählig erst, abgewendet von ihm, sich in das

l4i) Worte des Plutarcbus de genio Socratis p. 589« P.


I46> Worte des Kaisers Julianus, s· dessen Caesares init.

Fliefsende anfloee, daron werden uns einige Beispiele


überzeugen. Die Homerbche Poesie liefert deren meh«
rere· Das erste sey die Reise der Gütter zum Oceanus.
t,Zeus ging gestern zum Mahl der unsträflichen Ae-
thiopen
An des Oieanos Plulh; und die Himmlischen folgten
ihm alle.
Aber am zwölften T ag, dann kehret er heim zum
ülympos“
W elche Auslegung man auch dieser Tielbehandelten
Stelle geben mag, in welcher Einige einen astronomi­
schen Satz yon den zwölf Zeichen des Tbierhreises und
den zwölf als Götter gedachten Monaten der Aegyptier,
Andere eine Anspielung auf die zwölf Zusatztage des
alten Aegyptischen Jahres, noch Andere eine Erwäh­
nung des zwölRägigen Jahresfestes zu Diospolis haben
finden wollen : so yiel ist gewifs, dafs wir in diesen
Versen die Deutung einer Hieroglyphe oder eines sym­
bolischen Bildwerhs besitzen. Dies batten bereits die
Griechischen Leser des Homerus eingesehen

Als eine kurze, abgebrochene Meldung yon dem^


was auf einem alten Thierkreise oder in einer Hiero­
glyphe dem Auge erschien, spricht uns auch die ganze
Stelle an , so wie die beiden andern so eben bemerkten«
Sie halten sich in kurzer Anzeige des Bildlichen im
Raume , und sind nichts weiter als ein abgebrochenes
Hinweisen auf das R elief, das die Thiere des Zodiakus
oder den über den NU fahrenden Hahn mit den Bildern
alter Göttergestalten wies.

147) lliad. I. 423 ff. Vofsische Uehers. Cf. Iliad. XXIII. 20S.
Odyss. I« 23.
148} 8. Villoisonil et Wassenbergii Scholiast. ad h. 1.
97
Die berühmte Stelle τοη der goldenen Kette des
Zeus tragt, obgleich schon mehr ausgefiihrt, den«
selben Cbarahtcr ältester Bildersprache, und zeichnet
sich zugleich schon weit mehr durch eine tiefe Bedeut«
samheit aus. W ir wollen etwas dabei verweilen, da sie
so ganz deutlich den Uebergang vom gehaltvollen theo­
logischen Mythus zum bedeutungslosen epischen zeigt·
Schon die Alten fanden ein bildliches Philosophem darin,
nur trennten sie sich in dessen Deutung. Plato fand ein
Bild der Sonne, die Stoiker bezogen es auf ihre W elt­
seele und auf die bindende Gewalt des Schicksals. An­
dere erkannten darin das System der kosmischen Stufen­
folge nnd der Abhängigkeit aller Dinge von einem
höchsten Wesen. Die grofse Bedeutung der Idee von
der Alles durchdringenden und bindenden Weltseele
im System der Jonischen Philosophen ist bekannt; und
dafs der alte Orient diese Idee durch körperliche Sym­
bole zu verwirklichen bemüht gewesen, läfst sich aus
seiner ganzen Denkart vermutfaen. £in willkommenes
Beispiel einer charakteristischen morgenländischen Aus­
prägung dieser Idee giebt uns jezt die eben so bedeut­
same als schöne Steile eines Indischen Gedichts·

Hrisbno, oder Tishnn in seiner achten Menschwer­


dung , unter dem Namen Bhogovan, tröstet einen Helden
durch die Lehre von der unwandelbaren, ewigen Ein­
heit , und spricht unter andern :
„Doch ein andres als dies, höLVes Wesen an mir er­
kenne du.

149) Iliad. VIII« 18 (T. Die Stellen der Griechischen Erklärer


bat He y n e nachgewiesen, womit man noch Stobaei
Serni. 11. 2. tit. 82. und G a t a c k e r ad Amonin. VII. 9*
p. 209 (ed. fol. Traject. ad Rhen. l697.) vergleichen kann·
Das Bild von der Kette in Beziehung auf Schicksal lieb­
ten die Stoiker sehr·
I. 7

Was die Irdischen beUUt, Orjuti! auch die Welt hier
erhalt und tragt,
Dies ist die Mutter der Dinge, aller zusammt, das glaube,
Freund I
Ich bin des ganzen Wcitcnalls Ursprung, so wie Ver­
nichtung auch·
/lufser mir giebt es rin anderes höheres nirgends mehr,
o Freund!
An m ir hangt di e s e s Ali v e r e i n t , wie an
der Schnur der Pe r l e n Z a h i ^ **).
Hier ist das grofse Pbilosopheni in einem einzigen V erte
aasgesproclien, der als ein vorlHches getreues Abbild
eines symbolischen Urbildes, bedeutsam vrie dieses sel­
ber, SU uns spricht, und dessen Tollhommene Congruens
mit dem S i n n e der Homerischen Stelle Niemand Ter-
bessen wird· Hier sehen wir also I d e e , S y m b o l
und W o r t in volihommenem Etnhlange. Vielleicht
hotte in dem älteren Spruche eines religiösen Sängers
sich die goldene Helte des Zeus eben so getreu abge-
Sf iegelt. W ir bezeichnen diesen Fall als die erste Stufe«
A uf einer zweiten hatte ein anderer Dichter das philo-
sopUsefae Symbol in ein F a c t u m umgebildet. Nun war
cs ein hurzer Mythus: Zeus hat alle Grundhräfte und
Körper des Weltalls an einer goldenen Kette am Olym­
pus befestigt. Auch hierin war die Kurze und Bedeut-
samheit der ursprünglichen Idee und ihres Bildes noch
unmittelbar gegeben. Nun aber bemächtigt sich der
Sänger der liiade dieses Mythus, yciilicht ihn in das
Ganze der Trojanischen Kriegshandtung, und macht ihn,
uncingcdeul; der ersten Bedeutung, zum sinnlichen
Motive sinnlich fühlender und handelnder Götter. Zeus
spricht drohend zu den übrigen Göttern :

ISO; Aus dem Bhogovotgita, übersetzt von Pr. S c h l e g e l ,


ü b e r di e S p r a c h e u n d W e i s h e i t d e r I n d i e r
S« 30i«
99
,1Auf wohlan, ihr G ötter, versucht’s , öaöi ihr Α1Γ ea
erkennet.
Eine goldene Kette befestigend oben am Himmel;
Hängt dann AIP ihr Götter euch an und ihr Göttinnen
A lle:
Dennoch zögt ihr nie vom Himmel herab auf den Boden
Z eu s, den Ordner der W e lt, wie sehr ihr rängt in der
Arbeit!
Wenn nun aber auch mir im Ernst es gefiele zu ziehen.
Selbst mit der Erd' euch zög* ich empor, und selbst mit
dem Meere ;
Und die Kette darauf um das Felsenhaupt des Olympos
Bänd’ ich fest, dafs schwebend das Weltall hing* in der
Höbet
So weit rag’ ich vor Göttern an Macht, so weit vor den
Menschen! “
Hierin ist also der Grundtrieb des Mythus recht aidit-
bav, d a s G e d a c h t e in ei n G e s c h e h e n e s n ms u «
a e te e n . Aber freilich, was als Idee und Symbol in ­
haltsvoll and bedeutsam war, ist, als Factum und in die
YFirhKchheit versetzt, fremdartig und seltsam geworden.
Jedoch anch so verwandelt, hat das ursprüngliche W esen
der Idee nicht völlig untergeben können , und der tief­
sinnige Gehalt verräth sich anch selbst noch unter der
Hülle dieses Mahrchens. Einen gleichen Geist und glei­
che Abstammung aus alter bildlicher Weisheit verrfitb
auch die andere Stelle von der S t r a f e d e r H e r e , wo
diese Hnmnelsliönigin, mit zwei Ambofsen an den Fufseny
in der Luft hangend erscheinet ingleichen die an­
dere von der beabsichtigten Fesselung des Zeus, und
Ton dem hundertarraigen Briareus Daher haben
auch die inhaltsschweren Mythen des Orients vorzüglich

151) nach Vofs·


152) IHad. XV. 18 ff.
153) lüad. I. 396 ff.
lOO

dieses seltsame f widersinnige Ansehen; und wenn ab·


sondernde Kunstrichter Steilen, wie die zuletzt genann­
ten , mit dem rein poetischen Geiste des Homerischen
Gesanges unrerträglich fanden , so war es hingegen
ganz in der Art des alten Morgenländers, der Fessel«
losen Phantasie in den seltsamsten Dichtungen und wun­
derlichsten Compositionen Raum zu geben. Um sich
hiervon zu überzeugen, darf man nur die Indischen
Mythen von den lacurnationen des Vishnu lesen, ins­
besondere die zwei ersten von Yisebnu als Fisch, und
sodann vom Fiephanten und τοη der Schildkröte, nebst
der auffallenden Erzählung von der Bewegung des
Milchmeeres. Aber auch Griechische Mythen schweiften
bis zum Ungeheuren aus, wo sie mehr den religiösen
Vollgehalt und den philosophischen Sinn , als die Schön­
heit der Form beabsichtigten. Daher sind die Orphi-
schen Mythen, besonders die der Kosmogonie, und die
des älteren Pherecydes, der ganz in orientalischer W eise
philosophirte, in diesem Geiste gedacht, und tragen
diese Form an sich. Der Orpfaische Cbronos oder Her­
cules , d e r, Löwen - nnd Stierköpfig, ein mcnschen-
ähnlickes oder vielmehr göttliches Antlitz hat und Flü­
gel auf dem Rücken , und, aus Ei de und Wasser gebo­
ren, die Adrastea hcschläft, die an den Enden der
W elt mit ihrem Riesenkorper angebunden ist erin­
nert ganz an die philosophische Symbolik des Orients,
welche, auf das Schöne verzichtend, einzig den grofsen
Inhalt alten Glaubens in sprechenden Bildern zu bewah­
ren suchte — ein Geist, dem selbst noch das Hesiodei·

154) Eine von den Orphiscfarti Kosmogonien in der Schrift


des Damascius von d e n P r i r . c i p i e n , bei J . Chr.
W o l f Aneedott. grr. III. pag. 254. — Hierher gehöret
auch der Plicrecydeiscbe Scblangcngott ( Ophioneus) bei
Maximus Tyr, Dissert· X· 4. und andere.
ΙΟ Ι

sehe Epos niebt selten hnldigt, i?ie z. B. in dem forchN


b a r grofsen Liede τοη der Entmannang des alten Uranas
darch seinen Sohn Kronns
D er vom Epos ganz durchdrungene Mythus hat ge-
ivohnlich nichts τοη so geheimnirsyoller Bedeutung,
oder wenn er auch einen tieferen Sinn yerschliefset, so
ist dieser in Eintracht gesetzt mit der reinen Form der
Poesie· Der Homeridische Hymnus auf die Ceres
beweiset zur Genüge, wie das Mystische selbst im rei­
nen Epos menschlich und gemhTsigt wird, und so zur
yrohlgefalligen Erscheinung gelanget. Denn der recht
poetische Mythus soll eigentlich nur eine sinnliche Folge
Ton Handlungen geben , im raenschlichefi Maafse gehal­
ten· So wie nun dieses Fortschreiten und Fliefsen der
erzählenden Sage einen scharfen Gegensatz gegen die
Beharrlicbheit des Symbolischen bildet, so entfernet
sich auch ihr leichtes, sinnliches Wesen yon dem schwer-
wichtigen Inhalte des fest und tiefgegründeten Symbols·
Hiermit ist die weiteste Trennung beider Arten be­
zeichnet, zwischen welcher mehrere Annähernngspunlite
mitten inne liegen. Bald beharrlicher und bedeutsam, bald
fluchtiger und gehaltlos, schwebet jener in der Weite#
während dieses immer ruhend und schweigend gebietet·
D er Mythus in seinem freiesten Fluge hünnte dem
Schmetterlinge yerglichen werden, der jezt Icichtbeflu-
gelt im Sonnenlichte mit seinen Farben spielt; das Sym­
bol der Puppe, die das leichte Geschüpf und seinen
Flügel noch unentfaltet unter einer harten Deche yer-
borgen hält·

iS5) In der Theogonie 170 IF.


102

V i e r t e s C a p i t e i.

Von den Arten u n d Stufen der S y m b o l e


u n d Allegorien.

$. 44.
£ i n e int Einzelne gebende Unterseheidang nach den
l^aturliSrperB, deren sich das Sjmbol und die Allego·
rie bedienen, wäre weitlänfUg and zwecklos, da sich
die Belege dazu im besonderen Theile dieser Schrift
von selbst ergeben. W ir haben hier auf die T e r *
B c h i e d e n b e i t de s W e s e n s zu sehen, auf die bei­
den Hauptgebiete , auf das der scbfinen Form und der
blos religiösen Bedeatnng, und auf den Stufengang bis
zur vollendeten KunstsyxnboUk.
Zuvörderst unterscheiden wir diese zwei Haupt·
arten: p h o n e t i s c h e Symbolik and Allegorie, in so
fern Töne und Sprache das Mittel ihres Ausdrucks sind,
und a p b o n i s c b e , in so fern andere Organe des Aus­
drucks gewählt werden In diesen letzteren Kreis
gehört vorerst die Musik und der Gesang selbst, weil
beide bekanntlich, im Geheimdienste der Alten vorzüg­
lich, in symbolischer und allegorischer Absicht gebraucht
wurden. Besonders mufs aber hier die so formenreicbe
Spruchweisheit des Alterthums , vorzüglich des morgen­
ländischen , genannt werden, wozu auch die meisten
Orakelsprücbe und die sogenannten Symbola der Pytha-
goreer zu rechnen sind. Beispiele dieser Orakelsprache

156) Ίΐυμβολα 'Σύμβολα αψ<ννα (νοξά^μα)^ Schon das


Wort συμβολον ^ auf das Ohr wie auf das Auge bezüglich,
bedingt beide Arten.
loS
tiefem die Alten in Menge, und schon aus den eineigen
Herodotus Itefaen sich Belege für alle Formen des hild·
liehen Ausdruchs aus dieser Gattung sammeln. Je alter
die Orakel sind, desto enger schlioften sie sich an das
Orientalische a n , sowohl in dev Kühnheit der Biider,
als in dem festen Bestände und sinnKcben L»eben derseU
beo. W enn s. B. der Persische König Cyrus yom Ora­
kel ein Maulthier genannt wird ^^7), oder das 6chichsal
einer bedroheten Stadt durch den Fischfang und durch
das Netz yersinnlicbt wird 5 so erinnert dies an die
Sprache der Hebräischen Propheten luid an dieSculptnren
des alten Onents· Der epische Vers aber, der in sei·
ner ältesten Gestalt im Wesentlichen dieselbe Anscha«-
licbheit zeigte ^ sollte ja , nach einer Sage. urspnluglioh
aus den Orahcln hervorgegangen seyn Auch in der
häufig gesuchten Dunkelheit folgten sie der älteren
orientalischen Lehrart, die, wie wir bemerkten, das
Rätbsel und das Räthseibarte aurseix>rdentlich liebte.
Unter den Pythagoreischen Symbolen zeichnen sich
gleichfalls viele durch sinnliches Leben und festes Ge­
präge ans, und erregen die Yermuthung eines relativ
hoben Alters, wenn gleich nicht alle vom ersten Meister
jener Gesellschaft herrühren mögen. W ir wollen einige
derselben als sprechende Beweise symbolischer Rede

137) Herodot. 1. 55.


15S) Ibid. I , 62. D a s Bild vom Schlauche stehet in ähnli­
cher Beziehung bei Pausaii. Attic. cap. 20, 1. pag. 75
Fac. Vergl. dessen Note 18.
l59) Philostrat. Heroic. p. 667 Olear. To^jrixiJ — τά fwev-
nut· Plin. H. N. Vfl. 57.
160} Einige Beispiele von unzähligen : Das dreinidfige Schiff
auf festem Lande y Pausan. Attic. cap. 37· $. 4. pag« 144
Fac. Das 2>isammeiUreffen der drei ^ vier unil fiinf Wege,
Arcad. cap. 9· $· 2. u. a. m.
mittheilen 1^0- Nach der Erhlarung des Porphjriiis er*
scheint in ihnen sämmtlich ein einl'acher Sinn, und sie
sind kurze ethische Vorschriften und zum Theü reli*
gidse Gebote. Nach einer andern Auslegung liegt ihnen
aber eine tiefere Bedeutung zum Grunde, welches wir
hier nicht weiter untersuchen wollen. Nur an das Eine
xndchten wir erinnern, dafs nach der im Alterthume
herrschenden Scheidung des Esoterischen und Exoteri­
schen ein und derselbe Satz gar wohl einen doppelten
Sinn Terschliefscn konnte, ^vovon der höhere nur dem
Unterrichteten zugänglich war. So geben die meisten
Erzähler von dem bekannten Verbote der Bohnen
nur einen diätetischen Grund an, während andere eine
aus uralter heiliger Tradition herstammende symbolische
Ursache darin finden wollen
Folgende Symbola fuhrt der angeführte Schriftstel­
le r, mit hinzugefugter Deutung, als Pythagoreisch a u f :
« Uebersehreite die W age nicht, d.. i. weiche nicht aus
dem Maafse. Störe das Fener nicht mit dem Schwerte
auf, d. i. reize den Aufwallenden und Zornigen nicht

161) Nach Porpliyriws de Vit. Pythag, sect. 42 ed. Küster.;


womit Plutarchi Symposiac, VIIf. 7 seqq. — de educat·
liberor, p. 12. Diogen. Laert. VIII. 17 sq. Hierocles p.
297 sq. Clemens Alexandr. Strom, lib. V. p. 660 sqq. ed.
Potter. Suklas in Πυ5αγ. Hieronymus c. Rufin. T . IL
p. 166 ed. Prancof. und besonders Janiblichus de vit. P y­
thag. c. XX Iil. p. 89. p. 228 Kiesl. und im Protrept. cap.
XXI. p. 310 sqq. Kiesl. zu vergleichen sind,
162) Oder vielmehr, nach Sprengel Historia rei herbar. I.
30. der χυά/tMvvA^irnW oder der Frucht des Aegyptischen
Lotus: Nelumbium speciosum Linn.
163) Plinius H. N. XVIII. 12. Varro et ob haec Flaminem
faba non vesci tradit, q u o n i a m in f l o r e e j u s l i t e ·
r a e l u g u b r e s r e p e r i a n t u r . In eatlem p e c u ·
l i a r i s r e l i g i o ; mehrerer ähnlichen Angaben nicht zu
gedenken.
io5
durcli sebarfe Reden anf. Zerreifie den Krann nichts
d. i. nibre nicht an die G esetse, denn sie sind der Städte
Kranze· Nage das Here nicht 9 d. i. uberiafs dich
selbst nicht nagendem Hnmmer. Sitze nicht auf dem
Scheffel, d· i· lebe nicht unthätig t65>, Kehre τοη der
Reise nicht um , d. i. hänge im Sterben dem Leben nicht
an Wandele nicht auf Landstrafscn, d.i. schmiege
dich nicht den Meinungen der Menge an , sondern folge
der hleinen Zahl Vernünftiger· Nimm Sch\ralben nicht
in dein Haus auf, d. i. mache geschwätzige Menschen
Ton ungebändigter Zunge nicht zu deinen Hausgenos­
sen 1^7^· Aufladen die Last hilf dem Träger, abwerfen
hilf ihm nicht, d. i. stehe Niemand in der Trägheit bei,
fordere ihn in der Bestrebsamheit. Trage Götterbilder
nicht im Ringe» d. i· mache göttliches Wissen und W ort

i6i) Von diesem, wie von vielen andern Sprüchen , giebt


Jamblichus I. I. eine andere Auslegung· Er sagt, das
HOfi/av fMfT^wysrj will sagen: löse die Einheit des Ganzen
und seinen Einklang (ti^v ivcuciv του τΛντίς καί τψ συμχνοιαν)
nicht, sey menschlich und philosopbire gemeinsam.
165) In der χοΤνιξ (einem Getreidemaafse, worüber M a t -
t h i a e Uebersicht des Griech. und Köm. Maafs.« und
AJünzwesens S· l4 f· nachzusehen ist) liegt der Grund­
begriff der Nah ning, des B r öde s . Daher Jamblichus
hier folgenden Sinn findet: Trage nicht Nahrungssorgen
ins Geistige über, und lebe mehr der Seele und der Be­
trachtung ( , als dem Leib und dem Leiblichen.
Ueber die Bedeutungen von χοΤυιζ und Ober die doppelte
Auslegung jenes Pythagoreischen Symbols s. EustatLi. ad
Odyss. XIX. 28. pag. 6S0 Basil., dessen Erläuterungen
grofsentheils aus Athenaeus genommen sind·
166) Auch dieses Symbol erklärt Jamblichus aus dem Ziel·
punkte der Philosophie, aus der Sauareu, und giebt
die Deutung: Kehre nicht von der Philosophie zurück·
167) Nach Jamblichus eine Warnung, keinem wankclmüthi·
g^en und eitlen Schüler hohe Lehren mitzutheilen·
io6
nicbt gemein und theile es nicht dem grolhen Haufen
mit 1^^)· Bringe den Goltem Tranhopfer mit dem Ohre
des Gefäfses, d. i. ehre und preise die Götter darch
den Ton der Mnsik, denn diese gehet num Ohre ein.» —
6 o weit Porphjrius. Nicht aber blos was praktisch int
Leben eingreifen sollte, sondern auch die theoretischen
Entdeckungen ihrer Philosophie legte jene Schale in alten
tjmbolisohen Formen nieder. Man erinnere sich nur
der Prädicate, welche der Pythagoreischen Monas oder
der Einheit beigelegt werden, welche, als oberstes sich
selbst setaendes Principium, bald Hermaphroditus heifst
(nach orientalischer W eise, das Aligenngsame darsa-
slellen), bald Styx^ bald Prometheus, bald des Zeus
Thron und feste Burg Auch zum Auge redeten
diese Pfailosopben durch Symbole, die zur esoterischen
Bezeichnnng gewisser Lehren und zugleich zu Erken«·
nungszcichen für die Mitglieder der Gesellschaft geeig­
net waren. Dahin gehörte das dreifache, in sich selbst
Terschlungene D reieck, welches fünf andoro Dreiecke,
ein Pentagon, bildete <7^.

i€B) JamblJchus ! Löse des Leibes Band p so en; und behag­


lich es dich auch umgeben ma g, durch ernstes Philoso-
phiren» und denke geistig vom Göttlichen, nicht kör­
perlich.
169) Porphyr, de vit. Pythag. sect. 49 sqq. p* 4Ö Kust. vergl.
Meursii Denarius Pythag. cap. III· p. 16.
170) Lucian. pro Laps. I. 729. Tom· III. pag. 290 seq. Bip.
ibique inlerprr. pag. i$9· Spuren dieses Pentagon finden
sich auf MUnzen von Pitane in Mysien , wo es an der
Stelle der I l y g i e a steht, die auf andern Münzen dieser
Stadt vorkommt ( Die Pythagoreer nämlich nannten die­
ses Pentagon \jyUta, s. Lucian. 1. 1.) ^ ingleicben auf
Münzen von Velia (s. Velia in Lucanien von Fr. MOnter
S. 31.) Nuceria, auf Münzen der Ptolemäer und auf
G a l l i s c h e n Münzen. Daraus, wie aus andern Nach­
richten, läftt sich eohliefsen, dafs Pythagoreische Lehren
107

IKe« fShret «ns zn der ^ iisen Gallafig der mm


Aag^ redenden oder pamemiedien eymbole. Eie eben
•o ire ite r, fomtenreioher Bildereaid, v ie fener j und oo
wenig Jemand alle Tdne bitdlicher Spruchweiabeit en
beCeadgM rermag^ ao u n m ^ icb ist e# hicr, alle Bilder
m beseicbmeau

$. 45.
£a zeriallt dieat GaUung eunäcbat io die ewei Unter«
arten, in das e i n f a c h e und in das z u s a m m e n g e -
e e l s t c Symbol· Einfach yorerst wieder in doppelter
Beuehnng, einmal mit Hinsiebt auf den I n h a l t , so-
daim auch wegen der gewählten F o rm · Das Eiofache
iaHt mandhrtial in Bild und Inhalt znsamineo, wovon
besondens die alten Münzen Griechischer Städte zahl*
reiche Beispiele liefern. So Hegt in dem Bilde des Stie*
re s oder des Gersteohornes auf Münzen von Posidonia
der Gedanhe an Fruchtbarlieit« Schwane auf einem sil­
bernen Gefafee im Herculanum bedeuten den Gesang,
wie die Wespen auf dem Grabe des Archilochus den
verwundenden Jambos hezeichaetae. So wie nun irgend
etn Zoaatz, oder auch ein besonderer Umstand , einem
esofiichea Bilde eine hentehnngsreichere Ausdehnung
g ^ e n bann, und wir werden unten von der Aehre auf
M inzeii salbst Beispiele geben; so hat auch ein an sich
einfaehes Bild oft eine sehr vielseitige Bedeutnng. Einen
Beweis liefert darSehmetterling, ja zuweilen derSebmet-
tarlingsflfigeL Der Anblick dieses fluchtigen Wesens,

zu den Druiden nach Gallien fortgepflanzt worden, und


dafs das Pentagon auf Gallischen Mflnzen gleichfalls eine
religktoe Bedeutung habe. S. Eckbel. D. N. V. I. p. 63.
Uergleichen Charaktere wurden e ^ r gewisaenbaft be-·
acditet und werth geballra; wovon Aristoxenus einen
merkwürdigen Beweis erzählt; s. Diog» LiSflit« Vlü· 16.
io8
und dann die SinnTemranduchaft seines Griechischen
Namens mit der Seele reranlafste früh, den B e­
griff des Unhdrperlichen und Immateriellen mit ihm z a
Terhinden; und da, nach einer alten Yorstellungsart,
der Schlaf eine periodische Befreiung von den Banden
der Materie *war und ein Retter des Geistigen im Men­
schen ^72), so ward der Schmetterling das Bild jener
Wohlthat des Schlafes. Andrerseits als S e e l e deutete
dasselbe Geschöpf viele andere Bezeichnungen an, die
wir bei der Seele zu denken pflegen, besonders solche,
die sie innigst rühren und ihr ganzes Wesen aufregen
und bewegen, wie die Liebe. Endlich war ja der Schmet­
terling die befreiete Seele, und, Raupe zuerst, hatte
er sich aus der harten Hülle der Pappe entwanden; wo­
durch er also ganz natürlich an jene Wandelung erin­
nerte , die dem Menschen im Tode bevorstehet, und an
die Befreiung seines bessern Selbst# die er im Tode
hoffet.
So enthalt demnach das einfachste Bild eine ganze
Reibe der fruchtbarsten Gedanken. Hinwieder kann
auch ein zusammengesetztes einen einzigen einfachen
Begriff enthalten. Zum Beispiel, um bei dem gewähl­
ten zu bleiben, die F lügel, verbunden mit einem männ­
lichen Kopfe, sagen nichts mehr als der Schmetterling
allein, sie bezeichnen den Somnos. Andrerseits ist der
Fall weit häufiger, dafs durch ein zusammengesetztes
Bild eine Mehrheit von Gedanken, zuweilen eine ganze
Ideenreihe, bezeichnet wird. Wem ist nicht, um auch
hier an das Nächste zu erinnern, die Darstellung be­
kannt, welche neben einem im Buche lesenden und in

171) Aristot. Hist. anim. V. 19· (17. p. 218 Schneid.) ^vxifd.i.


φαλβινα. Mehr darOber bei den Mysterien des Amor.
172) vamjp ψυχ^ς, Plato Timaeus pag. 543. Hymn. Orph.
LXXXV.
109

Heditalion Tersiinlieneii Philosophen den Schmetterling


auf einem Menschenschädel sseigt. Hier ivird dnrch jedes
Einseine ein eigener Gedanhe in uns angeregt. Yorerst
durch das Bild der Yergänglicbheit, durch den Schädel»
die Erinnerung an den T o d , dann durch den Schmetter­
ling an die Immaterialität der Seele und ihre geistigere
Fortdauer, und durch den ernsten Denker die Ermahn
nnng, den Ernst dieser Betrachtung sum Gegenstände
unseres Denkens zu machen ^ so dafs also derselbe
W in k uns hier im Bilde begegnet, den, nach der bd-
Heren Auslegung, zwei Spruche der Pythagoreer uns
gaben ^73^.

$. 46.
Bei den zusammengesetzten Darstellungen sind nun
wieder yerschiedene Formen zu unterscheiden. Bald
erscheint das blos kyriologische Bild mit dem allegori­
schen oder mit dem symbolischen yerbunden, bald das
symbolische mit dem allegorischen , bald bildet auch das
symbolische unter sich selbst die Einheit, wohin beson­
ders die symbolischen Gruppen gehören. Für den ersten
F all kann das zuletzt angeführte Beispiel als Beleg gel­
ten , da ja Schädel, Buch und der Mensch im Philoso-
phenmantel nur natürliche Abbildungen der Sache selber
sin d , wozu dann der Schmetterling als ein symbolisches
W esen kommt.
Vorzüglich liefert aber die Numismatik, besonders
ans der Classe der Bömischen Münzen, häufig Beispiele
der mit blos kyriologiscber Abbildung yerbundenen Sym­
bolik. W ir wählen eins aus yielen , die Münze der

173) <iie Ba'jdroUf das^ Studium des T odes, cf. P I a t o


Fhaed. p. 67. p. U'ytt. p, 50 Hdf. Cicero Tusctil. 1.30.
174) S. K l o t z im Auctuarium ad Hominel. Jurisprudentia
numismat. illustrat, p. 46. E c k h c l . D. N. V. Vol. V.
1 ΙΟ

Gent Cassia eum Andenhen des wichtigen und beruKm·


ten Gesetses, welcbes durch des Yosiren mit Tafeln dem
Rdinischen Bfirger seine Stimmfireiheit sicherte» Hier
erscheint, als wirhliche Abbildung9 die in den Cemitien
gebräuchliche U rne, und, als Sjnnbol der Freiheit, die
Gdttin Libertas mit ihren behannten Attributen. Yiel··
mehr mufa aber diese F ig u r, da auf denselben Müneen
die faehmnteo erhlarendea Anfangsbuchstaben A. C. hin·»
Mgefugt sind, schon zur blos sinnbildlichen Classe ge«
redhmet werden. Für die Yerbindung des Symboliscben
mh der Allegorie liefern die Gemmen die schönsten
Beispiele. Hier erscheinen symbolische W esen, welche
der Glaube des Alterthums geheiligt und die öffentliche
Meinung langst anerhannt batte, mit solchen Attributen
ausgestattet, oder solche Handlungen Terrichtend, und
in Lagen rersetzt, die sich auf irgend eine wichtige oder
tiefe Wahrheit beziehen. W ie reich ist nicht in dieser
Gattung der einzige erotische Kreis. Hier erscheinet
Amor jezt mit der Beute des Hercules jest tragt er
die Welthugel t od er, um nenefer gelungener Alle­
gorien dieser Art nicht zu gedenhen, Amor fiihrt mit
Psyche in einem yon geschwellten Segeln getriebenen
Kahne (wie auf einer Gemme, die nns Hunter im Ab-
druche mitgetheüt b a t), und so die mannigfaltigsten
Darstellungen, welche aus der tiefsinnigen Dichtung
yon Amor und Psyche beryorgehen. Auch an solchen
W erken war das Alterthum reich, die ohne eigentliche

p. 166. Auch hat neuerlich S tie i^ litz diese Münze an-


gefabrtin seinem inhaltsreichen V e r s u c h e i n e r E i n ­
r i c h t u n g a n t i k e r M O n z s a m m l u n g e n S. 250.
175) So , am schönsten , auf einer Gemme in der Villa Pam ­
phili; 8. P r o p y l ä e n von Göthe L 42.
176) Oder Eros und Anteros halten sie· So im Florentini-
sehen Mussum· Ebendas. 43.
111

tlle(;ortiehe Besiehung awei SymbcJe, besonders Getter­


symbole, mit einander rerbanden , entweder neben ein­
ander in ruhiger Lage, oder in Handlang mit einander
verbunden , oder im Baume näher gerächt, und selbst
in einem einsigen Körper vereinigt. W ir erinnern
nur an die Hermathene, an den Hermerabies; durch
welclie letstero Yerbindung nuweilen die Vereinigung
der höchsten Hraft mit der höchsten Erfindsamkeit he-
seichnel werden sollte; so wie auch ein Theil der man­
nigfaltigen alten hermaphroditischen Figuren in diese
Gattung gehören mag. Auch hierin war der gerade
Sinn der Alten am glücklichsten. Die Neueren haben
öfter gefehlti Bekannt ist die Yorirning des Annifasl
Carrache, der durch Nebeneinanderstellen eweier sym­
bolischer W esen , des Amor und des Pan, den Säte von
der allgemeinen Herrschaft der Liebe allegorisch ange­
deutet SU haben wähnte.

Ueberhaupt finden in dieser Gattung ssosammenge-


•etster Bilder die maimigfaliigsten Verhältnisse statt.
W ir haben das AnfFallendste nur kure berühren können^
und so wollen wir denn auch letztlich derjenigen A rt
nur mit Einem W orte gedenken, die man Symbole und
Allegorien doppelter Absicht und Bedeutung nennen
konnte. Dafs nämlich ein und dasselbe Bild rerschie-
dene Bedeutungen hatte, gehet aus bestimmten Zeugnis­
sen d e r Alten hervor. Dies wäre z. B. schon bei den
I^hagoreiscben Symbolen der F all, wenn sich erweisen
liefse, dafs dort nicht blos der nächste ethische Sinn,
sondern auch der philosophisch religiöse ursprünglich
von den Erfindern jener Sprüche beabsichtigt worden
sey. Sehr häufig mag hingegen die Doppelbedcutung
in b lo ß e r Verschiedenheit der Auslegung ihren Vr-
iprung haben, die um so häufiger statt finden mußte,
je dunkler und mithin doppelsinniger solche alte Satzun-
112

gen un i Gnomen wanen Wenn iftir die rerschie-


denen Stimmen der Alten küren, so batte die alte Athe­
nische Sitte> goldene Grillen im Haare zu tragen, auch
mehr als eine Bedeutung; denn einmal solite dieser
Schmuck das musikalische Talent der Athener bedeu·
ten , andrerseits fand man darin eine Anspielung auf
die Sage, dafs die Bewohner τοη Attika Autochthoncn
seyen Nach einem andern Zeugnifs bedeutete jenes
Thier einen Eingeweiheten in die Mysterien Ob
auch hier nur eine Terschiedenheit der Deutung auzu-
nehmen sey, die man etwa einem yeralteten Sinnbilde
gegeben, oder ob in diesem selbst ursprünglich ein
Terschiedencs lag, wird sich unten ergeben, wo wir in
anderer Absicht auf diesen Gegenstand znrückkommen
werden· Bei folgendem Bilde ist hingegen die ursprüng­
liche Terschiedenheit des Sinnes und das Alterthuna
eines doppelten Gebrauchs, eines gewühnlichen und
eines höheren, wohl nicht zu bezweifeln. Ein Zweig
war bei den Alten yorerst Bild eines Grundstücks. Die
Römer brachen einen Zweig ab, wenn sie ein solches
usurpiren, oder einen rerlorncn Besitz wieder ergreifen
wollten; eine Sitte, die auch ins alte Deutsche Recht
ubergegangen w ar, wo die Üeberliefernug durch den
Zweig häufig erwähnt wird Im Griechischen G e­
heimdienste hatte der Zweig auch eine Bedeutung, a b er

177) Das war ja b e k a n n tlic h d e r e ig e n tlic h e ^


sp rechende A u sd ru c k , w o m it m a n d ie O r a k e l s p r a c l i e
b e z e ic h n e te .
178) Thueyd. I. 6. und daselbst der Scholiast.
179) Horapolio Hieroglyph. Π. 55. p. 110 ed. Pauw.
180) Die Römische Sitte berührt C i c e r o de Orator. III. 23«
— ut ex j u r e civili surculo d e f r i n g e n d o
u s u r p a r e v i d e a n t u r . Cf. Hommel. Jurisprud. u tu .
misiti· illuatr» p« 236 sqq., der von dem altdeutschen O e -
ii5

bei aller Abweichung der Meinungen über seinen wah·


ren Sinn ist doch dies gewifs , daft man etwas ganz An­
deres, etwas ^ das mit religiösen Ueberzeugungen zusam«
menhing , damit bezeichnen wollte. Und so konnte
denn dieses Beispiel zugleich beweisen, dafs, wenn man
auch im Hnnstgebiete die Entschiedenheit des Sinnes
mit Recht zu einer der ersten Forderungen an jede
bildliche Darstellung macht, und vor Allem rerlangt»
dafs die Absicht derselben nicht räthselhaft bleibe, oder
nur dureh mühsames Grübeln ausgemittelt w erde, doch
Z e it , Ort^ Umstande, und Torzuglich die A rt, wie ein
S jm bol gebraucht wird ( z . B. ob man einen Zweig
b rich t, wie im ersteren Falle f oder ob man ihn herum-
reicht» wie im letzteren), eine wesentliche und nicht
tadelhafte Verschiedenheit der Bedeutung heryorznbrin-
geu pflegen. Doch dies gebürt bereits zur symbolischen
Handlang, als einer höheren Stufe der SinnbildiiereL
Und hiermit gehen wir zu dem S t u f e n g a n g e des sym­
bolischen Ausdruchs überhaupt über.

$. 47·
In der hünstlerischen Würdigung erscheinen auf
der untersten Stufe bildlicher Bezeichnung die allego­
rischen Anspielungen auf Name n» und doch wie grofs
ist nicht ihre Zahl im Alterthume gewesen! Verwerf­
lich aber im Gebiete der Kunst sind sie aus dem Grunde,*
weil sie wegen der zufälligen Gleichheit des Namens ge­
wählt werden, den zwei Gegenstände in irgend einer

brauche redet. Vergl. J a c o b G r i m m von derPo^e-


s i c i m R e c h t i n v . Savigny*s Zeitschrift flir geschieht·«
liehe Recbtswissenschaflt II. 1. pag. 75 f« S. audi unten
den Schlaft des 50.
181) Clemens Alex. Strom. V. p. 678 sqq. Potter. Wir wer­
den auch hierauf unten zurQckkommen.
L 8
114

bestimmteTi Sprache haben· Hier hann nlaa der V er­


stand nur durch eine Art <ren Gluchafall, oder doch
durch langes Herumrathen, den Sinn der Allegorie fin­
den» Sie vberschreiten mithin das e n te Oesets der
Kunst, welches Yermeidang des Bäthselhaften gebietet.
Auch hommen sie am häufigsten in einem Kreise yon
Denhroalen yor, der aufser dem eigentlichen Kunstge­
biete liegt.
A u f Münzen, besonders auf StädtemünBen^ erschei­
nen sie als Kenn - und Wahrzeichen des Ortes 1^2)^ nnd
tragen alle Spuren zufälliger nnd aus indiyidueUer W ah l
beryorgegangener Entstehung. W enn man also yiele
Daratellusgen auf Münzen mehr zur Büderaprache ela
nur Kunst rechnen muis so erinnert yorzüglidi
diese niedrigste Gattung an einen sprechenden Ausdrnch
der Alten, die, wegen jener DunhelHeit der hildlichen
Zeichen , die Münzen Bäthsel oder auch metallene Räth-
seL Bu nennen pflegten Beispiele dieser Namen­
allegorien hat Winchelmann 1^) im Ueberflufs gegeben·
W ir wollen nur an eine und die andere erinnern, nnd
sodann einige yon ihm übergangene herausheben, die
uns zu einigen Beroerhungen über die im Alterthumc so
häufige Bedeutsamheit der Namen Anlafs geben werden.

182) Sie hiefsen γ^Μξίσματα των ire'Agojv. Procop. Gothicor. IV .


s. Casauboniana p. l4 i·
183) W ie bereits L e a s i n g gethan in <len antiquar. Briefen
llte r T bl. S. 46 f. der sSinmÜichen W erke. W ohin,
nach demselben , auch viele geschnittene Steine, wegen
ihres Gebrauchs als Siegel, gehören.
1S4) αίνί^ματα. So nennt Prudentius hymn. Π. ys. HS.
στβφ* die MUnzen des Augustus argentea aenigmata, und
in demselben Hymnus sagt er vs. von dem Bilde auf
M ünzen: aenigma numis inditum.
185) In dem Versuch einer Allegorie S. 4o.
ii5
D ie Insel Melus führte Melonen inr ihren Münzen,
m it blofser Anspielung auf den Namen dieser Insel. Die
8tedt Side in Paniphjlien wählte den Granatapfel, au's
heiner andern Ursache, als treil Side in einigen Grie­
chischen Dialekten diese Frucht bezeichnete. Der ge­
bogene Arm , mit der Beischrift auf Münzen
Ton Ancona hatte eine ganz ähnliche Namensähnlichkeit
zum Grunde, so nie die Rose, die auf den Münzen τοη
Rhodus 80 häufig gefunden wird« Han könnte, wie ge­
sagt , noch an Hehreres erinnern , was der genannte
Schriftsteller übergangen hat, wie z. B. dafs einige kleine
Inseln in der Nähe von Cjpern, weil sie Cleides *^6)
oder Schlüsselinseln beifsen , durch den Schlüssel auf
Münzen bezeichnet wurden, wenn es Terdienstlich wäre#
Beispiele zu häufen, wo eines für riele spricht. Es Ist
aber auch nicht zu leugnen, dafs diese Classe durch
MifsTerstand und falsche Auslegung oft über ihre natür·
liebe Ausdehnung von den Numismatikern noch erwei­
tert worden ist. So ist z. B. der stofsende Stier auf den
Münzen τοη Thurium nicht eine Namenallegorie, wie
B eger und Eckhel glauben, mit Beziehung auf das Grie«
chisebe ^ο^^ιος, k a m p f r ü s t i g , sondern er hat, wie
w ir unten zeigen werden , eine ganz andere Bedeutung«
Gleichwohl bleibt jener Kreis dor bildlichen Allegorie
immer noch grofs genug, und dehnet sich auch über
das Gebiet ältester S p r a c h e und N a m e n g e b u n g
aus. Sic ist aus mehreren Quellen abzuleiten. Yorerst
aus der Noth; und da diese kein Gesetz kennt, so war
natürlich auch der Charakter jener Bildersprache selten
geaetzmafsig. W ollte nämlich ein Zeitalter, das den
Gebrauch der Schrift noch nicht kannte, eine denkwür-

186) Clides beim Plinius H. N. V. 35. pag. 285 Harduin.;


KAtiSes bei Strabo XIV. p. 682. und Andere* Cf. F e i ­
le rin Recueii de MedaUlcs I. p. 38.
ii6

äige That oder Begebenheit oder das Andenhen eines


ausges^eichncten Menschen der Nachwelt uberiiefem , so
war zunächst die Wahl eines sprechenden Namens das
Mittel y der Erinnerung zu Hülfe zu hommen. Beispiele
finden sich in Menge , bei den alten so wie bei neueren
Schriftstellern , die uns τοη roheren Nationen Nachricht
gehen. Dies eine aus dem Homerns mag uns hier
genügen;
y,Hektor nannte den Sohn Skamandrios, aber die Andern
Nannten Astyanax ihn, denn allein schirmt Ilios Hektor·**

Zuweilen gab der in solcher Absicht erfundene Name zu


einem jener Bilder Anlafs, deren die alten Münzen so
yiele zeigen. Auch hier ein Beispiel statt vieler:
Der Herahlide Karanns, d er, nach einer Sage, mit
einer Argivischen Colonie in Macedonien einen Wohn­
sitz suchte, bemächtigte sich der dortigen Stadt Aedessa,
da bei einem starken Nebel eine Ziegenheerde in ihre
Thore eingelassen wurde. Jezt, im Besitze der Stadt,
erinnerte er sich des Orakels, das ihm gesagt hatte,
durch Ziegen werde er ein Reich finden, wandelte den
Namen des O rtes, zum bleibenden Gedächtnifs, in
Aegae um , und die Stadt führte fortan die Ziege auf
ihren Münzen
Doch bleibt es oft zweifelhaftt ob mehr die Noth,
aus Mangel der Schrift, oder mehr die Denkart solche

1S7) lliad. VI. 4oi. nach Vofs. M ehrere Beispiele habe ich
in Beziehuni^ auf die Geschichtschreibung gegeben in der
h i s t o r i s c h e n K u n s t d e r G r i e c h e n S. 52. Sieh·
auch Euripid. Jo n . 66f sqq. Flutarch. de Garrul. cap. 8.
und M oserad Nonn. IX. 77. p.224. Ein Deutsches Bei­
spiel ist der Name W o l f d i e t e r i c h ·
iSS) Justini Histor. VII« S. 7· Vellejus Patere. I. 6. 5. Ab·^
bildungen giebt P e l l e r i n Rcc. T« I« pl« XXX· Atyai
oder Ziegenstadt.
117

Namen und Namenallegorien erzeugte. So yiel ist ge·


wifs ^ dafs das Alterthum, aueh nach Verbreitung der
Schrift 9 aus Vorliebe zum bildlichen Ausdruck und aus
AnhshigUchheit an hergebrachte heilige S itte, sie noch
sehr häufig gebrauchte. Auch ist es bekannt, dafs V^ol*
h er, die bereits in hoher Vorzeit zu beträchtlicher
Cultnr fortgeschritten waren, namentlich auch in Spra­
che und Schrift, dennoch gerne in ihre Namen eine
Bedeutung legten, welches, nach der Bemerkung eines
neueren Gelehrten , bestimmt bei allen Namen in der
Sanskritspracbe der Fall ist. Endlich wählt auch die
geschäftige Einbildungskraft, besonders morgenländi-
scher Vfilker, die so gerne mit lebendigen Farben malt,
und insbesondere die Leidenschaft, die recht stark zum
Sinne sprechen w ill, solche sprechende Namen und die
Anspielungen darauf* Die Spruche der Hebräischen
Propheten rerweilen nicht selten in diesem Kreise. W ir
wählen ein Beispiel, das uns die Abstammung eines
Sinnbildes, eines Sinnspruebes und einer Anspielung auf
einen bedeutenden Namen in einem merkwürdigen Ver­
eine zeigt. Der Künig Krüsus drohet den Bewohnern τοη
Lampeahns, er w o lle, wenn sie einen Gefangenen nicht
losliefsen, ihre Stadt gleich einer Fichte yerderben

i S p ^ L a n g l ä s in h d i l l i n Magazin encyclop. l807. JuUlet*


p. 23. — ifDas ist auch bei altteutschen Ortsnamen häu­
fig der F a ll, sie haben mythischen und geschichtlichen
Grund. Z . B. W orms ist so v iel, als die Stadt des W ur­
mes. Xanten helfet von Xanthus oder den Heiligen so.
G oslar, Gottes Lager. Die Namensinytheii von Stras­
burg, Frankfurt, Heübronn, Magdeburg u. s. w. brauche
ich nicht zn erwähnen.^ Z u satz von M o n o .
l9 0 ) Herodot. VI. 37. Vergl. meine H i s t o r i c o r . a n t i ­
q u i s s i m o r. F ra g m m. pag. 108. Die Stadt hiefs Π/·
τυόννα, Fichtenstadt, und Griechisch mufste die D ro ­
hung sogefafst werden; Π/τυ^ββ-σαν ιτίτυος J/hjjv
ii8

Es ^ar eine Anspiclang auf einen alten Namen den Stadtj


der von diesem Baume hergenommen war. Die Fichte
galt aber auch späterhin noch als Sinnbild der Flocht
und Zerstörung , und jene Drohung eines mächtigen
Königs 'ward Veranlassung zu einem Sinnspruche. Von
Grund ans zerstören· hiefe, wie eine Fichte ausrotten*

§. 48.
Zunächst möchte sich hier die Z e i c h e n a l l e g o ­
r i e anschliefsen^ eine sehr ausgebreitete Gattung, die
von den einfachsten natürlichen Beziehungen an bis zur
Gränze des Bäthselhaften sich erstreckt. Es kommt hier
Alles darauf an, in me fern die Natur oder die Con·
vention vorherrscht. Und auch diese bat wieder ihre
grofse Abstufung, je nachdem das Conventionelle dem
Natürlichen näher stehet oder entfernter von ihm ist«
und je nachdem es auf mehr oder minder bekannten
Verhältnissen beruhet. Auch aus diesem Kreise bild·
lieber Darstellung liefert vorzüglich das Griechische AL-
tertbum Beispiele glücklicher Wahl und Erfindung^
$0 bemerkt Pausanias , dafs in einem Tempel­
bilde der Grazien, welches die erste mit der R ose, die
mittlere mit dem Würfel» und die dritte mit dem l&jr*
tenzweige zeigte, die Beziehung dieser Zeichen sehr
leicht zu finden gewesen sey, indem Rose und Myrte
an das blühende Leben und an die Göttin der Schönheit
erinnern, der W ürfel aber an die Spiele der fröhlichen
Jugend. An so natürlichen und gelungenen Erfindungen
w ar, wie gesagt, die Griechische Konst aufserordentlich

191) Artemidori Oneirocrit. II. 25. pag. 183 Reiff. E s lagen


hierbei vielleicht noch besondere Meinungen zum Grun­
d e ; s. G e l l i u s in der Epitome N . A. VIII. 4. und dazu
die Note.
192) EHac. II. cap. 24. $. 5. p. 223 Fac.
r e ic h , «ed ei ist unnSthig, die Beispiele zu hiufen·
Jen er NatHrUdtheit solclieir Zeiohen kan in FiHlen, wie
d e r bemerhie^ auch die allgemeine Uehereitihunft und
daa fierhöiriinliclie zu Hülfe. Die Myrte z· B* ΊτβΓ ein
allbekunates Anribut der Aphrodite, and der Sinn der
Rose lag gleichfalls sehr irahe.
8o sehr daher auch jenes Dänuaemde mm W esen
des Symbols gehört, so sohllefst es sieh doob, ja nur
um desto mehr, gern an das Behaunes an, wodurch
das Bfathselhofre rennieden wird. £iu Ton Alters her
gefaeil%ter Olaube , eine heirachande Yoratellang hilft
uns zur Entdeckung des Sinnes eines gegebetsen Zei-
ohens. (Seit, Ort und Umsthnde sind die übrigen HOi£ip>
]Ainel| deren eich ein weiter Hünaller bedieont. Durch
die Ümgebuog^ in die er sein Symbol binsteUt, und
durch den O r t, denn e rw ä h lt, sorgt er dafür, dafs dis
Seele eict auf die Ahnung und so aUmählig weiter auf
die Deotung des Sinnes geleitet werde. Jene Umgebung
und Umstände bilden in ihrem Zusammenwirken den
Content, woraus das Symbol, als ein eetuem Wesen
nuch dueHeler RedetheU, nun schon klarer heruortritt,
Trenn anders der Beschauer dieselben Faliigheiten mit-
bringt, die man yon jedem Ausleger zusaromenfaazgen-
der Rede fordert, ein natürliches, richtiges Unheil,
einen hellen, offenen Sinn und ein gebildetes und geilb·*
tes Auge. Die HermeiKutih der Bildsreprache theilt
mil der einer jeden meosohlichen Sprache gM cht GrandU
gesetze. W ie aber jeder geordnete Vortrag, als eine
Frucht reiferer Bildung, sich yon dem hulflosen Stam­
meln des Kindes unterscheidet, so naturgemafs auch das
letztere heifsen mufs: eben so müssen jene, wenn gleich
natürlichen, doch aufserst robon Zeichen barbarischer
Yülher gewissermafsen ein Stammeln in der Bilderspra­
che genannt werden. Es sind W erke der Noth, und
daher sind sie auch oft gesetzlos und räthselhaft. Neuere
120

Reiedieeclireiber haben es ans an Bei*|delen dieser A rt


niobt mangeln lassen, nnd Jeder wird sich einet und des
andern entsinnen. leb bleibe bet dem sinnbildlichen
Geschenke steben » das die Scythen dem Darius mach*«
ten Bei der Notbwendigkeit and Schwierigkeit, sieb
zu Terständigen, war hier gewifs die Wahl der Zeichen,
des Vogels, der Ratze {M aos), des Frosches and der
fünf P feile, glücklich und auch natürlich genug· Aber
da das allgemeine CoDTentionelle fehlte, und da die
Zieichen doch zunächst aus dem engen Kreise der Wahr«»
nebmung jenes rohen Volkes genommen waren , so war
es begreiflioh, dafs sowohl der Sinn selbst, als die tpe-
oielle Beziehung, einige Zeit zweifelfaaR bliöb. Eide
sprechende Mimik oder andere erlauterode Umstande
hätten hier den Sinn schneller anfgescMossen« Doch
auch dieser Art sinnbildlicher Bezeichnung hedieate man
eich, nach älterer Denkart, zuweilen alsdann, wenn
man Willen und Absicht in Worten dabei erklärte. Der
sinnliche Mensch liebt, zu Auge nnd Dhr anigleich sn
sprechen, besonders wo er eine eindringliche Wirkung
beabsichtigt. Die zwei Fränkischen Prinzen Childebert
nnd Clotar wollten die Kinder ihres Brnders Chlodemir
des Thrones berauben· In dieser Absicht schicken sie
zn ihrer Matter, die jene Kinder erzog , einen Boten
mit einer Scheere nnd mit einem blofsen Schwerte, nnd
lassen ihr erklären, sie müfsSen entweder ihr Haar oder
ihr Leben yerlieren Die herkömmliche Sitte dieser

193) Herodot. IV. 131 seq. und etwas verschieden davon


Pherecvdes der Lerier bei Clem. Alex. Strom·. V. p. 56^
194) Gregorius Turon. Histor. Franc, i. ill. cap. iß. Tune
Cbildebertus atque Chlotacharius miserunt Arcadium,
ctgus supra meminimus , ad Reginam, cum forcipe atque
evaginato gladio. Qui veniens ostendit Reginae utraque
diceaa: Voluntatem tuam , o gloriosissiinä Regina, filii
Ί21

Franliendynattie, in dem Haarechmnobe ein Zeidien


Biglicher W ürde su erblichen, machte das Zeichen der
Scheere, auch ohne Erhlarung, yeretändtich, die eher
doch der Bote als neue Bekrdftignng hinnnfügen mnfste·
Je naturüeher und niiher nun die Beniehnng itt^
in der das snm Ausdrucbe gemhlte Bild mit dem sm
bezeichnenden Gegenstände steht, desto weniger ist
Dunkelheit und Yieldeutigkeit zu befürchten , beson­
ders, wenn jene Beziehnng allgemein bekannt ist, oder
unter Gebildeten doch als bekannt yorausgesetzt werden
darf· Das Krokodil z. B. erinnert jeden einigermafsen
Unterrichteten sogleich an Aegypten, und insbesondere
an den N il, dessen Bewohner jenes Thier ist. Erscheint
daher ein Flnfsgott mit diesem Thiere, als Attrihnt, wer
zweifelt noch einen Augenblick, dalk er einen Nilus
sehe ? Dasselbe gilt yon dem Nil mit der ^ h in x. Das
sind Symbole, die auch jest noch Jedem yerstandUch

lui domini nostri expetunt, quid de pueris agendum cen­


seas, utrum incisis crinibus eos vivere jubeas, an utrum­
que jugulari. — Hierzu giebt M o n e noch folgende Bei­
träge : Otnit V. l6it4. Vnd globe es dem Lam parter, vnd
gib im din Fingeriin, d. h. Gelobe dem Otnit die E he,
und gib ihm deinen Fingerring· Diese Bedeutung hat der
Ring bei unsem Alten gar häufig, zu gescbweigen, wie
deutungsreich die Bilder der Wage , des Stabes , Apfels,
H ornes, SchlOssels, der Schelle u. s. w. sind« Auch bei
andern teutschen Völkern diese Bedeutsamkeit ln BQ-
schings Erzählungen des Mittelalters hat Pouqud eine alt-
englische Romanze aus Percy*s Sammlung übersetzt, worin
es«(Bd. f· S. 5.) heifst: die EUchter gaben der Frau , die
den William verrieth : sie gaben ihr recht ein gutes Kleid
von S c h a r l a c h zum Gewinn. Und noch jetzt beschimpft
das teutsche Volk einen schmeichlerischen Verräther mit
dem Ausdruck: er habe einen r o t h e n R o c k verdient,
welche Redensart wegen der Alliteration ein aehr hohes
Alter verräth«
is a

«prechen. W eniger ist dies bei lolehen der F a ll, deren


Beeiebnngen den Alten geläufiger waren« Hierhin
mdehten wir die auf Münzen, beeendert dee Kaiser Ha-
drlanu·, so häofige weibifebe Fignr mit dem Sborpion
in der Hand, oder mit der Elephantenbaut, als Hopfbe-
declcnng, rechnen, ein den Rdmem bekanntes Bild τοη
Africa·

Zuweilen traf bei den sinnbildlichen Zeichen der


Alten die allgemeine Bekanntschaft eines natürlichen
Verhältnisses und eines historischen Umstandes anfs
glücklichate zusammen, und konnte auf diese W eise nie
seinen Zweck serfehlen. Jeder Grieche, der eine Münze
mit dem Kopfe des Jupiter Ammon und mit der Laser«
pizpflanze sah, wufate, ohne die Inschrift zu besehen,
daib er eioe Münze τοη Cyrene in Händen habe. Das
dortige Ammoninm war weltberühmt, und dalh in Cyre*
naica diese Staude einheimisch sey, allgemein bekannt
Der Palmbaum hingegen, auch nicht ungewöhnlich auf
Münzen jenes Griechisch - Africaniscfaen Staates, be-
dfurfte schon bestimmter Inschrift, weil er als Zeichen
Ton Phonicien, Arabien und andern Ländern, die ihn
trugen, auf Münzen Torkam.

195) Von dieser Pflanze, die die Griechen τ/λφίβν, die Römer
silphium und laserpithim nannten, giebt Theophrastus
Hist, plant« lib· VI. cap. S. und dessen Ausleger, Bodäus
a Stapel, eine genaue Beschreibung, wozu in der Ausgabe
von BodSus einige Abbildungen nach der Natur hinzuge«
fDgtworden; cf. Plin, H. N . XIX. 3. sect. iS.· Schöne
Abbildungen der Mttnzen von Cyrene mit diesem Bilde
liefern Spamheim de Us. et P . N . 1. 293 s q q ., besonders
F e l l e r i n Rec. III. pl. LXXXVI. Jene Pflanze war
der Landschaft Cyrenaiba eben so eigenthflmtich, als der
Lotus Aegypten. D er P s l m b a i i m auf Mttnzen von
Cyrene ist ebenfalls bttufig; s. Pcllerm 1. 1.
ia 5

So wie hier mii^ der Erweiteranf; det Bemhung»-


lurebee die KUrheit etufenveiie idmimiatt «o kam ein
pvk enger Kreit det Bildlicha« mm Ralhtelluiftea lOh·
reu* W ir reden hier von tolehen Siimhildem, y/otta
nnr mnige Mensehent die eine 2unft oder GetelUcktft
für aich bilden , in dieter Getelbchaft selbat den SchliU»
tel £nden können·, oder toleh e, die auf indiridaeUer
Ansicht oder auf eigensinniger Wahl det Einnelnen be*·
ruhen· Hier 'wird das Dargestellte der allgemeinen
Sphäre mensdtUohen Wissens und Denkens entHiekt;
und die Bilderspraebe artet, 'wie ein geistvoller SchriA-
nteller stark, aber 'wahr tagt endlich in ein Ana­
logon von Zigennectpracbe aus. Sollten bettimmte
Sünde oder individuelle Yerhältnisie deutlich nnd ge­
fällig angedeutet , to mufs es durch Zeichen ge­
schehen , die man, als allgemein vectländlich, m e n t c h -
l i e h e Zeichen nennen kann. W ir entlehnen von dem
genannten Schriftsteller ein Beispfel dieser guten Art.
E t itt dat Sinnbild det Ankers und der Garben auf
dem Siegel einee Unbekannten, wodorcb Hoffiinng nnd
Frueht, Bemühen und E rw erb, treffend versinnlicht
wird·

5· 49·
Daft die Alten auch dem S t o f f e ihrer Bildwerke
eine allegoriadie Bedeutung gegeben haben, versichern
mehrere Sohrifttteller. So war B· nach Pautaniaa
Bericht ein Schnitzbild der Aphrodite nu Temnut,
detten Errichtung man dem Pelops zutchrteb, aut einem
weiblichen Mjrtenbanme gemacht. Han hatte auf der

J96) M e y e r zu Winckelmanns Versuch einer Allegorie


S. 741*
197) Eliac. L cap. IS. $· 4· p. SG Fac·
124

Insel Naxas eia BaeolmsUM ron dem Uotce des Wein·


sioclis, anderer Beispiele nicht bu gedenken» wobei die
Bteafasichtigang einer solchen Anspielnng Bweifelhafter
ist« Auch scheinen selbst die beglanbigten Falle dieser
A rt entweder der a llen » noch rohen Kunst anBugeho-
r e n » oder einer Zeit» die schon wieder das Dankele der
bildlidien Anspielnngen lieble· Des Innere des Mate·
rials wird auch um so weniger beachtet werden, je mehr
das Verdienst der Form den Geist des Beschauers be­
schäftigt. In der A r c h i t e k t u r , die durch grdfsere
Maasen wirkt, könnte vieileicht die allegorische Wahl des
Stoffes von gröfserem Einflufs seyn. Gewisser aber und
bloiiger allegorisirte die Baukunst der Alten und Neueren
durch die Form Dafs diese Gattung im alten Ae­
gypten besonders beliebt gewesen, ist bekannt; und
wenn man auf die Beschreibung achtet, die Herodotus
won der inneren Einrichtung des Aegyptischen Laby­
rinths giebt» so wird man die Meinung yielleicbt immer
noch am wahrscheinlichsten finden, dafs es eine arohi-
tektonisobe Darstellung des Thierkreises gewesen sey.
Auch, das älteste Grsechenland hatte seine Labyrinthe»
so wie ihm auch fernerhin die allegorische Baukunst
nicht fremd war. Man rechnet dahin den achtseitigen
Thurm der Winde in A then, dessen acht Seiten genau
nach der Richtung der Winde gekehrt standen. Selbst
das Römische Pantheon setzt man in diese Classe. Dafs
die Gothische Baukunst aber besonders den symboH-
soken Auadruck liebte» sowohl im Gänsen der Gebäude,
wie in der KrcuBform, in den Gewölben und in den

198) D aher die symbolische Architektur der SabäischenTem­


pel y deren Form nach den verschiedenen Gottheiten ver··
schieden war. S. G ö r r e s Mythengeschichte 1. 289. und
daselbst Maiinonides M ore Nevochim cap. 29« undAbuU
pharag. hist. Dynast· p. 2.
1^5

bimmelaiietrebenden Thurmen der christlichen Kirchen^


als auch in den etneelnen Ban Ornamenten, ist ton meh­
reren Schriftstellern und besonders neuerlich schaff-
sinnig ausgesprochen worden

W elchen Gebrauch die Alten τοη der F a r b e in


der Symbolih gemacht» bann jest, wegen des fast all­
gemeinen Untergangs ihrer Malereien» nur noch Termn-
tbet werden· Doch läfst es sich im yoraus erwarten»
dafs ihre symbolische Denbart, besonders unter dem
Sinflufs bunstlerischer W eish eit» auch dieses Mittel
nicht yerfchmiht haben werde. Die Griechen» der Na­
tur nSher als w i r » und unter einem freundlichen Him­
mel lebend» beobachteten gewifs genau» welche W ir-
bung die yerschiedenen Töne des Lichtes und das man­
nigfaltige Farbenspiel in der Natur auf das Gemuth
beryorbringen. Mehrere Beschreibungen yon Gemäl­
den bei Philostratus lassen uns nicht zweifeln» dafs auch
Licht und Farbe mit tiefer Bedeutung und sinnyoller
Beziehung yon ihnen gebraucht waren· Dürfen wir uits
selbst eines allegorischen Ausdruebs bedienen» so mufste
das gleichsam yerbörperte Licht dem Symbol» als der
yerbörperten Idee» yorzuglicb befreundet seyn und ihr
zum yielfachen» zarten Ansdruebe dienen. Um auch
aus dieser Gattung Beispiele zu geben» wollen wir zu
den Bemerbungen Wincbelmanns und seines einsichts-
Tollen Herausgebers» im sechsten Capital des Versuchs
über die Allegorie» einige Zusätze und Bemerbungen
liefern. W ir gehen yon den Gemälden aus. Bei Phi-

199) Ich erinnere an die vielleicht weniger bekannt geworde­


nen Bemerkungen von A. A. £ · S c h l e i e r m a c b e r
in seiner inhaltsreichen G e s c h i c h t e T h e o d e r i c h s
d e s G r o f s e n S. 301 f. des Rheinischen Tasohenbuchs.
Darmstadt 1810.
1^

loetratüf und in einem Herculanischen Gem^de hat


Bacchus ein rothes Gewand» das ihm auch eine Inschrift
beilegt Winchelmann bezieht dies auf die Farbe des
Weines. Yielleicht fuhrt uns aber die Bemerkung des
im ersten Gemälde dargestellten Moments und eine Er-
innernng an andere Bilder jenes Gottes auf eine andere
Deutung. Bei Philostratus kommt Dionysus eben bei
der Ariadne an. Es ist der siegreiche Bacchus in der
Tollen Glorie seines Sieges. Sollte vielleicht diese Herr­
lichkeit des Triumphs durch das volle brennende Colo-
rit des Purpurs angedeutet werden? Dafür spricht
Mehreres. Vorerst die alte Sitte» nach der man die
Schnitzbilder dieses Gottes» aber nicht dieses Gottes
allein, sondern auch anderer» besonders der Naturgott­
heiten» des Pan, des Priapus, der Satyrn, ja , nach
Plutarchus, gar die Bilder aller Götter roth anmalte
Durch diese rohe grelle Farbengebung wollte man ver-
authlich das volle Leben der Natur und» wenn die
Sitte wirklich so allgemein war, wie Plutarchus ver­
sichert , vielleicht zuweilen die glorreichen, herrlichen
Olympier recht kenntlich machen. Darauf fuhrt auch
der Gegensatz. Der unterirdische Osiris» den Herodo-

200) Philostrati Iniags:· I· 786. Pitture d’Ercolano Tom . 11.


T ab. 13. 16. Dorville ad Chariton. p. 385.
201) Pausan. Achaic. 26. $. 4. Arcad. 39· $· 4. p. 475. F lu-
tareb. Quaest· Rom. 98. Osiris in einem Herkuianischen
OexniUde auf s c h w a r z e m Grunde, mit b l a u e m Ge-i
s ic h t, b l a u e n Fttfsen und A erm en, gemalt. Pitture
d’Ercol. Tom . IV. T ab. 69· Conf. Winckelmann Gesch·
d. K· I· $. 87, welcher Macrob. Saturn· I. 19· aiiführt,
zum Beweis, dafs dadurch die Sonne angedeutet werde»
wenn sie unter unserer Hemisphäre ist. So finden sich
die Aegyptischen Götterbilder immer mit denselben be··
stimmten Farben gemalt; vergl. J o m a r d in der D e-
scription de TEgypt· Antiquib Tom . 1· cap» I. p· 30·
127

tos snsdroclilich Dionysos nennt, der Aegyptier aber


unter dem Namen Serapis früh rerebrte^ ward als HS·#
nig des Todtenreiches mit schwarzer Farbe angemalt

Doch welche Beziehung auch jene Maler gedacht


haben mögen ^ die alte Sculptor wählte, nach ausdrück­
lichen Zeugnissen, die Farbe des Gesteins zuweilen in
allegorischer Absicht« Die Memnnnsblilder waren, nach
Philostralus ^ ) , aus schwarzem Steine gebildet, worin
Manche eine Anspielung auf den Aethiopier finden wotl·
ten. Dies erinnert an eine Stelle des Pausanias, wo
dieser vielgereiste Mann ausdrücklich yersichertt die
Flufsgotter seyen τοη den Alten insgemein aus weifsem
Marmor gebildet worden, nur zu den Bildsäulen des
Nilus habe man schwarzes Gestein gewählt, zur Erinne-

202) Clement. Alexandr. Protrept. p. 42. Auch scheint man


andern Gottheiten in ähnlicher Beziehung die s c h w a r z e
Farbe gegeben zu haben. £useb. Praepar« Evang. III«
4 l. S c h w a r z und b l a u wurde auch der SabUische
Planetengott Saturn y als Beherrscher der tiefsten Aethio«
pisefaen Zone und der Wintersonne (Stembocksperiode),
vorgestellt, und an gewissen Festen erschienen auch
seine V erehrer so ; Firmicus lib. 11. cap. 10. Ptolem«Te-
trabyblos ff. cap. 8. und auch nach dem Dabistan« conf«
G ö r r e s Mythengesch. I. S. 291. Bei denselben war
Jupiters Bild e r d f a r b i g (aschgrau) und f e u e r f a r · ·
b i g ; M ars von r o t h e m Steine und der Sonnengott
g o l d e n ; Venus r o t h , M erkur aus b l a u e m Steine;
der Tempel des Mondes aus g r U n e m Steine; s. eben­
das. S. 290 ff.
203) Vita Apollonii Vf. cap. 3. Tzelzes Chiliad. VI. hist.
64. dagegen nennt hier den Pyrropoecilus. Dies wäre
also der S y e n i t , s. Plinius H. N . XXXVI. cap. 8. 13.
N ach Fea zu Winckelmann Gesch. der K. I. S. 359 f.
der neuest. Ausg. wäre der Pyrropoecihis wahrscheinlich
G r a n i t und nicht P o r p h y r «
138

rong an seinen Aelhiopisclien Ursprung ; eine Beob-


achttfng, die man neuerlich noch auf eine Nilbuste τοη
schwarzem Marmor in dem Museum Napoleon angewen·
det hat· Die dunkelblaue Farbe wird Ton den Indiern
bezüglich auf das W asser, als das Grandelement nach
ihrer Kosmogonie, gebraucht· Daher gab man diese
Farbe dem Narajan, als dem ersten Beweger der Ur·
gewasser. In der grolsen Cisterne zu Catmandu, der
Hauptstadt τοη Nepal, befindet sich ein grofses wohl
proportionirtes Bild τοη blauem Marmor, in zuruchge-
lehnter Stellung, das den schaffenden Narajan auf dem
W asser schwimmend darstellt
Die neue Malerei hat die W ahl der Farben oft sehr
bedeutungsToIl ängewendet· So beschrankt auch, nach
der Bemerkung eines Kunstrichters, der Kreis sejrn mag,
in welchem die Tollständig allegorische W irkung der
Farben anwendbar is t, so haben doch auch dieses W e­
nige gute Künstler mit reinem Sinne aufgefafst und weise
benutzt.
Die weifse L ilie, zwischen Maria und Joseph aus der
Erde erwachsend, bezeichnet schon durch die Farbe
die Reinheit dieses Yerhältnisses , wenn anders diese
Dichteridee τοη einem Künstler wirklich gebraucht

201) Arcad. cap. 24. $· 6.


205) J o n e s Asiatische Abhandlungen I. S. 225 f· In den
Tempeln von Philae und Elephantine sieht ma n , was
schon E u s e b i u s (Praepar. Evang. Hb. 1II. 2.) bemerk­
te , den Gott mit dem Widderskopfe b l a u gemalt. Und
diese Bilder sind noch heut Su Tage anzutrefien· S. J o -
mard Description de TEgypte T . L cap. 3. $· 5. pag. l6.
Nach demselben Autor (Euseb. I. l(h) ward Kneph von
den Aegyptern b l a u und in menschlicher Gestalt gebil­
det. S. Jom ard 1.1. und TergU ebendenselben 1.1. cap. U
pag. 31·
129
Ifrorden ist. Bafs aber Maria als Himnielslioiiigin das
blaue Gewand hat« scheint eine unabänderliche Conyen·
tion sinnvoller Malerei geworden zu sejn. Auoh in die«
aer Hinsicht gewähren uns die altdeutschen Gemälde ^
aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert#
welche der Sorgfalt einiger einsichtsvollen Kunstfreunde
ihre Erhaltung und erste Würdigung verdanken, eine
freundliche Erinnerung· ln der Farbe der Gewänder
heiliger Personen, besonders der oft verkommenden
Ap ustel, zeigen sich Sporen allegorischer Bedeutung,
die der natürliche Sinn dieser altdeutschen Künstler eben
so ungezwungen als sicher zu erreichen wufste

206} In der Sammlung der Herren B o l s s e r ^ e s und B e r «


t r a m·
20T) Hier bemerkt M o n e noch Folgendes: Jesus hat aüf alten
Gemälden fast durchgängig ein »Öthliches Kleid, als Sol no«
vus, wie ihn Kirchenvaternennen, ebenso die ahen Sonnen«
g ö u e r, Sigfrit weifs (von s n e h l a n c h e r varwe ir ros
uut ouch ir chleit. Nib. L. I6l0.) und Flos rotb tfnd weiik
(Pfalz. Hds. ^'o . 362 . BI. 73. h .) , und die bedeutnamige
BUnkßos wird bluu gemalt. Hagen und sein Bruder
D anebw art, als Feinde Sigfrids, sind schwarz wie der
Teufel gekleidet ( — di degene von r a b e n s w a r z e r
v a r w e trugen riehiu cbleit. Nib. L. 162.).). Von der
merkwürdigen Farbenlehre im Tilurcl und Parcifal hat
J . Grimm ein auffallendes Beispiel erläutert (Altt. Wäld·
Bd. I .} , und in den katholischen KirchengebrSuchen
wird' diese Farbendeutung noch jetzt beobachtet. Bei den
feierlichen Processionen wird nämlich an vielen Orten
eine rothe Fahne bei der männlichen Jugend getragen, als
S tich en der Kindheit und L iebe; eine blaue bei den
M ännern, Beständigkeit, T reue und fester Sinn ; eine
veifse bei den W eibern , Sittsamkeit und Reinheit. Eine
schwarze Fahne bei Leichen; grüne und gelbe hab* ich
nie gesehen. Blau (schwarzblau) ist auch die Farbe der
T ra u e r, darum hat der Priester in der Fastenzeit ein
blaues Mefsgewand an , und wenn es der stillen W oche
I· 9
lOO
§. 5o.
G ieb t d ie geschickte An v o n d a n g dci* F a rb e oft
glückliche A llegorien , v e il let'/*tere allgem ein verstand«
lieh 2um A uge s p ric h t, so itiufs dies in noch höherem
G rad e von dem allegorischen G eb rauche d e r H a n d «
l a n g e n gelten. D ieses F e ld v a r bet den A lten von
aurscro rd cn tlich cm Um fange. B c iu h e te doch ein g ro ­
ß e r l'h e il ih r e r R eiig io n su b n n g darauf. A b er aucli
S o n st, im ufllemlichcn %vic iin P riv a tle b e n , b ediente sich
das A lterth u m häufig dieses A usdrucks. E s findet d a h e r
h ie r m eh r noch als bei an d eren A rten eine m annigfal­
tig e A bstufttng statt. D ie K unstlehrey ih re n eigenen
G esetzen g e t r e u , v e is e t n atü rlich denjenigen sym boli­
schen u n d allegoiisclien H andlungen den e rsten R ang
a n , d ie , v e il sie d e r ΒοϋιΓιΙΓο co iiv en lio n eller Z eichen
nic h t b e d ü rfe n , so n d ern d u rch sich selb st sp re c h e n , atu
re in s te n u nd selbstständigsten ersch ein en . D och v o lle n
v i r h ie r einige Y o rstu fe n ra ith e ro e rk en , v e il sie se h r
ch a ra k te ris tisch e Z eichen a lte r D en k art s i n d , un d dann
E iniges auszcichnen , v a s sich a u f D enkm alen als v o r­
züglich rein b e v ä b ie t. Z u v ö rd e rst u a r die allegorische
H an d lu n g im O rie n t Läufig Gehülfin o d er Stell V ertreterin
d e r öffentlichen R e d e , b eso n d ers in n ich tig en L agen,
v o s c h n e lle , ein d rin g lich e W irk u n g iiöthig v a r . B ei­
spiele finden sich in den H ebräisclien P ro p h e te n . So
z e rb ric h t Jerem ias , a u f B efehl des J e h o v a h , ein ird en es
Gefäfs v o r dem ganzen Israelitisch en V o lk e , um das
bcv o rstcL en d e Schicksal von Je ru sa le m zu b ezeichnen.

n a h t , so w e rd e n in d e n k a tliü lis c lie n K irc h e n die C ru c i­


fix e m it k la u e n T ü c h e r n v e rh ü llt. S o ist M aria*s b la u e s
G e w a n d m a n c h m a l e in T r a u e r k le id . S e lb s t b e im V o lk
ist diese F a rb e n d e u tu n g . A n v ie le n O r te n am R h e in u n d
in m e in e r Ila im a t h a b e ic h m a n c h e B e m e rk u n g d e r A r t
g e m a c h t.
i5 i

Hierher gehört auch das auf den Nachen dieses Prophe­


ten gelegte Joch. Bei den alten Römern warf der Pater
patratus, zur RricgsanUundigting, an der Gränze einen
8 picfs ins feindliche Gebiet; und um eine Regel der
Staatshlugheit recht lebendig zu machen, rupfte einst
Thrasybulus die hervorragenden Acliren aus Hier­
her gehört auch die sinnbildliche Ermahnung, durch
die Herahlitus vom Rednersiuhle herab seine Mitbürger
zur Eintracht stimmen wollte. Er füllte einen Becher
mit W asser, mischte Mehl und Polcy damit, und tranh
ihn , ohne weiter ein W ort zu sagen , vor der \^ersafBm-
luDg aus, die aber aus altem Gebrauche die Bedeutung
dieses Mischtranhs und den ethischen und politischen Sinn
dieses Trinkens bannte ^ ). ln dem ganzen AUerthume
waren die höclistcn Ahnungen des Menschen und seine
wichtigsten Erinnerungen durch symbolische und allego­
rische Handlungen versinnlicht. Die ältesten Feste, was
waren sie andei^s, als die in Handlung verwandelten
Jahresepochen, nebst dem Angedenken an die grofsen
Wohhhaten des Ackerbaues und der Cultur. Es war
ein heiliges Jahr, verkörpert durch einen Kreis allego-
rischcr Handlungen ; zuweilen mochten diese, in Er­
mangelung der Schrift, die Stelle geschriebener Annih·
IcB vertreten. Jedoch auch bei schreibenden Völkern
(man ei'innerc sicli nur an das Lampeiifest zu Sais), und
nach späterer Einführung der Schrift, bleibt, aus An­
hänglichkeit ans Alte, die Sitte, die wichtigsten Mo­
mente des Glaubens und ΛVisscns durch Handlungen za
befestigen. Doch ward hiev die gottesdienstliche Mimik
durch mehr oder weniger reichen Tempelapparat unter-

20b> Die Beispiele sind auS folgenden Stellen genommen: J e -


rem. 19 und 2S; Herodot. V. 92. 6.
209) PJutarclu de garruiit. p. 58, wonach die Mäfsigkeit em­
pfohlen wrerden sollte.
i5 a

«tützt. Der Oberpricster slellle gctiuhnlich die Gottheit


des Ortes selber v o r , wie denn z. B. bei den Pbeneaten
der Priester mit der Masbe der Demeter^ welche das
ganze Jahr über unter einem heiligen Steine l a g , am
Jahresfeste der Güttin sein Gesicht bedeebte 2t0). Solche
Maskenzüge waren ein wesentlicher Theil des altgrie«
chisehen Geheimdienstes. Die Campaniseben oder No-
laniscben Vasen, so wie die von mehreren anderen
Städten Grofsgriechenlands, zeigen uns in ihren Male­
reien noch jezt das Schauspiel solcher masbirten Tem-
peifiguren, aus deren Mimik das alte Drama erwuchs.
MamenlKch umfafst auch das G e b i e t de s R e c h t s
im Alterthume, und insbesondere bet Griechen > Rü«
mern und Deutschen, einen sehr ausgedehnten Kreis
von s y m b o l i s c h e n H a n d l u n g e n . £s genüge uns
liier nur einige Fingerzeige und Naebweisungen zu ge­
ben. So will ich z. B. in Betreff der Griechen nur an
ihr Verfahren in Criminalfallen und an den Hergang
peinlicher Rechtshandlungen erinnern, wie solcher beim
Areopag und bei den Ephetengerichten (in i Ι1αλλα9ίφ^
in l IlfVTareiip, iv Φ^εάττη^ in i Αελφινίω — worüber
ich eine nähere Erörterung einem andern Orte vorbe·
halte) übliefa war. Nicht weniger gehören die Nuptial·
gebrauche der Gnechen und Römer hierher. Hier und
dort erinnert sdion die Juno einnia, die ζνγίεη
(^σνζνγί<κ 2llj^ 90 Jio Βιάζενξις oder das διαζνγιοί^^

210) Patisan. Arcad. cap. 15. $» 1. p. 395 P ac., welche Stelle


aiicb deswegen bemerkenswerth is t , weil neben d e r
Maske alter Schrift oder aller Charaktere gedacht w ird,
die in demselben Petroma (heiligen Steine) lagen. Cha—
ractere » auf bleiernen Tafeln geschrieben , gehörten auoli
zum Tempelapparat eher Gottheiten in M essene, sieh ,
ibid. Messetiiaca cap. 2D. §. 2. p. 526 Fac. cap. 26. §. 6·
p. 549. c. 27. $· 2. Von dem Geistersteine (lapis Manalis^
und von dem mundus patens bei den Römischen Religionen.
211) S. die Citate in meinen Meletematt. 1. p. 30. not. 28.
lOO

an agrarische Carimonien , wahrend die von der ordent­


lichen Ebescheidong gewöhnlichen W orte: Sttaiov odev*
diaiaiovy τοη mosihalischen Yerhaltnissen entlehnt wa­
ren Sehr charahterisch waren hierbei besonders die
Gebranche der Röm er: die claviam traditio und adern·
tio ( Cicero Philipp. II« 28. nnd daselbst Abramius p. 542
8f. GraeT.) und so viele andere, die man bei Grupen^^^}
siemlich vollständig beisammen findet. Den sjmboli·
sehen Gebrauch des U s n r p i r c n s haben wir oben
($. 46. am Ende) hürKHch berührt. Hier will ich anm
Schlafs nur an den s y m b o l i s c h e n k ö r p e r l i c h e n
S t r e i t bei der E i g c n t h u m s h l a g e (lis vindicia«
rum 214) erinneni. — Denn um sich von der Hcrrschai^
des Symbols in alt Römischen ünd alt Deutschen Gerich­
ten emen Begriff au bilden, mufs man doch nachlesen,
was von gelehrten Männern Eigenes darüber gesammelt
und bemerht worden ist 21^).

211} Photins in Nompeanone Tit. XIII. cap. 30, aus den Di*
gesten XXfl. 3. 24. VergU Ducangii Glossar, med. et
mf. Oraec. I. p. 291. Suicer. T hes. eccles. I. 907. H e-
syeb. 1. p.986 A lberti, und Aristoxeni Fragmm. p. l72
sq q . ed· Mahnti.
213) Tractatio de uxore Romana. Hannover« 1727.
214) Cicero pro Muraena cap. 12. Gellii N . A. XX. IO. Fe­
stus in voce. Superstites und Vindiciae, und darüber v. Sa·
vigny in der Zeitschrift filr geschichtl. Rechtswissenschaft
111. 3. p. 422 ff.
213} I c h nenne hier nur H o m m e l Jtirispnidentia numisma­
tib u s illustrata mit dein Auctarium von K l o t z dazu.
H o f f m a n n Specimen jarisptudentiae syiubolicae vet.
G e rm . C. G. 1) Üm g d Symbolik Germanischer Völker
in einigen Rcchtsgewohnheiten , und « l a c a b G r i m m
v o n der Poesie im Recht in v. Savigny*s ZeitschriR fOr
geschieht]. Rechtswissenschaft II. 1. p. 25 ff., besonders
$· 10 ff. Beweis aus Rechtssymbolco p. 76 ff.
i 3/l

5i
Je n e festlich en llancllungcn g eh ö ren z a den A lle­
gorien g em ischter F o rm . Z eichen u n d A ttrib u te m an­
ch erlei A rt u n te rstü tz te n die gottesdienstliche Mimih,
d e r d u rch M ashen und Anz ug noch bcstim m fere B ezie­
hu n g gegeben w u r d e ; und n eb en b ei e rh ie lt ja gew öhn­
lich d u rch Schrift; und B e le h r u n g , die man den E inge-
Λvcibeten m itth e iltc , alles U eb rig e seine b efriedigende
A uflösung. D ad u rch so rg te die R eligion fü r die höch­
sten B ed ü rfn isse des M enschen. D ie H n n st, d e r solche
Zw eche frem d s in d , fo rd e rt v o r A llem , dafs jed e A l­
leg o rie u nd also auch die allegorische H an d lan g d u rc h
sich selb st s p r e c h e , und d e r b eihelfenden Z eichen im m er
m e h r e n tb e h re n le rn e . Λ’^οη diesem M ehr o d e r W e n ig e r
lie fe rt die G riechische K unst zah lre ic h e B ew eise. W i r
Wahlen h ü rz lic h einige z u r E rlä u te ru n g aus.
So h atte z. B. die zu S m yrna v e re h rte N em esis
F lü g e l als A nspielung a u f die S chnellighcit« w om it
diese G ö ttin den TJeberm üthigen e r e ile t, die B ham nn-
sische h atte heine F lü g el. Nem esis h a tte häufig d a s B a d ,
als Z eichen des U m schw ungs, Λvodurch sie das a n g e ­
m essene G lück des S tolzen w ie d e r ins G leichgew icht
b rin g t» wie denn auch die Sphinx m it dem B ade das v e r­
b o rg e n e W a lte n d e r die sittlicb e H arm onie b e fö rd e rn ­
den Nemesis b ed eu tete. Sie batte f e rn e r das Maafs o d e r
R ic h tsc h e it z. B. a u f M ünzen d e r S m y rn aer 217^, S o

S l6 ) P a u s a n . A d ic . c a p . 33. $ . 6.
2 t7 ) B ei L i e b e G o tlia n u m a ria p . 2 8 2 , w o die b e id e n N e -
m e s e s e r s c h e in e n , die zu S m y rn a v e r e h r t w u rd e n . H e r ­
d e r h a t m it R e c h t m if d iese M U nze a u fm e rk sa m g e m a c h t,
u m g e g e n W in c k e lm a n n zu b e w e is e n , dafs N e m e s is z u ^
w eilen w irk lic h d a s M a a fs a ls A ttrib u t f ü h r e , s. Z e r s t r «
B lä tte r II . S. 2 i7 . W i r h a b e n die M ü n z e a u f d e n b e ig e ­
fü g te n K npfcrlafeh} m itg e th e ilt.
i55
hatte sie auch als Attribnt den Zaum, weil sie die un-
gebäodigten Begierden äugelt, und die Schleuder, weil
sie auch in der Ferne erreicht, Aber auch ohne alle
diese Attribute, blos durch eine sinnroli gewählte Mi­
m ik, verstand die Griechische Kunst, die hohe Göttin
des sittlichen MaaPses kenntlich ssu machen. Wenn auch
die Bothwendig gewordene Ergänzung an der marraor-
nen Bildsäule der Nemesis 21^), welche Winckclmann
erläutert hat, nicht entscheidend darüber urthcilcn laPst,
ob dies bei diesen der Fall gewesen, so erscheinet siq
doch hier ohne alle die angegebenen Attribute. Durch
einen sprechenden Gest giebt sie sich als Göttin des
MaaPses en erkennen, indem sic mit der linken Hand ihr
Gewand gegen die Brust heraufheht, und dadurch mit
ä rem Arme das MaaPs abbildct, das die Griechen die
Elle nannten. Dieser Zug und das Neigen ihres Kopfes,
das ihr sonst beigelegt wird, und worin man bald Selbst«
prufong und Bescheidenheit, bald den Blick ins Verbor­
gene and das ernste Nachdenken erkennen will, geben
ohne alle weitere Zeichen die wesentlichen Eigenschaften
jener Gottheit zu erkennen, und sagen uns im Bilde,
was der Dichter 2*^) in folgenden zwei Versen sagt:
„U nd missest stets am Maafs der Sterbliöhen Leben ab,
Und blickest suin Busen hinunter mit immer ernstem
B lick.“

Durch unzählige Zuge dieser Art ItePse sich beweisen,


wie der Grieche in eine allegorische Handlung eine
groPse Bedeutung zu legen wiiPste. W ir erinnern noch

2tS) Aus Her Villa Albani, s. Winckclmann monuinenii in­


editi I. No. 21.
219} Mesopaedes in dem tlymmis auf die Nemesis , in der
Griechischen Anthologie 11. weichen H e r d e r a. a.
O . Qbersetz: gegeben hat.
i56
an einige· Helius ^ als Sonnengott, ist bald dorch das
Tiergespann, bald durch andere Attribute, henntlich
genug. Die bestimmte Idee, aufgebende Sonne, 'wird
durch die H a n d l u n g erreicht, in die die Kunst den
Sonnengott versetzt. So erscheint er auf einer schouen
Münze des M· Aurelius von Nicaea in Bitbynien nacht,
auf einer Quadriga d ie W o l k e n h e r a u f f a h r e n d ,
oben der Zodiakus, unten die Tellus mit Füllhorn und
Aehrenbüschel Dafs aber die Griechen auch feinere
Beziehungen und zartere Eigenschaiten des Geistes und
Herzens durch sprechende Mimih oder durch Handlung
anzudeuten verstanden, beweiset eine ganze Reihe von
Denkmalen nebst zahlreichen Nachrichten der Alten.
Seihst abstracte Begriffe wurden zuiveiien durch Hand­
lang verkörpert. So traten die Horen und die Aedo,
welche nebst der Fama bei den Athenern Altäre hat·
ten 221^ ^ lebendig vor das Auge. Die Tänze der Horen
sind bekannt. Das zuletzt genannte Wesen wurde eben«
falls durch einen ganz einfachen Gest in der Kunst ver­
sinnlicht· Da dieses Beispiel zugleich zeigt, wie gluck·
lieh der helle Blich der Griechen die Natur beobachtete,
und wie sicher die Künstler dieser Nation znm Ziele
trafen, will ich die Erzählung des Berichterstatters mit-
theilon 222^ · ^Die Bildsäule der Aedo (Schaamhaftigheit)
stehet etwa dreifsig Stadien vor der Stadt (Therapne).
Sie soll von Iharius errichtet und ans folgendem Anlafs
verfertigt seyn. Als Iharius die Penelope dem Ulysses
zur Gemahlin gab, suchte er ihn zu bewegen, daih er
sich in Lacedämon wohnhaft niedorlaseen möchte. W eil

f20) Abgebildet und erläutert bei Ezech. Spanheim ad Calli-


mach. Del. p. 4^7.
821) P a u s a n . A ttic a cap . 17. $· I·
222) Laconica cap. 20. 10.
.5?
er dies nicht erlangen konnte» bat er seine Tochter in­
ständig » dort zu bleiben. Da sie aber gleichwohl die
Reise nach Ithaka antrat» so folgte er zu Wagen und
hielt mit Bitten an. Ulysses geduldete sich eine Zeit
la n g : endlich erhlärte er der Penelope» sie mochte ihm
entweder freiwillig folgen, oder lieber mit dem Tater
zuruck nach Lacedaemon gehen. Sie soll hierauf kein
W ort gesprochen, sondern auf die Frage ih r G e s i c h t
m i t i h r e m S c h l e i e r v e r h ü l l e t h a b e n . Ikarius
sah wohl, sie wolle mit Ulysses ziehen, und entliefe sie.
Kr woibete darauf die Bildsäule der Aedo (Schaamhaf-
tigkeit) ; denn auf jener Stelle» sagen sie, habe sich
Penelope verhüllet.» So weit Pausanias. W ie nun
jenes Bild gedacht und ansgeführt worden, bedarf hei«
ncr weiteren Frage. Die Münzen des Alterthums zeigen
uns diese Aedo noch als eine jugendliche Gestalt, die
einen Schleier vor das Gesicht zieht« — So einfache
Mittel wählte die Griechische Konst, um die Regungen
des Gemüths zu bezeichnen. Und von diesem Punkte
der symbolischen und allegorischen Handlung hat sie
nur noch einen Schritt zu ihim» um das Höchste zu
erreichen.

5a,
Es ist dieses die Stufe , worauf die M e n s c h e n ­
g e s t a l t als Aosdruck der höchsten Begriffe erscheint.
W i r wollen die Hauptbedingungen andeuten, unter de­
nen diese Yollhommcnbeit erreicht Λvcrden konnte« Zu«
vorderst möchten wir die H a n d l u n g selbst nennen,
freilich im weitesten Sinne, in welchem wir dieses W ort
so eben genommen haben. Ein Blich auf das Entgegen-
gesetzte wird dies deutlich machen. Die Gottheiten der
Indier und anderer Bewohner des höheren Asiens sind
mehrentheils in sitzender oder liegender Stellling abge­
bildet und in jener Bube» welche die Denkart dieser
i58
yeilier als etwas Sccliges betrachtete. Der cHmatische
Anlafs Hegt nahe; dafs aber der hünsticrische Ausdruck
der Gottheiten anderer Vorstellungen und Sitten bedarf,
um zum Hdchsten zu gelangen, leidet eben so wenig
Zweifel. Ein anderes Hindernifs, das jenen Vdlkern
hn W ege staiid, ist jenes Verhüllen der Gottheiten,
jener Prunk mit kostbaren Gewändern, jenes Ueberla·
den mit Kronen, Kopfbinden , Ohrgehängen , Armbän­
dern undFufsbcdeckungen, woran dann zahlreiche kost­
bare Edelsteine glänzen. Die Griechen blieben vor dieser
Prachtliebe schon durch ihre geringeren Mittel bewahrt;
und wenn sie in ältester Zeit selbst Vieles Terhullten,
wie denn erst späterhin der Schurz an den Kämpfern zu
Olympia yerschwand , so machten sie nachher doch
das Urtheil über die Zulässigkeit des Nackten zu einem
entscheidenden Merkmale» wodurch sie sieb τοη den
Barbaren trennten. Diese und andere Spuren und eine
ausdrückliche Stelle des Plato lassen uns nicht zwei·
f e in , dafs die ältere Sitte der Griechen hierin mit der
Asiatischen übereinkam. Herodotus aber, da er eine
anf jenes Barbarenuriheil gegründete Geschichte erzählt,
fand schon zur Erläuterung den Zusatz nothig, dafs
bei den Nichtgricchen auch selbst der Mann nicht nackt
gesehen werden dfirfe 2^}. Der Vorfall hatte sich am

223) Tbueyd. I. 6.
224) Plato da repuhl. V. p.4S2. C. p. 134 Ast. p. 221 ed. Bekker.
225) Herodot. I. S und 10. Flutarcbus ( Conjug. Praecept.
p. 458 cd. Wyltenb.) wendet diese Stelle auf das Verhält«·
nifs zwischen Mann und Frau an; sein Tadel trifft also
^ den Geschichtschreiber nicht. Besseren Gebrauch macht
er von jener Stelle, de Auditione p. 37. — Wenn Upton
ad Dionys, de Compos, pag. 43 ed. Schäfer, vennuthen
will, Herodotus habe jene Stelle der PythagoreerinThea«·
no (s. Diogen. Laärt. VI11« 43.) abgeborgt, so mufs eben
iJ g
Ljdischen Hofe ereignet, und Philostratos nimmt gerade
Ton einem Gemälde, das den Ljdier Pelops darstelltOf
Anlafs zu der allgemeinen Bemerkung, dafs die Ljdier
und alle im höheren Asien wohnenden Barbaren ^ , in·
dem sie die Schönheit in hostbaren HIeidungen yerstecken,
sich in diesen Gewändern heryorzuthnn suchen, statt
sich io Darstellung der Natur herzorzuthun
Hiermit ist die Scheidewand bezeichnet, die jene
Nationen auf immer yon der höchsten Schönheit in der
Kunst entfernte. £in anderes Hindemifs lag im U n g e ·
m ä f s i g t e n . Das Götterbild sollte ein lobegrilf aller
möglichen Beziehungen sejn, die man bei seinem Be­
griffe denken mochte; es sollte Alles ausdrucken, was
eine inhaltsreiche Theologie yon dem göttlichen Wesen
aussagte. In den Symbolen der grofsen Götter sollte
besonders das W eltall nach allen seinen Elementen und

so weni^ vergessen werden , dafs der Geschichtschreiber


diese Bemerkung in einem ganz andern Verhältnifk aus­
sprechen ISfst, alt das w äre, wovon Tbeano redete. loh
behalte eine ausführlichere Betrachtung dieser Ansicht
der A lten, wozu ich m ehrere Belege gesammelt habe,
einer andern Gelegenheit vor.
226) Ueber die Sitte der P e rs e r, die ebenfalls streng auf die
Bekleidung der Körper hielten, s. Winckelmann Gesoh.
d. K. I. p. 15t. Vergl. auch Brissonius de reg. Persar.
princip. pag. 5)5. und besonders die daselbst angeführte
Sielte aus Xenophon. Daraus erklärt sich auch die merk­
würdige Strafe, womit Artaxerxes einen feigen M eder
belegte , nümlich mit einer nackten Buhlerin und zwar auf
dem Rücken, wie beim Reiten ( v ) , den gan·
zen Tag auf dem Markte herumzugeben. S. Plut. Arta-
x erx . cap. l i . init. p. 1018. A.
227) Philo')trat. Imagg. I. 30. fin. Dagegen zeigen d i e E t r u -
r i s c h e n Denkmale eine grofse Menge nackter münnlicher
und weiblicher Figuren, und oft in sehr ausschweifenden
Stellungen; Pea zu VVinckilinaon Gesch. d. K. I. p. 4l8.
l4o
Tkeilen Icörperlich ungedeutet in^rden. Daraus mufsten
eüitnal vielgliedcrige Gottlietten entstehen, da man in
der Yermehrung der wiebtigsten Körpertheile eine be*
sondere Bedeutung suchte, ln diese Classe gehören die
yiclhopfigen und yielarmtgen Götterbilder Indiens, die
Diana zu Ephesus mit ihren vielen Brüsten, der Janus
der Mittelitalischen Y älk er, den man mit v ie r, häufiger
mit znei Gesichtern vorstellte, und ähnliche Gebilde in
alten Griechischen Tem peln, wie z. B. der dreiäugige
Zeus πατρφο·ς zu Larissa, den die Griechen, nach der
Sage, von Troja mitgebracht hatten, und dessen drei
Augen auf die Oberaufsicht über Himmel, Erde und
Meer gedeutet wurden ^ ) . Kicht weniger ward in der

22S) Pausan. Corinth. cap. 24. $. 5. — „Diese Art des Unge·


mäfsigten kommt auch in der Edda häufig vo r, z. B.
SIciptier, das aohtfUfsige Ro(^ O thins, der einäugige Othin
selbst, der blinde Hodur, dreiköpfige Thursen (Skirner’s
Fahrt, in der aht. £dd. Str. 31.) u.s. w., steinköpfige Rie­
sen (Harbards Lied. das. $tr. 14.) u. s. w. Dahin gehört
auch die V^elungestalt des Teufels in miuelalterlichen
Vorstellungen, aufserdem jedoch in der teutschen Sage
vielleicht kein Beispiel monströser Gestalt mehr vorhan­
den ist. Oh diese Ungestalten erst durch das Christen-
thum oder durch frühere Bildung aus Sage und Darstel­
lung verschwanden, weifs ich nicht. Durch die Unge­
stalt des Teufels ist indefs, beim Licht betrachtet, die
Verachtung des Bösen im Bilde ausgedrUckt, weil der
Teufel, als GeUt des W iderspruchs, auch ira Aeufsem,
in der Gestalt, gegen die Gesetze der Weltharmonic er­
scheinen mufs. Das verriethe ein feines Gefühl unserer
Väter.
Uebrigens blieben die Teutschen und Nordländer
bei bekleideten Götterbildern, durch Schaam und Klima,
und schon in der alten Edda seheint die Karktheit miik-
billigt zu werden, indem Harbard dem T hor vorwirft,
dafs er barfUfsig (berbeinn) gehe. Harbards Lied. Str. 5 .“
Z u sa tz von M ont.
l4l

H iafung der Attribute das Bedeutende gesucht. Die


auch bereits von Winchelmann 29) bestrittene Bebaup«
tung G ori's, daPs die ältesten Götterbilder beine AttrU
Lute gehabt batten, ist so wenig wahrscbeinlicb, dafs
man vielmehr in der Vorliebe zu diesen Zeichen einen
der charabteristischen Zuge des höheren Altertbums er-
bennt; nicht zu gedW ;en, dafs in einigen Fällen dae
Zeichen früher da gewesen ist, als die damit bezeichnete
Gottheit, wie wir bereits an einem anderen Orte von
den heiligen Krügen und den daraus entstandenen Krug«
gottern dargetban haben. Auch hier bietet die barba*
rische Tempelsymbolih zahlreiche Beispiele dar. Ich
erinnere vorzüglich an die Beschreibung, die Bardesa«
Des, und nach ihm Porphyrius yon einem Bilde des
Brahma giebt. Dieser Weltschdpfer war nicht allein
als Hermaphrodit vorgestellt, sondern auch mit einer
Deberhätffung von Attributen. A u f seiner rechten Seite
sah man die Sonne, auf der Hnhen den Mond, an den
beiden hreuzweis ausgestreebten Armen eine grofse An*
zahl von Engeln ( Sternen, Pflanzen) und die Theile
der W e lt, nämlich Himmel, Berge, Meer, den Flufs
(Ganges) , den Ocean, Pflanzen, Tbiere und die ganze
Natur. Dieser Cbarabter der Ungeniigsambeit in den
Darstellungen des Göttlichen ist vielen andern Veibem
mehr oder weniger eigen , und von mehreren Wesen
des Vorderasiatischen Cullus, wie von der genannten
Ephesiseben Artemis, von der Cjfacle und andern, läfst
sich dasselbe sagen. Sie Anden sich am häufigsten bei

229) Versuch einer Allegorie S. 45t neue Ausg.


230) de Styge ap. Stob. Eclog. phys. 1. 4. pag. Heeren.
Vergl. Paullini a S. BarthoJomaeo Systema Brahmsnicum
p. 27. leb bin der alten I^sart gefolgt, k«< -κοταμον κα«
«Kfovey, welche mehr im Geiste der Intiiscben Religion
gedacht ist, als die neue«
1^2

solchen Völkern, die die Tempclbilder mehr als Er i n «


n e r u n g e n an das Unendliche betrachten, dessen W e ­
sen selbst nur Gegenstand des reinen Delihens seyn
kann. Die Fülle der Gottheit und die nnergründlicbe
T iefe, die der Verstand, je länger er darüber nach«·
denkt, immer mehr entdeckt, soll hier durch eine Fülle
von Zeichen angedeutet werden, und der Anblick der­
selben soll den Gläubigen nur erinnern, dafs, ob man
auch noch so viele Bilder häufe, der Vollgebalt des
unendlichen Wesens dennoch nicht erschöpft werden
könne. Diese Vielheit im Biidlichen , oder , wie es der
Grieche glücklicher nennt, dieses ηολνσίζμαντονj findet
sich in jenen Anrufungen an die Gottheit bei Indiern
und bei Griechen, welche das Unendliche anzudeuten
versuchen, ln Orphischen Hymnen, worin die göttliche
Einheit als ein körperliches Ganzes erscheint, sehen
wir dasselbe Bestreben, durch die Bede dos zu bezeich­
nen, was dort das überladene Tempclidol bezeichnen
sollte Daher jenes Anhäofen der Namen, wodurch
die vom Göttlichen erfüllte Seele das Unaussprechliche
auszusprechen vergebens bemüht ist. Es ist in diesen
Liedern ein nie auszuglcichendcr Zwiespalt zwischen
Inhalt und Form. Der Gedanke hat sich zum Schran­
kenlosen erhoben , und das W ort will es doch in bild­
licher Gestalt begränzen. Ueberhaupt bedurfte die
Geheimlchre vieler Zeichen, die um so willkommener
waren, je duukeler und bedeutsamer. W ir würden

231) Diese UeberfUlIe göttlicher Eigenschaften u. s. w. findet


sich auch in altleutschen Liedern an Gott, z. B. Pfalz,
llds. No. l47. der £ing. und Bl. 3. der Bing. Von Na-
mensfQlle gibt die alte Edda in Griinners Meldung ein
Beispiel, worin Othins Namen Vorkommen ( Str. 45 —
53.), und in den KHmpa dater steht aucJi eines, wo Fried­
dieb seine vielen Namen angtbt (Friththiofs Saga K. 11·)·
Anm trk. von M o ne*
i4^

deutlichere Voritelluugen τοη den Symbolen des Ge«


heimdienstes der Griechen haben, hätte nicht gerade
das Gelübde den nnterrichtotsten Schriftstellern den
Mond yerschlosscD. So erfahren wir z. B. vom Pao«
sanias nur, dafs das Bild derTaXcTi; (der W eihe} neben
der Bildsäule des Orpheus stand, nicht aber, wie es
beschallen war Doch wissen wir aus den Besebrei«
bongen der mystischen Aufzuge und Gebräuche so viel»
dafs man einzig das Beziehongsreicbe und Bedeutsame
suchte, mit gänzlicher Nichtachtung des Schönen. Es
genügt uns hier, an den Phallus zu erinnern, ein Zei·
eben, das ja selbst aus dem Kreise des eigentlich Sym·
boHseben heraustrat, und mehr einer rohen Kyriologie
angehörte; und doch wie allgemein war nicht sein reli­
giöser Gebrauch, wie heilig seine Bedeutung! Selbst
in Attika behielt der Eleusinische Ceresdienst, obgleich
gewits der gebildetste unter seines gleichen, Vieles bei,
was bei höchster Rohheit der Form nur ün Yollgehalte
seines W esens, d. h. in allegorischer Erinnerung an die
Geheimnisse des Glaubens, sein Verdienst suchte·

§. 53.
Dort blich man aus Vorsatz bei dem Alten, wäh­
rend die öfTentliche Bildnerei der Griechen ein ganz
neues Gebiet eröfTnet hatte. Hier hatte man sich das
Schöne zum Ziele gesetzt, und cs stufenweise glücklich
erreicht. Einige bereits oben angedeutete Umstände
und viele andere Anlässe, Clima, Erziehung, Gyrona·
stik, freie Verfassung und Nationalspiele, so wie das
grofse Ansehen des Homerus, der die nach Griechischer
Denkart personificirten Naturkräfte, die Götter, am
glücklichsten menschenähnHoh dargestclit hatte Ur·

232) Boeotica cap· 30. $. 3.


>44
tachen, die bereits von Andern und besonders von
'Winchclmann mit Scharfsinn entwickelt worden sind —
führten den Griechen auf diesen W eg. Doch nur ail-
mählig konnte er auf diesem W ege fortschreiteii. Die
ersten Yersuebe waren dem Fremden ähnlicher, ob­
gleich » wie bemerkt, nicht in barbarischer Pracht,
doch in dem Harten und Ungefälligem. Was man τοη
jenem Palladium ereählte, dafs es zusammeiigefügte
Füfse gehabt dasselbe oder Aehnliches bemerkte
man von einigen alten Bildern Griechischer Tempel,
z. B. von der Minerva zu Priene und von der Atti­
schen Tlithjia Auch in Gewändern und Faltenwurf
herrschte damals noch das Gerade und Eckige v o r , wie
selbst noch alte Ueberbleibsel von Sculpturen zeigen.
Die Nachricht des Pausanias, dafs alle Griechen der äl­
testen Zeit unbearbeitete Steine statt der Götter verehrt
hätten, wie man denn zu Pharao in Achaja dreifsig der­
gleichen zeigte macht es sehr begreiflich, dafs die
ältesten Gottheiten einander sehr ähnlich gewesen, wo­
bei also die hinzogefugten Attribute die einzigen Unter­
scheidungszeichen abgaben. Bei dem ferneren Fort­
schreiten gelang es zuerst, den Ausdruck zu erreichen,
wobei das Seltsame und Forchthare noch nicht vermie­
den ward ^ ). W eitere Bemühung im Ausdrucksvollen

253) Apollodor. ITT. 12. 3. $o erscheint es auch noch auf


Münzen von T roja, s. H e y n e ad h. 1. und M i l l i n s
Anmerkung zu D a l l a w a y lesbeaux arte en Angleterre
T . I. p. 17H. a. und Millins Mem. sur quelq. pierr. grav·
q. repres. TEnlevement du Palladium Turin, 1812. p.7.
234) Pausan. Achaic. cap. 5. $· 4. Attic. cap. 18. §. 5. p. 63
Fac.
233) Pausan. Achaic. c. 22. $. 3. Vergl. W i n c k e l m a n n s
Gesch. d. K. I. cap. 1. $. 6.
236) Man erinnere sich, was Pausanias (Eliac« L cap. 19 ab
1 0

lehrte allmShtig die Vielheit der Attribute entbehren,


und durch Milderung das Gefällige hervorbringen« D ie
M e n s c h e n g e s t a l t w a r d al s d a s W e s e n t l i c h e
b e h a n d e l t ) und indem die Kunst Yon diesem Edelsten
in der Reihe der Körper alles Zufällige und Indiriduelle
absonderte9 gelangte sie endlich zu dem Punkte ^ das
Göttliche in ihr erscheinen zu lassen· W ir wollen diese
höchste Läuterung der Menschengestalt mit Winckel-
manns Worten bezeichnen : «Diese idealischen Figuren
(der Griechischen Götter) sind wie ein durch Feuer ge·*
reinigter ätbei'ischcr Geist ^ τοη aller menschlichen
Schwachheit gesäubert, so dafs man weder Muskeln noch
iLdern an ihnen wahrnimmt· Die höchste Idee dieser
Künstler ging dahin, Wesen zu schaffen, die mit ah·
stracter metaphysischer Genügsamkeit begabt wären^
deren Aufsenseite einem ätherischen Wesen zum Körper
dienen sollte, das in seinen äufsersten Punkten begränzt
und mit einer menschlichen Gestalt bekleidet is t, ohne
indessen weder an der Materie, woraus die Menschheit
susammengesetzt ist, noch an ihren Bedürfnissen Theil
SU nehmen· Ein so geformtes Wesen erläutert des £pi«
curus Meinung von der Gestalt der Götter, denen er
einen Körper , aber gleichsam einen Körper, und Blut,
aber gleichsam Blut giebt» 237 ,
Das waren also nun keine Erinnerungen, keine A l­
legorien m ehr, sondern es waren die höchsten Wesen

init.) von der Vorstellung des Boreas mit SclilangenfUfsen


und (Coi’imh. cap. 3. § 6.) von der F u r c h t erzählte,
die als ein Weib vom fürchterlichsten Ansehen dargestellt
war·
ÜS7} Monumenti antichi S. S3. deutsche Uebers· Sämmtllche
Werke 7· Theil S. 83 f· der neuen Ausg· Die Stelle Ci-
cero*s findet sich de nat. Deor· Γ, 18, 26. 27· (p. SUiiX
119 meiner Ausg.)
L lo
ι4β

der Verehrong selbst. Es Maren die höchsten Ideen,


denen die Kunst geboten haue, sinnlich zu erscheinen,
in den. Kanin zu treten und Oeelalt anzunehmen 23S>, Es
waren G ö t t e r s y nibo 1 e. Und wenn Tormals Zeus des
W idderhorns, oder des Adlers, oder eines anderen
Attributs hedttrAe, um als Zeus hcnntlich zu neiden^
oder Bacchus des Stierhorns , des Bechers oder des
Thyrsus, so waren diese Zeichen , wenn auch das reli­
giöse Horliommen sie gewöhnlich beibchielt, jezt we­
nigstens nicht mehr nothrvenclig. Jene Stirne, jene
Lochen, jene Schultern machten den höchsten Gott
binlönglich hennbar; so wie jede andere Gottheit, nach
einer wohl überdachten Könstlcrconyention , nun ihre
charahteristischen Kennzeichen in der Form ihrer Glie­
der, so wie im ganzen Habitus des Körpere selbst hatte.
So war die Konst, indem sie das Menschliche zum Gegen­
stände ihres Bemühens gemacht hatte, dahin gelangt, in
der reinen Menschengestalt bedeutend und schön zu­
gleich zu seyn ; ui d mit den zv.ÖlP grofsen Gottheiten,
nebst den kleineren , war der symbolische Kreis ge­
schlossen.
Zur Erleichterung der üebersicht des Abgehandet-
ten und als Wegweiserin für den Vortrag fügen wir
noch eine Tafel bei, die mit der obigen verglicbcn wer­
den kann. Jene sollte zeigen, wie sich einige Griechi­
sche SchriAstoller diese ikonische Keihe gedacht hatten ;
diese giebt Andeutungen des ganzen bildlichen Kreises
auch nach neueren Allei^humsforschern und Kunst-
Icbrern.

238) Propylatn 1. S. 4.9»


Zu Seite 146

K y r io l ogie

Kyriologica
Sym Hyriologumena

Aphonische Sjrm! Mylhik.

Symbol. Sage Ueberlieferung


Sinnbild. gynfgebenheit. alte Lebte
Emblem. ( Theomythie)

Combination der beiden


Namenallegoj mythischen Aeste.
Zeiche na11egO '^
Altegorie durch den Lehre
Ari
;alte Lehre durch altes Factam
'ändert. verändert.
— — — Fat
Allegorische Hand
Mythische Zweige.
Allegorische und i Combination der mythischen
der Me: Zweige.

Gott

Das IN Das Wirlvliche.


( Factische Form .)
Einfache und zu
schiedenem Sinn
4?
Am Schlüsse dieser Betrachtungen ^urde ich es för
Unrecht halten, einige Bemerhungen zu unterdrücken,
die mein Freund G ö r r e s bei Lesung derselben mir mit­
theilte, und die, wie ich nicht zweifle, auch meinen
Lesern belehrend seyn werden.
«Die Verhältnisse des Intuitiven und Discursiven,
und dann des Symbolischen, Mythischen und Ihomschen,
haben Sie, wie grammatikalisch, so auch philosophisch
richtig begründet. DerBegriiT des Symbols insbesondere
ist ganz erschöpfend und ohne irgend einer Einrede Baum
zu lassen, ausgeführt. Um den Charakter des uralten
Symbols sinnlich zu studiren, ist das Upnekhath eine un­
erschöpfliche Bilderkammer. Auch die Entwickelung
des Mythus ist befriedigend abgehandelt. Auch gegen die
Ideen zur Physik des Symbols und des Mythus habe ich
im Ganzen nichts einzuwenden. Da Sie das mystische
Symbol als das formale erklären, worin der Geist die
Form aufzuheben und den Leib zu zerstören strebt, das
plastische aber als die reine Mittellinie zwischen Geist
und Natur, so fehlt noch der Gegensatz von jenem, das
reale, wo die leibliche Form die Beseelung verschlingt,
und an diese Stelle pafst dann recht gut das Emblem und
das teutsche Sinnbild in seinem bornirtem Sinne, wes«
wegen ich denn auch auf die Sinnbildnerei der vorletzten
Jahrhunderte weniger Werth le g e , als Sie ihr gegen das
Ende des Buches zuerkennen, da sie ganz parallel dem
Verfalle alles eigentlich Sinnigen in dieser Zeit sich ent­
wickelt , und zuletzt ganz eigentlich in der Heraldik ihre
kryptogamische Blüthe getragen hat. Auf Meyers von
Ihnen aufgenommene Annahme des Symbols als Seyn,
der Allegorie als Bedeuten, gebe ich nichts. Plato’s Al­
legorie von der Seele hat so viel Seyn, so viel innerliche
ruhige Nothweadigkeit, so viel verhüllten, versteckten
Sinn, wie etwa das Aegyptische Symbol Gott als Sper­
b e r, oder die Schlange mit dem Schlüssel als Weltgeist,
i 48

« und dies fordert gerade ao viel hineingelegte Deutung,


v ie jene». W ir Jiönnen uns vollhomnien begnügen mit
der Erklärung, die das Eine als ein in sich beschlossenes,
gedrungenes , stetig in sich beharrendes Zeichen deri
Ideen nimmt, diese aber als ein successiv fortschreiten­
des, mit der Zeit selbst in Flufs gekommenes, dramatisch
bewegliches, strömendes Abbild derselben anerkennt.
Beide sind zu einander wie stumme, grofse, gewaltige
Berg- und Pilatizennatur, und lebendig fortschreitende
Menschengeschichte, und in der Allegorie wie im Symbol
mufs wieder das reale, formale und ideale Moment un·
terschieden werden. Das formale oder mystische Symbol
wird dann auch eigentlich mit der Allegorie zusammen-
fallen, denn vom realen Momente aus hat sich das Sym­
bol fortentwickelt (weswegen ich denn auch den Phallus
recht eigentlich zum Symbole, und gerade zur ältesten
Art rechne); ideal wird's nur, nachdem es yorher alle­
gorisch geworden ist. Fabel, Parabel und die ganze Sipp­
schaft haben Sic «nieder recht gut geordnet. Dafs Sie
den Mythus das betonte Symbol nennen, kann ich in dem
Umfange, wie Sies zu nehmen scheinen, nicht unter­
schreiben. Die Anfänge des erzählenden Mythus zur
Erklärung der Bildner\ierke sind wohl allerdings seine
frühesten Elemente, aber es giebt auch phonetische Sym­
bole, wie Sie selbst hcinerhen, die ganze Sprache ruht
darauf, und die Musik, die alten Aenoe, die noch nicht
di^aroatische Fabel geworden sind, messen als Symbole
eben so gut erkannt werden, wie die Hieroglyphen auf
den Obeliskcn , und hinwiederum giebt es ja eben so gut
einen plastischen Mythus in Thebä, Maliabalipuram, El-
lora und allerwnrts, wie einen poetischen, und das po·
Κάτοχος Ελλάς halte ich, im Vorbeigehen gesagt, für
Griechische nationale Eigenlicbigkeit; der Indische My­
thus allein schon ist nicht schöner, aber ohne Vergleich
reicher, als der Griechische, und mit dem Aegyptischeu
*49
€war’s geivife eben so. Auch das'Bedy, Laps n. s. nr. der
Hysterien waren uralte (harbarische^ Tonsjmbole, und
Beschwörungen, wie der Phallus, Tbyrsns u. s. w. bild­
liche. Ton und Bild gehören daher dem Symbol so gut
an, wie dem Mythus und der Allegorie, und so sind sie
auch in der Tabelle aufgefuhrt. Wenn Sie daher sagen,
Bild yorzugsweise dem einen, W ort dem andcim, dann
möchten wir nicht weit von einander seyn. Die Doppel-
sinnigheit der Symbole, die Sie weilechin als etwas Zu­
fälliges ansehen, ist mir durchaus nothwendiger Charak­
ter jedes wahren Symbols, eben weil es Gattung ist,
darum kriechen die Deutungen, wie eben so viele Spe­
cies, aus ihm heraus. Der Stufengang der Symbolik
scheint mir nicht ganz so organisch, wie das Frühere,
ausgefuhrt; wenn mit der Nainensymbolik angeiangen
werden sollte, dann hätten woU die den Vorzug ver­
dient, die die Natur selbst ausgerufen und die Menschen
nur nachgesprochen. Der Stoff bei den Symbolen hatte
auch, dunkt mich, gröfsere Bedeutung, als Sie ihm ein-
räomen, was z. B. die Talismane, selbst Himmelssym-
hole, beweisen. Der W ink auf die Bedeutung der Farbe
ist selbst sehr bedeutend ; die Farbe hat so grofse sym­
bolische Bedeutsamkeit, dafs man, von der Indischen
bis zur Altteutschen Malerei bin, allein darüber ein Buch
schreiben könnte. Nicht blos die Götter des Unterreicbs
waren in Aegypten schwarz. Was Sic §. 5z. über die
Bedeutung der Menschengestalt und ihren Vorzug bei
den Griechen vor den Barbaren sagen, ist wieder vor­
trefflich gesagt. In der Tabelle stöfst sich der Philosoph
an die Yertheilung der Notbwendigkeit, Möglichkeit,
Wirklichkeit unter aphonische, phonische Symbolik und
Mythik. Das Nothwendige liegt im Symbole, phonetisch
wie aphonetisch. Das Mögliche das ist Freie (oder Freie­
re) im Mythus, das Wirkliche in der Sage.»
i5o

F ü n f t e s C a p i t e l.

Ueberblick der Glaubensformen und der wesenN


lieben Theile des Culius» besonders des
polytheistischen.

5. 54,
D a eine ausführliche Erörterung dieser Gegenstände
ein eigenes Buch erfordern lYurde , so mufs ich mir hier
die gröfseste Kürze zum Gesetz machen, und mich
hauptsächlich auf die Thatsachen einschränhen, die uns
die Schriften der Griechen und Römer liefern« Freilich
uräre es anziehend und wichtig genug, in die a l l g e m e i ­
n e n Fragen einzugehen, wie zu allererst, wie nachher
und so weiter das religiöse Bewufstscyn in der Mensch­
heit sich geäufsert, und welche genealogischen Abstam­
mungen sich hierbei i n n e r l i c h nachweisen lassen«
Aber da sich diese Symbolik und Mythologie streng in
ihrem ethnographischen Charakter halten, und niemals
in das Gebiet der Philosophie hinüberslreifen soll, so
wird zwar im Verfolg die Nachweisung der Religions­
perioden e i n z e l n e r V ö l k e r ¥ersucht werden: hin­
sichtlich jener a l l g e m e i n e n Untersuchungen aber
wollen wir hier mit Wenigem auf die Schriften Anderer
hinweisen.
Zuvörderst in Betreff der zwei Hauptformen aller
Religion : M o n o t h e i s m u s und P o l y t h e i s m u s , so
kehrt in verschiedenen Zeitaltern immer die alte Frage
wieder: welches die ältere sey. Die verschiedenen T'heo-
rien und Vorstellungsarten, woi4n sich jene beiden
Grundformen ausprägen; die Lehre von der Emanation,
i5i

der Materialismus , der Dualismus, der Pantheismus,


und andere iSebenzvireige z. B. der Fetischismus,
Flementeodienst, Sternendienst, bis zur yerfeinerten
Idoloiatrie der gebildetsten Heiden — >vie yiele Erörte­
rungen haben sie nicht schon unter den Denkern und
Forschern des Alterthums yeranlafst; und um von den
FVüheren zu schneigen , so haben in der neuesten
Zeit eben jene Gegenstände die Aufmerksamheit der
geistreichsten und tiefsinnigsten Plalosopheu auf sich ge-

Ä39) üeber diese Systeme s. F r. S c h l e g e l Uber die Spra­


che und VVeishtit der Iiiditr S. 89 (F. j über die Arten
des Glaubens und Gottesdienstes im ΛΠι;'( meinen sieh.
M e i n e rs allgeifieine kritische Geschichte aller Religio­
nen. Hannover 1806. 1807. 2 Bde.
84o) F a b r i c i u s ßihliographia antiquaria, FJamhurg. 1760.
B ö l i i g e r s Skitzen seiner Vorlesungen über Mytholo­
gie, Dresden 1810. und ß e c k ' s Anleitung zur Kennt-
nifs der allgemtiiieii Welt und Völkt rgeschichte , 2te
Ansg. Leipzig t8id. p. <i00 fF. haben bereits in fruchtbarer
Kürze die jSachweistingen gegeben. Ich setze daher bei
diesem ganzen Capitel die Kennrnitb des dort Mitgelheil-
len voraus, und werde mich auf Hauptstellen der Alten,
so wie auf Nachträge aus Neueren einschräiiken, ver­
bunden mit einigen Ergebnissen aus eigener LectUre. —
So liefert zuvörderst zu der Hauptfrage nach dem histo­
rischen Ursprünge des Polytheismus unser Codex Pala­
tinus No. i29. h)l. 74l seqq. einige Griechische Bruch­
stücke , worin der Japlietite Seruch als Urheber
der Idoloiatrie bezeichnet wird , mit ähnlichen Traditio­
nen , wie die , die wir in den Eusehischeii Fragmeiileii
p. 13 ed. Jos. Scaligcr. oder vielmehr beim Synceilus
(vergl. H. Valesius aj Excerpu f^olyhli p. d3 sqtj.) und
jezt auch im Cbroniccn des Julius Follux cd. Hardt. Mo-
nach. 1792 . pag. b2. Icstn. Es liegt diesen Traditionen
durchgängig die Ansicht des Evhemerus zum Grunde,
worüber im Verfolg ein Mehreres von uns bemerkt wer­
den wird· Hier will ich nur mit einem Wort auf das ver-
ΐδ2
zogen. Die neueren Ideen und Theorien τοη Herder,
Friedrich Schlegel, J. J. Gürres, Friedrich Leopold
Graf zu Stollberg, Schelling, und einigen Anderen
dürfen als begannt roraussetzen; und iivie sehr
die ersten Gründe der Religionsgeschichte auch bei un»
sem Nachbarn den Forschungsgeist gereizt haben, be­
weisen mehrere Schriften, die in Frankreich und Eng­
land darüber erschienen sind Von der Annahme
eines ursprünglichen Monotheismus ausgehend, sucht ein
Freund die religiüse Entwickelung des Menschenge­
schlechts sich in der Yorsteliong von drei Zeitaltern
deutlich zu machen, woTon das erste als Kindheit, das
zweite als Knabenalter und das dritte als das des Jüng­
lings gedacht werden konnte. Das Ergebnifs dieser An­
sicht theilen wir mit seinen eigenen Worten mit:
«Die erste Kirche war real in der patriarchalischen
Einheit der V olk er, yielleicht nur in der Familie des
Noah; und aus derselben sind die Traditionen fortge·
pflanzt und bildeten sich zu Poesien von einem goldenen
r^eitalter Auch haben sich wohl Strahlen selbst da­
von erhalten , die uns in einem Hom, Dschemschidi
Abraham, Melchisedek als entfernte Sterne glänzen·

weisen, was Payne Kni.^lit in seinem neuesten Buche In-


quiry into the symbolical Janguage $· 2i3. p. i75 sq· über
Evheinerus sagt.
24l) Z . B. um nur zwei anzufUhren; L’antiquitd devoiläe au
moyen de la Genese par Ch. R. G o s s e l i n , quatrieme
edif. Paris 1S17. und The origin of Pagan idololatry —
by G e o r g e s S t a n l e y P a b e r . 3 Voll. 4to. London
1816.
ti2) Herr Doctor und Kircbenratli S c h w a r z ·
243) Bemerkenswerth ist die Vorstellungsart Platonischer
Philosophen. Ich übef;gelie das Bekanntere, nnd gebe
nur mit einem Worte die des Proclus an« Dieser zahlt
i55
Das Meiste ab er, was in einzelnen Tolbem τοη dieser
Kirche yorhomrot, möchte wohl ideal seyn, und zwar
eine Idee der Dichter und Weisen, obgleich ursprüng­
lich factisch begründet, v
«Die zweite Periode ist das Verderben der W elt,
der Thurmbau zu Babel, die Babylonische Hure in der
Bibelsprache zu reden: der Abfall yom wahren Gott,
das Unheil des Götzendienstes, i»
«Die dritte Periode ist das Gefühl der göttlichen
Strafgerichte , die Sehnsucht nach Rüchhehr, und diese
yerläuft sich in die Einführung des Christenthums, wel­
ches unterdessen selbst unter den Völkern diesem Kreis­
lauf unterworfen ist.»
«Alle Religion kommt ihrem Wesen nach τοη oben,
von Gott; ihr Eintritt in die Geschichte ist Offenbarung.
Daher geht alle Geschichte der Religionen selbst noth-
wendig von Offenbarnng aus. Und darum ist die Kirche
so alt wie das Menschengeschlecht; aber durch Christus
erst in ihi'er Herrlichkeit und als siegender Kampf gegen
den Geist der W elt hervorgetreten » 244),

fünf Zeitalter: Erstens drei ( t^fa ^ ntlmlich das


g o l d e n s i l b e r n e und e h e r n e . Zweitens das
vierte Alter ( rira^ov γΛο;) , das h e r o i s c h e . Endlich
das fünfte ( γΛο;) , das m e n s c h l i c h e ( Prodi
Commentar, mscr. in Platonis Cratyl. in cod. Monac. fol»
l3l vers.) Cr.
^ 4 ) Die entgegengesetzte Ansicht erscheint am grellsten in
H u m e ’s P l u x and R e f l u x o f P o l y t h e i s m u s
a n d T h e i s m u s in dessen Essai’s Vol. IV. p. 39. D er
Leser meines Buches wird von selbst bemerken, auf
welcher Seite ich stehen möchte. Cr.
i54
W ie man nun aber auch über den ersten Ursprung
der Religionen denken mag; soviel ist unverkennbar :
in der frühesten Menschengeschichte begegnen uns gleich
zYiex von einander scharf getrennte Formen des Lebens
und insbesondere auch des religiösen Cultus, nämlich
unstäte H i r t e n r e l i g i o n und der geordnetere und
gemilderte Dienst der A c k e r b a u e r . Die Namen der
Sethiten undRa'initen, der Beduinen und Habilen, beur­
kunden bis auf den heutigen Tag das Unverlöschliche
dieser Charaktere« So wie nun Hirten und Ackerbauer
in Verbindung treten, sey es in Folge freiwilliger Unter­
werfung, oder durch Ge\iJt, so werden die aus einander
fahrenden Flemente der Hirtenreligion mehr und mehr
gebunden; das atomistische Vielerlei des Nomadencultus
niufs sich nach und nach unter die Einheit agrarischer
Institutionen schmiegen, ohne dafs es jedoch jemals mit
diesen gänzlich zu einem einzigen lebendigen Organis­
mus zusammenschmölze. Dieses gegenseitige Anziehen
undAbstofsen ist ein immer wiederkehrendes Phänomen in
der Religionsgeschichte der polytheistischen Völker. Ober­
und Mittelasien, Syrien, Palästina und Aegypten geben
davon Zeugnifs, und unter allen Griechischen Stämmen tritt
dieser Kampf immer neu wieder hervor. Da ich an einem
andern O r t e a u s f ü h r l i c h e r von diesem religiösen Zwie­
spalt gehandelt habe, und ihn zunächst unten bei der
Aegyptischen Religion andeuten mufs, so beschränke ich
mich hier auf zwei a l l g e m e i n e F o l g e r u n g e n , die
daraus heryergehen:
Zuvörderst zeigt die älteste Menschengeschichte,
dafs Hirtenstämme, wenn sie sich mit den Ackerbauern
verbinden, die Sittenmüderung, die Verbesserung ihrer
religiösen Erkenntnifs und alle übrigen Wohlthaten der

S45) In den C o m m e n t a t t · H e r o d o t t . Parte I. cap. II.


$. 22.
i55
Civilisation, die ihnen aus jener Verbindung suwachsen,
mir dem Verlust ihrer Unabhängigkeit erkaufen müssen.
D ie schweifende9 freie Lebensart, die jeder Hirtensiamm
früher nach Neigung geführt hatte, mufs einem festen
S itze und einer strengem Ordnung Platz machen. Das
m o n a r c h i s c h e Regiment, sey es in den Händen von
Königen oder von Priestern, verbindet die verschieden·
aten Stamme in dem Frieden der Religion. Aus Indien
und gan^ Oberasien her gehet diese bürgerlich-religiüse
Ordnung durch alle Lander. Nur in Griechenland konnte
sie unter m o n a r c h i s c h e r Form nicht durchdringen,
aber, in so weit der religiöse Theil dieses Gesetzes in
den Bacchischen Institutionen allgemein herrschend ge­
blieben, und den Ueberwinder des Orients, D i o n y s u s
d e n R 5 n i g ^ ) , auf seinem geistlichen Throne befe­
stigth at, könnte man es hier das D i o n y s i s c h e nen­
nen, und es als das m o n a r c h i s c h e den f r e i e r e n
H i r t e n r e l i g i o n e n entgegensetzen.
Zum Andern liegt in jener Unterwerfung der Hir­
tenstämme unter das agrarische Gesetz der Hauptgrund
von dem gleichfalls ganz allgemeinen Phänomen d e s
U n t e r s c h i e d e s e s o t e r i s c h e r und e z o t e r i -
s c h e r £ r k e n n t n i f s und L e h r e . Ursprünglich
war jene der Inbegriff desjenigen Wissens , den sich
die ackerbauenden Stämme im Gegensatz der Hirten­
stämme als geistliches Castengut vorbehielten· Jene,
die Mündigen, hielten diese, als Unmündige, von dem
gänzlichen Mitbesitz der Geheimnisse ausgeschlossen.
Freilich in der Folge der Zeit standen ganz Andere als
Ackerbauer und Hirten iu diesem religiösen Verhältnifs*·

246) Δίόνυσρ^ ; Δίννυσος. Etymolog, magn. pag. 277 Heidelb.


p. 2S1 Lips. — ot ik Αβυννσον, ivstüj /βαοϊλβυς ίγϊνβτο NuV-
· ieuvev Äi t 6v β α σ ι λ έ α ot 'Ινδοί, conf. Gregor.
Coriiitb. p. 882 cd. Bast.
i56
einander gegenüber. Bürgerliche Yerfassang nnd tan·
send andere Umstände änderten hier Yieles. So mufs-
ten z. B. unter den Griechischen Stämmen die eintreteo·
den Verändernngen ira Sklarenstande auch in den
religiösen Dingen grofsen Binflufs äofsem. Und wenn
die Gasten in den alten morgenländischen Reichen ihre
Terschiedene Abstammung und Abstufung auch im aus*
schliersenden Gebrauch eigener Stammsprachen und
Schriftarten rerewigen^ so zeigen sich im neueren Orient
Spuren yon künstiieh gebildeten Sprachen , am das My­
sterium den Laien zu entziehen — Allein eben diese
künstlichen Bemühungen beweisen nnwidersprechlich|
dafs in dem ständigen Orient jener uralte und allgemein
geheiligte U n t e r s c h i e d e s o t e r i s c h e r u n d e x o ·
t e r i s c h e r L e h r e u n d E r k e n n t n i f s im W esent·
liehen niemals erloschen ist.

55.
Fragen wir nach den bestimmten Aeufsernngen des
religiösen Glaubens , namentlich des polytheistischen,
so fallt unser Blick zuerst auf die O r t e » die man zum
Gottesdienste auswählte· Hier mufste vorerst die Hir­
tenreligion ihren unstäten Charakter zeigen. Jeder Ort,
jeder Wasserplatz , den der Stamm- beziehet, nimmt
die leicht beweglichen Gütterbilder auf. Stamm - and
Hausgötter , wie die Theraphim der Abrahamitischen
Frauen, wie die Markgotter der alten Deutschen

347) Athenaeus VI. p. 254· p. 512. vergl. VI. 267· ρ·524 ed·
Schweigh.
34B) S. Sylvestre de Sacy in den Notices et Extraits de 1a
bibliotheque imperiale (royale) Tome X· pag. 365. über
die Kunstsprache ßalaYbalan zum Behuf des Spiritualis­
mus der Sofi,
249) Simulacrum quod per campos portant· In Indic· pagan·
i 57
and dergl., finden allentLalben ihren heiligen Ort. Hier
siehen nun schon N a t u r m e r h w i i r d i g l i e i t e n den
Sinn nnd die Andacht des schweifenden Hirten auf sich,
ivie z. B. das Getöse des Wasserfalls den Wilden an den
I^iagara aus weiter Fem e zur Verehrung locht. Nach­
h e r, bei Ansiedelung der Stamme, behaupten solche
Oertlichheiten ihre heiligen Rechte. Der Schlund zu
Delphi, die Hohle des Trophonius , die Wunderquelle
zu Dodona, die nach den Tcrschiedenen Tageszeiten
steigt und fallt ^*), die Quelle Oh mpias am Alpheus, die
ein Jahr ums andere Tersiegte, und in deren Nähe Feuer
aus der Erde kam , und ähnliche, können als Beispiele
solcher physischen Anlässe des Cultos dienen. Auch
B ä u m e gehören in diesen Kreis ursprünglichen Natnr-
dienstes. Dergleichen kannte Syrien, Samos, Delos

und Eckhart. Commentar, rerum Francon. Orient« I. 23«


51. bei M ö s e r in der Osnabrück. Gescb. p. 57 f.
S50) Vergl« unsere Anmerk, xu Cic. de Nat. Deor. III. 22.
p. 607.
251) Daher dvawaw^xfve; genannt. Senecae Natur. Quaest.III.
l6* cf. Mureti Scholia Tora. Il(. p. 127 Rulinken. Hier*
mit hängt ein ganzer Rciigionszweig zusammen: die Ver·
ebrung der Dü Palici in Sicilien; wovon im Vertbig. ^
„ Q u e l l e n d i e n s t bei den alten Deutschen giebt sich
in vielen Spuren kund , selbst im liiesigen Rheinischen
Lande. 8. den Stein bei Lamey in den Act. Acad. Palat.
1« p. 202; auch in altdeutschen Ortsnamen, wohin die
mit O s t e r ( Ostar, Mond ) zusammengesetzten Benen­
nungen von B e r g e n und G e w ä s s e r n gehören , sieh«
L e h m a n n Beiträge zur Untersuchung der Alterthümer.
Halle 1769 ** Z u sa tz meines Freundes, des Herrn
JJr, S a t t ,
252) Pausan. Arcad. cap. 29« $« 1· p· 442 Pac.
255) Wo der wundergrofse Palmbaum {/^άφνη x^wror^ovot,, ah*
weichend von Euripides genannt) als «ine Schöpfung
i58
Athen, Dodona, Arcadien ( wo der Platanus des Mene­
laus in der Sage seinen Namen hatte) Ihnen reihen
steh die heiligen Schnatbäume unserer Täter an^ Bäume,
deren Terletzimg den Gottesfrieden störte, und den
Priester zur Handhabung desselben zwang 255), Auch
die heiligen H a i n e bei Griechen, Römern und Gerraa-
niern
Vorzüglich B e r g e waren fast allen Völhern heilig.
Von dem Meru der Indier, vom Albordi der Perser und
M eder, vom Ainanns und anderen Bergen der Mittel«
und Vorderasiaten wird im Verfolg die Bede seyn. Hier
will ich einige charahteristische Betrachtungen Griechi­
scher Philosophen über solche heilige Oertlichheiteu
niederlcgen. In einer gehaltreichen Abhandlung über
die A r t , wie die Λ^δΙΙ^οη zur ersten Erkenntnifs Gottes
kommen, macht der classische Dio Chrysos:omus 2^^) die
Folgerung; « — so dafs also viele von den Barbaren,
aus Mangel und Unerfahrenheit in der Kunst, d ie B e r ­
ge G ö t t e r n e n n e n und unbehauene Bäume und un­
bearbeitete Steine — D inge, die nicht mehr Aehnlich-
heit mit der Gottheit haben , als unsere menschlicbe
Gestalt. y> Doch man mufs diese ganze Bede lesen, worin

der Latona seine Legende hatte, s. Eustatli. ad Odyss.


VI. 1()2 sq. p. 2S5 ed. Basil.
254) Ibid. cap. 2i. $. 3. p. 4l5 Fac. cf. Ezech» Spanhciin ad
CalJimacb. Del. 262.
255) M ö s e r a . a . O. Quellen-und Bauradienst fand Boni-
facius bei den Hessen: Bonifacius adveniens in Hessos
reperit etc. alü nempe l i g n i s et f o n t i b u s clam et
aperte sacriöcabant cet. Otblon. in vit. S. BonifacH
cap. 27.
256) Pl i ni i Hist. N. ΧΠ. L Tacit. German. 39. 40.
257) Orat. XII, τής ττξωτης »νβ/ας p, 212. ρ· 4θ3 seq.
cd· Reisk.
i5 o
tich y wie in jener Stelle, eben sowohl das Yolhsthiim·
liehe des Griechen , als das geläuterte Denhcn des Phi­
losophen , auseprechen. Hiermit yerbiiide man die Ab­
handlung des Platonischen Maximus von T jr u s; « ob den
Göttern Bildsäulen su seteen sind» , der gleichfalls
Tiele Beispiele von Verehrung der Berge, Flusse, Haine
und ähnlicher Oertlichheiten beibringt, und vom heiligen
Berge Argäus in Bappadocien sagt: « £in Berg ist den
Kappadohen G ott, Schwur und Bild». Besonders war
die Tolksthiimliche Religion der alten Perser auf die
Berge gerichtet ; und selbst das geläuterte Gefühl
und Urtheil der trefflichsten Griechen blieb, wenn von
der Wahl religiöser Oerter die Rede kam, den Anhöhen
vonBÜgUch hold , wenn gleich schon damals, wie
spater, bei grdfserer Ausbreitung der Idololatrie, T e m ­
p e l , nach Zeit und Umständen, an den verschiedensten
O rten, in der Hübe und Tiefe , aiigetroffen wurden.

£58) Maximi Tyrii Diss^rt. VFH. ti lä^vr^ev·


Die gleich folgende Stelle lautet im Original ( cap. 8. p.
144 ed. Reibk. ) so: KairTjtSJMCd; ko«
Er setzt noch liinzii: Μαιαίται; λιμν*;, Ταναΐς Μβσ-
aty^TOi^f Das Bild «Ice Göiterhergts Artitus ist auch auf
Kappadocisclien Münzen häufig; s. Eckhtl. Docir.Num·
Vett. Vol. III. p. m .
259) Herodot. 1. 131.
260) Urtheil des Socrates über den Vorzug der Anhöhen;
Xenophontis Memorab. 111. 8. 10. und daselbst die Aus­
leger. Billigung der Sitte der Bewohner von ’i anagra,
die es unschicklich fanden, Tempel neben Privathäusern
zu haben« Pausan. Boeot. cap. 22, §, 2, p. 67 Fac.
„ Bergdienst vorzüglich bei den allen Teutechen.
Ihre Burgen standen, wie noch jetzt die Gothischen Kir­
chen, auf Anhöhen. Der Donnersberg, d i. der Berg
des T h o rs, der Brocken, d. i. der Berg der AUärc, j e ­
ner der Olympus der Franken , dieser der Sachsen. Bei
i6o
In Betreff der g o t t e e d i e n s t l i c h e n H a n d ­
l u n g e n u n d G e b r ä u c h e , so leitet uns Herodotus
in der Beschreibung des Cultus der alten Pelasgcr
auf das G e b e t . >Vir wollen daher eine ganz hurac
Uebersicht geben τοη dem Verhältnifs des Gebets sum
übrigen Beligionsdienste mehrerer Hauptvdiher. Man
hat bemerhen wollen9 dafs da, wo das Gebet in einem
Beligionscultus Torwaltett sofort auch eine Vorherr­
schaft des geistigeren Lebens bemerhlich scy« Ohne
hierüber eine Entscheidung zu wagen, gehe ich sogleich
zum historischen Ueberblich hinüber.
Nun tritt auf eine sehr bemerhenswerthe W eise das
Gebet schon in der Kosmogonie der I n d i e r hervor^
und behauptet sich als yorzugliches Element in den Be-
ligionshandiungen der Hindostaner bis auf den heutigen
Tag. Im Capitel τοη den Indischen Beligionen werden
dazu die Belege gegeben werden. Vorzüglich mufste
auf diejenigen Gebetsformeln gemerkt werden, die sich
als die ältesten in Ton und Inhalt ankiindigen, schon
deswegen auch, um die Frage der Entscheidung näher
zu bringen, ob die Sanscritsprache sich in einem so rein
geistigen Charakter und in lichter Prosa hält, wie man
ihr nachriihtnt, oder ob auch in ihr, wie in den übrigen
Sprachen fast sämmtlich, die Onoraatopoesie in Stamm-
wdrtern ihre Buchte behauptet Ueberhaupt wäre es

den Nordländern heifsen die Kirchen zuweilen Hag (Hain),


z. B. Baldursbag (Frieddiebs Sage in tleo KSmpa daier),
und das Wort Holm, was gewöhnlich eine Insel bedeu­
tet, scheint manchmal auch einen heiligen Oit hezeich«·
net zu haben, womit die lateinische Bedeutung von In­
sula zu vergleichen·*^ JZusaiz von M o ne.
^ 1 ) Herodot· II. 52·
262} Jenes behauptet Fr. S c h l e g e l Uber die Sprache und
Weisheit der Indier p· 60-^62; dieses Kurt S p r e n g e l
i6 i

vei'dieottlich, aas den Schriften und Denlunalen des


Alterthums eine möglichst Tollständige Sammlung von
G e b e t e f o r m e l n su geben. Nichts w^re wohl geeig·
neter^ uns einen möglichst richtigen Begriff, von dem
religidsen Leben der alten Ydiber zu verschaffen. Da
in diesem kurzen Abrisse von dem Allgemeinen des
Coitus im Altertfaume doch unmöglich in das Einzelne
aller religiösen Anstalten und Handlungen eingegangen
werden kann, so sollen hier einige Nachweisungen
folgen zur Beantwortung der Fraget W e l c h e s I n ­
h a l t s di e G e b e t e d e r a l t e n V o l k e r g e w e s e n ·
ln der Zoroastrischen Religion tritt das Gebet als ein
Haupttheil des Cultus hervor. Die cyclische Litaney der
Magier bis zum Sonnenaufgang, wovon wir bei den Alten
lesen, nnd die im dritten Th eile des Zendavesta enthaltenen
Jeachi, Neaeech und wie die rerschiedenen Namen der
Gebete und Zendformeln heifscm, geben davon hinläng­
lich Kunde. Man hat dabei an die Aehnlichkeit mit den
Orphischen Hymnen erinnert, wie nicht minder an die
cyclischen Horen des Islam ; ons ist besonders die
Nachricht des Herodotus wichtig (I. iSa.), wonach beim
Opfern kein Perser für seine eigene Wohlfahrt bitten
durfte, sondern für das Wohl aller Perset und des Kö·
nigS3 weil in der Zahl aller Perser ein jeder Einzelne
selbst inbegriffen sey« Gleichwohl zeigt sich die Perser-
liturgie auch τοη einer andern nicht so vortheilhaften
Seite« Es wird nämlich iro Verfolg bewiesen werden,
dafs ans dem Princip des Magismus, auch in seiner fru-

in den fnstitnit. Physiologice, p. 513 sq. W ir werden in


der Einleitung zur Religion der Indier auf diesen Gegen*
Satz zordck kommen. Nach Weisungen SKerer Schriften
über die Gebete giebt J . A. Fabricius in der Bibliotheca
antiquaria ρ· 509 sqq. ed. Schaflfshaus.
S6S) Böttigers Skizzen der Mythologie p« iS.
h 11
i6a
heren Gestalt, der Glaube an die sswin^ende und, ao zu
sagen Φ Götter und Geister bindende Kiaft des Gebets
Dotbwendig Hervorgiug. Eine Folgerung, die sich auch
i)Ur za früh in ihren prahlisrhen Wirbmigen aufsecte·
Daher die so reibreitete Vorstellung, die besonders in
den sogenannten Chaldäisehen Orakeln vorwaltet ^ )|
dafs gewisse geheimnifsvollc Gebeufurmeln, deren EU*«
findumg man den Göttern selbst beilegte, eine unwider­
stehliche und der Gottermacht selbst gleiche Gewalt
besäTsen· Auch in der Acgyptischen Religion mag W ür­
diges neben dem Unwürdigen ins Gebet gchommen sejn.
Denn einmal äufserte hier der zum Grunde liegende
Dualismus auch gvofsen Einilufs« W ir lesen bestimmt
Ton Verwünschungen des bösen Geistes T jp h o n , ja von
Drohungen in ihren Gebct&formcln finden sich Spuren
und da wir wissen, wie sie ihre Todten durch Amulete
a^u schützen suchten, so dürfen wir nicht zweifeln, dafs
sie auch Formeln hatten , denen sie eine solche Zauber­
kraft beilegten. Das mag zum Theil der Inhalt der kur­
zen Inschriften se jn , die wir auf den Papyrusrollen aut

561) *ΐ9ζαπγ.άς Ιν.ίταας α·^ ατ* αυτών τών ίίών nennt sie Jambli*
c Iju s de mysicr. Aegypt. 1. 15. p. 27. und redet von ihrer
göttlichen Kraft. Vcigl. daselbst Gale in notis pag. 1$9.
Hieraus das Beten auf a l t e W e i s e (rov
τροχόν) zu erklären, womit Froelua die Genesuixg einen
kranken Mädchens bewirkt; s. Marini vit. Prodi pag. 73«
paß. 23 ed. Boisson. Magrerforindn erwähnt Ammianus
AIaredlimis XXI11. 6. Sehr treffend sagt Polybius XV.
2y. pag. 552 Schweigh. von der Oenanthe, sic sey in der
Noih in den Tempel der Ceres und Proserpina gegangen^
und habe durch Kniebeugen und Fleheu die Göttinnen
wie durch ^duberkUnsie für sich zu gewinnen gesucht:
καί TO ir^ttirav ikivagkt γονυτβτρυσα κα ί / a a ^ y ^ a v a v a v e a
iTyd; τάς
265) Kiicher Oedip. Tom . II. pari, 2. p. 453.
Λ
ιΓ)5
Aegjptischen Gräbern sehen. Aber eben dieser Ae-
gjptische Todtendienst hat doch auch ein Gebet auf-
zuv^eisen , das in einem ^eit anderen Sinne den bes­
seren Theil des Menschen der Aufnahme bei den Göttern
empfiehlt. Kindlich ^ schon and einfach ist auch das
Pbonicisch - Aegyptische Gebet , w orin eine gewisse
Thebe fur sich ewige Wohlfahrt erflehet Können
wir dem Juden Philo glauben, so war die dem Jüdi­
schen Hohenpriester rorgeschriebene feierliche Gebete­
formel eine der liberalsten und menschenfreundlichsten
unter allen, die wir hennen. « Denn andere Priester,
sagt der genannte Schriftsteller, rerrichten blos für
Ihre Angehörigen, Freunde und Mitbürger Opfer und
Gebete; aber der Jüdische Hohepriester bringt nicht
blos für das ganze Menschengeschlecht , sondern auch
für die Naturtheile: Erde, W asser, Luft und Feuer,
seine Gebete und Danhsagungen dar. Er halt nämlich
die W elt, wie sie es denn auch in der Tbat ist, für sein
Vaterland, für die er durch Gelübde und Bitten die
Gnade des Obevherm zu erwirken suchet, indem er
flehet, seiner Milde und Gute seine Creaturen theiihaftig
zu machen, Doch wer über den Geist der Jüdischen
Liturgie gründlich urtheilen w ill, mufs von der Psalm-
diebtung der ersten Sänger an bis auf die späteren For­
meln, woran sich ebenfalls theurgische Vorstellungen

S66) Von diesen Gebeten and Formeln unten im Capitel von


der Aegyptischen Religion. Hier nur die bestinume Nach-
weisung: Nach Nemesitis de natura homin. c. d6. p. 294
Matth, hatten die Aegyptischen Priester fatalistische Vor­
stellungen von dem Einflufs der Sleme, glaubten aber
doch an Veränderung des Geschicks durch Gebete und
Abwendlingsformeln.
267) Philo Jud. de Monarchia lib. II. pag. 825. pag. 227 ed.
Mangcy.
i64

und andere MiPsbranche anhäiigten, Allet zasammenfas·


8cn; *vrae bereits in gelehrten^ Schriften beabsichtigt
ist a»).
Schon im ältesten Pelasgischen G r i e c h e n l a n d
hören wir, wie bemerkt, von Gebeten; und wenn auch
vergleichiingswcise bei den Griechen der Opferdienst
bedeutender erscheint, so lassen uns doch mehrere Spu­
ren nicht zweifeln , dafs das Gebet bei ihnen sehr aasge­
bildet war. Ist nicht schon die Personification der Bitten
im Homerus 2^9) höchst bemerkenswerth ? Und ist nicht
der Priester auch in ältester Sprache als B e t e r be­
zeichnet 27Π) ? Auch zeigen die vielen W örter liturgi­
scher Bedeutung, wie grofs der Kreis dieses Religions­
zweiges bei den Griechen gewesen seyn mufs W as
den Geist des Griechischen Gebets betrifft, so hat man
noch neuerlich behaupten wollen, erst Pythagoras und
Socrates hätten die Griechöti im bessern Sinne beten
gelehrt; alle andere Gebete der Griechen erinnerten an
die Goelie
Mit diesem Satze würde aber, unseres Bedunkens,
die bessere Geheimlehre fallen, die doch erweislich nn-

i68) Vhringa de Synagog. vet· libr. HI. und Andere. Wich­


tig ist besondere auch Orige nes ir«^< ^d. Weisien.
Amstet. 1695 . Besonders mu& die schöne historisch«·
philologische Ausführung des Is· Casaubonns in den £x«
ercitt. Antibaron. X I V. 8. pag, 287 iF. über das /3αττολογιΓν
bei Juden , Heiden uud Christen nachgelesen werden.
Vergl. auch H e r d e r s Erläuterungen zum N. Test, aus
einer neueröffneten {Quelle. Riga 1775. S. 109 f*
269) lliad. JX.. 49 s. wo die Atroi als Göttinnen erscheinen.

270} Iliad« I. 94·


271) Ζ · B. «υχΛ/, tiyfjtara, λιτοί,
αίτημιτα, ιντίυξίΐ; ‘Τξόσύ6θί, ·υχα^ίστ/ύΜ etc.
272) Böttiger a. a. Ο.
i65
ter den Griechen uralt n*ar· Da ein Hanptswecli unteres
ganzen Bestrebens auf die Darlegung dieser telettischen
Lehre gerichtet ist, so iväre es überilussig, hier in eine
bestimmte Widerlegung jenes Satzes eingehen zu wollen.
Es genüge uns daher h ier, an den unendlich gelauterten
Sinn des Homerischen Hymnus auf die Ceres zu eriu·
nern, der schon eine ganz audere Liturgie and einen
andern Unterricht voraussetzt. W ir geben in harzer
Aufzahlung einige Beispiele Griechischer Gebete, be­
sonders mit Hinsicht auf ihren Ton und Inhalt. Be-
schworungslicder kennt Homerus, z. B. um das Blut
einer Wunde zu stillen (Odyss. XIX. 457.) ; Sühnlieder
hei Krankheiten und Seuchen (lliad. A. 45i ff.) — aber
auch andere, worin man wenigstens bestimmte magische
Vorstellungen nicht findet« wenn gleich Hülfe oder auch
Rache gegen Feinde erflehet wird, wie im Gebete des
Priesters Chryses (lliad. A. 94 ff<) und in dem trefflichen
Nothruf des Achilles (lliad. XVI. a3s ff.). Auch dürfen
wir wohl an das Gebet des Pelops an den Neptun beim
Pindar (Olymp. 1. iia ff.) erinnern. Um aber ein ge­
treues Bild der Griechischen Yolksgebete zu gewinnen,
mufste vorzüglich auf diejenigen Gebete geachtet wer­
den , die nicht gerade durch ein poetisches Medium, so
zu sagen, hindurch gegangen sind. Die Alten haben
uns verschiedene kostbare Stücke der Art aufhehalten.
So hatten die Priester der alten Macedonier^) gebetet:
«Es möge Bedy (die Luft) gnädig seyn ihnen und ihren
Rindern.» 2 u den Horen beteten die Athener in der
A rt, dafs sie wünschten: die Güttinnen mochten doch die
austrocknende Hitze und Dürre abwenden, sie mochten
mit gemäfsigter Wärme und zeitigem Regen die Feld-

S73) Neanthes C y zic. a p . C lem ent« A le x . S tro m . V . p a g . 673


P o tt. κατακ;ί>.«7ν 7><w a^roit, re και τοΤς τ«κνο/ς.
i66
früchte zar Yollendang bringen Yon einem an­
dern Gebete der Atbenienser haben wir noch die eigene
Form el: «Regne9 regne , lieber Z e rs, auf die Felder
der Athener und auf ihre Fluren ^ Der Behauptung
von Bayle , als hätten die alten Heiden niemals um
Tugend und andere moralische Eigenschaften die GotU
heiten gebeten, sondern nur um GHichsguter, HofF-
nung, Wohlfahrt und dergh, stehen die deutlichsten
Stellen der Alten entgegen. So beschliefet z. B. Calli­
machus seinen Hymnus auf Juppiter (vs. 94 ff.) mit den
W orten :
d i r , d o p p e lte s H e il! V e rle ih u n s T u g e n d u n d
S eeg en .
„ O h n e T u g e n d b e g lü c k t n ic h t R e ic h th u m d ie S ö h n e d e r
E rd e ,
„ O h n e S eeg en n ic h t T u g e n d . V e rle ih u n s T u g e n d u n d
R e ic h th u m . ^

W ie nun endlich mit den Fortschritten der Ethih die


Lehre yom Gebet mehr und mehr geläutert worden, be­
darf keiner Ansfuhrnng , da jedem unserer Leser die

274) P h ilo c h o r u s a p . A th e n . X IV . p . 656. p . 387 S c h w e ig h ·


cf. P h ilo c h o ri F ra g g . p. I/O e d . L e n z , e t S ie b e i.
2TS) M a rc . A n to n in . ad sc ip s. V . 7. p ag . 3 7 ; ΆΒψαίων^
Cffcvy υσον y w φ/λβ Z c'J, κατά r d ; ruh *Αθηναίων κα}
rwv τβ$/(υν. W o b e i A n to n in die A n m e rk u n g m a c h t : ητοι
cd 6s7 ουreu; άνλνυς και ( iXsuSt^'w^ C a -
s a i t b .) ; w o m it e r a lso d ie se m G e b e te E in fa lt u n d F re i­
sin n b e ile g t; u n d w e r fUhlt d jes n ic h t ? U e b rig e n s ü b e r ­
s e h e m a n n ic h ts was G a ta c k e r zu d ie s e r S te lle b e ig e b r a e b t
h a t ; v e rg l. a u c h V a ic k e n a rii e p is to l. ad R o e v e r. p. X .
276) C o n lin u a tio n d e s p e n sd e s s u r la C o m e te p . 246.
277) E ig e n tlic h : „ H e i l , V a t e r , n o c h m a ls H e il.“ A h lw a rd t
m u fste in d ie s e r U e b e rs e tz u n g d a s au fo p fe rn , d a s
a b e r g e ra d e in d e n G e b e te n an J u p p i t e r h e rk ö m m lic h w a r ;
8. E z . S p a n h e im zu d ie s e r S te ile .
167
Aeufeerangen der Socratiker über diesen Gegenstand
bekannt sind. Man w eifs, welches Lob Socrates den
Lacedämoniern und einigen alten Dichtern in dieser Hin­
sicht ertheilte 9 nnd wie er am Schlüsse des Platonischen
Phädrus mit rührender Nairetat selbst betet: « O
lieber Pan, und ihr Götter^ die ihr sonst hier nugegen
sejd , Terleihet mir schön za soya inwendig, und dafs,
was ich Aeufseres habe, dem Innern beFreiindet sey.^
Hiermit Terdient das Gebet des Philosophen Simplicius
▼ erglichen zu werden, womit er seine Commentarien
über den £piktetus schliefst. Unter den Platonischen
Philosophen betrachtet Proclus das Gebet von verschie­
denen Seiten, und sieht darin ein vorzügliches Mittel
der Vereinigung mit Gott
Bei den R ö m e r n endlich scheinen, im guten wie
im schlimmen Sinne, dieselben Vorstellungen herr­
schend gewesen zn seyn, die wir bei den Griechen nach­
gewiesen haben. Nur mag im Bewnfstseyn des ältesten
Römers das Gefühl des Unendlichen reiner und stärker
hervorgetreten seyn, als dies späterhin der Fall war.
Dies beweiset die Nachricht beim Gellius (N. A. II. 28.),,
wonach die älteren Römer beim Erdbeben zn k e i n e m

278) P la to n is P h a e d r u s p. 279· p . 356 H e in d o rf. B e k a n n tlic h


g e h ö r t d e r g an ze zw eite A lc ib ia d e s h i e r h e r , m ag ih n n u n
P la to o d e r ein A n d e re r v e rfa fst h a b e n . D a s d o r t e m ­
p fo h le n e G e b e t e in e s D ic h te rs s te h t p. I43, p. 2 8 | e d .
B e k k e r. u n d m it e in e r g anz g e rin g e n V e rs c h ie d e n h e it in
d e r G rie c h is c h e n A n th o lo g ie T o m . H I. p. 250. IV . p. 217
ed . J a c o b s . D ie s e lb e n Id e e n ü lie r d a s G e b e t h a t n a c h ­
h e r J u v e n a lis a u s g e fU h rt, s . S atir. X · 346 s e q q . u n d d a ­
s e lb s t R u p e rli.
2 7 9 ) . P**oclu8 in P la to n is T im a e u m p a g . 65. ου'κ σ^ικξόν rt
ίττιν tj rij; ολι^ς d'jo^o’j rwv ψ υ χ ά ν κ. τ. λ. F re i­
lic h liefen d a b e i z u w eile n u n z u lä s sig e th e u rg is c h e V o r s t e l­
lu n g e n m it u n te r .
i68
b e s t i m m t e n G o t t e b e t e t e n · Einen grofsertigeny
tiefen Natursinn rerrathen viele Gebetsformeln der alt·
italischen V olker; wie die Precetiones Augur uro t worin
Flufsgötter genannt werden (beim Cic. de N«D. III· ao·)«
wie die Dmbrischen Ueberreste von priesterlichen L i·
turgien und endlich die Inschriften , die sich auf
Latinische Brüderschaften von Feldpriestern benie·
hen 9 wiewohl auch hier Battologien genug Vorkom­
men. Aach darf die AengstHcbkeit nicht übersehen
werden , womit das Pontiiicalgebet der alten Römer da­
für sorgte, dafs ja keine Gottheit vergessen werden
möchte (ne quod numen praetereat, nämlich der Beten­
de, sagt der gleich anauftihrende Schriftsteller)· Daher
riefen die Pontifices, nach Anrufung der besonderen
Gottheit, der das Opfer galt, zuletzt alle Götter mit
einander an (more Pontificum 9 per quos ritu veteri in
omnibus sacris post speciales Deos , quos ad ipsum sa^
crum quod fiebat, necesse erat invocari, generaliter
omnia numina invocabantur· Servius ad Virgil· Georg·
I. I sqq.)· Bald aber wurden schon Gebete und For­
meln Organ Römischer Politik Heiligung and Verwün­
schung, Einweihungen von heiligen Oertern und Evo-
cationen von Götterbildern, wurden den Absichten
der Slaatsklugheit unterworfen. Der ganze Kreis der
Gebete und Formeln war in der Römischen Religion
sehr geordnet; wie man denn z. B. die Precationes und
Comprecationes, als ordentliche Gebete, ursprünglich
von den Praefationes, Doxoiogien und andern Formeln

1280) S . die E u g tib in isc h e n T a fe ln ( d e r A tie r a ti) b e i L s n z i


Saggio d . L in g u a C tru s c a V o l. Π Ι. p . 671 s q q ·
SSI) A c ta F ra tru m A rv a liu m m it M a r in f s C o m m e n ta r·
282) W ie zu V e ji: « V isne R o m a m i r e , J u n o ? “ L iv iu s V .
2 t s q . V e rg l. P lin . H . N . X X V I I I . 2. u n d m e h r e r e For<«
m e in b e im B ris s o n iu s d e F o rm u lis L i $ 4 — 124·
i6g

genao unterschied Das beim Lustrum oder Sühn-


feste des Volkes aus Urhunden Torgelesene Gebet für
die W ohlfahrt und Vergrdfserang des Rdmischen Ge·
nieinwesens beschränkte Scipio Africanos junior, als er
zu beten hatten im edelsten Geiste des Völkerrechts, auf
die Bitte um die E r h a l t u n g und U n v e r l e t z l i c h ·
h e i t des Vaterlandes ^ £fn erhebender Beweis,
daia es auch damals in Rom Männer gab, die dem Geiste
der Mäfsigung huldigten»
Diese Betrachtungen über das Gebet fuhren uns
auf die Frage nach dem Ursprünge des Griechischen
JMamens der Gottheit: Ssd;. Hier zeigt sich eine grofse
Verschiedenheit der Angaben bei Alten und Neueren.
Die Götter sind die O r d n e r , daher ihr Name# a —
^sob^ ör» 9(όσμω ^ i v T s q t A ^άντα ^γήγμαται^
sie heifsen so von d ä s t r , von der B e w e g u n g der
Himmelskörper , wie man denn auch an die Chine­
sische Benennung des Himmels : Tien, erinnert hat;
Ton der F u r c h t , ^ος ; vom S c h a u e n , dsda»,
^sάoμaι (als Aufseher, oder weil sie nur durch Con-

2 S 3 ) c f. C ic . d e N . D . Π Ι. 20. ib iq . in te r p r r . u n d G e ll. N . A .
Χ 1 Π . 22.
2SA) V a le r. M a x im . IV . c a p . 1. $· 10. D ie F o rm e l h e ifst
d o r t 8 0 : u( populi R o m a n i re s n ie tio re s a m p tio re s q u e fa«
c e r e n t . Scipio b e te te : u t e a s p e rp e tu o in c o lu m e s s e r v e n t.
S S S ) H e ro d o t. 11. 52. — « B e i d e n N o rd lä n d e r n h ie ik e n d ie
G ö t t e r R e g i i i , bei d e n T e u ts c h e n R e c h e n , w eil sie
d ie W e lt e i n g e r i c h t e t h a b e n , u n d d e re n R i c h t e r
s in d . A e h n lic h d e r g rie c h is c h e n W o r te r k lä r u n g u n d
s ic h e rlic h v e rw a n d t m it d e m in d isc h e n R a j a h , wie m it
v ie le n a n d e r n .** Z u s a tz von M o n o *
2 8 6 ) P la to n . C ru ty l. p . 49 H e in d o rf. p . 397. c . d . S te p h . c o n f.
C a r u s do C o s m o th e o l. A n a x a g o r. fo n t. p. 31. n o t. M a n
v e r g le ic h e o b e n C a p . I . $. 2 , w o e in T h e il d e r P la to n i­
s c h e n S telle m irg e th e ilt w u rd e·
170

teinplation ernannt werden). Oder daa W ort hat einen


Aegjptischen Ursprung τοη θβνς Mit grofaerer
Wahrscheinlichkeit haben britische Sprachforscher auf
den Aeolischcn Namen des höchsten Gottes aufmerbsam
gemacht; £r hiefs Δ$νς und, mit yorgesetztem Zisch­
laute , , woraus Ζενς und geworden ist. Hier-,
mit bezeichncten die Acolier das höchste Wesen , so wie
die Dorer es Z a r , die Jonier nannten. Die erste
Form Δενς, auch Δ/ς, leitet man aus dem alten Cultus
der Kureten her; und, wie dem auch ney, sie ist mit
dem Bumischen D e u s und D i s yerwandt ^ ) . Auch
schreibt Hesjehius den Tjrrhencrn die Form Δία su,
womit sie eine der alteren höchsten Gottheiten weib­
lichen Geschlechts, die Bhea, bezeichnet haben sol­
len Einige neuere Schriftsteller haben behaupten

2S7) Lennep. Etymolog. ling. gr. pag. 251 sq. ed. alter., wo
Tib. Hemsterliuis an noch sonderbarere Meinungen der
Kirchenvater erinnert. Payne Knight Prolegg. ad Ho­
mer. pag. ed. Lips. denkt sich den Namen Ζβνς ur-
spranglich als ΔΣΕΡΣ geschrieben, und leitet ihn von
und hiSwf also vom Gefühle der F u r c h t vor ihm,
her. Andere Meinungen sind von mir in den Briefen
über Homer an Hermann berührt worden S. 1S9 f.
^ 8) Die nordischen Ausleger der Edda ( SSmundar Edda II.
S. 821.) stellendes eddische Wort T y r , sofern es blos
Gott bedeutet, nicht mit Unrecht zusammen mit dem An^
gels. T i r , Zend. D i v , Sanscr. D i v a , 8 lav. D e w ,
Griech. Z e u s , Lat« D is etc. Ebenso h eifstT iv i bei
den alten Nordländern Gott, und D i s e n , Göttinnen,
sowie hiemit der aUteutsche T e u t , der galt. Pater D is
u. 8. w. zu vergleichen sind. Anmerk, von M o n e . —
V. Hagen in der Schrift, I r m in betitelt, giebt Über jene
Wortfamilie noch mehrere Notizen p. 66.
289) Lennep. Etymolog, ling. gr. p. 234. und daselbst die be­
lehrende Anmerkung von B u r g e s s ad Dawes. Miscel-
lan. crit. p. J 86. Hesych. Γ. p. 896 und p. 917· und daselbst
1?1

MTollen« erst späterhin hatten die Griechen jedem ihrer


G ütler Tiele Namen beigelegt. Jene Nachricht des He­
rodotus scheint diese Vorstellung zu begünstigen. An­
drerseits zeigen sich bei den üstlichen Völkern, zumal
den Indiern ^ , irühzeitige Spuren des Gegentheils,
nr.d cs möchte überhaupt noch mehrerer Vntcrsuchnn-
gen bedürfen , ehe 'wir über das Alter der liturgischen
Poljronjmie etwas Allgemeines bestimmen können. Rieh«
tung uud Stellung der Betenden (gegen Osten bei Grie­
chen und Römern) Das Aufheben der Hände und
andere Umstände wären in einer Geschichte des Gebets
nicht minder zu berücksichtigen.

$· 56.
Ueber die Entstehung d e s O p f e r n s , so wie über
die V\"ahl der Opfer und heiligen Spenden, haben sich

Alberti. ZoS^a de Obclisc. p. 205. und daselbst Barthe-


Jemy, der Δινς etc« durch H e r r erklärt. Uebrizens
suchten die Griechen Etwas besonderes darin, dafs der
Name Ζέυς unter allen auf f ausgehenden Namen allein
einsylbig sey. S. Eustath. ad Odyss. 1. 27. pag. l4 infr.
Basil., wo Mehreres Uber die verschiedenen Formen die­
ses Namens vorkommt, und zugleich bemerkt wird, dafs
einer auch im Accus, gesagt habe: Vergi. Valckenacr
Schot. Vol. I. p. i07. zu Act. Apost. XtV. 12 . und Jacobs
ad Anihol. Palat, p. 300. Im Etrurischen heifst Juppiter
T i n a oder D ina, welches Lanzi im Saggio di Ling.Et rusca
11« p. i 92, vom Dorischen Aijv (stattZiyy ) ableitet; Visconti
im Museo Pio Giern. Vol.IV. p.99. vom casus obliquus Δ/α.
Ueber die Namen Zeu; und Zfh erklärt sich auch Procius
mscr. ad Platonis Ci*atyl. cod. Monte, fol. 122 rect.
290) Δ/^νυσρς ^ολι^νυμο^ Triclin. ad Sophocl. Antigon. 1103.
Cp. 22 0 £rf.) Die vieJnaroige Artemis, die Isis
bei G r a t e r US fnscr« Nachrichten von den vieltiamigen
Gottheiten Indiens. J o n e s Abhandl. Über Asien T. 210
291) L i p s i u s ad Tacit. Hist. Ili, 2Ί. — „Und bei denTeut-
schen·*^ Zuscetz von M o n c .
IJ2

bekanntlich sehr verschiedene Theorien gebildet


deren besondere Prüfung hier am so nnnöthiger is t, da
wir bei der ethnographischen Uebersicht der einzelnen
Culte doch in die Grunde des frühesten Opferdienstes
eingehen« £s genügt uns also, hier vorläufig auf die
merkwürdige Sage der Griechen hinzuweisen, wonach die
ältesten Opfer unblutige geΛve8en und sich auf Pfianzen,
Gräser und Zweige beschränkt haben. Hiernach stellt
man die ursprüngliche Bedeutung von hveiv und
o c a m i t t h u s , Weihrauch und dergl. zusammen.
Auch hierbei müssen H i r t e n r e l i g i o n e n und a g r a ­
r i s c h e Festopfer, so wie nicht minder verschiedene
Zeiten und Yolkscharaktere, wohl unterschieden wer­
den. Der wilde Arcadier Ljkaon hatte auf dem Altar
seines Zeus das Blut eines Kindes vergossen; der Saiter
Cecrops befiehlt Kuchen auf dem Altar des Zeus zu
Athen darzubringen ^*^). So ward das Harte durch Ge­
setzgeber gemildert. Mythische Erinnerungen der Atti-
her aus den Zeiten des ältesten Opferdienstes waren
die Διΐπόλια u n d d e r Attischen V o r z e it ^ · —

^92) Vergl. Meiners Gesch« der Reil. II. S. 3 ff.


Die H a u p t s t e l l e hierüber ist von T h e o p h r a s t u s
bei Porphyrius de Abstinent. II. 5. p. 108 ed. Rlioer. und
daraus Euseb. Praepar. Ev. I. p. 28. S. Graevii Lectt*
Hesiodd. cap.9 · C^l·H.) Cf. P l a t o de Legg. VI. 22. p . 78 ·
Bwfxot dvaffMaKTot hin und wieder in Griechenland als
Ueberreste des alten Dienstes, in D e l u s , woran P y ­
t h a g o r a s allein opferte. Clem. Alex. Strom. VII. pag«
848 Potter. Der Altar des Friedens zu Atlien. Aristoph*
in Pace 1020. Eben so im alten Latium. S. Plutarch. in
Romul. cap. 12 init. Num. 8 et 16 .
294) Pausan. Arcad. cap. 2 . 1 . p. 350 Fac.

295) Die Sagen bei Theophrastus a. a. O· Vergl, Aelian.


V. H. VIH. 3. und daselbst die Ausleger« Die
173
Aelmliclie Sittenmilderung echricbcn die B6mer ihrem
Moma ΖΌ
Je ausgebreiteter und weitschichtiger nun der Opfer­
dienst bei Griechen und Römern ward, und je mehr sich
mit der Zeit die Opfertheorie zu einer Art τοη ΛVissen-
schaf^ ausbtldete, desto mehr bereicherte sich ihre Kunst­
sprache, und es wurde sehr weitläuftig seyn, wenn wir
hier alle Kunstwörter aufzählen und erldären wollteu.
G enug, von der äufsersten Einfalt vegetabilischer Opfer
bis zu einer Ungenugsamheit, der die feierliche Heka­
tombe (ίχατόμβη, worüber es auch verschiedene Be­
stimmungen gieht) nicht mehr genügte, schweifte hier
der menschliche Geist bis zum Unglaublichen hinüber·
In dieser letztem Manier hatte sich z. B. der Kaiser Ju­
lianus den Namen des Opferschlächters (victimarius) er­
worben (Ammian. MarcelL XXII. i4· XXV. 4·)«
wenn früher eine Hekatombe oft aus hundert Stieren be­
standen hatte, so waren jezt hundert Löwen, hundert
Adler u* s. w. zu einem sogenannten Kaiseropfer (sacri­
ficium imperatorium) erforderlich (Capitolinus in Maxim·
et Baibin. cap. ti.). Auch vervielfältigten sich mit der
Zeit bei Griechen und Römern die Gattungen der Opfer,
wovon die wesentlichsten freilich ursprünglich waren,
und in der alten Naturreligion ihren Grund hatten, wie
Trankopfer, Ranchopfer ^ und andere. Mit der Steige­
rung der Gaben, Spenden und Weihgeschenke (ava^if·
ματα) und gottesdienstlidien Gelübde war es nicht anders·
Daher prangten auch die Schatzhäuscr zu Delphi und
an andern Orten anfänglich weniger; es waren eherne

waren a l t f r ä n k i s c h e Dinge, nach dem Sprachge-


brauche des Aristophanes Nub.979· (9 S2 Herrn»), wo der
Scholiast zu vergleichen ist.
296) Plutarch. Nnma I. p. 64* Prancof.
297) 3« B· cxoviäif Xetßaif libamina, libationes; Mtiouerra etc·
i? 4
Kessel und Dreifufse im Namen der angesehensten Dona-
tarien und ganzer Städte dort aufgestellt· Ausländische
Könige, ^ie Gyges und Krösus, M^ie Gelo und Hiero,
stifteten zuerst goldene Donarien in Griechische Tempel.
Ja auch die Aegyptischen Priester und Könige haben sich
of\:ers der ehernen Gefäfse zum Opferdienste bedient
{ Herodotus, Phanias und Theopompus apud Athen. Y I.
p. 23i sq. p. 389 sq· ed. Schweigh.) , wenn man gleich
nicht zweifeln darf, dafs die goldreiche Thebais auch in
diesen Dingen eine gröfsere Pracht entfaltet hat.
In Betreff der F e s t e , so hatte daran das Alter·
thum, zumal das Griechische, nach Zahl und Arten einen
grofsen Ueberflufs. Da sind zu unterscheiden : Mond-
und Sonnenfeste, und Feste nach Ablauf grdfserer Perio­
den; sodann Saat- und Erntefeste, und diese sowohl,
als auch andere, häufig yon einem doppelten Charahter,
indem Leid und Freude mit einander wechselten. Doch
blieb es ein yon andern T"olhei*n häufig bemerhter Cha-
rahterzug der Griechischen Feste, dafs sie fast durch-
gehends den Grundton der Heiterheit behaupteten
Daher denn auch fliusib und Orchestih, MasItenzCige und
scenische Anstalten aller A r t, gewöhnliche Begleiter der­
selben waren. Oeffentliche und Priyatopferfeste waren
in der Regel mit Mahlzeiten yerbunden, und das Amt
des Parasiten war lange zu yo r, ehe dieser Name einen

298) Beuriheitung der Hellenischen Denkart aus Stellen, wie


z. B, Hesiodi Έ^.γ. 735; aus Hesych. und Siiidas in o^th
lieber die Freude als herrschenden Charakter der
Griechischen Feste hat Spanheim ad Callimach. Del. 32t.
Mehreres s:esammelt. Mehrere Data giebt Meursii Grae­
cia feriata, lieber die Römer s. die Fasti des Ovidius und
die kleine, aber inhaltsreiche Schrift des Job· Lydus de
mensibus, der, obwohl aus später Zeit, doch guten Theils
aus älteren Quellen geschöpft h a t , die er oft anfiihit;
anderer Schriftsteller nicht zu gedenken.
17&

Schmaroser beseiehnete , ein gottesdienstliches und öf­


fentliches Ehrenamt , dessen in noch yorhandenen
Griechischen Inschriften häufige Ermhnung geschieht·
Diese Heiterkeit und dieser Männersinn waltete auch bei
dem Griechischen Heroen- und Todtendienste yor, und
ein feiner Griechischer Beobachter stellt in diesem
Sinne Aegjpter und Hellenen so einander gegenüber:
«Und es opfern die Hellenen edlen Menschen; wobei
ihrer Tugenden gedacht wird9 ihre Leiden und Trubsale
aber mit Stillschweigen ubergangen werden· Bei den
Aegjptern hingegen bestehet die Huldigung 9 die man
der Gottheit widmet 9 ebenmäfsig in Ehren wie in Thrä-
nen.r Die Feste der B ö rn er waren im Gamsen yon
einem ernsten und mysteriösen Charahter. Hier will ich
nur mit Einem W orte an den Römischen Festcalender
erinnern; im Capitel von den Italischen Religionen wird
ausführlich dayon die Rede seyn. Hier werde nur mit
Einem Worte der grofsen Gottesfurcht {eiiaißsia) und
der aufserordentlichen Einfalt gedacht, welche die Grie­
chen in den Gesinnungen und gottesdienstlichen Handlun­
gen der ä l t e r e n Römer mit Bewunderung und Beschä­
mung bemerhen; s. Posidonius apud Athen. YI. p« 048 —>
55o ed· Schweigh.

299) Athen. VI. pag. 235. pag. 40ö Scliweigh.: tg του τα^/του
ονομα νυν μίν aöo£cv ιβ τ ί, ταξά i i τςΓς d^yaiot^ ίυξίσκομαν τον
ita^d^tTov U^6v xt και συν2οίνω ττχ^όμοιον. —
Uebrigens beobacbteien die ältesten Griechen den Anstand,
dafs sie bei Opferinahlzeiten safsen, und nicht lagen, und
auch im Reden sich mäfsigten· Sie dachten die Götter
dabei unsichtbar gegenwärtig. Eustath· ad Odyss. ΙΙΓ.
4i5. p. 137; woselbst der Vers des Epicharmus angefiihrt
wird:
άλλα καί σty^v dyo2l·/ οκκα -ra^iovrt Ka^pevs;·
300) Maximus Tyrius Dissertat· VIII. 5. pag. 137 Reisk·, wo
man Marklaads Note vergleichen mufs.
176

Die I d o l o l a t r i a betreffend, so zeigt sieb hier


eine grofse Yerschiedenheit. Walirend es Volker im
Altcrthuine giebt, die beim Sternen- oder Elementen-
dienste der Bilder ganz entbehren ist doch andrer­
seits nicht zu rerhennen, dafs der Bilderdienst ein sehr
hohes Alter hat. Bei den groPsesten Völkern der Vor-
irelt waren Naturhorper selbst, Steine besonders, in
denen man göttliche Symbole erkannte, die ältesten Ge­
genstände der Yerebning, und zwar so, wie sie von
Natur gebildet waren, oder mit geringer Nachhulfe durch
Menschenhand W eil rerbreiteter war der Glaube,
dafs die Gottheit selbst ihr Bild yoni Himmel auf die
Erde herab gesendet habe (^ιιπετ^ς dfyaXpa). Hierher
gehören die B a e t y l i e n (ßa$rvXia, βαίτνΧοε). Den
Ursprung des Wortes hat man aus der Syrischen und
Phönicisefaen Sprache, abgeleitet· Yer-

301) Herodot. t. 131. von den alten Persern· ErklSrunf^ die­


ser Stelle. — Dagegen mythische Spuren von dem Aher-
Ihume des Bilderdienstes bei andern Völkern , sieh· s« B·
Diodor· Sic. Jll. c. 59·* — n Auch bei den alten Teutsehen
sehr wenige Bilder, mehr Gebet und Sage·*^ Zusat;^
von
302) M e in e r 8 allgem. krh. Geschichte der Religionen ί·
$. 150 und 4l2 macht gute Bemerkungen Ober die An­
lässe des Bilderdienstes; schliefst aber mit Unrecht von
den Sinnbildern (allegorischen Bildern) die Ariefacte
gänzlich aus. W ir erinnern nur an das Sistrum und an
den Nilschlüssel.
303) Bethel ; s. M u n t e r Ober die vom Himmel gefallenen
Steine der Alten; Obersetzt von Markussen S. 12. und jezt
in desselben antiqiiar. Abhandll. p. 257 ff. Der von Pris-
cianus erwähnte Stein Abaddir wird dort ebenfalls aus dem
Orientalischen abgeleitet: g ö t t l i c h e r St ei n. S. über
den Meteorcultus der Ahen, vorzOglich in Bezug auf
Steine, die vom Himmel gefallen , von Fr. v. D a l b e r g
(Heidelberg 1811) und Ober die Bätylien überhaupt W i l -
177
schieden ist daron die Erlilamng der Griechen, und damit
zusammengeknupAe Mythen Ferner gehören hierher
einige heilige Steine : der zu Pessinus in Galatien, der
Cybele geheiligt; der Stein des Sonnengottes Elagabalus;
der heilige Stein ror dem Tempel zu Delphi Das zuletzt
angeführte Beispiel erinnert zugleich an die weit rer·
breitete Sitte des Steinsalbens *^). Unter den Griechen
gingen bedeutsame Sagen von den Teichinen als
ersten Erfindern der Götterbilder. Diodor« Sic^ lib. Y .
cap. 55. — ©s o w o i o f brauchte die Griechische Sprache
für Bildhauer cf. J. Frid. GronoT. ad Statii Ί hebaid. IX.
68z. Auch blieben, selbst bei weit fortgeschrittener
Kunst, jene natürlichen Götterbilder, sogar die unförm­
lichsten Steine» fortdauernd Gegenstände der Terehriing,
wovon in den Tempeln Yorderasiens» Griechenlands und

l i a m W a r d in £. F. C. R o s c n m D l l e r s altem und
neuem Morgenland 1. $ . 89 . p. f25 fiP. Verglichen Pa)ne
Knigbt Inq. into the Symbol, lang. f. 197. p. 161 sq.
304) Von ßa*n>jy ein Ziegen· oder SchaafTell . s. Hesyeb. I.
p. 679 ed. Alberti. Es war der in ein Fell gewickelte Stein^
den Kronus verschlungen hatte.
9U5) Appian. de bell. Mithrid. 56. Livius XXIX. 10 . Hcro^
dian. V. 3. Pausan. Phocic. cap. 24, $. 5. Mehrere Bei·
spiele geben Münter, Falconet sur Jes Betyles (Memoire
de Tacad. des Inscr. IX. p. 189), Bellermatm (de Brosses
du ciilte de dieux fe(icbes). MOnter hat die Raetylia und
die Rrontia, Ombria und Ceraunia, mit dem neueren
Aerolithen verglichen. — „ Gewiitersteine und Regenbö-
genschiiSarln bei den Temschen. Manche Meteorsteine
sind in teutschen Kirchen aufgehSngt. ** Z u sa tz von
M o n t,
306 ) S. Theophrast. Charact. Eth. 17. und I. Mos. 31, 13.

307) Die Alten leiteten den Namen ab von zaubern,


so dafs man auch gesagt habe. S. Eustath.adOdyss.
1 « 57. p. JBasil« ibique lauü. lexic. rhetor.
I. 12
ιηΆ
Italiens sich noch Tiele Spuren erhalten hatten ^ ) . —
Andere Arten von Bildern waren: ξ ό α ν ο ν (Schnitz-
bild) Hesych. s. v. ibiq. Interprett. ( d e l n b r u m ·
Servius ad Virgil. Aen. II. 225. IV. 56. vergl. Gerhard·
Vossii Efytnolog. s. v.). W ir bemerhen βούτας ^ άν^ριάς
und andere Bezeichnungen, vergl. Potier Archaeol. 1.464«
άγαλμα* Beber die eigentliche und tropische Bedeutungen
dieses vielsagenden W^ortes 5. Ruhnhen. ad Tim. p. 5. ·—
Bemerhenswerth ist ein steigender Aufwand in der W ahl
der Materie zu Götterbildern. Justinos Martyr, de Mon­
archia Dei pag. 81. und daselbst die classische Stelle des
Sophocles. Unter den Anspielungen der Alten auf die­
sen Luxus ist besonders die Stelle des Lucianus de sa·
crif. pag. 356. Vol. ΠΙ. $. 12. pag. 75 seq· Bipont.
bemerhensM erth; so wie nicht minder die Gebriioche
bei der Errichtung von Götterbildern (Dedicatio.
Consecratio). Man hegte die Hoffnung von dein Erfolge
dieser Einweihungen 5 dafs sieb die Gottheit selbst in
diese Bilder, zu diesen Tempeln und Altären , herab­
lasse. Daher einerseits die Sorgfalt, in öffentlicher Noth
die Götterbilder zu fesseln, oder die verschiedentlich·
getroffenen Anstalten, eine Stadt auf leibliche Weise an
den gegenwärtig geglaubten Gott gleichsam anzuhnu·
pfen ^1^) ; andrerseits die Evocationes, wovon die Bömer

30S) Hierher gehört der umbilicus des Jupiter Ammon be’


Curtius |V. 7. 23, vergl. meinen Dionysus 249. uml die
m e t a (J&oni.scbe Gestalt der Apbroüite sti Paphus), s.
'iacit. Hist. II. 3 Γ. Vergl. die Abliandlung von L e n z :
die Göttin zu Papbos p. 2.
309) Schnitzbiider sind die älteste Art teutschcr und nordi*
scher Bilder. Frieddiehs Sage Kap. 9 . — wo die Götter··
bildt Γ gesalbt werden und nachher verbrennen,
von A lo n e ,
610) Scholiast. Aristophan. Ran. 218. Siiidas in γμίτξοί.
dil) So thaicndieEphesier mitibrer A r t e m i s , Herodot.
*79
Gebrauch machten Aua jenem alten Glauben
bildeten spatere Philosophen, besonders im Kampfe mit
dem Chrietenthume, l'heorten· So hatte Jamblichua be­
hauptet , nicht bloi jene Stonexii^ sondern auch alle
Götterbilder^ selbst die τοη Menschenhand gemachten,
narea göttlich und der göttlichen Gegenwart roll
Andere Philoaophen machten dagegen einen Unterschied,
und legten nur heiligem und von den Eingeweiheten an-'
gebeteten Bildern eine symbolische Gegenwart der Gottheit
bei, und unterschieden von ihnen die gewöhnlichen Tem·
pelidole dos öfientlichen Dienstes ^^4).

$. 57.
W ir betrachten nun das Personale selbst, welches
baoptsächlich beim Gottesdienste ttiätig war. Es genügt

26. Aelian.V. H. III· 26; die Tyriermit ihrem He r c ul e s ,


Curt. IV, 3. Doch in Tyrus soll dies bleibende Sitte ge­
wesen seyn. Vefgl, MOnter über die Religion der Car-
tbager p. 26. 27«
312) Plin. H. N. XXVIII. 4, wo, nach Verrius Flaccus, von
der Allgeintinheit dieser Sirte geredet wird, welche der
politische, toUrante Pantheismus einführte und hegte. —
„ Die redenden Marien · und Heiligenbilder im Mittel-
alter ; 2 . B. des heil. Bernhards Gespräch mit der Mut­
ter Gottes im Dome zu Speyer. ** Z u sa tz von M o riß*
diJ) 00(2 MZf μ^τουσία^ ανατλ«α, in der Schrift ayqX·
/Adrtuv, welche Johannes Fhiloponiis bestritten hatte, s.
Photii Bibi. Cod. CCXXV. Auch A r n o b i u s advers.
gern. Lib. VI. cap. 17. bekämpft dergleichen Sätze, Und
sucht aus der Vervielfältigung der Gdtferhilder und aus
andern Gründen zu zeigen, dafs diese Vorsteiluhgen der
Gottheit unwürdig seyen. Hierher gehören auch noch
die Hauptstellen des J u l i a n u s p. 293. und des M a x i -
fntis T y r i u s p.301. VergL. Cie. de Nat· Deof. Π. 17.
ibique annotata.
3i4) Proclus ad Fiat. Tim. p. 83.
i8o
uns die Haupibegrifle mit hursen W orten ansodenten:
Der S e h e r und der P r i e s t e r 3·^), Tomug-
lich bei Griechen und Römern, und Ma nt i h u n d P r i e ·
t t e r i h n m nach BegriflTen dieser VdJlier· Der Mitt·
1er zwischen Göttern und Menschen ist Op f e r e r
und Wahrsager aus dem Opfer (haruspex). Er ist
S e h e r , der durch göttliche Zeichen das Verborgene
siebet (fidrTtc) Er ist Vogelschauer ( οΐονοπολα.'^
auspex). Er ist Traumdeuter (όηιροντ^λος). Zuweilen
rerbindet sich mit ihm der Glaube von Zauberkunst, ein
Gl aube, den Einige für so lief gegründet und wesent­
lich halten, dafs sie daraus die Entstehung der Priester­
wurde selbst am ungezwungensten zu erklären meinen.
Ohne uns an diese Ueberzeogung anzuschlielsen, be­
merken w i r , dafs diese Vorstellung von priesterlicber
Zauberkraft nicht nur bei ganz rohen Völkern , son­
dern auch in einigen Spuren bei den Griechen gefunden
wird« Wenigstens dachten sich Einige jenen Orpheus
und Amphion, die doch in der Sage für Männer galten^
die mit hoher königlicher oder priesterlicher Wurde be­
kleidet waren, als Zauberer, die durch ihre aufseror-
dentlichen Kräfte die von ihnen erzählten Wunder be-

315) Priester hiefs altteutsch - heidnisch T h r n t h d. i. Herr,


Gotivtriraut, getreu ; altteutsch - christlich beim Otfrit
E w a r t d. i. Gesetzbewabrcr« ^pimerk. von M o n e .
316) Ueber dieses und das Nachfolgende s. Interprr. grsecc.
ad Hiad. 1. 62. mit H ey ne* 8 Betnerkuogen. Einige un­
ter den Alten nahmen den Begrif f«avr/; generisch und
allgemein, und ordneten ihm den und
unter. Auch ward der Begriff der etwas verschie­
den hestimmi. Xenophon Memorab. Socr. 1. 1« 2. un­
terscheidet das Bvttv und das μαντική, und giebt
darauf die Hauptarten der Mautik an.
317) Vergl. Robertson Geschichte von America 4tes Buch.
S. 452.
i8i

hitten Jedoch hlieb bei Griechen und Römern


der Prieftter Yom Zauberer {γόης) scharf gesondert, und
fener trat als eine öffentlich anerkannte und hochgeehrte
Person weit vor dem letzteren hervor. Dafür spricht
auch die Entstehung und älteste Form der Priesterwürde
hei den gebildetsten Völkern des Alferthums ^ und na-
meatlich bei Griechen und Römern.
Bemerkenswerth sind auch folgende Verhältnisse:
Die Verbindung des Priesterthums mit den Rechten des
Hausrraters; die Verbindung des Priesterthums mit der
Hönigswürde. Spuren davon finden sich in dem Λρχων
ß α σ ί λ ε ν ς ^ und in dem r e x s a c r i f i c u l u s , mit be­
stimmten Naehnchten der Allen
Ferner: Die Trennung der Königswurde vom Prie-
sterthnme aus verschiedenen Gründen, und oft stufen­
weise , oft auf einmal Erbliche Priesterschaft in

ÖlS) Pausan. Eliac. II. oap. SO. $. 8. p. 808 Fsc. Dafii übri-
fens bereits im Homerus eines Beschwöriingsliedes oder
einer Formel gedacht wird, um das Blut einer Wunde
zu stillen, zeugt vom Alterthume des Glaubens an zau­
berische Wirkungen; s. Odyss. XIX. 457. Vergl.Wachs-
muth von der 2Uiuberkunst bei den Griechen und R ö­
mern im Athenaeum II. 8. S. 809 —* 2SS, besonders
8. 216.
8l9) Strabo XIV. ρ·938. Livius II. 2. und viele andere Stellen.
Die orientalischen Priester - und Königsrechte und ihre
gegenseitigen Verhältnisse werden von uns an ihren O r­
ten verschiedentlich bemerkt werden. In Betreff der
classischen Stelle vom Melchisedek Genes. XIV. 18.
verweisen wirjezt nur auf das, was S a m u e l B u r d e r
i n R o s e n m a l l e r s altem und neuem Morgenland I.
p. SS und p. 311 f. darüber zusammengestellt hat.
S20) Der König bestellte oft selbst Priester· So Romulus,
Plin. U. N. XVIll. 2. und Ntiraa, Dionys· Halic· Antiqq.
II. 64. Livius I. 20.
i8a
heiligen Geschlechtern bei Indiern, Hebräern ^ Aegyp«*
tern» Priestergeachlechter von Griechenland und V or-
derasien. Gewisse pviesterliche Vorrechte der
zu Athen seit Theseus. Das alte thracische Ge«
schlecht der Eumolpiden^ das sich anerst in Eleusis
niedergelassen hatte Parallele zwischen den älteren
thracischen Priestern und den Aegjptischen.

Ferner zeichnen wir aus ; die Κιίγνχ$ς; die ’E tso«


βοντάίαι; die Thauloniden; zu Argos die Acestoriden;
die Branchiden, eine Priesteriainilie an dem Tempel des
Apollo Didjroaeus im Gebiete von Miletus ^ )· Zuwei«
len behielten alle Nachfolger den Namen des ersten Stif­
ters eines Tempels , wie die Αΐαντβς, auch
genannt. Unter den eigenen D i e n s t n a m e n nennt man
auch den der So heifsen die Priester der
Artemis zu Ephesus. Die Alten schweigen darüber , ob
dieser Name Geschlechts - oder Dienstname war. £r

321) Thucyd, Π. 15. ibiq. Interprr.


322) Herodot. VI. i9. I. 92. ibiq. Interprr.
323) Weil Ajax, des Teucer Sohn, einen Tempel des Zeus
gestiftet hatte. Strabo lib. XIV. pag. 989· Zuweilen wur­
den die Priester und Prifr^sterinnen auch durch das Loos
erwählt, wie zu Athen, wobei mctnchmal wieder auf ge­
wisse Geschlechter gesehen ward. Faiisan. Acbaic. cap.
20. $.1. p. d08 Fac. cap. 27. $. 2. p. 34f Fac. Mehrere
Umstände dabei berührt Polter Archaeolog. I. 492. Es
gab auch Wahlpriester, welche sich einer Prüfung ( 3e-
ι/υμασία) unterwerfen mufsten. Folgendes ist ein Bei­
spiel eines öffentlichen Unheils, dafe hohe Rechtlich­
keit zu gottesdienstlichen Handlungen fähig mache: „ P·
Cornel. Scipio, optimus de toto populo Romano judica­
tus, sacra Matris Deüm manu sua accipit*^ Liv. XXIX.
14. CIc. har. resp. 13. Dies ward auf Münzen verewigt,
8. H o m m e l . Jurisprudent. numism. illiistr· p. 46.
i85
w a r unter den Persern häufig, und selbst unter den vor·
nehmsten Personen ^ ) . Beispiele anderer Amtsnamen
der priesterlichen Personen sind folgende: Μέλισσαι,
die Priesterinnen der Demeter, Θυσίαζες ^ die P rieste­
rinnen der Proserpina, Κερνοψόβοι, gewisse Pnesterin-
nen beim Geheimdienste der Rhea, Fcpaipaf, Prieste­
rinnen beim ßacchischen Geheimdienste zu Athen
Unter den Eigenschaften, die den Beruf zum Prie­
steramte bedingten, bemerken wir: Vollkommenheit des
Körpers. (Hierbei beachten wir den Begriff, den man
mit ύιλόχληροε und άφελεϊ^, vei'band. ) Auch Schön­
heit zuweilen. Zu Aegne in Achaja war in älteren Zei­
ten der schönste Knabe Priester des Zeus Dazu
liamen andere Erfordernisse; wobei jedoch eine m»th-
urendiite Unterscheidung der Zeitalter beobachtet werden

304) Herodot. ΠΙ. 70. Hcmsterli. ad Duciani Timon. 1. pag«


383 Bip.
325) Spanheim ad Callimacb. Pallad. 34. Apoll. ttO. Cer. 43,
Vergl. Kaiiibach zu Pottere Archaeolog. 1. 495 (Γ. Die
Priesterinnen der Juno zu Argos , erst 'Η{.«σ/ίβς oder
genannt (Ableitung und Schreibung ist verschie­
den, 8. Etymolog, niagn pag. 436 fleidelb pag. 396 Lips.
vergl. Ducker lind Gottleber ad Thueyd. II. 2. und Sturz,
ad Hellanici Fragmin, p. 78.), hernach ΦΛίδβζ genannt,
wofür ich nicht schreiben möchte Φ:ιβ v/Se; , wie doch H.
Valesius ad Polybii Excerpta p. 9· rathen wollte. ^ Um
hier nicht mehrere Beispiele von Aintsnamen zu häufen.
326) Heeych. unter οφιλ. Spanheiin ad Calliin. Pallad. 121,
Cer. 43. Vergl. folgende Sammlung : Disquisitio an Sa­
cerdotes vitio corporis laborantes comederint sanctissima
coli, et ed. Carol. Büttinghausen. Francof. et l ips. 1756,
(Schriften mehrerer Gelehrten enthaltend, besonders in
Betreff des Hebräischen Priesters). Man verbinde damit
RosenmOlters altes und neues Morgenland II. $· 334.
327) Pausan. Achgic. cap. 2l. $. 2. fin.
i84
mufs. Theano bei H om erut, die dae Friesterthum
der Athene bchleidcte, war verheirathet; e»lHad. VI. 395^
mit der bemerhenewerthen Nachricht des Eustathius eu
d. St«, dafs das höhere Alterthum den ehelosen Stand
vom Priester nicht gefordert habe, cf. Herodot. I. 3 i.
Auch werden Söhne von Priestern angeführt. Zuweilen
forderte man das Gelübde beständiger Jungfrauschaft;
öfters blieben sie nur Priesterinnen bis zur Mannbarkeit.
Auch univirae ^ ).
Bemerhenswerth sind besonders auch die Römischen
Begriffe vom Priesterthume. Sie unterschieden: Prie­
ster im weiteren und im engeren Sinne, lin letzteren
Falle wurden sie von den Weissagern und Wahrsagern
unterschieden ^ ) . lieber die Religionen der Römischen
Geschlechter, und wie sich die Sacra privata zu den
publicis verhielten 9 darüber, so wie über einige andere
hierher gehörige Gegenstände, wird im Capitel von den
Italischen Cultcn etwas Näheres bemerkt werden. Hier
deuten wir nur mit Einem W orte einige Punkte an, die
bei der Römischen Staatsreligion als wesentlich zu be«
trachten sind: Das Collegium Pontificum9 der Senat;

328) Ibid. Boeot. cap. 27. ξ. S, Achaic. cap. fp. ξ, 2. eap. 25.
$ 8. cap. 26. $. 3. p. 336 Fac. Spanheiin ad Callim. Apoll.
110. Pallad. 34. Jene Miydßυζot za Ephesus waren Eu­
nuchen, Strabo XIV. pag. piO. A ., wenigstens scheint
e s , von der Uehemahme des Priesterthums an. Man
bemerke hierbei die Ansichten der älteren Kirchenleh­
re r, so wie die Urtheile derselben über den
des Epiphanias in Panar. pag. 4P5, des Athe­
nagoras , des Gregorias von Nazianz. Conf. Hug. Grot·
ad 1 Timoth. 11. 2. Elmenhorst ad Minucium Felic. pag·
89.
3 ^ ) Cie. de Legg. U. 8· und cap. 12. vergU M e i n e r s krit.
Gesch. 11. 564.
i85
Hinfluf« der gesetzgebenden Gewalt ^ ; war der Pon­
tife x maximus eine Privatperson ?

$. 58.
Das unubersehbsre Gebiet der D i v i n a t i o n und
des O r a h e l w e s e n s würde eigene ausführliche Schrif­
ten erfordern, wenn es in seinem ganzen Umfange auch
nur überblickt werden sollte. W ir müssen uns also
h ie r , bei unserm ethnographisch · mythologischen Planey
nothwendig die Grenze stecken, dafs wir die wesent­
lichen Punkte immer nur mit Einem W orte andeuten,
und diese Andeutungen durch beigefügte Citate, worin
dann auch auf die besondern W erke über diese Gegen-
etande hiiigewiesen wird# für unsere Leser müglicbst
fruchtbar machen.

Alto zuTÜrderst: Umfang des Römischen Wortes


D i v i n a t i o und Mangel eines entsprechenden in der
neuern Deutschen Sprache Die M <xr τ ez ^ der Grie­
chen und die D i v i n a t i o der Römer· Die zwei Haupt-
theile derselben: W e i s s a g u n g und W a h r s a g u n g .
Eintheilung in die n a t ü r l i c h e und h u n s t l i c h e Di-

930} C o r o e l . v a n B y n k e r s b o e k de cultu raligjon.


grin. ap. vett. Romanos ; s. dessen opusc. var» p. 207 sqq·
331) M u r e t u s ad Cic. Catilin. I. p. 539 ed. Ruhnk.
333) D i v i n a t i o heifst im Altteutschen W a h n , verschie­
den von unserm jetzigen Begriffe , und einerlei mit Ah«·
nung. Si heten churzewile und oveh vil maniger vreu-
den wa n. Nib. L. 136 , wo es nur durch hoffnungsvollen
Blick in die Zukunft erklärt werden darf. Vergl. was
Ruhr <Abhandl. Uber Nord. AUerth. Bert. 1817. S. 74.
75. 92«) Uber die Welt der weisen W u n e n in der Edda
sagt, von denen die Äsen die Weissagung lernten,
merk, von M o n t .
ι8 6

vination Entstehung der Dirination , besonders der


Griechischen. Hauptstellen darüber ^ ). Epochen der
gesammten Divination ^ ). Unsählige Menge τοη Divi«
nationsarten, die bei älteren und späteren Schriftstellern
angeführt werden. Angabe einiger Hauptarten , und Er­
örterung ihrer äufseren und inneren Anlässe ; T r a u m -
de ut u n gyOPeiponoXot^ ονειςοσχόηοι* Vorstellungen roher
oder barbarischer Völker. Grundaüge der Anthropologie
und Psychologie nach Vorstellungen der Homerischen
Menschen. Natur, Sitz und Schicksal der Seele. Die Träu­
me , d r s i p o t A r t e n der Traumdeutung, όρϋζοηρε·
Traumorakel· Incubationes, Weis-

8Λ3) Cic. de Divinat, f. fu cf. Jomblich, de myster. Aegypt.


III. 1. ihiqiie Gale pag. 2t4. und die daselbst angeführte
Hauptschritt von G as s e nd! Animadverss ad Diogen.
Laert. X ., womit I J eync de fabularum religionumque
Graecarum ab Eiru&ca arte freqiieiitalariim causis , in
den Commentatt. Socictat. Gotting T . ill. VI und VIL
und dessen Opuscc. academni. III. 27 i , ferner M e i n e r s
krit. Gesch. 11. 60iIF. und ß ö t t i g e r s neunte bis zwölfte
Vorlesung über die Mythologie zu vergleichen sind. Fa­
bricius zühlt in der Bibliogr. antiquar. p. 593 sqq. ohnge-
fälir hundert verschiedene Diviiiationsarten alphabetisch
auf.
334) S. oben $. 57. V'ergl. ßöiiiger a. a. O. S. 25. und da­
selbst Odyss. XV. 22i ff. Aeschylus Protneüi. 4s4 —>
495. Platonis Phaedrus ρ· 24i Heindorf, cap· 59· Pau­
sanias Aitic. cnp. 31. $. 3. p. 1S3 Fac.
335) D rei, nach Bö 11 i g e r I. I . ; die Traum - , Vogel - und
Eingewe ide - Divination — die Herrschaft der Orakel —
der Verfall der Orakel und Herrschaft der Magie.
336) Odyss. VI. 13 ff. XXIV. 11. 12. lliad. II. 6. Vergl· die
bereits oben angetiihrte Stelle: lliad. I. 62 sqq. S. H a l b ­
k a r t Peychologia Homerica p. 29· C a r u s Psychologie
erster Band.
337} AeschyJ· Froineth. 4S4. Jamblich, de Myster. III·
187
tagnng aus dem V o g e l f l u g und G e s a n g , oimviartnif,
Vorstellungen der morgenländischen V 6lher von den
Vorzügen und Kräften der Vögel, besonders der boch-
fliegenden· Glaube der Griechen an die Vögel, die aus
hoher Luft herabfallen Stufengang der Beobach­
tung. Erst natürliche Wahrnehmungen , dann bunst-
mäfsige Veranstaltungen. Griechisehe οιωνοσηόηοί* £tru-
rische und Komische Augures. Abtheilung der Himmels-
regionen. Der lituue. Alites, praepetes, oscines. (Stim­
men und Flug und andere Aeufserungen der Vögel
urerden Itunstmäfsig beobachtet) -^). — Hierbei τοη der
Disciplina Etrusca, die sich auch auf andere Arten der
Himmels - und Erderscheinungen erslredite. Beobach-

Herndot. VII. cap. 12 sqq. Incubationes in der Höhle


des Trophonius, ini Tempel des Aesculapius, der Isis
u. a. Cf. Pausan. Pliocic. 31.
33S) Müller zu Herders Vorwelt S. 330. Spanheim ad Cal-
Jim. Pallad. 123. Angeblich Pythagoreische Vorstellung
von der Wanderung der Seelen in Vogelkörper·
S39) Cic- de Divin. Ϊ. 17. II. 36. Sophocles Antigon. 987.
Cf. Meineis krit. Gesch. S. 658 iF. — „Z u diesen Aeufne-·
rungen der Divinatioii liefert die (eutsche Sage merkwür­
dige Belege. Unsere Väter hauen ebenfalls die Weihsa-
gung (nicht Weissagung), davon nannten sie einen Pro­
pheten einen Wihsagen , wofür der bloß übersetzende
Oifrit das nie vollcsinUsige Forasago (Vorhersager ) ge­
braucht. Aber am meisten verdienen die teutschen
Traumdeutungen unsere Aufmerksamkeit; ich darf nur
an die Träume im Nibelungen Lied , im Heldenbuch,
Rolands Lied, in der Edda etc. erinnern, wovon jeder
eine ganze Gedankenfiille umfafst. Traumdeutungen
durchgreifen unser ganzes Alterthum, und sind Volks­
glauben geblieben. Die weihsagenden Vögel der Edden
sind bekannt, und kommen auch bedeutend in unsern
alten mythischen Träumen vor, z. B. im Flos , im ersten
Traum Chricmhilden. ** ZuscAz von M o n t ^
i88
taag des Wolkenzuges, der Blitze, des Donners, der
Flosse, der Erdbeben und dergl. Anfang und Fortbil­
dung alter Meteorologie durch diese Bemühungen· Die
libri fulgurales, tonitruales und augurales der Etrusker
und Römer; die libri Acheruntii des Etrurischen Tages
—· Die Pullarii der Römer.
Die O p f e r i v a h r s a g u n g (ί€γομαντ$Ιαψ ίεροσκο·
9Tto(, haruspicina)· Eintheilung derselben. Libri hara«
spicini der Etrusker. Weissagung aus den Eingeweiden
der Opferthiere, extispicium, in Griechenland, Etrurien
und Rom· Beobachtung der Opferflamme und des Opfer­
rauches "KvfopaPTtia ^ χΜηρομαντ$ία.
Andere Arten von Divinationen waren: die durch
Wasser, und zuweilen durch Becken, ^ίνρομαντ$ία,
χανομαντιία Veranlassende Vorstellungen von den
G r u n d k r ä f t e n der ISatur und von den m ä c h t i g ­
s t e n E l e m e n t e n , wofür man besonders Feuer und
Wasser hielt; Vorstellungen, die mit dem Gebrauch des
Feuers und Wassei*s bei den Römischen Hochzeitgebräu­
chen, so wie mit andern Gewohnheiten der alten und
eum Theil auch der neueren V ölker, zusammenhin-

540) Cic. de Divin· 1· 33. Seneca Quaest. Nat. II. 34 seqq.


Conf. Heyne Novi Comment. Societ. Gott. VH. 25. und
Böttiger a. a. O. S. 28. lieber den T a g e s und seinen
Schüler Bacches s. S p a n g e n b e r g de veteris Latii re­
ligionibus domesticis p. 31. Aus den Büchern des Tages
machten die Römer Auszüge , und commentirten sie,
woraus nachher wieder Andere schöpften, wie Laurentius
Lydus σβίσμιΰν p. 130 sqq.
541) Aeschyl. Prometh. 492. Perizon. ad Aelian. V. H. Π. 31.
Cic. de Divin. 1. 16. 40 sqq. IL 22. 33 ^ 3 9 . Verhältnifs
des extispicium zu dem Auguralwesen in Rom und Grie*
chenland, vergl. Meiners S. 648 IF.
342) S. darüber meinen D io n y s u s I. p. 302.
189
gen ^ ) . — Das Befragen der Stäbe, ραβδομαντΒία9 und
endlich, um hier nicht mehrere Arten zu nennen, die so
ausgebreitete Nehromantie, νεχρομαντεία^ die mehr als
manche Arten der Diyination ausgebildet, und an eige«
nen Orten in Todtenoraheln {νΜνομανηΙα) ausgeubt
-wurde 344).

343) ln Beziehung auf den Gebrauch der Römischen nuptiae


vergi. Servius ad Virgil Aen. IV. 103. und was K t o t s
zu Hommel Jurisprud. num. ilhistr. p. 30. bemerkt. So·»
dann Erprobung der Unschuld durch Feuer und Wasser
im Aherthume, und späterhin Erinnerung an die Ge*
schichte der Vestalin Tuccia, Dionys. Hai. Antiqq. Ιί.έί99
an den Sachsenspiegel und andere altdeutsche Gesetze;
vergl. K l o t z 1. 1. p. 18.
$44) S. Cic. Tusculau. Quaest. I. I 6 . und daselbst Davisius·
Ein Beispiel von einem Todtenorakel giebt Herodot. IV.
94 — 96. vergl. Pausan. Boeotic. cap. 30. Plutarch. in
Cimon, cap. 6. fin. Viel mehrere Arten der Divination
sind bemerkt bei Fabricius Bibliographia antiqiiar. p. 591·
cf. Seiden, de Düs Syris pag. 221. appendix. Harduin. ad
Plin. H. N. X et XI. scct. 5. Polters Archaeologie I. p.
700 fF. und Mayer historia Diaboli p. 5Π cd. altera. Cas-
pari Peuceri Commentarius de praecipuis divinationum
generibus (Serveelae 1591. 3.). DieUeberlieferungen der
Griechen und Römer über die Orakel weiset am voll«
ständigsten Fabricius nach in der Bibliotheca graeca Vol·
I. p. t36 sqq. mit den Zusätzen der neueren Herausgeber.
Hiermit verbinde man nun P. CI a v i e r Memoire sur
les oracles des Anciens, Paris 1818. und Payne Knight
an Inquiry into the Symbol. Jang. Lond. ISI8. $. 6S und
76. Der heroische Vers oder Hexameter hiefs, in so fern
man seinen Ursprung vom Gott zu Delphi herleitetc, auch
das t h e o l o g i s c h e M etrum, oder das P y t h i s c i i e ,
in so fern die Orakel sich dieses Verses bedienten, sieh.
Plin. H. N. VII. 57. und Philostrati Heroica p. 667. p. 31
cd. Boisson. Istdori Origg. 1. 38. — „ Von teutseben
Todtenorakeln enthfllt die Wegtamsquitha eine deutliche
Spur. Denn darin befragt Othin die Wole an ihrem
»90

$. 59.
O r a l i e l . Allgemeine Bezeichnungen, der O e r -
t e r : χρν^στηζία. Ursprung des W ortes; χράν und
und die bestimmt für den Begriff des Oralselgebens
Torbebaltene Form des Perfecte; αέχρημαί 345),
pta bezeichnet aber auch die yor Einholung des Orakel·
Spruches geschlachteten Opferthiere 346). MavTcia· —
Namen der O r a h e l g e h e r : χρΚίομοΧόγοι ^ worunter
doch auch einzelne Orakel Sprecher^ ivie dort Ampkilj-
tus 347)^ yerstanden werden; Namen der O r a k e l s p r u -
c h e : ÄeoTTpdjua λό^ια 349^ μαντών·
μ α τ α 350j,

Grabe über das bevorstehende Schicksal seines Sohnes


Balder. Auch im Ossian werden sie sowohl durch die
Todtenerscheinunj^en in Träumen, als auch durch das
Gespräch Gauls mit seinem todteii Vater Morni angedcu-
tet. Aus alUeutschen Liedern bemerke ich nur Wolf­
dieterichs Gespräch mit dem ermordeten Otnit, und den
weiten Glauben der Geistererscheinungen^ der ja mit den
'i*odtcnorakeln am nächsten zusammenhängt. ^ Z u sa tz
von M o ne.
34i) Tib. Hemsterhuis in I.ennep. Etymolog. L. gr. pag. S4l
ed. altera.
346} Ammonius p. 73. und daselbst Valckenaer p. 235 sqq.
347) Der dem Pisistratus auf seinem Zuge gegen Athen eine
Weissagung giebt. Herodot. I. 62,
348) Welches doch auch allgemeiner von den Sprüchen der
Seher gebraucht wird, wie lliad. I. 85«
349} Die Grammatiker haben χ^η^μοί und λάγ^α so unterscheid»
den wollen, dafs jenes auf rhythmische Orakel ginge,
dieses auf prosaische, wozu die bemerkenswerihe Stelle
Thticyd. 11. 8. Aulafsgab, siehe die Scholiasten zu dieser
Stelle und Suidas in Allem dieser Unterschied wird
von den besten Schriftstellern nicht beachtet, und £ u -
ftath. ad Odyss. 1. p. 14J6. erklärt das leutere Wort für
«9 »
Die Anlasse zur Entstehung der Oraltel sind man·
nigfaltigy vrie bei den heiligen Orten überhaupt. Sehr
ult und weit yerbreitet sind die Sagen von weissagenden
od er die Orakel der Gottheit dollmetschenden Frauen.
Sibyllae. Ursprung dieses Namens Stufengang der
Sihylliiiischen Weissagungen, in Asien, in Griechenland
und in R o m , bis in die Zeiten des fest gegründeten
Christenthums herab 352^« Niederlassungen von Orakel-

attisch. fm N. T . wird es von den göttlichen Verheifsun-


geil und von der christlichen Lehre gebraucht, s. Sui-
ceri l^evaur. II. 248. und Wetstein. N. T. II. 36. Die
J o n i e r , wie Herodot. V. 63. IX. 9 t, brauchen häufig
9ξόφαντα von Orakelsprüchen; denn von den Göttern
wird »fc(J)e4ver/ gesagt« Cf. Hesycli. s. v.
350) Aristoph. Vesp. I 6 t , mehrerer anderer Benennungen
nicht zu erwähnen, die sich hier und da bei den Alten
finden. Von der Verkündigung der Orakel, oder von
dem Vortragen und Aiisfegen der GÖttersprUche wird
rttv gesagt, und diese Verkündiger und
Ausleger heifsen τ^οψξταί rwy 5e<vv, s. \ aickenaer ad He­
rodot. p. S5S Wessel. ^ Vom Orakel wiixl auch häufig
ανα/ξ,9ΐν gesagt« $· Xenoph. Memor. Socr. 1.3. 1. ibiq.
Interpiett.
361) Aus den Orientalischen Sprachen und auch aus der
Griechischen bergt leitet, s. halmas. ad ^iolin. p. 30. und
Lennep. Ei}mulog. p. 654.
352) Haiipistelle über die Römische Sibylle: Dionys. Flalic*
Archaeolog. IV, 62. Lieber die in jeder Periode des
schreibenden Alterthuins vermehrten Sibylliniüchen O ra­
kel giebt Fabricius ßiblioth. gr. I. p. U6 Harles, genaue
Nachweisungen· Die Haupiepocheii bem« rkt ßöttiger
Mytholog. Vorles. S. 29 f. Der erste, der die Sibyllen
nennt, scheint der Philosoph Heraclitus zu seyn, sieh·
meine Anmerk, zu Cjc. de Nat. D, II. 3. pug. 221 ^ wo­
selbst mehrere Nachweisungen gegeben sind. Man füge
hinzu die Sammlungen bei Cancellieri le sette cose fatali
di Roma antica p. 9 ; ferner: Libri Sibyllistarum veteris
ig7

priestern, und feste dauernde Oralielsitze. Grunde der


Wahl einet bestimmten Ortes uraren ohne Zweifel Ter-
achiedene; suweilen an einer woklthätigen Quelle, wo­
mit die Vorzeit oft den Begriff der Gotternähe ver­
band oder an solchen O rten, wo merkwürdige Er­
scheinungen der Natur Aufmerksamkeit erregten oder
aufserord entliehe Wirkungen hervorbrachten oder
wo etwa die Ueberreste einet berühmten Sehers begra­
ben lagen, und dergleichen Yeranlattnngen mehr.
Blich auf die Orakel der Griechen und auf die da­
mit in Verbindung stehenden. Hauptstelle darüber^ wo
folgende aufgezählt werden: Das Orakel zu Delphi, das
EU Abae in Phocia, das zu Dodona, das Orakel des Am­
phiaraus und des Trophonius, das der Branchiden im
Gebiete von Miletus, das Orakel des Ammon in Li­
byen ^ ).
Unterscheidung der Orakel einzelner Stamme, die,
ob zwar zum Theil uralt, doch oft nur als Privatinstittite
betrachtet waren. Spuren alter T o d t e n o r a k e l : die
vixvia in der Odyssee und andere Nachrichten in den
Alten. Traumorakel. Das Orakel des Trophonius

ecclesiae crisi subjecti a B. Thorlacio, Havniae lKt5. und


Σ//βυλλ»7ς λ^γος ΙΛ cd. et interpretatus est A η Ma i u s ,
Mediolani 1817.
353) Vergi. Tacit. Annal. X tU . ST,
854) Z . B. die Betäubung, die man in Phocis an der flöhte
zii Delphi zii empfinden glaubte, und wo der Dreifufs
zur Oraketgebung aufgestellt ward. Pausan« Phocio. cap.
5. §. 3. Plutarch. de S. N. V. p, 98. und daselbst W yt-
tenb. Aehnliche Sagen von den Grotten der Sibyllen siud
bekannt.
855) Herndot. I. 46.
3 5 6 ) S. ibid. vergl. VIII. i3t. und daselbst die Ausleger. Cf.
Hemsterhuis ad Lucian. II. pag. 4ll Bip. von den hier ge­
bt Auchlichen ^tXtrcvTrOii.
ig5
AncTi wird einee Thracisclieii Oraltels gedacht, mit An­
spielungen , die sich auf Orphisches Priesterinstitut und
au f Entwilderung der dortigen Barbaren durch Gesetze
beziehen. Es werden dabei σανίδες ^ Tafeln, des Or­
pheus genannt
Das Orakel zu D o d o n a , das älteste in Hellas, nach
Tieleo Sagen, und in die Pelasgische Periode gehörig.
Priesterinnen (πβλειά^βς, Tauben) hatten es, so wie das
Ammonium in Lybien, gegründet. Erklärung dieser
Sage ^ ) . Die Priester dabei: Selli Art des Ora-
kelgebens; der heilige Baum daselbst: und
die dabei ausgeübte <f>vXko\xay%%ia* Aber es gab auch

357} Dieses Orakel wird dem Dionysus zugeschrieben, He-


rodot. VIL cap. i l l . Jene Anspielungen finden sich bei
Euripides Hecuba 1267. Alcest. 966. Bacch. 29S, wo die
Scholiasten an die Sagen davon erinnern. Jene T a f e l n
sind bei der Untersuchung über die Entstehung der
S c h r i f t unter den Griechen verschiedentlich erwähnt
worden. S. Martini zu Ernesti Archaeolog. Lit. p. 197·
und Wolf Prolegg. ad Homer, p. LXXXH. nebst Wag-^
ner ad Eurip. Alcest. p. 176.
358; Herodot. 11. 5t sqq. mit H e e r e n s Bemerkungen^ Ideen
Uber die Politik u. s. w. 11. S. 461 f. Vergl. aucii Payne
Knight Inquiry into the symbol. Jang. 71. 22i.
359) Σ«λλο< oder Έλλο/, s. Strabo VII. p, 505. (’f. Apollodori
Fragmin, p. 422 ed. Heyn. Verbeyk ad Antonin. Liber,
p. 27. Heyne ad lliad. XVI. 234. und Exciirs. II. p. 289.
und A. W . Soblege) in den Heidelbb. Jahrhb. 1816. No.
54. p. S65. Auch rofxa^oi o d er refMÜ^oi ^ von welchem Na­
men verschiedene Ursachen angegelnrn werden: vom
Berge Tom arus, oder weil sie Eunuchen waren , oder
um die Auguren , als Eintheiler des Himmels , damit zu
bezeichnen, sieh. Hemsterhuis und Scheidius zu Lennep.
Etymolog, p. 735. Lebensart dieser Orakelpriester, stren­
ge Ordensregel» Sie gehörten zu den Pelasgischen Tyr-
rhenern.
L iS
»94
noch andere Wahrsageinittel daselbst^ wosu besonders
das Bechen (λβ^ι^ς) gehörte Bei iveitem nichtiger
und aasgebildeter, als alle öbrigen, nar das Orakel za
D e l p h i . Sein Ursprung und hohes Alterthum. Die
Mythen τοη seinen verschiedenen Besitzern, τοη der
£rde (ΓαΙα ir^arrdfiavxic) von der Themis^ von der
Ph*'ebeund von Apol lo, enthalten bedeutende Finger·
neige über seine allmählige Ausbildung *^^)· Auch den
Dionysos machte man cum Mitbesitzer dieses viichtigsten
unter allen Griechischen Orakeln Dieses Orakel
neigt auch am deutlichsten den Einflufs solcher Institute
auf die Bildung der Griechischen Menschheit. Sie ivaren
zum Theil Mittelpunkte der Cultur, beförderten den
Anbau des Landes, entwilderten die rohe Sitte durch
Hemmung der Blutrache ^ ). Erinnerung an das Orakel
des Aesculapius zu Epidaurus, wo medicinische Erfah­
rungen niedergeschrieben wurden — Oeflentliche

360) S. das inhaltsreiche Fragment des Stephanus von Byzanz


de Dodone, in Groiiovii l'hes. Antiqq. Gratcc. T. VII.
Cf. Spanheim ad Calliniach. Del. 2$S, Auf jene Orakel
wird häutig, auch sprichwdrtlicb, angespitlt, s. Span­
heim I. 1. — die Abhandlungen von S a l l i e r , und die
b**deuteridem von de B r o s s e » über dieses Orakel (Me-
moir. de TAcad. des Inscr. T. X>' XV. ), den Excurs
^on H e y n e darüber ad Homer, lliad. X. Vli. pag. 283
seqq.
36t) A«»chyl. Eumeiiid. init.
362) W eiche Böttiger scharfsinnig angedeutet hat in den my-
tholog. V^orlesungen S. 31. Vergl. auch die Ausleger
zu Hygin. fubul. 140. p. 246 ed« Staver. und Paym Knight
Inq. into the Symbol, hing. 70. 76. 132.
363) hlämlich als Gott der Erdkralt ^ als Atlvvco^ χ5&ν«ος; a.
darüber Dionysus p. .304 aqq.
86>l) Einige Beispiele Herodot. I. 159. Pausan. Ach. cap.2f.
1. p. 312 Fac.
365) Pausan. Corinth. csp. 36 init.
ig5
Wichtigl^eit einiger dieser Institute: Das Oraltel zu Del­
phi , in Verbindung mit dem Amphiktyonengenchte za
Pylae ^ eine lange Zeit hindurch der Mittelpunkt des Hel­
lenischen Staatenblindes.
Allmähliger Verfall der Orakel , auch des Delphi­
schen, Ursachen und Umstände. Periode der gänzlichen
Entartung. Bemerkungen der Christlichen Schriftsteller
darüber.
Das Orakel des Ammon in Libyen (s. oben). Art
der Orakelgebung, nach Herodotus, ähnlich der in Do­
dona 36Ä). Es wurde auch γοη Griechen, wiewohl sel­
ten er, befragt Fortdauernde Verbindung der Grie­
chischen Orakel mit den ausländischen , namentlich mit
dem der Branchiden und mit dem Ammonium; so wie
die W irkung der ersteren auf das Ausland oft sehr grofs
w a r , besonders in der Periode ihrer Blüthe. Erinne­
rung an den Lydischen König Krösus. Merkwürdiger
aber noch ist die Gescbichte der Anpflanzung τοη Cy­
ren e, welche ganz und gar vom Delphischen Orakel ge­
leitet w a rd ^ ).
Die Lehre von den Mysterien, so wie die nöthigen
Bemerkungen über die Peinigungen, Fasten und Bufsun-
gen, werden im besonderen Theile ihre Stelle finden.

366) Cf. aufser den angeführten Stellen des Herodotus, Diod.


Sicul. XVII. 50.
367) Ein Beispiel von den Bewohnern von £11$ giebt Pausan·
Eliac. I. cap. IS» $. 7. und andere mehr.
368) Heroüot. IV, 157 ff. Ueber das Delphische Orakel 8.
Hardion Memoir. de TAcad. des Inscr. T. III. drei Ab­
handlungen (deutsch. Leipzig 1781.) mit Heyne’s Anmerk·
und die allgemeinen Schriften des van Dale^ Fontenelle
CJavier u. A·
ig ö

S e c h s t e s C a p i t e l.

Historisclie Uebemicht der Perioden älterer und


neuerer Symbolik und Mythologie«

$. 6o.
ir gehen hier KorSrderet einnig and allein τοη den
Nachrichten and Munumenten der Griechen und Römer
au»; und wenn wir auch nachher die Religionsideen,
Symbole und Mythen der Aegypter, Indier» Perser und
einiger anderer orientalischer \dlher in den Kreis un«
serer Betrachtung ziehen werden, so wählen wir doch
hier den Standpunkt der orientalischen Urkunden. Von
diesem Standpunkte aber erblichen wir nur Vorderasien
in hellerem Lichte; das fernere verschwindet in graue
Dämmerung. Die Religionen dieser Völker, späterhin
Ton den Griechen Barbaren genannt, geben nur durch
stumme Gebräuche» durch zerstückelte, einzelne Sagen
und durch ruhende Standbilder Kunde von ihrem W e­
sen — eine Kunde , auf die der älteste Griechische P et,
den wir kennen , nur mit halbem Ohre horcht. Er hat
seinen Blick nach Westen gewendet. Von dort her
kommen die Schaaren, deren Kämpfe ihn beBchäftigen.
Und so zeigt uns denn jener helle Weltspiegel der Ho-
merischcii Pr»esie eine erlesene, herrliche Menschheit
in ihrem Thun und Leben, und eine Götterwelt, nur
als das edlere Urbild von jener. W ir sehen die Kämpfe
und Leiden der Helden und das Miticiden und Mithellen
menschlich handelnder und menschlich empfindender
Götter. Der Schauplatz aber, auf dem diese Thaten
geschahen, ist gerade der grofse Sebeidepunkt des Mor-
>97
genlandes τοη 8er W estwelt, so wie Jene Poesie zwi·
ecben der dunbelen Unbestimmtheit des Vorderasiatischen
Gottesdienstes und der hellen vielgestalleten Schaar my­
thischer Gütter die entschiedenste Grenze setzt. Das
Schichsal hatte in den Geist der Griechen einen wun­
derbaren Bildungstrieb gelegt, der nach ganz andern
Gesetzen, als selbst ein grofscr Theil der polytheisti­
schen Vorwclt hannle, ans dem Einen, welches das
Göttliche heifst, Götter bildete, im höheren Menschen-
maafse, aber z i klarer Anschauung personell in sich ge­
gründet, lind in entschiedenem Thun und Leiden hin­
gestellt. Hellas, mit seinen Geschlechtern ron Göttern,
die durch Heroinen und Heroen sich in die Menschheit
Terlieren, mit seinen Götter - und Heldenhämpfen, ist
und bleibt der M y t h e n M u t t e r ( Ελ λ άς ),
und H o m e r u s ist der dieser Mutter ähnlichste, frucht­
barste Sohn. Seinem Geiste gehorchten nun die Grie­
chischen V ölker; seine Gesänge wurden die Regel ihres
Glaubens, ihres Dichtens und Bildens; sein Licht rer-
dankeite die Priesterwürde Asiatischer Vorzeit. W at
Torderasien in halb verhüllter Bedeutsamkeit Heiliges
gelehrt und geübt hatte, ward von dem Griechen, bei
der vollen Klarheit seines Olympus, vergessen. Es
tönten fort die orgiastischen Lieder auf den Phrygischen
und Thracischen Bergen, aber ihren wunderbaren In­
halt verstand der Hellene nicht mehr; in Griechischen
Städten übte man den heiligen Dienst Syriens und PhÖ«
niciens, aber kaum ahnete man noch seine Bedeutung.
Ein D ä d a l u s hatte Aegyptens alte Bilder aus ihrer
langen Ruhe aufgeweckt. Bestrebsam, wieder Grieche,
der vor ihnen knieete, schreiten sie fort. Aus halb ge­
schlossener Hülle entwindet sich das zum Mythus beflü­
gelte Sinnbild. Das alte heilige Haus der grofsen Göttin
zu Ephesus umschwärmt in den anstofsenden Leschen
eine redselige Menge von Joniern , und sie selbst, ent-
198

noromen dem Asiatischen Schleier nnd der Vi^anderbaren^


bilderreichen Verhüllung, geht als leichte Jägerin über
die Berge. Statt der alten Ruhe und Asiatischen B e ­
schaulichkeit war jezt die T h a t , menschlich empfunden
und gedacht, IMiltelpunkt der Religion geworden, und
die S a g e bemächtigte sich der äufserlich gewordenen
Andacht. Die Ungenügsamkeit ältester Gottersymbolik
wird gefügt unter Griechisches Maafs. Schone Sinnlich­
keit und plastische Rundung verdrängen mit der Mifs-
gestalt zugleich den gewichtigen Inhalt älterer Bedeutung.
Und während nun dieses Homerische Gesetz sich
auf Jahrhunderte des Griechischen Geistes bemächtigt,
und durch seine Macht die Religion der Griechen bindet,
erloschen allmählig in Hellas die alten Königshäuser,
oder werden durch Bürger verdräiigt, die als Gesetz­
geber durch Gründung freier Verfassungen jeden frei-
gebornen Griechen auf einen grofsen Schauplatz öffent­
licher Thätigkeit führen. Das durch öffentliche, grofsen-
theils religiöse, Institute in jedem Einzelnen genährte
Selbstgefühl gründet neben der schönsten Form die ge­
schlossenste Persönlichkeit und den entschiedensten
Charakter. Das so verändeite Gemeinwesen wirkt zu­
rück auf den Geist der Religion. Die W erke der An­
dacht fallen zusammen mit den Forderungen des Staates,
und die Veranstaltung heiliger Chortänze und dramati­
scher Spiele ist zugleich Erfüllung der Bürgerpflicht.
Daher denn selbst die ursprünglich aus altem Natur­
dienste hervorgegangene Tragödie und Komödie
diesen Geist verralhen. Jene wendet die Götter- und
Heldensage zum Ruhme der Stadt, vor der sie gegeben

369) Das VerhäUnifs der Mythologie zur Tragödie erörtert


A. W. S c h l e g e l Uber dramatische Kunst und Literatur
1. S. 119 F. in einer kurzen, aber iuhaksreichen Abhand­
lung.
>99
ιη τΛ , und diese seigt die Freiheit ihrer Form in der
Freiheit des ürrheil» über oifentliche Personen* So war
in Griechenland die Religion des Volhes, sammt seiner
Poesie und Kunst, plastisch und politisch geworden*

$. 6i*
Jedoch in Yorderasien wirkte der ewige Naturgeist
bald auf ganz andere Weise. Die grofse Schule des er*
fahrungsreichen üurgcrlebens, zuerst in diesen Jonu
sehen Städten, sodann im Mutterlande selbst, trug an«
dere Fruchte. Das Leben war beziehungsreicher und
ernster geworden· Die jugendliche Spielluat der heroi^
sehen Zeit, immer neu gereizt und ergötzt durch stets
wachsende Mvthenfülle, mufste jezt einem sinnvolleren
Bestreben Platz machen, wenigstens bei den Gebildeten.
Erleuchtete Männer, im unbehaglichen Geiuhle der un«
seligen Vielheit, worin das Eine und Göttliche zersplit­
tert worden, äufseren heilsame Zweifel klagen über
der Mythen ungemeesene Zahl und Lächerlichkeit, und
treten, ausgezeichnet durch redlichen Forschungsgeist,
aus der Menge rühmlich hervor. £s waren die Meister
der Altjonischcn Philosophie, die den Schaden einsahen,
den jene Allgewalt Homerischer Poesie durch die befe·
stigte Herrschaft des Mythus der Religion und der Phi­
losophie brachte. Sie versuchten es, den reizbaren
Griechengeist von jener mythischen Beweglichkeit zur
B u h e , und aus der Zerstreuung durch das Viele zur
Betrachtung des Einen und Ganzen hinzu zu führen. Sie
setzen das von der geschwätzigen S a g e verdrängte
S y m b o l in seine alten Rechte ein; das Symbol, das,
ursprünglich ein Kind der B i l d n e r e i , selbst noch der
B e d e ein verleibt, durch seine bedeutsame Kürze, durch
die Totalität und gedrungene Exuberanz seines Wesens,
weit mehr als die Sage geeignet ist, das Eine und Un­
aussprechliche der Religion anzudeuten. P h e r e c y d e s
:ioo

von Syrus und P j t h a g or a s , jener der älteste unter


den Jonischen W eisen, dieser der Stifter der Italischen
Schule, erinnern auch durch die F o r m ihrer Lehren
nicht an ein Hellenisches Vaterland, sondern an den
Orient und Aegypten.
Doch '«vas sage ich vom Morgenlande ? W ar denn
diese Form in Griechenland eine neue £t*scheinung ?
W ar sie nicht vielmehr älter als jene mythische, die
wir , nach einem grofsen Künstler in ih r , die Homeri·
sehe nennen? Allerdings. Denn ehe die Aoden durch
immer neue Lieder und Sagen das bezauberte Griechen·
Volk gefangen führten, hatte ein Geschlecht priester-
licher Sänger den Griechen im Mutterlande unter die
heilsame Obhut der Religion genommen. Das alte Thra·
eien , späterhin ein Bild der Rohheit , zeigt früher in
seinem Inneren einen durch die natürlichen Güter des
Landes genährten Wohlstand und gebildete Verfassungen
unter monarchischer Form. Diesen Königen zur Seite,
und, me es scheint, noch übergeordnet, steht ein ehr·
würdiger Priesterstand, d e r , gleichwie in Aegypten
(und von dort her leitet die glaubwürdigste Historie sei·
nen Ursprung), ein durch die Macht der Musik und
Dichtkunst unterstütztes Lehramt über die Völker ver·
waltet, ln dieser Erziehung durch Religion scheint hier,
wie dort, eine Mohl erwogene Abstufung Statt gefunden
zu haben. In symbolischer und mythischer Form hat uns
das Schicksal durch glaubhafte Zeugen (wozu selbst der
nüchternste Forscher, A r i s t o t e l e s , gehört) manche
Dogmen dieser O r p h i s c h e n R e l i g i o n gegönnt. Sie
zeigen eine eben so grofse A^erwandtschaft mit Sätzen
morgenländischcr Lehre , als mit den Dogmen der Alt­
jonischen Schule, namentlich mitPherecydeiseben, auch
mit denen der Pythagorecr. An jene schliefsen sich
nun die neuen Jonischen Philosophen an, und mehrere
Hauptlehren derselben, wie die «von der Seele, welche
30t

waltend im Uni?ersam Alles durcli Alles b i n d e t « ?on


der Doppelharmonie, die durch das All hindurch greift:»,
€ Ton der Identität des Lebens und des Todes»9 stim·
men aufs geoaneste überein mit dem Inhalte nachweis«
lieh Orpbischer Priesterlchre·

63.
Dieser ehr^nürdigere Geist der Religion ward jedoch
nur Ton Weisen erkannt. Die Poesie, welche das Yolh
um den Singstuhl des Rhapsoden und im Theater ver«
sammelte, ward durch die ernstere Forschung und durch
die bedeutsamere Philosophie wenig gestört in ihrer
Herrschaft über die Gemuther. Der durch Gesetzgeber
und Verfassung geheiligte Yolkscult forderte und be·
durfte einer Fülle von Sagen; denn das Volk mufste ja
die Geschichte derer wissen, vor denen es knieete, und
die Verweser des dffentlichen Dienstes wachten eifer­
süchtig über dessen Unicrletzbarkeit. Daher trat die
reinere Lehre der Mündigen in das Dunhel der Samo·
thracischen , Attischen und anderer Mysterien, so wie in
die Schranken esoterischer Philosophie zurück.
Hierdurch wird auch das Yerhältnifs der Philoso­
phen znr Mythih und zur Staatsreligion bestimmt. Sie
traten entweder in einen gefahrvollen Kampf und straf«
ten die yerführerische Poesie und den mit ihr verbün­
deten , von ihr gehegten und verschönerten Mythus,
sie wagten die Anklage gegen den Gott des Volkes,
H o m e r u s , und meldeten ( um dem Volke verständlich
SU seyn) die Qualen, die den Verderber der Religion
in der Unterwelt träfen; oder sie tadelten leiser. In
diesem Geiste ist der Ausdruck des Aegyptischen Prie­
sters gedacht: «Ihr Griechen, S o l o n , bleibt doch im­
mer Kinder! v

370) Jonischer ZweifeJgslst^ s. Demetrius de Elocut. sect


Die Vorsteher der Mysterien, besondere die der
Attischen, wirkten in Einstimmung mit den Bemühungen
vieler Philosophen. Sie kannten die Macht, welche die
Poesie über den Griechischen Geist übte, und traten
hervor mit Gedichten, worin nur unter einer andern
Hülle auf die Na t u r e in h e i t a l t e r R e l i g i o n hin·
gewiesen wird. Dafs die Form dieser Poeme ein Pro·
diikt späterer Bildung war (zum Theil mögen sie, und
dies gilt besonders von den Orphischen Hymnen , in die
Blulhezeit des Athenischen Staates gehören), würde
selbst dann keinem Zweifel unterliegen, wenn auch
ncht so wichtige Gewährsmänner, wie H e r o d o t u S f
P l a t o und A r i s t o t e l e s , dafür sprächen. Aber dafs
ihnen manche alt >Orphische Symbole und Lehren zum
Grunde liegen, dafs auch viele Tone alten Gesanges in
ihnen nachhiingen, dafür zeugen die Bruchstücke alt·
Jonischer Philosophie zu bestimmt, als dafs darüber
Ungewifsheit übrig bliebe.

$. 63.
Mit A l e x a n d e r s Zügen wird dem Griechengeiste
der O r i e n t neu aufgethan. In einem weiteren Sinne,
als bisher, umfafst er das Morgenland. Denn es ward
von dem Hellenen beherrscht; und seit diesem grofsen
Gemische der Völker ward dieser entweder selbst dort
geboren, oder er brachte dort einen grofsen Theil sei·
nes Lebens z u ; ihn umfing derselbe Himmel, der den
phantasiereichen Orientalen umgab, und die Dichtungen
des alten Asiens berührten seinen Geist. Er sah den
Rönigsbau von Persepolis, eine wunderbare symbolieche
Architektur, die Fabelthiere des fernen Osten, die Thier·

12. vergl. flerodot. II. 45. — Anklage alter Philosophen


gegen H om erus, Diog. LaCrt. IX. 1 . Gri<r'chische Un­
mündigkeit, Plat. Tim. p. l(Kl3 ed. Fraiicof. P* 111. Vol«
IJ. p. 12 seq<|· Bekk.
ao5

pflanzen auf den Teppichen der Babylonier. Daneben


die Eindrücke der äufseren Natur selbst, diese fremde
und üppigere Yegetation , diese gewaltigeren animali·
sehen Erscheinungen, und endlich die ungemessenen
Zahlen und die Bedeutsamkeit in der Astrologie und
Kosmogonie der Chaldäer.
So ward jezt die reizbare Griechenphantasie mannig·
faltig angeregt und genährt.
Noch mehr aber A l e x a n d r i a in Aegypten —
diese Weltcolonie — empfing in dem grofsen Yöihcr-
etrome auch den Griechischen Denker. Das Clima die­
ses in jedem Betracht anomalen Landes halte von jeher
den Geist zur Schwermuth und zum Ernste gestimmt.
Auch der Grieche erfuhr diesen Einilufs. Der Öftere
Anblick der riesenhaften Denkmale einer sinnvollen un-
tergegangenen Priesterwelt mufste auch an ihm die in
ihnen liegende Absicht erreichen, den nachdenkenden
Geist dem äufseren Leben zu entrücken»
Aber nicht minder bewirkte dies der Untergang
Griechischer Freiheit» die gänzliche Umkehrung des ge­
meinen W esens, welches, in seiner alten Yerfassung»
dem Geiste zum H a n d e l n beständige Aufforderung
gab , nnd ihn in dieser Thätigkeit rege erhielt. An die
Stelle der sinnlichen Herrlichkeit antiken Bürgerlebens
trat, als Trost in dem traurigen Schicksale, eine durch
die Gunst gebildeter Könige verliehene gelehrte Mufse.
Auch war auf dieser gröfsesten Gränzscheide der
Zeiten von grofsem Einfiofs das Anhäufen der Litte·
raturschätze in jener Weltstadt» der dadurch befiü·
gelte Ideenverkehr, die jezt geknüpfte Bekanntschaft
mit den Religionslehren des Morgenlandes, mit den
Theorien des alten Magismus, mit den Götterwandlungen
im Systeme der Indier» und endlich der Einflufs des
Monotheismus der in Alexandria so zahlreichen Hebräer·
Und kurz vorher hatte P l a t o auf der vollen Mittage«
2o4
hohe aller Bildung gestanden, und alles Licht des Mor­
genlandes, alle Erhenntnifs abendländischer Philosophie
sich siegreich unterworfen und zu eigen gemacht. Seine
Ansicht der Natur und des Geistes ward nun auf lange
hin bestimmend für zahlreiche Schulen von Philosophen.

64 ·
Ans diesem Allem erhlären sich nun in R e l i g i o n
und P h i l o s o p h i e folgende Erscheinungen:
1) Die ungemeine Erweiterung beider unter dem
durch alle jene Einflüsse geistig bereicherten Griechen-
Tolke.
2) Die pragmatische Behandlungsart des Mythus.
Der gelehrte Denker sucht jezt mehr als jemals für
Wissenschafi und Leben von ihm Fruchte zu gewinnen.
Die jugendlich poetische Ansicht des alten Fabelreiches
erscheint der ernsteren wissenschaftlichen Absicht un­
tergeordnet.
3 · Die Rückkehr und Wiedereinsetzung der M y­
s t i k und S y m b o l i k in die Mythologie und die im Gan­
zen fortdauernde Herrschaft beider.

D er tausendfach angeregte, bereicherte


u n d s t r e b e n d e M e n s c h e 11 g e i s t w i r d a u f s i c h
s e l b s t h i n g e w i e s e n , und di e B e t r a c h t u n g
k e h r t ins i n n e r e z u r ü c k .
Vorerst jene Erweiterung und jener Pragmatismus
liegt im Systeme des E p h o r u s am Tage. Dieser be­
rühmte Schüler des Isocrates stellte an die Spitze seiner
allgemeinen Historie, von den Begebenheiten der Grie­
chen und Barbaren seit dem Heraklidenzuge bis auf den
Macedonischen Philipp, eine Erörterung des Mythus,
worin alle Elemente desselben auf H i s t o r i e der Vor-
weit zurückgefuhrt wurden. Eine Hinneigung zu dieser
Methode findet sich schon in Fragmenten Jonischer Lo-
ao5
gographie ^0 » namentlich bei Dionjaius τοη Milet;
jedoch erst der Vorgang jenes gelehrten Forschers
aufserte eine bedeutende W irkung, und ubt noch seine
HerrschaiY in der historischen Bibliothek des Diodorus·
F rüher aber fand diese Methode selbst bei Philosophen
Seifall. So machte bald nachher E y h e m e r u s den auf­
fallenden und späterhin von Plutarchus bestrittenen
Versuch, durch eine Tollständige loductiun, auf eigenen
gelehrten Reisen , den Satz zu erhärten, den er nachher
in seiner ispÄ άναγ^αφή niederlegte, ^ie alle Götter
nur Menschen geiiiesen, aher Hegen ihrer Wohlthaten
in Staatengründung und Gesetzgebung τοη den dankba­
ren Völkern Tergöltert Horden seyen Chrysip­
p u s , jener grofse Lehrer der Stoa, ging einen andern
W eg. E r hatte in dem ersten Theile seines Buches
φνσ€ωί, seine Mythik und speculative Theolo­
gie positiv vorgetragen, und im zweiten wagte er nun
den eiegetischen Versuch, die Poeten der Nation mit

371) S. Pragmm. antt. historr· p. 48«


S72) Sexfus Empirie, advers. Mathem. pag. 311 ed. Pabric·
Cicero de N. D. 1. 42« und unsere Anmerkung daselbst
p. litl. Vergl. P o i i r m o n t bei Hi f s ma n n Magazin tür
die Gesch der Philos. II. S. 29.y ff, Utber C h r y s i p ­
p u s s. Cic.de N D. 1. 15. und daselbst Davis, und
unsere Zusätze p. 67 und 68. S. ibid. Π. 6. p. 2i4. II. 24.
p. dOi. II. dt. p. 332 sq. Das inythologibche System des
Dionysius von Milet habe ich austOhrliclier erörtert in
der h i s t o r . Ku n s t d e r G r i e c h e n S. 12si ST.; das
System des alten fiekatäus in den Pragmm. Iiistt. grarcc·
aniiquiss. p.4i)sqq· Von der Myihik des Diodorus han­
delt He y n e de fontibus Diodori ^iculi Vol. i. p LX *11
ed. Bipont ; so wie im Allgemeinen über die verschiede­
nen Ansichten und Methoden der Mytholoeie unter den
Alten Dessen Commentatio de Apollodori Bibliotheca ρ·
XXVl »qq. nachzulesen ist.
3o6

der reineren Gotteslekre anssneuhnenf indem er den


anthropomorphistischen Dichtungen des Homerus, He«
siodus und Anderer, allegorisch umdeutend, einen wur«
digen Sinn unterlegte. Auch hierzu lagen schon in
früheren Tersuchen leise Anlässe, aber erst das Genricht
dieses grofsen Meisters gewann dieser Methode zahlrei«
che Anhänger von allen Schulen, am allermeisten τοη
der Stoischen.
£s ist wahr, der fortslrebende Menscbengeist honnte
in dem bunten Farbenschimmer des Griechischen Yolha«
mythus heine Befriedigung finden, so wie nicht geleug«
net werden bann, dafs selbst in der τοη Homerus be*
songenen Sage sich hier und da Veberreste alter sym·
bolischer Priest erleb r e , historisch gewendet, erhalten
haben. Aber dieses nun herrschend gewordene Vei>
liennen der durchaus nicht bedeutsamen Sinnlichheitf
der hellen Aeufserlichheit und gedrungenen Plastik des
Homerischen Epos, war doch gar nicht im Geiste das-
sischcr V orzeit, war doch eine schnöde Verachtung aller
Gesetze gesunder Auslegung. Die gelehrten und beson­
nenen Kritiker in Alexandria vertheidigten männlich und
nicht ohne Erfolg die Rechte dieser letztem. Sie, denen
eigener Geist und stete Uebung einen so feinen Sinn Tiir
den Ton der Kunstart gegeben hatte, die einen gedie­
genen Geschmack so tüchtig bewährten , sie mufsten
auch über den Geist des Homerischen Mythus eine ent­
scheidende Stimme haben. Aber im Allgemeinen und
bleibend ward dadurch wenig geändert. Denn theils
folgten die nachherigen Gelehiten diesem ßiehtwege
nicht, theils gebot das Schicksal der Religionen selbst
ein Anderes. Und den gewaltigen Strom der Zeit ver­
mag kein Widerstreben aufzuhaltcn. Schon in der ersten
Periode von Alexandria war es herrschender Ton gewe­
sen» im Forschen und Darstellen auf das B e d e u t s a m e
hin EUarbeiten. In diesem Sinne hob man unter den alten
aoy

Mythen der Griechischen Fabelwelt nur die mystischen


aus, oder man deutete die rein epischen mystisch um.
Man verweilte nachdenhend um das schweigende Symbol,
und wendete sich forschend an die Hieruglyphih des nun
vaterländischen Aegyptens.

$. 65.
Mit neuer Macht brach aber in der R ö m i s c h e n
Periode, seit Verbreitung des Christenthums, in den
gebildeten Geistern des Ueidenthums das lange zurück-
gedrängte Urelement alter Religion hervor. Konnte
doch in der Kaiserzeit der zu nüchterne Inhalt des na­
tionalen Polytheismus selbst den gemeinen Rdmer nicht
mehr befriedigen; häufte doch der seltsame, wunder­
liebende Hadrianus in der Stadt und auf seiner Villa die
colossalen, räthselhaften Denkmäler Aegyptens zusam­
men , und beging er doch im Geheim fremde Gebräuche·
Dieses allgemeine Streben regte sich nun auch edler in
edleren Geistern. Die Philosophen und Denker, deren
dieses Zeitalter viele hatte, bereicherten nun auch an
ihrem Theile die innere We l t , der sie einzig lebten,
und erweiterten mächtig das Gebiet des Geiste.«, ln der
Mythologie namentlich sammelten sie nun surgfältigery
was die Hellenische Religion an alten bedeutsamen Sym­
bolen gerettet hatte. Vornehmlich aber merkten sie
auf die Lekren des Morgenlandes , und verloren eich
betrachtend in dem ungetrübteren Lichlstrahle alter
Offenbarung. Nicht minder suchten sie die Zweige und
Grundfäden reinerer Religion im Griechischen Mythus
Dachzuweisen, hervorzuheben und zu reiten, und das
Göttliche in ihm za der in Orphischer Vorzeit behaupte­
ten religiösen W ürde zu ei heben.
Denn je z t, da das C h r i s t e n t h n m sich der W elt
bemächtigte, mufstc jegliches Mysterium offenbar wer­
den, wenn die Religion der Heiden diesen Kampf bc-
ao8

stehen sollte. Die Zeit war vorüber, wo ein mjthen*


reicher Anthropomorphismus die bessere Ueberzeugung
unter den Hellenen gefesselt h ielt, oder ins Dunkel
zuruckdrängte. Vielmehr trat jezt der Homerische Got-
terhimmel und jene sinnlich vollendete, plastische Be^
schränhtheit in den Hintergrund, und die herrschende
Mythologie suchte es der Christenlehre an mystischer
T iefe, an Innerlichkeit und Ueberschwenglichkeit zuvor
zu thun. In diesem Sinne hat unter andern der Schüler
des Ammonius Saccas, Plotinus, haben Porphyrius, Jam·
blichus, Proclus und Andere die Mythologie der G rie·
chen betrachtet, wovon sich in den Schriften dieser Neu·
platoniker zahlreiche Beweise finden. In diesem Geiste
mufs man auch in den Schriften des Julianus die häufig
vorkommenden Deutungen der Hellenischen Mythen
lesen, und in dieser Ueberzeugung suchte dieser grofse
Kaiser, im Widerspruche gegen die Christenlehre, dar«
zuthun, dafs auch das Heidenthum sein Mysterium habe,
und somit den hüchsten Bedürfnissen des menschlichen
Geistes genüge*

$. 66.
Ehe wir die nun folgenden Perioden andeuten, w er·
fen wir einen kurzen Blick anf die Forderung und Bear­
beitung der Symbolik als Wissenschaft in den bisher
betrachteten Zeitaltern. Von der verschiedenen Behand­
lung , welche die Mythik in den Schriften der Gelehrten
erfahren hatte, ist bereits Einiges bemerkt worden, und
über das Uebrige ist die nüthige literarische Nachwei«
sung gegeben.
Schon die kurze Skizze der religiösen Institute des
Alterthums kann uns zeigen, wie Tiele Anlässe und Ge­
genstände gelehrter Forschung der Grieche und Römer
in der Religion seiner Väter fand. Und wie viele andere
Gelegenheit war nicht den Alten zu sinnbildlichen und
309

•llegorischen Daretellongen gegeben. Es ist nicht ηΚ·


dies n^eiter anszofuhren; schon die Erinnerung an
die Schilde der Griechischen Helden vor Thebae, nach
d er Beschreibung des Aeschylus, und der des Trojanischen
K rieges, nach Homerus, denen dann Diodorus und viele
Andere bis auf Nonnus herab gefolgt sind, hann erlang­
te m , vras wir damit sagen wollen. Dazu hommen noch
so viele andere Veranlassungen, die im öifentlichen und
Privatleben der Griechen und Börner lagen, z» B. die so
äufserst charahteristischen Hochzeitsgebräuchc der letz­
teren. Hit Einem W orte : man hann ohne Uebertreibung
sagen , dafs die Liebe zum Symbolischen, auch bei iveit
Torgeschrittener Abstraction, ein herrschender Zog die­
ser \^öiher blieb, und alle Zweige ihres Thuns und Le­
bens umiafste·
Dem religiösen Glauben und Dienste der Hellenen
vind Barbaren forschte nun schon früh der Grieche nach.
Anch war ja in Jonien die Historie hauptsächlich τοη den
Tempeln aasgegangen, wie die Bruchstuche der ersten
Versuche darin und das W ei h des Vaters der Geschichte
auf allen Blättern beweisen.
8o hatte z. B. Charon τοη Lampsahos die Weih»
geschenhe in den Tempeln einer vorzüglichen Anfmerh-
saroheit gewürdigt, Hellanicus von Lesbos aber eine
SchriB: über die Priesterinnen der Juno zu Samos ge­
schrieben. Besonders wichtig mochten des Letzteren
Aegyptische Denhwürdigheiten {Μγνητιαχά) seyn, worin
viel Symbolisches und Mythisches enthalten war ; und
wenn auch die Schrift des Hccataeus von der Philosophie
der Aegyptier den späteren Gelehrten dieses Namens
zum Verfasser haben möchte , so war doch der leben-

373) Pbotii Biblioth· Cod. CXXI.


374) Diogen. Laert. Prooem. $. lO. li· VergK Historicorr.
antiquiss· Fragmro· p· 32.
I. i4
310

dige Fonchangsgeist der regsamen Jonier, ivie andere


Sporen zeigen ^ vielfältig auch auf die Religion und
Weisheit der fremden und einheimischen Vorzeit ge­
richtet. Liegt doch, ^vie bemerkt ^ das Geschichtenerk
des Herodotus, dessen Mittelpunkt die Tempel und Ora­
kel bilden, als ein überzeugendes Denkmal jener Be­
mühungen vor uns.

§. 67.
Doch mit dem täglich sich vermehrenden Vorrathe
des historischen StofTes, der besonders zu Alexanders
des Grofsen Zeit ins Cnermefsliche 'n nchs, mufsten die
Gebiete der Gelehrtheit schärfer abgesondert 'werden,
und so immer mehr und mehr bis zu der Periode , die
wir oben beschlossen haben. Besonders mufste die
eigentliche Staaten - und Regenfengeschichte von solchen
wissenschaftlichen und künstlerischen Forschungen ge­
schieden werden. Zwar litt nicht ein jeder Gegenstand
diese strenge Scheidung, wie denn z. B. noch unter dem
zweiten Ptolemäer Manetho in seiner Geschichte der
Aegyptischen Dynastien viele alte Pricsterlehre und
Sinnbildnerei berühren mufste; jedoch werden seit Ari­
stoteles nun schon viele eigene Schriften über diese und
ähnliche Gegenstände genannt. Aus diesen vielen wollen
wir jezt einige, nach Classen geordnet, als Beispiele
auffuhren.
Zuvörderst war jener im Menschen wirksame Grund­
trieb, der alle religiösen Institute hervorbrachte, Ge­
genstand eigener Betrachtungen geworden. Die Reli­
giosität und jener fromme Sinn, der sich in Anhänglich­
keit an die Religion der Väter und ähnlichen Zeichen
äufsei^te, und unter den Hellenen am meisten den Athe-

37i) 8. unter andern M a rsh a m Canon Chron. Aegypt« p. 2,


211

nern eigen war , ward von gelehrten Schriftstellern zum


Gegenstände besonderer W erke gemacht. Eine Schrift:
dieses Inhalts hatte der berühmte Theophrastus gelie­
fert^^); und wenn auch sein eben so berühmter Zeit­
genosse Theopompus, diesen Gegenstand nicht eigens
behandelt hatte, so waren doch in seinen Historien die
Religionen und symbolischen Lehren der Torzeit einer
besonderen Aufroerhsamheit von ihm gewürdigt wor­
den 337), Auch wird der Gemahlin des Pythagoras, der
alteren T h e a n o , eine Schrift nrepl evae^eiag beigelegt,
woraus S t o b a e u s Cod. CLXII. ein Fragment aufbe*
halten hat.
lieber die h ö c h s t e n G e g e n s t ä n d e d e r V e r ­
e h r u n g hatten Mehrere geschrieben, und unter diesen

376) Diogen. Laärf. lib. V. sect. 50. Sie war betitelt:


rJffißsiag·
377) Wenn nämlich der Scholiast zu Aristophan« Aves. 1354.
den θβότο^χίΓβς iv rw svcsßtiag anltlhrt, SO ändert
Rubnkenius Θβοφ^αοτος, weil des Letzteren Schrift dieses
Inhalts bekannt ist, vom Ersteren aber Niemand eui soU
ches Ruch kennt, s. Mistor, crit. Oratt. graecc. pag. 87t
Dionysius von Halicarnafs ( Kpist. ad Pomp. pag. 7S4 ed.
Reisk.) gedenkt nun zwar bei Erwähnung des T h e o ­
p o m p u s der Erörterungen desselben r epi avcißttat,^
doch redet er dort offenbar von dessen Histoiien, welche
einen Geist hoher Religiosität alhmcten , wie unter an­
dern , gelegentlich bem erkt, die schöne Stelle beweiset,
die uns S t o b a e u s Sermon, p. 91i ed. Gesn. aufbehal­
ten hat. Da nun späterhin auch des Theopompus Werke
epitomirt wurden, so wäre es immer möglich, dafs sich
ein frommer Leser auch ein eigenes Excerpt, das er zu
seinem Gebrauche avctßstag Uberschrieb, daraus ver­
fertigt hätte , das der angethhrte Scholiast gemeint haben
könnte. Doch die Verwechselung von Θιοφραστος und
BfoTOfXTog ist häufig, und dann vermisse ich auch sonstige
Citate einer solchen Schrift des Letzteren.
a\2

einige der ei*sten Männer Griechentends. Vorerst Tlieo-


ph rasrus selbst^ von dem sowohl Conimentarien über
die G ö t t l i c h e n D i n g e t als auch drei Bücher von
den G ö t t e r n angeführt werden. Eine Schrift ähn­
lichen Inhalts und Titels hatte der gelehrte Athener
Apollodorus , derselbe, τοη welchem wir noch die my­
thologische Bibliotheh besitzen, Tcrfafst. In diesen Bü­
chern von d en G ö t t e r n hatte er den Ursprung des
Gottesdienstes , die Feste und Heiligthümer, die dem
religiösen Cullus eigenen Namen und Formeln, die ver­
schiedensten Formen der Religion unter den Griechen
und Barbaren y die Gottheiten und heiligen Gebräuche,
und endlich die Geheimlehren urofafst, und von allem
diesem etymologische und andere Deutungen yersucbt^)·
Doch es würde uns zu weit von unserm Zweche entfer­
nen, wenn wir alle Schriften dieses und verwandten In­
halts anfuhreii wollten, die den gelehrten Forschern
unter den Alten, und besonders dem Aristoteles und
mehreren von der zahlreichen Classe seiner Schüler und
Nachfolger, beigclegt werden.

37S) Von des Theophrastus MUchern und der andern


oben genannten Schiift handelt M e u r s i i i s de Theo­
phrasto p. f)9 ed. Elzevir., wo auch die nöthi^eti Beweis­
stellen steilen. Die hohe Wichtigkeit dieser Schriften
des Theophrastus können wir schon aus den iiihaltsrei-
clun Auszügen beurtheileii, die uns P o r p h y r i u s
ατβχ. βαψ. und E u s e b i u s in der Praeparat. Evang.
daraus iniltheilen. Nur bleibt es zuweilen zweifelhaft,
welclief von diesen Schriften jedes Excerpt angehört, s.
de R h o e r ad Porphyr, de abstin. p. 1i7. Ueber ApoU
lodorus s. dessen Fragmm. p. Ö87 ed. Heyn.
379) So werden z. B. einem Aristoteles ^^sokoyovfjuva zuge-
schrieben, Macrob. Sat. f. 18. Ob aber der S t a g i r i t e
zu verstehen, bleibt ungewifs, cf. Fabric. B. gr. llf.-p .
394 ed. Harl. In derselben Bibliothek des Fabricius Ilf.
Auch die einzelnen religiösen Aeufserungen und An­
stalten hielten vielfältige specielle Untersuchungen veran-
lafst. So hatte man gröfsere W erke iibcr die F e s t e ,
über die Panhellenischen sowohl, als (Iber die der ein­
zelnen Stämme und Oerten Schon der alte Hellanicus
s· B. hatte von einem Dorischen Feste des Apollo Car­
neus und von den Siegern in diesen Festspielen gehan­
delt ; von den Siegern in den Dionysien halte Ari ·
stoteles geschrieben. Derselbe hatte von den Hymnen
an den Dionysien und Lenäen gehandelt, und seine Di-
dascalien werden von den Alten oft angeführt. Diese
und verwandte Gegenstände hatten viele Andere, und
namentlich auch mehrere Peripaietiher, wie Theophia-
stus, Hieronymus, Aristoxenus und Dicäarchus, erläu­
tert. Von Letzterem allein werden Bücher über die
Dionysien, über die Panathenäeii und über die Festfeier
zu Olympia angeführt

$. 68.
Ein anderer religiöser Gegenstand, der früh die
Aufmerksamkeit der Forscher reizte, waren die W e i h ­
g e s c h e n k e in den Tempeln und an andern heiligen

p. 458 ff. liefert das Verzeichnifs der Peripatetiker noch


mehrere Anrührimgen von Schriften dieser und ähnlicher
Art. Der gelehrte Römer V a r r o hatte die Theologie
eingetheilt in die theologia f a b u l o s a , c i v i l i s und
n a t u r a l i s , s. Augustin, de Civ. D. VI. 6 sq.
380) Das Werk hiefs Ka^ysov^Kat und war metrisch, cf. Hel­
lanici Fragmra. p. 83 sq. ed. Sturz.
381) Cf. J o n s i u s de scriptoribus hislor. philos. Γ. pag. 63.
99. 103, wo mehrere Schriftsteller dieser Art genannt
werden, z. B. Musaeus von den I s t h m i s c h e n Spielen
u. A. Ueber die hierher gehörigen Schriften des Aristo^
xenus vergl. M a h n e de Aristoxeno p. 130 sqq.
2|4
Oertern. Aiicli darüber gab es allgemeine und besondere
Scbriften. So 'wird z. B. das W erk eines Monitor mpl
άνα^ϊΐμάτων angeführt und dem bekannten Polj-
histor Polemo werden ähnliche W erke beigelegt; eines
über die Burg zu Athen ^ ein anderes über die in Grie­
chischen Städten befindlichen Inschriften, und ein drittes
über die Weihgeschenke zu Lacedämon ^ ). Dafs mai|
auch über die T e m p e l und übrigen U e i l i g t h ü m e r
Griechenlands besonders eigene Schriften hatte, bedarf
keiner besonderen Bemerkung« Vorzüglich wurden die
O r a k e l des In · und Auslandes in grofseren und klei·
neren Werken beschrieben. So wird z. B. die Schrift
eines Atheners Philemon über die mannigfaltigen Orakel
genannt. Das zu Dodona aber und besonders das Del·
phische hatten vor allen den Blick der Geschichtschrei­
ber auf sich gezogen, wie wir theils aus dem Herodotus,
theils aus den Anführungen der Grammatiker sehen. So
werden z. B. in Beziehung auf das Dodonäische Orakel
ein Historiker Andron und ein Alexander τοη Pleuron,
ingleicben Thrasybulus und Acestodorus genannt; und
über das Orakel des Klarischen Apollo hatte Cornelius
Labeo geschrieben Hierbei ist der Verlust eines
Werkes des Porphyrius zu beklagen, welches besonders
über die Grundsätze der priestcrlichen Institute und
über den Gehalt der alten Orakelwcisheit lesenswerthe

S82) Athen. XIIi. p. 594. C.


3S3) Athen. XIII. p. 574. C. D« Vergl. Schweighäuser im
Index p. 178« und Fragmin. Historice, graecc. anüquiss*
p. 128.
384) Pabiio. B. gr. I. 137. cf. H e y n i i Excurs« i l . ad Iliad·
XVI. Auch die Paroemiograpiicn hatten hier Stoff zu
Bemerkungen gefuiulen, wie z. B« D e m o (so heifst
e r, nicht Menedemo, s. Dionysus I« pag. 46«), der das
Sprichwort vom Dodonäischen Becken erläutert hatte·
2lt>

Nachrichten und Betrachtungen enthalten haben mufs·


E s ist dessen Sckrilt yon der Philosophie aas OraUeln,
die von den Alten ziemlich häutig angeführt wird
Ein anderer Philosoph, Oenomaus, hatte über die Nich-
tigheit der Orakel geschrieben. Auch die M a n t i k , im
Allgemeinen, wie im Einzelnen , hatte ihre Erläuterer
gefunden. Es ist bekannt, dafs die Stoiker auf diese
Mittel, sich mit der Gottheit in Verbindung zu setzen,
sehr viel hielten, und es mögen daher in dieser Schule
viele Schriften der Art erschienen seyn. Noch wird von
dem berühmten Panätius ein Buch über die Mantik ange­
führt. Wenigstens ist es gewifs, dafs er diese Unter­
suchung, und zwar skeptisch und gar nicht im Geiste
des Stoischen Systems, berührt h a t t e t ) . Auch wird
einer Schrift des Chrysippus ne^l χpr^σμώv g e d a c h t^ ,
wie denn auch über die Traumdeutung und andere A r­
ten der Mantik von den Anhängern dieser Secte Vieles
geschrieben worden war. Selbst bis ins Speciellste war
dieser Gegenstand von Schriftstellern erschöpft worden;
wie wir denn das an den Honig Ptolemäus Philadelphus
gerichtete Buch eines Melampus über die Wahrsagung
aus den Vibrationen , das Traumbuch des Artemido-

38i) Aber oft unter cornipten Namen. Der wahre llte l


hiels; »·;·'< tx koyiwv φ/λοσενρ/^;, und die Kirchenvater
(Euseb. Praep. Evaiic^. III. 4. und öfter, Augustinus de
Civ, D. X. 23. Theodoretus u. A.) gedenken ihrer oft,
8. Luc. I f o l s t c n i u s de vita et scriptis Porpbyrii cap.
IX. p. SS.
386) Cic. de Divinat. 1. 3. II. 42. cf. van L yn d e n de Pa­
naetio pag. 70 sqq. und 117. — Auch hatte der Stoiker
A n t i p a t e r von Tarsus von der Superstition iu einer
eigenen Schrift (xifi δβ/σιδα//Λ5ν/α;) gebandelt, wovonAtlie-
naeus VHl. p. 346. C. das vierte Buch anftthrt·
3S7) Cic. de Divinat. II. 65.
S88) ταλ/ίάίν fAavriKij. cf· Fabric. B. gr. I. 116.
2x6

rud, das astrologische Gedieht des späteren Manetho


und ähnliche Schriften noch jczt besitzen«

§. 69.
Dafs bei so ausgebreitetem Forschen auch die G o t ·
t e r b i l d e r in jeder Beziehung, in historischer, hunst-
lerischcr und reHgiÖser, in eigenen Schriften erläutert
werden sind , braucht nicht ausdruchlich bemerkt zu
werden. Die letztere Betrachtungsart ward Torzuglich
Ton den Neuplatonikem beliebt, und Porphyrins erntete
mit seiner Schrift Trtpl άγαλμάχων hohen Ruhm ein.
Selbst ein christlicher Gelehrter sagt davon: <<man
könne aus diesem Buche die Geheimnisse der Aegypti*
sehen und Hellenischen Theologie kennen lernen)»
Je begieriger ein solches Lob uns auf dessen Inhalt
macht, desto willkommener ist die Erläuterung, die uns
dieser kenninifsreiche Kirchenlehrer darüber ertheüt«
Er hat ziemlich ausführliche Excerpte geliefert; und wir
sehen daraus, dafs Porphyrius die Götterbilder , mit
ihren Abweichungen und Attributen 9 nach der im Helle­
nischen Cultus geheiligten Ordnung, und also von Zeus
an der Reihe nach, betrachtet, und bei dieser Gelegen­
heit über das W esen, die Gestalt, über die Attribute
der Griechischen Gottheiten und über den Zusammen­
hang der heiligen Symbole der Griechen mit den Aegyp-
tischen, anslührliche Untersuchungen angestellt hatte«
Hier war ein weites Feld von Theologumenen eröffnet;
und auf welche Art dieser gelehrte Philosoph es angebaut
hatte, können wir sowohl aus den genannten EpitomeO)
als aus den Excerpten bei Stobäus schliefsen ^)«

389) Eusebius in Praepar. Evang* III. 7.


39U) Man vergleiche z. B. die Stellen in S t o b a e i Eclogis I«
p. 46sqq. ed« Heeren, cf. Eustb. Praep. £v« ρ·97 sqq.
ai7
Schon einen engeren, mehr polemischen Standpunht
hatte J a m h l i c h u s io einer Schrift genommen, die
denselben Titel fiihrt. Es war ihm, Λνίβ es scheint,
nicht sowohl darum zu ihun genesen , die Bahn seines
Lehrers zu verfolgen, als um die Bestreitung des dem
Bilderdienste gefährlich werdenden Christianismus. Zu
diesem Vrllieile veranlassen uns die Nachrichten des
Fhotius von diesem W erke, nebst andern Winken bei
den Alten 391^, w i r haben bereits oben ^ eine Probe
aus dieser Schrift, mit einer Aeufserung des Proclus
über denselben Gegenstand, mitgetheilt, welche uns auf
den Geist solcher Arbeiten schliefsen lassen. Wenn sie
einerseits wichtige Belege zur ältesten Beligionsgeschichle
und S}rabolik lieferten, und manchen ins Dunkel gestell­
ten Satz alter Lehre wieder ans Licht zogen, so ist doch
auch nicht zu leugnen, dafs das Bestreben ihrer Ver­
fasser^ die Würde und Bedeutsamkeit des Christentbums
durch heidnische Rcligionssätze zu überbieten, kriti­
sche Vorsicht beim Gebrauche ihrer Nachrichten noth-
wendig macht.

5. 70 .

Es werden auch verschiedentlich SchriBen, mit dem


bestimmten Titel vo n d e n S y m b o l e n , angeführt. W ir

Doch auch bei der Schrift des Porphyriiis ιτβζ.ί dyxXjxdrwv


ist die a p o l o g e t i s c h e Absicht nicht zu verkennen,
üeber die Fragmente dieser wichtigen Schrift vergl. Val-
ckenaer de Aristobulo Judaeo p. 83.
390 Pbotii Biblioth. Cod. CCXXV. und Suidas in Τί^αισκο;,
conf. Gerh. Vossius bei Gale ad Jamblich. de Myster.
pag. liO.
392) S. 22. not. 78. und $· 56. Cf. Jamblich, de Myster.
Aegypt. scct. Vil. cap. 1. uad Proclus in Platon. Polit,
pag. 372.
2 l8

geben einige Beispiele. Nach der Aeulsening eines alten


Schriftstellers müssen zwei Werlte der Art zu einem
grofsen Ansehen gelangt seyn. Ihre Verfasser hiefsen M e ­
l a m p u s und P o l l e s . Dafs der Erstcre eine und dieselbe
Person mit dem oben genannten Melampus ist, sehen wir
aus der Zueignung der angeführten Schrift an den Honig
Ptolemäus, wo er ausdrücklich sagt, er habe auch über
die Symbole geschrieben« Der zweite war aus Aegae
in Hlcinasien gebürtig, und hatte zwei Bücher Symbo·
lica nach alphabetischer Ordnung ebenfalls in Griechischer
Sprache geschrieben. Je berühmter zwei alte Griechi­
sche Seher dieses und verwandten Namens waren , desto
leichter war die Verwechselung dieser Schriftsteller mit
letzteren möglich; und so sehen wir denn den jüngeren
Melampus mit jenem alten Wahrsager dieses Namens,
so wie den Polles mit dem Seher Polyi'dus, verwech­
selt W ie ausgebreitet auch diese Gattung der ge­
lehrten Forschung war, und wie sehr auch sie ins Ein­
zelne ging, können wir aus mehreren Spuren bei den
Alten schlicfsen. Besonders scheint sich auch der ge­
diegene Fleis der Alexandrinischen und der in ihre Fufs-
stapfen tretenden Forscher dieses Zweiges der Alter-
thumskundo bemächtigt %u haben. So lesen wir bemer-
kenswerthe Stellen des Grammatikers Didymus hier und
da angeführt, und von Dionysius, mit dem Beinamen
der Thracier, wird gar eine eigene Schrift über die sym­
bolische Erklärung des Rades angeführt

393 ) Bei S u i d a s in Μβλά/^ιτβυς,


S u i d a s in Μίλά/χιτους, in und in Οι«νιστ/κι{ν. Ci­
cero de Legg. II. 13. und daselbst Davis.
395} Bei Clemens von Alexandria, in der bemerkenswerthen
Stelle Stromat. lib. V. cap. 8. p. 672 Potter; ev τώ ής
€;χφύίΐτεως του 'τεζί rewv τζΟ'^ίσΎ.ων CJfxßoXQV· Ueber diesen
Dionysius cf. Meursius ad Helladii ChresCom, p. 33.
319

W ir haben schon oben bemerht, dafs die alten Re­


ligionsinstitute , Priesterlehren und Denkmale von A e ­
g y p t e n die Wifsbegierde der Griechen immer beschäf­
tigt hatten, und vorzüglich seit der Gründung jenes
Gelehrten Vereins in Alexandria. Je geh eimnifsvoller
und lückenhafter die damals noch vorhandenen Reste
Altägyptischer Religion ^aren, desto mehr Stoff 'war
dem Nachdenken gegeben. Schon die blofse Hierogly-
phik wie sehr reizte sie nicht den Untersucbungsgeist.
Und Hicroglyphica werden mehrere genannt, wie z. B.
die von Chäremon zu Nero's Zeit, von einem Paläpha-
tns u. A. ; und noch haben wir unter dem Namen
des Horapolio eine kleine Schrift dieses Namens und
Inhalts. Auch andere religiöse Erscheinungen dieses
merkwürdigen l^olkes hatten ihre Erklärer gefunden.
So hatte ein gewisser Nicomachus eine Schrift von meh­
reren Büchern über die Feste der Aegyptier geschrie­
ben, woraus uns die Alten bemerkenswerthe Stellen
aufbehalten haben Andere hatten sich dabei, wie
es scheint, einen weiteren Plan vorgesetzt, wie denn
z. B. ein Alexandrinischer Philosoph , Asclepiades, nicht
blos Hymnen auf die Aegyptischen Götter gedichtet,
sondern auch den Zusammenhang aller Religionen er­
klärt hatte

§. 71.
Auch auf die ä l t e r e L e h r a r t d e r G r i e c h e n ,
worin man eine Befolgung der Aegyptischen W eise be­
merkte, richtete man nun seine Aufmerksamkeit, beson-

3V6) Sui das in Παλα/φττ. G. Vo s s i u s de historicis graeco.


lib. 11. cap. 1. p. m. l64.
Z . B. Athenaeus lib. XI. cap. 55. p. 478. A. Dionysus
1. p. 25 8C|q. Job. Lydus de mensibus p. 53. 92·
39S) Fhotii Bibi. Cod. CCXLII. Suidas in Η^ϊτκ.
220

der· auf die der P y t h a g o r e e r . Ueber die S y m b o l a


dieser Schule hatten die gelehrtesten Männer eigene
W erbe geschrieben; Aristoteles selbst, sodann Andro,
cydes, Alexander Polyhistor und ein jüngerer Anaxi­
mander logleichen legte man der Theano und dem
Aristoxenus» der in andern Schriften da« Lebeu de·
Pythagoras und die Schicksale seiner Gesellschaft aus-
fulirlich erzählt batte, Pythagoreische Apophlhegmen
bei Eben so wurden auch die esoterischen Sätze
einiger anderer grofsen Lehrer der Philosophie in eige­
nen Schriften erörtert. Z. B. die Geheimnisse des Plato
hatte Numenius in einem besonderen W erke unter­
sucht Früher hatte Pythagoras τοη Zacynthus das­
selbe Thema nach einem umfassenderen Plane abgehan­
delt, und über die Geheimlehren der Philosophie
geschrieben. Späterhin erläuterte der gelehrte Porphy-
rius in einem ähnlichen W erke denselben Gegen-

399) Fabric. Bibi. gr. T. p. 7SS sq. Ueber den letzten, dem
Stiidas eine ·ϊ>τ7 >?β’/ς üvußoXtuv TI’jBctyo^stajv beilegt, vergl.
J o n s i II s de scriptor, hist, philos. p. 40.
400) Ueber ihn s. M e i n e r s Geschichte der Wissenschaften
I. S. 495, aber mit V V y t t e n b a c h s Berichtigungen in
der Biblioth. crit. VIII. p. m sq. (sowie auch über die
andern von Meiners beurtheilten Schriftsteller). D er
Titel der zuletzt genannten Schrift wird in einem Floren­
tiner Mscr. so angeftihrt: βκ τών Ά^ιστοζίνου Πυ5αγοζ./κβυ
(1Ιυ5αγ0^/κα·ν) ατβψασβιυν, 8. ibid. cf. M a h n e de Ari­
stoxeno p. 96 , wo auch vom Inhalte dieser und der übri­
gen hierher gehörigen Schriften dieses Philosophen ge­
handelt wird.
401) rd ϊΐλάτνυνι άτό^γ^^τα, wovon uns Eusebius Praepar.
Evang. XIIK 4. ein Excerpt liefert; s. J o n s i u s üb. III.
cap. 10. p. 38.
402) T aT0(*fifra φ/λοσοφ/α;, 8. Diogen, LatSrt. VIIT. J. 46.
ibique Menage.
221

Stand ^ ). W ie viel theologischen Inhalt schon die Pla­


tonischen Schriften dem Forschungegeiste lieferten, zei­
gen uns die noch vorhandenen Werhe der Neuplatoni­
schen Schule. Ich erinnere hier nur an die verschiede­
nen Gotterordnungen, welche, nach ihrer Darstellung,
Plato angenoDimen hatte ^ ). Insbesondere gaben auch
die in den Schriften dieses Philosophen eingewebten
M y t h e n Stoff zn Untersuchungen; und man bestimmte
nach philosophischen Principien den verhältnifsmäfsigen
W erth des gesammten Hellenischen Mythenvorraths, je
nachdem man ihn mit dem Geiste der Speculation mehr
oder weniger verträglich , oder an theologischer Bedeu­
tung mehr oder weniger reich zu finden glaubte. W ir
begnügen uns hier einige charakteristische Stellen dieser
Art nachzuweiseii. So erklärt sich z. B. Jamhlichus über
mehrere Zuge der Güttergeschichte und über das Ver-
hältnifs ihrer Form zur inneren Bedeutung, und Procliis,
der in aeinen Schriften mehrmals über die Gotiermythen
spricht, macht einen bestimmten Unterschied zwischen
den Mythen der Weisen und den gemeinen Sagen ^ ).
Diese Andeutungen machen keinen Anspruch auf
den Namen einer Literargeschichte der alten Symbolik·
Sie sollten nur Erinnerung seyn an den grofsen Umfang,
den auch diese Wissenschaft unter den Griechen erhielt·
Daher haben wir auch absichtlich mehr auf das in diesem

403) Eunapius in vita Porphyr.


404) Cf. Cudworth Systema intellect. p· 273. ibiq. Mosheim·
405) S. z. B. Jamhlich. de myster. Aegypt. sect. f. cap. XL
p. 21 sqq. ed. Gale. coli. Proclus in Platon. Polit, p, 406
sqq. und in Platon. Tim· p. 39. In der letzten Stelle sagt
er : ot fxiv ya^ n v v σ o( pa/u fx\j $ot αίΒίυαν 8ίσι
Tcuv, o/ W Tc5v ira/3ouy Χ8(μ kyyj^cywv καί σ/υιικζαΐν· καί oi μ ί ν
Ι χ ο υ σ ι t *.Jv ανοκίπ^υμμ^ν^ν a A ^ ^ f i a v , ot yaiJüuxorij κρα
222

Fache Verlorene hingewiesen, als auf das, Tvas ivir noch


besitzen« Denn der Anfang dicter Schrift hat es bereits
bewiesen, noch mehr aber wird der Verfolg zeigen,
welche Hülfe uns die noch Torhandcnen Schriftsteller
der Alten leisten, von den älteren Dichtern, von Hero­
dotus und den älteren Logographen an bis auf die spä­
teren Forscher herab , w orunter schon allein die Schrif­
ten des Apollodorus, Diodorus, Pausanias und Plutar-
chus einen grofsen Von^ath von Nachrichten liefern.

§. 73.
Die nun folgenden christlichen Jahrhunderte Hegen
eigentlich aufser unserm Wege. W ir beschränhen uns
daher hier noch mehr, als im Bisherigen, und geben
blos einige Hauptdata zu einer hier nicht beabsichtigten
weiteren Ausführung. Zuerst ist es bekannt, dafs die
christliche Religion früh , und auch fortdauernd , nach­
dem sie herrschend geworden , gar Vieles aus dem Hei-
denthume herüber nalun. Daran ist bereits oben ($. a3 .)
erinnert worden, und der Verfolg wird uns noch einmal
darauf zurückbringen· Je heftiger bisher der Streit mit
dem Heidenthunie gewesen war, desto mannigfaltiger
ward jezt oll die Vermischung mit ihm· W ie weit er­
streckte sich nicht oft jene wunderliche Verschmelzung
christlichen Glaubens mit heidnischem Mythus, und heid­
nischer Symbole mit den heiligen Personen und Zeichen
des Christenthums. Doch wurden die Charaktere der
Patriarchen und der Apostel, und besonders Christus
selbst und Maria, mit der ganzen heiligen Familie, zu
einem eigenen Kreise von symbolischer Hunstdarstellung
schon früh ausgebitdet. Die verschiedenen Perioden
dieser christlichen Sculptur und Malerei bis auf die Voll­
endung derselben im neueren Italien haben bekannt-

406> lieber die Entstehung der chrisdichen Kunst und ihrer


3^3

lieh schon verschiedene Untersuchungen Teranlafst, und


sind neuerlich, besonders in ihrem Ursprünge, nach
vorhandenen Denlmialen genauer betrachtet worden«
Die Bemühungen der Deutschen Malerei in Darstellung
christlicher Religionsideale werden künftig besser ge­
würdigt werden können, nachdem einmal auf die Ueber*
bleibsel dieser Art aus der Vor-Dürerischen Periode
die Aufmerksamkeit der Kenner gelenkt worden ist. An
den allegorischen Charakter, den die Gothische Bau­
kunst, besonders im Kirchlichen, angenommen und βοι*·
gebildet hatte, ist bereits oben eiinnert worden. Auch
würde es uns zu weit von unserem Ziele entfernen,
wenn wir alle die Forderungen nachweisen wollten,
welche die religiösen Institute des Mittelalters der Kunst
und vorzüglich der A r c h i t e k t u r und der Malerei ge­
währten, obgleich auch die Sculptur, theils in Verbin­
dung mit der Bauknnst, theils für sich, ihre Unter­
stützung fand. In Kirchen und Coemetcrien war ein
grofses Feld für Bildwerke geöffnet ^ ). Auch die S i e ­
g e l r i n g e gaben jezt noch viele Gelegenheit znm Sinn­
bildlichen und Allegorischen. W ie aasgebreitet dieser
Gebrauch im Alterthume gewesen , ist bekannt, und wir
dürfen nur an die Sagen von den Siegelringen des MinoS|

Religionsideale, in S i c k l e r s und R e i n h a r t s Alma-


nach aus Rom 1. S. 155 ff.
407) Das M u s e u m I t a l i c u m von M a b i l l o n , M i t ­
l i n s Voyage dans les Ddpartemens du midi de la France
enthalten charakteristische Beispiele und Abbildungen
dieser Ar t , ingleichen die Luceme Sepolcrali von Bellori
und Bartoli. Arringhi in der Roma subterranea; Boldetti
sopra i cimeteri de* i SS. martiri* Vorzüglich gewähren
uns jezt die altgemeinem Werke von d ' A g i n c o u r t
und C i c o g n a r a einen anschaulichen Ueberblick der
Kunstperioden aller christlichen Jahrhunderte,
224

der Helena, des Ulysses, des Polycrates (über >^e1chen


letzteren Lessing so riel Gelehrsamkeit und Scharf­
sinn verschwendet hat) und an die Nachrichten τοη denen
des Xerxes, S^lla , Julius Casar, des Kaiser Augustus
und vieler Ändern, erinnern, um diesen weiten Kreis
der Allegorie zu bezeichnen. Dieser Sitte huldigten
nun auch die Christen, aber freilich ol't mit Vernachlas-
sigung der alten reinen Formen , und gewöhnlich mehr
auf das Bedeutsame bedacht, als auf das Schöne, Oft
wollten sie auch wohl blos ein Zeichen haben, zum
gegenseitigen Erkennen oder zum Trost in bedrängten
Lagen. Dahin gehören vielleicht die von Tertullianus
erwähnten pisciculi Christianorum, die auf Grabsteinen
und Siegelringen verkommen Solche Allegorien
sind jenen Abkürzungen und S i g l e n sehr verwandt,
dergleichen die Sammler der Inschriften , Gruterus,
Beinesius u. A., von heiduisclien und christlichen Denk­
malen entlehnt haben, wozu , um hier nur an die christ­
lichen zu erinnern, z. B. jenes Θχ für Θεοτόχος, X«a
für Χριστώ, Φιλούν für Φιλοχξίστον und viele andere,

408) In den antic|tiarischen Briefen I. 22. Vergl. Ober diesen


uod andere Siegelringe Faci t i s Miscellen zur Geschichle
der Culdir und Kunst S. 59 ίΤ.
409) Bekanntlich eine blofse Namenallegorie ans den Anfangs-
bnch&raben der Worte Χξίστο^ Θ«ρυ υ/ός
woraus man Ί^Βιίς zusammensetzte. Künstlerisch be­
trachtet ist diese Allegorie ganz verwerflich , wie auch
M e y e r zu Wiiickelmanns Allegorie S. 723, richtig bc-
merkt. Aber sie bleiht für die damalige Denkart sehr
charakteristisch, und in dieser Beziehung haben wir, un-
serni Zwecke gemäls, der auf den ücberblick der ver­
schiedensten allegorischen und symbolischen Formen ge­
richtet ist, einen Siegelring dieser Art utiien abbilden
lassen, und dabei MQiiters Abhandlung erwühnt. S, das
V e r z e i c h n i f s d e r K u p f e r t a f e i n.
Jia5

neb»t dem to liaufig vorhommenden MonograTTtm von


C h r i a t ü t selbst| gehören In diese Periode der
späteren Symbolik gehören auch jene Vorstellungen, die
man gewöhnlich P a n t h e i nennt, weil die Figur Einer
Gottheit snr Trägerin des Bedeutendsten gemacht worde^
das allen übrigen sukam, indem die Attribute von rieleti
andern Gottheiten einer einzigen beigelegt wurden·
Auch davon enthalten die Kunstsammlungen manche
Beispiele. Hier mufs auch der sogenannten A b r a x a s
mit Einem W orte gedacht werden« Sie galten lange für
alt-Aegyptische W erbe, bia eine begründetere Forschung
entdeckte, dafs es Erlindungen der Gnostiker nnd Bast·
lidianer sind, wodurch die Mitglieder dieser Secten sich
gegenseitig zu erkennen gaben. Bekanntlich ist diese
Classe von Allegorien sehr grofs. Montfaucon hat eine
ganze Beihe von Abbildungen gegeben 4^’)«

4l0> Für die Griechischen Denkmale liefert M a f f e i Siglae


Graecorum lapidariae, Verona 1746. viele Beispiele. Die
obigen sind aus ihm genommen ; s. S. 55. 75.
4 lt) Antic|uit6 expllq. 'l'om. II. f. pt. l44 seq. W ir fiabeii
auch von dieser Art eine Vorstellung von einer Gemma
beifUgeii lassen, dert^n Abdruck uns der mit def Ge«
Schichte der Kunst und der christlichen Kirche so vef·
traute Herr Bischof M tt n t e r miigetbellt hat. Erlau·
teruogen und Litteratuniotiaen Ober diese ganze Clssse
giebt G r o b e r im Wörterbuch zum Behuf der Aesthe·
tik , unter diesem Worte. Wer die versehiedenea Mel·
nuogen älterer und neuerer Gelehrten Uber diese Ara·
phibien der Bilderet vollständig kennen lernen will, niufii
besonders Jablonski’s gehaltvolle Commentation Uber die
Bedeutung dieses Namens, der auch Abrasaz gcschrie·
ben wird, nachlesen in Dessen OpuScull« Vol. IV« pag.
80 sqq. Bekanntlich wurde oft Christus als Sonne der
Gerechtigkeit mit diesen CbiUern bezeichnet. Alle Gern·
mensammkingan, besondere die von Picoroni und Ga*
)eoui> von W ilde, von lassie und viele andere, liefern
1. i5
as6
73.
So ΜΆΓ also die Religion fortdauernd und in jeder
Beziehung forderlich für Symbolik und Allegorie. Aber
auch im bvirgerlichen Leben bliibeten beide fort. Zu·
erst das Rittertbum, im Dienste der Religion, und auch
übrigens, ifrie viele Gelegenheiten lieferte es nicht za
sinnbildlichen Darstellungen. Die Wahl des WafFen·
Schmucks hatte ja fast immer eine solche Bedeutung.
Jene Pilgerfahrten und die durch sie zum Theil
Teranlaikten Kreuzzuge waren aufserordentlich fruchtbar
an Erfindungen dieser Arl. Es ist hier nicht der Ort^
den Tielfaltigen Gebrauch zu betrachten, den man τοη
dem vornehmsten Zeichen des Christentbums, von dem
Kreuze, besonders seit Constantin des Grofsen Zeit bis
in die spätere Periode, machte Das mit dem Kreuze
bezeichnete Pilgerhemd, die Pilgerschärpe $ die Pilger·
tasche und der Stab waren lauter redende Zeichen von
der Absicht und dem Geiste jener häufigen Wallfahrten
nach den heiligen Oertern ; und der Palmzweig, durch
priesterliche Hand auf dem Altar der Kirche des Vater­
landes aufgesteckt, war das Zeichen ihrer gluchlichen
Beendigung Die Heereszuge nach dem heiligen

eine Menge Beispiele dieser sonderbaren Gebilde, die


man natürlich wieder in mehrere Unterubtheilungen brin­
gen kann; wie denn neuerlich Bellermann in seiner dahin
gehörigen Abhandlung zwischen Abraxas and Abraxoi-
den unterscheidet. Dafs Übrigens der erste Anlafs zu den
Panthren und Abraxas von den alt - Aegyptischen , alt-
Persischen cind andern Sculpturen genommen worden,
davon kann sich anjezt Jeder leicht sinnlich überzeugen«
412) Worüber L i p s i u s und Andere gelehrte Untersuchun­
gen angesteUt haben.
413) Die Belege giebt W i l k e n in der Geschichte der Kreuz·
Züge I. S. 4.
πΊη

Landen Von Königen und Fürsten oft mit Prunk unter­


nommen, waren natürlich noch ergiebiger für die Sinn-
bildnerei, so wie eine grofse Menge von Sagen daraus
hervorging.
Hierher gekürt auch die Entstehung und der Ge­
brauch der allegorischen Zeichen bei allen ritterlichen
Instituten der mittleren Zeit, der ΕιηίΙυΓ» der Turniere
darauf, das Lehenwesen mit seinen Formen, und die
Einführung und die Wichtigkeit der Reichsinsignien.
Von dem W erth e, den man im Mittelalter oft auf solche
Zeichen setete, lassen sich aus den Geschichtschreibern
dieser Periode viele Beispiele sammeln Auch spä­
terhin blieb man noch dieser Liebe zum Allegorischen
Bugethan, ja mit dem sechszehnten Jahrhundert schien
sie wieder neu aufzuleben. Die groikesten Fürsten die­
ser Zeit wählten sich oft solche redende Zeichen neben
den gewöhnlichen Insignien ihrer W ü rd e, und gewöhn­
lich mit bedeutenden Inschriften. So hatte z. B.
Carl der Fünfte die zwei Säulen des Hercules, mit der
Beischrilt; Ulterius; die Königin Margaretha von Na­
varra die Sonnenblume; Catharina von Medicis den Re­
genbogen, und der berühmte Lorenzo de' Medici drei
F edern , weifs, grün und r ot h, mit Anspielung auf
T re u e, Hoffnung und Liebe. Mochten auch nur wenige
dieser Sinnbilder von Seiten der Erfindung Lob verdie­
n e n , so waren sie doch oft cbaraltterisliscbe Zeichen
von der Denkart ihrer Besitzer. Es war damals noch

4l4) Eins dieser Art liefert W i l k e n im Handbuch der deut­


schen Historie I. 197. aus Dithmar.
4 li) S. die Einleitung von A1c i a t i Emblemata p. 8 aq. ed·
Flamin, wo mehrere Beispiele angetührt sind. Die neue­
ren Bereicherungen unserer Literatur von dieser Sehe
sind zu allgemein bekannt, als data es nÖtbig wäre, an
das Einzelne zu erinnern·
22S
nicht gewöhnlich, in solchen Fällen die sichersten Füh­
r e r , die Alten, zu befragen; wenigstens wurden ihre
Kunstwerke noch nicht in dieser Absicht betrachtet·
ln derselben Periode nahm die Allegorie unter den
Deutscheny nach dem Ernste ihres Nationaicharahters,
eine mehr ethische Richtung· Mit den Fortschritten
der Reformation mufste das Symbolische als Ausdruck
der Religionsgcheimnisse mehr und mehr rerschwinden ;
und wenn um dieselbe Zeit Raphael in Darstellung hei­
liger Personen und Begebenheiten die höchste Stufe der
Kunstsymbolih erreichte, und Albrecht Dürer in seinen
Gemälden und übrigen Arbeiten durch sinnrolle Alle»
gorie das Religiose andeutete, wie unter andern auch
die Tor mehreren Jahren erschienenen christlich - mytho­
logischen Handzeichnungen dieses Meisters beweisen, so
war der Sinn der Deutschen, besonders derer, die die
Reformation begünstigten, auf Staats- und Sittenver-
besserung gerichtet. Die alte Liebe zum Anschaulichen
äufserie sich daher in sinnbildlichen Darstellungen mo­
ralischer und politischer Art. Mufste die Allegorie doch
oft jezt selbst die neuerkannte Wahrheit versinnlichen·
Ein grofser Schriftsteller unserer Nation, der, nach
seinem umfassenden Geiste, auch diese Äeufsi rung Deut­
scher Kraft nicht kindisch und unmündig findet, sondern
W'ürdig und betreclitungswerth , nimmt von der dama­
ligen Allgemeinheit jener Darstellungsweise Veranlas­
sung, jenes Zeitalter der Reformation das e m b l e m a ­
t i s c h c za nennen, und gieht darüber beherzigenswer-
the Winke ln der That haben auch die greisesten
Männer, die in Besonnenheit und reiner Geistigkeit des
Denkens ihres Gleichen suchen, dieser naiven Sitte des
Aiterthums gerne gehuldigt· Selbst Leibniz gehört in

4l6; H e r d e r in den zerstr· BJtlUemy fUnfte Sammlung S*2l3


neιιe^te Ausg.
329
äte^e Classe. W ir haben eine seiner Abhandlungen vor
um liegen, anf deren Titel er durch ein sogenanntes
Sinnbild den schwierigen Inhalt anschaulich zu machen
und nu erläutern suchte.
Die eigentliche Z e i c h e n a l l e g o r i e ist allmählig
immer mehr verschwunden, anf Münzen sowohl als auf
Siegelringen; woran, was die Siegel betriffV, die Ein«
fiihrung der Wappen grofsen Antheil gehabt haben mag,
da die sogenannten redenden Wappen wenige« galten,
als die andern 4^^· Dagegen ist man auch wieder mehr
sum Alterthume surüchgehebrt, seitdem besonders Cay-
lus in Frankreich, und unter den Deutschen Wtnckelmann.
Lessing und Gdthe, in ihren Schriften auf den W erth
antiker Formen und auf die Einfalt und Reinheit der sie
beseelenden Gedanken aufmerksam gemacht bähen« Das
Glück der Herculanischen Entdeckungen, die Auffindung
so vieler Vasen und die Vervielfältigung von NachbiU
düngen aller Art haben zugleich einen scheinen Vorrath
von fiildern geliefert, die zur Läuterung des Symboli·
sehen beitragen mufsten«

5 · 74 .
Dafs nun such die S c h r i f t s t e l l e r seit W ieder­
herstellung der Wissenschaften an ihrem Theil die Alle­
gorie in eigenen Büchern zu bearbeiten suchten, wird
man unter den bemerkten Umständen erwarten. Aber
an den Meisten in dieser Art ist mehr der W ille zu
loben, als die Ausführung. So wie man bei der Wahl
allegorischer Darstellungen lieber seinen eigenen Gedan­
ken folgte, als dafs man auf die Ueberreste des Alter­
thums und ihre Beschreibungen bei den Alten selbst
gesehen hätte: eben so folgte man m der Theorie gerade

4 l 7 ) Meyer zu Winckelmanus Allegorie S. 750 IF·


2 Zo

am ^eni^ten den einfachen Gründeatzen der Griechen.


£in recht aullallendes i(eitipie1 liefern hier die xum Theil
höchst lächerlichen Versuche, die theils früher, theilc
noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, gemacht
^wurden, die bildliche«) Voratellungen auf den zwei be-
hannten in Jütland gefundenen goldenen Hörnern zu er·
hlaren, und wovon der neueste gelehrte Erhlärer der·
selben, M ü l l e r , in seiner inhaltsreichen antiquarischen
Untersuchung. S· 6 ff· der deutschen Uebersetzung, bri­
tische JNaebriobt giebt« Am öltersten waren es noch
lateinische Poeten, die zu Rathe gezogen wurden* Ein·
zeine Ausnahmen gab es natürlich auch hier; und Einer
und der Andere umiafste einen weiteren Kreis Griechi-
sr.her Schriftsteller· Aber im Ganzen gilt das, was
Wtncbelmann im eisten Capitel seines Versuchs einer
Allegorie bemerkt, im vollsten Sinne· Derselbe Ge­
lehrte hat dort über die drei gelesensten Schriftsteller
dieser Atr, Pierius Valerianus, Casar Ripa und Boudardf
ein strenges Urtheil gefällt, besonders über die beiden
letzten. Jedoch nach eigener näherer Ansicht dieser
W erke müssen wir es für durchaus gerecht erkennen·
Ripa hatte, eben als ob kein alter Schriftstellerin der
W elt wäre, seinen Stoff aus neueren genommen, woran
das zunächst auf die Wiederhersteflung der W issen·
schäften folgende Zeitalter sehr reich war· Unter ihnen
zeichnete sich der um die Epigraphih sehr verdiente Ita·
lieni5;che Humanist Alciatus aus; und wenn er^ vertrau­
ter mit den Alten, als die meisten Uebrigen, öfter an
sie erinnerte und nicht so häufig feblgriff, als Andere^
so zeigen die vielen Afisgaben seiner Emblemata, deren
wir selbst mehrere vor uns haben, daft sein Zeitalter
für diese Belehrungen auch empfänglich war· Andere
verfolgten nun die^e Bahn mit ungleichem Berufe und
Gelingen, und es väi e eine grofse Zahl von Schriften
zu nennen , wenn Vollstäudigkeit der Litteratur hier un·
aSi

sere AbEicht seyaltonnte, selbst von Scbriftfitellern, i i t


durch andere Verdienste mehr oder weniger aussuzeich*
Den sind, wie Hadriani Junii Emblemata^ Lugd. Batava
i 58 S. Sambuci Emblemata, Lugd. Batav« iS 84« Lau­
rentii Pignorii Symbolicae EpUtolae, PatariL 1629. Ni­
colai Caussini Electorum, Symbolorum et Parabolarum
Syntagma 1 Paris 1618· und dessen Polyhistor Symboli-
cus^ Coloniae i 63 i ; ingleichen Heraei Inscriptiones et
Symbola, Norimbergae 1721 und die Embleme« nou veatui(
Francofarti 1617. Hierzu kommen noch in neuerer Zeit
die fünf Abhandlungen des verdienten F a r m an n de
Symbolorum studio, Francofurti ad Mocnum 1771 —
worin bereits ein Anfang gemacht ist die damaligen
Entdeckungen und Schriften im Gebiete der alten Kunst
SU benutzen, wenn auch in der Theorie selbst mehr die
Grundsätze der Neueren, als die der Alten, befolgt
sind.
Aufserdem giebt es eine beträchtliche Anzahl von
Schriften , deren Zweck praktische Anleitung für Künst­
ler ist, wie z.B. die Sinnbild-Kunst und das Sinnbilder-
Cabinet, Nürnberg 1733, so wie das Ikonologische W ör­
terbuch , Gotha 1759. Der unrichtige Standpunkt, von
welchem diese Anleitungen mehrentheils ausgingen, er­
zeugten bekanntlich in J o h a n n e s W i n c k e l m a n n
den Vorsatz, diese so oft irre leitenden Führer durch
ein eigenes praktisches W erk entbehrlich zu machen·
W ie viel der grofse Mann in seinem Versuche einer A l­
legorie geleistet hat, ist gleichfalls bekannt, wenn auch
andrerseits diese Schrift unter seinen übrigen die nie­
drigste Stelle einnehmen mochte. Er eilte zu geschwind
zu den Beispielen fort, ohne an die allgemeinen DcgrHTe
zu erinnern, die schon im classischen Alterthume mit
der Symbolik, besonders in religiösem Sinne, verbun­
den waren. Aber gleichwohl bleibt ihm auch hier das
Verdienet, unter den Deutschen zuerst wieder an die
s5a
Vorbilder des Alterthum· wirhiam und vorurtheilsfrei
erinnertI und die Schritte der Munttier von falschen
W egen abgelenht su haben
So viel im Allgemeinen. Wollten wir auch das Ein·
lelne berühren, so gäbe dies StoiF au einer weitläuftigen
Erörterung. Eben dadurch verdiente jenes Zeitalter der
Vfirdererwechten Litterator den Namen des emblemati·
sehen, da(^ es in Staat und Haus | so wie in den hirch·
liehen Verhältnissen» allegorisch Alles umfafste, was
nur irgend einer solchen Darstellung fähig schien. Da·
her denn auch jene Sammlungen» um nur an Einiges au
erinnern, wie Jul. Wilhelm Zincgreln (aus Heidelberg)
emblemata ethico·politica, Heidelbergae 1666 (von dem­
selben haben wir auch die lesenswert he Schrift: D e r
Teutsehen sc h a r p f s i n n i g e hluge Sprüch»
Apophthegmata genannt» Strafsburg i6s&. und öfter
aufgelegt), oder Vaenii Emblemata amoris divini, Ant-
verp. i 65 o , ingleichen dessen Emblemata Horatiana,
Antverp. 1607. Ein gutes Voiurtheil nicht gemeiner
Belesenheit in den Griechischen und Römischen Schrift·
Stellern erweckt auch die Schrift des Joh. Heinrich Ur­
einus aus Speyer, Sylva Theologiae Symbolicae betitelt,
Morimbergae 1765, worin eweihundert Bibelsprüche
durch Sinnbilder aus dem gansen Kreise des Alterthoms
erläutert sind. Ist uns auch die Idee einer solchen Ver<p
bindung des Heidnischen mit dem Christlichen fremder
gewordenj so erfreuet dieses Buch doch durch manchen
feinen Gedanken und durch vertraute Bekanntschaft mit
dem Besten aus der alten claseischen W elt. Dieses
Sinnreiche in den Darstellungen begegnet uns auch su·

4lS) Mehrere Nachweisungen von Schriften über Allegorie


und Sinnbiliinerei, besonders aus neueren Zeiten , giebt
V. B l a n k e n b u r g zu Sulzers Theorie der schönen Kün­
ste I. Th. $· 109 iF. und IV. Th. S. 388 ff. neueste Ausg.
2^5
weilen äa^ wo Erfmdung vnil Kaust gar niclit an die
Alten erinnern· W ir haben dabei bestimmte Beispiele
vor Angen, dergleichen einen Jeden manchmal wohl
noch lieblich ansprechen· Man vergleiche unter andern
nur T. Eckharts Erhlarnng eines alten Uleinodienkäst-
leins aus dem Ebnerischen Cabinete au Nürnberg, Nürn-
herg ΐ7«δ. Doch, wie bemerkt, hier erSffneC sich für
den Liebhaber des vaterländischen Alterthums ein un*
absehbares Feld.

f 9«.
Noch müssen wir mit Wenigem der M y t h i k ge·
denken, beides, sowohl in Absicht ihres Stoffes, als
ihrer Behandlung, seit jener grofsen Yülkerwanderung.
D er m3rthische Torrath war seit jener Begebenheit und
seit der Herrschaft des Christenthums im Occident aus·
serordefitlich verändert worden· Ein grolker Theil der
alten heidnischen Sagen verschwand aus dem Gedächt-
n ifs, je mehr das Stodinm der alten Schriftsteller ver­
nachlässigt wurde. Dafür erhielt sich Manches im An­
denken des Tolhes, das theils früher, auf uns nicht
gana bekannten W egen, schon in die Stammsitae der
dat Bümisehe Reich erobernden Nationen vorgedrun-
g en , theils hier in ihren neuen Wohnungen von den
südlichen und westlichen Völkern aus der Griechischen
und Römischen Vorceit im Geddehtnifs erhalten worden
war· Ein reichhaltiger Gegenstand eigener Untersu­
chungen. Hier wäre nämlich Vieles xu erörtern ; Vor­
erst das Verbältnifs der Germanischen Religion xu der
nordischen Mythologie, wie sie in der jüngeren und äl­
teren Edda erscheint, und was hier sonst noch in Be­
tracht kommen kann ; sodann die Wanderungen der
nordischen und Germanischen V ölker, ihre Verpflan-
£ung in das Römische Reich, und der Einflnfs des Chri-
stenihums^ ingleichen die Vermischungen und Verhält«
aS4^
Hisse der verschiedensten mythischen Elemente^ und
namentlich die Scheidung der Sage yon der Ueherliefe-
rungy so weit dies) bei dem Verluste so vieler Quellen
und bei der frühen innigen Verschmelzung der verschie·
denaten Bestandtheile, noch möglich seyn mochte. —
Verschiedene Forscher haben bereits diesem Gegen­
stände ihre Aufmerhsamkeit geschenkt, die hier nicht
angeführt werden können« Ich erinnere falos an eine
der neuesten inhaltsreichsten Abhandlungen , und be­
sonders an den mythologischen Theil derselben , wo un­
ter andern auf die Gleichartigkeit des inneren Bildungs­
gangs nordischer M}’thik mit der Griechischen, auf jenes
wunderbare Durchscbimmern Asiatischer und Griechi­
scher Sagen in den Mythen des Nordens und in den Deut­
schen Heldengedichten des Mittelalters, wie auf andere
bemerkenswerthe Punkte, die Betrachtung hingelenht
wird. Denn auch in dieser neueren W elt behauptet.das
wildgewachsene Heldengedicht seinen alten mythischen
Charakter, und liefert den reichsten Stoff alter Sagen
und Ueberlieferungen. Auch zeugen mehrere Gedichte
dieser Gattung von dem Einilufs der Breuzzuge auf die
Traditionen und Meinungen der weslHchen Vdlherschaf-
ten; bei welcher Gelegenheit wieder manche Dichtung
des Orients zu uns herüberwanderte.
Unermefslich wird das F eld , wenn auch hier Alles
erwogen werden soll, was als Lehre und Meinung die

4iy) lieber iie Entstehunjt der altdeutschen Poesie und ihr


VerhaUuirs zu der nordischen , von G ri tnm , iin vierten
Bande der S t u d i e n von D a u b und C r e u z e r S. 75 ff»
besonders S. 221 ff. Viele andere seitdem erschienene
Schriften dieses oder ähnlichen Inhalts von den Brüdern
G r i m m , von der H a g e n , B ü s c h i n g , L a c h m a n n ,
G ^ t t l i n g , G ö r r e s , v. R e d e n , B e n e k e , D o c e n ,
M o n e , N y e r u p und Andern, sind im Deutschen Fu^
blicum allgcineia bekannt.
!»S5
Denkart der Nationen bealimmte» nnd in lebendiger
Fortpflanzung tausendfache Gestaltung gewann. W er
Yermüchte hier auch nur im Ueherblicke alle Zweige zu
berühren, in die eich das geiaHge Leben der neueren
Yolker ausbreitete, seit dem Untergänge des BSmiscfaen
Kelches, die mittleren Jahrhunderte hindurch: jenen
Schatz von \Tahiheitea und Erfahrungen, der sich bald
im einfachen, kräftigen Denkspruohe ausprägt^ bald als
Sage oder Mährchen ron Munde zu Munde geht, bald
in natürlichen Bildern und in Thiercharakteren ro r das
Auge tr itt, und als Deutscher Aenos von einem Deut«
sehen Aesopus zur Richtschnur des Yerhaltens gemacht,
bald, wie im Reinecke dem Fuchs, von einem Dichter
zu einem sinnvollen £pos ausgehüdet wird, in welchem
alle Stände, wie in einem Spiegel, ihr lehrendes nnd
warnendes Bild erblicken· Sodann die Dramen und Fest«
apiele jener Zeit bis auf die Periode der Reformation
und weiter herab ψ die Chroniken und Lebensgeschichten
von Helden und andern ausgezeioh neten Personen bis
auf den W rifs«König und spätere W erk e, die Reden
und Predigten und die übrigen Schriften jenes Zeitalters,
welch eine Fundgrube von älterer Sage und Lehre für
den Kenner·
Auch hier können, um nur Einiges aus Deutscher
Litteratur zu berühren, verschiedene Yorerbeiteu dem
Mjtholcgen Anlafs za weiterem Nachdenken geben·
Eine kleine, aber inhaUsreicheSchrift, die T e u t s e b e n
Y o l k s b ü c h e r von J. G ö r r e s , Heidelb· 1807,
weitert onsern Blick über das grofse Gebiet des Yolhs-
glaubens, und der G r u n d r i f s e i n e r G e s c h i c h t e
d e r S p r a c h e und L i t e r a t u r d e r D e u t s c h e n
von E r d u i t t J u l i u s K o c h , Berlin 1796· zeigt den
grofsen Reichthum unserer Nation, wie an andern Gei-
steswerken, so auch an mythischen Dichtungen·
a56
f . 76.
Endlicli mufs der seit Wiederhertrelinng der Wis«·
eenschaften βα Terschiedenen Ansicht and Behandlung
der allen Kljlhologie erwähnt werden. Gab hier di#
tausendßiltige Gestaltung alter Religion und. Sage zu den
verschiedensten Yorstellongsarten Anlafs, so murstoil
andrerseits gewisse Grundformen und Grundnüge, die
der alte Mjthus zeigt, den wissenschaftUchen Geist za
immer neuen Versuchen einladen, das Ganze zu einer
sjstematischen Einheit zu verbinden und aus Einem Prin-
cip zu erklären· W ie Vieles ist nicht in diesem Betracht
versucht und verworfen worden, seit |enem Wiederauf­
leben der classischen Mytbenwelt bis auf den heutigen
Tag. Raum halte im vierzehnten Jahrhundert Johann
Boccaccio in seiner Genealogia Deorum den Versuch ge*
macht, die Mythologie des classischen Heidenthums im
Zusammenhänge vorzotragen , so äufserten schon im
fünfzehnten Jahrhundert das Studium des Plato und
Aristoteles, und die damit zusammenhängenden Institute
und die Streftigheilen der Platoniker und Aristoteliher,
ihren Einflufs auch auf das mythologische Studium« In
dieser Zeit bleibt dem Marsiltus Ficinus das Verdienst^
in seinen achtzehn Büchern de Theologia Platonica, wie
in seinen andern Schriften, den Blick nngemein erwei­
tert und ihn auch auf diejenigen Mythen hingelenht zu
haben, die mehr zu den philosophiseben gehüren, und
aufser dem Kreise der meisten classischen Dichter lagen»
Bleibt der Charakter dieser alteren Forscher immer ehr­
würdig , wegen der Unschuld und Grofsartigheit ihrer
Bestrebungen, so ging ihnen doch auch Manches ab , was
erst die fortgeschrittene Kritik und die begründetere
Auslegung, als nothwendige Vorarbeit zu mythologischen
Forschungen, liefern mufste· Weiterhin hat die philo­
logische Gelehrtheit den verschiedensten Systemen zum
Stützpunkte dienen müssen· Vorerst war hsuplsächlich
a57
des Bestreben herrschend^ die Mjthen dos heidnischen
Alterthuma mit dem Judaismos und mit dem Christen·
thume in Uebereinstimmung zu bringen} und jenes Sy*
Stern, das auch neuerdings M^ieder Anhänger gefunden^
v/onaeh alle polytheistischen Religionen als eine Abartung
aus dem Hebräischen Monotheismus betrachtet 'vimrdeni
vnrde schon früher mit einem Aufwande ausgebreiteter
Gelehrsamkeit vorgetragen, W ir können hier die um*
fassendste und noch jeet sehr wichtige Schrift des be*
rühmten G e r h a r d Y o f s : de Theologia gentili et Phy·
aiologia Christiana, sive de origine ac progressa Idolola·
triae, lib r i IX. Arostelodami 164a· (und öfter auch in
dessen W erken), nicht unbemerkt lassen. Mack und nach
wurden die verschiedensten Versuche gemacht ^ die Viel*
heit des mythischen Vorraths auf eine systematische Ein*
heit zuruekenfukren. W^as bereits von den Gelehrten
des Alterthuma unternommen worden, ward jezt wieder
erneuert. Bald war , wie dort bei Evhemerus, das hi·
atoriscbe Principium herrschend, jezt so, jezt anders ge­
wendet, vonBochart bis aufBanier und Hiillmann herab}
bald ward die Ethik oder die Politik an die Spitze der
Untersuchung gestellt, wie in des berühmten Franciscus
B a c o Buche de sapientia veterum, Amstel. 1688, anderer
W erke dieser Art nicht zn gedenken· Insbesondere aus-
serte die Erweiterung der Natu rknnde in neueren Zeiten
einen grofsen Einflufs. Hatte man vorher schon in den
Symbolen and Mythen des Alterthums einen Schlüssel
lu r die Alchemie zn finden und jene hinwieder aus dieser
erklären zu können geglaubt; so wurden jezt die sänimt*
liehen Mythen bald auf Astronomie, bald auf Chemie und
Physik zuruckgefuhrt. Die astronomische Erklärnngsart
ist von Niemand mit umfassenderer Kenntnifs und ivit
mehr Scharfsinn versucht worden, als von D u p u i e in
seiner Origine de tone les Cnltes, Paris 1794 ff*. Da ohne
allen Zweifel alte Jahreszählong und Jahresfeier) so wie
a58
alte Sternlninde, ein Hauptelement der getammten M t·
tHologie ausinacht, so darf man sich nicht wundern, dafs
ein so beredter und eineichtSTollerVertheidiger des astro­
nomischen Systems bis jezt zahlreiche Anhänger gefunden
b at, woTon aber die Meisten ihn 5 fter benutzen als nen··
nen. ln beinern Felde ist auch von der Etymologie ein
so ansgebreiteter und oft so freier Gebrauch gemacht
worden, als in diesem, von Bochart an bis auf die neue­
ste Zeit, bald zaYertheidigung des historischen Systems,
wie von Bryant, bald zu den übrigen. Alle Hulfsmittel
der Etymologie und Sprachhunde, nebst einem grofsen
Yorrathe astronomischer Satze t hat auch neuerdings der
kühne und originale K a n n e in seinem calendarisch-my­
thologischen Systeme geltend za machen gewufst; und
wer auch weit entfernt ist, sieh dem Ganzen dieses Sy*
Sterna hinzugeben, wird doch durch manchen glücklichen
Credanhen überrascht und erfreut werden.
Diese Kunstgebäude ^ sind theils vor jener Zeit
aufgeführt worden, da die gelehrten Kritiker der Nieder­
ländischen und der Deutschen Schulen die Urkui.den der
Mythologie berichtigt und ihre Auslegung gesetzmafsig
begründet haben, theils während derselben. Durch ge·
naueres Studium der älteren Schriftsteller der Griechen,
besondere der Dichter, ist aufserordentlich yiel Licht ge«

<520) ücber die verschiedenen mythologischfn Systeme ver­


gleiche man — aufser dem , was bereits oben von uns
bemerkt worden, und aufser den älteren , weniger briiucli-
baren Benrtheilungen, wie von De la H a r r e in den Ab­
handlungen der könig). Academie der Inschriften, von
Hifsmann, Leipzig 1781. S. 246 ff. — G e d i k e ’s ver·
mischte Schriften, Berlin 1801. S. 6l — 100. Die neue­
sten mythologischen Schriften von G ö r r e s , S c h e l -
l i n g , U v a r o f f , W e l k e r , Mi Hi n, S i c k l e r und
Andern werden im Verfolg an den gehörigen Orten be­
merkt werden»
ajg
geben worden; und wenn nach den Grundsätzen gesnn·
der Kritik und Interpretation nun auch die mehr yer-
nachlässigten Quellen des Mythus, die Schriften der HU
atoriker und Philosophen, einer gehörigen Aufmerksamkeit
gewürdigt werden, so steht zu hoffen, dafs nach und
nach, wo nicht systematische Einheit ( welche wohl hier
nicht erwartet werden kann ), doch eine freiere und hö­
here Aussicht über das ganze Gebiet des alten Cultus
gewonnen werden wird, zumal wenn noch von anderer
Seite durch mehr kritische Untersuchungen über die Re^
ligionen des Orients Hülfe geleistet werden sollte.
Z w e i t e s B uch.
Ethnographische Betrachtung der Gottheiten
und des Götterdienstes«

E r s t e s G a p i t e l .
Von der Religion des alten Aegyptens.

1.
Quellen der Aegjptischen Sjitiboltli und
Mythologie.
1* 1 3 ie einzelnen Nachrichten der b i b l i s c h e n Ur-
hunden. (Vergl. Beclis Anleitung zur genauem Kenntnifs
der allgemeinen W elt« nnd Yölliergeschichte^ zweite
Ausg. Leipzig i 8 i 3 . I. p. 280.)
2. D ie G r i e c h e n . Schon vor Herodotus hatten
H i p p y s von Bhegium und Andere (vid. Bech. 1. I.), be­
sonders aber H e h a t ä u s von Milets der selbst nach
Aegypten gereist war (gegen Olymp. von diesem
Lande Nachricht gegeben; er hatte besonders Oberägyp­
ten mit seinen natürlichen Eigenschaften beschrieben,
und dem Staate von Theben und der Geschichte seiner
Könige eine vorzügliche Aufmerhsamheit geschenht; ge-
wifs ein Hauptgrund. warum Herodotus weniger davon
sprach. Ycrgl. dessen Fragmm. pag. 21 s^ meiner Aus­
^4^
gäbe der Fragimn. Historice, graecc. antiqaiss. Heidelb.
1806; Tergl. aueb U b b e r t über die Geographie des
Hecataus und Damastes p. 9. und Dessen Geographie der
Griechen und Römer I. pag. 69 seq. Zu gleicher Zeit
'wahrscheinlich hatte auch H e l l a n i c u s von Lesbos
über Aegypten geschrieben. Sieh. Photii Cod. 161 et f.
Yergl. Fragmm. Stur^ii pag. 89 seqq. und was wir oben
pag. 209. 216 und 219 über diese und andere Quellen
der Aegjptischen Religion und Philosophie bereits an­
geführt haben.
Ihnen folgt H e r o d o t u s selbst, der gegen siebzig
Jahre nach der Eroberung Aegyptens durch die Perser
ganz Aegypten bis nach Syene bereiste, und uns das, was
er selbst sah, so wie das, was er von den Aegyptischen
Priestern über die alten Denbmäler und die Geschichte
Aegyptens vernommen, mit eigenen üriheilen unter­
mischt, in seinem grofsen W erbe niederlegte (Lib. II et
III.). Der grÖfseste Theil seiner Nachrichten betrifTt das
Reich von Memphis und den dortigen Staat, v. Herod.
II. i 5 . 99; jedoch da er ganz Oberägypten selbst be­
sucht hatte, und mit den dortigen Priestern in Yerbehr
gewesen war, so liefert er auch über die Thebais sehr
bemerbenswerthe Berichte.
Nach ihm beschrieben Aegypten T h e o p o m p u s
von Chius, E p h o r u s von Cumae (vid. Fragmm. p. s i 3
sqq. M arxii), E u d o x u s von Knidus, P h i l i s t u s von
Syrahus (dessen Aegyptiaca jedoch Goller in den Fragm.
pag. 124. XU leugnen scheint); derenYVerbe jedoch alle-
samrot untergegangen sind.
In die Alexandrinische Periode fällt hier, neben
Andern, H e c a t a e u s von Abdera (vid. Fragmm. 1. I.),
der unter dem ersten Ptolemäus Theben besucht hatte;
besonders aber Man e t h o , ein Aegyptischer Priester,
der, auf Befehl des Ptolemäus II. Philadelphus , in drei
T o m i , i i S yereai und 81 Dynastien, von den Göttern
L 16
und Halbgoltern an bis auf Alexander den Grofsen, A e·
gyptens Geschichte Terfafst batte. Ueber die Schichsale
des Werhes und seinen W erth vergl« Beck S. 282 seqq«
Tergl. mit S. 281· c. — Einen ganz nenen Beitrag zur
Benntnifs des Manetho liefert uns der aus dem Armeni·
sehen übersetzte Eusebius ( s. Eusebii Pamphili Chroiii·
corum Canonum libri duo ed. Angel. Maius et Johannes
Zohrabus, Mediolani 1818. Tom. prior. 4 ·)· Bekannt­
lich hatte Manetho in den Aegjptischen Geschichten des
Herodotus Manches scharfem Tadel unteru^orfen (Jose·
phus c. Apion, pag. loSq. pag. 444 HaTercamp.)· Wenn
sich Larcher vielleicht etwas zu partheiisch des Letzteren
angenommen, und den Ersteren als einen niedrigen
Schmeichler der Ptolemäer zu tief herabgesetzt hatte
(Herodote par Larcher VII. p. 8. 17 sqq. SaSsq.)» so
hat dieser dagegen wieder einen ganz neuen Schutzred­
ner gefunden ( s. Mr. du Bois-Ayroe Notice sur le sejour
des Bebreux en Egypte, in der Descript. de TEgypte An-
tiqq. Livr. III. Paris 1818. Memoir. T. I. p. 3 oi sq.)· ~
Und wer wird wohl in Abrede stellen, dafs Manetho
damals noch eine ganz gute Ketintnifs der Aegypfischen
Sprache und Literatur haben konnte, dafs seine Frag·
mente für uns sehr wichtig sind und fortgesetzte Auf­
merksamkeit verdienen? Aber auch Ilerodols Aegyp­
tiaca werden durch einzelne Britiken, selbst eines gehör«
nen Aegypters, nicht eisrhültcrt.
HauptsebriftstcHer über Aegypten bleibt, nebst He­
rodotus , jedoch immer D i o d o r u s von Sicilien, der
unter Julius Cäsar und Augustus lebte und, wiewohl
er selbst Aegypten bereist, doch besonders den älteren
Griechischen Geschichtschreibern, vorzüglich dem lle -
catäus, folgte, uud ncich Letzterem hauptsächlich die
Geschichte des alten Thebens und seiner Denkmale wie·
dergiebt. Ueber diese seine Quellen und Grundsätze
vergl. Heyne de fontibus Diodor· Sic. p. 104 seqq. Die
Verfasser der Description dcTEgypte (II. Thebes, p. 69.)
fallen über Diodor's Aegyptiaca ini Ganzen em sehr
günstiges Urtheil, auch de8Λvegen, weil seine aus Heca·
taue geschupften Nachricliteti über das Grabmal des
Osymandyas ganz mit der Wahrheit ubereinstimmen.
E r scheine nicht in Oberägypten gewesen zu seyn, aber
Hecatäus (Milesius) scy, nach Herodots Bericht, dort
gewesen. Auch habe Diodorus die Aleiandrinische Bi­
bliothek Yrabrecheinlich benutzt. Sieh, ebendaselbst pag.
60 seq(j.
S t r a b o im i7len Buch (er lebte bekanntlich un­
gefähr zur Zeit der Geburt Christi) , der im Gefolge des
Aelius Gallus Aegypten durchreiste, hat nicht nur das,
was er selbst gesehen, erzählt, sondern in seiner Erzäh­
lung auch die früheren Geschichtschreiber benutzt.
P l o t a r c h u s (in mehreren Lebensbeschreibungen,
und vorzüglich in der Schrift de Tside et Osiride), P h i ­
l o s t r a t u s in vita Apollonii, P o r p h y r i u s , J a m b l i -
c h u s , l i o r a p o l l o (s. Zoega de obeliscis p. 559.) und
andere alte Schriftsteller, die uns einzelne Nachrichten
liefern. — Nach Fourier in der Descript. de TEgypte
Livr. 111. Memoires Tom. Ϊ. (Paris 181Ö) pag. 3 oi seq.
dürften manche Angaben Griechischer Schriftsteller aus
den Aegyptischen Traditionen, besonders auch chrono­
logische in der Pharaonengeschichte, nach den Besnlta*
ten der neulich in der Thebais entdeckten astronomischen
Denkmale theils zu erklären, thcils zu berichtigen scyn.
N e u e r e S c h r i f t s t e l l e r und Reisebeschreiber
über Aegypten finden sich in grofser Anzahl; vergk
Beck S. 290. Hierher geboren auch die Nachrichten
Ton S e e z e n in den Fundgruben des Orients, W ien
1809· Erstes H. (vergl. Geogr. Ephemerid. Juni 1810.);
ferner H a m i l t o n ' s Reise, im 49sten Bande der Bi­
bliothek der neuesten und wichtigsten Reisebeschrei-
bungen yon Sprengel und Ehrmann, Weimar i 8 i 5 ;
a4 4

ΙΟ wie vorzfiglich dat grofsc Fransösiache W erk D e -


s c r i p t i o n de l * E g y p t e u. s. w.

§. 9.

Die Priesterschaft
Ueber die Lebensart und Classen der Aegyptiachen
Priesterschaft finden eich die inhaltsieichsten Berichte
bei Herodotns, z. B. II. 36 . 58 . u. a. O .; bei Clement
von Alexandria, Strom. TI. 4 · P· 7^7 ^d. Potter. Chae·
remon ap. Porphyr, de abstin. IV* 8. p. Ssi. und Por­
phyr. de Vit. Apollon. I. 2. cf. de Schmidt de Sacerdolt.
et sacrifice. Aegypt« Zoega de obeliscis pag. 5 o5 seqq.
Heyne und Andere über die Inschrift von Rosette (wei*
che Inschrift hierbei überhaupt zu vergleichen ist), in
den (>ommentatt. Societ» Gotting. T. XV. pag. 976 und.
anderwärts.
In jener Hauptstelle bei Clemens beschreibt uns
derselbe den feierlichen Aufzug der Aegyptischen Prie­
ster bei der Isisprocession folgenderuiafsen: « Voran
geht der S ä n g e r (6 ω^04 ), der eines von den musiha-
lischen Symbolen trägt ^). Er ist bestimmt zu empfan-

t) Jomard (In der Abhandlung Über die alt - Aegyptisclie


Nlusik, in der Desoripi. de TEgypte Livraison III· An-
üqq. Tom. I. Memoircs, Paris p. 3H7 sq.) legt auf
dieseAuszeichnung dea Düngers Gewicht, und glaubt daraus,
wie aus dem ihm beigelegten Symbol, sodann aus der
ähnlichen Sitte der Ebrttcr, wobei die Leviten · Sänger
einen hohen Rang hatten , schliefen zu können , da(k
dem Sänger das Geschäft ward, dem Könige und seinem
Hofe Unterricht zu ertheilen. Dafs die Griechischen Sänger
der heroischen Zeit dieses hohe Erziehungsamt, so wie die
Aufhicht Uber königliche Familien, aiisUbten, habe ich
in den Briefen Über Homer an Hermann pag. 4^^. schon
bemerkt. Athenaeus lib. I. p. l4. p. 5f «qq. Schweigh.
und Eustatliius ad Odyss. HL vs. 867 sqq· p. I 86 Basil.
:k4S
« g e n BweiBücher des H erm e·, wovon a n s die Hymnen
d er G ötter, das andere aber die Regeln des königlichen
L ebens enthalt. Auf ihn folgt der H o r o s c o p u s (6
ύβοοΜηυς ^), der in seiner Hand hat das Horologium
(die Uhr) und den Falm sweig, die Sinnbilder der Astro­
logie. Dieser mufs beständig im Gednchtnifs haben die
Hucher des Hermes von der Astrologie j vier an der
Zahl· Eins davon handelt von der Ordnung der Fm·
Sterne; ein anderes von den ZusammentrefTungen des
Mondes und der Sonne 5 und von ihren Erleachtungen;
die übrigen von den Aufgängen. Es folgt der h e i l i g e
S c h r e i b e r (d ίεμογγαμματ$νς). Er hat Federn anf dem
Haupte und ein Buch mit einem Richtscheite io der
Hand, ingleichen Dinte und Rohr zum Schreiben. Die­
ser mufs verstehen die Hieroglyphih, die Beschreibung
der W elt, die Erdkunde, die Ordnung von Sonne und
Mond und den fünf Planeten, die Chorographie von
1 Natur des N il, die heiligen Werkzeuge
and Zierrathen , und wo sie hin gestiAet werden müs­
sen , die Maafse, und was man beim Opfern braucht.

gehen uns von den Höfen des Alcinous, Agamemnon und


Ulysses viele Beispiele dieser Art. Dafs aber die Friester-
banger in Aegypten auch die Reichsannalen geschrieben
haben, möchte ich aus der Stelle des Diodor. lib. 1.
cap. 44. vrrgl. I. 73. mit Jomard nicht schliefseo, wenn
gleich Analogien dafUr zu sprechen scheiiieu.
2) Cf. Sturz, de dialect. Alexandr. p. 113.
3) Hierher gehören auch die , als Prädikat der
und νο^μϋν^ς; 8. Sturz, de dialect. Alexandr. p.
111. Einen solchen Schreiber sehen wir unter den Bas­
reliefs der Hypogeen von Theben ; s. Descr. de l*£gypte
Vol. II, Antiqq. pl. 46. fig. 13. und dazu den Text Vol.
II· pag.333. Er hat einen reichen Kopfi^chmuck und eine
gestreifte, bis auf die Knöchel herab fallende Tunica an«
£ r gehörte auch zu der Friesterclasse·
2^6

«Auf diese eiierst genamuen folgt im Zuge d e r


B e h l e i d e r (ό α^λισ^τίς ^) , der das Maafs der Ge­
rechtigkeit und den Becher eum Trankopfer in den Hän­
den ti'ägt. Dieser weifs Alles, *was zur höheren Bil­
dung gehört, und zugleich auch die Zurichtung und
Besiegelung der Rinder (τά μοσχο€τφγαγιστΐ9(ά Zehn
Dinge aber gehören zur Verehrung der Götter: Opfer,
Ef st linge, Hymnen, Gebete, Aufzuge, Festtage und
dergleichen mehr.
Hinter allen Uebrigen geht einher der P r o p h e t
(ö πζοψητη^>. Er trägt ein offenes Gefärs
im Busen. Ihm folgen die, welche die Brode ^
tragen. Dieser ( der Prophet), als Vorsteher des Hei-
ligthums, lernt die zehn sogenannten Prieeterbucher;

4) S. Sturz. 1.1. p. 112.


5) S. Chaeremoti ap.Porph. de abslin. IV. 7. p. f. ed. Rhoer.
Dit-se Bücher lehrten, wie man Kälber aum Opfer v e r ­
s i e g e l n sollte. Wir linden nämlich, dafs auf dergleichen
Sir^eiii unter andern ein k n i c e n d e r M e n s c h , der
den Todesstreicli empfangen soll, abgebildct war. Des-»
sen Stelle sollte das O p f e r k a l b venreten. Also eine
Art von O p f e r t y p i k ; eine Spur von der S t e l l ­
v e r t r e t u n g , welche wir in dem Briefe an die Ebräer
entwickek änden. £s kommen auch besondere <τφ^αγ<στα/
vor und iiichrfre andere PriestercUssen der Aegypter;
$· Sturz, de dialeot. Maced. et Altx. p. lld.
€) S. DionvHus Ϊ. p. 24 sqq.
7) Ci την rwv arrwv „(jui emissos panes por­
tant^. Da dre Aubleger hier ganz unerwartet schweigen,
so erinnere ich mit Einem Worte an die ganz ähnliche
Wendling Epist. ad Hehr. IX. 2. w y — καί i} ιτ(«5ύσις r«T v
a ^ r tw . Ob nun aber die r . a . mit der -rfoJS ed/ς, r , a .

selObt syiioii>m i>t, wäre der Untersuchung wohl werth.


Z u unserer Absicht genügt die Bemerkung, dafs alt-
Aegypiische Tempelbilder ganz deutlich S c h a u b r o d e
vor Augen stellen.
247

«eie liaitdeln Ton den Gesetzen, von den Göttern und


der ganzen Priesterzuclit ; denn der Prophet ist auch
der Aufseher über alle Einkünfte. Es giebt überhaupt
4a Bücher des Hermes, die wesentlich nothwendig sind ;
davon lernen die genannten Priester 36 auswendig, wel­
che die gesammte Philosophie der Aegypter enthalten.
Die übrigen sechs lernen die P a s t o p h o r e n (oe παστό·
^0) , nämlich diejenigen Bücher, die zur Arzenei·

3) Es scheint auch die ganze h ö h e r e P r i e s t e r ·


c l a s s e zu bezeichnen; auch wird ein oder
propheta primarius erwähnt; Sturz, de dialect. Alexandr.
pag. 111. Appulrjijs Metamorph. II. pag. 158 Oudendorp.
Auch der vergötterte Autinous halte seine Mysterien,
lind deren Ausleger einen Propheten , s. Euseb· H. £ ,
IV. 8. p. 130 ed. Taurin, und daselbst die gelehrte An·
merkung von Valesius.
0) Besonders bemerkenswerth finde ich, was Jomard an dem
grofsen Tempel zu Edfuu (dem alten ApolUnopolis magna)
bemerkte , was er aber wegen der Ausdehnung nicht
zeichnen konnte ; es findet sich also nicht unter den Kn·
pfern. E r sah nämlicU (s. Descript. de TEgypte Tom. I.
Aiiüqq. Cap. 5. p. 24.) dort ein Relief mit folgender Vor­
stellung : Eine Person mit einem I b i s k o p f e (also H e r ­
m e s ) hat ihren Finger auf eineColiimne von Hieroglyphen
gelegt und schreibt; denn unter ihrer Hand sieht man
weiter keine Hieroglyphen. Ihre Hand schreibt aber ge­
rade an der 4isten Columne. (Die Schreibung geschieht
von der Rechten zur Linken , und von oben nach unten.)
Also 42Columnen sind vollendet — das sind die 42 l l e r -
m e s b U c h e r , das ist H e r m e s , der erste Lehrer und
Prophet, der Lehrer der Priester, das ist die in 42 Bo­
chern verschlossene, aber mit der wachsenden Z e i t
f o r i u n d f o r t w a c h s e n d e P r i e s t e r Wei shei t .
10) Von welches vieldeutige Wort mehrere Bestim·
mungeii dieser Prlesterclasse zuläfst. Schon die Heriei·
tung des Wortes ist streitig ( vergl. Wyttenbach in den
Selectt, Historr· p. 356.) und die Bedeutung sehr verschie-
:i48
«Imnde gehören, als da sind τοη dem Bau des Leibes,
Ton den Krankheiten, τοη den Instrumenten, von den
Arzeneien, von den Augen, und zuletzt von den Woi*
Bern.»
lieber diese verschiedenen Priesterclassen, 'wie sie
hier von Clemens aufgeführt werden, ihr Costum, ihre
Attribute und dergh, geben jezt die Reliefs des grofsen
Pallastes von Medina-tabu (an der Westseite von Theben)
in dem grofsen Französischen W erke (Description de
TEgypte Tom. II. Thebes, chap. 9. sect. t· p. 46 — 5 o.)
vorzüglich Licht. Die Verfasser des genannten W erkes
glauben nämlich in den Opferzugen des triumphirenden
Königs eine Art von Commentar über diese Procession
der Aegyptischen Priester bei Clemens zu Anden. Sie

d e n . B a ld is t e s e in e G a l l e r i e , b a ld e in G e m a c h , S aal
( v e r g l . Z o n a r a e L e x ic o n p a g . 1510. u n d S tu rz . L e x ic o n
X e n o p h . s. v . , b e s o n d e r s S tu rz , d e d ia le c t. A le x a n d r . p«
108. — B ö ttig e r A rc h a e o lo g . M u s e u m I . p a g .1 0 2 .) , b a ld
ein T e m p c lc h e n u n d T a b e r n a k e l , b a ld e in T e p p ic h u n d
U m h a n g u , s. w. D a h e r d ie v e rs c h ie d e n e n V e rric h tu n ­
g e n d(.r P a s to p h o r e n . B a ld tra g e n sie klein e T e m p c lc h e n ,
b a ld Je n e B a ld a c h in s u n d U m h U n g e ; b a ld h a b e n sie < w ie
h ie r b e i C le m e n s ) a n d e re u n te r g e o rd n e te G e s c h ä fte d e s
T e ro p e id ic n s te e ( Z o n a r a e L e x . pag. 1520. S tu rz , d e d ia ­
le c t. A eg y p t. p. 10/ s e q q . ß ö ttig e r s a rc h S o l. M u s e u m I .
S . 103. Is is v e s p e r, p . t l 9 . O u d e n d o rp ad A p p u leji M e *
la m o r p h . Üb. IX . p . S i i . M illin A e g y p tia q tie s p . 9 s e q q ·
u n d J a c o b s O b s e r v v . in A eliani 11. A . p. 3 5 . ) , u nd b e ­
z e ic h n e n a lso e in e P r i e s t e r c l a s s c , die ü b e rh a u p t n i e ­
d e r e G e s c h ä f t e v e rr ic h te te · A u c h w e rd e n u n te r d e n
A e g y p tis c h e n P r ie s te r n Newno^oi e r w ä h n t, o d e r T e m -
p e l a u f s e l i e r , v o n d e n e n m a u b e s tim m t w e ifs , da(k
sie die G ö tte r b ild e r v e rw a h rte n u n d o p fe rn d u rfte n . V o n
ih n e n w o llen E in ig e die Ζα^όξοι u n te r s c h e id e n , o h n e j e ­
d o c h b e s tim m te K rite rie n a n z u g e b e n . $ . d ie A u s le g e r
z u T h o m a s M a g is te r p . 4o4 s q . e d . B e rn . A u c h w e rd e n
£(ν/χαστα/g e n a n n t, c f. J a b io n s k i O p u s c c · II· p . 349·
349
weisen dort verschiedene Priesterordnungen nach, wie
sie bei Clemens stehen, als diePastophoren, Hierogram-
mateis, Propheten ond dergl. Hiermit ist das Relief
des Hansea Matthäi in Rom zu verbinden, welches eine
Isisprocession darstellt, bei Bartoli Admiranda Rom. an·
tiq. tab· 68. und jezt im Museo Cbiaramonti tab. II. pag.
5 sqq. Vergl. Winchelmann's Geschichte der Kunst I.
(seiner W erke 111. Band) S. 119 der neuesten Ausgabe·
Sehnliche Processionen von Priestern mit dem heiligen
Schiffe (denn auf SebifTen fahrend werden ja die Aegyp*
tischen Götter gewöhnlich vorgestellt) kommen auf alt-
Aegyptisohen Denkmälern sehr häufig v o r , z. 8. auf den
Sculpturen von Phila und Elephantine. Hier nur einige
Beispiele und Bemerkungen: An einem Pylon des grofsen
Tempels zu Phila hat ein solches SchifiP einen Isishopf
und manche andere bemerkenswerthe Ornaesente, die
ich der Kurze wegen ubergehe , um an einige Parallelen
mit Ebraischen Festgebräuchen zu erinnern· Vier Prie­
ster , und zwar in langen Röchen, tragen es an Stangen,
und ein kleines, mitten im Schiffe stehendes Tempelchen
wird von geflügelten Figuren gleichsam beschattet. V or·
aus geht ein Knabe mit einem dampfenden Weihrauch-
gefafse. Hier vergleicht nun Lancret (Descript. deTEg.
Antiqq. YoL I. pag· 96·) die Nachrichten der Bibel von
der Bundeslade, die von Leviten, in linnenen Kleidern,
an Stangen vom Holze Setim getragen wird; rergifst
auch nicht der Cherubim zu gedenken. Das Schiff,
meint e r , pafste nicht in das Mosaische Ritual für Palä­
stina· Die alten Alhenicuser behielten, wie im Verfolg

11} S . d a r o b e r d ie S a m m lu n g e n b e i S p e n c e r d e le g ib . H e b r·
ritu a l· p- Hi8 ed. P faff. u n d w as B iel iin T h e s . V · T . lH .
p . 5 9 l . n a c h w e is e t, v e r b u n d e n m it H e rd e rs B e m e rk u n g e n
v o m G e is te d e r E b rilis c h e n P o e s ie I· S· 181; u m n ic h t
M e h r e r e s a n s u fiih re n .
a5o
bemerltt werden wi r d, ein FettschiiF an den Panathenaen
bei. Unter den Sculpturen an dem Pallastc τοη Kamah
liommen ähnliche Processionen mit Schiffen T or, worauf
entweder Monolithen (Capellen aua Einem Steine) oder
heilige Laden etehen. In leteteren yerwahrte man die
Götterbilder9 bis man sie an Festtagen brauchte (sieh.
Ameilhon Eclairciss. sur Tinscr. de Rosette^ Paris i 8 o3 .)»
Ebcnda&elbst werden colossale und mannigfaltig ausge-
schmüchte Schiffe geweiht. Denn man mufs hier an Do-
nanen denhen, wenn man die Stelle des Diodorus 1.
p. 67 Wessel, liest. Dort wird nämlich von einem 280
Ellen grofsen Schiffe erzählt, auswendig mit G old, in­
wendig mit Silber behleidet, das Sesostris dem höchsten
Gotte KU Theben weihete. Die bemerhten Sculpturen
liefert uns jeet die f>eecript* de TEg. Antiqq. Yol. Ilf.
(Tiieben) pl. 3 a und 33
Hierbei entsteht nun die Frage, ob die alten Aegyp-
ter auch P r i e s t e r i n n e n hatten , deren Beantwortung
nach Horodot. 11. 35 . verneinend aosfallt; womit jedoch
die Angaben des Jovenal Satir. VI. /4889 Persius Satir
y . 186. und Appulejus de Abstin. II. p. 363 . in geradem
Widerspruche stehen. Auch werden wirhlich in der In­
schrift von Rosette P r i e s t e r i n n e n erwähnt. Man
vergleiche über diesen Gegenstand die Untersuchungen
Winchclmanns, Gesch. d. K. I. S. 89 und die Anmerhh.
S. der neuesten Ausgabe, Zoega’s de obeliscis Sect.
IV. cap. 2. §. 3 . no. 24, Visconti’s zum Museo Pio Cle­
ment. Tom. VII. tftb. 6. und Böltiger's in den Ideen zur
Archäologie der Malerei I. S. 89 f· — In dem Aufzuge
des Königs unter den Reliefs von Medina-tabu wollen die
Französischen Gelehrten eine P r i e s t e r i n n mit dem
Kopfschmuclie der Isis sehen (s. Descript. de lEgypte

if) Sieh, die Copie von pK 33. nr.5 $ auf unserer Tafel XV·
Nr. 4.
ü5i

IL Thebes, p. 49 ·)· Dieselben Gelehrten (ibid. p. i 4 i·)


urtbeilen, dafe man nach Herodot. li. 54 · coli. I. 1Θ2·
und Strabo XVII. p. 1171, wo von heiligen Frauen des
Thebaischen Joppiters die Rede ist, doch annehmen
müsse, dafs dergleichen heilige Frauen in den Tempeln
schon im alten Aegypten gewesen seyen, ohne dafs sie
gerade Priesterinnen waren Vergl. Joroard über die
Hypogeen von Theben (Descript. de TEg. II. p. 332 sqq.)
und daselbst über die Trachten von Hierodulen und
Priesterinnen. Derselbe erliennt in einem Belief des
südlichen Tempels von Elephantine eine P r i e s t e r i n n ,
bemerht aber dabei, wenn man auch Hierodulen weib·
liehen Geschlechts und Priesterinnen in Aegypten an­
nehmen müsse, so sey es desfalls doch gar nicht wahr­
scheinlich , dieselben auch als Mitglieder und Theilneh-

13) E s w ird d ies u m so w a h r s c h e in lic h e r , w e n n m a n b e d e n k t,


d a ^ s ic h a U e rw S rts, d u r c h g a n z A s ie n , s o w ie in Gric*«
c iie n la n d u n d l i a l i e n , h e i d e n v e rs c h ie d e n e n T e m p e ln
d e rg le ic h e n l l i e r o d u l e n fin d en . V o rz ü g lic h in Vor·«
d e ra s ie n s c h e in t d ie se E in ric h tu n g a u sg e d e h n t g e w e se n
zu s e y n , d a u n te r a n d e rn S tra b o X II. p a g . S09. pag. 137
T z s c h . ( v e r g l . H e y n e d e S a c e rd o f. C o in a n . p. lOl s e q q .)
s e c h s ta u s e n d H ie ro d tile n b e i d e m T e m p e l z u K o m a n a in
K a p p a d o c ie n erw U hnt. A u c h b e i E u s e b iu s D e m o n s tr .
E v a n g . V i n , p, 232. k o m m e n s o lc h e ouXot *Λτ<Γλ-
At wvo; v o r , so wie in d e r S e p tu a g in ta ; v e rg l. B iel T h e -
s a u r . T o m . 11. p. 60. und V a ic k e iia e r ad E u rip id . P h o e -
n iss. S c b o l. v s . 210. p. 637. H ie r h e r g e h ö re n a u c h d ie
I s i a c a e s a c r a r i a e l e n a e in R o m , ü b e r d ie V a n
D a le ad M a r m o r , a n tiq . c a p . 7. p. S i. n a c h z u s e h e n i s t ;
80 wie die H ie ro d tile n in K o r i n t h , b ei S tr a b o V llf, p a g .
378. p a g . 263 T z s c l i . , d e r sie d o rt irai^a^ n e n n t.
D a die o b e n b e m e r k te n Z e u g n is s e ü b e r die N a t u r d e r
A e g y p tis c h e n H ie ro d u lie k e in e m Z w e ife l R a u m la s s e n ,
s o ü b e rg e h e n w ir w a s in a n d e rn B e z ie h u n g e n n e u lic h
d a r ü b e r v e r h a n d e lt w o rd e n .
^52

merinnen an dan Priestercollegien von Theben, Helio­


polis und Memphis zu denken, so dafs sie zu den höheren
'Wisscnscbaften und Verrichtungen jener Priester hinzu­
gezogen Horden ^ären. Jomard Descr. de r£ g . Antiqq·
Tom. 1. cap. 3 . p. i i.
Uebrigens war das Priesterthum in Aegypten erh.
lieh, und es hing dies mit dem erblichen Besitze der
Teropelgüter und Grundstücke zusammen; die Priester
selbst (yergl. Herodot« IL 36 .) waren geschoren am
Haupte und am ganzen Leibe; nur bei Traueriallen Kes­
sen sie das Haar wachsen· Dabei batten sie die Be-
sebneidung mit andern Aegyptischen Gasten gemein. Die
höchste Reinlichkeit war ihnen auferlegt.; ihre Trinhge-
fafse mufsten jeden Tag gesäubert seyn. Gewänder von
thierischem Stoffe waren verboten; blos linnene Kleider
trugen sie, so wie Schuhe von Byblos oder Aegyptischem
Schilfrohre. Zweimaliges Baden jeden Tag und jede
Nacht war Gebot; und so umgab sie ein überaus fo r.
menreiches, alle Zweige des Lebens umfassendes Cäri-
monialgesetz. Die Speisen wurden ihnen geliefert (von
den geringeren Classen, an die sie die Tempelgüter ver­
pachtet), wiewohl sie auch hierbei eine strenge Nah-
rangsdiät beobachteten. Fische waren ihnen gänzlich
untersagt; dagegen ihnen allein und dem Könige W ein
erlaubt, und zwar mit Bestimmung eines gewissen Maas*
ses ^*). Schwere, blähende Nahrungsmittel) wie Boh·
ne n, Hulsenfruchte, durften sie eben so wenig gemes­
sen , ja nicht einmal sehen, so yvie auch das auf das Blut
nacblheilig wirkende Fleisch des Schweines.
Denken wir uns diese Priester neben den Pharaonen
als die eigentlichen Grundherren in einem von der Natur
so reichlich ausgestatteten und climatisch so sehr begun-

M) Hecataeus ap. Plotarch. de Isid. p. 448 Wyttenb. Vergl·


Historice, graecc. antiqq, Fragmm· p· 88 sq.
255

itigten Lande 9 so werden vrir wenig verwundert seyn,


sie als eine gehobene Menschheit dargcstellt zu sehen»
die, neben den prahtischen Geschäften, einen grofsen
Theil ihrer Zeit auf Gegenstände der Contemplation und
wissenschaftliche Untersuchungen verwenden konnten.
Dies ist ohngefahr das Bild, das uns noch im Römischen
Zeitalter unterrichtete Alterthumsforscher entwerfen.
So legt ihnen namentlich Strabo das Studium der Phi­
losophie nnd Astronomie b e i , und läfst auch die Pha<«
raonen an ihren Unterhaltungen Theil nehmen. Der
ganze Kreis damaliger Wissenschaft, vom Höchsten bis
zum Geringsten, war ihr Eigenthum. Sie waren der
einzig gebildete Stand in Aegypten, and Alles, was ir­
gend ein höheres geistiges Nachdenken voraussetzt, war
ihr W erk. Mach ihren Grundsätzen waren die grofsen
W erke gebaut, die noch jezt mit Recht unsere Bewnn-
derung auf sich ziehen. Sie waren es, die dem Nil seine
Gränzen gewiesen, und das Land mit Kanälen durch­
schnitten. Sie waren Naturforscher, Aerzte, Astrono­
men , Astrologen» Chiromantiker und dcrgl., und end­
lich Diener der Religion im engeren Sinne.
Mit jener Verschiedenheit der Aegyptischen Priester
in ihrem Range und mit jener mannigfachen Abstufung
in diesem ganzen Ordensverhältiiifs hing nun auch die
Beschäftigung mit geistigen Dingen genau zusammen;
gewisse Bücher waren den geringeren Priestern anver­
trant ^ die höheren Wissenschaften waren ein Eigenihum
der höheren ; und wenn die Propheten, die heiligen
Schreiber n. s. w. vielleicht allein in die höchsten W is­
senschaften eingeweihet waren, so hatten andere, z. B.
die Pastophoren, nur an den exoterischen Schriften
Theil. Diese Einrichtungen wurden frühe nach Grie-

15) S. Strabo X V fI. p . 787 A lm . p . 477 T z s c h . u n d O ber d a s


z u n ä c h s t fo lg e n d e ib id . p . 7 ^ A lm . p . 488 s q . T z s c h .
a54

chenland übergetragen, und es ist aurser allem Zweifel,


daf s w i r in d e n O r p l i i s c h e n u n d P y t h a g o r e i ­
s c h e n I n s t i t u t e n die G r a n d n u g e A e g y p t i -
s c h e r P r i e s t e r Verfassung wieder finden
Es erstreckte sich dies nicht blos auf die aufseren Yer-
haitnisse und Biurichtungen, als Kleidung, Diät und
d ergl., sondern auch auf das höhere geistige Wissen,
das in diesen Instituten fortgepflanat wurde. W ir finden
hier dieselbe Scheidung v.wischen Exoterihern und Eso­
terikern, die wir in Aegypten gesehen *7), j)|e Ahro-
matiker des Pythagoras scheinen parallel zu laufen mit
den Pastophoren, die Mathematiker mit den Horoskopen
und Astrologen, die Physiker mit den heiligen Schrei­
bern , die Nomotheten mit den Stolisten, die Meister und
Vorsteher der Religiösen mit den Propheten *®).

$. 3.

A n d e u t u n g e n des U r s p r u n g s u n d W e s e n s d e r
A e g y p t is o h e n Religion.

Ein Blick auf das Land der alten Pharaonen mufs


jeden Nachdenkenden zu der Frage veranlassen, unter
welchen Bedingungen jene bald so sehr ubcrschärzle,
bald so tief verachtete Cultur der Aegypticr entstehen
und gedeihen konnte. Einige Vorworte darüber mögen
hier ihren Platz finden, und dem Folgenden zugleich
als eine kleine Einleitung dienen.

16) D e n n b e id e , O r p h ik e r u n d P y t h a g o r e e r , sind L e h rjU n g e r


d e r A e g y p tiso h e n P rie s te r s c h a ft. 8 . H e ro d o t. l i . SO. V a l-
c k e n a e r ad E u rip id . H tp p o l. p . 266. b .

17) Vergl. Strab· XVII. p. 477. 488.


IS ) V e rg l· Görres Mydieiigesch* p. 444.
a55
Natur · und HenscbengeBchichte sagen uns: A egyp·
ten ^ar Tordera grofsentheile Heimath von Pomaden, so
wie es jezt wieder, in seinem Yerfalle, zum Theil der
Beduinen Beute geworden· Hirten (Hylisos) erscbiItter*
ten seine Civilisation in der schönsten Blüthe, und die
Kinder der Wüste haben es in verschiedenen Perioden
beunruhigt. Schiffer aber und Fischer mufsten f rühe
hier ihre Heimath finden.
Wasser ist des Schiffers Acberfeldf Wassertliiere
und Wasserpflanzen regen seine Verehrung an. Der
Hirte kennt nichts Höheres als seine Heerde; sein Hund
ist sein Calender, der Stier sein Gefährte, das Lamm
der Liebling seiner Kinder. Der Beduine giebt dem
Cameel tausend Namen, und halt weitläufUge Gespriiche
zu seinem Pferde·
Nun erwäge man die stä'ndige Natur dieser Tro])en*
länder; das regelmäfsige Steigen und Fallen der Nilflmth;
die ihr immer und immer folgende Ibis, das Crocndil,
die Schlangenarten; und die vor der Fluth schücht ern
in die Wüste fliehende Gazelle; ferner die ewige Regel,
die Sonne und Mond dem Landcsslrome vorzeicbtien,
so dafs e r, so zu sagen, ihr Trabant auf £rden ist
endlich das brennende Sandmeer der Libyschen und
Arabischen Wüste im grellsten Gegensätze mit dem wai ro-
feuchten Nilthale.
W e r dies Alles in seinen gewichtigen Momenten zu
wSgeii und mit analogen Phänomenen des alten Yul Us*
glaubeos zu vergleichen weifs, der wird wohl schwcrÜich

19) O d e r ih r i r d i s c h e r M i m u s , ü n i c r d ie se m N a m e n
e r h o b e n ih n d ie A e g y p te r s e lb s t. P h i l o ( d e V iU
M u s is lib . in . p . 6S2. p. 164 M a n g .) , n a c h d e m e r v o n
je n e n reg eh n S f^ig en ß r s c h e in u n g m hei d ie se m F lu sse g e ­
r e d e t , fa h rt s o f o r t : — θιοιτλαστουσ/, τψ riy Ν^ίλ^ν
AiyiixTutf οις d v r < ^ < ^ e v o i / p a v o ü 'γβγον^τα·
253
in Abrede stellen , dafs in fVnher Yoinseit die in Aegyp­
ten sich ansiedelnden Menschenstüninie znerst denselben
Gegenständen ihre Yerehrnng widmeten, wie z. B. die
Anwohner der Syrischen Seen, die ersten Pflanzer in
der Dodonäischen Wildnifs und noch heut zu Tage die
Neger\ 5 Iker des inneren Afrika. Die Glaubenssumme
jenez* Urägyptcr beschränkte sich gewifs im Wesentlichen
auf folgende drei Dinge :
Zuvorderst auf F e t i s c h i s m u s , Pflanzen- und
Thierdienst besonders — und der grdfste Fetisch war
eben der Nil selber.
Zweitens auf S t e r n d i e n s t » Verehrung der Sonne,
des Ivlondes und der Planeten.
Drittens auf einen Behelf von A n t h r o p o l o g i e :
Ahnungen von der Seele Kraft und Dauer, so lange der
Leichnam in seiner Gestalt beisammenbieibt. (ln Län­
dern , wo der austrocknende Wind im beifsen Sande
eine Art von natürlichen Mumien bildet, mufste jener
dämonische Wahn von dem Verweilen der Seele um den
todten Körper und vom Hinüberflattern, nach dessen
Zerstörung, zu einem andern, mufste also leicht jene
rohe Meinung von Seelen Wanderung entstehen; wovon
sich viele Spuren finden.)
ln solcher Rohheit des Fischer- und Hirtenlebens
zeigen uns aber die ältesten Nachrichten der Bibel das
alle Aegypten nicht. Im Gegentheil schon im ersten.
Boche des Mose zeigt sich Memphis als eine königliche
Hauptstadt, ausgeschmückt mit Allem, was agransche
Cultor in einem höchst fruchtbaren Lande, was eine
geordnete bürgerlicheΛ'erfassung verleihen kann; schon
erscheint diese Stadt als das Ziel von fremden Caravanen,
üherhevolkert und durch alle Zweige von Civilisation
verfeinert, ja schon in nicht geringem Grade entartet. >—
Und doch, scheint es, ham Memphis erst zu dieser Hohe,
als Thebä schon im Sinken war. Beide aber sind Königs-
λ 57

•itse and Wohnorte einer allgewaltigen Hierarchie·


Pharaonen regieren hier und dort ^ und mit ihnen die
ihnen beigeordneten Priester«
Und beide, Abkömmlinge eines fremden edleren
Stammee, sind auch die Urheber jener so weit fortge-
achrittenen Cultur gewesen. Sie hatten die getrennten
und herufnschweifonden Hirten und Fischer grofsentheils
zu Burgern eines hierarchischen Staates gemacht, und
auf den wilden Stamm der nomadischen Menschheit den
edlen Zweig agrarischer Cultur gepfropft.
Aber der alte Baum wollte und konnte auch wohl
nicht ganz τοη A rt lassen; gebunden konnten wohl
werden die Elemente des ältesten Aegyptischen Lebens,
aber nicht ganz zersetzt und rerwandelt. Jeder Volks*
stamm wollte nach Sinn und Art seine Rechte behalten.
Da mufste sich Caste von Caste scheiden , und was zum
Höchsten nicht gelangen konnte, mufste in der Niede­
rung des Lebens und der Bildung — muftte nahe an der
Grenze des alten atomistischen Fetischismus bleiben,
während die edleren Stämme in raschem Fori schreiten
zur edelsten Geistesbildung die grofsten Begünstigungen
genossen.
Dieses ist der Standpunkt, von dem wir die hierar­
chische Gesetzgebung und das ganze religiöse Leben der
alten Aegypter betrachten müssen.
Zwei grofse Ideen bedingen und begreifen ihre gan­
ze bürgerlich-religiöse Cultur. Sie heisen O s i r i s und
H e r me s .
Die Entwickelung dieser zwei Grundgedanken wird
un s, so weit dies, bei so grofsem Abstande der Zeiten
und Sitten, für uns möglich ist, zuvörderst das deut­
liche Bild des K ö n ig e geben; uns zeigen, was in volks-
thumlicher Anschauung alter Aegypter ein wahrer P h a ­
r a o soll und ist.
I· 17
a58
Sodaim wird uns die Erdrternng der Idee des Her«
τηes in ciemlich hellem Lichte sehen lassen des alten
Aegyptens höhere Wissenschaft, nnd was ihr Pfleger^
der P r i e s t e r , ist«
W enn wir hier die a l t e n Aegypter nennen^ so
yerstehen wir dies in der grdfsesten Ausdehnung bis an
die Grenze der Rdmerzeit herab* Denn so lange dort
die Voihsreligion noch einen Lebensfunhen übrig hatte^
solange blieben beide: O s i r i s (oderHorns) und H e r «
me s , die güttlichen Vorbilder der Künige nnd Priester«
Zum wenigsten die diplomatische Sprache der Griechi·
sehen Staatssecretäre beqnemte sich noch ganz nach je­
nen alten Vollisanscbaoungen. Denn wir lesen in der
Inschrift yon Rosette noch : «^Da der König Ptolemaus
Epiphanes ein Gott ist, wie H o r n s , der Rächer seines
Vaters O s i r i s . » — «Da er nach dem Beispiele des
H e r m e s ^ des Grofsen und abermals Grofsen, einem
Jedweden Gerecbtigheit hat widerfahren lassen»
Begreifen wir also die Ideen O s i r i s nnd He r me s ^
so erfassen wir in seiner Mitte das wunderbare Band,
das in jenem Pharaonenstaate Scepter und Krummstab so
fest vereinigt hielt; und so lernen wi r, so weit dies
noch jezt möglich, sowohl den V o l h s g l a u b e n des
alten Aegyptenlandes, als seine P r i e s t e r 1 e h r e.

5. 4.
Isis nnd Osiris*
Nach diesen Vorbemerkungen wenden wir nns zur
Betrachtung der Λ egyptischenReligion selbst, und zwar
zuvörderst von dem Standpunkte des Nationalglaubens
aus. Ihm zum Grunde aber liegt der Mythus von Osiris
und Isis, welcher die Leidensgeschichte eines grofsen

20) Inscriptio Rosetan» lin* 10 et lln· 19*


aSg
Ehepaares enthalt, das im Aegyptischen Volhsglauben
den Dienst gewonnen hatte. Hiernach waren (man sehe
die Hauptstelle bei Plutarchus de leid, et Osirid. p. 356
Franhf. pag. 489 W yttenb.) Osiris und Isis Kinder des
Mronus und der Rhea. Nach einer andern Genealogie
hatte einst Hermes der Luna im Würfelspiele fünf Tage
(den siebzigsten Theü jedes Tages) abgewonnen, und
in diesen fünf Schalttagen wurden geboren: Osiris,
A ru eris, Typhon, Isis und Nephthys.
Schon im Mutterschoofse, beginnt der Mythus, ent­
brannten die beiden Geschwister, Isis und O siris, in
Liebe gegen einander und begatteten sich, und ans dem
IJngebomen ward Arueris geboren. So hamen sie schon
als Gdtterpaar auf die W elt; Isis findet suerst den W ei­
sen und die Gerste; Osiris die W erhseuge zum Acher-
b au , den P flug, Karste und Hache; er spannt zuerst
den Stier an den Pflug ; er giebt den Menschen Fruchte
und Gesetze , Ehe, Gottesdienst und bürgerliche Ord·
nung. Nachdem Osiris also das Nilthal beglückt, rich­
tete er seinen Blich auf die übrige W e lt, um auch diese
an seinen Wohlthaten Theil nehmen zu lassen; e rzo g
aus mit einem grofscn H eere; Waffen jedoch hatte er
nicht nothig, durch Musik und Rede beugte er die Vol­
ker sanft, statt sie mit Gen alt zu unterjochen. Allein
er hatte einen bösen Bruder , voll Neid und Scheelsucht
gegen ihn erfüllt, Typhon, der gerne die Abwesenheit
seines Bruders benutzt hatte, um sich an seiner Stelle
auf den Thron zu setzen. Allein Isis t die wahrend der
Abwesenheit des Osiris regierte, wofste sich so kräftig
und standhaft zu benehmen, dafs alle seine bösen Rath·
schlage vereitelt wurden. Endlich kehrt Osiris zurück,
und Typhon, der mit zwei und siebzig andern Genossen
und mit der Aethiopischen Königin Aso einen Bund ge­
macht gegen das Leben des Osiris, veranstaltet in ge-
heuebeiter Freundschaft ein Fest· E r hatte aber einen
s6o
prochtigen Kasten machen lassen« und als eie fröhlich
heim Gastmahie safeen, lifst Typhon denselben herein-
tragenn und verspricht ihn dem zu schenlten, ivelcher
ihn mit seinem Körper ausfullen werde. Heimli^n hatte
er nämlich das Maafs vom Leibe des Osiris genommen,
und darnach den Kasten verfertigen lassen. Alle ven-
suchen es der Reihe nach. Keiner pafste. Endlich legt
sich Osiris hinein. Da springt Typlion mit seinen G e­
nossen herbei, sic schliefsen den Kasten zn, umgiefsen
ihn mit B lei, werfen ihn dann in den F lu fs, und senden
ihn durch die Tanitische Mündung (die daher den Ae-
gyptern verflucht ist) dem Meere zu· So mufs der Hei­
land Osiris im acht und zwanzigsten Jahre seines Alters
(nach Andern im acht und zw anzigsten Jahre seiner Re­
gierung), den siebzehnten des Monats Athyr (den drei­
zehnten November), unter den Händen seines Bruders
sterben.
Kaum ist Osiris ermordet, so durchziehen Pane und
Satyr'n mit Klaggeschrei Aegypten, und rerhünden O si­
ris Tod. Isis selbst erfährt ihn bei der Stadt Chemmis;
da zerschlägt sie sich die Brust unter lautem Wehkla­
gen, schneidet sich eine Locke ab und legt sie hin;
dann zieht sie schwarze Kleider an, und sucht den Leich­
nam ihres geliebten Gatten zu finden. Sie fragt und
forscht überall, bis ihr endlich Kinder die Mündung an­
geben , durch die Typhon mit seinen bösen Gesellen den
Kasten dem Meere zugetrieben.
Es liaMe aber Typhon zur Schwester und Gattin die
Nephthys; ihr hatte sich einst, denn sie wohnten zu­
sammen, in der Nacht aus Unw issenheit Osiris genähert,
und mit ihr einen Sohn erzeugt; Isis aber merkte es
bald; denn die Lotusblume, die er bei der Nephthys
zurückgelassen, zeigte den Iriihum. Den Sohn, der
aus der irrenden Umarmung geboren w ar, Anubis, zwar
weise und gut, wie der V ater, jedoch mit Hnndesnatur
a6t

und Hnndesliopf begabt, sucht jezt Isis a u f , nimmt


ihn sich zum Gehfilfen, und beide suchen den Sarg,
der den todten Osiris Tcrschlofs. Sie finden ihn lange
nicht; denn Itanm war der Sarg im Schilfe bei der Stadt
Bjblos angetrieben, so hatte die inwohnende Kraft des
Gottes die Erihastaude ergriffen, so dafs sie in einen
gewaltigen Stamm auftchofs. Der König von Phonizien
aber. Malhandros, der am Strande wandelte, sieht die
gewaltige Staude, läfst sie abhauen, und setzt sie als
eine Säule in seinen Pallast, in die also der Leichnam
des Osiris eingewachsen war. Anubis und die heiligen
Tdgel verbünden dies der Isis ; traurig, in Magdgestalt,
setzt sie sich vor die Mauern von Bjblos nieder« an
einen Bronnen; hier finden sie die Mägde der Künigin·
Sie läfst sich mit ihnen in ein Gespräch ein, und flechtet
ihre Haare. Die Mägde hommen zuruch zur Königin,
und ‘Wohlgeruche erfüllen den ganzen Pallast; da er*
zählen sie von der Fremden , die ihre Haare mit Salben
geschmückt. Die Königin läfst die Fremde einladen,
und da sie eben einen neogebornen Sohn hat, erwählt
sie die Isis zur Amme. Isis aber reicht ihm nicht die
B rost, sondern stecht ihm den Zeigefinger in den Mund;
des Nachts aber, wenn Altes schläft, legt sie ihn ins
F e u e r , und läutert ihn von irdischen Schlacken in der
Flammenglut.
Der Knabe gedeihet wunderbar; aber die Mutter
lauscht des Nachts, sie sieht die Feuerlauterung, und
schreit. Da erscheint Isis als Göttin in Blitz und Don-

Sl) ixiy E r i c a , nach Schreber nicht das gemeine


Heidekraut, sondern E r i c a c i n e r e a , scopana, oder
a r b o r e a Linii. S. Schneider Lex. $. v. W ir erin­
nern hierbei an den Bacchus τβς./κιον/ο; von Theben und
an dje EpheusSule, die den jungen Gott umschliefst. S.
Euriptd. Fhoeniss. ^s. 65t. ibiq. Schol. und Valckenaer.
^62

n e r, das ganse Haus wird erleuchtet« Isis tritt nur


Säule; mit einem Schlage ihrer Hand springt die Säule
auf, es fällt die Hülle aus einander 5 das Holz über-
giebt sie dem König, es liegt noch jezt im Tempel und
ist Gnadenholz. Um den Sarg läfst nun Isis ihrer Klage
Tollen Lauf, in der A rt, dafs der ältere Sohn des Kö­
nigs, Maneros, vor Schrechen und Jammer stirbt« —
Daher hört man jezt in allen Landen, am ganzen Nilufer
hinab, das Trauerlied Maneros.
Non bringt Isis den Leichnam zu ru cli; die Klage ist
allmählig ausgeweint, und Rache tritt an der Wehmuth
Stelle. Der Rächer bann aber nur ihr Sohn Horns seyn;
er war in der traurigen Zeit zu Hanse geblieben , erzo­
gen in der Stadt Buto yon einer treuen Genossin. Da­
hin geht sie; den Leichnam und Kasten verbirgt sie in
das Dichigt des Waldes an einem einsamen Orte. Aber
eine Jagd, die der wilde Jäger Typhon anstellt, ent­
deckt den S a rg ; man öffnet ihn, und jezt fallt Typhon
über den Leichnam her, zerschneidet ihn und theilt ihn
in vierzehn Stucke. Isis entdeckt bald den Verlust, sie
sucht auf einem Papyruskahne den zerstückelten Leich­
nam des Osiris, und fahrt durch alle sieben Mündungen
des N il, bis sie endlich dreizehn Stücke zusammenge-
funden; nur das vierzehnte, das Männliche, kann sie
nicht finden, denn es war vom Nil ins Meer getragen,
und gewisse Fische , die seitdem verflucht waren, hatten
es verzehrt. Sie setzt den Leichnam zusammen, und das
fehlende Glied wird ersetzt durch ein nacbgebildetes aus
dem Holze des Sjkomorus. Isis stiftet zum Andenken
den Phallus; sie bringt den Leichnam hinauf nach Philä,
wo er bestattet wird, und Philä ist seitdem der grofse
Todtenort des Λ egyptischen Volkes Aber auch uber-

22) Man vergleiche, was ich über die sacra Philensia in den
CommenUU« HerodoU. $. 15. bemerkt habe , Indem wir
:>65
a ll, y/o ein Glied gefunden worden , stiftet man Gräber,
und wo die Glieder des ertcblagenen Osiris ruhen, da

durch die Französische Expedition jezt in den Stand ge*


setzt sind, Mehr^res darQber anzugeben· Denn es sind
noch jezt auf der Insel Phila sehr viele Denkmäler und
Ueberreste aus der ZMit der Pharaonen in Stein vorhan­
den , die sich sanmntlich auf diesen Osirisdienst beziehen,
und wovon das grofse Französische W erk genaue Nach­
richt liefert. W as frühere Reisende hierüber bemerkt,
findet man bei Zoiiga de obeliscis p. 286. zusammenge­
stellt· Es sind aber auf dieser Insel unter andern auf der
Südseite zwei T em pel, der eine dem Osiris, der andere
der leis geweihet; beide durch eine Säulenreihe mit ein­
ander verbunden. Nicht weit von ihnen, in der Rich-
tung gegen O sten, steht das Typhonium nebst dem Grab­
male des Osiris. Auf den Ueberresten an der westlichen
Seite findet man ein Relief, das eich offenbar auf den Tod
des Osiris bezieht ( Sieh. Lancret in der Descr. de l’Eg.
Antiqq. VoL I. p. 44.). Osiris Leichnam liegt auf einem
Crocodil ( T y p h o n ), welches einer Gegend zueilt, die
durch Schilfrohr als Sumpfland und Meer bezeichnet ist.
Um die Scene sieht man die Sonnenscheibe, den halben
Mond und die Sterne. Es brachten aber die Aegyptischen
Priester, nach der classischen Stelle des Diodorus L 22,
täglich hier dem begrabenen Osiris aus dreihundert und
secbszig Schalen (so viele, als das alte Jahr Tage zahlte)
ein feierliches Todtenopfer von M ilch , zugleich mit An­
rufungen und Gebeten; ohne Zweifel mit Bezug auf den
jährlichen Lauf der Sonne, womit ja die Beschaffenheit
des Nil so innig zusammenhing. Noch bestimmter drückt
sich hierüber Heliodorus in den Aethiopicis lib. IX. cap.
22. p. 381 ed. Coray. aus. Hier liegen schon die Keime
jener Ansicht, welche Osiris sowohl als Nil wie als Sonne
kannte, und sein Lehen wie seine Notb in der gedoppel­
ten Beziehung auf das Sonnenjahr und auf die Perioden
des Stromes nahm. — Ein merkwürdiges Relief findet sich
(nach Lancret in der Descript. de TEg. Tom . I. chap. 1.
p. 25. vergl. mit Livrais. I. pl. 6. fig. 7.) aufsen an dem
Pylon des grofsen Tempels zu Philü. D ort sieht man.
264
erheben sich Tempel und Wallfahrtsorte für die An­
dacht. Heine Landschaft will dieses theure Unterpfand
entbehren.
Nun tritt der Rächer Horns auf, e r , der starke,
kräftige Sohn, yon Osiris in der yoUen Kraft seines L e­
bens mit Isis ei'eeugt; der erschlagene Vater prüft ihn,
indem er ihm aus dem Todtenreiche erscheint, und er­
mahnt ihn zur Rache. Horus sammelt seine Getreuen
ans allen Nomen; cs kommt zum Treffen, und die Ge­
rechtigkeit siegt. Typhon fällt lebendig in des Horus
Hände. Aber Isis erlöst den gefangenen Typhon seiner
Bande; dainiber ergrimmt Horus, und im Zorne über
diese unzeitige Milde reifst er seiner Mutter das strah­
lende Diadem yon dem Scheitel. Hermes setzt ihr dafür
die Haut der Kuh mit den Stierhörnern auf, und letzte­
res wird zum bleibenden Abzeichen der Isis Die
unzeitige Milde gab sich bald in ihren schrecklichen
Folgen kund; Typhon macht es nun, wie alle Satans^
er kommt als Verläumder, er sagt eine Versammlung
a n , und contestirt die unächte Abkunft des Horus·

aufser den Gottheiten Isis und Osiris und Trankopfern,


die von Priestern ihnen dargebracht werden, noch folgende
Vorsiellung : Ein Priester oder einOpferer, dervorG ott-
heiten steht, halt an Haaren oder an Stricken d r e i f s i g
S c h l a c h t o p f e r d r e i m a l k l ei n e r als er se l bs t ·
Man erkenne, sagt hierbei Lancret, an der ganzen D ar­
stellung, do& dies nicht ein wirkliches, sondern ein sym­
bolisches Opfer sey. — W elches Gewicht übrigens in
der Nationalreligion der Todtendienst von PhiU hatte,
beweiset nichts so sprechend, als der Umstand, dafs der
Aegypter keinen heiligeren Schwur kannte , als den: Md
€y Φ/λίί; , „B ei dem Osiris, der zu Phila be­
graben liegt (Die Beweisstellen finden sich in den Com-
mentt. Herodott. 1.1.)
Vergl. Descript· de TEg. Aotiqq. V o l.Il. p. 24o.
a65
A b e r der Verlanmder wird am Schanden, er mafe ge»
brandmarhi in die Wuete earucli mit seinen schwär·
«en Gesellen. Horus besteigt des Vaters T hron, und
e r ist der Letzte unter den Göttern, welche über Ae­
gypten regiert haben. Nun kommen menschliche Kö­
nige. Λ^οη dem erschlagenen and verstümmelten Osiris
aber gebiert leis noch einen posthurons, Harpocrates,
den Sohn des Schmerzes und der K lage, der daher
auch lahm und hinkend ist.

Gutes und Böses, Heil und Finch, sehen wir also


in zwei Herrscherfamilien als scharfe Gegensätze. W ir
sehen in dieser Legende die allegorische Veberliefernng
iener grofsen Begebenheit, wodurch armselige Fischer
und Hirten zu agrarischer Cultur und besseren Religions­
ideen kamen.
Diodor· I. 21. berichtet uns, wie Isis, nachdem sie
die vierzehn Stucke des verstümmelten O siris, aufser
dem Männlichen, wieder gefunden, nun auf die Bestat­
tung denkt. Sie bildet jedes Glied ans Specereien in
die Gestalt eines ganzen Mannskörpers nach des Osiris
GrÖfse, gehörig balsamirt und stattlich ausgeschmückt,
und weihet jedes der Stücke in verschiedene Städte, mit
der Bedeutung, an jedem dieser Orte liege der wahre
Leichnam des Osiris; die Priester aber sollten Osiris als
Gott verehren ψ ihm ein heiliges Thier wählen und das­
selbe dem Osiris gleich verehren. Daher bis auf den
heutigen Tag, fährt Diodorus fort, 1) der Glaube der
Priester jedes Nomus, dafs sie den wahren Leichnam
bei sich begraben haben;
2) die Verehrung eines lebenden heiligen Thieres,
verschieden nach den Nomen;
3 ) die feierliche Bestattung desselben in den hei­
ligen Grüften , nnd die Erneuerung der Trauer um
266
Osiris y wtnn diese (d ie T h ie re ) selber begrsben
werden;
4) daher allenthalben Todtenstädte des Osiris f un·
ter denen jedoch folgende für die heiligsten galten t
die Insel Philä in der Thebais und die Tiefen des Nil
Bwischen Elephantine nnd Syene, άβυσσοί, die Uner­
gründlichen, genannt; Abydas in Oberägypten; dasHei-
ligthum des Phthah bei Memphis; Busiris im Delta (He-
rodot. II. S9. Diodor. I. 85 fin·)·
5 ) Hierbei eine sweite Legende: Isis begräbt die
gesammelten Glieder des Osiris in eine hülserne Kuh»
und stiftet diesen Sarg nach Busiris ^1) (Diod. 1. 85 *). —
Dritte Legende: Osiris stirbt« seine Seele aber fährt in
den Stier Apis, und so wie dieser Apis stirbt« fährt sie
in den Leib des neuen A p is, den man findet, und wan­
dert also bis auf den heutigen Tag in den Apisleibem
fort. Apis ist das Bild τ ο η O s i r i s S e e l e (Diod. 1. 1.
Plutarch. de Isid. et Osirid. p. 896. p. 47* Wyttenb.).
6) Osiris Balsamirung und Consecrirung und Be­
stattung, mit Einem W o rte: O s i r i s l e i c h n a m ist
Yorbild der K ü n i g s - , P r i e s t e r - und e d l e n L e i c h ­
n a m e (Herodot. IL 86.)·
W ir gingen aus τοη einem unmündigen Zustande
der Aegyptischen Menschheit; ein atomistischer Feti«
schismus nahm alles Volk gefangen, Schlangen, Vogel«
TierfufsigeThiere, Katzen, als Gegenstände der höchsten
Verehrung. W ir sehen nun, wie das einzelne Thierleben
zusammenschiefst in einen einzigen Thierleib. — Jener
partielle Fetischismus ward zu einer allgemeinen Landes-
religion, die yielen Leiber werden zu einem heiligen
Leichname, das Herumflattern der Seele um den Leich-

84) Pousiri d. i. d e r O s i r i s , cf. Chainpollion TEgypt. s· 1.


Pharaons p· UÜ sq.
αβη

nam >vird au einer ordentlichen Seelenwandenmjg^ die


grofse Naturseele ^ Osiris, lebt im Apis fort. W ir er­
blichen hier die Umrisse einer allegorischen Lehre, durch
deren Hülfe ein edlerer Menscbenstamm Aegyptens Hir­
ten und Fischer aur agrarischen Cultur au&ieht, und an
die Bedingungen und Geschäfte des Acherbaues die un­
entbehrlichsten Wahrheiten anhnupft· Die £rde ^ird
in religiösem Gesets geheiligt, und der Mensch der Erde
soll beim Acherbau sein Schicksal, aber auch seine geist­
liche und leibliche Bestimmung lernen. W o der Mensch
stirbt, da ist des ersten Ackermanns, Osiris, A cker-
und Saatfeld; Osiris hat den Saamensack neben dem
KrummsUbe; wo die sterbliche Hülle niederfallt, da hat
Osiris sein Gebiet, da streut er seinen Saamen aus, da­
mit das Neue an der Stelle des Alten ans dem fruchtba­
ren Boden aufstehe. Wechselnd sind Hullen und Leiber,
aber unversiegbar ist die Quelle des allgemeinen und
individuellen Lebens.
Es beginnt aber das Aegyptische Jahr mit der Herbst-
gleiche, wenn die Sonne in das Zeichen der Waage
tritt, mit dem Monat Thoth (September), auf welchen
dann der Reihe nach folgen die Monate Phophi (October),
A th jr (November), Cboeak (December), T jb i (Januar),
Mechir (Februar), Phamenoth (März), Pharmuthi (April),
Pachon (Mai), Pauni (Junius), Epiphi (Julius), Mesori
(August) ^). Das alte Aegypten hat, wie bekannt, eine

25) S. Ptolemäus de apparentiis inerrantium ln Dion. Petavii


Dranologion (Paris 1630.) pag. 71 sqq.; so wie über das
Folgende: Nordmtyer Calendarium Aegypti oeconomi­
cum (Götting. 1792.) ρ· 110 sqq. Bet der folgenden Ue-
bersicbt der Osirisfeier, so wie bei allen Festen des alten
Aegyptens mufs nun nie vergessen werden, daft man im
alt - Aegyptischen Calender ein b ü r g e r l i c h e s und ein
n a t ü r l i c h e s oder a g r a r i s c h e s Jahr unterschied.
Jenes ward nach zwölf Monaten, jeden zu dreiisig Ta«
368
doppelte Saat- und Ernteaeit; die erete Aussaat ist im
Februar, und dauert bis au Anfang Juli, wo geerntet
w ird ; die zweite vom Ende Septembers bis in den No­
vember· Mithin mufs Osiris zweimal sterben, und Isis
zweimal des Jahres um-den Gestorbenen trauern« Der
erste Tod fallt ins Frühjahr^ vom Marz bis Juli; da ist
in Aegypten die Glutzeit, Kraut und Gras ersterben; die
Frublingssaat, die dem Boden anrertraut ist, rermag eich
nicht zu offnen, oder sie lechzt und verdorrt; Glut·
winde von den Libyschen Sand wüsten her durchfeuera
die ganze L u ft, Schlangen und giftige Insekten wüthen
und tödten; es herrschen Seuchen, die erhitzte Luft er­
scheint in einem fürchterlichen Donkelroth, der Leib­
farbe des Typhon. Dies ist die Periode, wo Typhon
regiert; Isis, das Aegyptische Land, dürstet, wehklagt
und schreiet nach dem Segen des W assers; allein um-

gen gerechnet, mit fOnf Epagoroenen oder Ziisatstagen;


cingetbeih. Nun gab der Aufgang des Sirius im Sommer-
solstitium einen andern Jahresanfang und Anlafs zar
Festsetzung einer gröfseren Periode, der Soihisperiode*
Sie bestimmte eigentlicb die Norm fUr alle priesierliche
Jahresrechnungen. Bei der Voraussetzung nun, dafs das
Sommersolstitium auf den ersten Tag des ersten Monats
(Thoth genannt) fiel, mui^te bald ein Incongruenz des
bürgerlichen und des natürlichen Jahres eintreten, und
die geheiligten Feste, da sie fixe Punkte in dem bürger­
lichen Jahre hatten , mufsten allmShlig von einer Periode
zur andern hinüberwandern (vergl Fourier in der Descr.
de r£g. Antiqi|. Livrais. I I I . Memoires. Tom. I. p . 805
sq.)· Aus der Bemerkung jener Incongriienzen sind ge-
wifs nach und nach verschiedenartige Darstellungen des
Grundmythus vom Osiris erwachsen, der ursprünglich
aus einer Normalperiode erwachsen war. W ir haben ei­
nige Hauptpunkte dieser verschiedenartigen Ansichten an­
zudeuten versucht, z. B. in dem Satze von einem d o p ­
pelten T o d e des Osiris.
a6g
tonst; es müssen erst die bösen Tage vorLeilaufen;
Osiris ist noch nicht erwacht, er ist nach Aethiopien ge*
bannt su den schwarzen Mohren; dort mufs er schlafent
und man sieht kein £nde ah; das Felsenbelt von Ae*
thiopien hält ihn fest, die Felsenpforie über Elephan­
tine hält ihn gefangen. Hier ist Osiris der weitende,
schmachtende, beinahe aasgetrochnete Mil, der hein
W asser den Kanälen mittheilen kann, und jenseits der
Hatarrakte, wo die tropischen Regen fallen, gebannt ist.
Isis, die sich härmende Gattin, ist das dem Mil, dem
Gatten und Bruder, verbundene Schwesteriand, das nun
bei seiner Todesschwache die Folgen empfindet« Tjpbon
ist der neidische, böse Bruder, der greuliche Tyrann,
der die Feuer schnaubenden Ochsen durch die Wüste
treibt; deswegen ist ihm die edle Isis verhafst, er hält
es mit der A so, der Hünigin im Mohrenlande, und ist
mit ihr im Bunde, und seine zwei und siebzig Gesellen
sind die zwei und siebzig büsen Tage, bevor Osiris aus
aeinem Schlafe erwacht. Er ist der Buhle der entarteten
Nephthys — der feindlichen Libyschen Wüste und des
Meerstrandes; dort ist Typhons Reich ; dagegen Aegyp­
ten, das gesegnete und mit frischen Saaten prangende
Milthal, ist der Isis Land. Daher heifst es auch Chemia,
d. i. das schwarze Land, von seiner Fruchtbarkeit, von
dem fetten, feuchten und warmen, schwarzen Boden.
T3fphon aber ist der verzehrende, wie er auch bei Plu-
tarchus der zusammenschmmpfen machende, Σρό, heifst,
der verzehrende Feuermann.

Mach dieser Grundlegung der wesentlichsten Begriffe


der Aegyptischen Yolksreligion sehen wir uns vorläufig
in den bildlichen Denkmalen dieses Kreises um. Hier
bieten die Tempelsculpturen von Philä (s.Descript* de
TEgypte Tom, I. pl. 23 « no. i. verglichen mit Herodot.
11« i 3 «) folgende Vorstellungen dar; Im ersten Bilde,
αηο

das wir auswahlcn ^ ), tHlt herein eine Person in A e -


gyptischer Tracht, mit gewöhnlicher Kopfbedechung^
die Hände gleichsam bittend emporhebend· V or ih r
atebt der Mann mit dem Ibishopfe (Hermes)· In seiner
Hand sehen wir einen sägeformigcn langen Stengel, der
sich am oberen Ende niederbeugt und in drei verbun­
dene Linien auslänft· A u f diesem Stengel weist Hermes
einen Abschnitt bedeotend nach, indem er auf den im
Mittelpunhte sitzenden , zwar menschlich gestalteten,
aber am Nilschlussel (dem gehenhelten Kreuze) und sonst
als Gott nicht zu verhennenden Osiris blicht. Dieser
hält einen stnmpfen Hegel unter jenem Stengel, sichtbar
nm ihn znrecht und in Ruhe zu bringen, wodurch dann
der von Hermes gesuchte Abschnitt bestimmt werden
wird. Hinter ihm erscheint Isis und hält9 wie jene erste
Person, gleichsam bittend die Hände empor. — Mir ist
In diesem Relief jene erste männliche Person der bittende
Aegypter (etwa Priester) , der Repräsentant des Aegyp*
tischen Yolhes, das den Himmel für das kommende Jahr
um Segen, d. h. um einen hohen Nilstand, bittet· Der
Ibishöpfige ist der heilige Schreiber des Osiris und der
himmlische Mefshilnstler, Hermes, der den Herrn der
Natur, den Osiris, hindeutend auf den Nilmesser

26) W ir geben davon in den beigefOgten Bildern eine Copie·


27) Es bedeutet aber der Name des Flusses selbst, Νβίλος,
wie man, durch Hülfe der Koptischen Sprache vorzüglich,
in neueren Zeiten ausgemittelt h at, nichts anderes, als
das g e m e s s e n e W a s s e r ; denn nach der Etymolo­
gie , die Jabionski (im Panth· Aegypt· I· 4. p. 157. 159.)
vorgetragen, und die Champollion (PEgypte sous lee
Pharaons 1 . pag. i34. 136.) billigt, heiibt O - N s i tempus
definitum, und *Aλ >71* ascendere; also eigentlich Ne/oAifi
fiuvius tempore definito increscens, exundans , d e r z u r
bestimmten Z eitfrist wachsende, aufstei­
g e n d e F liifs· Es hatte aber dieser Strom, der durch
271
um die Besitimmung de· WassertUnde· befragt. Der
•iUende Oairi· ist eben beschäftigt, durch eine Bewe*
gung aeiner Hand den Nilmesser auf seinen Rahepnnht
2u bringen^ nnd den Nilstand 2u entscheiden. Hinter ihm
nimmt sich die förbittende Landesmutter, Isisi deshülfs-
bedürftigen, flehenden Aegypters an. £in anderes^
sonderbares Relief, muthroafslich die Periode der riich-
hehrenden Nilfluth und deren segensreiche Folgen dar·
•teilend, findet sich unter den Sculpturen an der Nord*
•ehe des Seitensaais yom kleinen Tem pel, südlich vom
Pal laste zu Harnah (Descript. de lΈg· Antiqq« YoK IL
Thebes, pag. 273. und dazu pl. 64* A. 111.)· A uf einem
B ette, im grofsen Style gehalten, ruht eine männliche
Figur, l^n Lowenfell bedeckt sie ganz. Sie ruht und

seine Ueberschwemmungen (vergl. Herodot. 11. 2i seq.


Diodor. 1. 37.) für OberSgypten Heilbringer, für Nieder·
Sgypten Demiorg war, viele Namen, Geon, Χ^υσοζ^όας
und andere; so auch worin Jabionski (voce. Ae·
gyptt. pag.34S.) die Bedeutung findet d e r a b n e h m e n ­
d e n N i l f l u t h . Anders Görres ( Mytbengcsch. II. S.
403·): d e r a u s d e m H i m m e l f a l l e n d e S t r o m ;
s. den dort angeführten Plutarchus de Isid. et Osirid. p.
6 t 0 . und Sympos. V lll. 8. Den (h e. Νβιλος)
ärmn;; kennt schon Homerus, Odyss. It^. 477; woraus
Viele diesem Dichter die Ehre bereiteten, dafs er zuerst
das Wahre vom Nil gesagt. Eudoxus und Aristoteles
erklärten schon, nach Erkundigung bei den Aegyptischen
Priestern, die Regengüsse in Aethiopien für den Grund
der Nilüberschwemmung; s. Eustath. ad Odyss. 1. 1. pag.
181. unten Basil. (coli. Strabo XVII. p. 71^ Alm. p. 4 ^
T zsch .), so wie die Scholien des Falat. Codex zu dersel­
ben Stelle , die wir in einer Note zu 16. unserer Com­
mentati. Herodott. gegeben haben; wo Überhaupt Mehre·
res über die verschiedenen Namen des Nil tu lesen ist.
— Daher die bildliche Vorstellung des Wachsthums die*
ses Flusses nach seinen Stufen durch die dem
37a
stutzt ihren Kopf auf den rechten Arm. Ein chimärischer
Yogel schwebt über dem Buhenden· Der Leib des Vo­
gels gleicht einem Aethiopischen G eier, der Kopf zeigt
einen Jüngling mit einer STmbolischen Mütze· Am Bau­
che tritt ein mächtiges Zeugungsorgan hervor. Zwei
Frauen (die himmlische und die irdische Isis, wie man
erklären w ill) stehen am Kopfe und Fufse des Bettes,
die eine mit der Kugel und den Stierhornern auf dem
Hopfe, die andere mit einem sehr verlängerten Rechtech,
worauf eine Vase steht. Sie scheinen den Ausgang der
Scene abzuwarten. Hinter der am Fufse des Bettes
stehenden Isis erscheinen zwei Reihen stehender P er­
sonen, eine über der andern. Die in der Mitte haben
Frauenleiber und darauf symboliscb verzierte Schlangen;

Flufsgotte in verschiedener Zahl beigesellten Kinder;


vergi. Winckelmanns Versuch einer Allegorie S. 550.
Hierher gehört der colossalc Nil im Mus. Pio Clement·
1. tab. 58. und die bei Zo^ga (Numi Aegypt. imperat·
Rom. 17S7.) tab. XVI. No. 7. abgebildete Aegyptischc
Münze von Alexander Severus: der Nilus mit dem Füll­
horn , woraus ein Kind hervorragt; vor ihm stehen drei
Kinder^ neben ihm ruht der Sphinx. Aehnlichs Voniel-
luiigen finden sieb auf andern MOnzeu. W ir werden
hierbei an den Mythus von den Pygmüen erinnert (sieh·
lliad. III· 6 . mit den Auslegern), den Mehrere mit jenen
Nilkindem in Verbindung gebracht haben ; s. Jabionski
Panth. Aegypt. II. 175. Förster in den Hessischen Bei­
trügen Ir Band, vergl. mit de m, was in the classical
Journal H I. p. 375 sq. bemerkt wird. — Das dem Nilus
zuweilen beigegebene Attribut des Delphins erhalt seine
Erläuterung aus Strabo XI· pag. 7 8 0 , wo erzählt wird,
dafs diese Thiere aus dem Mittelmeere in den Nil hinauf­
steigen , und aus der Erzählung des Seneca Quaest. nat·
IV. II. von dem Kampfe der Delphine und Crocodile in
jenen Gegenden. — Der Mythenkreis des Delphins wird
Im Verfolg kürzlich heschriefaen werden·
die zwei ersten haben Mannshurper mit Froschliupfen.
Die beiden andern scheinen Λ egyptische Gottheiten za
seyn, nämlich der am Ibishopfe henntliche Thoth and
der an seinen zasammengcdrückten Beinen eben so
henntliche Harpocrates. Letzterer hält einen Stengel,
woraof ein Lotnsblatt befindlich, in den Händen. Die
Hieroglyphe, welche das Wasser bezeichnet, findet sich
wenigstens drei oder yiermal theils neben den Figuren,
theils in den Inschriften, die das Bildwerk einschliefsen.
Die Frauen mit Schlangen - und Froschköpfen haben an
ihren Sandalen Schakalköpfe. Hinter der Isis am Fofse
des Bettes steht ein falkenköpfigcr Mann, der im Begriff
is t , mit einer Beule ein gefesseltes Männchen mit einem
Hasenhopfe, das jener mit der linken Hand an den
Ohren fafst, zu erschlagen. Hinter ihm steht ein Prie·
Ster, der eine Gabe Yon zwei Vasen bringt, an denen
unten heilige Bänder hängen. Hinter dem Priester ste­
hen wieder Männer und Frauen mit Schlangen- und
Froschköpfen, wie die obigen. Unter diesem Bildwerke
erscheint eine Zeile ron grofsen Hieroglyphen und eine
Friese, zusammengesetzt aus Sperbern (Falken), nic-
derkauernden Gottheiten und hieroglyphischen Legen­
den. Dieses Bildwerk (meinen die Französischen
Gelehrten p. 1^74 sqq. 1.1.) beziehe sich auf den Nil und
Aegypten; der liegende Osiris bezeichne den Nil, wie
er eben aus seiner Lethargie wieder erwachen w ill, und
die Löwenhaut beziehe sich vielleicht auf das Zeichen des
Löwen, wann jene Epoche eintritt Jener chimärische
Vogel deute den Trost an, dafs alsdann Fülle und Frucht­
barkeit mit dem fluthenden Nil aus Aethiopien herab­
komme. Sein Jünglingsbopf bezeichne die um dieselbe

28) So sehen wir auch bei de obeliscis pag. S20. einen


Löwen, der auf seinem Rücken die Osirismumie hat, und
damit dem Meere zuschreitet.
1. 18
374
Zeit v f i e i e r v e r j ü n g t e N a t u r . Daa Hasenoprer
neige die Jahreszeit an^ wo dieses Thier (der flase) die
Ebene verlassen iindi auf den Höhen und in den Wösten
Schutz suchen muis. Auch bezeichne der Hase bei den
Alten vorzüglich die grofse Fruchtbarkeit, hier also die,
welche auf die NiHluth folgt. Die schlangen - und frösch*
köpfigen Figuren, mit denSchakalsköpfeD an denFufsen,
deuten an, dafs mit dem fluthenden Nil Schlangen (und
es sind gerade W ^ a s s e r s c h l a n g e n im Bilde angege*
ben) und Frosche weggeschwemmt werden, und dafs sie
ihre Zuflucht in der Wüste, dem gewöhnlichen Aufent­
halte der S c h a k a l s , suchen müssen. Das Aegyptische
Laa^ ist bezeichnet durch eine von den Figuren der
I s i s , die so lebhaften Antheil an dem ganzen Hergange
zu nehmen scheint. Die Darbringung der Gefäfse be­
zeichnet vermuthlich die S p e n d e (das Trankopfer) von
der anfangenden N i 1 f 1 u t h , und darauf bezieht sich
auch der I b i s k ö p f i g e . Denn der Ibis gilt (nach Sa-
vigny Histoire naturelle et mythologiquc d'lbis) für ein
charakteristisches S}msbol der Nilfluth. Mit dieser Er­
klärung seyen auch die Hieroglyphen des Wassers und
der ira Bildwerke gleichfalls wiedei holten Lotuesträufse
völlig übereinstimmend.
Endlich erwacht Osiris. Der Nil zerbricht seine
Kette, er schäumt über, und verläfst sein Felsenbett·
Dies fangt man an zu bemerken im Mai; im Juni äufsern
sich schon die Sparen des Wachsthums. Allein bevor
der Löne kommt (d. h. bevor die Sonne in das Zeichen
des Löwen tritt, vor dem Soramersolstitium) , ist die
Heililuth noch nicht da; im Sommersolstitium hat sie
endlich ihren höchsten Stand erreicht; der Nil stürzt
sich über die Felsenblöcke nach Aegypten hinab, und
überschwemmt das ganze Land. Dann ist Aegypten ein
Archipelagus, dann schifft man im Lande umher, und
der vier und zwangzigste September ist der grofse Freu­
dentag, da werden die Schleufsen gcuflTnet anter dem
Zujauchzen des Yollies; Eilboten verbunden im ganzen
Lande umher die Wasserhuhe. Ucberall herrscht Jubel
und Freude.
Diese natürliche Jahresgcscbichte des Aegyptiscben
Landes empfing nun der Yolbsmythus, und bildete sie
allegorisch so durch und durch, dafs jede Oertlichbeit
und jedes physische oder agrarische Element daran seine
rollen Rechte behauptete. So z. B. konnten wir in die­
sem localen Sinne und Tone der Yolkslegcnde etwa so
nachsprechen: Die in den Abgründen zwischen Ele­
phantine und Syene (iv άβνσσοις ^ auch Kilcpiellen dort
genannt — έν ιτηγαΐς cf. Herodot. II. s8.) versammelte
YVasserkraft ist der im FeJsenbette schlafende Osiris.
Er erwacht —> der Strom bricht brausend über seine
beiden Ufer. Es hallet das ganze Aegyptenland. Das
sind die ersten μνχηματα της ‘Ίοι^ος^ wenn man die
YVorte eines Dichters hier anwenden will (Gregor. Naz.
carmina, ibique Schol. p. 5 o ed. Gaisford.); das ist das
Brüllen der Isiskuh· Nun aber will jeder Gau, will sel­
ber die dürre Grenze der Wüste an der Segensfluth
Antheil haben j da wird von dem scbwarzgelbcn Sohne
der Wüste (vom Typhonier) der heilige Leib des Gna·
denstroms zerstückelt und in tausend und tausend Kanäle
zerrissen. Das sind die thränen - und freudenreichen
Zerstückelungen — σπαράγματα ίαχρνώί»? τά Όσίρι^ος
(Gregor. Naz. 1. 1.). Aber nun müssen wir auch im
Osiris-Nilus die Sonne sehen* Denn wie die dreihundert
und sechszig Milchkrügo, als Todtenopfer zu Philä dem
Osiris gefüllt (Diodor. Sicul. I. ^i.)» an das alte Sonnen­
jahr erinnern, so erinnert nicht weniger an den Nil, als
an das SoYinenjahr, der Gebrauch der Priester zu Acan­
thus in Aegypten, welche alle Tage aus dreihundert und
sechszig Urnen Nilwasser in ein durchlöchertes Fafs
giefsen (Diod.Sic.I. 97.). ^ Yon diesem Standpunkte ge­
sehen ist Osiris d e r W a s s e r s t r o m an de n F e l s e n .
376

Hier tritt nun H o r n s in die Legende ein, Horns,


die S o n n e in der S o m m e r n e n d e . Bis auf diese
Zeit herrschen in Aegypten vom April an , durch die
trochene, sengende Hitze, Pest und Seuchen, und die
Erde ist verbrannt; öde und traurig lechzet Alles; d. b.
T y p h o n h e r r s c h t . Nun hommt H o r u s , d. i. die
S o m m e r s o n n e n w e n d e . Er locht den Nü — Osiris
— (d, i. vielleicht: er r h e b t , er b e l e b t in sich den
Vater Osiris wieder) aus seinem Felsenbette. Es treten
die Wasser über das Erdreich; Alles wird erquickt; die
Glut und die Seuchen schwinden, so wie auch Schlangen
und schädliches Gewürm. Mit der Nililuth werden die
Schlangen hinweggeschwemmt. Das deuten auch andere
Aegyptische Bildwerhe an: s. z. B. Descript. de TEgypte
Vol. II. pl. 64 · A. und dazu pag. 278. (vcrgl. oben), —
Das Alles ist Horus Werh. Ueber den Horus giebt Jo»
mard in der Descript. de TEg. Tom. 1. cap. 5 . $. 5 . p.27·
(Antiqq. bei der Beschreibung des grofsen Tempels von
Apoliinopolis magna — Edfu) folgende Vorstellung;
Dieser Tempel war dem Horus geweiht (Eusebius in der
Praeparat, evangel. 111. 11. sagt: Horus sey die Gottheit
von Apoliinopolis). Aus Horus haben die Griechen ih»
ren Apollo gemacht. Dieser halte den Drachen Python
getodtet. Er war auch (in Aegypten) der Ueberwinder
des Typhon· Wenn die S o n n e auf die Höbe des Hirn»
melsj im Sommersulstitium, zu stehen kommt (und Apollo
ist die Sonne auf der oberen Himmelsspbäre; sieh. Ma·
crob. Saturn. 1. 18.), am meisten Lidit und Wärme ver­
breitet, und ihre Uraft dadurch offienbart, dafs sie den
Flnfs (den Nil) aus seinem Bette hervorlocht, alsdann
sind alle schädlichen Einflüsse unterdrückt, und Typhon,
das Bild der Krankheit und Unfruchtbarkeit, ist zer­
nichtet. Aegypten lebt wieder auf, die Felder sind über­
schwemmt mit dem heilsamen und befruchtenden Ge­
wässer. Und alle diese Wohlthaten sind das W erh des
377

H o r u s oder der S o n n e im Sommersolstitium. Denn


Horns scheine nach einem alt - Aegjptischen W orte ge­
bildet, das dem Arabischen harr grofse Hitze — ent­
spreche. Jomard bemerht ebendaselbst in demselben
Tempel mehrere Vorstellungen , die er auf das Sommer­
solstitium bezieht.
Wenn aber die Sonne in das Zeichen des Scorpion
tritt (im Monat Athyr), dann beginnt die Herbsttrauer.
£s ist der zweite Tod des Osiris. Nun liegt Aegypten
bereits ganz unter den Wassern; es nahet sich die dun-
hele Zeit, die Tage nehmen ab. Dunkel und Wasser
walten Tor. Alle Hoffnungen sind unter den Wellen be­
graben. Hier nimmt nun der Mythus jenen finsteren,
feindseligen Dämon in einem andern Sinne wieder auf.
Jezt ist Typhon das verhafste Meer und der Verfinstercr
der Sonne, der Winter. Osiris ist einmal die besaameu-
de Kraft, die sich aber nicht äufsert, sondern gleichsam
in dem Wasserkasten begraben ist. Die Sonne hat keine
Macht mehr; es geht gegen den Monat Athyr. Die Fische
Terzehren des Osiris Mannesglied. Die Sonne ist zum
Sonnchen (Harpocrates) geworden* Isis ist der Mond,
der auch keine Kraft mehr empfängt ^). Das sind die
Acker - und Trauerfeste des Herbstes. Doch, dafs die
Herbstsaatfeste allenthalben Trauerfeste gewesen seyen,
werden wir anderwärts (im rierten Bande) auszufuhren

29) D ie S o n n e n a c h d e m W i n t e r s o l s t i t i i i m , noch
im trltgeren Gange und schwach erscheinend, jedoch
allmShlig wachsend, ward als H a r p o c r a t e s vorge-
Stellt, als der lahme, hinkende Gott, den Isis vom kratt-
losen Osiris geboren; $. oben. Sein Aegyptischer Name
war Phoch rat , der Jenen körperlichen Feh­
ler bezeichnete; s. Jabionski Voce. Aegyptt. pag. 38. und
Ciiperi Harpocrates. Der bedeutend auf den Mund ge­
legte Finger und die kahle Seite des Kopfes waren nicht
minder charakteristische Merkmale dieses Wesens.
αη 8

Gelegenheit haben ι ύ9ο trir nämlich von den Griechischen


Thesmophoricn reden. Hier einstweilen nar ein Finger-
Keig zum besseren Vcrstandnifs des Aegyptischen Mythus«
Ihren Ursprung weiset Herodotus nach. Aus Aegypten
waren sie zu den Griechen gehomroen. 8aatfeste
waren es auch in Aegypten, so wie S a t z u n g s f e s t e «
*Wann das Saathorn in die Furche, der Oelbaum in die
Grobe gesetzt wird, dann werden auch Gesetze gemacht«
Achei'bau ist der Vater des Staates und der bürgerlichen
Ordnung, Heime werden gepflanzt, Kinder in ordent­
licher Ehe erzeugt, Alles für die Zuhunft auf neue Ge­
schlechter. Nene Geschleohter, neue Ordnung« neue
Ideen sollen reifen. Das Sterbliche \rill unsterblich seyn
und Unsterbliches gründen. Dies sind binomische Ideen^
der Trauer und der Hoffnung; daher auch alle die
Acherfeste binomisch sind, Trauer und Abstinenz, und
hierauf der hoffnungsreiche Theil des Festes« So hier
in Aegypten; Tom siebzehnten des Monats Athyr (drei­
zehnten' Noyember), wann Osiris τοη Typhons Händen
zum zweitenmal den Tod erleiden mufs (d. h. wann das
Saatkorn in die Erde hinabgeht), beginnt die Trauer-
periode; es ist ein Klagen und Jammern durch das ganze
Land, Isis sucht d??n gestorbenen Osiris. Allein mit dem
eilften des Monats Tybi (den sechsten Januar) beginnt
die Jubclperiode; Osiris ist gefunden, der Phallus ist
gestiftet, d. h. nun kommt die Sonne wieder aufwärts,
sie ist durch das Dunkel hindurch gegangen. Die junge
Saat kommt nach den Wassern zum Vorschein. Ueberall
ist wieder frisches Le be n; die ganze Natur ist wie rer-
jüngt Daher hatten denn auch, weil die alten Aegyptier

SO) Die Sonnenwende und die volle Soonenkraft, haben wir


oben gesehen , bezeiohnete Horus. Die Frühlingssonne
war die Sonne im W idder, welches Zeichen von Vielen
das erste Zeichen des Aegyptischen Zodiacus genannt wird
^79
diesen Tag feierten, als ein Fest der Erheiterung nach
langem Dunkel, die ersten Kirchenväter, nachdem das
Christenthum in 4egypten gegründet war, es für rath-
sam gefunden, den sechsten Januar als das Fest der Ge«
hart Christi einzusetzen. S. Jablonshi opuscc. T. 111.
p· 36 i.
Vielleicht war in der Legende der Priester von
Abjdns Osiris vorzüglich als das p e r s o n i f i c i r t e
S o n n e n j a h r genommen, und selbst mit M e m n o n ,
dem Sohne der Aurora, identificirt. Man erwäge Fol«
gendes : ln dieser zweiten Hauptstadt der Thebais hatte

(Theonis Scholia inAratiPhaen. p.69; unten ein Mehreree),


und in dieser lleziehang legten Viele auch dem Ammon
den Widderkopf und die Widderhörner bei; s.JablonskPa
Erklärung der Btinb. Isistafel p. 240 S(|. und Pantli. II·
pag. 249· Zu T heben, auf der Westseite im Isistempel,
sieht man in einer Sacristei einen Widder mit vier Kö^
pfen; jeder Kopf hat oben eine Scheibe, in deren Mitte
man die heilige Schlange (uraeus) sieht. Ein Adler, mit
einer Mitra bedeckt und mit ausgebreiteten Flügeln,
schwebt über diesen vierfachen Widderköpfen. Vor dem
letzteren Stehen zwei anbetende Frauen; s. Descript. de
TEg. Vol. II. (Thebes) p. 165. So erscheint der Widder
nach dieser Ansicht des Zodiacus.
Aber auch S o m u s oder H e r a k l e s gelangte in
diesen Göiterkreis, als Regierer des Sonnenjahres. Ja
er hiefs selbst das Sonneniahr und der Jahresgott. Ins­
besondere dachte man sich unter ihm die P n U h l i n g s -
s o n n e , und sein Name Soni (Sem) wird in dieser Be«
aiehung erklärt: die G o t t e s k r a f t . Als wieder wach­
sende Frühlingssonne fiel er mit der Idee des Harpocrates
zusammen — eine Verbindung, welche die Aegyptische
Sprache durch den verbundenen Namen
d. i. Herakles. Harpocrates, bezeichnete; und Herakles
ward, so wie Harpocrates , unter die heilbringenden und
heilenden Gottheiten gezählt; sieh· die Beweisstellen im
Dionysus p. 139 sqq. lies. I4l.
aSo
Memnon seine B a r g , Osiris sein Grab and seinen Tem­
pel. Ob die Gründung von Abydus und ihre Grdfse der
Aetbiopischen Dynastie ihren Ursprung zu verdanken
hat, lyelche mit der von Thebä wetteifern wollen (wie
Jomard vermuthet in der Descript. de TEgypte Livr. IIL
Antiqq. Tom. 11. cbap. i i. p. 20.), ist für uns von min·
derer Bedeutung, als die mysteriöse Ar t, wie sich in
dieser Stadt die Legenden von Osiris und Memnon be­
gegnen. ln diesem Reviere^ so meldet die Sage» hingen
die Götter ihre aus Akanth, Granatapfelblüthe und
Weinlaub geflochtenen Kränze an Dornensträuche» als
sie die Kunde erhielten, B a b y » das ist Typhon, habe
sich des Reiches bemächtigt. Es sagen aber auch die
Aegyptier» fahrt darauf ein Anderer fort, es haben all-
hier die nach Troja gesendeten Aethiopier an die Dor­
nensträuche ihre Kronen aufgehängt, als sie den Tod
des Memnon vernommen (Hellanicus nnd Demetrius
beim Athenaeus XV. pag. 478 Schweigh.). Es ist gewifs
dankenswerth, wenn Jomard a. a. O. dieser Sage eine
örtliche Deutung zu geben sucht, so nämlich, dafs die
hier besonders heiligen Sandnirbel die hier herum wach­
senden Akanthusstauden unter ihrer brennenden Decke
begraben und versengen (d. i. Typhon waltet und die
Götterkrone fällt in den Dornen nieder). — Aber die
Priester hatten hierbei eine höhere Ansicht genommen.
Das grofsc Gebcininifs von Abydus ward nimmer offen­
baret, und blieb in des Aegyptiers Munde ein unver­
brüchlicher Schwur — so unverletzbar wie der beim
heiligen Grabe zu Philä Hier lag Osiris begraben,
und jeder edle Aegyptier trachtete darnach, wo möglich
hier bestattet, und des Osiris Grabgenosse zu werden

31) Jamblich. deMyster. Aegypt. VI. 7. Theodoret. Graec.


afliect. III. p. 778 ed. Schulz, vergl. mit unsem Commentt·
Herodoit. 1. cap. 3. $· 10·
a8i

(Plutarch. de Isid. p. 471 W yltenb.). Hier durfte zum


O p f e r , dem Osiris geweiht, hein Sänger, bein Flöten­
spieler oder Cytharöde, im Tempel die Töne der Musik
erschallen lassen (Strabo XVII. p. 599 Tzsch,). — Hier
Λvar der grofse Tongeber Memnon - Ismandes verstummt,
hier war der Osirische Kranz zur Zierde des Dornstrau­
ches geworden und in den brennenden Sand herabgesan-
hen· Denn ist Memnon (Strabo XVII. p. 559 ·)
und Ismandes ist nur der Griechische Laut für den Na­
men des Aegyptiers Όσνμαρ^νας (Diodor. 1. 4 ?· vergL
Champollion l*£gypte sous les Pharaons I. pag. a5 o sq.)·
Ist nun Usraandi (Osymandyas) der redende, tonende
Stein, wie Jablonski w ill, auch dem W orte nach, oder
ist er es nicht — genug: L i c h t und D u n k e l , L a u t
und S t i l l e , sind in seinem Mythus gegeben; und sein
ewiges Denkmal ist der goldene Kreis des Jahres und
der Sonne. Ja er ist selbst der Sonnenheld, wie Osiris
der Herr , wie Dschemschid der Perserkönig, wie Ja­
nus der Italischen Völker Regent und Vater. Jahres­
trauer und tiefes Schweigen, Leidens- und Bufsfeste und
ein alter Todtendienst sind uns in dieser gewichtigen
Sage gegeben. Um das Grab des Osiris, des Memnon,
weilt das Geheimnifs* Licht und Hoffnung sind in die
Grube hi 11abgefahren. Nur der Edl e, d. h. der Gewei-
hete, konnte an diesem Grabesorte im Tode Antheil
nehmen —- nur er konnte der Tröstungen theilhaftig
w erden, die das Geheimnifs verkündigte. W ie lauten
sie ? Bild und Sage rufen uns zu : Mit der neuen Sonne
ertönet Memnons Bildsäule wieder, die 3Iemnonischen
Vögel schwingen eich vom Grabe des Gottes auf, und
verkündigen neues Leben. Ueber des Osiris Leichnam
schwebt der wunderbare Vogel (s, oben). Osiris-Memnon
selber geht aus dem Dunkel hervor, und all jälirlich wieder­
kehrend unter Vogelgesang bringt er in gröfserer Periode
das groCue J i i i e l · und H a l l j a h r seinen Völkern.
282

Um θβη OsirismytTius nun ganz in seinem naturge-


mäTsen Wachsthume zu erblic1«en, müssen wir sehen,
wie er in das Reich der A^egetation eintrilt, und wie die
W a s s e r p f l a n z e in ihrem K e l c h e die G e h e i m ­
n i s s e T on I s i s u n d O s i r i s verschliefst, d. h. der
Gottheiten, die das k ü h l e W a s s e r verleihen, wie
€8 in der Formel auf einigen Mumien decken heifst· Der
L o t u s ist diese Pflanze. Sie ist die GeburtsstÜtte und
das Hochzeitbettc der beiden guten Götter Isis und Osi­
ris. Dieses Verhältnifs beider ist eine Ehe und zwar
eine G e s c h w i s t e r c h e (wie allemal bei den grofsen
Landesgottheiten), aber auch eine m y s t i s c h e E h e ,
ein iifhq γάμος; denn schon im Mutterleibe waren sie
sich in Liebe zogeihan, schon hier feierten sie das Hoch­
zeitfest, im Mutterschoofse begatteten sie sich (Plutarch·
de Isid. et Osirid. pag. 356 . A.). Ihre Mutter aber, in
deren Schoofse sie beide zugleich gelegen und sich be«
gattet, i s t R h e a , 'P tla , dasFliefsen, dieUrfeuchtigkeit;
sie ist das Principium, der Anfang der W e lt; Alles ist
aus dem Feuchten geworden ; und jene Ehe der grofsen
Tolksgottheiten , ihre Liebe, ihre Trennung und des
Gatten Tod, das verlorene und im Bilde wieder herge-
slellte Zeugungsorgan sind der mythische Yolksausdruck
— die Legende — von der N a t u r - und J a h r e s g e -
s c h i c h t e des Aegyptischen Landes; aber auch andrer­
seits das A e g y p t i s c h e (vom Lokalstandpunkte aus-
gegangen) P h i l o s o p h e m v o n d e r B e d i n g u n g
a l l e s N a t u r l e b e n s — vom U r s p r ü n g e a l l e r
D i n g e a us d e m F e u c h t e n Daher denn auch

32) Wir erinnern hier nur an das bekannte Philosophem der


Jonischen Schule , dafs das Principium aller Dinge das
W a s s e r , das f e u c h t e E l e m e n t , sey, so wie an
das Findarische ^ς^ίστον υΖηξ (Olymp. I. f· nebst
den Auslegern)· Daher sagt Simplicius in Aristot. Fhys·
285
in der Isisprocession der Prophet oder Oberpriester das
heiligste S>mbol^ den W asserbrug, die 4>9 ςία^ in den
Falten seines m'eiten Kleides verborgen trägt.

Warum der Yolhsglaube sowohl, als die Priester­


lehre ^ gerade diese Symbole wählte^ um das unverldsch«
liebe Leben der Natur darzustellen und den Naturgott
als einen Gegenstand bleibender Verehrung hinzustellen,
wird ganz begreiflich, Avenn wir uns der elimatischen
und ganzen physischen Beschaifenheit der Länder erin­
nern wollen, wo diese Religion erwachsen ist. Es wäre
darüber viel zu sagen; aber man lese nur, was Eusta-
thius zu Odyss. VII. 120. pag. 275 Basil. von Aegyptens
Vegetation berichtet. Im ganzen Morgenlande war es
die Art des Lotus, welche im System nelumbium specio­
sum heifst 3^) (S. Sprengel Histor. rei herbar. I. p. 3 o.)·
Sie ist die heiligste Pflanze des Aegyptiers, denn sie ver­
schliefst die Geheimnisse der Götter; in ihrem Kelche, mit
den Staubfaden und dem Pistill, war das Mann-weibliche
—- der Joni - Lingam, Indisch zu reden, im Pflanzen­
reiche. In ihr stellte die E rd e, die vom Nil geschwän­
gerte Erde selber, für die Volhsanschauung ein Bild
jener mystischen Ehe der beiden Landesgottheiten auf.
So ward der Lotushelch in religiöser Betrachtungsart
zum Mutterschoofse der Grofsen Rhea gesteigert, und
Staubfäden und Pistill erinnern in ihrer Verbindung an
die Vereinigung des Gotterpaares schon im Schoofse der
Mutter.

p, 50 ; Aio Kai Aiytjrrot rijy τζς ζ**'


cvfxj Sokt xw^ ι κ α λ ο υ ν , υ τρο’τ α Βμ η ν tjJv υ λ ν βκί/λουν,
€icv ι'Λυ V r m ούσαν. Damit steht wohl auch die allgemei­
ne Sitte der Aegypti^ r in Verbindung, die Götter auf Schif­
fen fahrend darzustellen·
33) Siehe unten ein Mehreres,
!i84
Auch war diese Pflanse in ihren Erscheinungen auf
eben so wunderbare Weise von der Sonne abhängigt wie
der Landesstrom ^ an dessen Gestade sie wuchs· Sie ist
ein Wassergewächs, ein Wasserzeichen, ein calendari-
scbcs Prognosticon (Gcoponica II· 5 . pag. 86.); das war
sie schon , als dieser Mjthns wuchs, und ist es noch bis
auf den heutigen Tag. Das Loosungswort der Aegypter
heist: je mehr Lotus, desto mehr Jahressegen s. Kin­
der lind W eiber brechen ihn jauchzend ab, und laufen
damit durch die D örfer, rufend : «je mehr Lotus , desto
mehr Nil »; rergl. Jomard in der Descript. de TEgypte
Antiqq. Yol. Π. p. 383 . Und so sehen wir es noch auf
den Aegyplischen Bildwerhen; vergl· pl. 74· zu der eben
angeführten Stelle. Er ist auch (Dtodor. Sicul. I. 34 »
Grüner ad Zosimum de zyth. pag. 55 .) eine Nahrungs­
pflanze ; denn es mischte der Aegypticr ihren Staub dem
Mehle bei.

Auch die Beziehung dieser Pflanze auf Sonnen - und


Hondsperioden tritt uns in alten Sculpturen der Thebais
vor Augen ; vergl. Jomard in der Descript. de TEgypte
Antiqq. T. I. cap. 5 . §. 5 . p. 28. A uf einer Friese im
Haupttempcl zu Edfu, dem alten ApolHnopolis magna,
sieht man ein Relief. Es zeigt uns eine Treppe von
vierzehn Stufen, auf der obersten eine gewaltige üppige
Lotuspflanze; über ihr einen halben Mond, und darauf,
als Krone, ein Auge; etwas dahinten erblichen wir eine
kleine Figur mit dem Ibiskopfe, dabei eine Jungfrau mit
dem Lönrenkopfe und >Ya6serkrüge. Schon Jomard sah.
in diesem Relief das Richtige; der Lotus ist das ΛYachs-
thum des Nil; das Au g e, Osiris, d. i. die Sonne im
Gipfelpunkte, im Sommcrsolstitium; der halbe Mond
mit aufwärts gerichteten Hörnern, der Neumond (vergl.
Horapollo L 4.); die Jungfrau mit demLöwenhopfe, ein
Sommersolstitium, zwischen das Zeichen der Jungfrau
a85
und des Löwen fallend; die vierzehn Stufen dienen zur
Bezeichnung einer astronomischen Periode von 1461
Jahren (nach Einigen 1400 Jahre)) wo das fixe Jahr
eich mit dem vagen Aegyptischen Kirchenjahre ver­
einigte eine Jubelperiode und Festzeit für den alten
Aegyptier.
Merhwiiidig ist, was der Neuplatoniher Proclus 35),
mit Bezug auf dieses Yerhaltnifs des Lotus zur Sonne,
sa gt : <( Was soll ich vom Lotus sagen. Er faltet seine
Blatter zusammen im Dunhel vor Sonnenaufgang; wenn
die Sonne aber über den Horizont heraufgekommen,
öfThet er seinen Kelch, und je höher sie steigt, desto
oflFener wird e r ; gegen Sonnenuntergang zieht er sich
wieder zurück. Es will daher scheinen, dafs dieses Ge­
wächs durch Oeffnen und Zusammenfalten seiner Blätter
die Sonne nicht minder an bete, als der Mensch durch
die Bewegung der Wangen und Lippen und das Falten
seiner Hände, v Daher denn der Lotus in allen Tempeln,
bei allen Opfern und heiligen Bildern 3^); daher Lotus-
Steugel, Blaiter und Kelche in tausend Combinationen
auf allen Sculpturen.
Wenn der Aegyptier regclmäfsig zu ihrer Zeit die
Lotusblume wiederkommen sah, wenn er in ihrem Kel­
che die Staubfäden und das Pistill erblickte , wenn er

B4) Man könnte die vier7chn Stufen auch beziehen auf die
Scala des Nilwassers und seine höchsten erwünschten
Stufen; vielleicht haben auch die vierzehn Stücke, in
die des Osiris Leichnam vom Typhon zerrissen ward
(Plutarch. de Isid. et Osirid. pag. 357.) , damit Zusam­
menhang.
35) D e Sacriöcio et Magia ed. Ficin. Tornaes. p. 276 sq.
36) Man vergleiche nur Cuperi Harpocrat. p. l4. und D io­
nysus p. lyz.
286
dabei dachte, daft die Natur in sich hat männliche und
'weibliche Kraft; wie natürlich war e s , dafs e r, so z a
sagen, hier das Brautbett seiner Götter erkannte, und
dafs sein naiver Sinn die im Blumenkelche sichtbaren
Theile auf den Phallus und Myllus bezog; gleichwie der
alte Indier eben darin den Joni-Lingam verehret. Darin
sah aber auch wieder der sinnreiche Betrachter die W ahr·
heit, dafs die guten GStter nie sterben, dafs die Vegeta·
tionskraft der Natur nimmer untergehen werde.

Lotus ist also die vom Nilwasser aufs neue getränkte


Erde, und der Nilschlamm, Ιλνς, ist die Materie, ίλη
(Man vergleiche die oben angeführte Stelle des SimplU
cius zu Aristotel. Phys. p. So.)· Der Lotus verkündigt
alle Jahre neues Leben, neuen Segen. Der Himmels-
flufs und der Himmelssegen versiegt nicht; die Sonne
weiset ihm seine Bahn und sein Maafs. Auch das Leben
verlischt nicht; wir werden neu auf blühen, dem Lotus
gleich, und das frische W asser wird uns im Todtenreich
erquicken.

Die physische Beschaflenheit der verschiedenen Lo·


tusarten, so wie die religiöse Bedeutung derselben in
den Religionen Indiens und Aegyptens, wird unten im
Abschnitte von den A e g y p t i s c h e n S y m b o l e n näher
erörtert werden. Hier wollen wir nur Einiges nieder­
legen , was sich auf die K o s m o g o n i e und auf die
F o r t d a u e r de s L e b e n s , deren Bild die Wasser-
pilanze liOtus war, und mithin auf die hier dargestellte
Ideenreihe, unmittelbar bezieht. Lotus war, nach des
Aegyptiers Ansicht, das S c h ö p f u n g s b i l d aus d en
W a s s e r n (v^^oyov^xhv σηιιείον); Götter und Göttinnen
steigen aus ihrem Kelche auf. Ich habe bereits auf
der e r s t e n T a f e l nr. 6. die Vorstellung nach einer
StoscMschcii Gemme gegeben, wo Harpocrates auf dem
Kelche dieser Pflanze sitzt; und in den neuen AbbiJdun-
g e n geben wir das Bild von einer Tempclfriese zu ließ t
(Hoptos), welche uns den Osiris oder Horus nicht allein
a u f dem Lotushelche sitzend , sondern auch mit solchen
Kelchen ganz überschattet, zeigt (nach der Dcscript. de
VEg. Livr. 111. Antiqq. PI. I. nr. 9.). Hiermit hangen
ohne Zweifel die Aegyptischen ond Griechischen Mythen
vom Osiris oder Bacchus iu der Säule (Tvsptxtoriow) oder
im Baume (s. oben) zusammen; und hieraus müssen
Sildw erhe ähnlicher Art, besonders geschnittene Steine,
yvie der beiYivenzio (Tavol. Y lll. und auf unserer Gopie
davon), erläutert werden. YVir stellen hier absichtlich in
Kildern Mehreres der Art zusammen, zum Theil auch,
um den sinnlichen Beweis zu liefern, wie sehr derglei­
chen religiöse Darstellungen, auch der späteren Griechi­
schen ond Römischen Kunst, auf uraltem Grunde ur­
sprünglicher Symbolo ruhen. So sah auch Jomard
(D escript. de FEgypte II. Antiqq. pl. 74. vergl. p. 367·)
in den Grabgemäldcn von Thebä aus der blauen Lotus-
blume einen Frauenkopf sich erheben, ganz wie wir
dies auf alt-Griechischen Y'asen zuweilen sehen. Frauen
tragen auch Lotusblumen in ihren Händen in einem an­
dern Bilde der Grotten von Selsele* Wenn der Bericht­
erstatter (Roziere in derDescript. de l’Eg. Antiqq. Yol.
1. cap, 4 · pag. 23 .) hierin ein Zeichen der U n s t e r b ­
l i c h k e i t erkannte, so hatte er diese nicht zu bezwei­
felnde Erklärung noch durch eine ganz ähnliche Yor-
stellung bestätigen können, wo die ganze Scene sich
a u f diese Ideenreihe deutlicher bezieht« Es ist das Re­
l i e f , welches zuerst Pricaeus (zum Appulejus Apolog«
p. i 4 ß·) und hernach Gronovius (zum Herodot. 11. i 32 .
p. 166 cd. W essel.) bekannt gemacht hat. Hier aber,
im letzteren Bilde, ganz Griechisch-Römische Manier,
ja sogar eine Griechische Inschrift — und dennoch ge­
treue Fortpflanzung des alten trostreichen Zeichens.
288

Namlicli mit den Ideen W a s s e r , H e i l , L e b e n ^


und deren Bilde, dem L o t u s , wachst nun die Vorstel­
lung fort zum Ansdruch der H o f f n u n g des H e i l e s
und L e b e n s auch im Tode. Aus den Wassern is t
Alles geboren, ans dem Landesstrome ist Osiris, d er
Gott des Landes, aufgestanden. E r, des Lebens H err
hier und d ort, er wird auch die lechzende Seele im T ode
erquichen, wie er das lechzende Erdreich erquicht. «—
Alle diese Gedanken und UofTnungen drängen sich im
Anschauen des Lotus zusammen. Daher der Hals­
schmuck Ton blauen Lotosblumen, welchen Joroard in
zwanzig Mumienkasten in den Thebatschen Gräbern fand
(Doscript. de TEg. Ϊ. 3. Sect X. p. 35 a.)· Daher auch
ohne Zweifel an Lotus zu denken ist, wenn in einer
Phunizischen Grabschrift Osiris eine Terstorbene Frau^
Namens T h cb e, mit der Formel tröstet; D e i n e B l u ·
me w i r d s i c h w i e d e r a u f r i c h t e n ^). Vielleicht
enthalten die alt-Aegyptischen Buchstaben auf einem
kürzlich gefundenen Bruchstücke einer Mumiendecke
aus den Thebaischen Gräbern eine ähnliche Formel.
W ie dem aber auch scy: die bildliche Darstellung
gehört hierher. Ich füge sie daher hier b e i, dankbar
gegen die Gute der Freunde welche sie mir mit­
theilten.

37) Die laschrifl erklärte Bartb^Wmy in den Memoires de


l’Acad. des Inscriptt. VoL X X XII. p. 725 sqq. Die L o-
t u s b l u m e nannte hierbei sehr richtig Graf Palin in
den geistreichen , aber oft allznkUhncn Fragineiis sur les
Hieroglyphes Tom . III. p. 135.
38) D er Herren S u 1 p i z und M e l c h i o r B o i s s e r e e . E s
ist Fragment einer Mumiendecke , welche Herr R Q p p e 1
aus Frankfurt am Main neuerlich aus Aegypten mitbrachte·
Eine solche Decke besitzt jezt die Bibliothek der freien
Stadt Frankfurt.
a 89

Hier sehen ^vir die Andacht zur Lotusbluine. Ihr geöff­


neter Kelch liegt auf dem mit den fünf Zonen beschrie­
benen W eltei y und auf des Betenden Knie steht das stän­
dige Guttersymbol, der Nilschlüssel·

Aber da dem ganzen Osirisdienste, i?vie schon oben


bemerht, auch die allegorische Anschauung des Sonnen-
und Mondenjahres zum Grunde liegt 9 so wenden sich
diese Ideen nun auch so ; Die Sonne im W idder, das
erste Licht des neuen Frühjahres, ist A m u n , die
Sonne im Stier, das zweite liicht — O s i r i s . Daher im
Mythus auch gesagt wird, Osiris sey Tom Juppiter-Am­
mon an Sohnes Statt angenommen (Diod. Sic. I. 27 sqq.).
Wenn aber die Sonne im Stierzeichen ist, dann ist sie
I. 19
ago
in domicilio Veneris, Aegyptisch: im Hause der Isis;
und wann sie so, im Zeichen des Stieres, im Neumonde,
in eine gesiisse Conjunction kommt mit dem Monde,
allegorisch : wann der Sonnenstier, O siris, ira Neu­
monde die Mondskuh, Isis, befruchtet, dann beginnt
die Vegetation auf £r de n; die Sonnenkraft, die männ­
liche Kraft, wird zur Vegetatirkraft, wenn sie sich in
den Mond senkt, durch den so alle Vegetation auf der
Erde vermittelt ist. Daher denn auch Mond und M o ­
n a t , R i n d und K a l b , βοτς und μόσχος heifst (S. Pro­
clus in Uesiod. p. 168. und Eustath. ad Odjss« XIX. vs.
3c 7 ) ; und Joseph in den sieben fetten und den sieben
magern Kuben eben so viele Jahre erblickt.
liier werden also Osiris und Isis zu allgemeinen
Naturgottheiten, und bedeuten d ie K r ä f t e d e r N a ­
t u r , wie Eswara und Isi der Hindus; vergl. Jones
Asiat. Untersuch. Band I. S. Schlegel über die
Weisheit d. I. S. 113. Jabionski Voce. p. 319.
Endlich aber wird der Sohn Amuns, Osiris , sel­
ber zum Amun ; Osiris wird non metaphysisch als
höchstes Wesen selbst genommen. Nämlich in der theo­
logischen Denkart der Aegyptischen Priester, so wie
des ganzen Morgenlandes, ist ein Emanations- oder
Evolutionssjstem gegeben, in der W 'eise, dafs das ewi­
g e , höchste Wesen nach seinen Eigenschaften nicht etwa
blos gedacht, sondern gewissermafsen in dieselben zer­
legt wird, so zwar, dafs jede Eigenschaft zu einer eige­
nen Person wird. Da aber jede Eigenschaft in Gott
wieder Gott ganz ist, oder mit dem ganzen Gott iden­
tisch ist, so wird jede solche emanirte Person, wie
Osiris, in ihrer höchsten Potenz gedacht, zum höchsten
Wesen selber; oder Osiris wird eine der Offenbarungen
des höchsten Wesens. Es offenbart sich aber dieses
höchste Wesen : a) als A m u n ("Apovr, Ammon-Juppi­
ter) , in so weit es die unoffenbarten Urbilder der Dinge,
agi
die Prototypen , die Ideen ^ ans Licht bringt — als A l 1-
n i a e h t ; b) als P h t h a s (Φ^άς) in seiner dcmiurgischen
YollkoinmenheitY in so fern es jene Ideenwelt zur W irh-
lichheit bringt, und Alles nach Wahrheit und ohne Fehl
hunstreich vollendet — als W e i s h e i t ; c) als O s i -
ri S) in so fern es Urheber des Guten und wohlthätig
Isty als Quell alles Lebens und Segens — als G u t e
Dieses höchste Wesen ^ dessen Evolutionen wir
so eben betrachtet^ hiefs im allgemeinen Y o l h s g l a u ­
b e n Osiris; in so fern man es aber metaphysisch be­
trachtete, i m P r i e s t e r s y s t e m , vielleicht bald Ammon,
bald Kneph {Κνήψ, bei den Griechen gewöhnlich *Αγα»
&ο9αίμο7ν). Nach dieser Yoraussetzung wäre also Osiris,
zuvörderst als Kneph, das höchste Wesen selber, ’Aya^o-
9 αίμων. ln zweiter Instanz aber ist er Sonne; hier wird er
Adoptivsohn des Amun, d» h. diese physische Sonne ist
nur der Ausflufs jenes metaphysischen Lichtes, das wir
Amun nennen. Ferner Osiris, als Nil, ist Nichts wei­
t e r , wie Plutarohus sagt, als ein Ausflufs, ein Abstrahl
des Segens, morgenländisch als W^asser gedacht. Daher
zu Sais die Mysterien des Osiris bei Fackelscheine am
z i r k e l r u n d e n S e e gefeiert wurden; sieh. Herodot«
Π . 170.
Alle höheren Beligionssystcme des Orients aber ge­
ben von der Grundidee aus, dafs, wenn nicht das Höch­
ste selber, άγαμόν, in alle Sphären und Kreise der
YVelt herabkäme, und nicht in alle Theile des Univer­
sum einträte, und selbst auch das Bedingteste nicht be­
dingte, keine Weltordnung, kein κόσμος ^ kein wahres
8eyn, denkbar wäre· Nur durch diese Entäufserung des
grofsen Gottes ist dieser Bestand der W elt möglich;

89) Vergl. Jambllch. de myster· Aegypt. VIII. 3 . p. 159 cd.


Galt«
2 Q2

aber diese Entaafserung iDufs genommen werden im


Sinne einer orientalischen Emanationslehre ^ welcher
Lehre es eigenthumlich ist» allen jenen Ideen die Form
der Zeit unterzolegen. Der Orientale setzt Zeitperio­
den, innerhalb welcher jener Evolutionsact oder jene
Emanation vor sich geht, innerhalb welcher das ewige^
höchste Wesen sich bald in dieser Personalität, bald in
jener offenbart; und es ist das Wesen dieser Metaphy-
sih, sich die Einheit Gottes als verschlossen in seinen
eigenen Abgründen zu denhen; woraus dann das ewige
Wesen hervorgebe, als Allmacht, aber personificirt,
und so von Aeonen zu Aeonen eine andere Eigenschaff:|
aber immer als Person·
Das Aegyptische Emanationssystem hennen wir nicht
so vollständig aus Herodotus (vergi· 11. 43 . 46· 14^·))
jedoch auch drei Götterordnungen nennt, welche die
Aegyptier angenommen. Mehrere Data geben uns Dio­
dorus und Manetho ; beide nennen acht oberste Götter,
als das erste Geschlecht; worunter auch den Pan (Men­
des) ^). Es bezeichnen aber diese Götter, die an den

40) S. Jabionski Panth. Aegypt. prolegg. p. 63. et T . I. p. 18.


Diodorus, ohne gerade von acht Obergöttern zu spre­
chen , giebt folgende acht an: S o l , S a t u r n u s , R h e a ,
Juppiter A m m on , Juno, Vu lcanu s, Vesta,
M e r c u r i u s « Manetho nennt folgende acht: V u l c a ­
n u s , S o l ( des Vulcanus Sohn ) , K n e p h ( Agathodae­
m o n ), S a t u r n u s , O s i r i s , I s i s , T y p h o n , H o -
r u s . Theo Smyrnaeus de Musica cap. 47« (und daselbst
Evander) liefert folgende I n s c h r i f t : dBavarot^ l l v f J -
μ α η καί Ο υ ^ α ν ψ ^ ^ Η λ / ψ και XsXi^vyj καί Γ » καί Ν υ κ τ ι
και τατ^ί rewv οντων καί ΒσομΑων ξ ωτ ι. Aus
den Schriften der Flatoniker (nach Hermes System) ent­
wickelt Görree, Mythengesch. 11« S. 369, folgende acht
ersten Götter: der T a g , das Urlicht, K n e p h ; die
N acht, Urfinsternifs, A t h y r (erster Lingam); das Feu­
e r , der erste Odem, F h t h a h ; die Urfeuchte, aus der
ag5
Anbeginn der Zeiten gesellst werden, im höheren Sy­
stem den realen Urgrund der Dinge; sie stehen auf dem
Gipfelpunkte der W elten, und sind an sich nur blos
durch reines Denken erkennbar ^ sie sind Götter der
Vernunft, ^eolyopToi, an denen das Physische keinen
Theil hat. In wie fern aber diese erste Ordnung der
Götter doch auch den Grund enthalt der realen W e 1t|
so ergiefsen sich von ihr, als dem Urlichte und mehr
oder minder ihm ähnlich, andere Lichtpotenzen gleich­
sam in abgestuften Senkungen oder Schichten. So ist
z. B. Pan-Mendes hier genommen als das immaterielle
F e u e r , das einerseits der Grund des W eltprincips, an­
drerseits aller ethischen Begeisterung ist.
Nun folgt das zweite Göttergeschlecht von zwölf
G öttern, worunter auch Som (das personificirte rin­
gende Jahr, aber auch die personificirte Tugend» άρετ^,
die personificirte Feuerkraft ethischer Begeisterung)^
Dies versteht Jabionski (Prolegg. ad Panth. p. 74.) so,
dafs zu den ersten acht Göttern vier hinzugekommen
seyen, so dafe die Summe zwölf betrug. £s sey nämlich
die Sonne unter vier Gesichtspunkten betrachtet, in den
zwei Aequinoctien und in den zwei Solstitien; nämlich
A m m o n und in gewissem Betracht H e r a k l e s ( S o m )
die Sonne im Frühlingsäquinoctium , H o r u s dieselbe
im Somraersolstitium, S e r a p i s in der Herbstzeit und
H a r p o c r a t e s die Wintersonnc. Nach Andern (sieh.
Görres Mythengesch. II. S. 872 f.) hingegen ist die Ent­
stehung der zweiten Ordnung der zwölf Götter so zu
fassen : Diese zwölf Götter sind zum Theil besonders

Finsternifs hervorget^angen , die goldene V e n u s (swei-


ter Lingam); der Himmel und Phallus des Phthahs,
M e n d e s (Pan); die himmlische E rd e, aus der Feuchte
aufgestiegen, N e i t h a ; die Joui (dritter Phallus); end­
lich S o n n e und M o n d (vierter Lingam).
394
zu nehmenf und schliefsen eich an jene acht an; es sind
nämlich die acht Aegyptiechen Habiren j nebst noch eini­
gen andern Wesen aus der Sphäre des Mondes· Jene
acht Habiren sind die Planeten mit Sonne und Mond;
die Sonne auf der Hohe des Universums; ihr zur Seite
aufwäits Mercur, Venus» Mars, Juppiter, Saturnus und
der Sternenhimmel, als sechs männliche Götter ; sodann
abwärts Mond, Aether, F eu er, L uft, W asser, Erde,
als sechs weibliche Wesen.
Vom dritten Göttergeschlechte gilt dasselbe, was
vom zweiten« W ie dieses aus dem ersten entstand, so
ward das dritte aus dem zweiten. Es entstand aber das
dritte so : Hermes gewann einst dem Monde im W ü rfel­
spiele den siebzigsten Thci] jedes Tages ab; daraus wur­
den fünf Schalttage, die er der Zeit hinzufügte (s. Plu-
tarch. de Isid. et Osirid. p. 355 , p. 4^8 W yttenb.), und
eben so viele neue Götter; d. h. nach Jablonshi ( 1. 1. p.
75 sqq.) es entstand das dritte Göttergeschlecht in Folge
des verbesserten Aegyptischen Kalenders. Erst hatte
man nämlich ein Jahr von 36 o Tagen. Dieses verbes­
serte man durch Zusatz von fünf Schalttagen, und so
erhielt man fünf neue Götter, nämlich Osiris, Arueris,
Typhon, Isis und Nephthys. Da diese aus dem Sonnen­
jahre herausgebracht worden waren, und Thcile dessel­
ben ausmachten, so sieht man , wie sie nach Herodotus
aus der zweiten Götterordnung entstanden seyn hönnen.
Damit stimmt Görres ( 1. 1. S. 395 f . ) überein, der die­
selben Wesen annimmt, zugleich aber bemerkt, dafs
man sich unter ihnen Incarnationen der höheren Götter
zu denken habe, also Götter, die geboren werden und
sterben , d. h. Götter> die zur Erde herabsteigen, und,
wenn sie dort ihr W erk vollbracht haben, wieder zum
Himmel zurückkehren , wo sic als Gestirne glänzen.
Von dieser charakteristischen Sitte der orientali­
schen Religionen und auch der Aeg}q»tischen, die Haupt-
295

äufserungen eines Grundwesens in besondere Personen


Bu zerlegen, und dann 'wieder zu einem Begriffe zu
verbinden, zeigen selbst die Aegyptischen Götternamen
Spuren in Compositionen, wie S e m p h u c r a t e s ,
H e r m a p i o n und unzählige andere« Daher nerden
ferner besondere Namen beigelegt zur Bezeichnung be­
sonderer Verhältnisse eines und desselben Wesens« So
hiefs z. B« O s i r i s , in der £igenschafit eines S o h n e s
d e r Isis, σαφής (Plutarch. de Isid. et Osir. p.498.),
in anderer Beziehung Σε/ρ^ος (Diodor« I. 11«). Der e r ­
w a c h s e n e H o r u s hiefs Ά^οντ^ρις ( A ru e r i s, Plut.
de Isid« pag. 458 .). Dafs aber A r u e r i s wieder als be­
sondere Gottheit verehrt ward, ist bekannt, und dient
in so fern zur Bestätigung des obigen Salzes.
(Strabo XVlI« p. 55 g,), oder, wie ihn Diodorus nennt^
^Οσνμανίνας (I. 4 ?·)^ ü s m a n d i , war nur ein anderer
Name für den Griechischen Memnon- Dergleichen Bei­
spiele liefsen sich ins Unendliche vermehren. Die be­
ständige Vergegenwärtigung jener Sitte kann allein vor
vielen Mifsverständnissen in den alten Religionen be­
wahren.

$. 5.
W enn wir also gesehen haben , wie das höchste
W esen sich seiner selbst entäufsert, wie es zuletzt als
Güte und Liebe — als Osiris — sich offenbart, wie
diese dann aber auch in den Kampf mit dem Bösen ver­
wickelt wird (denn die Liebe kann sich nur zeigen durch
ihren Gegensatz, durch das Buse, Typhon), wie dieses
Göttliche Menschliches fühlen, leiden und dulden inufsy
w ie die Liebe den Gott, um Heiland seines Volkes zu
w erden, bis in den Tod hineintreibt; wie also, mit Ei­
nem W o rte, Osiris sterben miifs, damit aus der dürren,
W'üsten Einöde jenes segenreiche I<and der mächtigen
Pharaonen werde — wenn wir Alles dies zusammen-
ag6
faseen, so >verdcn wir leicht als die W urzel und Grund­
idee dieser Religion ein E m a n a t i ons - u n d E v o l u ·
t i o n s s y s t e m entdechcn. Ganz anders beiden Grie­
chen. W enn sie gleich jenen Amun hatten, der ihnen
als FeuerhraR Zeushiefs, so hatten sie auch H e r o e n ­
d i e n s t ; und es war ihrer Denhart eigenthumlich, sich
vorzustellen, dafe Könige , Priester, Sänger, überhaupt
solche , die sich auf irgend eine W eise um die Menschen
verdient gemacht und ihnen Wohlthaten erzeigt, ent­
weder nach ihrem Tode, oder sogar ohne Tod, eine
Gattung von Mittel wesen zwischen Göttern und Men­
schen würden, H e r o e n , die bisweilen bis zu Göttern
selbst erhoben wmrden. Ihnen waren Feste, Altäre, Ka­
pellen , einigen sogar Tempel und ein eigener Ritus und
Cultus, angeordnet. An diese Ansicht gewöhnt, honnte
sich der Grieche, wenn er irgendwo von einem Gotte
vernahm, der auf Erden gewesen, denselben nicht an­
ders denken, als einen gewesenen Menschen, der sich
durch seine Verdienste zum Himmel von dieser Erde
empor geschwungen. Mithin beruhete ein Tbeil der
Griechischen Religion auf der A p o t h e o s e , und der
Volksglaube der Griechen entfernte sich weit von jenem
Emanationssystem, das durch alle Religionen des Orients
verbreitet ist. lieber diesen Unterschied druckt sich
Maximus Tyrius in Dissertat. VIII. 5 . p. 187 seq. Reisk.
treffend so aus : yilv peal άνΒ^ώποις dyoe-
&οΐς, χαΐ Ti^copTat^ αντώρ αί ά^ρημονντοίΐ Sk
αΐ σνψφοραί Sk Αιγνπτίοις Ισοτιμίαν ίχειτό ^εΐον
τιμής καΐ Saκ^vωp, Ich habe diese W orte oben p. 175.
deutsch mitgetheilt. Uebrigens vergleiche man meine
Commentatt. Herodott. I. cap. st. §. 17, Wenn wir eben
Osiris betrachteten, wie e r , der G ott, aus Gott gebo­
ren , sich auf die Erde aus den himmlischen Sphären
hcrabläfst, und Menschliches, ja das Härteste» leiden
niufs, so konnte sich der Hellene mit diesem Gedanken
^97
eines auf dieErde aus seiner Seeligheit herabgestiegenen
und leidenden Gottes schlechterdings nicht rertragen;
e r hatte nur heiteret seelige Götter, die allein von
Nectar und Ambrosia unsterblich leben, und heineNotht
liein Ungemach, me es den Sterblichen auf dieser Erde
beschieden ist, kennen. Mithin konnte, nach G r i e ·
c h i s c h e m y o l k s g l a n b e n , nur ein M e n s c h oder
ein H a l b g o t t Menschliches erleiden; darum mufste
auch der Griechische Osiris-Dionysus von einer sterb­
lichen Jungfrau geboren werden , während dem Aegyp-
tier der Gott in der Qualität der Liebe erscheint, die
ihn t um Retter und Heiland seines Volkes zu werden,
bis in den Tod hineintreibt. Es ist so gewissermafsen
in allen ernsten orientalischen Lehren das Christenthum
in seinem Keime vorgebildet. Bei diesem grofsen Zwie­
spalt zwischen Hellenismus und allen orientalischen
Religionsanschauungen darf es uns daher wohl nicht auf­
fallen, wenn redliche Forscher in Verlegenheit gera-
then. Plutarchus, der gelehrteste und frömmste Hel­
lene ( s. de Isid. et Osirid. pag. 467 W yttenb.) , schlägt,
um ihr auszuweichen, einen Mittelweg ein. Einerseits
h a l t e r e s fur unschicklich, anzunehmen, dafh Isis und
Osiris Götter gewesen; er pflichte mehr, sagt e r , der
Meinung derer hei, die sie für D ä m o n e n (Genien)
hielten, d. i. für Mittel wesen, die nur halb in die Mate­
rie hineinfallen. Allein davon weifs die Aegyptische
Lehre gewifs nichts; und wir sehen hier ein recht deut­
liches Beispiel, wie grofs die Macht der Erziehung, Mie
tie f der Eindruck ist, den das Vaterland mit seiner Re­
ligion auf einen sonst sehr kräftigen Geist zu äufsem im
Stande ist. Anders bei denen, die dem System der
Apotheose huldigen. Es hatte sich nämlich in Alexan­
drien , bei dem dort herrschenden Verkehr aller Völker
und Religionen der damals bekannten W e lt , ein System,
das wir nach seinem Stifter, dem EpikureerErhemerus,
agS
der za Hassanders Zeiten blühete, das E y h e m e r i e t i -
s c h e nennen können, gebildet; vornach alle Götter
und Göttinnen der Hellenen und Barbaren Tormals Men­
schen gemsen wären , die wegen ihrer Verdienste dareb
die immer gesteigerte Verehrung der Nachwelt zu Göt­
tern erhoben worden sejen. Es mufste dieses System
zu jenen Zeiten des sinkenden Glaabens und der zuneh­
menden Frivolität natürlich aufserordentlichen Beifall,
besonders bei den Bömern, finden; wiewohl auch ein­
zelne Männer von frommem Sinne, wieKallimachus, sich
ihm kräftig widersetzten; ja ^ es findet noch jezt bei Vie­
len grofsen Beifall. W ir würden dessen ungeachtet nicht
länger dabei verweilen ^ wenn nicht einer der gelehrtesten
Forscher neuerer Zeit, Z o e g a , in seinem W erke über
die Obelisken, sich dieser Meinung hingegeben, und sie
auf die Aegyptische Religion angewendet hätte. Es glaubt
nämlich dieser Gelehrte in der Stelle des Herodotus II.
128, wo er von den Pyramiden des Hirten Phllition {noi·
μένος Φιλιτίωνος) ^ der dort einst seine Heerden geweidet,
spricht, den Grund des ganzen Osirisroythus gefunden
zu haben. Hiernach wäre der Mythus von Osiris nichts
weiter, als ein historisches Ereignifs in der Aegyptischen
Geschichte, und er selbst ein um Aegypten verdienter
und deswegen nach seinem Tode vergötterter König.
Aegypten nämlich empfing seine Bevyobner (so stellt sich
Zoöga die Sache v o r) theils aus Arabien und Syrien,
Hirten und Nomadenstämme, roh und noch uncultivirt,
theils aus Aethiopien oder M eroe, wo schon vorher ein
vollkommen ausgebildeter Priesterstaat bluhete. Letz­
tere, ein stetes, ackerbauendes Vol k, verbreiteten sich
von der ThebaYs aus immer w eiter nach Norden hinunter,
längs dem Nilthale, und so mufsten sie mit den von
Norden hereindringenden Hirtenvölkern in Berührung
kommen; was dann viele K riege, mit abwechselndem
Glucke von beiden Seiten geführt , zur Folge hatte.
^99
In diese Zeit nun fallt die Geschichte des Osiris, wel·
e h e r, nachdem er von Aethiopien aus nach Aegypten
gekommen und durch seine gemeinnützigen Erfindungen
als Prieeterkdnig seine TöJker in der Thebais beglückt
hatte, endlich sogar im Kampfe fürs Vaterland von der
Hand des Hirtenkonigs Baby (den die Griechen l'yphon
nennen) den Tod erlitt· Dies verbreitete in dem ganzen
hierokratischen Staate eine allgemeine T rauer; man be­
stattete den in seinen edlen Bestrebungen gefallenen Ho­
nig feierlich, man balsamirte ihn ein, bauete Todten-
stadte, und feierte sein Andenken durch Bilder, Lieder,
Tempel und F este; und so ward Osiris, der gute Honig,
zum guten Gotte. Spater, als die Ackermänner obsieg­
ten, als es ihnen gelang, die Hirten wieder aus Mittel­
und Unterägypten zu vertreiben und sich wieder dort
fest zu setzen, errichteten sie dem guten Gotte, der
einst als Taterlandsvertheidiger dort gefallen w a r, zu
Ehren Obelisken und Pyramiden; und w'enn Herodotus
von Pyramiden sprichtf welche die Aegyptier die des
Philitischen Hirten nennen, der dort seine Schafe ge­
w eidet, so ist eben jener Hirte Niemand anders, als der
gute Honig Osiris von Philä, der hier, wie ein Hirte,
seine Völker geleitet und regiert hatte (denn auch Ho­
merus nennt ja die Könige ηοιμένες λα ό ν), der hier im
Kampfe gefallen, und dem der Dank seiner Völker diese
Pyramiden aufgebauet; der nun im Todtenreiche über sie
herrscht als ein guter H irte, so wie er im Leben sanft
und milde sie regiert und beglückt.

4 t) Von diesen Kriegen haben wir, nach der Vermuthung


der Verfasser der Descript. de J’Eg. Anüqq. Vol. Π.
(Th^bes) pag· 24-1 , noch jezt auf den äufsersten Mauern
derGebUude vor Karnak in zahlreichen Sculpluren (worin
man die Hirten und Aegyptier erkennen will) die bildlichen
Darstellungen übrig.
5oo
So weit Zo£ga W ir merken vorerst a n , daft
schon in dem W orte Φ ιλίηος oder Φ(λιτέβ>νος bei He·
rodotus grammatisch grofse Schwierigkeit lie g t; denn
von der Insel Philä, wie Zoega meint, als dem Geburta·
orte des Osiris, der daher so heifse, kann, nach Ste­
phanus von B jza n s, diese Ortsbezeichnung nicht kom­
m en, der (pag. 789 Berk.) bestimmt die Form ΦιΧάτης
oder Φιλίτι^ς angiebt ^). Wenn ferner Zoega behaup­
t et , daik die Aegyptischen Priester ihren Königen den
iNamen H i r t e n , gleichsam als einen Ehrennamen, bei­
gelegt haben, so ist dies grundfalsch. Mögen wohl die
Griechen ihre Könige so genannt haben, die Aegyptier
gewißi nicht. Denn in ganz Aegypten waren die Hirten
verachtet, ja verabscheuet; man vergleiche nur Genes.
46, 34 · und Manetho apud Josephum contra Apion. I.
ι 4 · p« 1039· W ie sollten nun jene Aegyptischen Prie­
ster, die mit diesen Hirten in beständigem Kampfe ge­
lebt, die sie tief hafsten und verabscheueteo, ihren guten
Königen eben diesen Namen der H i r t e n beigelegt ha­
ben ? zumal da, wenn es richtig ist, was de Rossi in
Etymolog. Aegypt. p. 280. annimmt, der Name H i r t e ,
Σ ώ ς , im alt· Aegyptischen ursprünglich p r o b r u m ,
d e d e c u s , also S c h i m p f und S c h a n d e , bezeichnet.

42) In den Commentatt.Herodott. I. $.16.17. haben wir den­


selben Gei^ensrand ausführlicher zu erörtern und Zoe^a^s
Meinung zu widerlegen gesucht. W ir verweisen daher
den Leser auf dieselben.
43) Auch von dieser Seite lassen sich Schwierigkeiten erheben
gegen Jablonskfs Hypothese , welcher (vergl. Voce. Ae-
gyptt* p. 364.) indem Hirten Philition den p a s t o r P h i -
l i s t a e u s oder P a l a e s t i n u s d. i. J u d a e u s ^ d e n
M o s e , zu sehen glaubt, wiewohl im Ganzen diese Be­
hauptung mehr für sich haben mag, als Zoega*s An­
nahme. Man sehe unsere Herodoteischen Abhandlungen
1. $. 16.
001

Auch widerspricbt dieter Annahme völlig Herodotus


(II. 14^· >43 · i 44 *)t vrelcher in letzterer Stelle sich ganz
bestimmt so ansdrucht: «V or den Menschen hatten Göt­
ter in Aegypten regiert | und zugleich mit ihnen das Land
benvohnt; unter ihnen aber sey O ra s, des Osiris Sohn^
den die Griechen Apollo nennen, der letzte gewesen,
welcher, nachdem er dem Beiche des Typhon ein Ende
gemacht, Aegypten beherrscht habe; Osiris aber sey der
Dionysus der Hellenen v ; und ihn nennt er im Verfolg
als einen der Götter dritter Ordnung bei den Aegyptiern
(Man sehe, was wir oben darüber bemerkt haben). Nun
hommen die menschlichen Könige* Ebenderselbe ver­
sichert, dafs es, nach den Behauptungen der Priester,
seit 11340 Jahren keine Götter in Menschengestalt gege­
ben, ünd weder v o r h e r noch n a c h h e r habe s i c h
d e r g l e i c h e n u n t e r den A e g y p t i s c h e n K ö n i ­
g e n g e z e i g t . Hiernach also hat es unter den Pha­
raonen Aegyptens niemals einen Gott in Menschenge­
stalt gegeben, und Heroendienst hat nie in der Art in
Aegypten statt gefunden, wie der oft erwähnte Herodotus
II. So. versichert; welche Stelle Zoega, da sie mit sei­
ner Behauptung in gänzlichem Widerspruche steht, auf
andere Weise zu deuteln sucht (vergl. de obeliscis p.
3 os.)

44) Ueherdies ist die ganze Theorie ZoKga*s auf die Hypo­
these gegründet, daiS inMeroe ein Priesterstaat mit agra­
rischer Cultur existirt habe, von wannen alle Aegyptische
Cultiir ausgegangen sey. Es ist aber hierbei noch die
grofhe Frage, ob sich diese Hypothese eines grofsen ci-
vilisirten Staates in Meroe vor der Cultur Aegyptens
( wiewohl neuere Gelehrte sie sehr ausgebildet und ent­
wickelt haben), bei näherer und schärferer Prüfung,
halten könne. Auch mag Zoöga Zusehen , wie er sein
System, wornach ja der Beginn der Aegyptischen Cultur,
Rtligion und des ganzen Cultus etwa zwischen 1700 und
5oa
Auch müssen wir vor Allem den Satz fesihalten,
daPs das, was die neuere Metaphysik in abstracten Be«
griflen verträgt, der Orientale immer in der Form der
Geschichte darstellt· Alles, was über des Menschen
Zeit und Beginn hiniibergeht, das fallt bei ihm in der
Götter Reich« Und wenn bei ihm hier in einer unend­
lichen Zeit Götter auf Gdtter der Reihe nach einander
folgen, bis endlich die menschliche Zeit beginnt, so
w ill er damit eben andeuten, wie das göttliche W esen
und der Urgrund seiner Fülle gleichsam aus sich heraus
tritt, sich seiner selbst entäufsert, und in A lles, selbst
in das Niedrigste , sich verbreitet. S o , in seiner letzten
und änfsersten Entäufserung, mufs es selbst ein Mensch
werden, Menschliches erdulden, ja sogar sterben, je­
doch so, dafs e s, weil es nie von sich selbst abfallen
kann, durch seine ewige göttliche Kraft; wiederauflebet,
und der Urheber und Erhalter der sichtbaren W elt und
Natur wird.
So mufs Osiris in das AeuPserste sich herablassen,
und der Sterblichen herbes Geschick, ja sogar den Tod
erdulden, und doch ist und bleibt er Gott in seiner rei­
nen , ungetheilten Göttlichkeit; aber eben dies, dafs er
sich bis in die untersten Sphären herabsenkt, und Mensch
wird, dies gerade macht ihn zu einem der Götter dritter
Ordnung, ihn, der seinem Wesen.nach den Göttern er­
ster Ordnung absolut gleich ist.
Freilich ist diese Ansicht der Griechischen schnur-
straks zuwider, aber nichts desto weniger ist sie die
wahre und richtige. Nicht Priester, die sich mit den
Königen verbanden, diese nach ihrem Tode unter die
Götter versetzten, und sie dem Volke zur Anbetung

1500 vor Christi Geburt fSIllt, mit der Bibel und den M o­
numenten in Stein, die wir auf mindestens 2500 Jahre vor
Chr« Geb· zurQckdatiren m üssen, in Vereinigung bringt.
3o5
darstellten, haben so den Anfang aller Religion und
Gottesrcrebrung bewirbt, sondern indem sie eben in der
Natar jenes göttliche Wesen entdeckten und fühlten,
und das ihren Völkern als Gott zur Verehrung hinstell­
ten , was sie selbst auf irgend eine W eise ahneten und
fühlten, dessen Wirkungen sich ihnen offenbarten, und
was sie selber als die Bedingung ihres eigenen Lebens
und ihrer eigenen Existenz erkannten«
K urz, nicht Apotheose, nicht lebender Menschen
Yergölterung, ist W urzel der Aegyptischen Religion,
sondern N a t u r l e b e n und N a t u r a n s c h a u u n g .
W enn wir also in Osiris nicht den durch die Liebe
und den Dank der Nachwelt zum Gott gesteigerten Pha­
rao erblichen können, so war er doch Vorbild und Mu­
tter eines jeden Pharaonen ^). Schon Plato (PoHt. p*
290· d.) weife, dafs cs in Aegypten kein Königthum giebt
ohne priesterliche W eihe; es waren aber die Könige
(nach Plutarch. de leid, et Osir. p« 354 * p· 45 a seq. W yt-
tenb. verbunden mit Diodor. Sic. L 70.) theils aus den
Priestern, theils aus dem kriegerischen Adel genommen«
Sie wurden erzogen in den Tempelhallen, und bedient
nicht von Sklaven, sondern von unsträflichen Priester­
söhnen , die über zwanzig Jahre alt waren, und vor den
übrigen eine gute Erziehung und Bildung genossen hat­
ten. Hatte der König den Thron bestiegen, so wurde
er dabei in die höheren Grade der Priesterwissenschaft
aufgenommen, deren hermetische Verschlossenheit die
Sphinx andeuten sollte. Sie regierten aber nicht, wie
in andern monarchischen Staaten, willkührlich und un­
umschränkt, sondern ihr ganzes Verhalten war verant­
wortlich und nach gesetzlichen Vorschriften bestimmt.

45) Man sehe Uber diesen Abschnitt unsere Commentatt. He-


rodott. I. $· 18. nach, wo auch gleich im Anfänge die
nöthigenNotizen Uber das Wort P h a r a o gegeben sind»
3o4
So mufete er Morgens, wenn er sich gebadet und geklei­
det , zuerst den Göttern ein Opfer bi ingen; dann ward
in seiner Gegenwart vom Oberpriester vor dem versam­
melten Volke ein feierliches Gebet verrichtet, worin
ihm seine Regentenpflichten vorgehalten wurden
Den gröfsten Theil des Tages brachten sie in Gesellschaft
der Priester zu ; daher sie denn auch, gleich diesen,
dem Streben nach Weisheit zugethan waren ( 8. Strabo
X y il. p. 790. init. p. 488 Tzsch.)· Daher sie auch wohl
ausdrücklich P r i e s t e r genannt werden, wie dies in
der Stelle bei Plutarchus (a. a. O .) wirklich geschieht*
W as konnte aber den Pharaonen, nach dem Geiste der
ganzen Nationalreligion, für ein anderes Vorbild vorge­
halten werden, als eben das des Osiris? Sie sollten
seyn , was jener gute Gott, als König auf Erden, gewe­
sen , und Aehnliches für ihre Volker thun, was jener
gethan· Daher sie denn auch beim Antritte ihrer Re­
gierung die feierliche W eihe empfangen. Eine solche
Scene finden wir dargestellt an der Mauer der ersten
Galerie in dem Peristyle von Medina-tabu, auf der W est­
seite von Theben ^7) (g . Descript. de TEg. Antiqq. V ol.
II. chap. 9· sect. 1. p. 40·)· Auch unter den Reliefs in
einem Corridor der Gebäude von Karnak erkennen die
Französischen Gelehrten (ibid. Vol. II. p. 235 .) die £in-

46) Die Verfasser der Descript. de TEgypfe (Amiqq. Vol.lf.


Thäbes. pag. 216.) glauben , dafs zu diesem Zwecke ein
eigenes Gemach , das an den königlichen Fallast stiefs,
bestimmt gewesen sey.
47) W ir haben eine solche Scene nach Descript. de TEgypte
Antiqq. Vol. I. pl. 10. nr. 2. unten mitgetheili; s. unsere
T a f e l XV. nr. 2. Die Scene ist vom Porticus des
grollen Tempels zu Fhilä genommen. Es ist die E i n ­
w e i h u n g des P h a r a o d u r c h H e r m e s und
Osiris.
3o5
Weihung eines Fürsten in mehrere Grade. Zuerst M/ird
der König von den Priestern mit heiligem NUwasser
gereinigt I dann legen sie die Hände auf i hn, und fuhren
ihn hierauf in eine Kapelle, wo Götterbilder eingeschlos-
sen sind (Einführung eur Kenntnifs der religiösen Ge*
heimnisse). Alle diese Scenen sind mit Hieroglyphen
umgeben9 und dabei sieht man die heiligen Schiffe, auf
Altäre gesetzt, und auf jenen die heiligen Kasten (Laden),
mit dem ge>söhnlichen religiösen Pomp umgeben. —
Daher ferner der König nach seinem Tode auf eine Lö-
wenbahre gelegt wird, wie Osiris (der Löwe aber ist
Symbol der kommenden Nilfluth), und in dem Moment,
wo er stirbt, noch einmal die Wasserweihe des Nilus
empfangt (S . vo n H a m m e r in den Fundgruben des
Orients, Bd. V. St. 3 . pag. 279.)· Daher in der ganzen
Yorw elt Könige als Nachahmer der Götter ihren Namen
fuhren. Der geweihete Name der Acgyptiscben Könige
war aber welches Herodotus durch edel und
g u t, ηαλός übersetzt, und über welches W ort
wir das Nöthige in onsern Herodoteischen Abhandlungen
ausführlicher bemerkt haben. Wenn nun ein König sich
als ein solcher Πίρωρις zeigte, und sich dadurch als
einen würdigen Schüler der Priester bewährte, wenn er
während seines ganzen Lebens ein irdischer Osiris gewe­
sen war, wenn er vielleicht gar, wie Osiris , gestorben
um der guten Sache w illen, etwa im Kampfe für’s Va­
terland gegen herein dringende Barbaren- und Hirten-
schwärme, wenn er so gleichsam Göttliches auf Erden
gethan, aber Menschliches gelitten, so wird man ihn
nach seinem Tode gemfs verherrlicht haben durch Feste
und Trauergesänge, als den wahren und ächten Nach­
folger des Osiris, der ja auch einst als König die Aegyp-
tische Erde beglückt hatte. So ward wohl ein und an­
derer Pharao in Osiris Lichte dem Volke gezeigt, oft
wohl selbst in religiösen Scenen, wie die nächtlichen
h 20
3o6
2U Sai6 am S ee , man O sim Leiden in Schauspielen
darstellte· — So mdgen v^chl euch von manchem guten
König Lieder gesungen worden seyn , Ihnlich dem Liede
vom göttlichen König su PhilS (Osiris) — Aber eben

46) Gerade so ging es mit Dionysus- Osiris ln Griechenland·


Dionysus, der G ott, hatte auch um der Menschen wil­
len , verfolgt von der Stiefmutter Juno , sein väterliches
Erbe verlassen und flüchtig werden inOssen, und , nach
einer mystischen Sage, endlich sogar unter den Händen
der Titanen den grausamen Tod erlitten, nachdem er
die Welt seiner guten Gaben froh gemacht, und ihre
Bewohner Ackerbau und Weinbau gelrhret; weshalb er
auch den Stierkopf und das Horn ( den ältesten Becher)
y.um Bilde hat. Das ward an Pesttugen dem Griechi­
schen Volke in Tragödien gewiesen. Nun lebte in Argus
und Sicyon ein Held, ein König Adrastus, der Sohn des
Talaus und der Lysimache oder Eurynome· E r hatte
auch sein Volk geschirmt und Göttliches gethan. Er
hatte den ersten und zweiten Krieg gegen Thebe kräftig
gerührt, muiste aber endlich als Flücluliiig in der Fremde
wallen, und starb zuletzt, gebeugt durch den Tod seines
Sohnes Aegialeus (s. Pausan. 1.39· VIII. 25. X.96. Apol­
lodor. 111. 7.) Fortan verehrten die Sicyonier den Adrastus
statt des Dionysus, und s t e l l t e n s e i n e P a s s i o n s -
g e s c h i c h t e in t r a g i s c h e n C h ö r e n d a r —
Kvmviot ari/xtw r^v , και ^ TuSsa aCroy
ytHoTci yo^olct · rev fxh oy ri/uUcuvr»(τον ü
Herodot. V. 67. Daher auch Adrasts Lehen
und Tod auf Griechischen Vasen dargestellt ist; s.Millin
Magaz. encycl. 1814. p. 2*9· Aufserdem vergleiche man
über diese Stelle, in der der Ursprung aller Griechischen
Tragödie zu suchen ist, Bentleji Opuscc. pag. diO Lips*
Hermann ad Aristot. Poet· pag. 104. Das Locale dieser
Königsburg und des 'J'htaters hat neulich beschrieben
W . G e l l Argolis p. 61. M rhreres habe ich zur Stelle
des Herodotus bemerkt.
W er wird also nicht wahrscheinlich finden, dafk die
(Scenen; Herodot. 11. 171·)^ die man von Osiris
δθ 7

hieraus honnte hei dem gemeinen Acgyptischen Volke,


das der höheren Einsicht und Weisheit ermangelte^ ein
Wahn sich erzeugen, wornach eie eben jenen Osiris­
junger, jenen Nachfolger des Osiris, mit Osiris selbst,
sumal da ja die Priester ihn unter die zählten, die einst
fiber Aegypten geherrscht, \cmrechseUen, und den
Osiris selbst für diesen gestorbenen König annahmen,
oder auf diesen gestorbenen König das ubertrugen, was
der gewöhnliche Glaube von Osiris meldete· Demnach
wiederholen wir hier nur unsere frühere Behauptung,
dafs nicht ein Kö n ig von Philä z a einem
Gotte g e w o r d e n , sondern dafs eben jen er
a l t e N a l u r g o t t , O s i r i s , im V e r l a u f d e r Z e i ­
ten vo n V i e l e n f ü r einen alt en P h a r a o ge-
l i o m m e n w o r d e n a e y , u n d a u c h l e i c h t ao
h a b e g e n o m me n w e r d e n hönneii·

$. 6.
Bildliche Darstellungen der V o lh s g o t t-
beiten.
Eine grofse Zahl von P e r s o n i f i c a t i o n e n diente
zur Bezeichnung jenes Sonnenjahres, so wie jener V er­
bindung der Jahresgottheiten unter einander. W ir wol­
len# aufser dem schon oben Bemerkten, als Beispiele
einige ausheben# mit Beziehung auf die unten beigefüg­
ten Abbildungen. Unter den Sciilptureu der besten Art
in den Ueberbleibseln von Karnak, nördlich vom Paltasie
daselbst, auf einem Monolithen, sieht man sechs Figuren,
die sich die Hände reichen, darunter Isi s mit der Kugel

Tode iti SaYs zeigte, etwa an den Jaliresfestcn der Siege


über die Hyksos , in der ThehaTs auch auf einen nienKch-
lichen König, auf jenen Sieger über die Hirten, überge­
tragen wurden·
3o8
und StierhSrnem auf dem Kopfe, O s i r i s und H o r u s .
Die ureibliclien Kdrper sind von sehr schöner Zeich­
nung, und überhaupt ist diese 6culptur eines der trefR*
liebsten Stuche; s. Desciipt. de TEgypte Antiqq. VoK II.
(Thebes) ρ· ο4ο· Auf der e r s t e n T a f e l F i g . 5 * er­
scheint der hundsliöpfige Anubis, mit dem jungen Horus
auf der einen Hand, und mit dem heiligen WassergefSh
in der andern E b e n d a s e l b s t nr. 6. b t Harpo­
c r a te s ^ Torgestellt, mit der Peitsche, als dem Zeichen
der Macht und Herrschaft (daher sie auch Osiris hfiulig
fuhrt), und siteend Inder bekannten Stellung auf dem
Kelche einer Lotnsblume, als dem Bilde des nie versie·
genden Nil und des nie erlöschenden Lebens. H o r u s
ist unter den Bildwerken der Katakomben von Theben
ausgeneichnet durch vorsöglich sorgAltigen Hopfputn
Ton eingeflochtenen Haaren. Es scheint selbst, als ob
zuweilen die diesem Gotte geweiheten Jünglinge glei«
eben Kopfputz halten; s. Descript. de TEg. Vol. II« An-
tiqq. pl. 46· fig. 6.7· 8. und dazu den l'ext II. pag. 334 «
Han will ihn auch in der sogenannten Harfengrotte, in
den Königsgrabern, als Hauptperson des dort vorgesteU-
ten Festes oder Opfers finden; s. Costaa ibid. pag. 4 o3.
A u f einer Gemme bei C a y l u s I. Tab. 9. nr. i. sitzt ge­
rade s o , wie der zuletzt angeführte Harpocrates, der
behaarte H o r u s auf der Lotusblume, mit der Peitsche
in der Hand. Gegen ihm über steht der Cynocephalus,
eine Affenart, die in den Aegyptiseben Tempeln er­
nährt ward, um an ihr die Mondsveranderungen, die
auf dieses Thier groften Einflufe haben sollten, wahr­
zunehmen· Daher denn der Neumond unter dem Bilde

49) Allfeiner StoschischenGemme; s. Dactyliotheca Stoschia­


na ^ bearbeitet von Schliohtegroll B. II. T ab. 17. n r.llJ«
50) Aus derselben Sammlung II« T ab. 15» nr» 99·
5o 9
eines aufreditstehenden Cynoceplialus vorgestelU ward
(Horapollo I. i 4 ·)· Gerade so erscheint er auf der Gern*
me bei Caylus. Beide, Hotus und Cynocephalus, sitsen
einander gegenüber auf einem Kahne, der sich nach
der Seife des Cynocephalus in einen Widderhopf» nach
dem Horus su in einen Stierhopf endigt, mit Anspielung
auf den Stand des Mondes im Widder und den Sonnen­
stand im Zeichen des Stieres. Die allgemeine Vorstel­
lu n g, die man in diesem Bilde hat finden wollen, lassen
w ir au f ihrem W erthe beruhen; wir erinnerten nur
daran wegen der speciellen Attribute des Horus und des
angedeuteten VerhSItnisses zum Monde.
Harpocrates mit dem behannten Gest, die Keule»
jenes Attribut des Hercules, in der einen Hand haltend|
und auf einem Widder reitend, auf dessen Kopfe eine
Kugel lie g t, erscheint auf einer Münze des Kaisers
Hadrianus Hier fallen also die Ideen τοη Har­
pocrates und Herakles bereits im Bilde zusammen. —
Harpocrates, mit eng zusammengedruchten Beinen, mit
einem knapp anliegenden Gewände, mit einer Mitra, aus
zwei runden Stucken zusammengesetzt, und mit dem
Zeichen der Mannheit, das unter dem Gewände herror·
tritt, findet sich auf der nordöstlichen Galerie des Tem­
pels von Hedina-tabu (Theben auf der Westseite)^ sieh.
Descript. de fE g. T. 1. Livr. II. ebap. 9« aect· 1. p. 07;
auch vorher schon in den YorhöTen auf ähnliche W eise;
ibid. p. s 5 . Man bringt ihm Fruchte zum O p fer; ibid«
pag. 45. Desgleichen Harpocrates im Zustande der
Erection; vor ihm eine Frauensperson mit dem gehen­
kelten Kreuze (Tau) und mit dem Lotus. Bings herum
Vasen und Canoben und Blumen, besonders Lotus; des-

äl) Bei Z o C g a , NumI Aegyptt. imperator. Tab. DC· nr. 4«


Sie ist unten beigetiigt auf Tafbl I. nr· 7«
3io
gleichen eine Sphinx mit }ungfränlichem Kopfe und Lo-
^venhörper, haltend eine Vase, und darauf eine Scheibe«
V or Harpocrates reicht ein Priester eine Art von Schei­
be dar, norauf eine kleine knieeiide Figur, die eine
Vase mit beiden Händen hält; ibid. p. 45· Ebendaselbst,
SU Medina-tabu , erscheint Harpocrates in seinem Tem­
pel , auf einem Kästchen, als eine Gestalt mit einem
Arme und einem Beine, aber im Zustande der Ercction;
in seiner Hand ist ein Di'eschilegcl; hinter ihm sieht
man Lotusstengcl und W ciiiranhen; ibid. p. 48. Hat*^
pocratesy mit den Zeichen der Mannheit, kommt gleich­
falls oft auf den Gebäuden von Karnak, d. i. auf der
Ostseite von Theben, vor; ibid p. αιβ.
Isis, die ihren Sohn säugende Mutter, ist auf den
ältesten Acgyptischeii Denkmalen mihrmals sii sehen,
s. B. auf den Sculptnren von Philä (s. Desevipt. de l'£g·
Vol. Ϊ· pl. 03 . nr. 3. 3 . 4 · 5 ,) viermal; dreimal säugt
sie ein ziemlich mageres, auf ihrem Schoofse sitzendes
Kind (vielleicht Harpocrates); einmal (nr. 3.) ist aber
der Säugling ein rüstiger, vor der Mutter stehender
Knabe (etwa Horus). Ebendaselbst, Antiqq. L chap.
V llL p. II. mit pl. 96. fig. 1. im Tempel sii Hermon·
this, sieht man im Grunde des inneren Heiligthuins die
Niederkunft (raccouchement) der Isis; diese erklärt Jo-
mard a. a. O ·, mit Beziehung auf Plularciius, für das
Symbol des Wintersolstitiums und des Hervorhommens
der Pflanzen· Das Säugen des Hurus, das ebendaselbst,
dem vorigen Bilde gegenüber, vorgestellt ist (s. pl. 98.
iig. 3 . ) , bezeichne zugleich das Wachsthum der im
Schoofse der Erde genährten Pllanzen und das Wachs­
thum der Tage nach dem Wintersolstilium, Ebendaselbst

52) W ir geben di«?se Scene nr. 2, auf u n s e r e r T a f e l XVI·


m*. 1.
3 ii
(pl. qi*) sieht man den Horus, erst noch sehr klein und
f^saugt von Kühen» dann grüfser und gesSugt von
der Isis^ dann von ewei Frauen mit KuhhüpFen» endlich
auf dem Schoofse von vier andern Frauen ^ in noch grSs-
tercr Gestalt, mit dem Finger auf dem Munde und mit
einem Halsbande; das heiPst» nach Jomard (a. a. O· p«
II* 13·)» man sieht ihn aus einer Periode der Kindheit
in die andere übergehen.
Eine Aegyptische Münse des Kaisers Antoninus pius
zeigt Isis auf einem Stuhle sitzend» auf dessen Lehne
zwei Wiedehopfe gesehen werden. Sie säugt eben ihren
Sohn » und auf einem Tische vor ihr steht das in eine
lange Rohre auslaufende und mit einer Schlange » als
Handhabe» versehene Gefäfs Der Wiedehopf (upu·
pa» cucupha) W'ar ein Bild der hindliohen Liebe» weil
man von ihm glaubte, dafs er seine altgewordenen AeU
tem ernähre. Dieser Vogel kommt daher häufiger auf
Λ egyptisclien Denkmalen vor, oder auch sein Kopf» auf
einen Stab gesetzt» z. B. in der Tempelmauer zu Ten·
tyra (bei Denen pU lao . nr. 8.). Auch fuhrt Osiris einen
solchen Stab auf einer Stoschischen Gemme (s. Schlich
tegroll 11. p. 6a. zu Tom. 1. Tab. V . a.). Das hier abge·
bildete GefäPs ist der im Geheimdienste mehrerer Natur«
gottheiten gebräuchliche Krug, der als Wassergefafs
den Vorstehern des feuchten Elements gewidmet war»
und durch die damit verbundene Lampe das Feuer be­
zeichnet e » durch die Schlange aber die sich immer neu

53) N a c h Einij»en h ir fs der a lte re H o r u s : A r v e r i s ( P l u -


ta r c h . de Isicl. p . 4 5 8 .)
5 4 ) B ei Z o C g a in d e r a n g e fü h rte n S a m m lu n g T a b . X . n r . 1 .
W i r h a b e n d ie A b b ild u n g b e ifü g e n la s se n T a b . I. n r . 2«
5 5 ) l i e b e r d e rg le ic h e n A e g y p tisc h e S iS be $. F e a zu W in c k e l-
m a n n s G c s c ii. d e r K u n s t 1 . S . 326. u n d d ie H e ra u s g e b e r
e b e n d a s . S . J27*
312

verjüngende Naturhraft und andere VorstcHungen, die


im Schlangensymbol lagen· Oft waren auch Mohnhaup-
ter und Früchte in besonderen Verhältnissen damit
verbunden

5* 7·
S e r a p i a.
Unter den allgemeinen Gottheiten Aegyptens trat
nachher der Nationalgott unter dem Namen S e r a p i s ^

46) A n f d e r d ritte n K u p fe rta fe l s u m D i o n y s u s h a b e ic h


e in G e n f s d ie s e r A r t a b b ild e n la s se n , d a s s ic h im G ro fs *
h e r i o g li c h e n M u s e u m zu D a rm a ia d t b efin d et· E s b a t Hie
S c h la n g e n u nd d ie w eit a u sg e b o g e iie R d b r e , w ie d a s a u f
d e r v o rlie g e n d e n A b b ild u n g im K le in e n e rs c h e in e n d e ·
J e n e s h a t d ie In s c h rif t *ΛσκΛι;«νος· D e r g le ic h e n G efäiiie
w a re n n S in lic h d e m A e s c u la p iu s , d e r I s i s , d e r R h e a u n d
d e r C e re s g e w id m e t, d ie d a v o n ιτοτΜ(./£φ9^0ς li ie f s , u n d
m e h r e r e n a n d e re n grofV en N a tu rg o d h e ite n · I n d ie s e r
v e rs c h ie d e n e n B e z ie h u n g fü h r te e s a u c h v e rs c h ie d e n e
K a m e n , z· B . im R h e a d ie n sc e h ie fs e s z u w e i­
le n w ard e s c y m b i u m g e n a n n t^ v e rg l· d ie E rlS u te ru n *
g e n im D io n y s u s p . 2 t3 ^ 226.

4 7 ) U e b e r die B e d e u tu n g d e s N a m e n s , d e n s c h o n d ie A lte n
v ie lfa c h zu d e u te n u n d zu e rk lä r e n s u c h te n , h a t s i c h
n e u lic h M u h l e r t e r k lä rt in d e r L e ip z . L itt. Z e it . 1S15·
p a g . 179*)· E r s u c h t d e n s e lb e n a u s d e m E b rä is c h e n z u
e rk lä re n , so dsf^ e r b e d e u te e n t w e d e r : d e r g e h e i m -
n i f s v o l l e S t i e r o d e r: d e r H a u p t s t i e r . P lu ta r «
o b US de fs id . e t O s ir . p · 362. p . 4 S i W y tte n b . ( a u f w e lc h e
S te lle w ir n o c h ein m a l w e ite r u n te n z iirQ c k k o m m e n w ar«
d e n ) ei k lä r t S e ra p is d u rc h cuφ(/cσvvι; u n d γα^μοσυνη. J a *
M o n s k i, w e lc h e r d e r M e in u n g ist (s . V o c e . A e g y p tt. p . 2 SS
a t | . ) , a ls se y d a s W o r t z u s a m m e n g e s e tz t a u s S a r - a p i ,
u n d b e d e u te e in e A r t N i l m e s s e r , e in e S ä u le , w o ra n
d ie G ra d e d e s w a c h se n d e n N il b e m e r k t w o r d e n , s c h e in t
d a b e i n ic h t g e n u g b e d a c h t z u h a b e n , w i e i n n i g b e i
5i3
(desten Alter wir nicht kennen) in einem weil herrschen­
den Cultus herTor^ und verdonkelte fiogar alle übrigen,
besonders seit der AleKendtinibchen Zeit^ und noch mehr
in der folgenden Periode^ da die dem ausländischen
Dienste ergebenen Hümer ihm den Begriff des allerhüch·
eten Gottes beilegten. Der Ursprung seines INemens ist
eben so nngevrib, wie der des Osiris. Seit Alexanders
Zeit trat er bestimmt an die Stelle des Osiris, und iwar
in allen Beaiehungen. Begriffe von ihm: Herr der Ele­
mente, Inhaber der Schlüssel des Wasserreiclis und des
Mil, Gott der Erde, Vorsteher über alle tdlurisehen
Kräfte und Gott der Untenveit; Geber des Lebens,
Todtenrichler und Bcgnadiger im Tode. Daher seine
doppelte Bedeutung : er ist der freundliche und der
furchtbare. Jenes ist er als Nährer nnd Urheber des
Reiehthams, als Erhalter und A ra l, und in so fern mit
dem Aesculapius identificirt, als Tischgott und Freuden­
geber; dieses ist er als Gott der Wintersonne und der
Finsternifs, als Herrscher über das Todtenreich. Daher
er auch seinen Sitz in den Nekropolen hat; daher auch
die Formeln und Gebete an ihn auf Inschriften und Mn-
luiendecken.
So wie dort dem Osiris A n o b i s (und Hermes) bei­
gesellt war, SD auch hier dem Serapis, und zwar in allen
Beziehungen, sowohl dem Nil - und Wasseigotte und
dem Naturbeschlicfser, als dem Heriwcher in der Unter-
w elt und Todtenrichler. Die Ausbildung dieser Ideen
von Serapis scheint in die Zeit der Ptolemäer zu gehö­
ren» Der Ursprung seines Dienstes aber ist älter. Man

den A e g y p tie r n d e r G e d a n k e an e rq n i c k e n ·
d e s W a s s e r m i l d e r n an H e i l u n d G l O c k s e e «
Jigkeit, welche den R ein en und U nachnldi-
gen O siris, der H errscher der Unterwelt
( S e r a p i s ) , s u t h e i l t , v e rb u n d e n war»
5t4
verehrte ihn au Bhahotis ltnge vor £rbdiiiiiig von Alex·
andria» und in Mittel- und Vorderasien ^ so wie in G rie­
chenland^ finden sich Spuren einer etwas früheren Be-
hanntschaft; mit diesem Wesen« Ja vielleicht kannte ihn
das alte Memphis schon, wie sieh aus Vergleichung meh­
rerer Stellen des Herodotus und Anderer vermuthen
laHst· Gans neuerlich hat man unter den Tempelbildern
von Tentyra I in einer plumpen menschlichen Figur mit
ernenn langen Schwanke am Rücken und mit dem Modius
auf dem Kopfe (bei D e n o w pl. ii6. hg. 5 . denSera-
pis erkennen wollen^ in der Eigenschaft eines Gefihrten
dea Typhon, alseinen furchtbaren, büscn Genius (sieh.
B h o d e liber den Thierkreis p. 9s.). W äre diese Hy­
pothese gegründet, so würde Serapis hoehstwahrschein-
lich dem alten Pharaonen·Aegypten angchoren. Die Idee
des b ö s e n und f u r c h t b a r e n Geistes widerspricht
den nachher herrschenden Begriffen von Serapis nicht·
wie sich ous dem Obigen ergiebt; und bei dem Unter­
gänge so manches alt-Aegyptischen Gotternamena wäre
auch der Umstand erklärbar, dafs keiner der älteren
Schriffsteller dessen gedenkt. Doch fordert jene Annah­
me, um auch nur einen hohen Grad von Wahrschein­
lichkeit XU erhallen, noch anderweitige Bestätigungen.
Um die bildlicho Voisteliung des Serapis xu fassen,
mufs xuvorderat an den C a n o b u s erinnert werden.
Unter diesem Namen kannte und verehrte man einen
der Naturgöiter, die man bald die g r o f s e n , bald die
g u t e n vorxugsweise nannte. Auch gab man dem Na­
men bald die Bexiehung auf die Fülle und Segnungen
der Natur, und fand die Bedeutung des g o l d e n e n
B o d e n s darin, mit Hinweisung auf das fruchtbare Ae­
gypten. Seine Gestalt neigte den Nilkrug oder sonst ein

J e t t in d e r D e s c rip t. d e T E g . L iv r . Π Ι . pU 33. S ic h e r e r
h e if s t e r w ü h l e in C abire«
5iS

»phirrisdies GefaTs, mit dem darauf gesetzten Mcnachen«


k cp fe , Auwcilcn mit Schlangen und andern Attributen
der Art verbunden« Aehnliche Güiierbildüngen in ahn·
lieber Bedeutung bannte das ältere PhüniBien, Vorder­
asien und Grieehenland. Unter den Griechen aber machte
die Menschengestalt frühzeitig dieser roheren Vorstel­
lung Platz, ln Aegypten ^ard miter den ersten Ptole^
maern ein Serapis von gebildeterer Foi*m aufgestellt«
£s war ein ernster G o tt, mridem llodius (Getreideroaafs)
auf dein Haupte, der das von einer Schlange umwundene
Thier mit dem H unds·, Ldwen· und Wolfshupfe neben
eich hatte« Diesen Serapis, der dem Griechischen Ades
genähert war^ leitete die Sage von Sinope im Pontus
her. £r ward der Uauptgott von der Weltstadt Alex-
andria, and bald im Besitz unzähliger Tempel der gan­
zen dantaligen W elt. Aber auch jezt verschwand die
rohere Form nicht ganz, sondern in der alten Stadt Ca^
nobus, an der von ihv benannten Nilmiindung, behaup­
tete sieb jenes Naturwefon in alter Gestalt, und blieb»
wie vordem) Hauptgegenstand eines Geheimdienstes;
so wie sich auch eine Geheimlehre ans diesem Cultus
heraiisbildcie, von der wir in den Schriften der Philo­
sophen viele Spuren finden.
Diesen Caiiobas sehen wir zuvorderst sehr bedeut-
s auf alt-Aegyptischen Denkmalen, z.B . in denSculp-
loren und Mmniendechen, die man zu Theba gefunden
hat. So sehen wir z. B. in der DesoHpt. de l'Egypte
Vol. II. pl. 36 . eine Sphinx mit Jungfrauen hopfe und
Mensehenhänden. Sie mht auf einer Erhöhung. Ueber
ihr schwebt mit ausgebreiteton Flügeln der heilige Vo­
gel (vielleicht der Falhe, Ιέ^αξ), V or ihr sitzt ein statt­
licher Gott mit der symbolischen Hopfbedeckung und
mit dem gehenkelten Kreuze in der Hand, ohne Zweifel
Osi r i s« Diesem reicht nun die Sphinx einen C a n o b u s
dar« Hier wird wohl dem grofsen Herrn der Natur der
3i6

gefielt- und geheimiuTtreicTie W eltreich , der Feuer und


Wasser in sieh yerwahrte, übergeben. Er doll dicMI-
achang bestiminen. Es ist eineniysteridse Spende; darum
ict die Sphinx die Ueberbringerin des mystischen Ge-
fafses. —- Am Porticus des grofGcn Tempels von Philä
erscheint 9 nach der Descript. de ]*Eg. Vol. 1. pl. to. nr.4,
ein Canobus mit dem Widderhopfe^ der oben swei hei­
lige Schlangen hat. Er 'wird auf einem Altar von swei
Personen getragen. Der Canobns hat eine Rdhre^ worauf
eine Sphinx ruht, nach dem Kruge sugehehrt» Vordem
Canobus steht eine Person mit ausgestrechten Händen.
Der Canobus hat oben, scheint es, swei verschlossene
Thürchen. Am hinteren Theüe ist eine Figur beschsf·
tigt an einer hietnen OefTnung des Kruges.
Ferner auf M u m i e n d e c h e n sehen wir uAers Ca­
nobe , s. B. in den monumentis Middletonianis T ab .X llI.
und auf einer Muroiendeche aus den Kdnigsgräbem von
Thebä (s. Descript de TEgypte Vol. II. pl. 9s.) stehen
unter dem L 5 wentische, irorauf ein Leichnam ruht, den
der hundshoplige Hermes einsegnet, v i e r C a n o b e
(diese Zahl scheint ständig zu seyn) —> vielleicht in B e·
sug auf die vier Elemente.
Eiidltch treffen v ir diesen Canobus auch häufig auf
M ü n z e n an , z . B. auf einer Aegyptischen vom Kaiser
Galba (bei Zoega numi Aegypt. Tab. III. nr. 5 .)
und den menschlicher gewordenen Serapis , mit dem
dreiköpfigen Thiere und mit dem Modius auf dein Kopfe
und dem Herrscherstabe in der Hand , auf einer Münze
des Kaisers Alexander Severus (in derselben Sammlung
Tab. X V 1. nr. 8.)

5S) S . u n te n T ab. f . n r . 8 .
S9) S u n te n T a b . I . n r . 9· D ie B ew eise f ü r d ie V o rs te llu n ­
g e n , S y m b o le u n d M yU ien d e s S e ra p is - u n d C a n o b u s «
d ie n s te s finden s ic h im D io n y s u s p . 185 s q q . 5 . w eite r u m e n ·
5 i7
$. &

T y p h o n
Die ganze Priesterlehre der alten Aegyptier war^
Vi^le wir schon oben gesehen haben, auf Beförderung
agrarischer Cultur gerichtet , und wir sehen letztere
auch durch das ganze Nilthal yerbreitet, so weit eben
die Beschaffenheit des Landes Acherbau und feste Wohn­
sitze gestattet. Daher denn auch das Niltha] das Land
wrar, das den guten Gdttern, Isis und O siris, angehörte,
w orin, nach gemeinem Glauben , diese einst regiert, und
ihre Λ"ö]l(er unter andern durch die Wohllhaten des
Ackerbaues beglückt hatten. Hingegen die an Aegypten
angränzenden Landstriche t welche, von der Natur we­
niger begünstigt, keinen Ackerbau zuliePsen, wurden
als verflucht und unter der Herrschaft eines bösen Gei­
ntes — l'yphon — stehend betrachtet. £r hat aber ein
gedoppeltes R eich; einerseits die brennenden und vom
Samum durchgluheten Sandwüsten Libyens und Syriens,
andrerseits die böse Dünste aller Art ausbauehenden
Sümpfe und Moraste an den Nilmündungen, in dem un­
teren l'heile Aegyptens, besonders in nnd um den 8er-
bonischen See und in der Syrischen W ü ste, wo der
Flugsand den Aufenthalt so beschwerlich und oft ge­
fährlich macht. Daher, wie Plutarchus (vit* Anton*
cap. 3 . pag. 917· A .) angiebt, diese Gegenden von den
Aegyptiern Ύνφωνος ixgivoai, Ausbauchungen des Ty-
phon, genannt wurden. Demnach war der Grundbe­
g riff des Typhon d er, dafs man sich im Allgemeinen
unter ihm a l l e b ö s e n E i n f l ü s s e u n d K r ä f t e

6 0 ) A u s f ü h r lic h e r bähen w ir v o m T y p h o n g e s p r o c h e n in d e m
xw citeit C ap itel $· 2*2. u n s e r e r H c ro d o te is c h e n A b h a n d lu n ­
gen, w o ra u s d ie s e r A b s c h n itt s u m T h e il g e n o m m e n is t.
5t6
θβΓ N atur überhaupt d a s B o s e s e l b s t , in
p h y s i s c h e r und e t h i s c h e r B e z i e h u n g , dachte.
Es hat ober diese Idee sehr viele Formen angenommen,
zumal unter den Griechen, von der filteren Theogonie
an bis KU den spfiteren Dichtungen herab (s. Moser zu
Nonni Dionysiaca VIII. ?s. 373. p. 181 sqq.), und ist in
Aegypten auch mit der Landesgeschichte in Verbindung
gebracht. Daher auch jene Uirtenvolher an den Grän­
zen Aegyptens, die, an ein unstetes Leben gelohnt,
sich nicht k u festen Wohnsitzen, mit Acherbau verbun­
den , bequemen konnten, von den Priestern tief verach­
tet und verabscheuet wurden, und jegliche Bosheit,
jeder Frevel ihnen zugeechrieben wurde; ja man nahm
sogar von ihnen V ieles, das man auf den bösen Genius,
auf das böse Princip selber — Typhon — übertrug und
diesem beilegte. Daher denn auch das Thier des Typhon
der E s e l ist (im Gegensatz gegen den S t i e r , als Sym­
bol der agrarischen Cultur). A uf ihm stellt or dem Ho-
rus-Apollo nach, den Latona auf der Insel bei Buto
verborgen hat (s. Herodoi. II. i 56 · ) , und darum wird

61} M it E in e m W o r t e , a lle U n g u n s t, d ie d e r A e g y p tie r im


R e ic h e d e r N a t u r e r l i t t , le g te e r d e m T 'y p h o u b e i ; a lle s
F re u n d lic h e u n d W o h lth ^ iig e d e in O s ir is . H ie r liegt a lso
s c h o n ein p h y s is c h e r D u a lib in iis a m T a g e . K s ist n ic h t
o h n e I n t e r e s s e , w ie d e r b e re d te J o b . C h ry s o s tu in iis d ie ­
s e s M alb iren d e s H e rrn d e r N a t u r v o n s e in e m C h ris t-
lie b e n P rin c ip a u s b e s tre ite t· M a n le s e se in e s ie b e n te
H o in ilie an d ie A n tio c h ie r p a g . Ββ e d . F ra n c o f. E r n e n n t
d a b e i die H eid en (^Ελ>ΐ 7νας)· B ei e in e r S te lle so llte m a n
fast v e r n i u lh e i i, e r h a b e a u c h d ie A e g y p tie r v o r A u g e n :
— άλΧ T0>JJ}Ui λ </Jt tv V , αυ'^ζμων yryvcuivccv, xat -aro-
— λΐίγουσ/ν, οτι βυκ αςίΛ ταΰτα tij$ reC θ ίο ν ‘Τζονοίας.
— D o c h w en n a u c h d ie s e r T a d e l a llg e m e in e r g e n o m m e n
w e rd e n m u f s , s o ist d a rin d o c h d ie A e g y p iis c h e A n s ic h t
g u t c h a r a k te r is ir t. D e n n d ie s e r zu fo lg e w a re n D ü r r e ,
H u n e e r . K r i e z u n d d e rg l. W ir k u n g e n d e s T y p h o n «
319
auch der Esel dem Lichtgoit Apollo, dem Feinde alles
Dunkele und alles UnerdeiHlichen aur Versöhnung
geschlachtet.
W ie unter den zahmen Thieren den E sel, so legte
man unter den wilden das C r o c o d i l und d a s N i l p f e r d
ihm bei (s. Plutarch. de Isid. et Osirid. cap, 5 o, p. Syi.
a. p. 5 so· und besonders das zunächst Vorhergehende
csp. 49. p. 371. A· p. 5i 9 Wyttenb.)· Es konnte aber
der E sel, durch das Ungemorsigte, Uebertriebene» W U
dersprcchcnde und Bizarre in seiner I^atur, ein passen·»
des Bild geben ^ sowohl von der Gewaltthätigkeit und
Macht des Typhon im Bösen und in der Vernichtung
alles Guten (worauf sich auch das Crocodil und Nilpferd
beziehen), wie von seinem Alles überschreitenden, un·
ordentlichen und unbeständigen , treulosen NVesen·
W enn man sich nun unter Typhon die bösen Einiliisse
der Natur dachte, die sich bald in den gelabrlichen
Ausdünstungen der Sumpfe, bald in schadiiehem Ge­
würm, bald in ansteckenden Seuchen bald in dem
versengenden Glutwinde der W üste , bald in der über­
mächtigen , Alles vernichtenden Gewalt des Meeres,
das den guten Nilstrom in sich aufnimmt und gleich·
SBm verschlingt^*^), äufsorn, so waren ebendiese Ideen

62 ) lieber nnrtere Beziehungen des RseU veigleiche man die


CummrntatL llerodott. I. 2 2 , wo auch , was das zu ­
nächst Folgende betrlfl^, die beiden Stellen des Plutar-
clitis genauer behandelt worden sind.
Gegen die oft lOdtlichen Fieber in den Sumpügon Niede­
rungen des [ .a n d e s halten die Aegyptier eine Zwiebclart
S c y lla i n u r iii m ·) frühzeitig wirksam gefunden.
Sie nannten sie daher Typhonsaiigc, und sie erhielt in der
priestcrjicben Materia medica ihre Sanction ; s. darüber
W e ile r unten.

64) Den Hafs des Meeres bei den alteren Aegyptiern mufs
inan aber nicht, mit de Pauw und andern Neueren, da-
3ao
in den verscliiedenen Namen niedergelegt, als Ty p h o n ^
B e b o n , S my , S e t h · Vorerst hicfs Typhon, nach

hin ausdelinen, daf^t man den ülteren Pharaonen alle


Verbindung und Bekanntschaft mit dem Meere absprlcht,
und a. B. die Seeatlge des Sesostris leugnet· Vielmehr
geht aus Allem ^ auch aus der ausgedehnten Erdkunde
der alteren Aegyptier, hervor, dafs sie bedeutende Un­
ter ne bmiiiigen sur Sec gemacht haben, besonders auf
dem rothen Meere und bis nach Indien bin. Diese Ansicht
geben Herodotus (II· 102 . vom Sesostris) und Diodorus
(f. 53 sq. T . 1. p. 62 sqq. Wessel·) , und sie wird durch
die Reliefs au Medina-tabu , an den Mauern des grofsen
Pallastes — vermuthlich des von Sesostris — vollkom*
men besUltigt; s. Descript. de l’£g. Vol. Π. (T h e b e s )
ρ· 63 sqq. — Aber die Kürten des Mittelmeers mochten
frUlierhin periodisch gesperrt seyn, aus politischen Grün­
den, die nach Zeit und Umstanden Milderung erlitten»
Von dorther hatte auch der Pharaonembron Erscbttlle-
rungen zu befurchten; und der fortschreitende Anbau des
eigenen Landes, wie der Verkehr mit A frica, Arabien
und den weiteren Ostländern, raufste einer gesunden
StaatsfÜhruiig genügen· So ward also das Mittehneer ge­
wöhnlich in piiestcrlichen Bann gclhan.
Im Verfolg der Zeilen wurde indefs auch diese Grund­
idee verändert, indem die Herrschaft Uber das M eer,
das ja , wie wir sahen, dem alten Aegypiier ein feindseli­
ger Dämon gewesen war, nun doch von der Isis ver­
waltet ward. So dachten sich die Alexandrinischeii Ae­
gyptier, als Küstenbewohner, deren Existenz zum Therl
vom Seehandel abliing, die alte Landesgouheit ; und nun
erscheint diese neben dem Pharus gehend, mit fliegen­
dem M antel, das Sistrum in der Hand und ein Segel aus­
spannend· In dieser Eigenschaft fOhrc sie den Namen
P h a r i a ; s. Eusebü Praepar. evang. V. 7. v e r g l.J a -
b 1 o n s k i Voce. Aegyptt. p. 377· mit der Anmerkung von
T e W a t e r , über den Pharos, und D i o n y s u s p. 16 2
sqq. über die Gottheit. W ir haben diese Vorstellung unten
beifügen lassen nach einer Münze des Hadrianus ( bei
Zoega numi Aegyptt· imperat· Tab· VII« nr. i 6 · conf. p·
521
Jablonslii (Panth. Aegjpt. III. pag. 97. Voce. pag. 354 .)»
nichts anders a ls: T c n t u s m a l i g n u s a c n o c i y u s
(schädlicher Wind). Bebon oder Babys s. ;
s. Hellanicus ap. Piutarch. de Isid. et Osir. p. 371. p . 52 o
IVyttenb.) erklärt eben derselbe im Panth. Aegypt. IIL
p· io 3 . Voce. p. 5 i. durch v e n t u s in c a v e r n i s l a ·
t e ns s u b t e r r a n e u s » zum Unterschiede vom Typhon»
vrelcher den v e n t u s t e r r e s t r i s (Erdwind) bedeute.
Jedoch hat sich neuerlich gegen diese Ableitung der ge­
lehrte Silvestre de Sacy erhoben (in den Noten zu St.
Croix Becberches sur la Relig. sccr. du Pagan. V0I. I.
p. 171 sq.). Den Namen Σμύ erklärt Jablonshi (Panth.
V . 11. 25 . Voce. pag. 319.) durch t enue» s u b t i l e »
m i n u t u m (abgezehrt). Was endlich den Namen
(s. Piutarch. de Isid. et Osirid. p. 867. D. p. 5 o5 W yt-
tenb. vergl. mit Epiphanius advers. Haeres. Vol. II. pag.
1093.) betrifft» so erklärt ihn La Croze bei Jabionski
(im Panth. Aegypt. III. p. 109. Voce. Aegyptt« p. 389

135). — Diese Idee liefee sich doch auch $0 mit der älte­
ren Vorstellungsart vereinigen» dafs man annähme» der
Aegyptier habe bei der Isis gegen den leinctsellgen und das
M eer beherrschenden Typhon Schutz gesucht.
Es gab auch eine M a r i a P h a r i n » welche ein
Griechischer Dichter mit der V^enus vergleicht» und ein
Maler als Cliharspielerin abgebiidet hatte; Paulus Silen«
tarius in der Anthologia graeca Vol. IV. p. 59. nr. 55. ed.
Jacobs.
Gelegentlich bemerkt» so waren auch vielleicht Liby­
sche Stämme längere Zeit im Monopol der Schidahrt
im Mittehneere. Libysche Beneimongen will man iin
W orte Naphtuhim (G enes. X. 13.) und im Nephthun
linden; woraus dann Neptunus geworden; sieh. Jack-
8on*s chronologische AlterthOroer pag. 54o. Und Po­
seidon als Libyscher Gott (.Herod. 11. 50. IV. 188.) mufs
auch einen Libyschen Namen haben; sieh. M Q n t e r die
Religion der Karthager p. 53.
I.
52a

eeqq«) durch p u l l u m a s i n a e (Eselfüllen), und dieser


Erklärung stimmt im Ganzen auch Silvestre de Sacy bei
1. 1. Tom. L p. 383 .
A u f den bildlichen Monumenten der Pharaonenzeit
erscheint Typlion bald als Kilpferd (Zoega de obeliscis
p. 445 . 591·), bald in andern furchtbaren Gestalten und
drohenden Stellungen, wie z. B. auf den Bildwerken zu
Tentyra, wo e r , bald mit der Keule, bald mit dem lan­
gen Messer bewaffnet, als ein thierisches Zerrbild die
Isis verfolgt. Ebendaselbst sähe man , wie Strabo ( lib,
XVII. p. 8 i 5 Alm. p. 5 q4 Tzsch.) versichert, aufser dem
Tempel der Venus und der Isis mehrere ΎvφώvB^a oder
Kapellen zur Verehrung des Typhon· Auch an andern
Orten Aegyptens wurde Typhon als Gott verehrt. Auf der
Insel Philä, neben den Tempeln der Isis und des Osirisf
findet man ein Typhonium, so wie auch zu Hermonthis ; s«
Laueret (Descr. de TEg. Vol.I. p . 47 -)i der dabei bemerkt,
die Typhonien seyen alle von ziemlich kleinem Umfange·
Man vergleiche auch die Bemerkungen von Jomard eben­
daselbst cap. VIII. pag. 4 · Typhonische Vorstellungen
begegnen uns in mehreren alt - Aegyptischen Tempeln,
z. B, im kleinen Tempel neben dem Pallaste zu Karnak;
s. Descript. de TEg. IL p. 373. und dazu pl. 63 . Ueher
einem Thore des kleinen Sudtempels zu Karnak sieht
man Sperber, in Lotusblnttcr eingewickelt. Links er­
scheint eine Typhonische F igu r; rechts ein Löwe, auf
seinen Hinterfilfsen sitzend, in den Vordertatzen zwei
Messer haltend; ibid. pag. 376· In demselben Tempel
kommt Typhon offer vor; einmal als Schwein, die Brü­
ste von einer Frau, der Rumpf componirt aus Mann,

65) Mehreies über cliesen Gegenstand werden unsere Hero-


doteischen Abhandlungen «in die Hand geben, wo auch
besonders über die Bedeutung des Wortes ausführ­
licher gehandelt ist.
525

Ηαηθ und Löwen. Der gan2e hletne Tempel war ver-


muthlich der Isis und dem Typhon gewidmet; ibid. p.
277. — In den Hypogeen von 1 *heben sieht man mehr­
mals Bilder des Typhon und der Nephthys, mit lang ge­
zogenen Brüsten, mit dem Leibe eines Schweines, mit
Löwentatzen, mit einem Kopfe des Hippopotamus und
Menschenarmen; Descript. de TEg. II. p. 356 .
Als C r o c o d i ) , das den Leichnam des Osiris der
See zuträgt, ist vermuthlich auch Typhon vorgestcllt in
den Rainen von Philä , nach Lancret ibid. Yol. I. p. 44.
Der hleinc Tempel zu Edfu (ein Typhonium) zeigt uns
im Belief den Typhon als ein Zerrbild mit grinzendem
Lachen; s. Descript. de l'Eg. Vol. I. cap. 5 . §. 7. p. 33
sqq. und dazu p1. 6e. Auch sieht man in demselben
Tempel des Typhon zu Edfu, an der Friese, Figuren
Ton Typhon und Nephthys, welche abwechscln mit Ge­
stalten des Horus und Harpocrates; ibid. p« 34 · und dazu
pl. 63 . fig. 5 . ^). Auch erscheint dort die Isis ganz in
Lotosstengel eingehüilt, wie sie die beiden feind-

66 ) $. die Copie dieses Bildes auf unserer Tafel X VI. nr. 8.


67) In dieser von Lotusstengeln ganz bedeckten Isis sieht Jo-
mard ( 1. 1. p. 35.) d ie v o n d e n W a s s e r n d e s N i l
g a n z b e d e c k t e E r d e . Im Ganzen aller Bildwerke
im Typhonium erkennt derselbe, so wie im grofsen l'em -
pel, die Epoche des S o m i n e r s o l s t i t i u i n s , welches
damals itr· Z e i c h e n d e s L ö w e n gewesen sey , und
in dieser Epoche sey der Tempel gebaut. Diese Mei­
nung unterstCltzt er auch durch ein anderes P*!d ebenda­
selbst, wo ein Löwe mit dein Sperberkopfe (Falkenkopfe)
eine geringelte Schlange mit den Krallen fafst (p). 64.).
Es sey die mächtige Sonnenkraft (der Falke) , und die
Schlange bezeichne die bösen EinflQsse, welche mit dem
Sommersolstitium zurUcktreten (pag. 35.). Hiermit stim­
men die neuesten Untersuchungen von Fourier in gedach­
tem grofsen Werke überein (sieh. Descript. de J*£g. L i-
5^4

•eligen Wesen abwehrt; oft auch, wie sie ihren Sohn


Horns saugt· Neben Horus steht Nephthjs in folgender
Gestalt· Sie hat einen Crocodilshopf, Menscbenhande^
den Leib eines Schweines nnd einen offenen Rachen·

▼ rais·!!!· Memoires Tom . I. p. 803 sq.)· Hiernach fie­


len v o r o h n ^ e f a h r 2500 J a h r e n v o r d e r Chr i s t - ^
l i e h e n Z e i t r e c h n u n g die beiden Aequinoctien in
den Anfang der Zeichen des S t i e r e s und des S c o r ­
p i o n e und die Solstitien in die ersten Grade des L ö ·
w en und des W a s s e r m a n n s . Diese Constellation^
von der Astronomie entlehnt und von der religiösen Al­
legorie geheiligt, behauptete darin fortdauernd ihre Rech­
te , und ist die fast allgemein herrschende in den Sculpiu-
ren der Tempel und Gräber (pag. 8l4 sq.}· Jomard
(ebendaselbst p .255 — 261·) bemerkt neuerdings dasselbe,
spricht aber von 3000 Jahren, nnd indem er einen bei
Axum in Aetbiopien von Bruce gefundenen Stein aus
jener ConstelJation erklärt (s· die Abbildung daselbst nach
p· 492.) , äufsert er gelegtntiieh (p. 26l.): die Astronomie
sey am Ufer des Nil entsUnden, und die in Aetbiopien
gefundenen Monumente Aegyptischen Styls seyen später,
als die BiOthe von Theben. Die Untersuchung dieses
Satzes mOssen wir einem andern Orte Vorbehalten. Hier
bemerken wir nnrnoch zweierlei. Zuvörderst, dafsder­
selbe Gelehrte in einigen astronomischen DenkmaUn
Aegyptens Andeutungen finden will, wie sich jene Normal-
consteihtion allmäblig verändert habe, und daraus schlies-
sen, dafs diese Bild - und Bauwerke einer etwas späteren
Periode angebören (vergl. Oberhaupt noch die Reeller*
cbes sur les Basreliefs astrononiiques des £gyptiens, par
Jollois et Devilliers, ebendaselbst p. 4£9 sq. und dabei
die Tafel mit den hauptsächlichsten Sternbildern der alten
und neueren Völker). Zweitens, das Sommersolsticiiim,
weil wir doch davon ausgegangen sind , setzen die Grie­
chen auch fOr den Aegyptischen Kalender schon in den
K r e b s . Sieh. z. B. Porphyr, de aniro Nymph. cap 24·
p. 22 Goens.; KtyOrriot^ 2c α^·χ·5 «του$ , ^Ρ«·
/Αο/ο/ςy αλλά κα^κ/νος; und so auch andere, die wir zu­
nächst unteu anführen werden·
5a5
Der Leib ist immer derselbe, aber der Kopf ist suweilen
der eines Hippopotamus· Der Hippopotamus t wie das
Crocodil, war ja dem Typhon heilig ; und ebendaselbst
ist das Nilpferd auch einigemal gane abgebildet; s· ibid«
p· 34· und den dort angeführten Eusebius in der Prae**
par. Evang. IIL 11 ^ welche Stelle sich auf einen Fries
im Tempel zu Edfu bezieht. Ebendaselbst siebt man
nämlich den Horns mit dem Habichtskopfe, wie er bin·
ter dem Hippopotamus steht W enn daher Jabionski
(im Panth. Y . cap. s. p. 44 1 *><^b auf einige Stellen
des Herodotus stützend» zn behaupten sucht, dafs in
dem Mythenkreise der Aegyptier Typhon stets in Men·
schengestalt dargestellt werde, so ist dies einerseits
wohl richtig» in so fern wir ihn bisweilen in menschlicher
Gestalt als Gott antreffen, wie z. B· bei jenem Gast·
mahle , wo er den Osiris in den Kasten einschliefst; an·

68 ) So ist unter andern H o r u s auf der Bembinischen Tsis-


tafel mit dem Splefse bewaffnet, womit er den als N il­
pferd vorgestellten T y p h o n erlegt. Auch auf der In­
schrift von Rosette wird er als Vorbild der Könige in
Aeufserung von Muth und Tapferkeit vorgestellt; sieh·
lin. 26, Bald hat er einen G eierkopf, wie O siris, von
dem er sich in der Malerei aber durch die hellere Farbe
unterschied; sieh. Jabionski opuscc. 1. 421 seqq. II. 237.
Sein Attribut war der L ö w e , das Zeichen der kräftigem
Sonne. So sieht man ihn in dem kleinen Tempel beim
Hippodrom zu Medina>tabu. D er Gott sitzt in einer T r i­
büne, die auf einem Altar steht, an deren Seite eine
Sphinx ausgehauen ist. Unter dem Horns erblickt man
den Löwen. Eine kleine Figur mit einer Mitra und einer
Palme liegt neben dem Sitze des Horus. Ein Priester
reicht ihm eine lange Gnirlande von Lotusblumen; sieh·
Descript. de l*Eg. Antiqq. II. pag. 71. Auch im kleinen
Tempel zu Karnak (Thebens Ostseite) erscheinen Horus
und Isis im Momente dargestellt, wo sie Opfergaben em­
pfangen ; ebendas, p. 272 ·
3a6
drerseits aber wird diese Meinung durch die Darttellun·
ge n, wie eie jezt das Franzüsische W erk liefert, und die
doch der Periode der Pharaonen angehören, zur Genüge
w id e rle g t, wo wir zum ö i^ rn den Typhon in der Ge«
stalt von unreinen, häfslichen, besonders aber von w il·
den und grausamen Tbieren finden, wie wir eben ge­
sehen haben.

§. 9.
Typhon-Antaus und S e m . H c r a h l es.
Die Acgyptischen Sagen zeigen uns die Namen T y ­
p h o n , O s i r i s , A n t ä u s , H e r c u l e s und B u s i r i s

69) Q u e l l e n d e s M y t h u s : Pherecydes ap. Schot. Apol­


lonii IV. vergl. Pherecydis Fragmin, p. l4t — 147
ed. Sturz. Pindar. Pyth. IX. 185^ Isthm. IV. 87 ihiqiie
Scholl. Plato Tbeact. p. 169· p. 173 Heind. p. 232 Bek-
ker·; deLegg. VII. 6 . und daseihst Scholiast. p.228Ruhnk.
Apollodor. II. 5. l l . cf. HeyniiObservv. p. 171. Diodor·
Sicul. I. 1 / et 21. IV. 17. und daselbst Wessel, cf. Euse-
bii Praepar. Evang. II. 1 . p. 46. Cleodeinus et Malchaa
ap. Alexandrum Polyhist. in Josephi Aniiqq. Judd. I. 15.
p. 44 Haverc. vergl. Eiisebii Praepar. Ev. X. 21 . p. 422.
Eusehii Cbron. p. dl. (768.) und daselbst Scaliger. Stra­
bo XVII. p. 829. p. 6SS sq. Tzsch. Plutarchi Tbeseua
cap. XI. p. 5. p. 24 Leopold, j besonders im Sertorius
p. 57· p. 9 ed. Coray. Pompon. Mela III. 10 . p. 35 sqq.
p. 380 Cronov. Hygin. fab. 31. p. 88 ed. Staver. Ful­
gent. Mythol. II. 77. p. 675 sq. Philostrati Iconn. IL 2 1 .
p. 844 sqq. Olear, vergl. 22 . p. 846. Libanii Eephras.
Herculis et Antaei Tom . IV. p. 1082 sq. Reisk. Luca­
nus Pharsal. IV. p. l 6 0 sqq. 5S9. 6l5 sqq. Statius in Silv.
III. 1 . vergl. J. Pr. Groiiovii Diatrib. cap. 25. p. 236 sqq.
ed. Hand. Claudian. in Riifiri. I. p. 288. Diotimus in
Aiuholog graec. T . I. p. 184 ed. Jacobs. Tzetz· Chiliad.
II. 366. l'z c u a r . Scholl, in Lycophron. 662. p. 724 ed.
Mueller. Joann. MalaUe Chronugraphia p. 106 cd. O xon.
Eudociae Violar. p. 17.
D2y

in einer senr reellen Yerbindung, die billig Aurmcrk*


samkeit verdient. Insbesondere aber werden T y p h o n
und A n t a u s mit einander verbunden. Natürlich miis·
aen hier blofsc Dichterstellen« wie die des Lucanus (a·
a. O .), wohl unterschieden werden von den Berichten,
aus der \"olkssage selbst geschöpft. Für solche werden
uns aber die des Diodorus (a. a. O.) gegeben, und wir
haben keinen Grund, daran zu zweifeln. Ihnen zufolge
setzt Osiris vor seinem groften Z u ge, den er zur Be­
glückung der Ydlker unternahm, den H ercules, seinen
Yerwandten, über Aegypten, den Antäus aber über Ae-
thiopien und Libyen. Nachher, hören wir, fiel der Kampf
zwischen Horus und Typhon bei dem Flecken v o r , der
von Antäus seinen Namen hatte, demselben Antäus»
d en H e r c u l e s zu Osi r i s Z e i t b e s t r a f t hatte·
— Uebersehe man hier die geographischen Andeutungen
n ich t: Osiris und Hercules, auch im Aegyptischen Göt­
ter System vereinigt, vereinigen sich hier in der Regie­
rungsverwaltung des Hauptlandes; an die westlichen und
östlichen Gränzen, in Libyens und Arabiens Wüsten,
wird Antäus wie Typbon versetzt; und einer wie der
andere fallt unter der Hand rächender Aegyptischer
Götter. — Aber nun, hören wir sagen, nun trat Hercu­
les ins System der Griechischen Olympier ei n, und die
Herakleen bildeten» wie die übrigen Thaten des Hercu­
les , so auch dessen Kampf mit Antäus so hellenisch aus,
dafs man nur zu deutlich den Griechischen Boden sicht,
worauf dieser sogenannte Libysche Siegeskranz des Her­
cules gewachsen ist. Das Schwanken der Sage in An­
gabe der Oerter beweiset schon die Erfindung der Dich­
ter verschiedener Herakleen. Denn bald war irasa, am
Tritonssee in Cyrenaica (Pindar. a. a. O. vergl. Herodot·
lY . i 58 .), des Antäus Wohnsitz; bald zeigte man sein
Grab bei Tingis (Tanger) in Mauretanien (Gabinius beim
Strabo und Plutarch. a.a.O .); bald wurden seine Gebeine
δ2δ

sogar nach Olympia gebracht (Strabo). Und dann der


Kampf selbst^ ist er nicht von Geschichtschreibern selbst
(der Dichter nicht zu gedcnhen) so beschrieben, dafs wir
Zug vor Zug die Copic der Griechischen Palastra darin
sehen ? ( s. Eusebius in der Chronik a. a· O.)
Unter diesen Umstanden war cs gewifs begreiflich^
wenn Heyne (zum Apollodor. a. a. O .) auf Scheidung
des Griechischen Elements dieser Sage vom Aegyptischen
drang, und diese That des Hercules mit seinem Aegyp­
tischen Zuge nicht in Zusammenhang gebracht wissen
wollte. Andere gingen noch weiter, und wollten den
ganzen Antaus historisch als einen furchtbaren Bauber
nehmen, dergleichen Hercules mehrere siegreich be­
kämpft habe (Staveren zum Fulgentius a. a. O.) Diesel­
be Erklärungsart versuchte auch Bochart; und ob er
gleich die Libysche Küste als Kampfplatz annahm, so war
ihm doch Antaus nichts anders als ein unbarmherziger
Africaiiischer Corsar, der sich im Lande immer neue
Hülfsmittel sammelt (Bochait Geograph, sacr. 1. 34* P·
476· 4θ8.); eine Ausdeutung, die Banier, wie man den­
ken kann, gleichfalls auszuschmüchen versucht hat.
W ir folgen dem Fingerzeige, den uns beide Mythen
vom Antaus geben. Sie weisen uns an des Nilthals O st-
und W estgränzen, und bringen ihn auch auf andere
W eise in Zusammenhang mit dem unholden Typhon.
Es wird mithin rathsam seyn, diesen physisch - geo­
graphischen Sporen nachzugehen; vorher aber euch die
Genealogie zu berOcksichtigen. Antaus, als Sohn der
E r d e und des N e p t u n (Poseidon), ist allgemein be-

70) Vergl. Joseph Scaliger daselbst. $a1masius ad Solin. pag»


205. mufs damit verbunden werden. Letzterer bestimmt
das Panhratium als die Kampfart zwischen Hercules und
AntSus; vtrgl. auch J. Fr. Gronov zum Statius (a*a«0·)
und Jacobe zur Anthologie a. a. O.
Sag
bannt. W eniger finde ich auf die andere Angabe geach­
te t , wonach die P y g m ä e n , als Erdgeborne {γηγ^νΛς\
seine Brüder heisen, und stark wie sie sind und rüstig,
seinen Tod am Hercules rächen wollen (Philostrat. Iconn.
X X ll. pag. 846.). Andrerseits aber helfen drei Sohne
Abrahams Ton der Chettura dem Hercules auf seinem
Libyschen Zuge gegen den Anläus, und Hercules zeugt
nachher mit der Tochter eines dieser Abrahamiten den
Stammvater Libyscher Könige ( Cleodemus und Alexan­
der Polyhistor beim Josephus und Eusebius a. a. O.) —
ein neuer genealogischer Zweig, den ich eben so wenig
beachtet finde, obgleich er wesentlich zum Y^erständnifa
der Plutarcheischen Stelle gehört (im Sertorius a.a. O .);
denn Plutarchus giebt uns einige Trümmer dieser andern
Genealogien. — So leiten uns die verschiedensten Füh­
rer in die Oertlichheiten Aegyptens und seiner Gränz-
länder zurück; und wollen wir dem Mythus auf die Spur
hommen, so müssen wir uns aus diesen Gränzen nicht
entfernen. — Aber der kunstgerechte Griechische Rin­
ger oder Pankratiast, sagt man vielleicht, wie sollte er
doch dem Aegyptischen Lande ursprünglich angehören?
W as hat doch der Pharaonen - Aegyptier mit der Ring-
liunst zu thun? Und zeigt nicht der Name Palämon (Π01-
λα/μων), vermuthlich vom r i n g e n {naX'aitiv) selbst ge­
bildet , der bald dem H ercules, bald seinem Sohne bei
dieser Gelegenheit gegeben wird (Sturz, ad Pherecyd. p.
145 seq.) — zeigt er nicht hinlänglich G r i e c h i s c h e n
Mythus und selbst Griechisches Wortspiel ? — Also,
fragen wir dagegen, könnte die Idee eines R i n g e r s
einem Aegyptischen Mythus nicht angeboren seyii? W ir
dächten das Gegentbeil. Feierten doch die Leute zu
Chemmis (Achmin) dem Vorgänger und Verbilde des
Hercules, dem Perseus, zu Ehren gymnische Spiele
(αγώνα γνμνιχόν Herodot. II. Qt.), und zwar in dersel­
ben Stadt« wo des Perseus R i e s e n s c h u h das Vor-
35ο

seichen einer F r n c h t b a r l t e i t des ganzen I^andes ist;


und zeigt uns nicht der Hippodrom bei 'l'hebäy dafs die
alten Aegyptier allerdings Leibesubungen bei sich ein·
geführt hatten; und was noch mehr i st, sehen wir nicht
auf den alten Sciilpturen ans der Gegend , wo Antäns
im Binghampfe fallt, gimnastische Uebungen aller Art
deutlich abgebildet? (Descript. de ]*£g. Antiqq. IL pag·
6 9 . und Livr· 111 . Antiqq. pl. 66 . nr. 1 . 2 .) Möchten also
die Griechen noch so viele Kunstwörter ihrer Gymnastih,
möchten sie ihren νητιασμής oder ihre τρόποι χαμαί^
ihre χη ^ ώ μ α τα (s. Eusebius und Salmasius a. a. O .) und
noch Anderes in die Sage hineingelegt haben; möchte
selbst ein späterer Herakleendichter das Wortspiel mit
άμμος^ S a n d , und άμμα dem K i e m e n , versucht
haben, womit Hercules den Erdensohn, den Biesen^
knebelte — darum darf der Zug des R i n g e n s
dieser Sage nach nicht genommen werden» Ein R i n ·
g e Γ war Hercules nach seinem Grundbegriffe* S ollte
er doch seinen Ehrennamen Palämon (Παλαίμον) durch

71) Solche Wortspiele wären wenigstens in der Griechen Art,


wie nicht minder , wenn etwa Einer bei den Pygmäen an
die gedacht und sie sogar, wegen der ν α λ ν , als
F a u s t k ä m p f e r , dem R i n g e r Palämon entgegenge·
setzt hätte.

72) Die αμματα kommen in dieser Fabel bei vielen Erzählern


vor. 80 sagt z. B. der Scholiast des Plato a. a, O ., dem
Eusebius ähnlich : tovtw evv r iy 'ΆνταΤον μίτϊω^ορ
αμμασιν χλά σας dv^K retvt· ’ΨαυονΤΛ ·γάζ γν?*
ίσχυζον awißatvs γ/γν«σ5α/· Man merke daraus zugleich
die HaupuOge der Sage: H e r c u l e s e r w ü r g t m i t
dem D r u c k e s ei ne r A r m e , o d e r v e r m i t t e l s t
B i n d r i e m e n , d e n R i e s e n A n t ä u s in d e r Lu ft ,
we i l d i e s e r am E r d b o d e n i m m e r n e u e K r ä f t e
g e wi n n t *
351
einen Binglcampf m it J u p p i t e r s e l b s t su Olympia
gewonnen haben; und er hatte auch mit dem Achelous
gerungen (T zetzes ad Lycophron, a. a« O .). Damals
galt es einen Kampf mit einem Riesenstrom c: im Antaus
hat er einen E r d r i e s e n zu behampfen. Doch W asser
flieist aoeh yon dieses Riesen Grabe. W er τοη des
Antans Grabeshtigel, dem Bilde eines ruchlings gewor­
fenen Mannes ähnlich, einen Haufen Sand aufhebt, zieht
Regen herbei, der so lange anhält, bis des Riesen Gra­
beshohle wieder gefüllt ist (Pompon. Mela a. a. O.). Das
sind magische Riesen - und Hünengräber; und unter ge­
waltigen Regengüssen holt sich auch der Wassermann
und Hirte Gyges in Lydien vom Finger eines Riesen­
leichnams den wunderbaren Zauberring (Plato de Legg·
II. 3. p. 3 7 9 . p. 3 7 Ast.). Ein anderer Riese hatte einst
den Hercules gar in seiner Hohle eingesperrt, bis die­
ser die Deche zerbricht, und dem Rinderräuber die noch
übrigen Rinder, nach siegreichem Kampfe, wieder nimmt·
Das war Cacus gew esen, der den grofsen Sohn des Jup­
piter selbst iii den Grotten des Aventinus gefangen ge«
halten (Virgil. VIII. 19 5 . Liv. I. 7 . Dionys. I. 5. Ovid.
Fast. 1. 5 4 3 .)· Das war der B o s e , Κοίχός. So hatten
Dichter mit Italischer Sage in ihrer Sprache gespielt.
Ein solcher hätte auch in dieser Libyschen Sage mit Ι^ονς
und mit dem Libyschen ^οννό^ψ H ü g e l (Herodot. IV.
i58. ibiij. Valckenaer), spielen können. «Hi er könnet
ihr wohnen, hatte man den Hellenischen Siedlern in der
Cyrenaica gesagt, hier ist der Hügel { β ο ν ρ ό ς ) durch­
b ro ch en e, d. h. hier giebt es Quellen die Fülle (Val-
cken. a. a. O .). Also Hügel und Quellen; Erdriesen
und W assermänner; Flugsand und Wasserstrome; Jah­
ressegen und Jahresfluch — dergleichen natürliche
Dinge will uns das symbolische Altcrthum in solchen
Bildern zeigen ; — Jahreszeiten auch, und vielleicht
gröfsere Perioden und Erdphänomene aus früher Vor­
332
zeit Geryons B inder, vne die des B o s e n (Cacus),
sind Monden, Jahre und Z eiten , sind aber auch W as-
serbäche und Ströme, die dem Alten vom Berge (dem
W inter und der Regenzeit) abgenommen werden; und
Geryon der Alte steht in der Herahleiscben Sage gleich­
falls als ein Bild der drei Jahreszeiten und ihrer wech­
selnden Erscheiutiiigen auf Erden (B riefe über Homer
an Hermann p. 78 f.).
Vielleicht hatte der Griechische Maler , dessen Bild
Philostratus beschreibt ( Iconn. 11 . 2 1 .) , eine Dichtung
vor Augen, die noch mehr in diesem physischen Tone
gehalten war. W ie dem aber auch sey , das Bild selber
war sehr örtlich und natürlich gezeichnet. Es stellte
den Kampf mit Antaus dar. «Da sah man Staub und
Hügel. Es war die grofse Palästra, worauf Antäus mit
Hercules ringen sollte. Es war Libyen.» So weit die
Scene. Und nun die genaue Beschreibung des Kampfes
selbst, die ich übergehe. Nur die Beibulfe der Mutter
Erde wird lebendig so geschildert; « Er (Hercules) rang
aber gegen ihn (den Antäus) s o , dafs er ihn von der
Erde abhielt· Denn die Erde rang bülfreicb dem Antäus
mi t ; sie krümmte sich , und wankte von der Stelle
wenn er seinen Stand verlor.» Und im Hintergründe

73) An ^röfsere Perioden erinnern die Hyanten, die aus Böo-


tien entweichen müssen, ehe dies feuchte Land der agra­
rischen CuUur empfänglich war. Die grofsen Werke am
See CopaYs zeugten von jenen Bemühungen, wie in Italien
noch heut zu Tage der Emissär am Albanesersee. In
Aegyptens Gränzmarken waren aber Sandmeere und Staub­
regen zu bekSiupfen.
74) μircMλaξoυa^a, wie Morelli und Olearius haben; vielleicht
aber ίχ^τοχλίζουσα^ s ie h o b ih n w i e d e r a u f r e c h t ,
wie H e y n e vorzieht in den Opuscc. academra. Tom· V.
pag. 132.
3 33

der S cen e: «ein Gebirge mit einer goldenen W ölbe,


und darin die Götter als Zuschauer des Kampfes, und
Hermes auf Hercules zuliommend und ihn brönend. a
W ir wollen nur dieses sagen : Der Griechische Maier
hatte hier den p h y s i b a l i s c h e n G r u n d g e d a n b e n
d e r S a g e besser aufgefafst und getreuer copirt, als
die meisten Griechischen Dichter und als alle Mytho*
logen.
Aber Einen müssen wir jezt ausnehmen, der aus
eigener Anschauung Libyscher Sand wüsten und mit einem
geübten Bliebe mehr in das Innere dieses Mythus gese*
hen : J o m a r d . Dieser geübte und geistreiche l'heil*
tiebmer des Aegyptischen F'cldzugs hat, meines Bedun-
bens wenigstens, mit grofsem Scharfsinne versucht, den
p h y s i s c h e n Grund jener alt-Aegyptischen N a t u r -
f a b e l vom R i e s e n Antäus wieder aufzufnschen und
vor Augen zu stellen· W ir halten es für Pflicht, seine
Deutung unsern Lesern mitzutheilen 7^). Indem er uns
die Ueberreste des alten Antäopolis beschreibt, berührt
er die Stellen des Diodorus (s. oben), den Antaus be*
treffend; und nachdem er, unseres Bedünbens sehr rich­
t i g, die ganz unhaltbare und gezwungene Erblärung
Jablonsbrs, der den Antäus mit dem Aegyptischen Men­
d es-Pan identificirte widerlegt hat, geht er zuerst
in Etymologien ein, und mochte den Namen Antäus aus
dem Koptischen N t o u , B e r g , erblären ^). Aber ge*

75) Description des Antiquitds d'Antaeopolis, inderDescript·


de r£g. Livr. 111. Toni. 11. chap. 12.
76) Im Panth. Aegypt. JI. 7. 15. p. 302 — 304.
77) Aber N t 6« ist nicht bewiesen j Antaeopolis heifst in
Koptischen Mserr. T k 6 o u , beut zuTage beiden Arabern
Kkou (Quäou) ; und Champoltion sagt gewiPs vorsichti­
ger , dafs zwischen diesem Namen und dem alten Antaeo­
polis keine Analogie sey ( s. TEgypte sous les Pharaons
334
haltToller ^ als diese W orterlilarung, ist folgende Ideen-
reihe desselben Gelehrten : Typhon fSllt unter Horus
•iegreichem Schwerte bei Anten; wo einst die Burg jenes
Biesen war^ den Osiris Verwandter, H ercules, über·
wunden hat (sieK Diodor. a. a. O.) — : O s i r i s ist der
r^i l, I s i s das f r u c h t b a r e L a n d A e g y p t e n , H o ­
r u s dessen s e g e n s r e i c h e E r z e u g n i s s e . D iessind
die Elemente des Mythos wie yom Typhon so vom An«
tü u s; und zwar auch vom Griechischen Mythus, worin
Antäus so lange unüberwindlich erscheint, als er den
Boden berührt. Antaus heist bald des Neptun Sohn,
bald Sohn der Erde. Das sind die S a n d d ü n e n von
Nordiigypten. Sie sind wirhlich Erzeugnisse des M e e -
r e s und der w ü s t e n E r d e (p. s3.). Non liegt gerade
Baou (Quaou) oder das alte Antaopolis an einem langen
und tiefen Schlunde nach der Arabischen Gebirgshette
hin. Die Sandhaufen der W ü ste, von Winden in diesen
Schlund getrieben, müssen sich in ihm festsetzen und
ungeheure W irb el» den Wasserhosen (trombes) ähnlich,
verursachen — ein Phänomen, welches in dem Land·
striche, der den Nil vom rothen Meere trennt, nicht
selten ist. Aber auch auf der Libyschen Seile ähnliche
Diwachen und Wirkangen. Man m üsse, sagt der ge·
nannte Reisende, nur das linhe Ufer vom Josephskanal
aeben, um sich von der physischen und localen Wahr­
heit dieser Ideen zu überzeugen. Vielleicht versuchten
nun, fahrt er fort, die Aegyptier einst, die Libyschen
Sandberge (diese Bilder des Antäus) ahzutragen. Ver­
gebene — der Sand , dem wüsten Erdboden zurüch-

I. p. 271.). Ich möchte hinzafiige», selbst alsdann nicht,


wenn wir die kürzere und dem Griechischen fremdere
Form A n t e u annehmen; unter welchem Namen diese
Stadt Im Itinerarium Amonini paf. 166 ed· Wessel, vor­
kommt·
355
gegeben (der B iete seine Mutter Erde berührend), ward
immer wieder von den brennenden Winden der W iiete
eu f das fruchtbareKilthal hinübergetragen, und bedeclite
e s (Antäus erstarkte immer wieder) W ie wollte man
des Biesen mächtig werden ? Breite Kanäle , an der Li·
byschen Seite gegraben, so b reit, dafs die Sandwolken
nichtherüberüiegen konnten, waren das einzige MitteL
S e Sandhaufen, da sie nicht mehr durch ununterbro­
chene Dünen verstärkt wurden, fielen durch ihre Schwere
in die Kanäle; und so ward der Biese Antäus gleichsam
in der Luft ersticht (p. q3.).
Auch wird diese Deutung dtireh geographische Na­
men und heilige OertHchkeiten unterstützt (p. 23. a4 >) ·
üerakleischer Kanal hiefs geiade derjenige, d er, um
die Verbreitung des Sandes zu verhindern, das Thal
Aegyptens von Libyen trennte; die Canobische Nilmün-
duog hiefs anch die Herahleotische, und dort lag am
Meere eine Stadt Heracleum; ferner Herakleopolis hiefs
eine andere Stadt bei Feyum am Josephskanale, d. h« an
dem Kanäle, der die Libyschen Sandhaufen abhalten
sollte. Endlich östlich am Pelusischen Nilarme lag Klein-
Herahleopolis. Hierbei äufsert der Verfasser die Ver-
m nthung, dafs der Name H e r a k l e s wohl selbst Ae­
gypten angehürt habe , und dereinst wohl noch in den.
Aegyptischen SchriOdenkmalen entdeckt weiden konnte.

78) Hier hätte Jomard die Beschreibung Lucan*s zur Ent­


wickelung seiner fdee benutzen können. Dort heifsc es
(Pliarsal. IV. 6 l5 .):
Ille CAntaeu») parum Hdens pedibut contingere matrem
Auxilium membris c a l i d a · i n f u d i t a r e n a t .
Eben so sinnlich wahr ist das Bild bei P h ilo s lra tu s von
der s i c h k r ü m m e n d e n u n d in di e H ö h e r i c h ­
tenden Mutter.
79) Sollte aber auch der Name Herakles Phönicisch seyn,
und c i r c u i t o r bedeuten, wie Miimer will (Reltg. der
336
So weit Jomard. Niemand wird dieser Deutung woM
eine gewisse örtliche und ph}^ische Wahrscheinlichkeit
ahsprecben können. Und der Natur nachnngehen und
in Oertlichkeiten die Wtirzeln der Sagen zu suchen, ist
und bleibt ein Hauptgesetz für den Mylhologen. Jezt
begreift man auch» wie AiUäus sowohl an die Arabischen
als an die Libyschen Grä'nzcn versetzt werden^ und über­
haupt seine W ohnsitze so mannigfaltig wechseln kann·
Denn allenthalben, wo Typhonische Uebel herrschen^
da kann Antäus-Typhon hausen.

Aber hatte dieser Mythus nicht auch noch andere


Seiten? Ich habe oben schon einige berührt, und bei
diesem Kampfe des S o n n e n h e l d e n Herakles an J a h ·
r e s z e i t e n und grufsere P e r i o d e n , an t r o c k e n e
und n a s s e Z e i t und dergl. erinnert, und die Aufstel­
lung von Antäus Gebeinen zu Olympia am heiligen Orte
dei' S piele, in der Sonnenwende gehalten, mag dabet
nicht aufser Acht gelassen werden. Aber übersehen wir
auch andere Beziehungen nicht. Jomard sagt richtig»
dicCanobischeNilmiindong hiefs auch die Herakleotische.
Aber warum übersah er dasHcrculische Z a u b e r b a n d ?
Man w eifs, dafs zu Canobus der Aegyptischc Hercules
Mysterien hatte. Als G e w e i h e t e n und My s t a g o g e n
zeigt ihn uns eine ganz übersehene Quelle gerade in
diesem Kampfe mit Antaus. Gehen wir zu ihr zurück:
a ln denselben Zeiten zog Herakles, der die Kampfe
durchfochten, der W eihepriester und Geweihete (6 x s ·
Χ εσ χή ς$ 6 μ v σ τ ί x 6 ς ) y nach dem Lande Libyen j und

Karthager p. 43.), oder, wie Andere wollen: den Son­


nengott, 80 ändert dies in der Erklärung von AnlSus
nichts. EbrUische und Phönicische Elemente lassen sich
ja in diesem Mythus nach weisen.
357
Stritt TTiit dem Anteon ( \ ν τ έ ω ν ι ) , der selbst ein Gewei-
heter ^ar (xal α ν τ ω o v x t μ v σ τ t y ω ) ^ und einige irdische
Künste gebrauchte ( π ο ι ο ν ν τ ι Sk γ η ΐν ά τινά)τ» ®^). Nicht
minder führt uns die Aegyptische Sage Chaldäer auf
diesen Schauplatz : Ein Canobischer P riester, also eia
Diener des Som -H erakles, kann es nicht dulden, dafs
ein Chaldäischer Hierophant nur allein das Feuer als dea
höchsten Gott yerkündigt. Er macht ihn durch eine
W asserprobe zu Schanden , und Canobus , der W asser­
gott Aegyptens, siegt über den Feuergott des Chaldäers
So tritt auch Antaus dem Hercules hochfahrend (νπβρ->
φ ρ ο ν ώ ν ) entgegen; und noch in einer späten W eltchro-
nik wird er als der Prahler ( χ ο μ π ά ζ ω ν ) bezeichnet ^2) —
gerade wie der s t o l z e , a u f g e b l a s e n e Typhon. —
Also hier wieder Priester gegen huflfärtige G aukler:
Künste des Lichtes gegen Künste der Finstemifs. Es
hätte also Fulgentius seine ethische Deutung dieser Fabel
immer rechtfertigen können, hätte er ihr nur einen an­
dern Geist eingehaucht. Ihm ist Antäus der W idersacher
(co n tra riu s) und des Fleisches Begier (carnis libido),
die in dem Maafse zuniromt, als sie mit irdischen Dingen
m ehr in ßeiührung kommt, und yon ihnen ihre Nah­
rung zieht, bis sie von Hercules, d. h. yon der Tugend
d es wahren Ruhmes (a virtute gloriae), überwunden
wird ^). — Man kann diese Ausdeutung lächerlich fin-

80) Maialae Chronogr. 1. I.


81) Rtifini Hist, eccles. lib. XI. cap. 26. vergl. meinen Dio·«
nysus I. p. Il6 sqq.
82) Constantini Manassis Annales p. 243 ed. IVleurs. Der er-
stere Ausdruck steht bei Philostratus I. I. p. 8-li.
83) Fulgentii Myiliologicon 1. 1. ~ Sonst ist in b i b l i s c h e r
Allegüiic Aegyptenland Überhaupt das P i e i s c h . Darauf
wird noch in christlichen Gedichten der Byzantinischen
I.
558
den ; giebt man ihr aber localen Bestand, so bat sie ih­
ren Sinn. Man denke nur an die Gegensätze in der
Aegjptischen Symbolih. Da stellt Osiris^ da steht H om e
dem Tjphon gegenüber, M ie Hercules dem Antäus.
W ann und y^o O siris, der heilsame N ilstrom , seine
Fluthen T erbreitet, da endigt Typhon’s , des Dämons
der W üs t e, Herrschaft und Reich ; und Horus , die
Tolle Sonntonhraft und ihres Segens Fülle, erhebt sich
als Rächer gegen den König der W üste. Auf dieselbe
W eise behämpft Som -H ercules den Erdensohn, den
Antäus. Es sind zuerst die mit einander hämpfienden
Jahresperioden: Dürre und Fluch liegen im Kampfe mit
W asser und S eg en ; aber auch Licht mit Finsternifs.
Eines ^ie das andere beruht auf unerforschlichen Kräf­
ten der Natur. Es ist, so zu sagen , ein geheimnifsyoller
Zwiespalt. Jahresfluthen, ewig wiederhehrend und die
W üste in ein Paradies verwandelnd — sie sind ein W erk
des Wunders. Zauber gegen Zauber, heifst es im Sinne
des Orientalen. Rhea bekämpft die T e i c h i n e n (TeX-
χ l v ε ς ) y jene magischen Priester Griechischer Ursage^
und trägt als sulche gerade den Namen Ά ντα/ι?, die
W id erstrebe rin ; — hier aber wird das andere Glied
des Gegensatzes *Ανταίος, Antäus, genannt. Schon dies
möchte auf Aegjptischen Grund des Mythus hindeuten

Zt^it angespielt. Ein Beispiel liefert das Gedicht auf die


Aegyptische M aria, wovon ich zum Plotinus de pulcritu-
dine tineProbe gegeben p. 226.
84) Scholiast. Apollonii I. vs. 1141.
85) 3o unangerührt bleibt die Grundidee, wenn wir auch in
G r i e c h i s c h e n Namen ihre Ueberlieferung haben soll­
ten. Nicht anders ist es mit den meisten Aegyptischen
Göttern. Ihre Namen mögen oft G r i e c h i s c h e U e -
b e r t e t z u n g e n Aegyptischer seyn·
559
Dem Ae^yptier ist die W üste das W iderstrebende. Der
W ü ste Kinder sind die Bosen. Typhon heifst ihm Smy
(Σρτ) , der V erzehrende, und ist das Bild des Zehrens
und des Hungers ^). Alles dieses Mird non auch in den
W i l l e n gelegt; und die Sohne der W üste sind die bo·
sen Hyhsos, die argen, unreinen Hirten. Die Pharao­
nen, als Künige des Ackerlandes, stehen ihnen gegen­
über, und Aegyptische Priester machen ihre Gaubier
und Zauberer zu Schanden. Aber in der £braischen
Sage vom Auszuge des er\vählten Volkes kehrt sich der
Gegensatz um. Jezt macht M oses, der Diener des Je-
boTah, die Aegyptischen Zauberer zu Schanden. Seine
W under überbicten die der Pharaonischen Hierarchen·
A ber im S i n n e d e r A e g y p t i e r ist Antäus der W i­
dersacher gedacht. Ihm stehen Pygmäen als Rächer auf.
Dem Riesen will das Geschlecht dei Zwerge wieder anf-
helfen. W as auch hier etwa Physisches zum Grunde
liegen m ag: fast alle Sagen haben in den Zwerg das
Theurgische und Magische niedergelegt ^7). Der büse
B iese , durch magische Künste gew eckt, kommt immer
wieder. Nimmer werden die Sandwirbel und die ver-

S6) Dagegen ist in Aegyptischer wie in Phöniciseber Religion


AJelkarih - Hercules der NShrer und Verleiher der Ge­
sundheit ^ s. unst rii Dionysus I. p. 136 sqq.
87) S e h e H i n g Ober die Gottheiten von Samothrace p. 85.
p. 98 sqq. — und Hercules erscheint bekanntlich in der
Sage nicht blos als Geweiheter, sondern auch als P r o ­
p h e t . Der Grund davon mag in der Pliönicischen und
Aegyptischen Lehre liegen. In Aegypten gab er Orakel,
und in Tyrus erscheint er als P ro p h e t; s. Nonm Dio­
nysiace. XL. VS. 424 sqq. Mithin steht hier AntHiis, als
schwarzer Magus, dem Sem - Hercules , als dem weifsen
Magier, gegenüber« Aber des Letzteren magische Bande
(seine Riemen im geistlichen Verstände) sind starker als
die der Typhonischen Machte.
34ο
wirrten Kinder der W usle ganz ausgerottet; und wenn
auch Abrahams Kinder dem Hercules beistehen ^ wenn
auch Abrahams Urenbel, Joseph, in Aegyptens Dienste
Kanäle gräbt — die unversiegbaren Quellen des Sand·
meeres bringen immer neue Not h; gleichwie in Sicitien
die Palicischen Götter immer wiederhommen. Die Quel­
len , von vulkanischen Bewegungen dos Aetna verstopft,
brechen immer neu wieder hervor. S o m ö c h t e a l s o
An tä ii s e i n n a t ü r l i c h e s B i l d des A e g y p t i -
s c h e n G r ä n z l a n d e s s e y n , in hieroglyphischerSpra­
che ausgeprägt· Priester- oder Gotlerkämpfe mit Pyg­
mäen stellt uns manches Aegyptisehe R elief vor Augen
W er mag sagen, wie alt solche Mythen sind, die auf dem
Boden der alten Mutter £rde selber ruhen. Genug, wir
dürfen am Schlüsse dieser Erörterung gewifs mit vollem
Bechte wiederholen , was Lihanius beim Anfänge sei­
ner Beschreibung dieses selbigen Ringkampfes sagt:
«Diesen Kämpfern hat die Vorwelt zugeseben3».

88) Man wird hierin nichts weiter suchen, als eine Erinne­
rung an die S a g e ( s. oben Josephiis ). Und wenn die
Israeliten anderwärts als Granzhirten verachtet worden,
80 weifs auch die Aogyptisclic Sage davon zu melden (s .
oben vom 'ly p h o n , den Einige aut* Moses bezogen).
Die Krwähiiuiig der Dü Palici ze igt uns einen anderen
Gegensatz. In ihnen sind gute Götter gegeben. Von
ihnen mehr iin V'erfolg. liier nur die eine Frage: sind
sie vielleicht indem G r u n d b e g r i f f e den Aegyptischen
Pygmäen am Nil (s. vorher) verwandt?
89) Z . B. in der Descript. de TEg. Antiqq. Vol. II. cap, 9.
sect. I. pag, <i9. Merkwürdig scheint e s , dafs auf dem
gymnas'ischen Relief zu Ehny Hassan (Descript. de TEg.
Livr. i n . pK 66. vergl. oben) M e n s c h e n h e l l e r
F a r b e mi t s c h w a r z e n r i ngen.
90) ln der^£κφ^ασ/( και Avro/bv a. a. O·
341
10.

S e m - H e r c u l e s in d e n M y t h e n d e r N a c h b a r ­
länder.
Ehe wir nun den Hercules in Aegypten mit dem Tode
bedroht^ in Libyen aber gar sterben sehen , dem Osiria
gleich, Yon Typhons Hand , müssen wir die Verzweigun­
gen dieser NaturTabeln etwas weiter in der Umgegend
verfolgen. Die Religionen von Cypem und Cilicien tref­
fen auiVallend mit manchen Africantschen Gebräuchen
zusammen. Man honnte dabei au eine Sage erinnern,
wonach ein Cyprischer Stamm aus Aetbiopien seine Ab-
hunft herleitele (H erodot. VH. <)o.). Doch uns ist es
hier mehr um die innere Verwandtschaft der Gebräuche
zu thun. Um diese hürzlich ins Licht zu setzen , müssen
wir eine kleine genealogische Tafel vorausschichen,
an die wir unsere Begriffe anreihen hünnen.
C eph alus^ Aurora
I
Tithonus

Phaethon

Astynous

Sandacus ^ Pharnace
I
Cinyras Metharme, TochlerPygmalions
l
/ ■ " I ■■■I I ^ ^
Oxyporus, Adonis, O rsedice, L aogore, Braesia.

Dafs dieses Geschlechtsregister mit dem des M e m n o n


zusammenhängt, ist Unterrichteten zu bekannt, als dafs

91) Apollodor. Hi. l4i p. 35l sq. mit Heyne’s Bemerkuniren


und Tafel p. 384 sq. und p. 400, welche Tafel wir be«
richtigt haben. Einige Verschiedenheiten in der Genea-
34s
w ir es ausdruchHch su e rö rte rn nothig M tten. W ir be­
m erken n u r, dafs die m eisten Namen an orientalischen
S o n n e n - und M o n d d i e n e t erinnern· Und in diesen
Beligionenkreis fü h rt uns auch Tacitus in d er H aupt-
steile (H istorr« II. 3 .) unm ittelbar ein· In dieser B e­
schreibung des Yenustempels zu Paphos nennt e r zwei
S tifter des Tem pels nach verschiedenen Sagen· Die al­
te re gab einen Honig Aerias dafür aus, wobei Justus
Lipsi>>s ganz richtig an den gleichen Namen von Aegyp­
ten erin n ert. U nter andern hiefs es nämlich auch A eria.
Die spätere Sage nannte den Cinyras als G ründer des
Heiligthums· A ber die Opferweissagung, fährt der Ge­
schichtschreiber f o r t , habe ein Cilicier Tam iras nach
Cypern g e b ra c h t, und dessen Nachkommen h ä tte n , v er-
tragsm äfsig, die heiligen G ebräuche besorgt. N achher
ab er scy auch das O pferam t und die Opferweissagung an
das Geschlecht des Cinyras gekommen. — Also erbliches
P rie ste rth u m , erst vom Honigthume g etre n n t, wie in
Athen in den G eschlechtern des E rechtheus und des Dutes ;
nachher ab er Honigswürde und P riesteram t in Einem
G cschlechte vereinigt.
Diese T a m i r a d e n kennen wir auch
aus andern alten Schriftstellern als P rie ste r au f d er Insel
C jp ru s Nicht m inder bekannt sind die C i n y r a d e n

logie sind dort angegeben· Ich will nur ein kleines V e r­


sehen eint‘8 grofsin \ J annes gelegentlich beiichtigen.
L i p s i u s ad Tacit. Annal. II. 80. n en n t, nach Apollo­
dorus, den Saiidacus E n k e l des Tithonus· Es mulk
U r t n k e I hi ifsen. Auch mufs dort in der neuesten Aus­
gabe Sandarus vt^rbessert werden in Sandacus· Ueber
die vtrnriiithlidit*n Quellen dieses Geschlechtsregisters
und Vlythenkrei^es vergleiche man auch noch Heyne in
O bservv. ad lliad. XI. 20. p. ti8.
92) Hesych· in voce Ta/A. 1. p. 1344 Albert· und Meursius in
Cyprus I. 17. p. 50.
343
, und von ilinen w ird ansdruclilicli gesagt,
dafa sie P riester und Könige zugleich w aren H ier
h a b e n wir also ein E reignifs, dergleichen die alte Yol-
h erg eschichte m ehrere aufstellt* W ir erinnern h ier n u r
a n die Geschichte der P haraonen , die in der R egel nicht
aelbst das P riesteram t v e rw a lte te n , ob sie wohl in die
hö h eren E rhenntnisse von den P riestern eingew eihet
w u rd e n , wovon ab er doch E iner den Versuch m achte,
D iadem und Inful auf seinem H aupte zu vereinigen*
Solche S torungen mufste die N atur d er Sache in h ierar­
chischen V erfassungen mit sich bringen*
D e r G eschichtschreiber (Tacitus a. a. O .) giebt nun
m e h re re Nacbricbten von den Aeufserlichkeiten d er Ge·
h rä n c h e , und beschreibt auch zugleich die sonderbai*e
honische Bildsäule d er G ö ttin , welche nichts menschen­
ähnliches h a tte , sondern in eine A rt von Spitzsäule ge­
b ildet war W ich tig er fü r unsern Zweck sind die
W o rte des H istorikers ü b er den d o rt üblichen O pfer·
d ien st: aO p ferth iere w urden verschiedene dargebracht,
nach der V erschiedenheit d er Gelübde ^ n u r m ufsten sie
männlichen G eschlechts sey n , und der A ltar d er Göttin
du rfte nicht m it B lut besprengt w erden.» H ier tritt
nun d er Z ug h e r v o r , dafs man den Zeichen in den
E i n g e w e i d e n der Z i e g e n b ö c k e das gröfseste V er­
trauen schenkte — H ier liegt nun die innere V e r­
wandtschaft mit dem Mendesischen Pansdienste vo r Au­
gen. D er Ziegenbock w ar auch den C ypriem ein bedeu­
ten d es, ein zuverlässiges Thier. Dafs man nun hier,

93) Scholiast. Pindari Olymp. Π. 27, Hesych. in Kivj^dSüu Γ,


p. 264. und daselbst die Ausleger.
94) S. darüber C. G. L e n z die Göttin von Faphos — und
Baphomet p. 2 IF.
93) Tacitus a. a. O* Certissima fides haedorum fibris.
344
neben dem allgemeinen Symbol der Fruchtbarkeit^ auch
zugleich an astronomische und meteorologische Progno­
stiken denken müsse, läTst sich aus der beigefiigten
Yulkssage schliefsen. Man wollte nämlich Missen, der
Ailar der Göttin , ob er gleich unter ireieiii Himmel
stehe, werde d<»ch niemals vom Regen nafs. So linden
wir öfter Mythen, aus calendarischer Bedeutung ent­
sprungen. Vielleicht lag dieser Sage die alte allegori­
sche Bezeichnung der dürren Jahreszeit zum Grunde,
wann in Aegypten bei Meronons l'ode die Kränze in den
Staub herabfallen, und wann die bockslüfsigen Pane
Typhons Herrschaft verkündigen.
Doch es genüge diese kurze Andeutung. Zunächst
fuhrt uns der Geschichtschreiber selbst nach Ciliciea
hinüber. Von dort h er, sagt e r, war die Opferschau
(haruspicina) gekommen. Erbliche P iiester, die Tami-
raden, und nachher die Könige selbst in der Eigenschaft
von Priestern, die Cinyraden , hatten sie fortgepflanzt.
Diese Aussage des Tacitus wird nun auf eine merkwür­
dige Weise durch Denkmale bestätigt. Auf uralten und
sehr inerkM’ürdigen Autonomenmünzen der auf der ge­
genüber liegenden Cilicischen Küste befindlichen festen
Stadt Celenderis finden wir das deutliche Zeichen.
Sie zeigen uns auf der Kehrseite einen zurückhlickenden
Ziegenhock mit gebogenem vorderen Knie. Es war ein
trefflicher Gedanke von E ckhel, dafs er hierbei an die
Cyprischc Religion und das in ihr so bedeutsame Thier
erinnerte Diese Erklärung kann keinen Widerspruch
finden. Aber nun fordert auch die Hauptseite unsere
Aufmerksamkeit. Sie stellt einen nackten Mann dar,

96) Bei Pellcrin im Abschnitte von A sien, Recueil Tab. 73^


auch bei Hunter mit der Inschrift ΚΕΛΕΝΔΕΡίΤ(^α;ν).
97) Irt der Doctrina Nunnn. Vett. 111. p. 52.
S45
Aer q u e r au f einem galoppIrenJen P ferd e sitzt. Schon
P an el sah darin den H eros Sandacus, den E rb a u er der
S tad t Celenderis. W ir müssen auch dieser E rklärung
u n sere Zustimmung geben. Indem wir aber -versuchen,
ih r noch au f einem anderen W eg e Bestätigung zu gew^in-
nen, müssen wir in die genealogischen Andeutungen jenes
Sonnen - und Monddienstes etwas w eiter eingehen :
A pollodorus berichtet uns nämlich an einem andern
O rte , wie Sandacus aus Syrien sich in Cilicien nieder­
gelassen , die Stadt Celenderis g eb a u t, und mit der P h a r­
nace den C inyras, König der S y re r, gezeugt habe. So
gew innen w ir also die Ahnentafel jenes Stam m raters d er
P riesterliönige von Cyprns, welche d er grofsen Göttin
von Paphos den O pferdienst au srich teten , und dem
T o lk e aus d e r Bucke L eb e r die verborgene Zukunft
e n th ü llte n :
Sandacns ^ P h a rn a c e
I
Cinyras.
L e tz te re r besteigt n u n , dieser Sage n a c h , in dem Va-
terlan d e seines V aters, in S y r i e n , den königlichen
T h ro n . Syrien oder Assyrien — wer weifs n ic h t, wie
o ft iliese Ländernam en verw echselt w erden? Heyne h e·
m e rk t dieses seihst eben bei diesen selbigen Mythen.
U nd w er w ill der fabelhaften Geographie so enge G ran­
nen ab steck en ! ln so fern könnten wir also willfährig
fo lg en , wenn uns B ochart in die P h ö n i c i s c h e n

9B ) III. 1 1 . 3. p. 35l sq. Heyn. — ΣανίΛκο;· e ; βκ Συς//ας ik £ w - J


K tX s K / a v , ircA/v Ικτ/σβ , και Φ(/ζ νάκ>»ν τι;ν
ILrrJqarj τ^ν Συκιών βασιλέα iy^wvjVB, Mit Recht
hat O berlin, gegen Ernestfs Neuerung , dein Tacitus
Annal. 11 80. die Lesart C e l e n d e r i s wiedergegeben·
Sie ist durch die Münzen des Ortes bestätigt.
S9 ) Geographia sacr« lib. 1. cap. 5. p. 3iS sq.
346
O ertlichlteiten und Sprachgebiete einfuhren will. E r
sieht in diesen Geachlechteregistern nämlich m it einen
Beweis, dafs P h ö n i c i e r in Cilicien gesessen haben»
O hne diesen Satz selbst bestreiten zu w o lle n , bleiben
w ir bei den Namen ste h e n , die e r aas obiger Genealogie
a u f Phunicischen W u rzeln ableitet· Ihm zufolge ist
Sandocus : ρ Π Χ s a d o c , der G e r e c h t e ; und Ce·
lenderis erk lärt e r i Vä g e l e d - e r e z , te rra a s ·
p e r a . E rstere Form sey im Arabischen gebräuchlich^
und jene Stadt liege wirklich in dem Theile Ton Cilicien,
d e r das r a u h e Cilicien hiefs.
A b er bei den deutlichen S puren von Sonnenreligion,
die in den b erührten Genealogien zu Tage liegen, spricht
mich eine andere H erleitung besser a n , die ic h , ge­
stü tzt au f ein Zeugnifs, versuchen will. Sie hängt auch
n äh er mit dem Namen Sandacus (Σ ά ν^α χος) zusammen.
Johannes d e r L ydier beschreibt uns die T racht d er Lydi-
schen F rauen , und wie sie ihre übrigens nachten K örper
buhlerisch mit Scharlach- oder fleischfarbenen Gewän­
dern um geben hätten. Die F ä rb e r hätten sie m it dem
Safte d er Pflanze Sandyx gefärbt ( σάνίυχος 9 k τ^[ς
βυτάνης χαταβάπτορτες αντονς). Mit einem solchen
Gewände habe einst Omphale den weibischen H ercules
bekleidet. D aher sey H ercules auch Sandon genannt
Worden H ierm it hätten w ir also, in wenig verän­
d e rte r W o rtfo rm , einen Cilicischen H e rcu les, einen
Sonnengott im E rschlaffen, der seiner G attin Pharnace

100) So schreibt er. Heyne, der übrigens Bocharts Meinung


nicht zu kennen scheint, hat nach einigen Handschriften
die Lesart Σάνδακρς in den Text des Apollodorus gesetzt·
101) Jo· Laur. Lydus de magistratt. Romanorr. III. 64. pag·
268. Ταυτ^υ καί Σάνδινν *Η^αϋλί}ς ayijv/^Sif. Darauf führt er
den Tranquillus und Appulejus in den Erotischen Bü«
ehern an.
547

SO zngetlian m r e , 'wie jener Lydieche Sonnengott d er


O m phale. Und scheint nicht auch d er Name P harnace
a n den Mond zu erinnern ? ln Pontischen Religionen
t r i t t wenigstens d er Name Pharnaces in V erbindung mit
dem Gott L n n u s, bei dem die Könige des Landes schwu«
re n (S trab o X ll. pag. ö 35 . Tom. V, pag. 128 T zsc h .) ;
und die Münzen jener L änder zeigen uns eben jenen
M ifr, Mond, im deutlichen Zeichen. Ich w erde im zwei­
te n Theile darü b er ein M ehrere« beibringen. Und die
ganze Genealogie erin n ert an s i d e r i s c h e Gegenstände
d e r V erehrung. Da tritt A u r o r a in der G eschlechts­
tafe l auf , da folgen P h a e t h o n und A d o n i s ; um
je z t nicht M ehreres zu erwähnen. O der sollte der F rauen­
lieb lin g nnd schlaffe Adonis nicht einen weichen Ahn-
b e r rn voraussetzen ? Setzt doch Sandacus selbst einen
altersschw achen Liebling d er A urora im Tithonus voraus.
Mit andern W o r te n , frage ich je z t, befinden w ir
uns h ier nicht ganz im Gebiete von Sonnendienern ?
S te h t nicht auch Apollo au f manchen M ünzen d er Stadt

102) Hesiodus in der Theogonie vs. 9^5 sqq. vergl. Fausan.


Attic. 111. 1. p. Itsq.Fac. Den Phaethon hatte entweder
Hemera ( d e r T a g ) oder Aphrodite geraubt (doch vergl.
die Ausleger), und zum Wächter ihres Tempels gemacht
(vjjoiriAov /Αϋχ/ον, wie mit Recht gelesen wird). Das Scho­
lien dazu (p. 310 Heins.) giebt Wolf zu dieser Stelle so:
e/ov SVτώ χ^οφοένοντα s*v rjf Kuir^. Die Präpo­
sition vor rg Κυνξω hat weder der Text, noch die Schel­
lersheimische Handschrift. Dagegen hat sie vollständiger
καί τώ vor adJrw, und da das Sebolion einen alten Kri­
tiker anfuhrt, der vermuthlich aus guten Quellen schöpf­
te, so kommt nach dieser Lesart der recht alterthUmliche
Sinn heraus: „weil er, im Heiligtbume, d e r I ns e l C y -
p er n v o r l e u c h t e t e “ , d. h. auch zugleich p r o ­
p h e z e i t e , oder verkündigte, was die Gottheit orakelte.
— Im Vorhergehenden giebt der Scholiast die Identität
des M o r g e n s t e r n s und des Planeten V e n u s an.
548
C elenderis? (§. Eclihel a. a. O.) H aben wir es nicht m it
solchen Religionen za th u n , worin in m ancherlei Auf-
zagen j L ie d e rn , G ebräuchen und Namen die Baiima
des Himmels, Sonne und M ond, bald als mächtig und
s t ark, als glänzend und h e rrlic h , bald als geschw ächt
und Tcrdunhelt odor gar g esto rb e n , dargestellt w erden?
W ir wollen nicht vorgreiien. Diese G rundgedanhen
w erden in d er Folge noch die manniglacliste Bestätigung
finden.
Jezt wollen w ir n u r den G e g e n s a t z in allen die­
sen BegrifTen Festhalten. Adonis ist d er V enus Liebling,
und sie kann seinen V erlust nicht verschm erzen; wäh­
re n d sie seine Schwestern verfolgt. Diese w erden von
einem buhlerischen V erlangen zu andern M ännern ge­
trie b e n , und müssen endlich in Aegypten sterben (Apol­
lodor. a. a. O.). Das sind Pamylien o d er üppige, phal-
lagogische F e ste ; und die H iero d u le n , w*enn sie an
solchen Tagen das dünne lleischfarbene Gew'and buhle­
risch um sich warfen , lockten die B egierden der Männer
(s. J. Lydus oben). Das sind F e ste , an denen die Männer
auch wohl F rauenkleider anziehen, und W eibisches ver­
rich ten , wie an dom Feste des alten N aturgottes H e r a ­
k l e s (Jo. Lydus de menss. p. 98.); w ährend am T rau er-
feste des A d o n i s die entgürteten F rau en ih re Jam m er,
lieder über den Gott absingen, dem die Kraft genommen,
und den d er Tod erstarren gemacht. — A ber gehen wir
doch im G eschlechtsregister fo rt; eben dieser Adonis#
dieser £nkel des Λνethisch angethanenH ercules-Sandacns,
eben dieser hat einen B ru d e r, d er d er r ü s t i g e W a n ­
d e r e r heifst. Das ist O x y p o r u s ( ’Ο ξνπορος), d er
scharfe W andersm ann. E r ist zwar des weichlichen San-
dacus E n k el, aber er richtet sich wieder auf in n eu er
Kraf^. So rich tet sich im Jahreskreise die S o n n e wie­
d er au f zu neu er K raft und Stärke. Das sind Mythen
von Sarden h e r , welche die J a h r e s s t a d t heifst, und
349
im Z eichen des L ö w e n ih r U nterpfand und Heil er­
k e n n t (Jo .L jd u » de menss. p. 4e. p. 96.). H ercules, der
w e ic h e , nimmt doch i^ieder die R auhheit a n , und ?cr«
tauscht w ieder mit dem Scharlachrocke der F rauen die
Löw enhaut. Gleichermafsen zeuget auch der weiche
Kßnig Cinyras τοη Assyrien einen r ü s t i g e n \ Y a n d e ­
r e r a u f d e r S o n n e n b a h n — einen Oxyporus. Eben
so bauet Sandacus, d er w eichliche, der diensame B uhle
des Mondes P h a rn a c e , eine S ta d t, die vom raschen
B e u te r ihren Namen tr ä g t; es ist Celenderis. Vielleicht
y e re h rte sie einen H e ro s, τοη dem die Stadt den Namen
überham . A ber w er es se y , Sandacus oder ein gleich­
nam iger H ero s, C elenderis, ihn träg t ein r e n n e n d e s
B o f s (χέλ>7^), wie ihn die H auptseite d er Münze jener
Stadt zeigt. E r tre ib t es rasch an (χέλβι, χΑλβι). E r
steht als W ahrzeichen d er S t a d t d e s R i t t e r s , C e ­
l e n d e r i s . Es ist das weifse S o n n e n r o f s , w orauf
e r reutet. Und T ithonus, einer der Stam m halter in die­
ser G enealogie, soll auch den L eucippus, den Mann des
weifsen Rosses, zum E ltervater gehabt haken (Saxii tabb.
genealogg. n r. 21.). E r hat auch die Lampo (die Leuch­
tende) z u r Schwester (Ebendaselbst).
So w ä re , diinlit u n s , die s o l a r i s e h e Geneal ogie
ans G riechischer Sprache gerechtfertigt. H.^ttcn wir des
Hesiodus Katalog τοη den L e n c i p p i d e n noch übrig
(s. meine Anmerk, zu Cie. de N. D* 111. s3. p. 6 i 5 .), so
w ürden wir dies Alles besser sehen. So viel sehen wir,
dafs wir d er Phonicischen Etymologien hier keineswegs
bedürfen. Eine Griechische Colonie mochte an Cilicicns
Gestade gebaut haben. Den Samischen Pilanzstädten
wird Celenderis ganz bestimmt beigezäblt ( Mcla I. i 4 *
p. 83 ed. G ro n o T .), und nach Theopompus im zwölften
B oche (beim Photius Cod. 186· init.) hatten die Griechen
u n te r Agamemnon schon das Reich des Cinyras au f Cy-
p e m in Besitz genommen. Nach A ndern waren Leute
55ο
von Gorinth auch nach C jp ru s gehoromen 9 und hatten
die heiligen G ebräuche gebracht; w orunter wieder ein
O pfer angeführt w ird aus dem obigen Thiergeschlechte·
Man sch lach tete, heifst e s, d er Venus a u f C jpern ein
Schaaf mit wolligem F elle (Jo* Lydus de menss. p· 93.)·
Also ein goldenes S o n n e n τ l i e s w ar vermuthlicfa auch
h ier hehannt. — U ebrigens vereinige ich mich w ieder mit
B ochart in dem P u n h te , dafs gewifs die Phöoicter auch
diese solarischen G ebräuche und Mythen hatten. Zu
Memphis im Phönicierlager v e re h rte man die frem de
A phrodite. Das w ar keine andere als H e l e n a selber
(so erfuhren die E ingew eiheten, H erodot. II. 113. und
Aeneae Gazaei Theophrastus p. 43 ed. B a rth .), und He·
len a-V en u s hat auch einen rüstigen R itter au f weifsem
B osse zum Oheim (d e n L e u c i p p u s f e r o x , Ovid.
M etamorph. VHI. 3 o6 .). —

Und überhaupt auf die B e d e u t u n g immer wieder-


h eh ren d er iNamen, wie au f die V e r w a n d t s c h a f t von
G e b r ä u c h e n , gebe ich in diesen, wie io allen Mythen,
m ehr als au f oft tnigliche Etym ologien. Ich will also
meine obigen Gedanken über beide N am en: Celenderis
und Sandacus blos fü r Verm uthungen hinlegen ; und w e«se
es gar nicht a b , wenn Gerh. Vossius (de Idololatr. I. 33.
p. 168.) einen H ercules S a n d e s (Σάνίίηί,) aus P ersien
b eib rin g t, und diesen Namen aus dem Syrischen s a n a d ,
s a e v i r e , erklären will. E inen rasenden H ercules
k en n t die Griechische T ragödie; und wenn w ir den meh-
reniheils orgiastischen Geist der RI einasiatischen B eli-
gionsgebräuche v erste h en , so werden wir es wohl be­
greiflich finden, dafs auch ein o r g i a s t i s c h e r H e r ­
c u l e s in den G eschlechtsregistern dieser Länder Vor­
kommen kann. VVenn mithin auch S a n d a c u s einen
rasenden H ercules b ezeich n ete, so w urden die G rund-
SSt

begriffe docb bestehen, und nur ein neuer Gegensatz,


von Jahresfesten hergenommen, iivurde sich alsdann huod
geben. Alsdann könnte Sandacas d ie f a n a t i s c h e
£ h » t a s e bezeichnen, die sich an dortigen Sonnen- und
Mondsfesten kund g a b ; im Cinjras aber hätten wir die
Andeutung trauriger Festperioden Sonach stimmte
der Name des Cinyras mit dem des Adonis überein. £ r·
sterer wurde an die Cithar und an die Hlagelieder erin­
nern. Letzterer hiefs Gingras von der Phönicischen
und Carisehen Trauerllöte (Pollux IV. lo. 76.). Ein
Mythus weifs auch von Cinyras selbst klägliche Dinge zu
berichten. £ r nard von Agamemnon verflucht, liefs
eich mit Apollo in einen Wettstreit ein, und ward von
ihm erschlagen (Eustath. ad Iliad. A. vs. so.). Demnach
hatte er des Marsyae Schickeal aus gleichem Grunde.
Und auch hier will, scheint e s, die Sage mit gleichen
oder ähnlichen Namen spielen. Zu Celänä (έν ΚΕλαιναΙς)
sollte Marsyas geschunden worden seyn (Xenoph. Ana­
bas. I. 2. 8.). Da könnte man wieder an Celenderis
denken. < 1— Aber wir wollen zum Schlüsse lieber an eine
Aehnlichkeit in der S a c h e erinnern. Was wir oben
von der Cilicischen Opferschau zu Paphos lasen, mufste
unwillkührlich die haruspicina der £trusker ins Gedächt-
nifs rufen. Von letzteren geben uns die Alten noch
einen bestimmteren Zug an. Es galt bei den Etruskern
für ein gutes Vorzeichen des Ruhmes von fürstlichen
Geschlechtern, wenn ein Widder oder Schaaf Purpur-
oder goldgelbe Streifen in seiner W olle hatte —
Also auch hier wieder allegorische Anspielungen auf den*·

103) Hesych. I. p. 264. ibique Alberti o^ytzvov


· aVr^d. cf. PhoCii Lex. graec. p. 120.

104) Servius ad Virgil. Eclog. IV. 42 - 45. Macrob. III. 7.


vergl. Heyne zum Virgil, a« a. O.
352
Widder und auf solariacKe Vorzeichen aus den Hürden
g o l d r e i c h e r L i c h t p r i c s t e r ( L u c u m o n e s ) und
Hercules Sandacus in seinem fleischfarbenen oder schar·
fachenen Gewände erhalt auch hierdurch wieder seinen
Platz in den festlichen Aufzugen des Sonnendiensles·

$. 1 1.
B u s i r i s und S e m - H e r cules.
Auch hatte einst ein Widder dem Hercules das L e·
hon gerettet· Das Thier scharrcte in dem Sande eine
Wasscrqiiellc auf, und nun honnte der yon Durst er­
mattete W^anderer sich erquichen (Statius in Thebaid«
III. 476. ibiq. Interprett.). Demselben Hercules hatte
sich, auf wiederholtes Bitten seinen Vater zu sehen,
Juppiter - Ammon, mit einem %Vidderfelle umhangen,
gezeigt, und nun war seine Sehnsucht gestillt. Darum
feierten die Thebäer in Aegyplen am Festtage ihres Am­
mon dieselbe Widderepiplianic 1, w'enn sie Som-Horcules
Bild in Juppiters Tempel trugen (Herodot. II. 42.)· —
Das waren festliche Perioden auf Erden , abgespielt von
dem Kreise der Licbttbiere am Himmel. Darum raufste
auch zu Juppiters l'einpel dort die Kestprocession durch
die Allee der liegenden Widder gehen, wovon die Üc-
herbleibsel noch jezt den Pieisenden die heilige Strafse
der Thebaiter nachΛveisen Das waren fröhliche
Feste. Aber in demselben Aegjptenlande sollte derselbe
Gottcrsohii ein andermal eines traurigen Opferfcstes
Held und Mittelpunht w^erden· — Und das Unheil ham
ihm von demselben Eilande C y p e r n her, wohin er als
Sandacus Priesierhdnige seines Geschlechts geliefert
hatte Es geschah dies auf dem Zuge nach Libyen

105) Descript. de TEg. Antiqq. Vol. II. (Thebes) p· 25S sqq.


106> S. oben $· 10. — Ja, nach Einigen sollte gar Pygmalion
555
und Aegypten, wo er auch den Antaue hatte hehampfen
müssen· lieber letzteres herrschte damals B u s i r i s ,
Sohn des Poseidon und der Lysianassa, Tochter des
£paphus Dieser opferte die Fremden an Juppiters
Altar zufolge eines Orahels. Denn neun Jahre lang war
Aegypten τοη Unfruchtbarkeit heimgesucht. Da kam
ein Prophet Phrasius von Cypern h er, verkündigend,
die Noth werde sich wenden, wenn die Aegyptier jedes
Jahr einen Fremden dem Juppiter schlachten wollten.
Busiris liefe den Propheten zuerst schlachten , und ver­
fuhr eben so mit allen Fremden, die ins Land hinab­
kamen. Nun wurde auch Hercules als Ankömmling er­
griffen , und zu dem Altäre hingeführt. Aber er zer­
brach die Fesseln, und erschlug den Busiris und dessen
Sohn A r a p h i d a ma s und den Herold Chalbes.
So weit das Wesentliche der Legende.

selber den gleich zu meldenden blutdürstigen Entschluß


dem Busiris angerathen haben, Probus zu Virgil. Georg.
ΠΓ. i ; oder der Prophet Phrasius oder Thrasius war
Pygmalions Bruderssohti, Hygin. fabul. LVf.
107) Oder Sohn Poseidons und der Anippe, Tochter des
Kilus , Agathon ap. Flutarch. de Port. Roman, pag. 3l5.
Die erste Angabe hat Apollodorus 11. 5 . 1 1 . p. 195 haupt­
sächlich aus dem Logographen Pherecydes, vergi.Heyne
p. 171 sq. und Pherecydis Fraginm. p. l4l sqq. Ueber
verschiedene Angaben in dieser Genealogie s. man Heyne
und Sturz daselbst. Für uns ist es bedeutend , dafs er
ein Sohn des N e p t u n heifst. Hiermit mufs die Sage bei
Diodor. 1. 17. verbunden werden, wo Busiris gerade
über die S e e k ü s t e n und die Stiiehe nach Phönicien
hin als Statthalter gesetzt wird. D ort war des Neptunus
Reich ; dort das in der Priestersage Aegyptens verhafste
NJiitelmecr und das Typhonisebe Gebiet der Hirten. Mit­
hin hier eine innere Bestätigung dei oben nachgewiesenen
BegrilTe, und zwar von einem alten Sageiischreiber.
108) Wenn der Scholiast des Apollonius IV. 1396. Τψ<βάραντα
I. 3δ
354
W e r war nun dieser Buairis? Die Beantwortung
dieser Frage bann uns nicht riele W orte hotten« Hatte
νοΓίιιβΙβ der Redner Isocrates, um dem Busiris eine
Schutzrede zu halten, den Beweis führen müssen
dafs Busiris zweih**ndert Jahre vor Perseus und mithin
noch länger vor Hercules gelebt« folglich nicht von diesem
bähe erschlagen werden Lonnen^ so waren nachher an­
dere Schriftsteller bemühet, drei, ja fünf Könige des
Namens Busiris zu unterscheiden Herodotus ^ der
die Tradition kennt« widerspricht ihr auf eine sehr naive
AYeise, und sucht die Aegyptier von der Sitte der Men­
schenopfer frei zu sprechen ( II. 4^.). Das mochte zu
seiner Zeit wahr seyn, da Amasis ^^')die Menschenopfer
zu Heliopolis ahgeschaftV hatte, und seit der Persischen
Eroberung sich überhaupt wohl diese Dinge änderten«
Aber dafs es ehemals anders gewesen, daron lassen sich
aus manchen bildlichen Vorstellungen in den Aegypti-

aus demselben Pherecydes angeblich giebt, so möchte


Sturz, a. a. O. p dafür Άμ^ι^άμαντα schreiben» Aber
der cod. Paris, pag. 326 Sebaef. behält Ίφίδάμαντα^ und
Sturz bat ja auch selbst einige andere kleine Abweichun­
gen bemerkt. Falsch ist bei der Eudocia p. 216 . Άφι^«-
μαντα geschrieben.
109) Isocratis Busiris cap. 15. p. 228 ed. Coray«
110 ) 8 .
Hryne und Sturz a. a. O. vergl. Tbeonts Progymn.
cap. 6 . Syncelli Cbronogr. p. 152. und die Ausleger zum
Diodor. 1. 88. und zu Virgil. Georg. 111. 5 «
111) ·· die vorhergehend«^ Anmerk, und vergl* besonders
Manetho apud Porphyr, de Abstin. II· 55« p. 197. 19S cd«
Rhoer. Z a llithyopolis verbrannten die Aegyptier ehe­
mals M enschen, Manetho ap. Plutarch. de Isid. p. 380«
p. 556 Wytlenb ; und PJutarclius tadelt den Herodotus,
dafs er sich gleichsam des grausamen Busiris annähme
(de maiign. Herodot. p. 8570·
355
sehen Hypogeen wohl nicht unwahrscheinliche Yermu-
thungen machen.
Aber hören wir den Eratostbenes. Dieser hennt
schon heinen König Busiris in Aegypten. Yielmehr lei­
tet er den Ursprung der Fabel von der Ungastlichkeit
h er, wodurch sich früher die Bewohner des Busiriti-
sehen Nomos verhalht gemacht, da doch allen Barbaren
Feindseligkeit gegen die Fremden gewöhnlich sey
Ein Theil der Wahrheit ist damit gesagt; aber nicht die
ganee. Diese hören wir von Diodorus, wenn er meldet,
Stiere und Menschen rother Farbe wären von Alters
her von den Königen, der Sage nach, dem gleichfarbi­
gen Typhon geopfert worden. Da nun dieses fast immer
Fremde betroffen, so sey daher der Mythus von des
Busiris Opferung der Fremdlinge entstanden. D e n n
n i c h t e i n e s K ö n i g s Name s e y B u s i r i s , s o n ­
d e r n des Grabes von Osiris

112) Eratostbenes ap. Strabon, XVU. p. 802. p. 54t Tzsch·


113} Dies erinnert an die roibe Kuh (vacca rufa) im EbrSi-
schen Opferdtenste, Nuiner. XIX. 2 , worüber Maimoni-
des bekanntlich eine eigene Schrift verfafst hat. Spencer,
seinem Systeme gernäfs, leitete den Ebräischen Gebrauch,
als ein altes Ueberbleibsel aus Aegyptischer Religion , un­
mittelbar von ihr h e r, sieh, de legg. Hebraeor. ritualibb.
XV. p. 4S9 ed. Pfaff. Ihm widersetzt sich Witsius in den
Aegyptiacis II. S. p. 90 sqq. ed. Basil. Andere aberha­
ben gerade im Ebräischen Ritus eine Opposition gegen
die Aegyptische Meinung gefunden, indem die Israeliten
die rothe Kuh dem Jehovah darbrachten, und dadurch
erklärten, dafs der von den Aegyptiern aanctionirte Un­
terschied auf einem Wahne beruhe. Vergl. über diese
Meinung B u r d e r in Rosenmüllers altem und neuem
Morgenland IL p. 255 ff.
I l 4) Ich verweise hier auf meine Herodoteischen Abhandlun­
gen 1. $*12 , wo das Weitere nachEulesen ist. U eberBu-
5S6
W ie innerlich wahrscheinlich und wie aus der Na­
tur der alten Sprechart diese Erklärung geschoptt sey^
wird wohl ein Jeder mit uns anerkennen. Oder haben
wir nicht oben (p. a8o.) auch die Kunde vernommen ^ die
die wandernden Götter bei Abydus erschreckt: T y p h o n
h a t s i c h de s R e i c h e s b e m ä c h t i g t ? Mithin
konnte wohl die Todeskunde von Osiris auch so gefafst
worden seyn: B u s i r i s r e g i e r t ; wie wenn wir etwa
sagten: d e r T o d t r i u m p h i r t . Denn als Osiris in
der Blüthe seiner Jahre unter Typhons Händen sterben
mufste, so war dies ein grofser Sieg, ein gewaltiger
Triumph der tellurischen Mächte. Man sage nicht, dem
widerstreite die Ansicht, die die Aegyptier vom Tode
hatten, als dem Anfänge des eigentlichen Lebens (sieh,
unten). Mythus und Festgebrauch neigen uns hier eine

s i r i s vergleiche man zuvörderst Strabo XVIf. p. 802.


p. 54l Tzsch. Diodor. Sicul. T. b8 . und daselbst Wesse­
ling 5 ferner Champollion TEgypte soüs les l^haraons Vol.
1. p. 365. fl. p. 42 und 190 . Das Wort selbst erklären
Jabloiiski Voce. Aegypit. p. 54. und Zoega de obeiiscc.
p. 288. mit Hülfe des Koptischen durch Be - Ousiri, d. i·
G r a b m a l d e s O s i r i s . Hingegen Champultion a. a. O.
S. 185 iF., der P o u s i r i schreibt, findet darin nichts
Weiter als den Namen O s i r i s mit Vorgesetztem Artikel,
und erklärt mit den Uebrigen die Etymologie der Griechen
(.von /3β0ς υηά^Όσ«^«ς) für abgeschmackt. Allein was
diii Namen Busiris (Bouc^^) becritR, so mufs es immer
Auimeiksamkeit finden, üafs Diodorus (1. SS.) ausdrück­
lich versichert, in Aegyptischcr Sprache heifse Busiris
ein Osirisgrab. In Betreff der letzten Etymologie habe
ich in den Abhandlungen zum Herodotus zu zeigen ge«
sucht, wie, nach dem Grundgedanken, die beiden Aus­
drücke: „dort ist Osiris** und: „dort ist Osiris Grab**,
nur ein und dasselbe sagen, und wie selbst die zuletzt
berührte Griechische Worterklärung, ist sie auch an sich
falsch, doch nicht minder etwas sehr W ahres enthält, in­
dem einmal der S t i e r den meisten alten Völkern das
357
•fidere Seite* Wenn das frische Leben weggeraflTt wird,
ao ist dies ein h e r b e r T o d , und darum erschallen die
Klagelieder um den Otiris. Dafs das Herrlichste rer«
dunhelt werden mufs, bann der menschlichen Ansicht
an und für sich nicht lieblich scheinen. Das Menschliche
will seinen Tribut haben. Erst das beruhigte Gemiith
siebt nachher in dem früh verblichenen Osiris den freund«
liehen Gott der Unterwelt, der den lechzenden Seelen
den Becher der Erquickung reicht, und sie in die W oh·
sinngen der Götter zurücksendet·
Und hier stehen wir auf dem Punkte, wo wir nach
des vorliegenden Mythus Sinn zu fr&gen haben* Aber
w er müchte wohl in solcher Verdunkelung entfernter
Legenden auf Alles Antwort geben ? W ir unterfangen
uns das am wenigsten. Nur das getrauen wir uns zu er*

Bild der E r d e war, und dafs wirklich die Grofsen der


Aegyptier sich zuweilen in Särgen beisetzen liefsen, die
als Kühe und Rinder gestaltet waren, mit deutlichen An·
Spielungen auf den PrOhlingsstier im Thierkreise und auf
die Hoffnung eines neuen Lebens. Von solchen organi­
schen Deutungen hat aber freilich der sonst so geschickte
Champollion noch keine Ahnung. Die Beweise fUr die
eben behaupteten Sätze habe ich in den Commentatt. He-
rodott. Part. I. pag. 124 sqq. gegeben* Hier will ich nur
noch bemerken, dafs bei Diodor. I. 45* ein älterer Busi­
ris nach Menes eine Dynastie von acht Pharaonen grün­
det, wovon der letzte, wieder Busiris genannt, Thebä
hauet. Das heifst vielleicht: in Osiris Grabmale ruhen
die Pharaonen , welche Theben gegründet haben ; wenn
nicht noch zugleich ein mythischer Wink auf die Entste­
hung der alt - Aegyptischen Baukunst darin liegt. Davon
unten. Debrigens hat man in Altägypten drei bis vier
Städte Busiris zu unterscheiden. Von einer nannten Einige
einen Nilarm den Busiritischen ; sonst der Phatmetische
genannt. Herodot. II. 59* 2 ^äga de obelisce, a. a. O*
Champollion I. 365. II. 17* 184 sqq. und J . Melch. Hart-
mann Das Paschalik Aegypten p* 836* 9^4. 993* 103a.
358
Λνβίββη, und darum gingen \v!r vom Thebaitischen A m n n ,
dem G l a n z e n d e n (so heifst er urbandlich), a u s:
daf a H e r c u l e s ^ dessen Sohn, a u f d e r S o n n e n *
bahn zum B u s i r i s nach Memphis h e r a b f ä h r t ·
Nun *wollen γην lieber f r a g e n : Kommt Hercules nun
hier als lichtglänzender, starber Fruhlingsgott ?
Kommt er als goldgelber (ξανθός) gegen den A pril, wel­
chen Monat die Gazäer und die Macedonier den Xanthi-
cus (Sar^ixd^) nannten ? Und ist in diesem Mythus blos
das schnell drohende Verblassen der hellen Fruhlings-
sonne angedeutet — der Sonne, die aber in andern
Jahrespenoden wieder hell und stark wird? Oder
kommt er zugleich als glühende, verderbende Sonne in
der Z e it, wo gerade in Aegypten Gras und Kraut ver­
sengt werden? Und soll er als eine TyphoniscbeMacht,
glühend und schrecklich, als Strafopfer am Grabe des
Osiris fallen (d. h. vom Busiris geschlachtet werden) — ?
Von Rache der Isis am Typbon ist wenigstens gerade in
der angeführten Stelle vom Busiris (s. oben) die Rede·
Und Dürre und Hungersnoth sind auch gerade der erste
Anlafs zu dem grausamen Befehle, die Fremden an Jup-
piters Altar zu schlachten (s. oben und vergl, Ovid. Art·
amator. I. 647 sqq.). Aber cs werden auch n e u n böse
Jahre dabei genannt· Und so konnten wir wohl an eine
uralte P l a g e p e r i o d e Aegyptens glauben, in deren
Folge jene Opferfesle angeordnet worden. Und haben
wir nicht am Minos, in dessen Felsenlabyrinth der Feuer
schnaubende Minotaurus hauset, einen neunjähri gen
K önig, d. h. einen König, der alle neun Jahre mit Jup­
piter redet *^^) ? — Dafs wir an festliche Aufzüge und

115) MiVttJi ewAupo; Odyss. XIX. p. 178. cf. XI. 31!. und dar­
über unsere Briefe Über Homer an Hermann p. 44. 75 f·
Andere wui^ten jedoch nur von einer achijtthrigen Dürre
Aegyptens 5 s« ad Hygin. fab. 66· Interprr. p .l 2 0 Staver·
359
Darstellungen dabei zu denben haben, ergiebt sich wohl
zur Genüge schon aus dem, was oben bei Herodotus von
der l'hebaitischen Jahresprocession zum Ammonsteinpel
gemeldet worden·
Und bein Name war in Griechischen Mythen öfter
genannt, als der unholde Busiris (Virgil.Georg. 111. 5.)·
Auch die mysteriösen Scencrien der Griechen müssen
ihn fleifsig benutzt haben. W ir sehen dies aus übrig ge­
bliebenen Bildwerken· Bekanntlich liefern die Griechin
sehen Vasenmalereien mehrentheils mystische Scenen
— Abbildungen τοη dem^ was man in den Tempeln sah·
£in solches Bild sehen wir jezt in der Sammlung des
Herrn von Millingen ^^^)· £s zeigt uns die Scene obnge·
fahr wie Pherecydes sie beschreibt. Der König auf sei­
nem Ihrone in barbarischer Pracht, zur Bezeichnung
des Aegyptischen Busiris; Tor ihm Hercules in Banden,
bewacht und gehalten von Dienern ^*7), Schon ist der

116 ) Peiniures de Vases grecs par Millingen, Rome 1813·


nr. XXV111· Es ist a u f u n s e r n T a f e l n eine Copie
davon gegeben·
117) D er Scholiast des Apollonias a. a. O. fUhrt, aufter dem
höhne des Busiris und dem Herolde, noch Diener (oVaeva;)
an , oder ministros sacrorum , Ministranten beim Opfer,
wie Hygin sagt (fab· X X X (.), vergl. Sturz a. a. O. Ich
bemerke nur, dafs wir aus dem Busiris des Euripides
beim Stohaeus Tit. LXIl. ein einziges Bruchstück übrig
haben, worin vom Sklaven gesagt wird , nur dann dürfe
er die Wahrheit sagen, wenn sie seinem Herrn V'ortheÜ
bringe (s Euripid. Pragmm. p· 434 ed. Beck.) ln Euri­
pides Drama waren also auch vennuthlich Sklaven aufge-
treten. In einer andern Anführung des Euriptdeischen
Busiris vermuthlich kommt ein Opferausdruck v o r, lle-
sych. I. p.56 Alb. in ογ/ίσΜ (das Venet. Msc. bei Schow
hat ayv^Tai) , vergl· daselbst die Ausleger. In einer drit­
ten Anführung desselben I· pag. 604. wird ausdrücklich
Euripides im Busiris dürt· Auch war Busiris den satyri-
56ο
Kampf gewagt ^ wodurch Herculee sich Idsen w ill;
denn schon hat er eine Wunde empfangen. Aber mäch­
tig schwingt er seine K eule, und im nächsten Augen-
blich wird er den erschlagenen Busiris zu seinen Fufsen
liegen sehen. So hat also der Maler den prägnantesten
Moment der ganzen Handlung gewählt

Schwerlich aber mochte Hercules in der Legende


Ton Busiris als ein brennender Sonnendämon genommen
worden s e jn , d. i. als einer, der Tjphons Farbe trägt.
Daran zu zweifeln haben, wir gewichtige Grunde. Zu-
Torderst im Aegyptischen System gehörte Hercules unter
die guten Götter, und zwar in die zweite Ordnung der
Zwölfe (Herod. II. 43 .). Sodann w ird er im Grundmythus
Tora Osiris als ein Verwandter nicht blos, sondern auch
als der bezeichnet, dem Osiris die Statthalterschaft von
Aegypten an vertraut, während Antäus und Busiris in

sehen Dramen und Komödien heimgefallen. Einen Bu­


siris des Epicharmus und einen des Mnesimachus fuhren
die Alten an ( Athen. X. p. 4 ll. p. 4. ibid» p. 4l7. p. 26
Schweigh. Pollux X. 5. 82.).
118} An festliche GebrUtiche erinnert in diesem Herakleischen
Kreise gleich die folgende Erzählung des Apollodor. Π·
5. pag. 19 6 , wonach man bei den Opfern des Hercules
Verwünschungen ausstiefs, womit ein Mythus verknüpft
war, dafs Hercules als Räuber eines Rindes von dem Be­
sitzer desselben verflucht worden war — ein Mythus,
den Heyne schon richtig aus Opferformeln herleitete·
Eben so richtig verinuthete Zo^ga (de obelisce, p. 28$.),
dafs dieser Mythus von Hercules und Busiris auch wohl
von traurigen Gebräuchen , am Grabe des Osiris gewöhn­
lich , entstanden seyn möge. — Und möchten nicht in äl­
terer Zeit der Pharaonen bei diesem Todtendienste selbst
Menschenopfer gefallen seyn ?
361
die oden Provinzen der Grenze gesendet werden (Dio-
dor. 1. 17.). Und mufs nicht eben mit Antäus in Libyen
Hercules feindselig streiten ?
Also nach dem Grundcharahter von Aegyptischem
System und Mythos erscheint Som-Herakles durchaus
wie Osiris, als eine Aosgiefsong höherer Götter· Des
ersten Lichtes Q uell, Aman, ist sein Vater· Auf ihn
aiehet er im Widderzeichen; und ihm gehorchend wan­
delt er die siderische Bahn. Darum heifst er auch der
Asteria Sohn, d. i. der Sternenfrau (in den Orakeln
Name der Venus; J. Laur. Lydus de menss. p· 34·)· Und
gerade nach dieser Genealogie ist er auf eine unwi-
dersprechliche W eise z u O s i r i s S c h i c k s a l v e r ­
da mmt . W ir wollen diesen Mythus um so mehr hören,
da er die bisherigen organisch ergänzt. Er lautet so :
Herakles, des Zeus und der Asteria Sohn, war auf sei­
nem Zuge durch L i b y e n vo n T y p h o n e r s c h l a g e n
w o r d e n , aber durch das Biechen an einer Wachtel
wieder ins Leben zoruckgerufen worden. Hier fällt
H ercules, wie Osiris, durch Typhons Hand. Es ist die
hinabgesunkene Sonne, aber zugleich auch die Sonne
in ihrem neuen Aufsteigen Denn der Sonnenbeld

119 ) Eudoxns ap. Athenaeum IX. p. 492. p.449Schweigh. und


daraus Eustathiiis ad Odyss. XI. 60t. p. 460 Basil.
120) Wogegen dann im vorhergehenden Mythus vom Busiris
der Gedanke zum Grunde löge: Die Sonne lic ^ gebun­
den und soll vom Grabe verschlungen werden; aber sie
ringet, und mit neugewonnener Kraft schlagt sie die Fin-
sternifs nieder. Nur müssen auch beim Buriris die ört­
lichen Umstande, z. B. der ö d e S e e s t r a n d und die
heifse Sandwüste, nicht vergessen werden. — Somit erin­
nert der Name des verabschfueten Busiris an den mit
gleichem llafs von den Aegyptiern genannten Hirten P h i -
l i t i s , der au der GrSnze der westlichen W üste, wo die
Pyramiden ini Sande stehen, seine He erden geweidet ha-
362
wird wieder sum Leben surScbgebracbt· Durch eine
W a c h t e l , ao sagt der Text der Urkunde· Dafür mufs
G a z e l l e , gelesen werden, sagt Jablonshi (im
Pantheum p. 197. und zur Isistafel p. c 33 . ), denn die
Gazelle war ein Typhonisches Thier; in der Frühlings-
gleiche, wann Hercoles das Schattenreich des Typhon
verlassen hatte, schlachtete man dieses Thier an dem
Altar der G ütter, woron die rsietafel noch Beweise lie·
fert. Dupuis (Orig. II. 35 o.) ist dieser Aenderung bei­
getreten . aber mit einer andern Erklärung. Ihm ist
die Z i e g e Amalthea, die Phaethon am Eingänge zu
den oberen Himmelszeichen » wo die Sonne wieder auf­
steigt, als das Zeichen des Frühlings an seiner Hand
leitet. Dieser Phaethon ist kein Anderer als Jolaus, des
Hercules B egleiter, der ihn durch den starken Geruch
der Ziege wieder ins Leben ruft. Sehr sinnreich ist jede
dieser Deutungen. Die Gonjectur aber, worauf sie be­
ruhen, ist schon der Stelle wegen, wo die Erzählung
steht, sehr kühn. Athenäus theilt sie im Capitel von
den W a c h t e i n mit Auch mufs man mehr als ein­
mal corrigiren. Zum Gluck brauchen wir diese Hülfe
nicht. Ein Mythus berichtet, dafs Hercules mit der fal·
lenden Sucht behaftet gewesen (Aristotel. Problem·
Sect. 3 o. init.)· Dagegen war Wachtelgehirn ein speci-
fisches Mittel (Galenus cap. i 55 .)· Mithin war es sehr
natürlich, dafs Jolaus, um dem verwundeten und ohn­
mächtigen Hercules zu helfen, die Wachtel wählt (Bo-
chart Hierozoicon II. 1 . 15.)· Immer bleibt uns Hercules -
Osiris von Typhon überwältigt. Die Phonicier opferten
seitdem ihrem Hercules Wachteln·

ben sollte (Herodot· II. 128.); vergl. was wir oben b e ­


merkt haben.
121) Auch Eustathius hat in seinem Athenaeus ge­
lesen·
565
So zieht also der Mylhas τοη Herahles und Typhon
in Aegyptens GrSnzlanden hemm — dem Vogel gleich,
der in diesem Mythus so bedeutend hervortritt, der das
V olh Israel nährte , als es Aegyptens Fleischtöpfe
schmerzlich entbehrte, und der noch heut zu Tage in
Schaaren über das Mittelmeer an Aegyptens sandigen
Küsten niederfälU So zieht diese Herakleische Le­
gende von Cyprus herauf längs Syriens und Pbdniciens
Küsten bis nach Unter- und Oberägypten, oder viel­
mehr sie zieht von da abwärts dem Meere und den In­
seln zu. Ihre Bahn aber ist die Bahn der Sonne. Daher
nehmen die Sonnendiener diesen Mythus in ihre Kalen­
der — jeder auf seine W eise.

$. 12·
H e r m e s .
Nachdem wir so die Aegyptische Religion von ihrer
realen Seite, als Naturalismus, betrachtet haben, so
wenden wir uns nun auch zur ideellen; denn alle Beli-
gionen des Orients sind von der einen Seite Naturalis­
mus oder, wenn man w ill, Materialismus; aber auch
von der andern Seite mehr oder weniger Idealismus.
W enn O s i r i s ein grofser Naturleib ist, wenn sich in
ihm das einzelne Natnrleben als Ganzes zusammendrängt,
so ist im H e r m e s dargestellt das v e r k ö r p e r t e
g e i s t i g e L e b e n , mithin das S e l b s t s c h a u e n t
D e n k e n und das L e h r e n und S c h r e i b e n .
Dieser Genius der höchsten Wissenschaft und W eis­
heit an welchen die Aegyptische und Phönicische

122) Sonnini’s Reisen II. p. 4l4. Fr. L. v. Stollberg Relig.


Gesch. II. p»t4l3 ff. Vergl. Rosenrouilers altes und neues
Morgenland II. p. 247 ff.
125) Die hierher gehörigen Hauptstellen sind bei Plato im
δ64
Sage den Ursprung und Reichthum aller Wissenschaft
und Kunst anknupft, kommt unter verschiedenen Namen
vo r, als: A n u b i s ('^Ανονβις)^ T h o t h (0 AÄoder 0 «e^)
und H e r m e s Was den erstem Namen betriffV^
so erklärt ihn Jabionski (Voce. p. 3 a.) , nach der V er­
wandtschaft mit dem Koptischen, durch: a u r e u s , d e r
g o l d e n e , der in der Sonne schimmernde, der Führer
des Gestirnes, das wir den Hundsstern nennen; denn
der Hundsstern hiefs bei den Aegyptiern oder
wegen seines Glanzes auch ’^Ανονβις; mithin empfing
Hermes, der dieses Sternes Lichtgeist, sein Genius war,
denselben Namen. Der Name 0 ώ^ oder 0 sv& ist ein alt-
Aegyptisches W urzelwort, und vielleicht in Verbindung
zu bringen, wie Jabionski (Voce, p· 91·) glaubt, mit
T h o y t h , d i e S ä u l e . Denn die Säule war in Aegyp­
ten Träger aller Wissenschaft gewesen, die die Priester
besafsen (s. Proclus in Platon. Tim. p. 3 i.)· Daher also
Thoth Träger oder Inhaber aller Priesterwissenschaft
und daher seine vielen Schriften Ihn kennt auch

Phaedrus p. 34o Heind. nebst Hermias ad Platonis Phae­


drum cap.iii Astii; bet Cic. de Nat. Deor. 111. 22. pag.
611 unserer Ausgabe, nebst dem dort AngcfQhrien; bei
Diodor. 1 . p. 19 Wessel. Vergl. auch Fabricii Biblioth·
graec. T . 1. p. 46 Harles.
124) Anders erklärt diesen Namen Dornedden (Neue Theo­
rie S. 2 i 8 —234.). Nach ihm ist T h o y t ziisaminengesetzt
aus T h o , e i n J a h r (Cyclus, Kalender) , und H o u i t,
A n f ä n g e r , A n f ü h r e r . Also T h o h o u i t , A n f ä n .
g e r d e s J a h r e s ; und unter Thoth dachte sich der
Aegyptier d e n e r s t e n M o n a t s t a g de s J a h r e s .
Nun erfanden die Aegyptier durch die Vergleichung des
ersten Monatstages im Jahre (d. h. des Thoth) mit dem
Neumonde, welcher dem Heliacalaufgange des Sirius am
nächsten war, die wahre Zahl des bQrgerlichen Jahres,
d. h. die Zahl von 365 Tagen (da aie vorher 360 Tage ge-
3Γι5
als den Vermittler aller Phönicischen Cultur Sanchunia-
thon (bei Euaeb. Praepar. Evang l. 9.). Dort hiefs er
auch Den Namen leitet Zoega
(de obeliscG. pag. ss 4 * 5 8 i.) aut dem Aegyptischen her^
und behauptet, er bezeichne p a t e r s c i e n t i a e , d e r
W e i s h e i t V a t e r . Dagegen aber hat neulich Cham·
pollion (TEgjpte sous les Pharaons I. pag. 96.) Zweifel
erhoben; er meint, das W ort sey Griechischen ür-
Sprungs, und die Griechen hatten, nach ihrer Gewöhn·
heit, einen fremden Gdtternamen ins Griechische über·
setzt. Alsdann wäre, unserer Ansicht nach, *Ερμης
(rergl. Lennep. Etymolog, s. v. ί^ω) abzuleifen von Ipe»,
ιίρω — sero, sermo — das Beden, das Denken und
Schreiben in der Reihenfolge, das discursive Denken;
so wäre Hermes d e r V a t e r d e r B u c h s t a b e n ^
• c h r i f t , und weil diese einzeln nach und nach dar-
etellt, und in getrennten Elementen das Geistige giebt,
der Vater alles d i s c u r s i v e n D e n k e n s ; so wie Thoth
der Vater der H i e r o g l y p h e n s c h r i f t , oder des t o ·
t a l e n h i e r o g l y p h i s c h e n A n s c h a u e n s . So hat·
ten wir den Hermes in beider Qualität, und so sehen
w ir es noch jezt auf den Papyrusrollen und andern Denk·
malen in Stein, wo wir neben ganzen Columnen von
Hieroglyphen Buchstabenschrift finden. Denn es haben
sich die alten Aegyptier keineswegs allein mit Hierogly·
phen beholfen, sondern ohne Zweifel ist die Buchsta^
benschrift eben so alt. Ueberhaupt finden wir überall
im O rient, neben der gewöhnlichen oder Vulgärschrift,
noch eine Geheimschrift, deren sich blos die höheren

zahlt hatten), und fanden zugleich Namen fiir diese fünf


Zusatztage und Z eichen, um sie zu schreiben ; d. h.
nach Aegyptischer Sprache : T h o t h (Hermes) e r f a n d
d a s b ü r g e r l i c h e J a h r u nd S c h r i f t (weil man die
Specialeründung gencralisirte).
366
Priester bedienten , und die für jeden UngeweiKeten
verschlossen blieb, Fin auffallendes Beispiel hiervon
liefert die beruhnite Inschrift von Rosette, diedasDecret
der Aeg}'ptischen Priesterschaft wepen der Wohlthaten
des Königs Piolemaus Epiphanes »uerst in Hieroglyphen·*
Schrift, nnd dann, damit sie für Alle» Aegyptier und
Griechen» lesbar sey, in der Landes- und in der Grie*
chischen Sprache, neben einander liefert.
Dieser Hermes ist, nach den Sagen der Aegyptier»
Bathgeber nnd Freund des Osiris, Erfinder der Sprache
und jener doppelten Schrift; und wenn der Grieche
seinen Palamedes aus dem Fluge der Kraniche die Schrift
erfinden läfst (s. Mnaseas in Scholiis mscrr* ad Dionys·
Thrac. bei Fabric. Bibi, graec. p· 69.), so läTst der Ae­
gyptier den Hermes die Eintheilung des Tages in zwölf
Stunden aus dem regelmäTsigen Pissen der heiligen Ga­
zelle erfinden (s, Marius Yictorinus in Rhetor. Ciceron·
p. i 5 i. und Fabricius 1. 1. p. 90·). E r hat ferner er­
funden, fährt die Sage fort, Granimatih, Astronomie»
Mefsliunst, Rechenhunst, Musih, Medicin; er ist erster
Gesetzgeber, erster Lehrer der Religionsgebränche und
Heiligthumer, und der Gymnastih und Orchestik. Auch
den Oelbaum hat Thoth entdecht (s. unten)· Aehnliches
meldet die Phonicische Sage (s. Eusebius 1· c.). Er ist
dort der γραμματενς des Kronos, Erfinder der Schrift-
Zuge, weiser Rathgeber» der durch seine Klugheit die
Feinde des Kronos uberwindet, Gesetzgeber u. s. w.
Als Anubis aber heifst e r , wie wir oben gesehen»
der goldene, weil er der Bewohner des Lichtsterns, des
glänzendsten unter allen Fixsternen, der G e n i u s de s
S i r i u s oder d e s H u n d s s t e r n s , ist. Aus dem Lichte
des Sirius mufs uns der Geist aufgehen; L ich t, Sterne,
Z eit, Eintheilung und Ordnung der Zeit sind die Keime»
aus denen die ganze Hermesweisheit erwächst. Dieser
S tern, den die Aegyptier Σφ^ίς^ die Griechen bisweilen
Ζ6η
auch %i&p nennen I v a r för Aegypten der Stern des Heik­
les alle Jahre. Man betrachtete ihn aU den Vorläufer
der Nilfluth^ und aus der Art seines Aufgangs im Som-
mersolstitium entnahmen die Priester die Vorzeichen
der Höhe der Fluth und somit der Fruchtbarheit des
Jahres, das mit dem Aufgange dieses Sternes seinen wah­
ren Anfang nahm. Im Sommersolstitium, wenn man
wufste) dafs die Sonne ihren höchsten Stand erreicht
habe und nun wieder abwärts gehe, versammelten sich
die Aegyptischen Priester in der Nacht in Feierhleidern
in den Hallen des Tem pels; und wenn sie die heiligen
Gebräuche verrichtet hatten, und jezt der erwartete
Augenblick herannahete, so führte der StoUst eine Ga­
zelle h erbei, nahm sie zwischen seine Kniee, beobach­
tete durch ihre Hörner den eben am Firmament auf­
gebenden Sirius; und nahm so das Jahreshoroscop
D en n , je nachdem bei des Sternes Aufgange sich diese
oder jene Umstände zeigen, urtheilt e r , ob das Jahr
fruchtbar oder unfruchtbar seyn w erde, ob der Nil,
dessen Steigen in dieser Zeit bemerhlicher wird, einen
hohen Wasserstand erreichen, oder nur eine spärliche
Fluth bringen werde* Somit hing an jenem Heliacalauf-
gange des Hundssterns eine Summe von Hoffnungen und
Befurchtungen. Segen und Freude, oder Mangel nnd
S orgen, waren, nach des Aegyptiers Glauben, in jenen
Stunden beschlossen* Werden doch noch heut zu Tage
bei Eröffnung der Nilhanäle Eilboten durch das ganze
Land gesendet, und Freudenfeste angestellt* W iem uftie
der altgläubige Pharaonenägyptier seinem Nil-Osiris ent-
gegen jubeln, wenn dieser, als der ersehnte Bräutigam,
endlich seine B raut, die Aegyptische Erde, zu umarmen
kam*

125) S. Zoäga de obelisce, pag. 166. Jabionski In der Erklä-


nine der Isisufel^ opuscc. I. p. 253*
568
Fur jene Furcht und Hoffnung ist nun jener sideri-
sche Hund der Zeichengeber am Himmel; auf der Erde
giebt die Gazelle das Zeichen. In der Sommer^^ende,
%venn der Landesstrom sichtbarer anwuchs, ward sie un­
ruhig, und wenn die Nilfluthen Zunahmen, floh sie scheu
den Grfinzgebirgen und der Wüste zu. — So ward sie
im religiüsen Glauben yv\e zum Horoscop so zum O p fe r *26)
ausersehen· Sie ist, sagte der Yolhssinn, die Prophetin
der segenreichen Nilfluth , sie ist das dem Hermes-Anubis
geweiheteThier. Hermes beobachtet all ihr Thun, selbst
das Geringste, sogar ihr regelmäfsiges Pissen zwolfmal
des Tages in bestimmten Zeiträumen, und theÜt darnach
den Tag e i n; daher hat er auch das Gazellenhorn, als
das Horn des Heiles, als Unterpfand der hemmenden
I<iilfeuchtigheit.
Diese Beobachtung des Sirius war die Bedingung
des ganzen priesterlichen Kalenders; und wenn die hei­
lige Tradition sagte: durch Sirius - Hermes ist uns das
wahre Jahr gegeben, so ist für uns damit gesagt: die
Aegyptische Priesterschaft fand durch die Vergleichung
des ersten Monatstages im Jahre, des Thoth (d. h. in

126) Gazellenopfer, von Priestern verrichtet, zeigt die neue­


ste Lieferung der Description de TEgypte. Auch daraus
möchte man wohl jezt eine Bestätigung hernehmen, dafii
man in der Hauptstelle des Theon zum Aratus pag. 22.
nicht τl·J Q^Tvyiif die W achtel, sondern rov lesen
inOsse. Dort erzählt uns nämlich dieser Erklärer, wie
der Hund der Isis heilig, wie die Aegyptier in der eilf-
fen Stunde, wann der Hundsstern aufgeht und der Nil
wächst, des Jahres Anfang setzen, und wie sie alsdann
die Gazelle opfern ( bisher die W a c h t e l ) , weil ihnen
das Zittern dieses Thieres den Aufgang des Sternes an«
zeige. Ueber die agrarische Prognostik dieses Aufgangs
vergl. man auch Theon, ad vs· 330 Phaenomm. p. 2P1 sq«
ed. Buhlü.
δθ 9

jen er Nacht« ^ann die Nilflath kommt; denn aledann


beginnt das Aegyptische Jahr), mit dem Neumonde, der
dem Heliacalaufgange des Sirius am nächsten war, das
wahre Jahr von 365 Tagen, mit £inschlufs der fünf Zu-
aau tage, statt des alten Mondenjahres.
Aber eben dieser Sothis» Sirius bestimmt auch das
Grofse Jahr, Σω^ι,αχίι m^iodoq oder icvvixbq χνχλος ge­
nannt. Ohne Zweifel bezog sich auch hierauf das Buch
des Manetho, βίβλος τής Σώ^εως. £s war ein grofser
Cyclus von 1461 vagen oder bürgerlichen Jahren ^^7)^
der ein siderisches Jahr beschlofs. Hieran knüpften sich
KQgleich mythische Traditionen von grofseren Perioden,
nach deren Ablauf man wichtige Revolutionen in der
Natur erwartete. In diesem Tone ist folgende Yolks-
meinung gehalten, die wir in einer M^'thologie nicht un­
berührt lassen dürfen : Nämlich alle dreitausend Jahre,
in der Frühlingsgleiche, wann die trockene Zeit herrscht
und man das Horn des Heiles erwartet, bleibt die Nil-
fluth aus, und statt ihr kommt ein P'euerstrom; es kommt
nun der fürchterliche Weltbrand (^κπν^ωσις), und dann
geht das ganze Land des Hermes in Flammen und Rauch

diese Sothische Periode (auch Cynischer- oder


127) l i e b e r
Canicular cyclus genannt) sehe manMarsbam im Canon.
Chron. pag« 0h7. Jackson in den chronologischen Alter-
thüniern pag. 4l9· 420. übers, von VVirniheim. ldeler*s
hisior. Untersuch über die astronom. Beobacht, der Al­
ten , und jezt Fourier in dem neuesten Bande der D e-
Script, de TEg. Ami(|q. Livr. III. Meinoires Tom. 1. p.
Südsqq. — Diese Sothische Periode trat den 20 Julius
des Jahres li6 nach Clir. unter Antoninus wieder ein
(Ceiiftorin. de die natali cap. 2j.)· lieber den doppelten
Jahresanfang des Aegyptischeti Kalenders, im Sonimer-
solstiiium und in der Herbstgleicbe, wovon schon oben
die Rede seyn mufste, vergl. man noch das angeführte
W erk von Jackson p. 16«
L 24
Ζηο

auf, jedoch nicht um auf ewig vernichtet zu seyn, son­


dern nur um verjiingt wieder aufziistehen. Denn im
nächsten Sommersolstitium, wann die Sonne im Löwen
steht, rechts der Mond im Krebse, die Planeten in ihren
Häusern, und der W idder mitten am Firmament, dann
erscheint Sothis wieder, und begrufst, indem er auf­
geht, die neue Ordnung der Dinge und die neue Zeit^
die jezt beginnt. Es stellt aber jedes Jahr im Kleinen
das groFse Jahr dar; denn jedes Jahr , in demFrühlings-
äquinoctiuro, wann die heifse Zeit in Aegypten herrscht
und Alles vertrochnet ist, zeigt gleichsam den Brand
der Erde. Da würde auch das Land zur Einöde werden,
und in Flammen aufgehen, wenn nicht Sirius erschiene
und mit ihm die rettende Nilfluth ; und nun wird unter
den Wassern die Erde neu geboren. Daher die naive
Gewohnheit, alle Jahre um die Zeit, wo man den Ein­
tritt des Weltbrandes erwartete, die Schaafc roth anzu-
malen Dafs übrigens die Perser und andere Tölher
an ähnliche Perioden glaubten, werden wir im Verfolg
sehen. In diesem zwiefachen Sinne sagt Porphyrius
(a. a. O.) : « Der Neumond und des Hundssterns Aufgang
ist für die Aegyptier Anfang der Erzeugung in der
W elt.» Und auf der Hieroglyphensäule bei Nysa sagte
Isis von sich selbst: «Ich bin dieses Landes Königin,
von Hermes unterwiesen. Was ich von Satzungen ge­
geben , bann Niemand aufheben. Ich bin des Kronos,
des letzten Gottes, Tochter. Ich bin des Osiris Gattin
und Schwester. Ich bin die, welche zuerst die Früchte
zum Nutzen der Menschen gefunden. Ich bin des Kö­
nigs Horus Mutter. Ich bin die, di e im S t e r n e d e s
Hundes aufgeht Mir ist die Stadt Bubastos ge-

128) Vcrgl. Görres Mythengesch. S. 407 f.


129) Diodor. Sicul. l. cap. 27. ibiq. Wessel. Das Hundsge-
571
baut· Sey gegrufst, sey abermals gegrufsti du Land
A egypten, das du mich geboren hast·»

Sueben v ir nun, so weit wir vermögen, dieseThat-


sachen und Anschauungen in ihren Hauptmomenten zu­
sammen zu fassen, so bemerken wir zuvörderst: Sirius
erscheint dem alten Ae^yptier als der leuchtende, blitzen­
d e , brennende, aber auch als der bestimmende, fatali­
stische, eintheilende und ordnende Stern; er ist der
Quell der Uimmelshunde, der Zeiteintbeilung, der
Jahreshunde, das Unterpfand des Jahressegens· Die
Sterne aber sind die himmlischen T hiere, die Heerden
des Firmaments; der Hund ist ihr W ächter, sein Auge
sicht Alles, seine Spürhraft durchdringt Alles. So steht
Hermes, der Hundshopf, dem Stierhopf und der huh-
höpiigen Isis als Wächter und Berather zur Seite· £ r
bewacht die G ötter, wie die Hunde Wächter der Men­
schen sind S ie , die Götter, sind die guten (dya^ot);
er ist der gute Geist ( άγα^αδαψωρ ; sie geben die

s<irn hatte nämlich zwei Sterne, den einen am Kopfe,


Isis genannt, den andern an der Zunge, als Sirius oder
Hundsstern im eigentlichen Sinne bezeichnet· Daher ver­
ehrten die Aegyptier die Isis auch selbst unter dem Na­
men S o t h i s (Damascius ap. Phot. Biblioth. p. 1043.)·
Sirius aber, wurde, wegen der reellen Verbin­
dung zwischen Stern und Pliifs, auch wieder mit SIris,
dem N i l , in der religiösen Bezeichnung verknüpft, vergl.
J a c k s o n Chronologische AlterthOmer pag. 43/. Die
oben berührte Stelle des Porphyriiis steht in der Schrift
de antro Nyinph* cap. 24. p. 22 ed. Goensii·
130) S. Plutarch· de Isid. et Osir. p. 356. p. 463 Wytt.
131) So heifst er aber auch als wohlthätiger Genius der
Fruchtbarkeit, und auf animalische Fruchtbarkeit weiset,
wie man vermuthet, der Name Sothis hin (ecu^r, g r a -
572
allgemeinent auch leiblichen Güter; er giebt das Gei­
stige. Osiris und Isis sind das gute Konigspaar; Hermes
der weise P riester, der Vater der geistigen Guter
er ist die Intelligenz auf dem Gipfel. W ie der Sirius
auf der Zinne des Firmaments die übrigen Planeten
überblicbt j und die Lichtthierc des Himmels hütet, so

v i d a ; s. Jabionski Voce. AegypiU pag. 336.). — Unter


den vielen Namen, die Aegypten hatte, scheint auch
Hermochymioa (^Έξίχογυμίος oder vielmehr )
das fette, eigentlich schwarze Land des Hermes zu be-
seichnen (s. Steph. Byz. pag. 55 ed. Berkel, und daselbst
die Ausleger). Der andere Name Χ’ήμία bedeutet gleich­
falls das schwarzerdige Land ( Plutarch. de leid. p. S64·
p. 4ίί3 U yfienb.). So hoben die Acgypiu rselbst ihr Land
genannt, nämlich im Thebailischcn Dialekt: K a rn e , im
Memphitiseben: C h a m e , C h e m i , das schwarze ; ein
Name , der in sehr vielen Koptischen Monumenten und
noch in der fnschritt von Rosette vorkommt, und wovon
auch die Bibel weifs. S. Jackson Chronolog. Alterth.
p. 5i8. Ackerblad lettre ä Mr. de Sacy sur Tlnscr. de
Rosette pag. 33. Jablonslü Voce. Aegyptt. und daselbst
Te Waler pag. 405 seq. Charopollion TEgypte sous les
Pharaons pag. flO. Und schon der Nalurnialer Homerus
(Odyss. IV. 358.) und der Vater der Geschichte (Hero­
dotus 11. 12.) kennen diese Besch affen heit des Aegypti-
schen Bodens. In einigen andern Beiwörtern wird aber
auch auf die dunkele Hautfarbe der Einwohner angespielt·
Uebrigens trugen einige Städte noch besonders den Na­
men von Hermes: in Oberftgypten Herni*)polis magna,
jezt noch übrig in den Ruinen von Achinuneyn; Hermo-
polis parva im Westen von Mittelägypten. Ob Hermon-
this als dritte Stadt an diesem Namen Theil hat , wie
Jomard will, ist sehr 2weifelhaft, da sich Uber diesen
Namen nichts Sicheres ausraiUelii läfst. Chainpolllon I«
1!^7. 288 ff. Π. 24y ff. Descript. de TEg. Antiqq. Livr«
III. Tom. II. chap. 13. p. 1.
132) So von einer Seite. Hier ist Hermes das höchste We­
sen , nämlich in so weit der Standpunkt auf dem Gebiete
575
hütet und warnot er alle Crcaturcn. Alle Creaturcn und
Naturen sind vor ihm geöffnet, sie sind in seine Macht
gegeben, sie sind in seine geistige Obhut gestellt; hurs.
Alles ist geistig in seine Gewalt gegeben. Er hat das
Unterpfand des Aegyptischen Lebens, das Horn des
Heiles, das Gazellenhorn; wie durch dieses Horn des
Hundssterne Aufgang und das daran hängende Geschick
des Jahres und der W elt gesehen wird , so hat auch Her­
mes, der G ott, die W e l t l e u c h t c oder die W e l t ­
l a t e r n e , die k o s m i s c h e und m a g i s c h e L a t e r n e ,
w oriner alle Wesen sieht, Steine, Kraut, Bäume, Pflan-
sen , Blumen, Nasses und Trocknes, den Bau der Erde
wie den Bau der Leiber — jenen W e l t s p i e g e l hat
e r , das Kleinod Josephs, Sa1omo*s, Dschemschids und
Iskanders (A lexan d ers); es i s t ' Ep f t o v ϊ η ν ο ς ^ des
Hermes L a t e r n e und F e u e r h e e r d . Diese kennen
wir aus Nicomachus bei Athenäus XL cap. 55 . pag. 269
ed. Schweigh. Diese sehen wir. Es führet sie, die
heilige Laterne, an einem Stabe der ibisköpfige Hermes
auf dem Peristyl am Grabe des Osymandyas zu Thebä^^)·
Die heiligen Thiere werden auf Erden verehrt —
der Hund, der Stier und andere; sie werden auch iin

des Intelligiblen genommen wird. Aber andrerseits nimmt


auch er den Osiris in sich auf und dieser ihn, wirkt ge­
meinnützig, mischt KrttutersSflc und steigt bis zum Haus­
halt herab, wird S. meine Opuseo. roy-
tliologg. pag» 34 unten, und daselbst Proclus in Platonis
Cratylum.
133) S. Dionysus 1. p. 36 sqq. Da die dort gegebene Lesart
dieser Stelle beim Athenäus selbst dem gelehrten Heraus­
geber die wahre zu seyn scheint, so will ich mich hier
begnügen, die neu hinzngekommene Bestätigung eines
alt-Aegyptischen Denkmals zu bemerken.
131) S. Descript. de Tßg. II. p1. 32. 33. et p. 131. 136.
574
Steine verliiJrpert, sie werden in Hieroglyplien verw an ­
delt. Thiere sind die Runen des Morgenlandes — es ist
die Thierschrifl; auf den Säulen; und Hermes, der die
Weisheit ist und das Licht und die Ordnung, die In tel­
ligenz und die Sternenschrifl, ist auch selbst die b e ­
schriebene und mit heiligen TbiercharaUteren bem alte
Säule; er ist Hieroglyphe und Schrift selber. Die S äu le
in Aegypten ist Träger aller Wissenschaft, sagt P roclua
in Platon. Tim. pag. 3 i. Hermes ist die redende Säu le,
priesterlich und laienmäfsig Daher auch noch in
Athen der Katechismus fürs V olh , die Sittenlehre filr
Al le, auf Hermen geschrieben ward (S. Plat. Hipparch.
p. 228. p. 2c8 sq. cd. Behhcr.). W ie nun Hermes das
spürende, schärende, wachsame Thier ist, aber auch
L ehrer, Prophet und heiliger Schreiber, so ist H o m

135) Ein Basrelief auf der Insel Philä zeigt uns eine bunds­
köpfige Figur mit einer Schreibrolle in der einen Hand}
mit der andern ist sie im Begriff zu schreiben (s. Descr.
de TEg. Vol. 1. Amiqq. pl. 13. fig. 3. und dazu den T ex t
VoU II. p. 380; vergl. auch Mahne Darstellung der Le-
xicographie 1. S. 417.) — vermuthlich A n u b i s H e r ­
m e s c y n o c e p h a l u s , als g ö t t l i c h e r S c h r e i b e r .
< Auch unter den westlichen Ruinen auf der Insel Philä
sieht man neben dem Osiris den T h o t h , der viele Co-
lumnen schreibt, und zwar bieroglyphische; s. Lancret in
der Descript. de PEg. Vol. I. p. 44.) D er Cynocephalus
a b e r, eine dem Hermes geheiligte Affenart, war Hiero­
glyphe a) des M o n d e s , wegen der Blindheit dieses
Affen und seiner Menstruation im Neulicht, daher er
auch zum Tempelaffen erhoben war; b) des S c h r e i ­
b e n s ; c) des P r i e s t e r s t a n d e s , weil er keine Fi­
sche ifst; d) der W e l l , weil er aus zweiundsiebzigThei-
len besteht, wie diese* S. Horapolio 1. 14. pag. 26 seqq.
Pauw. Strabo XVII. p. 583. Costaz in Descr. de PEg.
II. pag. 408. Vergl. auch die Anmerk· zu P. I. $.26« der
Commenti. Herodott«
5 η5

bei den Persern der Gnadenbaum ( der Baum des Para­


dieses und der Erbcnntnifs)^ aber auch Gesetzgeber,
L ehrer und Prophet. So auch Buddha bei den Indiern
das ins Fleisch gehommene Gnadenwort« Yergl. Schle«
ge 1 Weisheit der Indier S. laS.
Was also in Schrift kommt, ist Hermes. Es kommt
aber die Weisheit aus den Sternen, wo die Lichtgdttcr
sind, in die niederen Sphären. Hier aber ist sie der
Zeit hingegeben· Sie mufs geboren werden und wach-
een ; sie mufs auch erstrebt werden. Daher waren im
Anfänge der Hermesbilcher nur vier; dies sind die vier
Veda's der Indier; sie enthalten Hermetische Weisheit
(8. Polier Mythologie des Ind. I. pag. 54 seqq.) Damals
schrieb Hermes noch die vierte Golumne. In der Folge
aber — denn die Weisheit wächst und mehret sich —
gab es zweiundvierzig und dann, in der Zeiten Yer«
lau f, wie Jamblichus (de myster. Aegypt. YlII. i.) sagt,
zwanzigtausend. Das heifst» die Hermetischen Bücher
sind ein fort und fort wachsendes Erbgut priesterlicher
Geschlechter. Jamblichus sagt sehr gut und deutlich
a. a. 0 .: «Es haben die Aegyptischen Priester allen ihren
!Erhndungcn von Alters her den Namen Hermes vorge­
setzt.» Daher auch das Buch des Eratostbenes, H e r m e s
(Έρ|ίο7ς) betitelt, von der gesammten Wissenschaft des
alten Aegyptens handelte. S. Dionysus 1. p. 92. cf. Diod.
Sic. I. 81. p. 91 Wessel.
W as aber auf Erden von göttlicher Weisheit herab­
kommt , kann und darf nicht gemein gemacht werden.
Daher wird die Wissenschaft gotheilt. Hermes muft

136^ W ir brauchen hier nur an das schon oben angeführte


merkwürdige Relief von Edfu in der Descript. de TEg.
Tom. I. cap. 5. §. 24. zu erinnern, wo Hermes ibicepha-
lus an der dreiundvierzigsten Columiie von Hieroglyphen
schreibt·
376

Bwei Gestalten annehmen. Nicht alles Wissen und alle


Weisheit ist für A lle; das Beste mufs in den Tempel­
hallen bleiben, und seiner Itonnen sich nur Priester und
Könige erfreuen. Sie sind die E s o t e r i k e r ; das übrige
Wissen ist für’s Volk , für die E x o t e r i k e r . So auch
die Schrift; sie ist gedoppelt: geschlossene l'hierschrift^
Hieroglyphe, nur lesbar dem Geweiheten; und offene,
öffentliche BuchstabenschriA;, Jedermann kenntlich. Bei­
des ist Mieder Hermes, jenes vielleicht als Thoth (Säu­
lenschrift) , dieses als Hermes — das discursive
Denken, Reden und Schreiben.
Hermes· Sirius ist auch Geist der Geister, er leitet
auch die Geister, die Seelen, auf und ab durch alle Krei­
se. Er steht am Anfang und am Ende der grofsen W elt­
bahn, am Anfang und am Ende der Zeiten. Dreitausend
Jahre sind der W elt und den Geistern bestimmt, dann
ist das grofse Jahr beschlossen, dann findet Alles seine
Bestimmung, dann convergiren alle Lebenskreise in
Einem Punkto, und alle Läuterungen sind beendigt;
Alles gelangt an seinen Ort. Darum ist auch Hermes
der Führer der Seelen (^νχοπομπό^,') in und aus dem
Leben; er ist Ινταψιαστής^ er segnet und balsamirt den
Leib ein; er hat die erste Leiche, des Osiris, aromatisch
verewigt und magisch besiegelt. Er hat die Urmumie
gefertigt Er geleitet die auf einem Löwen (dem

137) S. Dlodor. Sic. I. 96. ibiq; W essel. So sehen wir den


Hermes Anubis mH dem Hundskopfe in den
Königsgrabern von ThebS, wie er eine einbalsamirie M u ­
mie einsegnet. S. Drscript. de l’£g. Antiqq. Vol. fl. pl.
$2, nr. 1. und unsere Herodoteischen Abhandli. 1. §· 26.
nebst der dazu gehörigen Tafel nr. 2 , wo wir jene D a r­
stellung nach dem Französischen W erke gegeben haben.
So sehen wir den Hermes auf Mumiendecken öfters, s .
Monumm. Middletonn. tab. X X II; so unter andern a u f
der W iener Mumie (vergl. Fundgruben des Orients von
377

Bilde des Nil , nach Horapollo I. 21.) liegende Osiris·


mumie zum Meere hinab. £r steht ihm, als dem Todten-
richter, mit der Schreibtaiel zur Seite. Er hat als See-
lenfuhrer (Psychopompus) die Unic zur Todtenlibation;
und auch in höherer Bedeutung des Geheimdienstes ist
er dem Osiris, als dem Herrscher über Leben und Tod,
beigesellt (Zoega de obell. p. iso sqq.).
Also Hermes ist Führer der Seelen aus dem Leben;
er lehret die Unsterblichheit in der Seelenwanderung.
Sie ist unter andern vorgestellt durch das Labyrinth mit
seinen dreitausend Gemächern , wovon fünfzehnhundert
ober und fünfzehnhundert unter der Erde (Herodot. IX.
148.); dies ist ein solches symbolisches Geisterhaus, zur
Tersinnlichung der dreitausendjährigen Seelenwande·
ran g; dies ist der Cyclus, den die Seele, von Hermes
geführt, durchläuft, bis zur Wiederkehr der Dinge

V . Hammer Vol. V. part. 3. p . 27.5. 276.) und auf der Göt­

tinger. S. Heyne notit. miimiae Gotting, pag. 10 — 12.


nebst Montfaucon Antifjq. expliq. Siipplem. T om . M. pl.
37. p. 139 sqq. — Den Hermes -^υχοχομχόζ kennt in die­
ser Bedeutung schon Homerus, bieh. Odyss. XXIV. 1.
13S> Da wir hier an eine bekannte symbolische Erklärung
des Labyriiubs erinnern, so werden einige Bemerkungen
über die A e g y p t i s e h e B a u k u n s t Überhaupt wohl
nicht am Unrechten Orte bteheii. Schon Herder hatte die
Idee , sie sey von der Flöiile entlehnt wurden. Aber
wenn dabei an die Wohnungen der Troglodyten am ro-
then Meere liinab gedacht worden ist, so vermifst man
die natürliche FortschiHiitung zu den grofsartigen massi­
ven , aber immer doch gedrückten Tempeln über der
E rde. Ohne noch hier den EinHufs in Anschlag bringen
zu wollen, den Indiens alte Architektur auf die Aegypti-
sche gehabt haben könnte , erinnern wir nur an den tellu-
rischen Charakter, dais wir so sagen, den die Aegyplische
Religion von ihrer einen Seite so entschieden behauptet,
ln einem Religionsgeseue , das ganz auf der Grundidee
578
Hermes waltet als Führer mit dem Gnadenbecher im

vom gestorbenen Gotte beru h t, und in einem L ande, wo


die Wohnungen der Todten herrlicher seyn roufsten, als
die der Lebendigen, werden wohl die G rabesgrotten, die
sich in ihrer Vollkommenheit oft der Anlage von Tempeln
annflhern , den Urtypus der religiösen Architekiiir enthal­
ten. Mein F reund, Herr D r. S u l p i z B o i s s e r d e ,
hat diese Gedanken Punkt vor Punkt in allen baukunstle-
rischen Momenten durchgefUhrt· W ir müssen also un­
sere Leser auf diese BeweislUhrimg, welche im ersicn
Theile seiner Geschichte der deutschen Architikttir ge­
geben werden wird, verweisen· hlur eine Idee wollen
w irjezt vorläufig von ihm entlehnen. Die P y r a m i d e n ,
worüber schon kn Alterihiiine so verschiedenartige Mei­
nungen obwalteten, jene imposanten Denkmale von dem
Stolze despotischer Pharaonen, sind vielleicht tUr M ittel-
ügypten das gewesen, was die Königsgräber in den B e r ­
g e n Oberägyptens waren. Die Memphilischen Regenten
Wollten denen in der l ’hebaYs nicht naclibtehcn. W enn
letztere in ausgehöhlteii und prächtig verzierten Bergen
ihre Wohnungen nach dem l o d e sich zurichien lassen,
so mufbte die Anstrengung ganzer Generationen diesen
M em phitem k ü n s t l i c h e B e r g e zur Grabesstätte auf­
richten. Die dreieckige Form , die jener Vorstellung zu
widersprechtn scheint, hatte vielleicht auf das in den allen
Religionen gelieiiigte Dreieck Beziehung, welches an Isis,
die M utter aller Lebenden und die Herrscherin über die
T o d te n , erinnerte. In den Indischen Religionen tritt
dieses bynibol noch deutlicher hervor. D och kommen
hier auch noch andere Momente in B etracht, die der
genannte Gelehrte in seiner organischen Entwickelung der
Architektur nicht unberücksichtigt gelassen hat.
Die Belege zu den sehr verschiedenen Vorstellungen
von der Bestimmung der Pyramiden findet der Leser in
unsern Meleteriiatt. I. pag. 9^ sq. N ur eine noch zu be­
rühren , so fällt es auf den ersten Blick sehr auf, wenn
christliche Schriftsteller sie die K o r u k a m m e r n d e s
J o s e p h nennen, mit W iderspruch gegen Herodotus und
A n d ere, die sie G räber der Könige nennen« A ber cs
579
Todtenrciche ; und in der Memphitischen W ü ste , am

giebt eine Sage ; worin sie als Kornkammern d e r P h a ­


r a o n e n erscheinen (cv^t?a βασιλιίΛά σηοδογα; Etymolog·
magn. p. 697 Heidelb· p. 632 Lips· Sieph. Byz. p. 650
Berkel.)· — N un erinnert der G raf Palin (de TEtude des
Hieroglyphes IV. p. 6.) gar an die Stelle im Hiob V. 26:
„Und wirst im Alter zu G r a b e k o m m e n , wie G a r ­
b e n e i n g e f U h r t w e r d e n zu s e i n e r Z eit.** —
Sage man darüber was man will. W e r sich in die G rab-
jnalereien der ThtbaYs einstudirt h at, wird mit mir in
dieser Anspielung einen jener genialen Blicke erkennen,
deren diese Schrift viele enthalt. Osiris als T o d t e n -
r e g e n t , mit der P f l u g s c h a a r und mit dem S a a -
m e n s a c k e , gehört in diese Bilderreihe· ^ Und um
mit einigen W orten noch vom L a b y r i n t h zu sprechen,
60 schliefst ja ein G ebrauch, der davon gemacht worden,
den andern nicht a u s , wie Jom ard und Christie richtig
bemerken. Diese neuesten Beschreiber jener Gegenden
setzen es in Libyen, auf den P u n k t, wo der Kanal sich
in den See des Möris ergoi^· Seine Bestimmung betref­
fend , so sehen sie darin einen gemeinsamen Versamm­
lungsort der Häupter aller Nom en , und zugleich einen
Sammelplatz der HeiligthOmer und heiligen (beigesetzten)
Tliiere eines jeden einzelnen Nomos. Mithin sey es eine
A rt von A e g y p t i s e h e n P a n t h e o n gewesen, indem
keine Versammlung ohne Opfer und heilige Gebräuche
gedacht werden könne. Eine vierseitige Pyramide habe
an seinem Eingänge gestanden (S. die Abhandlungen die­
ser Gelehrten über die Pyram iden, über den See M ö ­
ris und das Labyrinth, in der Descript. de TEg. Antiqq·
Livr. 11 f. (Paris 1818.) T om . 11. chap. 17. besonders p·
23 — 42.). Einige andere Nachweisiingen über das La­
byrinth, die wir in den Meletemm. 1. p. 84 sq. gegeben,
wollen wir hier nicht wiederholen. Eben so wenig for­
dert es unser Zweck , in die verschiedenen Etymologien
des W ortes νυζαμίς einzugeben. E s sey daher nur kürz­
lich bem erk t, dafs die G riechen sich selbst, nach ihrer
A rt, über jene Bestimmung der Pyramiden, die wir oben
b e rü h rt, Rechenschaft zu geben suchten, indem sie da-
38ο
Eingänge der Nehropölen oder der Todtenstädte, ist eine
der z'wei grofsesten Pyramiden des H e r m e s G r a b
Denn dem Fleische nach maPs auch er den Tod sehen :
die Weisheit ist nicht unsterblich nach Individuen , die
sie besitzen sondern in der Erbfolge der Geschlechter
als miverlöschtes Idcht. V^on der einen Seite ist sie ein
irdisches Gut , und mufs irdisches Loos erleiden; aber
andrerseits^ in der Gesammtzabl, in der Succession der
Geschlechter, ist der Weislieitsfunke unsterblich; und
dies ist dann Hermes o λό^σς, nicht blos ό λ ό γ ι ο ς , son·
dem auch ό λ ό γ ο ς selber (s. meine Opuscc. Mythologg*
p. 33 im 1. Bande der Meletemm.), die verkörperte In­
telligenz aus der hohen morgenländischen Vorzeit, wie
Horn, der Lebensbaum; wie Zendavesta, des Lebens
W ort — und wie das Morgenland weiter Gesetz und Ge­
setzgeber identificirt· Er ist aber als agrarische Intelli­
genz das ewige Brod. E r ist das Frendendi (als Erfinder
des Oelbauros Er ist der Labetrunh aus dem Gna-

bei an frumentum , dachten. Es ist eben so ure-


nii^ unsere A bsicht, darüber zu urtheilen, wie über die
Etymologien der neueren A lterthum sforscher; wovon
M ünter in den antiqnarr. Abliandll S. 9 f· diejenige allen
andern vorziebt, die dem W orte die Bedeutung palatium
m o rtis, T o d t e n p a l l a s t , giebt. Aufmerksamkeit aber
verdienen die Nachrichten der Alten und N eueren, wo­
nach die allgemeine Sage die Pyramiden einmal als Grab-
stittten bezeichnete, mit deutlichen Spuren von einem
Gottesdienste bei den Gräbern (Zoüga de obelisce, pag.
382. und Schulze in Paulus Sammlung der oriental. Rei­
sen VI. S. 18S ff.); sodann auch von ihrer Bestimmung
zu astronomischen Beobachtungen wafste ( s. die Stelle
des Proclus in Langld's Anmerkk. zu Nordens Reisen
H I. 327.).
J39) 5. Abdallatif Relation de TEgypte, edit. de Sacy p. 177.
l40) H erm es, als Erfinder des O elbaum es, ist in der Aegyp-
38i
denlte1cT>e· W e r ihn in sich aufnimmt, der ist Geweihe-
t e r ; Mer aus seinem Becher trinht, der ist erquickt,
dessen Sehnsucht ist gestillt; wem seine Laterne leuch·
t e t , der ist im Lichte; wer in seinen Spiegel sieht, der
durchschauet alle Naturen und Creaturen.- Ein s o l c h e r
n u n i s t d e r P r i e s t e r , e r i st H e r me s . Er lieset
in den Sternen, er schreibt die Schrift des Himmels,
die Hieroglyphe, er deutet sie in gemeiner Schrift fürs
Vol k; er rathet dem V olke, er hilft am Leib und am
Geist. Er stehet dem Könige zur Seite. Er ist Arzt,
Gesetzeslehrer, Richter*^'), O pferer, B eter, Wahrsa­
g e r; er ist Bestatter der Todten, und bauet die Häuser
der Todten und die Tempel der Götter. Mit Einem
W o r te : der Priester ist in und d u r c h , v o n und z u
H e r m e s , λόγος. Und wenn in Hermes Poemander
von Hermes so geredet wird, wie von Christus Joh« lo,

tischen Sage gepriesen. S. Champollion TEgypte sotis


les Pharaons I. pag. 3i7. (s. oben). D ah^r bat er auch
auf der Stoschischen Gemme 1. nr. 9· als Anubis den
Oelzweig in der linken Hand , in der rechten den M^^rcur-
stab (Scblangtiistab). S. daselbst Winckelinanu Vol. £.
p. S2 ed. Schlichlegroll.
l 4 l) D er Aegyptische Obf-rrichter, dfχ/δ/καση;·, hatte vor
seiner Brust an einer goldenen Kette hängen ein Bild von
Sapphir. Das nannte man die W a h r h e i t , d)jj^sta; sieh.
Diodor. Sicul. I. 48. I. 7i. Aelian. V. H. XIV. 3 4. Das
ist das ürim und Thummim am Brustschilde des Hohen·
Priesters der Israeliten (Exod. XXVf l l . 30.), welches
die LXX Übersetzen durch y.ou Offen­
b a r u n g u n d W a h r h e i t . S. Marsbani. Can. cliron.
p. 316. Spencer de legg. Hebrr. rituali, p. 1337. Gale de
Sibyllis p. 2Ϊ5; wogegen Wesseling, ad Diodor. 1. 75. p.
86. £ . P. K· Rosenmüller findet in dem Acgyptischen
Schilde des Richters dieselbe symbolische Bedeutung,
wie in dem Ehräisefaen Hohenpriesterschilde (s* dessen
alles und neues Morgenland 11. $. 272. p. 113.).
382
11. ι 4 · (vergi· Casaubon· E^cercitt. Baronn. pag. 71.), ao
mögen die W orte christlich seyn, dic (^cdanhen a te r
gehören jener reinen Erhenntnifs an, zu der eich schon
im höheren Allerthum ein begünstigter kleiner Th eil von
Menschen unter den cultivirten Tölhern erhoben hatte·
Es ist mithin in Hermes gegeben eine grofse i d e a l i ·
8t i s c h e A n s i c h t 9 und man kann nicht in Abrede scyn,
dafs das G e i s t i g e als Grundelement, als Hauptfactor
im Priestersystem der Aegyptier sprechend hervortritt.
Durch W o r t und I n t e l l i g e n z , sahen wi r, ist ja alles
Leben und alles Heil vermittelt.
Und in W ahrheit, 'wir wollen diese i d e a l i s t i s c h e
Seite Aegyptischer Lehre recht fest halten, recht scharf
ins Auge fassen, da wir alsobald weiter unten ein ganz
entgegengesetztes Unheil über Aegypten werden hervor­
treten sehen, dessen wir uns um so mehr erwehren
müssen , weil es bis auf den heutigen Tag verführerisch
gewesen ist. Aber es wäre doch wieder eine grundfal­
sche Betrachtungsart, wenn wir in irgend einem Beli-
gionssystem des hohen Alterthums, und namentlich in
Aegypten, einen r e i n e n I d e a l i s m u s suchen woll­
ten. Vielmehr h ier, wie allenthalben, ist L e i b und
G e i s t verbunden. Und vielmehr, wenn wir denn so
sprechen w ollen, ein u n e n t w i c k e l t e s I d e n t i t ä t s ­
s y s t e m , ein System, das durch ein magisches Band
Leib und Geist verknüpft, wird uns allenthalben begeg­
nen, so wie es uns hier begegnet ist. Dort, wie hiery
sahen wir, wie das Leibliche ist durch das Geistige, wie
alle Geister in einen Geist aufgehen; dies wird Aegyp-
tisch, oder vielmehr alterthümlich allgemein, mythisch
80 ausgedruckt: alle Lichter sind im Lichte, alle Sterne
hängen von einem Sirius a b , alle Menschenjahre sind
ein grofses Gotterjahr u. s. w.
Allein , wie wir bereits oben angedeiitet, schon im
Alterthume herrschte eine gedoppelte Ansicht der A e-
385
gyptischen Religion· W ir wollen es versuchen, beide
kürzlich darzulegen. Die eine, der andern scharf ent-
gegengesetzt, die wir die m a t e r i a l i s t i s c h e ( e x o ­
t e r i s c h e ) nennen honnen, hat zu ihrem Urheber den
Stoischen Philosophen C h ä r e m o n , der den Aelius
Gallus auf seiner Reise nach Aegypten begleitete, und
also unter Tiberius lebte, über den zwar Strabo ein
sehr nachtheiliges, Porphyrius dagegen ein sehr günsti­
ges Unheil fallt E r und die ihm folgen, erhennen
Nichts vor den s i c h t b a r e n W e l t e n (dpcopercor χόσ-
|ΐω ν), Nichts, was über dieses materielle Seyn W elt
w ä re ; sie erkennen keine andern Götter der Aegyptier
a n , als: a) die Planeten, b) die Zeichen des Zodiacus,
c) die Paranatellonten, d) die Eintheilung des Zodiacus
nach Decanen, e) die Horoscope, d. i. die Sterne, die
auf das ganze Naturleben Einflufs haben, und woran
man die Constellation nimmt; f ) die Sonne, der De-
miurg des W eltalls, der höchste Gott. Sie erklären die
ganze Geschichte von Osiris und Isis und alle Priester­
sagen theils von den Sternen und ihrem Auf- und Un­
tergänge , theils von den Mondsphasen , theils von der
Sonne Lauf nach der hellen oder dunkelen Hemisphäre,
theils vom Nil, kurz, Alles von natürlichen Dingen,
Nichts von unkörperlichen, lebendigen W esen; sie ha­
ben eine physikalische Religion· Einige von diesen

\kZ) Man vergleiche Uber ChSremon: Vossius de historice·


Graecc. p. m. 164 sqq. Jonsius de scriptt. hist, philos·
p. 1. Gale ad Jamblicli. de myster. Aegypit. VJJI. cap·
A p. 303. De Rhoer. ad Porphyr, de Abstin. p. 308.321;
und besonders, was die hier erwähnte Ansicht betrifh,
Porphyr. Epist. ad Aneb. p. 7 ed. Gale (ante Jamblich·
de myster.). In Entwickelung und Ansicht folge ich hier
besonders meinem Freunde G ö r r e s in seiner lange
nicht genug verstandenen und gewürdigten Mythengesch·
II. S. 43F ff.
384
linupfen auch das, *was von uns abhangt, die Aeurserun-
gen der Freiheit, an die Sterne, und nehmen als Grund
aller Handlungen eine Verkettung an , die sie Falum
nennen, und auch die Götter selbst verstrichen
sie in diese Kette.
Materialismus und Fatalismus ist also das in der An­
sicht Chäremons Vorherrschende. Nach ihm ist Aegyp­
tens Religion nichts weiter als religiöse Physih, eine
Religion, deren Object die Natur ist« Ganz entgegen
dieser Ansicht ist die der Neuplatoniher, an deren Spitze
hier Jamblichus steht, und die wir, zum Unterschiede
von jener, als die i d e a l i s t i s c h e ( e s o t e r i s c h e )
bezeichnen können Hiernach stellen die Aegyptier
an die Spitze ihrer ganzen Religionstheorie einen νονς
und einen λόγος , eine Intelligenz, als £twas selbststän­
diges; 2) sie haben dann eine demiurgische Intelligenz
\lber der W elt und vor der We l t ; 3) eine ungetheilte
Intelligenz, als Eine, in der ganzen Wel t; 4) haben
eine Intelligenz, die in der >Velt durch alle Sphären
vertheilt ist. — Wenn so nach Chäremons Ansicht Kneph
die Sammlung, das Aggregat der feinsten Elemente,
woraus erst die Körper werden, wäre, so wäre derselbe
nach Jamblichus die weltbiidende Intelligenz; wenn

l43) Die Hauptstelle hierüber ist bei Jam blichus de mysteriis


Aegyptt. V lli. 4. p. 16 O Gal. coli. Euseb. Praep. Evang.
III. 4. D ort sagt Jam blichus: Φυ&ηιά r a ahM
iravra Αι'γυιττ^ο#, d X X c l και τι^ν τζς ψ ν χ ζ ς {ουι^ν καί njv
Vο 8 ^ ά V d ir o ψ υ θ' 8 tu ς ^/ακ^/ν·υ^ιν , ουκ air\ του ιταντο^
ρονον, άλλα καί ίψ' t j / x d i v · νουν το καί λ ό γ ο ν ΐΓ ζ ο ς τ ψ τ α /χ δ ν ο ι κο5*
ό α υ τ ο ν ς ό ν τ α ς f ουτας dtj/uuou^oTaJSoi ψα^ί τ ά yryvof^ova,
τ ο ξ ά το TWV ον y s v ^ & a i S t j / x i o v ^ y i v ι τ ζ ο τ ά τ τ ο υ σ ί , καί tjjv ι τ ζ Ι τοί»

ο υ ξ α ν ο ΰ καί τ ή ν a v τ ψ ο ο ^ ν ψ ζ ο ύ τ ι κ η ν iJ v a fjd v γινιυσκουσι · κ α -


^ α ξ ό ν r a νουν υιτοζ^ τον κ ό σ μ ο ν irq ortB daa ty καί όνα α^^στον

ολψ τγ Η οσμψ καί Β ι^ ξη μ ένο ν a x i χ ά σ α ς τ4ς. σφα/|ρας aragov^


κ. τ. Λ.
585
Phthah nach Chäremon das Feuer ist, so ist er nach
Jamblichus der demiurgisebe Geist. So ist ferner nach
Ghäremon das, ^\as wir Freiheit nennen, nichts, als die
XJngebundenheit der ersten weitbildenden Elemente, so
lange noch kein kosmisches Baud da ist, das sie in Ord­
nung halt; nach Jamblichus aber ist sie eine wirklich in-
tellectuelle Bestinmiung des Willens durch sich selber,
eieist Freiheit. W ir hoifen, dafs es aus dem, was wir
schon oben bemerkt, klar seyn werde, in wie fern beide
Männer richtig geurtheilt, wie sie beide tm Geiste einer
und derselben jungen Zeit geurtheilt und gleichsam die
beiden Elemente, die beiden Factoren, Jeder jeden
einzeln für sich, in ihrer Trennung τοη einander, statt
in ihrer ursprünglichen V'erbindung, aufgefafst Der
alte ursprüngliche Sinn der Hermesbüchcr war ein Na-
turlebcD , eine einfache , aber tiefe, fruchtbare Natur­
ansicht; daraus entwickelte sich aus innerer K raft, wie
der mächtige Baum aus dem Keime, ein grofsartiges
System, auch des speculativen Denkens. Zwischen Chä-
remon und Jamblichus und zwischen dem Entstehen der
Dermesbücher liegen fast dreitausend Jahre. In dieser
Zeit mufstc der menschliche Geist, auch in der Aegypti-
scheii Verfassung, forlschreiten. Durch die vielialtigen
politischen und geistigen Stürme und Veränderungen,
die während jenen Zeiten auch Aegypten betrafen, durch
sie erst konnte sich jener Gegensatz zwischen Materiel­
lem und Intellectuellem entwickeln, der in jener alten
Zeit gleichsatn schlummerte, und in einer Grundan­
schauung, die beides, als Unzertrennliches, in sich
schlofs, vermittelt war; wir meinen jene natürliche
Kindesansicht der We l t , wo Physisches und Intelligibles
wie in einer Schaale geschlossen liegen

144) GÖrres Mythengeschichte S. 440 f.


145) Es könnte aber hier die zweifelnde Frage entstehen, ob
I. 25
386
Aber auch hier mofs man möglichst den localen
Standpunkt Festhalten. Man stelle sich also vor einen
Aegyptischen Tempel, etwa den zu DenJerah, mit dem
kreisförmigen Zodiacus an der inneren Kuppel ^^4 Und

jene gcisti£;e Ansicht nicht etwa blos G r i e c h i s c h e Z u «


t h a t| Au s d e u t u n g G r i e c h i s c h e r P h i l o & o p h i e ,
scy. Dies mufö schlechterdings verneint w erden, und die
so vielstimmige und vielfältige Sage , welche auch vor der
Zweifelsucht neuerer Zeiten die herrschtnde Meinung
der Gelehrten begründete, die Sage, dafs Pythagoras und
andere Griechen erst ihre Weisheit aus Aegypten geholt
hab en , mufs für ein historisches Factum gelten. Hundert
Stellen des Herodotus, Hellanicus, und was wir sonst
von Fragmenten älttrer Geschichtschreiber und Philoso­
phen haben, setzen gleichfalls eine alte geistige Culiur
der Pharaonen' Aegyptier voraus« W'er sich an der G rie­
chisch* philosophischen Einkleidung solcher Aegyptischer
ReJigionslehrin o d er, wenn mait will, Philosopheme
stöfst, mufs die merkwürdige Erklärimg lesen , welche
Jam blichus selbst darüber giebt: de m ytterr. Aegyptt.
V lll. 4. p. 160. Sehr bemerkenswerthe Ideen über die
Aegyptische Religion, über deren organische Ganzheit
und T iefe, giebt Jom ard in der D escr. de TEg. an mehre­
ren O rten , besonders da , wo er mit Recht über die bis­
h er meistens herrschende Vorstellungsart klagt, die in
derselben nichts als einen elenden atomisiischen Local­
dienst gesehen h a b e , d e r , in jeder Provinz anders, bei
dem niedrigsten Fetischismus stehen geblieben sey, und
nichts weiter darin gesehen h a b e , als eine sklavische
Verehrung von Bestien ( s . Antiqq. Tom . I. cap. 5. $. 5.
p. 26. bei Gelegenheit der Beschreibung des grofsenTem­
pels von E dfu, den er für einen Pantheoniempel aller
Gottheiten hält). — W er aber durch die Totalität und
durch Ton und Art Aegyptischer Bildwerke und Mythen
nicht von dem hohen Alterthume dieser Religion zu über­
zeugen ist — wie sollte der durch einzelne Gründe und
Machweiöungen zu überzeugen seyn?
146) S. Description des monuments astronomiques in Descr·
587
nun denhe man sich den Normalstand aller Himmelssei­
chen im feierlichen Moment Tom grofsen Jahresanbruch
in der heiligen Nacht jenes Sommersolstitiums nach Ab­
lauf von dreitausend Jahren: da erscheint in des Firma­
ments Mitte der W idder, also Amun, Juppiter Am­
mon, der Gott der Götter, das erste Licht« Nun weiter,
die übrigen Himmelszeichcn allzumal, darunter ihre
Trabanten, ihre Paranatellonten, und so durch alle
Kreise bis unter den Mond herab , und dann zu letzt, die
Götter auf Erden, Osiris· Und so die ganze grofse Py­
ramide abwärts mit der leiblich Alles umfassenden Isis·
Denn, wohlfaemerht, die Göttergeschlechter und die
ganze W elt quillt und fliefst eins aus dem andern und
alle aus einem Urquell, gedoppelt: einmal örtlich, von
oben nach unten; dann in der Zeit — das ist das A e -
g y p t i s c h e P a n t h e o n . Also Planetengötter, Kalen-
dergöttcr u. s. w ., Erd- und Wassergötter u. s. w. W ie
aber oben im Sirius jener Urgenius, Anubis - Thoth -
Hermes, über das ganze Planetensystem zu walten, und
es an einem Lichtbande zu halten, und das All vom
epitzen Scheitelpunkte der Pyramide bis zu ihrer breiten
Basis zu tragen scheint; so steht der den Hermes reprä-
sentirende Priester am Festaltar, und hat die magische
H e r m e s l a t e r n e ^^7). Sie ist das Bild der W elt, der
Schauspiele, die die Götter aufstellen, oder aller Er­
scheinungen der Götter und alles Lebens. Oben ist die
L a m p e mit dem heiligen Oel , wie am Himmel die
Lichter mit der himmlischen Feuchtigkeit: alles Lebens

de TEg. Vol. II« Antiqq. Appendice nr. 2 . $· 6. pag. 7 .


verglichen jezt mit den Kupfertafein der astronomischen
Plafonds im grofsen Tempel zu T entyra, Descript» de
TEg. Antiqq. Livr. III. p1. 18 ss·
l47) Die einzelnen Belege habe ich im Dionysus gegeben I«
p. 25 — ά5.
3S8
Quell und Saaiuen, in der Mitte »t der Spiegel, sind die
Früchte und Pflanzen, und unten ist der Becher mit
dem heiligen Wasser des Nilus. Mit der Laterne zündet
der Priester das Bauchopfer an , mit dem Becher giefst
er das Tranhopfer aus» und M'er in den Spiegel blicht,
<ter sieht das W elta ll; aus der hellen Scheibe Meifsagt
der Priester. Das ist denn auch der Hermes, von wel­
chem Isis in der Bede an ihren Sohn Horus (bei Stobaus
Fclogg. 1 5 a* p. 926 Heeren, vergl. Dionys. I. p. 5 4 sq.)
sagt: er ist Geist, Intelligenz, νους durch und durch,
6 <πάντα roüv, er sieht Alles, und da er es sieht, er-
hennt er es, und da er es erhannte, so vermochte er es
einzusehen und zu zeigen, und w ie er darauf in die Ster­
ne ubergegangen, dieser Geist Hermes, und wie darauf
erst, nachdem der Hermetische Geist wirhte , die Natur
entstanden, geboren als eine schone W elt Hier
liegen deutlich die drei Momente vo r, die im Hermes
personificirt sind. W ir haben in ihm die Idee 1) des
geistigen Schauens undErhennens; 2) des activen Schau-
ens, des Oflenbarens im Lichte (in den Sternen) , Lieht,
als Vermittelung und Band zwischen Geist und Leib ge­
dacht; 3 ) die Idee des Schaffens. Er wird als Demiurg
Torgestellt, der durch seines Geistes Kraft auch schaffL
Hier liegt die Verbindung zwischen dem Bealen und
Idealen, die Vermittelung zwischen Geist und L eib, vor
Augen; hier ist die Vermischung der idealistischen mit
der materiellen Betrachtungsart.

148> Vergl. auch Hermes ap. Stob. Eclogg. I. 51 p. 94Rseqq·


Heeren·, wo Hermes spricht von den geistigen Gaben,
die er den Menschen verleihen will, besonders von der
W a h r h e i t . Darauf bildet er das Geschlecht der JVlrn-
seben. Vorher haue er die Materie der untergeordneten
Naturen f i n s t e r gefunden·
380

Dürfen wir nun noch mit wenigen W orten den


O s i r i s und l l c r m c s vergleichen, so erinnern >%ir,
wie oben in dem Grundmythus alles einselne animalische
Lehen in dem Einen O s i r i s - A p i s zusammenflofs·
Dieser Apis.O siris ist N a t u r l e i b und N a t u r s e e l e :
llermes ist N a t u r g e i s t. Beide sind sich befreundet;
and wie die Sonnenstrahlen sich in den W ellen des Nilus
spiegeln, so erscheint m den einzelnen Thiergestallen
die Form des allgemeinen Lebens. Diese Gestalten, im
priesterlichen Sinne gefafst, geben die heiligen Charak­
tere der ThierschrifV, Hermes, der Geist der Natur, ist
dieser Zoograph; die Hieroglyphik ist seine Erfindung.
Und wie des Osiris Leib und Seele durch alle Gauen
Aegyptens und durch die Folge der Generationen in
stets neuen Thierseclen und Thierleibern seine unver­
siegbare Kraft bethätigt, so entwickelt sich des Hermes
Geist fort und fort in immer wachsenden Rollen hiero-
glyphischer Schriften — und ihr ganzes geistliches Cor­
pus ist und heifst eben selber H e r m e s

$. i3.
D i e L e h r e von de r W e l t , vo n den G e i s t e r n ,
und von der S e e l e n Natur und S c h i c k sa l .
W ir gehen nun ü b er zu der Betrachtung der W elt-
Ökonomie in dem Geiste und d er D enkungsart des alten

l49> Ich weifs deswegen n ich t, ob der gelehrte Jom ard nicht
irre t, wenn er behauptet, die Hieroglyphe, d:e doch so
ursprünglich verwachsen mit dem Aegyptischen Urrnythus
is t, gehöre nicht dem h ö c h s t e n Alterthuiu Aegyptens
an (s. Descript. de l’Eg. Antiqq. Livr. JII. M ein. p.38l.
— M ehrere Nachweisungen über die Hieroglyphen habe
ich in den llerodoteischen Abhandlungen gegeben P, I.
i . 27.).
390

Aegyptiers, und verbinden damit auch eine Darstellung


der Aegyptischen Fneumatologie oder Geisterlehre , die
mit jener Ansicht eng zusammenhangt, und die wir uns
räumlich oder zeitlich denken können, wie sie uns der
Thierkreis darstellt· £s statuirten nämlich die Aegyp-
ticr drei gättliche Emanationen oder drei Gotterordnun·
gen, die wir jedoch hier, der Kürze wegen, indem wir
sie schon oben angeführt, nicht wiederholen; und so
sehen wir es noch auf den Thierkreisen zu Tentyra.
Man stelle sich nur unten an die Kuppel und blicke auf­
wärts, da sehen wir ganz oben die z w ö l f e r s t e n u n d
h ö c h s t e n G ö t t e r , die Kalendergötter (die zwölf Zei­
chen des Thierkreises) , zuweilen auf Schitrehen gestellt,
nach der allgemeinen Sitte, die Aegyptischen Gottheiten
auf Schiffe zu setzen, wovon wir ebenfalls oben Bei­
spiele gegeben haben· Ein jeder dieser zwölf Götter
hat seine drei Trabanten in Gondeln. Diese sechs und
dreifsig Untergölter , deren in jedem Zeichen, bei jedem
Gotte, drei waren, hiefsen Decane, und ihre Namen wer­
den verschieden angegeben bei Origenes, Firmicus und
Andern; s. die dritte Tafel bei Dupuis Origine de tous
les cultes und dessen Tom. VH. p. 139 sqq. mit den
Bemerkungen des Salmasius de annis climactericis· Sie
heifsen auch D ä m o n e n und ä t h e r i s c h e G ö t t e r
de s H e r m e s (Sieh. Görres Mythengesch· II. S. 383 .).
Jeder dieser Decane hat wieder zweiGehülfen unter sich,
und so wird die Eintheilung fortgesetzt, bis der Umkreis
des Zodiacus, in 36 o G r a d e getheilt, bis zum Mittel­
punkte der Erde , eben so viele Pyramiden giebt, deren
jede ihren eigenen Dämon zum Gebieter hat; gleichwie
die zwölf Götter die gröfsesten, höchsten Götter zu Ge­
bietern haben. Die Pyramide kann demnach auch das

150) Wir haben sie beigeftigt. S. tab. XVII.


3gi
Syinbol des Geieterreichs in seiner Abstufung von der
breitesten Basis bis zur Einheit in der Spitze seyn. Gei­
ster sollen auch die Pyramiden gebaut haben und wie
man einerseits die sieben Kammern einer Pyramide den
sieben Planeten, d. i. den fünf Planeten nebst Sonne und
Mond, genidmet hat, so versetzt der Volhsglaube in
eine andere das Grab des grofsen Agathodämon. Die
Namen der sieben Planeten übrigens in dem Lexicon bei
Kircher sind nicht Aegyptisch, wie Jablonshi gezeigt
hat Die Götter sind aber die Vorsteher und Regen­
ten der Zeit (s. Herodot. II. 8s.); daher nach ihnen die
s i e b e n W o c h e n t a g e , die z w d l f Mo n a t e (Mars-
ham Canon p. 197.), und daher die Eintheilung der Pla­
neten nach ihren zwölf Wohnungen, wie man auf der
angeführten Tafel bei Dupuis sieht. Darum ist auch in
den Monaten der Aegyptier nach ihrer Folge und ihren
Namen das Yerhältnifs derselben zu den Bildern des
l'hierhreises nicht zu verkennen

151) Rempha Aegyptiorum D e u s, Opuscc. T . ΪΪ. p. 30 sqq.


152) Vergl. Jabionski Opuscc. T . I und II. p. 274 seqq. D er
alt-Aegyptische und Alexandrinisch-Griechische Kalender
müssen natürlich unterschieden werden; vergl. auch Rhode
Uber den Thierkreis S. 12 . Die Namen der Monate und
die Angaben der Auf- und Untergänge der Hauptfixsteme
finden sich in PlolemSus ατλανων in D· Petavii
Uranologium p. 71 s q q ., woraus wir erstere oben schon
angegeben haben. — Ueber den Aegyptischen Kalender
sehe man überhaupt die Nachweisungen bei van Goens
zu Porphyr, de Nymph. antro p. 113. und Dupuis Reli­
gion universelle Tom . VI. 1. p. 425 sq.
Unter den Sculpturen des grofsen südlichen Tempels
des J u p p ite r-Ammon zu Karnak sieht man ein Relief;
darauf acht Gottheiten (oder Priester?) in anbetender
Stellung vordem Neumonde, der oben an der Priese an­
gebracht ist. Sie stehen auf beiden Seiten mit aufgeho-
Also ein grofses System von Stufen und Unterord­
nungen, und am Schlufs Alles in eine grofse Einheit zu-
rüchgehend; alle Götter ein Gott« wie alle Sterne eine
W elt. Hiermit hängt nun die ganze Dämonologie zu­
sammen. Der ganze Himmel ist getheilt unter die Göt­
ter in bestimmte Dcgionen; die oberste Region, vom
Scheitelpunkte des Himmels bis zum Monde , gekört den
Göttern nach ihren drei Ordnungen. Obenan stehen,
wie Proclus in seinem Commentar zu Plato's Alcibiades
I. fol. 39 cod. Monac. angiebt, die zv^ölf ü b e r h i m m -
H s c h e n G ö t t e r (v^epovpctriot), und ihnen unterge­
ordnet ein Chor ihrer Dämonen. Dann folgen 2) die
i n w e l t l i c h e n G ö t t e r (i^xoa^iot Von diesen

benen Händen. Ihre Köpfe haben mannigfaltige Z ierra­


th en ; s. Descript. de l’Eg. Vol. II. p. 26S, wo die Ver­
fasser versichern, dafs dies nichts anders als eine N e u ­
m o n d s f ei e r sey.
15i) D er Welt^ oder dem WeUleibe, wie es heifst, schrie­
ben die Aegyptier fünf Theile z u : den Geist oder ersten
Odem (ryev/uij , das F euer, das Trockene , das Feuchte
und das Luttige (ro ds^cDSe^), Diodor. Sicul. I. 1 1 . pag. 15
W essel. Alle diese Theile , sagten sie ferner, seyen von
den Potenzen, der Sonne (Osiris) und dem Monde (Isis),
abhängig (ebendas, p. l4.). Dies sieht mit der Kosmo-
gonie im Zusam m enhänge, wovon uns ein Hermetisches
33ogma im seritio sacer ( cap. 3. p. 18 ed. Flussat.) auf-
behalien ist. Es lautet $0 : ruhete eine gränzenlose
Finsternifs auf dem Abgründe; und W asser und ein feiner
verständiger Geist (τνβυ/χα), die durch göttliche Kraft in
dem Chaos waren. Es that sich aber ein heiliges Licht
au f, und es gerannen unter dem Sande aus dem feuchten
W esen die Elem ente, und alle Götter theilen aus von
der besaamenden N atur" u. s. w. Diese absichtlich ganz
wörtlich gegebene Uebersetzung kann vielleicht am si*
chersten unsere Leser ülierzeugen, dafs wir in diesen
Sätzen, $0 neu auch ihie Griechische Einkleidung ist.
595
fuhrt ein jeder M^icder eine Reihe von Dämonen (τάξις
daiuovia) an, der er in jedem Bezug seine KräRe mit­
theilt , und die sich auch freuen, seinen Namen zu tra­
gen. Hier sehen wir schon die Grundidee von Schutz«
patron und Namengeber in den Himmel verlegt. 3) ln
diesen Dämonen ruhen nun alle M i t t e l p u n k t e (xei^-
τρα) aller Dinge in der Welt. Die Dämonen empfangen
die Kräfte und Einflüsse von den Göttern, deren Tra­
banten sie sind, und bilden darnach Thiere und Pflan­
zen, theilen diesen jene Kräfte und Einflüsse mit, so
dafs sie, die Dämonen, die ganze W elt erfüllen, und
die verschiedensten Sphären derselben (die uberhimm­
lische, die himmlische und das über und unter dem
Monde Befindliche) mit einander verbinden. 4) giebt
s e c h s O r d n u n g e n v o n D ä m o n e n . Die erste ist
e in a r t i g (ίνοειδής) und g ö t t l i c h , sie hat wahrhaft;
göttliche Natur. Diese obersten Dämonen verknüpfen
die Seelen, die vom Vater herab in die Körper kommen,
mit den Göttern. Die zweite hat i n t e l l e c t u e l l e
(roepd) Eigenschaft, und steht dem Aufsteigen und Her­
absteigen der Seelen in irdische Leiber vor; sie geben
die göttliche Schöpfung ans Licht. Die dritte theilt den
göttlichen Seelen die Schöpferkraft im zweiten Range

alt-Aegyptische Meinungen haben. Die Localfarben ver-


rathen sich in mehreren Z ügen, nicht anders wie in dem
Wortspiele zwischen ίλ ΰ ς , S c h l a m m , und υ λ η , M a t e ­
r i e , beim Simplicius (s. oben). Die M u t t e r N a c h t ,
als Argyptisches Urwesen ( A th o r ) , erkennen mehreiO
Gewährsmänner a n , und man wollte die Aegyptische T a -
geseintheilung, wonach sie von einem A b e n d bis zum
andern einen Tag rechneten, daher leiten (Jo· Laur. Ly­
dus de menss. p. 13.)·
li'l) Nämlich g ö t t l i c h e S e e l e n gehen nur deswegen in
den Ort der Geburt (ymvsm^ τοΎον) ^ um Wohlthäter der
geringeren Seelen zu werden (*ir’ ταίν 4r«λ£σr^j^^(vy
394
(βΙςτά 9 εύτ£ρα) mit, und leitet die höheren Einflüsse
auf sie herab. Die vierte ist die, die die activen Kräfte
der allgemeinen Naturen den getheilten (speciellen) Na­
turen mittheilt, Leben, Ordnung, Ideen und das ganze
Yervollhommnungsgeschäft, das die Getter haben. Die
funite, die l e i b ä h n l i c h e oder h d r p e r ä h n l i c h e
(οο)ρατο«ι^ΐ7ς), die nach dem Muster des ewigen Kör­
pers, der Idee Körper, alle Elemente des irdischen
Körpers zusammenhält, trägt und darüber wacht. Die
sechste von denen, die um d ie M a t e r i e (vXij) b e ­
s c h ä f t i g t s i n d , und welche die aus der himmlischen
νλ); berabkommenden Kräfte in der irdischen νλη Zusam­
menhalten , und den Schattenrifs (σχιογ(αφία) der Ideen
in der Materie bewahren, — So weit Proclus.
W ie nun die obere Himmelssphäre ihre Unterordnun­
gen von Wesen hat, so auch die untere. Immer dienen
die niederen den höheren. Der Kreis des Mondes, in­
gleichen W asser, Erde, Luft, sind mit Dämonen ange-
fiillt, als Mittelwesen zwischen den Göttern und Men­
schen, leichtbeweglich und luftiger Natur. Sie stehen
den Elementen und Körpern v o r , sie bedingen das
Wachsthum und Gedeihen der Pflanzen, sie bestimmen
ihre Blüthe und Wirksamkeit; und es hat der Gott in
dem Thierzeichen , in dem Monat, wo er regiert, einen
entschiedenen Einflufs auf die ganze Vegetation, die zur

\)/υχοΰν). Sie Stellen d a r, sie bilden ab die aufii Gute ge­


richtete Vorsehung der Götter selbst (τ^ τρόνοιαν
αίΓοτυτουνται); sieh. Proclus ibid. fbl. 27. Die Wirkungen
iivi^yetat) ^ die den Göttern eigenthOmlich angehören,
wirken durch die Welt und auf den Menschen durch die
physischen Strahlen in der Welt. Die Naturen aber
wirken durch die Elemente, die Menschen durch Künste
und Wissenschaften. S. Hermes in der Clavis p. il. b.
Fatrit.
5g5

Blüthe bonunt· Daher beobachtet man die Zeichen^


YTorin die Pflanzen gebrochen und bereitet ^werden· Aue
den Gestirnen wurden die Heilkräfte der Pflanzen und
die Regeln ihrer Behandlung, so wie die Krankheiten
der Menschen und Thiere, beurtheilt^ und jene sechs und
dreifsig Decane werden nun eben so viele Dämonen,
die sich in die sechs und dreifsig Theile des mensch­
lichen Körpers thcilen, und darüber ihre Herrschaft
ausüben ^ ). Es hing damit die Arzneikunde der Ae-
gyptier eng zusammen (Herodot. II. 84.). Dieses reli­
giös-kalendarische System griff auch in alle andere
Zweige des menschlichen Lebens e i n, dessen Schicksale
die Aegyptier ja nach den Monaten und Tagen, an denen
Jemand geboren w ar, und mithin nach dem Einflufs,
den die G ötter, als Regenten der Zeiten, üben, be­
stimmten, An der Schrift des Manetho, nämlich an den
Apotelesmatica, haben wir ein zwar spätes, aber gleich­
wohl charakteristisches Denkmal dieser Acgyptischen
Astrologie. Kur das Wesentliche ihres Inhalts bürgen
die Zeugnisse des Herodotus (II. 82.) und des Diodorus
(I. 81·); um nicht mehrere Zeugen anzuführen, die diese
'Wissenschaft der Prognostik, der Vorzeichen und dergk
den alten Aegyptiern beilegen. Aebnliche Schriften über
Pflanzen - und Arzneikunde befinden sich hier und da
noch handschriftlich in den Bibliotheken. W ir wollen
aus einem Manuscript dieser Art ein Beispiel einer astro­
nomischen Botanik officineller Pflanzen geben. Es ist
eine kleine, zum Theil sehr verdorbene Schrift, betitelt
βοχαρών χνλώσ$ως, in der Leydner Bibliothek. Sie

ISS) Daher Sesostris das Land in sechs und dreifsis: Nomen


eintheilte (s. Strabo XVII. p. 7^7. p. 478Tzsch.)j denn
wie der Leib des Menschen , so sollte auch dieser heilige
Erdleib unter den Schutz der sechs und dreiß>ig Decane ge­
stellt seyn.
δ9 θ
bricbt bei dem Zeichen des Schützen plötzlich ab. ATs
ein Beispiel zur Charahteristik der physikalisch - medici-
nischen Astrologie der Aegypticr sind diese Bruchstücke
eben so gut geeignet, als das angelilhrte Gedicht des
Nanetho in anderer Hinsicht, ohngeaclitet eins wie das
andere erweislich einem späten Zeitalter angehort« W i r
wollen unsern Lesern eine Andeutung des Inhalts geben:
Der weise Bonig Nechepso , heifst es in der Einlei­
tung der kleinen Schrift, sehnt sich die Stimme Gottes
(des Hermes) za hören. £r gelangte dazu, und m it
trt fflicheu Gaben ausgerüstet erkannte er die Sympathien
der Steine und der Pflanzen (σνμπα^βίας λί^ων :eai
ταρών) ^ und lehrte nun die Zeiten (χαιροΰς) und die
Oertcr (τόπονς), wann und wo man die Kräuter brechen
mufs. Denn Alles wächst und welket durch den Einflufs
der Sterne« Darauf wird gezeigt, wie eine Pflanze in
dem einen Lande, das unter dem Himmelszeichen liegt,
schädlich, in einem andern Lande, unter einem andern
Hirainelszeichen gelegen , efsbar und unschädlich sey.
Wann die Sonne im Widder stehe, seyen alle Pflanzen
am wirksamsten, denn der Widder sey die Erhöhung
(ν\}/ωμα) der Sonne, und weil er den meisten Göttern
eigen sey, so sey er auch der meisten Götterkräfte iheil-
haftig. Hierauf folgt die Beschreibung, wie die Kräuter
in diesen Zeichen zu medicinischem Gebrauch zu bereiten

156) Nechepso Νίκ^ψα») soll die von Hermes er­


fundene Magie verbessert haben. S. Auson. Epigr. 19·
Vergl. Salmasii Exercitt. Pliii. p. iOt. b. D. und daselbst
den Aetius, und vorzüglich Zoega de obelisce, p. 5l6. 517«
Andere medicinische und botanische Schriften unter H e r­
m e s Namen finden sich in mehreren Bibliotheken, vergl.
Fabric. Bibl.gr. Vol.l. p.70.71 Harles« Da ich die Abschrifl
des Leydner Manuscripts aus einer andern Handschrift
jezt ergänzen kann, so werde ich die im Text genannte
kleine Schrift gelegentlich einmal bekannt machen.
397
tind. So weit die Einleitung. Hieran sdilieTsen gich
die einzelnen Bilder des Thierlireiseg ^ mit den darunter
gehörigen Pflanzen, vom Widder bis zum Schutzen , wo
dag Manuecript abbricht. Bei einer jeden Pflanze wer·
den ihre ofBcinellen Kräflte angegeben, und ihre Berei·
tungsart zu diesem Zwecke gezeigt; z. B. « die Pflanze
vom Krebs, Wallwurz (Beinwell, symphjtum, zapx/roy
§οτάνη σνμφντο^). Beides, die W urzel und die Frucht
derselben, ist sehr wirksam, denn aus der Wurzel be­
reitet man eine Salbe zum Auflegen auf W^unden
u. 8. w.

157) Jene Planet^nfottheiten, jene Zeichen des ThierkreJses


und die übrigtn Wesen des astroiheologischen Systems
erseht inen nun auch auf W'eikeii de r alten Bildnerei un­
tergeordnet derjenigen Gottheit , die in dem herrschen­
den Systeme jedeMiial als die höclisie gedacht wird. So
hüben wir in den zwei weiblichen Figuren, die auf dem
U'hicrkreise zu 'J enlyra das Ganze umfassen, und die
1 s is darsiellcn, eine alt - Aegyptische Vorstellung einer
solchen Unterordnung des ganzen sidertschen Göttersy·
steiUH unter ein höchstes Wesen. Die nachherigen Vor-
Stellungen lassen sich samrotlich aus Münzen erweisen«
So erscheint bald Z e u s im Mittelpunkte des PJaneten-
cliors und des diesen umgebenden Thierkreises ( s. das
Relief bei Hirt auf uer zweiten Tafel im archSol. Bilderb.) ;
bald ist es F a n , der mit seiner Flöte den Chor der Pla­
nt len und d tr Mernhilder des Zodiacus lenkt (sieh, die
Gemme aus der Sammlung des Herzogs von Orleans,
bei Dupuis pl. ΧΧΠ.;; bald wird S e r a p i s zum Herr­
scher der Sphäre gemacht. So erscheint er auf einer
Aegyptiseben Münze des Antoninus pius, umgeben von
den nach der damaligen Vorstellung gebildeten Köpfen
der sieben Planeten, und im äufseren Kreise von den
Bildern des Zodiacus. Z ur Erläuterung dient hier die
Hauptsielle des Eusebius Praepar. Evang. 111. 4. Ueber
die speciellen Beziehungen dieser Münze auf die damalige
Zeit verbreitet sich2Loega in den nunii Aegyptt. lmp<;ratt·
59»
Selbst im Tode nehmen nnsern Geist die Dämonen
auf, um ihn zuriich zu leiten in die himmlischen Regio­
nen. W ie der Leib nämlich fallt, nird er, nach beendig­
tem Balsamircn, durch mehr oder weniger Amulete
(wobei in den Zahlenproportionen gewisse Bedeutungen
lagen) den guten Genien zugeeignet, vor dem Bösen
bewahrt, und so gleichsam magisch. Dafs auch diese
magische Todrenweihe in Form einer Art von Wissen­
schaft gebracht w ar, davon zeigen sich mehrere Spuren;
wie wir denn z. B. vier Bücher eines Philosophen Julia­
nus genannt finden, worin von den Dämonen und von
den Schutzmitteln (Phylahterien) eines jeden Gliedes des
menschlichen Leibes gehandelt war
Den neueren Europäern ist jene geisterhafte An-
schauungsart der Natur nach und nach fremd geworden.
Wenn sie in gewissen physischen, chemischen und phar-
maceutischen Beziehungen sich des Wortes G e i s t be­
dienen, um entweder das innerste Wesen oder den
Strahlenpunht aller Kräfte eines Naturhörpers, oder
auch wohl die auf hünstliche W eise vevstorlite Kraft des­
selben , zu bezeichnen; so will es ihnen doch ganz son­
derbar bedünken, wenn sie in den Volkssagen oder
Priesterlehren der alten Völker von Sonnen-, Mond-,
Thier-, Pflanzen-, Metallgeistern, ja von Dämonen, als
Bewohnern einzelner Leiber und Gliedmafsen, sprechen

p. 181. W ir haben eine Abbildung dieser Vorstellung aus


Dupuis (tab. 11. nr. 11·} unten beifügen lassen. Sieh,
tab. VI. nr. i2.
158) Suidas 8. v. Julianos Vol. TI. pag 123. ed. Küster, vom
Philosophen Julianus Chaldaeus: Boi^ovwv /3/-
βλία Av5^tüTU!V 5e' ie n φυλακτι}ς>/ον χγοζ ΐκαστον μό^tO'Jm
Vergi, auch die geistreichen Bemerkungen hierüber von
F a 1i n in seinen Fragmm. sur Telude des Hieroglyphes
11. p. 6.
599
Jiören. Der alten W elt war dieae Sprecbart so eigen
und so geläufig« daft ich bei den meisten meiner Leser
den V orw urf der Plattheit mit Recht fürchten müfste«
wollte ich darüber ausführlicher seyn« Denn derFurcht^
bei Andern wegen der Anerkennung dieser antiken An·
sicht für mystisch zu gelten, bin ich mir, das kann ich
Tersichern, nie erinnerlich gewesen. Aber um derer
willen, denen ich in diesem Capitel die Vorweihe zur
gesammten Mythologie ertheilen mochte , sey es noch
mit Wenigem gesagt, dafs der natürliche und gerade
Sinn des ganzen Alterthums, noch unangerührt von der
späterhin herrschend gewordenen Mechanik und Atomi­
stik, in dem Weltgebäude kein todtesUhrwerk, sondern
ein Lebendiges (ein ζώον) erblickte, und in den Sternen
nicht nach dem Gesetz des Anziehens oder Abstofsens
rollende Lichtmassen oder dunkele Körper, sondern le·
bendige Geister, und so durch alle Naturreiche hindurch
bis zum Gestein in der Tiefe«
Aber auch die a n t h r o p o l o g i s c h - e t h i s c h e
A n w e n d u n g dieser Dämonenlehre, in Bezug auf den
Abfall und die Rückkehr der Seelen, wollen wir nun
betrachten. Hat nämlich eine Seele sich verlocken las­
sen, den Schoofs des ewigen Vaters zu verlassen, so
überläfst sie die Liebe des Vaters nicht sich selber, son­
dern er übergiebt sie den leitenden Geistern. Sie« die
D ä m o n e n , leiten die Seelen herab ins Leben, hüllen
sie in Körper, und stehen ihnen immer zur Seite. Die
Bahn aber, wodurch die Seelen herab und wieder zurück
steigen, ist der Zodiacus. So lange die Seele in den
oberen Sphären ist, hat sie noch die W ahl zur Rück­
kehr, selbst wenn sie schon den Thierkreis erreicht hat,
bis in das Zeichen des Löwen, wo gleichsam die Gränz-
marke und Pforte des leiblichen Daseyns (incunabula
nascendi) is t; dann folgt das Zeichen des Krebses, wo
die Pforte ist, durch welche die Seelen niedersteigen;
^00

sie wird die Menscbenpforte genannt und von Dämonen


bewacht; und von nun en gehl es immer weiter abwärts,
bis die Seele endlich in einen Leib kommt. Sie lebt,
und weil sie während des Lebens viele MackeI und Män­
gel angenommen, mufs sie geläutert werden. Nach
Verlauf von dreitausend Jahren aber, wenn das grofse
Jahr eintritt, kommt sie wieder an den alten Platz. Sie
mufs denselben W eg zurück. Durch die Götterpforte,
die von Hunden bewacht wird, steigt sie wieder herauf,
nnd hier läfst sie alles Irdische zurück; sie w^ill nicht
zum zweitenmal in den bösen Kreislauf und in die Zwing­
herrschaft der Sinne. Diese Pforte aber, durch welche
sie heraufsteigt, ist im Steinbock (sieh. Macrob. Somn.
Scip. I. 13. Porphyr, de antro Nymph. cap. 6. Clemens
Alex. Stromat· V. p. 675.). So wie nun die Dämonen
das Geschäft haben, die Seelen herabzufuhren, so haben
die H e r o e n — d. h. edle Seelen, die sich zwar auch
der Lust zum irdischen Leben nicht erwehren konnten^
aber von edeln Motiven dazu bewegt wurden , die auf
Erden Göttliches gethan, aber Sterbliches erlitten« und
nun zwischen den Menschen und Dämonen im nebello­
sen , reinen Luftkreise wohnen — diese Heroen haben
das Geschäft, die Seelen wieder aus dem Leibe zu be­
freien und Zurückzufuhren.
Diese Aegyptische Seelen - und Dämonenlehre hat
sich nun weiter zu den Griechen verbreitet, als zum Phe­
recydes von Syrus, Heraklitus (der freilich nun der
6 ioq άνω xal χάτω den Sinn seines genialen Systems un­
terlegte), Plato (V ergl. dessen beide Höhlen, de Re-
publ. und dessen ganze Dämonenlehre), und so weiter
bis zu Cicero und Macrobius herab. S. Porphyr, de an­
tro Nymph. cap. 18 sqq. ibiq. v. Goens. Plutarch. de S.
N. V. ibiq. Wytlenb. p. 1 14 sqq. Macrob. Somn. Scip.
1. 12. Λ"eΓgl. auch Görres Mylhengesch. II. S. 887 ff. —
Es bedarf wohl keiner ausführlichen Erörterung, wie
4oi
jene Wanderungsgeschichte für den Geweiheten und
Denlter zu allen Zeiten d ie B e d e u t u n g e i n e r e r ­
h a b e n e n A l l e g o r i e h a t t e » ^während sie dem Volke
jederzeit eine heilig geglaubte Legende blieb, wenn nicht
der leichtere Sinn einer ganz poetischen Religion jene
uralten Ucberlieferungen in Vergessenheit stellte.
Diese priesterliche Geisterlehre war so folgerecht
und durchgreifend, wie die Natur, von der sie entlehnt
w ar, und ilofs phjsich» ethisch, politisch in eine einzige
grofse Anschauung zusammen. £s wird genügen, einige
Aeufserungen dieser orientalischen Denkart in freier
Mittheilung uns näher zu bringen. W ir führen zuvör­
derst eine Stelle aus des Hermes Trism. Claris pag. 11·
a. b. cd. Franc. Patric. an, die uns in dieser Beziehung
hemerkenswerth zu scyn scheint. Dort läfst er sich un­
ter andern über die Beschaffenheit der Kindesseelen so
aus: «Die Kindesseele ist schön, weil sie noch nicht
verfinstert ist durch die Hefe der Materie und Leiden­
schaft» sintemal sie, in die Geburt kommend aus den
höheren Sphären , noch nicht an der Materie fest an­
klebt, sondern (wie an der Nabelschnur der Mutter) an
der Weltseele hängt; wie sie aber beschwert wird mit
dem Leibe , erzeugt der Leib das Vergessen des himm­
lischen Dasejns, sie geht verlustig des göttlichen Ange­
denkens, und dann ist sie im Argen; denn diese A^cr-
gessenheit ist das Arge.» Proclus (mscr. ad Platon. Al-
cib. I. fol. 8o.) unterscheidet bestimmt sieben Stufen
oder Ordnungen (τάξεις) des menschlichen I>ebens. Die
erste, sagt e r, ist vorzüglich dem Mo ndo und der
Mo n d s S c h ö p f u n g (]? ποίτ;σις σεληνιακτ^) unterthänig;
denn in diesem Alter leben wir zufolge der ernährenden
und physischen Kraft. £s ist dies die vegetante Periode
des Menschen , wo das NutritionsgeschäR das Hauptsäch­
lichste ist; der Mond aber enthält den Grund aller er­
nährenden Keime; durch sein feuchtes, sanft erwar-
L
4oi
mendes Licht hommf Nahrung und Gedeihen in alle Na«
turen» Hier ist das Ganze zuerst physisch genommeni
aber eben dasselbe auch ethisch anf eine unzweideutige
W eise; denn in diesem Alter ist die Seele noch reiner
und unschuldiger , und noch nicht TÖllig abgesondert
von der grofsen W eltseelc, sie ist noch nicht ganz von
der Materie umdustert und iimsohlMngen. Die zweite
Periode unterwirft uns dem l l <*rmes; dann gehören
wir der k^uaiTtii τιοίησι,ς an^ als Knaben, indem sich in
uns die erste Wifsbegier regt, und wir uns mit der Ci-
thar, mit der Gymnastik und den Elementen der W is-
senscharteii beschäftigen. Dies Alles ist des Hermes
W erk ; daher er auch der Vorsteher der Gymnasien ist.
Mit der dritten Stufe tritt V e n u s in ihre Herrschaft ein;
wir kommen unter die schöpferische Gewalt der Venus
(^άφ^οΒισιαχη ηοίησις). Dann regen sich im Organismus
die 2^ngungskräite, wir nähern uns der Pubertät, und
kommen in den Zustand des Epheben, wo jener gewaU
tigeStern, Hesperus und Lucifer, seine Herrschaft über
uns ausübt. Die vierte Ordnung führt uns zur S o n n e
(ι^λιαχι^ π ·) ; die Sonne zeitigt und reift den jungen
Mann, wie sie Alles reift und zeitigt; und wie sie im
Planetensystem das Oberste ist, so steht auch in der P e­
riode, wo sie ihren Einflufs übt, der Mann auf dem
Culminationspunkte des Lebens. Hier ist der Stillstand,
hier die Scheidelinie zwischen Leben und Tod. In der
fünften geboren wir dem Ma r s ( A r e s ) an π .),
weil sich in diesem Alter hauptsächlich die Kraft offen,
hart und das Vermögen, Andere zu überwältigen. Es
ist das Kriegsalter für den Mann. Die sechste führt uns
in das Regiment des J u p p i t e r ( Ze us ) (Jita π.), Jezt
nämlich neigen wir uns am meisten zum Wachsthum in
Weisheit, ingleichen zum thätigen (praktischen) und po­
litischen Leben. Es kommt das Alter, wo die politischen
Ideen in uns aufgehen, wo es die Herrachaft gilt im
4o5
Hause, im Staate und allerwarts· Denn Juppiter ist der
grofse König, der Repräsentant aller praktischen und
politischen Weisheit. Die siebente bringt uns unter das
Regiment des K r o n o s (xfovla π .), d. h. des Planeten,
der in iieiter Ferne mit verhülltem Haupte schimmert.
Dies ist Kronos, der unoflenbarte Gott (deus in statu
non manifesto), der Kneph der Aegyptier In dieser
Periode machen wir uns allmählig los vom leiblichen
und körperlichen Daseyn, und \%enden uns zu einem
höheren, unkörperlichen Leben; jezt ist die Zeit des
Todes und der Seelenrückkehr. Nun geht es in die
Flysäiscben Felder. Dies war siderisch der achte Kreis
und wer nicht die sieben Ordnungen durchlaufen hat,
der mufs wieder wandern, und dann mufs er dreimal
wandern. Dann erst geht er als ein «tarh Geprüfter ein in
die seeligen Wohnungen. Von dieser dreifachen W an­
derung weifs auch der Pythagoreische Sänger Pindarus
(wie denn überhaupt frühe anerkannterniafsen durch

159) Nach der v o l k s m ä f s i g e n Ansicht der Griechen


und Römer werden freilich diese planetarischen Einflüsse
oft anders genommen. Dort , auf dem Standpunkte des
sinnlichen Lebens, erscheint z. B. Juppiier als wohlthü-
liir, Saturn als verderblich. Appulejus in Floridis p. 348
Elmenli. folgt dieser Betrachtungsart, wenn er sagt: Sol
qui micantem — flammam ^ explicas; itemque luminis
ejus L u n a discipula, nec non quinque caeterae vagan­
tium p o t e s t a t e s ; J o Vi s benefica, V e n e r i s volup­
tifica , pernix M e r c u r i i , perniciosa S a t u r n i , M a r ­
t i s ignita.
160) Zo^ga de obelisce, p. 297 : „Platonici nonnulli in octava
sphaera collocarunt campos Elysios. Mucro b. in Soinn.
Scip. 1. cap. 11.^ Vergi, auch Palin Fragmm. sur fetude
des Hieroglyphes IV. p. 113. Il4. und was ich ausführ­
licher darüber in den Commentait. ilerodoU. P. I. cap. 3.
abgehandelt habe.
4ο4

Pythagora« und Andere^ die Aegyptische Pneumatologie


unter den Griechen yerbreitet wurde). Er singt Olymp.
II. ia 3 , welche Stelle auch Hermias zu Plato’« Phaedrus
cap. 29. p. iSs Ast. anführt:
IDoch wer verm ocht, hier und dronten
Z u d r e i M a l e n ausharrend, von allem Ungerechten
rein
Das Hera zu halten^ wallet zu Kronos* Stadt
Z tu s Weg dahin, wo seelige Inseln okeaiiische
Lüfi’ alJumwehn u. s. w. 1^*)·
Sie also gehen den W eg des Zeus, d. h. den W e g , den
ihnen der Gott zeigt, der die hypostasirte VernunfV ist,
9sum Thurme des Kronos, d. h. in den Schoofs namen­
loser Secligheit. Darum heifst auch Hermes
στος, weil e r , die yerkorperte Intelligenz, den dreinia-
ligen Wandel hier und dort wohl bestanden, dreimal die
Lauterungsbahn durchlaufen bat. 8. Hermias 1. c·

$. 14·
Hier mag denn auch eine kurze Nachricht von der
Todtenbestattung der alten Aegyptier, so wie eine Ue-
hersicht der damit yerbundenen Begriffe vom Zustande
des Menschen im Tode und vom Schicksale der Seelen,
ihre Stelle finden. W ar nämlich ein Aegyptier gestor­
ben , so gingen seine Angehörigen sogleich zum Priester
und meldeten es. Dieser begab sich hierauf mit denen,
die einzig das Geschäft hatten, den Leichnam gehörig
ztizuberciten und einzubalsamircn, in ein dazu bestimmtes
Gebäude, und zeigte dort drei Modelle {πα^αΒ^γμαχά)
von Mumien, kostbare, minder kostbare und ganz ge*
ringe, und so bestimmte man nun auf dreifache Weise,

161) Nach Bothe (Pindars Olympische Oden in ihr Vers·


maaik verdeutscht, Berlin IbUb.) S. 3b f.
4o5
nach dem Stande nnd Vermögen des Verstorbenen, die
£inba 1samirung und Beisetzung Hierauf fing der
Priester, dem zunächst dieses Geschäft oblag, o τταρα.
σχιστής^ an^ den Leichnam zu seciren. Allein, so wie
er den Schnitt gemacht, ergriff er die Flucht, und wurde
von den Anverwandten des Gestorbenen mit Steinwürfen
verfolgt — anzudeuten: dieser Leib ist Gottes WorU,
dieses hleine Universum ist auch Im Aeufserliehen hei­
lig ; er hat sich also an Gottes W erk vergriffen. Nach
dem folgerechten Priestersystem ward auch dieser Para,
achistes den Priestern beigezählt, und durch die Tradi­
tion sanctionirt, dafs H e r m e s , aller Priester Lehrer
und Vater, selbst zuerst den gestorbenen Osiris ein-
balsamirt und zur Mumie gemacht habe. Hierauf wur­
den bei der edleren Balsamirung, wovon wir, um der
religiösen Begriffe willen, eine kurze Uebersicht geben,
alle mehr flüssigen und der Verw^esung leicht ausgesetz­
ten Theile aus dem Körper herausgenommen, die festen
aber ausgewaschen , eingesprützt und mit wohlriechen­
den Specercien angefüilt, nachdem sie siebenzig Tage
in mineral - alhalischem Salze (natrum) gelegen hatten.
Das Eingeweide und das üebrige wurde in einen Kasten
gebracht und in den Nil getragen, damit er es dem
Meere zusende. Hierbei sprach einer der Taricheuten
( Balsamircr) , die Sonne anblichend , im Namen des
Todten , dessen Eingeweide eben dem Flusse übergeben
werden sollten, folgendes Gebet, das uns Porphyrius

162) Hauptstellen Uber das Mumisiren sind Herodot. ΪΤ. S5


— 90. Diüdor. Sic. I. 91. Jene Capitel des Herodotus
haben wir ausführlich behandelt in den Conimentt. He-
rodott. I. 8. 1 — 7 , die daher in Ansehung; alles Speciei-
len nachzulesen, indem daselbst die nöthigen Nachwei­
sungen und Citate aus älteren und neueren Schriftstellern
gegeben sind.
4o6
(de abslin· IV. lo. pag. 3 's<) seq. ed. Bhoer.) aufbehaltcn
hat; «O du Herrscher Helios (Sonne) und ihr Götter
alle, die ihr dem Menschen das Leben verliehen habt,
nehmt mich auf und führet mich in den Chor der ewigen
Götter« Denn ich habe , so lange ich in der Zcitlichheit
w ar, die Götter verehrt, die meine Eltern mich zu v e r­
ehren angewiesen; auch habe ich diese selbst, die Ur­
heber meinos irdischen Dasejns , jederzeit geehrt. Ich
habe heinen meiner Nebenmenschen getodtet, hein mir
anvertrautes Pfand unterschlagen. So ich aber in mei­
nem Leben durch Essen oder Trinben dessen, was ver­
boten war , gesündigt, so habe ich dieses nicht durch
mich selbst getban, sondern davon trägt dieser Bauch
da die Schuld.» Und wie er diese W orte gesprochen,
liefs er den Kasten in den Nil hinab Nachdem nun
die festen Theile des Körnens auf die oben angeführte
W eise vor Verwesung und Fäulnifs verwahrt und ge­
schützt w'aren — wobei, nach dem Urtbeile der neueren
Physiker und Chirurgen, manche Kenntnisse der alten
Aegyplier in der Chemie und ihre grofse Geschicklich­
keit in der ganzen Behandlungsart und Zubereitung der
Leichname Aufmerksamkeit verdienen — so erfolgte
das Einwickeln des Leichnams in die Mumiendecken , das
zugleich ein Einsegnen war. Man umwickelte nämlich,
um alle Theile des Körpers in ihrer natürlichen Form
zu erhalten, den ganzen Körper vielfach mit den feinsten
Stoflen von Linnen und baumwOllenen Zeugen (byssus).
Denn der mumisirte Mensch wird, nach allegorischer
Ansicla, wieder ein Kind; er wird durch den Tod von
neuem gleichsam geboren, er geht in ein neues Lehen
ein. Rein und unschuldig, wie das Kind, soll er in die
Wohnungen der Götter eingehen. Daher legt man ihm

163) Vergl. Commentt. Herodott. I. §.3.


4o 7

auch die Hände entweder dicht an die Seiten oder hreuz-


■weie ü b er ein an d er, und wichelt ihn ein in W indeln,
‘wie das neugeborene Kind Eben darum legt man
auch, zum Schutz und zu r B eruhigung, wie dem Kinde,
in die Bandagen u n ter den Leib und die B rust goldene,
silberne Ido le, Scarabäen und d c rg l., besonders Osiris-
bilder· D enn von nun an ist e r dem Osiris ge weihet»

i6i) S. Arfemiflor. Oneirocrit. I. 13. p. 27 ed. Reiff und da­


sei bt besonders die W orte: ι χ ι ί καί 9 / ατο5ν*^σκον-
«σχι<Γ;/·νο<ς ips tXov vrat ^άκβσ/ν, α*ς καί τα
χ α μ α ί TiBsyrat. Gregorius PaUma Orat.
1 : καί raiytat καί ^€t^iat συγγι-
'wti; ίνταψ/α>ν δ ε σ μ ώ ν · Derselbe Arteiuidonis Ι· c·
cap. Ο , wo er zeigt, dafs einem Kranken, der im Trau­
me wahnt, ein Kind zu gebaren, eben dadurch der Tod
sngezeigt werde, lügt die Worte bei: eSf-re^ το β^εψος
του ΐΓ€ζ>ιίχοντρή σώματος αχαλλαιτσίταχ, ονται καί
ί Denn es verglichen die Alten die Gebärmutter
mit einem Grabe , worin der Embryo gleichsam durch
gewisse Bande zurQckgelialtcn werde. Ja sogar den im
AduUerU'it»e eingeschlosscnen männlichen Saarnen vergli­
chen sie mit ein* m ini GrabeshUgel ruhenden Leichnam.
S. Pisida de opific. inun<li: καί xo^’ >}/a7v i cx^>o;, w ς σ ώ μ α
¥sy.^^oy SVταψείς r}j κ 0 *λ / a.
D aher denn auch die Pythagoreer, diese ächten Lehr-
jöngcr der Aegypiischen P riester, d e n T o d für eine
x w e i t e G e n e s u n g erklärten , und durch gewisse Sym­
bole, worunter die bekannte v^ina war (vergl. oben S. 106),
dies anziideiiteii suchten. D aher nannten sic auch den
Tod das G e b u r t s f e s t (τά γ«ν*σιζ) des Menschen, weil
jezt erst das wahre Leben und die wahre Gesundheit den
Menschen ihren Anfang nähme. Jene frühere Geburt
(ytv^Xijf Yivfe7/4) sey eine Geburt im Trüben und Pinslern,
und befleckt mit allen irdischen Mackcln. Sieh. Coel.
Rhodiginus Aiitiqq. Lecft. p.9d4. Olympiodor. ad Platon.
Phaedr. pag. 33J ed. Wyttenb. Boissonad. ad Marini Vit·
P ro d i p· 10^·
4 ο8

er ist gleichsam ein Noi^ize, und m ri durch Amulefe in


gewisser Zahl und Bedeutung hermetisch verwahrt und
gleichsam versiegelt. Mit Einem W orte , diese Mumie
ist nun ein gereinigter, mit Talismanen geheiligter^
schlafender und seeliger Mensch. Denn wie die Obhut:
für den Menschen im Lehen sechs und dreifsig Decanen
oder guten Geistern übergeben war, von denen einem
jeden ein Glied des Körpers zugetheilt ist, damit er e s
vor den Einilüssen und der Macht der bösen Geister be­
wahre , so ist ebenfalls der todte Mensch als Mumie
der Obhut der guten Geister übergeben, damit sie ihn
schützen und bewahren. Die hier zum Grunde liegende
Idee war freilich die von einer Keinigungsweihe, die
der gestorbene und mumisirte Mensch erhalten. ·— Die
nun so eingewichelte Mumie ward hierauf mit einer Maske
belegt aus zusammengeleimtem Kattun mit Gipsüberzug;
auf dieser ward das Gesicht nach der natürlichen Phy­
siognomie der Person nachgeahmt, und der ganze übrige
Körper mit Hieroglyphen und andern bildlichen VorsteU
lungen , die wohl die Anschauung des Aegyptiers von
Leben und Tod enlhaltcn haben mögen, bemalt. So
malte man an die Füfse gewöhnlich zwei W ölfe

4d5) Hierauf bezog sich die Schrift des Philosophen Jiilianns


Chaldaeus, deren wir schon oben erwähnten, wie Suidas
(Tom . II. p. 123.) berichtet: (nHinlich Julianus)
»ίζ-ι βί/3λία, δ’. 'Avi/^.cuTcuv έ* eVri φυλακτ>;ζ.ί&ν
k'A (i7T0'j fx a ^ /c y · c r e t u , r d τ ε λ ίσ /ο ν ζ ^ γ /κ χ Χ α λ δ α Ϊ Α ύ ί.

ίβΰ) Ueber den W o lf, der als W ächter des Amenthes dem
Todtenhcherrscher Osiris und Serapis beigegeben wird,
erklärt sich Zoega ausführlich (numi Aegypit. p. 70. und
de oheliscc. p. 307). Auch die Mumie im Grofsherzogl.
Hessischen Museum zu Darmstadt hat diese zwei cha-
rakterisiischcn Wölfe. Man vergleiche die Kupfertafel
zum ersten Theil unserer Cominematt. Herodott· und die
Beschreibung Jener Mumie daselbst.
4o9
oben aber thierb^piige Figuren und dergl. Die Farbe
h a t, wie die Untersuchungen neuerer Gelehrten, eines
Gmelin, Bluroenbach und Anderer, ge 2 eigt, eine weifse
Kreide zu ihrer Grundlage, auf welcher sie aufgetragen
ist. Sie selbst ist verschieden, und zwar sechsfach:
w eifs, schwarz, blau, roth, gelb und grün; blau und
roth jedoch am meisten. Darauf ward der Todte in das
Futteral oder den hostbar gearbeiteten und bemalten
Sarg Ton Sjkomorenholz gelegt, und bisweilen noch über
diesem in einen Granitsarkophag, dessen vier Wände
mit Sculpturen bedeckt waren (s. Zoega de obelisce, p.
544.)· Endlich stellte man die so verwahrte Mumie in
den Nekropolen oder Todtenstädten aufrecht an der
Wand auf. Es war aber, nach Aegyptischcr Ansicht,
jeder, der diese Todesweibe empfing, ein vom Hermes
geführter, das grofse Weltjahr erwartender Gollgewei-
h e te r , und dem Osiris, der selbst den Tod erlitten,
auch noch im Tode dienstpilichtiger Mensch ; und die
grofsen Grabcsstädte besonders, wo die Vornehmen bei­
gesetzt wurden, hiefsen Gräber des Osiris. Denn der
Name Busiris (cf. Herodot. II. 69.) heifst nichts anders,
als G r a b des O s i r i s Dieser Ort ward zu einer
grofsen Todtenstadt, wohin Tausende der Acgyptischen
Menschheit gebracht wurden , und unter der Obhut ihres
Königs Osiris ruheten. Dort war auch ein Todtenreich;
dort war der O r t , der alles Fleisch in sich aufnahm und
gleichsam verschlang. Daher entstand denn die Fabel
der Griechen vom Busiris, als dem finstern Tyrannen
der Tiefe; eine Personification des Alles verschlingen­
den , alles Fleisch fressenden, irdischen Abgrundes.
Aber nicht blos zu Busiris, sondern auch bei Memphis

167) Siehe darüber die im §. i i · pag 356. gegebenen Be­


weise·
4lO
waren solche Neltropoleni dort war viele Meilen w'eitin
das Innere des Landes eine ungeheuere Menge von Grä­
b ern , wovon sich noch viele Sparen neigen ; denn auch
dort war ja , wie die Sage meldete, O siris, und zwar an
der Seite der Isis, begraben; und wenn dort die Könige
von Memphis und andern Aegjptischen Städten sich bei«
setzen liefsen, so genossen sie gleichfalls den doppelten
T ro st, Grabgenossen der grofsen Gottheiten zu seyn^
und auch im Tode unter ihren Unterthanen, wie einst
im Leben, zu ruhen. Es war der Hafen, in dem sie ge­
borgen waren nach der Schiffahrt durchs Leben. Denn
schon die Alten ( s. Plutarch. de leid, et Osirid. p. SSq .
p. 47 ®Wyttenb.) erhlärten den Namen Memphis durch
*Όρρος d e r P o r t d e r F r o m m e n , wiewohl
es Andere deuteten: τάφος Οσί^ι^ος ^ d es O s i r i e
Grabmal Unserer Meinung zufolge laufen beide
£ i lilärungen , wenn wir auf die Sache selbst sehen , in
Eins zusammen. Denn dafs wir unter jenen F r o m m e n
oder G u t e n (άγονοί) eben die T o d t e n oder G e s t o r ­
b e n e n verstehen, dazu ndthigt uns die classtsche Stelle
des Diodorus L 96, wo er angiebt» dafs in Aeg>pten

168 ) Nach Jabionski de (erra Gosen $. 4. p. 40 sqq. heifbt


der Ort M e n u p h i d. i. p l e n a b o n o r u m . Anders
Michaelis in Supplenim. ad Lex. Hebr. p. 1506 sq q ., der
jene Stelle des Flutarchus ιτβλ/ν οί μ ^ '^ Ο ^ μ ο ν
dyetB w v δ^μψίνουσιν, βι5*(«; [nach VVytteiibach: οι
τ α ψ ο ν Ό σ / ρ ί δ ο ς ) zu verbessern sucht, und^O'^/^toy
aycil^ov i. e. p o r t u m b o n u m , d e n g u t e n H a f e n ,
lesen will. Sieh, auch T e Water zu Jabionski Voce. A e-
gyptt. p. 157· Champollion ( PEgypte sous Ics Pharaons
I. p. 363.) ninunt, ohne weitere Rücksicht auf die Stelle
des Plutarchus, M e f i für l o c u s b o n u s , d e r g u t e
O r t . — lieber diesen ganzen Abschnitt vergleiche man
ebenfalls unsere Herodoteischen Abhandlungen Part· I·
|. 11· p. 105 sqq·
4 ll
der Grund der ganzen Griechischen Yorstellang von
der Unterwelt mit allen sich darauf beziehenden Mythen
zu suchen sey. Hier bcTnerht er unter Anderem Fol­
gendes : Jene Auen und jene Wohnungen der seeligen
Gestorbenen scyen ein Ort in der Nähe eines Sees, den
man den Acherusischen nenne, bei Memphis. Dieser
See sey ringsherum von lieblichen Auen und Wiesen,
mit herrlichen Wäldern von Lotus und Schilfrohr, um­
geben. Man hönne aber wohl dicaen Ort für die W oh­
nung der Gestorbenen halten, weil hier die meisten und
grofsten Begräbnisse der Aegyptier seyen, indem die
Todten über den Flufs und den Acherusischen See ge­
fahren, und hier in ihre Grüfte beigesetzt würden.
Denn nur d e r, erzählt ferner Diodorus, welcher im
Todtengericht frei gesprochen und dadurch für einen
G u t e n und F r o m m e n erhlärt war, konnte zu einem
solchen Begräbnifs gelangen. Es war aber die Gegend
um Memphis hochheilig dem Aegyptier, weil hier nicht
bl osApi s, sondern auch Osiris beerdigt seyn sollte (s.
Diodor. 1. c. und Plutarch. de Isid. et Osir. p. 485 W yt-
tenb.) , ja sogar Isis, und zwar diese im Tem pel des
Vulcan bei Memphis W enn sich aber die Aegyptier

l 6y) S. Diodor. I. 22 . ομοίως 3^ ua] rücJnfv μίταναστ2σαν ^ dv-


τυχβΤιτ d ^a vd rw v η μ ο ίν , uta) ταψήναι κ α τά τ ψ Μ^/^ψίν ·
QX5U h^iv.yxjTCu μ ^ % ζί τ ο υ νυ ν ovrij; ό σ ψ ιο ς^ ύ τ ά ζ γ ω ν h τ ψ τβ-
Ήφα/στου; durch welche Stelle, beiläufig gesagt,
μ $ ν 9ί τ ο υ
ZoÜga's Behauptung de obelisce, pag. d73. widerlegt wird.
Vergl. auch Herodot. II . 1 7 0 , wo erzählt wird, Osiris
sey in d e m T e m p e l d e r M i n e r v a z u S a Y s be­
graben worden. Denn die G ö tter, die Menschliches
und endlich sogar den Tod erdulden, glaubte man, wür­
den in den Tempeln der höheren, Oberirdischen , von
allem irdischen Zustande und Schicksalen befreieten Göt­
ter begraben.
Wenn aber hier Diodonts von einem I s i s g r a b e
spricht, 80 ist dies, da man mit Zoega früher die Ex·*
4 i2
selbst bei Osiris beisetzen liefsen, so lag hierbei die
Idee zam Grunde, dafs sie nun gleichsam stufenweise^
unter dem Schutze des Osiris , zu den höchsten Göttern
zurückhehren konnten, nach Yollendung des ihnen be­
stimmten Kreislaufes. Darum wurden auch nach Osiris
Muster die besten Mumien zubereitet und geschmückt
(s. Herodot. II. 86.); Osiris war die Urmumie. Daraus
läfst sich auch die ungeheuere Ausdehnung dieser Gra-
besorler erklären Dort standen auch die Pyramiden,
wo die Könige sich beisetzen liefsen. Man vergleiche
nur Strabo XVII. p. 808. p. 565 Tzsch. und Herodot,
11. 12/;.
Aber auch in Oherägypten hatte man ein Gleiches;
dort lag die Stadt Abydus, wo ebenfalls ein Grab des
Osiris war und ein berühmter Tem pel, wo in der frühe­
ren Zeit die Thebaitischen Könige , und vielleicht selbst
noch späterhin die Grofsen aus allen Nomen — denn
auch sie wollten bei Osiris ruhen — sich beisetzen lies-
sen. Plutarchus ( de Isid. et Osir. pag. 359. a. pag. 47t
Wyttenb. vergl. unsere Commentt. Herodolt. I. p. 97 sq.)
berichtet uns ausdrücklich, wie die reichen und vor-

istenz von Tsis^räbern leugnete, höchst merkwQrdig·


Ohne hier die Gründe zu untersuchen, warum Oberhaupt
in den Religionen der Alten seltener von sterbenden oder
gestorbenen G ö t t i n n e n die Rede ist , bemerke ich
n u r, dafs auch der Argolische Mythus von der Semele,
die in die Unterwelt hinabsteigt, und der Attische vom
Raube der Proserpina durch Pluto, ihrem Ursprünge
nach aus Aegypten stammen. Denn die Aegyptier hatten
auch ihre Venus-Proserpina, nSmlich die A t h o r .

170 ) Aus dieser Gegend sind auch die meisten M um ien, die
sich in den verschiedenen Sammlungen und Kabinetten
von Europa finden, und die noch jezt dahin gebracht
werden. Die Beweise habe ich gegeben in meinen Com ·
mentt. Herodott. I. §. 1 1 . p. 105 sqq.
4i3
nehmoren Aegyptier, etwa die aus den höheren Gasten^
sich hinbringen liefeen nach Abydus, weil sie keinen
sehnlicheren Wunsch hätten, als den, beigesetzt zu
werden in dasselbe Grab, wo Osiris begraben lag, und
mit ihm auch im Tode vereinigt zu seyn. Von der Hei­
ligkeit dieses Ortes haben wir einige sprechende Beweise·
ln dem Tempel des Osiris durfte man dort, wie es bei
andern Göttern Sitte w a r , keinen Flötenspieler und
sonstige Art von Musik beim Opfer vernehmen, zum
Zeichen der tiefen Trauer *7^); und nach Aegyptischen
Beligionsbegrißen gab es keine gröfsere Sunde, als d as
v e r b o r g e n e Geheimnifs von Abydus gemein
z u m a c h e n (s. Porphyr. Epist. ad Aneb. p. 6 ed. Gal.)·
Dort war es , wo die G ötter, eilf an der Z a h l, als sie
auf Kilschiffen safsen und den Nil herabfuhren, die
r^achricht erhielten, Osiris sey erschlagen; wo sie als­
dann Trauerkleider anlegten, die Haare abschnitten,
und den Ort zu einem Trauerhause weiheten auf ewige
Zeiten ( vergl. Hellanici Fragmm. pag. 4 ^·)·
selbst giebt davon Kunde; denn Abydus heifst, wie
Zoega (de obelisce, p. 284.) und Andere aus dem Kop­
tischen ausgemittelt: m a n s i o , h a b i t a t i o p l u r i b u s
c o m m u n i s , d. i. d i e M e h r e r e n g e m e i n s a m e
"Wohnung

171) S. Strabo X V Ii. p. 814. p. 592 Tsseb.


172) Auch über diese Stadt werden unsere Herodoteischen
Abhaiidll. ein Mehreres angeben ^ s. Part. I. p. 100 sqq.
Noch in den christlichen Jahrhunderten war Abydus ein
Orakel- und Wallfahrtsort. Ein mysteriöser Gott, Besas
<Β^αζ), zog viel Volk dorthin; und manche Reste des
Osirischen Todtendienstes mochten sich hier hn Dunkeln
erhalten haben· S. meine Commentt. Herodott. p. 101
und daselbst Euseb· H· Eccl· VI· 4l. und Ammian. Mar^
cellin· X IX . 12 ·
4.4
Noch weiter hinauf, bei l'heben, an dem westlichen
Ufer des Nil 9 gegen die Libysche W üste hin, w’erden
uns gleichfalls solche weit ausgedehnte G räber, und
zwar hunigliche , von älteren Schrift«tellern , wie von
neueren Reisenden, genannt Dort auch, in der L i·
byschen W üste, sieben Tagreisen von Thebä entfernt,
lagen ja , nach Herodots Bericht (III.26.), d ie I n s e l n
d e r S e e l i g e n , woraus wahrscheinlich der ganze G rie­
chische Mythus vom Elysium und den Inseln der Seeligen
seinen Ursprung genommen hat. Den Aegyptischen U r­
sprung dieser Hellenischen Dichtung abnete schon Zoega
(de obelisce, p. 296.). Mir scheint aber dabei nicht allein
auf die Fruchtbarkeit des dortigen Nilthals zu sehen z u
seyn, als viel mehr auf die uralten Nekropolen (W o h n u n -
g e n d e r S e e l i g e n scheint man sie genannt zu haben ;
s.oben). Denn hier waren, in der Ausdehnung von meh­
reren Meilen, unter der Erde solche Gfabeswohnungen,
bestimmt in der urältesten Zeit Aegyptens für die ge­
storbenen Könige, Priester und Vornehmen, ln jener
Vorzeit w'ar nämlich Thebä (schon in Homerus Gedich­
ten gefeiert) die Hauptstadt Aegyptens und die Residenz
der Könige, die hier beim Antritt der Regierung ihre
W eihe empfingen, und hier auch beigeselzt wurden ;
wie die Könige der alten Perser, die zu Pasargada ihre
W eihe erhielten, wenn sie die Regierung antraten, und
auch dort nach ihrem Tode beigesetzt wurden; und wie
noch die Ptolemäer, obwohl zu Alexandria bestattet,
doch zu Memphis ihre Antrittsweihe nahmen.

173) Die Stellen habe ich in den Commentt. Herodott. I. $. 9·


p. 88 sqq. angeführt, wo überhaupt dieser ganze Funkt
genauer erörtert worden ist.
4i5
Diese aufserorclentliche S orgfalt, auf die todten
Körper rerwendet, alle die Nekropolen and andern
grofsartigen Anstalten, die sich auf die Fortdauer des
menschlichen Lebens nach dem Tode beziehen, hingen mit
einer Denkart zusammen, die urir als den Grundcharakter
des Aegyptischen Volkes bezeichnen müssen. Die Aegyp-
tier, uie uns Diodorus (1. 5 i.) erzählt, halten die Zeit
dieses Lebens für sehr gering, aber das Andenken an
Tugenden nach dem Tode sehr hoch; und die Wohnun·
gen der Lebenden nennen sie Herbergen (καταλύσεις)^
iveil wir nnr-auf kurze Zeit, wie zur Einkehr auf einer
Heise, in ihnen wohnen ; hingegen die Gräber der Todlen
ewige Wohnungen, weil wir eine unendliche Zeit im
Hades verbleiben. Daher w’cnden sie auch wenig Sorg·
fall und Milbe auf die Erbauung der Häuser, aber in An·
sehung der Grabesstätten lassen sie sich die gröfseste
Miihe und den grdfsesten Aufwand nicht verdriefsen·
Und in der l'h at, es lebte der Aegyptier höchst einfach
in kleinen, leichten Hütten yon Schilfrohr; aber ins
Ungeheuere gingen alle die Anstalten für das Religio·
s e ^7^) , wie die Tem pel, die Todtenstädte, die Pyrami­
den , und überhaupt die Ueberreste, die wir noch jezt
in den Gebirgen bei Theben, Lycopolis, Memphis und
an andern Orten finden. Dort war der grofse Amenthes
oder Hades, das Todten reich, das Reich, wo der Mensch
auflängere Zeit hauset, unter dem Scepter des Osiris-
Bacchus und der Isis «Ceres ^7^), im Elysium, wo aller
Jammer gestillt ist und alle Noth ihr Ende erreicht hat·

174) Diese ernste Richtung des Geistes dieses Volkes spricht


sich auch recht deutlich in jentr Sitte aus, bei den
Ga s t ma h l e n h ö l z e r n e M u m i e n auf zu st el l en.
S. Herodot. II. 7S. vergl. mit Plutarch. Sympos. p.t 48. B»
175) S. Diodor. I. if6» pag. 107 Wassel, coli. Herodot. IL
48. 59.
4.i6
Aber bevor der Mensch in dieses Reich eingeht, hat er
ein Gericht zu bestehen , ihm Osiris, als Todten-
lichter und Herr der Todten> nach den verschiedenen
Graden seiner Frömmigheit während des irdischen Le­
bens, sein Loos zutheilt Und dies finden wir auf
unzähligen Reliefs noch jezt dargestcDt, worauf wir un­
ten zuiilchliommen werden. Dies gab auch Veranlassung
zu der Fiction der Todtenrichter bei den Hellenen, eines
Aeacus, Rhadamanthus, Minos. Der A m e n t h e s aber
ist der Hades der Griechen, worauf schon das W o rt
selbst hinzudeuten scheint. Denn wiewohl Plutarchus
(de Isid. et Osirid. png. 362 . pag. 485 sq. Wyttenb.) das
W ort erhlärt durch ό λ α μ § ά ν ω ν Hai d. i·
d e r d ie G e s t o r b e n e n a u f n i m m t und w i e d e r
ans L i c h t s e n d e t und auch La Croze durch
Hülfe des Koptischen diese Erklärung als die richtige
gelten lassen will, so hat Jabionski (Voce. Aegypit. p.
24.) in dem W orte E m e n t die wahre W urzel gesucht,
welches bedeute o c c i d e n s , ^ό<^ος,
i n f e r u m s e d e s , d. i. das D u n k e l , d e r S i t z d e r
U n t e r w e l t . Und ihm sind denn auch Zoega (de obelL

176 ) Aber schon vorher, gleich nach seinem T o d e , hatte


er noch über der Erde ein Gericht zu bestehen; denn
wie er gestorben, versammelten sich die Genossen, die
Kliiglieder seiner Caste, setzten sich zu dem Leichnam,
und erklärten ihn, nach seinen Handlungen während des
vergangenen Lebens, der feierlichen Bestattung und Bal-
sarairung entweder würdig oder unwürdig. Siehe Heyne
Opuscc. acadenim. I. pag. 135 sqq. — Ueber die myste­
riöse Darstellung und Bedeutung des Todtengerichts s.
Falin Fragmm. sur fdtude des Hieroglyplies III. pag. 202
— 204 sq. Vergl. meine Comraentt. Herodott. 1. cap. 3·

177) Eben so sagt Aristides Vol. I. p. 97. p. 54 Jebb. vom


Serapis: adro; käi ,αγιυν ti; καί
4ταλ<ν τ α ν τ α χ ί ; τ β ν τ « $ και i r e ^ i f ^ a v .
4'7
p. 278. 295.) und de Bossi (Etjmol· ling. Acgypt. p. 7.)
keigetreten, welcher letztere auch an A m i t t h a oder
A m e t t h a , F i n s t e r n i f s ( c a l i g o ) denkt. Der Name
B h a d amant huf i aber bezeichnet nach Zoega nichts
w eiter, als p r i n c e p s i n f e r u m , d. i. d e r i ' ü r s t
d e r U n t e r w e l t , von R a t , p r i n c i p i u m , und
A m e n t h , und ist ein Beiname des Osiris, als König des
Todtenreichs Sogar den Namen Elysium sucht er
aus dem Aegyptischen zu deuten von jelel i. e. n i t o r ,
a p l e n d o r , d e r O r t d e r F r e u d e und de s J u ­
b e l s , wo die Seelen, von den Banden des Körpers be­
freiet und erlöset, nun gleichsam unter der Leitung des
Gottes allein höheren, geistigen Beschäftigungen oblie­
gen. Dafs aber mit dem Todtenreiche der Aegyptier
die Gedanken von F r e u d e und F r d h l i c h k e i t ver*
band, beweiset unter vielem Andern auch die Stelle des
Piutarchus de Isid. et Osirid. p. 36 s. p« 485 W yttcnb·,
wo er den Namen Serapis durch ce<ppoar>ij und χαρρο-
σνν$ί erklärt *79) 5 beweiset ferner der Name Charon
(Χ<χρβ>ν), eine Nachbildung der Griechen eben jenes Osi*
ris, welcher der Lenker und Regierer der heilsamen
W oogen, wie der gestorbenen Seelen ist.
Es waren aber die Aegyptier, sagt Herodotus in der
classischon Stelle II. 128, die ersten, welche lehrten,
dafs die unsterbliche Seele des Menschen , >venn der
Körper verweset sey, in einen Tbierkorper fahre, und
nachdem sie so alle Thiere durchwandert, kehre sie in
einen Menschonkdrper zurück; und diese Wanderung
werde innerhalb dreitausend Jahren vollendet*^’). Ohne

178) Andere Etymologien der Griechen habe ich in meinen


Meletemm. i. p. 89. angeführt.
179) Andere Erklärungen des in der That ganz unuJeannten
Namens Serapis s. oben 7. p. 312.
ISO) Es lauten die Worte a. a. O. folgendermafsen:
L 27
4i8
Otis bei den verschiedenen Erhiäruogen und Deutungen,
iivelche diese Stelle erfahren hat, aafzuhalien, bemcr·
hen mir nur, was schon Zoega (de obelisce, pag. 390.)
richtig gesehen, wiewohl neuerlich Heeren (in den Ideen
Π. p. 644· dritte Ausg.) es besti'iiten hat^ dafs nämlich
die Aegjrptische Lehre die gewesen is t: cs dauere die
Seele nach dem Tode fort, und zwar in dem K örper, in
den sie auf Erden eingeschlossen; mit der Vernichtung
und dem Untergange desselben aber verlasse sie ihn,
und gehe in einen andern Körper, und zwar in einen
Thierliorper , ein. Gehen wir nämlich in die ältesten
Zeiten Aegyptens zurück, so finden wir hier eine dop­
pelte Menschheit, einen Priesterstamm und Nomaden,
Hirtenvölker« L etztere, roh und uncultivirt, einem

K«i τόνδί τον λ<ίγον A^'iprtoi th i #1 «ιτόντος, ώς dv^^okrov


άΒά^ατ6ς kvrt · ro-J σοί/χατο; hh κ^ταψ5/νοντος, άλλο
otii Y>vo/xtvov· βςδυ*ταί · eVidv δι τάντα τα
V04 τα Bakdevta καί τα fckrstväy αυτις ·; αν^ςβίτου &6/fxa. yr/o*
fU'JO¥ f^3u'veiv· τήν ΐΓ«ζ.ιι;λυσ(ν 6k aufsj γΛ/βτ^ύα 6V m ;ytktctst
»Tict· Dann setzt er noch hinzu , ohne Zweifel mit An«
spielunj; auf Pythagoras und Orpheus: τοχίτψ rw λSyψ w t
01 'EAAiJvom *χι^η7αγτο^ oi /xev, , ol 5f, ijorofov, οίς
iwuTwv icuTt · r£y sysu it6tu^ rd ουνο*/χατα, o'J y^if>w. Ich
habe diese Stelle, so wie die ganze Lehre der Aegypticr
von derSeclenwanderung, im P. I. §.24. meiner Herodo-
teischen Abhandlungen ausftShrlich behandelt, und he-
metke daraus hier nur, dafs ich in Erklärung der Hero*
doteischen Stelle mit VVylteabach vollkommen einvei^
standen bin , der in der Schrift: quae fuerit veterum phi­
losophorum sententia de vita et statu animorum post
mortem , Amstel. l783. pag. XVII. folgenden Sinn in die
Worte des Herodotus legt: ^Aegyptios primos dixisse.
Animam, quum sii im m ortalisin alia deinceps cor*
pota immigrare, atque itertun in hu/nanum corpus
redire, et hunc circuitum iώsoivi trium millium a m o«
rum spatio^ “
4«9
g ro b · sinnlicKen Fetitchismus hingegeben, konnten sicK
die menschliche Seele nicht anders als mit dem Körper
verbunden und ihm gewissermafsen unterthan denhen;
und wenn sie auch nicht an einen Untergang der Seele
sugleich mit dem Tode glaubten, so war doch gewifli
der Gedanke und Glaube an die Fortdauer der S eele, als
vom Körper getrennt t höchst unbedeutend und unlau­
ter. Hingegen jener Priesterstamm, woher er auch nach
Aegypten {^ehommen seyn mag, ohne Zweifel im Besitz
höherer geistiger Erkenntnisse, bannte gewifs die Lehre
von der Fortdauer unseres Lebens und der Unsterblich-
heit unserer Seele, und zw'ar unter dem Begriffe der
F a l i n g e n e s i e . Kannten doch ähnliche Priesterstamme
Indiens und Persiens dieselbe L e h re ; des Pythagoras
nicht zu gedenken , der ja eben aus Aegypten, von den
dortigen Pi icstern, die Lehre der Palingencsie empfan­
gen und nach Griechenland gebracht haben so ll, was
auch Herodotus a. a. O. andcutet. Auch bei ihren astro­
nomischen Kenntnissen vom Laufe der Sonne, des Mon­
des, der Gestirne und des ganzen Thierkreises 9 ist ihnen
wohl die Bekanntschaft mit dieser Lehre, der Palinge*
nesie, nicht sbzusprechen. Da sie jedoch die Bedürf­
nisse und Verhältnisse des Volkes kannten , das sie be­
sonders an Ackerbau und stete, feste Wrhnsitze zu ge­
wöhnen , sich bemuheten, so mufste es ihrem Plane
sehr förderlich seyn, wenn sie jenen Glauben an das
Verweilen der Seele im Körper dogmatisch und rituell
befestigten. Denn das Land will der gläubige Nachkomme
nicht verlassen , wo die Todtenstädte sind, in denen die
S e e l e n d e r V ä t e r wohnen. Gewifs war auch noch
bei den Körnern, in der berühmten Rede des Camillos
beim Livius, die Vorstellung vorzüglich wirksam; wenn
sie nach Veji zögen, so mufsien sie die Grabstätten der
Täter verlassen. Jene gebildetere Unsterblichkeitslehre
hingegen bewahrten die Aegyptischen Hierarchen als ein
^20

Castengut, als ein esoterisches Wissen , unter sich. Von


ihnen iiberkamen sie Pherecydes und Pythagoras, und
brachten sie den Griechen su. Dem Volke gaben
Aegyptens Priester die Lehre v o n d e r W a n d e ­
r u n g d e r S e e l e n d u r c h d i e K ö r p e r oder die
Lehre der Me t e n s o ma t o s e ^^ ) . Der gestorbene und
auF die gehörige Weise einbalsamirtc und beigesetete
Mensch, so lehrten sie, lebt im Amenthes, im Reiche
der Isis und des Osiris« So lange nun der einbalsamirte
Körper zusammenbäit und fortdauert, lebt die Seele in
ihm fort. Mit dem Auflösen desselben und dem Zerfal­
len der festen Theile in Asche verläfst auch die Seele
den Körper, schliefst sich in einen Thierleib ein, und
nachdem sie alle Thierleiber angenommen, kehrt sie in
einen Mensekenkörper zurück; dies Alles in einem Zeit­
räume von dreitausend Jahren. Nur vrenn der Körper
einbalsamirt und gedeihet ist, kann, nach Aegyptischer
Ansicht, der Seele das zu lange Wandern durch die
Reihe der Thierkörper, jedoch niemals, vie es , so weit
wir diese Lehre kennen, scheinen will, alles Wandern
ganz und gar, erspart werden. Denn die Alten reden
ganz allgemein von einem u n e r l a f s l i e h e n K r e i s e
(χνχλος άνάγχϊΐς 1^) , den sie durchlaufen mufs, bevor
sie die Rückkehr erlangen kann. Im Amenthes ist ein
Ort derBufse und Besserung erÖflhet. Stirbt der Mensch,
so gelangt er in die unterirdischen Beiche des milden

is t) Denn /«rsveuj/xaraa#;, und nicht ^ ist hier


der richtige Ausdruck, wie dies Wyticnbach su Plato’s
Piiaedon p. 2i0, gezeigt hat. Vergl. auch La Cerda sa
'I’ertulliaii. de aiiima cap. 33. p. ISS ed. Rigalt. Paris.
1S2) o r b i s n e c e s s i t a t i s 8. v i c i s s i t u d o f a t a l i s ; $·
Plato RepubL X. p. 620 sq. cap. t4. p. 5l0 sq. Ast. und
andere Stellen, dic ich im P. 1. $. 24. der Herodoteiseben
Abliamill. angeführt habe.
4a1
und gelinden Osiris, und durch seine Lehre und Leitung
'wird er geläutert und gereinigt. Denn alle Seelen, die
eine irdische Hülle, einen sterblichen Körper angenom­
men , sind eben dadurch mehr oder weniger von dem
Schlamme der Materie besudelt. Keine ist flechenlos·
Darum bedürfen sie Heinigungs- und Läuterungsmittel,
und haben jenen unerläfslichcn Kreislauf, jenen χυχλος
άνάγηης^ zu vollenden. Mit dem Körper also lebt die
Seele im Amentbcs fort, und bann hier ein ruhiges Leben
fuhren und sich erholen, frei von allen Sorgen des irdi­
schen Lebens, wenn sie nur dem milden Scepter des
Osiris sich unterwerfen, und seine weisen Lehren und
wohlwollenden Züchtigungen annehmen will. Sie lebt|
wie Pindarus (Olymp. II. 109.) singt i
Gleich aber allstets in Nächten
lind gleich in Tagen Sonne dort habend, ist bedräng-
nifslos
Der Guten Leben. Weder die Erde zer-
reifst mächtig je ihre Hand , noch die Strömungen des
Meers ,
Ob hungerndem BedUrfnifs; nein,
Bei den ziihöchst thronemicn der Gottheiten, wer geübt
Meineidloses Thun, der lebt thränenlose
Tag* ewig
Und ihnen stand auch wohl die Rüchhehr in die Körper
neugeborener Menschen früher offen; bei ihnen waren,
wie derselbe Pindarus, wohl kundig der Aegyptischen
Weisheit, singt, nur neun Jahre nülhig, um den Schmutz
der Materie abzuwaschen·
Doch von Fersefona
Des alten Kummers Sühne genommen hat.
Heim zu der obern Sonne sendet wieder im neunten
Jahr
Solche Seelen ihr Gebet

1S3) Nach Bothe S. 37 (


433

Und edfle Κΰηιις* erstelm dann


Und an Starke rasch » und erhahcnatcr Weisheit
Solche MSnner. Endlich ^γΟΓΗ
Vergötterte Heroen sie das Geschlecht der Menschen
Sic müssen nicht den Kreislauf durch alle Leiber vollen­
den^ sondern können früher in die himmlischen Sphären
Buruckkehren ^ M^eil sic rein und unschuldig gehlieben
sind. Die dagegen ^ so in diesem Leben mehr oder we*
xiiger der Herrschaft der Sinne sich untergeben und dem
Bauche gefröhnt haben, die auch nach ihrer Aufnahme
in den Amenthes* befreitt von der GcMralt des Körpers,
immer nieder Biiruckfallen in das alte Leben ^ diese müs­
sen den fatalistischen Kreislauf durch die verschiedenen
Thierteibci* antreten. Man lese nur die ^richtige Stelle
des Hermes, die uns Stobäus im 44 « Fragment (in den
£clogg« physs. et etliicc. lib. I. cap.Aa· p. looo Heeren.)
aufbchaltcn hat. Dort beifst cs unter andern: « V ie l·
fach ist der Wandel (a t psTot/foXor/) der Seelen; denn
die der kriechenden Wesen gehen über in Wasserthiere,
diese in Landthierc, die der Landthicre hinwiederum in
Geflügel, diese in Menschen; die menschlichen Seelen
aber haben den Anfang der Unsterblichkeit, indem sie
in Dämonen übergeben und dann in den Chor der G öt­
ter. Dieser aber giebt es zwei^ der der wandelnden
und der der nicht wandelnden (esir ιιλαρωμένΦΡ nai x«5v
άηλανων)» Und hier ist die Seele in ihrer Vollhommen-
heit« in ihrem höchsten Glanze 4
9 όξα)^ Dic Seele aber, die in einen Menschen eingegan-
geii ist und böse bleibt, wird nie zur Unsterblichkeit
gelangen, sondern sie muf& wieder zurück in die k rie·

1S4) So nach Bothe S. 3S t Die Pindarische Stelle selbst ist


ein Fragment aus den Thr%inen nr. 4* pag. 37 Heyn, und
wird auch von Plato im Meiio p. 81, (p. 548 ßekk.) an­
geführt·
4a3
eilenden W esen, und von neuem den Lauf beginnen.
Und dies ist die Strafe der bösen Seele.» So weit Her­
mes. £s sebeinen aber, nach mehreren Stellen der Al­
ten, diese Wanderungen durch Thierhorper sich bis auf
tausend Jahre erstreckt nu haben ^ ; und weil nur sehr
Wenige von denen, die in den Amenthes hinabgestiegen,
mit Beharrlichkeit dem Osiris gehorchen , und seine
weisen VorechriBcn befolgen, sondern den Meisten
noch immer einige Macbel aus dem früheren Leben an«
kleben, so müssen sic durch Thierleiber wandern, und
zwar dreimal in einem Zeiträume von dreitausend
Jahren. Dies ist die grofse P eriode, von der wir oben
gesprochen, wo Alles wieder an seine alte Stelle zurück«
kehrt; da haben auch die Seelen ihre Läuterungen voll·
endet, und sind in die himmlischen Sphären, von wan­
nen sie gekommen, zurUckgekchrt. Es geschieht aber
diese Rückkehr durch den Thierhrcis, d. i. durch die
Hcerden des Himmels; denn dies sind eben die Sonnen-,
M onds-, Planeten- und anderer Sterne G ötter, durch
deren Regionen die Seelen, die eine in diese, die andere
in jene Behausungen, nach ihren Verdiensten, eingehen,
und war die edelsten in die Behausung der S o n n e und
des S i r i u s . Darum betet auch der Priester im Namen des
gestorbenen Aegyptiers zur S o n n e , dafs sie ihn, nach

i85) S. Plato Reptibl. X. II. p. 6l5. p. B0\ Ast. und was ich
sonst noch in den Herodoteischen Abhandlungen I. {· ä4.
beigebracht habe.
1β6) Man vergleiche, was wir schon oben hierüber, so wie
Ober den Hermes gesagt haben, der dreimal,
aber ohne F eh l, gewandelt haben sollte. — W ir stellen
übrigens, um an den Traditionen nichts au andern, diese
milderen Aeufheruiigen neben jenen andern, wonach a l l e
wandern m üssen, auf; und es mochten wohl in den Lehr­
sätzen selbst m ehrere Verschiedenheiten statt finden.
4 »4

vollendeter Heinigung, zu eich aufnehme; denn sie ge­


hört zu den h ö h e r e n G ö t t e r n (&€ol άηΚανοί)^ zu
denen wir eist nach vollbrachiem Laufe durch den Chor
der i r r e n d e n G ö t t e r , d. i. der P l a n e t e n , gelan.
gen. Dann hat die Seele das Höchste erreicht (ψΓ;(^ς if
%tKεL·oτάτr^ ).
Das ßild von jenen himmlischen Thieren sind die
heiligen Thiere auf Erden , die darum auch in den hei­
ligen Städten Aegyptens ihre Wohnungen und Begräb­
nisse haben. Daher auch die Sitte stammt, sich bei
den geheiligten Thieren beisetzen zu lassen, und zwar
zuweilen in einem Sai*ge, der irgend eines der heiligen
Thiere darstelite; und darum ist auch ein Hauptgrund
der göttlichen Verehrung der Thiere in der Bestattung
des Osirislcichnams selber zu suchen, so wie auch die
Allgemeinheit der Verehrung des Stieres, der Kuh und
des Hundes durch alle Nomen Aegyptens; und darum
endlich sehen wir auch auf so vielen Mumiendechen den
H e r m e s mi t de m H u n d s k o p f e stehen, wie er den
cinbalsarairten Leichnam einsegnet


Und diese Lehre von einer Scclenwandcrung war
in iiheraus vielen Mythen und Allegorien der Aegvptier^
und besonders der Griechen, niedergelegt. W ir erin-

lti7) Die Belege hierzu sind oben gegeben, Note 137. p. 376·
Hierauf bezieht sich auch wohl jenes s a g d i d der Per^-
s e r , d. i. c a n i s a d s p i e t t . Man fUhrte ans Lager der
Sterbenden einen Hund , mit symbolischer Beziehung auf
den Hundsstern, jenen glanzenden Fixstern , dessen Auf­
gang dereinst die Veijüngung der Natur und die Einkehr
in die hiinmlischen Wohnungen verkündigen werde. A uf
dem Grabmale des Darius Hystaspes sehen wir eine
Menge H u n d e ausgehauen. S. H o e c k veteris Mediaa
€t Persiae Monumenta ρ· Ι$· und daselbst tab. i .
425
ncrn hier nur an den Homerischen Mythus von der
C i r c c t an den gleichfalls Homerischen v o n P r o t e u s ^
worin wenigstens die Alten selbst ein Bild der v i e l ­
f a c h e und m a n n i g f a l t i g e G e s t a l t e n und F*or-
me n a n n e h m e n d e n und w e c h s e l n d e n U r ma -
t e r i e , ein Bild der F o r t d a u e r d e r S u b s t a n e
b e i a l l e m W e c h s e l d e r F o r m » erhaiinteii (ή ττραι.
^άγονος νλι; ; s, Odjss. IV. 4 »7* und daselbst Eustachius
p. 177 BasiU)· Auch Pythagoras selbst lehrte in Bildern
und Allegorien diese Seelen Wanderung; und so nahmen
die meisten andern Griechischen Philosophen, die die*
sen Satz adoptirten^ nur eine allegorische Metempsy-
chose an
Aber nicht minder häufig finden sich diese Lehren von
einem Todtcngerichte, von Fortdauer und Zustande der
Seele nach dem T od e, Seelcnwanderiing und dergl., an
den Wanden der Palläste, Tempel, Grotten und Gräber
nu Theben, Memphis und andern Orten in bildlichen
Darstellungen versinnlicht, wovon wir einige der in­
teressantesten , 80 wie sie das grofse Französische W erk
liefert, hier ausheben wollen
Was zunächst das A e g y p t i s c h e T o d t e n g e ­
richt betrifft, so finden sich in dem I s i s t e m p e l

188) S. Wytlenbach zu Plato’s Phaedon p. 210 sqq.


189 ) Vom Labyrinth, als diesemgrofäeii Geiaterhause, haben
wir oben geredet·
190 ) Herodot. Π. 123. Diodor. Sic. I· vergl. Zoäga de
obelhcc. p. 295 sqq. p. 308 . Heeren Ideen II. f. p. 635 (F·
Aehnliche Vorstellungen auf Muinienkasten giebt Zoäga
a. a. O. an. Von P a p y r u s r o l l e n , in M u m i e n ge­
funden , hat Denon dergleichen eine abbilden lassen pl.
l4l· Auch änden sich dergleichen auf P a p y r u s aus
den Gräbern von T h e b e n in den Kupfern zur D e-
script. de TEg. Antiqq. Vol. II. pl. 60 . 64. 66. 67 und
72. ln Betreff der F a p y r u s r o l l e n « worauf dasselbe
426
*u T h e b e n « auf der Westseite des ΝΠ folgende
Darstellungen in Wandmalereien (s· Descript. de TEg.
VoL II. Antiqq. p. i 65 sq. und dazu pl. 35 .) . Der erste
Theil der Scene besieht aus drei Personen, g a n z so und
in allen Stücben 9 ^vie im Todtengeriebt auf den Papyrus-
rollen. Die Person in der Mitte scheint inständig um
den Zutritt zu einem G ott« auf der rechten Seite des
Gemäldes, zu bitten. Der Bittende richtet sich an eine
Frau, mit den Attributen der Gottheit; ohne Zweifel
Isis selbst. Eine Priesterin hinter dem Bittenden
scheint ihre Bitten mit den seinigen zu vereinigen. Hin­
ter der Isis ist eine W aage, welche zwei Personen ins
Gleichgewicht setzen. Die eine hat eine Sperber - (Fal­
ben-) masho vo r , die andere die Chacal- (Schakal·)
masbe. Die letztere trägt in den Händen ein gehenbeites
Breuz (beide sind ohne Zweifel die Gottheit, in verschie­
denen Beziehungen betrachtet)· Ein C y n o c e p h a l u s
sitzt bauernd mitten auf dem Waagebalben. Am W aagc-
balhen ist ein Gewicht durch einer Bnoten angebunden,
gerade so wie ein Gewicht auch auf der einen W aag-
schaalc liegt. Es dient ohne Zweifel dazu, das Gleich«
gewicht wieder herzustellen; womit sich der Sperber-
bopfige besonders zu beschäftigen scheint. A uf dev
Waagschaale, die der Schabalbopfige in Bewegung setzt.

Todfenjjrricht, mit verschiedenen Modtlicstlonen In N e -


benumslSiiden, vorkommt, nuifs mnn noch Jomard sur
ies Hypogees de Th^bes vergleichen , in der Descript.
de )*Eg, Antiqq. Vol. II. pag. 363 sq. Vcrgl. auch je»t
über die mysteriöse Darstellung und Bedeutung des T o d -
tengerichts P a l in Fragmm. sur Tdtude des Hieroglyphes
111. p. 202 — 204 sq.
191 ) Und zwar in einem S a n c t u a r i u m (Sacristei); wovon
die Herausgeber aus vielen Gründen vermuthen, dafs es
sum B e g r S b n i f s für vornehme Personen ( Könige^
Priester) gedient haben m öge; s. ibid. p. 169« 170.
4a?
lieg t das Blatt von einer P f l a n ze. (Dieses ganze Per­
sonale findet eich auch auf jenen Papyrusrollen, nur
dafs hier und da der Sperherkopfige und Schakalkopfige
s i c h a n s e h e n , statt sich zu folgen; ferner dafs der
S p e r b e r k d p f i g e das G l e i c h g e w i c h t hi*rstellt^
statt dafs es hier der Schakalkupfige thut, — Auch feh­
len »uH'cilen die zwei S p h i i i x - a v t i g e n Wesen neben
dem C y n o c e p h a l u s , die man hier im Tempelbilde
sieht.) — Hinter der Waage folgt der I b i s k d p f i g e
(Thoth — Hermes). Er scheint beschäftigt zu seyn, um
das Resultat des Wägens niederzuschreiben. V or ihm
sitzt H a r p o o r a C e s auf einer A rt von Tragbahre (Trag­
korb). Er hat in jeder Hand einen Dreschflegel, und
in der linken noch aufserdem einen Rrummstab. Vor
dem Gott int ein Ünlhier mit einem Lowenleibe und
Eherkopfe, an feinem Altar. (Dasselbe Unthier erscheint
auf den Papyrusrollen; nur ist es dem w i l d e n iVlut-
t c r s c h we i ne ähnlicher.) Λ^ογ dem Thierc steht eine
L o t u s b l u m e , auf welcher vier kleine mumienariige
Bilder stehen; das erste mit einem Menschenkopfe9 das
zweite mit dem eines Cynocephalus, das dritte mit dem
Schakalskopfe und das vierte mit dem Sperber - (Falken-)
hopfe. (Diese vier Figuren finden sich b e s t ä n d i g in
d e n G r ä b e r n — bald, wie hier, als H e r m e n , mii-
mieuartig auf einem Schafte — bald als Deckel auf C a ­
sio ben. Jene Figuren auf dem Lotus sicht man gerade
so auf mehreren Papyrusrollen, auf andern sieht man
nur einige Lotnshlumen.) Nach den vier Figuren sieht
man ein Thier, wie ein Pferd, dessen Kopf in ein Ge-
fafs fallt; sein Leib ist mit Pfeilen durchbohrt. — Am
Ende des Bildes sitzt O s i r i s auf einem Thronet und
hält in seiner Hand die Attribute der Gottheit9 den
Krummstab und den Dreschflegel *)·

S. unsere Tafel XV. nr. 8.


428

E r k l ä r u n g d e r H e r a u s g e b e r (p. i66.) t « D er
Todte wird hier von der Isis zum Oberrichter derTodten
(Osiris; Herodot. II. its3 .) gerührt· Die Waagschaale
zeigt das Ahwägen der guten und der bösen Handlun­
gen, w'ovon Thoth das Resultat, in Gegenwart des Osi­
ris , auischreibt. Das von Pfeilen durchbohrte Thier ist
vielleicht die Seele des l ’odten, der vor dem furchtbaren
Todtenrichter sieht — (Ebendaselbst p. 167·) «Das
ü n t h i e r vor dem Osiris sey das Urbild des Griechi­
schen C e r b e r u s (sowi e Osiris selbst Minos, der Tod-
tenriebter, sey; Odyss. XL 567.). Der I b i s h ö p f i g e
Thoth hier sey das Urbild von dem Todtenfuhrer Hermes
(Odyss. XXfV. 1.) — und wenn man die Sculpluren in
den Grotten von Elethyia (liithyopolis) vergleiche (sieh.
Antiqq. Vol. I. .pl. 70. zur Descript. de TEg.), so
sehe man, neben den übrigen Details der Todtengebräu­
che, auch den Fährmann C h a r o n , den T o d t e n h a h n
und die F l ü s s e d e r U n t e r w e l t in ihrem Ursprünge;
und es sey also vollkommen wahr, was Diodorus (L cap.
96. p. 107 Wessel.) sage» dafs die Griechen ihre ganze
Fabel von der Unterwelt den Aegyptiern ab gezeichnet
haben. Auch die ganze Fabel vom Todtengericht im
H a d e s , von der U e b e r f a h r t über den unterirdischen
Styx (welche Dichtungen nach Diodor· L 92· cL 96.

iS/8) Eine ganz ä h n l i c h e Vorstellung auf einer Paρ3πται-


rollt! bei Denen pl. l4l. erklärt dieser faUch von einer
I n i t i o t i o i i . Dieselbe Vorstellung erklärt R h o d e im
Versuch über das Alter des Thierkreises pag. 34 sqq. auf
eine weniger wahrscheinliche Weise·
193) Eine Vorstellung der Aegyptischen Todlengebräuche,
von dieser selbigen Kupfertafel entlehnt, liefert die Tafel
bei unsern Commentt. Herodott. nr. 1, wozu die Erläute­
rungen daselbst gehören Part· I· Cap. 1.
194) In Betreff der ersten Stelle des Diodorus (I. cap. 92.)
findet noch eine Bemerkung statt. D er Geschichtsohrei-
4^9
von den Aegyptischen Localitaten und Gebrauchen ent­
lehnt waren), Itbnne man ihrer ganzen Entstehung nach
in den Hypogeen von Elcithya und mehreren von Thebä
sehen. Die Dichtung von der Ueberfahrt über den Flufs
habe darin ihren ganz natürlichen Grund, weil a l l e
Hygogeen von Theba (und dort hatte sich diese ganze
Sache schon ausgebildet) in der Libyschen (westlichen)
Gebirgshette sich beftinden ( wie man noch sieht), und
der gröfste Theil der Stadt auf der östlichen — Arabi-
bischen — Seite; so dafs also die Ueberfahrt jedesmal
i v i r h l i c h geschah.»
Noch macht J o m a r d (Descript. de l*Eg. II. pag·
3 6 a seqq.), in Betreff der P a p y r u s r o l l e n mit dem
T o d t c n g c r i c h t e , auf Folgendes auFmerhsam : i) dafs
diese Bollen zwei Schriilarlen haben: a) h i e r o g l y ·
p h i s c h e in k l e i n e r A n z a h l (und vermut blich das
eigentliche U r t h e i l des Todten enthaltend); b) eine
A rt a l p h a b e t i s c h e r Schrift — oft sehr lang. 2) Dafs
diese h i e r o g l y p h i s c h e Schriff nur i n n e r h a l b
eines abgestechten heiligeren Bezirks (einer Art von
Kapelle) angetroffen wird — worin man die a n d e r e
Schrift niemals findet. 3) Dafs sich zwischen den Hie-
roglyphen und dem G e s i m s , dan den Raum umgiebt,
immer zwei Beihen von sitzenden, einander fast ganz
gleichen Figuren finden, die ein Blatt anf dem Kopfe
haben. In zwei Papyrusrollen sey die Zahl dieser F i·
guren gleich , nämlich drei und zwanzig in der oberen

her spricht von der Versammlung^ der Todienrichter:


iVfira T o ^ a y i v o f x t y w v 6ty.a<TT&v irAe/co τών τ ^ τ τ α ; .ά 'Λ ο ν τ α κ, τ. λ·
— 80 hat der Wesseliiigische Text. Dort Kndet sich aber
aus zwei Codd. die Variante bemerkt: xXitw, und
diese Zahl von zwei und vierzig Richtern findet sich jezt
durch die Papyrusrolleii aus den Ilypogeen von Theben
bestätigt. Man sehe z. B. Descript. de l*Eg. 11. pl. 62^
wo zwei und vierzig Todienrichter abgebildet sind.
45ο
Reihe , und neunzehn in der unteren, susammen sw ei
und viersig· Eine Bolle mit Hieroglyphen hat drei und
vierzig. 4) Rafs man unter diesen Bildern gewöhn­
lich allerlei Scenen in roher Darstellung findet, z. B.
H ä h n e , a u f w e l c h e n man T o d t e f ä h r t , O p f e r
und dergL Diese Scenen 9 sagt Jomard , verdienen
alle Aufinerhsamkeit — und jene w e n i g e n , sich oft
80 ähnlichen Hieroglyphen führen vielleicht am ersten
zur Entzifferung dieser Art von Schrift. 5 ) Auf der
grofsen Papyrusrolle mit dem g r o f s e n T o d t e n g e ­
r i c h t e sieht man d ie S e e l e de s V e r s t o r b e n e n
auf einem Kahne stehend , dem O siris, der Isis und dem
Harpocrates huldigen und verschiedene Prüfungen durch­
gehen — sie betet darauf oder opfert (eine Blume) v e r­
schiedenen symbolischen Gülterfiguren mit den Hopfen
von Sperbern, Löwen, Schakal, Ibis oder des Cynoce­
phalus — dann öffnet sie eine monolithische Kapelle et·
nem Sperber mit einem Menschenkopfe.
Unter den M a l e r e i e n auf den Papyrusrollen findet
sich ein Bild in den Katakomben von Theben (p 1. 8 3 .
fig. 1. A. Λ^οΐ. 11. Jomard, sur les hypogees de Thebes,
Descript. de l"Eg. Antiqq. II. pag. 379.) von folgendem
Inhalt : Neun Personen steigen eine Treppe hinauf,
jede auf Einer Stufe stehend, zu einem G ott, der auf
einer Bühne sitzt. Einer von ihnen trägt eine grofsc
Waage auf der Schulter. Da die H a u p t s c e n e dersel­
ben Bolle sich auf die Schicksale der Seele bezieht, so
vermuthet der Verfasser, dafs ec auch mit dieser Ne­
benvorstellung gleiche Bewandtnifs habe, und dafs letz­
tere auch das U r t h e i l ü b e r d i e S e e l e n vorstelle·

I 9J) Eine Copie davon ist auf der unsem Commentt. Hero-
dott. beigtifügten l*afel, unter nr. 3 — Ί: befindlich j wo­
zu man den Text Part, I, Cap. 3. §. 2$. £6. vergleichen
mufs.
431
Ueber diesem Bilde siebt man in einer Barbe eine b u n d s ·
b ö p f i g e * ^ ) Figur ein S c h\ v e i n oder ein H i p p o ·
p o t a m u s vor sich her treiben. Vorher gebt ein an­
derer H u n d s k o p f i g e r . Beide haben Buthen. Alfe
drei Personen gehen in e n t g e g e n g e s e t z t e r Rich­
tung von jenen neun Personen ab. Dazu kommt noch,
dafs unter den Hieroglyphen desselben Bildes ein Mensch
erscheint, dem ein Strom von Blut aus dem Hopfe quillt
— und dafs in derselben G r a b e s g r u f t (Hypogee) meh­
rere greise Figuren mit gebundenen Händen erscheinen,
denen gleichfalls Blut aus den Köpfen sprützt« — Dies
fuhrt den Verfasser zu folgender D e u t u n g , welcher
Costaz beipflichtet (ebendas, p. 408.).
Auf jener Papyrusrolle, meint Jomard, sey vorge·
stellt ein M i s s e t h ä t e r , dessen S e e l e , nach erfolg­
tem Ausspruch, dafs er s c h u l d i g sey, und nach ge­
schehener Hinrichtung, in ein S c h w e i n (das den Ae-
gyptiem verhafste, unreine Thier) oder in einen H i p ­
p o p o t a m u s (nach Horapollo I. 56 . II. 87. das Bild der
U n d a n k b a r k e i t , U n g e r e c h t i g k e i t und G e w a l t -
t h ä t i g k e i t ) fahre, und in d i e s e m T h i e r l e i b auf
£rden zurückkehren solle. Der H u n d s k ö p f i g e sey
eben hier H e r m e s (Homer. Odjss. XXIV.
a. und Virgil. Aeneid. IV.).

§. 16.
Nachdem wir nun so das Geisterreich der Aegyptier
von seiner physischen, anthropologischen und ethischeu
Seite betrachtet haben, wollen wir nun auch seine h i­
s t o r i s c h e Anwendung auf die Perioden der Aegypti-

Costaz, der (ibid. pag. 408.) von demselben Gemälde


spricht, nennt diese beiden Figuren hundsköpfige A f f e n
(singes cynocephales), welche den H e r m e s vorstellten.
43a
sehen Geschichte sehen. Der Himmel, fanden w ir, ist
getheilt — die Sphären, die liichter des Himmelsf die
Kreise über und unter dem Monde, die Kräfte, die Na­
turen, die Elemente, die Naturreiche, so auch sind die
Z e i t e n getheilt. W ie nämlich die Aegypiische W e l t ·
a n s c h a u u n g i m R a u m e Alles in ein grofaes Geister·
System ordnete, so anch in d e r Z e i t · W ie Alles, was
im Raume ist, von Geistern besetzt ist und regiert wirdf
so ist auch Alles , was in der Zeit ist, von Geistern re·
giert; es ist eine S u c c c s s i o n v o n d ä m o n i s c h e n
D y n a s t i e n , die an den Anbeginn der Zeiten gesetzt
werden. Zuerst haben die höchsten Gütler über die Ae-
g}'ptische Erde geherrscht, dann die mittleren, dann die
niederen, die Halbgötter, endlich die Menschen. Zuerst
nämlich herrschte K n e p h in einer iiubeltannten hoch·
stenPeriode, sodann P h t h as, dessen Element das Feuer
ist, und dessen Regierungszeit sich auch nicht bestim­
men läfst. Der erste Regent, dessen Zeit man weifs,
ist die S o n n e , H e l i u s , Vulcanus Sohn; er regierte
3 o,ooo Jahre. Ihm folgten K r o n o s und cte andern
Götter 3984 Jahre hindurch; dann die C a b i r e n , d. i·
die mächtigen Planetengütter zweiter Ordnung. Es folg·
ten acht Halbgötter , worunter wahrscheinlich zuerst
Osiris Nachdem also die Götter und Halbgötter
regiert, hemmen erst m e n s c h l i c h e Kün i g e , nämlich

197) Gerade dasselbe Verhaltnifs isl in der Lehre der O r ­


p h i k e r (die sie wohl aus Aegypten mögen entnommen
haben} v o n d e n W' e l t a l t e r n , deren sie sechs an·
nahmen und eben so viele W e l t r e g e n t e n : P b a t i e s ,
di e N a c h t , U r a n u s , K r o n o s , Z e u s und D i o ­
n y s u s . Diese Königsreihe fängt ebenfalls oben an mit
den intelligiblen und iniellectueiien Göttern, geht durch
die mittlere Ordnung , und so endlich in die sichtbare
Welt selbst herab·
453
die erste Bonigsperiode der s i e b e n u n d d r e i f s i g
T h e b a i t e r , welche 1400 oder io56 Jahre regiert
haben
Jedoch bemerhe man hierbei die grofse Verschie­
denheit der Angaben unter den Priestern in Betreff die­
ser Geschiebtsperioden, und die Annahme von GÖr-
res, dafs jene sieben und dreifsig menschlichen Könige^
sieben und dreifsig Thebaiter^ die s e c h s und d r e i s -
a i g D e c a n e seyen, mit Menes, ihrem Vorsteher·
Hiernach 'Herden 1190 Jahre, die Menes und seine De­
cane ausfullen, abgeschnitten , und die historische Zeit
Aegyptens mit dem Jahre 2712 vor Christi Geburt ange­
fangen· Ueberhaupt gehe der Ursprung ( s. a. a. O. I.
S. 380· 282.) des Thierhreises nicht über das Jahr 3 ooo
vor Christi Geburt zurück, und der Zodiacus von Den-
derah (Tentyra) sey zwischen 2000 und 3 ooo vor Christi
Geburt zu setzen. Was den Ursprung des Thieihieises
betrifft, so wie die verschiedenen Versuche ihn zu er­
klären, seit Kircher bis auf Gatterer , Ideler und Bhode,
welcher letztere ihn aus dem Klima und den davon ab­
hängenden Beschäftigungen der Bewohner Aegyptens
obicitet; so bemerken wir nur, dafs der Ί hierkreis ^ohl
nicht in Aegypten, sondern unter den Ostasiatischen
V ölkern, und früher Hchi bei den Babyloniern, als bei
den Aegyptiern, bekannt gewesen seyn mag. Denn £r-
stere hatten, nach ßerosus (ap. £useb. Pr«->epar Evang^
IX« p. 160.), uralte Sternkundige. Auch hat van Goens
(zum Porphyrius de antro Nymph. p. i i 3 .) viele Gründe
für den Chaldäisch-Babylonischen Ursprung des l'hier-
hreises beigebracht W as aber die Zeit betrifft, so

I9ä) Vergl. Chronic. Aegypt. apud Euseb. Thea. Tempp. IJ·


p. 7« und Maneiho ap. 5ynctll., so wie über das Irolgcnde
Görres tVJyihtngthch. II. 4li.
i9i^) Die Frage, ob die Chaldtter oder die Aegyptier die äl-
I· 20
4H
herrscht auch hieriiher eine grofse Divergenz der Mei­
nungen. ^ach Einigen rühren sie aus der alten Pharao-
nenperiode vor dem Persischen Einfalle her, nach An­
dern aus der Zeit nach Alexander Die Ansicht von
Gürres haben v ir oben gegeben. Entgegengesetzten
Vorstellungsarten huldigen einige Französische Gelehrte^
B i o t , D i i p u i s (Religion universelle Tom. VI. p. 4 ^^
sqq.) und Einige von den Verfassern der Description de
TEgyptc (Anliqq. Vol. II. p. 357. die man bei ihnen
selbst nachlesen mufs.

testen Astronomen gewesen sind, hat neuerlich in Be­


trachtung gezogen und m ehrere Beweise f ü r d ie e r -
s t e r e n angeführt C l a u d i u s J a m e s R i e h O bser-
vatioiis on the Ruins of Babylon, London by M urray,
1816. (wovon ein Auszug in der Lcipz« Litt. 2 ^ it. 1918·
lir. 27^, mitgetlieilt is i), besonders S. 33 des zweiten Ab­
schnitts. Einer der Haupibe weise möchte mit Recht der
seyn, dafs die SendwUsten von ChaldUa und Arabien lange
vorher durchreiset w urden, ehe man die See hcschiSle,
und dafs man dabei sich nach den Sternen richtete· —
Auch hat der Graf P a s t ö r e t (Ilisfoire de la Legisla­
tion, Paris 1817. Tom . I. cap. i . S. 276 ff) sich über die
Elfindung des Thierkreises d u r c h d i e C h a l d ü e r
erklärt. Andere Vorsielliingen der Verfasserder Descrip­
tion de TEgypte, auch noch in der neuesten Lieferung
der dazu gehörigen astronomischen Memotres (Livr. JIL
Paris 1318.), haben wir hie und da angegeben.
900) So V i s c o n t i , Kotice sommaire des deiix Zodiaqties
de Teiuyra; bet Larcher llerod. T . II. p. 567 sqq.
SOI) Einen allgemeinen Ueberblick über die astronomischen
Denkm äler von OberSgypten gewährt in der Description
de rKgypte (Antiqq. Vol. II. Thebes) Appendice nr. 2,
die Abhandlung: D e s c r i p t i o n d e s M o n u m e n s
a s t r o n o m i q u e s d e c o u v e r t s e n E g y p t e , par
MM. J o i l o i s et D e v i l l i e r s · Diese Abhandlung
enthält: Ohservations pr^liminaires; sodann die allgemei­
ne LebeIsteht der einzelnen astronomischen Monumente,
455

$· >7·
W erfen wir zuletzt noch einen Blich auf die C y c l e n
der Aegyptier. Zu vorderst wird man wohl erwarten,
dafs in einer Religion, worin der Planetendienst so be­
deutend hervortral, wie in der Aegyptischen, auch
diese Gestirne einen Haupteinflufs auf die Zeitrechnung
gehabt haben w erden. Die sieben Planeten, Saturn,
Juppiter, Mars, Sonne, \’ enus, Mercur (E rde), Mond,
waren in dieser Ordnung als sieben himmlische Mächte
verehrt, und gaben beisammen eine Achtzahl von Cabi-
ren. Hiernach bildete sich im Kalendersystem eine Pe-

nämllch: 1. Thierkreis aus dem Porticus von Esne;


S. 2. l'liierkreis aus dem nördlichen Tempel von £sne;
$. 3« Plafond aus einem der ^ttle des Tempels von Er·
ment oder Hermonthis; §. 4. Astronomisches Gemälde,
befindlich am Plafond des ersten westlichen Grabes der
Könige (Hypogeen von Theben) } ξ S. Thierkreis vom
Porticus dfs Tempels von Denderah; §· 6· Kreisförmi­
ger Zodiacus des Tempels von Denderah; $. 7« Ueber*
blick und einige allgemeine Bemei^kungen. Hierbei sind
weiter keine Eiklärungen angegeben, sondern nur kurze
Beschreibungen ; mit Verweisung auf die Erklärung der
Kupfer und auf die Kupfer selbst.
Üeher die Zeit der Eiitstehimg des Thierkreises, und
somit der Aegyptischen ( ultnr Überhaupt, vergleiche man,
aufser den Angaben der Französischen Gelehrten, noch
B o d e ’ 8 Ptolemäus und R h o d e pag 42, wonach wir
l6 000 Jahre erhalten. Veigl. auch die Idee von W e i s ·
h a u p t in der Apologie des MifsVergnügens und Uebels
S. 24* f. und die Wendungen , die man dieser Idee neu­
erlich gegeben hat , mit den hisioiLschen und andern A n ­
tithesen.
Heber den Thierkreis zu Denderah sehe man noch
H a g e r in lllustrazione d'iino Zodiaco orientale etc· und
was dagegen v. D a l b e r g bemerkt hat in eimr Com-
mentation der Göttinger Socieiät (Gott. Gelehrte Anzeigen
1812. nr. 86.).
456
riode von eieben Tagen (die W o ch e), sodann wieder
eine von sieben Jahren. Beide wurden nach den Plane·
ten genannt und gezählt. £s ist bekannt, dafs der sie­
bente l'ag wie das siebente Jabr auch bei den £bräern
geheiligt waren. Dafs aber diese Festperinden nachher
zu Verunglimpfung dieses Volkes Veranlassung gaben
(man lese nur Joseph, c. Apion. IT. p. 470 ed. Haverc·
und 'I'aciti Historr. V. 4.), wollen wir hier nur der ge­
lehrten Ausiuhrung wegen bemerken, die in Bezug auf
Aegyptische Sagen Jabionski in den Voce. Aegyplt. pag.
sqq. darüber geliefert hat· Die allgemeine Heiligkeit
der Siebenzdhl haben die Allen schon in allen Beziehun­
gen bemerkt (s. die Stelle des Λ^arro in den Hebdomaden
beim Gellius N. A. 111. 10.). Auch ist es überflüssige
über die religiösen Cyclen von sieben Tagen und von
eben so vielen Jahren Lei einer grofsen Zahl der alten
Völker weitlauflig zu seyn. W ir dürfen nur auf Goguet
vom ürspr. der Gesetze I. p. 2 3 5 , übers, von Hamber-
g er, verweisen; vergl. jezt Bosenmüllor im alten und
neuen Morgenland II. §. 244. (zu 2 B. Mos. XX. 9. 10.
vom Sabbath der LLräer) p. 63 f f .; ferner Sallicr de la
fete du septieme jour, in den Memoirr. de TAcad. des
Inscriptt. IV. 4 ^ ; und über die alt-Aegyptische Ein·
richtung besonders Fourier in der Descript. de TEgyple
Antiqq. Livr. III. Memoirr. Tom. I. p. 807.
Sodann bemerken wir den J a h r e s c y c l u s von 365
Tagen, personificirt als S o m - H e r a k l e s , als der
Kämpfer auf der Sonnenbahn. Nach dieser Ansicht ist
er der Sohn des Lichtkonigs Ammon, der im Widder­
zeichen erscheint, und das Jahr unter mancherlei A r­
beiten durchführt; denn die zwölf Kämpfe stellen uns
eben den Lauf der Sonne durch den Zodiacus dar. Ein

S02; S. Dionysus 1. p. i 4l·


45?
Symbol dieses Sonnenjahres war der g o l d e n e K r e i s
des Königs Osyinandyas ^ ), Es war ein Kreis mit Gold
eingelegt, an einem Gebäude angebracht« 365 Ellen im
Umfang. Richtig haben aber die Französischen Gelehr­
ten bemerht, d ils man diese 365 Ellen nicht buchstäb­
lich nehmen müsse, sondern in dem Sinne« wie wir das
W ort G r a d e gebrauchen. Uebrigens beweise diese
A ngabe« dafs die alten Aegyptier ein unbestimmtes Jahr
von 365 Tagen hatten. iJaneben war abgebildet der
ganze Thierhreis « die Uecane« Trabanten u. s. w. Hier
war also das verbesserte Sonnenjahr von 365 Tagen
dargestclity während das alteMondenjahr von 36 o Tagen
symbolisch bezeichnet wurde durch das Giefsen der iMilch
in die 36 o Urnen am Grabe des Osiris zu Philä ( Diodor.
Sie« I. S3 . p. a5 Wessel, s. oben S. s 63 .) — ein ilieftendes
Mondenjahr; Licht und Nafs als Grundbedingung aller
und jeder Existenz auf Erden ( des irdischen Daseyns
und Lebens). — Ob beide, das Monden - und Sonnen-
jahr, in dem Verhältnifs zu einander gestanden, dafH, wäh­
rend die Tempelannalen jenes beibcliielten, im bürger­
lichen Leben dieses galt '^^') , lassen wir unentschieden.
Der zweite Cyclus war die A p i s p e r i o d e , ein
lunarischer Cyclus von z 5 bürgerlichen Jahren Alle
d5 Jahre, nahm man a n . erschiene die Gottheit im
Fleisch; ein Strahl vom Himmel befruchtet eine Kuh,
welche dann einen Stier, Apis, gebiert. Er wird zum
Tempel geführt, von Priestern gepllegt und von Allen

S03) S. Diodor. T. 49· Strab. p. 1152 Tzsch. Descript. de


l’Eg. T. II. p. 152 sqc|.
201) S. R h o d e Versuch überden Thierkreis S· 78.
205) Oder von 309 Mondswandlungen. Sieh. D o r n e d d e n
neue Theorie u. s. w. S. S5. Vergl. Poiirier sur les Sci­
ences de TEgypte, in der Descript.de TEg. Antiqq. Livr.
III. Mein. Tom. I. p. bi9.
458
verehrt p bis er nach ^ Jahren von den Priestern ge­
schlachtet, und heimlich von denselben an einem sorg·
faltig geheim gehaltenen Orte begraben Mard ^ ).
Eine dritte grdfsere Periode, sisischen der Apis-
und Sothisperiode in der Mitte stehend» ist die P h ö -
n i n p e r i o d e , von 600 oder 1400 Jahren W ir
gehen von der Hauptstelle Herodot II. 78 aus. Dort
berichtet uns der Vater der Geschichte: « Es giebt aber
noch einen andern heiligen V ogel, mit Namen P h d n i x ·
Ich habe ihn aber nicht gesehen , aufser in einem Bilde;
denn er kommt sehr selten su ihnen» alle 5 oo Jahre
einmal, ψιβ die von Heliopolis sagen, und er komme
dann nur, sagen sie, wann sein Vater gestorben. E r
ist aber, wenn er seinem Bilde gleichet, von dieser
Gröfse und Gestalt: ein Tbeil seines Gefieders ist golden,
der andere roth, und ist dem Adler aufserordentlieh
ähnlich an äufserer Gestalt und an Gröfse. Dieser Vogel
nun macht folgende sinnreiche Anstalten, wie sie erzäh­
len, ich kann es aber nicht glauben: er käme aus Ae-
thiopien gellogen, und brächte in das Heiligthum des
Helios seinen Vater, den er in Myrrhen eingehullet, und
begrübe ihn im Tempel des Helios (der Sonne). E r
brächte ihn aber also: Zuerst bildete er sich ein Ei aus
M) rihen, so grofs er es tragen könnte, und wenn er
diesen Versuch gemacht, so höhle er das Ei aus, und
lege seinen Vater hinein , und an der Stelle, da, wo er
es ausgehölilet und seinen Vater hineingelegt, klebe er
wieder andere Myrrhen darauf; und wenn sein Vater
darin liege, sey es gerade eben so schwer, wie zu vor;
und wenn er's wieder zugeklebet, so brächte er seinen
Vater gen Aegypten in das Heiligthum des Helios (Tem·

206) Vergl unsere Commentt. Herodott. T. p. l 44 sq·


207) S. Marshaiu Cunou Chron. p. 9. 3S7.
45g

p e 1 der Sonne)· Also mache es dieser V ogel, ernahlten


• ie s ^ ). Mit dieser Stelle verbinde man noch Tacitus
Annali· VI. 28. Dieser weife von vier Erscheinungen
des PhOnix in der historischen Z eit, unter Sesostris,
Amasis, Ptolemäus.lll. und Tiberius. Gerade so , wie
ihn Herodotus beschreibt, erscheint aber der Phonix
au f alt^^Aegyptischen Bildwerhen. Jomard (in der De«
acpipt. de l'Eg. Antic|q. Tom. I. cap. 5 · $. 6. p. 29 3 i.)
findet den Phdnix abgebildet auf vielen Aegyptischen
Monumenten, z. B. in den Tempeln zu E^fu (Apollino-
polis magna), zu Phila, Esne, auch zu Medina-tabu
(Theben) und anderwärts, bald ju nger, bald älter und
mit einigen Varietäten, einmal auch als menschenähn­
lichen, geflügelten Genius; zuweilen mit dem Sterne
(dem Sirius) und mit einer Schaale (dem Symbol der
Niifluth im Sommereolstitium). Er findet alle die ver-
echiedenen Eigenschaften, die Herodotus, Tacitus, Pli­
nius, Solinus und Horapolio von ihm angeben, und er-
hlärt auch die einzelnen allegorischen Z u g e , die von
ihnen angegeben werden, mit Verweisung auf die Hupfer-
platten zu der ersten Lieferung des genannten Werkes,
nämlich pl. 16. fig. 1. 2. p1* 18· pl. 23. fig. 5. pl. a3. fig. 3.

£03) Auch hat man verschiedene andere Traditionen, z. B·


dafs aus den Gebeinen und dem Marke des alten entwe­
der verwesenden oder sicli verbrennenden Phönix der
junge Vogel entstehe. S. Plin, II. N. X. 2. Tzeta. Chi-
liad. V. 6. und Scholiast. Aristid. Tom. II. p. 107 Jebb.
Merkwürdig ist auch die Chinesische IVadition, die aus
Martini Histur. Sinica C o r a y zum Heliodor, p. 20t sqq.
anfuhrt: initium imperii ( Xaobarri quarti impera­
toris) S o l i s a vi s apparuit, cujus adventu felicitatem
regno portendi vulgo existimant. £ x forma, qua avem
hanc pingunt, aquilam crederes, nisi plumarum mira et
discolor varietas ob^tαret· Phoenicem ut esse suspicer,
ejus raritas persuadet.
44ο

ρ 1· η9 · fig. ι 6 · ρ1· 8 ο· fig. \η· Λ^ίβΙΙβίοΙιΙ ist auch der a u f


einem Relief von Hermonthis ( 1. 1· pl. 95 unten) v o r-
hemmende Vogel der Phönix. Auch aufder Bembinischen
Isistafel sehen ivir den Phönix (wenn er es anders ist) a u f
der Hand des Aegyptischen Herahlea (Jabionski Opuscc.
II. p. «287·)· W ir sehen hie und da alle Kennzeichen«, w ie
ihn die Alten beschreiben, z. B. das goldene und das rothe
Gefieder, seine Aehnlichkeit mit dem Adler. Zuweilen
auch ist er klein (inde fieri pullum, sagt Plinius Η. Ν ·
X. 2.), mit einer Krone von Federn auf dem Kopfe (ca­
put plumeo apice cohonestante), und hat andere Em­
bleme neben sich, einen Stern, eine Schaale, deren
symbolische Bedeutung Jomard (siehe oben) richtig g e ­
funden hat.
Fragen wir nun nach der Bedeutung und dem Sinne
dieses Mythus, so erkennen die Alten schon darin eine
S age, deren Grundlage die Idee d e s g r o f s e n J a h ­
r e s selber ist ^ ). « Dafs die Lebensperiode dieses V o­
gels eine Epoche des grofsen Wehjahres andeute, ist
ausgemacht» ^^^). Die berühmten Lehrer der Christ­
lichen Kirche fanden in der Phönixfabel ein Bild und
Prototyp der Lehre von der U n s t e r b l i c h k e i t , be­
sonders von der A u f e r s t e h u n g d e s F l e i s c h e s .
S« Clemens Roman· Epist. I. ad Corinth. cap. 24. p. 120
eqc]. ed. Wotton. und noch Mehreres bet Larcher ad He-
rodüt. l. 1. Tom. 11. p. 820.
Es ist demnach der Phönix der Vogel d e s g r o s ­
sen J a h r e s oder der W i e d e r g e b u r t d e r n e u e n

ZQ^) B ö t t i j ^ e r Mytholojjg. Vorless. S. I 6 . und daseihst


die Eiklürung von de Vignoles und Förster, lieber den
Phönix findet sich auch eine Abhandlung von D r u m ­
in o n d in ihe classical Journal Vol XlV. p. dly sq.
210 ) $0 Solimis Polyhist. cap. 36: „cum hujus vita m a g n i
a n n i Heri conversionem, rata fides est inter auctores·*^
44t
Z e i t in g e w is s e n Cyclen. In jener Epoche von
i^6i Jahren traf, mit Eintritt des Neumondes im Som-
mersolstirium, das fixe (agrarische) Jahr mit dem vagen
Kirchenjahre in Einklang. Es war eine Jubel periode für
ganz Aegypten, und ein Triumph für die Wissenschaft
der Priester, besonders der gelehrtesten zu Heliopolis
Nach Heliopolis fliegt der Vo g e l , er fliegt in die Son­
nenstadt, in dem Sonnentempel legt er seine Bürde nie­
der. Er ist der Sonnenyogel; daher ist purpurn und
golden sein Gefieder, darum ist er wie der Adler ge­
staltet, der zur Sonne aufzublichen vermag. Er kommt
von der Sonne A u fgang vom Morgen her. Er heiPst
der Phünicische; er bann aber auch der purpurne heifsen.

21 i ) U f b e r d ie G e le h rs a m k e it d e r H e lio p o lU e r s . H e ro d o t.
Π . ά. S tra b o a V II. p ag . SS7 T z s c h . D ie re la tiv e V o ll-
k u m ru e n h e it d e r A e g y p tis c h rn A s tro n o m ie b e h a u p te n d ie
V e rfa s s e r d e r ü e s c r i p t . d e P C g y p te a . a . O . und Ö fter·
A u f die K in sic h t in die A lle g o rie v o m P h ö n ix h a t d a s
M e h r o d e r W e n ig e r h ie r k e in e n E in flu fs ; u n d w ir la s s e n
d a h e r je n e M e in u n g a u f sic h b e r u h e n .

212) D ie g o ld b e w a c h e n d e n G re ife k e n n e n w ir a u s H e ro d o tu s
( I l f . h 6. IV , 1 3 .), In a n d e rn S atten w ird d e r G r e if d e m
P h ö n i x ä h n lic h e r. E in e n s c h ö n e n B e itra g lie fe rt d a z u
E p ip h a n iu s in d e n n e u e rlic h e d irte n SiQ cken s e in e s P h y ­
sio lo g iis ( Φυ<τ/ολογ5ς ) ( i n A . M u s to x y d . u n d D . S c h in a e
A n e c d o it. g ra e c c . V e n e t. 1817. p. l l . ) . D o r t h eifst e r d e r
g rö fse ste u n te r a lle m G eflügel d e s H im m e ls . Ir a M o r -
g t n l a n d e , a n e in e r B u c h t d e s F lu s se s O c c a n u a , h ä lt s ic h
e in P a a r d a v o n a u f ; u n d s o w ie die S o n n e a u fg e h t u n d
m it ih r e n S tra h le n die W e lt b e fe u c h te t ( b e s p r e n g t , ραν*
9 SO lö s e t d e r e in e se in e F lü g e l, u n d n im m t a u f d ie
S tra h le n d e r S o n n e . D e r a n d e re a b e r b e g le ite t sie b is
an d en U n te rg a n g , u n d a u f se in e n F lügeln s te h t g e s c h r ie ­
b e n ; L ic h ta h n lic h ((pcuro«/2^;> w a n d e rt e r e in L ic h t d e r
W e l t . — D ie c h ris tlic h e A n w e n d u n g Ü b e rg e h e n w ir a ls
fre m d a rtig u n s e re m Z w e c k e .
44*
Aber er bommt nicht alle Jahre ; er honunt im grofsen
Jahr; daher ist er der Vogel des Sternes, mit dessen
merkwürdiger Constollation er auiYliegt. E r hat im
Bilde den Stern des grofsen Jahres bei sich , das Bild des
Sirius (Sothis). Er hommt vom M orgen, der Sirius·
Togei; darum bringt er Myrrhen mit und W ürse des
Morgenlandes, ln der Myrrhenhugel liegt seine Bürde;
diese Kugel ist da# Schicksals · Knäuel« und in ihm ist
die alte Zeit umschlossen.
Des Vogels Vater ist diese Bürde ^ er ist die alte
Zeit. Er starb im Morgenlande, in Arabien, woher die
Sonne und der VVeibrauch kommt» Er kommt von den
Indiern her Denn dort hat man allein das feste Jahr,
und alle 1461 Jahre kommt es von Indien her su den
Aegyptiern, um das gemeine Kirchenjahr zu berichtigen·
(Jomard 1. 1. p. 3 . sagt: «en langue raetaphorique: le
retour de l'annee fii^e, qui etoit la seulc en usage ches
les Indiens, et qui revenoit, pour ainsi d ire , tous les
1460 ans, concilier en Egypte le calcul du tems avec la
marche du s o l e i l , D e r Vater ist gestorben. W e r wird

i l 3 ) D e r I n d i s c h e V o g e l > Ίνδ/κός , h e ils te r au sd rü ck ­


lic h b e im A ris tid e s T o m . I I . p . 107 J e b b . u n d bei d e s s e n
S c b o lia s te n . P lü lo s tra iu s ( V it. A poD onti T y a n . I I I .
p . ld-5 O lc a r .) w eifs F o lg e n d e s a u s d e r ^ a g e z u b e r i c h t e n :
D e r P h ö n ix k o m m e alle f ü n f h u n d e rt J a h r e n a c h A e g y p ­
te n . l n d e r Z w is c h e n z e it h a b e e r in In d ie n h ie u n d d a
se in L a g e r. D a fs e r n a c h A e g y p te n k o i n m c , d a r ü b e r
se y e n In d ie r u n d A e g y p tie r ein sfim m ig . — A u c h fü h r t
d e rs e lb e A u to r n o c h d e n p o e t i s c h - s c h ö n e n Z u g a n ,
w ie d e r P h ö n i x , w en n e r s ic h in se in e m N e s te v e r«
b r e n n e , sic h s e lb s t /V bschieds - o d e r R e is e lie d e r
Gfc/su;) sin g e . E tw a s A e h n lic h e s , fllh rt e r
f o r t , w o llte n a u fm e rk s a m e B e o b a c h te r v o n d e n S c h w ä n e n
w iss e n . D ie s e s L e tz te re b rin g t n u n d e r k ü rz lic h v o n u n s
e d irte S c h o lia s t ( s . J o s . B c k k tr i S p e c im . P h ilo s tr a t. V it.
445
ihn erseuen ? Aus seiner Asche , ans der Asche des sich
selbst verbrennenden (der in der Glut der Sonne und
des Sirius ausgegluheten Z e it), erstehet der Sohn, er·
stehet die neue Zeit. Und zum Andenhcn des in der
Glutzeit (im Sommereolstitium) geendigten grofsen Jab«
res zündeten die Phönicicr ein Feuer an, d. h. sie ver*
brannten die alte Zeit; wie zur Zeit der Sommersonnen·
vende im ganzen Norden von Schweden bis nach Sach·
sen, ja selbst bis an den Rhein, aus uraltem Gebrauche
die jezt sogenannten Johannisfeuer lodern· Ja sogar
der Deutsche Ausdruck: «die Kirchweihe begraben»,
kann uns anf diese Idee hin weisen. Daher auch die Rö­
mische Sitte y vom Scheiterhaufen der Kaiser einen Adler,
von dem der Kaiserinnen aber einen Pfau aufsteigen zu
lassen — anzudeuten eine neue Regierung, eine neue
Zeit. Vom verbrannten Körper schwingt sich der himm­
lische Geist auf, und schwebt als seeligerGenius über dem
Nachfolger. Die Pietät des Nachfolgers soll in der Schule
des Vaters gebildet seyn und der Entschliifs grofsartiger
Aufopferung. Alte Formen müssen zerbrechen 9 neue

A p o llo n ii pas;. liD .) in u n m itte lb a r e V e rb in d u n g m it d e m


P h ö n i x , w o n a c h die S c h w ä n e d e m P h ö n ix d ie R e is e h y m ­
n e n sin g e n ( καί τους κυκνοϋ; φασί χ ξ Ο Χ Β μ τ τ η ζ ί ο υ ς τ γ Φοι'νικτ
}Bstv Μ. r . λ .)· D a s B ild v e rlie r t d u r c h d ie s e E r k lä r u n g
gew ifs n i c h t s , w en n sie a u c h n ic h t d ie ric h tig e i s t ; u n d
s e lte n sin d S ch o U asten s o p o e tis c h . — A b e r k ö n n te n ic h t
a u c h d e r S c h w a n m it d e m P h ö n ix v e rw e c h s e lt w o rd e n
s e y n ? D a v o n liegen d e u tlic h e A n z e ig e n in d e n F a b e ln
d e r n e u e re n P e r s e r v o r , die v o n e in e m W u n d e r v o g e l
K u k n o s w is s e n , w e lc h e r k ein a n d e r e r als κύκνο;, d e r
S c h w a u , ist. S ie h . D ru in m o n d in th e c la ssic a l J o u r n a l
V o l. X V I . pag. 9 I. — M e h r e r e s ü b e r d ie s e P e r s is c h e n
M y th e n g ie b i v . D a l b e r g ’ s A b h a n d lu n g : S ii n o r g , der
P e r s is c h e P h ö n i x , in v. H a m m e r*s F u n d g ru b e n d e s
O r ie n ts V o l. 1. p. 199 sc;q.
444

geschaffen “werden ; der ΡΚοηίκ opfert sich selbst. Aber


die neue Generatiun ist nicht serstörend. Mit heiliger
Liebe nimmt der neue Phdnis den Leichnam des Va­
ters ; der aus dessen Asche hervorgehende Genius wird
der Leitstern der neuen Zeit· W e r nämlich wird den
Vater begraben? W er anders, als der gefiederte g le i­
che Sohn? (die gleiche und zu gleichem Loos des Ster­
bens bestimmte Z eit) W o aber wird erbegraben? Im
Tempel der Sonne. S ie, die grofse Zeitentheilerin und
Zeitenverzehrerin, nimmt, so wie die Jahre, so die
groPsen Jahre in ihren Raum und Schoofs auf. So ent­
steht , so wächst, so ili^^gt, so stirbt in und vom Sonnen­
aufgang das grofse Leflii>elie Weltenjahr, und es wird
von dorther vom jungen in den Sonnentempel zur Son­
nenstadt getragen, nach Heliopolis, wo in den Tempel­
hallen die Sonnenpriester des Morgenlandes Weisheit
und Zeit - und Himmetshunde berechnen, sie, der In­
dischen Weisen Λvü^dige Schiller. Der Sonnentempel
ist das Grab des grofj»en Zeitenvogels, und beim Eintritt
der grofsen Zeiträume werden in Aegypten neue Tempel
zur Erinnerung gebaut. So wurde vermuthlich in einer
andern Sonnenstadt, zu Edfu oder Apoliinopolis magna,
der grofhe Tempel damals gebaut (s. Jomard I. 1. p. 39.),
als das grofse Jahr zwischen dem Zeichen der Jungfrau
und des Ldwen harn , der Tempel zu Esne in der Jung­
frau, der zu Denderah und der zu Hermonthis im Lö­
wen. Eben in dem Tempel der zuletzt genannten Stadt
sehen wir ein Relief, wo der Stier die Fruhlingsgleiche,
der Scorpion die Herbstgleiche, der Löwe die Sommer­
wende und der Wassermann die Winterwende bezeich­
net. S Descript. de TEg. 1. chap. 8. pag. 10. und dazu
pl. 96. tig, 2.
W ir schliefsen mit einem andern R elief auf einem
grofsen Fries im Haupttcmpcl zu Edfu oder Apollino-
poiis magna, worin Jomard (I, 1. cap. 5 . $. 5 . p. 28 sqq)
U i

eine Andeutung einer aetronomischen Periode finden ΛνίΠ·


A u f diesem Fries sieht man eine Treppe von vierssetm
Absätzen. A u f dem obersten Absatz erhebt sich eine
Säule von Lotus^ und darauf ein halber Mond; das
Ganze ist gekrönt mit einem Auge. Dahinter steht eine
kleine Figur mit einem Ibiskopfe· Alles dieses seyen
Zeichen des Neumondes im Sommersolstitium, d. h. des
Anfangs eines neuen Jahres; denn der Lotus bezeichne
das Wachsthum des Nil; das Auge den Osiris d. i. die
Sonne in ihrem Gipfelpunkte; der Ibis die Ueberschwem-
mung; der halbe Mond mit aufwärts gerichteten Hörnern
den Neumond (Horapollo 1. 4 ·)· ^un komme auf dem­
selben ?>ies noch mehreres dahin zu Beziehende vo r:
Ibisköpfige Figuren ^ WassergefaTse und auch eine Jung­
frau mit dem Löwenkopfe. £s sey mithin vermuthlich
eine astronomische Epoche angedeutet, die Zeit des
Baues dieses Tempels, nämlich die Periode> als der
Jahresanfang (das Sommersolstitium) zwischen das Zei­
chen der Jungfrau und des Löwen fiel· Es sey angedeu«
tet die Erneuerung einer Sothischen Periode; und be­
kanntlich sey die Epoche von 1461 Jahren, wo das fixe
oder agrarische Jahr sich mit dem vagen Kirchenjahre
vereinigte, für Aegypten eine Epoche d^^r Freude und
des Wohllebens für das Volk^ und eine Epoche des
Ruhmes für die Astronomen gewesen.
Ein vierter Cyclus war die C a n i c u l a r p e r i o d e ,
die grofse S o t h i s p e r i o d e von 1461 Jahren; worüber
oben schon das Nähere bemerkt worden ist.

Da in den Griechischen SchriRstellern sich ganz


deutliche Spuren erhalten haben , dafs, wie bei mehre­
ren 'Völkern des Alterthums, so auch bei den Aegyp-
tiern , eine innige Verbindung der A s t r o n o m i e und
der Mu s i k statt gefunden, und hier insbesondere mit
446
befttimmter Beeiehung auF einige C y c l e n , so wird hier
Wohl die passendste Stelle seyn, von der M u s i k der
Pharaonen - ^egyptier, und insbesondere von ihrer r e ­
l i g i ö s e n B e s t i m m u n g « in der Kurze zu handeln«
Nicht blos solche dichterische Andeutungen, wie
die eben beriihite vom singenden Phönix , wie die Sage
vom Memnon und dergl. sind, sondern andere viel be·
deutendere Spuren , die schon Jabionski (im Pantheon.
Prolegg. p. LIV sqq.) gesammelt hat, müssen uns zu der
Frage führen : if\e)che Bedeutung die M u s i k im Bcli-
gionsdienste der Pharaonen · Aegyptier gehabt haben
mag, und welcher Art sie gewiesen ? Bekanntlich zeigen
die liiebaitischen Sculpiurcn musikalische Instrumente
verschiedener A r t, besonders H arfen, zum Theil schon
von vielen Saiten und kunstreicher Ausbildung. Zwei
Stellen des Diodorus (T. i 5 . und 1. 8i.) scheinen sich
zu widersprechen. Nach der einen war die Musik selbst
den Aegyptischen Göttern lie b ; nach der andern fand
man sie in Aegypten sittlich verwerflich. Diesen W i­
derspruch sucht Jomard zu heben, indem er verschiedene
Perioden unterscheidet. Seine Vorstellungsart ist kürz­
lich folgende : Die älteste Musik war bei den Pharaonen-
Aegyptiern blofso Vocalmusik, und die dreisaitige Her-
meslyra diente blos zum Angeben des Tones für die
Sänger. Dieser Gesang war der einfachste Ausdruck
von Schmerz und Freiide und andern religiösen Empfin­
dungen. Sie hatte einen religiös-moralischen Charakter,
und ihr Zweck war Bildung zur Harmonie ethischer Ge­
fühle. Dieser ernste Charakter ältester Musik sey in
der Person des Maneros (Herodot. II. 79.) versinnlicht.
Da dieser nach JablonskTs Erklärung (Voce,
p. 128.), Aegyptisch den S o h n des E w i g e n bedeute,
so dürfe man wohl dabei an Osiris und Horus, den Gott
der Ordnung, denken. Die zweite Periode und der Verfall
der heiligen Musik Aegyptens sey vermuthiieh aus Asien
447
herzuleiten, und die F lö te, deren Herodotus (IL 6 o.
II. 48.) bei Aegyptischen Festen gedenbt, sey wohl das
erste Instrument musihalischer Art gewesen, das die
Aegyptier aus Asien überkommen hätten. Des Sesostris
Feldzüge und die Persische Eroberung hätten rermuthlich
zu diesen Neuerungen Anlafs gegeben. Jene vielsaiti*
gen Harfen in den Künigsgräbern möchten daher Wohl
auch nicht der ältesten Periode angehören. Jener wür­
devolle Gesang sey auch wohl von Moses beibehalten
worden, der nach einigen Zeugnissen (Philo de vit. Mo­
sis 1. p. 4 ?o F. und Clemens Alex. Strom. I. p. 343 .) in
den verschiedenen Zweigen Aegyptischer Musik sey un­
terrichtet worden. Hierauf macht Jomard auf die alte
Verbindung der A s t r o n o m i e mit der Mu s i h der Ae­
gyptier aufmerksam, bringt zu dem Ende die Hauptzeug­
nisse bei, wovon wir nur einige genauer anführen wollen
(Diodor. I. 16. Demetr. de Elocut. $. 71. und daselbst
Gale p. 46 ed. Fischer. Hesyeh. in ίπταγράμ^ατον —
Σάραηιν Λ^οΐ. I. pag. 1408 ed. Alberti, womit man jezt
noch verbinden mag Theologumm. arithmetica p. 41 —
53 ed. Ast. und Jo. Laur. Lydus de menss. p. 26. 27. 28.
32 ·), und verweiset auf eine Abhandlung vom Abbe
Housier, worin gezeigt werde, dafs die Musik der Alten
in einem genauen Zusammenhänge siehe mit den sieben
Planeten, mit den Wochentagen, den Stunden des Ta­
ges und der Nacht, und mit den Zeichen des Thierkrei­
ses nach Aegyptischem System. 8. Jomard Memoire sur
la musique de lantique Egypie, in der Descript. de TEg.
Livr. 111. Tom. I. p. 357 sqq. besonders p. 395 — 4 o3 .
Ist es uns erlaubt, scbliefslich einige Bemer­
kungen über diese Ansicht zu machen, so müssen wir
zuvörderst die ideenreiche und grofsartige W eise loben,
womit dieser verdiente Gelehrte auch diesen Gegenstand
behandelt hat. Den Zusammenhang der Musih mit der
Aegyptischen Astronomie, worin sich Jabionski nicht
448
in allen Studien zu finden Mrufste, hat er mehr begrün­
det ß und der Siebenlaut im Friesterhymnus an die Ae-
gyptischen Gottheiten ist wohl unstreitig mit Becht von
ihm auf die sieben Planeten bezogen worden. Auch ist
wohl zu vermuthen gestattet, dalbeinst Osiris, dessen Ge·
schichte so oft mit Memnon harmonirt, auch von einer
andern Seite wieder als M a n e r o s , als der beklagte gute
Jüngling, genommen war. Davon ein Mehreres im fbl·
genden Paragraphen. Hiefs doch auch Adonis nach einer
Flöte , und vermuthlich nach einer Flotenmelodie, Gin­
gras. — Aber in Folgendem müssen wir uns von Jomard
trennen. Nach unserer Vorstellung vom Urzustände der
Aegyptischen Menschheit können wir die ä l t e s t e Musik
so hoch und würdig dort nicht nehmen. Die ursprüng­
liche Volkslegende und die ehesten Yolksgebrauche wa«
ren gewifs — und sie mufsten es seyn — orgiastischer
A rt; und immer waren die Pamylien und Phallagogien
die allgemeinsten Feste. Die Hirten und NilschifTer
mufsten bei ihren Trauer - und Freudenfesten ganz ge-
wifs rauschende Musik haben, eine Instrumentalmusik.
Bacchisch war, dafs ich so spreche, der Grundcharakter
der Volksreligion, Auch liifst der Mythus (und dieser
ist in solchen Dingen sehr zu hören) den grofsen Natio­
nalgott Osiris zweierlei Flöten erfinden, die einröhrige
(fxovavXoy) und die Queerflöte (φώτιγγα πλ'χ}'ίανλον) ;
s. Juba ap. Athen. lY . p. 175. p. 181 Schweighaus. Und
auch Herodotus (II. 48.) kennt gerade bei Aegyptischen
Phnllusfesten den Flötenspieler. Wenn daher bei Dio­
dorus (s. oben p. 259.) Osiris durch Musik die Völher
bild et, so müssen wir, glaube ich, darin Instrumental­
musik erkennen. Rohen Hirten gegenüber konnten die
Priester diese gewifs nicht entbehren, ln nngemisebten
Religionen des reinen Lichtdienstes mag dagegen das
Saitenspiel als das ältere gelten (wir werden im Verfolg
davon selbst Beispiele liefern)· Aber wie sollten die er-
449
^ten Nomaden des Nilthals einer solchen hohen ethischen
£rsiehung empfänglich gewesen scyn ? Jomard mufs
diese Horden entweder erst später kommen lassen, oder
BDgeben, dafs die rauschende Instrumentalmusik dort
sehr frühe nothwendig war. — Auch begünstigt die
lange noch nicht genug erwogene Hauptstelle des Plato
(de Legg. II. 3 . p. 656 sq. p. eSq cd. Bekker.) die Vor­
stellungsart nichts wonach die Aogyplicr sogar noch ge­
gen die Persische Periode hin Neuerungen in den Kün­
sten aus der Fremde angenommen halten. Denn hiernach
war das Neuern (xaivoTo|<elr) und andere Manieren
Einfuhren, als die der Vater (τά ττάτρια), den Künst­
lern verboten. Und wir lesen dort von gleichen cano-
iiischen Priestcrgesetxen über die Musik. W ir huren
dort von göttlichen Einrichtungen der Tonkunst und von
Liedern der Isis, welche sich aus alter Zeit erhalten
haben ixtl φαοί τά τόν Ίίολνν τογτον σεσωσ*
μένα χςόνον μέΧκί τν,ς "Ισιίος ποι^ρύιτά γέγονέναί). —
Aber eben diases Zeiignifs, mit dem noch etwas älteren
des Herodotus verglichen, mochte wohl xti der Annah­
me hinfuhren, dafs, wie alle andere Dinge, so auch die
Musik in jenem Pharaonenlaiidc castenmärsig streng ge­
schieden war. Hieraus ergäbe sich das Kesultat, dafs
die reinere und silllichcrc Musik mit dem Saitennpiel
und würdevollen Gesang dem pricsterlichen Gütter-
dienst Vorbehalten blieb, während von Anfang und im­
merfort der materielle Volksdienst und sein Orgiasmns
sinnliche Lieder und rauschende Instrumente gebiete­
risch forderten.
Ueber die verschiedenen Arten musikalischer In­
strumente hat V i l l o t e a u ans den Oberagyptischen
Denkmalen belehrende Nachrichten gegeben (in einer
eigenen Abhandlung über diesen Gegenstand, in der
Descripüon de TEgypte Anliqq. Mexnoir. Livrais. I. p.
i8i SS.).
I. 29
45ο
$. ι8.
Phamenophis-MenriTion.
Und hier mochte 'wohl der Ort seyn, hurzlich vom
Me r a non zu sprechen· Ohnehin scheint die Ar t , *wie
wir ihn oben (pag. 208 scj.) mit dem Osiris verbunden
haben, noch einer Rcchtf’e rtigpng zu bedürfen, zumal
da er dort ohne Weiteres ganz a l l e g o r i s c h von uns
genommen worden. Diese Ansicht, so viel als möglich,
zu bestätigen, soll daher unser einziges Augenmerk
seyn.
In alle einzelnen Wendungen dieses weitgreifenden
Mythus einzugehen, wäre im höchsten Grade überflüssig,
da gelehrte Vorgänger bereits alle Quellen der Sage ver­
folgt , und das Zeugenverhör abgeschlossen haben

214) J a b i o n s k i de M e m n o n e , F ra n c o ftirli ad V ia d r. 1753.


L a n g ! e s D is s e rta tio n s u r 1a sta tu e d e M e tn n o n ( M a -
g a z . e n c y c lo p . a n , II. T o m . III.). v . V e l t h e i m ü b e r
M e m n o n s B ild s ä u le , in D e s s e n S a m m lu n g e in ig e r A u f­
sä tz e 11. J a c o b s ü b e r d ie G r ä b e r d e s M e m n o n u n d
d ie In s c h rif te n a n d e r B ild sä u le d e s s e lb e n (in d e n D e n k ­
s c h r ifte n d e r A k a d e m ie d e r W is s e n s c h a fte n zu M ü n c h e n
I 809. 1810.)· D e s c rip tio n d e l’C g y p te A n tiq q . V o l. I I .
( T h ö b e s ) c h a p . I X . s e c t. 1. p , 95 s q q . — H ie r n u r v o r ­
läufig einige n a c h trä g lic h e B e m e rk u n g e n zu d e n Q u e lle n .
D ie S telle d e s H o m e ru s Ü d y ss. IV . 188. b e r ü h r t F r o c l u s
C o n n tn e n ta r. m s c r. in P la to n . A lc ib . I . fol. 123 c o d . A u ·
g u s ta n . D e s s e lb e n P r o c l u s E x c e r p t a u s d e r A e th io p is
d e s A rc tin u s sie h e j e z t in d e r v o llstä n d ig e n A u sg a b e d e r
C h re s to m . am H ep h ae.stio n p. 478 s q . e d . G a is fo rd . D ie
E r z ä h lu n g e n d e s D io d o r. I I . 22 s q . p . 136 s q q . W e s s e l,
r ü h r e n s i c h e r v o m C te sia s h e r ^ w ie fast d a s g a n z e zw eite
B u c h . Zu d e n S c h o lie n d e r T z e tz a e ad L y c o p h r. v s. 1$.
v e rg l. in a n j e z t M ü lle r p. 303. D a fs A e s c h y lu s , S o p h o ­
c le s u n d T h e o d e c te s d e n M e m n o n a u f die B ü h n e g e ­
b r a c h t h a t t e n , ist s c h o n v o n A n d e rn n a c h g e w ie se n . M a n
s ie h t ih n a u c h a u f G r ie c h is c h e n V a se n , ^ 'e u e r l i c h h a t
451

Aber dennoch mochte es nicht leicht einen Mythus ge­


b en , der so verschiedene Deutungen erfahren hätte.
Um von der Ansicht nicht zu sprechen, wonach der
tönende Memnon ein Gauhclspicl der Priester wäre, der­
gleichen sie sich wohl nach völliger Entartung in den
Serapeen zu Alexandria und anderwärts erlaubt haben
mögen — haben sich \’'orstcllungsarten gebildet, denen
zufolge man die Sage vom Klange der Bildsäule erst für
eine in der Bömerzeit auigehommene Legende halten
müfste ; während eine nun allbehannte Erzählung der
Französichen Theilnehmer der Oberagyptischen Expedi­
tion wiederum der buchstäblichen Auslegung hat zu stat-
tei? hemmen wollen. Ich bin weit entfernt, die so stark
hehrcäiiigte Aussage so achtbarer Gelehrten in Zweifel
zu ziehc^n. Eben so wenig bann ich in die Tiefen der
Pbysih hin absteigen, und gewisse Andeutungen der Alten
von der Verwandtschaft zwischen Ton und Licht (Plu-
tarch. SymposicTca VIII. 3 .) verfolgen; da diese Seite
aufser unserm Gebiete liegt, und der Aufmerhsamheit
neuerer Physiker oiinehin nicht entgangen ist. Auch
der astronomische W e^ s^^ur Auffindung des Sinnes die­
ser Wundersage ist nicht unbetreten geblieben. Ja-
blonski sah im Memnonsbii^de eine Säule, zu astronomi­
schen Beobachtungen cingeric.htet, und Dornedden einen
Jahresgnomon , mit der Idee dc5 Grabmals verbunden.
Kach meiner Ueberzeugung mufs diciscii beiden Gelehr­
ten das Verdienst bleiben, dafs sie auf die symbolische
Sprache des prieslcrlichen Allerthums geachtet haben;
ohne deren Beachtung, wie ich lest versichert bii2, alle
Deutungsversuche mifslingen müssen. W ir wollen von

Alexander de la Borde eine solche Ausdeutung versucht,


sieh. Collection des Vases du comte ile Lamberg N r. 1.
Auch eine Vase bei D ubois-M aisonneiive (Paris iStti.)
pl. IX. zeigt den Achilles und Alcmnon.
4 Sa

Jablonshrs Worterhlarungen ausgeben, und unsere eige­


nen Vorstellungen darauf folgen lassen.
Bekanntlich hommt dieses mythische Wesen unter
verschiedenen Namen in der Sprache vo r, >rovon der
Griechische der geudhnlichste geblieben. Die Alten
aber reden von ihm bald unter dem Namen Amenophis
^5) oder, mit Aegyptisehem Vorlaute, Pha-
menophis ( c), bald mit der Benennung Is-
m a n d e s (Ίσμάρ 9 ν;ς), welches, wie Jeder siehet, nur
eine andere Form für O s y m a n d y a s (Oovpardrav) ist,
oder bezeichnen ihn mit der gebräuchlichsten Namens­
form Me mn o n (M ipror). Zwar haben sich neuerlich
die Verfasser der Description deTEgypte (a. a. O. p. loa.)
gegen die Identität des Osymandyas und des Mevnnon
erhlfirt; aber da der gelehite Strabo, der selbsV in Ae­
gypten war, ausdriichlich sagt: Memnon heifve bei den
Aegyptiern Ismandes (X V II. p. 8 i 3 . p. 58 ^ T zsch.), so
werden wir darin immer wenigstens eine historische An­
gabe erhennen müssen. Dem Pausanias zufolge hatte
eine Sage das berühmte Thebaitis<jhe Memnonsbild für
ein Bild des Sesostris genommeu 216^^ und Herudotus
(n. io6.) hinwieder sieht sich Tfisranlafst, solchen Leuten

S i5 ) Wetm Eudocia psg. 3(95. ihn 'A/mJvcvya nennt, so müssen


wir entweder eine gute Quelle verm uthen, aus der diese
Form genom m en, o d er, was m ir wahrscheinlicher ist,
einen sehr glücklichen Schreibfehler. Vergl. Müller zu
den Tzetz. a. a. O . und Jacobs p. 20«
216) Pausati. 1.42.2. Die W orte v o rh e r; {ZlBov y a f
Clavier} IVi Küdhffjdvev SyaXfxa *H λ « 7o v. M f μ yo v α Μ.
Clav.) ονομάζοΜνη οι νολ^.οι, haben bekanntlich verschie­
dene Emendationin veranlafst. Vaickrnaer bemerkt auf
dem Rande meines Exemplars mit Beifall die Lesart eines
Mscr« Ήλιον, welche L esart, meines BeclUnkens, Cla­
vier glücklich ergänzt durch : Ή λ / ο ν , J v Mijuvova. Also
ein Bild d e r S o n n e , das man gemeinhin ein Bild des
453
SU widersprechen, die gewisse in Jonicn vorhandene
Bildsäulen des Sesostris iur Memnonsbilder hielten. V or·
läufig bemerkt, wieder einer der vielen Beweise, wie sehr
es den Yulkem des Orients geläufig ist, alte Hdnige im
Liebte ihrer Gottheiten su erblichen. Denn ein Gott
war dieser Memnon den Aethiopiem wie den Aegyptiem,
und die Erklärung des Jabionski thut seiner Gotterwürde
keinen Eintrag. Dieser findet nämlich in dem Namen
Phamenopliis die Bedeutung: custos urbis, custos The·
barum, oder, wie er auch auf Inschriften hciAt, srpd-
W ä c h t e r und A u f s e h e r d e r Stadt des Amun
(T hebä). Diesemnach hiefse er also in Aegyptischer
Sprache und in Bezug auf die Stadt Theben gerade das,
was Apollo in Beziehung auf Athen heifst Beschir·
m e r der Stadt. Nachher neigte sich Jablonshi mehr zu

Memnon nennt. Scaliger sum Eusebius pag. 85. schlug


aber auch sehr treffend vor «bc*^*^**^*
817) Cicero de Nat. D . H l. 23. ApoHinum antiquissimus is
quem paullo ante ex Vulcano natum esse dixi, c u s t o *
d e m A t h e n a r u m ; wo png. 6 l4 unserer Ausgabe über
das W ort c u s t o s von G ö t t e r n Nachweisiing gegeben
ist. Hier nun die andere Frage: Sollte sich die Jablons-
kische Erklärung nicht auch durch eine alte Etymologie
besttttigen lassen ? Plato im Cratylus p. 39.5. p. 4o Heind.
fiudttt, bei Erklärung des Namens 'AyafU/xvojv, in der
zweiten Hälfte des W o rtes, Μ ί μ ν ω ν ^ den Begriff der
fir/fA6vi; und , des A u s h a r r e n s und der A u s ·
d a u e r. Das ist ja so recht die wesentlichste Eigenschaft
eines W ä c h t e r s und V o r s t r e i t e r s . Sonach hätten
wir also in M iT/ut v wv wieder eine Griechische Uebersetzung
von Ά/ χ ^ν ( υφι ς , und zwar keine ungetreue. E r ist der
auf h o b e r W arte A usdauernde und A u fse­
h e n d e ; wie sein Standbild auf die Stadt der Thebaiter
in sitzender Stellung herabsah und s ie , so zu sagen,
b e w a c h t e . Jen er Erklärung Jablonski*s geben auch
die Verfasser der Descript. de TEgypte a. a. O . Beifall*
4H

der andern Erlilärang hin, wonach ε^αγγεΧι σνι ^ς^


qu i bonum a nn u nc i at , V e r k ü n d i g e r des H e i ­
l e s , die Bedeutung jenes Aegyptischen Namens wäre
(Voce. Aegyptt. p. 29.), welcher Auslegung jedoch die
Französischen Gelehrten (in der Descr. de l'Eg* p. i 55 .)
weniger ihre Zustimmung geben wollen. In dem andern
Namen O s y m a n d y a s wollte derselbe Schriftsteller den
Begriff des S t i m m - oder L a u t g e b e n d e n (dantem
vocem) finden (Ebendas, p. 97.)· Wenn Phamenopbis
und Osymandyas ein und dasselbe Wesen sind, wie wir
denn dem Zeugnifs des Strabo wohl glauben müssen (und
wie auch Champollion thut 1. pag. 310 f. und pag. sSo·),
der auch das Memnonium auf der Westseite von Theben
ganz offenbar mit dem Osymandeum für ein und dasselbe
Denkmal nimmt (Zoega de obelisce, p. 4>β.) — so wird
es wohl in dem organischen Ganzen des Mythus dafür an
inneren Bestätigungen nicht fehlen.
Doch ehe wir die Mythen hören (und wir wollen
uns nur um die bedeutendsten bekümmern) 9 Λvird es
Zeit seyn, das Geschlechtsregister des Gottes oder des
Heros zu vernchmen. Und schon Hesiodus kennt fol­
gende sprechende Genealogie (Theogon. vs. 986.):

TithonnSv^Eos-Aurora^^Cephalus
nach Andern ) |
Ast raus I
Phaethon 2^*).
Memnon Emathion

218) Vergi. Apollodor. III* 12. 4. ibiq. Heyn* pag. 300 seq*
Wenn Tzttzes ad Lycophr. vs. 18. Hemera fOr
Aurora sag t, so ist dies eine geringe Abweichung der
Spraclie in d e m s e l b e n Begriffe ( Sturz, ad Hellanic·
Fragmm. p. 150.). Wenn Aeschylus beim Strabo XV. p.
105SC. p. l97Tz8ch. des Memnon M utter C i s s i a nennt,
so bezeichnete dies poetisch die S u s i a n e r (Cissier;, und
nach S u s a gehörtM em non (Jacobs a.a. O. p. 8·}· Vergl.
453
Menmon, so beginnen non die Mythen , zog mit einem
Heere von Aetliiopieo durch Aegypten ^ und drang bis
nach Susa vor. — ln der Nolh, worin sich llium befand,
rief ihn Priamus, sein Oheim (Tithonus war Laomedons
Sohn und mithin des Priamus-Podarces B ruder), zu
Hülfe· £r harn, und nach Hectors Tode ward e r der
Trojaner V o r f e c h t e r , erlegte den Anliloelms, mufste
aber endlich unter des gewaltigen Achilles Händen ster­
ben. £r ward bestattet an des Aesepus Ufern auf lUein-
asiens Nordhüstc, oder vielmehr zu Paphos auf dem
Eilande Cyprus, oder in Syrien, oder endlich: die Mut·
ter Aurora nahm ihn selbst auf vom Schlachtfclde, trug
ihn nach Susa zurück , und bestattete ihn dort im Ehrcn-
dcnkmal. Kein, sagten Andere, der Flufs Bclenus (Be­
laus , Βήλαιος) benetzt sein Grabmal i wieder Andere
wiesen es in EUbatana im Lande der Meder oder ander­
wärts nach. Kurz, ganz Asien hatte Memnonien oben
80 viele, wie Aelhiopien und Aegypten Gräber des Osi­
ris ; und auch ismandes-Memnon sollte in Aegypten be­
erdigt seyn 21^),
Und was geschah an seinem Leichcnhügel ? Gehen
wir von der einfachsten und doch zugleich sprechenden
Kachricht aus: Memnon kam nicht nach Troja, sondern
starb in Aethiopien, vfo die Macrobicr wohnen, war
seihst ein Langlcbcnder, denn er sah fünf Menschenalter

Herodot. VII. 151, wo er diese Stadt die M e m n o n i -


8 c h e S u s a nennt , und V. 53. 54 , wo er ausdrücklich
bem erk t, ddfs sie die Memnonische Stadt lieir^e. Man
vergleiche Schweighäuser daselbst, auch Larcher Tom .
VIII. p. 520. Reiinel the geogr· Syst, of Herodot. p. 20i
gq. und C, P. C. Hoeck veteris Mediae et Persiae monu­
menta p. SO sqq.
219} Jablonski de Memnone cap. IV. p. 22 sqq. Jacobs a.
a. O· p. 4 sqq·
456
M&hrend seines BegimenU, und dennoch hefrauern ihn
die Aethiopicr als den frillitodten, und \ixincn Tiber ihn,
als svy er eines urizeitigen Todes verblichen Da·
Mird Wühl der G u t e seyn, wie Osiris, den seine Volker
immer zu früh verlieren , weil er der Beschützer und
Erhalter der Seinigen ist. — ln der That geschieht um
seinen Lcrchnam dasselbe, was um Osiris Leichnam ge»
schab. Dessen Gebeine waren nach Bybios in PhSnicien
hinubergeschwommen, und Isis mufste sie suchen und
finden. Gleichcrmafsen mufs Hemera-Aurora des Mem·
non schöne Beste suchen Sie waren entwendet,
nach Paphos gebracht; woselbst, durch die Bcihulfe
der freundlichen Phönicier, Aurora endlich au den ge»
liebten Uebcrblcibseln ihres Heldensohnes gelangt, und
sie zu Palliochis beisetzen kann* W as die Götter in
Aegypten thaten, als die Kunde von Memnons Sterben
h«vm, haben wir oben gesehen. Sie thaten dasselbe, was
sie bei Osiris Ableben verrichteten* Die Kranze wur­
den an Domen aufgehangt, und sanken in den Sand
herab. Einen S a n d b e r g (τό ^ρος), hören wir
nun w eiter, wühlet der N il empor, noch wahrend Mem·
nons Lebzeiten ^ ). Trauer- und Fasttage feiern ihm
auch die Götter, wie dem Sarpedon. Beide fielen vor
Troja. Beide waren Juppiters Söhne. Darum ordnete
der Vater zu ihrem Angedenken ein Fasten an ^23^ —

220} Philostrati VH. Apollon. V I. 4. p. 232 sq. Olear.


221) Dictys Cretensis Lib. VI. 10. Jacobs (pag. 4.) hat mit
Recht dübei schon auf die Aehnlichkeit mit der Geschichte
von Osiris Leichnam aufmerksam gemacht.
222) Philostraü Heroica p. 699· p· lt4 Boisson,
223) Scholiast. Aristoph. Nubh. vs 612 . Man Qbersehe niclit,
was doch so oft übersehen worden , dafs hier Memnon
ausdrücklich Sohn des J u p p i t e r heilh· Wie haue er
45?

Nun liommen aber auch Vügel, und feiern dem Mcmnon


Leichenspicle, und spenden ihm Todtenopfcr. Sic kom­
men im Herbste von Cyi&iciis und Parium her nach IHum
hin in Schaaren. Sie geniefsen nicht thicrische Kost·
Dort in Troas liegt auch Memnon, der Aurora Sohn,
oder hat doch sein Cenotaph daselbst. Obwohl nicht
von Fleisch genährt, sind es doch Raubvögel. Sie hom·
men hampflustig, hämpfen dem Krieger zu Ehren, und
lassen nicht eher ab, als bis die Hall'te im Streite gefaU
len. Dann ziehet die Siegerschaar wieder dahin, woher
eie gekommen ^ ). Raubvögel muik man sie nennen,
ihrer Gestalt nach. Aber ihr Name ist derselbe, den
der Aegyptische W e i h e vogel trägt (ιέραξ); der Vogel,
der als Attribut der hohen Götter und des Osiris in Ae«
gyptens Denkmalen ständig und heilig ist. Sie verrich«
ten auch die Todtenweihe. Denn eine andere Sage nennt
sie schwarz. Es sind, sagt sie, die schwarzen Aethio-
pischen Gefährten des Memnon» die Begleiter auf seinen

auch sonst W ä c h t e r der grofsen Juppitersstadt In der


'ihebiiYs ( Diospolis magna) seyn können ? E r war ein
AusfliiO* von Z e u s- A inun, wie Sem - H erakles, wie Osi-
ria der Gute. — Hier merken wir auf folgende Aegypii-
sehe Genealogie; Z uerst: unenthüllte B'insternifs; dar­
aus S a n d und W a s s e r ; daraus der erste Camepliis
(Κάμιιφίς) * von ihm geht aus der zweite Camephis; von
diesem der dritte. Dieser dritte Camephis ist die S o n n e
oder der intcUigible Geist (Asclepiades und Heraiscus
ap. Daniascium de priiicipp. p. 26f»). Die Endung p h i
(p h is ) in P h am en o p h i wie in C a m e - p h i heifst c u ­
s t o d i r e , b e w a h r e n (Jabionski a. a. O. p. 28.). Uns
ist die Uebereinstimmung des Menmonischen Mythus
mit diesem Philosophem in den Elementen von S a n d ,
W a s s e r und S o n n e bemerkenswerth. Phthas - Vul-
c a n , Aegyptens W äch ter, ist auch Sohn des Nil (Cicero
de N . D . lU . gg.).
124) Aelian. Hist. Animal. V· i* p· l 40. ibiq. Schneider·
458
öligen.. Sie ziehen noch ^ heifst e s , alljahrig, schwarz-
gefiedert« za seinem Grabe hin, benetzen es zum Trank-
Opfer mit dem Wasser des nahen Flusses, klagen und
streiten um ihn Das sind Todtenfeste« Aber auch
Feste des Lebens kannten die Sagen von ihm. £s ge­
nüge an Einer: «Und es opfern ihm bei Merod und
Memphis die Aegyptier und Aethiopier zur Zeit, wann
die Sonne ihre ersten Strahlen sendet, wodurch das
Bild eine Stimme ertönen läfst, womit es seine V er­
ehrer begrüfset» d ^s ist eins der vielen Colossal-
bild er, die Jahrhunderte lang von Griechen, Römern
und Arabern besucht und verherrlicht worden ^ und
wovon noch beut zu Tage zwei die Aufmerksamkeit der
Reibenden auf sich ziehen — Tama und Chama nennt
sie anjezt das Volk. Sic stehen auf Thebens Westseite,
zwischen Kurnu und Medina-tahu, in einem Mimosen­
walde. Das nördlicher gelegene (Tama) giebt durch die
vielen Inschriften , wodurch die Fremdlinge ihre Anwe­
senheit und ihre Bewunderung bezeugen wollten, hin­
länglich zu erkennen, dafs es das wahre Bild des The-
baischen Memnon - Phamenophis sey ^ ).
Welches sind nun die Elemente dieses Mythus, und
worauf haben wir zu merken? L i c h t und F a r b C f

S2S) Paosan. X. 31. Quint. Smyrn. II. 652. Ovid. Metam·


XI £1. S98, und andere Stellen bei Jabionski pag· 27. und
Jacobs p. 24.
226) Fhilostrati Heroica p. 699· P* Boisson.
227} Tacitus Annal. II. 61· und daselbst die Ausleger·
228) Dcscript. de l*£g. Antiqq. II. chap. IX· sect.l. p.98sqq·
Die verschiedenen Streitfragen Ober den wahren Mem-
iionscolofs haben Jabionski, Jacobs und v. Veltheim an
den a. O. ausführlich erörtert· Von den Untersuchungen
des Französischen Gel ehrten vereine konnten sie damals
natürlich noch keinen Gebrauch machen·
459
T o n und G e s a n g » W a s s e r s t r u m e und Z e i t e n -
f i u f s , V o g e l s c h a u und G e f i e d e r , F r e u d e · und
L e i d e n s f e i e r und G r a b d e n k m a l e ) an der Flüsse
Ufer gebaut.
Also zuvorderst: L i c h t und F a r b e . Sollen wir
nochmals an die Lichtallcgorien von Cvpern und Cilicien
erinnern , die wir oben erörtert haben ? £s genüge za
bemerken, dafs auch C y p e r n den Leichnam des Mem­
non sich zugeeignet hatte. Also das Bekannte , was von
allgemeiner Art in der G e n e a l o g i e deutlich vorliegt,
übergehen wir jezt. Das Nähere wollen wir berühren.
Statt des Memnon Halbbruder Phaethon wird auch ein
anderer Name genannt: Aous (Αώος). £ r heifst auch
des Cephalus und der Aurora Sohn. Ao nannte
man aber auch den Adonis; und von einem Sohne der
Aurora war ein Gebirge das Aoische (^Αώΐον) genannt,
ans dem zwei Flüsse strömten; wovon der gegen M o r ­
g e n fliefsende wieder Aous (*Αώος) hiefs. £r gehörte
Cypern an. Aber die Cilicier wollten auch Aoer seyn,
und der älteste Name dieses Landes wurde als Aoa (Άώα)
angegeben ^9). Auch A o i s c h e Götter kennt der My­
thus ('Άωο»). Von des Isters Mündung sollten sie nach
Samothracens Hafen gebracht worden scyn 230), itp
erster Wohnsitz an Scythiens Gränzen war ein Eiland.
Es hatte von Achilles Laufen seinen Namen, weil dort
dieser Heros ganz allein Laufübungen hielt. Eigentlich

229) Etymolog, magn. p. 117. pag. 106 sq. Lips. Hesych. l.


p. 663 Alb. ibiq. Interprn
230) Hesych» ebendaselbst und Vol. I. p. 660. Tzetz« ad Ly-
cophr. V S . 192. p. 46 9 . ibiq. Meursius und MQller, und
Fhavorinus p. 3 4 4 . Einen Apollo ίφο; kannten die An­
wohner des Pontus. Orpheus sollte ihm einen Tempel
geweihet haben. Apollon* Rhod. II* 6S6. und daselbst
die Scholien·
46ο
aber hiefs es Λενηη^ das w e i f s e . Wenn nun die A l·
ten sagen und Jedermann w eift, daft alle jene Namen
auf die Aurora (Ήώς, Ά φ<) anspielen, auf Morgenseit
und Morgenland und das erste Erglänzen des Tagetge-
stirnt, so wird es wohl eben so zum Ganzen gehören,
dsPs alte M o r g e n g ö t t e r von der w e i f s e n Insel nach
Samothrace kommen müssen, als dafs Memnon die M o r .
g e n g ü t t i n zur Mutter, und, nach einer Sage, die
Leucippe, die Frau des weifsen Morgenrosses, zur Grofs·
mutter haben mufs. Und es ist daher ganz im Geiste
dieser Allegorie, wenn der Dichter einer Inschrift auf
das Memnonsbild (Nr· 111. pag. 79 Leich, pag. 45 Jacobs.)
singt: «Und als Titan mit w e i f s e n R o s s e n durch
den Aethcr treibend anfging, und als er zu der Horen
abendlichem Ziele gelangte, öffnete Memnon zugleich,
von den Strahlen getroffen, wiederum die helltönende
Stimme.» Wollen wir nun nicht darauf achten, dafs
die Alten ganz besonders auf die W e i f t e und die
S c h ö n h e i t des Memnon aufmerhsam machen? E r war
der schönste unter den Männern, die Ulysses vor Troja
gesehen, heifst es beim Homer; wozu dann die alten
Erklärer Notizen über die w e i f s e F a r b e seiner Haut
beibringen — Aber dagegen, wird man sagen, g:ebt
ihn Griechische Malerei den Aethiopiern gietoh, in Ne-
gerschWarze W ir antworten: Eben das beweiset,
dafs Symbol und Mythus vom Memnon auf der Scheide^
linie zwischen Nacht und Tageslicht schwebet. Aus den

231) Odyss. X I . 521. und Eustath. pag. l490 und 1ö97; auch
zum Dionys. Ferieg. 218. Ohne uns auf die beigebrach­
ten 2 um Theil unhaltbaren Gründe einzulassen (s. Jacobs
p. 14.), bemerken wir die emfachen W orte: Sid r3
υ γβ 8 v H a v S a t την wv

832) So sah ihn Philostratus in einem Bilde; s. Iconn. I. 7«


p· 773. vergU Jacobs p. 14.
46i

Pforten des IHorgens muft Hemnon nach dem Abend-


landc wandern t die Horgengötter am Gestade des
Isters und an Scyihieos Gränzen hertimziehen. £r muPs
untergehen im Westen , und es müssen die schwarzen
Gefährten als Vögel gleicher Farbe hoinmcn. Aber aus
dem Westlande trägt die sorgsame Mutter Aurora sei*
nen Leichnam zurück. Sie trägt ihn in die Lilienstadt
Susa ‘^ ) ; woher auch der Name Susa-Mithres, L i l i e n ·
s o n n e (Plutarch. Alcib. cap. 39.), kommt. Mithras
steht im Magiersystem von Susiana und Medien auch als
der herrliche und mannhaile Wächter und Streiter auf
der Schwelle zwischen L i c h t und B ' i n s t e r n i f s ·
Gleichermafsen glänzet der goldene Kreis des Memnon·
Ismandes nur am T age, nicht in der Nacht, und in der
Schattenzeit des Jahres kürzer, ais in der Sommerwen­
de ; und wenn der Frühstrahl der Sonne sein Sitzbild
trifft, alsdann tönen ihm die Morgenpsalmen der warten·
den Priester; gleichwie die Magier Persiens ihre nächt-
Kchen Horen mit dem Grufs an das wicderkchrende Licht
der Sonne beschliefsen.
Und hiermit befinden wir uns auf dem Gebiete des
T o n e s . Hätte Jabionski auf das Ganze der Allegorie
geachtet, so hätte er sich den Eifer ersparen können,
womit er diejenigen unter den Alten tadelt, die von
einem f r e u d i g e n Tone des Memnon beim Sonnenauf­
gänge und von einem t r a u r i g e n beim Untergange be­
richten — Im Gegentheil, wer auf das Wesentliche

£J3) ΤαΣουσα^ in der Bibel S c h u s c h a n , vom orientali­


schen Worte Soean , L ilie . Diese Blume wuchs hier
in grofser Fiille; Steph. Byz. p. 67S sq. Berkel. Athen.
X II. p. 5l4. p. 4Q9 Schweigh. Auch ward ihre Gegend
als vorzüglich schön gepriesen; cf. Hoeck. vet. Med. et
Fers. Momimm. p. 90.
£34) Jabionski de Memnone p. 80.
462

der Fabel vom w ei f s e n Memnon und von den s c h w a r ­


z e n Aethiopiern geachtet, der wurde in der That etwas
vermissen, wenn nicht gerade von Freuden- und Klage­
tonen Meldung geschähe. DieMcmnonischen Tone selber^
wer weifs es nicht, wie verschieden sie von den ßericht-
erstattern beschrieben wenien — von dem abgerissenen
Klange einer gesprungenen Citharsaite an bis zum articu-
lirten förmlichen Grufse W ir mcrhcn besonders auf
die Stelle des Philostratus , wo gemeldet wird, da f s
e r s e i n e A n b e t e r b e g r ü f s e t . Das wird wohl der
S i e b e n l a u t seyn, den Einer beim Lucian (Philops.
$. 33 . Tora. Λ^ΙΙ. p.286Bip.) dem Memnon beilegt, wenn
er versichert, Meranon habe ihm vorzugsweise in sieben
W orten oder Versen {ev ϊπεσι επτά) orakelt. Das wäre
die entsprechende Antwoi · auf die sieben Selbstlauter,
womit die Aegjptischen Priester die Götter zu verehren
pflegten Dieser Siebenlaut wird wohl vorzüglich
dem obersten unter den Planeten, dem Saturn, gegol­
ten haben. Ihm weiheten die Chaldäer und die Aegyp-
tier den siebenten Tag. Diesen Stem , von den Griechen
Κρόνος genannt, nannten sie Φαένων, weil er vorzüglich
glänzend war. So Johannes der Lydier (p. 25 .). Gice.'O
aber (de Nat. Dcor. II. 20.) weifs es besser, nämlich
dafs er auch bei den Griechen Φαίνων hiefs. Und auf
Griechischem Boden müssen wir hier stehen bleiben,
wenn gleich die Sache Aegyplisch und Chaldäisch ist.
Den Memnon als einen Sohn J u p p i t e r s kennen wir

235) Jacobs pag. 43. und daselbst die Inschrift iir. II. „U ns,
die vorher nur die Siiuime vernahinen, hat Menuion,
der Sohn der Eos und dt s Tiihonos, jezt als Bekannte
und Freunde b e g r ü f s t . “

236) Heroica p. 699· p· 114 ßoisson.

237) S. oben und daselbst Demetrius de Elocut. S. 71.


465

bereits aus Griechischem Bericht. Jezt gewinnen wir


folgende Genealogie:
Phaenon - Saturnus (Planet)

Phaethon-Juppiter (Planet) 238^

Memnon, Sohn der Aurora.

Also Lichtgottheiten und einen Lichtsohn auf Erden he*


grufseten die Priester Aegyptens in ihren Morgenpsal-
men. Letzterer ist eben Memnon. Mag nun sein Co-
lossalbild einen Pharao vorstellen aus der zwölften Dy­
nastie der Herrscher dieses Landes , oder einen der
grofsen Decane oder Genien selber; so heifst er auch
Ismandes; und , soJ Ite auch dieser Na me es nicht sagen,
so heifst doch das B i l d urhundlich d e r r e d e n d e
Stein'^®), undder, denesvorstellt, w ird d e rS ch irm ­
v o g t d e r T h e b ä e r genannt 2^^). Er sitzet auf hoher
W a rte, und wachet über Stadt und Land, wie sein Va­
ter Juppiter auf des Himmels W arte stehet und wachet.
Feuer ist das Element Beider, und Feuer heifst in alter

238) der Planet Juppiter; Cic. de Nat. Deor. II. 20.


pag. 285 unserer Ausg. und daselbst die Anmerkk. Aber
Φα«£αν heiHsi auch die Sonne (s. nur Athen. VII. p. 199
Schweigb.), und in der ganzen Reihe dieser Genealogien
müssen wir iinmer die S o n n e iin Gedacbinifs behalten,
zumal beim M emnon, dem Sohne der Aurora. Die
Orphiker besonders hatten die Sonne als Phaethon be­
zeichnet; s. z. B. Fragm. Orph. VH. vs. 19.
239) Unter dem Namen Sesokris beim Manelho; vcrgl. Cham«
poliioii TEgypte sous les Pharaons 1. p. 251.

240) A/Sc; tfjL^wvc; , lapis loquens, lapis vocalis, bei Griechen


und Römern; Jabloubki de Memn. p, 1U6 sq.
241) Έφ5ιΓγχατο Μήκνα'ν 9 v jß a ituv ^o/txα χ oς , in einer In­
schrift bei Pococke, vergl. Jabionski p. 38«
464
Sprache der Pytiiagoreer J n p p i t e r e W a c h e —
Also Licht und Ton tritt in den Religionen Aegyptens
auf folgende W eise hervor: Die Planetengottcr irer«
den von den Priestern in Hymnen besungen, deren An*
Ordnung auf die sidcrischen Verhältnisse sich beziehe^
und der Sohn der Aurora, der Lichlgeist Memnon , i%trd
hei Sonnenaufgang mit Psalmen begrilfst, die er grus·
send erwiedert· Also G r n f s u n d G e g e n g r u f s ,
S o n n e n ^ e i e r u n d L i c h t d i e n s t , da s i s i r d w o h l
h i e r d i e I d e e Me mn o n s e l b e r seyn· Die Horen
ertönen in der Fruhstunde. Die Stimme der Sänger haU
let wieder im Felsenthale sie kehret zurück von
Heronons Sitzbilde, vor dem sie singen; d. i. der wache
Genius antwortet· £r ist nichts anders als F r uh w a c h e
und der H o r e n c y c l u s selber·
Aber sollten diesem Liebtdienst und Liehtgescblecht
nicht noch andere Ideen zum Grunde liegen ? ΛΤιγ
müssen es glauben· Memnon, der Lichlsohn, der Himm­
lische, ist, wie wir oben sahen, auch der B e h a r r l i ­
che· £s wandeln die Planeten, und wws von ihnen re­
gieret wird, wandelt auch, und unter ihnen auf £rd?it
ist nichts unwandelbar· Die Wandelsterne regieren auf
Erden, und alles Menschliche ist ihnen unterworfen·
Davon gab in AegyptischenTempeln das r o l l e n d e R a d
die Andeutung· «£s soll uns lehren, wie d e r G o t t

942) A<ö; Arislotel. de Coelo II· 13· Stob· £clogg·


I. p. 4i2. 468. und a« a. O· Chalcidius in Platonis Tim·
p. I l 4 : „quem Ci^nein Pythagorei) J o v i s c u s t o d e m
appellant.**
241) Aber, wie gesagt, dafs Locaipbgnomcne die Sage vom
tönenden Memnon gerade dort fixirt haben mögen, wol·
len wir damit nicht verneint haben ; so wie wir auch die
jährliche Wiederkehr gewisser Zugvögel zu dem sinn­
lichen Bestand des Mythus rechnen·
46S
unter Getcbicit wende und bebre, »o tollen wir et in
Zafriedenheit annehmen » Dietet itt der Kroitlauf
der Dinge abwfirtt« Aufwartt hat unt Plato die alten
Aegyptitcben und Pythagoreischen Bilder, beides vom
Kreislauf und vom Slätigen, aofbehaltcn. Es ist die
Lichtsäule des Himmels mit den acht Kreisen oder Sphä·
re n , verschiedener f'arhen· Dort drehet sich die Spin^
del (ärfuxTOi) des Himmels mit ihren Wirteln (σφατ·
9 νλοίς)^ Dort haben die Parzen ihren Sitz, und Y er·
gangenes, Gegenwärtiges und Zuhiinftiges ist in grofse
Personificotionen nicdergelegt. Aber auch die Tone der
Sphären haben ihren körperlichen Bestand in Personen
gewonnen. Es sind die himmlischen S i r e n e n . Auf
jeder der acht Sphären stehet eine derselben, und indem
die Kreise sich drehen, giebt sie einen Ton von sich.
Die acht Tone bilden zusammen eine einsigc Harmo­
nie Der unwandelbare ist Zeus, der grofse W elt-
ukonom (ό ηολιτιχύς)^ der gepriesene und besungene
(0 vfivovμένος). Von ihm aus geht Hermes, der mach*
tigen Rede und Fügung Künstler ( 6 9 k τιει^υνς ίημίονρ’^
γός έσην 6 Έ^μξς)^ Von Zeus geht ferner aus der Poet
Apollon. Dieser einiget der Sirenen Gesang cu eiuem
einzigen Tone (xirre dk τής 'Ltt^f^vaq äfJeir μίαν ipaviv
iiiaag iva τόνον 24'.), Geschlecht der urani-
sehen Sirenen, welches unter Juppiters Regiment steht

f44) Plutarchus in Noma XiV. 4. p. 3t4 Teopold·: Έί μή vi)


Α ίαrei; Λή^νττιοις r^c^ei; u h i r r t r a i r t καί 'hthafry.kt χαξΛ κλν^σ φ *
ί μτταβολητον o^pffAato;, «ς ovS«v^; ίσ τ ώ τ ο ς τά·ν avS^^wxtvwVp
4λλ* βτβις dv κ α ί dviAfn^ τ&ν ß iev ο d yar^ v καί
iiyaaBat ιτ^ο^κον. Auch Clemens Alexandrinus Strom. V.
ρ· ihS. kennt dieses Symbol, und man hatte eigene Schrif­
ten darüber.
t4i) Flato de Repttbl. X. 13. p. 6t7. p. 508 ed. ßekker.
846) Proclus in Platonis Rempubl« p. 367.
I. 5o
466
( οτςάν^ον Xeif ι{ΐ’β>ν γένοζ 6nif ίστιν rry τον Δώς
ßaciXdap ^7), und das zauberisch Alles unter die Herr-
schafr desselben fügt (ebendas.).
Dieser Juppiter als Regent der Himmelsfeste irird
auch wohl auf Erden einen Sohn haben. Das wird Mem·
tton seyn, der grofse Prytane von Theben. E r , der
Sohn des Feueralhcrs, wird den Feuerheerd , dos Pryta­
neum^ auf Erdeii bewachen; und bei allem Wechsel
von Licht und Finsternifs wird e r , in sofern Juppiter
in ihm ist, der F'este und der Beharrliche bleiben. In
urantscher <j^ualität wird er auf den E i n l a u t der himm­
lischen Sirenen hören, d. i. auf die personificirte Har­
monie der Sphären ^ ). Auf Erden sendet er d o p p e l t e
T o n e aus als Ausdruck von Licht und von Finsternifs*
Da roufs er auch selber in die Schatten des Grabes hin-
absteigen, und schwanse Memnonische T Sgel, Raub­
vogel I dem Räuber des Schönsten , dem T ode, geweiht,
feiern ihm Leichenspiele, und giefsen auf seinem Hügel
das Trankopfer aus — fährlich, so wie die Priester zu
Philä und zu Akauthos Wasser oder Milch auf dem Grabe
des Osiris ausgiefsen ans Krügen, von der Zahl der Tage
des Mondenjahres.
Auf Erden wird sein Name auch zum T r a u e r l i e d
werden. Hier wird er zum Linus oder zum Maneros
der Aegyptier. Von diesem meldet die Sage, gerade
wie sie von Memnon meldet: E r, der Uonigssohn, starb

247) Proclus mscr, in Platonis Cratylum.


848) DarOber sehe man in der Kürze die Stellen zum Cicero
de N. Ü. III* 11. p. 53i unserer Ausg. An diese himm­
lischen Sirenen erinnern uns die Sculpturen der Deacript«
de TEgypte, von den Monumenten der ThebaYs genom­
men; wo aus der Höhe herab grofse Vögel mit heiligen
Attributen auf den ausgestreckien Leichnam des GoUes
sich henuederlassen.
467
in der Bluthe seiner Jalire, und ihm singen, τοη ihm
benennen die Aegypt'er das erste und einzige Lied, den
Maneros
Hier also haben ulr ordentlich einen Memnon-Ho-
r us . Denn Horus ist die schone Sonne, die Sonne auf
d^m Gipfel de& Jahres Kreises — aber eben deswegen die
schnell hinabsinkende Sonne« — Aber er hat doch fünf
Menschenalter gesehen, und kdnme abo in so w'eit dem
uralten Tithonus, seinem andern V ater, verglichen wer­
den ? Die einfache Antwort darauf ist diese: Der Saame
der Zeiten ist unzerstörbar, die Lichtquelle ist uner­
schöpflich ; aber das Gewächs blühet und w elk et, und
Monden und Jahre wechseln in Licht und Finsternifs«
Ihrer Quelle nach sind diese Sonnensohne unvergäng­
lich; in ihren Erscheinungen sind sie dem Wechsel un­
terworfen. Daher sind auch die an sich ewigen S t r o m e
ihr natürliches Bild. Am Flusse Belenos oder Beläus
(Βι^λοαος), d. i. am Flusse des Bel oder der Sonne, mufs
auch Memnon begraben seyn und Memnons Bruder­
strom, Aous, der nach Morgen fliefst^^), gehört den

£49) Solche Lieder hört man auch in Cypern , in PhÖnicien


und aiiderwans; nerodot. II. ;9. Dafö im Mythus vom
Meninon das Andonkon an orientalische Trane rfe»<te Hegt,
hat scliun Jacob» sehr gnt auseinandergeseizt. Deswe­
gen bin ich darüber kürzer. Derselbe macht mit Recht
auch auf die Bedeutung der Genealogie aufmerksam, wo­
nach Linus ein Sohn der Urania war, $. p. 19 sqq. So­
nach war der 1 rauerdienst auch Assyrisch , s. Herodof.
1. 105, Ao- Gitigras oder Adonis der Syrer und Phöni-
cier, von der Trauerflöte benannt, wird unsern Lesern
von selbst eben so wohl einfallen, als Cinyras die Cilhar
bei Trauerfesten·
250} Die Nach W eisungen über diesen S y risc h e n Flufs s« bei
Jacobs p. 4.
£51} S. oben und daselbst Etymol. magn. und Hesych.
468
Morgen - und Lichtgouheilen an. Wischnu in einer
•einer Wandelungen heifst Hriscltna. So wird auch ein
rinft» Indiens genannt Sie wechseln und veriliefsen
wie die Zeit. Aber ihre Quelle bleibet; und Anna, die
im Flusse Numicius lie g t, und an deren Feste die Itali­
schen 1 ölher die Jahre nach Bechern »ählen» auch
P e r e n n a , die Ewige, W ir voUeii nicht vorgreifen,
sondern im Verfolg bemerhrn, dafssiCy dieFlufsiiymphe,
eben das alt-Italische Mondeiijahr selber sey.

So regiert auch Meronon lang und hure. Nilus , an


dessen Ufer sein Colossus rubet 9 bat w ährend des Heros
lieben Zeit gehabt, einen Sandberg anzuschwemmen,
und an den Sandbergen nach Libyscher Seite hin ist ihm
das Memnonium errichtet, wie zci Abydus , auf dem an­
dern Ufer tiefer herab, seine Burg gebaut ist. Auch
Ekbatana in Medien hatte sein Memnonium; und in der­
selben Stadt zeigte man Cyrus Burg, ein Wunder der
W e lt, als ein W erk von Memnons Händen, So ist er
auch in den Katalog der Künstler aufgenommen. Und
wenn die Hieroglyphe an den Wanden der Gebäude be-
lilirend zur Nachwelt spricht, so werden wir wohl zum
voraus vermuthen, dafs auch e r , wie Hermes, als Er­
finder der Schrifl in der Sage geht ^ ). Da wird er wie­
der zum redenden Steine in einem andern Sinne, ln
dieser Schrift leben die Ihiere des Himmels fort, und

252) Dubols In dem ßnsler Magazin der neuesten Missions-


berichre ΙΠ. 2. p. 157.
253) S. Ικί tittblonski p. 50 sqq. die Beweise. So hatte auch
ein König von 1 h t bä , O s y m r. n d y a s , eine BQcher-
sammliingaageltgr, welche die Ueberechrift hatte: A r z ­
neien der Seele ιατ^ιΓύν); s. Diod. Sic«
1* 49. Und noch jezt hat man in dem Locale dieser Bt'^
bliotbek viele Papyrusrollen gefunden.
469
Ekbatana, die Mederstndt, mit der Kdnigsbiirg in der
Mitte, stellt mit ihren etebcn Maucritreisen und mit den
Zinnen darauf, von sicdien verschiedenen Farben
die Sphären des Himmoli dar, die die Sonnenburg iim>
Bchlicfsen. So ^ie Viswaskarma, der himmlische Bau­
meister zu Tscheringam in der Stadt der schonen Glie­
der , >Vischnu’s Tempel mit der heiligen Siebenzahl von
Mauern umgiebt (Paolino's Reisen p. 32 .).
So auch bauet der Aethiopische Sohn Aurorens den
Medern planetarische Städte. Mitbras^^), der Meder
oder Perser, regiert in der Sonnenstadt Aegyptens (z u
On · Heliopolis), und wird dort von einem Traume erin­
nert , Obelisken zu bauen , so zu sagen Sonnenstrahlen
in Stein , und Buchstaben darauf einzugrahen, die man
die Aegyptischen nennt. Ja schöpferisch träumen die
Lichtgeister* Ihr Träumen ist des Lichtes Sclbstent-
äufserung. I>as entaufserte liiclit miifs sich im Steine
verdichten. Aus Memnons Gütterträumen hat sich glän­
zendes Gold ausgeschieden — so nie die Thränen der
Halbschwestern (der Hcliadcn) über Phaclhons Tod zum
goldgelben Elektrum gerinnen. Aber auch ohne Traum­
deutung werden wir schon aus dom Uebrjgen nun wohl
verstehen, wie Memnon als Osjmandyas auch des g o l -

254) Herodotus I. 98. Hiermit miini, gelegentlich bemerkt,


Eustathius zur Odyssee A. 53. pag. 19 Basil. verglichen
werden, der aus einer allen Quelle eine ähnliche, aber
nicht gliicbe Beschreibung eines v.ielfarbigen Bauwerks
macht. Aristoteles (der so genanu'e) de mundo cap. 6.
p. 2l6ed. Kapp, kt imt zu Ekbatana auch Pylone
womit recht eigentlich die Aegyptischen PropyleeuilOgel
bezeichnet werden.
255) Plinius H. N. XXXVI. l4. p. 735 Hirdiiin., wo die L es­
art zwischen Mestres und Mitres wechselt. Die folgende
Beschreibung der Obelisken ist aus ders«flbeii Stelle ge­
nommen*
470

d e n e n J a h r e s l t r e i s e e Urheber heifst. Auch unter


den Bildern von der S e e l c n w a n d e r u n g ^vird M e m ­
no n seine Stelle gehabt haben. AU Osymandyas hatte
er den goldenen Zodiacallircii gegeben· A^dgel brach­
ten Tranhopfer auf seinem Grabe. Er selbst aber ist,
nach rühmlich geendigter irdischer Laufbahn, als der
U n w a n d e l b a r e und B e h a l t s a m e bezeichnet. Nun
wissen wir aber aus Hermes Büchern (s· oben S. 422 ff.),
dafs die Vorstufe der in den Menscbenleib zurüebheh-
renden Seele der Körper der Vögel ist — und dafs etc
ihre höchste Herrlichbeit in den wandellosen Sternen
erreicht, in der Sonne oder auch im Sirius*
In seinem Namen ist fürs Auge der goldene Kreis des
Jahres gegeben, fürs Ohr der Jahreseyefus der Psalmen,
der Siehenlaut des Sabbaths, der UorgengroU des Tages,
die Vesper des Abends, der tönende Einblang der Sphä­
ren. Er ist das verbürperte Wahrzeichen des ewigen
Lichtes; sein Sitzbild ist ein Sonnenzeiger. Sein Grab
giebt Jabreszählung und heilsame Lehre ^ dem Yolbe
der Pharaonen.
Demnach reihet sich Pbamenopliis-Memnon an die
Incamationen der Sonne an , und in Osiris, Horus, Her­
cules, Mithras ^ und in den Uebrigen treten nur andere

256) Die Bezirke der Gräber sind noch heut zu Tage in In­
dien Opferorte und Schulen· Magazin der neuesten Mis­
sionsberichte III· 2. p. 2o7.
257) Dem Milhrasist Memnon ungemein ähnlich; ja er ist
vielleicht Mithras selber. Einige Winke mögen vorlänfig
znm weiteren Nachdenken hier den Beschlufs machen.
Die Ausführung mufs einem andern Orte Vorbehalten
bleiben. Favorinus beim Sfephanns von Byz. v. Λΐ^ίοψ p.
60 Berkel, kennt Mithras als Gesetzgeber und Religions-
Stifter der Aethiopier. Phlegyas wird ihm dort zugesellt.
bey es nun, dafs dieser Name ein Epitheton von Mithras,
oder dafs er Bezeichnung einer besonderen Person ist
4?»
Ideen mehr hervor. Von dem Letzten ΛviΓd bei der Re­
ligion der Perser ein Melireres gemeldet werden.

in jedem Palle erinnert er an Völker unter der brennen­


den Sonne; wovon auch die Pabel vom Phaethon eine
mythische Ausdeutuns: giebt (Ovid. Metam. L 7J0. 11. l
sqq. Nonni Dionysiaca XXXV^III. 160 sqq.)· Mit Ei­
nem W orte: Mithras und Phlegyas sind materiell diesel*
ben Correlate, wie Memnon und Aeihiopicr. Es sind
eben die W c i fs e n und S c h w a r z e n g«*-gen einander
gestellt, w:e in den Thebaiiischen Bildwerken der De-
script. de TEgypte — und selbst die weifscn und schwar­
zen Magier mögui in diesen Bildern gegen einander ste··
heil. In der Folge werden wir zeigen, dafs Mithras
P e r s e s hiefs; womit dieselbe F3egriifsreilie in andern
Mythen gegeben ist. Dafs Mithras scheinbar in dem
hellen epischen Mythus der Giiechtn verschwindet, bat
keinen andern G runa, als weil Perseus alle seine Herr­
lichkeit an sich gerissen, d. h. weil Mithras nur in den
Eigenschaften des Perseus frUherhin den Griechen be­
kannt war. Die Argolische Lichtfeier gieht davon Kunde
(worUbi r im Verfolg) ; und so ward auch in Aegyptens
Gfäijzen Perseus Name gehört: zu Chemmis, wo sie
ihm gymnische Spiele feierten ( s. oben) ^ zu Naucratis,
in deren Nuhe P e r s e u s W a r t e ( i Π*νσί(υ$ <ntcxif·
Strabo XVII. p. 53S Tzsch.). ^ Das war nichts anders
. n l s J u p p i t e r s F e u e r w a c h e auf Erden (s. vorher),
und nichts anders als M e m n o n s S i t z , welchen der
Liebesblick der Mutter Aurora erleuchtet. Und wenn die
Römer noch späterhin zum S o l i n v i c t u s beteten, so
hatten sie nur die ursprüngliche Idee wieder erneuert. Es
ist die Idee vom unversiegbaren , ewigen Lichtqiicll, wtlh-
rend die fleischlichen Lichtsöhne wechseln, und sterben.
Aegypten hatte diese Ideen sowohl unter Mithras als unter
Phamenophis Namen aufgenommen. ln diesen war
Chaldkisch - Persische und Aethtopisch - Aegypiische
Lichtlehre vermittelt. Darnni habe ich au Mitres als
Erbauer von Aegyptischen Obelisken erinnert.
4?2
Bei den vielfachen Personificationen des Tones, die
im Memnon gegeben sind, mürste es auffallen » wenn
jener nicht auch in Verbindung mit den M u s e n träte·
Ich will hier nicht an das Entrerntere erinnern, was
ohnehin in andern Capiteln seinen Platz finden m ofa;
näher liegende Spuren will ich hürzlich verfolgen. —
Wem fallt also bei den sieben Mcninonischen W orten
oder Versen nicht die siebensaitige Hermeslcier ein, die
nach den sieben Plejaden benannt war (wovon ein
Mehreree im Capitel von den Musen) ? Die Plejas aber
war in Pythagoreischer Sprache als der Musen Leier
bezeichnet (Porphyrius de vit. Pythag. pag. 4 ^ Küster·)·
Ferner Osiris erscheint beim Diodorus (I. i 8 . p. so W es­
sel.) von den neun Mosen umgeben. Doch die Sieben-
zahl führt uns näher zum Ziele· Epicharmus hennt
sieben Musen, mehrenthcils nach Wassern benannt,
und darunter eine Ni Io (NisiXoi) und eine Tritoe (Τ(»«τώιχ
Eudocia p. 294» vergl. unsere Note zu Cie. de N. D· IIL
21. pag. 59c.). Derselbe hennt auch eine Asopo (Άσαι-
sroCr), das is t: eine Tochter des Dootischen Flufsgottes
oder Flusses (Pausan. IX. 4 ·) Asopus. Hiermit können
wir anjezt den so oft verkannten Natalis Comes recht-
fertigen. E r sagt (lib. VII. cap. i 5 . pa^. 779.): Andere
haben die Musen für Tochter des Memnon und der Thes­
pia ausgegeben· Das soll nun gar nichts gelten, meint
Lilius Gyraldus: von der S t a d t Thespiae hiefsen die
Husen Thespiades, nicht aber von einer Mutter oder
Amme Thespia (Syntagm. de Musis pag. 5 6 i F·). Bier
lobe ich mir die Vorsicht eines neueren Alterthumsfor­
schers , der hei Anfuhrung der Thespia, als der Musen
Mutter, keine Entscheidung wagt (Petersen de Musarum
ap. Graecc. origine etc. in Munters Miscell. Havnienti.
1. p. 1 11.)· W ir können entscheiden : Thespia galt nach
einer Sage für eine Tochter des Asopus, und sie sollte
der gleichnamigen Stadt den Namen gegeben haben
4?δ
(Pauean. IX. 26. 5 . ρ. yo Fac.). — Mithin ist Αβορο nur
der patronymische Name jener Muse, wobei sie, wie sich
von seihst versteht, noch einen eigenen hatte, Thespia
^ ). Nun werden wir mehr aufmerhen, wenn
derselbe Natalis (VlIL 16. p. 8 ι>5 .) aus dem Posidippus
den Mythus dahin vervollständigt, dafs Apollo dieser
Thespia drei Gaben verleihet: dafs sie einer Stadt den
Namen gebe, dafs sie als Jungfrau am Himmel stehe,
dafs sie weissagen hdnne. Hier treten also die wesent*
liehen Ideen der Musen hervor: dafs sie Quellnymphen
sind, dafs sie als Sterne WmA und W etter aiidcuten,
und dafs ihre Zahl sich in verschiedenen Combinationen
auf die Sternbilder bezieht. Es ist auch organisch ganz
richtig, wenn nun Me m n o n auch als Gedochtnifs, und
Thespia als Weissagung oder göttliche Begeisterung ge­
nommen worden war (s.Natalisa. den a.O.). Doch, wie ge­
sagt, das Alles mufs sich erst in folgenden Erörterungen
erweisen. Jezt bleiben wir auf Acgyptischem Grund und
Boden stehen : Der Licht- oder Morgenflufs (Aous) ist
schon in die Memnonische Sage hereingetreten. Da wir
nun auch unter eichen Musen eine N i l m u s e haben, so
werden wir uns wohl nicht wundern, wenn Memnon,
der Liebtgott, dessen Bild am Nilus ruht, auch der Mu­
sen Vater wird, durch die Tochter eines Flusses, wel­
cher Apollo hohe Gaben, Miisengahen, verleihet. Er­
innern wir uns nun, dafs der Nil als Abbild des Himmels
genommen war (siche oben Seite 255 . ) , so werden wir
seine sicbea Mündungen wohl auch mit dem Siehenlaute
der heiligen Musik sowohl, als mit den sieben Planeten,
zvsammenstellen. Der Flufs I n o p u s auf der Apol­
linischen Insel, auf Delos, sollte ja aus dem Nil ent-

2SS) Mu s e oder M u t t e r der Muse ist hier Eins, wie


Jeder an der Miieme (Muse) und Mnemosyne (Mutter
der Musen) sieht; um nicht Mehreres au sagen·
474
Springer· Letzterer war licin anderer als der Euphrat*
Dieser verlor sich in einem S ee , und Icam über Aethio>
pien wieder als Nilus zum Vorschein (Pausan* II. 5 .
pag. 196 Fac.). — Was sagt diese Tradition anders, als
Mas folgende Genealogie erkennen giebt, wovon ich
nur einige Glieder beifüge: A p i s zeugte den Thelxion,
T l i e l x i o n den Aegyrus, dieser den Thurimachus, die­
ser endlich den L e u c i p p u s (ibid. p. 197.)? Also dea
Apis-Osiris Sehn ist ein zauberischer Sänger, und des­
sen Urenkel ein L i c h t r i t t e r , ein Reuter auf demSon^
nenrofs. Lauter bildliche Erinnerungen aus den orien­
talischen Lichtreligionen, die längs der Flusse auch in
das dunkele Europa gekommen; und E u r o p u s steht
selbst an der Spitze dieser Geschlechtstafel (a. a. O.)·
An den Wassern singen die ürmosen, die Nymphen*
Die am Euphrat und Nilus und am Tritonssee sangen
und weissagten früher, als die am Cephissus und llissus*
Als aher Achelous im Glauben der Hellenen der Flufa
der Flüsse geworden w a r , da mufste die Nymphe und
Muse des Nil dcrNyniphe und Muse Acheloia als S c h w e -
s t e r an die Seite treten (s. oben). Jezt wurden am
O rte, von der Flussestochter Thespia benannt, am Heli­
kon in Büotien, Musetispiele (M oeofta) mben dem
Dienste des Eros eingerichtet (Pausan. IX. 3 i. 3 . p.96.).
Das war der himmlische 4 inor. Das war ein JMusenchor,
der die Seelen aufwärts leitet ( ά ν α γ ώ γ ι ο ν ) , und der als
Licht (<^<ac) bcgi'üfset wird (s. Prodi Hymn. in Muses).
·— Musen waren es leichten Körpers {ηονφου αώρατοζ).
die das Materielle von sich abgetban haben, u^d von
irdischer Kost nicht leben ( Hermes in Poemandro apud
Fulgentium Mythol. p. 6/;3 ed· Staver* in Mythograph.).
Solcher Musen Λ^ater konnte wohl Memnon seyn, der
beim Frühstrahle grüfst nnd begrüfst wird , von dessen
Grabe Vögel iliegen, dessen Leben im Tone fortdauert,
ln diesen Chor gehören die himmlischen Sirenen; gegen
475

diese haben die Musen hcinen G roll, so venig als gegen


die besseren Jyngen, die die Gesetze der Gerechtigkeit
verkündigen (s. unten), und die den Juppiter selbst sur
Liebe der lo-lsis beuegen (Schol. Find, ^cm· IV. 56 ·)·

$. 19.

Vom Thierdienste.

Die Erde spiegelt den Himmel ab. Sie giebt den


AViderschein in Metallen, Steinen, Edelsteinen, Pflan­
zen und Thieren. Sie antwortet der Sphärenhermonie
durch die Chore und Musik der Tempel. Vorzüglich
aber sehen wir das Heer des Himmels, den Kreis der
himmlischen Thiere, am deutlichsten reflectirt im uni­
versellen und im provincieilen Thierkreise des ganzen
Aegyptischen Landes und aller einzelnen Momen. Mäm«
lieh Aegypten ist nicht nur das Land der Sonne , wo,
wie auf der Insel Erithya in der Odyssee, die Sonnen­
rinderfriedlichweiden; nein, es ist ein grofsesPantheon,
und jeder Nomus, jeder Gau, antwortet den Revieren
des Himmels. Das Ganze ist ein Haus heiliger Thiere,
und hat im Himmelsgewölbe seine Decke. Daher läuft
auch der ganze Thierkreis des Himmels auf der Aegyp-
tischen Erde fort. Es ist eine grofse, heilige Heerde,
unter den Schutz dos Hiintnels gestellt. Von Thebä oder
GrofS'Diospolis an bis nach Canobus, an dieNilmundung
hin, ist ein hieratisch-animalisches Leben. Jedes Revier
des Himmels hat wieder sein Thier und sein Haus für
die Thiere. Jeder Gau hat sein heiliges Thier und seinen
Tempel, worin es die Pflege der Menschen empfängt·

259) Hierzu würde die Erklärung von F ö r s t e r ( Brief an


Michaelis pag. 8.) sehr gut sich schicken: A e g y p t u s
kttme von Ae go· p h t h a s h , d o m u s m u n d a n a Vul ­
c a n i , d e s P h t h a s W e l t h a u e , her.
476

Sie stellen ja auch alle Phänomene des Himmels in sich


dar , diese Thiere; sie sind ja auch die natürlichen Gno­
mone der wechselnden Zeiten, die Boten der natürli­
chen Veränderungen — die Brunst des Widders in'Früh­
ling, das Gebrüll des Löwen bei hetf&er Sonnenglut,
das ängstliche Treiben und Laufen der Gazelle nach
der Regenzeit, und der spürende Hund, dieser Namen-
trager des hellsten Sternes. Soll einmal Naturreligion
seyn, soll ein jedes natürliche Hing seine ΛVürdigung
und seinen Platz in dem Cultus finden, wohin sich in so
vielen Ländern der alten W elt der Vollissinn neiget —
so müssen wir die grofse, ja grofsartige Consequens
bewundern, womit Aegyptens PriesterschaiV diese na­
türlichen Regungen des Volkes ergrifTen und behan­
delt hat.
Dieses suchten wir mit \Venigem deutlich zu machen.
Jezt müssen wir aber auch das Einzelne dieses Thier­
dienstes kürzlich überblicken, und in die muthmafslichen
Gründe des Instituts, wie seiner priestcriichen Bedeu­
tung , eingchen ; wobei uns freilich dann der Volks­
wahn, auch in seinen äufsersten Verirrungen, begegnen
wird. Das ganze Land ist den Thieren aufgethan und
gew'cihcl. Λ"οη Syene's Felsenpforten bis nach der W üste
bin am Gestade des Meeres Thierdienst nach den Nomen.
Oben in der l^ichtstadt des Ammon, zu Thcbä' oder Grofs-
Diospolis, war der W i d d e r verehrt; weiterhin in der
Thebais zu Chemmis (Achmin) , in Mittelägypten zu Her-
mopolis, und an einer der Nilmündungen, zu Mendes,
waren die Z i e g e n und besondere die Z i e g e n b ü c h e
heilig. Die Hüter behandelten diese l'hicre mit heiliger
Scheu; und wenn eines derselben starb, war J'rauer im
ganzen Mendcstschcn Nomus. Gott, Stadt und Thier
hatten auch den Namen mit einander gemein, oder we­
nigstens hiefs das auserwählte Individuum, das den Gott
(Pan) leibhaftig repräsentirte, M e n d e s und
477
daher auch die Stadt seiner Verehrung ( s. Herodot. II.
46· Nonnus oder Msitimus zu Gregor. Naz. hist. II. 27.)«
Das W ort selbst, vermuthet Jablonshi (Voce. pag. i 38
PantK II. cap. 7.), hat die Bedeutung f o e c u n d u s , so
dafs der Grundbegriff dieses Wesens wäre: f o e c u n -
d i t a s p r o l i f i c a n a t u r a e et p r a e s e r t i m s o l i s ,
di e b e f r u c h t e n d e , z e u g e n d e K r a f t der Natur
u n d i n s b e s o n d e r e d e r S o n n e . Den Bochsdienst
der Mendesier berührt auch Pajne Knight Inquiry on
eyinbol. lang. 33 . pag. 24. Mit dein Ziegengesicht und
mit Bochsfufsen ward auch der Gott von den Aegyptiern
abgebildet. W ie fanatisch der Dienst dieses Meiidesi«
ach:>*n Bochsgottes war, beweisen die fast unglaublichen,
aber durch die bündigsten Zeugnisse beglaubigten Nach·
richten, dafs sich sogar die Fl auen jenes Cantons den
Düchen preisgegeben haben. Das lesen wir schon in
einem Fragment des Pindarus (ap. Strah. XVII. p. 555 ·
Pindari Fragmm. pag. 122 Heyn.). Auch iin Herodotus
zeigen sich Spuren dieser Verirrung der religiösen
l'hantasie; und bestimmt wird dieser häfsliche Fanatis­
mus von den Frauen der Bochsstadt Thmuis im Delta
berichtet. Der Buch kommt noch auf Kaisermünzen der

Ä60) Tlmiuis soll auf Aej^ypilscli einen B o c k bedeuten. So


will Hieronymus adv. Jovii). lib. i[. cap.6. wissen, woer,
aur>er dieserStadr, dieSiSdte Leonio, Cyno, I.yco, Busiris
als solche aiiffQlirt, die von Tliieren benamil worden.
Aber librr Busiris haben wir oben, nach bisserrn alten
Schriftstellern, eine andere Erklärung gegeben, wun­
dert mich daher j daf? Lorcher zum H»*rodot. Tom. VI ίΐ.
ρ· 5(iS. dem Kirchenvater ohne Bcdenktn folgt. Lacroze
c rklärte den Ortsnamen : S t a d t d e s Lö we n . Jabions-
ki (Voce. p. 89. ί^Ο.) giebt jedoch mehr auf des Hierony­
mus Auctorrtat, welche Chainpollion ( TEg. s. I. Ph. H.
1 1 9 .) wieder .11 entkiSf'en sucht, indem er vielmehr in
dem Worte den BegiifT I n s e l ünden will.
478
Mendesier v o r ; s. Zoega numi Aogyptt. imperati, p. 1 17·
a i 5 · — Zu Cynopolis wurden die H u n d e , zu Lycopolis
die W o l f e , vielieiclit auch die S c h a k a l s , zu Buba­
stis die K a t z e n verehrt, zu Tachoinpso die C r o c o ­
d i l e , welche dort C h a m p s a e hiefsen. Man wird von
selbst erwarten, dafs der Thierdienst nicht beim difent-
liehen Cultus stehen blieb, sondern auch in das Privat­
leben eintrat· So hatte z. B. jedes Aegyptische Haus,
auch das kleinste, seinen heiligen V ogel, nährte diesen
und verwandte auf ihn alle mdgliche Sorgfalt und Pftege«
W as aber im Leben Hausgenosse war, das mufste auch
im Tode der Familie folgen und mit ihr bcigeselzt wer­
den. Daher werden auch die Thiere im Tode goneihet,
mumisirt und in den grofsen Todtenstädten und Tempeln
beigesetzt· Es sind dies aber, nach dem Berichte He­
rodote und anderer neuerer Schriftsteller, die I b i s ,
der F a l k e ( S p e r b e r ) und andere V o g e l u n t e r

S6l) Die hierher ^ehörij^en Stellen des Herodotus sind II. 69.
coli. 4 l. 42. 65. 67. 69. 72. (wo über den FiKch l e p i d o -
tus Schwvighaiisers Nach Weisungen zu vergleichen sind,
Annouit. Vol. I. pag. sq.) 74. 148, wo er überhaupt
vom Thierdienste der Aegypiier spricht; vergl. unsere
Commeiitatt. Herodou. I. p. 161 sqq. Lieber die in ver­
schiedenen Theilen Aegyptens getundenen Thiennuinien
sind die Angaben Z o e g a * s d e obelisce, pag. 28;sqq.,
t Si l ves t r e de Sacy zu Abdallaiif Relation de TEgypte
p. 277 sqq. und B l u m e n b a c h s Beiträge zur Natur-^
geschichte II. p. 86 und l 40. nachzulesen· Ueber die in
den Hypogeen zu Theba gefundenen Thicrmiimien haben
Ro u y e r in der Descript. de TEg. Livr. X. p. 2i9 seq.
und besonders J o m a r d ebendaselbst Vol. I. Livr. II·
Sect. X. §. 8. pag. 847 seqq. genaue Nachrichten ge­
liefert.
262) Unter den VCgeln führt auch Herodotus eine Art von
Aegyptischen Ent en ( » Vulpanser, Anas ta-
dorna Linn.) als heilig auf (II. 72.)· Ueber dieses VV’^as-
479
den vierfUrsigen Thieren; die K a t z e n , H u n d e , Ich«
n e u m o n s , B a r e n , W o l f e ; ferner C r o c o d i l e ,
N i l p f e r d e , A a l e und dergl·; verschiedene S c h l a n ­
g e n. Sie werden in den verschiedenen Nomen ver­
e h r t ^ ) , und nach ihrem Tode feierlich elnhalsamirt und
in den heiligen Gräbern niedergelegt. So findet man noch
jent in der Wüste Saccara bei Memphis eine Menge sol­
cher inumisii*ter Thierlicirper, besonders von heiligen
Vögeln; nicht minder in den Grüften bei Thebä. Dort
fanden die ffranzösischen Gelehrten die Ibis, den Sper­
b e r, Falhen und andere Raubvögel ; ferner Ochsen,
Hunde, Schakals^), Widder, Katzen und andere, auch

sertliier, das auch sugtneh Hausthicr war, vergl. man


Aristoteles M. Λ. VIII. 5, 8. und da/ii Schneider p. 601.
Nach Herodotus könnte man tust schlirn»en, dafs diese
Emenart dem Nilus heilig war, oder es liegt in der ange­
führten Stelle gar keine Angabe des Gruiuirs ihrer Hei­
ligkeit. Horapollo 1. 53. giebt einen bestimmten Grund
an. Dieser Vogel, sagt e r, zeichne sich durch aufseror-
demliche Zärtlichkeit gegen seine Jungen «ins , so clafs er
sogar den Tod für sie nicht scheue, wenn Gefahr drohe.
Daher verehren ihn die Aegyptier, fährt er fort; und
wenn sie bieroglyphisch einen S o h n bezeichnen wollen,
so malen sie diesen Vogel. Diesen Satz hat neulich Bai-
Icy auf eine Hieroglyphe des Plaminischen Obeliitken an-
ziiwenden versucht. S. the classicul Journal Vol. XVI.
p. 320.
263) Ueber die Verehrung der verschiedenen Thiere nach
ilfii verschiedenen Nomen 8· Diodor. 1. 34. SiruboXVlI.
p. 5b2 sqq. Tzsch.
264} Die übrr welche ich in einer Note zu P. I. ξ. il.
der Comiiicntatt. Herodott., am Ende , das Nöihige be­
merkt habe, wo überhaupt Uber das Mumisiren derXhie-
rc einiges Nähere angegeben ist. Ueber die Mumien von
Vögeln vcrgl. man Laiiggtith Progr. de mumiis avium in
Lab)hn:hü prope Saccaram rcpeiiis, Vitemberg. 1801.
48ο
Crocodile mid Schlangen^ ehibaleamirt, und sswar auf
dieselbe Art und mit derselben Behandlung, die
menschlichen Körper. Ja sogar denselben Unterschied
in der Art der Beisetr.nng tretfen wir hier an , dafs näm­
lich einige Thiere, die fiir Torsuglich heilig gehalten
wurden, auf kostbarere Weise« als andere« die man fü r
minder heilig achtete« bestattet wurden. So sind die
Ibis und der Falke am kostbarsten unter allen beigesetzt·
Von grofsen Thteren worden auch öfters nur einzelne
T heile« denen man dann einen Kopf aufsetzte, einbal-
samirt; wiewohl zu Lycopolis ganze Schakalsmumien
entdeckt worden sind. Kleinere Thiermumicii, wie z. B.
von Ydgein« findet ihan auch in Buchsen oder Geiafsen
von Stein oder Thon« und zwar von bläulicher Farbe^
aufbewahrt·
Von dieser Seile zeigt sich also ein p r o v i n z i e l ­
l e r Naturdienst in dem Medium der 'Ihiere« im E i n ·
z ei nen. Jeder Gau « jede Provinz hatte das ihre« und
das ganze Land stellte das G a n z e dar« verehrte die
Natur u.^d den Himmel im G a n z e n . Es gab nämlich
auch Thiere« die dem G a n z e n heilig waren « gleichsam
göttlichere Thiere für alle Nonien Zu diesen all­
gemein verehrten Thiercn gehurte das ganze S t i e r -
nnd K u h g e s c h l e c h t « der Hund« die Ka t z e « die
Ibis« der F a l k e und dev K ä f e r . Aber aufserdem wa­
ren e i n z e l n e I n d i v i d u e n « als R e p r ä s e n t a n t e n
ganzer Thiergeschlechter« geheiligt« auf die« wie man
glaubte« eine besondere göttliche Kraft sich hcrabge-
lassen habe« und die ans vielen ihres Gleichen wegen
gewisser äufserlicfaen Zeichen ausgewählt und hoch ver­
ehrt wurden· Es sind dies die drei heiligen Stiere,
M n e v i s , O n u p h i s und Api s · Von den beiden er-

äö5) S. Strabo XVII. p. 8J2« p· 583 sqq. Tisch.


/|8i
«tereti wissen wir weniger; und besonders über ihr Ver«
baltnifs «um Apis ist noch Vieles dunkel. Mnevis
(Μνβνίς) wurde zu On oder Heliopolis verehrt ^ ) ;
daher auch Jablonski (Voce. pag. 146. 184.) den Namen
«rhlart: der L i c h t - und S o n n e n s t i e r ^ der Stier
von der Sonnenstadt» der den Sonnengott reprasentiren
sollte. £r mufste schwäre seyn, und borstige Haare
haben; und seine Yerehrnng soll selbst älter seyn, als
die des Apis f jedoch fortdauernd zu Heliopolis, wo er
seinen Site hatte; dann O n u p h i s der
schwarze und widerhaarige, struppige Stier (Aelian. H·
A . X ll. 11.), vielleicht ein Bild des rückgängigen Lau­
fes der Planeten. Sein Aegyptischer Name soll den
g u t e n G o t t , den g u t e n G e i s t , bedeuten. Nach Ma­
crobius (Sat. I. 21.) hrefs er auch P a c i s , oder, wie
einige Handschriften haben, B a c i s , worin vielleicht
bedeutende Spuren liegen des Einflusses Aegyptischer
Yorstellungen auf die Baccbische Religion der Griechen,
■ umai wenn die Erklärung: der g u t e G o t t (wie ja
Bacchus auch vorzugsweise hiefs), richtig wäre, und
wenn auch der Name Hermonthis, in welcher Stadt der
Stier Onuphis seine Wohnung hatte, wirklich im Ae-

d66) $. Strabo 1.1. ρ.803. p. J46 Tssch. Diodor« Sicul. [. 21.


ibiq. Wessel, p. 25. und Pliitarch. de Isid. et Ostr. p. 564.
p. ^ 2 Wyuenb. Wenn Plinius U. N. XXXVI. 8. p. 755
Hanl, eine B u r g d e s M n e v i s (Mnevidisregia) kennt,
SD wollten Einige dafür M e m n o n i s lesen; wonach man
an die Stadt Abydus zu denken hatte <e. oben). Andere
dachten an den S t i e r M n e v i s selbst. ZoCga de obelL
p. il. will ihn dagegen mit K ö n i g M e n e s , dem älte­
sten der Thebaiter, für identisch halten. W ir lassen
diese Vermuthung, so wie andere, die Te Water zum
Jabionski (Voce· Aegyptt. p. l45 sqq«) anfuhrt, auf sich
beruhen.
T. 3i
483
gyptisclien die Stadt der Granatäpfel bezeicTinete
Endlici) der dritte Stier, Ap i e (*Άπις , von einer
Kuh geboren, die man durch einen Lichtstrahl vom Him­
mel befruchtet glaubte. Er mafste von schwarzer Farbe
seyn , mit einem weifsen Dreieck auf der Stirne und
einem halbmondförmigen Fleck auf der rechten Seite,
nebst einer Art von W ulst, dem käfermdrmigen Knoten,
unter der Zunge. W ar er gefunden, so wurde er mit
Procession eingeholt, und erst vier Monate lang in einem
nach Osten hin offen stehenden Gebäude gefüttert. Als­
dann wurde ein Freudenfest ausgeschrieben, das mit dem
Neu/.ionde begann* Nun erst wurde der Stier nach He­
liopolis gebracht, und vierzig Tage lang im Tempel von
den Priestern gefuttert. Endlich wurde er nach Mem­
phis gebracht in den Tempel des Phthah, und dort durch
prächtige O pfer, Bauchwerh u. s. w. verehrt. Starb er,
oder war die Zeit da, wo er sterben mufste ( d. i. war
die lunisolarische Apisperiode, wovon oben , zu Ende),

267) So Rossi Etyniol. p. 345. Jabionski Voce. p. 69, und


Panth. Aegypt. I. p. 99, Vergl. dagegen Jomard ia der
DescripU de i*Cg. Anciqq. Tom. Γ. cap. 8. p. 133 , wo­
durch jene Etymologie wieder mehr zweifelhaft gemacht
wird. Uebrigens glauben die Französischen Gelehrten,
da Herinoiithis nahe bei ThebS lag, in den Reliefs von
Aiedina-tabu, wo man einen Stier sieht, dessen Kopf
eine Scheibe tragt, und an dessen Halse Bänder hangen,
den O n u p h i s zu erkennen; s. ibid* Vol. II· Aiittqq.
p· 49 . Den M n e Vi 8 und O n u p h i s will auch Visconti
(ziim Mus. Pio >Clement. Vol. VII. p. 28.) auf einer Ae-
gyptischen A ra, so wie auf einer andern den A p is (1·!·
p. 29.) sehen.
268) S. Alberti ad Hesych. s. v. Vaickenaer und Wesseling
ad Herodot. Ilf. 28, welche Stelle, nebst Diodor. I. 21·
und Strabo XVII. pag. 80·)· pag. .546 Tzscli., Hauptstelle
ist. Vergl. auch 2U3Cga de obelisce, pag. 283 aeqq. und
unsere Commenit. Herodott. 1. p. 129 sqq.
483
60 herrschte durch gans Aegypten Trauer eo lange, bU
ein neuer Apis wieder gefunden war; den gestorbenen
aber begruben die Priester im Tempel des Serapis oder
heimlich Es war aber der Apis ein lebendiges Sym­
bol des Osiris, und zwar in allen sich einander durch­
dringenden Vorstellungen von ihm, als Sonne, als Mil^
als Princip der Befruchtung, und zugleich, wegen des
Zusammenhanges dieser Dinge, der Isis, als des Mondes,
als der befruchteten E rde, als irdischer Natur.

$. 20.
Gehen wir nun auf den Grund und die Anlässe die­
ses l'liierdienstes zurück, so mag der erste Ursprung
wohl im Fetiscliismus zu suchen seyn, der noch jezt im
inneren Afrika allgemein herrschend ist. W ir erinnern
nur au Bosman, welcher in Guinea heilige Scblangen-
gcschlechter und einzelne Schlangcnindividuen, als Be-
präsentanten ganzer Sclilangengattungen, verehrt fand
(s. desselben Reise nach Guinea 1708. S. 447 ·)· Auch ist
et gewifs nicht zu leugnen, dafs denAegyptier die Wahr-

S69) Sulmasius in den Kxercift. Plin. p. 312 eq. wollte auf die
Untiefen im Nil bei Syeiie raihen, wohin eine Priester«
legende die Nilquellen vensetzie (Flerodot. II. 28.)· Diese
Idee hat Wille rspruch gefunden. Abergewift wäre sie sehr
organisch iin Geiste des Systems, wonach Apis Stellver­
treter oder vielmehr immer wicdeikchrender Leib des
Osiris ist. Letzterer, in der Qualität des Nil (des J ä h ­
re s fl 11 ss e s ) , würde hiernach, nach Ablauf eines
Zeitencyclus (durch Mond und Sonne bestimmt), im
A p i s w i e d e r in s e i n e Q u e l l e s u r U c k v e r -
s e n k t . — Dafs der Nil auch Symbol des Jahres war,
darOher wttre viel zu fc>tfgen. Hier nur dies: Man fand in
dein Worte Ν«Σλο$ die Zahl der 36Δ Tage; s. Eustatb. ad
Dionys. Perteget, vs. 222« und Grammat. August, bei
Hermann de emendand. rat. Grammat. gr. p. 351.
484
nehmung der N ü t z l i c h k e i t und S c h S d l i c h h e i t
gewisser Thiere zu deren Verehrung und Würdigung
geführt habe; indem er die ihm schädlichen Thiere und
ihren schädlichen Einflufs durch magische Suhnmittel
ab wenden zu müssen glaubte· Aber andrerseits führte
ihn auch die Nutzbarkeit, ja Unentbehrlichkeit mancher
Thiere zu dankbarer Anerkennung derselben. W aren
in Aegypten nicht die Ibis und die Uatze, so konnten
sich dessen Bewohner des Gewürms, Ungeziefers 9 der
Mäuse u. s, w. bei dem abnehmenden Nil nicht erwehren·
Wegen der Unentbehrlichkeit für Ackerbau und agrari­
sche Cultur wird auch die Kuh und der Stier unter den
Schutz der Priester gestellt^ und von dem Volke als hei­
lig verehrt. Dafür spricht auch Diodorus, der dieses
ausdrücklich bemerkt, sprichtferner auch die Analogie in
dem alten Attica. Dort hatte ein alter Landesheros
γης (der O c h s e n s p a n n e r ) , welcher Attica cultivirt
hatte, und von dem die dankbare Nachwelt viel zu rüh­
men wufstc, die Satzung gegeben: wer einen Stier tüdtet^
der soll sterben. Daher auch in Athen das Fest der Bon-
φόνια^ gleichsam ein Sühnfest für das Schlachten des
Stieres, das als ein Frevel betrachtet wurde ^ ). Denn
damit Ackerbau komme und erhalten werde» mufs das
dazu unentbehrliche Thier unter gewisse heilige Gesetze
gestellt werden. Hauptsächlich aber mufs man bei die­
sem lliierdienst eine Hauptwurzel, woraus er erwach­
sen scyn mag, nicht verkennen. Diese ist der f r o mme
S i n n einer kindlichen Vorwelt· Der naive, die Natur
betrachtende Mensch findet in den Thieren so viel Re-
gelmärstges, so viel Normales und Bestimmtes in ihrem
Thun; er erkennt und verehrt andächtig in diesen £r-

270) S. Sckol. ad Arisfophan. Nubb. va. !>β1. — im vierten


Bande dieses Werkes wird davon ausführlicher gehandelt»
485
tcheinungen das Gesets der Natur Cultivirt sich
non eine solche Ansicht, so hann sie sich eu einer Art
von Philosophen! steigern. I3ie Priester honnten z. B.
(nach einigen in den Indischen Religionen deutlicher be-
merhbaren Spuren zo schliePsen) in den Thieren sogar
das Höhere und Allgemeine erblichen, und die Idee da»
hei gedacht haben v o n dem b e w u f s t l o s e n S e y n
i n d e r N a t u r ^ und wie die Natur, nachdem sie sich
durch alle niederen Stufen der Korperwelt, im Organis­
mus des Thieres, besonders des Säugethieres, bis an
die Gränze des Menschlichen hinaufgesteigert hat, in
der Bewufstlosigheit des Thieres die E i n i g u n g mit dem
Universum (den Gegensatz gegen die E n t z w e i u n g
mit der Natur durch die F r e i h e i t ) und folglich die
S c h u l d l o s i g h c i t hund thut*
Dazu kommt endlich noch die a s t r o n o m i s c h »
kalendarische Bedeutung der Thiere im Zodiacus. So
war vom S t e r n b i l d e de s S t i e r e s , einem der zwölf
Zeichen des Thierhreises und einem der zwölf Aegypti«
sehen Monate, welcher auf Aegyptisch Epiphi, auf
Ebräisch Abib und auf Griechisch Epaphus hiefs, der
S t i e r A p i s das lebendige hieroglyphische Symbol

271) „ E r s i e h t i n d e r T h i e r f o r m d e n s e l t s a m e n
1 8i s s c h l e i e r e i n e r Gottheit«** Vergl. Fr« R i e h «
t e r in der Levana II. S. 2p7.
272) Es heifHt aber Apis, wie Herodotus (II* 15d. vergl. 111.
29.) versichert, auf G r i e c h i s c h , welches g ig a s,
der R i e s e , bedeuten soll, nach Jabloiiski Voce. Ae«
gypU. p. 2i. Panth. Aegypt. V* cap.2. $. 22. Nach 2^Sga
aber, nuiui Aegyptt. p. 9 t, der Va t e r * S t i e r ; nach
de Rossi, Etymol. Aegypt. p. 15, der H a u p t s t i e r . —
W ir erinnern hier zugleich an ein Relief im Tempel zu
Herroonthis in der Sacristei, nach der Descript. de l'Eg.
Aiitiqq. 1« cap« 8. p. 10 sqq. und dazu pl. P6. fig. 2 , wo
man rechu den Stier, links den Scoipion (beide Figuren
486

A uf gleiche Art war der B o c h (Sfeinboclt^ capriconmt)


Zeichen des M e n d e s (Pan). Mchreres hierüber findet
man bei de S c h m i d t Opuscula (Carolernhae 1784·)
p· I sqq. de Zodiaci nostri origine Aegyptiaca.
Wenn wir vorher von physischen Phänomenen an
gewissen Thieren^ als Anlässen «tir Verehrung derselben,
sprachen, so kann uns hier7«u die I b i s einen Beleg lie­
fern. Dieser V ogel, I bi s T a n t a l u s Linn.,
N u m e n i u s Cuverii, der Aegyptische S c h l a n g e n *
r e i h e r , von weifser Farbe , welcher das Ungeziefer
des Nil vertilgte, und, wie schon oben bemerkt, beson­
ders heilig gehalten wurde, war ein Bild d e r N i l ­
f l u t h. Daher sieht man unter den Scnlpturen an dem
grofsen südlichen Tempel des Juppiter Ammon zu Karnak
einige Ibis vor einem Neumonde ( sieb. Horapolio 1. 4.),

herrschen im ganzen Bilde vor) sieht. Zwischen ihnen


fährt ein Mann in einem Kahne, das Gesicht dem Stier
zugewendet, und eine Hand erhebend, die andere sen­
kend; vor und hinter ihm zwei Widder in entgegengesetz­
ter Richtung gehend; ferner ein Falke mit einem Wid­
derkopfe und ein Käfer gedoppelt mit ausgebreiteten
Falkenflügeln; endlich eine kleine Figur in einem Kahne
f;?iircnd. Das Ganze unigiebt auf drei Seiten die Figur
einer ausgedehnten und in sich selbst ziirUckgcbeugten
Frau. Diese ganze Vorstellung erklären Joniard ( l . c.
p. 10.) und Fourier (in seinem Memoire siir Its inonn-
mens astronomques) dir eine Bezeichnung der zwei
A e q u i n o c t i e n , im S t i e r und ini S c o r p i o n . Diese
Erklärung wird dort p. 11, weiter ausgeführt, und daraus
gefolgert, dafs in der Epoche des Tempels zu Hermon-
this die FrUhiingsgleiche im Stier, die Herbstgleiche im
Scorpion , die Sonimerwende itn Löwen war , und mithin
die Wintersonnenwende im λVassermann.
273) S. Herodot. II. 7i seq. Strabo XVII. pag. 923. pag. 631
Tzsch. und Savigny Annales du Musde de Thisloire na­
turelle T . IV. p. 116.
48?
Terniothlich dem des Sommersolstitiams, der för die
Nilüberschweromung besonders Epoche machte· S. De-
scription de fEgypte (Thebes) VoL 11. p. 261· nnd daeu
pl. 5a. Die Ibis erschien, ^enn man das Steigen des
^i\ an seinen Maafsen wahrnahm; ihr Erscheinen hatte,
^vie das des N il, seine gemessene Zeit« Es hatte aber
H e r m e s zuerst die Nilraadfee wabrgenommen und
in Tbierschrift bezeichnet, wozu er natürlich die Ibis
wählte. Darum hatte Hermes, der Mcfshünstler, den
Ibisbopf, und darum ist Ibis das älteste Bild aller Be­
ziehung, der erste Buchstabe dcsHieroglyphenalphabets.
So sehen wir es noch auf Münzen des Hadrian von der
Stadt Hermopolis, bei Zoega Numi Aegyptt. Imperati.
Tab. XXI. und dazu dessen Bemerkungen p. laS. Auch
auf Gemmen, z. B. auf einer Stoscbischen II. nr. 39.
deutsche Ausgabe; s. Bottigers Andeutungen S. 17«
Insbesondere aber hiefs bei den Alten d e r F a l b e
(faico, von den Franzosen epervier, der S p e r b e r ,
genannt) der h e i l i g e V o g e l , ίί^ α ξ . W er ihn oder
eine Ibis tüdtetc, auch unvorsätzlich, ward mit dem Tode
bestraft; s. Herodot. II. b5. Sein Aegyptischer Name
war , d. i. die S e e l e (nach Horapollo I. 7. mit
den Erläuterungen von Jablonshi, Voce. Aegyptt. p. 4 ?·
Pantb. p. i58.)· Man hatte verschiedene Sagen von der
ISatur dieses Thieres; bei Aclian. Hist. Animal. X. 14.
Porphyr, do Ahst. IV . 9. p. 836 ed. Rhocr. und Strabo
XVII. pag. 818. pag. 607 Tzsch., der auch bemerkt, der
Falke (α^αξ), der zu Philä verehrt werde, und den man
den Aethiopischeii nenne, habe keine Aehnlichkeit mit
dem von Aegypten und andern Ländern. Jener
sey grofser und auch anders gefiedert. Man lese auch
die Bemerkungen von Cuper im Harpocrates pag. 73. —
Er war daher ein Tempelihier; und wirklich fanden d:e
Französischen Gelehrten zu Philä beim grofsen Tempel
Behälter aus Einem Steine (Monolithen), welche zu Be­
488
haltnissen oder Käfigen von heiligen Sperbern gedient
haben; s. Descript. de T£g. Antiqq, Vol. 1. p. 3 «» £ r
*wurde das Symbol des we i b l i c h e n N a t u r p r i n c i p S f
weil diese Thierart kein Männliches unter sich habe^^);
auch Symbol des J a h r e s , weil man an seinen physi­
schen Aeufserungen die verschiedenen Jahresperioden
wahrzunehmen glaubte. Aber auch, wie sein Name sagtf
Symbol der S e e l e n war der Sperber $ ja öfters hat er
die ganz allgemeine Bedeutung des G ö t t l i c h e n und
H e i l i g e n . Daher ward er auch dem Osiris faeigelegt,
der mit dem Sperberhopfe auf unzähligen Aegyptischen
Reliefs erscheint, ja seihst auf Aegyplisch-Griechischen
Gemmen, z. B. auf der Stoschischen nr. 5 . S. Schlich·
tegrolls Auswahl vorzüglicher Gemmen der Stoschischen
Saniml. I. S. 33 * Daher man ihn über den Eingängen
der Tempel findet, und auch sonst, z. B. sein goldenes
Bild an dem Halsbande der Dresdner männlichen Mumie«
mit ausgebreiteten Flügeln. Sieh. Becher Augusteum I.
S. 17. 18. Vergl. auch Winchelmanne Gesch. der K. f·
S. 86. mit den Anmerhh. der neuesten Ausg« Zoega de
obcliscc. p. i 83 . 439. 444 · Bottiger Ideen zur Archäol.
der Malerei L S. 69 (F. Eben darnm findet man auch
den Sperber sehr häufig auf Aegyptischen und Aegypti-
sirenden Denkmalen, z.B« auf einerGemme, die Winchel-
mann für sehr alt erklärt (Dactyl. Stosch. II. 45 · nr.a 4·),
und auf unzähligen Sculpturen, die jezt das grofseFran·
zosische W erk liefert Unter andern treffen wir ihn

274) Nach Andern galt dies vom Geier (γιΐψ); s· Ammian·


Marceltin» XVIf. 4. 11. und daselbst die Ausleger p. 25S
seq. Vol. Π. ed. Wagner und Erfurdt vergl. florapnllo
Lib. 1. cap. 11. Bei manchen Indianern ist der Geier
noch heut zu Tage heilig; sieh. Magazin fttr die neueste
Geschichte der evangel. MissionsgeselUchaften III· 2.
p. 204 f.
489
in den Reliefs von Medina*tabu an , neben dem trium·
pbirenden König stehend, oder auch über demselben,
wo er dann Zeichen des S i e g e s (der sich aufschwin­
genden Seele im Siege) ist. S. Horapolio I· 6. und Oe·
acript. de TEg. AnHqq. li. (Thebes) p. kl·
Ihm entspricht das höchste aller Acgyptischen Sym­
bole, der HXf er (κάι^α(»ος), als das Bild des m ö n n ·
liehen Princips. Man hatte von ihm, nach der
Hauptstelle des Porphyrius de Ahstin. IV. 9· p. 3s7· und
Horapollo 1. 10·^ ^ , folgende Sage: Seine Erseugung
geschieht, ohne weibliches Zuthun, in einer von dem
Ochsenmiste gebildeten K ugel, die acht und swanaig
Tage unter der Erde verborgen w ird, und nachher die
Jungen hervorhringt. Jene Zahl von Tagen ward ein
Bild des M o n d w e c h s e l s , und das alle sechs Monate
abwechselnde Leben unter der Erde und auf der Erde,
das man an diesem 'Fhiere bemerhte, ward ein Bild der
S o n n e ^^). Daher der Käfer auf den meisten Denhma·
len Aegyptens, von den ältesten Obelisken an, an den
Thuren der alten Tempel, bis auf die späteste Bildnerei
herab. A^ergl. Zoega de obelisce. ρ· 5^7· und an vielen
andern Stellen. Auch Lancret (über die Insel Philä, in
der Desenpt. de IΈg· Vol. I. p. 33 .) hat bemerkt, dafs
auf den Acgyptischen Reliefs unter allen Insekten der
Bäfer am häufigsten vorhommt. W ir wollen daher hier

S75) Ueber den Käfer bei den Aegyptiem sehe man auch
noch B e c k m a n n ad Aristotcl. de mirabil. auscultt. p.
268. 328. und S c h n e i d e r ad Aristotcl. Htsc. Animal. V.
17. p. 353.
276) Der Käfer ist auch Hauptsymbol der W e i h e (Einwei­
hung ) und E r i n n e r u n g an G o t t , d e n W e l t «
S c h ö p f e r . Man lese hin Ober die Bemerkungen von
P a I i n , Fragment sur J*dtude des Hieroglyphes 11. pag.
9 aeq.
490
einige der inerlt würdigsten nacli dem Französischen W e r­
be, nebst den Bemerkungen und Erklärungen der Fran­
zösischen Gelehrten und unsern eigenen, den Lesern
mitrheilen.
So erscheint der Käfer als Symbol der Z e u g u n g
und L e b e n s q u e l l e in der Descript. de TEg· Aritiqq·
Vol. II. pag. 4 i 3. ( C o s t a z sur Ics tombeaux des Bois)·
Unter den Malereien in den Kunigsgräbern von Theba
kommen nämlich mehrmals Figuren vor, die den männ­
lichen Act desZeugens ganz sinnlich darstellen, mit ver­
schiedenen aus dem Saamen her vergehenden kleinen
meiisclilichen ciguren; daneben Kugeln, Sterne (s· vor­
her p. 4 i 3.). — (p. 4 i 3 .) Eine unter diesen A^orstcllun-
gen (pl. 86. iig. i.) scheint einen bestimmteren Sinn als
die übrigen zu geben. Das Bild ist aus drei Sconen zu ­
sammengesetzt , die nur durch einige bieroglyphische
Zeichen von einander abvveichcn. Die Hauptiigor ist
ein Mann, von den Hüften an gebogen und rückwärts
gelehnt; sein Zeugungsorgan sprütztSaamen aus, woraus
ein kleiner Mann eiitsichi. Die Linie, welche den ΡΊule
des Saamens bezeichnet, ist durch eine Reihe rother
Kügelchen bezeichnet. Aehnliche rotlie Kügelchen gehen
aus den Füfscii eines Käfers (scarabaeus) hervor, und
iliefseii über in den Mund der grofsen (zeugenden) männ­
lichen Figur. Mithin wird angedeutet, d a f s d e r k l e i n e
M e n s c h s e i n e n U r s p r u n g in dem K ä f e r hat.
Folglich ei*scheint hier d e r K ä f e r a l s di e e r s t e
Q u e l l e der E x i s t e n z , d i e der E m b r y o e m ­
p f ä n g t , und di e g r o f s e F i g u r i s t n u r das v e r ­
m i t t e l n d e W e r k z e u g , wo du r ch der E m b r y o
z u m D a s e y n gel angt «
Uebci den K äfer, der so oft bei Grabesscenen und
Todtenanslaiten in den Ilypogecn vorkommt, und über
seine muihinafsliche Bedeutung: F o r t d a u e r d e r
S u b s t a n z der S e e l e bei d e r W a n d l u n g d e r
491
L e i b e r , hat sich Jomard auf eine sehr scharfsinnige
W eise erklärt in der Descript. de TEg. 11. Antiqq. pag.
377 seqq. vergl, pl. 85 . lig. 11. So Itomnil der Käfer,
seine Kugel rollend, auch auf den MumienUasten häufig
vo r, worin man auch ein Symbol der P a l i n g e n e s i e
finden will; sieh. Jomard Descript. de TEg. 1. sur les
hypogees de Thebes sect. X. $. 6. p. 35 a. und dar.u die
Abbildongen Vol. I*'· Aiitiqq. pl. 5 q. fig. a. 3 . Jedoch
mufs gewifs auch hier der Käfer in seiner Hauptbedeu­
tung gelten, als Bild der S o n n e und des S o n n e n ­
l a u f e s . — W ar der Käfer, wie wir wissen, das Sym­
bol einmal eines Sonnen - und Moiidcyclus von acht und
zwanzig Tagen , sodann der halbjährig wechselnden hel­
len und dtinkelen Zeit, so hängt damit nun zusammen
die Vorstellung von der S o n n e als derjenigen, die im
Thierkreise die Bahn den S e e l en vorzeichnct.
Eben so bedeutsam kommt der Käfer auf der grofsen
hieroglyphischen Papyrusrolle in dergleichen Scenen vor.
Unter andern erscheinen (a«a.O. pl. 70· columne i 32 . 49.)
Figuren, die auf dem Kopfe oder statt des Kopfes einen
Käfer haben — die Isis r e g e n e r a t r i c c , die W i e ­
d e r e r z e u g e r i n , die das n e u e L e b e n dem C a n ­
di da t e n (der S e e l e ) ztigesteben wird, wovon der
Käfer das Bild ist (s. Jomard pag. 379.)· Ebendaselbst
(col. 2.) sicht man eine Frauenfigur, sehr vorwärts ge­
neigt, und im Begriff, sich schnell vorwärts zu stürzen.
Ihre Arme sind aufcterordeiilHeh ausgedehnt, und sie
scheint den s c h w a r z e n K ä f e r , d e r u n t e r i h r
s t e h t , mit aller Behendigkeit fassen zu wollen. —
Auch anderwärts finden wir g e s t r e c k t e w e i b l i c h e
F i g u r e n in dieser Stellung, und in den Aegyptischen
Thierkreisen kommt Isis in derselben Lage vo r, und
umfafst alle Zeichen. Sodann steht in einer Malerei von
den Oberägyptischen Sculpturen der schwarze Käfer
ganz deutlich nahe an den Gcschlechtstheilen einer ge­
49*
dehnten weiblichen Person. Endlich erblichen isir so­
gar auf den von Christje herausgegebenen Griechischen
Vasen eine Figur, die sich Ü b e r s c h l a g e n , d* h. die
Füfse au die Stelle des Kopfes bringen will. Dem Allem
Bofolge imifs die nach dem Käfer strebende Figur auf
jenem Bildwerke genommen werden als I si s ( D e m e ­
t e r , C e r e s ) , die über Leben und Tod waltet (Herod.
II. isS.)· Sie ist hier einmal der Mo n d und die Z e i t ,
und, als Gattin des O s i r i s , des S o n n e n g o t t e s , die
g r o f s e M u t t e r N a t u r , die das All umfafst, mithin
auch den Menschen, und die ihn (dessen Seele) auf
allen Stufen seines Daseyns nicht verläfst, die den U m ­
s c h w u n g bewirkt vom Tode sum Leben und umgehehrt
~ daher die sich u m s c h l a g e n d e Figur; endlich auch
die, die im W e c h s e l der Mo n d e n und der S o n n e n
(der Jahre) ihn, den Menschen, dem Wesen nach w i e ­
d e r g e b i e r t — daher der K ä f e r an ihren weiblichen
Tbeilen.
Es hatten daher auch die Aegyptier die Sitte, ihren
Gemmen, denen sie eine glatte Basis schlHTen, um dar­
auf SU graviren, oberhalb auf der convex bleibenden
Seite häufig die Gestalt eines Käfers zu geben ( s c a r a ­
b a e u s ) . Es war diese symbolische Form geheiligt,
und man trug solche Scarabäen als Amtilcte am Halse.
Beispiele dieser Scarabäen sind in grofscr Zahl bei De­
nen pl. 97. vergl. Schlichtegroll zur Dactyl. Stosch. II.
38 . Gar viele dergleichen, mit verschiedenen Modtfica-
tionen, einigemal in ganzen Reihen mit einer Schnur
durchzogen, haben sich in den Hypogeen von Thebä
gefunden; siehe Descript. de TEgypte Antiqq. Vol. 11.
pag. 357·
Unter den Symbolen aus dem Insektengeschleehte
mufs auch die B i e n e eine bedeutende Steile hei den
Aegyptiern eingenommen haben, wenn wir der Ver­
sicherung mehrerer Alten glauben. Ammianus Marcelb
495
X V II· 4 · >ΐ· ausdruclilich, dafs eie damit einen K ö ­
n ig beseichneten. Ucber die beigefugten Gründe dieser
Bedeutung bann Widerspruch statt finden (s· Zoega de
obelisce, p. 443 ·)* Aber die Sache selbst ist von vielen
endern Seiten her su sehr bestätigt, als dafs %vir daran
zweifeln durften· Ich will jezt nur auf die Parallel-
steilen verweisen, welche Lin den brog zum angeführten
Zeugnifs des Ammianus beigebracht hat. Viele andere
Gründe werden sich In unseren späteren Betrachtun­
gen ergeben, wo wir doch auf dieses so bedeutsame
Thier zurüchhommen müssen. — Für die Aegyptische
Hieroglyphih haben neuerlich einige Gelehrte davon
Gebrauch zu machen angefangen (s· Museum Criticum«
Cambridge. II. p. eo3 .)· Namentlich will Bailey (Hiero-
gljphicorum Origo et Natura, Cambridge i8i6. pag· St«
pag. 64 sq.) dieses Inseht auf dem Flaminiscben Obelisk
auf die Bezeichnung des Pharao Bamesses als eines Kö­
nigs beziehen· Das geflügelte Insekt, das er für eine
Biene nimmt, und das auf den Thebaischen Monumenten,
wie sie im grofsen Französischen W erke vorliegen,
schon früher meine Aufmerksamkeit beschäftigte, hat
aber mit unserer Biene, und auch, setze ich hinzu, mit
der auf den ältesten Griechischen Münzen, zu wenig
Aehnlichheit, als dafs ich über diese Lesart zur Zeit
entscheiden möchte·

ai.
AuTser diesen einfachen Symbolen und Bildern tref­
fen wir auch c o m b i n l r t e ; so z· B· erscheint der
P a l k e oder S p e r b e r mit einem M e n s c h e n k o p f e
über dem Leichnam in einem Todtengericht, auf einer
Thebaischen Papyrusrolle· S. Jomard in der Descript·
de TEg· Aniiqq. Vol. II. pag. 366 . und öfter in ähnlicher
Beziehung; vergl· Jomard a. a. O. p. 3 8 i , der, mit Be­
zug auf Horapollo und Plato im Phädrus, in dem Sper«
494
l e r mit dem Menschenkopfe und ausgebreitoten Flügeln
das Bild der S e e l e siebt, die die himmlischen Räume
durchfliegt, um einen neuen Körper zu beseelen. Des
Menschen Seele nämlich geht im Himmel und auf Erden
durch den Thierhreis ; auf Erden durch die Thierleiber,
im Himmel durch die Zeichen des Zodiacus. Die Dä­
monen sind die Hirten dieser Heerdcn; sie leiten die
Seele auf dieser Reise, und der heilige Vogel
der Falbe), der Vogel des Osiris, fuhrt sie auf seiner
Bahn den c'wigen Göttern zu. — Gleichfalls sehen wir
einen Falben mit einem Menschenhopfe in den Bild wer­
ben des grofsen Tempels zu £dfu, wo überhaupt viele
bemerbenswertheKorpercompositionen Vorkommen, über
die sich Jomard verbreitet hat; s. Descript. de lΈ g. Ao-
tiqq. Tom. I. cap. 5 . 4. p. 24. nebst pl. 60. Dafs die
allen Ae^yptier überhaupt M e n s c h e n k o p f e auf an­
dere Körper gesetzt haben, beweisen auch schon die
unzähligen Canohen, die wir jezt auf den ältesten Ae-
gyptischen Beliefs ahgebildet sehen.
Und umgekehrt, in dieser Combination sehen wir
t h i e r k o p f i g e G ö t t e r ; so z. B. die Isis in einem
B elief zu Hermonthis mit einem Lüwenkopf (s. Descript·
de TEg. Antiqq. 1. cap. 8. p. 8.), ferner Isis mit Stier-
hornern und mit der Kuhhaut ^ ). Hier ist Isis bald
der Mond, bald die Jungfrau im Zodiacus; also bald

277) I si s, mit der S c h e i b e a uf dem K o p f e , die mit


S t i e r h ö r n e r n cingefaf^t ist, kommt auf den ältesten
Reliefs der ThebaVs vor, z. B. in den auf der West­
seite des Nil nördlich liegenden Gebäuden, dem Grab­
mal des Osymaiidyas; sieh. Descript. de TEg. Tom· II«
(Thäbes) p· 127· Dort sieht man auch Isishöpfe, wie es
scheint, mit e i ne r Ar t von T u r b a n , mit r ü c k -
w ä r t s g e s c h l a g e n e n E n d e n , und mit Pe r l e n
v e r z i e r t , wie z. B» im Isistempel auf der Westseite
von Theben; ibid· p· l6i.
495
Mond und Sonne im Stier, liald Mond und Sonne tm
Ldwen, oder auch die Sonne, in gewissen Mondsperio­
den mit dem L 5 \ven und der Jun(;frau in Conjunction
gedacht. Und hierher gehurt auch die S p h i n x , or­
dentlich Mrie die u m g e k e h r t e I s i s , dafs ich so sage,
die Jungfrau mit dem Luwenleibe; denn so waren eigen!·
lieh und so sind noch jezt die alt-Acgyptischen Sphinxe.
Es sagen nämlich die Verfasser der Descript. de TEgypte
(Vol. 11. Antiqcf. Thehes pag. 258 .): gehe man ins hohe
Alterihum nnd bis zu der Zeit zuruck , wo der Zodiacus
Iron Esne (Latopolis gemacht worden sey, so treff*e
man allenthalben J u n g f r a u e n k ö p f e an den Sphinxen
an; den einzigen Sphinx an den Pyramiden vielleicht
ausgenommen, hätten sie in ganz Aegy|>ten keine andere
als weibliche Kopfe an den Sphinxen angetroffen, und
überhaupt sähe man M e n s c h e n k o p f e (nicht Widder*
und dergl. Kopfe) an diesem Gebilde. Auch bestätige
Aelianus Hist. Animal. XII. 7. diesen Satz. — Hieraus
geht also die Existenz von w e i b l i c h e n S p h i n x e n
oder S p h i n x e n mit J u n g f r a u e n k o p f e n , was, Ae­
gyptens älteste Bildnerei betreffend, lange bezweifelt
oder gänzlich verneint worden war, un widersprech lieh
hervor. Vom physisch - astronomischen Standpunkte
aus verdient nun die Ausdeutung des Herrn v. S c h m i d t
(d e Origine Zodiaci Aegypt psg. 5 i.) Aufmerksamkeit,

Auch V e r z i e r u n g e n v o n T h i e r e n finden wir


auf den Köpfen der Gottheiten, z. B. im kleinen süd­
lichen Tempel zu Karnak, Isis, sehr reizend gezeichnet,
auf dem Kopfe den symbolischen Aufsatz eines S c o r ­
pione. Man bringt der Göttin Gaben dar. S. DcscripU
de r£g. Vol. II. p. 275.
27ä) Der alte Tbierkreis von Esne (Latopolis) findet sich
in dem grofi*en Atlas des Französischen Werkes Amiqq·
Vol. I. pl. 79.
49^
wonecTi wir an die Sommerftonnenwende dabei su den-
le n hätten und an die Nilfluth zwischen dem Zeichen der
Junglrau und des LSwen.

Was die Ma n n s & p h i n x betrifft, die wir an den


Aegyptischen Denlmalen antreflen« und worüber die
Hauplstelle bei Herodotus II. 175. steht, wo er der
άνδ^οοψιγγες erwähnt, welches W ort schon die Griechi«
sehen Lexirographen als etwas Bemerlenswerthes er­
läutern (siehe die Ausleger zu jener Stelle), und worin
Winclelmann (Gesch. d· K« I. S*93.) eine Andeutung
der Geschlechter findet; so sagen die Französischen Ge­
lehrten a. a. O ·, sie wollten nicht dagegen streiten, dafs
man s p ä t e r h i n dem Sphirixbildc die Auslegung S t ä r -
l e und W e i s h e i t , und also auch eine m ä n n l i c h e
B i l d u n g gegeben habe. Denn so, als S t ä r k e und
W e i s h e i t , wird dieses Gebilde geiiÖlinlich gedeutet;
s. Zoega numi Aegyptt. imperatt. p. 14·. und daselbst
Clemens V. p. 517. und Synesius de Regno p. 7. 101 :
τοϋ συνδυασμόν t&v άρετων iipor σύμβολον, τ^ν μίρ
Ισχίν Βτίρίου f δέ (ppdvtjoir dvSpeWou. Eine andere
Erklärung der Sphinx hat neuerlich G r u n d (in der
Malerei der Griechen und Römer L p. 5 j sqq.) aufge-
stellt, wonach der weibliche Oberleib rieh auf die Ae-
gyptische Minerva (Neith), als d e n a u f si ch s e l b s t
r u h e n d e n , ke in er Beihülfe be dü rft ige n gött­
l i c h e n V e r s t a n d , bezieht· — Der Ursprung des
Namens selbst wird sehr verschieden erklärt; der alte
Griechische Name war ^ιξ, φίξ^ daher das φΐϋιοψ
der Sphinxberg bei Theben in Böotien. Zoega fuhrt
dies auf das Koptische P h i i h (6 δαίμων ^ der Göttliche)
zuruck· Mehreres bemerken Jabionski Voce· ρ · 333 · und
T e W ater in den Zusätzen p· 469·

Aber aufser diesen weiblichen und männlichen Sphin*


xen sind auch besonders zu bemerken diegrofsen Sphinxe
497
bei dem grofsen Pallaste ^ von Karnab , auf der Ost-
Seite von Theben· Sie haben W i d d e r h o p f e und
L o w e n h o r p e r . £in symbolischer Haarschniuch be*
decht nicht nur den Kopf ^ sondern fallt über Rüchen
und Brust herab. Unter dem Kopfe vor der Brust steht
eine hernicnartige Figur mit gehrcuzten Armen und mit
dem gehenheltcn Kreuz in den Händen. Die Totalhohe
dieser Sphinxe beträgt zehn F ufs, eine Spanne und neun
Linien. Auf einer stehen die Griechischen Buchstaben
ΑΒΑΣΚΑΝΤΟΣ ΨΑί2 ; s. Descript* de TEg. Vol. II. p.
207 seq. An einer andern Stelle» südlich bei Karnah^
sieht man noch die Reste einer ganzen Allee (avenue)
von dergleichen Widder - und Lowensphinxen. Die
Vorderbeine sind voruäris gestrecht, die Hinterbeine
aberuntergcschlagen (ibid. p. Ebendaselbst, west­
licher, zeigen sich schwache Reste einer andern Allee
von Sphinxen, welche letztere weniger colossa] waren,
und Jungfrauetihüpfe mit Löweiihürpern hatten (ibid.
p. 254 )- Darauf folgen (p. 207 sqq.) astronomische Er­
klärungen von den verschiedenen Sphinxen der alten A e·
gyptier; 1) von der J u n g f r a u s p h i n x mit dem L ö ­
w e n l e i b e : sic sey vielleicht das Symbol der hipoche
des Sommersolstitinms zwischen dem Zeichen des Löwen
und der Junglrau, wann der Nil aubtrilt und seine be­
fruchtenden Gewässer verbreitet (s. oben). 2) Bei Er­
klärung der W idd er-A lleen folgen dieselben Verfas­
ser in Bestimmung der dadurch vei nnitlilich bezeichneten
astronomischen Epoche den Hypothesen von Dupuis,

27V) Ein fOr alleraal scy hier bemerkt, dafs ich hierbei dem
Sprachgebrauche der Verfasser der Descript. de TEgypte
folge. Dafs mehrere von ihnen als P a 11 ä s t e bezeicli-
nete Gebäude vielmehr T e m p e l sind, wird mein ge­
lehrter Freund, Herr Dr. S u l p i z B o i s s e r e c , an
einem andern Orte zu erweisen suchen.
L Ss
49»
die wir um so Λveniger wiederholen w ollen, je gewagter
sie uns scheinen. Die andere \‘ermuthung derselben
lidnneu >vir kürzlich benierlten : Man habe, meinen sie,
damit diekleinercJahrcsepuchcbezeichnen wollen, wann
die Sonne im Widderzcichen (Juppiter-Ammon) steht,
und wann die INatur sich wieder verjüngt und fruchtbar
wird. 3 ) Die Sphinxen mit W i d d e r k o p f e n und L ö ·
w e u k Ü r p e r n bezcichneten wahrscheinlich einige b e­
sondere Umstände, die auf den W idder und Löwen am
Himmel Bezug hatten.
Der gewöhnliche Ort dieser Wesen ist also der Ein­
gang der Tem pel, wo sie, wie Avir so eben sahen, oft
in ganzen Reihen sichen (Srabo XVII- p. i i 58 . mit De-
uons Berichten). Diese J'empehvachc hatten sie auch,
nach mehreren Spuren , im alten Griechenland, beson­
ders in Beziehung auf den Geheimdienst und auf die
Bacchusfeier (Hcrodot. IV. 79. cf. Dionysus p. 261). —
W eitere Modidcalionen dieser Idee unter den Griechen
waren : die g r a u s a m e Th e b a n i s c h e S p h i n x im
Böotischen Mythus (Heyne ad Apollod. p. 24^ cd. aller.) ;
die r ä t h s e l n d e J u n g f r a u bei Sophocles iin Rönig
Oedipus 1199. 1192 £rf. Auch finden sich Sphinxe
mit M e n s c h e n h ä n d e n ; s. Winckelmann Gesch. d. K.
I. p. 9$. und dazu Lessing und Fca. Die am besten ge­
arbeitete Sphinx mit Menschenhänden, auf dem Obelisk
der Sonne zu Ro m, ist abgcbildet a. a. O. tab. 11. a. der
neuesten Ausgabe.
Die alte Numismatik ist reich an Vorstellungen aus
diesem KiOise. Man vergleiche z. B. die ganze Reihe

280) W ir erinnern hierbei an unsere Bemerkungen im ersten


Buche S. 76. 77. und verweisen zugleich auf das Rttili-
sei der Sphinx beim Scholiast. mscr. Aristid. 2u Tom. ΓΙ.
p. l48. mit dessen bemerkenswerthen Erläuterungen Ober
aiv/γ/χα und
499
d e r Spbinymunzen von Chios, bei P e l l e r i n Recneil
III. Tab· i i 4 ) ‘wobei E c h b e l s Bemerkungen in der
Doctrina numm. vett. I. p· 189 sq. und II. p. 564 · zu
Halbe gezogen werden müssen. Aoeh auf den Münzen
von Gergis (Τέςγις) in Troas kam die Sphinx vo r, neben
der Sibylle, die aus dieser Stadt gebürtig seyn sollte,
so dalk also die Sphinx hier als Attribut der S e h e r g a b e
erscheint. Jenes Factum erzählt Stephanus Byz. s. v.
Τί^γις. Der Sibylle von Gergis oder der Hellesponti-
schen Sibylle von Marmysus gedenkt auch der Scholiast
zum Plato pag. 61 ed. Ruhnken. unten. Uebrigens ver­
gleiche man über die Münzen von Gergis Fabricii Bibi.
Gr. Tom. I. pag. 229 cd. Harles. W ir theilen unten die
Abbildung einer Sphinx zugleich in der Absicht mit, um
für unsere Bemerkungen im ersten Buche ein Beispiel
jener Tempelsymbolik zu geben, die durch Anhäufung
einer Fülle von Attributen das Göttliche in recht vielen
Beziehungen zu erschöpfen trachtete» eben dadurch aber
das Maafs der Kunst unausbleiblich überschreiten, und
räthselhaft werden mufste.
Auf dieser Aegyptischen Münze des Kaiser Hadrianus
erblicken v^ir die uiibärtige Sphinx, mit dem Lotus auf
dem Kopfe. Ihr Vordcrielb ist mit einem Schleier bis
auf die FüTsc bedeckt. Aus ihrer Brust springt der um­
gekehrte Kopf eines Crocodils hervor, unter ihren Füfsen
kriecht eine Schlange, und auf ihrem Bücken erscheint
ein Greif mit dem Rade. Es sind also hier die verschie­
densten Eigenschaften der Gottheit, die der Stärke und
Weisheit, die des verborgenen W altcns, die Idee der
Ewigkeit und die des wohlthätigen Genius u. s. w. auf
das seltsamste verbunden, und man kann diese Darstel­
lung mit dem Hunstnamen P a n t h e u m bezeichnen.
Die Einheit aber, wodurch dieses A^erscliiedenc zu E i ­
n e r Vorstellung zusammenschmölze, durfte ohne be­
stimmtere Data wohl nicht gefunden werden ^ und so
5oo
bleibt die rälhsclndc Jungfrau, besonders unter solchen
Umgebungen, selbst ein RiithscI
AehnlicheW esen, nämlich V ö g e l mit J u n g f r a u ·
l i o p f e n und der C a l a n t i c a oder FneslerLiiide, und
KM’ar Tier an der Zahl, iiiulen nir auf einem andern Re­
lief (in der Descript. de TEg. Antiqcj. Λ’^οΐ. 11. pl. 83 .)
über dem Haupte des O siris-Pluto, der hier als Todten·
lichter, nie er eben sein Amt verwaltet, dargeatellt ist.
Ohne uns hier in Vermutbungen und Deutungen weiter
cinzulassen, wollen wir nur bemerben, dafs dieses Bild
durch eine Stelle des Philost ratus aufserordentlich Licht
gewinnt, wo nämlich erzählt wird, dafs zu Babjlon in
dem Gemache, wo der König Recht spreche, vier gol­
dene J y i i g e n an der Deche herabhangen, die den Kö­
nig an die Adrastea ennnern, und von Uebermuth ab­
mahnen sollten Eihcuncn wir hiernach auch in

Stil) S. iinicn Tab. 1. nr. 13. Diese MQnze ist aus E ck b e i


8yll<»ge 1. niiinor. vett. aneedott. "lab. VI. nr. 15. imlfhiit.
Zoega iiumi Ä«gV|>tt. iinperatt. pag. tl. I l 4. l 4 <i aq, bat
tlitscibe Voibttllung , aber uicLt bo genau. Leber die
C r o c o d i l e und dtrcii Verehrung s. Herodot. II. 69.
l48. und daselbst die Ausleger; über den Aegyptischeit
Namtn dieses Thieres Jabloiibki Voce. pag. «^87. und da­
selbst die Bemerkung von Silvestre de Sacy. Die Natur­
geschichte dieses V\ underthieres liattc schon der alte
lleCiWacus einer genauen Untersuchung werlh gefunden;
8. dessen Fiagiuni. p. 19.
SS2) Die Stelle des Philostratus findet sich in vita Apollon.
1. 25. p. 34 O k a r i i , wo es heilst: /xiv 6ή o βΛσίλ^υς
fvrotüifa · Bf Γ ν γ γ β ς α ffc ffxa ντα< τ ο υ
τ * τ τ α ς .« ς , rijv Ά Β ξ affr e tav α υ τ ψ τ α ^ ιγ γ υ α ·-
c at y και το υ -rt q tc C^ αν5^^α;'τους a e <r^xi ·
TwJrat; §i jjulyct αυτοί ά'/uerrfy£*a/, φίχτώντ«; t; rd βΛ·
vt/ita· y.a).cZ9t Bk αντά; 5i dv y λυ!c σας. Man lese nach,
wa.s dort Olearius bemerkt hat und was ich selbst neulich
zu Kekkers Specimen Pbilostrat. pag. 35. 86. hinsugetügt
5οι
jenem Relief Jyngo i an, so müssen wir hierbei auch das
Jungfrauengesicht und die Calantica nicht aiifser Acht
lassen, die auf Heiligheit und Recht bestimmt hinweiset.
W enn ferner hier Osiris, der göttliche und gerechte
Honig, Gericht halt, so müssen ivir die Jyngen denken
als befreundet und iheilnehmend an seiner Gerechtigkeit
und W eisheit, die den Uebrigen , nämlich den Beisitzern
des Gerichts und den Schuldigen, die Bathschläge der
Adrastea oder der goltlichen Strafe verkünden
Yielleicht auch konnte man diese vier Vögel auf das kes­
sere Schicksal deuten , nach einer Stelle des Hermes
beim Stobäus (Eclogg. I, p· 1002 Heeren.), wonach die
Seele des Menschen, bei ihrer Wanderung durch die
Thierleiber , aus den Leibern der Vögel unmittelbar
wieder in die menschlichen ziiruckkchrt.
Um wieder auf das zurückzukommen, wovon wir
oben ausgingen, nämlich auf die t h i e r k ö p f i g e n G ö t ­
t e r g e b i l d e , so halten wir hier den Satz fest, der uns
indas Ganze dieser V^orstellung deutlicher blicken läfst,
den S atz: die Sonne und die Planeten bah^n ihre Häuser
am Himmel, diese Häuser sind lliierze V .n des Zodia­
cus; folglich n i m m t di e S o n n e , n e h me n d i e P i a -

habe· — Ueber die ganze Vorstellung vergleiche man


unsere Comnientt. Herodoti· i. §. 2S, nebst der dazu ge­
hörigen Tafel. O ben, im Abschnitt vom M e m n o n ,
ist von uns eine ganz analoge Stelle aus P l a t o * s Re­
publik mit gelheilt worden , woran wir um derer willen
erinnern, denen etwa Philosfratiis in dergleichen Dingen
nicht genug Gewahr leisten möchte· Hier mag also, wie
oftmals, Ctesias sein Führer gewesen seyn.
283) Auf vielen alt-Griechischen Vasen finden sich, wenn
man den Jiingfraukopf abrechnet, ganz ähnliche Gestal­
ten von Vögeln , wie diese Aegyptischen Jyngen. Siehe
Milliii Vases antiqq. Vol· I. tab. 3. und desselben Galle-
rie mytholog. II. tab. 104· nr· 444·
5o 2

n e t e n , di e T h i e r z e i e K e n an, wenn sie in ihren


Häusern sind. Daher denn wieder die Priester, wenn
sie jene Sonnenincarnationen und Planetengdtter auF
ihren Terschiedenen Stationen repräsentiren , die dahin
gehörigen Thiermashen haben. Man vergleiche nur jezt
die Description de TEgypte , besonders im Abschnitt
von 'i’heben, wo es allenthalben vorhommt, dafs Prie­
ster liic und da als verschiedene Thiere , als Falken,
Schakals, Stiere u. s. w ., mashirt sind , so z. B. auf den
Reliefs von Medina-tabu bei der religiösen Procession;
sieb, daselbst chap. 9. sect. 1. pag. 49· In Betreff dieser
Thierfiguren auf den Köpfen der Menschenfiguren, in­
gleichen der abcnthenerlichen und Ungeheuern Kopf­
aufsätze und Zierrathen , erklären sich die Französischen
Gelehrten a. a. O· V0I. 1. p. 33 . gegen die Annahme von
wirklichen 3fasken , sondern wollen nur Attribute darin
sehen, die ihrer Natur nach niemals getragen worden
seyen, noch hätten getragen werden können.
Aber bei solchen einfachen Combinationen blieb der
Aegypticrnicht stehen; ergin g noch weiter, und schuf
Gebilde, mehreren verschiedenen Thie-
r e n z u s a m m e n g e s e t z t . Ein Beispiel von solchen
componirten Gebilden ist die Figur auf dem Relief zu
Hermonthis, mit einem Löwenleibe, Falkenkopfe und
Crocodilenschweife (s. Doscript.de TEg. cap. VIII. p. 8.).
Vielleicht Osiris, der Naturgott und der Sonnengott im
Löwenzeichen (dem Zeichen der Nilfluth , vom Ty-

£Si) Ist irgend ein Symbol geeignet, augenscheinlich zu be­


weisen , wie gewisse Norinalbilder, oft von ganz örtlichen
Funkten ausgehend, nach und nach sich zum Allgemei­
neren steigern, und mit Behauptung der Grundidee durch
fast alle Religionen und durch den gesammten Kunstkreis
hindurchziehen — so ist es das Bild des L ö w e n in der
eben bemerkten Bedeutung, ln Aegypten ist er Symbol
5o3
phon verfolgt. Es ergiebt sich hieraus xur Genüge,
daPs jene Gattung von Gebilden auf Gemmen, Reliefs
und dergb, wo mit Menschenattribiiten Tbiertheile in
einen Leib vereinigt sind, and die man^ eben weil hier
die Attribute mehrerer Götter in einem Körper zusammen·
treffen, insgemein mit dem Namen P a n t b e a (Πάν^£α)
bezeichnet hat , nicht im Römischen Zeitalter, unter

der Nilflutii aus kalendarischen Ursachen (Horapollo T.


f l . Zoega de obetlscc. p. 290. 305 sqq. Dcscript. de TEg·
Antiqq. I. V IIf. p. 7. 45. 57.); dann wird er zum Bilde
von Weihewasser und Labetrank auch Hir die Todten·
Daher vielleicht der Löwe auf der einen Dresdner M u ·
mie (Bötiiger ArchSol. der Malerei 1. S,75(r.)· So geht
er als R e i n i g u n g s i d ee in die Miiliriaca ein, wo­
von ein Grad die Leontica biefs. So auch wurde er ohne
Zweifel in Griechischen Mysterien genommen. Auf den
mysteriösen Vasen kommt er oft vor (z. B. bei Millin
Descript. des tombeaux de Caiiuse tab. VI.). Dann wird
er ganz allgemein in der Architektur der Griechen und
Körner zum Quellwaditer Pollux VIII. 9 · ) ,
und aus Löwcnraclien fliefset das Wasser der Brunnen
(S o z. H, auf einer schönen Münze von Terina in Brut­
tium , bei Millingen flecucil de quetq. Medail). grccqucs
ined. Rome18l2. Tab. I. nr. 16, wo die Nymphe an einem
solchen Brunnen einen Krug füllt)· — So mag er am
Ende zum blofsen Bauornament geworden seyn, wie an
unsern Brunnen; aber der rechte ArchSolog weifs, dafs
die richtige Kunsilebre nichts dadurch verliert, wenn er
mit historischer 'I'reue und ohne Aeugstlichkcit an das
Ursprüngliche und Allegorische erinnert. Dies hat neu­
lich , gerade in Betreff des Löwen, E . Q . V i s c o n t i
gethan (im Journal des Savans 1S18. Decemb. p. 726sq.)·
Dort kann man auch lernen, warum aus denselben
astronomischen Gründen der Löwe auch Symbol des
F e u e r s war. Ohne diese Voraussetzungen kann das äl­
teste Bildwerk Griechenlands, am Löwemhore zu Mycene
(s. W . Gell. Argolis pl. 8 — 9. pag. 36 — 4ü.) , schlech­
terdings nicht verstanden werden.
5o4
Hadrian, wo die BGmer fanatisch der Aegyptischen Be-
Hgion anhingen, zum cretenmal, wie man gewöhnlich
glaubt, sondern damals Kum zweitenmal erschienen sind,
und dafs im hohen Aegyptisclien Alterthum ihr Ursprung
und ihre Entstehung zu suchen ist.
Und niin wird uns wohl das animaUsch- symbolische
Schupfungsbild der Orphiher Terständlich. Im Anfänge,
so lautet die Sage, war Wasser und der befruchtende
Schlamm (Ιλύς, νλ,η^ wovon oben). Aus diesem hroch.
hervor die S c h l a n g e . Sie hatte W idder- und Slier-
höpfe, auch Löwenhüpfe^ und in der Mitte das Antlitz
eines Gottes, Fliigel aber auf den Seiten. Es war Phanea.
Im Capitcl von der Orphiseben Kosmogonie wird davon
mehr vorhommen. Jezt verweisen wir vorläufig unsere
Leser auf diesen Phanes in alt>Aegyptischen Bildwerben;
wovon wir nach der Descript. de TEg. Antiqq. ΙΙΪ. pl.
d3 . nr. 3 . eine Nachbildung in unsern Tafeln liefern.
Hier sind W idder, Stier und Löwe alsZodlacalbilder
bebannt. Die S c h l a n g e aber ist Bild des Kneph (s.
Plutarcb. de Isid. et Osirid. p. 4i8.), des guten Dämons.
In dieser Beziehung auf Avohlthätige, göttliche Kraft
nannten die Griechen die unschädliche Schlange , beson-

ÜSS) Ueber das Symbol derSc h Ίan ge ist Mehreres gesammelt


in dem Buche von Payiie Knight on Symbol, lang. $· 25
sq. p. l6 sq q . — Uebrigens kommt die Schlange , die in
Aegypten verehrt wurde, und die (und zwar unschädliche;
auch zu Thebä im Tempel des Juppiter, dem sie gewei-
het waren, gehalten und beigesetzt wurden (Herodot. II.
74.) , in sehr verschiedener Beziehung auf den Denkma«
Un Aegyptens vor. Vergl. ZoCga niimi Aeg· pCt. impe-
ratt. p. iOp. SOI. 233. ßihl. der alten L . und K. V il. pag.
34 ff. mit Tychsens Anmerkung. So kommt auf einer
Memphitischen Münze des Antonius (bei Zo6ga a. a. O .
tah. 21. nr. 215.) die weibliche Schlange vor in der Hand
der Isis und in der Hand der Babylonischen Urania.
5o5
der» vcrmiitlilich die Thebaiscbe, ά γ α ί μ ω ν
Ucbor diese s e r p e n t e s u r a e i was Zoega
numi Aegyptt. imperatt. pag./|00. erklärt: u r a f , K ö ­
n i g s s c h l a n g e ) vergleiche man besonders Zoega de
obcliscc. p. 43 i . not./μ. Ihr Bild ministrirt häufig der
Isis infera , oder der lsis> als Todtenhönigin ($. a. a. O.
p. 326·); und auch auf der Decke der Dresdner männ­
lichen und weiblichen Mumie will sie Böttiger (Ideen
zur Archäol. der Malerei p. 75 und 78.) erblicken. Sie
^kommen auch ferner auf Münzen v o r , bald mit dem
Kopfe des Serapis, als des guten Gottes (s. oben), bald
mit dem Sistrum, bald mit bestimmten Attributen der
Fruchtbarkeit, z. B. mit Aehren und Mohnköpfen

286) So heifst auch Kneph selber, und dieser Griechische


Name ist nur die Uebersetzung aus dem Aegyptischrn·
S. Jnblonski Voce. pag. I i 2, welchem Silvestre de Sacy
zum Abdallatif p. 223. not. 27. beistiramt; auch Ouwaroff
Essai sur les myster. d’Eleusis p. 106 sqq.
287) Hierbei ist auch die a u f g e r i c h t e t e S t e l l u n g cha­
rakteristisch, sowi e der d i c k e , nn g e s e l l w o l l e n e
O b e r l e i b . So erscheint dieses Thier unter mehreren
andern Schlangenbildern auf dem Thierkreise von Dcn-
derah. £s war die Schlange in ihrer Kraft und Starke,
und es lagen dabei physikalische Erscheinungen zum
Grunde. So aiifgericbtet und angeschwollen sah Denon
die von den Psyllen oder von den Aegyptischen Jongleurs
gereizte Schlange (s.dessen Reise p.88. und dazu p1.104.)·
So erscheint sie auf Gemmen, z. B. hei Stosch II. S8 ed.
Schlichtegr. auf einer Glaspaste. Hierher gehört auch
die Aegyptische Münze des Kaisers Nero hei Zoega numi
Aegyptt. tah. II. nr. 9· mit der Aufschriflt v to a y o B hau^^
als Anspielung auf N e ro , der damit als ein neuer guter
Genius Aegyptens angekündigt wurde. Man sehe die
unten beigefUgte Abbildung tab. I. nr. 12. D er Schmuck
auf dem Kopfe der Schlange, als Zeichen der höchsten
Würde , macht die vergötterte Schlange kenntlich.
5o6

Aber auch als Bilder des Agathodanion stehen sie über


ollen Tcmpelportalcn; man sehe nur Zoega de obelisce,
p. 43 o sqfj. und das grofse Französische ΛΥβΓίι an unzäh­
ligen Stellen. Ja das ganze Gebilde über den Aegypli-
sehen Tempelportalen^ die K u g e l , der die Kugel um­
fassende U r a e u s^ und die das Ganze u m s c h a t t e n ­
d e n F l ü g e l , ivas ist es anders, als das Bild, das die
Orphilter aufgenommen batten, das Bild des göttlichen
W esens, das die W elt hervorbringt, trägt und hält?
Es ist nämlich Kneph, dessen Bild hier die Schlange
ist, die verborgene Gottheit, die sich in der Zeit offen­
barte, im grofsen lebendigen Hinge der Schlange, als
Som· Herahles, im Herahleischen Knoten , und so auch
als Schichsalshiiäuel, als Fatum^ Wasser aber und
Schlamm ist der sichtbaren Dinge Grund. Mit der sicht­
baren W elt war die Zeit gegeben. Die Wellschlangc
rollt sich auf als W elljahr, als Jahr durch die Zeichen
des W idders, des Stieres, des Löwen u. s. w. Die
Zeit hat Flügel. Gottes Antlitz und Providenz waltet in
der Mitte der W elt — und das Ganze heif.^t und ist
P h a n e s - P h e n e , der E w i g e . Daher denn auch
Osiris, der Gott im Fleische, P h a n a c e s heifst; wo­
von iin Verfolg In andern Religionen die Fortleitungen
bemerkt werden sollen.
Also ein wundersam zusammengesetztes W e l t ­
t h i e r , eine Riesenschlange, durch das ganze Nilthal
ausgestrecht. Der Schlangen leib ist gleichsam der Stamm,
und auf der Weltschlangc , die der Weltgiund heifstf
schläft Brahma, der Schöpfer. Es ist die sich aufrol­
lende Zeit, oder die sich offenbarende ewige Gottheit.
Die Zeit aber geht durch das Medium der Jahre. Das
Jahr rollt sich auf in der Sonnenbahn von Thieren; jezt
steht der Stier, dann der Widder an des Frühlings, an
des Jahres Anfang ; daher in der Thebaia die S c h i e n -
5o 7

g e , K n e p h , das E w ige, sich im L icht· und W idder·


gott, Ammon, offenbart^ ). Auch der S t i e r kommt
aus dem ungemessenen Abgrunde der Ewigkeit; er steht
am Anfang der Z e it; und Jahre und Monden heifsen
Stiere (^ονς). Daher zu Memphis, im Tcmpclorte de*
Phthas, des Schöpfers, der Stier A pis, als Repräsentant
ewiger Gottheit, weilet und angebetet ist; daher auch
der Stier am Feste der Isis als Opfer fällt (s· Herodot.
IL 4 o Daher auch zu Atarbechis, bei der Göttin

28S) lieber T h e b S oder D I o s p o l i s maj ^na und seine


Tempel vergleiche man Strabo X V II· p. 8t5Hn. p.iPZsqq.
Tzscli. nebst den neueren Reiecbeschreihern (vergl· L ar·
eher tabl. geogr.)· Auch im grofsen Tempel zu £sne ist
A m m o n oft abgebildet; s. Jollois und Devilliers in der
Descript. de l*Eg. Tom . 1. cap. 7. pag. 10. Man vermu-
tliet, er scy dem Ammon geweihet gewesen, dessen
Haupttempel jedoch in Thebtt war; s. Denon pl. 43.
script.de l*Eg. Aniiqq. Vol. II. p. 26^ sqq. Denn TbebS
war die Stadt des A m m o n CAfxoüv) · über welchen N a ·
men die Erklärungen bti Herodot. II. 42. Flutarch. de
Isid. et Osiiid. p. 4i3. und daselbst Hecatäus von Abde*
r a , vergl, mit Fragmin, liistorr. Graccc. p. 2s. nachzu*·
lesen sind. Uebrigens vergleiche man über die Vereh··
rung des Zeus zu Thebä Strabo X .Vll, p. Si6. p. 60 t sq·
Tzsch. und was er überhaupt daselbst Ober die Priester
von Thebä sagt, dafs sie Philosophen und Astronomen
Seyen, und über ihre Berechnung des Sonnenjahres. —
Jomard (Descript. de l’ Eg. Antiqq. Tom . I. cap. 3. pag.
16, 17.) widerspricht dem Jublonski, der (Panth. II. 2.
$.3. 7 .) den Ju ppiter-Ammon auf das F r ü h l i n g s ·
ä q u i n o c t i i i m im W i d d e r z e i c h e n bezieht, da der
ältere Frühlingsanfang im S t i e r gewesen, und eben der·
selbe will vielmehr den Ammon auf die h o h e N i J ·
f l i i t l i in d e r H e r b s t g l e i c h e beziehen, mit Hinsicht
auf die blaue Farbe der ak-Aegyptischen Aminonsbilder.
A m u n a l s L i c h t b i l d ist aber nach Allem unbezwei·
feit alt-Aegyptisch.
5o8
der evrigcn Nacht, dem Grunde aller Dinge, die Ochsen
beigesetzt werden 2S9).

$. 33 «

V o n e i n i g e n a n d e r n A e g y p t i s c h e n Sy m b o l c n ·
i) Der L o t u s , n e l u m h i u m s p e c i o : um, oder
auch Cy a mus S mi t h i i . Man vergleiche Curt Sprengel
Hist« rei berbar. 1. χ>. 3 o. und desselben Anliquitt.botann·
pag. 56 . Larcher zum Herodot. II. 92. IV· 177. und die
Auszüge ans Arabischen Schriftstellern, wie auch aus
älteren und neueren Reisebeschreibern über die Lotus-
ai'ten , bei Silvestre de Sacy zum Abdallatif not. i 5 . p.
60 seq. coli. pag. i 34. IJeber die Lotuspflanze und ihre
Ί heile (χιβω(Ηον^ die F r u c h t - oder Saarn e n k a ps e i ,
κ ν α μ ο ς , die B o h n e selbst, « ο λ ο χ ά σ ι ο ν , die W u r z e l ,
U!’d λωτός, die B l ü t h e ) , so wie über ihre Arten, in­
gleichen über ihre AnΛvcndιιng in der Architelitur und
Seuiptur, ist nachzulesen Jomard in der Description de
TEgypte Tom. 1. cap. 5 . 4. p. 20 sqq. und die daselbst
angeführten Memoires von Savigny und Delilie. üebri-
gens ist diese Pflanze wohl zu unterscheiden von einem
B a u m e desselben Namens, der in Afrika wächst, und
ganze Völker nährt; s. Herodot. II. 96. IV. 177. Plato
Bepubl. VIII. 12. p. 56o. p. 246 Ast. nebst den Scholl«
Platonn. p. 186 Buhnken. und besonders Odyss. IX. 84,
wo der Dichter «on den Lotophagen singt, zu welcher
Stelle Eustathius p. 337· 16 sq. Basil. nachzulesen ist.
Man vergleiche aufserdem, was über den Lotus, als
Pflanze und Baum, Vofs zu Virgil. Georg. II. 84. p· 393
sqq. und III. 894· bemerkt hat, verglichen mit C, Spren­
gel Hist, rei herb. L p. i 43 . — Ueber den Namen Αωτός

2Si}) Im vierten Bande, in den Capiteln von den Griechischen


Mysterien, ein Mehreres davon.
5o9

ViBgt Jablonslti Voce. Aegyptt. p. 127 sq. Nichts zu he-


stimmen, bringt aber Mehreres aus Alten und Neueren
über diese Pilanze bei; s. auch Te W ater daselbst» Gans
neuerlich hat C. Sprengel in der Geschichte der Botanik,
Altenburg und Leipzig 1817· 1. Th. cap. 3 . p. 28· vom
Lotus, den er auch hier für das N e l u n i b i u m s p e c i o ­
s um erklärt, gehandelt und bemerkt, dafs diese Pflanze
bei Indiern und andern östlichen Völkern eben so heilig
v\ a r, als bei den Aegyptieni. « Die F r ü c h t e ( χύαμος
ΑΙγντττιοζ) ^ fugt er zuletzt bei« >vurden gegessen; nur
den Priestern ^varen sie verboten. Cic. de Diviii. I. 3 o.
Smitb's exot. botan. n. 7. t. 3 i. 32 .» Alan sehe dazu die
colorirte Abbildung ebendas, tab. 7. Die svniboUsche Be­
deutung dieser Pflanze geht zunächst auf den Ni l , als den
D e m i u r g , dann überhaupt auf das W a sse r , a l s P r i n -
c i p d e r N a t u r , und auf F o r t d a u e r des L e b e n s ;
vergl. auch Proclus in Excerptis Ficini p. 276 ed. Tor-
naes. W ir haben schon oben (S . 286f.) hierüber das
Nöthige bemerkt. Hier erinnern wir nur noch an den
I n d i s c h e n L o t u s , als Attribut des Ganga, d. i. des
personifleirten heiligen Flusses Ganges (Bartholom. Sy­
stem. Brahman. p. 38 .)· Es gab von ihm viele Sagen in
Beziehung auf Kosmogonic, und Brahma wie Osiris er­
scheinen als schaffende Beweger der Gewässer auf dem
Lotusblatte (Maurice ancient history of Hindostan I. 60.).
Daher erscheint diese Pilanze sehr häufig auf Aegypti-
sehen Denkmalen in den verschiedensten Beziehungen,
als Kranz der Isis, als Attribut des Osiris, des Harpo­
crates (Cuperi Harpocr. p. i4 sqq.), des Canobus (s. un-
sern Dionysus p. 197·) 1 Bauornament in den Tempeln,
auf der Flügclhaube oder Calantica der Priester u. s. w.
A u f den Capitälcrn der Säulen am Sokcl und dergl. sicht
man in den Aegyptisclicn Tempeln sehr oft die Vorstel­
lungen, dafs zwei Personen eine Anzahl von Lotussten-
geln mit einem Knoten verknüpfen ; s* Dcscript. de TEg.
5io
Antiqq. Yol. I. pag· 33 . Die ausgebreitete Lotu&blume,
%velche weibliche Figuren in den Grollen von Selsele in
den Händen haben, nimmt Boziere als Symbol vom U e -
b e r g a n g a us d i e s e m L e b e n ; ibid. cap. 4. p. 23 .
2) Die P a l m e . Aus den Zweigen derselben war
das Lager der a\egyptischen Priester bereitet (Charemon
beim Porphyrius de Abst. IV* 7. p. 3 i 8 .). Dieser Baum
war wegen seines hoben Alters berühmt (Ol. Celsii Hie·
robotan. pari. T. p. 534 ·). £ r war das Bild des J ah r e s -
c y c l u s , weil er alle Monate neue Zweige ansetzt. In
der Inschrift von Bosette werden Palmenträgcr ermähnt
(T e W ater zu Jablonshi Voce. Aegyptt. pag. 4O. und da­
selbst über den Griechischen Namen Bütliger Isis-
Teeper p. 126.).
3) Die M c e r z w i e h e l , χ ρ ο μ μ ί ο ρ , S c y l l a m a ­
r i t i ma . Von ihr giebt C. Sprengei, Geschichte der
Botanik I. p. 29. Folgendes an : « Die Meerzwiebel ward
göttlich verehrt, ln Pelusium stand ein Tempel dersel­
ben (Lucian. Juppit. tragoed. pag. i 52 .) ; denn die W as­
sersucht, durch die Sumpfluft (Typhons Plage) erregt,
lernte man frühe mit Meerzwiebeln behandeln. Daher
in der heiligen Sprache der Aegyptier viele Allegorien
von der Meerzwiebel Vorkommen (Jamblich, de myster.
Aegypt. p. i 5 o.).» So nannten sic Typhons Auge selbst
eine Zwiebel (s. C. Sprengel Hist, rei herbar. 1. p. 3 i.).
Auch findet man solche heilige Zwiebeln in den weibli­
chen Theilen von Mumien , nach Niebuhr in Blumenbachs
Beiträgen zur Nalurgcsch. II. p. 81 dar zuzeiten Ausgabe*
Vergl. oben S. 319.
4) Die P e r s e a (περσία j ursprünglich ein Ae-
thiopischer Baum, und mit den Priestercolonien nach

290) Die spateren Griechen nennen die xtqcaia (so ist es ge­
schrieben) auch ßi9aca\ s. Ducange Glossar, med» et inf.
δι 1

Aegypten verpflanat (nach Diodor. L 34 · SchoL Nicandri


T h e r . 764 ·)· herzförmige Blätter, und seine Frucht
ist von lieblichem Geechmacke, die C o r d i a My xa
nach Schreber (s. Sprengel Hist, rei herb. I. p. 3 o. und
Geschichte der Botanik I. pag. 29.V Sie war eine von
Altere her der I s i s geheiligte Pflanze (Pliitarch. de Isid.
et Osir. pag. 5^8 W yttenb.), und das blieb sic bis in die
Ptolemäerzelt herab. Beim Alexandrinischen Triumph­
zuge zu £bren des Bacchus hatte das personificirteFünf-
jabr (die Penteterjs, nevT^TTjpi^) in der einen Hand einen
Palmcnast, in der andern einen Kranz der Pcrsca (Athen.
V . 27.). Nach Plutarchus a. a. 0 . hat die Frucht dieses
Baumes herzförmige Gestal., das Blatt aber zungenför-
mige. Man hatte sehr viele Sagen von diesem Baume;
vergl. nur Boden a Stapel ad Theophr, hist. pl. p. leS.
295 sq. Strabo XVII. p. 828. p. 629Tzsch. Blumenbach
in den Beiträgen zur Naturgeschichte sagt (II. pag. 61.),
w ir wiifsten nicht mit Genifsheit, was die Persea für ein
Gewächs sey· Eine trefPliche Ausführung über diese
Pflanze giebt Silvestre de Sacy zum Abdallatif Relation
de rEg}q)tc p. 47 sqq. 66. 60 . 72. Hiernach ist es eine
Baumart, die die Araber L e b a k h (Labkh , Labkah),
die Kopi'cn O u s c h b a (Schba) nennen. Sie trug eine
Frucht nach Art der Mandeln, aber biMern Geschmacks.
Jezt ist der Baum in Aegypten gänzlich ausgegangen;
aber der Glaube an seine Heiligkeit (und darum verwei­
len wir dabei) lebt noch in Christlichen und Mohamme­
danischen Sagen fort. So zeigte man, nach Arabischen
Schriftstellern, in Aegypten ncch den Lehakbbaum, un­
ter welchem Maria bei der Flucht das Christuskind ge­
säugt haben soll. £$ ilofs ein Oel heraus. Ja Gott der

Graec. pag. 204. Uebrigene vcrgl. man über die Schrei­


bung dieses Namens Schweighäuser ad Athenaeum Hb. V.
p. Anrniadverss. 4d cap. 27*
5 i2
Herr hatte eclbst einst dem Mohammed angerathen, er
solle vom Lebahh essen zur Erhaltung seiner Zähne*
Hei den alten Aegyptiern crsclieint diese der Isis heilige
l^ilanzc häufig auf Denkmalen als Attribut dieser Göttin
uns! auch anderer Aegyptischer Gottheiten· Sie war eine
Pilanze der 1( ü hi u n g , und somit ein T r o s t b i l d b e i
de m A b s c h i e d e in d i e U n t e r w e l t . Darum sieht
man sie auch auf Mumienkasten und andern Todtendenk-
malen. So fuhrt sic der Isisgenius im Todtenreichc a u f
einem bemalten Mumienbehäiter, hei Kiebuhr (Reisen I*
tab. 89.). — Blätter der Persca sieht man auch an St'iu-
lencapitälern , z. B. in einem Tempel zu Edfu oder ApoU
linopolis magna ; s. Descript. de TEg. I. pl. 55 .
5) Das sogenannte A e g y p t i s c h c T a u üeber
seinen ursprünglichen Namen herrschte eine aufserordent-
liche Verschiedenheit der Meinungen in den älteren und
neueren Zeilen. Die Frage, ob es schon auf alt* Aegvp-
tischen Denkmalen vorkomme, mufste schon nach Ees·
sing und den Herausgebern von ΛΥίηοΙίοΙιηβηη bejahend
beantwortet werden; s. Gesch. d. K. I. S. 3 ii6 . Die Kir­
chenväter erkannten darin ein wirkliches K reuz, Crux
ansata, und v^ufsten viel Merkwilrdigcs von diesem Zei­
chen zu erzählen , besonders bei der Geschichte der
Zerstörung des Alcxandrinischen Serapistempels (sieh·
Tertullian. Apolog. p. 7· Cedrenus p. 325 . rergl. das
neuerlich hcraiisgegcbcne Chronicon des Julius Pollux
p. 366 ed. Hardt.). Jener Meinung folgte Salmasius in
den epistt. de cruce (an dessen Schrift de latere Christi
aperto). Die von La Croze und Jabionski vorgetragene
Meinung : es sey die Andeutung eines Phallus, mit Be­
ziehung auf das Zeichen des Planeten Venus $ (Jabionski

2PI) S. unten Tab. Γ. nr. 15, nach einem Abdruck, den uns
Herr Bischof M ü n t c r mitgctheilt hat, von einem Sea­
rs baus·
5iS
Voce. p8g. ä58 . mit Te W aters Zusateen 292^ ^ hat Zoega
(d e obelisec. p. 44o· 4^*· ^9-0 bestritten, und die
Erklärung aufgestellt: Es ist ein Nilsohlussel, und in der
Hand der Isis beseichnct es die grofse Beschliefserin der
t^atur 29.^) ; mit Zustimmung Denon*s und Anderer; vergL
dessen p 1. 117^ -svo eine Iteibe dieser Zeichen aus einem
Tempel bei Philä gegeben ist. Auf den Mauern der Ge­
bäude von Medina^tabu sieht man es in den Händen vieler
Personen , unter andern in der Hand des triumphirenden
Königs^ wo die Französischen Gelehrten es das A t t r i ­
b u t d e r G o t t h e i t nennen, so wie auch der H a c k e n ,
den er auch in der Hand führt; s. Descript. de TEgypte
Aiuiqq. Vol. II. Thebes pag. 47· So erscheint Isis oft.
Zw li. die Dresdner aus schwarzem Marmor (Augusteum
I. Tab. 111.). Dagegen hat Visconti (Museo Pio-Clem .
I I . p. 36 sqq.) die Jablonskische Meinung, mit Berück­
sichtigung der Asiatischen, besonders Indischen Symbo­
lik , sehr gelehrt ausgefuhrt (vergl. BüUigers Isis vesper
p. 123 , der beide Erklärungen, durch Unterscheidung
verschiedener Zeitalter , für vereinbar hält); und auch
Larcher stimmt der Jablonskischen Hypothese bei (He-
rodot. II. 272.). Pococke ( Descript. of the east I. pag*
^3.) meinte, es scy ein Sinnbild der vier Elemente*
Piuche fand darin einen Niloinetcr. Andere erkennen
einen Schlüssel darin, und aus diesem Begriffe, ganz
allgemein gedacht, leiten sie die Bedeutung von Herr­
schaft, besonders von Herrschaft über die Erde, her. —
ln der Inschrift von Rosette soll dieses Zeichen die
Stelle des Griechischen vertreten (SchlichtegroU

292) Hiermit stimmt auch im Wesentlichen Heyne überein in


der Notitia mumiae musei Gotting, p. 10·
293} Zoega will auch das Zeichen der Zeugiingskraft, den
Phallus , auf der Isistafel ganz in anderer Gestalt wahr-
genommen haben·
I. 55
5i4
xur Ductylioili. IL $9 f.)· Petit Radel (zu Musee
Napoleon IV. 109.) gellt von der Bemerkung aus, dafs
dieses Zeichen keineswegs den Aegyptisclien Denkmalen
cigenthumlich, sondern , weniger oder mehr modificirt,
sehr allgemein verbreitet scy auf Monumenten verschie­
dener Art und Gegenden. Sogar in nordischen Riinen-
gräbem habe man es gefunden, wovon dort Proben ge­
geben werden« Sodann komme es in Beziehung auf Gott«
heilen v o r, die unmittelbar mit Aegypten in keiner Ver-
hindiing stehen, z« B. als Attribut der Artemis alten
S tyls, auf Gemmen. Hierzu werden von ihm einige Ab­
drucke aus dem Thesaurus gemmar. astrifer. mitge-
theilt (Supplem. zu pl. 56 « B.). Besonders wird die Auf­
merksamkeit auf die Verbindung dieses Zeichens mit der
S o n n e und mit dem Mo n d e gelenkt, sowohl indirect,
in so fern es den Sonnengottheiten, wie dem Horus, bei­
gelegt w ird, oder weil es der heilige Sperber im Munde
trägt, z. B. auf dem Fragment einer Papyrusrolle bei
Millin (Monumens ined. nr. 7.), als auch direct und un­
mittelbar , z. B. auf der angeführten Gemme (s. unsere
Tafel) und auf einigen andern Denkmalen dieser Art«
Aus dem Allem wird der Satz abgeleitet, daPs es am
wahrscheinlichsten für ein Symbol der bei den Aegyp-
tiern und mehreren alten Völkern gebräuchlichen £ i n -
t h e i l u n g de s J a h r e s in d r e i J a h r e s z e i t e n sey«
— Andere symbolische Gcrätbe und Attribute sind z. B«
der S t a b mi t de m A u g e , als Attribut des Osiris,
ein Bild der V o r s i c h t und W ü r d e ; Plularch« de Isid«

29^) Wovon wir ein«n unten haben beifUgen lassen; s. Tab«


Ifl. nr. d. mit einem alten Bilde, worin Radel eine Diana
erkennt. Hier machen wir nur vorlMiifij^ auf das Zeichen
auf dem Kopfe aufmerksam, das hier als ordinäres Kreuz
erscheint. Von andern Eigenheiten dieser Figur wird in
dem Capitcl von der Artemis zu Ephesus die Rede seyn«
5i5
et Osir. pag· 898· 465 . vergl. die Gemme in der Dactyl.
Stosch· II. p. 34 ·
6) Das S i e t r u m (σβϊστρβ^). Der AegyptischeName
dieses Tempelinstruments war K c m k e m (sich. Jablonshi
y'occ. p. 3 o5. mit den gelehrten Zusätzen von Te Water,
und jezt Yilloteau Dissertation sur les diverses especes
d'instrumens de musicjiie des anciens Egyptiens, in der
Dcscript. de TEg. Antiqq. Memoir. Livr. I. Art. 2. pag.
107. du nom du S is t re en langue Egyptienne et de
TEtymologie du mot S i s t r e ) . Dieses heilige Geräthe
erscheint aiifserordentlich häufig auf Monumenten aller
A r t, auch auf Münzen (sieh, unten Tab. I. nr. 4.), und
seine Form erleidet die verschiedensten Modificationen.
Eine Beschreibung der wahren Gestalt liefert die Haupt­
stelle des Appulcjus Mctam. XI. pag. 759 sq. ed. Ouden-
dorp. mit Amaduzzi's Erläuterungen, sieh. Te W ater a.
a. O. Dieses bedeutende Symbol hatte, wie mehrere,
seine mythische Geschichte, und gab dem >Vitze der
deutenden Griechen reichen Stoff zu den verschieden­
sten Erklärungen, z. B. Isis batte es selbst erfunden,
und nun hatte es von ihr den Namen (Istrum , Sistrum
mit Vorgesetztem Zischlaute ; Isidor. Elymol. II. cap.21.).
Dieses Beispiel kann zur Charakteristik hinreichen
So viel ist gewifs, bei dem Isisdienste war es wesentlich,
worauf sich die s i s t r a t a t u r b a (Martialis Xll. 29.)
und andere häufige Anspielungen der alten Dichter be­
ziehen. Es war eine heilige Isisklapper zum Taktschla-
gen bei der Tempelmusik, besonders an dem grofsen
Feste des verlornen und wiedergefundenen Osiris. Die
andere Deutung, die darin einen NUmesser (Nilometrum,
Mekiab, den später Serapis führte, s. Dionysus p. 197.)

295) Von der religlüsen Musik der alten Aegyptier haben wir
oben p. 445 ίΤ· geredet.
5i6
sieht, dessen Stübchen die Grade der Nilfluth bezeichne-
ten 9 vertragt sich mit jener Beziehung auf die Osiris-
feier sehr gut, da durch letztere ja die in dem Steigen
und Fallen dieses Landesstroms sichtbaren Jahresperio·
den versinnlicht wurden. Andere Deutungen gaben je·
nem W erkzeuge eine grdfsere Allgemeinheit. So cr-
hannten schon Griechische Erklärer in den vier Stäb­
chen, die es häufig hatte, die Andeutung der vier W elt-
clemente — Ideen, die mit der Steigerung des Begriffs
der Isis selbst zusammenhingen, und in so weit z u r
Z e i t i h r e r E r f i n d u n g ihre Wahrheit batten, wenn
es gleich schwer zu bestimmen bleibt, welche unter die­
sen Vorstcllungsarten die älteste scyn milclite.
7) Unter die bemerkenswerthen Symbole der Aegyp-
tier gehört auch der a b g e s t u m p f t e K e g e l . Man
siebt ihn in der Mehrzahl, so dafs mehrere in einander
eingeschachtclt sind, an den Licht- und Luftlöchern
mehrerer Tem pel, z. B. im Tempel der Isis auf der
Westseite von Theben, zu Dcnderah ober dem Tbicr-
hreise, wo das Zeichen des Krebses steht. So auch im
Tempel zu Edfu; so dafs man sich berechtigt glaubt, za
schliefsen, zumal da dieses Zeichen auch oft in den Ilie-
roglyphen vorkommt, dafs cs das Symbol des L i c h t e s
sey; s. Descript. de IT^g. Anliqq. Vol. II. Thebes p. 162.
Dagegenhalte das W a s s er , wie es scheint, s p i t z ­
w i n k e l i g e Linien zur Hieroglyphe. So siebt man un­
ter den Sculpturen in den Grotten von Eiethyia durch
solche w e l l e n f ö r m i g e und b l a u g e f ä r b t e L i n i e n
den N i l vorgestellt; s. Costaz in der Descript. de l'Eg.
Antiqcf. \^ol. I. p. 64. So wird in den Reliefs von Phüa
die Wasserpflanze, der Lotus, von einem Priester aus
einem Gefäfsc begossen, und was aus dem Gefafse strömt,
sind wieder solche Lin en — ein vorzüglich deutlicher
Beweis für ihre Bedeutung; s. Lancret a. a. O. Vol. I.
p. 35 . Wenn sich bei Weihungsscenen aus dem Bilde
5i7
des Wassers Nilscliliis&el und Auguralstäbe entwicliclni
so liegt wohl dte Erklärung sehr nahe« nämlich^ daTe
man an g e w e i h e t e s Wasser denken soll. Ein Beispiel
liefert unsere 'i'afel mit der Königsweihe·

$. 23.
R ü c k b l i c k a u f das A e g y p t i sehe G ö t t e r -
System.

W ir haben auf das Ganze dieses Systems einzelne


Blicke geworfen 296^, und nach dem jedesmaligen Stand­
punkte, den wir nehmen mufsten, die Gottheiten ge­
würdigt. So zum Beispiel haben wir (pag. 290.) Amun^
Phtha und Osiris als Offenbarungen d es h ö c h s t e n
W e s e n s genommen , und an einem andern Orte (pag·
390.) die z w ö l f Götter als die h ö c h s t e n bezeichnet,
die doch in anderer Betrachtungsart die m i t t l e r e n
sind. Aus diesem Grunde wird es nöthig seyn, hier nun
nochmals in aller K ürze, mit Berücksichtigung jener
einzelnen Betrachtungsarten, s u m m a r i s c h das g a n z e
G ö t t e r S y s t e m zu überblicken. Man wird aber zum
voraus erwaHen, und das Bisherige hat es schon ge­
zeigt, dafsauch die d i r c c t e n und d o g m a t i s c h e n
Darstellungen von den Alten verschieden gegeben wer»
den. Jedoch d e r Schriftsteller, der in diesen Dingen
gewifs am wenigsten in Verdacht kommen kann, als habe
er etwa einem philosophischen System zu Gunsten etwas
so oder anders gestellt — Herodotus 297) giebt mit kla­
ren Worten d r e i O r d n u n g e n v o n A e g y p t i s c h e n
G o t t h e i t e n an: die e r s t e bestehend aus a c h t Gott­
heiten; die z w e i t e aus z w ö l f ; die d r i t t e , aus die­
ser entsprungen, aus einer nicht genannten Zahl. Was

296)S. oben p. 2B0 — 293. p. 3B0 - 394, p. 422. p. 457.


£97) I£. 45. 46. l45.
5i8
€$ mit den *wei letzteren Ordnungen für eine Bewandt-
nifs habe ^ ist theih aus demselben Geschichtschreiber
ersicbtUch , theils hat sieh ja unsere ganze bisherige
Betrachtung hauptsächlich mit ihnen beschäftigen müs­
sen. Unsere Hauptfrage wird also die e r s t e n a c h t
betreffen müssen ^ zu denen derselbe Geschichtschreiber
ausdrüchlich den Pan (Mendes) rechnet (II. ln
Betreß* der übrigen^ so lafst sich >vohl nicht zweifeln,
dafs er eie an einem andern Orte (11. 3 j . ) als lU biren
nennt, die er für Sühne des Hephästus ausgiebt.
Je hürzer aber Herodotus auch dort ist, und je mehr
er blos gelegentlich von der äufscren Gestalt dieser Göt­
ter redet, desto angelegener mufs uns seyn, auch das
Innere dieser ΛVe6en etwas näher kennen zu lernen. —
Zu diesem Zwecke lege ich eine tabellarische Uebersicht
zum Grunde, nach Damasciiis, der über jene höheren
Gottheiten sich deutlich genug ausläTst^ und zugleich äl­
tere Zeugen aiiführt ^ ;
i) Unerkannte Finsternifs (σκότος ( ί χ ν β ι σ τ ο ν )
e) Wasser und Sand^ oder Sand und Wasser
I
3 ) Erster Kamephis (Καρη^ις

Zweiter Kamephis

Hritter Kamephis.

g9S) Man vergleiche nur noch II. 4. 44. 50. 82.


Den Hellanicus, Hieronymus, Asclepiades, HeraYsooa
und Andere; sieh. Damascius de principiis apud Wolf, in
Anecdolt. grr. 1Π. $. XIII. p. 2. p. 25i $qq. 260 sq. Die
F ü n f z a h 1 der Potenzen hier ist mit den fünf Elementen
oben (p. 392.) vielleicht zut»ammeii zu stellen.
300) So lautet der Name dort. Gleich darauf aber steht mit
verändertem Accent Καμι^φ}ν; und Gale ad Jamblich, de
Mysler. p. 293. führt aus unserer Stelle selber an >
5 i9

W ir Imiipfen an dtcee Tafel unsere kurzen Bemer­


kungen über die Götterordnungen an.

Zuvörderst also ist es aus dem Obigen ersichtlich,


dafs das erste W esen, was hier kosmologisch als unent-
hulltcs Dunkel bezeichnet ist, im Aegyptischen System
der Priester Athor (Άθώρ) geheifsen hat — aber auch
ohne Zweifel Isi s. Denn Isis fuhrt zw*ei Namen, wo­
von der eine mit diesem fast identisch ist. Sie hiefs:
und Medvep. Ersteres bedeutete M u t ­
t e r , das zweite : W e l t h a u s des H o r u s , das dritte:
F ü l l e und G r u n d (Plutarch. de Isid. p. 5 3 i Wyltenb.).
Nach dem, was Plutarchus dort von diesem Wesen aU
W e l t m a t e r i e sagt, und was w'ir bereits oben über
den Begriff der N a c h t , der in ilim liegt, bemerkt ha­
ben , bedarf es keiner weiteren Beweise, dafs Athor-Ists
real und intcllectucll als der erste verborgene Grund
aller Dinge genommen \var. Hier kommt es darauf an,
die physischen und metaphysischen Eigenschaften, wie
sie in mythischen Zügen und Attributen hervortreten,
bei ihr und den übrigen Mitgliedern des ersten Götter­
chors, etwas näher zusammen zu stellen. Zuerst also
das Beiwort άγνωστον^ das u n e r k e n n b a r e , zeigt
hinlänglich , dafs sie metaphysisch als das genommen
war, was wir jezt das A b s o l u t e nennen mögen. Phy­
sisch ist sie die Versammlung der finsteren W asser, und
die chaotische Mischung der Elemente. Unerkannt, wie
sie ist, wird Athor auch wohl nur durch S c h w e i g e n

meint auch: Kv>f<p bei Euseb. Praep. Ev. ΠΙ. t t . und an­
derwärts, ingleichen das'H ^ipdes Porp hyrius beim Jam -
blich, de Myster. VIII. 3. (s. die Galeische Note dazu p.
80i . ) , seyen nur verschiedene Schreibarten und Formen
Eines Namens. Im Stobaeus 1. p. S50 ed. Heeren, steht
ohne Variante.
530

gcehit werden Oder wenn sie, wie es in andern


Stellen heiPst, dreimal angerufen wird, so Lexieht sich
dieser Anruf vielleicht auf die drei Obergotter (K ä m e ·
phen), welche im System ihr nach folgen. — Als F iiister-
nifs hatte Athor auch vielleicht einen s c h w a r z e n
S c h l e i e r . Dieser Sinn scheint mir der natürlicliste in
den W orten, die Hermes der Isis selbst in den Mund
I c g t ^ . Unter den Thieren sind der Athor die Maus

301) Was Jamblichus de Nfyster. V|U. 5 . p. 159. von einem


der ersten Principien des Aej^yptisclien Göltersy^^fems,
nicht aber gerade von der A thor, sagt: c kai

302} In einem Fragment beim Stohaeus I. 52. p. 950 Heeren,


sagt Isis vom Kamepbes oder «om Hermes: sui mjb
Μελάνι in'twi· Dies nird gewöhnlich fiir Diota
und Schrift genommen. Ich denke, folgende Stelle des
Plutarchus ist hieiher zu ziehen. E r sagt (de Isid. ct
Osir. p. 366. p. 501 sq .): ,iüie M^genannte Einschlies·
suitg des Osiris in den Sarg will nichts anders andeuten,
als das Verbergen und Verschwinden der W asser. D a­
her sagen sie , Odiris sey im M o n a t A t h y r gestorben,
wann mit dem Nachlassen der Etesischen Winde der Nil
zurückiritt, und das Land emblöfst wird. W a n n a b e r
d i e N i c h t e l a n g e r w e r d e n , di e F i n s i e r n i f s
a u n i m ΠΊ t , und des Lichtes Kraft matter und endlich ganz
unterdrückt wird , dann verrichten die Priester unter an­
dern traurigen Gebrauchen auch diesen: sie zeigen ein
vergoldetes Rind, d a s si e m i t e i n e m s c h w a r z e n
G e w ä n d e v o n B y s s u s u m h ü l l e n , wegen der
T rauer der Göttin, denn das Rind halten sie für ein Bi ld
d e r I s i s und für die E r d u . s. w. Ich habe diese
Stelle auch deswegen angeführt, weil sie wieder deutlich
zeigt, w ie in d i e s e m S y a t e m i m m e r d i e h ö h e r e
P o t e n z i n d e r n i e d e r e n e r s c h e i n t ; so s. B.
hier A t h o r in der I s i s . Mithin ist hier Isis-A thor
der Erdabgrund, welcher Wasser und Licht verschlingt,
Jezt werden wir auch verstehen, warum der Aegyptische
5a i
{s· oben) und die Taube ^03) beigelegt worden. Letztere
batte sie als Venus (Orion ap. £t)^niol. magn. p. 26· ρ.αή.
bezeichnet sic a)s Aegyptisclie Venus) ^ d. h. als Aeal-
grund der physischen Erzeugung ‘^^).

Mythus auch von einem s c h w a r z e n Osiris weife (Plu-


tarch. de !sid. p. <i74 Wyttenb.). Doch das Weitere sehe
man in iinsern Commentait. Herodott. I. p. 120 sqq. In
der Stelle des Stobacus ht es wcjjcn der BeschafTenheit
des Textes ungewifs, ob Hermes selbst die Isis mit dem
heiligen Schleier beehrt ^ oder ein Vorfahr der Isis, Na­
mens Kamephes. Krsteres wSre mehr iin Geiste des My-
ihus. Denn Hermes giebt auch der l.sis die Attribute de«
Rindes (6 . oben p. 264 ). In diesem Palle würde Hermes
in derselben Stelle dos Stobaeus als Kamephes bezeichnet
seyn. Auch dieses widerspricht seinem Begriffe nicht.
Aber der Contexi liat noch andere Schwierigkeiten.
303^ So erscheint sic auf einer Münze des Kaisers Hadrianus
mit der Aufschrift von Athribis, bei Zoega numi Aegyptt.
Tab. XXI. nr. S. (vergl. dessen Bemerkungen darüber
p. 73. 116 .) , deren Abbildung wir unten haben bciftlgen
lassen Tab. [. nr. 10 .
904) Diese V e n u s a l t e n S t y l e erscheint auf dem sehr
alten Relief, wovon unten Tab. IV. nr. 3. eine Copie ge>
geben ist, und auf einer Italisch - Griechischen Vase des
Herrn Grafen von Erbach. Diese Venus oder Athor
wurde zu A ' t h r i b i s einer Stadt und einem
Nonius im Delta, in deren Nähe A p h r o d i t o p o l i s
( 5 . Steph. Byz. in ’Avp;c5<rsir.) lag, und welche Herodotus
II. 4o. A c ä r b e c l i i e nennt (s. Jabionski Voce. p. 43.),
verehrt. Es ist daher schon dvbwegeii sehr wahrschein­
lich, dafs Zo^ga Recht hat, wenn er a. a. O. den Namen
der Stadt AthHbis von Ater, A t h o r und B e k i (Stadt)
herleitet, N z o h t t t a d t . Champollion ( P£g. sous les
Phar. II. I7i8q«)wtll sein Unheil über jene Erklärung
Jablnnski*8 noch zurQckhalten , bis die Identität von Atar-
bechis und Aphroditeapolis des Strabo näher bestätigt sey.
lieber Athribis, unter welchem Namen Aegypten zwei
Städte hatte, vergleiche man Denselben 11. 48 — 51·
52 2

W ir blicliett auf obige Tafel surucic; 'wo ich aber


in Betreff'des W a s s e r s und S a n d e s , als hosmogoni-
scher Potenzen, mich nur auf das, was ich oben darüber
bemerkt habe, beziehen kann.
Es folgen die drei H o r t e oder W ä c h t e r Aegyp­
tens· Demi so können w i r , nach dem Obigen ( p. /|53 .
45 ?.) f jene Kamephen wohl nennen. Hiermit haben wir
aber nur gemeinsame Epitheta, und es bleibt die FVagc
übrig; wie hiefs der erste Kamephts, wie der zweite und
wie der dritte? Es geht nun aus den obigen Mittheilun·
gen (p. 290 fP, p. 390 fr.) gleichfalls hervor, dafs bald
Kneph, bald Hephästus (V u lcan ), bald Hclius ( S o l,
Sonne) mit der ersten Stelle in der höchsten Gütlerorcl-
nung beehrt werden· Ohne uns mit neuen Yereinigungs-
vcrsiiehen an diese verschiedenen Angaben zu wagen
(welche auch durch die Bemerkung, dafs die höheren
Potenzen in den niederen erscheinen, überflüssig wer­
den), wenden wir gleich iinsern Blick auf den K n e p h
(Κι^ήΦ) oder Bnuphis (Κ νοΐφ ις). Dieser Name wird
durch Agalhodüifion (Ά^α^οίαιμων) , der g u t e G e i s t ,
von den Alten übersetzt In einem Aegyptischen
Dogma ^^^) wird Emeph, den wir wohl als Kiieph oder.

SOS) Euseb. Praep. Ev. I. 10· p. 4l. vergl. Jahlonshi Paiith.


I. pa^. BO, lin Armenischen Clironicon des Eusebius I.
20. p. 93 ed· Mediol. 1818. ist au dieser Stelle eine LOcke,
und der Name Agathodaemon ist vom Rande in den Text
genoinmen worden. S. daselbst die Anmerkung von Ang.
Mai not. 3.
8O6 ) Bei Jamblich· de Myster· Aegypt. VIII. 3. pag· 159.
vcüv eh/cu αυτόν Jaurov νοοϋντα, ttai τ4$ «ις
fTi9T^^(pcvra, Lesen wir nun im Fragment des Philo By-
blius beim Euseb. Pr. Ev. L 10 . p. 4 l, dafs die Schlsnge
sich in sich selbst wieder auflüst (ifc iaHjrtv avaX\}frat) , so
sehen wir schon einen der Gründe, warum Kneph aU
Schlange vorgestellt war*
5a5
als ersten Hamephts nehmen müssen ^ so beschrieben,
daPs es d e r G e i s t sey, d e r s i c h s e l b s t b e g r e i f t ,
u n d di e B e g r i f f e in s i c h s e l b s t (in den Kneph)
z u s a m m e n z i e h e t · Achnlich ist die Beschreibung,
die uns ein anderer Schriftsteller \om Kronos oder Sa­
turnus g ie b t^ ); und wir haben oben in Aegyptischen
Genealogien den Kronos als eine der ersten Potenzen
hervortreten sehen.
Λ’ οη diesem ersten Horte Aegyptens als Naturgotte
batte der CanobischeNilarm den Namen Agathodämon 308).
Dürften wir einem Alterlhumsforscher folgen, so
wäre auch C h n u p h i (Knuphis) und C a n o b u s selbst
Ein W o r t; und überhaupt wären Cneph, Eneph (so
schreibt e r ) , Chnophi, Clmubis, Chnumts, Chonuphis,
Oniiphis, Oenuphis, Anubis, Anabis, Mnevis, mir ver­
schiedene Formen eines und desselben Grundwortes.
Λ^οη C a n o b u s haben wir aber urkundlich aus dem
Munde eines Aegyptischen Priesters die Uebersetzung:
g o l d e n e r B o d e n ^ ^ ^ · und in seinem neueren Werke^ti)

307) Proclus in Platonis Cratyl. Tev ik K^-evov cur »νβ^ΰντβ,


ϋ υ τ ί Tt ip^syy/ufvev ti;dy*ty αλλ* όντας dyxoAe/JU^nf^, w; ιις
i U'jT ο ν i στξαμίΜ ίνον,

30*<) Ptolemaei Geoj;r. lib. IV. cap. 5. Aegypttsch : Sehet-


nouphi y «1er g u t e N i l a r n i , von S e h e t ^ Arm des
Ftiisiics, und n o u p h i , die gute ( bona, conservatrix ) ,
iin Gegensatz gegen den Pbenmithischen d. i. den bösen
Nlilarm; s. ChainpoHioii l’Egypte sous les Pharaons 11.
pag. 2i.
309) Zo^ga in den Num. Aegyptt. Imperatt. p. 35 sq.
310) Yß-jcoüv λ3αφρς; sieh. Aristidis Aegypt. Tora. Π. pag. 359
Jebb.
311) Zo^ga de obelisce, p.437. «Tene Hypothese war übrigens
schon früher versucht, s. To W ater au Jabionski Vocc(
5^4
gedenkt auch derselbe Gelehrte dieser Hypothese w eiter
nicht· W ir bedürfen ihrer auch nicht, die B e g r i f f e
reihen sich dennoch von selber an einander an: Knuphi-
Agathodämon, der Kneph als g u t e r G e i s t und Lebens-
^uell, indem er die Heililuth und ernährende W asser­
kraft des Nil aassendet, und den Boden des Aegyptischen
Landes befruchtet, Mird dadurch Urheber von Reich-
thum und Fülle. Davon giebt dann die S p r a c h e , in
Ortsnamen vom g o l d e n e n B o d e n , und das B i l d ,
im N i l k r u g oder im Kruggott (Canobus), Rechen­
schaft. So iÜhrt auch Hermes-Anubis, der geistige,
der g o l d e n e , bald das Horn des Heiles, bald den B e­
cher und das GefäTs mit den Sämereien (s. oben p. 872 ff.)·
Als magische Laterne erößhet dasselbe Gefäfs den Blich
der Seher (ebendaselbst); und wie Osymandyas, des
goldenen Kreises Erfinder, in den Papyrusrollen seiner
Sammlung die Arzneimittel für den Geist giebt (Diodor.
I. 49.)» in Aegyptischer Sprache B r o d und
W e i s h e i t mit Einem W orte bezeichnet W ir
dürfen auch hierbei an die g o l d e n e n S p r u c h e der
Pythagoreer und an ähnliche Ausdrücke in der Bibel
denken.

p. 107. Auch bleiben Jabionski selbst und Champollion


(11. pag. 2i9·), wie billig:, bei der Erklärung des Aegyp-
tiers, die La Croze philologisch erläutert und gerechtfer­
tigt hat.
A na b is war der Name eines Aegyptischen Flek·
kens. Wenn dort ein M e n s c h verehrt wurde ( Por-
phyrius de Abstin. IV. p. 325 ed. Khoer.), so war die*
ses die nothweiidige, organische Ergänzung des Dienstes
der L e i b e r , und hat mit Apoiheose nichts gemein«
Osiris als Lebensgrund aller Leiber war G o t t .
il2 ) s. Horapollo f. 38. vergl« Jsblonski Voce. p. 274«
und Sahnasii Epistt. L 78« p. I66·
525
In dieses System geliorcn nun auch die L >ca1itSten
und Personalitäten der Stadt Thoni und des Ae^yp·
tischen Königs T h o n i s (W^jhc), dessen Frau, Polydam-
na^ Lehrerin der Helena in Bereitung von Kräutersäften
w i r d U n t e r den Bildern vom Ei der Helena, das
aus dem Monde herahgelallen und von des Mene­
laus Steuermann Canubus, der, nachdem er vom Biis
der Schlange gestorben, als Kruggott in die Tempel
und Orakel auigenominen war, gehen nun diese Begriffe
vom He i l und U n h e i l , g u t e r und b ö s e r M a g i e ,
L e b e n und T o d , in den Aegyptischen Landen umher.
Dies Alles hat seinen i n n e r e n Zusammenhang, wenn
sich auch Zoega geirrt haben sollte, indem er T h o n
(Chthon) oder Thonis aus Koptischer Sprache selbst dem
W orte nach als W e l t g e i s t und folglich als Knepli
darzustcllen sucht. Dürfte eine andere Vermuthung ge·
wagt werden, so hätten wir vielleicht im T i t h o n u s
(Τ»^ωρός) das Grundwort T h o n (&(or) auch. Aber
auch aufserdem ist Tithonus seiner Bedeutung nach der

313) Ein öfter vorkommender Aegyptischer Ortsname. Eine


Stadt lag westlich von Canobus am M eere; a. ChampolJ.
II. 262.

314) Odyss. IV. 227 sqq. Herodot. II. 115 sq.


315) Neocles ap. Eiistath. ad Odyss. Xf. 29K. p. 437· Diese
Griechischen Bilder und Mythen werden im CapiteI von
den Griechischen Dioskiiren abgehanddt werden· — Es
geliöii übrigens ganz in dieselbe abrionomisch-kosmische
Hegriffsreilie, wenn auch der Neineische Löwe aus dem
Monde herabgekommen seyn soll, wie Epimenides singt
beim Aelian. H. A, XII. 7. p. 3SU Schn.
316) Spiritus universi; s. Zoiiga Niimi Aegytt. p. 36. Beim
Janiblichus de Myster. VIII. 3. kommt neben dem Kneph
ein Wesen v or, das Eixruiv genannt wird·
526
T a g 3*^. Da nun aber Hemera, der T a g , ganz be-
stimint unter den ersten Gottheiten Aegyptens genannt
“wird (e. oben pag. 09«· not. 4o.), so verden wir mit vo l­
lem Bechte den T i t h o n u s als einen ersten Kamephis^
und seinen Sohn M e m n o n als einen zweiten Kamephis
bezeichnen honnen. Beide sind L i c h t h o r t e Aegyp­
tens. Ersterer ist Hort des Ganzen, also eigentlich
i Cnmephi s» letzterer Hort von No· Amun ( T h e b e n )
oder P h a m e n o p hi s (·. oben p . 453 .457.). — Folglich
vereinigen sich hier die Ideen von B n e p h und von
Amun. Dieser heifst der L i c h t b r i n g c r , und
ist hein anderer als der Griechische Zeus (Hcrodot. IT.
42,)· Mithin wird es begreiflich ^ wie sich die doppelte
Genealogie vom Meronon bildete, w onach er einmal
Sohn des T i t h o n u s und der Aurora, ein andermal
Sohn des J u p p i t e r heif^t· — Amun und Tiihomis,
und ihre Söhne, Memnon und Emathion, reihen sich
so in Begriff’ und Namen den Aogyptischen L i c h t h o r ­
t e n an.
Vom A m u n als Kamephis brauchen wir weiter nichts
zu sagen. Er ist schon in den vorhergehenden Ab­
schnitten vorgehommen. Jezt müssen wir nur auch
noch die organische Gemeinschaft der Symbole oder At­
tribute bemerken.
Zuerst war die S c h l a n g e , die man U r a e u s oder
A g a t h o d ä m o n nannte , d e m K n u p h i s beigesellt

317) Τ < ^ « ν β ς , ΐ 5 l i Etym. magn. p. 75β. p. 687. Als


L i c h t v e r b r e i t e r wird K. n e p h ausdrücklich im Ae-
gyptischen System beschrieben· S. weiter unten.
J a h lo n s k i V o c e . p . 3 t . l i e b e r ’A f t ö u v , g l o r i a , c e l ­
s i t u d o , s u b l i m i s , s . u n s e r e C o m m e n ta tt. I le ro d o tt.
l . p. 1.19* n o t. 133.
319 ) Eusebius Praep. Ev. I. 10 . p. 4l ed. Colon. Silvestre
de Sacy zum Abdallatif cap. IV. not. 65. vei^l. Chainpol-
5^7

Nun sagt uns aber Herodotus (IL 74.) i Theba


von den Aegyptiern dem Z e u s , also dem A m u n , bei-
Hge Schlangen geweihet waren, und in seinem Tempel
begraben wurdet:· Dasheirst: die heilige Schlange war
im Tbierdienste Bild von Kneph und von Amun, als
ewigen Gdttem

hon f· pag.183· pa^. 353.; iim nicht M obreres anzuführeii


<vergl. Miicli das oben Bemerkte unter den Symbolen).
Knepb heifst der u n g e b o r e n e u n d u n s t e r b l i c h e
Gott beim Plutarclius de Isid. pag· 474 Wyttenb. Damit
hing das Attribut der Schlange auch zusammen. Man
lese nur, was Philo Byblius in der Hauptstelle bei Euse«
bius am angtf. O. in dieser Beziehung von der Schlange
sagt.
320) Die Schlange als Kneph halte bei den Aegyplicrn einen
Falkenkopf ( Philo BybL ap. Euseb. Praepar. Kv. I. 10 .
p. 4t.): wDas erste göttlichste Wesen ist eine Schlange
„mit Palkcngestalt, sehr lieblich. Blickete sie auf, $0
„erfiillete sie Alles mit L i c h t in ihrem heimischen ür«
„lande. $0 oft sie aber die Augen verschtofs, so ward
„ Finsternifs. ^ Worte eines alten Schrifistellers ebenda·
selbst. — Also 1 ) K n e p h * - A m u n , als F a l k e n ­
s c h l a n g e , Bild des g u t e n L i c h t g e i e t e s . Was
die Griechen als ro αγα^βν, das G u t e , bezeichneten —
Macrob. in Soiim. Scip. Γ. 2 . p. Bip. — war Kneph bei
den Aegyptiern. 2 ) Der L ö w e ist als das feurige Thier
Bild des Hephaestiis (Vulcan) — s. Aelian. II. A. XJI.
7. pag. 3S0 Schneid. — Mithin die S c h l a n g e mit dem
L i ö w e n k ö p f e ist K n e p h - P h t h a . Manchmal hat
eie auch ElUgel, wie z. B. a u f u n s e r e r T a f e l ; diese
und die untergesetzte U r n e erinnern an den Herakles
oder P h a n e s der Orphischen Theologie; wovon im
Verfolg. Die S c h l a n g e , um die W a s s e r u r n e ge­
wunden (s. unsere Tafel I. nr. 2.), ist Knepb, der gute
Geist über den Wassern, und als Attribut der I s i s (wie
dort) der Isische Heilkelch. 3) Eine Fa I ken sc hl a n ­
ge (βφι; ) , mitten über eine luft- und feuer­
farbige K u g e l ausgestreckt, bezeichnet K n e p h - A g a -
5i8
Nun verehrten sie den Agathodämon auch als
Hund ; M^elches Thier so recht eigentlich Attribut
und Bild des H e r m e s - A n u b i s >var. So vereinigt sich
also auch dieser Gott wieder mit dem Fneph durch glei­
che Attribute, und wir dürfen nach allem Obigen (m an
vergleiche nur pag. 393. not. 40.) nicht zweifeln, dafs
auch Hermes unter die grofsen Kamephen der Aegyplier
gehörte. Dafs auch Amun den Hund hatte, der W äch­
ter das wachsame Thier, honnen wir aus mehreren An­
gaben der Alten schlicfsen. Der Juppiter H e r c e u s
und die Laren hatten in dem Griechischen und Italischen
Patriarchencult den Hund und noch in Alcxandri-
nischer Beiigion hatte Juppiter-Serapis den Hund als
sein Thier bei sich.
Im W i d d e r commiinicirt Ammon nun eben so mit
Hermes, wie im S t i e r mit Osiris; und wenn auch
O n u p h i s , der Name des einen heiligen Stieres (s. oben),
nicht mit Chnuphis verwandt seyn, wie doch Zoega will,

t h o d a e m o n als den verbiiulenden W e l t g e i s f . Eu-


seb. Praepar. Ev. I. p. 4l. (Diese Stelle ist auch, wie
vieles Andere, in das BUchlein des Jo. Laur. Lydus de
menss. pag. geworfen; welches ich hier zu meinen
Conunentait. Herodolt. I. cap. J. 4. 28. nachträglich be­
merken will,). Endlich 4) das an Aegypiischen IVnipel-
thüren und unzähligen andern Monumenten vorkonimen-
de Symbol: d e r g o l d g e l b e n K u g e l »wi sch*sn
awei S c h l a n g e n ( uraei, ß a ctk t< ry .o t, kleine Könige,
genannt) , daneben F a I k e n f 1 ü g e I , ist höchstwahr­
scheinlich K n e p h - A g a t h o d a e m o n als e w i g e r ,
u n s t e r b l i c h e r F e u e r - u n d L i c h t g o t t (s. unsere
Commentatt. Herodott. a. a. O.)·
321) Zo€ga Ntimi Aegyptt. p. 37.
322) Siehe unsere Commentatt. Herodott. 1. pag· 233 seqq«
pag. 23«;.
oder aach nicht den Agalhodtinion bezeichnen sollte,
Andere \\ollen (siehe oben pag. 481 f.), so müssen
doch schon die obigen Gebräuche, der V e r h ü l l u n g
des Stieres zu Ehren der Isis-Athor, einen Jeden er­
innern , dafs auch dieses Thieibild bis zum Kneph hin­
aufreicht,
^iicht anders ist es mit andern Begriflen, Wenn
der eine Nilarm vom Kneph den Namen Agathodämon
füh rt, ein anderer von Pan-Mendes, einem der acht
hohen G ötter, der Mendesische heifst, so ilofs der ganze
Nil als Sirius und als ein Strom der Isis im Zeichen des
Hundssternes (s. oben p, 371. not, 129,)·
Isis als Gebärerin der Sonne tritt in Memphis dem
andern Kamephis, V u l c a n , zur Seite, Dieser heifst
Phtha (4 >S^cc), Vielleicht ist auch dieser Name ein allge­
meinerer, und mehreren Göttern g e m e in ^ ); aber die
Griechen und Bumer haben ihn unter dem Namen He-
phästus und Vulcanus als Feuerhraft genommen. Dafs
auch hier intellectuelle wie materielle BegrifTe vereinigt
waren, geht schon aus dem Obigen (p. 384 ff*·) hervor.
Hierhin werden auch die Hephästobule und ihr Sohn
Asclepius gehören ^ ) . W ir bemerhen hier nur, dafs

323) Schelling Ober die Gottheiten von Samothrace pag. 68 f,


vergl, Champollion l. p. 86 sq. — Wie übrigens Vulcan
unter den Griechischen Kabiren hervortritt, und wie er
noch in Römischen Dichtern (Horat. Carm. I. 4. 6 — 8.)
als Feuerkraft sich auch der Venus als physischer Schön­
heit gesellt ( nach einer scharfsinnigen Erklärung meines
gelehrten Freundes, J . G o t t l . S c h w e i g h ä u s e r ) ,
davon mufs in andern Capiteln unseres Buches die Rede
seyn,
324) In den Hermetischen Fragmenten bei Stobaeus Eclogg,
1. 52. p. 932. E r heifst dort: Άσκλί;τ/ί; p'I/meJÄy;, und
in einem andern Fragment nr. 62. p. 1090 Heeren, heifst
er Sohn des Hephästus, Dort kommen noch andere Po·
L 54
53ο
im Memphitischen Cult IMitli a und I s i s , letztere in der
Qualität als N e i t h , als giorscste Potenzen in jeder Be­
ziehung aufgefnhrt Herden· Beide bringen hier den
Osiris als Sonne, oder den Hnrus-Apollo h e r r o r ^ ;
und auch im Tode, horten w i r oben, fanden Isis und
Osiris im heiligen Bezirke des Phtha - Λ"ulcanns ihre
Grabesstätte·

Im Tempel desselben Gottes zu Memphis sah


Cambyses die Bilder des Phtba und seiner Kinder, der
Kabiren (Herodot. III. 87.)* Nach allem Bisherigen wird
es wohl eine A c h t za hl ron Horten oder Kamephen
gewesen scyn· Denn der Geschichtschreiber vergleicht
sie auch den Schutzgdttern, welche man auf Phonici-
schen Schiffen sah; und das Phunicische System kennt
sieben Kabiren, mit einem a c h t e n als Vorsteher
Sie waren bauchig und zwergartig. £s ist eine natür­
liche Folge unserer vorherigen Ansicht, wenn wir dem
Zoega beipilichten, indem er auch den Cnuphis sich in
dieser Gestalt abgebildet denkt. Er unterscheidet näm-

tenzen vor, die vielleicht zu den Kamephen oder zu den


hdemphitischen Kabiren gehören 5 wie Pan, Tat (0 Tdr)
und Arnebeschenis (*A^vc/3e<r^i;v/;)·
385) Cicero de Nat. D eor. Ifi. 2 1 . 2 .i. p. S9S, 624.
W ir fu­
gen hier noch die bekannte Inschrift zu Sats b ei, nach
Pluiarch. de Isid. et Osir. p. 453 Wyifenb. : «γ» «Vu »av
t i ytyov6^ ucu ov hoi και τον ίμον ir/τΛον irt»
ατ€Η0Λνψ«ν·
3£6) Ueber diese Localitaten vergi. Champoll. I. p. SSS sqq.
327} Wenn wir beim Eusebius I. 20. pag. 9^ ed. Mediol. den
V u l c a n unter den ersten Regenten Aegyptens genannt
finden, und wenn Manetho apud byncetl. p. 18. s i e b e n
Götter den ersten sechezehn Dynastien zutheilt, so ist
wohl zu vermuihen, dafs es die K a b i r e n sind, und
dafs diese also auch h i s t o r i s c h genommen waren»
55i
lieh so« daPs die ältere« bärtige und zwergartige Gestalt
den C n u p h i s darstelle; die jungere« unbärtige« den
Ta t « den er als W e r k m e i s t e r bezeichnet und für
den Vulcanus nimmt ^ ). Nur müssen wir bemerken«
dafs in Me mp h i s « wo Yulcan selbst zum ersten Gotte
geworden war« und als V a t e r der Kabiren bezeichnet
wird« jener bärtige Zwerg ganz gewiPs i h n , den Phtha
selber« darstellt· Dergleichen Zwerggotter sah schon
Pococke unter den Bildwerken von Tentyra in Ober-
ägypten ^ ) ; und wir haben aus dem grdPseren Franzö­
sischen W erke selbst ein solches Bild copiren lassen«
das sich zu £dfu findet In dortigen Gegenden kann
und darf man bei einem solchen bärtigen Zwerge wohl an
den schöpferischen K n e p h denken·
Und hiermit beendigen wir diesen Buckhiiek auf
das Aegyptische Emanationssystem von a c h t o b e r e n ;
z w ö l f m i t t l e r e n « und vermuthlich s i e b e n Göttern
l e t z t e r O r d n u n g . Denn von den übrigen« auPser
den acht Babiren« Ist im Vorhergehenden das Nöthige
bemerkt worden, ln allen drei Ordnungen aber behaup­
tet Isis ihren Bang : in der ersten als I s i s · A t h o r ; in
der zweiten als I s i s - N e i t h « und in der dritten Ord­
nung als I s i s - I o — Fingerzeigs genug« daPs im

328) Numi Aegyptt. p. 35 sqq. D er Grund « daPs den ersten


kosmischen Personen solche rohe und widerliche For^
men gegeben wurden , war wohl die Idee vom rohen Z u ­
stande der ersten Schöpfungen aus dem Chaos.
329) Descript. of the East. I'o m . 1. Tab· 42 und 67.
330) S. unsere Tab, XVI. nr. 2. Vergleiche auch die T itel­
vignette « und die Copie der Münze« die wir nach M u n ­
t e r auf der folgenden Seite beifügen lassen.
331) Das heilst als M o n d . *Icv η πατά r^v 'Ayysiotv
λ<κτ·ν^ Eustath. ad Dionys. Perieg. pag. 23. Jabionski
552
Priestersystem es mit allen übrigen sich gleichmarsij;
verhielt, und folglich in dieser höheren Betrachtungsart
O s i r i s , die G u t e (s. oben p. 291.)« ebenHneph, der
g u t e G e i s t , oder das höchste W esen selber war.

(Voce. p. 99·) hat diesen Namen ans Aegyptischer Spra­


che als Mond erklärt. — Acht Gottheiten der Elemente
und der Erzeugung, vier männliche und vier weibliche,
kennt auch Jainblichus de M yster. V lll. 3. p. 159 Gal.
533

Z w e i t e s C a p i t e l .

Von den R eligionen Indien&

E i n l e i t u n g .
In Aegypten, das wir so eben verlassen, sahen wir ein
monotones, einziges FluPsthal, Iteine Gebirge^ anTscrin
so fern sie die Gränze bilden; ein einziger Flufs, wovon
alles Heil ausgeht, bedingt einen Haupttheil des ganzen
Mythus. Ganz anders in Indien; hier finden wir Hoch«
lander, und aus ihnen entspringend vier grofse StromCi
deren jeder wieder unzählige andere in sich aufnimmt·
Hier zieht ein Berggilrtel, stolz das herrliche Land von
Westen nach Osten begränzend. Von diesen Hochgebirgen
herab eine frische Luft, die mit den Zweigen der Bäume
spielt, und uns die lieblichsten Mythen zuzulispeln weifs.
An dem Fufse dieser Gebirge ungeheuere Ebenen9 die,
Aegypten gleich, eine Einöde wären, wenn nicht treff­
liche Strome das Land bewässerten, und dieheiPse Sonne
gleichsam zΛvängen, Wunder zu thun. Darum überall
die üppigste Vegetation, jedoch ganz anderer A rt, als
in Aegypten. Hier Hochwälder , die dort unerhört
sind, wo Alles zum todten Steine werden mufs. Endlich
in Indien ganz andere Thierarten, eine ganz andere
Menschheit.
Aber auch innerlich zeigt sich eine nicht minder
grofse A^erschiedenheit. In Aegypten hat nie, was ge­
schlossen war, sich aufgethan; durchbrochen zwar sind
die Sfhranhen worden von Persern, Griechen und 119-
mcrii: allein dies Itam der niederen Menschheit nicht zu
534
Gute. Das höhere Wissen war und ist in Aep^^ten stets
rin Eigentlium der Priester gewesen, ein ITir den Indien
Terschlosscncr Canon; was sie dem Volke miuhcilen w o lU
te n , war Sache der Gnade, ln Indien treffen wir aswar
auch Casten , auch eine geschlossene Priestcrcaste , die
Praminen ; aber schon in uralter Zeit eine Ileform ation,
wo ein Prophet aufsteht, Buddha, der das Heil und die
Ileilsordnung allen Menschen mittheilt. Durch diese
Bevolution wäre vielleicht die ganze Indische M ensch­
heit mündig geworden, hätten nicht viele Umstände, und
besonders Eroberungen , von Aufsen her diese F o r t-
schreitung gehemmt. Und wenn gleich die Casten und
der Casten unterschied strenge fortgedauert, so war doch
keinem Tntlier jene groPsere Freiheit vorenlhalten 5 jeder,
auch der gemeinste, des Höchsten theilhaftig, was ihm
die Religion der Vater darbieten konnte. Dürfen wir
vielleicht auch den Aegyplicrn das Epos nicht absprechen
(eine Heldensage hatten sie — davon im Verfolg ein
M ehreres), so läfst sich doch nicht verkennen, dafs
diese Dichtung bei den Indiern weit bedeutender Ker-
vortritt. Das Epos aber ist die Stimme d ir Natur und
der Elemente in jedem Lande, der Ansdrfick der Volks-
ihumlicbkeit, und wo nicht immer das FJgenthum aller
Laien, so doch das gemeinsame Sensorium ganzer edle­
ren Stämme. Blicken wir nun auf Indien hin, welch
ein Beichlhum an epischen Gedichten stellt sich uns
hier vor Augen! wie ausgebildet diese Art der Poesie!
und wie viele reich begabte Geister mochte sie nicht be­
schäftigt haben!
Nach dieser Vorerinnerung wollen wir kürzlich die
vresentlichen Thcile angeben , in welche unsere Abhand­
lung zerfallen wird· W ir werden nämlich handeln:
i) Von den verschiedener· Perioden der Indischen
Religionen , so wie von den verschiedenen poetischen
und prosaischen Schriften, die einer jeden derselben
555
acu geschrieben werden ; ferner von den Lehrern, W ei­
s e n , Gesetzgebern und Priestern, die sich besonders
ausgezeichnet haben.
2) Sodann gehen wir an die Darstellung der Reli­
gion selber, und handeln ah die Lehre von Gott, seinen
verschiedenen Emanationen und Menschwerdungen, von
der Kosmogonie u. s. w., von Ethik und Ascetih. Darauf
betrachten wir die Indische Anschauung von der W elt
und Menschheit9 und das Ganze wird die Lehre von den
letzten Dingen beschliePsen.
Endlich 3 ) versuchen wir eine kurze Betrachtung
der Formen und des Gewandes, in welchem geistige
Ideen nach Indischer Denkart sich darlegen. Hier wer­
den wir aus den vorhandenen W erken die nuthigen Bei­
spiele geben.
W enn es wahr ist, wie es doch ohne Zweifel ist,
dafs Indiens Religionen, wie alle Religionen der Vor­
zeit , nicht durch Gewalt gchoten und aufgedrungen,
sondern vielmehr ein freies ErzeugniHi des Landes und
der Menschheit sind, so w4 rd uns vergönnt seyn, noch
einen Blick auf dieses merkwürdige Land zu werfen.
Es ist hier von einer Ländermasse die Rede, welche
in ihrer Ausdehnung grüfser ist als Europa, von ihren
nördlichen Gränzen, von der jetzigen Bueharei an, bis
an das südliche Vorgebirge und das Eiland Ccvlon hin.
In diesen grofsen Provinzen wird besonders der nord­
westliche Winkel unsere Betrachtung auf sich ziehen ^),
und in den religiösen Kreis wird vorzüglich eben dieses
merkwürdige Gränzland gezogen werden müssen, das wir
jezt K a s c h e m i r nennen , das Indische Thessalien; ein
Thailand, gebildet von einer Gebirgskette, die sich von
hier aus nach Osten und Westen ausbreitet, und ganz

1) Vergl, W ahl Erd beschreib, von Ostindien TI. S. 187. 189.


536
Indien im Norden begrenzt, von den Alten P a r o p a ­
m i s u s und Imaus^ von den Indiern selbst aber das
Himalahgebirge genannt. W o diese Gebirge aus
einer W urzel ausschiePsen , und von wo aus sie sich
nach beiden Seiten hin verzweigen, da ist der Indischen
Menschheit W iege; von dorther kommen die Cutter,
Genien und Menschen herab, von dort auch der Urmy-
Ihus, Von dort gehen die vier groPsen Landesstrdme
aus: der östlichste, B u r a m p u t r e , d. i. der K n a b e
B r a h m a , der sich alsdann mildem G a n g e s vereinigt,
und so die groPste Wassermasse der alten W ell bildet;
der G a n g e s selbst, der gleichfalls in jenen Hochgebir­
gen entspringt, durchströmt hierauf die Ebenen Benga-
lens, wo er in religiöser Anschauung zum heiligen Weibe

i)Maltcbrun (in seinem Pr^cis de la Geographie universelle


T om . iV. Descript. de rim le et de PAfrique septentrio­
nale , Paris iS li.) macht bei Gelegenheit der Berge N i s a
oder N i s c h a , die in der Indischen Mythologie zu den
B e k u r und Π i n d u k h o h gehören , auf die Gewohnheit
aufmerksam, den Btgennanieti der Bt^rge den generischen
Ausdruck P a r a oder P a r a w im Sanskrit vorzusefzen,
oder anztihangen; woher auch hei den Griechen Πα^.ν·;σ<τ05
und Πα^^ίίνισο; bei Dionysius Periegetes , 1ίζ;-ν/σό; bei E u -
Stathiiis, bei PtolemSus und Agalhemcr,
bei A rrianus, Strabo und A ndern, bei
Aristoteles (Meteorolog. I. 13.) kommen. D er Indische
Name des G ebirges, H i m m a l a y a ( S c h n e e g e b i r ­
g e ) , wovon der Türken und Tarfaren M u s - T a g h ^
des Pallas M u s a r t und der Alten I m a u s ein T heil
ist, erinnert den Verfasser um so m ehr an den H ä m u s
Thraciens, an den H y m e t t u s Attica's, den mons f in a e -
US Italiens, und an die verschiedenen Berge H i m m e l
Sn Sachsen, Jütland u. s. w ., da man diese Indische
W urzel auch H e m a , H i m e v a s , H e m a k o t e , H e -
n i a t s c h e l , I m o 8 , J e m a , schreibt, Vergl, G öttin^.
Gel, Anz. 1815. nr. 36. p. 357·
SSy

G a n g a ^ Mird· Derdritte· I n d u s ^ oder S y n d , d.i.


der b l a u e , s c h w a r z e , fliePst durch die westlichen^
den Griechen allein behannten Gegenden, das Land Pan-
jab ; und er und die Berge, von wo ans er seine Rich­
tung nimmt, sind es besonders, die unsere ganze Auf-
merhsamheit in Anspruch nehmen· Dort ist der grofse
Berg M e r u ^), wo die ürhraft Gottes verborgen, wo
der Gott begraben liegt. A u f diesem Berge hausen die
vier gewaltigen Thiere, das P f e r d , die K u h , das K a ­
in e e l und der H i r s c h , aus deren Mäulern sich die vier
mächtigen Strome, der B u r a m p u t r e , G a n g e s , I n ­
dus und O x u s , ergiefsen; — dort haben endlich neue­
re Gelehrte, Gatterer, Müller und Andere, das P a r a ­
d i e s finden wollen«

3) Ueher die Quellen des Ganges mit mancherlei geographi­


schen Nachrichten 8. P. V. Raper in den Asiatick Resear­
ches Vol. XI. p. 446 sqq. mit der dazu gehörigen Karte
von W e b b ; welche Untersuchungen neuerlich fortgesetzt
worden. Man vei^I. auch Colebrooke on ihe course of
the Ganges throiigh Bengal; ebendas. Vol. VIK p« 1 sqq.
— D er Name G a n g a bedeutet eigentlich schlechthin
F l u P s oder S t r o m , und wird den meisten übrigen In­
dischen Flüssen von einiger Beträchtlichkeit als Beiname
beigelegt, einigen darunter aber sogar als Hauptname·
W enn man ihn als den Hauptstrom Indiens bezeichnen
w ill, 80 pflegt man ihn daher auch durch das Beiwort
g r o f s zu unterscheiden. D ieses, so wie viele andere
Nachrichten über diesen Plufs, besonders über seine Ver­
ehrung unter dem Bilde eines heiligen weiblichen Wesens
G a n g a , finden sich bei W ahl Crdbeschreib· von Ost­
indien 11. (Hamburg 18070 P· ^88 flT.
A) U eberihn s. besonders W ahl Erdbeschreib. vonOstindien
II. p. 32 ff. und p. 208, wo die Bedeutung des Namens
erwiesen wird·
5) S. die näheren Angaben bei W ahl Erdbeschr. von Oslind·
II. p. 220 ff.
538
Von dort aus ergiePst sich nach Süden herab der
Tndus, und indem er^ wie der Ni l , an seinem Ausflufs
ein Delta bildet» bewässert er durch seine Ueberschwem-
mungen» wie derselbe Nil, das Land, das ihn umgiebt»
und welches, von der gliihenden Sonne verbrannt, sonst
eine Einöde wäre, so aber von unglaublicher Frucht·
barheit ist, und die verschiedensten und mannigfachsten
Producte erzeugt, was schon die Griechen , als sie jene
Gegenden zum erstenmal betraten, in Erstaunen und V er·
wnnderung setzte. Dort werden wir auch, wie in Aegyp·
ren, deifictrte Pflanzen antreffen» den heiligen L o t u s ^),
die heilige P i p a l a (ficus religiosa) und andere. Hier ist
dab Land der P a l m e n , welche Brahma so hoch schätzte,
dafs er zu ihrem Bau eine eigene Gaste bestimmte, die
Ghanas. Hier hat die N a r d e ihre Hcimath, woraus jenes
schmerzstillende Oel bereitet w ird, hier der wunder·
bare S a n d e l b a u m und andere dergleichen mehr. —
Nicht minder grofs und aufserordentlich ist das Thier­
reich; und es ist in der Thai treffend, was in Bezug
darauf ein alter Forscher ^ dem, dafs
die Sonne durch Erwärmen der feuchten Erde den ersten
Menschen hervorgebracht, so ist es w^ahrscheinlich, dafs
bein anderes Land als Indien frühzeitigere und grofsere

6) Die ganze Indische W eltansieht, nach den vier Gegenden,


mit den sieben Dwipas » M eru als der Scheitelpunkt, In ­
dien als M ittelpunkt, und vegetabilisch genommen der
'Weltlotus mit den vier HaupthlSttern des Kelches: Guru
im N o rd en , Cetumala im W esten , Bhadrasua im Osten
und im Süden Bharata (Indien) mit den Nebenblättern
oder N ebenländem , mit allen Haupt- und NebenRQssen,
und endlich M eru als des Kelches Krone — dies Alles
kann sich der Leser ganz anschaulich machen durch
Hülfe von vier bildlichen Vorstellungen in den Asiatick
Researches Vol. VllL p· 376. a« b·
7) Pausanias Arcad. cap« 39«
559
Mensclien liabe her Vorbringen lassen; denn es eeigt μ
noch Thiere von sonderbarer Gestalt und angehearer
Cröfse. a

Indien ist seit den frühesten Zeiten bewohnt von


einem Volhe, dafs weder in Gestalt und F igur, noch in
«einen Sitten und Charakter, Aehnlichheit mit andern
Nationen hat; und obschon in verschiedenen Theilen In­
diens zu verschiedenen Zeiten sich Eroberer festgesetzt,
so haben doch die ursprünglichen Bewohner wenig von
ihrem Original Charakter verloren, und sie sind im Gan·
een noch jezt dieselben, wie vor alter Zeit. Ihre Farbe
ist braun (daher sie von den Persern, welche weifs sind,
den Namen S y n d erhalten haben)« und ihre glänzenden
Baare gleichen der Farbe des dunkeln Hjacinth ; da­
bei ein zurückhaltender B lick , furchtsame Mienen und
fast weibische Geberdcn. Sie sind in Leinwand geklei­
det vom Kopf bis auf die Füfse; daher ist Webekunst
ihr vorzügliches Gewerbe, und gewebte Gewänder, Tep­
piche und dergl. kamen frühe von Indien aus nach Ba­
bylon und andern Gegenden Asiens

Auch im Mineral - und Steinreiche ist Indien hüchst


bedeutend· W elcher Reichthum an Gold, nach den ein-

8) Dionysius Periegrtes in der Hauptstelle vs. 1107 sqq· wobei


Eustaihius p· 2S6 sqq· verglichen werden mufs·
9) Man vergleiche nur Philostrat· Vit. Apollon· III. 15· Ctes·
Ind· 21. 22· mit Heerens Bemerkungen in den Ideen I.
Abth· i. p· 369. und 2. p. 192seqq. der dritten Auflage·
Freilich mflssen wir auch bedenken, dafls in Indien die
Schaafziicht besonHers eingefOhrt w ar, und man eine
auTserordentliche Pflege und Sorgfalt darauf verwandt au
haben scheint, wie dies vorzüglich aus Ctesias erhellt;
vergl. Jndic. cap. 13. 22 23. 24. mit Heeren a. a. O ·, um
nicht M ehreres anzuführen. Auch Aelianus Η· A« TV»
54ο

stimmigsten Berichten i e r Alten, und zwar nicht blot


in Gebirgen, sondern auch im Sande der W ü ste, so
dafs mit vollem Rechte Indien als das Goldland der alten
W"elt bezeichnet werden kann Dort war das Land

32. giebt, ohne Zweifel aus Ctesias (s. cap. 13.), über
die Gröfse und BeachaiF. nhtit der Indischen Schaafe M eh­
re res an. Ausführlicher hat davon gehandelt Bochart iin
Hierozotc. T . Π. cap. 45. p 4i^5. vergl· auch Wahl E rd-
heschr. von Ostind. II. p. 820.
10) Vergl. Heeren Ideen f . Ab(h. 2. p. 637 der dritten AuA.
W enn dort Heeren andern Daseyn von Gold - und 8 ik
bergruben in den Gebirgen Indiens, wie doch Plinius
(vielleicht nach Ctesias angiebt, zweifelt, öderes gar zu
leugnen scheint, so widerspricht dieser Annahme das
Zeugnil^ des Ctesias Indic, cap. 12: <Vr< H kju h
^ χβϋζ.α, OüK 8v τοις ιτοτΛ/χδΓ; ίυ^.ίΤΚϋ»χτ/ο^ k ji τλ υν*·
fxr^o^ , ώΗΤίζ» «V τ ψ άλλ' ο
llo a iT w ^ w χ ο τ α μ ώ - χοίίλά και
j x i y ä k a ^ fv ο7ς »κουσ/ γ^ΰχίς κ. τ. λ# und gleich darauf:
6/ α-jτους ,sc. ό $ν τ ο ΐ ς i'^ ic r t χ ρ υ σ ό ς xoXd ς
eJ'v, yivtrat Svcro'f/ero;. Berggold bifanii sich und befindet
sich , wie Wahl Erdbeschr. von Ostiml. Π. p. 4$i (Γ. be­
m erkt, noch jezt in den Bergen, die in einzelnen Zügen von
den hohen Altaischen Gebirgen und den Gebirgen M ous-
sart und Moussdagh (dem Imaus und Emodus) die gros­
sen goldreichen SandwOsten Mittelasiens durchkreuzen.
Und auf dieses B e r g w e r k s g o l d beziehen sich (siehe
ebendas, p. 488 ff.) die Sagen von den goldbewachenden
G reifen, unter welchen W ahl (pag. 494.) die B e r g b e *
w o h n e r versteh t, d ie z u e r s t d i e B e r g w e r k s ­
k u n s t e r f a n d e n u n d a u s O b t e n . Schon vor ihm
batte der Graf v. Veltheim (Sammlung von AiifsStzen 1Γ.
p. 267 sqq.) diese Sage, jed o ch , wie es scheint, mit we*·
nlger G lück, als W a h l, au deuten versucht, vergl. b e ·
sonders p. 283. W ir wiederholen nicht, was wir im C a-
pitel von der Aegyptischen Religion aus Herodotus bei«
gebracht, und von einem andern Standpunkte über diese
Sage bemerkt haben. — In Betreff der Edelsteine Indiens
sehe man die Hauptstcllc des Dionysius Perieg va. 1119·
54i
der Edelsteine; in Indiens Gebirgen wurde derherrlicbste
O nyx, Sardonyx, Hyacinth , Amethyst, Chalcedon, La*
n u r, Opal, Beryll u, s. w auagegraben, und in andere
Lander ausgefuhrt, oder von den Phdniziern, Ebräern
und Aegyptiern, welche ihren W eg dahin durch den
Arabischen Meerbusen über das offene Indische Meer
nahmen, weggebracht, wie es denn nach den genauen
und gelehrten Untersuchungen von W ahl (Erdbeschrei­
bung von Ostindien 11. p. 197 ff. besonders so6.) aufser
allem Zweifel zu seyn scheint, dafs wir unter dem Lande
O p h i r der biblischen Urkunden I n d i e n zu verstehen
haben. Yergl. auch Rhode über Alter und W erth einiger
Morgenland. Urkunden p. 67 unten. Andere Meinungen
hat Gesenius im Hebr. Handwörterbuch I. 19. zusam*
mengestellt. Man vergleiche noch Cbampollion TEgypte
SOUS les Pharaons I. pag. 98, der den Namen Ophir in
Koptischen Handschriffen nachweisen zu können glaubt.

Bei einem solchen Beichthume der Natur im Pflan­


zen - , Thier - und Steinreiche konnte es nicht feh­
len : es mufsre auch die Mythologie an Beichthnm
gewinnen, sie mufste in derselben A rt ins W eite und
Ungemessene sich verbreiten, wie die Erzeugnisse dea
Bodens selber, auf dem sie erwachsen war. R e i c h -
t h u m und A u s b r e i t u n g ist daher der Geist der Incli-
schen Mythih, T i e f s i n n und M o n o t o n i e hingegen
der Geist der Aegyptischen.

und dazu Eustath. p. 284. Hiermit vergleiche man , auiker


der Abhandlung des Grafen v. Veltheim „Etwas aber die
Onyxgebirge des Ctesias und den Handel der Alten nach
Ostindien*^ (in der angef. Schrift Th. II.)» die Berner»
kungen von Heeren in den Ideen i. Abth. 2, p. 188. 64f.
auch I. 1. p. ilS ff der dritten Aufl. Wahl Brdheschr.
von Ostind. II. p. 206. und besonders p. 738 ff
54a

$. a.
Q u e l l e n und z w a r G r i e c h i s c h e u n d R 5 -
mische.
sind dieselben im Allgemeinen dreifacher A r t :
i) die Nachrichten der G r i e c h e n und R ö m e r bis ins
Zeitalter der Byzantiner herab; 2) die I n d i s c h e n R e -
l i g i o n s b ü c h e r selbst, die zwar schon früher bekannt
waren, allein erst in den neuesten Zeiten aus den Ori-
ginalquellen uns zum Theil vollständig mitgetheilt wor-
dfin sind; 3 ) die M o n u m e n t e in S t e i n , d. i. die
noch vorhandenen Ucberreste der alt-Indischen Archi­
tektur.
W as den ersten Punkt betrifR so erhalten w ir
die ersten Nachrichten über Indien durch H e r o d o t u s
(111. 98 sqq.); wie denn überhaupt zu den Griechen die
erste h i st o r i s c h e Kenntnifs von Indien durch den Zug
des Darias Hystaspis gekommen seyn mag, welcher Per­
sische König in den nordwestlichen Theil von Indieii,
jedoch, wie es scheint, nicht sehr w eit, eingedrungen
w ar, und diese Gegenden dem Persischen Scepter unter­
worfen hatte; und auf diese Gegenden sind auch die
Nachrichten des Herodotus einzig zu beziehen. An die­
sen Schriftsteller zunächst reihen sich die I n d i c a des

11) S. Becks Anleitung zur genaueren Kenntnifs der Wehge^


schichte I. Th. I. pag. Zt9 f. der zweiten Ausgabe , und
aufser dem Uebrigen dort angeführten , die Abhandlung :
„WOrdigung der Nachrichten, welche die Griechen von
Indien geben , in der Moriatsschr. fUr Deutsche, Leipz.
1802, August p. 309 ff· Hiermit verbinde man noch: D e
I n d i a a n t i q u a , dissertatio historica, auctore J. Ch.
Th. Z i n i m er mann , ErlangaelStl, Parfic. I. Γ1., wel­
cher eine Beschreibung des alten Indiens nach den An­
gaben Griechischer und Römischer Schriftsteller gelie­
fert hat«
545
C t e s i a s , eines Griechischen A rztes, der am Hofe des
Persischen Königs Artaxerxes Mnemon lebte, und aus
dessen Schrift uns Photins Excerpte mittheilt. Auch
seine Nachrichten beziehen sich unstreitig auf den Nord-
>«^esten von Indien, auf das Indische Fabelland , das jetzi­
ge Haschemir. Dann kommen die Griechen, welche
Alexanders des Grofsen Zuge folgten, P t o l e m a e u s
L a g i , A r i s t o b u l u s , N e a r c h u s (Anderer von zwei­
deutigem Rufe nicht zu gedenken, wie z* B. des K l i ·
t a r chu s) , aus deren verlorenen Schriften A r r i a n u s
seine sieben Bücher der Geschichte Alexanders und d B i
besonderes Buch über Indien zusammengesetzt hat, wel­
che beide W erke viele höchst schätsdiare Nachrichten
enthalten.
Auch D i o d o r u s (lib, III. 6s seqq.), der die jezt
verlorenen W erke früherer Geschichtschreiber, wie
M e g a s t h e n e s und Anderer, fleifsig benutzt h at, leU
stet uns wichtige Dienste, so wie S t r a b o Hb. XV. Es
folgen C u r t i u s , P l i n i u s in seiner Historia naturalis,
besonders im sechsten Buche; des P h i l o s t r a t u s im
Leben des Apollonius, zum Theil aus Ctesias und An­
dern zusammengestellte Nachrichten, und eine Reihe
späterer, worunter wir nur den C o s m a s I n d i c o p l e i -
s t e s , der im sechsten Jahrhundert nach Christi Geburt
lebte, auszeichnen.
Alle Nachrichten der genannten Schriftsteller be­
ziehen sich aber, wie zum Theil schon bemerkt worden,
einzig und allein auf den n o r d w e s t l i c h e n Bezirk
von Indien, der den Alten durch die Züge des Darius
H jstaspis, Alexander des Grofsen und Seleucus, die
von dieser Seite her eindrangen, bekannt geworden
war; hingegen von den Ländern am Ganges und von der
östlichen Seite der diesseitigen Halbinsel, welche Länder
uns gerade weit mehr bekannt sind, als jene, scheinen
die Alten überhaupt wenig oder gar keine Kenntnifs
544

geliabt zu haben. Und bierin mag auch zum Tbril der


Grund liegen ^ warum man in neueren Zeiten so maucbe
Nachrichten der Griechen und Bom er, namentlirb eir.s
Herodotus 9 Ctesias, Plinius und Anderer, lur fahelL. ίί
ausgegeben hat; wiewohl es nicht zu leugnen ist, dafs
allerdings , Torzuglich bei Ctesias, neben vielem Wah­
ren auch viel Mythisches mit eingeilossen ist, welches
jedoch nur von der rechten Seite verstanden und erklärt
werden mufs, um auch so manchen Widerspruch und
ungerechten Tadel zu heben. Neuere Gelehrte, wie
»isP. Heeren, haben dazu schon einen rühmlichen An-
fang gemacht, und die höchst merkwürdigen Nachrich­
ten des Ctesias, der von so Vielen und zuletzt noch von
Larcher aufs heftigste angegriffen worden, zu vertheidU
gen und in ein helleres Licht zu setzen gesucht

$. 3.
Indische Q uellen.
Ihre Grundlage ist ohne Zweifel guten Theils alt,
und liegt zum Theil in einer Periode, die über Aegyp­
tens llierohratie und über die Civilisation des ältesten
Griechenlands hinaufreicht; jedoch für uns sind sie ganz
neu, und so kann es, da wir noch nicht einmal diese
Schriften vollständig in Europäische Sprachen übersetzt,
ja von den meisten blofse Auszüge oder nur kurze Noti­
zen besitzen , nicht fehlen, dafs sich sehr verschiedene
Ansichten über jene Urkunden unter den Gelehrten ge-

12) S. Graf v. Veltheim Sammlung von Aufsätzen Π. p. 171.


269. 272. vergl. Heeren Ideen u. s. w. 1. 1. p. 36l ff. be­
sonders p. 366 der dritten Äusg. ~ S. auch Wahl Erdbe­
schreib. von Ostind. Π. p. 456. 457, welcher diese Län­
der, worauf sich die Nachrichten des Herodotus und
Ctesias beziehen, genauer bestimmt hat. Vergl. eben­
daselbst p. 139.
545

bildet haben. Aber eben darum mdcbten wir wohl jezt


noch nicht im Stande seyn» die Entwichelungsperioden,
so wie den Entwichelungsgang, den die Indische Litera­
tur genommen hat 9 bestimmt anzugcben. Von diesem
Salze liefert auch die grofse Terschiedrnheit in der Äi*t,
wie zwei geistreiche Forscher neuerlich diese Perioden
bestimmt haben, einen redenden Beweis. Man vergleiche
Fr. Schlegel über die Weisheit der Indier p. 149 ff· und
Gdrres in der Mythengeschichte p. 188. und in einer Re-
cension in den Heidelbb. Jahrbb. 1810· nr. 25 .
Darüber ist man jedoch einig, dafs die V e d a
oder die heiligen Schriften der Hindus das älteste Pro­
duct Indischen Geistes sind. Ueber dieses ehrwürdige
W erh einer grauen Vorzeit hat uns die besten Nach­
richten gegeben der Engländer C o l e b r o o h e in dem
achten Bande der Asiatich Researches p. 877 fF. wo
er auch alle Zweifel gegen die Aechtheit und das hohe
Alterthum der Vedas glüchlich zu heben versucht hat.
Es sollen sich nämlich die Veda's, nach ihrer ersten Of­
fenbarung durch Brahma, zuerst durch mündliche Ue-
herlieferung erhalten haben, bis V y a s a (der S a m m ­
ler sie sammelte und in Theile oder Bücher ordnete.

13) Die S ag e setzt sie 4900 Jahre vor Christi Geburt.


14) Hiermit vergleiche man auch die Abhandlung; Ueber die
Literatur der Hindus, von G o v e r d h a n K a u t , im
ersten Bande der Asiat. Untersuch, besonders p. 265 W.,
wo auch von den Veda’s gehandelt wird. S. auch: Brah­
ma oder die Religion der Indier als Brahmaisinus, von
F. M a je r , Leipzig 1818. p. ff.
15) Nach Majer (a. a, O. p. t11. Note 57.) würde mit diesem
V y a s a oder S a mml e r nicht eine bestimmte Person
bezeichnet, sondern eine ganze E p o c h e der S a n s c r i t -
L i t e r a t u r , und zwar diejenige, in welcher die heiligen
Schriften des Wischnuismus gesammelt und abgefaHstwor-
L 35
546
Bcbanntlicli sind es eigentlich d r e i V e d a ’ s: Ri t s c h^
J a g u i s c h (Jagiur) und S a m a n «Λ’^eda ; der vierte^
A t h a r v a i i , ibt zwar später hinzugehommen , wlrd aber
doch auch für canonisch gehalten. Die drei ersten V e­
da’s cnllialten ftterliclie Gebete, von welchen die in
Prosa txrfafsten J a g u i s c h , die in A’^ersen R i t s c h ,
und die zum Singen bestimmten Sa man heifsen. Der
A t h a r v a n besteht meistens aus Gebeten für Weihun­
gen, Versühnung der Götter und A^erwünschungen der
Feinde, ist also von den übrigen verschieden. Jeder
A’cda bestellt aus zwei Theilen, G e b e t e (Mantra's) und
l i C b r e n (r.rahmana's). Aber be i de r jetzigen Anord­
nung linden sich unter den letzteren manche eigentliche
Gebete. Die Gebete im R i t s c h V e d a sind meistens
Lobpreisungen ( r i g beifst l o b e n ) , urd nach einem
gewissen Svslome geordnet, so dafs Hymnen Eines A^cr-
1‘assers, Anrufungen Einer Gottheit, Gebete für ähn­
liche A’ orfälle , zusammcngestcllt sind Die Namen
der A'erfasser aber findet man in einem mit den A"cda*s
überlieferten A'erzeiclinifs. In diesen wird gewisser·
mafsen der Polytheismus in Monotheismus aufgelöst. Es
werden nämlich die vielen Gütternamen auf drei (und
zw^ar lauter physische Potenzen) rcducirt , F e u e r ,
L u f t , S o n n e ; und nach einigen Stellen gehen diese

den sind. Die Beweise dafür verspricht derselbe näch­


stens zu geben·
iO) Einige solcher Hymnen und Gebete aus den Veda*s , wie
TL, B. an den grofseii Erhalter, an die Sonne, an das
bVuer II. s. w , , finden sich in Deutschc'f Uebersetzung,
nach C'olfbrooke’s wöitliclier üebertragung aus dem O ri-
giiiiil, bei Eranz B o p p Über das Coniugaüonssystem der
Si«nscritspracbe, lieraiisgegeben von W i i i d i s c h m a n n ,
Frankfurt a. M. 18l6. pag. 273 ff. bis ans Ende, und bet
M aJ c r in der oben angeführten Schrift p. 19S fP.
547
\vieder in e i n e n auf, die g r o f s c S e e l e (Maha-
natma). Sie heifst die S o n n e , Meil diese Alles, was
»ich bewegt und fest ist, belebt. Sic ist die ]>liysiscbe
Einheit in Allem. Es ist hier eine Art von Moiiotheis-
Tnus, freilich nicht so, wie ihn die spcculalivc Vernunft
vorstellt; allein es liiTsl sich doch nicht dabei verbennen,
idPs der GoU ein dem G a n z e n einwolinendor Gott ist,
dafs eine Seele in der W elt ist. Es ist oileiibar eine
pantheistische Ansicht; und Colcbroobe benierbt ganz
richtig, d a f s di e a l t e l l i n d u s r e l i g i o n n u r E i ­
nen G o t t a n c r i t e i i n e , ohne jedoch den Schöpfer
Tom Geschöpf gehörig zu unterscheiden.
Im J a g i u r V e d a , von welcbera es zwei Recensio-
neii giebt, den s c h w a r z e n und w e i f s e n , sind flicils
O p f e r g e b e t e enthalten, gröfslcntheils von angeblich
göttlichen Urhebern. — Menschenopfer honimen in den
Vedas nicht vo r, aber doch ein heiliger Gebrauch, wo

17) S, Majer a. a. O. p. H4 ff. liier uird ein Rückblick auf


Aeg)’ptische Tlicologumene nicht unnütz st yn; Hcraiscus
beim Dainascius «,χών ( ‘u\ J. Cin*. W'ulf Aiiecdou.
grr. III· p. 261.) sagt, die Sonne sey selbst der intcHi^ible
Verstand ( tcv αναί φ>;σ/ν <2’Jriv τΙ> vsOv rev vc»j·
7üv). Das licilbt: von einem Standpuiikic ward die Sonne
im physischen, was der Geist im intollcciut ilen Gebiete
ist. — Aber die logische Trennung beider Gebiete liegt
diesseits der Entstehung jc^ner alten NaturrdigiotK-n, Eine
andere Trennung des ursprünglich Eiiuii kannten die
Orientalen wohl, uämlich uacli Potenzen als Personen
angeschaut, bo versteht man wohl am richtigsten die
Worte des Damascius selbst, wenn er nun fortführt;
hric'j.hh καί iVs7vo ire^i τΰίν Α<γυττ/α·ν, or/ licu^hriv.zt i h i 'τελ-
λαχοϋ των γ,ατά tvwffiv ν^ίστωτων ^ i n t καί Τ3 νοητίν hr^^yjv.ct-
So haben aUo auch die
4τ:ν α\ Vολ λ ω V S-eui V tSioTyjTcc^.
Indier das re a 1 und i n t e 11e c tu c 11 E i n e in mehrere
göttliche Personificaiionen zerlegt, ^ u r Einheit erhoben
sich aber auch unter ihnen nur die Gebildeten.
548
Menschen scheinbar geopfert werden. — Vom S a m an
V e d a batte Colebroohe noch heine vollständige A b .
Schrift und Erhlärung; das A^'erzeichnifs bei diesem
Veda enthält b!os die Namen der Verfasser. Im A t h a r *
v a n finden sich einige U p a n i s c h a d * s oder t h e o l o *
g i s c h e A u f s ä t z e , die nicht zum Veda gehören, vcil
sie Vorstellungen enthalten , die den Veda's frend
sind, z. B. Rama und Crischna als Erscheinungen des
Vischnu.
Es sind aber die Veda’s geschrieben in der S a n ·
s c r i t s p r a c h e und zwar im D e w a - n a g a r i Dialeht,
welche Sprache mit Recht eine wahrhaft lebendige ge­
nannt werden bann. W^enn man nämlich atomistische
und organische Sprachen abtheilen bann, d. h. solche^
wo das W urzelwort todt ist, und die Veränderungen
äufserlich liinzugcthan werden durch Affixa, Suffixa
u. 9. w., und solche, deren W urzel aus sich selbst
schafft und alle Beugungsfälle aus sich selbst erzeugt,
so mochte beine mit solchem Rechte eine organische
genannt werden büniien, beine so lebendig scyn , als die
Sanscritsprachc Man sieht in ihr die gauze hohe

Ih) Ueber die Sanscritsprachc s. die Abhandlungen in den


Asialick Researches Vol. VII. nr. 7. p. 19P — 231; O n the
San>crit and Piäcrit Languages by H. T . Colebrooke,
Vol. X. 6. p. 3S9— 474: On Sanscrit and Pracrit Poötry
by H. T . Colebrooke E sq ., nebst Adelungs Mitbridates
und Fr. S c h l e g e l ührr die Sprache und W eisheit der
Indier, Heidelberg ISOS, das ganze erste Buch^ ferner
Fr. B o p p über das Conjugaiioiissystem der Saiiscritspra·
c h e , beraiisgrgt ben von VV i n d i s c h m a n n , Frankfui't
a. \1.1Sl6. und die zu London IbüH erschienene Sanscrit-
Grammatik von W i l k i n s . D.imit verbinde ma n ; An
es^ay on tbe principies οΓ the Sanscrit Gratniiiar. P a rt. 1«
by II. P. F ö r s t e r , Calctilta ISIO. (s . HeiUcIbb. J a h r ­
bücher ISIS, ites Hft. nr. 30.31.) Auch H e e r e n in den
549
rivilisation des alten Indiens, einen Spirihialismus des
Denkens, einen Tiei’sinn, gepaart mit dem schlichtesten,
klarsten und ohne Uebernilhing bliiliendon Ausdrucke·
^'och bleibt uns eine Hauptfrage zu beantworten
ü b rig, Λ*.ο Frage nach der von Neueren bezweifelten
A c c h t h e i t fll«scr Vcda's und ihrem h o h e n A l t e r .
Dürfen Mir uns auf die Untersuchungen von Colebrooke
berufen , welcher in der genannten Abhandlung Gründe
anführt, die die unverfälschte Ueberlieierung der Veda’s
in ihrer ursprünglichen Gestalt verbürgen, so wird über
das hohe Alter eines grofsen Theils diesor Urkunden kein
Zweifel stattünden. Wahr ist cs, dieV^edaS sind zuerst
mündlich üherlicfert, aber aufserordentlicli frühe nie-
dcrgeschricben worden. Frühe bat inan sie in heiliger
Schrift in einen Canon gebracht, und in anderer Schrift
aiisgclegt; und mit dem Verfall der Beligion haben die
Braminen dieselben Vorhehriingeii getroffen, wie bei
unserem biblischen Canon geschehen. Schon die aber-

Ideen u. s. w. T. 2. p. 38S ff. vorzüglich 39l ff*, der dritten


Aufl. hat bich üher ihr S.iuücritsprache verhrritet. Vergl.
endlirh H e c k zur Kenntnifs der Wcllgescli.
!. p, 227 dt r neuen Airsg. — Wenn Schlegel a. a. O. p.
62. die Sanscritspiache als die älteste oder Ursprache
dämm anerkennt, weil sic ohne alle onomalopoelische
W örter sey , so hat sich dagegen C. S p r e n g e l ( Insii·
tuiioncs physiologicae, Anistelod. 180.9. §. 2:5i. pag. it3
seqq. ) erk lärt, indem er eben in der Ünomatopoesie
ein Zeichen der ersten oder Ursprache findet. Dafs
aber die alte Sanscritsprache eine M^*nge solcher ono­
matopoetischen W örter enthalte, hat d€rsell)e eben­
falls zu zeigen gesucht, und inner andern an das San-
scrilbche A t ni a , das mit dem Grtecliische.n άτμό^ und
mit dem Deutschen A t h e i n Ohereinkommt, an krschra,
welches dem Deutschen k r e i s c h e n entspricht, an
W a i h u , unser W e h e n , VVi d a r a , W e t t e r und
dergl. m e h r, erinnert.
55ο
giöiibischc A rt, <]ie :5wei ersten Ved.Vs *u lesen, vor-
Mäils iiiu] rückwi’irts, ist eia MiUei, den Text unveran-
ili'i’t zu erhalten, zumal da inan besondere AbscliriOcn
iiir fliesen Zucch macht. Hierzu hommen die
ar.zcigcn am Kndc jedes Vi da's , ivorin der Cegcnstand
lind die Länge des Abschniltes angegebe·· Hird, so isie
die Commentare , die jedes W ort ©r/ifutern. Es ist aber
eine allgemeine Meinung in Indien, dafs hein Buch vor
Aenderungen sicher ist, bis es commentirt worden·
Ticlo CominenloiO der Voda’s sind sehr alt 9 und ihre
Acchlheit wird nieder dtitch viele Noten gesichert.
Auch das iv u eia ^ ein alter weitläufiger Commentar
iiher vcrallttc Aiipdiüc];e und dunhelc Stellen der Ve-
dft’s, sichert den Text. Was darin ritirt ist, stimmt mit
dem hculigeii 'J'extc (Ibcrcin. Auch stimmen mit dem
heutigen'J'extc überein die vielen pbiiosophischen Schrif­
ten , die Gcselzo, die moralischen Scliriften, die Apho-
1‘ismen, worin häufig Anführungen aus den Veda's vor-
hommen. Daher ist Colcbroohc überzeugt, dafs kein
Betrug im Slande gewesen wäre, diese heiligen Schrif­
ten , die in ^lIcn Ί heilen von Iliiidostan und Dekan zer­
streut sind, zu veiTälschon, ob er gleich in dem Alhar-
van Vrda einige später cingeruc!;tc Abschnitte seihst
zugiebt — Da wir nun die Veda’s selbst, in Euro-

ly) Ufber «la«i Aller und die Aecliiheit der Vcda’s vcritlriche
man ancli l l e e r e n s Ideen u. s. w, I. 2. vorzOijIich paj;.
42(t fr d« r dritten Aufl. W hs den Aiharvcda inybesnnderc
htniiFf, so t)tliaupt( t M e r , welcher die Knistehun^:
der drti ersten Veda’s In die Zeit des Brahmaismus setzt,
e s s e y d e r s e l b e o f Γe n b ii r i m S i w a i s ni n s a b -
g e f a f s t w o r d e n , und also sp.Keren Ursprungs. Siebe
dessen Sehtit‘t : Die Relijjlnii der Indier als Brahmai.Mnus
p. lL verj>l. p, lOh Schon friiher haue P o l i e r ( My-
iholoji^ie des Indons Tom , 1. Infrodiict. p. 101, 102.) mit
trefTcndi n Ot (in»lcn <lalV es ?)»ir drei iir»prOngliche
grgtben habe, und dieser vierte später sey.
551
päische Sprachen übersetzt« noch nicht besitzen« ein­
zelne Aiisziigc atisgenommcii ^ so ist das von Aqiietil du
Perron herausgegebene \\ erh , die U p n e k h a t a (Stras­
burg i8o'|. in zwei Quavtbanden), aus Persischer Spra­
che in einer Lateinischen Ueberselzung, fiir uns desto
wichtiger. Es ist nämlich dieses AVerk eine offenbare
Ueberselzung der Veda's, s^iewohl, wegen der unge­
heueren Masse derselben, nur im Auszuge, wahrschein­
lich auf Befehl eines Persischen Königs veranstaltet '-^).
Yergleicheii wir aber das, Avas diese Upnekhata, wo­
durch uns also die ältesten Indischen Quellen vermittelt
worden sind, enthält, mit dem, was uns die Englischen
Forscher bis jezt aus den Veda*s gegeben haben, so
können wir wohl sagen: cs ist in den Veda's das älteste
Keligionssystem auf Erden enthalten, und es mochte
nicht leicht ein A^olk scyn, das ältere Kcligionsurkunden
aufzuweisen hätte, als die Indischen sind.
An die Veda*s schliefsen sich unmittelbar die P u -
r a n a ' s , welche die Theogonie und Kosmogonic der In­
dier enthalten. Auch sic werden dem A’ vasa bcigeTegt,
und ihre Entstehung in das scchszclinte Jahrhundert vor
Christo zurück verlegt. Man zählt ihrer achtzehn , und
nennt sic daher auch οΠ; blos die A c h t z e h n . Jeder
Furana hat seinen besonderen charakteristischen Titel,
z. B. der erste B r a h m a , der zweite P e d m a (der Lo-

20) Ueher die Wiclitlekeit und den Werth dieses Werkes, so


wie Uber die Uebersetzung und Beaiheitimg desselben
durch Anquetil du Perron , welche zum Tlieil gegen
Heeren vertheidigt wird , der dieselbe tHr ganz iinver·
stündlich ausgegehen hatte, finden sich in der oben aii-
gcführlen Schrift von Major p. 7 ff. besonders p. It). gute
JNotizen. G 5 r r e s Η«ί( in seiner Mylliengeschichle auf
eine sehr geistreiche Weise vorzüglich auch vom Üpne-
khnta Gehrauch gemacht.
552
tus), der driite B r ah m and a (das W eltei), der vierte
A g n i (das Feuer), der fünfte W i s c h n u u. s. w. Der
achtzehnte heifst B h a g a w a t a , und enthält das Leben
Krischna’s; s. Asiatt. Abhandll. I. Band p. 282 der dent·
sehen Ansg. Die mythologische Geschichte Itihasa und
Purana wird auch als Ergänzung der Veda's betrachtet,
und für den fünften Veda gezählt; s. Colebroolte in den
Asiat. Research. Tom. Y lll. Jeder Purana aber handelt
von folgenden fünf Stüchen : 1) von der Schöpfung des
Universums, von seinem Fortschreiten und de:· Erneue­
rung der W elten ; 2) von der Zeugung der Götter und
Heroen ; 3 ) von der Chronologie nach einem mythischen
System; 4) die Geschichte, Thalen und Begebenheiten
der Halbgötter und Heroen; 5 ) von der Kosmogonie,
woran eine mythische und heroische Geschichte eich an-
schliefst Man bann demnach die Purana*s mit den
Bosmogonien der Griechen vergleichen; s. Asiat. Re­
search. Tom. y il . p. 202. Auch Görres in den Heidelbb·
Jahrbb. 1810. nr. 25 . p. 2 5 i. bemerkt, dafs die Purana'g
am ersten mit den Dionysiacis des Nonnus verglichen
werden könnten; dagegen der Ramayan, der sonst damit
verglichen worden s c y , sey vielmehr mit den Griechi­
schen Hcrakleen zu vergleichen, ln dem W erke von
P o l i e r 2^) ist zuerst der vollsl«ändigc Inhalt der Pura-
na’s gegeben, worin mehr die e i g e n t l i c h e My -

21 ) S. L au g l C a i a t o g u e des Mannscrits Samscrifs de 1a


Bibliolheque Imperiale 1f>07. pag. 13. Damit verbinde
man, was Majer ( Brahma oder die Religion der Indier
p. 129 (F.) Uber die Furana*s bemerkt hat.
2Z) Dieses wichtige W erk, das zur Zeit hauptsächlich die
Grundlage unserer Kenntnifs der eigentlichen Indischen
M y t h o l o g i e entitält, ist unter folgendem Titel er-
ficlüenen ; Mythologie des indous, travaillee par Madame
la Chanoinesse de P o l i e r sur des Manuscrits authen-
555
t h e t i f o l g e der Indier von den I n c a r n a t i o n e n ,
von den ältesten Religionsinstituten Indiens u. s. w. her-

tiques apportas de Tlnde par feu Mr. Ic Colonel de Po­


lier , ä Rudolstadt et Paris 1809» Deux Voliinies en 8.
Wir verbinden hiermit die Angabe einiger andern
Werke , welche neuerlich über die Religionen von Hin-
dostan erschienen sind; A View of theHistory, Literature
and R e l i g i o n o f t h e H i n d o o s ; tncluding a minute
description of their manners and customs, and iranslations
from (lieir principal works. In iwo Volumes. By theRev·
W . W a r d — liie ihird Edition. London, Blak, Par-
bury and Auen, 1817. 8. Jm ersten Bande handelt der
Verfasser ( Baptisten-Missionar zu Serampore) von den
Gottheiten der Hiiidostaner; iiii zweiten von den Tem ­
peln, Idolen, Priestern, heiligen Gebräuchen, Dogmen,
von den Heiligen und von den verschiedenen Setten. —
Je seltener dieses Buch auf dem Europäischen Conti­
nent ist, desto schätzbarer sind die Auszüge, die uns
neuerlich R o s e n m O l l e r in seiner Schrift; Das alte
und neue Morgenland (Leipzig 1818 — 1819.) , freilich
nur in Beziehung auf die Bibel, daraus mitgetheilc hat·
Islicht niiiider ausführliche Nachrichten über das Reli­
gionswesen Im heutigen llindostan liefert uns das ins Eng­
lische übersetzte Werk des Franzö^^isclien Mis*^ionärs zu
Mysore , des Abbd D u b o i s , dessen d rities Buch viele
Nachrichten von den Sagen und Fabeln der Hindus, von
der Sfcte der JaYiias und von den Bruhminen enthält·
Beide VV’erke lassen uns in den Religionen des heutigen
llindostan Jen äufsersten V'erfall der Menschheit in die
gränzenlosesie Idololairie , verbunden mit einem hoben
Grade von Immoralität, erblicken. Nicht vortheilhafter
ist die Schilderung, die uns derselbe A. Dubois von dem
religiösen Zustande des jetzigen Indien in einem Briefe
macht, der im Magazin für die neueste Geschichte der
evangelischen Missions- und Bibelgesellschaften, Jah r­
gang III. Heft II. Basel 1818. pag. 156 — 177. niitgctheilt
ist; wenn gleich andere Berichterstatter ebendaselbst
diese Ansicht etwas zu düster finden wollen. Doch ver­
gleiche man auch die Anzeigen beider Werke in den
554
vortritt, Mahrend in den \’ eda*s (d ie , wie hemcrlit, in
der Upnekhata dargestellt sind) die Ideen von G o t t ,
W el ts c lid p fü n g und von der S e e le und ihrem Y er-
hältnifs zu Gott gegeben sind.
Hierin berühren steh also das alte Indien und
Griechenland. Allein in Griechenland ward dieses exo­
terische System der Poeten (die Theogonien und GoUer-
geschichlcn , wie auch die Heldenaristicn) unter dem
gesammten VolUe vorherrschend , und durchaus besliin-
nieiid in der Kunst und im Gottesdienste. In Indien da­
gegen blieb , neben dieser g e n e a l o g i s c h e n Betrach­
tung des Uni versunis , die i deal e« die sich philosophisch
von dein AVosen der Dinge Rechenschaft giebt, herrschend,
und auch dicBildnerci blieb dtirchaus bedeutsam und my­
stisch. ln Griechenland erhielt sich die philosophische
Betrachtung des Universums und die riiyst ischeBeschauung
nur in den Schulen einiger Denker, z. B. eines Pythago­
ras, in den Schriften eines Heraclitus und. in den Orphl-
schen und Eleusin Ischen Mysterien.

Nun folgen drittens die grofsen e p i s c h - h i s t o r i ­


s c h e n G e d i c h t e , R a m a y a n und M a h a b h a r a t a .
Der R a m a y a n , welcher dem V a l m i k i beigelegt wird,
besingt die Thatcn des R a m a , des Indischen Hercules,
und ist daher völlig zu vergleichen mit den HcraUIccn

A n n a le s E n c y c l o p e d i q u r s c o m m e n c e e s p a r M . M i ll in ,
P a r i s 1813. D e c e i n b . pag. 3 l i — 3 l9 . — N a c h u n s e r m
Zwecke nu if ste n wir m e h r u n s e r A u g e n m e r k a u f a n d e r e
Q u e l l e n und llülfsm ittel r i c h t e n , w o v o n wir ia d i e s e m
P a r a g r a p h e n die N o tiz e n lie rrr n .
H i e r sey n u r n o c h b e m e r k t , dafs wir die a u f i i n s e r n
T a f e l n be fin d lic h e n Abbildiinc:en I n d i s c h e r G o t t h e i t e n
II . 8 . w . au s M o o r e *s W e r k ; T h e 11 i n d o o s P a n -
t h e o n , l^ondon ISIO. e n t l e h n t h a b e n . Sie s i n d z u i n
T lie il a u c h in d e n A siatick R e s e a r c h e s e n t h a l t e n .
555
Jes alten Griechenlands, i^ic«rohl der Indische Hercules
in seinem Charalucr eben so sehr vom Griechischen un­
terschieden ist, als überhaupt Indische und Griechische
Menschheit sich untei'^cKeiden. Ueber dieses Gedicht- das
Mir glüchiicherweise jezt in der Originalsprache und in
einer Englischen Uebersetzung besitzen, vergL Langles
lin Catalogue des mserr. de la Bibi, iinper. Paris 1807.
p· i 3 sqc]. G ö r r c s in den Heidolbb. Jahrbb« 1810. nr.
a5 . p. 2 5 i . und W il Uen ebendaselbst i 8 i/|. nr. 24 — 26,
der auch Auszüge aus dem eben erwähnten Englischen
Originalwerhe : The Ramayana oΓΛ^olmechi in the origi­
nal SangsUrit \vith a prose translation and explanatoi*y
notes by William Car^y and Josna Marshain, Serampore
1806. Λ^οΙ. I. gegeben hat. Proben aus dem Ramayan in
Deutscher üebersclziing haben Fr. S c h l e g e l (über
die Weisheit der Indier p. 281 ff.) und Franz B o pp
(iiber das Conjugationssystem der Sanscritsprachc pag-
1Ö9 fr. p. 235 .) und zwar Letztere die Episode, welche
ΛΥί5\ναπιιΐΓη’& BüPsungen enthält, geliefert.
Das andere groPsc episch - historische Gedicht, M a-
h a b h ä r a t a ( o h a b h a r o t , der g r o Ps e ß h a r a t a ),
Λτοΐ€Ηθ5 dem A'yasa bcigclcgt wird, und aus achtzehn
Gesängen besteht, enthält die Kriege zwischen den Monds-
liiiulern , zwischen den Helden vom Stamme Pandu und
Rtirti. IJierin ist die berühmte grofsc Episode B h a g a -
v a t g e t a ( B h o g o v o t g i t a ) , d.i. das L i e d vom B h o -
g o v a i i , einem Beinamen cl^s lirischna« Λ\clcher hier
immer unter diesem Namen aiiHrilt, und sich in dieser
Episode, in einem philosophisch - theologischen Gesprä­
che, über die ewige Einheit Gottes und die Nichliglveit
aller andern Erscheinungen crUlärt. 8. Langles'Cata-
loguc des mserr. de la Bibi, iinper. p. 62 sqq. und p. 19.
Fr. Schlegel über die Weisheit der Indier p. 284, wel-
rher chcndaselbst p, 286 ff', Proben aus dieser Episode in
Deutscher Uebersetzung mitgctheilt hat. Ein anderes
556
Stüclt aus dem Mahabharata^ den K a m p f mi t d e m
R i e s e n , hat nach dem Sanscrit«Original aus einer Pa­
riser Handschrift ins Deutsche übersetzt Fr. B o p p über
das Conjugationssystem der Sanscritsprache pag. 237 fT.
— 260
Diese grofsen epischen Erzeugnisse fallen angeblich
alle vor das Jahr 1200 vor Chr. Geb., vor die Zeit des
Trojanischen Kriegs; mit dem Jahre i 3 oo aber honimt
die Periode der Gesetzbücher^ die bei den Griechen doch
erst eigentlich um das Jahr 55 o vor Chr. Geb. anfing·
Denn in jene Zeit ist wohl die Abfassung der Gesetze
zu legen, die in einem grofsen Codex gesammelt sind,
unter dem Titel : M a n a v a D h a r m a S a s t r e , d. i. G e ­
s e t z b u c h de s Me nu oder Monu
Was den Inhalt und die Besc baffen heit dieser Ge-

2 i ) U«*ber die z a h lr e ic h e n m y s ti s c h e n P o e s i e n d e r I n d i e r
;^iebt Λ νϋ ΐ. J o n e s in e i n e r geliN ltreichen A b h a n d l u n g
N a c h r i c h t ; s . A siatick R e s e a r c h e s Vol. I I I . p. I 6 i . O n
the m y s t i c a l P o e t r y o f the P e r s i a n s and H i n ­
d u s by W'ill. J o n e s .
2-1) M e n u ist ein heilijjcr N a m e ; und c s w e r d e n M e h r e r e
d rs jic lh e n N a m e n s e r w ä h n t . Ks ist e ine ganze S i i c c r s -
sion v o n d o c trincH en In f elligenzcn , w e lc h e d ie s e n N a ­
m e n t r ä g t , und a n die Spitze d e r G e s e t z e ge ste llt wird·
E b e n s o s t e l l t a u c l i A e g y p te n a n d e n A nfang a ll e r n ie iis c li-
li c h e n G e s e t z e e in e n M e n e s , und e b e n s o G r i e c h e n ­
land se in e n M i n o s . E s s c h e i n e n sich n ä m l i c h bald
« a c h d e n letzten g r o f s e n E r d r e v o h i t i o n e n und l i e b e r -
s o h w e n i m u n g e n in Indien die S a a m e n k ö r n e r m c n s c h l i ’-
c h e r B ildung und C u l t u r g e r e t te t und a i i s g c b i l d e t , u nd
v o n da im V e r l a u f d e r Z e i t ih eils n a c h A e g y p t e n , th e ils
ü b e r A egypten n a c h K r e ta u n d a n d e r w ä r t s h in v e r b r e i t e t
zu h a b e n , wo sie a u c h i m m e r einige alte heilig e N a i i i e n
b e ib e h ie lte n . M e h r d a v o n u n t e n . Lieber die V e r w a n d t s c h a f t
d e r I n d i s c h e n und G r i e c h i s c h e n , n a m e n t li c h d e r S o l o n i -
s c h e n G e s e tz e w e r d e n w ir s o g le ic h d a s N ü t h i g e b e m e r k e n ·
557
setze, deren hohe Vorzüge und tiefer Geist von Jeder­
mann anerhannt sind, betrifft, so verweisen wi r, der
Kurze wegen, auf das, was schon Andere gut darüber
bemerlit haben, Langles im Catalogue etc. pag. 89 sqq.
Asiatt. Abhandll. I. pag. 282 ff. Fr. Schlegel über die
Weisheit der Indier p. 272 ff. und p. 5^74 ff., wo Proben
aus diesem Gesetzbuche des Menu mitgetheilt sind. Hee­
ren Ideen u. s. w. 1. 2. p. 438 ff. Fr. Majer, die Heli-
gion der Indier als Brahmaismus p. i 25 ff. Vergl. auch
Bhode über Alter und Werth einiger Morgenland. Br-
hunden (Breslau 1817.) p. 52 ff. — 6 3 , dessen Ansichten
jedoch von denen der früher genannten Gelehrten ver­
schieden sind, indem er diesen Gesetzen heinen so hohen
W erth beilegt, und sie für zum Theil späte Producte
ausgeben will«
Auch jenes W erk hat uns der um Indiens Literatur
unsterblich verdiente Präsident J o n e s geschenkt. £s
erschien zuerst unter dem T itel: Instituts o f Hindu Law;
or the ordinances of Menu — Verbally translated fromthe
original Sanscrit; with a preface by Sir William J o n e s .
Calculta 179'*.4. Lond. 1796.8. (in Jones W orks Vol.III.);
deutsch und mit einem Glossar und Anmerkungen begleitet
von H ü t t n e r , Weimar 1797. Früher war erschienen:
Das G e s e t z b u c h d e r G e n t o o s , aus dem Sanscrit
ins Persische, dann ins Englische durch Nath. Brassey
Halhed, und daraus ins Deutsche übersetzt von R a s p e ,
Hamburg 1778. Hiermit verbinde man noch Christ. Ca-
r o l . B u n s c n de jure Athei^iensium hereditario disqui­
sitio philologica, Gotting. i 8 f 3 * 4 · In dieser Schriff
sind nämlich die Ideen des mit der Griechischen und
Komischen Literatur eben so vertrauten Präsidenten Jo­
nes über Vergleichung der Indischen Legislatiim mit den
Gesetzgebungen der Europäer gelehrt angewendet, und
die auffallendsten Parallelen zwischen alt - Attischen
Stamm-, Geschlechts- und Erbrechten und zwischen
558
den Indischen nachgeiincsen. S. besondere dasetbstpag.
112 s(jq.« ’vi'o i) die Notiz von Menu's Gesetzbach gege­
ben ist, Meiches Jones gegen 1280 — 880 vor Chi*. Geb­
setzt; 3) die Auszüge aus dem Titel vom Erbrechte,
dessen Bestimmungen mit den Sätzen des Alheiiieiisi-
sehen Erbrechts (nach Isaeus in der ErbschaAsrede, de
Pyrrhi hereditate etc.) mit dem Römischen nach den
Pandeliten und mit dem Mosaischen nach Michaelis Mo·
saischem Recht », verglichen Mcrden, Bunsen folgt der
Anordnung von Coolebrohe in seinem W erlie : Digest
of I l i n d u - L a w — translated from the original San-
scrit, London 1801. 3 Voll. 8., und stellt den Salz auf,
dafs die Erbrechtsgesetzc des Menu uns die Attische
Erbfolge- oder Succe.ssiaiisordnung deutlicher gehen,
als Mir sie in den noch vorhandenen Bruchstüchen von
Solons Gesetzen finden.
Hierbei aber blieb der Indische Geist nicht stellen;
er bat sich vielmehr mit Allem beschäftigt, worauf der
Europäische stolz seyn mag. Denn au die Gesetz­
geber reihen sich nun die P h i l o s o p h e n an, von de­
ren Bestrebungen schon dies einen hinlänglichen Beweis
liefern bann, dafs cs fast heinc EiitMichelung des specu-
lativen Geistes giebt, die Indien nicht versucht hätte,
Dogmatismus, Scepticisnuis, ja einen voilhoinmenen Ni­
hilismus u. 8. w. — Man zählt sechs philosophische
Systeme^ die sich jo zwei und zwei von einander son­
dern, zwei der N y a j a ’ s, Mclchc Jones mit der Peripa-
tctischen und Jonischen Schule, ZMci der Mi m a n s a ’ s,
die ebenderselbe mit der Platonischen, und zwei der
S a n o h y a ’ s , die er mit der Italischen und Stoischen
Schülo vergleicht. S. die Asiatt. Abhandl!# Bd. I. pag.
i»70. s 83 ff. der deutsch. Ausg. Aufserdem vergleiche man
hierüber die weiteren Nachrichten und Untersiicliungcn
von Langlcs im Catalogue etc. p. 78. 8s sqq. und 87 sqq.,
von Gorres in der Mjthcngeschichtc pag. 188 ff., von
55g
Schlegel über die Weisheit der Tndier peg, 8<) ff. m>d
Heeren Ideen u. 8. w. I. 2. p. 444 ff· der dritten Aufl.j
besonders auch Majer^ die lieiigion der Indier als Brah*
maismas p. 109 ff., der die Grundsätze einer jeden Schule
zwar htirz, aber gut cntHichclt bat.
Bei dieser Feinheit der Cultur in Indien, hei die­
ser Scheidung der Stande, und bei diesem geistigen
Streben, welchem sich der Mensch dort um so mehr
überlassen hann^ je iretindlieber Clima und alle Begün­
stigungen der Natur ihm entgegenhommen^ honntc auch
die d r a m a t i s c h e P o e s i e nicht aushleiben. Sie hat
sich hier, wie in Griechenland, aus dem Epos entwichclt.
H ier, wie dort, gingen die grofsen Epiber voraus, und
aus ihnen nahmen die ibigenden Dramatiker den Stoff
für ihregrofsen Dramen. Allein von dem Reichthume
dieser Literatur ist leider bis jezt noch Wenig bekannt,
wiewohl eben dieses Wenige die Europäische W elt mit
Recht in Erstaunen gesetzt hat. ΛTer kennt nicht die
S a k o n t a l a oder d en b e z a u b e r t e n B i n g , ein
Drama, dessen Fabel aus dem grefsen Epos, Mahabhä-
rata, genommen ist, und welches den K a l i d a s zum
Verfasser hat, einen Dichter, der am glänzenden Hofe
des Bajah oder Königs Wikramaditya , eines Beschützers
der Kunst und W^issenschaft, etwa hundert Jahre vor
Christi Geburt lebte? S. Fr. Schlegel über die
der Ind. p. 2^9. 3 o8 ff., wo Proben daraus gegeben sind;
Langles im Cataloguc etc. p. ηί\. Deutsch erschien das
Ganze von G. F ö r s t e r , mit einer Vorrede von H e r ­
d e r , zu Frankfurt a. M. i 8 o3 . (n eueA usg.). Hiermit
verbinde man , Ai^as über die Sakontala, so wie im A ll­
gemeinen über die dramalische Poesie der Indier, Hee­
ren bemerkt hat in den Ideen 1. 2. p. 627 ff. der dritten
Auil· Neuerlich ist ein zweites dramatisches Stück der
Indier der Europäischen W elt in einer EInglisclien Ue-
bersetzung bekannt geworden, die wir zur Zeit nur aus
56ο
SfTenllichen Anzeigen Itennen. A Is ausgezeichnete Eigen«-
schaften jenes Drama bemerken wir vorzüglich zuvorderst
die Innigkeit und das sinnige Wesen , das tiefe und zarte
Katurgefühl und die gleichsam Idealisirle Ansicht der
Pflanzenwelt; dabei das Mädchenhafte der milden und
friedsamen Nation ; sodann den Ausdruck des feinen
Welttons und Lebens der Lajalfs und ihrer Hufe. Das
Stuck ist ein Deweis von der vornehmen Haltung der
Könige und der strengen Scheidung der Stände oder
Gasten; so wie es überhaupt eine hohe Ausbildung der
gesellschahlichcn Cultur Indiens verrä'th.
Endlich war es auch Indien, wo man wahrscheinlich
zuerst die ewigen Gesetze der Sitteiilehre und des Rech­
tes gleichsam hervorlocktc aus dem Wesen uiul Vcrhalt-
nifs der Thiere und Pflanzen und aus der umgebenden
Natur. W ir sprechen von der ungezweifelt uralten N a-
t u r f a b e l oder vom Λ po1 og (alro^). Seine Geschichte
ist dort an die Namen des W i s c h n u - S a r m a , eines
Braminen in alter Indischer Vorzeit, und des P i l p a i ,
der gegen /|00 vor Chr. Geb. gelebt haben soll, gcl;nüpff.
Unstreitig hatte schon das älteste Indien seinen Apolog,
worin durch die Sprache der Thiere, besonders der
Schakals (^<oes) durch die der Pflanzen, Räume u.
8. w., ethische und politische Wahrheiten eindringlich
und anschaulich gemacht wurden. Es entstanden davon
frühe Sammlungen; aber ^ wie in der Acsopischen Fa·
bclsammlung, ward auch jenen fortdauernd das nach und
nach Erfundene, der spätete Zuwachs heigemischt, und
einzelne Thcile auch wieder als für sich bestehende Bü­
cher bekannt gemacht und fortgepflanzt. Nach der In­
dischen Sage war W i s c h n u - S a r m a Erfinder in dieser
Gattung und Verfasser einer uralten Sammlung von

25) Wir fu h r e n als Beispiel die l*'abcl v o m S c h a k a l an , die


sich bei S t a r k S p e c . Sapient. I n d o i u m p .4 i4 5 C |q . f i n d e t .
56i
Apologen, betitelt H i t o p a d e s a , d. i. n ü t e l i c h e s
W o r t , die aich erhalten, bis ungefähr 400 vor Chr^
Geb. P i l p a i folgte, der eine neue Sammlung yeran-
ataltete. Von dieser Sammlung wurden frühe im sechs«·
ten Jahrhundert, auf Befehl eines Persischen Könige,
aus der Ursprache (nämlich der Sanscrit) Uebersetzun·
gen ins Pehivi für den Persischen Hof gemacht, w^elche
bald grofsesAnsehen erlangten, und daher ins Arabische
und Türkische und so fort in mehr als zwanzig vcrschie«
dene Sprachen, wie Jones versichert , übersetzt
wurden. Jedoch blieb die Sammlung nicht in ihrer ur­
sprünglichen Ar t , sondern man sonderte einzelneTheile
davon ab, und gab sic besonders heraus. Hierunter
zeichnet sich aus K a I i 1a und 1>i m n a ( K t*1 i l e · l) i m -
n e ; denn eigentlich sollte es heifsen im Sanscrit K a-
r a t t a h a - D a m n a h a ) , eine Episode der Hitopadosa.
Diese ward ins Persische übersetzt, und daraus ins
Griechische ^ , welche letztere üebersetzung den Titel
fü h rt; S p e c i m e n S a p i e n t i a e I n d o r u m ex cod.
mscr. Holsteniano, edit. S t a r b , Berlin 1697. 8.; die
Französische : F a h l e s e t c o n t e s I n d i e n s aveo un
discours sur les Hindoiis par L a n g l e s , Paris 1790. la·
ln neueren Zeiten wurde es wieder unmittelbar aus dem
Indischen Original ins Englische ü bersetzt von W i 1b i n s :
t h e H i t o p a d e s o f V i s h n u < S a r m a , Bath 1787. Aus­
ser dem , was über dieses Buch schon früher von Fabri­
cius in Bibi. Gr. Vol. VL pag. 460 der alten Ausg., von
Herbelot in der Biblotheque orientale und von Asse-
manni in der Bibliotheca orientalis Τ. 111. part. 1. p.aai.

26) S. AsiaU. A h h a n d I I . T h . I. p 2f d e iifs e h e A u s ^ .


27) V o n d i e s e r l e t z t e m Ü e b e r s e t z u n g , w o v o n ich s e l b s t e in
E x e m p l a r b e s i tz e , finden s i c h in d e r B ib lio th e k d e r Uni«
v e r b h a t zu L e y d e n u n d h ie u n d da H a n d s c h r i f t e n , d ie
w o h l e i n e r g e n a u e r e n V e r g le i c h u n g w e r t h w ä r e n .
I. 56
562

bemerlit -worden, vergleiche man nun die lesenswerthen


Nachrichten hei Polier Mytholog. d. Indous Jntroduction
p. i 34 sqq. Toni. I. vergl, mit denn Zendavesta Tom. L
pag. 537. ingleichcn folgende Schrift: lieber Inhalt und
V ortrag, Entstehung und Schichsale des liüniglichen
Buches, eines W eihes von der Hegierungshunst, als
Anhundigung einer Ueberselzung nebst Probe aus dem
Türhisch-Pei*sisch-Arabischen des Waasi Ali Dschelebi
von H e in r. v. D i e t z , Berlin 1812. 214 S. gr.8. Vor­
züglich müssen mir unsere Leser auf die Untersuchungen
aufmerksam machen, die neuerlich ein grofser Kenner
der morgen ländischen Literatur über die Geschichte die­
ser Sammlungen angestcllt hat. S i l v e s t r e de S a c y
in den Noticcs et Extraits des manuscrits de la Biblioth.
imperiale Tom. IX. (Paris i 8 *3 .) part. I. nr. 7 , wo er
unter andern Nachricht giebt von einer E b r ä i s c h e n
U e b e r s e t z u n g desselben Buches, die sich unter den
Handschriften der Pariser Bibliotheh findet. Vergleiche
Leipz. Litt. Zeit. 1814. Sept· nr. 221. p. 1766. und Got·
ting. gel. Anz. i 8 i 5 . nr. 208· p. ao65 sqq. ln dem zehn·
ten Theile, der zu Paris 1818. in zwei Ablhcilungen er­
schien , sind diese Untersuchungen fortgesetzt. Ueber
die Indischen Handschriften vergleiche man überdiefs
Langles im Catalogue des mserr. Sanscrits de la Blblio-
theque imper· Paris 1807. P*

$. 4*
U e b e r s i c h t de r Indischen Baudenkmale.
W ir unterscheiden hier zwei Gattungen nach den
hanptsächlichsten Oertlichkeiten, wo sie sich finden. Die
erste Gattung begreift die rohe Hohlenarchitektur in den
nordwestlichen und nördlichen Gegenden von Indien,
in Bascheinir und den Granzländern gegen Persien. Hier
finden wir die ältesten ^ schlichtesten Denkmale, einfache
565
Grotten, «um Theil ohne alles Bildwerh und von der
rohesten Art. Diesen werden unter andern die Ueber-
bleibsel der Stadt Ba mi a i n in A r i a n a oder O s t p e r ­
s i e n , im Königreiche C a b u U beigesahlt, weichet der
Sage nach, B u d d h a t e m p c l seyn sollen (s. Hoech ve­
teris Persiae ac Mediae Monumenta, Gotting. i8i8. sect.
IV. §. 1.). Ungeheuere Gewo'be und Grottentempel
füllen das weite Gebiet dieser Stadt, w elche im Sanscrit
V a m i - N a g a r i (Vamigram), d. i. u r b s p u l c r a , die
s c h o n e S t a d t , heifst, so da Ts Wilford (in Asiatich
Besearches Vol. VI. pag. 462 sqq.) hier hein Bedenhen
tragt, eine Vergleichung mit den Veberbleibseln von
Theba in Aegypten anzustellen. Merhwürdig sind unter
Anderm daselbst zwei Statuen, die aus dem Felsen ge­
hauen und daran mit dem Buchen angelehnt sind, die
eine zwanzig, die andere vierzehn Ellen hoch, eine
männliche und eine weibliche (s. Elphinstone Account of
Cabul p. 487. Hoech 1. 1. p. 176 sqq.'). Auch findet sich
dort ein weitläufiger unterirdischer Tempel. Diese Mo­
numente sollen, nach den neuesten Untersuchungen (s.
Hoech 1. 1. pag. i 85 .) I n d i s c h seyn und älter, als alle,
die noch von Persern vorhanden sind.
Die zweite Gattung schliefst zuvorderst die Monu­
mente in den Flufsgebieten des Indus in sich , und zwar
zuerst die auf der Westhüste der diesseitigen Halbinsel.
Hier zeichnen wir aus die Denkmale, welche wahrschein­
lich in die Periode des S c h t w a i s m u s fallen ^ näm­
lich die Hohlen oder Grotten zu K e n n e r y auf S a l -
s e t t e und in E l e p h a n t e ^ , letztere hei B om bay
auf der Westhuste von Vorderindien, nicht weit von

ä8) S. Görres Mythengesch. II. p. 560.


S9 ) S. Anquetil du Perron Reise nach Ostindien pag. i68 ff.
Sonnerat Reise nach Ostindien ]. p« 176·
564
den Mündungen des Indts (vergl. Wahl Beschreib, von
Ostind. II, p. 66i — 664 und ι ι 37 ·)> denn bekanntlich
liegen die Inseln Bombay and Salsette in einem und dem­
selben G olf, auf der Westküste der diesseitigen Halb­
insel. Sehr getreue Abbildungen und Beschreibungen
von den Beliefs der Gebäude auf der Insel Elephante
bei Bombay liefert Niebuhr in seiner Beise Bd. 11. pag.
3 a 1Γ. nebst den KopTcrn dazu, womit man die Erläute­
rungen und Bemerkungen Meerens verbinde in den Ideen
u. s. w. I. 2. p. 3 ia ft‘. , der auch ebendaselbst p. 3 a6 f.
über die Tempelgrotten auf der Insel Salsette genauere
Notizen giebt. W as die zuletzt genannten Hohlen von
Salsette betrifft, so ist hier eine Art von Stadt in Felsen
au&gehauen, bestehend aus kleinen und grofsen Grotten,
jede mit einem Brunnen versehen, und zum Theil offen­
bar mit der Bestimmung zu Privatwohnungen neben den
Tempeln; ein sicherer Beweis, dafs die Priesterschaiten
ehemals hier gewohnt haben. Man sehe nur Lady G r a ­
ham Journal o f a Hesidence in India, Edinbourgh 18lo^
Die Menge und Grofse dieser nun verödeten Felsen­
pagoden zu Salsette, Elephante und Carli zeugt von der
ehemaligen Bevölkerung ihrer Umgebungen, die jest
mit Wäldern und einem fast undurchdringlichen Dickicht
bedeckt, der Aufenthalt der Tiger und anderer wilden
Thiere sind, durch die man nur mit Lebensgefahr hin­
durchzudringen vermag. Die Beschreibung davon giebt
Lord V a l e n t i a in den Travels to India, London 1808.
W as den Charakter dieser Monumente betrifft, so
spricht sich dort allenthalben derSchiwadienst aus. Spre­
chend treten hervor die Bilder des Sebiwa und seines
Sohnes Gancsa, letzterer mit cem Elepbantenkopfe;
sodann des andern Sohnes Virapatre mit acht Aermen;
aufserdem Stiere, Elephanten, Riesen, Figuren mit
Peitschen, Sonnenblumen, Lotus und dergl. mehr und
der Lingam in unzähligen Formen und Wiederholungen,
565
initunter eine grofse Aehnliclilteit mit Aegyptischen Bild­
werken· Lm Ganzen aber herrscht in dieser Arcliitehtur
und in allen diesen Bildwerhen ein alter und verhältnifs-
rnäfsig einfacher Geist.
Es folgen die Denimiale, welche der nachherigen
Periode des W i s c h n u d i e n s t e s angehdren mögen
die berühmten Grotten von E l l o r a , in Behan · sieben
bis acht Meilen von Aurengabad, also gleichfalls im
westlichen Theile der diesseitigen Halbinsel; s. W ahl
Beschr. von Ostind* II· p. 1141 ff*·) wo auch eine hurze
Hotiz von den dortigen Monumenten gegeben wird· Sie
sind zuerst von Thevenot besucht worden, genau be­
schrieben aber von Anquetil du Perron in seiner Reise
pag. 3 3 . f· und abgebildet von Mailet· Jezt haben wir
darüber folgendes grofse Englische W e rk : Hindoo'sEx«
cavations in the mountain of Ellora — by Daniell, Lon­
don 1804. und in den folgenden Jahren, fol. Yergl. auch
Asiatich Researches Tom. Y l. pag. 389 sqq. und die da­
selbst beigefugte Kupfertafel, und Heeren in den Ideen L
2· p. dSaif. Sie enthalten angeblich eine architektonisch-
plastische Darstellung der Purana*s, ingleichen des Ra-
mayan, und geben im Allgemeinen den nun schon ver­
änderten Schiwadienst, in so fern die Darstellungen aus
dem Kreise der Schiwa - Wischnumythen genommen
sind.
A u f der Ostseite der diesseitigen Halbinsel verdie­
nen besonders zwei Orte unsere Aufmerksamkeit» J a -
g e r n a t (Dsebagarnatha) und Ma v a l i p u r a m . In jener
Stadt, welche nicht weit von der See in der Landschaft
Kattak , oben im Norden des Meerbusens von Bengalen,
in der Nähe von Calcutta, liegt, befinden sieb mebrere
berühmte nnd noch heut zu Tage durch grofse W all-

30) Nach der Verminliung von Görres Myihcngcsch. p. 560


unten und p. 501·
566
fahrten bereicherte Pagoden mit vielen Bildwerken·
Dort soll Wischnu oder KrUchna verehrt worden seyn·
S· darüber Wahl Beaehr. von Ostind. 11· p. 39. und be­
sonders p. 1136ff·, wo die Pagode von Jagernat genau
beschrieben ist·
Die grofsesten Denhmale Indischer Architehtur,
nach jenen au Ellora, sind aber wohl die sogenannten
s i e b e n P a g o d e n , oder die Ueber bleib sei der Stadt
Ma v a l i p u r a m — vielleicht das M a l i a r p h a des Pto-
lemäus — in der Provins Maisour (Mysore)^ unten im
Südosten der diesseitigen Halbinsel, auf der Huste von
Coromandel, Ceylon gegenüber, etwa in der Gegend
von der Dänischen Stadt Tranqnebar ; welche Ueber·
bleibsel einen auTserordentliehen Begriff von der Grofse
und Pracht jener alten Stadt erwechen. S· darüber Wahl
a· a· O. 11· p. i i 66 · und jezt besonders Langles in den
Monumens anciens et modernes de THindostan, Paria
i 8 i 3 · Ltvrais. 5 et 6. hl. foh nebst Heeren in den Ideen
u· s· w. I. 2, p. 349 ff. Diese ungeheueren Monumente
sollen nach der Versicherung der Brahminen vor dem
Kaliyuga, also vor 4800 Jahren, mithin um die Zeit,
wo die Veda*s offenbart worden seyn sollen, gebaut wor­
den, und nach Einiger Vermuthungsoll Ma v a l i p u r a m
der S i t z des g r o f s e n B a l i gewesen seyn, der nach
Indischen Sagen einen grofsen Thcil des Orients be­
herrschte, so dafs mithin die Gründung dieser Pagoden
in das höchste Alterthum hinaufreiche, wo eine sichere
Zeitbestimmung noch gar nicht möglich ist« Den Inhalt
dieser Monumente betreffend, so zeigen sie tbeils noch
unentzifferte Charahtere, theils merkwürdige Vorstel ­
lungen des Schiwadienstes, wie z. B. in einem I'empel
deeSchiwa, wo man diesen Gott sieht, wie er sich mit
dem linhrn Fufse auf die ßoswanandl stützt, und in den
Händen die Figuren des Brahma, A^ischnu mul der Par-
*»ti hält; theiis geben sie den Inhalt des Alababhdrata«
567

Leteteren namentlicK eine swci und siebsig Fufs lange


Feltenwand bei einer Pagode, deren ganse Flache mit
groibentheils sehr verstümmelten Reliefs vereiert isN
deren Inhalt aus dem Mahabhärata entlehnt ist« Auch
sind dort Monolithen, ^Se in Aegypten.
Und hier mögen noch einige Bemerkungen über das
A lter, den Ursprung und Charahier dieser Indischen
Baudenkmale, so wie über ihr Yerhaltnifs nur Aegypti·
sehen Architektur, und den daraus auf die Literatur au
fciehenden Schlüssen, ihren Platz Anden. Ueber das Al­
ter dieserhlonumente, deren Aufführung dem W i s w a s -
K a r m a , dem mit himmlischen Kräften ausgerüsteten
Baumeister, heigelegt wird, findet sich nämlich, na­
mentlich über die su Ellora, eine doppelte Tradition
(b ei Langlέs Monumens anciens et modernes de PHin-
destan Liyrais. 7. vergl. Götting. Gel. Ana. ιβ ι 5 . nr. 92.
pag. 913.); die erste von einem Braminen , der sich auf
ein Buch im Sanecrit beruft, wonach sie alle vor die
Kaliyuga , in die Zeit, als die Vedas noch nicht gegeben
waren, fielen, und vor 7916 Jahren vom B a ja h Y l o u ,
einem Sohne desPachpout von Eliehpour, erbaut seyen^
aus Banhbarlieit wegen wieder erlangter Gesundheit.
Hiermit stehen die Traditionen der Mahommedaner in
scharfem Cent raste. Nach diesen sind jene Baudenhmale
nur 900 Jahre alt, und vom R a ja h Y l veranlofst (sieh.
I^ngles a. a. O. p. 69.). Bei einem so grellen Wider«
Spruche der Sagen unter sich wird sich Niemand wun­
dern^ wenn seur Zeit auch in Europa die entgegengesetz­
testen Ansichten davon ihre Vertheidiger finden. Von
uns wird w< hl nicht leicht Jemand ein ürtheil darüber
erwarten. Stall dessen mögen hier einige Gedaiihen
über den religiösen Grund dieser Hindostanischen Bauart
folgen.
Ein heiliger Berg (Meru) lag dem Religionsglauhen
der Indier als der Ursprung seines Dascyns und als der
568
Gotter&itc sum Grunde· Dort war das groPse Geheimnißi
alles Lebens offenbart worden· Die natürlichen Y eran ·
lassungen dieses Glaubens lassen sich vermuthen, wenn
man bedenlu, dafs aus den Hochgebirgen von Kaschemir
der Indus und Ganges und so viele andere Flusse ent­
springen , ohne deren Bewässerung Nordindien und
Bengalen groPsentheils eine Wüste seyn wurden. Dort
war auch gegen die Wüste Cabul hin das Gebirge 9 worin
das Gold gewonnen wurde, dessen Glane in der Sage
schon schimmerte und in der Folge der Zeiten die Be­
gierden so manches Eroberers auf sich zog.
Bedenlien wir nun die Macht des Nachahmungstrie­
bes, der in den Natoridlkern so sehr wirksam war» so
wird es sehr begreiflich» wie die alten Indier frühzeitig
dazu kamen» B e r g e in T e m p e l z u v e r w a n d e l n ·
Iiulem sie l ämlich das Innere derselben aushohlten und
mit religiösen Symbolen und Bildwerhen aller Art ver^
zierten (worunter dann das Dreieck, als das alte Zeichen
der Entstehung der wellschopferischen Gatter» das hei­
ligste w a r ) » so schwebte ihnen dahei immer jener hoch­
heilige Gdtterherg über den W assern, jener grofse
Mern , vor, und jeder Felscntempcl sollte ihn an jeder
Stelle des Landes wiederherstellen· Mein Freund » Herr
Dr. S u l p i z B o i s s c r e e » wird im ersten Theile seiner
Geschichte der Deutschen Architektur diese Ideen im
Einzelnen begründen, die ich jezt nur zum Behuf unse­
res Zweckes in der Hauptsache von ihm entlehnte«

$. 5.
V o n d en v e r s c h i e d e n e n I n d i s c h e n R e l i ­
g i o ns p er i o de n·

Ind ers Religion geht in die hohe Vorzeit zurück»


und il r Anfang läfst sich historisch nicht verfolgen·
Jedoch im Allgenrieinen stellen sich uns von der frühen
5Γ>9
Vorwelt an bis auf unsere Zeit drei verschiedene Reli«
gionsPerioden oder Sj&teine dar, die wir kürzlich durch­
gehen und im Sinne der Sage charahterisiren werden.
Die älteste Religion, die in das Dunkel der Vorwelt
suruchtritt, ist diejenige, welche durch B r a h m a , den
Schöpfer der W e lt, offenbart wurde, B r a h m a i s -
mus Diesem B r a h m a (dem höchsten W esen,
welches in der Indischen Lehre von der Dreifaltigkeit
Gottes die erste Person ist, Gott der Vater), dem ersten
Gott und Lehrer im Fleisch, haben vor vielen Jahrtau­
senden die Menschen auf fromme W e ise , mit ihren

31) S. Görres Mythengesch. p. 5S6 ff. und p. 188 €F. vergl.


mit John M a l c o l m the History of Persia, London 1815.
im ersten Abschnitt. Ganz ähnliche Traditionen haben
die Perser von ihrer ersten Religioiisperiode, besonders
nach dem Dahistan. Malcolm hi dem angefQhrten W er­
k e , ob er gleich Ober den historischen W erth des Dabi-
stau, wie billig, sehr zurOckhaltend urtheilt ( s . Vol. I·
p. 1 1 .), trägt doch nachher die HauptzOge von dem Bilde
der ältesten Religion Persiens in gedrängter Uebersicht
vor (I. pag. 85.), und findet besonders in der Enthaltung
von thierischer Nahrung, welche der Dabistan den An­
hängern des ersten Gottesdienstes beilegt, ein Zeichen
eines gemeinsamen Ursprungs der Religionen Persiens.
E r sagt Vol. 1. p. 191 : „T h ere are some circumstances
that niight dispose us to believe, that the andern reli­
gione of Persia and o f (ndia were connected in their ori­
gin. Among other proofs in favour o f this conjecture,
we find that thare was, in the early agea o f both coon-
tries, an abhorrence of animal flesh , which has been
preserved , to this day , by some of the highest and roosC
respecied of the casts of India. “ — Erst der Usurpator,
der böse Zohak , soll das Fleibcbcssen eingefOhrt haben.
— Von den Sagen des Dabistan gleich ein Mehreree zu­
nächst unien.
Eine besondere Darstellung dieser ältesten fiidisclien
Religion, nach den bis jezt bekannt gewordenen Quellen,
570

Hersen in heiliger Unschuld, einfach, schlicht und rein


gedienet mit unblutigen O pfern, mit den Erstlingen der
Früchte, mit der Milch der sahmen Thiere u· s. w. A b er
diese Beligion honnte auf der büsen Erde nicht fort b e ­
stehen, sie mufstc weichen und wurde so ganslich aus­
gerottet , daPs auch keine Spur mehr übrig ist von jenen
alten Tempeln, in denen Brahma verehrt wurde· Und
diesen ältesten, reinen Dienst mügen auch vielleicht die
Ebräer jenseits des Euphrat gehabt haben, wenn wir
nämlich (was ich dahin gestellt seyn lasse) in jenem
Abram, der mit seiner Frau Saraswadi (angeblich Frau
Sarah) sich nach Westen sog und dort niederliefs, einen
Brahminen mit seiner Familie erkennen dürfen, wie die
Indischen Traditionen, welche Sonnerat in seiner Beise
nach Indien angiebt, erzählen Alsdann mufste man
annehmen, dafs bei der Ausrottung und der gewaltsa·
men Vertilgung jenes einfachen und reinen Gottesdien­
stes und bei den heftigen Verfolgungen, welche seine
Anhänger erlitten, sich wohl einzelne Stammhäupter,
einzelne Emirs, die der alten Gott es Verehrung treu blei­
ben wollten, ebenum jenen Verfolgungen zu entgehen,
mit ihren Horden westwärts gew^endet haben, in die
Gegenden von Vorderasien, so dafs der reinere Je hovah·
dienst des Abrahams nichts weiter wäre, als ein fortlau­
fender einzelner Zweig jenes uralten Brahmaismus·
Vielleicht ist es auch eben dieser älteste, reine, unblu­
tige Brabmadienst, von dem sieb noch bei den Griechen

haben wir in der von uns schon melinnals angeführten


Schrifi: Bralima, oder die Religion der Indier als Brah-
inaismui, von Fr. M a j e r , Leipzig 1818· M öge der
Verfasser uns docli auch bald die versprochene Darstel­
lung des Systems des Schiwaismus, so wie der übrigen
Systeme , liefern !
32} Gatterer Versuch c.al lg· W.Gescli. ρ·622. u. dasei bst Dow·
Syi

Erinnerungen erhalten hatten. Man lese die merhwiir.


digen Stellen des Theophrastne itsgl θυσιών bei Porpby-
rius de Abstin. 11. 5 . p. io6 sqq· und II. 9 o. p. i 38 ed.
Bh o c r , welche wir schon oben p· 173. angeführt haben.
Dort macht dieser Grieche eine anziehende Beschreibung
von dem reinen Wandel jener Menschen der Vorzeit vor
G ott, und von ihren unschuldigen Opfern und Gaben,
die sie der Gottheit darbrachten·
Dieser Brahma steht da als der Fleisch gewor­
dene G ott, als erste Incarnation, als der erste Leh­
rer im Fleisch. £ r theilt das höchste G esetz, das ihm
der ewige Gott in der himmlischen Sprache, D e w t e
N a g a r i ^ ) , 4900 Jahre vor unserer Zeitrechnung of·
fenbarl, und welches er in die Sanscritsprache über·
setzt hatte« der Menschheit mit. — £s ist aber dasselbe
nach den vier Gasten, so dafs einer jeden ein Buch
zuliommt, eingetheilt in die vier Bücher: R i t s c h ,
J a g u s c h , S a ma n und A t h a r v a n , von welchen
jedoch das Jetztere verloren gegangen und in neuer
Form wiederhergestellt worden ist ^). Es sind der Ga­
sten der Indier, wie schon bemerht, vier 35) · erste
und vornehmste, die der B r a h m a n e n oder Priester;
die der Krieger und Regenten, K s c h e t r i a , auch

33) D e w i n a g a r a schreibt Polier Mytholog. des Indous I.


fntrnd. p. 100. Dieses wird von den Brahtnincn fiir ein
göirliclies antidilovianisches Alphabet ausgegeben. Ueber
die andern heiligen und edlen Sprachen s. Colebrooke on
tbe Sanscrit and Pr^crit Languages , in den Asiatick R e­
searches Vol. Vl i . p. Iii9 sqq.
34) S. die Beweise hierüber im vorigen §.
35) Ueber die G a s t e n der I n d i e r siebeFaulbni Systema
Rrachman p. 137 sqq. und Heeren in den Ideen ti. s. w·
I. 2, p. 536 IF. Beck Anleitung zur Kenntnifs der WeJt-
geseb. 1. p. 222 der neuesten Ausg.
572
B a d s j a - p u t r a , d. κ regum filii, genannt ^ ); die der
Feldbauer und Kaufleute, V a y s h y a ; die der Künstler
und Hand>serber, oder S c h u d r a . Diese Gasten haben
ihre Unterabtheilangen nach den verschiedenen V errich­
tungen , bis zur Zahl von acht und achtzig· £s herracht
unter ihnen eine scharfe Absonderung, und keiner kann
aus der einen Gaste in die andere ubergehen· Diese
Absonderung hat ihren mythischen Grund in der Sage:
Alle sind aus Brahma*s Leib, aber die Brahmanen aus
seinem Kopfe, die Krieger und Könige aus seinen Schul­
tern, die Feld bauerund Kaufleute aus dem Bauche, und
die Künstler aus den Beinen· Mithin ist Brahma's Kör­
per der Leib des Ur>vesens, wie Adam - Kadmon der
Kabbalisten. Diese Gasteneintheilung r&hrt schon von
Menu dem Ersten h er, und hat in grofser Strenge unter
den eigentlichen Hindostanern, trotz aller Veränderun­
gen und alles Wechsels der Regierung, sich bis auf den
heutigen Tag behauptet·
Von diesem ältesten Brahmaismus scheint endlich
auch der D a b i s t a n zu wissen. Ein Mabommedanischer
Gelehrter nämlich, M o h s a n , mit dem Beinamen F a n i
oder V e r g a n g I i ch belegt, ein Eingeborner aus Kasche-

36) Das Indische R a d s j a oder R a y a erinnert uns unwilU


kOhrlich an das Lateinische R e x , so wie an die ' Ραικ«/
bei HesychitfS T · Π. p. lOi^S Alberti (welche Stelle wir
in den Homerischen Briefen pag. 179. verbessert haben),
und an die R h e k e n unserer allen Deutschen Vorfahren.
Vergl. die Homerischen Briefe a. a. O. Dafs die Endung
r a , K ö l l i g , H e r r , F O r s t , bedeute, hat auch Wahl
gezeigt in der Erdheschr. von Ostind; II· p. 209.
lieber K s h d t r , K s h d t r i , r e x , p r i n c e p s , h e ­
r o s , m i l e s , im Hindostaiiischen und Persis^chen siehe
Wahl Ostindien Π. p. 356. Damit wird ziisammengestellt
T z s c h ä t r , Hindostanisch, a g e r , regio und templum;
s. ibid.
5?3

m ir, wird ale Verfasser des Dabistan, eines W erkes


Uberswdlf Religionen, genannt, worauf mehrere neuere
Gelehrte, wie W . Jones, J· Müller und Andere, die
allgemeine Aufmerhsamlieit au lenken gesucht haben ^7).
Ohne hier über das Alter und Gewicht dieser Urkunde
weitere Untersuchungen anstellen su wollen, geben wir
in der Kurse das Wesentliche im Geiste der in diesem
W erke herrschenden Sage· Dieses Buch erwähnt näm­
lich eines U r S t a a t e s d e r I r a n i e r , und als Stamm­
vater dieses ersten gebildeten Menschen Vereins den M a-
h a b a d , den frommen, weisen und seeligen Patriarchen
vo rd er Pluth, der die vier heiligen Bücher von Gott
erhalten hatte, und sein Volk in vier Gasten eintheilte.
YermuthlicK ist diese Periode und dieser Ma h a b a d
e i n s mi t B r a h m a ^)· Können wir uns auf dieses

37} S. J o n e s in den Asiatt. AbhandII. I. p. 95· und K l e u -


k e r ebendas, fl. p. 93der Deutsch. Ausg«; der D a b i -
s t a n , aus dem Persischen und Knj;lischtn, deutsch von
F. V. D a l b e r g , Bamberg und VΛ'Ür^burg 181/. — Jezt
dDifeti wir wohl sicherere Aufschlüsse Uber die Beschaf­
fenheit und überden Werth dieser Ueberlieferungen er­
warten, davon Bombay aus angekUndigt isi: The D u -
s a t e e r , ursprOnglich in der Penlvi · Sprache geschrie­
ben, by Moolla Firooz Bin Moolla Kuns , zugleich mit
einer Englischen Uebersetxung. Dusateer ist nämlich,
dem Dabistan zufolge, ein dein Mahabad von Gott offen­
bartes B u ch , und angeblich eine Sammlung der ver­
schiedenen Propheten von der Urzeit (von Mahabad) an;
s. tlie classical Journal Vol. XV. p. 186 — 188. — So wie
die Sachen jezt stehen, darf selbst die G e s c h i c h t e
von jenen Sagen eines iranischen Urstaates nicht schwei­
gen ( wie denn auch Malcolm in seiner History of Fer^ia
Vol. f. p. 8 sqq. und p. IhO sqq. eine kurze (jebersicht
derselben gegeben) — viel weniger also die M y t h o ­
logie.
38) S* G ö rresM y th en g esch . I. p. 188. Ueber das Folgen-
574
Zeugnin» desDdbistan verlassen# so ιτιυΓ$ diese Iranische
Monarchie die älteste in der W elt gewesen seyn ^ als die
nächsten Nachkommen der ersten Menschen patriarcha­
lisch, familienweise in den glucldichsten Climaten von
Südasien lebten, in noch innigerer Yerbhidung mit Gott,
und in reinerer Erkenntnifs des einzigen lebendigen Got­
tes, dem sie in frv)mmer Unschuld mit unblutigen Opfern
dienten, deren Begierung heine andere war, als die
des Vaters über seine Kinder. £in W ille bestimmte Alle,
und Ein Gesetz, dem Jeder gerne diente, verband sie
in seeliger Eintracht.
Dieser M a h a b a d oder B a l y , der Stifter dieses
ältesten Deiches in Nordindien und einer regelmäHiigen
Verfassung, soll, nach den Behauptungen mehrerer Ge­
lehrten, identisch seyn mit dem B e l u s der Assyrer,
dem jüngsten Sohne des Cusch Zwei und zwanzig
seiner Nachhominen in gerade absteigender Linie saPsen
auf dem Throne von Dchly (A yeen-Ahbcry T. II. pag.
i i 8). Dieses Haus regierte bis auf die neue Dynastie,
welche C a j u m a r a t (Kajomars — Kajamorts) stiftete,
nämlich die P i s c h d a d i e r . Damals waren die nachheri-
gen Beiche Assyrien, Persien und Indien in enger Ver­
bindung, und die Sprache dieser Baliden war die Mutter
von der Sanscrit, von der Assyrischen und den Zend-
sprachen. Das war das alte Balireich, von welchem auch
Abraham ausgegangen seyn soll. Ganz passend ist daher
dieVermuthung von J o n e s d a P s d i e Ma h a h a d i s c K e

de kann auch das verglichen werden, was in der Kürze


schon oben p. 152. ISS. bemerkt worden ist.
39) S. Polier Mytbolog. des Ind. T . I. Imroduct. p. 49 sqq·
40) Asiatt. AbhandII. I. p. 96. in einer Note ( Deutsch. Aus­
gabe). — Da der Dabistan sich über mehrere Religionen
verbreitet, so ist auch vom Planetendienste die Rede.
Die bildliche Vorstellung der sieben Pianetengdtter, die
SyS

D y n a s t i e vielleicht so viel heiPsen solle, als die der


e i n f a c h G I a u b end e n , d e r M e n s c h e n d e s U r -
gesetzes·
Nachdem diese erste Lehre etwa tausend Jahre ge­
golten, folgen nun Beligionskriege. Es kommt S c h i -
v a 41) , die zweite Incarnation, und bringt den L i n ­
g a m , als Bild des Todes und lebens· Die alte, stille,
einfache Feier mufste dem neuen Orgiasmus Platz ma­
chen. ln wilden Festen berauscht sich die religiöse Phan­
tasie, und blutige Opfer fallen an den Altären der schreck­
lichen Cali. Brahma's Tempel wurden umgesturzt, und
nur in den Geheimschriften des Tempels von Cherin-
guam 42) wufste man noch, es habe Brahma vormals

uns neulich Malcolm Hist, of Pers. T. p. 186. nach einer


Zeichnung im Dabisian mitgetheilt, zeigen mehrere sehr
zusammengesetzle Gestalten und wahre Panthea, z. B·
den Jiippiier. Saturn, mit GeirsfüiUen und dem Pan ähn­
lich, nShert sich durch die Schlange in seiner Hand und
durch den Discus dem Aegyptischen Kneph* — M ercur
aber, mit dem Schreibegriffel in der Hand und nach un­
ten ganz F isch, wird ordentlich zum O annes oder zum
Fisch pro pheten der Babylonier. Wischnu mufs auch als
Fisch das Gesetz (die Veda*s) aus den Fluthen herauf­
holen. Darauf bezieht sich die bildliche Darstellung auf
u n s e r e r T a f e l XXV« nr. 1. (nach M o o re ), wo j e ­
doch der Oberleib menschlich ist.

41) Ueber diese zweite Religionsperiode oder den S c h i w a -


i s m u s 9. Görres Mythengesch. p. SSI, Asiatick Resear­
ches T . V« pag. 380 sqq. und T . I. pag. 147. nebst Polier
Mytholog. deslnd. T . I. Tntroduct. pag. l46 sqq. Ueber
den Uefaergang des Brahmaismus in Schiwaismus vergl«
man auch die Icsenswerthen Bemerkungen von Majer,
die Religion der Indier als Brahmaismus p. 20 ff. beson­
ders p. 25.

42) T s c h e r i n g a m , d. i. d i e S t a d t d e r s c h ö n e n
G l i e d e r , noch Jezt ein berühmter Wallfahrtsort, mit
576

Tem pel, Altare und Bilder gehabt, wie Schiwa. Liebe


und Leben und Zorn und Tod sind die Elemente dieses
neuen Gottes und seines Dienstes.

Es folgt W i s c h n u « die dritte Incarnation, welcher


das wilde Feuer des Schiwaismus sänfligt Wischnu
milderte den Lingamdienst, trieb aus den groben Sto 0 *,
vergeistigte und stumpfte ab die herbe Schärfe. Hier
Liefert uns das alte Griechenland eine merkwürdige P a ­
rallele. Auch dort war auf einen reineren Dienst, auf
Brahmaismus, eine wilde, orgiastische Religion, der
Phallusdienst und die Phalluslehre, gefolgt, die alsdann
die Weisen (ul σοφισταί) nach Melampus, als welcher
jene Lehre nicht umfassend vorgetragen hatte, grofs*

einem uralten W ischnutempel; s. W ahl Beschreib, von


Ostind. 11. p. 1171* 1172. vergl. 557.
43) S. Sonnerat Reise nach Ostindien und China (Zürich l7fiJ)
I. Bd. pag. iS6. — Gtwühnltch nimmt man S c h a w a als
den d r i t t e n , und seinen Dienst als die d r i 11 e Epoche
an. Vergl. Polier Myiholog. des Ind. T . 1. IntroducU
p. 1d7. Vergl. auch .Majer, die Religion der Indier als
Brahinaismus p. 26, der es für wahrscheiniieh hält, „da(^
der B r a h m a i s m u s in einer ihm ahgenöthigten geisti­
gen Gegenwirkung gegen die materialistischen Ansichten
des S i w a i s m u s sich allmählig vollkommen folgerecht
in den W i s c h n u i s m u s verwandelt haben könne.** —
Dafs B r a h m a in der Verehrung der jetzigen Hindus so
ganz in den Hintergrund gestellt ist, dafs er keine Tein-
pel und Bilder hat, und überhaupt im ( iiluis so zu sagen
wie verschollen ist, davon wollen die Missionarien den
Grund in der herrschenden Meinung linden , als habe
Brahma nur Uber die GlUckseeligkeiten j e n e s Lebens zu
verfügen (s. Annales encyclopediqq. conimencc. parM il-
liii, 1818. üecem br. pag. uy.). — So ganz aligemeiu ge­
nommen möchte doch ilieser Erklärungsversuch nichts
weniger als glücklich seyn. Oder will etwa der roheste
Volksglaube sich nicht auch für den Himmel sichern?
577
artiger verkündigten (μΒξονως Ιξέ(ρηναν) 44). Daher nun
Wischnu in der Ansicht seiner Anhänger über Schiwa
gestellt wird; und im uralten Tempel von Perwuttun
wiegt im Bilde Brahma mit einer W aage, wo dann
Wisclinu den Schiwa hoch in die Luft; schnellt, anzii-
deuten, die Beligion will wieder auf den alten edieren
W eg zurück, die alte Lehre soll wieder eingeiuhrt wer­
den Es ward aber die Schiwasecte von den Anhän­
gern des Wischnii nicht ausgerottet, sondern sie scbloPs
nichrcntheils F ried e, und jene liePs sich reformiren.
Diese Reformation wird fortgesetzt durch B u d d h a ,
welcher im neunten Avatar, sechs und drcifsig Jahre
nach U r i s c h n a ’ s Tode, auftritt. Letzterer (Krisch-
na) hatte den Lingam dienst ganz ausrotten wollen, wel­
ches aber mifslang. Der B u d d h a i s m u s , zwar im
AVesentlichen der Lehre mit dem alten System iiberein-
stiiTimend, wirkte gleichwohl jener alten k a t h o I i s c h e n
K i r c h e dadurch entgegen, dafs, während diese allen
Lehrberuf (Priesterwürdt«) in alte geschlossene Casten-
eintheilung setzte, jener (der Biiddhaismus) die Lehrgabe
(Tiegeisterung) allen Gasten zusprach, ans allen Gasten
Begeisterte aufrief, und jedem innerlich Berufenen den
Zutritt zur Weihe gestattete 44). Ein gleiches Verhält-
Tiifs trefleii wir bei Mo s e s , in so fern er nämlich in Be­
zug auf die Aegyptische Priestercaste mit seiner reinen
Gottcslehre eben so verfuhr, ln diese Spaltung der
neuen und alten Beligion, des Brahmaismiis und Budd­
haismus, gehören von den Rcligionsnrkuiiden die acht­
zehn Purana*s, von A^'yasa i6oo Jahre vor Ghrisli Geburt

4i) Sich, tierodot. TT. 4«·. Ich werde bei den Rcligionsperio-
eJen von Griechenland darauf zurück kommen.
45) $. den Capitain Mackenzie in Asiat. Bes. Vol. V. p. 312·
46) S. Görres Mythengesch. p. 191 ff·
I. 5η
578

verPaffit ^). Und die jezt in Hindostan herrschende R e ·


ligion besteht theils aus Scliiwiten» theils aus Verehrern
des Wischnu und Buddhisten.
itiis diesen Λ"^elhältnίs8en des Buddhaismus zu den
alterenReligionssysiemen lassen sich nun die anscheinend
widersprechenden Urtbcile über den Stifter jenes Systems
erhlaren. So z. B. heiPst es im Ayecn Ahbery^ übersetzt
von Gladwin, Tom. 111. p· i 5 j : cD ie Brahminen nen­
nen den Buddha den neunten Avatar (die neunte Often-
harung des Λyischnυ) ; die ihm zugeschriebene Religion
aber, sagen sie, ist falsch und von einer andern Person
gemacht, a W'· Jones nahm daher einen zweiten kühnen
Sectirer Buddha an, der unter dem Namen und Charak­
ter des ersten das ganze System der Brahminen umzii-
etePsen versuchte, und zu jenem groPsen Schisma die
Veranlassung gab (vcrgl. J. Ή. Harington in den Asiatick
Researches Yol. VIII. p. 533 .). In allen diesen AeuPse-
rungen spricht sich der religiose Ρ«ίγ1heigeist mit der
grüPsesten Heftigkeit aus. l)ie Buddhisten andrerseits
sind heinesweges frei davon. Behannllich haben sie sich
auf der Insel Ceylon zur herrschenden Kirche erhoben.
Nun erzählen die Cinghalesen (Singhaiais), die Beken­
ner des Buddhaisnius: vor der von ihnen vollendeten
Eroberung dieser Insel scy sie der Sitz von bösen Gei­
stern (Dämonen) gewesen — eine Ansicht, die der
Glaube mehrerer Asiaten von den früheren Feinden des
A^ateriandes hegt, und die erst bei den Griechen später­
hin unter dem etwas milderen Namen der B a r b a r e n
hervortiitt. In der Persischen Sage mufs Tachmuras

47) S. Görres a. a. O. pag. 189. — Ueber die verschiedenen


Biiddha’s und deren Systeme verweisen wir unsere Leser
vorzüglich auf Fr. S c h l e g e l s Erörterungen, in dessen
Schrift Uber die Sprache und Weisheit der Indier p. 123.
p. 140 ff.
5?9
(Taham urs), der Pischdadicr, erst die bösen Geister
bannen, und erst aU Div-bend (Geisterbanner) wird er
unbestrittener Gebieter von Iran (s. Malcolm Hist. oF
Pers. I. p. ιή.). Und müssen nicht auch die alten Sach·
sen in dem bekannten Eide, bei dem ihnen anfgedrunge-
nen neuen Glauben, «dem Wodan und Sachsen·Odin
UHU ajien U n h o l d e n , die seine Genossen sind», ent­
sagen? — Buddha^ um zu ihm zuruckzukehren, ist un­
ter dem Namen G a u t e m e h (Gautamah, Gatuimch,
Gautimo) fiir die Cinghalesen auf Ce)don derselbe heilige
Charakter, den die Siamesen unter dem Namen Sommo-
nokodom verehren (Sommono bezeichnet einen v o l l ­
k o m m e n e n H e i l i g e n ; vergl. Capitän Mahony in den
Asiatick Researches Vol. VII. pag. 3 «.) — und so tritt
Buddha in der Sage wie in den Dogmen unter mehreren
Namen auf. Als ein hoher W eiser und Erfinder subli­
mer Wissenschaften bekommt er verschiedene Prädicate,
E. B. S u r y a . Unter den fünf astronomischen Systemen
(Sidd'hantas) heifst eins Surya - Sidd'hanta (s. Asiatick
Besearches Vol. II. p. 3 i>i. VoL VI. p. ö4 o sqq. [womit
man H e e r e n s Ideen verbinde I. 3 . p* 4^9·] und endlich
"Vol. XII. p. 223 sq.). Unter diesem Namon giebt Moore
im Hindoos Pantheon eine Abbildung des Buddha ^). Er
sitzt in orientalischer Stellung, mit sieben Häuptern um
sich blickend. Auf der Brust und in seiner offenen
Hand hat er das in vier kleinere Quadrate eingetheilte
V iereck , zu seinen Fiifscn den Mond. Es verdient be­
merkt zu werden, dafs auch in der Pythagoreischen
Symbolik Hermes als λόγος αληθινός (als u n l r ii g l i c h e
V e r n u n f t ) das Q u a d r a t führt (s. Plutarch. Quaestt.
Symposiace. IX. p. io 5o Wyttenb. vergl. Meiirs. Denar.
Pythagor. p. 1862. und jezt Jo. Laur. Lydus de menss.

4h) S. die Nachbildung auf u n s e r e r T a f e i ΧΧΙΙΓ.


58ο
ρ· αι. Auch Damascius mscr. in Platon. Farmen, sagt:
dk t 6 τίτζάγωΐ'ον)»

Die vierte Periode endlich ist die bevorstehende


P e r i o d e de s G e r i c h t s Im ssehnten Avatar, am
Ende des C a li-ju g , in itelchem λυιγ jezt leben, Yvird
Ca l e n k , der W e l t r i c h t e r , herabhommen, zu rieh*
ten die Lebendigen und die Todlen.
Zum Behuf einer a l l g e m e i n e n U e b e r s i c h t der
Indischen Religion^ die >vir hier beabsichtigen, reicht
dieser Abrifs ihrer grofsen Perioden oder ¥uga*s hin.
W'er aber nun in die ganze Wildnifs der unzähligen
Mythen Indiens , ins Einzelne der Verwandlungen und
Theophanien, eingehen, oder sich auch vom Grade der
Civilisation und namentlich der wissenschaftlichen Cultur
der edleren Gasten genauer unterrichten will, der mufs
sich natürlich mit den verschiedenen Systemen der Astro*
nomic und Chronologie der Indier, so wie mit dem, was
andere \ulkcr davon melden, bekannt machen. Ich
habe zum Zneck eines weiteren Studiums der Indischen
Mythologie den bildlichen Darstellungen zwei Blätter
beifügen lassen. Das erste liefert den I n d i s c h e n
T b i e r k r e t s oder das S o n n e n s y s t e m , nach einem
Kupferstich in Moore's Hindoos Pantheon nr. 82. (wovon
wir unsern Lesern a u f d e r b e i g e f u g t e n T a f e l
XXXI. eine Nachbildung liefern). Das zweite zeigt uns
Krischnaals Sonnc^ daneben denpersonißeirten Mond,
und die h i m m l i s c h e n K ö r p e r in h a r m o n i s c h e n
T ä n z e n um s i e h e r u m s i c h b e w e g e n d ^) , nach

S. Görres a. a. O . p. 5S9.
iO) Diese Sitle kannte Lucianos schon. E r (de salta*
tioiie §. 17. Vol. V. p. 133 sq. B ip .): „D ie Indier beten,
wenn sie Morf^cns aiifstehen, die Sonne an, und ohne
sie ^ wie wir thun, durch einen blofsen Handkuß» tu be-
58i
einer Skitze ebendas, nr. 63. s. u n s e r e T a f e l XXX.
Vergleichungen mit ähnlichen Ideen des Pythagoras und
Plato bieten sich jedem Unterrichteten \o n selber dar.
Deswegen wird aber noch Niemand sofort das Pythago­
reische W eltsystem aus Indien ableiten w'ollen. Die
früheren Untersuchungen darüber sind bereits in andern
Handbüchernnaehgewiesen. Ich verweise nur auf M a u ­
r i c e hist, o f Ilindost. Y ol.I. chap.8 . p.253sqq. und auf
eine neuerlich erschienene Abhandlung von Drummond
(in the Classical Journal Yol. XYl. p. i/|5 sq .), der jenes
System den Babyloniern und Aegyptiern als Eigenthum
Vorbehalten wissen will. Zum Verständnifs des beige­
fügten Indischen Zodiacus gehören nun die Abhandlun­
gen von W ill. Jones über das Mondjahr der Indier (th e
lunar Year o f the Hindus, in den Asiatick Besearches
Yol. HI. p. 26 7 sq q .), und üher den Indischen und Ara­
bischen ThierUreis von Colebrooke (on the Indian and
Arablan Divisions o f the Zodiack by H. T. Colebrooke;
ebendas. Yol. IX. p. 3a3 — 8 76 .). Letzterer hat auch
die Begriffe der Indischen Astronomen von dem Fort-
ruchen der Nachtgleichen und den Bewegungen der Pla­
neten erörtert (ebendas. Yol. XII. p. 2 1 0 — e5ß.).

Ueber die Zeitrechnung der Indier selbst künnen


sich unsere Leser aus einer Abhandlung von Wtlford
die nüthigen Begriffe bilden (s. on the Chronology of
the llindoos. By Captaiii Francis W illerd ; in den Asiat.
Besearches Yol. V. pag. 241 — 2 9 5 .). — Nach den An-

grüfsen, verehren sie, gegen Morgen gewendet und mit


Stille sich in Verfassung setzend , d ie S o n n e mit T a n z ,
n a c h a h m e n d den T an z des G o t t e s “ (
riv^HXtw άσταζοντοί — μt|Λoΰμ6·JOt rjjy τοΟ 5gc*J ), —
B u r d e r ( i i i Kosenmüllers altem und neuem Morgenl«
fl. f. 229· p· 19 if«) führt mehrere Beispiele orientalischer
Völker an.
582
gaben der Griechen und Römer 51) gestalten sich d ie P e ­
rioden Indiens so:
i) Dionysus (D ew anichi) | Myrrhanus
Entuilderer Indiens (d. h. | Honig der Inder, τοη
Panjahs) Dionysus überwunden,
а ) Fünfzehn Menschenaltcr dazwischen,
3) Hercules (Rama oder Dorsanes, wie auch H ercu­
les Indisch gcheifsen haben soll — da­
von im yerfolg beim Hercules),
4) Züge der Semiramis.
Zöge des Sesostris.
5) Darius Hystaspis unterwirft 52) (einen T heil) In­
diens.
б) Alexander (Ishander).
Von Dionysus his auf Alexander zählt Arrianus
i53 Könige und 6042 Jahre, Plinius 164 Könige
und 6451 Jahre 5-1),
Vor Alexanders Zeit nennen orientalische Schrift«#
Steller mehrere Könige. Ich will davon zum Schluft
ein Beispiel geben, und sollte es auch nur zu einem
neuen Beleg dienen, dafs G ö t t e r na m e n auch hier von
Königen angenommen worden. Nämlich Ismael Schan-
echah bennt einen Ishamus den Fünften, dreihundert
Jahre vor Alexander. Dann läTsl er auf einander folgen ;
B r a h m a n i i s ; liasbus oder Bujahor; R a ma u u s ^
r u s , Alexanders Zeitgenossen 5^).

i l ) D iodor. I. 55, II, I6. TU. 60 sqq. Arrian. Indicc. cap. $1,
Plin. Π. N . V I. 21.
52) Herodoi. IV. 44.
53) Vergl. B e c k s Anleitung aur Welt·· und Vdlkersesch«
I. p. 220. zweite Ausg.
54) S. Ismael Schanschah in Historia gentium , bei Assemanpi
in der Blblioth, oriental. Tom. H i. pari. 1. p. 821.
583

$. 6.
Betrachtung der Indischen Bcitgionslelire.
Hier zeigt sich uns nämlich ein dreifacher Stand­
punkt, von welchem aus wir diese Lehre zu betrachten
haben; der erste ist der des n a i v e n , a l t e n N a t u r -
m y t h u s ; der zweite ist der der A n d a c h t , des r e ­
l i g i ö s e n N a c h de nh e n s , Glaubens und Gewissens;
der dritte endlich der s p e c u l a t i v e , p h i l o s o p h i ­
sche.
Jener erste Standpunkt des naiven Sinnes ist der
Standpunkt des Kindes. Das religiose Element geht zuerst
nach Aufsen, ist fürs Auge anschaulich und reichen na­
türlichen Bildern. W ie der Aegyptier über Aethiopien von
den Nilkatarakten her das Heil herabkommen läfst, und
der Perser von seinem AIbordi, so blickt auch der Indier
aufseinen Berg Meru hinauf, von wo aus ihm alles Heil
in die Thäler herabsteigt· Als nämlich , so lautet der My­
thus, die vierzehn W elten , mit der durchgehenden Axe
und unten das Gebirge C a l a y a (d. i. M e r u ) , sich ge­
bildet hatten, da erschien auf seinem Gipfel das Dreieck,
die Y o n i, und in ihm dvr L i n g a m , S c h i w a l i n g a m ,
auch E g a s o u r o u n a m , G o t t selb st, genannt, in
dem das W ort OUM ist. Dieser Lingam hatte drei Rin­
den , die äiirscrste war Brahma, die mittlere Wischnu,
die dritte und weichste Schiwa ; und nachdem die drei
Götter sich davon gelü st, blieb der Stamm im Dreieck
allein noch ü brig, und Schiwa übernahm seine Obhut
(s. Görres Mythcngesch, p. 46 ff.). Und dies ist symbo­
lisch dargestellt durch den Triangel in der Lotusblumc,
und in dem Triangel der Schiwa-Lingam als Zeichen
der männlichen Gotteskraft. Man sehe nur bei Moore
(theHindoosPantheon nr. 3q.) und daraus anf u n s e r e r
T a f e l XXIX. die Andeutung davon oben in den offene«
Hallen einer P agode, und daneben das Rind , das wir
584
von Aegypten her schon als das Bild des m aterielle·
Lebens kennen. liaf» aber der Triangel das weibliche
Organ vorstellte^ sagen auch Eusebius in der Pvaepar.
evaiigei. TH. p. 6 o. und Eustailiius in Homer, lliad. p.
i 539 Bom.
D<»i't im nordwestlichen Theile von Indien, um den
Berg Meru, wurden nun dem Schiwa zu Ehren Phallagogien
und l^hallophorien von seinen Anbetern gefeiert. Davon
kam eine Kunde zu den Griechen ; zugleich vernahmen sie
von den alt-Indischen Mythologien etwas, und daraus bil­
dete sich Ihre Sage von der Stadt Nysa , vom B erge Me­
ros (M);pd^‘) und vom Gotte Dionysus (s. ArriaiiiExp. V.
I . 9 . und Indica c. 7 .). l\ach ihrer W'eise und Eitelkeit
wendeten sie ab er, wie immer, die Sache u m , und er­
zählten, wie Dionysus von Theben aus bis nach Indien
gezogen , und in einem wohlthätigen Triumphzuge den
Teil kern Pflug, Saatkorn, Weinbau und Gesetze ge­
bracht habe. Das ^'ahere hierüber wird im V erfolg, im
dritten Bande, bemerkt werden. Hier nur eine vorläu­
fige Andeutung: Dionysus ziehet nach Indien (Arrian.
Ind. cap. 5.). Bei seiner Rückkunft weihet er dem Apollo
eine Schaale {φ ιάΧ ϊ;) ^ worauf die Inschrift: c Dionysos,
der Sohn der Semcic und des Zeus von Indien her wei­
het sie dem Apollo, dem Delphier)} (Διόνυσος 6
%f.l Δίώς από *lvdif>v Απόλλωνά Α ελψ οί. Pliilostrat. Vit.
Apollon. II. 9 . p. 5y Olear.). — Nach Griechischer An­
sicht mups freilich Dionysus, dieser so junge Gott (He-
rodot. II. 53. 14 5 .) oder gar nur Halbgott, dem älteren
Apollo seine Huldigung darbringen , und Delphi ver­
mählt nun den bunten rauschenden Bacchusdienst mit
der einfachen alten Sonnenfeier des Apollo. Aber in
Aegypten (Ilcrodot. II. 144 .) war diese Vereinung älter,

Λ5) S. Wahl Beschr. von Ostind. II. p. 2S0f·


585
und ging aus der Einheit der ursprünglichen Anschauung
hervor· So auch ln Indien. Kiii Blich auf die achtzehnte
Kupfertafcl bei Moore ( u n s e r e T a f e l \ XVI I . ) wird
dies anschaulich machen. H ier, auf dem Indischen
Olympus, ist Schiwa-Mahadeva dorMittelpunht der gan­
zen Handlung. Alle Huldigungen der Götter und Gei­
ster gelten ihm. Ueber desMeru Gipfel geht die S o n n e
hervor. Das Mi:'d d e r K uh gicf&et unten den Urstrom
aus. I>ie S c h a a l e des G a n g e s empfangt ihn zuerst»
Das heilige Kind, gehörig veiziert und mit der Glocltc
am H alse, blicht zu ihm hinauf, ^^'ehon dem thierischen
lieben drängt sich das Vflanzcnloben hervor. Lotus
offnen im W asser ihre Kelche, und die gewaltige Palme
senkt ihre Blätter bcschatlend auf den Gollersitz her­
nieder. Hier sind alle Rildcr der materiellen Schöpfung
in Einer Anschauung gegeben : S o n n e und S o n n e n ­
b l u m e n ; W a s s e r und ΛΥ a e s e r pf Ia n z c (L otus, in
beiden Qualitäten geiiomincn; s. oben bei den Aegypt.
Keiig.)j der D i o n y s i s c i i c S t i e r und die Kuh der
I s i s - C e r e s , und die Schaale oder das W e l t b e c U e i i ,
worin sieh aus des 'rliiercs Maul das WassiT ergiePst. —
Im Griechischen Mythus fährt das Alles nachher aus ein­
ander. Jene Inschrift beim Philostratus hat eine Spur
der alten Einheit aufbehalten; und wir werden nun ver­
stehen, warum Dionysus, der Herr der feuchten Natur,
dem Sonnengott Apollo nach Delphi von liidlen her die
Schaale bringt· — üebrigens wird vom I n d i s c h e n
B a c c h u s im dritten Bande ausführlicher die Hede seyn.
Hier will ich mich darauf beschränken· nachzuweisen,
wo die I n d i s c h e n .Mythen davon zu linden sind. Dar­
aus hat schon Jones im ersten Bande der Asiatischen
Untersuchungen p. 20 7 · besonders aber p. 2i3 ff. Aus-
züge gegeben, der aber darin irrte, dafs er beim K a ma
an den Bacchus dachte, welcher vielmehr mit H e r c u ­
l e s zu vcigleichen war» Kichtiger haben nachher Pau-
586

Imus und Andere den S c h i w a der Indisclien Religionen


mit dem Dionysus oder Bacchus der Griechischen zu­
sammengestellt (sieh, die weit läufigen Ausführungen des
Paulinus aS.BarthoJ. im Systema Brahmanicum p. 8 5 sq.
p. i i 5 sqq.). Im Ezurvedam (Tom. 11. p. 106; rach der
Deutschen Ausgabe von Ith p. 5 «. p. 6S ff.) kommt er
unter dem Namen C h i b oder Rutren v o r, und ihm ist
der Lingam (Phallus) als Attribut beigogeben. Auch ist
Schiwa's unzertrennlicher Gefährte der an seinem £ le-
phantenliopfe kenntliche Ganesa (man vergl. u n s e r e
T a f e l n XXVIl. und XXIX.), eine Art von Intelligenz
oder Geist} der sich durch seine £riindungen auszeich.
net (s. Fr. Schlegel über die Spr. und Weish. der Ind.
p. 123.). W ollte ich mich hier auf Parallelen weitläufYig
einlassen, so könnte ich an den P ä d a g o g e n des Bac­
chus, den Silen, erinnern, der# neben hoher W eisheit
des Geistes, am Körper auch Thiertheile trägt. P f l e ­
g e v a t e r oder auch V a t e r heifst aber der Vertraute
und Bathgeber der orientalischen Monarchen (s. Rosen-
muIlers altes und neues Morgenland 111. $. i 54 · p· 213 .)·
Fassen wir dies nun anders, wie es die reinere Theo­
rie der Indier selbst fafste, so ergiebt sich Fclg^>ades :
£s giebt £ in E i n i g e s h ö c h s t e s W e s e n , das un­
offenbart P a r a b r a h m a , B r e h m , P a r a t m a , R a m ,
B h a g a v a t ^) heifst, das durch Beschauung seiner
selbst die W'^elt hervorgebracht, und sich zuerst als
B r a h m a B i r m a , als S c h ö p f e r » offenbart hat, so­
dann als S c h i wa oder Mahad ev a, Mad a j o , sie zer­
stört, und als W i s c h n u sie von neuem wieder erzeugt
(erhält). Symbol des Brahma ist die E rde, des Schlwa
das Feuer, des Wischnu das Wasser. Dies sind die

56) S. Asiat. Res. 1. p. 221. Die verschiedenen Beinamen


des Brahma nebst ihrer Erklärung giebt M ajer, die Reli­
gion der Indier als Brahmaisnius p. 2S. 2^.
587

d r e i g r o f s e n D c j o t a s ^ ? ) , deren Mutter B h a v a n i
ist^ ), und über deren Entstehung ein dreifacher Mythus
erzählt wird. Bhavani, so lautet der gewöhnlichste, in
der Freude, geschaffen zu seyn, drücht dieses Vergnü­
gen durch Sprünge und Hüpfen aus; und während die­
ser Bewegung fallen drei Eier aus ihrem Busen, woraus
die drei Dejotas hcrvorgelien (s. Polier MythoJog. d. Ind.
I. Introduct. pag. i 53 sq.). Und hierin besteht die
In d is c h e D r e i e i n i g k e i t , d i e T r i m u r t i . Das hei­
lige W ort dafür in der heiligen Liturgie, das kein Indier
ausspricht, ist 0 *M, welches aus den Buchstaben A UM
zusammengeflossen ist, und die drei höchsten Gottheiten,
W i s c h n u , S c h i w a , B r a h m a , in Einer Chiffre be­
zeichnet^^). Das Eine höchste Wesen aber heiPst P a r a ­
b r a h ma oder B r a h m a , d. i. d i e S e l b s t s t ä n d i g ­
k e i t , und hat an sich , alsunentäufsertes Urwesen, keine
Tempel und keine Abbildungen (s. Asiatt. Abhandll. IV.
p. 36 .). Daher können Sinnbilder, wie der Lingam, die

57) Die bildliche Vorstellung^ dieser drei grofsen Gottheiten


liefert (nach Moore in ihe Hindoos Pantheon ) u n s e r
B l a t t XXI.
58) Daher sie auch von Mahäd^va, W ischnu, Brahma und
aufserdein von amlein Goulithen, z. B. von Ganesa und
Jiidra, verehrt wird. S. das Gemälde bei Moore nr. 32.
und davon entlehnt auf u n s e r e r ' J' afel XXIX.
59) S. Jones in den Asiatt. Abhandll. T. p. 195 der deutsch.
Aufgabe, welclier hiermit auch das Aegyptische O N ,
das gewöhnlich für die S o n n e gehalten wird , vergleicht.
— Die Darstellung der Trimurii oder Dreiheit in Einem
Körper geben wir nach Moore nr, 32. auf un S er m B l a t t
XXIf. nr. 1. Brahma wird durch vier Köpfe bezeichnet
( s. die b e i g e f 0 g t e 21 Ί'α fe I n XXI. nr. 1. und Tab.
XXIV. nr. 1.). Es soHlmi die vier Elemente damit ange-
dcutetseyn (Payne Knight on Symbol, lang. p. 1b9.)· Viel­
leicht ist auch an die vier VVeltgegenden zu denken.
588
Y ofii, nur Sinnbilder seiner einzelnen Aeufserungen
&eyn. Dies ist also B r e h n i , der ewig £ ine, welcher
£ins ist mit dem All, der, äufserlich betrachtet, unend­
liche Gestalten haben wurde, dessen Selbst aber Iteine
Gestalt hat, sondern das Schauen ist, das Organ und
das Object des Schauens zugleich, welcher kleiner ist
als ein Atom, und gruTaer als die W e lt, seinem Wesen
nach unaussprechlich und undarstellbar £ r ist das
ewige, allein wahrhaftig bestehende, in Seeligheit und
Freude sich oflTenbarende Wesen. Die W elt ist nur sein
Name, sein Bild. Wahrhaftig bestehend ist nur dieses
erste, Alles in sich begreifende Seyn. Alle Erscheinun­
gen haben ihren Grund in B r a h m a ; er aber ist weder
den Bedingungen der Zeit noch des Raumes unterwor­
fe n ; er ist unvergänglich, die Seele der W e lt, die
Seele jedes einzelnen Wesens. — Diese ganze W elt ist
B r a h m , wurde aus B r a h m , und wird zuletzt wieder
von B r a h m verschlungen werden. — B r a h m oder
die Selbstständigkeit ist die Gestalt der Wissenschaft und
die Gestalt der unendlichen Welten. Alle Welten sind

60) S. Asiatt. Abhandll. Bd. IV. pag. 37, wo sich die merk­
würdige AeuPserung eines Brahminen findet: „W enn man
sagt, der Verstand Gottes ist dem sanften und milden
Lichte des Mondes gleich , so wird dadurch das Wesen
deines Geistes, o Gott, nicht ausgedrückt.^ Eben so
merkwürdig ist die Antwort eines Brahminen, welche aus
Paullinus Syst. Brahm. pag. 68. Jones a. a. O. anfiilirt:
„ P a r a b r a h m a , Ens nempe illud Supremum et per se
existens , ita esse in tribus illis et in omnibus eorum ope­
rationibus, quemadmodum in vase aqua pleno conspici
soleat ab hominibus sol noster visibilis, qui licet in illa
aqua, seu vase, re ipsa non existat, ab omnibus tamen,
qui — — coiispiciant, videatur, laudetur et adoretur·
Quomodo e x o v o n a t a s i n t o m n i a , et hi tres dii ex
illo prodierint“ etc. Ueber dieses Weltci auch in der Ja ­
panischen Kosniogonie vergi. M a u r i c e hist. ofHindost.
1. 1. p. 46 sqc]. und dazu die Kupfertafel·
589
eins mit ihm« aus dessen W illen sie da sind. Dieser
e^ ge W ille Ist eingeboren in allen Dingen. Er offen­
bart sich in der Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung«
in den Gestalten und Bewegungen des Raumes und der
Zeit
Hierüber erhlärt sich der ehrliche Paullinus (Syst.
Brahm. p. io 3 . vergl. mit Jones in den Asiatt. Abhandll.
T. IV. p. 6 i. deutsch. Ausg.) im Sinne der Hindus so:
«mysterium hoc lantum est« ut nemo hominum , nee Ip­
sorum adeo spirituum coelestium illud satis intelligere et
explieare possit.» Ueber das Zusammentreffen Indischer
Lehre mit Haupt lehren des Christenlhums spricht schon
Is. Casaubonus bei Gelegenheit des Palladius τιερί Βραχ-
μάνίον ; s. Casauboniana pag. i 3 . pag. 2i<) sqq. Beweise«
daps diese Lehre der Dreieinheit den Pelasgcrn, den
Italischen \^olhern und den Scandinaviern behannt war«
hat sich ein Verfasser im Classical Journal Vol. 111. pag.
125 — i 33 . Yol. IV. p. 89sqq. und ibid. p. 484 &qq· zu
geben bemüht. Lesenswertb sind auch die Bemerhun-
gen von Payne Knight über diese Indische Trimiirli (In-
quiry on Symbol, lang. §. 228 sqq. p. 189 sqq.)* siebt
darin den Uebergang von der Einheit Gottes zur \iel-
gottcrei ($. 229. p. 190·)· «This triform division« sagt
er« oF the personified attributes or medes of action of
one first cause, seems to have been ihc first departurc
from simple tbeism« and the Foundation of religious my-
thology in every part of the earth.» Nach verschiedenen
Zwisebenbemerhungen« deren Beleuchtung ich den
Theologen und Philosophen uberlasse, erliennt er auch
die Allgemeinheit dieser Idee an, und fahrt so fort:
«Hence almost every nation of the worid , that has de-

6 1) Diese in den Veda*s enthaltenen Stellen, nebst eini^^en


andern nicht minder inerkwürdii^en, giebtMajer, die liel.
der fud. als Urabiiiaism. p. 2^ ff.
5go
viated from the rüde simplicity o f primitive Theism, has
had its Trinity in Unity; which, "when not limited and
ascertained by divine revclation, brancbed out, by the
natural aubdivision o f collective and indefinite idcas,into
tbc endless and intricate personifications of particular
Subordinate attributes, which bave afTovdedsiichabundant
materials for ihe elegant ficlions iiolh o f poetry and art. v

Hier wird nun die Frage am rechten Orte seyn: W ie


var die Indische Lehre ihrem Geiste nach ursprünglich;
und Mie ist sie jezt im Glauben der Menge beschafPen ?
Ursprünglich war sie gewifs buchst einfach. Ihre Be-
henner sollten nicht mit metaphysischen Definitionen be­
helligt werden. Die drei Grundideen der Gottheit:
Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung, waren lauter
Prädicatc, welche vom Laufe der Natur und von den
Wundern der Schöpfung laut verhöndigt werden, und
Metaphysik war dazu so wenig nöthig^ als zum Λ^θΓ5ΐο1ΐ6η
der Grundideen der Beltgion, wie sie Moses gieht. Aber
bei den Indiern brachte das an sich natürliche und un­
schuldige, attfangs auch hlos allegorische Bestreben,
jene Prädicate der Gottheit durch Attribute dem Auge
darzustellen, die Religion allmählig gänzlich in Verfall
(vergl. Paterson und Colehroohc of the origin of Hindu
Religion, in den Asiatich Researches Yol. V llL p. ^44 —
87.), — Wenn daher die besseren Braliminen ursprüng­
lich durch jene Attribute und Bilder nur die E r i n n e ­
r u n g der Menschen an die Gottheit erwecken und erhal­
ten wollten, so ist diese ursprüngliche Absicht im Laufe
der Zeiten ganz in Vergessenheit gerathen; und v.'cnn
wir auf das G a n z e der jetzigen Menschheit in Indien
sehen , müssen wir w’ohl der Versicherung eines Brah-
ininen glauben, der sich darüber folgendermafsen äus-
sert: «leb habe bemerkt, dafs viele Europäer in ihren
59«
Scliriften und Reden versuchen, die Erscheinungen des
Indischen Gutsendicnstes zu mäPsigen und zu entschul­
digen , und daPs sie geneigt sind, sich glauben machen
zu wollen, alle solche Gegenstände der Anbetung wür­
den von ihren Verehrern nur als h i l d l i e h e D a r s t e l -
l u n g e n d e s h ö c h s t e n G o t t e s betrachtet. W äre
dies der F all, so mochTe mir obliegen, mich in eine Un­
tersuchung hierüber einzula&sen. Aber die Wahrheit
ist, daPs die jetzigen Hindus gar nicht so über die Sache
denhen, sondern fest an das Daseyn jener zahllosen Göt­
ter und Göttinnen glauben, deren jedem in seinem Ge­
biete eine volle, unumschränkte Macht einwfihne. Um
diese, nicht aber den wahren Gott, zu versöhnen, sind
Tempel errichtet, und werden gottesdienstliche Gebrau­
che begangen. Indessen läPst sich nicht zweifeln, und
es ist meine Absicht zu erweisen, daPs j e d e r G e ­
b r a u c h aus d e r s i n n b i l d l i c h e n A n s i c h t de s
w a h r e n G o t t e s e n t s p r i n gty daPs aber Alles die­
ses jezt in Vergessenheit gcrathen ist. und daPs dessen
Erwähnung von Vielen für Ketzerei gehalten wird»
(Remmohon Roy der Brahmine im Monthly Magazine,
Juni 1817. p. 391 — 3 g8 . und daraus deutsch Jena 1817.
wo die fernere Erörterung mitgetheilt ist). — Diese
Sätze gelten auch vom Aegyptischen Vollisglatihen, wie
er zu Herodotus Zeiten w ar, im Ganzen gcwifs. In wie
fern sie auf die VolhsrcHgionen der Griechen und Rö­
mer Anwendung leiden, wird sich der Leser aus nach-
herigen Capiieln unseres Werkes selbst beantwoi'ten
können.
Für den tiefer forschenden Geist schürzt sich nun
der Rnoten , welcher bis in unsere Tage alle Specu-
lation bescltiifligt, die Frage nämlich: W a s is t d e r
G r u n d d e r O f f e n b a r u n g des ewigen Wesens oder
jener S e i b s t e n t ä u f s e n u n g ? W ir versuchen die
Auflösung dieses Problems nach den V^edas und die wei-
59»
tere Ausführung nach GSrres *u geben (s. dessen My-
tbenge&ch. II. p. 63*3 (Γ. und I. p. 78 — 8o (f· und die
dort angeführte U p n e h h a t a Tom. 1. p. 3o5 « 3 i 5 · 393·
II. p. i i 5 . «i 3 . 257. 3 5 i.).
Das Wesen der W esen, B r e h m , ruht ewig selbst·
ständig, unversehrt und unangerührt, als erhabener
Ernst, in seinen eigenen Tiefen. Aber von aufsen hat
es sich umgeben mit der Ma j a , mit dem freudigen Selbst­
vergessen, nie mit einem Mantel oder Kleide. !n dieser
Maja, Momit Brehm sich seihst umßng, ist A f f e c t ,
A f f ec t des S c h a f f e n s ; im Affect aber ist L i e b e ,
und sofort S c h ö n h e i t · In Besug a u f s i c h s e l b s t
ist in der Maja w a h r e s S e y n ; in Bezug a u f s i c h
sei bs t hat das KunstgebiUle d e r W e l t B e d e u t u n g ;
in Bezug auf das "Wes en d e r W e s e n , auf den
S e l b s t s t ä n d i g e n , auf B r e h m , ni c ht « da ist es
S c h e i n , T ä u s c h u n g , und um den e w i g e n , h o h e n
E r n s t des Brehm sind die Welten nur S p i e l e ^ ·
Alles ScliaiTen ist Spielen der Gottheit, während sie selbst
innerlich unverändert ewig e-.nst ruhet. Die W e l t , i n
s i c h betrachtet, ist eine s c h o n e W e 11 (χόσρος), eine
gelungene Kiinslform; dem E w i g e n g e g e n ü b e r g e ­
s t e l l t ist sie n i c h t i g . Oder man fasse es auch so:
a) Das erste S e y n vor und über Allem, b) Die L i e b e ,
die das erste Seyn in sich aufgenommen , der es sich hin-
gegeben hat. Mithin c ) G o t t , geschieden in ein L i e ­
b e n d e s und in ein G el l e b tes. d) Diese Spaltung ist

62) S p i e l z e u g e , S p i e l w e r k e . Auch in der Orphischen


Theologie heifsrn die Welten (und Menschen) <«5up-
f A j r a r o j S e c u , c r e p u n d i a d e i ; ein Ausdruck , der
sich selbst bei PIdto findet, welcher alle lebenden Wesen
SaJ.uuTx J&ioiv, spectacula, munera deorum, nennt.
S. de Legg. I. p. 573. p. 614. E. Sleph. p. 219 Bekk. und
unsern Dionysus 1. p. 42.
5g5
d e r U r b e s t a n d d e r D i n g e . Die Dinge sind und
sind nichts sie sind nur in der Trennung und durch sie«
sie sind nicht auf dem Stand punlite über der Trennung.
Die Liebe ist Weltmutter« aber nas sie geboren hat«
ist im blofsen Scheine geboren« es ist ein Scbelnbild«
es sind Zaubergärten« die mit dem Besch wo rungsworte
wieder in sich sich selbst versinhen. Das Eine aber
bleibt: B r e h m « P a r a b r a b m a « d e r S e l b s t s t ä n -
d ig e .
Diese speculative Auflösung nimmt die realen Dinge
als Kunstgebilde der L'cbe iin Scheine« mithin ist sie
a) ä s t he l i s c h f b) sie bat sich aber ganz natürlich
aus dem ersten n a i v e n N a t u r m y t h u s ( der Yeda*s)
entwicliclt. Hiernach ist die schaffende Gottheit W e l t -
L i n g a m . Der Grund des Zeugens und Schaffens kann
in nichts Anderem liegen, als in der L i e b e ; und da­
von giebt sieb nun die gesteigerte Speculation die ange­
führte Ficcliciischaft. In der Philosophie aber wird dies
nun nach verscliiedenen Momenten ausgebildet« so dafs
oben an tritt P a r a b r a h m a als S e I bst b e s c h a u -
u n g « dann Ma j a als N e i g u n g und T ä u s c h u n g
Diese ist die Mutter der L i e h e « Cama« welche die
M a c h t , J o t m a « hervor brachte« Diese beschlicf die
G ü t e « P i r k i r t i , und erzeugte die Ma t e r i e « M a ­
h a l u. s. w·

63) Audi diese fd' e findet sich in den Kosmo^onien der


Griechen« bei denen (namentlich bei Hesiodus in der
Theogoiiie vs. 210 fF.) in demselben Sinne die Άνάτη und
Φιλθ'ΓΜς nebst « die ' l ' t t u s c h u n g « L i e b e und
S t r e i t « Vorkommen. EiiiSchetnbild ist diese W elt; aber
dafs sie ist« ist der Lieiie W erk. S. meine wehere Aus­
einandersetzung in den Briefen über Homer und Hesiod
an Hermann p. l6if«
L 38
5 o4

Also: Farabralima — Selbst beschauung·

Maja — Neigung und Täuschung·


^I I
Cama — Liebe
I I
Jotma — Macht
.1. I
Pivliii*ti — Güte«
I I
Mahat — Materie
c) Hier liegt aber auch schon der Keim der Indischen
Ansicht des L e b e n s und jener B e s c h a u l i c h k e i t ,
Yirelche alles äuPsere Seyn vernichtet, und sich in den
Schoos der Gottheit surüchversenkt Deutlicher tntt
dieses in der Schöpfungsgeschichte h ervor, ^ie tvir als­
bald sehen Mcrden. Durch diese Abtudtungs - und
Selbstvernichtungslehre aber ivird der Geist Indischer
Beligion einerseits Platonisch und Christlich, andrer­
seits aber auch Griechisch (im Heim e), in so fern
durch die Grundidee des von dem Individuellen abstra-
hirenden Schonen eine GöttcrM^elt möglich wird , die in
ästhetischer Vollendung der Kunst Genüge leistet, und
das Ideale menschlich erscheinen läfst Ein Beispiel
hiervon ist die Vorstellung der auf dem heiligen Strome
(Ganges) wandelnden G a n g a ^ (in Majcr's mytholog.
W örterb. Tab. II. fig.u.), welche von einer Venus oder
Ceres nicht sehr fern steht· Aeufserst liebliche Zuge
entdeckt man auch in den Abbildungen des C a ma , des
Sohnes der Maj a und des C a s j a p a , des Gottes der
Liebe. E r reitet auf einem Papagei, hält einen Blumen*

64) $. die weitere Auseinandersetcung bei Ma^jer, die Reüg.


der Indier als Brahmaism. p. ii2 ff.
65) Die Göttin P a r w a d i oder B h a v a n i heifst, als Per-
sonification des heiligen Stromes Ganges , G a e n g a d e v i ,
d. h. die g ö t t l i c h e Ganga· Sieh. M^'er a. a. O. IL
p. 165.
595

Stengel ίη der Hand . und ist mit Blumensclinurcn geziert


(s. Majer mythol. Wörterb. Tab. VT. fig. i und 2.). Ich
verde am Schlufs dieses Capitcls hierauf zurucKliommcn.

5· 7
Indische K osm ogonic.
Schon Strabo (XV. p. 1039. p, labTzsch.) Iiennt die
Lehre der Br ahmanen, dafsdas W a s s e r U r e l e m e n t sey,
eine Lehre, die sie also mit den Aegyptischen Priestern
und den Jonischen Philosophen gemein hatten (s· oben
p. 392 f.). Hiermit stimmt die Nachricht überein, die Jo­
nes in den Asiatt. Untersuchungen I. p. 1 9 7 . f iebt, dafs
a l l e I n d i s c h e n Philosophen das W a s s e r für das ur-
apriliigliche Element und erste W erh der SchopPung
Tualten, doch schiene ihre Lehre von der allgemeinen
Fluth und von der Schöpfung aus dem Anfänge der Ge­
nesis geborgt zu seyn. Hierauf fuhrt er die W orte des
Itlcnu über die Bildung des Universums an ^). c Die W elt,
sagt e r , war ganz dunhel, ohne Ordnung und Unter­
schied f Alles in einem tiefen Schlafe, bis der selbststän­
dige, unsichtbare Gott fünf Elemente und andere herr­
liche Sachen schuf, und die Finsternifs ganz zerstreuete.
Hierauf wollte er mannichfaltigc Geschöpfe durch einen
AiisiluPi aus seiner eigenen Glorie entstehen lassen ; da­
her schuf er zuerst das W a s s e r , und gab demselben
die Kraft der Bewegung· Durch diese Kraft entstand
ein goldenes £ y das wie tausend Sonnen glänzt, und

ß6) Siehejeit auch Pr. S c h l e g e l über die Spr. und Weish#


der Indier p. 274 ff., wo die Indische Kosmoftonie nach
Memfs Gesetsbuch in der Uebersetzung wOrtlich mitge-
theilt ist·
67) Wir erinnern hier nur beiläufig unsere Leser an die Or-
phische Lehre von einem W e l t e y , worOber im Verfolg
(im drillen Bande) das Nöthige bemerkt werden wird.
5cj6

in diesem M a r B r a h m a , der Selbstständige) dergroTse


Vater aller icniuiifligcn W esen, geboren. Das Wasser
hiefs K a r a , mcü es der Spiofsling des N c r a (oder
I s w a r a ) n ar, und Brahma bekam daher den Namen
N a r a j a n a , neü sein erstes A j a n a oder B e l e g e n
auf demselben iivar.»
« D a s , n c l c h e s i s t , die unsichtbare Ursache,
ewig) selbstständig, aber unbemerkt, ward ein Mas ­
c u l i n u m vom N e u t r o , und wird unter dem Namen
B r a h m a von allen Geschöpfen gepriesen. Nachdem
dieser Gott Jahre lang im £7 gewohnt hatte, und über
sich nachdachtc , so theilte er es in swei gleiche Thcile,
und aus diesen DalOen machte er den Himmel und die
£rde; in die Mitte versetzte er den feineren Aether, die
acht Punkte der W elt und den bleibenden Aufenthalt
der Wasser.»
Hierauf führt Jones noch einige merkwürdige Λ^erse
des Bhagavat an , die sich auf diesen Gegenstand bezie­
hen, auf welche wir unsere Leser verweisen wollen.
Die Scböpfungsgesckichte selbst haben wir jezt aus­
führlich erzählt bei Polier M^'tholog. des Ind. T. I. liitro-
duct. pag. i 6 3 sf]C|., wonach sich die verschiedencif Mo­
mente so stellen: Am Anfänge aller Dinge ruhte das
Universum, bedeckt mit W assern, im Sefaoofse des
Ewigen. B i r m a h (Brahm a), die weit bauende Potenz
eder Person der Gottheit, schwamm über den ΛΥa s ­
s e r n auf dem L o t u s b l a t t e , und sah mit den Augen
seiner vier Häupter nichts als W asser und Finslcrniri.
Daher seine S e i bs t b et r a c h tu ng : W o h e r bi n
i c h ? W e r bi n i c h ? Hundert Golterjahre verharret
er in dieser Sei bstbeschauung, ohne Nutzen und Erleuch­
tung seiner Erkenntnifs, und cs entsteht in ihm grofse
Unruhe. Da gelangt die Stimme an sein O h r : richte
dein Gebet an B h a g a v a t (das ewige Wesen). Birm ah
597
richtet sich auFi selzt sich auf dem Lotus in contempla­
tive Stellung und denht über das ewige Wesen nach
Bhagavat erscheint als Mann mit tausend Köpfen. Bir-
inah betet. Dies gefällt dem Ewigen; er zerstreuet die
Finsternifs, und öffnet Birmah's ErkeimtniPs. In dieser
Eigenschaft heiTst Birmah P^araj an, d. i. der B e w e ­
g e r d e r W a s s e r , lind so sieht man ihn in der grofsen
Cisterne zu Catmandu in einem Bilde aus blauem Mar­
mor noch heut zu Tage vorgcsioMt. Als ein Symbol
desselben wird noch in den Tempeln von Ifindostan, Tibet
und Nepal die S c c b l u m e oder A V a s s e r l i l i c , N y m ­
p h a e a , der Lotus des alten Aegyptens, verehrt; und ein
geborner Nepaleser verheiigTc sich vor dieser Pflanze, als
er sic beim Eintritt in das Studierzimmer des Präsidenten
Jones erblickte^’). Denn in dieser Pflanze, bei der jeder
Saamc, schon ehe er keimt, einige vollkommene Blätter
enthält, gieht die Natur die P r ä f o r m a t i o n ihrer Pro­
ducte zu erkennen (s. Jones Asiait. Abhandll, T. p. sc 6
der deutsch. Ausg.). Der Lotus ist Sinnbild der erzeu­
genden Natiirkraft aus Feuer und Wasser. So erscheint
er auch auf vielen Indischen Münzen und als Attribut
bei allen den Gottheiten, durch welche jener Begriff
personiticirt wird (sieh. Klcuker zu Jones in den AsiaCf.
Ahhandll. UL p. 13/μ not. 44 9 wo besonders aufPaulinus
a St. Bartholom. Syst. Biahtnan. pag. 33. lOS. i 25 . 219.

6S) S. was wir oben paj, 12Ä. darüber schon hemerkt hahrn.
— Hierher gehören die bildlichen Darsuliungfn bei
Moore ibe HimlooK Pantheon nr. 20. und daraus u n s e r e
C o p i e T i i b . ΛΧΙ. nr. 2. Die charakteristische Lage
und «las Saugen an der Fufszehe wird da hei eben so wenig
unbemerkt bleiben, als das HervorwMchsen der Bluiiirn
aus dem Wasser· Letaleres ist auch der Aegyptischen
Bildnerei eigenthümlicli·
69) S· Asiatt. Abhand 11. 1. p. 197 der deutsch. Ausg.
5g8
24^5 sqq. verwiesen Mird), Daher heiPst es im Bhagavat
Gccta (s. Herders Vorwelt p. 47.) : E w i g e r — — ich
sehe den schafTenden B r a h m a — ln dir t h r o n e n d
ü b e r d e m Lotus·
G i r m a h aber, und hiermit beginnt der erste Scho-
p/'ungsact der idealen Wel t , s ah, nachdem ihm die
Finste rniPs zerstreuet und die £rhenntnirs geöffnet| in
dem S c h a u s p i e l des e w i g e n W e s e n s a l l e un·
endl ichen G e s t a lt e n der i r d is c h e n ΛΥοΙΐ,
w i e b e g r a b e n in e i n e m t i e f e n S c h l a f e —
Darauf befiehlt der Ewige w eiter: «Birinah, hehre :ßu
defilier Contemplatioii zarüch, und wenn du durch deine
strenge BuPsc und Beschauung die Benntnlis meiner
Alliiiacht erlangt hast, so werde ich dir das Vermögen
geben, h4.rvozubri;;gen und die W elt aus dem in m e i ­
nem S e b o o P s e v e r b o r g e n e n L e b e n zu ent-
wiebeln. » Biniiab versinht abermals in Contemplation,
und beiet und böfset hundert GuUerjahre hindurch.
Kach Ablauf derselben empfängt er (und nun beginnt
der zv^eile Act, die Schöpfung der wirklichen Wel l )
die Seböpferhraft. F.·· schaflft tleii grofsen Raum, er be­
schäftigt sich mit den Piincipieii der Dinge, er schafft
die sieben Surg's oder Stcrncnsph.ärcn, erleuchtet von
den strahlenden Körpern der Dejota's, er schafft die
Erde ( Mirtloh ) mit ihren Lichtern, Sonne und Mund,
die sieben Palais oder unteren Begionen. Beide zusam­
men , die Surg’s und Patals, bilden die vierzehn W’ellen
der Indischen Kosmologie. — INun folgt die Schöpfung
b e s e e l t e r W e s e n — aber zuerst nur G e i s t e r .

70> Dies wäre also ein Dascyn der W elt, p o t e n t i ä , non


aci u , eine blos i de al e Schöpfunjf, die Summe der PiÜ-
forinationen, aus denen die künftigen Dinge werden aol-
hii; eine V o r s t e i , die vollkommen milder Platoni­
schen im Timüu^ zu yerbleichen ist»
599
Zuerst schuf er den l i o m u s , den groPsen Muni, der
aber, ganz in Betrachtung uiul BcschauHchheit versun-
hen, sich in der Gegend von Ajhudja ( Aiidhee ver­
gräbt , und dort verharren M^ird bis ans Finde der Tage.
Als der schaffende Gott, Birmah, sah, daPs Lomus von
heinem Nutzen für die W elt sey, so schuf er die n e u n
B i s c h i * s , begeisterte W esen, und unter ihnen N a r d -
m a n n , eine hohe, mit den drei Personen der Gottheit
inVerbiiidung stehende Intelligenz , aber auch selbst hin­
wieder einen Empörung und Zwietracht stiBenden Titan
(ähnlich d cm Ahriman oder dem Prom etheus der Griechen)·
Aber auch diese Rischrs verfallen alle in sich selbst con-
templircnd zurüch. Nun zeugt Birmah zur Bevdlherung
der W elt mit seinem W eibe Sarbutti hundert Sohne,
wovon der älteste, Dateh, wieder hundert Söhne hatte·
Aber auch diese Generation bestand nur aus D e jo t a 's ,
d. i. Bewohnern der Surg*s oder himmlischen Räumet
und aus D a i n t s , d· i· Riesen, den Bewohnern der un­
teren Räume oder Patals, welche also auch nicht zur
Bevölherung der Erde (Mirtloh) gebraucht werden honn-
ten. Da erschuf Birmah ans seinem Munde (und jezt
erst beginnt die Scliöfifung der w i r k l i c h e n M e n s c h ­
h e i t ) einen Sohn, B r e h m a n ( B r a h r o ä n — P r i e -

7t) Eine uralte Stadt in Osthimlostan oder nintenndien, der


Sitz der ältesten Monarchen des Indischen Reiches , im
F1uf«;;ebieic des Ganges, am Strome Dewa oder Gagra,
d. i. dem gAuticli^n. Sie ist der Gebunsort des heiligen
S c Ii r i K a m a , war vor Alters größt, prächtig und volk-
rcich, und ist noch jezt wegen der vielen Denkmale des
Alterthnms sehenswerth ; darunter ist besonders merk­
würdig S s o r g a d o ä r i , d. i. d e r l l i m m e l s t e m p e l ,
wo Kama einst alle Einwohner der Stndt mit sich in den
Bimmel aufgehoben haben soll. S· W a h I Besclir. von
Ostindien pag· 1093 ff. und daselbst T i e f e n t h a l e r I·
Tafel 2S. nr· 2. und dazu 1. Bd. p. 180 ff.
6oo
s t e r ) , welchem er die v i e r A^eda' s gah, die vier
W orte (Biicher) seiner vier JVtunde. Aber Brahman
fühlte sich einsam, und rilrchtete sich vor den wilden
Thiercn derWnIder. Da schuf Birnali aus seinem rech­
ten Arme den K a e t t r i s ( K r i e g e r ) und aus seinem
linken Arme dessen W eib S c h a t e rany* Aber Kättris,
Tag und Nacht auf Beschutzung seines Bruders Brah-
man bedacht, konnte sich nicht nähren. Da erschuf
Birmah aus seinem rccliten Scheiihel den dritten Sohn
B a i s , bestimmt zum Ackerbau, Gewerbe und Hand­
lung, und aus seinem linken Schenkel dessen W eih
B a s a n y . Als aher diese allein nicht fertig Herden konn­
ten mit ihren Geschäften, so schuf Birmah aus seinem
rechten FuPse den vierten Sohn S u d e r , bestimmt zu
allen niedrigen Knechtsgeschnften, und aus seinem Ha­
ken Fufse dessen Weih S u d e r a ny . Das waren die
Erzvater der vier Casleii, welche die Erde hcvolherteii
und die vier A^edas empHiigen , denen sic nachlchen
sollten.
Aber Brahman beklagte sich, dafs er allein unter
seinen Brüdern ohne Gefährtin sey. Da giebt ihm Bir-
mali die Ancw'ort, er solle sich nicht zerstreuen, son­
dern einzig der Lehre, dom Gehet und Gottesdienst ob­
liegen. Jedoch Brahman heharrot auf seiner Bitte; da
gab Birmah im Zorne dem Brahman eine D a i n t a n y ,
eine Tochter vom Geschicchtc der Daints oder Riesen,
von welcher nun al:c Brahminen abstammen , so dafs
das ganze Priestergcschleeht einerseits der Abkömmling
eines hohen Geistes, andrerseits einer dämonischen Frau
ist. Auch anderwärts finden wir Spuren solcher Vorstel­
lungen , so wie in den meisten alten Staaten ähnliche
Begriffe von der E h e l o s i g k e i t , als ErforderniPs des
Priesters, herrschten, wie hier in Indien, wo auch der
Begriff der D e m u t h neben der hohen Vorstellung von
der Heiligkeit und Würde dev Brahminen nicht zu über-
ßoi

sehen ist. Doch über diese Demuth ein Mohreres bei


der £(hlh, wo von BirmaVs Fall und verschiedenen
Wiedergeburten die Bede seyn wird.

$. 8.
So war die W elt geschaffen, und die vier von Bir-
mah hervorgebrachten Menschen verbreiteten sich fort
und fort auf ihr. Es ist aber die W elt nach Indischer
Ansicht in v i e r g r o f s e Z e i t r ä u m e eingetheilt, in
vier Aconen oder W ellaller, von den Indiern Y u g a ' s
genannt , d as erste S a t i a - y u g , das des Brahma oder
Schöpfers; das zweite T i r a i t a - y u g ; das dritte D w a -
p e r - y u g , beide des Wischnu oder Erhalters; das
vierte C a l i - y i i g , des Schiwa oder Zerstörers. Die er-
steren sind abgclaufen. — Daran schliefst sich die Lehre
der Indier von neun bis zehn a u f s e r o r d e n t l i c h e n
Y e r W a n d l u n g e n der Gottbeit in der Person des
ΛY^schr^u, d. i. der e r h a l t e n d e n und f ü r s o r g e n -
de n G o t t e s k r a f t , sooft wegen uberhandnehmender
Gottlosigkeit der Menschen solche aufserordentliehe
Hülfe der Vorsehung nölhig ist Es glauben zwar
die Hindus unzählige A v a t a r s , d. i. solche llerab-
steigungen oder besondere Dazwischenkunften der Vor­
sehung in den Angelegenheiten der Menschen, sie rech­
nen aber z e h n H a u p t a v a t a r s während des ganzen
Zeitraums von vier Yiiga's oder Weltaltern. Im ersten
Avatar 74^ erscheint Wischnu als F i s c h , im zweiten

72) $· Polier Mytholog. des Indous i. Introdnct. p. l6l. und


Kleukers Zusatz zu den Asialt. Abliandll. ITT. p. 480.
73) S. Atciait. Abhatidll. T. ΙΓ. p. 28. der deutseb. Aus^. und
über das zunächst Folgende Jones ebendas. T. p. 36i ff.
7·Ι) Hierbei kann die bildliche Darstellung von drei Avaia-
ra’s verglichen werden a u f u n s e r in B l a t t e XXV.
nr. 1. 2. ö.— Sehr ausführlich handelt M a u r i c e die
Avatars ah, und giebt davon bildliche Vorstellungen von
B. I. p.495. bis B. 11. p.i04.
602
a l s S c h i l d I t r o t e , im dritten als A n t e l o p e ^ im vier­
ten als m ä n n l i c h e r L o w e ^ im lünften als Z w e r g «
iin sechsten als P a r a s c K r i - l l a n i a , im siebenten als
B a m a - T h a n d r a ^ im achten als P a l a - K a m a mit der
Pilugschaar im neunten als B u d d h a , im zehnten
als Zerstörer Ca l c i .

In dem ersten Avatar, als die W elt im Argen lag,


ham die g r o f s e U e h e r s c h w e m m iin g , die S u n d -
f l u t h , welche der Gegenstand des ersten Furanti oder
heiligen Liedes ist, woraus Jones in den Asiatt. AbhandII.
I. p. 35 i) ff. der deutsch. Ausg. (vergl. mit Polier Älylho-
log. des Ind. T. 1. liitroduct. p. 38 scjq.) Folgendes mit-
getheilt hat: <!^Brahma begab sich am Schlüsse der sechs­
ten Manwantara zur Ruhe. Da stiehlt ihm der D a i n t
Ha j a g r i v a die Yeda's. Dies brachte dem ganzen Men-
schengeschlechte Verderben. Alle wurden böse, aufser
den sichen B i s e hi ' s und S a t j a v r a t a , König von
Dravira. Dieser badete und reinigte sich im Flusse Cri-
tamala, und schöpfte Wasser aus einer Srhaale. W i s c h -
nu erscheint darin als F i s c h , und wächst immer mehr
in immer gröfseren Geföfsen, bis er endlich aus dem
Ocean dem Satjavrata die Sundflulh auf den siebenten
Tag und seine Rettung mit den sieben Bischi's mit ihren
Weibern und den Thierarten verböndigt. Dies geschieht.
Nachdem Satjavrata mit jenen Andern in einer Arche ge­
rettet und die Fluth abgelaufen ist, erschlägt Wischnu

75) Auch Aegypten gieht seinem Osiris oft die Attribute des
Ackerbaues (s. oben). Eben so kannte die alte Attica
unter den rettenden Heroen den E c h e t I n s , *Έχ6τλο%
oder Έχ«τλΛ?ος (von einem Theilc des Pfluges),
oder P f l u g n i a n n , der in der Schlacht bei Marathon
mit jenem Werkzeuge den Athenern ihre Peinde batte
ersctiiageii helfen; s. Pausan. Aitic. 32. $· 4. W ir wer­
den utiicn noch auf denselben zurttckkommen.
6q5
den bdscn J)aint, bekommt die V^cda’s wieder, unter­
richtet den Satjavrata darin, und bestimmt ihn zum sie­
benten Menu, unter dem Namen \^aivaswata.)> Jones,
welcher a. a. O. p. 3 6 1. mit der Genesis Parallelen zieht,
Termuthet, dafs dieser Menu mit N u h , dem wahren
Namen N oa fi*s, ein und derselbe sey.
Diese vier Yugas zusammen haben eine Dauer von
vier Millionen und 3 ^oooo menscblichcn oder 12000 Göt­
terjahren. Beim Ablauf des vierten Y u g, in welchem
wir leben, tritt das Wellende ein. Schiwa verbindet
sich mit Wisebnu als Calci, und verbrennt die W elt
durch den F e u e r w i n d allein so, dafs bei dieser
Zerstörung die Saameii aller Dinge in den Lotus, in die
Barmutter der Bliavani auigetiominen werden, wor­
aus eine neue W elt wird· Denn der Lotus ist Symbol
der ew i g e n Z c u g u n g s h r a f t , und wird daher oft
mit dem Lingam verbunden, worüber schon oben das

76) Dies erinnert uns an den des H e r a c l i t u s


(6. unsere Ablumiluni; de Kato p. 27· und uusern Diony­
sus p«ig. 7^ und die Ihiiiptstelle des Arisioteles de
mundo c· ·!·} , so wie an die Lehre vctii W e It h ra n d e,
die e r und die S t o i k e r vortru^en. Hieraus aber s r| >rt
scliluT^eii zu wollen, dafs Heraclitus und die Stoiker aus
i n d i s c h e n Quellen geschöpft, wäre eben so unliisto-
risch , als wenn man mit Jones jede Griechische Gott­
heit in Indien finden wollte·
77) Jones in den Asiat!· Ablundll· [« p. 215. verj;leicht die-
sel bc mit der I l y t h y i a J u n o L u c i n a u n d zugleich
V e n u s Ur a n i a · Im Aegypti sehen System mufs hier­
bei f s i s - A t h o r verglichen werden. — Da es eine
Grundidee der Indischen Philosophie ist, dafs nichts absolut
zerstört oder annihilirt wird , so ergiebt sich daraus, war­
um ein und derselbe Gott (Schiwa) als Zerstörer und als
Gott der Zeugung und des Lebens vorgestelit wird. —
Darauf beziehen sich auch die ihm beigelegten Attribute;
vtrgl. Fayne Knight on Symbol· lang. $.222· p. 169·
6o4
Kothige bemerkt worden. Also auch hier die Lehre von
der F o r t d a u e r d e r S u b s t a n z d e r W e l t be i m
W e c h s e l d e r F o r m e n , Riickkehr aller >Vesen in
die Gottheit, worin alle Dinge ruhen, und die der An­
fang, das Mittel und das Ende aller Dinge ist (s. Klcu-
hers Zusatze zu Jones in den Asiatt. Abhandll. Th. 111.
p. 4βο· und daselbst Paulinus S^st. Brahm. p. 8o.)·

§. 9.

E i n B l i c k a u f di e V i e l g ö t t e r e i d e r I n d i e r ;
S c h r i - H a m a , S i t a und H a n u m a n ; I n d i ­
s ch er T h i e r d i e n s t ; V e r w a n d t s c h a f t der
I n d i sc h e n und A e g y p t i s c h e n Bcligio-
ne n.

Es ist bereits oben bemerht worden, daPs meine


Absicht nur auf das W e s e n t l i c h e d e r I n d i s c h e n
B e l i g i o n gerichtet seyn kann. Diesem nach wird Nie­
mand nur die Angabe der aufserordentlicli vielen Na­
men oder Beinamen der Gottheiten erwarten. Beab­
sichtigte ich in diesem meinem ethnographisch-mytho­
logischen Buch eine durch und durch gehende Mythen-
vei*zcichniing des Orients, so hätte im Capitcl von der
Aegyptischen Religion weit Mehreres von einzelnen
Gottheiten, z. B, von der Bubastis, Tithramho, von der
Nephthys und von andern, Vorkommen müssen; und so
mufslen auch hier die männlichen und weiblichen Gott­
heiten, Genien und Heroen der Indier aufgeführt werden.
Da muffte z. B. von Satjavrata, Indra, Cuvera, Bem-
b h a, Carticeja, Durga, Agni, Nared, von den Gop^s,
von den dreifsig Baginfs und von vielen Andern die
Bede seyn. Beide letztere Arten von Wesen vergleicht
Jones mit den Musen und mit Nymphen der Musik; so
wie er überhaupt in das Einzelne der Gottheiten und
6o5
MylTien Indiens eingeht ^). Für das Bedürfnifs der nä­
heren Behanntschaft mit diesen mythologischen Persona­
litäten ist jest durch mehrere Quellen und Hülfsmittel
gesorgt, '«velche dem Gebildeten zugänglich sind ^).
Jedoch ζΛίοι bedeutende mythische Personen dürfen
nicht ganz mit Stillschweigen ubergangen werden, zumal
da sie von dem G e i s t e und T o n e d e r I n d i s c h e n
H e r o e n f a b e l , dafs ich so rede, einen Begriff geben
hSnnen· Ich meine den S ch r i- B a m a und den K r i s c h -
n a , welche nach manchen Mythen auch mit dem sechsten
und neunten Avatar in Verbindung stehen. Von diesen
beiden W esen will ich in der Kurze das Wichtigste aus­
zugsweise mittheilen :
«Schri-Üama — die sechste Incarnation des
Wischnu — ist ein junger Held von grofser Schönheit,

7S) Tn der Abhandlimj^ ü b e r di e G o t t h e i t e n G r i e ­


c h e n l a n d s , I t a l i e n s u nd I n d i e n s , im ersten
Bande der Ab b a n d l i i n g e n zur Geschiclite — Asiens
nr. VI, p. l6l — 249 der Deutschen Uebersetzung, Es
ist übri|;ens bekannt, dafs diese Parallelen des hochver­
dienten Mannes Iheits gänzlich zu verwerfen , theils noch
weiterer Untersuchungen bedürftig sind ·, wozu erst noch
Vorarbeiten erwartet werden müssen,
79} Z , B ., um nur einige hauptsächliche zu nennen, durch
die einzelnt-n Abhandlungen und bildlichen Darstellungen
in den sämmtlichen Randen der Asiaiick Researches ;
durch die Werke von Paulinus a S. Bartholom., de Po­
lier, und durch das mythologische Wörterbuch von
JVlajer.
20) Paulini a S, Bartliol. Systema ßrahman, p. 13S sq. p. l42
— i4S. vergl. die Asiatt. AbhandII. von Kleiikcr Bd. IV,
p. 64 iF. nQuemadmodum (sagt Paulinus p. Ii9 ) Shiva,
s. Bacchus senior, Sol nocturnus e s t, judex monuorum,
— — — terribilis forma, vindex criminum — sic ille
(Shri rima) strenuus bellator, arationis institutor, legum
6o6
«mit Bogen, Pfeil und SoTilnnge verseilen, und wird
grün gemalt· Er heifst der Sclionc, der Ueppige, aber
auch der unividerstehliehe Krieger, Sohn des Gestirnes
Bohini, der alihraftige Führer des Pfluges, der durch
den heiligen Flufs Kalini oder Ciamuni (den Styx) hin­
durchdringt. S i t a (d. i. terrae versura, solum fructi­
ferum, der gepflügte, fruchlbare Boden) ist seine Gat­
tin. Aus diesen Prädicaten und aus den Bafchischen
Tänz*:n, die ihm &u Ehren gehalten werden, schliefst
Paulinus, dafs er mit dem jüngeren Bacchus der Grie­
chen die grüfseste Uehereinstimmung habe, an sich aber
Sol diurnus oder die am Himmel scheinende Sonne, wie
Schiwa Sol nocturnus, die Sonne bei Nachtneit, sey.
W ie jener mit seiner Parwadi (dem Monde) den Meru
bewohnt, so geht dieser von Ajodjah aus, behämpft In­
dien mit seinen Strahlen , oder vertreibt die Finsternifs
und Schrcchcn der Nacht, entreifst seine Sita dem Pluto
und bringt sie wieder ans L ich t, lehrt pflügen und säen,
bändigt die Titanen oder Pandawen, bringt Alles durch
Wärme und Feuchtigheit zur R eife, giebt Gesetze, bat
den König R a w a n a von Seilan (Ceylon), wo die Sonne
im Wasser versinhen so ll, angegriffen und durch seinen
Trabanten H a n u m a n , den Gott des W indes, bezwun­
gen u. s. w. Zwischen Seilan und der Fisch erb üste, bei
der Brüche Bama (der sogenannten Adamsbrückc), fin­
det sieb noch ein uralter, diesem Bama oder Indischen
Bacchus geweihetcr Tem pel, der, nebst den ihm zu
Ehren gefeierten B a m s a oder Bacchanalien, zum Be­
weise des angegebenen Charakters dieses Gottes dienen· v

Im Verfolg bemerkt Paulinus, dieser selbige P a -


r a s c h r i r a m a wurde in Tibet als e r s t e r Beligions-

Indicaritm conditor, urbium constructor, perversorum


regum flagellus ac vindex.“
6o7
Stifter gepriesen, da doch die ganze Lainaisclie Religion
und Philosophie nur ein Zweig Brahminischer Philoso­
phie und Astronomie sey (pag. 14®·)· — Wenn derselbe
redliche Forscher weiterhin bemerkt (pag. i 4^*)9
jene ursprünglich physischen und astronomischen Per-
sonificationen 4 die im Schrirama, nach seiner Ansicht,
gegeben seyen, auch auf wirklich h i s t o r i s c h e P e r ­
s o n e n oder Staminbelden ubergetragen seyn möchten:
so will ich hier an gewisse Ivaclirichten der Indtenfah-
rer im secliszehnten Jahrhundert erinnern, w^elchc τοη
Heereszugen Indischer Hajahs erzählen, die den mythi­
schen Zugen des Schri-Bama und seines Gchulfen Ha-
numan in manchen Stücken sehr nbniieh sind. So lesen
wir z. B. von einem Sultan und liunig von Joghe Fol­
gendes: «£r ist ein Mann von grofser Herrschaft, hat
etwas bei dreifsigtausend Mann, ist ein Heide und alles
sein Volk eines besonderen Glaubens; und vo n d e n
K ö n i g e n und E d l e n w i r d er f ü r h e i l i g g e h a l ­
ten .» Als Grund dieser Heiligsprechung wird die W all­
fahrt angegeben , die dieser König alle drei bis vier
Jahre zu unternehmen pflegt· Davon heifst e s: «Er
zieht aus mit drei oder viertausend Mannen der Seinen
mit Weihern und mit Kindern , und führet mit ihm vier
oder fünf Pferdt, auch Hatzen, Zibeti, Meerkatzen,
Papagei, Leoparden und Falken, und zeucht also durch
alles India. Sein Kleidung ist ein G e i f s h a u t f e r n e n
und e i n e h i n t e n , das Haar herausgekehrt; sein d u n ­
k e l b r a u n Leut — tragen Serien und Edelgestein in
den Obren — Aber der König, etliche Edel und die
Besten gehen mit dem Angesicht und mit den Armen
und dem ganzen Leib übersäet mit g e m a h l e n e m S a n ­
dei und mit wohl schmeckenden Dingen» — Darauf

81) R i t t e r l i c h e u n d l o b w ü r d i g e R e i f s u. s. w.
Frankfurt a. M. bei Hermann GüiUchen.
6o8
wird von den verschiedenen Casteiungen und Uehungen
geredet, die sich die Bufsenden bei diesem Pilgcrsuge
selbst auf]egen.

In der Vergleichung des Schri-Bama mit dem Bac­


chus war schon W ill. Jones dem Pater Paulinus voran,
gegangen. «Die Parallelef sagt er zwischen diesem
Europäischen Gott (dem Bacchus) und dem Herrscher
von Ajodjah weiter zu verfolgen, wäre hier, in einem
Versuch, w^ie dieser ist, überflüssig. Die Hindus glau­
ben von dem letztem , dafs er die e r h a l t e n d e K r a f t
auf der Erde vorgestellt habe, der berühmteste Erobe­
rer und Befreier der Nationen von Tyrannen sowohl,
als der Befreier seiner Gemahlin Sita von dem Biesen
Bavan, dem König von Lanca, gewesen se y ; daPs er
ferner eine zahlreiche und herzhafte Bace grofserAfleri
angeführt habe, welche unsere Naturhistoriker, oder
wenigstens einige derselben, I n d i s c h e S a t y r s ge­
nannthaben. Sein F eldherr, der Fürst der S a t y r s ,
habe H a n u m a t oder m it h o h e n W a n g e n b e i n e n
geheifsen· Mit solchen geschäftigen Arbcitsleuten habe
er bald eine Brüche von Felsen über die See gemacht,
wovon, der Indischen Sage nach, noch jezt ein Theil
vorhanden wäre. Wahrscheinlich ist dieses die Felsen­
reihe, welcher die Muselmänner oder die Portugiesen
fälschlich den Namen A d a m s B r u c h e gegeben haben,
anstatt dafs sie R a m a ’ s B r u c h e heiPsen sollte. Konnte
nicht dieses Heer von S a t y r n blos in einer Bace Berg­
bewohner bestanden haben, welche Bama, wenn ja ein
solcher Mann existirte, civilisirt hat? Doch dies mag
nun seyn wie es will, das groPse I n d i s c h e AflPenge-
schlecht halten die Hindus noch in diesem Augenblich
in hoher Verehrung, die Brahmanen futtern dieselben

h2) Asiatt. Abhandll. I. p. 219 f·


6 o9

«mit eTirerbietigen Cärimonien, und diese scheinen auch,


zur Unterstützung der Ausgaben dafür, an zwei oder
drei Orten am Ufer des Ganges ordentlich dazu bestimmte
Vortheile zu geniefsen. Diese Thierc leben in Gesell­
schaft von drei bis vierhundert, sind sehr leutselig (ich
spreche als Augenzeuge)^ und scheinen eine gewisse
A rt von Ordnung und Subordination in ihrer hieinen
Waldpolizei unter sich zu haben. Hierbei dürfen wir
nicht übergehen, d a f s d e r V a t e r de s H a n u m a t
d e r G o t t d e s W i n d e s w a r , Namens P a v a n , e i ­
n e r v o n d e n a c h t G e n i e n ; und so wie Pan die
Pfeife durch Hinzufugiing von sechs Rohren verbesserte,
und gleich nach seiner Geburt vorlrefiTlicb auf derCitbar
spielte, e b e n so b a t e i n s v o n de n v i e r S y s t e ­
me n d e r I n d i s c h e n Hiusih den N a me n H a n u ­
ma t o d e r H a n u m a n im Nominativ, als der Erfinder
desselben, und er wird jezt noch allgemein verehrt*
D e r K r i e g v o n L a n c a w i r d am F e s t e Rama^
am n e u n t e n T a g e d e s n e u e n Mo n d s de s T s c h i -
i r a ^ ) , d r a m a t i s c h v o r g e s i e l l t , und d a s D r a ­
ma e n d i g t s i c h (nach Hol well 3 Aussage, der es oft sah)
m it e i n e r D a r s t e l l u n g des F e u e r o r d a l s ^) ,
w o d u r c h des S i e g e r s W e i b , S i t a , i hr e e h e ­
l i c h e T r e u e b e w i e s . Der Dialog, setzt er hinzu,
ist aus einem von den achtzehn heiligen Büchern ge­
nommen, worunter er wahrscheinlich die Purana’s ver­
steht.»
So weit Jones. Nach dieser sehr bemeihenswer-

83) des April, Chaitra genannt, bei Sonncrat I. 255,


B·)) Reinigung durch Feuer kennt Indien noch. Mutter ge­
hen mit ihren Kindern auf den Armen durch die Flammen
(Maurice Antiqq.of India Vol. V. p. 1073.)· Payne Kniglit
on the Symbol, lang. pag. 134. vergleicht damit ähnliche
CebrUuehe bei andern Völkern.
I. Sg
6io
then Nachriclit von d r a m a t i s c h e n D a r s t e l l u n g e n
d e s K r i e g s vo n L a n c a , so %vie nach der von mir
eingeschalteten Beschreibung von W a l l f a h r t e n Indi­
scher Bajahs mit T h i e r a t t r i b u t e n und andern m y ­
t h i s c h e n Y e r h l e i d u n g e n — nach Allem diesem
viird es wohl leicht begreiflich werden, w ie S c h r i -
R a m a wi r hl i ch in d i e m e n s c b i i c K e G c s c h i c K -
t e h e r a h g e z o g e n w e r d e n k o n n t e . Man ennnere
sich nur der Erörterungen, die wir oben über den O s i ­
r i s als P h a r a o unternommen haben. Der dramatische
Krieg von Lanca konnte auch an den dramatischen Krieg
von E l e u s i s , wobei auch eine B r u c k e und F e u e r ­
p r o b e n genannt werden, erinnern. Doch dieser V er­
gleichungen enthalte ich mich vorläufig, und frage viel­
mehr, ob auch Jones und Paulinus, wenn sic die phy­
sischen und astronomischen Elemente dieses Mythus
richtig bemerkten, ebenfalls d a r i n da s R e c h t e g e ­
s e h e n h a b e n , we n n s i e aus S c h r i - R a m a e i n e n
B a c c h u s m a c h e n ? Ich brauche nicht weitläuftig zu
seyn , und will daher mit meiner Antithese geradezu her­
vortreten : Ich sehe hier nicht Dionysus, sondern viel­
mehr den H e r c u l e s und die C e r c o p e n . Hier nur
einige W inke. Zuvörderst die Parallele zwischen R a -
ma und B a c c h u s ist überhaupt nicht bewiesen» und
hat Vieles gegen sich. Sodann kennt Indien einen Her­
cules. Den Indischen Namen desselben habe ich schon
oben genannt. Er hiefs D o r s a n e s . Ferner ist uns
schon ein Persischer Hercules als S a n d es oben (p. J5o.)
begegnet. Einen a s t r o n o m i s c h e n Hercules in man­
cher! ei Lichtern (Sternen) und Farben haben wir gleich­
falls bemerkt (s. oben p. 846 ff.). Ingleichen haben wir
heilige Tempelaffen schon bei den Aegyptiern gefunden;
und auch im Thierkreise dieses A^olkes gab mir schon
die Erscheinung der Affen A^eranlassung, der Cercopen
— jener Herculesaflen — mit Einem W orte zu gedenken.
6i 1

Im Verfolg wird mit Mehrerem davon gehandelt werden.


Hier lege ich nur vorläufig einige notKwendige Notieen
nieder: Einer der Cercopen oder jener listigen A f f e n -
d ä mo n e n heifst, dein Lydischen Hercules - Kandaules
sehr ähnlich: Kandulus; der andere, dessen Bruder:
Atlas« und erinnert somit an das Himmelsgewölbe« nicht
minder ihre Mutter M em n o n i 6. Sie stehen dem Jup­
piter im Kriege gegen Kronos bei. Endlich, nach vielen
Dienstleistungen und Betrügereien, werden sie von Her-
cul es-Mcl am p y g o s (dem S c h w a r z e n von Hinten)
dienstbar gemacht, von Juppiter in S t e i n e verwandelt,
und hausen auf Pithecusischen Inseln, d. h. auf A f f e n -
e i l a n d e i i f die aber auch zugleich als F e u e r i n s e l n
mit vulcanischen Ausbriiehen in der Sage erscheinend^).
Hier haben wir schon die physische Seite des Mythus.
Doch diese, wie die astronomische, wird im Capitel vom
Hercules deutlicher werden. Jezt wollte ich nur einige
nahe liegende Λ'^ergleichungsρunkte geben , wodurch
S c h r i - B a m a und Ha n u n i a n mit H e r c u l e s und
K a n d u l u s , die A f f e n i n s e l n in Osten und in Westen,
die F e u e r P h ä n o m e n e gleichfalls, und endlich die
S t e i n w e r h e an den Meerküsten in eine natürliche
Verbindung kommen. Euripides, als er seinen Κ^ρχωψ
schrieb, wiiPste gewifs nichts von jenen Indischen Dra­
men. Aber wie diese aus den Purana's und Ramayana
genommen waren, so hatte er auch ursprünglich physische
Elemente dieses Mythus in epischen Gedichten der frühe­
ren Vorgänger gefunden. An Epos und Drama müssen
wir bei gewissen Griechischen Reliefs und Vasenbildern
denken, die uns dergleichen CercopischeScenen liefern.

8ä) Ovid. Metamorph. XIV. 89. Eustath. ad Odyss. XIX.


247. p. 695 Basil. Heynii Excurs. II. ad Virgil. Aen. IX.
Dessen Ob$&. ad Apollodor. p. 8l. und meine Anmerkk.
zu Xantlii Lyd. Fragmm. p. l66 sqq.
6 ii

Das unten nach Moore (nr. 5 ί.) heigeßigfe Bild vom


B r ü c k e n b a u des H a n um an und seiner G e f ä h r ­
ten ist aus dem Bamayana genommen

Die oben bemerkte Heiligkeit der grofsen Hindosta-


nisclien Affen fuhrt uns von selbst zu einigen Bemerkun­
gen über den I n d i s c h e n T h i e r d i e n s t . Da ich mich
Über die Gründe dieser dem Europäer so auffallenden
Erscheinung int vorhergehenden Capital und ausführ·
lieber im ersten Bande meiner Hcrodotcischen Abhand­
lungen erklärt habe, so kann es genügen, einige That-
sachen aus der Indischen Beligion hier ansufügen. Ich
thcilc dasAVesentliche nach Paulinus und Kteuker mit*^^|
nvoran sich einige Betrachtungen anreihen mögen.
« Aulser dem Elephanten, einem Symbol der Klug­
heit und Slärhe , deren acht die >Velt tragen ^ dem

S. u n s e r e T a b . XXVIII. Ge k r ö n t e AiT.n, wie sie


hier sind , kennt selbst die liidisclie ^iage.
87) Das Ausführlichere giebt Polier in der Mythologie des
Indotis Vol. I. ciiap. IV. p. 321 sq. Vergl. auch Friedr·
Schlegels Auszüge aus dem Ramaynii pHg. 331 — 244.
endlich M a u r i c e Vol. II. p. 23l8qq. und daselbst pl. V.
IVas meine obigen Parallelen mit Hercules und den Ccr-
copen betrifh) so wird wohl Jeder eins« lien , daf s al l e
d e r g l e i c h e n P a r a l l e l e n nur in II a u p t züi ren
gemeint seyn können, und daf^ sich hi k e i n e m Mythus
westlicher Völker eine völlige Gleichheit mit orientalischen
erwarten lUfst.
5S) Paulini Syst. Brak man. p. 60. vergl. Kleuker in den Asiatt*
Abhandll. Bd. IV. p. — 88. — Paine Knight Inquiry
on Symbol, lang. pag. 182). meint, Sciiiwa reite auf dem
Adler, als dem Bilde der Zerstörung , dem das andere
Attribut dieses Gottes, der Lingam, als Bild der R ege­
neration , eiitgegenstehe.
89) Daher ihn Ganesa zum Attribut hat; s. oben.
6i3
«Schwane (H am sa), auf welchem Brahma fahrt ; dem
rothgelbcn Adler oder Habicht (Garudha), als Träger
des W ischnu; dem Käfer, dessen krumme Horner und
Glanzfldgel die Sonne und die Planeten abbilden sollen;
dem Baben« der die Seelen der Verstorbenen vorstellt,
und dem man täglich Reis streuet; der Schlange« als
einem Symbole des Lebens und Attribute mehrerer Gott­
heiten — lauter bedeutenden Thieren, die man mit einer
A rt von Ehrfurcht betrachtet------ ΛvordGn O c h s und
K u h ganz eigentlich verehrt· Jener stellt den Schiwa
v o r, und bat in Indien so gut ein Fest, wie der Apis in
Aegypten es hatte — Die K uh ist der Bhawani oder
Lakschmi, als Allm uttcr, heilig, deren Bild oder Zei­
chen man an den Eitern, auf der Zunge , im Munde und
am Schnanzc derselben finden will, Lakschmi hat die
Kuh in den Himmel erhoben. Eine Kuh tddten, zieht
unausbleiblich die Todesstrafe nach sich. Beim Sch wo.
ren und sterbend nimmt man ihren Schwanz in die Hand.
M'odurch die müliseligen W a n d e r u n g e n aus e i n e m
K ö r p e r in de n a n d e r n ahgekürzt werden sollen»
Mit dieser Reinigung iin Tode durch das Berühren
einer Kuh verbinden wir noch die Notiz von einigen

9U) Wenn Kleuker hierbei sagt: „Auch der Name Ap e n


kommt v o r, und lieifst Pater et progenitor“ « so hätte er
auch noch an die Indische Benennung des heiligen Stie­
res: Apen P a s c h a erinnern können ( s . meine Com-
mentatt. Herodott. I. p. 1l3.); und wir wissen , dafs ein
heiliger Stier in Aegypten auch Baci shieis (s.oben p.4Sl).
$\) Es wird noch an andere Gebrauche in Beziehung auf
die Kuh und an Nluuzen und Sciilpturen erinnert, „die
einen S t i e r zeigen, d e r z w i s c h e n s e i n e n H ö r ­
n e r n d i e S o n n e t r ä g t « o d e r mi t s e i n e m H ö r ­
n e d a s W e l t e y h e r v o r s t ö f s t “· Dieses Bild kennt
auch Japan; s. das Kupfer bei Maurice Vol. 1* pl. 2.zu p.4i*
92) Vergl· Paulinus Voyage auK Indes Orient, pag. 3?1 der
6i4
dahin gchSrigen und sprechenden Gebräuchen. Nach
dem Cärimonialgesetz der Brahminen ist noch heut zu
Tage das Durchhriechen durch die goldene Bildsäule
einer Kuh ein Beinigungsmittel, oder eine Art von W ie­
dergeburt. Neuere erzählen zwei Fälle der Art : Einmal
mufste sich der Kdnig Yira-Martanda-Pala dieser Keini-
gung untetMerfcn, Meil er Tempel und Götterbilder ver­
brannthatte , und man zeigte noch im Jahre 1787 diese
goldene Kuh im Schatze zu Padmana Buram Ein
andermal machte man diese Zumuthung zween Brahmi­
nen, Gesandten des Königs Raghu-Nath Kaya oder Ba-
goba, weil sie auf ihrer Reise über den unreinen F'lnfs
Attocli (Attaca) gegangen waren. Die Brahminen ver­
sammelten sich, und es war auch von der Reinigung
durch die Kuh die Rede ^).
Wem fällt hierbei nicht von selbst die Acgyptische
Legende beim Herodotus (II. 129 scjq.) ein, nach wel­
cher die Tochter des Königs Mycerinus von Sais, trost­
los über eine vom Vater gegen sie verübte Unthat, vor
ihrem Tode sich die Gunst erbittet, in e i n e r v e r ­
g o l d e t e n Ku h b e g r a b e n zu w e r d e n ; welches
auch verwilligt wird , und zu Jahresfesten Veranlassung
giebt. — Ich mache im vierten Bande dieses Buches
von der angeführten Sage auf merkwürdige Krctenslsche
Mythen Anwendung. Hier aber giebt uns d i e s e s und
a n d e r e s Z u s a m m e n t r e f f e n I n d i s c h e r und A e -

Französ. Ausg. — Hierbei verweise ich meine Leser, in


Betreff der Leich enge brauche der Priester, auf eine in­
haltsreiche Abhandlung von Carey: An Account of the
funeral Cerenionies of a Bunnan Priest — by VV. Carey,
in den Asiatick Researches Vol. XII. p. 186 sqq.
93) Paulinus in der Voyage p. 320 sqq.
9 0 Asiallok Re<(<arch€S Vol. VI, p. 537 sq.
6i5
g y p t i s c h e r B e l i g i o n s - B e g r i f f e und - G e b r ä u ­
c h e ungesuchten AnlaPs zu der Frage ^ ob nun aiicli
zwischen I n d i e n s und A e g y p t e n s C u l t und R e ­
l i g i o n s g l a u b e n e i n h i s t o r i s c h e r o d e r , bestimm­
ter zu reden, e in g e n e t i s c h e r Z u s a m m e n h a n g
statt finde ?
Hierauf ganz liurz zu antworten, so müssen die in ­
n e r e n Uebereinsiimmungen, wozu die eben bemerkten,
aber auch noch viele andere gehören, von den ä uPs e -
r e n S p u r e n und Z e u g n i s s e n unterschieden wer­
den. Unter den inneren Merkmalen werden immer die
beiden: Heiligkeit, ja Verehrung gewisser Thiere und
zwar zum Theil derselbigcn Thiere, sodann die Lehre
von der Seelenwanderung, die auffallendsten bleiben·
Dazu gehdrt denn auch noch das gemeinsame B'esthalten
an gewissen Symbolen, worunter der L o t u s eines der
allgemeinsten ist; der beiderseitigen Verehrung des
Lingam-Phallus nicht einmal zu gedenken· Der Aehn-
lichkcit Indischer und Aegyptischer Baukunst, wenig­
stens in manchen Stucken, haben wir schon oben er­
wähnt. Jezt ennnere ich nur an die aufTallend Hindosta-
nische Gesichtsbildung mancher Personen in der Aegyp-
tischen Sculptur und Malerei, z. B. auf Mumienkasten
und Mumiendecken ^‘). Unter diesen Umständen wird
die Verehrung sehr begreiflich, welche gemeine Indi­
sche Soldaten hei Gelegenheit der letzten Feldzuge den
Baudenkmalen und der heiligen Bildnerei in Oberägyp­
ten bezeigt haben Noch mehr aber, wie von der

95) S. BJumenbachs Beitrage atir Naturgeschichte Nr. XVli.


p. J30. Fin Mchrcres daiUber, besonders hinsichtlich
der Abbildungen in der Description de PKgypte, habe
ich in den Commeniatt. Ilerodou. Cap. HL f. iS, be­
merkt.
96) S. Asiatick Researches Vol. Vlii. p. 42.
6 i6
Bildnerei, laRit sich von der Mythologie und Religion
der Aegyptier sagen, 'was ein geistreicher SchriRsteller
davon sagt « dafs sie ihrer ganzen Struetur und ih­
rem Geiste nach sich häufig ganz an die Indischen anzu-
schliefsen scheinen.» Sind doch auch die zwei Haupt­
gegenstände der Acgyptischen Yolksandacht, diegrofsen
Landesgotlheiten Osiris und Isis, der Grundidee nach ^
in der Indischen Religion anzutreffen; indem hier wie
dort das Sterben und Wiederaufleben des Volhsgottes
ein Grundgedanke ist
W as die äufseren Grunde eines genetischen Zusam­
menhangs betriiR , so fehlt es nicht an alten Zeugnissen
der westlichen Y dlher, so wenig als der östlichen , noch
an denen der Indier selbst; woraus dann in neuerer
Zeit verschiedene Yorstellungsarten sich gebildet haben«
ΛΥΐΓ wollen sie kürzlich vortragen, ohne zur Zeit noch
selbst ein entscheidendes Unheil abzugeben« Zuv5r-
derst weifs eine Sage von einer Indischen Colonie in
Aethiopien Aber bei der Unbestimmtheit dieser
Ueberlieferung und bei der Weitschichtigheit des Be­
griffs Aethiopier, müssen wir die Yorsicht sehr lobeui

97) Fr. Schlegel Ober die Sprache und Weisheit der Indier
p. 112.
98) Andern zufolge auch dem Namen nach; als Eswara und
Isi; vcrgl. Jones in den Asiatt. AbhandII. p. 212 ff.
99) Vom Brahma berichtet Baldaeus Folgendes (in Descrip­
tione peninsulae Indicae et Ceylonis p. 438. b.) : „dal^ er
jährlich sterbe und wieder auflebe*^, und p, S59. a. «idafs
er nach Verlauf vieler Jahre sterbe, und hernach wieder
lebendig werde« ^ Vergl. Jabionski Opuscc. Vol« II« pag«
320 sq.

100) Philostrati Vit. Apollonii VI, 6. p, 253 Olear.: — Ac-


γον, w; ^ψαίτατβι fjth dv^^cJrwv cfiromo# ü 'JySwv A t·
5/·χί;,
6i 7
womit sich Heeren darüber auch noch in der neue­
sten Ausgabe seines W ertes erhlärt hat· Schon bestimm­
ter lauten die Sagen beim Syncellus und Eusebius,
welche auch die Periode bezeichnen, wo Aegypten von
Acthiopknher aus Indien eine Colonie empfangen haben
soll· Hiermit stimmt nun eine Ueherlieferung in den
Schriften der Indier ganz gut zusammen, wonach einer
der d r e i H a ma s , der das südliche Indien beherrschte,
Aegypten erobert und durch Colonien fester an seine
Herrschaft geknüpft haben soll ^^^· Hiernach liegt also
die Verbindung Indiens und Aegyptens factisch in der
Sage vor, und zwar auf die bemerkte Weise· Gleich­
wohl haben neuere Forscher die Sache sich lieber so
vorstellen wollen , als ob eine Aegyplische Priestercolo-
nie nach Indien gekommen sey, und dort das System der
Veda's erlernt habe
Mag nun diese oder jene Erklärungsweise vorzüg­
licher scheinen, und mag man von den Sagen, welche

101) In den Ideen Uber Politik u. s. w. TL p. 390· älO ff.


102) Syncellus p· 72. 151.: Αιϊ>#οΐΓίς äxi ’ϊνδοδ xcratJtoO άνασταν-
τβς τ5 Αιγυττω ωπί^ανι vergi. Euseb, nr. 402· — Die
Periode ist angeblich die Regierung des Pharao Ameno-
pliis; vergl· Marsham Canon. Chr. Saecul. X lll· p· 335·
103) S· Polier Mylholog. des Ind. T . I. InlroduoL p.51 sqq·
Nach einer andern Sage soll ein Indischer Stamm die
vier Veda*s nach Aegypten gebracht haben; s» die Nach­
weisungen des Grafen Fr· L. zu Stollberg in der Cesch·
der Religg· I. p. 340·
lOi) Z u dieser Vorstellung neigt sich Jones hin; siehe die
Asiatt. AbhandlL I Bd. p. 237— 242, J^archer zum llc-
rodot. Vol. II. pag. 523. bringt mit diesen Traditionen die
Sagen von den Zügen des Bacchus und des Sesosfris in
Verbindung.
6i8
neuerlich W ilford mitgetheilt hat, denken wie man
w ill, bei so vielen inneren und auPseren Verbindungen
Indischer und Aegypti&cher Dinge wird heut zu Tage
wohl Niemand mehr die Vergleichung beider Religions­
systeme, Mythen und Symbole für unzulässig halten
hSnnen

$. 10«
Krischna (Krishno).
cKrischna d· i· d ie s c h w a r z e P e r s o n oder

105) Asiatick Rf^searches UL p. 200 sqq. vergl. Polier 1. Tn-


troduct. p. 54. und Görres Mythengesch. p. 455 ffl; wo­
nach die Hermetischen BOcher im Grunde nur die umge­
bildeten Veda’s wären. Wir haben oben pag. 375. diese
Tradition berührt; obgleich wohl wissend, dafsjene Mit-
theilungeii von Wilford nachher selbst in Zweifel gestellt
worden. Vergl. auch Heeren in den Ideen I· 2. p. 297«
Derselbe findet auch p. 704. die Annahme, wonach die
Aegyptische Cultur aus Indien herstamint, obwohl nicht
historisch bewiesen, wahrscheinlicher, als die andere,
welche Indien von Aegypten her culiiviren läfst.
106) Will. Jones in den Asiatt Abhandll. I. p. 213. schöpfte
aus dieser Vergleichung grnfse HofTmingen. «Ich bin
versichert, sagt e r, dafs wir mit Hülfe der Purana*s sehr
bald alle Gelehrsamkeit der Aegyptier entdecken werden,
ohne erst ihre Hieroglyphen entziffern zu dürfen. “ — Nun
diese Bestätigung von der andern Seite her möchte doch
wohl sehr wünschenswerth bleiben. Man vergleiche noch
mit jener Stelle die AeiirHcrung eines Englischen Schrift­
stellers (Annales encyclopedd. parMillin, 1S18. Decemb.
p. 317·): »Man braucht nur das zweite Buch Herodots
mit den Religionen Indiens zu vergleichen, um sich zu
Überzeugen, dafs die Ureinwohner Aegyptens aus dem
Orient gekommen seyen· **
107) Seine Mythologie ist der Inhalt des achtzehnten Puram ,
des Bhagavat und des Mahabharat; s. Polier Vol. I. und
6 .9
dic neunte Verwandlung des ΛΤίβοΗπα , KriscTinava-
daram oder Krischnavatar (descensus in personam nigri)
genannt. Im Amarasinha heiPst er der Starlclochige,
Gatte der Lalischmi, der Lotusäiigige, Feind des Gigan·
ten Madhu, Erleger des Honigs Kamsa, Solm der Dew-
gui (Devaci^ DßvaM, Dewedsji, D evegi, Daioliy, wie
die verschiedenen Schreibarten bei Jon es, Sonnerat^
Paulinus, Kleuher und Polier erscheinen Bester
d e r M ä n n e r , mit Blumen h e h r a n z t . »
«Nach dem Judhischthiravigcain, einem weitläufH-
gen W er b e , worin die Geburt und die Thaten dieses
Gottes beschrieben werden, hatte der K5 nig Judhu zwei
Sohne, denTredareda und Pandu. Dieser letztere hatte,
als er auf der Jagd w ar, das Unglück, die Tochter eines
Heiligen (eines Hesychasten, Quietisten, Beschaulichen),
die als Hindin mit ihrem Manne, einem Hirsche, spielte,
mit einem Pfeile zu verwunden. Zur Strafe miifste er
sich seiner eigenen Gattin, Namens Cundi (K unti), ent­
halten· Diese aber, eine Tochter des Tredareda, ge­
bar, vermdge eines längst gelernten magischen Gebets,
fünf Sohne. Dagegen hatte Candari, ihre geschworene
Feindin, mit ihrem Sohne Carroa, den sie durchs Ohr
geboren hatte, auch lo i Sohne zur W elt gebracht. Als
diese erwachsen waren, und die unächte Geburt jener

daselbst die ausführlichen Excerpte vom ftlnften Capitel


a n , welche einen grofseii Theil des ersten und zweiten
Bandes ausfüllen. Der KUrze wegen gebe ich hier das
M’esentlichste nach Paulinus im System. Krahman. p. l44
sqq. und nach Kleukerim vierten B. der Asiatt. Abhaiidll.
p. 66 - 70.
lOS) Nach Andern die achte, wohin man auch den Pala Ha­
ina setzt. In die neunte setzen sie auch sonst den Buddha;
vergl. Polier i. p. und Pr. Schlegel p. 2S5.
109) Asiatt. AbhandII. 1. p« 223. Polier [. p· 406·
620
« fü n f erfahren hatten , macliten sie ihnen Pandu's R eich
streitig , und eigneten sich ihres Oheims Erbschaft s u .
Dies verursachte jenen berühmten Pandawenhrieg·
Nachdem die fünf magisch erzeugten Brüder von ihren
Vettern auf das Aeufserste gebracht waren, erscheint
W ischnu als Krischna mit dem Ardsjiin (Ärjoon Polier,
Orjun Friedr· Schlegel), schlägt die F ein d e, todtet den
Carma, und setzt die fünf wieder ein« Nach geendigtem
Kriege nimmt Krischna von ihnen Abschied , und stirbt,
von einem Pfeile durchbohrt, an einem Baum e, nach­
dem er vorhergesagt hatte, dafs dreifsig Jahn? nach se i­
nem Tode das eiserne Zeitalter (die Kaliygga) beginnen,
und die Menschen eben so böse als unglüchlicb seyn
würden.»
«Nach dem Bhagaweda wird Krischna in Madhu (fünf
und zwanzig Meilen von Agra) geboren. Seine Mutter
war D ew agui, Schwester des Königs Kamsa , und W a-
sudewa sein Vater, Seine Mutter rettete ihn als den
jüngsten von sieben Brüdern allein, deren sechs umge­
bracht w urden, indem beide Eltern mit dem Kinde flo­
h en , über einen gefährlichen Flufs setzten, wobei die
Schlange Caliga das Kind gegen Sonnenhitze und Begen
schützte. Erwachsen todtete er alle jene Ungeheuer,
die Kamsa gegen ihn schichte, und den Kamsa selbst.
Nachdem er zahlreiche Beweise seiner Göttlichkeit ge­
geben hatte, heirathetc e r , lebte als H irt, entwendete
Butter, spielte die F löte, beschlicf 16108 Frauen, fühlte
den Krieg gegen die Fandawen , und wurde, nachdem
er diesen beigelegt hatte, von seinem Lehrer, dem BüPser
Diwasa, verflucht, und von Beren an einem Baume mit
einem Pfeile erschossen. Sechs und dreifsig Jahre nach

110) Den Krieg der Kuru*s und Pandu's; s. Fr. Schlegel p.


2SS. Polier Vol. I. chap. VI11. p. i66 sqq.
621

f seinem Tode begann die vierte W elt periode oder Κα­


ί iyuga. 1^
«FauHnus s e ig t, daPsdie bei den Alten 11^) vorkont-
mendcn Namen der Städte Panda und Madura (d . i. die
Colonie Madu), der regio T la v ia v w v und der Fandaea
als einzigen TocliTer des Hercules ^ wovon das Land den
Namen h alte, auf die Fabel von Krisclma und den Krieg
der Pandawen passe, und schliefst aus Allem, daPs d i e
g a n z e F a b e l astr on om isc h sey und K r i s c h -
n a d i e S o n n e i n V e r f i n s t e r u n g (solcni in eclipsi)
b e d e u t e ; daPs aber, nach der vielfachen Anwendung^
welche die Schriften der Brahmanen vom Svsteme des
Himmels auf Dinge der Erde machen, jener Mythus auch
auf den nähren Krieg der Indischen Könige passe, der
tausend Jahre vor das Chrisllichc Zeitalter falle (welches
auch Jones annimmt), mithin Krischna auch der Name
eines wahren in Madura gebornen Königs sey »

H l) «Plin. IT. N. VT, 1 6 . 20. 23. Arrian. de Exped. Alex·


I· !. Ptolem. Geogr. VII, 10.“
H2) „Seine Hauptgründe sind : 1) die Schlange Sesseii oder
VVasuglii verschlingt die Sonne , wenn sie verfinstert wird;
diesen Pytho aber iddtete KriRchna mit sieiiien Pfeilen
oder Strahlen, und Keifst daher auch crinitus (der ge­
lockte)· 2) Wie die von Krischna besiegten Pandawen
magische Söhne der Sonne heifsen, so wurden die ludi
Apollinares bei den Körnern zum Andenken des sie­
genden Apollo gefeiert (sieh, hiacrob. Saturnal. f. 17.),
gerade wie das Indische Pest des Krischna. Dadurch,
setzt er hinzu, erklärt sich das Küheweiüen des Apollo“ ;
und so sucht Paulinus (p. 152.) andere angeführte Mythen
von Krischna aus der Grundidee der Sonne zu erklären·
Kleuker findet diese Erklflrungsart nicht ganz ohne Wahr-
scheinlichkeit (a. a. O. p. 70.)·
113) „E r (Paulinus) bestreitet die Meinung derer, die in der
Fabel von Krischna bald dies bald jenes finden, beson-
622

«Krisclina trägt an der Stirne das ZeicTien d er


Sonn e, den Lotus am H alse, unter der Fufssohle und in
der Hachen Hand das Dreieck oder ein magisches F ü n f­
eck als Zeichen und Princip aller Erzeugung.»
lieb er die W ürde, die Krischna in den Systemen
und Mythen Indiens behauptet, verdient noch Folgendes
bemerkt zu werden : W enn die zahlreichen Verehrer
des Krischna ih n a ls W i s c h n u selber, und den drit­
ten Rama ( Pala- Rama; s. oben) als die achte Incarna­
tion desVischnu betrachten , so werden wir einerseits
begreifen, wie bald Krischna bald Pala-Rama (s. ob en )
als die achte Menschwerdung des Wischnn gezählt w ird ,
andrerseits wird es nun einleuchten, warum Rrischna
bald für eine Gottheit P ere-£rähm ausgegeben bald
in einer Hoheit dargeslellt wird, dafs er selber v o r
Brahma den Vorzug behauptet Lesen wir nun d ie

ders die durch apokryphische Bvangelien verfälschte Ge­


schichte Jesu. Dafs die Fabel an sieb nicht erst aus die­
sen Evangelien entstanden sey, glaube ich gerne, doch
könnte sie daher allerdings einigen Stoff bekommen ha­
ben. “ — So weit Kleuker.
114) Polier 1. p. 424.
115) Ebenderselbe I. p. 46t.
116) Pr. Schlegel p. 307. in einer Anmerkung zu einem StOck
des Bhogovoigita : ^>rd dem Kri&hno ganz deut­
lich der Vorzug vor Brohma gegeben. Vom Brohma
rühren die Welten der Erscheinung her, in denen Seelen-
wanderung statt findet, und stets erneute KUckkehr ins
Leben, die hier als ein Unglück betrachtet wird. K r i s h -
n o i st d e r G o t t d e r e w i g e n E i n h e i t und des
w a h r h a f t e n W e s e n — Nach meiner Ansicht ist
Krischna auf dieser Stufe der potenzirte Osiris; d. h. er
ist KnepK- AgathodSmon oder K ronos, in dessen seeliger
Tiefe alle Wesen sich wieder vereinigen (s. oben) — aber
in so fern er auch mit der ganzen Fülle des Thierlebens
umgeben ist, ist er auch der gemeine Osiris (s. oben)·
6 i5
GeburtsgeschicKte des Krischna, ^vie seine Mutter mit
zunehmender Schwangerschaft immer schöner wird^ wie
der Körper von Vater und Multer in der Geburtsstunde
selbst (z u Mitternacht am achten Tage des Mondes im
September) von einer himmlischen Glorie strahlend und
durchsichtig, und wie Krischna endlich mit allen Zei­
chen des W ischnu und mit himmlisch schönem Ange­
sicht ans Licht der W elt gebracht wird und ferner
alle wunderbaren Umstände seiner ersten Erscheinung;
so werden wir begreifen, wie natürlich die Parallelen
mit christlichen Erzählungen veranlafst wurden, Gewifs
werden aber unsere Leser die einsichtsvolle W eise lo­
ben, womit ein ehrw ürdiger Theologe über diese und
andere Aehnlichheiten sich erklärt hat. — W enn Pauli­
nus (s.oben) in diesem Krischna eine I n c a r n a t i o n der
S o n n e erblickt (s o mochte ich den ganzen Mythus be­
zeichnen), so verdient d ies, meines Bedünkens, nicht
weniger Beifall. Nur muPs man sich wundern, dafs Jo*
nes^^^), Paulinus und Kleuker an Griechische und Rö­
mische Gottheiten dabei erinnern, und das näher liegende
Aegyptische mit Stillschweigen ubergehen. Sehe ich
rech t, so haben die Aegypticr in ihren Mythen vom O s i ­
r i s und S e m - H e r c u l e s die Elemente des Krischna
vereinigt. An Hercules erinnert V ieles, und dieses ist

117) Polier I. p. 413 f. vergl. p. 398 ff.


118) Kleuker (s. vorher, wo er er von den apokryphischen
Evangelien redet).
119) Der den Krischna als A po 11o N o m i u s (den H i r t e n)
nimmt, und dabei bemerkt, dafs G o v i n d a , ein Bei­
wort des Krischna, wörtlich so Übersetzt werden könne
(Asiatt. Abhand 11. I. p. 827.). — Icli widerspreche kei­
neswegs, und will gerne zugeben, dafs bei den Indiern
das Prfldicat Hi r t ehrenhafter seyn mag, als es bei den
Aegyptiem war.
624
dem Paulinus nicht entgangen; nur muFs es mehr im orien­
talischen Colorit des Sem gesehen werden. Alsdann tritt
die Aehnlichheit heller hervor. — Aber Krischna der
s c h w a r n e erinnert in Mehreren! an den s c h w a r z e n
O s i r i s (s. oben p. 5 2 i.). Man denhe nur an die Attri­
bute des Krischna: das Zeichen d e r S o n n e ^ der L o tu s ,
das D r e i e c k man denke an die H e i l s c h l a n g e
(Agalhodäfnon)f die den Krischna schützt; aber auch an
den T o d e s b ä u m , wo er sein Ziel lind et. Sodann erwäge
man folgende Z u g e , daFs er im Gefolge von Nymphen
(Gopias) ist und dafs er mit der F l u t e ihre Tänze beglei­
tet ^21)^ dafs die Gruppen der T h i e r c um ihn lagern^
dafs Fruchtbarheit seinen Fufstritten fo lg t, und dafc e r
der B e s t e unter den Männern heifst alle diese und
andere Umstände treflPen mit dem O s i r i s zusammen·
Bedenken wir nun, dafs eine Sage den K r i s c h n a ins
neunte Avatara, welches auch dem B u d d h a zugetheilt
ist, setzt, so wird es vielleicht nicht unpassend schei­
nen, wenn wir im Krischna, wie im O siris, das L e ­
b en s p r i n ci p d e r L e i b e r , aber nicht minder auch
d ie E i n i g u n g d e r G e i s t e r erkennen.

ΛΥι6 dem Allem aber auch sey : der b l u m e t i -


l i e b e n d e , l i c h t s t r a h l e n d e K r i s c h n a , als Säug­
ling auf der verherrlichten Mutter Devaki Schoofse,
wird uns in dem unten beigefugten Bilde vollkom­
men deutlich, wie er das Opfer der F r ü c h t e em­
pfangt, und sich durch die Gruppe der T h i e r e als
künftigen Hirten ankündigt·

12o) Das Dreieck war das Zeichen der Incamation des Osiris,
des Apis (s. unsere Commentalt. Herodott. I. p. 133.)·
la i) Polier l· p· 449 sqq· Vergl· Maurice Vol. I. pl. 3·
122) Nach M oore nr. 59· u n s e r e T a f e l XXVI .
62S
$. 11·
I n d i s c h e P n e u m a t o l o g i e u nd £ t h i h .
Die indische Pneumatologie beruhet ganz auf dem
Kampfe zwischen Materie und Geist» auf einem Dualis-
iTiDS* £ s giebt nämlich nach Indischer Lehre eine grofse
Zahl von n i e d e r e n G e i s t e r n , D e j o t a ' s , in zw ei
C lassen: gu te, D e j o t a ' s oder S ur^s genannt, und
b5 se, D a i n t s oder A s s u r ' s genannt· Sie leben über
hunderttausend Jahre, und die W erke der büsen Geister
sind e s, welche den physischen W eltlauf und die mora·
lische W eltordnung stören, welche auch alle dieBewe>
gungcn und Kriege gegen die guten Geister verursacht
haben, die den Inhalt der meisten Mythen und epischen
Gedichte ausmachen· S. Polier Mytholog. des Indous
T· L p· i98sqc]· vergl· ρ· 206 · und besonders den ganzen
zweiten Band.
W ie der Mensch physisch aus dem Leibe des Brahma
geworden, haben wir nach dem einen Mythus oben ge­
sehen· Aufserdem hat man noch eine andere Sage, wo­
nach aus Brahma's rechter Seite der erste Mann, aus
seiner linken das erste W eib geworden (s· Thomas Mau­
rice ancient history o f Hindostan Yol· I· p· 407 — 410·)·
D es Menschen S e e l e hingegen leb t, wie ein Funke,
vom Feuer entzündet, in und durch den alle Elemente
durchdringenden höchsten Geist· Diese seine Seele ist
zw eifach, sieist erstens innere Seele, vernünftiger Geist,
M a h a t , und zweitens Lebensgeist, K s h e t ra j n g a oder
J i v a t m a n , welcher den aus Elementen zusammenge­
setzten Kür per, B h u t a t m a n , bewegt. Es kann dies
uns an die Triplicität der S e e le , welche bekanntlich
Plato statuirte, erinnern, nämlich x h XoyuTTixdr (roü^,
λ^ /ος), das l o g i s c h e P r i n c i p i u m , die V e r n u n f t ;
rh das P r i n c i p der G e m ü t h s b e w e -
g u n g , das G e f ü h l , und endlich τ ό , das
L 40
626

W i l l e n s - oder B c g r h r o n g s v c r m u g e n (s. Cicer.


Tusculi. I. 10. Aeadem. Quaesr. II. 89. und daselbst Da-
visius. Manche Pliilosophen wollten daTOn schon Andeu­
tungen im Homer US finden; a. unsere Praeparat, ad Bio­
tin. de pulcrirud. p. LXXI tq.)·
Hieraus folgt non, dafa in das Yerhältnifs seiner
«weiten und dritten Seele und des Leibes «um Geiste
(«ur ersten Seele) die gan«e e t h i s c h e L e i t u n g des
Menschen gesetzt seyn wird. Brahma ist das Vorbild des
M enschen, und aus seiner Geschichte ergiebt sich am
besten die Indische Lehre vom A b f a l l und R u c h b e b r »
Oder mit andern Worten Birmah (Bralima), der Schö­
pfer , ist immanenter G ott, mit dem ΛΛ^eltganzen ver­
bunden. £ r ist als Sehopfer einmal, wie Adam Kadmoni
der U r h o r p e r , und die Menschheit sind Thcile seines
Biesenhorpers; sodann geistig ist er auch theilhafrig
derMackel und Verunreinigungen der Materie, er nimmt
an den Gebrechen der Menschheit T heil, und mufs daher
auch die W iedergeburten durchlaufen. Diese Ansicht
wird durch mehrere Stellen in den Indischen RcHgions-
Schriften heslKtigf. Ich füge hier nur eine Stelle aus
dem Bhagavatjeta, nach Friedr. Schlegels IJcbersetzung
(über die Sprache und W eisheit der Indier p. 807·), als
vollhommen beweisend b ei:

B h o g o van
kehret nicht zur Sterblichkeit, die ver^^angltch, der
Leiden H a n s ,
Wer mich erreichte, noch zurUck, hoch am Ziel der
V o llk o m m en h eit·
W i e d e r k e h r e n d e r A r t , Oijun , si nd aus Br o h-
ma di e W e l t e n al l .
Wer mich erreicht hat, Kuntis Sohn, ist der fernem Ge­
burt befreit“

t2i) £ s ist von Krischna in Vergleich mit dem geringeren


Ö27

D anim ΛνοΙΙοπ Λνίΐ’ jczt einen Blicit auf Bralima's


F a l l und ΛΥίοίΙ e r V e r s ö h n u n g w e rfen , weil darin
die ganze Indische Elhik auf historische W e is e , u n ter
Tuythisclicr H ö lle, dargestollt i s t , und uns B r a h m a ,
der Seelen U r t y p u s , gleichsam in seinem Beispiele das
Λ\"6$οη der Indischen KihiU hlarcr und deutlicher sehen
laTst Als B i r m a h das Universum geschaffen, so
cnlAvcndctc e r einen Theil dcsselhen^ um ihn sich aus-
schlic'fsend ziizueigncn. Allein die beiden andern Dejo-
tas , ΛΥ i s ch n \i und M h α d a ) o ( Siva - Maliadcva) , die
von dem höchsten AYcsen mit d er V erihciliing des von
B irm ah, dem dritten D cjola, geschaffenen weilen B au­
mes hcuiiftragt w a re n , bemerhten alsobald seine Un­
treue. Denn als sie über den S u r g s oder unsichtba­
ren , himmlischen Sphären ih re drei Residenzen be­
st i mmt , B i r m l o h f Ö r B irm ah, B n i - B u u t f ö r W isch-
mi und K e i l a s fürIVIhadajo, und die niederen Regior^enf
M i r 11o h , cingcthcilt hat t en, und nun das Ganze besich­
tigten und mafsen, fanden sie, dafs ihnen der Platz für
die U n t e r w e l t , N a r b , fehle. Birmah nämiieh halte
zu den ihm verw illiglen Räumen noch Narlt genom­
men und fü r sich behalten· Dies inerhten die beid 3n
andern Dejotas , sie stellten ihn zu r B ed e, nölhigten ihn
zürn Grsländnifs seines R au b es, und machten alsdann
seine Residenz um so viel hleiu cr, als d er Raub war^
den e r begangen. Allein diese Züchtigung besserte ihn
n ic h t, sondern stolz darauf, d.'ifs e r die Y eda's, den

Rrahnia die Refle j vergl. Fr. Schlegels Anmerk. — Ich


erinnere hierbei noch an die Aegypii^chen und Orphischen
Ideen vom v.-Jk/. c; oder vom fatalistischen Kreis­
läufe der Seelen, wovon sie Kriösnng wünschen; vergl«
oben im Capitel von Aegyptens Religionen p. 420.
124) W ir folgen hier den Angaben bei Polier Alytliolog. des
Ind. I« p. 171 If·
628
Spiegel der ewigen W eisheit, offenbart habe « erhob e r
sich und vermeinte mehr zu seyn, als die beiden andern
Dcjolas· Auch nach seiner Tochter S u r s e t y gelüstete
ihn, und ungeachtet sie sich seinen Begehrungen auf
alle W eise zu entziehen suchte, so verfolgte sie der
lüsterne Birmah auf allen ihren Schritten, und nahm
bei jeder Bewegung ein neues Haupt an, bis er deren
vier hatte. Da verläfst Surseiy, jedes andern Rettungs-
Tnittels beraubt, Birmloh und entflieht in den Himmel.
Jezt nahm Birmah, dessen Bliche ihr auch dorthin fo lg ­
ten , ein fünftes Haupt an, welches ihm aber hlhadajo im
Zorn über seine Lüsternheit und Sinneslust abhieb.
Diese Anmafsung, dieser Hochmuth und diese F le i­
scheslust mufsten dem höchsten Wesen mifsfallen, und
seur Demüthigung seines Stolzes und zur Strafe sinht
die Wohnung des Birmah, Birmloh, aus den himmli­
schen Sphären in die niederen Regionen, unter den letz·
ten Fatal , hinab. Nachdem Birmah aus der ersten Be­
täubung wieder zu sich gehommen, erwacht sein Ge­
wissen, er geht in sich und überlegt die Quelle seines
Vnglüchs; er empfindet Reue und demülhigt sich vor
dem Höchsten, Ewigen und Unsichtbaren ; er sucht
durch die härtesten Bufsen , Fasten und Reinigungen
aller A rt, zehn Lachs oder tausend Jahre hindurch, Ver­
zeihung und Gnade von ihm zu erhalten. Endlich er­
scheint ihm Brehra oder der Ewige > und zwar unter
dem Namen G a r bpa r h a v i , d. i. B e s t r a f e r d e s
S t o l z e s , und spricht zu ihm also: «Alles kann ich
ertragen, nur deinen Stolz nicht; dies ist das einzige
Verbrechen, das ich dir nicht vergebe, und deine frei­
willige Bufse und Reue von tausend Jahren reicht nicht
hin, damit du Verzeihung erhältst. Nur ein W eg ist
dir übrig, um sie wieder zu erlangen, nämlich dafs du
ins Fleisch herabsteigest, und vier Regenerationen auf
der E rd e, einmal in jedem der vier W eltaller, bestehest.
6a9
Wischnu hat Gnade gefunden vor meinen Augen durch
seine Demuth und Bufse; ich habe seine Bitte gewährty
mit mir wieder vereinigt und in der W elt als ein Theil
meines Wesens verehrt und angebetet zu werden· Ge­
genwärtig in jedem Dinge, wiewohl unterschieden von
jedem Dinge y habe ich weder Körper noch Formen; ich
habe den Wischnu auserwählt, ihn zu meinem Stellver­
treter bestimmt, so daPs die, welche ihn anbeten, mich
anbeten· Darum sollst auch du, Btrmah, ihn an beten;
und die Verehrung und Andacht^ welche du diesem
zollst, werde ich ansehen als mir erwiesen. Darum ge­
biete ich d ir, in den vier W iedergeburten, zu denen
ich dich verdamme, die Geschichte der Incarnationen
des Wischnu zu schreiben und die ganze Folge seiner
wunderbaren Thaten, damit die Nachwelt das Andenhen
derselben bewahre, und diesem Theile meiner selbst
Verehrung beweise· Du aber, wenn du die erhabenen
Thaten des Wischnu beschrieben, wirst Vergebung dei­
nes Verbrechens erhalten«»
(H ier erscheint, um dies gleich zu hemerhen, Bir-
mah offenbar als dem Wischnu und Mhadajo unter­
geordnet. Denn so wie er die Schöpfung der W elt be­
endigt, sind seine Thaten auf der £rde und anderwärts
unbedeutend, sein £ini1uPs auf die W elt schwach; die
Auslegung der heiligen Bücher, der Veda's, die er am
Beginn der Satya-yug oder des ersten W^eltalters offen­
bart hat, uberläPst er seinen Sdhnen, den Brahminen,
und er muPs sogar die, welche ihn über den geheimen
Sinn der Λ^eda*s befragen, an einen der beiden andern
Dejotas verweisen· Seine Existenz ist auch zweimal
hurzer als die des Wischnu, und viermal kürzer als die
des Mhadajo· Nach Polier MythoL d. Ind· I. p· 170 sq·
Ebendaselbst p· s 65· wird bemerkt, daPs auch die Dejo­
tas ihren Lehrer und Meister haben, der sie in geistigen
Dingen unterrichtet und übt, in den gSttlichen Wissen·
63ο
ediaftcn und Symliolcn. Nicht minder die Daints. Diese
aber werden von ihrem lichrcr LIos in Leschwürungen
magischer Art und in blo« menschlichen ΛΥί&5οη5€ΐΐΛ(’ίβπ
unterrichtet. Die verschiedenen Auslegungen dieser
Zurüchsetzung des Brahma sind von uns oben berührt
wrorden.)
Zuerst erscheint, nach dem Befehle des Ewigen,
Birmah in der S a fja-jiig als ein R a b e , C a g b o s ­
sum Er gieht als solcher den M a r c o n d a i - p u -
r a m , ein Gedicht, dessen Inhalt der K rieg, welcher
zwischen der Bhavaiii und den Daints, deren Anfilhrer
I^lehasser ist, in der unsichtbaren Sphäre gcfiilirt \\ird,
ausmaoht. Dadurch erlangt er groPsen Ruhm, sowie nicht
minder durch die Erfahrung und W eisheit, die er sich
während seines langen Lebens gesammelt, da er die drei
ersten Zeitalter gesehen.
Im zweiten Zeitalter, im T i r ai t a - y u g , hommt er
als ein Mensch, aus der niedrigsten Caste der Tschandal
geboren, unter dem Namen V a l m i k i . Hier erscheint
er nicht blos von niedriger Geburt, sondern auch von
niederer, gemeiner Denk - und Sinnesart, ja als ein
durchaus sittenloser, lasterhafter, schlechter Mensch.
E r bauet sieh im Dickicht des ΛYa]des an einer Land-
straPse eine llü ltc, er locht die ermüdeten Wanderer
herein, die sich freuen, hier Erholung finden zu kön­
nen , und die mit Vergnügen die Gaben seiner Gast­
freundschaft annehmen i aber nur, uni sie mcuehelmCr-

12i) D i e s e Periode und Epiphanie des Brahma ist schon


von M ehreren mit der des Ae;;yptischen P h ü n i x v e r­
glichen worden. DaPs Indien ähnliche Mythen h at, w urde
von uns schon oben bemerkt. W eiter wagen wir a b e r
auch nichts au behaupten. Ein Wink mag aber geg« h e n
werden: dafs ein Grad derMithrasmysterien vom R a b e n
benannt war.
63i
dcrisch im Schlafe su ermorden und dann su berauben.
Nachdem e r schon Jahre lang diese verbrecherische Le-
bensn'eisc geführt, hehren einst zwei Rischrs bei ihm
ein. Auch ihnen will er in der Nacht dasselbe Schicksal
bereiten, das schon so viele Andere vorher getrolfen.
Aber im Moment der Ausführung seines neuen Mordee
ergreift ihn ein innerer Schauer und Schrecken; eine
unsichtbare Gewalt hält ihn zurück, und läfst aus seiner
Hand die mürclei ischo Waifo sinken bei jedem Streiche,
den er ausführen will. So wird es Tag, Die Reisenden
erwachen , und sehen die W affe, von der sie den To­
desstreich empfangen sollten, sie sehen die Bestürzung
und die Angst in den Mienen des Yalmiki und die Furcht
vor ilircr Rache. Sic suchen iiidefs sein Vertrauen zu
gewinnen, und bringen ihn zu einem freiwilligen Geständ-
iiils des schcusHchcn Handwerks, das er so lange schon
getrieben, und das er nur durch dieNothwendigkeit ent­
schuldigt, für eine zahlreiche Familie sorgen za müs­
sen, welcher alle Mittel zu ihrer Erhaltung fehlen. Die
Rischi's stellen ihn zur Rede, sic bemerken in der Tiefe
seiner Seele noch ein besseres Selbst, sic machen ihn
auf die Grofsc seiner Verbrechen aufmerhsam, und es
gelingt ihnen , den Büsewicht zur aufrichtigen Reue zu
hekehren. Sie legen ilim Buftc auf, und so bringt er
zwülf Jahre in den strengsten Casteiungon und härtesten
selbstgcwählten Strafen zu, bis ihm nach Verlauf dieser
2 eit die Rischi*s Λτicdcr erscheinen, und ihm erklären,
dafs er von nun an ihrer Hülfe nickt mehr bedürfe. Er
habe durch seine Demüthigung vor dem höchsten W e ­
sen nicht allein Gnade und Vergebung, sondern auch
alle Kenntnisse und Wissenschaften gevtonnen; er solle
sich nun zurückziehen auf einen Berg oder in eine HOhle,
und dort seine Gebete und Biifsc fortscizen. So wurde
Yalmiki ein ganz anderer Mensch, sein Geist erstarkte
und erhielt seine Schöpferkraft wieder. Er legte die
652
dunlcelen Stellen der Yeda's auSf und erhllrle sie mit so
Yiel Leiclitigkeit denen, die ihn darum befragten, da(^
Alle in Erstaunen und Verwunderung gerietlien, und
nicht begreifen lionnten, auf welche Weise ein vorher
so unwissender und niedriger Mensch der Erleuchtetste
aller Sterblichen geworden sey. Aber Yalraiki, gebes­
sert und au demüthig, um sich selbst das Verdienst
einer solchen Veränderung beizumessen, gesteht ihnen,
dafs er der ins Fleisch gekommene Birmah sey, v e r ­
dammt, um seinen Stolz zu buPsen, zu einer viermaligen
Wiedergeburt im Fleisch in der Folge der Zeiten. Und
jezt wird er ein begeisterter Sänger. Nach dem Befehl
des Allmächtigen besingt er die vier ersten Incarnatio­
nen des Wischnu, welche in demSatya-yug statt gefun­
den, und die zwei ersten im Tiraita-yug, deren Augen­
zeuge er gewesen war. Dann dichtet er den Ramayan,
ein Gedicht, welches die siebente Herabkunil des Vischnu
auf Erden enthält.
Im dritten Zeitalter, im D w a p e r - y u g , erscheint
Birmah zum drittenmal, und zwar als ein Wunderkind
B a j a s , geboren von seiner Mutter Johngandhary, vier
Standen nach der Umarmung eines Rischi. Kaum hatte
er das Licht der W elt erblickt, so w'ar er schon mündig
geworden und der Hülfe seiner Mutter nicht mehr be­
dürftig. Er trennte sich von ihr, jedoch mit dem A^er-
sprechen, ihr so oft zu erscheinen, als es ihr notkfg
seyn würde, um! zieht sich in einen Wald zurück, um
hier ungestört sich allein dem Nachdenken überlassen
zu können. Dort findet ihn sein Vater, ein alter weiser
Rischi, und unterrichtet ihn in jeglichem Wissen. Aus­
serordentlich sind die Fortschritte, die er macht. E r
wird der Verfasser des Mahabhärata, Bhagavat und an­
derer Gedichte, welche sein Bestreben, die Befehle des
Höchsten aufs genaueste zu erfüllen , so wie seine hohe
Weisheit verrathen. Er wird endlich zum Propheten
655
Muny, unci erlangt groTsen Ruhm, wiewohl er auch hier,
in dieser dritten Wandelung, noch nicht ganz frei von
Leidenschaften und Sinneslast ist·
Im vierten W eltaller, im C a l i - y u g , erscheint
endlich Birnnah zum letztenmal, als C a l d a s , von armen
£ltcrn geboren, ohne Erziehung nnd Bildung, in tiefer
Unwissenheit; so dafs man es wie ein Wunder ansah^
als er die wahre Lage der heiligen Stadt Ajudjah (Audhee)^
welche der Rajah Bickermajit oder Wikramaditjah wie­
der herstellen wollte, entdeckte. Dieser B i c k e r m a j i t
war der berühmte Monarch, der zu Anfang dieser P e­
riode lebte» der Künste und Wissenschaften vorzüglich
liebte und pflegte, Sänger an seinem Hofe besoldete,
und durch sie die verlorenen Gedichte des Yalmiki wie-
derherzustellen wünschte. Allein Niemand wollte sich
zu diesem schweren Geschäfte verstehen, bis Caldas
auftrat, und die W erke in ihrem eigenen YersmaaPs und
Bythmus wiederherstellte. Darüber gelangte er zu gros­
ser Gunst und hohem Ansehen beim Rajah und an des­
sen Hofe. Doch nun ward Neid sein Loos. Seine Feinde
suchten ihn zu vertreiben, sie verläumdeten ihn beim
Rajah, als habe er dessen Gunst und Yertrauen gemiPs·
braucht und ihn getäuscht, und warfen den Ycrdacht
auf Caldas, dafs er die Gedichte des Yalmiki entwendet
habe. Allein Caldas tritt als ein unbekannter Brahmine
auf, und sagt: falls die Gedichte des Yalmiki unächt
seyen, so sollten sie, auf Stein niedergeschrieben, im
Ganges untergehen ; wären sic aber äciit, so sollte der
Stein auf der Oberfläche des Wassers schwimmen. Und
es bestand der Sänger die P robe, er gelangte so wieder
zu seinen vorigen Würden am Hofe; sein Ruhm mehrte
und verbreitete sich überall, und seine Feinde wurden
zu Schanden gemacht.
Seitdem ist Birmah wieder hinaufgestiegen und woh­
net in den himmlischen Regionen, als Repräsentant des
634
Ewigen. Dies .ilso ist Birmah's F all, RücM;etir, Sünd-
haftigliCit, Bekehrung und neue Erhuhung.

Ί)lese Wi»nde1ungen des Blrmah sind ganz anders su


fassen, als die des Wischiiu , welche von Colt selber
veranstaltere, AMindcrbare Incarnationcn sind· Well
jiKmlicIi die W elt jeden Moment in Gefahr wäre, in das
Chaos zu vcrsinlten, wenn sich Gott ihrer nicht annäh-
ine, so mufs das rettende Princip aus der Gottheit,
W ischnu, selber in der W elt erscheinen , und sie immer
wicderhcrsteÜen. Dies sind die I n c a r n a l i o i i e n , ver­
mittelst ΛνοΙϋΙιοΓ die gvofsen Dejotas , AVischnu beson­
ders, sterbliche Leiber anzichen und Sterbliches leiden,
DinabsenUungen Gottes ins Fleisch aus dem Triebe der
Barmherzigkeit, Hingegen die Wandelungen des Bir-
mah sind R e g e n e r a t i o n e n , λυϊο sie jeder Mensch zu
bestehen hat^ der eu Gott kommen mÜI. Das bessere
Selbst, das Göttliche im Menschen, gelanget durch die
Begenerationen und Metensomatosen, welche die natür­
lichen Entwickelungen des Menschen sind, vermöge
welcher er aus Körpern in Körper gehtf zuletzt zu Gott,
seiner Quelle, zurück ^26), im ewigen, absoluten >Ve-
sen, Parabrahma, sind nach Indischer Anschauung ge­
setzt zwei Kräfte oder AeuTsei'nngen; die eine ist die
C e n t r i p e t a l k r a f t , v i s c o n s e r v a t r i x » hyposta-
sirt als W i s c h n u , d. h. die Gottheit äufsert sich zwar,
allein was von ihr ausgrht, bleibt doch der Neigung nach
in ihr, und alle Emanation sucht wieder zu dem zurUeV
zukehren, wovon sic emaniii; ist. Dies ist das Lob des
lYischnu, dies sein Vorzug vor Birmah, dafs er in Gott
geblieben. Aber cs zeigt sich auch in der Gottheit eine

126) S. Polier Mythol. des Ind. I. p. I76s(|c|.


ß55
entgegengesetzte Kraft, die C e n t r i f u g a l U r a f t , v i s
e f f e c t r i x , v i s em ana ns , welche pcrsonificirt B i Γ ­
η ali ist. — Gott setzt sich mit Erschaffung der W elt
aufser Gott, er geht aus sich heraus, es ist in ihm gleich­
sam die Tendenz, die Bichtung von sich u e g , aus sich
heraus zu treten, sich zu entaufsern. Jede solche £iit-
äufscrung ist aber eben dadurch schon ein minus von
Gott; daher ist eben diese schöpferische Kraft (personi-
iieirt als Birmah) die geringere, und die ihr entgegen­
gesetzte, Λvelche eben dersHben das Gleiclige\^icht hält,
die resorbirende (personiHcirt als Wiachnu), die edlere.
W enn Gott den Entschlufs fafst, sich zu entäufsern,
aus Liebe, damit auch das Andere gesetzt sey, und wenn
er so eine W elt aus sich sebaift, so bringt es auch seine
Barmherzigheit und Güte mit sich, der W e lt, seiner
Schöpfung, sich wieder anznnchineii. Hiernach Avird
cs uns wohl verständlich uerden, wie Birmah und Wisch-
nu Brüder sind , und doch jener der geringere, unedlere
ibt. In Binr.ah ist eben der n a t ü r l i c h e (ύ φνοιχος
άν^ρο)πος) und der Av i e d e r g e h o r e n e Me n s c h auf-
gestellt. Er ist ein Bild des Menschen selbst, der, Avie
Birmah, aus Gott gekommen (eine Emanation Gottes)
ist, Aielchcr, indem er ins Fleiscli tritt, niederen Trie­
ben und Regungen und jeglicher Sinncslust sich hiii-
giebt, der auch, ungeachtet ein göttlicher Funke, ein
göttlicher Geist in ihm Avohnt, bis an das Aeufserste sitt­
lichen Verfalls kommen bann. Aber im Menschen selbst
Wohnt auch die Kraft des W ischnu, Avclche ihni in sei­
nem vernünftigen Geiste gegeben ist, so dafs er nie das
Höchste verläognen bann. Die Vernunft Avii'd doch ihre
Rechte geltend zu machen wissen , und sey es auch auf
dem Gipfel der Verbrechen und Laster. Der Mensch
wird umbehren vom Bosen, und der, welcher derP'luch
der Menschheit war, wird der Seegen derselben; in ihm
erwachen hohe Erhenntnissc, er bringt ewige Erzeug­
636
nisse hervor, er wird Prophet und Sänger. So ist B ir-
mah auch der w i e d e r g e b o r e n e Mensch, und in ihm
ist also, wie schon oben bemerht, der natürliche Mensch
und sein Verfall in Sünden und Laster, aber auch der
wiederhehrende, sich bessernde Mensch und seine Buch-
hehr zu Gott, gegeben.
iSiemand wird hierbei den s c h a r f e n und d u r c h ­
s c h a u e n d e n Geist der Indischen Ethik verkennen.
S t o l z ist der Grund des Falles seeliger Geister; A b -
t o d t u n g s e i n e r s e l b s t die unerlafsliche Forderung,
die an jeden Menschen ergeht, und zwar eine Abtodtung
sowohl dem Leibe als dem Geiste nach, ln letzterem
Betracht ist sie Vergessen aller Individualität, V e r ­
z i c h t e n a u f a l l e s S e l b s t i s c h e ; und dies wird
dann Indisch nationeil zu der Lehre vom Tode als
dem Eingänge zum wahren Leben, und von der höch­
sten Seeligkeit schon in diesem L eben, wenn die Con-
templation das Bewufstseyn (Schauen) der Gottheit an
die Stelle des Selbstbewufstseyns setzt* Diese Beschau­
lichkeit und Ekstase ist also nicht blos ein physischer
Zustand , eine Art von Rausch aus Enthaltsamkeit, son­
dern eine ethische Vollendung und Selbstentäufserung,
und, kühn zu sprechen (wiewohl Griechische Philoso­
phen thaten — wovon im V erfolg), eine DeiHcation,
wenn man sie nicht nach den gewöhnlichen Erscheinun-

i27) Sollte nicht auch zu jener Lehre vom T o d e , zu der


Verachtung' desselben, indem der Indier gleichgültiger,
jd mit m ehr Freude dem Tode entgegensieht, als jeder
andere Asiate oder E uropäer, der physische Umstand
beigetragen haben, dafs alle K rankheiten, die in [iidien
dem Leben sein Ziel setzen , gröfstentheils einen sehr
leichten Tod bringen, und die Indier fast ohne alle Schmer­
zen , Verzuckungen und Verzerrungen der Gesichtszüge
u. s. w. sterben? (S. W ahl Erd beschreib, von Ostind.
II. p. 159.1
657
gen der Indischen Gaahler (Jongleurs), sondern nach
dem Geiste der Indischen Lehre betrachtet.
Und hiermit hangtauch die Lehre von B e l o h n u n g
und B e s t r a f u n g n a c h d e m T o d e , von der S e e ­
l e n U n s t e r bl i c h k e i t und von der S eel en Wan­
d e r u n g zusammen, welche nach mehreren Angaben
Griechischer Schriftsteller ihren Ursprung in Indien ge­
habt haben soll. Pausanias nämlich (Mcsseniaca cap. 32 .
4 · pag· ^74·) bemerkt, die Magier der Indier und die
Chaldäer hätten zuerst die Unsterblichheit der Seele ge­
lehrt. Man sehe Davisius zu Cicer. Tusculi. 1. i 6 , wel­
cher mehrere Stellen der Alten gesammelt hat, und dem
auch die eben angeführte Stelle des Pausanias nicht ent­
gangen ist. Es konnte zwar nach Herodotus II. 123,
welchem, wie Wesseling zu dieser Stelle bemerkt, Cle­
mens von Alexandrien und Andere folgen, scheinen, als
wenn dort behauptet wurde, dafs die Aegyptier zuerst
die Lehre von der Unsterblichkeit vorgetragen hätten«
Allein der Sinn dieser Stelle, welche ich in den Com-
mentatt. Hcrodott. I. cap. IL §. 24. ausführlicher behan­
delt habe, ist vielmehr d er, dafs die Aegyptier zuerst
die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele mit der an­
dern von der Seelenwanderung verbunden hätten <^«
Auch Palladius in der Schrift των Bfax^avov legt
den Brahminen die Lehre von der Seelenunsterblichkeit
bei; und Casaubonus fuhrt unter andern Lehren auch
diese zum Beweise an, dafs die Indische Religion mit
dem Christenthume sehr genau übereinstimme; s, Casau-
boniana p. i 3 · coli. p. 219 sqq.
Die Seelenwanderung selbst hat drei Grade, nach

128) M ithin wird von Herodotus wenigstens den Aegyptiem


nur die Lehre von der S e e l e n w a n d e r u n g , als zuerst
von ihnen aufgestellt, nicht aber die Entdeckung der See-
lenunsterblichkeit, beigelegt· S. oben p. 417 IF.
638

verschiedenen Kurpern : Steinen, Pflanzen, Tlileren, und


ein Zuruchverselztwcrdcn in diesen oder in einen andern
Körper, bis der Mensch Λvieder luchnarls seine frühere
Natur erreicht hat; und die ilherirdische Sceligheit be­
steht, nach dem Svsiem der A'cdanti, eben ln d em ^ n n z-
l i c h c n V e r l u s t des B e w i i f s t s c y n s , MOhci aber
d as ΒβΛνυΓ 8 ΐ 5 0 )Ίΐ des g ö t t l i c h e n U r s p r u n g s
h l e i b t , also im V e r s i n k e n i n d i e G o t t h e i t
Erst der 'i’od ist der Eingang zum ”wahrcn Leben nach
Brahmanischcr Lehre (s. Strabo XV· p. 1039.)· Daher
auch der Glaube, dafs das Ertrinken im heiligen Ganges
die S eele, gereinigt von allen MacUeln, in den Schoofs
der Gottheit führt S. Jones in den Asiatt. AbhandIL
IV. p* 63 der deutsch· Ausg· und dort Paulinus S}’stem.
Brahman· p· 104·

$* 12.
Und nun 'viollen wir auch hürzlicli die Einkleidung
der M o r a l bei den Indiern betrachten, und sehen,
welcher Mittel sich der alte Indische Brahminc bediente,
um diese seine Glaubens- und Sittenlelire gehörig ein­
dringlich und anschaulich zu machen· Y.s diente hierzu
vorerst die b i l d l i c h e G n o m e , wie folgende Stelle
aus dem von Ith übersetzten E z u r v e d a m (Bern und
Leipzig 1794·) hinlänglich zeigt: «Die Pflicht des Ge­
rechten fordert, dafs er seinem Mörder nicht nur ver­
zeihe, sondern ihm sogar'wohlthue im Augenblicke, da
ihn dieser mordet, g l e i c h de m Sa nd el bau mc.

129) S. Jones in den Asiatt. Abhandll. I· p· 235 der deutsch·


Ausg.
130) Ueber diese Vorstellung vom G a n g e s , d e s s e n W a s ­
s e r v o n S ü n d e n r e i n i g e und alle Maclcel abwasche,
und über die daraus entstandenen Gebrauche der Indier
s· vorzüglich W ahl Erd beschr· von Ostind· II. p. 390 flf.
659
w e l c h e r im A u g e n bl icl( e^ da e r h i n s t u r z t ,
W o h l g e r u c l i um d i e A x t v e r b r e i t e t , d i e i hn
f ül l t e· ! ) W ir haben diese Stelle vorzüglich dcs>vogen
ausgcwählt, um in ihr auf den hohen, rein sittlichen
und äuPserst zarten Geist aufmerhsam zu machen, der
die ganze Indische Ethik durchdringt, welche in diesem
Gebote der Feindes liehe, einem Gebote, Avelchcs der
ganzen alten W elt, die Stoischen Philosophen etwa aus­
genommen, fremd war, und welches der Stolz der christ­
lichen Moral i s t , eben letzterer sich vollhommcn nähert
und sich ihr gleichzustellen sucht
Ferner wählte der Indier die 'J'hierfabel oder den
Apolog {αίνος) y um sittliche W'a kr heilen anschaulich
und eindringlich zu tnachen· 'Wir wollen an einem Bei­
spiele sehen, w ieder Indier auf diese W eise m o r a l i ­
s c h e F r e i h e i t , M u t h z u m Ei e c h t t hu n und M a c h t
d e s B e i s p i e l s darzustellen suchte (nach dem Kalila
und Dimna aus Sapientia Indorum cd. Starch. sect. X«
pag. 4 i 4 — 4i6,). «Einst war ein Schahal (5τώς Er
lehte unter seinen Verwandten, Füchsen und andern
reissenden Thieren, aber auf besondere Weise. E r

131) W obei denn freilich die Untersuchnnjr oiTcn bleiben


mufs, in wie fern clinstliche Lehren in jene Sammlung
Ezurvedam eingeflossen sind. Bekanntlich wollen Meh<-
rere verschiedene Spuren von Ueherarbeirung darin fin­
den; ja Sonnerat und Paulinus sogar einen christlichen
Verfasser (Voyage aux Indes I. p, 2i 5» und Paulini de S.
Barthol. Syst. Brahman. pag. 315.)· — Aber man sehe,
was Silvestre de Sacy zu Saintecroix Recherch. sur les
mysteres II. p· 6S. dagegen ein wendet.
132) Ueber diese, auch den Aegyptiern heilige Thierart vergl«
unsere Commentatt. HerodoU. T. pag. 163, wo auch die
IVIeinting des La Croze (Hist. Christ. Ind. lib. VI. p.426.)
berühre ist, wonach der ganze Aegyptische Thierdienst
Indischen Ursprungs w;ire·
64ο

YergoPs kein unschuldiges Blut, frafs hein Fleisch. Da


wurden die übrigen Thiere ungehalten, und sagten zu
ihm; deine Lebensweise gefKllt uns ganz und gar nicht.
Deine Tugenden bringen dir keinen Gewinn, und du
darfst nicht länger unter uns seyn, da du deine Weise
hoher achtest > als die unsrige. Da θηίΛνοηβΐβ der Scha­
kal : eure Gemeinschaft und euer Umgang sei I mich
nicht zum Uebelthun verleiten. Denn nicht Z e i t und
G e l e g e n h e i t , nicht O r t und U m g a n g , bringen
Sünden hervor, sondern des H e r z e n s N e i g u n g e n
und W e r k e . Zum andern: bin ich mit euch gleich
dem Leibe nach verwandt, so bin ich doch dem Geiste
und Gemüt he nach fern von'euch und fremd. So sprach
der Schakal, beharrete in seiner Sanftmuth und Tugendi
und ward bald deshalb allerwärts gepriesen.»

Ein ganzes System der Ethik, N l t i S a s t r a ge­


nannt, ist noch vorhanden, wie wir aus Jones Bericht
ersehen (siehe Asiatt. Abhandll. I. p« 21 der deutschen
Ausg.).

Dieser Charakter spricht sich auch in den Vorstellun­


gen und Darstellungen der höchsten ReligionsWahrheiten
aus, namentlich in den Gebeten, Hymnen und Sprüchen
über Gott und sein W esen, wozu die Veda’s viele Be­
lege liefern können, die den stillen und einfachen Geist
derselben hinlänglich beurkunden. Hier nur eine Probe
aus dem weisen Jadschur Veda, nach B o p p (über das
ConjugaHonssyStern der Sanscritsprache p. 280.):
«D er Anfang der Gebete des S a r w a m e d h a ( A l l -
opfer).»
«Feuer ist^s (die Ursache), die Sonne ist*s: so die
L uft, so ist es der Mond — so auch dieser reine
Brahma, und diese W asser, und dieser Herr der
Geschöpfe.»
64i
«Augenblicke (und andere ZcItmaaPse) sind licryor-
gegangen aus der glänzenden Person ^ die Nie­
mand begreifen bann, oben, rings und in der
MUie.v
«Von Ihm, dessen Glorie so groTs ist, gicM es bem
Bild. Er ist c s , der gePeiert wird in verschiede­
nen heiligen IVeiscn. Eben Er ist der Gott, der
alle Regionen durchgeht, Er der Erstgeborne· Er
ist es, der in dem Leibe ist, E r , der geboren ist,
und E r , der gezeugt Mrcrden wird. Er im Beson­
deren und im Allgemeinen verharret bei den Per­
sonen. »
« E r, vor welchem nichts geboren war, und der alle
Wesen wurde; Er selbst der Herr der Creaturen
mit sechszehn Gliedern. Erfreut durchs SebafTen
schuf Er drei Lichter, Sonne, Mond, Feuer. »
«Welchem Gott sollten wir Opfer darbringen, als
Ihm , der den flüssigen Himmel und die feste Erde
machte; geistig betrachtend, wahrend sie verschö­
nert werden durch Opferungen und bestrahlt von
der Sonne, aufgegangen über ihnen.*
«Der W eise betrachtet dieses gcheimnifsvolle Wesen^
in dem Alles besteht ewiglich, ruhend auf dieser
einzigen Stütze.
«In Ihm ist die W elt verschlungen; von Ihm geht sie
aus; ln Geschöpfen ist Er verflochten und einge­
webt mit verschiedenen Gestalten des Sevns. Muse
der W eise, welcher mit der ßedeutsamheit der
Offenbarung umgeht (vertraut ist), eifrig preisen
dieses unsterbliche W esen, das gehcimnifsvoll
Seyende und dessen verschiedenen Aufenthalt.v
« W er seine d r e i Z u s t ä n d e kennt (Schöpfung,
Dauer und Zerstörung) , welche in Geheironi fs
verhüllet sind — (der ist weise — )»
I. 4<
6^7
«Dieser (E w ig e ), ln w e l c h e m d i e G ü l t e r U n ­
s t e r b l i c h k e i t e r l a n g e n , während sie ver­
harren in der dritten himmlischen Region, ist
unser anbetungswürdiger V ater, und die Y o r -
s i e h t , welche alle Welten lenkt.>

W ie also im Ethischen der Indier so glücklich die


Natur beobachtete, und in ihr die grofsen sittlichen
Wahrheiten darzustellen wuPste, eben so gelang ihm
dies im Theoretischen, indem er die gruPscsten Reli­
gion sge bei mnisse gleichsam substantialisirte durch Natur­
typen , und zwar auf eine höchst treffende Weise. So
war von jener Indischen (pantheistischen) Grund anschau-
ung, Gott ist A lles, in ihm ist A lles, auPser ihm ist die
W elt und doch wieder in ihm, alle Wesen kommen aus
ihm und fallen in seinen ewigen Schoofs wieder zuriich,
also von diesem beständigen E m a n i r e n und R e s o r ­
bi r e n aller Dinge, der A s w a l b a - B a u m ein natür­
liches Bild und Symbol. Es ist dieser Baum , welcher
auch P i p a l , P i p a l a ( F i c u s r e l i g i o s a Innn.),
heiPst, der Indische Feigenbaum, der in ganz Indien
heilig ist und bei allen Pagoden und Tempeln gepflanzt
wird. Er hat herzförmige Blätter , vorn zugespitzt und
bei dem leisesten Winde zitternd. Seine Haupteigen-
schaft besteht aber darin, daPs von den Aesten SchoPs-
linge bis auf den Boden herabgehen , Λνο sie wieder
W urzel schlagen, und von da zu einem neuen Baume
aufwachsen. Dies mag wohl zu folgendem Mythus Ver­
anlassung gegeben haben : Brahma war einst gestorben
(d. i. die schöpferische Kraft war erloschen , Gott schuf
nicht m ehr), und die Schöpfung war der Sorge des
ΛΥί5€Κηυ (d. i. der erhaltenden Kraft) anvertraut. Dieser

133) S. Majcr mylholog. Wörterb. I, p, 134. und Wahl Erd-


beschr. von Ostind. II. p. 783.
643
sann daranF^ den Brahma \iicder zu erwecken· Parum
nimmt er ein Blatt de& Aswathabaumes, und schwimmt
in der Gestalt eines kleinen Kindes, an der groPsenZehe
seines Fuldes saugend, darauf über das Milchmeer so
lange# bis Brahma in einer Tamarablume *3 ') aufs neue
aus seinem Nabel hervorliommt, und neue Welten schafft,
so daPs ein e w i g e r K r e i s l a u f des Werdens und Ver­
gehens statt findet* — Pafs dieser Baum wegen seiner
Eigenschaften als Symbol des e w i g e n W i e d e r g e b a -
r e n s , der W e l t e w i g k e i t , betrachtet ward, zeigt
auch folgendes Gleichnifs aus dem Bagavatgeta (s· Majer
mythoK Wörterb. I. p. i 35 . und dort das Asiat. Magazin
Bd. II. p. 469.) : «Pas unvergängliche Wesen ist gleich
dem Baume Aswaiha, dessen ΛΤυτζβΙ in der Hohe ist,
die Aestc aber sind niedrig, und seine Blätter die Yeda*s*
Seine Zweige, die von den drei Eigenschaften abstam­
men, und deren kleinste Sprossen die Objecte der Sin-

134) S. Majer a. a· O. und daselbst Sonnerat Reise nach Ost­


indien I. pag. 14/. und daraus die Abbildunj^ bei Msder
Tab. V. fig. 2. — W ir ^eben eine ähnliche mythische
Scene nach Moore the Hindoos Pantheon nr. 2« in u n -
s e r n B l a t t e r n Tab. XXIV. nr, 1 , wo Wischnu und
l^akschmi auf einer vielköpfigen Schlange ruhen , wahrend
Brahma aus dem Nabel des trsteren in einer Blume er­
scheint. Tn i i n s e r e r T a f e l XXI. nr. 2 . erscheint Nara-
yana in Jener kinderhaften Lage, die der Mythus bezeichnet.
Hierbei darf ein kosmogonisches Bild nicht unbemerkt
bh.ihen, welches Holwell (Merkwürdige Nachrichten von
Bengalen, deutsch von Kleukcr, Tab. I.) bekannt ge­
macht hat. Die ausführliche Beschreibung miifs bei ihm
selbst ( pag. 277 ff.) nachgelesen werden. Ich bemerke
n u r, d.'ifs na>,h HolwelPs Erklärung dortBrum d.i. Brehin
oder Parabrahma selbst auf einem B e t e l b l a t t e (dem
auf unserem Bilde sehr ähnlich) über den Wassern
schwimmt, während Brahma, Wischnu und Schiwa ihn
an beten.
644
ncnorgane sind, verbreiten sich theils aufntarts, th e lls
abw ärts. An den W u r z e ln , ’i*·! lebe sich abwärts in d ie
von Menschen bewohnten Regionen v e rb re ite n , kann
man w eder seine F o rm , noch seinen A nfang, noch sein
E n d e, noch seine Aehnlichkeit finden.» Man vergleiche
m it dieser S telle des Bagavatgeta eine andere aus eben
demselben , welche wir oben (p, 9 7 . 9 8 .) m itgethellt ha­
b e n , so wie das W e ite re (nach H erders U ebersetzting
in der V orw elt pag. 4 6 .), wo tirischna rolgenderm afscn
s p ric h t:
„Ich bin der Scliö'pfung Geist, ihr Anfang, IVlittel und
Ende,
In den Naturen das Edelste stets von allen Geschlech­
tern ,
Unter den Himmlischen Wischnii , die Sonne unter den
Sternen,
Unter den Lichtern der IVIond , von Elementen das
Pewer,
h'Jeru unter den Bergen, das Wehmeer unter den Was­
sern ,
Gaiiga unter den Strömen, A s w a t h a u n t e r d e n
13a II ni e n ,
König in jeglicher Art der Menschen und aller Leben­
digen,
Unter den Schlangen bin ich die ewige Schlange, der
Wellgrund ** u. s. w.

Die Emanationen und Incarnationen dor Gollhcit


durch alle Aeonen hindurch, woraus das weit ansgespon-
nene Gewebe von Mythen sich entw ickelt, welche den
Inhalt der grofsen Kosmogonien und epischen Gedichte,
der P u ran a's, des R am ayan, um n u r an diese zu erin­
n e r n , ausm acben, diese heiligen Rel^gionsgcschichten,
stellte die T em pelarchitcktur und T em pelsculptur an ih­
ren W änden in unzähligen Reliefs und B ildern dar —
gleichsam in verkörperten Mythen, heiligen G eschichten in
645

Stein. — Dies beurkunden noch jezt dem Auge dicGrot-


tentempcl von Elephante und Ellora, worüber nir schon
oben das IN'otbigc bemerkt haben. Hier her gehören auch
die Vereinigungen zweier Gottheiten in Einem Körper,
besonders einer männlichen und einer weiblichen. Diese
Compositionen sind in der Indischen Tempelsjmbolih
nicht selten. Als ein Eeisptel davon habe ich eine solche
Darstellung nach Moore den ALbildungen zu raeinem
W erke beifügen lassen. Hier sehen wir den Schiwa und
die Parwali in engster Vereinigung und durch ihre At­
tribute charaklerisirt *^). W ir erinnern zum Beweise,
daPs dies schon fi'üh so war, unter Anderm an die >'or-
stellung des Brahma als Hermaphroditen, die wir beim
Porphyrius (apud Stobaeum in Eclog. phys. I. 4 # 56 .
p. 145 Heeren.) lesen. Er war abgebildet als ein Biese
mit vielen Köpfen, deren jeder eine Krone trug. Auf
der einen Sehe war er männlich, auf der andern weiblich,
und der ganze Körper mit unzähligen Symbolen umgeben.
S. das Nähere bei Jones in den Asiatt. Abhaiidll. T. IV.
p. 44 der deutsch. Ausg.
Die eben bemerkten Erscheinungen führen von sei bst
auf gewisse allgemeine Vergleichungen der orientali­
schen Büdnerei und derjenigen , die der Occident von
den Griechen emplängen hat. Obwohl ich nun darüber
das Nölhigc schon im Vorhergehenden bemerkt habe (s.
oben p. 187 iE), so müssen hier von jenen Grundsätzen
doch noch einige Anwendungen auf die Darstellung der
I n d i s c h e n Gottheiten und Genien gemacht werden

135) S. u n s e r e T a f e l XXIV. nr. 2.


136) Anschaulich wird diese Beschreibung zum Thril durch
die noch vorhandenen Abbildungen, wo bin auch u n s e r e
T a f e l n XXI. XXVII. XXIX. gehören.
137) Man vergleiche damit die Betrachtungen von Payne
646

H ier, im Gebiete der Kunst, sehen wir nun schon


Indien auf einem gaiiE andern W ege als Griechenland.
In Indien ist der Charakter der Symbolik das B e d e u t ­
s a m e , im Gegensatz gegen das Poetische, Plastische
und Schöne, und bei der ganzen Indischen heiligen Bild-
nerei (was auch vom Mythus gilt) ist die^ freilich von \Te-
nigen gefafste Grundidee vorherrschend, dafs die heiligen
Bilder (Symbole und Mythen) nur E r i n n e r u n g e n sind
an das Wesen des Ewigen, dessen Bild viel besser im r e i ­
n e n D e n k e n wohnt und im H e r z e n d e r F r o m me n.
Es zeigt sich demnach ein scharfer Gegensatz dieser I n -
n c r I i c h k c i t der Beligion der Indier gegen die A e u s -
s e r l i c h k e i t (plastische Gestalt) der Griechischen^
wenn wir letztere nämlich schon auf dem ΛYege zu ihrer
Selbstständigkeit betrachten; und da die Symbole nur
Erinnerungen sind, nicht A hbildcr, wie die Griechischen
Götterbilder, so wird nicht das Schöne gesucht, son­
dern das möglichst E r s c h ö p f e n d e , Dies zeigt sich
auch zuvörderst in dem U e b e r f l ufs und B e i c h t h u m
ihrer Symbolik, besonders ihrer G ö t t e r a t t r i b u t e ·
Uüzäblige Beiwerke hat jeder ihrer Götter, jedoch kei­
nes bedeuluiigslos; jeder Kopf, jeder Αιηΐ| jeder FiiPs
und so fort hat seine hesundere Bedeutung, und die
ganze Geschichte des Gottes liegt in Symbolen, so dafs
wir gewiPs die Behauptung wagen können , es habe kein

Knight an Inquiry on the Symbol, laqg, 281 sqq. pag.


192 sqq. , der mit Recht den ausschweifenden und dem
Schönen entfremdeten Charakter der Indischen Bildnerei,
hdiilerei und Arcliitekiur von dem scharfen Casiendespo-
tisnius, von der natürlichen Furchtsamkeit und Sanftheit
des Volkes, ven dem Geiste ihrer überschwenglichen
und iitoht sowohl auf das H a n d e l n als atifi B u f s e n
Werth legenden Religion und deren frühem Verfall durch
die bchuld der Brahinintii, ubieiiet.
647

Volk der Erde seine Religion so ausführlich symbolisirtf


wie das Indische. Andrerseits zeigt sich dies auch an der
U n g e n ü g s a m k e i t der Indischen Symbolik, d. h. s i e
w i l l A l l e s s a g e n , das Weltall soll in den Symbolen
der grofsen Götter g a n z und in j e d e r B e z i e h u n g
im Bilde dargestellt werden. Daher denn die vielköpfigen^
vielarmigen, wunderbar grotesken Götterbilder, wie^
um aus Unzähligem nur einige Beispiele anzugeben, die
Vorstellung der T r i m u r t i oder D r e i e i n h e i t , in
den Asiatt. Abhandli. Bd. lY . lab. lY . fig. 3 . d. deutsch.
Ausg«, ferner G a n e s a (der Gott der Weisheit) mit
dem Eiephantenköpfe, ebendaselbst tab. X V , oder auch
mit dem Elephantenrussel, in Majers mytholog. W ör-
terh, tab. 11. Hierher gehört auch die eben berührte
alte Abbildung des Brahma als Hermaphrodit, ferner
die des Wischnu , welcher auf einer zusammengerollten
Schlange schläft. Noch sonderbarer aber ist die, wo
Wischnu als Fisch das Gesetzbuch aus dem Grunde des
Meeres heraufholt, als Schildkröte die sinkende Erde
unterstützt, als Riese den Eber bändigt und dergl. mehr
(s· die Abbildungen in dem vierten Bande der Asiatt.
Abhandll. tab. VI. VII.) i«).

Ma a f s aber ist das ewige Gesetz aller Schönheit;


U n m a a f s bringt das Abentheuerliche, Seltsame und
Ungeheuere hervor. Da also das Symbol in Indien em­
sig dem Bedeutsamen dienstbar war, so erscheint es

138) Man vergleiche die Copien mehrerer Vorstellungen der


Art von den ßilcJern bei Muore auf den u n s e r e m
B u c h e b ei g e füg te n T a fe In XXH. n r. 2 .QTrimurti)^
XXIX. n r.ä. und XXVII. (Ganesa).
139) Vergl. u n s e r e A b b i l d u n g e n XXV. fdrei Avatara*s)
und XXIV. (Wischnu und Lakschmi auf der vielköpfigen
Schlange).
648

i i n s c h o n , oft u n g e h e u e r und f u r c h t b a r ; v/as


ebenfalls vom Charakter des Indischen Mythus als R e g e l,
Ίΐίοι/ΐΌΐιΙ mit gewissen Einschränkungen, gelten k a n n .
Denn, wie Mir schon oben an einigen Beispielen n a c h ­
gewiesen, auch den Indiern fehlte es nicht an L ie b lich -
heit, Zartheit und feinem Sinn in manchen B ild w e r ­
ken, so wie vorzüglich in ihrer Mythologie. Aber je n e r
Geist des Ungenügsamen waltete doch im Ganzen ste ts
in der Indischen Kunst vo r, welche auch durch a n d e re
Verhältnisse und Umstände dazu bestimmt wurde.
erwäge nur die strenge Scheidung der Stände durch die
Cintlicilung in Gasten, das Vcrliältnirs des wmblichen
Geschlechts, das Clima, welches den Menschen zur R u he
lockt und eine Bewegungslosigheit und Unthätigheit e r ­
zeugt, welche das leichte Leben dort wohl gestattet«
ferner das beständige Liegen, eben durch die climaci-
schen Verhältnisse vcranlafst, die A^erhüllung, wie sie

l40) Drei Beispiele mOgen aum Beleg hinreichen; G a n g a


als junge bVau von gcf>llligcr Bildung , mit der einfachen
Blume in der Haiui auf dem Siranie wandelnd , oft abge-
bililet; sodann der f l i e g e n d e G e n i u s ruf u n s e r e r
T a fe i λΧΙ I. nr.2; endlich D e v a k i mit dein K ri sc h -
n a an ihrer Brust, in einer Fülle von Blumrn und Bau­
m en, auf b e i g e f Ug t e r T a f e l XXVI. Aus diesen
und andern Beispielen einfacherer Kunstdarstellungen mag
der Leser urilieilen , ob Payne Knight (a.a. O. p.l5/2sq.)
doch nicht etwas zu stark sich ausdrücki, wenn er sagt:
„Hcnce, like the ancient A e g y p t i a i i s , ibey (tbe
l l i n d o o s ) have beeil einiiumly succesfull in all works
ofart , that require only methodical labor an manual dex-
terity, hut have never produced any thing in painting,
sculpture or architeciure t h a t d l s c o v e r s the s m a l -
l e s t t r a c e o r S y m p t o m o f t h o s e p o w e r s of
t h e m i n d , w h i c h we c a l l t a s t e and g e n i u s ;
and of which the inost early and imperfcct works of the
G re e ks always show some downing.**
64g
der strengere Orient Gberal I eingeftihrt hat. Beidesaber,
Hube in beständigem Liegen und Verhüllung, sind Gegen­
sätze der Kunst, Mvelche freie Bewegung und Thätigkeit,
so wie biacbtheit des Kdrpers fordert. Wenn daher der
Indier in Absicht auf Bedeutsamkeit, Beichthum der
Ideen und contemplative Tiefe über dem Griechen steht,
so mufs er, was Kunst betrifft, gegen diesen weit su-
rucktreten ; und die einzelnen glücklichen Bilder seiner
Religion, die ihn dazu hätten fuhren kdnnen, ergriff der
Indier nicht, eben aus jener Richtung seiner Phantasie
zum Bedeutsamen, Mystischen und Contemplativen, weil
er aus überschwenglicher Främmighelt nichts aufgeben
konnte, was er noch ahnet· am ewigen W esen, und
weil selbst durch das Ungeheuere und Groteske seiner
Götterbilder sich sein Sinn nicht gestÖil fand.
65ο

D r i t t e s C a p i t e l .

V o n d e r M e d i s c h - P e r s i s c h e n Religion.

I*
E i n l e i t u n g .
W enn uvir hier γοη Per&ien reden« so verstehen ^ir
darunter nicht blos die alte Landschaft Persis oder das
heutige Farsistan« das Stamtnland der Kajaniden und eini­
ger späteren Beherrscher Asiens« sondern es schliefst
dieser Name die ganze grofse Masse der Caucasischen
und Nordindischen Lander ein, welche auch durch den
Namen I r a n (womit zugleich der Gegensatz T u r a n
gegeben ist) bezeichnet wird, und deren Beligion auch
wohl den Namen der I r a n i s c h e n trägt. Es hat diese
Iranische oder alt-Persische Religion vielleicht ihren
Sitz in einem Urstaate genommen, den Manche für den
Mutterstaat der nachherigen Indischen und Persischen
Reiche halten, der die Provinzen Balk ^ oder Bahtrien,
Ariana, Susiana, A der bid schau, Mazanderan und andere
in sich begriffen, und dessen Heri*scher, dicPischdadier«
auch Indien, Medien, Bahtrien, Assyrien und Mesopo­
tamien unter ihrem Scepter vereinigt haben sollen. —
Zunächst aber ist es jene Gebirgskette, die dieses Reich

1) V. H a m m e r in der Geschichte der schönen Redekünste


Persiens, Wien ltU8. läfst aus Baniian , als einem TrOhen
CultursiUe, Indische W'eisheit und Kunst ins benachbarte
Balk (Batch) ubergehen, und berührt die Vorstellungs-
a rt, wonach einigen Zendbüchern (Sendbüchern) Indische
Quellen zum Grunde liegen.
65i
im Norden begranzt und von Westen nach Osten an
demselben sich hinzieht, wo der Ursprung einer zwei­
fachen Beligton zu suchen ist^ die sich von hier aus nach
Osten und Westen verbreitete, die eine, die IndischCf
welche wir so eben betrachtet haben, die andere^ deren
Vaterland die nach Westen sich hinziehenden Verzwei­
gungen jenes Gebirges sind , die Iranische oder alt-P er­
sische, welche uns nunmehr beschäftigen wird. Diese
Religion der P a r s e n , entstanden auf jenen Gebirgen,
ist in ihrem Grunde eine einfache, naive Anschauung
der Natur — daher auch von mehreren Alten eine Hirten­
religion genannt, wiewohl sie sich von der materielleren
Hirtenrcligion Aegyptens, die mehr fetischistisch war,
merklich unterscheidet. Sie besteht in der einfachen
A'erehrung der N a t u r e l e m e n t e , des F e u e r s , W a s ­
s e r s , der E r d e , L u f t , der W i n d e und des S t e r ­
n e n h i m m e l s , vorzüglich der zw ei gröf&esten Lichter
desselben, S o n n e und Mond (s. Hcrodot. 1. i3i. Bris-
sonius de reg. Princip. Pers. p.357.). Auch die F l üs s e
waren ihnen heilig (s. Brisson. a. a. O. p. 366 .), T e m ­
pel hatten sie nicht, sondern auf B e r g e n dienten sie
ihren Göttern, und opferten hier denselben blos das
L e b e n der Thiere (s. a. a. O. p. 369.). Mit dieser ein­
fachen Naturreligion der Persischen Stamme erscheinen
nun aber ein Beligionssystem und eine Gesetzgebung in
der engsten Verbindung, welche den Charakter eines
mehr metaphysischen Denkens an sich tragen, von ei­
nem andern Stamme aus Medien oder Baktricn her den
edleren Gasten des Persischen Volkes mitgetheilt wor­
den, und somit herrschende Religion des Reiches gew or­
den sind. Jenes naive Urelement, amalgamirt mit die­
sen höheren Erkenntnissen einer gebildeteren Mensch­
heit, bildet demnach das Modisch-Persische Beligioiis-
syslem oder den Magismus, den wir jezt zu betrachten
haben.
652

$· s.
Que l l e n« U e b e r b l i c k d e r l l e r o e n s a g e n ^ d e r
R e l i g i o n s p e r i o d e n und d e r D e n k m a l e .
Die Q u e l l e n jserfallen in zwei Classcn, zuv£>rderst
s c h r i f t l i c h e ^ die Nachrichten der inländischen und
der fremden Scfiriftsteller, namentlich der Griecliischent
über Persiens Religion , von den älteren Zeiten bis auf
die späteren — sodann D e n k m a l e d e r b i l d e n d e n
K u n s t an den Ueberresten der Palläste und Tem pel
zu Persepolis und anderwärts , deren Trümmer sichy
trotz der wiederholten Verwüstungen und Zerstörungen
der Araber, Mogolen, Türken und anderer V ö lk e r, er­
halten haben.
W as die schriftlichen Quellen betrüTk, so müssen
hier vorerst die b i b l i s c h e n U r k u n d e n in Anschlag
gebracht werden, namentlich die Bücher, deren Ver­
fasser in irgend einer näheren Beziehung und Berührung
mit Persien standen, und welche eben darum zum Theil
für die Religion Persiens Hauptquellcn sind. Dies sind
besonders die S c h r i f t e n d e r P r o p h e t e n , eines
D a n i e l , der, wie es scheint, mit dem Persischen Licht­
dienste nicht unbekannt w ar, eines E z e c h i e l , dessen
Visionen äufserst viel Persisches aus der Lehre der hta-
gier enthalten; ferner die Bücher £ s r a , Ne h e mi a
lind andere, worunter das Buch E s t h e r in so weit be­
sonders merkwürdig ist, als es uns in das Innere des Per­
sischen Hofes blicken läikt und ein getreues Bild der
Persischen Sitten liefert.
Unter den Griechen giebt uns über Persien (so wie
über Indien) H e r o d o t u s die ersten Nachrichten, wel­
che mit ziemlich vieler Kenntnifs dieser Länder nieder-
gescliriehcn sind. Wichtiger jedoch wäre C t e s i a s ,
ein Zeitgenosse X e n o p h o n s (dessen Anabasis und Cy-
ropädie liier auch in Betracht kommen), der als Leib-
655
a ret des Königs Artaxerxes Mnemon sicli lange in Persien
an dessen Hofe aufhielt^ und dieBeichsarchive benutzen
durfte, dessen Schriften aber, einige Excerpte bei Pho-
tiu s, Alhenäus und Andern ausgenommen, uiitergegan-
gen sind. Ihm ist auch D i o d o r u s in seinen Nachinch-
ten über Persien, Medien, Babtrien und andere Asia­
tische I^änder hauptsächlich gefolgt, und ihcils ganze
Abschnitte, theils einzelne Capitcl sind ofTenbar aus je­
nem entnommen. Aufserdem enthalten S t r a b o , A r -
r i a n u s , P h il ost ra tus (im Leben des Apollonius),
der ebenfalls den Ctesias, y,enn er ihn gleich nicht an­
fu h rt, sehr benutzt zu haben scheint, D i o g e n e s
L a e r t i u s , C l e m e n s von A l e x a n d r i e n , E u s e ­
b i u s in der Praeparatio Evangelica, Da m a s c i u s de
principiis, manche schätzensnerthe Nachrichten, Am
Michtigslcn für unsern Zweck ist aber P l u t a r c h u s ,
eben dadurch, dafs er nicht, wie die meisten übrigen
Griechen, uns über das Exoterische der Persischen Re­
ligion belehrt, sondern uns auch in den Stand setzt, in
das Innere oder Esoterische der Religion der Magier
wenigstens einige tiefe Blicke zu thun, und durch Hülfe
einiger Hauptslellen , die er aus Aeltercn miithei^t, uns
dem 31ittelpunkte des Magiersystems mehr zu nähern.
Auch bei den Bumern findet sich Manches, nament­
lich hei P l i n i u s in der Historia naturalis, bei C u r ­
t i u s und den s c r i p t o r e s h i s t o r i a e A u g u s t .
Alle Nachrichten der Alten über Persische Einrich-

2) Eine Sammlunjt unH ErklSruntt dessen, was Griechen und


Römer Uber Ala^ismus, Persische Relijtionslehrrn li.s. w.
hericJiten, hat unter dem Titel Ki ew k e r ;*elie-
fert im Anh. z. Zeiidavesta, in des zweiten Randes drittem
'rheil. Diese SammluMg des z^lehrfen Mannes liefte sich
jedoch, wie sich dies nicht anders erwarten iSfst, durch
mehrere Zeugnisse vervollständiseu.
654
tungen, Sitten und dergl., die m den genannten Sch rift-
Stellern xuni Theil zerstreut sind , hat mit einem lobens-
wertlien Fletfs ziemlich vollständig gesammelt B a r n a ­
bas B r i s s o n i i i s in dem sehr brauchbaren W e r k e de
regio Persarum principatu libri III , am besten m it SyU
burgs Anmerkungen und vollständigen Registern heraus­
gegeben von T.ederlin, Strasburg (Argentorati) 1710.
Auch das W eih des Engländer H y d e de religione vett.
Persarum, Oxoniae 1700, 4. ist sehr schätzbar, Miosohl
nicht immer zuverlässig. Andere Ilillfsmittel sind von
B e e i l in der Anleit, zur allg. Wellgesch. I. 1. p. 6 3 4 ff*·»
von H e e r e n in den Ideen I. 1. dritte Ausg. und von
C. F. C. Hoeei l Veteris Mediae ct Persiae Monumenta,
Gotting. 1818. nachgewiesen. Ich bemerhe nur noch,
dafs die morgenländischen Traditionen nach dem Schah-
namch des Ferdusi (wovon unten) sowohl in M u r a d g e a
d * O h s s o n ' s Geschichte der ältesten Persischen Monar­
chie, übersetzt von Dr. F. Bh. B in k, Danzig 1806. als
in Mal CO Im* s History oF Persia, London iß i 5 · in Aus­
zügen zu finden sind. Sehr belehrend und inhaltsreich
ist auch : A y c e n A k b c r y or the Institutes o f the em-
peror Ahbar, Translatcd fVom the original Persian by
F r a n c i s G l a d w i n , London 1800. Endlich mache ich
meine Leser auf v. H a m m e r ’ s Geschichte der schonen
Redcliunstc, 1818. 4· aufmerksam.
Jedoch für die Beligionsgcschichte und Mythologie
der alten Perser mufe jezt unstreitig unter den Quellen
dem Z e n d a v e s t a ein vorzüglicher Bang eingeräumt
werden» d. h, jener Sammlung von Beligionsurhunden,
welche A n q u n t i l du P e r r o n zuerst entdeckte, sam­
melte und aus mehreren Handschriften zu Paris 1771.
unter dem Titel Z e n d a v e s t a — t r a d u i t e n f r a n ·
^ois par A n q u e t i l du P e r r o n herausgab- Vor­
züglich empfehlenswerth ist die deutsche Bearbeitung
von J. F. U l e u l i c r ( d e r Z e n d a v e s t a , ü b e r s e t z t
655
v o n J. F. K i e n h e r , Riga 1776/drei T heile, 4 * und
d e s s e n A n h a n g d a z u , zwei Bände, Riga 1783. 4.) 9
'welcher auf eine höchst vordienstvolle Weise die Zwei­
f e l , welche mehrere Gelehrte, vorzüglich Me i n e r s ^
gegen die Aechtheit dieser Bücher geäufsert hatten,
vollkommen gelost, und gezeigt hat, wie diese Ur-
hunden Niehls enthalten^ was mit clor Bibel oder den
Griechen in Widerspruch stehe, und woraus sich ihre
spätere Abfassung beweisen liefso , so dafs, wie auch
Heeren (Ideen u. s. w. I. 1. pag. 458 der dritten A u s g .)
bemerkt, die A e c h t h e i t d e r H a u p t s c h r i f t e n ,
Yorzilglich des V e n d i d a d und des I z e s c h n e , als
a l t e r P e r s i s c h e r R e l i g i o n s s c h r i f t e n , gegen­
wärtig erwiesen ist. Auch \’’ i s c o u n t V a l e n c i a , der
noch neulich, in den Jahren 1802 — 1806, an Ort und
Stelle Erkundigungen eingezogen (siehe dessen Yoya-
ges and Travels to India e tc.), zweifelt weder an der
Aechtheit des Zendavesta, noch an der Treue von An-
quetils Uebersetzung. Auch bemerkt e r, dafs Sir W il­
liam Jones noch vor seinem Tode seine früheren Aus­
fälle dawider als irrig zuruckgenommen habe (s.Güuiag·
Anzeig. i8 is. nr.79.). Da mein Freund F . G . W e l c ke r
in den Nachträgen zu Z o c g a ' s Abhandlungen , Gotting.
1817. p. 4 i 3 ff. die wichtigsten Sprecher für und gegen
in dieser Sache bereits aufgeführt hat, so begnüge ich
mich, den Leser dorthin zu verweisen. Gleichfalls ha­
ben die neuesten Untersuchungen von Rhode (über A l­
ter und W erth einiger morgenländischen Urkunden u.
5. w. Breslau 1817.) einige nützliche Bestätigungen bei­
gebracht, dafs der Aechtheit der Zend sc hriften, als der
Schriften , welche vor der Eroberung Persiens durch
Alexander von den Persern als heilig verehrt und dem
Zoroaster zugeschrieben wurden, durchaus kein i n n e ­
r e r n o c h ä u f s e r e r Grund entgegenstehe; s, besonders
p. 17. 18. 19. a. a. 0.
65β

Es zerfallen diese Religionsurliunden der alten Per­


ser in zwei groPse Massen^ welche sich selbst durch die
Sprache« worin sie niedergeschrieben sind« unterschei­
den« indem die einen in der Z e n d s p r a c h e « einem
Medischen Friesterdialect» die andern im P e h l v i - D i a -
l e c t « welcher den höheren Ständen« dem Adel« eigen-
thumlich war« und in späteren Zeiten durch die Parlher
herrschend wurde« abgefaPst sind. S· die näheren An­
gaben und Nachweisungen darüber bei Bech Anleit· zur
Benntnifs der aligem. Weltgesch. I. erste Hälfte p. 604«
nebst WiHiam Jones in den Asiatt. Abhandll. I. l>d. p·
97 der deutsch. Ausg» Die erstere Masse enthält folgen­
de Bücher« welche sämmtHch in der Zcndsprachc abge-
faPsl sind : Y e nd id a d « I z e s c h n c « Y i s p er e d , neb^t
den N c ä s c h « A f e r g a n s « J e s c h t s und S i r u z c «
welche einstimmig als canoiiisch anerkannt werden ; s.
Kleuhcr Yorrede zum Zendavesta 1. B. p. XVI. vergl.
mit Beck a. a. O. p. 65 o. Jene drei ersten, deren jedes
wieder seine Unterabtheiliingcn bnt (s. Zeiulavosta von
Kleulicr Bd. I. p. 77.) # Y e n d l d a d d. i. z u m S t r e i t
( w i d e r A h r i m a n ) « I z e s c h n c d.i. E r h e b u n g d e r
S e e l e » L o b p r e i s u n g 11 nd A n d a c h t « Y i s p e r e d
d. i. O b e r h ä u p t e r d e r \ Ye s e n« machen zusammen
den Y e n d i d a d - S a d e ans« den die FNiester jede Mit­
ternacht lesen muPsten» damit sic ihn vor Sonnenaufgang
beendigten (s. Zendavesta Bd< I. p. 77.)· Dazu kommen
noch« wie schon hemerht« die J c s c h t s d. i. (hieinerc)
L o b p r e i s u n g e n « A f e r g a n s d. i. D a n h s a g u n g e n »
E r h e b u n g e n . Die Me ä s c h s sind blofse Z e n d f o r -
mel n. Das Buch S i r u z o , d. i. d r e i f s i g T a g e « ent­
hält Lobpreisungen der Genien , die den Monatstagen
vorstehen (s. Anhang zum Zendavesta« Bd. ΙΠ. nr. 5 i
— 60.). Die zw'cite Masse der Schriften, weiche die P e r ­
ser nach den Zendbüchern zunächst vervhren« ist d e r
B u n d e h e s c h « in der Fehl vi - Sprache geschrieben,
667
besonders fur die höheren Stände, ein mehr wissen­
schaftliches W erk I das man als eine Art von Encyclo-
pädie betrachten kann, indem es sich über Beiigion oder
Verehrung Gottes, Astronomie, bürgerliche Einrichtun­
gen , Ackerbau und dergl. mehr verbreitet; s· Anh. zum
Zendavesta Bd. II. nr. 29. 6i·
Ein grofser Name nird auch diesen Offenbarungen
und Urkunden vorgesetzt. Er heifst Z o r o a s t e r , im
Persischen auch Z e r a d u s c h t , und im Zend Z e r e -
t o s c h t r o (s. Wahl GescK. der morgenläncL Literatur
pag.266.) genannt, d. i. G o l d - S t e r n , S t e r n de s
G l a n z e s (s. Zendavesta von Kleukcr Thril 111. pag. 4.
vergl. mit Bhode über Alter und W erth u. 5. w. pag.
42. )· Es herrscht zwar ein Streit über seine Person,
indem Einige z w e i Z o r o a s t e r annehmen, wovon der
erste unter Gustasp (Cyaxaresl. von Medien), der zweite
unter Darius Hystaspis gekommen sey; Andere dagegen
nur von e i n e m wissen wollen, der im sechsten Jahr­
hundert vor Christi Geburt gelebt habe

8) Die früheren Untersuchnngen über Zoroaster befrefFend,


verweise ich auf die Zusammenstellungen von Kleuker im
dritten B. des Zendavesta p. 3 tf. und auf Beck Anleitung
zur VVflig. I. 1. p. 647 fF. Hier mögen nur einige Nach­
träge folgen : Zuvörderst wird immer die StetBim Pla­
tonischen Alcibiades I. pag. 122. pag. 341 Bekker. grofse
Aufmerksamkeit verdienen, wenn auch Plato nicht selbst
Verfasser dieses Dialogs seyn sollte , wo von einer M a ­
g ie Z o r o a s i e r s , d e s S o l i n e s d e s O r o m a z e s
^Λαζοάστξου tcQ ) , die Rede ist»
Man vergleiche dort die Ausleger und Davisius zum Ci­
cero de Divin. I. 4l. Unter dem Namen Z a r a ta s (Za-
fdrat,) , auch wohl Z a ra t u s (Zdgraro^ vergl. Thom. R e i -
n e s i i Observv. in Suidam ed. Ch. G. M ül le r pag. 103
sq .), scheinen andere Griechische Schriftsteller denselben
Persischen Gesetigeber zu verstehen. £ r kommt z. B.
bei Plutarchus de anim. gen. in Tim. pag. 1012. pag. 124
1
.
668

Es (ccliöri zu unserer Absicht, niclit blos den Inhalt


der alt-Persischen Religion kürzlich darzulegen ^ son-

VV'yitenb. vor, und man denkt dabei an Zoroaster (vergl,


Zoej^a’s Abhandiu p. Aufser der oben angegebe­
nen B e d e u t u n g d e s N a m e n s kommen auch andere
vor. Der Scholiast zur Stelle des Plato (p.78 Ruhnken«)
will einen S t e r n d i e n e r (äTr^S^inpf) darin finden; wel­
che Erklärung auch etymologisch aus dem Namen Z o -
roaslcr selbst genommen ward (s. Toiip Kpist. ad Suid.
p. 137 Lips. und Reincsius a. a. O.)· Gewährsmann
ftir diese Erklärung lernen wir aus Diogenes Laertius
Hrooem. S. 8« kennen. Es ist D i n σ n tm fünften B uche
der Historiia« Andere wollen blos einen allgemeinenΚ ύ-
nigsnamen, einen B e s i t z e r d e r H e r r s c h a f t , darin
sehen. Dies liUngtmit der Frage nach dem V a t e r l a n d e
des Zoroaster zusammen· Wenn manche Schrinstelkr
ihn weitschichtig einen M a g i e r oder einen C h a l d ä e r
nennen, so kann dadurch nichts bestimmt werden. Einen
M ed e r nennen ihn viele Schriftsteller. Andere neigen
sich mehr zu der Meinung hin, dafs er ans B a k t r i e n
hei stamme. So neuerlich Zoßga und Norherg (s. Z od-
ga*5 Abhandll. pag. 108. mit Welckers Anmerk.). Ueber
sein Z e i t a l t e r herrscht nicht gröft>ere Einftimmung·
Der Scholiast zur angeführten Platonischen Stelle (ρ·77·)
Jäfst ihn sechstausend Jahre vor Plato auftrecen« Für
sehr bedeutend mufs die Angabe eines alten Griechischen
I^Apgrophen, X an t h u s des Lydiers , gehalten werden,
wonach Zoroaster sechshundert Jahre vor Xerxes Grie­
chischem Feldzuge zu setzen wäre (Diog. Laert. Frocem·
$. 3.). Wäre freilich ein späterer Xanihus hier der Ge­
währsmann (vergl. meine Anmerkk. zu den Fragmm.
Historr» graecc. antiquiss. pag. 825· und Marx zu Ephort
Fragmin, p. 76 sq .), so würde dieses Zeugnifs sehr viel
an seinem Gewichte verlieren. Nicht blos jene chrono­
logischen Abweichungen, sondern auch andere Gründe
haben die Meinung von zwei oder mehreren 2>>roastem
erzeugt; worüber sich noch neuerlich mehrere Forscher
in verschiedenem Sinne erklärt haben (&· Zodga a. a. O·
mit Welckers Anmerkk· und p· 114. und VVait*s Abhand-
€69
dem auch die Sagen kennen su lernen, die von ihrer
Sntstehung und Fortpilanaung im Angedenken der Orien­
talen leben. Da ubt denn nun, ivie sich denken läTst,
die orientalische Phantasie ihre Herrschait;« Eine Dyna­
stie der Jyanians regiert während eines Aspar's, d. i«
während einer Dauer von tausend Millionen Jahren (s.
Malcolm Hist, o f Persia 1. p. i i , welcher bei diesen un­
geheuren Perioden an astronomische Cyclen erinnert).
Andere orientalische Schriftsteller wissen (s. J. v. Mül­
lers W erke Bd. Yl l l . p. aSi.) von einem Urreiche der
M a h a b a d e n , das über Iran verbreitet gewesen, des­
sen Bluthe jedoch in die Zeit vor der groPsen Fluth fällt,
also in die antidiluvianische Zeit (tempus ddqXor). W ir
haben schon früher im Capitel von den Indischen Reli­
gionen p« 5 τ3 . diese Sage berührt, und gehen sogleich
SU der zweiten Dynastie Uber, welche auf jene folgte,
nämlich die der P i s c h d a d i e r ^ (tempus
Sic ist nach den Zendbuchern und den Persischen Ge­
schichtschreibern die älteste Dynastie auf Erden (wäh-

lung Uber diesen Gegenstand in the classicaI Journal Vol.


VII. p, 220 sqqO· Was meine Meinung angeht, so ver­
weise ich die Leser auf die obigen Bemerkungen über
die mehreren H e r m e s der Aegyptier. In demselben
Sinne glaube ich auch ein i d e e l l e s F o r t l e b e n des
Namens Zoroaster mit der Fortdauer seiner L e h r e an­
nehmen zu müssen.
4) S.jest M u r a d g e a d’ O h s s o n ’s Geschichte der Ultesten
Persischen Monarchie unter den Dynastien der P i s c h ­
d a d i e r und K e y a n i d e n , übersetzt von Pr. Th. R in k,
DanziglSOb. Die Namen der P i s c h d a d i e r und Ke a -
n i e r , als der zwei ersten Dynastien Persiens, s. auch
im Appendix ad C od i c e m N a s a r a e u m ed. N o r -
b e r g pag. l4S — l63. Die Sagen von den Pischdadiern
(Paishdadian's) giebt auch^ nach dem Schahnamchj
M a l c o l m Vol. 1. chap. i. p. i2 sqq.
6 ηο

rend der Dabistan die Mahabadend^nastle A'orausgehcn


läfst), und fängt mit der Fluih an· Die drei e r s t e n Be-
genren dieser Dynasuef Haynriaras» S i a m e li (der
Früh verblichene r in der Persersage ganz dem A e g y p lb
sehen ]\1aneros und dem Griechischen Linus ähnl i ch)
und H u s c h e n g oder P i s c h d a d , sind die ältesten
P a e r i o d e h e s c h a n s , sie sind die Patriarchen d e s er·
s t e n G e s e t z e s ; das zweite Gesetz hemmt m it H o«
( H o r a a n e s ) , der es den D s c h e m s c h l d l e h r t ; das
dritte bringt Z e r a d o s c h t d e m G a s t a s p (v e r g l. Jones
und EUeuher in den Asiatt. Abhandll· I· p. 98. u n d 11.
p. 92 ff.) ^). hiach dem Zend und Pehlvi sind P isch dadi
und Paeriodeheschi M e n s c h e n des U r g e s e t e e s ,
testes veritatis^ vor dem geschriebenen Gesetz d e s Zo-
roaster , gerechte Menschen, die blos miindlich unter­
richtet wurden , und unter denen H o s e lii ng (Huscheng)
und D s c h e m s o h i d besonders ausgezeichnet w erden;
( 5 . Zenddvesta Sd. HL und Kleuher zu den Asiaft. Ah·
handli. Il.p. 93;). Unter D s c h e m s c h i d erreichte Iran
seine höchste Glorie. £rst hiefs er D s c h e m , nachher
ward shi d hinzugefügt, d. i. S o n n e , wegen seiner
Schönheit ( Herbeiof Bibioth. O. IL p. 182 ff. Muradgea
d'Ohsson p. 108 ff. vergl. Anhang zum Zendavesta Bd.
1. 7 'h. 1. p. i 5 . und Bd. IL Th. 1. p. 85 .). £ r ist der
Inhalt der Sagen und Lieder der Iranier, wie Salomon
und Alexander hei Ebräern und Griechen. £ r ist das
Sonnen ja hr, d. h. seit dieser Periode hatte Iran Sonnen­
jahre (5, J. V. Müllers Werhe Bd. VIIL p. 211.); er hat
Esthahar, d. L die Stadt in Felsen gehauen, erbauet,

5) V. H a m m e r in der Geschichte der schönen Redekünste


Persiens findet es wahrscheinlich, dal^ schon Om ( Ho-
manes) schriftliche Religionsurkunden hinterlassen habe,
denen mehrere Zeridbücher (Sendbücher) nachgebildct
Avorden.
671
welches von ihm D a g d - S c l i e m heifst^ und dort beim
Graben der Fundamente den Wunderbecher Giam
(Oscham) aus dem Steine Turhis, angefullt mit dem
kostbarsten Tranke , zugleich W eltspiegel, Zauberspic-
gcl und GefaTs des Heils, gefunden — ( derselbe Becker^
welcher auch der Becher des Hermes, Bacchus 1 Hercu­
les, Salomonsund Alexandersheifst; vergl. Dionysus I.6s.
und daselbst die Stelle aus dem Schahnameh bei Wilken
Chrestom. Pers. pag· 199, wo Alexander oder Iskander
spricht; D i e s e r B e c h e r i st im K a m p f e u n s e r
H e i l , d e r e r s t e d e r S t e r n e i st in u n s e r e r G e ­
w a l t : cHic enim scyphus in pugna est salus nostra,
princeps siderum est in potestate nosira») ^). Dieser
Dschemschid hat tausend Jahre gelebt und siebenhundert
regiert. Unter ihm war die goldene Zeit, kein Mifs-
w achs, keine Fä’ulnifs und dergl. Er ergründete die
Eigenschaften der Gewächse, die Geheimnisse der Che­
mie , die verborgenen Schätze der Natur bis tief in das
Metall reich unter der Erde.
Nun aber bcmnchiigte sich Stolz seiner Seele. Er
wollte Gott werden. Da kam VcrΛvirrung, Auswande­
rung und das grofsc Strafgericht mit Z o h a k (Dhohah).

6) Früher habe ich schon an Josephs Becher (Genes. XLIV.


5.) erinnert. Jezt erinnert bei derselben Stelle B u r d e r
in RosenmUIlers altem und neuem iVlorj^enl. an den Be­
cher Dscbemschids (Dschami Dschemschid)· Insofern
er d ie W e l t z e i j ^ t e , hiefs er Dschami Dschehan
nania. Dieselben Schriftsteller bringen dort Mehreres
au5 alteren und neueren Autoren bei, I Bd^ p.2i1 — Zl3.
pag. dl7 f. Auch war unter Dschemschid der Gebrauch
des Weines bekannt geworden, nach einer Sage, welche
Malcolm Toni. T. p. 16. aus Mullah Ackbei'S Manuscript
mittbeilt. Die ähnlichen Legenden vom H e r m e s b e -
c h e r wurden ol»eii im Capilel von der Aegypt. Kellgion
p. 387 ff· bemeikt^ vergl. p. 373»
6ηΊ
Dieser Taxi ?) verliehret Irans Glans meine lange schrech-
liehe Nacht; denn tausend Jahre dauerte sein usurpUtes
Begiment· In ihm giebt die Persische Sage das v o ll­
ständige Bild vom Satan, als einem gewaltigen Fürsten
dieser W elt. Einige Zuge werden diese historisch durch-
gefuhrte Allegorie *), die aber erst durch die unten fol­
gende Darlegung des Persischen Dualismus gane ver­
ständlich werden hann, henntlich machen: Satan bere­
det den Zühalc, seinen leiblichen tugendhaften Y s le r
Murda? zu ermorden; auch verfuhrt er ihn zum Fleisch-
essen So entsteht Zutrauen. Jezt bittet Satan den
Zohalt um die Vergünstigung, dessen Schultern zu küs­
sen ^0). Sic wird gewährt. Aber sofort erheben sich
von den gekOfsten Schultern zwei zischende Schlangen

7) d, i. A r a b e r , wie man erklMrt. Nach einer andernSa^^e


war er au» Siameks Blute , und Schwestersohn des Dschem-
schid; vergl. Herbelot B. O. I. pai|:. 592sqq. Muradgei
d* Ohsson pa;;. llJsq q . J . v. Möllers Werke VIII. pag·
211 ff pag. 225 — 228 (T. und Malcolm History of Persia
I. p. 19 sq.
8) Damit will man h i s t o r i s c h e G r u n d l a g e n keines­
wegs in Abrede gestellt haben.
9) Eine Verletzung Braliminisclier Diaciplin; s. oben p. 569·
not. 31.
10) Küssen ist oft ein Zeichen der H u l d i g u n g ; Burder in
Rosenmmiers a. und n. Morgenl. III. 4<|6. p. 85, zu f. B.
Samue l. X. l. Derselbe vergleicht Psalm II. 12. und die
Fortdauer dieser Sitte bei den Arabern beweist der Her­
ausgeber aus Nifcbuhr Reisebeschr. I. 4t4. Hier würde
es in die allegori»che Reihe passen, daGi Satan huldigt,
aber nun auch wieder schreckt, und daduich neue Untha-
ten erzielt.
11) Obgleich das eigentlich H i s t o r i s c h e auG$er meinem
Kreise liegt, und daher die historischen Parallelen, die
man mit diesen Dynastien bei Ferdiisi versucht h at, von
mir Oliergangen werden , so will icti doch hier eine Ver-
673
Man tnufstc jest jeden Augenblictf des Prinzen Tod von
ihnen furchten· Da erscheint Saran wieder, aber unter
der Gestalt eines Arztes, und giebtals einziges Rettungs-
mittel an, die Schlangen mitMenschenllcisch zu futtern.
So ward, fahrt die Sage klagend fo rt, Persien schreck­
lich entvölkert durch Satans List
Die Wiederherstellung Irans erfolgt unter Feridun,
einem Fürsten aus Dechentschids Geschlecht. Als die
Noth aufs höchste gestiegen und Miithlosigkeit allgemein
verbreitet ist, steckt der Schmied Gao, durch einen
Vorfall entrüstet, sein Schurzrcll als Yereinigungseei-
chen auf. Es versammeln sich Viele. Feridun, der ge­
rechte Held, an ihrer Spitze siegt in einer Feldschlacht·
Zohak fallt lebendig in seine Hände, und wird in einer
Hohle des Berges Damavend gefangen geselzt· Das ge­
schah in der Nachtgleiche. Seitdem feiern die Perser
diese Periode ^^)· Das Schurzfell des kühnen Schmieds
wird von Feridun zum Heichspanier geweihet, genannt
Dirfesch Gaviani, das jeder nacliiolgendc König mit neuen
Edelsteinen schmückte

muthun;; h^jrQhrrn, wonnch dieser Zohak auch den


G r i e c h e n bekannt geworden wäre. GriechischeSebrift-
stelier iiäintich (Africanus heim Syncellus pag. SO. vergl.
Euseb. P. E. IX. 4u.) nennen in der Babyliinisclien Ro-
genteiireihe sechs Arabische Könige, von denen der ei*Sfe
Mardocenies genannt wird· Man vermuthet Mardocein-
pad, von M a r , die S c h l a n g e , und D o c , z w e i ,
und will darin den Zohak mit den zwei Schlangen sehen,
der demnach die Personification einer ganzen Dynastie
Arabischer Usurpatoren wäre (J. v· Müller a» a. O·).
i2) Malcolm 1· p. 19. nach Ferdusi·
13} Mihirgian. Es kann erst durch den Verfolg deutlich wer­
den , dahi diese Sage mit dem religiösen Dogma vom Ue-
bergange der Finsternirs ins Licht zusammenliängt·
14} Hcrbelot II. p· 616 . Muradg· d’ Ohss« p· l44· aus Ferdusi.
674
Aber neue UnglucTisperioden folgen^ Zeiten des
Kampfes und fremder HerrscTiaft; und in den Erinne­
rungen daran treten nun die herrschenden Gegensätze
Yon I r a n i e r n und T u ra n i e r n hervor. Davon wei­
ter unten.
Es folgt die dritte Dynastie der K a j a n i d e n ^ die
man, wenn unter den Pischdad lern Assyrische, Ba byloni-
sehe und Medische Begcnter verstanden werden, als die
ersten eigentlichen Persischen Könige, etwa als d ie A c h ä-
me n i d e n der Griechen, bezeichnen kann, und welche
die S t a r k e n (wie unsere Rheken) heifsen | oder die
Mä nne r des B o g e n s (man sehe Muradgea d'Ohs-

IJ) Unter ihnen soll, wie die Sage rühm t, die Kunst der Bo­
gen und des Bogenspannens aufs Nöchste gebracht wor­
den seyn , daher K e in a n , K a i a n i noch heut an Tage
ein s t a r k e r B o g e n heifst, s. 1leibelot B. O. p. 24i«
vergl. p. 200.; und wie derselbe nngiebt, war bei den \4o-
golen der B o g e n ein Z e i c h e n des K ö n i g s oder
H e r r s c h e r s , wie der P f e i l das Zeichen eines Be­
fehlshabers oder Gouverneurs CVicckönigs). Und da Ts
das Symbol des Bogens bei den alten Perserkönigen die­
selbe Bedeutung gehabt, beweisen aiifser andern Z eu g ­
nissen die Abbildungen auf den Denkmalen von P erse­
polis, wo der König eben durch den Bogen, den e r in
der Hand fuhrt, und w elcher, wie Heeren (Ideen I. 1. p,
251 d er dritten Ausg.) bem erkt, bei ihnen das Symbol der
T a p f e r k e i t und G e s c h i c k l i c h k e i t , sowohl im
Kriege als im Frieden und in der Jagd , w ar, kenntlich
ist. Darum fuhrt er auch einen B o g e n v o n g r o f s e r
D i c k e u n d S t ä r k e , als Beweis seiner Kraft. So
schickten, nach Ctesius Erzählung (in den Excerpt· P e r-
sic. cap. 17.) , Darius und die Scythen , welche je n e r be­
kriegte , sich gegenseitig Bogen z u , und erslerer zog sich
zurück , als er den Bogen der Scythen stärker fand. Man
vergleiche auch Herodot. UL 21. 22, wo der A ethiopi-
sche König dem Cambyses als Gegengeschenk einen B o ­
g e n zuschickt, mit der Erklärung, wenn die P erser einen
Bogen von solcher GrÖfse leicht spannen könnten , dann
675

son p. 189· Hcrbelot B. O. T. 1. p. 462 sqq. J. v. Mül­


lers WerUe Bd. VIII. p. 227 ff.). In dieser Periode tritt
nieder ein Liclitregent auf\ von dem die Sage viel 211
erzählen weiPs, eingroPser und i%eiserFUrst, Gu s t a s p ,
mit dem Beinamen H i r b u d , d. i. F e u e r a n b e t e r ,
den Foucher und Müller (a· a. O.) für den C y a x a r e s
de n E r s t e n v o n M e d i e n halten, Muradgea d' Ohs-
son aber für den D a r i u s Hy s t as p is der Griechen
Unter ihm kam das d r i t t e G e s e t z . Z e r e d o s c h t r e
erschien und brachte den Feuerdienst (s. Zendavesta IL
p· 142.)· Von diesem Honig und vom Propheten mögen
hierbei noch einige charahteristische Züge, M'ie die He­
roensage sie giebt, nachPolgen: G u s t a s p , Sohn des
Lahorasp, behommt vom Feuerdienste den Beinamen
Hirbud. Er schlug seinen Sitz zu Isthahar in Farsistan
a u f, und licPs seinen alten Vater in Balh wohnen, wo
dieser den Best seiner Tage ganz der Andacht widmete.
Gustasp Λvar ein grofser und weiser Fürst, und uner­
schöpflich ist das Epos in den Erinnerungen an ihn.
Aber A r g i a s b (Sohn des Afrasiab) kam, überschwemm­
te Khorasan mit seinen Schaaren, und liePs in Balk alle

sollte er gej^en die Aethiopler zu Felde ziehen. Auch


P f e i l e werden unter den Geschenken der Scythen an
Daiius bei IleroHot. IV. 131. 132. erwähnt, als welche
den Persern Stoff zu verschiedenen Deutungen gaben.
Endlich sehen wir noch auf den Münzen von Tarsus den
Sardanapal, der den Bogen führt. Davon im Verfolg. —
An S o n n e und S o n n e n s t r a h l e n mufs aber bei allen
jenen Attributen als ersten Anlafs gedacht werden*
16 ) Vergl» auch Heeren Ideen I. 1 . pag. 459 der dritten Aiisg.
Auch Malcolm Hist, of Pers. V0 I. I. p. 191. not. will iin
Gustasp den Darius Hystaspis sehen. Doch scheine seine
Regierung die beiden Regierungen von Darius Hystaspis
und Xerxes in sich zu fassen ; I. p· 214. Auch ZoCga
in den Abhandll. p. 114. setzt einen seiner beiden Zoroa-
ster in diese Periode«
676

Einwofiner niedermachen. Gususp selbst muPste in die


Gebirge von Parthien fluchtenf bis endlich sein S o h n ,
der starlie A s f e n d i a r (Iffcndiar), den Argiasb dem u -
thigt und erlegt Die letzte bedeutendste Person d er
alten Heldensage vor Ishander (Eshander Rumi — A le x ­
ander) ist R U S ta n (Rostam, Roostum)« der im Kpos
der Perser ganz denselben Charabter behauptet, v^ie in
dem der Indier Rama, und wie Hercules bei den G r ie ­
chen So erstaunenswurdig seine Thatcn sind, so
riesenhaft sind die Ueberbleibsel seines Ruhmes, und
zahlreiche Ueberreste alter Baukunst legen ihn^ die Mor^
genländer bei
V o m P ro p h e te n Z o ro a ste r, durch dessen Erschei­
nung Gustasp Regierung noch mehr verherrlicht ward,
wäre nicht weniger zu erzählen, wenn man alle Sagen
von ihm zusammenstellen wollte. Hier nur einige W orte
darüber: Gleich seine Geburt mafste auf ihn die Auf-
merbsamheit lenken. Niichher besucht er den Himmel,
und empfängt dort das heilige Feuer und das W ort des
Lebens. Darauf fahrt er selbst zur Holle nieder. End­
lich, nachdem er seine Bestimmung erfüllt, zieht er
sich auf das Gebirge Elburz zurück, und widmet sich
daselbst ganz der Betrachtung und Andacht ^).

17) Auszüge aus Ferdusi bei Herbelot B. O. II. pag. 462 sqq.
Muradgea d* Ohsson p. 38ü ff. vergl. auch J . v· Müllers
W erke V lll. p. 227.
18) V e rg l. P a y n e K n ig h t I n q . o n Symbol, la n g . $. 131. p. 102.

19) Seine heroische Geschichte nach den Sagen siehe jezt bei
Malcolm I. p. 18 —67. vergl. p. 2t4. 219 . Wenn der­
selbe Gelehrte (p. 236. 463.) ihn mit dem Artftbanus bei
Griechischen Schriftstellern vergleicht, so ist dies eine
F u ^ der M einung, dafs Gustasp Darius Hystaspis sey·
Diese Fragen liegen aufser unserm Kreise·
20) S· die Auszüge bei Malcolm I. ρ·38· besonders p· 192f.
«7 7

Τη der ältesten Zeit waren die Menschen rein und


unschuldig, bewufstlos das Gesetz erfüllend; so in der
Periode der Pischdadier, wo es keiner schriftlichen Ge­
setzgebung bedurfte, und gluckseelig in der Fülle der
Zeiten über Iran der grofse Dschemschid herrschte.
Unter ihm erweckte Ormuzd den grofsen Propheten
H om oder Ho man es (*Ωμάνη^), Dies war der grofte
Baum des Erkenntnisses ( H o m ) , der Lebensbaum, als
Quell alles Segens und Gedeihens (s. Anhang zum Zend-
avesta Bd. II. Th. i. p. 90* 9(1. 83 . 88. und was wir weiter
unten bemerken werden). Er ist, was der Hermes Aegyp­
tens , der Buddha der Indier ist; er offenbart zuerst das
W o r t, er bringt zuerst Gesetze, er ist der Stifter des
M a g i s m u s , und seitdem hatte man Schriftgclehrte und
Propheten, die Bewahrer und Verwalter des von Hom
geofien barten Gesetzes, die M a g i e r , welche Herodotus
(I. 101.), der älteste Erzähler, als einen eigenen Stamm
der Medischen Nation auITtihrt, so wie die Leviten bei
den Israeliten und die Chaldäer bei den Assyriern

21) S. Clemens Alexandr. Slromat. f. pag. 305. A. Jedoch


werden htlufig, und zwar schon fr(IF\e , C h a l d ä e r und
M a g i e r mit einander verwechselt, und beide Cla&scn
unter der gemeinschafiliehen Benennung der M a g i e r
begrifien; s.T ib. Hemsterhuis ad Lucian. Necyom. T· TH·
p.339 Bip. und Heeren Ideen 1. 2. p. 176 d. dritten Ausg.
Spricht ja sogar Pausanias in den Messeniacis (IV) cap. 32.
p. 36o Kulm, von I n d i s c h e n M a g i e r n , denen er die
Lehre von der Seelen Unsterblichkeit zuschreibt· Auch
heiPst M ag oder M o g (woher die μ ά γ ο ί der Griechen
und die m a g i der Röm er) im Pehlvi überhaupt P r i e ­
s t e r ; 5. Anhang zum Zendavesta, zweiten Bandes drit­
ter Theil pag. 17. nebst Muradgea dOhsson*s Gesch. der
ältesten Pers. Monarch, p. 60. Uebrigens vergleiche man
über die Magier überhaupt noch die Nachweisungen hei
Beck Anleit· zur Kenntnifs der Weltgesch. I. 1. p. 6t6.
und Heeren Ideen I. 1. p. 479.
678
Sie ^aren eingetheilt in drei Classen nach ihrem Hange
und ihren Kenntnissen; die erste umfaPste die H e r be d s
oder L e h r l i n g e , die eweite die Mo bed s oder M e i ­
st er^ die dritte d i e D e s t u r - M o b e d s , die A l t m e i ­
s t e r oder die v o l l e n d e t e n Me i s t e r . Sie bildeten
eine Priestercaste^ die den ersten Stand des Belches ans­
machte ^ die einzige Inhaberin aller Kenntnisse und W is­
senschaften war^ und deren Einilufs sich nicht blas in
den Privatverhältnissen aller Unterlhanen zeigte, beson­
ders in so fern sie hier als W eissager, Zeiehendeuter
und Traumdeuter hervortraten, sondern auch bei allen
politischen und öffentlichen Unternehmungen mehr oder
v/eniger bedeutend war. Die Magier erzogen den König,
sie umgaben stets seinen H of, sie waren die höniglichen
Richter, sie saPscn im böniglichcn Rathe ^ und übten so
zuweilen den entschiedensten Einflufs auf die Regierung
aus, wiewohl sie die Regierung selbst keineswegs in Hän­
den hatten^ wie dies in Aegypten, bei der dort herr­
schenden Hierarchie, ge wisse rmaPsen der Fall war, son­
dern ihr Antheil nur Ratb gebend blieb. Aber der
Monarch in Persien, freier von der Priesterberrschaft,
war jedoeb in Ausübung will hührliclier und despotischer
Handlungen eben von Seiten der Magier durch die Macht
des Gesetzes und der Religion oft gehemmt und gehin­
dert. Sodann hallen sie aiisschlief»Ucli die ganze Besor­
gung des Gottesdientes, und schränkten vermuthlich,
wie dies aufser dem Judenthum im ganzen Orient ge­
bräuchlich war, die höhere Rcligionserhenntnifs auf den
Hof und die herrschenden Stämme ein, während vom Ri­
tual Vieles dem ganzen Volke mitgetheilt ward. Sie hat­
ten die Auslegung der heiligen Religionsbücher; sie beob­
achteten den Lauf der Sterne, lasen in ihnen die Zukunft,
und bestimmten hiernach das Schicksal eines Jeden gleich
nach seiner Geburt. Ein solcher Magier trat zur Zeit
C/axares des Ersten oder des Gustasp a u f, der Prophet
θ?9
Z o r o a s t e r , dasgeschrielieneGesetz bringend,ΜτβΙοΤίΘτπ
nun Alles das beigelegt iwird, ^as jene Pr teste rschaf't
seit Jahrtausenden gedacht hatte, so dafs dieser Name
die ganze Periode der Entwichelung der Persischen oder
Magbchen Beligion durch eine Friesterschaf^ im Laufe
von Jahrhunderten b.*zeichnet (vergl. p. 669.)·
Diese Religion der Magier, welche an die Sfelleder
a lte n , einfachen Naturreligion der Perser getreten ist,
oder sie vielmehr veredelt hat^^, und über deren Lehre

22) Ueber die V e r e i n i j f u n g d e r a l t e n P e r s e r r e l i ­


gi o n mit diesem g e b i l d e t e r e n M a g t s n i u s haben
wir ein merkwürdiges ZeiigniPs bei Xenoph. Cyrop. VIII.
i. 23, wo von Cyrus erzählt wird , daPs unter ihm zuerst
die Magier eingeführt worden seyen, und Cyrus von nun
an den Göttern nach der Weise geopfert und gedient habe,
welche ihm von den Magiern angegeben worden, unddaPs
dieses Beispiel hierauf die übrigen Perser naebgeahmt
hatten. £ s kann aber diese Stelle als historisches Z eug-
nifs gelten wegen des Zusatzes <§. 24.), dafs diese damals
getroffene Einrichtung und dieses Gesetz noch bis Jezt bei
dem jedesmaligen Könige gelte. — Jedoch scheint bei
dieser Annahme derM edischen oder Magischen Religion
von Seilen der Perser daneben noch die V e r e h r u n g
d e r v S t e r l i c h e n G ö t t e r ( 5§οί ιτΛΤζ.Λβ#) beibehalten
worden zu scyn , wie dies die von Brissonius de reg. prin-
cip. Pers* p. 347. angeführten Stellen beweisen; und nur
der herrschende Stamm, die Pasargaden, nicht die ge-
sammte Persem ation, nahmen vermuthlich die neue Re­
ligion an. Vergl. auch Anhang zum Zendavesta Bd. ΙΓ.
T h. 3. p. 34, nr. 7t. — ZoSga in seinen AbhandII. ver­
breitet sich besonders auch über das VerhühniPs des älte­
ren Persischen Diensifs zum eigentlichen Magismiis·
Eine genaue Erörterung darüber m ufsich meinen Hero*
doteischen Abhandlungen zur Hauptstelle ( Herodot. L
131.) Vorbehalten. Hier beschränke ich mich auf einige
Aeufserungen, worin sich die Vorstellungsart des genann­
ten Gelehrten kund giebt: älteste Cultus der Perser
(sagt er p. ^ f.> war unbezweifelt, wie unter dem gröf^ten
€8o
wir wenige Nachrichten beiGriechen und Homern finden,
ist uns nun in jenen heiligen Religionsurhunden, den
Z c n d b u c h e r n , siemlich vollständig mitgetheilt.
W as nun noch die sogenannten M a g i s c h e n O r a ­
k e l d e s Z o r o a s t e r betrifft, die wir in Griechischer
Sp.^ache übrig haben (am bestem in folgender Aus­
gabe: S i b y l l i n a O r a c u l a ; a c c e d u n t O r a c u l a
M a g i c a Z o r o a s t r i s ete* ed« G a l l a e u s , Ainstelod.
1689· 4« vergh mit T i e d emann : Q u a e s t i o , quae
f u e r i t a r t i u m m a g i c a r u m o r i g o , Marburg· 1787.
4·)* wohl früherhin, vor Entdeckung der
Zendbücher, mit Recht ein Mifstrauen gegen ihre Aecht-
heit gehegt haben, und darum auch bewogen worden
seyn, sie für ein Neuplatoniscbes Machwerk aussugeben*
Allein man mulk hierbei wohl die auPserc Form von dem
Wesen und vom Gedanken unterscheiden« Woraus dann

Theile der V ölker, um nicht zu sagen unter allen, der


Amuletismus oder Fetischismus, den icli mit angemesse­
nerem Ausdruck Adiakritolatrie nennen wQrde , verbun­
den , wie sic zu seyn pflegt, mit der Nekrodulie."* D a r­
auferinnert er an die Heiligkeit des Hundes und einiger
andern T h ie re , wie auch an die künstlichen Talismane in
der Religion der heutigen Parsen. Dazu fOgt er im V er­
folg noch die Hcstiolatrie oder die Verehrung des häus­
lichen und dann auch des städtischen Feuerheerdes, wor­
aus nachher erst der Feuerdienst entstanden sey. In Be­
treff des Tod tendienstes bringt Malcolm (Tom . 1. p.15^q.)
Persische und Tatarische Sagen b ei, wonach dieser aus
einer groHsen Pest seinen Ursprung genom m en, und hin­
wieder zur Idololatrie überhaupt Anlafs gegeben haben
soll. — Soll ich meine Meinung sagen , so wird d er L e­
ser schon aus dem Obigen vermuthen, daf^ich den X o d -
tendienst nicht für die alleinige Ursache der Idololatrie
halten kann, so weit verbreitet er auch allerdings er­
scheint. — Ueberhaupt schadet, um von Malcolm nicht
au sp rechen , dem würdigen Z o t^ a allenthalben je n e s ato-
681
fo lgt 5 daTs, wenn auch erstere neuer seyn sollte, doch
d er in diese Form eingel;leidete Inhalt uralt seyn hann^
Utid wir hieraus jezty durch Vergleichung der Zendbücher,
sehen hurnien, wie sich dieselben Gedanken fortgeerbt ha­
ben , und so freilich in veränderter Gestalt vor uns treten-
Auch waren die Perrer reich an g n o m i s c h e r
W e i s h e i t « Sie hatten so gut wie die Indier ihren A p o -
lo g und, dafs wir so sprechen, ihre H i t o p a d e s a ;
ja beide sind wahrscheinlich aus einer gemeinschaftlichen
Quelle geflossen, worüber schon oben im CapiteI von
den Indischen Religionen (p. 5 6 i.) Einiges bemerkt ist.
Einen Meister in dieser Gattung nennen zwar fast alle
roorgenländischenSchriftsteller, einen H a b a s c h 1, d.h.
Abessynier. W eil er jedoch in den Poesien der Perser
besonders auch gepriesen wird , so will ich kürzlich
seiner in dieser literarischen Shitze gedenken» £s ist

mistische Verftihrcn, welches, der Einheit einer tieferen


Anschauung ermangelnd, überall die Religionen des ΛΙ-
tenhuins aus einzelnen getrennten und , so au sagen, leb­
losen l'lieilen zusammensetzen will. Diese Ansicht zeigt
sich besonders in folgender ^telle ( ebcndaselbt p. 106.}:
„D ie Magier — ergaben ^ κ h , nach einem fehlgeschla-
geuen V eisuche, sich des Thrones zu bemächtigen, der
sie in der d.Teniliohen Meinung herabsetzen muHtie, ohne
sie jedoch des mit ihrem J^ienste verknüpften Ansehens
zu berauben, u m , was sie an Credit verloren haben
mochten , wieder zu gewinnen, dem speculativen Leben,
und bem üht, die Natur der Gottheit und den Ursprung
der Dinge zu erforschen, fanden sie eine lange Kelle
von Gdttem und Dämonen auf, u n d e n d i g t e n m i t
d e r A u f s te llu n g von dem berüchti gte n 5y·
St e r n d e s D u a l i s m u s . * * Eben als wenn die Idee
von Liebe und Hafs nicht in allen Religionen an der Spitze
stände. Man denke nur an die Theogonic des Hesiodus.
Und dachte denn der gelehrte Verfasser gar nicht an die
Versuchungsgeschichtc in der G e n e s i s ?
«82

der 'weise L o c n i a n , dessen Gnomen in Arabischer


Sprache noch vorhanden sind , und am besten zu Am ­
sterdam 1676. in 4» mit einer Lateinischen Vebersetzung
und Anmerkungen herausgekomrnen sind (vergl, über
ihn llerbelot Bibliotlieque orientale YoL IL p. 485 . ed.
delaHaye 1777· 4 0 * Sehr viel wissen die Morgenländer
von L o e m a n zu erzählen. £r soll zur Zeit Davids ge­
boren seyn^ bis zur Zeit des Propheten Jonas gelebt,
und also gegen das Jahr der W elt 2928 gebluhot haben»
Mit dem erste ren setzt ihn eine morgen ländische Sage in
Verbindung, und giebt ihm llamah bei Jerusalenn zum
Aufenthaltsort und zur Grabesstätte. Auch die Perser
reden von ihm und kennen ihn als einen s c h w a r z e n
S k l a v e n von h o h e r W e i s h e i t , dessen Loos jedoch
das eines Knechts blieb, ja sie nennen ihn sogar einen
Aethiopier; kurz, sie reden ganz so von ihm, wie die
Griechen vom A e s o p u s , der jedoch, nach eben den­
selben, Zeitgenosse des Solon, Krösus und Cyrus war,
und also zwischen die Jahre 335 o — 3390 lallt. Und of­
fenbar haben die Griechen viele alt-morgenländische
Spruchw'eis heit ihrem Aesopus beigelcgt, wie hinwieder
die Morgenländer manches Griechische (Aesopische) ih­
rem Loeman beilegen Auch der Name Aesopus deu­
tet darauf hin, in so fern nämlich Αια«ηος gebildet ist
von atSco und d e r m it dem g e b r a n n t e n G e ­
s i c h t , der A e t h i o p i e r , oder auch von αίσα und
der S e h e r de s S c b i c k s a l s y der seinen Blick vor*
und rückwärts, in Vergangenheit und Zukunft, hinwen-
det» und eines Jeden Schicksal (αίσα) sieht. Man sehe
nur die Hauptstelle des Herodotus IL i 34 · £& wird dem-
na#i nichts Anderes hier gegeben seyn, als eine neue

S3) So kommt auch im Koran ein L o e m a n a1 H a k i m


v o r , von dem Mahommed Gott sagen lafst: w ir h a b e n
dem Loeman W e is h e it verliehen·
683
Fersonificalioii jener uralten Naturweisheit^ welche sich
in Indien als Wischnu - Sarma durch die Hitopado-
sa, anderwärts und auch bei den späteren Persern als
Loeman^ in Lydien und Griechenland alsAesopns, Itund
ihat; wenn wir gleich dr.mit heinesweges die wahrhafte
Existenz mehrerer Gnomiker des Morgenlandes läugnen
wollen.
So hunnen wir auch nicht sweiTeln« dafs das alte
Persien seine E p i k e r und H i s t o r i h e r hatte, wie an­
dere Völker der Vorzeit. Darauf deuten auch die W orte
bei Xenophon Cyrop· 1. 2. i : ffvvai de ό Xi y z ·
>eas 9tal α ^ ι τ α * ί τ ί και vw ώίΐΐρ τώρ βΐ^ος
μ^ν χάλλιστος u. s. w. «Es haben die Barbaren noch
heut zu Tage S a g e n und L i e d e r von Cyrus» u. s. w·
So hatte der König an seinem Hofe S c h r e i b e r , ypeo|i·
/ιατβις (Historiographen), ohne Zweifel aus den Magiern,
welche seine Persen immer umgaben, nie von seiner
Seite wichen, und alle seine Verordnungen, Thaten,
Spruche und dergl· aufzeichneten, und in so fern mehr
eine R e g e n t e n - und H o f g e s c h i c h t e , als eigent­
liche R e i c h s - und L a n d e s g e s c h i c h t e , lieferten.
D iese wurde alsdann in den Reichsarchtven niedergclegt
und Wühl bewahrt W ir haben dafür einen wichtigen
D e leg bei Diodor. Sic. 11. 3 a. am Ende, w*o er den Um­
stand auszciclinet, dafs Ctesias bei Abfassung seiner P er­
sischen Geschichte eben diese Reichsurhunden (βασζλίχαΙ
nennt er sic; s. die Ausleger zu dieser Stelle),
w o rin die Perser die Thaten der Vorzeit nach einer ge-

2 ^) IVJan sehe oben über Pilpai (Bi<1pai^ wie v. Hammer in


d e r Gesell, der Redekünste Persiens sclireiht, wo e rb e ­
m erk t, dafs unter Cosru Nushirvan die Fabeln Bilpafs
n ebst dem Sciiachspiele durch den Arzt Barsuje aus In ­
dien nach Persien gebracht worden) s. p. 56t.
25) S· Brissoiiiiis de reg. princip. Pers. p. 2<j4 — 305.
I. 43
68i
wiesen Sitte niedergeschricben lilttcn (iy <Λς οίΤϋρσΰ»
itdoq ^ταλαιάς χατά Tsra νόμον ci^oy στνηχαγ*
sorgfältig bcnutnt habe« Und wtritlich tragen
Auch die Ueberreste der Persischen Geschichte des Cte­
sias diesen von uns oben angegebenen Charakter, indem
sie uns mehr Kunde gehen von Allem dem, was am Hofe
des Honigs, im Inneren des Serails, vorgeht, und was
damit politisch in Verbindung steht, Verschnorungen
der Satrapen und dergl« mehr, als eigentliche l^andesge*
schichte in dem Sinne, wie wir dieses 'Woi> zu nehmen
gewohnt sind.
Endlich müssen wir noch mit Einigem des grofsen
Epos der P erser, des S c h a h n a m e h , gedenhen. Unter
der Regierung des Mahmud Ben Sebehteghin, Stifters
der Gasneviden-Dynastie, etwa loso nach Christi Ge­
burt, trat in Persien ein grofser Singer auf, F e r d i t s i ,
aus Thus im Lande Hhorasan, sw'ar von armen, ntedri·
gen Eltern geboren , allein mit wundersamen Geistesga­
ben ausgerüstet. Er harn an den Hof des Mahmud , und
erhielt von ihm den AuArag, die Geschichte und Thaten
seiner V^orfahren, von der Stiftung der Monarchie an
bis auf seine Z e it, in einem grofsen Natio nalgedic hie su
sammeln. Und dies vollendete er meisterhaft in einem
grofsen Epos von sechzigtausend Strophen, S c h a h n a ­
m e h , das H u c h d e r K ö n i g e , uberschrieben, wo­
durch er sich unsterblichen Ruhm erwarb, so dafs noch
jezt sein Name im ganzen Orient hochgefeiert ist. Der
Orient erhennt ihm einstimmig den Preis in dieser Dich-
tungsartzu, und die Europäer nennen ihn den H o m e r
de s O r i e n t s . Dieses Gedicht, wiewohl in späteren
Seiten abgefafst, ist für die Kenntnifs Persiens von
grofser, auch historischer Wichtigheit, indem cs gewils
einestheils aus uralten, von Griechen und Bümern un­
beachtet gebliebenen Traditionen, and erntheil s aus hand­
schriftlichen alten Urkunden geschupft ist« S« darüber
C85
Herbelot B. O. Tom. II. p. 87. und T. III. p. 280. Aus
diesem W erke bat den historischen Stoff ausgesondert
M ur a d g e a d* Ohsson in der von uns schon oben ange­
führten Schrift: Geschichte der ältesten Persischen Mon­
archie. Vom Schahnameh selbst ^ der in mehreren Bi­
bliotheken von Europa in vollständigen Abschriften sich
findet) und wovon Mehrere, liesonclers Deutsche und
Engländer, cineelne Proben in UebersetKungen mitge-
theilt haben , dürfen wir jezt herffen , durch die Be­
mühungen von G u r r es und Wa h l eine tiefere Er-
kenntnifs zu gCAvinnen.

5. 3.
Medische und Persische A rc h ite k tu r­
monumente.
Schon seit geraumer Zeit haben die verschiedenen
Beisenden) Franzosen, Deutsche und Engländer, mit
einem edlen Wetteifer sich bemüht, uns diese Monu­
mente zu beschreiben und in getreuen Abbildungen mit-
Eutheilen. Einea schätzenswei’then Auszug hiervon ha­
ben wir in der neulich erschienenen musterhaften Preis­
schrift von C. Fr. Chr. H o c c k t V c t e r i s M e d t a e et
P e r s i a e M o n u m e n t a , Goitingae 1818. erhalten. Die
Literatur über alle Persische Monumente giebt B e c h in
seinem G r u n d r i fs d e r A r c h ä o l o g i e p. 3 i. und vorn
in den Zusätzen p. XIV ; womit jezt noch zu verbinden

S6 ) So r^ch neulich der Enel^nder A t k i n s o n , s. Wiener


Litt. Zeit. 1 8 1 6 . nr.5. woselbst p. 65 und 8 6 . der Recen­
sent die andern Gdehrien anfühit, welche bis jezt ein­
zelne Stücke des Schahnameh geliefert haben. Von der
W a h l i s e h e n Ucbeisetzung sind in v. H a m m e r s
Fundgruben des Orients, im fünften Bande, Proben ge­
geben·
686

ist, was neuerlich O i i s c l e y und M o r i e r davon mitge-


1 heilt haben, s. J o u r n a l de s S a v a n s , Parts iÖi8»
Alärs und ApriL Meue Aufklärungen haben wir von
R o b e r t H e r P o r t e r und C l a u d i u s J a m e s R i e h
zu erwarten.
Es sind aber diese Denkmale der Zeit nach sehr zu
iintei'scheidcn, indem sic zum Thcil in ganz verschie­
dene Perioden geboren, und beinesweges alle aus dem
Zeitalter der Achämeniden kerruhren. Im Gegentheil,
sehr viele gekoren in die Parthischen Zeiten, in die
HerrschaCt der Arsaciden, Sassaniden u· s· λυ.; oder
M'cnn auch erweislich Ihr Ursprung in die älteren Perio­
den zuruckfällt, so hat doch sicher eine jede dieser ver­
schiedenen Dynastien , welche über Persien geherrscht,
daran fertgebaut, so daPs olt gar nicht mehr, rder doch
mit groPser Schwierigbeit, das Aeitere und Neuere
sich von einander scheiden und mit Sicherheit be­
stimmen läPst. Unter die Denbmale von hohem Alter­
thum vor Gyros, vor 56 o vor Christi Geburt, will man
die Ueberrcste zählen, die sich von Statuen, Säulen
und andern gewaltigen Bauten und Werben der Semi­
ramis, worüber Diodorus im zweiten Buche und Andere
Nachricht geben9 erhalten haben sollen, und welche Ei­
nige bei dem Beif,e T a b - B a s t a n d. i. G a r t e n b e r g
oder B o g e n b e r g (s. Hoecb pag. iio .). Andere beim
Orte B i s s u t u n , Beide aber in der Gegend der Stadt
Hi r man s c h a b in Grofsincdien (s. Hoecb p. 107 — 147.)
suchen. Auch in A r m e n i e n sollen sich W erke, an­
geblich der Semirarais, finden (ibid. p. i6o sqq.). Fer­
ner gehören hierher die Uebcri*este bei der Stadt B a -
mi a m, wovon ich schon oben (Cap. II. §. 4. pag. 563 .)
geredet; ganz vorzüglich aber die Ueberresie von E k -
ba t ana in GroPsmedien , der Residenz der alten Modi­
schen Bonige, von Dejoces erbaut, 710 — 607 vor Cbr.
Geb. (s. Ilocck p. 144— i 55 .). Dort hatte, nach den
687
Angaben des Herodotos 1. 98. und Diodorus TT. i 3 f De-
joces eine I t uni g l i c l i e B u r g gebaut an einem Hügeln
1errassenförmig, mit sieben Mauern, wovon eine inrinier
hoher war als die andere, und die sich durch den ver­
schiedenen Anstrich von einander unterschieden — un­
streitig inii Bezug auf die sichen Planeten , die hier in
den Kreis uralter, naiver Sinnbildncrei '»^oeogen wer­
den Aufserdem wissen die Alten noch von einem
'J'erop el d e r A n a i t i s und von einem T h u r me D a ­
v i d s . Die Reste von allen diesen Werken will man in
den noch vorhandenen lieber bleibsein bei der Stadt
H a m a d a n ^ ) , welche in der Gegend des allen Ehbatana
lie g t, finden, wiewohl dieselben noch nichft ganz genau
untersucht zu scyn scheinen (s. Hoech pag. i 55 .). W ir
übergehen einige andere, wie es scheint, weniger be­
deutende Denhnialc, die von Einigen zwar in die Zeiten
v o r Cyrus verlegt werden, bei denen indefs Mehreres
dafür spricht, dafs sie aus der Sas^auiden Zeit und zum
T h cil von Rümischer Bauai't sind (s. ibid. p. 98.)· Unter
den eigentlich Persischen Monumenten aus der Achäinc-
nidenzcit in der Landschaft Persis oder Farsistan, dem

27) Man vergleiche, was bereits oben bei der Aegypt. Relig.
§. 18. p. 46y. not. 254. hierüber bemerkt wurde.
2S) 11 am ad an ist nach J . M o r i e r (A scrond Journey
irongh P e r s i a , A r m e n i a and As i a m i n o r , by
J a m e s M o r i e r , London t8l8.) höchst wabrsebein-
lich das alte E k b a t a n a. Er bringt viele Gründe dafür
b e i, und glaubt aus dem schon, was er gesehen und ge­
funden hat, dafs man grolVe Entdeckungen machen wer­
d e , wenn der Raum des Plaues^ wo wahrscheinlich der
alte Pallasider Könige gestanden , aufgegraben werde. —
S i v e s f r e de S a c y stimmt ihm bei, und sucht zu zei­
gen , dafs EUbatana in der That Ein Name mit iUmadan
-sey: Ekbatana, E k h m a d a n , K h a m a d a n — H a ­
rn a d a n ; 5. Journal des Savans , Januar 1819· p«
688

Stammlande dieser Dynastie, sind die bedeutendsten die


von P a s a r g a d a nebst dem G r a b m a l de s C y r u s » 5 6 o
vorCliT.Geb. (s.Hoecb p.62,69.); von M e s c h i d M a d e r
S u l e i i n a n , d.i. dem G r a b e d e r M u t t e r S u l e i m a n s
oder S a l o m o ’ s, bei dom Flecken M u r g b a b , woselbst
Trümmer mit einer beilformigcn Inschrii^t, auf welcher
Cyrus Name verkommt, die folglich ebenfalls in die Zeit
von 56 o vor Chr. Gob. fallen (s. ibid. p. 61.) > und be­
sonders von P e r s e p o l i s oder T s c h il mi nar» etwa
022 — 586 vor Chr. Geb. (ibid. p. 20 ·), nebst denen
von N a l i s c h i - R u s t a m oder den k ö n i g l i c h e n G r ä ­
b e r n ( ^ασιλικαί , welche etwa in die Zeit von
465 — 334 vor Christo gehören (ibid. p. 29.)·

ln BcU eiT der Ruinen von Persepolis und der Um­


gegend verweise ich meine Leser auf die ausfiibrlichen
und lichlvollen Erörterungen von H e e r e n und H o e c k ,
und beschränke mich auf kurze Darlegung der Resul­
tate , woran sich von selbst einige Bemerkungen anrei­
hen werden.

Zuvörderst scheint es durch wiederholte Untersu­


chungen zu einem hohen Grade von WahrscheiiiHchheit
gebracht zu seyn, daPs unter den dortigen Baudenkmalen
das G r a b m a l ü b e r d e r E r d e bei P a s a r g a d a das
G r a b des C y r u s ist, von dem uns die Allen, Strabo
XV, p. io 5o. Aelian.H* V. I. 59. und Arrian. Exped. Alex.
V I .29, vielfache Kunde geben (s. Grote Pend in der fünften
Beilage zu Heerens Ideen I. 1. p. 642 ff. d. dritt. Ausg.).
Eben so, ja fast mit noch mehr Gewifsheit scheint es er­
wiesen, dafs e i n s dor beiden G r a b m ä l e r bei T s c h il-
m i n a r d as Gr a b ma I de s D a r i u s H y s t a s pi s ist,
auf seinen Befehl noch bei seinen Lebzeiten gebaut und
nachher seine Ruhestätte, wie wir aus Ctesias in seiner
Pers.Gesch. cap, i 5 . der Fragmm. ersehen, mit welchem
die Beschreibung der neueren Reisenden vollkommen
6»9

überemstlmmt (s . Heeren in den Ideen 1. i· p· ff«


der dritten Ausg« und Ploech a. a« O. p* 11 ^ wo er die
Beschreibung nebst einer Abbildung nach der Tafel
I.XVIL bei Chardin gegeben hat^ und die auch wir auf
der Tafel XXXII« gleichfalls haben abbilden lassen.
Yergl. aufserdem noch besonders Hoech p. i6. 17· urd
Rhode über Aller und Werth einiger morgen ländischen
Urkunden p. i 35 ff.)· Die Behauptung des LeUteren,
wonach alle Persepolitanische Ueberbleibsel nicht vor
die Regierung des Darius Hystaspis uu setuen Mrären,
mochte9 nach allem bisher Bemerkten, wohl schurerlich
allgemeinen Beifall finden·

Fragen wir nach der B e s t i m m u n g dieser alt-


Persischen Denkmale, so war diese Gegend (nach Hee-
rens Ideen L i. p. 3 i 8 .) das alte Hoflager, der Stamm­
sitz ^ ja , umso zu sprechen, die Heimat h und die Ne­
kropole der Persischen Kdiiige seit Cyrus. Ich habe
mich überzeugt, dafs diese Betrachtungsart auf die mei­
sten grofs4»n Reichssitze der allen W elt Anwendung lei­
det. Da ich mich aber darüber neulich an einem andern
Orte ausführlich erklärt habe, so will ich, von Per­
sepolis ausgehend, jene Ansicht nur ganz kürzlich hier
andeuten, dafs wir in diesem Locale von Pasargada das
Centrum, die Residenz und den Mittelpunkt» wo nicht
der alten Assyrischen Monarchie, so doch der Monar­
chen seit Cyrus haben, einen heiligen Nationalort, von
wo der König ausging, und wohin er wieder zurüclt-
kehrte. Hier empfing er bei seiner Thronbesteigung

19} In den Commentati. Herodott. 1. cap. 2. f. 9 · p. B8 seqq.


De T h e b i s A e g y p t i a c i s i n s u l ä q u e B e a t o r u m
und S« tt· p· 105 sqq. D e Met nphi i mper i i capi t e
I s i d i s q u e non mi nus q uain Osi ri d is c o n d i ­
t ori o.
6go
die höheren Weihen hier fand die religiöse Ver­
sammlung der Magier statt; hier wurde der Ilauptschata
der Persischen Könige in Gewölhea und Grüften unter
der Erde aufbewahrt» daher auch Alexander, der sich
hieneu gewifs durch bedeutende Gründe bewogen fand,
einen Angriff auf dieselbt/n machte und sie zum Thcil
zerstörte> wiewohl man richtig bemorht hat, daf» die
Erzählung von der Zerstörung derselben bei Clitarchus
und Curtius nicht im strengsten Sinne genommen werden
darf. Man hann noch mit jenem von uns aufgestcliten
Satze die Nachricht aus Langics Collection de voyages
(Paris 1798.) , nach dem morgeiiländischen SchHftstcller
Nozahat Alkiilah, in Verbindung bringen , dafs l)sehern-
s c h i d Vollender seiner Palläslo, und der Emir Katel-
m i s c h Zerstörer derselben sey· Sonach hätten wir in
Pasargada die a l t e L i c h t s t a d t d e r Li cht h ind er
(der Parsen)· wo auch der Lichtbecher gefunden war,
und wo die Lxchtkinder sich vereinigten, das Heerlager
des Stammes, den Ort des Aufgangh und des Ausgangs,
eine heilige, geweihete Gegend, wie Jerusalem dem
Ebräer, wie Thebä und Memphis dem Aegyptier, den
Krönungsort im religiösen Sinne, wie flum im Alter­
thum ein Haupt der W elt und noch im Mittelalter für
die Deutschen Könige und Kaiser; und endlich hätten
wir hier den heiligen Bezirk, wo die Könige von ihren
Thatcn bei den Vätern ausruhen, einen VVohnplatz der
Sceligcn , einen Port der Guten oder das grofse La­
rarium der Edlen von Iran·

30) Man vergleiche besonders die Ilauptstelle bei Plutarchet


Vit. ArtäX. p. 1012. D. ed. Krancof. cap. 3. p. 2b2 Cony,
wo dies namentlich von Artaxei*x*s Mnemon erzählt wird.
31) Wie alte Sch rifule] 1er die Aegyptische Memphis nennen;
s· oben p. 410.
691
Alirserdem befinden sich in der Landschaft Persis
oder Far*istan noch mehrere Ueberreste von alten Bau-
ΛνοΓίίοη mit UciIschriften, deren Zeit jedoch nicht genau
zu bestimmen ist, Wie die in der Nähe von T s c h i l -
miiiar. (5. Hoeck pag. e s .), ferner die von Me s c h i d
Ma de r Sii I ci ma n bei der Stadl S c h i ras (ib. p. 73.),
von F a s a (ib. p. 76.) t von D a r a b g e r d (ibid. p. 77.),
Bei B i s s u t u n (vergl. oben) in Grofsmedien hat sich ein
Belief und ein Denkmal, einem Grab ähnlich, erhalten;
s. Heeck p. 140. 142, welcher jedoch bemerkt, dafssich
hier vermuihlich Monumente dreier Dynastien befinden,
von den Sassaniden, Arsaciden und Achämeniden (Kaja·
niden). Was die Achämenidischeii Denkmale betrifft,
so gehört hierher ein vom General Gardanne im Journal
dun voyagc pag. 83· bcseliHebenee Bildwerk. Es stellt
einen König vor auf seinem Throne, über ihm sein Ge­
nius oder FtTuer, hinter ihm zwei Leibwächter, vor
ihm neun Personen , welche zur Audienz bei ihm heran-
tretcii (s. Hoeck pag. 142. nebst dessen tab. VIII. b.).
lieber das merkwürdige Grabmal, das neuere Beisende,
ganz ähnlich dem Perscpolitanischen, dort gefunden
haben, vergl. ebendas, p. i43 .

Endlich finden sich noch in der Landschaft A d e r -


b i d s c h a n (in Media-Atro patena, dessen Hauptstadt
Gaza war) Reste von Gemäuern, die wir wohl jezt Cy­
clopische nennen wurden. Sie sollen nach der Tradition
der Perser von ihren Heroen ^ ), die sich hier zum of-
tern versammelt hätten, gebaut scyn. Hoeck hält sie
p. i 57« für Ueberreste eben jener alten Stadt Gaza.

S2) Die ' A f r a T c n wovon weiter unten.


69*
$. 4.
A n l ä s s e und G r u n d l e h r c n d e r Me di sc h - P e r -
sisclieii R e li gi o n .
Farsista n , das Land der Parsi, der L ich th in d er,
ist es y >i¥o jene naive Kinderreligion der Hirten su H a u se
istf die aber bald von einer h öheren, geb ild eteren
Menschheit, die aus den Medischen und Caucasischen
Holten herabstieg, veredelt und zu einem g eistig eren
Systeme erhoben wurde· Has Vaterland dieser Λ1eder
ist das Land Aderbidschan, eben das Land, wo d ie
riaphthaquellen einheimisch sind, und der Boden mit
harzigen Substanzen geschwängert ist, Harz oben a u f
den Seen schwimmt, welches sich vielfach entzündet und
oft in der Nacht in helle Flammen auf lodert, ein Schau­
spiel, dessen Eindruck bei dem reinen, strahlen hei len
Himmel jener Gegenden um so gewaltiger seyn mul^,
als der ungebildetere Mensch die physischen Ui*sachen
nicht kennt, und darin eine unmittelbare Erscheinung
der Gottheit zu sehen glaubt· Und so mochten w ir
hierin ganz besonders eine physische Wurzel jenesFeuer-
dienstes und jener Lichtreligion erkennen· Andrerseits
sind aber auch die Gebirgslocalitäten in Anschlag zu
bringen (s. Herders Yornelt p. 216 fl*· p· 285.)· Es wa­
ren Gebirgsvolker, es waren zumTheil Hirten, die jene
Hohen inne halten, von wo aus herab sie die Ebenen
mit den lodernden Naphthaquellen betrachteten· Sagt
uns ja Herodotus I. ι 3 ι· ausdrücklich; «diePei*ser pfle­
gen a u f d ie h ö c h s t e n B e r g e z u s t e i g e n , um zu
opfern, und nennen den ganzen Umkreis des Himmels
Z e u s » ^^· — Es ist die Religion eines Bergvelkes,

33) Malcolm I. pag. 191· not. bemerkt bei dieser Herodote?-


sehen Beschreibung des Persi:ichen Dienstes, sie beiiehe
sich offenbar auf eine Periode vor seiner Zeit; denn die
693
und A l b o r d j (oder vielmehr Bordj ist der Mittel­
punkt in diesem Systeme der Perser, und auch nach
Persischem Mythus der Mittelpunht, der N a b e l der
Erde (οαφαλος τη ς der Berg der B erge, der bis
sum Aeihcr hinanreicht, und über alle Lander ragt,
von dem Propheten und Gesetseslehrer kerabsteigen»
und der Menschheit das reinere Licht mittheilen·
Die Ansicht der W elt von seinen Gebirgen herab
mag dieses Bergvolk auf die einfachen Ideen von unend­
lichem Raum und unendlicher Zeit geführt, ferner auf
die Begränzung der Zeit durch Tag und Nacht, und
auf die Wahrnehmung dieses Gegensatzes 9 des Tages
als der Zeit des Lichtes und der Nacht als der Zeit
der Fiiislernifs, und somit die drei Grundprincipien iin
Keime, d. h· nur erst in natürlich-örtlicher Anschau·
ung, erzeugt haben a) von der Z e i t o h n e G r ä n z e n ,
b) vom L i c h t und vom D u n k e l , oder von T a g und
N a c h t , O r i n u z d und A h r i m a n , und zwar jenem
als G e b e r des Lichtes (T ag), diesem als B e f l e c h c r
des Lichtes (Nacht) Daraus nun enlwichellen sich
die weiteren Ideen gleichsam von selbst; von den Seg-

Zoroastrlsche Religion sey erst nach Herodots Zeit all-


gemeifi geworden· — Wir haben oben schon bemerkt,
tlaPs Malcolm den Zoroaslcr erst unter Darius Hystaspis
auiircten läPst·
31) ITrsprÜnglich ein w a h r e r B e r g im Perserlandc; siehe
Kleuker Anhang aum Zeiidavesta Bd· 11. Th· 1· nr· 67.
p.
35) Daraus ist begreiflich, wie die Griechen diese zweiHaupt-
wesen der Persischen Religion mit Zeus und Hades (Jup­
piter und Pluto) verglichen; Uiogen. Laürt. 1· 8. Zo6ga
(AbhandII· p. 112 ff·) erinnert auch an die Allgemeinheit
dieser Vorstellung unter fast allen Völkern. Wie konnte
er aber nun doch das U r s p r ü n g l i c h e und N o c h -
694
nungen der wicderlcehranden Sonne in der ganzen N a ­
tur — das Licht ist das G u t e — so Viie von den sch ä d ­
lichen Einflüssen der FinstcrniPs — das Dunkel ist d a s
B o s e . Diesen W e c h s e l zwischen Licht und F in ster-
niPs hat aber ein streitbares Jagd - und B ergvolh als
K a m p f vurgestellt (s. Herder a. a. O .) Da nun,
HO die Parsi, Lichthinder, sich vereinigen, in Farsistan,
HO die Sonne in ihren segtiungsvollen Wirkungen sich
offenbart, da ist das Lichtland, das Land des OrmuEd»
I r a n , lieber die Berge hinaus ist sinar auch ein Land»
aber nicht ein Land des Lichtes und des Friedens, son­
dern der PinstermTs und Bosheit, das Land des Ahriman,
T u r a n , ein Sieppenland , bewohnt von den T u r a -
n i e r n , Nomaden Völkern und bestiimligen Feinden der
Lichtkiiider oder Iranier, v/elche einst unter Afrasiab,
wahrend der Regierung des Guslasp, über das glückliche
Iran von Norden her eingebrochen, den guten und wei­
sen Gustasp zur Flucht in die Gebirge genüthigt, und
seine treuen Uaterthanen zum 'l'hcil gemordet, zum
Theil in strenger, drüchender Knechtschaft und Skla­
verei viele Jahre hindurch gehalten halten, bis sich end­
lich die Lichthinder unter Asfendiar, dem Sohne des
Gustasp, wieder ermannt, sich gesammelt, und der
Herrschaft der Büsen ein Ende gemacht hatten ^).

w e n d i g e der Lehre vom S t r e i t und Z w i e s p a l t


verkennen ?
36) Es wird sieb im Verfolg in allen Griechischen Grand-
mythen, zunächst aber gleich in der Idee vom Mnhras,
derselbe Gedanke darstellen· Hier bleiben wir zuvörderst
bei Medisch-Persischen Ocrüichkeiten stehen.
37} Die Sage lautet kürzlich so: Feridun , einer der alten
GrotVkönige, theilt sein Reich unter seine drei Söhne:
Selm erhalt das Gebiet des heutigen Türkenlandes; lUr
die Ί atarei und einen Theil von China; Erii aber Per-
6ö5
Die Grundidee demnach, die wir hier festzuhalten
haben, ist die eines D u a l i s m u s von L i c h t und F i n ­
s t e r n i f s und eines K a m p f e s zwischen beiden, der
sich mit der Niederlage der FinsferniPs endigen Mird·
Diese zwei obersten Principlen sind nun als zwei Wesen
gedacht, O r m u z d , das reinsle Licht und das gute W e­
se n , A h r i m a n , die Finsternifs und das Buse, zwar ur.
spvünglich auch gut. allein alsobaid mit Neid erfiilir,
und daraus seine Yerdunhelung und Anfeindung des
Ormuzd.
Das Ewige nämlich ist seinem W’esen nach W o r t ^ ) ;
vom Throne des Guten ist gegeben das W o r t , H o n o ­
v e r (s . Izeschne, Ha. XIX. in Kleuhers Zendav. Th. I.
pag. 107.), das vortreffliche, reine, heilige, schnellwir-

sien· — Vom zweiten entspringt der Name T u r a n ,


welcher alle Länder begreift, die zwischen dem Jaxartes
und Oxus einerseits und dem Caspisclien Meere und
China*s Gränzeri andrerseits liegen. I r a n sollte von
E r i i seinen Namen haben. Abf^r Moiillah Rroze leliue
diesen vielmehr so ab: er sey der Plural von E i r , und
bezeichne d a s L a n d d e r G l ä u b i g e n . — Malcolm
(Hist, of Pers. T. p. 21.) bemerkt aber meines Bedünkens
richtig: Erii könne selbst vom G l a u b e n seinen Namen
liitbon , lind fügt noch bei, man könne auch an das
Ebräische A ro n , g e bi rg i g, denken ; welches die na­
türliche ibschaffetiheit von Persien trefftnd bezeichnen
würde. Ich lasse dies Letztere dahin gestellt seyii, kann
aber nicht umhin , die auch hier hervortretende D r e i ­
h e it v o n S t a m m v ä t e r n bcmerklich zu machen·
Die Noachiden kennt ein Jeder. Aber auch so bei den
Scythen nach der Sage bei Herodotus (IV. 5.) — so bei
den Deutschen (Tacit. Girm. 3.) — so in Griechischen
Gesclilechtsregistern. Aus letzteren habe ich ein neues
Beispiel in den Homerischen Briefen an Hermann (p.Zl90
gegeben.
3B) S. Zendavesta von Kleuker T h . 1. p. 3·
6c6
hendc, das da w ar, ehe der Himmel war und irgend ein
GeschaflTenes· Aus diesem und durch dieses W ort ist
das U r l i c h t , das U r w a s s e r und U r f e u e r (d. h. ein
unhdrperliches, intellectuelles, gleichsam eine Art von
Präformation der Elem ente), und durch dieses dann das
L icht, das Wasser und das F euer, das wir sehen —
folglich Alles geworden. Dieses gute W ort ist O r-
m u z d . Er ist aus dem unendlichen Saamen des Ewigen
erzeugt, Erstgeborner aller W esen , Glanzbild und Gc-
faTs derllnendlichheit, fort und fort Licht, unermefslich
in Breite, H 5 he und T iefe, sein W ille unbegränzt hei­
lig bis auf die W urzel des W esens (s. Zendavesta Th. T.
pag. 4· 5 .)· Er kam hervor aus der Mischung von Ur­
feuer und Urwasser (Cu1ma Eslam). Er heiTst E h o r e
M e z d a o , d.i. grofserKünig, schimmernd in Lichtherr-
lichheit, al Ivoll kommen , allrein, allmächtig, allweise,
K5 rper der Körper, siiPsduftend, heilig über A lles, des­
sen Gedanke rein gut ist, allnährend u. s. w. (s. Izeschne
I. p. 8o. und XII. Ha.) Er ist Himmlischer der Himm­
lischen, Grund und Mitte aller W esen, Allhraflt, reiner
Grundhelm, abgemessene W eish eit, W i s s e n s c h a f t
und Geher der W issenschaft, AVeitseher, d as W o r t
v o n A l l e m u. s. w. (s. Jescht-Ormuzd LXXX. p. i 83 .
im zweiten Theile hei Kleuker). Ihn hat die Zeit ohne
Gränzen zum König b estellt, begränzt durch den Zeit­
raum von zwölftausend Jahren, und sie behauptet ihre
Herrschaft über ihn
DemOrmuzd tritt gegenüber A h r i m a n , der Quell,
Grund und die W urzel alles Unreinen, Argen und Bö­
sen. Sein Abfall kam j e d o c h n i c h t v o m E w i g e n ,
sondern a u s ih m und d u r c h i h n ward die Finster-
nifs geboren, und so weit diese reicht, reicht auch sein
Reich.

39) Vergl. Corres hJythengescht I. p. 22D,


^97
Alloin bei diesem Dualisnius ohne anderes bökeres
Princip ist ge^fifs die Persische L ehre, Mie doch Viele
fruherhtn der Meinung waren, nicht stehen geblieben,
sondern ohne Zweifel erkannte auch sie ein U r p r i n ­
c i p jener Zweiheit an, d ie Z e i t o h n e G r a n n e n ,
Z e r u a n e A h e r e n e , den Schöpfer von Ormussd und
Ahriman. Durch sie ist von Anfang die W urzel aller
gegeben, sie hat gemacht, gebaut, gebildet, Z e ­
r u a n e , die l a n g e Z e i t , das grofse Weltjahr Λ'^οη
nwolf Jahrtausenden bis zur Auferstehung. In dieser (in
Zeruane) ist das All der übrigen W esen , sie selbst aber
ist g e s c h a f f e n . Hingegen die Ewigkeit hat nichts
über sic h , sie hat heine W u r z e l, ist immer gewesen
und wird immer seyn. S. den Fargard XIX. (nickt IX,
wrie bei Kleuher falsch gedruckt ist) des Ycndidad, in
lUeiikers Zendavesta Th. p. 876. und Gorres Mythen-
gesch. I. p. 319. Dafs diese Dc?rstellung nicht nur alt-
P e r s i s c h , sondern auch allgemein, unter H 5 heren und
N iederen, Gebildeteren und Ungebildeteren, herrschend
gew esen sey, möchte, unserer Meinung nach, v^ohl das
W ahrscheinlichere seyn; Letzteres insbesondere, nä'm-
lich die Allgemeinheit dieser Ansicht, gegen Bleuhers
Λ'^erιnuthung, welcher zwar die Aechtheit dieser Lehre,
als einer wahrhaft Zoroastrischen, anerkennt, jedoch
glaubt, dafs sie nur eine den G e b i l d e t e r e n mitge-
theilte Religionsidec gewesen scy, und man dem Volke
in den Liturgien und dergl. nichts von dtcfer £ i n h e i t
habe sagen können ( s . Anhang zum Zendavesta Bd. I.
T h .3. pag* 387.)· A llein, wenn es gleich anjezt nicht
leicht ist Zusagen, was die a l t e n Perser i n s g e s a m m t
geglaubt haben oder nicht, so will mir doch scheinen,
d afs, nach einer inneren Forderung der menschlichen
Natur, bei den nur einlgermafsen Nachdenkenden die
Frage nach dem V e r b i n d u n g s g r u n d e jener zwei
W esen nicht lange Ausbleiben honntcw Sodann war ja
69»
jene Einheit in jenen pliyf^ischcn Anliisson der Perser­
religion) die wir oben nach Herder angedeutet haben«
schon gegeben. Im w e i t e n R a u m e « der sich vor den
Augen des iraniers auf seinen Bergen ausdebnte« zog
Tag und Nacht herauf, und der Gegensatz von L i c h t
und E i n s t e m i p s ergiebt sich in d e r Z e i t von selber.
Für diese Annahme spricht auch der Umstand , dafs die
Magier) nach dem ausdrüchlichen Bericht eines Schrift­
stellers, sich in ihrer intcllcciuellcn Erörterung jener
Einheit gerade dieser empirischen Ausdrucke: Or t
(Baum) und Z e i t bedient haben ^). W ie dem aber
auch s c y , jene Einheit erkennt nicht nur der ganze
Bundehesch an, sondern wir haben auch dofür mehrere
Zeugnisse der Griechen. So sagt Aristoteles- (Metaphys*
XIV. 4 ·)» es hätten die Magier als oberstes Princip das
U r g u t e , w e l c h e s A l l e s e r z e u g t hat (τό π ^ ο τ ο ρ
γ$νν%ααν όί^ιστον) staluirt Achnlithc Angaben fin­
den sich bei andern Schriftstellern (s . RIeuker Anliang
zum Zendavesta Bd. II. Th. 3 . nr. 3 3 9 f. p. 173 ίΤ.). Aus
Herodotus dutTcn wir über das Innere des Magismus
weder für noch gegen einen Schlufs machen, eben so
wenig wie aus Xenophon; und so möchte es denn scheinen«

4t>) Ich füge die Worte des Eiidemus liieiOber im OrtginrI


bei, wie sie heim Damascius α;.χ. (in VVollü Ancc-
dott. grr. ITT. p. lauten: M dy^t y.ou irav xq
Yivo;, και rcOro γ^αφβι όΚυΒ^ίΛο^^οΙμξντο-τον^ o<
Bk χ^σνον y , a X o ΰ ff t v r h voijTtv ά τ uv n a ) t B τη y w j a ί ·
vo v 8 ζ ον ΒίαΗζ,ίΰ η uai ζ uyaSB ν καί Βa tf^oy a
κακόν, ΐ^φώς fcai σκοτος rovrcuv, cJ<^y<ov^
At y s i v . OvTO# Bk n a t avroi /utinl rijv dhdngtrcv (pdffo Btaan^ac*
pi*Afj Tcto^ct njv 5/rti}y συατοιχ/αν τών κ^.«/ττονα.·ν·
fyi7ffS(fi riv νης Bi τον 'A^tf/xcevicv. — ( Mi t dem
Schlufs vergleiche man Diogen. LaCrt. 1. §, 8.)
4l) Vergl. Kleuker Anh. znm Zendavesta Bd. II. T h. 3. p·
46 und 48. nr. 97. 105. IO6.
e<J9
daPs die schreibenden Griechen erst gegen Alexanders
des GrolWn Z eit, nachdem lange zuvor schon acht ma­
gische Elemente von Vorderasien her in die Religion
i h r e r Yäter geflossen M a r e n , eine systematische Ueber-
sicht des Ganzen erhalten haben. Auch Pythagoras soll
seine Lehre von der v o l l h o m m e n e n M o n a s , als
Mutter aller Dinge, und der von jener e r z e u g t e n
D y a s . aus jener Zoroastrischen Idee hergenommen ha­
ben, und die Meuplatoniker behannten sich gleichfalls zu
dieser Lehre, uvelche sie vom Zoroaster herleiteten;
vergl. Foucher im Anhang zum Zendavesta Bd. I. Th. z.
p. 289. (vergl. p. i 3 a.) Was den Pythagoras betrißl, so
hatte Z a r a t a s (Ζ α ρ ά τα ς), der Meister des Magismus
oder Z o r o a s t e r , wie Viele ihn erklären (5. Fabrieü
!B*ibl. Graec. I. pag. 3 o5 Harles. den Pythagoras ge­
lehrt, daPs Z w e i der Zahlen Mutter, das E i n e aber
deren Vater sey, und daf^ die besseren Zahlen der Mo­
nas gleichen. S. Plutarch. de anim. generaL in Tim. p.
1012 Fr· Vol. IX. p. 124 ed. W ytlenb. ^).

42) Vergl. Foucher a. a. O. p. H l. 174.


43) Zoega (in den Ahhandll. p. Half.) ordnet sich die ver­
schiedenen Vorstellungsarten s o : ln der Annahme zweier
entgegengesetzter Götter als zwei lezter Principien seyen
alle Magier einig gewesen. Aber in drei Umstanden seyen
ihre Seelen verschieden. Einige, vermut li lieh die ältesten,
betrachteten die beiden Principien a ls a b s o l u t l e t z t e
u n d g l e i c h in M a c h t u n d D a u e r , und eiwiesen
beiden Verehrung. Andere , vielleicht die wahren Schü­
ler des Zoroaster, des Zeitgenossen vom Darius Hystas­
pis, schrieben dem Ahriman eine der des Oimuzd sehr
untergeordnete Macht zu. Die dritte und vermutlilich
n e u e s t e Secte setzte vor Ahriman und Ormuzd ein
g e m e i n s c h a f t l i c h e s und a l l g e m e i n e s F r i n -
c i p , d i e Z e i t , oder, nach Andern, d e n R a u m . —
So weit Zoüga — und in der Thal war er durch die Stella
I. 44
700

$. 5.
H S h e r e A n sich t des Magiersystems·
Fragen wir nun, wie die höhere Lehre der Magier
das Problem der W elt ( der EntäuPserung G ottes) auf-
gefaPst habe, so müssen wir allerdings antworten ;
nicht g e s c hl e c h t l i c h , durch L i e b e , wie die fndier
— sondern durch den G e g e n s a t z von L i c h t und Γ ί π -
s t e r n i P s , von g u t und bös e. Schon das Bisherige
hat das Durchgreifende dieses ethischen Gegensatzes im
Persischen Systeme gezeigt· Es herrscht in den Ele­
menten (z · B. in dem W asser — das buse W asser ent-
springt im Zeichen des Stcinbochs, das Goldwasser
in der W aage), in den Körpern, im Kraut und Unkraut,
in den Thiercn u. s. w. Daher denn die Grund leb ?'e
der M agier: A l l e D i n g e b e s t e h e n i n d e r Mi ­
s c h u n g d e s G e g e n s a t z e s ; oder: D a s E n d l i c h e
hat s i c h d u r c h e t h i s c h e n K a m p f d e r b e i d e n
u n e n d l i c l ie n P r i n c i p i e n in Gott g e s e t z t .
Zwiespalt giebt den Dingen Daseyn ; wie dieser aufhort,
d. h. wie die Gegensätze sich in ihre Quelle auflosen,
huren auch die endlichen Dinge auf. In diesen Theorien
des Magismus haben wir wohl eine Quelle von dem b e­
kannten Lehrsätze des Jonischen Philosophen H e r a ­
c l i t u s : «der Krieg ist der Vater aller Dinge» (πόλ«μ9ς

des Damascins schon berechtigt, v e r s c h i e d e n e m a -


g i s c h e S y s t e m e a n z u n e h m e n . — Aber für unsere
Leser braucht es wohl nicht vieler λ\ orte , um zu zeigen,
wie wenig iin Geiste des Orients es gedacht ist, dafs Re-
ligionssystenie so nach und nach a u s g e b e s s e r t wer­
den: Erst zwei absolute Verschiedenheiten, dann halb
und halb vermittelt — endlich ganz Eins. — Es ist zu be­
dauern , dafsein so gelehrter Forscher so wenig im Stande
war, sich von der R e f l e x i o n loszumachen·
44) S· Görres Mythengesch· II. p. 635 ff·
701
άπάντωΡ n w i f ) und von dem Systeme des E m p e d o ­
c l e s 9 welcher das Entstehen und Bestehen aller Dinge
in die Verbindung oder Λ'^ercinigung des Streites (vflxo^
und der Freundschaft (<ptXta) setzte ^). Charahteristiscli
sind die W orte desselben Heraclitus, Λ\elche Plato im
Gastmahl cap. i 4 · p· 3 o Ast· (p. 187. a.) anfuhrt: «denn
das Eine, indem es sieh von sieh trennt, einigt sich mit
sich:» ( to γάζ up ψησι, διαφερό^ίνορ uvrb αντω ξν(ΐφέ·

W as aber ist der Grund der Mischung des Lichtes


mit dem Dunbel , und was ist Grund der Befreiung des
Lichtes von der Finsternifs? Z e r u a n e A k e r e n e ,
G o t t , v o r den beiden Principien und E i n s in s i c h ,
hat zuerst gesetzt das L i c h t . Mit dem S a t z ist gege­
ben nothwendig G e g e n s a t z . F i i i s t e r n i P s , als Ge­
gensatz des Lichtes, folgt auf dieses letztere, und zwar
nicht aus Intention Gottes, sondern ztiftillig, wie der
Schatten der Person. K i c h t g e w o l l t hat Gott die
Finsternifs, aber er hat sie zu g e l a s s e n . Aber warum
hat Gott dieses Letztere gethan? Aus e t h i s c h e r B e ­
geisterung. Dem Bosen, dem Finstern , ist Raum
gegeben worden, damit sein Gegensatz (Licht, Gutes),
von ihm beschränkt und behämpft, die Schranke breche
und entgegenhämpfe, damit die e t h i s c h e K r a f t sich
im Kampfe verherrliche. Das Böse ist, wie ein finsteres
VerhängniPs , aufgenommen in das Gute, und der heMe,
hlare W ille tritt ihm im Drama der Weltgeschichte ent­
gegen. Endlich wird die Schranhe gebrochen, oder viel­
mehr in das Gute selbst aufgenommen , der lange Zwist

45) Empedocles vs. 29. 136 cd. Sturz. Die angeführten W orte
Heraclits giebt Lucianus de conscrib. hist. §. 2. Tom . IV".
pag. 161 Bip. Man vergleiche damit Pluiarcb.de fsid. et
Osirid. p. 370. p. 517 W^yttenb. — Ich werde im zweiten
Bande auf diese Sätze zui Ockkommen müssen.
702

'wird in L i c h t und L i e b e ausgesöhnt, und es beginnt


ein ewiges Reich des Lichtes ohne Schatten und ohne
Mackeh (Die weitere Ausführung s· im folgenden $.)

i 6.
D ä m o n o l o g i e , K o s m o g o n i e und E s c h a t o *
logie.
Jeder der zwei höchsten Geister, Ormuzd und Ah­
riman, hat sein Reich· Ormusd Reich ist grofs und
theilt sich in h i m m l i s c h e und i r d i s c h e Wesen in
verschiedenen Abstufungen. Drei Abstufungen hat da»
Geisterreich, zuerst die sieben A m s h a s p a n d s , un­
sterbliche Geister, dann die acht und zwanzig I z e d e
und endlich u n z ä h l i g e F e r u e r s Ormuzd, Herr
der W e lt, ist oberster der sechs Amshaspands und auch
ihr Schöpfer, nach Plutarch. de Tsid. et Osirid. cap. 47.
p. 369. p. 5 i 4 Wyttenb« Dort heifst es: «Oromazes
(Ormuzd), sagen die Perser, sey aus dem reinsten Lichte
geboren , Arimanius aus der Finsternifs. Beide führten
Krieg mit einander. Oromazes habe sechs Götter ge­
schaffen, den ersten des Wohlwollens , den zweiten der
W ahrheit, den dritten der Gesetzlichkeit, die übrigen
die der W eisheit, des Reichthums und den Schöpfer der
Freude, die aus der Tugend quillt. Hernach habe sich
Oromazes verdreifacht, habe sich von der Sonne so weit
entfernt, als diese von der Erde entfernt ist, habe den
Himmel mit Sternen ausgezieri, und über diese zum
Wächter und Aufseher den Sirius bestimmt, habe darauf
andere v i e r und z w a n z i g (soll wohl heifsen a c h t
und z w a n z i g ) Götter geschaffen, und sie in ein Ey
niedergelegt· Aber vier und zwanzig andere, vom Arl-

46) S. Zendavesta von Kleuker L p« 16. vergl. Cörres My-


thcngesch. I. p. 827 ff·
7o3

«manius geschaffen , haben das Ey durchbohrt· Daher


Oie Mischung des Guten und Bosen in der Welt· Es nahe
aber die Zeit des Schicksals, wann Arimanius Pest und
Hunger bringe. Dann aber gehe Arimanius ganz und gar
unter, dann werde die Erde gleich und eben. Ein Le­
ben, Ein Staat, Eine Sprache vereinige dann die Gesammt-
heit der gluchseeligen Menschen.»
Nach den Zendbuchern gestaltet sich dieses System
von Geistern so; O r m u z d ist der erste Amshaspand,
der zweite ist B a h m a n , der Vorsteher und Beschützer
der übrigen, König des Lichtes, der dritte A r d i b e ­
b e s e h t , der Feuergeist9 welcher Feuer und Leben
giebt (s· Gdrres a. a. O. p. naS·) , der vierte S c h a h r i -
v e r , König der Metalle (ib. p eSi«), ferner S a p a n d o -
ma d , Orrauzd's Tochter, von welcher M e s c h i a und
M e s c h i a n e , die ersten Menschen, gebildet sind (ibid.
p· s 33 .), dann K h o r d a d , Kdnig der Jahre, Monate,
Tage und Zeiten, welcher den Beinen reines Wasser
verleiht (ib. p. 23 ο·) , A m e r d a d , Schöpfer und Schutz­
geist der Bäume, des Getreides, der Heerden (ib. 2 3 i.).
Yergl. Zendavesta von Kleuher 1. p· i6.

Die acht und zwanzig I z e d s oder niederen Genien


sind von Ormuzd geschaffen zum Segen der We l t , zu
Bichtern, Schutzaugen des reinen Volkes. Alle Monate
und Tage stehen unter dem Schutze der Amshaspands
und Izeds, ja selbst die Tageszeiten (Gabs) stehen unter
besonderen Izeds. Sie sind Wächter der Elemente,
Jeder Amshaspand hat sein Gefolge von Izeds, die ihm
so dienen, wie die Amshaspands dem Ormuzd. Die Izeds
selber sind theils weiblich, theils männlich Unter
den in den Zendbuchern genannten Izeds hommt auch

47) HierOber, so wie über das Folgende , vergl· Zendavesta


von Kleuker I. p. i6 ff.
7©4
M i t h r a (odor Me h e r v o r, welcher der Erde Licht
und Sonne giebt; aufserdem K h o r s c h i d , die Sonne.

Die dritte Ordnung der Geister sind die unzählbaren


Feruers Unter ihnen werden gedacht die Ideen,
die Prototypen , die Vorbilder aller Wesen , abgeprägt
aus dem W^esen von Ormuzd, die reinsten Ausflusse
seines Wesens. Sie sind durch und durch aus dem le-
betidigen W orte des Schöpfers, daher unsterblich und
ganz Leben, stets wirkend und belebend. Durch sie
lebt Eins und Alles in der Natur. Im Himmel halten sie
W ache wider Ahriman, und bringen die Gebete der
Frommen zum Ormuzd, schützen sie und reinigen sie
von allem BOsen. Auf der Erde an Körper gebunden,
Tcrmindcrn sic die Uncinigheit, und streiten wider die
bösen Geister. Sie sind den Stufen und der Zahl nach
so vielfach, als die Wesen selbst. Ormuzd selbst hat
einen Ferucr, weil der ewig Selbstständige sich selbst
denkt im allmächtigen W o r t, und dieser Abdruck des
unergriindbaren W esens ist Ormuzd's Feruer. Das Ge­
setz (W ort) bat seinen Ferner, es ist des Gesetzes Geist
und Lebenskraft, das Lebendige im W orte , das W o rt,
wie es Gott denkt. Zcrduschts Feruer ist eins der schön­
sten Ideale nach Ormuzd's W ürdigung, weil Zerduscht
das Gesetz verbreitet hat. Mit der Classe der Feruer ist
also die i d e a l e W e l t gegeben; Alles übrige ist die
g e s c h a f f e n e W e l t (s. Zendavesta I. p. i 5 .). Hier ist
r.lso der I d e a l i s m u s der Parsenlehre recht sichtbar.
Aber hierbei übersehe man auch nicht die e t h i s c h e
W i c h t i g k e i t dieser Lehre von den Fernem. Jeder
Parse hat sein P r o t o t y p oder r e i n e s U r b i l d , das

48) ich werde weiter unten die ^anze Persische L eh re-vom


Miihra im Zusammenhang erörtern.
49'. S. Zendavesta von Kicuker I. p. 12 f.
7o 5

er im Bealen ausdrüclien, ein Ebenbild Gottes, dem er


nachstreben soll, das ihn in allen seinen Handlungen
leiten und fuhren, sein beständiger Leitstern auf Erden
seyii s ol l , der ihn von jeglichem Bosen abhalte und
schütze.

A u f ähnliche W eise organisirt, das Reich des


Ormuzd, ist das des A h r i m a n Auch hier finden
wir s i e b e n E r z d e w s , Ahriman mitgcrcchnet, und
unzählige niedere D e w s (über zehntausend mal tausend,
so wie irr Lichtreich auch). Sie sind von Ahriman nach
seinem Abfall bervorgebrachl, und nach dessen Bilde
gemacht zur Zerstörung des Reiches von Ormuzd. Ah­
riman nämlich ham, als Ormuzd seine Lichtwelt schuf,
von Süden, mischte sich in die Planeten, drang durch
den Fixstern hindurch, schuf den Erzdew Es ehern, den
Dämon des Neides und Widersacher des Scrosch (des
Ormuzd als irdischen Königs ; vcrgl. Zendavesta I. p. i8.
2i2.), ausgerüstet mit sieben Köpfen, Und nun beginnt
der Karapfj und wie auf Erden Thier gegen Thier häm-
p fe t, so hämpfet unter den Geistern Geist gegen Geist.
So hat jeder von den sieben Erzdews seinen besonderen
ΛVidcrsacheΓ unter den sieben Aroshaspands; sic hom-
men von Norden, und sind an die sieben Planeten ge­
bettet; sie sind männlichen und weiblichen Geschlechts,
und jeder ist der üihebcr besonderer Ucbel. Sic wer­
den von den unteren Dews, wie die Amshaspands von
den Izeds, bedient. Sie nehmen Thiergestalten an von
Schlange, W o lf, Fliege und dergl., ja selbst mensch­
liche. Bei dem endlichen Siege Ormuzd’s werden sie
alle zernichtet, nach Einigen mit ihnen auch Ahriman,
nach Andern aber lebt dieser fo r t, doch ohne Herr­
schaft. — W ie sich jener Dualismus nun auch ethisch

50) S. Zendavesta I. p. 21 ff.


7o6

in der H e r o e n g e s c h i c h t e fortpflanst, davon w o l­


len wir in der nachfolgenden Uebersicht der P erser­
moral noch einige Beispiele geben.

W as d i e M o s m o g o n i e der Perser betriffl , so


tritt auch hier Ormuzd als Lichtschopfer hervor. Er
regte sich zuerst, und sprach das W o r t , H o n o v e r ,
durch welches alle Wesen geschaffen worden, und wel­
ches noch jezt sein Mund in alter seiner Weite fort und
fortspricht· Vom u n b e w e g l i c h e n H i m m e l , S a h h -
t e r , aus, den er bewohnt, schuf er den u m k r e i s e n ­
den H i m m e l , P e i r a m a n , in fünf und vierzig T a­
gen; in der W eltm itte, unter der Wohnung des O r­
muzd, ist die S o n n e , K h o r s c h i d , gegründet, ihre
Sphäre der K h o r s c h i d p a i . Dann schuf er den Mond,
der im eigenen Lichte glänzt, und durch den M a h p a i
(Mondgaii) Grüne giebt, W ärm e, Geist und Frieden.
Unter ihm aber ordnete sich der F i x s t e r n b i m m e l ,
S a t t e r p a i , nncb zwiil f Thierzcichen. Dann schuf er
die mächtigen höheren Geister, die sieben Amshaspands
und die Izeds, denen aber entgegen Ahriman, der nun
hereinbrach, eben so viele andere Geister, die Ei'Z-
dews und die De ws , als deren W idersacher, schuf,
welche mit einander einen beständigen Kampf bestehen.
In fünf und siebzig Tagen war die Sebüpfung des Men­
schen vollendet, und in dreihundert fünf uud sechzig
Tagen ist geschaffen von Ormuzd und Ahriman Alles,
w«^s ist; und es ist vcrtheilt die lange Zeit unter den
liclitglänzenden Ormuzd und den lasterverschliingenen
Darudj. W ie in Streit und Kampf Alles geworden , so
soll auch das Leben selbst eine Fortsetzung des alten

51) S. Zendavesta I. p. 3. 5 ff. vergl· Görres Mythengesch.


1. p. 221 f.
7^7
Kampfes der sweiPrincipiensey η. Damm soll der Mensch
stets gewaffnet zum Kampfe stehen 9 und auf die Seite
der himmlischen Izeds sich ordnen, durch Befolgung
des Gesetzes u. s. stets kämpfen mit den Dews, sie
vernichtend, wie das Ungeziefer ( 2}endavesta I. p. 16·
vergl. Gorres a· a, O. I. p. f.).
Der T o d ist von Ahriman durch des ersten Men­
schen Sunde in die W elt gekommen t der Tod erlöset
aber auch den Parsen seines Straitdienstes gegen das
Bose, er verheifst dem Gerechten eine Brücke zur Ruhe
(5. Zendavesta L pag. «4 f.)· Das Schicksal der Seele
selber nach dem Tode ist ein Mittelzustand, und zwar
ein gedoppelter für den Guten und für den Busen. Ist
der Mensch nämlich gestorben, so eilen sogleich die
Dews herbei und suchen sich der Seele zu bemächtigen,
die ihnen auch zum Baube wird , wenn sie böse wa r ;
war sie hingegen gerecht und rein « so sind die Izeds zu
ihrem Schutze bereit. Nun kommt die Seele vor die
grofse Brücke T s c h i n e v a d , die Scheidewand zwischen
dieser und der andern W elt. Hier wartet ihrer der
grofse Richter aller Menschen undThaten, Ormuzd, mit
Bahman, und nach seinem Urtheilsspruchc wird die gute
Seele von den heiligen Izeds über die Brücke in ein Land
der Freuden geführt, und wartet der fröhlichen Aufer­
stehung. Die Bosen aber werden nicht über die Brücke
gelassen, sondern müssen an den O r t , den ihre Thaten
verdienen.
Endlich, wenn in dem Streite mit dem Bosen die
Z e it, welche Zeroane diesem zugemessen hat, abgelau­
fen ist, soll die A u f e r s t e h u n g beginnen. Gute und
Bose sollen auferstehen, die himmlische Erde wird die
Gebeine wiedergeben, und Alles wird in der Reihe, wie
es zuerst hei der Schöpfung hervorgegangen, wieder
hervorgehen. Die Gerechten werden zu den Guten, die
Bosen zu den Bösen sich gesellen. Ahriman wird in die
708

Finsternifs stürzen, und fliefsend Erz ^ird ihn ausbren­


nen* Die ganze Natur so11 so neu werden, wie der Menseb
nach Leib und Seele. Die Erde wird wie hrank werden^
grofse und kleine Berge werden mit Metallen zerfliefsen;
durch ihre Feuerstrome raufs die Seele gehen, um so
durch die letzte Reinigung völlig geläutert zu werden,
worauf sie dann einer endlosen Seeligkeit theilhaftig
wird.
Die ganze Natur ist verjüngt, die Holle ist nicht
mehr, Ahrimans Reich ist untergegangen, und Ormuzd
allein herrscht. Alles ist ein Lichtreich. Ormuzd mit
seinen sieben Amshaspands und Ahriman mit seinen sie­
ben De WS bringen zuletzt dem Ewigen , der unbegrenz­
ten Zeit, ein gemein seheAliches Opfer, und damit ist
aller Dinge Schlufs
Davon aber wissen auch die Griechen. Man ver*
gleiche nur die schon oben von uns angeführte Stelle des
Plutarchiis de Isid. et Osirid. cap. 4 ?· P· ^69 sqq. p. 5 i 4
sqq. W yttenb., wo es beifst: «dann gebe Ahriman ganz
und gar unter, dann werde die Erde gleich und eben.
Ein Leben, Ein Staat, Eine Sprache vereinige dann die
Gesammtheit der glüchseeligen Menschen. 9 Hierauf fugt
er das Zeugnifs des Theopompus bei» daPs nach der
Magier Meinung in abwechselnden Perioden von dreitau-
tausend Jahren der eine Gott siege, der andere unter­
liege > dann kriegten sie wieder dreitausend Jahre mit
einander, und einer zerstöre des andern W erke. End­
lich schwinde der Hades (άπολβίπ»»σθ«4 τ6ν dUTisv), und
alsdann würden die Menschen glücklich seyn, sie wür­
den keine Nahrung nüthig haben , und keinen Schatten
machen. Hiermit vergleiche man nun die Urkunden der

52) So nach dem Zendavesta von Kleulcer Bd. I. p. 24 f. und


Cörres Mythengcsch. I, p. 235. Vergl. auch Anhang s.
Zendavesta Bd. I. Th. 1. p, 276 — 2S6.
7^9
Parsen, s. B. Tseschne Ha XXX. p. 118« und den An­
hang zum Zendavesta Bd. 1. Th. 1. p. 189. und Bd« II.
Th. 3 . p* 85 . nr. 182· und Foucher ebendaselbst Bd. I»
T \t. 2. p. 338 flT.

E t h i h , L i t u r g i e und r e l i g i o s e A n s i c h t
de s L e b e n s .
Da Mithras, wie wir weiter unten sehen werden,
gleich dem Osiris, jedes Parsen Vorbild und die Gott­
heit in menschlicher Anschauung ist, da sein Wesen
L i c h t und, im höheren Sinne genommen, i n t e l l i g i -
b l e s , h i m m l i s c h e s L i c h t und F e u e r ist, so er-
giebt sich daraus für jeden Perser eine V c r h l ä r u n g s -
1 e h r e zum Licht und im Licht, und der Zwech der ganzen
Religion ist L i e h t w^ e r d ü n g Verhlärung der Fin-
sternifs in Licht, oder Sieg des Guten durch die ganze
“Natur, im Leibe, Geiste, Hause und Staate. Daher sind
Religion, Liturgik, Ethik, Politik, Oekonomie, e in
e i n z i g e s o r g a n i s c h e s G a n z e und durch und durch
verbunden. Das Ur wr or t , H o n o v e r , E n o h e v e -
r i b e , d. i. i c h b i n , oder f i a t , es s e y , es i s t , der

53) „W enn der Stier, der Erstgeschaffene der Geschaffenen,


zur Erde wiederkehrt, so wird die Erde nichts verlieren:
und b e i m E i n b r ü c h e d e s W e i t e n d e s w i r d
s e l b s t d e r O r u n d ä r g s t e a l l e r D a r v a n d s rein,
h e r r l i c h u n d h i m m l i s c h wer den. *^ Vergl. Hu
X X XI. p. 120: „ Dieser Ungerechte, Unreine, der nur
Dew ist In seinen Gedanken, dieser stockfinstere König
der Darvands, der nur Böses fafbt — am Ende — zur
Auferstehung — wird er Av. i t e sprechen, Ormuzd’s G e ­
setz Üben, und es selbst in die Wohnungen der Darvands
einruhrtn. “
54) S. Zendavesta von KIcuker I. p. 25 f. besonders p. 32 f.
710
e w i g e r e i n e W i l l e , brachte die gute W ell hervor^
und besiegte das B5 se, den Ahriman. Die ganse W elt,
in so fern sie gut ist, ist Ormued*s W ort Dieses
W ort wird von Augenblick su Augenblick ewig gespro­
chen, von Ormuzd zu den Izeds des Himmels, von den
Amshaspands , von den F eruern, von allen Gebtem
durch die ganze Natur. Das W ort ist, so zu sagen,
das GeheimniHi, wodurch die ganze Ideenwelt und alles
Gute besteht. Es bt Quell alles Guten und alles Lebens,
es ist Schutz gegen alles B 5 se. Also das e w i g e W o r t
(D enben, W ollen) b t Grund alles D a s e y n s , alles
B l e i b e n s und alles S e g e n s , und Z o r o a s t e r s G e ­
s e t z ist der L e i b jenes Vrworles von Ormuzd , und
jenes heifst selbst Z e n d a v e s t a , l e b e n d i g e s W o r t
(s. Zendavesta I. p. 36 .)·
Mit dieser Idee von dem lebendigen W orte hangt
aber die von der u n w i d e r s te b l i c h e n M a c h t d e s
G e b e t e s eng zusammen; daher das immer lebendige
W ort Grundprincip dieser Liturgik, und die beständige
Abwechselung und Ablösung im immer unterhaltenen
Gebete bei den Magiern ; daher die Anordnung, dafs in
den Tempeln nach den verschiedenen Sonnenständen und
Tagen des Monats beständige Horen angeordnet waren,
welche die Magier abwechselnd lesen mufsten. Es b t
gleichsam das auf Erden nachgebetete W o rt, welches
nicht verhallen darf, und welches, unterlassen, die
Vernichtung der W elt mit sich bringen wurde So­
mit also ist der Hauptinhalt von Zoroasters Liturgik und

55) Man lese nur laeschne. Ha X IX . im Zendavesta von


Kleuker 1. p. 107·
56) W elche Mifsbräuche dieser Glaube an die Alles verm ö­
gende Kraft des Gebets mit sich fQhre, wurde oben pag.
l6t Sl schon bemerkt; wie alt aber dieser Glaube sey,
weifs jeder Kenner des biblischen Alterthums»
711

Et hi k : O r m u z d , d e n K 6 n i g d e r W e l t , e r n e n ­
n e n in B e i n i g k e i t s e i n e s H e r z e n s , s e i n e
S c h ö p f u n g h o c h a c h t e n , Z o r o a s t e r f ü r den
P r o p h e t e n G o t t e s h a l t e n , und A h r i m a n s
R e i c h z e r s t ö r e n (Zendavesta I. p· 39.).
Hierdurch bestimmen sich die einzelnen Vorschrif­
ten. Sie gehen a) auf O r d n u n g im Himmel und auf
Erden W ie dort ein grofses System von Abstufun­
gen ist, urie jedes Element, jede Z eit, jeder Nalurhor-
p e r seinen Vorsteher hat, Alles abgestuft und gemein­
sam , Nichts allein ist, so soll es auch auf Erden seyn·
Daher durfte, wie Herodotus ( 1. 129. i 3 o.) erzählt, kein
Perser allein opfern , sondern blos in der Gesammtheit·
Daher ist ferner die ganze Einrichtung und Haushaltung
der Iranischen Monarchie ein Abbild jener himmlischen,
und daher denn auch hier ein grofses System von Ab­
stufungen, in welchem Nichts allein steht, sondern Alles
eng verbunden erscheint $ so die Gasten, deren sieben
gewesen zu seyn scheinen, der Reflex der sieben Am-
sliaspands, daher die sieben verschiedenfarbigen Mauern
von Ekbatana, daher die von Dschemschid angeordnete
Eintheilung der Nation in vier Classen nach den vier
Elementen u. s. f. Es wurde uns zu weit fuhren,
wenn wir im Einzelnen zeigen wollten, wie diese Grund­
idee in allen Einrichtungen, Aemtern u.s w. der grofsen
Persischen Monarchie durchgefuhrt ist, und wir müssen,
was diesen Punkt betrifft, auf die Zendbiieher selbst
und auf das schon oben angeführte W erk des Brissonius
de regio Persarum principatu (ed. Lederlin, Argentorati
1710. 8.) verweisen; vergl. auch Heeren Ideen L i. p.

57 ) S. Zendavesta I. p. 39 f· vergl. Herders Vorwelt pag.239·


M f.
SH) S. Muradgea d’ Ohsson’s Gesch. der ältesten Persischen
Monarchie p· 34·
712
4 τ7 dritten Ausg. und Anhang z. Zendavesta Bd. 11.
Th· 3 . p. 34 · Sodann b) gehen die Religionsgebote a u f
Re i n h e i t , und zwar des Leibes und der Seele (desG e-
danbens, des W ortes — AVahrbaRigheit) , Reinheit des
Leibes an sich und gegen Andere. Dazu gab es ein
grofscs Ritual von Verfiigungen. Auch der Leib an sich
soll rein gehalten werden, daher niiifs der Parse Reini·
gungen und Waschungen vornehmen Die E l e ­
m e n t e , W a s s e r , F e u e r , E r d e , L u f t , mufs er
gleichfalls rein halten und darf sic nicht verunreinigen;
daher das P e n o m , der Vorhang des Mundes, damit
das Feuer nicht durch den Odem verunreinigt werde
(vergl. Zendavesta II. p. 2os. mit dem Hupfer des Par­
sen, der ein gewisses Gebet, dasKosli« veiTichtet; vgl.
Muradgea dOhsson Geschichte u. s. w. p. 58 .), und w w
mit dem Munde das Feuer ausbläst, verdient den Tod.
P a r s oder P a r e s war ja selbst das L i c h t l a n d , die
h e l l e und r e i n e P rovin z, und Parsi selbst heifst
der K l a r e , so wie Zoroaster der Goldstrahlende* W ie
sehr aber diese Idee der R e i n h e i t als ein Hauptge­
danke, der die ganze Persische Religion durchdringt,
hervortritt, beweisen viele Stellen des Zendavesta, wie
z. B. Izeschne, Ha V. VI. iin Zendavesta von Kleuker
I. p. 88. vergl. Ha IV. ebendas, p. 86. Hiermit hängt
zusammen die V e r e h r u n g der E l e m e n t e , wofür
uns Herodotus I. i 3 i. ein wichtiges Zeugnifs liefert:
«Die P erser, sagt e r , opfei^n der Sonne, dem Monde,

59) So hatten die Perser eine I n i t i a t i o n s t a u f e , welche


zur Proselytentaufe der Juden Anlafs gegeben haben kann.
S. B e n g e l über das Alter der Jüdischen Proselyten-
taufe p. 32. p. 1l6. und die daselbst angeführten; Kleu­
ker Anhang zum Zendavesta II. 3. p. 105. und Tychsen
de relig. Zoroastr. ap. eKlerr. gentt. vestigia, in denCom-
memt. Soc. Reg. Gotting. T . X II. p. Id.
7 ΐδ
der Erde, dem Feuer, dem W asser, den W inden, die­
sen allein opfern sie von Alters her ^). Nachher haben
sie auch gelernt der Urania zu opfern» u. s. w. Hier
zeigt sich also S a b ä i s m u s und E l e m e n t e n d i c n s t
(vergh Kleuher riepaixci nr. 19. Anhang zum Zendavesta
Bd. II· T h . 3 . p. i 3 .) , und darunter besonders W a s s e r -
und F e u e r d i e n s t , bei welchem letztem gewifs der
örtliche Anlafs, den die Naphthaquellen in Aderbidschan
gaben, wovon wir bereits oben geredet, nicht ilbersehen
werden darf. Es unterschied aber der Perser zwischen
F e u e r als M a t e r i e und zwischen U r f c u e r , von
welchem jenes ein Bild und aus diesem geworden ist
Letzteres ist das B a n d d e r E i n i g u n g zwischen Or-
muzd und der Zeit ohne Gränzen , und der Saame, wor­
aus Ormuzd alle Wesen geschafPen hat. Es ist der An­
trieb aller grofsen Thaten der V orw elt, der Eleldcntha-
ten des Dscbemschid u. s· w. Alles Gedeihen in der
Natur entspringt aus Feuer und W asser; jenes ist männ­
lich, dieses weiblich, und aus beiden ist das L i c h t ent­
standen (s. Zendavesta von Kleuher I. p. i 43 — 157.
vergl. Anhang dazu B. 11. Th. c. p. 5 i.) — daher also
F e u e r d i e n s t . Darum brannte Feuer zum Dienste des
Vrfeuers, als des Ausflusses von der Kraft des Ormuzd
und als seines Symbols, in allen Häusern, auf allen Ber­
gen; daher wurde vor dem Könige das heilige Feuer

öO) PayneKnight fnq. intotheSymbol.lang. $.92. p.69. nennt


die Perser in Betracht dieser Einfachheit ihres alten Reli­
gionsdienstes g u t: d ie P u r i t a n e r d e s H e i d e n ­
t h u m s (T h e Persians, wo were the primitists or puri-
tans of Heathenism etc.)· Er redet dort von dem fanati­
schen Verfahren des Kambyses gegen die Aegyptischen
Rel igionsanstalten.
61) S. Zendavesta von Kleuker I. p. 44 f. und Anhang IL 1.
p. 127.
7^4

vorausgetragen; daher errichtete man heilige Feuer­


heerde oder Tempel zur Feuerverehrung, D a d g a h s ^
und daher rührte jene so viel umfassende F e u e r ] i -
turgih Der höhere Sinn dieses Feuerdienstes ist (s.
Zendavesta I. p. 47·) Denn
nicht das materielle Feuer ^ird verehrt, sondern das
Principdesselben, das immaterielle, i nteil ec tuelle Feuer,
das Urfeuer, Ormuzd in seiner Gotteshrai>· — Endlich
c) gingen jene liturgisch-politisch-ethischen Vorschrif­
ten auf F l e i f s · Es liegt hier ein S y s t e m d e r L a n -
d e s c u l t u r u n t e r B i l d e r n v o n L i c h t und F i n ­
s t e r n ifs· Ormuzd ist der Hervorbringer alles Segens
(Lichtes). Alle Nahrung und alles Gedeihen ist durch
sein W ort. Sein Stellvertreter aber auf Erden ist der
Ormuzd diener. Folglich soll er die Schlangen — die B il­
der des Ahriman — und andere schädliche Thiere, Un­
geziefer und Unhraut, durch Fleifs ausroUen, Reinheit,
wie in allem Vebrigen, so auch auf seinen Aechern , her­
vorbringen und erhalten. D sc h e m, der erste Culti-
virer von Persien, ward daher im Mjthus sjmbolisirt
als S p i e g e l d e r S o n n e , oder als das S o n n e n j a h r
selbst, das ja eben mit dem agrarischen Systeme zusam­
menhängt· Dschem hat zuerst mit dem Sonnendolche^
mit dem goldenen Dolche, die Erde gespaltet; daher
auch die Vorstellung von I r a n , als dem Abbilde des
L i c h t r e i c h es von Ormuzd , dem Lande des Gustas p»
dem Lande des Fleifses und der Agricultur, und die von
T u r a n , als dem Lande der schweifenden Nomaden,
dem sichtbaren Bilde von Ahrimans Beiche 9 dem Lande
des Afrasiab, wo Unordnung und Unheil herrscht. Da­
her auch die P a r a d i e s e der Perser, worin der Regent

62) Hiervon giebt das Grabmal des Darins Hystaspis in seiner


obersten Abtheilung eine anschauliche Vorstellung; s·
u n s e r e T a f e l X X X II.
7i 5
eine LichtscKSpfung darstellte t und gleichsam ein Ab­
bild von dem im Gesetzbuch idealisirten Iran lieferte,
£ine Hauptstelle der Zendurkunden (Λ’' e ndi da d 1 Par-
gard. Zendavesta Th. II. p. 299.) druckt diese Ideen so
aus: «Ormuzd sprach zu Sapetman Zoroaster: Ich habe^
o Sapetman Zoroaster, einen Ort der Annehmlichkeiten
lind des Ueberflusses geschaffen; Niemand vermag einen
gleichen zu machen. Käme diese Lustgegend nicht von
mir, o Sapetman Zoroaster, kein Wesen hätte sie schaf­
fen können. Sie heifst E e r i e n e Y e e d j o f und war
schöner als die ganze We l t , so weit sie ist. Nichts glich
der An mu t h dieser Lustgegend, die ich geschaffen
habe. — Die erste Wohnstatt des Segens und Ueber-
flusses, die i ch, der ich Ormuzd bin, ohne alle Unrei­
nigkeit schuf, war Eeriene Yeedjo » ^). — Daher die
Persischen Könige und GroPsen sich auch wohl der Cul-
tur des Bodens persf>nlich widmeten. Xenophon (Oeco-
noinic. lY . 34.) fuhrt ein solches Beispiel an : Cyrus der
Jüngere schwort in seinem Garten oder παράJsiαoς

63) D er Leser wird sich der Erklärungen des Hauptwortes


Eeriene erinnern, diE* oben nach Malcolm roitgetheilt
wurden. Die Herausgeber des Zeiulavesta a. a. O . not. a.
bringen über Iran Mehreres bei, und verweisen auf an­
dere Stellen der Urkunde : Jescht Mithra Cap. 12. und
Jescht Aschtas; auch auf mehrere Erläuterungen der
Neueren.
64) Ueber dieses ursprünglich Persische W o rt, welches auch
in den spateren Sclirifien des allen Testaments vorkommt,
und einen B a u m T h i e r g a r t e n , P a r k , bedeutet,
vergleiche man Meerens Ideen 1. 1. pag. 304. Gesenius
Hebräisches Wörierb. pag, 94t. unter dem Worte
( Parties). Xenoplion Oeconom. IV. 13. Pollux IX. 13.
und was sonst noch Sturz anführt im Lexic. Xenophont.
H L p. 4l7 ; ferner Biel ini thesaur. piiilolog. V. T . IIL
p. 19 . 20. Suidas s. v. Zonaras Lex. Graec. s. v. pag.
I. 45
7i 6

dem über den FleiHs des Prinzen verwunderten Lysan­


der beim Mithras, dafs er nie zu Mittag speise^ oh n e
in seinem Garten selbst gearbeitet zu haben. So ward
im ganzen Magiersysteme der fleifsigc Landmann als die
Quelle des Segens betrachtet (s. Herders Yorwelt pag.
Z33 .).
Zu diesem Cultursystem war nun das g a n z e D o g ­
ma beförderlich. Bestimmte Genien standen der Erde
und ihren Producten vor. W er die Erde bauete, der
verehrte eben dadurch die S a p a n d o n i a d (siehe oben
p. 7 o 3 . ) ; H h o r d a d liefs ihm Wasserbache fliefsen, und
Amerdad schützte seine Baume und Pflanzen. Sodann
war die Pflichtenlehre auch gebaut auf* den g a n z e n K a ­
l e n d e r ^). Es hatten nämlich die Perser ein Sonnen­
jahr oder Dschemschids Jahr von 36o Tagen und fünf
Schalttagen, und die Grundidee dieses Jahres war eine
f o r t d a u e r n d si ch e n t w i c k e l n d e S c h ö p f u n g
(s. Herders Vorwelt p. auo f.). Es wurde eingetheilt in
sechs G a h a n b a r s (Jahreszeiten) und in kleinere Ab­
schnitte. Der Tag war gleichfalls eingetheilt in G a h s

1301 sqq. ibiq. Tittmann. Auch haben von diesem W orte,


sowohl in jener, als in seinen andem verschiedenen Be-
deutuntcen , Wetstein, W olf und andere Ausleger des N.
T . zu Lucas X X II1. 43, (β^μίζ^αν μ^τ ίμοί Kinj iv ψψ τ α -
fa9$t'er^) ausführlich gehandelt. Siehe Kuinoel Com-
mentarr. in N. Γ. Tom. II. p. 671 sq.
Der in obiger Stelle des Vendidad so sehr hervorge­
hobene Bf griff der Λ n m u t h und L u s t erinnert an das
Kbrüische E d e n , welches dassJI>c bedeutet; vergl. Ro-
senmullcr altes und neues Morgenl. 1. p. 7 f. (zu Genes.
II. 8 ,)t <1^^ ^ber Letzteres weitere Erörterungen giebt.
dS) Ein alter P e r s i s c h e r K a l e n d e r sicht bei Hy d e
Relig. velt. Perss. cap. !> — 16. — Ueber D s c h e m ­
s c h i d s K a l e n d e r vergl. MuraJgea d’ Ohsson Gcsch»
der a. P. M . p. 27. 32 ff.
717

(Zeiten), und jeder Abschnitt# des Jahres wie des Tages,


batte seinen himmlischen Yorsteher unter den Amshas-
pands und Ineds , su welchem man betete» dessen Fest
man feierte u. s. w· In den fünf Schalttagen verehrte
man die Ferners, die jenen verstanden, ein F e s t a l ­
l e r S e e l en (s. Mur. d*Ohsson Gesch. u. s. w. p. 4^ f.)*
Das ganee Ritual und der ganze heilige Dienst der Ma­
gier hing an diesem Kalender, und man kann alle Vor­
schriften des Zendavesta als nach diesem Kalender an­
geordnet betrachten. Mit diesem Allem hängt nun zu­
sammen die Vorschrift der W a c h s a m k e i t und S t r e i t ­
f e r t i g k e i t · Gleichwie Ormuzd den Ahriman besiegt,
und stets gegen alle W erke der Finsternifs wachsam
und geröstet ist, also ist auch W a c h e n und W e h r e n
ein Hauptgebot der ganzen Perscrreligion
W ir sehen also hier ein Reltgionss)^tem und einen
Cultus, welche beide, u r s p r ü n g l i c h ausgegangen von
der Vorstellung d e r l e b e n d i g e n H a u s h a l t u n g
d e r N a t u r , späterhin, wiewohl schon frühe nach un­
serer so jungen Geschichte, der S t a a t s o r d n u n g und
A b s t u f u n g in einem m o n a r c h i s c h e n , o r i e n t a ­
l i s c h e n R e i c h e zum Vorbilde gedient haben , so daPs
der Ordnung der groPsen Fürsten und der übrigen Staats­
diener von Iran die Ordnung der Geister als beständiges
Musterbild vorschwebte·
Vergleichen wir nun noch kürzlich die Persische
Religion und ihre Wirkungen mit der Indischen, so fin­
den wir in Indien jenen Dualismus, der sich mehr oder
weniger in allen Religionen ze ig t, in dem ganz nationeil
gewordenen Glauben vo n d e r s e e l i g e n V e r e i n i ­
g u n g mit G o t t diesseits und jenseits, wo nicht ganz
untergegangen, doch sehr besänftigt; keinen Dualismus

66) V e n d ί d a d , ein heiliges Buch, ein Theil des Zendave­


sta , heifst ja selbst: K. a in p f m i i d e m A Kr iin an.
718
der Ansicht und des Cultus, sondern eine seelige Eini­
gung mit Gott· Daher der ganne Cultus auf Ruhe ge­
richtet ist 9 und das Lehen nur im Untergänge des abge­
sonderten Lebens, in der Beschaulichkeit, besteht, iX
in der Aufopferung des Individuums und seinem Versin·
kenin die Universalität· Der Mensch soll sich contes·
plirend in einen solchen Zustand versetsen, dafserda
Beuiufstseyn dieses abgesonderten Daseyns aufgiebt, und
seine Individualität durch Beschaulichkeit vertenM in
den Schoofs des Ewigen. Gans anders bei den Persem;
hier ein Dualismus, der diesseits keine Ruhe gestaltet;
hier Aufregung der Kraft, Widerstand und ThatigKeit;
darum aber auch das Parsenvolk lebendig und rührig,
wie die Elemente, die cs anbetete; und darum niufsteet
ihm, so lange es diesem Charakter getreu blieb, vor·
aöglich auch gelingen, seine Herrschaft über gansAsien
auscubreiten , und lange Zeit im alleinigen, ungestörtes
Besitse derselben eu verbleiben.

5. 8.
C b a r a k t e r d e r S y m b o l i k und My t h i k der
alten Perser.
Der G e i s t i h r e r M y t h e n ergiebt sich theils aus
der obigen Darstellung ihrer Religion, theils aus des
Ekempeln ihrer S y m b o l i k , welche nun folgen sollen
Betrachten wir suvorderst den Charakter ihrer Syink·
lik% so konnte einer eigentlichen Kunstallegorie, im
reinen Sinne gefafst, die Persisclie Religion nicht günstig
seym Denn sie war N a t u r - und r e i n e r Eletnen·
t e n d i e n e t ^ verbanden mit G e s t i r n d i en s t oder Sa-
b ä i s m u s , wiewohl auch dieser ursprünglich, wenn
wir auf den Geist der Lehre sehen, sehr rein war. £5 war
und blieb die Idee von U r l i c h t , U r f e u e r , Urwas-
s t r , heiTschend, deren Symbole aber hauptsächlich
7 »9

(denn es gab auch noch andere, wie wir unten sehen


werden) das m a t e r i e l l e F e u e r und W a s s e r selbst
waren9 und nicht sowohl menschlich gedachte und gebil­
dete Götter. Herodotua I. i 3 i. bemerkt auch (nach
Kleuliers Auslegung : er glaube nicht, dafs die Per­
ser nach Art der Griechen G ö t t e r erhennen, die e h e -
ma 1 s M e n s c h e n g e w e s e n . Aufserdem bezeugt der­
selbe, und mit ihm gröfstentheils übereinstimmend Stra.
ho, Xenophon und Andere, dafs die Perser k e i n e B i l ­
d e r , T e m p e l und A l t ä r e errichtet; und wird diese
Stelle im Sinne der Griechen gehörig erklärt, so hat sie
ihre historische Wahrheit. Alles dieses aber ist der ei­
gentlichen Kunstsymbolih hinderlich· Allein man würde
doch äufserst fehlschliefsen, wenn man deswegen glau­
ben wollte, als habe es den alten Persern an Symbolen
gefehlt; im Gegentheil, sie hatten, wie wir zum Theil
schon gesehen haben, und noch sehen werden, deren
viele, und waren in mannigfacher Rücksicht auch hierin
reich (vergl. auch Kleuker im Anhang zum Zendavesta
B. II. Th. 2. pag. 87· not. 33 .). Drei den anscheinenden
Widerspruch zwischen den Zeugnissen von der E i n f a l t
d e s al t - P e r s i s c h e n E l e m e n t e n d i e n s t e s und
dem R e i c h t h u m ihrer Mythik und Symbolik nach an·
dem Nachrichten zu verstehen und zu heben, mufs man
nicht aufser Acht lassen , dafs die Yolksmasse, die ge­
ringeren Gasten von Parsis oder Farsistan im engeren
Sinne, von jeher immer einer höchst einfachen Natur-
religion und Elementenyerehrung zugethan waren und

67) S. Anhauc zum Zendavesta Bd. ΙΓ. Th. 3. p. 5 und 13.


Ueber das Verbot der T e m p e I, A l t ä r e und G ö t ­
t e r b i l d e r beiden Persern vergleiche man Winckel-
manns Gesch. der Kunst f. p. 156 der neuesten Ausg.
mit den Einschränkungen von Fea in den Anmerkungen
p. 376 f.
720
blieben y dafs aber das Ideen- und cärimonien- auch b il­
derreiche Ritualgesets der Medisch-Bahtrischen Religion
von Hom und Zoroaster fruhseitlg von den höheren P e r­
sischen Gasten und Königen mit ihrem Hofe aufgenommen
und beibehalten ward, dafs mithin dieses vielleicht eben
so alt als jenes ist, und nicht nur die Zeugnisse der
Griechen seit Ctesias und Theopompus, sondern auch
die der Zendbucher und der historischen Sagen bis auf
den Schahnameh für sich hat. Vergl. oben p« 679· not« se.
Nach diesen Vorerinncrungen mögen nun einige
Beispiele Persischer Symbolih folgen , wobei Mir jedoch
bemerhen, dafs einige der bedeutendsten Persischen
Bilder, wie z. B. der Stier, der Hund, in den folgen­
den ihre Erhlürung finden werden.
Zuvörderst waren die verschiedenen himmlischen
Wesen oder G e i s t e r , die Amshaspands, Izeds und
Feruers, durch T h i e r e symbolisirt und es war die
ThierMelt ein Abbild der Geisterwelt. W ie dort Ahri­
man mit seinen bösen, von ihm geschaffenen Dews (der
Nachtschöpfung) dem Ormuzd und seinen guten Geistern
(der Lichtschöpfung) entgegen steht, so auch stehen,
von dem Augenblich, als Ahriman in die sichtbare Licht­
schöpfung eingedrungen, wie eine irdische Licht - und
Nachtschöpfung, gleichermafsen zwei Körper- oder Thier­
welten einander gegenüber, in unabsehbarer Feindschaft
und Kampf mit einander begriffen , so dafs alle Thiere
entweder reine, d. i· Thiere des Ormuzd (nützliche),
oder unreine, d. i. Thiere des Ahriman (schädliche)
sind Und wie die ideellen Licht- und Nachtreiche ihre

68) S. Kleuker Anh. z. Zendav. Bd. li. Th. 1 . p. 87. not. 33.
69) Vergl. Plut. de Isid. et Obirid. p. 369 F. p. 514 Wytleiib.:
„ A u c h vo n ' f h i e r e n , g l a u b e n s i e , g e h ö r t e n
di e e i n e n , al s H u n d e , V ö g e l , L a n d i g e l , d e m
721

Oberhäupter haben, Ormuzd und Ahriman, so haben


auch die Licht - und Nachtreiche derXhierwelt ihreOber-
häupter, Vorsteher und Beschützer, welche die Phanta­
sie auf die sonderbarste Weise bildete, indem sie ihnen
geistige und hör perl iche Kräfte, welche weit über die
des Menschen hinausreichten, beilegte, ohne ihnen je­
doch die Thierform zu nehmen, die man vielmehr aus
\ er schied enen T heilen der guten oder der büsen Thiere
Kusammensetzte Dies sind jene Wundergestalten und
Fabelthiere des Orients, die wir noch jezt an den Mauern
der Palläste von Persepolis sehen, und deren Abbildun­
gen mit den Beschreibungen der Zendbücher und des
eben darum zwar oft verschrieenen und getadelten Cte­
sias , aus welchem auch andere Griechen sie liefern,
ubereinstimmen. So war das E i n h o r n (oder der wi l d e
£ s e l des Ctesias, s· dessen Indic, cap. s 5 .) ein Symbol der
ganzen r e i n e n T h i e r w e l t , und darauf bezogen sich
alle die verschiedenen Attribute, die ihm beigelegt wa­
ren , so wie seine Gestalt aus Theilen der nützlichsten
und reinsten Thiere zusammengesetzt war, als Ochs,
P ferd , Esel (s. Heeren Ideen 1. i. p· 375. und Tychsen
ebendas· p· 6 i 5 f. der dritten Ausg· und Rhode über
Alter und Werth einiger morgenländ. Urhonden p . 8 6 f·
89 f.)· Ihm steht gleichsam entgegen als Oberhaupt der
Ahrimanischen Thierschüpfung das von Ctesias (Indic,
cap« 7.) und nach ibm von Aelianus (H. A. IV· 3 i.) be­
schriebene und mit dem Namen M a r t i c h o r a s oder

gut en W e s e n an, a n d e r e , wie die W a s s e r ­


i g e l , dem bösen.** Vergl. daxu KljukersBemerkun­
gen im Anhang zum Zendavesta Bd. 11. Th. 3. p.84. und
Anquetil du l^erron ebendas. Bd. I. Th· 1. p. 124.

70} $. Uber das Bisherige besonders Rh o d e über Alter und


Werth einiger morgenlilnd· Urkunden p. 8i f.
ηΐ2
M e n s e h e n w f i r g e r 7^) beseichnete Thier, dessen G e­
stalt aufs wunderbarste aus Mensdien-, Ldwen- und
Scorpionstheilen ^2) susammengesetet ist — ein Unge­
heuer , das wir gleichfalls in den Ruinen von Persepolis
dargestellt finden. Ich habe nach einem Siegel ah druche«
den mir Munter mitgetheilt > einen solchen Martichoras
abbilden lassen; s, Tab. I. nr. i 4 · vergl. mit Niebuhrs
Reisen 11. Tab. so. Aulherdem vergleiche man Rhode
über Alter und W erth einiger morgen!and. Urkunden
p. 9 3 ff. Heeren in den Ideen I. 1 . p, S7 6 . coli, 3o3 der
dritt. Ausg. Herder in der Vorwelt p. 58 · findet dage­
gen in diesemThiere die der Aegyptischen ähnliche Idee:
m ä c h t i g e W e i s h e i t angedeutet 7')·

71) Dafs diese Uebersetzung des Ctesias richtig sey, hat


Tychsen zu Heerens Ideen 1. 1 . p. 6 tl, gezeigt,
72) S c o r p i o n e und S c h l a n g e n als Symbole überhaupt
von schädlichen, verderblichen Dingen, besonders aber
von s c h l a u e n , g e f ä h r l i c h e n G e g n e r n , kom­
men auch in den Christlichen Religionsurkunden v o r; so
t. B. Luc. X. 1 9 , wo man vergleiche Kuinoel Commentt,
in >i.T . Tom. Π. p. 449, welcher die nöthigen Nach-
weisun^en hierüber in der Kürze giebt. $0 werden auch
in der Apocalypse IX. 3. 5. 10 . die Verderben bringenden
Heuschrecken vorgestellt mit S c o r p i o nstheilen, oder
überhaupt den S c o r p i o 11 en ä h n l i c h ,
73) £ 5 erinnern uns diese merkwürdigen Thiercompositionen
von Löweiileib, Flügel, Menschengesicht, Diadem u,
s. w. wegen ihrer grofsen Aehnlichkeit an die Aegyptische
Sphinx, der man eine ähnliche Bedeutung gab; s, oben
p. 496· Es liefke sich vielleicht hiermit die Nachricht des
Diodorus (1, 46.) vereinigen, dafs die von Cambyses bei
der Eroberung Aegyptens von dort weggeführten Künst­
ler die Gebäude zu Persepolis erbaut hätten. Doch e r­
klären VV'esseling und St. Croix diese Stelle so, dalk die
Aegyptischen Künstler diese Palläste b)os ausgeschmückt
hätten; s. Fea lu Winckelmanns Gesch· der Kunst 1· p-
725

Ferner waren die w a c h s a me n und s c h a r f s e ­


h e n de n Geister durch V ö g e l syinboUsirt. Sie gehörten
der reineren Schöpfung an, und waren Feinde des Ah·
riman und seiner Schöpfung; daher Ormuzd durch den
H a b i c h t oder auch durch den A d l e r 7^) versinnlicht

37 s der neuest· Ausg· Auf Denkmalen kommt jedoch


zuweilen A e g y p t i s c h e und P e r s i s c h e Art v e r ­
m i s c h t v o r 9 wie die Beispiele, welche Caylus Recueil
d* Antiqq. Tom. I. p1. 18 . pag. SS. 56. und Tom. 111. pl.
12 , giebt, beweisen, welches auch aus der Herrschaft
der Perser über Aegypten erklärbar ist; s. Fea ebendas,
p. 378. — Auch die Wunderthiere, die in der Offenba­
rung Johannis beschrieben werden, haben viele Aehnlich-
keit mit diesen Persischen ThiercomPositionen. Man
vergleiche nur ΧΠΙ. 1 . und daselbst Eichhorn (Tom. II.
p. 109.), der mit Recht an diese Persischen Wunderge-
stalten und Ungeheuer erinnert. Dahin gehört auch der
Drache, der cap. XIl. 3 sqq. beschrieben-wird.
f4) Ueberhaupt war der A d 1e r ein königliches Symbol beiden
Persern. Eine sonderbare , aber an orientalischen Höfen
wohl nicht unerhörte Sache finde ich beim Olympiodoros,
die ich meinen Lesern nicht vorenthahen darf. Er erzählt
(inComm.mscr. in Plat. Alcib. I. p. 121 d. p.340Bekker.):
Aufser andern Schönheitsmitteln, die die vornehmsten
Eunuchen bei den Jungen Prinzen des Königs angewendet
hätten, sey auch dies gewesen , dafs sie die Nase in eine
gekrümmte Form zu bringen und einer H a b i c h t s - oder
A d l e r n a s e nachzubilden versucht hätten, anzudeuten,
dafs der Knabe zum Herrschen bestimmt sey. Denn auch
der Adler, der König der Vögel, habe eine solche Nase.
O: ίοκουντίς , lieifst es , a^t^rot t ä v «u vw ^ cmv — r i τούτον μοξίΛ
κβΑλος Βιατ^άττου^ί y^umjiv neu njv ^iva xoieCvT*^^
svdcfxvuptvor rJ ^yyjfAOvtKBv stvat και βασιλικήν τον
iratSa· ci/rw και o daro; y^vird^ iwTt αίς βασι ·
λικός. Darauf macht er jedoch noch den Zusatz: xai Btä
Xvfcv Bi TCUTO iTsnjBevov y^viriv y&v0iMV0V * B Bi βασιλίκι»·
TccTo^ ijv και τξαδτατος. Dies letzte mufs aus Herodotus III.
89. cikläit werden, wo die Perser den Cynis V a t e r
724

“ward. Auch sie hatten ihr Haupt, den Vogel E o r o s c h ,


vielleicht ein Bild der Z e r u a n e A h e r e n e , der Z e i t
o h n e Gr ä n s e r u Ueberhaupt waren die Y d g e l, als
solchet die in der Nähe der Götter schweben, D o l J -
m e t s c h e r de s Hi mme l s . JVIan hielt dergleichen in
goldenen Käfigen im höniglichen Pallaste su Babylon
unter Aufsicht der Magier, und nannte sie Z u n g e n
So schweben, wie Philostratus (Vit. Apollon. L s 5 . und
dazu Olearius p. 34 .) erzählt, über dem Throne des Kö­
nigs, wenn er Recht spricht, vier solcher idealen Vö­
gel, ϊ ν γ γ ε ς dort genannt, welche dem Honig immer
ans Herz legen das ewige Gesetz der Adrastea, und
welche von den Magiern der G ö t t e r Z u n g e n genannt
werden. Man sehe, was ich schon oben p. 5 oo. hierüber
hemerlit habe. — Dagegen Bild des Ahriman ist der
S c h l a n g e n d r a c h e (Zendavesta 1. p. 6.). SeineG ei-
Ster, die D e w s , sind, wie ein neuerer Gelehrter b e­
hauptet, symbolisirt durch die G r e i f e n , welche die
Sage in die Wüste versetzt, wo sie um Kersch weifen,
die Reisenden auf alle mögliche Weise durch Wasser«
9 glühende und lödtende Samums beunruhigen

nennen. Darauf spielt (gelegentlich bemerhO der Pbilo«


soph Proclus (mscr. in Platon. Alcib. 1.) an: *Λλλα rr
βουλίΤΛί avTtp (dem Socraies beim Plato im Alcib. 1« pag.
802 Bekic.) ivraüBa Hat Μ^ξη^ · v Κύρος μίν
(pfλαν5^·υΐΓον κ αι κ>;^«/>Αονικ4v χ^ος οί τ τι ^σατο f i t *
σι λβ/ αν. ^ φ λ ί γ μ α ή ο υ σ α ν και υ/3^ΐοτικι}ν· dio ό ph
i r a r j j f uri τών omptotuv ί τ ν ν ο μ ά ζ β τ ο κ. r. λ.
75) S Kleukrr Anhang zum Zendavesta Bd. Π. Th. 1. p. iOi.
W er denkt hier wohl nicht an die οΓα»νοι oder Weissage·
Vögel der Griechen und an die oscines der Römer? Dor·
ville ad Charit, p. 560 Lips. giebt mehrere Nacliweisungeii
davon, dafs die Perser, wie die Römer, ans den Vögeln
omina zu nehmen pflegten, dafs sie auch solche, in Ksögez
verwahrt, im Kriege mit sich tülirten*
7^5

und in groPse Noth setzen u. &· w. Auch wurden


manche Amshaspands und Izeds verliörpert, wie z. B.
der lebendigste aller Izeds, B e h r a m (der König der
W esen, wiewohl er einen himmlischen Leib hat, dessen
Glane von Ormuzd herruhrt) theils durch einen
m u t h i g e n J ü n g l i n g , theils durch das R o f s , theils
durch den O c h s e n oder das L amm (Anhang z. Zend-
avesta B. II. Th, i. p. 87. not. 33 .). So stellte man den
Ferner des Königs vor als eine edelgehaltene, mensch­
liche Figur, deren niedere Thcile aber in ein verhüllen­
des Gefieder ausgehen· Besonders waren den Persern
die P f e r d e und vorzüglich w e i f s e heilig. Sie wurden
der Sonne geopfert, der sie geweihet waren und deren
Wagen sie zogen (Brisson. de reg. Fers, princ. p. 33 ^ sq·
870· und Kleuhers Anh. z. Zendav. II. i. p. 8b. 87.).
Das S c h d p f u n g s - und G e s e t z e s wo rt^ das
U r w o r t , H o n o v e r , ward in drei Momenten symbo-

76) So Rhode Ober Alter und Werth u. s. w. p.9S ff. Diese


Auslegung fordert bündigere Beweise. — Andere Deu­
tungen haben wir schon oben berührt p. 44l ff. p. 4S0.
Dafs aber A h r t i n a n und s e i n e b ö s e n G e i s t e r als
B e w o h n e r d e r S t e p p e n u n d W O s t e n gedacht
werden ( T u r a n ) , im Norden von dem glücklichen,
unter Ormiizd's Herrschaft stehenden Iran (so wie wir in
Aegypten Typ hon und Osiris als Herren der SandwQsten
Libyens und des gesegneten Aegyptens gesehen), ist Grund -
Charakter der Persischen Urkunden. So dachten sich
auch die Ebräer die w a s s e r l o s e n S t e p p e n und
W ü s t e n («f *ξ>ιμος) als die A u f e n t h a l t s ö r t e r u n d
W o h n s i t a e d e r b ö s e n G e i s t e r ; s. Matth. XII·
43. nebst den Auslegern , und Luc. XI. 84. So heifst
das zerstörte und dem Boden gleich gemachte Babylon
eine W o h n u n g d e r D ä m o n e n (KaroHTiJf/ovΒοέμ^νναν);
s. Apocalyps. XVIII. 8. und daselbst Eichhorn Tom. lU
p. 32 sq. p 2i3. Die Aegyptier versetzten das.Typhoni-
sehe T hier, den Esel, in die WOste; s· m. Comm. Herodd·
77) S. Zendavesta Bd. 1. p. 17·
726
Ifsirt: Im ersten wird dasselbe Substanz — ein Geist«
im zweiten beVommt es einen Naturtypus, und wird zum
Baume, im dritten wird es selber Mensch. Demnach
war es zuerst personificirt als L i c h t - und L e b e n s -
(pe i s t , ewig beseelend , all wirksam und ewig streitbar
Es ist bekannt, daPs nun die Person Hi catton des W o r ­
t e s (λό/ος) auch unter die Ebräer und in das Christen­
thum überging, wenigstens in die Johanneische Darstel­
lung des letzteren. Im zweiten Moment ward das W o r t
verhSrpert unter dem Namen Ho m, als Bild des ewigen
Segens und Gedeihens, als ein B a u m , der die Krone
des ganzen Pflanzenreichs war, und wunderbare B ele­
bungskraft hatte 7’). Daher ein Stück von diesem H o m -
b a u m e bei jedem Opfer wesentlich war. So auch hat­
ten die Indier (und andere Volker) ihr heiliges Opfer­
holz, K o i p o oder T u l o s c h i Im dritten Moment
wird das Lebenswort M e n s c h ; es wird zum ersten
Verkündiger dieses W ortes, H o m , auch H o m a n e s
genannt, der unter Dschemschid das W ort verbreitet,
und den Magismus gestiftet hatte, gleichsam B a u m de s
L e b e n s und S a f t d e r U n s t e r b l i c h k e i t (s· oben).

78) S. Zendavesta Bd. I. p. 36. Herders Vorwelt p. 244·


79) Aehnliche Vorstei lummen finden sich in der Offenbarung
Johannis, so z. B. II. 7 : «dem Sieger will ich geben tu
essen v om B a u m e d e s L e b e n s , der in der Mitte
des Paradieses Gottes ist^^ wo Eichhorn (I. p.82.) be­
merkt, dafs :ihn1iche Bilder vom L e b e n s b a u m e , mit
Bezug auf die nach dein Tode zu erwartende Seeligkeit
der Frommen, sehr häufig bei Rabbinen zu finden seyen·
Von demselben Le bens bäume (ξύλο v ζο»ης) spricht auch
der Apostel ebendas. XXII. 2. l4»
80) S. Herders Vorwelt p. 306 ff. und Kleuker Anhang zum
Zendavesta B. Γ1. Th. 3. p. 90. 93. Auch Plutarchus de
isid. et Osirid. p. 369 F. p. 5i4 Wyttenb. spricht davon,
und nennt es H o ro o m i (O/xw/iw>; sieh, dazu Kleuker a«
a. O. B. £1. Th. 3. p. 83.
727
Die W e l t o r d n u n g und das W e l t a l l (κόσμος)
ist versinnlicht durch den J a mi j e n i , den Becher des
Bschcmschid , der das Weltall darstellt , und den er
bei der Gründung von Estbahar fand. Er soll aus einem
grofsen Türhis und aus strahlenden Edelsteinen bestan­
den haben. Ich verweise hier, der Kurze wegen, auf
das, was schon oben p. 671. hierüber bemcrht wurde.
Auch das S o n n e n j a h r in seinen einzelnen Perio­
den oder in den Jahreszeiten und den ihnen vorstehenden
Geistern ward vom König und den Grofsen seines Hofes
symbolisch angedeutet durch den abwechselnden Schmuch
in K l e i d u n g , E d e l s t e i n e n und dergl.; so wie über­
haupt der symbolische Gebrauch e d l e r M e t a l l e bei
den Persern sehr verbreitet gewesen zu seyn sebeinr»
wie dies wenigstens die von Boebart im Hierozoicon T.
IL lib. y . cap. 8. p. 715 sqq. aus Aristoteles, Appulejus
und Polybius beigebraehten Zeugnisse beweisen, wo von
den kostbaren Gebäuden und Königspallästen zu Susa
und Ekbatana die Bede ist. Auch fuhrt dort Bochart
eine merkwürdige Stelle aus Pbilostratus (V it. Apollon.
II. 11.) an, worin von einem s y m b o l i s c h e n G e ­
b r a u c h e d e r P e r l e n in einem Indischen Sonnen-
tempel geredet wird. «Der Boden selbst, heifsl es
dort, ist aus Perlen zusammengelegt auf eine symboli­
sche W eise, welche alle Barbaren in ihren Tempeln
anwenden»

81) Die Griechischen Worte lauten folgendermafsen: τά Si


ίίδος α ν τ δ μ α ^ γα ^ ίτ/δ ος ξ ν γ κ 'ϋ τ α ί ζ ν μ β ο λ ί κ ο ν

Ueber dic
m β ά ξ β ο ξ 0 4 ,·χ ά ν η ς ί ς τ ά ΐ ί ξ ά

bildliche Bedeutung derEdelsteine vergi, man auch Apocal.


XX1. 19 sqq. Zwei Gattungen Adlersteine (aCiites) kennt
Plinius H. N. XXXVI. 8i. Von dem einen sagt Solinus
cap, 37: Zoroaster habe ihn allen andern Steinen vorgezo-
geii und ihm grofse Krttfte beigelegt. Er werde in den
Adlemestern gefunden. Man vergl. den Salmasius zu
dieser Stelle p. SOt sqq·
728

5· 9*
M itra - M ithras.
Wh* geben bei Entwichelung dieser Idee, einer der
erhabensten und reinsten^ die ivir im ganscn Aherthum
antreflen, deren Ursprung in einer primitiven Lehre eu
suchen seyn müchie, die dem B r a h m a i s m u s mit
dem Ma g i s mu s gemeinschaftlich war, welche aber
durch Persien und Vorderasien in verschiedenen Gestal­
ten, Formen und Veränderungen nach Aegypten und
Griechenland (wo sie jedoch, mit Aegyptischen Bestand-
theilen versetet, erst in der ArgoJischen Lichtlehre vom
P e r s e u s verstecht und späterhin vom herrschenden
Dienste des Bacchus verdrängt wurde) verbreitet, dann
von Kleinasien aus gleichfalls später nach Rom und in
den entferntesten W esten, ja bis in unsere Germanischen
Gauen, verpflanet ward, und, freilich sum Theil nicht
mehr in ihrer ursprünglichen Reinheit und mit partiel­
len Verfinsterungen, eine aufserordentlicheAusdehnung
und Herrschaft über die menschlichen Gemüiher erlangt
hat — wir gehen, sage ich, hier von der classischen
Stelle des Plutarchus de Isid. et Osirid. cap. 46· p. 369.
pag. 5 i 3 seq. Wyltenb. aus, und legen sie sum Grunde
der ganzen folgenden Darstellung. Dort heifst es:
«Andere glauben , es gäbe zwei Götter, gleichsam ent­
gegengesetzten Bestrebungen zugclhan, so dafs der Eine
das Gute, der Andere das Büse thoe. Andere nennen
den Goten Gott (Η<ίόν) , den Andern aber Dämon (Δ«ί*
•μονά)» So Zoroaster, der Magier, welcher fünftausend
Jahre vor dem l'rojanisclien Kriege gelebt haben soll.
Dieser also nennete den Einen Oromazes ^Ω,^oμάζr^v)^
den Andern aber Arimanius (*Apeipavior), und fügte den
Satz hinzu: unter den sinnlichen Dingen gleiche jener
am meisten dem Lichte, dieser der Finsternifs und der
Unwissenheit. Mitten zwischen beiden stehe M i t h r a s .
7^9
« D a h e r n e n n e n di e P e r s e r a u c h den Tflithras
d e n M i t t l e r ( μίσον ik άμφοίρ «cor elvai- diA
*al Μιαρήν Tlipaai τύν μ$σίττ^ όνομάξονσιν). Er hat
auch gelehrt, jenem (demOrmuzd) Bitt- und Danhopfer
darsubringen; diesem aber (dem Ahriman) Abwendunge-
und Schrechensopfer.» W ir verbinden mit dieser Stelle
noch das Zeugnifs des Herodotus L· i 3 i : «Ueberdem
haben sie (die Perser) auch gelernt, der Urania zu
opfern, und zwar von den Assyriern und Arabern. Es
nennen aber die Assyrier die Aphrodite: Mylitta, die
A raber: AHtta (im dritten Buche cap. 8. steht dafür
A lilat), d ie P e r s e r a b e r : Mi t r a (fUpaat d i,
«rpar W) sc. καλέονσι). » Es ist bekannt, welche Schwie­
rigkeiten man in dieser Stelle gesucht und gefunden
h at, während Alles für die volle Wahrheit dieses ihres
einfachen Sinnes spricht: daf s m e h r e r e A s i a t i ­
s c h e V S l k e r d e r V o r z e i t ei n u n d d a s s e l b e
w e i b l i c h e Natorprincipiuro unter v e r s c h i e ­
d e n e n N a m e n v e r e h r t e n , Die P e r s i s c h e Mi ­
t r a hat hauptsächlich den Zweifelsknoten geknüpft, weil
man wohl einen Persischen M i t h r a s , aber k e i n e
M i t r a kannte, zumal als Aphrodite. Noch neulich
hat Silvestre de Sacy in den Noten zu St. Croix Becher-
ches sur les mysleres du Paganisme Tom 11. p. i2i seo.
edit. sich gegen unsere schon früher ausgesprochene
Behauptung von einem M i t h r a s - M i t r a , als einer
m a n n - w ei b l i c h en G o t t h e i t , i gni s m a s c u l u s
und f o e m i n a , erklärt« mit der Behauptung, die Per­
se r kennten grammatisch den Geschlechtsuntcrschied

82) So hat schon Ambrosius in seinem Herodotus gelesen,


nur dafs er M/H^pav schreibt. Er sa^t (Contra Synmiach·
II. p. 840 ed. Beneci. S. Maur.); ^ C o e le s te m A fri , Μ ί -
t h r a m P e r s a e , plerique Venerem colunt, pro diver­
sitate nominis, non pte numinis varietate·**
73ο

nicht. Audi habe Anquetil geseigt, daPs Uffithra bei den


Persern nach den ZendschriAen van der Sonne unter­
schieden werde. Jedoch, fahrt er fo rt, sey IVKbr^ wel·
ches, wie im Alt persischen, noch im Neupersischen die
Sonne beseichne, einerlei mit Mithra, und mithin müsse
man sich den Mithra als einen I z e d denken, d e r die
S o n n e b e s c h ü t z e und l e n k e . In so weit num
dieser Ized der Sonne im Planeten Venus sein Dontidl
(Sonnenhaus) hatte, konnte ihn Herodotus selbst milder
Venus-Urania zusammenstellen — Allein schon die
Vergleichung mit andern SchriAstellern hann die Ueber-
zeugung geben, daPsHerodotus uns nicht in das In n e re
des alten h ö h e r e n Magismus fuhrt, sondern nur ganz
kurze Nachricht von dem einfachen Religionsdienste des
alten Persischen Bergvolkes giebt, von dem alten Volks-
cultus, nicht von dem alten Medischen Priestersysteme.
Plutarchus , der genauere Bekanntschaft mit dem
letzteren verräth, giebt uns schon bedeutendere >Vinke.
£r laTst den König Artaxerxes Mnemon bei seiner Thron­
besteigung in dem Tempel einer Göttin zu Pasai^adä
die höheren Weihen empfangen unter gewissen symbo­
lischen Gebräuchen. Die Güttin selbst wird dort mit
der Athene verglichen (Plutarchi Artaierx. p. loia. D.
cap. 3 .) ^). Nicht weniger bedeutend sind die Nachrich­
ten von der Persischen Artemis sowohl bei diesem

83) Gegen diese Ansicht hat sich noch neulich v, H a m m e r


(Jahrbücher der Literatur, Wien 1S18. Bd. I. besonders
p. 109.) erhoben, welcher ebenfalls die Annahme eines
Mithras und einer Mitra fUr ausgemacht halt. Und da nac h
Herodotus Mitra ein fremdes Wesen war, so konnten die
Perser auch wohl die fremde Namensforin beibehaltcn.
84) Aber auch ihm, dem zum König erklärten , Inder Hegel
ältesten Königssohne bringen sofort die Perser Trank­
opfer, wie einem Gotte, sagt Olympiodorus mscr. ad
Platon. Alcib. 1. (Λιίτψ n/xwms «v
75 i

Luculli vita ρ.5θ7· p. aSacd.Coray) ais beiandern Schrif^-


stellenif z. B. bei Strabo (X V I. p. 1080 Almel.) , wo das
Heili^lhum dieser G ü t t i n (Azara) genannt Miid,
worin man schon milder sonstigen Benennung jener Asia­
tischen Göttin: A s t har a (Astarte) Aebniicbbeiten finden
liünnte, wenn nicht diese Persische Göttin seihst unter
dem bestimmten Xamen Ζα^ηχις ( Z a r c t i s ) vorUäme (s.
Hesychius unter diesem W orte und dasei bst Albert i). Aber
auch von andern Seiten läfst sich das Daseyn einer Per­
sischen U ra nia - Mi t r a rechtfertigen. in der alten
Persischen Sprache hie Ts m i h r , m i h i r , die L i e b e
(Hydc de religione vett. Pers. cap. ή. p. 107. und
nun erhalten auch spatere Zeugnisse ein Gewicht, wie
s. B. das des Firmicus (de eiTore profan, relig. I. 5 .) ,
dafs die alten Perser ihre höchste Gottheit t Z eu s, in
die zwei Geschlechter zerlegt9 und die in ihm wohnende
Feuerkraft als männlich und als weiblich symbolisirt ha­
ben (Jovem in duas divicunt potestates, naturamque
ejus ad utriusque sexus transferentes, et viri et feminae
simulacra ignis substantiam deputantes). Hiermit stim­
men die Vorstellungen in den Zendbuchern aufs voll-
hommenste uberein: d as F e u e r , als das allwirhende
Organ der Gottheit, ist thcils m ä n n l i c h , theils w e i b ­
l i c h , empfangend und .gebärend. Für diese letztere
ignis femina liefert nun Herodotus die Benennung Miepa

85) lieber die M i t r a sind noch die inhaltsreichen Bemer­


kungen von Kleuker iin Anh. z. Zendav. II. 3. p. 15 ff.,
von Visconti zum Museo Pio Clement. Tom. II. pag. 44.
und von Zoega Bassirilievi zu nr. 58. nachzulesen· —
Neulich hat Fr. Schlegel (über die Spr. und Weish. der
Indier p. 14.) die Indische Wurzel hiervon iiachgewiesen
in M i t r o h , F r e u n d , als PrSdicat der Sonne. Auch
Hesychius bezeichnet M at als Indisches W o rt, mit der
Bedeutung g r o fs ; s. Hesych. s. v. Me , im Persischen
m i h , im Indischen m a h , m ä h e .
I. 46
ηΖ2
Ovpavia, D er B egriff des ignis masculus befestigie sich
in dem Namen Μ ίθ ρ α ς, Μιθρ?:ς (Mithras) Dafs die­
ser letztere alt-P e rsisc h s c y , daran lassen uns die za h l­
reichen Nachrichten der Griechen gleich nacli ilerodotus
nicht zw eifeln; dafs aber der erstc re seitdem erlischt
und nicht weiter gehört wird , dalur liegen die Ursachen
seh r nahe. Theils w ar der Dienst der Mi t ra, wie die
obige Nachricht des Plutarchus vcrniiithen läfst, ein Ge­
heimdienst und vielleicbt nur den Magiern und den Achä-
menidisclien Königen zugänglich; theils zogen nun andere
Tem pel dieses W esens in A rm enien, B abylon, Cappa-
docieii und an andern O rten die Aufm erhsam heit d e r
Asiatischen Völher au f sich, und die Namen Mylitia,
Ana'itis, der Göttin von Komana u. s. w'· verdunheltcn
jenen alten Namen der Persischen FeuergÖttin*

W a s nun den Dienst jener Mitra betrifft, so w aren


genauere Nachrichten sehr zu wünschen. Daraus w ürde
sich die Identität mit allen übrigen weiblichen Naturwe­
sen A'ollends ü ber allen Zweitel erheben lassen. Ein
Symbol, das Plutarchus bei Gelegenheit jen er Einw ei­
hung zu Pasargada b e m e rh t, werden w ir unten in den
Mysterien des Bacchus und der P roserpina zu Athen und
in GroPsgricchcnland w ieder Anden. Vielleicht hatte er
auch manches Andere mit dem etwas sinnlichen Cultus
d er übrigen W esen dieser A rt gemein. Dafs der Dienst
des Mithras etwas von diesem C hnrahler schon bei den
alten P ersern hal t e, wissen wir aus dem Zeugnifs des
Duris beim Atheiiäus (lib. X. 9 . p. 4 3 4 . e. Vol. IV. p .9 1
S chw eigh.): N ur am Mitlirastagc durft e, nach dem Ma­
giergesetz, der P ersische König bis z u r T runlicnheit
trin k en , und auch dann nur tanzte er denN ationaltanz.

S6) Kleuker Anhanjf 711m Zendavesta TT. 3. p. 62. V^gl. auch


V. Hammer in der W iener Liit.Z. 1316. nr. 92· p. I*i62.
733

Es haben aber, sagt Herodotus, von den Assyriern


und Arabern die Perser die Verehrung dieser U r a n i a
gelernt. J>ie Assyrier nennen dic’ic Aphr<*dite My l i r t a,
die Araber Λ l i t t a und die Perser Mi t r a (Μ.τ^ιατ).
Also der Dienst der Venns· Urania , d. i. derselben Güt­
tin, die dcisolbe llisloriher in Aegypten nach Atarbc-
chis, d. h. in die Stadt Ath »r, verset/.t, die also Aihor
ist, diese Venus ist zu den Persern ans Assyrien gekom­
men : ·- ans Assyrien — dies verstehe man ja recht im
Sinne llerodots, der Assyrien in einem weiten Sinne
nimmt, und ganz bestimmt auch Fi abyl oni ei i darunter
begreift (s. Herodot. 1. cap. io5. Ihiq. Wessel.). Mithin
an das C h a l d i l i s c h c System müssen Mir denken , an
jenen Sabnismus, der in B a b y l o n einheimisch gewor­
den, und an jene ßahyIonische Mylilta, deren üppiger
Dienst v«»n uns noeh hemeiht M’orden wird. Es ist eine
>vahre Buhlerin Pasiphae, und auch der andere Begriff,
der sich in Libitina darstellt, der Begriff der geschwäch­
ten Kraft , des Dinsinheiis und Ermattens, mithin des
T<ides, darf dabei nicht vergessen werden, also auch
das tellnrisch- Kurchfbarc nicht, was unter Proserpina
lind Hecale gedacht wurde. Diese Mylilta nun, wissen
wir III kund lieb, biefs in Persien Mi t r a . Also Mitra
war bei den Persern eine Proserpina - Venus. Daher
wird vom Artaxerxes Mncmoii gesagt, er habe den Dienst
der V e n u s Anaitis eingefuhrt; denn Anai’tis ist doch
wohl nichts anders als Mitra, nach Allem, was davon

87) Irhla*ise, um den Faden nicht zu zerreif-^en, die folgenden


baue au«; d tr ersieii Ausgabe clie^es Hticlies 5t« lorn. Es
miifs aber gleich bemerkt werden, duPs d rr alie^te und
reinste binn, in welchem Mitra und Alitliras vert hii wor­
den bin«!, er.*«! weiter unten, in den zwei netten Paragra­
phen: M i I li r a s P e r s e s und M i t li r a s d e r M i l t ­
i e r , deutlicher hervortreten wird.
734

bemerlu wird. Scy diesem Letztcien aber wie ihm wolle^


genug, I^litraist die P e r s i s c h e Y cn us. Damit stimmt
auch der vermuthlicbe Ursprung des Wortes gut zusam­
men ; Mihr, Mihir, L i e b e (s.oben p.731.). DiesePersl-
sche Mitra hat ein männliches Wesen gerade so zur Seite,
wie Isis den Osiris. Dieses ist Milhras. Er heifst ganz
bestimmt Tlepojjg (s. oben pag. 471. und ΛνβΐίΟΓ unten).
Mag man dieses nun nehmen für: d e r P e r s e r , d e r
P e r s i s c h e ; immer ist auch damit gesagt: der Klare,
der Leuchtende; und Mann wie Weib gehen auch hier
wieder zuletzt in L i c h t und F e u e r auf. Es ist also
höchst wahrscheinlich, ja fast gewifs, dafs auch Mitra,
das W eibliche, Ilip ai? gebeifsen hat, eine Form, die
Honiertis von einer Oceanide braucht (Odjss. X. vs. i 39 ·
von der Frau des llelius), und dafs aus diesem W orte,
mit einer Zusatzsylbe , dergleichen ja bestimmt der Marne
der männlichen Gottheit hat ( wie z. B. Persidicus; sieh.
Buhnhen. ad Porphyr, de antr. Mymph. p. 16.), das G rie­
chische l l e p a e f o p f i erwachsen ist.
Diese M i t r a - P e r s e p h o n e der Perser war nun
wieder Alles das, w’as wir zuvor von der Alhor (und
auch A t h a r a heifst sie in Asien) gesagt haben, bis auf
die einzelnsten bildlichen Züge. So ist sie z. B. als My-
litta in Babylon >''orbild jener üppigen und herrischen
Semiramis, sic ist das Taubenweib Semirama. Ferner,
wie nachdem herrschenden AcgyplischenSystem (s.oben
p. 619.) I s i s Alles in Allem war, Mutter der W^elt und
Wesen der W esen, so gab es ohne Zweifel auch in Ba­
bylon und somit in Persien ein Lehrgebäude, worin My-
litta oder Mitra als e r s t e G o t t h e i t hervortrat; so dafs
Mithras, das männliche Feuer, als Sohn ihr untergeord­
net war, wie Amun der Isis, Dionysus der Persephone·
Von diesem System hatte Herodotus, nach dem Obigen,
offenbar Kunde erhalten. Als solche war Mitra nun Al­
les das zusammen, was der Grieche sich in seiner Here,
755

Ilithyia, Artemis, Aphrodite, Persephone, Hecate u.


s. w. vereinselt dachte ^). Um nur noch Eins zu be·
rühren, so war jene Mylitla — schon
dem Namen nach, wie wir im Verfolg sehen werden, Li-
lith, lliythyia : erste Gebärerin. Andrerseits war sie
auch A r t e m i s in j e d e m Sinne, sowohl als leuchten­
de L u n a , als auch in der Eigenschaft der Trennenden,
Absondernden, wie wir die Artemis aus Plutarchus als·
bald kennen lernen werden. Und auch n a m e n t l i c h
scheint A r t e m i s ('^Α^»τ€μις) eben so wohl nach Persien
zu gehören, als Persephone. Es wird noch im Verfolg
bemerkt werden , dafs der Name Artemis für P h r y g i s c h
ausgegeben werde. Das kann richtig seyn ; aber nach
Phrygien scheint der Name aus Persien verpflanzt za seyn·
ΆρταΙα ist Persien, und 'A^ratoi sind die Perser, in
ihrer und in der Nachbarn Sprache, nach Herodotus VIL
6 i , womit ein anderer alter Historiker, Hellanicus (ap·
Steph. Byz. in Ά ρ τα ΐα ), übereinstimmt In dieser
letzteren Stelle lesen wir noch eine andere Form : *Ap·

SS) Es war also ganz im Geiste dieses alten Asiatischen Glau­


bens, wenn beim Appulejus (XI . pag. 753 seq. Ouden-
dorp.) Lucius seine höcliste Gottheit so anruft: „O Kö­
nigin des Himmels, Du seyst nun Ceres , die ursprüng­
liche nShrende Geberin der Früchte, die Da jezt die Eleu-
sinischeErde vollendend bebauest; oder Venus die himm­
lische —} oder des Pliöbus Schwester — zu Ephesus;
oder die furchtbare Proserpina!*^ und wenn die Göttin
darauf unter vielen andern Namen, welche sie sich bei­
legt, auch die der Isis und Ceres an^ührt: „Mich nen­
nen die AUiker Minerva Cecropia; die Eleusinier die alte
Göttin Ceres; — die Aegyptier die Königin Isis.·* Aehn-
lich ist die obige Aeulserung des Ambrosius contra Sym-
mach. p. 8)0.
89) Eine Landschaft Artaea, von Perseus oder Perses be­
setzt , lernen wir aus des Hellanicus Persischen Geschich­
ten kennen (s. das Fragment nr· LXIH. p. 9) Sturz.)·
ηΖ6
Ttotjatf >\ie Herodianus sie nannte , und zugleich παοΤι
din mcrk\w1 rdlgen Zusatz: die Pei'scr hatten 'Αρταιανς
gesagt) Sn demselben Sinnen ^\ie die Giiechen von den
Menschen der Vorzeit als H e r o e n vne dort
Betkel trciTlich aus Handschriften supplirt hat). Diese
Artaer sind die g r o f s e n ) wie uns Herodotus an einem
andern Orte (VI. q8.) belehrt» X e r x e s bedeutet im
Persischen einen K r i e g e r und A r t a i e r s e s einen
g r o f s e n K r i e g e r ^). Es ist höchst Mahrscheinlich»
dafs aus jenem Arte — Arla die’ ’Ά^τcpiς der Griechen
erwachsen ist. Dafür finden sich auch Spuren« aufser
den obigen Fhrygischen » in Cappadocischen Monatsna­
men: ’Apvarior» (s· bei Jablonshi de
ling. Lycaon« p. i 34 ed« te Water.)«

90) Fnr A r t a x e r x e s steht in der Bibel , ein


^ a m e , wi Icher aus drin Perhischen A r i a h s c l i e t r
rntHidnden iHt, und sich in dieset Gestalt auf den ln:}chrtf·
t( n von N'aknclii- Roiistam findet« wie Gesenius bemerkt
< V\'ötiprl>iic)i der Ht'hr. ^[iraclie II. p. i247.), welcher
UherlKiii|it dort von der Kedculurij; dieses W ortes, ins­
besondere von der Sylbe A r t , gut seliandclt, und meti­
re re Nachweisumjeii jjrgeben hat. Vielleicht hSngt auch
hiermit der Name der A r i e r und A ri zusammen, der
so haufijit in den Zeiitl bucherti vor kommt , und, wie
Rluiiie meint (Hier Alter und Werth einiger niorgenländ.
Lrkundeii p. 4l ) , das vereinigte Volk bezeichnet, wel-
chiS sich in der Folge in Bdktrier, Meder und Perser
iluilte. Derselbe bringt diese Arier euch in Verbimiung
mit den A r y a s der Indischen ReligionsbOrber; s. ti#«n-
daselbst p (>4 ff llemei ktnswertli finde ich die Ar t , wie
der gelehrte Dainascius ( ▼tJ «cX* »P· Wolf. p. 259.) die
Ar ' i e r mit den M a g i e r n verbindet, indenn er sagt:
Μάγο/ bi κα/ ιτάν το **A^nov γ^νο;. Nach der Vorschrift
des S ephdti’is von Ihzanz inufs ^Άζ-ιον corrigirt wenlen.
Doch hat rbirrt selbM eine llaiidschnft'A^fiov ( s. Rerkel
clarelbst p. i6i und vergl. IlciOdol. VH.62. und daselbst
SchweigUaeuser Annott. p. 329 sq.}·
73?

So epricKt demnach yfohl für die Annahme eines


M'eiblichen Wesens bei den Perser«, als des höchsten
Principe, aufser dem schon Bemerkten , auch die Ana­
logie im ganzen übrigen Alterthum; denn allenthalben
finden wir die Gottheit als ein ))o p pe I g e s c h l e c h t,
in M ä n n l i c h e s imd W e i b l i c h e s zertheilt. So sa­
hen wir in Aegypten P h t h a s - N c i t h , als dicselbe gött-
liche, schöpferische Feuerkraft, in zwei Potenzen ^ eine
männliche und eine weibliche, zerlegt, und in demselben
Verhältnifs zu einander, wie in Persien Mithras und Mi­
tra (s. oben p. 609.). ln Indien sahen wir Brahma, den
Schöpfer, selbst als H e r m a p h r o d i t e n u. s. w . ; um
nicht Mehreres anzufuhren. Dafs ferner dieses Persische
Dogma von der potentia masculo - fuemina (Mithras-
Mitra) wahrscheinlich schon ein uraltes Dogma war, be­
weisen auch die Stellen bei Xenoph. Oeconom. IV· 24*
Cyropäd. VU. 5 . 18. und bei Plutarch. vit. Artax. cap.4.
p. 1019· B , wo Cyrus und Artaxerxes bei M i t h r a s , als
einem männlichen W esen, schwören, was immer schon
einen durch die Religion der Väter geheiligten Gott vor-
ausselzt. Für dieses ehrwürdige Alterthum mögen auch
wohl jene Namen sprechen, die bei Herodotus und An­
dern Vorkommen, wie M i t r a d a t e s , M i t r o b a t e s
und mehrere dergleichen. Freilich könnten diese auch
wohl der Mi t r a gellen. Bei Plularchus vit. Alcib. cap.
89. kommt dagegen der Name S u s a m i t h r c s , d. i. L i ­
l i e ns o n n e , mit hcstimintcr Beziehung auf Mithras,
vor (s. oben p. 461.). Wenn aber in den Griechischen
Lichtreligionen Mithras nachher ganz verschwindet, so
darf uns dies nicht befremden, indem S a b a z i u s und
B a c c h u s dort als Mittler in den Mysterien an seine
Stelle traten, und weil, wie wir gleichralls schon oben
p. 471. bemerkt, P e r s e u s dort alle seine Herrlichkeit
an sich gerissen, und Mithras nur in den Eigenschaften
758

des Perseus friiherhin den Griechen begannt war


Eben so kennt auch Aeihiopien einen M i t h r a s und
P h l e g y a s , als Gesetzgeber und Religionsstifter (s.wei­
ter unten), so wie Assyrien und Aegypten, wo er die
Sonnenobelishen und On oder Heliopolis (s. Plin. H. N.
XXXVT. i8.) erbaut haben soll, und mit Memnon in
Verbindung tritt. W ir haben schon oben (Cap. I. §. 18.
p. 4 ^9 ·) Auf diese Verbindung aufmerhsam gemacht, ln
Kleinasien ward der Mithrasdienst mit den Sabazien ver­
mischt , und so ham er durch den Eeldzug des Pompejus
gegen die Kleinasiatischen Seeräuber nach Rom und
Italien (Plutarch. vit. Pompej. p. 6 3 i. (X Frank, cap. 04·
p. 121 Cor.). Wenn nun in dem RömischenMithradienste
der S o l i n v i c t u s besonders hervortritt, so war dies
nur Erneuerung einer alten Idee, indem S o n n e p h y ­
s i s c h und e t h i s c h schon in der Grundidee lag·

$. 10·
In Persien also ward das m ä n n l i c h e H i m m e l s ­
f e u e r als M i t h r a s verehrt — eine Religion, weniger
bekannt in ihrem ursprünglichen Charakter, späterhin
als Geheimdienst weit verbreitet in dem grofsen Römer­
reiche, verherrlicht durch zahlreiche Bildwerke und
Gebräuche, den traurigsten Fanatismus begünstigend,
aber andrerseits nicht ohne EinfluPs auf einige kirchliche
Einrichtungen des Christentbums. Auch darauf müssen
wir einen Blick werfen, wenn gleich, wie gesagt, hier­
bei fast nur spätere religiöse Formen zu betrachten sind·
Lägen die W erke des Pallas und Eubulus noch vor,
worin vom Mithrasdienst eigens und ausführlich gehan­
delt war (Porphyr, de Abstin. IV. p. 349. 3 3 i ed. Rhoer.),
so möchte uns dessen ältere Gestalt wohl in einem ge-

91) Ich werde davon weiter unten ausfQhrlicher handeln«


7^9
treueren Bilde erscheinen, wenn gleich jene Schriftstel­
ler nach Geist und Verdienst nicht weiter bekannt sind.
Jezt schöpfen wir hauptsächlich aus dem Berichte spä­
terer Schriftsteller und aus dem Anblick eben so später
bildlicher Monumente und Inschniten. Jene lernten
diesen Cultus aber damals erst kennen, da er ein schon
sehr zusammengesetztes Ganze war. Wenigstens sagt
Plutarch im Leben des Pompejus ausdrücklich (a. a. O.),
erst damals, als dieser grofse Römer die Ui einasiatischen
Seeräuber bekriegte, scy dieser seinen Landsleuten be­
kannt geworden. Die Inschriften, die von Mysterien
des Mithras reden, fangen aber, nach Freret (Memoir.
de TAcad. des Inscript. T. XVI. pag. 276 sq.), erst mit
Constantinus dem Grofsen an. Desto thätiger ist der
Forschungsgeist der Neueren gewesen. Aufser der eben
genannten Abhandlung von Freret und der von Philippo
a Turrc in den Monumenta veteris Antii, die diesem
Gegenstände besonders gewidmet sind (In Burmanns und
Graevius Thesaur. Antiqrj. Italiae Vol. VIII. part. 4 · P·
86sqq.), haben seit Scaliger, Seiden, Bochart, Van
Dale, Vitringa, Hydc, Anquetil, Kleuker, Mosheim,
Foucher u. A .; ingleichen die Ausleger der Alten, auch
die Erhlärer grofser Kunstclassen, wie G o ri, Passeri,
Montfaucon, Eclihcl, Rasche, AVinckelmann, F ea, V is­
conti, ferner die Specialgeschichtschreiber Froher, Satt­
le r , Schöpflin, V. Ilormayr ; auch Beisende, wie Milli n
u. A ., und neuerlich, aufser andern Mythologen und Al­
terthumsforschern , vorzüglich Sainte-Croix, Dupuis,
Zoega und Eichhorn, diesem inhaltsreichen Gegen-

92) Niemand hat seit Phil, a Turre genauer und genügender


von den verschiedenen Mithrisclien Denkmälern gehan­
del t , als Z o e g a , ihcils in seinen Bassirilievi di Roma,
thcils und vorzüglich in seinen A b hand 1u n g e n pag·
140 ff·; womit diezweckmäfsfg und fleifsig nachgetragenen
74ο
Stande ihreAufmevftsamlieit geschenkt. W er also in die*
ser Verschiedenheit der Urtheile nur das Tderkwürdigste
herausheben w ollte, hatte reichen Stoif zu einem e ig e ­
nen groTsen Buche, Diese Abweichung der Ansichten
ist in der That bemerkenswerth genug, sowohl in Be-
trHT der Grundidee, als des Zeitalters. Die Kirchen­
väter sahen zum Theil in diesen Mysterien blos dem
Christenthum abgeborgte Gebräuche, in der Absicht ver­
anstaltet, um das wankende Heidenihum zu stützen. £in
neuerer Schriftsteller ( D u p u i s in seiner Origine de
tous les Cullcs IV. pag. ^69.) erklärt hingegen das Chri­
stenthum selbst für einen Zweig der Mithrasrellgion.
Andere entkleideten den hier verehrten Gott fast ganz
seines göttlichen AVesens, so z. B. Mosheim (ad Cud-
worlh syst, inlell. T. I, p. 424 ·)<ι hn alt· Persischen
Mithras nichts als einen von der dankbaren Nachwelt
vergöltenen Jäger sali, der Persien von wilden Thieren
befreit habe. Ueber den Ursprung des Dienstes ist man
eben so w enig einstimmig. Das sichtbarlich Vorderasiati­
sche spätere Gepräge, das man in den meisten Mithrischen
Monumenten erkennt, Klhrct Viele der einsichtsvollsten
Forscher bis zudem Zweifel Iiin, ob ein Geheimdienst
des Mitiiras den alten Persern überhaupt bekannt gewe­
sen. Belianiitlieh läugnetc Hyde eine solche A'^erehrung
des Mithras in Altpersien (de relig. vett. Pers. cap. 4.),
während Dupuis ( a. a. O. T. V. p. 127.) einigen dieser
Denkmale oder doch ihren Urbildern ein Aller von 45oo
Jahren vor unserer Aerc giebt.
Ueber das AVesen des Mithras giebt Plotarckus,
ohne Zweifel auch ans alleren Srhriftstellcrn , eine recht
bcmcrkenswci lhe , fruchtbare Nachricht. Nachdem er

Β*Ίηη kiinjjcn von dem H eraufgel^r F. G. W e l c h e r p.


ff. 2 u verbinden sind.
741

die beltanntcn Prädicate des Ormuzd und Abriman ange­


geben, bemerkt er, nach Zomasters Lehre stehe zwi­
schen beiden Mithras in der Mitte. Daher nannten sie
ihn auch den M i t t l e r Ich weifs nicht, warum
Zoega (Bassin!, zu lab. 58 .) und Fr. Schlegel (über die
Spr. und Weish. der Indier pag. 129.) Bedenhen findoni
das Zeugnifs des Plutarchus nach seinen klaren Worten
zu nehmen, mul n u r einen Mittler zwischen Ormuzd,
Ahriman und den Me n s c h e n yerstanden wissen wollen.
Schon Hleuker (Anhang z. Zendav. 11. 3 . p. 82. 10.) hat
sehr gut gezeigt, daPs M i t t l e r entweder eine Theil-
nahme an der Natur jedes der beiden W esen, des guten
und busen , bezeichnen kann , oder ein in die Mitte T re­
ten als vermittelnde Macht (so erscheint er in denZend-
huchern : durch seine Hülfe, die er dem Ormuzd leistet,
erleichtert er die A^ersohnung des Ahriman mit ihm);
oder endlich ein entscheidendes Richteramt zwischen
Leiden, mithin eine beiden übergeordnete Macht. Auch
hier möchte es sich wnlil bestätigen, daPs nach verschie­
dener Betrachtiiiigsart jede dieser Ansichten ihre hi­
storische Wirklichkeit gehabt habe. Dafs zuvörderst
Mithras bald als Bew^uhner des Liclitreicbes, bald als
Bürger der KinslerniPi, und l’olglich in so weit als theil-
haflig beider Naturen, betrachtet worden, wird sieb so­
fort aus seiner Bedeutung als S o n n e ergeben. Die
zweite Aiisicltt ist durch die Zendbüchcr bestätigt. Die
dritte aber, nach der er als Höchster gedacht wird, oder
wenigstens als Demiurg, läPst sich aus den uns bekannt
gewordenen m}stisehcn Milhrasdogmen nicht bezweifeln.
Als Mittler zwischen Gottheit und Menschheit ist er aber
freilich in jener ersten Bedeutung eines leidenden und

9 0 " i** haben diese Stelle oben (pag. 72S.) vollständig mit-
githeik.
74^
trium phirenden Gottes gans ungesweiPelt auch gedacht
worden
D bPs Mithras die S o n n e s e y , hat Anquetil bewie­
sen, so wie auch der ganze Inhalt der Zendbucher und
andet er M*>nuniente dafür spricht· Die Beweise aus G rie­
chischen Schriftstellern hat W ernsdorf mit reicher Hand
gegeben (s. de*;sen Noten zum Himerius Grat, in Laud·
ui'b· Constanlinop. p. 3 i sq.) Ich will indessen noch

94) Die verschiedenen Ansichten dieses Begriffs vom M i t t ­


l e r Mithras weiset jezt Welcher zu Abhandll·
p. 118. kürzlich nach. Ich werde auch diesen Grundbe­
griff unten ln den Zusätzen zu diesem Paragraphen noch­
mals berühren.
95) Eichhorn (dedeo Sole invicto Mithra p. 11.) behauptet,
dafs nach den Z^ndhUcheni und der ursprünglichen Lehre
der Magier (wobei tVeilich nicht an die späteren Bedeu­
tungen in der Römerzeit zu denken sey) Mithras keines­
wegs als S o n n e s e l b s t , sondern durchaus als G e ­
n i u s , zwischen Sonne und Mond, und als beständiger
Begleiter der ersteren, wiewohl von ihr völlig verschie­
den, erscheine. Zo^ga berief sich auf den Jescht Mi­
thra (Tom . II. pag. 211 edit. Anquetil), um den Namen
Mithras nach Persischem System auf eine ganze Anzahl
untergeordneter Wesen (Genien) auszudehnen· Welchen
Satz aber schon Arseiine Thiebaut bestritten hat (siehe
Weickers Anmerkk. zu Zoöga's Abhandlungen p. 96 f.)·
Nachher hat aber Herr v· Hammer in der inhaltsreichen
Kritik der gena.tnten Abhandlungen (Wiener Jahrbb. der
Literatur I. lSt8. μ. 108ff.) gezeigt, dafs M i t h r a s mehr
war als der blofse Genius der Sonne, indem er „der e r ­
s te d e r l s e d s , d e r V e r m i t t l e r d e r S c h ö p f u n g ,
d e r F ü h r e r d e r Seelen** und so weiter heifst, und
„dafs gewisse Begriffe dieses Mythus wie der Grundfadrn
durch das ganze Gewebe alter Religionen gehen·** — In
den beiden Schluffparagraphen dieses Capiuls habe ich
mich bemUht, diese Ideen von einer andern Seile dar-
zuthiin.
745
einen Seitenbeweis jiufstellen, nicbt um seiner selbst
willen, sondern weil e r , dunbt m ich, einen Blich na<h
einer andern Seite öffnet· Von den A etbiopiern, |eneti
alten Sonnendienern , sagt uns Favorinus bei Stephanus
von Byzane (in sie nannten Mithras und PhJe-
g}'as ihre ältesten G esetsgeber und R eligionsstiiter ($·
oben pag. 470 f. not. 257.). Auch hier erinnern w ieder
kanten an alte V erehrung eines M ithras, s· B. S i s i -
m i t h r e s (bei Heliodorus X. p. SqS ed. Corav) als wirh-
lich Aethiopischer Eigenname. H ierm it verbinden sich
andere S p u re n , wie die im Plinius (H . N. XXXVf. 18),
wo der erste König d er S onnenstadt, On oder Heli«:po-
lis in A egypten, M i t r e s oder M e s t r e s heifst. Hei
Syncellus (p. 52 .) wird er M e s t r a ir n genannt. Josephus
(A ntiqq. T. 6. 2 .) kennt u n ter Aegyptens Namen auch
den MEOTpij. F ö rster erklärte Mizraim als Sonnenland
(Jabionski Voce. Aegyptt. pag. 44o.). Ich habe bereits
oben (p. 469.) g ezeig t, wie ein Mitres oder Mestres in
Aegypten Obelisken b a u t , und mufs unten nochmals
darauf zuruckkommen. Aus O b e r ä g y p t e n h e r, aus
des Chemmiters Danaus G eschlecbte, ruf> der ältere
Griechenmythus einen P e r s e u s h erau f, der dann wie­
d e r einen P e r s e s in V orderasien zurilckläfst: also
vielleicht einen M i t h r a s oder M i l h r a s d i e n e r ; denn
P e r s e s , Πέρσι^ς, heifst Mithras und ein P riester des­
selben (s. Porphyr, de antr. Nymph. cap. j 6. pag. 16 ed.
R hoer. und daselbst Buhnken.). Das fu h rt wieder au f
dasselbe hinaus. P a r e s und P a r s ist das L i c h t I a n d,
u n d P a r s i ist der K l a r e , H e l l e , wie dieses L i c h t -
y o l k sich selber ehrenvoll bezeichnete. Kleine Umbeu­
gun g en haben die alten Sprachen Persiens selbst in die­
s e r Namenreihe. So beifst Mithras im Zend Methrcn . im
Pehlvi Meher. Ich habe diese nach Aegypten binuber-
spielenden Namen und Mythen nicht in der Absicht an­
g e f ü h r t , um positiv zu b e h a u p t e n , dafs in früher
744
V orw elt MitTirasclienst sicli bis dorthin v erb reitet habe;
ab e r dem Nacbilenbenden liünnen diicli diese und ähn-
liehe Ziige SloflTzu « eiteren F orsthun«en clarbieten, ob
nicht diese lleligion a ls e in im g a n z e n O i i e i i t w e i t
v e r b r e i t e i e r Cultus sich ins hohe A lterthnm
verliere lii den Zendschriften hat M ithras tu-
nachst als Sonne verschiedene Pri'dicate. E r heiPst O r-
m u z d *s A u g e , er hei Pst der b l e n d e n d e und m ä c h -
t i g la u Pen d e H e l d . Dann «ird e r B e f r u c h i e r
d e r W ü s t e n genannt (Izeschne L H a .); dann heifst
e r « ieder der erhabenste dev I z e d s ^ der S c h l a f l o s e ^
der B e s c h ü t z e r d e s L a n d e s u. s· w« (J c s c h t Sa-
des YHI.),

Mit dem Begriff S o n n e hängt unmittelbar die hü*


here Bedeutung des Mithras zusammen* Als G e n i u s
d e r S o n n e « als hoher I z c d (so wie K h o r s c h i d die
Sonne ist), giebt Mithras der Erde das Sonnenlicht.
Hiermit hängen die andern Ideen zusammen« daPs er
zwischen Licht und Finstemifs a) p h y s i s c h sieht, dafs
er an der Schw'elle des Jahres, an der dämmernden
Grotte — im Stier — steht« daPs er das winterliche
Dunhe) beivämpft, und daher am dämmernden Ausgang
der W eltgrotte den Stier schlachtet. Er ist Streiter lur
die Sonne« Läuteier der Sonne« Lichtschaffer« also für
das Licht im Kampfe mit der FinstcriiiPs, nuthin in so

^6} Ich habe diese Satze aus der ersten Atisi;abe unverändert
hribelialit’ii. Jezt niufi ich meine L^6er bitten, auf den
Abschnitt vom AegyptiscUen M e in ti o n zurückzubheken«
und die Ausführungen des Herrn Ritters von Hammer lin
den Wiener Jahrbh. der Literatur 1. 1S18. pag. lO'i,) zu
vergleichen. Mt ine Sciilufsparagrapben vom Mithras als
Perseus und als \ ermiitler weiden diesen Ideen dieses
eben so ge lohnen als gcistreiclun Mannes hinwieder zur
Bestätigung dienen*
745

weit z w i s c h e n L i c h t und F i n s t c r n i P s , folglich


M i t t l e r ; b) e t h i s c h , dafs er hell und d u n k e l ist,
rein und unrein , dafs er an den Passionen und Leiden
der Menschheit Antheil nimmt, dafs er aber endlich im
G u t e n siegt. In der Fülle der Zeit, am Ende dersel­
ben , ist er auch der M i t t l e r u n d A u f l o s e r v o n
F i n s t e r n i f s und L i c h t , Yersohner vonOrmuzd und
Ahriman, folglich AYcl t g r u n d , E i n h e i t v o r d e r
Z w e i h e i t , Z e r u a n e A k e r c n e s e l b e r (siehe das
IrVeiiere im letzten Paragraphen).

Daher ist er auch Mittler im Fleisch, indem er auf


der Sonnenbahn durch den Thierkreis die Seelen zu Gott
zurückiTihrt. Die Bacchische Geheimlehre wird uns wei­
terhin zur genaueren Erörterung dieser Ideen Gelegenheit
geben. Je«t haben wir urUundiieh zu zeigen, dafs sic
im M i t h r a s statt gefunden. Porphyrius (de antr.Nymph·
cap. 24 · p· 22.) spricht von dem Eingang und Ausgang
der Seelen in ihrer AYandernng, und fahrt darauf fort,
auch dem Milhras habe man seinen eigenlhumlichcn Sitz
in den Nachtgicicben angewiesen. Daher führe er auch
das Schwert des W idders, als eines Zeichens des Mars,
und ruhe auf dem Stiere der Λ^enus; denn da Miiliras,
gleichwie der Stier, Demiiirg und Herr der Zeugung
scy, so nehme er seine Stelle am Aequinoclialkreis ein,
und hahe zur Bechten die nördlichen und zur Linken
die südlichen Zeichen. — Zuvorderst geht hieraus ganz
deutlich hervor , wie Milhras zwischen den oberen und
unteren Himmelszeichen, nach alter Sprache, in der
Mitte steht, folglich im Uchergang vom Licht zum Schat­
tenreich und umgekehrt. Auf diesem Zodiacalwege ist
er auch der Führer der Seelen, der sie ins Leben leitet
und wieder herausführt. Sodann Keifst er Demiurg. In
einer andern Stelle derselben Schiift wird ausdrücklich
von ihm gesagt: e r h a b e d i e ATel t g e b i l d e t (Eu-
746
bulus ap. Porphyr, de antr. N. cap. 6. pag. 7.). >Veilcr
ist es bemcrltenswerih, daTs er Weltbildner und Herr
der ZeugungY gleich dem S t i e r , heifst. Mithras er­
scheint insoweit als Saamcnbewahrer, als ein hosmisches
W esen , wieBbavani, die die Keime aller Dinge in sich
verbirgt, und in dieser Eigenschaft wird er gewisser-
mafsen eur weiblichen Mitra. Der S t i e r der Venus
erscheint einmal hier als Aequinociialstier, mit den Be­
stimmungen , die oben angegeben worden sind ; zugleich
aber ist er auch höher gefaPst als Weltstier Abudad. In
diesen haue Ormuzd den Saameti alles Lebens gelegt, da
Ahrimans Erscheinung hcrannahete. Dieser kommt dar­
auf mit zwei Dew’s (bösen Geistern) in Schlangengestalt.
Der Stier fallt durch ihr Gift. Sterbend aber weissagt
e r , mit himmelwärts gerichtetem Blicke, den endlichen
Sieg des Guten. Aus seiner Linhen geht Goschorun,
seine Seele, und steigt zum Sternenhimmel auf; aus der
rechten Seite tritt hervor Kajomorts, der erste Mensch.
Von seinem Saamen nimmt die Erde ein Drittheilf zwei
Driltheile aber der Mond auf. Aus seinen Hörnern wach­
sen die Früchte, aus seiner Nase die Laucharten , aus
seinem Blute Trauben, aus seinem Schweife fünf und
zwanzig Getreidearten. Aus dem gereinigten Saamen
wurden zwei neue Stiere gebildet, von denen alleThiere
abstammen (Anhang zum Zendavesta L 1. pag. 355, wo
auch die Marietäten in diesem Mythus angegeben sind,
Bundehesch 71·). W ie reich die alte Perserreligion an
bedeutsamen Symbolen , besonders aus d^^m Kreise der
T h iere, war, zeigen die Zcndbücber zur Genüge. Dort
erscheint Ormuzd bald als A dler, bald als Habicht; der
Ized Behram als RoPs, als Lamm, als Stier. Das G e­
setzeswort selbst wird zuweilen als Hom-Baum verkür-
pert vorgestcllt (s. $. 8.).
747
$· 1 1 .
Es eröffnet sich der Kreis der zahlreichen Mithras-
monumente mit dem S t i e r o p f e r ^)· Bei der Ueber-
einstimmung im Wesentlichen sind sie in Nebenzugen
sehr verschieden , wie man sich aus den Kunstbüchern
vonKircher und.lfontfaucon an bis aufZoega überzeugen
hann· Das u n s r i g e (aus de la Chausse Mus. Born, s·
unten Tab. 111. nr. i.) gehört zu denen, i^elche die we­
nigsten Attribute haben. Der Ort des Opfers zeigt ge­
wöhnlich den Eingang einer Ho h l e . Dieser Zug ist
wesentlich» Nach Eubulus hatte Zoroaster eine solche
Mithrashohle als B i l d d e r W e l t eingerichtet (vergl.
oben pag. 17.). Hierbei war Alles bedeutend : die Däm­
merung, als der Uebergang aus Finsternifs in Licht^
war symbolisch, der Fels war die Materie, und in ihrem
inneren Umlireise waren alle kosmischen Yerhaltnisse
und Formen dargestellt, die Zonen, die Fixsterne, die
Planeten, der Thierkreis, die Elemente u. s. w.
Im Eingang dieser W eltgrotte erscheint Mithras mit
fliegendem Mantel, Phrygischer Mutze und langen Bein­
kleidern, hnieend auf einem niedergeworfenen Stiere,
dessen Schweif in drei Aehren ausläuft. Der Gott halt
dem Stier mit der Linken die Nüstern zu, mit der Rechten
stofst er ihm den Dolch in die Vorderseite. Ein Hund
springt vorn an dem Stier heran. Eine Schlange kriecht
herbei, um sein Blut zu lecken, und ein Skorpion kneipt
ihn in die Hoden. Oben itn Rücken des Mithras erblickt
man einen Vogel. So weit unser Bild. .Andere zeigen
aufserdem noch Sonne und Mond und eine Ameise» (So

97) Die vollsnindigsten Nach Weisungen Uber Mithras - Abbil­


dungen und Inschriften liefern Eichhorn de deo Sole in­
victo Mithra pag» 7. not. d. und Zo^ga in den Abhanilll·
p. ff. milden fleifsigen und gelehrten Nachträgen von
■Welcher p. 39-i ff»
I. 47
748
Jas Relief in der Villa Alban! bei Zoega Basstrilievi nr»
58 .)· Ein anderes Monument bat zur Rechten zwei männ­
liche Gestalten 9 einen Jüngling mit aufgerichteter Fackel,
einen Greis mit gesenkter9 vorwärts einen Baum mit
sprossenden Blättern, darunter einen Stierkopf mit auf-
geriebteter Fackel, rückwärts einen andern mit Fruch­
ten , mit dem Skorpion und umgekehrter Fackel; oben
über der Höhle sieben Dadgahs oder Feueraltare, an
den beiden Seiten die Sonne mit dem A^iergespann, nach
den vier Weltgegenden gerichtet, und den Mond mit
zwei Pferden. Ein drittes (bei Hyde) hat eine noch rei­
chere Umgebung. AuPser dem Gewöhnlichen, die Pla­
neten mit Sonne und Mond ; unten das Meer mit einem
Delphin; neben dem Stier einer Seits einen Jüngling
als Besaamer der Erde, anderer Seits einen mit dem
Pfeile. Zuweilen sieht man auch den Palmbaum und an­
dere Symbole, ja selbst den Todtcnschädel, auf diesen
Bildwerken. Man vergl. z. B. die 1710 Tafel bei Dupuis
mit einer Reihe solcher Mithrasmonumente·

Der Sinn dieses Stieropfers läfet sich nun schon


aus dem Bisherigen im Allgemeinen errathen. Zuvor-

2^8) Es würde mich hier /u weit führen, wenn ich die Gründe
aus einander setxen wollte, welche mich bestimmen , die
Vorstellung von einem O p f e r hierbei festzuhalten·
(Abhandll. ρ.1ΐ91Γ.) hat für und gegen gesprochen. Mein
gelehrter Freund VVe I c k e r widerspricht ihm (p. 4l5.)
und meint, die Abendländer hatten diese Vorstelluog hin-
zögethan. Die morgenländische Bedeutung dieser hdi-
thrischen Handlung sey die ^der Materie gewesen, die
im Winter erstarrend in Verwesung die Keime des Le.
bens bereitet·** Ich will nur das £ine bemerken, dafs
die Bibel und Theopompus in der Hauptstelle beim Plu-
tarchus mich mehr zu der Vorstellungsart des Freiherrn
V. Hammer hinziehen (Wiener Jahrbb. 1818. I. p.HO.):
9 das Opfer des Stiers ist also zugleich ein b l u t i g e s
749
derst bleibe die Erinnerung gegenwärtig, dafs diese B il­
der uns erst durch Römisches Medium rcflectirt werden.
Winchelmann ^ bemerkt, dafs dieser Mithras eine von
Römischen Künstlern gebildete Gestalt ist, die jenePhry-
gische Mutse und die lange FuPsbekleidung als conven-
tionelles Zeichen ausländischer Tracht eingefuhrt hatten.
Dasselbe gilt nun auch von diesen Monumenten im Gän­
sen. ln ihnen spiegelt sich natürlich der Geist ab, in
^^elchem damals die Römer dieses Gebilde des alten Ma-
gismus auffafsten, mit allen den Zuthaten der damit jezt
verwebten mystischen Dogmen a n d e r e r Religionen

M e n s c h e n o p f e r , von M i t h r a s , dem Vermittler,


zur Sohne Gottes und des Menschen, zur Vernichtung
der A h r i m a n i s c h e n E r b s U n d e , dargebracht. **
S9) Gesch. der K. 1. p. 156 ff. neueste Ausg. vergl. Fea eben­
daselbst 547. 549. p. 377 f.
100 ) Auch E i c h h o r n a. a. O. Γ. pag. 14. behauptet, dafs
die Mithrasmonumente aus der späteren Periode der gu­
ten Künste seyen, dafs sie auch nicht Persischen Mustern
nachgebildet, im Gegentheil, dafs sich Vieles auf den­
selben finde, das mit der Lehre und den Gebräuchen der
Magier in geradem Widerspruche stehe. Jedoch liefse
sich nicht bezweifeln, dafs die Römer durch ihre Sym­
bole dasselbe hätten andeuten wollen, was die Magier
von Mitlira gelehrt hätten.
Derselbe (p. 16.) bemerkt, dails die Erneuerung des
Naturlebens, dieneugeborene Natur, zwar durch trelFemle
Symbole nach den Lehren der Magier angedeutet wurde,
dafs sie jedoch, indem sie nur denen, die Magische Bil­
dung und Lehre genossen , verständlich waren , Griechen
und Römern, die unter ganz verschiedenem Himmel leb­
ten, und deren Charakter und Denkweise von dem der
Magier verschieden war, unverständlich bleiben niuHsten.
Darum hätten die Römischen Künstler mit den ausländi­
schen Bildern die eigenen, ihnen hinlänglich bekannten
von der schaffenden NaturkraR verbunden, und hieraus
η5ο
Aber auch die Perser selbst gaben , -wie bereits Gorre^ (I.
ρ·240 f.) bemerkt y diesem Mithras und seinerOpferTiand-
lung verschiedene Bedeutungen. Vorerst “war er d e r
Sohn des Persischen Urbergs Albordi. E r , der F e u e r ­
s t r a h l , aus dem Steine hervorgesprangen, und die
Erde durchstromend und durchgluhend. Der Stier a b er,
den er am Eingänge der Hohle würget, ist einmal die
E r d e selbst, die einst der grofse Dschemschid (als das
personilicirte Sonnenjahr) mit dem goldenen Dolche g e ­
spaltet. Hoher gefafst, wie wir oben bei Porphyi ius lasen
(p. 7/|6.)f ist der Stier die die Keime tragende M a t e r i e ,
lind Mithras, männlich gedacht, ihr E r o f f n e r , der d en
Schoos ihrer befruchteten Gewässer demiurgisch loset.
Astronomisch gefafst ist Mithras die z e u g e n d e S o n n e ,
getragen von dem Aequinoctia!stier, dem Saamenbewah-
rer. Dieser ist das Haus der Venus und die Exaltation
des Mondes. In der Friihlingsgleiche tritt die Sonne in
das Zeichen des Stieres ein, sie spaltet ihn, und sein
Blut fliefst warm und fruchtbar zur Erde nieder. Mit
der Herbstgleiche geht die Sonne in den Skorpion. Jezt
versiegt die gebärende Kraft der Erde. Der Skorpion
nagt an den Testikeln des Stieres. Dahin deuten auch
die übrigen Attribute : der grünende Baum , das Früh-
lingsbild, der Jüngling mit gehobener Fackel u. s. w .;
hinwieder der Herbst in seinen Bildern, im Frucht tra-

sey jene Miscliiing von Attributen und Symbolen in den


meisten Mitiirasnrionumenten zu erklHrtn.
Da nun dasselbe , was die Magier ihren» Mithras bei­
gelegt, Griechen und Römer der S o n n e beilegten, so
habe die Vergleichung beider sehr nahe gelegen, zumal
da Milhras , wie Apollo , als ein Jüngling dargestellt
wurde , und beiderseits der Stiers eine Bedeutung gehabt ;
und so sey von jener Zeit an M i t h r a s a l s S o n n e ge­
nommen, und mit allen ihren Attributen ausgeschinückt
worden. Meine eigene Meinung wird aus dem Bisherigen
wie aus dem Verfolg deutlich werden.
751
genden Banme mit dem Sliorpion, im Greise mit gesenlt-
ter Fackel, in der Schlange. Sodann oben über der
Hdhle Sonne und Mond und die sieben Pyreen als Sym­
bole der sieben Planeten«
Aus der Darstellung der Aequinoctien durch den
S t i e r , als Zeichen der Fruhlingsgleiche, und durch
den S k o r p i o n , als herbstliches Zeichen^ schliefst Du-
puis (O rig. V. p· 127 sq.) auf das hohe Alter der Ori­
ginale jener Bildwerke. Jene Zeichen, sagt e r , seyen
ohngcfahr seit ^Soo Jahren vor der christlichen Acre in den
Aequinoctien gestanden. Seit 25 oo Jahren vor derselben
Zeitrechnung seyen die Zeichen des W i d d e r s und der
W a a g e an deren Stelle getreten. W ir wollen hierbei
lieber berichten, als urtheilen, halten es aber für zweck-
mäfsig, solche Ideen, die zu weiterer Forschung reizen
müssen , hier nied erzul egen.
In der K o s m o l o g i e erhalten, wie bemerkt, Mi­
thras und Stier eine höhere Bedeutung. Im Zendavesta,
wie wir sahen, hat jener Abudad, als U rslier, aus dem
die Keime aller Wesen quellen, ganz ungezweifelt die­
sen höheren Sinn. Dort ist er der weissagende Stier,
der den Untergang der Holle verkündigt. Dort sind
Schlange, Skorpion und Ameise Bilder des Ahriman und
seiner Gefährten aus der Finsternifs, die den Stier der
W elt erwürgen. Hier erhält auch der H u n d , der den
sterbenden Stier ansieht, eine höhere Bedeutung. Er
gehört dem guten Geiste an. £s ist der Hund des Tro­
stes, der den Sterbenden an den T a s c h t e r erinnert,
an die Wiedergeburt nach Ablauf des grofeen Weltjah­
res. Bild des Sirius ist e r , des H u n d s s t e r n s , S o -
t h i s genannt bei den Aegyptiern (s. oben p. 366 « 870·
424.)) T a s c h t e r bei den Persern Wenn einst in

101) Einige Neuere wollen den T a s c h t e r für den PI ane -


ten Ma r s nehmen.
η^ ι

der Fülle der Zeit der Stern des Hundes die wie­
der anblicht, dann bricHt der groPse Tag der l^ ie d e r -
belebung an. Daher jene Sitte der Perser am L a g e r der
Sterbenden. So wie es mit ihnen zu Ende g in g , fü h rte
man ihnen einen Hand v o r, der aus ihrer H a n d einen
Hissen empfing. Diese Handlang hiefs S a g d i d , d e r
Hu n d s i e h et — ein trostvolles Sinnbild d e r h o f f ­
nungsreichen Vnsterbltchheit S o b lic h t
nun auch hier der Hund den sterbenden Stier an. A u ch
er weissagt die bessere Zuhunflt, und ist mithin s e lb s t
Bild der W i e d e r b e l e b u n g . In ähnlicher B e d e u tu n g
nehmen einige Indische Stämme die Kuh. D ort nim m t
der Sterbende den Schweif der Kuh in die Hand, um da­
durch seine Seele zu reinigen (Dapuis V,, p,
Nach Eahulus sollte man vermuthen, dafs sch on die
Perser M i t h r a s m y s t e r i e n in heiligen Grotten fe ie r ­
ten *0^). Wenigstens versteht Forphyrius (de a n tr. N.
cap. 6.) jene Stelle von Zoroasters Höhle so. W ie dem

102) S. oben p. 424. Zendavesta von Kleuker ΙΙΓ, §· 11* p·


250 f. und Anhang II. 1. p. 10J f. und 3. p. 71 , wo Ober
die Hochachtung dieses Thieres, so wie seinen Gebrauch
bei den Todien , genauer nach drn Stellen der Griechen
und der ZcnübUcher gehandelt ist, in welchen letzteren
er auch Oberhau pt als Bild der T r e u e und W a c h s a m ­
k e i t erscheint. Vergl. auch Herders Vorwelt p. 271.272.
Wegen dieser Beziehung auf T o d und ü n s t e r l i l i c h -
k e i t sehen wir eine Menge H u n d e auf dem Grabmale
des Darius Hystaspis ausgehauen; s· u n s e r e Taf el
XXXII. nach Hoeck Monumenta etc. tab· 1. vergl. p. 11.
13. Vergl. auch Heeren Ideen L 1« pag. 255 der dritten
Ausg*
103) Von den Persischen Mysterien handeln ZoOga in den
Abhandlungen p. 132 fF. (vergl. Wcicker dazu p. 4ob ffl)
und der Verfasser der bemerkenswerthen Schrift: D ie
A l l g e g e n w a r t G o t t e s , im zweiten Bande ( Eleusi*s
betitelt) p. S6 ff.; worauf ich meine Leser verweise.
755
auch sey s ein cSrimonienreicher Geheimdienst war es,
den man in der Römischen Periode dem Mithras zu Eh­
ren beging· V or der Aufnahme ging eine Stufenfolge
von Prüfungen h er, die Einige bis zu achtzig angegeben,
von linderer Art zuerstf und so weiter bis zu den le­
bensgefährlichsten Es scheint, dafs die Priester
über der strengen Haltung dieser Proben mit groTser
Genauigbeit wachten» T)araiif folgten die Gebrauche der
Einweihung· Dabei kommt auch eine Wassertaufe vor
(s. Tertullian· de baptism. Y . p. 226 ed. Rigalt) Es wer­
den Zeichen erwähnt, die man dem Einzuweihenden auf
die Stirne drückte (Tertull· de praescr. haeres· Υ· 4o.)·
Ein mystischer Trank aus Wasser und Mehl wurde unter
Aussprechung gewisser Formeln genommen (Justin. Mar­
tyr. Apolog. 66.) Wenn St. Croix (a. a. O. p. i 3 o. 147.)
die Meinung der christlichen V äter, wonach alle diese
Gebräuche dem Christenthum abgeborgt waren, sofort
annimmt, so mochte ich hingegen bei einigen, z. B. bei
jener Taufe und jenem Tranke, an die Eleusinien erin­
nernd^). Eben so wenig mücKte ich mit P a s s e r i (zu

IC4) Nonnus ad Gregor. Nazianz. p. 131. l4i ed. Efon. conF.


Sainte Croix Recherches sur les mysteres du Paganisme
Tom. TI. p. 126 sqq. sec. edit. Zu den Quellen vergl.
man die Stelle des Nonnus bei Montfaiicon ( Oiar. Italiae
p. 201.). Derselbe berührt diese Mysterien in den unge­
druckten Scholien zum Gregor. Nazianz. «4 rd φώταε, wo­
mit Eudociae Violarium zu vergleichen ist pag. 291. und
jezt auch noch der Griechische Scholiast zu den Gedich­
ten desselben Gregorius (Schol. ad Gregor. Naz. Carmm.
p. 49 ed. Gaisford.)·
105) Auch Silvestre de Saey zu St. Croix a. a. O. pag. l47·
not· 1. widerspricht der Behauptung von St. Croix, da
ja oflFenbar einige Gebräuche unbezweifelt der alten Per­
serreligion angehOrten, andere aber aus den Mysterien
der Ceres, Cybele und des Bacchus genommen werden
ηΗ
den Picturae in Vasculis Etruscis Tom. II. cap. i 5 . p . 5 o
— 5 /|.) jene Vorstellungen auf Grofsgriechischen Vasen,
die eine Feuer und Wasserreinigung darzustellen schei­
nen, sofort, ohne bündigere Beweise, auf Italische Mi-
thrasmysterien beziehen , zumal da die Baccliischen
Weihen iirhundlich diese und ähnliche Gebräuche hatten.
Die Mithrasmysterien hatten sieben Grade, nach der
Zahl der Planeten ‘O^). Der erste enthielt die Streiter
(milites). In diesem Ordensnamen erkenne ich Ideen
des Zendavesta, der ja ganz auf die Vorstellung der
Streitbarkeit im Dienst des Ormuzd gebaut ist, und dessen
einer Theil daher seinen Namen hat. V e n d i d a d heifst
e r , d . h . ; a u f zum S t r e i t wider Ahriman ! (s. p. 717.)
Bei der Aufnahme in den ersten Grad ward ein Kranz mit
den Worten überreicht und aufgenommen : Mithras ist
meine Krone (Tcrtull. de coron. sect. i 5 .). Die Mitglie­
der des zweiten Grades hiefsen Löwen, und die Frauen
Hyänen (Porphyr, de Abstin. IV. 16. pag. 35 o.)· Ohne
Zweifel hatten diese Namen einen doppelten Sinn. Ein­
mal mochte der Löwe auf die bewiesene Stärke in den
Prüfungen gehen, sodann gewifs aber auch auf Seelen­
wanderung durch den Thierkreis. Dies letzte sagt Pal­
las bei Porphyrius l. L ganz bestimmt. Er dringt so sehr
auf diesen höheren Sinn, dafs er den gewöhnlichen hios
vom Thierkreise sogar zu verwerfen scheint. Doch will

konnten. Allerdings könnten auch einige christliche Ge­


bräuche mit eingeftihrt worden seyn ^ allein es liei^e sich
doch weder dies im Allgemeinen vom Ganzen behaupten,
noch mit Sicherheit bestimmen, welche Gebräuche der
Mithrasdienst aus fremden Religionen sich angeeignet·
E r äufsert hierauf seine Verwunderung Ober die entgegen­
gesetzte Meinung von Dupuis, dafs das Christenthum nur
ein Zweig des Mithrasdienstes sey·
106) S. St. Croix a. a. O. p. 130 sqq.
755
er oflfenbar nur den Abstand dieser Erliläning gegen
jene liSTiere neigen. Ein weiterer Grad (Coracia) ent­
hielt die R a b e n . Ob dies der dritte w a r, ist aus Por-
pbyrius 1. 1. nicht ganz deutlich. Darauf lafst man die
Würde des P e r s e s folgen. Mithras, wie oben be­
merkt, hiefs selbst so. Auch wird er auf einer Inschrift
P e r s i d i c u s genannt (Ruhnken. ad Porphyr, de antro
Nymph. pag. i6,). Darauf folgten die Grade des B r o ­
mi us und des H e l i us. Die Mitglieder des letzten und
höchsten Grades hiefsen V ä t e r {naripeq Alle
diese Stufen werden auf Inschriften und in Schriftstel­
lern durch die Benennungen Lcontica , Coracia, Patrica
und dergl. bezeichnet. Dafs jeder Grad seine eigenen
Lehren und Gebräuche hatte, ergiebt sich von selbst,

107) DaO; P e r s e s wohl nicht, wie St. Croix a. a. O. p. 131·


will, für P e r s a , Perser, sondern, so wie die folgenden
Namen, B r o m i u s , H e l i i i s , für den Namen einer
Gottheit oder einer mythologischen Person zu nehmen sey,
hat schon Silvestre de Sacy in der zweiten Note ebendas,
bemerkt, zumal da Einige einen Sohn der Sonne , P e r ­
s e s , kennten, und nach Porphyrius (de antr. Nymph.
cap. l6. p. 16 .) P e r s e s und Adithras ein und dasselbige
Wesen seyen.
108) Hierbei mufs man daran denken, dafs Mithras vorzugs­
weise der V a t e r hiefs. Hermes spricht beim Julianus
(in Caesari bus p. 3)6 Spanhera·): habe ich verlie­
h en , den Vater Mithras zu erkennen“ (Σβι Bi —
Tov Ίτατίζα Μί^^αν ^«γ^νναι), und Porphyrius (de antr.
Nymph. VI. p. 7 Goens.) sagt: „zur Ehre des Allschd-
pfers und Vaters Mithra “ (i<i ripfv rou πάντων και
ιτατ(>ος Μί$ξου). Gelehrte Bibelleser brauche ich nicht
an ähnliche Ausdrücke des N. T . zu erinnern. D er Ge­
schichtsforscher wird aber nun auf den rechten Sinn des
Beiworts, womit die Perser ihren Cyrus beehrten, auf­
merksam werden. Sie nannten ihn auch V a t e r (s. oben
p. 723 f. und daselbst den Herodotus JIl. 8^.).
756
und wird historisch durch einige Züge bestätigt So
brachte man im Grade der Persica nur H o n i g dem
grofsen Perses (Mithras) sum Opfer (Porphyr, de antr«
N. cap. i 5 ·)· W e r in die Leontica eingeweihet ward|
trug ein Kleid, besetzt mit allerlei Thierfiguren ( Por­
phyr. de Abslin. I. 1.). Auch hier wieder eine Aehnlich-
beit mit Aegyptischer Sitte· Nach Diodorus (I. 6s.) tru­
gen dergleichen Insignien die höheren Gasten dieses
Landes. A u f die Leontica mag sich auch der Low e be­
ziehen 9 den man beim Stieropfer des Mithras zuweilen
sieht. A u f die Goracia deutet man den R a b e n , der
eben so oft dabei sichtbar ist, und den Zoega nur für
eine Griechische Umdeutung der Waldtaube hält. Die
Patres (A’^äter) hiefsen in der Ordenssprache Ad I e r und
H a b i c h t e , so wie man dieEpoptenGreife nannte, und
als Greife in mysteriöser Verhüllung darstellle. Nach
Hieronymus (epist. ad Laet. 7.) und nach den Inschrif·
ten (Reinesius I. ^8.) scheint jene thierische Symbolik
mehreren Graden, als dem der Goraces, gemein gewe­
sen zu seyn.
Unter die geheimen Symbole der höheren Lohre
rechnete man auch jene S t u f e n bahn mi t a c h t T h i i -
r e n von verschiedenem Metall, mit Bezug auf Sonne,
Mond und Planeten und auf den Gang der Seelen durch
dieselben, nach einer Anordnung, der das Diatessaron oder
die Quarte zum Grunde gelegt war (Celsus beim Origenes
Y L p .293. p.646delaRue. cf.St.Croix LI. p. i 3 6 sqq.

109} £ s laßt sich aber auch vermuthen, daß Mhhras in den


verschiedenen Graden der Mithriaca verschieden nach
seinen ni e d e r e n und h ö he r e n W u r d e n bis endlich
aur Idee des h ö c h s t e n W e s e n s , Z e r u a n e A k e -
r e n e , selber aufgefafst und vorgestellt worden ist.
110) St. Croix spricht dort nur von s i e b e n T h ü r e n , in­
dem er einer andern Lesart in der Stelle des Origenes
Auch dieses honnte auf sehr alter Symbolik beruhen.
Dafs man die Planeten frühzeitig bildlich darstellte^ zei­
gen mehrere Spuren. Pausanias (Lacon, cap.20.) deutet
sieben alte Spitzsäulen, die er in Griechenland sah^ auf
die sieben Planeten ; und die yerscbieden colorirten
sieben nfaucm^ ΛνοπιΗ der Meder Dejoh die verschiede­
nen Räume von Ehbatana umschlofs (Uerodot. I. qS.),
gehören wahrscheinlich auch in diesen Kreis naiver Sinn­
bildnerei (s. p. 687.). Im Mithrasdienst hatten jeneThore
aber aufserdem noch jene andere Beziehung.
Alle diese Spuren uralter Symbole und Gebräuche
sprechen für den f r ü h e n U r s p r u n g v o n M i t h r a s -
i n y s t e r i e n in der Religion des Orients ln der
A r t hingegen , wie sie seit Pompejus im Römischen
Reiche begangen wurden, zeigt sich in wesentlichen
Stucken grofse Verschiedenheit vom heiligen Dienste
der Perser. Die neuen Mithriaca zum Beispiel forderten
von ihren Anhängern häufige und strenge Fasten, ja in
den höheren Graden legten die Priester manchen, die

folgt; und hierin stimmt ihm auch Silvestre de Sacv bei,


da jene Stelle nach der vulgären Lesart offenbar verdor­
b en , und überhaupt immer nur von s i e b e n T h O r e n
die Rede sey. — Die Worte heißten nach der gewöhn­
lichen Lesart: κλψιαζ ι ί ψ/ χ υλρ ς , W 3* aCrfj WAy ίγ^οψ
Die nachfolgende Aufzählung zeigt aber, dailK nur von
sieben Stufen die Rede, und daher die Verbesserung
^ιιτάτνλος richtig ist. Nach Einsicht der Stelle in der bes­
seren Aasgabe trete ich daher dem genannten Gelehrten
jezt bei, ohngeachtet ZoCga in den Abhandll. p. 136. auch
von acht Pforten redet. Auch ihm scheint, wie mir vor­
h er, die bessere Lesart unbekannt gewesen zu seyn.
111) V. Hammer (W iener Litt. Zeit. 1816. nr. 92. p. l462 ff.)
erklärt die Mithriaca f Ü r u n b e z w e i f e l t P e r s i s c h e n
U r s p r u n g s , jedoch m it I n d i s c h e n Z u t h a t e n
vermischt·
758
nach höchster Vollkommenheit strebten , das CÖlibatauf
(Tertullianus de praescript. haer. i4o·)· Nun bemerken
aber die Uebersetzer der Zendbucher, dafsdem Zoroastri-
schen Gesetze die Fasten völlig fremd waren, und dafs cs
eben so wenig den ehelosen Stand begünstigte (Anquetil
Zendavesta T. 111. p. 6oi. Frcret Memoir. de l’Acad.
des Inscr. XVI. p. 283.). Auch habe ich oben ( § 9 .
p.732 f.) aus dem Geschichtschreiber Duris ganz andere
Nachrichten vom a I t - P e r s i s c h e n Mithrasdienste ge­
geben. Festliche Lust und lautes Wohlleben f nicht
ernste Stille und strenge Entsagung, warsein Charakter.
Unter diesen Umständen müssen diese härteren Verfü­
gungen entweder für spätere Neuerungen der Priester
gelten, und so manches Andere scheint ja eine Amalga-
mation mit andern Religionen zu bestätigen9 oder man
mufs diesen Geheimdienst aus einer andern Asiatischen
Quelle, als aus dem P e r s i s c h e n Magismus, herleiten.
Freret a. a. O. hat auf Babylonischen Ursprung gerathen.
Auch Rleuker (Anhang zum Zendavesta II. 3 . p. 194«)
vermuthety dafs diese ursprünglich Babylonischen W e i­
hen von den Persischen IiTagiern spater angenommen
wären. Oder man sucht die W urzel der Mithriaca im
älteren Sabäismus v o r Zoroaster auf. So liefsen sich
freilich die Abweichungen vom alten Zendgesetz und
die Uebereinstimmungen damit am ungezwungensten er­
klären

112) Silvestre de Sacy (in den Noten zu St. Croix p. 144 sqq.),
der einerseits die Starke der von Freret gegen den P e r­
sischen Ursprung der Mithriaca beigebrachten Beweis­
gründe anerkennt, führt doch auch wieder Vieles auf,
welches uns nöthige , in Persien den Ursprung dieses
Cultus zu suchen. Da aber in Persien selbst gar keine
Mithrasmonumente gefunden werden, bei andern U eber-
resten der alten Religion Persiens, da ferner auf densel­
ben Monumenten Uuföcrst selten Feuer und ihm gewei-
75g
$. 12.
Die G e s c h i c h t e d e r M i t h r i a c a tritt, vtie be-
merht, erst mit der Römischen Periode mehr aus dem
Dunkel hervor. Dafs sie sich über Armenien, Cappa-
docien, Pontus nach Cilicien und im übrigen Rleinasien
verbreitet haben, geht aus Mehre rem hervor, vorzüg­
lich aus dem Gange, den der Dienst der Anaitis und an­
derer Gottheiten genommen. Auch in Syrien , Palästina
und in angranzenden Ländern sucht man Spuren davon.
So sieht z.B. Dupuis (III. p. 736 .) in dem Molochsdienste
der Ammoniter einen Mithras und Mithriaca. Alles die­
ses wurde einen weit höheren Grad von Wahrscheinlich­
keit gewinnen 9 wenn jener uralte Zug einer Mithrasre-
ligion (d. h. einer solchen, worin der Sonnengott, als
B e s a a m e r gedacht, unter einer b e s t i m m t e n F o r m
von Geheimdienst und unter diesem eigenen oder ver­
wandten Namen verehrt ward) von Oberasien nach Ae.

bete Altsire erscheinen , sondern nur brennende Fackeln^


von Genien oder niedem Gottheiten getragtrn, so könne
man hieraus schliefsen , dafs die Symbole des Mithras-
dienstes, bevor er zu den Grieclien und Römern über­
ging , von einer Nation angenommen worden seyen,
welche die Sonne und die Sterne anbetete, oder we­
nigstens ihnen eine sinnliche Verehrung (un ciilte sen­
sible) weihete, wie die Perser, bei welcher Jedoch die
Verehrung des Feuers gar nicht verbreitet, oder doch
nur sehr unbedeutend war. Und dieses Volk habe mit
jenem Cultus die dem Persischen Rcligionssystem ganz
fremden Gebrauche und Einrichtungen, welche sich auf
Enthaltsamkeit, Pasten u. s» w. bezogen, verbunden. So
gehöre also der Mithradienst im eigentlichen Sinne nicht
nach Persien , sondern letzteres habe blos einen 1 heil
der Symbole jenes mysteriösen Cultus geliehen. Unif zj’.f
diese W eise, glaubt Silvestre de Sacy, liefsen sich alle
Schwierigkeiten heben, v. Hammers Ansicht haben wir
in der vorhergehenden Anmerkung gegeben.
760
gyptcn hin sich etwas deutlicher nach weisen liefse, als
nach den oben gewiesenen Spuren bis jeet geschehen
bann. Dann wurde sich auch bestimmter ergeben,
jener V orw urf der Sonnenverehrung sagen wollte 9 itn
man, nach Josephus, den Essäern machte (Mansche
darüber S t a r h s gelehrte Geschichte der Christlichen
Kirche des ersten Jahrhunderts L p. 167 f.). Mit ien
Römischen Kaisern werden die Nachrichten vom Mithras-
dienste häufigen Pallas beim Porphyrius (IL p. son ei
Rhoer.) erzählt uns, Hadrianus habe durch ein Edict
die Menschenopfer fast gänzlich aufgehoben· Dafs die­
ses Verbot auch die Mithriaca betraf, zeigt der ganne
Zusammenhang. Auch der Orient huldigte dem Mithras
durch blutigen Dienst, und geschl achtete Menschen mufs-
ten zu Extispicien dienen (Photii Bibi* pag. 1446· So­
crates Hlstor. Eccles. HL 2.)· Nach Hadrianus setste
man ihn wieder fort, und der Kaiser Commodus opferte
dem Mithras eigenhändig einen Menschen (Lamprid. in
Comm. cap. 19*)· Nun wurde der Sonnen dienst im All­
gemeinen häufiger unter den Römern aus verschiedenen
Anlässen. Einmal wurden je z t, zum Theil im Kampfe
mit dem Christenthum, dieOrphischen Gottheiten, und
vorzüglich die Sonne , im höheren Sinne gefafst, allge­
meiner verbreitet. Sodann gingen die Kaiser mit ihrem
Beispiel in diesem Cultus voran: erst Heliogabalus, mit
seinem Sonnengotte G a b a l ; sodann Aurelianus und
Probus, denen der Palmyrenische Feldzog und andere
Bewegungen im Orient Gelegenheit genug gaben, den
dortigen Sonnencultus kennen zu iernen. Jezt hommt auf
Inschriften so wie auf Münzen, das S o l i Invicto
C o mi t i nebst ähnlichen religiösen Ausdrucken des Sou-

113) S. Gruterus in Thes. Inscr. p. 133 sqq. 1066. und Rei-


nesius Syntagm. I. AS — 49. Ueber die Münzen s. Eck-
hei Doctr. Mum. V. VIll. p.4S sqq.
761
nendienstes vor. So wird z« B. auf einer Griechischen
Inschrift eines dem Iffithras geheiligten Grundstuches
{^ζγάς) gedacht (s· Bouhier epist· epigr· p. α4ο·). Dies
dauert bis auf Constantinus Magnus fort· Der Kaiser
Julianus zeigte nun seine Anhanglichheit an das Heiden-
ihum, besonders auch durch eifrigen Mithrasdienst^ und
eines der ersten Geschäfte nach seiner Thronbesteigung
war die Einrichtung der Mithriaca zu Constantinopel.
Er selbst gedenht in seiner vierten Rede (p . i 55 . b. ed·
Spanhem.) der vierjährigen Spiele, die er dem Sol Mi­
thras in dieser Hauptstadt angeordnet habe. Daher auch
auf Inschriften aus diesen Zeiten das Ήλίφ dr«-
zii'to (Spanheim ad Juliani Cacsarcs p. i 44 ·)· W er des
Kaisers Gunst suchte, liefs sich in die Mithrasmysterien
einweihen, wie der Redner Himerius und Andere (s. die
inhaltsreiche Note von W e r n s d o r f zum Himerius de
laud. urb. Constantinop. p. 3 a sq.). Aber auch auf Mün­
zen der Occidentaliscben Cäsaren, z· B. des Carausius,
der im äufsersten Westen regierte, lesen wir jezt die­
selben Aufscbriften (Echhel. 1. 1.).
Die Mithrasmysterien feierte man zu Rom in dem
Fruhlingsäquinoctium. Der Grund davon ergiebt sich
aus dem Obigen. Hingegen das F est, das man N a t a l i s
S o l i s I n v i c t i nannte, fiel auf den Y l l l Kal. Jan. (auf
den s 5 . December). Ohne Zweifel hatte diese letztere
Feier auch auf Mithras, als Sonne , Beziehung, wie
schon der ihm jezt so häufig beigelegte Name Sol In­
victus zeigt· Um diese Zeit obngefahr, bestimmt einige
Tage nach dem Wintersolstitium, fiel unter den Persern
das Fest Mirrhagan Also hatte sich auch in d i e s e r

114) M i h i r g i a n hiefs das FrUhlingsaquinoctium, womit die


alten Perser ihr Jah r angefangen haben· Es begann mit
einem Feste Mirrhagan, welches ein alter Persischer Kö­
nig aus der Dynastie der Pischdadier, Namens Fcridun,
η 62

Festperiode eine P e r s i s c h e Sitte erhalten, und die­


s e r Grund gegen den P e r s i s c h e n Ursprung der Mi­
thriaca, den Freret geltend zu machen suchte, fallt also
weg· Jener Natalis Solis Invicti war im Occident und
besonders zu Rom ein Tag allgemeiner F eier, den man
durch öffentliche Spiele f durch eine Art von Lichtmesse
und dergl, zu verherrlichen pflegte· Das Volk ging tm-
ter allerlei Cärimonien ins Freie, und sah unverwandten
Blickes zum Himmel hinauf. Alles dieses veranlafste,
nach der Meinung von Harduin und Petav ( ad Julian,
pag. 87.), gegen Anfang des vierten Jahrhunderts, die
Yorsteher der christlichen Kirche im O c c i d e n t , den
ohnehin unbekannten und fruherhin gar nicht gefeierten
Tag der Geburt Christi an jenem Festtage der wieder
aufsteigenden Sonne zu begehen. C h r i s t u s war ihnen,
im g e i s t l i c h e n Sinne, der Sol novus, die neue Sonne,
deren h ö r p e r l i c h e Wiedergeburt das Heidenthum an
diesemTage feierte (vgl. p.277). Mit sichtbarem Gegensatz
gegen dieses sinnliche Sonnenfest sprechen viele chrbt-
liehe Väter von dem Erscheinen der Sonne des ewigen
Heiles (die Stellen sind gesammelt bei Philippo a Turre

angeordnet haben sollte. S. Herbelot B . O . II. p. 616.


vergl. auch Zendavesta von Kleukcr III. pag. 243. und
Muradgea d’ Ohsson’s Gesch. u. s. w. pag. 40. Es war
eben das Pest des Mithras und eine nach der ursprQn^-
lichen Lichttheorie Persisch aufgefafste canonische Heils­
periode, physisch, ethisch, politisch (s. oben dieSkizien
der Persischen Heroensage}, kurz durch und durch nach
des Morgenlandes Art. — So habe ich die Sache immer
vorgetragen. Jezt lese man die ganze Ausführung des
gelehrten v. Hammer (in den Wien. Jahrbb. ISIS. I. p. 107.},
die mir der Bemerkung an8lngt: » D er Name des Pestes
M irgan, von M ih r, die Sonne, am Tage der Rückkehr
derselben vom Nord pole gefeiert, ist das eigentliche alte
Persische Fest des M i t h r a s , von dessen Dienste hier
ausführlicher zu sprechen der Ort ist^ u. $· w.
763

in den Monumenta veteris Antii p. 297 seq. und in der


gleich anzuiuhrenden Abhandlung von Jablonshi).
In der o r i e n t a l i s c h e n Kirche gab ein anderes
heidnisches Fest Veranlassung, die Geburt Christi am
6. Januar zu feiern. Am 7. des Monats Tybi kam Isis
aus Phönicien (s. oben p. 278.) , und wenige Tage darauf,
wahrscheinlich den 1 i .Ty bi, d.i. den 6. J a n u a r , beging
man die das Fest des wiedergefundenen Osiris·
Daher ham im Orient und Acgyptenallmählig die Sitte auf,
das Geburtsfest Christi an diesem Tage zu feiern (Epiphan·
adv. Haeres. I. p. 29. vergl.oben p.279.). Anfangs waren
Gnostiker und Basilidianer, gewohnt, Heidnisches und
Christliches zu verbinden, mit dieser Festperiode yorange··
gangen, nicht ohne Tadel der übrigen Christen, bis man
sichimOrient wieim Occident durch die Yortheile, welche
die Wahl dieser Festtage gewährte, allgemein dazu be­
stimmen liefs, besonders seit Constantia demGrofsen
Dafs übrigens schon früher, schon im Apostolischen
Zeitalter, Christus mit der Sonne verglichen ward , dafs
die Christen der ursprünglich Jüdischen Sitte, sich bet
gottesdienstlichen Handlungen gegen Morgen (Jerusalem)
zu wenden, diese Deutung gaben, was ihnen den Beina­
men S o n n e n d i e n e r bei den Heiden zuzog, darüber
giebt S t a r c k in seiner Geschichte der christl. Kirche des
ersten Jahrh. 111. p. 144. die nothigen Beweise an.
So wirkten diese Mithriaca im Occident selbst auf
die hohen Feste der ganzen Christenheit. Aber auch

115) S. Jabionski de origine festi nativitatis Christi in eccles.


Christ, in dessen Opuscc. III. p.d46sqq. mit den schütz­
baren Zusätzen von T e Water. Früher schon haue der
gelehrte Joh. Harduin auf diesen Anlafs der gedachten
christlichen Festperiode aufmerksam gem acht; s. Acta
Sanctorum Mensis Junii Tom . IV . Amverp. 17Ü7. pag.
702. D .
I· 46
764
an sich behaupteten sie die grofsesle Bedeutungf und
durch das ganze grofse üdmerreich, selbst bis in den
äuPsersten Westen und den hohen Norden hinauf, ver­
breiteten sich diese mystischen Religionen. Davon zeu­
gen die zahlreichsten Denkmale. An Nachweisungen
darüber bei T u rre, St. Croix und Andern fehlt es nicfiL
Ich Ufill nur einiges Neuere nachtragen· Zuvdrdent
Born , wo dieser Persische Gott so willige Aufnahme ge«
funden, war reich an Denkmalen seines Geheimdienstes,
wie die Yilla Borghese, Albani und andere zeigen, w or­
über Zoega, Eichhorn u. A. nachzulesen sind. Anch im
übrigen Italien sind die Monumente der Art nicht selten,
z. B. in Etrurien, was die Toscanischen Antiquarier zu man­
chen Fehltritten in Erklärung alt-Bacchlschcr Bild werke
verleitet hat. Unter den Städten Oberitaliens w ar Mai­
land in der Römischen Periode ein Haiiptsitz des Mithras-
dienstes (s. Fea zu Winckelmaniis Gesch. d. U. 1. p· 877
neueste Ausg.)· Von Italien aus verbreitete er sich wei­
ter in die Alpen, nach Tyrol u. s. w. hinauf. E in Tyro-
lisches Denkmal hat Herr v. l l o r m a y rin der Geschichte
von Tyrol I. p. 1S7. Not. if. beschrieben. Er häl t das
W erk für Tuscischen Ursprungs. Es hat zwölf R eliefs,
die eben so viele Prüfungen in verschiedenen Graden
dieser Weihen darstellen ln der Behandlung des
Stieropfeis gleicht es sehr einem Relief in den V ogesen,
das in einen Felsen gehauen ist, nur dafs letzteres d ie Prü­
fungen nicht hat. Ueber dieses verbreitet sich S c h ü p f-
li n in der Alsatia illustrata T. I. p. 5 oi seq. zu T a b . ly .
Frankreich hat besonders viele Mithrasbilder, die Mont-
faucon und die Erklärer der Celtischen Alterthünier v e r­
schiedentlich betrachtet haben. Einen schätzbaren Bei-

11 6 ) Dieses Monument, das offenbar unter die M ithriaca


gehört, hat ganz genau von Hammer erklärt in d e r W ie-
ner LituZeiu ISI6 . nr. p. 146i sqq.
765

trag dazu hat M il Mn in der Yoyage dans 1es departe-


men5 du Midi de 1a France T. III. und dazu pL XXXVI.
nr. 5 . gegeben. Dafs manche Französische Antiquarier
sehr bemüht gewesen , die Mithriaca in die frühesten
Druidenschulen und weit hinter die Rumische Periode
zuriicli zu versetzen, ist zur Genüge behannt. Ebenso
angelegentlich haben Andere den Mithrascultus schon
durch die Phdnicier in die Briltischen Inseln bringen
lassen, wofür unter Anderm auch das Irische M i t h r ,
S o n n e , als Beweis angeführt wird. Aus den oben an­
geführten Gründen halte ich es vorerst noch nicht für
möglich, darüber aufs Reine zu kommen.
Auch in das diesseitige D e u t s c h l a n d harnen die
Mithriaca mit den Römischen Legionen. Mehrere Monu­
mente in den südlichen Provinzen geben noch jezt an­
schauliche Ueberzeugung. Sie sind theils in die allge­
meinen Sammlungen, theils in die einzelnen Landesge­
schichten und in ähnliche W erke aufgenommen. So
liefert und beschreibt S a t t l e r in seiner Geschichte des
Herzogthums Wirtemberg p. i 33 . 193 ff. und dazu Tab.
XI. einen bei Fehlbach im Königreich Wirtemberg ge­
fundenen Stein mit dem Sticropfer, und einen andern
aus demselben Lande, mit der Aufschrift S o l i I n ­
v i c t o Mi t h r a e . Eine ähnliche Aufschrift auf einer
Ara aus Heilbronn am Neckar giebt Reinesius Syntagm.
Inscriptt. Class. 1. nr. Auch ganz in unserer Nähe
hatte das Römische L u p o d u n u m , jezt Ladenhurg am
Neckar, seinen Mitbrasdienst* Ein dort gefundenes Re­
lief ^17) zeigt das bekannte Slieropfer unter einigen sonst

l l 7) Es wurde in das Churfurstliehe Antlkencabinet nach


Mannheim verpflanzt, wo es auch der Baron v. St. CroiK
sah (s. Rech, sur les myst. du Pag. Π. p. 123 sec.ed·),
und befindet sich noch jezt in der dortigen Sammlung.
Freher in denOrjgg. Palat. 1. cap.4. gedenkt dieses M o-
766

nicht leiclit vorhonuncisdcn Umgebungen und Attribu­


ten. Das Bild hat zwei Abtheilungen. A uf dem oberen
Plane sieht man den liegenden Stier, über dessen Ilür-
nern der geHÖhnliche heilige A^ogel schwebt. Mithras,
mit entblofstem Haupte und ohne Spur von Phrygischer
Mutze, hniet auf dem Stier, und indem er ihn bei Ei­
nem Home fafst, scheint er erst noch den Tod esst reich
vollziehen zu wollen. Fr hält die Spitze des Dolches
gegen das Schlachtopfcr hin. Den Sch\^eif des Stieres,
der heine Athrenbuschel hat, hält eine fast ganz nachte
Person, gleichfalls ohne Phry^ische Mütze, mit d er I-in-
hen gefafst. ln der Hechten hält sie etwas wie ein Pe­
dum. llinicr ihr, abgewendet vom Stier, sieht man
einen Ij<>wen. Auf dem untern Plane, unter den Vor-
derfnfsen des Stieres, sitzt ein Hund, ruchwärts sum
Stier aufblicKcud. Zunächst an ihm, gerade u n ter dem
Stier, erscheint eine andere männliche F igu r, die in der
linken Hand ein Gefafs hält, und mit der rech ten aus

numrnie. Darauf es Cullinan im Spicllegionn prae­


cipuorum Moniim. in terris Cisrhenati. Palat, flcidelbcr^ .
376h abbilden. D er jgdehrte Andreas Lainey th^ iltc cs
gleichfalls mit (in den Act. Acadeiii. 'i'htodor. Palatin.
Tom . I. Tab. ΙΓ. nr. 3.) und erintivrtc dabei an andere
Alitlirasdetikniale, besonders in Deutschland (s. daselbst
p. 20i.). Der Stein hat etwas gelitten, wodurch d e r Lö­
w e , zum Theil auch die Figur des Mithras und mehr
noch die zweite obrn cinigirm.ifscn unkcnmlicb gcwordMi
sind. Die Nachweisiingcn Uber dieses llc lie f, s o wie
über incinere andere vaterländische Denkmale dieser
Classe, verdanke ich der Gü<e dcsIKrrn Prüf. D O m g e
dahier, dessen Geschichte der Grofsherzosl. Badischen
l.ande auch das K Ö in i s c h e O b e r d e u ( s c h 1 a n d in
einem helleren Lichte als bisher zeigen wird. W ir haben
dieses Denkmal auf der Taft I XXXVI , nr. I. co p iren
lassen. Die Arbeit daran ist Uufserst roh, beineiKeitswerth
aber der Löwe und die babazischen bynibolc.
767
einem andern GefaTse aiiFeine kleine Ara das Trankopfer
ausgiefst. Daneben steht ein grofses Gefafs, grofser als
die Ara. Eine mächtige Schlange, die über die Hälfte
des unteren Raumes cinnimmt, umringelt den oberen
Rand des Gelaf^es, und sieht von oben hinein· — Diese
selteneren und vielleicht einzigen Umgebungen des Mi-
thrasopFers verdienen Aufmerksamkeit. Vielleicht war
dies der Grund, dafs Saintc Croix es ausdrücklich be·
merkte; doch sagt* er weiter nichts darüber. Sehr glück­
lich scheint mir der Gedanke von Lamey, dafs die den
Schweif des Stiers hallende Figur der Mond sey. Schick­
lich steht er also neben Mithras-Sonne auf demselben
Plane. W ir kennen den Mond auch als Empfängerin
und Bewahrerin des Siierkeimes. Dazu pafst das Halten
des Schweifes im Augenblicke des Opfers vortrefflich $
denn mit dem Tode des Stieres geht ja von seinem Saa-
men ein Theil in den Mond über. So weit liegen also
Persische Vorstellungen zum Grunde. Das Uebrige weiset
auf andere Religionen hin. Denn zuvörderst die Parsen­
lehre denkt sich den Mond unter andern Bestimmungen
als weiblich, nach dem Bundehesch XVH. o. s. w. Hier
aber sehen wir ihn männlich, rüstig, mit dem Stabe in
der Hand. Auch die Schlange erscheint hier gar nicht
als die verhafste Ahrimansschlange, am Stiere hangend
und ihn vergiftend, sondern , wie in andern Bildwerken,
um ein mystisches Gefafs gewunden und darüber bedeut­
sam sich erhebend. Mit Einem W orte : ich sehe in die­
sem Relief V^e r mi s c hung d e r M i t h r i a c a mi t den
P h r y g i s c h e n S a b a z i e n . In den Sabazien war alter
Magismus mit Vorderasiatischem Cultus früh vermischt.
W ie im Persischen V’ i s p e r e d , der M o n d , mit Mi ­
t h r a s angerufen wird (s. z. B. Neäsch des Mondes II.
nr. 9.), so in den Sabazien der Mo n d neben der Sonne.
Beide theillen auch als männliche Potenzen denselben
Ehrennamen, Beherrscher des Mondes (Monotyrannus)»
768
Das war der grofse Σά^ας oder Σαβάζίος^ dessen 'W'ur-
dergebort die Phrygiscben Mysterien mit d er Form el
bezeiebneten: T a u r u s d r a c o n e m g e n u i t e t t a u ­
r u m d r a c o , ln einem solchen Wechsel verba Itnifs cr>
schien dort S t i e r und S c h l a n g e . Dem e rste re n war
auch hier die alte Bedeutung des Aequinoctialstiers und
der Fruchtbarheit geblieben. Die Schlange hingegen
war^ ganz gegen die Persische Lehre« ein Bild d es be­
fruchtenden Zeus und somit auch ein Symbol des Segens
geworden. Das Nähere über die Sabazien bringe ich
unten im Abschnitte von den Bacchanalien bei. H ier
will ich nur vorläufig auF die Hauptstelle des Clem ens
Alexandrinus in Protrept. p. i 4 cd. Potler. verw eisen .
Der S t a b de s O c h s e n h i r t e n (βοοχέλος) w a r hier
gleichfalls in einer heiligen Formel niedergelegt, d e r m
Sinn nur die Geweiheten erfuhren. Dieser Stab heifst
bald Treibstachel (x^rrpov)« bald ward er zur B acch i-
sehen Ruthe (rdίp^)7ξ) ^ bald erschien er als einfacher
Hirtenstab (ΧαγφβόΧσν oder pedum). So bat ih n der
den Stierschweif fassende Gott auf unserm Bilde. Beide
Götter erscheinen also in ihrem Amte. M i t h r a s opfert
den Stier, S a b o s schlägt ihn mit dem Stabe. Mithin
auf dem oberen Plane eine g ö t t l i c h e Opferhandlung.
Daneben Löwe und V ogel, als Andeutung der z w e i Mi-
thrasgrade, der Leontica und Coracia. Unten das mensch­
liche Opfergeschäft· Ein Verehrer beider Gottheiten,
eingeweihet in beide Mysterien, also ein Perses und Sa­
bos (Priester des Mithras und Sabazios) zugleich, opfert
seinen grofsen Gottheiten, die so eben selbst das grofse
üaturopfer verrichten. Der Hirtenstab ist aufgehobent
der Dolch gezöcht, die Opferschaale ausgegossen, der
Hund sieht zum Stier auf , und die gehe!mnifsvolle
Schlange blicht in das mystische Gefäfs. — Diesen Mo­
ment hat der Bildner des Reliefs nicht ohne Einsicht
ergriflen.
769
So verbreitete sich dieser in manchem Betracht merk­
würdige Dienst aus dem hohen Asien herab, freilich auf
sehr mittelbare Weise und in sehr veränderter Gestalt,
durch Römische Krieger selbst bis an unsere Thore

$. ri3.
Mithras P e r s e s oder P e r se us .
Ich hatte im vierten Bande p. 67 f. erste Ausg. die
Y e r m u t h u n g aufgestellt, der Griechische P e r s e u s
möge ein etwas um g e d e ut e t e r M i t h r a s seyn. Oben
(Cap. 1. p. 471. not. 267.) habe ich sie wiederholt, und
in den Briefen über Homer an Hermann (p. 177.) dabei
an die mythische Geschichte von M y c e n ä erinnert.
Hier mochte nun wohl der Ort seyn , diese Yermuthung
etwas mehr ins Einzelne zu verfolgen.
Hatten wir eben Mithrische Symbole in einem Denk­
male später Bomerzeit zu betrachten, so wollen wir jezt
von einem uralten, ja vielleicht dem ältesten Bildwerke
Griechischer Sculptur ^^9) ausgehen. Es ist das Bild über
einem der Thore der Burg von Mycenä. Pausanias (II.
16· 4 · Ρ· ^37 Fac.) giebt uns bei Gelegenheit der Zer-

118) Ja selbst in die neue W elt, wenn wir gleich die Mittel
und Wege nicht kennen. A l e x . v. H u m b o l d t sagt
in den p i t t o r e s k e n A n s i c h t e n d e r C o r d i l l e -
r e n , Tübingen ISlO. p. 4 l : „Auch scheint der Mexica-
nische Tonaiiuh mit dem Krischna der Hindu's, wie er
in dem Bliagavata Purana besungen ist, u n d m it d e m
M i t h r a s d e r P e r s e r identisch zu seyn. ** Die nach­
folgenden inhaltsschweren Betrachtungen mut^ man dort
selbst nach lesen.
119) $· Specimens of ancient sculpture, London 1810. und
Payne Knighi Prolegg. ad Homer. $. LIX. p. 57 s q ., der
den Ursprung dieses Reliefs unter die Regierung der Pe-
lopiden setzt.
770

storungsgeschichtc dieser Stadt folgende Notiz davon


«Gleichwohl sind jeet noch andere Beste der Ringmauer
übrig und auch das Thor. Es stehen Ldwen darauf. ]itan
sagtf auch diese seyen W erbe der Cyclopen,
dem Prütus die Mauer zu Tirynth aufgefuhrt haben.
'William Gell liefert jeet eine Beschreibung und dv
Abbildungen dieses Thores und seiner Umgebunpn.
Hirt giebt einen bunstgerechten Auszug daraus, den
ich eben deswegen von ihm entlehne: « W i r hommea
nun zur Betrachtung der bildlichen Vorstellung über
dem Hauptthore der Festung Mybenae. Ueber deintel-
ben sind auf dem Steine, welcher die dreiechige Oeff-
nung blendet und der ii Fulb 6 Zoll lang, 9 Fufs und
8 Zoll hoch und u Fufs dich ist, zwei Ldwen in erhab^
ncr Arbeit dargestellt, zwischen welchen man auf einem
Sochel einen Fufs in Form einer verhehlt stehenden
altdorischen Säule errichtet sieht, über deren W ulst und
Bingen eine vierechige Platte, über der Platte vierrunilr
neben einander angebrachte Körperchen, und über diesen
wieder eine Platte liegt. Die Löwen stellen die HinterfUfse
auf dem Sturze des Thores auf, die vordem Fufbe ruhen
aber auf der Höhe des Sochels. Ihre Köpfe, die meistens
zerstört sind , sehen gegeneinander, getrennt durch die
in der Mitte verhehrt stehende Säule. > Darauf spricht er
von dem Alter und der Merhwurdigheit dieses BI1dwerbS|
das man für ein Wappenschild zu halten versucht seyn

120) Itinerary of Graec. Argolis, Lond. 1810. p. 35sqq. und


dazu pl. 8. 9· tO.
121) ln P. A. Wolfs literarischen Analekten I. p. 159 f. und
W . Gell selbst p. 36sqq., von welchem letzteren die Re·
Schreibung des Denkmals und die Vergleichung mit einem
Wappenschilde aufgestellt ist. Was von den eigenen Be­
merkungen Mi r t s zu meinem Zwecke gehört, werdeich
sogleich beifügen.
77»
Wurde, wenn nicht Pausanias seiner gedächte, und w’enn
wir nicht wufsten, dafs Mycenä schon im ersten Jahre
der 78sten Olympiade zerstört worden (Diodor. XI, 65 .).
Nach einigen Zwischenbemerkungen über Gells Meinung
von diesem Relief trägt er die seinige vor, wovon das
Wesentliche dieses ist, dafs die Säule der hohle Fufs
eines Opfertisches gewesen, in der Art , dafs durch die
im Sockel noch vorhandene RundüfThung die Asche von
den Brandopfern herausgezogen worden scy. Bei den
Löw en, als Wächtern des Heiligthums, wie er sie nimmt,
erinnert e r , wegen der hochliegenden Festung, an die
Löwen der Phrygischen Magna mater, der die Höhen
heilig waren, die die Städte schützte (Strabo X. p.473.),
und deren Religion und Attribute die Lycischen Cyclo-
pen (die angeblichen Werkmeister jener Mauern und
T hore) sehr natürlich hier hätten verewigen wollen.
Seinen Schlufssatz will ich wörtlich beifugen: «Ein sol­
cher Opferaltar in der Festung hiefs Hesiia oder Vesta,
■ welches dann der besondere Name einer Göttin wurde,
die ursprünglich mit der Phrygischen Göttin eins war,
später aber getrennt wurde, v
Ehe ich nun dasTrcH'ende in den Ideen dieses kunst­
gelehrten Mannes näher bemerke, mufs ich eines Haupt­
satzes des W . Gell Erwähnung thun.
Er erinnert nämlich, und dies ist der Hauptgedanke,
an M i t h r i s c h e Bildwerke, und bemerkt, dafs der
Löwe ein Attribut des Mithras war macht ferner auf

122) Den Hauptsatz ftlge ich im Original bei Cp· 37.) : *„ Is


seems iinpossihie to ascenain tbe meaning of this ou-
rious device; but on examining the remains of the Mi-
thriac sculptnres of Persia , which , according to Le
Bruyn, are executed in the same m anner, some of the
S y m b o ls bear so near α resemblaiice to those of Myce­
nae, tbat they m ay perhaps throw some light on e a c h
772

die eigene Art aufmerlisAm , wie in Persischen Sculptu·


ren Säulen erscheinen, b. B. eine einen Ochsenhopf tra·
gend « eine andere mit einer Flamme aus ihrer Spitsc
hcrvorstrahlend und darauf eine K ugel, und eine dritte,
aus deren Capital eine aur Hälfte sichtbare Kugel her·
vorragt. Er erinnert an Wasser und Feuer als dieieni-
gen Elemente, denen die Perser vorzügliche Verehnirf
widmeten, wie man Spirallinien als Hieroglyphe dcie·
S te r e n und Kugeln, das letatere bezeichnend , imSchtta*
hause des Atreus gefunden habe, aber auch nicht minder
abgebildet auf den Denhmalen von Persepolis· Darauf
bringt er den Nemeisehen LSwen, den vom Berge Ci·
thäron, so wie den Schild des Agamemnon in Erinnerung
auf welchem letzteren ein Lowe abgebildet war. £ndlic)i
wird noch an Aegyptische Monumente erinnert, undwk
namentlich Säulen mit Kugeln darauf unter den dorti|cn
lieberresten nicht ungewöhnlich seyen
Je willhommener mir diese Uebereinstimmung im
Gedanhen an M i t h r i s c h e Symbole seyn mufste, den
wir unabhängig von einander gefafst hatten ; detto
lebhafter bedaure ich, dafs Gell seine Ideen nicht weiter
verfolgt, ja dafs er sogar etwas beigefugt hat, welche«
ihn, auch im entgegengesetzten Falle, verhindert haben
w urde, diesen symbolischen Kreis g a n z zu erfassen.
E r tadelt nämlich (p. 43 .) den Pausanias , der (11· i6. 3.
p. 335 Fac.) die doppelte Sage anfuhrt, wonach Myceni
entweder von einem Erdschwamme (μύχτ^τι) oder vom

other, for the style and th t subject are so similar, thit


it appears as if both most have had a common origin.*
133) E r verweiset auf Denon pl. It5. fig· 10« 12. 17« und pl.
116. 120«

124) Bei Abfassung meines vierten Bandes war mir W. Gtlls


W erk noch unbekannt«
ηηΖ
Degenscheid en decl(e1 , Λvc1chen die Griechen auch
nannten, den Namen erhalten haben sollte
Ohne mich nun auf das Wahrscheinliche oder Un­
wahrscheinliche dieser Legenden einzulassen, behaupte
ich doch« dafs sie eben so gu t, wie das L o w e n t h o r ^
in den Mithrischcn Bilderkreis gehören, ja dafs sie jener
Gellischen Beziehung des Mycenischen Reliefs auf die
Mithriaca e r s t e i g e n t l i c h e i n e r e c h t e G r u n d -
1 a g e gew ähren.
Ich will es versuchen, in kurzen Andeutungen den
i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g jener B i l d e r und S a ­
g e n , so weit dies möglich ist» aus Stellen der Alten und
aus bildlichen Denkmalen nachzuweisen·
Da Hirt, wie bemerkt, in dem Opferaltar die älteste
H e s t i a erkennt, und bei den Löwen an die P h r y g i -
s c h e G ö t t e r mut t e r erinnert, so will ich damit den
Anfang machen. Johannes der Lydier fugt in einer be-
merkenswerthen Stelle, wo er von allegorischen Vor­
stellungen der£rde spricht, die Bemerkung bei: «daher
verehren auch bekanntlichdieRomer die Vesta vor Allen,
so wie die Perser den aus dem Fels gebornen Mithras
wc^gen des Mittelpunktes des Feuers» ^26). Zoöga ^2^ ,

125) E r will vielmehr den Namen dieser Stadt von einer Berg­
schlucht hergeleitet wissen, worin sie lag, und erinnert
an Odyss. ΙΙί. 26J·
126) De menss. p. 47: κλι Έστ/βν vqo τάνταν (^tvövrat rt**
*Ρυαμαΐ9ί, Ζ;τ6ζ τον prcrj po*y€vf oi ΙΙ^^σαι
Sid τ6 τον -τϋ^ος κ/vr^oy. Weil kurz zuvor von ei-
Jirni κ^ντξον der Erde und gleich darauf von einem
K. TGv νδατύς (d^s Wassers) die Rede ist, so habe ich die
tVorte so übersetzt, will aber damit nicht in Abrede
stellen, dafs auch an einen S t a c h e l des Feuers bei je­
nen \lythen gedacht worden.
127) Abhaiidll. p. 132. herausgeg· von Welcher·
774
der die angeführte Stelle des Johannes nicht ^ liannt s ij
haben scheintf nennt den aus dem Fels gebornen M ithras
eine dem G e s c h m a c k d e r M a g i s c h e n F a b e l n
g ä n z l i c h f r e m d e Idee. — £ine kühne Behauptung
hei unserer lückenhaften Kenntnifs von dem Inneren d er
Magierlehre! — Zuvörderst haben wir mehrere Zeug­
nisse dafür bei freilich späteren Schriftstellern » woraus
erhellen will, dafs der Θβός Ίχ ηέχςας eine Mithrische
Formel war Wenn sich nun ein innerer Zusammen­
hang dieser Vorstellung mit älteren Beligionsfdeen der
Völker, ja der Perser selbst, in manchen Spuren un­
zweideutig kund thut, wer will dann noch so verwegen
seyn, zu behaupten: der Felsgott Mithras sey nicht al t -
Persisch ?
Nun aber — um nichts davon zu sagen, dafs es in
der Persischen Symbolik wirklich einen M i t h r a s s t e i n
gab — bemerkt Zoega selbst (pag. i i 8. ) , dafs die
G r o t t e der gewöhnliche Hintergrund der bekannten
Mithrischen Scene sey. Eine Zoroastrische Miihrasgrotte
in einem Berge haben wir schon oben (p. 17.) aus Eubu-
lus kennen gelernt. Ein U r b e r g aber erscheint auch
in Persiens Mythen als Mittelpunkt der Religionen, der
Albordi. Bei Grotten und Bergen wird Jeder von selbst

128) S. die Zeugen und Erörterungen bei Philippo a Torre in


Alonumin. veter. Antii p. 89·
129) M i t h r a x , beim Plinius U, Ν· XXXVίΤ· 10^ oder,
wie Solinus (cap. 37.) und Isidorus (Origg· cap. 12.)
schreiben, Mithridax, wird unter den Persischen Edel­
steinen aufgetuhrt. Plinius sagt, er sey weifs, werfe aber
gegen das Sonnenlicht nach allen Radien Strahlen aus.
Salinasius, welcher der ersten Schreihart den Vorzug
giebl <ad Solinum p. 601.}, erinnert dabei mit Recht an
den M i t h r a s , von dem dieser Stein seinen Namen habe·
— Also auch hier eine Sage von einem stiahlenden M i­
t h r a s s t e i n e«
775

an Fdsen denken Sollten n ir nun nickt auf die


X^egende aufmerksam M'erden von dem Berge Diorphus
ζΔίορφος am Flusse Araxes)^ dem mütterlichen Schoo fse
des Heros Diorphus? Mithras, besagt sie, wünschte
einen Sohn zu haben; weil er aber die W eiber haPste,
schwängerte er einen Felsen , und der befruchtete Stein
brachte nach gehöriger Zeit den Jüngling Diorphus her­
vor Hier kann ein Jeder schon an den Biesenslein
Agdus in Phrygien denken, der, von Juppiters Saamen
b efruch tet, einen hermaphroditisclien Heros Agdestis
hervorbringt. Im Capitc] von den Yordcrasiatischcn
Religionen müssen wir darauf zurückkommen. Hier weise
ich meine Leser nur mit einem 'Winke auf die Bätylicn
hin (s, oben p. 176 f) . Aber der den Felsen erwärmende
und befruchtende Saame des Zeus und des Mithras, ist
er nicht die Feuerkraft, w’clche in die Erd feste eindringt
und sie zum Hervor bringen der Fruchte zwingt
"Wenn Erdfeucr und auf den Seen schwimmendes bren­
nendes Erdpech, wenn Feuerheerdc auf den Höhen, wie
w ir wissen, ursprüngliche Anlässe des Persischen Cultus
sind, wer will dann zweifeln, dafs wir in jenen Mythen
alt - Persische Anschauungen haben ? Einen ideellen
personificirtenFeucraltar gesellt aber Xenophon in einem

130) Jedem Nachdenkenden wird der Aeschykische Feuer-


bringer am Felsen, Prometheus, einfallen. Eben des­
wegen sage ich nichts davon.
131} Der sogenannte Plutarcli de flummib. ΧΧΠΓ. 4. p. 1165.
p. 1049 Wytlenb. Ich lese mit Wytteiibach
semen emisit.
132) Und darf man in dieser Griechisch erzählten Fabel beim
Diorphus nicht an 0^4 ^ und an den, der durch
die F i n s t e r n i f s hervorkommt, denken? Der herm-
aphrodiiische Agdestis aber bringt einen Indisch-artigen
M ithras-Mitra in Gedanken. D er Kleinasiafische Z&uς
viaratβατη^ gehört auch hierher.
ηηβ
Gebete des Cyrus dem Juppiter b ei, d. h. ei* gesellt ihm
eine Hestia bei gleichwie beim Johannes Lydus die
Hestia der Römer und Mithras der Perser neben einan*
der stehen. Es wird hierbei nicht unnüts seyn, einer
Erklärung nu gedenken, die uns Dionysius vom W esen
der Römischen Vesta mhtheilt: «Der Vesta, sagt er,
meinen sie, sey deshalb das Feuer geweihet, weil diese
die Erde ist, und den Mittelpunkt in der W elt einneh­
mend von sich selbst Enteundungen des atmosphärischen
Feuers verursacht» Keben dem Feuer in der L u ft
dürfen, ja müssen wir bei der Vesta auch an das F eu er
denken, das der Stein von sich giebt, und , in Absicht
Persischer Anschauungen besonders, an die heiligen
Erdfeuer und an die Dadgahs oder Feueraltäre auf der
Berge Gipfel.
Da wir im nächstvorhergehenden Abschnitte die V e r ·
mischung der Mithrischen Symbole mit den Sabazischen
gesehen haben, so will ich hier nur mit Einem W orte
an die beiden Formeln der Sabusdiener erinnern: « E r
ist Feuer, Du bist Feuer» , und : « Der Stachel des
Rinderhirten ist in dem Berge verborgen»; in welcher
letzteren Clemens (Protrept· p· i4P otter.) eine Anspie·

133) Cyropaed. I. 6. 1. vgl. VII. 5. 56. Έβτι> »e-


Kou At7 Gab es eine Ansicht« wonach beide
e i n e n Leib ausmachten, so hatte man in diesem Zeus
als Himmelsfeuer und in der Hestia als Erd feste und E rd·
feuer wieder den ithras - Alitra.
134) Dionys. Halte. A. R. II. 66. p. 376 sq. Reisk.
135) Hyes A t t e s , nach BochartS Erklärung (Can. p. 44l.}.
D er Attes (^Ατη;ς) aber heifst nach einem Griechischen
Grammatiker (bei Bekker Anecdd. graecc. p. Die­
ner (ΐΓ^οΛος) der Götterinutter, also der Gottheit« die
im Hinimelssteine zu Pessinunt verehrt ward« und der die
feurigen Löwen beigeseJIt wurden.
777
lung auf das BacchiscKe Feuerrohr fand. Doch da ich
darauf im zweiten Bande zuruchhommen mufs» so sey
es an diesem Fingerzeige, wodurch Hirts Gedanke be­
stätigtw ird, vorjezt genug. Von demselben Gelehrten
trenne ich mich auch darin nicht, daf» die Säule des My-
cenischen Reliefs eine Höhlung zum Behuf des Feuers
und der Asche gehabt habe. W ir dürfen ja nur an die
durch Feuer glühend gemachten Molochsbilder denhen.
Aber hier wie dort vergesse man die symbolische Be­
deutung des Sonnendienstes nicht. Darüber liegen zu
deutliche Zeugnisse vor. So lesen wir in der Phönici-
sehen Theogonie, da wo die vergötterten Berge Casius,
Libanus und Antilibanus Vorkommen, wie Usous dem
F e u e r und dem W i n d e jedem eine S ä u l e geweihet,
und von dem Blute der von ihm erlegten Thiere Tranli-
opfer denselben dargebracht habo ^*^'). Lauter Gebräu­
che, wie sic die Persischen Bergvölker den Elementen
zu Ehren verrichteten (Herodot. 1. i 3 i.). Wenn Cle­
mens in einer andern Stelle von der Feuersäule, die
vor den Israeliten herzog, Gelegenheit nimmt, das hö­
here Alter dieses Säulendienstes, als der Anbetung von
Götterbildern, zu bemerken, so ist diese sonst so wich­
tige Beobachtung für uns hier von minderer Bedeutung,
als seine Ansicht der gedachten Feuersäuie, die er für
ein Bild des ständigen, bleibenden und unwandelbaren
Lichtes der Gottheit nimmt Ich meine nur den
Grundgedanken, dafs nämlich bei den Persern bis zu
den Römern hin in der Verehrung der Mitra und der
Hestia die Vorstellung von der u n v e r l öse b l i c h e n

136) Philo Bybiius ap. Euseb. Praep. Evang. L 10. p. 35 ed.


Colon.
137) Stromat. L p. 349. p. 4l8 Pott.
138) ^στ^ς not /acw/aov rou Θβο« — φ<νς·
778
K r a f t des im Mittelpunkte der £rde und des Himmels
verborgenen Feuers vorwaltete. Der Pythagoreische
Saia V esU , «die in der Götter Hause allein
bleibt»! beu^eiset, dafs diese Gedanken aus einer alten
Quelle geflossen waren· Dieser Erdfeste und diesem
Erdfeuer, als Ein ΛΥβ$6η gedacht, war nun, wie vir
urkundlich ersehen haben , die Säule als Attribut ge­
widmet· Die Obelisken waren der Sonne aufgerichtet,
und sollten ihre Strahlen versinnlichen £s sind
Spiizsäulen, d. h· sie yerjüngen sich aufwärts von der
breiteren Basis an· Die Säule von Myceiiä verjüngt sich
abwärts. Dabei konnte der naive Sinn kindlicher Vol­
ker an das aus der Erde aufstrahlende und den Sonnen­
strahlen begegnende Erd feuer gedacht haben« Man er­
innere sich der obigen W orte des Dionysius· lilltres
bauet in Aegypten Obelisken (s. oben Cap. 1. p. 469.).
Feuerstrablen aus Säulen aufsteigend sicht man in Per­
sischen Bildwerken (s. oben Gell), ln jenen Spitzsäulen
könnte also an den Feuerregen des besaamenden Alilhras
oder Zeus gedacht werden ; in dieser umgekehrten Co-
lumne an die aussti ömende Feuerkraft der Mitra-Hestia.
Dieser Nebengedanke ist zur Sache nicht wesentlich;
aber bei den v i e r K u g e l n oben an der Mycenischrn
Säule hat W · Gell mit Recht an Kugeln auf Aegyptischen
und Persischen Säulen erinnert. Den wahren Sinn su
entdecken, möchte schwerer seyn. Ich will geben , wu
ich finde; das heif^t, ich will keine Allegorien ersinnen,
sondern sie mittheilen, wie ich sie antreffe. Es sind

139) heim Plato im Phaedrus §. i6· p. 246. p· 2 il Heindork


Es würde mich zu weil führen , die Erklärungen des Pro­
clus und Anderer hier zu verfolgen.
l4ü) Plin. [1. N. XXXVll. 8. Vol. If. p. 73i Hard.: - obe­
liscos bülis numini sacratos. Radiorum ejus argumentum
in eiligie est.
779
nämlich die d r e i R i n g e (annulets, Mie sie Gell nennt)
und die V i e r H n g e l n oder K r e i s e (balls or circles)
zwischen dem oberen und unteren Abacus iiber jenen
Bingen zu bemerken. Mithras ward der D r e i f a c h e
(τριηλάσιος, triplex) genannt ^^*). Der Kaiser Julianus
hennt dieses Epitheton des von ihm eifrig verehrten
Gottes auch, und sucht nach seiner W eise davon Re·
chenschaR zu geben. Er redet von einer dreifachen
Wirksamkeit des Mithras, und indem er einer dreifachen
Verleihung himmlischer Wohithalen gedenkt, erwähnt
er der K r e i s e , welche dieser G ott, v i e r f a c h schnei­
dend oder thcilend die vier Jahreszeiten» hervorbringe ^^^).
Unser B elief betreffend, so müssen wir die v i e r Jah­
reszeiten , als eine spätere calendarische Eintheilung,
Tergessen. Das Epitheton des Mithras als des d r e i ­
f a c h e n mufs aber anerkannt werden, da es in bestimm­
ten Zeugnissen gegeben ist; und an die drei Jahreszeiten
der alten Völker darf wobl gedacht werden. Von den
drei Aepfeln des Hercules, die dabin gehören, wird im
V erfo lg die Rede s e jn , so wie vom Dreifufse des Apol­
l o , der calendarisch und angurelisch ^^^) in diesem Sinne
genommen ward. Hier mag nun an das unstreitig sehr
alte R elief auf dem Candelaberfufse der Dresdner Samm­
lung erinnert werden, dessen eine Seite den Kampf um
denD reifufs und darunter die Cortina mit dem dreifachen

141) Dionysius Areopagit. Epist. VII. S. pag. 91 Corder. und


daselbst das Scholion des Maximus.
142) Julian. Oraf. IV. p. 138 Spanh. SvSsv οΙμΜ avou5r>
ψ Μ Ϊν ο τίξ ο ν ο ϋ τ ζ ί ν λ ΐ ί y a ^ ir w in rewv κ ύ κ λ ω ν , ew^
J oS$ rifx y w v d x t W ^ T g t των ω^ων

dykouav. Er meine die in drei Segmente getheilten dreimal


V i e r oder aw61f Zeichen des Thierkreises.
l 43) Suidas lll. p. 505 KQsCer. κατά τ ^ ς
μαντ$υόμ$νφ^ m* r. λ.
I. 49
η8ο
Umhange iceigt, 81e andere aber die Befestigung dei
Dreifufees auf einer Säule von priesteriichen
Händen. Ich will hier nirlit an die aufgehobenen drei
Finger der dabei beschäitigfcn Priestcriii htnueUeni
worin vielleicht Jemand eine Zälilung der drei Jahres*
seiten vermuthen hönnte. Aber wohl verdient angciulut
SU werden, dafs das Zeichen des Dreiecks auf dem
Buchen eines L ö w e n auf sehr alten Munsen von Par>
phylten vorkommt A uf der Stirne des Stieres Apis
bemerkt schon Herodotus (HI. aö.) das >"ierccli **»).
Leteteres war dem Hermes und der Venus heilig ^). £s
war das Bild der sinnlichen Natur. Ai^hytas wählte da­
für das Bild des K r e i s e s (χόχλον) oder der Kogel
(οφαίρας)^ und man sprach von v i e r Acten von der
Zeugung an bis Eur Λ^ol]endung des Wachsthums orga­
nischer Körper Mithras als Demiurg und Herr der
Z e u g u n g sitst auf dem Stiere, dem Zeichen der V e­
nus Es ist aber das Dreieck Bild der Fruchtbar­
keit (s. die Stellen bei Yalckenacr zumllerodot. 111. s&);
worin wir wieder einen Grund entdecken können, wamm
dem Mithras das Prädicat der D r e i f a c h e sich eignet.
W ie dem aber auch sey, so dilticn wir bei feiien drei
Kreisen des Mycenischen Beliefs an den dr e i f ache n

144) Beckers Augusteum I. tab. 5 — 7.


145) Payne Knight oii Symbol, lang« $. 222, p. iS2
146) Oder auch das Dreieck , wie Manche gegen Handschrif­
ten lesen wollen; vergl. meine Commentt. Herodoit. L
p. 133. 137. Das Dreieck war der Minerva heilig p. 135.
147) S. die angef. Commentt, p. 135, und Johannes Lydus de
menss. p. 87.
148) Io. Lydus p. 21 sq. wo das Fragment des Archytas steht.
£ s ist auch dort die intellectuelle Seite aurgefaA>l, die ich
der Kürze wegen übergehe.
149) Porphyr, de antr. Nymph. cap, 21. p« 22 Goens«
/8i

B l i t l i r a s · P e r s e s (s.o b en ) deni&en. Bei deo v i e r


B ü g e l n aber dürfen Mir uns der vier Momente der
borpeiiichen Nator erinnern, und der V e n u s , dio
darüber Maltete (s. vorher). Wenn aber das alte Kü-
nigsbaus von Argos ganz eigenthunilich eine s i e g b r i n -
g e n d o V e n u s {\\φ^οδίτη verehrte (Pau-
san. 11. H). 6. ) , so h a b e n Mi r in d e r D r e i z a h l
d e r K r e i s e u n d in d e r V i e r z a h l d e r K u g e l n
auf der c e n i s e b e n S ä u l e di e E r i n n e r u n g
^aii j e n e C o n j u n c t i o n des z e u g e n d e n M i ­
t h r a s m i t ' d e r g r o f s e n G e b ä r e r i n und Si ege· »
ri 11 V e n u s ; also Mithras«Mitra in einem verbindenden
S}rmbol. Ich will weiter nichts hinzufügen, als dafs He­
rodotus (II. 91.) zii Cheminis in Aegjpten einen 'fcmpel
des Perseus sah, den er ausdrücklich als einen vierecki­
gen {τετράγωνον) bezeichnet $ und dafs die S i e b e n ­
z a h l (also die Gesammtzahl der drei Reifen und der
vier Kugeln) wieder dem Mithras eigentbümllcb zuge-
^igner ist
W ir gehen zum Bilde der L ö w e n über. Hier,
neben der Feuersäule, mufs an die feurige Natur dieses

150) Porpbyritts a. a. O. nennt beide v den Mithras and den


Stier, Herren der 21euguog· Wvnn also eine weibliche
geflügelte Figur auf dem Stiere sitzt und ihn ersticht (eine
nicht seltene Vorstellung, s. z. B. bei ^oOga BassiriL
tav. LVJIt — LX. und auf einem andern Bilde« s. u n ­
s e r e T a f e l XLVll. nr. 2 .), so ist die C mjunclion von
Mithras-Mitra nur auf andere Weise dargestellt. E hist ein
Opfer der Venus - Victrix, und f^ayne Knighf pag. id6.
nennt diese geflügelte Figur richtig die w e i b l i c h e P e r -
s o n i f i c a t i o n des Mittlers Mithras.
15t) Seboliast. Platon, p. 77 Rnhnken. : *j w:, τγ ΜίΒ^^ cUtTov
rov ζ ov 0/ Π^^σαι cißo\icrj. Aber auch
s i e b e n Cyclopen mufsten dieErbau.er von Tirynth seyn
(Strabo V ili· p.250 s^· Tzsch.)·
78a
Thieres gedacht iverdcn. Aber auch astronomisch und
wegen der im Louen culniinirenden Sonne ward der
Löwe dae natürliche Symbol der Feuerkraft ?on oben·
Da über diese Begriffe befreite oben (p. 5 o3 und 5 s 6 ·)
die nothigen Nach^ieisungen gegeben sind, so begnüge
ich ntich hier mit der bloften Erinnerung daran. Ich
H|ill nicht Torgreifen, sonst konnte ich aus den Wand·
longen des Bacchus, wie er bald als Lowe, bald als
Stier und Schlange angerufen wird (Euripid. Baceb. t s ·
i o i 5 .) und auch erscheint (^. Band III. Cap. II. $·
dieses W erkes), für das Alterthum Mithrischer Lehren
und Bilder Bestätigungen gewinnen. Aber an den Bac­
chus in der Säule (ττε^ιχιάπο^) mufs ich erinnern. Die
näheren Umstände dieses jMythus bringe ich a. a. O. $. 1 1.
bei. Jezt sey nur bemerkt, dafs in mehreren Stellen
und auch in einem Orakel (bei Clemens Alex. Strom. L
p. 4^18 Potter.) dem Badmeisch - Thebaniseben Dionysos
das Epitheton Säule (στι λος) beigelegt wird W enn
der Orphische Hymnus (XLVII. al. XLYI.) diesen Säu­
len-Bacchus als den besingt, der das gewaltige Zittern
der Erde znm Stillstände gebracht (ίσττ:σε), als der
feurige Strahl (des Zeus) sie in Windesbraiifsen getrof­
fen (als er in seiner Gotterkraft zur Semela htnabfuhr)^
so werden wir von selbst wieder an die obige Sage ge·^
denken I wie Mithras in den Felsenberg Dierpbus feurig
sieb hinabsenkt, und wie daraus ein gleichnamiger Sohn
bervorgebt. Aus dem d u n k e l e n Schoofsc der Erde
geht er ans L i e b t der Sonne, und mag deswegen Grie­
chisch wohl Λίορφος genannt werden (s» oben p. 775.)·
Der S c h e i d e p u n h t z w i s c h e n L i c h t u n d D u n k e l

f52) W enn ich schon oben p. 26t. dabei an den Aesyptischen


Ot»iris in der Säule erinnerte, so folgte ich darin dem
Vaickenaer zu Euripiden Pbotniss. vs. 6 S l, welchem
Zoäga de obelisce, p. 227 sq. auch htiue folgen sollen.
η85

i s t e i n e M i t h r i s c b e G r u n d i d e e * Am Kreise der
Nacbtgleicho ist des Mithras siderischer Standort \ Por­
phyr* de antr. Nymph* cap* 24. p. 23 sq. Goens.). Zwi­
schen Tag und Nacht, im‘Z w i e l i c h t e des Abends
springt ans einer berstenden Säule des Pällastes unter
entsetzlichem Donner der M a n n i d w e W i s c h n u . h e r ·
Tor Hier erscheint der Ldwengolt als Bächer* Das

li3 ) Hier mag nun Herr R h o d e seh en , wie inconsequent


ich ihm selber in die HSncJe arbtiie. Ihm 15t Miihra"»
Anattis der Abendstern. Mit dieser grofsen Entdeckung
und unter diesem Sterni zieht er gegen Jedermann zii
Felde, der noch etwas W eiteres sehen will. Nun hätte
, er zwar von Herrn v. H a m m e r lernen kiinnen, wie
man an die AnaYtis als Abend.- und Morgenstern ehrlich
glauben kann, ohne durch ihr Licht zu erblinden* Von
diesem Gelehrten konnte er lernen , wie der Morgenlän­
der seine Sterne von Stufe zu Stufe bis zum Höchsten
hinaufsteigert (s. W iener Jabrhb. d. Liter* tSiS. 1. p.99)·
Aber ich hatte in meinen Briefen an Hermann (pag. ISO*
in der Note) mm einmal das entsetzliche W ort gespro­
chen: „Ich werde Rhode*s Vorstellungen, der den M ithras
l a n g e n i c h t h o c h g e n u g g e f a f s t h a t , eitler
näheren Prüfuiig unterwerfen. ** D arüber ist der Mann
so in Eifer gerathen , dafs mir nun auch kein Stern mehr
leuchten soll. — So m ufssich gerade der Stern der Liebe
zu einem Panier des Haders verwenden lassen. Und ich
hatte doch früher schon den Licbesinamel schweigsam
über die Blöfsen seiner Theorie des Aegyptische» T hier­
kreises ausgebreitet. Darum will ich ihm auch jezc seinen
Persischen Sternenmantel, worin er sich so wohl gefällt,
neidlos lassen, und zum Schlüsse nur kurz bedeutf n,
dafs ich seine weiteren lleraiisforderungen erst dann an-
nehmen kann, wenn er den Beweis geliefert haben wird,
dafs er literarisch ebenbürtig ist, d. b. dafs er Griechisch
versteh t, und dafs er auch Geisiesaugen hat ^ nicht blos
zwei leibliche, womit man eben nach den Sternen sieht
— wie die Kinder*
154} S. die Auszüge der Indischen Puraras bei Th* Maurice
Feuer als zerstörendes Element tnufste auch den Löwen
eoro Bilde haben. Darauf will auch ein gelehrter F o r­
scher 1^) d#s häufige Yorhomnien des Lowensjmbols a u f
Gräbern beziehen. Auf dem hier beigefugten R elief
aus der neuesten Lieferung der Description de TEgypte
(s* unserf Tab. XVUI. nr. z.) hat Phthas einen Schlao-
genleib, einen L ohenhopf, und seine Flügel haben Zähne
an ihrer inneren Seite. Das ist Phanes oder Kronos der
Orphiher (vcrgl. oben p. 527 ·) d. h. der Hervorbringer
und Zerstörer. Den Mjcenischen Löw en, um zu ihnen
ziiruchzohchren, fehlen jezt die Köpfe. Da aber auch
die übrigen Beiwerke nichts enthalten, was geradeza
an Zerstörung erinnert, so denken wir uns bei diesen
Löwen auf beiden Seiten der Säule, mit den Attributen
Ton klithras und M itra-Yenus, am einfachsten eine Y er-
sinnlichung d e r a c t i r e n u n d p a s s i v e n N a t u r im
Z e i c h e n d e s L ö w e n , a l s dem J a h r e s p u n k t e »
w a n n di e f e u r i g e S o n n e d i c E r d f e s t e am t i e f ­
s t e n d u r c h d r i n g t ; wovon die L e o n t i c a der Mi·"

Anc. Mist. ofHIndostan Vol. II. p. 24 sq. und dazu pl. fl.
mit dieser Vorstellung. Als MannJöwe wird auch Mitbrae
vfTgestellt. Ltictatius in Slatii Thebaid. lib. I. vs. 717 :
n £ t bic SoJ proprio nomine vocatur Mitbra ^ quique
eclipsim patitur, ideoqtic intra antrum colitur. Est enim
in spelaeo Persico hal>itu, l e o n i s v u l t u cum tiara
utrisque manibus bovis cornua comprimens.**
iSS) Payne Knight Inq. into tbe sytnbol. lang. $. 109. p. S3.
Ζ ο € ζ 9 Abhnndli. p. i$7 y wo er von dem bekannten Bilde
des A e o n sp rich t, bem eik t: „ D er Löwenkopf mit halb
geöfinetem Munde und gefletschten Z ä h n e n , die zerstreute
und strSubige M ahne, scheint ein schickliches Bild des
Kronos , der die eigene Sippschaft v erzehrt, und des ver­
wirrten , furchtbaren Abgrunds der unbestinimtcn Z e it“
II. 8. w. Bhagavet oder VVIschnii bei Maurice a. a. O«
hat gerade daöselbe furchtbaie Ansehen.
785
thrasidire ( ·· oben p. 754. 756 .) ein Mebreres besagen
mochten· Das Mjcenische Thor ward also rermuthlich
dem Hithras, in der Eigenschaft des foarigen Lowen^
gewidmet.
Aber der M a n n l d w e Mithras erfasset auch den
Stier oder kniet auf ihm, und tödtet ihn· Hier«
mit Terlassen w ir die B i l d w e r k e von M jcena, und
sehen uns in einigen S a g e n yom Erbauer dieser Mau­
ern und Thore um· Znror aber mufs ich gegen eine
Meinung sprechen, wonach Mithras als S t i e r r ä n b e r
eine Fiction christlicher Schriftsteller wäre ^ ). Wenn

156) Luctatius zum Sfatius a. a. O . E r erklärt dieses Bild


von d .r Sonne , die den Mond dadurch ihre Üeberle-
genbeit l'tthlen lasse: S o l eiiim l u n a m minorem poten»
tiä $uä et humiliorem — comibus torquet. Andere er­
klären die auf Gemmen und Münzen vorkommende Vor·^
Stellung eines Löwen, der einen Stior würgt, vom Son«
nenstrahle, der die E r d e diirchdringt ( Beger Thesaur.
Brandenburg. Vol. I. p. l46.). Beide Erklärungen^ sind
richtig; nur h*it jede eine andere Sehe aufgefafbt· W enn
ich übrigens auf die Bebaupomg des Zo6ga (A bhandll.
p . l 9 2 f j : «iLuctAtius müsse sich geirrt haben**, keine
Rücksicht nehm e, sondern einen Mithras mit dem L6«
wenkopf anerkenne , so wird der Grund davon den Lesern
aus dein Obigen einleuchten· Dafs in einer Abbildung
des Mitbrischen Stieropfers ein Ldwe vorkoinm t, b e ­
merkt Zoüga selber ( pag. liS.) ; und da sich noch eine
wirkliche Spur von einem Mithras mit dem Löwengesicht
gefunden h a t, so bat W eicker mit Hecht den gedachten
Scholiasten gegen Zoüga in Schutz genommen (p. 4t2.)·
Das Ladenburger Bild hat auch den Löwen (s. unsere tab.
XXXVL nr. 1.). Diese nnd andere Gründe machen mich
auch sehr niifstrauisch gegen dessen Behauptung, dafsder
Löwer erst nach einiger Zeit in den Mithrischen Bildern
eine Stelle bekommen hjbe (p. ISO.)^
157) Behauptung Zoega’s 11/ den Abhandll. p. 131 f. p. 4oL
D er Zweifel ist nicht neu. Caspar Barth h c ^ e ihn schon
(ad Statii l'hcbaid. lib. 1. v&. 7 li sqq·)·
786
Porpbjriae (de antr. Njmpli. cap. 18. p. i8.) too einem
Stiere stehlenden Gotte rede., so sej darunter ohne
Zweifel vHermes zu verstehen. Ich will die Uanptwerte
Y ier beifiigen: Porphyriue redet von dem Namen Bieae
{μέΧισοα) als eines Pradicats des Mondes, in der £igei·
schalt des Vorstehers der Zeugung· Darauf führt er
die Meinung an « dafs die Bienen aus dem Stierleibe ge·
huren seyen. Zuletzt siigt er : «Und die in die Zeogang
(ins Hürperliche) übergehenden Seelen sind ans dem
Stiere geboren. Und Stierdieb ist der Gott , der die
Zeugung heimlich vernimmt» Diese mystische
Ideenreihe kann erst im Verfolg durch Vergleichung ia
Mythen von der Diana und C eres-Proserpina denUid
werden. Aber gleich zunächst beim Porphyrius wird ja
der Stier mit der Zeugung in Verbindung gebracht, uad
M i t h r a s (der auf dem Stiere seinen Sitz h a t; s. obea
p. 747.) ausdrücklich Herr und G e b i e t e r d e r Z eu­
g u n g genannt
Deswegen hat auch der neueste Herausgeber des
Porphyrius·*^) den S t i e r d i e b geradezu als M i t h r a i
bezeichnet. Früher hatte dies schon Philipp a Turre
gesehen. Dieser hat auch Einen Grund dieses sonder,
baren Namens wohl erklärt, wenn er dabei an die uu·
b e m e r k t und a l l m ä h l i g in die Materie eindringende
und befruchtende Fcuerskrall denkt Ein anderer

158) καί βουκλό ό -njy ytvtvtv λ·λι;5βτβϋς dneuan*


159 '^ pag. 22 sef|. — wv 0 koj
h 6t
160" van Goens zum a. O. p. 108 sq. nach dem Vorgang Ao.
derer , die er anfUhrt.
16 t) Monumm. vetetis Antii cap. T. p. 90. und cap. I l f . 109.
‘ „ Nam quemadmodum quod arjunt fures clam agutü^
ita vivificus et genit a iis calor sensim permeans rertm
generationem furtim et latenter promovet, “
7^7
Grand des Epithetons ist dieser: weil Mithras ais Ized
(Genius) der S o n n e im alten A e q υ i n o c t i a l z e i -
e h e n des S t i e r e s der Finsternifs einen T ag, Monat,
eine Zeitperiode nach der andern unvermerkt und heim­
lich entführt und ins Licht zurüchbringt. W er an ganz
ähnliche Namen und Allegorien der Aegyptier and der
Griechen sich erinnert, wird dies ohneWeiteres rerstehen.
Ganz deutlich, aber l&ann dies erst im Verfolg werden,
wenn die Ochsenräuber Hercules und Theseas uns r o t
Augen treten. Dies Λyenige wird jedoch den Unpartheii-
schen schon überzeugen, dafs christliche Schriftsteller
den S atz: Mithras sey ein Stierräuber , nicht aus ihren
Fingern gesogen haben.
W ir wenden uns zu den S t i f t a n g s l e g e n d e n
der Mycenäer.
Erste Sage : Perseus, betrübt über den unfreiwil­
ligen Mord seines GrofsTaters Ahrisius, den er zu La­
rissa mit der Wurfscheibe getodtet hatte, beredet den
Megapenthes , des Protus Sohn, sein Land mit ihm za
tauschen. Nach erhaltener Einwilligung erbauet er in
dessen Lande Mycenä. Denn hier war ihm von seiner
Degenscheide der Deckel (ό abgefallen, und er
dachte, dies Zeichen sey ihm gegeben zur Erbauung
einer Stadt

162) J u l. Firmicus de errore profan, relig. p. 3. Commodia«


nuS p. li). Letzterer redet die Heiden an :
Inm per et furem adhuc depingirit este;
und nach einigen Zwischenbemerkungen :
Vertebatqne boves alieno· semper in antris,
Sicut et Cacus Vulcani filiua ille.
163) Pausanias II. ΐ6· 3. ρ· 235 Fac. Aus den Venetianischen
Scholien zu lliad. XV, 302. lernen wir einen alten Ge^
währsmann dieser Sage kennen: Hecataeus; vergl« meine
Fragm m . historice· anliquiss. pag. 77 seq. W as ich dort
beigebracht h ab e, Übergehe ich hier der KOrze wegen·
η88
Zweite S ag« : Persen« war d n rstig, und rifs enes
Schwamm (fieai;Ta) aas der E>de· Sofort strömte Was­
ser herror. E r tranh, and erquickt gab er dem Orte
den Namen Mjeenä (Μνχι?νας)
D ritte Sage : MycenS biefs erst Argtnm Tom rid-
aagigea Argos. Die Umänderong des Namens rührt da­
h er, weil die Schwestern der Tom Perseos getddtetei
lledosa den Mörder bis an diese Hohe rerfolgten· Hier
mufsten sre die Hoffnong aafgeben, ihn einsaholen. Da
brulilen sic dredonear) aus Mitgefühl oad
Liebe no ihrer Schwester* Daher nannten die Bewohosr
den O rt Mycenä (Μνηηρ^^)
Tidrte Sage : Mycenä hat ihren Namen , weil la

Eine Modification dieser Sage lautet so : Perseus schwebt


in der Luft , und an diesem HOgel ihm der Degen-
grifif (0 fjJtty;). Nun baut Gorgophonos nach erhaUeneo
Orakt:! hier die Stadt Mycenä (Cbrysemnus ap. Plutarch.
de Fluniin. p. 1l6l. p. I03t seq. Wyttcnb·)· Auch der
Degen;:riif selber ward hernach /χυκ»;ς genannt (Schneider
ad Nicandri Alexipharm. vs. 10).).
16I[) Pausanias a. a. O. Sclnvämnie entstehen nach dem Re­
gen. Hesycli. II. p. 601 Alb.: M/aai (leg. MJKai) λάχιν:
oiAß^oLy fungi qui post pluviam nasctmlur; vergl. Toap.
Kpist. crit. p. 5! ed. Lips. Späterhin kam dieselbe Stadt
Mycenä durch Wassermangel um ihren Wohlstand (Ari­
stoteles Metcorolog. f« l4.)· In den weiter folgenden
Capitelli werden wir in den Sagen des d u r s t i g e n Argos
die Gegensätze von DOrre und WasserfQlIe immer wie­
der hervortreten sehen. Vorjezt will ich nur zwei vor·
lUnßge Winke geben. Der Riesenschuh des Perseus war
in Aegypten das Vorzeichen eines fruchtbaren Jahret
(Hcrodot. II. 91.), d. h. eines hohen Wasserstandfs.
Femf‘r: iin Zeichen des allen Aequinoctialstiers (der dem
Mithras angehört^ s. oben p. 7i0.) stehen die Hyadcn,
elie Regcnsternc.
165) Ctehias Ephesius ap. Plutarch. de Fiuinin. XVifl. (Ina·
ohus) 6. p. Il6l· p. I0i4 W’yltenb.
7^9
\

trullte (μνκησασ^αι) f Jie hier in ^ine Kuh T^rwandclt


worden
Funftp Sage : Die Stadt hat τοιί der Heroine Mj<<
eene —
Scchfte S age: Dieaclbe Stadt hat rom 3(ycenea$
(άπο Μνχην$φς)f dem Sohne dea Sparton» ihren INa*
men *^?)·
Dieser Sparton whiht uns zu einem hnrzen Ueber-
bltch der G e n e a l o g i e df» Erbaaers der Mjeeniechen
T h o re , des P e r a e n s : Inaehos senget den Aegia­
leus» den Phoroneus und die lo. Λ^ση Phoroneos und
lo hommen non zwei Linien. Festerer senget den S p a r ­
t o n » den A p i s - S e r a p i s und die Argolisefae N i o b e ;
Ton welcher letzteren dann wieder eine Linie bis aoF den
Tielaugigen Argus und den späteren Gelanor entspringt.
Von l o und J u p p i t e r haben» um die Nebenzweige
zu ubergehen» folgende Nachhommen ihren Ursprung:
Epaphus Libja» B e l u s , Danaus» Hjpermnestra»
A h r i s i u s » D a n a e » und ?on ihr und J n p p i t e r :
Perseus.
H ier liegen nun in bedeutsamen Namen beider Li«
nien m ehrere Allegorien Tcretecht, die im Mithrischen
Bilderkreise wieder hervortrelen. Hier nur einige An-

166) Stephanus ßyz. in MvySjvsu p. 56S sq. Berkel.


160 Stephanus Byz. a. a. O. Pausanias a. a. O. macht einige
Bemerkungen über diesen Sparion. Die Namenableituiig
von der HeroYne Mycene führt auch der Scholiast des
>Jicander (ad Alexipharin. vs. 101 sqq. p. 37 Schneider.)
an. Die Frau kommt beim Homer vor (Odyss. B. 120.)·
16S) S. über das Folgende Pausan. II. l6. 3. Apoilodor. II.
1. 1. und bcholiast. Fluripid. Orcst. vs. 1247·
169) D e r Griechisch übersetzte Apis, der Aegyptlsche Stier-
g o ti, dem vom Stiergesclilechte die mUnnticben Tbiere
geheiligt sind (Herodot. l i . 33. 133. IIi. 27·}·
790
deutangen: Sparton ro m S S e n genanntj Apia» derW·
nach Serapia w ird, also S t i e r g o t t ü b e r a n d unter
d e r E r d e ; Io, die über die Erde nmge t r i e be o e ,
endlich e in g e f a n g e n e brüllende K n b ; Epapbtt»,der
heilige S t i e r und Eigenthumer d er Stiere; der Soa·
n e n h d n i g Belus u. a. m

Mit P e r s e u s selber aber tileten nun die Hitbri·


s e h e n Charabtersiige in Eiu^r Person gans entsebiedes
hervor. Ich hebe nur die wesentlichen aus* Es wird
ini Verfolg einmal geneigt werden, dafs der Name sei­
ner Mutter, D a n a e , entweder auf Z e i t d a u e r oder
auf t r o e b e u e E r d e anspielt. W ie dem aber and
sey, ein Haus in d e r E r d e (χατάγαιον
Pausan. II. 21. 7. p. 205 Fac.) und ein ehernes Gemacli
(χαλχονς Χαλαρός ; ebendas.) verschliefst sie· Juppiler
stürzt sich von oben als g o l d e n e r R e g e n in ihres
Schoofs, und zeuget mit ihr den Perseus. Das ist Mi-
tliras, der mit seinem Feuersaamen die Erdfesle schwis-
ge r t , und von ihr einen Sohn gewinnt (s. oben p. 775,).
Und wenn dieses Sohnes Name der des E r d g e b ornes
ist^"^)» und an das D u n k e l erinnert, so leidet das,
nach dem angeführten Argolischen Mythus, volle As-
wendung auf den P e r s e u s . Späterhin, um Vieles ss
übergehen, hat Perseus die Cyclopen (die unterirdisebeo
Fcucrarbeiter) in seinem Gefolge (Pherecydis Fragma.
p. 79 Sturz.), und sie müssen ihm Mycenä befestigen.
Diese Burg selbst hat nun in der Sage ihren Namen bald
von einer b r ü l l e n d e n K u h , von der brüllenden Io
( der Mondkuh), bald von den brüllenden Gorgonen»
die über ihre Schwester klagen, aus deren Blute ein
Chrysaor entspringt (Hesiod. Xheogon. 280. Tzelz. ad

170 ) Der 8o|;:enannte Plutarch. de Flumiii. XXIII. 4. p. 10i9


VVyuenb. sagt ausdrücklich ; — γι^γίνοΟς.
79»
Ljcophron. t s . 17·)« d· eio Mann des g o l d e n e n
S c h w e r t e s . — Dann will eine andere Sage wissen:
die Borg MjcenS sey von einem Dechel des S c h w e r ·
t e s selber genannt, oder yoro S c h w a m m e , dem W as·
serzeichen Der Ban wird aber von Perseus
unternommen, nachdem er seinen Eltervater Ahrisitis
Axfίσιοςf den U n k l a r e n ) mit der Wurfscheibe (ei­
nem alten S o n n e n s y n r b o l ) erschlagen hat.
Mag P e r s e u s (Π·(ΐσίΐός) nun der K l a r e , der
L i c h t s o h n heiClen, oder der von der S o n n e d u r c h -
laufene Kreis in jedem Falle ist.er M i t h r i s c h
bezeichnet.
Nun merken wir auf andere Spuren einer alten Ter-
bindüng des P e r s e u s und Mi t h r a s . Es ist schon
oben gezeigt worden, dafs ein Mithraspriester und sein
Gott selbst P e r s e s (Ιϋ(»σΐ7^) hiefsen. Er heifst gerade
in dieser Eigenschaft der F r u c h t e Hüt e r . Sey aber
auch nur der P e r s e r (Persische) damit gemeint, so ist
es gerade das, was wir suchen. « Perseus, Sohn der An­
dromeda und des Perseus 9 heifst es weiter, pflanzteeine
Persische Landschaft Artka an.v An der ersten Stelle sollte
P e r s e s stehen. Aber es kann auch seyn, dafs beide
Mamen abwechselnd von Einer Person gebraucht wur­
den Diese Genealogien kennt auch Herodotus, und
führt als P e r s i s c h e Sage an, dafs Perseus ein A s s y -

171) Gewöhnliche Wortspiele , in die mystische Sagen sich


bullen. Muiof (μνκά) das BrUilen; der Schwamm»
der Degendeckel; Hesych. II. p.629sq.Alb. Toup·
Epist. crit. p. 61. Späterhin spielte ein Verfasser von Sa­
tyrdramen» Arisüas» wieder mit diesen Worten (lo iip .
a. a.
172) Hermanns Erklärung in den Briefen Uber Homer p. ISif.
173) Hellanici Fragmm. LX III. p. 94. und daselbst Sturz.
792

v e r gewesen £r und dic alten ErUSrer de· Pklo


geben uns folgendes Gcschlechisregistcr :
Juppiter^ Danae
I
Poracu8>^ Andromeda
I
Achämencs
Es ist bereits bemerlu worden, dafs Aebämenes toi
Vielen für den Persischen Dsebemschid gehalten wird.
Hiernach hatten wir die Mithrische Hauptidee in einer
Griechischen Genealogie. Sie ist diese: AusdemFeaer-
strahle, in welchem sich Mithras in die Erde herabsenkt,
horomt ein Sonneiihcld, der wieder einem Ackerbauer
das Dasejn giebt« Denn des Ackerbaues Ursprung ist
Persisch in dem Bilde des Dsebemschid gegeben, der
mit goldenem Schwerte die Erde spaltet. Der Urtjpns
ist das Bild des Jünglings, der den Stier iiiederwirA und
schlachtet W ar cs der Lowe oder der Mann mit
dem Lowenkopfe (s. oben) 9 so dachte man au die Sonne
in diesem Zeichen, und der von ihm unterwOrfene, ni·
derstrebende Stier oder die Kuh hezeichneteo bald die
E rde, bald den Mond, in so fern er von der Sonne be­
wältigt und befruchtet wird^'^)· ln der activen Potess

174) Herodot. Vfl. 61. Mehrere Sagen , worin Perseus mit


den Persern in Verbindung gesetzt wird , s. VI. 53.
175) Olympiodorus und Seboliastes Platonis Alctb. I. p. 7i
Ruhnken. auch zum Theil Herodotus selbst Vll. 6t. Im
Palaüniscben Summarium zu dieser Stelle mfifo statt TL·^-
gelesen werden Πι^Λϋς.
176) Schon Beger hat es richtig verstanden, nämlich τοα
Ackennanne , der sich die Erde unterwirft, sie uicgrtbt,
und Früchte zu bringen zwingt (Theeaur. Bnndenb. l
p. i 46.).
177) Stacius T h e b a id . I . 7 t i s q q .
—* Scu te lOfOuB Titoma vocari
795
kaben'ivir immer die unbesiegte Sonne (Sol inrtclus)»
ln e· eine geflügelte Meibliche Person , die den Stier
unterwirft und schlachtet (s. oben p.781.), soinufsandie
Tenus Urania gedacht werden, welche die Perser unter
dem Namen Mitra bei sich aufgenomnien hatten ( Uero-
dot· I. i 3 i.)· ln Argolischen Mythen wird sie zur sieg·
bringenden Venus (Άφροίίτι? ηχηφόρος · s. oben ρ.78ι·)|
womit eine Lehre τοη F eu er· und Lichtreinigung zueam·
menbängt
Sehen wir uns min in den zahlreichen Mithrischen
Bildw'crhen um, und unterscheiden die w e s e n t l i c h e n
Symbole von den unwesentlichen , so werden wir ge«
stehen müssen) dafs in den A r g o l i s c h e n M y t h e n
und B i l d w e r k e n τοη P e r s e u s und von der P e r ­
s e u s b u r g M}xena* mehrere der allcrwesentlichsten ge­
geben sind. ln dem M y t h u s erscheint· nämlich die
K u h , lind zwar b r ü l l e n d und e n t r ü s t e t . Die An­
spielung auf den in die Erde yersenhten D o l c h bat sich
in der Legende vom Degendechel erhalten, der gesucht
werden roufs, und zum Zeichen und Namen einer Stadt
dienet. Die G r o t t e verräth sich im Gemache in der
E r d e , wo Danae den Sohn empfängt. Im goldenen Re­
gen , welcher sie befruchtet, im Schwamme und W as­
ser sehen wir die Bilder s o l a r i s c h c r A u s f l ü s s e und

Oentti Achaemeniae rite : $evt praettat Otirin


Frogifeium t t e u P e r j e i t u b r u p i b u » a n t r i
I n d i g n a t a aequi t o r q u e n t e m c o r a u a M i t h r a m .
W o der Scholiast erst des bJannlöwen Mithras gedenkt
(8. oben p. 7S4l.), dann das Drehen der Hörner auf den
M ond bezieht quae interpretaiio ad L u n a m dkitui:)·
178} Ich habe sie in der E r k l ä r u n g d e r B i l d e r auf der
Vase von Canossa zu entwickeln gesucht; s. das Heft
d er Abbildungen.
179) 2k>öga in den AbhanülK p. 118 ff. 167 ff. hat davon ge«
nau gehanciell.
794
t e r r e t l r i g c h e r Zeichen ron F r u c h t b a r k e i t , dsg
Mithritcho Hauptvortfellungen. Die Gorgonen sind Er­
innerungen an den Mo n d als den f i n a t e r e n Kör ­
p e r , und die brüllenden Schweatern als Kube beseidi-
nen die unlautere Katnr deiaeiben, die mit Gewalt t o d
der Sonne gereinigt n erden innfs. Es liegen die Be­
griffe Ton R e i n i g u n g hier zum Grunde. Perseus anil
der Perseide Hercules reinigen auf Erden und a n Bin-
mcl. " Sic reinigen das Bose gewaltsam und durch Blat-
Tergiefsen. Sie sind jedoch g e r e c h t e T o d s c h l a g e r .
Perseus aber ist vorzugsweise geflügelt D ies Alles
nahm nun auch seine e t h i s c h e Wendung hietorisek
weiter. Nur Ein Beispiel: Don sinnlichen» üppigenSai^
danapalua, ging die Sage, hatte Perseus erschlagen
So weit,die Mythen. Vom M j c e n i s c h e n B i l d ­
w e r k e brauche ich, nach dem was oben erörtert wor­
den, weiter nichu zu sagen, als dafs die von Ldwen ge­
haltene Säule, mit den solarischen Koge!n and Reifen
in ihrer Spitze, ein Milhrischcs Bild aus der L ehre der

180) In alter Sprache hiefs yo^yivtov der Mond, wegen des


schwarzen Gesichts, das man in ihm zu sehen glaubte
(Clemens Alex. Stroroat. V. p. 676.). Die gleich fotgen-
den Andeutungen vom chaotischen Wesen des Mondes
werden im Capitel \on den Samothracischen Mysterien
durch die Mythen von der Luna - Brimo deuliieher
werden.
151) Olympiodorus mscr. ad Platonis Alcib. I , : μh
ydp Sri τ ω ν χ ά χ ω ν yiy cvs, xai ya^ xal 6
A ti φησί auToO i T ltiffa v i^ · i t x a t o r d r ^ O ii

φονξας · avi ya^ xaSa^cTtjra ψ/νους tifoiu · αλλά xm i IJc^^av;


i i xat ro ilv a t τττ $ ξ ω τ i ς ^ e iiljk w fftv η x m fd » -

ita KOI ή V x a t ii

152) Malelae Clironicon pag. 2t O xon. Suidas tn


Vol. 1Π. p. 2S6 Kust· mit Retaesii Observati, in buiSd» p*
2iZ ed. MOller.
795
L e o n t i c a yor Aaj^en stellt, nän\Hch die von der Sonne
im Lonenzeiclien erfafste und bewältigte feurige £rd·
feste.
Hiernach mögen nun Unterrichtete entscheiden, ob
es zu kühn ist, wenn k h zu behaopten wage: P e r ·
e e n s i s t e i n e M i t h r i s c h e J P o r ma t i o n oder, wenn
man lieber will, £ p i p h a n i e . £in Indisch-Assyrisches
Ursymbol ist sowohlin Persiens als in Aegyptens Religionen
eingedrungen , hat sich männlich als Phamenophis-Mem·
non in der Lichtsäule^ befestigt, darauf im Thier·
dienste sich zersetzt; und in Vorderasien mannigfaltig
nmgebildet, kommt es in den Argolischen Bildern und
Ifythen als Perseus wieder zum Vorschein«

5. 14.
M i t h r a s al s M i t t l e r , e i n e I de e .
Die We l t , wie sie vom £wigen ansgegangen, war
Licht. Jedoch sie yerfinsterte sich. £s kam Gegensatz
und Streit — Kampf swiseben Licht und Finsternifs —·
Gutes und Böses. D ieserK am p f, wie aller G e g e n s a t z ,
in welchem nur die W elt besteht, ist, wie sie , eod.·
l i e h . Am £nde des grofsen Jahres wird er in L i e b e
aofgelöeet; er wird v e r m i t t e l t . Diese L i e b e , die­
ser M i t t l e r ist M i t r a - M i t h r a s . — Wi e ? Aus dem
F w i g e n (Zeruane Akerene) ward durch das lebendig
machende W o r t (£oohe- verihe, Honovbr) das h i m m ­
l i s c h e L i c h t und das h i m m l i s c h e P ' e u e r , das
F r i O c i p des m a t e r i e l l e n L i c h t e s und des m a ­
t e r i e l l e n F e u e r s . —- Unter den w i r k l i c h e n
( m a t e r i e l l e n ) L i c h t e r n steht die S o n n e oben
an. Die S o n n e ist der A b g l a n z yom himmlischen

183) Weiblich anderwärts in der Feuer tragenden Säule (M k


tra- Hestia).
L 5o
ηφ

Lieble, lind dessen B!ld auf Erden. Das h i m m l i a c b e


L i c h t ist a) L e b e n s q u e l l und Princip alles Heiles
in der Natur ( p h y s i s c h e r W o h l f a h r t ) ; b) es ist
aber auch der entzündende Funke für jede e t h i s c h e
T h a t . — Das L i c h t , a u f s e r Gott Cdem Enigen) ge­
setzt, hat seinen Gegensatz: die F i n s t e r n i f s ; die
S o n n e , des himmliscfaeo Lichtes B ild , hat gegen sich
das D u n k e l ; das Gute: das Bose« ln der Z e i t ist
ein K a m p f gesetzt — der Kampf des T a g e s mit der
M a c h t , 4 <^r L i c h t s e i t e άββ Jahres mit d e r M a e h t -
s e i t e , der F r ö m m i g k e i t periodisch mit dem L a ­
ster« Der E w i g e w o l I t e nur das L i c h t ; die W e lt
aber, da sie aus i h m ist, kann er nicht lassen. Die
S o n n e kämpft und ringt, und gewinnt jeden Tag» je­
des Jahr einen neuen Sieg« Die Sonne r e i n i g t sich
Yon-den Flecken des D u n k e l s . Ihr V o r k ä m p f e r ,
ihr R e i n i g e r , ihr g u t e r G e i s t ist die i n t e l l i g i ­
bt e L i ch t k r a f t in ihr : der überjrdische (himmlische)
Liehtfunke , der in ihr lodert« Das Dunkel mufs immer
wieder w e i c h e n « es wird ins Licht aufgeaommeii^ Das
G u t e kämpft mk dem B o s e n : zMusiGeister, O r m u z d
und A h r i m a n . Aber das Gute hat noch aufeerdem seinen
D o r t · seinen G e n iu s und Vertreter ( H i t t l e r ) ; und
das ß ü s e (Ahriman) wird in d e r Z e i t e n F ü l l e m un
Lichte l i i n g e z o g e n , wird g e r e i n i g t , wrird r e r -
kl ärt « In L i e b e γ e r m i . t t e l t und v e r s ö h n e t d e r
E w i g e das was in der Z e i t f e i n d s e l i g a u s e i n ­
a n d e r l a g ; und die H o l l e ( 4 ^{ς) hat ein Ende« |>ie
S c h a t t e n hören auf, so wie m a t e r i e l l e L a s t . Hs
YVird Alles in llimmelsHcht verflüchtigt und v e rk lä rt.
So nimmt der E w i g e die W e l t wieder in sich a n f —
er« der B e s t e (ά^ιστος)^ die A r g e ; aber nicht a l s
A r g e « sondern nachdem sie verklärt worden ins G u te .
W er verklärt sie? Das ist M i t h r a s . .Ist Z e ru a n e -
Akercue das B e s t e (dpioTov), so ist er der G u t e —
7ί·7
rh ά γ α μ ό ν — (\iie O s i r i s ) · Er ist die L i e b e und
h c i f s t so ( M i h i r - M e h e r )· Irn Yerhältnifs zum
E w i g e n ist er die G n a d e n s o n n e . Im Yerhaltnin^
z w i s c h e n Ormuzd und Ahriman ist er das L i e b e s -
feuer In der Natur ist er der Sonnen h ö r t und
B e i n i g e r der Sonne. Im Yethaltnif» zum M e n s c h e n
ist er der L a u t e r e r , ln a l l e n Beziehungen ist er der
Mittler Als intelligibler L i c h t g e i s t
ist er des l e b e n d i g m a c h e n d e n W o r t e s S o h n .
Er bringt das W o r t — wie Brahma (^Birmah) die W orte
des Mundes Gottes> die Y e d a * s , bringt. — Er ist in
den Y e r k u n d i g e m d e s W o r t e s , in den P r o ­
p h e t e n . Er sieht den W e i h e n und der Hei I s o r d -
n u n g vor. Er ist in den G e s e t z g e b e r n (den Ae-
thiopiern bringt M i t h r a s die Gesetze); in den H e l d e n
und K ö n i g e n ; im D s ch e m s c h i d , dem Sonnenhcld
mit dem Sonnenspiegel, mit dem G o l d s c h w e r t , das
die Erde spaltet (Ackermann), mit dem J a h r e s r i n g e
(Stiller des Sonnenjahres) ; im F e r i d u n . der die Tazi’s
und den Zuhah besiegt, und in der F r ü h l i n g s g l e i ­
c h e ( M i r r h i g a n ) den S i e g des R e c h t s über das
A r g e erringt; i m G u s t a s p , der des Goldsterns ( Z o -
T o a s t e r ) Glanz erblicht, und von ihm das L e b e n s ­
w o r t (Zendavesta) empfangt; im K h o r e s c h ( C jr o s ),
dem geweiheten S o n n e n - (Khorschid-) K ö n i g , ln
diesen H e l d e n i s t e r H e l d — ein starker I z e d.
ln diesen M ä n n e r n i s t e r Mann — M i t h r a s , ln
der S o n n e auch, die das böse D u n k e l und arge G e -

154) Das B r f e u e r heiitt das Band der Einigung zwischen


Ormuzd und Zeruane Akerene; Zendavesta I. 4^ und
Anhang II 1. p. i27. Und des Mitbras Name „ M i h r
htifst auf Persisch sowohl die S o n n e als die L i e b e ^ ;
V. Hammer in den Wiener Jahrbb. der Liter. 1Si8. 1.
P.
79»
w u r m TenEehrt· Aber io ihrer m i l d e n W i r m e « ia
ihrer sanften N e h r h r a f t , im linden Lichte der Sieros
auch wird er M i t r a ^ T e n u s - U r a n i a . Desgletchea
im V e r s o h n o n g s w e r h ö , im M i t t l e r a m t e ^ wird
er ^.nrte, schmeidigende L i e b e . Dieses Liebeswcrk
gelingt in der Fülle der Zeiten, im grofsen W e l t j a b r
Ton «wolftausend Jahren. Es geling,t im Zwielicht: auf
der Scheidelinie zwischen Licht und Dunhel; es gelingt
alle Jahre in der G l e i c h e : in der F rü h lin g sg le ic h e ;
es gelingt im Zeichen des S t i e r e s . J a h r e sind S t i e ­
r e — W e l t j a h r e sind W e l t s t i e r e . Die f i n s t e r e
W e l t mit dem g e s t i r n t e n H i m m e l s g e w ö l b e
ist eine h e l l d n n k e l e G r o t t e . Alle Jahve im Mir-
r h i g i a n , im Frühlingszeichen , bringt M i t h r a s , der
S o n n e n g e n i n s , den J a h r e s s i i e r dem Ewigen zum
Opfer. Es ist das Siegesopfer der triumpbirenden Sonne«
Am Ablanf des g r o f s e n J a h r e s bringt der M i t t l e r
das L i e b e s - und S i e g e s o p f e r dem Ewigen dar. Es
ist das Zeichen yokn Ende der irdischen Zeiten. Es ist
das Unterpfand Tom Siege des Guten. — Das W o r t
(XoT'oc) ist Sohn des Ewigen« Le be n« L i e b e , es ist
M i t t l e r und Y e r s S h n e r .

Und dennoch so rerganglich ist alles Göttliche


unter den Menschen — verfinsterte sich auch diese L i c h t ·
l e h r e mit der Zeit. Fanatismus und Irrwahn bemäch­
tigten sich der Milhrasweihen — und selbst Menschen­
opfer fielen in den finsteren Grotten dieser Mysterien.
Aber des besseren Lichts hatten sich früher Griechische
Philosophen, Pythagoras, Herahlitus u. A. bemachtig|F.
Und dieses himmlische Licht verhlürte sich im Christen­
thum. Die Urhunden des N. T. zeigen uns beide Seiten:
die gute und die böse. Das reine Lfeht strahlt im Sterne
der M a g i e r , die vom Morgenlande berhommen, nn
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den C h r i s t in der W iege ansobeten (Matth. II. i ff.)·
Das Licht ist Terfinstert im Magier, dem falschen Pro­
pheten (Apost.Gesch. X lll. 6. iv^dp τινα μ ά γ ο ν if/ev3 o^
nfoφήτtίv,
Und so honnte Ignatius im dritten Briefe an die
Epheser (ap. litig. Biblioth. patrum Apostoli, p. 4 o<) aa*
gen : «Ein Stern ist am Himmel erschienen über alle
Sterne, und sein Licht yvar nnaussprechlich, nnd seine
Neuheit erregte Yerwundcrn; und alle übrigen Sterne,
sammt Sonne und Mond, bildeten den Chor um diesen
Stern. E r aber strahlte sein Licht aus über a lle ; und
man ^ar befremdet, Yvoher doch sein ungenohnliches
W esen, das diesen unähnlich! Daher ward alles M a g i e r -
ir es en aufgeloset (δ^ερ iλύiτonάσa μαγεία) ; alle Bande
der Bosheit wurden zerbrochen, die Unwissenheit ward
zerstört, nnd das alte Reich ward zerrüttet; sintemal
Gott menschlich erschienen war zur Ernenerung des
ewigen Lebens.»
Berichtigungen.

Seite 250. Note 12. inaf« esbeifeen: T a f e l XVII·


Seite 304. Note 47. Z . 4 v. ii. statt Tafel XV· nr· 2· tnnft es
heifsen: T a f e l XVL nr. i.
Seite 310. Note 52· gleichfalls statt Tafel XVI. nr· 1.: T a f e l
XVIII. nr. 1.
Seite 3.00. Note 150. muHi es heifsen: T a f e l XIX«
Seite 4k2. Zeile 7. lese man : ksferfdrmigem.
Seite 750. in der Note lese man statt Stiers eine: Stier seine·
Seite 762. Zeile 18. statt p. 277. ist zu setzen: p. 279·
Heidelberg, gedruckt bei Joseph Engelmann,

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