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Strategisches Management
unter Unsicherheit:
Das robuste Unternehmen
Die Zukunft ist unsicher. Das strategische Management muss diese Un-
sicherheit bei der Strategieentwicklung und bei Entscheidungen über die
„richtige“ Strategievariante berücksichtigen. Das Leitbild eines „robusten
Unternehmens“ bietet hier konkrete Ansatzpunkte für die Verbesserung
von Resilienz, finanzieller Nachhaltigkeit und Robustheit der Strategie.

Text  —  Prof. Dr. Werner Gleißner

Strategisches Management bei heit benötigt man ein strategisches Management


unsicherer Zukunft der Unsicherheit, unter Verantwortung von
Eigentümer wünschen sich einen nachhaltig stei- Vorstand bzw. Geschäftsführung. Es geht hier
genden Erfolg ihres Unternehmens. Die mit jeder um ein Kernthema der Unternehmensführung.
unternehmerischen Tätigkeit verbundenen Risi- Notwendig sind eine strategische Risikoanalyse
ken können jedoch zu Krisen führen, die den Erfolg und darauf aufbauend eine Weiterentwicklung der
beeinträchtigen oder schlimmstenfalls eine Insol- Unternehmensstrategie unter Berücksichtigung Prof. Dr.
venz zur Folge haben. Viele Menschen beschäf- der bestehenden Chancen und Gefahren (Risiken),
Illustration — Andrii Yalanskyi/iStock

Werner Gleißner
Vorstand der Future­
tigen sich aber nicht gerne mit Unsicherheit und insbesondere auch der volkswirtschaftlichen Value Group AG und
Risiko, weshalb man teilweise sogar von einer Extremrisiken. Eine grundsätzliche Verbesserung Honorar­professor an der
„Risikoblindheit“ in der (strategischen) Unterneh- der Stabilität eines Unternehmens und damit TU Dresden (BWL, insb.
Risikomanagement)
mensführung sprechen kann. 1 Statt Risikoblind- eine Reduzierung des Insolvenzrisikos können
nur gelingen, wenn die Strategie entsprechend
angepasst wird. Ziel sollte eine systematische
1 Vgl. Schwenker/Dauner-Lieb, Gute Strategie – Der Ungewissheit Erhöhung von Resilienz und Robustheit des
offensiv begegnen, 2017. Geschäftsmodells wie auch der Strategie sein.

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Dabei geht es nicht um eine Vermeidung sämtli- 2. die risikoabhängige Insolvenzwahrschein-


cher Risiken, sondern um eine Optimierung des lichkeit (p) niedrig ist (z.B. < 1%),
Ertrag-Risiko-Profils unter Berücksichtigung 3. das Ertragsrisiko, z.B. ausgedrückt durch den
vorgegebener Sicherheitsziele als Nebenbedin- Variationskoeffizient V der Gewinne, für die
gungen für den akzeptablen Risiko­umfang. Eine Eigentümer „akzeptabel“ ist (z.B. V < 40%) und
hohe Überlebenssicherheit und damit ein stabiles 4. die Kapitalrendite des Unternehmens höher
Rating resultieren primär aus einer „robusten“ ist als die risikoabhängigen Kapitalkosten. 4
Unternehmensstrategie in Verbindung mit einem
ausreichend hohen Risikodeckungspotenzial Hohe finanzielle Nachhaltigkeit bedeutet also,
(Liquiditäts- und Eigenkapitalausstattung). In dass das Unternehmen ein niedriges Insolvenzri-
diesem Beitrag wird die Idee eines „robusten siko aufweist und insgesamt eine günstige Risi-
Unternehmens“ vorgestellt und mit dem „Robus- koposition besitzt. Die Sicherstellung einer hohen
theits-Indikator“ wird ein Messinstrument finanziellen Nachhaltigkeit kann als Nebenbedin-
angeboten, mit dem das eigene Unternehmen im gung von Eigentümern gesehen werden, die ihre
Hinblick auf die nachhaltige Bestandssicher- unternehmerischen Risiken begrenzen möchten
heit beurteilt werden kann. Die Konzeption des („Safety-First-Konzept“). Empirisch lässt sich
robusten Unternehmens 2 wird eingeordnet in die zeigen, dass Unternehmen mit hoher finanzieller
modernen Ideen eines „strategischen Risikoma- Nachhaltigkeit auch an den Aktienbörsen hohe
nagements“. Robuste Unternehmen besitzen eine risikoadjustierte Überrenditen generieren.
robuste Strategie, die die finanzielle Nachhaltig-
keit – und damit Bonität und Überlebenssicherheit Ein robustes Unternehmen ist jedoch mehr als
– auch zukünftig absichert. Darüber hinaus haben ein finanziell nachhaltiges Unternehmen. Die
sie adäquate Fähigkeiten im Umgang mit Chancen durch Finanzkennzahlen gemessene finanzielle
und Gefahren (Risiken), um zu verhindern, dass Nachhaltigkeit ist primär das Abbild der finanzi-
durch übersehene Risiken die Geschäftsstrategie ellen Auswirkungen der Unternehmensstrategie.
gefährdet wird oder dass es durch Fehlentschei- Zur dauerhaften Absicherung der finanziellen
dungen bei „unternehmerischen Entscheidungen“, Lage weisen robuste Unternehmen daher eine
deren Risiken falsch eingeschätzt wurden, zu einer robuste Unternehmensstrategie auf. 5
Krise oder gar zu einer Insolvenz kommt.
Mit robusten Strategien zu robusten
Finanzielle Nachhaltigkeit Unternehmen
Robuste Unternehmen weisen eine hohe finan- Auf Dauer kann nur die richtige, konsequent
zielle Nachhaltigkeit auf. 3 Finanzielle Nach- umgesetzte Strategie den Erfolg sichern bzw.
haltigkeit bedeutet, dass durch ein adäquates den Unternehmenswert erhöhen. Im Rahmen
Risikodeckungspotenzial die mit jeder unterneh- der Unternehmensstrategie werden diejenigen
merischen Tätigkeit verbundenen Risiken abge- Grundaussagen zur langfristigen Ausrichtung
deckt werden können. Das Unternehmen weist und Erfolgssicherung des Unternehmens fixiert,
deshalb, auch in möglichen Stressszenarien, ein die als Leitlinie für die zukünftige Entwicklung
gutes und stabiles Rating und damit eine niedrige des Unternehmens dienen. 6
Insolvenzwahrscheinlichkeit auf. Es hat darüber
hinaus ein überdurchschnittliches Ertrag-Risiko-­ Dafür wird zunächst im Rahmen der Portfo-
Profil, so dass es für die Eigentümer auch ein liostrategie entschieden, in welchen strategi-
attraktives Investment darstellt. schen Geschäftseinheiten (SGE) ein Unterneh-
men grundsätzlich erfolgversprechend tätig
Finanzielle Nachhaltigkeit ist ein Teil der Gover- werden kann. Beurteilt wird dies anhand der
nance-Komponente im ESG-Modell (Economic, Markt­ attraktivität sowie anhand des für das
Social, Governance). Hohe finanzielle Nachhal- eigene Unternehmen erreichbaren Erfolgspoten-
tigkeit ist gegeben, wenn zials (Wettbewerbsvorteil) relativ zu den Wettbe-
werbern. Für die strategischen Geschäftsfelder,
1. ein Unternehmen langfristig (zumindest) real in denen ein Unternehmen tätig ist oder tätig
nicht schrumpft (und mittelfristig die Eigen­ werden will, wird anschließend eine Geschäfts-
kapitalrendite größer als die Wachstumsrate ist), strategie erarbeitet. Sie trifft Aussagen zu den
Kernkompetenzen, zu den Wettbewerbsvorteilen
in den einzelnen Geschäftsfeldern innerhalb
der SGE sowie zur Gestaltung der Wertschöp-
2 Vgl. Gleißner, Wertorientierte Unternehmensführung, Strategie und
Risiko, 2019.
3 Vgl. zum Begriff Günther/Günther, in: Hoffjan/Knauer/Wöhrmann,
(Hrsg.): Controlling – Konzeptionen, Instrumente, Anwendungen, 2017, 4 Vgl. zur Berechnung Gleißner, Management Research Review 2019,
S. 79–90 und zum Messkonzept Günther/Gleißner/Walkshäusl, Nach- S. 1243–1258.
haltigkeitsManagementForum 2020, S. 83–90, http://hbfm.link/9598 5 Vgl. Behringer, KSI 4/2020, S. 155–158.
(Abruf: 28.01.2021). 6 Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, 3. Aufl. 2017.

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Tabelle 1: Beschreibung einer Geschäftsfeldstrategie (Geschäftsmodell)

Kernkompetenzen Strategische Stoßrichtung

- Welche Kompetenzen und Ressourcen haben wir? - Welche primäre Zielen haben wir?
- Welche Kompetenzen und Ressourcen benötigen wir? - Welche Nebenbedingungen (z.B. bezgl. Rating und
Eigenfinanzierung) sollten beachtet werden?
- Was macht unsere Kernkompetenz skalierbar?
- Welche Werttreiber – Wachstum, Rendite, Risiko –
- Was sichert unsere Kernkompetenz ab?
sollten wie geändert werden?
- Was sind unsere Wachstumstreiber?
- Was sind unsere Renditetreiber?
- Was sind unsere Risikotreiber?

Geschäftsfelder (GF) und Wettbewerbsvorteile Wertschöpfungskette

- Welche GF (Produkt-Zielgruppe-Region) bestehen, - Welche Wertschöpfungsaktivitäten werden


die (a) attraktiv sind und (b) zu unserer im Unternehmen abgedeckt?
Kernkompetenz passen?
- Welche Investments sowie variable und
- Welche Bedürfnisse und Kaufkriterien fixe Kosten entstehen dadurch?
haben die Kunden in den GF?
- Wie erreichen wir die Kunden der Zielgruppe?
- Welchen Nutzen/Problemlösung
- Welche Schlüssellieferanten (und Partner) decken die
bieten wir (Value Proposition)?
anderen Wertschöpfungsaktivitäten ab?
- Bezüglich welcher Kaufkriterien besitzen wir
belegbare Wettbewerbsvorteile?
- Wofür soll der Kunde wie bezahlen (Erlösmodell)?

fungskette (vgl. Tabelle 1). Außerdem gibt sie die Werttreiber Kapitalkosten und Insolvenzwahr-
strategische Stoßrichtung an. scheinlichkeit beeinflusst. 7

Ziel ist es, eine strategische Positionierung Ein robustes Unternehmen konzentriert sich
derart zu wählen, dass damit einem breiten Feld auf Kernkompetenzen 8, die langfristig wertvoll,
möglicher Risiken begegnet werden kann. Gut schwierig kopierbar und vielfältig nutzbar sind.
verteidigbare Kernkompetenzen und ein hohes Solche Kernkompetenzen erlauben auch die Rea-
Risikodeckungspotenzial (Eigenkapital und lisierung neuer Geschäftsmodelle zur Abwehr
Liquiditätsreserve) sind beispielsweise „passive“ oder zur eigenen Nutzung disruptiver Innovati-
Elemente einer Risikobewältigung, die gegen onen. Es baut auf dieser Grundlage – orientiert
viele, nicht mal notwendigerweise im Einzelnen an den Kundenwünschen – Wettbewerbsvorteile
vorab bekannte Risiken wirksam sind. auf, die zu einer Differenzierung von Wettbewer-
bern und zur langfristigen Bindung von Kunden
Angestrebt wird ein robustes Unternehmen, das beitragen. Dies führt zu „Preissetzungsmacht“
so flexibel und beweglich ist, dass es sich auch und zur Möglichkeit, Kostenschwankungen auf
an unvorhergesehene Entwicklungen anpassen Geschäftspartner überzuwälzen. Unattraktive
kann. Seine (quantifizierten) Risiken werden von Tätigkeitsfelder oder Kundengruppen werden
Eigenkapital und Liquidität als Risikodeckungs- gemieden, ebenso kritische Abhängigkeiten.
potenzial abgesichert, damit ein angemessenes Die Wertschöpfungskette ist so gestaltet, dass
Rating gesichert ist, auch wenn schwerwiegende
Risiken eintreten. Die Beurteilung von mögli-
chen Veränderungen des Risikos geschieht über
7 Vgl. Gleißner, RISIKO MANAGER 2/2017, S. 2028.
den Unternehmenswert als Erfolgsmaßstab, 8 Vgl. Gleißner, Wertorientierte Unternehmensführung, Strategie und
wobei das Risikomanagement insbesondere die Risiko, 2019, und ders., RISIKO MANAGER 2/2017, S. 20–28.

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Abbildung 1: Robuste Unternehmensstrategien

- Leitbild
- Zukunftssicherung für Unternehmen
- Entwicklung und Umsetzung einer risikobewussten Unternehmensstrategie

- Langfristig wertvolle und


- Optimierung der Wertschöpfungskette
vielfältig nutzbare Kernkompetenzen
Robuste - Unkomplizierte, stabile und flexible
- Diversifikation und Verlustbegrenzung Unternehmens- Arbeitsabläufe
- Wettbewerbsvorteile : strategie
- Redundanzen und Bedingungen für
• Differenzierung von Wettbewerbern
selbstorganisierende Strukturen
• Langfristige Bindung von Kunden

- Flexibilität, Beweglichkeit und organisatorische Resilienz


- Anpassungsfähigkeit an unvorhergesehene Entwicklungen (z.B. durch Reserven)
- Reduzierung von Abhängigkeiten (z.B. durch Redundanzen)
- Risikoadäquates Risikodeckungspotenzial (und passive Absicherung)

nur Aktivitäten im Unternehmen erbracht werden, die Eine besondere Herausforderung bei der Weiterentwicklung
nicht besser zugekauft werden können. Das Unternehmen der Unternehmensstrategie auf dem Weg zu mehr Robust-
gestaltet seine Arbeitsabläufe möglichst unkompliziert heit besteht darin, dass die eigene Strategie oft lediglich auf
unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Kosten-, Risiko-, Plausibilität geprüft wird, ohne systematisch über mögliche
Geschwindigkeits- und Qualitätsaspekten. Zudem sichern Strategievarianten nachgedacht zu haben. Ein Instrument
Redundanzen und Reserven die organisatorische Resilienz: 9 zur strukturierten Beschreibung der eigenen Unternehmens-
strategie und zum Vergleich mit alternativen Strategievari-
„Organizational resilience is the ability of an organization to anten (auch derjenigen der Wettbewerber) ist die Methodik
maintain functions and recover fast from adversity by mobili- der „Strategiedimension“ (vgl. Abbildung 2).
zing and accessing the resources needed. An organization’s resi-
lient behaviour, resilience resources and resilience capabilities Bei der strategischen Positionierung werden basierend auf
enable and determine organizational resilience. The result of an 20 vorgegebenen Strategiedimensionen alternative Gestal-
organization’s response to adversity is growth and learning.” tungsvarianten einer Unternehmensstrategie betrachtet.
Dabei wird zunächst beurteilt, welche Ausprägung die aktu-
Es werden möglichst Bedingungen für selbstorganisie- elle Strategie aufweist. Ausgehend von einer Betrachtung
rende, agile Strukturen geschaffen, die den Mitarbeitern der Positionierung der Wettbewerber sowie Veränderungen
Freiräume und Anreize für flexibles und eigenverantwort- im Umfeld – z.B. bei Technologie und Kundenanforderun-
liches Handeln bieten. Durch eine ausreichend breite Diver- gen – wird anschließend diskutiert und entschieden, welche
sifikation sowie Verlust- und Haftungsbeschränkung sollte zukünftige strategische Positionierung in den genannten 20
sichergestellt werden, dass auch durch unerwartete nega- Dimensionen erfolgversprechend erscheint. Die strukturierte
tive Extremereignisse nicht der Wohlstand der Eigentümer Herangehensweise gewährleistet, dass alle wesentlichen
gefährdet wird. Ein robustes Unternehmen verfolgt eine Aspekte einer Unternehmensstrategie betrachtet wurden. So
Strategie, die auch in Anbetracht der im Detail nicht vorher- entstehen Ideen für mehr Robustheit.
sehbaren Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest
ein ausreichendes Mindestrating gewährleisten wird. Strategisches Risikomanagement, Risikodeckungs-
potenzial und stabile Ratingprognose
Um die Absicherung des Unternehmens sicherzustellen,
muss das Risikomanagement sich systematisch mit beste-
9 Hillmann/Günther, International Journal of Management Reviews 2020, S. 1-38. Vgl.
auch Behringer, KSI 4/2020, S. 155–158; Schäffer, Controlling & Management Review henden Chancen und Gefahren befassen. Risiken führen
6–7/2020, S. 8-19. zu negativen Planabweichungen, die die finanzielle Stabili-

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Abbildung 2: Die Änderung der strategischen Positionen infolge der „Digitalisierung“ (Beispiel)

Handlungs-
Strategiedimension Bedeutung Individuelle Ausprägung
bedarf

Kernkompetenzen
Standardisierung X Standardisierung Individualität X

Innovationsorientierung X Imitation Innovation X

Kostenorientierung X Kostenorientierung Qualitätsorientierung X

Strategische/operative Kompetenz X Strategische Kompetenz Operative Kompetenz X

Digitalisierungsanstrengung X gering hoch X

Strategische Stoßrichtung
Shareholder/Stakeholder X Shareholder Stakeholder X

Wertebasis X materielle Werte immaterielle Werte X

Wachstumsorientierung X Wachstum Konsolidierung X

Risiko -Rendite -Profil X risikovermindernd renditesteigernd X

Finanzierungsstrategie X Innenfinanzierung Außenfinanzierung X

Geschäftsfelder / Wettbewerbsvorteile
Produktangebot X materiell immateriell X X

Erlösmodell kontinuierliche
X Einzelprojekte X
Zahlungsströme
Leistungsbreite X Fokussierung Diversifikation X

Wettbewerbsverhalten X defensiv offensiv X

Preisorientierung X Preisführerschaft Differenzierung X

Wertschöpfungskette
Spezialisierungsgrad X spezialisierte Ressourcen universelle Ressourcen X

Wertschöpfungstiefe X Wertschöpfungsautarkie Wertschöpfungsverbund X

Kundenansprache X direkt Online -Plattform X X

Vertriebsansatz X Vertriebsorientierung Produktorientierung X

Kostenstrategie X Null -Fixkosten Null -Grenzkosten X

tät – speziell das Rating – eines Unternehmens gefährden 3. die mit jeder unternehmerischen Entscheidung, z.B.
und Krisen auslösen können. Die strategischen Risiken bezüglich einer Investition, verbundenen Risiken sach­
bedrohen die Erfolgspotenziale und damit die Strategie gerecht im Entscheidungskalkül zu berücksichtigen.
des Unternehmens als Ganzes. Ein robustes Unternehmen
benötigt daher neben finanzieller Stabilität und einer robus- Das Unternehmen benötigt damit ein leistungsfähiges,
ten Strategie ausgeprägte Kompetenzen im Umgang mit strategisch orientiertes Risikomanagement, das neben der
Chancen und Gefahren. Erforderlich sind dabei insbeson- Krisenprävention auch auf die Vorbereitung von Manage-
dere Fähigkeiten, um mententscheidungen unter Beachtung von Risiken ausge-
richtet ist. 10 Zunächst sind Verfahren für die Risikoanalyse
1. bestehende Chancen und Risiken systematisch zu identi- erforderlich. Neben unsicheren Prämissen für die operative
fizieren , zu quantifizieren und zu aggregieren,
2. adäquate Risikobewältigungsmaßnahmen frühzeitig zu
initiieren und 10 Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, 3. Aufl. 2017.

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Planung, die immer Risiken darstellen, ist eine beurteilt und der zur Risikoabdeckung erfor-
Analyse speziell der strategischen Risiken erfor- derliche Bedarf an Eigenkapital und Liquidität
derlich. 11 Solche strategischen Risiken ergeben berechnet werden. Für die Dimensionierung von
sich durch Eigen- und Fremdkapital ist die Betrachtung
aller Risiken mit ihren Kombinationseffekten
1. eine Bedrohung einzelner Erfolgspotenziale erforderlich. Robuste Unternehmen benötigen
oder der Geschäftsstrategie als Ganzes, entsprechende adäquate Verfahren für eine
2. eine Veränderung der Wettbewerbskräfte im Risikoaggregation, die auch zur Erfüllung der
Branchenumfeld (z.B. Wegfall von Marktein- gesetzlichen Mindestanforderungen an das
trittshemmnissen, zunehmende Abhängigkeit Risikomanagement, z.B. ausgedrückt im neuen
von Kunden oder Lieferanten oder durch Subs- Prüfungsstandard IDW PS 340 n.F. (2020),
titutionsprodukte oder „disruptive Strategien“, notwendig sind. Zudem verpflichtet das im
z.B. durch Digitalisierung) sowie Dezember 2020 verabschiedete Gesetz über den
3. schwere Wirtschaftskrisen, ausgelöst durch Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen
volkswirtschaftliche Risiken (z.B. Finanz- für Unternehmen (StaRUG) mittelständische
markt-, Staatsschulden- oder Versorgungskri- Unternehmen erneut zur Implementierung eines
sen, zu denen auch eine Pandemie gehört). Krisenfrühwarnsystems, das vor allem Risiken
analysieren und aggregieren muss. 12
Die in Abbildung 3 genannten Hauptfelder der
strategischen Risiken müssen also nacheinander Erst mit den Ergebnissen der Risikoaggregation ist
strukturiert analysiert werden. eine fundierte Beurteilung der finanziellen Nach-
haltigkeit, des Bedarfs an Eigenkapital und Liqui-
Dafür werden zunächst die wesentlichen Risiken dität und insgesamt damit der Bedrohungslage
quantifiziert, also durch eine geeignete Wahr- des Unternehmens möglich. Die Aggregation von
scheinlichkeitsverteilung beschrieben (z.B. Risiken erfordert den Einsatz von stochastischen
durch Eintrittswahrscheinlichkeiten, ergänzt Simulationsverfahren (Monte-Carlo-­Simulation),
um eine Bandbreite von möglichen Auswirkun- weil Risiken nicht addierbar sind. Dabei wird
gen). Nur so können Risiken priorisiert, die Sinn- eine große repräsentative Anzahl risikobe-
haftigkeit von Risikobewältigungsmaßnahmen dingt möglicher Zukunftsszenarien analysiert.

11 Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, 3. Aufl. 2017. 12 Vgl. Kühne/Lienhard, Der Sanierungsberater 2020, S. 144–149.

Abbildung 3: Die drei Ringe der Identifikation strategischer Risiken

Bedrohung der
Erfolgspotenziale

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Auf diese Weise kann eine realistische Bandbreite rungsrisiken: Während transaktionsbedingte
der zukünftigen Erträge und Liquiditätsent- Wechselkursrisiken (Transaction exposure) im
wicklungen aufgezeigt werden. Zudem wird die Wesentlichen durch Instrumente des Financial
Planungssicherheit erkennbar, aber auch der Risk Managements (Treasury) gesteuert wer-
Umfang möglicher negativer Planabweichungen den, sind ökonomische Wechselkursrisiken im
wird deutlich. Unmittelbar ableiten kann man die Wesentlichen durch realwirtschaftliche Risiko-
Wahrscheinlichkeit, mit der Covenants verletzt bewältigungsmaßnahmen, z.B. einer Anpassung
werden oder ein Ziel-Rating nicht mehr erreicht der Strategie, zu steuern:
werden kann.
1. weitgehende Synchronisation der Währungs-
Weiterhin können die Risikoinformationen unmit- struktur von Umsätzen und Kosten (Nutzung
telbar genutzt werden, um einen wertorientierten von Natural Hedge)
Unternehmensführungsansatz umzusetzen: Eine 2. regionale Diversifikation, um die Abhängigkeit
Zunahme der Unternehmensrisiken führt zu höhe- von der Veränderung einzelner Währungen zu
ren negativen Planabweichungen und höheren reduzieren
potenziellen Verlusten und damit einem höheren 3. ausgeprägte Produktdifferenzierung, um
Bedarf an (teurem) Eigenkapital. Dies wiederum Preissetzungsspielräume zu schaffen und sich
führt zu steigenden Kapitalkosten 13 und damit gegenüber wechselkursinduzierten Preisent-
sinkt der Unternehmenswert als Erfolgsmaßstab wicklungen immunisieren zu können
des strategischen Managements. 14
Im Allgemeinen erfordert strategisches Risi-
Risikoanalyse und Risikoaggregation schaffen komanagement damit eine Anpassung der
Transparenz über die Risiken. Ausgehend von Unternehmensstrategie und ist somit integraler
diesen Informationen soll das Ertrag-Risiko-­ Bestandteil der Strategieentwicklung. 15
Profil verbessert und somit das Unternehmen
robuster gemacht werden. Schließlich ist eine adäquate Berücksichtigung
der Chancen und Gefahren (Risiken) bei einer
Grundsätzlich gibt es mehrere Strategien zur Vorbereitung von unternehmerischen Entschei-
Risikobewältigung: dungen von Vorstand oder Geschäftsführung
notwendig. § 93 AktG fordert bei allen Vorstands-
■ ■ Risikovermeidung (z.B. Ausstieg aus „gefährli- bzw. Geschäftsführer-Entscheidungen „ange-
chem“ Geschäftsfeld), messene Informationen“, was bei Entscheidungen
■ ■ Risikoreduzierung durch unter Unsicherheit speziell Risikoinformationen
■ ■ ursachenorientierte Minderung der Eintritts- bedeutet. Damit ist eine dokumentierte entschei-
wahrscheinlichkeit (z.B. redundante Ausle- dungsvorbereitende Risikoanalyse und -aggrega-
gung wichtiger Maschinen) oder eine tion notwendig. Vorstände bzw. Geschäftsführer
■ ■ wirkungsorientierte Minderung der Scha- von Unternehmen sollten beweisen können, dass
denshöhe (z.B. Substitution fixer durch varia- sie vor einer unternehmerischen Entscheidung –
ble Kosten, Outsourcing), z.B. bezüglich der Weiterentwicklung der Unter-
■ ■ Überwälzen von Risiken (z.B. durch Versiche- nehmensstrategie – die mit der Entscheidung
rungen, geeignete Verträge mit Lieferanten, verbundenen Risiken analysiert und gewürdigt
Absicherung von Zinsänderungen durch Deri- haben. 16 Die für die Weiterentwicklung der
vate) sowie Unternehmensstrategie erforderlichen strategi-
■ ■ Risikoübernahme (und Schaffung eines adäqua- schen Entscheidungen sind grundsätzlich unter-
ten Risikodeckungspotenzials, i.d.R. in Form nehmerische Entscheidungen und erfordern
von Eigenkapital- und Liquiditätsreserven). damit Entscheidungsvorlagen, mit denen Ver-
änderungen des Ertrags-Risiko-Profils beurteilt
Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Reduzierung werden können (Was-wäre-wenn-Analysen zur
strategischer Risiken ist z.B. die Reduzierung von Strategiebewertung 17).
Abhängigkeiten.
Das robuste Unternehmen:
Die Möglichkeiten der strategischen Risiko- Fazit und Implikationen
bewältigung zeigen sich beispielhaft bei Wäh- Der langfristige Erfolg eines Unternehmens
erfordert ein strategisches Management unter

13 Vgl. Gleißner, Management Research Review 2019, S. 1243-1258. Zur


Bedeutung der Risikoaggregation und neuen Anforderungen an das 15 Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, 3. Aufl. 2017.
Risikomanagement vgl. Gleißner, DB 2018, S. 2769–2774. 16 Vgl. Risk Management Association e.V. (RMA), Managemententschei-
14 Vgl. Gleißner, Management Research Review 2019, S. 1243-1258; Risk dungen unter Risiko. Haftung – Recht – Business Judgement Rule, 2019.
Management Association e.V. (RMA), Managemententscheidungen 17 Vgl. Gleißner, Wertorientierte Unternehmensführung, Strategie und
unter Risiko. Haftung – Recht – Business Judgement Rule, 2019. Risiko, 2019.

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Abbildung 4: Robustes Unternehmen

Kompetenz im
Umgang mit Unsicherheit

Risiko- Finanzielle
früh- Nachhaltigkeit
erkennung

Gut vorbereitete
unternehmerische
Entscheidungen

Beachtung von Unsicherheit, die sich aus Chan- Jede nachhaltige Differenzierung muss dabei
cen und Gefahren (Risiken) der zukünftigen auf verteidigungsfähige Kernkompetenzen
Entwicklung ergibt. Das Konzept des robusten abgestützt sein. Organisatorische Resilienz
Unternehmens ist eine Leitlinie für ein strategi- trägt zur Robustheit der Strategie bei. Mit einer
sches Management unter Unsicherheit. Robuste quantitativen Risikoanalyse und simulations-
Unternehmen weisen die drei nachfolgenden basierten Risikoaggregation wird der Bedarf an
zentralen Charakteristika auf (vgl. Abbildung 4): Risikodeckungspotenzial – Eigenkapital und
Liquidität – bestimmt. Die robuste Unterneh-
a. hohe finanzielle Nachhaltigkeit (stabiles mensstrategie ist die Grundlage für die finan-
Rating, niedriges Ertragsrisiko), zielle Nachhaltigkeit des Unternehmens und
b. eine robuste Strategie mit stabilen strate- ein stabiles Rating, akzeptable Ertragsrisiken
gischen Erfolgspotenzialen als Treiber der und eine Kapitalrendite oberhalb der risikoab-
zukünftigen finanziellen Leistungsfähig- hängigen Kapitalkosten. Ein leistungsfähiges
keit und des Unternehmenswerts sowie Risikomanagement stellt schließlich sicher,
c. eine hohe Kompetenz im Umgang mit Chan- dass potenziell das Unternehmen gefährdende
cen und Risiken, speziell bei der Vorberei- (strategische) Risiken frühzeitig erkannt und
tung „unternehmerischer Entscheidungen“ Risiken bei unternehmerischen Entscheidungen,
(zur Absicherung von a und b). z.B. über Investitionen, adäquat berücksichtigt
werden. ■
Zusammengefasst bedeutet Zukunftssicherung
für Unternehmen zu einem erheblichen Teil die
Entwicklung und Umsetzung einer robusten
Unternehmensstrategie. So werden z.B. kritische
Abhängigkeiten möglichst vermieden. Ange-
strebt wird z.B. eine nachhaltige Differenzierung
über Preis, Produktqualität, Service oder Marke.

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Robustheitsindikator
Die hier folgenden Orientierungsfragen helfen, mit einem „Robustheitsindikator“
eine schnellere Ersteinschätzung der Robustheit einer Strategie zu erhalten.

Antwortmöglichkeiten
Fragen nein teilweise ja
(= 0) (= 1) (= 2)
1. Verfügt das Unternehmen über klar ausgeprägte, nachhaltig gesicherte und
schwer kopierbare Kernkompetenzen, aus denen sich auch in der Zukunft für
Kunden wahrnehmbare Wettbewerbsvorteile ableiten lassen?
2. K
 önnen die Kernkompetenzen auf unterschiedlichen Geschäftsfeldern
eingesetzt werden?

3. Verfügt das Unternehmen über wesentliche Wettbewerbsvorteile in mehr als


einem der primären Abschnitte der Wertschöpfungskette – Forschung und
Entwicklung, Leistungserstellung, Marketing und Vertrieb?
4. Verfügt das Unternehmen in Relation zum (aggregierten) Risikoumfang über
eine hohe Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung (Risikodeckungspotenzial)?

5. Können Abhängigkeiten von wesentlichen Kunden vermieden werden?

6. K
 önnen Abhängigkeiten von wesentlichen Schlüssellieferanten vermieden
werden?

7. K
 önnen akute Bedrohungen der wesentlichen Erfolgspotenziale (Kernkompe-
tenzen, Wettbewerbsvorteile, interne Stärken) vermieden werden?

8. Weisen die wesentlichen personellen und materiellen Ressourcen des


Unternehmens ein hohes Maß an Flexibilität auf und können sie auch
für unterschiedliche Aufgabenstellungen genutzt werden?
9. Kann aufgrund für den Kunden wahrnehmbarer Wettbewerbsvorteile
(z.B. bezüglich Qualität) ein Preiswettbewerb weitgehend vermieden werden
und besteht Preissetzungsmacht?
10. Ist eine schwerwiegende Bedrohung des Geschäftsmodells durch
potenzielle neue Wettbewerber (aus anderen Regionen oder Branchen)
oder durch Substitutionsprodukte weitgehend auszuschließen?
11. Existiert im Hinblick auf Produkte, Regionen und Zielgruppen eine breite
Diversifikation und damit keine ausgeprägte Abhängigkeit von einzelnen
Geschäftsaktivitäten?
12. K
 önnen extreme, bestandsgefährdende Verluste durch Haftungs­
beschränkungen oder Versicherungen begrenzt werden?

Klasse Punktzahl Ihre Unternehmensrobustheit


I 0 bis 5 … steht noch ganz am Anfang.
II 6 bis 10 … ist noch verbesserungsbedürftig.
III 11 bis 115 … ist guter Durchschnitt.
IV 16 bis 20 … ist klar überdurchschnittlich.
V 21 bis 24 … ist hervorragend.

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