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Fakultät für

Mathematik

Seminararbeit

zum Thema

Paradoxien des Unendlichen

Autoren: Allram Julian, Gabler Ines, Obererlacher Ka-


tharina

Lehrveranstaltung: KO Mathematik macht Freu(n)de

LV-Leiter: Univ.-Prof. Dr. Michael Eichmair

Semester: Sommersemester 2017


Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 3

2 Hilberts Hotel 3
2.1 Ankunft eines zusätzlichen Gastes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2.2 Ankunft eines unendlich großen Busses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2.3 Ankunft zweier unendlich großer Busse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.4 Ankunft unendlich vieler unendlich großer Busse . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.5 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . 6

3 Abzählbarkeit der rationalen Zahlen 6


3.1 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . 7

4 Cantorsches Diagonalverfahren 8
4.1 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . 10

5 Gibt es immer mächtiger werdende unendliche Mengen? 11


5.1 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . 13

6 Die Kontinuumshypothese 15

7 Literaturverzeichnis 17

8 Abbildungsverzeichnis 17

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

1 Einleitung
Aus dem Paradies [der Unendlichkeit], das Cantor uns geschaffen hat, soll uns

niemand mehr vertreiben können.“

David Hilbert (1862-1943)

Unendlichkeit - gibt es sie nun oder doch nicht?


Um an das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen: Was sagt das Zitat Bis

zur Unendlichkeit und noch viel weiter!“aus dem Kinderfilm Toy Story“ aus? Kann es

das denn wirklich geben? Es ist uns ein großes Anliegen, diese und noch weitere Fragen
sowohl fachlich korrekt, als auch lernendengerecht aufzubereiten.

2 Hilberts Hotel
Der deutsche Mathematiker David Hilbert erdachte Anfang des 20. Jahrhunderts ein
Gedankenexperiment, um verschiedene Paradoxien zu veranschaulichen, welche aus der
Unendlichkeit der natürlichen Zahlen (N) erwachsen. Dies erreicht er, indem er ein Modell
eines Hotels aufstellt, das unendlich viele Zimmer hat.

2.1 Ankunft eines zusätzlichen Gastes


Angenommen, alle Hotelzimmer sind belegt. Ein neuer Gast kommt ins Hotel und fragt
an der Rezeption nach einem Zimmer. Der Rezeptionist antwortet, dass das Hotel leider
voll besetzt ist, jedoch wäre sicherlich noch ein weiteres Zimmer frei.
Das letzte Zimmer kann nicht besetzt werden, da es überhaupt keines gibt. Man kann
aber alle Gäste aus ihrem derzeitigen Zimmer bitten und sie in das nächste verlegen. Der
Rezeptionist veranlasst also folgendes:

neuer Gast −→ Zimmer 1


Gast aus Zimmer 1 −→ Zimmer 2
Gast aus Zimmer 2 −→ Zimmer 3
Gast aus Zimmer 3 −→ Zimmer 4
Gast aus Zimmer n −→ Zimmer n+1

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass jeder Gast beim Eintreffen eines neuen Gastes
in das jeweilige Zimmer n+1 weiterrückt. Dabei gibt n die Zimmernummern an. (∀n ∈ N)
Oder: n 7→ n+1 ist eine Bijektion von N auf seine echte Teilmenge N\{1}. [[1], Seite 77]

2.2 Ankunft eines unendlich großen Busses


Für einen Gast ist das Prozedere noch vorstellbar. Doch wie sieht die Vorgehensweise
aus, wenn ein Bus mit unendlich vielen Reisenden eintrifft und alle im Hotel Infinity“

einchecken wollen? Schafft man es, alle Reisenden im bereits ausgebuchten Hotel unterzu-
bringen? Ja! Auch dieses Mal schafft es der Rezeptionist, alle neuen Gäste unterzubringen.
Alle Gäste müssen aus ihrem Zimmer u in das Zimmer 2n+1 ziehen. Dadurch haben alle

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Gäste mit geraden Zimmernummern nun eine ungerade Zimmernummer und die Gäste
mit ungeraden Raumnummern werden wieder ungeraden Zimmern zugeteilt.

n=0 −→ n=1
n=1 −→ n=3
n=2 −→ n=5
n=3 −→ n=7
n=4 −→ n=9
n=n −→ n=2n+1

Das heißt alle Hotelzimmer mit geraden Zimmernummern werden frei. Da es bei der
Menge der natürlichen Zahlen genauso viele gerade Zahlen, wie ungerade, wie überhaupt
Zahlen gibt, passen erneut unendlich viele Reisende ins Hotel. Die neuen Gäste können in
die Zimmer mit Zimmernummern 2, 4, 6, ... , 2i ziehen. Der Rezeptionist weist die neuen
Gäste in das Zimmer mit Zimmernummer n=2i zu, wobei i die bisherige Sitzplatznummer
im unendlichen Bus angibt.

2.3 Ankunft zweier unendlich großer Busse


Dass eine Busgesellschaft die Dreistigkeit besitzt, noch einen zusätzlichen unendlich lan-
gen Bus zum Hilbert Hotel zu schicken, ist doch wirklich erstaunlich. Schafft es der
Rezeptionist erneut, die Reisenden aus zwei unendlich langen Bussen im Hotel Infini-

ty“einzuchecken? Hierbei geht es formal gesehen um eine abzählbare unendliche Menge
an Personen.
Natürlich schafft es der geschickte Rezeptionist auch dieses Mal.
Die Methode ist der vorherigen ähnlich, aber er muss darauf achten, dass er die Fahrgäste
des ersten und zweiten Busses parallel den Zimmern zuordnet - was zugegeben ein großes
Organisationstalent benötigt. Die Gäste aus dem zweiten Bus würden sonst womöglich
unendlich lange auf ihr Zimmer warten!
Erneut lässt der Rezeptionist die Zimmer mit geraden Zimmernummern räumen. Die Pas-
sagiere werden abwechselnd auf die freien Zimmer aufgeteilt. Das sieht dann so aus:

Person Bus 1 Bus 2


0. Zimmer 2 Zimmer 4
1. Zimmer 6 Zimmer 8
2. Zimmer 10 Zimmer 12
3. Zimmer 14 Zimmer 16
i. Zimmer 4i+2 Zimmer 4i+4

2.4 Ankunft unendlich vieler unendlich großer Busse


Um das Unmögliche noch unmöglicher zu machen, reisen im nächsten Schritt unendlich
viele unendlich lange Busse zum Hilbertschen Hotel. Keiner der Gäste ist bereit, sein
Zimmer zu verlassen. Wie löst man dieses Problem nun, dass alle Beteiligten so wenig
Umstände wie möglich auf sich zu nehmen?
Es müssen jedenfalls wieder die Reisenden aller Busse parallel zugewiesen werden. Die

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Lösung des Problems lässt sich in einem spiralförmigen Schema darstellen. Die Abbildung
hilft, die Zuteilung nachzuvollziehen.

Abbildung 1: Spiralförmiges Schema [[1], Seite 79]

Der erste Gast aus dem ersten Bus kommt in Zimmer eins, der erste Gast aus dem zweiten
Bus kommt in Zimmer 2, der erste Gast aus dem dritten Bus kommt in Zimmer 5, der
vierte Gast aus Bus 4 kommt in Zimmer 13 usw.
Die roten Rechtecke markieren die Sitzplätze i der Busse, die orangefarbenen Rechtecke
geben die Zimmernummern an und der eckigen roten Spirale ist zu folgen, wenn man
ermitteln will, welchem Gast welches Zimmer zugeteilt werden soll.
Allgemein ausgedrückt, bekommt der Gast mit dem Sitzplatz i aus dem Bus j das Zimmer
j 2 −i+1 zugeteilt, insofern i > j. Falls i ≤ j wird das Zimmer (j −1)2 bezogen. (∀i, j ∈ N)
[[1], Seite 79]

Eine andere Möglichkeit wäre, das Problem über die Eigenschaften von Primzahlen an-
zugehen. Dadurch bleiben außerdem noch unendlich viele Zimmer unbelegt (für etwaige
Notfälle).
Es gibt unendlich viele Primzahlen. Jeder Reisende aus dem Bus 1 mit Sitzplatznummer
i bekommt das Zimmer 2i zugeordnet. Die Gäste aus Bus 2 mit Platznummer i darf im
Zimmer 3i unterkommen usw. Der i-te Fahrgast aus Bus j erhält das Zimmer pij . Dabei
beschreibt pj die j-te Primzahl. Aufgrund der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung kann
niemals einer Person das gleiche Zimmer zugeteilt werden.
Um das zugegebenermaßen komplizierte Verfahren etwas zu vereinfachen, kann man vor-
erst nur einmal die beiden Primzahlen 2 und 3 zur Hand nehmen. Es genügt, dem i-ten
Reisenden aus dem j-ten Bus Zimmer 2i · 3j zuzuweisen. [[1], Seite 79f.]

Es ist abschließend zu sagen, dass die Menge der natürlichen Zahlen, wie die Hotelzim-
mer und Plätze unendlich und abzählbar sind. Man bezeichnet sie daher als abzählbar
unendlich.

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

2.5 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht


Die Schülerinnen und Schüler können mittels Hilbert Hotel sehr spielerisch an den Un-
endlichkeitsbegriff herangeführt werden.
Als Einstieg in die Unterrichtsstunde könnte eine Art Cluster dienen, in dem alle bisher
gehörten Zahlenmengen zusammengefasst werden. Es sollen sowohl die Teilmengen auf-
gezeichnet werden können, als auch die wichtigsten Beispiele und Ausnahmen.
Im nächsten Schritt werden die Schülerinnen und Schüler auf das Problem vorbereitet. Es
kann eine einleitende Geschichte erzählt werden. (z.B.: Letztes Jahr war ich in Sizilien

im Urlaub. Da wollte ich ganz spontan vor Ort ein Hotelzimmer beziehen, jedoch wie es in
der Hauptsaison so üblich ist, war natürlich kein Zimmer mehr frei. Dann habe ich einen
Tipp bekommen, dass ich doch das Hilbert Hotel im Stadtzentrum aufsuchen solle.“) Die
Schülerinnen und Schüler sollen dadurch einen Reiz zum Thema bekommen und neugierig
werden.
Wenn die Grundbedingungen geklärt worden sind, wird die Klasse aufgeteilt. Die Tische
werden im Klassenraum beiseite geschoben und die Stühle in einer Reihe aufgestellt. Die
Klasse wird in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Schülerinnen und Schüler der ersten Gruppe
werden aufgefordert, sich nebeneinander auf die Stühle zu setzen. Nun ist etwas Vorstel-
lungsvermögen gefragt. Die sitzenden Schülerinnen und Schüler bilden das Hilbertsche
Hotel. Die Stühle dahinter sind vermeintlich besetzt. Das Hilbertsche Hotel ist also aus-
gebucht. Ein/e Schüler/In kommt nun zur Rezeption (Lehrperson) und fragt nach einem
Zimmer. Die Lehrperson entgegnet dass alle Zimmer belegt seien, jedoch finde sich be-
stimmt eine Möglichkeit, dass die Person noch einen Schlafplatz bekommt.
Die Schüler und Schülerinnen sollen sich nun eine Methode überlegen, wie sie ein Zimmer
für die zusätzliche Person beschaffen können. Die leeren Stühle dürfen jedoch nicht von
vorne herein besetzt werden.
Wurde das Problem gelöst, kann man die Aufgabenstellung erschweren, indem man die
restliche Gruppe im Hotel einchecken lässt. Wieder darf sich die ganze Klasse beraten.
Die unendlich vielen Busse mit unendlich vielen Fahrgästen würde meiner Meinung nach
die Abstraktionsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler wahrscheinlich übersteigen.

3 Abzählbarkeit der rationalen Zahlen


Nachdem die Überlegungen zum Hilbert Hotel gezeigt haben, dass die Menge N abzählbar
unendlich ist, stellt sich sofort die Frage, ob es noch andere Arten“ von unendlichen Men-

gen geben kann, die echt größer“ als N sind. Auf den ersten Blickt scheint die Menge

Q aller rationalen Zahlen echt größer zu sein als N, da ja bereits zwischen zwei aufein-
anderfolgenden natürlichen Zahlen n und n+1 unendlich viele Brüche liegen. Obwohl an
dieser Tatsache nicht zu rütteln ist, gibt es dennoch eine Methode alle Brüche (also alle
rationalen Zahlen) abzuzählen.
Wie das möglich ist, sehen wir uns in diesem Kapitel an.

Um zu zeigen, dass die natürlichen Zahlen N und die rationalen Zahlen Q gleich groß“

sind, brauchen wir eine Bijektion zwischen diesen beiden Mengen. Eine Möglichkeit, eine
solche herzustellen, ist die folgende:

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Jeder Bruch pq wird durch das Paar (p,q) der ganzen Zahlen p und q repräsentiert. Diese
Paare werden nun in einer unendlichen Tabelle mit dem Mittelpunkt (0,0) angeordnet,
wobei das Paar (p,q) in der p-ten Zeile und der q-ten Spalte steht. Um nun die Menge
der rationalen Zahlen zu durchlaufen, startet man beim Mittelpunkt (0,0) und legt einen
spiralförmigen“ Weg zurück, wie in der Skizze angedeutet:

Abbildung 2: Spiralförmiger Weg [[1], Seite 53]

Die rationale Zahl, die im n-ten Schritt getroffen wird, erhält dann die natürliche Zahl
n als Nummerierung. Auf diesem Weg wird kein Zahlenpaar ausgelassen und auch keine
Nummer doppelt vergeben.

Diese Zuordnung ist allerdings noch nicht ganz zufriedenstellend, da zwei Zahlenpaare
10
ein und dieselbe rationale Zahl darstellen können. So sind zum Beispiel 96 und 15 beides
2
Repräsentanten der rationalen Zahl 3 .
Damit also wirklich jeder rationalen Zahl genau eine natürliche Zahl zugeordnet werden
kann, fehlt noch ein letzter Schritt: Alle Paare mit negativen Nennern und all jene, die
zu kürzbaren Brüchen gehören, werden aus der Tabelle gestrichen. Wenn wir nun den
Spiralweg erneut durchlaufen, erhalten die gestrichenen Paare keine Nummern mehr und
wir erhalten eine Bijektion zwischen zwischen N und Q.

3.1 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht


Um die Abzählbarkeit der rationalen Zahlen mit Hilfe der natürlichen Zahlen für die
Schülerinnen und Schüler greifbar zu machen, sollte bei den Lernenden vor allem ein
Gefühl für den Begriff abzählbar unendlich“ entstehen.

Wie auch hier in dieser Seminararbeit beschrieben, bietet das Hilbert Hotel ein anschau-
liches Beispiel, um diesen Terminus technicus zu erläutern. Noch allgemeiner kann den
Schülerinnen und Schülern der Prozess des Zählens vor Augen geführt werden, da dieser
Prozess unendlich ist und es keine letzte Zahl gibt. Die Elemente einer abzählbar unend-
lichen Menge lassen sich also in einer Liste anordnen: 1. Element, 2. Element, usw. Diese
Liste ist zwar unendlich, jedoch erscheint jedes Element an einer endlichen Stelle und wird
gezählt.
Da wir in weiterer Folge tiefer in die Thematik vordringen, ist es sicher sinnvoll hier den
Begriff der Kardinalität“ anzusprechen. Hierbei ist es jedoch besser, die Kardinalzahl

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

als Mächtigkeit einer Menge zu beschreiben und informell zu sagen, dass es dabei um die
Anzahl der Elemente einer Menge geht, ohne den Begriff in all seinen Details zu definieren.

Definition: Für jede Menge A schreiben wir |A| für die Kardinalzahl von A. [[2], Seite 6]

Damit klar wird, was bei dem Beweis Die rationalen Zahlen sind abzählbar wirklich pas-
siert, muss der Begriff Bijektion“, am besten anhand einer Grafik, erklärt werden:

Definition: Sei f: A → B eine Abbildung.
Wir nennen f bijektiv wenn jedes Element in der Zielmenge B genau einem Element der
Menge A zugeordnet wird.

Abbildung 3: bijektive Abbildung [4]

Nach der allgemeinen Definition der Bijektivität und nach der Behandlung des Abzählbarkeitsverfahre
für die rationalen Zahlen, macht es Sinn, nochmals auf den Begriff der Kardinalzahl zu
sprechen zu kommen.

Definition: Mit ℵ0 (Aleph 0) oder auch i0 (Beth 0) bezeichnen wir die Kardinalzahl
von N, oder die Kardinalität jeder abzählbaren Menge. (Eine Menge A heißt abzählbar,
wenn es eine Bijektion f: N →A gibt.) [[2], Seite 8]

Wie wir ja gezeigt haben, gibt es eine Bijektion von N nach Q und somit ist auch die
Kardinalität der Menge der rationalen Zahlen ℵ0 und wir schreiben |Q| = ℵ0 . Es gibt also
ℵ0 viele (abzählbar viele) rationale Zahlen.

4 Cantorsches Diagonalverfahren
Auf der Suche nach echt größeren, unendlichen Mengen, wird sich dieses Kapitel mit dem
Cantorschen Diagonalverfahren beschäftigen. Es ist nämlich möglich zu beweisen, dass
die Menge R der reellen Zahlen echt größer ist als die Menge N der natürlichen Zahlen.

Wie im vorherigen Kapitel gezeigt, sind N und Q gleich groß und es gibt eine Bijekti-
on zwischen diesen beiden Mengen. Rein intuitiv sollte es jedoch viel mehr reelle Zahlen
als rationale Zahlen geben. Wir wissen zum Beispiel, dass Wurzeln ganzer Zahlen im All-
gemeinen nicht rational sind. Somit wäre eine erste Idee Q um die Wurzeln zu ergänzen,
um die reellen Zahlen zu erhalten. Gegeben, dass wir schon wissen, dass R überabzählbar
ist, kann diese Idee aber nicht zum Ziel führen, da wir Q ja nur um abzählbar viele

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Wurzeln erweitert haben. Mehr noch: Selbst wenn man zu Q alle Lösungen rationaler Po-
lynome (das heißt beliebigen Grades und beliebige Koeffizienten aus Q gäbe, erhielte man
nur eine abzählbare Menge, die Menge der algebraischen Zahlen. In der Tat gibt es, wie
anhand des Beispiels der unendlich vielen eintreffenden Busse ersichtlich, nur abzählbar
viele solche Polynome. Da jedes Polynom höchstens endlich viele Lösungen besitzt folgt,
dass auch alle algebraischen Zahlen abzählbar sind.
Werden also von der Menge der reellen Zahlen R die abzählbar vielen algebraischen, ein-
schließlich der rationalen Zahlen weggenommen, bleiben immer noch überabzählbar viele
Zahlen übrig. Dieses Faktum gilt auch noch, wenn alle nichtalgebraischen Zahlen (tran-
szendente Zahlen gennannt), wie π und e und deren algebraische Vielfache weggenommen
werden.
Die Menge aller Zahlen, die man in einer Formel oder einer Prosabeschreibung mit end-
lich vielen Zeichen definieren kann, ist abzählbar. Somit sind alle Zahlen in R, die wir
irgendwie kennen (die wir mit endlichen vielen Gedanken erfassen können), eine belang-
lose Minderheit der reellen Zahlen. In der Tat hat die große Masse der reellen Zahlen eine
unendlich lange Darstellung im Dezimalsystem:
Wir beschränken uns im Folgenden auf die Zahlen zwischen 0 und 1. Diese sind darstell-
bar als 0,... und dann einer unendlichen Folge von Dezimalziffern. Diese unendliche Folge
liefert den Ausgangspunkt für das Cantorsche Diagonalverfahren, mit dem der zu Beginn
des Kapitels genannte Satz bewiesen werden kann:

Satz: Die Menge R der reellen Zahlen ist überabzählbar. Das heißt es gibt keine Bi-
jektion zwischen R und N.

Beweis: Wir nehmen an, dass die Menge der reellen Zahlen zwischen 0 und 1 abzählbar
ist. Das bedeutet, dass es eine Bijektion von N auf das Intervall ]0, 1[ gibt, oder dass
es eine Folge u1 , u2 , u3 ,.. reeller Zahlen gibt mit der Eigenschaft, dass jede reelle Zahl
zwischen 0 und 1 ein Element der Folge sei.
Jede reelle Zahl ist ein ein unendlicher Dezimalbruch, wobei beachtet werden muss, dass
die Zahl 0,1999999... dasselbe ist wie die Zahl 0,2000000... Damit die Dezimalbruchdar-
stellung einer reellen Zahl eindeutig ist, legen wir fest, dass nur solche Dezimalbruch-
entwicklungen betrachtet werden, die nicht ab einer gewissen Stelle nur mehr aus 9-ern
bestehen.

Betrachten wir nun die Elemente der Folge u1 , u2 , u3 ,...:


u1 = 0, u11 u12 u13 u14 u15
u2 = 0, u21 u22 u23 u24 u25
u3 = 0, u31 u32 u33 u34 u35
u4 = 0, u41 u42 u43 u44 u45
u5 = 0, u51 u52 u53 u54 u55

Und so weiter. Jedes uij ist eine Dezimalziffer. Betrachte nun die Zahl u = 0, u11 u22 u33 u44 u55 ...

Wir definieren eine Zahl v = 0, v1 v2 v3 v4 v5 ... dadurch, dass sie von u an jeder Stelle ver-
schieden sein soll: vi 6= uii für jede Nummer i. Die vi können dabei nach belieben festgelegt

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

werden, solange sie nicht alle ab einer gewissen Stelle gleich 9 sind. Die Zahl v gehört zu
]0, 1[, ist also ein Element der Folge u1 , u2 , u3 ,...
Es sei n die Nummer von v, sodass v = un ist. Dann gilt insbesondere, dass vn = unn ist
und das ist ein Widerspruch zur Definition von v. Daraus folgt, dass die Menge der reellen
Zahlen zwischen ]0, 1[ und erst recht die Menge aller reellen Zahlen nicht abzählbar ist
[[1], Seite 49]. 

Die Menge der reellen Zahlen R ist demnach viel größer als die Menge der natürlichen
Zahlen N. R wir deshalb als überabzählbar unendliche Menge bezeichnet.

Definition: Mit 2ℵ0 (2 hoch Aleph 0) oder i1 (Beth 1) oder auch mit c (Fraktur c,
Kontinuum) bezeichnen wir die Mächtigkeit von R.

Wir bezeichnen also die Kardinalität der natürlichen Zahlen mit |N| = ℵ0 (bzw. i0 )
und die Kardinalität der reellen Zahlen mit |R| = 2ℵ0 (bzw. i1 ) und es gilt i0 < i1 [[2],
Seite 10].

4.1 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht


Die Schülerinnen und Schüler können als Einstieg in dieses Thema befragt werden, ob
sie Mengen kennen, die nach ihrer Einschätzung echt größer als Q sein müssen. Somit
kann nahtlos an das vorherige Kapitel und an den Begriff der Kardinalität angeschlossen
werden.
Da die Befragten hier sicherlich sehr schnell die reellen Zahlen nennen werden, kann dar-
auf eingegangen werden, dass Wurzeln im Allgemeinen nicht Teil der rationalen Zahlen,
wohl aber Teil der reellen Zahlen sind und als kleine Auflockerung kann das Video von
Dorfuchs gezeigt werden:
https://www.youtube.com/watch?v=tPfnEByx9r0.
Im Folgenden ist es wahrscheinlich sinnvoller, wenn kurz angerissen wird, dass Wurzeln
Lösungen algebraischer Gleichungen mit ganzzahligen Koeffizienten sind und es auch hier
möglich ist, diesen eine Nummer zuzuordnen und sie ähnlich wie bei den rationalen Zah-
len mit Hilfe eines spiralförmigen Weges abzuzählen“ , ohne diese Schritte im kleinsten

Detail durchzudenken. Das Hotel Hilbert sollte aber durchaus nochmals besprochen wer-
den, wenn es darum geht, die Lösungen aller Gleichungen n-ten Grades unterzubringen“.

Wichtig ist es, dass die Schülerinnen und Schüler ein Gefühl für die reellen Zahlen ent-
wickeln. Sie sollen in diesem Schritt also erkennen, dass von den reellen Zahlen immer
noch überabzählbar viele übrig bleiben, wenn Mengen mit abzählbar vielen Elementen
weggenommen werden.
Der folgende Gedanke, nämlich, dass jede abzählbare Liste von reellen Zahlen unvoll-
ständig bleiben muss und die große Masse der reellen Zahlen keine Namen haben kann,
da diese sonst unendlich lang wären, ist definitiv philosophisch. Somit sollte hier auch
Platz sein, um Ideen und Gedanken von Schülerinnen und Schülern aufgreifen und be-
sprechen zu können.
Die Fragestellung, wie nun aber bewiesen werden kann, dass die reellen Zahlen überabzählbar
sind, ergibt sich meiner Meinung nach dann ganz von selbst.
Um den Beweis zuerst möglichst anschaulich darzustellen, können sich die Schülerinnen

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

und Schüler einfach fünf Zahlen mit fünf Nachkommastellen aus dem Intervall ]0, 1[ aus-
denken. Ihre Banknachbarin oder ihr Banknachbar soll dann eine Zahl v definieren, die,
wie im Beweis erläutert, von der Zahl u = 0, u11 u22 u33 u44 an jeder Stelle verschieden ist.
Da die Schülerinnen und Schüler ziemlich sicher alle unterschiedliche Zahlen un gewählt
und somit auch unterschiedliche v definiert haben, bekommen sie noch einmal ein Gefühl
für die Mächtigkeit von R und es fällt der Lehrperson im Anschluss leichter mit dem
formellen Beweis anzuknüpfen.
Der Beweis kann anfangs vielleicht etwas schwer fallen, die Lehrkraft könnte aber auch
im Anschluss ein Zitat von P. W. Bridgman vorlesen, der 1946 den Nobelpreis für Physik
erhielt und Probleme hatte, den Beweis zu verstehen:

Viele Mathematiker bestehen hartnäckig darauf, dass es keinen Zweifel an der Gültigkeit

dieses Beweises geben könne, während andere ihn nicht anerkennen. Ich selbst sehe auch
nicht das geringste Körnchen von Überzeugungskraft in dem Beweis ... mein Verstand will
nicht das tun, was offensichtlich von ihm erwartet wird, sollte es sich wirklich um einen
Beweis handeln“ [[3a], Seite 8].

Zum Abschluss dieses Kapitels sollte dann noch auf die Mächtigkeit von R eingegan-
gen werden, wie in der Definition aufbereitet, da dies auch für die anschließenden Kapitel
von Bedeutung sein wird.

5 Gibt es immer mächtiger werdende unendliche Men-


gen?
Wir haben also im vorherigen Kapitel auf anschauliche Weise erkennen können, dass die
Mächtigkeit von R viel größer ist, als jene von N. Dadurch wissen wir, dass es mindestens
zwei Arten von Unendlichkeit”gibt. Zum einen die abzählbare Unendlichkeit, wie es bei

der Mächtigkeit von N der Fall ist und die überabzählbare Unendlichkeit, was, wie im
Kapitel zuvor gezeigt, zum Beispiel die Mächtigkeit von R ist. Wir stellen uns daher in
diesem Kapitel die Frage, ob es denn noch weitere Mächtigkeiten von unendlichen Men-
gen, außer jenen von N und R gibt. Außerdem wollen wir klären, wie viele solcher Mengen
denn tatsächlich existieren, wenn es noch mächtigere unendliche Mengen als R gibt.
Um verschiedene Mächtigkeiten von unendlichen Mengen betrachten zu können, müssen
wir zuerst definieren, wann zwei endliche oder unendliche Mengen gleichmächtig sind.

Definition: Zwei Mengen A und B sind genau dann gleichmächtig (A ∼ B), wenn es
eine bijektive Abbildung von A nach B gibt. [[2], Seite 2].

Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen endlichen Mengen und unendlichen
Mengen, da man bei endlichen Mengen die Anzahl ihrer Elemente gleich ihrer Mächtigkeit
setzten kann. Demnach sind zwei endliche Mengen, die gleich viele Elemente besitzen,
gleichmächtig. Im Vergleich dazu kann eine unendliche Menge zu einer ihrer echten Teil-
mengen gleichmächtig sein, so, wie wir das zu Beginn dieser Arbeit am Hilbertschen Hotel
erkennen konnten.

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Wir tun so, als wüssten wir nicht, dass N und R nicht gleichmächtig sein können und
beginnen unsere Überlegungen mit dem Satz von Cantor.

Satz von Cantor, schwache Form: Es gibt zwei unendliche Mengen A, B, für die gilt
A  B.

Beweis des Satzes von Cantor:


Wir verwenden für diesen Beweis die Mengen N und P(N), wobei P(N) die Potenzmenge
von N ist und als die Menge aller Teilmengen von N definiert ist. Anschließend betrachten
wir eine beliebige Abbildung f : N → P(N). Wir werden in diesem Beweis zeigen, dass
f nicht bijektiv ist und dadurch die beiden Mengen nicht gleichmächtig sein können. Ge-
nauer werden wir zeigen, dass f nicht surjektiv ist, um das eben genannte zu beweisen.

Sei
Af = {n ∈ N : n ∈
/ f (n)}

Dann ist Af ∈ P(N). Wäre f surjektiv, dann gäbe es ein k ∈ N sodass f (k) = Af . Nun
muss aber entweder k ∈ Af oder k ∈ / Af gelten. In ersterem Fall wäre nach Definition von
Af k ∈ / f (k) = Af , ein Widerspruch. In zweiterem Fall, k ∈ / Af ist aber ebenfalls nach
Definition von Af k ∈ f (k) = Af ein Widerspruch. Daher kann f unmöglich surjektiv
sein, woraus folgt, dass f nicht bijektiv sein kann. Daher gilt N  P(N).
[[2], Seite 4, 5.]

Betrachtet man diesen Beweis, so könnte man auf den ersten Blick meinen, wir haben
hier einzig bewiesen, dass N und P(N) nicht gleichmächtig sind. Doch das ist nicht al-
les. Wie sich ohne Mühe erkennen lässt funktioniert selbiger Beweis für jede Menge A
(anstelle von N). Wir haben also gezeigt, dass jede beliebige Menge A zu ihrer Potenz-
menge P(A) nicht gleichmächtig ist. Dieser Sachverhalt ist für endliche Mengen zwar
intuitiv erkennbar, gilt jedoch auch für unendliche Mengen und hat hier besonders große
Bedeutung, weshalb dieser Satz auch die starke Version des Satz von Cantor genannt wird.

Satz von Cantor, starke Form: Für jede Menge A gilt A  P(A). [[2], Seite 6.]
Mit dieser Erkenntnis sind wir der Beantwortung unserer Frage, ob es denn eine Reihe
immer mächtiger werdender unendlicher Mengen gibt, die sich beliebig fortsetzen lässt,
einen riesigen Schritt näher gekommen. Wir wissen bereits aus dem Beweis der starken
Form des Satzes von Cantor, dass sich jede Menge A nicht surjektiv auf ihre Potenzmenge
abbilden lässt. Das bedeutet, dass P(A) mächtiger sein muss.
Alternativ lässt sich wie folgt vorgehen.

Definition: A . B ist definiert durch: Es existiert eine injektive Abbildung f : A → B.


Das ist äquivalent zu: A ist gleichmächtig mit einer Teilmenge von B. [[2], Seite 7]

Betrachten wir nun aber unsere Potenzmenge von A, so enthält diese aufgrund ihrer De-
finition natürlich auch alle Mengen a mit a ∈ A. Die Abbildung g : a → {a} ist daher
wohldefiniert und offensichtlich injektiv. Da die leere Menge so nicht getroffen wird ist A

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

also zu einer echten Teilmenge von P(A) gleichmächtig. Daraus folgt, dass P(A) mächtiger
ist als A. [[2], Seite 7]

Wir wissen, dass N eine unendliche Menge ist und wir wissen aufgrund der zuvor genann-
ten Inhalte jetzt auch, dass P(N) ebenso eine unendliche Menge ist, die jedoch mächtiger
ist, als die Menge N. Spinnen wir diesen Gedanken weiter fort, so ist aber auch P(N) we-
niger mächtig, als P(P(N)) und P(P(N)) ist wiederum weniger mächtig, als P(P(P(N)))
usw.
Damit erhalten wir also eine Folge von unendlichen Mengen, sodass

N ≺ P(N) ≺ P(P(N)) ≺ P(P(P(N))) ≺ ...

gilt. [[2], Seite 11]

5.1 Aufbereitung dieser Fragestellung im Unterricht


Ich persönlich halte es jedoch für problematisch, diese Frage mit dem oben gebotenen
Beweis des Satzes von Cantor in der Schule zu beantworten, da sich die Schülerinnen
und Schüler diese abstrakte Form der Darstellung einer Funktion, die nicht bijektiv sein
kann, möglicherweise nicht so leicht vorstellen können. Daher bemühe ich mich in die-
ser Unterrichtsplanung einen anderen, meiner Meinung nach, etwas einfacheren Zugang
zu dieser Fragestellung zu wählen. Ich halte die erste Definition, die erklärt, dass zwei
Mengen A und B genau dann als gleichmächtig bezeichnet werden, wenn es eine bijektive
Abbildung von A nach B gibt, auch für die Schule als brauchbar, wenn man dazu erklärt,
dass die Aufgabe dieser Abbildung jene ist, jedem Element von A genau ein Element
von B zuzuordnen und hier eine 1-1-Beziehung hergestellt ist. Diese Definition ist selbst
für Schülerinnen und Schüler geeignet, insbesondere für solche, die am Fach Mathematik
interessiert sind und sich in einem Wahlpflichtfachgegenstand Mathematik anmelden, wo
diese Inhalte Platz finden könnten.

Auch die Aussage der schwachen Form des Satzes von Cantor, dass es zwei unendliche
Mengen gibt, die jedoch nicht gleichmächtig sind, müsste für die Schülerinnen und Schüler
mehr oder weniger leicht zu verdauen sein, insbesondere nach den erlernten Inhalten aus
dem Kapitel zuvor, wo wir bereits festgestellt haben, dass N und R nicht gleichmächtig
sind. Es soll dennoch beim Beweis des Satzes erkennbar sein, dass P(A) mächtiger ist, als
A selbst, wenngleich ich in der Schule den Beweis zum leichteren Verstehen etwas anders
aufbauen will, als weiter oben beschrieben.

Satz von Cantor, schwache Form: Es gibt zwei unendliche Mengen A, B, für die
gilt A  B.

Beweis des Satzes von Cantor:


Wir verwenden auch für diesen Beweis die Mengen N und P(N), wobei P(N) die Potenz-
menge von N ist und als die Menge aller Teilmengen von N definiert ist. Anschließend
betrachten wir eine Abbildung f : N → P(N). Wir werden in diesem Beweis zeigen,
dass f nicht bijektiv ist und dadurch die beiden Mengen nicht gleichmächtig sein können.

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

Genauer werden wir zeigen, dass f nicht surjektiv sein kann, um das eben genannte zu
beweisen. An dieser Stelle muss den Schülerinnen und Schülern im Unterricht erklärt
werden, dass die Surjektivität Voraussetzung für die Bijektivität einer Abbildung ist und
was Surjektivität denn überhaupt bedeutet, wobei ich in diesem Unterrichtsbeispiel dafür
keine formale Definition bieten werde, sondern hier intuitiv vorgehen werde. Die Surjek-
tivität der Abbildung bedeutet, dass jedem Element aus der Zielmenge (in unserem Fall
P(N)), mindestens ein Element aus der Definitionsmenge (in unserem Fall N) zugeordnet
werden kann und eine Abbildung nicht surjektiv ist, wenn dies nicht erfüllt werden kann.
Bis hier her unterscheidet sich diese Erklärung nicht vom Beweis zum Satz von Cantor
weiter oben in diesem Kapitel.
Bei der weiteren Erklärung dieses Beweises können wir ähnlich vorgehen, wie beim Beweis
im Kapitel zuvor, wo gezeigt wurde, dass R nicht gleichmächtig ist, wie N. Zur besseren
Illustration ist es hier sinnvoll, sich die Abbildung f genauer vorzugeben.
Wähle zum Beispiel für f (0) alle natürlichen Zahlen, für f (1) alle geraden Zahlen, für
f (2) alle Potenzen von 2 usw.:

f (0) = {0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, ...}


f (1) = {0, 2, 4, 6, 8, ...}
f (2) = { 1, 2, 4, 8, ...}
f (3) = { 1, 3, 5, 7, ...}
...
Diese Teilmengen muss man, wie illustriert, so anordnen, dass jeweils gleichwertige Ele-
mente der einzelnen Teilmengen untereinander geschrieben stehen und man sich an den
anderen Stellen Löcher in diesen Teilmengen denkt. Anschließend betrachten wir die Dia-
gonale dieser Teilmengen von N die entsteht, wenn man von der ersten Zeile das erste
Element oder Loch, von der zweiten Zeile das zweite Element oder Loch usw. hervorhebt
und konstruieren uns eine Teilmenge A von N, die bestimmt mit keinem f (k) für k ∈ N
übereinstimmt. Dazu wählen wir aus jeder der Teilmengen von N jenes Element auf der
Diagonale aus und fügen es in eine neue Menge M hinzu.

f (0) = {00, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, ...}


f (1) = {0, - , 2, 4, 6, 8, ...}
f (2) = { 1, 2 , 4, 8, ...}
f (3) = { 1, 3 , 5, 7, ...}
...
In diesem Fall erhält man dann für M = {0, 2, 3, ...}. Anschließend bildet man für diese
Menge M das Komplement, welches wir A nennen.

Man erhält dann in unserem Fall

A={ 1, , ...}

A 6= f (0) gilt bestimmt, da 0 in A nicht enthalten ist. A ist aber aus dem selbigen Grund
auch bestimmt ungleich f (1) usw. und wir können uns daher sicher sein, dass A 6= f (k)
für k ∈ N gilt. Das wiederum bedeutet, dass es Elemente aus unserer Zielmenge P(N)
gibt, welchen kein Element aus unserer Definitionsmenge N zugeordnet werden kann und

14
Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

daher ist f mit Sicherheit nicht surjektiv. Damit ist die schwache Form des Satzes von
Cantor auf eine anschauliche Weise gezeigt, die meiner Meinung nach auch in der Schule
vorgeführt werden kann. Außerdem lässt auch an diese Erklärung die Begründung für die
starke Version des Satzes von Cantor erkennen: [[2], Seite 6]

Satz von Cantor, starke Form: Für jede Menge A gilt A  P(A). [[2], Seite 6]

Damit wurde gezeigt, dass die Mächtigkeit einer Menge und die Mächtigkeit ihrer Po-
tenzmenge stets unterschiedlich sind. An dieser Stelle genügt es den Schülerinnen und
Schülern darzulegen, dass in diesem Fall die Potenzmenge die mächtigere Menge ist und
dass das sowohl für endliche, als auch für unendliche Mengen gilt.

Daraus folgt, dass man mit Hilfe der Potenzmengen immer mächtiger werdende unend-
liche Mengen konstruieren kann, was die gestellte Frage auch auf Schulniveau beantwortet.

Wir wissen, dass N eine unendliche Menge ist und wir wissen aufgrund der zuvor genann-
ten Inhalte jetzt auch, dass P(N) ebenso eine unendliche Menge ist, die jedoch mächtiger
ist, als die Menge N. Spinnen wir diesen Gedanken weiter fort, so ist aber auch P(N) we-
niger mächtig, als P(P(N)) und P(P(N)) ist wiederum weniger mächtig, als P(P(P(N)))
usw.

Damit erhalten wir also eine Folge von unendlichen Mengen, sodass

N ≺ P(N) ≺ P(P(N)) ≺ P(P(P(N))) ≺ ...

gilt.

6 Die Kontinuumshypothese
Da es in diesem Kapitel keine komplexen Beweise oder andere für Schülerinnen und
Schüler unverdauliche Inhalte geben wird, bietet es sich an, dieses Kapitel der Semi-
nararbeit auch in folgender dargelegter Form im Unterricht darzubieten.

Man bezeichnet die Mächtigkeit von Mengen als die Kardinalität einer Menge und man
bezeichnet |A| als die Kardinalzahl von A. Es gilt dann also A ∼ B genau dann, wenn
|A| = |B|. [[2], Seite 6]
Besondere Kardinalitäten unendlicher Mengen bezeichnet man mit Symbolen.
So bezeichnet man die kleinste unendliche Kardinalzahl mit ℵ0 , was der Kardinalität von
N, beziehungsweise jeder abzählbaren unendlichen Menge, entspricht und die nächstgrößere
Kardinalzahl mit ℵ1 und wiederum die nächstgrößere Kardinalzahl mit ℵ2 usw. Dass je-
de Kardinalzahl einen Nachfolger hat, ist beweisbar, würde an dieser Stelle jedoch den
Rahmen dieser Seminararbeit sprengen, weshalb ich diese Aussage hier unbewiesen lassen
muss.

Im Kapitel zuvor haben wird darüber hinaus auch noch eine andere Folge von immer

15
Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

mächtiger werdenden unendlichen Mengen kennengelernt, nämlich die Folge

N ≺ P(N) ≺ P(P(N)) ≺ P(P(P(N))) ≺ ...

Auch den Kardinalitäten dieser Mengen gibt man eigene Symbole und man definiert

i0 = |N|, i1 = |P(N)|, i2 = |P(P(N))|, ...

Da die Kardinalzahl von N zum einen das Symbol ℵ0 erhielt, sie zum anderen jedoch
auch mit dem Symbol i0 bezeichnet wird, muss klar sein, dass

ℵ0 = |N| = i0

gelten muss.
Interessanterweise gilt, was hier unbewiesen bleiben muss, außerdem |R| = |P(N)| und
daher gilt
|R| = i1

Nach Definition ist ℵ1 die nächst größere Kardinalität nach ℵ0 und wir wissen in Anbe-
tracht des vorherigen Kapitels auch, dass i1 eine größere Kardinalität als i0 = ℵ0 ist.
Daher muss
i1 ≥ ℵ1
gelten!

Die Kontinuumshypothese, die in die Geschichtsbücher eingegangen ist, besagt:

i1 = ℵ1

In anderen Worten behauptet die Kontinuumshypothese, dass es keine Teilmenge von R


geben kann, die überabzählbar ist und deren Mächtigkeit geringer ist, als die Mächtigkeit
von R.

Diese Kontinuumshypothese ist deshalb so sehr bedeutend, da sie weder beweisbar ist,
noch widerlegbar. [[2], Seite 13]

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Paradoxien des Unendlichen Universität Wien

7 Literaturverzeichnis
[1] Breuer, R.[Red.]: Unendlichkeit (plus eins), Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft
Spezial 2005.

[2] Goldstern, M.: Mengenlehre: Hierarchie der Unendlichkeiten.


http://info.tuwien.ac.at/goldstern/papers/didaktik.pdf http://info.tuwien.ac.at/goldstern/
papers/didaktik.pdf

[3] Stillwell, J.: Wahrheit, Beweis, Unendlichkeit. Berlin, Heidelberg: Springer 2014.

8 Abbildungsverzeichnis
• Abbildung 1: Spiralförmiges Schema
teilweise übernommen aus: [1] Breuer, R.[Red.]: Unendlichkeit (plus eins), Heidel-
berg: Spektrum der Wissenschaft Spezial 2005.

• Abbildung 2: Spiralförmiger Weg


übernommen aus: [1]

• Abbildung 3: bijektive Abbildung


übernommen aus: [4] https://www.google.at/search?q=Bijektion & source=lnms &
tbm=isch & sa=X & ved=0ahUKEwjjr5Gp7KHUAhXOa1AKHWjsAagQ AUICy-
gC & biw=1202 & bih=631 # =5VNBW9tPQ2E9JM:

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