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17.12.

22, 13:03 Das Handbuch der Magischen Künste | musermeku

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Kunst & Kultur News

Das Handbuch der Magischen Künste

Im Berliner Gropius Bau ist aktuell in der Ausstellung „YOYI! Care, Repair,
Heal“ ein Handbuch der Magie zu sehen. Was hat es mit dem rätselhaften
Manuskript aus dem 18. Jhd. auf sich?

Aktuell zeigt der Berliner Gropius Bau die Ausstellung „YOYI! Care, Repair,
Heal“, in der sich 25 Kunstschaffende und Kollektive mit Themen wie der
Politisierung von Gesundheit, Indigenen Wissenssystemen, Dekolonisation und
den Rechten des Nicht-Menschlichen auseinandersetzen. Im Zentrum stehen dabei
verschiedene Konzepte von Fürsorge, Reparatur und Heilung. Eine der hier
vertretenen Künstlerinnen ist Johanna Hedva. In ihrer Arbeit „The Clock Is
Always Wrong“ (2022) fragt sie, wie man mit der Aussage „Zeit heilt alle
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Wunden“ umgehen soll, wenn sowohl Zeit als auch Heilung nicht existieren.
Damit verbunden ist die Frage, wie ein Körper, ob von Menschen, von Tieren,
von übernatürlichen Wesen oder sogar die Erde selbst, Zeit erkennen kann.
Diesen Fragen geht die Künstlerin anhand einer Auswahl historischer Objekte
und Manuskripte aus der Wellcome Collection nach, die mit Hexerei, Geburt,
Sexualität, Astrologie und Pflanzenkunde in Verbindung stehen. Ein Objekt
sticht dabei besonders heraus: Das „Compendium rarissimum totius Artis
Magicae“ – ein Handbuch der Magischen Künste. Doch was hat es mit diesem
rätselhaften Manuskript auf sich?

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Kabbalistische Symbole und dämonische Rituale: Compendium rarissimum


totius Artis Magicae sistematisatae per celeberrimos Artis hujus
Magistros. Anno 1057. Noli me tangere (1775) – Wellcome Collection –
Public Domain – S. 2r und 9r (beschnitten)

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„Die Gränz-Linie zwischen der Guten und Bösen Magia ist nur eine
Spinevebe. Darum ist es höchst gefährlich, sich in die Vissenschaft
selbst der Guten Magia einzulassen, ohne von einen veisen Mago die
dazu nötige Vorbereitung und Theorie ächt erlernt zu haben.“
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Compendium rarissimum totius Artis Magicae sistematisatae per celeberrimos Artis


hujus Magistros. Anno 1057. Noli me tangere (1775)

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Das Handbuch der Artis Magicae

Wie sieht eigentlich der Höllenhund Cerberus aus? Wie muss man sich das
Ungeheuer vorstellen, das den Ausgang des Fegefeuers bewacht? Und wie heißt
der Oberste der bösen Geister? Über all dies und auch darüber, wie man das
Reich der Dunklen Magie heraufbeschwört, gibt ein österreichisches Manuskript
aus dem Jahr 1775 Auskunft. Es trägt den Titel „Compendium rarissimum totius
Artis Magicae sistematisatae per celeberrimos Artis hujus Magistros. Anno
1057.“ Und weil mit Magie ist nicht zu spaßen ist, wird hier warnend ergänzt:
„Noli me tangere“ – also bitte nicht anfassen!

Die Publikation ist scheinbar ein Handbuch, das für Anfänger der Schwarzen
Magie gedacht ist. Natürlich ist es aus Sicherheitsgründen aber nur unter der
Anleitung eines fachkundigen „veisen Mago“ anzuwenden, wie der Titel betont.
Dieser kann dann mit Hilfe des Buches einführen in die nekromantische
Manipulation von Gehängten, in die Ausführung von Tieropfern oder in den
Konsum psychedelischer Substanzen, wie etwa Nachtschattengewächse wie
Schierling und Alraune. Durch diese Prozesse sollen den Schutzgeistern
verborgene Schätze entrissen werden, um das höchste Ziel des Schwarzmagiers
zu erreichen: eine höllische Verklärung und Vereinigung mit dem Teufel.

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Wamidal und das Ungeheuer: Compendium rarissimum totius Artis Magicae


sistematisatae per celeberrimos Artis hujus Magistros. Anno 1057. Noli
me tangere (1775) – Wellcome Collection – Public Domain – S. 25r und
23r (beschnitten)

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Geister-Beschwörung und Teufelspakt

Das Handbuch der Dunklen Magie ist übrigens nicht nur über die Sammlung der
Londoner Wellcome Collection zugänglich, sondern auch als Reproduktion
erhältlich. Die beiden Okkultismus-Experten Hereward Tilton und Merlin Cox
haben das Manuskript ins Englische übersetzt mit Kapiteln wie „Über die
Gerinnung. Narkose“ und „Kompendium der Operation“, aber auch „Namen der
bösen Geister, die beschworen werden sollen“ oder „Über den Pakt zwischen dem
Teufel und dem Menschen in der Nigromantie“. Schließlich erfährt man noch
alles Wissenswerte „Über die schwarze Magie im Allgemeinen“ sowie „Über den
kako-magischen Spiegel“.

Die Erläuterungen von Hilton und Cox geben auch Auskunft über die skurrilen
Bilddarstellungen von Dämonen im Manuskript. So sind etwa auf einer
Illustration zwei Männer dargestellt, die bei ihren Grabungsarbeiten von
einem riesigen Dämon aufgeschreckt werden. Die nackte Gestalt mit einem roten
gehörnten Kopf und Schnabel, grauen Flügeln und tierartigem Körper pinkelt
nicht nur in die Feuerschale der grabenden Männer, sondern reißt einen der
beiden auch an den Haaren, woraufhin dieser sein Buch mit magischen Sprüchen
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fallen lässt. Das Bild ist mit dem Text überschrieben: „Frevelhaftes
Schatzgraben ohne Käntnis der Operation.“

Wie in der Einleitung zur Publikation mit dem Titel „Touch Me Not“ von
Hereward Tilton erklärt wird, handelt es sich bei den beiden dargestellten
Männern um Schatzgräber. Die magische Schatzsuche war im 18. Jhd. in
Österreich ein weit verbreitetes Verbrechen. Der Aberglaube besagte, dass man
bei diesen Vorhaben die Schätze von Schutzgeistern erbeuten konnte. Wie die
Illustration im Manuskript zeigt, hatten die beiden Männer offensichtlich
keine Ahnung, auf was sie sich bei ihrer Grabung einlassen und haben einen
Dämon aufgeschreckt, der sie angreift.

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Der Fürst der Finsternis und Frevelhaftes Schatzgraben: Compendium


rarissimum totius Artis Magicae sistematisatae per celeberrimos Artis
hujus Magistros. Anno 1057. Noli me tangere (1775) – Wellcome
Collection – Public Domain – S. 19r und 16r (beschnitten)

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Magisches Horror-Comic

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Das Manuskript warnt, dass die Grenze zwischen Guter und Böser Magie dünn wie
eine Spinnwebe ist und es gefährlich sei, sich mit der Magie einzulassen. Die
einzige Möglichkeit, sich sicher mit dieser „Wissenschaft“ zu beschäftigen,
ist es von einem erfahrenen Magier die nötige Vorbereitung und Theorie zu
erlernen. Ein solches Lehrbuch könnte das „Compendium rarissimum totius Artis
Magicae“ sein, das laut Titel ja systematisch das Wissen „von den
berühmtesten Meistern dieser Kunst im Jahre 1057“ bündeln würde.

Tatsächlich war das Manuskript aus dem 18. Jhd. vermutlich aber nicht
wirklich als Lehrbuch der Dunklen Künste gedacht, sondern eher als eine Art
Horror-Comic, das sein Publikum mit schaurigen Bildern und Texten unterhalten
sollte. Damit wäre das „Compendium rarissimum totius Artis Magicae“ etwas
anderes als die sogenannten „Höllenzwänge“. Dies waren Zauberbücher, die
zwischen dem 17. und 19. Jhd. entstanden und die Idee verfolgten, dass man
mit alt-orientalischer Magie die Dämonen der Hölle zwingen könnte, die
Wünsche des Magiers auszuführen, der diese durch bestimmte Riten anruft. An
diese Werke war das vorliegende Manuskript vermutlich angelehnt, vielleicht
aber auch als Satire darauf gedacht.

Über die Entstehung des „Compendium rarissimum totius Artis Magicae“ ist
leider nur wenig bekannt. Das Buch auf Deutsch und Latein, das mit 31
Wasserfarben-Zeichnungen von Dämonen und drei Seiten mit magischen und
kabbalistischen Zeichen und Sigeln versehen ist, wurde 1928 von der Wellcome
Library von einem Antiquar namens V. A. Heck erworben. Woher die Publikation
ursprünglich stammt, bleibt aber bis heute rätselhaft.

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Asmoday und Operateur: Compendium rarissimum totius Artis Magicae


sistematisatae per celeberrimos Artis hujus Magistros. Anno 1057. Noli
me tangere (1775) – Wellcome Collection – Public Domain – S. 42v und
48v (beschnitten)

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YOYI! Care, Repair, Heal

16.September 2022 bis 15. Januar 2023

Gropius Bau, Berlin

Mehr zur Ausstellung

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Die Publikation „Touch Me Not. A Most Rare Compendium of the Whole Magical
Art“, herausgegeben von Hereward Tilton und Merlin Cox, ist 2017 bei Fulgur
erschienen (ISBN 9781527228832). Der Band auf Englisch umfasst eine
Reproduktion des historischen Manuskripts mit farbigen Abbildungen, die aus
dem Deutschen und Lateinischen ins Englische übersetzten Texte sowie Beiträge
der Herausgeber.

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