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TABU-FAKTEN
ZWEITER WELTKRIEG
Band2
Titelfoto:
Die »Großen Drei« während der Teheraner Konferenz;
von links nach rechts: Josef Stalin, Franklin D. Roosevelt,
Winston Churchill. (Fotoquelle: https://commons.wiki
media.org/wiki/File:Tehran_Conference,_1943.jpg)
7
muss endlich Schluss sein mit einer einseitigen, sub
jektiven Geschichtsbetrachtung, müssen die vielen re
nommierten und namhaften Historiker, Völkerrecht
ler und andere Experten (vor allem aus dem Ausland)
gehört werden, um ein objektives Bild dieser furcht
baren Epoche zu bekommen!
Im »Geiste dieser Objektivität« ist dieses Buch ge
schrieben.
8
Vorwort
9
Tabu-Themen zu den herkömmlich völlig unbekann
ten Giftgas- und Biowaffen-Plänen der Alliierten.
Ebenso den kriegsverbrecherischen Angriffen auf das
neutrale Territorium des Vatikans sowie der vollkom
menen Auslöschung des Staates Preußen, samt seines
Gedankengutes und seiner jahrhundertealten Tradi
tion.
Vor allem der letzte Aspekt wird in Deutschland,
aber auch von den alliierten Siegermächten, mitunter
falsch dargestellt. Preußen wurde eines Militarismus
beschuldigt, der so vor der objektiven Geschichts
schreibung keinen Bestand hat. Dennoch wurde auf
grund dieser scheinbaren »Keimzelle der säbelras
selnden, kriegslüstemen Preußen« versucht, alles,
was damit zu tun hat, aus dem kollektiven deutschen
Gedächtnis zu tilgen.
Der australische Historiker Christopher Clark er
klärt dazu, wie die Alliierten dachten: »Preußen war
der eigentliche Ursprung der deutschen ,Krankheit',
die Europa ins Unglück gestürzt hatte. Preußen war
der Grund, warum Deutschland den Pfad des Frie
dens und der politischen Modeme verlassen hatte ( ...)
Dass Preußen von der politischen Landkarte Europas
verschwand, war daher zumindest symbolisch eine
Notwendigkeit. Seine Geschichte war ,zum Alb ge
worden, der auf dem Gehirne der Lebenden las
tete.' «6
Und an anderer Stelle: »Die westlichen Alliierten
waren überzeugt, dass der Nationalsozialismus
10
nichts weiter als die jüngste Manifestation des Preu
ßentums war. Dabei konnten sie sich auf eine beein
druckende intellektuelle Tradition der Preußenfeind
lichkeit stützen, die bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges zurückreichte.« 7
All das waren und sind Halbwahrheiten, Mythen
und Lügen, wurden doch sämtliche positiven Attri
bute Preußens ausgeblendet. So wurde unter ande
rem unter Preußens Herrschern der eigentliche libe
rale »Rechtsstaat« begründet, der schon früh Flücht
linge aus allen Herren Länder aufnahm und durch
die sogenannten »Judenemanzipation« Bedingungen
für Juden schuf, die damals wohl einzigartig in Eu
ropa waren. Alle Religionen durften ihren Glauben
praktizieren. Verschiedene Reformen machten Preu
ßen fortschrittlicher als seine Nachbarn. Demokrati
sche Grundsätze wurden in einer monarchistischen
Regierung eingeführt. Nicht zu vergessen sind vor al
lem die von Reichskanzler Otto von Bismarcks initi
ierten, weitreichenden Sozialgesetze (Kranken-, Un
fall-, Renten-, Invaliditäts- und Altersversicherung),
die dem preußischen Selbstverständnis von der Für
sorgepflicht des Staates gegenüber den anvertrauten
Bürgern entsprach. Damit schuf Preußen (Bismarck)
nicht weniger als die Grundlage für die Entwicklung
des Wohlfahrt- und Sozialstaates, den wir bis heute
haben.
Auch die Tatsache, dass zwei Drittel der Verschwö
rer gegen Hitler vom 20. Juli 1944 aus dem preu-
11
ßischen Milieu (Adel, Offiziere, Beamte) stammten
und sich gemeinsam mit den Arbeiterführern (Ge
werkschaftsführen) des Landes gegen die nationalso
zialistische Diktatur auflehnten, wird herkömmlich
unter den Tisch gekehrt.
Der wahre Grund für die Auslöschung Preußens
war wohl die »Furcht« der Alliierten vor diesem ein
zigartigen Staat in Europa, wie ich eindrucksvoll dar
stellen werde.
Hans-Joachim Schoeps bemerkte diesbezüglich in
Preußen - Geschichte eines Staates folgerichtig: »Preu
ßen war der einzige deutsche Staat, »der mehr als ein
Staat war, mit dem sich eine Idee verknüpft hat,
durch die Menschen gebunden wurden und vielleicht
noch heute gebunden werden können (Schoeps).«8
Ebenso dürfte den geneigten Leser interessieren,
wie viel und wie lange Deutschland - vor allem durch
die unheilvolle Bürde des Versailler Vertrages - für
den Ersten und Zweiten Weltkrieg zahlen musste.
Auch die »wahren« Pläne der Alliierten für Nach
kriegsdeutschland werden hier beleuchtet, die mitun
ter so unfassbar waren, dass sie schnell negiert wur
den. Allerdings mit nur mäßigem Erfolg ...
Kurzum: All diese äußerst brisanten Themen wer
den Sie so - oder überhaupt nicht - in hiesigen Ge
schichtsbüchern finden. Nichtsdestotrotz entspre
chen sie historischen Fakten, die mit Erscheinen die
ses Buches nicht länger verdrängt, vergessen oder
verschwiegen werden können.
12
Dieses Vorwort möchte ich mit den Worten schlie
ßen, die ich im Kapitel zur Auslöschung Preußens
schrieb: »Letztlich wurde Preußen und alles Preußi
sche von den Alliierten nicht nur als geografisches
Land sowie als Staatsmacht getilgt, sondern auch ver
sucht, seine Geschichte als Spiegelbild des kol
lektiven Bewusstseins, seine politische Kultur und
seine Tradition gänzlich zu vernichten. Denn Preu
ßen war gefährlich und ist es in den Gehirnen jener
immer noch.«
Guido Grandt
13
1. Vergessen: »Letzte Reparationsrate im
Jahr 2010« - So viel und so lange musste
Deutschland für die beiden verlorenen
Weltkriege zahlen!
14
- Ecuador
-Griechenland
- Guatemala
- Haiti
-das Haschemitische Königreich Hedschas (bis 1924
in Eigenbezeichnung Königreich Arabien)
- Honduras
-Liberia
- Nicaragua
-Panama
-Peru
- Polen
-Portugal
-Rumänien
- das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen
-Siam
- die Tschechoslowakei
- und Uruguay
15
Abb. 1: Vertragsunterzeichnung in der Spiegelgale
riedes Schlosses von Versailles 1919. Vordere Reihe: Dr.
Johannes Bell (Deutschland) unterzeichnend mit Her
mann Müller über ihn gebeugt. Mittlere Reihe (sitzend,
von links nach rechts): Generall Tasker H. Bliss, Kol.
E.M. House, Henry White, Robert Lansing, Präsident
Woodrow Wilson (Vereinigte Staaten); Georges Cle
menceau (Frankreich); D. Lloyd George, A. Bonar
Law, Arthur J Balfour, Viscount Milner, G.N. Bames
(Großbritannien); Der Marquis Saionzi (Japan).
16
Hintere Reihe (von links nach rechts): Eleftherios Venize
los (Griechenland); Dr. Affonso Costa (Portugal);
Lord Riddell (Britische Presse); Sir George E Poster
(Kanada); Nikola Pachitch (Serbien); Stephen Pichon
(Frankreich); Kol. Sir Maurice Hankey, Edwin S Mon
tagu (Großbritannien); der Maharadscha von Bikaner
(Indien); Vittorio Emanuele Orlando (Italien); Paul
Hymans (Belgien); Generall Louis Botha (Südafrika);
W.M. Hughes (Australien).
(Bildquelle: Imperial War Museum Sammlungen
(https://commons. wikirnedia.org/wiki/File:William_Orpen_-
_The_Signing_of_Peace_in_the_Hall_of_Mirrors,_Versailles.jpg))
17
Verhandlungen für günstigere Bedingungen. Ganz
im Gegenteil wurde eine »Annahmefrist« nach der
Übergabe der endgültigen Vertragsversion von sie
ben Tagen festgelegt. Letztlich stimmte die Verfas
sungsgebende Nationalversammlung in Weimar am
23. Juni 1919 mit 237 zu 138 Stimmen, bei 5 Enthaltun
gen dem katastrophalen Versailler Vertrag zu.
18
Am 12. August 1919 wurde im Deutschen Reichsgesetz
blatt der komplette, dreisprachige Vertragstext (»Ge
setz über den Friedensschluss zwischen Deutschland
---
und den assoziierten Mächten«) veröffentlicht.
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�� J919 .
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Abb. 3
(Bildquelle: HathiTrust , ergänzt mit selbstgescannten Seiten
vom Buch Eigenen (https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Deutsches_Reichsgesetzblatt_1919_140_0687.jpg)
19
Der Versailler Vertrag erklärte das Deutsche Reich
und seine Verbündeten (Mittelmeermächte) zu den
»Alleinverantwortlichen« des Ersten Weltkriegs.
Dazu hieß es im sogenannten »Kriegsschuldartikel«:
Teil VIII.
Wiedergutmachungen.
Abschnitt I.
Allgemeine Bestimmungen.
Artikel 231.
20
Die Ermordung Franz Ferdinands d'Este, Erzher
zog und Thronfolger von Österreich-Ungarn und sei
ner Gemahlin Sophie Chotek am 28.Juni 1914, lösten
die größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts aus,
die für eine bislang nie dagewesene globale Umwäl
zung sorgten: Den Ersten Weltkrieg und durch die
Folgeereignisse auch den Zweiten Weltkrieg. Was auf
das Attentat folgte, war eine »Jahrhundertvertu
schung« bezüglich der wahren Hintergründe und
Drahtzieher. Vor allem hinsichtlich der Mitverschwö
rung und Mitbeteiligung der Freimaurerei an diesem
historischen Doppelmord. Das Buch, das ich dazu
verfasst habe, ist alles andere als ein » Verschwö
rungspamphlet«! Ganz im Gegenteil zeigt es doch ge
rade die Fakten einer Verschwörung auf! Akribisch
beleuchte ich die Vertuschung dieses sicher folgen
schwersten Mordkomplotts, die landläufig keinen
Einzug in die offiziellen Geschichtsbücher fand. Auch
der australische Historiker Christopher Clark er
kannte, dass dabei politische Akteure zu »reinen aus
führenden Organen der Kräfte« wurden, die »sich
längst etabliert haben und ihrer Kontrolle entziehen
(...) Der Ausbruch des Krieges war der Höhepunkt in
einer Kette von Entscheidungen, die von politischen
Akteuren mit bewussten Zielen getroffen wurden ( ... )
Nationalismus, Rüstung, Bündnisse und Hochfinanz
waren allesamt Teil der Geschichte (...)« 10
Die kanadische Historikerin Margaret MacMillan,
die Urenkelin des britischen Premierministers David
21
Lloyd George, die Neuere Geschichte an der Univer
sity of Oxford lehrt, schrieb: »Fast alle 1919 in Paris
Versammelten waren der Ansicht, dass Deutschland
schuld am Kriegsausbruch war (Zweifel daran tauch
ten erst später auf). « 1 1
Der Versailler Vertrag trat a m 10. Januar 1920 in
Kraft und bürdete den Deutschen eine schwere und
eigentlich untragbare Last auf. Unter anderem sah
dieser Kontrakt Gebietsabtretungen, Auslieferung
von Kriegsverbrechern und die Reduzierung der
Truppenstärke vor. So verlor das DeutscheReich alle
Kolonien und etwa 13 Prozent seines Territoriums
(rund 70.000 Quadratkilometer): Das Memelgebiet
ging an Litauen, Teile Posens, Westpreußens und
Oberschlesiens an Polen, Nordschleswig an Däne
mark, das Hultschiner Ländchen an die Tschechoslo
wakei, Elsass-Lothringen an Frankreich, Eupen
Malmedy an Belgien. Danzig kam als freie Stadt und
die Hoheit des Völkerbundes und das Saargebiet
wurde fünfzehn Jahre lang unter dessen Verwaltung
gestellt. Der Bevölkerungsverlust betrug rund zehn
Prozent. Ebenso gab es erhebliche Ressourcenver
luste, wie etwa die Eisenerzproduktion, die um zirka
50 Prozent sank, die Steinkohleförderung um 25 Pro
zent. Auch die Kartoffelernte ging um 17 Prozent so
wie die Weizenernte um 13 Prozent zurück.
Die »Bestimmungen über Landheer, Seemacht und
Luftfahrt« des Versailler Vertrages (Artikel 159-213)
sahen unter anderem Folgendes vor:
22
- Umfang der Berufsarmee maximal 100.000 Mann
(einschließlich von höchstens 4.000 Offizieren).
- Auflösung des Großen Generalstabs.
-Keine allgemeine Wehrpflicht.
- Verbot von Mobilmachungsmaßnahmen, Militär-
missionen und militärischen Vereinen.
- Verbot chemischer Kampfstoffe.
- Beschränkung der Waffenvorräte.
-Verbot von Luftstreitkräften, Panzern und schwerer
Artillerie.
- Verbot des Festungsbaus entlang der deutschen
Grenze sowie Befestigung von Artillerie zwischen
Ost- und Nordsee.
-Abgabe beziehungsweise Anzeige sämtlicher Mili
tärwaffen in zivilem Besitz. 12
Neben diesen massiven »Wiedergutmachungsleis
tungen« wurden zusätzliche »Reparationszahlun
gen« erhoben. Das heißt, Deutschland wurde zum Er
satz der gesamten, den Alliierten im Ersten Weltkrieg
entstandenen, Kriegsschäden an der Zivilbevölke
rung und an ihrem Eigentum verpflichtet. Und das,
obwohl das Land am Boden lag; in finanzieller und
wirtschaftlicher Hinsicht.
Letztlich erlaubte dies den Siegermächten eine Be
rechnung der Reparationshöhe in beliebiger Höhe,
ohne auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirt
schaft Rücksicht zu nehmen. Dieser »Schadensersatz
anspruch«, dem man dem Deutschen Reich auf
drückte, war damit auch ein machtpolitisches Mittel.
23
Vor allem für Frankreich, denn dort verfolgten die
»Falken« in der Regierung mit der Reparationspolitik
nicht nur eine Kompensation der Kriegsschäden, son
dern die Beseitigung zukünftiger Bedrohungen
durch Deutschland. Zudem gab es natürlich einen
»Technologietransfer« an die Alliierten, was bei
spielsweise an der Übergabe der Eisenbahnen und
�-
Luftschiffe zu ersehen ist.
vm. :l'cit
.. .............
Abb. 4
24
Screenshot/Bildzitat: http://www.ub.uni
koeln.de/cdm/pageflip/collection/dirksen/id/370606/type/compo
undobject/show/370308/cpdtype/monograph/pftype/image#pag
e/124/mode/2up
25
- Belgien: 8 %
-Serbien: 5%
-Rumänien Portugal, Japan: 3 %1 3
Teil IX.
Finanzielle Bestimmungen.
A rtikel 248.
26
Bis zum 1. Mai 192 1 darf die deutsche Regierung ohne
vorherige Zustimmung der durch den Wiedergutma
chungsausschuß vertretenen alliierten und assoziierten
Mächte weder Gold ausführen oder darüber verfügen
noch seine Ausfuhr oder die Verfügung darüber zu gestat
ten.
Artikel 249.
27
assoziierten Regierungen in den besetzten Gebieten beru
hen, in Mark zum Tageskurs oder zu dem von Deutschland
zugestandenem [engl. Text: "zum vereinbarten ") Kurse zu
erstatten. Alle anderen oben aufgeführten Ausgaben sind
in Mark Gold zu bezahlen.
Artikel 250.
28
Nicht gutgeschrieben wird der deutschen Regierung das
Gut der alliierten und assoziierten Regierungen oder ihrer
Staatsangehörigen, das auf Grund der Waffenstillstands
verträge in Natur zurückgegeben oder ausgeliefert worden
ist.
Artikel 251.
29
Bedingungen, die von den alliierten und assoziierten Re
gierungen festgesetzt worden sind oder noch werden.
Artikel 252.
Artikel 253.
Artikel 254.
30
1. eines Teiles der Schuld des Deutschen Reiches nach ih
rem Stande vom 1 . August 1914. Der Wiedergutma
chungsausschuß bezeichnet eine bestimmte Gattung von
Einkünften, die nach seinem Urteil des rechte Bild von der
Zahlungsfähigkeit der abgetretenen Gebiete ergeben. Der
zu übernehmende Anteil wird alsdann nach dem Durch
schnitt der drei Rechnungsjahre 191 1, 1912 und 1913 auf
Grund des Verhältnisses berechnet, in dem diese Einkünfte
in dem abgetrennten Gebietsteil zu den entsprechenden
Einkünften des gesamten Deutschen Reichs stehen.
2. eines Teiles der am 1. August 1914 bestehenden Schuld
des deutschen Staates, dem das abgetrennte Gebiet ange
hörte. Die Berechnung erfolgt nach dem gleichen Grund
satz wie oben.
Diese Anteile werden von dem Widergutmachungsaus
schuss festgesetzt. Die Art der Erfü.Ilung der so übernom
menen Verpflichtung an Kapital und Zinsen wird von dem
Wiedergutmachungsausschuß festgesetzt. Sie kann unter
anderem die Form haben, dass die erwerbende Regierung
die Verpflichtungen Deutschlands aus den deutschen
Schuldverschreibungen, die sich in Händen ihrer eigenen
Staatsangehörigen befinden, übernimmt. Falls aber die an
gewandte Methode Zahlungen an die deutsche Regierung
selbst mit sich brächte, erfolgen dieses Zahlungen statt des
sen an den Wiedergutmachungsausschuß in Anrechnung
auf die deutsche Wiedergutmachungsschuld, solange auf
diese noch irgendein Betrag rückständig ist.
31
Artikel 255.
Artikel 256.
32
Wiedergutmachungsausschuß festgestellt und von dem er
werbenden Staate an diesen bezahlt, um der deutschen Re
gierung auf die Wiedergutmachungsschuld gutgeschrieben
zu werden.
Im Sinne dieses A rtikels gilt das gesamte Eigentum der
Krone, des Deutschen Reichs und der deutschen Staaten
sowie das Privateigentum des vormaligen deutschen Kai
sers und der anderen königlichen Personen als zum Gut
und Eigentum des Deutschen Reichs und der deutschen
Staaten gehörig.
In Anbetracht der Bedingungen, unter denen im Jahre
1871 Elsaß-Lothringen an Deutschland abgetreten worden
ist, wird Frankreich mit Bezug auf Elsaß-Lothringen von
jeder im gegenwärtigen Artikel vorgesehenen Zahlung
oder Gutschrift zugunsten Deutschlands für den Wert des
in Elsaß-Lothringen belegenen und dem Reich oder den
deutschen Staaten gehörigen Guts und Eigentums befreit.
Ebenso wird Belgien von jeder Zahlung oder Gutschrift
zugunsten Deutschlands für den Wert des dem Reiche oder
der deutschen Staaten gehörigen und in den auf Grund des
gegenwärtigen Vertrags an Belgien fallenden Gebietsteilen
belegenen Guts und Eigentums befreit.
Artikel 257.
33
treten, so übernimmt weder das Gebiet noch die Mandatar
macht einen Teil des Schuldendienstes des Reichs oder der
deutschen Staaten. Alles dem Reiche oder den deutschen
Staaten gehörige und in solchen Gebieten belegene Gut und
Eigentum geht zugleich mit den Gebieten auf die Manda
tarmacht als solche über, und es ist aus Anlaß dieses Über
ganges keinerlei Zahlung oder Gutschrift zugunsten jener
Regierungen zu bewirken.
Im Sinne dieses Artikels gilt das gesamte Eigentum der
Krone, des Deutschen Reichs und der deutschen Staaten
sowie das Privateigentum des vormaligen deutschen Kai
sers und der anderen königlichen Personen als zum Gut
und Eigentum des Deutschen Reichs und der deutschen
Staaten gehörig.
Artikel 258.
34
Artikel 259.
35
sehen Finanzministerium im November 1918 als Anschaf
fung far die im Mai 1919 fällige Zahlung far den Dienst
der inneren türkischen Anleihe überwiesen hat.
5. Deutschland verpflichtet sich, binnen einem Monat
nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags den alliier
ten und assoziierten Hauptmächten alle Goldsummen aus
zuantworten, die Deutschland oder seine Angehörigen aus
Anlaß der von ihnen der österreichisch-ungarischen Regie
rung gewährten Vorschüsse als Pfand oder sonstige Sicher
heit überwiesen wurden.
6. Deutschland bestätigt seinen im A rtikel XV des Waf
fenstillstandsvertrag vom 1 1. November 1918 ausgespro
chenen Verzicht auf alle Vorteile aus den Bestimmungen
der Verträge von Bukarest und Brest-Litowsk und ihrer
Zusatz-Verträge. Die Bestimmung des Arti
kel 292 Teil X (W irtschaftliche Bestimmungen) des gegen
wärtigen Vertrags bleibt unberührt.
Es verpflichtet sich, alles, was es an Zahlungsmitteln,
Bargeld, Werten, begebbaren Handelspapieren oder Er
zeugnissen auf Grund der vorgenannten Verträge erhalten
hat, je nachdem auf Rumänien oder auf die alliierten und
assoziierten Hauptmächte zu übertragen.
7. Die Art und Weise der Verwendung der auf Grund der
Bestimmungen dieses Artikels zu liefernden, zu zahlenden
oder zu übertragenen Barbeträge, Zahlungsmittel, Werte
und Erzeugnisse aller Art wird von den alliierten und as
soziierten Hauptmächten später bestimmt.
36
Artikel 260.
37
mitteln, einerlei, ob die Rechte und Beteiligungen bereits
erworben oder nur A nwartschaften oder noch nicht ausge
übt sind, und hat zugunsten der alliierten und assoziierten
Mächte sowohl in seinem eigenen Namen wie in dem seiner
Angehörigen auf alle obigen Rechte und Beteiligungen, die
in der vorgenannten List etwa nicht verzeichnet sind, zu
verzichten.
Artikel 261.
Artikel 262.
38
Artikel 263.
[ .. .]
39
Abb. 5: Vor demReichstagsgebäude finden
Demonstrationen gegen den Versailler
Friedensvertrag statt (15. Mai 1919)
(Fotoquelle: https://www.bpb.de/izpb/55958/karnpf-um-die
republik-1919-1923) (https://comrnons. wikirnedia.org/wiki/File:
Mass_dernonstration_in_front_of_the_Reichstag_against_the_
Treaty_of_Versailles.jpg)
40
Alliierten zu erreichen. Anfänglich versuchten sie
dabei im Rahmen einer , Erfüllungspolitik' die Uner
fü llbarkeit der alliierten Reparationsforderungen
nachzuweisen. Das Hauptziel deutscher Außenpoli
tik in der Weimarer Republik war die Revision des
Versailler Vertrages insgesamt.« Und: »Die außen
politische Auseinandersetzung um Reparationsleis
tungen eskalierte schließlich zwischen Deutschland
und Frankreich in der Besetzung des Ruhrgebietes
durch französische und belgische Truppen, die un
ter Hinweis auf angeblich unvollständige deutsche
Reparationsleistungen im Januar 1923 erfolgte. Die
Reichsregierung versuchte ihr durch eine Politik des
passiven Widerstandes zu begegnen. Letzterer
wurde durch eine starke Ankurbelung der Geldpro
duktion finanziert, was eine Hyperinflation im
Deutschen Reich zu Folge hatte. Die rasante Geld
entwertung, die zahlreiche private Vermögen und
Ersparnisse in Deutschland vernichtete, konnte erst
durch eine Währungsreform im November 1 923 -
mit der eine neue Währungsordnung in Kraft trat -
erfolgreich beendet werden.«
1 924 wurden im sogenannten Dawes-Plan versucht,
die Reparationszahlungen an die Leistungsfähigkeit
der deutschen Wirtschaft auf eine jährliche Höhe von
2,5 Milliarden Reichsmark festzulegen, was immer
noch zu hoch war. 1929 folgte der Young-Plan, der die
deutschen Verpflichtungen auf jährlich 2 Milliarden
Reichsmark für 27 Jahre bestimmte. Infolge der Welt-
41
wirtschaftskrise wurde natürlich auch Deutschland
zahlungsunfähig.
Im Hoover-Moratorium von 1931 und auf der Konfe
renz von Lausanne 1932 wurde weiteres festgelegt.
Erneut zitiere ich den Wissenschaftlichen Dienst des
Deutschen Bundestages (Fachbereich WD 1: Geschichte,
Zeitgeschichte und Politik):
»Vor dem Hintergrund der Ende der 1920er Jahre
ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise, in deren Folge
es auch in Deutschland unter anderem zu einem star
ken Anstieg der Arbeitslosigkeit, einem deutlichen
Rückgang der Produktion, einer Krise der Banken
und einer Verschärfung der Finanzsituation der öf
fentlichen Haushalte kam, wurden mit dem ,Hoover
Moratorium' vom 20. Juni 1931 alle internationalen
Zahlungsverpflichtungen ausgesetzt und die deut
schen Reparationen für ein Jahr gestundet. Mit dem
Abkommen von Lausanne vom 9. Juli 1932 wurden
nicht nur die Bestimmungen des ,Young-Plans' auf
gehoben, sondern faktisch auch das Ende der deut
schen Reparationsverpflichtungen beschlossen. Den
Deutschen wurde auf der Konferenz ein Ende aller
Reparationsleistungen gegen eine letztmalige Ein
malzahlung von drei Milliarden Goldmark angebo
ten. « Und: »Zu einer Verwirklichung des Abkommen
bzw. zur Leistung der Abschlusszahlung von deut
scher Seite kam es aber nicht mehr. Allerdings stan
den die ,Dawes-Anleihe' sowie die ,Young-Anleihe',
die als Anschubfinanzierungen für deutsche
42
Reparationszahlungen gedient hatten, in keinem un
mittelbaren Zusammenhang zu den Reparationsrege
lungen nach dem Ersten Weltkrieg. Sie fielen nicht
unter den Reparationsstopp der Lausanner Konfe
renz vom Juli 1932, da es sich bei ihnen um finanzielle
Verpflichtungen des Deutschen Reiches gegenüber
privaten Gläubigem aus diversen Ländern gehandelt
hatte.«
Franz von Papen erreichte 1932 die diesbezügliche
Schlusszahlung von 3 Milliarden Reichsmark. Hitler
hingegen lehnte später die Zahlung von Reparatio
nen ab ... 16
Der britische Premierminister David Lloyd George
(1863-1945) ersah selbst die Gefahr, die sich aus die
sem Versailler Vertrag für den Frieden ergab. In einer
Denkschrift vom 26. März 1919 schrieb er folgerich
tig: »Sie mögen Deutschland seiner Kolonien berau
ben, seine Rüstungen zu einer bloßen Polizeimacht
und seine Flotte zu einer Macht fünften Grades her
absetzen. Es ist schließlich alles gleich, wenn es sich
im Frieden von 1919 ungerecht behandelt fühlt, wird
es Mittel finden, um an seinen Besiegern Rache zu
nehmen (...) Unsere Bedingungen dürfen hart, sogar
erbarmungslos sein, aber gleichzeitig können sie so
gerecht sein, dass ein Land, dem sie auferlegt werden,
in seinem Herzen fühlen wird, dass es kein Recht zur
Klage hat. Aber Ungerechtigkeit und Anmaßung,
ausgespielt in der Stunde des Triumphes, werden nie
vergessen und vergeben werden. Aus diesem Grunde
43
bin ich auf das Schärfste dagegen, mehr Deutsche, als
unerlässlich nötig ist, der deutschen Herrschaft zu
entziehen, um sie einer anderen Nation zu unterstel
len. « Weiter: »Ich kann kaum eine stärkere Ursache
für einen künftigen Krieg erblicken, als dass das deut
sche Volk, das sich zweifellos als eine der kraftvolls
ten und mächtigsten Rassen der Welt erwiesen hat,
rings von einer Anzahl kleinerer Staaten umgeben
werden soll, von denen viele aus Völkern bestehen,
die noch nie vorher eine selbständigeRegierung auf
gestellt haben, aber jedes breite Massen von Deut
schen umschließt, die die Vereinigung mit ihrem Hei
matland fordern.« Und: »Der Vorschlag der polni
schen Kommission, 2 100 000 Deutsche der Aufsicht
eines Volkes von anderer Religion zu unterstellen,
das noch nie im Laufe seiner Geschichte die Fähigkeit
zur Selbstregierung bewiesen hat, muss meiner Beur
teilung nach früher oder später zu einem neuen Krieg
in Osteuropa führen (...) Von jedem Standpunkt aus,
will mir daher scheinen, müssen wir uns bemühen,
eine Ordnung des Friedens zu entwerfen, als wären
wir unparteiische Schiedsrichter, die die Leidenschaf
ten des Krieges vergessen haben. «17
44
Abb. 6: David Lloyd George, 1 . Earl Lloyd-George
von Dwyfor (1909)
(Fotoquelle: Haines/ https://archive.org/strearn/bub_gb_
gdwRAAAAYAAJ_2/bub_gb_gdwRAAAAYAAJ#page/n363/
mode/2up (https://commons. wikimedia.org/wiki/File:
Photograph_of_David_Lloyd_George.jpg))
45
David Lloyd George mahnende Worte sollten sich
nur zwanzig Jahre später auf eine unheilvolle Weise
erfüllen. Der Versailler Vertrag wurde in Deutschland
von fast allen als ungerecht empfunden und eigent
lich von nahezu allen politischen Kräften abgelehnt.
So ermöglichte er auch den Nationalsozialisten, die
Massen im Kampf gegen diese historische »Unge
rechtigkeit« zu mobilisieren.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundesta
ges (Fachbereich WO 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Po
litik: »Die nationalsozialistische Reichsregierung
stellte dennoch bereits im Jahr 1934 ungeachtet aller
vom Deutschen Reich eingegangenen Verpflichtun
gen den Zinsdienst aus beiden Anleihen für fast alle
Tranchen im Jahr 1934 ein. Gemessen an der ur
sprünglich für Deutschland von den alliierten Sieger
mächten nach Ende des Ersten Weltkrieges vorgege
benen Reparationssumme, ist bis zum Juli 1932, als
auf der Reparationskonferenz von Lausanne das fak
tische Ende der deutschen Reparationsleistungen be
schlossen wurde, tatsächlich ein Teilbetrag davon ge
zahlt worden. Allerdings ist sich die historische For
schung bis heute nicht darüber einig, wie viele Repa
rationen Deutschland bis zum Ende der Weimarer
Republik tatsächlich gezahlt hat. Einige Schätzungen
gehen von einer Summe in Höhe von rund 25 Milli
arden Goldmark (Deutsches Historisches Museum
2008c) aus.«
Weiter: »Auch wenn die Reparationszahlungen im
46
historischen Rückblick für die Weimarer Republik fi
nanz- und wirtschaftspolitisch eine bedingte Belas
tung darstellten, führten sie innenpolitisch - insbe
sondere in der Auseinandersetzung der demokrati
schen Parteien und der von ihnen getragenen Reichs
regierungen mit den antidemokratischen Kräften der
extremen politischen Rechten - zu einer ernsthaften
Belastungsprobe für die erste deutsche Republik. Die
Reparationsfrage und mit ihr die Kriegschuldfrage
wurde nach 1918 von der extremen Rechten neben
der so genannten ,Dolchstoßlegende' (eine Verschwö
rungstherorie, die die Schuld der militärischen Nie
derlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg
u.a. der Sozialdemokratie und dem »bolschewisti
schen Judentum« gibt/GG) als zentrales Instrument
zur innenpolitischen Mobilisierung der antidemokra
tischen Kräfte und zur Bekämpfung der Weimarer
Republik verwendet.«
Und: »Dabei verschwiegen sie bewusst, dass im sel
ben Zeitraum, in dem Deutschland die von ihnen an
geprangerten Reparationsraten in Milliardenhöhe
entrichtete, im Rahmen von verschiedenen öffentli
chen und privaten Anleihen hohe Summen ausländi
schen Kapitals nach Deutschland flossen und dort
wichtige wirtschaftliche Impulse auslösten. « 18
Nachfolgend die Faksimile des »Friedensvertrags
von Versailles und Schlussprotokoll und Rheinland
statut sowie Mantelnote und deutsche Ausführungs
bestimmungen:
47
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w/370308/ cpdtype/monograph/pftype/image#page/4/mode/2up
48
Abb. 8
Screenshot/Bildzitat: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/
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Abb. 9
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50
Abb. 10
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Abb. 11
Screenshot/Bildzitat: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/
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w/370308/cpdtype/monograph/pftype/image#page/4/mode/2up
52
Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg verlor das
Deutsche Reich, gemessen an den Grenzen von 1 937,
rund 1 14.000 Quadratkilometer (24 Prozent) seines
Staatsgebietes ( darunter Pommern, Schlesien, Ost
preußen und Ostbrandenburg) und einem damit ein
hergehenden Bevölkerungsverlust von etwa 9,6 Mil
lionen Menschen. 1 9
Die Reparationszahlungen Deutschlands (1945-1952)
nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf 320 Milliar
den US-Dollar bestimmt. Aber auch diese Summe war
angesichts des in weiten Teilen zerstörten Landes und
seiner völlig am Boden liegenden Wirtschaft nicht zu er
bringen. Schließlich wurden 16,2 Milliarden Deutsche
Mark und 1952 7 Milliarden Deutsche Mark als Nach
kriegsschulden sowie 7,3 Milliarden Deutsche Mark für
Vorkriegsschulden festgelegt. Nicht zu vergessen, dass
dies vor dem Hintergrund des aufziehenden Kalten
Krieges zwischen den Siegermächten der USA und der
Sowjetunion geschah. Denn die unterschiedlichen
Staatsformen - auf der einen Seite die liberale, demo
kratische und marktwirtschaftliche Ideologie und auf
der anderen die kommunistische, planwirtschaftliche
und einparteiliche Ideologie - entzweiten die einstigen
Verbündeten. Dementsprechend wollten die Westalli
ierten ihre Besatzungszonen (in Deutschland) als spä
tere Bündnis- und Handelspartner sehen.20
Erneut zitiere ich als Quelle dazu den Wissenschaft
lichen Dienst des Deutschen Bundestages (Fachbereich
WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik:
53
»Das von der Bundesrepublik Deutschland am 27.
Februar 1953 unterzeichnete und am 24. August 1953
ratifizierte ,Abkommen über Deutsche Auslands
schulden' (,Londoner Schuldenabkommen') regelt
die deutschen Auslandsschulden bei annährend 65
Gläubigerstaaten (Bundesministerium der Finanzen
2003: 91).«
Doch neben diesen »eigentlichen Staatsschulden«
wurden noch andere »öffentliche Verbindlichkeiten«,
wie es hieß, berücksichtigt, wie beispielsweise die der
ehemaligen Reichbahn sowie die offenen Auslands
schulden deutscher Unternehmer oder Einzelpersonen.
»Im Ergebnis wurden der Bundesrepublik ein gro
ßer Teil der Auslandsschulden erlassen. Gleichzeitig
erklärte sich die Bundesrepublik vertraglich zu einer
Rückzahlung von Teilen ihrer ausländischen Staats
schulden bereit. Die Gesamthöhe der durch das Lon
doner Schuldenabkommen erfassten Vor- und Nach
kriegsschulden beliefen sich auf insgesamt 14,5 Milli
arden DM (Bundesministerium der Finanzen 2003:
92/93) Mit dem Abkommen erlangte die Bundesre
publik nach dem Zweiten Weltkrieg wieder weltweite
Kreditwürdigkeit.« Und: »Allerdings wurde im Lon
doner Schuldenabkommen die Entschädigung für
von 1945 bis Ende 1952 aufgelaufene Zinsrückstände
von Auslandsschulden bis zur Wiedervereinigung
Deutschlands zurückgestellt. Dazu gehörte insbeson
dere die Entschädigung der Zinsrückstände der be
sagten Periode aus der Dawes-Anleihe, der Young-
54
Anleihe sowie der Kreuger-Anleihe. Aufgrund dieser
noch offenen Zinsrückstände ist das Londoner Schul
denabkommen heute noch in Kraft (Bundesministe
rium der Finanzen 2003: 91).«
Wie bereits erwähnt stammt dieses Pamphlet aus
dem Jahr 2008.
Der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland,
Konrad Adenauer, setzte wegen des Holocausts zu
dem innenpolitisch ein Sonderabkommen mit Israel
durch, das 1952 in Luxemburg unterzeichnet wurde.
Darin wurde festgelegt, dass Deutschland drei Milli
arden D-Mark als »globale Erstattung der entstande
nen Eingliederungskosten für entwurzelte und mit
tellose jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und den
ehemals unter deutscher Herrschaft stehenden Ge
bieten« zahlen würde. Zusätzlich noch 450 Millionen
D-Mark an die Jewish Claims Conference (Zusammen
schluss jüdischer Organisationen, die seit 1951 Ent
schädigungsansprüche jüdischer Nazi-Opfer und
Holocaust-Überlebender vertritt) zur Unterstützung
jüdischer Opfer der NS-Verfolgung außerhalb Israels.
Später wurde das durch Härtefallregelungen und
weitere Sonderleistungen für jüdische Opfer er
gänzt.21 Natürlich konnten dieses Zahlungen das un
endliche Leid des Zivilisationsbruches des Holo
causts nicht wieder gut machen.
In der Ausarbeitung »Finanzielle Verpflichtungen
der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang
mit dem Versailler Vertrag« des Wissenschaftlichen
55
Dienstes des Deutschen Bundestages (Fachbereich WD 1:
Geschichte, Zeitgeschichte und Politik erfahren wir auch
noch weitereRegelungen des »Londoner Schuldenab
kommens« nach der Deutschen Einheit im Jahr 1990:
»Mit Inkrafttreten der Deutschen Einheit am 3. Ok
tober 1990 betrugen die Zinsrückstände aus der Da
wes-Anleihe 40,2 Millionen DM, aus der Young-An
leihe 175,8 Millionen DM und aus der Kreuger-An
leihe 23,4 Millionen DM (Bundestagsdrucksache
15/1279 vom 27.06.2003; Bundesministerium der Fi
nanzen 2003: 91ff.; Deutsche Finanzagentur: 2006: 1).
Die Bedienung des Kapitals dieser Auslandsanleihen
aus dem Zeitraum bis 31. Dezember 1944 war bereits
Anfang der 1980er Jahre vollständig abgeschlossen.
Dabei hat die Bundesrepublik die aus den Anleihen
valutierenden Schulden getilgt, wofür von ihr insge
samt eine Summe von 1,53 Milliarden DM aufgewen
det worden ist (Bundestagsdrucksache 15/1279 vom
27.06.2003; Bundesministerium der Finanzen 2003:
94). « Und: »Mit der Deutschen Einheit sind von der
Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Abgel
tung der Ansprüche der Zinsrückstände der drei be
sagten Auslandsanleihen (auch ,Schattenquoten' ge
nannt) so genannte Fundierungsschuldverschreibun
gen mit einheitlichen Konditionen von 3% Zinsen,
fünf tilgungsfreien Jahren und mit einer 20-jährigen
Laufzeit - bis zum Jahr 3. Oktober 2010 -ausgegeben
worden. Sie werden seit 1996 von der Bundeswertpa
pierverwaltung getilgt. Dabei hat die Bundesrepublik
56
zur Erfüllung der Ansprüche aus den Fundierungen
im Zeitraum von 1990 bis 2002 73 Millionen DM an
Zinsen und 22 Millionen DM an Tilgungen bereit ge
stellt (Bundestagsdrucksache 15/1279 vom 27.06.2003;
Bundesministerium der Finanzen 2003: 91/93; Deut
sche Finanzagentur: 2006, Glasemann 1994: 314). «22
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Deutscher Bundntag • Wlsunschaftllche Dlen&w
Abb. 12
Screenshot/Bildzitat: https://www.bundestag.de/resource/blob/413
322/4c3fffa7blde4151 be964la8254f6f30/WD-l --088-08-pdf-data.pdf
57
Zusammengefasst heißt das nach Ansicht des Bun
destages: »In der Weimarer Republik hat das Deut
sche Reich mit der Dawes-Anleihe, der Young-An
leihe sowie der Kreuger-Anleihe insgesamt drei Aus
landsanleihen aufgelegt. Die beiden erstgenannten
Anleihen standen im mittelbaren Zusammenhang
mit der Bedienung von jährlichen Reparationsraten,
welche Deutschland als Folge des verlorenen Ersten
Weltkrieges gegenüber den Alliierten vertraglich zu
leisten hatte. Im Londoner Schuldenabkommen von
1952 verpflichtete sich die Bundesrepublik als Rechts
nachfolgerin des Deutschen Reiches dazu, für einen
Teil der Vor- und Nachkriegsschulden finanziell auf
zukommen. Dazu gehörten auch die drei erwähnten
Auslandsanleihen aus den Jahren 1924 und 1930. Al
lerdings wurde 1952 zwischen den Vertragspartnern
festgelegt, dass die rückwirkende Bedienung des Ka
pitals dieser Auslandsanleihen durch die Bundesre
publik zunächst für den Zeitraum bis zum 31. De
zember 1944 gelten sollte.«
Die Schulden für diesen Zeitraum wurden vertrags
gemäß bis Anfang der 1980er Jahre zurückgezahlt.
»Dagegen wurden die Zinsrückstände aus diesen
Auslandsanleihen für die Jahre 1945 bis 1952, was den
finanziellen Interessen der Bundesrepublik zum Zeit
punkt des Abschlusses des Londoner Schuldenab
kommens im Jahr 1952 sehr entgegenkam, bis zum
Zeitpunkt der Wiedererlangung der staatlichen Ein
heit im Einvernehmen aller Vertragspartner zurück-
58
gestellt. Aus diesem Grund hat die Bundesrepublik
erst nach Erlangung der Deutschen Einheit am 3. Ok
tober 1990 gemäß �em Londoner Schuldenabkom
men die Abgeltung der Ansprüche aus den aufgelau
fenen Zinsrückständen für die Jahre 1945 bis 1 952 aus
den drei Auslandsanleihen in die Wege geleitet. Aller
Voraussicht nach wird die Bedienung dieser Aus
landsschulden am 3. Oktober 2010 abgeschlossen
sein. Die Dawes-Anleihe sowie die Young-Anleihe
stehen in mittelbarem Zusammenhang mit den Repa
rationsverpflichtungen Deutschlands nach dem Ers
ten Weltkrieg stehen.«
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundesta
ges verwehrt sich dagegen: »Die sporadisch in der
Öffentlichkeit - vor allem aus rechtsextremen Krei
sen, etwa in einschlägigen Internet-Foren erhobene
Behauptung, Deutschland zahle immer noch Repa
rationen auf der Grundlage des Friedensvertrages
von Versailles, ist sachlich falsch. Diese Behauptung
ignoriert den tatsächlichen historischen Kontext der
in der Weimarer Republik aufgenommenen und von
der NS-Diktatur nicht bedienten Auslandsanleihen,
von denen zwei mittelbar und eine nicht im Zusam
menhang mit den Reparationszahlungen standen.
Die Anleihen sind Verhandlungsgegenstand des
Londoner Schuldenabkommens von 1 953 gewesen.
Die Anleihen sind seit Ende der achtziger Jahre des
20. Jahrhunderts zurückgezahlt, die aufgelaufenen
Zinsrückstände werden seit der Wiedervereinigung
59
bedient und werden 2010 ebenfalls zurückgezahlt
sein.«23
Statista.com veröffentlichte folgende Statistik der
Reparationszahlungen Deutschlands:
Abb. 13
Quelle Screenshot/Bildzitat:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/111 6824/umfrage/re
parationszahlungen-deutschlands-nach-dem-zweiten-weltkrieg/
60
�stern
Abb. 14
Screenshot/Bildzitat: https://www .stem.de/
politik/geschichte/rueckzahlung-abgeschlossen-deutschland
hat-keine-kriegsschulden-mehr-3888104.htmJ
WDRf
Zeitleichen
03.10.2010 - Deutschland zahlt die letzte Rate an
Reparationen für den Ersten Wettkrieg
\Ion Martin Henog
Es ist eine lange Geschldlta: 92 Jahre nitdi dem Ende des &sten Wefttfleges
zahlt o.utsdlland die letzte Rate für seble Ktlepschulden, So splU Nun,
zwlsdienaltßdl wurde nichts bezahlt, und hitten s.kh Bundesrepublik und 00t
nicht vereinigt. so w;i,en auch diese Schuld.tn wtfallen.
Abb. 15
Screenshot/Bildzitat: https://wwwl .wdr.de/radio/
wdr5/sendungen/zeitzeichen/letzte-rate-100.html
61
ZEIT!lUlONUNE
-
Deutschland begleicht letzte
Schulden aus Erstem Weltkrieg
9?.wn nadldomlndedMEm,m �illhlt �IIOd<lie
ieut• lklaselno,,�b,tt,T"9dor� ElMeit ......,.,,,
i?OOMill..,_,...,.._
Abb. 16
Screenshot/Bildzitat: https://www .zeit.de/wissen/
geschichte/2010-10/weltkrieg-schulden-deutschland
62
und Polen 255,6 Millionen. »Endgültige Regelungen
sollte ein Friedensvertrag bringen, zu dem es aber
nicht kam«, ist dazu in der Süddeutschen Zeitung zu le
sen. »Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen
Einheit sind aus deutscher Sicht völkerrechtlich alle
weiteren Ansprüche erloschen.«26
Zusätzliche Quellen:
Jöm Leonhard: Der überforderte Frieden - Versailles und
die Welt 1918-1923, München 2019///Margaret Mac
Millan: Die Friedensmacher - Wie der Versailler Vertrag die
Welt veränderte, Berlin 2015///Jörg Friedrich: 14118 -Der
Weg nach Versailles, Berlin 2014///Robert Gerwarth: Die
Besiegten - Das blutige Erbe des Ersten Weltkriegs, Mün
chen, 2017///Ian Kershaw: Höllensturz -Europa 1914 bis
1949, München 2016///Christopher Clark: Die Schlaf
wandler - Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, Mün
chen 2013///John Keegan: Der Erste Weltkrieg - Eine eu
ropäische Tragödie, Hamburg 2000///Patrick Henßler:
,,Versailler Vertrag, 1919/20" in: historisches-lexikon-bay
erns.de (https://www.historisches-lexikon-bayems.de/
Lexikon/Versailler_Vertrag,_1919/20#Versailler_Ver
trag_und_Weimarer_Republik)/Zugriff: 30.04.21///
Helmut Braun: ,,Reparationen (Weimarer Republik)"
in: historisches-lexikon-bayerns.de (https://www.histori
sches-lexikon-bayems.de/Lexikon/Reparationen_
(Weimarer_Republik)/Zugriff: 30.04.21
63
2. Verschwiegen: Das Deutsche Reich
lehnte den Einsatz von B-Waffen im
Zweiten Weltkrieg ab!
64
deutschem Boden untersagt. Dennoch sollen diesbe
zügliche Forschungen weitergegangen sein, und
zwar in der Sowjetunion, mit der man sich in Folge
des Abkommens von 1922 in Rapallo auf eine Zusam
menarbeit in militärischer Hinsicht einigte. Bei Sa
mara sollte ein großes Zentrum für die Entwicklung
und den Einsatz von chemischen Kampfstoffen auf
gebaut werden. Allerdings wurde diese Kooperation
1933 beendet.
Auch die Franzosen forschten eifrig in diesem Be
reich. Vor allem mit Milzbrandbakterien. Im April
1938 wurde der deutschen Abwehr (dem militäri
schen Nachrichtendienst des Oberkommandos der
Wehrmacht unter General Wilhelm Keitel - bis 1944
von Admiral Wilhelm Canaris geleitet) ein geheimer
französischer Zwischenbericht über derartige militä
rische Versuche bekannt. Auch, dass diese Milzbran
derreger schwere irreparable Schädigungen der geg
nerischen Versorgung garantieren würden, wie es da
rin hieß. Außerdem habe man diese schon seit Jahren
erfolgreich züchten können und herausgefunden, wie
man sie wirksam aus Flugzeugen verbreiten könne.
Die deutsche Abwehr erfuhr jedoch noch von wei
teren B-Waffen-Angriffen der Alliierten, die schein
bar bevorstehen sollten. Doch ausgerechnet Hitler
war es, der den Einsatz von Biowaffen verbot. So gab
am 23. Mai 1942 Hermann Ochsner, Generalleutnant
und General der »Nebeltruppe«, zuständig für biolo
gische und chemische Kriegsführung in einer »gehei-
65
men Kommandosache« bekannt, »dass der Führer
nach Vortrag des Herrn Chef des OKW (Oberkom
mando der Wehrmacht/GG) befohlen hat, dass unse
rerseits Vorbereitungen für einen Bakterienkrieg
nicht zu treffen sind.«27
Als im Februar 1943 der Wehrmachtsführungsstab
den Agenteneinsatz zur geheimen Verbreitung biolo
gischer Kampfmittel vorschlug, lehnte Hitler auch ei
nen solchen »scharf« ab. Dies galt bis zum Kriegs
ende. Wohl nicht aus humanitären Gründen, sondern
weil er - wie Teile des deutschen Militärs ebenfalls -
biologische Kampfstoffe als unkontrollierbar ansah.
Andere Historiker benennen das Motiv Hitlers für die
Ablehnung aus Angst vor Vergeltungsschlägen oder
weil die logistischen Voraussetzungen hierfür fehl
ten.
Wie erwähnt gab es jedoch einflussreiche Nazifüh
rer, wie etwa Reichsminister Hermann Göring, Mili
tärs und Wissenschaftler, die das anders sahen.
So übernahmen die Nazis in Paris ein Institut für bi
ologische Kriegsführung, indem der Mediziner Hein
rich Kliewe (1892-1969) an Pest- und Anthraxerregern
forschte.
Heinrich Himmler unterstützte diese Forschungen.
Der SS-Reichsführer war geradezu versessen auf den
Einsatz von Biowaffen. Dazu sollten beispielsweise
rohe Lebensmittel mit den gefährlichen Bakterien
verseucht und in den erobernden Gebieten in Umlauf
gebracht werden.
66
Abb. 17: Reichsführer SS Heinrich Himmler (1938)
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 183-R99621 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons. wikimedia.org/wiki/F ile: Bundesarchiv_Bild_ 1
83-R99621,_Heinrich_HimmJer.jpg)
67
Der bei IG Farben tätige Chemiker Gerhard Schrader
(1903-1990) entwickelte den neuen Giftstoff Tabun
und 1938 das noch giftigere Sarin. Die produzierte
Menge herkömmlicher Chemiewaffen (Senfgas und
Phosgen, an dem unter anderem am »SS-Institut für
Wehrwissenschaftliche Zweckforschung« in der Son
derabteilung H experimentiert wurde) belief sich von
Kriegsbeginn bis Ende 1941 auf 41.000 Tonnen.
Trotz Hitlers Verbot gingen die Versuche bezüglich
Biowaffen für den Angriffskrieg weiter. Auf der Insel
Riems wurden Experimente zum (für Rinder) tödli
chen Maul- und Klauenseuchenerreger durchgeführt.
Greifswalder Mediziner und Chemiker erprobten den
Senfgaskampfstoff »Lost«, zum Teil auch an Men
schen. Ein auf Riems entwickelter Biokampfstoff soll
1943 auf der einer Insel im Peipussee im Nordwesten
Russlands getestet worden sein. Zum eigentlichen
Kriegseinsatz jedoch reichte es nicht. Von den Nerven
kampfstoffen kamen Sarin und Soman kaum über das
Versuchsstadium hinaus. Tabun hingegen wurde bis
zum Kriegsende mit mehr als 1.200 Bomben abgefüllt.
Nach der verhängnisvollen Niederlage von Stalingrad
erklärte sich die Luftwaffe für die chemische Kriegs
führung (gegen englische Städte) bereit.
Doch Hitler gab niemals den Einsatzbefehl dazu. Er
förderte vielmehr nicht die aktive, sondern die defen
sive Biowaffenforschung. So experimentierte seit
1943 die sogenannte Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter
an der Abwehr von Biowaffen-Angriffen.
68
Nach der Niederlage der Deutschen versuchten es
die siegreichen Alliierten jedoch anders aussehen zu
lassen. So sagte etwa der in sowjetischer Kriegsgefan
genschaft zum »falschen Zeugen « umgedrehte Gene
ralarzt Walter Schreiber auf dem Nürnberger Haupt
kriegsverbrecherprozess aus, dass auf Anordnung
Hitlers 1943 ein offensives deutsches Bio-Waffenpro
gramm beschlossen worden sei. Speziell die »Vorbe
reitung des bakteriologischen Krieges mit Erregung
der Pest. « Schreiber habe an dieser Konferenz teilge
nommen, die im Juli 1943 stattfand. Seine Teilnahme
ist tatsächlich belegt, alles andere aber erfunden und
erlogen. Vielmehr wurde dort über die »Vorbereitung
von Schutzmaßnahmen« gegen befürchtete gegneri
sche B-Waffen-Angriffe gesprochen. Und das, unter
ausdrücklicher Berufung auf Hitlers Verbot.28
Letztlich also genau das Gegenteil, was in Nürnberg
öffentlich wurde! Denn während des Zweiten Welt
kriegs kam es zu keinem kriegerischen deutschen
Giftgaseinsatz an irgendeiner Front. Auch nicht ge
gen die Partisanen in Russland.
Fakt ist, dass wohl Hitlers dementsprechende Ent
scheidung, keine Biowaffen im Krieg zu verwenden,
dazu führte, dass es auf dem europäischen Kriegs
schauplatz nicht zu derartigen Kriegshandlungen
kam.
Damit war das Deutsche Reich eine der wenigen
kriegsteilnehmenden Großmächte, die das »Genfer
Protokoll« (»Protokoll über das Verbot der Verwen-
69
dung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Ga
sen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege«)
hinsichtlich biologischer Kriegsführung einhielt. Die
ser völkerrechtliche Vertrag, der am 17. Juni 1925 in
der Schweizer Stadt Genf unterzeichnet wurde und
als Völkerrechtsgewohnheit galt, verbot den Ge
brauch von chemischen und biologischen Waffen. Al
lerdings enthielt er keine Vorgaben bezüglich der
Entwicklung, Herstellung und Lagerung.
Hinsichtlich des Verbots des Einsatzes von ersti
ckenden und giftigen Gasen und vergleichbaren Flüs
sigkeiten oder anderen Stoffen nahm er ausdrücklich
Bezug auf deren zum Zeitpunkt der Vertragsunter
zeichnung bereits akzeptierte gewohnheitsrechtliche
Ächtung, indem für die Verurteilung des Gebrauchs
dieser Substanzen die »allgemeine Meinung der zivi
lisierten Welt« als Maßstab erwähnt wurde. Darüber
hinaus wurde das »Gewissen und das Handeln der
Nationen« als Grundlage des Verbots genannt. Das
Protokoll verpflichtete die Vertragsparteien explizit
zur Anerkennung dieses Verbots sowie zur Ausdeh
nung auf bakteriologische Waffen. Die Unterzeich
nerstaaten waren zudem angehalten, andere Staaten
zum Beitritt zu veranlassen. Deutschland trat bereits
am 25. April 1929 bei.
Das sogenannte »Genfer Gaskriegsprotokoll«
wurde bis Ende 1935 von 38 der 44 Mächte unter
zeichnet. 21 Staaten taten dies ohne Vorbehalt und 17
mit Vorbehalt. Nicht ratifiziert wurde es von 10
70
Staaten, darunter Japan, die Tschechoslowakei, Lu
xemburg, verschiedene südamerikanische Staaten so
wie Deutschlands späterer Kriegsgegner, die Verei
nigten Staaten von Amerika. Im Gegenteil entwickel
ten die USA Gaswaffen bereits nach dem Ersten Welt
krieg unter der Leitung von General Amis A. Fries29,
Chef des Chemical Warfare Service weiter.
Übrigens lehnten die USA auf der ersten Haager
Friedenskonferenz 1899 ein Abkommen gegen den
Einsatz von Giftgas ab. Und zwar mit dem absurden
Argument, dass es sich dabei um eine »humane«
Waffe handeln würde!
Später wurde prognostiziert, dass wenn es zu ei
nem Biochemischen Krieg gekommen wäre, die
Deutschen diesen verloren hätten. Denn sie hätten
»lediglich« 62.000 Tonnen Kampfstoffe besessen,
während die Alliierten im Besitz von über 10.000.000
Tonnen wären.30
Fakt ist aber auch: Die Nazis ermordeten Millionen
Juden mit Zyanid-Gas und mit Kohlenmonoxid so
wie mit dem eigentlich als Schädlingsbekämpfungs
mittel hergestellten Präparat Zyklon B. Dabei bewie
sen sie keinerlei Skrupel!
Zusätzliche Quellen:
Dietrich Schindler/Ji:ri Toman (Hrsg.): The Laws of A r
med Confiicts: A Collection of Conventions, Resolutions,
71
and Other Documents, Alphen aan den Rijn 1988, S.
116.///"Erstickt, verkohlt, zerstückelt" in: welt.de v.
6.02. 2005 (https://www.welt.de/print-wams/arti
cle122846/Erstickt-verkohlt-zerstueck-
elt.html)/Zugriff: 26.02.2l )///http://www.gifte.de/B
%20und%20C-Waffen/biolo
gische_waffen.htm///http://www.kas.de/wf/doc/kas_
21391-544-1-30.pdf&110104111342///"The History of
biological warfare" in:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/arti
cles/PMC1326439///http://sicherheitspoli
tik.bpb.de/massenvernichtungswaffen/hinter
grundtexte-m6/Biologische-Waffen-und-biolo
gischer-Krieg-eine-kurze-Ges
chichte///http://www.spektrum.de/lexikon/biolo
gie/biologische-waffen/8704///h ttp://www.spek
trum.de/magazin/biologische-waffen/823655///
Hugh R. Slotten: The Journal of American History, 77.
Jg, Nr. 2, September 1990///" Als Giftgas noch Wun
derwaffe war" in: Frankfurter Allgemeine Zeitung" v.
02.01. 1991///Der Spiegel 43/1988 (24.10.), S. 81-
85///"Giftgas in der Kriegsführung" in: deutschland
funkkultur.de v. 22.04. 2015 (https://www.deutsch
landfunkkultur.de/giftgas-in-der-kriegsfuehrung
der-unsichtbare-feind.976.de.html?dram:arti
cle_id=317732)/Zugriff: 05.04.21///"Die Nazis verfüg
ten über einsatzfähige Bio-Waffen" in: weit.de v. 16.10.
2015 (https://www.welt.de/geschichte/zweiter-welt
krieg/article147676822/Die-Nazis-verfuegten-ueber-
72
einsatzfaehige-Bio-Waffen.htrnl)/Zugriff: 05.04.21///
,, 100 JAHRE GIFTGAS: ,Die Gase hatten gut ge
wirkt"' in: faz.net v. 06.05. 2015
(h ttps://www .faz.net/aktuell/wissen/physik-
mehr/100-jahre-giftgas-die-gase-hatten-gut-gewirkt-
13571422.htrnl ?printPagedArticle=true#pageln
dex_2)/Zugriff: 05.04.21///"Hitler nutzte Giftgas, aber
nicht als Kriegspartei" in: weit.de v. 12.04. 201 7
(https://www.welt.de/geschichte/arti
cle163639745/Hitler-nutzte-Giftgas-aber-nicht-als
Kriegspartei.html)/Zugriff: 05.04.21
73
3. Verdrängt: Der erste
»Giftgaszwischenfall« im Zweiten
Weltkrieg geschah durch polnische
Truppen!
74
Abb. 1 8: Nicht identifizierter kanadischer Soldat mit
durch Senfgas verursachten Verbrennungen (1916)
(Fotoquelle: Bibliothek und Archiv Kanada, C-080027
(https://commons.wikirnedia.org/wiki/File:Canadian_Soldier_
with_rnustard__gas_bums.jpg))
75
mangelung anderer Sprengstoffe. Somit wurde keine
deutsche Vergeltungsmaßnahme angeordnet.
Nach später aufgefundenen Dokumenten soll es
sich bei den Lostminen um Kampfstoffe englischer
Fertigung gehandelt haben.
Die Stadt Jaslo rückte jedoch noch einmal in den his
torischen Kontext jener Zeit. Denn 1941 wurde in ihrer
Nähe für sowjetische Kriegsgefangene das Stammla
ger 325 Szebnie errichtet, das später als Zentral-Arbeits
lager (ZAL) für Juden verwendet wurde. Im Septem
ber 1944 ordnete der deutsche Bürgermeister die Ver
minung der Stadt und damit ihre Zerstörung an. Von
1.200 Gebäuden blieben lediglich 40 übrig.
Zusätzliche Quellen:
Günther W. Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand,
Koblenz 1986, S. 135-137 sowie Anhang S. 227-232
///"Die Pest ist denkbar unzuverlässig" in: Der Spiegel
v. 21.12. 1969 (https://www.spiegel.de/politik/die
pest-ist-denkbar-unzuverlaessigi-a-576ce3d7-0002-
0001-0000-000045234195)/Zugriff: 05.04.21/// Frank
Golczewski: Polen. In: Wolfgang Benz (Hg.): Dimension
des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Natio
nalsozialismus, Oldenbourg, München 1991, S. 476,
485///Gerhard Schreiber: Die italienischen Militärinter
nierten im deutschen Machtbereich, 1943 bis 1945: verraten,
verachtet, vergessen, Oldenbourg, München 1990, S. 310
76
4. Verschwiegen: Winston Churchill wollte
deutsche Städte mit Giftgas »tränken!«
77
dass der britische Premier ein leidenschaftlicher Ver
fechter des Einsatzes von Giftgas schon im Ersten
Weltkrieg war, ohne sich einem Moralkodex dagegen
verpflichtet zu fühlen.33
Abb. 19:
Screenshot/Bildzitat: Archiv Grandt
78
Allein
]uJi 1�
Abb. 20:
Screenshot/Bildzitat: Archiv Grandt
79
einsetzen, Gas in der größten Menge gegen Städte und
Gemeinden in Deutschland einzusetzen. « 34
Tatsächlich wollten die Briten bereits 1940 im Fall
einer deutschen Invasion Giftgas einsetzen. So
drängte etwa der Chief of the Imperial General Staff
(CIGS), Sir John Dill (1881-1944), in einem Memoran
dum vom 15. Juni 1940 darauf, der »Gasanwendung
durch den Feind zuvorzukommen, in dem wir bei un
serer Verteidigung gegen den Einmarsch die Initia
tive ergreifen, auch wenn Deutschland oder Italien
bis dahin noch nicht der chemischen Kriegsführung
begonnen haben sollte. «35
80
(Fotoquelle: Yousuf Karsh. Bibliothek und Archiv Kanada,
e010751643 (https://commons.wikirnedia.org/wiki/
File:Sir_Winston_Churchill_-_19086236948.jpg)
81
Abb. 22: Erster Weltkrieg, Frankreich, Champagne.
Russische Soldaten mit Gasmasken in einem
Schützengraben, ca. 1916-17
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1976-007-32 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bu ndesarchiv_Bild_l
46-1 976-007-32,_Champagne,_russische_Soldaten_
mit_Gasmaske.jpg)
82
»Ich möchte, dass Sie sich mit der Giftgasfrage ein
gehend befassen ( . . . ) Es ist unsinnig, bei dieser An
gelegenheit moralische Überlegungen anzustellen,
da im letzten Krieg (Churchill meinte den Ersten
Weltkrieg damit/GG) alle Giftgase eingesetzt haben,
ohne dass es deshalb zu Protesten von Seiten der
Moralisten und der Kirche kam ( ... ) Ich möchte, dass
man nüchtern überprüft, was der Einsatz von Gift
gasen bringen würde ( ... ) Man darf sich nicht die
Hände binden lassen durch dumme Prinzipien, ob
diese im Ersten Weltkrieg galten oder in diesem
Krieg gelten ( . . . ) Wir könnten die Städte des Ruhrge
biets und viele andere deutsche Städte (mit Gas/GG)
so überströmen, dass die meisten Einwohner einer
ständigen ärztlichen Behandlung bedürften ( ... ) Wir
werden vielleicht einige Wochen oder gar Monate
abwarten müssen, bis ich Sie darum bitte, Deutsch
land mit Giftgasen zu überströmen. Sollten wir es
tun, dann aber richtig! «37
Erst als Churchill erkannte, dass er mit seinen Aus
sagen wohl die moralische Schwelle übertreten hatte,
ruderte er halbwegs zurück und bekundete, Giftgas
nur einzusetzen, wenn es »für unser Leben oder Tod
ist oder wenn es den Krieg um ein Jahr verkürzen
würde.«. Nichtsdestotrotz beteuerte er: »Bis dahin
möchte ich, dass diese Frage von vernünftigen Leuten
untersucht wird, und nicht von einer Gruppe von
Psalmensängern in Uniform und Miesepetern, wie
hier und da anzutreffen.«38
83
Abb. 23: »Infanterie-Regiment Prinz Friedrich der
Niederländer (2. Westfälisches) Nr. 15« im 1 .
Weltkrieg
(Fotoquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:IR15_%E2%80%93_Gaskrieg.jpg
84
Europa, vielleicht sogar gegen alliierte Kriegsgefan
gene, Gas einsetzen.
Churchill hingegen beklagte sich bei einem Mitar
beiter, dass er »von diesem negativen Bericht über
haupt nicht überzeugt« sei, aber er gab widerwillig
nach: »Natürlich kann ich nicht gleichzeitig gegen die
Pfarrer und Krieger antreten.«39
Fakt jedenfalls ist, dass Winston Churchill keine
Skrupel gehabt hätte, Giftgas nicht nur gegen deut
sche Soldaten, sondern auch gegen deutsche Zivilis
ten einzusetzen. Allerdings waren seine Pläne diesbe
züglich noch viel perfider, noch viel grausamer, wie
im nächsten Kapitel aufzuzeigen sein wird.
85
5. Verschwiegen: Wie Churchill die
Deutschen mit Milzbrand-Biowaffen
auslöschen wollte!
86
Abb. 25: Zwei Bakterienzellen Bacillus anthracis, die
Anthrax verursachen, sichtbar mit Kapseln, gefärbt
mit Tusche
(Fotoquelle: http://www.publicdomainfiles.com/show_file.php?
id=13521930016801 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Bacillus_anthracis_Indian_lnk_capsule_stain.tif)
87
die Produktion über die USA, weil die Briten befürch
teten, dass sich diese gefährlichen Erreger bei einem
deutschen Angriff womöglich in England verbreiten
könnten.
88
Churchill erklärte: »Wir werden Deutschland zu einer
Wüste machen, ja zu einer Wüste. « Ebenso sprach er
von »extermination attacks« , also »Ausrottungsan
griffen« und: »Es gibt knapp 70 Millionen bösartige
Hunnen (gemeint sind die Deutschen/GG), die einen
sind heilbar und die anderen zum Schlachten. «40
Konkret wurden auf dem Testgelände von Gru
inard Island mithilfe kontaminierter Leinsamen
Nutztiere mit den gefährlichen Milzbrandsporen in
fiziert, über die dann eine Infektion auf Menschen
übertragen werden sollte. Innerhalb kürzester Zeit
könnten mit dieser Biowaffe Anthrax, die glücklicher
weise nie zum Einsatz kam, Millionen Deutsche getö
tet werden!
Churchills wissenschaftlicher Berater, Lord Cher
well (1886-1957) erläuterte dazu: »Ein halbes Dutzend
Lancaster-Bomber könnte genug mit sich führen, um,
im Falle einer gleichmäßigen Verteilung, jeden zu tö
ten, der sich in einem Umkreis von zweieinhalb
Quadratkilometern aufhält. «41
Milzbrand gehört neben Pest, Pocken, Tularämie,
Queenslandfieber, Enzephaltizide, hämorrhagische
Viren, Rizin, Botulinum (von Bakterien produziertes
Gift) und Staphylokokken zu den weltweit gefähr
lichsten Erregern, weil sie entweder hochgradig töd
lich und hochinfektiös sind oder sich leicht verbreiten.
Bis heute sind diese Bakterien international geäch
tet und verboten. Eigentlich ist Milzbrand eine von
Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen auf
89
Menschen übertragbare Infektionskrankheit, die zu
einer starken schwarzroten Schwellung der Milz,
zum sogenannten »Milzbrand« führt. Die wider
standsfähigen Milzbrandsporen können sich nicht
nur jahrelang halten, sondern auch neue Keime bil
den. Unterschieden wird in »Hautmilzbrand«, bei
dem die Sporen durch die Haut eindringen, »Darm
milzbrand«, bei der eine Sporenaufnahme mit der
Nahrung erfolgt und »Lungenmilzbrand« beim Ein
atmen der Sporen, der innerhalb weniger Wochen
tödlich ist.
�•A;,�roo'!i. �•
hi'/, l'll � ii. �,Nlf;m;i,,m,�
\ � .Jl.t\ � Z'l!� ,•�
Abb. 27:
Quelle Screenshot/Bildzitat:
https://www.wikiwand.com/de/Biologische_ Waffe
90
Flugzeugen verbreiten ließen. Nach dem Einatmen
folgen in der Regel Fieber, Schüttelfrostattacken,
schwere Lungenentzündungen verbunden mit bluti
gem Husten. Unbehandelte sterben in wenigen Tagen
zu hundert Prozent.
Im Jahr 1970 errechnete die Weltgesundheitsorgani
sation WHO, dass das Versprühen von fünfzig Kilo
Milzbrandsporen auf einer Stadt mit einer halben
Million Einwohnern rund 95.000 Tote und 125.000 Er
krankte zur Folge hätte. Eine solche Biowaffe hätte
schlimmere Auswirkungen als eine Atombombe.
91
(Bildquelle: Bild aus Seite 064 in "Die Gartenlaube". Bild von
Seite 064 der Zeitschrift Die Gartenlaube , 1879
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Gartenlaube_(18
79}_b_064_2.jpg)
92
Robert Harris einem heimischen Publikum dement
sprechende Dokumente.42
So erklärte der britische Premier 1944: »Es mögen
noch einige Wochen oder Monate vergehen, bis ich
Sie bitten werde, Deutschland mit Giftgas zu tränken.
Und wenn wir es tun, lassen Sie es uns hundertpro
zentig tun. Bis dahin möchte ich, dass die Sache kalt
blütig studiert wird, von vernünftigen Leuten und
nicht von diesen Psalmen singenden Defätisten in
Uniform, die man jetzt immer wieder trifft.«43
Im selben Jahr gaben auch die Amerikaner (im Ver
bund mit den Briten) den Einsatz von - sage und
schreibe - einer Million 2-Kilogramm-Milzbrand
bomben in Auftrag. Diese sollten Stuttgart, Wilhelms
haven, Hamburg, Frankfurt und Aachen treffen.
Schätzungen nach wären dabei drei Millionen Zivilis
ten getötet worden und die betroffenen Städte bei
durchgeführter Verseuchung jahrzehntelag unbe
wohnbar gewesen.
Doch dieser perfide Plan wurde aus drei Gründen
nicht in die Tat umgesetzt: Erstens, weil es zu einer
Produktionsverzögerungen kam. Zweitens, weil der
Krieg schließlich von den Alliierten gewonnen war
und Deutschland kapitulierte. Und drittens, weil die
geplante Eroberung des Reichsgebiets die bakterielle
Verseuchung verbot.
Nach Schätzungen wären bei einem diesbezügli
chen Biowaffenangriff mehr als die Hälfte der heimi
schen Bevölkerung getötet worden. Konkret erwar-
93
tete man 5,6 Millionen Tote und 12 Millionen Ver
letzte. Dass die USA keine Skrupel gekannt hätten,
diese Pläne in die Tat umzusetzen, zeigen ihre völlig
skrupellosen Abwürfe von Atombomben auf Hiros
hima und Nagasaki!
Zusätzliche Quellen:
Dietrich Schindler/Jiri Toman (Hrsg.): The Laws of
Armed Conflicts: A Collection of Conventions, Reso
lutions, and Other Documents, Alphen aan den Rijn
1988, S. 116.///"Erstickt, verkohlt, zerstückelt" in:
welt.de v. 6.02. 2005 (https://www.welt.de/print
wams/article122846/Erstickt-verkohlt-zerstue
ckelt.html)/Zugriff: 26.02.21)///,,Die Anthrax-Insel:
Hier drohte Besuchern vor einigen Jahren noch der
Tod" in: focus.de ( https://www.focus.de/pano
rama/welt/bis-1990-noch-sperrgebiet-die-anthrax-in
sel-hier-drohte-besuchem-vor-einigen-jahren-noch
der-tod_id_8670713.html)///http://www.gifte.de/B
%20und%20C-Waffen/biologische_waf
fen.htm///http://www.kas.de/wf/doc/kas_21391-544-
1-30.pdf&11010411 l342///"The History of biological
warfare" in:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/artic
les/PMC1326439///http://sicherheitspoli
tik.bpb.de/massenvernich tungswaffen/hintergrund
texte-m6/Biologische-Waffen-und-biologischer-
94
Krieg-eine-kurze-Geschichte///http://www.spekt
rum.de/lexikon/biologie/biologische-waf
fen/8704///http://www.spektrum.de/magazin/biolo
gische-waffen/823655
95
6. Verdrängt: »Hüter menschlicher
Freiheit« - Trotz seiner Giftgas- und
Biowaffen-Pläne sowie Bombenterrors
gegen deutsche Zivilisten erhielt Churchill
den Karlspreis!
96
Winston Churchill. Hüter menschlicher Freiheit -
Mahner der europäischen Jugend.«44
Abb. 29:
Quelle Screenshot/Bildzitat: https://www.karlspreis.de/de/
preistraeger/sir-winston-s-churchill-1955/vita
97
Krieges schon wenige Jahre nach Kriegsende in so
kluger, so weit in die Zukunft blickende Weise das
zerschlagene und aus tausend Wunden blutende Eu
ropa aufruft, sich zusammenzuschließen zu einer
Einheit, ist eine staatsmännische Tat, die für sich al
lein genügen würde, Ihnen einen Platz in der Ge
schichte zu sichern. Ich darf hinzufügen, dass ich die
Tatsache besonders freudig begrüße, dass in diesem
Jahr in Ihrer Person ein britischer Staatsmann diesen
Preis erhält (... ) Wir wissen ( ... ) um den Zusammen
hang der Geschicke Großbritanniens mit den Geschi
cken des Kontinents; wir wissen auch, dass gerade
die Familie Churchill seit Jahrhunderten aufs engste
mit dem europäischen Festland verbunden ist. «
Weiter: »Wie ist es gekommen, dass Sie, Sir Wins
ton, zum Vorkämpfer der europäischen Idee wur
den? Ich glaube, dies erklärt sich aus zwei menschli
chen Eigenschaften, die zugleich notwendige Voraus
setzungen staatsmännischen Handelns sind: Größe
des Denkens, Tiefe des Fühlens. Im Kriege haben Sie
in einem für Ihr Volk und für die Freiheit in der Welt
entscheidenden Augenblick den Widerstandswillen
Ihres Volkes emporgerissen. Nach dem Kriege traten
Sie stets für Versöhnung mit dem früheren Gegner ein
und forderten, dass der Sieger dem Besiegten die hel
fende Hand bot. Ihr Urteil war nicht getrübt durch die
Bitterkeit der Vergangenheit. Nach dem Ende des
Kampfes haben Sie, Sir Winston, die Bilder der Ver
gangenheit in sich ausgelöscht (...)«
98
Und: »Sie haben sich, Sir Winston, auch dafür ein
gesetzt, dass innerhalb der europäischen Gemein
schaft auch die Freundschaft zwischen dem briti
schen und dem deutschen Voll< besonders gepflegt
wird. Ich habe diesen Wunsch von ganzem Herzen
geteilt, da die dauernde Freundschaft zwischen unse
ren Völkern eine unerlässliche Voraussetzung für den
Frieden und die Freiheit der Welt ist. Wenn auch die
Erbschaft des letzten Krieges noch schwer auf uns las
tet und manche ungelösten Probleme mit sich bringt
- ich kann Ihnen doch versichern, dass der Wunsch
nach Freundschaft mit dem britischen Volk auch in
den weitesten Kreisen des deutschen Volkes von Her
zen geteilt wird (...) Ich erinnere mich, Sir Winston,
dass ich im Jahre 1953 Sie gebeten habe, uns in
Deutschland doch einmal zu besuchen. Sie haben
schon damals gesagt, Sie würden kommen. Es kam
allerhand dazwischen, und nun hat sich diese große
festliche Gelegenheit ergeben, dass Sie mit Ihrer ver
ehrten Gattin zu uns gekommen sind. Ich wünsche
Ihnen von Herzen Glück zu der Verleihung des Euro
papreises, und ich heiße Sie von ganzem Herzen beim
deutschen Volke willkommen.«45
Bei diesem Anlass ergab sich auch Fernand
Dehousse (1906-1976), Präsident der Beratenden Ver
sammlung des Europarates in Lobhudelei: »Die
Straßburger Versammlung rechnet es sich zur Ehre
an, dass zu ihren Mitgliedern Sir Winston Churchill
gehört hat, der bedeutende Staatsmann, der der
99
Geschichte unserer Zeit einen unauslöschlichen
Stempel aufgedrückt hat. Indessen wird man mir ver
gönnen, mehr noch als des Staatsmannes, der die Ge
schicke seines Landes so glanzvoll geleitet hat, in die
sem Augenblick des Europäers des heroischen Zeital
ters zu gedenken, jenes Mannes, der sogleich, nach
dem der Kriegslärm verhallt war, zu einem Vorkämp
fer
des Europarats wurde. Sir Winston Churchill hatte
mit dem für ihn so bezeichnenden politischen Weit
blick sogleich den tiefen Charakter der neuen Institu
tion erkannt (... )« Dehousse weiter: »Hatte sich Sir
Winston Churchill im übrigen nicht schon seit 1946
zum Vorkämpfer der Annäherung, der Aussöhnung
Frankreichs und Deutschlands gemacht? Schon in
seinen Reden von Zürich und Fulton zeichnete sich
die Haltung in dieser Frage ab, die er später im Euro
parat einnehmen sollte. So ruht also in der Sicht die
ses überragenden britischen Staatsmannes das tra
gende Fundament jedes europäischen Aufbaues auf
ausgeglichenen Beziehungen zwischen Frankreich
und Deutschland (...) Wenn ich nachher in meine Hei
matstadt zurückkehre, werde ich über eine Straße
fahren, an die sich tragische Erinnerungen knüpfen.
Wenn endlich einmal die Generationen von morgen
diese Straße in der heiteren Zuversicht des Friedens
benutzen können, werden sie es zum großen Teil den
Baumeistern des neuen Europa verdanken - Män
nern, wie Sir Winston Churchill einer ist.«46
100
Abb. 30: Karlspreis Aachen, Verleihung und Winston
Churchill
(Fotoquelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F003527-0009 / Unterberg,
Rolf / CC-BY-SA 3.0)
101
Was Churchill, der so glorifizierte »Hüter menschli
cher Freiheit«, jedoch bei dieser Gelegenheit vergaß
zu sagen: Wäre es nach seinen Milzbrandbomben
Plänen gegangen, hätte es gar keine Stadt Aachen
mehr gegeben, die ihm ein Jahrzehnt später diese Me
daille verlieh!
Nur am Rande sei an dieser Stelle erwähnt, dass
Winston Churchill auch ein Hochgradfreimaurer
war, nämlich Mitglied der United Studholme Lodge No.
1591 in London und dann Mitglied der Rosemary
Lodge No. 2851 in London.48 Ebenso wie US-Präsident
Franklin D. Roosevelt (Freimaurer und Mitglied der
Holland Lodge No. 8 in New York), die sich beispiels
weise auf dem Treffen in Casablanca im Januar 1943
über den Luftkrieg einigten. So sollten die Amerika
ner die Zerstörung der militärischen und industriel
len Ziele in Deutschland betreiben und die Engländer
weiterhin die Bombenangriffe auf Wohnviertel fort
führen. Damit sollte die Widerstandskraft der Deut
schen geschwächt werden. Vor allem bei Nachtan
griffen.
Doch schon am 8. Juli 1940 ließ Churchill verlauten:
»(...) aber es gibt etwas, das den Gegner zurücktreiben
und niederzuwerfen vermag: Das ist ein alles ver
nichtender und alles ausrottender Luftkrieg mit ganz
schweren Bombern von England aus gegen das Nazi
Heimatland. Wir müssen den Feind mit diesem Mittel
niederschlagen. Ein anderes Mittel sehe ich nicht.«49
Der alliierte Terror aus der Luft traf seit Juni 1942
102
beinahe nur die deutsche Zivilbevölkerung. Die deut
sche Abwehr war fast nur noch auf die Flak (Flugab
wehrkanonen) beschränkt, weil die Abfangjäger
große Verluste erlitten. Außerdem war die Luftwaffe
in Militäreinsätzen von Russland bis nach Nordafrika
zersplittert.
Während sich jedoch die Amerikaner strikt weiger
ten, Nachtangriffe und solche gegen nichtmilitärische
Ziele zu fliegen, sahen das die Briten anders. Ganz of
fen wurde in London über die systematische Zerstö
rung deutscher Wohngebiete (und damit Angriffe ge
gen die Zivilbevölkerung) als »wichtigste militärische
Taktik« diskutiert. So rechnete beispielsweise am 30.
März 1942 Churchills Berater, Frederick Alexander
Lindemann (1886-1957), 1. Viscount Cherwell, vor,
dass, wenn alle vorhandenen englischen Flugzeuge
ihre Bomben ausschließlich auf Wohnviertel des
Feindes abwerfen würden, bis Mitte 1943 ein Drittel
aller Deutschen obdachlos wäre ...
Der britische Royal-Air-Force-Luftmarschall Arthur
T. Harris (1892-1984), der später als »Bomber Harris«
in die Geschichte einging, seit Februar 1942 Chef des
neu gegründeten Strategie Bomber Command, ver
sprach Churchill einen »schnellen und vollständigen
Sieg«. Vorausgesetzt, die ganze Kampfkraft seiner
Bomber würde konzentriert gegen deutsche Städte
eingesetzt und nicht gegen einzelne Fabriken oder
militärische Ziele. Er schlug vor, jede Nacht eine Stadt
mit mindestens 1.000 Maschinen anzugreifen.50
103
Damit begann der uneingeschränkte Luftkrieg ge
gen die deutsche Zivilbevölkerung. Siehe dazu aus
führlich mein Buch Tabufakten Zweiter Weltkrieg,
Band 1 (gugra-Media-Verlag, 2020).
104
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1979-025-19A / Unbekannter
Autor / CC-BY-SA 3.0)
(https://cornrnons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_ 1
46-1 979-025-19A,_Koeln,_Kinderleichen_nach_Luftangriff.jpg)
105
Gericht stehe unmittelbar bevor.' Berlin war ,voll
kommen zerschlagen - nichts als Schutthaufen und
Hausskelette'. Köln ,lag in Trümmern, ohne Schön
heit und Gestalt, einsam in völliger physischer Ver
nichtung.'«51
So viel also zu dem »hochverehrten« Karlspreis
Träger Winston S. Churchill!
106
7. Verschwiegen: Setzte die Rote Armee in
Stalingrad »Biowaffen" gegen deutsche
Truppen ein?
107
Abb. 33: Kesselschlacht in Stalingrad (1942)
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 183-R90142 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons.wikirnedia .org/wiki/FiJe:Bundesarchiv_Bild_l
83-R90142,_Russland,_Kesselschlacht_Stalingrad.jpg))
108
gegen die deutschen Soldaten eingesetzt hatten, je
doch später gänzlich auf einen weiteren Einsatz ver
zichteten, um nicht auch die eigene Bevölkerung aus
zurotten. Denn die feindlichen Truppen standen
doch gewissermaßen mitten in Russland.
Soweit also das Wirrwarr aus Gerüchten, Vermu
tungen und Fakten.
109
Erhard Geißler, Professor für Genetik und ehemaliger
Leiter der Forschungsgruppe Bioethik am Max-Del
brück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin
Buch, verfasste 2005 dazu eine umfangreiche Arbeit
mit dem Titel: Alibek, Tularaemia and the Battle of Sta
lingrad.52 Dieses »Backround Document « möchte ich
nachfolgend bezüglich der Gerüchte, die Sowjets
hätten in der Stalingrad-Schlacht Biowaffen gegen
Soldaten der Wehrmacht eingesetzt, zusammenfas
sen.
Aufgestellt wurde diese Behauptung vom 1950 ge
borenen, kasachischstämmigen Obersten Ken Alibek
alias Kantjan (Kanatzhan) Alibekov. 53
Zunächst bleibt festzustellen: Alibekov ist beileibe
kein » Verschwörungstheoretiker«, sondern Experte
für biologische Kriegsführung und ehemaliger Direk
tor der sowjetischen Biowaffen-Abteilung »Bioprepa
rat«. Wie bereits erwähnt, behauptete er nach seiner
Flucht in den Westen, dass die Rote Armee Francisella
tularensis, also Tularämie (Hasenpest), gegen die
deutschen Truppen eingesetzt hätte.
Alibekov schuf einst einen neuen Anthrax-Stamm
(»Stamm 836«), der als der »virulenteste und bösar
tigste Anthrax-Stamm « beschrieben wurde, »den der
Mensch kennt. «54 Außerdem entwickelte er Russlands
erste Tularämie-Bombe.55 1992 übersiedelte der Bio
waffen-Experte in die USA, wurde amerikanischer
Staatsbürger und beteiligte sich aktiv an der Entwick
lung einer Strategie zur biologischen Verteidigung
1 10
für die US-Regierung. Alibekov arbeitete dann als Se
nior Vice President für Forschung und Entwicklung
bei Locus Fermentation Solutions in Ohio, USA.56
111
Der Erreger der Tularämie gehört zu den krankheits
erregendsten Bakterien, die bekannt sind. Experten
des US-amerikanischen Centers for Disease Control and
Prevention (CDC) Zentren für Krankheitskontrolle und -
prävention') ordnen ihn in die Kategorie der biologi
schen Agenzien ein, die das »größte Potenzial für ne
gative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit
mit Massenverlusten haben. «57
In der Vergangenheit wurde Tularämie von ver
schiedenen Großmächten ausgiebig erforscht, produ
ziert und als Biowaffe eingelagert, wie etwa von den
USA, der Sowjetunion und Japan. Selbst Frankreich
zog deren Einsatz noch vor dem Zweiten Weltkrieg in
Erwägung.58
Doch zurück zur Entscheidungsschlacht des Zwei
ten Weltkriegs in Stalingrad: Bei einer Anhörung im
Jahr 1998 verriet Alibekov: »Meine eigene Analyse ei
nes Tularämie-Ausbruchs unter deutschen Truppen
in Südrussland im Jahr 1942 deutet darauf hin, dass
dieser Vorfall sehr wahrscheinlich das Ergebnis des
Einsatzes von biologischen Waffen durch die UdSSR
war.«59
Diese Behauptung wiederholte der Biowaffen-Ex
perte auch noch danach, nämlich in seinem viel be
achteten Buch Biohazard sowie in der russischen Zei
tung Prawda.60
Aufgrund seines immensen Fachwissens kam Ali
bekov ganz gezielt zu einer solchen weitreichenden
Schlussfolgerung. In seiner Kadettenzeit im Jahr 1973
1 12
wurde er von einem seiner Professoren gebeten, ei
nen »mysteriösen Ausbruch von Tularämie« an der
deutsch-sowjetischen Front kurz vor der Schlacht von
Stalingrad im Jahr 1942 zu überprüfen. In der Folge
wertete er die History of Soviet Military Medicine in the
Great Patriotic War 1941-1945 sowie wissenschaftliche
Zeitschriften aus dieser Zeit aus. So kam er zu diesen
äußerst brisanten Erkenntnissen.61
Erhard Geißler, Genetiker, Molekularbiologe und
Bioethiker und andere Experten äußerten einige Vor
behalte zu den Ergebnissen von Alibekov, weil diese
weder auf persönlichen Erfahrungen, noch durch Do
kumente der Roten Armee selbst schlüssig belegt sein
würden.62
Andere wiederum erklärten, der Tularämie-Aus
bruch wäre keiner absichtlichen Verbreitung geschul
det, sondern »natürlichen« Ursprungs; verursacht
durch einen völligen Zusammenbruch der öffentli
chen Gesundheitsinfrastruktur.63
Alibekov hingegen verbreitete weiter, dass die
Tularämie-Epidemie, die Zehntausende von sowjeti
schen und deutschen Soldaten an der Ostfront wäh
rend des Zweiten Weltkriegs befallen hätte, das Er
gebnis einer »absichtlichen Anwendung« gewesen
sein könnte.64 Ebenso blieb er dabei, dass sich ein
mysteriöser Tularämie-Ausbruch kurz vor der
Schlacht um Stalingrad im Jahre 1942 ereignet hätte.65
Geißler schrieb dazu, dass der Ausbruch jedoch kei
neswegs »mysteriös« gewesen sei, gab es doch bereits
113
seit 1926 zwischen dem Schwarzen und dem Kaspi
schen Meer mehrere große Tularämie-Epidemien.66
Dies war offenbar auch der Grund dafür, dass die
Sowjets die Hauptüberträger der Hasenpest, nämlich
Mäuse und andere Nagetiere, auszurotten versuch
ten.67
Demgegenüber erklärte Alibekov, dass ein großer
Tularämie-Ausbruch im Gebiet der Wolga zuerst un
ter deutschen Panzertruppen im Spätsommer 1942
auftrat. Innerhalb von sieben Tagen erkrankten Tau
sende Soldaten - deutsche, wie auch russische - so
wie Zivilisten.68
Dass es einen solchen gegeben haben muss, scheint
unzweifelhaft, denn selbst die sowjetische Prawda be
richtete darüber. So schrieb die russische Tageszei
tung gar von einem »Einsatz von infizierten Ratten
gegen die Nazi-Armee«, die jedoch auch einen umge
kehrten Effekt hatte: Die Krankheit drang über die
Frontlinie und steckte viele eigene (sowjetische) Sol
daten und Zivilisten an. Dementsprechend betraf die
Epidemie also nicht nur den Feind.69
Geißler hingegen behauptete, dass die Tularämie
Ausbrüche nicht im Sommer, sondern im Winter
1941/42 begannen.7° Ferner werden die Zahlen der
Tularämie-Fälle bezweifelt.
1 14
Abb. 36: Rotarmisten vom Dach eines Hauses in
Stalingrad (Januar 1 943)
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 183-E0406-0022-001 / CC-BY-SA
3.0 (https://commons. wikimedia.org/wiki/
File:Bundesarchiv_Bild_183-E0406-0022-
001,_Russland,_Kesselschlacht_Stalingrad.jpg))
1 15
deutschen Feldtruppen diagnostiziert worden (plus
zwei weitere bei den Ersatztruppen).« Und: »In die
sen Zahlen sind auch Fälle enthalten, die bei den in
Norwegen dienenden Truppen diagnostiziert wur
den. Daher ist die im Pravda-Artikel aufgestellte Be
hauptung, dass ,etwa 50 Prozent der deutschen Ge
fangenen, die nach der Schlacht von Stalingrad gefan
gen genommen wurden, an den klassischen Sympto
men der Tularämie litten' einfach nicht glaubwürdig.
Aus deutscher Sicht war die Tularämie zwar eine
Kriegskrankheit, aber von viel geringerer Bedeutung
als andere Krankheiten.«72
Geschlussfolgert wurde, dass der Ausbruch durch
Feld-, Wald- und Spitzmäuse sowie andere Nagetiere
verursacht wurde. Sie vermehrten sich rasend
schnell, weil das Getreide wegen des Krieges nicht ge
erntet und das Gras nicht gemäht wurde und somit
eine große Nahrungsquelle für die Nager bot. Dazu
gehörte auch, dass die zur Verhinderung von Pest
und Tularämie eingerichteten Systeme in der Folge
des Krieges zusammengebrochen waren. Dement
sprechend sollen sich die meisten Soldaten mit den
im Kot der Nagetiere enthaltenen Tularämie-Bakte
rien, durch den Staub von den Feldern und somit
kontaminiertem Brot, angesteckt haben. Oder durch
verunreinigtes Wasser, Mücken und Zecken.73
Trotz allem: Alibekov blieb dabei, dass 70 Prozent
der Infizierten an der gefährlichen Lungentularämie
litten. Dieser »Ansturm von Infektionen« sei nur
116
durch die »Einwirkung einer plötzlichen und kon
zentrierten Menge von Tularämie bei den deutschen
Truppen« zu erklären. Ebenso, dass die »pneumoni
sche Form der Krankheit« nur durch gezielte Ausbrei
tung verursacht worden sein könne.74 In der Tat wa
ren auch 95,2 Prozent der sowjetischen Soldaten (De
zember 1942 bis Januar 1943) von Lungentularämie
betroffen. 75
Geißler konterte, dass dieser hohe Prozentsatz an
Lungeninfektionen »kein Beweis für eine feindliche
Ausbreitung der Erreger« sei, weil die pulmonale
Tularämie »nicht nur nach einer absichtlichen Aus
breitung« auftrete, sondern auch durch eingeatmeten
Staub von kontaminiertem Stroh, Heu oder Erde etc.
Davon ließ sich Alibekov nicht beirren, führte ins
Feld, dass ein sowjetischer Professor ihn dazu aufge
fordert hätte, niemals mehr über eine »absichtlich
herbeigeführte Tularämie-Epidemie« zu sprechen.
Deshalb war er nach wie vor fest überzeugt, dass
sowjetische Truppen Tularämie-Erreger gegen die
Deutschen versprüht haben mussten. »Eine plötzli
che Änderung der Windrichtung oder verseuchte Na
getiere, die die Linien passierten« hätten dann die ei
genen Soldaten infiziert. So hätte sich die Krankheit
schließlich in der Region verbreitet.76
Auch ein Oberstleutnant der Roten Armee, der
während des Zweiten Weltkriegs in einem geheimen
Biowaffen-Labor in Kirov arbeitete, berichtete Alibe
kov, dass 1941 eine Tularämie-Waffe entwickelt wur-
1 17
de und diese auch ohne Zweifel »eingesetzt« worden
sei.77
Wie der deutsche Biowaffen-Experte Heinrich
Kliewe bestätigte, sagte ein sowjetscher Kriegsgefan
gener 1942 vor der deutschen Abwehr aus, dass auf
der Insel Wosroschdenije gemeinsame Versuche mit
Tularämie-Agenzien mit gutem Erfolg durchgeführt
worden seien. »Die Bakterienemulsionen wurden an
geblich in ,Tanks' abgefüllt, die an Kraftfahrzeugen
befestigt waren« und dann als »Mikrobenwolken un
ter hohem Druck in Windrichtung verstreut«. Außer
dem sollen kleine Glasballons und infizierte Metall
pfeile aus Flugzeugen abgeworfen worden sein. Des
halb veranlasste Kliewe Schutzmaßnahmen vor der
feindlichen Verbreitung von Tularämie. Allerdings
erwähnte er keinen angeblichen oder tatsächlichen
Einsatz von Bakterien als Waffen durch sowjetische
Truppen oder Saboteure.78
Und eine weitere Frage stellt sich: Warum wurden
in den 1940er-Jahren führende sowjetische Mikrobi
ologen nicht nur angeklagt und inhaftiert, sondern
einige von ihnen sogar hingerichtet? Sie sollen
Biosabotage betrieben und zwischen 1939 und 1941
unter anderem den Tularämie-Erreger verbreitet ha
ben.79
Trotz allem stand für Geißler weiterhin fest, dass es
abgesehen von Alibekovs Behauptungen über den
Tularämie-Einsatz der Roten Armee gegen die Deut
schen sonst keine Berichte geben würde. Aus meh-
118
reren Gründen sei diese nicht bereit gewesen, »solche
Waffen während des Zweiten Weltkriegs einzuset
zen.«80
Geißler: »Nach dem Krieg erwähnte Kliewe die ,an
gebliche Möglichkeit, dass die Russen Bakterienwol
ken für Pest und Tularämie einsetzten', sagte aber
aus, dass ,obwohl es den Glauben zu geben scheint,
dass die Russen bereit waren, BW (Biowaffen/GG) zu
benutzen, gibt es dafür keinerlei dokumentarische
Beweise, obwohl die Deutschen zwei der angeblichen
BW-Stationen überrannt haben'. In ähnlicher Weise
berichtete Walter Hirsch, Leiter des deutschen BW
Komitees Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter ... «81
119
(Fotoquelle: RlA Novosti-Archiv, Bild Nr. 602161 / Zelma / CC
BY-SA 3.0 (https://commons. wikimedia.org/wiki/File:RIAN_
archive_602161_Center_of_Stalingrad_after_liberation.jpg)
120
Katastrophe verantwortlich und nicht Francisella tula
rensis (unabhängig davon, ob die Krankheit waffenfä
hig gemacht und von der Roten Armee verbreitet
wurde oder nicht).«83
Doch nach wie vor gehört Alibekov keineswegs zu
den »Verschwörungstheoretikern«, sondern war ein
hochrangiger Offizier und Wissenschaftler. Ange
sichts der aufgeführten Fakten sollte man deshalb die
Möglichkeit eines »Test-Versuchs« der Roten Armee
mit Tularämie-Bakterien gegen die deutsche Wehr
macht nicht vollends ausschließen.
Natürlich wird die Geschichte der Sieger - und da
mit auch unsere eigene - diese Episode nicht thema
tisieren. Gleich gar nicht verifizieren. Niemand hat
ein Interesse daran. So bleiben weiterhin Gerüchte,
Aussagen und Gegenaussagen, aber ebenso ernstzu
nehmende Fakten.
Zusätzliche Quellen:
BACKGROUND DOCUMENT (Geissler), 23rd
Workshop of the Pugwash Study Group on the Im
plementation of the Chemical and Biological Weap
ons Conventions: Achieving a Successful Outcome of
the Sixth Review Conference Geneva, Switzerland, 3-
4 December 2005: Alibek, Tularaemia and the Battle of
11
121
geissler.de/geschichte-der-biowaffen/alte-und-neue
desinformationen/tular%C3%A4mie-und-die-stalin
grader-schlacht/9/Zugriff: 26.03.21///Richard Overy:
Russlands Krieg, 2004, S. 286//fforsten Diedrich: Sta
lingrad 1942/43, Stuttgart 2018, S. 149/// Dr. phil. Utz
Anhalt: ,,Biologische Kriegsführung" in: heilpraxis
net.de v. 27.07. 2019 (https://www.heilpraxis
net.de/themen/biologische-kriegsfuehrung/)/Zugriff:
27.03.21///"Todesopfer der Schlacht um Stalingrad
nach Kriegspartei vorn 23. August 1942 bis zum 02.
Februar 1943" in: statista.com (https://de.sta
tista.corn/statistik/daten/studie/1093370/urnfrage/to
desopfer-der-schlacht-um-stalingrad-nach-kriegs
partei/)/Zugriff: 26.03.21///"Tularämie: Hasenpest ge
fährdet auch Menschen" in: pharrnazeutische-zei
tung.de v. 24.06. 2002 (https://www.pharrnazeu
tische-zeitung.de/inhalt-26-2002/rnedizin3-26-2002/)/
Zugriff: 26.03.21
122
8. Verschwiegen: »Little Pearl Harbor« -
Bari und das Geheimnis des verbotenen
Senfgases der Alliierten!
123
tentielles Ziel an und deshalb war jener nur unzu
reichend geschützt.
124
Aber es sollte noch viel schlimmer kommen: Unter
den getroffenen Schiffen war der Liberty-Frachter »SS
John Harvey«, der, wie sich gleich darauf herausstellte,
nicht nur eine äußerst geheime, sondern auch eine äu
ßerst tödliche Fracht an Bord hatte: nämlich 1 .350 Ton
nen Senfgasbomben! Genauer etwa 2.000 Bomben,
die jeweils 60 bis 70 Pfund des chemischen Kampf
stoffes Bis(2-chlorethyl)sulfid enthielten.
Da der Hafen bereits mit Schiffen gefüllt war, die
alle darauf warteten, entladen zu werden, stand der
Kommandant der »SS John Harvey«, Kapitän Elwin F.
Knowles, zuvor schon vor einem Dilemma. Natürlich
wusste er von seiner tödlichen Fracht und wollte sie
vor dem Angriff, mit dem auch er nicht gerechnet
hatte, so schnell wie möglich abladen. Allerdings
konnte er den Hafenbehörden nicht mitteilen, was
sein Schiff beförderte, war Senfgas doch nach seiner
Verwendung im Ersten Weltkrieg durch das Genfer
Protokoll von 1 925 verboten.
So beschloss Knowles zu warten, bis er an der Reihe
war. Hätte er dem Hafenmeister reinen Wein einge
schenkt, hätte er riskiert, vor ein Kriegsgericht gestellt
zu werden, weil er streng geheime Informationen ver
öffentlichte. Nach dem Angriff der Deutschen, deren
Bomben auch die »SS John Harvey« nicht verschonten,
hatte diese Entscheidung jedoch schwerwiegende
Konsequenzen.
Der Hafen von Bari verwandelte sich in eine Hölle!
Das Chaos brach aus. Das schlimmste war das Senf-
1 25
gas, das mit riesigen Explosionsfontänen in die Luft
geschleudert wurde und sich dann über jeden und al
les im Hafengebiet ergoss. Außerdem trieb eine ge
waltige Wolke toxischer Dämpfe durch die Stadt. Das
Meer wurde kontaminiert. Diejenigen Überlebenden,
die von den versenkten Schiffen in Sicherheit
schwimmen wollten, schluckten giftiges Wasser, das
zudem ihre Haut und ihre Kleidung verseuchte. Da
von ahnten sie jedoch nichts, ansonsten hätten die
Zahl der Verletzungen und Todesfälle durch einfache
Maßnahmen wie Waschen und das Wechseln der Be
kleidung verringert werden können. Die Symptome
einer Senfgasvergiftung selbst beginnen sich norma
lerweise erst 24 Stunden nach Kontakt zu entwickeln.
Trotz allem entschlossen sich die Alliierten dazu,
zunächst die verheerende Senfgas-Katastrophe ge
heim zu halten. Der britische Historiker Antony Bee
vor schreibt diesbezüglich: »Die Geheimhaltung, die
man über das Senfgas und den Tod der gesamten Be
satzung der Harvey verhängte, bedeutete, dass die
Ärzte, die Soldaten und Zivilisten behandelten,
nicht in der Lage waren zu erkennen, weshalb so
viele ihre Augen nicht öffnen konnten (aufgrund
von Bindehautentzündungen/GG) und unter sol
chen Schmerzen starben. Es brauchte zwei Tage, bis
sie einigermaßen sicher waren, was der Grund sein
könnte. « 84
Zuerst blieb dem medizinischen Personal die Ursa
che der Verletzungen, wie etwa Bindehautentzün-
126
dungen, Atembeschwerden oder Blasen auf der Haut,
ein Rätsel. Das war nicht verwunderlich, weil es keine
Erfahrungen mit Auswirkungen chemischer Waffen
besaß. Erst später wurde der Armeechirurg Dr. Ste
wart F. Alexander geschickt, der die Symptome er
kannte und die Betroffenen dementsprechend behan
delte. Selbst der britische Premier Winston Churchill
befahl dem eigenen medizinischen Personal, die Ur
sache der Verluste zu verschweigen.&5
Etwa 600 Soldaten und Angehörige der Handelsma
rine wurden verätzt, rund 1 00 von ihnen starben. Die
Zahl der getöteten Zivilisten betrug etwa 1 .000.
Kurzum: Aufgrund der Geheimhaltung der tödli
chen Fracht, opferten die Alliierten sowohl ihre eige
nen Leute, als auch die Einheimischen.
Ȇber 1 .000 Soldaten und Matrosen der Alliierten
sowie eine unbekannte Zahl Italiener ließen ihr Le
ben. Dies war einer der verheerendsten Angriffe der
Luftwaffe während des gesamten Krieges (Bee
vor ).«86
Auch die Kriegsberichterstatter stellten bald fest,
dass jeglicher Hinweis auf diesen Angriff von den
Zensoren gestrichen worden war.
Zunächst stellte man es so dar, dass die Deutschen
den verbotenen Kampfstoff abgeworfen hätten. Doch
dann wurde eine im Hafenbecken gefundene Gas
bombe als amerikanisches Modell identifiziert. Des
halb führten die Alliierten keinen entsprechenden
Gegenschlag durch.
127
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128
Nachdem die wahren Verursacher der Bari-Senfgas
Katastrophe feststanden, befürchteten sie vielmehr,
dass wenn die Achsenmächte (Deutschland, Italien,
Japan) von dieser verbotenen »Geheimwaffe« erfuh
ren, dies das Risiko eines ernsthaften chemischen
Krieges erhöhen würde.
Schließlich erklärten die Amerikaner, sie hätten die
Senfgasbomben für die Verteidigung einsetzen wol
len, im Falle dessen, dass die Deutschen zu chemi
schen Waffen greifen sollten.
Inwiefern dies glaubwürdig war, vermag ich an die
ser Stelle nicht zu beurteilen.
Nichtsdestotrotz gingen die Lügen der Alliierten
weiter. Die Todesfälle im Zusammenhang mit den
US-Senfgasbomben wurden als Verbrennungen auf
grund »feindlicher Aktionen« registriert.
Schon damals also wurden ganz bewusst »Fake
News« gestreut, um dieses verheerende Giftgas-De
saster, das den Hafen von Bari für mehr als ein Jahr
außer Betrieb setzte, den Deutschen in die Schuhe zu
schieben.
Übrigens: Erst 1974 gaben die Engländer die Akten
über den genauen Hergang frei.
Zusätzliche Quellen:
Günther W. Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand,
Koblenz 1986, S. 160-165///Robert Harris/Jeremy
Paxman: Der lautlose Tod - Die Geschichte der
129
biologischen und chemischen Waffen, München 2002,
S. 191-197///Elly Farelly: ,,The Allies' Secret Mustard
Gas Cargo Made the Attack on Bari an Even Worse
Disaster" in: warhistoryonline.com v. 14.03. 2018
(https://www.warhistoryonline.com/history/allies
secret-mustard-gas-cargo.html )/Zugriff: 17.04.21
130
9. Vergessen: Das Geheimnis um die
Bomben auf die Vatikanstadt!
131
Abb. 40: Vatikanstadt mit Petersdom
(Fotoquelle: Rabe!
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vatikanstadt_2014-
08-05i.jpg))
132
Abb. 4 1 : Zerstörung nach den mysteriösen Bomben
auf den Vatikan
Quelle Screenshot/Bildzitat:
https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2018-
1 1/geschichte-vatikan-bomben-faschisten-pius-xii-mussolini-75-
j ahre.html#&gid=null&pid=2 (Zugriff: 24.04.21)
1 33
Vatikan überflog. Er wollte die Nachrichten, die Ra
dio Vatikan ausstrahlte, zum Schweigen bringen. «87
Aber war das wirklich so? Mussolini selbst verur
teilte diese Aktion gleich danach. Das einzige Indiz,
das es für diese Theorie gibt, ist ein scheinbar abge
hörtes Telefonat von einem Priester aus Viterbo, der
seinem Gesprächspartner erklärt haben soll: »Es sind
die Faschisten, die dahinter stecken.«88
Eine andere Version handelt von einem, wie bereits
erwähnt, amerikanischen Flugzeug, das irrtümlich
und aus »unbekannten Motiven« seine Bombenlast
auf die Vatikanstadt entlud. Das soll eine vertrauliche
Mitteilung an Kardinalsekretär Luigi Maglione bele
gen. Wenige Tage nach dem Angriff soll er einem
päpstlichen Diplomaten anvertraut haben, der US
Stabschef hätte ihn darüber informiert, dass der Ab
wurf »vermutlich auf einen amerikanischen Piloten
zurückgeht, der sich verirrt hat. «89
Ein Fehlabwurf jedoch schien ausgeschlossen zu
sein, weil der einzelne Bomber zuvor schon längere
Zeit über Rom kreiste. Zudem herrschte bei klarem
Mondlicht beste Sicht.
Eine andere Möglichkeit wurde vor allem von den
Alliierten, insbesondere von den Amerikanern, nicht
an die große Glocke gehängt. Denn schon am 19. Juli
1943 warfen in der von langer Hand geplanten Ope
ration »Crosspoint« B-24-»Liberator«-Flugzeuge der
US Air Force und britische Bomber in drei Stunden
mehr als 1.000 Tonnen Bomben auf die Ewige Stadt
134
ab. Vor allem über dem San-Lorenzo-Viertel im Osten
Roms.
135
Zu jener Zeit regierte dort noch Mussolini. Offiziell
gab es bei den Angriffen 1.492 Tote, 1.600 Verletzte
und zahlreich zerstörte oder schwer beschädigte Ge
bäude. Darunter die Papst-Basilika San Lorenzo.
Diesbezüglich wurde im Jahr 2018 vom Domradio,
dem Multimediasender des Erzbistums Köln, fol
gende Geschichte kolportiert: »Während sich weder
König Viktor Emanuel III. noch ein Vertreter der fa
schistischen Führungsriege blicken ließen, traf der
Papst auf den Vorplatz der San-Lorenzo-Basilika mit
den traumatisierten Menschen zusammen. Inmitten
der Trümmer kniete er nieder und betete das Klage
gebet ,De profundis'. Seine Soutane war blutver
schmiert - ein verwundeter Junge hatte ihn berührt.
Die Menschen riefen ,Wir wollen Frieden'. Pius XII.
tröstete die Verletzten und Hinterbliebenen. Flehend
und warnend erhob er die ausgebreiteten Arme zum
Himmel. Die Geste zählt zu den ausdrucksstärksten
Bildern seines Pontifikats. Sie ist vor Ort, nahe dem
Eingang zum Verano-Friedhof, in einer lebensgroßes
Bronzeskulptur festgehalten.«9()
Obwohl Papst Pius XII. (1876-1958) bereits im Som
mer 1940 versucht hatte, die Alliierten zu einem
schriftlichen Verzicht auf eine Bombardierung Roms
zu bewegen, verhallte diese Bitte ungehört, wie die
Zeitgeschichte zeigt.
Deshalb stellt sich noch heute die Frage, ob am 5.
November 1943 eventuell - wie schon zuvor- die
Amerikaner ganz »bewusst« die Vatikanstadt ange-
136
griffen hatten, als Warnung für den Pontifex, seine
Neutralität nicht aufzugeben?
Wie auch immer: Der Heilige Stuhl protestierte
energisch. Dabei erbrachte die Untersuchung der
Bombensplitter keine Hinweise. Diplomaten Groß
britanniens, der USA und des Deutschen Reiches be
schuldigten jeweils den Kriegsgegner. Das ganze gip
felte darin, dass die Alliierten unter anderem im ge
wohnten Muster behaupteten, die Deutschen hätten
»erbeutete britische Bomben« eingesetzt, um ihnen
die Schuld des Angriffs in die Schuhe zu schieben.
Zusätzliche Quellen:
,,Vor 75 Jahren: Bomben auf den Vatikan" in: vatican
news.va v. 5. November 2018 (https://www.vatican
news.va/de/vatikan/news/2018-11/geschichte-vati
kan-bomben-faschisten-pius-xii-mussolini-75-
jahre.html)/Zugriff; 24.04.21///,,Wer warf die Bomben
auf den Vatikan?" in: weit.de v. 21. Dezember 2020
(https://www.welt.de/geschichte/zweiter-welt
krieg/article1215317l6/2-Weltkrieg-Wer-warf-die
Bomben-auf-den-Vatikan.html)/Zugriff: 24.04.21
137
10. Verschwiegen: »Verwüstung der
päpstlichen Sommerresidenz und die
Tötung von Flüchtlingen« - Das
ungesühnte Kriegsverbrechen der
Alliierten!
138
Baracken, Zelten oder unterirdischen Gängen unter
gebracht wurden. Seine Privatgemächer stellte der
Papst Schwangeren zur Verfügung; sein Schlafzim
mer wurde zur Hebarnrnenstation umfunktioniert.
Insgesamt kamen im Apostolischen Palast 36 Kinder
gesund und munter zur Welt.
Militärisch geschützt wurde Castel Gandolfo von
einer Abteilung der Päpstlichen Palatingarde, die aus
römischen Freiwilligen bestand. Ebenso von einer
»Hauspolizei« aus ehemaligen Carabinieri und pen
sionierten Soldaten.
Über den Gebäuden der Sommerresidenz des Pon
tifex wehten die gelbweißen Fahnen des Vatikans, die
den Kriegsparteien den völkerrechtlichen Status des
Territoriums anzeigten. Selbst in Washington und
London war der Heilige Stuhl einst vorstellig gewor
den, um den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzu
stellen. Allerdings wurden diese Bittgesuche von den
Alliierten nicht erfüllt, störten sie doch deren strate
gische, militärische Pläne.
In jener Zeit unterstützten anglo-amerikanische
Bombengeschwader die Offensive der eigenen Ver
bände in Italien nach ihrer Landung am 20. Januar
1 944. Unvermindert setzten sie dabei ihre Angriffe
fort, so dass auch die Bewohner der Castelli Romani
(ein Gebiet von sechzehn Gemeinden in der Region
Latium) gezwungen waren, zu Tausenden zu fliehen.
Ihr Ziel war das vermeintlich sichere vatikanische
Territorium in den Albaner Bergen. Genau das aber
139
wurde vielen von ihnen zum Verhängnis, erwartete
sie dort doch eine Katastrophe.
Es war am 1. Februar 1944, als plötzlich amerikani
sche und britische Bombergeschwader über den Ber
gen auftauchten und gleich darauf ihre tödliche
Fracht über die Castelli Romani und der päpstlichen
Sommerresidenz samt seinen Villen entluden. Und
das trotz der weithin gut sichtbaren gelbweißen Vati
kanflaggen.
140
überall Wolken aus Staub und Schreie. Verwundete
und Tote wurden aus den Trümmern geborgen und
in Notquartiere gebracht. Das Chaos war perfekt.
Auch das Frauenkloster der Klarissinnen wurde
von den Bomben nicht verschont. Sechzehn Nonnen
starben. Thre verstümmelten und zerfetzten Leichen
wurden unter den eingestürzten und zerstörten Ge
bäudeteilen herausgeholt.
Doch bei diesem schrecklichen und völlig sinnlosen
Bombardement der Alliierten blieb es nicht. Denn
schon zehn Tage später, am Morgen des 10. Februar
1944, näherte sich erneut ein anglo-amerikanisches
Bombengeschwader. Auch dieses Mal brachten die
Flugzeuge den grausamen Tod, jedoch noch weitaus
schlimmer.
Die Bomben trafen vor allem hunderte Menschen,
die sich beim Kolleg zur täglichen Verteilung der
Milchration angestellt hatten. Darunter viele Mütter
und Kinder.
Ein Zeitzeuge berichtete: »Ein furchtbares Bild von
apokalyptischem Ausmaß. Ein Bombenkrater neben
dem anderen, Trümmer auf Trümmer, und Opfer,
viele Opfer, überall. Beim Atmen spüre ich den Tod
in meinen Lungen.«91
Die Amerikaner und Briten machten das Missions
kolleg der päpstlichen Sommerresidenz in einem
wahrhaftigen Blutbad dem Erdboden gleich!
An diesem Tag starben mehr als fünfhundert un
schuldige Menschen im Bombenhagel der Alliierten.
141
Dabei war zuvor kein einziger Flüchtling, der Zu
flucht im päpstlichen Castel Gandolfo gefunden
hatte, in die Hände deutscher Besatzer oder italieni
scher Faschisten geraten. Jetzt aber fielen Hunderte
von ihnen den Bomben der alliierten »Befreier« zum
Opfer.
Meines Erachtens handelte es sich bei diesem Bom
bardement um ein Kriegsverbrechen, das jedoch ver
schwiegen und vertuscht wurde und von dem heute
keiner der amerikanischen und britischen Verant
wortlichen mehr etwas wissen will!
Geschweige denn, dass darüber auch nur eine ein
zige Zeile in den hiesigen Geschichtsbüchern zu fin
den ist.
142
(Quelle Screenshot/Bildzitat:
https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/201 8-
1 1/geschichte-vatikan-bomben-faschisten-pius-xii-mussolini-75-
jahre.htrnl#&gid=null&pid=2 (Zugriff: 24.04.21 )
Zusätzliche Quellen:
„Die Sommerresidenz des Papstes im Bombenhagel
des II. Weltkriegs" in: kath.net v. 7. Februar 2014
(https://kath.net/print/44803)/Zugriff:
24.04.21///,,Dieses die Bomben übertönende Weinen
der Neugeborenen" in: 30giorni.it (30 Tage in Kirche
und Welt 8/2004) (http://www.30giomi.it/arti
coli_id_4270_l5.htm)/Zugriff: 24.04.21)
143
11. Verdrängt: So wurde der Preußische
Staat »ausgelöscht!«
144
»Altpreußische«, war mit dem Litauischen und Letti
schen verwandt.
Bereits ab dem 1 1 . Jahrhundert versuchte Polen
weitaus mehr als das pruzzische Siedlungsgebiet zu
erobern, um einen Zugang zur Ostsee zu gewinnen.
Allerdings scheiterten diese Kriegszüge am erbitter
ten Widerstand der Pruzzen.
Seit dem Spätmittelalter bestand Preußen an der
Ostsee, genauer zwischen Pommern, Polen und Li
tauen. Zunächst war es ein geografischer Flickentep
pich aus dem Kurfürstentum der Mark Brandenburg,
dem Herzogtum Preußen (rund um Königsberg) und
einzelner Gebiete um Kleve und Ravensberg. Bis ins
Jahr 1918 regierte die Familie der Hohenzollern.
Kein anderer als Kurfürst Friedrich III. (1657-1713),
der sich 1701 selbst zu König Friedrich 1. krönen ließ,
gab diesem Territorium erstmals den Namen »König
reich Preußen«. Damals standen Teilgebiete des Lan
des noch unter polnischer Hoheit.
Durch den Dreißigjährigen Krieg, der zwischen
1618 und 1648 tobte, wurde Preußens Kernland Bran
denburg stark verwüstet.
Mit dem »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm 1.
(1688-1740) begann eine den Staat beherrschende
Armeereform (Vergrößerung des Heeres, Einfüh
rung einer Wehrpflicht). Nach dem Krieg zusammen
mit Dänemark und Sachsen gegen Karl XII. von
Schweden, wurde Preußens Territorium zur Ostsee
hin erweitert.
145
Abb. 45: Brandenburg-Preußen im Jahre 1618
(Bildquelle: Wikimedia Commons
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Locator_Brandenburg
Prussia_within_the_Holy_Roman_Empire_(1618).svg)
146
Gleichzeitig begründete er aber auch den »Rechts
staat«. Attribute wie etwa Fleiß, Pflichterfüllung, Be
scheidenheit und Einsatz für andere wurden für
wichtig gehalten. Der Staat gab sich liberal, nahm
schon früh Flüchtlinge aus allen Ländern auf. Außer
dem durften alle Religionen ihren Glauben praktizie
ren.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Preußen innen
politisch durch viele Reformen geprägt (Verwaltung,
Regierung, Landwirtschaft und Militär). Von großer
Bedeutung war zudem die Gewerbefreiheit sowie die
Bildungsreform, die Wilhelm von Humboldt (1767-
1835) in die Wege leitete, die wiederum die Freiheit
von Forschung und Lehre einforderte, die bis heute
das Universitätssystem prägt. In seiner programmati
schen Schrift Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der
Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, stellte Humboldt
erstmals den Einzelnen über die Gemeinschaft; das
Individuum über den Staat.
Nach zwei Jahren im sogenannten »Berliner Frie
den« wurden Friedrich II. ein Großteil der österreichi
schen Provinz zugesprochen. Bei der ersten Teilung
Polens (1772) separierten sich neben Preußen auch
Russland und Österreich das Königreich Regnum Po
loniae.
Preußen besetzte weite Teile des Verbindungs
stücks zwischen Brandenburg und Königsberg (West
preußen). König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) si
cherte sich weitere polnische Gebiete (Warschau,
147
Danzig, Posen, Thom und Zentralpolen). Damit er
reichte Preußen ein so großes Staatsgebiet, wie nie zu
vor in der Geschichte.
An dieser Stelle sei der preußische Staatsmann Karl
August Fürst von Hardenberg (1750-1822) erwähnt,
der von 1804 bis 1807 das Amt des Außenministers
bekleidete und 1810 »mit Billigung Napoleons« zum
Staatskanzler wurde. Mit seiner Rigaer Denkschrift
von 1805 sprach er sich für weitgehende Reformen
aus und strebte einen liberalen Verfassungsstaat an.
So trat er beispielsweise für eine einheitliche Finanz
und Steuerpolitik ein, für Gewerbefreiheit, für die
Bauernbefreiung und die »Judenemanzipation«.
Während seiner Amtszeit setzte er diese entsprechen
den Gesetze auch durch. Schon damals bekundete
Karl August Fürst von Hardenberg: »Demokratische
Grundsätze in einer monarchistischen Regierung:
diese scheint mir die angemessene Form für den ge
genwärtigen Zeitgeist. «92
Nach Ende der Napoleonischen Kriege sorgte der
Wiener Kongress 1815 für eine Neuordnung Europas.
So erhielt Preußen (nun ein Gliedstaat des Deutschen
Bundes, der bis 1866 existierte) das bislang erfolg
reich im Osten expandiert hatte, auch im Westen neue
Landstriche dazu; nämlich Westfalen und das Rhein
land.
148
Oll DCP1'8ChE ll">�UJ
illl't•IM-11
149
zum ersten Deutschen Kaiser gekrönt. Der preußi
sche Ministerpräsident Otto von Bismarck (1815-
1898) wurde deutscher Reichskanzler.
150
Abb. 48: Proklamation des preußischen Königs
Wilhelm I. als Deutscher Kaiser in Versailles
(Bildquelle: Anton von Werner (1843-1915), Museen Nord /
Bismarck Museum
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:A_v_Werner_-
_Kaiserproklamation_am_18_Januar_1871_(3._
Fassung_1885).jpg))
151
An Stelle der alten europäischen Ordnung war nun
das Prinzip der nationalstaatlichen Ordnung Europas
getreten.
1876 erfolgte der Anschluss des Herzogtums
Lauenburg, 1891 der Erwerb von Helgoland,
1904/1905 der Gebietsaustausch und die Grenzregu
lierungen mit Lübeck, Braunschweig und Bremen.
152
Abb. 50: Schlachtfeld von Königgrätz, 3. Juli 1866
(Bildquelle:
https://comrnons.wikimedia.org/wiki/File:Bilderrevolution
0264.jpg)
153
:)
154
ab. Vielmehr richtete sich seine Außenpolitik auf die
Sicherung des Bestehenden, der Aufrechterhaltung
des Gleichgewichts, der Verhinderung feindlicher
Koalitionen sowie auf eine altemativlose Friedenspo
litik. Die Sorge jedoch, dass das neue Reichsgebilde
Gefahr lief, in einen Zweifrontenkrieg (Frank
reich/Russland) hineinzugeraten, verließ ihn nie. So
schloss Bismarck 1879 den Zweibund mit Österreich,
der 1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund
wurde. 1887 vereinbarte Bismarck den Rückversiche
rungsvertrag mit Russland.
Im 19. sowie im frühen 20. Jahrhundert wurde der
preußische Staat als »Vehikel der effektiven Verwal
tung und des Fortschritts« gefeiert, als »Befreier des
protestantischen Deutschlands von der österreich
habsburgischen und der französischen Plage. « Dama
lige Historiker sahen den »1871 gegründeten, von
Preußen dominierten Nationalstaat als den natürli
chen, unvermeidlichen und bestmöglichen Endpunkt
der historischen Entwicklung Deutschlands seit der
Reformation« (Clark).93
Reichskanzler Otto von Bismarck war es auch, der
weitreichende, fortschrittliche Sozialgesetze initiierte.
1883 wurde die Krankenversicherung eingeführt,
1884 die Unfallversicherung, 1889 die Invaliditäts
und Altersversicherung, 1891 die Rentenversiche
rung. All diese Maßnahmen führte Bismarck gegen
den Widerstand des liberalen Unternehmertums
durch, sah jener doch dadurch nicht nur die freie
155
Wirtschaft gefährdet, sondern befürchtete gleichwohl
finanzielle Verluste.
156
Mit dieser Sozialgesetzgebung, die dem preußischen
Selbstverständnis von der Fürsorgepflicht des Staates
gegenüber den anvertrauten Bürgern entsprach,
schuf Bismarck nicht weniger als die Grundlage für
die Entwicklung des Wohlfahrt- und Sozialstaates,
den wir bis heute haben.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg musste der
letzte Deutsche Kaiser Wilhelm II. (Friedrich Wilhelm
Viktor Albert von Preußen (1859-1941)) abdanken, die
anderen Fürsten wurden vertrieben. Deutschland
wurde zu einer Republik, in der der Freistaat Preußen
als das größte Bundesland (sowohl in der Fläche, als
auch bezüglich der Bevölkerungszahl) weiterexis
tierte.
Der erste sozialdemokratische Ministerpräsident
des Freistaates Preußens, Paul Hirsch (1868-1940), er
öffnete am 13. März 1919 das Parlament mit folgen
den Worten: »Preußens Aufgaben sind doch noch
nicht erfüllt. Auf den Geist der Freiheit, der Ordnung
und Arbeit gestützt, soll es noch einmal der deut
schen Nation und ihrer künftigen friedlichen Größe
dienen. Preußens beste Eigenschaften, Arbeitsamkeit
und Pflichttreue, braucht auch das neue deutsche
Reich zum Wiederaufbau. Das alte Preußen ist tot, es
lebe das neue Preußen! «94
Und am 25. März desselben Jahres erklärte er: »Frei
heit und Ordnung, das sind die Grundpfeiler, auf de
nen sich das neue Preußen aufzubauen hat. Aus dem
alten Preußen, das für alle Zeit dahin ist, wollen wir
157
in die Zukunft das hinübernehmen, was gut an ihm
war: den schlichten Geist ernster Pflichterfüllung und
den Geist nüchterner Sachlichkeit. Durch eine
schwere Zeit muss unser Land hindurch ( ... )«95
Dementsprechend wehrte sich die preußische
Staatsregierung gegen die unglaubliche Bürde des
Versailler Vertrages, den die Sieger den Deutschen
auferlegt hatten und der dann auch noch als »Frie
densvertrag« in die Geschichte einging. Dabei
schwebte er wie ein Damoklesschwert über jedem
einzelnen Haupt. Und kein Volk der Welt hätte ihn so
erfüllen können. Vielmehr schürten die Siegermächte
damit die Saat eines neuen Krieges (siehe dazu Kapi
tel 1 . Verdrängt: »Letzte Reparationsrate im Jahr 2010!« -
So viel musste Deutschlandfür die beiden verlorenen Welt
kriege zahlen!)
Am 12. Mai 1919 erließ die preußische Regierung
dementsprechend folgenden Aufruf, der mit folgen
den Worten schloss: »Dieser Friedensvertrag ist un
annehmbar, seine Bedingungen sind selbst von dem
entsagungsbereitesten Volk nicht zu ertragen. Wir er
klären vor der Welt: Lieber tot als Sklav.«96
Allerdings nützte das wenig, weil nicht die preußi
sche Regierung über die Annahme des Versailler Ver
trages entschied, sondern die Reichsregierung. Und
jener blieb nichts anderes übrig, genau das zu tun, um
keine weiteren Okkupationen des noch besatzungs
freien Reichsgebietes durch die Alliierten zu riskie
ren.
158
Was ich damit sagen will: Die Preußen waren es, die
sich mit ihrem traditionellen Staatsbewusstsein gegen
diesen völlig unannehmbaren Versailler Vertrag so
gar öffentlich wehrten!
Nachfolgend möchte ich an dieser Stelle einen Aus
zug aus dem Versailler Vertrag zu Ostpreußen, Me
mel und Danzig veröffentlichen, ist dies doch der
breiten Öffentlichkeit landläufig so nicht bekannt (die
alte Rechtschreibung wurde wie im Original beibe
halten) 97:
Teil II.
Deutschlands Grenzen.
Artikel 28.
159
ungefähren Richtung von 209 ° (von Norden nach Osten
gerechnet);
von dort der Lauf der Nogat aufwärts bis zu dem Punkte,
wo dieser Fluß die Weichsel verläßt;
von dort die Hauptfahrrinne der Weichsel aufwärts,
dann die Südgrenze des Kreises Marienwerder, dann die
Südgrenze des Kreises Rosenberg nach Osten bis zu ihrem
Treffpunkt mit der alten Grenze Ostpreußens;
von dort die alte Grenze zwischen West- und Ostpreu
ßen, dann die Grenze zwischen den Kreisen Osterode und
Neidenburg, dann der Lauf der Skottau abwärts, dann der
Lauf der Neide aufwärts bis zu einem Punkte, der ungefähr
5 km westlich von Bialutten zunächst der alten russischen
Grenze gelegen ist;
von dort nach Osten bis zu einem Punkte unmittelbar
südlich des Schnittpunktes der Straße Neidenburg-Mlawa
mit der alten russischen Grenze
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die nördlich
von Bialutten verläuft;
von dort die alte russische Grenze bis östlich von Schmal
leningken, dann die Hauptfahrrinne der Memel (des Nje
men) abwärts, dann der Skierwietharm des Deltas bis zum
Kurischen Haff;
von dort eine gerade Linie bis zum Schnittpunkt der Ost
küste der Kurischen Nehrung mit der Verwaltungsgrenze
etwa 4 km südwestlich von Nidden;
von dort diese Verwaltungsgrenze bis zum Westufer der
Kurischen Nehrung.
(...)
160
Abschnitt IX.
Ostpreußen.
Artikel 94.
Artikel 95.
161
ernannten Mitgliedern besteht. Dieser Ausschuß erhält all
gemeine Verwaltungsbefugnis und hat insbesondere die
Aufgabe, die Abstimmung in die Wege zu leiten und alle
Maßnahmen zu treffen, die er zur Sicherung einer freien,
unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erfor
derlich erachtet. Er erhält desgleichen Vollmacht zur Ent
scheidung aller Fragen, zu denen die Ausführung der ge
genwärtigen Bestimmungen Anlaß gibt. Er trifft ferner alle
geeigneten Anordnungen, um sich bei der Ausübung seines
Amtes durch Hilfskräfte unterstützen zu lassen, die er
selbst unter der örtlichen Bevölkerung auswählt. Er ent
scheidet mit Stimmenmehrheit.
Stimmberechtigt ist jede Person, ohne Unterschied des
Geschlechts, die den nachstehenden Bestimmungen ge
nügt:
a) Sie muß bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags
das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben;
b) sie muß in der Zone, in der die Volksabstimmung
stattfindet, geboren sein oder seit einem von dem Ausschuß
festzusetzenden Zeitpunkt dort ihren Wohnsitz oder ge
wöhnlichen Aufenthalt gehabt haben.
Jeder stimmt in der Gemeinde, in der er seinen Wohn
sitz hat, oder, wenn er seinen Wohnsitz oder Aufenthalt
nicht in der Zone hat, in der Gemeinde, in der er geboren
ist.
Das Abstimmungsergebnis wird gemeindeweise und
zwar nach der Stimmenmehrheit in jeder Gemeinde festge
stellt.
Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß
162
den alliierten und assoziierten Hauptmächten die A nzahl
der in jeder Gemeinde abgegebenen Stimmen mit und
reicht gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die
Wahlhandlung sowie einen Vorschlag über die Linie ein,
die unter Berücksichtigung sowohl des durch die Abstim
mung kundgegebenen Willens der Einwohner als der geo
graphischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften in
dieser Gegend als Grenzen Ostpreußens angenommen wer
den soll. Die alliierten und assoziierten Hauptmächte set
zen alsdann die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen in
dieser Gegend fest.
Schließt der von den alliierten und assoziierten Haupt
mächten festgesetzte Grenzverlauf irgendeinen Teil des im
Artikel 94 umschriebenen Gebiets von Ostpreußen aus, so
erstreckt sich der oben im Artikel 87 vorgesehene, von
Deutschland zugunsten Polens ausgesprochene Rechtsver
zicht auf die so ausgeschlossenen Gebietsteile.
Sobald die alliierten und assoziierten Hauptmächte die
Grenzlinie festgesetzt haben, werden die ostpreußischen
Verwaltungsbehörden von dem Ausschluß dahin verstän
digt, daß sie in dem nördlich dieser Grenzlinie liegenden
Gebiet die Verwaltung wider zu übernehmen haben. Diese
Übernahme hat binnen Monatsfrist nach der Benachrichti
gung und in der von dem Ausschuß vorgeschriebenen A rt
zu erfolgen. Binnen derselben Frist und ebenfalls in der
von dem Ausschuß vorgeschriebenen A rt hat die polnische
Regierung für die Verwaltung des südlich der Grenzlinie
liegenden Gebiets Sorge zu tragen. Sobald hiernach die Ver
waltung des Landes durch die ostpreußischen oder
163
polnischen Behörden sichergestellt ist, nahmen die Befug
nisse des internationalen Ausschusses ein Ende.
Die Ausgaben des Ausschusses für seine eigene Tätigkeit
sowie für die Verwaltung der Zone werden aus den örtli
chen Einnahmen bestritten; das Mehr an Ausgaben wird
nach einem von den alliierten und assoziierten Haupt
mächten festgesetzten Verhältnis von Ostpreußen getra
gen.
Artikel 96.
Artikel 97.
164
Zone einem internationalen Ausschuß unterstellt, der aus
fünf von den alliierten und assoziierten Hauptmächten er
nannten Mitgliedern besteht. Dieser Ausschuß, dem erfor
derlichenfalls die nötigen Streitkräfte beizugeben sind, er
hält allgemeine Verwaltungsbefugnis und hat insbesondere
die Aufgabe, die Abstimmung in die Wege zu leiten und alle
Maßnahmen zu treffen, die er zur Sicherung einer freien,
unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erfor
derlich erachtet. Er hat sich, soweit möglich, nach den Best
immungen des gegenwärtigen Vertrags über die Volksab
stimmung in der Allensteiner Zone zu richten. Er entschei
det mit Stimmenmehrheit.
Die Ausgaben des Ausschusses für seine eigene Tätigkeit
sowie für die Verwaltung der ihm unterstellten Zone wer
den aus den örtlichen Einnahmen bestritten.
Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß
den alliierten und assoziierten Hauptmächten die Anzahl
der in jeder Gemeinde angegebenen Stimmen mit und
reicht gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die
Wahlhandlung sowie einen Vorschlag über die Linie ein,
die unter Berücksichtigung sowohl des durch die Abstim
mung kundgegebenen Willens der Einwohner als auch der
geographischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften
in dieser Gegend als Grenzlinie Ostpreußens angenommen
werden soll. Die alliierten und assoziierten Hauptmächte
setzen alsdann die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen
in dieser Gegendfest, wobei zum mindesten für die gesamte
Strecke, auf der die Weichsel die Grenze bildet, die volle
und uneingeschränkte Überwachung des Stromes
165
einschließlich seines östlichen Ufers in der Tiefe, die für die
Regulierung und Verbesserungsarbeiten erforderlich ist,
Polen zugesprochen werden muß. Deutschland verpflichtet
sich, niemals irgendwelche Befestigungen in irgendeinem
Teile des erwähnten Gebiets, soweit es deutsch bleibt, an
zulegen.
Die alliierten und assoziierten Hauptmächte erlassen
gleichzeitig Vorschriften, die der ostpreußischen Bevölke
rung den Zugang zur Weichsel und die Benutzung des
Stromes für sie selbst, für ihre Güter und für ihre Schiffe
unter angemessenen Bedingungen und unter vollster
Rücksichtnahme auf ihre Interessen sichern.
Die Grenzbestimmungen und die oben vorgesehenen
Vorschriften sind für alle Beteiligten bindend.
Sobald die Verwaltung des Landes durch die ostpreußi
schen oder polnischen Behörden übernommen ist, nehmen
die Befugnisse des Ausschusses ein Ende.
Artikel 98.
166
etwa auf dem rechten Weichselufer zwischen Polen und der
Freien Stadt Danzig liegende deutsche Gebiet die gleiche
Möglichkeit sichert.
Abschnitt X.
Memel.
Artikel 99.
Abschnitt XI.
Freie Stadt Danzig.
Artikel 100.
167
von der Ostsee nach Süden bis zu dem Punkte, an dem
die Hauptschiffahrtswege der Nogat und der Weichsel zu
sammentreffen:
die ostpreußische Grenze, wie sie im Arti
kel 28 Teil II (Deutschlands Grenzen) des gegenwärtigen
Vertrags beschrieben ist;
von dort der Hauptschiffahrtsweg der Weichsel talwärts
bis zu einem Punkt ungefähr 6½ km nördlich der Dirsch
auer Brücke;
von dort nach Nordwesten bis zur Höhe 5, 1 ½ km süd
östlich der Kirche von Güttland:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie;
von dort nach Westen bis zu dem Vorsprung, die die
Grenze des Kreises Berent 8½ km nordöstlich von Schön
eck bildet:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die zwi
schen Mühlbanz im Süden und Rambeltsch im Norden
verläuft;
von dort nach Westen die Grenze des Kreises Berent bis
zu der Einbuchtung, die sie 6 km nordnordwestlich von
Schöneck bildet;
von dort bis zu einem Punkte auf der Mittellinie des Lon
kener Sees:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die nördlich
von Neu-Fietz und Schatarpi und südlich von Barenhütte
und Lonken verläuft;
von dort die Mittellinie des Lonkener Sees bis zu seinem
Nordende;
von dort bis zum Südende des Pollenziner Sees:
168
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie;
von dort die Mittellinie des Pollenziner Sees bis zu sei
nem Nordende;
von dort nach Nordosten bis zu dem ungefähr 1 km süd
lich der Kirche von Koliebken liegenden Punkt, wo die Ei
senbahn Danzig-Neustadt einen Bach kreuzt:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die südöst
lich von Kamehlen, Krissau, Fidlin, Sulmin (Richthof)
Mattern, Schäferei und nordwestlich von Neuendorf, Mar
schau, Czapielken, Hoch- und Klein-Kelpin, Pulvermühl,
Renneberg und den Städten Oliva und Zoppot verläuft;
von dort der Lauf des oben erwähnten Baches bis zur Ost
see.
Die vorstehend beschriebenen Grenzen sind auf einer
deutschen Karte im Maßstab 1:100000, die dem gegenwär
tigen Vertrag unter Nr. 3 als A nlage beigefügt ist, einge
zeichnet.
Artikel 101.
Ein Ausschuß, der aus drei von den alliierten und assozi
ierten Hauptmächten ernannten Mitgliedern , darunter ei
nem Oberkommissar als Vorsitzenden und aus je einem
von Deutschland und Polen ernannten Mitgliede besteht,
tritt binnen zwei Wochen nach Inkrafttreten des gegenwär
tigen Vertrags zusammen, um unter möglichster Berück
sichtigung der bestehenden Gemeindegrenzen die Grenzli
nie für das vorstehend bezeichnete Gebiet an Ort und Stelle
festzulegen.
169
A rtikel 102.
Artikel 103.
Artikel 104.
170
aufzunehmen und die Einrichtung einer Freizone im Ha
fen in die Wege zu leiten;
2. Polen die freie Benutzung in den Gebrauch der Was
serstraßen, Docks, Binnenhäfen, Ladestraßen und der
sonstigen im Gebiete der Freien Stadt belegenen, für die
Ein- und Ausfuhr Polens notwendigen Anlagen ohne ir
gendwelche Einschränkung zu gewährleisten;
3. Polen die Überwachung und Verwaltung der Weichsel
sowie des gesamten Eisenbahnnetzes innerhalb der Gren
zen der Freien Stadt , mit Ausnahme der Straßenbahnen
und der sonstigen in erster Linie den Bedürfnissen der
Freien Stadt dienenden Bahnen, ferner die Überwachung
und Verwaltung des Post-, Draht- und Fernsprechverkehrs
zwischen Polen und dem Hafen von Danzig zu gewährleis
ten;
4. Polen das Recht zum Ausbau und zur Verbesserung
der Wasserstraßen, Docks, Binnenhäfen, Ladestraßen, Ei
senbahnen und der sonstigen vorerwähnten Anlagen und
Verkehrsmittel zu gewährleisten, sowie das Recht zur
Miete oder zum Ankauf des dazu erforderlichen Geländes
und Eigentums zu angemessenen Bedingungen;
5. Vorsorge zu treffen, daß in der Freien Stadt Danzig
keinerlei unterschiedliche Behandlung der Bevölkerung
zum Nachteil der polnischen Staatsangehörigen und ande
rer Personen polnischer Herkunft oder polnischer Zunge
stattfindet;
6. der polnischen Regierung die Leitung der auswärtigen
Angelegenheiten der Freien Stadt Danzig sowie den
Sch utz ihrer Staatsangehörigen im Ausland zu übertragen.
171
A rtikel 105.
Artikel 106.
172
Artikel 107.
Artikel 108.
1 73
Abb. 53: Otto Braun (Ministerpräsident von
Preußen, SPD, Deutschland), Juli 1930
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 102-10131 / CC-BY-SA 3.0
(https://comrnons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_l
02-10131,_0tto_Braun.jpg)
1 74
(1885-1970) (von März 1930 bis Mai 1932 Reichskanz
ler, Zentrumspartei/GG) war die letzte demokratisch
legitimierte Reichsregierung ( ... ) Der Musterstaat
Preußen war in dieser Zeit die feste Bastion der de
mokratischen Republik (...) und wurde erst nach der
die Demokratie schwächende Weltwirtschaftskrise
durch einen Gewaltakt (Papens ,Preußenschlag')
überrannt, als die Reichsspitze autoritär und diktato
risch geworden war.«98
Und das kam so: Am 11. Juli 1932 beschloss die
Reichsregierung unter dem neuen Reichskanzler und
Nachfolger Brünings, Franz von Papen (1879-1969,
zuerst Zentrumspartei, dann Parteilos, schließlich
NSDAP)) - der später maßgeblich dazu beitrug,
Adolf Hitler und die NSDAP an die Macht zu bringen
- das sozialdemokratisch regierte Preußen unter Mi
nisterpräsident Otto Braun zu annektieren, der Preu
ßen zu einem »republikanischen Bollwerk« in der
Weimarer Republik machen wollte. Der Vorwurf lau
tete, dass Preußen das Land finanziell nicht in den
Griff bekommen hätte und außerdem mit den Kom
munisten konspirieren würde und daher nicht für in
nere Sicherheit bürgen könne.
Per Notverordnung wurde Preußens Regierung ab
gesetzt und Reichskanzler Franz von Papen (als
»Reichskommissar«) an deren Stelle gesetzt. Diese
Entmündigung ging als »Preußenschlag« in die Ge
schichte ein, in der das Bundesland zu einer Verwal
tungseinheit degradiert wurde.
175
Abb. 54: Franz von Papen (23. September 1933)
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 183-1988-0113-500 /
CC-BY-SA 3.0
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_l
83-1988-011 3-500,_Franz_v._Papen_(cropped )(2 ) .jpg ))
176
Nach der Gleichschaltung - der »Verreichlichung«
der Länder während der NS-Herrschaft - verlor Preu
ßen jedoch seine Autonomie. So etwa durch das
Zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem
Reich (das sogenannte »Reichsstatthaltergesetz«) vom 7.
April 1933 (und 30. Januar 1934). Dementsprechend
wurden die Volksvertretungen der Länder aufgeho
ben, ihre Hoheitsrechte gingen auf das Reich über.
Damit unterstanden die Landesregierungen der
Reichsregierung. Die Länder selbst waren jetzt nur
noch bloße Gebietskörperschaften höherer Art des
zum Einheitsstaat gewordenen Reiches.
Adolf Hitler (1889-1945) übernahm das Amt des
Reichsstatthalters und übertrug diese Befugnisse am
11. April 1933 auf Hermann Göring (1893-1946), dem
neuen Ministerpräsidenten und Innenminister Preu
ßens, der später zu einem der führenden nationalso
zialistischen Politiker werden sollte.
»Nicht durch Hitler, nicht durch die Alliierten, son
dern durch die rechtswidrige Aktion des konservati
ven Rechtskabinetts (...) ist die historische Existenz
des Staates Preußen beendet worden«, schreibt Hans
Joachim Schoeps. »An diesem 20. Juli 1932 war die
,Mission des neuen Preußens, die Demokratie in
Deutschland zu sichern und zu vertiefen', an ihr Ende
gekommen wie dies Otto Braun in seiner letzten Un
terhaltung mit dem General von Schleicher festge
stellt hat.« Und weiter: »Darum ist der 20. Juli 1932
mit größerem Recht als jedes andere Datum als der
177
Tag zu nennen, an dem Preußen de facto zu bestehen
aufgehört hat. An diesem Tage endete die Nachge
schichte Preußens und wenige Jahre später das Deut
sche Reich. Aber auch das ,rote Arbeiterpreußen' Otto
Brauns, das sich freilich nur in Ansätzen hatte entfal
ten können, war noch ein Glied, das bisher letzte
Glied, in der Geschichte des preußischen Staates. «99
1 78
Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, in persona de
ren Vertreter mit der Unterzeichnung des Gesetzes Nr.
46 des Alliierten Kontrollrats den Staat Preußen formal
auf. In diesem Gesetz hieß es konkret100:
A rtikel I
Artikel II
Die Gebiete, die ein Teil des Staates Preußen waren und die
gegenwärtig der Oberhoheit des Kontrollrats unterstehen,
sollen die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Län
dern einverleibt werden. Die Bestimmungen dieses Artikels
unterliegen jeder Abänderung und anderen A nordnungen,
179
welche die Alliierte Kontrollbehörde verfügen oder die zu
künftige Verfassung Deutschlands festsetzen sollte.
Artikel III
Artikel W
180
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&nav=&l=de
182
Somit wurde der Staat Preußen, seine Zentralregie
rung und alle nachgeordneten Behörden aufgelöst.
Gebiete, die ein Teil Preußens waren, sollten demnach
die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Län
dern einverleibt werden. Dabei sollten auch die Ver
mögen und Verbindlichkeiten auf die beteiligten Län
der übertragen werden.
»Nach dem Ende des von Deutschland verlorenen
Zweiten Weltkriegs haben die siegreichen Alliierten
durch einen skurrilen Beschluss ihres Kontrollrates
vom 25. Februar 1947 Preußen nochmals aufgelöst
und gesetzlich verboten. Die offizielle Begründung
des Auflösungsbeschlusses, dass der Staat Preußen
seit jeher der Träger des Militarismus und der Reak
tion in Deutschland gewesen sei, verriet nur die
ganze Ahnungslosigkeit bzw. auch Böswilligkeit ei
ner Welt, die den wirklichen Staat Preußen nicht
mehr gekannt, nicht mehr verstanden hat oder nicht
mehr verstehen wollte (Schoeps).«101
Der australische Historiker Christopher Clark er
klärte dazu, wie die Alliierten dachten: »Preußen war
kein deutsches Land wie jedes andere, auf einer Stufe
mit Baden, Württemberg, Bayern oder Sachsen. Preu
ßen war der eigentliche Ursprung der deutschen
,Krankheit', die Europa ins Unglück gestürzt hatte.
Preußen war der Grund, warum Deutschland den
Pfad des Friedens und der politischen Modeme ver
lassen hatte (... ) Dass Preußen von der politischen
Landkarte Europas verschwand, war daher zumin-
183
dest symbolisch eine Notwendigkeit. Seine Ge
schichte war ,zum Alb geworden, der auf dem Ge
hirne der Lebenden lastete.' « 102
Auch der in Königsberg geborene deutsche Histori
ker Ludwig Dehio schlug einst in diese Kerbe, bekun
dete er doch, dass der Nationalsozialismus kein Zu
fall gewesen sei, sondern das »akute Symptom eines
chronischen (preußischen) Gebrechens.« Der Öster
reicher Adolf Hitler sei von seiner Mentalität her ein
»Wahlpreuße« gewesen. 1 03
Die Geschichte und das Wirken Preußens aus
schließlich unter dem Gesichtspunkt des Nationalso
zialismus zu betrachten, ist genauso falsch, wie etwa
die Sowjetunion nur auf Stalins »Rote Schreckens
Herrschaft« zu beschränken.
Auch hier erkennt Christopher Clark folgerichtig:
»Die stark polarisierten Urteile (über Preußen/GG), die
in zeitgenössischen Debatten (und in Teilen der ge
schichtswissenschaftlichen Literatur) immer wieder
auftauchen, sind nicht nur deshalb problematisch, weil
sie der wechselvollen preußischen Geschichte nicht ge
recht werden, sondern weil sie diese Geschichte auf
eine teleologische Betrachtungsweise der deutschen
Schuld verkürzen.« Und: »Die Wahrheit ist, dass Preu
ßen ein europäischer Staat war, lange bevor es ein
deutscher wurde. Deutschland (... ) war nicht die Erfül
lung Preußens, sondern sein Verderben.« 1 04
Aber vielleicht war es den Alliierten nicht nur ein
Anliegen, einen ganzen Staat auszulöschen, sondern
184
gleich gar die preußische Tradition? Denn, wie erläu
tert, ging Preußen durch die »Verreichlichung«, der
Gleichschaltung der Länder durch das »Reichsstatthal
tergesetz« unter den Nazis bereits im Reich auf, so
dass es quasi lediglich noch als »Gebietskörper
schaft« und nicht mehr als eigener Staat bestand.
Letztlich wurde also mit dem Gesetzes Nr. 46 des Alli
ierten Kontrollrats etwas eliminiert, was schon elimi
niert war. Somit hätte es auch keinen besonderen Be
schluss gebraucht.
Außerdem war Ostpreußen, genauso wie Teile
Brandenburgs, Pommern und Schlesien bereits von
der Sowjetunion besetzt und annektiert worden.
Kurzum: Preußen verlor alle seine Kernprovinzen
mit Millionen von Vertriebenen.
Kein deutscher Politiker wagte es damals Preußens
Bewahrung zu fordern, von dem nicht einmal mehr
eine Regionalbezeichnung existiert. Und so wurde al
les »Preußische« verunglimpft. Bis heute.
Man stelle sich das so vor: Einst gehörte Preußen zu
den fünf europäischen Großmächten und jetzt war es
(fast) spurlos verschwunden, einfach von der Land
karte getilgt, für immer und ewig.
Es war der deutsch-schweizerische Historiker, Pub
lizist und Schriftsteller Golo Mann (1909-1994), der
Sohn des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann
(1875-1955), der nach Hitlers Machtergreifung in die
USA emigrierte und die formelle Auflösung Preußens
als einen »Fußtritt« bezeichnete, den »siegreiche Esel
185
einem längst toten Löwen gaben. Sie glaubten, sie
hätten ihn getötet, aber das war ein Irrtum. Sie glaub
ten, der Nazismus hätte seine Wurzeln im Preußen
turn gehabt. Das war zu höchstens einem Zehntel
richtig und zu gut neun Zehnteln falsch.« 105
186
Im Februar 2007 veröffentlichte die Nachrichtenseite
welt.de ein Interview mit dem Historiker Friedrich
Wilhelm Prinz von Preußen (1939-2015), dem Uren
kel Kaiser Wilhelm II. 1 06
Darin erklärte er unter anderem, dass die Auflösung
von Preußen per Gesetz »Leichenfledderei« sei. Es sei
absurd, dass immer nur vom preußischen Militaris
mus die Rede sei, nie vom französischen, englischen
oder russischen. Vielleicht zur Rechtfertigung des
russischen territorialen Zugewinns nach 1945. Preu
ßen bedeute auch Tugenden wie Toleranz, Zivilcou
rage, die Fähigkeit und Disziplin.
»Das deutsche Kaiserreich war einRechtsstaat, das
Dritte Reich ein totalitärer Unrechtsstaat. Unter den
500 wichtigsten Leuten um Hitler waren gerade 17
Preußen. Nicht von ungefähr: Preußen war für die
Nazis ein rotes Tuch«, führte der Prinz weiter aus. Au
ßerdem verriet er eine historischeRandnotiz, die kei
nen Eingang in hiesige Geschichtsbücher gefunden
hat.
»Nach dem 200. Todestag von Friedrich dem Gro
ßen 1986 tauchte bei meinem Vater (Louis Ferdinand
von Preußen (1907-1994), Chef des Hauses Hohenzol
lern/GG) der ehemalige Kulturminister der DDR,
Hans Bentzien, auf. Zuerst auf der Burg Hohenzol
lern und anschließend in Berlin. Es war schon selt
sam, dass der DDR-Politiker meinen Vater mit ,Kai
serliche Hoheit' ansprach, ein Titel, der zu der Zeit ei
gentlich gar nicht mehr galt. « Friedrich Wilhelm
187
Prinz von Preußen weiter: »Ganz offensichtlich war
er von Erich Honecker geschickt und sagte zu uns: Es
wäre doch eine großartige Idee, die Särge Friedrichs
des Großen und seines Vaters, Friedrichs Wilhelms I.,
die sich nach der Auslagerung im Krieg seit 1952 auf
der Burg Hohenzollern befanden, nach Sanssouci bei
Potsdam, also in die DDR, zurückzuüberführen. Das
entspräche dem letzten Willen Friedrichs des Gro
ßen.« Und: »Ja, antwortete mein Vater, das ist eine
sehr gute Idee. Aber bevor ich die Särge nach Pots
dam schicke, müssten noch einige Vorbedingungen
erfüllt sein: Erst mal müsse die Mauer, dann die in
nerdeutsche Grenze fallen. Wenn das nicht gleich
ginge, dann warten wir halt noch ein bisschen. Na ja,
es ging dann schneller als erwartet.«
Soweit also der Urenkel Kaiser Wilhelm II. zu Preu
ßen.
Preußen war also weitaus mehr, als Militarismus,
wie ihm vorgeworfen wurde. »Neben dem Dienstbe
griff als einem überpersönlichen Ordnungsprinzip
war einzigartig auch die Verbindung konservativer
und liberaler Überzeugungen in diesem Rechtsstaat,
der seit 1848 eine konstitutionelle Monarchie gewe
sen war (...) Heute, da der Preußische Staat von der
Landkarte Europas verschwunden ist, vermögen wir
erst die klassischen Tugenden dieses Staates gerecht
zu würdigen: saubere Verwaltung, unbestechliches
Beamtentum, korruptionsarme Wirtschaft, gerechte
Justiz, relativ geringe Kriminalität und betonte
188
Sparsamkeit ( ... ) Selbstloser Dienst, Gelten durch
Leistung, Bescheidenheit und Kargheit - das alles
wurde in Preußen großgeschrieben, Maßlosigkeit der
Ansprüche und protziges Auftreten wurden instink
tiv verabscheut (Schoeps). « 1 07
»Das Preußentum hat zu allen Zeiten ein fast un
heimliches Janusgesicht besessen«, schreibt Rudolf
Stadelmann in Moltke und der Staat. »Es ist sogleich
nach vorwärts und nach rückwärtsgewandt. Es ist
verbissen reaktionär und fast bodenlos modern. Es ist
pietistisch und aufgeklärt, patriarchalisch und in
dustriell, legitimistisch und revolutionär. Man kann
es mit demselben Recht zur Vormacht der Tradition
und zum Pionier des kühnsten Unternehmungsgeis
tes erklären.« 108
Letztlich - und damit bleibe ich - wurde Preußen
und alles Preußische von den Alliierten nicht nur als
geografisches Land sowie als Staatsmacht getilgt, son
dern auch versucht, seine Geschichte als Spiegelbild
des kollektiven Bewusstseins, seine politische Kultur
und seine Tradition gänzlich zu vernichten. Denn
Preußen war gefährlich und ist es in den Gehirnen je
ner immer noch: Preußen war, wie Schoeps folgerich
tig erkannte, »der einzige deutsche Staat, der mehr als
ein Staat war, mit dem sich eine Idee verknüpft hat,
durch die Menschen gebunden wurden und vielleicht
noch heute gebunden werden können. « 1 09
Dass die Herzen der Menschen für eine »Idee« wie
der höher schlagen können, die mitunter sogar dem
189
politischen Mainstream gegenübersteht, ist das viel
leicht wirklich »gefährliche« am preußischen Erbe.
Zusätzliche Quellen:
Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang
1600-1947, München 2007///Hans-Joachim Schoeps:
Preußen - Geschichte eines Staates, Hamburg 2019
///,,Auflösung Preußens" ( http://lOOOdok.digitale
sammlungen.de/dok_0231_pre. pdf Datum: 19. Sep
tember 2011)/Archiv Grandt///Sabine Kaufmann:
,,Deutsche Geschichte: Preußen" (https://www.pla
net-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/ge
schichte_preussens/index.html)/Zugriff: 27.04.21///
Hans Misdorf: "300 Jahre Preussen" (https://der
weg.org/deutschland/geschichte/preussen/)///"Preu-
ßen im Deutschen Kaiserreich 1867-1918)
(http://web.fu-berlin.de/akip/preussenforum/chro-
nik/PriDk18671918/index.html#)///,,Deutscher Or-
den" (https://web.archive.org/web/20160402215953/
http://www.deutscher-orden.de/all_wurzeln_start.
php)/Zugriff: 28.04.21///"20 große Preußen - Lebens
bilder preußischer Persönlichkeiten" in: Preußische
Allgemeine Zeitung (Sonderausgabe)/Archiv Grandt///
,,Bismarcks Sozialgesetzgebung" in: Geschichte Kom
pakt (https://www .geschichte-abitur.de/lexikon/
uebersicht-deutsches-kaiserreich/kaiserreich-bis
marcks-sozialgesetzgebung)/Zugriff: 28.04.21)
190
12. Verdrängt: Die Lüge von den
»säbelrasselnden, kriegslüstemen«
Preußen!
191
gern, die über das Land herfallen wie ein Heuschre
ckenschwarm.« 1 12
Ernest Bevin (1881-1951), Churchills Arbeitsminis
ter fiel mit ein, dass selbst, wenn man Hitler, Göring
und die anderen loswerden würde, das deutsche
Problem noch längst nicht gelöst wäre. Was Europa
ein für alle Mal abschütteln müsse, sei der »preußi
sche Militarismus mit seiner schrecklichen Philoso
phie.« 1 1 3
Schon Jahre zuvor, im Dezember 1939, postulierte
der britische Außenminister Anthony Eden (1897-
1977): »Hitler ist im Grunde gar nicht so einzigartig.
Er ist nur der jüngste Ausdruck des Eroberungswil
lens des preußischen Militärs.«1 1 4 Dementsprechend
fiel die britische Presse in die »Preußenhetze« mit ein,
so dass beispielsweise der Daily Telegraph einst titelte:
»Hitlers Herrschaft in der Tradition der preußischen
Tyrannei. «
Natürlich hinkt dieser Vergleich erheblich, war Hit
ler von Geburt doch weder Preuße noch überhaupt
Deutscher (erst nach seiner Einbürgerung), sondern
Österreicher, geboren im oberösterreichischen Brau
nau am Inn.
Außerdem frage ich: Kann man beispielsweise die
Sozialdemokratie für die Polit-Ideologie des Kommu
nismus mit seinen Millionen Opfern verantwortlich
machen weil dieser sich aus ihr entwickelte? Zudem
herrschte noch, wie aufgeführt, Anfang der 1930er
J ahre ein republikanischer und sozialdemokratischer
192
Geist in Preußen, ganz im Gegensatz zu so manch an
deren Ländern in der Weimarer Republik.
Auch US-Präsident Franklin Delano Roosevelt
(1882-1945) hieb in diese Kerbe, meinte er doch am 17.
September 1943 vor dem Kongress: »( ...) wenn Hitler
und die Nazis abtreten, dann muss auch die Riege der
preußischen Militärs gehen. Wenn wir irgendeine Ga
rantie für einen dauerhaften Frieden wollen ( ... ) dann
müssen die kriegstreiberischen Banden in Deutsch
land mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. « 115
193
Selbst nach der Niederlage der Nazis, als die Alliier
ten die Besatzungszonen im Land verwalteten, waren
die britischen Behörden davon überzeugt, dass »die
ser todgeweihte Leichnam Preußen endlich getötet«
werden müsse.1 1 6 Daher war es nicht verwunderlich,
dass der britische Vertreter im Alliierten Kontrollrat
in Berlin am 8. August 1946 in einem Memorandum
resümierte: »Ich muss nicht eigens betonen, dass
Preußen in den letzten 200 Jahren eine Bedrohung für
die Sicherheit Europas dargestellt hat. Der Fortbe
stand des preußischen Staates und sei es nur in der
Gestalt seines Namens, könnte später zum Ausgangs
punkt revanchistischer Bestrebungen des deutschen
Volkes werden, würde militaristischen Ambitionen
in Deutschland Vorschub leisten und den Wiederauf
stieg eines autoritär geprägten, zentralistischen
Deutschlands begünstigen. Das muss im Interesse al
ler unbedingt verhindert werden.« 117
Interessant an dieser Stelle, dass schon alleine der
Name »Preußen« den Alliierten (in diesem Fall den
Briten) einen Angstschauer über den Rücken jagte.
Ebenso, dass die Aussage, Preußen hätte in den letz
ten 200 Jahren eine Bedrohung für die Sicherheit Eu
ropas dargestellt, mindestens eine Verschwörungs
theorie, höchstens eine knallharte Lüge war.
Christopher Clark hält dazu fest: »Die westlichen
Alliierten waren überzeugt, dass der Nationalsozia
lismus nichts weiter als die jüngste Manifestation des
Preußentums war. Dabei konnten sie sich auf eine
194
beeindruckende intellektuelle Tradition der Preußen
feindlichkeit stützen, die bis zum Ausbruch des Ers
ten Weltkrieges zurückreichte.«1 1 8
Auch aus Deutschland selbst gab es nach Ende des
Krieges einen » Dolchstoß« gegen Preußen, nämlich
durch das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Deutschlands in der sowjetischen Besatzungszone. Im
August 1945 verkündete diese, dass die »feudalen
(preußischen/GG) Großgrundbesitzer und die Jun
kerkaste« immer schon »Träger des Militarismus und
Chauvinismus« gewesen sei. Die Beseitigung ihrer
sozioökonomischen Macht sei daher die erste und
prinzipielle Vorbedingung für die »Ausrottung des
preußischen Militarismus.«1 1 9
Selbst Konrad Adenauer, der 1949 zum ersten Bun
deskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt
wurde, »hetzte« schon 1946, wohl unter dem Ein
druck oder Einfluss der Alliierten gegen Preußen, in
dem er zum Besten gab: »Sobald Berlin wieder
Hauptstadt wird, wird das Misstrauen im Ausland
unauslöschbar werden. Wer Berlin zur neuen Haupt
stadt macht, schafft geistig ein neues Preußen.«120 Als
ob genau dies ein Makel wäre! Und das alles, obwohl
Preußen eine lange sozialdemokratische Regierungs
tradition aufwies. Wer will das alles verstehen?
Nicht verhehlen darf man jedoch, dass die außen
politischen Ziele der Nazis im preußischen Adel auch
Anklang fanden, insbesondere die Revision des Ver
sailler Vertrags und die Rückforderung von Gebieten,
195
die demnach Polen zugesprochen wurden. Aber
ebenso wenig darf verschwiegen werden, dass 1933
lediglich 17 der 500 ranghöchsten NSDAP-Mitglie
dem Preußen waren.121
196
Natürlich gab es auch in Preußen »Militaristen«, wie
es sie wohl in jedem Land gibt. Doch daraus geradezu
eine »kollektive Verteufelung« zu machen, ist bar jeg
licher Realität. Denn die diesbezüglichen Fakten se
hen anders aus, als die Alliierten oder selbst die
Nachkriegsdeutschen der Öffentlichkeit weismachen
wollten und immer noch wollen: Preußen war eben
nicht die »zentrale Brutstätte des Militarismus« - das
ist eine böswillige Legende - sondern ganz im Gegen
teil, der Staat aller modernen Staaten, der die wenigs
ten Kriege führte!
197
(Bildquelle: ,,Düsseldorfer Monatshefte" (Verleger/Drucker:
Arnz & Co., Autor: Ferdinand Schröder (1818-1857)
(https://comrnons.wikirnedia.org/wiki/File:Rundgem%C3%A4ld
e_Europa_1849.jpg))
<'>II-/�, ,___",.,.•,
.• 4ml •• , .
198
(Bildquelle: ,,Der Landwehrmann und der Krieg, 1866"
(h ttps://commons. wikimedia.org/wiki/File:Kikeriki_9_August_l
866_Waffenstillstand.png)
199
zweite Klischee basierte darauf, dass die preußisch
militärische Ordnung auf eine harte und unnachgie
bige Disziplin gegründet sei und so »leistungsfähige,
aber geistlose, gegängelte und starre Soldaten« pro
duzierte.
Trevor N. Dupuy erklärte dazu: »( ... ) keine der bei
den Vorstellungen vom Wesen der Deutschen kann
belegt werden. Beide werden nur von dem großen
Feind der Geschichte gestützt: von der Halbwahrheit
( ... ) (Aber) Zweifellos gibt es in der Neuzeit eine deut
sche militärische Tradition, die teilweise auf das
Überleben des militärischen Söldnerhandels
Deutschland bis ins 18. Jahrhundert zurückgeführt
werden kann. Doch die Tradition stammt unmittelba
rer von den ungewöhnlich guten preußischen Heeren
der frühen Hohenzollern und dem wahrlich unge
wöhnlichen Gebrauch dieser Heere durch den preu
ßischen König Friedrich II., den Großen.« Und weiter
führt der renommierte US-Militärprofessor aus: »Die
Vorstellung eines preußisch-deutschen Militarismus
ist tatsächlich eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts.
Schließlich bestätigen renommierte Humanwissen
schaftler die geschichtlich gut begründete Schlussfol
gerung, dass trotz mancher kultureller und die mili
tärische Leistungsfähigkeit begünstigender Neigun
gen die Deutschen keine angeborenen Fähigkeiten
besitzen, die sie zu überlegenen Soldaten machen.« 122
Nachfolgend die wirklichen Fakten bezüglich der
Kriege zwischen 1 701 und 1 933: Frankreich beteiligte
200
sich mit 28 % an Kriegen, England mit 23 %, Russland
mit 21 % und Preußen-Deutschland mit gerade Mal
8 %!123
Nicht umsonst übergoss beispielsweise die London
Times 1860 Preußen mit Häme und tat damit die öf
fentliche Meinung über diesen Staat kund: Dieses
Land lasse sich lieber auf Konferenzen vertreten, hieß
es da, als dass es sich danach dränge, auf den
Schlachtfeldern Europas zu erscheinen.1 24
Zudem stand auf den preußischen Kanonen die In
schrift: »Ultima ratio regis«, was ausdrückte, dass der
Waffengang der letzte Ausweg war.
Auch Dupuy bestätigte dies: »Zudem lohnt es sich,
die militärischen Aktivitäten Preußen-Deutschlands
während der Napoleon folgenden 130 Jahre, also von
1815-1945, in denen Deutschlands heutiger militäri
scher Ruf geschaffen wurde, mit den Aktivitäten eini
ger anderer Nationen zu vergleichen. In den genann
ten 130 Jahren nahmen Preußen und Deutschland an
sechs bedeutenden, dabei zwei kleineren Kriegen teil;
zudem gab es einige militärische Aktivitäten im Inne
ren, einige recht unbedeutende Interventionen sonst
wo in Deutschland und einige koloniale Expeditio
nen nach Übersee.« Weiter: »Während der genannten
130 Jahre war Frankreich an zehn bedeutenden Krie
gen beteiligt, von denen sechs im kontinentalen Eu
ropa und vier in Übersee geführt wurden. Russland
nahm an 13 bedeutenden Kriegen teil, von denen
zehn im Wesentlichen europäische Konflikte waren.
201
Großbritannien nahm an mindestens 17 Konflikten
teil, die Kriege genannt werden dürfen, davon drei in
Europa, vier vorwiegend in Afrika und zehn in Asien
(zwei in China, zwei in Burma, zwei in Afghanistan
und vier in Indien). Während dieser Periode fochten
die USA sieben bedeutende Kriege, wenn man den
zweiten Krieg gegen die Seminolen und den Aufstand
auf den Philippinen einschließt.« Und: »Zweifellos
war auch die Beteiligung Russlands, Frankreichs,
Großbritanniens und der Vereinigten Staaten an klei
neren kolonialen und bewaffneten Grenzunterneh
mungen sowie an Interventionen in anderen Ländern
viel häufiger und erheblich umfangreicher als dieje
nige von Preußen-Deutschland.«
So resümierte einst der renommierte und hochde
korierte Professor für Militärgeschichte folgerichtig:
»In welchem Sinne können wir sagen, dass die Deut
schen Militaristen waren (...) wenn sie an weniger
Kriegen als die meisten der anderen Großmächte teil
nahmen und wenn es keine wissenschaftliche Grund
lage für einen angeborenen militaristischen deut
schen Volkscharakter gibt? Eine Sammlung von
Halbwahrheiten und einige ausgesuchte geschichtli
che Beispiele haben den Mythos eines tiefverwurzel
ten deutschen Militarismus geschaffen.« 125
Damit ist die Mär, die Lüge, die Legende, der My
thos durch die Alliierten und so manch deutschem
»Experten« von den »säbelrasselnden, kriegslüster
nen« Preußen eindrucksvoll widerlegt! Ganz im Ge-
202
genteil, müssen sich die vorgenannten Staaten gefal
len lassen, dass sie angesichts der so zahlreich geführ
ten Kriege selbst aggressiv und gewalttätig handel
ten, und zwar in einem Ausmaß, das jenem Preußens
bei weitem überstieg.
203
13. Vergessen: Überwiegend »Preußen« im
Widerstand gegen Hitler!
204
Unbestreitbar war aber auch, dass Preußen »tief
verstrickt in die Gräueltaten der SS, der Gestapo und
auch der deutschen Wehrmacht« war, meinte Chris
topher Clark weiter. »Doch war preußische Abstam
mung keineswegs eine Voraussetzung für den begeis
terten Einsatz für die nationalsozialistische Sache ( ... )
Preußen - insbesondere Mitglieder der traditionellen
preußischen Eliten - spielten auch in den Reihen des
konservativen deutschen Widerstands eine bedeu
tende Rolle.«127
Genauso war es. Denn auffällig ist, »dass zwei Drit
tel der Verschwörer vom 20. Juli 1944 aus dem preu
ßischen Milieu (Adel, Offiziere, Beamte/GG) stamm
ten, viele davon aus angesehenen Familien, die Gene
rationen von Soldaten hervorgebracht hatten ( ... ) Für
viele Widerstandskämpfer war Preußen das Symbol
einer untergegangenen besseren Welt, deren Traditi
onen von den Hardlinern im Dritten Reich pervertiert
wurden ( ... ) Der Widerstand der preußischen Elite
wurzelte in der zum Mythos gewordenen Erinnerung
an die Befreiungskriege. « 128
Diese »preußische Elite« lehnte sich zusammen mit
den Arbeiterführern (Gewerkschaftsführen) des Lan
des gegen die nationalsozialistische Diktatur auf.
Und wurden die Einzelnen zu »Blutzeugen des wirk
lichen Preußentums.«
Hans-Joachim Schoeps ergänzte: »Fast alle klangvol
len Familiennamen Preußens finden sich im Register
der im Zuge der Hitlerischen Rachejustiz am Galgen
205
Aufgehängten. Yorck und Moltke, Witzleben und
Schulenburg, Schwerin und Stülpnagel, Dohna und
Lehndorff und zahlreiche andere hoher und niederer
Abkunft (... ) Nach dem 20. Juli 1944 sind ganze Ge
schlechter des preußischen Adels, die bekannte Träger
des alten Staates waren, nahezu ausgerottet worden. « 129
Nachfolgend führe ich einige Mitglieder dieser
»preußischen Elite« auf, die den Widerstand gegen
die NS-Diktatur gewagt haben.
Der Jurist Helmuth James Graf von Moltke (1907-
1945) verzichtete auf eine Richterlaufbahn, da er nicht
Mitglied der NSDAP werden wollte. In einem in Ber
lin eröffneten Anwaltsbüro bearbeitete er vor allem
Fragen des Völkerrechts und des internationalen Pri
vatrechts. Bereits 1939 kritisierte er in seinen Notizen
den zentral gelenkten NS-Staat.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Moltke
zum Kriegsverwaltungsrat ernannt und war als Sach
verständiger (für Kriegs- und Völkerrecht) im Amt
Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehr
macht (OKW) tätig. Er nutzte diese Stellung zum in
dividuellen Widerstand gegen das Regime, unter
stützte die Flucht von Verfolgten, verhinderte die Er
schießung von Geiseln und die Misshandlung von
Kriegsgefangenen und weitete seine Kontakte zu Kir
chenführern und den Sozialdemokraten aus. Seine
Dienstreisen ins Ausland benutzte er zur Anknüp
fung und Festigung von Verbindungen des Wider
stands gegen die Nationalsozialisten. Moltke wurde
206
zum Mitbegründer der Widerstandsgruppe
»Kreisauer Kreis«, der sich vor allem mit der Vorbe
reitung für die Zeit nach dem Sturz Hitlers beschäf
tigte. Dabei hofften die Mitglieder auf einen Staats
streich des Militärs.
Im Januar 1944 wurde Moltke von der SS festgenom
men und im KZ Ravensbrück interniert. Schließlich
wurde er mit weiteren Angehörigen des »Kreisauer
Kreises« vor dem Volksgerichtshof wegen Hochver
rats angeklagt. Obwohl ihm keine Beteiligung am At
tentat auf Hitler nachgewiesen wurde, entkam er
trotzdem dem Strang nicht. Am 23. Januar 1945 wurde
er im Gefängnis Berlin-Plötzensee erhängt. 130
207
(Fotoquelle: BPK - Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Helmuth_James_Graf
_von_Moltke_vor_dem_Volksgerichtshof_in_Berlin.JPG)
208
(Fotoquelle: Albumin-Foto (Kunstverlag der Photographischen
Gesellschaft Berlin)
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Helmuth_Karl_
Bernhard_von_Moltke.jpg
209
Blutrichter, über sich ergehen ließ. Tags darauf wurde
er in Berlin-Plötzensee gehenkt (Clark).« 131
210
..,s,w,_. ......................
ERWIN V O WITZLEBE
211
verräter angeklagt zu werden - nahm er heimlich Ver
handlungen mit denRussen auf.
Schließlich wurde er am 21. Juli 1944 verhaftet und
am 8. August 1944 zum Tode verurteilt. Noch am sel
ben Tag erfolgte die Hinrichtung durch Erhängen.
212
Außerdem hoffte er auch noch nach Kriegsbeginn
auf Separatfriedensverhandlungen mit den Westalli
ierten, wobei er für einen harten Kurs gegen Hitler
eintrat.
Nach dem gescheiterten Attentat entkam er zu
nächst der Gestapo, wurde aber am 12. August 1944
verhaftet, am 8. September vom Volksgerichtshof
zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 hinge
richtet.
213
(Fotoquelle: Familie Goerdeler
(https://commons. wikirnedia.org/wiki/File:Goerdeler_Volksgeric
htshof.jpg))
214
Abb. 70: Hans-Carl Graf von Hardenberg (1966)
(Fotoquelle: Felix Hardenberg (https://comrnons.wikirnedia.org/
wiki/File:Hans_Carl_Graf_von_Hardenberg.jpg))
21 5
Beim Attentat auf Hitler war er für die nachrichten
technische Isolierung des Führerhauptquartiers zu
ständig. Dies gelang allerdings nur für eine kurze Zeit.
Noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 wurde Fellgiebel
verhaftet, am 10. August 1944 vom Volksgerichtshof
zum Tode verurteilt und am 4. September 1944 in Plöt
zensee hingerichtet.134
216
(Fotoquelle: Deutsches Widerstandsgedenkzentrum
(https://www.gdw-berlin.de/de/recess/biographies/index_of_
persons/biographie/view-bio/erich-fellgiebel/?no_cache=l )
(https://commons. wikimedia.org/wiki/File:Erich_Fellgiebel.j pg))
217
Abb. 72: Generaloberst Ludwig Beck
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1980-033-04 / CC-BY-SA 3.0
(https://cornmons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_l
46-1980-033-04,_Ludwig_Beck.jpg)
218
1944), dessen Adjutant er wurde, beim Staatsstreich
versuch.
Nach der Detonation der Bombe konnte er sich zu
nächst aus dem Sperrkreis entfernen und entkam ge
meinsam mit Stauffenberg mit einem Flugzeug. Am
21. Juli 1944 wurden Haeften, Stauffenberg und an
dere Gleichgesinnte im Hof des Bendlerblocks auf Be
fehl von Generaloberst Fromm erschossen.
219
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146III-347 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_ 1
46III-347,_Wemer_Karl_v._Haeften.jpg)
220
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 1 83-800277 / CC-BY-SA 3.0)
(https://commons.wikimedia .org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_1
83-800277,_paul_von_Hase.jpg)
221
Abb. 75: Generaloberst Erich Hoepner
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1971-068-10 / CC-BY-SA 3.0)
(https://commons. wikirnedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_ 1
46-1971-068-10,_Erich_Hoepner.jpg)
222
haber des Ersatzheeres. Er plante die Alarmbefehle
bei inneren Unruhen zugunsten des Staatsstreichs ge
gen Hitler.
Seit 1940 war er zentral im militärischen Wider
stand in Berlin beteiligt. Nach dem Scheitern der Ver
schwörung wurde er am 21. Juli 1944 im Hof des
Bendlerblocks erschossen.
223
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1981 -072-61 / CC-BY-SA 3.0
(https://comrnons. wikimedia.org/wiki/Fi le:Bundesarchiv_Bild_1
46-1981 -072-61 ,_Friedrich_Olbricht.jpg)
224
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 146-2004-0007 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons. wikimedia.org/wiki/Fi le:Bundesarchiv_Bild_ 1
46-2004-0007,_Hans_Oster.jpg)
225
Abb. 78: Generalmajor Helmuth Stieff
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 1011-146-1547-17 / Menzendorf /
CC-BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Bundesarchiv_Bild_lOll-146-1547-17,_Hellmuth_Stieff.jpg))
226
Kreisen um General von Witzleben. Sein Onkel war
Generalfeldmarschall Fedor von Bock (1880-1945).
Tresckow war im Westfeldzug im Generalstab der
Heeresgruppe A tätig, später Chef des Generalstabes
der 2. Armee an der Ostfront. Noch während des Krie
ges erklärte er sich bereit, einen Staatsstreich gegen
Hitler zu wagen und baute dazu den Stab der Heeres
gruppe Mitte zu einem Zentrum des Widerstands um.
Allerdings erfolglos initiierte er einen Anschlag auf
Hitlers Flugzeug sowie einen Pistolen- und Spreng
stoffanschlag (durch den Mitverschwörer Major von
Gerdorff). Tresckow riet Graf Stauffenberg, das At
tentat zu wagen, selbst wenn ein Fehlschlag einkalku
liert werden müsse. Dabei kam es ihm nun »nicht
mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf,
dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der
Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens
den entscheidenden Wurf gewagt hat.«136 Als der An
schlag dann am 21. Juli 1944 tatsächlich scheiterte, be
fand er sich an der Front bei Bialystok. Noch am sel
ben Tag nahm er sich unter Vortäuschung eines Ge
fechts mit einer Granate das Leben.
Herkömmlich galt Generalmajor Henning von
Tresckow als » Treiber« und »böser Geist« des Atten
tats, der einmal sagte: »Ich halte Hitler nicht nur für
den Erzfeind Deutschlands, sondern auch für den
Erzfeind der Welt (... ) Der sittliche Wert eines Men
schen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine
Überzeugung sein Leben hinzugeben. 137
227
Abb. 79: Generalmajor Henning von Tresckow
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 1 46-1976-130-53 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons.wikimedia.org/wiki/Fi1e: Bundesarchiv_Bild_ 1
46-1 976-1 30-53,_Henning__v._Tresckow.jpg)
228
matische Auslandsreisen benutzte er mitunter zu
Kontaktaufnahmen zu Exilpolitikern und exilierten
Regimegegnem. Ebenso zu den Westalliierten, an de
ren »Unnahbarkeit« er jedoch verzweifelte.138 Seit
1941 war er auch Mitglied im »Kreisauer Kreis«.
Am 25. Juli 1944 wurde er verhaftet, am 15. August
1944 zum Tode verurteilt und am 26. August 1944 in
Plötzensee hingerichtet.
229
(Fotoquelle: Familie von Trott
(https://commons. wikimedia.org/wiki/File:Adam_von_Trott_zu
_Solz1943.jpg))
Zusätzliche Quellen:
GerdR. Ueberschär: Stauffenberg und das Attentat vom
20.Juli 1944, Frankfurt am Main, 2004///Joachim Fest:
Staatsstreich - Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin
1994///Peter Hoffmann: Claus Schenk Graf von Stauffen
berg und seine Brüder, Stuttgart 2004///Michael
230
Baigent/Richard Leigh: Geheimes Deutschland - Stauf
fenberg und die Hintergründe des Attentats vom 20. Juli
1944, München 1994///Eberhard Zeller: Geist der Frei
heit - Der 20. Juli, Berlin 2008///Thomas Karlauf: Stauf
fenberg - Porträt eines Attentäters, München 2019
231
14. Verschwiegen: So tilgten die Alliierten
»Preußen« aus dem kollektiven deutschen
Gedächtnis!
232
Der offiziellen Geschichtsschreibung nach wurden
etwa 14 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrie
ben. Doch diese Zahlen sind mit äußerster Vorsicht
zu betrachten.
Manche Statistiken sprechen von über 16,5 Millio
nen Deutsche, die in und aus Ostdeutschland, Ost
und Südeuropa (ohne die Sowjetunion in den Gren
zen von 1937) vertrieben oder deportiert wurden. Da
von sollen - für das Reichsgebiet von 1937 - 9,29 Mil
lionen Menschen entfallen, auf Danzig, Memel, Sude
tenland und die anderen Regionen rund 7,25 Millio
nen. Eine Schätzung des Schweizerischen Roten
Kreuzes spricht gar von insgesamt 18,1 Millionen
Vertriebenen.
Bei diesen Zahlen handelt es sich um die alteinge
sessenen Bewohner der vorgenannten Gebiete, ver
mindert um die Kriegsverluste (gefallene Soldaten,
Bombenopfer etc.). Dabei fehlen die nach 1939 Zuge
zogenen (z.B. Böhmen und Mähren rund 400.000
Reichsdeutsche, Sudetenland über 200.000 und Dan
zig und den polnisch besetzten Gebieten 460.000 bis
590.000, insgesamt rund 1 bis 1,5 Millionen) und Luft
kriegsevakuierten (über eine Million) sowie die Russ
landdeutschen (1,5 bis zwei Millionen). Hinzu kom
men noch etwa 1 bis 1,5 Millionen Reichsdeutsche,
die für zahlreiche Industriebetriebe, die nach Osten
verlegt wurden, in Wirtschaft und Verwaltung der
Vertreibungsgebiete arbeiteten (inklusive Familien
angehörige). So kommt man auf rund 20 Millionen
233
deutsche Aufenthaltsbevölkerung in den Vertrei
bungs- und Deportationsgebieten gegen Ende des
Zweiten Weltkriegs! Andere Historiker wiederum be
streiten diese Zahl.
Über zwei Millionen Vertriebene starben. Das Sta
tistische Bundesamt kam in seiner »Sterbestatistik« -
nachdem alle Kriegsverluste (gefallene Soldaten,
Bombenkriegsopfer etc.) aus den Bevölkerungsbilan
zen eliminiert wurden, um die eigentlichen Vertrei
bungstoten (Vertreibungsverluste) zu ermitteln - auf
2,23 Millionen Menschen. 141
234
(Fotoquelle: Wikimedia.commons ( (Bundesarchiv, B 285 Bild
S00-00326 / Unbekannt / CC-BY-SA 3.0)
(https://commons. wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_1
75-S00- 00326,_Fl%C3%BCchtlinge_aus_
Ostpreu%C3%9Fen_auf_Pferdewagen.jpg))
235
Abb. 82: Flüchtlingstreck Ostpreußische Bauern, vor
dem russischen Einmarsch in den Jahren 1945
(Fotoquelle: Wikimedia.commons (.) (Bundesarchiv, Bild 146-
1990--001-30 / Unbekannter Autor / CC-BY-SA 3.0)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchlv_Bild_14
6-1990-001-30,_F1%C3%BCchtlingstreck.jpg)
236
Tatsächlich wurde noch nie eine so große Zahl von
Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Vertrei
bung der Deutschen stellt somit wohl die größte
Volksvertreibung der Weltgeschichte dar!
Die Auswanderungswellen und Umsiedlungen
dauerten bis in die 1950er und 1960er Jahre an. Doch
dabei beließ es Stalins Rote Armee nicht, sondern sie
vernichtete zudem die »sozioökonomische Elite« der
Preußen. So plünderten und brandschatzten die Sow
jets die großen ostelbischen Gutshäuser, Fincken
stein, Beynuhen, Waldburg, Blumberg, Groß Wohns
dorff und viele weitere Landsitze. 145
Eine ganze Kultur, ein ganzer Lebensstil wurde
ausgelöscht. Jede noch so kleine Spur deutscher
(preußischer) Besiedlung sollte und musste vernich
tet werden.
Doch die Auslöschung Preußens aus dem kol
lektiven Gedächtnis der deutschen Bevölkerung be
gann schon vor Kriegsende, wie der australische His
toriker Christopher Clark feststellte. Und zwar mit
der Zerstörung Potsdams durch einen massiven Luft
angriff.
Diese Stadt war nicht nur eine »normale« Metro
pole, sondern besaß eine mehr als 1 .000-jährige, sym
bolträchtige Geschichte.
237
Abb. 83: Garnisonskirche Potsdam (1920)
(Fotoquelle: Königlich Preußische Messbild
Anstalt///Architekturmuseum der Technischen Universität
Berlin https://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/P/1 34885.php
(lnventamummer: F 0518)/// https://commons.wikimedia.org/
wiki/File:Garnisonkirche_Potsdam_(1920).jpg)
238
Preußen, die Andersgläubige und Ausländer gerne
aufnahmen und mitunter somit den wirtschaftlichen
Aufschwung des Landes begründeten. Wie wohl
keine andere Stadt war Potsdam mit dem »Preußen
tum« verbunden.
Zur Schattenseite gehörte sicher, dass in der dorti
gen Gamisonskirche am 5. März 1933 erstmals der
nicht mehr frei gewählteReichstag tagte. Gleicherma
ßen wurde am 21. März 1933 ein NS-propagandisti
scher Staatsakt (»Tag von Potsdam«) veranstaltet, der
nichts anderes sein sollte, als eine symbolische Insze
nierung des Bündnisses zwischen dem alten Preu
ßentum und der noch jungen nationalsozialistischen
Bewegung. Die Gleichschaltung des Stadtparlaments
erfolgte im Spätsommer 1933. Der Rücktritt des
deutschnationalen Oberbürgermeisters wurde jedoch
erst Anfang 1934 erzwungen.
Nicht zu vergessen darf aber auch, dass sich gerade
in Potsdam später der Widerstand gegen die NS-Ge
waltherrschaft formierte (siehe Kapitel 13. Verdrängt:
Überwiegend »Preußen« im Widerstand gegen Hitler).
Mehr als fünfzig Männer und Frauen aus der Wider
standsgruppe des 20. Juli 1944 hatten in der altenRe
sidenzstadt gelebt und gewirkt.
»Allein 20 Offiziere, die während ihrer Laufbahn
Mitglied des traditionsreichen Potsdamer Infanterie
regiments 9 gewesen waren, darunter Henning von
Tresckow und Fritz-Dietlof Graf von der Schulen
burg, hatten sich dem Kreis um Helmuth James Graf
239
von Moltke und Graf Schenk von Stauffenberg ange
schlossen, der das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944
durchführte.« 146
240
Den Widerstand preußischer Offiziere gegen die NS
Diktatur blendeten die Alliierten in ihrem infamen
Ansinnen, alles, was mit Preußen zu tun hatte, mit
Stumpf und Stiel auszurotten, wohl aus.
Außer einem reichen Kulturerbe hatte Potsdam
selbst weder eine strategische noch eine industrielle
Bedeutung. Das alles spielte jedoch in den Plänen der
späteren »Siegermächte« keine Rolle. Gleich gar nicht
in der unheilvollen Nacht vom 14. auf den 15. April
1945.
241
In weniger als dreißig Minuten warfen die alliierten
(vor allem britischen) 491 Flugzeuge 1.716 Tonnen
Bomben über Potsdam ab und verwandelten die
preußische Metropole in eine Flammenhölle. Mehr
als 1.600 Menschen fielen dem Angriff zum Opfer.
Fast die Hälfte der historischen Gebäude der Altstadt
wurden zerstört. 3.800 Kubikmeter Schutt machten
die Straßen unpassierbar, die Lebensmittel-, Wasser
und Stromversorgung lagen weitgehend damieder.
Außerdem kamen bis zum Sommer 1946 noch 50.000
Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten hier an,
die versorgt werden mussten.
242
Abb. 87: Der Bronzesaal im Stadtschloss Potsdam
(Fotoquelle: Ernst Cohn-Wiener, Potsdam mit den politischen SchlÖ'isem
und Gärten Potsdam mit den politischen SchlÖ'isem und Gärten (Berlin:
Verlag für Kunstwissensdiaf 1912) (https://romrnons.wikimedia.
org/wiki/File:Interior_of_Stadtsdtlos.5_Potsdam,_ Bronzesaaljpg))
243
(Fotoquelle: Ernst Cohn-Wiener, Potsdam mit den politischen
Schlössern und Gärten Potsdam mit den politischen Schlössern
und Gärten (Berlin: Verlag für Kunstwissenschaft, 1912), Abb.
15(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marmorsaal,_Stadt
schloss,_Potsdam.jpg))
244
Abb. 90: Stadtschloss Potsdam nach seiner
Zerstörung
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 170-392 / Max Baur /
CC-BY-SA 3.0
(https://comrnons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_l
70- 392,_Potsdam,_Stadtschlo%C3%9F_nach_1945.jpg)
245
Abb. 91: Potsdamer Gamisonkirche, die letzte
Ruhestädte Friedrich des Großen, vor der
Zerstörung
(Fotoquelle: Album von Potsdam und Umgegend.
Globus Verlag Berlin, 1904
(https://commons. wikimedia.org/wiki/File:Potsdam_
Garnisonskirche_um_l 900.jpg)
246
Abb. 92: Die Potsdamer Gamisonkirche nach der
Zerstörung
(Fotoquelle: Bundesarchiv, Bild 183- J31422 / CC-BY-SA 3.0
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_1
83-J31422,_Potsdam,_zerst%C3%B6rte_Garnisonkirche.jpg)
247
Abb. 93: Potsdam nach dem alliierten Luftangriff
(Fotoquelle: Potsdam-Wiki (https://comrnons. wikimedia.org/
wiki/File:Kirchstr_Potsdam_1945 .jpg))
248
ierte Siegerkonferenz der »Großen Drei« (US-Präsi
dent Harry S. Truman, Sowjet-Diktator Josef Stalin
und Briten-Premier Winston Churchill (später Cle
ment Attlee)) fand im Schloss Cecilienhof statt.
Einst ließ Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) die Resi
denz für seinen ältesten Sohn, Kronprinz Wilhelm
(1882-1951), errichten und war bis 1945 der Wohnsitz
des letzten deutschen Kronprinzenpaares (Wilhelm
und Cecilie von Preußen (Herzogin Cecilie von Meck
lenburg-Schwerin (1886-1954)).
Siehe dazu auch Kapitel 1 6. Verschwiegen: Die wahren
Pläne der Alliiertenfür Deutschland nach dem Kriegsende!
249
Abb. 95: Gesamtansicht des Konferenztisches auf der
Potsdamer Konferenz (Juli 1945): Josef Stalin ist in der
Mitte des Tisches in der weißen Uniform zu sehen.
Andere von seiner Linken sind: nicht identifizierter
sowjetischer Militärbeamter; Andre Gromyko; Admi
ral William Leahy; Außenminister James Byrnes; Prä
sident Harry S. Truman; Charles Bohlen; Joseph E.
Davies; Sir Alexander Cadogan; Clement R. Attlee;
Major Birse von Großbritannien; nicht identifizierter
sowjetischer Beamter; Andre 1. Vishinsky, sowjeti
scher Vizekommissar für auswärtige Angelegenhei
ten; Sowjetischer Außenminister Vyashaslav Molo
tov. Der sowjetische Beamte zwischen Wischinski
und Molotow ist AB Podtserob. Direkt hinter
250
Molotow stehen Herr Zarapkin, Herr Novikov, Herr
Arutyunyan und ein nicht identifizierter sowjetischer
Beamter. Ganz rechts hält Averell Harrirnan Papiere
auf dem Schoß.
(Fotoquelle: Harry S. Truman Bibliothek & Museum/Autor: Frank
Gatteri (US-Army) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Joseph_Stalin,_Winston_Churchill_and_President_Truman_(Pot
sdam_Conference,_J uly_1945).jpg)
251
tische Diktator Joseph Stalin. Hinter ihnen stehen
(von links nach rechts): Flottenadmiral William D. Le
ahy, USN, Stabschef von Truman; der britische Au
ßenminister Emest Bevin; US-Außenminister James
F. Bymes; der sowjetische Außenminister Wjat
scheslaw Molotow.
(Fotoquelle: Sammlung des Army Signal Corps im US
Nationalarchiv (http://www.history.navy.mil/photos/events/
wwii-dpl/hd-state/potsdam.htm ) (https://commons.wikimedia.
org/wiki/File:Potsdam_conference_1945-8.jpg ) )
252
Abb. 97: Königsberger Schloss mit Kaiser-Wilhelm
Denkmal (zwischen 1894 und 1900)
(Fotoquelle: Photochromdruck (Farbfotolithographie)
Reproduktionsnummer: LC-DIG-ppmsca-00735 aus der Library
of Congress , Abteilung Drucke und Fotografien , Sammlung
Photochromdrucke (https://commons.wikimedia.org/
wiki/File:K%C3%B6nigsberg_ Castle.jpg))
253
Die einst so pulsierende Metropole war nur noch eine
tote, verwüstete Ruinenlandschaft. Um sie herum ent
stand eine neue russische Stadt, die durch ein militäri
sches Sperrgebiet von der Außenwelt abgeschnitten
war.
Am 4. Juli 1946 wurde das vormals so stolze preußi
sche Königsberg in Kaliningrad umbenannt. Eine Hom
mage an Michail Iwanowitsch Kalinin, einen der treues
ten Gefolgsmänner des sowjetischen Diktators Stalin.
254
Auch im Westen Deutschlands schritt die »Preußen
vernichtung« voran. So formulierten beispielsweise
französische Politiker in den ersten Nachkriegsjahren
die Notwendigkeit einer vollständigen »deprussifica
tion«148, also einer »Entpreussifikation«. Dementspre
chend wurden die Bronzetafeln am Sockel der Sieges
säule zu Ehren des preußischen Triumphs 1873 nach
den Einigungskriegen über Dänemark, Österreich
und Frankreich abgenommen, alle Statuen der Ho
henzollern-Herrscher, die einst die Siegesallee ge
säumt hatten, vernichtet.
»Auf Anweisung des Alliierten Kontrollrates in Ber
lin wurden sie 1947 abgebrochen. Sieben Jahre später
wurden sie heimlich in der sandigen brandenburgi
schen Erde vergraben, fast so, als müsste man die
Deutschen daran hindern, sich um die Totems ihrer
Vorfahren zu scharen und erneut in den Krieg zu zie
hen.«1 49
Auch bezüglich der »Umerziehungspolitik« der Al
liierten in den Besatzungszonen wurde alles getan,
um das »Gedankenkonstrukt« Preußen zu eliminie
ren, sprich: aus der Vorstellungswelt der Deutschen
zu verbannen, wie der Historiker Christopher Clark
festhält.
255
Abb. 99: Friedrich der Große als Fahnenträger auf
dem Schlachtfeld, de zudem ein Repräsentant des
aufgeklärten Absolutismus war
256
(Bildquelle: Arthur Kampf
(http://militarypaintings.blogspot.com/2016/02/friedrich-great
carrying-flag-1758.html)
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frederick_the_Great_
as_standard-bearer_at_the_battlefield.jpg)
257
Ewiggestriger »Schlechtmacher«, zu denen sicher
auch eine ganze Reihe deutscher Historiker gehört.
Zusätzliche Quellen:
Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang
1 600-1947, München 2007///"Potsdam - Portrait" in:
www.potsdam.de (https://www.potsdam.de/katego
rie/portrait-geschichte)/Zugriff: 01.05.21
258
15. Verdrängt: »Kommunistische
Umerziehung« im (einstigen)
ostpreußischen Königsberg!
259
den Sowjets abgeschnitten. Der einzige offene Weg
war jener über das zugefrorene »Frische Haff«, ein
nur wenige Meter tiefes Gewässer. Dieses war durch
die »Frische Nehrung« (ein schmaler, bewaldeter
Landstreifen, etwa 24 Kilometer lang) von der Ostsee
getrennt. Lediglich eine enge Straße führte auf der
Nehrung zur Danziger Bucht (Westpreußen). Dort
sammelten sich bereits Hunderttausende Flüchtlinge
aus dem Hinterland, die auf einen Schiffstransport in
den Westen hofften.
Bei dieser unfassbar harten und grausamen Flucht
griffen immer wieder sowjetische Tiefflieger und
Jagdbomber (Jabos) den (und auch andere) schutzlo
sen Flüchtlingstrecks an.
Tausende - vor allem Frauen, Kinder und Alte - ka
men dabei ums Leben.
Meine Großmutter erzählte, wie die russischen
Schützen mit den Bord-MGs auf die Wehrlosen ziel
ten und abdrückten. Nur mit viel Glück überlebten
sie . . .
(Siehe dazu: Tabu-Fakten Zweiter Weltkrieg, Band 1
(gugra-Media-Verlag).
In einem Archiv bin ich auf ein 72 Jahre altes Mittei
lungsblatt der Landsmannschaft Ostpreußen gestoßen, in
dem ein Königsberger über das damalige Leben in
seiner einstigen Heimat, der früheren Hauptstadt
Ostpreußens berichtete.
Aus dem deutschen Königsberg, wie bereits er
wähnt, ab 1724 die Königliche Haupt- und Residenz-
260
stadt in Preußen, wurde nach Ende des Zweiten Welt
kriegs, das russische »Kaliningrad«.
Nachfolgend gebe ich den äußerst interessanten Ar
tikel aus dem Mitteilungsblatt der Landsmannschaft
Ostpreußen152 als einmaliges Zeitdokument wieder,
das einen Blick in die Vergangenheit zulässt (alte
Rechtschreibung wurde beibehalten):
Abb. 100
261
(Quelle Screenshot/Bildzitat: https://archiv.preussische
allgemeine.de/1949wo/1949_02_01 wo01 .pdf)
Königsberg, im Januar.
Ein kiesbestreuter Bahnsteig, drei baufällige Baracken,
ein Triumphbogen aus grüner Pappe, mit den Bildern
Lenins und Stalins geschmückt. Kaliningrad empfängt
seine Besucher in Ponarth, auf dem ehemaligen Güterbahn
hof, weit draußen im Süden der Stadt. Hellblau, lederge
polstert mit blinkenden Scheiben die Straßenbahn, die mich
zum Stadtkern bringt. Sie ist frisch aus Moskau importiert
und kündet stolz von der „ Kultura " im „Vaterland der
Werktätigen ".
Durch zerstörte und völlig verödete Stadtteile geht es
zum „ Platz der Befreiung ", auf dem noch heute das Denk
mal Kaiser Wilhelm I. steht.
Rund 80 v. H. aller Bauten in Königsberg sind durch
Kriegseinwirkungen zerstört. Von der Innenstadt ist außer
kleinen „Oasen " am Hansaplatz und am Rosengarten
nichts stehen geblieben. Der Schloßturm, das alte Wahrzei
chen der Stadt, ist auf der einen Seite völlig aufgerissen.
Von der Universität steht nichts mehr. Fast der gesamte
Nordwesten der Stadt aber, Juditten, Ratshof, A malienau,
die Hufen und Charlottenburg, sind zum größten Teil er
halten geblieben.
Auf den Hufen haben sich die Regierungsstellen nieder
gelassen.
262
r _,,_.
---- .... - .. ...
Aus Königsberg wurde Kallnlngrad
Abb. 101
...;.. ..,,..... _
263
Die deutsche Intelligenz ist in dem sogenannten "Deut
schen Club " zusammengefaßt, wo sie von KPFunktionären
geistig ausgerichtet wird.
Die Deutschen, die in der ersten Zeit willkommene Ar
beitskräfte gewesen waren, sind jetzt mehr und mehr durch
Russen, die sie selbst einarbeiten mußten, verdrängt wor
den. Nur wer das Glück hat, arbeiten zu dürfen, erhält Geld
und Lebensmittelkarten.
Viele Wohnhäuser in Amalienau und auf den Hufen sind
zu „Staatsläden " umgebaut worden, in denen es seit dem
Ende der Rationierung in der Sowjetunion, Dezember
1947, alles zu kaufen gibt. Die Preise sind sehr hoch und
stehen in keinem Verhältnis zu den Einkommen, vor allem
dem der Intelligenzberufe.
Ein Buchhalter oder Arzt müßte für ein Paar Schuhe oder
vier Pfund Butter sein halbes Monatsgehalt opfern, ein Be
triebsführer oder Professor ein Siebentel. Ein Anzug west
europäischer Qualität würde den Professor anderthalb Mo
natseinkommen kosten.
Zur kulturellen Betreuung der russischen Bevölkerung
stehen das Theater der „ Roten Armee " und vier Kinos zur
Verfügung, die meist schlecht synchronisierte deutsche
Filme zeigen.
Wenn Propagandastreifen der russischen Regierung vor
geführt werden, sind die Filmtheater leer.
Sämtliche Industriewerke Königsbergs wurden 1945 zer
stört, der Rest, soweit noch brauchbar, demontiert und
nach dem Osten geschafft.
1946 begann sehr langsam der Wiederaufbau der Indus-
264
trie. Die sogenannte Leichtindustrie arbeitet ausschließlich
für die „Rate Armee ".
Im Zuge der Eingliederung in die Sowjetunion wurden
alle deutschen Bauern von ihren Höfen vertrieben und ihr
Land russischen Siedlern zur Verfügung gestellt. Nur etwa
die Hälfte des zur Verfügung stehenden Bodens wird be
baut. Nordostpreußen, früher die Kornkammer Deutsch
lands, muß heute die Hälfte seines Bedarfs an Getreide und
Fleisch einführen.
Kaliningrad ist heute eine durchaus russische Stadt ge
worden. Ihr äußeres Bild gleicht dem eines der vielen rus
sischen Provinzstädtchen.
Mit Königsberg hat es nur noch die geographische Lage
gemeinsam.
265
(Fotoquelle: Adam Kraft, Rudolf Naujok: Ostpreußen. Ein
Bildwerk mit 220 Fotos. Würzburg 2002, ISBN 3-88189-444-6 ,
Abb. 7 (https://commons.wikirnedia.org/wiki/
File:Hundegatt_(K%C3%B6nigsberg).jpg)
266
16. Verschwiegen: Die wahren Pläne der
Alliierten für Nachkriegsdeutschland!
Vom 4. bis zum 11. Februar 1945, als die Führer der
Siegermächte in Jalta zusammentrafen, vereinbarten
sie in Anlehnung vorausgegangener Vereinbarungen,
wie sie nach der Niederlage mit dem Deutschen Reich
umzugehen gedachten.
Dabei wollten US-Präsident Franklin Delano »FDR«
Roosevelt, der sowjetische Diktator Josef Wissariono
witsch Stalin und der britische Premier Winston Le
onard Spencer-Churchill Deutschland in Besatzungs
zonen aufteilen. Zudem einen Alliierten Kontrollrat
einrichten, sämtliche Kriegsverbrecher vor Gericht
stellen (wobei die eigenen Gräueltaten nicht zur Spra
che kommen sollten und später auch nicht kamen),
das Deutsche Reich komplett entwaffnen und den
deutschen Militarismus und Nationalsozialismus
zerstören. Deutschland sollte nie wieder dazu im
stande sein, den »Weltfrieden zu stören«, was, be
kanntlich ja auch nie mehr geschah, ganz im Gegen
satz etwa zu den USA.
267
Die in Jalta getroffenen Zusatzvereinbarungen, als
Ergänzung zu denen in bereits in der Teheran-Konfe
renz (vom 28. November bis 1. Dezember 1943) gefäll
ten Abmachungen, sollten erst nach endgültiger Nie
derlage Deutschlands bekanntgegeben werden. An
gesichts dessen, was dort stand, war dies wohl aus
taktischen Gründen genauso geplant, denn alles an
dere hätte zu noch mehr Angst und Schrecken im
Deutschen Reich geführt.
Am 17. Juli 1945 begann in Potsdam die Konferenz
der sogenannten »Großen Drei« (Roosevelt,
Churchill, Stalin), um die restlichen Differenzen un
tereinander auszumerzen.
So wollte US-Präsident Roosevelt Deutschland in
fünf Staaten aufteilen. Und zwar in:
1. Preußen
2. Hannover mit Norddeutschland
3. Sachsen mit dem Gebiet um Leipzig
4. Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel mit dem Ge
biet südlich des Rheins.
5. Bayern, Baden und Württemberg.
268
Abb. 103: Die »Großen Drei« während der Teheraner
Konferenz; von links nach rechts: Josef Stalin,
Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill.
(Fotoquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Tehran_Conference,_1943.jpg)
269
An dieser Stelle sei auch der von Henry Morgent
hau jr. (1891-1967), Roosevelts Staatssekretär und Fi
nanzminister (von 1934-1945), erstellte Plan zur Ent
industrialisierung Deutschlands erwähnt. Dieser war
als Direktive des Oberbefehlshabers der alliierten
Streitkräfte in Europa, US-General Dwight David
»Ike« Eisenhower (1890-1969, von 1953 bis
1961 34. Präsident der Vereinigten Staaten) für die
Zeit nach dem Sieg der Alliierten gedacht. Der später
als »Morgenthau-Plan« bekannte Entwurf sah unter
anderem vor, dass Deutschland in einen »Agrarstaat«
umgewandelt werden sollte, damit es nie wieder in
der Lage dazu war, einen Angriffskrieg zu führen.
»Wenn der Krieg vorbei ist«, zitierte Barbara Jentz
sch vom Deutschlandfunk im September 2004 Henry
Morgenthau, »sollten wir die deutschen Fabriken zer
stören, die Bergwerke unter Wasser setzen und die
Infrastruktur nahezu zerstören. Lass die Deutschen in
ihrem eigenen Saft schmoren. Vielleicht sollten sie
auch eine Weile hungern. Nur so wird dieses Volk be
greifen, dass es den Krieg verloren hat und für einen
Neuanfang unsere Hilfe braucht.«153
1. Demilitarisierung Deutschlands.
2. Territoriale Neuordnung: Aufteilung Ostpreu
ßens zwischen der Sowjetunion und Polen,
270
Übergabe Südschlesiens an Polen, Übergabe des
Saarlandes und einiger linksrheinischer Gebiete
zwischen Rhein und Mosel an Frankreich, Auftei
lung Deutschlands in zwei unabhängige Staaten
im Norden und Süden, Zollunion zwischen dem
Südstaat und Österreich.
3. Vollständige Demontage der Industrie im Ruhr
gebiet, im Rheinland und in angrenzenden In
dustrierevieren sowie in der Umgebung des
Nord-Ostsee-Kanals, Verwaltung des deindustri
alisierten Gebietes als internationale Zone durch
die Vereinten Nationen, Verbot der Reindustriali
sierung auf absehbare Zeit.
4. Entschädigungen und Reparationen aus dem der
zeitigen Besitz, aber keine künftigen Zahlungen
oder Überlassungen.
5. Entnazifizierung von Schulen, Universitäten, Zei
tungen, Rundfunk und anschließende Schließung
und Neuaufbau unter Leitung einer alliierten Er
ziehungskommission.
6. Politische Dezentralisierung durch Föderalisie
rung.
7. Steuerung der Volkswirtschaft durch Deutsche
ohne übergeordnete Verantwortung der Militär
behörden.
8. Kontrolle der deutschen Volkswirtschaft durch
die Vereinten Nationen für den Zeitraum der
nächsten zwanzig Jahre, um den Aufbau einer Mi
litärindustrie zu verhindern.
271
9. Bestrafung von Kriegsverbrechern.
10. Zerschlagung des Großgrundbesitzes, Verteilung
an die Bauern und Änderung des Erbrechtes.
11. Verbot von Uniformen und Militärparaden.
12. Verbot für Deutsche, Luftfahrzeuge zu führen.
13. Abzug der US-amerikanischen Truppen, Übertra
gung von Besatzungsaufgaben an die Nachbar
länder Deutschlands unter Verbleib der entschei
denden Kompetenzen bei den USA.
14. Einsetzung eines US-amerikanischen Hohen
Kommissars als wichtigste politische Kontrol
linstanz.
272
Abb. 104: Geplante neue Grenzen Deutschlands
nach dem Morgenthau-Plan
(Bildquelle: Germany Morgenthau Plan.png von Stor stark 7
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Germany_Morgentha
u_Plan-en.svg))
273
»Propagandist«, der unter anderem Mordaufrufe
und Mordanleitungen gegen Deutsche schrieb) 1 55 und
dem »amerikanischen Minister und Juden Morgent
hau«.156
274
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels be
schimpfte Morgenthau als einen »jüdischen Racheen
gel « , der Deutschland vernichten und in einen »riesi
gen Kartoffelacker« verwandeln wolle. Der »Jude
Morgenthau« beabsichtige, den größten Völkermord
aller Zeiten vorzubereiten.1 57
Konkret sagte Goebbels in einer Rede vor Fabrikar
beitern: »Hass und Rache von wahrlich alttestamen
tarischem Charakter sprechen aus diesen Plänen, die
von dem amerikanischen Juden Morgenthau ausge
heckt wurden. Das industrialisierte Deutschland soll
buchstäblich in einen riesigen Kartoffelacker verwan
delt werden.« 158
Was Hitler und Co. sowie die Ewiggestrigen bis
heute jedoch verschweigen: Bereits im September
1944 distanzierten sich Roosevelt und Churchill von
diesem Plan. Allerdings nicht ganz freiwillig, wie es
schien.
Dazu noch einmal der Deutschlandfunk vom Septem
ber 2004: »Morgenthau schien Erfolg zu haben. Die
Staatschefs Churchill und Roosevelt billigten am 15.
September 1944 im kanadischen Quebec eine abgemil
derte Version des Plans. Doch die Außenminister Eng
lands und Amerikas protestierten aufs schärfste und
US-Kriegsminister Stimson sprach von einem ,Verbre
chen gegen die Zivilisation'. Als der Plan durch ge
zielte Indiskretion publik wurde, war die Reaktion so
negativ, dass der im Wahlkampf stehende Roosevelt
ihn ohne weitere Diskussion ad acta legte.« 159
275
Mit einer Ausnahme, nämlich der, bezüglich der Be
strafung von Kriegsverbrechern. Doch nach Ende der
Kämpfe 1945 standen einzelne Punkte erneut zur De
batte. So hatte beispielsweise die am 14. Mai 1945 er
lassene Direktive 1067 des JCS (Joint Chief of Staff) für
den Militärgouverneur in der deutschen US-Besat
zungszone große Ähnlichkeit mit verschiedenen
Punkten des Morgenthau-Planes.160
Darin heißt es unter anderem: »Demnach ist
Deutschland als Feindstaat zu behandeln, der dauer
haft daran gehindert werden muss, zu einer erneuten
Gefahr für den Frieden zu werden. ,Fraternisierung'
zwischen amerikanischen Besatzungsangehörigen
und Deutschen wird verboten (...) Die Entnazifizie
rung soll durch die Auflösung aller NS-Organisatio
nen und den Ausschluss ihrer Mitglieder aus dem öf
fentlichen Leben und herausgehobenen Stellungen in
der Wirtschaft erreicht werden (...) Der Neubeginn
des politischen Lebens ist nur mit amerikanischer Ge
nehmigung möglich, streng kontrolliert werden soll
auch die Wiedereröffnung der Bildungseinrichtun
gen. Ebenfalls nach strikten Vorgaben soll das wirt
schaftliche Leben wieder in Gang kommen. Die Wirt
schaft soll dezentralisiert und mit Hilfe deutscher Be
hörden kontrolliert werden. Ein wirtschaftlicher Wie
deraufstieg Deutschlands über das zur Versorgung
der Besatzungstruppen und zum Leben der Bevölke
rung unbedingt Notwendige ist nicht erwünscht. Der
Lebensstandard in der US-Zone darf den benach-
276
harter Staaten nicht übersteigen (... ) Diese Direktive
gibt Richtlinien für die in der ersten Zeit nach der
Niederlage gegenüber Deutschland einzuschlagende
Politik (... ) Deutschland wird nicht besetzt zum
Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter
Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrückung, son
dern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wich
tige alliierte Absichten zu verwirklichen. Bei der
Durchführung der Besetzung und Verwaltung müs
sen Sie gerecht, aber fest und unnahbar sein. Die Ver
brüderung mit deutschen Beamten und der Bevölke
rung werden Sie streng unterbinden (... ) Das Haupt
ziel der Alliierten ist es, Deutschland daran zu hin
dern, je wieder eine Bedrohung des Weltfriedens zu
werden (...) Andere alliierte Ziele sind die Durchfüh
rung des Reparations- und Rückerstattungspro
gramms (... ) Keine politische Tätigkeit irgendwelcher
Art darf ohne Ihre Genehmigung begünstigt werden
(... ) Ein koordiniertes Kontrollsystem über die deut
sche Erziehung und ein bejahendes Programm der
Neuausrichtung sollen aufgestellt werden, um die
nazistischen und militaristischen Lehren völlig aus
zurotten und die Entwicklung demokratischen Ge
dankengutes zu fördern ( ... )« 161
Die komplette Direktive habe ich in Tabu-Fakten
Zweiter Weltkrieg, Band 1 im Kapitel 22. Verschwiegen:
US-Direktive 1067 belegt - ,,Deutschland wurde nicht be
setzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als besiegter
Feindstaat! " (US-Präsident Truman) abgedruckt.
277
Abb. 106: Jalta-Konferenz 1945; von links nach
rechts: Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt und
Josef Stalin. Dahinter: Admiral der Flotte Sir Andrew
Cunningham, RN, Marschall der Royal Air Force Sir
Charles Portal RAF und Flottenadmiral William D.
Leahy, USN und sowjetische Offiziere
(Fotoquelle: US Signal Corps/Kongressbibliothek , Franklin D.
Roosevelt Bibliothek & Museum http://docs.fdrlibrary.marist.
edu/ images/photodb/09-1905a.gif (wikimedia commons
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jalta_l945.jpg))
278
Jalta, Potsdam - Die sowjetischen Protokolle der Kriegs
konferenzen der »Großen Drei« heißt es dazu: »Alliierte
Armeen führen die Besetzung von ganz Deutschland
durch, und das deutsche Volk fängt an, die furchtba
ren Verbrechen zu büßen, die unter der Leitung derer,
welche es zur Zeit ihrer Erfolge offen gebilligt hat und
denen es bald gehorcht hat, begangen wurden.«162
Dazu gehörte, dass nahezu zehn Millionen Deutsche
»Sklavenarbeit« in der Sowjetunion und in Frank
reich leisten sollten.
Aber noch etwas anderes strebten die »Befreier« an:
Zunächst sollte es in Deutschland gar keine Regie
rung geben, gleich gar nicht eine gesamtdeutsche.
Für Stalin war Deutschland bestenfalls ein »geogra
phischer Begriff«, schlimmstenfalls existierte es gar
nicht mehr!
Dementsprechendes ist im sowjetischen Sitzungs
protokoll vom 18. Juli 1945 nachzulesen.
Anmerkung: Zwischenzeitlich war Franklin D. Roose
velt verstorben und Harry S. Truman neuer US-Präsident.
»Truman: ,Es (Deutschland/GG) hat 1945 alles ein
gebüßt. Deutschland existiert faktisch nicht.'
Stalin: ,Deutschland ist, wie man bei uns sagt, ein
geographischer Begriff. Wollen wir es vorläufig so
auffassen (... )'
Truman: ,( ... ) Wie definieren wir nun den Begriff
, Deutschland'?'
Stalin: ,Lassen Sie uns die Westgrenze Polens festle
gen, und dann wird die deutsche Frage klarer
279
werden. Es ist für mich sehr schwierig auszudrücken,
was jetzt unter Deutschland zu verstehen ist. Das ist
ein Land, das keine Regierung, das keine fixierten
Grenzen hat, weil die Grenzen nicht von unseren
Truppen festgelegt werden. Deutschland hat über
haupt keine Truppen, Grenztruppen eingeschlossen,
es ist in Besatzungszonen zerteilt. Und nun definieren
Sie, was Deutschland ist! Es ist ein zerschlagenes
Land.'« 163
Zusätzliche Quellen:
„Ziffer 2 der Erklärung von Jalta" in: Amtsblatt des
Kontrollrates für Deutschland, Berlin 1945-1949///Wer
ner Maser: Nürnberg - Tribunal der Sieger, Düsseldorf
1977, S. 22-28, 42, 43///J.L. Chase: ,,The Development
oft he Morgenthau-Plan through the Quebec Con
ference" in: Journal of Politics (Mai 1954) Val. 16, Nr. 2,
S. 324ff.///H.G. Gelber: ,,Der Morgenthau-Plan" in:
Institut für Zeitgeschichte München (https://www.ifz
muenchen.de/heftarchiv/1965_4_2_gelber. pdf)/Zu
griff: 25.04.21
280
Quellenverzeichnis/Endnoten
München 2007, S. 9
7 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947,
281
13
Patrick Henßler: ,,Versailler Vertrag, 1919/20" in: historisches-le
xikon-bayerns.de (https://www .historisches-lexikon-bayerns.de/
LexikonNersailler_Vertrag,_1919/20#Versailler_Vertrag_und_
Weimarer_Republik)/Zugriff: 30.04.21///Helmut Braun: ,,Repara
tionen (Weimarer Republik)" in: historisches-lexikon-bayerns.de
(https://www .historisches-lexikon-bayems.de/Lexikon/Reparati
onen_(Weimarer_Republik)/Zugriff: 30.04.21
14 „Friedensvertrag von Versailles"["Versailler Vertrag"] (Teil IX.
282
19 Dr. Thomas Vogel: ,,Kriegsfolgen" in: Bundeszentrale für politi
sche Bildung v. 30. April 2015 (https://www.bpb.de/ge
schichte/deutsche-geschichte/der-zweite-welt
krieg/202284/kriegsfolgen)/Zugriff: 29.04.21///,,Hintergrund: Der
Zweite Weltkrieg in Zahlen und Fakten" in: zeit.de v. 9. Mai 2015
(https://www.zeit.de/news/2015-05/08/geschichte-hintergrund
der-zweite-weltkrieg-in-zahlen-und-fakten-08065612)/Zugriff:
29.04.21///Rahlf, Thomas (Ed.): ,,Research Report Deutschland in
Daten. Zeitreihen zur Historischen Statistik", 2015, Bundeszent
rale für politische Bildung, Bonn (https://www.econs
tor.eu/bitstream/10419/124185/1/4938_zb_dtindaten_150714_on
line.pdf)/Zugriff: 29 .04.21
20 „Reparationszahlungen Deutschlands nach dem Zweiten Welt
283
Oktober 2010 (https://www.stern.de/politik/geschichte/rueckzah
lung-abgeschlossen-deutschland-hat-keine-kriegsschulden
mehr-3888104.html)/Zugriff: 29.04.21)
25 „Reparationen Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg -
s. 137
32 John Colville: Dawning Street Tagebücher 1939-1945, Berlin 1988,
s. 137
33 Barton J. Bernstein: ,,Why We Didn't Use Poison Gas in World
1986, S. 134
35 Günther W. Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand, Koblenz
1986, s. 141
36 Günther W. Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand, Koblenz
1986, s. 141
284
37 Barton J. Bernstein:,,Why We Didn't Use Poison Gas in World
War II" in: American Heritage, August/September 1985
(https://www .americanheritage.com/why-we-didnt-use-poison
gas-world-war-ii)/Zugriff: 13.04.21
38 Barton J. Bernstein: ,,Why We Didn't Use Poison Gas in World
(https://www.welt.de/print-warns/article122846/Erstickt-ver
kohlt-zerstueckelt.html)/Zugriff: 06.05.21
41 „Erstickt, verkohlt, zerstückelt" in: weit.de v. 6. Februar 2005
(https://www.welt.de/print-warns/article122846/Erstickt-ver
kohlt-zerstueckelt.html)/Zugriff: 06.05.21
42 Siehe beispielsweise: Times (London) v. 01.05.81///Stuttgarter
Nachrichten v. 02.05.81
43 „ 100 JAHRE GIFTGAS: ,Die Gase hatten gut gewirkt'" in:
285
47„Rede von Sir Winston S. Chrnchill" in: Der Internationale Karls
preis zu Aachen (https://www.karlspreis.de/de/preistraeger/sir
winston-s-churchill-1955/rede-von-sir-winston-s-churchill)/Zu
griff: 13.04.21
48
Eugen Lennhoff/Oskar Posner/Dieter A. Binder: Internationales
Freimaurer Lexikon, Miinchen 2006, S. 180, 714
49 Klaus Rainer Röhl: ,,Verbotene Trauer - Ende des deutschen Tabus",
verwenden.
54
»Selling the threat of bioterrorism« in: Los Angeles Times v. 01.07.
2007 (https://www .latirnes.com/archives/la-xpm-2007-jul-01-na
alibekl-story.htrnl)/Zugriff: 26.03.21
55 Vgl. Annie Jacobsen: Das Gehirn des Pentagons: Eine unzensierte
286
Stabes". Geheim. National Archives College Park, Record Group
319, Box 1, Folder BW 2, 15-18.
59 Alibek, K. 1998, "Terrorist and intelligence operations: potential
and the battle for Stalingrad", Military Med. 166, No. 10, 837-838
64 Dennis, T., T.V. Inglesby, D.A. Henderson et al. 2001, "Tulare
287
69
Gaede, D. und A. Kairies, 1943, "Untersuchungen zur Epidemi
ologie und Diagnostik der Tularämie", Der Deutsche Militärarzt
8, Nr. 1, 30-35
70 Jusatz, H. 1964, "Die geographische Verbreitung der Tularämie
auf der Erde von 1911 bis 1959", in E. Rodenwald (Hrsg.) 1964,
Geoepidemiologischer Atlas/// Korth, W . 1945, "Serologische und
bakteriologische Ergebnisse während einer Tularämie-Epidemie
im Osten", Zbl. Bakteriol. I Orig. 151, 394-399.
71 Combined Intelligence Objectives Sub-Committee 1945, op.cit.
72 Combined Intelligence Objectives Sub-Committee 1945,
288
Tularämie?", Münchener medizinische Wochschr. Nr. 32, 1342-
45.
74 Bogendörfer, L., Saleck und H. Kairies 1942, "Über das Auftre
New York, 30
77 Alibek, K. with S. Handelman 1999, Biohazard. Random House,
New York, 31
78
Kliewe, H. 1943a, "Der Bakterienkrieg". Geheime Komman
dosache. 19.Januar, National Archives, College Park (NACP),RG
319, Box 3 Folder BW 14, 77-88. English translation: ,,Bacterial
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May. Report Nr. C-H/303:28-36. NACP RG 319 G2 P-Project File,
Box 3///Kliewe,H. 1943b, An Oberkommando der Wehrmacht,
Chef des Wehrmachtssanitätswesens."Betr.: Abwehr- und
Schutzmaßnahmen gegen Sabotageakte mit Bakterien". Geheime
Kommandosache. 14. August. NACP,RG 319 Box 3 BW 14:150-
152; Kliewe, H. 1943c, An Herrn Amtschef AWA. "Betrifft: Schutz
u. Abwehrmaßnahmen gegen Sabotageakte mit Bakterien". Ge
heime Kommandosache. 15. September. NACP RG 319, Box 3,
Folder BW 14: 160-161 . English translation: "Protective and defen
sive measures against sabotage activity with bacteria". Top secret.
In ALSOS Mission 1945a, op.cit., 69-70
'19 Merkulov, V. 1941, Letter to the people's commissars for state
security of the unions and autonomous republics, top secret. [In
Russian]. Central Archives of the Ministry of Defense of the USSR,
Fonds 500, Opis 21452, Delo 1, 47-53, especially p. 50. [A German
translation is reproduced in part in Geißler 2003, op.cit., 92-93
80
Bojtzov, V. and E. Geissler 1999, "Military biology in the USSR,
1920-45", in E. Geissler and J.E. van Courtland Moon (eds.) 1999,
Biological and Toxin Weapons: Research, Development and Use
from the Middle Ages to 1945, Oxford University Press, Oxford,
153-167
81 ALSOS Mission 1945b, "Intelligence Report. Report on the in
289
Report No. A-B-C-H-H/149, 4, 5-6///Hirsch, W. 1951, Soviet
Chemical Warfare and Biological Warfare Preparations and Capa
bilities, US Army Chemical Intelligence Branch, Washington, DC,
104. Sussex Harvard Information Bank
82 Alibek, K. with S. Handelman 1999, Biohazard. Random House,
New York, 30
83 Korth, W. 1945, "Serologische und bakteriologische Ergebnisse
1986, S. 163
86 Anthony Beevor: Der Zweite Weltkrieg, München 2016, S. 610
87 „ Vor 75 Jahren: Bomben auf den Vatikan" in: mticannews.m v. 5. Novem
290
92
20 große Preußen - Lebensbilder preußischer Persönlichkeiten"
in: Preußische Allgemeine :leitung (Sonderausgabe)/ Archiv Grandt
93 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947,
München 2007, S. 9, 10
9 4 Paul Hirsch: ,,Rede vom 13. III. 191 9 bei Eröffnung der Landes
die Auflösung des Staates Preußen, 25. Februar 1947" in: Amtsblatt
des Kontrollrats in Deutschland, Berlin, Nr. 14 vom 31. März 1947, S.
262.
101 Hans-Joachim Schoeps: Preußen - Geschichte eines Staates, Ham
München 2007, S. 9
103 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947,
München 2007, S. 10
104 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niederga
ng 1600-1 947,
München 2007, S. 13
105 Golo Mann: Das Ende Preußens in: Otto Büsch/Wolfgang Neu
gebauer, Wolfgang (Hrsg).: Modeme preußische Geschichte: 1648-
1947, Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin,
Bd. 52, 1981, S. 260ff.
106 „ Umgang mit Preußen ist eine historische Groteske
" in: weit.de
v. 23. Februar 2007 (https://www.welt.de/politik/article732926/
291
Umgang-mit-Preussen-ist-eine--historische-Groteske.html)/Zu
griff: 29.04.21
1 07
Hans-Joachim Schoeps: Preußen - Geschichte eines Staates, Ham
burg 2019, S. 262, 263
108 Rudolf Stadelmann: Moltke und der Staat, Krefeld 1950, S. 395ff.
109 Hans- Joachim Schoeps: Preußen - Geschichte eines Staates, Ham
60
1 14 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947,
sablanca Policy upon Word! War II, Westport, CT, 1961, S. 20ff.
11 6 Memorandum von C. E. Steel (Abteilung Politik, Kontrollkom
292
121 Christian Graf von Krockow: Warnung vor Preußen, Berlin 1981,
(https://www .dhm.de/lemo/biografie/biografie-helmuth-james
graf-von-moltke.html )/Zugriff: 01.05.21
1 31 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600- 1947,
preussenchronik.de/thema_ jsp/key=thema_potsdam+und+ber
lin.html)/Zugriff: 01.05.21
1 34 Gerd R. Ueberschär: Stauffenberg und das Attentat vom 20.Juli
1994, s, 400
293
1 39
„Preußenchronik" in: www.preussenchronik.de (https://www.
preussenchronik.de/thema_jsp/key=thema_potsdam+und+ber
lin.htmJ)/Zugriff: 01 .05.21
140 Christopher
Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947,
München 2007, S. 767
1 41 Heinz
N awratil: ,,Schwarzbuch der Vertreibung 1945 bis 1 948 -
Das letzte Kapitel unbewältigter Vergangenheit", Wien 2013, S. 73ff.
142 Quellen für alle genannten Zahlen sind aufgeführt in: Guido
1 982, S. 13ff.
1 49 Uta Lehnert: Der Kaiser und die Siegesallee: reclame royale, Berlin
1998, S. 337-340
150 Christopher Clark: Preußen - Aufstieg und Niedergang 1 600-1947,
294
html ?dram:article_id=124898)/Zugriff: 25.0421
154 Kurt Zentner: Aufstiex aus dem Nichts. Deutschland von 1945 bis
S. 28
161 „Direktive der amerikanischen Stabschefs an den Oberbefehls
295