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Paul Grossman
Abteilung Psychosomatische Medizin
Universitätskrankenhaus Basel
E-Mail: paul.grossman@usb.ch
Übersetzt von Luise Reddemann
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Abstract
In letzter Zeit wurden in der westlichen Psychologie, Psychotherapie und Medizin
Praktiken einbezogen, die zum Ziel haben, Achtsamkeit als eine besondere Form der
Bewusstheit zu fördern. Da diese aber aus dem Zusammenhang der buddhistischen
psychologischen, philosophischen und religiösen Wurzeln gelöst wurden, hebt man
in westlichen Wissenschaften in den Definitionen von Achtsamkeit meist
Phänomene von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung hervor. An dieser Stelle dage-
gen beschreibe ich Achtsamkeit als eine Handlung verkörperter Ethik, die in das
buddhistische epistemologische und ethische System verwoben ist. Dieses strebt
danach, die Erfahrung und die Linderung von Leid zu verstehen. Die hier
beschriebene Wahrnehmung einer bewussten Erfahrung von Moment zu Moment,
die durch Achtsamkeit charakterisiert ist, erfordert die Pflege von Geisteshaltungen
wie Freundlichkeit, Geduld, Toleranz, Großzügigkeit, Mitgefühl und Mut; andernfalls
verliert man sich in Analyse, Beurteilung und/oder Grübelei. Diese und ähnliche
wohlwollende Verhaltensweisen bilden ein System ethischer Werte, die vollkom-
men mit der buddhistischen Ethik übereinstimmen. Erzielt man solche Geisteshal-
tungen durch eine Praxis der Achtsamkeit, ist dies oft mit einem Gefühl des mental-
en und physischen Wohlbefindens verbunden (d.h. Verkörperung), das sich auch
unter unangenehmen Bedingungen einstellen kann. Daher ist Achtsamkeit als solche
eine Praxis, die sowohl die Entwicklung von ethischen Werten mit offenem Herzen
fördert, als auch das Verständnis von erlebter Erfahrung. Innerhalb dieses Rahmens
kann man Achtsamkeit als eine Form der vorurteilslosen, gelassenen und mit offen-
em Herzen gemachten Erfahrung aller wahrnehmbarer Ereignisse und Vorgänge , die
sich von Moment zu Moment entfalten, definieren.
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Einleitung
In den letzten zehn Jahren hat der Begriff Achtsamkeit in der westlichen
Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft eine enorme Popularität und Zugkraft er-
langt. Im englischen Sprachgebrauch bezeichnete der Begriff lange Zeit „die Eigen-
schaft oder den Zustand, sich einer Sache bewusst oder aufmerksam zu sein“ (Oxford
(obs.)“ von 1530 A.D. (aus Oxford English Dictionary [www.oed.com]); eine spezielle
mals vor etwa 25 Jahren als „die Fähigkeit, sowohl Objekte als auch die Situation
aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, und (2) die Fähigkeit, die Perspek-
tiven in Abhängigkeit von dem Kontext zu verändern“ vorgestellt. (Langer & New-
man, 1979).
Die derzeit weit verbreitete Begeisterung für Achtsamkeit scheint jedoch vor allem
aus einer Mischung semantischer Bedeutungen aus Philosophie, Psychologie und Reli-
gion abgeleitet zu sein, die zuletzt an die Ufer eines westlichen Mainstream
definiert diese Form der Achtsamkeit als „einen mentalen Zustand, der erreicht wird,
indem man sein Gewahrsein auf den gegenwärtigen Moment richtet, während man
www.oxforddictionaries.com).”
sollte es nicht überraschen, dass sich Definitionen und Anwendungen weiter ausbreit-
en und eine Vielzahl von Bedeutungen entstehen, die einander nur manchmal und nur
Programmen ; es kam die Frage auf , wie und ob versucht werden sollte, Achtsamkeit
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samkeit, und es kam zu der Sorge, dass Achtsamkeit so umgedeutet wird, dass die
Praxis ihre innovative und radikale Bedeutung verliert und lediglich zu einem anderen
Wort für Aufmerksamkeit wird (z.B. Grossman , 2011; Grossman & Van Dam, 2011).
Zusätzlich entwickelt sich eine lebhafter werdende Diskussion , wie verschiedene kul-
In diesem Aufsatz beschränke ich meine Diskussion auf Achtsamkeit, wie sie im
der Betrachtung von Achtsamkeit möchte ich hier diejenigen ethischen Dimensio-
nen unterstreichen, die in jeder buddhistischen Tradition eine zentrale Rolle spie-
len, ob Theravada, tibetisch oder Zen. Ethik wird von Montiero, Musten und Comp-
son (2015) als ein grundlegendes Element der Achtsamkeitspraxis (im Buddhismus)
diskutiert und sie weisen auf die potentielle Bedeutung hin, ethische Erwägungen
Medizin, Psychologie, Erziehung und Wirtschaft aufzunehmen. Ich möchte hier die
These aufstellen, dass ein wichtiger Aspekt in der Diskussion unbeachtet geblieben
ist: es sind zwar viele inhärente Stränge in die Definition eingeflossen jedoch
chen Rahmen auch eine verkörperte ethische Handlung, einen Prozess und eine
Praxis darstellt.
Ethik wird hier nicht als Teil eines Systems religiöser Pflichten verstanden und
definiert, sondern allgemeiner als kohärentes Gefüge von „Werten hinsichtlich des
menschlichen Verhaltens, in Bezug auf die Richtigkeit und Falschheit von gewissen
Handlungen, und das Gute und Böse bei den Motiven und Ergebnissen solcher Hand-
ford.edu/). Eine kurze weitere Diskussion der Bedeutung einer „ethischen Haltung“
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und der Unterscheidung von „richtig“ und „falsch“ folgt weiter unten. Hier genügt
der Hinweis, dass wir nicht über eine Reihe von Regeln sprechen, die auf theistischen
Pflichten und Aufgaben basieren, sondern über die Entwicklung eines inneren und
buchstäblich verkörperten Gefüges von aus der Praxis abgeleiteten Haltungen und
Weise zuzuwenden.
Ich hoffe erklären zu können, wie die Pflege von Achtsamkeit in sich auf die En-
twicklung einer ethischen Haltung ausgerichtet ist, sowohl gegenüber sich selbst und
anderen, sowie gegenüber allen Lebewesen und nicht lebenden Objekten in der Welt
und im Universum. Ich möchte außerdem meine Überzeugung darlegen, dass eine
sogar eine gewisse Quelle der Konfusion sein kann und damit eine falsche Berechti-
gung für Psychologen darstellt, den Begriff jeweils so auszulegen wie es ihnen ger-
ade passend erscheint (d.h. wenn die verschiedenen Zweige des Buddhismus sich
nicht auf eine Definition von Achtsamkeit verständigen können, warum sollten wir
Psychologen uns auf eine spezifische Definition einigen?). Das Wort Achtsamkeit er-
hält nur dann seine volle Bedeutung, wenn es in ein System von Praktiken und Ver-
Zu Beginn kann es hilfreich sein, die derzeitige zentrale Definition von Acht-
samkeit, wie sie aus den buddhistischen Bedeutungen übernommen wurde, genau
Eine relative Standarddefinition, wie oben aus dem Oxford Online Dictionary zi-
wieder: „ein mentaler Zustand, der erreicht wird, indem man sein Gewahrsein auf
den gegenwärtigen Moment richtet, während man die eigenen Gefühle, Gedanken und
als Art oder Eigenschaft), der durch einen Prozess erzielt wird, bei dem mindestens
vier erforderliche Bedingungen erfüllt werden: Absicht, Fokus auf den gegenwärti-
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gen Moment, eine aus diesem gezielten Fokus abgeleitete Bewusstheit (unabhängig
Gedanken bezieht) und eine Haltung der Akzeptanz gegenüber allem, was infolge
erscheinen identisch oder sehr ähnlich wie allgemeine Definitionen von Aufmerk-
samkeit als „Konzentration des Bewussteins auf ein Phänomen unter Ausschluss von
gezielten Aufmerksamkeit von dem Besuch einer Vorlesung, dem Hören von Musik bis
zum Spielen von Videospielen. Für sich allein genommen charakterisieren diese Ak-
chem Verständnis von präsent sein erfordert eine besondere Form des Gewahrseins,
in der dieses Gewahrsein kontinuierlich von Gleichmut (im Wesentlichen Gelassen-
heit in den mentalen und emotionalen Funktionen) abhängig ist, und der Akzeptanz
übliche Analyse, Beurteilung, Bewertung und selbst Grübeleien, die mit bewussten
ist, ersetzt; dies wird in der Literatur oft durch die Begriffe „Akzeptanz“ und
in der Diskussion unter und werden, meiner Ansicht nach, in der psychologischen
samkeit für eigene Wahrnehmungen, mit Akzeptanz als vielleicht notwendigem Be-
gleitumstand, der jedoch so leicht erreichbar scheint, dass er kaum eines Kommen-
tars bedarf.
Ich möchte die Gewichtung daher gewissermaßen umkehren und folgende Def-
mütigen Erfahrung von wahrnehmbaren Ereignissen und Prozessen, wie sie sich von
text, der uns in jedem Moment bewusst wird)“. In dieser Definition werden nicht die
eine Handlung, bei der sich Aufmerksamkeit mit einer Reihe besonderer Geisteshal-
unter allen Umständen mit Achtsamkeit auftauchen, helfen sie zu definieren und die
aus dem Pali) und Freundlichkeit (adosa) helfen bei der Klarstellung, dass ein acht-
sames Bewusstsein das Objekt weder begünstigt noch ablehnt, sondern stattdessen
die Eigenschaft des Gleichmuts ausdrückt. Hier erhalten moderne Definitionen von
Achtsamkeit den Sinn des Nichtbeurteilens des Objekts und dessen Akzeptanz, so
wie es ist.“
Buddhistisches Denken und das Streben nach ethischem Verhalten und Tugenden
bilden ein sehr klares System, das jedoch nicht vorrangig auf verpflichtenden oder
verbietenden Regeln basiert, die von höheren moralischen Instanzen verfügt werden.
Buddhistische Ethik stammt eher aus der Betrachtung der einfachen Erfahrung des
Lebens in der Welt: Handlungen und Gedanken, die Leid verursachend gemeint sind,
werden als ungesund erachtet; Verhaltensweisen und mentale Aktivität, die wohlwol-
lend oder hilfreich gemeint sind, werden dagegen als gesund angesehen. Das ist das
es natürlich viele weitere subtile und wichtige Faktoren, die ich hier nicht weiter
ausführen kann (z.B. was ist die genaue Definition von Schaden? Ist es gesund oder
ungesund, jemandem zu schaden, der eine unmittelbare Gefahr für Unschuldige an-
dere darstellt? Wann kann Verhalten als absichtlich betrachtet werden und wann
nicht?). Dennoch gibt es eine lange Reihe von ungesunden Verhaltensweisen und
Handlungen, die im Alltag einfach und eindeutig unterschieden werden können: Lü-
gen und Stehlen, oder einer anderen Person psychischen oder physischen Schaden
zuzufügen. Diese Handlungen rufen nicht nur bei den Opfern Leid hervor, sondern
typischerweise auch beim Verursacher. Ebenso einfach ist es, eindeutige Beispiele für
Diese zuletzt genannten Handlungen rufen allgemein ein Gefühl von Freundschaft
und Wohlbefinden hervor, sowohl für den Handelnden als auch für den Empfänger.
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Innerhalb dieser breit angelegten Perspektive bedeutet ein solches gesundes Han-
deln, angewandt auf die sich stets verändernden Umstände des Lebens, eine Bestäti-
gung des Lebens selbst, eine wohlwollende Betrachtung aller Erfahrungen; dabei wird
versucht, Leid zu vermeiden, so gut wir es können; und doch besteht eine große Of-
fenheit für den Reichtum und die Schmerzlichkeit gegenüber denjenigen Aspekten
des Lebens, die wir nicht kontrollieren oder vermeiden können. Ungesundes Verhal-
ten oder Gedanken, die Leid verursachen, sind dagegen Handlungen der Verleugnung,
Fiktionen, durch die wir uns von den Tatsachen des Lebens und dessen Veränderungen
abwenden. Sie verursachen definitionsgemäß Schaden und sind oftmals durch Ver-
sind Gier, Hass und Verblendung; dagegen sind die grundlegenden Geisteshaltungen
genden Merkmale von Gesundheit sind die vier so genannten unermesslichen Geiste-
die reine Selbstzufriedenheit hinausgeht, einschließlich der Freude über ein glück-
liches Schicksal von anderen). Die Pflege dieser Eigenschaften wird als wesentliches
tische Ethik besteht also aus einer Reihe von Grundsätzen, Anregungen und Geiste-
shaltungen, die uns anleiten und Orientierung bieten, welches Verhalten anderen
Gedanken und Handlungen aus der Missachtung der grundlegenden Merkmale der Ex-
istenz (Bodhi, 2013) und, vielleicht im Kern, der Unbeständigkeit aller Dinge. Ein ab-
sichtsvolles und abgestimmtes Bemühen, Gier, Hass und Verblendung durch eine kon-
und gesundes Verhalten zu ersetzen, führt demnach zu Weisheit und Frieden. So ist
die Praxis der Achtsamkeit für diesen Prozess von ebenso zentraler Bedeutung, wie
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Dieses ethische System scheint gut begründet in einer Reihe von rationalen
tensweisen zu beseitigen oder, was eher realistisch ist, zu mindern? Und wie über-
schneidet sich Achtsamkeit mit diesem Streben, sodass die eigentliche Praxis von
Achtsamkeit als eine verkörperte ethische Handlung bezeichnet werden kann? Vielle-
icht kann ein Zitat von einem bekannten Mathematiker und Philosophen aus dem 19.
die Doktrin einer besonderen Art der Freude oder des Unmuts, die vom men-
den, wobei diese als richtig oder falsch erachtet werden, und eines besonderen Be-
strebens, die richtigen Dinge zu tun und die falschen zu vermeiden“ (Clifford, 1879,
S. 106). Aus diesem Zitat ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Betrachtung
Auswirkungen auf das Gemüt (im Körper). Diese Auffassung versorgt uns mit Schlüs-
dargelegt werden, und mit der Definition von Achtsamkeit übereinstimmen, auf der
apie), und auch in Einklang sind mit der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (Ka-
von einzelnen Autoren stärker hervorgehoben werden als andere (z.B. Bodhi, 1984;
Gunaratana, 2001; Goldstein, 2002; Kabat-Zinn, 2013): (a) bewusste Absicht, die
(c) Kontinuität eines präzisen momentanen Gewahrseins, das auf die gegenwärtige
Erfahrung gerichtet ist; (d) Anerkennung der Bedeutung sowohl des Trainings in Acht-
samkeit wie auch ihrer allmählichen Aneignung; (e) eine klare Unterscheidung von
typischen, alltäglichen Formen des Bewusstseins; und (f) eine inhärente Ab-
gen der Offenheit, Akzeptanz, Freundlichkeit, Neugier und Geduld gegenüber der
Diese zuletzt genannten Haltungen liegen daher einer besonderen Form des
mentalen Gewahrseins zugrunde, die als Achtsamkeit bezeichnet wird, und sie sind
zende Erfahrung in kontinuierlicher und vorurteilsloser Weise bereit zu sein: eine auf
Erfahrung gerichtete Aufmerksamkeit ist niemals emotional neutral oder frei von
hängig davon, ob das Objekt der Aufmerksamkeit persönlicher, sozialer oder profes-
sioneller Natur ist, begegnen wir, bewusst oder unbewusst, gewissen Geisteshaltun-
gen oder Emotionen, vielleicht einem Gefühl von Vertrauen, Ängstlichkeit, Offenheit
oder dem Wunsch nach Kontrolle, um nur einige zu nennen. Das gilt für jede Aufgabe
oder jedes Ereignis, ob einfach oder komplex: wir sind vielleicht neugierig, inter-
essiert, enthusiastisch, gelangweilt oder gereizt, noch bevor wir anfangen, unsere
Wahrnehmungen bezüglich dessen, wie und was wir unter bestimmten Umständen
erleben, sodass Geisteshaltungen und Emotionen einerseits und die Parameter eines
Ein aufgeregter Gemütszustand ist zum Beispiel sicherlich nicht dienlich, um eine
lich dazu beitragen, partielle oder verzerrte Bewertungen dessen vorzunehmen, was
behaftet, in denen sie sich befindet. Eine gleichmütige, geduldige und offene Person
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Person, die zu Ablehnung neigt. Obwohl dies offensichtlich erscheint, wird diese Tat-
Erfahrung von Moment zu Moment unterliegt ebenfalls diesem Prinzip, welches Ob-
jekt auch immer der Gegenstand unseres Gewahrseins ist; sei es eine physische
Empfindung wie ein Atemzug oder komplexe Objekte wie Gedanken oder Stim-
mungen. Vielleicht wenden wir uns dem Ein- und Ausatmen zu und stellen ein Gefühl
bare Erfahrung; wir sind gefangen in Gedanken, die mit dem Unbehagen oder
Gefühlen verbunden sind, die der Aufmerksamkeitsfokus hervorbringt, und wir ver-
eigentlichen Atmens. Der Atem ist unbequem, und unser Gefühlszustand kreist um
das Unbehagen und die Unannehmlichkeit, die wir empfinden. Auf diese Weise
haben wir den Kontakt zum achtsamen Gewahrsein des Atems verloren, unser
Wohlbefinden wird nicht gefördert und wir fühlen uns vielleicht sogar stärker be-
Stellen wir uns jedoch andererseits vor, dass wir irgendwie, und sei es gele-
gentlich für ein paar Sekunden oder Minuten, den beurteilenden Geist durch eine
Gefühlen, die bereits vorhanden sind und die wir vielleicht nicht sofort ändern kön-
nen, ersetzen. Vielleicht können wir sogar eine leise Empfindung des Mitgefühls
per entfaltet, erzeugen, und auch den Mut aufbringen, für den Moment auf diese
ebenso wie die von vielen anderen, dass eine solche einstellungsbezogene Haltung
einen erheblichen Unterschied für unser Gewahrsein für den Moment machen kann.
Das Gewahrsein für den gegenwärtigen Moment wird stabiler und feiner. Der Atem
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wird vielleicht angenehmer, oder auch nicht, aber die wohlwollende Haltung
gegenüber den unangenehmen Gefühlen bewirkt oftmals auch eine veränderte Er-
tung. Vielleicht stellen wir fest, indem wir in engerem Kontakt mit der Festigkeit
des Brustkorbs bleiben können, dass wir zunächst bemerken, wie sich dieses Gefühl
der Einengung mit jedem Atemzug verändert; vielleicht gewinnen wir auch Ein-
blicke, ohne Analyse, in den Gefühlszustand, der mit dem gegenwärtigen Zustand
des Unangenehmen verbunden ist. Bestenfalls könnten wir sogar feststellen, dass
gewisse mentale oder physische Faktoren dazu dienen, die Festigkeit zu bewahren,
die eigenen Wahrnehmungen und Gedanken gerichtet ist, sondern ebenso auf alle
Objekte der Wahrnehmung und Gedanken. Sogar die eigenen Prozesse werden zu
unpersönlichen Objekten des Gewahrseins; auch unsere eigene Erfahrung, der wir
mit Offenheit begegnen, ist lediglich ein Fokus der Aufmerksamkeit und weniger
stark mit einem Gefühl eines „Ich-Seins“ verbunden. Umso mehr verwandeln sich
persönlichere Aspekte in eine Identifikation mit den ethischen Tugenden und dem
Verhalten einer besonders offenen Perspektive in Bezug auf alle Aspekte der Er-
fahrung.
Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass eine solche Haltung keinesfalls eine
Form fatalistischer Annäherung bedeutet. Vielmehr sind Urteile eine natürliche Kon-
sequenz dieser ethischen Haltung, die unsere Handlungen anleiten und motivieren.
Doch es sind Urteile und Bewertungen, die durch eine weniger vorurteilsbehaftete
oder voreingenommene Perspektive entstehen, als dies oftmals der Fall ist. Olendzki
(2011, S. 61) schrieb, „durch eine achtsame Aufmerksamkeit wird ein Objekt weder
bevorzugt noch abgelehnt, sondern eher mit der Haltung des Gleichmuts betrachtet.
Nichtverurteilung des Objekts und der Akzeptanz des Objekts, so wie es ist, zum
Ausdruck“. Aus diesem Grund werden ethische Urteile zwar eingefordert, aber sie
werden von einem Standpunkt der Gelassenheit, Klarheit und wohlwollenden Bedin-
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gungslosigkeit gebildet.
Es ist schön und gut, die Wichtigkeit dieser ethischen Verhaltensweisen wie
treligionen von zentraler Bedeutung, doch haben sie, wie bereits erwähnt, meist
sichtlich nicht verordnet werden, und wir bleiben oftmals mit dem Gefühl zurück,
dass wir in unserem Leben zwar bestrebt sein können, sie zu kultivieren und zu
pflegen, aber nicht wissen, wie wir das erreichen können. In der buddhistischen
Praxis gibt es Empfehlungen, die ausdrücklich darauf ausgerichtet sind, diese Ver-
haltensweisen zu fördern, wie Liebende Güte und Mitgefühlsmeditationen (Hof-
mann et al., 2011; Salzberg, 2011). Die Achtsamkeitspraxis dient wiederum als Ein-
ladung, diese Fähigkeiten zu pflegen, und wir können zu jedem Zeitpunkt über-
prüfen, wie ihre Präsenz, und Abwesenheit, unser grundlegendes Gefühl eines mo-
lich erlebten Prozess, in dem wir überprüfen, wie unser Gewahrsein durch den
unangenehm oder neutral ist. Es besteht keine moralische Pflicht oder Erwartung
mit anderen Worten, eine Art ergebnisoffene Untersuchung, was mit unserer
die sich von Moment zu Moment entfalten, mit Freundlichkeit und Akzeptanz zu
begegnen, und wenn wir es paradoxerweise sogar zulassen, dass es uns vielleicht
nicht gelingt, diese Gemütszustände in den Prozess einzubinden (d.h. wenn wir die
Tatsache akzeptieren, dass wir vielleicht nicht in der Lage sind, in dem Moment
eine Art Freundlichkeit zu empfinden, kann das dennoch den Prozess verstärken!).
Diese Praxis wird oftmals unterstützt durch eine verbale Form der Meditationsan-
leitung mit Worten und Sätzen wie „loslassen“, „freundlich zurückkehren zu dem
Objekt der Aufmerksamkeit nach einer Phase der Ablenkung“, und wenn eine
wohlwollende Haltung eingenommen wird, „so gut man es im Moment kann“. Und
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anwendet.
Entsprechend der Anmerkung von Clifford (1879, S. 106), wonach der Geist
„eine Art Behagen oder Missfallen empfinden kann, während er gewisse Verhal-
nehmer von achtsamkeitsbasierten Programmen oftmals fest, dass sie als Folge der
mit Multipler Sklerose schrieb beispielsweise nach dem Abschluss einer achtwöchi-
die Nachricht, dass Davis, der Enkel von meinem besten Freund, gerade
gestorben war. Er war erst 8 Monate alt und hatte Leukämie. In solchen Mo-
menten schrie ich immer aus meinem Innern und meine Gefühle überrollten
mich wie ein Tsunami. Gestern geschah das nicht. Die heilsame Ruhe nach
dem Seminartag half mir, und ich konnte meine Achtsamkeit einsetzen, um
durch diesen Übergang bei Davis und mir selbst zu sein… Noch nie in meinem
Leben habe ich einen so tiefen Frieden erfahren, wie ich es oft empfinde,
Solche Berichte legen nahe, dass die Pflege der Achtsamkeit eher ein wieder-
holtes in Kontakt Treten mit den vielleicht kurzen Momenten ist, in denen unser
Bewusstsein von Frieden, Ruhe und Akzeptanz geprägt ist, und weniger ein Lern-
zeigen Studien oftmals sehr geringe Erfolge für die Entwicklung der Fähigkeit der
mier et al., 2013), und es erscheint nicht plausibel, dass eine achtwöchige acht-
in klinischen Studien, dass die Entwicklung einer Geisteshaltung wie Mitgefühl die
Dieser zentrale Aspekt der Achtsamkeit stellt dann eine verkörperte Erfahrung
eines Gefühls des Wohlbefindens dar, das nicht vollkommen abhängig oder bedingt
ist von den oder durch die Umstände(n), in denen wir uns selbst befinden. Das
Gefühl von Ruhe, so flüchtig es auch sein mag, stellt sich dann nach unserer Er-
fahrung mit größerer Wahrscheinlichkeit ein, wenn wir versuchen, zu einer mitfüh-
pert, da es keine Abstraktion ist: wir fühlen es in unserem Körper und in unserem
nur einige zu nennen – werden verbunden mit der physischen und mentalen
Wahrnehmung von einem besonderen Zustand der Eudaimonie, den viele Menschen
niemals oder nur selten zuvor erfahren haben. Er kann nicht immer zuverlässig
abrufbar sein, aber wir entwickeln ein gewisses auf regelmäßiger Praxis basierendes
Vertrauen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese gleichmütige Form der
Aufmerksamkeit einstellen kann, erheblich höher ist, wenn wir versuchen, jedem
gedacht. Eine formelle Meditation erlaubt lediglich ein besser kontrolliertes Umfeld,
wobei die Praxis letztlich dazu dient, informierter und generalisierter mit unserem
alltäglichen Leben umzugehen. Im Idealfall zeigt sich in der Art und Weise, wie wir
leben – was wir für unser Leben tun, wie wir mit anderen kommunizieren und mit
ihnen umgehen, wie wir mit der Natur interagieren – stets eine Reflexion der ethis-
chen Haltung, die wir durch die Praxis der Achtsamkeit pflegen wollen. Natürlich ist
keiner dieser Faktoren unabhängig von den anderen, und das anspruchsvolle Ziel ist,
habe, Achtsamkeit als eine Handlung verkörperter Ethik zu beschreiben, die inhärent
verwoben ist mit dem buddhistischen System von ethischem Verhalten und Tugend
(Sila aus dem Pali). Nach diesem Verständnis verschmelzen kognitive Dimensionen
des Einflusses von ethischen Werten auf psychologische und kognitive Funktionen
dar. Diese Analyse legt ebenfalls nahe, dass der Versuch eines Verständnisses der
sondern dass ein Verständnis einen weitaus breiteren kontextuellen, und vielleicht
sogar konstitutiven, Rahmen erfordert. Ein verstärkter Fokus auf diesen Beziehungen
kann vielleicht zu einem breiteren Verständnis der Natur von Geist und Existenz
beitragen.
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