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Peter Wagner chcn.

daß jede Rcde über Idrnrirär zwingend nach einem mL)ingr


verlangt, das mit sich idenrisch isr oder nichr. (Genaugenommen
Fest-Stellungen wird inii~irrmindestens nach zwei Dingen verlangt - zusarzlich
Beobachtungen z u r sozialwissenschaftlicben zu dem Objekt der Berrachrung nach jenem .anderen. Ding. mit
Diskussion über Identität dem das ersrgenannre identisch ist. Ich komme auf diesen Aspekt
zurück.) Daher m u ß es überraschen. wenn rich - wie zahllose
Buch- und Aufsatztitel suggerieren - die gegenwärtige Identi-
iärsdiskunsion von diesem Zwang befreit zu haben scheint. Es ist
möglich geworden, über Identität zu sprechen, ohne angeben zu
müssen, wer oder war niit sich selbrr oder ariderririln identisch
.Beiläufig gesprocheii; Von zurei Dingen zu sagen, s:e seien ideri- ist. Dafür scheint mir hier nicht einfach sorgloser Umgang mir
risch, ist ein Unsinn, und von Einem zu sagen, es sci ideiitjsch mit der Sprache dic Ursachc zu sein, sondern dieser ist selbst Indika-
sich silbrr, bagt gar nichrs..' Die Einsicht des jungen Ulirtgen- tor eines Problems. Die Identitätsdiskussion versucht, konzep-
srein scheiiir heute vergessen - in dcn Sorialwisrenschafret~2.u- rue!l eiwa, icstzuschreiben. was empirisch genau zu benennen
iiiindcsr. Dcr Begriff dcr Idenrirät crireut siclt neuer ßeliebthcit. sie vermeidet.
Wie bedeutsam Wittgeiisteins »beiläofigc,* Bemerkung allcrdingr Der Begriff mIdentirät* wird in d e n Sozialwissenrcliafren vor-
bleibt, erkeiinr rnan unschwer nn dcr Korifusion i n der gepcn- nelimlich in zwei Varianten verwender. Als mSelbstidentität-
wärrigen Identitirsdi\busiinii. Erliegt m a n der Vcr>ricliung, das oder vvpersonale Identität- bezeichnet e r das Bcwußrsein eines
Nichtssagende vom Unsinnigcii trennen zu wollen, s o gelangt Menschen von seiner eigenen Kontinuitär i b e r die Zeit hinweg
man schnell zu dein Puiikr. a n dcni dir vage Hrffiiung auf eiiien und die Vnrsrellung einer gewissen Kohärenz seiner Person.' Mir
verbleibenden Rest v o n porenriell A ~ s s a ~ e k r ä i t i g c m vö:lig zu nsozialern oder akollekiiver Identitär- hingegen wrrden »Iden-
rcilwiiiden droht. An dir>iiri Punkt halt man besscr i n ~ i eund tifizierungen. von Menscheii untereinander benannt. also eine
überdcnkt die Suche neu. Es ist vicliciclit klüger, zunächst dic Vorstellung von Glcichheir odrr Gleicharrigkeit mit anderen.'
cigciicn Ii iiiarii>neii zu sortieren. Ein Bewußrse:n von Gleichheir innerhalb einer Gruppe schließt
Man m u ß W i r ~ ~ c n s r c Skepsic
in~ sclbstversiaiidlicli niclir völlig die Vorstellung "in, sich von Nichtangehörigen dieser Gruppe z u
reilen.: G i e i ~ h ~ u l r i og b, man der Aussage zustimmt o d r r iiichr, unterscheiden. Dieses Phänomen wird gegenwärtig als Abgreii-
sollte der oben zitierte Sari nllci-dings siimiiidcst deutlich ma- zung des Eigenen vom Fremden, vom Anderen, diskutiert und
problemarisien.l
i Lud-wiE Wirtgcnstciii. fiocirrur logiii<r-pbilorophicur. K'crhnitqabi, Was in dieser - im Prinzip nützlichen - Unterscheidung z u -
Rd. i, Frankiurr am M a i n i ~ R q ,5. 62. ~ . y o j ;r&l.auch Phiiorripbirrbr iiächst wieder verlorengeht, irr die Beziehung zwisclien beidcn
iinrrnuibur:gcn, 5 i r r (., iin s ~ l b e nBand. Verständnissen von Identität. Personale Identität wird in den
i E'irrgcnstein relbcr Celnngre 5piter zu dcr A u i i a s i o ~ ,daß es zwar
vielleichr nicht zuni Begriff clei- Ideniirxr, aber doch zu den Problrin~. 3 D Asubiecrive sense of continu<iusenirrenci ind a caherinc mrmoryw
riken. die von diercrri b e ~ r i l funiirrist werden, doch ~iocheiniges (Erik H. Brikron. sldenrir); psvcho.~ocial., iii: Jnrem~iionolEniycio-
nielir zu ragen Dic T'racc nach Krirerieii der Idciiriräc durcnricht pedia of the Social Screnrei, Bd. 7, LondonINew York rg6R, S. 61).
dir Pbiloropbiicbtn Uniri-rucL,urigen; dort aber gibr e i keine Anrwort Vg!. dazu aiirfiihrlich den njichfolgendenBeirrap vuii JYrgrn Srraub i n
i ~ e h i . ,rhrr die Ancikcnnuiig ciiir, fuiidanieiiiileii Pioblrms. I l i c si>- diesem Band.
geinaiinre kanriiienrale und die aon1ytircl:c Tradition der Philosophie VRI. brispielsiueise Anthony D Sniith, N ~ i i o Ideniiiy, ~ ~ l Luiidiin
si~idrich - hri illen Uiiterr<liicdeii - i i i drr Einsiclit in die %enrr.>lirir i g g i , Kapitel r , sowie die Beit+ige im vierren Teil die'es Bandes.
dieses Problems einig; etwa- v r ~ i idicrcli Reflcxioneii in die S<iri;lwis- i Val. dazc die vor M a r t i n Fuchs und Shingo Sliirnada i i i dic-
scnscliafren iui-iickruirageii iar c i i i c i dcr AiilirKriidieses Beitrags. Sen: Band.
meisten Fällen *sozial* in dem Sinne sein, da(< sie Bezieliungen überhaupt denselben Gcgenstaiid bezeichnen. Wie also verliält es
zu anderen Menschen und zu ciner bcdeutsanien Orientierung sich mit der Identität der Identitätsdebatte?
im eigenen Leben herstellt. Kollektive Identitit wiederum kann In den Sozialwisseiisrhaften sind derzeit mindestens drei deut-
wohl nur entstehen, wenn eine Mehrzahl einzelner Menscheii die lich unterscheidbare Diskurse über Identität auffindbar, die sich
f ü r sie bedeutsamen Orientierungen ihrer personalen Idenriräten jeweils durch die Kornbinatioii des Identirätsbegriffs mit anderen
auf dasselbe Kollektiv richten. Schon an dieser kurzeii definirori- Begriffen kennzeichnen lassen. In einem Diskurs wird Identität
schen Probleniatisieruiii: wird sichtbar, daR grundlegeiidcre Klä- mit Kultur und Bedeutung verknüpft, in einem anderer mit Mo-
rungen erforderlich sind. damit sich die Nebel der Identitätsdis- derne und Handlung und in einem dritten schließlich mit Dif-
kussion lichten. ferenz. Zwar gibt es zwischen diesen auch Berührungspunkte,
Zur Unühersichrlichkeit der Debatren tragen auch mehrfache die icli aufzurcigen versuchen werde, aber in ihrer bcstehenden
Spalrungen der Diskurse bei. So sind, u m nur ein Beispiel zu Form werden diese Diskurse von deutlich unterschiedcncn Fra-
nennen, f ü r den Teil der Diskussion, deii man vielleicht als main- gesrellungen angeleitct. Bei genauerer Betrachtung werdcn sich
srrenrn der (Sozial-)Psychologie bezeichnen kann, die Arbeiten dabei in den ersten beiden Diskursen Auflösungsersclieinun-
von Erik Erikson ein zentraler Bezugspunkt.h PS?-chologisch. gen d o r t zeigen, w o Begrifflichkeiten mit Resultatcn empirischer
psychoanalytische Darstellungen aus feministischer Perspek- Untersuchungen gegenwärtiger sozialer Situationen und Konfi-
tive - wie etwa diejenige Allison Weirs - kommen hingegen gurationen konfrontiert werden. Die Auflösungsformeii weisen
oft völlig ohne Verweis auf Eriksori aus.' I n der Vielzahl jeweils in die Richtung des dritten Diskurses, der in den Sozial-
Studien in den Kultur-, Medien- und Kommunikarionsazissen. wissenschaften bislang jedoch kaum aufgenommen wurde, weil
schaften, in denen häufig von nioderner und postmoderner er grundlegende Fragen zur Möglichkeit und Gestalt von Suzial-
tität die Rede ist, sind dann die theoretischen Bezüge äußerst u,issenschaft selbst aufwirft.
diffus und meist iiicht sehr reflektiert (was allerdings noch
gegen die Plausibilität und Tragfähigkeit der A~~~~~~~sprechen
muß).' Hinter der Einheir des Begriffs rauchen s o völlig un. 11. Diskurse über Identität
rerschiedliche Bez~igsordnungenauf; o b es tatsächlich ge.
wachsenes gemeinsames Interesse i n m[deiiridt% gibt, erscheint I . Identität und Bedeutung

s o doppelt fragwürdig. Nicht nur blcibt die ~ e ~ t i m mdesu ~ ~


Gegenstandes der Identitärsdiskussion in den einzelncii ~ ~ i ~ ~ ä Zunächst
. wird der Begriff Identität eingesetzt, u m cinc Verbin-
gen diffus. es ist auch zweifelhaft, o b die verschiedenen Diskurse d u n g rwischeii Menschen zu benennen, die im Prinzip in der
Lage ist, eine soziale O r d n u n g zusammenzuhalteii. Diescr Dis-
6 Vgl. Danicl K. Layrlcy und Clark F. Power iHg.). Seil; Ego, arid
kurs bezieht sich unmittelbar, wenngleich nicht immer explizit,
identitv. 1ntegratiz.e Approachei, Ncw York r9fi8; aher c t v a auch
B. R. Slygoski und G. P. Ginsburg, nFgr> idenriry and explaiiaioi-y auf eine Tradition der Kulturanalyse, die zumindest bis H e r d e r
spieclin, i i i : Jahn Shorrer und Kennerh J. Gergen (Hg.). Text! i > i i d r r i ~ zurückreicht. Elemente dieses Denkens fanden sich immer in der
rit?. London I ~ B5.~36-39, , Kulturanthropologie und den Strängcn der Soziologie, die - von
7 Alliroii Weir, Sacrifinal Logicr. Ferninui Thcory end the Criiiqur <i/ Durkheim bis Parsons - die Frage dcr normativen Integration
ldeniity. New Yark ,996; ob=-olii die U n r c r r ~ c h u nidecnhirtorirch
~ v o n Gesellschaften in den Mittelpuiikt stellten.
angelegr irr und etwa die Arbeiten Nieirrcher, Frcudr und ~~~d~ >>Kultur"steht in diesem Denken für allgemein gehaltene Glau-
eingehend hcrrachret. bensvorstellungen, N o r m e n , Werte und Handlungsweisen. Kul-
8 Vgl. Douglar Kcllner, Media Cm'ture, Ci<lri<rlziSrudiei, / d e n i i 9 arid turtheorien unterstellen damit notwendigerweise, dafl die Men-
politzcs berweeti rhr Modern end the Poirrnodern, L O , , ~ O ,~y q l ; na.
vid Morlcy und Kcrin Robbiii. Spacei of l d e n t ~ t ~ . l o b ,4fcdia,
~ l sclien in einem gewissen Sinnc dic kulturellen Kennzeichen ihrer
Electrontc 1.andrnzprr n>id Cvliural üoxndarier, LO,,~",, r991, Gesellschafr kennen. obwohl sie sie vielleicht nicht erklären

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. ,..,
wurden, wenn man sie riiihr danach befragte, und sic nicht unbe- darin doch g e n a nkulrurelle Idenriiät=, deren klassische Formen
dingt abscliätzen können. wie =,eil die gleiclien ku\turcllen z ü g e die nationale und - damit eng zusammenhingend - die sprach-
verbrcirer sind und mit wem sie gcreilr werden. In den iiirirtcn liche Idcnritär bildete. Menscheii gleicher Sprache und Kul-
Fällen, s o argumentieren Kulturtheorc:iker, haben Menschen je- tur wiesen eine primoi-diale Gemeinsamkeit auf, a,elche sie aueh
doch eine Auffassung und einen Sinn von der Gemcinschafi, zu 711r Bildung einer polirjschcn Gcmiiriscliafr prädestinieren sollte
d u sie gehören - diesei Sinn ist ihre kollektive Identität. I n einer Dieses Denken entstand i i i deutscher Sprache in aehrzehnten
kulruralistischen Perspektive stellt diese kollektive Idenritär die Jalirhundert iiicht zuierzt in Reaktion auf die Ideen der A u f -
w i c h r i ~ s t eVerhindune zwischcn ilinen her? klirun.
..... ~

0 ~~

- - Franziirischcn Revolution. denen leere Abstrak-


u n d der
k ~kte s e Weise hat der Identitärshegriff den dcs Interesses,
~ ~~~

tion vorgeworicn wurde. D ~ e s eRevolutioii hingegen ließ den


dei- noch vor etwa zwei Jahrzehnten die Diskurse beherrsclite, Gedanken der poliiiiche>i Ideiirirät ~ i n c Nation, r polirisches Be-
weitgehend verdrängt und dessen dominierende Position in kenntnis und damit dcii Willen - und nicht die Sprache, die dem
dem Strang der Sozialwisscnnchaften eingenommen. d r r sich mit he=.uRtci~ Lebcn dcs Iiidividuums voraurgelir - z u m Kriterium
Fragen gesellschaftlicher lnregrarion betaßt. W u i d r dort soziales von Zugehörigkeit werdcn.
Leben in Termini von Strukturen oder Systemen beschrie- D a die - immer schon problematirche - Annahme kultureller
ben, wurden die Menschen durch ihre Rollen und Interessen und rprachlichcr F l o n ~ u ~ e i i i t äf üt r gegenwirtige Gerellschatten
besrimmt, die wiederum aus deren Position in der Struktur abge- empirisch unhaltbar geworden ist, wird in neueren Diskussionen
leitet werden konnten, s o wird i i i neiiercii Diskussionen das ro- über kulturelle Identität entweder die Knerirrenz verscliiedeiier
ziale Lehen durch Bedeututigeii und Wcrrc Seoidnet. Menschen Kulturen - auch Sub- oder Gegenkulturen - auf einem Terriro-
Icbei! in Kulturen zusammen. und sie erkennen die Glcich- oder rium betont oder darauf hingcwieseii, daß sich Kulturen im G c -
Fremdartigkeit der Anderen nicht an deren Xlassenlagc, sondern gensarz z u reriiroiial definierten Narionalkulturen übcr grolle
an der Ideiiri12r.'~ Diese Kückkelir zur Kulrurinterpi-etation Räumc ausdehnen können. Die jüdische Kultur oder die S W S -
war - unter den Bedingungen des ausgehenden zwanzigsten senschaftskulrura sind dafür offcnichtlirhc Beispiele; aber
Jahrhunderts - iedoch von einigen hlodi'ikarionrn hegleirct. auch solche Kulturen, die - wic etwa die Kultur Samoas - z u m
Zwar wird trotz erheblicher Erweiterungen des Vcritändnis- traditionellen Gegenstand der A n ~ h i o p o l o ~ igehören,
e werden
ses von nkultureller weiterhin aiigenommpn, daß als - m u l t i i o k ~ lIirachrieben,
~~ und es werden sowohl die migra-
Menschen iii einer gegebenen Kultur im wesentlich gleich (und rionsbedingre weite räumliche Ausdehnung als auch der Erhalt
von Mitgliedern anderer Kulturen unterschieden) sind; besteht von Bindung und Zugehörigkeit zu deren doppelrem Kcniizci-
9 Vgl Iici~~irlrweise D<inild Light jr. und Suzanne K~llcr,Socioiogy, cheii gcmacht.12
4. Auflage, New York zyRr. Eiiiige der partiellen Ideiititären innerhalb einer territorialen
i o Ähnliche Beobachtungen z u r Dirk~irrrnrwicklun~ iiiidcii sich bei Gcscll>~liaft,dic heure im Mirtclpunkr der Diskussion srehen,
Micli?le Lamanr, Moncy. Marnij ' ~ n dMnn>ir.~r.The Ci<lri<rcof rhc wcrden implizit oder explizit mit Bezug auf eine in dieser Gesell-
Frefich nnd Arnencnn Upper-Middie Clnrr, Chi~.ago ,992, S. 779 1; scliaft hegemoniale Identität detiniert. So ist, wenn von cthni-
Scart Larh. nExper:cnwirren oder Situaiiuiiadeuuing? Kultur u n d scher Identität die Rede ist, meist die Identität einer Minorität in
Insrirurioiien im desorganisierten Kapitalisrnusa, iii: Ulrich Bcck, einer Gerellicliafr gcmcint, etwa die afroamcrikanirche Identi-
Anrlion~Giddens und Siorr Larh, R e f i x i v e Modcrnir~erirn~, Ernnk-
rst in drri USA. U n d dir Diskussioii cber Geschlechteridentitär,
furt arn Mniii 1996, S. 33R-j6j. Wendy Griswold. Cu1r"rrr nnd Socir-
tics in n Changdtig Wurid, Thousand Oaks ,994, 5. xiii; Neil Sinelser, r i hlarshall Snlilins, m,Senriniennl pessimisrn~2nd ctliiiogiiphic expcri-
The Soc~oivgicuIP~oblrm.iir The Berlin Sirn>ne/Lecrurei, Rrrkeley cncc, ur. Wliy rulruri. is not a disappcnring ,<ibjcct<..Vortrag auf der
1997, Kapitel J . Konferenz nThe C < ~ n iiiitu i ~ Being
~ and Pissing Away uf Scicntific
i I Ulf Hannerz, Culrni.zl Cornple~ir~. Str<dier :n the Soaal Orgrnim- Objectr-, Max-Planck-lnsrirui für Wiasenschaltsgerchichrc, Rrrlin,
tion o/Mennrng, Ncs. Yiirk r y g i . September ,975.
I
die von fcminisrischcrn Standpunkt aus begonnen wurde (wciin- i s dem oben skizzierren - in
an in einem S p a n n ~ n ~ s v e r h ä l t nzu
gleich sie heute darüber hinausgehr), bcfaflt sich mir der Frage weirem Sinne kulturwissenschaftlirhen - ~dentitätsverständnis.
weiblicher Idenric'at in einer niinnlich dominierten Gesellschaft. Gelit es jenen1 uni Gemeinsamkeiren zwischen Menschen, so
Hier wird Identität unrer Bedingungen von Abgrenzung und sreht bei diescm der individuelle Meiisch im Zentrum. Der Blick
Ausgrenzung relevant. um dann von den ausgegrenzten G r u p - ist auf das Individuum gerichter, nichr auf die Gruppe, Kultur
peil rhematisierr zu werden. Idenritär, so kann man schließen, ist oder Gesellschaft.
zunächst keine bedeutsame Fragc f ü r hegemoniale Gruppen, die
~ ~ Uiiter diesem Blickwinkel kann Identirärsbildung als eine an-
Zu einem Anspruch auf Universalirär neigen, neben dcm kein rhropo1ogud.c Konrtantr nienschlicher Existenz betrachtet wer-
Besonderes z u bestchen vermag.
Ninimt man allc diese Erweircirungen des. klassischen
. . -
üegriftes
.. den. Sie hängr mit der Hcrausbildung eines Bewußrseins von. sich ,

I
selbst und damir mir dem Erwachsenwerden zusammen. Iden-
von Kulrur und kultureller Idenrität zusanimen, so untergraben ritätskrisen treren deingemäß in der Regel während der Ade-
diese die ursprüngliche Fragestellung des bedeutungstheoreri- leszcnz auf (wobei genaucr von einer Lebenskrise während der
schcn Diskurses, die gerade darin bestand. identitätsschaffende Herausbildung der Identirät die Rede sein sollte)." In diesem
Gemeinsanikeiten zwischen Menschen in deren Art und Weise Denken gilt die personale Identität, nachdem sie einmal erfolg-
der Welrinterpreration zu suchen. Diese Gemeinsamkeiten gehen
~ ~

reich h e r ~ u s ~ c b i l d wurde,
er als grundlegend stabil. Identität isr
den konkreten Individuen \,oraui und werden als ein genuin kol- essenriell mit Vorstellurigen von Konrinuität und Kohärenz ver-
lektives Phänomen angesehen. Sie sind konstirutiv für sozia- hiiiiden.14
les Leben überhaupt. Naeli den Individuen wird hier überhaupt Die Scliaffung einer solclien Kontinuität und Kohärenz wird
nur unrer dem Gesichtspunkt ihrer Gemeinsamkeit mir anderen auch ofr zu einer sperifiich modernen ~denritärs~roblemarik
gcfragt. In der Suinme dcr Diskursmodifikarionen jedoch ver- erklirr. N u r der moderne Mensch verfüge über eine F o r m des
schwinden sowohl die Genieinsamkeit als auch das Kollekriv, Bewußtseins von sich sclbst, die es erlaube, von Identitäts-
und beide werden durch Ordnungen von Ab- und Ausgrenzun- bildung zu sprechen, und nur er kenne dementsprechend auch
gen innerhalb und zwischen diskursiv vielfälrig konstituier- Identi<ärskrisen. Eine solche Auffassung kann einerreits aus dem
ten Kollektiven überlagert. Statt der Gcmeinsarnkeit mit anderen snezifischen Versrändnis von Moderne resultieren. von dem
wird. der Unterschied zu anderen in den Vordergrund gerückt.
~
~r ~- ~~~~

Identitärstheoretiker ausgehen. Wird die Moderne durch die I


Auf die Folgen dieser Diskursverschiebung wird später zurück- Leugnung aller vorgegebenen Gewißheiren gekennzeichnet,
zukommen sein. durch das Vorherrschen einer prinzipiellen Skepsis und eines
i J Analog zu dieser krisenhafren ersren Idenrit'irrbildung können dann
2. Identität u n d Moderne auch andere Umhrüche Iin Lehen unrer dem Aspekt der Identirätrcr-
halrr und der ldenritnrrkrire be~racliretwerden. Migrarion in andere
-. .. . ,. . ...
Ubwohl auch die zweite Uiskurslinie mcist von einer konsriruti-
kulrurelle Koniexre oder die Bewufirwerdung einer rninorirärcn Po-
ririon in einer Grrellrchafr - als Jbdin in Deurschland zu leben wie
vcn Sozialic'at (oder Kulturalität) des Menschen nusgehr. wird

I
Riliel Varnhagen oder Hannah Arendr - können zu grundlegenden
diese d o r t nicht z u m Anlaß genommen, kollekrive Idenritätcn l : . ~ ~ ~ h b r r e r uder e ~ i hcnrelienden Orienrierungen. zu Identi-
~ ~zuvor
nach der Arr d e r ,icweiliecn
~~a -~~~ - ~T
Sozialisieriin~ ~hesrin~men.
-U
- - "
~ . ~
o. n -~ ~ ~tirkriren
~~~ ~ führen.
~~~~~ ~
~

dern es wird nach den Moelichkeiren und Bedineuneen " "


dcr Her- i 4 VR1. Anrhon? P. Cohen, Seif-conrciourneji. A n Alrerriarivc Anthro-
ausbildung personaler Idcnrität gefragt. Unter I d e n r i t ä t ~ b i l d u n ~ po?o.i Iden:i:y, London ,994. Darüber hinaus kann personale
wird die Bestimmung dauerhafr hedcutsamer Oi-ientierungen des Idcntirat mir Rolle oder Srarur kurzgeschlorren "nd so eine Verhin-
eigenen Lcbens verstanden. Damir befindet sich dieser - im allge- duiig zu eiiier Ge~cllschaftsanal~sc hergesrellr werden - dies inr so-
, , ~~~~,
~ ~>
! %. , ~ ,. -. , ( . , .
nirinrn (soziailpsycnuiogisin runaicrte - uisnurs von niibcginn
~ wohl in einigen aiirhr~~ologischrn Theorien als auch in der von Par-
soiis inspirierten Soziologie der Fall.
I
-paqwas!p. sap y a z o j d jan!rsuu Jaisla rle 'u~uiuioua41qem uai n ; i.in{yucq 'iyiriiapl
.P661 ~ 1 ! ~ l LU.
-ei!iuapI uon Z u n n i i n i [ , r q naulapoui,, aisi, au!a s[e uap.iam u~y>!l,!az"at, i ~ Bpu n q ~ i r i u 3a!(l .is<ll->'ap ~a,p,!b?UI.<EL L J I . ~ 8L1 . ~ ~
8 u n 8 a m a q i a i ! ~ q q ~uaiia!s!ue2lo 1ap pun » a Z e ~ ua[e!zos'~ j ~ a p ,1661 ii!rm um i ~ n j y ,uJ I U~J P~ ~
u a u i u o y j n v sep ' 2 u n ~ a ! s ! u e q ~ npun Ziin~a!s!je!~isnpu~q x n p
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si.iapunyiqel uaiuqazunau sap a i j l t ~U ~ I ! J M Z i a p a q , n ~ q u nu a ~ :uor~ad a q i Jo Ld(io8~1o3a y '(.%H) ~ s ~ y uq a ~ a l sp~insu!9103 riah
-u!roi a!a ~aq3s!is!ueunq-q~s!qdo~o[!qd a!p s[e jne ~ i y u n d s z n z a i S 'sjaql!llr3 l p r y a ! ~:U! '..ualn; PLI' S ~ S P Nj ~ 'SIIIUH
. UNIJPJAJ CIS 91
- 2 0 aqJr!iois!q aiapue is!am uo!ssnys!a ~q3s!Zolo!zos asa!a ,166,
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uaqarlaqn i j o sem) l a p nz ' s u o s ~ !aq e ~ i f e q ~ s j l a s ap ~u n iei!iiiapI
U U A asaqiui(s uainJu2a u a n ! s s ~ ~ Z~a ~ a rpeu
p - p.i!,n y d n u y ~ 8 u e uap s ~ ~ s a i s uap ! a ~1 3 q ~q3ne uasi(leuv a!p uauiwelsiua puai12
iapa!m ainaq 5!p ue cuo!ssnys!a 15p 8 u n o j j o an!> i f j r q s s p u n uu - a i d s i u a u a a -uaq,suaCy a4ruam n!irlai u a j j a ~ i ~pqu n izua18aq
uaiei!iuapI uon i e i ! j e ~ n 5!p [ ~ iuuayra .I, l a q v 'p.i!m uailrqa8.10~ le!zos a u a u i o u r q j asa!p pu!s u a ~ e w ~ ~ u a p ~ r r i r a,0081 Z u g pun
ainaq s!q 'p.r!m i1laisa8 a!qde.~Zo!~ois!qa~Zo~o!zo~ n p LI! peam ooSr u a q x ! a z uuempuaS.i! 2 2 i e i ! i u ~ irsriiapouie p~ i a p uialqojd
B u r j u v uaisap ue 'snuis!uo!iyelaiuI ~ a t [ ~ s ! ~ o q uLi U( s~ PJ!P ' , > a q ~ s ~ qp m e i!uirp p u n naulapoiy.. iuui8aq uala!ds!ag u a r x p u~
- e m q 3 ~ . >u!a - uaga!\q,s nz Z u n u p ~ oaq,s!i!lod pun .iniiln.si~ „'~151!5lqlJA U J l L l J ! q 3 S S l f E l j > S l I J S J 3 JJJl!JM JaUlui! I!! lIJPUIIL[
a[e!ros a!p I n ? uaiei!iuap~u ~ uon p iiaZ!~a!.uq,s sa .(J iq,eiu i!uiea - ~ ~ [ e l u a i s Z ! z u e mpzu n uaiuqazunJu U! wallt ion q,!s piin w q r u
'pU!E IEqlllUljlSJq U!~UJBI[E S ! U ~ J ~ UlJlq!
I ~ U! lJqC Iq3!Ll ' ~ U J O J Z u e j u v uaiq! 1ni[nyua1!13 sjr o o i i r.nia uin ~ ! 'uaq~o1dsa8 p a!ui
i a p U! l n u s!p %uuy U J ~ J Q L I ~ J ~ ! [ I JUOA A [qez[a!i\ J U ! J SJ a!p I", - o u o i n v l a p p u n iel!lenp!n!puI l a p I n i j n x riaulapoui n u ! a uon
pun ijj!iiaq U J L ~ ~ S UJ I J~ E~a!p 'y!ieuialqold J L I ! ~ isqqla~sap uo!lni ~asnjj!p q~!li!az q,ne [euirl)ueu pl!m ~J!IUJ!~L["~ua8njianuo!i
-!isuoy a!p ir! p u ~ i y . p ~ ! miuinenZu!a p e ~ m1 . 1 a q ~58.1053 a~ -ey!untuwoX uariaZ!a i~.irl!qleq'a:lne u ~ x n n s s aualpnsuasuoy ~
uo!ssnys!prigi!iuapI u ~ q ~ s ! 2 o ~ o ! z o~s a pLI! a!p 'qzypueisian au!ay ~ a q n!aqep pun uaqa9 laqlas a z i a s a ~ )alq! q,!s u ~ q , s u a m
Zuninspag aip p+m p u n ~ Z ~ a i u !~~ s ~ i! po 'iil>!u ~ i!uios LIJ!S
aillair i e i ! i u ~ pl a~( r u o x ~ a dU O A Z u n p l ! q s n e ~ a~~ a a9e1j
p a!a ..!Ern . . . . - , . .,
uapi0.u uajjuqssaZ(i!ui) isqlas uinnp!,i!puI u a p iron iq3!t1 a!p J!p ]"V L , ' l l O S u " P ' J ~ ~ IJUL[J!JZJq S;IJSS!& SJp ~21!5ilq>![Zqm
' i n i y n i i ~U J I Y ! Z O pun S ~ ~wnnp!n!puI u i ~ uatI,s!mz p 8unqa!zag i a p q~!liq2!su!q s!sdays apu585lpun.18 uuam 'uaSa!rnlan i u q pun
au!a ii!aiaquion uon . i ~ u i u i ! pueisaq u.iyosu1 'ire i1J!u!ui.iaiJp S 3 1 1 E 1 S J U f n e p.i!m OS .iJpJ!m i ~ u i u i !aiyiindzualajax aq~s!di(i
le!zoi q e uaq3!ll~rasam u ! u a q , s u ~ m uap I I J P L I ~ L I I L J E [ L I J I S ~ ! Z a Z ! u ! ~ ! ~ q ~ua.irlay p inieiai!? u a i r i q q o i l Z!uam iuirsaSsur
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i!z!ldua i a p si!asua! q,ne - u s i q ~ r pIei!la i!z![dui! (uaZ!smrl,s J!p ' U J S [ O ~ JSJ u n i a q e u u v JL[JS!JOIS!LIJ U ! ~ i a q n q,ne nmruup
n r zu& uiaBue8~0,j u a ~ q !u u n ) i i a p i i n q i q ~ Iu i ~ s a ! p n z apua/XI -U%' laqe uuey i.ei!iuap~ pun a u i a p o m u a q ~ s ! m z%unqs!zag a ! a
a!p uin uaZolo!zo~n u a i ~ ~ s ! s s ea!p ~ y ~ ~ l 'ua~u!punzue
~ p 'aqeu q5![ .iuejaZjne ~ u i a p o mjap ~ u a n b a s u o ~
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~ss~m SIE uJs!lysiei!iUapI p u n Sunp[!qsi~i!iuap~ i ~ q a y a z w niq>!u
p u n ' i q ~ s ~ ~ a qSunssejjnv
~on a s x p i a p U! 'iww!iraq uo!irni!S
-aip i o n ~ i ~ a p u n q ~ Ja!n q e l s!q u!a si!alaq uauioueqd a[e!zos J!P a u l ~ p o mPI!.% u u r a „'u~la!nlisuoy isqjas i e i ! i u ~ p lalq!
sep uuap i r m m c 8 u n i e d s r a ~au!a - 8 u n i e d s . r ~asa!a
~ -iiapunqrqe[ UaqJsUJm gep ' u a p i a ~ n uaqasa9i1r Zunssejjnv a!p nrua% u ~ a p
uais%!zuemr u a q n q U! isla i u u ! Z ~ quo!ssnys!psiei!iuJpI (~q'![ -oui sie uury - q,s!irweip iaZ!uam sZu!p~alle- q q u q v il.y!ieui
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d i n g ~ c .Die
' ~ Entwicklung der sogenannren Massengesellschaften Läge eine solche historische Transformation des Identi~arrver-
in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderrs wirfr dann - ständnisses vor, dann müßte diese das modernistische Konzept
erstmals zeitgleich in den soziologischen Diskursen - die Fra- von Identität selbst in Frage stellen. Zeigt sich tatsächlich ein
ge des Verhältnisses von Individuierung und Wachstum des historischer Ubergang zu einer mndition posanoderne, einer
Selbst auf. Der Totalitarismus kann in diesem Konrext als ein Siruation also, in der die Voraussetzungen undloder Notwen-
Resulrar des Ungleichgcwichts zwischen beidcn, der enrsrehen- digkeiten für die Konitirution stabiler personaler Identität im
den .Furcht vor der Freiheit. und der einsetrendc~iFlucht in ~ ~ m o d e r n eSinne
n ~ ~ nicht länger gegeben sind, dann müßte man
feste Identitärcn atifgefaflt werden.1° Und sicherlicli sind die generell von historisch wandelbaren Konstiturionsbedingungen
Auflösungserscheinungcn in den fesren Institutionen der sozia- personaler Idenritat und dementsprechend von einer Pluralität
len Wohlfahrtsstaaten in der Gegenwart ciner dcr Gründ?, Iden- von Identitätsformcn sprechen, unter denen die sogenannte
tität heute erneut zu einein zenrralen Thema der soziologischen ,~mi>derne"und die »posrmoderne« zwei Möglichkeiten sind.
Diskussion zu machcn?' Eine derartige Aussage löste aber die begriffliche Verbindung
In dieser neuesten Diskussion nun wird das Aufkommen von von Identitit und Moderne, wie ich sie oben skizziert habe, auf:
Identitätsformen behauptet, die dem üblichen Begriff von Iden- ~~Moderiiee Bedingungen herrschen weiterhin vor, nicht aber die .,..,
. . . .'I>
titär schwer unrerzuordnen sind. Nicht Kontinuität und Kohä- mit ihnen angeblich verbundene Form der Identitäi.
renz, sondern Flüchtigkeit, Wandlungsfähigkcit, Instabilitär Unter dem Zeichen einer Offnung des Verständnisses des Selbst
sind nunmehr Kennzeichen der Lebcn~orieiirierun~en von Meii- (gelegenrlich als Dezentrierung des Subjekts bezeicliner) verliert
schen, die dennoch oft mit dem Begriff Identität, gelegentlich der Begriff der (personalen) Identirat seinen engen Bezug zur
mit dem Adjektiv "postmodern= verknüpft, bezeichnet wer- hloderne. Ähnlich wie der bedeutungstheoretische Identitätsdis-
den.'> Douglas Kellner beispielsweise erkennt eincn erhcblichcn kurs zeigt auch der modernitätstheoretische Auflosuiigserscliei-
Unrerschied zwischen den Gestalten der Idenrität in den scch- nungen, die den Zentralbegriff se!bst in Frage stellen. Anstatt
ziger und in den neunziger Jahren. Wahrend in der ersteii Pe- a,eiterliin recht umsr~ndslosim Sinne eines naiveii sozialwissen-
riode xeine stabile, gehaltvolle Identitör - wiewohl selbstreflexiv schaftlicbcn Realismus nach den Konstniktionen von personaler
und frei gewählt - zumiiidest cin normativer Ziel des modernen und kollektiver Identität fragen zu können, verlangt diese Sirua-
Selbst- gewesen sei. werde Idenrität hcute zu .einem frei gewähl- tion es, die Konstruktion von Identitat im sozialwissenschaft-
ten Spiel, einer theatralischen Darstellung des Selbst. i i i der man liclien Diskurs selbst näher zu betrachten. Der Begriff tritt somit
sich relativ unbesorgt über Verschiebungen, Transformationen iinweigerlich auch sozialwissenschaftlich in jene konstitutive Be-
und dramatische Wechsel in einer Vielfalt von Rollen, Bildern ziehung zu seinem begrifflichen Gegenüber, der Differenz, ein,
und Tätigkeiten präsentiercn kann-." die in der philosophiichen Diskussion immer schon präsent war.
19 Anthon? Giddens, Konreqwenren der Moderne, Frankfurr am Mairi
'991.
20 Erich Fromm, Dir F ~ r c h vor
t drrfrcihezr, Pirnkfurt am Main 1966; j.Idenrirär und Differenz
ugl. aber auch Hannah Areodr. Elcmetrte und Ursprünge der Totali-
rnrirmur, Frankfurt am Main ,955. Das Konzept der Identität ist - zumindesr implizit - von zen-
ii Und es muil hier offenbleiben, inwieweit die Verweise eher wirreni- traler Bedeutung für jegliche Philosophie, die auf einer stabilen
roziologisch oder eher soriohisrorisrh gelesen werden rollten: rgl. Ontologie ruht. Die grundlegenden Phänomene sind nicht nur
zu dieser Diskussion aucli Perer Wagner, Soriol<igie der Modeme, unbezweifelbar existent und bestimmbar, sie sind auch stabil
Fraiikfurr am Main 1995, Kapirel ( 0 . über die Zeit und dementsprechend temporal verfolgbar. In und
ii Vgl. die Dirkusrion i n : Scorr Larh und Joiiarhan Fricdman (Hg.),
Modemiry atrd Idenrq, Oxford ,992. rieia. in: ebd., S . 157 f.; rgl ierzt auch Kellner, Media Culture (a.ir
1) Kellner, nPopular culrure 2nd rlie consrruriion of porrmodcin idenri- Anm. B), S. 233-247.

14

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aufgrund ihrcr stabilen Existenz sind Phänomciie auch vonein-


so~ialwissciischaftliclie D e n k f o r m e ~ i ;dennoch ist diescr Dis-
ander untcrschridbar. Die Idciiritir eines Phänomens festzusrel-
lrurs iii den Sozialwissenscliafrcii bislang - inzwischen drei Jahr-
lcn bcdeuret, dcsscn Differenz zu eiriciii andcrcri Philiomeii zu zCllntc nach dcin nliiiguistic rurne - elicr zögerlich und dabei
bczeichneii. Zwischen deii dcriiiiRcii isoliert idciitifizierren Phä- zugleich hbclisr sclckriv aufgcnommcn worden. Eiiicrseits
nomcneii konncii darin Bczichungcii - crwa dcr K.iusalirät <,der kaiin angenommen werden, daR dic Aufincrksamkcit für Bruche
dcr Dependenz - fcsrgestellt wei-dcii. Differcnz wird dabci aber ulid Irikonsistenzen in pcrsonalcn nldcntitäten* cbenso wie f ü r
vorkonsriruierr, und soniir wird pi-areiidicrt. etwas uninirtclbar asyinmctrischc Vcrliältnissc zwischcn kollcktiveii »Idenritäten,,,
und posiriv zu bczciclirieii, was ducli crsr durch d c ~ s c i iAbscr- die wir oben rcgistricrt haben, durch dieses Denke11 befordert
zuiig von dein, mir dem c i nicht idcnriscli i q t . geschaffcii wird. ist. Damit har cinc Verschiebung der Walirnehmuns
Erst aus dcm Zusammcndenkcn i,oii Ideiirirät und Differenz aber starrgefunden, dic sich in dcr Darstellung cmpirischcr Forschun-
würde die Problcmarik sichtbar, dic mit dem Identitätsbcgriff bemerkbar macht. Andcrcrseits stcllt der Diskurs der Diffe-
fixiert wurde. renz auch - und wohl in erster Linie - eine Herausforderung f ü r
In einer solclicii I d e r i r i t ä t ~ l o ~ i mit k , der Philosophie iind Wis- die ~liilosopliieder Sozialwissenschaften dar, deren ganze Trag-
scnschafrcn wcirhiri arhcitcii. wird zur V o r a u s s c t z ~ ndcr ~ philo- weirc noch wcnig akzcpticrt ist. Gelegentlich kann mall sogar
s o p h i s c h - w i s s c i i s c l ~ ~ t r I i c IOpei-arion
~c~~ geniaclit. was dem Er- dcii Eindruck haben, daß dic Bcdcutung wahrgenommen, aber
gebiiis der U~itersuchungvorhelialren bleiben miißte - cbcn die verdrängt oder gcleugnct wird?'
stabile Exi~teiizder berl-~clircrciiPli,~ri«men>21s dcs beschricbc- ~ i c s -e cuphemisriscli ausgedrückt - Zurückhaltung hat durch-
nen. Pragniarisch iiiag dicqcs Vc>l-gehcri i i i ciiicr einzelnen Untcr- aus gewichrige Gründc. Den Del<onsrruktivismus ernstzuneh-
sucliuiig als norwcridige Ausklam~iicrrivon Aspckten bcgrün- bedeutet, einigc der Grundannahmcn sozialwissenschaft-
dcr werden, dic nicht Gegeiistand der konkreten B e t r a c h t ~ i i i ~ lichel. Theorie und Methodc reflcktiereii zu müssen. A m Bei-
sind. Aber die Abwcserilieit cincr rcflexivcn Vcrsrändigiing iiher ~ p i c lder Idciiritätsdiskussion kann gezeigt werden, in welche
dcn Status von thcoriekonstituriveii Begriffen - wie dein dcr ~ i c l i r u n gdiese Befragung gehen müßre und daR die A b w e h r
I d e n t i t ä t IäRr sich s o wcdcr rcchtfei-rigcii nocli i r i dic Zusiäiidig- dieser Diskussioii sclbst einc MaRnahme z u m Identifärserhalr -
keit einer Wissciischafrsphilosophie verweiseii, dercti Diskussio- der modcrnistischcn ~ozialwissenscliaftennämlich - ist, die als
nen dann wenig Auswirkungen auf dic Forscliungspraxis haben. , , ~ l vor ~ ~ der
h ~Freihcita nicht unangemessen verstanden wäre.
D e r Begriff der Idcnrirär ist hier in eincm doppclrcn Sinnc eillern ersrcn Schrirr kann dics durch cine Betrachrung der
bedeutsam. Z u m einen sind, wic gczcigt, personale und kollckti- ~ ~ ~ t i gezeigt ~ ~ wcrdcn,
~ i e ndie die Identitärsdiskurse generie-
ve »Idenriräten= z u eiiicm zentralen Elcinent von Gesellschafts- ren. sie letztlich - sozialwissenschaftlich - bearbsireri z u
thcoric und zuglcich zu einem empirischen Gegenstand sorial- können.
wisscnschaftliclier Forschung in ciner Weise geworden, die nichr
ohne Spannungc~ifür das Verhältnis von Theoric und Foi-scliung
gebliebe~iist. U n d z u m anderen wird - nicht zulctzt infolge dic-
scr siclirbareii Spannungen - d i e spraclilichc Koiistitution sorial-
wisscnschafrlicher Karegorien und Denkformcn - iilsbcsoiiderc
ebcn d e Postulats
~ von Idciititär - sclbsr offenkundig problcma- drr wirrrnrchrftrn \-um ~ ~ n s c h e n in:
- , ders.. Die Schrift und dae
tisch. D~ffirrnc.5 . Auilncr, Frankiurr am Maiii 1976, S. 411-44'.
Dekonsrrukrivistisclic Ki-itikcn dcr I d c n r i ~ ä r s l o ~ i kdic , zum 21 D;C ~ ~ ~ ~ i ~ um ~ ~den ~D~konrtruktiuisrnur,
d ~ r ~ t r die ~ immerhin
u i ~ ~
Teil ja an ~ D i s k u r s e i i dcr Hunianwissenschafreii.. entwickclr wr;ri Teile drr philosophi~chen Diskussion der Gegc~iwartprigr,

wurden", bieren Möglichkeiten zu einer neucn Reflexion über braucht hier niclir explirir aufgenommen zu werden. Auch in
tircher sprache Iäßt sich deswn Bedeutung leichr auizeigrn; u g 1 Da-
14 J x q u e s Derrida, *Die Srruktur, das Zcichcii uiid d a ~ Spicl ini Dirkiiin vid wuod, Philorophy nt the Limil. Loiidon igyo.
16
111. Antinomien der Identitätsdiskussion einem entgegenhalten, dann wird die Frage nach dem
oder zugeschriebenen Charakter von Identität unterlaufen. Iden-
I. Identität als Wahl oder E h i i k ~ a l tität kann sich nicht ohne diese Bilder formen, ist also immer
Resultat von sozialen Prozessen. Gleichzeitig entsteht sie auch
Innerhalb der Identitätsdiskussion reproduziert sich die sozio- niclit ohne den Umgang mit diesen Bildern, deren bloße Existenz
logische Unterscheidung von zugeschriebenen (airribed) und er- ohne jede Bedeutung ist.
worbenen (aihieued) Merkmalen des hlenschen und damit un- Einmal ausgesprochen, klingt diese Auffassung banal. Wenn
weigerlich auch die fatale Abgrenzung des Traditionalen vom man sie ernst nimmt, sollte sie es aber möglich machen, einige der
Modernen. Der modernc hleiisih erwerbe und wähle aktiv sei- empirischer Fragestellungen und politischen ~mplikarionender
nc personale Identität, während sein Vorgänger in angeblich Identitärsdebatten weiter zu fassen. So ergibt sich beispielsweise
traditionalen Gesellschaften die Problematik der Identitätsbil- unmittelbar, daR auch bei vorgeblich natürlichen Kennzeichen
dung überhaupt nicht kenne. weil er sozial determiniert sei. Eine der Person es prinzipiell absolut unbestimmt ist, o b diese Kenn-
ähnliche Unterscheidung wird in der Diskussion über kollektive zeiehen zu Identitätskriterien werden, o b sie als bedeutsam und
Identirat getroffen. Soziale Formationen, die sieh durch dir lebensorientierend aufgefaßt werden oder nicht. ~ n a l o gdazu
Gemeinsamkeit natürlicher^^ Kennzeichen (wie Hautfarbe oder lassen sich auch keine Kriterien für die Herausbildung kollekti-
Geschlecht) auszeichnen, lassen sich auf cincr Modernitätsskala ver Idenrität a priori angeben. Die Muttersprache oder territoria-
von denen abheben, deren Identitätskritcrium dauerhaft sozial le Nähe können für das Gefühl der Zugehörigkeit bedeutsam
bestimmt ist (wie die Sprache), und mehr noih von denen, werden; sie werden es aber, wenn dies geschieht, erst in der erfah-
die durch Wahl geschaffen und beständig neu werden renen Auffassung anderer, nie von sich aus oder durch ~ o r b e -
(wie die politische Nation, sein tägliches Plebiszit., wie Ernest Stimmung. So Iäßt sich etwa die wechselseitige Konstitution von
Renan sagte). nationaler Identitat bei Franzosen und Deutschen in historischer
Unterscheidungen dieser Art sind weder aus der sozialwissen- Analyse der Interaktionen und des ~ u s t a u s c h s- insbesondere
schaftlichen Diskussion noih aus der politischen Praxis ver- während des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts - auf-
s ~ h w u n d e n . ' ~Tatsächlich benennen sie erkennbar eine existie- zeigen?'
rende Problematik. Zugleich aber formulieren sie diese in einer Diese Position der Kritik im Hinblick auf alle Vorannahmen
Form, die zu einer begrifflichen Dichotomie führt, die empi- über feststehende Formen und Inhalte personaler oder kollekti-
risch nicht wieder auflösbar ist. Dies wird sichtbar, sobald man ver Identität begibt sich nicht der Möglichkeit, Ideiititätsbildung
eine, weit verstanden. interaktionistische Position zur Konstitu- empirisch-historisch zu betrachten. Sie erlaubt es darüber hin-
tion von Identität einninimt, die zunächst wie ein beide andere" aus, eine Frage wieder sichtbar zu machen, die im ~ i n t e r g r u n d
Auffassungen integrierender Mittelweg aussieht, tatsächlich aber der Identitätsdiskussion steht, deren diskussionsorientierender
weitcre Perspektiven öffnet. Wenn die Auffassung von sicli selbst Charakter aber eher verborgen blieb. Dies ist die Frage nach der
odcr der Gruppe, der man sich zugehbrig fühlt, in der Rückwen- Handlungsfähigkeit des Menschen.
dung jener Bilder auf sich selbs~entsteht, die die anderen, mit Im bede~run~stheoretischen Diskurs steht der Identitätsbegriff
denen man in Interaktion tritt, sich v o n einem selbst machen und in einer handlungsleitenden - und dabei immer auch handlungs-
beschrinkenden - Funktion. Identität signalisiert entweder die
16 Alain Touraine spricht i n seinem iungsren Buch (Commentpouronr- Verinnerlichung von kulturellen Normen oder - in weicherer
novi iiiure enrernbie, ignu* er dfirenrr?. Paris ,997) von der Wie- Form - die Aneignung von Bedeutungsmustern als unabding-
drrkrhr askri~riverKriterien; Erhnizirärrkrirerien werden i n demo-
graphischen Sraris:iken verwandt; in den USA gehen Erwagungen i 7 Michel Espagne u n d Michae\ Werner, Trnnsfrrtr: irr relationi inter-
ethnischer Abgrenzung i n Wahlkreirdefinirionen und Kriterien irir cvlrvrel1ei danr lrrpace franeo-allemand. X V I I I c cr X I X ' ir;cler, Pi-
4/firmatiz,c action ein - u m nur einige Beispiele zu nennen. rir ,988.

58

. . . . -..-.-T .
barer Ressource des Handcliis. D e r moderne Diskurs liingeScn 2 . I d e n t i t ä t als A u t o n o m i e o d e r Herrrchafr
konstruierte deii Menschen als aritonom gegenüber sciiicn
Mitmenschen, in der Kontrolle über seinen Körper und die N ~ . affirmativer Form findet sich die siärkste Betonung dieses
tur sowie als f'ahig zu zielgerichtetem Handeln. Diese Wcseilsz". ~~~~k~~~ d e r Handlungsfähigkcit im modernitätstheorerischen
gc einer rationalistisch-individualisrischcn Theorie des menscli. ~ i ~ w ekn n H ~ a n ~d l ~ n~~ s f.ä h i g k e iint einem starken Sinne als
liehen Handelns finden sich als imaginärc Bedcutungsgcbung yähigkeir, sich seine Gesetze selber zu gebcn, verstanden werden
der Moderne nicht zuletzt in den modcrnistisclicri soll, d a n n Kontinuiiät und Kohärenz - und damit Identi-
schaften: = D e n n scliliefllich ist die Moderne ciiie Rebellion gegen tät - der pcrson vorausgesetzt werden. Die Betonung dieser Fa-
das Schicksal und die Z u ~ c l i r e i b u n g . ~ ~ ~
In dieser Sicht wird die Walirnchmuiig der Kontinuität u n d
Kohärenz der eigcncn Pcrson Voi-aussctzung f ü r die ~ ~ f ä h i ~ ~ ~ ~
zum Handeln. Analog schaffen sich Kollcktivc mir ihi-cr ldcntität
ihrc Existenz "für sich. und werden damit zu kollektivein sub.
jekt und historischem Akteur. Diese letzterc Variaiitc des modcr-
nistischen Diskurses wird Iieute nur mehr wenig beaclirct uild
damit auch die Parallelitär der modernen Konstruktion pcrsona.
[er Identität zu jener der kollektiven Idcntirät leicht übrrschen. ~ ~ t o n o m ianzunehmen
e bedeutet dabei zugleich auch, die
Einige Varianten des differeiiztheoretischen Diskurses bero. prinzipielle Fähigkeit des Individuums z u r Herauslösung aus
nen allerdings gerade den illusionären Charakter der modcrnisti- d e m Sozialisationskontext, in dem sich Identitätsbildung voll-
schen Auffassung. Die Herausliebung des Individuums (bzw. des zieht, zu unterstellen. Weder innere psychische.) noch äu-
Kollektivs) aus dem Kontext wird eher als diskursive ~ ~ n ~ t ~ ~ßcre k .(»soziohistorische«) Bedingungen können das Handeln
tion von Differenz denn als Beschreibung von Realität aufgefaßt. der ~ ~ vrjllig d~e ~ e r m i n~i e r e n . 'Ein ~ ~ n m o d e~r n e s ~Verstand-h ~ n
Ihr wird die These von der Dezeiitrierung des Suhjcktes und "is von ldeiitität, das an Handlungsfähigkeit orientiert ist, kann
damit des Verlusres der Handliingsfäliigkeit gcgeiiübei-gestcl]t. nicht von ~ E i n b e t t u n g *des Individuums in psychische
Faßt man die drei Idcntitätsdiskui-se in dieser Wcise zusaminen, sozialc Kontexte ausgehen; Handlung im .modernen* Sin-
stellt sich mit gröflerer Dringlichkeit wieder die eiiigangs aufgc. iic wäre nicht denkbar.
worfene und zuiiäclist zurückgehalreiie Fi-agc nacli d e r ldenrirät moderni(ätsrlieoretische Diskurs verscliafft sich aber z u m
der ,>Identität''. Bciiennt ~ I d e n r i t ä t sin diesen ~ ) i ~ k ~ ~ - einen~ ~ keine~ ~~ i r t e l seine , eigene Gültigkeit abzusichern. Das Vor-
anderes als die jeweilige Auffassung von der Fähigkeit des halldensein von BAutonomic« kann nicht empirisch verifiziert
sehen zum Handeln? O d c r steht der Begriff nicht vicimehr als werden, d a prinzipiell nie auszuschließen ist, daR die Gesamtheit
Platzhalter f ü r die Frage danach und wandelt sich mit den ~ i ~ . der kontextuellen Faktoren - wären diese nur vollständig erheb-
kurseii, in die er jeweils eintritt? Die Vermutung, . ~ d ~ ~ ~ ~ i ~ bar ä ~ -. das . ~ a n d e l n . des Menschen erklären könnten. Der Dis-
diene als Zcicheii f ü r die Frngc nach der (individuelleii oder l<ol. kurs bleibt den - unterschicdlichen - Kritiken der Bedeutungs-
lektiven) Handlungsfähigkeit des Menschen, liefert das crrte ~ 1 ~ .
menr der Bestimmung des O r t c s des I d e n t i t ä r ~ b e ~ r i f iii
f s den uier irr auch eine der Fragen, die meine eigene Untersuchung zur
Sozialwissenschaften. ~~d~~~~ angeleitcr hat - xllerdingr nicht von der Annahme eines
Standpunktes ausgehend; vgl. Wagner, Soziologie
2 8 Zygmuiir Bauinaii. lniirnntionr of Poitrno,ferniry, ~~~d~~ i q g i , (wie Anm. i i ) .
5. Y>; vgi. zu einer enrsprcclieiidcn Kritik dcr niodernisrischensori. 3 o zur~ ~ ~ ~ i f f l "EI, i ~ hCornelius
k ~ i r Casroriadis, ~~Phiiosophy, politics,
alwisreiischaften Haiis Joas, Die Krcativiiat dei Handeini, rraiikfurt auronomy,~,in: P h ~ i o r o ~ hPolitio, ~, A ~ t o n o r n y :E ~ r n y iin Politirdl
am Main iyyi. Philoiophy, Oxford ~ y I y.

60

..
und Differenzdiskurse ausgesetzt, und die Konturen der moder- diskursivrs Zeichen fur die Moglichkeit der Distanznahme zu
nen Identität verschwimmen wiedei- mit ihrem Kontext. einem Kontext und zur Kritik an dem Anderen.
Zum anderen wirft die moderne Identitätstheorie eiii eigen-
tümliches Licht auf diescn .Kontext* des handelnden Menschen,
der als solcher durch sie überhaupt erst geschaffen wird. Erst in j,ldenritar als Konstruktion oder Realität
der Separierung von dem Menschen, der seine Identirat gewinnt,
wird die Umgebung geschaffen, auf die dieser dann handeiiid Die beiden vorgenannten Aspekte der Diskussion über Identirät
einwirkr. Auch in dieser Hinsicht widers~rechenbeide anderen ~ r w ~ i heiein
~ e n auf einen dritten. die Frage . nach der Realic'at
Diskurse dem rnodernitärsrhroretirrhen, und insbesondere die dei- Identität. Wird Identität als Schicksal erfahren, so ist sie oi-
Differenztheorien betonen den Herrschaftscharakter der Aus- fenbar Teil einer objektiven Realität; wird sie aber gewählt, so ist
grenzung des Anderen aus dcm Bereich der Moderne. In zahl- sie zunächst nur eine von mehreren Möglichkeiten und als sei-
reichen Untersuchungen der letzten drei Jahrzehnte wurde so che (noch) nicht wirklich. Drückt sich in dem Begriff Iden-
schrittweise ein Bild davon entworfen, wie die Idcnrität der Mo- tität die Autonomie des Menschen aus, s o ist sie real; wird der
derne durch Betonung von Differenzen geschaffen wurde. Der Diskurs der Identität aber entwickelt, u m Autonomie des Selbst
"moderne. Mensch suchte sich von einer Reihe von Formen von und Herrschaft über andere zu ermöglichen, s o ist Identitär eine
Alterirät zu distanzieren - von Natur. Wildheit und Tndirion Konstruktion und nicht vorgegebene Wirklichkeit.
außerhalb der eigenen Gesellschaft und von den niederen Klas- An dieser Stelle wird offenkundig, w o der socialwissenschaft-
sen, den Frauen und den Verrückten in deren Innerem. liche Identitätsbegriff dem philosophischen - jedenfalls aufler-
In diesem kritischen Blick auf die Herausbildung dcs Iden- halb einer modalen Logik - etwas hinzufügen muß, so er denn
titätsbegriffs der Moderne, der deurlich macht. daß die rekla- überhaupt aufrechterhalten werden soll. N u r in einer der ge-
mierte Gewinnung von Autonomie nur durch die Markierung nannten Formulierungen besteht eine enge Bezieliung zu einem
von (asymmetrischer) Differenz und damit durch die Aus- Konzept von Identität als Gleichheit mit sich selbst: Wenn Iden-
grenzung und Ausschließung des Anderen möglich ist, werden tität Schicksal ist, dann bedeutet dies, daß ein Mensch oder eine
Herrschaftsverhältnisse deutlich gemacht. Postkolonialistische, Gruppe von Menschen aufgrund sozialer Determinierung sich
feministische und andere herrschaftskritische Diskussionen über selbst gleich sind und bleiben werden. Ein dermaßen eng geführ-
Identitäten betonen daher das Thema der Schaffung von Dif- ter sozialer Determinismus wird heute aber praktisch von nie-
ferenz. Naeh anfänglichen Orientierungen an der Herausbil- mandem mehr vertrcten. In allen anderen Konzeptionen ist der
dung von Gegen-Identität ist hier die grundsätzliche Problema- Gedanke enthalten, daß Identität in den Sozialwissenschaften
tik des unauflöslichen Zusammenhangs von Identität und Diffe- eher die Vorrtellung von der Gleichheit eines .Dings- mit einem
renz in den Mittelpunkt gestellt worden. Identitätsbildung ist anderen bezeichnet, nicht Gleichheit selbst. Identirätsgewinnung
unausweichlich differenzrchaffend; aber ohne jegliche Konzep- ist dann immer auch ein Projekt, das von Orientierun~en,gar
tualisierung des Verhälrniises von Selbst und Anderem oder Theorien, angeleitet wird, und Identitätserhalt bedeutet ständige
Selbst und Kontert sind die Problematiken, die im moderniiäts- Arbeit an der Aufrechterhaltung von Kontinuität und Kohärenz
theoretischen Diskurs unter den Stichworten .Handlung= und bzw. an der Interpretation des eigenen Lebens oder jenes der
.Freiheit= behandelt werden, überhaupt nicht mehr themntisier- Gruppe als eines kontinuierlich und kohärent geführten. In jeder
bar. Identität gibt es dann immer zumindest ein Moment von Kon-
So verweist die Erörterung von Identität und Differenz unter striiktion.?' Die strcnee Bedinaune für die Existenz von Iden-
dem Aspekt von Avtonomieund Herrschafr auf ein w e i t e r zen- ), vgl. zum ~ ~ d ~ , , kder e n*idenriry ar rheoryx nur psychologischer
trales Element zur Bestimmung des Ortes des Identitätsbegriffs sich, ~ i ~ h D.~ ~ee rl z i n s k y ,rSelf-theorirts. identity siatus, arid so-
in den Sozialwissenschaften. .Identität. erscheint hier als ein cogniriori., in: ~ a ~ s l unde y Power, Self (wie Anm. 61, S. 243-161.
61

, . ....-."_
tirät, wie Wittgenstein sie formu)ierte, kanii da,,,, cntspaniit ziilcr phälioniene, welche nicht i i i der Lage ist, Zweifel, Urige-
wcrdcn. Zuglcich m u ß maii abcr bcreir sein, die ~ f f ~ , ~ h ~wißlleit j ~ oder~ ~ ~ ~ ~ ~in menschlicher ~ i ~ i lntcrakrion
t ä ~ hinreichend
Ambivalenzen, die s o zugciasseii wrrden, zu tieren. ZU tliemaririereii.
D a z u gehört zunachrr dic Einsicht, d a ß letztlich die F ~ob ~ ~ ~ ~ ~ , ~k o n n~t e niaiii zwei ~ Typen~ v o in Situationen
~ ~ im hsozia-
Idenritär Vorstellung oder Realität ist, a u c h "icht zu je,, L ~ I untcrscl~ciden.
, ~ ~ Einerseits gibt es sicherlich jene >,Mo-
enrscheiden ist. In jedem Lebcn gibr es ein ~ i ~ , , , , ~ a,,, , ,K ~ ~ .me,,rc, in denen die Tätigkeiten der Personen zusammeilstim-
tinuirir, nämlich der Körperlichkeit, auch immer inen, sich wechselseitig anpassen und in denen über e i l e
Diskonrinuirären. Die Frage der ,,1deiltitit. zu bcdeuiet ~ ~ der ~ i idi g cEinigkcir , erzielt
~ wird*, ~ Momente. ~ f ü r ~die ~
dann, diese Veränderungen im ~~l~~~~ einer ~ ~ , ~oder~ i ~also ~ i ~ ä ~ sprachc dcr Idcntirär angemcssen zu sein scheint. Aber
eines Bruchs zu betrachten. S o kann eiile ~~~~~~~i~~ für aiiderci.seits fiiideii sich ebcn auch .Momente, in denen U n r u h e
Menschen eine schlüssige Rcinterpretation der eigenen ,+. die sZeiie belierrschr u n d Streit dai-uber v o m Zaun brich[,worum
chen<<Religiosität, f ü r jemand anderen ein ~~~~l~ dein gesain. es denn gehr, Moinenrc der Ungewißlieit, des mehr oder weniger
ten vorherigen Leben und damit der ~ d ~sein. ~ , ~gilt ä ~ kritischen zweifels«?' Wiclitig ist dann die Erkenntnis. dafi der
~ ~~~l~~~~
wiederum f ü r kollektive Identitäten, D , ~~ ~einer ~ zuletzt ~ genannte Typ ~ der analytisch ~ allgemeinere
~ isr und
l nichr alsl ~ ~ ~ ~
jektiven. Gemeinsamkeit zwischen ~ ~ wäre diese~ mög. ~ ~ l ~ i ~ von h~ d c ri N o ~r ~m des
h zuerst
~ ~ ~ genannten
~ , ~ aufßefafirwcr-
]ich, erlaubt noch keine Schlüsse über deren ~ ~ f i j der h l zuSam. den darf.
mcngehörigkeir. wen,,dieSc ~ i ~ ~dcniioch i ~ h bislang
t wenig verbreitet ist, dann
Will man diese Uberlegungen eriisr nehmen, so m u ß man .auf wir daraus Schlüsse über die ~ozialwissenschaftenund
eine Konzeption verzichten, die aus der ~ i ~ h dem ~ zuSam.
i ~ "icht übcr die .~dentirät. ziehen. Hier erhalten wir das dritje
menhalt der G r u p p e das Produkt subsranriellcn ~ l ~ , ~ h E~ ~ . [ zur Bestimmung ~ ~ ~ O r t e ~s des ~dentirätsbegriffs
des ~ ~ In

tigkeir zwischen den Mitgliedern und eines »bjektiv geteilren den sozialwissenschaften. nlde~irirär- als Begriff dien1 wenigcr
Interesses machte«, wie Luc Boltanski m i t ~ l i auf ~ k~ < ~ l l ~ k ~ , ~der. ~~~~~~~i~~~~~~~ beolinclirbnren sozialen Phänomenen
phänomene formuliert." Damit wird "ichr geleugnet oder ausge. als "ieiinehr einCr ~nrerpretation dieser Phänomene, die deren
schlossen, d a ß es nbegrenzre H a n d l ~ n ~ s r ä u m e könne], ~ ~ ~ ~ a ~undd Dauerhaftigkeit
i ~ k ~ i t gegenüber ihrer Flüchtigkeit
in denen die Beständigkeit von Dingen u n d ~~~~i~~~ die stabi. u n d ~ ~ ~ ~ ä , , ~akzentuiert.
l i ~ h k ~>.Ideiitität*<
i ~ ist damit ein Zei-
iitär u n d Gleichartigkeit von Verhalten garaiiricrr...'~ ~b~~ die f ü r die Stabilirit der Welt und indirekt damit auch f ü r die
Vorannahme, d a ß die ~Einhclligkeit oder ~ ~ ~ i ~ derh ~ ~~ ~~ ;~ ~i u nßkd Verläßlichkeit h~ ~ i i ~ ~ unseres Wissens von ihr.
Verhalrensformen* daraus resultiert, d a ß Menschen
samen materiellen Zwängen unterworfen oder von
gereilren Ideen (Glaubensvorstellungen, Repräsentitionen) be. Iv. Abschied von der .Identität*?
herrscht werden='+, arbeitet mit einer resrrikriven ~ ~ f iso. ~ i ~ i ~ ~
,, Tendenzen zur Aufloiung der Begriffs
)2 Lu< Boltanski, L'amour er in jurtrce romme rompeienrei.T,",, eira,l
de ioooiogze de I'dcrion, Paris i990, S. 70 w~~,,,
man die skizzierten sozialwissensehaftlichcn Idenrirätsdis-
13 Laure111 Thevenor, ~Cactionqui coni.ienrr, in: parrjck pliarn und kussionen i n ilirer zeitlichen Entwicklung betrachter, s o ergibt
Louis Quere (Hg.), Ler formes de 1'~riion.xemnntique roc;oiogie sich f ü r alle drei ~ ~ eine recht
~ klare
~ Diskussionsrichtung.
k t ~
(Raixonr prdirquei, no. i ) , Paris ,990, S. 17. von einer B~~~~~~~ des vorgegebenen, schicksalhafren Charak-
14 L.1urenr Theuennr, ~ A g i ravec d'aurrcc. cnnvciirionr
et drns tcrs der ldenritat fühi-CL,sie zu dcr Möglichkeit der Wahl. v o n
l'acrion cnnrdonn6e=, in: Paul Ladriere, plrrick pharo und ~~~i~
Quere (Hg.), Ln iheorie de incrion. LC rujetprnt,que en &bat, plriS
der ~ k objckriver Rcalirät
~ der Idenriräten
~ zu deren
~ ~ ~ i
1991, S. 176.

64
" " L.

schaftsaspekte. In allen FPllen aber finden sich in der iünasten s t ~ k t i v i s m u s und Postmodernismus als Diskurse außerhalb

Lungen auf die Notwendigkeit der Auflösung der Antinomieii noch würdigt man die Brobachtungsintensitär. die zumindest
schließen. Wenn zutriffr. was wir oben zu zeigen versuchten, einige der neueren Srudien aufweisen.16 Im Gegenteil: Die neuere
nämlich dali diese Verschiebungeii der Diskussion den Begriff Identitätsforschung verweist auf die Notwendigkeit von Kon-
der Identität selbst einer Spannung aussetzen, die dieser wohl zeptiialisierungen jenseits der modernistischen Sozialwissen-
kaum auszuhalten vermag, verlangt dies dann. von ihm Abschied schafren. Sie verlangt nicht den Abschied von der Möglichkeit
zu nehmen? von Sozialforrchung oder Sozialrheorie überhaupt, allerdings
Es wäre unfruchtbar, sazialwissenschaitliche Identitärsstudien eine grundlegende Neuorienrierung.
allein mit dem Hinweis darauf rurückzuwcisen, daß das expli- Hinsichtlich der empirischen Reichweite des Konzepts muli
zierte Verständnis dcs Phänomens widerspruchsbehaftet sei. Of- zunächst verlangt werden, daß die Frage nach den bedeutsamen
fenbar wird ja etwas untersucht, selbst wenn dies -1dentiiäte L e b e n s o r i e n t i c r ~ n ~ cder
n Menschen nicht länger an einen Sinn
weder im philosophischen Sinne noch überhaupt im Sinne gän- von Kontinuität und Kohärenz geknüpft wird. Diese Begriffe
giger sozialwissenschaftlicher Definitionen ist. Viele Menschen wären dabei entweder so weit zu fassen, daß sie inhaltsleer wer-
entwickeln während ihres Aufwachsens einen Sinn für die Kon- den (wenn etwa ein radikaler Bruch niit einem früheren Leben
tinuität ihrei- Person und den Zusammenhang ihrer Lebensge- immer noch als Kontinuität aufgefaßt wird. weil ia dieselbe Per-
schichte. Und ebenso können viele Menschen benennen, zu wel- son diesen Bruch als solchen denkt). Oder sie serzen der empi-
cher Gruppe (oder: welchen Gruppen) sie sich zugehörig fühlen. rischen Beobachtung solche Schranken, daß Erkenntnisse über
was sie mit den Mitgliedern dieser Gruppe gemeinsam haben und bedeutsanie Lebensorientierungen nicht mehr als Identitätsbil-
was sie von anderen Gruppen trennt. Das, was mit Selbstidentität dungsprozesse auigefaßr werden können. Wenn die Konsequenz
und kollektiver Identität bezeichnet werden soll, ist also nicht aus dieser Kritik darin bestehen sollte, nicht mehr von ~ I d e n t i -
reine Fiktion. tät.~sprechen zu können, wenn empirisch die Bildung und Ver-
Weiterhin legen es diese Unrersuchungcn - trotz vieler Stilisie- änderung bedeutsamer L e b e n s ~ r i e n t i e r u n ~ ebetrachtet
n werden
rung in der Beschreibung und zalilreicher weiterer Einwände - soll, so mag dieser Schlufl gczogen werden.
nahe, daß es i-nöglicl>sei, das. was mit Identitit gemeinr ist, empi- Interessanter als ein Wechsel der Terminologie ist aber die Fra-
risch-soziologirch zu untersuchen. Dabei kommt man weder ge, warum überhaupt die Untersuchung der Bildung und Verän-
auf anthropologische Konstanten noch - trotz gelegentlicher derung (individuell oder kollektiv) bedeutsamer Lebensorien-
Verwendung modischer Rhetorik - zu einer Kategorisierung in tierungen und der sozialen Bedingungen dafür iemals mir der
Begriffen von Modcrne oder Nicht-Moderne, sondern zu einer Bezeichnung nIdenritäte verbunden wurde. Woraus begründet
Vielzahl von möglichen Fornien von .Identität., srabiler oder sich die Beharilichkeir des Identitärsbegriifs im Lichte sowohl
wandelbarer, srärker als askriptiv oder als gewählr empfundener, konzeptioneller als auch empirischer Unzulänglichkeiten?
srärker substantiell verankerter oder srärker auf Realisierung ei- Beranen wir, um dieser Frage nachzugehen, nochmals, daß in
nes teilunbekannten Selbst bezogener. Und möglicherweise kann der Identitätsdiskussion nach einer empirischen und nach einer
man sogar zu Aussagen uber die Bedeutung unterschiedlicher philosophischen OffnunR zugleich verlangt wird. Der empiri-
soziohisrorischer ~ o n f i ~ u r a t i o n eiür
n die Herausbildung von 36 Irn Gegenteil, zum Teil haben wir es hier mit den Folgen der Bclilnde
Lebensorientierungen kommen. hoch-empirischer S~zialforrchiin~ zii tiin, insbesondere ethnogra-
Aber aufgrund dieser Vielfalt suggerieren diese Untcrsuchun- pliirclier Feldio~schriii~.
66

~ . .. . . ...*,~-
gen niclil crklärcn, weil es srrcng genommen kcine .ge~ncinsame genwarr eingeserzt. I m zuerst genannten Fall werden empirische
~ ~ ~ gibt,~sondern h immcr
i ~ciiie Vielzahl
h ~ von ~Erfahrungen,
~ Belege - etwa aus Anrworren auf Interviews - synchron als gc-
deren irde sich von jeder anderen rinrcrschcidcr. Die ßescliwö- genwartige Fakren analysierr, ohne deren liistorischc Koiisrruk-
rung viin .gemeinsainer Geschichte-, beispielsweise i r i Theo- rinn und möglicherweise begrenzre U a u e r h a f ~ i ~ k euberhaupt
ir ir.
rien narionaler Idcnritar. ist eine Voi-gphensrveisc. die imincr in Betl-acht zu zicheii. Hierbei handelt es sich wirklich um rheareri-
der jeweiligen Gegenwart vorgenommen wird - als eine Spezi- scheii Präsenrismus in überaus modernirrischer Gerralr. In dem
fische R ~ ~ r ä s e n r a t i oder
n Vergangenh~ir. die diese mit Blick anderen Fall hingegen eigncn sich die Forschtr selektiv die Ver-
auf die Schaffung von Gemeinsamkeiren bearbeitet. Dieses Vor- gangenheit an, um die Gegenwart zu erklären. Srellt maii in
gehen mag durchaus "funktionieren* in dem Sinne. daß der G e - Rechnung, da13 die Identifizierung von Konrinuitären zwischen
danke von Zusammengehörigkeit und Nähe von unrerschied- Vergangenheit und Gegenwarr in diesem Vorgchen als ein me-
iicben Menschen ii, der Gegerwart geschaffen wird. Aber es ist thodologisches Apriori angesehen werden muß, dann wird es
nicht die Vergangenheit in d e r Form .gemeinsamer G e s c h i c h r e ~ ~ unmöglich, fesrzusrellen, o b die Kohärenz der Bclunde ein Er-
die diese Wirkung pruduaicrr, ronderii die gegenwärtige Lnterak- gebnis der Auswahl oder rarsäcliiich die Folge von kausal wirk-
tion zwischen denjenigen, die vorschlagen. die Vergangenheit als sainen Verbindungen zwischen vergangenen und gegenaärrigcn
etwas Gcreiltes anzuschcii, iiiid dcn!cnigcn, die sich davon über- Handlungen ist."
zeugen lassen und diese Repräsenrarion f ü r ihre eigenen Orien- Wenn diese Betrachrungen n u n nur zu Problemen, aber nicht
rierungen in der sozialen Welt ~ n n e i i m c n . m Lösungen zu führen scheinen, d a n n ist einzugesrehen, daß
mag einwenden, dai3 mit einer solclicn Sichtweise die es keinen Königsweg gibt, auf dem die erkenntnisrheorcrischcn
Bedeurung der Geschichte f ü r ~ozinlogischcAnalysen ignorierr Probleme des Umgangs mit Zeitlichkeit umgangen werdsn
und einem präsenrisrischcn Empirismus in die Hände gespielt konnten. Die einzig tragfähige Konzeprualisierung besrehr dar;",
wird, dessen Verfechrer immcr Zweifel an dcr Zugänglichkeit die Redcorung der ~~Geschichre<, für gegenwärriRe Handlungen
der Vergangenhcir hatten. Enrwickcli man s o nicht eine Ideolo- in einer Kombination von .Spuren* des vergangcnen H a n d &
gie und Apologie der Gegenwart. die kcine historische Tiefc in dcr Gegenwart (beispielsweise Gebäuden, deren physische
u n d damit auch kein Verständiiis hisrorischer hlöglichkeiren der Präsenz gegenwärtiges Handeln zugleich ermöglichen und be-
Handlung und der sozialen Traiisforrriatiun Es geh[ im schränken a i r d ) und von Aneignungen der Vergangenheir durch
Gegenieil hjer nichr darum, Geschiehrlichkeit ein für a\\emal zu gegenwärtige Akteure und deren Ausstattung mit Bedeurung zu
sondern zu einem angemessrncren Verständnis von sehen. Kulturelle Praktiken hinrerlassen A b d i ü c k ~erwa, als Ein-
Zejrlichkcir und Gescliichtlicbkeit zu kommcn. Dazu gchörr die sclireibungen in den Körper des Boxers währcnd des Trainings
Infragestellung des Sratus der Gegenwarr u n d die Rcflcxion über und des K ~ m ~ f eso s , wie I.olc Wacluanr sie i n jüngsten
die ~ o d dsri interpretativen Aneignung von Geschichte, die Arbeiten hervorgehoben har. Aber jedc "Kultur« irr auch eint
in weiren Teilen der Sozialwissenschaften und der Hisioriogra- Repräsenrarion der Vergangenheit in der Gegcnwarr, dercn Be-
lange haben oder nur marginale Bedeutung erringeil deutung fur gegenwärt~gesHande!n von der Aneignung und In-
konnren. ,' rcrprctarion durch lebende Menschen abhäng?
~~~h heute noch fallen die meisren sozialwissenschaftlicheii
Unrersuchungen in eine von zwei gleichermaßeii gegenüber i i Vgl. nchcii Dcrridas Arbeiten auch Philip Abrams. nThe sense of rhe
dieser Frage Iiilfloscn Karrgorien: Entweder werden .zeirloscu ! P'sL '"d :ht origins of saciology~,in: Pdrr and Prerrnr j y ( i g j r ) ,
Momenraufnahmen der sozialen Welr vorgenommen, oder Ge- S. 18-12; hfichel J e Cerrc~u.The aiiiing of Hirtorg. New York 1 ~ 6 8 ;
Heidrun Friere, *Bilder dcr Gcschirhrci. in: Klaus E. Muller/]Orri
schichre wird in deterministischer Weise z u r Erklarung der Ge- Rüren (Hg.), Hiitorirehe Sinrib~ldung P~oblernrrrllun~en, Zeirkon-
+o VRI. Fredric larncsoii, Poitmodernirin. or Th? C d t " r d I.ogi< "f i rep:r, Wahrnchm~n~ihorizonre,DarrtellwngiirrnrrggLn, Rrinbek
Cnpitnicim, Durliam. N.C. r g g r . ~ y y i ,S. )iU-)~z.

70

, . .~,." .
sche Postmodcrnisinus wird beglciret v i n i eiricr Kririk d r r sozia- chcrwcise verwendet werden. Wir brauchen n u r an die Bosisdefi-
len Ontologic. D e r Gedaiikc der Identität dci- Dinge iriit sich iiitionen zu erinnern. Die Frage nach der Auffassung von der
selbst bciieiiiit dabei eiiicii zeriri-aleii Aspckt; i i i niodernisriichem Kontinuität und Kohärenz der Person verweist aiif die Biogra-
Denken wird s« snwoiil Soziolwisseiiscliatt als auch Gcscllscliaft pliic, den Lebenslauf. Dirsrlbe Frage an das Kollektiv gerichtet.
überhaupt erst möglich geriiacht. nldentitit,~iii dcn heidcn Vari- verweist auf die V o r t c l l u n g von einer gemeinsamen Geschichte,
inrcn pcrsonalei- iiiid ki>llckriver Ideiitirii steht Iiiri. letztlicli fiir einer gemeinsamen Erfahrung. Identität ist in einem konstituti-
dic Stabilität und dic verläßlichc Haiidluingr uiid Kritikfähigkeit ven Sinne zeitlich. Diskutieren wir die Impiikationen dieser Pest-
des rnciischlichcii Akrcurs (,~Tridividuuiii<~) und f ü i dic cindcuri- stcllung exemplarisch a m Beispiel der kollektiven I d e n t i t ä ~ ? ~
gc Bestimmbaikeii dii uiiuiiigänglicli e a i s t c n c i i o r ~ e n d i ~ c?oii-
n Eine klarrisihe Analyse kollektiver Identität wurde gemeinsa-
tischen Makroeiiiheit (~~Gcsellscliaft~c) für sowohl die Sozialtheo- imc Oiientierungen einer G r u p p e von Menschen in der Gegen-
rie als auch die Moralphilosophie. wart aufzeigen und aus diesen auf eine lange Geschichte gemein-
D i c empirisch-liistorisch autzcigbarc Erschutterung dieser bei- samer Erlaliruiigen schließen, die für diese rirsachlich ist. In
d e n Phänomene in ihrcr modernistiscli konzipicrteii Form be- Iiistorischer Untersuchung würde letzteres überprüft, und das
driitet i~isgesanitwcder das "Ende des SubJeLts- ,loch das Ende Kollektiv könnte sozialwissenschaftlich konstituiert werden -als
der Sozialität, noch überhaupt das Ende der lnrelligibilität der ,,Kultur*<oder als »Gesellschaft«. Allerdirigs iiilime eine solche
sozialen Welt. In dcii iieueren Diskussioneri - uiid der Angst Argunientation historische Konstanz und Kausalität an und un-
v o r ihnen - stciir vic.mehi. dir Frngr nnch eincr d ~ r c l i ~ e h e i i d e n terdruckte Zsitlichkeit."
Enrontologisierung und Enressciitialisierung der niodernisti- D e r Verweis auf eine gemeinsame Geschichte kann die Existenz
schen Sozialphilosop:iie auf der T a g c s o r d ~ ~Ain n ~ .Beispicl des u n d die Solidität kollektiv geteilter Glaubensordnungen deswe-
Verhalrnisses der sozialwissenscliafrlichcri Bcgi-iffc zur Ziirlicli-
38 Eine analoge 1)irkusrion voi> Zeirlichkcir IYI Frag<" dcr personalen
keit der Phänomeiie, die sie beschrcibeii sollcn, Iäßt sich diese ldenririr mußre sich zurätzlich dem Starur des -Subjekrse widmen,
Vermutung belegen. das hier - i n modernisrircher Sichweise - als Sprecher fur die Idenri.
rär erscheinen konnre, der dir Glsicliheir dcr Pcrson über die Zeit
hinweg verburgen kann und Subjekt und Objekr der Konrinuitar
2 Idenritur und Zc~tlichkair'~ oder Kohärenz bildet.
3 9 ~Kepresenrarionrequires a aupyissriun of ri~iic;mirrorin~necersi-
Uieiiii Aussagen über Idcntirät als Gleichheit mit sich sclbst z u - rater a stnnding srillw (Ann Game, Undoiag ihr SoriJ>' Townrdr a
nächst enrwedcr urihiririig odcr nichtssageiid schciiien. so erhal- Deconrtrxtriva Sooology. Milton Kry~ies1991, 5. I , ) . Eine derartige
Unrerdruckung der Zeicliilikeir iiirg unproblernatirch erscheinen.
ten sic ihre B e d c u t u ~ ui ~n d ihrc Problemorik, sobald man roii der r o ~ a i i gman
c annimmr, dar> die soziale Welt in einem onrologirchen
Frage nach deni Sein zur Frage nach deni Werden übergeht. Ich sinne stabil irr. Und uber lange Zei: war es eine begrundende Annah-
habc oben zu zeigcn vcrsuclit, d a 3 n u r d i i Uffiiuiig zu dem me (zumindest bedeursamrr srrüiiiungen) dcr Sorialoiisrenrch~ften,
Entwurfseliarakter von Identität dic Verwenduiig ciiies - adap- daß eine subrranrielle soziale Onriilogie sowohl norig als auch mög-
tiertrii - Idcnritärsbcgriffs in den Son'alwisseiischaften uber- Iich sei. In "eueren Arbeiten jedoch. die lerztlich alle auf die Winsen-
Iiaupt zu rechcfertigen vermag. scinft~kritikim sparen ii~u~irehnren und fruhen zwnnzigiten Jahr-
Zeitlichkeit beschreibt die gemeinsame Grundprobleniatik der hunderr bei Nierzrshe, Weber. Huiierl und Heidegger zuruckgehen,
bcidcii Identirirsbegriffe, persoi,al uiid kollckriv, wie <ie "lili- ist der problemiitrche Charakrer dieser Annahme bemerkt und sind
Versuche zur Einidliiung von Z~itlichkeirin die Sozialihenrie unter-
37 Die folgenden Ul>erlcgungeii r r ü r r ~ nsich auf: Flcidruii FrieseIPercr nommen worden. Vgl. auch Heidrun Friese, .Die Konsrrukrionen
Wagner, sModeriiity and conringency. Not all rhar is solid melrs inro von Zeir. Zum prekären Verhälrnlr von akademischer Theorie und
air*, in: Mike Feathcrrrotic und Scoir I.ash (Hg.). ipaceo oJ'ldentiry lokaler Praxis-. in: Zeiirihr$/ur i ~ z i o l ~ 2~2 ijigg3),
e Nr. I . C. 3 1 3
-
City - Nation Worid, London iqg8. bis 3 3 7 .
68
.{ Insbesondere d u r c h die situative Inrerprctatioii i n r c i v c i ~ x m m - J urgrn Jrrauo
'! geneii Erfahrungen in der G e g e n w i r r schitfen Menschen eine Personale und kollektive Identität
4 ~ L ü c k ezwischen der Vergangenheit und der ~ u k u n t t - + ' ,die es
5 Zur Analyse eines theoretischen Begritts
i' ihnen eine Unterscheidung zwischen Wirkliclikcit und
') Möglichkeit vorzunehmen, die weder in präsentisrischem E m p i -
? rismus n o c h in kulturellem Determinismus erfaßr werden kann.
Die gegenwärtige Welt ist weder schlicht .da- n o c h d u r c h die I. Begriffsgeschichtliche Anmerkungen,
Vergangenheit vorherbestimmt; sie ist die S c h ö p f u n g aus einer
Vielfalt v o n Möglichkeiten, die in d e m gerade "ergangenen M o -
Ausgangspunkte
ment bestanden. Jedes Schreiben ü b e r Identirat ist in Gefahr, ein
D e r A u s d r u c k »Identität- gehört zu d e n theoretischen G r u n d b e -
Fest-Schreiben, ein Still-Stellen z u werden, das diesem Charakter
griffen der Psychologie und Soziologie des 20. Jalirhunderrs.'
der Welt u n d der Menschen in ihr nicht gereclit werden kann.
Seine i m wesentlichen noch heute ~ .ü l .r i ~Bedeutung
e erhielt der
Idcntirätsbegriff insbesondere ini Kontext pragmatisrischen.
' intei-aktionstheoretischen und psychoanalytischen D e n k e n s -
i wenngleich d e r A u s d r u c k weder bei Sigmund F r e u d n o c h bei
! Wiliiam James und anderen Pragrnatisten eine Rolle spielre, son-
i d e r n allenfalls in späteren Versuchen, auch deren Subjekt- o d e r
Selbsttheorien als Idenri~arrtheorienaufzufassen u n d weiterzu-

i/ entwi~keln.D
i
~ i e erstaunliche Karriere des Identitätsbegriffs
Aucli andere Disziplinen können hier angefrihrt werden, srellverrre-
rend etwa die Eihnologie; vgl. zum Beispiel Klaus E. Miiller, Dar

1 rnngirche Unrverrvm drr Identii=r. Elementarformen rozzalen Ver-


hnirenr Ein erhnologircher G r ~ n d r i J ,Frankfurt am Main 1 9 8 7 Lm
Vorwort auf S. X wird -1denririrr als mßn~irkonzeptder ethnologr-

i
/
rchen Theonebildung. hegrifien. Ethnologie wird bei Muller im we-
scnrlichen als Idenrirätrthearie und Idenrirärsforschung besrimmr, ist
doch das Univerrum der Identirdrx in seiner Fakrizirär und Norniari-
u i r i t <in rinnvallei Gnnzei. das dar Leben einer jeden Gruppe und

1 damit den Gegenstand der Ethnologie insgesamt umfaßr. Asrmanii


bezeichnet (Teile von) Miillerr Arbeit rreffend als eine Beschreibung
i n n =.Narurformen sozialer ldentirirr, was bereirr anzeigt, daß die-
ser ethnologische Grundrili mir einem Idenrititsbegriff operiert, der
sich von dem im folgenden skizzierten erheblich unrersclieider; vgl.
Jan Asrmann, Dar kxlri<rellr Gednchinir. Schrift, Erinnerung u n d p o -
lirirchr ldeniitdi in fruhen Hochkulrurrn, Miinchen 1992, S. 1 4 4 .
i Vgl. hierzulurgen Srraub, *Identirät und Sinnbildung. Ein Beitrag auy
drr Sichr einer handlungr- und erzihlrheorerisch orientierren Sozial-
prychnlogxe-, iii: Zeiirrum fur inrerdirziplinire Forschung der Uni-
versitär Bieleteld (Hg.), Jahresbericht ZiF 94/71, Bieleield 1996.
S.42-90, sowie ders., nIdenritiritheorie im Ubergaiig? Uber Idenri-
42 ~~,,,,,,h ~ ~ ßetween
~ Paii~ nnd Fi<rnre3
d ~&W York
, 1 9 ~ S.' ~3 . rirsforrchung, den Begriff der Ideiitirar und die zunehmende Beach-

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