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Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung
Band 13
J. Steinbach, W. Feilmayr
Wien, 1983
Seite
Verzeichnis der Tabellen. IV
Verzeichnis der Abbildungen V
Verzeichnis der Karten. . V
Vorwort VII
Vorbemerkung IX
Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse. XI
1. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2. Die städtische Umwelt als Einflußfaktor des individuellen Verhaltens .......................... 3
2. 1 Einführung . 3
2.2 Analyse des „sozialen" Raumes. 3
2.2. 1 „Objektiver" sozialer Raum. 4
2.2.2 „Subjektiver" sozialer Raum. 7
2.3 Modell des sozialbestimmten räumlichen Verhaltens. 9
2.4 Prozesse des sozialen Wandels. 11
2.5 Soziodemographische Strukturen städtischer Wohnquartiere. ......... ................... 15
2.6 Soziale Indikatoren als Instrumente der Stadtplanung . 17
3. Sozialstruktur, Wohnungsverhältnisse und Wohnumnwel. 19
3.1 Einführung 19
3.2 Soziodemographische Gliederung des Wiener Stadtgebietes. ... . ........................ . 19
3.3 Sozialstruktur und Wohnungsverhältnisse 23
3.4 Räumliche Verbreitung der Zählgebietstypen. 24
3.5 Sozialstruktur und Wohnumwelt 24
3.5.1 Indikatorensystem zur Abbildung der Wohnumwelt. 24
3.5.2 Sozioökonomischer Status, Stellung im Lebenszyklus und Wohnumwelt ......... 26
3.5.3 Anpassung und „Bindungsgrad" der Bevölkerung an die Wohnumwelt ........ . ... 28
3.5.3.1 Kennzahlen der „realisierten" und „fundamentalen" ökologischen Nische. .. . .. 28
3.5.3.2 Ausprägung der Kennzahlen. 29
3.6 Prozesse des „sozialen Wandels" in den Wiener Wohngebieten .............. ......... . 33
4. Die Wiener Industrie nach ihrer räumlichen Verteilung und ihren
Verbreitung sbedingungen 38
4. 1 Einführung 38
4.2 Strukturmerkmale des „wirtschaftlichen Raumes" von industriestandorten. .... 38
4.3 Indikatorensystem zur Abbildung des „wirtschaftlichen Raumes" .................... . 39
4.4 Die Verbreitung der Industrie im Wiener Stadtgebiet und die räumliche
Ausprägung ihrer Standortfaktoren 42
4.5 Analyse der Ansprüche der Wiener Industrie an den wirtschaftlichen Raum
ihrer Betriebsstandorte 45
4.5. 1 Kennzahlen des „realisierten" und des „fundamentalen" wirtschaftlichen
Raumes der Industriebranchen . 45
4.5.2 Ausprägung der Kennzahlen für die Wiener lndustriebranchen. ................. ...... ... 46
4.6 Bewertung der Wiener Zählgebiete nach den Standortansprüchen
der Industriebranchen .. 49
5. Strukturanalyse der Wiener innerstädtischen Zentren 51
5. 1 Einführung. . . ............... 51
5.2 Entwicklungstendenzen innerstädtischer Zentren 51
5.3 „Verbreitungsmuster" von Zentrenbranchen 53
5.4 Größenstufung der Wiener Zentren 54
5.5 Ausstattungstypen . 56
5.6 Rangordnung der Zentren . 58
6. Die Wiener City als Bürostandort 63
6.1 Einführung . 63
6.2 Zur Standortwahl von Bürobetrieben .. 63
6.3 Die Verbreitung der Bürobranchen in der Wiener Innenstadt. ... 64
7. Funktionelle Gliederung des Wiener Stadtgebietes 67
7. 1 Zur Problematik „synthetischer" Karten. 67
7.2 Der Ablauf des Syntheseprozesses 67
8. Stadtentwicklungspolitische Konsequenzen .. 70
Anhang: Mathematisch-statistische Methoden 73
1. Faktorenanalyse . 73
2. Clusteranalyse . 74
3. Ermittlung der Kennzahlen des „nischentheoretischen" Ansatzes. 75
Literatur. 77
Seite
Tabelle 1 Rangordnung komplementärer Rollen in einem Behavior Setting. ...... ...... ... ....... 4
Tabelle 2 Sozioökonomischer Status, Stellung im Lebenszyklus und Wohnumwelt. ... . .... 27
Tabelle 3 Kennzahlen der „realisierten" und „fundamentalen" ökologischen Nische
für soziale Gruppen nach dem sozioökonomischen Status
und der Stellung im Lebenszyklus. 31
Tabelle 4 Wohnbevölkerung (Inländer) der Zählgebietstypen nach der
soziodemographischen Struktur 1971 und 1980. 34
Tabelle 5 Wohnbevölkerung über 60 Jahre (Gesamtzahl bzw. Inländer) der
Zählgebietstypen nach der soziodemographischen Struktur 1971 und 1980.. ... 35
Tabelle 6 Ausprägung der Indikatoren des „wirtschaftlichen Raumes" für
Industriebranchen, geordnet nach „Branchenbündel". 43
Tabelle 7 Kennzahlen des „realisierten" und „fundamentalen" wirtschaftlichen
Raumes für die Industriebranchen. 50
Tabelle 8 Faktorenladungen der Branchengruppen in die Zentrenfaktoren. . ... 54
Tabelle 9 Größenstufen der Wiener innerstädtischen Zentren. . 55
Tabelle 10 Schwellenwerte der Verbreitung von Branchengruppen in den Zentrentypen. .. 57
Tabelle 11 Verteilung der Ausstattungstypen auf die Größenstufen der Zentren. ........... .... 59
Tabelle 12 Rangordnung der Wiener innerstädtischen Zentren. 60
Tabelle 13 Verbreitung von „Hauptnutzungsarten" in der Wiener Innenstadt .. ... ............. ... 64
Tabelle 14 Flächennutzungsarten in der Wiener Innenstadt mit unterschiedlichen
Veränderungstendenzen
Tabelle 15 Kartographisches Darstellungsschema für die Karte „Funktionelle Gliederung
des Wiener Stadtgebietes" 69
Tabelle 16 Ergebnisse des Modells zur Abschätzung des Umfanges der
Sanierungsmaßnahmen: Gesamtbilanz der Maßnahmen und
Veränderungen der Stadtstruktur
Tabelle 17 Ergebnisse des Modells zur Abschätzung des Umfanges der
Sanierungsmaßnahmen: Kosten
IV
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Seite
Abbildung 1 Tagesprogramme im Raum-Zeit-Kontinuum (nach T. HÄGERSTRAND) ... ... ... 5
Abbildung 2 Raum-Zeit-Prisma (nach T. HÄGERSTRAND). 6
Abbildung 3 Struktur des theoretischen Modells des sozialbestimmten räumlichen
Verhaltens. 12
Abbildung 4 Verlauf der beruflichen Karriere für männliche Berufstätige mit dem
Qualifikationsniveau: „Allgemeinbildende Höhere Schule" in Österreich. . ... . 13
Abbildung 5 Charakteristische Phasen im Lebenszyklus (nach C. M. STAPLETON). ... ... ... . 14
Abbildung 6 Der Verlauf des Sukzessionsprozesses (nach R. J. JOHNSTON) .. ... .. ... .... ... ... . 15
Abbildung 7 Altersaufbau der Wiener Bevölkerung und der Berufstätigen ....... ..... ... .... ... ... . 37
Abbildung 8 Verteilung der Industriebranchen nach den Kennzahlen des
„realisierten" und „fundamentalen" wirtschaftlichen Raumes. .... ... .. ... .... ... ... .
Abbildung 9 Ablaufschema der Faktorenanalyse (nach K. ÜBERLA). .
nach Seite
Karte 1 Sozialstruktur, demographische Struktur und Wohnverhältnisse. .... . 22
Karte 2 Versorgung mit Grünflächen 26
Karte 3 Zu- und Abnahme der Wohnbevölkerung 1971 1980. — 34
Karte 4 Beschäftigte in Bürobetrieben im „fußläufigen" Einzugsbereich. ..... 40
Karte 5 Erreichbarkeit im Eisenbahngüterverkehr. 40
Karte 6 Erreichbarkeit im Straßengüterfernverkehr. 40
Karte 7 Industrie und Gewerbe 44
Karte 8 Standortbedingungen für „zentrumsorientierte" Industriezweige ..... 50
Karte 9 Standortbedingungen für „stadtrandorientierte" Industriezweige. ... . 50
Karte 10 Funktionelle Gliederung der Wiener Innenstadt. 64
Karte 11 Flächennutzung im bebauten Gebiet 66
Karte 12 Funktionelle Gliederung des Wiener Stadtgebietes. 68
Karte 13 Baulicher Erneuerungsbedarf in Wien 70
VORWORT
Im Zuge der Ausarbeitung des Stadtentwicklungsplanes für Wien erschien es auch notwendig,
neue Wege bei der empirischen Erfassung der wesentlichen Elemente der Wiener Siedlungs-
struktur zu beschreiten. Mit der Ausarbeitung der „Analysen zur Wiener Stadtstruktur" durch
Herrn Univ. -Prof. Dr. J. Steinbach sollte nicht nur eine gezielte Zusammenarbeit zwischen
Wissenschaft und Praxis beispielhaft durchgeführt werden, sondern auch der Versuch unter-
nommen werden, vorhandenes Grundlagenmaterial für die Stadtplanung besser nutzbar zu
machen.
Unter diesen Voraussetzungen entstand durch die Zusammenschau der wichtigsten Teilberei-
che der Siedlungsstruktur eine Analyse und Darstellung der „Funktionellen Gliederung des
Wiener Stadtgebietes" als Grundlage für eine abgesicherte Betrachtung der künftigen Sied-
lungsentwicklung. Damit werden auch die wichtigsten Daseinsgrundfunktionen wie Wohnen,
Arbeiten, Erholen, Verkehr u. a. in eingehender analytischer Auseinandersetzung in ihrer räumli-
chen Dimension bewertet und derart zusammengefaßt, daß diese für die weiteren stadtentwick-
lungspolitischen Überlegungen als wichtiger Ausgangspunkt dienen können.
Für die von meinem Amtsvorgänger, Herrn Univ. -Prof. Dipl. -lng. Dr. Rudolf Wurzer, angeregte
wissenschaftliche Bearbeitung dieses Foschungsvorhabens möchte ich den Verfassern herzlich
danken. Mit der Dokumentation dieser Arbeit soll auch die kontinuierliche Grundlagenarbeit im
Rahmen der Stadtforschung entsprechend gewürdigt werden, durch die der Stadtplanung wichti-
ge neue Impulse gegeben werden.
Schließlich möchte ich auch Herrn Dr. M. Schopper für die fachliche Betreuung dieser im Auftrag
der Magistratsabteilung —
18 Stadtstrukturplanung durchgeführten Arbeit danken; er hat sehr
wesentlich zu einer anwendungsbezogenen Ausrichtung dieser Forschungsarbeit beigetragen.
In Fritz Hofmann
Amtsfü render Stadtrat für
Stadtentwick ung und Stadterneuerung
VORBEMERKUNG
J. Steinbach
Wien, im September 1983 W. Feilmayr
ZUSAMMENFASSUNG DER EMPIRISCHEN ERGEBNISSE
Die „Analysen der Wiener Stadtstruktur" sind auf die wesentlichen stadtentwicklungspoliti-
schen Problemlagen der Bundeshauptstadt bezogen.
Die zweifellos schwerwiegendsten Probleme ergeben sich infolge der „Disparitäten in den
Lebensbedingungen der Bevölkerung".
1. Zuihrer Erfassung werden die Wiener Wohnstandorte (Zählgebiete) zunächst nach der Bevöl ~
Xi
—Die zentrumsnäheren Unterschicht-Wohnbereiche (mit zum Teil überalterter Bevölke-
rungsstruktur) sind mit Einzelhandelsgeschäften des täglichen Bedarfes mindestens im
durchschnittlichen Ausmaß ausgestattet, zum Teil ergeben sich jedoch Defizite bezüg-
lich der Versorgung mit den übrigen Dienstleistungseinrichtungen. Hingegen liegen die
Kennzahlen der Ausstattung der Wohnumwelt mit Dienstleistungseinrichtungen für die
peripheren Wohngebiete der Unterschicht mit Abweichungen zwischen (minus) 50 bis
100% wesentlich unter den entsprechenden Wiener Durchschnittswerten.
~ Die Ausstattung der Wohnumwelt mit öffentlichen Park- und Grünflächen sowie mit „son-
stigen Grünflächen mit Erholungswert" ist in Karte 2 dargestellt. Wie hier zu ersehen ist,
verbessert sich die Versorgungsqualität mit Grünflächen —
unabhängig von der Sozial-
struktur der Wohnquartiere —mit der Entfernung vom Stadtzentrum. Für die zentrumsna-
hen Wohngebiete (mit Ausnahme z. B. des Einzugsbereiches der Ringstraßenzone) ergeben
sich negative Abweichungen der entsprechenden lndikatoren im Ausmaß zwischen 30 und
90% der Stadtmittelwerte (siehe Tabelle 2).
Die hier skizzierten Disparitäten werden in einer („humanökologischen") Analyse der „Anpas-
sung" und des „Bindungsgrades" verschiedener Bevölkerungsgruppen an bestimmte
Umwelt-Milieus zusätzlich verdeutlicht (die entsprechenden Kennzahlen sind in Tabelle 3 ent-
halten). Es zeigt sich dabei, daß
~ die Wohnumweltverhältnisse zwischen allen betrachteten Bevölkerungsgruppen relativ be-
trächtlich differieren, insbesondere zwischen den Angehörigen der älteren und jüngeren
Generation und daß
~ die älteren und jüngeren sozialen Gruppen der Unterschicht mit beträchtlichem „Bindungs-
grad" auf jeweils spezifischen Wohnstandorten lokalisiert sind, deren Wohnumwelt beson-
dere, meist negative, Strukturmerkmale aufzuweisen hat.
XII
~ Nach einer Wirkungsanalyse des Wohnungsverbesserungsgesetzes von T. HEINZE (1980)
werden die entsprechenden gesetzlichen Förderungsmittel relativ seltener von Angehöri-
gen der sozialen Unterschicht in Anspruch genommen, vorwiegend aufgrund des niederen
Haushaltseinkommens, des schlechten lnformationsniveaus und des fehlenden Zuganges
zu Kreditinstituten. Daher sind auch die Stadtgebiete mit dem größten baulichen Erneue-
rungsbedarf, die mehrheitlich von solchen Bevölkerungsgruppen bewohnt werden, nicht
entsprechend von den geförderten Wohnungsverbesserungen betroffen.
~ Nach den Bestimmungen des Stadterneuerungsgesetzes gilt die Ausstattung der Wohnun-
gen mit Naßanlagen als wesentliches Kriterium für die Festlegung von „städtebaulichen
Problemgebieten". Das Gesetz orientiert sich also an einer „Momentaufnahme" des bauli-
chen Zustandes, sodaß ein rechtzeitiges Eingreifen in die städtischen Verfallsprozesse und
eine Sanierung vor dem Entstehen schwerwiegender Schäden weitgehend nicht möglich
ist.
Nach einer Untersuchung von K. MITTRINGER(1981) gelten nach den gesetzlichen Kriterien
gegenwärtig ca. 12% der Wiener Zählgebiete als „Problemgebiete". Berücksichtigt man
zusätzlich den technologischen Alterungsprozeß sowie ökonomische Rentabilitätskrite-
rien, so erhöht sich dieser Problemgebietsanteil im Jahr 1990 auf ca. 20%, steigt im Jahr
2000 auf ca. 28% an und erreicht schließlich im Jahr 2010 den Wert von 32%.
Zum Abbau der dargestellten Disparitäten bezüglich der Lebensbedingungen der Bevölkerung
und zur Beeinflussung der sozialen Segregationsprozesse ist also eine Neuorientierung we.
sentlicher gesetzlicher Grundlagen der Stadtentwicklungspolitik erforderlich.
Ein weiteres Problemfeld der Wiener Stadtentwicklungspolitik bildet die Erhaltung und Vermeh.
rung der industriellen Arbeitsplätze. Die Kenntnis der innerstädtischen Verbreitungsbedingun.
gen der industriebranchen sowie der Eignung der verfügbaren Standorte für die industrieansied-
lung stellt eine wichtige Voraussetzung für die Erfüllung der Zielsetzungen dieser Politik dar.
1. Die innerstädtischen Standortbedingungen für die Industrie werden durch fünf Kennzahlen ge-
messen. Diese Kennzahlen beschreiben:
~ die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften auf den verschiedenen Standorten (Zähl-
gebieten) des Stadtbereiches
~ die Kaufkraft der Bevölkerung im Einzugsbereich der Betriebsstandorte
~ die Möglichkeiten zur Kontaktnahme mit komplementären Dienstleistungs- und Büro-
betrieben
~ die Zugänglichkeit der Standorte im Eisenbahngüterverkehr (siehe Karte 5) sowie
~ die Zugänglichkeit im Straßengüterfernverkehr (siehe Karte 6)
2. Eine Analyse der räumlichen Verteilung der Wiener industriebranchen ergibt „Branchenbün-
del" mit ähnlichen „Verbreitungsmustern" und Standortansprüchen. Aus dem Vergleich der
durchschnittlichen Ausprägung der fünf genannten Kennzahlen für die verschiedenen „Bran-
chenbündel" sind Anhaltspunkte bezüglich der Verbreitungsbedingungen der Branchen abzu-
leiten (siehe Tabelle 6).
3. Eine vertiefte Erfassung der Standortansprüche durch die Anwendung eines Forschungsan-
satzes aus der Ökologie (ähnlich der oben angesprochenen „humanökologischen Analyse"
von Lebensbedingungen der Bevölkerung) ermöglicht die Erstellung einer Rangordnung der
Industriebranchen nach dem Ausmaß der Anpassung und dem „Bindungsgrad" an die stand-
örtlichen Gegebenheiten, wie sie durch die genannten Kennwerte gemessen werden. Aus die-
ser Rangordnung (siehe Tabelle 7) geht hervor, daß die Nahrungsmittelindustrie, die Textil- und
die Chemische Industrie, die Bearbeitung von Metallen und Stahl einschließlich des Leichtme-
tallbaus sowie die Erzeugung von Metallwaren und Arbeitsmaschinen (nach den getroffenen
Annahmen) zu denjenigen industriezweigen zählen, die den Wiener Gegebenheiten am besten
angepaßt sind. Mit geringem Abstand folgen die Holz- und Papierverarbeitung sowie die Erzeu-
gung von elektrotechnischen Einrichtungen.
4. Die Bewertung der Branchen nach ihren Standortfaktoren wird ergänzt durch eine Bewertung
der innerstädtischen Standorte (Wiener Zählgebiete) bezüglich ihrer Eignung für die lndustrie-
ansiedlung. Dabei wird zwischen „zentrums-" und „stadtrandorientierten" Industriezweigen
unterschieden. Die Ergebnisse dieser Bewertung sind in den Karten 8 und 9 dargestellt.
Die genaue Kenntnis der Struktur innerstädtischer Zentren ist für die Planung von besonderem
Interesse, da wesentliche Veränderungen der Erreichbarkeitsverhältnisse (U-Bahn-Bau) sowie
der Bevölkerungsverteilung (Randwanderung) zweifellos bedeutendere Auswirkungen auf das
Zentrengefüge haben werden. Die vorliegende Querschnittsanalyse ist als Grundlage zur Erfas-
sung dieser Veränderungen gedacht.
1. Im Rahmen dieser Zentrenanalyse werden zunächst charakteristische Kombinationsformen
der Einzelhandels- und Dienstleistungsbranchen in den Wiener Zentren ermittelt; es ergeben
sich drei Hauptgruppen (siehe Tabelle 8):
~ Branchen der Standardausstattung
~ Citybranchen
~ Cityergänzungsbranchen
2. Nach der Beschäftigtenzahl in diesen „Hauptgruppen" der Zentrenbranchen kann eine Grö-
Senstufung der Wiener Zentren vorgenommen werden. Dabei sind neben City und Mariahilfer
Straße, Hauptzentren (Landstraßer Hauptstraße, Meidlinger Hauptstraße, Zentrum Favoriten),
Bezirkszentren und lokale Zentren zu unterscheiden (siehe Tabelle 9).
3. Ergänzend zur Größenstufung der Zentren erfolgt auch eine detaillierte Analyse der Ausstat.
tungsstrukturen, wobei die drei genannten Hauptgruppen der Zentrenbranchen weiter diffe-
renziert werden. Es können eine Anzahl von Ausstattungstypen unterschieden werden, die den
Obergruppen „Einkaufszentren", „multifunktionale Zentren" und „Dienstleistungszentren"
zugeordnet sind.
4. Aus der Überlagerung (siehe das Überlagerungsschema in Tabelle11) der beiden Klassifikatio-
nen resultiert eine Rangordnung der Wiener Zentren nach ihrer Bedeutung bezüglich der Ver-
sorgungsqualität der Bevölkerung. Diese Rangordnung ist in Tabelle 12 enthalten.
Der Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes begünstigt vor allem die Wiener City, deren Erreichbarkeit
sich wesentlich verbessert. Dies kann zu einer weiteren Verdrängung der Wohnnutzung durch
„expansive" Bürobranchen führen, also zu einer Entwicklung, die im Widerspruch zu den Pla-
nungszielen der Stadtverwaltung steht. Als Grundlage für die Kontrolle solcher Umstrukturie-
rungsprozesse soll eine Strukturanalyse der Flächennutzung in der Wiener Innenstadt dienen,
in der die Situation vor der inbetriebnahme des U-Bahn-Systems abgebildet ist (siehe Karte 10).
Nach Maßgabe des verfügbaren Datenmaterials wird auch versucht, die besonders expansiven
Bürobranchen aufzuzeigen (siehe Tabelle 14).
Wesentliche Ergebnisse der hier skizzierten Strukturanalysen werden in der synthetischen Karte
„Funktionelle Gliederung des Wiener Stadtgebietes" zusammengefaßt (siehe Karte 11). Hierbei
wurde eine Synthesemethode angewendet, die subjektive Einflüsse bei der Bildung der verschie-
denen Raumtypen möglichst ausschalten und den Entstehungsprozeß der Karte nach logisch-
analytischen und nachvollziehbaren Kriterien gestalten soll.
XIV
1. ZIELSETZUNG UND AUFBAU DER ARBEIT
Neuere Ansätze der Planungstheorie begreifen die Planung als sozialen, rekursiven Lernprozeß,
welcher in Dialogform über ständige Informationsflüsse und Bargainings zwischen den verschie-
denen Interessensgruppen abläuft. Nach einem idealtypischen Konzept können verschiedene
Planungsphasen (Analysephase, Phase der Zielfestlegung, Phasen der Aufstellung und Bewer-
tung planerischer Alternativen u. a.) unterschieden werden, die zwar hinsichtlich des zeitlichen
Ablaufes einer Planung in bestimmter Reihenfolge angeordnet sind, aber zumeist mehrmals-
in Abhängigkeit von den Ergebnissen des Lern- und Bargainingprozesses — durchlaufen werden.
Die Phasen des Planungsablaufes sind also rückgekoppelt.
In jede Planungsphase gehen dabei — neben den subjektiv-persönlichen Informationen der be-
teiligten interessensgruppen — auch „objektive" Informationen ein, die von der Wissenschaft
zur Verfügung gestellt werden. Unter den hier relevanten Wissenschaftszweigen kommt der so-
zialwissenschaftlich orientierten Stadtforschung größere Bedeutung zu.
Das Interesse an den Ergebnissen solcher Analysen ist in den letzten Jahren in dem Maße ange-
stiegen, in dem die Diskussion um die Probleme der Sanierung des Altbaubestandes der Städte
und der Verbesserung des städtischen Wohnumfeldes immer mehr in die Öffentlichkeit dringt.
Unter dem Druck der betroffenen Bürger beginnt sich auch der tatsächliche Verlauf des
Planungsprozesses allmählich an den oben skizzierten Idealtyp einer „demokratischen" Pla-
nung anzunähern, sodaß „objektive" wissenschaftliche Informationen nicht nur als Entschei-
dungshilfen für Planer und Politiker dienen, sondern auch in den Argumenten der in die Planung
involvierten Interessensgruppen der Bevölkerung Berücksichtigung finden.
In diesem Sinne sollen die in der vorliegenden Arbeit dargestellten „Strukturanalysen des Wiener
Stadtgebietes" einen Beitrag zur Lösung der anstehenden stadtentwicklungspolitischen Pro-
blemlagen in der Bundeshauptstadt bilden.
Die zweifellos schwerwiegendsten Probleme ergeben sich infolge der Disparitäten in den
Lebensbedingungen der Bevölkerung. Sozioökonomische Segregationsprozesse bedingen die
Konzentration von benachteiligten Bevölkerungsgruppen in innerstädtischen Problemgebieten
die durch
~ einen hohen Altbausubstanzanteil und einen großen Bestand an qualitativ schlechten
Wohnraum,
~ die mangelnde Versorgung mit Einrichtungen der sozialen Infrastruktur und
~ eine hohe Wohndichte und damit einen gravierenden Mangel an Freiflächen gekennzeichnet
sind.
Der aktuelle Problemdruck in solchen Wohnquartieren resultiert aus
~ der Abwanderung aktiver und einkommensstärkerer Bevölkerungsgruppen
~ der Konzentration von sozialen und ökonomisch schwächeren Einwohnern (alte Menschen,
kinderreiche, einkommensschwache Familien, Ausländer)
~ der mangelnden lnvestitionsbereitschaft und -fähigkeit der Hauseigentümer und Inhaber der
lokalen Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe (H. BORGHORST, H. SCHREIBER, 1981).
Entsprechend dem Gewicht dieser Probleme ist ein größerer Teil der Arbeit einer Analyse der
sozialen Strukturen sowie der Disparitäten in den Lebensbedingungen der sozialen Gruppen ge-
widmet. Unter Verwendung des methodischen Instrumentariums der Sozialökologie, z. T. aber
auch unter Einsatz relativ neuartiger — aus der (ökologischen) Biologie übernommener — Metho-
den werden die Wiener Wohnstandorte (Zählgebiete) zunächst hinsichtlich ihrer Sozialstruktur
sowie der Wohnungs- und der Wohnumfeldverhältnisse charakterisiert. Weitere Analyseschritte
zeigen sodann die zwischen den sozialen Schichten bestehenden Unterschiede bezüglich der
innerstädtischen Lebensverhältnisse auf, bzw. erfassen den „Bindungsgrad" und das Ausmaß
der Anpassung sozialer Gruppen an bestimmte städtische Lebensverhältnisse.
Nicht zu unrecht betont die Kritik der sozialökologischen Stadtforschung, daß diese zwar inner-
städtische Strukturen als Ergebnis von Prozessen der Stadtentwicklung zu beschreiben vermag,
aber relativ wenig zur Erklärung dieser Prozesse beiträgt (D. KEIM, 1979). In Erkenntnis dieses
Defizites ist der empirischen Analyse (Abschnitt 3) eine kurze theoretische Abhandlung vorange-
stellt (Abschnitt 2). Diese faßt Forschungsansätze aus verschiedenen Bereichen der Sozialwis-
senschaft (Soziologie, Sozialgeographie, Ökonomie, Regionalwissenschaft) zusammen, behan-
delt den Einfluß der städtischen Umwelt auf das individuelle Verhalten und versucht die Prozesse
des „sozialen Wandels" in städtischen Wohnquartieren zu erklären. Fehlendes Datenmaterial
sowie der erforderliche beträchtliche Arbeitsaufwand stehen bisher der vollständigen empiri-
schen Überprüfung dieses Konzeptes entgegen.
Ein weiteres bedeutendes Problemfeld der Wiener Stadtentwicklungspolitik bildet die Erhaltung
und Vermehrung der Arbeitsplätze des sekundären Sektors. Wegen „standortmäßigen und an-
siedlungstechnischen Unzulänglichkeiten und Engpässen" sind hier innerhalb von 10 Jahren ca.
5.000 Arbeitsplätze verloren gegangen (WIENER WIRTSCHAFTSBERICHTE, 1979/1).
Daher wird gegenwärtig der Industrieansiedlungspolitik besondere Bedeutung beigemessen.
Zur Erfüllung der Zielsetzungen dieser Politik bildet die Kenntnis der innerstädtischen Verbrei-
tungsbedingungen von industriebranchen sowie der Eignung der verfügbaren industriestandorte
eine wichtige Voraussetzung. Im Rahmen des vierten Kapitels der „Strukturanalysen" wird zu-
nächst versucht, die räumliche Verbreitung der Wiener Industrie zu analysieren. Es ergeben sich
„Branchenbündel" von Industrien mit ähnlichen Standortansprüchen. Mit Hilfe eines neuartigen
Forschungsansatzes (der bereits erwähnten Methode aus der biologischen Ökologie, die auch
zur Erfassung der Verbreitungsbedingungen der industriebranchen angewendet wird) ergibt sich
eine Rangordnung der Branchen nach ihrer „Anpassung" und ihrem „Bindungsgrad" an die
standört lichen Gegebenheiten des Wiener Stadtgebietes. Schließlich werden auch kleinräumige
Einheiten (Zählgebiete) hinsichtlich ihrer Eignung als Standorte für die betrachteten lndustrie-
branchen bewertet.
Nach der Erfassung von Disparitäten in den Lebensbedingungen der Bevölkerung und der Analy-
se der Standortbedingungen des sekundären Sektors der Wirtschaft steht im fünften und sech-
sten Abschnitt der „Strukturanalysen" der tertiäre Sektor im Mittelpunkt des Interesses.
Der fünfte Abschnitt ist den innerstädtischen Einzelhandels. und Dienstleistungszentren gewid-
met und befaßt sich mit einer Untersuchung der „Zentrenhierarchie", die aus Größenstufen und
Ausstattungstypen der Zentren abgeleitet wird. Die genaue Kenntnis der Zentrenstruktur ist für
die Wiener Stadtentwicklungsplanung von besonderem Interesse, da die wesentlichen Verände-
rungen der Erreichbarkeitsverhältnisse (bedingt durch die Inbetriebnahme der Grundstufe des
Wiener U-Bahn-Netzes) sowie die beträchtlichen Veränderungen in der Bevölkerungsverteilung
(bedingt durch die „Randwanderung" der Bevölkerung) nicht ohne Folgen bezüglich der weiteren
Entwicklung der Wiener Zentren bleiben können (z. B. muß in den Abwanderungsgebieten mit
einer Reduktion der Einzelhandels- und Dienstleistungseinrichtungen gerechnet werden).
Es ist eine genaue Kontrolle der Zentrenentwicklung notwendig, die auf den Ergebnissen der vor-
liegenden Querschnittsanalyse aufbauen kann.
Der Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes begünstigt vor allem die Wiener City, deren Erreichbarkeit
sich wesentlich verbessert. Dadurch werden die Expansionstendenzen bestimmter Bürobran-
chen, die schon vor Inbetriebnahme des neuen Verkehrssystems wesentliche Teile der Wiener
Innenstadt dominierten, zusätzlich verstärkt. Dies kann zu einer weiteren Verdrängung der Wohn-
nutzung in der Inneren Stadt führen, also zu einer Entwicklung, die im Widerspruch zu den Pla-
nungszielen der Stadtverwaltung (Sicherung und Wiedergewinnung von Wohnraum in der City)
steht. Als Grundlage für die Kontrolle solcher Umstrukturierungsprozesse wird im sechsten Ab-
schnitt der Arbeit eine Strukturanalyse der Flächennutzung in der Wiener Innenstadt vorgestellt,
die die Situation vor der lnbetriebnahme des U-Bahn-Systems zeigt. Nach Maßgabe des verfügba-
ren Datenmaterials wird auch versucht, die besonders expansiven Bürobranchen zu bestimmen.
Wesentliche Ergebnisse der in den Abschnitten drei bis sechs dargestellten sektoralen Struktur-
analysen, die jeweils auf besondere stadtentwicklungspolitische Problemlagen bezogen sind,
werden in der synthetischen Karte „Funktionelle Gliederung des Wiener Stadtgebietes" zusam-
mengefaßt. Sie soll den Zusammenhang und die wechselseitige Bedingtheit der verschiedenen
Elemente der Siedlungsstruktur zum Ausdruck bringen und die räumliche Lage der „Problemge-
biete" veranschaulichen. Abschnitt sieben faßt die Gestaltungsprinzipien dieser Karte kurz
zusammen.
Die abschließenden Aussagen betreffend die stadtentwicklungspolitischen Konsequenzen der
Analyseergebnisse beschränken sich auf den Problembereich: „Disparitäten in den Lebensbe-
dingungen der Bevölkerung". Dabei wird davon ausgegangen, daß zur Beeinflussung der Segre-
gationsprozesse und zum Abbau der Disparitäten vor allem Sanierungsmaßnahmen in den dicht
bebauten Stadtvierteln mit überalteter Bausubstanz erforderlich sind. Das Ausmaß (Umfang der
Maßnahmen und Kosten) sowie die räumliche Verteilung der verschiedenen Maßnahmenkatego-
rien im Stadtgebiet werden mit Hilfe eines entsprechenden „Sanierungsmodells" abgeschätzt.
Wirkungsanalysen des gegenwärtigen gesetzlichen Instrumentariums zeigen, daß dieses nicht
imstande ist, zum Abbau der „Sanierungsdefizite" beizutragen. Es sind also Verbesserungen
wesentlicher Strategien und gesetzlicher Grundlagen der Stadtentwicklungspolitik erforderlich.
Im Anhang der Arbeit werden für einen interessierten Leserkreis die angewendeten
mathematisch-statistischen Methoden näher erläutert.
2. DIE STÄDTISCHE UMWELT ALS EINFLUSSFAKTOR DES INDIVIDUELLEN VER-
HALTENS
2.1 EINFÜHRUNG
Dieser Abschnitt der Arbeit faßt theoretische Forschungsansätze zusammen, die verschiedenen
Bereichen der Sozialwissenschaft entstammen (Soziologie, Sozialgeographie, Ökonomie, Regio-
nalwissenschaft). Sie sind als wissenschaftlicher Bezugsrahmen für eine Stadtentwicklungspo-
litik geeignet, die sich am Leitbild einer weitgehenden „Chancengleichheit" für die Bevölkerung
orientiert.
~ Zur Einführung in dieses theoretische Konzept werden Ansätze der aktionsräumlichen For-
schung behandelt, die sich auf die Struktur des städtischen Lebensraumes beziehen. Dieser
ist als komplexes Phänomen anzusehen, das aus der Überlagerung von objektiven Komponen-
ten (objektiver sozialer Raum) und subjektiven Komponenten (subjektiver sozialer Raum)
resultiert.
~ Die Einflüsse des „sozialen Raums" der Wohnstandorte auf das Verhalten der Bevölkerung
sind im „Modell des sozialbestimmten räumlichen Verhaltens" abgebildet. Dabei wird das
Verhalten als gesellschaftlich kontrollierter „kumulativer" Prozeß zur Befriedigung individuel-
ler Bedürfnisse verstanden, dessen Randbedingungen durch die am Wohnstandort gegebe-
nen Partizipations- und Nutzungschancen der verschiedenen Einrichtungen des Erwerbs-,
Ausbildungs-, Konsum-, Versorgungs-, Kultur- usw. -Bereiches festgelegt sind.
~ Die Aussagen des Modells werden im folgenden auf die in städtischen Wohnquartieren zu
beobachtenden „Prozesse des sozialen Wandels" bezogen. Diese sind Reaktionen der Bevöl-
kerung auf unzureichende Lebensbedingungen ihrer Wohnstandorte.
~ Aus der Konkurrenz um die Wohnstandorte resultieren charakteristische Verteilungsmuster
von Bevölkerungsgruppen mit bestimmten sozialen und demographischen Merkmalen auf
Wohnstandorte mit bestimmten Umweltbedingungen. Durch den Vergleich beider Merkmals-
gruppen sind die im Verteilungsprozeß der hochrangigen Wohnstandorte benachteiligten
Gruppen der Bevölkerung zu erfassen, ebenso ergeben sich die entsprechenden Defizite be-
züglich der an ihren Wohnstandorten gebotenen „Lebenschancen".
~ Es werden somit „stadtentwicklungspolitische Problemlagen" offensichtlich, zu deren
Lösung die Hypothesen zum Modell sozialbestimmten räumlichen Verhaltens Anhaltspunkte
bieten.
~ Eine Voraussetzung zur hinreichend genauen Kenntnis der „Problemlagen" sowie zur Wir-
kungsanalyse und zur Kontrolle der getroffenen Maßnahmen bildet die implementation eines
Informationssystems für die Stadtplanung. Sein Output sind „soziale Indikatoren" zur Mes-
sung der Lebensbedingungen und zur Erfassung von Veränderungen in der Stadtstruktur.
„Ingeneral it appears that an individual in zone 6 makes a larger contribution to the output of
the behavior setting than an individual in zones 5, 4, 3, 2 or 1, in descending order. In business
firms, the line between zones 4 and 3 is the boundary between the business and its customers.
Occupants of zone 3 interact to some extent with occupants of zones 4, 5 and 6; occupants of
zone 2evidently play a passive role exept for expressing approval or other reactions to the perfor-
mances of occupants of zone 6, 5, and 4" (K. A. FOX, 1974, S. 18).
Die Funktion von Behavior Settings und die Aktivitäten von „Performers" der höheren Rangstufe
werden von „Kontrollorganen" des sozialen Systems überwacht. Diese „Controlling Settings",
denen nach R. BARKER zumeist das Organisationsprinzip von Aufsichtsräten zugrundeliegt, ge-
hören verschiedenen sozialen „Autoritätsbereichen" (Authority Systems) an: (1) Wirtschaft, (2)
Kirche, (3) staatliche Verwaltung, (4) Schulen, (5) Vereinen (Vereinigungen) auf der Basis freiwilli-
ger Mitgliedschaft sowie (6) — nach K. A. FOX in Ergänzung zu R. BARKER —Familie.
Behavior Settings als „Stationen" des sozialen Raumes sind also örtliche Einheiten, denen be-
stimmte baulich-räumliche Bedingungen sowie konstante vorhersagbare Verhaltens- und Hand-
lungsmuster zugeordnet werden können. Die in jüngerer Zeit immer bedeutsamere Forschungs-
richtung des „Behavior Setting Research" versucht die für den städtischen Lebensraum relevan-
ten Typen von Behavior Settings zu erfassen und ihr Funktionieren (Beziehungen zwischen
baulich-räumlichen Strukturen und sozialem Handeln) zu analysieren (H. ZINN, 1978).
Das raum-zeitliche Anordnungsmuster der Behavior Settings im sozialen Raum wird von
T. HÄGERSTRAND (1977) erfaßt. Er bildet den objektiven sozialen Raum (als Aktionsraum) in
einem dreidimensionalen Koordinatensystem ab, in dem zwei Dimensionen den geographischen
Raum „aufspannen" und die dritte Dimension die Zeitachse darstellt. In diesem Koordinaten-
system sind die Aktivitätenmuster der Individuen in Form von „Raum-Zeit-Pfaden" dargestellt,
die sich konstituieren aus:
(„
~ den Behavior Settings Stationen" ), die im Rahmen der Durchführung eines Aktivitätenpro-
grammes (z. B. innerhalb eines Tages) aufgesucht werden (z. B. Arbeitsstätten, Ausbildungs-
stätten, Freizeiteinrichtungen) und den entsprechenden Aktionszeiten sowie
~ aus den Interaktlonen zwischen den Stationen und den hierfür benötigten lnteraktionszeiten.
Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für den Verlauf solcher Aktivitätenprogramme im Kontinuum von
Raum und Zeit. Hier repräsentiert die Fläche a b c d den städtischen Lebensraum im Einzugsge-
biet eines Wohnstandortes, die senkrechte Zeitachse dieses Koordinatensystems ist in die
24 Tagesstunden unterteilt. Dargestellt sind charakteristische Tagesprogramme von Mitgliedern
eines Haushaltes:
~ der Vater verläßt die Wohnung zuerst, pendelt zum Arbeitsplatz, wo er sich den ganzen Tag
über aufhält, und kehrt erst abends nach Hause zurück;
~ ein Kind besucht am Vormittag die Schule, kommt mittags zum Essen nach Hause zurück und
verbringt den Nachmittag wieder in der Schule;
~ die Mutter und das kleinere Kind des Haushaltes verbringen den Vormittag in der Wohnung,
besuchen nachmittags das regionale Einkaufszentrum, sind aber rechtzeitig zur Rückkunft
des Schulkindes wieder daheim.
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Mit Hilfe solcher Raum-Zeit-Diagramme können nicht nur konkrete Aktivitätenprogramme abge-
bildet werden, es ist auch möglich, Aktionsräume festzustellen, als mögliche Aktivitätenkombi-
nationen (Optionen), die einer Person an einem bestimmten Wohnstandort in der Stadt offenste-
hen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Struktur des Aktivitätenprogrammes einer jeden
Person entscheidend von vorrangigen Tätigkeiten bestimmt wird, die in hohem Maß an be-
stimmte Standorte des Stadtgebietes und an bestimmte Tageszeiten gebunden sind. Es handelt
sich dabei einerseits um Tätigkeiten zur Befriedigung der biologisch. physiologischen Grundbe-
dürfnisse (wie z. B. „Schlafen", die vorwiegend in der Wohnung durchgeführt werden), anderer-
seits um Tätigkeiten im Berufs- oder Ausbildungsbereich (die auf den Standorten der Betriebs-
stätten, Schulklassen usw. stattfinden). Die zeitliche Dauer dieser vorrangigen Tätigkeiten sowie
die Erreichbarkeit der entsprechenden „Behavior Settings" (Wohn-, Arbeitsstätten usw. ) bestim-
men die Größe der „Zeitfenster", die für andere Aktivitäten (z. B. im Freizeitbereich) verbleiben.
Berücksichtigt man zusätzlich die räumliche Dimension, so ergibt sich ein Raum. Zeit. Prisma,
innerhalb dessen Grenzen die Standorte derjenigen Behavior Settings für das Aktivitätenpro-
gramm (z. B. Freizeiteinrichtungen) liegen, die in der „freien Zeit" zwischen den „fixen"Aktivi-
täten (bzw. ihren Behavior Settings) erreicht werden können.
Ein Beispiel für ein solches Raum-Zeit-Prisma ist in Abbildung 2 dargestellt (nach T. HÄGER-
STRAND, 1970). Hier wird der früheste Zeitpunkt für das Verlassen der Wohnung mit A gekenn-
zeichnet, der späteste Zeitpunkt für die Rückkehr mit Z. Innerhalb des Zeitintervalls T müssen
die nicht wohnungsbezogenen Aktivitäten sowie die Interaktionen (zu Fuß, im öffentlichen oder
im lndividualverkehr) zu den Standorten der entsprechenden Behavior Settings durchgeführt wer-
den. Im vorliegenden Beispiel werden vier solche Behavior Settings angenommen, sie sind im
Raum-Zeit-Diagramm als Bündel eingezeichnet, deren Lage in der Raum-Achse (der „Raum" ist
hier, im Gegensatz zu Abbildung 1, auf eine Dimension reduziert) ihre geographische Position
im Wohnumfeld markiert, während die Zeitdauer der jeweiligen Aktivitäten durch die Erstreckung
der Bündel in Richtung der Zeitachse zum Ausdruck kommt. Innerhalb dieses Raum-Zeit-Prismas
können von einer betrachteten Person die Behavior Settings 1, 2 oder 3 alternativ aufgesucht wer-
den, ebenso ist die „Koppelung" von Aktivitäten in 1 und 3 möglich. Nicht möglich sind die Abfol-
—
gen 1 2 (weil sich die „Benutzungszeiten" der Behavior Settings überschneiden) und 2 3 (weil —
die Überwindung der Distanz zwischen 2 und 3 eine höhere als die maximal mögliche Fortbewe-
gungsgeschwindigkeit erfordern würde). Das Behavior Setting 4 kann nicht aufgesucht werden,
weil das Ende der Benutzungszeit außerhalb des potentiellen Aktionsraumes liegt.
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Durch die Erfassung des „objektiven potentiellen Aktionsraumes" nach den von T. HÄGER-
STRAND und den Geographen der LUND-Schule entwickelten Methoden kann der für einen Stadt-
bewohner von einem bestimmten Wohnstandort aus physisch erreichbare Umweltsbereich abge-
grenzt werden. Es ergeben sich somit die äußersten Grenzen des Stadtgebietes, das für das be-
treffende Individuum als sozialer Raum in Frage kommt.
Neben den im HÄGERSTRAND-Modell abgebildeten Restriktionen der „Erreichbarkeits"- bzw.
der „Koppelungsbedingungen" im „Raum-Zeit-Prisma" wird der objektive soziale Raum auch
noch durch zusätzliche Restriktionen eingeschränkt. Vor allem durch die „Zutrittsbedlngungen"
der Behavior Settings, etwa in Form von für die Partizipation erforderlichen Inputfaktoren, wie
Qualifikation, eigentumsrechtliche Bedingungen, Eintrittspreise usw. Diese „Zutrittsbedingun-
gen" hängen oft von der Zahl der Nachfrager ab, die um die Partizipation an den Behavior Settings
konkurrieren.
Somit bilden „Erreichbarkeits-, Koppelungs- und Zutrittsbedingungen" die wesentlichen Deter-
minanten des objektiven sozialen Raumes (oder des „Handlungsspielraumes" der Wohnstand-
orte, siehe J. STEINBACH, 1980) von denen die Menge der Tätigkeiten (Aktivitätenmuster) ab-
hängt, die auf einem Wohnstandort des Stadtgebietes bzw. von diesem Wohnstandort aus prinzi-
piell durchgeführt werden können.
Diese Determinanten des objektiven sozialen Raumes sind nach einer von G. PALME und
J. STEINBACH (1978) entwickelten Methode zu messen. Nach dieser Methode bestimmen die Er-
reichbarkeits-, Koppelungs- und Zutrittsbedingungen die an einem Wohnstandort gegebenen
Chancen zur Partizipation an Behavior Settings.
Solche, den verschiedenen Lebensbereichen zugeordnete Behavior Settings sind etwa Arbeits-
plätze, Schulplätze, praktische Ärzte, Fachärzte usw. Die Partizipationschancen werden z. T.
sozialgruppenbezogen ermittelt (z. B. die Chancen von Arbeitskräften mit der Qualifikation
„Pflichtschulausbildung" auf einen Arbeitsplatz des entsprechenden Qualifikationsniveaus).
Sie hängen ab von:
—der Anzahl und der Kapazität der Behavior Settings des betrachteten Typs an den Wohnorten
selbst sowie in ihrer unmittelbaren Umgebung,
—den aufzuwendenden Fahrzeiten im öffentlichen bzw. im individuellen Nahverkehr, sowie ge-
gebenenfalls von
—der Zahl der konkurrierenden Nachfrager, z. B. der um einen Arbeitsplatz konkurrierenden
Arbeitnehmer.
Die Kritik an diesen methodischen Ansätzen zur Erfassung des subjektiven Handlungsraumes
stützt sich auf die folgenden Haupteinwände (T. E. BUNTING, L. GUELKE, 1979):
1. stellt sich das Problem, ob es mit den dargestellten Methoden überhaupt möglich ist, das Vor-
stellungsbild des einzelnen von seiner Wohnumwelt in genügender Genauigkeit zu erfassen.
Bezüglich der verschiedenen Befragungs-Techniken wird bezweifelt, daß die betroffenen Per-
sonen dazu bereit oder auch überhaupt in der Lage sind, ihre eigentlichen Vorstellungen und
Wünsche an Außenstehende zu offenbaren. Bezüglich der Analyse des Wahlverhaltens ist zu
bedenken, ob die eigentlichen Wünsche und Bedürfnisse aufgrund äußerer Zwänge im beob-
achteten Verhalten überhaupt zum Ausdruck kommen können.
2. wird eingewendet, daß es auch bei genauer Kenntnis der „wahren" Vorstellungsbilder eines
Individuums von seiner Wohnumwelt nicht möglich ist, hinreichend exakte Aussagen über
den Einfluß dieser Vorstellungsbilder auf das individuelle Handeln zu treffen: eindeutige und
direkte Beziehungen, wie sie oft intuitiv unterstellt werden, sind in der Realität kaum nachzu-
weisen: „Moreover, the large volume of research on the environmental perception images and
preferences of individuals and groups has furnished no real understanding of actual behavior
patterns" (T. E. BUNTING, L. GUELKE, 1979, S. 460).
10
können genannt werden: technische Geräte, besonders Kraftfahrzeuge, die Wohnung mit
ihren Ausstattungselementen und schließlich — wie noch ausführlich zu zeigen sein wird-
der Wohnstandort selbst. Fixe lnputfaktoren der Kategorie „Humankapital" sind persönliche
Eigenschaften, die die Voraussetzung zur Übernahme von sozialen Rollen bilden. So sind etwa
Fertigkeiten, die im Rahmen der beruflichen Ausbildung erworben werden, fixe lnputfaktoren
zur Erfüllung von Schlüsselrollen der folgenden Lebensabschnitte (ihre Anwendung wird
durch Zeugnisse oder Befugnisse legitimiert).
8. Zur Erhaltung bzw. zur Vermehrung der fixen lnputfaktoren beider Kategorien sind ständige
Re- und Nettoinvestitionen notwendig, und zwar an variablen Inputfaktoren aus Sachkapital
(das ist vor allem Einkommen aus Arbeit bzw. aus Transferzahlungen) sowie an variablen In-
putfaktoren aus Humankapital (das sind vor allem „Leistungseinheiten an Handlungsener-
gie" sowie die Einsatzmenge „Zeit").
Diese hier skizzierten Hypothesen aus den Wissensbereichen der soziologischen Rollentheorie,
der psychologischen Bedürfnistheorie sowie der ökonomischen Theorie des Humankapitals
bauen das „Grundmodell" des individuellen Verhaltens auf.
Zur Berücksichtigung der räumlichen Einflußfaktoren des individuellen Verhaltens wird dieses
Grundmodell schrittweise erweitert. Dabei liegen die folgenden Hypothesen bezüglich der Funk-
tion von Wohnstandorten als fixe Inputfaktoren der Kategorie „Sachkapital" zugrunde.
1. Die „Produktion" und der Austausch von persönlichen Ressourcen erfolgt in „Behavior Set.
tings". Das sind —wie schon dargelegt — Einheiten der menschlichen Umwelt, in denen Per-
sonen als Ausführende von komplementären rollenspezifischen Tätigkeiten mit Elementen
des „Sachsystems" als „Funktionseinheiten" kombiniert sind. Eine solche „Funktionsein-
heit" verfügt (im Sinne von K. J. LANCASTER) über „aktivierbare Eigenschaften", die die Tätig-
keitenprogramme des „Behavior Settings" bestimmen.
2. Zur Ausübung bestimmter sozialer Rollen bildet also die Partizipation an bestimmten Beha-
vior Settings die unbedingte Voraussetzung. Die Partizipationschancen (oder die Partizipa-
tionswahrscheinlichkeiten) hängen (wie gezeigt) von Zutritts-, Erreichbarkeits- und Koppe-
lungsbedingungen ab; sie werden vom objektiven und subjektiven sozialen Raum des Wohn-
standortes bestimmt. Der soziale Raum des Wohnstandortes bildet aber nicht nur den Rah-
men für die im gegenwärtigen Lebensabschnitt durchzuführenden Tätigkeiten, sondern be-
stimmt (im Falle des Verbleibs auf dem Wohnstandort) auch die zukünftigen Tätigkeitenpro-
gramme. Er bestimmt insbesondere die Aufstiegsmöglichkeiten im sozialen System, also die
Chancen zum Wechsel der „Schlüsselrollen", und legt somit die Randbedingungen fest, de-
nen die Prozesse zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse an den verschiedenen Stand-
orten unterworfen sind. Durch die Berücksichtigung des sozialen Raumes im theoretischen
Modell des individuellen Verhaltens wird der entscheidenden Funktion des Wohnstandortes
als fixen Inputfaktor Rechnung getragen.
Mit einem Modell, das auf den hier angeführten Hypothesen aufbaut (die Modellstruktur kommt
in Abbildung 3 zur Darstellung), läßt sich einerseits ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
dem sozialbestimmten räumlichen Verhalten und den Maßnahmen der Stadtentwicklungspla-
nung herstellen. Andererseits bietet der theoretische Modellansatz auch einen Einstieg zur Erfas-
sung der Auswirkungen von nicht unmittelbar standortbezogenen Maßnahmen der staatlichen
Wirtschafts- und Sozialpolitik auf die Wachstums- und Verfallsprozesse persönlicher
Ressourcen.
Nach dem dargestellten Modell bestimmt der soziale Raum (oder der standörtliche Handlungs-
spielraum) des Wohnstandortes als fixer Inputfaktor die gegenwärtigen und zukünftigen Tätig-
keitenmuster der Einwohner. Daher bildet für die Übernahme von neuen sozialen Rollen vielfach
der Wechsel auf einem Wohnstandort, dessen sozialer Raum für die Durchführung der neuen Tä-
tigkeitenmuster besser geeignet ist, eine wesentliche Voraussetzung. Die wichtigsten Bestim-
mungsgründe für eine solche (intra- oder interurbane) Migration sind:
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12
1. der Wechsel der sozialen „Schlüsselrolle", z. B. der Übertritt von der Ausbildungsphase in das
Berufsleben oder das Streben nach dem Aufstieg in der beruflichen Hierarchie. Abbildung 4
zeigt beispielhaft den Verlauf der beruflichen Karriere für männliche Arbeitskräfte mit dem
Qualifikationsniveau „höhere Schulbildung Allgemeinbildende —
Höhere Schule". Vielfach
ist für den beruflichen Aufstieg etwa vom mittleren zum qualifizierten oder vom qualifizierten
zum leitenden Angestellten der Wechsel auf einen Wohnstandort notwendig, in dessen Ein-
zugsbereich die entsprechenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt geboten werden. Dieser
Wechsel der „Schlüsselrolle" steht oft auch im Zusammenhang mit
2. dem Eintritt in eine neue Phase des Lebens. und Familienzyklus, z. B. durch eigene Haushalts-
führung, Heirat, Geburt eines Kindes, Scheidung, Sterbefall u. a. Eine schematische Darstel-
lung der Phasen im Lebenszyklus (nach M. STAPLETON, 1980) ist in Abbildung 5 enthalten.
Hier sind alle wesentlichen Haushalts- und Familientypen dargestellt, denen eine Person im
Verlaufe ihres Lebens zugehören kann, ebenso die möglichen Übergangsformen zwischen
diesen Typen. In den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus bestehen jeweils spezifische
Erfordernisse an den sozialen Raum des Wohnstandortes. Während z. B. ein jüngeres, berufs-
tätiges und kinderloses Ehepaar oft eine Wohnung im Stadtzentrum in der Nähe von
Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen bevorzugt und geringere Ansprüche an das Ausmaß
der verfügbaren Wohnfläche stellt, gewinnen mit der Geburt von Kindern andere Strukturmerk-
male des sozialen Raumes an Bedeutung, wie:
Einrichtungen der medizinischen Versorgung, Kindergärten, Schulen, natürlicher Erholungs-
raum, größere Wohnfläche u. a. m.
Im Alter, besonders nachdem die Kinder den elterlichen Haushalt verlassen haben, kann es
wieder zu einer Veränderung der Wohnansprüiche kommen (E. JONES, J. EYLES, 1977).
Abbildung 4: Verlauf der beruflichen Karriere für männliche Berufstätige mit dem Qualifikations-
niveau: „Allgemeinbildende Höhere Schule" in 6sterreich
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Abbildung 5: Charakteristische Phasen im Lebenszyklus (nach C. M. STAPLETON, 1980)
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M marriage
DSW divorce, separation, or widowhood.
a Includes those divorced, separated, widowed, or never-married
Neben dem Wunsch nach der Veränderung des Lebensstils bildet unter Umständen auch das
Bestreben zur Erhaltung der bisherigen Lebensbedingungen den Bestimmungsgrund für den
Wechsel des Wohnstandortes. Dies trifft dann zu, wenn sich der soziale Raum des Wohnstand-
ortes verändert, etwa durch das Abkommen von Einrichtungen der Versorgungsinfrastruktur, den
„Verfall"der Bausubstanz, durch umweltbeeinflussende Industrie- oder Gewerbebetriebe, durch
die Ansiedlung von sozialen Gruppen, die als „störend" empfunden werden, usw. Schließlich
führt auch die „Verdrängung" der Wohnbevölkerung, etwa durch die „Expansion" von „Bürobran-
chen" in zentrumsnahen Wohngebieten, zum (unfreiwilligen) Wechsel des Wohnstandortes.
Die durch diese Bestimmungsgründe initiierte Konkurrenz der Bevölkerung um Wohnstandorte
mit günstigeren Lebensbedingungen verändert die Bevölkerungsstrukturen der innerstädti-
schen Wohnquartiere. Es können „Sukzessionsprozesse" beobachtet werden, die als „zyklische
Stadien des (sozialen) Wandels" (R. D. MC KENZIE, 1924) in ihrer Endphase zu einem mehr oder
minder vollständigen Bevölkerungsaustausch führen. In nordamerikanischen Analysen des Suk-
zessionsprozesses, die sich überwiegend auf das Eindringen von Farbigen in Wohngebiete Wei-
ßer beziehen, werden vier Phasen unterschieden (O. D. DUNCAN; B. DUNCAN, 1957); siehe Abbil-
dung 6 (nach R. J. JOHNSTON, 1971):
~ erstes Eindringen (Penetration): einzelnen Angehörigen einer sozialen Gruppe gelingt es, in
einem Wohnquartier, das überwiegend von Angehörigen einer anderen (z. B. sozial höherran-
gigen) Gruppe besetzt ist, Fuß zu fassen.
~ Invasion: Die Zahl der Eindringlinge steigt langsam an, oft unter dem Widerstand der ansässi-
gen Bevölkerung.
~ Konsolidierung (Sucession): Wenn die Zahl der eindringenden sozialen Gruppe eine be-
stimmte „Toleranzschwelle" überschreitet, verändert sich für die ursprüngliche Wohnbevöl-
kerung die Struktur ihres sozialen Raumes; der Widerstand gegen die Eindringlinge wird
aufgegeben und das „degradierte" Wohnviertel wenn möglich— —
rasch verlassen.
~ Endstadium (Piling up): schließlich ist der nahezu vollständige Austausch der Wohnbevölke-
rung vollzogen, die Angehörigen der ursprünglichen sozialen Gruppen sind nur mehr als „Re-
liktbevölkerung" vorhanden.
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Abbildung 6: Der Verlauf des Sukzessionsprozesses (nach R. J. JOHNSTON, 1971)
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Die Ergebnisse vieler faktorialökologischer Modelle bestätigen (für nordamerikanische und z. T.
auch für westeuropäische Städte) das Auftreten von charakteristischen und regelhaft verbreite-
ten Strukturmerkmalen innerstädtischer Wohnquartiere. Die Strukturmerkmale werden durch
drei „Grunddimensionen" gemessen. Diese repräsentieren bestimmte „Bündel" von Variablen,
die innerhalb des Stadtgebietes ähnliche Verteilungsmuster aufzuweisen haben.
Diese Grunddimensionen der Faktorialökologie werden von folgenden Variablen gebildet:
— der ausgeübte Beruf, die Schulbildung, das Mietniveau u. a. beschreiben die Grunddimension
des „sozioökonomischen Status";
—die Geburtenhäufigkeit, die Erwerbstätigkeit der Frauen sowie Kennziffern der Haushalts-
struktur u. a. bestimmen den „Verstädterungsgrad",
—Anteile von rassischen und ethnischen Minderheiten den „Segregationsgrad".
Hinsichtlich der räumlichen Verbreitung dieser Grunddimensionen zeigt es sich, daß die Merk-
malskombination des „sozioökonomischen Status" eher zur sektoralen Verbreitung tendiert,
während für die Variablen des „Verstädterungsgrades" vorwiegend zonale Variationen festge-
stellt wurden. Wohnquartiere, in denen die Variablen der Grunddimension „Segregationsgrad"
besonders ausgeprägt sind, verteilen sich in der Regel „punktförmig" im Stadtgebiet (R. A. MUR-
DIE, 1971).
SHEVKY und BELL nehmen an, daß diese Dimensionen der soziodemographischen Struktur auf
drei grundlegende Prozesse der Gesellschaftsentwicklung von der Agrar- zur Industriegesell-
schaft zurückzuführen sind:
1. Veränderungen der Hierarchie sozialer Schlüsselrollen (vor allem die Differenzierung und Spe-
zialisierung der Berufe)— gemessen durch die Dimension des sozioökonomischen Status—
beeinflussen die Reichweite und die Intensität der zwischenmenschlichen Beziehungen.
2. Veränderungen der „Organisation der Produktion" (J. FRIEDERICHS, 1977) gemessen durch
die Dimension Verstädterungsgrad —führen zur Auflösung der (bäuerlichen) Großfamilie und
zur Dislokation von ursprünglich an einen Haushalt gebundenen Funktionen.
tät". Ausgehend von dieser interpretation der Grunddimensionen der „SocialArea Analyses"
können
2. die Hypothesen des „Modells des sozialbestimmten räumlichen Verhaltens" zur Beschrei-
bung des Zusammenhanges zwischen sozialer und räumlicher Organisation der Gesellschaft
angewendet werden:
Die Verteilung bestimmter Gruppen der Bevölkerung —
(abgebildet durch die Dimensionen
der „SocialArea Analysis") —
auf Wohnstandorte mit bestimmter Struktur des „sozialen Rau-
mes" (abgebildet durch lndikatoren der Partizipationschancen an den Behavior Settings der
Wohnumwelt) leitet sich aus den in diesem Modell beschriebenen Verhaltensprozessen ab:
16
bekanntlich (siehe Abschnitt 2.3) wird im „Modell des sozialbestimmten räumlichen Verhal-
tens" den Wohnstandorten (bzw. ihrem sozialen Raum) die Funktion von „fixenlnputfaktoren"
in die Schlüssel- und Folgerollen der Bevölkerung beigemessen; von ihrer Verfügbarkeit hängt
die Realisierung persönlicher Bedürfnisse wesentlich ab, ebenso die Chance zum zukünftigen
sozialen Aufstieg. Daher sind „hochrangige" Wohnstandorte, deren „sozialer Raum" die Par-
tizipation an einer größeren Anzahl präferierter Behavior Settings zuläßt, in der Regel „knappe
Güter", die auf dem Wohnungsmarkt zu entsprechend hohen Preisen gehandelt werden. Aus
dem Vergleich der durchschnittlichen Ausprägung der Indikatoren des sozialen Raumes für
die verschiedenen Bevölkerungsgruppen wird das Ausmaß der Benachteiligung von Einwoh-
nern ersichtlich, die wegen ihrer geringen Verfügbarkeit über Sach- und Humankapital aus
der Konkurrenz um die hochrangigen Wohnstandorte ausscheiden.
Wegen der mangelhaften Ausstattung des „sozialen Raumes" ihrer Wohnstandorte können
diese Gruppen der Bevölkerung bestimmte Aktivitäten bzw. soziale Rollen überhaupt nicht
oder nur unter großen (besonders zeitlichen und finanziellen) Aufwänden ausüben. Sind davon
soziale Schlüsselrollen (z. B. des Berufs- und Ausbildungsbereiches) betroffen, so ist auch
eine zukünftige Vermehrung der persönlichen Ressourcen an Sach- und Humankapital weit-
gehend unmöglich. Dadurch sind die Chancen auf einen günstigeren Wohnstandort ohne we-
sentliche Eingriffe der Stadtentwicklungspolitik weiterhin gering, die soziale und demogra-
phische Segregation der Bevölkerung bleibt erhalten, bzw. verstärkt sich noch zusätzlich.
Nach dem theoretischen Modell bilden die verschiedenen Aktivitäten der sozialen Mitglieds-
rolle einer Person ein auf Wechselwirkung beruhendes dynamisches System, das auf die Be-
friedigung der individuellen Bedürfnisse ausgerichet ist. Wenn bestimmte Aktivitäten dieses
Systems (etwa die Schlüsselrollen des Berufs- und Ausbildungsbereiches) aufgrund fehlen-
der Partizipationschancen am Wohnstandort nicht ausgeführt werden können, so sind davon
auch die übrigen Tätigkeitsbereiche (z. B. des Erholungs- und kulturellen Bereiches) betroffen.
Aus einer weiterführenden Interpretation dieses Vergleiches der Lebenschancen von Wohn-
standorten können auch diese „Sekundäreffekte" bezüglich des Verhaltens der betroffenen
Bewohner erkannt werden.
Somit ergeben sich aus dem dargestellten theoretischen Konzept Ansatzpunkte für standort-
bezogene Maßnahmen zur Verhinderung des „kumulativen Verfalls" der persönlichen Res-
sourcen der Bewohner von Wohnstandorten mit unzureichend ausgestatteten „sozialen Räu-
men":
a) Investitionen in den Wohnungsbau sowie in die „soziale Infrastruktur" zur Verbesserung
der Ausstattung des Wohnumfeldes und direkte Subventionen an die betroffene Bevölke-
rung.
b) Investitionen und organisatorische Verbesserungen bezüglich der Verkehrsinfrastruktur
als Maßnahmen zur Verbesserung der Erreichbarkeits- bzw. Koppelungsbedingungen und
zur Erweiterung der sozialen Räume von Wohnstandorten.
Gleichzeitig können auch die Effekte des Zusammenwirkens der standortbezogenen Maßnah-
men mit den nicht unmittelbar raumbezogenen Maßnahmen der staatlichen Wirtschafts- und
Sozialpolitik abgeschätzt werden.
Allerdings setzt ein solcher Vergleich der Ausstattung des sozialen Raumes von Wohnstand-
orten mit den persönlichen Ressourcen und den Verhaltensmustern ihrer Bewohner die Ver-
fügbarkeit über ein statistisches Datenmaterial voraus, das derzeit nur ansatzweise existiert.
17
Analog zur Struktur des „Modells des sozialbestimmten räumlichen Verhaltens" sind Input- und
Outputindikatoren sowie objektive und subjektive Indikatoren zu unterscheiden (R. THOSS,
1974):
~ Objektive lnputindikatoren bilden etwa die Struktur objektiver sozialer Räume ab oder objektiv
meßbare persönliche Ressourcen der Wohnbevölkerung an Humankapital (z. B. das berufli-
che Qualifikationsniveau) und Sachkapital (z. B. die Einkommensverhältnisse). Hingegen be-
werten subjektive Inputindikatoren den subjektiven Nützlichkeits- oder Präferenzgrad be-
stimmter objektiver Tatbestände für die betroffene Wohnbevölkerung. Subjektive lnputindika-
toren sind also z. B. Indikatoren des subjektiven „sozialen Raumes".
~ Objektive Outputindikatoren beziehen sich zum Beispiel auf die Gewinne bzw. Verluste an
Sach- und Humankapital (Einkommenszuwächse, Erhöhung des Qualifikationsniveaus, Ver-
änderungen im Gesundheitszustand) oder auf Veränderungen in den Strukturen sozialer Räu-
me; sie messen also den „objektiven" Output von Tätigkeiten der sozialen Mitgliedsrolle. Ana-
log zu den lnputindikatoren bewerten subjektive Outputindikatoren den subjektiven Nutzen,
der den betroffenen Einwohnern aus ihren Tätigkeitssystemen erwächst.
Die Schwierigkeiten der Messung der sozialen lndikatoren nehmen allgemein von den inputindi-
katoren (vielfach Daten aus der amtlichen Statistik) zu den Nutzenindikatoren (meist selbst „er-
zeugte" Daten, z. B. Ergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen) monoton zu. Da zudem be-
züglich der subjektiven indikatoren die größeren Theoriedefizite bestehen (siehe Abschnitt 2.2.2),
sollte bei der Konzeption eines Systems sozialer lndikatoren für die Stadtplanung zunächst das
Schwergewicht auf den objektiven Indikatoren liegen.
Soziale lndikatoren, wie sie im Rahmen der folgenden empirischen Untersuchung bezüglich der
Zusammenhänge zwischen Sozialstruktur, Wohnungsverhältnissen und Wohnumwelt darge-
stellt werden, sollten für die planende Verwaltung als wesentliche Entscheidungsgrundlage je-
derzeit verfügbar sein. Dazu ist die Einrichtung eines EDV-gestützten lnformationssystems not-
wendig, das aus
— einer „Datenbank" besteht, die notwendige statistische Grunddaten für möglichst kleine
räumliche Bezugseinheiten (Baublock, Zählgebiet) zusammenfaßt. Diese Daten sollten je-
weils dem neuesten Stand entsprechen. Die Datenbank wird
— durch eine „Modellbank" ergänzt. Diese enthält die Modelle, mit deren Hilfe z. B. die Indi-
katoren des „sozialen Raumes" („Distanzerwartungswerte", Partizipationschancen, u. a.)
errechnet werden.
Betrachtet man die in den folgenden Abschnitten dargestellten Untersuchungsergebnisse, so
drängt sich die Frage auf, welchen Interessen die gegenwärtig verbreitete Ablehnung tiefgreifen-
der statistischer Erhebungen eigentlich dient: mit Hilfe des derzeit verfügbaren (z. T. überdies
schon überalteten) statistischen Datenmaterials kann gerade annähernd gezeigt werden, wie
groß die Benachteiligungen bestimmter Gruppen der Wiener Bevölkerung bezüglich der Woh-
nungs- und Wohnumweltverhältnisse derzeit sind. Fehlende Informationen behindern jedoch die
Konzeption wirksamer stadtentwicklungspolitischer Strategien zur Lösung dieser Problemla-
gen. Eine Stadtentwicklungsplanung, die sich am Leitbild einer weitgehenden „Chancengleich-
heit" orientiert, muß — bei strenger Wahrung des persönlichen Datenschutzes — auf einer ge-
nauen Kenntnis der Lebenssituation der Bewohner der verschiedenen Wohngebiete aufbauen.
Nur so können auch Maßnahmen rechtzeitig erkannt und modifiziert werden, die sich zur Erfül-
lung der Planungsziele nicht eignen (siehe etwa die Aussagen zur Wirkung des Wohnungsverbes-
serungsgesetzes in Abschnitt 8).
18
3. SOZIALSTRUKTUR, WOHNUNGSVERHÄLTNISSE UND WOHNUMWELT
3.1 EINFÜHRUNG
Die Analyse der Sozialstruktur der Wiener Bevölkerung, ihrer Wohnungsverhältnisse sowie ihrer
Wohnumwelt baut auf den dargestellten theoretischen Konzepten auf. Es wird davon ausgegan-
gen, daß der „soziale Raum" (Wohnung und Wohnumwelt) einen wesentlichen und besonders
für den sozialen Aufstieg entscheidenden inputfaktor in die sozialen Mitgliedsrollen der Bevölke-
rung darstellt. „Soziale Räume" sind daher „knappe" Güter, die auf verschiedenen, stark seg-
mentierten (Wohnungs-)Teilmärkten gehandelt werden. Diese Marktmechanismen prägen die
städtische Siedlungsstruktur: den räumlichen Verbreitungsmustern der Bevölkerung nach Merk-
malen des sozioökonomischen Status und der Stellung im Lebens- und Familienzyklus entspre-
chen Verbreitungsmuster von „sozialen Räumen", die durch Wohnungen bestimmter Größe und
Ausstattung sowie durch eine bestimmte Wohnumwelt gekennzeichnet sind.
Aufgabe der vorliegenden Analyse ist die Darstellung dieser Zusammenhänge für das Wiener
Stadtgebiet: Es soll gezeigt werden, wie sich der Wohnungsbestand und die Typen der Wohn-
umwelt auf die verschiedenen sozialen Gruppen verteilen und in welchem Ausmaß sich daraus
Benachteiligungen bezüglich der „Lebenschancen" der Bevölkerung ergeben. Diese Aufgaben-
stellung wird in den folgenden Arbeitsschritten behandelt:
~ Zuerst erfolgt —
unter Anwendung „faktorialökologischer" Methoden — eine Typisierung der
Wiener Wohnstandorte nach dem sozioökonomischen Status der Wohnbevölkerung und ihrer
Stellung im Lebens- und Familienzyklus. Diese Typen der Wohnstandorte bilden die Bezugs-
einheiten der folgenden Untersuchungen.
~ Sodann wird die Verteilung des Wiener Wohnungsbestandes — charakterisiert durch Indika-
toren der Wohnungsgröße und -ausstattung — auf die in den verschiedenen Standorttypen
vorherrschenden sozialen Gruppen analysiert.
~ Im dritten Arbeitsschritt steht die Beziehung zwischen Sozialstruktur und Wohnumwelt im
Mittelpunkt. Dabei wird zunächst ein lndikatorensystem zur Abbildung der Wohnumweltver-
hältnisse dargestellt. Mit diesem lndikatorensystem können die Unterschiede in der Ausstat-
tung der Wohnumwelt, die zwischen den sozialen Gruppen bestehen, abgebildet werden. Ein
aus der Biologie übernommener Forschungsansatz, der sich auf „ökologische Nischen" be-
zieht, ermöglicht die Erfassung des „Bindungsgrades" der sozialen Gruppen an bestimmte
Typen der Wohnumwelt sowie des Ausmaßes der „Anpassung" an die durchschnittlichen
Wohnumweltverhältnisse in Wien.
~ Schließlich werden die Ergebnisse dieser Analysen der Sozialstruktur, der Wohnungs- und
Wohnumweltverhältnise mit den Veränderungen der Zahl der Wohnbevölkerung und ihrer de-
mographischen Struktur zwischen 1971 und 1980 verglichen. Es ergeben sich dadurch An-
haltspunkte bezüglich des „sozialen Wandels" in den Wiener Wohngebieten.
19
3. als Indikatoren der Wohnungsverhältnisse
Anteile der Wohnungen nach den Ausstattungsstufen:
~ „Fließwasser, WC, Bad und (z. T.) Zentralheizung"
~ „Fließwasser, WC"
~ „ohne Fließwasser, bzw. ohne WC" an der Gesamtzahl der Wohnungen
~ durchschnittliche Wohnfläche je Einwohner
Die charakteristischen Kombinations- und Ausprägungsformen dieser Variablen in den Wiener
Zählgebieten wurden mit Hilfe eines Rechenverfahrens aus der „Familie" der Clusteranalysen
ermittelt, wobei sich unter den verschiedenen Varianten dieses methodischen Ansatzes ein so-
genanntes „partielles" Verfahren (KMEANS) als das geeignetste erweist (zur Methode der
Clusteranalyse siehe die kurze Darstellung im Anhang). Ergebnisse dieser Analyse sind Typen
der Zählgebiete nach den räumlichen Verbreitungsmustern der oben genannten Indikatoren.
Allerdings gehen nur die indikatoren des Ausbildungsniveaus und der demographischen Struktur
unmittelbar in die Typenbildung ein. Die lndikatoren der Wohnungsgröße und Wohnungsausstat-
tung bleiben als sogenannte „maskierte" Variable ohne unmittelbaren Einfluß auf das Klassifika-
tionsverfahren, jedoch werden ihre durchschnittlichen Ausprägungen für die errechneten Typen
der Zählgebiete von den Rechenprogrammen ausgewiesen. Durch diese Vorgangsweise können
die zwischen den verschiedenen sozioökonomischen und demographischen Gruppen der Bevöl-
kerung bestehenden Unterschiede in den Wohnungsverhältnissen erfaßt werden.
Die Ergebnisse der Clusteranalyse sind in der Karte 1 zusammengefaßt. Sie enthält „verbale"
Kurzdefinitionen der ermittelten Typen der Zählgebiete und soll den Überblick über die Klassifi-
kationsergebnisse erleichtern. In der Beilage zu Karte 1 werden auch die Rechenergebnisse do-
kumentiert, und zwar in Form von arithmetischen Mittelwerten, die sich jeweils auf die in einem
Strukturtyp zusammengefaßten Zähl gebiete beziehen. Dabei sind diejenigen Kennwerte, die be-
sonders zur Charakterisierung der Typen beitragen, eigens gekennzeichnet.
Die Clusteranalyse der Wiener Zählgebiete ergibt vier Haupttypen von Wohnstandorten nach den
Indikatoren der abgeschlossenen Schulbildung, die sich in unterschiedlicher Weise mit vier
Haupttypen nach der demographischen Struktur kombinieren. Dabei bilden die Haupttypen der
ersten Kategorie die Dimensionen des „sozioökonomischen Status" der „SocialArea Analysis"
ab, die sich auf die Funktionen im Produktionsprozeß, bzw. auf die verfügbaren Inputfaktoren
an Sach- und Humankapital bezieht.
Die Haupttypen der zweiten Kategorie entsprechen der Dimension des „Verstädterungsgrades"
und kennzeichnen die Stellung im Lebens- und Familienzyklus. Somit stellen die Ergebnisse der
Clusteranalyse Kombinationsformen dieser beiden „Grunddimensionen" innerstädtischer Be-
völkerungsstrukturen dar:
1. Ein Haupttyp des sozioökonomischen Status ist gekennzeichnet durch die Dominanz von An-
gehörigen unterer sozialer Schichten, das sind nach den verwendeten indikatoren Einwohner
mit Pflichtschulbildung. Ihr Anteil beträgt in den entsprechenden Klassen von Zählgebieten
zwischen 81 und 87 v. H. der gesamten Einwohner mit abgeschlossener Schulbildung (siehe
Karte 1).
In diesem Haupttyp nach den sozialen Verhältnissen sind Zählgebiete vereinigt, die allen vier
Haupttypen nach der demographischen Bevölkerungsstruktur („Verstädterungsgrad") ange-
hören, sodaß die „Wohngebiete mit Dominanz der Unterschicht" in vier Subtypen nach der
Stellung der Einwohner im Lebens- und Familienzyklus zu untergliedern sind:
Typ 1: Dominanz unterer sozialer Schichten — Überalterung
Hier ist die demographische Struktur gekennzeichnet durch den hohen Anteil alter (über
65-jähriger) Personen, durch die große Zahl der Einpersonenhaushalte, meist Rentner oder
Pensionisten in den Endphasen des Lebenszyklus, sowie durch die unausgeglichene Ge-
schlechtsproportion in der den (alten, alleinstehenden) Frauen ein besonderes Übergewicht
zukommt.
Typ 2: Dominanz unterer sozialer Schichten — durchschnittliche demographische Struktur,
z. T. überdurchschnittlicher Anteil von Einpersonenhaushalten
Typ 3: Dominanz unterer sozialer Schichten — durchschnittliche demographische Struktur,
z. T. unterdurchschnittliche Anteile von Einpersonenhaushalten und alten Einwohnern
Die Typen zwei und drei umfassen Zählgebiete mit „Unterschicht-Charakter", die hinsichtlich
der Positionen ihrer Bewohner im Lebens- und Familienzyklus zumeist dem Wiener Mittel an-
genähert sind, allerdings zeigen bestimmte demographische lndikatoren auch deutliche Ab-
weichungen von den Durchschnittswerten des Wiener Stadtgebietes. So ist der Typ zwei
20
durch den überdurchschnittlichen Anteil von Einpersonenhaushalten (einem Überalterungs-
merkmal) dem Typ eins angenähert, die unterdurchschnittlichen Anteile von Einpersonen-
haushalten und alten Einwohnern des Typ drei weisen auf eine gewisse Affinität zur demo-
graphischen Struktur des folgenden Typs vier hin.
Typ 4: Dominanz unterer sozialer Schichten — „günstige" demographische Struktur
In diesem Typ von Zählgebieten sind die indikatoren für die Stellung im Lebens- und Familien-
zyklus „konträr" zum Typ 1 ausgeprägt und kennzeichnen „günstige" demographische Ver-
hältnisse. Die soziale Mitgliedsrolle der meisten Einwohner wird von Funktionen innerhalb
einer Mehr-Personen-Familie bestimmt, alte Menschen und „Reliktfamilien" treten nur relativ
selten auf.
2. Im zweiten Haupttyp von Wohngebieten nach dem sozioökonomischen Status entsprechen
die Anteile der Angehörigen der drei unterschiedenen Ausbildungsstufen den Wiener Durch-
schnittswerten. Sie liegen für die Einwohner der Ausbildungsstufe: Pflichtschule zwischen
73 und 76 v. H. , für die der Stufe: mittlere Schulbildung zwischen ca. 11 und 12 v. H. und für
die Einwohner mit höherer und Hochschulbildung zwischen 12 und 15 v. H.
Dieser zweite Haupttyp von Wohngebieten nach den lndikatoren des sozioökonomischen Sta-
tus ist mit drei der insgesamt vier Haupttypen nach den indikatoren des Lebens- und Familien-
zyklus kombiniert.
Typ 5: durchschnittliche Verbreitung der sozialen Schichten— Überalterung
Typ 6: durchschnittliche Verbreitung der sozialen Schichten— durchschnittliche demogra.
phische Struktur
Typ 7: durchschnittliche Verbreitung der sozialen Schichten — „günstige" demographische
Struktur
3. Der dritte Haupttyp nach dem sozioökonomischen Status faßt Zählgebiete zusammen, deren
Besatz mit Einwohnern der Ausbildungsstufen: Pflichtschule und Mittlere Schule ebenfalls
nicht besonders vom Wiener Durchschnitt abweicht, allerdings sind die Angehörigen des Bil-
dungsniveaus: höhere und Hochschulbildung (als sozialer Indikator der Oberschicht) in etwas
überdurchschnittlichem Ausmaß vertreten. Die entsprechenden Klassenmittel werte für die
drei Ausbildungsstufen betragen (von der Pflichtschul- über die mittlere zur höheren und
Hochschulbildung): ca. 61 bis 64 v. H. , ca. 13,5 v. H. sowie ca. 24 bis 25 v. H.
Dieser dritte Haupttyp tritt mit zwei der Haupttypen nach der Position der Einwohner im
Lebens- und Familienzyklus zusammen:
Typ 8: durchschnittliche Verbreitung sozialer Schichten bei etwas bedeutenderen Anteilen
der Oberschicht — Überalterung
Typ 9: durchschnittliche Verbreitung sozialer Schichten bei etwas bedeutenderen Anteilen
der Oberschicht — z. T. günstige demographische Struktur
4. Der vierte Haupttyp nach dem sozioökonomischen Status charakterisiert schließlich die „ech-
ten" Wohngebiete der Oberschicht. Hier betragen die v. H. -Anteile der Angehörigen des höch-
sten Bildungsniveaus ca. 35 bis 39 v. H. , während auf die mittlere Schulbildung ca. 13 v. H. ,
auf die Pflichtschulbildung ca. 49 v. H. entfallen. Als einziger der Haupttypen nach dem sozio-
ökonomischen Status ist dieser Oberschicht-Haupttyp hinsichtlich der demographischen
Strukturmerkmale nicht weiter differenziert. In den hier zugehörigen Zählgebieten sind die
Merkmale des Lebens- und Familienzyklus in etwa durchschnittlich ausgeprägt:
Typ 10: Dominanz oberer sozialer Schichten— durchschnittliche demographische Struktur
Die Verteilung der Wiener Wohnbevölkerung auf die dargestellten Typen der Zählgebiete nach
dem sozioökonomischen Status und der Stellung im Lebens- und Familienzyklus für den Zeit-
punkt der Querschnittsanalyse (1971) ist aus Tabelle 4 zu ersehen. Um die Vergleichbarkeit mit
den Daten der „Bevölkerungsevidenz1980" des Magistrats der Stadt Wien zu gewährleisten, wird
hier allerdings nur die inländische Wohnbevölkerung berücksichtigt.
Betrachtet man zunächst die Verteilung der inländischen Wohnbevölkerung Wiens nach den
Haupttypen des sozioökonomischen Status, so zeigt es sich, daß annähernd 50 v. H. der Bevölke-
rung in Zählgebieten leben, die durch das Vorherrschen unterer sozialer Schichten (gemessen
durch den Indikator „Pflichtschulbildung") charakterisiert sind. Etwa 25 v. H. entfallen auf Zähl-
gebiete, deren soziales „Mengungsverhältnis" etwa dem Wiener Durchschnitt entspricht; aller-
dings mit etwas bedeutenderen Anteilen der Oberschicht. Die Wohnquartiere mit Dominanz obe-
rer sozialer Schichten (gemessen durch die dargestellte Ausprägung des Indikators „Höhere und
Hochschulbildung") beherbergen nur etwas weniger als 7 v. H. der inländischen Wohnbevölke-
rung. Ein geringer Rest der Bevölkerung lebt in Zählgebieten mit relativ geringer Wohnnutzung,
die in der vorliegenden Analyse nicht klassifiziert wurden.
21
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22
ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Quelle: Gliederung Wiens J. Steinbach,
Funktionelle Karte 1:
d. MA 18, 1980, Flächennutzvngserhebung
i.A.
SOZIALSTRUKTUR, DEMOGRAPHISCHE STRUKTUR UND WOHNVERHÄLTNISSE
der MA 18 Stand 1975/76 Arbeitsstätten—
zählung 1973, USTZA Volkszählung 1971 Dargestellt sind Typen von Zählgebieten nach der Sozialstruktur, der demographischen Struktur und den
Entwurf: J. Steinbach Wohnverhältnissen der Bevölkerung. Zählgebiete mit vorwiegend betrieblicher Nutzung ("Betriebsge-
Grundkarte . Blockgliederung MD —ADV biete ) smd nicht berucksichtigt
Zählgebietseinteilung sron Wien
Kartographie: IS Institut für Stadtforschvng Wohnungsausstattung:
Typen der Sozialstruktur Demographische Anteil der Wohnungen Wohnfläche
Betriebsgebiete Zöhlgebiete ( Ausbil dungs struktur )
Struktur mit Fließwasser, WC, Bad je Einwohner
z. T. Zentralheizung
( Industrie —,Gewerbe-
und
vnd Dienstleistungsbetriebe )
Oberalterung, hoher
Gewässer
Dominanz unterer sozialer Anteil an Einpersonen-
Unterdurchschnittlich
Unbebautes Gebiet Schichten ( Einwohner mit haushalten, stark Sehr gering
21 —22 m')
(
Pflichtschulbildung ) unausgeglichene
Geschlechtsproportion
Z. T. überdurchschnitt-
Dominanz unterer sozialer licher Anteil von Em-
Unterdurchschnittlich
Schichten ( Einwohner mit personenhaushalten, an- Meist gering
( 21 —22 m')
Pf licht schulbildung ) sonsten durchschnittliche
Merkmalausprögung
Z. T. unterdurchschnitt-
Dominanz unterer sozialer liche Anteile von Ein-
personenhaushalten und Unterdurchschnittlich
Schichten Einwohner mit Unterschiedlich
(21 —23 m')
(
l H Durchschnittliche
malausprögung
schnitt von
(
ent-
sprechend dem Durch-
Wien)
Merk- Oberalterung, hoher Anteil
an Empersonenhaushalten,
stark unausgeglichene
Geschlechtsproportion
Meist
unterdurchschnittlich
Durchschnittlich
(
27 —28 m')
l
H Durchschnittliche
malausprögung ( ent-
sprechend dem Durch-
schnitt von Wien)
Merk-
Durchschnittliche
Merkmalausprögung
H
Oberalterung, überdurch-
Dominanz oberer sozialer schnittlicher Anteil an
Schichten ( Einwohner mit Überdurchschnittlich
Einpersonenhaushalten, Überdurchschnittlich
Mitt)erer-, Höherer- und ( 33 —34 m')
starke unausgeglichene
Hoc hschulbildung ) Geschlechtsproportion
H
Z. T. unterdurchschnitt-
"VA Dominanz oberer sozialer
o licher Anteil an Einper-
Überdurchschnittlich
Schichten (Einwohner mit sonenhaushalten und Sehr ho«h
Mittlerer Höherer und alten Einwohnern, (30m')
Hoc hschulbildung ) weniger unausgeglichene
Geschlechts ro ortion
H~HH
H
Starke Dominanz oberer
Maßstab 1:100000 sozialer Schichten ( Ein-
Durchschnittliche Überdurchschnittlich
wohner mit Mittlerer -, Sehr hoch
0 1km 2 3 4 5 Merkmalausprögung ( 35 —41 rn')
Höherer - und Hochschul-
bildung
In der Bilanz der Wohnbevölkerung nach den Haupttypen der Positionen im Lebens- und Fami ~
lienzyklus entfallen auf die Zählgebiete mit „Tendenz zur Überalterung" sowie auf die Zählgebie-
te mit „durchschnittlicher demographischer Bevölkerungsstruktur und einzelnen Überalterungs-
merkmalen" Bevölkerungsanteile von jeweils ca. 35 v. H. Nicht ganz 18. v. H. der Bevölkerung
sind den durch die Merkmalskombination „durchschnittliche demographische Bevölkerungs-
struktur, z. T. günstige Strukturmerkmale" gekennzeichneten Zählgebietstypen zugeordnet. Ins-
gesamt 12 v. H. der inländischen Wohnbevölkerung lebt in Wohnquartieren mit „günstiger demo-
graphischer Struktur", also mit dem Vorherrschen von Personen in relativ frühen Phasen des
Lebens- und Familienzyklus.
Es kann somit in Wien eine deutliche Segregation der Wohnbevölkerung sowohl nach dem sozio-
ökonomischen Status als auch nach der Position der Einwohner im Lebens- und Familienzyklus
beobachtet werden.
2. Im Gegensatz zur Wohnungsausstattung, die mit der Stellung im Lebens- und Familienzyklus
korreliert, variiert die Wohnungsgröße (gemessen durch den Indikator: Wohnfläche je Einwoh-
ner) unabhängig von den demographischen Strukturmerkmalen mit dem sozioökonomischen
Status der Wohnbevölkerung. Die durchschnittliche Wohnfläche je Einwohner beträgt in:
~ Unterschicht-Wohngebieten 21 bis 23 m'
~ in Wohngebieten mit durchschnittlich ausgeprägter Sozialstruktur 23, in Neubaugebieten
bis 28m'
~ in Wohngebieten mit durchschnittlich ausgeprägter Sozialstruktur und etwas bedeutende-
ren Anteilen der Oberschicht 30 bis 34 m'
~ in Oberschicht-Wohngebieten 35 bis 41 m'.
') Allerdings sind hier die Auswirkungen der Wohnungsverbesserungsgesetze (seit 1971) noch nicht berück-
sichtigt, da die verarbeiteten Daten der Häuser- und Wohnungszählung entstammen. Es ist nachzuweisen,
daB die seither erfolgten Verbesserungen der Wohnungsausstattung (mit NaBanlagen) vorwiegend die Alt-
baubereiche mit ausgeglichener Sozialstruktur (weniger die Unterschicht-Viertel) betreffen (T. HEINZE,
1980, siehe auch Abschnitt 8).
23
Aus den Ergebnissen der Clusteranalyse der Wiener Zählgebiete nach den lndikatoren des sozio-
ökonomischen Status und der Position im Lebens- und Familienzyklus sowie nach den lndikato-
ren der Wohnverhältnisse läßt sich also deutlich zeigen, daß:
1. der kommunale und ein Gutteil des privatwirtschaftlichen Wohnbaus zwar die sozialen Dispa-
ritäten hinsichtlich der Wohnungsausstattung (mit Naßanlagen) zu verringern vermochte,
nicht hingegen die Benachteiligungen hinsichtlich der Wohnungsgröße;
2. Ansprüche an die Wohnungsausstattung vor allem in den frühen Phasen des Lebens- und Fa-
milienzyklus realisiert werden, wobei diese Investitionen offenbar auch für Einwohner mit ge-
ringer Verfügbarkeit an persönlichen Ressourcen vordring lieh sind. Hingegen sind die Anfor-
derungen an die Größe der Wohnung vorwiegend nur für die Oberschicht erfüllt, die jüngeren,
kinderreichen Familien der Unterschicht bleiben benachteiligt;
3. besonders im dicht verbauten Stadtgebiet eine große Zahl von Wohnungen besteht, die hin-
sichtlich ihrer Größe und/oder Ausstattung weit unter dem Durchschnitt liegen. Diese werden
vorwiegend von Angehörigen der Unterschicht bewohnt.
24
jenigen Teilbereiche des Aktionsraumes der Wohnstandorte, die zu Fuß erreicht werden
können').
Zur Begrenzung des „fußläufigen" Einzugsbereiches eines Wohnstandortes (Zählgebietes) wird
eine Gehzeit von maximal 10 Minuten angenommen; ein solcher Wegaufwand zur Besorgung der
Güter und Dienste des täglichen Bedarfes bildet für die Mehrzahl der Haushalte keine besondere
Belastung. Die Ausstattung der so definierten Wohnumwelt mit den entsprechenden
Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen wird durch verschiedene lndikatoren erfaßt:
~ Der erste dieser Indikatoren bezieht sich auf die „Einzelhandelsbetriebe des täglichen Bedar-
fes" und mißt die Zahl der Beschäftigten in den Betriebsstätten folgender Branchen:
Einzelhandel mit: Fleischprodukten, Milcherzeugnissen, Süßwaren, Obst und Gemüse, Wild
und Geflügel, Fischen, Kaffee und Tee, Nahrungs- und Genußmittel, sonstigen Nahrungsmit-
tel, Tabakwaren, kosmetischen Erzeugnissen, Haushaltsgeräten, Papierwaren, Gemischtwa-
ren, sowie: Reparatur von Schuhen.
Die statistischen Grundlagen für diesen Indikator entstammen der Betriebsstättenzählung
1973 des Österreichischen Statistischen Zentralamtes. Dies gilt auch für die folgenden lndika-
toren, zu deren Errechnung Beschäftigtendaten verwendet werden.
~ Zu den wichtigstenEinrichtungen des „Nahbedarfes" zählen die Dienstleistungen des Versor-
gungsbereiches „Gesundheit —
Körperpflege". Der entsprechende Indikator gibt die Anzahl
der Beschäftigten in ärztlichen Ordinationen und Apotheken, sowie in Betriebsstätten der
Dienstkategorie „Körperpflege" an.
~ Ein weiterer Indikator bildet die Ausstattung der „Wohnumwelt" mit Betrieben des Gastge-
werbes ab und faßt die Beschäftigten in Gasthöfen, Schank- und Speisewirtschaften sowie
in Kaffeehäusern zusammen.
~ Die Ausstattung der „Wohnumwelt" mit Einrichtungen des „Geldwesens" wird durch die Zahl
der Beschäftigten in Banken und Sparkassen ausgedrückt. Da in der Betriebsstättenzählung
nicht zwischen den Bank- bzw. Sparkassenfilialen und den zentralen Verwaltungsbüros der
großen Bankanstalten getrennt wird, ergeben sich hier für das „Bankenviertel" der Innenstadt
und seinem „fußläufigen" Einzugsbereich wesentlich überhöhte Indikatorenwerte, während
in den übrigen Stadtbereichen die tatsächliche Versorgungssituation erfaßt wird.
~ Zwei lndikatoren bewerten die Versorgung der Bevölkerung mit Grünflächen, wobei sich der
erste auf die öffentlichen Grünflächen bezieht. Dieser Grünflächenkoeffizient 1 gibt die An-
zahl der Quadratmeter Park- und öffentliche Grünflächen im „fußläufigen" Einzugsbereich an,
die im Durchschnitt auf einen Bewohner des Wohnstandortes (Zählgebiet) entfallen.
~ Der Indikator der Versorgung mit öffentlichen Grünflächen wird durch einen zweiten Indikator
ergänzt, der das Auftreten von „sonstigen Grünflächen mit Erholungswert" bemißt. Der Grün-
flächenkoeffizient 2 drückt den auf einen Einwohner entfallenden Flächenanteil der zu Fuß
erreichbaren Flächen von Kleingärten, begrünten Hoff lächen, Acker-, Wiesen-, Wald- und
Wasserflächen aus, wobei die verschiedenen Flächenarten nach ihrem „Erholungswert" ge-
wichtet sind').
~ Schließlich wird als letzter Indikator zur Abbildung der Wohnumweltverhältnisse die Bevölke-
rungsdichte verwendet, aus deren Ausprägung auf die Bebauungsstruktur und die Beson-
nungsverhältnisse geschlossen werden kann. Dieser Dichtewert bezieht sich ebenfalls auf
den „fußläufigen" Einzugsbereich der Wohnstandorte (Zählgebiete) und gibt die Zahl der Ein-
wohner je ha „Wohnfläche" (Wohnbaufläche + „gemischte" Baufläche + Gemeinbedarfsflä-
che) an. Die Flächendaten dieses Indikators und der beiden Grünflächenindikatoren entstam-
men der Flächennutzungserhebung des Magistrates der Stadt Wien.
Die besprochenen sieben indikatoren erfassen wesentliche Strukturmerkmale der Wohnumwelt
flir die Wiener Zählgebiete. Wie dies schon bei den Indikatoren der Wohnungsverhältnisse ge-
schehen ist, werden nun in einem nächsten Verfahrensschritt auch die durchschnittlichen Aus-
prägungen dieser Wohnumwelt-Indikatoren für die Typen der Zählgebiete nach den sozioökono-
mischen und demographischen Strukturmerkmalen der Wohnbevölkerung miteinander vergli-
chen. Dieser Vergleich soll die Unterschiede in der Ausstattung des „sozialen Raumes" aufzei-
gen, wie sie in den verschiedenen Wohngebieten Wiens auftreten.
') Somit bleibt der umfassendere Teilbereich des Aktionsraumes der Wohnstandorte, der durch die Netze
des öffentlichen und des lndividualverkehrs erschlossen wird, hier unberücksichtigt.
') Die zur Gewichtung verwendeten „Erholungsfaktoren" betragen: Sport-, Spielplätze 1,0, Kleingärten 0,5,
Grünland, Acker 0, 7, Weinbau 0, 5, Wasser, Wald, Auen 1,0, Friedhöfe 0, 2, nichtöffentliche Parks 0, 2.
25
3.5.2 Sozioökonomischer Status, Stellung im Lebenszyklus und Wohnumwelt
Die Ergebnisse dieses Vergleiches sind aus Tabelle 2 ersichtlich. Hier werden die Mittelwerte
der sieben Indikatoren für die Zählgebietstypen nach dem sozioökonomischen Status und der
Stellung im Lebens- und Familienzyklus mit den entsprechenden Mittelwerten für die Gesamt-
stadt in Relation gesetzt: es sind die Prozentsätze der positiven und negativen Abweichungen
der einzelnen lndikatoren von den Wiener Durchschnittswerten angegeben.
Vergleicht man zunächst die Ausstattung der Wohnumwelt mit Dienstleistungseinrichtungen,
so zeigt es sich, daß die Werte dieser Indikatoren vielfach mit dem sozioökonomischen Status
der Wohnquartiere korrelieren (dies gilt besonders für die Wohngebiete mit Dominanz unterer
bzw. oberer sozialer Schichten) zum Teil aber auch (besonders in Fällen von Wohngebieten mit
durchschnittlicher Sozialstruktur) mit der Stellung der Bevölkerung im Lebens- und
Familienzyklus:
~ In den peripheren Wohngebieten mit Dominanz der Unterschicht und günstiger bis durch-
schnittlicher demographischer Struktur liegen die Abweichungen der indikatorenwerte für die
Versorgungsbereiche: Einzelhandel des täglichen Bedarfes, Gesundheit, Körperpflege, Gast-
gewerbe und Geldwesen zwischen 60 und 98 v. H. unter den entsprechenden Mittelwerten für
Gesamt-Wien.
Auch in den zentrumsnäheren Wohnbereichen mit überwiegender Unterschicht-Bevölkerung
und durchschnittlicher bis stark überalteter demographischer Struktur sind die Indikatoren-
werte für das Gastgewerbe und das Geldwesen sowie teilweise auch für den Dienstleistungs-
—
bereich „Gesundheit Körperpflege" unterdurchschnittlich ausgeprägt (minus 23 bis minus
83 v. H. ). Hingegen ist hier die Versorgung mit täglichen Bedarfsgütern mindestens im durch-
schnittlichen Ausmaß gewährleistet (positive Abweichungen von + 1 bis + 30 v. H. ).
~ In den Wohnquartieren mit „Dominanz" oder mit „bedeutenderen Anteilen" oberer sozialer
Schichten zeigt sich hingegen die beste Versorgungssituation: die entsprechenden Zählge-
biete im Stadtzentrum (mit überalterter bis durchschnittlicher demographischer Struktur) er-
reichen die größten positiven Abweichungen der lndikatoren von den Werten des Stadtdurch-
schnittes (bis + 165), aber auch für die eher an der Peripherie des Stadtgebietes gelegenen
Wohnstandorte (durchschnittliche bis günstige demographische Struktur) ergeben sich zu-
mindest mittlere oft aber auch deutlich überdurchschnittliche Indikatorenwerte.
~ Für die Wohngebiete mit durchschnittlicher Sozialstruktur sind dagegen beträchtliche Aus-
stattungsunterschiede festzustellen, die mit der Lage im Stadtgebiet und der demographi-
schen Struktur variieren. Zählgebiete dieses Typs in peripherer Lage (mit meist „günstiger"
demographischer Struktur) erweisen sich als im ähnlichen Maße unterversorgt wie die ent-
sprechenden Wohngebiete mit überwiegender Unterschicht-Bevölkerung; hier liegen die lndi-
katorenwerte zwischen minus 54 und minus 94 v. H. unter dem Stadtmittel. Demgegenüber
zeigen die Indikatoren für Gebiete mit durchschnittlicher Sozialstruktur und „Überalterung"
der Wohnbevölkerung, die unmittelbar an das Stadtzentrum anschließen, abgesehen vom
„Geldwesen" (das sich in der City konzentriert) eine durchwegs sehr günstige Versorgungssi-
tuation an (mit positiven Abweichungen von den Mittelwerten zwischen + 27 und + 38). Die
Zählgebiete mit durchschnittlicher Verbreitung der sozialen Schichten und ebenfalls durch-
schnittlicher demographischer Struktur haben auch Indikatorenwerte aufzuweisen, die sich
den Mittelwerten für die Gesamtstadt annähern (+ 13 bis — 26 v. H. ).
Gegenüber diesem Verbreitungsmuster der Dienstleistungs-lndikatoren, das ähnlich wie der in-
dikator der Wohnungsgröße stärker an die Unterschiede bezüglich des sozioökonomischen Sta-
tus gebunden ist, verändert sich die Ausprägung der beiden Grünflächen-Indikatoren vor allem
in Abhängigkeit von der Entfernung vom Stadtzentrum; sie entspricht also eher der Verbreitungs-
struktur der demographischen Bevölkerungsmerkmale (siehe Karte 2):
~ So haben die zentrumsnahen, mehr oder minder „überalterten"' Wohnquartiere unabhängig
von ihrer Sozialstruktur sowohl hinsichtlich der Ausstattung mit „öffentlichen Park- und Grün-
flächen" als auch mit „sonstigen Grünflächen mit Erholungswert" beträchtliche Defizite auf-
zuweisen (eine Ausnahme bilden die Wohnquartiere im Einzugsbereich der Ringstraßenzone);
für die entsprechenden Indikatoren ergeben sich negative Abweichungen im Ausmaß zwi-
schen 30 und 91 v. H. ihrer Stadtmittelwerte.
~ Demgegenüber sind die peripheren Wohngebiete mit mehr oder minder „günstiger" demogra-
phischer Bevölkerungsstruktur entweder mit öffentlichen Grünflächen und mit „sonstigen
Freiflächen" sehr gut ausgestattet, oder es ist zumindest eine der beiden Kategorien von „Er-
holungsflächen" in überdurchschnittlichem Ausmaß vertreten.
26
ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Karte 2:
GFK 2
250
100
50
GFK l
10 30 50 70 100
Arbeitsgrundlagen:
Unterlagen der Magistratsabteilung 18
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In
27
Ein ähnliches Verbreitungsmuster, wie es diese beiden Grünflächen-Indikatoren aufzuweisen ha-
ben, ergibt sich auch für den Indikator der Einwohnerdichte, dessen Werte in den überalteten
zentralen Wohngebieten zumeist weit über dem Wiener Dichtemittel liegen, während die negati-
ven Abweichungen der Randlagen zwischen minus 16 und minus 47 v. H. des Mittelwertes
betragen.
Dieser Vergleich der Wiener Wohnstandorte bezüglich der Ausstattung des Wohnumfeldes zeigt
also beträchtliche Disparitäten zwischen den verschiedenen Zählgebietstypen mit unterschiedli-
cher sozialer und demographischer Struktur. Im nächsten Abschnitt der Arbeit wird untersucht,
inwieweit sich die verschiedenen sozialen Gruppen an Ausstattungstypen der Wohnumwelt an-
passen bzw. in welchem Ausmaß ihre Verbreitung an bestimmte Umweltstrukturen gebunden ist.
Dabei kommt eine aus der ökologischen Biologie übernommene Untersuchungsmethode zur
Anwendung.
28
~ der durchschnittlichen Ausprägung der indikatoren der Wohnumwelt für die Wohnstandor-
te einer betrachteten sozialen Gruppe und
~ der durchschnittlichen Ausprägung dieser Indikatoren bezogen auf die Gesamtzahl der
Wohnstandorte im Stadtgebiet.
Je größere Werte dieses Abstandsmaß zwischen dem gesamt-städtischen durchschnittlichen
„Indikatorenprofil" und den Durchschnittswerten für die Wohnumwelt einer bestimmten so-
zialen Gruppe annimmt, in desto geringerem Ausmaß ist die soziale Gruppe an die von der
Mehrzahl der städtischen Wohnstandorte angebotenen Wohnumweltverhältnisse angepaßt.
2. Kennzahl r: „Nischenbreite"
Das „biologische" Nischenkonzept geht von der (in der biologischen Evolutionstheorie be-
gründeten) Annahme aus, daß die Strukturmerkmale der für eine bestimmte Art festgestellten
durchschnittlichen „ökologischen Nische" annähernd ihren optimalen Verbreltungsbedin-
gungen entsprechen. Diese Hypothese ist jedoch im Rahmen einer „humanökologischen" Un-
tersuchung nicht zulässig:
Während die verschiedenen pflanzlichen und tierischen Species einer Untersuchungsregion
um eine Vielzahl von artspezifisch „optimalen" Standorttypen konkurrieren, trifft dies für die
Wohnbevölkerung einer Stadt nicht zu: die sozialen Gruppen präferieren mehr oder minder
Standorte desgleichen Ausstattungstyps, die meist nur in beschränkter Anzahl zur Verfügung
stehen. Die Nutzungschancen bezüglich dieser „optimalen" Standorte hängen — wie darge-
stellt— von der Verfügbarkeit über Sach- und Humankapitel ab, sie werden auf dem Woh-
nungsmarkt vermittelt.
Daher kennzeichnen im Gegensatz zum biologischen Anwendungsbereich die durchschnittli-
chen Strukturmerkmale der Wohnumwelt für eine soziale Gruppe mit geringer Verfügbarkeit
Ober finanzielle Mittel keinesfalls ihre optimalen Verbreitungsbedingungen, sondern nur ihre
Position auf dem Wohnungsmarkt. Die auf die „fundamentale" Nische bezogene Kennzahl
r muß also für die „humanökologische" Anwendung des Nischenkonzeptes anders interpre-
tiert werden.
Nach einer „humanökologischen" Interpretation drückt die Kennzahl der „Nischenbreite": r
nur das Ausmaß aus, in dem die Verbreitung einer sozialen Gruppe auf bestimmte Wohn-
umweltverhältnisse beschränkt bleibt. Diese entsprechen zumeist keineswegs optimalen
Standortbedingungen und ergeben sich aufgrund der Partizipationschancen der betrachteten
sozialen Gruppe an bestimmten Teilbereichen des Wohnungsmarktes. Hohe Werte von r kön-
nen also im Gegensatz zur biologischen Nischentheorie auch eine sehr intensive Verbreitung
einer sozialen Gruppe (ohne „Mobilitätschancen") auf Standorten mit ungünstigen Wohnum-
weltbedingungen anzeigen, während niedrige Werte dieser Kennzahl auf relativ große Abwei-
chungen der Wohnumwelt von einem solchen Gruppendurchschnitt hindeuten (es besteht al-
so zumindest für einen Teil der Gruppenmitglieder die Chance zur „Mobilität" auf günstigere
Wohnstandorte).
3. Kennzahl c: „Konzentrationsgrad"
Im biologischen Nischenkonzept sagen hohe Werte von c aus, daß die Mehrzahl der Individuen
einer Art auf Standorten lebt, deren Umwelt den „optimalen" Strukturmerkmalen (= den
Strukturmerkmalen des Gruppenmittels) weitgehend angenähert ist. Ebenso wie für die Kenn-
zahl r kann auch bei der „humanökologischen" Interpretation der Kennzahl c das „Optimali-
tätskriterium" der biologischen Nischentheorie nicht akzeptiert werden. Im vorliegenden
Anwendungsfall kennzeichnen hohe Werte von c eine Konzentration der Angehörigen einer
sozialen Gruppe auf solchen Wohnstandorten, deren Wohnumwelt den (günstigen oder un-
günstigen) Werten des Gruppendurchschnittes entspricht.
Die beiden Kennzahlen r und c sind also in ähnlicher Richtung zu interpretieren. Sie bemessen
gemeinsam den „Bindungsgrad" sozialer Gruppen an bestimmte Wohnumweltsverhältnisse:
r drückt die Breite der „ökologischen Nischen" aus, c den Konzentrationsgrad auf bestimmte
Standorttypen.
29
b) die Wohnstandorte zu erfassen, auf denen die Mitglieder der verschiedenen sozialen Gruppen
auftreten. Die Wohnumwelts-Indikatoren dieser Wohnstandorte bilden die Grundlage für die
Errechnung der sozialgruppenbezogenen Kennzahlen der Nischentheorie.
ad a)
Zur Definition der sozialen Gruppen dienen die Merkmale, die auch der Typisierung der Zählgebie-
te zugrundeliegen: es sind dies als lndikatoren des sozioökonomischen Status die Ausbildungs-
niveaus: Pflichtschulbildung, mittlere Schulbildung sowie höhere und Hochschulbildung. Als
Indikator der Stellung im Lebenszyklus werden Kennwerte des Lebensalters der Bevölkerung
verwendet.
ad b)
Die Erfassung der Verbreitungsgebiete der sozialen Gruppen erfolgt mit Hilfe von Schwellenwer-
ten, die sich aus der Typisierung der Zählgebiete nach den soziodemographischen Strukturmerk-
malen der Bevölkerung ableiten. Als Schwelienwerte für die Merkmale des sozioökonomischen
Status gelten:
~ ein Anteilswert der Einwohner mit Pflichtschulbildung (an der Gesamtzahl der Einwohner mit
abgeschlossener Schulbildung) von über 70 v. H.
~ ein Anteilswert an Einwohnern mit mittlerer Schulbildung von über 9 v. H.
~ ein Anteilswert der Einwohner mit höherer und Hochschulbildung von über 13 v. H.
Die Position im Lebenszyklus wird durch den Anteilswert der älteren Personen (über 65 Jahre)
an der Wohnbevölkerung ausgedrückt:
~ Dabei kennzeichnet ein Anteilswert (der über 65jährigen) von über 23 v. H. die relative Domi-
nanz von Einwohnern in den letzten Lebensphasen („Überalterung")
~ ein Anteilswert zwischen 18 und 23 v. H. zeigt eine etwa durchschnittliche demographische
Struktur an, während
~ für die relative Dominanz jüngerer Einwohner (günstige Bevölkerungsstruktur) ein Anteil von
unter 18 v. H. als Schwellenwert gilt.
Nach diesen statistischen Merkmalen und ihren Schwellenwerten wurden die „Verbreitungsge-
biete" für Bevölkerungsgruppen ermittelt, und zwar nach
~ dem sozioökonomischen Status
~ der Stellung im Lebenszyklus sowie nach
~ der Kombination beider Merkmale.
Diese „Verbreitungsgebiete" entsprechen zum großen Teil dem Verbreitungsmuster der im Ab-
schnitt 3.2 dargestellten Zählgebietstypen, der Unterschied jedoch liegt darin, daß ein „Verbrei-
tungsgebiet" (oder eine soziale Gruppe) gleichzeitig auch in mehreren Zählgebietstypen (beson-
ders in den „Mischtypen") vorkommen kann.
Die Indikatoren der Wohnumwelt für die in den verschiedenen „Verbreitungsgebieten" zusam-
mengefaßten Wohnstandorte (Zählgebiete) bilden die Grundlage für die Berechnung der
nischentheoretischen Kennzahlen. Eine Zusammenfassung der Rechenergebnisse ist in
Tabelle 3 enthalten.
Vergleicht man zunächst die Ausprägung der Kennzahlen für die Merkmale des sozioökonomi ~
sehen Status, so ergibt sich — wie die relativ hohen Werte von d zeigen — für die Wohnbevölke.
rung mit Pflichtschulbildung (als Indikator für die soziale Unterschicht) das geringste Ausmaß
der Anpassung an die durchschnittlichen Wiener Wohnumweltverhältnisse: (d = 0, 760). Die ent-
sprechenden sozialen Gruppen leben, wie schon im vorigen Abschnitt der Arbeit dargestellt, häu-
fig in Zählgebietstypen, deren Umwelt-Indikatoren vor allem hinsichtlich der Versorgung mit
Grünflächen, z. T. aber auch mit Dienstleistungen, beträchtlich unter dem Stadtmittel liegen, ihre
Wohnumwelt erweist sich als wesentlich ungünstiger als der Wiener Durchschnitt. Aus dem nied-
rigen Wert von r ist ersichtlich, daß die „ökologische Nische" dennoch recht „breit"ist: Einwoh-
ner mit Pflichtschulbildung kommen also auch auf anderen (zumeist besser ausgestatteten)
Wohnstandorten vor, jedoch weist der relativ hohe Wert der Kennzahl des „Konzentrationsgra-
des" (c) darauf hin, daß die Chancen zur „Mobilität" nur im geringen Ausmaß genutzt werden
können.
Die Wohnbevölkerung mit mittlerer Schulbildung paßt sich am weitaus besten an die durch-
schnittlichen Wohnumweltsbedingungen von Wien an (d = 0 050), gleichzeitig ist auch die ökolo-
gische Nische dieser Bevölkerungsgruppe enger, d. h. die schlechtesten Wohnstandorte der
Stadt werden von ihr nicht besetzt.
30
Tabelle 3: Kennzahlen der „realisierten" und „fundamentalen" ökologischen Nische für soziale
Gruppen nach dem sozioökonomischen Status und der Stellung im Lebenszyklus
Kennzahlen der
Soziale Gruppen ökologischen Nischen
durchschnittliche
Pflichtschul- 1,026 0, 019 0, 50
Bevölkerungsstruktur
bildung
„günstige" 1, 115 0, 160 1,38
Bevölkerungsstruktur
durchschnittliche
mittlere 0, 627 0, 033 0, 76
Bevölkerungsstruktur
Schulbildung
„günstige" 1,031 0, 155 1,28
Bevölkerungsstruktur
durchschnittliche
höhere und 0, 794 0, 035 0,82
Bevölkerungsstruktur
Hochschulbildung
„günstige" 0, 155 1,26
1,054
Bevölkerungsstruktur
Auch die Wohnumwelt der Einwohner mit höherer und Hochschulbildung (als Indikator für die
soziale Oberschicht) weicht von den durchschnittlichen Wiener Verhältnissen wesentlich ab
(d = 0, 250), allerdings in anderer Richtung als für die Pflichtschulabsolventen: bekanntlich wur-
den für die Zählgebietstypen mit Dominanz der Oberschicht zumeist positive Abweichungen der
Umweltindikatoren vom Stadtmittel festgestellt. Wie zu erwarten, zeigt der Wert der Kennzahl r,
ähnlich wie für die Bevölkerung mit mittlerer Schulbildung, eine relativ „enge"fundamentale
Nische an. Es besteht also eine stärkere Tendenz zur Konzentration der Oberschicht auf den gün-
stigsten Wohnstandorten, allerdings bedeutet der niedrige Wert von c, daß sich die Angehörigen
der Oberschicht auf eine Anzahl verschiedener präferierter Standorttypen (in der City sowie an
der westlichen Peripherie des Stadtgebietes) verteilen.
Auch im Vergleich der Nischen-Kennzahlen, die sich auf die Altersgruppen der Wohnbevölkerung
beziehen, zeigen sich signifikante Unterschiede:
~ Während sich die ältere Bevölkerung in hohem Maße an die durchschnittlichen Wohnumwelts-
verhältnisse in Wien anpaßt (d = 0, 045), gilt für die jüngeren Bevölkerungsschichten genau
das Gegenteil (d = 0, 812): wie schon oben dargestellt, unterscheiden sich die entsprechen-
den Zählgebietstypen besonders hinsichtlich der Ausstattung mit Grünflächen beträchtlich
von den Wiener Durchschnittswerten.
31
~ Ältere Einwohner sind auf eine Anzahl von ähnlichen Zählgebietstypen (mit ungünstiger
Grünflächen- und oft günstiger Diensteversorgung) verteilt, sie haben daher eine relativ enge
„ökologische Nische" (r = 0, 079). Für die jüngeren Einwohner ergibt sich hingegen eine sehr
niedrige Kennzahl der Nischenbreite: die Wohnstandorte dieser Bevölkerungsgruppe wei-
chen zwar einerseits wesentlich von den Wiener Durchschnittsverhältnissen ab (siehe den
Wert der Kennzahl des „Anpassungsgrades" d), sind aber anderseits untereinander recht ver-
schieden, sodaß die „Nischenbreite" beträchtlich ist (r = 0, 007). Dieser großen „Nischenbrei-
te" steht ein relativ hohes Konzentrationsmaß (c = 0 84) gegenüber, d. h. die jüngeren Einwoh-
ner sind hinsichtlich ihrer räumlichen Verbreitung besonders an bestimmte Standorttypen
„innerhalb" ihrer breiten „fundamentalen" Nische gebunden.
Die durch die Maßzahlen der Nischentheorie erfaßten charakteristischen Verteilungsmerkmale
der Wohnbevölkerung nach dem sozioökonomischen Status sowie nach der Position im Lebens-
zyklus konstituieren gemeinsam die Verbreitungsmuster der sozialen Gruppen, die sich durch
die Kombination dieser beiden Dimensionen der Faktorialökologie ergeben:
Vergleicht man die Maßzahl d der „realisierten" ökologischen Nische für diese sozialen Grup-
pen nach soziodemographischen Strukturmerkmalen, so zeigt es sich (siehe Tabelle 3), daß
auch in dieser Differenzierung nach dem soziökonomischen Status die jüngeren sozialen
Gruppen durchwegs weniger gut an die Wohnumweltverhältnisse angepaßt sind als die älte-
ren, wobei die Werte für die jüngeren sozialen Gruppen nur geringfügig voneinander abwei-
chen (d = 1,115, 1,031, 1,054). Das Ausmaß der Abweichung der durchschnittlichen Wohnum-
weltsverhältnisse für die Angehörigen der drei Biidungsniveaus von Stadtmittel ist also etwa
gleich groß, die sehr „weite"fundamentale Nische, für das gemeinsame Verbreitungsgebiet
dieser Altersgruppen (siehe oben) deutet aber darauf hin, daß die Strukturen der Wohnumwelt
für die jüngere Unterschicht (Pflichtschulbildung) bzw. die jüngere Oberschicht (höhere und
Hochschulbildung) sehr unterschiedlich sind (wie aus der Analyse der Umwelt-Indikatoren für
die Zählgebietstypen zu ersehen war, liegt der Hauptunterschied in Versorgung mit
Dienstleistungen).
Die geringsten Unterschiede im Anpassungsgrad zwischen jüngeren und älteren Bevölke-
rungsgruppen ergeben sich für die Unterschicht: entsprechend dem schon oben dargestellten
Trend sind hier auch die älteren sozialen Gruppen auf Standorten lokalisiert, deren Wohn-
umwelt beträchtlich vom Stadtdurchschnitt abweicht (d = 0,836). Sowohl die jüngere als auch
die ältere Wohnbevölkerung der sozialen Unterschicht besetzt also relativ eigenständige und
wie gezeigt wurde ungünstige ökologische Nischen, die sich von den Durchschnittswerten
für Wien sowie von den Nischen der übrigen soziodemographischen Gruppen der Wohnbevöl-
kerung deutlich unterscheiden.
Auch hinsichtlich der Kennzahlen der „fundamentalen Nische" stimmen die sozialen Grup-
pen mit jüngerer Bevölkerungsstruktur weitgehend überein. Für alle drei Ausbildungsniveaus
ist ein sehr starker „Bindungsgrad" an ihre Wohnstandorte festzustellen: Berechnet man die
Kennwerte der „Nischenbreite" für die Verbreitungsgebiete der jüngeren Einwohner getrennt
nach Bildungsniveaus, so erhält man sehr hohe Werte (r = 1,60, 1,55, 1,55), die auf eine „enge
fundamentale" Nische hinweisen (während sich für die jüngere Bevölkerung in Summe—
siehe oben — eine sehr „breite" Nische ergibt). Gleichzeitig weisen die hohen Werte der
Kennzahl c darauf hin, daß sich die jüngeren Angehörigen der drei Bildungsniveaus auf jeweils
charakteristischen Standorttypen konzentrieren (c = 1,38, 1,28, 1,26).
Soziale Gruppen aller drei Ausbildungsstufen mit durchschnittlicher Bevölkerungsstruktur
verfügen über die vergleichsweise weitesten ökologischen Nischen (r = 0, 019, 0, 033, 0, 035),
ihre hauptsächliche Verbreitung bleibt jedoch ebenfalls auf ihre „mittleren" Standorttypen
beschränkt (c = 0, 50, 0, 76, 0,82).
Für die ältere Wohnbevölkerung ergeben sich auch in der Differenzierung nach Bildungs-
niveaus jeweils relativ „enge"ökologische Nischen, die aber nicht das für die jüngeren sozia-
len Gruppen festgestellte Ausmaß erreichen (r = 0, 081, 0, 069, 0, 085); der Konzentrationsgrad
auf bestimmte Standorttypen ist hier für die Oberschicht gering (c = 0, 41), für die Unterschicht
beträchtlich höher (0, 64).
Mit den Kennzahlen des Konzeptes der ökologischen Nische können also die für die Wiener Be-
völkerung bestehenden Unterschiede in der Ausstattung der Wohnumwelt in einer Dimension
gemessen werden. Es zeigt sich dabei, daß
die Wohnumweltverhältnisse zwischen allen betrachteten sozialen Gruppen relativ stark dif-
ferieren, insbesondere zwischen Angehörigen der älteren und jüngeren Generation und daß
32
2. die älteren und jüngeren sozialen Gruppen der Unterschicht mit hohem „Bindungsgrad" auf
jeweils spezifischen Standorttypen lokalisiert sind, deren Wohnumwelt besondere, meist ne-
gative Strukturmerkmale aufzuweisen hat.
Eine Neuberechnung dieser Kennzahlen zu einem späteren Bezugszeitpunkt (die Grunddaten der
Umwelt-Indikatoren wurden Anfang der 70er Jahre erhoben) könnte Aufschluß über die Verände-
rungen der ökologischen Nischen für die verschiedenen Gruppen der Wiener Bevölkerung geben.
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es jedoch nur möglich, für einen Beobachtungs-
—
zeitraum von annähernd 10 Jahren (1971 1980) die Zu- und Abnahmen der Wohnbevölkerung
zu untersuchen, und zwar für die soziodemographischen Typen der Zählgebiete, die sich —
wie
dargestellt — hinsichtlich ihrer Wohn- und Wohnumweltverhältnisse signifikant unterscheiden.
Aus dieser Bevölkerungsbilanz sollen sich Hinweise bezüglich der Reaktion der Wiener Bevölke-
rung auf die Wohnungs- und Wohnumweltverhältnisse ergeben.
33
~ Deutliche Bevölkerungszunahmen sind für die Zählgebiete mit (1971) „günstiger" demogra-
phischer Bevölkerungsstruktur festzustellen. Dies gilt vor allem für die entsprechenden
Wohnquartiere der Unterschicht, wo der Bevölkerungszuwachs den Wert von 26 v. H. erreicht.
In den Zählgebieten mit durchschnittlicher Sozial- und „günstiger" Bevölkerungsstruktur hat
die Bevölkerung um 7 v. H. zugenommen.
Wohnbevölkerung
Index:
(Inländer) Wohnbe-
Typen der Zählgebiete nach der
1971 1980 völkerung
soziodemographischen Struktur
(Volkszählung) (Bevölkerungsevidenz) (Inländer)
absolut in v. H. absolut in v. H.
1971 = 100
Dominanz unterer Schichten-
1 213.876 13,7 186.348 12,8 87
Überalterung
Dominanz unterer Schichten—
durchschnittliche demographische
2 Struktur, z. T. überdurchnitt- 276.385 17,7 247. 458 16,8 90
licher Anteil von Einpersonen-
haushalten
Dominanz unterer Schichten—
durchschnittliche demographische
Struktur, z. T. unterdurch-
3 182.130 11,7 185.019 12,6 102
schnittliche Anteile von
Einpersonenhaushalten und
alten Einwohnern
Dominanz unterer Schichten— 95.909 121.008
4 6, 1 8, 2 126
„günstige" demographische Struktur
durchschnittliche Verbreitung
5 der sozialen Schichten- 153.789 9,9 132.941 9,0 86
Überalterung
durchschnittliche Verbreitung
der sozialen Schichten—
6 151.039 9,7 135.331 9,2 90
durchschnittliche demographische
Struktur
durchschnittliche Verbreitung
der sozialen Schichten—
7 93.608 6,0 100.133 6,8 107
„günstige" demographische
Struktur
durchschnittliche Verbreitung
der sozialen Schichten, etwas
8 182.555 11,7 160.540 10,9 88
bedeutendere Anteile der Ober-
schicht —Überalterung
durchschnittliche Verbreitung
der sozialen Schichten, etwas
9 bedeutendere Anteile der Ober- 94.125 6, 1 91.192 6, 2 97
schicht —z. T. „günstige"
demographische Struktur
Dominanz oberer sozialer
10 Schichten —
durchschnittliche 105.136 6,8 99.692 6,8 95
demographische Struktur
0 nicht klassifizierte Zählgebiete 9.737 0,6 11.124 0,7 114
Insgesamt 1,558.289 100,0 1,470.787 100,0 94
34
ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Karte 3:
DER
ZU- UND ABNAHME
WOHN BEVÖLKERUNG 1971 1980') —
Zu- und Abnahme der Wohnbevölkerung (Inländer) in den Wiener
Zählgebieten —
1971 1980 in v. H. der Wohnbevölkerung 1971
Zunahme
+30 und mehr
+ 5 bis +10
Stagnation:
Zunahme: 0 bis +5
Abnahme: 0 bis —5
Abnahme:
Arbeitsgrundlagen:
Volkszählung 1971 des Österreichischen Statistischen Zentralamtes;
Bevölkerungsevidenz (Stand: November 1980) des Magistrates der Stadt
Wien.
Während sich die inländische Wiener Wohnbevölkerung im Zeitraum zwischen 1971 und 1980 um
4 v. H. verringert hat, weichen also die Bevölkerungsverluste und -gewinne in den verschiedenen
Teilen des Stadtgebietes sehr von diesem Durchschnittswert ab. Das vorliegende statistische
Datenmaterial reicht aber nicht aus, um festzustellen, inwieweit diese Veränderungen auf die
natürliche Bevölkerungsbewegung (Geburten- und Sterbefälle) oder auf die Zu- und Abwande-
rung von Einwohnern zurückzuführen ist. Einige Annahmen über die Ursachen der Bevölkerungs-
entwicklung können jedoch aufgrund eines Vergleiches der Anteiiswerte der „über60jährigen"
an der Wohnbevölkerung getroffen werden. Allerdings ist auch dieser Vergleich nur ungenau,
da in der „Anzahl der über 60jährigen" für 1971 die Ausländer enthalten sind, nicht jedoch-
wie schon erwähnt —in den Daten für 1980. In der Annahme, daS die „über60jährigen" Ausländer
im Vergleich zur Gesamtzahl der „über 60jährigen" zumeist nur eine geringe und oft zu vernach-
lässigende Teilmenge bilden, wurde für 1971 die Anzahl der über 60jährigen (einschlieSlich der
Ausländer) zur inländischen Gesamtbevölkerung der Zählgebiete in Relation gesetzt. Die daraus
resultierenden Anteilswerte werden mit den entsprechenden, vollständig auf die inländische Be-
völkerung bezogenen, Anteilswerten für 1980 verglichen.
Unterschicht—
3 41.305 9,2 38.638 10,2 94
8 demographische Struktur
Unterschicht —
„günstige" 10.862 2, 4 14.197 3, 7 131
demographische Struktur
Mengung sozialer
5-Überalterung Schichten- 54.329 41.795
12, 1 11,0 77
sozialer Schichten—
6 Mengung 40.558 9,0 35.425 9,3 87
8 Bevölkerungsstruktur
Oberschicht— 29.531 93
10 6, 6 27.400 7, 2
8 demographische Struktur
35
Tabelle 5 enthält die Ergebnisse dieses Vergleiches. Hier zeigt sich, daß
in den Zählgebieten mit nach dem Stand von 1971 „überalterter" Bevölkerung und mit größe-
ren Bevölkerungsverlusten —
in der Periode von 1971 1980 die Anteile der „alten" Bevölkerung
deutlich abgenommen haben. So verringerte sich etwa in den „überalterten" Unterschicht-
Wohngebieten der Anteil der über 60jährigen von 40, 1 v. H. (1971) auf 31,8 v. H. (1980); in den
überalterten Wohngebieten mit ausgeglichener Sozialstruktur ist der Anteil von 35,3 v. H. auf
29, 3 v. H. abgesunken, in den Wohngebieten mit ausgeglichener Sozialstruktur und etwas grö-
ßeren Anteilen der Oberschicht von 33,5 v. H. auf 28, 8 v. H. Somit ist der Bevölkerungsverlust
in diesen bereits 1971 „überalterten" Wohngebieten wesentlich durch das „Aussterben" der
Bevölkerung bedingt. Dies zeigt auch ein Blick auf die „Bevölkerungspyramide" von 1971 für
Gesamt-Wien (Abbildung 7): Die große Anzahl der1971 60- bis 65jährigen Einwohner ist mittler-
weile 10 Jahre älter geworden und hat die Schwelle der durchschnittlichen Lebenserwartung
bereits überschritten. Der Prozeß der „Überalterung" kann daher besonders in denjenigen
Wohnquärtieren, die schon 1971 durch einen hohen Anteil der Ober 60jährigen gekennzeichnet
waren, nicht mehr weiter fortschreiten. In den genannten Zählgebietstypen dürften etwa je-
weils die Hälfte der Bevölkerungsverluste auf Todesfälle bzw. Wanderungsverluste zurückzu-
führen sein.
Eine ähnliche Abnahme des Anteils der alten Bevölkerung wie in den „überalterten" Wohnge-
bieten ist auch in den Wohnquartieren der Unterschicht mit „durchschnittlicher demographi-
scher Struktur" festzustellen. Hier verringerte sich der Anteil der über 60jährigen von 31,9 auf
26, 7 v. H. In den anderen Zählgebiets-Typen mit „durchschnittlicher" bis „teilweise günstiger"
demographischer Struktur ergeben sich deutlich geringere Abnahmen.
Geringe Zunahmen des Anteils der älteren Personen haben die Zählgebietstypen des Jahres
1971 mit „günstiger" Bevölkerungsstruktur aufzuweisen. Die (hier sehr niedrigen) Anteilswer-
te der Ober 60jährigen sind von 11,3 auf 11,6 v. H. (Unterschicht — günstige demographische
Struktur) bzw. von 13,2 auf 14, 1 (ausgeglichene Sozialstruktur — günstige demographische
Struktur) gestiegen. Die Gründe dafür liegen vermutlich eher im Älterwerden von Einwohnern,
die 1971 noch nicht 60 Jahre alt waren, als in der Zuwanderung von älteren Einwohnern.
Die Auswertung der verfügbaren statistischen Quellen ergibt somit als Hauptmerkmale des so-
zialen Wandels in den Wiener Wohngebieten:
Die überalterten Wohnquartiere der Unterschicht im dicht verbauten Stadtgebiet mit zu klei-
nen und unzureichend ausgestatteten Wohnungen sowie mit Ausstattungsdefiziten bezüg-
lich der Wohnumwelt (Grünflächen und z. T. Dienstleistungen des täglichen Bedarfes) haben
beträchtliche Bevölkerungseinbußen hinzunehmen, sowohl durch Abwanderung als auch
durch das „Aussterben" bestimmter Geburtenjahrgänge.
Wie die Ergebnisse der aus dem Konzept der „Nischentheorie" abgeleiteten Untersuchungs-
methode zeigen, besteht für die jüngeren Angehörigen der sozialen Unterschicht ein sehr en-
ger „Bindungsgrad" bezüglich bestimmter Standorttypen an der Peripherie des Stadtgebie-
tes, die zwar durch eine meist zufriedenstellende Wohnungsausstattung (mit Naßanlagen),
aber auch durch zu geringe Wohnungsgrößen gekennzeichnet sind. Zudem fehlen in der
Wohnumwelt dieser Standorttypen oft die notwendigsten Versorgungs- und Dienstleistungs-
einrichtungen. Aufgrund des sehr engen „Bindungsgrades" ist anzunehmen, daß der größte
Teil der Migranten aus den zentrumsnäheren Wohngebieten der Unterschicht (vor allem dieje-
nigen, die ihre soziale Position nicht verbessern können) in diese peripheren Wohngebiete zu-
zieht, deren Bevölkerung stark anwächst. Da auch die neuen Wohnstandorte noch beträchtli-
che Ausstattungsmängel aufzuweisen haben, erreichen die betroffenen Haushalte nur eine
teilweise Verbesserung der Lebenssituation.
Die Bevölkerungsverluste im dicht bebauten Stadtgebiet betreffen auch die Wohngebiete mit
bedeutenderen Anteilen der Mittel- und Oberschicht, deren Wohnungsausstattung und Woh-
nungsgröße mindestens dem Stadtdurchschnitt entspricht und in deren Wohnumwelt zu-
meist nur die Park- und Grünflächen fehlen. Auch hier ist ein wesentlicher Teil der Bevölke-
rungsverluste durch die Abwanderung bedingt, wobei das „Wohnen im Grünen" ein vorrangi-
ges Wanderungsmotiv bildet.
Nach den Kennzahlen des Nischen-Konzeptes sind auch die jüngeren Angehörigen der oberen
sozialen Schichten an bestimmte Standorttypen gebunden, und zwar vor allem an solche, de-
ren Umwelt-Indikatoren allgemein günstige Werte aufweisen. Für die entsprechenden Wohn-
standorte des Wiener Stadtgebietes ergeben sich aber in jüngerer Zeit keine wesentlichen Be-
völkerungszunahmen, sie sind hinsichtlich ihrer Kapazität bereits weitgehend ausgelastet
und werden auf dem Wohnungsmarkt dementsprechend teuer gehandelt. Daher bilden die
36
Abbildung 7: Altersaufbau der Wiener Bevölkerung und der Berufstätigen, 1971 (nach
Planungsatlas für Wien
MÄNNER FRAUEN
80
65
55
50
45
40
35
30
25
20
15
10
16 14 12 10 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16
37
4. DIE WIENER INDUSTRIE NACH IHRER RÄUMLICHEN VERTEILUNG UND IHREN
VERBREITUNGSBEDINGUNGEN
4.1 EINFÜHRUNG
Eine „Analyse der Betriebsabwanderungen —
in Wien 1967 1977" ergibt, daß im genannten Bear-
beitungszeitraum aufgrund von „standortmäßigen und ansiedlungstechnischen Unzulänglich-
keiten oder Engpässen" sowie wegen „unzureichender Informationen über Aufschließungs- und
Ansiedlungsaktivitäten" 4.900 Arbeitsplätze verloren gingen (WIENER WIRTSCHAFTSBERICH-
TE, 1979/1). Diese Verluste an Arbeitsplätzen kommen einer Anzahl von Gemeinden am Stadtrand
zugute. Diese partizipieren an den Wiener Standortvorteilen (besonders hinsichtlich des Dienst-
leistungsangebotes) und bieten zu günstigen Bedingungen geeignete Industrieflächen an, die
in Wien zum Teil nicht verfügbar sind.
Aus diesem Grund mißt die Wiener Stadtverwaltung seit einiger Zeit der Widmung von lndustrie-
flächen sowie der lndustrieansiedlungspolitik besondere Bedeutung bei. Im Rahmen solcher Be-
strebungen bildet die genauere Kenntnis der Verbreitungsbedingungen verschiedener lndustrie-
branchen einen entscheidenden Faktor. Im Rahmen dieses Abschnittes der „Strukturanalysen"
des Wiener Stadtgebietes wird versucht, hier einen Beitrag zu leisten.
—
~ Dabei wird davon ausgegangen, daß analog zum Konzept des „sozialen Raums" — auch
die Arbeitsabläufe in Industriebetrieben mehr oder minder vom „wirtschaftlichen Raum" der
Betriebsstandorte abhängen. Eine kurze Zusammenfassung wesentlicher Forschungsansät-
ze beschreibt die wichtigsten Strukturmerkmale des „wirtschaftlichen Raumes".
~ Der empirische Teil der Analyse beginnt mit der Beschreibung eines lndikatorensystems zur
Erfassung der wesentlichen Merkmale des „wirtschaftlichen Raumes" von Betriebsstandor-
ten. Daran schließt eine Darstellung der Ausprägung dieser lndikatoren in den verschiedenen
Teilbereichen des Wiener Stadtgebietes an.
~ Im folgenden Kapitel wird zunächst die räumliche Verteilung der Wiener Industrie analysiert:
es ergeben sich „Branchenbündel" von Industrien mit ähnlichen „Verbreitungsmustern" und
Standortansprüchen. Aus dem Vergleich der durchschnittlichen Ausprägung der indikatoren
des wirtschaftlichen Raumes für die verschiedenen „Branchenbündel" sind erste Informatio-
nen bezüglich der Verbreitungsbedingungen der Industrie abzuleiten.
~ Eine vertiefte Erfassung der Standortansprüche der Wiener Industrie wird durch die Anwen-
—
dung der im Rahmen der „humanökologischen Analyse" (siehe Abschnitt 3) bereits bespro-
chen — Kennzahlen des nischentheoretischen Konzeptes erreicht. Mit Hilfe dieser Kennzah-
len kann eine „Rangordnung" der Branchen nach dem Ausmaß der Anpassung und dem „Bin-
dungsgrad" an die standörtlichen Gegebenheiten in Wien erstellt werden.
~ Nach dieser Bewertung der Branchen hinsichtlich ihrer Standortfaktoren enthält das ab-
schließende Kapitel dieses Abschnittes eine Bewertung der Wiener Zählgebiete bezüglich ih-
rer Eignung als Standorte für die betrachteten Industriebranchen.
38
(2) Lagebezogene Eigenschaften; das sind
(2.1) Entfernungen zu den Standorten komplementärer Nutzungen (betreffend die Bezugs-
und Absatzmöglichkeiten für Güter und Faktoren)
(2.2) Entfernungen zu den Standorten konfliktärer Nutzungen (betreffend die Störmöglich-
keiten in bezug auf die Nutzung des betrachteten Standortes)
(3) Kapazitätsbezogene Eigenschaften; das sind
(3.1) die nutzbare Bodenfläche des betrachteten Standortes
(3.2) die Anschlußkapazität seiner infrastrukturellen Gelegenheiten
(3.3) die Ausschlußkapazität seiner eigentumssichernden Barrieren.
Unter diesen „Standorteigenschaften" kommt den „infrastrukturellen Eigenschaften" und den
„lagebezogenen" Eigenschaften, die gemeinsam die möglichen Außenbeziehungen eines Wirt-
schaftsbetriebes bestimmen, große Bedeutung zu. Von Art und Umfang der für die Betriebsfüh-
rung notwendigen Außenbeziehungen wird auch die Standortwahl eines Betriebes im innerstäd-
tischen Gebiet wesentlich beeinflußt.
Nach den Anforderungen an den wirtschaftlichen Raum der Betriebsstandorte unterscheidet
J. BALE (1976) folgende („idealtypische") Industriegruppen:
1. Zentrumsorientierte Branchen treten vorwiegend im dichtverbauten Stadtgebiet, z. T. im Um-
feld des Stadtzentrums auf. Diese Standortwahl — bei der hohe Mieten und Bodenpreise in
Kauf genommen werden — erklärte sich aus:
~ der Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, für die im Umfeld des Stadtzentrums die
günstigsten Erreichbarkeitsbedingungen bestehen,
~ einem Absatzgebiet, das vorwiegend auf die Stadt und ihren Einzugsbereich beschränkt
ist: auch in diesem Fall ist in der Nähe des Zentrums zumeist der günstigste Zugang zu
den in der Stadt und in den Umlandbereichen verteilten Standorten der Kunden gegeben,
~ den „externen Effekten" der Nachbarschaft von (ebenfalls in Zentrumsnähe konzentrier-
ten) „komplementären" Dienstleistungs- und Wirtschaftsbüros sowie von im Produktion-
sprozeß vor- oder nachgelagerten Industrie- und Gewerbebetrieben.
2. Die Zuliefer- und Absatzgebiete von stadtrandorientierten Industrien reichen oft weit über das
Einzugsgebiet der Stadt hinaus in den nationalen bzw. internationalen Markt. Für ihre Stand-
ortentscheidung gelten folgende wichtige Bestimmungsfaktoren:
~ Ein überdurchschnittlich großer Bedarf an Betriebsflächen, gleichzeitig oft auch Beein.
trächtigungen der Umwelt durch den Produktionsablauf, die einen Standort im dichtver-
bauten Stadtgebiet ausschließen.
~ Erreichbarkeitsvorteile im Straßen- und Eisenbahngüterfernverkehr„die sich durch die Nä-
he zu den wichtigen Haupteinfallsstraßen bzw. zu den großen Güterbahnhöfen ergeben.
~ Standortsvorteile (Aufschließung der Grundstücke mit Einrichtungen der technischen Lei-
tungsinfrastruktur u. a.), die von peripheren lndustrieparks oder lndustriezonen angeboten
werden.
3. Industrien ohne besondere Standortanforderungen sind nicht wesentlich markt-, arbeitskraft-
oder kontaktorientiert. Ihre Produkte können zwar hochwertig sein, erfordern aber keine be-
sonderen Transportaufwände. Diese lndustriebranchen kommen auf sehr unterschiedlichen
Standorten des Stadtgebietes vor, sie sind gleichsam „zufällig" verteilt.
Die wirtschaftliche Umwelt der Betriebsstandorte ist einem ständigen Veränderungsprozeß un-
terworfen (z. B. ändern sich die Erreichbarkeitsverhältnisse durch die Überlastung oder durch
den Neubau von Verkehrssystemen; durch die Expansion der Stadt werden ehemals periphere
Industriegebiete von der Wohnverbauung umschlossen usw. ). Für die Wirtschaftsbetriebe ergibt
sich daher der Zwang einer ständigen Anpassung an die wechselnden Gegebenheiten ihrer wirt-
schaftlichen Umwelt (P. A. WOOD, 1978), im Extremfall besteht die Notwendigkeit einer Verlage-
rung des Betriebes auf geeignetere Standorte. Es kann daher im Stadtgebiet immer auch eine
bestimmte Anzahl von Industriebetrieben festgestellt werden, für deren Standortwahl heute be-
reits historische Standortfaktoren ausschlaggebend waren. Die „Funktionen" dieser Betriebe
sind von ihrem Management mehr oder minder gut an die heutige wirtschaftliche Umwelt ange-
paßt worden.
39
Betriebsstandorten aus möglichen Außenbeziehungen erfaßt werden. Die Berücksichtigung an-
derer Elemente des „wirtschaftlichen Raumes" (wie etwa „eigentums- und verfügungsrechtliche
Eigenschaften" ) ist wegen der erforderlichen Daten und der limitierten Arbeitskapazität nicht
möglich.
Die „lagebezogenen Standorteigenschaften" werden mit Hilfe von fünf Indikatoren gemessen.
Drei dieser Indikatoren —
sie bewerten die Verfügbarkeit über qualifizierte Arbeitskräfte, die
Kaufkraft der Wohnbevölkerung und die Kontaktchancen mit „komplementären"
Dienstleistungs- und Wirtschaftsbüros —
bilden die Anforderungen an den „wirtschaftlichen
Raum" der Betriebsstandorte von vorwiegend zentrumsorientierten Branchen ab. Die beiden
übrigen indikatoren quantifizieren die Zugänglichkeit der Betriebsstandorte im Eisenbahn- und
Straßengüterfernverkehr und sind somit auf die eher stadtrandorientierten Industriezweige
bezogen:
1. Als Indikator der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften dient ein „Arbeitskraftpoten.
tial". Dieser Potentialwert errechnet sich aus:
~ der Zahl der Arbeitskräfte des Qualifikationsniveaus „mittlere, höhere und Hochschulbil-
dung" auf den Wiener Wohnstandorten (Zählgebieten) sowie
~ aus den Fahrzeiten öffentlichen Verkehr auf „kürzesten Wegen" zwischen den Wohn-
im
und den Betriebsstandorten. Diese werden durch eine sogenannte „Widerstandsfunktion"
bewertet, die den Einfluß der Fahrzeit auf das Pendelverhalten ausdrückt. Der Parameter
(ß)dieser „Widerstandsfunktion" sagt aus: wenn sich die Fahrzeit zwischen einem Wohn-
standort und einem Betriebsstandort um eine Minute erhöht, so sinkt die Wahrscheinlich-
keit, daß ein Einwohner des Wohnstandortes dazu bereit ist, einen Arbeitsplatz auf dem
Betriebsstandort einzunehmen, um den Wert von x. Zur Schätzung dieses Parameters wer-
den die Ergebnisse der Pendlererhebung (von 1971) des Österreichischen Statistischen
Zentralamtes verwendet.
Je mehr qualifizierte Arbeitskräfte (von ihren Wohnstandorten aus) in je kürzerer Fahrzeit ei-
nen bestimmten Betriebsstandort erreichen können, desto größere Werte nimmt das „Arbeits-
kraftpotential" für diesen Betriebsstandort an').
2. Aufgrund mangelnder Informationen über das Interaktionsverhalten kann das Potentialmo-
dell für die anderen indikatoren des wirtschaftlichen Raumes nicht angewendet werden. Um
für die Betriebsstandorte dennoch die verfügbare Kaufkraft annähernd zu erfassen, wurden
die Gesamtsummen der Kaufkraft der Haushalte ermittelt, deren Wohnstandorte im „Einzu-
gsbereich" der Betriebsstandorte liegen. Als Grenzen der Einzugsbereiche gelten die Fahrzei-
ten auf „kürzesten Wegen" im öffentlichen Verkehr von 20, 25 und 30 Minuten. Wie verschiede-
ne Untersuchungen des Konsumverhaltens zeigen, liegen die im innerstädtischen Einkaufs-
verkehr durchschnittlich akzeptierten Fahraufwände innerhalb dieser Zeitschranken. Die
Schätzung der Kaufkraft der Haushalte erfolgte unter Verwendung verschiedener Einkom-
mensstatistiken, wie z. B. der Durchschnittsverdienste der Beschäftigten nach Wirtschafts-
zweigen in Wien.
3. Als Indikator für die an den verschiedenen Betriebsstandorten bestehenden Möglichkeiten
zur Kontaktnahme mit „komplementären" Dienstleistungs- und Bürobetrieben gilt die Anzahl
der Beschäftigten dieses Wirtschaftsbereiches (Wirtschaftstreuhänder, Anwälte, Versiche-
rungen, Banken, technische Büros, Forschungseinrichtungen u. a.) innerhalb eines mit 15 Mi-
nuten Gehzeit begrenzten fußläufigen Einzugsbereiches. Die räumliche Ausprägung dieses
Indikators ist in Karte 4 dargestellt. Hier zeigt sich, daß von den Zählgebieten des Stadtzen-
trums (innerhalb der genannten Zeitschwelle) über 25 v. H. der Beschäftigten in den Wirt-
schaftsbetrieben, die „Servicefunktionen" für die Industrie ausüben, zu erreichen sind. Im un-
—
mittelbaren Randgebiet des Zentrums sinkt dieser Anteilswert auf 6 15 bzw. 15 25 v. H. Von —
') Das Arbeitskraftpotential wird nach folgender Gleichung errechnet:
Ai Ai
vPI
—— +
i =1 f(vd i))
f(vdil)
vPj .'Arbeitskraftpotential des Betriebsstandortes j, benutztes Verkehrsmittel v
A~: Zahl der Beschäftigten der Qualifikation: mittlere, höhere und Hochschulbildung auf den Wohnstand-
orten i
Al. Zahl der Beschäftigten (der entsprechenden Qualifikationsstufe), die auf dem Betriebsstandort j selbst
wohnen
f(vd~j), f(vdjj): Fahrzeit mit den Verkehrsmittel v auf „kürzesten Wegen" zwischen den Standorten und j be-
i
wertet mit einer „Widerstandsfunktion" bzw. durchschnittlicher Wegaufwand innerhalb des Standor-
tes j bewertet mit einer „Widerstandsfunktion"
40
ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Karte 4:
BESCHÄFTIGTE IN BÜROBETRIEBEN
MIT „SERVICEFUNKTION"
FUR DIE INDUSTRIE
IM „FUSSLÄUFIGEN" EINZUGSBEREICH
über 25
15 bis 25
6 bis 15
4 bis 6
2 bis 4
1 bis 2
0, 5 bis 1
Arbeitsgrundlagen:
Betriebszähiung 1973 des Österreichischen Statistischen Zentralamtes;
eigene Berechnungen.
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~, I
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ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Karte 6:
ERREICH BARKEIT IM
STRASSENGÜTERFERNVERKEHR
40 —60 100 Oe
unter 40 100 O
40 —60 60 —80 Oe
unter 40 60 —80
40 —60 40 —60
unter 40 40 —60
unter 40 unter 40
Arbeitsgrundlagen:
Straßenverkehrszählung 1980, Österreichisches Statistisches Zentral-
amt; Verkehrskonzept far Wien, Magistrat der Stadt Wien — Geschäfts-
gruppe Stadtplanung, 1979.
—
den Zählgebieten innerhalb des Gürtels sind im Durchschnitt noch etwa 2 4 v. H. der Be-
schäftigten in den „komplementären" Bürobranchen zu erreichen, in einer engen Zone
— —
außerhalb des Gürtels zumeist 0, 5 1, seltener 1 2 v. H. Der letztgenannte Wert gilt auch
für die Zentren von Meidling und Favoriten.
41
4.4 DIE VERBREITUNG DER INDUSTRIE IM WIENER STADTGEBIET UND DIE RÄUMLICHE
AUSPRÄGUNG IHRER STANDORTFAKTOREN
In diesem Abschnitt wird zunächst die Verteilung der verschiedenen Produktionsrichtungen auf
die Betriebsstandorte im Wiener Stadtgebiet untersucht. Ziel der Analyse ist die Erfassung von
Branchen mit ähnlichem Agglomerationsverhalten; es soll geprüft werden, ob es charakteristi-
sche Assoziationen von Branchen gibt, die ähnliche Standortfaktoren nachfragen und daher im
räumlichen Verbund auftreten. Ebenso werden die Ausprägungen des wirtschaftlichen Raumes,
die sich für die Standorte dieser „Branchenbündel" ergeben, analysiert.
Als methodisches Instrument zur Erfassung der Branchenbündel dient das Rechenverfahren der
Faktorenanaiyse. Mit diesem Verfahren können bekanntlich voneinander statistisch unabhängi-
ge Faktoren ermittelt werden, in denen sich jeweils die Produktionsrichtungen mit ähnlichen
räumlichen Verteilungsmustern gruppieren (siehe auch die kurze Beschreibung der Methode der
Faktorenanalyse im Anhang). Die Ausgangsdaten für die Faktorenanalyse bildeten die Beschäf-
tigtenzahlen von insgesamt 39 Industrie- und Gewerbebranchen (Kombinationen des drei- und
vierstelligen Branchencodes der Arbeitsstättenzählung 1973 des Österreichischen Statistischen
Zentralamtes) für die 1265 Wiener Zählgebiete. Zur Durchführung des Rechenverfahrens wurden
Standardmethoden („principal factoring with iterations", Rotation der Faktoren nach dem
Varimax-Kriterium) angewendet.
Es ergeben sich die im folgenden angeführten signifikanten Faktoren, in denen Industrie- und
Gewerbebranchen mit ähnlichen Verbreitungsmustern zu „Branchenbündeln" zusammengefaßt
werden. Für die einzelnen Mitgliedsbranchen eines solchen „Branchenbündels" sind jeweils die
entsprechenden „Faktorenladungen" angeführt, das sind Kennzahlen, die das Ausmaß bemes-
sen, in dem eine Branche zur Bildung eines Faktors (Branchenbündels) beiträgt. Die Werte der
Faktorenladungen bewegen sich zwischen den Grenzwerten + 1 (stark positiver Einfluß der Va-
riablen auf den betreffenden Faktor) und — 1 (stark negativer Einfluß in derselben Richtung).
Faktorenladungen um 0 zeigen an, daß die Variable (Branche) in die Faktorenbildung nicht
eingeht:
Faktor I: Erzeugung und Verarbeitung von Papier und Pappe, (Faktorenladung + 0, 7178), Er-
zeugung von Leder- und Lederersatzstoffen (+ 0, 6474), Erzeugung von Metallwaren
(+ 0, 5008), Erzeugung von Schuhen (+ 0, 2914).
Faktor II: Druckerei, Vervielfältigung (+ 0, 6985), Verlagswesen (+ 0,6816), Erzeugung von Be-
kleidung (+ 0, 5824), Erzeugung von Uhren und Schmuck (+ 0, 4324), Erzeugung von
Textilien und Textilwaren (+ 0, 2943).
Faktor III: Bearbeitung von Metallen (+ 0, 8563), Erzeugung von Kunststoffen und Kunstfasern
(+ 0, 6168), Erzeugung von Waren aus Kunststoffen und Gummi (+ 0, 4990), Erzeugung
von Farben und chemischen Endprodukten (+ 0, 3240), Stahl und Leichtmetallbau
(+ 0, 2641).
Zur Interpretation der drei Hauptfaktoren sollen für die jeweils in einem Faktor zusammengefaß-
ten Branchen die Ausprägung der im vorigen Abschnitt besprochenen lndikatoren des wirtschaft-
lichen Raumes herangezogen werden.
Diese sind aus Tabelle 6 ersichtlich. Hier wird durch Signaturen das Ausmaß der Abweichungen
der branchenweisen Mittelwerte der fünf lndikatoren von den entsprechenden Mittelwerten über
alle Betriebsstandorte Wiens dargestellt. Dabei gelten positive und negative Abweichungen im
Ausmaß von
5 bis 15 v. H. als „relativ gering"
15 bis 30 v. H. als „überdurchschnittlich"
30 bis 50 v. H. als „stark" und
über 50 v. H. als „sehr stark".
Die Aussagen in Tabelle 6 beziehen sich allerdings nicht auf die genau gleiche Grundgesamtheit
wie die Faktorenanalyse. Es werden hier nur jene Wiener Zählgebiete berücksichtigt, die in stär-
kerem Ausmaß von Industriebetrieben besetzt sind'), während die Grunddaten der Faktorenana-
lyse industrielle und gewerbliche Betriebsstätten zusammenfassen. Dennoch zeigen sich auch
in dieser Aggregationsform für die in den „Branchenbündel" der Faktorenanalyse vereinigten
Produktionsrichtungen bestimmte Übereinstimmungen hinsichtlich der Struktur des „wirt-
schaftlichen Raumes".
') Die Kriterien zur Bestimmung dieser Zähigebiete sind im folgenden Abschnitt beschrieben.
42
Tabelle 6: Ausprä gung der Indikatoren des „wirtschaftlichen Raumes" für Industriebranchen,
geordn et nach „Branchenbü ndei"
Druckerei, Verviel-
fältigung
Ver~ O ~
Textilien und Textil-
C C C C C CC
elektrotechnische
Einrichtungen
Nahrungs-, Genuknit tel
Elektrohausheltsgeräte,
Radio, Träte
Getränke, Tabakver
nr bei tung Bearbeit-
O Arbeitmnaschinen
Transportmittel
Kraft- und Kältemaschi
nen, Arnmturen, mecha-
nische Werkstätten
Erzeugung
ungg von
und
Erdöl, Erdgns O
und Kohle auf
unter - 50
43
Die Betriebsstandorte der Branchen des ersten Faktors sind zumeist durch mehr oder minder
große negative Abweichungen von den gesamtstädtischen Mittelwerten bezüglich der Erreich-
barkeit der Güterbahnhöfe und der wichtigen Haupteinfallsstraßen gekennzeichnet. Ebenso bil-
det die räumliche Nähe zu „komplementären" Dienstleistungs- und Bürobetrieben keine Stand-
ortvoraussetzung. Die Verfügbarkeit über qualifizierte Arbeitskräfte und Kaufkraft wird zum Teil
nachgefragt, zum Teil entsprechen die Werte dieser lndikatoren dem Stadtdurchschnitt. Es sind
in diesem ersten „Branchenbündel" also gemeinsam auftretende, eher zentrumsorientierte
Industrie- und Gewerbezweige zusammengefaßt, die allerdings weniger in der City und ihrem un-
mittelbaren Umfeld vorkommen, sondern im anschließenden dichtverbauten Stadtgebiet.
Vergleicht man die Ausprägungen der Indikatoren für die Mitglieder des zweiten Branchenbün-
dels, so wird ersichtlich, daß es sich ebenfalls um zentrumsorientierte lndustriezweige handelt.
Im Gegensatz zum ersten Branchenkomplex kommt hier jedoch dem guten Kontakt zu
Dienstleistungs- und Bürobetrieben sowie dem „Kaufkraftpotential" zumeist eine wesentlich
größere Bedeutung zu: die hier zusammengefaßten Branchen treten auch im Bereich der City
auf; zum Teil handelt es sich dabei um Betriebsstätten der Industrieverwaltung.
Für die Branchen des dritten Faktors ist in Tabelle 6 ein weitgehend anderes Signaturenmuster
festzustellen: sie sind mehr oder weniger deutlich auf Standorte mit guter Zugänglichkeit im
Eisenbahn- und Straßengüterfernverkehr orientiert und bilden ein Branchenbündel, das eher am
Stadtrand anzutreffen ist.
Zwei weitere, weniger signifikante Faktoren (4 und 5) fassen eine Anzahl von Branchen zusam-
men, die nur bedingt im räumlichen Verbund und auch häufiger als „isolierte Elnzelbranchen"
auftreten. Nach den Werten der Indikatoren des „wirtschaftlichen Raumes" der Betriebsstandor-
te stellen einige dieser Branchen keine besonderen Standortanforderungen (z. B. die Erzeugung
von elektrotechnischen Einrichtungen und die Nahrungsmittelindustrie), die Mehrzahl ist stadt-
randorientiert (Transportmittelbau, Maschinenindustrie, Erdölverarbeitung).
In Karte 7 werden alle Wiener Zählgebiete mit über 400 Arbeitsplätzen in Industrie- oder Gewerbe-
betrieben als „Industriestandorte" näher charakterisiert. Die Karte stellt
1. das Verhältnis zwischen der industriell-gewerblichen Nutzung und der sonstigen (betriebli-
chen und Wohn-)Nutzung dieser „Industriestandorte" dar,
2. die räumliche Verbreitung der verschiedenen „Branchenbündel" und der eher „isoliert auftre-
tenden Einzelbranchen":
ad 1. Bezüglich der „Verbreitungsintensität" von Industrie und Gewerbe wird (nach dem Verhält-
nis von Einwohner- und Arbeitsplatzdichte) zwischen Betriebsgebieten, Wohn-Betriebsgebieten
und Wohngebieten unterschieden. Für jede dieser Kategorien ist zusätzlich der Anteil der Ar-
beitsplätze in Industrie- und Gewerbebetrieben an der Gesamtzahl der Arbeitsplätze angegeben,
sodaß z. B. „Industriegebiete" (mit der Dominierung industriell-gewerblicher Arbeitsplätze) und
sonstige Betriebsgebiete (mit der Dominanz anderer Wirtschaftsbranchen und akzessorisch auf-
tretenden Industriebranchen) zu unterscheiden sind.
Alle diese Aussagen werden durch die Variation der Flächenfarbe dargestellt.
44
ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Quelle Flächennutzungserhebung der v
MA 18 Stand 1975/76 Arbeits-
stättenzählung 1973, OSTZA
Entwurf: J. Steinbach Karte 7:
Grundkarte Blockgliederung MD —ADV
E
l
Zählgebietseinteilung von Wien I INDUSTRIE UND GEWERBE
Kartographie: g Institut für Stadtforschung DARGESTELLT SIND ZAHLGEBIETE MIT 400 UND MEHR
I ARBEITSPLATZEN IN INDUSTRIE UND GEWERBE
Betriebsgebiet
r
l Holz- Papierverarbeitung
u
Metallwarenerzeugung
.l l
Erzeugung von Textilwaren und Bekleidung,
Druckereigewerbe, Verlagswesen, O
Ct
I Erzeugung von Uhren und Schmuck
Maschinenbau, Elektrotechnik,
Feinmechanische Industrie
O
I 1 Nahrungsmittel- u. Getränke-
industrie, Tabakverarbeitung
I
I
Zahl der Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe
I e C iii V m
400 bis unter 1000 Arbeitsplätze
I o O o v' o
Maßstab 1: 100 000
wr tsssr 1000 und mehr Arbeitsplätze
0 1 km 2 3 4 5
O C a V O
~ In den westlichen Stadtbezirken (außerhalb des Gürtels) sowie z. T. in Favoriten, Simmering
und in Erdberg sind die von der Wohnverbauung umschlossenen Standorte der ehemaligen
(gründerzeitlichen) Stadtrandindustrie zu erkennen. Die entsprechenden Zählgebiete gehören
ebenfalls zumeist zu den Hauptnutzungstypen der Mischgebiete oder sogar der Wohngebiete.
~ Hingegen sind die Zählgebiete der gegenwärtigen Stadtrandindustrie vorwiegend „Industrie-
gebiete", also von der Industrie dominierte Betriebsgebiete. Hier herrschen besonders die ge-
nannten „isolierten Einzelbranchen" und „Branchenbündel" (Faktoren III bis V) vor, zu deren
wichtigsten Standortfaktoren die überregionale Verkehrserschlossenheit sowie genügend
große aufgeschlossene Industrieflächen zählen. Bedeutendere Industriezonen dieses
und
Typs liegen an der südlichen und südöstlichen Peripherie sowie jenseits der Donau. Hier sind
auch die wichtigsten Ansiedlungsgebiete der „Wiener Betriebsansiedlungsgesellschaft"
enthalten.
Dieses charakteristische Verbreitungsmuster der Wiener Industrie wird nun näher analysiert, wo-
bei wieder die Kennzahlen des Konzeptes der ökologischen Nischentheorie zur Anwendung
kommen.
Ähnlich wie bei der Analyse des „sozialen Raumes" der Wohnstandorte verschiedener sozialer
Gruppen der Bevölkerung kann auch zur Erfassung der Strukturmerkmale „wirtschaftlicher Räu-
me" das Konzept der „ökologischen Nische" angewendet werden. Wie bereits dargestellt (siehe
Abschnitt 3 sowie die kurze Beschreibung des methodischen Ansatzes im Anhang) wird in die-
sem aus der Biologie übernommenen Ansatz zwischen „realisierten" und „fundamentalen" öko-
logischen Nischen unterschieden. In dieser Analyse kennzeichnen „fundamentale" Nischen an-
nähernd „optimale" Standortbedingungen der industriebranchen, während „reale"Nischen die
tatsächliche Struktur ihres „wirtschaftlichen Raumes" abbilden. Diese kann wegen der bespro-
chenen Veränderungen von Umweltbedingungen sowie aufgrund der Konkurrenz der Betriebe um
die „günstigen" Standorte beträchtliche Abweichungen aufweisen.
4.5.1 Kennzahlen des „realisierten" und des „fundamentalen" wirtschaftlichen Raumes der
Industriebranchen
Zunächst sollen die drei Kennzahlen der „realisierten" und „abstrakten", „ökologischen" Nische
nochmals kurz dargestellt und unter Bezugnahme auf den vorliegenden Anwendungsfall inter-
pretiert werden.
1. Kennzahl d: Ausmaß der Anpassung der Betriebsstandorte einer Branche an die wirtschaftli ~
45
Industriezweiges. Es wird angenommen, daß dieses branchenspezifische Mittel jeweils relativ
günstigen Standortbedingungen der Branche innerhalb des Stadtgebietes entspricht'). Höhere
Werte dieser Kennzahl r kennzeichnen diejenigen industriezweige, deren Betriebsstandorte nur
wenig von einer relativ günstigen Ausprägung des wirtschaftlichen Raumes (also den Merkmalen
des „mittleren wirtschaftlichen Raumes" der Branche) abweichen. Niedrige Werte von r bedeu-
ten, daß die betrachtete Branche auch auf weniger geeigneten Standorten vorkommt.
3. Kennzahl c: Ausmaß der Verbreitung einer Branche auf Standorten, die den durchschnittli ~
ehen Verbreitungsbedingungen entsprechen
Während die Kennzahl r — in Analogie zur Anwendung des „Nischen-Konzeptes" in der Biolo-
gie— die „Weite"der „abstrakten" oder „fundamentalen" Nischen abbildet, dient die Kenn-
zahl c zur Erfassung der Intensität der Verbreitung einer Branche auf Standorten, die dem
Branchenmittel entsprechen: hohe Werte von c zeigen an, daß sehr viele der Betriebsstandor-
te einer betrachteten Branche hinsichtlich der Strukturmerkmale des wirtschaftlichen Rau-
mes mit dem „günstigsten" Standort übereinstimmen.
Da sich die drei genannten Kennzahlen auf die Betriebsstandorte der betrachteten lndustriebran-
chen beziehen, müssen als Vorbedingung zu ihrer Ermittlung zunächst diese Betriebsstandorte
definiert werden. Dabei ist zu bedenken, daß die Ausprägung der Kennzahlen unter Umständen
wesentlich von den statistischen Merkmalen, nach denen die Betriebsstandorte festgelegt wer-
den, abhängt. In der vorliegenden Analyse wurde einerseits eine Beschränkung auf die allerwich-
tigsten Betriebsstandorte der verschiedenen Branchen vermieden (wie sie etwa durch die Signa-
turen in Karte 7 dargestellt sind), weil sich dadurch für eine Reihe von industriezweigen eine zu
geringe Anzahl von Betriebsstandorten ergibt. Um eine Verfälschung der Ergebnisse zu vermei-
den war es aber auch notwendig, die Betriebsstandorte mit überwiegend gewerblicher Wirt-
schaftsstruktur und damit eine Vielzahl von Betrieben ohne wesentliche Standortansprüche,
auszuschließen. So wurden als „Betriebsstandorte" alle diejenigen Wiener Zählgebiete festge-
legt, die für mindestens eine der 21 (in Wien stärker verbreiteten) Industriebranchen mehr als 50
Arbeitsplätze aufzuweisen haben und deren durchschnittliche branchenspezifi sehe Betriebsgrö-
ße mindestens 15 Beschäftigte je Betrieb beträgt.
Zur Erfassung des „wirtschaftlichen Raumes" der so definierten Branchenstandorte dient das
oben dargestellte Indikatorensystem; wobei im einzelnen folgende Indikatoren verwendet
werden:
~ die (mit der Entfernung gewichtete) Anzahl der Arbeitskräfte mit höherem Qualifikations-
niveau im Pendeleinzugsbereich der Betriebsstandorte („Arbeitskraftpotential")
~ die Kaufkraft der Einwohner, deren Wohnstandorte von einem Betriebsstandort aus in einer
Fahrzeit von maximal 20 Minuten (im öffentlichen Verkehr) erreicht werden
~ die Zahl der Beschäftigten in „Bürobranchen" innerhalb einer Gehentfernung von maximal
15 Minuten vom Betriebsstandort
~ der Umfang der Gütermengen, die im Tagesdurchschnitt über die Wiener Haupteinfallsstra-
ßen befördert werden, deren „Anschlußknoten" an das innerstädtische Straßennetz vom Be-
triebsstandort aus nicht weiter als 20 Minuten LKW-Fahrzeit entfernt sind
~ der Umfang des jährlichen Güterumschlages in den Güterbahnhöfen, ebenfalls bezogen auf
einen Einzugsbereich von 20 Minuten Fahrzeit im LKW-Verkehr.
') Ebenso wieim Falle der Analyse des „sozialen Raumes" kann auch hier nicht davon ausgegangen wer-
den, daß die Mittelwerte der Indikatoren für die einzelnen Branchen die jeweils „optimalen" Standortbe-
dingungen abbilden (wie dies in der biologischen Anwendung der Nischentheorie unterstellt wird).
46
1. Die umfangreichste Branchengruppe ist durch relativ niedrige Werte für alle drei Kennzahlen
des „wirtschaftlichen Raumes" charakterisiert. Sie umfaßt die Branchen:
~ Erzeugung von Nahrungs- und Genußmitteln
~ Textilien und Textilwarenerzeugung
~ Erzeugung von Chemikalien und chemischen Produkten
~ Bearbeitung von Metallen und Stahl-, Leichtmetallbau
~ Erzeugung von Metallwaren (Werkzeuge, Möbel, Bleche)
~ Erzeugung von Arbeitsmaschinen.
Entsprechend der Interpretation der Kennzahlen ergibt sich aus den niedrigen Werten für d,
daß diese Branchen an die „wirtschaftlichen Räume" der Wiener Betriebsstandorte relativ gut
angepaßt sind. Dies trifft besonders für die Nahrungsmittelindustrie zu, für die (mit 0, 036) der
bei weitem kleinste Wert für d festzustellen ist. Gleichzeitig deuten die ebenfalls relativ niedri-
gen Werte der beiden übrigen Kennzahlen (r und c) darauf hin, daß diese Branchen nicht nur
an den für sie günstigen Betriebsstandorten vorkommen, sondern auch relativ häufig in vielen
anderen Bereichen des Stadtgebietes verbreitet sind, sie haben also „weite fundamentale Ni-
schen". Die Zugehörigkeit der chemischen Industrie zu dieser Gruppe erklärt sich aus der Tat-
sache, daß in Wien die entsprechenden Großbetriebe sowie der (meist umweltstörende) Grund-
stoffsektor weitgehend fehlen. Auch in der „Erzeugung von Arbeitsmaschinen" dominieren die
kleinen Betriebseinheiten mit geringeren Ansprüchen an den wirtschaftlichen Raum ihrer
Betriebsstandorte.
2. Eine zweite Gruppe wird von den drei Branchen
~ Holzverarbeitung
~ Erzeugung und Verarbeitung von Papier und Pappe
~ Erzeugung von elektrotechnischen Einrichtungen
gebildet. Diese industriezweige stimmen hinsichtlich der Ausprägung der Kennzahl der „re-
alisierten Nische" d mit der vorgenannten Gruppe überein, sie sind also ebenfalls gut an
die Gegebenheiten des Wiener Stadtgebietes angepaßt und können daher prinzipiell auf ei-
ner Vielzahl von Standorten auftreten. Wie jedoch die Werte von r und c anzeigen, besteht
(im Vergleich zur vorigen Gruppe) eine stärkere Tendenz bezüglich der günstigen Standorte
(höherer Wert für r), gleichzeitig konzentriert sich eine größere Zahl von Betrieben auf Stan-
dorten, deren wirtschaftlicher Raum etwa dem Branchenmittel entspricht (hoher Wert für c).
3. Diese letztgenannten Merkmale der „fundamentalen Nische" gelten auch für die fünf indu-
striebranchen, die eine dritte größere Gruppe bilden. Sie unterscheiden sich aber von den
beiden übrigen Gruppen durch deutlich höhere Werte für d. Neben der stärkeren Tendenz
bezüglich der für sie „günstigeren" Standorte (höherer Wert für r) und einer Konzentration
an den branchenspezifisch „mittleren" Standorten (hoher Wert für c) sind also die hier zuge-
hörigen Betriebe wesentlich seltener auch auf für sie ungünstigeren Standorten verbreitet
(höherer Wert von d) und damit im geringeren Ausmaß an die wirtschaftliche Umwelt der
Wiener lndustriestandorte angepaßt. Die Branchengruppe, für die dieses Standortverhalten
zutrifft, umfaßt die folgenden Industriezweige:
~ Druckerei und Vervielfältigung
~ Erzeugung von Waren aus Gummi und Kunststoffen
~ Erzeugung von Kraft-, Kältemaschinen und Armaturen, mechanische Werkstätten
~ Erzeugung von Elektrohaushaltsgeräten, Radio- und TV-Geräten
~ Transportmittelbau
~ Erzeugung von feinmechanischen, medizinischen und optischen Geräten, Uhren und
Schmuckwaren.
Wie aus dieser Interpretation der Kennzahlen für die drei genannten Branchengruppen zu erse-
hen ist, nehmen die von den hier zusammengefaßten Branchen gestellten Anforderungen an den
„wirtschaftlichen Raum" der Betriebsstandorte von Gruppe zu Gruppe zu.
Darüber hinaus kann für eine Anzahl von Einzelbranchen ein vom Durchschnitt noch mehr abwei-
chendes und z. T. extremes Allokationsverhalten festgestellt werden (siehe Abbildung 8). Ge-
meinsame Merkmale aller dieser Branchen sind überdurchschnittliche bis sehr hohe Werte für
d und unterdurchschnittliche bis sehr niedrige Werte für c; d. h. , die betreffenden industriezweige
passen sich der Wiener Standortstruktur meist sehr schlecht an und treten gleichzeitig meist
nur in sehr geringer Häufigkeit auf den für sie günstigen Standorten auf.
Aus der Interpretation der Kennzahlen des „nischentheoretischen" Konzeptes resultiert also
eine „Rangordnung" der industriebranchen nach dem Ausmaß ihrer Anpassung an die Gegeben-
47
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48
heiten des Stadtgebietes und dem „Bindungsgrad" an ihre durchschnittlichen (als „günstig" be-
werteten) Verbreitungsbedingungen. Es muß abschließend nochmals betont werden, daß die
Ausprägung der Kennzahlen von den besprochenen, der Berechnung zugrundegelegten Annah-
men (Definition der Branchen und Betriebsstandorte, wobei besonders unterstellt wird, daß in-
nerhalb einer Branche homogene Produktionsbedingungen vorherrschen, u. a.) wesentlich ab-
hängen. Dennoch dürften die hier vorgelegten Ergebnisse zur besseren Kenntnis die Verbrei-
tungsbedingungen der Wiener Industrie beitragen.
49
Tabelle 7: Kennzahlen des „realisierten" und „fundamentalen" wirtschaftlichen Raumes für
die Industriebranchen
50
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ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Karte 9:
STANDORTBEDINGUNGEN
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Arbeitsgrundlsgen:
Eigene Berechnungen.
5. STRUKTURANALYSE DER WIENER INNERSTÄDTISCHEN ZENTREN' )
5.1 EINFÜHRUNG
Eine genaue Kenntnis der Zentrenstruktur ist für die Wiener Stadtenwicklungsplanung beson-
ders wichtig, da
1. die wesentlichen Veränderungen der Erreichbarkeitsverhältnisse (besonders durch den Aus-
bau des öffentlichen Verkehrssystems) sowie
2. die beträchtlichen Veränderungen in der Bevölkerungsverteilung (siehe Abschnitt 3.6)
nicht ohne Folgen bezüglich der innerstädtischen Zentren bleiben können. Aufgrund dieser Ent-
wicklungstendenzen muß angenommen werden, daß es in bestimmten Bereichen des dichtbe-
bauten Stadtgebietes zu einer deutlichen Reduktion des Bestandes an Einzelhandels- und
Dienstleistungsbranchen kommt. Dadurch werden besonders diejenigen Gruppen der Bevölke-
rung betroffen, die über kein lndividualverkehrsmittel und andere technische Geräte (z. B. Tief-
kühltruhen zur Vorratshaltung) verfügen. Um solche Prozesse des „Verfalls" innerstädtischer
Zentren rechtzeitig zu erkennen, ist eine genaue Kontrolle der Zentrenentwicklung notwendig,
die auf den Ergebnissen der folgenden Querschnittsanalyse aufbauen kann.
Im vorliegenden Abschnitt der Arbeit werden zunächst einige Hypothesen über die Entwicklungs-
tendenzen innerstädtischer Zentren diskutiert. Daran schließt eine Darstellung der Arbeitsschrit-
te und Ergebnisse der Zentrenanalyse an:
~ Auf einen ersten Arbeitsschritt, der zur Abgrenzung der innerstädtischen Zentren dient, wird
hier nicht näher eingegangen. Dabei wurden alle Zählgebiete ermittelt, die im überdurch-
schnittlichen Ausmaß mit „zentralen Funktionen" (haushaltsbezogene bzw. haushaltsteilbe-
zogene Geschäfte, Dienstleistungsbüros, u. a.) besetzt sind. Entsprechende Zählgebiete, die
(etwa im Verlauf einer Geschäftsstraße) in enger Nachbarschaft auftreten, konstituieren ge-
meinsam ein innerstädtisches Zentrum.
~ Die so definierten Zentren werden zunächst hinsichtlich des Auftretens charakteristischer
Kombinationsformen von Einzelhandels. und Dienstleistungsbranchen analysiert. Es erge-
ben sich drei „Hauptgruppen":
Branchen der Standardausstattung,
Citybranchen und
City-Ergänzungsbranchen.
~ Nach der Beschäftigtenzahl in diesen „Hauptgruppen" der in den innerstädtischen Zentren
verbreiteten Branchen kann eine Größenstufung der Wiener Zentren vorgenommen werden.
Dabei sind, neben der City, Hauptzentren, Bezirkszentren und lokale Zentren zu unter-
scheiden.
~ Im Rahmen einer genaueren Erfassung der Ausstattungsstruktur werden die drei genannten
Hauptgruppen der Zentrenbranchen weiter differenziert. Es können eine Anzahl von Ausstat.
tungstypen unterschieden werden, die den Obergruppen „Einkaufszentren"„, multifunktiona-
le Zentren" und „Dienstleistungszentren" zugeordnet sind.
~ Aus der Überlagerung der Klassifikationen der Zentren nach der Größe und dem Ausstattungs-
typ kann schließlich eine Rangordnung der Wiener Zentren abgeleitet werden.
„Diezentralörtliche Theorie postuliert eine Hierarchie zentraler Dienste und zentraler Orte: Jene
Güter und Dienstleistungen, die von einer relativ kleinen Anzahl von Kunden her schon genügend
Umsatz zur Bestreitung ihrer wirtschaftlichen Existenz erzielen, suchen sich in möglichst günsti-
ge Lagebeziehung zur potentiellen Kundschaft zu setzen; sie haben eine geringe Reichweite, ab-
sorbieren jedoch einen relativ großen Teil der Ausgaben der Bevölkerung. Solche Einrichtungen
werden zentrale Funktionen niederer Ordnung genannt und es werden dazu Lebensmittelge-
schäfte, Supermarkt, Drogerie, Eisenwarengeschäft, Arzt usw. gerechnet. Andere Güter wie Klei-
der, Teppiche, Schmuckwaren, werden nur gelegentlich von jedermann eingekauft, nur ein
') Die „Strukturanalyse der Wiener innerstädtischen Zentren" wurde von J. STEIN BACH als eigenständiger
Beitrag im Rahmen des Forschungsprojektes „Ermittlung der wohnstandörtlichen und einwohnerspezifi-
schen Versorgungsqualität" (Projektleiter: D. BÖKEMANN) erarbeitet.
51
kleiner Anteil der Gesamtausgaben wird für sie verwendet und deshalb muß die Zahl ihrer poten-
tiellen Kunden viel größer sein, um die wirtschaftliche Existenz eines Betriebes sicherzustellen. "
(J. CAROL, 1968)
Daraus folgt, daß einem städtischen Zentrum unterer Ordnung (Lokalzentrum) ein potentieller
Kundenbereich von nur einigen tausend bis 10.000 Einwohnern, die im engeren Einzugsbereich
leben, zukommt, während das Hauptzentrum die Einwohner der gesamten Stadt und der zugeord-
neten Umlandregion versorgt. Durch den Mechanismus zunehmender Spezialisierung konzen-
trieren sich die zentralen Dienste in „verschiedenrangigen" innerstädtischen Zentren mit einan-
der überlagernden Versorgungsgebieten.
Die nach diesen Prinzipien gewachsene innerstädtische Zentrenstruktur verändert sich aufgrund
von folgenden Entwicklungstendenzen:
1. Wettbewerbs- und Verdrängungsprozesse zwischen verschiedenen Dienstleistungsunterneh-
men mit unterschiedlicher Wertschöpfung.
2. Verlagerungsprozesse zentraler Funktionen vom inneren Stadtgebiet auf bestimmte verkehrs-
mäßig bevorzugte Standorte der Peripherie.
ad 1.
Unternehmen, die aus der am Standort verfügbaren Kaufkraft die größte Wertschöpfung erzielen,
verdrängen sukzessive die weniger konkurrenzfähigen Dienstleistungsbetriebe (daneben auch
sonstige „Standortnutzer", wie z. B. die Wohnbevölkerung). Vornehmlich aufgrund dieser Ver-
drängungsprozesse ergeben sich folgende Strukturmerkmale innerstädtischer Zentren.
~ Infolge der Verdrängung von niedrigrangigen zentralen Diensten durch höherrangige Versor-
gungseinrichtungen fehlen in den höchstrangigen Zentren vor allem die Branchen zur
Deckung des Nahbedarfes.
~ Verdrängungsprozesse zwischen höherrangigen Versorgungseinrichtungen führen zu Bal-
lungstendenzen branchenmäßig gleichartiger Dienstleistungseinrichtungen:
—In den Haupteinkaufszentren ist die zunehmende Dominanz gleichartiger Geschäfte (be-
sonders der Bekleidungsbranche, E. LICHTENBERGER, 1972) zu beobachten. Aufgrund
dieser Schwerpunktbildung verringert sich im Vergleich mit den niedrigrangigen Einkaufs-
zentren — wenigstens tendenziell — die Branchenvielfalt.
—Gleichzeitig wächst die Bedeutung jener „spezialisierten" Zentren, in denen bestimmte
(hochrangige) Dienstleistungs- und Geschäftsbranchen (Bank-, Versicherungs- und Kredit-
wesen, Geschäfte der Branchengruppen: Wohnungseinrichtung und Ausstattung, Reise-
und Verkehrsbüros, hochrangiges Gastgewerbe, Betriebsstätten des Unterhaltungssek-
tors u. a.) stark vorherrschen. Solche Zentren spalten sich — mit wachsender Stadtgröße
in zunehmendem Ausmaß — vom multifunktionalen Citykern ab und erfüllen als zueinan-
der komplementäre Teilzentren gemeinsam die traditionellen Cityfunktionen. Dabei ent-
fällt auch immer mehr die Notwendigkeit der räumlichen Nähe.
ad 2.
Die zumindest relative Verschlechterung des Zuganges zu den Zentren der Stadtmitte (vor allem
im Individualverkehr), die gleichzeitige Aufwertung bestimmter Standorte an der Peripherie der
Stadt durch Anschlüsse an neue hochrangige Verkehrssysteme (meist (Stadt-)Autobahnen), die
zunehmende Motorisierung und nicht zuletzt die verstärkte Besiedlung der Stadt randzone begün-
stigten das Entstehen und die Expansion von neuen peripheren Einkaufszentren. Diese Zentren
bieten zumeist ein Sortiment an Gütern der mittleren bis höheren Zentralitätsstufe an und konkur-
renzieren damit vor allem die größeren Nebenzentren, weniger noch die City. Allerdings ist auch
das Entstehen einseitig-spezialisierter peripherer Zentren (z. B. der Möbel- oder der Textilbran-
che) zu beobachten, das als letzte Stufe eines Verlagerungsprozesses ursprünglicher Cityfunk-
tionen anzusehen ist (vom multifunktionalen Citykern in spezialisierte (Teil-)Zentren der City, von
hier aus in spezialisierte Zentren, die am Cityrand, in der Nähe von Subzentren im dicht verbauten
Stadtgebiet und schließlich auch am Stadtrand gelegen sind). Im Gegensatz zu den City- und city-
nahen Zentren beschränken sich die einseitig-spezialisierten Zentren an der Peripherie nicht nur
auf hochrangige zentrale Güter, es werden hier auch niedrigrangige Güter des täglichen Bedarfes
in nur wenigen „Verbrauchermärkten" konzentriert angeboten.
Mit dieser Entwicklung zu „komplementären" Zentren verringern sich für die Nachfrager die Mög-
lichkeiten zur gleichzeitigen Besorgung von verschiedenartigen Gütern und Diensten, die in un-
terschiedlicher Häufigkeit nachgefragt werden. Dagegen ergeben sich günstigere Voraussetzun-
gen zur Auswahl unter einem sektoral beschränkten Güterangebot (z. B. in einem auf die „Woh-
52
nungsausstattung" spezialisierten Einkaufszentrum). Die Entwicklungstendenzen der inner-
städtischen Zentren setzen also beim Nachfrager erhöhte Mobilitätsbereitschaft, große Aufwän-
de an Reisezeit und Kosten sowie im verstärkten Ausmaß auch die Verfügbarkeit über ein indivi-
dualverkehrsmittel bzw. andere technische Geräte (z. B.Tiefkühltruhen) voraus. Diese Vorausset-
zungen treffen für bestimmte Bevölkerungsschichten (besonders Einwohner mit geringerem Ein-
kommen und/oder höherem Lebensalter) nicht zu, sodaß sich für diesen Personenkreis durch die
Veränderungen im innerstädtischen Zentralitätsgefüge z. T. beträchtliche Benachteiligungen er-
geben können. Unter diesem Aspekt erscheinen vor allem zwei stadtentwicklungspolitische Ziele
als besonders bedeutsam:
~ die Erhaltung „funktionsfähiger" Bezirkszentren mit einem möglichst viele Sektoren bzw.
Branchen umfassenden Sortiment an zentralen Gütern und Diensten (vor allem auch in Stadt-
teilen mit abnehmender bzw. stagnierender Bevölkerung),
~ die Erhaltung bzw. (in Stadterweiterungsgebieten) Schaffung von Nahversorgungszentren ge-
genüber den Konzentrationstendenzen auf dem Lebensmittelsektor.
Wie einleitend erwähnt, wurden zur Abgrenzung der innerstädtischen Zentren zunächst alle jene
Zählgebiete ermittelt, die in stärkerem Ausmaß mit „zentralen Funktionen" besetzt sind. Diese
Zählgebiete, die etwa im Verlauf einer Geschäftsstraße in enger Nachbarschaft auftreten, konsti-
tuieren die „innerstädtischen Zentren".
Als Grundlage zur Erfassung der Größenstufen und der Ausstattungsstruktur der Wiener Zentren
wurden zunächst die „Verbreitungsmuster" der wichtigen „Zentrenbranchen" analysiert. Dazu
diente — wie auch bei der Untersuchung der räumlichen Verbreitungsmuster von Industrie- und
Gewerbebranchen — die Rechenmethode der Faktorenanalyse (siehe die Beschreibung des Ver-
fahrens im Anhang).
Inputvariable in die Faktorenanalyse sind die absoluten Beschäftigtenzahlen der innerstädti-
schen Zentren für insgesamt 16 Einzelhandeis- und Dienstleistungsbranchen, die wesentliche
„Konsumbereiche des menschlichen Lebens" (E. LICHTEN BERG ER, 1963) abdecken. Das Ergeb-
nis bilden drei Faktoren. Sie erklären insgesamt 77 v. H. der Varianz des input-Datensatzes (siehe
Tabelle 8) und fassen Einzelhandels- und Dienstleistungsbranchen mit ähnlichen Verbreitungs-
mustern, d. h. mit ähnlichen Standortanforderungen (z. B. bezüglich des „Kaufkraftpotentials")
zusammen.
~ Das „Branchenbündel" des ersten Faktors (auf den 50 v. H. der „erklärten" Varianz der lnput-
daten entfallen) umfaßt die Standardausstattung der innerstädtischen Zentren: hierzu gehö-
ren die Einzelhandelsbranchen: „Bekleidung", „Wohnungsausstattung", „Elektro- und Haus-
haltsgeräte", „sonstiger Einzelhandel" und die „Warenhäuser"; akzessorische Elemente der
Standardausstattung sind — mit etwas niedrigeren Faktorenladungen — die Nahversor-
gungseinrichtungen Einzelhandel mit „Lebensmittel" bzw. mit „Körperpflege- und Reini-
gungsartikel" sowie die „praktischen Ärzte".
~ Im zweiten Faktor (mit einem „erklärten" Varianzanteil von 19 v. H. ) werden Branchengruppen
zusammengefaßt, die das erste Bündel fallweise ergänzen, aber besonders in der Stadtmitte
konzentriert sind. Diese speziaiisierten Geschäfts- und Dienstleistungsbranchen (Citybran.
ehen) umfassen „Freizeitdienste und -artikel", „Buch- und Kunsthandel", „Gastgewerbe" so-
wie vor allem als oft bestimmende Branchengruppe: „Geldwesen, Versicherung, Realitäten-
wesen, Rechtsberatung".
~ Bestimmte Sonderformen von Branchenkombinationen der Wiener innerstädtischen Zentren
Branchengruppen
(„
sind durch den dritten Faktor erklärter" Varianzanteil 8 v. H. ) erfaßt, der vorwiegend von den
„Fahrzeughandel", „Kultur und Unterhaltung", „Schulen und Kindergär-
ten" sowie von einigen Branchen (besonders Reise- und Verkehrsbüros) der Branchengruppe
„Freizeitdienste" gebildet wird. Dieser dritte Faktor kennzeichnet relativ seltene, zur „Stan-
dardausstattung" und besonders zu den Citybranchen „komplementäre" Funktionen und ver-
einigt somit „City-Ergänzungsbranchen". Er ist am stärksten im Ringstraßenabschnitt Opern-
ring — Kärntner Ring ausgeprägt.
53
Tabelle 8: Faktorenladungen der Branchengruppen in die Zentrenfaktoren
Lebensmittel .73824
Körperpflege, Reinigung .52868
Elektro- und Haushaltsgeräte .82537
Bekleidung und Textilien .89865
Wohnungsausstattung .84318
Freizeitdienste und Artikel .64668 .67072
Buch- und Kunsthandel .75065
Fahrzeughandel .80260
Warenhäuser .66205
sonstiger Einzeihandel .79220
Gastgewerbe .75730
Geldwesen, Versicherung, Realitäten-
wesen, Rechtsberatung .70654
Kultur, Unterhaltung .68208
Ärzte .70623
Schulen, Kindergärten .75164
*) Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur „signifikante" Faktorenladungen von Ober .45000 angegeben.
Hier sind die Zentren entsprechend ihres Dienstebesatzes nach den Größenstufen der Standard-
und der Citybranchen angeordnet. Es ist zu erkennen, daß für die Mehrzahl der größeren Zentren
erwartungsgemäß die Beschäftigtenanteile der Standardbranchen überwiegen, z. T. sind auch
beide Branchenbündel in etwa gleichem Ausmaß vertreten (Zentren in der Diagonale der Matrix),
während nur relativ wenige Zentren als spezialisierte Zentren der Wiener „Bürocity"vorwiegend
mit Diensten des zweiten Branchenbündels (Citybranchen) besetzt sind. Nach dem Auftreten der
Standardbranchen können folgende Größenklassen der Wiener Zentren unterschieden werden:
Die „Citybranchen" verlieren in dieser Größenordnung von Stufe zu Stufe kontinuierlich an Be-
deutung: So haben die Hauptzentren zusätzlich zur Standardausstattung zwischen 2500 (Land-
straßer Hauptstraße) und 650 Beschäftigte (Zentrum Favoriten) im zweiten Branchenbündel auf-
zuweisen; für die größeren Bezirkszentren liegt diese Spannweite zwischen 2100 (Taborstraße)
und 300 (Simmeringer Hauptstraße) usw. Kennzeichnend für die Verbreitung der Branchen des
54
Tabelle 9: Grööenstufen der Wiener innerstädtischen Zentren
1 Kärntner Str
2 Graben- 71 Mariahilfer
uber Kohlmarkt Straße CITY UND
MARIAHILFER
4000 3 Rotenturm- (+72 Neubau-
straße gasse) STRASSE
(in Summe)
HAUPT-
ZENTREN mit
2000- 1 Landstraßer 121 Meidlinger 101 Zentrum starkem, mittle-
Hauptstraße Hauptstraße Favoriten rem und schwa-
2600 chem Besatz im
zweiten Bran-
chenbundel
Z
lu 111 Simm.
Z
O Hauptstraße
Z 151 Hutteldorfer
tz Str. -März- Großere BE-
üi straße ZIRKSZENTREN
üi
iz 1100- 81 Josefstädter 161 Thahastraße mit starkem und
2 Taborstraße Straße 171 Hernalser schwachem Be-
O 1750 satz im zweiten
Z Hauptstraße
201 Wallenstein- Branchen-
i- bundel
do straße
221 Zentrum
iu
O Floridsdorf
Z
tb asc mar + . ar-
lu 74 Westbahn- garetenstr. ,
Z straße- Reinprechts-
tJ 14 Wollzeile
Z Kaiserstraße dorfer Str. -
41 Innere 155 Mittlere Sieben- BEZIRKS-
tz Wiedner ZENTREN mit
ül Hutteldorfer brunneng.
660— 6 Karntner Hauptstraße Straße 62 A. G um pen- starkem, mittle-
lu Ring 21 Praterstraße 75 Lerchen- 152 A. Maria- dorfer Str. rem und schwa-
1100 Opernnng felder Str. chem Besatz im
Co
Iz hilfer Straße 73 Sieben-
82 Alser Str. 163 Ottakringer sterngasse zweiten Bran-
92 Nußdorfer Straße 162 Neulerchen- chenbündel
Straße 181 Äußere felder Str.
i- Wahringer 22131 Donau-
mp
zentrum
u.
Z
tJ
io
lu
VIERTELS-
51 Schonbrun- ZENTREN mit
15 Tuchlauben ner Straße
starkem und
300— 7 Schottentor Hoher Markt 42 Außere 43 Innere mittlerem bis
91 Innere Wiedner Favoritenstr.
schwachem Be
660 Freyung
Währinger Hauptstraße 93 Alserbach- satz im zweiten
Straße straße Branchen-
13023 Hietzing bundel
lle ubrigen
unter 24 Untere entren bzw.
LOKALE
18 Schottenring Augarten- okale Ge- ZENTREN
300 straße chäfts-
tandorte
55
zweiten Branchenbündels ist die Tatsache, daß in den Feldern der Diagonale der Matrix (diese
enthalten — wie erwähnt — diejenigen Zentren in denen beide Branchenbündel in „Mengung"
auftreten) neben der City nur Zentren, des sogenannten „inneren", an den Stadtkern anschließen-
den „Geschäftsstraßenringes" vorkommen, während im äußeren „Ring"(außerhalb des Gürtels)
die Standardbranchen stark dominieren.
Unter den wenigen „spezialisierten Zentren der Bürocity" mit überwiegender Beschäftigtenzahl
der „Citybranchen" nimmt der Ringstraßenabschnitt Kärntner Ring — Opernring eine besondere
Stellung ein. Es handelt sich um das einzige Zentrum, in dem Branchengruppen des hier nicht
dargestellten dritten Faktors der City-Ergänzungsbranchen (Sonderform einer Branchenkombi-
nation besonders mit Fahrzeughandel, Reise- und Verkehrsbüros, Kultur und Unterhaltung) in
besonderem Maße (ca. 2000 Beschäftigte) auftreten. Mit dieser zusätzlichen Funktion wird der
Ringstraßenabschnitt zum spezialisierten Ergänzungszentrum der City.
Zur Erfassung von charakteristischen Ausstattungstypen der Wiener Zentren wurde die „Grob-
gliederung" der Beschäftigtenstruktur nach den drei „Branchenbündeln" (Standardbranchen,
Citybranchen, City-Ergänzungsbranchen) weiter differenziert, wobei als methodisches Instru-
ment wieder das Rechenverfahren der Clusteranalyse Verwendung fand.
Als Ergebnis dieses Verfahrensschrittes konnten charakteristische Schwellenwerte bezüglich
des Auftretens der insgesamt 16 Einzelhandels- und Dienstleistungsbranchen definiert werden.
Diese Schwellen der „starküberdurchschnittlichen", „überdurchschnittlichen", „durchschnittli-
chen" und „unterdurchschnittlichen" Verbreitung der Branchengruppen sind in Tabelle 10 ent-
halten. Sie untergliedern die drei Hauptgruppen innerstädtischer Zentren (siehe Tabelle 9):
vorwiegende Einkaufszentren (Überwiegen der Standardbranchen)
multifunktionaie Zentren (Mengung von City- und Standardbranchen) sowie
vorwiegende Dienstleistungszentren (Mengung von City- und City-Ergänzungsbranchen)
in eine größere Anzahl von Ausstattungstypen:
1. Nach dem Auftreten von Leitbranchen des Einzelhandels kann die Hauptgruppe der Einkaufs.
zentren in „Bekleidungszentren" und „Einkaufszentren mit gemengter Branchenstruktur" un-
terteilt werden.
Für die Bekleidungszentren ergeben sich folgende Ausstattungstypen, die sich unter ande-
rem durch das Ausmaß unterscheiden, in dem die Leitbranchen durch Einrichtungen des Nah-
bedarfes ergänzt werden:
~ Bekleidungszentrum mit überdurchschnittlich verbreiteten Ergänzungsbranchen des lang-
fristigen Bedarfes (Mariahilfer Straße)
~ Bekleidungszentren mit überdurchschnittlich verbreiteten Ergänzungsbranchen des lang-
fristigen Bedarfes und mit Nahbedarf (Meidlinger Hauptstraße, Zentrum Favoriten)
~ Bekleidungszentren mit durchschnittlich verbreiteten Ergänzungsbranchen des langfristi-
gen Bedarfes und mit Nahbedarf (Thaliastraße, Zentrum Floridsdorf, Wallensteinstraße
u. a. , siehe Tabelle 12).
56
Tabelle 10: Schwellenwerte der Verbreitung von Branchengruppen in den Zentrentypen
12 Geld, Versicherungs-
wesen, Realitäten,
Rechts-, Wirtschafts-
beratung über 50 30 bis 50 15 bis 30 unter 15
In den multifunktionalen Zentren der City') mengt sich das Diensteangebot der Citybranchen
(„Geldwesen, Versicherung, Realitätenwesen, Rechtsberatung", „Hotel und Gastgewerbe",
„Freizeitdienste und Artikel", „Buch-und Kunsthandel") mit den Einzelhandelszweigen „Be-
kleidung", „Warenhaus", z. T. auch mit „Körperpflege-Reinigung", wobei diesen Geschäften
mit ihrem hochspezialisierten Angebot an Kosmetikartikel keine echte Nahversorgungsfunk-
tion zukommt. Eine Sonderform stellt der Ringstraßenabschnitt: Kärntner Ring Opernring —
dar, in dem die genannten „Ergänzungsbranchen" (Dienstleistungen des Verkehrs wie Reise-
büros und Fluggesellschaften, „Unterhaltung und Kultur", „Fahrzeughandel") stark
vorherrschen.
Multifunktionale Zentren außerhalb der City sind im Gegensatz zu den entsprechenden Aus-
stattungstypen des Stadtkerns nur mehr unvollständig mit den Dienstleistungs- und speziali-
sierten Einzelhandelsbranchen des zweiten „Branchenbündels" (Citybranchen) besetzt. Hier
ergeben sich drei Subtypen deren Unterschiede wieder besonders in der Ausstattung mit
Nahversorgungseinrichtungen liegen:
~ Geschäfts- und Dienstleistungszentren mit überdurchschnittlichen Anteilen von „Geldwe-
sen, Versicherung, Realitätenwesen und Rechtsberatung", sowie von „Bekleidung" (Land-
straßer Hauptstraße) bzw. „Elektro- und Haushaltsgeräten" (Taborstraße)
') Kärntner Straße, Graben-Kohlmarkt, Rotenturmstraße-Fleischmarkt
57
~ multifunktionale Zentren mit gemengter Branchenstruktur (Josefstädter Straße, Innere
Wiedner Hauptstraße, Alser Straße, Praterstraße)
~ multifunktionale Zentren mit gemengter Branchenstruktur und Nahbedarf (Nußdorfer
Straße, Lerchenfelder Straße, Äußere Wiedner Hauptstraße, Hietzing u. a.).
3. Für die Dienstleistungszentren der City und des Cityrandes (Tuchlauben — Hoher Markt,
Schottentor —Freyung, Schottenring u. a.) läßt sich einheitlich die starke Dominanz der Bran-
chengruppen: „Geldwesen, Versicherung, Realitätenwesen und Rechtsberatung" feststellen.
Hier sind besonders auch die zentralen Verwaltungsbüros verschiedener Großbetriebe der ge-
nannten Dienstleistungsbranchen konzentriert. Die Beschäftigten dieser nicht unmittelbar
kundenbezogenen Betriebsstätten werden im zugrundeliegenden statistischen Material lei-
der nicht eigens ausgewiesen.
58
Tabelle 11: Verteilung der Ausstattungstypen auf die Größenstufen der Zentren
Ausstattungstypen
Einkaufszentren
Größenstufen 1.1 Beklei- 1.2 Beklei- 1.3 Beklei- 2.1 Einkaufs- 2.2 Einkaufs- 2.3 Einkaufs-
nach der dungszentrum dungszentren dungszentren zentren mit zentren mit zentren mit
Ausstattung mit mit überdurch- mit überdurch- mit durch- emengter gemengter gemengte r
„Standard- schnittlich schnittlich schnittlich ranchen- Branchen- Branchen-
branchen" verbreiteten verbreiteten verbreiteten struktur und struktur struktur und
Ergänzungs- Ergänzungs- Ergänzungs- dominanten Nahbedarf
branchen des branchen des branchen Branchen des
langfristigen langfristigen periodischen
Bedarfes ohne Bedarfes und langfristi-
Nachbedarf gen Bedarfes
City und
Haupteinkaufs-
zentrum
Hauptzentren
Größere
Bezirkszentren
Bezirkszentren
Viertelszentren
Ausstattungstypen
Multifunktionale Zentren
City und
Haupteinkaufs-
zentrum
Hauptzentren
Größere
Bezirkszentren
Bezirkszentren
Viertelszentren
59
Tabelle 12: Rangordnung der Wiener innerstädtischen Zentren
ZentrengröBe
ersten zweiten
Branchenbündel Branchenbündel Ausstattungstyp zugehörige Zentren
Ober 4000 Ober 2000 1.1 Bekleidungszentrum mit 071 Mariahilfer Straße
überdurchschnittlich verbrei- ( + 072 Neubaugasse)
teten Ergänzungsbranchen
des langfristigen Bedarfes
ohne Nahbedarf
Ober 4000 über 4000 4.1 Zentren der City 011 Kärntner Straße
012 Graben-Kohlmarkt in
013 RotenturmstraBe- Summe
Fleischmarkt
660 —1750 Ober 4000 4.2 City-Ergänzungszentrum 016 Kärntner Ring-
Opernring
B. Hauptzentren
2000 —2600 550 —1750 1.2 Bekleidungszentren mit über- 101 Zentrum Favoriten
durchschnittlich verbreiteten 121 Meidlinger Hauptstraße
Ergänzungsbranchen des
langfristigen Bedarfes
—
1750 2600 5.1 Multifunktionales Zentrum mit 031 Landstraßer HauptstraBe
überdurchschnittlichen Antei-
len von „Geldwesen, Versi-
cherung, Realitätenwesen
und Rechtsberatung" sowie
von „Bekleidung"
C. Größere Bezirkszentren
Zentrengröße
ersten zweiten
Branchenbündel Branchenbündel Ausstattungstyp zugehörige Zentren
D. Bezirkszentren
660 —1100 & 550 1.3 Bekleidungszentren mit 155 Mittlere Hütteldorfer Str.
durchschnittlich verbreiteten 162 Neulerchenfelder StraBe
Ergänzungsbranchen 181 ÄuBere Währinger Straße
660 —1100 & 300 2.1 Einkaufszentren mit gemeng- 052+053 ÄuBere Margarethenstr. -
ter Branchenstruktur und Reinprechtsdorfer Str. -
überdurchschnittlichen Siebenbrunnengasse
Anteilen der Branchen des 062 Äußere Gumpendorfer Str.
periodischen und lang-
fristigen Bedarfes
2.2 Einkaufszentren mit 074 WestbahnstraBe-KaiserstraBe
gemengter Branchenstruktur 152 ÄuBere Mariahilfer Str.
(ohne besonders hervor- 163 Ottakringer StraBe
660 —1100 tretende Branchen)
2.4 Einkaufszentrum mit gemeng- 061 Naschmarkt (innere Gumpen-
ter Branchenstruktur: dorfer Straße)
Sonderfall
3.1 Einkaufszentrum-Sonderform 073 Siebensterngasse
660—1100 & 500 3.2 peripheres Einkaufszentrum 22131 Donauzentrum
660—1100 550 —1100 5.2 Multifunktionale Zentren mit 021 Praterstraße
—(1750) stärker gemengter Branchen- 041 Innere Wiedner Hauptstraße
struktur 082 Alser StraBe
660—1100 550 —1100 5.3 Multifunktionale Zentren mit 014 Wollzeile
gemengter Branchenstruktur 075 Lerchenfelder Straße
und Nahbedarf 092 Nußdorfer Straße
E. Viertelszentren
2. 1 Einkaufszentrum mit gemeng- 211 Wagramer Straße
ter Branchenstruktur und
überdurchschnittlichen An-
teilen der Branchen des pe-
riodischen und langfristigen
Bedarfes
& 500 2.2 Einkaufszentren mit gemeng- 043 Innere Favoritenstraße
ter Branchenstruktur (ohne 044 Innere Margarethenstraße
besonders hervortretende 051 Schönbrunner Straße
Branchen)
& 300 2.3 Einkaufszentren mit gemeng- 026 Lassallestraße
ter Branchenstruktur und 032 Erdbergerstraße
überdurchschnittlichen 102 Troststraße
Anteilen des Nahbedarfes 103 ÄuBere Favoritenstraße
(z. T. auch der Bekleidung) 141 ÄuBere Hütteldorfer Straße
153 Sechshauser StraBe
191 Döblinger HauptstraBe
193 Nußdorf
202 Brigittaplatz
2.4 Einkaufszentren mit gemeng- 094 Porzellangasse
ter Branchenstruktur: 095 Währinger Str. -Volksoper
Sonderfall
—
300 600 —
300 550 5.3 Multifunktionale Zentren mit 042 Außere Wiedner Hauptstr.
(900—) gemengter Branchenstruktur 093 AlserbachstraBe
und Nahbedarf 13023 Hietzing
61
Tabelle 12: Rangordnung der Wiener innerstädtischen Zentren (Fortsetzung)
Zentren größe
ersten zweiten
Branchenbündel Branchenbündel Ausstattungstyp zugehörige Zentren
F. Lokale Zentren
6.1 Lokale Einkaufszentren mit
stark überdurchschnittli-
chen Anteilen des Nahbe-
darfes (und/oder
( 300 —300 Gastgewerbe)
6.2 Lokale Einkaufszentren mit
alle übrigen lokalen
Geschäftsstandorte
überdurchschnittlichen An-
teilen des Nahbedarfes
6.3 sonstige lokale Zentren
II. DIENSTLEISTUNGEN
300—660 —
1750 2600 7.1 Dienstleistungszentren der 015 Tuchlauben, Hoher Markt
300—600 — 4000 (Büro)-City 017 Schottentor-Freyung
300— —
1750 2600 018 Schottenring
—
300 600 —
1750 2600 7.2 Dienstleistungszentren im 091 Innere Währinger Straße
300— 550 —1100 City-Randbereich 024 Untere Augartenstraße
Auf der untersten Stufe der Zentren (lokale Zentren) herrscht der Nahbedarf vor, der (im „durch-
schnittlichen" Ausmaß) bereits zur Standardausstattung der Hauptzentren zählt und schon in
bestimmten Ausstattungstypen der Viertelszentren (im Ausnahmefall auch der Bezirkszentren)
etwas stärker hervortritt.
Die aus der Überlagerung der beiden Klassifikationsmerkmale „Ausstattungstyp" und „Zentren-
größe" abgeleitete Rangordnung der Wiener innerstädtischen Zentren ist in Tabelle 12 zusam-
mengefaßt. Für jede der verschiedenen Rangstufen sind die Zentrengröße (Zahl der Beschäftig-
ten im ersten und zweiten Branchenbündel), der Ausstattungstyp und (mit Ausnahme der lokalen
Zentren) die zugehörigen innerstädtischen Zentren angegeben.
Die Karte „Funktionelle Gliederung des Wiener Stadtgebietes" (Karte 12) enthält (allerdings in
vereinfachter Form) die räumliche Verbreitung der so klassifizierten Zentren und zeigt diejenigen
Bereiche des dicht verbauten Stadtgebietes, in denen Bezirkszentren und lokale Zentren in relativ
großer räumlicher Nähe auftreten. Aus dem Vergleich mit den in Karte 3 dargestellten Verände-
rungen in der Bevölkerungszahl der Wiener Zählgebiete wird ersichtlich, daß im Umfeld nahezu
aller dieser Zentren deutliche Bevölkerungseinbußen zu verzeichnen sind. Diese Verluste an Kun-
den werden für diejenigen Zentren besonders relevant, in deren Einzugsbereich ältere und weni-
ger kaufkräftige Bevölkerungsschichten vorherrschen (also vor allem in den Wohngebieten mit
„Dominanz unterer sozialer Schichten" und „Überalterung"). Hier müssen die Veränderungen
der Zentrenstruktur besonders kontrolliert werden, um der Vergrößerung von z. T. schon beste-
henden Versorgungslücken (siehe Abschnitt 3.5.2) entgegenzuwirken.
Gleichzeitig werden aus dem Vergleich der genannten Karten auch diejenigen peripheren (und
an Bevölkerungszahl meist zunehmenden) Wohngebiete offensichtlich, die von den innerstädti-
schen Zentren relativ weit entfernt sind. Auch davon sind zumeist wieder untere soziale Schich-
ten betroffen (ihre z. T. sehr schlechte Versorgung mit Konsumgütern und Diensten des täglichen
Bedarfes ist in Abschnitt 3.5.2 beschrieben). In diesen Stadtbereichen (vor allem östlich der Do-
nau) sind Maßnahmen und Anreize notwendig, die
a) zur Entwicklung einer größeren Anzahl lokaler Zentren führen und
b) eine weitere Aufwertung bestehender höherrangiger Geschäftsstraßen und Einkaufszentren
zur Folge haben.
62
6. DIE WIENER CITY ALS BÜROSTANDORT
6.1 EINFÜHRUNG
Der Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes begünstigt vor allem die Wiener City, deren Erreichbarkeit
sich weit über die durch Überlastungen der traditionellen (öffentlichen und individuellen) Ver-
kehrssysteme bedingten Zugänglichkeits-Einbußen hinaus verbessert. Dadurch werden sich
auch die „Expansionstendenzen" vor allem von bestimmten Bürobranchen, die schon vor lnbe-
triebnahme des neuen Verkehrssystems wesentliche Teile der Wiener Innenstadt dominierten,
zusätzlich verstärken. Eine Kontrolle dieser Prozesse, die besonders zur raschen Verdrängung
der Wohnnutzung führen, gilt als vorrangiges stadtentwicklungspolitisches Ziel.
Zur Erfassung der Veränderungen in der Nutzung der Nettogeschoßflächen, die sich seit der inbe-
triebnahme der die City erschließenden U-Bahn-Linien ergeben haben, können die Ergebnisse
einer Flächennutzungserhebung als Grundlage verwendet werden. Die Erhebung wurde von der
„FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT WIENER SOZIALGEOGRAPHEN" zu Beginn der 70-er Jahre
durchgeführt. Mangels aktuellerer Daten muß hier für die weiteren Ausführungen das über 10
Jahre alte Erhebungsmaterial herangezogen werden. Aufgrund der anzunehmenden Veränderun-
gen wäre eine Aktualisierung dringend zu empfehlen.
Im folgenden wird — nach einigen Bemerkungen zur Standortwahl von Bürobetrieben eine —
Auswertung des Datenbestandes dieser Vollerhebung der gesamten Flächennutzung im 1. Wie-
ner Gemeindebezirk dargestellt. Diese zeigt das Ausmaß der Verbreitung von Bürobranchen in
der Wiener Innenstadt und versucht ihre Veränderungstendenzen abzuschätzen.
') Nach T. BURNS (1957) bzw. R. STEWARD (1967) wird zwischen 42 und 80 v. H. der Arbeitszeit von Top-
Managern für Kommunikationszwecke verwendet. Für das mittlere Management beträgt dieser Anteilswert
68 v. H.
') Nach J. B. GODDARD wird im zentralen Bereich von London ein Drittel aller interaktionen der Angehöri-
gen von Bürobetrieben zu FuB durchgeführt, wobei die Zeitaufwände weniger als 10 Minuten betragen
(J. B. GODDARD, 1973).
63
6.3 DIE VERBREITUNG DER BÜROBRANCHEN IN DER WIENER INNENSTADT
Die Verbreitung der Bürobranchen in der Wiener City kann unter Verwendung von Ergebnissen
einer von der „FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT WIENER SOZIALGEOGRAPHEN"') (1972) durch-
geführten Flächennutzungserhebung veranschaulicht werden: nach diesem Datenmaterial be-
anspruchen Wirtschaftsbüros, Ämter, Büros des Großhandels und Büros Freier Berufe insge-
samt 37, 7 v. H. der gesamten Nettogeschoßfläche der Wiener Innenstadt (siehe Tabelle 13).
Nutzungsarten Nettogeschoßfläche
m' i. v. H.
Diesem Anteilswert kommt die Wohnnutzung am nächsten, auf die Anfang der 70er Jahre noch
26 v. H. der Nettogeschoßfläche entfallen. Schulen, religiöse und kulturelle Einrichtungen sind
auf 11 v. H. der Nettogeschoßfläche verbreitet, Geschäftslokale und Betriebsstätten der Katego-
rie „Hotel-Gastgewerbe und Unterhaltung" nur auf jeweils ca. 4 v. H.
Die räumliche Verbreitung der Bürobranchen im Wiener Stadtgebiet ist in Karte 10 „Funktionelle
Gliederung der Wiener Innenstadt" dargestellt. Die hier unterschiedenen „Stadtviertel" ergeben
sich aus dem räumlichen Zusammentreten von verschiedenen Gebäudenutzungstypen.
ln der Kerncity entlang der Achsen der Hauptgeschäftsstraßen herrscht die „gemengte" Nut-
zungsstruktur der Gebäude eindeutig vor. Neben den Betriebsstätten des Einzelhandels, des ge-
hobenen Hotel- und Gastgewerbes und der Unterhaltungsbranche sind hier die Büros „FreierBe-
rufe" (Rechtsberatung, Realitätenwesen, Wirtschaftsdienste, technische Dienste) sowie ver-
schiedene Großhandelsbüros („ Vermittlung von Waren aller Art") lokalisiert.
An den Bereich der Kerncity schließen verschiedene, einseitig strukturierte „Bürosektoren" an,
die sich gegen den Cityrand hin verbreiten (zur Gliederung der Wiener City, siehe auch E. LICH-
TENBERGER, 1972):
~ Der „Regierungs- und Kultursektor" umfaßt das ehemalige „Herrenviertel" um die Hofburg
und erstreckt sich bis in den Ringstraßenbereich zwischen den beiden Museen und dem Parla-
ment. Neben verschiedenen kulturellen Einrichtungen sind hier vor allem Büros der öffentli-
chen Verwaltung und der Interessensvertretungen konzentriert.
~ Der „Bankensektor" schließt an die Nordwestecke der Kerncity (Graben) an und reicht eben-
falls bis in die Ringstraßenzone(Schottenring). Er umfaßt vor allem die Standorte der zentralen
Verwaltungsbüros im Bank- und Versicherungswesen. Zusätzlich treten auch Großbüros der
öffentlichen Verwaltung sowie Zentralbüros größerer Wirtschaftsbetriebe auf.
~ Das „Textilviertel" bildet einen weiteren Sektor, der von den angestammten Altstadtquartie-
ren des Textilgroßhandels am Hohen Markt und am Salzgries ausgeht. Hier kombinieren sich
die Büros des Textilgroßhandels (einschließlich der entsprechenden Warenlager) mit den
Büros verschiedener anderer Großhandelszweige sowie mit Wirtschaftsdiensten und Depen-
dancen der öffentlichen Verwaltung.
64
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WIENER SO2IALGEOGRAPHEN
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(nach Gebäudenutzungstypen)
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Entwurf: Josef STEINBACH
Kartographische Bearbeitung: Fritz KELNHOFER
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3.Akzessorisches
Bereiche mit stärker gemengter Nutzungsstruktur
Gemengte Nutzungsstruktur
Auftreten
"Cltystraßen"
von Geschäften
In der Kerncity
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Hauptgeschäftsstraßen
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100 0 100
Maßstab
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1:10.000
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Herausgegeben
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') Dieser beginnt sich allerdings in jüngerer Zeit aus der City zu verlagern.
65
Tabelle 14: Flächennutzungsarten in der Wiener Innenstadt mit unterschiedlichen Veränderungs.
tendenzen (aufgrund der Erhebungen aus dem Jahr 1972)
Fläche
FLÄCHENNUTZUNGSARTEN absolut in v. H. der
(qm) NFG') NWN')
1. Abnahme
Werkstätten 133 865
Warenlager 215 785
Insgesamt 349 650
2. Ohne Veränderung
Hotel-, Gastgewerbe 215 760
Geschäftslokale (ohne Einzelhandel
d. Iangfr. Bedarfs, Dienste des Verkehrs) 255 882 4 6
sonstige Industriebüros 245 958 4 6
öffentlicher Dienst 819 662 14 20
kulturelle Einrichtungen 292 912 5 7
religiöse Einrichtungen 103 892 2 3
Unterricht 270 620 5 6
sonstige Nutzungen 221 201 4 5
Insgesamt 2 425 887 42
3. Schwache Zunahme
Büros der chemischen und der Textilindustrie 27 500') 0, 5 0,6
Büros des Bauwesens 30 000') 0,5 0,7
Versicherungen 106 632 1,5 3,0
Büros des Textilgroßhandels 32 872 0,5 0,7
Insgesamt 197 004
4. Stärkere Zunahme
Geschäftslokale des langfr. Bedarfes,
sonst. Dienste, Dienste des Verkehrs 89 840
Banken 107 940
halboffizielle Institutionen 111 231
Großhandel: Fahrzeuge, Maschinen,
branchenunabh. Großhandel 169 353
Freie Berufe 285 0944)
Büros der Elektro-, Fahrzeug-,
Maschinenindustrie 40 000')
') Nettogeschoßfläche
') Nichtwohnnutzung
') Die insgesamt 210 700 qm Büroflächen von Industrieverwaltungen wurden lm Verhältnis der Beschäf-
tigtenanteile der Branchen und Branchengruppen aufgeteilt.
4) Einschließlich der Flächen mit gemischter Nutzung: Wohnen —Freie Berufe.
66
ANALYSEN DER WIENER
STADTSTRUKTUR
Karte 11:
RR
uttenbr
t} a ts Wohngebiet
4
ss
Wohngebiet mit Betrieben
HR
r
S
Nuts
Lg„.
'
Mischgebiet WW CK
/ Betriebsgebiet mit
Wohnnutzung M M~
reitenlee
I Raasdorf
Betriebsgebiet') R W KIEZ
') Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe
5 (
Verteilungsdiagramm der Nutzungstypen nach dem Verhältnis
von Einwohnerdichte und Arbeitsplatzdichte
M
bach Donaustadt I
I 2600
I
1 1200
st
rü
Purkersdorf Groß-Enzersdorf tü
t33
&ü
I Io
üs
l :st
500
l~ l
I
CL
to
ü&
Unbebautes Gebiet
Gewässer
Schwechat Landesgrenze
Breitenfurt I
u.i.ü Bezirksgrenze
I Moßstots l: 100 000
l km'
Perchtoldsdorf
0 1 km 2 3 Quelle Funktionelle Gliederung Wiens J Steinbach A d
i
67
~ In „Mischgebieten" ergeben sich für die Einwohner- und Arbeitsplatzdichte relativ ähnliche
Werte. Sie sind in der Karte der funktionellen Gliederung nach den Strukturmerkmalen sowohl
von „Wohn-" als auch von „Betriebsgebieten" charakterisiert.
~ Verschiedene Elemente der Stadtstruktur werden (als „übergreifende" Elemente) unabhängig
vom Hauptnutzungstyp über alle Zählgebiete betrachtet. Dies gilt vor allem für die innerstädti-
schen Zentren (Geschäftsstraßen), die ihren Verlauf sowohl in Wohn- und Mischgebieten, als
auch teilweise in Betriebsgebieten (mit Dienstleistungen der öffentlichen und privaten Ver-
waltung) nehmen.
Die im ersten Syntheseschritt ermittelten „Hauptnutzungstypen der Wiener Zählgebiete" sind
in Karte 11: „Flächennutzung im bebauten Gebiet" dargestellt. Dabei werden — wie schon er-
wähnt — nach dem Verhältnis von Einwohnerdichte (Einwohner je ha Baufläche) und Arbeits-
platzdichte (Arbeitsplätze je ha Baufläche) die Grundtypen:
Wohngebiet, Wohngebiet mit Betrieben, Mischgebiet, Betriebsgebiet mit Wohnnutzung und
Betriebsgebiet
unterschieden. Diese Grundtypen sind nach der Intensität der Flächennutzung weiter differen-
ziert, wobei die Intensität der Wohn- bzw. der betrieblichen Nutzung in den „Dichtestufen": 0 bis
100, 100 bis 300, 300 bis 500 und über 500 Einwohner oder Arbeitsplätze je ha Baufläche gemessen
wird.
In der Karte sind Betriebsgebiete in blauen Farbtönen dargestellt, ihre unterste (lockerste) Inten-
sitätsstufe durch blaue Schraffuren. Mischgebiete jeder intensitätsstufe sind in braunen Farbtö-
nen gehalten, während die Wohngebiete durch rote, orange und rotgelbe Farbtöne gekennzeich-
net sind. Die unterste intensitätsstufe der Wohngebiete ist — analog zu den Betriebsgebieten
— durch rote Schraffuren charakterisiert.
Die Karte: „Flächennutzung im bebauten Gebiet" zeigt deutlich die Grundzüge der funktionellen
Gliederung Wiens:
~ den dicht verbauten „Stadtkörper" und die lockerer besiedelte Peripherie mit den sich durch
etwas größere Nutzungsintensität hervorhebenden alten Ortskernen;
~ die Gliederung des dicht bebauten Gebietes
— in das (Dienstleistungs-)Betriebsgebiet der City, das besonders im Westen (Mariahilfer
Straße) über die Grenzen des ersten Wiener Gemeindebezirkes hinausreicht,
—in die Mischgebiete (vor allem zwischen Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung) beson-
ders der westlichen und südwestlichen Bezirke innerhalb des Gürtels sowie
—in die dichten gründerzeitlichen Wohngebiete beiderseits des Gürtels sowie im 2. und
20. Gemeindebezirk;
~ die Gliederung der locker verbauten Peripherie in die
—stadtrandnahen lndustriegebiete, besonders im Süden, Südosten und jenseits der Donau
—in die etwas verdichteten Kerne der ehemaligen „Vororte" sowie
—in die randlichen Wohngebiete mit lockerer Villen- bzw. Einfamilienhausbebauung.
Dritter Syntheseschritt:
Durch die im zweiten Syntheseschritt erfolgte „Umlegung" von sektoralen Strukturmerkmalen
(Sozial-, Industrie- und Gewerbestruktur u. a.) auf die Hauptnutzungstypen wurden die Zählgebie-
te hinsichtlich der wesentlichen Elemente ihrer Flächennutzungsstruktur charakterisiert. Ein
weiterer Arbeitsschritt hatte die Erfassung von größeren Unterschieden in der Flächennutzung
zum Ziel, die „innerhalb" der Zählgebiete bestehen.
Dabei bildete die Karte „Flächennutzung im Wiener Stadtgebiet" (Maßstab 1:25.000, MAGI-
STRAT DER STADT WIEN, GESCHÄFTSGRUPPE STADTPLANUNG) die wichtigste Grundlage.
Durch den Vergleich mit dieser Karte konnten diejenigen Zählgebiete erkannt werden, in denen
unterschiedliche städtische Funktionen in eindeutiger räumlicher Trennung auftreten. Für sol-
che Zählgebiete, die nach dem ersten Syntheseschritt „Mischgebiete" darstellen, wurden nun
die entsprechenden Flächennutzungseinheiten getrennt und hinsichtlich ihrer Funktion als
„Wohn-"oder Betriebsgebiete" charakterisiert. Dieses Vorgehen bedeutet keinen methodischen
Fehler, da sich die verschiedenen, in der Statistik auf das Zählgebiet aggregierten Daten auf-
grund der Funktionsteilung in der Wirklichkeit ja ausschließlich auf den definierten, einheitlich
genutzten Teilbereich des Zählgebietes beziehen. Zählgebiete mit verschiedenen, aber(nach der
Flächennutzungskarte) räumlich nicht eindeutig zu trennenden Nutzungsarten sind in der Karte
der „funktionellen Gliederung" unverändert als Mischtypen klassifiziert.
Im gleichen Arbeitsschritt wurden auch die als „unbebautes Gebiet" klassifizierten Zählgebiete
oder Zählgebietsteile nach den entsprechenden Flächennutzungskategorien
„Kleingärten", „Sportplätze", „Äcker und Wiesen" usw. ) gekennzeichnet.
(„Parkanlagen",
68
ANALYSEN DER WIENER STADTSTRUKTUR
Karte 12:
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FUNKTIONELLE GLIEDERUNG
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Mit dieser Berücksichtigung charakteristischer Strukturunterschiede innerhalb von Zählgebie.
ten war der Syntheseprozeß zur Ermittlung der funktionellen Gliederung des Wiener Stadtgebie-
tes abgeschlossen. Es konnten nun Überlegungen bezüglich einer geeigneten Form der kartogra-
phischen Darstellung angestellt werden. Schließlich ergab sich das in Tabelle 15 enthaltene kar.
tographische Darstellungsschema.
Die als Ergebnis der besprochenen Syntheseschritte vorliegende Karte im Maßstab 1:
100.000
„Funktionelle Gliederung des Wiener Stadtgebietes" ist als Forschungskarte konzipiert. Dabei
handelt es sich nach dem Verständnis der kartographischen Wissenschaft um eine Darstellungs-
form, aus der ein Betrachter unmittelbar Informationen zur Raumerkenntnis und Raumbeurtei-
lung ablesen soll. Hauptzweck der Karte ist ihre Verwendung im Planungsprozeß.
Die hier enthaltene planungsrelevante Information ergibt sich aus der „Zusammenschau" we-
sentlicher Elemente der Stadtstruktur. Dabei soll besonders der Zusammenhang und das Aus-
maß der wechselseitigen Bedingtheit folgender städtischer Strukturelemente zum Ausdruck
kommen:
~ Sozialstruktur — demographische Struktur der Bevölkerung
~ Sozial- und demographische Struktur — Wohnverhältnisse —Bebauungsstruktur
~ Sozial- und demographische Struktur — Rang und Verteilung der innerstädtischen Zentren
~ Sozial- und demographische Struktur —
Struktur und Verteilung der Arbeitsplätze in den Dien-
sten sowie in Industrie und Gewerbe
~ Sozial- und demographische Struktur — Grünflächenstruktur
~ Struktur und Verteilung der Wirtschaftsbetriebe — Netze der Verkehrsinfrastruktur.
Diese Informationen haben im wesentlichen ihren Wert behalten, obwohl das der Karte zugrunde
liegende Datenmaterial zum Teil auf die statistischen Großzählungen zu Anfang der 70er Jahre
zurückgeht:
~ viele der hier dargestellten städtischen Strukturelemente (wie die Verteilung der Grünflächen,
die Sozial- und demographische Struktur, die Zentrenstruktur u. a.) bleiben auch über längere
Zeitperioden relativ konstant,
~ außerdem sind diejenigen Veränderungen der Flächennutzungsstruktur in der Karte berück-
sichtigt, die sich in den letzten Jahren durch den Baufortschritt bzw. durch die Fertigstellung
verschiedener städtebaulicher Großprojekte ergeben haben (z. B. Neue Donau und Donauin-
sel, Internationales Zentrum, größere Wohnanlagen im Stadterweiterungsgebiet).
Somit erscheint es als gerechtfertigt, diese Karte der „funktionellen Gliederung" des Wiener
Stadtgebietes auch noch zu Beginn der 80er Jahre zu publizieren.
Tabelle 15: Kartographisches Darstellungsschema für die Karte „Funktionelle Gliederung des
Wiener Stadtgebietes"
69
8. STADTENTWICKLUNGSPOLITISCHE KONSEQUENZEN
70
ANALYSEN DER WIENER STADTSTRUKTUR
Karte 13:
Dargestellt sind die Typen der Zählgebiete nach Art und Umfang der erforderlichen
baulichen Sanierungsmaßnahmen (bezogen auf den Planungszeitpunkt 1990, nach
den Ergebnissen des Modells zur Abschätzung des Umfangs von Sanierungsmaß-
nahmen).
72
112 + +
S 52 bi ~ + + + a
—bis + + +
113
6 236
'Häufigkeitsstufen' Anteil dtr ab- Zahl der tu Anteil der su Anteil dar F'läche der
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v. H. Typ I und 5 Typ 3 in ar
~ Die Typen 1 bis 3 sind jeweils durch relativ „häufige" Abbrüche von Gebäuden gekennzeich-
net, zusätzlich zählen die Sanierung von Gebäuden, Verbesserungen der Wohnungsausstat-
tung und die Anlage von Parks und öffentlichen Grünflächen zu den dringlichen Maßnahmen.
~ Für die Typen 4 bis 5 verlagert sich das Schwergewicht der Maßnahmen auf die Sanierung
von Gebäuden, daneben sind zumeist Wohnungszusammenlegungen, z. T. auch Verbesserun-
gen der Wohnungsausstattung erforderlich.
~ Die Typen 7 und 8 fassen diejenigen Zählgebiete des dichtverbauten Stadtbereiches zusam-
men, für die sich der vergleichsweise geringste Bedarf an Erneuerungsmaßnahmen ergibt.
Hier sind z. T. Verbesserungen der Wohnungsausstattung sowie zusätzliche Park- und Grün-
flächen erforderlich.
Eine genauere Beschreibung dieser Typen ist der Legende zu Karte 13 zu entnehmen.
Mehrere Novellierungen und Neufassungen der Mieten-, Wohnbau- und Stadterneuerungsgeset-
ze haben zwar in jüngerer Zeit zu einer Intensivierung der Sanierungsaktivitäten geführt, anderer-
seits ergeben aber Wirkungsanalysen der wesentlichen Gesetze, daß diese nicht ausreichen, um
das dargestellte Ausmaß des baulichen Erneuerungsbedarfes zu bewältigen:
2. Nach den Bestimmungen des Stadterneuerungsgesetzes gilt die Ausstattung der Wohnungen
mit Naßanlagen als wesentliches Kriterium für die Festlegung von „städtebaulichen Problem-
71
gebieten", für die besondere Maßnahmen und Mitteleinsätze vorgesehen sind. Das Gesetz
orientiert sich also an einer „Momentaufnahme" des baulichen Zustandes, sodaß ein recht-
zeitiges Eingreifen in Verfallsprozesse und eine Sanierung vor dem Entstehen von weitgehend
irreversiblen Schäden nicht möglich ist. Nach dem gesetzlichen Kriterium gelten gegenwärtig
ca. 12 v. H. der Wiener Zählgebiete als „Problemgebiete". Berücksichtigt man zusätzlich den
technologischen Alterungsprozeß sowie ökonomische Rentabilitätskriterien von Sanierungs-
maßnahmen, so erhöht sich dieser Problemgebietsanteil im Jahr 1990 auf ca. 20 v. H. , steigt
im Jahr 2000 auf ca. 28 v. H. an und erreicht schließlich im Jahr 2010 den Wert von 32 v. H.
(K. MITTRINGER, 1981). Diese zukünftigen Problemgebiete wurden in der bisherigen Diskus-
sion um die Stadterneuerung vernachlässigt.
Zum Abbau der dargestellten sozialen Disparitäten bezüglich der Wohnungs- und der Wohnum-
weltverhältnisse und zur Beeinflussung der Segregationsprozesse der Wiener Bevölkerung ist
also eine Neufassung von wesentlichen gesetzlichen Grundlagen der Stadtentwicklungspolitik
erforderlich.
Tabelle 16: Ergebnisse des Modells zur Abschätzung des Umfanges von Sanierungsmaßnahmen
Gesamtbilanz der Maßnahmen und Veränderungen der Stadtstruktur
1. Maßnahmen
Maßnahmen —Kategorie Umfang der Maßnahmen
Tabelle 17: Ergebnisse des Modells zur Abschätzung des Umfanges der Sanierungsmaßnahmen:
Kosten
72
ANHANG: MATHEMATISCH-STATISTISCHE METHODEN
1. Faktorenanalyse
Faktorenanalysen sind mathematische Verfahren, mit deren Hilfe Aussagen Ober den Zusam-
menhang zwischen Variablen gewonnen werden können. Variable, die nach ihrer Ausprägung
Ober bestimmte Raumeinheiten (Zählgebiete des Wiener Stadtgebietes) eine ähnliche Verbrei-
tungsstruktur aufzuweisen haben, werden in gemeinsamen mathematischen Dimensionen (sog.
Faktoren) zusammengefaßt. Diese Faktoren sind untereinander statistisch weitgehend unab-
hängig und bilden den lnformationsgehalt der ursprOnglichen Variablen in komprimierter Form
ab. Die Beziehungen zwischen den Variablen und den Faktoren werden durch die sogenannten
Faktorenladungen gemessen, das sind feste Koeffizienten (innerhalb der Grenzen von +1 bis
— 1), die angeben, inwieweit (ein positiver oder negativer) Zusammenhang zwischen einer
Variablen und einem Faktor besteht. Weitere Kennzahlen der Faktorenanalyse sind die Faktoren-
werte. Sie bemessen die Intensität der Verbreitung der einzelnen ermittelten Faktoren („BOndel"
von Variablen) in den verschiedenen Beobachtungseinheiten (z. B. Zählgebiete).
Auf den komplexen technischen Ablauf der Faktorenanalyse und die damit verbundenen Pro-
blemstellungen kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Abbildung 9 enthält ein Ablauf-
schema der Faktorenanalyse zu dem im folgenden einige Erläuterungen gegeben werden.
Genauere Darstellungen sind der einschlägigen Literatur zu entnehmen, insbesondere aus
K. ÜBERLA (1971).
Die Matrix der Eingabedaten in die Faktorenanalyse enthält für eine Zahl von m Variablen (in den
Spalten) Meßdaten von n Beobachtungseinheiten, z. B. Wiener Zählgebiete (in den Zeilen):
1
r n
1
t k . m
1
1 k m
1 l
r.l r
1
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I
I
I
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I
f
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m m
R„
Bezugseinheiten
R = (rik) Korrelotionsmatrix A = (a.iii) Faktorenmuster mit
i, k = I. .... m
Faktorenladungen
1 = I. . . .. . .r Faktoren
i = I. . .. . . . m Variablen
V = (v i) rotiertes
Faktorenmuster
I. ... ...r Faktoren
I. ..... . m Variablen
P = (Pi ) Matrix der
Foktorenwerte
I. ......r Faktoren
I. ......n räumliche
Bezugseinheiten
73
Y«Y12Y13 ' Yln
Y21Y22Y23 Y2n
Eine zumeist in folgender Art durchgeführte Transformation dieser Ausgangsmatrix dient der
Vergleichbarkeit aller Variablen:
Y;; Y,
(2)
s
zj sinddie transform ierten Beobachtungswerte der ei nzel nen Variablen(„standard sco res"), y
die ursprünglichen Beobachtungswerte, yj ihre arithmetischen Mittel und s, ihre Standardab-
weichungen. Die Variablen werden somit zu Verteilungen mit dem Mittelwert O und der Standard-
abweichung 1 transformiert.
Nach dem Grundmodell der Faktorenanalyse soll jeder in der Transformationsmatrix Z enthalte-
ner standardisierter Beobachtungswert einer Variablen (z„)als Linearkombination einer Anzahl
von Faktoren (r) ausgedrückt werden:
Z = AP (4)
Z ist wieder die m x n Matrix der standardisierten Ausgangsdaten; A, die m x r Matrix der Faktoren-
ladungen wird als Faktorenmuster (factor pattern) bezeichnet und enthält die Beziehungen der
Variablen zu den Faktoren, während P, die Matrix der Faktorenwerte, die Beziehungen der Fakto-
ren zu den einzelnen Beobachtungseinheiten beschreibt. Die Ermittlung des Faktorenmusters
(Matrix A), in dem „gleichgerichtete" Variablen zu Faktoren zusammgengefaßt werden, bildet
das primäre Ziel der Faktorenanalyse; nach ihrer Errechnung können die Faktorenwerte
(Matrix P) geschätzt werden.
Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens können vier Anwendungsbereiche der Faktoren-
analyse unterschieden werden (K. ÜBERLA, 1971):
1. Neustrukturierung eines noch wenig bekannten Gebietes. Beispiele dafür sind die klassische
Anwendungen der Faktorenanalyse in der psychologischen intelligenzforschung, aber auch
die Ermittlung charakteristischer „Constructs" (economic-, family-, ethnie status) in der „So-
cial Area Analysis" (siehe Abschnitt 2.5)
2. Schätzung von direkt nicht meßbaren Größen mittels der Faktorenwerte (z. B. Ausprägung der
einzelnen „Constructus" in räumlichen Beobachtungseinheiten)
3. einfache Datenreduktion (Ermittlung vereinfachter Beschreibungsdimensionen für eine Viel-
zahl von Variablen)
4. Spezialprobleme, Sonderanwendungen
Bei der Anwendung der faktorenanalytischen Methode bildet die Auswahl der Ausgangsvaria-
blen sehr oft einen Ansatzpunkt der Kritik: die Bevorzugung von unbedeutenden oder der Ver-
nachlässigung von sachlich wichtigen Variablen kann zur entscheidenden Verfälschung der Aus-
sagen führen. Daher sollte sowohl die Auswahl der Inputvariablen in die Faktorenanalyse als
auch die Interpretation der errechneten Faktoren nur auf der Basis von expliziten theoretischen
Hypothesen erfolgen.
2. Clusteranalyse
Mit Hilfe der Clusteranalyse werden sogenannte Merkmalsräume gegliedert. Dem Begriff „Merk-
malsraum" unterliegt die Vorstellung, daß alle Merkmale, durch die eine Anzahl von Beobach-
tungseinheiten (z. B. Zählgebiete) charakterisiert sind, gemeinsam einen (hypothetischen) multi-
74
dimensionalen Raum definieren, wobei die Zahl der Dimensionen der Zahl der (von Beobach-
tungseinheit zu Beobachtungseinheit unterschiedlich ausgeprägten) Merkmale und die „Gren-
zen" des Merkmalsraumes den maximalen und minimalen Ausprägungen der Merkmale entspre-
chen.
Die einfachste — zweidimensionale — Form eines Merkmalsraumes ist das Korrelationsdia.
gramm, in dem jede Beobachtungseinheit durch zwei Variable (ihre Werte sind auf der X- bzw.
auf der Y-Achse aufzutragen) als Punkt fixiert ist. Ebenso kann man sich vorstellen, daß auch
innerhalb eines multidimensionalen Merkmalsraumes jede Beobachtungseinheit entsprechend
ihrer relevanten Merkmale als Punkt darzustellen ist.
Aus der Anordnung der solche Beobachtungseinheiten repräsentierenden Punkte im Merkmals-
raum ist seine Einteilung in verschiedene Unterräume abzuleiten: Beobachtungseinheiten, die
aufgrund ihrer Ähnlichkeit nur durch relativ geringe Distanzen im Merkmalsraum getrennt sind
und so gemeinsam einen mehr oder minder deutlich ausgeprägten Unterraum definieren, bilden
Elemente einer Klasse; sie sind durch relativ große Abstände von allen nicht zum gleichen Typ
gehörenden Beobachtungseinheiten getrennt.
Mit Hilfe der unter dem Oberbegriff „Clusteranalysen" zusammengefaßten Rechenverfahren
wird versucht, Merkmalsräume derart in Unterräume (Klassen) zu gliedern, daß die in einer Klasse
vereinigten Beobachtungseinheiten möglichst ähnlich, die Klassen untereinander möglichst ver-
schieden sind.
Für die Zuordnung eines Elements (Beobachtungseinheit) zu einer Klasse gelten im Falle der
Clusteranalysen die Bedingungen polythetischer Typologien, nach denen die Elemente einer
Klasse eine wesentliche Anzahl gemeinsamer Merkmale aufzuweisen haben müssen, wobei je-
doch nicht vorgeschrieben ist, in welchen Merkmalen Übereinstimmung bestehen soll.
Als Optimalitätskriterium für Klasseneinteilungen von Elementen nach polythetischen Typolo-
gien wird das sogenannte „Spur-W-Kriterium" verwendet. Die Spur-W ist die Summe der
Diagonalelemente der Matrix W, einer Varianz-Kovarianz-Matrix zwischen den Elementen jeweils
gleicher Klassen, also die Summe der quadratischen Abweichungen der Merkmale innerhalb
aller Klassen. Eine optimale Einteilung in „natürliche Klassen" ist dann gefunden, wenn die
Spur-W ein Minimum erreicht. Mit dem Minimum der Spur-W ist gleichzeitig auch das Maximum
der Spur-B gegeben, einer Varianz-Kovarianz-Matrix zwischen den Elementen der verschiedenen
Klassen. Es muß also versucht werden, die Varianz innerhalb der Klassen (interne Homogenität)
zu minimieren, was gleichbedeutend ist auch mit einer Maximierung der zwischenklasslichen
Varianz (externe Isolierung).
Die Ermittlung der unter verschiedenen Alternativen optimalen Klasseneinteilung mit minimaler
Spur-W erfolgt über einen Suchprozeß, in dessen Rahmen eine Anzahl von Klasseneinteilungen
verglichen wird. Die verschiedenen Varianten der Clusteranalysen unterscheiden sich vor allem
nach der Art dieses Suchprozesses. Je nachdem, ob alle möglichen Klasseneinteilungen, oder
nur eine Teilmenge davon, in der die optimale bzw. annähernd optimale Klasseneinteilungen mit
einer bestimmten Wahrscheinlichkeit enthalten sind, untersucht werden, unterscheidet man zwi-
schen globalen und partiellen Verfahren. Wegen des mit globalen Verfahren verbundenen großen
Rechenaufwandes werden, vor allem bei größeren Datenmengen, vorwiegend partielle Verfahren
angewendet. Hier wird z. B. eine vorgegebene (geschätzte oder zufällige) Klasseneinteilung so-
lange partiell verbessert, bis eine optimale Einteilung gefunden ist.
Partielle Verfahren der Clusterbildung sind oft, als weitere Vereinfachung des Suchprozesses,
hierarchisch strukturiert, d. h. in jeder Rechenphase wird die Klasseneinteilung der Vorphase
durch Fusion von jeweils zwei Klassen (aufbauende oder agglomerative Verfahren) oder durch
Teilung jeweils einer Klasse (abbauende oder divisive Verfahren) modifiziert.
Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit gerechneten Clusteranalysen zählen zu den partiellen
Verfahren, die von einer zufällig gewählten Klassifikation der räumlichen Beobachtungseinhei-
ten ausgehen. Diese Klassifikation wird solange geändert, bis jede Beobachtungseinheit jener
Klasse zugeordnet ist, deren Mittelwert sie am ähnlichsten ist.
75
1. der Vektor des durchschnittlichen
Stadtgebiet H, dessen Komponenten
sozialen („wirtschaftlichen" ) Raumes für das gesamte
die Mittelwerte (über alle Zählgebiete) der verschiede-
nen Umwelt-Variablen bilden.
2. Die Vektoren des durchschnittlichen sozialen („
wirtschaftlichen" ) Raumes H, für die unter.
schledlichen sozialen Gruppen (Industriebranchen). Diese enthalten Mittelwerte der Umwelt-
Variablen über diejenigen Standorte (Zählgebiete) auf denen die betrachteten sozialen Grup-
pen oder Wirtschaftsbranchen (j) verbreitet sind.
Unter Verwendung dieser beiden Kategorien von „Mittelwerts-Vektoren" und der Basismatrix S
werden die drei Kennzahlen des „nischentheoretischen Ansatzes" d, r und c ermittelt.
1. Die Kennzahl d bemißt —
wie schon ausführlich dargestellt —
die Distanz d, zwischen dem
generellen Mittelwerts-Vektor H und einem gruppenspezifischen (soziale Gruppe, Branche)
Mittelwerts-Vektor H, . Sie drückt somit das Ausmaß der Anpassung einer betrachteten „Spe-
cies" j an die durchschnittlichen Umweltbedingungen im Stadtgebiet aus reale ökologische
Nische" ). Zur Errechnung dieser Kennzahl müssen die verwendeten Umwelt-Variablen stan-
(„
dardisiert werden; dazu dient die entsprechende Varianz-Kovarianz-Matrix V (ihre Elemente
bilden das Ausmaß der Übereinstimmung in der räumlichen Ausprägung zwischen den ver-
schiedenen Variablen ab). Die Kennzahl d ergibt sich aus
Somit stellt die Distanz d,. die standardisierte Summe der Abweichungsquadrate der Elemen-
te des Vektors H, von den entsprechenden Elementen des Vektors H dar.
2. Die Kennzahlen runde erfassen die Dimensionen der „fundamentalen" Nische; sie sind Maße
für die Verteilung der Distanzen zwischen den Umweltvektoren „.
(h. ) derjenigen Zählgebiete
(„
Zeilen" der Matrix S), auf denen eine „Species"j verbreitet ist, und dem entsprechenden
Mittelwerts-Vektor dieser „Species"H, . In der „Nischentheorie" wird eine exponentielle Ver-
teilung dieser Distanzen unterstellt, deren Parameter die beiden Werte r und c sind.
Der Wert von r bemißt die „Steilheit" der exponentiellen Verteilung, d. h. die Ähnlichkeit der
Umweltbedingungen in den einzelnen Standorten einer „Species" mit ihrem Mittelwerts-
Vektor,
Hingegen gibt der Wert von c an, wie häufig eine „Species"auf Standorten auftritt, deren Um-
weltverhältnisse ihrem Mittelwerts-Vektor angenähert ist. r und c sind also Maße des „Bin-
dungsgrades" einer Species an bestimmte Umweltstrukturen. Die beiden Kennzahlen werden
über einen Regressionsansatz geschätzt:
8.
,
= (h, , —H, ) . V —(h, —H)
. (7)
76
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