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FORSCHUNGSDOKUMENTATION

Influencer-Marketing in sozialen
Medien und junge Zielgruppen
EINE ÜBERSICHT ZU AUSGEWÄHLTEN FORSCHUNGSERGEBNISSEN
Heike vom Orde

Der Artikel gibt einen Überblick zu effizienten Botschafter*innen macht.


ausgewählten Forschungsbefun- INFLUENCER-MARKETING: Influencer*innen haben eine Filter-
den in Bezug auf das Influencer- PR IM ZEITALTER DER SOCIAL und Empfehlungsfunktion inne, weil
Marketing mit jungen Zielgruppen MEDIA sie nur ausgewählte Produkt- und
und diskutiert medienethische und Meinungsinformationen weitergeben
-pädagogische Schlussfolgerungen. Freund*in oder Werbe­ (Nirschl & Steinberg, 2018, S.  29). Sie
liefern insbesondere bei den jungen
Sie testen Spielzeug, geben Schmink-
botschafter*in? Die Ambivalenz Zielgruppen eine große Reichweite
tipps, lassen sich beim Shoppen beglei- der Influencer*innen und treten als vertraute Freund*innen
ten oder erklären das politische Weltge- auf, die Produkte eher empfehlen als
schehen: Influencer*innen wie Gronkh, Generell sind Influencer*innen Per- bewerben.
Bibi, Julien Bam, Dagi Bee oder LeFloid sonen der Internetöffentlichkeit, die Frühbrodt, Lutz & Floren, Annette (2019). Unboxing
sind die neuen Idole deutscher Heran- ihre Follower*innen aufgrund ihrer Be- YouTube. Im Netzwerk der Profis und Profiteure.
Frankfurt am Main: Otto Brenner Stiftung. Verfüg-
wachsender. In einer Umfrage nennen rühmtheit, ihrer Reichweite oder ihrer bar unter: https://www.otto-brenner-stiftung.de/
mehr als ein Drittel der befragten 10- bis Expertise erreichen und (mehr oder fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftspor-
tal/03_Publikationen/AH98_YouTube.pdf [14.6.19]
18-Jährigen eine/n YouTuber*in als Lieb- weniger) beeinflussen. Bei den meisten
Gebel, Christa & Brüggen, Niels (2017). »… und schreibt
lingsstar (Bitkom, 2017, S. 9). Klassische Influencer*innen fallen Inhalte sozialer mal einfach in die Kommentare #Schüler!«. YouTube-
Vorbilder aus den Bereichen Sport (23 %) Kommunikation mit ihrer Community Genres der Zehn- bis Vierzehnjährigen. München: JFF.
und Schauspiel (18 %) geraten da ins Hin- und ökonomische Interessen zusam- Hermanni, Alfred-Joachim, Ornau, Frederik & Ortenrei-
ter, Maria (2018). Influencer Marketing in den sozialen
tertreffen. Junge Menschen sehen den men, wobei die Grenzen zwischen Medien. Saarbrücken: Südwestdeutscher Verlag für
»vormedialen Entscheidern« (Ruisinger, Werbung und redaktionellem Content Hochschulschriften.

2016, S. 103) gerne zu, wenn sie die Aus- verschwimmen. Auf YouTube arbeiten Nirschl, Marco & Steinberg, Laurina (2018). Einstieg in
das Influencer Marketing. Wiesbaden: Springer Gabler.
beute ihrer Einkaufstouren präsentieren rund zwei Drittel der Top-100-Kanäle
(Haul-Videos), Verpackungen öffnen mit Formen des Influencer-Marketings
und die darin enthaltenen Produkte (Frühbrodt & Floren, 2019, S. 7) und der
vorstellen (Unboxing-Videos) oder das Grad an professioneller Kommerziali- Wie bedeutsam ist Influencer-
Spielen eines Computerspiels kommen- sierung ist dort hoch (Gebel & Brüggen, Marketing für junge Zielgruppen?
tieren (Let’s-Play-Videos). Politische und 2017).
informationsorientierte Angebote von Influencer*innen lassen sich grund- Als eine besondere Form des
Influencer*innen werden breit rezipiert sätzlich in 2 Kategorien aufteilen (Her- Online-Marketings werden beim
und tragen zur Meinungsbildung jun- manni et al., 2018; Nirschl & Steinberg, Inf luencer-M arketing ge z ielt
ger Zielgruppen bei. Sie sind eine feste 2018): zum einen die beziehungsstarken Meinung smacher *innen oder
Konstante in den Medienwelten vieler Multiplikator*innen, die stark vernetzt Multiplikator*innen in die Marken-
Heranwachsender. sind, eine große Reichweite haben und kommunikation eines Unternehmens
sich nicht auf einen Themenbereich eingebunden. Insgesamt lässt sich
Bitkom (2017). Kinder und Jugend in der digitalen festlegen. Zum anderen gelten ein- Influencer-Marketing »als eine Wei-
Welt. Berlin: Bitkom. Verfügbar unter: https://www. flussnehmende Meinungsführer*innen terentwicklung von Public Relations
bitkom.org/sites/default/files/pdf/Presse/Anhaenge-
an-PIs/2017/05-Mai/170512-Bitkom-PK-Kinder-und- als Expert*innen auf ihrem Gebiet im Zeitalter sozialer Netzwerke
Jugend-2017.pdf [14.6.19] und werden innerhalb einer spe- betrachten« (Schulz, 2018, S.  39  f.).
Ruisinger, Dominik (2016). Die digitale Kommunika­ zifischen Szene geschätzt, was sie Dabei ist diese Werbeform nicht
tionsstrategie. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
trotz fehlender Breitenwirkung zu neu: Die Zusammenarbeit zwischen

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einem/einer (prominen- Schuegraf, Martina, Lütticke, Eva


ten) Meinungsführer*in Maria & Börner, Tobias (2018).
Influencing auf Instagram. tv dis-
als Multiplikator*in und kurs, 22(4), 80-83.
einem Unternehmen ist Wegener, Claudia (2019). Politi-
keine Erfindung im Zeit- sche YouTuber. Gatekeeper oder
Meinungsführer? tv diskurs, 23(1),
alter der sozialen Medien 57-59.
(Jahnke, 2018).
Die Branche ist in Instagram als
Deutsch­­land im Vergleich Marketing-Tool: per­
Quelle: BVDW, 2019

zu anderen Werbemärk- fekte Bilderwelten


ten wie dem Fernsehen
noch sehr überschaubar, Instagram spielt im
hinsichtlich der Auswir- Abb. 1: Je jünger die Konsument*innen (n=1.051) sind, desto häufiger
wählen sie eine Marke oder kaufen ein Produkt, das sie zuvor bei einem/
Influencer-Marketing
kungen insbesondere einer Influencer*in gesehen haben für junge Zielgruppen
auf junge Zielgruppen eine besondere Rolle.
ist sie jedoch bedeutsam So weist die Plattform
(Frühbrodt & Floren, 2019, in Deutschland nicht
S. 8 f.). So zeigen aktuelle Studien, dass Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) (2019). nur den höchsten Zuwachs an
insbesondere junge Menschen ihre Digitale Trends. Umfrage zum Umgang mit Influen- Nutzer*innen der letzten 2  Jahre auf
cern. Verfügbar unter: https://www.bvdw.org/filead-
Kaufentscheidungen zunehmend vom min/user_upload/190404_IM_Studie_BVDW_2019. (von 51  % im Jahr 2017 auf 70  % im
Einfluss der YouTube-, Facebook- oder pdf [14.6.19] Jahr 2019 bei den 14- bis 15-Jährigen;
Instagram-Stars abhängig machen. Steven, Theresa (2018). Manipulation durch Influencer vgl. Bitkom 2017 und 2019), sondern
Marketing? Journal für korporative Kommunikation,
Eine Verbraucherbefragung des Bun- 2, 97-106. sie wird auch als der am emotionalsten
desverbands Digitale Wirtschaft hat empfundene Social-Media-Kanal be-
ergeben, dass bereits jede/r fünfte Welches Selbstverständnis ha­ sonders geschätzt (Faßmann & Moss,
Deutsche Produkte gekauft hat, weil ben Influencer*innen? 2016, S. 27). Durch die Fokussierung auf
diese von Influencer*innen beworben ästhetische Bildinformation und die
wurden (BVDW, 2019, S.  8). Bei der Das Selbstverständnis der Influencer*in­ starke Prägung durch die Community
jungen Zielgruppe (16-24 Jahre) ist es nen basiert weniger auf der inten- wird Instagram gerne als Inszenierungs-
mit 43 % sogar fast jede/r Zweite (ebd., dierten »Beeinflussung« als auf der möglichkeit einer virtuellen »perfekten
S.  9; Abb.  1). Je jünger die Befragten »Inspiration« ihrer Follower*innen Welt« genutzt. Unternehmen greifen
sind, desto weniger wird der werbli- (Schuegraf et al., 2018, S. 82). In Inter- das gezielt auf, um junge Zielgruppen
che Charakter als störend empfunden views mit Instagrammer*innen, die zu erreichen. Hierbei wird vor allem
(ebd., S. 17). mehr als 10.000 Follower*innen haben, im kreativen Content-Marketing, dem
Eine weitere Studie basierend auf qua- wurde deutlich, dass es den Befragten Storytelling, eine Stärke der Plattform
litativen Interviews mit Jugendlichen wichtig ist, eine starke Meinung zu gesehen: »Dadurch wird Instagram
zwischen 14 und 19  Jahren konnte vertreten und eine Botschaft zu haben, weniger als direkt werbliches Medi-
nachweisen, dass jüngere Befragte bis um damit andere zu inspirieren (ebd.). um, denn als kreativer, inspirierender
17  Jahre gegenüber Influencer*innen Die wichtigste Währung der und emotionaler Inszenierungsort
wesentlich zugänglicher sind als ältere Influencer*innen, die Authentizität, einer Marke verstanden und genutzt.
(Steven, 2018, S. 104). Für die meisten kann nach Ansicht der Befragten nur Dieses Verständnis wird von aktiven
Jugendlichen stellen Influencer*innen dann bewahrt werden, wenn sie aus- Instagram-Nutzern positiv angenom-
eine Kombination aus Freund*in und schließlich für Produkte werben, von men.« (ebd., S. 28)
Vorbild dar, wobei der Grad an paraso- denen sie auch überzeugt sind und die Facebook hingegen wird als stark
zialer Beziehung bzw. die Vorbildfunk- zu ihrem Selbst-Branding passen. Auch werblich empfunden; gerade die
tion unterschiedlich stark ausgeprägt politische YouTuber*innen sehen nicht jüngere Zielgruppe vergleicht in einer
sein können (ebd.). die Beeinflussung oder das Anstreben Nutzer*innenbefragung die Werbung
Schulz, Sascha (2018). »Ich gehe davon aus, dass
einer Meinungsführerschaft, sondern auf Facebook mit Frontalwerbung im
Influencer-Marketing sich im Online-Marketing-Mix das Anstoßen von Debatten und das Fernsehen (ebd., S. 29). Auch die starke
fest etablieren wird.« Wirtschaftsinformatik & Ma-
nagement, 1, 38-41.
Initiieren eines reflektierten Meinungs- Kommerzialisierung auf YouTube wird
Jahnke, Marlis (2018). Ist Influencer-Marketing wirklich austausches als Motivation für ihr Enga- von älteren Jugendlichen durchaus
neu? In Marlis Jahnke (Hrsg.), Influencer Marketing gement (Wegener, 2019, S. 59; siehe auch kritisch wahrgenommen (Hugger et
(S. 1-13). Wiesbaden: Springer Gabler.
Wegener & Heider in dieser Ausgabe). al., 2019)

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Bitkom (2019). Kinder und Jugend in der digitalen Welt. fragwürdiger Geschlechter- und Kör- punkten informationsorientierte
Berlin: Bitkom. Verfügbar unter: https://www.bitkom. perbilder mancher Influencer*innen Influencer*innen mit dem Versprechen
org/sites/default/files/2019-05/bitkom_pk-charts_kin-
der_und_jugendliche_2019.pdf [14.6.19] aus medienpädagogischer und ge- auf Authentizität. Schnelle Schnitte
Faßmann, Manuel & Moss, Christoph (2016). Instagram sellschaftlicher Sicht ein Problem dar und eine scheinbar »amateurhafte«
als Marketing-Kanal. Wiesbaden: Springer. (siehe Götz, Götz et al. und Prommer Produktion in YouTube schätzen
Hugger, Kai-Uwe et al. (2019). Zwischen Authentizität
und Inszenierung: Zur medienkritischen Einschätzung
et al. in dieser Ausgabe). Nach Döring Jugendliche als weniger inszeniert
informationsorientierter YouTuber*innen-Videos (2015) ist anhand der Mediennutzung ein, was die Autor*innen der Studie
durch Jugendliche. In Friederike von Gross & Renate
Röllecke (Hrsg.), Instagram und YouTube der (Pre-)
und Selbstinszenierung Jugendlicher hinsichtlich der faktischen professio-
Teens. Inspiration, Beeinflussung, Teilhabe (S. 29-36). deutlich erkennbar, dass neue Medien nellen Inszenierung vieler Webvideos
München: kopaed.
nicht automatisch soziale Verhältnisse als problematisch sehen.
erneuern oder verbessern, sondern Gerade das Hinterfragen der kom-
Geschlechterstereotype und Macht­ merziellen Geschäftsmodelle sozialer
MEDIENETHISCHE UND -PÄD- asymmetrien erhalten oder verstärken Medien, wie etwa von YouTube, ist
AGOGISCHE IMPLIKATIONEN können. Auch muss aus entwicklungs- hinsichtlich der Bedeutung dieser
psychologischer Sicht der Aufbau von Plattform als »digitaler Kulturort
Die Social-Media-Angebote von Kindern und Jugendlichen zu Social- von Jugendlichen« eine wichtige me-
Influencer*innen bewegen sich im Media-Stars kritisch gesehen werden dienpädagogische Aufgabe (Rat für
Grenzbereich zwischen persönlicher (Frühbrodt & Floren, 2019, S. 7). kulturelle Bildung, 2019, S.  7). Denn
Empfehlung und kommerzieller Wer- Beim Umgang mit informations­ für zwei Drittel der jugendlichen
bung, zwischen einem Anspruch auf orientier ten Angeboten von Nutzer*innen geben Influencer*innen
Professionalität und einer (scheinbar) Influencer*innen konnten Studien eine entscheidende Impulse dafür, was sie
authentischen Amateurhaftigkeit mangelnde kritische Distanz junger sich dort ansehen (ebd., S. 52; Abb. 2).
(Köberer, 2019, S. 259), was eine Her- Nutzer*innen nachweisen (u.  a. bei Für die kompetente Nutzung sozialer
ausforderung für die Werbekompetenz Gebel & Brüggen, 2017). Eine Studie Medien durch Heranwachsende ist es
Heranwachsender darstellt. So zeigte untersuchte die medienkritische Ein- deshalb wichtig, die durch ökonomi-
eine Studie, dass vor allem junge Ziel- schätzung von YouTuber*innen-Videos sche Interessen bestimmten Angebote
gruppen (56 % der 14- bis 29-Jährigen) zu Politik und Weltgeschehen durch von Influencer*innen medienpädago-
Probleme beim Erkennen von Werbung Jugendliche (Hugger et al., 2019). In gisch zu thematisieren und kritisch zu
in sozialen Netzwerken haben (Bitkom, Gruppeninterviews stellen die 15- bis reflektieren.
2018). Ein Gutachten der Hochschule 24-jährigen Nutzer*innen die stark Heike vom Orde (IZI)
der Medien in Stuttgart (Kühnle et persönlich-meinungsorientierte Ver-
al., 2018) kommt anhand empirischer mittlung von Informationen durch
Befunde zu dem Ergebnis, dass Influen- YouTuber*innen einer neutral-objek-
Köberer, Nina (2019). Digitale Selbstdarstellung als
cer-Marketing mit Zielgruppe Kinder tiven und meinungspluralistischen Markt: Influencer als Markenbotschafter und Mei-
und Jugendliche der »regulatorischen Berichterstattung gegenüber, wie sie nungsmacher. In Ingrid Stapf et al. (Hrsg.), Aufwachsen
mit Medien (S. 253-267). Baden-Baden: Nomos.
Begleitung durch die Medienaufsicht etwa im Fernsehen oder in Zeitungen
Bitkom (2018). Jeder zweite Social-Media-Nutzer kann
bedarf« (ebd., S. 40). stattfindet. So gilt die Tagesschau bei Werbung von Inhalt nur schwer unterscheiden. Ber-
Ebenso stellt die limitierte, stereoty- den Befragten als Prototyp seriöser lin: Bitkom. Verfügbar unter: https://www.bitkom.org/
Presse/Presseinformation/Jeder-zweite-Social-Media-
pe und standardisierte Inszenierung Berichterstattung (ebd.). Dagegen Nutzer-kann-Werbung-von-Inhalt-nur-schwer-unter-
scheiden.html [14.6.19]
Kühnle, Boris et al. (2018). Kommunikationswissen-
schaftliches Gutachten zu direkten Kaufappellen bei
Kindern und Jugendlichen in Sozialen Medien. Stutt-
gart: Hochschule der Medien (HdM). Verfügbar unter:
https://www.kjm-online.de/fileadmin/user_upload/
KJM/Publikationen/Gutachten/Gutachten_Kaufap-
Quelle: Rat für kulturelle Bildung, 2019

pelle_an_Kinder_und_Jugendliche_in_sozialen_Me-
dien_2018.pdf [14.6.19]
Döring, Nicola (2015). Smartphones, Sex und Social
Media: Erwachsenwerden im Digitalzeitalter. Wie
Jugendliche in Deutschland mit Smartphone, Apps
und Social-Media-Plattformen umgehen. TelevIZIon,
28(1), 12-19.
Rat für kulturelle Bildung (2019). Jugend/YouTube/
Kulturelle Bildung. Horizont 2019. Verfügbar unter:
Abb. 2: (Sehr) wichtige Einflussfaktoren bei der Auswahl von YouTube-Videos durch https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/
Jugendliche (n=710) user_upload/pdf/Studie_YouTube_Webversion_final.
pdf [14.6.19]

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