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Philosophie und Kunst im Werk von J. F. Lyotard.

Eine
kulturphilosophische Studie

Diplomarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades


einer Magistra der Philosophie
an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von
Ilonka BANIC, Mag. phil.

am Institut für Philosophie


Begutachter: Univ. Doz. Dr. theol. Anton Grabner-Haider

Graz 2014
Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder
inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in
gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde
vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der
eingereichten elektronischen Version.

Datum: Unterschrift:
Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...........................................................................................................................1
1. Kurze Einführung zum Leben und Werk von Jean-Francois Lyotard ...........................3
2. Hauptmerkmale und Uneinigkeiten bei Begriffen der Moderne und Postmoderne betrachtet
aus der Sicht verschiedener Disziplinen und ihren Theoretikern .......................................6
2.1. Moderne und Postmoderne bei Lyotard ....................................................................16
2.1.1. "Das postmoderne Wissen": Vielfalt der Sprachspiele, Ende der großen Erzählungen
und Transformation des Wissens als Zeichen des Umbruchs von Moderne zur Postmoderne
..........................................................................................................................................24
3. Kunst im Werk von Jean-François Lyotard..................................................................36
3.1. Über die Kunst: Regeln und Sprachspiele der Künste. Nichtkommunizierbarkeit der
Künste...............................................................................................................................38
3.2. Kunst, die hinterfragt. Der Künstler als Philosoph....................................................41
3.3. Vielfältigkeit und Experiment. Kunst, die nach Neuem sucht - Avantgarde als Vorbild
..........................................................................................................................................43
3.4. Postmoderne und gegenwärtige Tendenzen in der Kunst. Eklektizismus, Transavantgarde
und Avantgarde als Opponenten. .....................................................................................54
3.5. Konsum und Ästhetik der Postmoderne bei Jencks und Lyotard..............................59
4. Ästhetik des Nicht-Darstellbaren und Erhabenen. Eine Einführung............................65
4.1. Das Erhabene in der ästhetischen Theorie Kants und Lyotards ................................71
4.2. Kants und Lyotards Ästhetik des Erhabenen anhand Caspar David Friedrich und Barnett
Newman............................................................................................................................79
5. Zusammenfassung ........................................................................................................90
II. Abbildungen.................................................................................................................95
III. Literaturverzeichnis ..................................................................................................102
IV. Abbildungsverzeichnis .............................................................................................107
V. Bildnachweis .............................................................................................................108
Einleitung

Der französische Philosoph Jean-François Lyotard (1924-1998), dessen Werk das Thema dieser
Arbeit ist, gehört zu den größten, vielfältigsten und vieldiskutierten Kunstphilosophen des 20
Jahrhundert. Vorweg ist zu erwähnen, dass seinen Reichtum an Gedanken würdig darzulegen
den Rahmen einer Abschlussarbeit sprengen würde. Er hinterfragt in seinen Schriften
verschiedenste Lebensbereiche - Technologie und Computerzeitalter, Wissenschaft, Ästhetik,
Kultur und Kunstinstitutionen, verschiedene Medien der Kunst und Kunstepochen,
Gesellschaftsordnungen, Ethik etc. Trotzdem sollte die vorliegende Arbeit dem Leser einen
Einstieg in sein philosophisches Werk ermöglichen und im Speziellen auf seine Gedankengänge
zur postmodernen gesellschaftlichen Wandlung, die sich in der Ästhetik wie auch im Wissen und
in der Wissenschaft reflektiert, Bezug nehmen.
Der Autor findet verdienterweise Erwähnung in vielen Schriften zur Philosophie der Gegenwart.
Vor allem wird auf ihn Bezug genommen in der Fachliteratur, die sich mit den
Kulturphänomenen der Moderne und der Postmoderne, sowie mit der Ästhetik des 20 Jh.
beschäftigt. Auf den ersten Blick scheint seine vorwiegende Ansiedlung in den Büchern
außerhalb der Philosophie als ungewöhnlich, aber Lyotard ist kein Denker der sich nur auf den
engeren Bereich der Philosophie beschränkte. Er ist vor allem als Kultur - und Kunsttheoretiker
zu bezeichnen. Vor allem beschäftigte er sich in seinem Werk mit der Kunstphilosophie und mit
der Ästhetik. Diesbezüglich widmete er sich überwiegend der bildendenden Kunst, wodurch er
sich von vielen Kunsttheoretikern unterscheidet, deren Bereich der Analyse hauptsächlich die
Literatur war. Die Besonderheit Lyotards, die bei der Lektüre seiner Schriften deutlich wird, ist,
dass er sich bei der Aufstellung seiner Theorien nicht auf die rein theoretische Wiedergabe
beschränkt, sondern vielmehr seine Ideen und Stellungnahmen bezugnehmend auf konkreten
Künstler und künstlerische Beispiele entwickelt. Lyotards Ideenreichtum und sein Können auf
dem Gebiet der Ästhetik bezeugen die Tatsache, dass er in der Fachliteratur einen Platz neben
den wichtigen Kunsttheoretikern und Philosophen wie Platon, Diderot, Kant oder Danto unter
anderem einnimmt.1 Vor allem aber wird er als Begründer und der Einführer des Begriffs
"Postmoderne" in fast jedem Fachbuch bezeichnet, wodurch sein Name unentbehrlich für jede
weitere Diskussion über Postmoderne wird. Da die Postmoderne als Kulturphänomen nicht nur
Umwandlungen im ästhetischen Bereich bezeichnet, widmete Lyotard seine Werke Großteils
dem Wissen und der Möglichkeit der Legitimation des Wissens, wie auch den gesellschaftlichen
Umwandlungen zur Zeit des Umbruchs zwischen der Moderne und der Postmoderne.

1
Vgl. Majetschak 2005; Thommes 1996, u.a.

1
Das Hauptanliegen dieser vorliegenden Arbeit ist es, philosophische und ästhetische Leitideen
und Stellungnahmen von Jean-François Lyotard zu untersuchen und ihm im Vergleich zu
anderen konkurrierenden Ansätzen postmodernen Theoretiker darzustellen. Die zentralen
Fragen, die diesbezüglich zu behandeln sind, sind: Was bedeutet und wie erklärt sich der Begriff
"Postmoderne" bei Lyotard? Wie ist seine Stellung zur Entwicklung des Wissens in der
nachmodernen Zeiten? Wo sieht er den Ansatz der Kunst und den Tätigkeitsbereich der Künstler
der postmoderner Zeit?
Abgesehen von diesen zentralen Fragen der Arbeit ist der "Widerstreit" der zentrale Aspekt in
Lyotards Denken, der eine besondere Stellung in der Arbeit einnimmt. Diesbezüglich nimmt die
Arbeit Bezug auf diesen Aspekt und versucht, zwiespältige Auffassungen, auf die Lyotard in
seiner Schriften hinweist, zu verdeutlichen: widerstreitende Positionen des postmodernen
Wissen zum modernen Wissen, der Zwiespalt zwischen den noch modernen Stilrichtungen,
besonders der Avantgarde-Bewegung, und den kunsthistorisch als postmodern zu bezeichnenden
Tendenzen in der Kunst.
Den Ausgangspunkt im Werk Lyotards nimmt der Begriff der "Postmoderne" ein. Um die oben
erwähnten Hauptfragen in der Arbeit zu klären und überhaupt mit der Auseinandersetzung mit
dem postmodernen Denker Lyotard als Urheber des Begriffs beginnen zu können, sollte zuerst
geklärt werden, was der Begriff selbst bedeutet und ob eine allgemein akzeptierte Definition
möglich ist. Mit der Klärung dieses für Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft zentralen Begriffs
beginnt das erste Kapitel der Arbeit. Dort wird vorerst auf Probleme bei der Aufstellung einer
definitorischen Erklärung der Postmoderne hingewiesen, es werden einige relevante
Stellungnahmen von Theoretikern verschiedener Disziplinen zu den Begriffen der Postmoderne
und Moderne präsentiert. Anschließend nimmt das zweite Kapitel Bezug auf Lyotards
Erörterung und Differenzierung zwischen Moderne und Postmoderne. An dieser Stelle wird vor
allem sein noch immer vieldiskutiertes Werk "Das postmoderne Wissen" aus dem Jahr 1979
herangezogen und kurz dargestellt. Dieses Kapitel veranschaulicht vor allem die
Betrachtungsweise Lyotards im Bezug auf die Umwandlungen bezüglich des Wissens und vor
allem auf die Legitimation des Wissens, welche mit Ausbruch der Postmoderne ans Licht traten.
Darauf aufbauend nimmt die Arbeit im dritten Kapitel Bezug auf seinen Denkansatz zur
postmoderne Ästhetik. Diesen Denkansatz entwickelte Lyotard angelehnt an sein Modell der
Moderne und Postmoderne. Dieses Kapitel dient vor allem der Darlegung, wie Lyotard unter
Einbeziehung der Moderne seine postmoderne Ästhetik entwickelte. Des weiteren werden die
Anforderungen und Ziele, die Lyotard an postmodernen Künstler und Kunstwerke stellt, ebenso
wie seine Stellungnahme zu aktuellen Tendenzen in der Kunst erörtert. Schließlich erklärt das
letzte Kapitel den Hauptbegriff und das eigentliche Ziel in Lyotards Ästhetik: den Begriff des

2
Erhabenen. Hier wird der Ursprung dieses Begriffs des Erhabenen und sein Bezug zu I. Kant
dargestellt. Gezeigt wird auch die Möglichkeit der künstlerischen Darstellung des Erhabenen
anhand der Künstler Caspar David Friedrich und Barnett Newman und ihren Werken.

Diese Arbeit basiert vor allem an Lyotards Schriften, die Großteils ins Deutsche übersetzt
wurden, was einen leichteren Zugang ohne sprachliche Barrieren ermöglicht. Die gewählte
methodische Vorgehensweise ist vor allem das kritische Lesen, unter Einbeziehung auserwählter
Denkansätze, um damit einen Einblick in das Werk des Denkers und die Möglichkeit der
Selbstreflexion und Selbstbeurteilung zu ermöglichen. Abgesehen von Lyotards Schriften, in
denen er in wiederholter Weise sein philosophisches Anliegen präsentiert, um ein besseren
Verständnis zum Thema zu gewinnen, beziehe ich mich vor allem auf das Buch von Walter
Reese-Schäfer2 wie auch auf die Werke von Wolfgang Welsch3, die zur Klärung der Phänomene
Moderne und Postmoderne beitragen. Zu Fragen der Ästhetik und im allgemeinen zu Lyotards
Werk beziehe ich mich auf Aufsätze von Christine Pries.4
Zum Schluss soll betont werden, dass diese Arbeit weniger zur Aufgabe hat, auf bedeutende
Fragen der Postmoderne eine Antwort zu geben. Sie ist vielmehr als ein Versuch zu verstehen,
einen Teil der Leitideen dieses bedeutenden Philosophen so verständlich wie möglich und
korrekt zu rekonstruieren.

1. Kurze Einführung zum Leben und Werk von Jean-Francois Lyotard

Über Jean-Francois Lyotard, französischer Philosoph, der 1924 in Versailles geboren wurde und
1998 verstarb, könnte man anhand seiner Biographie rückblickend behaupten, dass sein
Lebensweg wie auch seine Interessen für einen Philosophen vielfältig waren. Ich möchte sein
Lebensgang kurzgefasst in Anlehnung an Christiane Pries und Wolfgang Welschs Aufsatz in
dem von Julian Nida-Rümmelin und Elif Özmen herausgegebenen Buch zu Philosophen der
Gegenwart darstellen.5
Nach seinem Philosophie-Studium an der Sorbonne war Lyotard beruflich als Gymnasiallehrer
tätig, unter anderen auch in Algerien. Danach setzte er seine Lehrtätigkeit fort und wurde
Assistent (1959-1966) an der Sorbonne. Zu dieser Zeit schließt er sich der antistalinistisch und
extremmarxistisch orientierten Gruppe "Socialisme ou Barbarie" an, trennte sich jedoch von ihr
in kurzer Zeit. Nach seiner Assistenten-Zeit an der Sorbonne wurde er Lehrbeauftragter an den
Universitäten von Nanterre und Vincennes in Paris. Schließlich war er bis zur seiner

2
Reese-Schäfer 1989.
3
u.a. Welsch 1988; Welsch 1987.
4
Vgl. u.a. Welsch, Pries 1991.
5
Pries, Welsch 2007, 405-413.

3
Pensionierung im Jahr 1987 als außerordentlicher Professor an der Universität von St. Denis und
anschließend bis zum seinen Tod im Jahr 1998 als Gastlehrbeauftragter an verschiedenen
Universitäten wie Yale, Irwine u.a. in den USA tätig.6
Abgesehen von seinen Lebenslaufdaten ist Lyotards Werk und er selbst als Denker und
Philosoph vor allem aufgrund dessen interessant, da er sich mit verschiedenen Bereichen und
Themen auseinandersetzte. So berührt er in seinen Schriften eine Vielzahl an Themen, die unter
Politik, Ethik, Soziologie, Technologie, Ästhetik fallen. Vor allem widmete sich Lyotard der
Ästhetik, beziehungsweise der Philosophie der Kunst. Was ungewöhnlich und erwähnenswert
zugleich ist: Lyotard war einer der Kuratoren der Ausstellung „Les Immatériaux", die 1985 im
Centre Georges Pompidou stattgefunden hat. Es war keine gewöhnliche Ausstellung. Über die
Veranstaltung schreibt Antonia Wunderlich in ihrem Buch "Der Philosoph im Museum"
folgendes: "Die Ausstellung war (...) in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Projekt.
Konzipiert von einem bekannten Philosophen, in Auftrag gegeben von Institutionen zur
Erforschung der Gegenwartskultur und ausgestattet mit dem üppigsten Ausstellungsetat, den es
bis dahin am Centre Pompidou gegeben hatte, war Les Immatériaux als großzügiger Beitrag zum
Diskurs über die aktuelle gesellschaftliche Lage angelegt. Mit einem achtköpfigen Team
arbeitete Jean-Francois Lyotard zwei Jahre lang an dem Projekt, das zum Ziel hatte, " >einem
möglichst großem Publikum< Fragen über dessen Identität und Selbstverständnis, über seinen
Platz in einer sich rasant veränderten Gesellschaft nahe zu bringen."7
Diese für die damalige Zeit ungewöhnliche Ausstellung bezeugt, dass Lyotard seiner Zeit voraus
war; noch dazu ist es ein Zeichen seiner Interessenvielfalt und der für Philosophen unüblichen
Auseinandersetzung mit neuen Technologien. Wie Wunderlich schildert, wurden
Ausstellungsräume mit neuen Technologien gefüllt und "(...) Durch die große Zahl an Computer,
Projektoren und anderen High-Tech- Elementen funktionierte die Ausstellung (...) wie ein
überdimensionaler Datenraum."8 Die Ausstellung stellte das Bild der zukünftigen Welt dar, um
das Publikum für diese aufkommende Zeit zu sensibilisieren.9 Abgesehen von seiner Rolle als
Ausstellungsmacher wurde Lyotard vor allem durch seinen Begriff der Postmoderne bekannt.
Wolfgang Welsch bezeichnete ihn als "Paradephilosoph der Postmoderne".10 Obwohl er als
Urheber des Begriffs "Postmoderne" in der philosophischen Diskussion angesehen wird, blieb
für ihn selbst die Definition des Begriffs im Dunkeln. "Ich bemühe mich zwar zu verstehen, was
sie ist, aber ich weiß es nicht. Die Diskussion fängt ja auch erst an. Es ist wie mit der

6
Vgl. Pries, Welsch 2007, 405-413.
7
Wunderlich 2006, 9.
8
Wunderlich 2008, 11.
9
Vgl. Wunderlich 2008, 12.
10
Vgl. Welsch 1987, 10

4
"Aufklärung". Die Diskussion wird aufhören, ohne abgeschlossen zu sein.“11 In Bezug auf
Postmoderne und Moderne entwickelte er eine vielen seiner Zeitgenossen konträre Auffassung
der Postmoderne, die er von der Wissenschaft auf die Kunst übertrug. Es ist eine zeitlich und
disziplinär übergreifende Sammlung an Ideen, die sich schwer zusammenfassen lassen. Christa
Bürger weist auf die problematische Rezeption und Wiedergabe seiner Gedanken hin: "Über
Lyotard sprechen ist (...) nicht einfach, sein Denken zu "rekonstruieren" unmöglich."12 Ähnlich
verhielt er sich in seinen Schriften zur Ästhetik und Kunst, in denen er wiederum eine seinen
Zeitgenossen entgegengesetzte Vision der Kunst verbreitet. Kunst in der Zeit der Postmoderne,
in der Zeit des Konsums, Publikumsannährung bleibt bei Lyotard noch immer an einem anderen,
höheren Ort platziert. Er war selbst Zeichner, aber für ihn diente die Ausübung von
zeichnerischer Tätigkeit keinerlei Entspannung. Die kleinste Linie hat für Lyotard schon etwas
Ontologisches an sich, ein Minimum an Sinn, etwas Ureigenes.13 Ebenso wendet er sich von den
Trends der Zeit ab. Er ist vor allem kritisch gegenüber Kapitalismus und Konsum eingestellt.
Christa Bürger weist darauf hin, dass er einer der zeitgenössischen Denker war, der seine
Grundeinstellung bis zuletzt behielt, die sie als "genuiner anarchischer Impuls" bezeichnet.14
Bemerkenswert ist seine umfangreiche Kenntnis der Kunst. Lyotard schrieb über Film, Musik,
Malerei, mit großer Genauigkeit. Man könnte fast behaupten, dass Lyotard vielmehr Ästhetiker
als Philosoph war. Lyotard war ebenso politisch aktiv. Abgesehen von seiner Mitgliedschaft in
der Gruppe "Socialisme ou Barbarie" war er während des Algerienkrieges tätig, wie auch
während der Protestbewegungen im Mai 1968.15 Zu dieser Zeit begann auch seine publizistische
Tätigkeit. Eines seiner wichtigsten Werke ist, neben vielen Aufsätzen, Künstlermonographien
usw., seine Dissertation "Discours, figure" aus dem Jahr 1971. Andere Meilensteine sind
"Ökonomie des Wunsches" von 1974 (französische Ausgabe), in der er sich mit grundlegenden
Fragen und Theorien des 20 Jh. beschäftigt16, ebenso wie das immer wieder diskutierter Werk
"Das postmoderne Wissen" aus dem Jahr 1979 und schließlich "Le Différend" ("Der
Widerstreit") das er als sein Hauptwerk bezeichnet.17 Dem Titel seines "Hauptwerkes" ähnlich,
leistete Lyotard mit seinen Gedanken und Schriften seiner Umgebung unermüdlichen
Widerstand.

11
Lyotard 1985, 74.
12
Bürger C. 1988, 122.
13
Vgl. Lyotard 1985, 67.
14
Vgl. Bürger 1988, 123.
15
Vgl. Danko 2011, 87.
16
Vgl. Danko 2011, 88.
17
Vgl. Danko 2011, 94.

5
2. Hauptmerkmale und Uneinigkeiten bei Begriffen der Moderne und
Postmoderne betrachtet aus der Sicht verschiedener Disziplinen und ihren
Theoretikern

Der Begriff „Postmoderne“, obwohl ein in verschiedenen Bereichen und Disziplinen häufig
gebrauchter Ausdruck, stellt letztendlich keinen leicht zu bestimmenden Terminus dar. Zum
einen bezeichnet er eine unklar begrenzte Epoche und zum zweiten, obwohl der Ausdruck es auf
den ersten Blick andeutet, ist der Begriff nicht vereinfacht als Gegensatz der Moderne
aufzufassen.18 Ähnlich verhält es sich mit dem Ausdruck „Moderne“. Um den Begriff
Postmoderne überhaupt von der Moderne abgrenzen und als ihren Gegensatz darstellen zu
können, bedarf es einer klaren Bestimmung der Moderne, was nicht weniger problematisch zu
sein scheint. Selbst Ihab Hassan, vielfach zitierter Autor, gesteht bezüglich der Definitionen der
Moderne und Postmoderne: "Ich kann keine exakte Definition anbieten, genausowenig, wie ich
die Moderne selbst definieren könnte."19 Obwohl „Postmoderne“ ein gängig benutzter Ausdruck
in verschiedenen Bereichen, der Kunst, Philosophie, Architektur, Soziologie usw. ist, findet man
ein ähnliches Geständnis bei Wolfgang Welsch, ebenso ein Kenner der Postmoderne: "(...) und
doch weiß kaum einer so recht, wovon er eigentlich spricht, wenn er "Postmoderne" sagt."20
Einige Autoren meinen, wie Peter Zima in seinem Buch angibt, dass die ganze Diskussion um
Postmoderne nur sinnloses Gerede sei. Wie Zima überliefert, teilt diese Meinung auch der
kroatische Autor Mladen Kozomara, der den Begriff „Postmoderne“ als "Pseudo-Begriff"
bezeichnet. Den Begriff als nichtssagend abtun zu wollen, klingt wenig plausibel, wenn man in
Betracht zieht, dass sich, wie Peter Zima betont, nach dem Zweiten Weltkrieg reale globale
Veränderungen in der amerikanischen wie auch in der westeuropäischen Gesellschaft ereignet
haben, die man zusammenfassend mit dem Ausdruck "Postmoderne" bezeichnet hat. Zu dieser
Zeit der globalen Veränderungen sind vor allem Neuerungen in Bereichen der Kunst-Malerei,
Architektur und Literatur bemerkbar. Von Seiten der Kunstexperten werden zur Moderne
gegensätzliche, antimoderne Neigungen und Strömungen beobachtet, die man unter den Begriff
„Postmoderne“ subsumierte.21
Über den Terminus „Postmoderne“ lässt sich mit Sicherheit historisch bestimmen, dass er,
abgesehen von früheren Erwähnungen, zuerst in Diskussionen der Literaturwissenschaften 1959

18
Vgl. Welsch 1987, 1 ff.
19
Hassan 1987, 158.
20
Welsch 1987, 9.
21
Vgl. Zima 2014, 19 ff.

6
vorzufinden ist und anschließend in andere Bereiche der Architektur, Malerei, Soziologie und
Philosophie übernommen wurde.22
Aus mehreren Gründen bereitet es Schwierigkeiten, den Begriff „Postmoderne“ korrekt zu
erklären. Einige Versuche davon, die in der Literatur auftauchen, möchte ich hier nennen.
Zum einen scheint es problematisch, den Begriff "Postmoderne", zeitlich korrekt umzusetzen. Da
sich in dem Ursprungsland der Debatte über Postmoderne, nämlich in der USA, der Begriff auf
die Ereignisse der fünfziger Jahre bezog. In den siebziger Jahren, als man in Europa über
Postmoderne diskutierte, wurde in den USA schon das Ende der Postmoderne und die Ankunft
des Post-Postmodernismus angekündigt.23 Die Diskussionen um Moderne und Postmoderne
fielen noch dazu länderspezifisch unterschiedlich aus. Die deutschen Diskussionen um die
Moderne/Postmoderne sind stärker von traditionellen Zweiteilungs-Oppositionen "(...) wie
Fortschritt/Rückschritt, Vernunft/Mythos, links/rechts, Geschichte/Geschichteverlust,
Verstand/Sinne etc. (...)"24 bestimmt worden.
Daraus entsteht eine absolute Entgegenstellung von Moderne und Postmoderne. In der
Philosophie Frankreichs stößt man hingegen auf das Denken in Differenzen statt in
Oppositionen. Auf amerikanischem Boden werden Diskussionen ebenso wenig von absoluten
Gegensätzen geleitet. Es geht vielmehr um die Beziehung der Gegenwart zur klassischen
Moderne, die als Diskontinuität wie auch als Kontinuität verstanden werden kann.25
Abgesehen von zeitlicher und länderspezifischer Anwendung des Begriffs Postmoderne, stößt
man auf weitere Unstimmigkeiten. Einige davon erwähnt Wolfgang Welsch, "(...) ein deutscher
Verfechter postmodernen Denkens"26, in seinem Buch. Welsch erwähnt, dass einige unter
Postmoderne den „Zeitabschnitt der neuen Technologien“ verstehen, während andere genau das
Gegenteil darunter verstehen. Während von einer Anzahl von Menschen unter "Postmoderne"
eine Wiedervereinigung der zerstreuten Gesellschaft erwartet wird, hoffen andere auf ein
Zeitalter voller Bruchstücke und Pluralisierung.27 In diesem Sinne versteht der russische
Philosoph Nikolai Berdiajew die Moderne als Zeitepoche voller selbstdestruktiver Phänomene
und erhofft von der nachfolgenden Zeitepoche eine Art Therapie: "(...) Plädiert Berdiajew für
eine neue Integration, für eine neue "universalistische, kollektivistische Epoche"(...) Es geht um
Einheit."28 Umberto Eco, italienischer Schriftsteller und Philosoph des 20.Jh., fordert genau das
Gegenteil. Nach ihm repräsentiert das vergangene Zeitalter der Moderne eine monotone Epoche,

22
Vgl. Welsch 2004, 33.
23
Vgl. Welsch 1987, 10.
24
Huyssen, Scherpe 1989, 9.
25
Vgl. Huyssen, Scherpe 1989, 9.
26
Reese-Schäfer 1989, 7.
27
Vgl. Welsch 1987, 12.
28
Welsch 1987, 58.

7
die überwunden werden sollte durch die Zeiten der Vielfalt: Eco forderte Pluralität von der
kommenden, postmoderne Epoche.29
Obwohl sich die Klärung der Begriffe selbst als problematisch herausstellt, noch
problematischer, scheint es, das Verhältnis zwischen Moderne und Postmoderne
widerspruchsfrei zu klären. Dieser Umstand ist absolut klar, wenn man in Betracht zieht, dass in
der Postmoderne wie auch in der Moderne verschiedene Strömungen koexistieren. "Das
Verhältnis einzelner Strömungen der Postmoderne zur Moderne ist jedoch nie ein ein-deutiges,
da die Moderne selbst in sich widersprüchlich, vielfältig und äußerst differenziert ist. In ihr gab
es aufklärerische, humanistische und utopische Impulse wie auch destruktive, anarchische und
totalitäre Energien. In keinem Fall sollte man, was heute oft geschieht, Moderne auf Aufklärung,
Postmoderne auf Gegenaufklärung reduzieren"30
Die Moderne selbst wird auch in den jeweiligen Disziplinen unterschiedlich verstanden.
Angesichts dieser Tatsache wird der Begriff disziplinär-spezifisch differenziert. So spricht man
über postmodernen Tendenzen in der Literatur, in der Architektur, Musik, Philosophie, Politik
usw.
Wenn man sich in der Kunst auf Moderne Kunst bezieht, dann bezieht man sich auf den
zeitlichen Abschnitt, der praktisch das ganze 20 Jh. Umfasst. Dies kann aber ebenso auf den
gesamten Zeitabschnitt von den Impressionisten (19 Jh.) bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt
ausgedehnt werden. Genauere Angaben, auf welche Periode man sich konkret bezieht, sind
deshalb nötig. Üblicherweise wird aber in der Kunst zwischen Klassischer Moderne, Moderne,
Postmoderne und zeitgenössischer Kunst nuanciert. Als zeitlicher Beginn der Klassischen
Moderne wird, dem Expertenkonsens nach, das Jahr 1905 angenommen. In diesem Jahr
begannen die Neuerungen in der bildenden Kunst, vor allem angesichts der Anwendung von
Farbe, angeführt von Henri Mattise. Ohne von diesen französischen Neuerungen direkt
beeinflusst zu sein, entstand in Dresden zur selben Zeit "Die Brücke", eine Gruppe junger
Architekturstudenten, die in Ablehnung der Perspektive wie auch der akademischen
Proportionslehre nach Neuerungen in der Kunst suchten. Aus der "Brücke" entwickelte sich ein
neuer Stil, der Expressionismus.31
Zu den Fauvisten, die sich in Anknüpfung an Matisse entwickelten, und zum deutschen
Expressionisten kamen dann noch weitere Erneuerer, die Futuristen. Die Vertreter dieser
Richtungen, die sich in der Zeit der Klassischen Moderne, in der erster Hälfte des 20 Jh.
entwickelten, "(...) wollten etwas Neues schaffen und die neue Kunst sollte an der Entwicklung

29
Vgl. Welsch 1987, 58.
30
Huyssen/Scherpe 1989, 8/9.
31
Vgl. Partsch 2008, 15 ff.

8
einer neuen Gesellschaft beteiligt sein. Das war das Neue, das Revolutionäre, das Moderne an
dieser Kunst."32 Festzuhalten ist, dass Moderne Kunst nach Innovation suchte. Dieser
Erneuerungsprozess in der Kunst wurde durch die Nationalsozialisten gestoppt und wiederum
durch amerikanische und europäische Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg in Bewegung
gesetzt. Die nachfolgende Generation hat sich letztendlich von der Modernen Kunst
verabschiedet. Diese neue Epoche bezeichnet man mit dem Begriff „Postmoderne“ oder „Trans-
Avantgarde“.33
In der Literatur, wo der Begriff der Postmoderne in der sechziger Jahren des 20 Jh. seinen Platz
findet, wurde dieser zuerst im negativen Kontext verwendet. Der Literaturwissenschaftler Irving
Howe wie auch sein Kollege Harry Levin bezeichneten mit ihm eine verheerende Entwicklung in
der Literatur der Gegenwart. Ein paar Jahre später erkannte man die positiven Seiten des Begriffs
„Postmoderne“ wie auch die positiven Eigenschaften von neuen Entwicklungen in der Literatur.
In diesem Sinne begrüßt Leslie A. Fiedler, amerikanischer Literaturtheoretiker, die Ankunft der
postmodernen Literatur. Als positive Eigenschaft der postmodernen Literatur sieht er vor allem
ihre Pluralität, die sowohl elitären als auch populären Geschmack verbindet, wie auch andere
Widersprüchlichkeiten wie Traumwelt und Maschinenwelt oder Mythos und Wirklichkeit.34
Wie Wolfgang Welsch weiter erzählt, wurde die Idee von der "Doppelcodierung", die sich schon
bei Leslie A. Fiedler findet, auf ähnliche Weise durch den Architekten und
Architekturtheoretiker Charles Jencks übernommen. Auch er plädiert für eine neue Architektur,
die sich nicht ausschließlich an die Elite, wie das der Fall in der Moderne war, richten sollte,
sondern Elite wie auch gewöhnliche Menschen vielmehr in Verbindung bringen.35
Philosophie bietet ein eigenes Verständnis von Moderne und Postmoderne. Hegel zufolge, der
von einigen Philosophen als Urheber des Begriffs der Moderne angesehen wird, war Descartes
der erster Philosoph, mit dem die Moderne in der Philosophie begann.36 Nach Welsch verkörpert
Hegel eine Vorbildpersönlichkeit im Einheitsdenken der Moderne37 und nach Lyotard ist in
Hegels Philosophie "spekulative Moderne" in Gesamtheit integriert.38
Für Habermas begann sich die Denkweise der Moderne mit der Aufklärung zu entwickeln, die
mit der Französischen Revolution ihren Anfang nahm. Für Stefen Toulmin dagegen kam es mit
der Abwendung von der toleranten und offenen Einstellung der Humanisten und deren Ablösung
zu einer rationalistischen Denkweise, die von Galileo Galilei und René Descartes eingeführt

32
Partsch 2008, 17.
33
Partsch 2008, 15 ff.
34
Vgl. Welsch 2004, 33.
35
Welsch 2004, 33.
36
Vgl. Schütt 1998, 49.
37
Vgl. Welsch 1987, 173.
38
Vgl. Lyotard 1987, 32.

9
wurde.39 "Sie haben die Grundlagen für ein allgemeines Bewußtsein artikuliert, welches durch
ein Streben nach mathematischer Exaktheit, logischer Strenge und theoretischer Gewißheit
charakterisiert ist und bis in die Neuzeit zur dominanten Philosophie wurde."40
Genau gegen diese Gewissheit und die totalitären Züge im Denken wehrt sich die Postmoderne
in der Philosophie, was noch in weiteren Teilen der Arbeit, an Darstellung von Lyotards
Philosophie und seinem Verständnis der Moderne und Postmoderne darzustellen ist.
Der Wunsch nach der Pluralität im Wissen, die Betonung der Meinungsvielfalt und die
skeptische Einstellung zur absoluten Wahrheit ist nicht nur das Charakteristikum der
postmodernen Denken, sondern wurde schon im Humanismus der Renaissance von großer
Bedeutung. Die Vielfalt des Humanismus wurde aufgrund dessen beendet, da nach dem
Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) der Wunsch nach Stabilität, Sicherheit und Gewissheit in
einer instabilen Umgebung immer grösser wurde.41 Schließlich verabschiedete man sich von der
Offenheit des Humanismus und entwickelte "(...) eine rationale Methode (...), mit der objektiv
die lebenswichtige Unrichtigkeit philosophischer, wissenschaftlicher und theologischer
Doktrinen bewiesen werden konnte."42 Wichtige Vertreter dieses ankommenden Rationalismus
in der Philosophie waren Descartes, Leibniz, Spinoza und weitere, die die Ansicht vertreten
haben, "(...) daß von gesicherter Erkenntnis nur dann gesprochen werden kann, wenn die
Erkenntnisaussagen sich letztlich aus unbestreitbaren wahren, evidenten Vernunftprinzipien
ableiten lassen."43 Gegen solche unstreitbaren Grundsteine wendet sich Lyotard in seiner
Philosophie. Einige solcher Metaerzählungen benennt Lyotard. Es sind unter anderem die
vorschreitende Emanzipation der Arbeit, die Emanzipation von Vernunft und Freiheit, die
angebliche Bereicherung der Menschheit durch den voranschreitenden Fortschritt der
kapitalistischen Technowissenschaft usw.44
In der Debatte über Moderne und Postmoderne bleibt vor allem unklar, ob man unter
"Postmoderne" eine Epoche versteht, die sich grundsätzlich von der Moderne distanziert,
beziehungsweise an deren Annullierung freut. Oder ist mit der Postmoderne auf abweichende
Art und Weise die Wiederbelebung einiger Charakterzüge der Moderne zu verstehen?
Eco spricht nicht von der endgültigen Zerstörung und Abwendung von der Moderne. Ihm
zufolge tritt ab einen bestimmten Moment, von dem an die Moderne nicht mehr weitergehen
kann, die postmoderne Antwort auf die Moderne an. Sie "(...) besteht in der Einsicht und
Anerkennung, daß die Vergangenheit, nachdem sie nun einmal nicht zerstört werden kann, da

39
Vgl. Reihlen, Vordenker (2003), 2, (11.09.2014).
40
Reihlen, Vordenker (2003), 2/3, (11.09.2014).
41
Vgl. Reihlen, Vordenker (2003), 3, (11.09.2014).
42
Reihlen, Vordenker (2003), 3, (11.09.2014).
43
Reihlen, Vordenker (2003), 3, (11.09.2014).
44
Vgl. Lyotard 1987, 32.

10
ihre Zerstörung zum Schweigen führt, auf neue Weise ins Auge gefaßt werden muß: mit Ironie,
ohne Unschuld."45 Der Literaturwissenschaftler Leslie Fiedler setzt sich in seinem Aufsatz mit
dem Parolen-artigen Titel "Überquert die Grenze, schließt den Graben", der schon auf die
endgültige Verabschiedung von der Moderne hinweist, viel entscheidender gegen die Moderne
ab.46 Für ihn ist Literatur, die als modern gilt und die kurz vor dem ersten Weltkrieg ihren
Siegeszug feierte, für tot zu erklären. Die Zeit der modernen Schriftsteller wie Joyce, Proust,
Mann u.a. ist seiner Meinung nach endgültig vorbei.47 Charles Jencks grenzt sich in ähnlicher
Weise gegen die Moderne ab und fordert eine neue Ausdrucksweise in der Architektur.48
Lyotard stellt sich vielmehr gegen die totalitären Ideologien, die die Moderne repräsentieren. Er
plädiert für die Wiederbelebung, beziehungsweise für eine neue Umschreibung der Moderne.
Wolfgang Welsch zufolge ist die Postmoderne nicht als reiner Gegenpol zur Moderne zu
verstehen, wie man in Bezug auf ihren Name aufnehmen könnte, was ein weitverbreitetes
Missverständnis sei.49 Wie Welsch ausdrücklich betont, ist sie vielmehr in Bezug auf ihren
Basisausdruck von der Moderne des 20. Jahrhunderts schon propagiert worden, gerade von
Leitinstanzen wie Wissenschaft und Kunst "(...) Daher ist die Postmoderne im Gehalt
keineswegs anti-modern und in der Form nicht einfach trans-modern, sondern (...) Sie gehört -
als eine Transformationsform derselben - der Moderne zu (...) Unsere Moderne ist die
>postmodern< geprägte. Wir leben noch in der Moderne, aber wir tun es genau in dem Maße, in
dem wir >Postmodernes< realisieren."50 Die Postmoderne steht vielmehr im Gegensatz,
beziehungsweise ist als post-modern zu verstehen im Verhältnis zur Neuzeit, nicht aber zur
Moderne des 20 Jh. "Orientiert man sich hingegen an der Moderne des 20. Jahrhunderts, so ist
die Postmoderne als radikal-modern zu bezeichnen."51
Wenn man über die Postmoderne spricht, ist es wichtig, sich im Klaren zu sein, welche Moderne
man als die Zeit davor annimmt.52 Im Gegensatz zur romanischen Sprache, unterscheidet man im
deutschen Sprachraum zwischen den Begriffen "Moderne" und "Neuzeit".53 Diese begriffliche
Differenzierung ist entscheidend, um ein klares Verständnis der Postmoderne zu erlangen: "Denn
die Postmoderne setzt sich zwar entschieden von der Neuzeit, sehr viel weniger hingegen von
der eigentlichen Moderne ab (...) Es gilt (...) nicht nur Moderne von Neuzeit zu unterscheiden,
sondern vor allem innerhalb der Moderne weiter zu differenzieren (...). Es gilt, zwischen

45
Eco 1988, 76.
46
Vgl. Welsch 1987, 15
47
Fiedler 1988, 57.
48
Vgl. Welsch 1987, 19 f.
49
Welsch 1987, 6.
50
Welsch 1987, 6.
51
Welsch 1987, 6.
52
Vgl. Welsch 1987, 45.
53
Vgl. Welsch 1987, 66.

11
neuzeitlicher Moderne und radikaler Moderne zu unterscheiden. Die erstere setzt die Neuzeit
fort, an die letztere knüpft die Moderne an."54 Zwischen folgenden Positionen und Epochen ist
zu unterscheiden: Zwischen "Neuzeit", "neuzeitliche Moderne", die sich noch an das Konzept
der Neuzeit anlehnt, und "radikaler Moderne", auf die schon die Postmoderne folgt.55
Besonders in der Kunstgeschichte spricht man über verschiedene Modernen und vielfältige
moderne Phänomene, die keine Gemeinsamkeiten aufweisen, wie z.B. die "gotische maniera
moderna". Rokoko wird als "moderner" Stil bezeichnet, in der Hochrenaissance nimmt die
Moderne seinen Platz ein. Ähnlich verhält es sich in der Literaturgeschichte, wo man im Lauf
der Geschichte auf verschiedenen Konzepten der Moderne stößt.56
Da der Begriff der Moderne in den verschiedenen zeitlichen Epochen, besonders in der Ästhetik,
für unterschiedliche Stile und Weltauffassungen Anwendung findet, fordert Welsch: "Daher ist
es geboten, jeweils genau anzugeben, was man unter "Moderne" versteht, wenn man von ihr oder
gegen sie spricht. (...) Es braucht (...) eine vor allem inhaltliche Präzisierung, an die sich dann
sektorielle, strukturelle und chronologische Fortbestimmung anschließen können."57
Philosophisch gesehen wird als Beginn der Neuzeit und Beginn der modernen Philosophie
Descartes, bzw. das 17 Jh., betrachtet. Mit Descartes beginnt: "(...) die exakte Wissenschaft, die
Mathesis universalis, die systematische Weltbeherrschung, die wissenschaftlich-technische
Zivilisation (...) und hat von da aus ihren Siegeszug durch die Wissensgebiete angetreten (...)."58
Welsch betont in seinem Buch, dass die Thesen von Descartes nicht nur als Abhandlung über
eine bestimmte Methode, die für bestimmte Wissensgebiete anwendbar wäre, dienen, sondern
vielmehr als universale Methode, die für alle Wissensgebiete anwendbar ist, zu sehen ist.59 Für
Friesen könnte Hegel als Hauptvertreter der Philosophie der Moderne angesehen werden. Im
Unterschied zur Postmoderne, die im 20 Jh. einsetzte, als "(...) Literaten, Philosophen und
Naturwissenschaftler begonnen (haben), an der Einheit des Wissens zu zweifeln und sie zu
bestreiten"60, zeichnet sich seine Philosophie gerade durch Gegenteiliges, nämlich durch einen
universalen Anspruch, aus.61 Obwohl die Neuzeit eine Zeit der Neuerungen ist, ist sie nach
Welsch gleichzeitig "(...) unerbittlich, vereinheitlichend, universalisierend, totalisierend (...)"62
Was neuzeitliche Denker und somit auch die neuzeitliche Moderne kennzeichnet, ist, dass sie
nicht mehrere Wahrheiten und mehrere mögliche Wege anbietet, sondern vielmehr einen

54
Welsch 1987, 66.
55
Welsch 1987, 66.
56
Welsch 1987, 48.
57
Welsch 1987, 51.
58
Welsch 1987, 69.
59
Welsch 1987, 72.
60
Friesen 1995, 11.
61
Vgl. Friesen 1995, 8/10.
62
Welsch 1987, 72.

12
Universalitätsanspruch erhebt bzw. es nicht möglich ist, "(...) dass eine Wahrheit anders als mit
Ausschließlichkeitsanspruch auftritt. Singularität und Universalität sind ihr zuinnerst eigen,
Pluralität und Partikularität zutiefst fremd."63
Ab der Moderne des 20 Jh., in der Zeit von Gödel und Einstein, wurden Universalität und
Singularität gebrochen. Pluralität und Partikularität sind ebenso zu erkennen in Wissenschaften,
so auch in der Kunst wie auch in der Philosophie. In der Postmoderne schließlich kommen
Pluralismus und Vielfalt zur vollen Entfaltung.64 "Die Moderne des 20. Jahrhunderts hat (...)
Finitismus, Heterogenität und Pluralität zunehmend erkannt, aber doch nur sporadisch zu
realisieren vermocht. Erst die Postmoderne macht sich an die breite Verwirklichung dieses neuen
Sinnkonzepts."65 Die Zeit des 20. Jahrhunderts und somit auch die Zeit der Diskussionen über
die Postmoderne beschreibt Ihab Hassan, amerikanischer Literaturtheoretiker und Schriftsteller,
als Zeiten von "(...) Terror, Anfechtungen, hart aufeinandertreffende Meinungen (...). Manch
einer warnt jedoch vor Chaos, Anarchie und Nihilismus, während andere entweder
psalmodierend oder phrasendreschend den Pluralismus beschwören."66
Um den Begriff „Postmoderne“ besser verstehen zu können, ohne ihn jedoch endgültig
definieren zu wollen, kann man nur Peter Zima zustimmen, dass es vor allem wichtig ist,
zwischen Moderne/Postmoderne als Epochen (Perioden) und Ideologien zu differenzieren, "(...)
weil in den Auseinandersetzungen um Moderne und Postmoderne häufig unklar bleibt, ob es sich
um Zeitabschnitte oder Großideologien als Wertsysteme handelt."67 Es scheint, dass man viel
leichter eine historisch-periodische Abgrenzung zwischen Moderne und Postmoderne erklären
könnte, in dem man behauptet, dass alle Phänomene, die nach dem Zweiten Weltkrieg
stattgefunden haben, unter dem Begriff Postmoderne zu sublimieren sind. Verwirrend wird der
Ausdruck „Postmoderne“, wenn man ihn zeitlich übergreifend anwendet. Angesichts der
Anwendung des Begriffs der Postmoderne in Aufsätzen verschiedener postmoderner Denker und
Theoretiker neigt man fast zu glauben, dass es sich wirklich um einen Pseudo-Begriff handelt.
Umberto Eco, dessen Romane als "Musterfalle >postmoderner< Literatur" bezeichnet werden68,
äußert sich folgendermaßen über den Begriff: "Unglücklicherweise ist >postmodern< heute ein
Passepartoutbegriff, mit dem man fast alles machen kann. Ich habe den Eindruck, daß ihn
inzwischen jeder auf das anwendet, was ihm gerade gefällt. Außerdem gibt es, wie mir scheint,
eine Tendenz, ihn historisch immer weiter nach hinten zu schieben: Erst schien er auf einige
Schriftsteller oder Künstler der letzten zwanzig Jahre zu passen, dann gelangte, rückwärts durch

63
Welsch 1987, 77.
64
Vgl. Welsch 1987, 77 ff.
65
Welsch 1987, 83.
66
Hassan 1987, 157.
67
Zima 2014, 23.
68
Krause 2007, 100.

13
die Jahrzehnte wandernd, allmählich bis zum Beginn des Jahrhunderts, dann ging er noch weiter
zurück , und er ist immer noch unterwegs; bald wird die Kategorie des Postmodernen bei Homer
angelangt sein."69
Bei Lyotard, als Vorreiter der postmoderner Idee, sind Denker und Künstler aus
unterschiedlichen zeitlichen Epochen zu finden: Zu ihnen zählen der spätere Wittgenstein, Kant,
wie auch Aristoteles, aber auch Montaigne-Renaissance Denker und Schriftsteller, ebenso
Vertreter der Avantgarde in den bildenden Künsten, wie Duchamp und Buren. Bei Charles
Jencks dagegen finden sich außer in Tendenzen der siebziger und achtziger Jahre, Anzeichnen
der postmodernen Architektur beim griechischen Tempel, wie auch in Beispielen der Jugendstil-
Architektur. Literaturwissenschaftler Leslie A. Fiedler wie auch Brian McHale beschränken sich
in Bezug auf die Postmoderne dagegen auf Autoren des 20. Jahrhunderts.70
Wie an den letztlich erwähnten Denker ersichtlich ist, bleibt fragwürdig, ob überhaupt von einer
gesonderten Epoche zu sprechen ist. Ein anderer Vorschlag wäre, "(...) Postmoderne als eine
Charakterisierung von neuen Erscheinungsformen (...) zu begreifen und nicht als Bezeichnung
einer Epoche zu verwenden (...)."71
Wenn man über eine Epoche spricht, wird vorausgesetzt, dass man über einen Zeitabschnitt im
Laufe der Geschichte spricht, der in einen zeitlich abgrenzbaren Rahmen einzusetzen ist. Aber
wie schon Eco, in ähnlicher Weise auch Lyotard, bezeichnen einige andere Denker mit dem
Begriff eine bestimmte Denkweise und Gesinnung, die sich auch in der Zeit der Antike finden
lässt.
Umberto Eco erklärte in seinem Text die Postmoderne zur Geisteshaltung und betont zusätzlich,
dass man sagen könnte, dass fast jede Periode ihre Postmoderne hat. Ebenso gibt er weiter an,
dass jede Periode ihren eigenen Manierismus hat.72 Problematisch scheint vor allem, wenn man
wie Eco es tut, Postmoderne in fast jede Epoche einsetzt: Wieso benutzt und spricht man über
den Ausdruck Postmoderne, angesichts der Tatsache, dass das Präfix "post" die Postmoderne als
zeitliche Epoche nach der Moderne verstehen sollte? Oder nimmt Eco auch an, dass neben der
Postmoderne, jede Epoche auch ihre Moderne hat?73
Der Begriff ist demzufolge nicht als zeitgebundene Periode, die nach der Moderne folgt, zu
verstehen, sondern bezeichnet, unabhängig von der Zeit, eine bestimmte Form im Denken, einen
Ausdruck im künstlerischen Schaffen.

69
Eco 1988, 75.
70
Vgl. Krause 2007, 118/119.
71
Partsch 2008, 18.
72
Eco 1988, 75.
73
Vgl. auch Krause 2007, 102.

14
Die Collagen von Max Ernst, ein bedeutender Maler, Grafiker und Collagisten, bezeichnete Eco
als Postmodernismus. Die Werke des fast gleichaltrigen Collagisten, Malers und Grafikers Pablo
Picasso dagegen ordnete er dem Modernismus zu. So können sich im Oeuvre eines Autors
Anzeichnen der Moderne wie auch der Postmoderne finden. Eco nimmt Joyce als Beispiel.
Dessen Roman "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann" aus dem Jahr 1916 zählt zu den
modernen Versuchen, dagegen sind seine Kurzgeschichten die "Dubliners" schon viel moderner,
obwohl sie zeitlich früher entstanden sind, und sein letzter Roman "Finnegans Wake" ist schon
ein Beispiel postmoderner Literatur.74 Es ist nicht verwunderlich, dass gerade "Finnegans Wake"
zur Postmoderne gehört, da es verschiedene Lesearten und Interpretationen ermöglicht, obwohl
Leslie A. Fiedler Joyce unter die modernen Autoren klassifiziert.75 Durch seine Vieldeutigkeit
und Komplexität fühlt sich der Leser wie in ein Labyrinth versetzt. Das Werk wird vor allem
wegen seiner Vielfalt an sprachlichen, durch Vermischung des irischen mit englischen, noch
dazu durch Allusion auf fast 40 Sprachen, "polyglotte Enzyklopädie an Wortspielen genannt".76
"Finnegans Wake" entspricht auch Ecos Kriterium des postmodernen Werks. Das postmoderne
Werk wird durch das Zusammenspiel von Ironie, Maskerade und metasprachlichen Spielen
ausgezeichnet. Die Postmodernisten, die das Spiel letztendlich nicht verstehen, akzeptieren es
und nehmen es mit Ernsthaftigkeit an, anders als in der Moderne, die ein unverständliches Spiel
gleich ablehnen.77 Um verschiedene Ansatzmöglichkeiten des Begriffs „Moderne“ zu
veranschaulichen, nimmt Welsch Diderot als Beispiel und sich seines Enzyklopädie-Artikels
"Moderne" an. Nach Diderot kann man die Moderne in verschiedenen Zeiträumen beginnen
lassen. In der Literatur mit Boethius, einem spätantiken Gelehrten, in der Architektur mit Gotik
oder in der Physik mit Descartes.78 Welsch erklärt die Präsenz der Moderne bei den Nicht-
Modernen folgendermaßen: "Der Hinweis auf Boethius soll zeigen, daß es Moderne schon bei
den Nicht-Modernen, den Antiken, gibt; das Architekturbeispiel will demonstrieren, daß
Anciennität sogar eigentliches Kriterium von Modernität sein kann, denn für Vasari (...) ist die
moderne Architektur durch die buona maniera moderna charakterisiert, und das heißt eben (...)
durch eine Neuorientierung an der Antike, so daß hier tatsächlich gilt: je antiker, desto moderner;
und das Physik Beispiel schließlich zeigt, wie auch innerhalb Moderne immer wieder etwas
anderes modern sein kann, im letzten Jahrhundert war es Descartes, im jetzigen ist es Newton."79

74
Eco 1988, 75 ff.
75
Vgl. Fiedler 1988, 57.
76
Vgl. Siedenbiedel 2005, 25/26.
77
Eco 1988, 76.
78
Vgl. Welsch 1987, 46.
79
Welsch 1987, 46.

15
Festzuhalten ist, dass eine einheitliche und allgemein angenommene Definition des Begriffs
Postmoderne nicht anzubieten ist, worauf auch Philosophin Dagmar Danko hinweist. Wie sie
anmerkt gibt es letztendlich nur unzählige Stellungen, Autoren "(...) und zahlreiche
Fragmentierungen in alternative Begriffe wie Postmodernismus, Nach-Moderne, Spätmoderne
oder Zweite Moderne. Dabei lässt sich festhalten, dass zumindest eine Aussage bezüglich der
Postmoderne konsensbildend sein dürfte: Der Begriff selbst ist postmodern."80 Selbst der Begriff
der Postmoderne "(...) beschreibt eine Situation, in der das Streben nach einer Einheit, nach
allgemeingültigen, letzten Wahrheiten, die einen Universalitätsanspruch erheben könnten,
aufgegeben wird (...) Die Postmoderne meint eine Situation, die so fragmentiert ist, wie ihr
Begriff."81 Es gibt viele Definitionen, die sich aber nicht ausschließen, sondern vielmehr
gleichwertig nebeneinander koexistieren. Keine wird als mehr gültig betrachtet als die andere.
Da keine auf alle Bereiche anwendbare Definition angeboten wird, passt genau in das Bild der
Postmoderne, dass sie nach Offenheit strebt und jegliche Totalität und definitive Gültigkeit
ablehnt.82 "Eine exakte Definition gibt es nicht-und kann es wohl nicht geben: sie würde nämlich
die Vielfalt der Entwicklungslinien zum Verschwinden bringen. Die verschiedene Merkmale der
Postmoderne lassen sich nicht zum einen eindeutigen Begriff zusammenfassen. So läßt sich
allein die Vielfalt als Merkmal, das jede einheitliche Definition verhindert, festhalten."83
Wolfgang Welsch betont zusätzlich, "(...) dass Postmoderne und Postmodernismus keineswegs
eine Erfindung von Kunsttheoretikern, Künstler und Philosophen sind. Vielmehr sind unsere
Realität und Lebenswelt "postmodern" geworden."84 Postmoderne entsteht zur Zeit und an dem
Ort, "(...) wo alle Vereinheitlichungstendenzen aufgegeben werden (...) ohne dabei in
Pessimismus zu verfallen."85

2.1. Moderne und Postmoderne bei Lyotard

In den folgenden zwei Unterkapiteln ist mein Anliegen, Lyotards Auffassung der Moderne und
Postmoderne im Überblick darzustellen, da sein Name in der Literatur unauslöschlich mit dem
Begriff der Postmoderne verbunden ist. Weiteres möchte ich in Bezug auf sein
Postmoderne/Moderne-Verständnis vor allem Leitideen seiner Philosophie veranschaulichen.
Vor allem seine Konzepte der Sprachspiele und des Wissens, da darin Lyotards Beweggründe,

80
Danko 2011, 79.
81
Danko 2011, 79.
82
Vgl. Friesen 1995, 9.
83
Friesen 1995, 18.
84
Welsch 1987, 4.
85
Friesen 1995, 8.

16
seine Position, wie auch einige Erklärungen zur Moderne und Postmoderne erhalten sind, die für
jedes weitere Verständnis seiner Philosophie von Bedeutung sind.
Obwohl "Der Widerstreit" oft als Lyotards philosophisches Hauptwerk bezeichnet wird, werde
ich es in dieser Arbeit nicht weiter untersuchen. Lyotard selbst bezeichnet es nicht als sein
Hauptwerk, nennt es jedoch sein "philosophisches Buch", weil er, wie er selbst erklärt, in diese
Arbeit viel Zeit investiert hat und sich mit großen Werken der philosophischer Tradition
auseinandergesetzt hat.86 Weiterhin betont er das, obwohl unerwartet, sein Schrift "Das
postmoderne Wissen" sein philosophisches Werk "Der Widerstreit" in zweiten Plan gestellt und
etwas gedämpft hat.87 In einem Gespräch äußert sich Lyotard abwertend gegen Schriften und
Aufsätze, die vor "seinem Philosophiebuch" entstanden waren: "Einerseits werden in meinen
Augen durch dieses Buch alle meine früheren Arbeiten aufgehoben, es waren einfache Skizzen,
eher schlechte..."88 Da sich aber ein Großteil seiner Grundgedanken in dem Werk "Das
postmoderne Wissen" wiederfinden und da dieses Buch Lyotards meistdiskutiertes Werk ist,
habe ich mich entschlossen, hier einige der wichtigsten Thesen darzustellen. Ich möchte
zusätzlich, um Lyotards Standpunkten angesichts der Entwicklung von Moderne zu Postmoderne
besser darstellen zu können, auch einige seiner anderen Schriften miteinbeziehen, die meines
Erachtens nach weniger Aufmerksamkeit beziehungsweise in geringerem Maße in den
Diskussionen zu Lyotard beachtet werden. Es sind vor allen folgende Werke: "Das Inhumane.
Plaudereien über die Zeit", "Postmoderne für Kinder", "Immaterialität und Postmoderne". Von
besonderer Wichtigkeit gelten vor allem Lyotards Aufsätze "Die Moderne redigieren" und
"Beantwortung der Frage: Was ist postmodern?".89
Obwohl der Begriff „Postmoderne“ wie im vorherigen Teilkapitel schon präsentiert, vor allem
1960 in der USA in der Literaturtheorie und Literaturkritik präsent war und durch Charles Jencks
in die Architektur eingeführt wurde90, war es der Verdienst von Jean-François Lyotard 1979, als
er sein Werk "Postmodernes Wissen" verfasste, dass der Begriff Postmoderne in die
philosophische Diskussion eingeführt wurde, wodurch er auch "international bekannt wurde".91
Obwohl Lyotards Name immer wieder zusammen mit dem Begriff "Postmoderne" auftaucht, hat
er ihn von den damals gegenwärtigen Theoretikern fast gedankenlos übernommen, was er auch
immer wieder betonte. So sagt er in einem Interview mit voller Klarheit: "Was mich betrifft, so
habe ich ihn von amerikanischen Literaturkritikern übernommen."92 Ebenso gleich am Beginn

86
Vgl. Lyotard 1985, 19.
87
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 11 f.
88
Lyotard 1985, 19.
89
Erschienen in: Welsch 1988.
90
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 41.
91
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 7.
92
Lyotard 1985, 30.

17
seines Berichtes "Das postmoderne Wissen" : Darin schrieb er, dass sein Bericht den Zustand des
Wissens in den höchstentwickelten Gesellschaften zum Thema hat und "Man hat sich
entschieden, sie >postmodern< zu nennen"93, und gibt weiter an: "Dieses Wort ist auf dem
amerikanischen Kontinent, bei Soziologen und Kritikern gebräuchlich. Es bezeichnet den
Zustand der Kultur nach den Transformationen, welche die Regeln der Spiele der Wissenschaft,
der Literatur und der Künste, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts getroffen haben.(...)"94 Über
den fast zufällig eingeführten Terminus "Postmoderne" seitens Lyotard bezeugt auch die Stelle
bei Reese-Schäfer, der im Berufung auf die Berichterstattung des Philosophen und Redakteurs
Jean-Loup Thébaud in einem Magazin angibt, dass Lyotard "(...) das Wort "postmodern" ein
wenig wie in einer Laune in die Debatte geworfen"95habe.
Joachim Hessler, der eine Studie mit dem Titel "Philosophie der postmodernen Musik" verfasst
hat, bemerkt schon am Anfang seiner Arbeit, dass er den Titel seiner Schrift, wie auch Lyotard
den Titel "Das postmoderne Wissen" für seine Abhandlung, unzutreffend und unpräzis gewählt
habe, da die beide Schriften schon von vornherein Totalitätsanspruch ankünden, den es aber in
der Postmoderne nicht gibt: "(...) denn es gibt nicht das Postmoderne, die postmoderne Musik
oder das postmoderne Wissen. Es gibt lediglich eine Vielfalt des postmodernen Wissens
beziehungsweise der postmodernen Musik. Der Titel der Lyotardschen, sowie derjenige der
vorliegenden Arbeit suggeriert somit einen Totalitätsanspruch, welcher gerade dem
postmodernen Denken entgegengesetzt ist."96
"Postmodern" als Begriff erscheint noch aus einem weiteren Grund als unglücklich gewählter
Begriff. Reese-Schäfer betont, dass er die Gegenwart außer Acht lässt. Er enthält in sich selbst
einen inneren Widerspruch. Der Ausdruck "Moderne" weist schon auf die Gegenwart hin. Der
Begriff „Postmoderne“ könnte dann nur etwas, was nach der Gegenwart auftritt, bezeichnen.97
Über die unglückliche Wahl des Begriffs äußert sich Lyotard in seinem Aufsatz "Die Moderne
redigieren". Ihm selbst scheint der Ausdruck "die Moderne redigieren" viel passender als die
üblicherweise verwendeten Ausdrücke "Postmoderne", "Postmodernismus", "postmodern". Die
Verwendung der Präfixe "prä" und "post" suggerieren die Einteilung der kulturellen Geschichte
in "vorher" und "nachher", was Lyotard als verfehlt beurteilt. Er erklärt: "(...) weil sie die
Position des >Jetzt< unhinterfragt läßt, die Position der Gegenwart also, von der aus man die
chronologische Abfolge der einzelnen Epochen unserer Geschichte richtig überblicken können

93
Lyotard 1986, 13.
94
Lyotard 1986, 13.
95
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 44.
96
Heßler 2001, 6.
97
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 42.

18
soll."98 Bezugnehmend auf Aristoteles und sein viertes Buch der Physik betont Lyotard, dass
schon Aristoteles darauf hingewiesen hat, dass zwischen der Vergangenheit oder dem was
stattgefunden habe und dem Zukünftigen, beziehungsweise dem, was erst stattfinden wird,
unmöglich zu unterscheiden ist, ohne Ereignisse auf die Position der Gegenwart zu beziehen.99
Redigieren bedeutet für Lyotard, die "(...) Uhr auf Null zurückzustellen, reinen Tisch zu machen
und auf einen Schlag eine neue Ära und eine neue Periodisierung einzuführen (...)."100 Lyotard
warnt von einem anderen Verständnis des Ausdruckes "Moderne redigieren". Nach ihm darf man
"Moderne redigieren" nicht als Erinnerungsprozess verstehen, als die Suche nach dem Ursprung
des Übels und der Suche nach den Tatsachen, die zum leidlichen Zustand geführt haben, denn in
diesem Prozess "(...) wird man unweigerlich das Verbrechen fortsetzen und es erneut begehen,
anstatt ihm ein Ende zu setzten", denn anstatt die Moderne zu redigieren, "(...) schreibt und
realisiert man sie bloß weiter."101
Um diese Täuschung und die daraus zu erwartenden Konsequenzen zu erläutern, führt Lyotard in
seinem Aufsatz als Beispiel Marx ein. Nachdem Marx den Ursprung des Unglücks in der
Moderne identifizierte und sie in der Ausbeutung der Arbeiter erkannte, entschloss er sich, der
Menschheit aus der liberalen Ökonomie zu befreien, indem er die Menschheit, in eine anderes
Unglück führte.102 Es ist verständlich, dass Lyotard jegliche Identifizierung, bei der der absolute
Wahrheitsanspruch erhoben wird, ablehnt, so auch die marxistische, angeblich korrekte
Identifizierung des Unglücks für die Menschheit. Anstelle des vergangenen Totalitätsanspruchs
erhebt man einen anderen, mit dem sich die unglückliche Geschichte nur wiederholen kann. "(...)
Bei dieser Art des Redigierens bricht dieselbe Krankheit wieder auf (resugir). Die Marxisten
haben geglaubt, gegen die Entfremdung der Menschheit gearbeitet zu haben, aber die
Entfremdung des Menschen hat sich, kaum verlagert, wiederholt."103
Wie an früherer Stelle schon betont, findet man bei den Architekturtheoretikern, wie bei Jencks
u.a., eine klarere Abgrenzung zwischen Moderne und Postmoderne. In seinem Brief von Mai
1985, adressiert an Jessamyn Blau, erwähnt Lyotard Anforderungen und Merkmalen der neuen
postmodernen Architektur, ausgesprochen von Paolo Portoghesi und Vittorio Gregotti, beide
bekannte italienischen Architekten. Mit der Aufzählung zur Moderne oppositiven
Charakteristiken in der postmodernen Architektur wird relativ klar, dass sich der neue Stil von
vorherrschenden Charakteristiken und Ideen der Moderne abgrenzt. In diesem Fall wird Lyotard
nach mit dem Ausdruck "post" geradlinig verlaufende Aufeinanderfolgen von Perioden, die jede

98
Lyotard 1988a, 204.
99
Lyotard 1988a, 204/205.
100
Lyotard 1988a, 206.
101
Lyotard 1988a, 208.
102
Vgl. Lyotard 1988a, 208.
103
Lyotard 1988a, 208.

19
für sich selbst klar identifiziert wird, verstanden.104 "Diese Idee einer geradlinigen Chronologie
ist nun aber vollkommen "modern". Sie ist ebenso dem Christentum wie dem Cartesianismus
und dem Jakobinismus eigen: Da wir etwas völlig Neues einleiten, müssen wir die Zeiger der
Uhr auf Null stellen."105 Wenn man mit der Tradition brechen will, besteht die Gefahr, dass
dieser "Bruch" das Vergangene nur unterdrückt, aber hier lauert Lyotard nach die Gefahr, die
Vergangenheit zu wiederholen, anstatt sie, zu überwinden.106
In Bezug auf die Anforderung Lyotards, "den Zeiger auf Null zu stellen und eine neue Periode
einführen", stellt sich die Frage, wie könnte man überhaupt "den Zeiger auf Null stellen", ohne
sich jedoch nicht direkt auf Vergangenes zu beziehen, um sich von der Vergangenheit
ideologisch abzugrenzen beziehungsweise sich an Vergangenes anzulehnen?
"Postmodern" ist vor allem ein Relationsbegriff.107 "Postmoderne" Architekturtheoretiker
grenzten sich von gängig vertretenen "modernen" Formensprachen in der Architektur ab. In
denen identifizierten sie die modernen "Übel". Marx geht in ähnlicher Weise vor, indem er das
Übel der Moderne in der Ausbeutung der Arbeiter erkennt. Lyotard selbst stellt keine Ausnahme
dar. Er stellt seiner Ansicht nach Schwachpunkte der neuzeitlichen Philosophie dar, identifiziert
Annahmen und Ideologien, die zu Krisen in der Moderne geführt haben, führt Probleme
bezüglich der Legitimierung des Wissens an, wie auch für die Menschheit unerwünschte
Vorgehensweisen in der wissenschaftlichen Forschung usw. Im ideologischen Sinn grenzt er sich
ebenfalls von den eigentümlichen "Formensprachen" der Moderne ab und fordert ein
entgegengesetztes, fast utopisches Modell. Wenngleich Lyotard in seinen Schriften bestimmte
Sichtweisen und Annahmen kritisiert, z.B. die des Wiener Kreises, erörtert er die Denkweise
einzelner Philosophen wie Descartes, Hegel, Aristoteles, Wittgenstein, Kant, Heidegger usw.
Dabei benutzt er selten den Begriff „Moderne“ und verlangt nicht nach dem Ende der Moderne
oder deren Zerstörung. Die Stellungnahme Lyotards zur Moderne entspricht nicht dem
zerstörerischen Bild der Moderne, das sich in der Architektur anbietet und das Andreas Huyssen
bildlich in seinem Aufsatz anhand der Bildfolge der Sprengung einer Siedlung in den 1950er
Jahren präsentierte. (Vgl. Abb. 1.).108
Als Lyotard seine Werke schrieb, wurde die Moderne schon beendet, beziehungsweise hat sie
sich seiner Ansicht nach selbst zerstört. Er fordert daher nicht ihre Zerstörung, da es sich schon
um einen beendeten Prozess handelt, sondern erklärt die Ursachen, die zur Krise der Moderne

104
Vgl. Lyotard 1987, 100.
105
Lyotard 1987, 100.
106
Vgl. Lyotard 1987, 101.
107
Vgl. Scherpe/Huyssen 1989, 9.
108
Vgl. Huyssen 1989, 15

20
geführt haben.109 Im Vergleich zur einigen Theoretikern anderer Disziplinen bleibt bei ihm eine
historische Einordnung und Absetzung der Begriffe beziehungsweise eine "geradlinige
Chronologie" unklar. Christa Bürger macht auf definitorische Unklarheiten bei Lyotard
aufmerksam: "Daß er sich dabei in Definitionsprobleme verwickelt, ist ihm durchaus bewußt.
Seine Konstruktionen macht die Trennungslinie zwischen Moderne und Postmoderne (...)
unscharf."110
Lyotard betonte in einem Interview mit Willem van Reijen und Dick Veerman, dass sein Werk
"La Condition postmoderne" ("Das postmoderne Wissen") viele Diskussionen mit sich gebracht
habe, was er selbst von Beginn an nicht erwartete, aber letztendlich im Nachhinein als
verständlich empfinde, da er auf ganz andere Weise den Terminus Postmoderne verwendete und
in der Diskussion anführte, als man es bis jetzt von Literaturkritik, Architektur und Malerei
gewohnt war. In diesen Bereichen bezeichnet der Ausdruck "Postmoderne" vor allem den
Zustand nach dem Ende der Moderne und ist als gegensätzliche Epoche der Moderne zu
verstehen.111 Obwohl mit dem Ende der großen Erzählungen der Moderne (Aufklärung und 19.
Jahrhundert)112 die letzten Legitimationen verschwinden und die Postmoderne ihren Anfang
ankündigt, betrachtet Lyotard die Postmoderne nicht als eine nach der Moderne kommende
Epoche. Lyotard betont: "Ich habe jedoch wiederholt darauf hingewiesen, da daß "postmodern"
für mich nicht das Ende der Moderne heißt, sondern eine andere Beziehung zur Moderne."113
Reese-Schäfer fügt an einer anderen Stelle hinzu: "Periodisierung selbst ist für Lyotard noch eine
"klassische" oder "moderne" Vorstellung. "Postmodern" soll stattdessen einfach einen Gemüts-
oder vielmehr Geisteszustand bezeichnen."114 Lyotards Anliegen ist vielmehr, mit Mitteln der
Philosophie, wie auch mit avantgardistischer Kunst, die Moderne kritisch zu durchleuchten.115
Dieses Durchleuchten der Moderne ist die "Postmoderne" Lyotards. "Post" ist im Kontext
Lyotards als kein „Zurück“ zu verstehen, (...) sondern einen Prozess des "ana" im Sinne von
Anamnese, Analyse usw., als Abarbeitung des ursprünglich Vergessenen. Andersfalls sind wir
dazu verurteilt, die "modernen Neurosen" zu wiederholen."116 Was paradox kling, denn bei
Lyotard kommt die Postmoderne nicht nach der Moderne, sondern ist vor allem der Zustand vor
der Moderne selbst: "Ein Werk ist nur modern, wenn es zuvor postmodern war"117. Diese
widersprüchliche Aussage Lyotards kann man beim Lesen seines Aufsatzes "Beantwortung der

109
Vgl. Lyotard 1985, 9 u. 37/38.
110
Bürger C. 1988, 135.
111
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 111.
112
Vgl. Reese- Schäfer 1989, 25.
113
Reese-Schäfer 1989, 112.
114
Reese-Schäfer 1989, 44.
115
Reese-Schäfer 1989, 44.
116
Reese-Schäfer 1989, 46.
117
Reese-Schäfer 1989, 46.

21
Frage: Was ist postmodern?" besser verstehen. Die Ausgangsthese, lautet dass alles
Überkommenen hinterfragt werden müsse.118 So haben auch bahnbrechende
Künstlerpersönlichkeiten wie Cézanne, Picasso, Braque, Duchamp das Vorherige hinterfragt und
ihm misstraut, was eigentlich zu damaligen Zeit ein Novum darstellte. Mit seinen eigenen
Wörtern erklärt Lyotard: "Welchem Raum mißtraut Cézanne? Dem der Impressionisten.
Welchen Gegenstand hintergehen Picasso und Braque? Denjenigen Cézannes. Mit welcher
Voraussetzungen bricht Duchamp 1912? Mit der, daß ein Maler ein Bild zu malen hat, und sei es
kubistisch. (...) Welch atemberaubende Beschleunigung, >Generationen< überstürzen sich. So
gesehen, bedeutet der Postmodernismus nicht das Ende des Modernismus, sondern dessen
Geburt, dessen permanente Geburt."119

Die Postmoderne in der Philosophie Lyotards richtet sich vor allem gegen totalitäre Systeme und
gegen das Einheitsdenken, welches zum Teil die Moderne auszeichnet, aber sein Begriff
"Postmoderne" und sein Denkansatz richten sich nicht voll und ganz gegen die Moderne. Vor
allem nicht gegen die ästhetische Moderne und nicht gegen die Zeit der Avantgarde, sondern
schließt die ästhetische Moderne in sein Konzept der Postmoderne ein.120 Krause bemerkt mit
Recht, dass Lyotard einen unhistorischen Begriff der Moderne verwendet.121 Im vorherigen Teil
der Arbeit wurde darauf hingewiesen, dass Lyotard in der Denkweise Hegels eine
Zusammenfassung jeglichen Einheitsdenkens sieht. Ebenso wurde erwähnt, dass mit Descartes,
beziehungsweise mit der neuzeitlichen Philosophie, ein einheitliches, systematisches und
universalistisches Denken ihren Ursprung nahm. Obwohl dem so ist, kann man letztendlich nicht
behaupten, dass sich Lyotard in seinem Denken gegen die Philosophie der Neuzeit oder
ausschließlich gegen bestimmte Denker einer Periode richtet. Vielmehr richtet er sich gegen die
universelle Gültigkeit, gegen alle Denker, Perioden und Bereiche, die jegliche Form von
einheitlichen Systemen und Wahrheiten vertreten, die für Totalitätsansprüche und die absolute
Erkenntnis plädieren. Es ist festzuhalten, dass sich Lyotards Philosophie gegen einheitliche und
totalitäre Denkweisen und Ideologien wehrt, "(...) sei es das der "Techno-Wissenschaft" (wie er
sie kritisierend nennt), sei es das des Kapitals, das beginnt, sich auch die Sprache als Ware
anzueignen, indem sie diese in computergeeignete Informationsquanten umwandelt. Lyotards
Intention ist antitotalitär (...)."122 Absolute Erkenntnis und Behauptungen, die Wunder
versprechen, führen zur leeren Versprechungen. Mit Hineingelangen der neuen Technologien
und dem technowissenschaftlichen Apparat in den kulturellen Bereich, wider der Erwartungen

118
Vgl. Lyotard 1988b, 201.
119
Lyotard 1988b, 201.
120
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 8.
121
Vgl. Krause 2007, 101.
122
Reese-Schäfer 1989, 8.

22
und den zugesicherten Annahmen, dadurch Erkenntnis, Freiheit und Toleranz zu vergrößern,
macht man letztendlich "(...) eher die umgekehrte Erfahrung: neue Barbarei,
Neoanalphabetismus und Verarmung der Sprache, neue Armut, eine gnadenlose Umformung der
Meinung durch die Medien, eine Verelendung des Geistes, eine Atrophie der Seele (...)"123.
Am Beginn seiner Schrift "Immaterialität und Postmoderne" erklärt Lyotard, dass das Projekt der
Moderne versagt hat.124 Man kann nur feststellen, dass das Projekt „Moderne“, die seit der
Philosophie der Aufklärung und der Französischen Revolution durch die Idee von der
Emanzipation der Menschheit beherrscht und gekennzeichnet wurde125 und die sich zur Aufgabe
gesetzt habe, "(...) die Menschheit aus Unwissenheit, Unterwerfung und Elend zu befreien
(...)"126, die gegebenen Versprechen nicht erfüllt hat. Genau das Gegenteil scheint der Fall zu
sein. Nach Lyotard haben die aus der Zeit der Aufklärung herausgebildeten Demokratien "(...)
den Imperialismus und den totalen Krieg ermöglicht und zugelassen."127 Weiterhin liest man bei
Lyotard über die Konsequenzen der großen Versprechungen: "(...) die technisch-
wissenschaftliche, künstlerische, ökonomische und politische Entwicklung haben die totalen
Kriege, den Totalitarismus, den wachsenden Abstand zwischen dem Reichtum im Norden und
der Armut im Süden, die Arbeitslosigkeit und die >neue Armut<, den allgemeinen
Bildungsschwung durch die Krise des Schulwesens, das heißt der Weitergabe des Wissens (...)
ermöglicht."128 An einer weiteren Stelle in "Postmoderne für Kinder" fragt Lyotard, wie
letztendlich die großen Legitimationserzählungen, die Markenzeichnen der Moderne sind,
überhaupt noch als glaubwürdig betrachtet werden können, angesichts der Tatsache, dass selbst
die Postmoderne mit einem bekannten Verbrechen begann – dem Völkermord von Auschwitz-
wo sich die Zerstörung eines ganzen Volkes ereignete. Auschwitz ist nur einer von vielen
symbolischen Namen, der für die Zerstörung des Projekts der Moderne steht.129 In ähnlicher
Weise erwartete man von der Emanzipation, die ihren Anfang in der Aufklärung gefunden hatte,
dass man durch Wissenschaft mehr Gerechtigkeit, mehr Prosperität und mehr Freiheit erlangen
wird130, was letztendlich nicht geschehen ist. Lyotard nach kann man Entwicklungen in den
Techno-Wissenschaften nicht länger als Fortschritt bezeichnen. Sie ist dem Menschen gegenüber
nicht positiv eingestellt, stillt nicht deren Bedürfnissen, sondern wirkt mit ihren Resultaten noch
immer destabilisierend auf menschliche, individuelle wie auch soziale Größen.131 Die letzten

123
Lyotard 1989, 116.
124
Vgl. Lyotard 1985, 9.
125
Vgl. Lyotard 1987, 106.
126
Lyotard 1985, 9.
127
Lyotard 1985, 9.
128
Lyotard 1987, 107.
129
Vgl. Lyotard 1987, 33 f.
130
Vgl. Lyotard 1987, 89.
131
Vgl. Lyotard 1987, 103.

23
zweihundert Jahre bezeichnete Lyotard angesichts vorhandener Gegebenheiten als Zeit der
Enttäuschung, der Verbrechen und als Zeit des Kummers.132

2.1.1. "Das postmoderne Wissen": Vielfalt der Sprachspiele, Ende der großen
Erzählungen und Transformation des Wissens als Zeichen des Umbruchs
von Moderne zur Postmoderne

Peter Engelmann schrieb im Vorwort zur Lyotards "Das postmoderne Wissen", welches, obwohl
in geringer Auflage erschienen, schnell vergriffen war, dass "was als Bericht geplant war, wurde
dann aber zu einem Versucht, neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik, in der Politik,
im Alltagsleben und in der Kunst (...).133 Über sein Werk äußert sich Lyotard, dass es kein
philosophisches Buch sei, eher wissenssoziologisch und epistemologisch gekennzeichnet. Sein
Anliegen war, mit diesem Werk, "(...) einen "Bericht" über den Zustand der Wissenschaften in
den höchstentwickelten Staaten zu liefern."134 Die einleitende Frage, die Lyotard in seiner für
den Universitätstrat der Regierung von Quebec geschriebenen Schrift stellt, ist, mit welchen
Veränderungen im Wissen angesichts des Einflusses der neuen Technologien in
135
höchstentwickelten Gesellschaften zu rechnen ist. Auf die Frage selbst gibt Lyotard keine
direkte Antwort, wie Welsch anmerkt, "(...) sondern klärt zunächst die Eigenart heutigen
Wissens. Wie ist das Wissen heute verfaßt, (...) vorerst ganz unabhängig von der Frage neuer
Technologien? Was kennzeichnet die heutige, die >postmoderne< Verfassung des Wissens?"136

Am Beginn seines ersten Kapitels benennt Lyotard seine Arbeitshypothese, die besagt: "(...) daß
das Wissen in derselben Zeit, in der die Gesellschaften in das sogenannte postindustrielle und die
Kulturen in das sogenannte postmoderne Zeitalter eintreten, sein Status wechselt. Dieser
Übergang beginnt spatest mit dem Ende der fünfziger Jahre (...)."137
Der Hauptunterschied, wodurch sich die Postmoderne von der Moderne angesichts der
Wissensperzeption klar unterscheidet, ist der Sachverhalt, dass das Wissen in der Moderne die
Eigenschaft eines einheitlichen Wissens hat, das seine Bestätigung in Meta-Erzählungen oder
"großen Erzählungen" gesucht habe.138 Seit Ende des 19. Jahrhunderts vergrößert sich die
"Krise" des wissenschaftlichen Denkens. Lyotard zufolge entstand sie "(...) aus der inneren
Erosion des Prinzips der Legitimität des Wissens."139 Während die Moderne nach der Einheit in

132
Vgl. Lyotard 1987, 89.
133
Lyotard 1986, 9.
134
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 112.
135
Vgl. Welsch 1987, 31.
136
Welsch 1987, 31.
137
Lyotard 1986, 19.
138
Vgl. Welsch 1987, 32.
139
Lyotard 1986, 116.

24
Wissensangelegenheiten suchte, verlangte die Postmoderne nach Vielfalt in allen Bereichen des
menschlichen Lebens. Unter "großen Erzählungen" "(...) werden Erzählungen verstanden, die die
Bedeutung aller anderen Erzählungen entschlüsseln und deren Wahrheit begründen können."140
Walter Reese-Schäfer betont im Anlehnung an Lyotard, dass die Wissenschaften am Anfang im
kritischen Verhältnis zu großen Erzählungen steht, aber sobald sie Anspruch erhebt, etwas als
"Wahr" zu behaupten, muss sie zuerst ihre Spielregeln legitimieren. Im Prozess der Legitimation
greift sie zurück auf einen "Metadiskurs".141 Lyotard bemerkt: "Wenn dieser Metadiskurs
explizit auf diese oder jene große Erzählung zurückgreift wie die Dialektik des Geistes, die
Hermeneutik des Sinns, die Emanzipation des vernünftigen oder arbeitender Subjekts, so
beschließt man, >modern< jene Wissenschaft zu nennen, die sich auf ihn bezieht, um sich zu
legitimieren.142 Lyotards fast abwertender Gedankengang bezüglich der Legitimation der
Wissenschaften bringt Ron Kubsch in seinem Aufsatz mit folgenden Worten zum Punkt:
"Entweder setzen sie sich selbst voraus, oder aber sie >leben< vom Rückgriff auf eben die
großen Erzählungen, die sie zu deligitimieren versuchen. Kurz: alles Wissen ist Dichtung."143
Aber es geht nicht nur um die Legitimation der Wissenschaften. Auch die Erzählung vom
Reichtum sei Lyotard nach nicht mehr glaubhaft. So lässt sich Kapitalismus als wirtschaftliches
und gesellschaftliches System ebenso nicht mehr legitimieren. "Seine alte Legitimation >alle
werden reicher werden< ist nicht mehr glaubhaft."144
Bei extremer Vereinfachung lässt sich sagen, dass die Skepsis gegenüber den Metaerzählungen
für "postmodern" gehalten wird.145
Wieso die Auseinandersetzung mit "großen Erzählungen" für Lyotard von enormer Bedeutung
war, erklärt Peter Engelmann in seinem Artikel in der "Die Welt" mit folgenden Worten: "Die
großen Erzählungen waren für Lyotard ideologisch-politische Konstruktionen, die die
Grundwerte der europäischen Zivilisation, die auf der Freiheit des Individuums beruht,
zerstören."146 Um überhaupt den Weg zur Postmoderne gänzlich bestreiten zu können, muss man
die Auflösung und den Verlust der Legitimation der "großen Erzählungen" akzeptieren können
und die Trauerarbeit über den Verlust abschließen.147 "Diese Trauerarbeit ist für Lyotard
abgeschlossen. Das postmoderne Denken trauert nicht länger um den Verlust der Totalität
(...).Wenn es in der Postmoderne überhaupt eine Meta-Erzählung geben kann, so ist es die

140
Focke 2011, 57.
141
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 23.
142
Lyotard 1986, 13/14.
143
Kubsch (2004), MBS Texte-Martin Bucer Seminar, (10.08.2014).
144
Lyotard 1986, 98/99.
145
Lyotard 1986, 13/14
146
Engelmann, Die Welt (23.04.1998), 10.07.2014.
147
Vgl. Welsch 1987, 32.

25
Erzählung von der Vielheit."148 In seinem Werk "Das postmoderne Wissen" kommt Lyotard zur
Erkenntnis, dass "große Erzählungen" oder Metaerzählungen der Vergangenheit angehören, die
in der Zeit der Moderne dem Wissen und den Menschen als Orientierung dienten. Es folgt die
Zeit der Transformation. Über Erzählungen äußerte sich Lyotard abwertend: "Die Erzählungen
sind Fabeln, Mythen, Legenden, gut für Frauen und Kinder."149 Obwohl Lyotard in "Das
postmoderne Wissen" über die abgeschlossene Trauerarbeit bezüglich des Verlusts von großen
Erzählungen spricht150, bemerkt Welsch dass, obwohl viele Kritiker, die sich ungenügend mit der
Lektüre Lyotards befasst haben, das Gegenteil betonen. Lyotard vertritt nicht die Meinung, die
großen Erzählungen seien beendet worden, beziehungsweise würden nicht mehr existieren. Sein
Anliegen ist vielmehr zu betonen, dass "(...) diese Meta-Erzählungen keine allgemeine
Verbindlichkeit und Legitimationskraft mehr besitzen."151 Ähnlich betont Joachim Heßler in
Anlehnung an Lyotard in seiner Schrift: "Und hier handelt es sich schon gleich um eine populäre
Übertreibung, die richtig und falsch zugleich und insofern postmodern ist. Denn es ist nicht vom
Ende, sondern von der Krise der großen Erzählungen und der wachsenden Skepsis ihnen
gegenüber die Rede."152 Welsch erklärt, welchem Grund "große Metaerzählungen" aus heutiger
Sicht betrachtet, nicht mehr die damalige Legitimationskraft erfüllen können: Zum einen lässt
sich nur schwerlich eine finden, die für heutige Zeit einen Universalitätsanspruch erheben
könnte, zum zweiten, weil man solchen Erzählungen skeptisch gegenüber steht, beziehungsweise
ihre Unhaltbarkeit und den "Trug der Ganzheit" erkannt hat.153

In "Das postmoderne Wissen", das neben seinem Werk "Widerstreit" seine wohl meistbekannte
Schrift ist, widmete sich Lyotard vor allem der Sprache, beziehungsweise verschiedenen
Sprachspielen. In seinem "Postmodernen Wissen" betont er: "So hängt die kommende
Gesellschaft (...) viel eher von einer Pragmatik der Sprachpartikel ab. Es gibt viele
Sprachspiele."154 Seine Erörterung der Sprachspiele veranschaulicht, wie Sprachspiele keinen in
sich geschlossenen Bereich darstellen, sondern vielmehr heterogen und zugleich
155
inkommensurabel sind. Mit Sprachspielen, die er in "Das postmoderne Wissen" behandelt,
bezieht sich Lyotard auf Wittgenstein und seinen Begriff der Sprachspiele. Lyotard würdigt in
"Das postmoderne Wissen" Wittgensteins Verdienste, da er in seiner Untersuchung der
Sprachspiele sich nicht an den Positivismus der Wiener Kreises anlehnte. Er entwarf seine
148
Heßler 2001, 15.
149
Lyotard 1986, 85.
150
Vgl. Lyotard 1986, 122.
151
Welsch 1987, 172.
152
Heßler 2001, 14.
153
Vgl. Welsch 1987, 172.
154
Lyotard 1986, 15.
155
Vgl. Heßler 2001, 6.

26
Sprachspiele aus einer anderen Perspektive, anstatt nur die Legitimation durch Performativität zu
akzeptieren.156 Verschiedene Arten von Aussagen sind zu unterscheiden. Die genauere
Ausführung und Analyse bietet Lyotard im 3. Kapitel seines Buches. An dieser Stelle möchte ich
nur die verschiedenen Aussagenarten, die Lyotard erwähnt, benennen. Lyotard nennt die
denotativen, performativen und präskriptiven Aussagen, weiterhin Aussagen, die erzählen, die
versprechen, die im literarischen Texten beschreiben usw. Weiters erklärt Lyotard, dass
Wittgenstein in seiner Neuaufnahme der Erforschung der Sprache verschiedene Arten von
Aussagen, die er dabei erfindet, Sprachspiele nennt. Wenn es sich um Wittgensteins Begriff der
Sprachspiele handelt, gibt er gleichzeitig mit ihm zu verstehen, dass diese verschiedenen Arten
von Aussagen durch Regeln determiniert sind.157 Um Sprachspiele besser zu verbildlichen,
vergleicht Lyotard sie mit dem Schachspiel. So betont er, dass Sprachspiele ähnlich sind wie ein
Schachspiel, "(...) durch einen Komplex von Regeln definiert, der die Eigenschaften der Figuren
oder auch die erlaubte Art, sie zu bewegen, bestimmt."158 Weiteres erklärt Lyotard einige
Charakteristika des Sprachspiels. Die Regeln des Spiels haben ihre Legitimation nicht in sich
selbst, sondern sie werden im Vertrag zwischen den Spielern festgelegt. Ohne Regeln gibt es
auch kein Spiel. Jede kleine Änderung einer Regel ändert gleichzeitig "die Natur des Spiels".159
Die dritte Beobachtung ist, dass jede Aussage, die gemacht wird, als ein Spielzug zu betrachten
ist. Mit der letzten Beobachtung kommt Lyotard zu der Annahme des ersten Prinzips, welches er
als besonders wichtig erachtet: "(...) daß Sprechen Kämpfen im Sinne des Spielens ist und daß
Sprechakte einer allgemeinen Agonistik angehören."160 Da Sprechakte einer allgemeinen
Agonistik angehören, folgt, dass Spieler zueinander im Wettstreit stehen. Ähnlich wie in einem
anderen Spiel, oder um Lyotards Vergleichsbild des Schachspiels zu behalten, wie im
Schachspiel jeder Spieler seine Figuren hat, so hat man im Sprachspiel Sprachakten. Weiterhin
erklärt Lyotard den Kampf im Spiel: "Das bedeutet nicht unbedingt, daß man spielt, um zu
gewinnen. Ein Spielzug kann aus Freude an seiner Erfindung gesetzt werden. (...). Die ständige
Erfindung von Redewendungen, Wörtern und Bedeutungen auf der Ebene des Sprechens
(parole), also das, was die Sprache (langue) zur Entwicklung bringt, bereitet große Freuden."161
Festzuhalten ist im Zusammenhang mit den Sprachspielen, dass es keine "universelle Theorie"
geben kann, mit deren Hilfe man bestimmen könnte, was als wahr angenommen werden könnte.
Ebenso wenig geben es universellen Regeln und Wahrheiten, die auf alle Bereiche anwendbar
wären, sondern nur lokale, die lokal zu definieren und anzuwenden sind. So kann man in Bezug

156
Vgl. Lyotard 1986, 122.
157
Vgl. Lyotard 1986, 39.
158
Lyotard 1986, 39.
159
Vgl. Lyotard 1986, 39.
160
Lyotard 1986, 40.
161
Lyotard 1986, 41.

27
auf Sprachspiele nur lokal, innerhalb eines Sprachspiels, die Regeln bestimmen. Beweise und
Wahrheitsaussagen können ausdrückt werden, aber diese sind nicht verbindlich und übertragbar
auf andere Sprachspiele. Sprachspiele der Wissenschaften sind demzufolge nicht identisch und
übertragbar mit politischen oder gesellschaftlichen Sprachspielen.162 Sprachspiele sind variabel,
vielfältig und heterogen. Es gibt verschiedenartige Diskursordnungen, die für sich selbst
autonom existieren, und einen Universalexperten oder ein Universalspiel mit universalen
Spielregeln gibt es nicht: "Z.B. wird ein Dichter weder in der Ordnung der Rhetorik noch in der
Ordnung der Wissenschaft etwas bezeugen."163
In seiner Schrift "Das postmoderne Wissen" fragt Lyotard, welche andere Legitimationsquelle
den Platz der Metaerzählungen einnehmen könnte?
Habermas Konzept des Konsens als Wahrheitskriterium lehnt Lyotard entschieden ab, mit der
Begründung: "Er tut der Heterogenität der Sprachspiele Gewalt an. Und die Erfindung entsteht
immer in der Meinungsverschiedenheiten."164 Dem fügt er hinzu: "Nicht jeder Konsens ist ein
Indiz der Wahrheit; aber man nimmt an, daß die Wahrheit einer Aussage unweigerlich den
Konsens hervorruft"165. Und an einer weiteren Stelle kommt Lyotard zur endgültigen
Feststellung: "Der Konsens ist ein Horizont, er wird niemals erworben."166 Dass Habermas
Konzeption vom Konsens undurchführbar ist, bestätigt Lyotard aufgrund von zwei
Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, die es aber niemals erfüllt werden können. Zum
einen, "(...) daß alle Sprecher über Regeln oder über die für alle Sprachspiele universell gültigen
Metapräskriptionen einig werden können, obwohl diese selbstverständlich heteromorph sind und
heterogenen pragmatischen Regeln zugehören" und "(...) daß die Finalität des Dialogs der
Konsens ist" und der ist nach Lyotard "(...) nur ein Zustand der Diskussionen und nicht ihr Ziel
(...)."167 Somit ist ein möglicher Konsens ausgeschieden, um den Platz der Legitimierung des
Wissens einzunehmen. Ähnlich wie Lyotard sich vom Konsens als Legitimierungsmodell
abwendet, betrachtet er auch die Legitimation durch Performativität/Effizienz nicht weniger
vorwurfsfrei. Über Effizienz lässt sich nach Lyotard sagen, dass es sich dabei um Spiele handelt,
für die aber nicht relevant ist, ob etwas wahr, richtig oder schön ist. Entscheidend ist nur das
Effiziente.168 "Ein technischer >Spielzug< ist >gut<, wenn es dies besser macht (fait mieux)
und/oder wenn es weniger verbraucht als ein anderes."169 Grundlegend ist hier das Prinzip der
Leistungs-Optimierung: Erwartet wird die Steigerung der Leistung beziehungsweise die
162
Weik 2003,102.
163
Lyotard 1985, 21.
164
Lyotard 1986, 16.
165
Lyotard 1986, 78.
166
Lyotard 1986, 177.
167
Lyotard 1986, 189/190.
168
Vgl. Lyotard 1986, 130.
169
Lyotard 1986, 130.

28
Vermehrung von Informationen, aber auch Verminderung des Inputs, nach Möglichkeit der
niedrigste Aufwand, den niedrigsten Verbrauch an Energie, um den Output zu erreichen.170
Weiteres betont Lyotard bezüglich der Legitimierung des Wissens durch Performativität, dass
die Erbringung von Beweisen und eine optimale Steigerung der Forschungsleistung von
finanziellen Mitteln abhängen.171 Der Einwand Lyotards, dass Wissen direkt von Geldmitteln
abhängt, ist nachvollziehbar und verständlich, wenn man in Betracht zieht, dass
Beweisführungen in der Forschung nicht mehr alleine mit Hilfe von Sinnesorganen
vorgenommen werden können, sondern verschiedener Apparate bedürfen, die jedoch kostspielig
sind:172 "Also kein Beweis, keine Verifizierung von Aussagen und keine Wahrheit ohne Geld.
Die wissenschaftlichen Sprachspiele werden Spiele der Reichen, wo der Reichste die größte
Chance hat, Recht zu haben. Eine Gleichung zwischen Reichtum, Effizienz und Wahrheit
zeichnet sich ab."173 Lyotard zufolge ist man an den Punkt gelangt, wo der Erfolg nach der
Wahrheit gemessen wird. Wahrer sind solche Behauptungen und Aussagen, mit denen man "(...)
mehr machen kann (Zeit gewinnen, in andere Bereiche verstoßen)."174 Eine höhere Effizienz
kann nur der derjenige haben, der die bessere Ausgangslage hat, besser ausgerüstete
Laboratorien, mehr Geld usw., was zur Konsequenz führt, dass die wahre Vernunft die Vernunft
des Stärkeren ist.175 Einige Forschungsbereiche werden durch Forschungsgelder unterstützt,
andere "(...) sind vom Geldfluß ausgeschlossen und der Vergreisung geweiht." 176 In der Technik
kommt es Lyotard zufolge zu Investitionen, um die Leistungen zu optimieren, um dadurch den
Verkauf der erbrachten Leistung zu optimieren. Da ein Teil der Verkaufseinnahmen in den
Forschungsfonds fließt, der wiederum die Aufgabe hat, die Leistung zusätzlich zu verbessern,
kommt Lyotard zu folgendem Schluss: "Genau in diesem Moment wird die Wissenschaft eine
Produktivkraft, das heißt ein Moment in der Zirkulation des Kapitals. Es ist mehr der Wunsch
nach Bereicherung als der nach Wissen (...)."177 Wenn die Macht die Stelle der Wahrheit
annimmt und wenn die Suche nach Wahrheit nicht um die Wahrheit selbst getrieben wird,
sondern wegen Erweiterung der Macht178, kommt es zu verheerenden Konsequenzen.
Letztendlich ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn die Frage, die Studenten höheren
Institutionen stellen, nicht mehr lautet: "(...) Ist das wahr? sondern: Wozu dient es? Im Kontext
der Merkantilisierung des Wissens bedeutet diese letztere Frage meistens: Ist es verkaufbar? Und

170
Vgl. Lyotard 1986, 130.
171
Vgl. Lyotard 1986, 131.
172
Vgl. Weik 2003, 101.
173
Lyotard 1986, 131.
174
Lyotard 1987, 87.
175
Vgl. Lyotard 1987, 87.
176
Lyotard 1986, 139.
177
Lyotard 1986, 132.
178
Vgl. Lyotard 1986, 135.

29
im Kontext der Machtsteigerung: Ist es effizient?"179 "Studenten sind dementsprechend auch
nicht mehr die jungen Idealisten und Veränderer der 1960er und 1970er Jahre, sondern >Nutzer<
jeglichen Alters."180
Zum Schluss behauptet Lyotard, dass wenn man nach Effizienz verlangt, es klingen würde wie
nach einem Befehl im Sinne von "(...) >Sage oder mache dies, andernfalls wirst du nicht mehr
sprechen<."181 Man ist auf dem besten Weg, "den Bereich des Terrors" zu betreten. Dadurch
182
wird das soziale Band zerstört. Lyotard zufolge kommt es nicht selten vor, dass die
Wissenschaftler ihren "Spielzug" auf bestimmte Zeit unterdrücken, weil mit ihm die gewöhnte
wissenschaftliche Hierarchie destabilisiert werden würde, obwohl diese Erschütterung in der
Wissenschaft als Bereicherung angesehen werden müsste.183 "Je stärker ein >Spielzug< ist, desto
leichter ist es, ihm den Mindestkonsens zu verweigern, eben weil er die Spielregeln verändert,
über die ein Konsens bestand."184 Solches Verhalten vergleicht Lyotard mit Terror. Dieser
geschieht genau dann, wie Lyotard erklärt, wenn man einen Mitspieler aus dem Sprachspiel
eliminiert und in weiterer Folge mit der Beraubung des Spielens bedroht.185 Nach Lyotard
existiert in der Wissenschaft keine Metasprache, in die alle anderen Sprachen übertragen werden
könnten. Aus diesem Grund ist die Ausübung jeglichen Terrors oder eine Gleichsetzung mit dem
System unzulässig.186 Hier liegt das Problem. Der Zweifel an der "Vernunft" hat ihren Ausgang
nicht in der Wissenschaft selbst, sondern in der Annahme, die auf dem "modernen" Projekt einer
universellen Sprache, einer Metasprache entspringt, "(...) die in der Lage wäre, ohne Rest all die
Bedeutungen in sich aufzunehmen, die in den besonderen Sprachen niedergelegt sind."187
Legitimation durch Performativität lehnt Lyotard ab, da diese Art der Legitimation sich durch
den Verhältnis von Input-Output definiert und daher anzunehmen ist, "(...) daß das System, in
das man den Input einbringt, in einem stabilen Zustand ist; es gehorcht einer regelmäßigen
>Bahn< (...)."188 Da aber Lyotard in seiner Philosophie jegliche Art des Determinismus ablehnt,
plädiert er für eine wissenschaftliche Forschung, die nach Neuem sucht, neue "Spielzüge"
erfindet.189 In diesem Sinn betont er, dass die Expansion der Wissenschaften nicht dem
Positivismus der Effizienz zu verdanken ist, sondern vielmehr ihrem Gegenteil. Nicht die
Effizienz selbst wird angestrebt, sondern sie kommt hinzu. Es wird nach Unbegreiflichem

179
Lyotard 1986, 150.
180
Weik 2003, 102.
181
Lyotard 1986, 136.
182
Lyotard 1986, 136.
183
Lyotard 1986, 183.
184
Lyotard 1986, 183/184.
185
Vgl. Lyotard 1986, 184.
186
Vgl. Lyotard 1986, 186.
187
Lyotard 1987 89.
188
Lyotard 1986 157.
189
Vgl. Lyotard 1986, 157 ff.

30
gesucht, nach einem "Paradoxon", um es durch neue Spielregeln der Denkweise zu
legitimieren.190 Ein charakteristisches Merkmal postmodernen wissenschaftlichen Wissens ist
der Diskurs über die Regeln. Nach der Darstellung verfehlten die Legitimationskonzepte ihren
Zweck. Als Ausweg bietet Lyotard in seiner Schrift "Das postmoderne Wissen" die Paralogie als
Legitimation des Wissens an. Nach Lyotard wird Paralogie als Ziel der Diskussion191 verstanden
und als "(...) ein im ersten Augenblick oft unterschätzter Zug in der Pragmatik des Wissens."192
Da der Begriff "Paralogie" mit dem Begriff "Paralogismus", was Fehlschluss bedeutet, verwandt
ist, ist es wichtig zu betonen, dass Lyotards Absicht nicht auf das Begehen von Fehlschlüssen
abzielt, sondern wie Reese-Schäfer erklärt, meint er damit: "(...) konzentriert euch auf die
Paralogien, weil die an den Übergängen zwischen den verschiedenen Sprachspielen (...)
auftreten."193 Die Wissenschaft stellt vor allem das Modell eines offenen Systems dar, "(...) in
welchem die Relevanz der Aussage darin besteht, >Ideen zu veranlassen<, das heißt andere
Aussagen und andere Spielregeln."194 Sie steht genau im Gegensatz zum stabilen System.
Aussagen, die etwas Neues zum schon Bekannten mitbringen; Erfindungen, Heterogenität, sind
wünschenswerte Forderungen in der wissenschaftlicher Forschung. "Die einzige Legitimierung,
die es im Forschungsprozeß letztlich gibt, ist, daß Ideen, neue Aussagen hervorgebracht
werden."195 In Bezug auf Paralogien lässt sich zwischen Denken in modernes und postmodernes
Wissen unterscheiden, da Paralogien nicht als wünschenswertes Gefüge angesehen werden. In
diesem Sinne betont auch Reese-Schäfer, dass "modernes" Denken sich gegen das Bestehen von
Paralogien wehren würde, während postmodernes Denken genau das Gegenteil tut, es "(...)
steuert bewusst auf sie zu."196

Man könnte festhalten, dass sich Lyotard gegen jeglichen Terror in Wissen und Forschung
wehrt, gegen jegliche geschlossene Systeme. Ob Paralogien die beste Lösung sind, darüber lässt
sich diskutieren. Lyotards Konzeption wissenschaftlichen Wissens und Forschung lässt den
Eindruck der Chancengleichheit zu: Jeder Spieler hat seine Chance, jeder Spielzug wird
berücksichtig, auch wenn er das bisher Angenommene destabilisiert. Wissensvielfalt wird
gewünscht und gefordert, kurz gesagt: Pluralismus nimmt die Stelle des Totalitarismus ein. Man
könnte sagen, dass mit diesen gut gemeinten Zügen und lobenswerten Ideen, die man während
des Lesens von "Das postmoderne Wissen" entdeckt, auch Idee der Gerechtigkeit in der
Forschung vertreten wird.

190
Vgl. Lyotard 1986, 158.
191
Vgl. Lyotard 1986, 190.
192
Lyotard 1986, 176.
193
Reese-Schäfer 1989, 30.
194
Lyotard 1986, 185.
195
Reese-Schäfer 1989, 32.
196
Vgl. Reese-Schäfer 1989, 37.

31
Gegen Ende seines Buches kommt Lyotard zum Begriff der Gerechtigkeit. Es ist vielmehr
Gerechtigkeit bezogen auf freien Zugang, auf Argumentieren und Erlangung des Wissens. Zum
einen betont Lyotard, dass Idee und Praxis der Gerechtigkeit nicht an die Idee des Konsenses
gebunden sind. Forderungen, die erfüllt werden sollten, um in diese Richtung zu gelangen, sind
folgende: Die Heteromorphie der Sprachspiele ist zu akzeptieren. Wenn es einen Konsens über
die im Spiel definierten Regeln gibt, dann gilt er nur lokal, was bedeutet, dass sich derzeit
angehörige Mitspieler darauf geeinigt und den Regeln zugestimmt haben. Weiterhin erwähnt
Lyotard die Problematik der Informatisierung der Gesellschaft. Informatisierung kann
Wünschenswertes, aber auch Negatives mit sich bringen. Zum einen kann sie als Regulations-
Instrument benutzt werden und somit der Entwicklung des Terrors helfen, aber auch
diskutierende Gruppen mit fehlenden Informationen versorgen und bei der Entscheidung als
hilfreiches Glied fungieren.197
Die letzte Forderung, die nach Lyotard erfüllt werden sollte, und die auch dem Prinzip der
Gerechtigkeit entsprechen würde, ist: "Die Öffentlichkeit müßte freien Zugang zu den Speichern
und und Datenbanken erhalten. Die Sprachspiele werden dann im betrachteten Moment Spiele
mit vollständiger Information sein."198 An einer anderer Stelle in "Das postmoderne Wissen"
stellt Lyotard die Welt des postmodernen Wissens folgendermaßen vor: "Nun ist erlaubt, sich die
Welt des postmodernen Wissens als von einem Spiel vollständiger Information geleitet
vorzustellen, in dem Sinne, dass hier die Daten im Prinzip allen Experten zugänglich sind: Es
gibt kein wissenschaftliches Geheimnis."199
Kritisch äußert sich Ron Kubsch über die postmoderne Philosophie und das Konzept des
Widerstreits und der Paralogie. Für ihn ist diese Philosophie, da sie den Widerstreit proklamiert,
ständig im Konflikt mit einer "(...) stillschweigend vorausgesetzte allgemeingültige Vernunft"
und gleichzeitig "(...) radikaler als viele andere philosophische Schulen, skeptischer als die
Skepsis."200 Ron Kubsch zufolge ist diese Vielfalt, die sich scheinbar anbietet, nur ein aus
Hilflosigkeit verzweifelter Schrei, der noch über die Hilflosigkeit des Nihilismus hinausgeht.
Schließlich warnt er: "Dieses Leben ohne Einheit, im unendlichen Widerstreit, das Sein ganz
ohne Anker, kann nicht wirklich glückliche Kulturen stiften. (...).Hier spricht nicht eine reife
Philosophie, die die Trauerarbeit abgeschlossen hat, es spricht eine manische Philosophie.(...).
Das Suchen nach Widerstreitendem, nach Übergängen, Diskontinuitäten, dem Chaos, also die
Paralogie, (...), verliert als erkenntnistheoretische Methode sowie als gesellschaftliche Aufgabe
mit der Preisgabe von Einheit und Wirklichkeit seinen Sinn, seine Hoffnung und seine

197
Vgl. Lyotard 1986, 190 .ff.
198
Lyotard 1986, 192/193.
199
Lyotard 1986, 152.
200
Kubsch (2004), MBS Texte-Martin Bucer Seminar, (10.08.2014).

32
Schönheit."201 Lyotards aber verteidigt die Heterogenität der Sprache, die sich aus verschiedenen
Satzordnungen und Satzarten zusammensetzt, was aber schließlich zum Streit führt. Jedoch
genau dieser Streit ist wünschenswert, denn "er bildet die Basis des Widerstands gegen eine
>kommunikative< Verflachung und Vereinheitlichung."202
Da sich Lyotard in seiner Schrift "Das postmoderne Wissen" in Betonung des Endes der großen
Erzählungen gegen die üblichen Denkformen der Aufklärung stellt, wurde ihm dementsprechend
vorgeworfen, "(...) mit dem (...)-zugegeben schmutzigen-Badewasser das Kind der Aufklärung
und der französischen Revolution ausgeschüttet zu haben."203 Auf diesen Vorwurf antwortete
Lyotard seinen Kritikern mit dem Gegenvorwurf, sie hätten außer "Das postmoderne Wissen"
keine seiner anderen Werke gelesen. Zusätzlich betont er, dass ihm im Unterschied zu seinen
Kritikern, folgende Annahme viel plausibler scheint: "(...) dass es nicht die eine Vernunft gibt,
sondern die Vernunft im Plural (...) Ich befinde mich hier durchaus in Übereinstimmung mit
Kant, und in einem sehr großen Maße auch mit Wittgenstein."204
Obwohl er die Vielfalt hervorhebt und sich gegen Totalität abgrenzt, sein Verständnis der
Postmoderne wird nicht durch Willkür gekennzeichnet, nicht durch Irrationalismus und
Anarchismus, die, wie Welsch angibt, übliche Vorwürfe gegen die Postmoderne sind.205 Peter
Engelmann betont: "Postmoderne, das ist Lyotards Botschaft, ist kein Plädoyer für Chaos und
Beliebigkeit, sondern eine Anleitung zur Reorganisation der Gesellschaft unter Berücksichtigung
ihrer realen Vielfältigkeit und der Individualität der Menschen."206 In seiner Äußerung über sein
Verständnis der Postmoderne betont Lyotard, dass er nicht für das Chaos und Regellosigkeit
plädiert: "Für mich ist die >Postmoderne< weder die unmögliche Trauer, d.h. die Melancholie
der Moderne (jene Sehnsucht, zu der die Romanik gehörte), noch der zynische Eklektizismus des
>Alles ist erlaubt< (...)"207
Dass sich Lyotard von dem Eklektizismus, vor allem in der Kunst, abgrenzt, wird noch im
nächsten Kapitel dargestellt werden. In Lyotards Verständnis der Postmoderne geht es nicht um
einen regellosen Pluralismus der Postmoderne. Obwohl er sich gegen Letztbegründungsversuche
wehrt und man den Eindruck bekommen könnte, dass er für Chaos plädiert, ist er offensichtlich
der Meinung, dass man ohne Begründung, die sich z.B. von den großen Erzählungen herleiten
könnte, ebenso plausibel und vernünftig handeln und entscheiden könnte. Wenn die großen
Erzählungen verloren sind, bedeutet das nicht, dass man der Barbarei überlassen wäre, sondern

201
Kubsch (2004), MBS Texte-Martin Bucer Seminar, (10.08.2014).
202
Lyotard 1985, 49.
203
Reese-Schäfer 1989, 113.
204
Reese-Schäfer 1989, 113.
205
Vgl. Welsch 1987, 199.
206
Engelmann, Die Welt (23.04.1998), 10.07.2014.
207
Lyotard 1985, 38.

33
der Ursprung des Wissens liegt in der sprachlichen Kommunikation: "Was sie daran (Barbarei)
hindert, ist ihr Wissen, daß die Legitimierung von nirgendwo anders herkommen kann als von
ihrer sprachlichen Praxis und ihrer kommunikationellen Interaktion."208 Lyotard nach kann man
ebenso gut ein Urteil aussprechen, ohne sich auf feste Regeln berufen zu können. Dafür bedarf es
lediglich Aristoteles "prudentia" oder das, was Kant als "Urteilskraft" bezeichnet. Die beste
Bezeichnung für die benötigte Eigenschaft bietet Lyotard nach das französische Wort
"judicieux", dass "(...) das Vermögen eines Menschen und die Eigenschaft einer Handlung oder
einer Entscheidung, gerecht zu sein, wenngleich es keine Urteilskriterien gibt"209 beschreibt. Der
Einheit der früheren Denkweise der Aufklärung und des deutschen Idealismus des 19 Jh. möchte
er eine Vielfalt von Regelsystemen entgegensetzen. Verschiedene erarbeitete Regelsysteme sind
ihm zufolge nötig, um mehrere Bereiche abzudecken: Ein erkenntnistheoretischer Diskurs "(...)
ermöglicht (...) zu entscheiden, ob etwas wahr oder falsch ist; (...) das Regelsystem eines
ethischen Diskurses (...), in dem die Entscheidung auf dem Spiel steht, ob etwas gut oder böse
ist, gerecht oder ungerecht-und schließlich das Regelsystem eines Diskurses der Ästhetik, in dem
es darum geht, ob etwas schön oder häßlich (wenigstens nicht schön) ist."210 Wie Lyotard die
Dringlichkeit und Bedürftigkeit verschiedener Regelsysteme hervorhebt, so betont er auch, dass
wenn schon aus der Lektüre eines Kant oder späteren Wittgenstein, veranschaulicht und
ersichtlich wird "(...) daß man es nie mit einer massiven, einzigen Vernunft zu tun hat; daß die
eine Vernunft Ideologie ist, daß man es im Gegenteil mit der Vernunft im Plural zu tun hat, und
zwar mit einer theoretischen, einer praktischen und ästhetischen, die alle zutiefst heterogen, und
das heißt nach Kant, >autonom< sind."211 Gerade dieses Fehlen an Differenzierbarkeit und
Eindimensionalität im Denken wirft Lyotard dem idealistischen Realismus des 19. Jahrhunderts
vor. Ihm zufolge handelt es sich "(...) um eine Art Identitarismus, der Hand im Hand geht mit
einem Totalitarismus der Vernunft und der, meiner Einschätzung nach, zugleich irrig und
gefährlich ist."212 Weiteres auf den oben genannten Vorwurf seiner Kritiker, er habe "das Kind
der Aufklärung und der französischen Revolution mit schmutzigen Badewasser ausgeschüttet",
antwortete Lyotard seinen Kritiker indirekt in dem er über den Diderot, sagt: "(...) der ist in
meinen Augen das wahrscheinlich hervorragendste Beispiel für einen französischen Philosophen
der Aufklärung, mehr noch vielleicht als Rousseau."213 Es ist der komplexe Rationalismus, den
er schätzt, und der (...) jenen Momenten Recht tut, die durch den heutigen amerikanisch-

208
Lyotard 1986, 122.
209
Lyotard 1985, 43 f.
210
Reese-Schäfer 1989, 113.
211
Reese-Schäfer 1989, 114.
212
Reese-Schäfer 1989, 114.
213
Reese-Schäfer 1989, 115.

34
deutschen Rationalismus völlig ausgeschlossen werden."214 Lobende Worte richtet Lyotard an
Diderot. Er bezeichnet ihn als "Postmodernisten avant la lettre", denn "er hat theoretisch für die
Pluralität der Methoden plädiert und sich praktisch höchst unterschiedlicher Diskursarten
bedient. Viele Diderots (...) das ist eine Wunschvorstellung der Postmodernisten."215

Lyotards Stellungnahme zur Postmoderne bezeichnete Welsch zutreffend mit folgenden Satz:
„Die Postmoderne- die von Lyotard denn auch geradezu als Fortsetzung "der wissenschaftlichen,
künstlerischen und literarischen Avantgarden" dieses Jahrhunderts bestimmt werden konnte, ist
weit eher pro-modern als anti-modern."216 Im ästhetischen Bereich vertritt Lyotard vor allem
eine von Sympathie getragene Einstellung zur Moderne, beziehungsweise gründet seine Ästhetik
in direkter Anlehnung an Stile und Entwicklungen, die noch moderner Kunst angehören.
Besonders in seinen Gedanken bezüglich der Kunst ist sein fließender Übergang zwischen
Moderne und Postmoderne zu erkennen. Er bricht nicht mit der Moderne, was verständlich ist,
da die ästhetische Moderne durch die aufkommende Innovation und gleichzeitig durch den
Bruch mit Traditionellem gekennzeichnet ist. Zu dieser Zeit findet ein "(...) Übergang der
Malerei von der Darstellung zur Abstraktion, der Musik von der Tonalität zur Atonalität, der
Dichtung von mimetischen zu absoluten Poesie (...)217 statt. In seinen Gedanken zur
Postmoderne, wie schon an früheren Stellen erwähnt, ist er nicht geschichtlich oder
kunsthistorisch zeitgebunden. Wie im vorherigen Unterkapitel dargestellt, kündigt sich für
Lyotard mit der Postmoderne eine neue Epoche an. Christa Bürger betont in ihrem Aufsatz
diesbezüglich, dass sich eine neue Epoche des Philosophierens für Lyotard ankündigt, die
"übertragen auf den Bereich der Kunst (...) ihr Reflexivwerden"218 bedeutet. Die Kunst verlagert
sich von der sinnlichen Wahrnehmung zur Reflexion.219 "Diese Verlagerung der Kunstrezeption
von der sinnlicher Wahrnehmung auf die Reflexion charakterisiert nach Lyotard die
Postmoderne."220 Seine Grundideen und Stellungnahmen aus dem Wissensbereich und der damit
verbundene Pluralismus, vor allem Wittgensteins Konzept der Sprachspiele, erweitert Lyotard in
seiner Ästhetik. Im Bereich des Wissens, der Wissenschaft wie auch der Philosophie wird die
Loslösung von Metaerzählungen und begründetem Einheitsdenken sichtbar und es beginnt die
Zeit des Widerstreits und des Pluralismus. Wie Welsch über Lyotards Kunstauffassung betont:
"Auch hier ist die Pluralität der Möglichkeiten auschlaggebend. Die Kunst ist geradezu der

214
Reese-Schäfer 1989, 115.
215
Welsch 1987, 85.
216
Welsch 1987, 43.
217
Welsch 1987, 91.
218
Bürger C. 1988, 134.
219
Vgl. Bürger C. 1988, 135.
220
Bürger C. 1988, 135.

35
Paradefall solcher Polymorphie.(...) Worauf es wissenschaftlich wie künstlerisch ankam, war die
Erzeugung spezifischer und somit pluraler Möglichkeiten und die Einsicht, daß es in keinem
System einen allgemeinverbindlichen und alleinseligmachenden Aktionstypus gibt, sondern daß
es eine Vielheit möglicher Wahrheiten zu entdecken und zu entwickeln gibt (...)"221

3. Kunst im Werk von Jean-François Lyotard

Im folgenden Kapitel möchte ich einige für mich bedeutende Denkansätze Jean-François
Lyotards zur Kunst darstellen. Heßler bemerkt in seiner Arbeit über Lyotard, dass sich bei
keinem anderen Philosophen auf so enge Weise die Zusammenbringung von Philosophie und
Kunst findet.222 Danko schrieb dass Lyotard abgesehen von seiner Rolle als Wortführer der
Postmoderne, sich im Vergleich zu anderen Theoretikern viel ausführlicher mit zeitgenössischen
wie auch modernen Künstlern und ihren Werken in seinen Schriften auseinandersetzte.223
Demzufolge möchte ich, vor allem anhand Lyotards Äußerungen und seinen Schriften, seine
Leitideen zur Kunst veranschaulichen zu versuchen. Vor allem wie er Philosophie und Kunst in
Zusammenhang bringt und welche Aufgabe er der Kunst zuteilt. Da Lyotard Wittgensteins
Theorie der Sprachspiele im Bereich der Künste übernimmt und weiterentwickelt, möchte ich
noch einmal die Gelegenheit nutzen und auf seine Idee der Vielfältigkeit der Sprachspiele in der
Kunst zurückkommen. Weiterhin möchte ich Lyotards Sichtweise und Stellungnahme über
postmoderne Entwicklungen in der Kunst präsentieren. Schätzt Lyotard die postmodernen
Entwicklungen in der Kunst oder nicht? Wenn nicht, welche Vorwürfe bringt er ihnen entgegen?
Weiterhin, wie sieht er vorpostmoderne Entwicklungen in der Kunst? Welche Künstler und
Merkmale der Kunst, hebt er hervor? Welche Kunstperiode schätzt er im Besonderen?
Obwohl Lyotard in seinen Texten über Film und Musik schrieb, widmete er seine größte
Aufmerksamkeit der Malerei. In seinen Texten setzte er sich u.a. mit den zeitgenössischen
Künstlern Barnett Newman, Marcel Duchamp, Karel Appel, Daniel Buren, aber auch mit
modernen Künstlern wie Paul Cezanne oder Paul Klee auseinander. Marcel Duchamp, Daniel
Buren und Karel Appel widmete er sich in einzelnen Schriften. Werke, die er Künstlern wie
Duchamp, Appel, oder Buren widmete, nutzte er vielmehr, um seine philosophisch-ästhetischen
Ideen und Stellungnahmen zu präsentieren. Es sind keine üblichen Künstler-Monografien.
Gleich am Beginn des Buches zu Karel Appel schrieb Lyotard: "Karel Appel verdient ein

221
Welsch 1987, 33/34.
222
Heßler 2001, 8.
223
Vgl. Danko 2011, 85.

36
anderes Buch als dieses. Es scheint, als nähme der Philosoph Appels Werk hier nur zum Anlass,
um über seinen eigenen Kommentar zur Kunst nachzudenken."224
Dagmar Danko betont in seinem Text über Lyotard, dass er, im Unterschied zur seiner
Umgebung und zeitgenössischen Denkern, die sich vor allem der Literatur widmeten, sein
Augenmerkt auf bildende Kunst richtete.225 Der Ursprung für seine Vorliebe für die Malerei lässt
sich, mit Lyotards Veranlagung zum Zeichnen erklären. Zusätzlich sind die Maler, über die er
schreibt, Künstler, die er persönlich kennengelernt hat und denen er bei der Arbeit zugeschaut
habe. Schließlich gesteht Lyotard, dass seine Kenntnis über Musik und Film eher begrenzt ist.226
Seine Reflexion und Arbeiten zur zeitgenössischer Kunst und Künstlern sieht Lyotard "(...) als
Materialsammlung für eine richtige Arbeit (...) vor allem über Malerei, zeitgenössische Malerei.
Und mein Ziel wäre, versuchen zu sagen, was eine Philosophie der Kunst heute sein könnte."227
Die Möglichkeit, eines Tages über eine ästhetische Theorie zu schreiben, lehnt Lyotard ab.
Selbst über Adornos Werk "Ästhetische Theorie" betont er, dass es sich dabei um eine sehr gute
Arbeit handelt, jedoch mit schlechter Titelwahl. Das Buch ist deswegen sehr gut, da es Lyotard
nach keine Theorie wie auch keine Ästhetik beinhaltet. Lyotards Argument nach gibt es keine
ästhetische Theorie, vor allem keine Ästhetik, die auf den gegenwärtigen Zeitpunkt anwendbar
wäre. Der Ursprung der Ästhetik ist Lyotard nach in der Aufklärung angesiedelt, davor gab es
keine. Es war die Periode des Kommentars, die sich beginnend mit der Aufklärung, auf weitere
200 Jahre erstreckt hat. Die Ästhetik, wie Lyotard weiterhin betont, findet ihre Übereinstimmung
in der Theorie der Genies228, die er aber an mehreren Stellen in seinen Schriften ablehnt. Über
den Begriff der künstlerischen Schöpfung und der Ästhetik des Genies, die ihr Ursprung in der
Zeit der Romantik hat, betont Lyotard in einem Gespräch: "Allerdings werden Sie mit mir darin
übereinstimmen, daß die Vorstellung eines >Schöpfers< heute ein bißchen veraltet ist. Darüber
sind wir schon hinaus. Wir philosophieren nicht mehr übers geniale Subjekt (...). Schon
Duchamp hat etwas vom Bastler, vom >Erfinder der Extra-Zeit<."229 Anderseits bemerkt Martin
Büsser, dass Duchamp nicht die glücklichste Wahl für die Bekämpfung der Vorstellung der
klassischen genialen Künstler ist, wie sich erst später herausstellte. Martin Büsser betont: "Man
beachte sich zum Beispiel die Wirkung von Marcel Duchamp. Duchamp war sicher einer der
radikalsten Kritiker des genialische Künstlerbegriffs, was er mit seinen Ready Mades zum
Ausdruck brachte. Anderseits wissen wir aus der Rezeptionsgeschichte, dass es kaum einen
Künstler gibt, der im Laufe des 20. Jahrhunderts und bis in die Gegenwart hinein so verehrt,

224
Lyotard 1988, 5.
225
Vgl. Danko 2011, 85.
226
Vgl. Lyotard 1985, 66 ff.
227
Lyotard 1985, 68.
228
Vgl. Lyotard 1985, 68.
229
Lyotard 1985, 63.

37
nachgeahmt und zitiert wird wie eben jener Marcel Duchamp, der genau das doch eigentlich
bekämpft hat."230 Lyotard lehnt nicht die Theorie an sich, sondern vor allem den
Totalitätsanspruch einer Theorie, die Einheitsdenken und Glauben assoziiert, ab. Selbst die
Sprachspiele sind für ihn Theorien. Er plädiert vor allem für eine Vielfalt an Theorien und für
den freien Gedankenaustausch, den sich Lyotard bei Theoretiker wie auch bei Politikern
wünscht. In Seiner Idealvorstellung wären sie ein wenig den Künstlern ähnlich.231

3.1. Über die Kunst: Regeln und Sprachspiele der Künste.


Nichtkommunizierbarkeit der Künste.

Wittgensteins Vielfältigkeit von Sprachspielen überträgt Lyotard weiterhin in seine Theorie der
Künste. Im Wissenschaftsbereich, wie auch im Bereich der Künste, wie er angibt, sind
verschiedene Sprachspiele vorhanden, zu jedem dieses Sprachspiel-Bereichs kommen
verschiedene Spiele dazu. Die Bereiche der Künste sind schon aus diesem Grund nicht unter ein
Einheitssystem zu sublimieren.232
Sprachen sind in den Künsten nach Lyotard Zeichensystemen gleich, "(...) die durch einen
spezifischen Träger und ein spezifisches Medium übertragen werden: Pigmente auf
zweidimensionalen Flächen, Licht auf Volumen, Einschreibungen von Lichtquanten auf
empfindliche Filmstreifen in Bewegung usw."233 Spezifisch anhand der Malerei veranschaulicht
Lyotard die Vielfältigkeit der Sprachspiele. In dieser Weise kann man sich ein Bild von der
Malerei machen, "(...) die befiehlt, (...) die erzählt, (...) die definiert, (...) die befragt und
antwortet, (...) die sich selbst ihre eigene Verzierung ist, (...) die sich selbst ihre eigene Malerei
ist, (...) die zitiert."234 Abgesehen von der Malerei, vor allem in der Literatur und Poesie, wie
auch in anderen Künsten der Sprache, zu den Lyotard auch die wissenschaftlichen Sprachen
zählt, findet man bemerkenswerte Beispiele der Anwendung von Sprache und Sprachspielen. Mit
Lyotards Worten: "Was ist Literatur? Das unermeßliche Labor der Experimente, die auf
Sprachspielen beruhen (...), ihr gehört die Erfindung von Wendungen und Vokabeln in den
Jargons, Argots, Ideolekten und "Geschichten".235
In seiner Verteidigung der Vielfalt und Verschiedenheit der Sprache und der Sprachspiele in der
Kunst kritisiert Lyotard vor allem den Kapitalismus und die daraus resultierende Entwicklung
der Medien wie auch Informationstechnologien. Seiner Meinung nach verhält sich der

230
Büsser, Von der Avantgarde zur Selbstreferentialität, (16.04.2009), 25.08.2014.
231
Vgl. Lyotard 1986a, 44/45.
232
Vgl. Lyotard 1986a, 80.
233
Lyotard 1986a, 80.
234
Lyotard 1986a, 81.
235
Lyotard 1986a, 82.

38
Kapitalismus mit Hilfe der Medien und Informationstechnologien ausbeuterisch Sprachen
gegenüber.236 Nur diejenigen Sätze werden akzeptiert und angenommen, die den gegenwärtigen
Anforderungen der Medien und Informationstechnologien entsprechen. Als Beispiel der Nicht-
Akzeptanz von unübersetzbaren und "ungeeigneten" Sprachspielen erzählt Lyotard von einem
Vorfall zwischen einem "avantgardistischen Verleger" und dem Chefredakteur einer
bedeutenden französischen Tageszeitung. Als der Verleger seine Unzufriedenheit über die
fehlende Kritik seiner Bücher äußerte, lautete die Antwort des Chefredakteurs, er solle ihm
"kommunizierbare Bücher" schicken.237
Angesichts dieser Erwartungen und Einschränkungen bezüglich der Anwendung der Sprache
betont er in kritisch-ironischem Ton: "Wenn Sie wollen, daß Ihre Sätze auf dem Markt der
Sprache zirkulieren (dieser Markt ist vor allem der Medienmarkt), dann müssen sie dort
wettbewerbsfähig sein. Die Sätze, von denen man nicht sagen kann >hier ist die mittgeteilte
Information<, werden nicht verbucht und damit auch nicht mitgeteilt."238 Genau hier liegt für
Lyotard das Hauptproblem. Seiner Ansicht nach lassen sich philosophische, künstlerische und
wissenschaftliche Sätze nicht einfach in elektronische Datenverarbeitungssysteme einbringen. Im
Unterschied zu Maschinensprachen sind diese Sprachen "(...) im Hinblick auf ihre
Leistungsfähigkeit als inkonsistent (...)"239 einzuschätzen. Weiteres ist zu entscheiden, ob man
überhaupt annehmen kann, dass Sprache als ein Kommunikationsmittel fungiert.240 Wenn man
die Funktion der Sprache als Mittel zur Kommunikation verneint, dann existieren in Wirklichkeit
keine "kommunizierbaren Bücher", die seitens des Chefredakteurs von den Verlegern verlangt
werden. Lyotard entscheidet sich für die Alternativhypothese, nämlich für die Annahme, dass die
Sprache die Grundlage jeder künstlerischen und philosophischen Arbeit sei. Diese Sichtweise
teilen auch Künstler, Philosophen und Gelehrte: "(...) Sie alle gehen davon aus, daß die Sprache
in sich selbst autonom ist, und daß die Aufgabe darin besteht, ihre Geheimnisse zu
entschlüsseln."241
In seinen weiteren Gedanken differenziert Lyotard zwischen Alltagssprache und den
fremdwirkenden, abweichenden Formen der Sprache. Seine Argumentation stützt er auf Freuds
Studie zur Sprache des Unbewussten und kommt zur Annahme, dass die Sprache des
Unbewussten im Unterschied zur Alltagssprache andere, fremdartige Operatoren benutzt, die
Freud versuchte herauszufinden. Wie in der Wissenschaft, so auch in der Künsten, ist man,
Lyotard zufolge, in der Lage, abweichende, paradoxale Sätze zu erzeugen, die sich auf

236
Vgl. Lyotard 1986a, 99.
237
Vgl. Lyotard 1986a, 99.
238
Lyotard 1986a, 100.
239
Lyotard 1986a, 100.
240
Vgl. Lyotard 1986a, 100.
241
Lyotard 1986a, 100.

39
vereinbarte Operatoren (Regeln) stützen. Diese erzeugten Sätze sind von vornherein keine
mittelbaren Artikulationen, keine "kommunizierbaren Sätze".242 "Und deshalb besteht die Arbeit
des Künstlers oder Wissenschaftlers darin, Operatoren zu suchen, die sich zur Erzeugung von
Sätzen eignen, die ihrerseits noch nie gehört worden sind und definitionsgemäß noch nicht
mitteilbar sind. Mitteilbar werden diese Sätze erst, wenn die Operatoren, mit denen sie erzeugt
werden können, auch ihren Empfängern bekannt sind und diese sie rückübertragen können."243

Den Künstlern weist Lyotard einen besonderen Platz zu. Sie sind besonders geeignet "(...) für
eine Arbeit (...) der Nicht-Mittelbarkeit zu kämpfen, nämlich für die Artikulation von möglichen
neuen Sätzen."244 Lyotard erwähnt in Bezug auf Nicht-Mittelbarkeit der künstlerischen Werke,
zwei problematische Situationen, die daraus entstehen könnten. Zum einen wendet er sich den
Kritikern zu und weist auf deren Hilflosigkeit hin, falls sie nicht-kommunizierten Werken
begegnen. Im kritischen Ton betont er: "(...) Das Verhältnis zwischen Künstler und Kritiker hat
sich insofern umgekehrt, als der Kritiker nichts mehr begreift, wenn das Argument des Werkes
ihm nicht mitgeliefert wird; er sagt: >Geben sie mir etwas Kommunizierbares<."245 Zum zweiten
ist bei der künstlerischen Artikulation von neuen Sätzen mit der Unverständnis und Empörung
des Publikums zu rechnen, falls ihnen die Operatoren unbekannt sind. "Dann bleiben die
Empfänger überrascht und unzufrieden: sie lachen oder protestieren, denn die Mitteilungen sind
unverständlich."246 An einer weiteren Stelle in seinem Aufsatz "Vorstellung, Darstellung,
Undarstellbarkeit" wendet sich Lyotard dem Publikum zu und veranschaulicht die
gesellschaftliche Indifferenz und das damit verbundene Unverständnis, das gegen Verborgenes
und Neues gerichtet ist. Über das Publikum äußert er sich in negativem Ton: "Dieses handhabt
seine gut eingestellte Fotoapparate und blättert seine >eigenen< Abbildungen durch (auch im
Kino). Es ist überzeugt, daß das Programm der künstlichen Perspektive zu Ende geführt werden
muß, und versteht nicht, wie man ein Jahr dafür braucht, um ein weißes Quadrat auf schwarzem
Grund zu malen, d.h. um nichts darzustellen (...)."247
Da das kapitalistisches System nach Lyotard von vornherein alles nicht Mittelbares ablehnt,
kommt man infolgedessen zur traurigen Realität, in der die industrielle wie auch postindustrielle
kapitalistische Gesellschaft nicht mehr nach Malerei verlangt. Die Stelle der Malerei nimmt die
Fotografie an, die Stelle der Literatur wird vom Journalismus besetzt.248 Mit seiner eigenen
Worten: "Diese Welt braucht kaum noch Malerei, wohl aber Fotografie; ebenso braucht sie eher

242
Vgl. Lyotard 1986a, 100 f.
243
Lyotard 1986a, 102.
244
Lyotard 1986a, 105.
245
Lyotard 1986a, 106.
246
Lyotard 1986a, 102.
247
Lyotard 1985, 93.
248
Vgl. Lyotard 1985, 91.

40
Journalismus als Literatur. Ihr Aufschwung geht einher mit dem Niedergang der >edlen< Berufe,
die zu einer anderen Welt gehörten, und allmählich verschwindet diese Welt selbst."249

3.2. Kunst, die hinterfragt. Der Künstler als Philosoph

Lyotards Ansicht nach sind künstlerische Sätze aus Volumen, Tönen und Formen
zusammengesetzt250, deren Bedeutung man erst herauszufinden müsste. Um diese noch
unbekannten Sätze zu erzeugen, ist es notwendig mit den Regeln/ den Operatoren zu
experimentieren beziehungsweise danach immer wieder zu fragen. "Denn in der Kunst geht es
vor allem darum, Werke hervorzubringen, in denen die das Werk als solches konstituierenden
Regeln darin selbst noch einmal hinterfragt werden."251
Gerade im Herausfinden und Hinterfragen der Regeln sieht Lyotard das Bestehen einer
Ähnlichkeit zwischen Philosophie und Kunst, beziehungsweise zwischen Philosophen und
Künstlern der Avantgarde.
Ein Philosoph fragt sich, Lyotard folgend, was Denken heißt. Ein Maler stellt sich die gleiche
Frage, nämlich "Was heißt Malen?" Sie sind bei der Beantwortung dieser Fragen der
Öffentlichkeit keinerlei Rechtfertigung oder Erklärung schuldig. Die Öffentlichkeit ist nicht
deren Richter und Gesprächspartner.252 Einen Philosophen kennzeichnet er mit den Wörtern:
"Ein Philosoph ist also jemand, der spricht, um die Regel dessen zu finden, was er sagen will;
insofern spricht er, >bevor< er sie kennt und ohne sie zu kennen."253 Künstler versuchen in ihrem
Tun ebenso die Regeln herauszuarbeiten und stellen schon festgesetzte Maßstäbe und
Einschränkungen im Kunstbereich in Frage. Lyotards Kennzeichnung der Künstler lautet:
"Künstler ist, wer in seinem und durch sein Werk einen unhinterfragten Aspekt solcher Regeln
ausfindig macht. In diesem Sinne arbeitet er, und zwar seit jeher, wie ein Philosoph."254 An einer
anderer Stelle betont Lyotard, die Künstler sollten ihre Werke nicht auf feststehenden Regeln
basieren. Die Werke sind sozusagen Ereignisse, die gerade nach den Regeln suchen.255 "Künstler
und Schriftstellern arbeiten also ohne Regeln; sie arbeiten, um die Regeln zu erstellen, was
gemacht worden sein wird."256 Eine der Voraussetzungen, die erfüllt werden sollten, um
überhaupt ein Künstler zu sein, ist es, ein Philosoph zu sein. Das bedeutet nicht, dass man sich
mit der Geschichte der Philosophie auseinandersetzen muss oder mit der Lektüre eines
249
Lyotard 1985, 91.
250
Vgl. Lyotard 1986a, 101.
251
Lyotard 1986a, 105.
252
Vgl. Lyotard 1985, 101 f.
253
Lyotard 1986a, 106.
254
Lyotard 1986a, 107.
255
Vgl. Lyotard 1987, 29/30.
256
Lyotard 1987, 30.

41
Aristoteles oder Platon, sondern ein Künstler stellt sich "(...) die Frage nach den Einsätzen (...):
was macht man eigentlich?"257 Nach Lyotard fragen die am meisten gelungenen Werke genau
danach, nämlich nach "(...) einer der brisantesten philosophischen Fragen (...): >Warum
geschieht etwas und nicht vielmehr nichts?<"258
In einem Interview äußert sich Lyotard über seinen Wunsch, Rekonstruktionen in der
Philosophie vorzunehmen. Er möchte keine Rekonstruktion in Bezug auf die Institution
vornehmen, sondern vielmehr in Bezug auf die Art und Weise, wie sie sich den Problemen
nähert. Es scheint, dass er ihr den höchsten Platz in der Hierarchie der Disziplinen einräumt und
ebenso auf ihren interdisziplinären Ansatz und einen breiteren Einsatzbereich hinweist.
Philosophie sollte nicht nur über sich selbst reflektieren und sich nur mit ihr zugehörigen Fragen
und Problemen beschäftigen, sondern "(...) nach den Voraussetzungen jedes Werks, was es
immer sei-Kunst, Technik, Politik (...)"259 fragen. Weiters erklärt Lyotard seine Absicht mit den
Worten: "(...) Es geht mir (...) darum, abzumessen wie weit ihre Diaspora, ihre Zerstreuung
reicht, und sie gerade in den Bereichen wiederaufzufinden, aus denen man sie ausschließen
will."260 Von der zeitgenössischen Kunst wird erwartet, dass sie die auf den ersten Blick
undurchdringlichen Experimente der Philosophie analysiert.261
Angesichts Lyotards Platzierung der Künstler und Philosophen als stets Suchende und
Hinterfragende ist es verständlich, dass er jegliche ästhetische Theorie, ablehnt. Zum einen es ist
eine festgelegte Theorie, eine Suche nach Erklärungen, nach Wissen und Beurteilungen. Lyotard
aber lehnt und bezweifelt jegliche Form von festgelegtem Wissen ab.262
Über "Theorie" äußert er sich: "Im Grunde impliziert jede >Theorie< der Kunst solch eine
objektive Annährung. Denn Theorien gibt es nur über Gegenstände und zu deren näheren
Bestimmung."263 Um nach den Regeln in der Kunst zu fragen, wie Lyotard betont, "(...) ist keine
Theorie nötig; ja ich möchte sogar sagen, es ist nötig keine Theorie zu haben."264 Lyotard nach
sollte man sich in der künstlerischen Forschung weiterentwickeln, weg von den traditionellen
Fragen der Ästhetik. Es geht nicht mehr um die Ästhetik des Schönen und das ästhetische
Gefallen, sondern das zu erreichende Ziel ist, sich auseinanderzusetzen mit den Fragen, "(...) was
der Einsatz der Kunst ist, was in ihr auf dem Spiel steht, wo sie eigentlich ihren Platz hat, und
was Kunst ist."265

257
Lyotard 1985, 63/64.
258
Lyotard 1985, 64.
259
Lyotard 1985, 20.
260
Lyotard 1985, 21.
261
Vgl. Lyotard 1986a, 76.
262
Vgl. Lyotard 1985, 57.
263
Lyotard 1998, 79.
264
Lyotard 1986a, 105.
265
Lyotard 1985, 62.

42
3.3. Vielfältigkeit und Experiment. Kunst, die nach Neuem sucht -
Avantgarde als Vorbild

Obwohl sich Lyotard in seinen Schriften mit Film, Photographie, Malerei, Literatur, Musik
beschäftigt, wird dennoch bei der Lektüre seiner Werke klar, dass die Malerei in seiner Schriften,
neben der Literatur, einen besonderen Platz einnimmt. Die Maler sind für Lyotard Brüder der
Philosophen im Experimentieren.266
Er selbst nimmt in seinen Schriften aber keine exakte Hierarchie der Künste vor, sondern setzt
sich vielmehr gegen jegliche Wertrangordnung der Künste ein. In diesem Sinne kritisiert er die
Ästhetik der Postromantik und im Besonderen W. R. Wagner, in Bezug auf die Idee des
"Gesamtkunstwerks", die für eine Vereinheitlichung/Zusammensetzung von verschiedenen
Kunstgattungen plädiert, mit der Begründung, dass mit der Idee des "Gesamtkunstwerks" nicht
eine gleichwertige Zusammensetzung gemeint war, sondern dem Kino und der Oper wird eine
besondere, höhere Stellung im Vergleich zur anderen Künsten eingeräumt. Diese Ästhetik ist
abzulehnen, da sie Lyotard nach nur den Despotismus fördert.267
Es scheint, dass Film (abgesehen vom Experimentalfilm) und Photographie für ihm am
wenigstens geeignet sind, als Medien, die etwas Unmittelbares und "Unsichtbares" darzustellen
und über ihre Regeln nachdenken zu vermögen. Fotografie ist vor allem ein Medium zum
Dokumentieren der Realität und mit den Entwicklungen der Technik eng verbunden. Dass
Fotoapparate dank der Technik und vielfältigen Einstellungen schon vorprogrammiert sind,
übernimmt zum Teil die Arbeit des Künstlers und bietet sich als Medium einer größeren Masse
an, so kann "Mit einem einzigen Knipser (...) auch der schlichteste Bürger-als Amateur oder
Tourist-sein Gemälde machen (...). Der Amateur braucht nur noch das Sujet zu wählen."268
Dadurch entstehen schöne Bilder mit Hilfe von technischen Errungenschaften und dem Wissen
aus Chemie, Elektronik und Optik, die schon vorprogrammiert sind.269 Noch dazu wurden vor
allem das industrielle Kino und Fotografie als Medien zum idealen Kandidaten gemacht und
ausgenutzt, um die Erwartungen des Publikums und der Gesellschaft zu erfüllen,
beziehungsweise, wurden der industrieller Film und die industrielle Photographie für die
therapeutische Praxis eingesetzt.270 Das industrielle Kino wurde somit zum idealen Kandidaten,
der das Programm "(...) einer Ordnung des Sichtbares, die vom Quatrocento erarbeitet wurde, zu

266
Vgl. Lyotard 1985, 102.
267
Lyotard 1987, 75.
268
Lyotard 1985, 92.
269
Vgl. Lyotard 1985, 94.
270
Vgl. Lyotard 1987, 16 f.

43
Ende (...)271 bringt, noch dazu sind Photographie und industrieller Film im Vergleich zur Malerei
und Literatur dazu geeignet "(...) den Referenten zu stabilisieren (...)" und ihm zu ermöglichen
als Empfänger "(...) Bilder und Sequenzen rasch zu entziffern, und sich so mühelos seines
eigenen Identitätsbewußtsein und gleichzeitig der Zustimmung, die ihm von Seiten anderer zuteil
wird, zu versichern (...)."272
Die Malerei wurde aber ebenso nicht von der Ausnutzung, höhere Zwecke mit ihr zu erreichen,
verschont. Lyotard weist, in dem er sich unter anderem auf die nationalsozialistische Politik
bezieht, auf die Bilder und Kunst hin, die rasch zu entziffern und auf ihre Empfänger
genauestens zugeschnitten sind, mit der Absicht, manipulative Wirkungen erzielen zu können.
"Die monumentalen oder familiären nationalsozialistischen >Feste< preisen die germanische
Identität, indem sie die symbolischen Gestalten der arischen Mythologie für Augen und Ohren
sinnlich wahrnehmbar machen. Es handelt sich dabei um eine Überredungskunst (...)."273
An weiterer Stelle schildert Lyotard die besonders feindliche Stellung von totalitären gegenüber
Avantgarde-Kunst mit den Worten: "Der Nationalsozialismus verbrennt, ermordet, exiliert die
Avantgarden; der Kapitalismus isoliert sie, spekuliert mit ihnen und liefert sie mit einem
Maulkorb versehen der Kulturindustrie aus."274 Benutzung der Kunst für gesellschaftliches
Nutzen und Politik ist aber keine neue Errungenschaft modernen Zeiten. Schon seit dem
Quattrocento hat Malerei Lyotard nach "(...) dazu beigetragen, ein metaphysisches und
politisches Programm durchzuführen, um Visuelles und Soziales zu organisieren."275
Er spricht über die Konstruktion der Perspektive und über Leon Battista Albertis Einfluss auf der
Malerei. Das Erscheinen seines Traktates "Über die Malerei" im Jahr 1435 ermöglichte die
Einsetzung der Perspektivenlehre in der Malerei. Nach dem Gesetz der Perspektive werden
zusammenverlaufende Linien zu einem Mittelpunkt geleitet und der Blick des Betrachters zum
Fluchtpunkt geführt.276 Mit Hilfe der Komposition und der Perspektive werden in der Malerei so
wichtige Aspekte und Ideologien der Ethik, Religion, Städtebau, wie auch bedeutendste
Geschehnisse und Ordnung, beziehungsweise ein schon vorgeschriebenes Programm,
festgehalten. Die Malerei erhält dadurch die Funktion der Bildung, Identifikation und des
Sichtbarmachens.277
"An der durch den Fluchtpunkt bezeichneten Stelle empfängt wiederum das Auge des
Monarchen jenes geometrisch geordnetes Universum. Wenn diese vorgestellten Universen, diese

271
Lyotard 1987, 16.
272
Lyotard 1987, 17.
273
Lyotard 1987, 76.
274
Lyotard 1987, 97.
275
Lyotard 1985, 91.
276
Vgl. Beckett 1995, 88 f.
277
Vgl. Lyotard 1985, 91.

44
Repräsentationen, in den Palästen der Fürsten oder des Volkes und in den Kirchen ausgestellt
werden, bieten sie allen Gliedern des Gemeinwesens die gleiche Möglichkeit, sich in ihrer
Zugehörigkeit zu diesem Universum oder - als Maler oder Monarch - in ihrer Beherrschung
desselben zu identifizieren."278 Obwohl seit der Lehre der Perspektive und der Benutzung des
Fluchtpunktes, die den Betrachter genau an die gewünschte Stelle leiten, ist die Malerei, die
Lyotard kritisiert, schon in der Frühgotik zu finden. Wie schon damals die Malerei der Funktion
des Repräsentanten einer bestimmten Ideologie erfüllt hat, könnte beispielhaft anhand des
Werkes von Ambrogio Lorenzetti, eines berühmten sienesischen Künstlers aus dem 13/14 Jh.,
veranschaulicht werden. Sein Fresko aus dem Palazzo Pubblico in Sienna "Allegorie des guten
Regiments und die Folgen seiner Herrschaft in Stadt und Land" (Vgl. Abb. 2.) aus dem 14 Jh.
Sein realistisch, fast fotografisches Fresko, welches Siena und die Umgebung mit ihren
Einwohnern und die Folgen des guten Regiments zeigt, ist "(...) Vision (...) eine sagenreich
geordnete Welt, die er mit bemerkenswerten Realismus und scharfer Beobachtungsgabe der
wirklichen Stadt Siena nachbildet."279 Im gleichen Saal wird auch ihr Gegenstück präsentiert,
nämlich die Folgen des schlechten Regiments.280
In Anlehnung an Paul Klee betont Lyotard ausdrücklich dass die Kunst keine Aufgabe hat, die
Natur nachzuahmen-die Realität fotografisch wiederzugeben. Ihre Aufgabe ist vor allem, eine
"Zwischenwelt" oder nach Paul Klee eine "Nebenwelt" zu konstruieren "(...) in der das
Ungeheure oder das Formlose sein Recht hat (...).281
Maler und Schriftsteller, die sich nicht beugen und die, wie schon erwähnt, die besondere
"philosophische" Aufgabe zu erfüllen haben, übernommene Regeln und Richtlinien stets in
Frage zu stellen, müssen vor allem damit rechnen "(...) daß sie dem Amateur, der einer Realität
und Identität bedürftig ist, nicht glaubwürdig sind; sie sind ohne Gewähr des Publikums."282
Die, die es aber nicht tun, haben gute Voraussetzungen, Karriere zu machen, "(...) dank des
Konformismus der Massen, indem sie vermittels der >guten Regeln< dem endemischen
Verlangen nach Realität Objekte und Situationen liefern, die diese zu befriedigen vermögen."283
Genau gegen dieses Verlangen nach der Realität und die Einheit in Begleitung von
Massenmedien wehrt sich die Avantgarde. Wie auch in der Wissenschaft und Bereichen des
Wissens, wehrt sich in ähnlicher Weise Lyotard gegen jeglichen Totalitätsgedanken in der
Kunst. Die Avantgarde in der Kunst, die er in seiner Schriften verteidigt, ähnelt seiner Theorie
der Meinungsverschiedenheit in den Wissenschaften. Diesen Moment der

278
Lyotard 1985, 91/92.
279
Beckett 1995, 53.
280
Vgl. Beckett 1995, 53.
281
Lyotard 1989, 171.
282
Lyotard 1987, 18.
283
Lyotard 1987, 17.

45
Meinungsverschiedenheiten, den er nachdrücklich betont, nennt er selbst den
"Avantgardismus".284
Avantgardismus findet sich nicht nur bei den Wissenschaftlern und Künstlern statt, sondern ist in
anderen Berufen ebenso präsent, wie z.B. bei Juristen, Medizinern, Journalisten. Es ist eine
bestimmte Philosophie, die durch wiederholtes Zweifeln und Hinterfragen im Bereich einer
Tätigkeit charakterisiert wird. Avantgardismus ist die "(...) Fragen nach dem Wesen der
Tätigkeit, die man ausübt, den Wünsch, die Institutionen um und neuzuschreiben".285 Nach
Lyotard wollen diejenigen, die nach Einheit, Ordnung, Sicherheit und schließlich auch
Popularität suchen, das Experimentelle in der Kunst zu unterdrücken.286 Sie versuchen lediglich
"(...) das Erbe der Avantgarden zu liquidieren."287 Feindliche Tendenzen gegenüber der
Avantgarde sieht Lyotard vor allem in neu entstandenen künstlerischen Richtungen der Zeit der
Postmoderne.Wie sich noch zeigen wird, vertreten nach Lyotard postmodernen Tendenzen in der
Kunst einen massenorientierten Kunstgenuss und verlangen nicht mehr nach den Antworten, die
die ästhetische Moderne einmal stellte, nämlich "(...) Was macht Kunst zur Kunst (und Literatur
zur Literatur)?"288 Lyotard sieht und definiert moderne Kunst als Kunst, die anhand ihrer
Technik darzustellen versuchte, dass es etwas "Nicht-Darstellbares" gibt. "Sichtbar zu machen,
daß es etwas gibt, daß man denken, nicht aber sehen oder sichtbar machen kann: das ist der
Einsatz der modernen Malerei."289 Gerade die künstlerische Avantgarde hat sich zur Aufgabe
gemacht, durch anscheinend sichtbare Darstellungen auf ein Nicht-Sichtbares, Nicht-
Darstellbares hinzudeuten.290
Obwohl der Begriff "Avantgarde" von der Moderne am Beginn des 20 Jh. zu differenzieren
versucht wird, hat sich dennoch keine klare Abgrenzung herausgebildet. Cornelia Klinger zählt
einige charakteristische, grundlegende Gemeinsamkeiten von den Konzepten des Moderne-
Modernismus und der Avantgarde auf. Genau diese Grundgemeinsamkeiten obstruieren die
Differenzierung zusätzlich. Grundlegend für die beiden Programme ist der Bruch mit der
Vergangenheit. Mit dem Ausbruch des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts kommt
es zur Modernisierung im Bereich der Künste. Im diesem Sinne unterscheiden sich beide
Konzepte entscheidend von der Gedankenwelt der ästhetischen Moderne des 19 Jh. Die zweite
grundlegende Gemeinsamkeit ist, dass sowohl Moderne als auch Avantgarde aus vielfältigen
Strömungen und Richtungen bestehen. Beide Termini werden dazu benutzt, die Sammlung von

284
Vgl. Lyotard 1987, 98.
285
Lyotard 1987, 137.
286
Vgl. Lyotard 1987, 15.
287
Lyotard 1987, 15.
288
Lyotard 1987, 18.
289
Lyotard 1987, 24.
290
Vgl. Lyotard 1987, 25.

46
existierenden Strömungen einer Periode zu bezeichnen.291 Lyotard spricht auch über
verschiedene Avantgarden.292 "Entsprechend vage und inhaltsarm sind die beiden Termini
zunächst; sie bezeichnen lediglich das gerade jetzt Neue oder voraussichtlich morgen Aktuelle,
den dernier cri, das Ungewohnte, Gewagte und Experimentelle in Abgrenzung und Gegensatz
zum Alten, zur Tradition, zum Klassischen."293 Die Verschiedenheit der Termini und die
Möglichkeit zur Differenzierung findet sich, wenn man in Betracht zieht. dass sich die Moderne
auf das Gegenwärtige, Avantgarde dagegen auf das erst Aufkommende, Prophetische bezieht.
"Von der ursprünglichen Wortbedeutung her hat das von lateinisch >modo< (="eben", „erst",
„jetzt") abgeleitete modern einen auf die Gegenwart bezogenen Fokus. Dagegen nimmt
Avantgarde - seit das Wort aus dem militärischen Sprachgebrauch, in dem es räumlich
konnotiert war, auf Kunst und Ästhetik übertragen wurde - eine futurische Wendung:
Avantgarde ist die kleine Elite, die der großen Mehrheit, dem Gros der >Truppe< in einem
zeitlichen Sinn voraus ist."294 Ein wichtiges Kriterium, um die Weltanschauung der Avantgarde
von der Moderne zu differenzieren, bietet sich angesichts der Tatsache, dass mit der Avantgarde
solche Strömungen gekennzeichnet sind, die sich nicht nur wie in der Moderne, nach dem Neuen
ausrichten, sondern die engagierte Moderne, die sich aktiv beteiligt295 "(...) und so mit der
künstlerischen Arbeit ein gesellschaftliches, namentlich ein gesellschaftskritisches und in letzter
Konsequenz revolutionäres Engagement verbinden. Es sind vornehmlich die an der Instanz des
kreativen und visionären Künstlersubjekts ansetzenden Entwürfe alternativer Welten und
Wirklichkeiten (...)."296 Der Ursprung von Lyotards Hervorhebung und die Vorliebe für
Avantgarde, die mit seinem revolutionären Engagement assoziiert wird, liegt in den politisch-
künstlerischen Bewegungen der 1960er Jahre, vor allem in der Mai-Bewegung von 1968. In
Bezug auf die Protestbewegung schreibt Christa Bürger über Lyotard: "Das Schreiben Jean-
Francois Lyotards, so sehr er gegen Nostalgie polemisiert und dem Vergessen das Wort redet,
lebt von der Erinnerung an den Mai 1968, wo Theorie und Aktion eins waren (...)"297
Üblicherweise versteht man, kunstgeschichtlich betrachtet, die Avantgarde, als Entwicklung in
der Kunst, die zu Beginn des 20 Jh. und dann wiederum später, nach dem Zweiten Weltkrieg,
stattgefunden hat. Obwohl dem so ist, betont Martin Büsser in einem Vortag, dass entscheidende
Voraussetzung für die Entstehung der künstlerischen Avantgarde, Entwicklungen, die schon im
19 Jh. stattgefunden haben, waren. Es sind dies vor allem: die Entwicklung der

291
Vgl. Klinger, Müller-Funk 2004, 9 f.
292
Vgl. Lyotard 1987, 25.
293
Klinger, Müller-Funk 2004, 10.
294
Klinger, Müller-Funk 2004, 11/12.
295
Vgl. Klinger, Müller-Funk 2004, 12 f.
296
Klinger, Müller-Funk 2004, 12/13.
297
Bürger C. 1988, 122.

47
Industrialisierung, aber auch die Entwicklung der Autonomie des Bürgertums. Damit beginnt für
das künstlerische Schaffen eine neue Periode, die ausschlaggebend für die Entwicklung der
historischen Avantgarde zur Beginn des 20 Jh. war. Mit der Autonomie des Bürgertums bekam
auch die Kunst ihre längst ersehnte Autonomie. Die Kunst wird nicht mehr in die Funktion des
Staates und der Religion gestellt.298 "Daher finden sich die Vorboten der historischen
Avantgarden, die man ja eigentlich im 20. Jahrhundert ansiedelt, bereits im 19. Jahrhundert dort,
wo das künstlerische Sujet plötzlich losgelöst war von einem religiösen oder staatstragenden
Bildprogramm. (...). Das Sujet war frei von jeglicher Machtrepräsentation, zudem lag es nun in
der Hand des Künstlers, welches Sujet er wählt."299
Zu dieser Zeit kam es aber angesichts der Loslösung der Kunst von jeglicher Herrschaft als
Folge davon zur "Krise des Werkbegriffs in der bildenden Kunst".300 "Die Autonomisierung der
Kunst bedeutet zugleich mit dem Freiheitsgewinn einen Funktions- und Identitätsverlust."301
Mit dem Aufkommen neuer Technologien, der Entwicklung der Medien und technischen
Verbesserungen der Fotografie und des Films wurde die Krise der Malerei zusätzlich verstärkt.
Da die Malerei aus der Funktion der bildnerischen Darstellung von
Machtrepräsentanten/Machtträgern erlöst wird und nicht mehr zum Abbild der Wirklichkeit,
beziehungsweise zur Darstellung der Realität beauftragt wird, verliert sie ihre gesellschaftliche
Aufgabe und damit auch ihre Identität.302
Prof. Rudolf Neuhäuser zählt in seinem Aufsatz die wichtigsten Merkmalkriterien der
Avantgarde auf, die man in der Literatur feststellen konnte, die man aber auch auf andere
künstlerische Medien der Avantgarde anwenden könnte. Erstes Kriterium ist die Abwendung der
Avantgarde von vorhandenen kanonischen Regelungen, Normen und ästhetischen
Wertvorstellungen. Um Traditionelles und Vorhandenes zu ändern, nutzt sie entweder
fremdsprachliche und nicht kanonisierte Texte aus dem eigenen Bereich oder bedient sich an
Modellen aus anderen kulturellen Bereichen. Die Avantgarde protestiert ebenso gegen etablierter
gesellschaftliche Schichten und deren Wertvorstellungen und versucht, ein neues Weltbild zu
erschaffen. 303 Ebenso bezeichnete die Avantgarde in der Kunst des 20 Jh. antitraditionalistische
und antibürgerliche Einstellungen und Positionen. Charakteristisch für die Avantgarde ist ihre
Zuwendung zur Maschinenwelt, aber auch zum Gegensätzlichen, zum Chaos, Primitivismus und
Irrationalen. Ebenso charakteristisch ist die Ablehnung der euklidischen Zeit-Raum-Anordnung,

298
Vgl. Büsser, Von der Avantgarde zur Selbstreferentialität, (16.04.2009), 25.08.2014.
299
Büsser, Von der Avantgarde zur Selbstreferentialität, (16.04.2009), 25.08.2014.
300
Vgl. Klinger, Müller-Funk 2004, 15.
301
Klinger, Müller-Funk 2004, 15.
302
Klinger, Müller-Funk 2004, 15.
303
Vgl. Neuhäuser 1987, 23.

48
wie auch die Zertrümmerung von Syntax und Semantik.304 Kennzeichnend für die Avantgarde ist
ihr Anti-Ästhetizismus, beziehungsweise die Ablehnung angenommener ästhetischer Werte, auf
der anderen Seite plädiert sie für "(...) einen ästhetischen Universalismus, d.h. die generelle
Verfügbarkeit aller ästhetischen Normen."305
Die Kunst der Avantgarde ist nach Lyotard die Kunst, die über ihre Regeln nachfragt, die sich
mit ihrer eigenen Identität beschäftigt und die in der Lage ist, Unsichtbares sichtbar zu machen.
Selbst seine Schriften in Bezug auf Ästhetik und Kunst sind vor allem Malern, Vertretern der
Avantgarde, abstrakt-expressionistischen Künstlern wie Barnett Newmann, Marcel Duchamp
und Daniel Buren gewidmet. Die Avantgarde als Sammelbezeichnung verschiedener
Stilrichtungen hat "(...) die Bildnerischen Techniken, einer rücksichtslosen Prüfung unterzogen.
Lokalton, Zeichnung, Farbmischung, Linearperspektive, Beschaffenheit von Träger und
Arbeitsmittel, >Rechnung<, Platzierung, Museum (...)."306 Braque und Picasso könnten als
beispielhafte Vorreiter der Wagnis, der Novatio gelten.307 Dass genau Picasso unter Lyotards
"Novatio" hineinfällt, ist nicht verwunderlich, wenn man sich wichtige Perioden aus Picassos
Leben und Werk im Gedächtnis hervorruft. Er hat mehrmals das Publikum und die damalige
Kunstwelt ins Staunen gebracht. Wenn man über sein bekanntestes Werk "Die Mädchen aus
Avignon" (Vgl. Abb. 3.) oder über seine später entstandenen kubistischen Bilder nachdenkt, die
auch Braque fast zur selben Zeit schuf, ist klar, dass er neue Formen und bis dahin noch nie
Gesehenes, in der Malerei brachte, was einen kompletten Bruch mit der traditionellen
Arbeitsweise in der Malerei bedeutete. Die Forderung Lyotards an die Kunst, vor allem an die
Malerei, ist, etwas zu zeigen, womit noch nicht experimentiert wurde, beziehungsweise
darzustellen, was noch keine Regeln hat.308 Damit kommt man zur Ästhetik der Neuschöpfungen
und der Paralogie. Lyotards Wörtern nach wird im Unterschied zur traditionellen Ästhetik "(...)
die Ästhetik zur Para-Ästhetik und der Kommentar zur Paralogie, wie auch das Werk selbst eine
Para-Poetik ist."309
Hans Belting wendet sich in seinem Aufsatz "Der Werkbegriff der künstlerischen Moderne" der
frühen Avantgarde Picassos zu. Er erwähnt in seinem Aufsatz die für die damalige Zeit
ungewöhnlichen Experimente Picassos. So betont er, dass Picasso schon in den frühen Jahren
des 20 Jh. zur Zeit des Kubismus mit seinen Experimenten den Werkbegriff des Staffeleibildes
in Frage stellte, die Oberfläche des Tafelbildes mit seinen Collagen unterbrach, seine Figuren aus
der Leinwand hervorkommen ließ, in seinen Bilder imaginäre Objekte mit scheinbar realen

304
Vgl. Neuhäuser 1987, 28 f.
305
Neuhäuser 1987, 29.
306
Lyotard 1987, 25.
307
Lyotard 1987, 25.
308
Vgl. Lyotard 1986a, 72.
309
Lyotard 1986a, 72.

49
verband. In seinen Werken spielte er mit Fotografie, Malerei, Collage. Besonders erwähnenswert
ist auch Picassos Übertragung der Malerei in das Theaterspiel.310 Über die Parade, die 1917
uraufgeführt wurde, schreibt Belting: "So entstand eine Aufführung mit lebenden Stillleben, die
über die Bühne wanderten, ein bewegtes Schauspiel, das dem Stummfilm Konkurrenz machte
und wie dieser mit Musik untermalt war. Apollinaire sprach im Programmheft zwar von einer
>Union von Tanz und Malerei<, doch handelte es sich um ein Experiment mit bewegten Bildern,
für das damals die Begriffe noch fehlten (...) Hier wurde kein neues Stück angesagt, sondern ein
neuer Stil proklamiert. Der gemalte Vorhang kam erst in Sicht, nachdem der rote
Bühnenvorhang aufgezogen worden war, und zeigte Schauspieler, die es in dem folgenden Stück
gar nicht gab. Die Kunstkritik wurde von dieser glatten Temperamalerei abgestoßen und
missverstand ihren Stil als Neorealismus (...)Wenn das Publikum von diesem Ergebnis ungewollt
entzückt war, so hatte Picasso sein Ziel erreicht, wie er es ebenso erreichte, wenn er die offizielle
Kunstkritik zur Verzweiflung trieb."311 In der Literatur weisen schon Proust und Joyce mittels
Sprache auf das Nichtdarstellbare hin.312 Über Joyce bemerkt er: "Er bedient sich Skala der
bekannten narrativen und selbst stilistischen Operatoren ohne Rücksicht darauf, die Einheit des
Ganzen zu wahren, und experimentiert mit neuen Operatoren."313 Duchamp führte ebenso eine
Novität ein. Mit seinen Experimenten und der Einführung von Ready-Made-Objekten brach er
mit der Vorstellung, "(...) dass ein Maler ein Bild zu malen hat (...). Und Buren stellt jene andere
Voraussetzung in Frage, die seines Erachtens vom OEvre Duchamps unberührt blieb: den
Darstellungsort des Werkes."314 Da alle diese Künstler es wagten, in ihren Werken zu
experimentieren, neue Formen einführten und vor allem vergangene Regeln und Formen
hinterfragen, sind sie für Lyotard in einem gewissen Sinne die Vorbilder eines postmodernen
Künstlers. Angesichts des künstlerischen Schaffens von Künstlern wie Buren, Duchamp,
Picasso, Joyce, ist Lyotards Äußerung nachvollziehbar, wenn er behauptet, dass ein Werk, um
modern zu sein, zuerst postmodern sein musste.315
Nach Lyotard distanzieren sich Künstler, die nach Regeln fragen, von der etablierten "Moderne"
und gehen ins Exil. Dieses Exil nennt er „Experimentieren“.316 Was Lyotard besonders an der
Kunst der Avantgarde schätzt, ist ihr ständiger Drang nach Neuem. Sie versucht nicht, das
Vergangene zu wiederholen und schon Gesehenes noch einmal zu präsentieren.317 Die
ästhetische Postmoderne beginnt für Lyotard nicht nach dem Ende der ästhetischen Moderne,
310
Vgl. Belting 2004, 73 ff.
311
Belting 2004, 76/77.
312
Vgl. Lyotard 1987, 28.
313
Lyotard 1987, 28.
314
Lyotard 1987, 26.
315
Vgl. Lyotard 1987, 26.
316
Vgl. Lyotard 1985, 39.
317
Vgl. Lyotard 1985, 39.

50
oder nach dem Ende der Avantgarde in den siebziger Jahren des 20 Jh., wenn man schon über
das Antreten der Postmoderne sprechen kann. Lyotard bildet seine Theorie der Undarstellbaren
auf dem Erbe der Avantgarde-Kunst heraus, die zeitlich unter die Moderne hineinfällt, was
bedeutet, dass er sich nicht von seinen Theorien bezüglich der Ästhetik von der Moderne
verabschiedet. Wie im zweiten Kapitel schon betont, setzt er sich jeglichen Einheitsgedanken
nicht entgegen. Er vertritt die Vielfältigkeit der Sprachspiele in jedem Bereich des Wissens, er
plädiert für die Paradoxie und den Widerstreit, die kritische Hinterfragung des Empfangenen.
Die postmoderne Ästhetik wird unabhängig vom Zeitlichen nach bestimmten Merkmalen und
Verfahrensweisen charakterisiert und wäre für Lyotard, wie er sich selbst ausdrücklich äußert:
"Das Postmoderne wäre dasjenige, das (...) sich dem Trost der guten Formen verweigert, dem
Konsens eines Geschmacks, der ermöglicht, die Sehnsucht nach dem Unmöglichen gemeinsam
zu empfinden und zu teilen: das sich auf die Suche nach neuen Darstellungen begibt, jedoch
nicht, um sich an deren Genuß zu verzehren, sondern um das Gefühl dafür zu schärfen, daß es
ein Undarstellbares gibt."318 Die Kunst sollte nicht die Realität abbilden, "(...) sondern
Anspielungen auf ein Denkbares (...) erfinden, das nicht dargestellt werden kann."319
Nichtdarstellbares und Erhabenes sind zentrale Termini der ästhetischen Theorie Lyotards, die er
in Anlehnung an Kant entwickelt. Experimente und Bildung von Sätzen bis zur den Grenzen des
Möglichen sind Merkmale der Postmoderne, die sich Lyotard wünscht und vorstellt.320
Problematisch ist jedoch bei Lyotard das Fehlen von genaueren Unterscheidungskriterien und
einer Trennungslinie, nach denen er moderne Werke von postmodernen unterscheidet. In diesem
Sinne erwähnt Danko, dass Lyotard Malewitschs weißes Quadrat (Vgl. Abb. 4.) zu modernen
Werken zählte, während er das ähnliches Werk René Guiffreys (Vgl. Abb. 5. ) zum
Postmodernismus eingliedert.321 Christa Bürger nimmt als Beispiel den französischen Maler
Albert Ayme, um Lyotards Fehlen einer Trennungslinie zu veranschaulichen. Obwohl Albert
Ayme vielmehr ein Repräsentant des Bauhauses oder der Stijl-Bewegung ist, was eigentlich zur
Moderne zählt, wird er bei Lyotard zum Repräsentanten der postmodernen Malerei.322Auch das
Werk eines Cezannes, der kunstgeschichtlich im Postimpressionismus angesiedelt ist, könnte
ebenso als idealer Repräsentant der postmodernen Malerei gelten. Cezanne und der Gruppe der
Künstler um ihn, die zu den Pionieren der Moderne zählen, werden damals von Kritikern die
Zerstörung der Malerei vorgeworfen, da "(...) sie die noch in der Romantik anhaltende Regeln

318
Lyotard 1987, 29.
319
Lyotard 1987, 30.
320
Vgl. Lyotard 1986a, 70.
321
Vgl. Danko 2011, 99.
322
Vgl. Bürger C. 1988, 135.

51
eines Schönheitsideal und einer auf Perspektive bauenden Darstellungsform ablehnten (...)".323
Sie entwickelten eine neue Form der Malerei und "(...) wollten nicht die Ideen von Schönen
darstellen, sondern das Wesentliche (...)."324 In ihrer Malerei beziehen sie sich "(...) nicht auf die
Dinge selbst, sondern auf den Schein der Dinge, auf ihre Auflösung im Licht."325
Wenn man noch in Betracht zieht, dass Cezanne mit früheren Formen der Kunst bricht und in
seinen Werken Lyotard folgend wiederholt nach der Antwort der Frage "Was ist ein Gemälde?"
suchte und ebenso avantgardistische Merkmale aufweist, in dem er die Regeln, die seit dem
Quattrocento gegolten haben, in Frage stellt und nach Neuem suchte.326 Cezanne hatte die
"Farbempfindungen" aufgetragen "(...) ohne Rücksicht auf die Geschichte oder das "Sujet", auf
die Linie oder den Raum, ja nicht einmal auf das Licht."327 Wendy Beckett erzählt über Cezanne,
dass er es sich zur Lebensaufgabe machte, den Zusammenhang zwischen der Farbe und dem
Volumen zu bestimmen, beziehungsweise wie sich die Materien aus Farbe und Gewicht
gegenseitig beeinflussen.328 Aus den Zeilen von Beckett wie auch Lyotard kommt man zur
Erkenntnis, dass Cezanne, wenn er in seiner Kunst "Farbempfindungen" darzustellen versuchte,
auf das "Undarstellbare" hinausläuft, was ein besonderes Merkmal von Lyotards Idee der
postmodernen Kunst ist. In seiner Schrift zu Karel Appel, einem zeitgenössischen Künstler,
dessen Werke ebenso von der Farbe gekennzeichnet sind, schrieb Lyotard folgende Zeilen:
"Würde Appels Werk zu den Augen sprechen, so sagte es: Lest mich nicht, versteht mich nicht.
Diesseits des Blicks wendet es sich eher an den gesamten Körper, hebt ihn auf: Tanz mit mir,
tanz zu mir wie zu einem Rhythmus, tanz mich. Es bietet sich dem Sehen nicht dar, vielmehr ist
er der schwerfällige Organismus, an dem das Auge festgeschraubt ist (...)."329
Könnten diesen Zeilen auch auf die Werke Cezannes (Vgl. Abb. 6.) anwendbar sein, um diese zu
bezeichnen? Meiner Ansicht nach bestimmt.
Wie im zweiten Kapitel dargestellt, lehnt Lyotard jegliche konkrete Periodisierung der
Postmoderne ab. Ähnlich verhält es sich auch in der Kunst. Die Idee der postmodernen Kunst,
wie er sie versteht, findet sich schon in der Moderne, bei den Künstler der Avantgarde, wie auch
bei Künstlern, die Vorreiter der Avantgarde waren, aber ebenso bei den zeitgenössischen
Künstlern. Danko betont in diesem Kontext: "Lyotards Unterscheidung zwischen moderner und
postmoderner Kunst ist sehr subtil: Die Differenz liegt lediglich in der Abgrenzung von
nostalgischer Betonung der Abwesenheit des Nicht-Darstellbaren und der Anspielung auf dieses

323
Noebel 2012, 26.
324
Noebel 2012, 26.
325
Noebel 2012, 26.
326
Vgl. Lyotard 1989, 179 f.
327
Lyotard 1989, 179.
328
Vgl. Beckett 1994, 311.
329
Lyotard 1998, 24.

52
Nicht-Darstellbare mit einem Gefühl des Jubels hinsichtlich neu gefundener bildnerischer oder
künstlerischer Spielregeln (...)"330 Die übliche kunsthistorische Periodisierung und Einordnung
ist ihm fremd. Lyotard zieht genaueste Untersuchungen und Differenzierungen zwischen jedem
einzelnen Werk in Bezug auf Stil, Sprache, Neuerung, Absichten heran, die eigentlich zeitlich
der gleichen kunsthistorischen Periode angehören. In seinem Text zum souveränen Film kritisiert
er in diesem Kontext den Film-Theoretiker André Bazin und damit auch die gängige
kunsthistorische Periodisierung des Films nach dem Zweiten Weltkrieg. Filme, die damals um
diese Zeit in Italien entstanden sind, wurden allgemein unter dem Begriff "neo-realistisch"
zusammengefasst und bezeichnen "(...) selbst wenn es ganz offensichtliche Unterschiede im Stil
oder im Schreiben gab, zwischen Rossellinis Paisà, De Sicas Fahrraddiebe, Antonionis Chronik
einer Liebe oder Fellinis Süße Leben. Genauso wie es sie zwischen Rossellini und Citizen Kane
von Orson Welles gab. Trotzdem wurden sie von dem großen Kinotheoretiker André Bazin
zweifelsohne verbunden: "Sie haben das gleiche ästhetische Ziel, die gleiche ästhetische
Vorstellung vom Realismus."331 Kunst, die er schätzt und besonders hervorhebt, lässt sich nicht
konkret in einen bestimmten Zeitraum einsetzen und dadurch begrenzen. Es sind vor allem
Künstler, die sich von den Formen des Quattrocento distanzierten, die mit der Vergangenheit
brechen, sich nicht den Erwartungen beugen, die etwas Neues einführten. Künstler, die etwas
wagten. Für Lyotard gibt es in der Avantgarden wie auch in anderen künstlerischen Epochen und
Schulen, in denen man zwischen "(...) einen manieristischen Barock und einen von nackter
Strenge"332 differenzieren kann. Die Präsenz des Absoluten und Erhabenen kann sich sowohl in
Piero della Francescas Fresken aus der Mitte des 16 Jh. wiederfinden, als auch bei dem
zeitgenössischen Künstler Sam Francis, wie auch in Erzählungen Kafkas, bei Mozart,
Beethoven, wie auch bei Karl Appel.333
Obwohl Lyotard selbst kunsthistorisch betrachtet Zeuge postmoderner Kunst war und er seine
Schriften schon zur Zeit der Auftretens postmoderner Richtungen in der Kunst schrieb,
beziehungsweise nach der siebziger Jahren des 20 Jh., sieht er in der Avantgarde der Kunst den
idealen Träger seiner Ideen. Über die postmoderne Malerei äußert er sich in einem Interview wie
folgt: "Was mich angeht, so kenne ich die Malerei, die man heute postmodern nennt, schlecht
oder kaum. Ich weiß aber, daß ich sie schlecht aufnehme."334

330
Danko 2011, 98.
331
Lyotard 2004, 182.
332
Lyotard 1998, 75.
333
Vgl. Lyotard 1998, 75.
334
Lyotard 1985, 71.

53
3.4. Postmoderne und gegenwärtige Tendenzen in der Kunst. Eklektizismus,
Transavantgarde und Avantgarde als Opponenten.

In seinem Brief an Thomas E.Carrol kommentierte Lyotard seine ihn umgebende Gegenwart in
enttäuschendem Ton, mit folgenden Worten: "Wir befinden uns in einer Phase der Erschlaffung,
ich spreche von Tendenzen der Zeit. Von allen Seiten werden wir gedrängt, mit dem
Experimentieren aufzuhören, in den Künsten und anderswo. Ich las einen Kunsthistoriker, der
Realismen anpreist und für eine neue Subjektivität eintritt. Ich las einen Kunsthistoriker, der auf
Kunstmärkten den >Transavantgardismus< in Umlauf setzt und verkauft. Ich las, daß
Architekten sich im Namen des Postmodernismus vom Projekt des Bauhauses lossagen, und so
das Kind, das Experiment, mit dem funktionalistischen Bade ausschütten."335 An einer weiteren
Stelle erklärt Lyotard das Ziel solcher Tendenzen und Bestrebungen mit folgender Äußerung:
"In allen diesen vielförmigen Einladungen jedoch, das künstlerische Experiment zu beenden,
tönt derselbe Ruf nach Ordnung wieder, ein Wunsch nach Einheit, Identität, Sicherheit, nach
Popularität (im Sinne von >ein Publikum finden<, eine Öffentlichkeit)."336
Wie schon im zweiten Kapitel dargelegt, ist der Begriff Postmoderne vor allem umstritten und
schwer zu definieren.
Ob es sich überhaupt um eine gesonderte Epoche handelt, oder ob man mit dem Begriff der
Postmoderne nur einen Zustand bezeichnet, darüber herrschen bei den Experten Uneinigkeiten.
Anstelle von der Postmoderne wird jedenfalls in der Kunst oft der Begriff "Trans-Avantgarde"
benutzt. In der zweite Hälfte, beziehungsweise gegen Ende des 20 Jh., kamen neue Bewegungen
in der Kunst auf, die sich für eine Überwindung der Avantgarde einsetzten. Um diese Wendung
der Avantgarde erkennbar zu machen, wurde von den Italienern der Begriff "Transavantquardia"
kreiert, der seiner Bedeutung nach mit "Jenseits der Avantgarde" zu übersetzen ist.337
"Trans-Avantgarde" wird in der Fachliteratur mit dem transavantgardistischen Programm des
italienischen Kunsttheoretikers Achille Bonito Oliva in Verbindung gebracht, der in vielfacher
Weise Lyotards entgegengesetzte Position der Postmoderne vertritt.338 Lyotard löst die Kunst
von einer rein sinnlichen Wahrnehmung ab und fördert das reflexive Nachdenken, ständiges
Nachfragen und die vor allem fast zwanghafte Suche nach Neuem, die für die 1960er Jahre
kennzeichnen sind.339 Christa Bürger zufolge setzt sich Oliva dagegen für eine befreite Kunst
ein. Oliva zufolge, wie Christa Bürger übermittelt, "(...) hätten die Transavantgardisten die Kunst

335
Lyotard 1987, 11.
336
Lyotard 1987, 15.
337
Vgl. Partsch 2008, 18 ff.
338
Vgl. Bürger C. 1988, 135-138.
339
Vgl. Bürger C. 1988, 137.

54
von der >Tyrannei der Neuheit< befreit, so daß nach der Versteinerung und der
>Entpersönlichung< jetzt ein Klima sich ausbreiten könne, wo Expressivität und Subjektivität
der Künstler sich frei enthalten können."340 Lyotards Kunstauffassung ist in diesem Sinne nicht
befreit. Sie ist an eine bestimmte höhere Aufgabe gebunden. Zum einen fragt sie nach neuen
Regeln und hinterfragt die Vergangenheit, sie ist reflexiv, avantgardistisch, und zum zweiten,
wie auch Christa Bürger betont, "In einer Philosophie der Kunst sucht Lyotard eine Antwort auf
die Frage, wie wir Widerstand bieten können, >wenn wir keinen Horizont der Emanzipation
haben<."341 Oliva dagegen, der gegen die Kunstentwicklungen der 1960er Jahre, der Avantgarde,
propagiert: "(...) totale Emanzipation der Kunst vor allen Regeln, Stilen, Tabus, moralischen,
gesellschaftlichen, politischen Verpflichtungen (...). (...) das bedeutet die Übernahme einer
nomadischen Position, die kein endgültiges Engagements respektiert (...)."342
Postmoderne oder "Trans-Avantgardistische" Kunstrichtungen werden oft mit dem Vorwurf des
Eklektizismus konfrontiert. In der Literatur stößt man in diesem Kontext auf den oft zitierten
Ausdruck "anything goes" des Wissenschaftsphilosophen Paul Feyerabend. Wie Partsch
erwähnt, wird die Postmoderne oft mit diesem bekannten Satz Feyerabends assoziiert.343 Um
"anything goes" in der Kunst und um Uneinigkeiten selbst bei Experten in Bezug auf die
Anwendung des Begriffs der Postmoderne in der Kunst zu demonstrieren, nimmt Suzanna
Partsch den Piazza d`Italia in New Orleans, gebaut von Charles Moore (Vgl. Abb. 7.), als
künstlerisches Beispiel an.344 Der Piazza d`Italia, welcher oft als typischer Baurepräsentant der
postmodernen Kunst angesehen wird, verbindet in sich einer Vielfalt an unterschiedlichen
Elementen. Auf fast kitschige Weise bringt Moore alte wie neue architektonische Elemente
ebenso wie italienische Identitätselemente in einem Werk zusammen. Partsch äußert sich mit
folgenden Worten über das bekannte architektonischen Werk: "In einem Einkaufszentrum geben
sich antike Säulenkolonnaden, Neoröhren und ein Wasserbaasin mit einem Steg in Form des
italienischen Stiefel ein Stelldichein. Moore will damit der in der New Orleans ansässigen
italienischen Bevölkerung eine Identität geben, ironisiert sie aber gleichzeitig. Von Heinrich
Klotz als >das wohl treffendste Beispiel postmodernen Bauens< charakterisiert, wurde die
Piazza d`Italia von Wolfgang Welsch zum >Italoburger mit Hollywood-Dressing< degradiert.
Ob die Piazza d`Italia, die auch als historisierender Stilmischmasch und oberflächlicher
Eklektizismus bezeichnet wurde, postmodern ist oder nicht, darüber streiten sich die

340
Bürger C. 1988, 137.
341
Bürger C. 1988, 125.
342
Bürger C. 1988, 137.
343
Vgl. Partsch 2008, 18 f.
344
Vgl. Partsch 2008, 18/19.

55
Architekturtheoretiker heute noch."345 Der Piazza d`Italia wäre wahrscheinlich das ideale
Beispiel eines Kunstwerks, welches Lyotard nicht besonders schätzte. Obwohl er für die Vielfalt
der Sprachspiele in der Kunst und gegen die Totalität plädierte, setzt er sich in gleicher Weise
gegen die Beliebigkeit ein. Lyotard würde wahrscheinlich das Werk in gleicher Weise ablehnen,
wie Welsch es tut. Da das Werk in bestimmter Weise an den Wünschen der breiten Masse und
der Konsumgesellschaft orientiert ist und da Charles Moore die Elemente der vergangenen
Epochen übernimmt, sie fast kitschig zusammenbringt und letztendlich dadurch in seinem Werk
kein Novum im Sinne Lyotards hervorbringt bzw. nicht nach den neuen Regeln und Formen
sucht, sind vor allem Gründe, die für die Ablehnung des Werkes sprechen. Eine Stellungnahme
Lyotards zum Eklektizismus wie auch zur Trans-Avantgarde, die versucht, die Avantgarde zu
"liquidieren"346, aber auch allgemeine gesellschaftliche Trends, ist besonders ablehnend
eingestellt: "Eklektizismus ist der Nullpunkt zeitgenössischen Bildung: Man hört Reggae, schaut
Western an, ißt mittags bei McDonald und kostet zu Abend die heimische Küche, trägt
französisches Parfum in Tokyo, kleidet sich nostalgisch in Hong Kong, und als Erkenntnis tritt
auf, wonach das Fernsehquiz fragt. Es ist leicht, für eklektische Werke ein Publikum zu finden.
Indem die Kunst zu Kitsch wird, schmeichelt sie dem Durcheinander, das den >Geschmack< des
Liebhabers beherscht."347 In Zeilen Anne Bracklow, bezugnehmend auf den Piazza d`Italia und
die Postmoderne, findet man ein Plädoyer für die postmoderne Tendenz in der Architektur. "In
der Postmoderne wollte die Architektur wieder reden, zitieren, bedeuten und unterhalten. Als
wichtiger Beispiel ist hier die Piazza D`Italia in New Orleans (1976-79) zu nennen, die für
Charles Jencks >das wirklich große Denkmal der Postmoderne< (...) ist".348
Der Versuch seitens der Postmoderne, die Kommunikation und die verlorene Verbindung mit
dem Publikum herzustellen, ist Lyotard zufolge der Hauptvorwand, den neue Tendenzen der
Kunst benutzen, um die Überwindung des Avantgardismus zu rechtfertigen.349 In traurigem und
vorwurfsgeladenen Ton betont Lyotard an mehreren Stellen in seinen Schriften, dass mit den
gegenwärtigen Tendenzen der Tod der Avantgarde, die er besonders schätzt und zur großen
Bewegung erklärt,350 ausgerufen wird. In ihr sieht man, vom heutigen Standpunkt aus betrachtet,
einen veraltetes, spottwürdiges Modell der Moderne: "Man ist sozusagen übereingekommen,
über die Avantgarden, die man als Ausdruck einer veralteten Moderne ansieht, zu lächeln oder
zu lachen."351 Um Unverständnisse vorzubeugen, ist es aber notwendig, zu erwähnen, worauf

345
Partsch 2008, 19.
346
Vgl. Lyotard 1987, 15.
347
Lyotard 1987, 20.
348
Bracklow 2004, 80.
349
Vgl. Lyotard 1987, 125.
350
Vgl. Lyotard 1987, 104.
351
Lyotard 1987, 104.

56
auch Reese-Schäfer in seinem Buch verweist, dass Lyotard, wenn er über die Avantgarde und
deren Ende spricht, nicht zu verstehen ist "(...) als wolle Lyotard einen Traditionalismus der
ästhetischen Moderne aufbauen."352 Hauptgedanke Lyotards ist vor allem, dass Kunst
experimentieren sollte, "(...) um immer wieder Versuche zu machen, auf das Undarstellbare
hinzuweisen."353 Schließlich ist die Avantgarde nach Lyotard ideal dafür geeignet, diese Aufgabe
zu übernehmen. Im Unterschied zu Lyotard plädiert Charles Jencks, der als Einführer des
Begriffs Postmoderne in der Architektur gilt und der oft als Opponent zu Lyotard in der
Fachliteratur erwähnt wird, für die endgültige Aufhebung der Avantgarde. Wie er erklärt, ist
Postmoderne der "(...) Veränderung der Gegenwart verpflichtet, aber im Gegensatz zur
Avantgarde verzichtet sie auf die Vorstellung von der ständigen Innovation oder der
unaufhörlichen Revolution."354
Lyotard versucht die Avantgarde zu verteidigen, indem er sie zur Postmoderne innerhalb der
Moderne erklärt.355 Die Äußerung Friesen in Bezug auf Lyotard und seine Verteidigung der
Avantgarde und ihre Erklärung zur Postmoderne in der Moderne ist absolut zutreffend, da
Lyotard selbst in einem Gespräch betont, dass die Postmoderne das Werk der Avantgarde
fortsetzen sollte: "Statt sich auf einen häufig zynischen Eklektizismus zu beschränken, hat die
Postmoderne,(...), die Aufgabe, das Werk der Avantgarde-Bewegungen fortzuführen, ohne sich
jedoch durch diese Ideale zu legitimieren..."356
Unter Eklektizismus fallen für Lyotard Bewegungen und Stile, die kunstgeschichtlich betrachtet
in der Periode der Postmoderne unterzubringen sind. Friesen schilderte die neue Entwicklung in
der bildenden Kunst, die jedoch nicht die Avantgarde und die charakteristischen Züge der
Moderne fortsetzen, sondern sich von ihr distanzierten. Es waren die neuen Stilrichtungen, die in
der Kunst der 1980er Jahren aufkamen, vor allem die "Neuen Wilden", eine Gruppe junger
Künstler in Deutschland und die "Transavantgardisten" in Italien, die sich, obwohl sie in der
Moderne ausgebildet waren, mit den für die Moderne charakteristischen Merkmalen brachen. Sie
(...) überraschten das Publikum mit Bildern, die sich durch eine neu entdeckte Sinnlichkeit
auszeichneten."357 Zu den "Neuen Wilden" beziehungsweise zum Neoexpressionismus, der im
Gegensatz zur abstrakter Kunst steht und der eine neue Stilrichtung in der Malerei bezeichnet,
für die vor allem der figurative und farbenreiche Malstil charakteristisch ist, wie auch zur Trans-
Avantgarde, bezieht Lyotard äußerst kritisch Stellung: "(...) Diese Trans-Avantgardisten - sagen
wir Neoexpressionisten (...) -, nehme ich als etwas wahr, bei dem schlicht und einfach alles

352
Walter Reese-Schäfer 1989, 54.
353
Walter Reese-Schäfer 1989, 54.
354
Jencks 1988, 85.
355
Vgl. Friesen 1995, 58.
356
Lyotard 1985, 30.
357
Friesen 1995, 58.

57
vergessen wird, was seit einem Jahrhundert unternommen und versucht worden ist. Ich nehme
sie als etwas wahr, bei dem der Sinn für das, was auf dem Spiel steht, verloren gegangen ist, als
unverbindliche Rückkehr zum Vergnügen des Besuchers, als Vernachlässigung des
künstlerischen Auftrags, wie er von einem Cézanne, einem Duchamp und vielen anderen, wie
Klee zum Beispiel, verstanden worden ist.358 Um den Verlauf der Kunst von der Moderne zur
Postmoderne verständlicher zu machen und die Kluft zwischen Lyotards Idee der reflexiven und
nachzudenkenden Kunst und aufkommenden gegenwärtigen Tendenzen der Postmoderne besser
zu veranschaulichen, möchte ich mich auf Hans Friesen Darlegung der Entwicklung der Kunst,
von der Moderne zu ihrem Gegensatz Postmoderne, stützen. Hans Friesen erklärt zunächst, dass
mit der Entwicklung der Zentralperspektive von Leon Battista Alberti und Brunelleschi, die
Lyotard kritisierten, eine Kunst "(...) für die Wahrnehmung, eine Kunst der Abbildung der
sichtbaren Welt (...)"359 entstand. Zentralperspektive und ästhetische Wahrnehmung waren
entscheidende Voraussetzungen des Kunstschaffens bis in die zweite Hälfte des 19 Jh. und
wurden abgelöst mit dem Auftreten des Kubismus und seiner Formzersplitterung, mit der "(...)
neue Anforderungen an die ästhetische Wahrnehmung (...)"360 gestellt wird. Letztendlich beginnt
in der erste Hälfte des 20 Jh. mit dem Aufkommen abstrakter Bilder eine neue Epoche innerhalb
der modernen Kunst. Dazu zählen Vertreter des amerikanischen abstrakten Expressionismus,
beispielsweise Newman, Pollock und Rothko u.a.. Die Wahrnehmung selbst verliert an
Bedeutung und der Kunst wird die Aufgabe, zum Denken anzuregen, verliehen.361 "So kann das
Weltbild nur noch indirekt aus dem Bild der Welt gewonnen werden .(...) Die Wahrnehmung
dieser Bilder, die aus einer Nahdistanz erfolgen soll, muß gleichsam vor ihrer Übergröße
scheitern. Dieses Scheitern (...) kann nur noch durch die Vernunft, die in Gedanken eine ganze
Vorstellung zustande bringt, aufgefangen werden."362

Lyotard spricht in diesem Zusammenhang davon, daß die Moderne in der Kunst als eine Ästhetik
des Erhabenen zu betrachten sei. Wahrnehmung ist damit dem Denken untergeordnet."363
Moderne Kunst wie auch Avantgarde findet ihren Ursprung Lyotard zufolge vor allem in der
Ästhetik des Erhabenen.364 Die Malerei in der Ästhetik des Erhabenen kennzeichnet er als
Malerei, die sich in erster Linie von der reinen Abbildung und von dem Figurativen distanziert.
"(...) Sie wäre >weiß< wie ein Quadrat von Malewitsch, sie würde nur sichtbar machen, indem

358
Lyotard 1985, 72.
359
Friesen 1995, 68.
360
Friesen 1995, 68.
361
Vgl. Friesen 1995, 68.
362
Friesen 1995, 68.
363
Friesen 1995, 68.
364
Vgl. Lyotard 1987, 22.

58
sie zu sehen verbietet, sie würde nur Lust bereiten, indem sie schmerzt." 365Abstrakte Kunst, die
in Werken von Klee, Kandinsky, Malewitsch u.a. besonders exemplarisch wiederzufinden ist,
kenngezeichnet Friesen "(...) als Suche nach einer >wahren Schau der Wirklichkeit< (...), die von
Newman mit kantianischer Hilfe zu Ende geführt wird. Diese Entwicklung (...), wird heute als
>klassische Moderne< designiert, die zwischen Kubismus und Postmoderne einzuordnen ist. Ihr
wesentliches Merkmal besteht in einer Unterordnung der Wahrnehmung und einer Aufwertung
des Geistigen, des Reflexiven, des Denkens. Damit wird eine völlige Überwindung des
Realismus, der letztendlich auf eine Gleichsetzung von Wahrnehmung und Wirklichkeit
hinausgelaufen war, vollzogen. Allerdings wird die klassische Moderne selbst wiederum von
einer Wiederversinnlichung der Kunst überwunden."366 Für die postmoderne Kunst, die sich von
der Moderne abgrenzte, wie Friesen weiter anführt, ist der ästhetische Geschmack nicht mehr
unter Reflexivem zu finden, "(...) sondern auch im Sinnlichen, in dem sich das Angenehme, das
Populäre, das Dekorative, das Ornamentale abspielt, das alle Modernisten angeekelt, das einige
sogar, wie etwa Adolf Loos, als >Verbrechen< angesehen hatten."367
Die Avantgarde wirft als die Stilrichtung der Moderne vor allem der Postmoderne ihre Neigung
zur Popularität vor. Andersherum stellt sich die Postmoderne dem elitären Modernismus
entgegen.368 Lyotard selbst stellt sich, seinen Schriften zufolge, auf die Seite der Avantgarde und
kritisiert vor allem die postmoderne Neigung zur Popularität in der Kunst. Anderseits kritisiert er
ebenso elitäre und etablierte Züge des Modernismus. Den Grund für die Aversion gegen die
neuaufkommende populistische und zum Vergnügen gerichtete Ästhetik erklärt Friesen anhand
der für den Modernismus charakteristischen Kritik der Warenästhetik. Sie erkennt "(...) in allen
ästhetischen Gebilden, die Vergnügen bereiten, nichts anderes als Instrumente, die die Neigung
der Menschen gefangenhalten."369 Weiteres führt Friesen fort: "Die Aversion gegen
Annehmlichkeiten und Popularität, Schönheit, Dekoration und Ornament in der Kunst, (...),
erklärt die Feindschaft, die die Modernisten in ihren Aussagen über die Postmoderne vielfach an
den Tag legen."370

3.5. Konsum und Ästhetik der Postmoderne bei Jencks und Lyotard

Der Architekt und Architekturtheoretiker Charles Jencks setzte sich für die Abgrenzung der
Postmoderne von der Moderne ein. Die Postmoderne, wie er in seinem Aufsatz "Die Sprache der

365
Lyotard 1987, 24/25.
366
Friesen 1995, 67.
367
Friesen 1995, 59.
368
Vgl. Friesen 1995, 61.
369
Friesen 1995, 60.
370
Friesen 1995, 60.

59
postmodernen Architektur" betont, sei in ähnlicher Weise der Moderne entwachsen, wie auch zur
damaligen Zeit die manieristische Architektur der Hochrenaissance.371 Obwohl ihm bewusst ist,
dass eine abrupte Abgrenzung nicht stattfinden kann, vor allem weil postmoderne Architekten
den Großteil ihrer Ausbildung in der Zeit der Moderne genossen haben. Außerdem ist Jencks
Einsicht zufolge die Postmoderne nicht exklusiv, sondern lässt unter guter Begründung auch
einige moderne Formen zu.372 Mit Jencks Worten ausgedrückt: "Denn wir sprechen hier von
einer Evolution aus dem Verlassen einer allgemein geteilten Position, nicht von einem
revolutionären Bruch mit der unmittelbaren Vergangenheit. Und daraus ergibt sich eins der
erstaunlicher, ja bestimmenden Merkmale der Postmoderne: Sie schließt die moderne
Architektur und das Formale als mögliche Lösungen ein, die dort angewendet werden, wo sie
geeignet sind (...).373 Der Literaturtheoretiker Leslie Fiedler erklärte dagegen die Moderne für
tot.374 Lyotard jedoch vertritt einen paradoxalen Begriff der Postmoderne. Wie paradox Lyotard
den Begriff der Postmoderne anwendet, zeigt auch eine Äußerung Lyotards, die Welsch in
seinem Buch erwähnt. Als Lyotard gefragt wurde, "(...) wem er sich mit seiner postmodernen
Position denn nun am nächsten fühle, da befand er zielsicher, daß dies Aristoteles sei also einer,
bei dem sich Postmodernes, wenn schon, vor aller Moderne finden muß."375

Einerseits ist vor allem die Position Jencks wie auch anderer Architekturtheoretiker der
Postmoderne, die für Abgrenzung von der Moderne plädierten, verständlich, wenn man in
Betracht zieht, dass die moderne Architektur, obwohl an avantgardistischen Idealen orientiert, in
ihrer Realisierung letztendlich "(...) ist mehr als schal, ist oft schrecklich ausgefallen (...)."376
Noch dazu möchte sich die Postmoderne, im Unterschied zur modernen Architektur, an die reale
Öffentlichkeit wenden und mit ihr kommunizieren.377 In seinem Buch "Die Sprache der
postmodernen Architektur" präsentiert Charles Jencks seine Vision der postmoderne Architektur
mit folgenden Worten: "Der Fehler der modernen Architektur war, daß sie sich an eine Elite
richtete. Die Postmoderne versucht den Anspruch des Elitären zu überwinden (...) durch
Erneuerung der Sprache der Architektur in verschiedenen Richtungen - zum Bodenständigen zur
Überlieferung und zum kommerziellen Jargon der Straße."378 In diesem Sinne spricht Charles
Jencks von der "Doppelkodierung" in der Architektur, während Fiedler ein wenig früher in

371
Vgl. Jencks 1998, 85.
372
Vgl. Jencks 1998, 88.
373
Jencks 1998, 88.
374
Vgl. Welsch 1987, 15.
375
Welsch 1987, 10.
376
Welsch 1987, 90.
377
Vgl. Welsch 1987, 90.
378
Jencks zitt. in: Welsch 1987, 19.

60
diesem Sinne, wie Welsch betont, über "Doppelagenten" in der Literatur sprach.379 Die
Doppelkodierung im Sinne Jencks ist vor allem wichtig, da dadurch architektonische Werke dem
Laien-Publikum, näher gebracht werden. In der Zeit der Moderne hat sich die Architektur von
den Menschen distanziert. Sie war "(...) weitgehend intellektuell und elitär und erreichte die
Herzen und Wünsche der Mehrzahl der Bevölkerung nicht."380
Die Gemeinsamkeit zwischen Lyotard und Jencks, die auf den ersten Blick völlig
entgegengesetzte Stellungen vertreten, ist, dass er auch die Vielfältigkeit der Sprachen in der
Architektur annimmt. Architektur ist bei Jencks als Sprache zu verstehen, als soziales
Kommunikationsmittel, mit dem der Betrachter und der Konsument angesprochen werden
sollten. Um diese Kommunikation erfolgreich mit verschiedenen Schichten von Konsumenten
herzustellen, bedarf es der Anwendung verschiedener Sprachen.381 Um sich von den in der
Moderne existierenden einheitlichen Tendenzen abzugrenzen, bedarf es zusätzlich die
gleichzeitige Anwendung von zwei in sich konträren Architektursprachen, "(...) also
beispielweise traditionelle und moderne, elitäre und populäre, internationale und regionale
Kodes (...). Das meint die Formel von der >Doppelkodierung<, dem Fundamentalkriterium
postmoderner Architektur."382
Im Unterschied zur Architektur der Moderne möchte die Postmoderne sich an die reale
Öffentlichkeit wenden und mit ihr kommunizieren.383 Als Beispiel für mehrsprachige
Äußerungen in der deutschen Architektur erwähnt Welsch die neugebaute Stuttgarter
Staatsgalerie aus dem Jahr 1984 (Vgl. Abb. 8.). Welsch erklärt im Anschluss, wieso er gerade
die Stuttgarter Staatsgalerie als Paradebeispiel auserwählte: Es ist ein Zusammenfüge von
traditionellen und modernen sowie auch elitären und populären Formensprachen. Zum
Traditionellen auf der einer Seite kommt das Populäre als ihre Opposition in Form von grünen
Noppenböden, wie auch Handläufen in Pink und Blue-Ice-Farben hinzu.384
Genau in der Anwendung der Sprache der Kunst liegt der größte Unterschied zwischen Lyotard
und Jencks. In Lyotards Auffassung der Kunst versucht sich die Kunst dem Publikum nicht
anzupassen und fungiert daher nicht als soziales Kommunikationsmittel. Vielmehr ist es
umgekehrt so, dass das Publikum sich den Werken anpasst und versucht, sie in bestimmter
Weise zu entschlüsseln. Man muss aber in Betracht ziehen, dass architektonische Werke der
Postmoderne, auf welche sich Jencks bezieht, auch kommunikationsfähiger sind. Man muss
bedenken, dass Werke der Avantgarde, vor allem auch abstrakte Kunst, auf die Lyotard seine

379
Vgl. Welsch 1987, 19.
380
Welsch 1987, 19.
381
Vgl. Welsch 1987, 20
382
Welsch 1987, 20.
383
Vgl. Welsch 1987, 90.
384
Vgl. Welsch 1987, 21.

61
Ästhetik gründet, für den gewöhnlichen Betrachter viel schwerer zugänglich sind. In seiner
Schrift über den zeitgenössischen Künstler Karel Appel, die er ein wenig später schrieb, betont
Lyotard, dass experimentelle Malerei ebenso "gegenständlich" bleibt. Sie stellt etwas dar, was
beim Betrachter verschiede Assoziationen hervorruft, die er (der Betrachter) einnimmt, und
dadurch zum aktiv Beteiligten wird.385 "Diese Aktivität ist Teil des menschlichen Wesens, diese
Art des Sehens ist jedem möglich, sie ist dem Verstand jedes Einzelnen zugänglich, sobald die
ästhetischen Konventionen aufhören, das Wirken des Unbewussten zu behindern."386 Den Zeilen
zufolge suchen experimentelle Kunstwerke nach dem Publikum und sind nicht von der
Gesellschaft abgegrenzt. Kunst als Kunst wird üblicherweise als Kommunikationsmittel
angenommen; als "imaginärer Dialog", "geistige Auseinandersetzung" zwischen dem Künstler,
dem Werk und dem Betrachter.387 Den kommunikativen Aspekt der Kunst selbst bestreitet
Lyotard in seinen Schriften nicht. Jedoch die Kunstwerke, die er hervorhebt, öffnen sich dem
Betrachter nicht direkt und nicht mit Leichtigkeit. Die sind nicht leicht kennenzulernen. Ein
zeitgenössisches Kunstwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass es zu sagen scheint: "(...) Ihr
werdet mich nicht kennenlernen; oder vielleicht nur: Ihr werdet mich nicht rasch
kennenlernen."388 Da neue Entwicklungen in der Technik im 20 Jh. neue technische
Möglichkeiten und Anwendungen im Kunstschaffen ermöglichten, mit denen es den Künstlern
möglich war, mit neuen Darstellungsformen, Materialien etc. zu experimentieren, ist für diese
Periode der Kunst "(...) der Drang zur Abstraktion [kennzeichnend], die Entstehung neuer
inhaltlicher Themen, die Suche nach originellen Ideen und Konzepten, die zunehmende
Signifikanz des Kunstraumes (...)."389 Genau auf dieses moderne Merkmal der Kunst des 20 Jh.
nimmt Lyotard Bezug. Es ist die Kunst, die vor allem experimentiert. Kunst, die experimentiert,
ist genau das Gegenteil zur realistischen Kunst, die die wahrnehmbare Realität darstellt und die
sie in erzählerischer Form weitergibt390, für die Lyotard keine Sympathien hat.

Den negativen Aspekt der postmodernen Forderung nach Vielfältigkeit der Sprachen in der
Kunst betont Welsch, in dem er auf die Gefahr der Beliebigkeit hinweist, welche schließlich zum
Eklektizismus der Kunst führt. Als Paradebeispiele für die verfehlte Anwendung der
Vielfältigkeit führt er Potpourri und Disneyland an. Die postmoderne Forderung nach
Mehrsprachlichkeit darf, wie Welsch betont, nicht verstanden werden als Forderung, dass "(...)
einzelne Vokabeln und beliebige Zitate an einem Gebäude herumschwimmen, sondern daß die

385
Vgl. Lyotard 1998, 154.
386
Lyotard 1998, 154.
387
Vgl. Noebel 2012, 22.
388
Lyotard 1987, 28.
389
Noebel 2012, 19/20.
390
Vgl. Lyotard 2004, 182.

62
spezifische Logik und die unbeliebigen Möglichkeiten der jeweiligen Sprache in ihrer
Konsequenz zur Anschauung gebracht werden."391 Nach diesen Richtlinien wird Welsch zufolge
"(...) zwischen Hoch-und Billigformen von Postmoderne oder zwischen Postmoderne und
Tohuwabohu"392 unterschieden. Joachim Heßler erwähnt in seiner Schrift ebenso Charles
Moores "Piazza d`Italia" und konstatiert, dass obwohl Jencks dieses architektonische Werk als
Beispiel der Postmodernen Architektur lobte, das Werk vielmehr unter die Kategorie des
radikalen Eklektizismus zu ordnen ist. Charles Jencks selbst aber lehnt den Eklektizismus nicht
ab. Da Bauwerke verschiedene Schichten der Gesellschaft und "Geschmackkulturen"
anzusprechen müssen, ist es auch notwendig, verschiedene Stile einzusetzen. 393
Heßler nach ist die Piazza d`Italia kein Repräsentant der Architektur der Postmoderne, sondern
vielmehr das Paradebeispiel dafür, wie man eklektizistische Werke leicht mit den Werken der
Postmoderne, die nach Doppelkodierung streben, irrtümlich verwechseln kann. Für ihn ist die
Piazza d`Italia noch immer modern und zugleich eklektisch, außerdem in erster Linie für die
breite Öffentlichkeit bestimmt, die sich keine vorausgesetzte Doppelkodierung darzustellen
vermag.394 "Eine derartige Architektur reicht nicht über den Code der breiten Öffentlichkeit
hinaus, sie bietet keinen Raum der Entdeckung.(...). Moore und mit ihm auch Jencks begehen bei
diesem Bauwerk den Fehler, sich zu sehr nach den Geschmackskultur des Publikums bzw. der
Bewohner zu richten (...) bleibt Moore im Zeit-Raum der Moderne. Das Bauwerk ist nicht
doppelt, sondern einfach codiert."395
Für Welsch liegt gerade in Lyotards Verlangen nach Vielfalt und seiner Identifizierung der
Avantgarde mit der Postmoderne, und anderseits in Jencks, obwohl er ebenso die
Verschiedenheit und Vielfalt betont, ein versteckter Wunsch nach Wiedervereinigung und
Synthese, der Hauptunterschied zwischen diesen zwei postmodernen Denkern. Lyotard setzt die
Avantgarde der Postmoderne gleich und plädiert für ihre Fortführung, während Jencks sich
letztendlich angesichts des Einheitswunsches paradoxerweise nach dem Barock sehnt.396
Über Jencks schreibt Welsch: "Denn er hält einerseits - differenzbewußt und auf die
Doppelkodierung verweisend - daran fest, daß der Postmodernismus >keine integrierte Sprache<
sein kann, wie es beispielsweise der Barock war. Aber anderseits erklärt er gerade den Barock
zum Sehnsuchtspol der Postmoderne, sofern es dort zur Erzeugung "eines rhetorischen Ganzen"
gekommen sei.397

391
Welsch 1987, 23.
392
Welsch 1987, 23.
393
Vgl. Jencks 1988, 92.
394
Vgl. Heßler 2001, 33.
395
Heßler 2001, 33.
396
Vgl. Welsch 1987, 42.
397
Welsch 1987, 42.

63
Obwohl Lyotard und Jencks sich gegenseitig Relativismus, Beliebigkeit und das Fehlen
jeglichen Kriteriums vorgeworfen haben, betont dennoch Welsch, dass ihnen die Abwehr von
Beliebigkeit gemeinsam ist.398 Wertungskriterien sind Lyotard, zumindest seinen Schriften
zufolge, wichtig, und er plädiert ebenso gegen Beliebigkeit in der Kunst, vor allem angesichts
seiner Stellungnahme zu postmodernen Entwicklungen in der Kunst. Lyotard setzt sich nicht für
regellose Kunst, wie auch nicht für die Kunst, die festgelegten ästhetischen Konventionen folgt,
ein, sondern für die Kunst, die immer aufs Neue nach ihren Regeln fragt und sie neu ansetzt. Mit
der Trans-Avantgarde und dem Eklektizismus in der Kunst beginnt für ihn die Epoche der
Beliebigkeit. Ihm zufolge entscheidet über den ästhetischen Wert eines Kunstwerkes der
Geschmack des Publikums. Weiterhin ermöglich Lyotard zufolge gerade das Fehlen an
ästhetischen Kriterien in der Kunst, dass letztendlich Kunstwerke zur Ware werden. Geld und
Profit beziehungsweise Markt und Nachfrage werden zu Kriterien der Wertigkeit in der Kunst.399
Obwohl die Postmoderne als eine soziokulturelle Entwicklung durch zunehmende
Kommerzialisierung der Gesellschaft gekennzeichnet ist400, kritisiert Lyotard diese
gegenwärtigen Entwicklungen, die sich auch in der Kunst reflektieren: "Aber dieser Realismus
der Beliebigkeit ist der des Geldes: In Ermangelung ästhetischer Kriterien ist es möglich und
nutzbringend, den Wert der Werke am Profit zu messen, den sie erbringen. Dieser Realismus
paßt sich allen Tendenzen an, wie das Kapital, das sich allen >Bedürfnissen< anpaßt, unter der
alleinigen Voraussetzung, daß Tendenzen und Bedürfnisse über die nötige Kaufkraft
verfügen."401 Lyotards Kritik ist zwar auf die gegenwärtigen Tendenzen in der Kunst gerichtet,
passt jedoch ebenso auf die aktuelle Situation in der zeitgenössischer Kunst.
Als Beispiel dafür könnte auch die Turner Preisverleihung, mit der vor allem junge,
gegenwärtige, Künstler geehrt werden, für die Entwicklung der Trends in der Kunst dienen. Vor
allem werden immer wieder kontroverse Künstler nominiert und ausgezeichnet. Unter ihnen
waren unter anderem Damien Hirst, der halbierte Tiere präsentierte und Tracey Emin, die ihr
ungemachtes Bett mit verschiedenen privaten Requisiten zu Schau stellte. Immer wieder sorgt
die Nominierung und begleitende Ausstellung im Tate Museum für einen Skandal. Anderseits
wird heutzutage fast nach Skandalen gesucht.402 Da der Turner-Preis immer wieder für
Aufregung sorgt, wird die Verleihung von den Medien mit hohem Interesse verfolgt. "The
Guardian", "The Telegraph", "Die Zeit" und andere renommierte Zeitschriften verfolgen und
informieren jedes Jahr über die nominierten Künstler, wie auch über die darauf zu erwartende

398
Vgl. Welsch 1987, 41.
399
Vgl. Lyotard 1987, 20
400
Vgl. Noebel 2012, 48.
401
Lyotard 1987, 20.
402
Vgl. Kunst und ein bisschen Skandal, Süddeutsche (06.12.2011), 10.09.2014.

64
Reaktion. Durch die gegebene Aufmerksamkeit der Medien erhöht sich gleichzeitig der Anzahl
der Besucher in der Tate Gallery in London, wo die nominierten Werke jährlich ausgestellt
werden. Über Damien Hirsts 1995 ausgestelltes Werk liest man:"(...) brought an unprecedented
peak in visitor numbers and created tabloid excitement (...)"403, Tracy Emin, eine vor der
Nominierung zum Turner-Preis fast unbekannte Künstlerin, hat schließlich ihr ungemachtes Bett
an Charles Saatchi für 150 000 Pfund verkaufte.404 Es sind vor allem Werke, die sich gut
vermarkten lassen, die Neugier beim Betrachter wecken und die für eine Erhöhung der
Besucherzahl wie der Leserschaft sorgen. Es sind Werke, die mit Lyotards Wörtern
identifizierbar sein könnten, mit denen er damals aktuelle Kunstbewegungen bezeichnet, die aber
heute noch immer aktuell klingen, als Werke, "(...) die leicht wiedererkennbar und leicht
kommunizierbar sind und den Erfordernissen des Marktes entsprechen - und nicht nur des
Geldmarktes, sondern auch des Medienmarktes, d.h. des Marktes der Kommunikation."405
Solche Werke, die ihre Sprache den gesellschaftlichen Anforderungen anpassen, sind sowohl zu
Zeiten Lyotards als auch gegenwärtig präsent und passen sich in keinerlei Weise Lyotards Idee
der Postmoderne an. Sie beinhalten keine paradoxalen, unübersetzbaren Sätze, sondern vielmehr
alltägliche, kommunizierbare, rasch übersetzbare Phrasen. Diese Werke dienen der Popularität
und Unterhaltung, obwohl sie ihre Funktion des Tabu-Brechens immer wieder betonen. Wenn
aber auch Kunstwerke zum Tabu-brechen bestimmt sind, verlieren sie ihr experimentelles
Merkmal. Immer wieder wird dasselbe erwartet und angekündigt, nämlich Schock und
gesellschaftliche Empörung. Kunstwerke sind schon von vornherein auf die Bekanntmachung
durch die Medien wie auch auf die Wünsche des Kunstmarktes angewiesen.

4. Ästhetik des Nicht-Darstellbaren und Erhabenen. Eine Einführung

Das Herzstück Jean-Francois Lyotards Ästhetik ist seine Ästhetik des Erhabenen. Martin Götze
betont, dass mit Lyotard das Erhabene zum Modewort geworden ist.406 Seine Ästhetik des
Erhabenen entwickelte er in Anlehnung an Kants "Kritik der Urteilskraft", jedoch mit
bestimmten Veränderungen. Die "Kritik der Urteilskraft" Kants und Lyotards Schriften, in denen
er sich auf Kant bezieht, bilden den Grundstein der Erklärung von der Ästhetik des Erhabenen.
Da Lyotard ausgerechnet bei Kant, einem Philosophen der Aufklärung, der sich eigentlich nicht
im engeren Sinne mit Kunst und Ästhetik beschäftigt hat, den Ursprung seiner Ästhetik findet,
ist ungewöhnlich. Christine Pries erwähnt diesbezüglich, dass schon die Hegelianer Kant

403
Turner Prize: A Retrospective 1984 – 2006: 92–95, Tate Museum (Website), 10.09.2014.
404
Vgl. Kunst: Unsinnig, Die Zeit (31.03.2005), 12.08.2014.
405
Vgl. Lyotard 1986a, 105.
406
Vgl. Götze (1993), Sic et Non-Forum for Philosophy and Culture, (20.08.2014).

65
belachten und ihm vorwarfen, er sei nicht in der Lage, über Kunst zu reden, denn "(...) der arme
Kerl habe ja nie im Leben auch nur ein anständiges Kunstwerk zu Gesicht bekommen."407
Lyotard dagegen war offensichtlich anderer Meinung. Nach ihm ist "(...) der Avantgardismus
(...) keimhaft in der Kantischen Ästhetik des Erhabenen enthalten."408 Lyotard übernimmt vor
allem Kants Differenzierung zwischen dem Schönen, Sinnlichen und Erhabenen
beziehungsweise von Verstand und Vernunft weiter in seiner Ästhetik auf. Ohne sich auf Kants
Widerstreit zwischen diesen Begriffen zu beziehen, ist auch kein Verständnis von Lyotards
Auffassung des Erhabenen möglich.409
Wie Reese-Schäfer betont, ist der Begriff des Erhabenen keine Errungenschaft der Philosophie
und Ästhetik des 20 Jh., sondern wurde schon seit dem 17 Jh. verwendet, "(...) um
Gefühlsmomente zu beschreiben, die mit dem Begriff des Schönen nicht zu erfassen waren, die
vielmehr mit der Wahrnehmung von Schmerz und Gefahr, Angst und Schrecken verbunden
waren, allerdings nicht unmittelbar, sondern aus einer gewissen sicheren Entfernung, so daß sich
Unlust und Lust, Bedrängnis und Erleichterung eigentümlich vermischen."410 Der Begriff des
Erhabenen kommt geschichtlich viel früher zutage, aber mit dem Ende des 17 Jh. bis Ende des
18 Jh., war es zu dieser Zeit als "(...) widersprüchliche Gefühl, wodurch sich das Unbestimmte
ankündigt und entzieht (...) der Angelpunkt der Reflexion über die Kunst."411 Der Begriff, der
schon in der Antike präsent war, bezeichnete etwas, was sich von dem Sinnlichen abgrenzt und
seinen Platz in der übersinnlichen, göttlichen Sphäre findet. Friesen erklärt, dass der Begriff des
Erhabenen, auf Griechisch „hypsos“ zur göttlichen Offenbarung wurde. Bei Longinus, einem
Denker aus dem Ende des 1 Jh., für den man annimmt, dass er der Autor des Traktats "Peri
hypsous" ist412, wurde der Hypsos-Terminus säkularisiert und zum literarischen Begriff.
Longinus, der allen Anschein nach auch der Autor der Schrift ist, differenziert zwischen falschen
und echten Hypsos. Der echte Hypsos grenzt im Unterschied zum falschen, die Seele vom
Sinnlichen ab und überführt sie ihrem Ursprung. Wie Friesen weiter erklärt wird bei Longinus
Platons Differenzierung von zwei Welten sichtbar; eine Welt der reinen Ideen als die Welt des
Wahren, und die Welt des Sinnlichen.413 Im Unterschied zur diesem früheren Verständnis des
Erhabenen wird für Lyotard die Gefühlsebene des Subjekts enorm wichtig. Das Erhabene wird
beim Lyotard durch eine Mischung von Lust und Angstgefühlen, die das Erhabene im Subjekt
hervorruft, in Verbindung gebracht. An einer Stelle in seiner Schrift bietet Lyotard sozusagen die

407
Pries 1991, 155.
408
Lyotard 1989, 174.
409
Vgl. Zima 2005, 160.
410
Reese-Schäfer 1989, 54.
411
Lyotard 1989, 166.
412
Vgl. Lyotard 1989, 166.
413
Vgl. Friesen 1995, 65.

66
begriffliche Definition des Erhabenen, indem er kurz und vereinfacht erklärt, dass das Wort
"sublime", welches im amerikanischen mit "great" übersetzt werden könnte, im französischen
üblicherweise benutzt wird, um dadurch etwas, was Erstaunen und Bewunderung hervorruft, zu
bezeichnen.414 Obwohl Lyotard wie auch Reese-Schäfer teilweise eine Erklärung des Begriffs
anbieten, betont Peña Aguado gleich am Beginn ihrer Studie über das Erhabene bei Kant, Burke
und Lyotard die Schwierigkeiten der Erklärung des Phänomens des Erhabenen, das seit der
Renaissance in der Philosophie und Ästhetik präsent ist. Wie Sie schreibt: "Zahlreich waren die
Versuche, die zur Beschreibung des Erhabenen unternommen wurden. Das Ergebnis solcher
Bemühungen war dennoch immer wieder ein und dasselbe: Das Unheimliche dieses Phänomens
entzieht sich jeder vernünftigen Darstellung. Kein einziges Wort, kein einziger Begriff kann eine
solche Erfahrung ausdrücken."415 Die Schwierigkeiten, über die Ästhetik des Erhabenen
vernünftig zu sprechen, bestehen vor allem darin, dass es sich bei der Ästhetik des Erhabenen um
eine Ästhetik handelt, die an das Absolute anknüpft. Da das Absolute nicht sinnlich zu erfahren
ist und da man sich keine Vorstellung vom Absoluten machen kann, bleibt der Begriff im
Bereich des Unerklärlichen.
Wie im vorherigen Kapitel dargestellt nimmt Lyotard die moderne Kunst, genau genommen die
Avantgarde, sowie die figurale und abstrakte Kunst als idealen Träger seiner Abhandlung zur
Ästhetik an, die das Potenzial hat, an die Ästhetik des Erhabenen anzuknüpfen. Der Versuch, das
Unsichtbare im Sichtbaren darzustellen, begann Lyotard zufolge mit Vertretern der abstrakten
Malerei, deren Ursprung und Beginn Lyotard ab dem Jahr 1912 ansetzte.416 Dass Lyotard vor
allem die moderne Malerei schätzte und die in seiner Abhandlung über das Erhabene aufnimmt,
lässt sich aus der Tatsache erklären, dass "(...) der Einsatz der modernen Malerei darin bestand,
nicht das Sehen, sondern das Denken zu provozieren (...)."417 Die Zeit des Schönen in den
Künsten ist nach Lyotard seit hundert Jahren vorbei. An ihre Stelle tritt die Ästhetik des
Erhabenen.418 Wenn Lyotard vor hundert Jahren die Verlagerung der Künste vom Schönen zum
Erhabenen zeitlich ansetzt, dann begann die Ästhetik des Erhabenen schon mit der modernen
Kunst, beziehungsweise mit dem Ende des 19 Jh./Beginn des 20 Jh. Zur dieser Zeit begann
kunsthistorisch betrachtet auch das künstlerische Schaffen der Avantgarde, wo sich Lyotard
zufolge das Erhabene entfalten konnte. In seiner Ästhetik des Erhabenen schließt Lyotard
gegenwärtige Kunstströmungen aus. Wie er selbst betont: "Die aktuellen Strömungen, die die
Malerei, Architektur oder Musik zu einer Rückkehr zu den traditionellen Werten des

414
Vgl. Lyotard 1989, 164.
415
Peña Aguado 1994, 13.
416
Vgl. Lyotard 1985, 99.
417
Vgl. Friesen 1995, 57.
418
Vgl. Lyotard 1989, 231.

67
Geschmacks bewegen - ich meine: den Transavantgardismus, den Neoexpressionismus, die neue
Subjektivität, den Postmodernismus und so weiter, also die Neo-s und Post-s - berücksichtige ich
nicht."419 Für die vergangene, moderne Kunst entschließ er sich, da sie sich allmählich von der
Form ablöste und zu experimentieren begann.420 Im Experimentieren ähnelt die Malerei der
Philosophie: "So wie der Maler nach dem Wesen der Malerei fragt, so sieht sich der Philosoph
mit der Frage "Was ist Denken?" konfrontiert. Beide gehen reflektierend-und das heißt
gleichsam ins Ungewisse sich vortastend-vor und versuchen, für etwas Undarstellbares zu
sensibilisieren."421 Die Moderne ermöglichte Lyotard nach diese Befragung und Bearbeitung der
Grenzen in der Kunst. Er definiert "Avantgarde" als Befragung und Prüfung der Grenzen und
kritisiert die heutige Zeit, die sich zur Unrecht mit diesem Namen schmückt und ihm zum
Modebegriff macht.422 Die grundlegenden Voraussetzungen dafür müssen Lyotard zufolge zuerst
erfüllt sein, um den Namen "Avantgarde" korrekterweise tragen zu können. "Das Recht, den
Namen >Avantgarde< zu tragen, bemißt sich danach, wie weit die Erschütterung der Regeln
reicht, die aus der kritischen Arbeit des Gedankens resultiert."423
Wenn Lyotard in seinen Schriften über die Avantgarde spricht, grenzt er sich nicht auf die Kunst
ein, sondern überträgt den Begriff auch in anderen Disziplinen. Die Avantgarde wird vielmehr
zum Begriff, der einen Geisteszustand oder ein avantgardistisches Tun bezeichnet. Der Begriff
wird beim Lyotard fast zum einen Synonymbegriff der Postmoderne. Die Postmoderne ist in der
Philosophie Lyotards durch den Widerstreit und durch Inkommensurabilität gekennzeichnet.
Wie auch Zima betont, ist es die Philosophie der Inkommensurabilität von Form und
Formlosigkeit, Vernunft und Verstand.424 In diesem Sinne ist auch das Erhabene, als
Hauptbegriff von Lyotards Ästhetik, durch Widerstreit und Inkommensurabilität gekennzeichnet.
Es ist durch Gemütsbewegungen charakterisiert die, wie Götze betont: "(...) dem versöhnlichen
Ideal des Schönen (...)" absagt "(...) und sich zur Aufgabe gemacht hat, der Erschütterung und
Irritation des postmetaphysischen Welt Ausdruck zu geben."425 Da Künstler die Regeln
verweigern und auf das Undarstellbare, beziehungsweise auf ein rätselhaftes Ereignis, das sich
im Werk abspielt, hinweisen, sind die Kunstwerke selbst, Götze zufolge, bei Lyotard Träger des
Widerstreits. Ein Kunstwerk erklärt nicht, dient nicht zur Mitteilung, ist kein sinnliches
Vergnügen, sondern wirft Fragen auf, ohne eine Antwort anzubieten: "Das moderne Kunstwerk

419
Lyotard 1989, 231.
420
Vgl. Welsch, Pries 1991, 8 f.
421
Welsch, Pries 1991, 10.
422
Vgl. Lyotard 1985a, 78.
423
Lyotard 1985a, 78/79.
424
Vgl. Zima 2005, 152.
425
Götze (1993), Sic et Non-Forum for Philosophy and Culture, (20.08.2014).

68
ist vornehmlich als ein Ereignis zu verstehen(...). (...) Das >Unbestimmte geschehen lassen als
Fragezeichen< ist seine wesentliche Aufgabe."426
Gerade die Avantgarden versucht aus Lyotards Sicht Widerstreit und Inkommensurabilität in
verschiedenen Disziplinen aufzudecken. Die Wissenschaftler, Künstler, Literaten, die sich in
diese Richtung bewegen, sind postmodern.427 "Freund, Duchamp, Bohr, Gertrude Stein, schon
Rabelais und Sterne sind postmodern, insofern sie die Paradoxien betonen, die stets die
Inkommensurabilität, von der ich spreche, bestätigen."428 Erst durch Paradoxien, durch
Nichtverfolgung von Wiederholtem und durch Annährung an Unbekanntes kann man sich dem
Erhabenen annähern, was letztendlich das Ziel der postmodernen Ästhetik von Lyotard ist. Die
Nichtverfolgung von schon Dagewesenem und die Neubefragung der Regeln, die bei
Avantgardisten stattgefunden hat, hat zur Folge, dass Avantgarde-Künstler "mittels Auflösung
des Materials, des Gegenstandes, der Formen und Farben, untergräbt (...) die Konventionen der
Wahrnehmung und treibt das Werk gleichsam an die Grenzen zum Immateriellen vor, um in der
Demontage der Repräsentation auf das Unrepräsentierbare zu deuten."429

Das Erhabene als Ziel der künstlerischen Bemühungen wird bezeichnet als ein Zustand, als
Gefühl: "Eine Sensibilität ohne Referenzen, ohne möglichen Zugriff auf bereits Bekanntes. Diese
Empfänglichkeit kann nur erreichen, wer in der Lage ist, in den Widersprüchen, Paradoxien und
Antagonismen die Wege zu einem anderen aufzuspüren."430 Von der Ästhetik der Postmoderne,
die nach der Avantgarde und im Anschluss an die moderne Kunst eintritt, hält Lyotard nicht viel,
er versucht sich ihr zu widersetzen. Vor allem kritisiert er die postmodernistische Neigung zum
Konsum und zur Unterhaltung. Die postmoderne Architektur wird bezeichnet als "(...) eine
eklektizistische Coctailarchitektur, die bloß noch auf Fun zielt und die aktuelle Version von
Kulturindustrie ist."431 Obwohl Jencks ein Vertreter des üblichen postmodernen
Ästhetikverständnisses ist und er sich letztendlich von Lyotard nicht erheblich unterscheidet, da
er sich ebenso für die Pluralität der Sprachspielen in der Architektur einsetzt und in der
Postmoderne ebenso Elemente der Moderne unter bestimmten Umständen mitberücksichtig und
zulässt, betonen Welsch und Pries, dass es doch eine klare Trennungslinie zwischen diesen zwei
Denkern und ihrem Verständnis der Postmoderne gibt. Auf der einen Seite steht Lyotard, der
sich zu widersetzen versucht und die Ästhetik des Widerstreits vertritt, während auf der anderen

426
Götze (1993), Sic et Non-Forum for Philosophy and Culture, (20.08.2014).
427
Vgl. Lyotard 1985a, 86.
428
Lyotard 1985a, 86.
429
Götze (1993), Sic et Non-Forum for Philosophy and Culture, (20.08.2014).
430
Peña Aguado 1994, 13.
431
Welsch, Pries 1991, 13.

69
Seite bei Jencks "(...) Pluralismus im Sinne chic-beliebiger Kombination (...)"432 zu finden ist. Es
ist "(...) die Scheidelinie zwischen achtbarer Postmoderne und konsumistischem
Postmodernismus."433 Lyotards Ästhetik der Erhabenen ist im Unterschied zum üblichen,
zeitangemessenen Postmodernismus etwas, was nicht zu konsumieren ist, eine Reflexion
anfordert und an das Undarstellbare anknüpft. Es ist eine Ästhetik der Widerstreits.434
Lyotard betont weiterhin in seiner Erklärung über das Erhabene in direkter Anlehnung an Kant,
dass der Bereich des Erhabenen oder die Ästhetik des Erhabenen sich vom Geschmack abgrenzt,
die in der Tradition Kants als interessenloses Wohlgefallen charakterisiert wird. Ebenso grenzt es
sich von der Ästhetik des Schönen ab.435 Es distanziert sich vom traditionellen Verständnis der
Kunst, wonach die figurale und gegenständliche Kunst, die sich im Raum des Darstellbaren
vorfindet, als schöne Kunst verstanden wird.436 Der Künstler verfügt nicht mehr über festgesetzte
Regeln, beziehungsweise er widersetzt sich ihnen. Symbole und Formen, mit denen eine
bestimmte Botschaft und Idee an den Betrachter weitergeleitet werden, werden nicht mehr
benutzt. Es sind "sichtbare" Symbole, die in Zeiten des Realismus im 19. und ebenso 20 Jh.
benutzt wurden, um bestimmte Ideen, wie beispielsweise Nation, Sozialismus u.a. an das
Publikum weiterzuleiten, mit denen sie sich identifizieren können. Diese sind nicht mehr
präsent.437 Wie Pries bemerkt: "Eine zeitgemäße >Ästhetik der Erhabenen< zielt in keiner Weise
mehr auf Pathos, auf die Darstellung erhabenen Sujets, auf Symbolisierungen des Absoluten
oder bombastische Monumentalinszenierungen."438 Der Ursprung solchen Auffassungen des
Erhabenen findet sich in der Romantik, als das Erhabene zum "höchsten Schönen" erklärt wurde
und endete in der Zeit des Nationalsozialismus.439 Im Gegensatz zu Werken und Auffassungen
vergangener Epochen werden Werke der Avantgarde, die das Gefühl des Erhabenen hervorrufen,
von Lyotard unter Berufung an Kant mit folgenden Wörtern bezeichnet: "Vielmehr erscheinen
sie dem Publikumsgeschmack als >ungeheure<, >formlose< Gegenstände, als rein >negative<
Wesenheiten (...). Wenn man darzustellen versucht, daß es etwas Nicht-Darstellbares gibt. muß
die Darstellung gleichsam zum Märtyrer werden."440 Dass die Form sich dem Absoluten nicht
annähern kann, daraus verkündet man vorschnell das Ende der Kunst, aber wie Lyotard bemerkt,
geht es dabei nicht um das Ende der Kunst, sondern um das Ende der Kunst als schöne Form.441

432
Welsch, Pries 1991, 14.
433
Welsch, Pries 1991, 14.
434
Vgl. Welsch, Pries 1991, 14.
435
Vgl. Lyotard 1985, 97 f.
436
Vgl. Portune 2003, 79.
437
Vgl. Lyotard 1985, 97 f.
438
Pries 1991, 162.
439
Vgl. Pries 1991, 162.
440
Lyotard 1985, 98.
441
Vgl. Lyotard 1988, 58.

70
Er fügt hinzu: "Besteht die Kunst fort, und sie besteht fort, so auf ganz andere Weise, jenseits des
Geschmacks, und einzig als das Bestreben, ein Nichts, eine Affizierung, die nicht dem
Sinnlichen, sondern gänzlich einem unsinnlichen Geheimnis verdankt sind, hervortreten zu
lassen und darzutun.“442
Mit dem Erhabenen und im Besonderen mit Kants Perzeption des Erhabenen beschäftigt sich
Lyotard vor allem in seiner Schrift "Die Analytik des Erhabenen" aus dem Jahr 1994. In der
Einleitung schrieb er, dass es kein gewöhnliches Buch zur Kant und zum Erhabenen ist, "(...)
sondern eine Sammlung von Lektionen, genauer gesagt ein Zettelkasten mit
Vorbereitungsnotizen zur mündlichen Erklärung der Analytik des Erhabenen (Kant, Kritik der
Urteilskraft, § 23-29)."443Abgesehen von dieser Schrift finden sich Erörterungen über das
Erhabene oder kurze Erwähnungen fast in allen seinen späteren Werken und Aufsätzen. Seine
Ästhetik des Erhabenen entwickelt und visualisiert er vor allem in seiner Beschäftigung mit dem
Werk des Künstlers Barnett Newman. Ebenso erwähnenswert ist Lyotards Auseinandersetzung
mit Marcel Duchamp, weil er vor allem, das Undarstellbare darzustellen versuchte, etwas, was
nie da ist, und sich dem Augenblick und der Wahrnehmung ständig entzieht.444

4.1. Das Erhabene in der ästhetischen Theorie Kants und Lyotards

Obwohl Lyotards Überlegungen zum Erhabenen bereits erwähnt wurden, ist es mein Anliegen,
in diesem Unterkapitel die wichtigsten Aspekte der Positionen Kants und Lyotards zum
Erhabenen zu verdeutlichen und in groben Zügen darzustellen. Kant kann als prominentester
Denker des Erhabenen im 18 Jh. angesehen werden; und Lyotard dagegen gilt als einer der
bedeutendsten Denker der postmodernen Ästhetik des Erhabenen.445 Da Peña Aguado betont,
dass sich Lyotards Konzeption des Erhabenen ohne Rückblick auf Kants "Kritik der Urteilskraft"
nur schwer verstehen lässt446, finde ich es wichtig, diese zwei sich ähnlichen, aber dennoch
verschiedenen Positionen darzustellen.
Dominik Portune, der sich in seinem Aufsatz dem Erhabenen bei Lyotard und Kant widmet,
betont am Beginn seines Aufsatzes, dass bei Kant das Erhabene keine besonders wichtige Stelle
in seinem kritischen Opus einnimmt, aber desto einflussreicher für nachkommende Generationen
war, die sich weiter in Anlehnung an ihm mit dem Erhabenen beschäftigten und daraus Theorien
entwickelten.447 Peña Aguado betont ebenso, dass bei näherer Betrachtung auffällt, dass Kant für

442
Lyotard 1988, 58.
443
Lyotard 1994, 9.
444
Vgl. Lyotard 1986a, 36.
445
Vgl. Peña Aguado 1994, 14.
446
Vgl. Peña Aguado 1994, 95.
447
Vgl. Portune 2003, 79.

71
seine "Analytik des Erhabenen" nur vierzig Seiten genügen. Zusätzlich erklärte er diesen Teil
zum "bloßen Anhang" seiner Erörterung über ein Geschmacksurteil.448
In seinem Werk "Kritik der Urteilskraft" widmete sich Kant im Speziellen dem Erhabenen zu,
das an seine "Analytik des Schönen" anknüpft. Michaël Foessel, der sich in seinem Aufsatz
Kants "Analytik der Erhabenen" widmet, betont, dass der Übergang vom Schönen zum
Erhabenen ohne explizite Ankündigung erfolgte.449 Kants fehlendes Interesse am Erhabenen und
das Fehlen einer Abgrenzung zum Schönen beziehungsweise zu Fragen des Geschmacks erklärt
sich nach Peña Aguado zum einen aus der Tatsache, dass die "Analytik des Erhabenen" zuletzt
geschrieben worden ist, und zum zweiten, dass die "Kritik der Urteilkraft" ursprünglich
vorgesehen war für die Kritik des Geschmacks und erst später fast ungeplant in die Theologie
und Analytik des Erhabenen in das Werk einging.450 Obwohl kein Übergang stattfand, betont
Portune, dass das Erhabene nicht eine spezielle Variation des Schönen ist, sondern eine
gesonderte ästhetische Kategorie in der Philosophie Kants darstellt. Wie er weiter erklärt, sind
Kant zufolge die Kategorien des Schönen wie auch Erhabenen ästhetische Urteile, die in sich
verschieden sind. 451
Um zu verstehen, was die Kategorie der Schönheit im Werk Kants bedeutet, muss man, wie auch
Wolfgang Röd betont, zuerst klären, was unter Schönheit zu verstehen ist. Röd zufolge musste
man sich im Klaren sein, dass Kants Begriff der Schönheit nicht gleichzusetzen ist mit der
üblichen, alltäglichen Verwendung des Begriffs. Es bezeichnet nicht eine Abhängigkeit zu einem
bestimmten Objekt oder etwas, das gefällt. "Dieses Gefallen hat nach Kant weder sinnlichen
noch praktischen Charakter: Es geht nicht darum, daß etwas Lustgefühle in uns weckt, und auch
nicht darum, daß wir es als Mittel zu einem Zweck schätzen oder ein Interesse an seiner
Verwirklichung haben. Da das Schöne unabhängig von der Möglichkeit des Genießens und der
Möglichkeit der Realisierung gefällt, ist das ästhetische Wohlgefallen uninteressiert; es ist eine
(...) Einstellung, die frei von Begierden und Wünschen ist. Die ästhetische Beurteilung ist ferner
mit dem Anspruch der Allgemeingültigkeit verbunden. Wir beanspruchen daß alle ästhetisch
Urteilenden so urteilen sollten wie wir."452 Was für das Schöne gilt, gilt ebenso für das
Erhabene; "Weder das Geschmacksurteil noch das Urteil über das Erhabene betreffen ein
sinnlich Gegebenes, sondern einen Zustand im Subjekt."453 Angesichts dieser Gemeinsamkeiten
betont Peña Aguado zu Recht, das daraus folgt, dass auch das Erhabene zum Geschmacksurteil
wird, beziehungsweise dem Geschmacksurteil zugeordnet wird, wie auch das Schöne, was einige

448
Vgl. Peña Aguado 1994, 48.
449
Vgl. Foessel 2008, 99.
450
Vgl. Peña Aguado 1994, 48/49.
451
Portune 2003, 81.
452
Röd 2000, 176.
453
Portune 2003, 81.

72
Unverständigkeiten mit sich bringt, die offen bleiben. In diesem Sinne argumentiert Peña wie
folgt : "Denn wie kann das Erhabene dem Geschmacksurteil zugeordnet werden, wenn dieses
Gefühl der Form nach >zweckwidrig< ist? War der Geschmack nicht als Wohlgefallen in der
Anschauung definiert? Und was ist die Anschauung, wenn nicht die Form?"454 Das Erhabene
selbst bezieht sich im Unterschied zum Schönen auf etwas Formloses.455 "Das Erhabene
beeindruckt durch seine Größe, während das Schöne durch seine Form gefällt."456
Portune bietet in seinem Aufsatz eine vereinfachte Darstellung des Hauptunterschieds zwischen
dem Erhabenen und Schönen, die ich hier, des erleichternden Verständnisses wegen, kurz
wiedergeben möchte. Das Urteil über das Schöne bezieht sich bei Kant auf einen Gegenstand,
der durch eine Form determiniert ist, beziehungsweise dadurch auch begrenzt wird. Das Schöne
oder die begrenzte Form des Gegenstandes ist die Ausgangsquelle, welche im Subjekt das Spiel
der Erkenntniskräften in Gang setzt und dadurch schließlich zur Gründung des
Geschmacksurteils beiträgt. Das Erhabene dagegen bezieht sich vor allem auf einen formlosen
Gegenstand. Formlos in dem Sinn, dass es die Fähigkeiten der Sinnen übersteigt. Es ist
sozusagen für das sinnliche Vermögen unerreichbar. Der Auslöser des Gefühls des Erhabenen
beim Subjekt ist, Kant zufolge etwas, in dem sich die Natur in all ihrer Gewalt und Größe
präsentiert. Beim Schönen werden die Einbildungskraft und der Verstand zur Beschäftigung
bewegt, beim Gegenstand aber, der das Gefühl auslöst, ist eine Unendlichkeit, als Vernunftidee
gegeben, die sich aber sinnlich von der Einbildungskraft in keinerlei Weise darstellen lässt.457
Friesen erklärt punktgenau den Prozess, der stattfindet, wenn die Einbildungskraft scheitert,
beziehungsweise man sich keine Vorstellung machen kann, wie es beim Erhabenen der Fall ist,
weil sie auf die übergroßen Erscheinungen trifft und in diesem Fall die Vernunft zur Hilfe
gerufen wird: "Wird sie (die Einbildungskraft) mit übergroßen und übermächtigen
Erscheinungen konfrontiert, scheitert sie nicht in der Auffassung (...), sondern in der
Zusammenfassung: es gelingt ihr nicht, die sukzessiven Teilauffassungen gleichzeitig in einer
Vorstellung zusammenzufassen. Daher muß die Vernunft anläßlich einer scheiternden
Darstellung aushelfen und die >praktisch bestimmte< Idee der Totalität hinzudenken, also die
Einbildungskraft erweitern, damit sie eine ganze Vorstellung bilden kann."458 Weil die
Einbildungskraft scheitert, da sie nicht in der Lage ist, das Erhabene als übergroßes
Naturphänomen aufzufassen oder als ein zusammengefasstes Bild wahrzunehmen459, erweckt
das Gefühl des Erhabenen beim Subjekt anfänglich ein Gefühl der Unlust. Dagegen aber erweckt

454
Peña Aguado 1994, 50.
455
Vgl. Röd 2000, 177.
456
Röd 2000, 177.
457
Vgl. Portune 2003, 82.
458
Friesen 1995, 23.
459
Vgl. Pries 1991, 156.

73
das Schöne, da es mit solchen Hindernissen nicht konfrontiert ist, beim Subjekt ein Gefühl der
Lust. Lyotard betont, dass das Schöne, welches bei Kant Gefühle der Lust hervorruft, das
Wohlgefallen am Schönen "(...) als Beförderung des Lebens" empfunden (...)" wird, oder als eine
Befriedigung "(...) die ein "Reiz" auslösen würde (auch wenn das nicht der Fall ist, weil es
interesselos ist)"460 Das Erhabene dagegen löst negative Gefühle aus, da die Einbildungskraft
wie auch das Denken beim Zusammenstoßen mit dem Erhabenen überfordert wird. Mit Lyotards
Wörtern in Bezug auf Kants Analyse des Erhabenen wird diese unsichere Erfahrung mit dem
Erhabenen wie folgt erklärt: "Das Denken wird ja nicht nur >angezogen<, sondern in einer
unsicheren, unaufhörlichen Bewegung wechselweise wieder >abgestoßen<. Im Vergleich zur
Lust des Schönen ist die Lust des Erhabenen sozusagen negativ (...). Sie enthält ein
Zurückweichen, als ob das sich genau an dem, was es anzieht, stoßen würde."461 Wie Lyotard in
seiner Schrift über Kants Erhabenes betont, vergleicht Kant diese "negative Lust" mit
"Bewunderung" und "Achtung".462
Wolfgang Röd erklärt zusätzlich diese negative Lust, die sich beim Erhabenen entwickelt. Nach
Röd, da das Erhabene als Übermächtiges zu erfassen ist, wird dem Subjekt zunächst seine
Unterlegenheit in Bezug auf die Mächtigkeit der Natur bewusst. Dann aber wird einem die
Überlegenheit des Geistes über die Natur bewusst, wie auch die Unabhängigkeit des Geistes von
den Mächten der Natur. Diese Einsicht trägt schließlich zum Gefühl der Lust bei.463 "Genau
genommen liegt die Erhabenheit nicht in Dingen der Natur, sondern in unserem Gemüte; wir
erheben uns über die Natur, und diese Erhebung ist sie Wurzel der Erhabenheit."464
Um sich das Bild der Mächte der Natur, das Kant vor Augen hat, auszumalen, sind folgende
Zeilen Lyotards besonders hilfreich. Lyotard skizziert das Erhabene und gemischte Gefühl, das
es hervorruft, wie folgt: "(...) Es ist eine Lust, die mit Unlust vermischt ist, eine Lust, die aus
Unlust hervorgeht; und zwar aus Anlaß eines Gegenstands, der schlechthin groß ist - der Wüste,
eines Berges, einer Pyramide - oder schlechthin mächtig - des sturmbewegten Ozeans, eines
Vulkanausbruchs -, der also, wie alle Absoluta, ohne sinnliche Anschauung ist und nur als
Vernunftidee gedacht werden kann."465 An einer Stelle in seiner "Analytik der Erhabenen" fragt
Lyotard, wieso man überhaupt so eine "erhabene" Darstellungs-Idee nennen sollte und gibt
gleich die Antwort auf die gestellte Frage, nämlich: "Weil sie - ebenso wie die Idee der Vernunft
- die Erfahrung übersteigt."466 Es ist genau dieses "Undarstellbare", welches im vorherigen

460
Lyotard 1994, 81.
461
Lyotard 1994, 82.
462
Vgl. Lyotard 1994, 82.
463
Vgl. Röd 2000, 177.
464
Röd 2000, 177.
465
Lyotard 1989, 173.
466
Lyotard 1994, 79.

74
Kapitel in Bezug auf die Ästhetik Lyotards und die eigentliche Aufgabe der Kunst aus der Sicht
Lyotards erwähnt wurde. "Undarstellbar" ist es vor allem, da eine Idee, die durch das Erhabene
hervorgerufen wird, jegliches Darstellungsvermögen übersteigt. Wie Lyotard betont: "Das
Darstellungsvermögen, die Einbildungskraft, scheitert im Versuch, eine Vorstellung zu liefern,
die dieser Idee angemessen wäre. Dieses Scheitern des Ausdrucks ruft (...), eine Art Spaltung im
Subjekt zwischen dem, was es begreifen und dem, was es in Bildern vorstellen kann."467
Susanna Kogler bemerkt in ihrer Habilitationsschrift, dass Lyotard, obwohl er sich unter
anderem auf Kant in seiner Erörterung des Erhabenen stützt, im Unterschied zu Kant erheblich
radikaler zwischen Erhabenem und Schönen differenziert.468 Die Kluft zwischen diesen zwei
ästhetischen Urteilen wird bei ihm verstärkt betont. In der Ästhetik des Erhabenen geht es vor
allem, worauf Peter V. Zima verweist, "(...) um einen Widerstreit zwischen zwei heterogenen
Vermögen: zwischen dem Verstand und der Vernunft. Die Ideen der Vernunft können nicht vom
Verstand in Verbindung mit der Einbildungskraft dargestellt werden (...)"469

In der Verstärkung des Widerstreits zeigen sich die Hauptcharakteristika im Denken Lyotards;
sein stark vertretener Pluralismus und seine Negation des Einheitsdenkens und der Totalität, die
schon in seiner Auseinandersetzung mit dem postmodernen Wissen, wie auch in Bezug auf
postmoderne Kunst, immer präsent ist. Zima bemerkt zur Recht, dass sich sowohl Adorno als
auch Lyotard von dem Kantischen Denkmuster im großem Maße angezogen fühlten, weil
dadurch verhindert wird, "(...) daß alle menschlichen Vermögen in eine vom Geist beherrschte
hegelianische Totalität integriert werden. In Übereinstimmung mit Kant heben sie die Brücke
zwischen den einzelnen Vermögen und Denkweisen hervor: zwischen Begriff und Mimesis,
Vernunftidee und Verstandesform, Gedanke und Bild usw."470 Dass Lyotard vor allem das
formlose, abstrakte Kunstschaffen schätzt und hervorhebt, wurde schon mehrmals in der Arbeit
betont. Was die nach Form orientierte Malerei nicht in der Lage ist, darzustellen, da sie begrenzt
ist, beziehungsweise was ihr Vermögen übersteigt, das versucht die ihr widergesetzte abstrakte
Malerei darzustellen, nämlich das es etwas Nichtdarstellbares gibt. Als Gegenpart zur Malerei,
die sich an ästhetischen Regeln orientiert, wirklichkeitsabbildend, oder zu
Repräsentativenzwecken nützlich ist, setzt Lyotard die avantgardistische Malerei entgegen, die
experimentiert und Regeln der Form und den Inhalt nicht mehr berücksichtigt, sich ihnen
widersetzt. Eine ähnliche Diskrepanz findet sich im Widerstreit zwischen dem Verstand und der
Vernunft. An der Stelle, wo der Verstand seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat, tritt die

467
Lyotard 1989, 173.
468
Vgl. Kogler 2011, 220.
469
Zima 2005, 160.
470
Zima 2005, 160.

75
Vernunft ein. Mit Lyotards Worten: "Anstelle des Verstandes betritt also die Vernunft die
>Szenerie <. Sie fordert das einbildende Denken heraus: mach das Absolute, das ich begrifflich
vorstelle, durch deine Formen präsent! Die Form ist nun aber Begrenzung, sie teilt Raum und
Zeit in ein >Innen<, das sie >zusammenfaßt<, und ein Außen, das sie ausklammert (den
"Hintergrund"). Sie kann das Absolute nicht darstellen."471 In der Ästhetik des Erhabenen kommt
es vor allem zum Widerstreit zwischen Endlichem (der Form) und Unendlichem, jedoch erst
wenn das Endliche versucht, dem Unendlichen näher zu kommen, beziehungsweise seine
Position einzunehmen versucht.472 Die Form des Endlichen ist dieser Anforderung nicht
gewachsen und ihr Versuch ist zum Scheitern verurteilt, jedoch "ohne diese Geste gibt es keinen
Widerstreit."473 Dass Lyotard in seiner Philosophie dem Widerstreit einen besonderen
Stellenwert einräumte, wird dem Leser noch einmal in „Analytik des Erhabenen“ vor Augen
geführt. Das Erhabene wird gerade durch seine "Widerstandseinstellung" zum Schönen
differenziert. Obwohl das Schöne unabhängig vom sinnlichen Interesse gefällt, hebt Lyotard im
Besonderen die Kluft zwischen dem Erhabenen und sinnlichen Interesse hervor. Das Erhabene
steht nicht nur wie das Schöne in Unabhängigkeit zum Sinnlichen, sondern wie Lyotard betont:
"Das Erhabene ignoriert das sinnliche Interesse nicht; es widersetzt sich ihm."474 Dass sich das
Erhabene dem Sinnlichen widersetzt, ist klar, wenn man in Betracht zieht, dass man, um das
Augenmerk auf das Erhabene lenken zu können, das sich im Reflexiven verbirgt, das Sinnliche
außer Acht setzen, beziehungsweise zurückhalten sollte. Mit den Worten von Götze: "Die
Ästhetik des Erhabenen konstituiert sich aus einer stärkeren Betonung des reflexiven Moments
im künstlerischen Bewußtsein. Auf der Seite des Betrachters wird das sinnliche Wohlgefallen
gedämpft und der Blick auf das Fragezeichnen in und hinter dem Werk gelenkt."475

Worin sich Lyotard entscheidend von Kant distanziert, ist vor allem die Tatsache, dass sich für
Kant das Erhabene in den Erscheinungen der Natur wiederfindet; bei Lyotard hingegen im
ästhetischen, künstlerischen Bereich. Pries betont, dass Lyotards Aufnahme von Kants
Erhabenen in seine asthetischen Überlegungen zur Avantgarde-Kunst oft vorgeworfen wurde:
"Lyotard könne Kant nicht genau gelesen haben, den Kant habe die Kunst doch ausdrücklich von
der Ästhetik des Erhabenen ausgeschlossen und habe damit recht, denn es sei unerklärlich, wie
man vor einem Kunstwerk jene Mischung aus Schrecken und Bewunderung empfinden könne,
wie sie für das Gefühl des Erhabenen charakteristisch ist."476 Anderseits kann die Erklärung

471
Lyotard 1994, 141.
472
Vgl. Lyotard 1994, 172.
473
Lyotard 1994, 172.
474
Lyotard 1994, 169.
475
Götze (1993), Sic et Non-Forum for Philosophy and Culture, (20.08.2014).
476
Pries 1991, 158.

76
dafür, dass Kant das Erhabene von der Ästhetik ausgeschlossen hat, leicht gegeben werden,
wenn man bedenkt, dass Kant in einer anderen Zeit gelebt hat und sein Entwurf des Erhabenen
seiner Zeit angemessen ist, worauf auch Dominik Portune in seinem Aufsatz verweist.477 Zu
seiner Zeit gab es noch keine abstrakte Kunst, auf die man die Ästhetik des Erhabenen hätte
übertragen und anwenden können. Portunes Erklärung bekräftigt auch Lyotard selbst, der sich
diesbezüglich über Kant äußert: "Wir haben meines Erachtens einen Vorteil gegenüber Kant
(was nur an der Chronologie lieg), weil wir über die Experimente und Versuche verfügen, die
von abendländischen Malern und Musikern seit zweithundert Jahren unternommen worden
sind."478 Kunsthistorisch betrachtet war zur Zeit Kants die Zeit des Hochbarocks und Rokoko;
die Zeit der dekorativen, noch immer am Figurativen anhaftenden Malerei. Es war die Malerei,
die dekorative Elemente der Architektur einbezieht, oft in Landschaften platziert ist, historische
und heroische Ereignisse spielerisch darstellt oder sich auf heroischen Mythen aus
mythologischen Geschichten bezieht. Es ist vor allem eine zweckmäßige, dekorative Malerei, die
ihren Platz in den Palazzos und Höfen findet und die u.a. Repräsentativzwecken dient. Auf die
Kunst, die zur Kants Zeit präsent war, lässt sich das Erhabene jedenfalls, wie es sich Kant oder
auch Lyotard vorstellt, nicht anwenden. Wie Portune betont, war für Kant nur die Kunst bekannt
und greifbar, die sich noch in der Sphäre des Darstellbaren bewegte. "Dies soll nun nicht heißen,
dass damals Kunst sich im Mimetischen erschöpft hätte, doch verweist die >darstellende<
bildende Kunst immer auf etwas Dargestelltes bzw. Innerweltliches und damit für Kant auf
etwas von Anschauung und Verstand Konstituiertes."479 Wenn man Kant vom zeitlichen her
betrachtet, dann ist klar, dass wenn er verlangt, dass ein ästhetisches Urteil rein sein sollte und
diese Reinheit zu seiner Zeit nur in der unverarbeiteten Natur zu finden sei. Die Kunst, die er
kennt, liegt noch immer einem Zweck zugrunde.480 In diesem Kontext folgert Pries richtig, wenn
sie schreibt: "Insofern ist Kunst kein möglicher Gegenstand eines ästhetischen Urteils, da dieses
im Unterschied zum erkenntnis-orientierten Verstandesurteil gerade vom Begriff unabhängig
sein soll. Von daher erscheint der Ausschluß der Kunst vom ästhetischen Gefühl des Erhabenen
als konsequent."481

Es bleibt noch zu klären, ob die Ästhetik, die das Schöne verlässt und sich zum Erhabenen
bewegt, in der Lage ist, das Undarstellbare, das Absolute in Kunstwerken darzustellen?

477
Vgl. Portune 2003, 79.
478
Lyotard 1989, 235.
479
Portune 2003, 88.
480
Vgl. Pries 1991, 158.
481
Pries 1991, 158/159.

77
Kant, der sein Erhabenes mit der Natur verbindet und nicht mit Künstlerischem in Verbindung
bringt, lehnt jegliche Möglichkeit der "Darstellung" des Erhabenen ab. Über Kant schreibt
Lyotard: "Er schreibt man kann nicht im Raum und Zeit das Unendliche der Macht und das
Absolute der Grösse darstellen, die reine Ideen sind. Aber man kann zumindest darauf anspielen,
sie "hervorrufen" durch das, was er >negative Darstellung< nennt."482 Das Erhabene, das
Absolute, lässt sich Kant zufolge nicht darstellen. Aber durch die "negative Darstellung" wird
auf ihre "Präsenz" hingewiesen.483 Diese "Präsenz" wird nicht dargestellt, aber die wird gefühlt,
"(...) als permanent irritierendes Moment innerhalb des Kunstwerks."484 Zima betont in seinem
Buch, dass Lyotard keine endgültige Antwort auf diese Frage gibt, sondern vielmehr nur darauf
hinweist, dass das Schöne kein Gegenstand mehr im künstlerischen Schaffen sei.485 In
Anlehnung an Kant versucht Lyotard, das Undarstellbare in Worte zu fassen und zu
konkretisieren. Es ist vor allem eine Idee, die sich selbst der Darstellung entzieht. Es entzieht
sich der Darstellung, denn wenn es dargestellt werden könnte, würde das Undarstellbare damit
gleichzeitig konkretisiert und würde dadurch seine Eigentümlichkeit, sein "Absolutes" verlieren.
Mit Lyotards Wörtern: "Das Undarstellbare ist Gegenstand einer Idee, für die sich kein Beispiel,
kein Fall und auch kein Symbol zeigen (darstellen) läßt. Das Universum ist nicht darstellbar,
auch nicht die Menschheit, das Ende der Geschichte, der Augenblick, die Gattung, das Gute etc.
Kant schreibt: das Absolute schlechthin. Denn darstellen heißt relativieren, heißt in
Zusammenhänge und unter Bedingungen der (...) Darstellung zu bringen. Das Absolute kann
man also nicht darstellen. Es handelt sich dann um eine >negative< Darstellung oder, wie Kant
sagt, um eine >abstrakte<".486

In Edmund Burkes Schrift wird eingeräumt, dass die Literatur die Möglichkeit hat, auf das
Nicht-Darstellbare hinzuweisen, da die Malerei, nach Burke, an figurativen Zwänge gebunden
und deswegen niemals in der Lage sei, über das durch Sinne erkennbare hinauszuklettern.
Lyotard betont dagegen in Anlehnung an Newman, "(....) daß dieses abschätzige Urteil nur für
eine Kunst Geltung hat, die darstellen, wiedererkennen lassen will."487 Man muss natürlich in
Betracht ziehen, dass zur Lebenszeiten Burke nicht-figurative Malerei nicht präsent war. Dieser
Kommentar zu Burke wie auch Lyotards Behauptung, dass das Werk Newmans zur Ästhetik des
Erhabenen gehört488, bekräftigt jedoch Portunes Aussage, derzufolge, Lyotard und Newman die
Position vertraten, dass das Undarstellbare, beziehungsweise das Erhabene darstellbar sei, in

482
Lyotard 1986a, 17.
483
Vgl. Lyotard 1991, 172.
484
Pries 1991 160.
485
Vgl. Zima 2005, 161.
486
Lyotard 1985, 98/99.
487
Lyotard 1989, 152.
488
Vgl. Lyotard 1989, 150.

78
dem sich das Undarstellbare im Werk selbst ereignet, beziehungsweise nicht auf etwas außerhalb
sich selbst verweist.489
Wie sich das Erhabene in der Kunst darstellen lässt und wie der von Lyotard hochgeschätzter
Künstler Newman, den er mehrfach in seinen Schriften erläutert, an das Erhabene in seinen
Werken annähert, mit welchen künstlerischen Möglichkeiten diese Annäherung stattfinden sollte
und wie das Erhabene von der Seite der Rezipienten aufgenommen oder gefühlt werden kann,
möchte ich im nächster Unterkapitel anhand ausgewählten künstlerischer Beispiele genauerer
erläutern.

4.2. Kants und Lyotards Ästhetik des Erhabenen anhand Caspar David
Friedrich und Barnett Newman

Barnett Newman (1905-1970) widmete Lyotard keine gesonderte Schrift wie den Künstlern
Appel oder Duchamp, jedoch wird er in fast jedem seiner Werke vor allem in Bezug zur Ästhetik
des Erhabenen hervorgehoben. Wenn man sich enger mit Newman befasst, hat man das Gefühl,
als ob er einen idealen Prototyp von Lyotards Bild des postmodernen Künstler-Philosophen
verkörpert. Caspar David Friedrich (1774-1840) steht viel näher an Kants Ästhetik des
Erhabenen, in diesem Kontext wird er oft in der Fachliteratur als Künstler von Kants Erhabenen
in Verbindung gebracht. Obwohl zwischen diesen beiden Künstlern, wie Friesen betont, Welten
liegen,490 sind sie in der Diskussion bezüglich der Möglichkeiten der Darstellung des Erhabenen
unausweichlich, da sie beide als ihr primäres künstlerisches Ziel "(...) das Erlebnis einer Sphäre,
die jede sinnlich vertraute übersteigt, zu ermöglichen (...)491 sahen. Obwohl Lyotard Newman
einige größere Stellen in seinen Schriften widmete, erwähnt er Caspar David Friedrich (1774-
1840) nur sporadisch. Eine der Erwähnungen findet sich in seiner Schrift bezüglich seiner
Erörterung der Avantgarde, beziehungsweise in einer Passage, wo er die Unterscheidung
zwischen dem Erhabenen der Romantik und der Avantgarde vornimmt.492 In dieser Erörterung
betont er, dass die bildnerische Avantgarde das zu Ende führte, was mit der Romantik begonnen
wurde.493 Die Romantik erkannte das Problem der begrenzten Darstellungsmöglichkeiten des
Erhabenen und wagte, mit den ihnen bekannten künstlerischen Mitteln das Undarstellbare in
ihren Bildern darzustellen.494 Weiterhin betont Lyotard, dass der Hauptunterschied und die
Trennungslinie bezüglich der Darstellung des Erhabenen der Romantik im Unterschied zur

489
Vgl. Portune 2003, 89.
490
Vgl. Friesen 1995, 84.
491
Friesen 1995, 84.
492
Vgl. Lyotard 1989, 219.
493
Vgl. Lyotard 1989, 219.
494
Vgl. Zimmermann 1991, 110 f.

79
Avantgarde wie folgt sei: Künstler der Avantgarde suchten "(...) das Undarstellbare nicht als
einen verlorenen Ursprung oder Zweck in der Ferne im Sujet des Gemäldes zu repräsentieren,
sondern in der Nähe, in der Materie der künstlerischen Arbeit selbst."495 Weiterhin führt Lyotard
seine typische, rein kunsthistorisch betrachtet, unkorrekte Klassifizierung der Künstler durch,
derzufolge; Baudelaire, Füssli, Caspar David Friedrich, Delacroix wie auch Cezanne noch
romantisch sind; demgegenüber Joyce und Gertrude Stein weniger und Delaunay und Mondrian
fast nicht mehr zu Romantik gezählt werden.496 Bei Künstlern, die Lyotard als noch romantisch
bezeichnet, wird das Erhabene nostalgisch, beim letztgenannten ist es das fast nicht mehr. Die
letzteren widmeten sich, wie er immer wieder betont, dem Experimentieren zu.497
Es scheint, dass es sich bei Lyotard um beinahe dieselbe Klassifizierung handelt, die er auch in
seinem postmodernen Wissen durchführt. Auf der einen Seite sind Denker, die sozusagen
experimentieren, in dem sie auf die Vielfalt der Sprache verweisen und Paradoxien betonen, auf
der anderen Seite diejenigen, die noch an der Moderne anhaften und trauern. Man könnte sagen,
die trauernden Denker lösen sich schwer von den Metaerzählungen, die zur Anlehnung und
Legitimation gedient haben, und die die Künstler, lösen sich ebenso schwer von der Form, der
figuralen Perspektive, von geltenden Vorschriften und Regeln der Kunst. In jedem Fall
differenziert Lyotard zwischen dem Erhabenen in der Moderne, welche nostalgisch noch immer
an die Form gebunden bleibt, und der Ästhetik des Erhabenen, die nach ihrem Begriff der
Postmoderne als postmoderne Ästhetik des Erhabenen zu bezeichnen ist. Wie er selbst betont:
"(...) Die moderne Ästhetik ist eine Ästhetik des Erhabenen, bleibt aber als solche nostalgisch.
Sie vermag das Nicht-Darstellbare nur als abwesenden Inhalt anzuführen, während die Form
dank ihrer Erkennbarkeit dem Leser oder Betrachter weiterhin Trost gewährt und Anlaß von Lust
ist. (...) Das Postmoderne wäre dasjenige, das im Modernen in der Darstellung selbst auf ein
Nicht-Darstellbares anspielt; das sich dem Trost der guten Formen verweigert (...)"498
Bei der Lektüre Lyotards kommt man zum Schluss, dass Experimentieren selbst oder die
Neigung zum Neuen nicht als Kriterium genügt, zum Künstler des Erhabenen gewürdigt zu
werden. Im vorherigen Kapitel wurde bereits erwähnt, dass Künstler wie Picasso, Braque, Buren,
aber ebenso Cezanne die Künstler waren, die mit Vergangenem brachen und in ihren Werken zu
experimentieren begannen. In ihrem Tun spiegelt sich, was Lyotard unter seinem Begriff der
"Avantgarde" sublimierte. Sie sind alle Künstlerpersönlichkeiten, die Grenzen befragten und
überprüften. Über Joyce, den er an der Grenze zwischen Noch-Romantischem und Nicht-
Romantischem platzierte, betonte Lyotard, dass er bereits in bestimmter Weise auf das Nicht-

495
Lyotard 1989, 219.
496
Lyotard 1989, 219.
497
Vgl. Lyotard 1989, 220.
498
Lyotard 1987, 29.

80
Darstellbare hinweist. Obwohl dem so ist, scheint es Lyotards Schriften zufolge, dass Lyotard
eine zusätzliche Differenzierung vornimmt; zwischen den Künstlern, die Undarstellbares und
Erhabenes in ihren Werken ankünden, und Künstlern wie Newman, den er von seinen
Zeitgenossen hervorhebt, in dem er ihn wortwörtlich als Künstler der Ästhetik des Erhabenen
bezeichnet.499 Wenn ich mich nicht irre und Lyotard missverstehe, ist Caspar David Friedrich der
modernen Ästhetik des Erhabenen zuzuordnen, die noch an die Form festhält, aber in der Lage
ist, sich in einer bestimmten Weise dem Erhabenen anzunähern, beziehungsweise ankündigen,
dass es das Erhabene gibt. Sein Fehlschluss ist lediglich, dass er das Erhabene bildlich an die
Form gebunden darzustellen versucht. In Anlehnung an Kant betont Lyotard, dass sich das
Erhabene als eine Idee, aber nicht bildlich darstellen lässt.500 Künstler, die er als
Avantgardekünstler bezeichnet, die experimentieren und sich von Formen allmählich zu lösen
beginnen und sich an das Undarstellbare und Erhabene annähern, verkünden in ihren Werken,
dass es etwas Undarstellbares gibt. Newman grenzt sich schließlich von allen übrigen Künstlern
ab, in dem er nicht versucht, das Undarstellbare darzustellen oder darauf hinzuweisen, sondern
wie sich noch zeigen wird, ist sein Werk nicht die Darstellung des Erhabenen, sondern wird
selbst zum Erhabenen.501 Um Newman und sein Werk verständlicher in Verbindung an Lyotards
Ästhetik des Erhabenen bringen zu können, möchte ich zuerst mit einer kurzen Darstellung
Caspar David Friedrichs (1774-1840) beginnen, da sich dadurch grundliegende Differenzen
zwischen diesen beiden Künstlern und ebenso Möglichkeiten der Darstellung des Erhabenen
leichter illustrieren lassen.
Caspar David Friedrich ist ein Künstler, der rein zeitlich betrachtet, Kant zu Lebzeiten gekannt
haben könnte. Kunsthistorisch betrachtet ist er einer der wichtigsten deutschen Vertreter der
Landschaftsmalerei der Romantik. Obwohl schon erwähnt wurde, dass Kant nur unschwer seinen
Begriff des Erhabenen, vor allem angesichts der Entwicklungen der Kunst zu seiner Zeit, auf die
Kunst anwenden konnte, stellt Caspar David Friedrich eine Ausnahme dar, da man auf den
ersten Blick das Gefühl hat, dass seine Werken dem Kantischen Begriff des Erhabenen sehr nahe
stehen. Eventuell auch näher als bei Künstlern späterer Epochen. Vor allem, da Kant den Sitz des
Erhabenen in der Erfahrung der Mächtigkeit der Natur platziert. So eine Annahme würde Kant
natürlich ablehnen, da er jegliche Möglichkeit der Darstellung des Erhabenen in der Kunst a
priori nicht zulässt. Wie Lyotard von Kant übermittelt: "(...) Er zitiert das >Du sollst die kein
Bildnis machen usw.< (Exodus 2,4) als die erhabenste Stelle der Bibel, insofern darin jegliche

499
Vgl. Lyotard 1989, 150.
500
Vgl. Lyotard 1989, 173 ff.
501
Vgl. auch Lyotard 1989, 165.

81
Darstellung des Absoluten untersagt ist."502 Über das Erhabene in Caspar David Friedrichs
Bildern, im Besonderem mit seinem wahrscheinlich bekanntesten Werk "Der Mönch am Meer"
(Vgl. Abb. 9.), setzt sich Jörg Zimmermann in seinem Aufsatz auseinander, wie auch Hans
Friesen in seinem Buch. Obwohl Caspar David Friedrich wie gesagt Landschaftsmaler war,
waren seine Werke im Unterschied zu anderen Landschaftsmalern, die in ihren Werken das
Schöne der Natur darstellten, erhabene Landschaften.503 Friesen erklärt in den nachfolgende,
Zeilen, wieso gerade seine Werke als erhabene Landschaften zu bezeichnen sind: "Als
>erhaben< könnte man seine Darstellung der Landschaften bezeichnen, weil deren Anschauung
(...) die Idee der Unendlichkeit bei sich führt."504 Da Caspar David Friedrichs Hauptanliegen
war, in seinen Werken auf die Unendlichkeit hinzuweisen, nannte man ihn auch "Maler der
unendlichen Landschaft."505 Diese Bezeichnung Caspar David Friedrichs ist mehr als zutreffend,
wenn man seine Bilder betrachtet. Vor allem ist die unendliche Größe und Macht der Natur
auffallend, die sich von der Position des Betrachters nicht leicht auf einen Blick zusammen
fassen lässt. In seinen Bildern, so auch in seinem Werk "Der Mönch am Meer" oder in "Der
Wanderer über dem Nebelmeer" (Vgl. Abb. 10.), stellt er häufig der mächtigen Natur als
Gegenpaar beziehungsweise als Konkurrent eine Rückenfigur entgegen, die in der Stille die
bewältigende Natur betrachtet. Bezugnehmend auf diese und ähnliche Werke betont Friesen:
"Hierhin könnte man ihn als einen Maler betrachten, der die Kantischen Ideen des
"Mathematisch- Erhabenen", in der die Natur als über alle Vergleichung groß erscheint, und des
"Dynamisch-Erhabenen", in der sie als Furcht erregende Macht vorgestellt wird, beharrlich in
seinen Bildern umzusetzen sucht."506 Auf dem ersten der hier genannten Bilder Caspar David
Friedrichs ist der Mönch extrem winzig im Vergleich zur sich unendlich verbreitendenden Natur
dargestellt. Dadurch wird seine Unterlegenheit und Hilflosigkeit zur Natur zusätzlich betont. In
den Werk "Der Wanderer über dem Nebelmeer" dagegen wendet sich die Situation. Die
Rückenfigur wird souveräner präsentiert, als ob sie dem Meer und den Nebel gleichmächtig,
wenn auch nicht übermächtig und überlegen sei. Die Überlegenheit der Figur wird mittels
künstlerischen Einsatzes betont. Die Figur wird stehend, sich mit einem Fuß anlehnend an einen
Felsen dargestellt und dadurch optisch vergrößert. Wenn man diese zwei Werke nebeneinander
positionieren würde, könnte fast behauptet werden, dass sie als ideale Beispiele zur Illustration
von Kants Ästhetik des Erhabenen dienen. "Der Mönch am Meer" könnte das an früherer Stellen
der Arbeit erwähnte ursprüngliche Entsetzen und Gefühl der Hilflosigkeit des Subjekt beim

502
Lyotard 1987, 24.
503
Vgl. Friesen 1995, 78.
504
Friesen 1995, 78.
505
Vgl. Friesen 1995, 78.
506
Friesen 1995, 78.

82
Anblick der Mächtigkeit der Natur, "Der Wanderer über dem Nebelmeer" das anschließende
befreiende Gefühl der Übermächtigkeit des Geistes über die Natur, illustrieren. In diesem Sinne
betont auch Friesen, indem er sich auf Friedrichs Werk "Der Mönch am Meer" bezieht, in dem er
Ränsch-Trill zitiert, folgendes: "Wenn man nicht wüßte, daß die Urteilskraft älter ist als
Friedrichs Bilder, könnte man auf den Gedanken kommen, Kants Betrachtung über die
Entstehung erhabener Gefühle geradezu als "Protokoll der Wahrnehmungen, Empfindungen und
Reflexionen des >ästhetischen Subjekts< vor den Landschaften Caspar David Friedrichs, sei das
Subjekt nun aufgefaßt als Betrachter des Bildes, als Betrachter der Landschaft (Rückenfigur)
oder als der Maler selbst", zu lesen."507 Über Caspar David Friedrichs Werk "Der Mönch am
Meer" äußert sich Wendy Beckett mit folgenden Worten: ""Mönch" kommt vom griechischen
Wort für "allein", und diese Einsamkeit ist es, an der Friedrich und teilhaben läßt. Im Sinne
dieses Bildes sind wir alle Mönche, und wir alle stehen am Ufer des Unbekannten."508 Wichtig
ist hier zu betonen, dass sich der Betrachter mit der Figur in diesem Fall mit dem Mönch
identifiziert. In dem der Betrachter selbst zum Mönch wird, ist er automatisch der, der mit der
Größe der Natur konfrontiert ist, beziehungsweise der das Erhabene erfährt. Wie schon erwähnt
wurde, ist es bei Kant nicht die Natur selbst oder ein Gegenstand, der erhaben ist, sondern das
Erhabene wird als Verhältnis zwischen dem Subjekt und der Größe der Unendlichkeit
definiert.509 In diesem Sinne folgt Friedrich Kant, indem er in seinem Werk ganz im Sinne Kants
das Erhabene als Verhältnis zwischen dem Subjekt, dem Mönch, beziehungsweise dem
Betrachter und der Natur darstellt. In ähnlicher Weise betont das auch Friesen, wenn er sagt:
"Die Figuren, die als Rückenfiguren vor den Landschaften stehen (...) den Betrachter geradezu
auffordern, sich mit ihnen zu identifizieren, es ihnen gleichzutun, sich in ihrer Perspektive zu
versetzten, damit die unermeßlichen Naturerscheinungen das erhabene Gefühl erwecken
können."510
Obwohl Friedrichs Werke fast als Begleitung von Kants Ästhetik des Erhabenen wirken, lässt
sich das Erhabene als Idee in den bildenden Künsten nicht ausdrücken, da sie durch
Konkretisierung, wie Lyotard zur Recht betonte, ihr Hauptcharakteristikum, die
Unzugänglichkeit, verlieren würde.511 Die Idee des Erhabenen kann also nur als symbolische
Andeutung in der Bildern dargestellt werden, worauf auch Friesen hinweist, wenn er behauptet,
dass Friedrichs Bilder auf indirektem Wege das Unendliche darstellen, und schlussfolgert, dass
"eine solche Kunst ist der Ästhetik der Erhabenen zuzurechnen, weil die Anschauung ihrer

507
Ränsch-Trill, zit.n. Friesen 1995, 85/86.
508
Beckett 1995, 264.
509
Vgl. Röd 2000, 177.
510
Friesen 1995, 83.
511
Vgl. Lyotard 1985, 98/99.

83
Darstellungen die Idee des Unendlichen herausfordert."512 Man könnte behaupten, dass kein
erheblicher Unterschied zwischen Caspar David Friedrich und den Avantgarde-Künstlern, die
Lyotard in seinen Schriften preist, besteht. Beiden sind in der Lage, sich ihren künstlerischen
Möglichkeiten angemessen auf indirektem Wege dem "Absoluten" anzunähern. Lyotard erkennt
die Verdienste der Romanik, als er über die Avantgarde als ihre Nachfolgerin bezeichnet.513
Abgesehen vom Hauptunterschied, dass Romantiker in der "Ferne des Sujets" nach dem
Erhabenen suchten514, liegt ein entscheidender Unterschied in der Tatsache begründet, dass
Friedrich weniger Lyotards Anforderung des Experimentierens nachkommt. Seine Bilder sind
fest an die damals geltenden Regeln der Kunst gebunden. Es ist keine Kunst, die mit Formen
bricht, die auf das Figurale oder auf Licht und Perspektive verzichtet. In seinen Bildern finden
sich künstlerischen Regeln gemäß symmetrische Einteilungen und Anordnungen. Das Bild "Der
Mönch am Meer" wird durch drei horizontale Bereiche geteilt: Land, Meer und Himmel. Der auf
dem Ufer stehende Mönch betont den vertikalen Akzent.515 Von postmodernen Künstlern wird
Lyotard zufolge gesagt, dass sie ohne Regeln arbeiten. Sie sollten mit der Vergangenheit brechen
und neue Regeln erschaffen.516 In Friedrichs Werken, obwohl er sich in seinen Bildern
erstaunlich Kants Ästhetik des Erhabenen annähert, sind noch alle Elemente der Malerei präsent,
die sich bei den Avantgarde-Künstlern allmählich aufzulösen beginnen. Hier kommen wir
wiederum zu Edmund Burke. Genau an diesem Punkt spricht Burke der Malerei jegliche
Möglichkeit der Darstellung des Erhabenen ab. Da die Malerei nicht vom Figurativen befreit ist,
ist sie in ihrer Darstellung begrenzt und unflexibel. Lyotards Überlieferung nach, äußert sich
Burke wie folgt: "Um einen Engel in einem Gemälde darzustellen, kann man nur einen schönen
jungen Menschen mit Flügeln zeigen - aber welches Gemälde könnte etwas so großartig zur
Vollendung bringen, wie es dir Sprache durch Hinzufügung eines einzigen Wortes tut: "der
Engel des Herrn"?"517 Wie Barnett Newman, Künstler des abstrakten Expressionismus, mit
Burkes Kritik umgeht, indem er das Erhabene nicht einmal darzustellen versucht, sondern seine
Werke selbst zum Erhabenen erklärt, möchte ich im anschließenden Teil der Arbeit erläutern.
Bevor ich zum Erhabenen im Werk von Newman komme, möchte ich einige für ihn und seine
Umgebung kennzeichnenden künstlerische Merkmale erwähnen, da ohne dieses Vorwissen sein
Werk und somit auch seine Idee des Erhabenen schwer zu verstehen wäre. Kennzeichnend für
Barnett Newman, einen der bedeutendsten amerikanischen Maler des 20 Jh., sind die übergroßen
Formate seiner Bilder. Beispielsweise sein Bild "Who`s afraid of red, yellow and blue III“ (Vgl.

512
Friesen 1995, 84.
513
Vgl. auch Zimmermann 1991, 110/111.
514
Vgl. Lyotard 1989, 219.
515
Vgl. Beckett 1995, 264.
516
Vgl. Lyotard 1987, 30.
517
Burke zit.n. Lyotard 1989, 176.

84
Abb. 11.) aus dem Jahr 1966/67. Es misst in der Länge fast 5,5 Meter und in der Breite 2,5.518
Eine weitere Besonderheit ist auch, dass er nicht nur als Maler tätig war, sondern ebenso als
Schriftsteller. Obwohl viele seiner Briefe und Essays erhalten sind, wird vor allem sein Essay
"The sublime ist Now" aus dem Jahr 1947 in der Fachliteratur hervorgehoben. In diesem Essay
sind, wie Anne Hoormann erzählt, seine Kardinalforderungen, die er an die Malerei stellt,
aufgelistet, die sie kurz mit folgenden Wörtern zusammenfassend darstellt:"(...) die Forderung
nach neuen Bildern - nach Bildern, die sich nicht mehr in die Tradition der europäischen
Kunstgeschichte eingliedern lassen, sondern sich vielmehr dieser entziehen. Er forderte eine
Bildsprache, die voraussetzungslos und ohne kulturellen Hintergrund ist. Vom Betrachter
verlangte er optische Neutralität. Das Bild sollte ohne Vor-Urteile betrachtet, Assoziationen und
Erinnerungen sollten beim Sehen ausgeblendet worden."519
Hier sieht man schon die ersten Ähnlichkeiten zwischen Lyotard und Newman bezüglich
Forderungen und Wünschen. Lyotard verlangt ebenso in seinen Schriften nach neuen Bildern
und Regeln, nach Nichtwiederholung des Verhangenen und eine Verweigerung der Zwänge, die
in der Tradition der Malerei immer wieder präsent waren. Lyotard selbst setzt sich ebenso der
üblichen kunsthistorischen Periodisierung der Kunst entgegen. Er kritisiert den Geschmack des
Publikums und der Masse, die bei der Kunstrezeption nicht ohne Vorurteil sind und von
vornherein aus Unwissenheit kein Verständnis und Abneigung für die Werke der Avantgarde
mitbringen. Aufgrund dessen kritisierte er auch den Chefredakteur einer Zeitschrift, der nach
übersetzten Texten verlangte.520
Die Gemeinsamkeiten der Künstler des amerikanischen abstrakten Expressionismus, den auch
Adolph Gottlieb und Mark Rothko neben Newman angehören, ist ihre Schätzung primitiver
Kulturen, die Entgegensetzung jeglichen Dogmatismus und der Akademismus in der Kunst, und
vor allem die Frage nach dem Sinn der Malerei.521 In einem Auszug aus dem an die Redaktion
der New York Times gerichteten Brief aus dem Jahr 1943,522 unterschrieben von allen drei
erwähnten Künstlern, konkretisierten sie ihre Forderungen und ihr künstlerisches Anliegen. An
dieser Stelle möchte ich nun einige relevante Punkte daraus erwähnen.
Gleich am Beginn des Briefs betonen Newman, Gottlieb und Rothko, dass sich ihre Malerei
nicht einfach durch schriftliche Erläuterungen erklären lässt. In ihren Werken geht es vor allem
um die Bedeutung von Ideen und nicht um Erklärungen. Ihr künstlerisches Tun vergleichen sie
mit dem Abenteuer, demzufolge wird vom Publikum erwartet, ihren Werken mit

518
Vgl. Imdahl 1971, 3.
519
Hoormann, Die Entfernung der Inhalte aus dem Bild. Zur Konstruktion des "unschuldigen Sehens" im Abstrakten
Expressionismus, 50.
520
Vgl. Lyotard 1986a, 51-107 u. auch Lyotard 1985, 91-102.
521
Vgl. Reißer/Wolf 2003, 55.
522
Vgl. Luckow /Schmidt 2002, 88/89.

85
Entschlossenheit entgegenzutreten. Ihre Bilder, die einer Welt der Vorstellungskraft entstammen,
setzen sich von vornherein dem gesunden Menschenverstand entgegen. Weiteres wird der
Betrachter in die Welt des Künstlers versetzt. Er solle sie die Welt auf ihre Weise sehen lassen
und nicht auf seine eigene. Große Formate werden bevorzugt, weil sie vor allem die Wirkung der
Eindeutigkeit und Klarheit haben. Flache Formaten werden eingesetzt, da sie die Illusion
brechen und die Wahrheit ans Licht bringen. Das Metier des Künstlers wird als unwichtig
betrachtet, da es ein Ausdruck des Akademismus ist. Es ist nicht mehr wichtig, wie man malt,
sondern was man malt. Gegenstände, die zeitlos und tragisch sind, und die sich vor allem bei
primitiver und archaischer Kunst wiederfinden, sind besonders zu schätzen.523 Den Brief
schließen die Künstlern letztendlich mit den Worten: "Folglich muss unser Werk, wenn es diese
Überzeugungen verkörpert, jeden vor den Kopf stoßen, der sich geistig hingezogen fühlt zu
Raumgestaltung, zu Bildern für das eigene Heim, zu Bildern über dem Kamin, zu Bildern
amerikanischer Landschaften und Alltagsszenen, zur Gesellschaftsgliederung, zur Reinheit in der
Kunst, zu preisgekrönten Fließbandprodukten, zum National Academy, zum Whitney Museum
usw."524 Wenn man diese Zeilen liest und wenn man sich mit Lyotards Schriften befasst, erkennt
man direkte Parallelen zwischen diesen Künstlern, beziehungsweise zwischen Newman und
Lyotards Ästhetik. Ich möchte an dieser Stelle einige Ähnlichkeiten im Gedankengang
erwähnen. Das künstlerische Metier wie auch der Geniebegriff des Künstlers sind Lyotard nach
nicht mehr aktuell. Das Maler-Metier ist mit der Avantgarde, vor allem mit Lyotards
Avantgarde, unvereinbar. Die Entscheidung, ob ein Maler in seinem Tun das malerische Talent
beherrscht, wurde üblicherweise in der Kunstgeschichte anhand von Verwendung der Farbe, die
Perspektive, Formaten u.a. entschieden. Avantgarde-Künstler sollten sich nach Lyotard von
diesen üblichen Anforderungen und Regeln absetzten.525 Die Werke sollten nicht dem
Publikumsgeschmack nach hergestellt werden. Der Avantgarde-Künstler müsse vielmehr mit der
Kritik und Ablehnung seitens der Öffentlichkeit rechnen. Werke der Avantgardekünstler sind
keine Werke, die man über den Kamin aufhängt, sondern vielmehr erschüttern sie, in dem sie als
"ungeheuer" und "formlose" erscheinen.526 Schlussendlich ist der Künstler der Öffentlichkeit
keine Rechenschaft schuldig. Er ist derjenige, der nach Regeln sucht und sie hinterfragt.527 Aus
dieser Tatsache folgt, dass Lyotard zufolge erwartet wird, dass der Künstler in seinen Bildern vor
allem seine Welt darstellt, beziehungsweise das Produkt seiner Gedanken zur Kunst. Gegen
schriftliche Erläuterungen und Erklärungen der Bilder äußert sich Lyotard ebenso. Es ist nicht

523
Vgl. Luckow /Schmidt 2002, 88.
524
Luckow /Schmidt 2002, 89.
525
Vgl. Lyotard 1985, 97.
526
Vgl. Lyotard 1985, 97.
527
Vgl. Lyotard 1985, 101.

86
die Aufgabe des Kunstkritikers, die Werke der Avantgarde erklären zu versuchen, sondern die
Aufgabe der Philosophie, ihren Bereich auf das Ästhetische zu erweitern. Seine Position ist
verständlich, wenn man zum einen in Betracht zieht, dass sich Werke wie von Newman mit
Wörtern nur schwer erklären lassen und dass man kein System hat528, beziehungsweise keine
Richtlinien, nach denen man wie in der traditionellen Kunst zur Hilfe greifen könnte. Die
Sprachspiele der Kunst sind vielfältiger und verschiedenartig geworden. An dieser Stelle scheint
folgendes Zitat Lyotards angemessen: "Es ist nicht mehr an der Zeit, sich mit Diderot vor einem
Vernet aufzupflanzen und zu seufzen: >Wie schön ist das, wie groß, wie abwechslungsreich, wie
edel, wie sinnvoll, wie harmonisch und wie kraftvoll im Kolorit<."529 In Bezug auf Newmans
Werk betont Lyotard an einer anderen Stelle die problematische Lage des Kommentators, wenn
er das Erhabene beschreibt. Es ist ein Gefühl, welches sich nicht näher mit Wörtern sinnvoll
erklären lässt. So Lyotard: "Alles ist da, Dimensionen, Farbe, Linien, ohne Anspielung. (...). Die
Beschreibung ist leicht, aber platt wie eine Paraphrase. Die beste Deutung ist die Frageform:
Was soll man sagen? oder ein Ausruf: Ah! oder Überraschung: Na so was! So viele Ausdrücke
für ein Gefühl (...): das Erhabene."530 Nachdem kurz einzelne Berührungspunkte der
Kunstauffassung zwischen den Vertretern des amerikanischen abstrakten Expressionismus und
Lyotard erwähnt wurden, möchte ich zum wichtigsten Teil dieses Unterkapitel übergehen, zum
Erhabenen beim Newman.
Wie schon erwähnt sind fast alle Werke von Barnett Newman großformatig. Sein vorhin
genanntes Werk "Who`s afraid of red, yellow and blue III" stammt, wie der Titel schon
suggeriert, aus einer Serie von drei gleichnamigen Werken, denen gemeinsam ist, dass,
abgesehen von großem Format, die Farbe als wichtigstes und homogenes Glied im Werk
dominiert. Im "Who`s afraid of red, yellow and blue III" wird der Großteil der Leinwand von der
Farbe Rot dominiert. Dieses Rot wird lediglich am linken und rechten Rande des Leinwand
durch einen gelben (nur 2,5 cm breit) und den blauen Streifen (15 cm breit) unterbrochen und
abgegrenzt.531
Obwohl angenommen wurde, dass es plausibel wäre, beim Betrachten von Bildern von
übergroßen Formaten den größtmöglichen Abstand vom Bild zu nehmen, verlangte Newman,
wie Imdahl überliefert, ausdrücklich das Gegenteilige, nämlich dass man sich dem Bild annähert
(Vgl. Abb. 12/13.), da nur durch die Nähe ein gewolltes Zusammenwirken von Bild und
Betrachter zustande kommen kann, beziehungsweise nur auf diese Weise „(...) die Größe als

528
Vgl. auch Lyotard 1985, 51.
529
Lyotard 1986, 51.
530
Lyotard 1989, 144.
531
Vgl. Imdahl 1971, 3.

87
Großheit erfahren werden kann."532 Man könnte sich vorstellen, dass das Betrachten von der
geringen Distanz-Erfahrung des Bildes als Ganzes extrem verhindert und dass das
Zusammentreffen auf einer großen, rot bemalten Fläche beim Betrachter gleichzeitig Irritation
hervorruft. Beim Betrachten des Bildes, entsteht beim Subjekt der Widerstand zwischen dem,
was er sieht, und dem, was ihm sozusagen suggeriert wird, da die Farbnuancen oszillieren.533
Dieser Widerstand und Paradoxie wird bestärkt durch "(...) Fläche und räumliche Illusion,
Format und Unendlichkeit, Licht und Dunkel (...)"534
Anne Hoormann betont, das Ziel von Newman sei vor allem die direkte Wahrnehmung. Die
Darstellung von etwas existiert nicht mehr und ist unwichtig. Alles was zählt, ist die Erfahrung
von noch nie Erfahrenem, oder wie sie es nennt, die "existenzielle Grenzerfahrung", die durch
das Werk, beziehungsweise durch die Malerei ausgelöst wird.535 Der Betrachter wird sozusagen
beim Newman unerwartet in einen "Schockzustand" versetzt, wenn er mit der Erfahrung
konfrontiert wird, die alles für ihn bis dahin Bekanntes übersteigt. "Die Überwältigung durch das
Erhabene besteht darin, daß der Sehende dem Zusehenden unausweichlich ausgeliefert wird. Das
Bild verweigert dem Beschauer alles, was ihm vertraut ist (...)"536 Es ist keine "bekannte" und
symbolische Darstellung des Erhabenen, die bei Friedrichs anzutreffen ist. Wenn sich der
Betrachter nahe zum Bild Newmans stellt, erfährt er dasselbe wie ein Betrachter, der sich in die
Figur des Mönchs bei Friedrich versetzt und die Größe der Natur erblickt, nämlich das
Unendliche. Der Unterschied ist lediglich, dass bei Friedrich der Betrachter eine bestimmte Zeit
benötigt, um die symbolische Figur des Mönchs zu erkennen und die Zeit für das Einwirken der
düsteren Farben, die ihn in die gewünschte Gefühlslage versetzen. Zusätzlich entdeckt man beim
Betrachten von Friedrichs Bildern weitere wichtige Elemente wie die Einteilung des Bildes,
wodurch der Rezipient zusätzlich abgelenkt wird. Bei Newman dagegen findet die
Wahrnehmung ohne jegliche Zeitverzögerung statt, da der Betrachter unerwartet mit dem Bild
und all seinen Elementen konfrontiert wird. Von dieser Tatsache betrachtet ist nachvollziehbar,
wenn Newman bemerkt, dass sein Bild selbst die Zeit ist.537 Ähnlich äußert sich auch Lyotard,
wenn er betont, dass man den Ausdruck "The Sublime is Now" korrekterweise übersetzen
müsste mit "(...) Nun, das ist das Erhabene. Nicht anderswo, nicht da oder dort, nicht früher oder

532
Imdahl 1971, 4.
533
Vgl. Reißer/Wolf 2003, 65.
534
Reißer/Wolf 2003, 65.
535
Vgl. Hoormann, Die Entfernung der Inhalte aus dem Bild. Zur Konstruktion des "unschuldigen Sehens" im
Abstrakten Expressionismus, 51.
536
Max Imdahl 1971, 5.
537
Vgl. Lyotard 1986a, 7.

88
später oder ein anderes Mal, sondern: hier, jetzt geschieht es, daß..., und das ist dies Bild. Daß
hier und jetzt dies Bild ist, und nicht vielmehr nichts, das ist das Erhabene."538
In den Bildern Caspar David Friedrichs ist man ständig auf der Suche nach Hinweisen, nach
Verborgenem, beziehungsweise nach Botschaften, die der Künstler dem Betrachter übermitteln
wollte, da es sich um mit Symbolik geladene Landschaftsdarstellungen handelt.
Solche Werke eröffnen auch verschiedene Spekulationen. Bezüglich des Werkes "Der Mönch
am Meer" wird immer wieder der tragische Tod von Fridrichs Bruder durch Ertrinken als
Ursprung seiner Darstellung der Mächtigkeit der Natur angenommen. Weiterhin wird
vorausgesetzt, dass sich der Künstler selbst in der Figur des Mönchs verbildlichte.539
Bei Newman sind die Bilder inhaltlos und als reine Erfahrung aufzufassen. Es wird nicht nach
einer bestimmten Botschaft gesucht. Die Suche ist auch vergeblich, da das Bild schon alles und
gleichzeitig nichts ist. Indem er Thomas Hess zitiert und sich an ihn anlehnt, betont Lyotard über
Newman, dass er auch nie die Absicht hatte, mittels seiner Bilder eine Botschaft zu übermitteln,
wie auch dass er sich nie Allegorien bediente, um eine Idee darzustellen.540 An einer anderen
Stelle hebt er noch einmal in aller Klarheit hervor, dass Newman durch seine Bilder in keinerlei
Weise die Kommunikation mit dem Betrachter wünscht: "Die Botschaft "spricht" von nichts, sie
geht von niemanden aus. Nicht Newman "sagt" oder zeigt etwas durch seine Malerei. Die
Botschaft (das Bild) ist der Bote, es "sagt": Hier bin ich, das heißt: ich bin Dein, oder: Sei
mein."541 An dieser Stelle kommen wir zur Lyotards Hypothese, die im dritten Kapitel erwähnt
wurde und die besagt, dass künstlerische Sprache nicht als Kommunikationsmittel aufzufassen
sei.542 Diese Ansicht teilt mit ihm offensichtlich auch Newman, indem er behauptet, dass seine
"(...) Gemälde voller Bedeutung seien, einer Bedeutung, die vom Sehen, nicht vom Sprechen
komme."543
Newman ist ein Künstler, über den behauptet werden könnte, dass er angesichts seines Werkes
"Who`s afraid of red, yellow and blue III" als Vorbildkünstler und Persönlichkeit, in der
Lyotards Ästhetik zusammengefasst wird und zum Vorschein kommt, gilt. Alle wichtigen
Anforderungen, die Lyotard an sein idealen Künstler der Postmoderne stellt, erfüllte er in diesem
Werk, welches bezeichnet wird als „(...) eine neue, ungeahnte, gegenüber allen bekannten
Formvorstellungen und eingespielten Gestaltungsprinzipien ungewöhnliche Erscheinung."544

538
Lyotard 1989, 165.
539
Vgl. Friesen 1995, 78 ff.
540
Vgl. Lyotard 1989, 148.
541
Lyotard 1989, 145.
542
Vgl. Lyotard 1986a, 100.
543
Hoormann, Die Entfernung der Inhalte aus dem Bild. Zur Konstruktion des "unschuldigen Sehens" im Abstrakten
Expressionismus, 53.
544
Imdahl 1971, 5.

89
5. Zusammenfassung

In dieser Arbeit wurde anhand von Lyotards Schriften und begleitender Literatur wurde versucht
Lyotards Stellungnahme und sein Entwurf der Postmoderne, da er vor allem in der Fachliteratur
als "Vater" oder "Erfinder der Postmoderne" gefeiert wird, wie auch seine eng damit verbundene
postmoderne-philosophische Ästhetik darzustellen. An dieser Stelle möchte ich abschließend in
dem ich Lyotards Leitideen noch einmal zusammenfasse auf einige ,meiner Ansicht nach,
Kritikwürdigen Punkte im Werk Lyotard Bezug nehmen die nach weiteren Denkanstoß und
kritischer Diskussion hervorrufen.
Zum einen ist zu erwähnen das sich Lyotard, obwohl in der Fachliteratur und Würdigung
Lyotard anders zu lesen ist, weniger als "Erfinder" der Postmoderne angesehen hat, worüber
auch seine in der Arbeit erwähnten Äußerungen über zufälligen, nicht absichtlichen und
unglücklichen Auswahl des Begriffs bezeugen.545 Falls unter Postmoderne Auseinandersetzung
mit der Moderne zu verstehen ist, wie Welsch andeutet546, dann ist Lyotard schließlich nur einer
unter vielen Denker die sich in der Auseinandersetzung mit der Moderne an der Diskussion
beteiligte. Hier sind u.a. Vattimo, Habermas, Derrida noch zu erwähnen. Mit Lyotard aber
tauchte erstmals in seiner Studie "Das postmoderne Wissen" das Begriff "Postmoderne" in der
philosophische Diskussion auf547. Angesichts dieser Tatsache ist zum Teil korrekt und
angemessen ihm als Erfinder oder Vorreiter der Postmoderne zu bezeichnen, wie Peter
Engelmann in seinem Artikel anlässlich Lyotards Todes auch tut.548 Anderseits aber wie er selbst
betonte hat er den Begriff aus gängiger Diskussionen übernommen und noch dazu sein Werk
"Das postmoderne Wissen" zählt, seiner Angaben nach, nicht zur philosophischen Werken.549
Was aber kennzeichnend und zu Verdiensten Lyotard im Besonderen zählt, ist sein
verschiedenartiges Verständnis der Postmoderne in dem er über Moderne "redigieren" spricht
und zwischen Moderne und Postmoderne nicht üblich epochen-geschichtlich differenziert. Beim
Lyotard handelt es beim Moderne und Postmoderne Begriffen nicht um Epochenbegriffen
sondern um Begriffen die vielmehr Geisteszustand bezeichnen und Gemeinsamkeiten wie
Verschiedenheiten aufweisen die philosophische Hinterfragung bedürftigen. Seine Theorie zur
Postmoderne bezieht sich auf keine geschichtliche Epoche die nach der Moderne folgt,
beziehungsweise schließt sie nicht ab, wie beim einigen anderen Theoretikern der Fall ist.
Lyotard kritisiert vielmehr das Verlangen nach dogmatisch, gesicherten Wissen und setzt sich für

545
Vgl. Kapitel 2.
546
Vgl. Welsch 1988, 2
547
Vgl. u.a. Welsch 1988, 12.
548
Vgl. Engelmann, Die Welt (23.04.1998), 10.07.2014.
549
Vgl. Kapitel 2.

90
die Vielfalt und Pluralität des Wissens ein. Rückzug auf Metaerzählungen und leeren
Versprechungen der Moderne haben den Menschen keine Sicherheit und Halt gebracht, so
lautete Lyotards in der Arbeit dargestellte Ursprungsdiagnose.550
Abgesehen von seiner Erörterung der Metaerzählungen ist sein Verlangen nach der Pluralität
keine Besonderheit Lyotards, sondern für die Zeit der Postmoderne symptomatisch übliche
Stellungnahme - sich von der Einheit und der Suche nach allgemeingültigen Wahrheiten
abzugrenzen551. Pluralität ist vereinfacht gesagt "(...) das Herzwort der Postmoderne."552
Interessant ist aber Lyotards Ausweg den er vorschlägt und der aus dem Zustand der
Unsicherheit und Enttäuschung die mit leeren Versprechungen der Moderne herbeigeführt
wurde, sich anbietet. Grundstein der Pluralität des Wissen, für das sich Lyotard einsetzt, wachst
aus der Vielfalt der Sprachspielen heraus die er in Anlehnung an Wittgenstein entwickelte,
wodurch das Verlangen nach Gewissheit und die Trauer bezüglich des Verlustes der
Metaerzählungen eliminiert werden sein sollte. Obwohl die vielfältige Sprachspielen nach
Regeln verlaufen, finden sich in seiner Schriften keine nähere Erläuterung der Regeln nach
denen dadurch entstandene verschiedene Diskursarten differenzieren oder begründen könnte. Es
scheinen alle gleichwertig und gleichgültig zu sein und verhelfen letztendlich zur Bildung der
Widerstreits. Aus diesem Grund wird auch Lyotard vorgeworfen dass sein Modell der
Postmoderne wie auch seine Kritik der Metaerzählungen und der Wünsch nach Pluralität,
schließlich zur Beliebigkeit führt, beziehungsweise im Erkenntnisnihilismus ohne Kriterien und
jeglichen Halt mündet. In diesem Sinne hat Ron Kubsch sicherlich Recht wenn er diese neue
postmoderne Auswegkonzept im Verhältnis zur antiken, mittelalterlichen oder modernen
Konzept als nicht erfolgreicher, glücklicher oder besser geeignet beurteilt. Wie Kubsch betont
das Konzept bietet keinen Halt, es ist ein "(...) Leben ohne Einheit, im unendlichen Widerstreit,
das Sein ganz ohne Anker (...)".553 Gerade diese Beliebigkeit und Kriterienlosigkeit wirft aber
Lyotard selbst Kunsttendenzen der Postmodernen Zeit vor, die aus seiner Sicht betrachtet vor
allem nach reiner Unterhaltung und Gewinn strebt. Obwohl Christa Bürger Recht zu geben ist
wenn sie beim Lyotard "anarchischer Impuls" bemerkt,554 andersherum ist auch zu bemerken das
Lyotard jedoch in seiner philosophischer Ästhetik einen zum Teil ebenso totalitären Modell
entwirft. Er lässt sozusagen, obwohl er in seiner Ästhetik Vielfältigkeit der Kunstspielen betont,
nur einen Regelsystem gelten. Lyotard Ästhetik wird selbst zum dogmatischen Denkweisen. Fast
zwanghaft wird vom Künstler erwartet dass sie in ihren Werken experimentieren, nach Neuem

550
Vgl. Kapitel 2.
551
Vgl. Danko 2011,79.
552
Welsch 1988, 13.
553
Kubsch (2004), MBS Texte-Martin Bucer Seminar, (10.08.2014).
554
Bürger C. 1988, 123.

91
suchen, hinterfragen und vergangene vermeiden. Die die es nicht tut, sind keine würdige
Vertreter des Avantgardismus und der postmoderne Kunst und werden zum Eklektiker. Da die
Künstler sozusagen zum Philosophen werden, beziehungsweise von denen erwartet wird, das sie
Philosophenähnlich in ihrem Tun vorgehen, stellt sich vorerst die Frage, ob Kunst und Künstler
ebenso damit nicht unter Zwang gestellt werden und an ihrer Autonomie beziehungsweise freier
künstlerscher Entscheidung einbüßen. Hier wird Kunst nicht mehr zum äußeren,
gesellschaftlichen Zwecken, wie Repräsentationszweck und zur Bildung der Meinungen
ausgenutzt, aber wird indirekt ebenso nicht Zwang und Zweckfrei. Weiteres, da künstlerischer
Metier wie auch übliche Richtlinien der Beurteilung von Kunstwerken aufgehoben wurden,
bleibt unklar, nach welchen ästhetischen Kriterien ein Werk beurteilt werden kann. Mündet
ebenso Lyotards Ästhetik letztendlich in ästhetischer Beliebigkeit? Kunstkritiker Hanno
Rauterberg hat wahrscheinlich Recht in seiner Behauptung wenn er über Kunst und
gegenwärtigen Tendenzen schrieb: "(...) Sie soll unerschöpflich sein, unnahbar, unbegreiflich.
Auch das ist natürlich eine Form der Qualitätsbeschreibung, es ist ein Kriterium, wenn auch ein
paradoxes: das Kriterium der Kriterienlosigkeit."555 Diese kritische Zeilen Rauterbergs scheinen
angemessen auf vom Lyotard vertretene ästhetische Position anwendbar zu sein. Anderseits
obwohl auf dem ersten Blick durch Lektüre Lyotards das Gefühl vermittelt wird, dass Lyotard in
seiner Ästhetik liberale, von vergangenen Maßstäben befreite Auffassung der Kunst vertritt, ist
seine Stellung nicht weniger "modern" autoritär. Was macht Newman vom ästhetischen her
besser als Caspar David Friedrich? Die Antwort ist weniger nach rein künstlerischen Fähigkeiten
dieser zwei Künstler gerichtet, sondern lautet das Newman mit allen vergangenen künstlerischen
Kriterien oder mit sozusagen "Metaerzählungen" in der Kunst abricht, dadurch Widerstreit
fordert und das seine Werke dadurch selbst zum Ereignis, weil vor allem "Inhaltlos", zum
Undarstellbaren werden. Es sind Kunstwerke die den Aufruf Lyotard am meisten entsprechen:
"Krieg dem Ganzen, zeugen wir für das Nicht-Darstellbare, aktivieren wir die Differenzen, retten
wir die Ehre der Namen."556 Ob damit Unrecht Künstlern anderen Epochen gemacht wird, bleibt
offen. Jedenfalls scheint, falls Newman und Lyotard die Möglichkeit des Erhabenen in der Kunst
zulassen, Newmans Ausgrenzung eines Piet Mondrian diesbezüglich doktrinär und engstirnig,
beziehungsweise postmodernen Verlangen nach Offenheit und Pluralität fremd. Abwertung
Mondrian seitens Vertretern des Abstrakten Expressionismus schildert Anne Hoormann: "Selbst
ein Piet Mondrian, der noch am weitesten ihrem Ideal einer referenzlosen Malerei entgegenkam,
geriet unter ihre Kritik. Seine Gemälde seien keine reine Abstraktion. (...) Darüber hinaus warfen
sie ihm vor, daß er mit seiner Geometrie auch weiterhin am Schönheitskanon europäischer Kunst

555
Rauterberg 2007, 92.
556
Lyotard 1987, 31.

92
festhalte. (...) Newman erklärte, daß nur in einer nicht-geometrischen Kunst der Anfang einer
neuen Kunstentwicklung zu finden sei, und Still fügte hinzu, daß man sich endlich aus dem
"euklidischen Gefängnis" befreien solle.557 Ähnliche teils abwertende und ungenügend
begründete Klassifikation der Künstler nimmt auch Lyotard in seiner Schriften vor. Obwohl
Lyotard in seiner Schriften über seine umfangreiche Kunstkenntnissen überzeugt und sich mit
Aufmerksamkeit einzelnen Kunstwerken widmet, fehlt anderseits rein ästhetische
Differenzierung und Begründung seiner Beurteilung. Es scheint vielmehr das er mittels
Kunstwerken seine postmoderne Ideologie des Widerstreits verfolgt und demzufolge auch
ideologisch zwischen einzelnen Künstlern und ihren Werken unterscheidet, die schließlich beim
Lesern das Gefühl des wiederum "Einen" und dogmatischen Denken hinterließt, den er
eigentlich zu bekämpfen versucht. Neben der Aufgabe nach Undarstellbaren zu suchen,
besonders wichtige Ansprüche die Lyotard immer wieder in seiner Schriften wiederholend an
Avantgarden-Postmodernen Künstler stellt - nach Novitäten in der Kunst zu suchen und zu
experimentieren - sind, in Zeitangemessenen möglichen Rahmen, zum Teil beim Künstler
jeglicher kunsthistorischen Epochen vorzufinden. Nur als Beispiel zu nennen, so könnte
ebenfalls, auch Barock Maler und Architekt Andrea Pozzo mit seiner Errungenschaften-
bemerkenswerten gemalten Scheinkuppeln die durch Illusion einer echter Kuppel gleichen558, als
zumindest halb-postmoderner Künstler gefeiert werden. Hier liegt Lyotards Schwachstelle seiner
"Theorie"-in seiner eigenwilligen, ohne festen Kriterien-Trennungslinie und kunsthistorisch
unübliche Benutzung des Begriffs Postmoderne- die auch dem Leser Nachvollziehung seiner
Position zusätzlich erschwert. Andersherum genau dieses geschichtlich unabhängiges
Verwendung der Begriffen Avantgarde und Postmoderne machen das Werk Lyotard andersartig
und besonders interessant. Noch zu erwähnen wäre dass wenn Ziel des künstlerischen Tuns, wie
der Fall beim Lyotard ist, Annährung und "Darstellung" des Undarstellbaren, verliert dadurch
Kunst ihre alltägliche gesellschaftliche Funktion. Kunstwerke fungieren was schwer zu
bestreiten ist, abgesehen von ihrer rein ästhetischen Funktion, zur Erfüllung verschiedener
Zwecken im Leben- u.a. als Mittel in der Therapie, wie auch zur reiner Unterhaltung der
Besucher.
In Bezug auf seine ästhetische Erörterung verdient Lyotard besondere Würdigung zum einen
angesichts seiner detaillierter Erörterung vor allem bildender Kunst, obwohl seine Kenntnisse
und Stellungnahmen zum Film und Musik ebenso nicht weniger wertvoll sind. Zum zweiten war
Lyotard Vorreiter, beziehungsweise seiner Zeit voraus, in dem er auf erst aufkommende

557
Hoormann, Die Entfernung der Inhalte aus dem Bild. Zur Konstruktion des "unschuldigen Sehens" im Abstrakten
Expressionismus, 52.
558
Vgl. u.a. Andrea Pozzo, Wikipedia, 10.10.2014.

93
Entwicklungen in der Kunst kritisch hinwies. In dem er versuchte in seiner Ästhetik u.a. Resten
der Avantgarde Bewegungen zu retten und auf ihre Vorzüge Aufmerksam zu machen, versuchte
er die Kunst von dem zu bewahren was heute zur Selbstverständlichkeit geworden ist, nämlich
dass Kunst allmählich degradiert und zur Marktware wird. Abgesehen von einigen hier
erwähnten Kritikpunkten über die man diskutieren und nachdenken könnte, verdient Lyotard viel
mehr an geschenkter Aufmerksamkeit und Interesse in Fachkreisen als er bis jetzt, vor allem in
deutschsprachigen Raum bekam, und ist sicherlich als einer der vielfältigsten Denker des 20 Jh.
zu bezeichnen.

94
II. Abbildungen

Abbildung 1, "Sprengung einer Wohnsiedlung in St.Louis am 15. Juli 1972 um 15.32 Uhr."

Abbildung 2, Ambrogio Lorenzetti, "Allegorie des guten Regiments und die Folgen seiner
Herrschaft in Stadt und Land", Freskodetail, 1337.

95
Abbildung 3, Pablo Picasso, "Les Demoiselles d'Avignon", 1907.

96
Abbildung 4, Kazimir Malewitsch, Weisses Quadrat auf weissem Grund, 1918.

Abbildung 5, René Guiffrey, "Jo", 2004.

97
Abbildung 6, Paul Cézanne, "Die Entführung", 1867.

Abbildung 7, Charles W. Moore, "Piazza d'Italia", New Orleans, 1974-1978.

98
Abbildung 8, James Stirling, "Stuttgarter Staatsgalerie", 1984.

Abbildung 9, Caspar David Friedrich, "Der Mönch am Meer", 1908.

99
Abbildung 10, Caspar David Friedrich, "Der Wanderer über dem Nebelmeer", 1818.

Abbildung 11, Barnett Newman, "Who´s afraid of Red, Yellow and Blue III", 1966/67.

100
Abbildung 12, Barnett Newman, "Who´s afraid of Red, Yellow and Blue III", 1966/67.

Abbildung 13, Barnett Newman, Vir heroicus sublimis, 1950/51.

101
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106
IV. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1, "Sprengung einer Wohnsiedlung aus den fünfziger Jahren in St.Louis am 15. Juli 1972
um 15.32 Uhr."
Abb. 2, Ambrogio Lorenzetti, "Allegorie des guten Regiments und die Folgen seiner Herrschaft
in Stadt und Land", Freskodetail, 1337-39, 2,4 x 14 m, Siena, Palazzo pubblico.
Abb. 3, Pablo Picasso, "Les Demoiselles d'Avignon", 1907, Öl auf Leinwand, 243,9 x 233,7 cm,
New York, öffentliche Sammlung, Museum of Modern Art.
Abb. 4, Kazimir Malewitsch, Weisses Quadrat auf weissem Grund, 1918, Öl auf Leinwand,
78,7cm x 78,7 cm.
Abb. 5, René Guiffrey, "Jo", 2004, Glasplatten, Acryl und Spiegel, 40 x 40 cm.
Abb. 6, Paul Cézanne, "Die Entführung", 1867, Öl auf Leinwand , 90 x 116 cm, Cambridge, The
Fitzwilliam Museum.
Abb. 7, Charles W. Moore, "Piazza d'Italia" in New Orleans, 1974-1978.
Abb. 8, James Stirling, "Stuttgarter Staatsgalerie", Stuttgart, 1984.
Abb. 9, Caspar David Friedrich, "Der Mönch am Meer", 1909, Öl auf Leinwand, 110 x 171,5
cm, Berlin, Schloss Charlottenburg.
Abb. 10, Caspar David Friedrich, "Der Wanderer über dem Nebelmeer", 1818, Öl auf Leinwand,
74,8 x 94,8 cm, Hamburg, Kunsthalle.
Abb. 11, Barnett Newman, "Who´s afraid of Red, Yellow and Blue III", 1966/67, Acryl auf
Leinwand, 2,54 x 5,44 m, Amsterdam, Stedelijk Museum.
Abb. 12, Barnett Newman, "Who´s afraid of Red, Yellow and Blue III", 1966/67, im Museum,
Acryl auf Leinwand, 2,54 x 5,44 m., Amsterdam, Stedelijk Museum.
Abb. 13, Barnett Newman, Vir heroicus sublimis, im Museum, 1950/51, Öl auf Leinwand, 2,42
x 5,41 m., New York, Metropolitan Museum of Modern Art.

107
V. Bildnachweis

Abb. 1,"Sprengung einer Wohnsiedlung aus den fünfziger Jahren in St.Louis am 15. Juli 1972
um 15.32 Uhr.", Huyssen, Andreas, Scherpe, Klaus R. (Hg.), 1986, S. 14.
Abb. 2, Ambrogio Lorenzetti, "Allegorie des guten Regiments und die Folgen seiner Herrschaft
in Stadt und Land", Freskodetail, 1337-39, http://prometheus.uni-koeln.de/
Abb. 3, Pablo Picasso, "Les Demoiselles d'Avignon", 1907, http://prometheus.uni-koeln.de/
Abb. 4, Kazimir Malewitsch, Weisses Quadrat auf weissem Grund, 1918,
http://kaschemme.de/2011/05/schwarzes-quadrat-weisses-quadrat-auf-weissem-grund/
Abb. 5, René Guiffrey, "Jo", 2004, http://www.reneguiffrey.fr/
Abb. 6, Paul Cézanne, "Die Entführung", 1867, http://prometheus.uni-koeln.de/
Abb. 7, Charles W. Moore, "Piazza d'Italia" in New Orleans, 1974-1978, http://prometheus.uni-
koeln.de/
Abb. 8, James Stirling, "Stuttgarter Staatsgalerie", Stuttgart, 1984,
http://www.britannica.com/EBchecked/topic/1483650/Staatsgalerie
Abb. 9, Caspar David Friedrich, "Der Mönch am Meer", 1909, http://prometheus.uni-koeln.de/
Abb. 10, Caspar David Friedrich, "Der Wanderer über dem Nebelmeer", 1818,
http://prometheus.uni-koeln.de/
Abb. 11, Barnett Newman, "Who´s afraid of Red, Yellow and Blue III", 1966/67,
http://prometheus.uni-koeln.de/
Abb. 12, Barnett Newman, "Who´s afraid of Red, Yellow and Blue III", 1966/67, im Museum,
Imdahl, Max, Barnett Newman, 1971, Abb. 4.
Abb. 13, Barnett Newman, Vir heroicus sublimis, im Museum, 1950/51, Imdahl, Max, Barnett
Newman, 1971, Abb. 5.

108

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