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Veröffendichungen
des Max-Planck-Instituts für Geschichte

Band 229

Vandenhoeck & Ruprecht


Anna-Dorothee von den Brincken

Studien zur Universalkartographie


des Mittelalters

Herausgegeben von Thomas Szabó

Mit 21 Abbildungen und 78 Tafeln

Vandenhoeck & Ruprecht


Bibliografìschc Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der


Deutschen Nationalbibliografìe; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-525-35884-9

© 2008, Vandenhoeck &c Ruprecht G m b H & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de


Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
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gemacht werden. Dies gilt auch bei der entsprechenden Nutzung für Lehr- und
Unterrichtszwecke. Printed in Germany.
Gesamt Herstellung: ® Hubert & Co, Göttingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Bayerische
Staatsbibliothek
München
Inhalt

Vorwort 9

Einleitung 11

I. Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago


mundi des abendländischen Mittelalters (1968) 17

II. „.. .Ut describeretur universus orbis". Zur


Universalkartographie des Mittelalters, in: Methoden in
Wissenschaft und Kunst des Mittelalters (1970) 82

III. Die Ausbildung konventioneller Zeichen und


Farbgebungen in der Universalkartographie des
Mittelalters (1970) 112

IV. Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von


Wallingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? (1973) 137

V. Europa in der Kartographie des Mittelalters (1973) 149

VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas durch


italienische und mallorquinische Portolanzeichner im
14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (1974) . . . 165

VII. Ost- und Südosteuropa in der abendländischen


Kartographie des Spätmittelalters (1975) 179

VIII. Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie des

Mittelalters (1976) 186

IX. Portolane als Quellen der Vexillologie (1978) 206

X. Raum und Zeit in der Geschichtsenzyklopädie des hohen


Mittelalters (1981) 224
6 Inhalt

XL Das Weltbild der lateinischen Universalhistoriker und


-kartographen (1983) 241

XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse


im Inkunalbelzeitalter (unter besonderer Berücksichtigung
des «Rudimentum Novitiorum» und Hartmann Schedels)
(1983) 263

XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein des


Abendlandes im Mittelalter (1987) 297

XPV. Quod non vicietur pictura. Die Sorge um das rechte Bild in
der Kartographie (1988) 311

XV. Das geographische Weltbild um 1300 (1989) 324

XVI. Gyrus und Spera - Relikte griechischer Geographie im


Weltbild der Frühscholastik (Aufgezeigt an fünf
lateinischen Weltkarten des beginnenden 12. Jahrhunderts)
(1982/89) 345

XVII. Christen des Orients auf abendländischen Karten des


11. bis H.Jahrhunderts (1990) 367

XVIII. Monumental Legends on Medieval Manuscript Maps.


Notes on designed capital letters on maps of large size
(demonstrated from the Problem of dating the Vercelli
Map, thirteenth century) (1990) 375

XIX. Geographisches Weltbild und Berichtshorizont in der


Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau OP (1991 ) 400

XX. Die Ebstorfer Weltkarte im Verhältnis zur spanischen und


angelsächsischen Weltkartentradition (1991) 415

XXI. Der vierte Erdteil in der Kartographie des Hochmittelalters


(1993) 432

XXII. Köln, das Reich und die Ökumene (800-1475) (1993) 444
Inhalt 7

XXIII. Occeani angustior latitudo. Die Ökumene auf der


Klimatenkarte des Pierre d'Ailly (1994) 462

XXrV. Mappe del cielo e della terra: l'orientamento nel Basso


medioevo (1996) 482

XXV. Kosmographische Betrachtungen bei den Kirchenvätern,


auf mittelalterlichen Mönchskarten und bei Gerhard
Mercator (1997) 496

XXVI. Terrae Incognitae. Zur Umschreibung empirisch noch


unerschlossener Räume in lateinischen Quellen des
Mittelalters bis in die Entdeckungszeit (1998) 519

XXVII. Mappe del Medioevo: mappe del cielo e della terra (1998) 533

XXVIII. Thesaurus Coloniensis in der Vorstellung mittelalterlicher


Kartographen (1999) 552

XXIX. Die bewohnte Welt in neuen Sichtweisen zu Anfang des


13. Jahrhunderts bei Gervasius von Tilbury und Jakob von
Vitry (2000) 565

XXX. Das Weltbild des irischen Seefahrer-Heiligen Brendan in


der Sicht des 12. Jahrhunderts (2000) 586

XXXI. Roma nella cartografia medievale (secoli IX - XIII) (2001 ) 593

XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt neben einer


Kosmos-Darstellung in der Sammelhandschrift 155 der
Koblenzer Stadtbibliothek (um 1300) (2002) 612

XXXIII. Descriptio Terrarum: Zur Repräsentation von bewohntem


Raum im späteren deutschen Mittelalter (Geographisches
Bewußtsein im späteren deutschenMittelalter nach Texten
und Landkarten) (1995/2002) 623

XXXIV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte im Bild der


mittelalterlichen Ökumene-Karte (9. bis beginnendes
H.Jahrhundert) (2003) 647
8 Inhalt

XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit auf Karten des


12. bis H.Jahrhunderts (2006) 668

XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi: a site both historical


and eschatological (1999/2006) 683

XXXVII. Beobachtungen zum geographischen Berichtshorizont der


lateinischen Weltchronistik (2006) 704

XXXVIII. Die stumme Weltkarte im Bodleian Douce 319 - ein


arabisches Dokument in einer abendländischen
Handschrift? (2006) 719

Nachweise der Erstveröffentlichung 733

Tafelverzeichnis 737

Register [Personen-, Orte und Sachen] 741

Tafeln 1-78 nach 782


Vorwort

Das wieder erwachte Interesse an der mittelalterlichen Kartographie schlug


sich in einer Reihe von Tagungen und Publikationen der letzten Jahre nieder
und gab auch den Anstoß zur Herausgabe des vorliegenden Bandes. Ange-
sichts der erneuten Hinwendung zu einem alten Thema der Mediävistik er-
schien es sinnvoll und der weiteren Forschung dienlich, die in den vergange-
nen vierzig Jahren erschienenen und über Zeitschriften, Kongreßakten und
Sammelbände verstreuten Aufsätze von Anna-Dorothee von den Brincken,
der besten Kennerin der Materie in Deutschland, geschlossen zugänglich zu
machen und in einem Band vorzulegen. Die hier in chronologischer Reihen-
folge vereinten wieder abgedruckten Studien treten damit neben zwei Mo-
nographien der Autorin: die «Kartographischen Quellen. Welt-, See- und
Regionalkarten» (erschienen 1988 in den von Leopold Genicot herausgege-
benen «Typologie des Sources» als Band 51) und die «Fines terrae. Die En-
den der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten»
(herausgekommen im Jahre 1992 in den «Schriften der Monumenta Germa-
niae Historica» als Band 36). Die hier versammelten Aufsätze der Autorin,
die bis ins Jahr 2006 reichen, überschneiden sich vielfach mit den beiden grö-
ßeren Arbeiten, unterscheiden sich aber von ihnen, indem sie dort behan-
delte Fragen und Probleme unter dem vom jeweiligen Anlaß vorgegeben
Aspekt - ob Kongreß, Sammelband oder Festschrift - untersuchen, variieren
oder weiterentwickeln. Damit stellen sie nicht nur die Summe einer vierzig-
jährigen Beschäftigung mit Universalkarten dar, sondern führen auch den
Wandel des Urteils über diese besondere Hinterlassenschaft des Mittelalters
vor Augen, die in der Antike verwurzelt war, deren Erbschaft aber in einer
neuen Perspektive benutzt und verwaltet wurde.
Das Erscheinen des Bandes in zeitlicher Nähe zum 75. Geburtstag der Au-
torin möge ein günstiges Vorzeichen für ihre weiteren Forschungen sein.
Für die Genehmigung des Wiederabdrucks der Aufsätze sei an dieser Stel-
le den jeweiligen Herausgebern gedankt.

Ein besonderer Dank gebührt den Verantwortlichen der Bibliotheken und


Archive, die auf die Erhebung der üblichen, nicht unerheblichen Gebühren
für die Wiedergabe des Bildmaterials ihrer Institutionen großzügig verzich-
tet haben: Ms Sandra Powlett vom Permission Departement der British Li-
brary London, M. Patrick Lefèvre, Directeur General der Bibliotheque
Royale de Belgique in Brüssel, Mme. Anne Fournier vom Service des manu-
10 Vorwort

scrits et du livre ancien der Médiathèque Municipale de Cambrai, Ms G. C.


Cannell, Sub Librarian von The Parker Library des Corpus Christi College
in Cambridge, Mme. Paule Hochuli Dubuis, Assistante conservatrice des
manuscrits der Bibliotheque de Genève, Prof. Dr. Siegfried Schmidt, Stell-
vertretendem Leiter der Diözesan- und Dombibliothek Köln, Frau Dr. Bet-
tina Schmidt-Czaia, Direktorin des Historischen Archivs der Stadt Köln,
Herrn Dr. Ulrich Theuerkauf, Direktor der Stadtbibliothek Koblenz, Herrn
Jan Cramer vom Lesesaal der Sondersammlungen der Universiteit Leiden,
M. Matthieu Gerbault, Conservateur der Bibliotheque Municipale von
Reims, Prof. Vésteinn Ölason, Direktor des Arnamagnaeanske Institut in
Reykjavik, Herrn Bartjaski, Handschriftenkonservator der Universiteit Ut-
recht, Herrn Helmut Selzer vom Wienmuseum Wien und Mag. Peter Prokop
vom Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.
Für die Ermäßigung der Reproduktionsgebühr sei Frau Christine Foohs
von der Abteilung Handschriften und seltene Drucke der Bayerischen
Staatsbibliothek in München, M. Thierry Delcourt, Directeur du Departe-
ment des manuscrits der Bibliotheque Nationale de France in Paris, Ms Tri-
cia Buckingham Principal Library Assistant der Bodleian Library in Oxford
und Monsignore Cesare Pasini, Präfekten der Biblioteca Apostolica Vatica-
na in Rom gedankt.
Die achtundreißig Aufsätze wurden in der EDV-Abteilung des Max-
Planck-Instituts für Geschichte von Frau Kornelia Draws eingescannt und
von ihr sowie im Sekretariat des Instituts von Frau Doris Büthe korrigiert
und eingerichtet, wofür ihnen an dieser Stelle nachdrücklich gedankt sei.
Die typographische Grundstruktur der Beiträge wurde, um Fehlerquellen zu
vermeiden, weitgehend beibehalten und nur in der Titelei des Anmerkungs-
apparates, soweit es ohne größere Eingriffe möglich war, eine optische Ver-
einheitlichung vorgenommen.
Zur bequemeren Benutzung des Bandes hat die Autorin ein ausführliches
Register erstellt. Sie übernahm auch das mühsame Korrekturlesen der Fah-
nen, worin sie von Frau Brigitte Szabó-Bechstein und dem Herausgeber un-
terstützt wurde.

Thomas Szabó
Einleitung

Als 1953-55 meine «Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeit-
alter Ottos von Freising» entstanden, war die für mich als Theologie-Studen-
tin faszinierende Komponente Z e i t in frühchristlicher Sicht in meinen
Überlegungen so allbeherrschend, daß mir darüber das totale Fehlen einer
Komponente R a u m überhaupt nicht aufgefallen ist. Einen allerdings be-
scheidenen Schatten des Berichtshorizontes deutete die Synchronistik helle-
nistischer Prägung in der Historiographie an, d.i. die mehrsträngige paral-
lele Abfolge von Herrscherdaten, wie man sie im Lateinischen in den Kano-
nes der Hieronymus-Chronik findet. Sie hat ihre Wurzeln in der Universal-
geschichtsschreibung des hellenistischen Zeitalters.
In der Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts lief die Produk-
tion allgemeiner wissenschaftlicher Hilfsmittel und Nachschlagewerke wie
Atlanten ebenso wie der Ausbau von Forschungsinstitutionen erst langsam
an; daher fehlte es nach dem Studium an Möglichkeiten zur Weiterarbeit auf
dem Gebiet der Universalgeschichtsschreibung. Die Suche nach einer ange-
messenen beruflichen Aufgabe führte mich ins Archiv und damit in die Lan-
desgeschichte; sie lenkten meine Kräfte nach der Promotion 1956 einstwei-
len in eine ganz andere Richtung und führten zum Verzeichnen von fünf Ur-
kundenbeständen des Historischen Archivs der Stadt Köln wie den Stiften
St. Georg und St. Mariengraden.
Erst zehn Jahre später wurde ich auf einem Forschungsgespräch zur Ge-
schichte der Universalgeschichtsschreibung 1966 am Internationalen For-
schungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg vom Konfe-
renzleiter Alexander von Randa auf mittelalterliche Weltkarten angespro-
chen. Ich konnte damals lediglich mit der höchst schemenhaften Vorstellung
von einer mäßigen Kopie der verlorenen Ebstorfer Weltkarte dienen: Sie war
auf der Kölner Ausstellung «Monumenta Judaica - 2000 Jahre Geschichte
und Kultur der Juden am Rhein» 1963/64 als Beleg für die Nachwirkungen
des Alten Bundes in der christlichen Kunst am Beispiel der Jerusalem-Vorstel-
lung des Mittelalters gezeigt worden. Das Institut für Universalgeschichte
Salzburg erbat als Ergänzung für die Tagungsakten verschiedene Kurzinfor-
mationen, zum einen ganz allgemein über etwaige Beziehungen zwischen
Weltchroniken und Weltkarten, zum anderen über die räumlichen Kennt-
nisse und Erfahrungen der Universalhistoriker des abendländischen Mittel-
alters. In diesem Zusammenhang wurde besonders der Fall des Johannes de
Marignollis erörtert: Der Florentiner Minorit wurde nach einer Missions-
12 Einleitung

reise nach China in päpstlichem Auftrag 1338-53 von Kaiser Karl IV. um
1358 zu einer als Böhmenchronik titulierten Universalgeschichte angeregt,
die ihn zum einzigen Weltchronisten des Mittelalters mit Fernostkenntnis
werden ließ. Gefördert von meinem Doktorvater Herbert Grundmann, dem
damaligen Präsidenten der Monumenta Germaniae Historica, konnte ich im
Jahr darauf beiden Fragestellungen eigenständige Aufsätze im Deutschen
Archiv für Erforschung des Mittelalters (unten als Nr. I abgedruckt) und im
Archiv für Kulturgeschichte Bd. 49 von 1967 widmen.
Bei Johannes stieß ich auf den mir zunächst völlig rätselhaften Satz, die
Welt sei nach Form des Kreuzes in Wasser und Land unterteilt: Ich hatte
aber noch nie eine Karte mit derartigen Merkmalen gesehen und erklärte mir
die Aussage zunächst mit der für Johannes typischen Kreuzesmystik: An al-
len Enden der Erde, an die ihn seine Mission führte, glaubte er Kreuze als
Belege eines bereits existierenden Christentums ausmachen zu können. Erst
Jahrzehnte später begriff ich, daß diese Aussage auf die sich in rechtem Win-
kel schneidenden Ozeanringe der Erdkugel nach der Lehre des Krates von
Mallos sowie auf die Zonenkarte anspielte und ein wichtiges Zeugnis für das
Wissen des Mittelalters um die Kugelgestalt der Erde war, ein Problem, das
für die Untersuchungen der folgenden Jahrzehnte bestimmend wurde. Auch
setzte sich erst langsam bei mir die Erkenntnis durch, daß man in der Uni-
versalkartographie vielfach sinnvollerweise zwischen Karten mit sphärischer
Kosmos-Gestaltung (lat. mundus) und mit ebener Ökumene-Darstellung
(terra) unterscheiden muß, wie sie sich schon am Text der Vulgata festma-
chen lassen: Erstere erfaßt die Kugel, ist im Neuen Testament, insbesondere
beim Evangelisten Johannes, in griechischer Tradition häufig angesprochen,
letztere hat die bewohnte Fläche als deren Ausschnitt zum Gegenstand und
ist der gängige Ausdruck des Alten Testaments für Erde mit der einzigen
Ausnahme der «Enden der Erde» {fines mundi) bei lob 28,24.
Die provisorische Durchsicht der mittelalterlichen Universalkartographie
im Zusammenhang mit der Geschichtsschreibung, zuerst 1968 erschienen,
ist hier als Nr. I abgedruckt. Auch in der Folge bis in die jüngste Zeit erfuhr
ich entscheidende Unterstützung für vertiefende Untersuchungen von den
Monumenta Germaniae Historica; so durfte ich dort den Band «Fines Ter-
rae» über die Sicht des Kosmos im Mittelalter zum Kolumbus-Gedenkjahr
1992 veröffentlichen. Maßgeblich war ferner das Thomas-Institut der Uni-
versität zu Köln mit seinen Mediävistentagen an der Förderung meiner Kar-
teninteressen beteiligt. Natürlich bereitete es all die Jahre große Freude und
gehörigen Ansporn, den Kölner Universitätsalltag durch Gastreferate nicht
nur auf Tagungen in Deutschland, sondern auch von Spoleto, Todi und be-
sonders auf der Mendola oder gar in Hereford, dem Ort der einzigen heute
erhaltenen Großkarte, unterbrechen zu dürfen.
Einleitung 13

Die Kartographie war nie ein eigenständiges Fach im Wissenschaftskanon


des Mittelalters. Bei den exakten Quadriviumsfächern ließ sie sich nicht ein-
ordnen, da sie sich jeglicher Geometrie widersetzte; eher war sie eine Gei-
steswissenschaft, insofern sie häufig sowohl mit der Geschichtsschreibung
als auch mit der Theologie und mit der Enzyklopädik verbunden war; man
würde sie heute zu den Kulturwissenschaften rechnen. Sie lief wie die Ge-
schichtsschreibung wohl bei den Trivialfächern unter Rhetorik mit, war bis-
weilen ein Teil derselben, die Projektion der Universalgeschichte auf eine
Fläche unter Ausschaltung der Zeitkomponente. Lange Zeit von der neueren
Kartographiegeschichte nur beachtet, weil man aus den mittelalterlichen
Karten die verlorenen Bilder der Antike rekonstruieren wollte - dies war et-
wa das Ziel Konrad Millers für sein vielzitiertes sechsbändiges Werk «Map-
pae Mundi» - , genoß die jeder Vermessung entbehrende Kartenkunst mehr
das Ansehen einer Kuriosität. Joachim G. Leithäuser als Philosoph war einer
der ersten unter den Kartenforschern, der ihr 1958 einen Eigenwert beimaß
und damit über die angesehene allgemeine Kartographiegeschichte Leo Ba-
grows (1951/63) hinausging. Stand für die Kartographie-Historiker zu-
nächst der mediterrane Raum im Mittelpunkt des Interesses, so hat die Be-
schäftigung mit der orientalischen Christenheit im Zeitalter der Kreuzzüge
und der Mongolen-Invasion bei mir anläßlich der Arbeit an der Habilitati-
onsschrift über den Oriens Christianus 1969-71 den Blick für den ost- und
den außereuropäischen Raum geweitet. Als ein sehr hilfreiches Instrument
beim Nachweis von oft noch unpublizierten Karten erwies sich in der Folge-
zeit das 1964 von Marcel Destombes in Amsterdam herausgebrachte Reper-
torium «Mappemondes A.D. 1200-1500» in den «Monumenta Cartographi-
ca Vetustioris Aevi I».

Vorliegender Band ist weder eine abgerundete Sammlung noch gar eine sy-
stematische Aufarbeitung des Gegenstandes; vielmehr besteht er zumeist aus
Antworten auf eine Tagungs- oder Festvortragseinladung; bisweilen geht es
auch um die Mitwirkung an einem thematisch festgelegten Aufsatzband. Je-
denfalls handelt es sich um ein buntes Gemisch von Früchten, die aus unter-
schiedlichen Annäherungen an eine sehr vielschichtige Quellengattung reif-
ten. Daher war eine systematische Ordnung des Stoffes nicht empfehlens-
wert; vielmehr bietet der Band die Aufsätze in chronologischer Abfolge ihrer
Entstehung; für manche Fragenkomplexe stellt sich das wie ein langsames
Auswickeln von Problemknoten dar, z.B. bei der Diskussion um die Kugel-
gestalt der Erde und ihre Darstellung im Mittelalter. Lese ich heute nach
rund 40 Jahren die erste Studie, bin ich fast schockiert, wie unklar damals
meine Vorstellungen vom gesamten Fragenkomplex noch waren und wie we-
nig mir eine brauchbare Terminologie zur Verfügung stand. Es ist daher ent-
14 Einleitung

scheidend, daß der Leser bei Lektüre der älteren Arbeiten leicht auf die Be-
handlung des gleichen Gegenstands in jüngeren Studien springen kann. Dar-
um ist das Register der entscheidende Schlüssel zu vorliegender Sammlung,
auf den große Sorgfalt verwandt wurde. Im Laufe der Zeit hat sich manche
Vorstellung bei mir verändert, vielfach waren auch Irrtümer der älteren Lite-
ratur durch erst über Jahre gepflegtes Quellenstudium an Originalen zu kor-
rigieren. Das fängt bei der Datierung der Ebstorfer Weltkarte an und endet
beim Abschleifen der Fachsprache und der Ausbildung einer Terminologie.
Hier hat sich in den letzten 40 Jahren viel gewandelt und verfeinert. So ist vor
allem das Sachregister als verbindende Klammer konzipiert, die es erlaubt,
verwunderliche Aussagen früher Jahre in der jüngeren Zeit zu verfolgen.
Aufgenommen sind in diesen Band alle selbständigen Aufsätze, nicht hin-
gegen Artikel in Handbüchern oder Beiträge für Ausstellungskataloge, da
sie weniger Forschungsfragen behandeln als daß sie Allgemeinaussagen wie-
derholen und zusammenfassen. Gesamtdarstellungen in Buchform gab es
erstmals 1988 mit dem Bändchen «Kartographische Quellen. Welt, See- und
Regionalkarten» in der Reihe «Typologie des Sources du Moyen-Äge occi-
dental», eine Kurzcharakterisierung der Quellengattung nach einem vom
Herausgeber Leopold Genicot vorgegebenen Fragebogen, dann vor allem
1992 mit «Fines Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf
mittelalterlichen Weltkarten» in den «Schriften der Monumenta Germaniae
Historica», wo es um die Kosmos-Vorstellungen auf den Weltkarten geht.
Manche Aufsätze stehen sich thematisch nahe, so Nr. XVII und XXXV
über das östliche Christentum auf Karten, einmal unter dem Aspekt der
Orientalistik, das andere mal unter dem der Bildung in mittelalterlichen Klö-
stern. Mehrere Untersuchungen entstanden in engem Zusammenhang mit
der lebhaften Diskussion um die verlorene Ebstorf-Karte.
Ein Themenkreis mit wechselnden Aspekten ist das Verhältnis mittelalter-
licher Kartographie zu jener der Antike. Warf man früher dem Mittelalter
die Verballhornung der Antike vor, so hegt man heute große Zweifel an der
Existenz einer antiken Kartographie als pictura, d.i. im Bilde, insbesondere
in der lateinischen Welt, so daß das Mittelalter in Wahrheit zu einem voll-
ständigen Neuanfang gezwungen war. Aus diesem Grund verschiebt sich die
Wertung der Mappae Mundi erheblich. In jedem Fall bleiben sie für den mo-
dernen Betrachter gewöhnungsbedürftig, weil sie ohne Vermessung einfach
befremdlich wirken, auch die damals übliche Ostung der Karten ein grund-
sätzliches Umdenken erfordert. Beschreibstoff war kostbar: Wußte man
über eine Region wenig, so schob man sie einfach zusammen aus Angst vor
weißen Flecken (horror vacui) auf der Landkarte. Auf diese Weise kam es zu
Fehlbildern, die zu korrigieren man im Begleittext viel früher bereit war, ehe
man das Bild zu verändern wagte.
Einleitung 15

Die mittelalterliche Mappa Mundi war, wie schon der Name sagt, Welt-
karte. Man ging deduktiv vor, vom allgemeinen zum einzelnen. Man erstellte
Bilder des Ganzen vorrangig für Schulzwecke, setzte nicht die durch Erfah-
rung gewonnenen Details zum Gesamtbild zusammen; vielmehr spürte man
sie im vorgegebenen Rahmen einzeln auf. Erst im Spätmittelalter wird das
anders, abgesehen von England. Daher ist dieser Band der Universalkarto-
graphie gewidmet; die Regionalkartographie wird u.a. von Paul D. A. Har-
vey, London/Durham gepflegt, zumal dieser Kartentyp in England viel frü-
her als auf dem europäischen Festland auszumachen ist; die französischen
Kollegen, insbesondere Patrick Gautier Dalché, sind führend auf dem Ge-
biet der Repertorisierung und Systematisierung mittelalterlicher Kartenzeug-
nisse.

Der besondere Dank für die Erstellung des vorliegenden Bandes gebührt Dr.
Thomas Szabó vom Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. Im
Rahmen seines Forschungsprojektes zur mittelalterlichen Verkehrsgeschichte
hat er sich für die Frage der Kartographie des Mittelalters interessiert, die
Neuherausgabe der hier vorgelegten Studien durch das Max-Planck-Institut
angeregt und ihre Drucklegung betreut. Nachdrücklich sei an dieser Stelle
Prof. Dr. Hans-Jörg Rheinberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Wis-
senschaftsgeschichte in Berlin, gedankt, der als Kommissarischer Direktor
des Max-Planck-Instituts für Geschichte, jetzt Max-Planck-Institut zur Er-
forschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, den Band in
die Grüne Reihe der Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Ge-
schichte als Band 229 aufnahm. Frau Dorothea Rohwedder M. A. vom Ver-
lag Vandenhoeck & Ruprecht schließlich danke ich für gute Ratschläge.

Köln, 12. Dezember 2007 Anna-Dorothee von den Brincken


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I. Mappa mundi und Chronographia

Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters

Inhalt: 1. Die abendländische Kartographie des Mittelalters im Urteil der Wissen-


schaft S. 19. - 2. Die Gleichordnung von Zeit und Raum in universalhistorischen Wer-
ken S. 22. - 3. Der Weltchronikentyp imago mundi S. 24. - 4. Weltkarten in Hand-
schriften und ihre Stellung zu den verschiedenen Literaturgattungen S. 26. - 5. Welt-
karten und Weltchroniken S. 35. - 6. Statistik wichtiger Stätten in Auswahl S. 56. -
7. Bemerkenswerte Aussagen mittelalterlicher Karten zum Weltbild S.64. - 8. Welt-
karten anderer Kulturkreise; ihre Orientation S. 70. - Zusammenfassung: Projektion
des Geschichtsablaufs auf die Kartenfläche S. 80.

In cono mundi contraparadisum,[ d.h. im Scheitelpunkt der Welt gleich dem


Paradies gegenüber will der Minorit Johann von Marignola als päpstlicher
Legat auf seiner Missionsreise zum Großkhan der Tataren im fünften Jahr-
zehnt des H.Jahrhunderts ein Denkmal mit einem Kreuz errichtet haben,
das er mit einer zweisprachigen Inschrift, ferner sowohl mit dem Wappen
des Papstes als auch mit seinem eigenen schmückte und das fortan bis ans
Ende der Zeiten bestehen sollte. Johann feierte mit dieser Handlung die Tat-
sache, daß er Alexander den Großen auf seiner Indienreise überrundet hatte,
indem er bis zur Südspitze des Landes vordrang, bis zum Cap Comorin.

1
D a in den letzten J a h r z e h n t e n eine Reihe von Sammlungen alter Karten veröffentlicht w o r -
den sind, erschien es vertretbar, auf Bildbeigaben zu verzichten. - D a s umfassendste Tafelwerk,
YOUSSOUF KAMAL, M o n u m e n t a cartografica Africae et Aegypti ( K a i r o 1926-52), ist leider n u r in
wenigen europäischen Bibliotheken greifbar, in Westdeutschland n u r in M ü n c h e n und G ö t t i n -
gen. Andererseits ist die älteste G r o ß p u b l i k a t i o n , d e r Atlas compose von SANITÄREM (1849ff.),
d e r Verfasserin nur in der nachmals verbesserten Teilausgabe von 1842ff. zugänglich geworden.
Wegen des Formates sind die genannten W e r k e auch nicht für den Fernleihverkehr geeignet. Es
wird d a h e r nach Möglichkeit zitiert nach: K O N R A D MILLER, M a p p a e mundi H . 1-6 ( 1 8 9 5 - 9 8 , zi-
tiert M M ) , zumal dieses W e r k auch mit seinen reichen Legenden-Verzeichnissen noch immer
d a s vorzüglichste Hilfsmittel darstellt; ferner nach: M o n u m e n t a cartographica vetustioris aevi
A. D . 1200-1500 Bd. 1: M a p p e m o n d e s , hg. von M A R C E L DESTOMBES u . a . (1964, zitiert D E S T O M -
BES, M C V A 1). Die volkstümlichen W e r k e von L E O BAGROW und R. A. SKELTON, Meister der
K a r t o g r a p h i e (1963, zitiert BAGROW-SKELTON, auch in d e r älteren Auflage: L E O BAGROW, G e -
schichte d e r K a r t o g r a p h i e [1951] sehr b r a u c h b a r ) , und J O A C H I M G. LEITHÄUSER, M a p p a e mundi
(1958, zitiert LEITHÄUSER), sind insbesondere d a n n zusätzlich e r w ä h n t , wenn sie Abbildungen
bieten.
18 Studien zur Universalkartographie [119]

Man hat ihm mehrfach geographisches Unverständnis nachgesagt, doch in


diesem Falle nicht ganz zu Recht.2
Den Schlüssel zur Erklärung dieser Vorstellungen gibt die mittelalterliche
Weltkarte, 3 die Johann anscheinend - wie man das heute selbstverständlich
tut - als Wegweiser verstanden hatte, wie er auch die Genesis als Reiseführer
für Asien benutzte, und das nicht einmal ohne Erfolg, obgleich beide Werke
nicht für diesen Zweck gedacht waren und in der Regel auch nicht dafür her-
angezogen wurden.
Bei dem weitgereisten Marignola verwischte sich in seiner Darstellung der
Weltgeschichte verschiedentlich das zeitliche Denken zugunsten der Stoffbe-
handlung nach räumlichen Gesichtspunkten: er beschrieb den Weltenlauf
vielfach nur in loser zeitlicher Abfolge mehr nach den Stätten, die er auf sei-
ner Reise berührt oder von denen er gehört hatte.
Ein ganz ähnliches Ziel verfolgt die mittelalterliche mappa mundi, freilich
ohne daß der Kartenmaler die eingezeichneten Orte aus eigener Anschauung
kannte; das hätte auch niemand von ihm erwartet. Weltgeschichte vom An-
fang der Zeiten auf eine Kartenfläche gebannt, also ein Geschichtsgemälde,
so kann man die mittelalterliche Weltkarte zu verstehen suchen.4

2
Kronika Marignolova, ed. Jos. EMLER, Fontes rerum Bohemicarum 3 (1882) 496b; vgl. AN-
NA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die universalhistorischen Vorstellungen des Johann von Marig-
nola OFM. Der einzige mittelalterliche Weltchronist mit Fernostkenntnis, in: Archiv f. Kultur-
gesch. 49 (1967) 297 ff.
3
Ebd. Archiv f. Kulturgesch. 49, 298 und 333.
4
Anregungen und Hinweise für die folgenden Ausführungen ergab das Forschungsgespräch
«Geschichte der Universalgeschichtsschreibung», das das Internationale Forschungszentrum für
Grundfragen der Wissenschaften in Salzburg unter Herrn Prof. Alexander v. Randa 1966 veran-
staltete. Insbesondere die Teilnehmer Herr Prof. P. Ludger Bernhard OSB, Salzburg, und Herr
Prof. Endre v. Ivanka, Graz/Wien, haben durch ihre brieflichen Ratschläge die vorliegende Stu-
die wesentlich gefördert, desgleichen Herr Prof. Walter Fuchs, Köln, ferner die wissenschaftli-
chen Betreuer der Kartenabteilungen der Staatsbibliothek München, Frau Dr. Traudì Seifert,
und der Königlichen Bibliothek Brüssel, Herr A. de Smet. Ihnen allen sei an dieser Stelle auf-
richtig gedankt. Sekundärliteratur zur Geschichtsschreibung ist gewöhnlich nur da erwähnt, wo
sie speziell im Zusammenhang mit der Geographie und Kartographie ergiebig ist, ferner, wo es
sich um grundsätzliche neuere Werke handelt, die sich noch nicht in den gängigen Nachschlage-
werken finden. Desgleichen wird für den Nachweis von Teileditionen auf die angegebene Litera-
tur bzw. auf AUGUST POTTHAST, Bibliotheca historica medii aevi (21896), verwiesen, deren Neu-
bearbeitung «Repertorium fontium historiae medii aevi» hier noch nicht in Betracht kommt, da
sie erst bis zum Buchstaben B reicht. Zur Universalhistoriographie des Mittelalters bis ins 12.
Jahrhundert ist zu vergleichen ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Studien zur lateinischen Welt-
chronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising (1957).
[120/121] I. Mappa mundi und Chronographia 19

1. Die abendländische Kartographie des Mittelalters


im Urteil der Wissenschaft

Die mittelalterlichen Weltkarten des lateinischen Kulturbereichs stellen, be-


urteilt man sie vom Standpunkt der Geographie als einer exakten Wissen-
schaft, keine hervorstechende Leistung dar. Viele Erkenntnisse, die bereits
der klassischen Antike selbstverständlich waren, gingen verloren. Das
Abendland vergaß Ptolemaeus und gab weitgehend die Lehre von der Kugel-
gestalt der Erde auf,5 auch wenn sich ihre Verfechter von Virgil von Salz-
burg bis zu dem Schwindelautor Sir John Mandeville immer wieder zu Wort
meldeten. Man schuf nicht einmal mehr brauchbare Reisekarten von Art der
sogenannten Tabula Peutingeriana.
Man legte nämlich keinerlei Wert auf praktische Verwendbarkeit der Kar-
ten. Maßstabgerechte Darstellungen kannte man daher nicht, man zeichnete
frei aus der Hand ohne Hilfsmittel, ohne Vermessung, ohne Pausverfahren,
nach seinen individuellen Vorstellungen. Man notierte, was einen beachtens-
wert dünkte, merkte bisweilen wohl auch die Entfernung zweier Plätze von-
einander an, weil man sie in den antiken Vorlagen vorfand. Diese Karten
waren nicht als Reiseanleitung oder für administrative Zwecke gedacht, son-
dern als Übersicht über die der Kenntnis werten Stätten dieser Erde.
Mit Recht haben demgegenüber die Geographen immer wieder hervorge-
hoben, wie weit die Araber dem Abendland in der Erforschung der erfahrba-
ren Welt und ihres tatsächlichen Aussehens überlegen waren: der Gegensatz
könne gar nicht groß genug gedacht werden zwischen diesen beiden Kultur-
bereichen. 6
Beide bauten ursprünglich auf der griechischen Naturwissenschaft auf.
Aber die arabische Welt erlebte im 8. und 9. Jahrhundert eine Ptolemaeus-
Renaissance, erarbeitete sich im 10. Jahrhundert ein selbständiges geogra-
phisches Weltbild, das aus der Notwendigkeit geboren wurde, Hilfsmittel
für den Reise- und Postverkehr, die allgemeine Verwaltung und die Steuer-
einschätzung zu besitzen, 7 und führte in Zusammensetzung der Einzel-
kenntnisse zur arabischen Weltkarte. 8 Idrisi schuf im 12. Jahrhundert die
Synthese, indem er unter Anwendung des kosmographischen Wissens der
Griechen und der praktischen Kenntnisse zeitgenössischer Reisender ein er-

5
Vgl. z.B. LEITHÄUSER S.62ff., 74 u.ö.
6
So KONRAD MILLER, Mappae Arabicae (1926-31, zitiert MA) 1 S.7; vgl. BAGROIC-SKELTON
S.63 ff.; LEITHÄUSER S. 105 ff.
7
MILLER, MA 1 S. 15.
8
MILLER, MA 1 S. 9.
20 Studien zur Universalkartographie [121/122]

staunlich zutreffendes Abbild der Welt zustande brachte, frei von dem Bal-
last antiken Namenmaterials, das ohne Bezug auf die damalige Gegenwart
war.
Im Abendland setzt die Kartographie als Erfahrungswissenschaft erst mit
Zunahme des Seehandels und Verbreitung des Kompasses im Spätmittelalter
ein; die Wurzeln hierfür liegen aber auch in den theoretischen Schriften der
scholastischen Kosmographen insbesondere des 13. Jahrhunderts, die viel
von den Arabern und damit von den Griechen übernehmen. Um 1300 kom-
men dazu die Portolankarten auf, für die Praxis bestimmte Seekarten.9 Sie
zeigen in der Regel das Mittelmeer und entstanden in den Seehandelsmetro-
polen wie Genua, Venedig und auf Mallorca, blieben jedoch nicht ohne Ein-
fluß auf den bisher üblichen Weltkartentyp, indem sie um 1375 in dem Mei-
sterwerk des Katalanischen Atlas von der Hand des Juden Cresques 10 die Ei-
genschaften des praktischen Ratgebers mit denen eines Kunstwerkes verban-
den. Diese Karten sollen nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung
sein, sondern jene enzyklopädischen Weltkarten, bei denen das Detail eine
untergeordnete Rolle spielte, die aber ein Schema der Welt lieferten, antik
und biblisch bestimmt.
Sie sind als ein Abgesang auf die römische Weltkarte angesehen worden,
deren wirkliche Gestalt nicht erhalten ist und die auf Vipsanius Agrippa, den
Schwiegersohn des Augustus, zurückgeführt wird. 11
Eine solche Anschauung ist durchaus gerechtfertigt, denn zweifellos ist
die lateinische Kartographie des Mittelalters ganz von der römischen be-
stimmt, die sich in augusteischer Zeit zunehmend von der griechischen Wis-
senschaft löste, sich verselbständigte und die römische Ökumene zum Ge-
genstand hatte; das geht schon aus dem Fortleben der Provinznamen jener
Epoche hervor.
Auch das christliche Mittelalter war sich dieser Tatsache bewußt und ver-
stand seine mappae mundi in entsprechender Weise - denn unter Augustus
wurde Christus geboren, begann das Erlösungswerk, die letzte aetas der
Welt. Augustus ließ ein Gebot ausgehen, ut describeretur universus orbis,12
und das umschloß die Vermessung des Erdkreises. Wie die Steuereinschät-

9
Vgl. DANA BENNETT DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus of the Fifteenth
Century (1952) 19 f.
10
Vgl. BAGROW-SKELTON S.88 mit Abb. XXXVIIff. S. 363-66; LEITHÄUSER S. 127 ff. mit Abb.
11
Grundlegend das Werk von Konrad MILLER, Mappae mundi 1-6, insbesondere das 6. Heft
mit den Rekonstruktionsversuchen zur römischen Kartographie, ferner die Arbeiten von R I -
CHARD UHDEN, insbesondere DERS., Zur Herkunft und Systematik der mittelalterlichen Weltkar-
ten, in: Geographische Zeitschrift 37 (1931) 321 ff.
12
Luc. 2,1.
[122/123] I. Mappa mundi und Chronographia 21

zung des Augustus zu einem heilsgeschichtlichen Akt wird, weil sie die Ge-
burt Christi gerade in der Krippe von Bethlehem gemäß Voraussage der Pro-
pheten des Alten Testaments zur Folge hat, so erhält auf diese Weise auch
die Vermessung der Erde einen heilsgeschichtlichen Aspekt und damit die
römische Kartographie einen Platz im theologisch bestimmten Lehrgebäude
des Mittelalters. Lambert von Saint-Omer hat in seiner Enzyklopädie «Liber
Floridus», entstanden 1090-1120, auf einer Miniatur dieses Vorgangs ge-
dacht. 13 sie zeigt den thronenden Kaiser, der in seiner Linken die Erdscheibe
- universus orbis - hält; letztere ist nach dem im Mittelalter üblichen T-Sche-
ma in die drei damals bekannten Erdteile aufgegliedert: die obere Hälfte
nehmen Asien, die unteren Viertel Europa und Afrika ein; die Umschrift zi-
tiert den genannten ersten Vers der Weihnachtsgeschichte nach dem Evange-
listen Lukas.
Wenn man freilich die mittelalterliche Kartenkunst nur als Rudiment der
römischen auffaßt, gerät die Wertung zu negativ. Es darf nicht außer acht
gelassen werden, daß man damals ganz andere Anforderungen an die Karte
stellte als der moderne Mensch oder auch der Araber jener Tage. Vielmehr
fertigte man eine Tafel der Hauptplätze des Heilsgeschehens und der in die
Heilsgeschichte hineingenommenen Geschichte der weltlichen Mächte der
Erde an. Man wollte nicht die exakte Abbildung der Welt, sondern ihr Bild,
die Gesamtvorstellung von ihr, skizzieren. Die Weltkarte in diesem Sinne ist
imago mundi, sie ist Zeugnis von Weltanschauung, Mythos und Religion.14
Als bedeutsamstes Zeugnis des hochmittelalterlichen Weltbildes gilt die
Ebstorfer Weltkarte von ca. 1235, 15 die insbesondere angesichts ihres Verlu-
stes im Zweiten Weltkrieg eine Fülle von Würdigungen hervorgerufen hat.
Mit Recht hat man von ihr gesagt, 16 daß sie mehr sei als ein reines Werk der
Erdbeschreibung, vielmehr vom Weltgeschehen an den verschiedenen Orten
und vom Heilsgeschehen handele und darin einer Weltchronik verwandt sei:
sie möge daher von der Erdwirklichkeit abweichen, mit Text und Bild be-
richte sie den Gang der Welt vom Anfang bis zur eigenen Zeit und stelle Ge-
schehen und Zustand dar; ihr Zweck sei mehr ein erzieherisch-lehrhafter als

13
Fol. 138, vgl. jetzt Lamberti Audomarensis canonici Liber Floridus codex autographus 92
bibliothecae universitatis Gandavensis ... editus curante ALBERTO DEROLEZ (Gent 1967).
14
LEITHÄUSER S. 18.
15
Gegen die Datierung in das Ende des 14.Jh. bei WERNER OHNSORGE, Zur Datierung der
Ebstorfer Weltkarte, in: Niedersächsisches Jahrbuch 33 (1961) 158 ff., hat RICHARD DRÖGEREIT,
Zur Entstehung der Ebstorfer Weltkarte, in: Lüneburger Blätter 13 (1962) 5 ff., aufgrund insbe-
sondere paläographischer Momente das Werk für das 13. Jh. gesichert.
16
WALTER ROSIKN, Die Ebstorfer Weltkarte, Veröffentlichungen des Niedersächsischen Am-
tes für Landesplanung und Statistik, Reihe A II Band 19 (1952) S. 44 f.
22 Studien zur Universalkartographie [123/124]

ein wissenschaftlicher. So bildet der Maler bei Alexandria den Pharus-Turm


ab, obwohl man - schon durch den 5. Kreuzzug - wissen mußte, daß er nicht
mehr stand.
Während die moderne Karte 17 entweder den gegenwärtigen Zustand oder
den zu einem bestimmten historischen Einschnitt - vielleicht auch schicht-
weise zu mehreren Zeitpunkten in einem historischen Atlas - unter politi-
schen, physikalischen, wirtschaftlichen, geologischen oder kulturellen Ge-
sichtspunkten wiedergibt, vermischt die Ebstorfer Weltkarte alle diese Ele-
mente willkürlich und verbindet Zeiten und Sachgebiete wahllos miteinan-
der.
In diesen Beobachtungen über das reiche Kunstwerk der Ebstorfer Karte
liegt der Weg zum Verständnis anderer Weltkarten, für die dasselbe gilt.
Auch manche Eigenheiten der Chronik des Johann von Marignola lassen
sich nun erklären, und es ist gewiß nicht von ungefähr, daß Richard von
Haldingham, der Schöpfer der Hereford-Karte, um 1290 selbst sein Werk
«Estorie» nannte. 18 In der Tat ist die mittelalterliche mappa mundi nicht sta-
tisch, sondern von einer eigenwilligen Dynamik.

2. Die Gleichordnung von Zeit und Raum


in universalhistorischen Werken

Sind daher mittelalterliche Weltkarten weitgehend gewissermaßen graphi-


sche Darstellungen der Weltchroniken, des Weltverlaufs im Räume, aufge-
zeichnet auf einer begrenzten Fläche, so sei es gestattet, sie im folgenden ein-
mal nicht vom Standpunkt der Geographie, sondern von dem der Universal-
historiographie zu betrachten.
Geschichtsschreibung stellt Menschen in Raum und Zeit dar, Universalge-
schichtsschreibung sucht die Menschheit in der Gesamtheit des Raumes und
der Summe der Zeit zu erfassen. Hugo von St.-Viktor hat um 1126 ein klei-
nes Handbüchlein der Weltgeschichte für Schulzwecke verfaßt, das sich au-
ßerordentlicher Beliebtheit erfreute. Er nannte es «Liber de tribus maximis
circumstanciis gestorum» und erklärt in der Vorrede diese drei wichtigsten
,Umstände' des Geschehens und zugleich Anlage und Zweck seines Abrisses
so: Opportet nos ex omnibus brevem quandam summam colligere quasi funda-
mentum fundamenti, hoc est primum fundamentum, quam facile possit animus

17
ARMIN WOLF, Die Ebstorfer Weltkarte als Denkmal eines mittelalterlichen Welt- und Ge-
schichtsbildes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 8 (1957) 204ff.
18
Inschrift in der linken unteren Ecke der Karte, vgl. MILLER, MM 4 S. 6.
[124/125] I. Mappa mundi und Chronographia 23

comprehendere et memoria retinere. Tria igitur sunt, in quibus precipue cognitio


pendet rerum gestarum, id est persone, a quibus res geste sunt, et loca, in quibus
geste sunt, et tempora, quando geste sunt19. Die Erkenntnis der geschichtlichen
Zusammenhänge liegt für Hugo in den handelnden Personen, den Gegeben-
heiten der Orte und der Zeiten in entscheidendem Maße: wenn man sich ein
Gerüst von Namen aus diesen drei Bereichen einprägt, hat man die G r u n d -
lage der Grundlagen' erworben. Darum ist es ein recht naheliegender Ge-
danke, die loca, in quibus res geste sunt, auf einer tabula oder pictura darzu-
stellen.
Problematisch war und ist nur zu allen Zeiten das Ineinanderarbeiten von
Zeit und Raum zu einer Gesamtdarstellung der Menschheitsgeschichte.
Auch Hugo hat das zu spüren bekommen, denn sein kleines Handbuch hat
bis heute keinen Herausgeber gefunden, und Georg Waitz, der 187920 eine
synchronistische Papst-Kaiser-Liste daraus edierte, war so entsetzt über die
Dürftigkeit der Schrift - die lediglich eine Zusammenstellung von Herr-
scher- und Priester- sowie Konsulreihen, Ortsnamen und einem Annalen-
werk mit parallel laufender Papst- und Kaiserspalte ist -, daß er sie dem gro-
ßen Viktoriner absprechen zu müssen glaubte und sie kurzerhand «Chronica
quae dicitur Hugonis de Sancto Victore» betitelte. Er berücksichtigte sie
überhaupt nur, weil sie vielen späteren Chronisten als Quelle diente.
Man hat damals den verbindenden Text zu den Namenlisten selbstver-
ständlich eingefügt, jeder Lehrer verstand sich darauf. Die Niederschrift -
Hugo sagt es ja ausdrücklich - diente nur Memorierzwecken. Ähnlich sind
die oft dürftigen schematischen Weltkarten des Mittelalters zu verstehen.
Moderne Universalgeschichte steht auch vor dem Problem der Verbin-
dung von Raum und Zeit, der Darstellung als Neben- oder Nacheinander.
Ohne Aufteilung läßt sich der Stoff nicht bewältigen, man muß nach zeitli-
chen Einschnitten suchen, Kulturbereiche zusammenfassen oder gegenein-
ander abgrenzen unter wechselnden sachlichen Gesichtspunkten. Auch Hu-
go hat übrigens außer Personen, Orten und Zeiten schon einigen anderen
Dingen Platz eingeräumt, z.B. den kanonischen Schriften und den ägypti-
schen Plagen.
In jedem Fall wird eine Vereinfachung bei der Bearbeitung des Materials
unumgänglich sein, weil der Stoff einprägsam dargeboten werden muß: ge-
rade Universalhistoriographie verfolgt eigentlich immer auch einen Lehr-
zweck. Man besingt nicht so sehr die eigene Zeit für künftige Generationen,
sondern man sammelt aus Vergangenheit, Gegenwart und sogar Zukunft,

19
Vgl. Cod. 350 der Universitätsbibliothek Leipzig fol. 96v.
20
MG SS 24, 88 ff.
24 Studien zur Universalkartographie [125/126]

faßt zusammen, trifft Auswahl, vergleicht und deutet somit, selbst vermittels
eines Listenwerkes.
Es liegt in der Natur der mittelalterlichen Denkweise, daß man das Pro-
blem der Zeit, von der Schöpfung bis zur Vollendung, leichter zu meistern
verstand, da einem beide Grenzen sehr nah erschienen; man vernachlässigte
darüber das Räumliche oft, wurde aber auch hier zur Aussage gezwungen in
der mappa mundio

3. D e r Weltchronikentyp imago mundi

Für die einzelnen Geschichtsschreiber sind Raum und Zeit jeweils von unter-
schiedlichem Gewicht. Der eine22 mißt dem Ablauf der Zeiten das Hauptge-
wicht bei, er sieht vor allem das lineare Element und füllt gewissermaßen die
entstehenden Zeiträume mit der Beschreibung von Ereignissen aus, schreibt
series temporum, wie Isidor das Wort chronica übersetzte. 23 Dem anderen ist
die Vielfalt der Geschichten - mare historiarum nannte Johannes de Columna
seine Weltchronik - der eigentliche Zweck, die Menschen, ihr Tun und die
Lehren, die daraus zu ziehen sind. Wieder anderen sind die Schauplätze
wichtig, Länder, Städte, ihre Einwohner und Lebensumstände, die Quellen
darüber; sie fassen daher Geschichte und Geographie, auch weitere Zweige
der Naturkunde oder gar die sieben Freien Künste in der Enzyklopädie zu-
sammen und versuchen, eine imago mundi zu entwerfen - so nannten Hono-
rius Augustodunensis zu Anfang des 12. Jahrhunderts und z. B. auch Jacobus
de Acqui um 1300 ihre Schriften vorwiegend chronologisch-historischen
Charakters.
Eine gelungene Universalgeschichte wird Wesenszüge aller drei Chroni-
kentypen verbinden, aber die Verteilung der Gewichte ist ein individueller
Zug jedes Werkes. Naturgemäß ist es der enzyklopädische Typ, der die Be-
deutung der loca, in quibus res geste sunt, betont und daher auch eine graphi-
sche Darstellung der imago mundi in einer mappa mundi anstrebt, ebenso
wie umgekehrt eine Chronik vom Typ series temporum sich die Vorzüge der
zur annalistischen Form einladenden Ostertafeln zunutze macht. Erst die
Verbindung beider vom Zeichnerischen bestimmten Anlagen in einem syn-
chronistischen Schema mit verschiedenen spatia für die einzelnen Reiche, an-
nalistisch angelegt - etwa bei Hieronymus, Sigebert von Gembloux, in der

21
Vgl. PERCY E R N S T SCHRAMM, Sphaira, G l o b u s , Reichsapfel (1958) 48 f.
22
Vgl. M e n s c h und Weltgeschichte. Z u r Geschichte d e r Universalgeschichtsschreibung, hg.
von ALEXANDER v. RANDA (1969) Referat 2: Abendländisches Mittelalter, S. 4 1 - 8 6 .
23
Etymologiae V, 28, ed. W . M . LINDSAY, Bd. 1 (1911 ).
[126/127] I. Mappa mundi und Chronographia 25

Metzer Weltchronik, bei Paulinus Minorità und bei Matthaeus Palmerius -,


kommen dem universalen Ideal näher.
Die enzyklopädische Geschichtsschreibung ist gewöhnlich schon an ihren
Titeln kenntlich, die anzeigen, daß aus der Fülle des Wissens eine Blütenlese
geboten wird: Isidor nannte sein Werk bald «Etymologiae», bald «Origi-
nes», 24 Guido von Pisa «Historiae variae», Lambert von Saint-Omer «Liber
Floridus», Hugo von St.-Viktor auch «Liber excerptionum», Herrad von
Landsberg «Hortus deliciarum», Gervasius von Tilbury auch «De mirabili-
bus mundi» oder «Descriptio totius orbis», Vincenz von Beauvais «Speculum
maius», Brunetto Latini «Li livres dou trésor», Paulinus Minorità «Satyrica
historia» (im Sinne von satt, reich), Ranulph Higden «Polychronicon» und
der anonyme Lübecker Minorit schließlich «Rudimentum noviciorum». Mit
Ausnahme von Hugo von St.-Viktor und Vincenz von Beauvais, die der
Geographie durchaus Raum gewähren, ist allen diesen Werken, aber auch
verschiedenen anderen Weltchroniken eine Weltkarte hinzugefügt, die frei-
lich nicht immer von dem Geschichtsschreiber selbst herrührt, sondern oft
auch nachträglich seinem Werk beigegeben wurde. Außerdem enthalten viele
Werke einen Textabschnitt über Geographie.
Paulinus Minorità hat im Zusammenhang mit seiner Weltchronik - so-
wohl mit der 2. Rezension, der sogenannten «Chronologia magna», als auch
mit der bereits genannten 3. Rezension - einen Traktat «De mapa mundi»
mit zugehöriger Weltkarte verfaßt und im Vorwort die Notwendigkeit dieses
doppelten Vorgehens aus der Sicht des Historikers so begründet: 25 Sine ma-
pa mundi ea, que dicuntur defiliis ac filiis filiorum Noe et que de quatuor mon-
archiis ceterisque regnis atque provinciis tarn in divinis quam in humanis scrip-
tum, non tarn difficile quam impossibile dixerim ymaginari aut mente posse con-
cipere. Requiritur autem mapa duplex, picture ac scripture, nee unum sine altero
putes sufficere, quia pictura sine scriptum provincias seu regna confuse demon-
strat, scriptura vero non tarnen erit sufficienter sine adminiculo picture provin-
ciarum confinia per varias partes celi sicut determinat ut quasi ad oculum conspi-
ci valeant.
Er fordert also sowohl die theoretische Abhandlung über die Lage der Or-
te - weil die pictura allein die exakte Angabe nicht zuläßt - als auch das ad-
miniculum picture, die helfende Stütze des Gemäldes, wie es viele Chronisten
liefern.

24
Vgl. ARNO BORST, Das Bild der Geschichte in der Enzyklopädie Isidors von Sevilla, in:
DA22(1966)9ff.
25
Vgl. ROBERTO ALMAGIA, Monumenta cartographica Vaticana 1, Planisferi, carte nautiche e
affini dal secolo XIV al XVLI (1944) S.4, z.T. korrigiert nach der handschriftlichen Fassung in
der Staatsbibliothek Bamberg, Mscr. 4(2 fol. lrund im Vat. Lat. 1960 fol. 13r.
26 Studien zur Universalkartographie [127/128]

Und selbst ein Otto von Freising verkannte in seiner tiefreligiösen Welt-
schau nicht den Wert und die Notwendigkeit der Geographie, wenn er sich
auch - ganz auf Deutung der Geschichte ausgerichtet und unter Verzicht auf
mancherlei Material - die Ausführungen dazu sparte und zu Beginn seines
Werkes 26 bei Besprechung der Erdteile Asien, Europa und Afrika dem Leser
den Literaturhinweis gab: Quarum provintias, situs, regiones qui velit cognos-
cere, legat Orosium. Die Kenntnis des Schauplatzes des Weltgeschehens ist
für ihn gleichfalls bedeutsam.
Denn insofern als der Kartenmaler sein Weltbild wiedergibt, kann er es
ganz als Szene der menschlichen Beziehungen zu Gott sehen; 27 die Karte
hat theologische Funktion, und dieser Kartentyp ist der in der Chronistik
übliche und rangiert vor dem praktischen oder wissenschaftlichen.

4. Weltkarten in Handschriften und ihre Stellung zu den


verschiedenen Literaturgattungen

Eine Weltkarte, die Illustration einer Weltchronik ist, muß zwangsläufig


verhältnismäßig dürftig ausfallen, weil dem Maler in einem Kodex nicht all-
zuviel Raum zur Verfügung steht. Da die Welt in der Regel kreisförmig dar-
gestellt ist, ergibt sich aus der Breite des Pergamentblattes der Durchmesser,
der gewöhnlich zwischen 10 und 25 cm liegen mag, bei Verwendung zweier
gegenüberliegender Seiten auch bis zur Höhe der Handschrift anwachsen
kann.
Von den hier zu betrachtenden Stücken gilt das in allen Fällen; Ausnah-
men bilden nur die Karten von Ebstorf und Hereford, die in so enger Bezie-
hung zu den «Oda imperialia» des Gervasius von Tilbury bzw. zueinander
stehen, daß sie nicht ausgelassen werden sollten. Beide dienten als Schmuck
großer Flächen; die Ebstorf-Karte mit einer Höhe von 358 cm und einer
Breite von 356 cm auf dreißig Pergamentblättern und die Hereford-Karte
mit 162 cm Höhe und 132 cm Breite waren ursprünglich Altarbilder und wei-
sen daher eine reichhaltige künstlerische Ausgestaltung auf, die insofern nur
bedingten Vergleich mit Chronik-Manuskripten duldet.
Natürlich waren dies auch nicht die einzigen Wand- oder Plattenkarten, 28
aber die wenigsten großformatigen Karten haben die Zeiten überdauert im

26
Lib. I c. 1, ed. ADOLF HOFMEISTER, MG Scr. rer. Germ. (1912) S.38.
27
Vgl. D. B. DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus (s. o. Anm. 9) S. 3.
28
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 52f. S. 191 ff.; BAGROW-SKELTON, passim; LEITHÄUSER,
passim; MILLER, MM 3 ff.
[128/129] I. Mappa mundi und Chronographia 27

Gegensatz zu denjenigen, die im Schutz von gebundenen Büchern aufbe-


wahrt waren. Verloren sind die Karten des Papstes Zacharias (741-752) im
Lateran, 29 des Erzbischofs Theodulf von Orleans (um 800) an der Wand sei-
nes Hauses - immerhin aus einer Handschrift der Vaticana von 1055 be-
kannt 30 -, Karls des Großen auf einem Silbertisch,31 der Gräfin Adela von
Blois (um 1100) in ihrem Schlafgemach,32 während die überformatigen und
z. T. auf Holz aufgezogenen mappae der Italiener im 14. und 15. Jahrhun-
dert überlebt haben. Manche von ihnen sind schon spürbar beeinflußt von
den Seekarten jener Zeit und weisen neue Erkenntnisse auf. Hierher gehören
zunächst die dem alten Stil verhafteten Karten von Vercelli aus der Zeit um
1200,33 das Wiesbadener Fragment 34 des 13. Jahrhunderts, später dann die
venetianischen Karten des Albertin de Virga um 1411, 35 deutlich moderner 36
und drehbar ohne feste Orientation, des Seekartenzeichners Andrea Bianco
um 1436,37 der gesüdet hat, und die des Giovanni Leardo um die Jahrhun-
dertmitte, 38 in alter Art geostet, die des Salzburger Benediktiners Andreas
Walsperger, 39 auch gesüdet, endlich die drehbare mit Kompaßlinien durch-
setzte katalanische Karte aus Modena, 40 die drehbare ovale genuesische
Weltkarte von 145741 und als Krönung die berühmte gesüdete Karte des Fra
Mauro aus Murano bei Venedig von 145942 sowie die gesüdete, auf Metall

29
Vgl. MILLER, MM 3 S. 151.
30
Vgl. DFSTOMBES, MCVA 1, sect. 24, 11 S.48 und Tafel XVIII.
31
Einhardi Vita Caroli c. 33, ed. OSWALD HOLDER-EGGER, MG Scr. rer. Germ. (1911, Neudr.
1947) S.40; dazu MILLER, MM 3 S. 151.
32
Vgl. WILHELM KUBITSCHEK, Eine römische Straßenkarte, in: Jahreshefte des österreichi-
schen Archäologischen Instituts in Wien 5 (1902) 95.
33
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 52, 1 S. 193f. und Tafel XXIII; Abb. auch bei BAGROW-
SKELTON, Tafel XXV S. 351 und Leithäuser S. 82.
34
Ebd. sect. 52, 4 S. 202f. und Tafel XXVI; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Karte
als Glasfenster: Ellen JUDITH BEER, Die Rose der Kathedrale von Lausanne (Diss. Bern 1952)
45 ff.
35
Ebd. sect. 52, 6 S. 205 ff. und Tafel XXVIII.
36
Vgl. D. B. DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus S.24.
" MILLER, MM 3 S. 143 ff. mit Abb.
38
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 52,7-9 S. 208ff. und Tafel XXX.
39
Ebd. sect. 52,10 S. 212ff. und Tafel XXXI; vgl. hierzu D. B. DURAND, The Vienna-Klo-
sterneuburg Map Coipus S. 209 ff.
40
Ebd. sect. 52, 12 S.217ff. und Tafel XXXIII; Abb. auch bei BAGROW-SKELTON S.99 mit
Abb. XLIII S. 370 und LEITHÄUSER S. 140.
41
Ebd. sect. 52, 13 S.222ff. und Tafel XXXIV; Abb. auch bei BAGROW-SKELTON S.80f. und
LEITHÄUSER S. 155.
42
Ebd. sect. 52, 14 S.223ff. und Tafel XXXV im Ausschnitt; Abb. ferner bei BAGROW-SKEL-
TON S. 101 f. u. Abb. XLII S.368f. sowie LEITHÄUSER S. 159.
28 Studien zur Universalkartographie [129/130]

gravierte, wenig ältere sogenannte Borgia-Karte. 43 Auch sie tragen die Züge
von Weltchroniken, müssen jedoch hier ebenso außer acht bleiben wie die
fortschrittlichen Portolankarten, von den Mittelmeerdarstellungen aus Pisa
um 1300 und bei Carignano über die Weltkarten bei Pietro Vesconte bis hin
zu Leonardo Dati; dabei zeigt von ihnen selbst der Katalanische Atlas des
Juden Cresques (um 1375) neben dem Tatarenkhan im China des H.Jahr-
hunderts auch z. B. die heiligen drei Könige auf dem Ritt nach Bethlehem
oder die Königin von Saba in Abbildung. 44
Die Karten in Handschriften sind sehr häufig mit enzyklopädischen Welt-
chroniken verbunden. Insbesondere der Bericht über die Aufteilung der Erde
unter Noes Söhne und Nachkommen - die sogenannte Völkertafel - und
später über den Turmbau von Babel4 gab immer wieder Veranlassung zu
geographischen Exkursen, da es hier das Entstehen der Vielfalt aus der ur-
sprünglichen Einheit darzustellen galt. Aus diesem Grunde stattete man so-
gar Bibelhandschriften46 oder -kommentare mit mappae mundi aus. Aus
ähnlichen Motiven erlangte der Apokalypsenkommentar des Beatus von Lie-
bana (f 798) Ruhm, er hat hier fast die Funktion einer Weltchronik; der so-
genannten ,Apostelteilung' oder ,Apostelscheidung' in der Vorrede zum
zweiten Buch wurde eine Weltkarte auf der Grundlage der Kenntnisse Isi-
dors beigegeben.
Auch Psalterien regten die Miniatoren bisweilen zum Entwurf einer mappa
mundi an - wird doch in diesem Buch die Erde vielfach besungen 47 -, ferner
Homilien 48 und hagiographische Literatur. 49
Mit der zuletzt genannten Gattung ist wiederum die Geschichtsschreibung
erreicht, die so viele Weltkarten hervorgebracht hat. Bei den antiken Auto-

43
Ebd. sect. 53, 1 S. 239ff. und Tafel XXIX, Abb. auch bei BAGROW-SKELTON S.99f. und
LEITHÄUSER S. 143.
44
Vgl. hierzu die entsprechenden Abschnitte bei BAGROW-SKELTON S. 88 m. Abb. XXXVII ff.
S. 363 ff. und LEITHÄUSER S. 127 ff. m. Abb. der genannten Karten.
45
Gen. 9-11.
46
Vgl. DESTOMBES, MC VA 1, sect. 25, 5 S. 48, 12.Jh., anonymer Bibelkommentar mit einer
Karte der bewohnten Ökumene, d.h. mit drei Erdteilen und einem vierten Antichthonen-Konti-
nent, ferner mit einer hemisphärischen Karte; ebd. sect. 49, 3 S. 167, Bibel, 13.Jh., T-Typ, ver-
mutlich nach Beda; ebd. sect. 49, 10 S. 170, Bibel, 13Jh., Zonenkarte; ebd. sect. 50, 2 S. 173, Bi-
bel, 14Jh., vgl. unten Kap. 5; ebd. sect. 51, 11 S. 181, englisches Bibelfragment, 15Jh., mit Kar-
te der Ökumene.
42
Vgl. die im folgenden Abschnitt besprochene Psalter-Karte, ferner den Psalmenkommen-
tar des 11.Jh. bei DESTOMBES, MCVA 1, sect. 24, 7 S. 47 mit T-Karte.
48
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 22, 3 S.46 aus dem 9.Jh., mit T-Karte.
49
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 23, 2 S.46, Vita der hl. Paula, mitT-Karte, lO.Jh., und
ebd. sect. 25, 13 S.49, Vitenhandschrift des 12.Jh.
[130/131] I. Mappa mundi und Chronographia 29

T-Karte, geostet

ren sind es vor allem Sallusts «Bellum Jugurthinum» 50 und Lucans «Pharsa-
lia», 51 die die Abschreiber zur Beigabe kleiner schematischer T-Karten ver-
anlaßten, desselben Kartentypus, der sich im Regelfall bei der schon er-
wähnten theologischen Literatur findet: in die zumeist rund gedachte Öku-
mene, die man sich auf dem Weltmeer als schwimmende Scheibe vorstellt, ist
ein T eingeschrieben, und zwar derart, daß sich oben ein Halbkreis und un-
ten zwei Viertel als Sektoren bilden. Der Florentiner Leonardo Dati hat in
seinem geographischen Lehrgedicht «La Sfera» (ca. 1422) erklärt:

Un Tdentro a uno O monstra il disegno


Come in tre parte fu diviso il mondo.52

Die Arme des T, das manchmal auch zu einem Y aufgebogen ist, werden
vom Schwarzen Meer und Don einerseits, vom Nil andererseits gebildet, der
Schaft ist das Mittelmeer. Denn da die Karten geostet sind, nimmt Asien die
obere Hälfte ein, Europa und Afrika teilen sich in die untere. Diese Aufglie-
derung in drei Kontinente ist antiker profaner Herkunft, sie wird aber ge-
wissermaßen christianisiert, da man die Erdteile dem Erbe der Noesöhne
Sem (Asien), Cham (Afrika) und Japhet (Europa) gleichsetzt; darum spricht

50
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 10-12 S.37f. und sect. 29-31 S.65ff. (89 Hss.!).
51
Ebd. sect. 13-16 S.39 und sect. 32-34 S.74ff. (43 Hss.!).
52
Vgl. MILLER, MM 3 S. 116 u. 140f.; DESTOMBES, MCVA 1, sect 56 S.249ff.
30 Studien zur Universalkartographie [131/132]

man auch von Noachidenkarten. Die Bibel kennt die Bezeichnungen Asien,
Europa, Afrika für Erdteile nämlich noch nicht. 53
Der Typ der T-Karte ist somit sowohl aus der antiken Literatur als auch
aus der Heilsgeschichte abzuleiten und erlangt daher im Mittelalter die ab-
solute Vorherrschaft. Die Grundlage bildete jedenfalls die römische Öku-
mene, die sich weitgehend mit den mittelalterlichen Vorstellungen des christ-
lichen Abendlandes vom Ausmaß der bewohnten Erde deckte. Dabei wurde
mit dem apokryphen 4. Esrabuch angenommen, daß sechs Siebtel der Erde
festes Land und nur ein Siebtel Meer wären, wogegen Ptolemaeus dem Land
nur ein Sechstel eingeräumt hatte.
Karten des T-Typs finden sich in Massen und oft ohne weitere Nomenkla-
tur bei Isidor und Beda, ferner mit Detailangaben bei Guido von Pisa; hier-
her gehören aber im weiteren Sinne auch die Ebstorf- und Hereford-Karte
sowie die Karten nahezu aller Chronisten, auch die des Walter oder Goswin
von Metz zu seinem Gedicht «L'Image du Monde» 54 von 1245, die des Do-
minikaners Wilhelm von Tripolis zu seiner Schrift «De statu Saracenorum»D5
- desselben, der Marco Polo als Missionar begleiten sollte, in Armenien aber
umkehrte 56 -, die zur Chronik von Saint-Denis überlieferte, zwischen 1364
und 1372 entstandene sogenannte «Karte von Ste. Genevieve»,57 die Karte
Alberts von Bonstetten OSB, 58 der um 1479 in seinem Werk Historie, Stati-
stik und Geographie vereinigte, die des Kopenhagener Sammelkodex «Hi-
storiae diversae»59 sowie diejenige der Chronik und Genealogie der Könige
Englands von Adam bis Eduard IV. 60 aus derselben Zeit, und endlich die
des Jean Mansel in «La Fleur des Histoires». 61 Dieser Typus wurde auch von
zahlreichen Verfassern von Kalendarien und Computi gewählt - mit nur ei-
ner Ausnahme unter fünfzehn Handschriften -, zumal die Kalenderwerke in
enger Verbindung zur Geschichtsschreibung und Liturgie standen, 62 dazu

53
MILLER, (S. O. Anm.6) MA 1 S.7.
54
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 44-46 S. 117ff. (76 Hss.!).
55
Vgl. MILLER, MM 3 S. 120 ff. mit Abb.; DESTOMBES, MCVA 1, sect. 50, 16 S. 176.
56
Vgl. RICHARD HENNIG, Terrae incognitae 3 (21953) S.99.
57
Vgl. MILLER, MM 3 S. 136ff. mit Abb.; DESTOMBES, MCVA 1, sect. 50, 19 S. 177f.
58
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 51, 21 S. 183 f.
59
Ebd. sect. 51,6 S. 180.
60
Ebd. sect 51,42 S. 189.
61
Ebd. sect 51, 1 S. 179 mit Abb. Tafel XX.
" Vgl. ebd. 1) sect 22, 2 S.46, 9 J h . ; 2)-4) sect. 23, 3 und 23, 5 S.46, sect 23, 8S.47, 10.Jh.;
5)-6) sect 24, 9-10 S.47f., ll.Jh.; 7)-8) sect 25, 1 und 25, 9 S.48, I2.jh.; 9)-ll) sect. 50, 1
S. 173, sect 50, 8 S. 174, sect 50, 18 S. 177, 14.Jh.; 12)-14) sect 51, 2 S. 179, sect 51, 10 S. 181
sowie sect. 51, 25 S. 184, 15.Jh. Demgegenüber ist die Karte ebd. sect 23, 1 S.46, lO.Jh., hemi-
sphärisch.
[132/133/134] I. M a p p a mundi und C h r o n o g r a p h i a 31

von Beda in seinen komputistischen Werken, 63 ebenso von Dichtern bzw. ih-
ren Kopisten 64 mit Ausnahme von Kodizes zu Vergils «Georgica», 65 vom
Schreiber einer Cassiodor-Handschrift, 66 vom Zeichner der Mela-Karte von
Reims, 67 mit der sich Kardinal Wilhelm Fillastre um 1417 die O-Initiale ei-
nes Manuskriptes der Chorographie des Pomponius Mela schmücken ließ
oder sogar selbst schmückte. Wie der letztgenannte Kartenmaler, so bevor-
zugen auch viele andere in rein naturwissenschaftlichen Werken, z. B. Philo-
sophica, Geographica, Astronomica u.a., die T-Karten, 68 auch finden sie
sich in Bed as Orthographie 69 der «Imago Mundi» des Heinrich von Hun-
tingdon, 70 Fr. Balducci Pegolottis «Pratica della Mercatura» von 134071 so-
wie in einer Anzahl Varia u. ä.
Während die Karte der Ökumene, die die terra incognita im Grunde ab-
lehnt, der christlichen Lehre entsprach, 73 stammt der Typus der hemisphäri-
schen Karte aus der antiken Naturlehre; ihm liegt die Vorstellung der Kugel-
gestalt zugrunde, wobei die südliche Halbkugel als unbewohnbar gedacht

63
Ebd. sect 6-9 S. 35 f.
64
Ebd. sect 25, 6 S.48, Juvenal, 12Jh.; ebd. sect. 49, 6 S. 168, sect 49, 9 sowie 49, 12 S. 170
und sect 49, 16-21 S. 171 f. Philipp Walter von Chatillon, Alexandreis, 13.Jh.; ebd. sect. 50, 7
S.174, Horaz, Satyren, 14. Jh.; ebd. sect 51, 4 S. 180, Poggio Bracciolini (genordet!), und 51,
38 S. 189 Silius Italicus, Punica, 15. Jh.
65
Ebd. sect 50, 14 S. 175, 14.Jh.; sect 51, 28 [?]S.186, 15Jh.
" Ebd. sect 23, 4 S.46, lO.Jh.
67
Vgl. MILLER, MM 3 S. 138 f. mit Abb.; DESTOMBES, MCVA 1, sect 51, 27 S. 185f.
68
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, SECT. 23, 6 S.47, D E VENTIS, IO.JH.; SECT. 24, 1 UND 24, 2
S.47, ARATEA, I I . J H . ; SECT. 24, 8 S.47, ASTRONOMIA, I I . J H . ; SECT. 24, 12 S.48, D E VENTIS,
11.JH.; SECT. 25, 8 S.48, ASTRONOMIA, 1 2 J H . ; SECT. 25, 11 S.49, SPERA PYTHAGORI, 12.JH.; SECT.
25, 12 S.49, NEMROD, D E LOCIS SIGNORUM, 1 2 J H . ; SECT. 49, 4 S. 167, TABULAE ASTRONOMICAE,
13.Jn.; SECT. 49, 11 S. 170, ARISTOTELESKOMMENTAR, 13.JH.; SECT. 49, 23 S.173, MICHAEL Sco-
TUS, LIBER INTRODUCTORIUS, 1 3 J H . ; SECT. 50, 11 S. 175, ASTRONOMIA ET ASTROLOGIA, 14. Jh.;
sect 50, 13 S. 175, Aethicus Ister, 14.Jh.; sect 51, 3 und 51, 20 S. 180 und 183, Strabo, 15.Jh.;
sect 51, 8 S. 181, Astronomica, 15.Jh.; sect 51, 9 und 51, 39 [?] sowie 51, 44 S. 181 und 189f.,
Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum, 15.Jh.; sect 51, 13 S. 182, Pomponius Mela,
15.Jh.; sect 51, 15 und 51, 35 S. 182 und 188, Plinius Secundus, 15.Jh.; sect 51, 17 S. 182, Petro
Testa de Pulci, 15.Jh.; sect 51, 18 S. 182, Michael Scotus, Introductorium astrologiae, 15.Jh.;
sect 51, 22 S. 184, Joan Pauli de Fundis, De spaerà rotunda, 15Jh.; sect. 51, 23 S. 184, Astrono-
mica, 15Jh.; sect. 51, 24 S. 184, Astronomica, 15.Jh.; sect. 51, 36 S. 188, Trattato di geografia,
15. Jh.
69
Ebd. sect. 23, 7 S.47, 10.Jh.
20
Ebd. sect. 49, 13S.170f., 13Jh.; sect. 50, 12 S. 175, 14.Jh.; sect. 51, 7 S. 180, 15Jh.
21
Ebd. sect 51, 5 S. 180, Abschrift von 1471.
72
Ebd. sect 23, 9 S.49, 10.Jh.; sect 24, 4 S.47, 11.Jh.; sect 49, 15 S. 171, 13Jh.;sect 50, 4
S.174, sect 50, 6 S.174, 14.Jh.; sect 50, 9 S. 175 (gesüdet), gleichfalls 14. Jh.; sect 51, 19
S.182f., 15.Jh.; sect 51,26 S. 185, 15.Jh.; sect 51, 41 S. 189, 15.Jh.
73
Vgl. D. B. DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus S. 17.
32 Studien z u r Universalkartographie [134/135]

Zonen-Karte, geostet

wird. Dieses Prinzip geht auf Krates von Mallos zurück und kommt als ein-
fache hemisphärische Karte vor, als Zonen- und als Klimatenkarte.
Die Zonenkarte 74 kennt 5 Zonen, je zwei kalte unbewohnbare Randzonen
im äußersten Süden und Norden, eine heiße unbewohnbare um den Äquator
und dazwischen zwei gemäßigte Gebiete, deren südliches unbekannt ist.
Diese Karten finden sich - freilich im Mittelalter nicht entfernt so verbreitet
wie die T-Karten - in der Regel in naturwissenschaftlichen Werken, so bis-
weilen bei Isidor, Beda und Honorius neben den T-Karten, in der Enzyklo-
pädie «Hortus deliciarum» der Herrad von Landsberg, 75 bei Wilhelm von
Conches (f ca. 1155) in seiner «Magna philosophia», 76 bei Johann von Sacro
Bosco, 77 vor allem aber im Zusammenhang mit dem Kommentar zum «Som-
nium Scipionis» des Macrobius, 78 ferner in den genannten Georgica-Hand-
schriften79 sowie - unter anderen Kartentypen - bei Lambert von Saint-
Omer. 80 Die einfache hemisphärische Karte ist vereinzelt in astronomischen
Schriften81 belegt, auch bei Ristoro dArezzo 8 2 und in einer Marco-Polo-

74
Typologie vgl. DESTOMBES, MCVA 1, S. 10 ff.
75
Vgl. MILLER, MM 3 S. 125.
76
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 39-42 S.96ff.
77
Vgl. BAGROW-SKELTON S. 54 mit Abb. und LEITHÄUSER S.64 mit Abb.
78
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 18-21 S.43 ff. und sect 36-38 S.85ff.
" Vgl. oben Anm. 65.
80
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 43 S. 111 ff.
81
Ebd. sect 25, 7 S.48, 12Jh.; sect 50, 10 S. 175, isländisch, 14.Jh.; sect 51, 45 S. 190, Lu-
dovicus de Angulo, Astrologia, 15.Jh., ähnlich wie Pierre d'Ailly.
[135] I. M a p p a mundi und C h r o n o g r a p h i a 33

Karte der Klimata, gesüdet

Handschrift des H.Jahrhunderts. 83 Hier wird deutlich, wie eine Erinnerung


an die sphärische Gestalt der Erde lebendig blieb. Freilich wurde die Exi-
stenz von Antipoden, von Gegenfüßlern, die auf der anderen Hemisphäre le-
ben sollten und die die Antike sehr beschäftigt hatten, abgeleugnet, weil man
sie heilsgeschichtlich nicht einzuordnen wußte. 84 Im Neuen Testament 85
hieß es ausdrücklich, daß die Menschheit eine Einheit sei und alle auf dem
Angesicht der Erde lebten; auch stammten alle Menschen von Adam bzw.
Noe ab. So hatte Augustinus 86 schon gemeint, man wisse nichts von diesen
Gegenden; wenn aber die Erdoberfläche im wesentlichen aus Wasser bestün-
de, müsse dort Wasser sein; die Kugelgestalt hielt Augustinus durchaus für
möglich.
Eine Sonderart der Zonenkarten sind die Klimatenkarten, gleichfalls ganz
naturwissenschaftlich ausgerichtet und im Abendland selten. Sie entstammen
der griechischen Naturlehre und wurden dem Westen über die Araber ver-
mittelt, sind daher gesüdet und später genordet. Beispiele finden sich bei Pe-
trus Alphonsus um 1110, einem getauften Juden aus Huesca, 87 bei Johannes

82
Ebd. sect 51, 33 S. 187, 15Jh.
83
Ebd. sect 50, 20 S. 178.
84
GIOVANNI MARINELLI, Die Erdkunde bei den Kirchenvätern (1884) 43.
85
Act. 17, 26.
86
De civitate Dei XVI, 9.
87
Vgl. MILLER, MM 3 S. 126f. mit Abb.; DESTOMBES, MCVA 1, sect 25, 4 und 25, 10 S.48f.,
12Jh.
34 Studien zur Universalkartographie [135/136/137]

de Sacro Bosco um 1250,88 hier sogar mit Länderkonturen, und bei Pierre
d'Ailly, der unter ptolemäischem Einfluß nordet. 89 Sie teilen das bewohnte
Stück der nördlichen Hemisphäre in 7 Klimata ein. Daß dieser Typ die Hi-
storiker und Theologen wenig ansprach, erhellt schon daraus, daß Alphon-
sus, Johann von Wallingford und Pierre d'Ailly ungestört aus den arabischen
Karten den Ort Arym übernehmen, gelegen in der Mitte der Erde, d. h. am
äußersten Rand der bewohnten Welt, ein Punkt, der in der arabischen
Astronomie eine Rolle spielte und als Sitz der Dämonen galt.90 Länderkon-
turen fehlten in der Regel auf diesen mappae. Eine geostete Ausnahme dieses
Typs scheint die Karte des Johann von Wallingford zu sein.
Ein Relikt der Antipodenvorstellung ist auch in einen Teil der T-Karten
oder ökumenekarten eingedrungen, die den vierten unbekannten Kontinent
aufführen, z.B. bei Isidor, Beatus von Liébana und Lambert von Saint-
Omer.
Sonst hat sich eine Vierteilung nirgends erkennen lassen: das u. a. räumlich
bestimmte Schema des Geschichtsablaufs nach vier Weltreichen, das in der
orosianischen Version auch noch nach Himmelsrichtungen als Babylon, Ma-
kedonien, Karthago und Rom gedacht wurde, hat z.B. keinen Einfluß auf
das Kartenwesen genommen.91
Es bleibt festzuhalten, daß die überwiegende Zahl mittelalterlicher Welt-
karten in historischen oder enzyklopädischen Werken auftritt. Sie ist zu-
gleich historisch bestimmt durch die antike T-Teilung, die durch die Noe-
Erzählung christianisiert und damit zur Aussage der Heilslehre wird.

88
Johannis de Sacro Bosco Opusculum Spericum cum figuris optimis et novis ... (neben einer
Zonenkarte; Leipzig ca. 1500) fol.34v.
89
Vgl. MILLER, MM 3 S. 127f. mit Abb. und DESTOMBES, MCVA I, sect 48 S. 161 ff.; auch
BAGROW-SKELTON S. 58 f. und 137 mit Abb. S.58 f. und LEITHÄUSER S. 158 mit Abb. S. 161 und
173; Texte ed. EDMOND BURON, Ymago mundi de Pierre d'Ailly, 3 Bde. (1930).
90
Epilogus Mappae Mundi, ed. BURON, Ymago 2 S. 524: De locis autem extra climata habita-
bilibus sciendum est, quod ante climata versus meridiem habitatio est magna. Nam etiam secundum
quosdam astrologos usque ad equinoctialem habitatur. Et sub eo est Arym civitas eque distans ab Ori-
ente et occidente septentrione et meridie ymmo secundum Hali ultra equinoctialem per tres gradus
sunt civitates due. Auch Roger Bacon kennt Arym im «Opus maius» von 1267, vgl. W. L. BEVAN
und H. W. PHILLOTT, Mediaeval Geography (1873) S. XII. Er neigte zur Südung, vgl. E. G. R.
TAYLOR, The South-Pointing Needle, in: Imago Mundi. A Review of Early Cartography 8
(1951) 2 zu «De secretis operibus» (vor 1248).
" ALEXANDER RIESE, Geographi Latini Minores (1878) S. XXV hat in seiner Einleitung zur
«Cosmographia» des Julius Honorius eine bei diesem nachweisbare Vierteilung auf die Welt-
reichslehre zurückführen wollen, die aber in Wirklichkeit lediglich durch die vier Himmelsrich-
tungen bestimmt ist, zumal Julius Honorius wohl noch nicht Christ war; vgl. hierzu MILLER,
MM 6 S. 69ff., bes. S. 70f.; auch KONRAD KRETSCHMER, Die mittelalterliche Weltkarte nach An-
lage und Herkunft, Petermanns Mitteilungen Erghft 209 (1930) 60.
[137/138] I. Mappa mundi und Chronographia 35

Da man auf beschränktem Raum eine möglichst reichhaltige Nomenklatur


unterzubringen hat, gibt man der Karte der Ökumene den Vorzug und küm-
mert sich wenig um unbekannte oder gar unbewohnbare Gefilde. Trotz der
Autoritätsgläubigkeit des Mittelalters sind diese Karten ganz unterschiedlich
ausgefallen und lohnen eine Einzelbetrachtung. Während die Naturwissen-
schaftler im allgemeinen nur stereotyp die Schemata bieten, haben nämlich
die Historiker gern die Gelegenheit benutzt, Einzelstätten einzuzeichnen
und der Karte individuelle Züge zu geben.

5. Weltkarten und Weltchroniken

Versuche, den Ablauf der Weltgeschichte in Verbindung mit einer Beschrei-


bung des gesamten historischen Raumes darzustellen, begegnen sogar schon
in den äußerst knapp gehaltenen chiliastisch bestimmten ersten christlichen
Chronographien. Vorbild dafür war naturgemäß die antike Geschichts-
schreibung, die - denkt man etwa an Herodot - oft und gern ihre Werke am
Raum orientierte, hier freilich auch nach Ursachen für die Geschehnisse
forschte, während in den christlichen Schriften die Geographie nicht als
Voraussetzung für Ereignisse herangezogen wurde: Geschichte war allein
Ausdruck des vorgeordneten göttlichen Heilsplanes, auch die Geschichte
der weltlichen Mächte und ebenso die Beschaffenheit der Erde. So diente die
Geographie nur als Szenerie des Gesamtgeschehens, zur Erläuterung der
göttlichen und menschlichen Schriften, wie Paulinus Minorità erklärte; Erd-
kunde war also historische und indirekt theologische Hilfswissenschaft.
Ob sich tatsächlich bei Sextus Julius Africanus (221 n.Chr.) 92 schon Ex-
kurse über die Klimata fanden, läßt sich aufgrund der Textüberlieferung
nicht mehr sicher bestimmen. Auffällig ist aber in jedem Fall der Diameris-
mos des H i p p o l y t u s von Rom (235 n.Chr.), die Geschichte der Zerstreu-
ung der Völker, die dem Bericht über den Turmbau zu Babel folgt93 und in
der die Nachkommenschaft der Noe-Söhne namhaft gemacht ist. Der Be-
weggrund für diesen Exkurs ist ganz derselbe, der mehr als ein Jahrtausend
später Paulinus Minorità zu seinem Traktat und seinem Gemälde «De mapa
mundi» veranlaßte. Der konkrete Anlaß war ein universalhistorisch entschei-
dendes Ereignis, die Spaltung der bislang einheitlichen Menschheit; doch
benutzte Hippolytus die Gelegenheit, um auch von den ,Kolonien' der ,un-

92
MILLER, MM 6 S. 141 f.
93
Vgl. ARNO BORST, Der Turmbau von Babel 2, 1 (1958) 368 ff.
36 Studien zur Universalkartographie [138/139]

bekannten' Völker, 94 von den Klimaten derselben Völker, 95 von berühmten


Gebirgen 96 und Flüsse,97 selbstverständlich auch von den Paradiesflüssen
Phison, Gehon, Tigris und Euphrat 98 aus Genesis 2, 10-14 zu sprechen.
Überraschender freilich ist der Stadiasmos des Mittelländischen Meeres, 99
eine Küstenbeschreibung, die nur teilweise allgemein schildernden Charak-
ter hat und vielfach ausgesprochene Navigationsanleitung ist.100 Eine Karte
ist von Hippolytus nicht überliefert, auch gibt es keinerlei Beleg für das ein-
stige Vorhandensein einer solchen; denkbar jedoch wäre die Anfertigung
schon. Hippolytus hat sein Werk verfaßt, um falschen Parusieerwartungen
entgegenzutreten. Mit seinen reichhaltigen geographischen Exkursen zeigt
er dieser Welt gegenüber ein ausgesprochenes Interesse.
Eusebius dagegen, der ein Onomastikon biblischer Orte anfertigte, wel-
ches von Hieronymus ins Lateinische übersetzt wurde, mag hier noch größe-
re Wirkung gehabt haben; ist es doch nicht von ungefähr, daß die älteste
christliche Karte auf H i e r o n y m u s 10 ' zurückgeführt wird, der um 381 mit
seiner Übersetzung und Bearbeitung der Weltchronik des Eusebius das Fun-
dament der lateinischen Chronographie legte. Es handelt sich dabei aller-
dings um zwei Karten, die nur in Abschriften des 12. Jahrhunderts erhalten
sind im Zusammenhang mit den Traktaten «De hebraicis quaestionibus»,
«De interpretationibus nominum veteris et novi testamenti» und «De nomini-
bus locorum» oder «De locis hebraicis», so daß die Autorschaft des Hiero-
nymus nur als wahrscheinlich zu gelten hat und die Karte nicht frei ist von
späteren Zutaten, etwa der Nennung der Bulgaren, die erst nach dem Ende
des 7. Jahrhunderts möglich ist. Auch handelt es sich bei den Karten nicht
um Weltkarten, sondern allenfalls um Fragmente oder Ausschnitte von sol-
chen; die eine zeigt den Orient und den östlichen Mittelmeerraum, die ande-
re Palästina. Über die Orientation der Vorlage läßt sich nichts Genaues sa-
gen, in der Version des 12. Jahrhunderts sind die mappae geostet. Der ge-
samte ostmediterrane Raum sowie Asien bis Indien sind mit ihren Stätten bi-
blischer und antik-profaner Geschichte vertreten.

94
Ed. RUDOLF HELM, in: Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte
46 (Berlin 1955) 34 ff.
95
Ebd. S. 37 ff.
96
Ebd. S. 40.
97
Ebd. S. 41 f.
98
Ebd. S. 42 f.
99
Ebd. S. 43 ff.
100
HELM, ebd. S. XXX.
101
Vgl. MILLER, MM 3 S. 1 ff. mit Abb.; MM 2, Tafeln 11 und 12 und MM 3 Tafel I; die
Texte Migne PL 23, 771 ff. Vgl. auch DESTOMBES, MCVA 1, sect 51, 12 S. 181, 15Jh.
[ 1 39/1 40] I. Mappa mundi und Chronographia 37

Hieronymus hat aber noch in anderer Weise das mittelalterliche Weltbild


nachhaltig bestimmt; denn er erhob 102 die Forderung, Jerusalem gemäß den
Aussagen des Propheten Ezechiel als Mittelpunkt der Welt zu betrachten.
Da seine Karten nur trümmerhaft erhalten sind, läßt sich nicht sagen, ob er
diese Vorstellung auch in der pictura verwirklichte. Fester Brauch wurde sie
erst in der Kartographie um 1100, und selbst Fra Mauro gab sie nicht auf,
obgleich er aufgrund des Erfahrungswissens Jerusalem nach Westen schieben
mußte: da der Orient schwächer bevölkert sei, bilde die Stadt auch jetzt
noch die Mitte der Menschheit, argumentierte er. 103
Auch O r o s i u s hat in seine ganz apologetisch gehaltenen «Historiae ad-
versum paganos» 417/18 die Geographie einbezogen. Da sein Werk mehr
die Weltreiche als die Heilsgeschichte zum Gegenstand hat, läßt er seine
Erdbeschreibung dem ersten Kapitel des ersten Buches über die Zeit von
Adam bis Ninus folgen.104 Die Karte des Orosius wurde wiederholt zi-
tiert, 105 erhalten sind im Zusammenhang mit seinem Werk nur verschiedene
kleine Kärtchen des T-Schemas. 106 Darüber hinaus aber darf die Weltkarte
der Bibliothek von Albi im Languedoc aus dem 8. Jahrhundert als eine Versi-
on der Orosius-Karte angesehen werden, zumal ihr das erwähnte Orosius-
Kapitel beigegeben ist.107 Sie ist geostet und zeigt eine teils ovale, teils recht-
eckige Ökumene um das Mittelmeer mit Andeutung der T-Balken-Enden
durch Schwarzes Meer und Nil. Indien mit den vier Paradiesflüssen liegt
oben, doch ist das Paradies nicht genau lokalisiert. Biblische Namen sind
nur Jerusalem und der Sinai, und selbst im umfangreichen Text bei Orosius
ist lediglich Palästina genannt. Orosius schilderte die moesta mundi, und da-
zu lieferte er eine Szenenbeschreibung, weil ihm das Elend der Welt erst die
Deutung der Heilsgeschichte ermöglichte. Entsprechend profan fiel seine
Geographie aus.
Am Anfang der enzyklopädischen Literatur des lateinischen Mittelalters
steht I s i d o r v o n S e v i l l a (f 636). Er schreibt nicht mehr in unmittelbarer

102
Ezech. 5, 5; d a z u H i e r o n y m u s , C o m m e n t , in Ezech. II, Migne P L 2 5 , 52: Jerusalem in me-
dio mundi sitam, hie idem propheta testatur, umbilicum terrae earn esse demonstrans, mit Verweis
auf Ezech. 38, 12 und Ps. 7 3 , 12. Weiter sagt H i e r o n y m u s : A partibus enim orientis cingiturplaga,
quae appelatur Asia, a partibus occidentis eius quae vacatur Europa, a meridie et austro Libya et Afri-
ca, a septentrione Scythis, Armenie atque Perside et cunctis Ponti nationibus.
103
Vgl. LEITHAUSER S. 163.
104
Lib. 1 cap. 2, ed. KARL ZANGEMEISTER (1889) S. 5ff. (auch C S E L 5, 1882).
105
Vgl. MILLER, M M 6 S.6Iff.
106
Vgl. MILLER, M M 6 S.62 mit A b b . u n d DESTOMBES, M C V A 1, s e c t 22, 4 S.46, auch s e c t
49, 22 S. 172 u n d sect. 5 1 , 30 S. 186.
107
Vgl. MILLER, M M 3 S.57f. mit A b b . u n d DESTOMBES, M C V A 1, s e c t 22, 1 S.46; A b b .
a u c h bei BAGROW-SKELTON S. 55 u n d LEITHÄUSER S. 6 5 .
38 Studien z u r Universalkartographie [140/141]

Endzeiterwartung, auch nicht als Verteidiger des Christentums den Heiden


gegenüber, sondern er sammelt, sichtet, kürzt und sucht den verschiedensten
Wissensgebieten gerecht zu werden. Darum hat er mehr als zwei der zwan-
zig Bücher seiner «Etymologiae» oder «Origines» der Geographie vorbehal-
ten, der Erdbeschreibung, 108 und eine Karte entworfen, die in einer Fassung
von 775 109 erhalten ist. Auch finden sich häufig schematische T-Karten ohne
Nomenklatur in den Handschriften seiner Werke. 110
Die Karte aus der Vaticana von 775 ist gleichfalls ganz antik bestimmt,
zeigt eine runde Ökumene auf ovalem Weltmeer und muß in der vorliegen-
den Form - ganz eindeutig läßt sich das nicht bestimmen - als genordet an-
gesehen werden oder richtiger nach Nordwesten orientiert, während der
Text der «Etymologiae» eindeutig eine Ostung voraussetzt." 1 Bemerkens-
wert ist das Vorhandensein eines 4. Erdteils der Antökumene im Südwesten,
eine längliche insula incognita, die ein Relikt der Krates-Karten sein muß
und von Isidor vielleicht aus Macrobius entnommen wurde.
Jerusalem liegt östlich des Zentrums, welches somit im östlichen Mittel-
meer anzunehmen ist. Wie weit hier noch das griechische Weltbild mit Delos
im Mittelpunkt wirksam ist oder aber schon die T-Vorstellung, bei der ja
auch die Mitte ins Meer zu liegen kommt, auch etwaige zeichnerische Unsi-
cherheiten, das ist nicht auszumachen. Jerusalem und Konstantinopel sind
durch einen großen achtstrahligen Stern hervorgehoben, Rom, Babylon,
Alexandria und Karthago durch einen kleineren. Das Paradies im Osten
wird durch eine achtblättrige Rosette in doppelter Umrandung gekennzeich-
net, umgeben von den vier Paradiesflüssen. Auf Fabeleien ist verzichtet.
Eine Isidors Chronik sehr verwandte spanische Weltgeschichte ist die
Chronik von Albelda aus dem 9. Jahrhundert, die jedoch trotz ihres enzy-
klopädischen Charakters keine Karte zu ihren geographischen Exkursen 112
aufweist.
Die Weltchronistik des Frühmittelalters war ganz an chronologische Fra-
gen angelehnt, zumal seit dem Arabereinbruch die lebendige Beziehung zu
den Räumen Asiens und Afrikas recht locker wurde. Man übernahm das vor-
handene Traditionsmaterial, aber der räumliche Weitblick ging verloren.

108
Vgl. lib. XIII, XIV und XV, 1, ed. W. M. LINDSAY, Bd. 2 (1911); vgl. auch A. BORST, Das
Bild der Geschichte in der Enzyklopädie Isidors von Sevilla, in: DA 22 (1966) 1 ff.
109
Vgl. RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in: Mnemosyne 3. ser. 3
(1935/36) 1 ff. mit Abb; auch DESTOMBES, MCVA 1, sect 1,7 S. 30 mit Abb. Tafel XIX.
1,0
Vgl. MILLER, MM 3 S. 116ff.; ebd. 6 S.57ff. und DESTOMBES, MCVA 1, sect 1-5 S.29ff.
und sect 49, 14 S. 171.
»i Vgl. Etym. XIII, 16, 7; XIV, 3, 31 ; XIV, 3, 34; XIV, 4, 2; XIV, 5, 3; XIV, 6, 8.
112
MignePL129, 1l25ff.
[141/142] I. Mappa mundi und Chronographia 39

Bed a beherrschte die Universalhistoriographie des 8. bis 11. Jahrhunderts,


er legte den Grund zur annalistischen Chronographie. An Weltkarten hatte
man in dieser Zeit wenig Bedarf, lediglich die kleinen schematischen T-Kar-
ten, oft von nur ca. 2 cm Durchmesser, erfreuten sich größter Beliebtheit.
Daher sind mit Bedas komputistischen Werken, die auch seine beiden Welt-
chroniken enthalten, bisweilen auch zu «De natura rerum», diese Kärtchen
überliefert,113 vereinzelt auch Zonenkärtchen. 114
Ein bedeutsameres und originelleres Zeugnis christlicher Universalkarto-
graphie bieten die Handschriften zum Apokalypsen-Kommentar des B e a -
t u s v o n L i é b a n a (776/86) zur ,Apostelscheidung', 115 Diese Karten 116
sind zumeist rechteckig bis oval, geostet und dem T-Typ im weiteren Sinne
zuzurechnen; sie kennen wie Isidor - dessen Einfluß auch sonst nicht zu
übersehen ist - den 4. Erdteil der Antökumene im Süden. Im Osten sind
Adam und Eva im Paradies zu sehen. Jerusalem bildet noch nicht den Mittel-
punkt, vielmehr fällt dieser auch hier in die griechische Inselwelt. Bei aller
Reichhaltigkeit an antiker Nomenklatur sind die alttestamentlichen und
christlichen Stätten gut vertreten, so daß diese Karte vor allem die Heilsge-
schichte illustriert. Obgleich Beatus um 800 das Ende der Welt erwartete,
stand er nicht an, in seinem reich mit Bildern versehenen Werk auch diese
noch bestehende Welt zu malen. Das Original der Karte ist zwar nicht erhal-
ten, aber eine Anzahl recht verschiedenartiger Nachzeichnungen. Nur die
von Osma, 1203 angefertigt, stimmt ganz mit dem Text der ,Apostelschei-
dung' überein und zeigt die Häupter der Begründer der einzelnen Kirchen
am Orte ihres Wirkens. Doch auch hier sind viele Schauplätze der Welt mit-
genannt.
Alle Handschriften stammen aus Spanien oder Südwestfrankreich. Sie ha-
ben im Mittelalter nicht über diesen Raum hinausgewirkt und verleugnen in
der Malweise auch nicht den Einfluß arabischer Kartenzeichner; das zeigen
vor allem die runden und ovalen Formen der als getreuester Nachzeichnung
geltenden Karte von St.-Sever. Während sich das übrige Abendland im 8. bis
11. Jahrhundert weitgehend mit kleinen Schemata ohne Nomenklatur be-
gnügte, war man in Spanien aufgeschlossener für die Weltbeschaffenheit;

1,3
Vgl. MILLER, MM 3 S. 118 und DESTOMBES, MCVA 1, sect 6-9 S.35f.
114
Vgl. MILLER, MM 3 S. 124 und DESTOMBES, MCVA 1, sect 8, 1 S.36, 11.Jh.
115
Ed. Henry A. SANDERS, Beati in Apocalipsin, Papers and Monographs of the American
Academy in Rome 7 (1930) Prolog 2, S. 116.
1,6
Vgl. Miller, MM 1 und 2 mit verschiedenen Abb.; DESTOMBES, MCVA 1, sect 17 und 35
S.40ff. und 79ff.; auch Abb. bei BAGROW-SKELTON, Tafeln XV und XVI S. 341 f. und LEITHÄU-
SER S.67, 69, 70 und 72.
40 Studien zur Universalkartographie [142/143]

denn man versäumte es nicht, die verhältnismäßig reichhaltige Karte immer


wieder zu kopieren, so daß heute 15 Exemplare erhalten sind.
Bevor die Imago-mundi-Chronistik im Zeitalter der Frühscholastik und
der Kreuzzüge ihren Aufschwung nahm, ist nur eine enzyklopädisch gehal-
tene Handschrift zu erwähnen, der Codex Cotton Tib. B. V im Britischen
Museum, in seiner ursprünglichen Form wohl größtenteils um 1000 anzuset-
zen. 117 Dieses Manuskript enthält u.a. Listen von Päpsten, Patriarchen von
Jerusalem, römischen Kaisern bis Herakleios, Hohenpriestern, Bischöfen
Englands, Königen von Sachsen, Northumbrien usw., ein Itinerar von Rom
nach England, Astronomica, Legenden, Priscians Periegesis, eine Beschrei-
bung von Fabelwesen, auch neben einer Zonenkarte die berühmte « C o t t o -
n i a n a », eine rechteckige Karte, geostet - wie alle folgenden Karten bis
zum Ende des 13. Jahrhunderts -, mit Mittelpunkt noch in der Ägäis, aus
dem Jerusalem nach Südosten verschoben erscheint.
Auf allen diesen Karten seit Isidor, soweit sie nicht nur ein Schema ohne
Nomenklatur zeigen, werden die einzelnen Länder in ihrer Größe nach ihrer
historischen Wichtigkeit bemessen; das ändert sich nicht bis zum H.Jahr-
hundert. Palästina bekommt grundsätzlich ein Vielfaches an Raum gewährt,
verglichen mit den oft tatsächlich viel größeren Nachbarprovinzen. Italien
und Griechenland werden gleichfalls reich bedacht, weil in all diesen Län-
dern eine Menge Namen unterzubringen sind. Häufig ist naturgemäß auch
das Entstehungsland der Karte hervorgehoben, hier Britannien, Irland und
die umgebende Inselwelt.
Durch die Kreuzzüge erhielt die Universalhistoriographie räumlichen
Weitblick. Reisetätigkeit und Autopsie führten zu erneuter Bestandsaufnah-
me der geographischen Kenntnisse, freilich nicht aufgrund der Erlebnisbe-
richte, sondern älterer vorhandener Literatur: dem christlichen Mittelalter
war das Alte nun einmal häufig auch das Gute. 118
Am Anfang dieser Epoche steht das Werk, dessen Titel stellvertretend
dem enzyklopädischen Chronikentyp den Namen gab, die «Imago mundi»
des H o n o r i u s A u g u s t o d u n e n s i s , nach den Handschriften um 1123,
vermutlich aber bereits vor 1110 entstanden, da sie schon in diesem Jahr dem
Domkanoniker H e i n r i c h von M a i n z als Grundlage für eine Weltkarte
diente, die er mit der Schrift der Kaiserin Mathilde, der Gemahlin Heinrichs

117
Vgl. MILLER, MM 3 S. 29 ff. mit Skizze, Abb. ebd. 2, Tafel 10; vgl. DESTOMBES, MCVA 1,
sect 24, 6 S. 47 und Abb. bei BAGROW-SKELTON, Tafel XVII S. 343.
118
Vgl. u.a. FRITZ KERN, Recht und Verfassung im Mittelalter, in: H Z 120 (1919) Iff.; J O -
HANNES SPÖRL, Das Alte und das Neue im Mittelalter, in: HJb 50 (1930) 297 ff. und 498 ff.
[143/144] I. Mappa mundi und Chronographia 41

V., widmete. 119 Die erhaltene Fassung der Karte ist freilich eine Abschrift
vom Ende des Jahrhunderts. 120
Entsprechend den Interessen des Honorius kommt den biblischen Ort-
schaften ganz besonderes Gewicht zu. Im Mittelpunkt des Gemäldes - der
übrigens nicht geometrisch den Mittelpunkt der ovalen Karte bildet, dieser
trifft auf Caesarea - liegt eine große Insel mit der Legende Cyclades insule,
umgeben von vielen kleinen Inseln; gemeint ist zweifelsohne Delos: auch hier
ist trotz des veränderten Gehaltes die antike Form des mittelalterlichen
Weltbildes von starrer Fortdauer.
Im nächsten Jahrzehnt erscheinen gleich zwei Enzyklopädien mit Welt-
karten: um 1119 beendete G u i d o v o n P i s a seine «Historiae variae», 121
deren geographische Partien vorwiegend auf dem Geographus Ravennas 122
und auf Isidor fußen. Zwei der sechs Handschriften enthalten neben T-Sche-
ma-Karten eine Ökumene-Karte und eine Karte von Italien, 123 welche zu
den drei ersten geographischen Büchern gehören, während die Bücher 4-6
Auszüge aus verschiedenen historischen Werken, eine Weltchronik nach Isi-
dor und Beda, Herrscherkataloge, eine Geschichte Alexanders des Großen
nach Pseudo-Kallisthenes, die «Historia de origine Francorum» des soge-
nannten Dares Phrygius und Beiträge zur Geschichte Roms enthalten. Die
Weltkarte ist rund und hat ihre Mitte wieder im Meer, Jerusalem ist auch
hier nach Südosten verschoben. Die vier Paradiesflüsse, die Donau und an-
dere Gewässer sind sehr breit gezeichnet, so daß bei Guido die Hälfte der
Erdscheibe vom Wasser eingenommen wird.
Zur gleichen Zeit beendete L a m b e r t v o n S a i n t - O m e r seinen «Liber
Floridus» 124 mit verschiedenen kartographischen Beilagen. Von der Augu-
stus-Miniatur mit dem dreigeteilten Erdkreis war oben im 1. Kapitel die Re-
de, außerdem enthält das Werk eine Zonenkarte, eine Karte der Völkerver-
teilung, eine Europa-Karte im Genter Kodex und vor allem eine hemisphäri-

1,9
Die «Imago mundi» ist vollständig benutzbar bei Migne PL 172, 115 ff.; wichtig ist der
geographische Part lib. I, c. 7 ff. col. 122ff.
120
Vgl. MILLER, MM 3 S.21 ff., Abb. ebd. 2 Tafel 13 und 3, Tafel II; vgl. DESTOMBES, MCVA
1, sect 25, 3S.48.
121
Noch unediert bis auf kleine Partien MG SS 5, 63 ff. Benutzter Film: Brüssel, Bibliotheque
Royale Ms. 3897-3919.
122
Vgl. MILLER, MM 6 S. 5 ff.
123
Vgl. MILLER, MM 3 S. 54ff. mit Abb.; DESTOMBES, MCVA 1, sect 25, 2 S.48 und sect 49,
5S.167.
124
Teilfacsimileausgabe des bisher unedierten Werkes wird soeben zugänglich: Lamberti Au-
domarensis canonici Liber Floridus codex autographus 92 bibliothecae universitatis Gandaven-
sis... editus curante ALBERTO DEROLEZ (Gent 1967).
42 Studien zur Universalkartographie [144/145]

sehe Weltkarte, 125 die freilich im Autograph verlorengegangen ist und nur in
den Handschriften von Wolfenbüttel, Paris und Leiden vorliegt. Die Form
dieser Karte ist ganz ungewöhnlich, weil hier die Kugelgestalt mit einer T-
förmig geteilten bewohnten Fläche belegt ist. Lambert nennt als Autoritäten
u. a. Orosius und Martianus Capeila für die spera geometrica, die Kugel. Da-
mit besitzt das 12. Jahrhundert vielleicht die Weltkarte des Martianus. 126 Da
auch diese Karte geostet ist, hat Lambert die rechte südliche Hemisphäre
weiß gelassen bzw. für Texte genutzt. Die linke Hälfte zeigt die T-förmig
geteilte Ökumene mit den üblichen Größenverhältnissen. Judäa liegt ober-
halb der Mitte der nördlichen Hemisphäre, die wiederum ins Meer trifft, Je-
rusalem ist nicht genannt; überhaupt bezieht sich die Nomenklatur mit we-
nig Ausnahmen auf Länder, nicht auf Städte. Die Krates-Karte des Martia-
nus erscheint also in jedem Fall in der Deutung des 12. Jahrhunderts.
Da die rechte Hälfte wegen Kälte unbewohnbar ist, sind die Antipoden 127
auf ein Sondereiland verbannt, das in den äußersten Westen verlegt ist. Es
bildet das Gegenstück - eine Art Hölle - zum Paradies mit Henoch (Enos)
und Elias - hier sind nicht Adam und Eva, sondern die Endbewohner dieser
Gefilde genannt - im äußersten Osten, beide in Äquatornähe. Die Antipoden
frieren dort in unvorstellbarer Hitze!
Der antike und profane Charakter der Karte tritt ganz hervor, wie es bei
Orosius- und Martianus-Benutzung nicht anders zu erwarten ist: fabulose
Stätten der Antike haben dagegen reichlich Platz gefunden. So erscheint hier
erstmals auf einer Weltkarte Babylon in Ägypten, jedoch nicht als die auf-
strebende Stadt unter arabischer Herrschaft, sondern als biblischer Sitz des
Pharao aus Genesis und Exodus. Im Text «De quinque famosis civitati-
bus» 128 der Wolfenbütteler Handschrift hat eine spätere Hand dieses Baby-
lon auch noch mit Memphis gleichgesetzt und nach Josephus als Kambyses-
Gründung bezeichnet, weil Kambyses in Ägypten eine gleichnamige Stadt
anlegte.
Von H u g o v o n S t . - V i k t o r selbst ist keine Karte bekannt. Er hat zwar
die loca, in quibus res geste sunt, nämlich Länder, Provinzen, Völker, Gebir-

125
Vgl. MILLER, MM 3 S. 43 ff. mit Abb., Skizzenabb. ebd. Tafel IV; DESTOMBES, MCVA 1,
sect. 43 S. 111 ff. mit Abb. der Leidener Karte Tafel X; auch Photographie der Handschrift Cod.
Guelf. 1 Gud. lat fol. 69v/70r benutzt.
126
Vgl. RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Martianus Capeila, in: Mnemosyne 3. ser. 3
(1935/36) 97 ff. mit Abb. (Guelf.).
127
Vgl. LEITHÄUSER S. 73f.
128
Vgl. Cod. Guelf. 1 Gud. lat fol.32v, c. XXVIII, fehlt im Autograph. Siehe Josephus, An-
tiquitates Judaicae II, 15, 1; dazu BEVAN-PHILLOTT, Mediaeval Geography S. 86; vgl. schon Palä-
stinakarte des Hieronymus.
[145/146/147] I. Mappa mundi und Chronographia 43

ge, Flüsse, Inseln und Städte, 129 abgehandelt, ob er auch eine pictura anfer-
tigte, ist unsicher. Gewiß aber las er seine scriptum über die Geographie von
einer mappa ab, denn während er nach ausführlicher Vorrede gewöhnlich
nur Namenlisten gibt, liefert er hier verbindende Texte, z.B. nach Aufzäh-
lung: hec omnes sunt inter Oceanum et Indum . . . hec omnes sunt inter Indum et
Tigrim ... hec sunt inter Tigrim et Eufratem ... hec sunt inter Eufraten et Mare
Mediterraneum ... Er beginnt oben und schreitet zum Weltmittelpunkt über
die asiatischen Paradiesflüsse fort, diktiert gewissermaßen seinen Schülern
die Nomenklatur mit Zeichenanweisung. Wie nicht anders zu erwarten, do-
minieren die heiligen Stätten.
Die Enzyklopädie der H e r r a d v o n L a n d s b e r g «Hortus deliciarum»
um 1180 beschränkte sich auf ein Zonenkärtchen. 130
Aufschlußreich und typisch aber ist die Londoner P s a l t e r - K a r t e vom
Anfang des 13. Jahrhunderts: 131 über dem Erdkreis ist Christus als Welten-
herrscher abgebildet; das T ist nach unten verdrängt, Jerusalem ist deutlich
als Mittelpunkt des Weltkreises kenntlich gemacht und behält diese Stellung
fortan in der Kartographie bei. Schon gut 100 Jahre zuvor hatte eine Oxfor-
der T-Karte (um 1 HO) 132 Jerusalem nachdrücklich als Zentrum dargestellt.
Das Heilige Land ist sehr hervorgehoben, aber auch dieser Zeichner bietet
im Süden eine ganze Galerie von Fabelwesen. Das Paradies hat einen fünften
Fluß erhalten, zusätzlich zu den biblischen erscheint der Ganges. Sonst ist
die Beziehung zur Ebstorf- und Hereford-Karte nicht zu leugnen, die Psal-
ter-Karte ist sozusagen deren ältere Buchausgabe.
Den Höhepunkt in der westlichen mittelalterlichen Kartographie unter
theologischen wie unter künstlerischen Gesichtspunkten bilden die beiden
Altarbilder von Ebstorf (um 1235) und Hereford (um 1290). 133
Die E b s t o r f - K a r t e 1 3 4 ist als Illustration zu den «Otia imperialia» des
Gervasius von Tilbury entstanden, ob freilich von dessen Hand, das ist frag-

129
Liber d e tribus maximis (precipuis) circumstanciis gestorum, H s . Leipzig Universitätsbi-
bliothek 350, fol.95v-l31v, besonders fol. 107v ff.; vgl. auch Liber excerptionum III, Migne P L
177, 209 ff.
130
MILLER, M M 3 S. 125 mit Abb.
,3
< M I L L E R , M M 3 S.37ff. mit A b b . ebd. 2 Tafel 1 und 3 Tafel III; vgl. DESTOMBES, M C V A
1, s e c t 4 9 , 8 S. 168ff.; A b b . auch BAGROW-SKELTON, Tafel X V I I I S.344.
132
V g l . MILLER, M M 3 S. 118 ff. mit A b b ; vgl. DESTOMBES, M C V A 1, s e c t 2 5 , 8 S.48.
133
Z u r D a t i e r u n g der Ebstorf-Karte vgl. oben Anm. 15; ferner z u r H e r e f o r d - K a r t e N . D E N -
H O L M - Y O U N G , T h e M a p p a M u n d i of Richard of H a l d i n g h a m at H e r e f o r d , in: Speculum 32
(1957) 307 ff.
134
Vgl. MILLER, M M 5 mit guter R e p r o d u k t i o n ; DESTOMBES, M C V A 1, s e c t 52, 2 S. 194ff.;
Abb. a u c h bei BAGROW-SKELTON S . 9 1 - 9 4 , Tafel X X I I - X X I I I , S.348f. und LEITHÄUSER S.75,
8 5 - 8 8 , 91 f., auch Literatur oben Anm. 16 und 17.
44 Studien zur Universalkartographie [147/148]

lieh. Jedenfalls spricht auch Gervasius 135 von einer emendatior pictura, die er
beigefügt habe, weil die Zeichnungen der verschiedenen mappae mundi aus-
einandergingen und irrten. Das Format erlaubte reiche künstlerische Aus-
stattung, minutiöse Zeichnungen von Fabelwesen, die niemand je erschaut
hatte, die jedoch ein ansehnliches literarisches Leben führten. Vor allem be-
eindruckt die Versinnbildlichung des christlichen Glaubens: die Welt er-
scheint als Leib des Gekreuzigten, in ihm besteht sie, und er hält sie zugleich.
Sehr ähnlich und aus der gleichen Geisteshaltung hervorgebracht ist die
H e r e f o r d - K a r t e , nur daß sie noch stärker an antike Vorlagen angelehnt
erscheint. 136 Ihr Schöpfer Richard von Haldingham verzichtete dafür auf ei-
nige Wunder und heilige Stätten. So wollte Miller 137 in ihr den Ableger der
verlorenen Agrippa-Karte sehen.138 Auch diese Karte steht in Beziehung zu
Gervasius, ferner zu Heinrich von Mainz und den Hieronymus-Karten.
Über dem Erdkreis thront Christus als Weltenrichter, in unmittelbarer Nähe
des Paradieses: die Zukunft ist damit noch stärker hereingenommen als auf
der Ebstorf-Karte.
Albert von Stade (um 1240) fügte seiner Chronik zwar einen Arithmetik-
Dialog mit einer Beschreibung des Heiligen Landes und des Weges von Sta-
de nach Rom ein, eine Karte scheint er aber nicht gemalt zu haben. 139
Doch die Universalhistoriographie Englands, die schon zu Beginn des 13.
Jahrhunderts in Radulphus de Diceto einen Geographie-Interessenten hatte,
brachte verschiedene Weltkarten hervor. Zuerst ist M a t t h a e u s P a r i -
s i e n s i s , Benediktiner von St. Alban's (f 1259), 140 zu nennen, der auch
durch seine England-Karte und eine solche des Heiligen Landes Ruhm er-
langte. 141 Die mappa mundi ist rechteckig und zeigt nicht die Erdfläche
schwimmend auf dem Weltenmeer, sondern nur einen Ausschnitt, die Öku-

135
Otia imperialia, ed. G. W. LEIBNIZ, Scriptores rerum Brunsvicensium 1 (Hannover 1707)
S.956.
136
Vgl. MILLER, MM 4 mit guter Reproduktion; DESTOMBES, MCVA 1, sect 52, 3 S. 197ff.
mit Ausschnitt-Abb. Tafel XXV; Abb. auch bei BAGROW-SKELTON, Tafel XXIV S. 350 und Leit-
häuser S.97; vgl. BEVAN-PHILLOTT, Mediaeval Geography; an Essay in Illustration of the Here-
ford Mappa Mundi (1873).
137
MILLER, MM 4 S. 52 ff.
138
Vgl. UHDEN, Weltkarten, in:Geogr. Zs. 37 (1931) 333 f.
139
Ed. J. M. LAPPENBERG, MG SS 16, 271 ff.; vgl. hierzu HERBERT KRÜGER, Das Stader Itine-
rar des Abtes Albert aus der Zeit um 1250, in: Stader Jahrbuch 46 (1956) 71 ff., 47 (1957) 87 ff.
und48(1958)39ff.
140
Chronica, ed. HENRY RICHARDS LUARD, Rer. Brit Medii Aevi Script. 57, 1-7 (1872-83),
passim.
141
MILLER, MM 3 S.68ff. mit Abb. S.71; vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 54 S.246; Abb.
auch bei BAGROW-SKELTON, Tafel XIX S. 345.
[148/149] I. Mappa mundi und Chronographia 45

mene. In einer ausführlichen Legende nennt Matthaeus als Vorlagen drei


verlorene Wandkarten. Die bewohnte Erde sei nach Vorstellung der Philo-
sophen wie eine clamis extensa, mache den vierten Teil der Erdoberfläche aus
und sei fast dreieckig; der Erdkörper sei sphärisch; so stand es bei Macrobi-
us zu lesen. Damit reiht Matthaeus sein Werk im Grunde unter die hemi-
sphärischen Karten ein.142 Europa ist ausgiebig berücksichtigt, den beiden
anderen Erdteilen konnte Matthaeus kein Interesse abgewinnen, so daß es
zweifelhaft ist, ob man seine Karten den Erdkarten zuordnen kann. Da er
Palästina eine Spezialkarte widmete, hat er vom Heiligen Land nur Jerusa-
lem eingezeichnet, das aus der Mitte nach rechts oben verschoben ist; es ist
aber zentral gedacht, und man sagt richtiger, daß der Ferne Osten und der
Süden abgeschnitten sind. Matthaeus ist insofern ein Neuerer, als er sein
Heimatland ausgliederte und gesondert auf einer Karte behandelte, und dies
nicht so schematisch, wie das Guido von Pisa für Italien besorgt hatte.
Zum gleichen Zeitpunkt und als Mönch des gleichen Klosters hat auch der
A r z t j o h a n n v o n W a l l i n g f o r d ("f" 1258) seine bisher nur in Fragmenten
edierte Chronik 143 mit einer Weltkarte versehen.144 Die Karte ist eine hemi-
sphärische Karte der Klimata ohne Länderkonturen, geostet, daher mit
Raum für zwei große Legenden in der rechten südlichen Kreishälfte. Das
Paradies befindet sich oben wie bei den T-Karten. Diese mappa gibt ein völ-
lig anderes Bild als die des Matthaeus, anscheinend haben sich die beiden
Zeichner in diesem Falle überhaupt nicht umeinander gekümmert.
Faktisch zählt Johann acht Klimata, die er vom Äquator wie folgt benennt:
clima Indorum quod est ultimum versus austrum, clima Ethiopum sive Mauro-
rum, clima Egiptiorum, clima Jerosolimitanorum quod est medium Septem cli-
matum, clima Grecorum, clima Romanorum, clima Francorum, hoc ultimum et
residuum Septem climatum complectitur Angliam, Hiberniam et partes septen-
trionales. England und Nordeuropa liegen tatsächlich schon jenseits der sie-
ben Klimata.
Völlig fehlen die Erdteil-Bezeichnungen, ähnlich wie bei den Arabern.
Auch der Ballast an historischen Plätzen wie Troja u. ä. ist verschwunden,
die kleine, zwangsläufig in der Nomenklatur beschränkte Karte vermeldet
meist Städte ihrer Zeit, jedoch keine römischen Provinznamen. Afrika inter-

142
Vgl. U H D E N , Weltkarten, in: Geogr. Zs. 37 (1931) 329.
143
L o n d o n , B r i t Mus., C o t t o n M S Jul. D . VII; vgl. hierzu RICHARD VAUGHAN, T h e C h r o n i -
cle of J o h n of Wallingford, English Historical Review 73 (1958) 66 ff.; zu einer a n o n y m e n C h r o -
nik innerhalb der H a n d s c h r i f t auch ders., T h e Chronicle Attributed to J o h n of Wallingford, in:
C a m d e n Miscellany 21 (1958), mit Edition.
144
Ebd. fol.46v; vgl. DESTOMBES, M C V A 1, sect. 49, 7 S. 168; sie ist r e p r o d u z i e r t n u r bei
YOUSSOUF KAMAL, M o n u m e n t a 3 fase. 4 fol. 922.
46 Studien zur Universalkartographie [149/150]

essierte den Maler überhaupt nicht, er erwähnt dort nur die Monstren. Jeru-
salem liegt im Mittelpunkt der bewohnten Klimata. Dagegen ist Arym ge-
nannt, ebenso der Tagusfluvius, der Tajo. Das verweist auf spanisch-mauri-
schen Einfluß. Schon der Spanier jüdischer Herkunft Petrus Alphonsus
wirkte als Hofarzt um 1100 bei dem englischen König Heinrich L, Bezie-
hungen dieser Art sind daher recht naheliegend.
Noch überraschender sind die Theorien, die Johann mit den Legenden in
der rechten Welthälfte und außen am Rande verkündet. Da heißt es, die Er-
de sei eine Kugel und werde vom Äquinoktialmeer, dem dritten Teil der Er-
de, in zwei Landhälften gespalten. Die Erde sei der abissus, die Mutter der
Wasser, und verhalte sich zum Wasser wie das Eidotter zum Eiweiß. Über
die südliche Erdhälfte wisse man nichts, dort herrsche Winter und Nacht,
wenn die bekannte Welt Sommer und Tag habe. Die bewohnte Erde sei - da-
mit zitiert er Martianus - eine clamis extensa, wie das auch Matthaeus festge-
stellt hatte. Hier ist die antike Lehre von der Kugelgestalt der Erde einerseits
vermischt mit derjenigen der arabischen Kosmographen andererseits. Idri-
si 145 entwickelte die Theorie über das Eidotter im All des Eiweißes, wie er
auch die Erde nach Klimata abbildete. Johann oder sein Vorbild muß bei ei-
nem Kenner Naturwissenschaft nach Idrisi gehört haben. Doch zeitigte seine
Karte keine Wirkung, sie ist nur im Autograph überliefert und harrt ihrer
Entdeckung; dabei stellt sie die nicht ungeschickte Übertragung der arabi-
schen Auffassung ins christliche Denken dar.
Die letzte Weltchronik Englands im Mittelalter verfaßte - freilich 100 Jah-
re später - R a n u l p h H i g d e n (f 1363) mit seinem «Polychronicon» in der
St. Werburgh-Abtei in Chester. Hier erhielt die Geographie noch einmal ei-
nen Ehrenplatz. 146 Von der ausführlichen Weltkarte alten Stils sind verschie-
dene meist ovale Fassungen erhalten, 147 doch mag das Oval auch auf den
Einfluß des Buchformats zurückzuführen sein. Weltliches wie biblisches Na-
menmaterial ist bei Ranulph reichhaltig, ebenso sind Fabeleien sorgfältig
aufgenommen. Er ist auch der erste Weltchronist, der in seiner Karte den
Priesterkönig Johannes lokalisierte.
Auffallend bleibt es, daß die umfassendste Enzyklopädie des Mittelalters,
das «Speculum maius» des Dominikaners Vincenz von Beauvais aus der

145
Vgl. zum Weltbild Idrisis MILLER, MA 1 (s.o. Anm.6) S.53.
146
Polychronicon lib. 1 c. 5ff., ed. CHURCHILL BABINGTON, Rer. Brit Medii Aevi Script. 41,
1-2 (1865-69) S.40ff.; dazu JOHN TAYLOR, The Universal Chronicle of Ranulf Higden (1966)
bes. S.5Iff.
147
Vgl. MILLER, MM 3 S.94 if. mit verschiedenen Abb. und ebd. 2, Tafel 14-16; vgl. D E -
STOMBES, MCVA 1, sect 47 S. 149ff. und Tafel XIV und XVa; Abb. auch bei BAGROW-SKELTON
S. 56 und Tafel XXI S. 347 sowie LEITHÄUSER S. 81.
[150/151] I. Mappa mundi und Chronographia 47

Mitte des 13. Jahrhunderts, ohne mappa mundi blieb. Zwar hat Vincenz an
zwei Stellen, im «Speculum naturale» 148 und im «Speculum historiale»,
die Teile dieser Welt abgehandelt, das Zeichnen aber scheint ihm überhaupt
nicht gelegen zu haben.
Dagegen ist aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch eine hemi-
sphärische Karte in einer Fassung des 15. Jahrhunderts überliefert als soge-
nannte «Biblia tabulata» für Papst Gregor X., beigegeben der «Historia fi-
guralis ab origine mundi usque ad ... 1272»150 des G e r a r d u s d e A r v e r -
n i a . Die Chronik ist in Clermont entstanden und reicht in der vorliegenden
Handschrift nur bis auf Christi Tod. 151 Die pictura ist eine geostete Zonen-
karte, 152 die bewohnte Welt daher beschränkt auf die zweite Zone von links.
Oben liegt das Paradies innerhalb der gemäßigten Zone, genau in der Mitte
Jerusalem. Darunter steht das T der Meere, hier sehr schlank und mit dem
Querbalken nicht bis zum Rand der Zone reichend. Die Nomenklatur be-
steht aus Länderbezeichnungen und den Städtenamen Jerusalem, Troja,
Rom und Gebiet von Karthago. Europa ist im übrigen am schwächsten ver-
treten, während von Afrika kaum ein Provinzname fehlt. Die Karte hat aus-
gesprochen antike Züge und hatte vermutlich eine Macrobius-Handschrift
zur Vorlage; obgleich Zonenkarte ohne Konturen der Ländergrenzen, ohne
Meere oder Flüsse, erinnert sie an die mappa des Lambert von Saint-Omer.
Gleichfalls einer Bibel-Handschrift, die aber nur Bibel - ohne Weltchro-
nik - ist, gehört die rudimentäre Weltkarte aus der ersten Hälfte des 14.
Jahrhunderts an, die sich auf dem Schutzblatt eines Cambridger Manuskrip-
tes findet. 153 Landesgrenzen sind noch nicht eingezeichnet, nur englische
und skandinavische Ortsnamen in Fülle links unten von verschiedenen Hän-
den aufgeführt, ferner Chartres. Oben im Osten werden ein paar Fabelwe-
sen, die Insel Thilos und die Brahmanen genannt. Bemerkenswert ist die
Kennzeichnung der Mitte - ein wenig nach oben verschoben - mit der Le-
gende insula Pathmos, die allein auf weiter Flur steht. Zweifellos hatte der

148
Vincenz von Beauvais, Speculum Maius 1 (Speculum naturale) Hb. XXXII c. 1 ff. (Douai
1624) col. 2399ff.
149
Ebd. 4 (Speculum historiale) lib. 1 c. 62ff. S. 24ff. Allenfalls kann man die sogenannte
Vinland-Karte als 200 Jahre jüngere Beigabe hierzu nennen, vgl. R A. SKELTON, THOMAS E.
MARSTON und GEORGE D. PAINTER, The Vinland Map and the Tartar Relation (1965).
150
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect. 51, 31 S. 186.
151
Ms. 737 der Rijksuniversiteit Utrecht fol.47-68; zu anderen Hss. vgl. BORST, Turmbau
von Babel 2, 2(1959)795.
152
Fol. 49v, reproduziert nur bei KAMAL, Monumenta 3, fase. 5 fol. 1036; benutzt nach Mi-
krofilm der Handschrift.
153
Pembroke Coll. Ms. 120; vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 50, 2 S. 173; Abb. nicht publi-
ziert, benutzt nach Mikrofilm der Handschrift.
48 Studien zur Universalkartographie [151/152]

Zeichner eine Vorlage vor sich, die die Zykladen in den Mittelpunkt setzte;
er übernahm diese Anlage, wählte aber unter den Inseln diejenige aus, die in
der Bibel eine Sonderstellung erhielt, den Entstehungsort der Johannes-Apo-
kalypse. Eine spätere Hand hat die Karte nicht erkannt und ein englisches
Gedicht von Lydgate daneben- bzw. daraufgeschrieben.
Eine schematische Karte ist einem h i s t o r i s c h - t h e o l o g i s c h e n
K o m p e n d i u m beigegeben, das sich in der österreichischen Nationalbi-
bliothek in Wien befindet154 und ebenfalls aus dem H.Jahrhundert stammt.
Weder Länder- noch Erdteil-Konturen sind angegeben. Asien hat man sich
oben vorzustellen, seine südliche Hälfte wird von Ägypten eingenommen. Es
ist durch abgetreppte Zinnen, die als Ryfei montes gekennzeichnet sind, von
Europa getrennt, durch ebensolche, die Caucasus mons heißen, von Afrika.
Unter der Bezeichnung des Erdteils stehen Listen von Ländernamen. Sizilien
liegt zwischen Asien und Europa im Norden; es folgt dann in Richtung Sü-
den unter Rifei montes noch Mediterraneum Mare, unter Caucasus mons Se-
cundum Mare, was Nil bedeuten soll. 155 Das Kärtchen wirkt wie die Diktat-
Niederschrift eines unkundigen Schülers. Übrigens erscheint nicht ein einzi-
ger biblischer Ortsname, obwohl die Karte einem Abschnitt «Series Patriar-
charum a mundo condito usque ad Christum» vorangeht.
Eine Weltkarte, die dem Beschauer große Rätsel aufgibt, ist die des B r u -
n e t t o L a t i n i zu seiner Enzyklopädie «Li livres dou tresor» (um 1260-66).
Dieses von einem florentinischen Notar in französischer Sprache verfaßte
Sammelwerk besteht aus drei Büchern, deren erstes u.a. eine Weltchronik
und eine Erdbeschreibung 156 enthält. Es ist in zahlreichen Handschriften
überliefert, von denen nur eine aus dem Beginn des H.Jahrhunderts mit
Weltkarten ausgestattet ist.157 Die beiden ersten sind Schemata und stehen
neben dem Inhaltsverzeichnis. 158 Die obere ist eine gewöhnliche geostete T-
Karte ohne spezielle Nomenklatur, die untere hatte vermutlich eine gesüdete
einfache hemisphärische Karte zur Vorlage. Nachdem Brunetto bzw. der
Abschreiber links, d.h. im Osten, das irdische Paradies außerhalb des Erd-
kreises eingezeichnet hatte, übernahm er von der darüberstehenden Karte
die Eintragungen der Himmelsrichtungen, und so kam das Paradies ober-
halb des Nordpols zu liegen. Im äußersten Süden ist innerhalb des Erdkrei-

154
Cod. 505; vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 50, 21 S. 178 f. mit Abb. Tafel XV b.
155
Nach Lucan, vgl. DESTOMBES, MCVA 1, S. 179.
156
Ed. FRANCIS J. CARMODY (University of California, Publications in Modern Philology 22,
1948) Weltchronik I, 19ff. S.32ff., Geographie I, 1210. S.109ff.
157
Oxford Bodl. Douce 319; vgl. DESTOMBES, MC VA 1, sect 50, 15 S. 175f. Benutzt nach
Photographien der Handschrift
158
Fol. 3.
[152/153] I. Mappa mundi und Chronographia 49

ses noch ein merkwürdiges Gebilde angebracht, das vielleicht die Antöku-
mene darstellt. Problematischer noch ist die dritte Weltkarte. Sie nimmt eine
Seite ein und entbehrt jeder Legende. 159 Weil die Küsten des Mittelmeeres
deutlich den Einfluß der Seekarten zeigen, erinnern sie an den wesentlich
jüngeren Vesconte. 160 Vor allem aber wirkt diese Karte gesüdet, das ist das
Ungewöhnliche an ihr. Die Konturen sind sehr deutlich rot gezeichnet, das
Meer blau, Berge grün und Land ocker. Außerdem sind über die ganze Karte
dreizinnige Figuren verstreut, die Städte andeuten sollen. Ein Vorbild im
abendländischen Mittelalter ließ sich nicht nachweisen. Zur Orientation sei
aber noch bemerkt, daß man die Karte drehen muß, dann erscheinen jeweils
im unteren Viertel aufrechtstehende Dreizinner; gesüdet wirkt sie nur, wenn
sie in die Leseposition für den Text gebracht wird. Auch die Portulankarten
muß man drehen, um jeweils die unteren Legenden lesen zu können. Zwei-
fellos war hier die Orientation variabel gedacht.
Die dicken Konturen erinnern in der Maltechnik an einige Beatus-Karten,
z.B. die drei Pariser des 11. bis 13. Jahrhunderts und die von Osma, 161 die
jedoch individuellere Figuren zur Andeutung von einzelnen Städten zeigen.
Die schematischen Dreizinner wiederum kommen u.a. auf Ptolemaeus-Kar-
ten byzantinischer Zeichner 162 vor. Endlich fällt auf, daß es die Dreizinner -
die leider keine Namen tragen - bis nah an das Nord- und Südende der Welt
gibt im Gegensatz beispielsweise zu Vesconte; dieses Merkmal begegnet aber
bei Idrisi. Nimmt man nun noch hinzu, daß Brunetto um 1260 als Gesandter
am Hofe Alfons des Weisen weilte, so schließt sich der Kreis. Vermutlich
sah er dort Frühformen der Portolane, ganz von der arabischen Kartogra-
phie beeinflußt, in spanischer Maltechnik, möglicherweise sogar mit byzan-
tinischen Einflüssen; soll doch Alfons griechische Quellen für seine «Grande
e general Estoria» benutzt haben.
Die Südung war gerade in Spanien nicht neu. Sie ist dort unter arabischem
Einfluß sogar auf einer T-Karte im 1 I.Jahrhundert anzutreffen bei dem Arzt
Asaph Judaeus, einem Konvertiten, der nach Art des Plinius Europa in sei-
nen «Astronomica» größer als die übrigen Erdteile malte, 163 ferner auf den
obenerwähnten Klimakarten des Konvertiten Petrus Alphonsus, Hofarztes
bei Alfons I. von Aragon und Heinrich I. von England, und des Pierre d'Ail-

159
Fol. 8; Abb. bei KAMAL, Monumenta 4 fase. 1 fol. 1032; vgl. BEVAN-PHILLOTT, Mediaeval
Geography S. XLIV f.
160
So DESTOMBES.
161
Vgl. Abb. MILLER, MM 1 und 2.
162
Westeuropa-Karte bei BAGROW-SKELTON, Tafel X S. 336.
163
Vgl. MILLER, MM 3 S. 150; nach DESTOMBES H S . aus dem 14.Jh., vgl. MCVA 1, sect 50,
17 S. 176 f. Eine gesüdete T-Karte des 14.Jh. ist oben Anm. 72 erwähnt.
50 Studien zur Universalkartographie [153/154]

ly, 164 endlich auf der Zonenkarte des Johann von Sacro Bosco und des Cec-
co dAscoli u.a. 165
Das Element der Südung, das offensichtlich bei den Seefahrern des Mit-
telmeeres - in Spanien und Italien - durch die zunehmende exakte Kartogra-
phie Anklang fand, begegnet auf einer der einfältigsten Karten mittelalterli-
cher Weltchronisten, bei dem Minoriten J o h a n n v o n U d i n e um 1350 in
der «Compilatio librorum historialium totius Bibliae», die in verschiedenen
Handschriften überliefert ist, zumeist mit der Karte, 166 jedoch noch un-
ediert. 167 Auch andere Pläne südete Johann, so den von Jerusalem und den
der zwölf Stämme Israels. 168 Er hatte gewiß keine naturwissenschaftlichen
oder navigatorischen Interessen, vielmehr ist seine Chronik eine Kurzfas-
sung der «Historia scholastica» des Petrus Comestor, vermehrt um eine
Papst-Kaiser-Chronik.
Die Welt hat bei ihm nur drei Binnenseen, das Mittelmeer, oval und von
Jerusalem im Weltmittelpunkt bis Venedig reichend, also in Johanns Heimat,
das rundliche Rote Meer zwischen Jerusalem, Alexandria und unweit Achäa,
und ein Meer Mortuum Galilee, offenbar Totes Meer und See Genezareth.
Die biblischen Ortsnamen sind, dem Werk entsprechend, in der Überzahl.
Zu den vier Paradiesflüssen tritt aber z. B. Athen, während Konstantinopel
fehlt.
Von dieser Karte gibt es auch eine geostete Version in einer Handschrift
des 15. Jahrhunderts. 169 Es handelt sich um einen Sammelkodex, der neben
Abschnitten, die denen des Bartholomaeus Anglicus ähnlich sind, verschie-
dene Theologica, Gebete, Auszüge aus Augustins «De civitate Dei», Kapitel
über Gog und Mohammed, die Zerstörung Konstantinopels, das Heilige
Land und eine knappe Weltchronik enthält. Einliegende lose Blätter weisen
auf die Herkunft aus dem Minoritenkonvent Celle, was auch zur Benutzung
der Karte des Johann von Udine paßt. Die mappa mundi findet sich auf der
Innenseite des Vorderdeckels. Sie ist noch roher gezeichnet als die übrigen
Karten zu Johanns Chronik, ist auch Strich für Strich in der Orientation ko-

164
Vgl. oben Kapitel 4 und Anm. 87-89.
165
MILLER, MM 3 S. 125.
166
Vgl. MILLER, MM 3 S. 146f.; benutzt auch nach Clm 721 fol.70v der Bayer. Staatsbiblio-
thek, vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 51, 14 S. 182; auch 50, 5 S. 174 und 51, 29 S. 186.
167
Ebd. Clm 721, vgl. Clm 2660, auch Ms. Vat Ottob. lat. 479 ohne Weltkarte.
168
Vgl. Cod. Vat. Ottob. lat. 479 fol. 16 und MILLER, MM 3 S. 146; auch Cod. Vat. Ottob.
lat. 479 fol. 9.
169
Vgl. Cod. Guelf. 442 Heimst, Vorderdeckel innen, Abb. nicht publiziert, s. DESTOMBES,
MCVA 1, sect 51, 39 S. 189; zum Inhalt der Handschrift OTTO v. HEINEMANN, Die Handschrif-
ten der herzoglichen Bibliothek Wolfenbüttel, 1. Abt., Die Helmstedter Handschriften 1 (1884)
S. 343 ff.
[154/155] I. Mappa mundi und Chronographia 51

piert, nachdem das Blatt zuvor um 90° gedreht wurde. Die Nomenklatur ist
sehr zusammengeschmolzen, neu sind aber die Erwähnungen von Bisantium
für Konstantinopel - was schon sehr in die Humanistenzeit weist - und
Ethiopia, im 15. Jahrhundert gleichfalls sehr aktuell. Auch außerhalb des
Erdkreises hat der ungeschickte Zeichner Versuche im Kartenmalen unter-
nommen.
Die erste Weltkarte, in der sich neue Erkenntnisse der Geographie nieder-
schlagen, ist die des P a u l i n u s M i n o r i t à von Venedig, kurz vor Johann
von Udine zwischen 1324 und 1331 anzusetzen. Paulin verfaßte das viel-
leicht universalste historische Werk des Mittelalters, das er in drei verschie-
denen Bearbeitungen nacheinander veröffentlichte; die beiden letzten, als
«Chronologia magna» und «Satyrica rerum gestarum mundi historia» be-
kannten, versah er mit allerlei Exkursen, darunter auch mit der genannten
scriptum «De mapa mundi» und der pictura; bis auf Bruchstücke ist die um-
fangreiche Chronik unveröffentlicht.
Kurz zuvor erschien die Weltkarte des Pietro Vesconte, die einen großen
Fortschritt darstellte unter dem Einfluß der Seekarten. 170 Sie wurde zum
«Liber secretorum fidelium Crucis» des Marino Sanudo angefertigt, eine
Aufforderung zu erneuten Kreuzzügen. Da die Karte des Paulin der Vescon-
tes verwandt ist, wollte der Herausgeber Roberto Almagià in ihr eine Vor-
stufe sehen, 171 es scheint sich aber eher umgekehrt zu verhalten. 172 Paulins
Nachbildungsversuch gelang nicht in allen Fällen. Aber er gab dem Kaspi-
schen Meer, das er, wie seine Vorlage, doppelt einzeichnete, auch den Bin-
nensee-Charakter, den ihm Vesconte richtig beilegte unter Ausmerzung ei-
nes Fehlers, der schon auf die griechischen Naturphilosophen zurückging. 173
Handelsplätze am Roten Meer interessierten den Minoriten sicher nicht son-
derlich, aber er übernahm sie brav aus Vesconte, der stark von der arabi-

170
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 54, S.246; Abb. ebd. Tafel XVI und BAGROW-SKELTON,
Tafel XXXV S. 361 sowie LEITHÄUSER S. 123.
171
ALMAGIÀ, Monumenta cartographica Vaticana 1 : Planisferi, carte nautiche e affine dal se-
colo XIV al XVII (1944) S. 4.
172
Schon aus chronologischen Gründen: Paulinus wurde 1324 Bischof von Pozzuoli, und
auch nach Almagià (wie Anm. 171) S.3 ist das geographische Werk des Autors ebenso wie die 2.
Rezension des Geschichtswerkes danach anzusetzen, denn Pozzuoli ist häufig darin genannt;
Vesconte wirkte zwischen 1310 und 1321; vgl. über Paulin mit reichen weiterführenden Litera-
turangaben und Teileditionsnachweisen P. ALBERTO GHINATO OFM, Fr. Paolino da Venezia
OFM, vescovo di Pozzuoli (f 1344) (1951). Dieses Buch befaßt sich freilich in erster Linie mit
dem Politiker und Bischof Paulin, seine schriftstellerische Tätigkeit hofft die Verfasserin später
einmal würdigen zu können, da wohl kein Universalhistoriker des lateinischen Mittelalters dem
Paulinus an für damalige Zeit weltweitem Interesse und Aufgeschlossenheit gleichkommt.
173
LEITHÄUSER S. 27.
52 Studien zur Universalkartographie [155/156]

sehen Schule beeinflußt war. So kommt auch die Insel Zinziber (Sansibar)
und der Name Habesse (Abessinien) für Äthiopien vor, der die arabische Na-
mensform des Landes wiedergibt. Aber Paulin nennt auch Cathay (China),
den Zielort vieler Franziskaner-Missionare um jene Zeit. Reichhaltiger frei-
lich ist hier die scriptum, wo er nach Behandlung Skythiens gemäß Orosius
und Hugo von St.-Viktor ein Kapitel über die moderne Vorstellung dieses
Landes gibt, in dem Cathay neben den Tataren, Turquestan, Tharsa, Sym,
Corasmia, Cumania etc. genannt sind mit genauen Angaben über die Lage. 174
Bei der pictura klappte es noch nicht ganz mit der Lokalisierung. Jerusalem
liegt im Mittelpunkt der übrigens geosteten Karte, ist aber nicht benannt,
ebensowenig wie Sidon, Nazareth und Joppe, die sich bei Vesconte finden;
Paulin hat nämlich eine gesonderte Karte des Heiligen Landes gezeichnet.
Mekka dagegen hat er dem Betrachter nicht vorenthalten.
Eines ganz merkwürdigen Geistes muß im Zusammenhang mit den See-
karten noch gedacht werden, des O p i c i n u s d e C a n i s t r i s , eines Kleri-
kers aus dem Räume Pavia, der in Avignon an der Kurie lebte und nach einer
schweren Geisteserkrankung eine Enzyklopädie in mathematischen Zeich-
nungen schuf, auch den Makrokosmos auf mannigfache Weise am Mikro-
kosmos erläuterte. 175 Voller Selbstanklage schildert er Welt und Askese, bie-
tet Erd- und Himmelskunde, Komputistik, Papstlisten u. a. Für den universal
gedachten Mittelmeerraum als Symbol der sündigen Welt legt er Portolan-
karten zugrunde, in denen sich Europa als Mann und Afrika als Frau gegen-
übertreten; das umgekehrte Apostelschwert läßt er unheilkündend aus dem
Raum Mailand nach Konstantinopel weisen. Seine Karten lehren ein kir-
chenpolitisches Programm: in allegorischer Deutung sieht er menschliche
Gestalten - etwa Lazarus im Sarge - in die Umrisse von Portolankarten hin-
ein, so daß die Karte jede eigene Bedeutung verliert und Sinnbild der religiö-
sen Weltansicht wird. 176
Das H.Jahrhundert hat im universalhistorischen Bereich sehr verschie-
dene Kartenzeichner hervorgebracht: einen Paulinus und Opicinus neben Jo-

174
Cap. 26, Staatsbibl. Bamberg Msc. Hist 4(2 fol. 6: De alia divisione Scythie. Über diese
merkwürdige Diskrepanz zwischen Begleittext und Karte hofft die Verfasserin, sich demnächst
in einer Studie über die Methode der Universalkartographie in den «Miscellanea Mediaevalia»
zu äußern; s. unten S.95f. Ähnliches fand sich vielleicht schon bei Sanudo, vgl. BONGARS, Gesta
Dei per Francos II (1611 ) S. 285.
175
RICHARD SALOMON, Opicinus de Canistris, Weltbild und Bekenntnisse eines avignonesi-
schen Klerikers des H.Jahrhunderts (1936), Text und Tafelband mehrfach; vgl. Abb. bei BA-
GROW-SKELTON S. 33 und 319 sowie LEITHÄUSER S. 117 f. ohne Abb.
176
Vgl. die Charakterisierung bei UHDEN, Weltkarten, in: Geogr. Zs. 37, 322; ferner auch R.
SALOMON, Das Weltbild eines avignonesischen Klerikers, Vorträge der Bibliothek Warburg 6,
1926-27, hg. von FRITZ SAXL (1930) S. 145 ff.
[156/157] I. Mappa mundi und Chronographia 53

hann von Udine und Ranulph Higden. Im 15. Jahrhundert ist die Kartenher-
stellung ganz auf die Berufskartographen übergegangen, die letzten mappae
der Weltchronisten sind nur noch der Abgesang auf einen liebgewordenen
Brauch.
Die nahezu erste Inkunabelkarte findet sich im Franziskaner[?]-Hand-
buch « R u d i m e n t u m n o v i c i o r u m » aus Lübeck von 1473/75, sie ist eine
Darstellung ganz alten Stils: rund, geostet, Jerusalem bleibt unbenannter
Mittelpunkt. 177 Anstelle des Paradieses disputieren im Orient ein Jude und
ein Christ. Für Wunder hatte der Autor Sinn, nicht für Tatsachen; so sind
die Türken totgeschwiegen, die alte Provinzeneinteilung des Augustus lebt
allenthalben weiter, auch in Klein-Asien; nur Moskau ist eine Neuerwerbung
in der Chronisten-Kartographie.
J o h a n n e s d e V i c o aus Douai hat 1492 seinem künstlerisch eindrucks-
voll ausgestatteten «Chronicon ab orbe condito usque ad finem saeculi XV.»
für Philipp den Schönen eine Ptolemaeus-Karte beigefügt178 und sich damit
von der Mittelalter-Karte des Abendlandes gelöst. Das geschah im Jahr der
Entdeckung Amerikas, die allerdings erst lange Zeit später ihre Wirkung auf
die Universalkartographie ausübte.
Im folgenden Jahr erschien H a r t m a n n S c h e d e l s Weltchronik, die
meist als letzte Weltchronik angesehen wird; sie ist es indes nicht. Ihr ist u.a.
eine Weltkarte beigegeben, die vom Autor selbst herrührt und jedenfalls in
seiner Hauptvorlage, der Chronik des Jacobus Philippus von Bergamo, fehlt.
Auch hier ist der Einfluß des Ptolemaeus nicht zu verkennen. Die Karte ist
genordet und hat die Form des sphärischen Rechtecks, 179 jedoch ohne
Gradnetz. Noch ist Jerusalem der Mittelpunkt, Asien nimmt die Hälfte der
Welt ein, in die andere Hälfte teilen sich Europa und Afrika. Sem sitzt im
Nordosten, Japhet im Nordwesten, Cham merkwürdigerweise im Südosten.
An biblischen Stätten sind nur Jerusalem und der Sinai vermerkt; die Fabel-
wesen und Monstren wurden nicht mehr lokalisiert, doch hat Hartmann sie
dem Leser auch nicht vorenthalten, sondern in einer lustigen Abfolge von
Holzschnitten zuvor eindrucksvoll darstellen lassen.

177
Abb. auch bei BAGROW-SKELTON S. 138 und LEITHÄUSER S. 142; vgl. auch DESTOMBES,
MCVA 1, sect 57, 2S.252.
178
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 51, 37 S. 189; die Chronik ist unediert, die Handschrift
liegt in Wien, Nationalbibl. Cod. 325.
179
Lateinische und deutsche Inkunabelfassung erschienen im gleichen Jahr; die letztere ist
jetzt gut zugänglich im Nachdruck des Verlags Kölbl, München-Allach (1965). Die Weltkarte
findet sich fol. XIII.
54 Studien zur Universalkartographie [157/158/159]

Hier treffen sich Mittelalter und Humanismus: das erneuerte Wissen der
Antike ist nicht mehr zu übergehen, aber noch keineswegs verarbeitet und
angeeignet.
Betrachtet man die stattliche Reihe der Chronisten-Kartographen - nach
Destombes' Verzeichnis sind rund 650 Handschriften mit einer oder mehre-
ren Weltkarten erhalten, verschiedene Versionen der imago mundi mit eigen-
ständiger Nomenklatur hat es in diesem Bereich höchstens 60 gegeben, und
die Mehrzahl von ihnen, zudem die inhaltsreichen, wurden hier abgehandelt
-, so ist die Herkunft und der Stand der Autoren nicht ohne Interesse. 180
Im Frühmittelalter beherrscht Spanien das Feld: Orosius, Isidor und Bea-
tus kamen von der Pyrenäenhalbinsel, die Kartenwerke der beiden ersteren -
vor der Mauren-Invasion entstanden - eroberten Europa. Dann führt die
Iberische Halbinsel ein abgeschnittenes Dasein, die Erkenntnisse arabischer
Kartographie dringen noch nicht über die Grenzen.
Mittel- und Westeuropa haben im Früh- und Hochmittelalter kaum einen
Kartenzeichner hervorgebracht; vielmehr geht die Führung auf diesem Ge-
biet an England über: Beda, die Hersteller der Cottoniana und der Psalter-
karte, auch Gervasius von Tilbury als geistiger Urheber der Ebstorf-Karte
und Richard von Haldingham wären zu nennen, im weiteren vielleicht auch
Honorius Augustodunensis, der zumindest enge Beziehungen181 zu England
hatte und dessen Zeichner Heinrich die Karte der Tochter Heinrichs I. von
England widmete im Jahre ihrer Eheschließung mit Heinrich V.
Ausnahmen bilden in dieser Zeit die Enzyklopädisten Guido von Pisa und
Lambert von Saint-Omer, diesem verwandt auch Gerardus de Arvernia,
Herrad von Landsberg und die Ebstorf-Karte. Noch einmal erlebt England
eine Blüte der Chronistik und Kartographie im 13. und 14. Jahrhundert
durch Matthaeus Parisiensis, Johann von Wallingford und Ranulph Higden.
Inzwischen ist die Führung aber auf Südeuropa übergegangen, vor allem
auf Italien. Hier wie auch in Spanien entwickelt sich die Kartenkunst zur ex-
akten Wissenschaft unter arabischem Einfluß und strahlt auf den theologisch
ausgerichteten Imago-mundi-Typ aus bei Johann von Wallingford, Brunetto
Latini, Johann von Udine, Paulinus Minorità und Opicinus de Canistris, die
sich zum Teil die arabische Orientation aneignen oder sich die Portolankar-
ten zunutze machen. Die letzten Karten entstanden in Deutschland, das
«Rudimentum» und die Hartmann Schedels als Schwanengesang. Die Rand-

180
Vgl. Tafel I.
181
Vgl. JOSEF ANTON ENDRES, Honorius Augustodunensis (1906) S. IX f., 13f. und 30, sowie
ROMUALD BAUERREISS, Zur Herkunft des Honorius Augustodunensis, in: StMGBO 53 (1935)
28 ff.
[159] I. Mappa mundi und Chronographia 55

position innerhalb der Ökumene wirkt demnach fruchtbar auf kartographi-


sche Interessen, ferner natürlich die Lage am Meer.
Die Zeichner gehören im Früh- und Hochmittelalter selbstverständlich
ausnahmslos dem geistlichen Stand an, d.h. sie sind in der Regel Benedikti-
ner oder Weltkleriker. Während an der Geschichtsschreibung des Spätmit-
telalters zunehmend das Bürgertum Anteil erhält, dominiert in der Univer-
salhistoriographie nach wie vor der geistliche Stand. Nur zwei bürgerliche
Chronisten haben Weltkarten gezeichnet, der Notar Brunetto Latini Ende
des 13. Jahrhunderts und der Nürnberger Arzt Hartmann Schedel 200 Jahre
später.
Wir besitzen zu keiner der großen Dominikanerchroniken eine Karte, da-
gegen zu mehreren Minoriten-Historien: Johann von Udine, Paulinus von
Venedig und vielleicht das «Rudimentum noviciorum» verdienen hier Er-
wähnung. Zumindest bei den beiden Erstgenannten besteht ein Zusammen-
hang mit der Missionstätigkeit des Ordens, ohne daß die Erkenntnisse der
Reisenden wesentlich auf den Fortschritt des Kartenbildes gewirkt hätten:
das wurde am Beispiel des Paulinus, aber auch des Johann von Marignola
deutlich, der, obgleich selbst bis Peking gelangt, einer imago mundi mystica
des Kreuzes verhaftet blieb, auch in seinem geographischen Denken.
56 Studien zur Universalkartographie [160/161]

Tafel I

Kartenzeichner bzw. Herkunft Stand Kartenformat Orien- Kartentyp


Karte in mm tation

Hieronymus (Or.-Kte.) Dalmat/Paläst presb. 356x230 O? T?


Orosius (Albi) Span./Nordafr. presb. 260 x 224 O? T
Isidor Span. episc. 290 x 220 O T
Beda Engl. mon. OSB - O T
Beatus (St. Sever) Span. mon. OSB 570 x 370 O T
Cottoniana Engl. anonym 212x 176 O T
Heinr. v. Mainz Dtl./Engl. can. 295x205 O T
Guido von Pisa Ital. presb. 0 130 O T
Lambert (Guelf.) Flandern can. 0 387 O T+Zonen
Herrad Dtl. Chorfr. veri. ? Zonen
Psalterkarte Engl. anonym 0 95 o T
Ebstorf-Karte Dtl./Engl. can.? 3580x3560 o T
Hereford-Karte Engl. can. 1620 x 1320 o T
Matthaeus Engl. mon. OSB 348x236 o T
Joh. v. Wallingford Engl. mon. OSB 0 82 o Klimata
Ranulph Engl. mon. OSB 478x 339 o T
Gerardus Frkr. can. 0 183 o T+Zonen
Cambridger Bibel Engl. anonym rudimentär o T
Wiener Kompendium Dtl. anonym 0 160 o T
Brunetto Latini Ital. Notar 0 178 s T
Joh. v. Udine (Clm) Ital. mon. OFM 0 194 s T
Paulin Ital. mon. OFM 0 248 o T
Rudimentum Dtl. mon. OFM[?] Druck o T
Hartmann Schedel Dtl. Arzt Druck N T

6. Statistik wichtiger Stätten in Auswahl

Tabellen und Statistik sind nur bedingt geeignete Methoden für geistesge-
schichtliche Studien, dennoch verdeutlichen sie visuell die Entwicklung oft
erstaunlich, auch geben sie den Beleg durch einen Überblick an die Hand.
Die folgenden Tafeln 182 werden nun über das Vorkommen bestimmter Län-
der und Ortsnamen zwangsläufig eine Auswahl darbieten müssen. Zu ver-
schieden sind die einzelnen Werke, als daß sie auf einen Nenner zu bringen
wären. Bei jeder Karte kommt zudem den Plätzen des Entstehungslandes be-

182
Tafeln II-VII.
[161] I. Mappa mundi und Chronographia 57

sonderes Gewicht zu, und selbstverständlich wirken sich auch die sehr ver-
schiedenen Formate auf die Nomenklatur aus. Die überformatigen Altarbil-
der von Ebstorf und Hereford nehmen sowieso eine Sonderstellung ein und
müssen zwangsläufig am reichhaltigsten sein; dennoch ist der Unterschied
zu den kleinformatigen Karten gar nicht so groß, weil vor allem die Fabelwe-
sen von dem vielen Raum profitiert haben; da befand man sich auf weniger
unsicherem Boden, als wenn man etwa die Tataren nach Reiseberichten hätte
genau lokalisieren sollen.
Nur ein Teil der oben besprochenen Karten war für den Vergleich geeig-
net, die kleinen Schemakärtchen entfielen von vornherein, ebenso die unvoll-
ständige Bibelkarte von Cambridge oder Brunettos Karte ohne Nomenkla-
tur. Grundsätzlich war die pictura und nicht die scriptum für die Statistik
ausschlaggebend: es geht um die Frage, welche Plätze auf einem begrenzten
Pergamentblatt Raum fanden und ausdrücklich genannt sind. Eine Ausnah-
me wurde im Falle Hugos von St.-Viktor gemacht wegen der Schlüsselpositi-
on, die ihm in diesem Fragenbereich zukommt; von einer etwaigen pictura
weiß man nichts. Auch im Falle des Orosius wurde der Text herangezogen,
weil die Albi-Karte und die St.-Galler Karten zweifellos sehr weit vom Auto-
graph entfernt zu denken sind; Textbelege erscheinen hier in Klammern.
Sonst bedeuten Klammern, daß der betreffende Name nur auf der neben der
Weltkarte existierenden Spezialkarte erscheint, z.B. bei Hieronymus, Matt-
haeus und Paulin auf der Heilig-Land- bzw. England-Karte. Bei Isidor ist
die vatikanische Karte von 775 zugrunde gelegt, bei Paulin die aus der vati-
kanischen Handschrift sowie die in der Nomenklatur zu Vesconte bei Miller
berücksichtigte Fassung zur sogenannten «Chronologia magna». 183

183
Vgl. MILLER, MM 3 S. 132 ff.
58 Studien zur Universalkartographie [162]

Tafel II

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Byzacena (x) X X X X X X X X X X X X

Numidia X X X X X X X X X X X X

Maure tania X X X X X X X X X X X X X X X X X

Aethiopia (X) X X X X X X X X X X X X X X X X X

Abessinia X

Trogodytarum terra (x) X X X X X X

Garamantum terra (x) X X X X X X X X

Memphis (x) X X X X X

Alexandria X X X X X X X X X X X (x) X X X (x) X

Babylon/Cairo (x) X X X X (x) X

Damiette X (x)
Leptis Magna (x) X X X X X

Carthago X X X X X X X X X X X X X X X X X X

Utica X X

Hippo Regius (x) X X X X X

Meroe (x) x X X X X X X X X X

Calypso (x) X X X

Gades (x) X X X X X X X X X

Columnae Herculis (x) X X X X X X X

St. Antonius/Paulus X X X

Ammonium X X X

Gehon/Nilus X X X X X X X X X X X X X X X X

Atlas (x) X X X X X X X X

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X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Ranulph
X X X X Gerardus
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X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Paulin
X X X X X X X X X X X X X Rudimentum
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[165] I. Mappa mundi und Chronographia 61

Tafel V

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Lydia X X X X X X

Phrygia X X X X X X X X X X

Bithynia X X X X X X X X X

Galatia X X X X X X X X

Lycia X X X X X X X

Lycaonia X X X X X

Pamphylia X X X X X X X

Paphlagonia X X X X

Cappadocia X (X) X X X X X X X X X X X

Cilicia X (X) X X X X X X X X

Colchos x (x) X X X X X X X X X X

Commagena X (X) X X X X

Armenia X X X X X X X X X X (x) X X X X X X

Mesopotamia X (X) X X X X X X X X X

Babylonia (x) x X X X X X X X X X

Assyria (x) X X X X X X X X X X

Chaldaea x (x) X X X X X X X X X X X X

Sennaar X X

Media X X X X X X X X X X X X X X X X X

Persia X X X X X X X X X X X X X X X X X

Parthia X (X) X X X X X X X X X X X X

Bactria x (x) X X X X X X X X X X

Georgia X

Scythia X (X) X X X X X X X X X X X X X X X

Turchia X X X

Hunnorum terra x (x) X X X X X

Alania (x) X X X X X X X X

Albania x (x) X X X X X X X X X X X X

Tartarorum X X X

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Seria x (x) X X X X X X X

Cathay X

India X X X X X X X X X X X X X X X X X

Aethiopia Asiae X X

Arabia (x) x X X X X X X X X X X X X X

Saba X X X X

Syria X (X) X X X X X X X X X X

Phoenicia (x) ) X X X X X

Nabataea (x) X
62 Studien zur Universalkartographie [166]

Tafel VI

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Nicaea X X X X
Chalcedon X X X X
Caesarea Cappado- X X X X
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Tarsus X X X X X X
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Babylon X X X X X X X X X X (x)
Perscpolis X X X X X X
Susa X X X X X
Ecbatana X X X
Ninive X X X X X X X X X
Antiochia X X X X X X X X X (x) X X
Seleucia X X X X
Mecca X
Sepulchr. S. Thomae X X X
Sepulchr. S. Philippi X X X
Sepulchr. S. Barthol. X X
Samarcanda X X
Mare Rubrum (x) X X X X X X X X X X
Mare (mt.) Caspium X X X X X X X X X X X X X X X X X
Mare Persicum (x) X X X X X X X
Taprobana X X X (x) X X X X X X X X
Caucasus X (x) X X X X X X X X
Taurus X (x) X X X X X X X X X X
Libanon X X X X X X X X (x) X X
Mt. Riphaei X (x) X X X X X X X X X X
Phison X X X X X X X X X X
Euphrates X (x) X X X X X X X X X X X
Tigris X X X X X X X X X X X X
Ganges X X X X X X X X X X
Indus X (x) X X X X X X X X
Oxus X X X X
Araxes X X X X
[167] I. Mappa mundi und Chronographia 63

Tafel VII

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Palaestina (x) X X X X X X X X X

Judaea X X X X X X X X X

Galilaea (x) X X X X X X X X X X

Samaria (x) X X X X X X

Jerusalem (X) X X X X X X X X X X X X X X (x) X

Bethlehem (x) X X X X X X X (x) X X

Nazareth (x) X X X (x) (x)


Jericho (X) X X X X X X X X X X

Hebron X X X X X

Sodom/Gomorrha X X X X X

Damascus X X X X X (x) X X

Tyrus X X X X X X X X

Sidon X X X X (x) X (x)


Cesarea X X X X X X X X (x) (x)
Accon (x) X

Joppe X X X (x) X (x)


Beritus X X

Mare Mortuum X X X X X X X X

M. Galilaeae/Tib./ X X X X X x (x)
Genez.
Paradiesflüsse (X) X X X X X X X X

Jordan X X X X X X X X X (x) X

Ararat/archa X X X X X X (x) X

Sinai (X) X X X X X X X X X X X X

Tabor X X X X (x)
Carmel X X X X X X

Presb. Johannes X X X

Amazonen X (X) X X X X X X X X X

Brahmanen X X X

Chryse und Argyre X X X X X X X X

4. Erdteil X X X

Antipoden X X

Fortunaten (x) X X X X X X X X

Ophir X X X X X X

Ind. Baumorakel (x) X X X X X X


64 Studien zur Universalkartographie [168/169]

7. Bemerkenswerte Aussagen mittelalterlicher Karten zum Weltbild

Das lateinische Mittelalter kennt - im Gegensatz zu den Arabern, denen die


antiken Grundlagen der Erdkunde ja auch nicht fremd waren - mit den joni-
schen Naturphilosophen 184 drei Erdteile: Asien, Afrika und Europa, die -
mit den Gebieten der Noachiden aus dem Alten Testament gleichgesetzt -
die drei Erdteile der christlichen Welt werden. Daß Asien wesentlich größer
ist als die beiden anderen Kontinente, war gleichfalls eine antike Erkenntnis,
die sich durch das ganze Mittelalter hielt, auch wenn man so gut wie nichts
über Inner- und Ostasien wußte, wie z. B. noch der Zeichner der Karte des
theologischen Kompendiums aus dem H.Jahrhundert in Wien. 185 Immerhin
gehörte dieser Erdteil dem ältesten Noachiden und Stammvater des auser-
wählten Volkes, auch wurde hier in der Regel das Heilige Land gesucht.
Wenn Marignola es Afrika zurechnet, 186 so vielleicht wegen des Chamsoh-
nes Kanaan, von dem der Name des Landes abgeleitet ist.
Das hervorstechendste Merkmal der Karten ist das Überwiegen antiken
Namengutes. Sind diese Karten einerseits tatsächlich Geschichtskarten, so
daß den Schauplätzen der Vergangenheit Gewicht zukommt, so spielt ande-
rerseits natürlich auch die Autoritätsgläubigkeit des Mittelalters dem Alther-
gebrachten gegenüber eine Rolle. Wie sich das Christentum zwangsläufig
vorhandener Formen bedienen mußte, so auch die christliche Kartographie
des Mittelalters. Und weil das Mittelalter das Alte besonders hoch in Ehren
hielt, bewahrte es treulich die antike Form. Daher ist es methodisch nicht
unberechtigt, aus den mittelalterlichen mappae mundi die Agrippa-Karte re-
konstruieren zu wollen, 187 wenn man dabei auch vorsichtig zu Werke gehen
muß.

Ziemlich einheitlich halten sich die geographischen Kenntnisse über Afrika.


Seit dem 7. Jahrhundert war es dem Abendland faktisch unzugänglich, von
den K-euzzugsaktionen des 13. Jahrhunderts abgesehen. Am sizilischen H o -
fe der Normannen wird man auch über die zeitgenössischen Verhältnisse ei-
niges gewußt haben; ins europäische Bewußtsein drang davon nichts vor
dem H.Jahrhundert ein. Es sind die alten römischen Provinzen, die man zu
kennen hatte, an der Spitze Ägypten, Libyen, Mauretanien, dazu das sagen-
hafte Äthiopien, die daher auf kaum einer Karte fehlen. Den arabischen Na-

184
Vgl. MILLER, MA 1 (s. o. Anm. 6) S. 7 und LEITHÄUSER S. 27.
185
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, Tafel XV b.
186
Chronica Boemorum, ed. EMLER, Font. rer. Bohem. 3 S. 507 a.
187
MILLER, MM, besonders H. 6, und R. UHDEN in seinen verschiedenen zitierten Publika-
tionen, besonders: Weltkarten, Geogr. 2s. 37 (1931) 321 ff.
[169/170] I. Mappa mundi und Chronographia 65

men für Äthiopien, Habesch oder Abessinien, nennt nur Paulin und zwar ne-
ben Äthiopien unter Verkennung der Identität. Äthiopien ist übrigens bei
den Geographen mehr eine Phantasielandschaft, wie auch für die Antike,
und keineswegs das christliche Reich des Priesters Johannes.
Kaum eine Zeichnung entbehrt des Nils, Alexandrias oder Karthagos;
aber auch Leptis Magna und Utica bleiben als Namen von Schall und Rauch
lebendig. Babylon in Ägypten, d.i. Kairo, taucht zuerst bei Lambert von
Saint-Omer ohne zeitgenössischen Bezug auf.188 Im 13. Jahrhundert hat man
seit dem 5. Kreuzzug gewisse Vorstellungen der Sultansstadt; aber aus die-
sen historischen Episoden übernimmt man sonst bloß Damiette, und das nur
in zwei Fällen, in der Psalter-Karte und bei Matthaeus. Hippo Regius dage-
gen ist durch den Text des Orosius bis Ranulph erwähnt, weil es die Stadt
des heiligen Augustinus war; für ihre Kenntnis hatte Orosius hinreichend ge-
sorgt.
Hieronymus, Heinrich von Mainz, die Psalter- und die Hereford-Karte
melden die ältesten Klöster der Welt, St.-Antonius bzw. St.-Paulus in der
Wüste. Das aus der Alexander-Tradition berühmte Ammons-Heiligtum in
der Libyschen Wüste erwähnt außer den beiden großen Karten nur Heinrich
von Mainz.

Das Europa-Bild unterliegt immerhin einem stärkeren Wandel, denn ganz


blind waren die Zeichner ihrer engeren Umgebung gegenüber nicht. Das an-
tike Bild hält sich zwangsläufig von den Gebieten, von denen man nur unge-
naue Kenntnisse hatte, so die römischen Provinznamen des Balkanraumes.
Makedonien, Alexanders des Großen Heimat, hat vor Achäa und der selte-
neren Bezeichnung Griechenland die Spitzenstellung bezüglich der Erwäh-
nungen.
Osteuropa dringt seit dem 11. Jahrhundert ins Bewußtsein ein. Die «Cot-
toniana» kennt Slawen, Heinrich von Mainz und die Psalter-Karte zuerst
Rußland, Hugo von St.-Viktor und die Psalter-Karte Ungarn; Bulgarien
taucht gleichfalls in der «Cottoniana» auf; Böhmen, Polen und Preußen er-
scheinen zuerst auf der Ebstorf-Karte, von da an neben der Hereford-Karte
vor allem bei Ranulph und Paulin.
Skandinavien hat seinen Erstauftritt wenig früher, ist aber häufiger be-
kannt: Dänemark, als Dacia mit Dakien meist synonym verwendet - außer
bei Wallingford, wo es eindeutig Dakien bedeutet -, erscheint seit Heinrich
von Mainz, Norwegen schon seit der Cottoniana, Schweden seit Lambert
von Saint-Omer, synonym mit Suebia gebraucht neben Suecia. Island taucht

188
Vgl. oben Anm. 128.
66 Studien zur Universalkartographie [170/171]

gleichfalls in der Cottoniana auf. Die angelsächsische Herkunft der Maler


ist hier nicht zu übersehen. Vinland 188a findet nur bei Paulin als Vanlant und
im «Rudimentum» Erwähnung, wobei unklar ist, ob damit das legendäre
Weinland (Amerika) gemeint ist. Die Inseln, die der irische Mönch Brandan
im 7. Jahrhundert zu seiner Eremitage erwählt haben soll und die in der Lite-
ratur des 12. Jahrhunderts zu Spekulationen Anlaß gaben, 189 sind nur auf
den beiden Wandkarten lokalisiert, die allen Fabeln ausreichend Raum bo-
ten.
Der bedeutsamste Fluß Europas war offenbar die Donau; auch das mag
mit der römischen Tradition zusammenhängen. Wien ist nirgends einge-
zeichnet, Prag wenigstens auf den beiden großen Karten. Rom ist die euro-
päische Stadt, die nur bei Hartmann nicht genannt ist. Paris taucht zuerst
bei Heinrich von Mainz auf und kommt nicht häufig vor, denn die Franzo-
sen haben kaum Kartenzeichner hervorgebracht; nicht einmal Gerardus de
Arvernia vermeldet Paris. Englische Städte interessieren vor allem die briti-
schen Maler.
Die ruhmreichste deutsche Stadt scheint mit Abstand Köln gewesen zu
sein, es ist doppelt so oft belegt wie Mainz, Trier fällt dagegen ganz ab. Von
den italienischen Seestädten rangiert Venedig vor Genua; Bologna scheint
das 13. Jahrhundert durch sein Studium interessiert zu haben.
Außergewöhnlich ist der Fall von Konstantinopel: bis auf Matthaeus Pari-
siensis und Johann von Wallingford hat es nur Lambert von Saint-Omer
übergangen, dann - noch vor Ende der Lateinerherrschaft - verschwindet es
vollständig, von Opicinus abgesehen; vielleicht wurde es von den Zeichnern
des venetianischen Raumes Johannes Utinensis und Paulin absichtlich totge-
schwiegen. Athen dagegen ist oft und sogar noch von Johann von Udine auf-
genommen, Delphi nur von Hieronymus und der Hereford-Karte. Im übri-
gen genießen die griechischen Städte, die Paulus-Briefe empfangen hatten,
gewisse Vorrechte, während sich Sparta nur bei Hieronymus, auf der Eb-
storf-Karte und bei Paulin halten konnte.
Kiew kommt ebenso wie Nowgorod zuerst auf der Ebstorf-Karte vor,
Moskau nur im «Rudimentum» und bei Hartmann, aber kaum mit dem Ge-
danken an ein drittes Rom; denn der Kartenzeichner hat nicht den gering-
sten Ehrgeiz, auf dem neuesten Stand der Entwicklung zu sein.

issa g e j Vesconte heißt es Finlandia, bei Paulin Vanlant, im «Rudimentum» V i n l a n d ; in allen


Fällen ist es im h o h e n N o r d e n lokalisiert u n d z w a r in d e r N a c h b a r s c h a f t Skandinaviens; s. auch
Ranulph. Zum Problem der A m e r i k a - K a r t o g r a p h i e im 15.Jh. vgl. vor allem R. A. SKELTON, T h o -
mas E. MARSTON und G E O R G E D . PAINTER, T h e Vinland M a p and the T a r t a r Relation (1965).
189
Vgl. RICHARD H E N N I G , T e r r a e incognitae 2 ( 2 1950) 99ff.
[171/172] I. Mappa mundi und Chronographia 67

Ziemlich konstant halten sich die Inseln Kreta, Rhodos und Zypern im
Bewußtsein des Abendlandes, durch die Kreuzzüge wieder hervorgehoben,
ebenso die Eilande des westlichen Mittelmeeres wie Balearen, Sizilien, Sar-
dinien und Korsika. Delos erscheint zuletzt auf der Hereford-Karte nament-
lich, Patmos noch bei Ranulph, nachdem es zur selben Zeit auf der Karte
der Cambridger Bibel sogar die Zentralstellung erlangt hatte. 190 Das sagen-
hafte Thule liegt bald in Nordeuropa, bald in Ostasien.
Von den Bergen hat niemand den Götterberg Olymp zu entthronen ge-
wagt, er findet sich noch bei Paulin, ist dagegen von Orosius, Isidor, Beatus
und der Cottoniana nach Klein-Asien verlegt. Da muß eine Verwechslung
mit dem bithynischen Mönchsberge vorliegen, wie übrigens auch der Athos
vereinzelt Erwähnung findet bei Hugo von St.-Viktor und auf der Hereford-
Karte, vermutlich jedoch nach Hieronymus und somit kaum wegen der
Mönchsrepublik.

Für die Länder Asiens gelten die Feststellungen über die Provinzen Afri-
kas. Wenn das verhältnismäßig kurzlebige Parther-Reich fast so häufig vor-
kommt wie Persien, wird deutlich, aus welcher Zeit die Schablone der mittel-
alterlichen Weltkarten stammt. Das Wissen um Armenien und Chaldäa,
Noes Landeplatz und Abrahams Heimat, gehört zu den Elementarkenntnis-
sen, aber auch Indien erfreut sich größter Beliebtheit aufgrund der volks-
tümlichen Alexander-Tradition, insbesondere die Brahmanen geistern durch
Chronographien und Karten. Das Sererland dagegen ist siebenmal erwähnt,
dabei einmal in Afrika im «Rudimentum». Den für China seit dem 13. Jahr-
hundert üblichen Namen Cathay kennt nur Paulin. Turchia findet sich auf
der «Cottoniana» und der Hereford-Karte, gelegen beim Lande Gog und
Magog, bei Paulin erscheint Turquestan nur in der scriptum, die Tataren bei
Ranulph, im «Rudimentum» und bei Hartmann, bei Paulin wiederum nur im
Text.
Während auf keiner Karte, auch nicht bei den Franziskanern, Cambalek,
d.i. Peking, zu erspähen ist, hatTroja die Spitzenposition unter den Städten
Asiens inne.191 Lange vor Schliemanns Zeiten weiß nahezu jeder das befe-
stigte Mauerwerk der umkämpften Stadt zu zeichnen, so lebendig erhielt
sich die Trojaner-Tradition. Von den Städten des Zweistromlandes halten
Ninive und Babylon, das Gegenstück Roms, die ersten Plätze. Mekka hat
nur Paulin vermeldet, was zweifellos auf den Einfluß Idrisis auf Vesconte
zurückgeht.

190
Vgl. DESTOMBES, MCVA 1, sect 50, 2 S. 173.
1,1
Vgl. LEITHÄUSER S. 67.
68 Studien zur Universalkartographie [172/173]

Die Osmanen werden von den Chronisten ebenso wie die Seldschuken mit
absolutem Stillschweigen übergangen, während sie auf anderen Karten -
z.B. bei Andrea Bianco 1436192 - genannt sind. Den vierten Erdteil der Ant-
ökumene findet man lediglich bei Isidor, Beatus und auf den Zonen- und
Klimatenkarten. Im ganzen liegt es in der Natur der mappae mundi theologi-
scher Aussage, daß sie immer noch erheblich hinter der übrigen Kartogra-
phie hergehen, weil sie keinen Wert auf Gegenwartsnähe legen. Hartmann
z.B. behandelt in der Chronik natürlich mehrfach den Untergang Konstanti-
nopels und den Aufstieg der Osmanen, auf seiner Karte zeichnete er nichts
davon ein.
Weltkarten als Geschichts-Illustrationen haben Orte vom Anfang bis zum
Ende der Welt aufgenommen. Bis Ranulph Higden haben daher nahezu alle
Weltchroniken das P a r a d i e s in ihre pictura eingezeichnet, das Genesis 2,8
und 2, 10-14 ziemlich unmythisch eingeordnet ist: im äußersten Osten bzw.
,vorn' oder ,oben' gelegen, ist es Ursprungsland von vier Flüssen, die von der
Bibel genau namhaft gemachte Länder der Erde umfließen.193 Dieser Ort ist
Anfang und Ende, bald wird er mit Adam und Eva, bald mit Henoch und
Elias als Vorboten des Endes gezeigt. Wenn er bei Brunetto in den Norden
gerückt ist, scheint ein Versehen vorzuliegen.
Vor dem Ende aber erheben sich die Völker G o g und M a g o g , die
eschatologisch verstandenen Gegner des Gottesreiches, 194 die nach Eze-
chiel 195 von Mittemacht hereinbrechen über die, die sich nicht durch Wälle
geschützt haben; doch Alexander der Große hat sie bezwungen, indem er sie
durch eine Mauer einschloß, 22 Nationen an der Zahl, 196 und sich damit
zum Gegner des Antichrist emporschwang; auch er findet so eine Funktion
in der Heilsgeschichte. 197 Später übernahm der legendäre Priesterkönig Jo-

1,2
Vgl. MILLER, MM 3 S. 143 ff.
193
LARS-IVAR RINGBOM, Graltempel und Paradies, Beziehungen zwischen Iran und Europa
im Mittelalter, Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademiens Handlingar, Del 73
(1951) 276 ff., führt die biblische Paradiesvorstellung zurück auf die Kenntnis der heiligen Stadt
des Iran Gandjak oder Siz.
1,4
Ezech. 38 und 39; Apoc. 20, 7ff.; vgl. Augustin, De civitate Dei XX, 11; dazu MARINELLI,
Die Erdkunde bei den Kirchenvätern (1884) 23ff.; ANDREW RUNNI ANDERSON, Alexanders
Gate, Gog and Magog, and the Inclosed Nations, Monographs of the Mediaeval Academy of
America 5 (Cambridge/Mass. 1932).
195
Ezech. 38, 15.
1,6
Cosmographia Aethici Istrici, ed. HEINRICH WUTTKE (1854) e. 32f. und 39 (i.e. Virgil von
Salzburg; zur Verfasserfrage vgl. HEINZ LÖWE, Ein literarischer Widersacher des Bonifatius,
Virgil von Salzburg und die Kosmographie des Aethicus Ister, Abh. Mainz 1951 Nr. 11 [ersch.
1952]); vgl. LLOYD A. BROWN, The Story of Maps (1950) 99.
197
Vgl. MARINELLI, Die Erdkunde bei den Kirchenvätern S. 29f.
[173/174] I. Mappa mundi und Chronographia 69

hannes die Aufgabe Alexanders; in dem fingierten Brief an Kaiser Manuel


von Byzanz beteuert er, daß er über diese Stämme verfüge.198 Darum ist das
Reich Gog und Magog oder auch der eingeschlossenen Völker' auf vielen
Karten im Nordosten lokalisiert. Übrigens fand es sogar in die arabische
Kartographie Eingang; Idrisi führt es auf, weil es im Koran 199 gleichfalls als
von Alexander (Zul-Karnein, der Zweihörnige) durch Wälle in Zaum gehal-
ten dargestellt ist.
J e r u s a l e m als Ort der Erlösungstat steht seit Hieronymus theoretisch
im Mittelpunkt, faktisch erscheint es in der pictura seit 1110 an dieser Stelle,
wird aber wohl eher dort angenommen und willkürlich nur aus Traditions-
treue und wegen des T-Schemas verschoben. 200 Belege finden sich übrigens
auch in der Literatur der Ostkirchen, beim Armenier Moses Chorenatzi 201
im 5. Jahrhundert und in der syrischen «Schatzhöhle» 202 im 6. Jahrhun-
dert. 203 Der Berg Sinai fehlt auf kaum einer Karte, ebenso muß man den
Ararat als wichtigen Orts des Heilsgeschehens kennen. Überhaupt werden
die Größenverhältnisse auf den ohnehin auch nicht annähernd maßstabge-
rechten Karten sehr zugunsten biblischer Stätten verschoben.
Das Reich des P r i e s t e r k ö n i g s J o h a n n e s taucht erst in den Karten
des H.Jahrhunderts auf; Ranulph sucht es in Skythien, also im Norden von
Europa bzw. Asien, Paulin in Indien, ebenso der Zeichner der Karte im «Ru-
dimentum». Die Äthiopien-Sage, die die portugiesischen Seefahrer204 beflü-
gelte, ist nicht bis zu den Chronisten gedrungen, spiegelt sich aber auf ande-
ren Karten der Zeit.
Die Kreuzzüge haben höchst geringe Spuren auf den Karten hinterlassen;
Akkon z.B. erscheint nur bei Matthaeus und Ranulph.
T r ä u m e dagegen sind lokalisiert, das Goldland Ophir, die Inseln der Se-
ligen (Fortunaten), die Gold-Silber-Eilande Chryse und Argyre, natürlich
die Amazonen, dazu das Heer von Monstren und Wundertieren. Aber nur
die großformatigen Karten gestatteten der Phantasie ungezügelten freien
Lauf; immerhin ist es daneben erstaunlich, was man oft auf einer einzigen

198
Ed. FRIEDRICH ZARNCKE, Der Priester Johannes, Abh. Leipzig 7 (1879) 911.
199
Sure 18 v. 82 ff.
200
Vgl. KRETSCHMER, Weltkarte, Petermanns Mitt Erghft 209 S.63.
201
Vgl. BEVAN-PHILLOTT, Mediaeval Geography S. XIV.
202
Vgl. GUSTAV HÒLSCHER, Drei Erdkarten. Ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Al-
tertums, SB Heidelberg 3 (1944/48) 57 f. Anm. 3: Golgatha als Erdmittelpunkt.
203
Vgl. HEINRICH GELZER, Sextus Julius Africanus und die byzantinische Chronographie 2
(1885/98)267.
204
R. HENNIG, Terrae incognitae 4 (21956) 9ff.
70 Studien zur Universalkartographie [174/175]

Buchseite an Fabelwesen unterzubringen wußte: das wundergläubige Mittel-


alter nahm vielfach Natürliches und Übernatürliches nebeneinander hin. 205
Richard Uhden meinte, diese Karten entbehrten der biblischen Grundla-
ge, sie hätten nur biblisches Beiwerk;206 das mag aus der Sicht des Geogra-
phen richtig sein, trifft aber nicht die Karte als imago mundi: die natürliche
Welt, die in das übernatürliche Heilsgeschehen hineingenommen wird,
bleibt für das Auge dieselbe Welt; darum muß auch ihr Abbild mappa mundi
der vorchristlichen Karte in der Anlage entsprechen, nur die Gewichte ver-
schieben sich: das ehemalige Fundament wird Rankenwerk. Den vollendeten
Ausdruck findet dieser Vorgang in der Ebstorfer Weltkarte, wo eine Version
der alten Agrippa-Karte zum Leib Christi wird. Die Karte dient der Bibel-
auslegung, 207 schmückt gar den Altar oder spiegelt die symbolisierende
Selbst- und Weltbetrachtung eines Opicinus. Nicht um Weltbeobachtung
geht es hier, sondern um -deutung. Darum kann man gegebenenfalls sogar
die Vernunft übergehen, etwa hinsichtlich der Kugelgestalt der Erde.

8. Weltkarten anderer Kulturkreise; ihre Orientation

Die mittelalterliche mappa mundi der Lateiner, in der Regel eine runde geo-
stete T-Karte mit Jerusalem im Mittelpunkt, gilt als charakteristischer Aus-
druck christlich-mittelalterlicher Weltanschauung. Das ist insofern richtig,
als die Weltkarte die imago mundi des Abendlandes widerspiegelt. Sie ist je-
doch nicht das Produkt des Abendlandes. Vielmehr hat das Mittelalter sich
der verschiedensten vorgegebenen Darstellungsformen bedient, um seine ei-
gene aufzubauen. So finden sich in anderen Kulturen viele verwandte Züge.
Dabei stellt die Orientation ein besonderes Problem dar, da sie sich nicht
durchgehend erklären läßt, und im folgenden können nur Beobachtungen
gemacht und Parallelerscheinungen zusammengestellt werden.
Die christliche Weltkarte - nicht jede Einzelkarte: des Matthaeus Pari-
siensis England-Karte ist genordet! - ist im Regelfall geostet. Im Osten be-
ginnt der Tag, steigen die Sonne, das Licht, die Wärme auf. Nach Auffas-
sung der mittelalterlichen Historiker wandert die Weltherrschaft von Osten
nach Westen, von Babylon über Medo-Persien und Makedonien bzw. über
Makedonien und Karthago nach Rom in der Theorie von den vier Weltrei-

205 Ygj MARINELLI, Die Erdkunde bei den Kirchenvätern S. 36.


206
UHDEN, Weltkarten, in: Geogr. Zs. 37 (193! ) 327 Anm. 1.
207
Ebd. S.321.
[175/176] I. Mappa mundi und Chronographia 71

chen der Daniel-Vision. Aber auch die Weisheit wandert von Osten nach
Westen, und das Christentum kommt ebenfalls aus dem Osten, endlich auch
das Mönchtum. 208
Unser Wort ,Orientierung' oder ,Orientation' stammt aus dem Italieni-
schen und bedeutet ursprünglich die Ausrichtung der Segel nach dem Wind,
dann die Ausrichtung im allgemeinen Sinne. 209 Der Teilbegriff der ,Ostung'
ist somit zum Gesamtbegriff der Richtunggebung geworden. Das hängt na-
türlich mit dem Sonnenaufgang zusammen: die Menschen verehren mehr die
aufgehende als die untergehende Sonne, sagt Plutarch. 210 Dieser Gedanke
fand seinen Niederschlag vor allem in den Bauplänen von Sakralbauten,
auch bei den Christen. 212 Im äußersten Osten liegt das Paradies, gen Osten
fuhr Christus zum Himmel und von dort wird er wiedererwartet. 213
Hier liegen mit der Paradiesvorstellung Züge des alttestamentlichen Welt-
bildes zugrunde. Wie die Weltkarte des vorchristlichen Judentums ausgese-
hen hat, kann nur in Bruchstücken rekonstruiert werden. So hat man schon
ohne ganz einleuchtende Gründe aus dem Jubiläenbuch der Makkabäerzeit
eine gesüdete Erdkarte aus der Periode König Salomos herausschälen wol-
len; 214 doch hat die Ostung sehr viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich:215
das Paradies liegt im Osten, DT|P?3, auch mit ,vorn' zu übersetzen, lateinisch
a principio; von dort kommt auch Abraham. Der hebräische Sprachgebrauch
verwendet nicht nur ,Osten' und ,vorn' synonym, sondern auch l"1!?"1 bzw.
J73',n, ,Süden' oder ,rechte Seite', und VKÖIP, ,Norden' oder ,linke Seite'.216
Die Karte von Madaba, eine Palästina-Karte mit griechischer Legende als
Mosaikfußboden einer byzantinischen Kirche in Jordanien südlich von Ara-

208 Yg| z g Otto von Freising, Chronica sive historia de duabus civitatibus, ed. ADOLF H O F -
MEISTER, MG Scr. rer. Germ. (1912) Prolog an Isingrim S.8; prol. Hb. V S.227; VII, 35 S.372.
209 Vgl. HEINRICH NISSEN, Orientation, Studien zur Geschichte der Religion 1 (1906) 15.
210
Vgl. NISSEN, ebd. S.21 Anm. 1, Zitat nach Plutarch, Pompeius 14, 3.
211
Vgl. NISSEN, ebd. Bd. 1-3 (1906-10).
212
Vgl. u.a. FRANZ JOSEPH DÖI.GER, Sol salutis, Gebet und Gesang im christlichen Altertum,
mit besonderer Rücksicht auf die Ostung in Gebet und Liturgie, Liturgiegeschichtliche Quellen
und Forschungen 16/17 ( 1920 ).
213
Ebd. S. 161; vgl. G. LANCZKOWSKI und F. ZOEPFL, in: Lex. f. Theol. u. Kirche 7 (21962)
Sp. 1293ff.; C.-M. EDSMAN, in: Religion in Gesch. u. Gegenwart 4 (31960) Sp. 1689ff.
214
Vgl. ALBERT HERRMANN, Die Erdkarte der Urbibel (1931): da der Verfasser die Südung
einfach als gegeben nimmt, landet das Paradies in Äthiophien.
215
G. HÖLSCHER, Drei Erdkarten, scheint zur Annahme einer Nordung zu tendieren, was
unter dem Einfluß der griechischen Naturwissenschaft denkbar wäre; vielleicht geht er aber bei
den Rekonstruktionsversuchen nur vom Brauch der modernen Kartographie aus.
216
Vgl. HÖLSCHER, ebd. S. 14; auch HERRMANN, Die Erdkarte der Urbibel S. 34 Anm. 1.
72 Studien zur Universalkartographie [176/177]

man, ist gleichfalls geostet, 217 hat sich damit also vom griechischen Brauch
freigemacht.
Die andere Wurzel der christlich-abendländischen Kartographie liegt in
Rom und ist ebenfalls nur aus Relikten und aus der Literatur bekannt. Eine
Ostung der Agrippa-Karte ist zwar angenommen worden 2 1 8 , einwandfrei er-
wiesen ist sie nicht.
Die Griechen, die Meister der exakten Kartographie der Antike, haben
genordet. Die Welt 219 wird bei ihnen mit dem menschlichen Körper vergli-
chen. Die Rechte, die von der Natur stärker ausgebildet ist, weist gen Osten,
zur Sonne, zum Tag. Für die Auguren in Rom ist bei Varrò Südung, bei Livi-
us Ostung belegt, 220 bei den Haruspices galten Ostblitze als Glücksbrin-
ger.221 Im Norden wiederum wurde der Sitz der Götter, wurde Jupiter ange-
nommen. 222 Sicher ist ferner, daß die Etrusker - anscheinend als einzige -
gen Westen blickten. Sie teilten die Welt in zwei Hälften, die südliche linke
im Schein der Mittagssonne und die nördliche rechte, die von der Sonne un-
terwandert wird. 223 Überhaupt hat man die Tatsache, daß die Sonne im
Norden nicht zu sehen war, gern dadurch erklärt, daß sich dort ein hohes
Gebirge erstrecke, hinter dem die Sonne verschwinde; noch Kosmas Indiko-
pleustes huldigte dieser Vorstellung, um die Kugelgestalt der Erde abtun zu
können. Jedenfalls wird deutlich, daß die Orientation in Rom nicht einheit-
lich gehandhabt wurde und die verschiedensten Auffassungen hier zusam-
mentrafen. 224
Die antike Weltvorstellung der Griechen fand ihren vollendeten Ausdruck
im Werk des Claudius Ptolemaeus aus Alexandria. Freilich sind die mannig-
fach aus Byzanz überlieferten genordeten Karten vielleicht erst ein Werk der
Byzantiner bzw. eines Mittelsmannes, des Alexandriners Agathodaemon, 225
dessen Lebensdaten unbekannt sind. Dafür spricht auch, daß die Araber
zwar die Texte des Ptolemaeus rezipiert haben, das Kartenbild aber nicht.
Auf das Abendland hat Ptolemaeus erst im humanistischen Zeitalter über
Byzanz gewirkt und sich dann durchgesetzt. Seine Gedanken und Vorstel-

217
Vgl. A. SCHULTEN, Die Mosaikkarte von Madaba, Abh. Göttingen N.F. 4, 2 (1900) 112f.;
Abb. auch BAGROW-SKELTON, Tafel XIV S. 340.
218
Vgl. MILLER, MM 6 und die verschiedenen zitierten Arbeiten von Richard Uhden.
219
Chr. AUG. LOBECK, Aglaophamus sive de theologiae mysticae Graecorum causis (Königs-
berg 1829) 914ff., zitiert Chalcidius in Tim.
220
WISSOWA, in: Pauly-Wissowa, Realenzyklopädie 2 Sp. 2341.
221
THULIN, ebd. 7 Sp. 2441 f.
222
LOBECK, Aglaophamus S. 916.
223
Vgl. LOBECK, ebd. S.917; MILLER, MM 6 S. 145.
224
Vgl. NISSEN, Orientation 3, 261 ff.
225
Vgl. BAGROW-SKELTON S. 39.
[177/178] I. Mappa mundi und Chronographia 73

lungen waren in Konstantinopel dagegen immer lebendig, selbstverständlich


auch die Idee der Kugelgestalt der Erde, obgleich gerade hier eine Kosmo-
graphie entstanden ist, die so konsequent christlich sein wollte, daß sie
grundsätzlich alle Erkenntnisse der alexandrinischen Schule angriff: die
«Topographia Christiana» des Alexandriners Kosmas Indikopleustes aus
dem 6. Jahrhundert. 2 2 6 Kosmas sah die Erde als genordetes Rechteck, den
Himmel als gewölbtes Zelt, den Kosmos als Tabernakel. In der Tat kann
man der Bibel sowohl Belege für die runde, als auch für die eckige Gestalt 227
der Erde entnehmen, unter Umständen aus derselben Textstelle 228 beides,
und der Begriff des Tabernakels ist für die Welt oft belegt. 229 Kosmas ent-
schied sich gegen den Kreis, weil dieser ihm als ein Symbol der Heiden er-
schien. Sonst hat er durchaus auch antike Kenntnisse beibehalten, z.B. die
der vier Weltmeer-Einbuchtungen Mittelmeer, Kaspisches, Persisches und
Rotes Meer, die ähnlich schon von den jonischen Naturphilosophen gelehrt
wurden.
Das Paradies ist bei Kosmas gleichfalls im Osten gedacht, freilich für
Menschen unzugänglich, die andernfalls gewiß längst alle hingeeilt wären.
Auch einen Antichthonen-Kontinent im Norden kennt Kosmas, wo die
Menschen bis zur Sintflut gelebt haben sollen. Kosmas ist im Mittelalter im
griechischen Sprachbereich gern gelesen worden, das beweist die Hand-
schriftenüberlieferung; aber das griechisch-byzantinische Weltbild bestimmt
hat er nicht, im lateinischen Bereich blieb er völlig unbekannt.
Eine ähnlich konsequent christliche Weltvorstellung gibt es im Abendland
nicht, will man hier nicht noch einmal Johann von Marignola zitieren, für
den die Erde kreuzförmig über den Wassern gegründet ist - wie er aus eige-
ner Erfahrung wissen will 230 - mit vier dazwischenliegenden Meeresqua-
dranten. Eine Parallele zu diesem Gedanken hat sich nirgends ausmachen
lassen, falls man nicht eine Beeinflussung Marignolas durch den Iran an-
nimt 231 , theoretisch möglich, da Johann einmal von Feueranbetern u.a.
spricht; von einer Südung freilich - wie sie im Iran üblich war - findet sich
bei ihm keine Spur.

226
Vgl. hierzu jetzt BERNHARD SCHLEISSHEIMER, Kosmas Indikopleustes, ein altchristliches
Weltbild (Diss. München 1959) und WANDA WOLSKA, La topographie chretienne de Cosmas In-
dicopleustès. Theologie et Science au VF siècle, Bibliotheque byzantine, Etudes 3 (1962), insbe-
sondere über Kosmas' Verhältnis zum syrischen Nestorianismus.
227
Für die runde Fläche spricht das häufige Vorkommen von orbis und gyrus, für die eckige
u.a. H i o b 3 8 , 18, Mth. 24, 31 und Apoc. 7, 1.
228
Vgl. Is. 40, 22.
229
Vgl. 2. Cor. 5, 4; Hebr. 8, 2; 2. Petr. 1, 13; Apoc. 13, 6; Apoc. 15, 5; Apoc. 21, 3 u.a.
230
Ed. EMLER, Fontes rer. Bohem. 3 S. 510 a.
231
Vgl. L. I. RINGBOM, Graltempel und Paradies S. 297.
74 Studien zur Universalkartographie [178/179]

Eine Parallele zu der engen Verbindung mappa mundi und chronographia


fehlt in Byzanz. Höchstens wäre hier Nicephorus Gregoras zu nennen, der
im H.Jahrhundert neben seiner von 1204 bis 1359 reichenden «Historia»
auch einen Kommentar zur Geographie des Ptolemaeus verfaßte und viel-
leicht der Urheber der vierblättrigen Fassung der ptolemäischen Weltkarte
ist.232
Außerdem sind keine byzantinischen Weltkarten mit griechischen Legen-
den bekannt, 233 wohl Itinerarien, Segelhandbücher, Pilgerweg-Beschreibun-
gen u. ä., die auf praktische Zwecke abgestellt waren, etwa für Diplomatie
und Politik, nicht jedoch auf Darstellung einer theologisch ausgerichteten
imago mundi.234 Zeugnisse dieser geographischen Interessen der Byzantiner,
etwa z. Zt. der größten Ausdehnung des Reiches um 1000, sind in Gestalt
von Karten nicht auf uns gekommen.
Die christlichen Kirchen des Orients, die monophysitischen und nestoria-
nischen insbesondere, von denen gerade die letztere einen enormen Raum
umspannte bis Ostasien, haben der abendländischen Kartographie im Grun-
de nur wenig Gleichwertiges zur Seite zu stellen. Von den Nestorianern ken-
nen wir keine Karte, will man ihnen nicht Kosmas zurechnen, 235 der freilich
dem griechischen Sprachbereich angehört.
Aus dem monophysitischen Raum besitzen wir einige Zeugnisse der Kar-
tographie. So hat der auch als Chronist hervorgetretene, unter dem Namen
Moses Chorenatzi bekannte Armenier im 5. Jahrhundert der Geographie viel
Interesse gewidmet, 236 seinem Werk soll auch eine T-Karte abendländischen
Vorbilds beigegeben sein, 237 die aber wohl einer späteren Zeit angehört.
Von den Syrern hat Moses Bar Kepha, jakobitischer Bischof von Mosul
um 900, sein «Sechstagewerk» mit einer Weltkarte ausgestattet. 238 Es han-
delt sich wiederum um eine T-Karte, die zweifellos unter lateinischer Beein-
flussung entstanden sein muß, vermutlich aber durch die Araber - etwa über
einen arabischen Isidor-Text 239 - vermittelt, da sie gesüdet ist: Asien nimmt

232
Vgl. K. MILLER, Die ältesten Separatkarten der drei Erdteile (1931).
233
KARL KRUMBACHER, Geschichte der byzantinischen Literatur von Justinian bis zum E n d e
des oströmischen Reiches, in: H a n d b u c h d e r Altertumskunde 9, 1 ( 2 1897) 409 ff. und 418 ff.
234
Vgl. KARL D I E T E R I C H , Byzantinische Quellen z u r Länder- und V ö l k e r k u n d e (5.-15.Jh.).
(1912) S. X V .
235
Vgl. oben A n m . 226.
236 Vgl. KRUMBACHER, Literatur S. 4 1 1 .
237
Vgl. MILLER, M A 1 S.9.
238
Vgl. MILLER, M A 5 S. 167 mit Nachweis einer A b b . d e r K a r t e bei C H A B O T , Bulletin d e
G e o g r a p h i e historique e t d e s c r . (1897) 104.
239 Vgl. BAGROW-SKELTON S. 71 und LEITHÄUSER S. 107.
[ 179/180] I. Mappa mundi und Chronographia 75

die linke Hälfte ein, Ägypten die obere und Europa die untere rechte Hälfte.
Den Mittelpunkt bildet der Berg Sinai. Falls Moses Jerusalem aus dem Zen-
trum einer Vorlage verdrängte, könnte das als Versuch gewertet werden, das
Handeln Christi als Gottmensch weniger zu akzentuieren und Gottes Offen-
barung auf dem Sinai hervortreten zu lassen. Kosmographische Skizzen ent-
warf zur gleichen Zeit Bar Ali, ihre geographische Aussagekraft ist jedoch
belanglos; er stellte in konzentrischen Kreisen die bewohnte Erde, eine un-
zugängliche Gebirgszone, den von den Menschen vor der Sintflut bewohn-
ten Raum, den Ozean und endlich das Paradies dar. 240 Schließlich sind vier
Fassungen einer gesüdeten Karte der Klimata aus der Feder des Weltchroni-
sten Bar Hebraeus, eines syrischen Jakobiten jüdischer Herkunft, be-
kannt, 241 der in Klein-Armenien Maphrian wurde und - wie Bar Kepha - en-
zyklopädisch arbeitete. Auch er steht auf dem Boden der Antike in seinen
Erkenntnissen, südet freilich unter arabischem Einfluß. Hier liegen also der
lateinischen Chronographie vertraute Bestrebungen vor.
Die verschiedene Entwicklung der christlichen Kartographie in Ost und
West zeigt, daß die Ostung eben nicht genuin christlich ist. Wurzeln finden
sich allerdings sowohl im Alten Testament als vielleicht auch bei den Rö-
mern.
Man begegnet der Orientation im wörtlichen Sinne auch in ganz anderen
Kulturbereichen, zweifellos auf mythologischer Basis, z.B. bei dem Türken
al-Kaschgari und in den altamerikanischen Hochkulturen. Al-Kaschgari
wiederum war Lexikograph, 242 und getreu alttürkischer Tradition ostete er,
d.h. im Gegensatz zu Chinesen, Indern und Arabern. 243 Seine Weltkarte ist
das einzige derartige Dokument der Turkvölker Innerasiens. Im Mittelpunkt
der Erde steht für al-Kaschgari die Stadt Balasaghun, die Hauptstadt der
Karachaniden (Uiguren), China liegt im Osten, das Kaspische Meer im Nor-
den, Ceylon mit dem Adams-Pik - einer vor allem den Moslems heiligen
Stätte, an der Adam diese Erde nach Vertreibung aus dem Paradies erreichte
- im Süden. Nordafrika ist eingezeichnet, Rum, d. i. Byzanz, fehlt noch ganz
und wurde von späterer Hand nachgetragen. Die Karte entstand 1076, also
5 Jahre nach der Schlacht von Malazgirt, die aber keinen Niederschlag fand.
Al-Kaschgaris Werk ist eine selbständige Arbeit, unbeeinflußt von der arabi-

240
Vgl. MILLER, MA 5 S. 167 f. mit Abb.
241
Vgl. ebd. S. 168 ff. und Tafel 8 1 .
242
Vgl. MILLER, M A 5 S. 142 ff. mit A b b . und ALBERT H E R R M A N N , Die älteste türkische Welt-
k a r t e , I m a g o M u n d i 1 (1935) 21 ff. mit A b b . ; A b b . auch bei BAGROW-SKELTON, Tafel X X V I I I
S. 354 und LEITHÄUSER S. 104.
243
H E R R M A N N , ebd. S. 22.
76 Studien z u r Universalkartographie [180/181/182]

sehen Kartographie und ein vorzügliches Denkmal der geistigen Leistungen


der Türken Zentralasiens.
Gleichfalls war die Ostung in den altamerikanischen Hochkulturen üb-
lich, wie schon aus den Tempelachsen ersichtlich ist.244 Das Kartenmaterial
ist zumeist von den Conquistadoren zerstört worden, man kennt nur Doku-
mente aus der ersten Zeit nach der Eroberung, die noch im alten Stil gehal-
ten sind. 245 Von Osten erwarteten die Mexikaner die weißen Götter, nach
Osten blickt daher der Feuergott auf dem Weltbild aus dem Mythos. 246
Im übrigen ist die Orientation nicht etwa von den altorientalischen Hoch-
kulturen übernommen. Aus Babylon ist nur eine wirkliche Weltkarte erhal-
ten, die freilich erst aus der Zeit um 500 v. Chr. stammt. 247 Sie zeigt auf einer
Tontafel eine genordete Erdscheibe auf dem Ozean, oben vom armenischen
Bergland (Urartu) fließt der Euphrat hinab gen Babylon und zum Persischen
Golf. Die Erde ist von sieben Inseln umgeben.
Aus Ägypten kennt man keine Weltkarten, überhaupt nur eine Karte von
Goldminen in den Turiner Papyri von ca. 1320 v.Chr. Sie stellt das Wadi
Hammamat zwischen dem Roten Meer und dem Niltal bei Edfu dar und hat
als gesüdet zu gelten.248 Im übrigen neigte man im allgemeinen zur Südung,
wie aus Gräbern bekannt ist; kam doch von Süden der lebenspendende Nil.
Später wechselt das aber auch mehrfach. 249
Die Chinesen verfolgten im Regelfalle die Nordung, 250 z.B. auf den Ste-
lenkarten von Si-ngan-fu251 aus dem 11./12. Jahrhundert n.Chr.; auch die
chinesischen Karten in koreanischer Überlieferung sind genordet, 252 denn
der Chinese blickte gen Süden, zum Licht, in die fruchtbaren Gegenden;

244
Vgl. NISSEN, Orientation 1 S. 22 ff.
245 Vgl. EULAI.IA G U Z M A N , T h e A r t of M a p - M a k i n g a m o n g the Ancient Mexicans, in: Imago
M u n d i 3 (1939) Iff., bes. S. 5; A b b . vgl. BAGROW-SKELTON, Tafel III S. 329, u n d LF.ITHÄUSER
S.18f.
246
LEITHÄUSER S. 15, A b b . aus C o d e x Fejervary.
247
Vgl. ECKHARD U N G E R , From t h e C o s m o s Picture t o the W o r l d M a p , in: I m a g o M u n d i 2
(1937) 1 ff.; vgl. A b b . Bagrow-Skelton, Tafel V I S.332, und LEITHÄUSER S . 2 1 .
248
Vgl. R O N A L D V E R E T O O L E Y , M a p s a n d M a p - M a k e r s ( 2 1 9 5 2 ) 3 mit A b b . S. 4, u n d MILLER,
M A 1 S. 8 mit Abb.
249
Vgl. H . BONNET, Reallexikon d e r ägyptischen Religionsgeschichte (1952) 564ff. u n d C -
M . EDSMAN, in: Rei. in Gesch. u. Gegenw. 4 ( 3 1960) Sp. 1690, auch H E R R M A N N , D i e E r d k a r t e
d e r Urbibel S. 34.
250
Freundlicher Hinweis von H e r r n Prof. Walter Fuchs, Köln.
251
Vgl. E d . CHAVANNES, Les deux plus anciens specimens de la cartographie chinoise, in: Bul-
letin d e l'Ecole Francaise d ' E x t r è m e O r i e n t 3 ( H a n o i 1903) 214ff., bes. S.218.
252
Vgl. H I R O S I NAKUMORA, O l d Chinese W o r l d M a p s , preserved b y t h e K o r e a n s , in: Imago
M u n d i 4 (1947) 3 ff.; vgl. A b b . bei LEITHÄUSER S.25.
[182/183] I. Mappa mundi und Chronographia 77

darum war der Thron des Kaisers nach Süden gerichtet. Hingegen war die
älteste japanische Karte ausnahmsweise gesüdet. 253
Die Nomadenvölker Asiens zeigten gleichfalls die Tendenz zur Nordung
bei Opferhandlungen, 254 doch kannten auch die Uiguren um 840 und die
Mongolen des Dschingis-Khan die Südung, 255 Weltkarten freilich haben sie
nicht hinterlassen. Die buddhistischen Weltkarten bevorzugten ebenfalls die
Nordung, z.B. der Priester Chihp'an, der zwischen 1265 und 1271 die älte-
ste indische Karte entwarf256 - übrigens auch Universalhistoriker war.
Für die arabische Weltkarte ist die Südung charakteristisch, nicht etwa für
die gesamte islamische Kartographie. Das ist auffällig, weil die Moslems in
der gleichen semitischen Tradition wie Hebräer und Christen stehen, auch
in ihrem Sprachgebrauch die Synonyma für Süden und rechte Seite bzw.
Norden und linke Seite verwenden. Die Erklärung muß vermutlich in einem
bewußten Bruch gesucht werden, den Mohammed mit der Tradition vollzie-
hen wollte. Er wandte sich gegen den altarabischen Sonne- und Mondkult,
aber auch gegen Jerusalem als Ziel der Gebetsrichtung und machte die Kaa-
ba zum Weltzentrum. In Bezug auf die Himmelsrichtungen heißt es da: 257
„Allahs ist der Westen und der Osten ... Und so machten wir euch zu einem
Volk in der Mitte ..." Vielleicht lag Mekka für die Mehrzahl der Gläubigen
anfangs im Süden, 258 eher aber ergab sich aus Ost und West als Mitte der
Süden.
Die arabischen Geographen richteten ihr Interesse - verglichen mit ihren
Vorlagen aus der klassischen Antike - sogleich stärker auf den Orient. Die
Erde wurde als eckiger Teppich gedacht. Die vier Paradiesflüsse gehörten
gleichfalls zu den Grundvorstellungen. 259 Der für die Praxis bestimmte Ty-
pus des sogenannten Islam-Atlasses baute sich im übrigen auf etwa 20 Ein-
zelkarten auf.260 Dabei sind die Karten des Maghreb häufig gewestet, die
der Gegenden um das Kaspische Meer genordet, Chorasan geostet. 261 Zu
dieser Gruppe zählen die Kartenwerke von Abu Zaid al-Balkhi (919-21),

253 Vgl. M . RAMMING, T h e Evolution of C a r t o g r a p h y in J a p a n , in: I m a g o M u n d i 2 (1937)


17ff., bes. S.18.
254
E D S M A N , in: Rei. in Gesch. u. Gegenw. 4 ( 3 1960) Sp. 1690.
255
Vgl. OMELJAN PRITSAK, Orientierung und Farbsymbolik. Zu den Farbenbezeichnungen in
den altaischen V ö l k e r n a m e n , in: Saeculum 5 (1954) 376ff., bes. S.381.
256
Vgl. hierzu N O B U O M U R O G A und KAZUTAKA U N N O , T h e B u d d h i s t W o r l d M a p in J a p a n
and its C o n t a c t with E u r o p e a n M a p s , in: Imago M u n d i 16 (1962) 49ff., bes. S.55.
257
K o r a n , Sure 2 v. 136-37, dt. von M a x H E N N I N G ( 1 9 6 0 / 6 2 ) .
258
D Ö L G E R , Sol salutis S. 138.
259
Vgl. MILLER, MA 1 S.8.
260
E b d . S.14ff.
2
" Vgl. Tafeln bei MILLER, M A .
78 Studien zur Universalkartographie [183/184]

Istakhri (934), 262 Massudi (915-57), Ibn Haukai (980) 263 und Mukkadesi
(985), auch später etwa von Ibn Said.264 Zu einem Islam-Atlas gehört in der
Regel neben den Einzelkarten eine Kibla-Karte, die für die verschiedenen
Länder die Gebetsrichtung nach Mekka weist, und eine Weltkarte, die Mek-
ka gewöhnlich als Weltmittelpunkt zeigt. 265 Sie ist gesüdet, sehr einfach,
diktierbar für Schulzwecke gehalten und legt wenig Wert auf das Abend-
land.
Idrisi endlich, von Malaga vertrieben, schuf am Hofe Rogers IL von Sizi-
lien seine großartige gegenwartsbezogene Weltkarte, von der oben im ersten
Kapitel die Rede war. Die auf ihrer bewohnbaren Hälfte in sieben Klimata
eingeteilte Erde ist für ihn sphärisch, aber dann wieder zur Hälfte vom Oze-
an umkreist. 266 Idrisi arbeitete bei und für Christen, dennoch dauerte es lan-
ge, bis sich das Abendland seine Kenntnisse aneignete: nur Johann von Wal-
lingford folgt ihm als erster und einziger strikt, bei Vesconte und Paulinus
ist er - vermutlich indirekt - benutzt, ebenso vielleicht bei Brunetto Latini
und später vor allem bei den Katalanen.
Die Verbindung von Geographie und Geschichtsschreibung begegnet na-
türlich auch im Islam, z.B. hat der Perser al-TabarT im 10. Jahrhundert den
Diamerismos des Hippolytus aufgenommen. Aber da die Weltkarten nicht
Ausdruck von Weltanschauung sind, sondern Abbilder, ziehen sie die Ver-
bindung zum praktischen Schrifttum vor. Ebenfalls bei dem großen Univer-
salhistoriker der Il-Khane RasTd al-DTn wird ein verlorener Teil seines Wer-
kes vermutet, der Geographie und Karte bot. 267
Damit wird der Bereich des Iran berührt, aus dessen eigentlicher Geistes-
welt keine Erdkarte bekannt ist, für den man aber gleichfalls eine Südung
angenommen hat. 268
Zieht man Schlüsse aus den Orientations-Zeugnissen, so ergeben sich zwei
Richtungen: die Ostung einerseits, die Nordung oder Südung andererseits.
Vorsichtig darf gesagt werden, daß Ostung religiös motiviert ist, bei Südung
und Nordung exakte Gesichtspunkte und praktische Erfahrungen neben my-
thologischen Gründen maßgeblich sind. Der Süden läßt sich jedenfalls leich-

262
Abb. auch bei BAGROW-SKELTON S. 36 f. und LEITHÄUSER S. 109.
263
Abb. auch bei BAGROW-SKELTON, Tafel XXVII S. 353, und LEITHAUSER S. 103.
264
Abb. auch bei BAGROW-SKELTON, Tafel XXVI S. 352, und LEITHÄUSER S. 115.
265
MILLER, MA 5 S. 114.
266
Ebd. 1 S.53ff.; Abb. auch bei BAGROW-SKELTON S.75 und Tafel XXX S.356, sowie bei
LEITHÄUSER S. 113 und 116.
267
Vgl. Mensch und Weltgeschichte; zur Geschichte der Universalgeschichtsschreibung, hg.
von ALEXANDER v. RANDA, Diskussionen, Prof. Karl Jahn über die Forschungen von Prof. Walter
Fuchs, Köln (Salzburg 1968).
268 Vgl. L.-I. RINGBOM, Graltempel und Paradies S. 279.
[184/185] I. Mappa mundi und Chronographia 79

ter genau bestimmen, da er nicht jahreszeitlichen Verschiebungen unterliegt,


während sich der Osten aus dem Sonnenaufgang zuverlässig nur zu den
Äquinoktien festlegen läßt.
Hier muß schließlich noch die Rolle des Kompasses erwähnt werden. Es
ist bekannt, daß ihn die Chinesen 121 n.Chr. kannten, vielleicht früher, 269
und zwar mit Südweisung, denn er hieß ,Anzeiger des Südens'. Kompaß-
Kenntnis in der klassischen Antike ist immer wieder vermutet worden, jeden-
falls weiß man um Magnetismus und auch um allerlei Sagen vom Magnet-
berg. 270 Im Abendland wird der Kompaß durch die Normannen seit Ende
des 11. Jahrhunderts gebräuchlich 271 und stößt zum Teil auf Furcht und
Aberglauben. 272 Eine Verbindung zwischen Kompaß einerseits, Nordung
und Südung andererseits ist da sicher gegeben. Dabei spielt Nord- bzw. Süd-
weisung nur eine untergeordnete Rolle, beides ist belegt. 273 Vielleicht ist es
hier von Gewicht, in welche Richtung die Schiffer gewiesen sein wollen,
wenn sie ins Unbekannte stoßen: die Chinesen nach Süden, die Europäer
nach Norden. 274 Offen bleiben die Verhältnisse hinsichtlich der Araber, weil
bei ihnen der Kompaß nicht sicher nachgewiesen ist. Ob sie ihn durch die
Normannen kennenlernten oder diese durch sie, 275 ist bisher nicht geklärt
worden.
Auch in der Astronomie spielte der Kompaß mit Südweisung eine Rolle
und wurde insbesondere im Elisabethanischen Zeitalter in England die Re-
gel. Der Jesuit Riccioli zitiert daher 1661 in seiner «Geographia Reforma-
ta»: 276

Ad Boream Terra; sed Coeli mensor ad Austrum;


Augur ad Exortum movet; Occasumque poeta.

Auch hier bestimmen exakte Momente Nordung und Südung, mythologische


Ostung und Westung.

269 Yg[ R HENNIG, Ein Zusammenhang zwischen der Magnetberg-Fabel und der Kenntnis
des Kompasses, in: Archiv f. Kulturgesch. 20 (1930) 351 ff.
270
Vgl. ebd. S.355ff. Reflexe z.B. bei Plinius, Naturalis Historia II, XCVIII, auch bei den
Arabern.
271
Vgl. LEITHÄUSER S. 119, auch ROSIEN (wie Anm. 16) S. 75 Anm. 71.
272
Vgl. Brunetto Latini, Li livres dou trésor I, 119, 5, ed. CARMODY S. 107.
273
Zur Südweisung vgl. E. G. R. TAYLOR, The South-Pointing Needle, Imago Mundi 8
(1951) 1 ff.; sie war im 13.Jh. im Abendland bekannt.
274
HENNIG (wie Anm. 269) S. 354.
275
Ebd. S. 363ff.; vgl. MILLER, MA 5 S. 173.
276 Vgl. E. G. R. TAYLOR, South-Pointing Needle S. 1, nach Apians Cosmographia.
80 Studien zur Universalkartographie [185/186]

In der Neuzeit ist die Nordung im Abendland dann zweifelsohne eine Fol-
ge der Kompaß-Verwendung und des neuen Weltbildes; sie begegnet in
Weltkarten 1410 bei Pierre d'Ailly, 1414 bei Pirras de Noha, um die Jahr-
hundertmitte auf der sogenannten Vinland-Karte und zum Jahrhundertende
bei Hartmann Schedel, nachdem sich die Ptolemaeus-Karten auch den latei-
nischen Sprachbereich erobert haben.
Im Zentrum der Welt 277 stand den Christen Jerusalem, den Indern der
Götterberg Meru, den Persern Gandjak (Kandiz, Siz u.a.), 2 7 8 den Azteken
das paradiesische Tollan, 279 al-Kaschgari Balasaghun, den Griechen Del-
phi, auch wohl Delos, den Arabern Mekka oder - auf den hemisphärischen
Karten zugleich als Ende der bewohnten Welt - die Dämonenfestung
Arym, 280 letzteres wurde sogar von den Abendländern übernommen, so von
Petrus Alphonsus, Johann von Wallingford und gar von Pierre d'Ailly, nach-
mals Kardinal. Es geschah sicherlich bei ihm nicht mit Absicht, daß der Sitz
des Iblis, des Teufels der Moslems, den Mittelpunkt einer christlichen Welt-
karte bildete; aber es zeigt einmal wieder, wie man sich beim Kartenzeichnen
nach Möglichkeit an eine vorgegebene pictura klammerte. Nimmt es da wun-
der, daß die Christen viel Heidnisch-Römisches bewahrten und Mühe hat-
ten, Jerusalem auch auf der Karte ins Zentrum zu rücken?

Zusammenfassung: Projektion des Geschichtsablaufes


auf die Kartenfläche

Die geostete Weltkarte gehört dem Bereich der mythographischen Karten-


kunde an, und so zeigt die mittelalterliche Weltkarte mehr ein Weltbild und
nur nebenbei Weltabbildung. Sie gibt nicht die gemessene Erdoberfläche
wieder, sondern ist pictura des Schauplatzes der gesamten Weltgeschichte,
eingebettet in die Heilsgeschichte: vom Paradies folgt der Blick dem Kreis
und kehrt zum Paradies zurück. Die Gemälde sind immer ein Stück Inter-
pretation, Deutung zu Lehrzwecken. Man studiert nicht imago mundi, weil
man auf Weltreisen geht und praktische Kenntnisse benötigt; das taten nur
wenige Abenteurer, mutige Kaufleute und ein paar tapfere Missionare. Aber
man hatte zu wissen, wie die Schöpfung aussah und wo die wichtigsten loca,
in quibus res geste sunt, zu suchen waren. Darum projizierte man den ge-

277
Vgl. BROWN, The Story of Maps (1950) 97.
278
Vgl. RINGBOM, Graltempel S. 294 ff.
279
Vgl. LEITHÄUSER S. 26.
280
Vgl. MILLER, MM 3 S. 127 f. und MA 5 S.133.
[186] I. Mappa mundi und Chronographia SI

schichtlichen Raum, aber auch die Zeit auf das Pergamentblatt und gab es
der Weltgeschichte bei: nun wußte man, von wo man aus der Seligkeit ver-
trieben war, wo Christus die Menschheit erlöst hatte, von wo der Antichrist
einbrechen würde und wo das Paradies zu denken war. Und zwischen diesen
Terminen lag die Zeit dieser Welt und zwischen diesen Orten die Stätten die-
ser Welt. Alle wichtigen Plätze hatten an der Heiligung Anteil, auch die vor-
und außerchristlichen: mit letzteren gab man sich in der Geographie mehr ab
als in der Geschichtsschreibung. Das beweist, daß das abendländische Mit-
telalter alles andere als weitabgewandt war: die Chroniken und Weltkarten
vom Typ imago mundi legen ein beredtes Zeugnis davon ab.
Corrigendum zu S. 74 f., insbesondere Anm. 238 und 239: Da die bei MILLER, MA, zitierte Arbeit
J.-B. CHABOT, Notice sur une mappemonde syrienne du XIIP siècle, in: Bulletin de Geographie
historique et descriptive, année 1897 (Paris 1898), S. 98 ff. erst nachträglich der Verfasserin zu-
gänglich wurde, muß folgender, auf einem ungeschickten Druckbild bei CHABOT S. 104 beruhen-
der Irrtum richtiggestellt werden, der sich bei MILLER, BAGROW-SKELTON und LEITHÄUSER findet:
Nicht die Karte des Moses Bar Kepha hat den Sinai zum Weltmittelpunkt, sondern die Klima-
kartc des Barhebraeus. Auf letzterer nehmen die Segmente der Klimata zwei Drittel des Kreises
in Anspruch, im 2. Klima befindet sich der Kreismittelpunkt mit der Legende Berg Sinai. Bar
Kepha malte eine einfache gesüdete T-Karte mit den Aufschriften Libyen (für Afrika), Europa
und Adriatisches Meer. Die über Bar Kepha geäußerten Vermutungen sind also auf seinen Glau-
bensbruder Barhebraeus zu beziehen.
IL „... ut describeretur universus orbis"
Zur Universalkartographie des Mittelalters

...Ut describeretur universus orbis1 - dieses Gebot des Kaisers Augustus hatte
zur Folge, daß der Messias nicht am Heimatort seiner Eltern in Nazareth,
sondern in Bethlehem geboren wurde, wie es der Prophet Michaeas 2 geweis-
sagt hatte.
Wenn diese allen Christen geläufigen Worte aus dem Weihnachtsevangeli-
um als Motto für die folgenden Betrachtungen zur Methode der Universal-
kartographie gewählt wurden, so dürfen zwei Begründungen dafür ins Feld
geführt werden:
1. Die Anregung ist von einem namhaften mittelalterlichen Enzyklopädi-
sten und vielseitigen Kartenzeichner einfach nur übernommen worden, denn
die descriptio orbis ist ein wichtiger Teil aller Universalhandbücher und daher
insbesondere solcher Geschichtswerke, die in räumlicher und sachlicher
Breite ein Totalbild ihrer Welt zu liefern bestrebt sind:3 Der Kanoniker
Lambert von Saint-Omer schuf zwischen 1090 und 1120 seinen reichbebil-
derten «Liber Floridus»,4 in dem auf einer Miniatur 5 Kaiser Augustus auf
dem Herrscherthrone abgebildet ist; in seiner Rechten hält er das Schwert,
in der Linken die Erdkugel, 6 die dem Beschauer in der unperspektivischen
Malweise des Mittelalters als Scheibe erscheint. Sie ist derart in drei Teile ge-
teilt, daß der oberen Hälfte unten zwei Viertel gegenüberstehen, dem Erd-
kreis also ein großes T einbeschrieben ist. Das obere Feld trägt die Inschrift
Asia, das vom Beschauer linke untere ist Europa benannt, das rechte Africa.
Asien, Europa und Afrika waren die drei Erdteile des klassischen Alter-

1
L k 2 , 1.
2
Mich 5, 2.
5
Zur Typologie der mittelalterlichen Weltchroniken vgl.: Mensch und Weltgeschichte. Zur
Geschichte der Universalgeschichtsschreibung. Hrsg. ALEXANDER v. RANDA. Salzburg 1969.
S.47 ff.
4
Cod. 92 der Universitätsbibliothek Gent, als Teilfaksimileausgabe: Lamberti Audomarensis
canonici Liber Floridus. Codex autographus 92 bibliothecae universitatis Gandavensis . .. editus
curante ALBERTO DEROLEZ. Gent 1967.
5
Fol. 138 v.
6
Zur Verbindung Erdkugel - Reichsapfel - Weltkarte vgl. PERCY ERNST SCHRAMM: Sphaira,
Globus, Reichsapfel. Stuttgart 1958. S. 12 ff. über die Beziehung Kaiser und Kugel, S.29ff. über
die Kugel in christlicher Sicht und S. 49 ff. über die Erdkarten des Mittelalters.
[250/251 ] II. Z u r Universalkartographie des Mittelalters 83

turns, über die Augustus als Herr der Ökumene gebot. Wurden sie in der An-
tike als gleichgroße Sektoren dargestellt oder Europa sogar als größter Erd-
teil hervorgehoben, so gilt seit Orosius, daß Asien doppelt so groß wie Euro-
pa oder Afrika ist.7 Dabei ist von ganz besonderer Bedeutung, daß die
christliche Karte geostet ist, Asien also oben eingezeichnet wird. Übrigens
ist eine Münze des Kaisers Augustus aus dem Jahre 22 v. Chr. bekannt, auf
der die drei Erdteile als drei Kreise von gleicher Größe erscheinen und die
auf der anderen Seite die Inschrift Pax orbis terrarum SPQR trägt. 8 Ganz
entsprechend findet sich bei Lambert in den Ecken seiner quadratischen Mi-
niatur die Aufschrift Octavianus Augustus VIII. Id. Jan. clausitportas Iani; als
Umschrift des dem Quadrat einbeschriebenen Kreises, der das eigentliche
Bild birgt, wählte Lambert den Anfang des Weihnachtsevangeliums Exiit
edictum a Cesare Augusto, ut describeretur universus orbis. Christi Geburt ist
hier nach alter Auffassung mit der Schließung der Janus-Pforten durch Au-
gustus, als Friedenssymbol geschehen, vereinigt, später auch dem Tagesda-
tum VIII. Kai. Jan. nach, ursprünglich gemäß Orosius VIII. Id. Jan. ab u. c.
725, also am Kalendertag von Epiphanias. 9 Auf der gleichen Seite findet sich
im Genter Autograph des «Liber Floridus» einer der frühesten Belege für die
Verwendung der retrospektiven Inkarnationsära in der hochmittelalterlichen
Literatur, der Rechnung nach Jahren ante incarnationem Domini, durch die
die Menschwerdung Christi nach allen Seiten hin zum chronologischen
Brennpunkt wurde. Daß sie es für das Mittelalter auch in kartographischer
Hinsicht war, wird noch zu zeigen sein.
2. Der andere Beweggrund für die Wahl des Leitwortes liegt in der Tatsa-
che, daß die Anweisung des Kaisers Augustus immer wieder als Aufforde-
rung zur descriptio orbis verstanden wurde, und das hatte besondere Folgen
historischer und methodischer Art.
Die abendländische Weltkarte ist bis ins Zeitalter der Entdeckungen ganz
von der römischen Antike bestimmt; für viele Forscher gilt sie überhaupt nur
als Rudiment der verlorenen Weltkarte, die Vipsanius Agrippa, des Augustus
Schwiegersohn, von der römischen Ökumene anfertigte.10 In dem Evange-
lienbericht von der descriptio orbis durch Augustus, die nun in die Heilsge-
schichte hineingenommen und sogar ihr notwendiger Bestandteil geworden

7
Vgl. KONRAD MILLER: M a p p a e M u n d i . Bd. 3. Stuttgart 1895. S. 116.
8
Ebd., S.130f.
' Orosius, H i s t o r i a adversum p a g a n o s VI, 20, 1-3. Ed. C. ZANGEMEISTER, L e i p z i g l 8 8 2 , in:
C S E L 5 . S.418.
10
K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 7 ) , Bd. 1-6. Stuttgart 1895-98, besonders Bd. 6 mit R e k o n s t r u k -
tionsversuchen; ferner RICHARD U H D E N , Z u r H e r k u n f t und Systematik d e r mittelalterlichen
W e l t k a r t e n , in: G e o g r a p h i s c h e Zeitschrift 37 (1931) 321 ff. u . ö .
84 Studien z u r Universalkartographie [251]

ist, findet diese Auffassung der modernen Wissenschaft eine im mittelalterli-


chen Denken verankerte Stütze.
Unter dem Gesichtspunkt Methodik ist vor allem zu fragen, was descriptio
bedeuten kann und was man jeweils darunter verstanden hat. Im Wörterbuch
finden sich - und zwar ganz parallel zum ànoygcwpeiv der griechischen Origi-
nalsprache - die Bedeutungskreise 1. ,zeichnen, abzeichnen', 2. ,abschrei-
ben, aufschreiben, beschreiben, abgrenzen' und 3. ,in Listen (Steuerrollen)
eintragen'. Zweifellos hat Lukas an das letztere gedacht, weshalb Luther
sinngemäß übersetzte: „daß alle Welt geschätzet würde". Doch weisen auch
moderne deutsche Bibeltexte Formulierungen auf, die der Bedeutungsvielfalt
des griechischen bzw. lateinischen Wortes angepaßt sind: Wilhelm Bartelt
übersetzt 1936 in «Herders Bibelkommentar» „daß der ganze Erdkreis auf-
geschrieben werde", Josef Schmid im «Regensburger Neuen Testament»
1955/60 „daß der ganze Erdkreis aufgezeichnet werden sollte"; beide lassen
damit „universus orbis" bewußt als Raum bestehen und beschränken den
Sinn nicht auf die Menschheit, auf „alle Welt".
Im gleichen Sinne hat das Mittelalter diese Worte verstanden. Zwar blieb
auch im Mittellateinischen die Bedeutung „in die Steuerliste eintragen" für
describere erhalten, doch mögen die veränderte Wirtschaftsstruktur und das
primitivere Steuergebaren zur weiteren Begriffsfassung und Deutung von de-
scribere geführt haben.
Von der byzantinischen Kartographie des Früh- und Hochmittelalters be-
sitzt man nicht allzu viele Zeugnisse. Dort, wo aTtoyocupetv in der Verwal-
tungssprache ein größeres Gewicht hatte, blieb anscheinend die für den We-
sten charakteristische Verbindung der Bedeutungen ,abbilden' und ,auf-
schreiben' im Hintergrund.

1. D e r wissenschaftstheoretische O r t der Kartographie

Bei dem Versuch, die Kartographie in das Lehrgebäude der mittelalterlichen


Bildung einzubauen, wird die vom modernen Denken grundsätzlich abwei-
chende Auffassung deutlich. Abgesehen davon, daß Kartographie im Mittel-
alter wie in der Neuzeit auch eine Kunst ist mit ästhetischen und handwerkli-
chen Zügen 11 , wird man sie heute ebenso wie in der klassischen Antike bei
den exakten Wissenschaften ansiedeln. Im Mittelalter taten das nur die Ara-
ber, während man sie im lateinischen Raum in der Regel vergebens im Be-

" Vg'- J O H N KIRTLAND W R I G H T , T h e Geographical Lore of the T i m e of the C r u s a d e s . N e w


Y o r k 1925. S.248; J O A C H I M G. LEITHÄUSER, M a p p a e mundi. Berlin 1958. S. 17ff. u . ö .
[251/252] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 85

reich des Quadriviums, etwa als Annex zur Geometrie oder Astronomie, su-
chen wird, wo sie der im Mittelalter viel gelesene Martianus Capella immer-
hin noch untergebracht hatte 12 : Nur recht wenige Weltkarten finden sich in
naturwissenschaftlichen Fachschriften oder innerhalb der Enzyklopädien bei
den genannten Fächern, und diese wenigen haben meist rein schematischen
Charakter. 13 Dagegen dient z.B. bei Hugo von St. Victor die Erdbeschrei-
bung der Bibelexegese,14 und noch Vincenz von Beauvais nimmt sie zwar ins
«Speculum naturale» 15 auf, setzt sie aber ebenso am Anfang des «Speculum
historiale»16 in Zusammenhang mit dem Bericht über die Sprachverwirrung
beim Turmbau von Babel. Dort oder auch bei der Völkertafel, dem Bericht
der Verteilung der Welt unter Noes Söhne, hat die descriptio orbis ihren
Platz in der Universalhistoriographie.
Erfolgreicher wird man die Geographie und Kartographie - nicht die Kos-
mologie - daher in der Nachbarschaft der Geschichtsschreibung 17 suchen,
d. h. im frühen und hohen Mittelalter - ebenso wie die historia - bei den Fä-
chern des Triviums Rhetorik oder Grammatik, 18 wollte man sie unbedingt
bei den artes unterbringen. Die überwiegende Mehrzahl der etwa 60-70 Kar-

12
Vgl. den Abschnitt ü b e r G e o g r a p h i e in: M a r t i a n u s Capella: D e nuptiis philologiae et Mer-
curii. Lib. VI. Ed. A. D I C K . Leipzig 1926. Die K a r t e ist nicht erhalten, siehe d a z u J. K. W R I G H T ,
a. a. O . (Anm. 11), S. 127 ff.; unter Astrologie erscheint die G e o g r a p h i e bei Dominicus G o n d i s a -
lvi, v g l . J . K . W R I G H T , S. 128 f.
13
Vgl. zum Verhältnis T e x t e - Karten A N N A - D O R O T H E E v. DEN BRINCKEN, M a p p a mundi und
C h r o n o g r a p h i a . Studien z u r imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Ar-
chiv für Erforschung des Mittelalters 24 (1968) S. 118 ff. ( = o. S. 17-81), d o r t auch reiche Litera-
turangaben zum T h e m a und Nachweise von K a r t e n r e p r o d u k t i o n e n .
14
H U G O VON ST. V I C T O R , Excerptionum allegoricarum libri. Lib. III. in: P L 177, 2 0 9 - 2 1 6 .
15
VINCENZ VON BEAUVAIS, Speculum naturale. Lib. X X X I I c. 1 ff. D o u a i 1624. N a c h d r u c k
G r a z 1964. Col. 2399 ff.
16
VINCENZ VON BEAUVAIS, Speculum historiale. Lib. I c. 62 ff. D o u a i 1624. N a c h d r u c k G r a z
1965. S.24ff.
17
Vgl. H A N S W O L T E R , Geschichtliche Bildung im R a h m e n d e r Artes Liberales, in: Artes Libe-
rales. V o n d e r antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters. H r s g . JOSEF K O C H . Leiden -
Köln 1959, in: Studien und Texte z u r Geistesgeschichte des Mittelalters 5. S. 6 0 - 8 3 , besonders
S. 79, w o W o l t e r ausdrücklich die geographischen Kenntnisse und die frühen E r d k a r t e n („map-
pae m u n d i " ) zum Fachgebiet der Geschichte hinzurechnet, d a n n freilich die Geometrie als
Hilfswissenschaft der Geschichte bezeichnet; das verwischt die T a t s a c h e , d a ß man in dieser Zeit
die Erde nicht gemessen, sondern aufgeschrieben hat.
18
Vgl. auch LAETITIA B O E H M , D e r wissenschaftstheoretische O r t d e r historia im frühen Mit-
telalter. Die Geschichte auf dem Wege z u r „Geschichtswissenschaft", in: Speculum historiale,
J o h a n n e s Spörl d a r g e b r a c h t . Freiburg-München 1965.S.663ff., bes. 675ff.; ferner MARCEL D E -
STOMBES, T h e M a p p a mundi of the Poem Alexandreidos by G a u t i e r de Chatillon, in: Imago
mundi 19 (1965) 10 ff.: Die K a r t e steht bei einem R o m a n , dieser gehört wissenschaftstheoretisch
zu den Fächern des Triviums.
86 Studien zur Universalkartographie [252/253]

tentypen, erhalten in rund 650 Handschriften, findet sich in Verbindung mit


historischen Schriften überliefert. Insbesondere alle reicher ausgestalteten
Werke bilden Bestandteile von Weltchroniken oder erläutern diese, andere
gehören zu Sallusts «Bellum Iugurthinum» und Lukans «Pharsalia» sowie
sonstigen Historien. 19
Hugo von St. Victor nämlich hat in seinem im Mittelalter so außerordent-
lich beliebten universalhistorischen Leitfaden «Liber de tribus maximis cir-
cumstanciis gestorum» die drei wichtigsten Umstände des Geschehens und
zugleich den Aufbau seines Werkchens so definiert20: Opportet nos ex omni-
bus brevem quandam summam colligere quasi fundamentum fundamenti, hoc est
primum fundamentum, quam facile possit animus comprehendere et memoria re-
tinere. Tria igitur sunt, in quibus precipue cognitio pendet rerum gestarum, id est
persone, a quibus res geste sunt, et loca, in quibus geste sunt, et tempora, quando
geste sunt. Er läßt ein Listenwerk folgen, in dem zunächst Herrscher- und
Priesterlisten, dann Länder-, Gebirgs-Insel- und Flußnamen, endlich ein
Annalenwerk enthalten sind getreu der Vorrede, daß Personen, Orte und
Zeiten die Geschichte ausmachen. Wie die Annalentafel der graphische Nie-
derschlag für die Zeitkomponente im Weltgeschichtswerk ist, so die mappa
mundi für die Raumkomponente. 21 Die loca geben den Schauplatz des Ge-
schehens an und sind unerläßlich: Selbst Otto von Freising empfiehlt seinen
Lesern ausdrücklich, sich bei Orosius hierüber zu informieren. 22 Einen Kau-
salzusammenhang zwischen Geschehen und dem Ort des Geschehens frei-
lich kennt das Mittelalter nicht, das ist ein ganz fundamentaler Unterschied
zum antiken Denken etwa bei Herodot und zur modernen Geschichtsauffas-
sung: Ursache des Geschehens ist Gott allein, er ist der Handelnde. So
dachte man auch noch im Spätmittelalter, das wird z.B. besonders deutlich
an der großen Kompilation des sogenannten Johannes Elemosyna, eines Mi-
noriten von Assisi, der um 1334/36 zahlreiche Kapitel mit dem handelnden
Satzsubjekt Deus omnipotens beginnt. 23

19
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 128ff. (= o. S.26ff.).
20
Unediert; vgl. Cod. 350 fol. 96v der Universitätsbibliothek Leipzig.
21
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 124f. (= o. S.22 f.).
22
Otto von Freising, Chronica I c. 1. Ed. ADOLF HOFMEISTER, in: Mon. Germ, hist., Script,
rer. Germ. (Schulausgabe). Hannover-Leipzig 1912. S.38.
23
Unediert; erste Rezension, sehr verworren, in Ms. Assisi 341, zweite etwas besser verarbei-
tete Fassung in Ms. Paris B. N. Lat. 5006 als Autographen erhalten; vgl. dazu GIROLAMO GOLU-
BOVICH, Biblioteca bio-bibliografica della Terra Santa e dell'Oriente Francescano Ser. I. Tom. 2.
Quaracchi 1913. S. 103 ff.; zur fehlenden Kausalitätserklärung in der Geschichtsschreibung vgl.
JOHANNES SPÖRL, Das Alte und das Neue im Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 50 (1930),
S.524.
[253/254] II. Zur Universalkartographie des Mittelalters 87

Darum ist die descriptio orbis des Mittelalters weniger Beschreibung als
Aufschreibung, keine Abbildung, sondern eher Weltbild, imago mundi, eine
vielfach allegorisch verstandene Darstellung, völlig losgelöst von einer Erd-
vermessung. Deshalb weisen sogar manche Bibelhandschriften und Kom-
mentare oder Teile von solchen Weltkarten auf, und man wird die Universal-
kartographie bis ins Spätmittelalter hinein ebenso wie die Weltchronistik als
Hilfswissenschaft zur Bibelexegese auffassen dürfen: Sie zeigt die Orte des
Heilshandelns Gottes auf und die des in das Heilsgeschehen hineingenom-
menen Weltgeschehens; als Bestandteil der historia verdeutlicht auch sie das
zeitliche Geschehen wie die überzeitliche göttliche Wahrheit und steht im
Dienst der divina scientia.24

2. Die Rolle der Karte in der Praxis

Die Geographen und Kartographen der Neuzeit haben dem Mittelalter gern
seine Vorstellung von dieser Erde verübelt. Gerieten doch viele Erkenntnisse
antiker Naturwissenschaftler einfach in Vergessenheit, geschweige denn,
daß man auf ihren Wegen weitergeschritten wäre. So trat die Lehre von der
Kugelgestalt der Erde völlig in den Hintergrund und wurde lange Zeit ver-
dammt, obgleich sie das ganze Mittelalter hindurch Anhänger behielt von
Virgil von Salzburg bis zu Sir John of Mandeville und auch in der Kartogra-
phie immer wieder in Relikten greifbar wird. Gemessen wurde die Erde nicht
mehr, und bei Ansehung der Kartographie als exakter Wissenschaft stehen
die Araber in strahlend hellem Lichte da: Nachdem sie im 9. Jahrhundert das
Werk des Ptolemäus rezipiert haben, der bei ihnen immer lebendig bleibt,
modernisieren sie im 10. Jahrhundert das antike Kartenbild für praktische
Zwecke in Gestalt des sogenannten ,Islam-Atlasses':25 Eine Summe von Ein-
zelkarten orientiert für Verwaltung, Postverkehr, Reise und Handel und er-
strebt eine in Einzelheiten naturgetreue und aktuelle Beschreibung. Eine bei-
gegebene Weltkarte faßt die Ergebnisse zusammen, während man im Abend-
land von der Universalkartographie erst spät zur Detaildarstellung kommt.
Im 12. Jahrhundert fand die arabische Kartographie ihren Höhepunkt in
den Werken Idrisis, der praktische Erfordernisse mit dem streng wissen-
schaftlichen Kartentyp verband, während im Abendland allein die theolo-
gisch geprägte mappa mundi dominiert, die der Verdeutlichung der men-

24
Vgl. L. BOEHM, a. a. O. (Anm. 18), S.687 und H. WOLTER, a. a. O. (Anm. 17), S.80.
25
Vgl. hierzu KONRAD MILLER, Mappae Arabicae. Bd. 1-5. Stuttgart 1926-31; LEO BAGROW
und R. A. SKELTON, Meister der Kartographie. Berlin 1963. S. 63 ff.; J. G. LEITHÄUSER, a. a. O.
(Anni. 11), S. 105 ff.
88 Studien zur Universalkartographie [254/255]

schlichen Beziehungen zu Gott dient 26 auf einem vorgegebenen begrenzten


Raum.
Nur Johann von Marignola, 27 päpstlicher Legat beim Mongolenkhan in
China 1339-53, hat eine Ausnahme gemacht und die abendländische Welt-
karte als Wegweiser benutzt. 28

3. Wesenszüge abendländischer Karten

Loca, in quibus res geste sunt, hat Hugo von St. Victor einfach aufgeschrieben
in seinem «Liber de tribus maximis circumstanciis gestorum». Ob er sie auch
gezeichnet hat, ist nicht überliefert; jedenfalls wirkt seine Ortsnamenliste
wie von einer Karte abgelesen,29 als er darüber dozierte. Zur descriptio orbis
aber gehört die pictura, wie die Karte im mittelalterlichen Sprachgebrauch
genannt wird, gebannt auf die Fläche einer pergamentenen Buchseite oder
einer Doppelseite. Natürlich gab es überformatige Karten, doch gerade diese
gingen häufig verloren, während sich die Karte im Schutzverband des Kodex
erhielt. So kennt man nur mehr aus der Literatur beispielsweise die Karte des
Papstes Zacharias (741-52) im Lateran oder die Karls des Großen auf einem
Silbertisch, während sich von den spätmittelalterlichen aufgezogenen Karten
der Italiener immerhin einige erhalten haben. Zwei besonders eindrucksvolle
Karten, die als charakteristische Zeugnisse mittelalterlichen Denkens gelten,
die Ebstorfer Weltkarte von etwa 1235 und die Karte des Richard of Hal-
dingham in Hereford um 1290, dienten ursprünglich als Kirchenschmuck
und verdeutlichen schon dadurch ihre theologisch bestimmte Funktion.
Was man über die erstere, die als Opfer des Zweiten Weltkrieges zu bekla-
gen ist, in posthumen Würdigungen gesagt hat, gilt im Grunde für alle mit-
telalterlichen Weltkarten, auch für die kleinformatigen: Sie sind den Welt-
chroniken wesensverwandt, denn sie sind keine reine Erdbeschreibung, son-
dern handeln vom Welt- und Heilsgeschehen an den verschiedenen Orten;
sie berichten vom Gang der Welt seit Anfang, stellen also Statik und Dyna-

26
Vgl. DANA BENNETT DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus of the Fifteenth
Century. Leiden 1952. S. 3 zu diesen drei Kartentypen.
27
Johann von Marignola, Kronica Marignolova. Ed. Jos. EMLER. Prag 1882, in: Fontes re-
rum Bohemicarum 3. Z.B. S.496b und 510a.
28
Vgl. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die universalhistorischen Vorstellungen des Jo-
hann von Marignola OFM. Der einzige mittelalterliche Weltchronist mit Fernostkenntnis, in:
Archiv für Kulturgeschichte 49 (1967) 297ff.
29
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 145f. (= o. S.43f.).
[255/256] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 89

mik des Weltenlaufes gleicherweise dar; 30 sie geben weder den jeweils gegen-
wärtigen noch den Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt der Vergangen-
heit wieder, sondern verbinden verschiedene Zeiten ebenso munter miteinan-
der wie religiöse, politische, historische, kulturelle und physikalische Ge-
sichtspunkte. 31 Darum hat Richard of Haldingham sein Werk auch selbst
Estorie benannt. 32
Die abendländische descriptio universi orbis als imago mundi wird in der
Form der pictura fast schon ein Gegenstand der Ikonologie. 33 Ihr Mittel-
punkt ist mit Jerusalem gleichgesetzt, während sich im äußersten Osten 34 -
oben - das Paradies befindet mit den vier Paradiesflüssen35, alles auf der
Karte bildlich dargestellt.
Anders als im Westen war in Byzanz das Denken wohl immer vorwiegend
von Ptolemäus bestimmt, 36 und geographisches Schrifttum diente als prakti-
sche Anleitung.37 Eine allerdings hervorstechende Ausnahmeerscheinung ist
der Alexandriner Kosmas Indikopleustes, 38 der der syrisch-nestorianischen
Schule angehörte und in griechischer Sprache seine «Topographia Christia-
na», eine Kosmologie, verfaßte, in der er als Christ bewußt mit der gesamten
alexandrinischen Naturlehre brechen zu müssen glaubte, um ein konsequent
christliches Weltbild zu schaffen. Er leugnete daher die im byzantinischen
Raum immer lebendige Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde, sah sie
vielmehr als ein genordetes Rechteck, dessen Kanten im Verhältnis 2 : 1 ste-
hen, und dachte sich den Kosmos darüber in Gestalt des Tabernakels. In der
Tat kann man aus der Heiligen Schrift Zeugnisse für die Erde als Tabernakel

30
Vgl. WALTER ROSIEN, Die Ebstorfer Weltkarte, in: Veröffentlichungen des Niedersächsi-
schen Amtes für Landesplanung und Statistik, Reihe A II Bd. 19. Hannover 1952. S. 441; vgl. die
Statistik bei A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 162 ff. ( = o. S. 58 ff.).
31
ARMIN WOLF, Die Ebstorfer Weltkarte als Denkmal eines mittelalterlichen Welt- und Ge-
schichtsbildes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 8 (1957) S. 204ff.
32
Inschrift in der linken unteren Ecke der Karte, vgl. K. MILLER, a. a. O. (Anm. 7), Bd. 4,
S.6.
33
Vgl. die Charakterisierung einer Ikone bei F. RÖHRIG, Ikonographie, in: Lexikon für
Theologie und Kirche 5 (1960) 619f.
» Gn 2, 8.
35
G n 2 , 10-14.
36
Freundliche Mitteilung von Prof. Dr. Endre v. Ivänka, Graz/Wien.
37
Vgl. KARL KRUMBACHER, Geschichte der byzantinischen Literatur von Justinian bis zum
Ende des oströmischen Reiches, in: Handbuch der Klassischen Altertumswissenschaft, Bd. IX,
1. 2. Aufl. München 1897. S.409ff.; KARL DIETERICH, Byzantinische Quellen zur Länder- und
Völkerkunde (5.-15.Jh.). Leipzig 1912. S. XV.
38
Vgl. hierzu BERNHARD SCHLEIÜHEIMER, Kosmas Indikopleustes. Ein altchristliches Welt-
bild. Diss. München 1959; WANDA WOLSKA, La topographie chrétienne de Cosmas Indicopleu-
stès. Theologie et Science au Vie siede. Paris 1962, in: Bibliotheque Byzantine, Etudes 3.
90 Studien zur Universalkartographie [256/257]

und als Kreis beibringen. 39 Kreis und Kugel aber galten Kosmas als Symbole
der Heiden. Ansonsten erhielt er viele antike Anschauungen aufrecht, denn
er konnte nicht einfach alles erneuern, sondern mußte sich auch des Vorhan-
denen bedienen: So hat die auf dem Weltmeer schwimmende Erde wie bei
den ionischen Naturphilosophen vier Einbuchtungen, nämlich das Mittel-
meer, das Kaspische Meer, den Persischen Golf und das Rote Meer. Im
Osten - hier jedoch nicht oben, sondern rechts - befindet sich das Paradies,
das schon an seinen prachtvollen Apfelbaumbeständen kenntlich ist; es ist
freilich außerhalb Asiens, Afrikas und Europas den Menschen unzugänglich
gelegen, weil sonst längst alle hingeeilt wären. Einen weiteren Antichthonen-
kontinent außer dem Paradies kennt Kosmas im Norden, dort sollen die
Menschen vor der Flut gelebt haben. 40 Ein derartiger Teil des Alls begegnet
in den kosmographischen Skizzen des Orientalen Bar Ali41 um 900 wieder,
im Abendland blieb er unbekannt.
Von Kosmas' Karte und Werk gibt es eine Anzahl Handschriften; geformt
hat er allerdings die byzantinische Kartographie nicht.
Im Abendland hingegen nahm man an den Karten bis ins Spätmittelalter
hinein kaum Änderungen oder Modernisierungen vor. Beispielsweise sind
auf nahezu jeder Karte 42 die Mauern des befestigten Troja zu sehen, ob-
gleich es kein Kartenmaler je erschaut hatte; Konstantinopel wird dagegen
häufiger ausgelassen. Bis eine erst im Mittelalter hervorgetretene Stätte in
die Kartographie Aufnahme fand, konnte sie lange warten. Schwerwiegende
Neuergebnisse über das Aussehen ganzer Erdteile wagte man erst im Spät-
mittelalter unter arabischem Einfluß zu vermerken. Durch die Verwendung
des Kompasses gewann hier die für Segelanleitung bestimmte Portolankarte
seit 1300 Bedeutung.
Die exakte Kartographie am Ende des Mittelalters ist in der Tat u. a. ein
Geschenk der Araber an das Abendland, die den Weg bereiten halfen für die
auf Erfahrung gegründete naturwissenschaftliche Methode. 43 Erst in dieser
Zeit gibt es zweierlei Kartentypen, nämlich die zunehmend exakt wissen-

39
Häufig gyrus oder orbis genannt, dagegen Job 38, 18, Mt 24, 31 und Apk 7, 1 als eckig zu
denken; Kreis und Tabernakel genannt Is 40, 22; Belege für das Tabernakel: 2 Kor 5, 4; Hebr
8, 2; 2 P e t r i , 13; Apk 13, 6; Apk 15, 5; Apk 21, 3u.ö.
40
Ms. Vat Gr. 699 fol.40v; Abb. u.a. bei K. MILLER, a. a. O. (Anm.7), Bd.3, S.60; J. G.
LEITHÄUSER, a. a. O. (Anm. 11), S. 59; PG 88, 463ff. mit vielen anderen kosmographischen Skiz-
zen.
41
Vgl. K. MILLER, a. a. O. (Anm. 25), Bd. 5 S. 167f. mit Abb. von Ms. Paris B.N. Cod. Syr.
299fol.204r.
42
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), Tafel VI S. 166 (= o. S.62).
43
Vgl. SIGRID HUNKE, Allahs Sonne über dem Abendland. Unser arabisches Erbe Stuttgart
1962. Besonders S.226 und 230ff.
[257/258] II. Zur Universalkartographie des Mittelalters 91

schaftliche neben der theologischen, während man zuvor in der mittelalterli-


chen Kartographie keine bestimmte Entwicklung oder gar einen Fortschritt
verzeichnen kann. 44

4. Theoretische Ausführungen über das Kartenzeichnen

In der Regel besteht die descriptio universi orbis aus zwei Teilen, der scriptu-
ra und der pictura. Leider ist die Literatur nicht allzu reichhaltig, die über
das Vorgehen der Kartenzeichner Auskunft gibt, aber einige Zeugnisse sind
immerhin vorhanden.
Der früheste christliche Kartenzeichner der Lateiner, der heilige Hierony-
mus, von dem wir Karten des Heiligen Landes sowie des Orients mit dem
ostmediterranen Raum in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts besitzen -
also keine eigentliche Weltkarte! -, äußert sich in seinem «Liber de situ et
nominibus locorum Hebraicorum» 45 über die Karte, die Eusebius vom Heili-
gen Land gezeichnet haben soll: Eusebius . . . post Chorographiam terrae Ju-
daeae et distinctas tribuum sortes, ipsius quoque Jerusalem templique in ea cum
brevissima expositionepicturam, ad extremum in hoc opusculo laboravit, ut con-
gregare! nobis de sancta Scriptura omnium pene urbium, montium, fluminum,
viculorum et diversorum locorum vocabula ... Schon Eusebius also hielt theo-
retischen Traktat und bildliche Darstellung zur Ortsbeschreibung des Heils-
geschehens für erforderlich, Hieronymus selbst folgte ihm darin und erhob
zur Forderung, daß Jerusalem gemäß Aussage des Propheten Ezechiel den
Mittelpunkt der Welt zu bilden habe. 46 Ob er dies selbst verwirklichte, ist
aus den erhaltenen Karten, da sie keine Weltkarten sind, nicht sicher zu er-
sehen. 47
Orosius beschränkt die Notwendigkeit der geographischen Angaben nicht
mehr auf die Heilsgeschichte:48 Dicturus igitur ab orbe condito . . . usque ad
dies nostros. .. conflictationes generis humani et veluti per diversas partes arden-
tem malis mundum face cupiditatis incensum e specula ostentaturus necessarium
reor... Als Schauplatz des Geschehens beschreibt er die Welt in der Dreitei-
lung der Alten, damit man um so besser die örtlichen Katastrophen durch
Kriege und Seuchen aufzeigen kann; darum sei nicht nur Kenntnis von Sa-

44
J. K. WRIGHT, a. a. O. (Anm. 11), S.254.
45
In:PL23,903f.
46
Ez 5, 5 u.ö.; dazu Hieronymus, Commentarla in Ezechielem. Lib. IL in: PL 25, 52.
47
Vgl. K. MILLER, a. a. O. (Anm. 7), Bd. 3, S. 1 ff. mit Abb.; auch ebd. Bd. 2, Tafel 11 und 12
sowie Bd. 3, Tafel 1.
48
Historia adversum paganos I, 1, 14. A. a. O. (Anm.9), S.8.
92 Studien zur Universalkartographie [258/259]

chen und Zeiten, sondern auch von Orten unerläßlich. Auf die Methode und
das Malen selbst geht er nicht ein.
Ganz ähnlich äußert sich - davon war schon die Rede - wiederholt Hugo
von St. Victor, und Ranulph Higden vergleicht am Ende des sehr ausführli-
chen geographischen Teils seines «Polychronicon» ausdrücklich den mundus
maior mit dem mundus minor, für den der erstere erschaffen wurde. 49
Zum Problem, wie man bei der pictura vorzugehen habe, sind zwei Zeug-
nisse erhalten, die einander entsprechen und die ganze Problematik der spät-
mittelalterlichen Wissenschaft verdeutlichen, nämlich bei Gervasius von Til-
bury in seinen um 1214 verfaßten «Otia imperialia» und bei Paulinus Mino-
rità in dem Traktat «De mapa mundi», der einen Bestandteil der letzten,
nach 1331 entstandenen Rezension seines monumentalen Handbuchs der
Universalgeschichte bildet. Seit dem 12. Jahrhundert brach der Gegensatz
Überlieferung - Neuerkenntnis auf; das Weltbild weitete sich, Lehre stand
gegen Erfahrung.
Des Gervasius «Otia», auch «De mirabilibus mundi» oder «Descriptio to-
tius orbis» genannt, eine Weltchronik, Kaiser Otto IV. zur Unterhaltung
und Belehrung gewidmet, haben der Ebstorfer und der Hereforder Weltkar-
te als Grundlage gedient. Zu ersterer ist die Verbindung so auffallend, daß
man in Gervasius wohl ihren Maler sehen wollte.50 Sicher ist nur, daß Ger-
vasius selbst auch eine Karte gemalt hat. Im Zusammenhang über die Beibe-
haltung bzw. Modernisierung der antiken Nomenklatur 5 nennt er als Quelle
für die Provinznamen Europas und Afrikas ein altes Register der römischen
Kirche, das nicht der Metropolitaneinteilung, sondern der Provinzeinteilung
der antiken Staatsverwaltung folgt, ferner Orosius und bezeichnenderweise
die Historiographen; er habe aber sich bald an die alte Vorlage gehalten,
bald Änderungen vorgenommen nach dem modernen Sprachgebrauch, wenn
das Alte sinnlos schien, denn . . . Ut autem oculata fide avidis mentibus et si-
tientibus auribus satisfaciamus, in summa naturalem provinciarum ordinem et
situm per tres orbis partes distinctarum in emendatiore pictura subiunximus;
considerantes, quod ipsa pictorum varietas mendaces efficit de locorum ventate
picturas, quas 'mappas mundi' vulgus nominal. Plerumque enim pictor, ut alias
testis, cum de suo addit, partis mendacio totam testimonii seriem decolorai, ut in

49
Prolog des 2. Buches. Ed. CHURCHILL BABINGTON, in: Rer. Brit. Medii Aevi Script. 41,2.
London 1869. S. 144 ff. ; zu Parallelen vgl. J. K. WRIGHT, a. a. O. (Anm. 11 ), S. 147 ff.
50
Vgl. vor allem RICHARD UHDEN, Gervasius von Tilbury und die Ebstorfer Weltkarte, in:
Jahrbuch derGeogr. Ges. zu Hannover (1930) 185 ff.; W. ROSIEN, a. a. O. (Anm. 30); HANS-JOA-
CHIM SCHULZE, Gervasius von Tilbury. Sein Leben, seine Staatsauffassung und sein Verhältnis
zur Antike. Phil. Diss. Berlin 1955. Maschinenschr.
51
Ed. G.W. LEIBNIZ, in: Script, rer. Brunsvicensium 1. Hannover 1707, S. 956.


[259/260] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 93

decretis c. 3 q. 9 'pura et simplex'. Nee adscribat lector ignorantiae vel mendacio,


quod interdum nomina secus, quam hoc tempore se habent, scribimus, cum nunc
antiquitati servierimus, nunc consuetudini loquentium satisfacere nos oportuerit.
Ecce enim Babylonia Abathenis [!] olim dicebatur; Hierapolis Halap dicitur...
Sic et apud Graecos nomina mutata sunt ut Bysantium Constantinopolis; apud
Latinos Trinovantum Londonia; Agrippina Colonia ... Als Augenzeuge will
er Wißbegierigen genügen und insgesamt eine natürliche Ordnung der Pro-
vinzen, nach den drei Erdteilen geschieden, in einem verbesserten Gemälde
vorlegen. Er erwägt dabei sehr wohl, daß die abweichenden Anschauungen
der Maler über die wahre Lage der Orte jene Gemälde, die man gewöhnlich
mappa mundi nennt, ihrer Zuverlässigkeit berauben: Sehr oft nämlich ver-
dunkelt der Maler, wie anderwärts der Zeuge laut Dekret Pura et simplex,
wenn er Eigenes hinzufügt, durch eine Teilfälschung die gesamte Zeugen-
aussage. Darum möge es der Leser nicht für Unkenntnis oder Lüge ansehen,
wenn Gervasius bisweilen Namen anders, als sie jetzt gebraucht werden, ver-
wende, bald altem Brauch, bald der Umgangssprache folgend, wofür er
dann Beispiele anführt.
Gervasius, obgleich oft kritikloser Kompendienschreiber, sieht das Aus-
einanderklaffen des kartographischen Legendenmaterials mit dem modernen
Sprachgebrauch, die Verschiedenheit der historisch bestimmten Karten, und
rechtfertigt sein Vorgehen, bei dem er sich von seinem Ermessen leiten läßt.
Er vergleicht das Werk des Kartenmalers mit der Aussage des Zeugen vor
Gericht, wenn er aus dem «Decretum Gratiani» 52 die Stelle zitiert, die dem
Zeugen jede eigene, auch die gute Zutat versagt. Damit billigt er der mappa
mundi einen außerordentlichen Aussagewert zu, zeigt aber auch ihren Be-
harrungscharakter in der Malerei. Ohne aus dem Zwiespalt zwischen eigener
Anschauung und Überlieferung herausgekommen zu sein, hat er durch Poin-
tierung des Problems zumindest des Lesers Wohlwollen erworben und dem
Vorwurf der Leichtfertigkeit vorgebeugt.
Der Venezianer Paulinus Minorità begründet im Prolog zu «De mappa
mundi» 53 die Notwendigkeit sowohl der theoretischen Ausführungen zur

52
Decretum magistri Gratiani. Pars 2 causa III q. 9 c. 17. Ed. E. FRIEDBERG, in: Corpus juris
canonici 1. Leipzig 1879. Col. 533: Pura et simplex testimonii series intimanda est. Plerumque testis,
dum ad seriem gestorum aliquid ex suo adicit, totam testimonii fidem partis mendacio decolorat. Ni-
chil igitur, quod bonum videtur, addendum est. (Ambrosius, Liber de paradiso. Cap. 12., in: PL 14,
320: Pura enim et simplex mandati forma servanda, vel testimonii series intimanda est. Plerumque
... decolorat. Nihil igitur vel quod bonum videtur, addendum est.)
53
Das Werk des Paulinus ist bisher - abgesehen von kleinen Abschnitten - nicht ediert. Eine
zusammenfassende Darstellung über Person und Lebenslauf des Paulinus gab ALBERTO GHINATO
OFM, Fr. Paolino da Venetia OFM, vescovo di Pozzuoli (f 1344). Rom 1951. Dort finden sich
Handschriften und Literatur zusammengestellt. Der Prolog ist entnommen Cod. Vat. Lat. 1960
94 Studien zur Universalkartographie [260/261 ]

Geographie als auch der bildlichen Darstellung. Dieser Traktat darf übri-
gens keinesfalls als selbständiges Werk gewertet werden, sondern ist un-
trennbarer Bestandteil eines vielseitigen und kompliziert, aber auch kunst-
voll aufgebauten Kompendiums der Weltgeschichte; so enthalten die Län-
derbeschreibungen immer den Verweis auf die Kapitel des großen Erzäh-
lungsteils - der «Satyrica historia», d.i. breitausgeführte Geschichte,
überschrieben ist - und stehen neben einem sehr differenzierten synchroni-
stischen Schema sowie verschiedenartigen Registerteilen. Somit ist auch hier
die Karte wieder ganz eng verbunden mit dem vielleicht universalsten Ge-
schichtswerk des Mittelalters.
Incipit prologus in mapa [!] mundi cum trifaria orbis divisione. Sine mapa
mundi ea, que dicuntur defiliis acfiliisfiliorum Noe et que de IHIor monarchiis
ceterisque regnis atque provinciis tarn in divinis quam in humanis scriptum, non
tarn difficile quam impossibile dixerim ymaginari aut mente posse concipere. Re-
quiritur autem mapa duplex, picture et scripture. Nee unum sine altero putes sufl
fìcere, quia pictura sine scriptura provincias seu regna confuse demonstrat, scrip-
tura vero non tarnen sufficienter sine adminiculo picture provinciarum confinia
per varias partes celi sic determinai ut quasi ad oculum conspici valeant. Pictura
autem hic posila ex mapis variis est composita sumptis de exemplaribus, que
scriptum actorum concordant illustrium, quos imitamur, videlicet: Ysi/doriJ in
libro Eth[imologiarum], J[er]o[nimi] de distantia locorum et hebraicarum que-
stionum, Hug[onis] de S. Vic[tore] et Hug[onis] Floriacensis in sua ecclesiastica
ystoria, Orosii de ormesta mundi, Solini de mirabilibus mundi, G[er]vasii de
mirabilibus terrarum, Pomponii Mela [! ] de situ orbis, Ho[no]rii de ymagine
mundi, Eusebii, Bede, Justini, Balderici Dolensis episcopi in itinerario transma-
rino et aliorum plurium scribentium maxime de situ Terre Sancte et circumstan-
tium regnorum Syrie et Egypti, que ad multos passus intelligendos Sacre Scripture
necessaria sunt; in quibus studiosissimum doctorem J[er]o[nimum]plurimum la-
borasse qui legit, intelligit. Quod vero per pictores non vicietur pictura, magna
est cautio adhibenda.
Orbis autem primaria et generali sua divisione partitur in Asyam, que ad nu-
merum partium mundi tertia dicitur, magnitudine vero medietas invenitur, Eu-
ropam etAfricam. Explicit prologus.
Dieser Text ist die ausführlichste Begründung für das Kartenzeichnen, die
nachzuweisen war: Ohne Karte kann man sich weder die Geschehnisse in
heiligen noch in weltlichen Schriften vorstellen; doch ist eine doppelte mappa
mundi nötig, die aufgeschriebene und die gezeichnete. Eine ohne die andere

fol. 13, er findet sich mit vielen Lesefehlern auch bei ROBERTO ALMAGIA, Monumenta cartogra-
phica Vaticana 1. Planisferi, carte nautiche e affini dal secolo XIV al XVII, Rom 1944. S. 4.
[261/262] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 95

ist jeweils unzureichend, denn Gemälde ohne Begleittext gibt ein verworre-
nes Bild, Text ohne Zeichnung unzureichende Vorstellung über die Lage
hinsichtlich Himmelsrichtungen und Grenzen, so daß diese nicht vor das
Auge tritt. Paulin hat sein Gemälde nach Karten zusammengestellt, die über-
einstimmten mit den Schriften berühmter Autoren, welche er namentlich auf-
zählt, an der Spitze Hieronymus. Besonders warnt er, daß das Gemälde
nicht verfälscht werde durch die Maler.
Da er Gervasius gekannt hat, könnte die Mahnung von dort übernommen
worden sein. Immerhin wirkte Paulin aber vier Generationen nach Gervasi-
us; inzwischen hatte die Geographie wesentliche Fortschritte zu verzeichnen
durch Fernostreisen von Legaten und Missionaren aus den Bettelorden, stär-
keren Einstrom und vor allem Verbreitung der arabischen Wissenschaft,
Übersetzungen aus dem Griechischen bzw. Arabischen, zunehmende Kom-
paßverwendung, Aufkommen der Portolankarten. So konnte es nicht aus-
bleiben, daß auch Paulin in die Skylla und Charybdis von praktischer Erfah-
rung und Autorität der Vorlage geriet. Deutlich wird das z.B. bei der Be-
schreibung Skythiens. Paulin stellt zunächst die Schulmeinung nach Solin,
Orosius, Isidor, Hugo von St. Victor dar, um dann dieser Auffassung eine
andere Erklärung entgegenzusetzen, die sich übrigens auch in Kommentaren
zur Karte des Pietro Vesconte 54 - bei dem Paulin in erster Linie abmalte -
findet. Quelle dieser neuartigen Beschreibung Skythiens ist die Orient-Mo-
nographie des Armeniers Hethum. 55 Es heißt da bei Paulin nach alter Tradi-
tion zunächst, Skythien 56 stoße einerseits an die Grenzen Germaniens und
reiche bis zum Sererland andererseits, es gehe bis zum Kaspischen Meer und
zum Kaukasus, u.a. m. Dann fährt Paulin fort, 57 indem er sprachlich den
Stil des Orosius nachahmt:

C. XXVI: De alia divisione Scithie.


Modemi Scithiam aliter dividunt et nominant propter dominium Tartaro-
rum:

54
Vgl. Nachtrag zu den «Secreta fidelium Crucis» des Marino Sanudo. Ed. J. BONGARS, in:
Gesta Dei per Francos. Bd. 2. Hanau 1611. S. 285; dieser Text dient als Umschrift der Vesconte-
Karte und könnte theoretisch auf diesen oder auch auf Marino Sanudo zurückgehen; sein Autor
ist vermutlich identisch mit dem Verfasser des 3. Buches der «Secreta». Der Kommentar findet
sich u.a. in den Hss. Vat. Lat. 1362 A fol. lv/2r; Vat. Reg. Lat. 548 fol. 138v/139r; Vat. Lat.
2972 fol. 112v/l 13r; Oxford Bodl. Tanner 190 fol.203v/204r.
55
Text in: Recueil des historiens des croisades, in: Documents Armeniens 2. Paris 1906. S. 111
ff.
56
Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 16v.
57
Ebd., fol. 17.
96 Studien zur Universalkartographie [262/263]

Primo enim ponunt regnum Cathay, quod ab Oriente habet Occeanum, a me-
ridie insulas Occeani, ab occidente regnum Tarse, a septentrione desertum de Be-
kam.
Deinde regnum Tarse, quod ab Oriente habet regnum Cathay, a meridie ditis-
simam provinciam vocatam Sym, ab occasu regnum Turquesten, a septentrione
quoddam desertum.
Regnum autem Turquesten ab Oriente habet regnum Tarse, a meridie caput
deserti Indie, ab occidente regnum Persie, a septentrione regnum Corasmie.
Regnum vero Corasmie habet ab Oriente desertum, quod extenditur C dietis
[!], a meridie regnum Turquesten, ab occidente Caspium Mare, a septentrione
regnum Cumanie.
Regnum autem Cumanie habet ab Oriente regnum Corasmie, a meridie flu-
men, quod vocatur Maius, ab occasu Mare Maius et Tanay, a septentrione re-
gnum Rusie, sedes autem regni in Sara est.
Regnum Geòrgie habet ab Oriente magnum montem vocatum Albzor, ubi
multe naciones habitant.
Et vocatur mons et patria Ma Alania, a meridie habet Armeniam, et extendi-
tur per occidens [!] versus septentrionem usque ad aliquas provincias regni Tur-
chie.
Et longitudo extenditur per totum versus Mare Maius ex paret meridiei. Et di-
viditur in duo regna, quorum unum vocatur Abcas, semper liberum a dominio
Tartarorum, aliud Georgia, subiectum imperatori Asye.
De his regnis vide in lineis circa finem, et de dominio Tartarorum e.
CCXXIXp. VI.

Der Autor lokalisiert hier also die Turkvölker und Tataren in Skythien: das
Reich Kitai im Osten, d. h. in China, westlich davon Tarsa, das Uighuren-
reich, weiter westlich Turkestan, es folgen Qwarezm, Kumanien, nördlich
davon Rußland, westlich Georgien, Armenien, die Türkei. Alle diese Länder
sind den Tataren unterworfen, ausgenommen Abchasien. Über diese Herr-
schaften, so besagt der Verweis, soll man sich am Ende der lineae - gemeint
ist das synchronistische Schema - orientieren, über die Tataren in der pars 6
des 229. Kapitels, gemeint ist die «Satyrica historia». Damit tut Paulin kund,
daß er der zweiten Beschreibung, die die ,moderni' von Skythien lieferten,
den Vorzug gibt, weil sie die derzeitigen Verhältnisse schildert. In der Geo-
graphie ist man also fortschrittlicher als in der Kartographie, denn das ge-
sprochene bzw. geschriebene Wort hat nicht die Kraft des Bildes.
An die „pictura"aber rührte Paulin mit keinem Pinselstrich: Das besorgten
erst die Seekartenzeichner des H.Jahrhunderts behutsam, z.B. im «Katala-
nischen Atlas» der Jude Cresques um 1375. Auch hinderte das dennoch die
Weltkartenmaler am Ende des 15. Jahrhunderts keineswegs, an dem antiken
[263/264] II. Zur Universalkartographie des Mittelalters 97

Vorbild festzuhalten: Von Osmanen berichtet man sehr wohl in der Chro-
nik, auf der Karte findet man in Klein-Asien ebenso wie in Afrika die alte rö-
mische Provinzeinteilung. Freilich sind die italienischen Weltkartenzeichner
- z.B. Andrea Bianco um 1436 - fortschrittlicher und tragen manchen histo-
rischen Veränderungen Rechnung.
Die Kartographie teilt sich gewissermaßen in zwei Sparten: neben der
theologisch ausgerichteten mappa mundi mit beinahe ikonologischen We-
senszügen, die recht zählebig ist, entsteht langsam eine entwicklungsfähige
Kartographie, die von der Empirie herkommt. Geht die erstere vorn Ganzen
aus, so setzt letztere beim Einzelnen ein, z. B. bei der Karte des Mittelmeers.
Vorläufer dieser Detailkarte ist im 13. Jahrhundert die England-Karte des
Matthaeus Parisiensis; die Italien-Karte des Guido von Pisa zu Anfang des
12. Jahrhunderts kann man noch kaum in diesem Rahmen nennen.
Mappa mundi ist bei Gervasius etwas Zeitloses, das nicht ohne weiteres
angetastet werden darf; er und Paulin definieren speziell die pictura als das
von Verfälschung bedrohte Element. Aber auch Außenstehende haben die
Besonderheit der mappa mundi empfunden, denn RasTd al-Dln erwähnt im
3. Kapitel des 2. Teils seiner «Universalhistorie», in dem er das Abendland
beschreibt, daß die Franken (Abendländer) eine besondere bildliche Darstel-
lung ihrer Hemisphäre besäßen, die sie „Babmandu" (mappa mundi) nen-
nen:58 Er übernimmt hier das Fremdwort.
Darum ist mehrfach gesagt worden, in der mittelalterlichen Universalkar-
tographie sei keine Entwicklung festzustellen: Für die Lateiner drückte die
Weltkarte aus der Zeit des Augustus eine höhere geistliche Wirklichkeit,
nicht nur Form und Erfahrung aus. 59

5. Unsere Welt in den Augen des Mittelalters 6 0

Die Einteilung der Welt in die drei Erdteile: Asien, Europa und Afrika ist
antik, die Bibel kennt sie nicht; doch findet dort die Verteilung der Erde un-
ter die drei Noe-Söhne Sem (Asien), Cham (Afrika) und Japhet (Europa)

58
Histoire universelle de Rasid al-Din Fadl Allah Abul-Khair 1, Histoire des Francs. Texte
persan avec traduction et annotations par KARL JAHN. Leiden 1951. S.24.
59
Vgl. zu dieser Problemstellung J. SPÖRL, a. a. O. (Anm.23), S.297ff. und 498ff., bes.
S. 329 ff.
60
Im Vortrag konnten hier viele der besprochenen Karten als Diapositive vorgeführt werden,
wofür der Biblioteque Royale Brüssel, dem Corpus-Christi-College Cambridge, dem Britischen
Museum London, der Bodleiana Oxford, der Bibliotheque Nationale Paris, der Vaticana Rom,
der Nationalbibliothek Wien und der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel besonders ge-

Bayerische
Staatsbibliothek
München
98 Studien zur Universalkartographie [264/265]

statt. Diese dreifachen Gliederungen werden einander gleichgesetzt, und so


ist die sogenannte Noachidenkarte einfach die christianisierte Form des anti-
ken Weltbildes. Eine Vierteilung nach den vier Weltreichen Daniels ist übri-
gens kartographisch nicht belegt. Als typisch christliches Merkmal aber wei-
sen viele Karten im äußersten Osten das Paradies auf.61
Hatte Ptolemäus dem Land auf der Erdoberfläche nur ein Sechstel, dem
Wasser die übrigen fünf Sechstel zugewiesen, so spricht das 4. Esrabuch von
sechs Siebenteln Land gegenüber einem Siebentel Wasser, 62 und diese Vor-
stellung wird im Mittelalter die vorherrschende.
Das T-Schema, das sich auch auf der Augustus-Miniatur findet, sah als
Erdteilgrenzen Wasser vor, zwischen Europa und Afrika das Mittelmeer als
T-Schaft, zwischen Asien und Europa als linkes Balkenende Don, Schwar-
zes Meer und Ägäis, als rechtes den Nil. Der geometrische Erdmittelpunkt
der T-Karte lag somit im Meer, und es dauerte bis rund 1110, bis sich auch
in der pictura mit Sicherheit die Forderung aus der scriptura des Hieronymus
verwirklicht findet, daß Jerusalem und damit das Festland Weltmittelpunkt
ist und das antike Inselzentrum Delos erfolgreich verdrängt wird.
Die T-Karte ist die weitaus verbreitetste Form der mittelalterlichen Karte,
zumeist - und insbesondere in Werken, die nicht Weltchronik sind - als ganz
einfaches schematisches Kärtchen ohne weitere Nomenklatur wie auf der
Erdscheibe in der Hand des Kaisers Augustus. 63 Die T-Karte ist geostet,
doch gibt es vereinzelt auch im lateinischen Bereich Belege für unter arabi-
schem Einfluß gesüdete Karten dieses Typs. 64

dankt sei. Fünf dieser Karten sind in Schwarzweißwiedergabe dieser Publikation beigefügt. Die
Bilder werden im übrigen in den Anmerkungen mit Fundort zitiert, ggf. auch mit veröffentlich-
ten, in der Regel einfarbigen Abbildungen, wobei leicht zugängliche Publikationen den Vorrang
erhielten; außerdem sind Sektion und Nummer des Repertoriums der mittelalterlichen Weltkar-
ten von MARCEL DESTOMBES u.a., Mappemondes A.D. 1200-1500, in: Monumenta cartographi-
ca vetustioris aevi 1. Amsterdam 1964 (künftig zitiert als: Destombes) angegeben.
61
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 136, ferner S. 172 und 175 ff. ( = o. S.34,
68 und 71 ff.), dazu Vetus-Latina-Ausgabe der Genesis. Ed. BONIF. FISCHER OSB. Freiburg i.
Br. 1951-54. S. 42 mit reichem Variantenapparat.
62
J. G. LEITHÄUSER, a. a. O. (Anm. 11 ), S. 53.
63
Vgl. Liber Floridus, a. a. O. (Anm.4), fol. 138v und Ms. Paris B.N. Lat. 8865 fol. 45 (Farb-
wiedergabe auf dem Titelblatt des Repertoriums von Destombes), vgl. DESTOMBES 43, 1 und 43,
3.
64
Ms. Wolfenbüttel 52.5 Aug. 4° fol. 102 (Lukan 12.Jh.), DESTOMBES 16, 5; vgl. in diesem
Zusammenhang die Ökumene-Karte des Asaph Judaeus, 11.Jh., Ms. Paris B.N. Lat. 6556
fol.7v, 14.Jh., dazu K. MILLER, a. a. O. (Anm.7), Bd.3, S. 150, DESTOMBES 50, 17; B. R. MOTZO,
Note di cartografia nautica medioevale, in: Studi Sardi 19 (1964-65, Gallizzi-Sassari 1966)
S. 352 ff, weist diese Karte Opicinus de Canistris und damit dem 14.Jh. zu.

•V
[265/266] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 99

Dieser Kartentyp ist von primitivsten Kritzeleien bis zu hochwertigen


Kunstwerken belegt, wie etwa in der «Fleur des Histoires» des Jean Mansel
in einer Miniatur des Simon Marmion von 1455 aus der Bibliothek der Her-
zöge von Burgund.65
Die älteste Ökumene-Karte, die Karte aus Albi, die als Rudiment der
Orosius-Karte gilt, weil sie bei dessen Werk steht, stammt aus dem S.Jahr-
hundert; sie ist auch nicht rund, noch ist sie eine T-Karte, 66 doch sind deren
Merkmale schon angedeutet in der Wasserverteilung : Mittelmeer, Schwarz-
meer und Nil. Im Osten sieht man die vier Paradies-Ströme, von denen nur
zwei Legenden aufweisen.
Die älteste Isidor-Karte ist in einer St. Gallener Handschrift des S.Jahr-
hunderts erhalten. 67 Sie ist nur bedingt eine T-Karte, denn sie ist eigentlich
hemisphärisch, auch wenn die Ökumene größer geriet als die Antökumene.
Die Ökumene freilich ist vermittels des T geteilt. Diese Karte hat sehr antike
Züge, indem sie die drei Erdteile annähernd gleich groß zeigt und als Relikt
der Kugelgestalt den Antichthonenkontinent aufweist, der ganz offensicht-
lich isidorisch ist, weil er in den besten Karten zu seinem Werk erscheint,
während er in späteren Handschriften verschwindet. Die bemerkenswerteste
Isidor-Karte ist das ovale Erdbild aus dem Jahre 775, erhalten in einer vati-
kanischen Handschrift; 68 sie ist die früheste detaillierte Ökumene-Karte.
Die Antökumene ist zusammengeschrumpft zu einer insula incognita im We-
sten. Die Karte selbst erscheint nach Nordwesten orientiert, obgleich Isidor
in der scriptura der Ostung huldigt. 69 Darum erscheint das Paradies als
kleine Rosette rechts unten, umgeben von den vier Paradiesflüssen. Jerusa-
lem und Konstantinopel sind durch große, Rom, Babylon, Alexandrien und
Karthago durch kleine achtstrahlige Sterne hervorgehoben. Zinnen deuten
Gebirge an. 70

« Ms. Brüssel Bibl. Roy. 9231 Vol. I, fol.281v; Abb. bei DESTOMBES Tafel 20, vgl. DESTOM-
BES 51, 1.
66
Abb. K. MILLER, a. a. O. (Anm.7), Bd. 3, S. 58, auch BAGROW-SKELTON, a. a. O. (Anm.25),
S. 55 u n d j . G. LEITHÄUSER, a. a. O. (Anm. 11), S. 65, DESTOMBES 22, 1.
67
Abb. K. MILLER, a . a . O . (Anm. 7), Bd. 6, S. 58; vgl. DESTOMBES 1,6.
68
Ms. Vat Lat. 6018 fol.64v/65r; Abb. bei DESTOMBES, Tafel 19, ferner bei RICHARD U H -
DEN, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in: Mnemosyne 3 ser. 3 (1935/36) 1 ff.; vgl. D E -
STOMBES 1, 7.
69
Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri XX. Ed. W. M.LINDSAY.
Oxford 1911. Vgl. Lib. XIII, 16, 7; Lib. XIV, 3, 31; 3, 34; 4, 2; 5, 3; 6, 8.
70
Vgl. zur Gebirgsdarstellung JOSEPH ROGER, Die Bergzeichnung auf den älteren Karten. Ihr
Verhältnis zur darstellenden Kunst. München 1910; ferner J. K. WRIGHT, a. a. O. (Anm. 11),
S.252f.
100 Studien zur Universalkartographie [266/267]

Ansätze zur Verbindung der T-Karte mit der Ökumene-Karte weisen auch
die Gemälde des Beatus von Liébana auf, der um 776/86 seinem «Apokalyp-
sen-Kommentar» eine Erddarstellung anläßlich der Aussendung der Apostel
beigab. Ihre prächtigste Ausführung ist die von S. Sever.71 Den ursprüngli-
chen Zweck, die Einzeichnung der Apostel-Wirkungsstätten, zeigt nur noch
die von Osma 1203. 72 Diesen Karten geht die Betonung des rechten Balkens
des T noch völlig ab, auch kennen Beatus wie Isidor die Antökumene, frei-
lich als verkleinerten Kontinent im Süden.
Im übrigen vermeidet man das Einzeichnen großflächiger weißer Flecken
für Räume, über die man nichts weiß: Nur die Ökumene hat Wert für den
Historiker. So ist z. B. das noch unbekannte Nordost-Europa, d. h. Scythia
inferior, ganz zusammengedrängt, das Schwarze Meer auf der Karte von S.-
Séver liegt unmittelbar beim nördlichen Welten-Ozean. Der Maler beendet
die Darstellung Asiens mit der Notiz hie finis Asiae und fährt darunter, d. h.
weiter westlich, fort: hie caput Europae, unmittelbar neben der Legende Da-
da. Dakien, nach unserer Auffassung im Südosten Europas gelegen, wird so
zum Anfang des Kontinents im Nordosten, weil die Ökumene mediterran
gedacht ist. Diese Tatsache mag neben den Herkunftssagen, die den An-
schluß der mittelalterlichen Völker an biblische und antike Stämme bewußt
suchen, ein Grund sein für die Gleichsetzung von Dacia und Dänemark seit
dem Hohen Mittelalter.
Während die Beatus-Karte gewöhnlich in ovaler Form überliefert ist, ist
die sogenannte Cottoniana 73 in einer Sammelhandschrift enzyklopädischer
Natur aus dem Beginn des 11. Jahrhunderts rechteckig. 74 Mittelpunkt ist
noch die Ägäis. Jerusalem liegt im Süden davon. Auf der 100 Jahre jüngeren
ovalen Karte, die der Mainzer Domherr Heinrich 1109 zur «Imago mundi»
des Honorius Augustodunensis entwarf,75 liegt es im Osten, Mittelpunkt der
Welt ist eine große mit Cyclades gekennzeichnete Insel - Delos -, umgeben
von einem Kranz kleiner Eilande. Zum gleichen Zeitpunkt, in einer astrono-
mischen Handschrift von 1110, wurde erstmals der Forderung des Hierony-
mus Genüge getan, Jerusalem im Mittelpunkt der pictura erscheinen zu las-

71
M s . Paris B.N. Lat. 8878 fol.45ter, 1 l.Jh.; A b b . bei K. MILLER, a. a. O ( A n m . 7 ) , Bd. 1 als
Farbtafel, ferner DESTOMBES Tafel 9; vgl. DESTOMBES 17, 7.
72
A b b . K. MILLER, a. a. O ( A n m . 7 ) , Bd. 1 S. 35 u n d B d . 2 Tafel 3 ; vgl. DESTOMBES 17,8.
73
M s . L o n d o n B.M. C O T T . T i b . B. V. fol.56v; A b b . bei K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 7 ) , Bd.2
Tafel 10 und BAGROW-SKELTON, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Tafel 17 S. 3 4 3 ; vgl. DESTOMBES 24, 6.
74
Ü b e r den Einfluß des Beschreibstofformates auf die K a r t e vgl. K. MILLER, a. a. O.
( A n m . 7 ) , B d . 3 S . 7 6 - 7 8 : M a t t h a e u s Parisiensis gesteht, d a ß seine E n g l a n d k a r t e die Insel länger
zeigen müßte, wenn es das Blatt erlaubte; im )3.Jh. beginnt m a n auch im A b e n d l a n d zu messen.
75
M s . C a m b r i d g e C o r p u s Christi College 66 p . 2 ; A b b . bei K. MILLER, a. a. O (Anm.7),
Bd. 2 Tafel 13 und Bd. 3 Tafel 2; vgl. DESTOMBES 2 5 , 3.
[267/268] IL Z u r Universalkartographie des Mittelalters 101

sen. Dabei stört es den Maler nicht, daß Jerusalem ins Wasser zu liegen
kommt, gewissermaßen eine Insel ist.76
Guido von Pisa zeigt sich davon unberührt, 77 auf seiner um 1119 zu den
«Historiae Variae» entstandenen übrigens sehr gewässerreichen Karte liegt
das Weltzentrum im Meer.
Die allegorische Kartographie als ancilla theologiae erlebt ihren Höhe-
punkt im 13. Jahrhundert. Am Anfang steht die berühmte Ebstorf-Karte von
etwa 1235, bei der die Welt als Leib des Gekreuzigten erscheint:78 In ihrem
Mittelpunkt, in Jerusalem, entsteigt der Erlöser dem Grabe. Die Symbolik
erinnert an die von Kreuzesmystik geprägte Weltvorstellung des Johann von
Marignola. Gewissermaßen Kleinausgabe hierzu ist die sogenannte Londo-
ner Psalterkarte 79 aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Ihr Durchmesser
beträgt nur 8 cm, sie ist eine T-Karte mit voller Ökumene, hat Jerusalem im
Mittelpunkt und das T daher leicht nach unten verschoben. Über dem Erd-
kreis steht der segnende Christus, beseitet von zwei Engeln mit Weihrauch-
fässern. Auf der Hereford-Karte gegen Ende des Jahrhunderts thront der
auferstandene Christus mit den Nägelmalen über der Erde. 80 Das ist pictura
im Vollsinne, Abbild des Heiligen und der Heiligung.
Man kann sich die descriptio orbis auch wesentlich leichter machen: Man
teilt einen Kreis durch das T in der üblichen Weise und schreibt einfach li-
stenhaft und oft wahllos ohne Konturen in jeden Erdteil die dorthin gehöri-
gen Länder- und Ortsnamen hinein. Das mag ganz sinnvoll sein, wenn man
eine strenge Noachidenkarte malt - derart, daß man die in der Bibel im Rah-
men der Völkerteilung benannten Nachkommen Noes den Erdteilen der T-
Karte zuordnet, wie das Lambert von Saint-Omer in seinem mehrfach zitier-
ten «Liber Floridus» besorgt. 81 Das ist aber dann eine graphische Darstel-
lung der Völkertafel, keine Erdkarte.

76
Abb. bei K. M I L L E R , a. a. O . ( A n m . 7 ) , B d . 3 S. 119; vgl. D E S T O M B E S 25, 8.
77
M s . Brüssel Bibl. Roy. 3 8 9 7 - 3 9 1 9 fol.53v; A b b . bei K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 7 ) , B d . 3
S. 56; vgl. D E S T O M B E S 2 5 , 2.
78
Vgl. K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 7 ) , B d . 5 mit Tafel; A b b . auch bei BAGROW-SKELTON, a. a.
O . ( A n m . 2 5 ) , S.91-94, Tafel 22 und 23 S.348f. u n d j . G. LEITHÄUSER, a. a. O . ( A n m . 1 1 ) , S.75,
8 5 - 8 8 , 911 ; vgl. DESTOMBES 52, 2.
79
Siehe A b b . 1 (vgl. unten Tafel 42); M s . L o n d o n B.M. A d d . 28681 fol.9, vgl. DESTOMBES
49, 8. Die D a t i e r u n g 2. statt üblicherweise 1. Hälfte des 13.Jh. wird H e r r n Dr. Reiner H a u s -
sherr, Bonn, verdankt.
80
Vgl. K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 7 ) , B d . 4 mit Tafel; A b b . auch bei BAGROW-SKELTON, a. a.
O . ( A n m . 2 5 ) , Tafel 24 S.350 und J. G. LEITHÄUSER, a. a. O . (Anm. 11), S.97; ferner W . L. BEVAN
und H . W. PHILLOT, Mediaeval G e o g r a p h y , an Essay in Illustration of the H e r e f o r d M a p p a
M u n d i . L o n d o n 1873; vgl. DESTOMBES 52, 3.
81
M s . Wolfenbüttel 1 G u d . l a t fol. 5, E n d e 12.Jh.; vgl. DESTOMBES 4 3 , 2.
102 Studien zur Universalkartographie [268/269]

Diese Art von ,aufgeschriebener'; Karte tritt auch sonst ziemlich häufig
auf und zeigt, daß man wirklich dem describere auf die verschiedenste Weise
gerecht zu werden versucht. Das beweist auch, was schon betont wurde, daß
die Karte niemals praktischen Zwecken dienen konnte: Mit solch einer Karte
im Gepäck hätte man Indien oder Persien schwerlich leichter auffinden kön-
nen, als wenn man gar keine Karte besessen hätte. 82 Das befremdlichste Bei-
spiel dieser Art ist die Karte des Dominikaners Wilhelm von Tripolis, 83 der
als Missionar in Akkon lebte und von Papst Gregor X. mit Marco Polo so-
wie einem anderen Ordensbruder zu den Tataren entsandt wurde: In Arme-
nien wurde ihm das Unternehmen freilich ungemütlich, darum kehrte er um.
Die Karte zu seinem Werk «De statu Saracenorum» konnte schwerlich wirk-
lichkeitsferner ausfallen. Alle Namen stammen aus Isidor, sie sind einfach
wahllos heruntergeschrieben, so daß Wilhelm hinsichtlich Modernisierung
sich noch nicht einmal dem Vorwurf ausgesetzt hätte, er hätte eine scriptura
eigenmächtig verwandelt. Von Sarazenen ist keine Spur zu entdecken, ge-
schweige denn von Akkon, Tataren u. a.
Zwischen den gemalten und den aufgeschriebenen Karten gibt es Misch-
formen, die konturenlose oder konturenarme Karte mit Legenden. Auch die
Weltkarte des Matthaeus Parisiensis84 gehört im weiteren Sinne hierhin,
denn sie hat zwar ziemlich exakte Konturen der Gewässer, ist also noch
„pictura", deutet wohl auch mit der Placierung der Legenden die Lokalisie-
rung an, wirkt aber doch streckenweise sehr aufgeschrieben; sie ist zudem
nicht vollständig. Vielfach sind freilich die Kopisten an derartigen Verro-
hungen schuld, das wird deutlich am Beispiel der letzten großen mittelalter-
lichen Weltkarte, die England hervorgebracht hat, an der Karte des Ranulph
Higden (etwa 1347) in seinem «Polychronicon». Von ihr haben wir relativ
differenzierte, anspruchsvolle Ausführungen85 neben ganz einfach aufge-
schriebenen Fassungen, 86 wenn auch die Anordnung der Legenden immer

82
M s . Wolfenbüttel 83.4 Aug. 2° fol. 228v (Isidor 1 5 J h . ) ; vgl. z. B. DESTOMBES 2 8 , 3 2 .
83
Siehe A b b . 2 (vgl. unten Tafel 44); M s . Paris B.N. Lat. 5510 fol. 118; vgl. DESTOMBES 50,
16.
84
M s . L o n d o n B.M. N E R O D . V. fol. lv; A b b . bei K. MILLER, a. a.O. ( A n m . 7 ) , B d . 3 S.701
und BAGROW-SKELTON, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Tafel 19 S.345; vgl. DESTOMBES 54, 2.
85
M s . L o n d o n B. M . ROY. M S . 14 C I X fol. Lv-2r u n d 2v; M s . O x f o r d Bodl. T a n n e r 170
fol. 15v und C a m b r i d g e C o r p u s Christi College M s . 21 fol.9v; A b b . Bei K. MILLER, a. a. O .
( A n m . 7 ) , Bd.2 Tafel 14 und 15 und BAGROW-SKELTON, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Tafel 21 S.347 u n d J.
G. LEITHÄUSER, a. a. O . (Anm. 11), S.81; vgl. D E S T O M B E S 47, 1; 47, 2; 47, 4 u n d 47, 12 mit Abb.
Tafel 14.
86
M s . Vat. Reg. Lat. 7 3 1 , 1 5 J h . , DESTOMBES 47, 18; ähnliche A b b . bei K. MILLER, a. a. O .
( A n m . 7 ) , Bd.2 Tafel 16 und BAGROW-SKELTON, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , S.56.
[269/270] IL Z u r U n i v e r s a l k a r t o g r a p h i e des Mittelalters 103

noch etwas über die Lage der Orte aussagt. Ein Abbild oder Bild ist das
nicht, höchstens ein Inventar der Welt.
Die theologisch bestimmte Ökumene-Karte als Gemälde hat noch das
ganze Spätmittelalter hindurch höchst primitive Machwerke hervorgebracht,
wenn auch in frömmstem Sinne. Der Minorit Johann von Udine um 1350 ist
dafür ein Beispiel,87 der als Weltchronist sein Werk aus Petrus Comestor
und einer Fassung der Papst-Kaiser-Chroniken ohne große Mühewaltung
zusammenstoppelte. Bei ihm liegt Jerusalem vorschriftsmäßig im Zentrum,
durch ein birnenförmiges Binnenmeer mit Venedig verbunden. Ebenso ist
das Rote Meer ein Binnensee, nicht weit von Achäa und Patras entfernt. Na-
he Jerusalem befindet sich ein Wassergebilde, das eine Mischung von Totem
Meer und See Genezareth zu sein scheint. Ungewöhnlich an dieser Karte ist
die von den Arabern übernommene Südung, einer der frühesten Belege in
der christlichen Literatur für diese Erscheinung. Kopisten freilich haben die
Karte um 90° gedreht und gewissermaßen wieder zurechtgerückt, wie ein
Minorit von Celle.88 Eine der ersten Inkunabel-Karten, die Karte der Lü-
becker Weltchronik «Rudimentum noviciorum» um 1475, 89 ist noch solch
völlig unzeitgemäße Schema-Darstellung, obgleich die Kartographie inzwi-
schen zu ganz neuen Formen gekommen war.
Bereits um 1300 hatte in Italien die Herstellung der Portolankarte einge-
setzt, auf der Kompaßbenutzung beruhend. Sie diente der Seefahrt, hatte
die Beschaffenheit der Küsten zum Thema - kenntlich an der Unzahl loxo-
dromischer Linien auf dem Wasser - und sollte die alten Küstenhandbücher
ersetzen. Gewöhnlich hat sie nur das Mittelmeer und die westeuropäische
Atlantikküste zum Gegenstand, ist also keine Weltkarte; doch blieb sie nicht
ohne Wirkung auf die Universalkartographie. Hier ist die heute verlorene
Karte des Priesters Johannes v. Carignano, Klostervorstehers von San Mar-
co in Genua, von besonderem Interesse, weil Johannes, der selbst kein See-
fahrer war, durch widrige Winde zu Genua festgehaltene Äthiopier 1306
über die Natur ihres Landes ausgefragt haben will. Er berichtete darüber in
seiner beigegebenen, mappa genannten scriptum,9® wo er den Priesterkönig

87
C o d . lat. M o n a c . 721 fol.70v; A b b . bei K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 7 ) , B d . 3 S. 146; vgl. D E -
STOMBES 5 1 , 14.
88
M s . Wolfenbüttel Heimst. 442, V o r d e r d e c k e l innen; vgl. DESTOMBES 5 1 , 39.
89
Vgl. A b b . bei B A G R O W - S K E L T O N , a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , S. 138 und J. G. LEITHÄUSER, a. a. O .
(Anm. 11), S. 142; vgl. D E S T O M B E S 57, 2.
90
Vgl. R. A. SKELTON, An Ethiopian Embassy t o Western E u r o p e 1306, in: O . G. S.CRAW-
FORD, Ethiopian Itineries ca. 1400-1524. C a m b r i d g e 1958, in: H a k l u y t . Soc. II ser. N r . 109.
S . 2 1 2 - 2 1 5 ; A b b . d e r K a r t e bei BAGROW-SKELTON, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Tafel 33 S.359 u n d J. G .
LEITHÄUSER, a. a. O . (Anm. 11 ), S. 124.
104 Studien zur Universalkartographie [270/271]

Johannes in Äthiopien ansiedelte - das früheste abendländische Zeugnis für


die sichere Verbindung dieser europäischen Legendengestalt mit dem christ-
lichen afrikanischen Imperium.91 Jedenfalls hatte Johann ziemlich gute
Kenntnisse über Afrika und Nordeuropa, auch führte er das Binnenland ne-
ben der Küste im Gegensatz zu den meisten Portolanzeichnern 92 eingehend
aus.
Eine der fortschrittlichsten Karten des Spätmittelalters ist die des Brunetto
Latini, erhalten aus dem Beginn des H.Jahrhunderts 9 3 in einer Handschrift
der 1260-66 verfaßten Enzyklopädie «Li livres dou trésor». Sie zeigt das
Mittelmeer in recht exakten Konturen, ebenso das Schwarze Meer. Das Kas-
pische Meer freilich fehlt vollständig. Die Karte entbehrt aber jeglicher Le-
gende und gibt daher ihrem Betrachter einige Rätsel auf. Allgemein gilt sie
als frühestes Beispiel einer gesüdeten abendländischen Ökumene-Karte. Das
stimmt, wenn man den Kodex in Leseposition bringt, aber nur bedingt: Ei-
gentlich ist sie nämlich drehbar wie viele der großen italienischen Karten des
14. und 15. Jahrhunderts; 94 das ersieht man aus der Stellung der auf dem
Lande verstreuten Dreizinner, die Städte andeuten: zumeist stehen sie im un-
teren Viertel bei Drehung jeweils senkrecht. Diese Drehbarkeit ist ein Kenn-
zeichen vieler Portolani.
Dieser Karte nahe steht ohne Zweifel die mehrfach erwähnte Karte des
Pietro Vesconte, 95 vor 1321 angefertigt zu den «Secreta fidelium Crucis» des
Marino Sanudo zwecks Organisation eines Kreuzzuges. Fehlte bei Brunetto
das Kaspische Meer, so ist es hier gleich doppelt vertreten und erstmals rich-
tig als Binnenmeer erkannt. Wie bei Brunetto ist Afrika nach Osten verlän-
gert, Indien leicht nach Südosten verschoben, die Tataren haben Eingang in
die Universalkartographie gefunden. Hatte aber Brunetto in der Nähe der
Pole viele Städtesymbole ähnlich wie die Araber, fehlen diese bei Vesconte.
Die Karte ist zudem in den meisten erhaltenen Fassungen mit einem Netz lo-
xodromischer Linien überzogen.

" Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 28), S. 331 f. mit Literatur zu etwaigen früheren
Beziehungen des Priesterkönigs Johannes zu Äthiopien, besonders Anm. 282.
92
Beispiel einer Portolankarte aus Venedig aus der Zeit um 1400 in: Ms. Oxford Bodl. Dou-
ce 390.
93
Ms. Oxford Bodl. Douce 319 fol. 8; Abb. nur bei YOUSSOUF KAMAL, Monumenta cartogra-
phica Africae et Aegypti. Kairo 1926-52. Bd.4 fase. 1 fol. 1124; vgl. DESTOMBES 50,15.
94
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 129 ( = o. S.27).
95
Ms. Vat. Pal. Lat. 1362A fol. lv/2r; Vat. Lat. 2972 fol. 112v/l 13r; Vat. Reg. Lat. 548
fol. 138v/139r und Oxford Bodl. Tanner 190 fol.203v/204r; Abb. Bei R. ALMAGIÀ, a. a. O.
(Anm.53), Tafel 5, vgl. Tafel 10, auch bei BAGROW-SKELTON, a. a. O. (Anm.25), Tafel 35 S.361
und J. G. LEITHÄUSER, a. a. O. (Anm. 11), S. 123; vgl. DESTOMBES 54, 9 und 54, 11-13.
[271/272] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 105

Eben diese Karte hat Paulinus Minorità so zugesagt, daß er sie als pictura
getreulich kopiert hat, während er in der scriptura ganz andere Vergleiche
heranzog und wesentlich ausführlicher war als Vesconte. 96 Paulins Bedeu-
tung liegt nicht in seiner Originalität, sondern im Geschick der Auswahl sei-
ner Vorlagen: er hat sich denn auch die beste zu seiner Zeit bekannte Erd-
karte zunutze gemacht. Auch moderne Universalhistoriker können höchst
selten in Einzelheiten originell sein, im Gespür für Quellen und in der Über-
sichtlichkeit der Darbietung liegt der Wert ihrer Werke. Des Paulinus Opus
soll aber hier auch noch mit einer in dieser Form originellen Leistung vorge-
führt werden: Sind Annalentafeln graphische Darstellung der tempora, quan-
do res geste sunt, und mappae mundi der ,loca, in quibus geste sunt, so ist die
Verbindung von beidem die synchronistische Tabelle. Um seine eigentliche
Darstellung der Geschichte in der letzten Rezension, «Satyrica rerum gesta-
rum historia» benannt, nicht allzusehr durch Tabellen zu zerreißen, bzw.
die Tabelle durch Erzählungen zu unterbrechen, wie das in der 2. Rezension
geschehen war, trennte Paulin die synchronistische Erdbeschreibung ebenso
wie die descriptio orbis heraus und stellte sie mit anderen geschlossenen Spe-
zialabschnitten an den Anfang. Keine bisher bekannte synchronistische
Weltgeschichte des Mittelalters hat auch nur die Hälfte des Umfangs von
der des Paulinus erreicht, er braucht Doppelseiten in Überformat, die er mit
winzigen Buchstaben bekritzelt. Das Hervorstechende aber ist, daß Paulin
in der Anordnung der lineae der einzelnen regna annähernd der Weltkarte
folgt, d.h. er beginnt oben, im Osten, so daß der Ehrenplatz links den Tata-
ren zufällt. Die Abfolge nennt 97 1. Turquesten als die tatarischen Stammlan-
de mitumfassend, 2. Catay oder China, 3. Cumania oder Kiptschak, 4. Asia,
Persia oder Taurisium, d.i. Täbris, als Reich der Ilkhane, 5. Damaskus als
Sitz des Hauses des großen Saladin, 6. Ägypten mit Ayyubiden und Mame-
lucken, 7. Armenien, 8. Antiochien mit seinen lateinischen Herren, 9. Cy-
pern unter den Lateinern, 10. Jerusalem mit Nennung der Titularherrscher,
11. Venedig - beinahe in der Weltmitte! -, 12. Gelehrte, 13. Gegenpäpste -
was bemerkenswert ist -, 14. Päpste, 15. Kaiser, 16. eine Spalte für de statu
ecclesiae et conciliorum, 17. imperatores Graecorum mit Teilung in lateinische
Kaiser und deren Titularnachfolger sowie Griechen, 18. Könige Frank-
reichs, 19. Könige Siziliens, 20. Könige von Ungarn, 21. Könige von Kasti-
lien, 22. Könige von Leon, 23. Könige von Portugal, 24. Könige von Ara-
gon, 25. Könige von England und 26. von Schottland. Noch immer huldigt

96
Ms. Vat. Lat. 1960 fol.264v; Abb. bei R. ALMAGIÀ, a. a. O. (Anm.53), Tafel 1; Abb. von
Ms. PARIS B. N. Lat. 4939 fol.9 DESTOMBES Tafel 16; vgl. DESTOMBES 54, 3 und 10; siehe Abb. 3
(vgl. unten Tafel 54).
97
Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 11 v/12r. - Eingehendere Studie ist vorgesehen.
106 Studien zur Universalkartographie [272/273]

man der Wanderung der Reiche von Osten nach Westen, freilich nicht mehr
nur im Sinne der vier danielischen Weltreiche. Auch Paulins lineae dürfen als
Form von ut describeretur universus orbis aufgefaßt werden.
Nicht eigentliche Weltkarten sind die Portolankarten des Opicinus de Ca-
nistris. Opicinus, gebürtig aus dem Räume Pavia, lebte an der Kurie zu Avi-
gnon als Kleriker und litt zeitweise an schweren Erkrankungen. Sein Werk,
der überformatige Cod. Pal. Lat. 1993 der Vatikanischen Bibliothek von
1334/36, ist eine Sammlung allegorischer Tafeln in meist geometrischer An-
lage, gefüllt mit merkwürdigen Zeichnungen und Legenden. Von insgesamt
52 Tafeln enthalten 25 Landkarten des Mittelmeerraumes, Kalender u.a.
Die Karten haben Portolane zum Vorbild und sind übersät mit loxodromi-
schen Linien. Ortsnamen finden sich nicht viele, doch sind sie nicht auf die
Küsten beschränkt. Opicinus gebrauchte diesen an sich exakt und empirisch
bestimmten Kartentyp als Ausdrucksmittel seines rätselhaften Symbolismus,
nutzte das neue Wissen für die alte Exegese als eine „carte moralisée". 98 So
zeigt er eine Vorliebe für ovale Formen oder verbundene Doppelovale.
Z.B. 99 weist das obere Oval eine große Papstfigur mit einer sponsus-sponsa-
Medaille auf der Brust auf, die unten mit einer Königsfigur belegt ist, wäh-
rend das andere Oval den Mittelmeerraum darbietet. Das grüne Meer hat
die Form eines Teufels, des Meermannes, als corpus peccati bezeichnet. Stellt
man das Bild auf den Kopf, so hat Europa die Form eines Mannes mit dem
Kopf Spanien und den Beinen Italien und Griechenland, Afrika die einer
Frau, beide Erdteile gedeutet als Ausdruck sinnlicher Begier. Das Schwert in
der Scheide des Europamannes weist nach Konstantinopel. Parallel dazu
zeigt eine andere Zeichnung 100 - ohne Farbe, aber mit reichhaltigeren In-
schriften - im oberen Oval die Mater Ecclesia mit Maria und Elisabeth im
Brustmedaillon, Jesus und Johannes dem Täufer in einem weiteren Medail-
lon. Die Welt ist das Symbol der Sünde, die Lombardei das Zentrum der
Verworfenheit. Das auf Konstantinopel gerichtete Schwert trägt die Inschrift
conversio gladii Petri per Christum. Bei Jerusalem ist der gekreuzigte Christus
abgebildet, und der rivus sanguinis aus der Seitenwunde führt als loxodromi-
sche Linie über das Bild. In den Scheitelpunkten stehen die Evangelistensym-
bole. Die Rückseite des gleichen Bildes101 zeigt den Mittelmeerraum in spie-
gelbildlicher Darstellung, eingebettet in eine menschliche Figur. Sie stellt La-

98
Vgl. hierzu RICHARD SALOMON, Opicinus de Canistris. Weltbild und Bekenntnisse eines
avignonesischen Klerikers des 14. Jahrhunderts, London 1936. Text- und Tafelband mit einfar-
biger Wiedergabe aller Tafeln.
99
Vat. Pal. Lat. 1993 fol.20r; Abb. Tafel 39 bei R. SALOMON.
100
Ebd., fol. 18r, Tafel 35.
101
Ebd., fol. 18v, Tafel 34.
[273/274] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 107

zarus im Sarge dar, gebunden durch die Sünde. Dann wieder soll die Figur
die danielische Säule, das Symbol der vier Weltreiche, sein; auch hier finden
sich die Evangelistenzeichen.
Hier seien einige Karten angefügt, die nicht eigentliche Portolankarten
sind, aber sich deren Fortschritt zunutze machten. Dazu zählt die Weltkarte
des Salzburger Benediktiners Andreas Walsperger um 1448, 102 noch kreis-
förmig, aber gesüdet. Links ist im äußersten Osten das Himmlische Jerusa-
lem abgebildet, in der Mitte das irdische. Das Rote Meer wirkt als wahrhaft
roter Farbklecks. Im Vergleich hierzu erscheint die auf Metall gravierte et-
was jüngere, gleichfalls gesüdete Borgia-Karte rückständig, 103 Europa ist
unverhältnismäßig vergrößert. Die letzten mittelalterlichen Karten sind pto-
lemäisch bestimmt, weil Ptolemäus seit Anfang des 15. Jahrhunderts im
Abendland rezipiert wurde. Daher haben sie die Form sphärischer Rechtek-
ke, so in der simplen Inkunabel-Karte der Schedeischen Weltchronik von
1492. 104 Die bei den Malern so beliebten Monstren hat Hartmann zwar
nicht mehr auf der Karte eingezeichnet, ihnen aber eine Sondergalerie an
Holzschnitten eingeräumt. Diese Karte ist genordet wie alle ptolemäisch be-
einflußten, z.B. schon die sehr viel bessere vatikanische Karte von vor 1438
(nach Pirnas de Noha um 1414) zu Pomponius Mela 105 oder die Karte, die
Johannes de Vico aus Douai, gleichfalls um 1492, 106 einem universalhistori-
schen Lehrbuch in feiner künstlerischer Ausgestaltung für Philipp den Schö-
nen beigab.
In diesem Zusammenhang ist auch die Weltkarte zu sehen, die seit einigen
Jahren die Fachwelt in vieler Hinsicht erregt, die auf etwa 1440 datierte so-
genannte Vinland-Karte, 107 die 1958 in Verbindung mit einer Papierhand-
schrift des «Speculum historiale» des Vincenz von Beauvais und einer «Hi-
storia Tartarorum» auftauchte. Während sie im ganzen die Merkmale ihrer

102
M s . Vat. Pal. Lat. 1362B; A b b . bei R. ALMAGIÀ, a. a. O . (Anm. 53), Tafel 12; bei D . B. D U -
R A N D , a. a. O . (Anm. 2 6 ) , Tafel 15 u n d bei D E S T O M B E S Tafel 3 1 ; vgl. D E S T O M B E S 52, 10.
103
A b b . bei D E S T O M B E S Tafel 2 9 , B A G R O W - S K E L T O N , a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , S. 100 u n d J. G . L E I T -
HÄUSER, a. a. O . ( A n m . 11), S. 1 4 3 ; vgl. D E S T O M B E S 5 3 , 1.
104
A b b . leicht zugänglich im N a c h d r u c k d e r Inkunabel. M ü n c h e n 1964, fol. X I I I .
105
M s . Vat. Arch. S. Pietro H . 31 fol.8v; A b b . bei DESTOMBES Tafel 22, bei BAGROW-SKEL-
T O N , a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Tafel 41 S.367 und J. G . LEITHÄUSER, a. a. O . (Anm. 11), S. 145; vgl. D E -
STOMBES 5 1 , 34.
106
M s . Wien Ö N B . 325 fol.9v; DESTOMBES 5 1 , 37.
107 Ygi j a s Sammelwerk: T h e Vinland M a p a n d t h e T a r t a r Relation. By R. A. SKELTON,
T H O M A S E. M A R S T O N and G E O R G E D . PAINTER. N e w H a v e n and L o n d o n 1 9 6 5 ; in d e r g e s a m t e n
F a c h l i t e r a t u r setzten seit 1966 d a z u zahlreiche kritische Auseinandersetzungen ein, die bisher
n o c h nicht abgeschlossen sind.
108 Studien zur Universalkartographie [274/275]

Zeit aufweist - es fehlt ihr freilich der Rahmen! -, zeigt sie neben Island und
Grönland das rätselhafte Vinland, d.i. Weinland, nämlich das Amerika der
Wikingerzeit, von dem schon Adam von Bremen wußte und das Leif Erikson
und Biarni entdeckten.
Die zuletzt genannten Karten muteten in mancher Hinsicht modern an
und hatten den T-Typus überwunden. Immerhin waren sie Ökumene-Karten
und paßten in die theologisch bedingte Weltsicht des christlichen Mittelal-
ters. 108
Anders steht das mit der hemisphärischen Karte in ihren Ausprägungen:
Zonen- und Klimatenkarte. Diese sind in der antiken Naturlehre verwurzelt
und haben im Grunde die Kugelgestalt der Erde zur Voraussetzung, sind
daher im Mittelalter nicht häufig.
Die Zonenkarte geht auf Krates von Mallos (2.Jh. v.Chr.) zurück. Sie
kommt im Mittelalter in der Regel in Verbindung mit dem Kommentar des
Macrobius zum «Somnium Scipionis», ferner im 12. Jahrhundert bei Wil-
helm von Conches aus der Schule von Chartres vor. Sie kennt fünf Zonen,
zwei kalte unbewohnbare an den Polen, zwei anschließende gemäßigte und
in der Mitte eine heiße unbewohnbare. Obgleich beide gemäßigten Zonen
Leben zulassen, ist nur die nördliche bevölkert. Häufig ist die Zonenkarte
genordet oder gesüdet, auch wohl seltener geostet.
Eine kunstvolle und streng hemisphärische Weiterbildung der großen vati-
kanischen Isidor-Karte scheint die geostete pictura einer vatikanischen
Handschrift von 1055 zu sein, die sich in einer Legende als Abbildung der
verlorenen Wandkarte des Theodulph von Orleans zu erkennen gibt. 109 Mit
einiger Phantasie kann man sogar das T der Wasser im Halbkreis erkennen.
Jerusalem liegt in der Mitte der Ökumene, Konstantinopel erscheint sehr
prächtig, Rom wesentlich kleiner, dazu in Italien Ravenna und Benevent.
Lambert von Saint-Omer hat neben den T-Karten der Völkerteilung und
in der Hand des Augustus gleich mehrere Zonenkarten geliefert, darunter
die hemisphärische T-Karte, n o für die er Martianus Capella als Vorlage
nennt. Oben im Osten liegt das Paradies, unten im Westen frieren die Anti-
poden auf einem Sondereiland in unvorstellbarer Hitze [ !].

108
Vgl. D. B. DURAND, a. a. O. (Anm. 26), S. 17.
109
Ms. Vat. Reg. Lat. 123 fol. 143v/144r; Abb. bei DESTOMBES Tafel 18; vgl. ebd 24, 11. Die
Originalkarte des Theodulph war vielleicht einem Tisch eingraviert, vgl. DIETER SCHALLER, Phi-
lologische Untersuchungen zu den Gedichten Theodulphs von Orleans, in: Deutsches Archiv für
Erforschung des Mittelalters 18 (1962) S.82-84.
110
Ms. Wolfenbüttel 1 Gud. lat. fol.69v/70r; vgl. DESTOMBES 43, 2 mit Abb. Tafel 10; Abb.
auch bei RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Martianus Capella, in: Mnemosyne 3 ser. 3 (1935/
36) S. 97 ff.
[275/276] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 109

Auch diesen Kartentyp gibt es in rein aufgeschriebener Form, 111 etwa in


der «Tabulata Biblia», wie Girardus de Arvernia sein Werk innerhalb seiner
Chronik bezeichnet. Konturen sind nicht ausgeführt, nur ein T der Gewässer
ist der rechten nördlichen gemäßigten Zone eingezeichnet. Die Randzonen
sind als Wasser und Feuer gedeutet, Jerusalem liegt im Mittelpunkt der Öku-
mene. Sonst enthält die Nomenklatur verhältnismäßig reiches Material.
Eine andere Form der hemisphärischen Karte ist die Karte der Klimaten,
gleichfalls ein Produkt der griechischen Naturlehre, 112 den Lateinern wohl
erst über die Araber vermittelt, daher zunächst gesüdet; sie teilt die be-
wohnte Hemisphäre in 7 Klimate ein, Beispiele finden sich 1110 bei Petrus
Alphonsus, einem getauften Juden aus Huesca, 113 bei Johannes de Sacro
Bosco um 1250114 und bei Pierre d'Ailly, der zu Anfang des 15. Jahrhun-
derts" 5 unter ptolemäischem Einfluß nordet. Eine Besonderheit, die diese
Karten auch im christlichen Bereich - z. B. bei Pierre d'Ailly - mitschleppen,
ist Arym im Kreismittelpunkt bzw. am Rande der bewohnten Welt, der Sitz
des Iblys, des Teufels der Moslems." 6 Diese Karte ist durch ihre differen-
zierte Untergliederung nicht gerade geeignet für eine pictura. Nur Johannes
de Sacro Bosco hat von den genannten Zeichnern Landkonturen eingetra-
gen. So ist die detaillierte Ausführung bei Pierre d'Ailly auch im Grunde auf-
geschrieben, in höchstem Maß aber ist dies die geostete Klimatenkarte des
Johann von Wallingford" 7 um 1250. Johann zählt übrigens acht Klimate." 8
Die bewohnte Hemisphäre ist von ihrem Mittelpunkt Jerusalem her in drei
gleiche Teile geteilt, ohne daß damit die drei Erdteile gemeint sind: Auch die
Araber kannten sie nicht." 9 Bemerkenswerterweise sind die eingeschriebe-

111
Siehe Abb.4 (vgl. unten Tafel 45); Ms. Utrecht ÜB. 737, 15.Jh.; vgl. DESTOMBES 51, 31;
vgl. auch DESTOMBES, a. a. O. (Anm. 18), S. 10ff. über die verunglückte Verbindung Ökumene-
und Zonen-Karte.
112
Vgl.J.K. WRIGHT, a. a. O (Anm. 11), S.231.
113
Ms. Paris B. N. Lat. 10227 fol.77; Abb. K.MILLER, a. a. O. (Anm.7), Bd.3 S. 127; vgl. D E -
STOMBES 25, 10.
114
Johannis de Sacro Bosco Opusculum Spericum cum figuris optimis et novis . . . Leipzig et-
wa 1500. Fol. 34v.
115
Ms. Brüssel Bibl. Roy. 21198-204 fol.4; Abb. K. MILLER, a. a. O. (Anm.7), Bd.3 S.128
und DESTOMBES Tafel 17, ferner BAGROW-SKELTON, a. a. O. (Anm.25), S. 581 und J. G. LEITHÄU-
SER, a. a. O. (Anm. 11), S. 161 und 173; siehe auch EDMOND BURON, Ymago mundi de PIERRE
D'AILLY. Paris 1930; vgl. DESTOMBES 48, 2.
116
Vgl, K. MILLER, a. a. O. (Anm.25), Bd. 5 S. 133; dieser mythische Ort kommt nach J. K.
WRIGHT, a. a. O. (Anm. 11 ), S. 86 f. aus indischer Vorstellung.
117
Siehe Abb. 5 (vgl. unten Tafel 38); Ms. London B. M. COTT. Jul. D. VII. fol.46v; vgl. D E -
STOMBES 49,7.
118
Vgl. über 8 Klimate J. K. WRIGHT, a. a. O. (Anm. 11), S.242.
"•> Vgl. K. MILLER, a. a. O. (Anm. 25), Bd. 1 S. 7.
110 Studien zur Universalkartographie [276/277]

nen Legenden zeitgenössisch, nicht antik bestimmt. Darum ist von Afrika
nur Alexandrien bekannt, von Spanien der Tajo als Tagus fluvius, aber auch
Rußland. In den kosmologischen Legenden am Rand bekennt sich Johann
zum Weltbild Idrisis, 120 allerdings kann man einige Dinge ähnlich schon 100
Jahre zuvor bei dem in Chartres von der arabischen Wissenschaft beeinfluß-
ten Wilhelm von Conches 121 lesen: die Erde sei eine Kugel und werde vom 3.
Erdteil, dem Äquinoktialmeer, in zwei Landhälften gespalten. Sie sei abissus,
Mutter der Wasser, und verhalte sich zum Wasser wie das Eidotter zum Ei-
weiß. Über die südliche Hemisphäre wisse man nichts, dort herrsche Winter
und Nacht, wenn bei uns Sommer und Tag seien. Mit Martianus Capella -
den er zitiert - und Matthaeus Parisiensis äußert er, die bewohnte Welt sei
eine clamis extensa. Hier hat eine zweifellos nicht ungeschickte Übertragung
des Weltbildes Idrisis um die Mitte des 13. Jahrhunderts ins christliche Den-
ken stattgefunden. Auch war die Vorlage Johanns gesüdet, das kann man an
den Legenden sehen.
In diesem Zusammenhang seien vergleichend einige Karten anderer Kul-
turkreise angefügt. Im christlichen Orient malt man die Welt nach lateini-
schem Vorbild, südet aber. Die T-Karte des Jakobiten Moses bar Kepha, Bi-
schofs von Mosul um 900, ist ein Beispiel hierfür.122 Der Sinai ist das Zen-
trum der sehr aufgeschriebenen, gleichfalls gesüdeten Klimakarte des syri-
schen Jakobiten jüdischer Herkunft Barhebraeus zu Ende des 13.
Jahrhunderts. 123 Fortschrittlicher sind die Moslems schon im 10. Jahrhun-
dert. Sie süden und haben entschieden zutreffendere Orientkenntnisse, ins-
besondere vom Indischen Ozean, als ihre abendländischen Zeitgenossen.
Der Türke al-Kaschghari 124 um 1076 dagegen hat - getreu alttürkischer
Tradition, d.h. im Gegensatz zu Chinesen, Indern und Arabern - geostet.
Auch Alt-Amerika hat geostet, denn von Osten wurden die weißen Götter

120
Vgl. ebd., S. 53.
121
Vgl. Beda, E l e m e n t o r u m Philosophiae libri quatuor. Lib. IV., in: P L 90, 1167f.
122
M s . Paris B.N. Syr. 241 fol. 169; K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Bd. 5 S. 167 irrt hier in sei-
nen Angaben: J.-B. C H A B O T , Notice s u r une m a p p e m o n d e syrienne d u X H I e s i e d e , in: Bulletin
de géographie historique et descriptive, année 1897. Paris 1898. S. 98 ff., bezieht sich in seiner
Beschreibung S. 104, w o e r in einer F u ß n o t e die K a r t e des Moses b a r K e p h a abbildet, auf die
Barhebraeus-Karte aus M s . Paris B.N. Syr. 299 fol.204v. Bei Barhebraeus liegt d e r Berg Sinai
im Kreismittelpunkt bzw. im 2. Klima, nicht bei b a r K e p h a . D i e Klimasegmente n e h m e n bei
Barhebraeus hier zwei Drittel des Kreises ein.
123
M s . Paris B.N. Syr. 210 fol.38r und 299 fol.204v; hierzu K. MILLER, a. a. O . ( A n m . 2 5 ) ,
B d . 5 S . 1 6 8 f f . u n d Tafel 8 1 .
124
A b b . bei K. M I L L E R , a. a. O . ( A n m . 2 5 ) , Bd. 5 n e b e n S. 142 u n d bei ALBERT H E R R M A N N ,
Die älteste türkische W e l t k a r t e , in: Imago m u n d i 1 (1935) S. 2 3 .
[277/278] IL Zur Universalkartographie des Mittelalters 111

erwartet; die Tempel weisen ebenso wie die christlichen Kirchen in der Regel
gen Osten.
Die Orientation, die Ausrichtung der Karte nach Osten, ist in all diesen
Fällen religiös motiviert: von Osten kommt das Licht, die Sonne, die Wärme,
im Osten liegt das Paradies des Alten Testaments, gegen Osten fuhr Christus
gen Himmel und wird von dort zurückerwartet. Das Hebräische verwendet
Synonyma für Osten und vorn, Süden und rechts, Norden und links.
Die Araber folgen als Semiten dem gleichen Sprachgebrauch, brechen aber
mit der Tradition, sei es, um sich von Judentum und Christentum zu lösen,
sei es aus Gründen der Exaktheit; Osten ist nur zu den Äquinoktien eindeu-
tig zu ermitteln, Süden immer.
Der Ferne Osten nordete, selten südete er; religiöse Gründe waren auch
hier maßgebend. Offen bleibt die Frage des Kompasses, den die Chinesen
schon 121 n.Chr. kannten; welche Rolle er bei den Arabern spielte, ist unge-
klärt. Er könnte auf Nordung und Südung Einfluß gehabt haben. 125

Ut describeretur universus orbis: das ist dem Mittelalter mehr als Gemälde,
Abbild, „pictura", mehr als Beschreibung, Aufschreibung, scriptura, sicher-
lich mehr als Steuereinschätzung oder Vermessung. Vielleicht trifft man die
descriptio am ehesten mit dem Begriff ,Inventar', Inventar der sichtbaren
Schöpfung. Hier ist das Geschehen vom Anfang bis zum Ende einbezogen,
das Paradies zeigt oft Adam und Eva, bisweilen auch Henoch und Elias wie
bei Lambert, also das Endstadium. Aber auch das zerstörte Troja, Alexan-
ders Erobeningen, römische Provinzen und Monstren als Ausdruck der un-
bekannten Welt sind eingezeichnet, alles Aktuelle und Empirische lange Zeit
hindurch zurückdrängend, um das Zeugnis nicht durch Zutaten zu gefähr-
den. Dieses Zeugnis ist das Weltbild aus der Zeit der Inkarnation, antikes
Gefäß, gefüllt mit christlichem Geist, Inventarbehälter der Erde bei der Zei-
tenwende mit Projektion der vor- und nachchristlichen Zeit auf die Zeiten-
wende hin: untrennbar verwoben mit der Menschwerdung Gottes, die Welt
zum Zeitpunkt der Heiligung. Das bedeutet zugleich ein Ja zur sichtbaren
Welt, die ihre Heilsfunktion hat, die man darum mit naiver Freude darstellt,
sogar zum Schmuck sakraler Räume und in heiligen Schriften.

125
Zum Orientationskomplex und einigen religionswissenschaftlichen Fragen vgl. A.-D. v.
DEN BRINCKEN, a. a. O. (Anm. 13), S. 175ff. ( = o. S. 70ff.) mit Belegen.
III. Die Ausbildung konventioneller Zeichen
und Farbgebungen in der Universalkartographie
des Mittelalters

Übersicht: Einleitung S. 112. - 1. Karten als Gemälde S. 114. - 2. Das Variationsver-


bot für die Kartenmaler S. 116. - 3. Theoretische Anweisungen zur Technik des Kar-
tenzeichnens S. 118. - 4. Das Vorkommen stummer Karten S. 119. - 5. Tabellarische
Übersicht über die Darstellungsweisen wichtiger Karten in Auswahl S. 123. - 6. Ver-
gleichende Beschreibung der Kennzeichnung von Land und Wasser S. 125. - 7. Die
Geländedarstellung S. 130. - 8. Konventionelle Zeichen für Siedlungen S. 132. -
9. Die Rahmengestaltung der Welt S. 134. - 10. Zusammenfassung S. 134.
Die Kartographie, so hat man mit Recht gesagt,1 nimmt eine Mittelstellung
zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ein: ihr Gegenstand ist konkret,
zugleich aber auch abstrakt. Das gilt für die Kartographie unserer Zeit eben-
so wie für die der Vergangenheit; aber die Gewichte verlagern sich im Laufe
der Geschichte: im jetzigen Zeitalter überwiegt die exakte Seite der Karto-
graphie, früher die philosophische. 2
Die moderne Kartenwissenschaft bedient sich konventioneller Zeichen,
von denen viele internationale Gültigkeit haben und jedem, der sich nur ein-
mal oberflächlich mit Karten beschäftigt hat, selbstverständlich sind, insbe-
sondere im Bereich der physikalischen Karten. Individuell bietet zudem die
Legende einer Karte noch Raum für eine Konkordanz der verwendeten Sym-
bole.
Diese Zeichensprache ist jedoch in Antike und Mittelalter nicht ausgebil-
det; auch gibt es jeweils keine individuelle Zusammenstellung der Zeichen
für die einzelnen Blätter. Erst seit dem 15. Jahrhundert werden derartige An-
sätze greifbar,3 als man wieder zur Messung der Erde - die der Antike nicht

1
Vgl. M. ECKERT, Die Kartenwissenschaft 1 (1921) S. 6 ff. zum dualistischen Charakter der
Karte.
2
Zur wissenschaftstheoretischen Problematik der Kartographie im MA vgl. A.-D. v. DEN
BRINCKEN, „ ... Ut describeretur universus orbis", Zur Universalkartographie des MA in: Me-
thoden in Wissenschaft und Kunst des MA, hg. A. ZIMMERMANN, Miscellanea Mediaevalia 7
(1970) S.251ff. ( = o. S.84ff). Die folgende Untersuchung schließt sich eng an diese Stud, an,
diesmal jedoch mit Blickrichtung auf die Praxis.
3
ECKERT, Kartenwissenschaft 1 S. 398.
[326] III. Zeichen und Farbgebungen 113

unbekannt war - übergeht und zudem die Erdoberfläche unter dem Einfluß
der Ptolemaeus-Renaissance - im Abendland seit dem Jahre 1406 - sphä-
risch begreift.
Die Kartographie des abendländischen Mittelalters ist mehr eine Geistes-
ais eine Naturwissenschaft. Bis zum Spätmittelalter hat sie daher immer die
ganze Welt zum Gegenstand und ist mit der Universalkartographie iden-
tisch: sie will imago mundi, Weltbild, bieten, nicht maßstabgerechte Wieder-
gabe von Details. Ausnahmen bilden allenfalls Jerusalem-Darstellungen und
Pilgerwegbeschreibungen, sonst gilt, daß - von Mißgebilden wie der Italien-
Karte des Guido von Pisa abgesehen4 - man erst im 13. Jahrhundert von der
Weltkarte zur Partikularkarte wie der England-Karte des Matthaeus Pari-
siensis oder den Seekarten übergeht.
Aufgabe der folgenden Betrachtungen ist es, innerhalb der Kartographie
von äußeren Merkmalen her Beziehungen aufzuzeigen. Das ist bisher nur
einmal unter Beschränkung auf die Geländedarstellung geschehen.5 Neben
Formen sind auch Farben von Wichtigkeit, sofern man einigermaßen sicher
sein kann, daß diese sich in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten haben,
was insbesondere für Karten innerhalb von Büchern gewährleistet ist.6

4
K. MILLER, Mappae mundi 3 (1895) S. 56.
5
J. ROGER, Die Bergzeichnung auf den älteren Karten (1910); summarisch befaßt sich mit
konventionellen Zeichen und Farben J. K. WRIGHT, The Geographical Lore of the Time of the
Crusades, New York 1925 S.251-254.
' Hierfür standen eine Anzahl von Farbdiapositiven zur Verfügung, die für Lichtbildervor-
träge angefertigt wurden. Die Anregung für die folgende Betrachtung ging vor allem von einem
Referat aus, das im Januar 1969 vordem Kunsthist. Colloquium in Bonn unter dem Thema „Die
pictura als Teil der mappa mundi im abendländischen MA" gehalten wurde. Nicht alle Bibl. sind
technisch in der Lage oder bereit, Farbaufnahmen anzufertigen. Darum muß hier Rechenschaft
über das ausgewertete Material abgelegt werden:
F a r b d i a p o s i t i v e standen zur Verfügung von:
Kosmas Indikopleustes, Ms. Vat. Gr. 699 fol.40v;
Isidor (von 775), Ms. Vat. Lat. 6018 fol.63v-64;
Theodulf von Orléans (von 1055), Ms. Vat. Reg. Lat. 123 fol. 143v-144;
Beatus von Liébana (aus St.-Séver von 1045), Ms. BN lat. Paris 8878 fol.45ter; desgl. (aus Silos
von 1109), Ms. BM London Add. 11695 fol. 39v-40;
Cottoniana, Ms. BM London Cott. Tib. B. V. fol.56v;
Macrobius-Karte (1 l.Jh.), Oxford Bodl. D'Orville 77 fol. 100;
Heinrich von Mainz, Ms. Cambridge CCC 66 S. 2;
Guido von Pisa, Ms. Brux. Reg. 3897-3919 fol.53v;
Lambert von St.-Omer, Ms. Guelf. 1 Gud. Lat. fol.69v-70;
Psalterkarte, Ms. BM London Add. 28681 fol. 9;
Matthaeus Parisiensis, Ms. Cambridge CCC 26 S. 284;
Ranulph Higden, Ms. BM London Roy. 14 C IX fol. lv-2 und 2v; Ms. Oxford Bodl. Tanner
170 fol. 15v; Ms. Cambridge CCC 21 fol.9v; Ms. Vat. Reg. Lat. 731;
Venetian. Portolankarte 15.Jh., Ms. Oxford Bodl. Douce 390;
114 Studien zur Universalkartographie [327/328]

1. Karten als Gemälde

Die im Mittellateinischen übliche Bezeichnung für die bildliche Darstellung


der Erdoberfläche lautet pictura, während mappa mundi den übergeordneten
Begriff meint, der sowohl Gemälde als auch Begleittext umfaßt, pictura ac
scriptum.7 Vereinzelt findet sich auch die Benennung figura,6 jedoch in der
Regel nur für die winzigen Schemakärtchen ohne Detail und Farbe, wie sie

Opicinus d e Canistris, M s . Vat. Pal. Lat. 1993 fol. 18v u n d 20;


Brunetto Latini, M s . Oxford Bodl. D o u c e 319 fol. 8;
Pietro Vesconte, M s . Vat. Lat. 2972 fol. 112v-l 13; Ms. Oxford Bodl. T a n n e r 190 fol.203v-204;
Ms. Vat. Pal. Lat. 1362 A fol. lv-2; M s . Vat. Reg. Lat. 548 fol. 138v-139;
Paulinus Minorità, M s . Vat. Lat. 1960 fol.264v;
Pierre d'Ailly, M s . Brux. Reg. 21198-21204 fol. 4;
M e l a - K a r t e , M s . Vat. Arch. S. Pietro H 31 fol.8v;
Andreas Walsperger, M s . Vat. Lat. 1362 B ;
Simon M a r m i o n , M s . Brux. Reg. 9231 fol.281v;
J o h a n n e s de Vico Duacensis, M s . Ö N B Wien 325 fol.9v.
F a r b r e p r o d u k t i o n e n liegen vor von :
Die Weltkarte des Castorius, hg. K- MILLER (1888);
Die Katalanische W e l t k a r t e d e r Biblioteca Estense zu M o d e n a , hg. K. KRETSCHMER, in: Z S . d.
Ges. f. E r d k u n d e z u Berlin 32 (1897) S. 136.
S c h w a r z w e i ß d i a p o s i t i v e w u r d e n ausgewertet für:
Petrus Alphonsus, M s . B N Paris Lat. 10722 fol. 7 7 ;
J o h n of Wallingford, M s . B M L o n d o n C o t t . Jul. D . VII. fol.46v;
G i r a r d u s de Arvernia, M s . U t r e c h t 737 fol. 49v (1272, M s . 15. J h . ) ;
Moses b a r K e p h a , M s . B N Paris Syr. 241 fol. 169;
Barhebraeus, M s . B N Paris Syr. 210 fol. 38.
S c h w a r z w e i ß r e p r o d u k t i o n e n reichten aus für:
Borgia-Karte, hg. M . DESTOMBES, M a p p e m o n d e s A. D . 1200-1500, in: M o n u m e n t a C a r t o g r a -
phica Vetustioris Aevi I, Amsterdam (1964) Tafel X X I X ;
Rudimentum noviciorum, Abb. bei L. BAGROW u n d R. A. SKELTON, Meister d e r K a r t o g r a p h i e
(1963) S. 138;
H a r t m a n n Schedel 1492 (Reprint 1965).
U n z u r e i c h e n d e R e p r o d u k t i o n e n mußten herangezogen werden für:
Karte von Albi bei BAGROW-SKELTON S. 55; N a c h t r ä g e Ms. Albi 29 fol.487;
Leipziger Sallust-Karte des 12.Jh. bei MILLER, M a p p a e mundi 3 S. 112;
V i n l a n d - K a r t e hg. R. A. SKELTON, T . E. M A R S T O N u n d G . D . P A I N T E R , T h e V i n l a n d M a p a n d
the T a r t a r Relation ( N e w Haven und L o n d o n 1965).
Arabische Kartographie:
Beispiele bei K. MILLER, M a p p a e Arabicae 1-5 ( 1 9 2 6 - 3 1 ) , bei BAGROW-SKELTON u . a .
7
Paulinus Minorità, D e m a p p a m u n d i , M s . Vat. Lat. 1960 fol. 13; vgl. fehlerhaften T e x t bei
R. ALMAGIÀ, M o n u m e n t a cartographica Vaticana I: Planisferi, carte nautiche e affine dal secolo
X I V a l X V I I (Rom 1944) S. 4.
8
BAGROW-SKELTON, K a r t o g r a p h i e S. 20.
[328] III. Zeichen und Farbgebungen 115

sich in naturwissenschaftlichen Schriften finden. Imago mundi dagegen heißt


gewöhnlich die theoretische Bearbeitung des Materials, z.B. bei Honorius
Augustodunensis.
Die pictura des Mittelalters hat sich bis in unsere Zeit vor allem im Ver-
band von gebundenen Handschriften erhalten. In der Mehrzahl der Fälle ge-
hört sie zu historischen oder auch theologischen Werken, bevorzugt zum
Bericht von der Verteilung der Welt unter Noes Söhne aus Genesis 10 und
von der Sprachenverwirrung nach dem Turmbau von Babel in Weltchroni-
ken.9 Das gilt besonders für die differenzierter ausgeführte Ökumene-Karte.
Sie hat hier sowohl Erbauungsfunktion als auch didaktische Aufgaben,
denn nach dem Venezianer Paulinus Minorità, der sich zu Anfang des 14.
Jahrhunderts wissenschaftstheoretisch mit der Weltkarte auseinandersetzte,
gilt für die scriptura für sich genommen, daß sie non tarnen sufficienter sine
adminiculo picture provinciarum confinia per varias partes celi sic determinat, ut
quasi ad oculum conspici valeant,10 aber umgekehrt - und das ist hier das ent-
scheidende Moment - pictura sine scriptura provincias seu regna confuse de-
monstrat.
Nun erwartet man nach dieser Ankündigung eine exakte Zeichnung mit
sorgfältiger Angabe der Provinzgrenzen, wohlgemerkt: nicht von politi-
schen, sondern von römischen Verwaltungseinheiten der Antike; die mittel-
alterliche Kartographie steht nämlich ganz auf römisch-antikem Boden,
nach Staats- und Nationalitätengrenzen zu fragen wäre auch im späten Mit-
telalter niemandem eingefallen. Daß freilich die römische Provinzeinteilung
im H.Jahrhundert für das christliche Abendland besonders wissenswert ge-
wesen wäre, kann man auch nicht behaupten: der größte Teil der römischen
Ökumene, nämlich Afrika und Asien, befand sich in den Händen der Un-
gläubigen, die jedoch meist mit keinem Wort erwähnt werden. Man nimmt
daher nicht ohne Grund a n , " daß der mittelalterlichen Weltkarte die Öku-
mene-Karte zugrunde liegt, die Vipsanius Agrippa, Schwiegersohn des Kai-
sers Au-gustus, um 20 v. Chr. anfertigte: gerade das erhellt aus der Zählebig-
keit antiker Provinznamen. Mithin bestimmt das römische Weltkartenbild
der Zeitenwende die pictura des gesamten Mittelalters.

9
Über die Weltkarte in Beziehung zur Universalgeschichtsschreibung vgl. A.-D. v. DEN BRIN-
CKEN, Mappa mundi und Chronographia, Stud, zur imago mundi des abendländischen MA, in:
DA24(1968)S. 118f. ( = o. S. 17ff.).
10
Wie A. 7.
11
K. MILLER, Mappae mundi 1-6, bes. 6 (1895-1898); R. UHDEN, Zur Herkunft und Sy-
stematik derma. Weltkarten, in:Geogr. Zs. 37 (1931) S. 32 Iff. u.ö.
116 Studien zur Universalkartographie [329]

2. Das Variationsverbot für die Kartenmaler

Bis zum Ende des Mittelalters aber hatte sich die Welt der Zeit Christi ge-
wandelt: Völker waren gegangen, andere an ihre Stelle getreten, Städte in
Staub versunken - z. B. Karthago - und einst bedeutungslose Flecken wie By-
zanz zu Weltzentren aufgestiegen. Dennoch wagte man nur sehr wenig von
diesen Wandlungen in die pictura zu übernehmen, während man sie in der
scriptura ungeniert diskutierte. 12
Der Grund dafür war, daß die pictura nicht verändert werden sollte:13
Plerumque enim pictor, ut alias testis, cum de suo addit, partis mendacio totam
testimonii seriem decolorat, ut in decretis c.3 q.9,pura et simplex', sagt um 1214
der Chronist und Kartograph Gervasius von Tilbury. Er spielt dabei auf ei-
nen Passus aus dem Decretum magistri Gratiani 14 an, wo von der Zeugen-
aussage die Rede ist: wenn der Zeuge aus sich heraus eigene Meinungen -
und mögen sie noch so gut sein - beifügt, entstellt er das Zeugnis und macht
die ganze Aussage wertlos. Hundert Jahre später warnt Paulinus Minorità 15
in gleichem Sinne: Quod vero per pictores non vicietur pictura, magna est cautio
adhibenda.
Ist es da verwunderlich, daß der Kartenmaler unter allen Umständen ver-
meiden muß, als Neuerer - eine im Mittelalter ohnehin nicht geschätzte Gat-
tung - angesehen zu werden?
Zumindest die theologisch orientierte Weltkarte erhält auf diese Weise
schon fast ikonologische Züge, daneben allerdings entwickelt sich seit dem
13. Jahrhundert langsam von den Bedürfnissen der Seefahrt her aufgrund
des Kompasses eine empirische und aktuelle Kartographie. Die Masse der
mappae mundi zeigt in der Tat keine Entwicklung und keinen Fortschritt in
unserem Sinne, sondern will durch das Bild eine höhere geistliche Wirklich-
keit verdeutlichen.16
So werden die mittelalterlichen Karten nicht Abbild der physikalischen
oder etwa der politischen Verhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt, son-
dern sind beides gleichzeitig und haben auch religiöse und kulturelle
Aspekte, vor allem aber historische, weil sie nie der Praxis dienen, sondern
ein Lehrbild der geschaffenen Welt sind, eine Projektion der historischen

12
Vgl. z. B. bei Paulinus Minorità die Abschnitte über die Beschaffenheit Skythiens, Ms. Vat.
Lat. 1960 fol. 16vl7, dazu Misceli. Mediaev. 7 S. 262f.
13
Hg. G. W. LEIBNIZ, in: Scr. rer. Brunsvic. 1, Hannover, 1707 S. 956.
14
c. 17 C. III qu. 9, hg. E. FRIEDBERG, Corpus iuris canonici 1, 1879 Sp. 533.
15
Wie Anm.7.
16
F. RÖHRIG über Ikonographie, in: LThK 5, Sp.619.
[329/330] III. Zeichen und Farbgebungen 117

Ereignisse und bedeutsamen Plätze verschiedener Epochen, auf die Fläche


einer Karte gebannt, eine graphische Darstellung von Heils- und Weltge-
schichte als der räumlichen Komponente des Weltablaufs, die zusammen mit
den handelnden Personen und der Zeit die Geschichte ausmachen, 17 ohne in
einen Kausalzusammenhang mit diesen gebracht zu werden, wie das heute
etwa die historische Geographie tut.
Das christliche Mittelalter, insbesondere die Lateiner und die nicht-chal-
cedonensischen Ostchristen, sah die Welt gewöhnlich als Fläche an, bald
kreisrund, bald oval, vereinzelt rechteckig.
Die Kugelgestalt ist aber auch kartographisch in Relikten im Westen greif-
bar in den Typen der Zonen- und Klimatenkarten, die aus der hellenisti-
schen Naturlehre stammen. Beide erscheinen im Mittelalter nur noch als Flä-
che und nehmen die Welt höchstens als zur Hälfte bewohnt an. Die Zonen-
karte teilt die Welt in fünf Zonen ein: ein heißer unbewohnbarer Gürtel liegt
in der Mitte, an den sich zwei gemäßigte bewohnbare anschließen, deren
aber nur einer tatsächlich bewohnt wird; an beiden Polen befinden sich zwei
kalte unbewohnbare Zonen. Bei der Klimatenkarte wird die eine Hälfte des
Kreises in sieben Klimata unterteilt, während auf der anderen Hälfte kein
Leben angenommen wird.
Sind diese beiden Schemata kosmologisch bestimmt, so ist die sogenannte
T-Karte mehr von der antiken Geographie und biblischen Geschichte ge-
prägt. Sie zeigt nur die Ökumene auf dem Weltmeer schwimmend und teilt
die Scheibe des festen Landes durch ein ihr einbeschriebenes Tder Gewässer
derart, daß oben ein Halbkreis, unten zwei Viertel entstehen. Da die christli-
che Weltkarte in der Regel geostet gedacht wird, stellt der Schaft des T das
Mittelmeer, der linke Balken Don und Schwarzes Meer, der rechte Balken
den Nil dar. Die so gebildeten Festlandsteile aber sind Asien, Europa und
Afrika bzw. nach biblischer Auffassung die Gebiete der Noachiden-Nach-
kömmlinge Semiten, Japhetiten und Hamiten. Diesem Typus werden auch
andere Ökumene-Karten eingepaßt, bei denen Jerusalem als Weltmittel-
punkt angenommen wird.
Zonen- und Klimatenkarten, die schon wegen der großen unbewohnten
Räume für die bewohnte Welt nur geringen Platz auf dem Pergament haben,
zeigen die Ökumene kaum differenziert. Abendländische Klimatenkarten
haben oft wenig Einzelheiten eingetragen - wie die des getauften Juden Pe-
trus Alphonsus 1110 in Spanien - oder nur Legenden - wie die des John of
Wallingford (f 1258) -, von Konturandeutungen für das Kaspische Gebirge
abgesehen. Ganz entsprechend sehen die Karten der christlichen Orientalen,

17
Liber de tribus maximis circumstanciis gestorum, Ms. ÜB Leipzig 350 fol.96v.
118 Studien zur Universalkartographie [330/331/332]

z.B. die Klimakarte des Barhebraeus im 13. Jahrhundert, aus. Ähnlich hält
es Girardus de Arvernia 1272 (Handschrift des 15. Jahrhunderts) mit seiner
Zonenkarte, der außer dem T der Meere in dem bewohnten Gürtel neben
Legenden nur Umrisse von Ägypten und vom Asowschen Meer andeutet.
Für derartige Abstraktionen gibt es bei der T-Karte freilich als Entspre-
chung die ,aufgeschriebene' Karte, wo einfach Listen von Ländern in die ein-
zelnen Erdteile eingetragen sind.
Alle diese Karten interessieren hier nicht, sondern die gemalten Ökumene-
Darstellungen. Sie sind es, die es bei allen Variationseinschränkungen noch
zu einer erstaunlichen Vielfalt an Formen, Farben und Beschriftungen ge-
bracht haben.

3. Theoretische Anweisungen zur Technik des Kartenzeichnens

Ein Malerbuch für Kartographen des Mittelalters scheint es nie gegeben zu


haben, wie schon aus den recht unterschiedlichen Arbeiten der Zeichner her-
vorgeht.
Anweisungen gab da lediglich Hugo von St.-Viktor in «De arca Noe my-
stica»18 und die sind zweifellos vor allem allegorisch zu verstehen; Hugo be-
nutzt das Bild der Arche Noes zur Erklärung verschiedenster Vorkommnisse
des Heilsgeschehens. Er läßt einen Grundriß von ihr zeichnen - ausdrück-
lich mit weniger extremen Proportionen, als es die Genesis 19 vorschreibt -
und das so entstandene Rechteck mit einer Ellipse umgeben. Dann fährt er
fort: In hoc spatio mappa mundi depingitur ita, ut caput arcae ad orientem con-
vertatur, et finis eius occidentem contingat, ut mirabili dispositione ab eodem
principe decurrat situs locorum cum ordine temporum, et idem sit finis mundi,
qui est finis saeculi. Conus autem ille circuii, qui in capite arcae prominet ad
orientem, Paradisus est, quasi sinus Abrahae, utpostea apparebit maiestate depic-
ta. Conus alter, qui prominet ad occidentem, habet universalis resurrectionis ju-
dicium in dextra electos, in sinistra reprobos. In cuius coni angulo aquilonari est
infernus, quo damnandi cum apostatis spiritibus detrudentur.
Hieraus gehen einige unumstößliche Grundsätze hervor: die mittelalterli-
che Karte ist generell geostet 20 und zeigt im äußersten Osten das Paradies,
Ausgangs- und Endpunkt der Menschheit, Abrahams Schoß. Im Osten geht
die Sonne auf, von Osten wird die Wiederkunft Christi erwartet. Wie die

18
C. 14, in: MIGNE, PL 176 col. 700.
19
6, 15.
20
DA 24 S. 175ff.
[332/333] III. Zeichen und Farbgebungen 119

Weltherrschaft nach Westen wandert, so wird im Westen das Jüngste Ge-


richt stattfinden. Gen Norden werden die Verdammten hinabgestürzt in die
Hölle, während die Auserwählten zur Rechten, d.h. im Süden, sitzen.
Diese Anweisungen ließen den Interpreten viel Spielraum. Sie zeigen aber
auch deutlich, wie die Maler immer von geometrischen Elementen ausgin-
gen, was sich selbst bei Karten zeigt, die Malerei in reinstem Sinne sind und
es auf das Malerische anlegen;21 denn oft ist die mittelalterliche Karte in der
Tat vom Gemälde nicht zu unterscheiden. 22 Daß aber gerade von den auf
die Allegorie weisenden Bestimmungen den Verzerrungen und Übertreibun-
gen Vorschub geleistet wurde, ist einleuchtend. Schließlich betont auch Hu-
go von St.-Viktor den historischen Wesenszug der Karte, die den Ablauf der
Menschheitsgeschichte im Gang von Osten nach Westen andeutet.
Hugo sieht die Welt von oben, entwirft gewissermaßen einen Grundriß.
Heute ist diese Anschauungsweise selbstverständlich, aber dem Mittelalter
bereitete das Erfassen der dritten Dimension große Schwierigkeiten und da-
mit die gesamte Geländedarstellung, die nicht aus der Vogelperspektive,
sondern von der Seitenansicht her versucht wurde.

4. Das Vorkommen stummer Karten

Mappa mundi muß nach Paulinus Minorità aus pictura und scriptura be-
stehen. Darüber hinaus aber ist die pictura auch mit Legenden beschriftet,
die dem Betrachter den Namen der dargestellten Landschaft, der Stadt, des
Meeres oder Flusses kundtun. Daraus leitet sich ab, daß sich die Kartogra-
phen grundsätzlich an die litterati wenden, denn ein illitteratus konnte mit
einer mappa mundi nicht viel anfangen. Die Karte dient zwar der Exegese,
aber im Sinne eines Inventars des Heils- und Weltgeschehens, nicht einer Bil-
derbibel. Sie stellt Heiligung dar, doch ihr Zweck ist primär ein didaktischer.
Dabei kann ihre Darstellungsweise durchaus mit der sogenannten kontinu-
ierlichen verglichen werden insofern, als sie fortlaufend Geschichte zu ver-
schiedenen Zeitpunkten wiedergibt; ganz besonders deutlich wird das an
überformatigen Karten wie der Ebstorfer Weltkarte und der Hereford-Kar-
te, die Platz gewähren für das Einfügen von Bildern und zum Schmuck sa-
kraler Räume bestimmt waren: sie haben gewiß auch den einfachen Men-
schen angesprochen. Sie blieben aber nicht oft erhalten, da sie aus verletzli-
chem Material waren, sich in keinem festen Verband befanden und durch

21
WRIGHT, Geographical Lore S. 251.
22
ECKERT, Kartenwissenschaft 1 S. 81.
120 Studien zur Universalkartographie [333/334]

dauernde Lichteinwirkung ihre ursprünglichen Farben verloren. Daher müs-


sen sie außer Betracht bleiben, weil sie nur vom Original her richtig beschrie-
ben werden könnten.
Die moderne Kartographie kennt aber auch den Typ der stummen Kar-
te, 23 die jeder Legende entbehrt, in der Regel aus didaktischen Gründen: der
Betrachter soll sich durch die Zeichen allein fesseln lassen und zum Nach-
denken darüber veranlaßt werden, was mit dem Bild gemeint ist.
Aus dem Mittelalter ist nur eine einzige differenzierte Ökumene-Karte be-
kannt, die als stumm zu charakterisieren ist. Sie gehört zu einer Handschrift
der «Livres dou Tresor» des Brunetto Latini. Dieses Werk des Lehrers von
Dante entstand um 1260-66, die Karte ist nur in einer einzigen Handschrift
aus dem beginnenden 14. Jahrhundert erhalten, im Bodleian Douce 319
fol. 8 (vgl. unten Tafel 53), einem Manuskript, das vermutlich südwesteuro-
päischer, kontinentaler Herkunft ist. Der Italiener Brunetto schrieb in fran-
zösischer Sprache, und über die Provenienz des Manuskriptes ist bekannt,
daß Francis Douce es im Oktober 1802 von Guilleaume du Pré erworben
hat, 24 daß es aber schon im H.Jahrhundert in England nachweisbar ist.
Die Karte enthält keine einzige Legende und gibt schon dadurch mancher-
lei Rätsel auf.25 Berühmt ist sie unter den Fachleuten auch, weil man sie für
gesüdet hielt, was in jener Zeit ausschließlich unter arabischem Einfluß
denkbar ist. Allerdings darf man sie nur mit großer Vorsicht als gesüdet be-
trachten, denn das gilt nur, wenn der Kodex in Leseposition gebracht wird.
Ansonsten ist sie eher als drehbar anzusprechen, zumal die offensichtlich als
konventionelle Zeichen für Siedlung dienenden Dreizinner meistens im je-
weils unteren Teil der einzelnen Kreissektoren aufrecht stehen: drehbar wa-
ren häufig auch die frühen Seekarten. Aber die arabischen Einflüsse werden
nicht nur an dieser Stelle deutlich.
Brunettos mappa ist rund und hat einen Durchmesser von 178 mm. Die
Kreisform ist nur im Nordwesten ausgebuchtet, um einer Gruppe von vier

23
Ebd. S. 347.
24
Handschriftenbeschreibung bei F. J. CARMODY, Li Livres dou Trésor de Brunetto Latini,
in: University of California Publications in Modern Philology 22, Berkeley und Los Angeles
1948 S. XLLX. Unter dem 12. 5. 1969 teilt die Handschriftenabteilung der Bodleiana zur Prove-
nienz mit, daß die Hs. ganz zu Beginndes 14.Jh. in Italien entstanden zu sein scheint, vielleicht
auch in Südfrankreich. Nach einer Rasur fol. 22v schenkte William de Montagu, Earl of Salisbu-
ry, die Hs.1397 an Thomas of Woodstock, Duke of Gloucester.
25
Nr.50, 15 bei DESTOMBES, Mappemondes S. 175f.; unkenntlich veröffentlicht bei Yous-
souF KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti IV, 1 (Kairol936) fol. 1032; behan-
delt auch bei W. L. BEVAN und H. W. PHILLOTT, Medieval Geography, An Essay in Illustration
of the Hereford Mappa Mundi (London 1873) S. XLPV.
[334/335] III. Zeichen und Farbgebungen 121

größeren Inseln nördlich von Großbritannien Raum zu geben. Eine der In-
seln hat die Größe Irlands.
Die Karte zeichnet sich, verglichen mit zeitgenössischen Machwerken,
durch eine sehr genaue Küstendarstellung und eine nicht alltägliche Vertei-
lung von Land und Wasser aus, wie sie ähnlich nur die fortschrittlichsten
Kartographen wie Pietro Vesconte von Venedig zu Anfang des H.Jahrhun-
derts und der ihm als Maler ganz ergebene Paulinus Minorità kennen.
Eine Beeinflussung durch die zu Ende des 13. Jahrhunderts aufkommen-
den Portolankarten und durch arabische Weltkarten ist also unverkennbar.
Der Mittel- und Schwarzmeerbereich ist präzise wiedergegeben. Hingegen
fehlt das Kaspische Meer, gewöhnlich als Bucht des Weltmeeres im Mittelal-
ter und schon bei den griechischen Naturphilosophen 26 verstanden, völlig,
während es bei Pietro Vesconte um 1311 erstmals richtig als Binnenmeer, da-
für allerdings gleich zweifach, abgebildet ist. Indischer Ozean und ein nach
Südosten sehr ausgedehnter afrikanischer Kontinent entsprechen arabischen
Vorstellungen. Wesentlich besser als bei Vesconte sind Nord- und Ostsee ge-
raten, was auf katalanischen Einfluß schließen lässt.27
Fragt man sich nun, ob die Karte wirklich auf Brunetto zurückgeht, da sie
nur bei dieser einen Handschrift zu «Li Livres dou Tresor» überliefert ist, so
spricht vieles dafür. Brunetto weilte um 1260 als Gesandter seiner Heimat-
stadt Florenz am Hofe Alfons des Weisen von Kastilien und mag da arabi-
sche und katalanische Einflüsse aufgenommen oder gar eine Vorlage für
seine Karte mitgebracht haben.
Bestechend schön ist die intensive Farbgebung des Blattes. Das Meer ist
von tiefem Blau bis Blauschwarz, die Flüsse dagegen sind grau, viel zu breit
im Verhältnis eingezeichnet und durch schwarze Konturen hervorgehoben.
Wo sie ins Meer münden, ist das Meer hellblau aufgehellt durch verschie-
dene Mündungsarme der Flüsse. Land und Meer sind durch tiefrote Abgren-
zung hervorgehoben, dabei ist das Land selbst ocker und graugrün, womit
vielleicht trockene von feuchten Landzonen geschieden werden. Ein intensi-
ves leicht bläuliches Grün ist die Farbe der Gebirge, die gleichfalls schwarz
konturiert sind. Die Gebirge sehen dabei in der Form wie gewundene Tü-
cher, manchmal auch wie Bogen-und Zackenreihen aus: teilweise sind sie
von der Seite gesehen, teilweise von oben. Mächtige Gebirgszüge durchzie-
hen Sibirien wie bei Pietro Vesconte, aber auch den Süden Afrikas, das ge-
samte Innere Spaniens, die Britischen Inseln und die Eilande der Ägäis.

26
J. G. LEITHÄUSER, Mappae mundi (1958) S.28.
27
E.-T HAMY, Les origines de la cartographie de l'Europe septentrionale, in: Bull, de Geo-
graphie historique et descriptive, année 1888 S. 333ff. (Abdruck in: HAMY, Etudes historiques et
géographiques, Paris 1896, S. 1 ff.).
122 Studien zur Universalkartographie [335/336]

Endlich purzeln über das ganze Bild graue Dreizinner, Architektursym-


bole mit drei Zinnen in der grauen Farbe der Flüsse, schwarz konturiert und
unten in der Mitte mit einem schwarzen Törchen ausgestattet, außerdem je-
weils durch einen roten Schrägstrich hervorgehoben. Sie deuten sicher in der
üblichen, sich wohl von der römischen Wegekarte herleitenden Bildtradition
Städte an; aber auch auf den spätmittelalterlichen Ptolemaeus-Karten vom
Athos 28 finden sich ähnliche Gebilde. Merkwürdig an den Dreizinnern ist
die Tatsache, daß sie sich ziemlich bis in den Norden Asiens und recht weit
in den Süden Afrikas wagen, in der Sahara häufig sind, ferner an der nord-
afrikanischen Küste, desgleichen sehr zahlreich in China und Turkestan vor-
kommen, 29 dagegen an der europäischen Mittelmeerküste und in der klein-
asiatischen Türkei nahezu gänzlich fehlen. Rom und Byzanz sind nicht be-
zeichnet, offenbar aber Mekka. In dieser Verteilung der Siedlungen geht der
Maler ganz anders vor als Vesconte.
Hat er die Legenden mit Absicht fortgelassen, oder ist er mit der Karten-
ausführung nur nicht fertig geworden? Betrachtet man die dunklen intensi-
ven Farben, die vielen dicken Konturen, die überbreiten Flüsse und Gebirgs-
züge, so besteht kein Zweifel, daß für Legenden kein Raum geplant war,
daß die Karte nie auf Legenden berechnet war. Vielmehr war sie von Anfang
an stumm beabsichtigt, ein singulärer Fall.
Warum aber sollte sie stumm sein? Didaktische Absicht im Spätmittelalter
dahinter zu vermuten, ist anachronistisch. Es könnten ästhetische Momente
eine Rolle gespielt haben, 30 aber ist die Vermutung nicht näherliegend, daß
die Vorlage der Karte sich einer Schrift bedient hat, die dem Maler fremd
war, z.B. arabischer Lettern, die er nicht zu übernehmen wußte und daher
von vornherein ausschied?
Hier erhebt sich nun auch die Frage, ob die obige Deutung der Karte und
ihrer Zeichen immer richtig ist, ob konventionelle Zeichen und Farbgebung
schon so eingebürgert waren, daß man sie ohne Legenden verstehen konnte.
Bekanntlich hatte das Mittelalter eine Vorliebe für Symbole, die vielfach nur
ganz eindeutig vorkommen oder sogar vorkommen müssen. In der Kartogra-
phie aber trifft man auf eine Vielfalt von Zeichen, deren Sinn man häufig erst
herausfinden muß. Eine Ausnahme macht hier allenfalls Andreas Walsper-
ger, der 1448 unter seiner Karte vermerkt: Terra enim est alba, maria viridis
coloris, flumina dulcia lassuri, montes varii, item rubra puncta sunt Christiano-
rum civitates, nigra vero infidelium in terra marique existentium ...

28
BAGROW-SKELTON, Kartographie, Tafeln VIII und X, S. 334 und 336.
29
Ebd. S. 88 zum Vergleich mit den Portolankarten.
30
ECKERT, Kartenwissenschaft 1 S. 347.
[336/337] III. Zeichen und Farbgebungen 123

5. Tabellarische Übersicht über die Darstellungsweisen


wichtiger Karten in Auswahl

Für die Vergleiche der Kartengemälde mußte eine Auswahl getroffen wer-
den. Abstand genommen wurde von legendenarmen Schemakärtchen, von
nicht eigentlichen Weltkarten wie denen des Hieronymus, aber auch von der
Ebstorfer Weltkarte, weil man nach ihrem Verlust im Zweiten Weltkrieg auf
Reproduktionen angewiesen ist, die in der Farbgebung umstritten sind. Auch
die Hereford-Karte ist dem Licht ausgesetzt gewesen und daher nicht in ur-
sprünglicher Farbe erhalten, allenfalls könnte man vom Original her über sie
Aussagen machen. Es war daher Beschränkung auf Karten aus Handschrif-
ten notwendig, dabei eine gewisse Abhängigkeit von den technischen Repro-
duktionsmöglichkeiten der einzelnen Bibliotheken unvermeidlich.31
Die Abfolge ist im ganzen chronologisch gehalten und zwar sowohl nach
der zugrundegelegten Handschrift als auch nach dem Schöpfer der Karte.
Da die römische Ökumene-Karte fehlt, aber zweifellos Ausgangspunkt
für die mittelalterliche pictura war, wurde ersatzweise die Karte des Castori-
us (um 340), eine Wegekarte, die gemeinhin als Tabula Peutingeriana be-
kannt ist, miteinbezogen. Sie gibt jedoch keineswegs die Agrippa-Karte oder
den Stand der Kenntnisse um 340 an, sondern wurde im Frühmittelalter lau-
fend nachgezeichnet und weiter ausgestaltet, trägt also jüngere Züge, zumal
sie nichtmilitärischen Zwecken, vor allem Pilgerreisen, diente. 32 Gemeinsam
hat sie auch mit der mittelalterlichen Karte daß sie zu einer Wegebeschrei-
bung, einer scriptura, gehörte und daß bei den Römern die scriptura grund-
sätzlich auch vor der pictura anzusetzen ist.3

31
Zum verwendeten Material vgl. oben Anm. 6 mit allen Bildnachweisen.
32
BAGROW-SKELTON, Kartographie S. 43.
33
Ebd. S. 44.
L a n d , W a s s e r , G e l ä n d e u n d S i e d l u n g e n auf d e n W e l t k a r t e n
Farbe und Form

Zeit Datierung Land Meere Rotes Seen Flüsse 1 Konturen Geländedarstetlung Siedlungen
der Hs. Meer

Castorius 340 - 9 . Jh. natur blau blau blau blau verzerrt rot, braun, gelb, violett, seitliche Züge 2—3 Türmchen, Villen, Paläste
6. Jh. blau grün schematisch
Kosmas Indikopl. 9. Jh. braun blau — — —
Araber — — natur blau blau grün grün schematisch rot, braun, seitlich, von oben, Rosetten farbige Kreise, Rosetten
Karte von Albi — 730 natur blau blau — blau schematisch Sinai als Dreieck kleine Kreise
Isidor im Vatikan — 775 natur blau, grün rot grün blau, grün verzerrt rote Zackenketten 6 achtstrahlige Sterne
Theodulf V. Orléans 800 1055 natur blau, grün rot grün blau, grün verz., schem. braune Zackenlinien Quaderbauten
Beatus, Ms. St.-Séver 776 1045 natur blau rot blau blau schematisch Zacken- und Bogcnkctten, grün, schwarz gelbe 3—6-Zinner
Beatus, Ms. Silos 776 1109 natur blau rot — blau schematisch grüne und rote Bogenhaufen nur Legenden
Cottoniana — 1000 natur blau rot — blau individuell grüne Backzahnketten 2-Türmer, Rundbauten
Macrobius, Oxford — 11.Jh. natur grün rot — — individuell — —
Sallust, Ms. Leipzig — 12. Jh. — — — — — schematisch Zickzacklinien, phrygische Mützen 3-Türmer, individuell
natur violett individuell rote Lappenketten, auch doppelt 2-Türmer oder Rundwälle
Heinrich v. Mainz — 1109 grün rot —
grün schematisch Doppclblätter, innen grün nur Legenden
Guido von Pisa — 1119 natur blau rot —
Lambert v. St.-Omer 1120 1180 natur grün rot grün grün schematisch rote Einzelbogen, Bogenhaufen —
Psalterkarte, London — 13. Jh. natur grün rot blau blau individuell naturfarbene konturierte Lappenketten ockerfarbige Dreiecke
Matthaeus Parisiensis v. 1259 13. Jh. natur grün — _ blau schematisch ockerfarbige Spiralketten nur Legenden
rot blau, grün schematisch blaugrüne Einzelberge massive Bauten, individuell
Ranulph Higden _ n. 1342 natur blau —
„ nur Legenden für Häfen
Ital. Portolani — — natur natur — — exakt —
Opicinus — 1334 natur grün — — — exakt — —
rot blau blau exakt braun, grün, Züge von oben Festungsgebäude, individuell, Legenden
Katal. Portolani — — natur blau, grün
blau grau exakt grünes Flechtwerk graue Dreizinner
Brunetto Latini 1266 1300 grün/gelb blau —
Pietro Vesconte — 1310 natur grün grün grün grün exakt braunes Flechtwerk gelbe 2—3-Zinner
rote Legenden
Pierre d'Ailly — 1410 natur blau rot — blau schematisch braune Legenden
blau individuell braune oder grüne Einzelformen rote oder schwarze Kreise, Einzelbauten
Andreas Walsperger — 1448 natur grün rot blau
Simon Marmion — 1455 grün blau — — blau schematisch Landschaftsmalerei Landschaftsmalerei
Mela-Karte ìm Vat. — v. 1438 natur blau rot — grün individuell grüne Zackenketten —
Johannes de Vico — 1492 grün blau blau blau blau individuell braune Zopf- und Zahnreihen —
Borgia-Karte — 15. Jh. — Kennzeichnung c urch Wellenlinien verzerrt Zahnreihen 3-Türmer
Rudimentum novic. _ 1475 — Kennzeichnung c urch Wel enlinien schemalisch — Phantasiearchitektur
verzerrt Eckzahnreihen, z. T. von Schmalseite nur Legenden, siehe Holzschnitte
Hartmann Schedel — 1492 — Kennz eichnung c urch Wel enlinien
[337/338] III. Zeichen und Farbgebungen 125

6. Vergleichende Beschreibung der Kennzeichnung


von Land und Wasser

Daß für Farben und Zeichen zu einem erheblichen Teil die Natur Vorbild
war, ist selbstverständlich.
Da nun der Beschreibstoff in der Regel das Pergament war, das farblich
vom trockenen Erdboden nicht allzu sehr abwich, beließ man das feste Land
gewöhnlich ungefärbt, auch bei den Arabern. Eine Ausnahme für die ältere
Zeit bildet nur die griechische Karte des Kosmas Indikopleustes, 34 wo das
Festland hellbraun ausgemalt ist, vielleicht ein Merkmal der frühen griechi-
schen Kartographie, von der keine Gemälde erhalten sind, die aber inhalt-
lich mit Kosmas vieles gemeinsam hatte. 35 Grün, die Farbe der modernen
Festlandwiedergabe auf physikalischen Karten, wird zuerst greifbar 1455
bei der Karte, die Simon Marmion aus der burgundischen Malschule der
«Fleur des Histoires» des Jean Mansel beigab. Diese Karte ist allerdings eine
vollperspektivische Landschaftsmalerei und gibt recht naturalistisch einige
wichtige Schauplätze des Geschehens in den einzelnen Erdteilen, Berge,
Städte und Gewässer, wieder. Es handelt sich um pictura im Vollsinne, um
Kunst, dennoch hat die mappa eine Anzahl Legenden in Goldschrift. In ganz
lichtem Grün ist aber auch das an eine gedruckte Karte des Ptolemaeus an-
gelehnte Weltbild gehalten, das Johannes de Vico aus Douai 36 - also gleich-
falls aus Burgund - 1492 einem universalhistorischen Lehrbuch für Philipp
den Schönen einfügte, hier schon an moderne Darstellungsweise gemah-
nend. Betrachtet man vergleichsweise die stumme Brunetto-Karte, so fällt sie
entschieden aus dem Rahmen ihrer Zeit. Sie unterscheidet ockerfarbenes
und grüngraues Land, wobei nur die Vermutung besteht, daß damit zwi-
schen trockenen und feuchten Landstrichen unterschieden wird. Erwähnens-
wert ist hier nur, daß auch die Vatikanische Mela-Karte nach Pirrus de Noha
von vor 1438 gewisse Landstriche hellrotbraun koloriert, bei denen es sich
um Wüsten handeln könnte. Bei letzterer haben gleichfalls die ptolemäischen
Karten Pate gestanden, denkbar wäre also ein Einfluß der griechisch-byzan-
tinischen Kartographie in beiden Fällen.
Die Darstellung von Wasser ist sehr unterschiedlich. Meer z.B. ist bei
Kosmas und auf der Karte des Castorius blau gefärbt, ebenso bei den Ara-
bern, deren Malweise auf griechischen Traditionen fußt. Aber das Merkwür-

34
6.Jh., Hs. 9.Jh.
35
Wie Anm. 26.
36
DESTOMBES, Mappemondes Nr. 51, 37 S. 189.
126 Studien zur Universalkartographie [338/339]

dige ist, daß man für die Kennzeichnung von Meeren, Seen und Flüssen kei-
neswegs die gleiche Farbe verwendet, wie das auf der Castorius-Karte im-
merhin geschehen ist. Einheitlich blau sind die Gewässer nur auf der Albi-
Karte, den Karten des Beatus von Liébana von ca. 776 in Handschriften seit
dem 11. Jahrhundert, auf der Cottoniana um 1000 und bei dem schon ge-
nannten Simon Marmion, entsprechend einheitlich grün bei Lambert von
St.-Omer im 12. Jahrhundert, bei Pietro Vesconte aus Venedig um 1310 und
seinem in der pictura sehr von ihm abhängigen Landsmann und Zeitgenossen
Paulinus Minorità.
Schon Kosmas Indikopleustes malte die Flüsse grün bei blauem Meer. Ihm
folgen Guido von Pisa 1119 und der Zeichner der Vatikanischen Mela-Kar-
te; aber auch die Araber gehen entsprechend vor, 37 die - ganz offensichtlich
hier in griechischer Tradition stehend - Flüsse und auch Binnenseen grün
verstanden wissen wollen. Bei Brunetto allerdings gerieten sie grau.
Umgekehrt wurden das Meer grün und die Flüsse und Seen blau bei Hein-
rich von Mainz 1109 - richtiger: die Flüsse sind hier braun-lila -, auf der
Londoner Psalter-Karte des 13. Jahrhunderts, die in mancher Hinsicht als
Kleinausgabe der Ebstorf- und Hereford-Karte gelten kann, bei Matthaeus
Parisiensis (f 1259) sowie bei Andreas Walsperger 1448 koloriert. Unter-
schiede machte vielleicht auch Ranulph Higden um 1342, wobei die Farbge-
bungen in den einzelnen Handschriften schwanken, aber mit Ausnahme der
ältesten großen Karte im Britischen Museum jedenfalls für Meere und Flüsse
differieren. Auf den Karten des Isidor in einer Vatikanischen Handschrift
von 775 und des Theodulf von Orléans in einer ebensolchen von 1055 haben
Übermalungen stattgefunden. Offenbar waren auf beiden ursprünglich Meer
und Flüsse nach römisch-antikem Brauch blau; auf beiden sind die Farben
aber später teils grün aufgefrischt worden, bei Theodulf vor allem neben
Flüssen auch die stachligen Gebilde von Binnenseen und das Asowsche
Meer, bei Isidor das östliche Mittelmeer und ein Teil der Flüsse sowie das
Weltenmeer.
Nur das Rote Meer hat man sich gern auch rot vorgestellt und darum rot
eingezeichnet. Diese Tradition ist nicht antik, denn Castorius und Kosmas
zeichnen es gleicherweise blau wie die Araber, 38 die Albi-Karte, Brunetto,
ferner Vesconte und Paulinus grün, während schon die Isidor-Karte von 775
Reste rotbrauner Farbe zeigt und bei Theodulf das ursprüngliche Blau rot
übermalt wurde. Selbst Zonenkarten zu Macrobius' Somnium Scipionis fär-

37
MILLER, Mappae Arabicae S. 62.
38
Vgl. z. B. Istakhri bei BAGROW-SKELTON, Kartographie, Farbtafel S. 36 f. und Mohammed
ibn Ali ibn Ahmed al Scharfi 1592 bei K. MILLER, Mappae Arabicae 5 neben S. 176.
[339/340] III. Zeichen und Farbgebungen 127

ben es rot, die Psalterkarte von London, die Vatikanische Mela-Karte, die
katalanischen Kartographen noch im 15. Jahrhundert und Andreas Walsper-
ger 1448. Viele Maler haben sich bei der roten Farbe auch eine Begründung
gedacht; sie haben die Röte des Meeres durch die dort herrschende Hitze zu
erklären versucht und deshalb auch benachbarte Gewässer wie den Persi-
schen Golf und die Ströme Afrikas rot gekennzeichnet, so Beatus von Lieba-
na, der Ersteller der Cottoniana, Heinrich von Mainz, Guido von Pisa,
Lambert von St.-Omer und Ranulph Higden.
Ein Relikt der Wassertönung findet sich bei Pierre dAilly 1410. Er hinter-
ließ eine Klimatenkarte ohne Konturen von Land und Wasser, aber er deute-
te durch die Farbe der Legenden an, daß er Meer und Flüsse einheitlich blau
wünschte mit Ausnahme des roten Mare rubrum.
Die christlichen Orientalen Moses bar Kepha im 9. Jahrhundert und Bar-
hebraeus im 13. Jahrhundert füllten die Fläche von Wasser nicht farbig aus,
sondern benutzten nur sehr schematische rote Konturen zur Andeutung.
Die Frühdruck-Karten, die noch keine Farben benutzen, müssen Gewäs-
ser durch Wellenlinien kennzeichnen, da sie im Holzschnittverfahren herge-
stellt wurden. Das gilt für die mappae im Rudimentum noviciorum 1475 und
in der Chronik des Hartmann Schedel 1492 ebenso wie für die in Metall gra-
vierte sogenannte Borgia-Karte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Übrigens
sind auch auf farbigen Karten die Wellen häufig angedeutet, schon aus de-
korativen Gründen: vor allem die Araber setzen schwarze oder weiße Wel-
lenspitzen auf das tiefblaue Meer auf.
Besonders aufschlußreiche Aussagen über Zweck und Ziel von Karten las-
sen sich aus der Ausführung der Küstenkonturen und aus der Exaktheit der
Wiedergabe von Inseln ableiten. Abgesehen von den ausgesprochenen See-
karten können die mappae mundi nur bedingt genau sein; aber beispielsweise
ist es von Interesse, ob der Zeichner wenigstens von Sizilien die Vorstellung
eines Dreiecks hat oder die Insel schematisch als Kreis oder Ellipse - wie ge-
wöhnlich die Araber - oder als Rechteck darstellt: über die dreieckige Form
konnte er nämlich in jeder Enzyklopädie nachlesen.
Während die griechische Kartographie - nach Kosmas zu urteilen - we-
nigstens das Mittelmeer einigermaßen richtig formte, die drei anderen Mee-
re, das Rote Meer, den Persischen Golf und das als Busen des Weltmeers
verstandene Kaspische Meer, rein schematisch als zum Weltenozean geöff-
nete Kreise wiedergibt, haben wir aus der römischen Kartographie nur ver-
zerrte Bilder, da es sich um Wegekarten handelt. Auf der Tabula Peutingeria-
na z. B. mußten sich die Küsten und Inseln der horizontalen Straßenzeich-
nung anpassen.
Weiß man in der Antike, daß die Erdoberfläche zu fünf Sechsteln von
Wasser eingenommen ist, so billigt die christliche Tradition im Gefolge des
128 Studien zur Universalkartographie [340/341]

4. Esra-Buches dem Wasser nur ein Siebentel zu. 39 Dennoch geraten Flüsse
generell zu breit, besonders auf der wasserreichen Karte des Guido von Pisa,
aber auch schon bei Kosmas, Matthaeus Parisiensis, Brunetto, Ranulph
Higden und Simon Marmion. Auch kommt es vor, daß Flüsse sich kreuzen,
u. a. bei Beatus, auf der Cottoniana und bei Lambert von St.-Omer.
Schematisch sind Küsten und Inseln auf der frühesten erhaltenen Öku-
mene-Karte überhaupt, der Karte aus der Bibliothek zu Albi zu einem Oro-
sius-Text um 730; bei Theodulf sind die Inseln alle oval, auf Beatus-Karten
entweder einheitlich oval oder einheitlich rechteckig, auf der Leipziger Sal-
lust-Karte des 12. Jahrhunderts dreieckig, bei Lambert bald rund, bald oval,
bei Ranulph in einigen Handschriften oval, in anderen rechteckig. Bisweilen
fehlen Eilande völlig, so auf der Beatus-Karte aus Silos um 1100, bei Guido
von Pisa und Simon Marmion; bei ihnen allen sind auch die Küsten ohne je-
den Wirklichkeitsbezug. Individuelle, wenn auch verzerrte Vorstellungen
weist die Isidor-Karte von 775 mit häufig gleichmäßig gezackten Linien auf,
Verzerrungen zeigen auch die gravierte Borgia-Karte und Hartmann Sche-
dels Holzschnitt, desgleichen die nach gedruckter Vorlage erstellte Karte
des Johann de Vico, 40 während im Rudimentum noviciorum die einzelnen
römischen Provinzen als Berge oder Dreiecke irgendwo im Weltenmeer um-
herschwimmen. Sehr vage sind die Küsten bei Matthaeus Parisiensis, der In-
seln hat er nur durch Legenden im Meer gedacht; auf der Zonenkarte des
Girardus de Arvernia 1272 - in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts -
blieb nur das T der Meere übrig, bei Pierre d'Ailly fehlen Inseln wie Kontu-
ren, ganz selten kommen Insellegenden vor.
Die Cottoniana dagegen überrascht durch ihre für jene Zeit erstaunlich in-
dividuelle und nicht unrichtige Küstengestaltung im Mittelmeer wie in der
Nordsee; ihr verwandt, wenn auch schematischer, sind die Karten des Hein-
rich von Mainz, die Lodoner Psalterkarte und die mappa des Andreas Wal-
sperger.
Als Seekarten sind dagegen italienische und katalanische Portolani glei-
chermaßen zuverlässig, nur beschränken sich die ersteren häufig auf das
Mittelmeer. In ihrem Gefolge muß bereits Brunetto gesehen werden, der den
Katalanen die Gestaltung Nordeuropas abgeguckt zu haben scheint; Pietro
Vesconte, Paulin und Opicinus de Canistris mit seinen allegorischen Weltbil-
dern um 1334 folgen mehr den Italienern. Im 15. Jahrhundert wären die Va-

39
LEITHÄUSER, Mappae mundi S. 53.
40
Wie Anm. 36.
[341/342] III. Zeichen und Farbgebungen 129

tikanische Mela-Karte und die sogenannte Vinland-Karte 41 von ca. 1440 in


diesem Zusammenhang heranzuziehen.
An diesen Tatsachen wird die Verlagerung des Interesses von der Fest-
landdarstellung zur Seekarte deutlich; zugleich zeigt sich die Schwierigkeit,
bei der Anwendung von Schneideverfahren exakt zu sein: nicht nur auf die
Holzschnitte und Gravuren trifft das zu, auch die große Isidor- und die
Theodulf-Karte 42 zeigen diese Eigenheit und hatten vielleicht beide eine ge-
ritzte Vorlage, wie sie trotz verschiedenen Kartentyps überhaupt viele Ähn-
lichkeiten miteinander aufweisen.
Innerhalb der Festlanddarstellung kennt man zumeist keine Grenzen. Völ-
lig unbekannt sind dem Mittelalter jedenfalls politische Grenzen, sie begeg-
nen nirgends. Dagegen haben sich römische Provinzen als Relikte der klassi-
schen Karten erhalten, insbesondere in der Frühzeit durch mehr oder weni-
ger gerade oder gerundete Linien abgeteilt, z.B. auf der Albi-Karte, bei Isi-
dor, Theodulf, auf der Cottoniana, bei Guido von Pisa, Lambert von St.-
Omer, auf der Londoner Psalterkarte und bei Ranulph Higden, während
sich im Rudimentum noviciorum die erwähnten merkwürdigen Berggebilde
finden.
Wie es aus den verschiedensten Gründen Verzerrungen betreffs Wasserflä-
chen gibt, so kommen ebensolche für das Land vor. Hier ist der entscheiden-
de Faktor der ,horror vacui' der mittelalterlichen Kartographen, der eine sei-
ner Wurzeln in der Wegekarte hat, die sich nur mit wohlbekanten Gefilden
befaßt, zum andern daraus zu erklären ist, daß man die Erde nicht vermißt,
sondern malt, und so auch ästhetischen Momenten Raum gibt.43 Uner-
forschte Gegenden lassen sich allenfalls physikalisch wiedergeben, z.B. hat
man von großen Gebirgen in Afrika und in Nord-Asien auf den Karten von
Brunetto, Vesconte und Paulinus Kenntnis, vielleicht durch die Araber.
Sonst aber drängt man das unbekannte Gebiet, von dessen Historie und Be-
wohnern man nichts weiß, zusammen, und so liegt beispielsweise bei Beatus
das Schwarze Meer in unmittelbarer Nähe des nördlichen Eismeeres, viel-
fach - wie auf der Cottoniana, bei Heinrich von Mainz, Lambert von St-
Omer, auf der Psalterkarte und bei Higden - von der T-Karten-Vorstellung
beeinflußt. Auch Afrika wird sehr zusammengedrängt oder der Süden mit
Fabelwesen besiedelt, wofür die Londoner Psalterkarte ein besonders schö-
nes Beispiel ist.

41
SKELTON u.a., The Vinland Map.
42
Für die Theodulf-Karte wurde auch aus philologischen Gründen auf eine Tischplatte als
Vorlage geschlossen, vgl. D. SCHALLER, Philologische Unters, zu den Gedichten Theodulfs von
Orléans, in: DA 18 (1962) S. 82-84.
43
ECKERT, Kartenwissenschaft 2 (1925)S.677.
130 Studien zur Universalkartographie [342/343]

Deshalb ist auch die Brunetto-Karte so ungewöhnlich: sie kennt viele Sied-
lungen in Afrika, Nordeuropa und vor allem in Nordostasien, d. h. Zentral-
Asien und China.

7. Die Geländedarstellung

Sehr vielschichtig ist das Problem der Einzeichnung von Bergen und Gebir-
gen gelöst worden. Geländedarstellung ist an sich schwierig, besonders aber,
wenn man sie aus der seitlichen Sicht zu bewältigen sucht, gewissermaßen als
Aufriß, wie es in der Spätantike und im Mittelalter üblich ist. Diese Malerei-
en wirken um so primitiver, als man die Perspektive nicht beherrscht und
durch allerlei Kniffe hineinzubringen bemüht ist, die das Gemälde zwar fül-
len, aber den Gesamteindruck zu zerstören drohen. 44 Berge sind - insbeson-
dere solche von legendärer Berühmtheit - bald als Einzelberge notiert, bald
als Bergketten. Diese wiederum erscheinen als Ketten von Bögen oder von
Zacken, auch ineinandergeschoben, als Backenzahnreihe, mehrere Reihen
übereinander oder auch als von der Schmalseite gesehene Ketten mit über-
einandergesetzten Einzelformen, endlich als Haufen von Bogen und Zacken.
Die Farbgebung ist nirgends so schwankend wie hier; von grün über gelb
bis braun und grau bietet die Natur schon alles an, vor blau und rot, auch
vor schwarz schreckte das Mittelalter keineswegs zurück. Fehlen bei Kosmas
die Gebirge völlig, so zeigt die Castorius-Karte die gleichen gezackten und
gelappten Ketten, die sich in mittelalterlichen Weltkarten finden, bald rot,
bald gelb, bald lila oder braun, von der Längsseite betrachtet.
Die Karte aus Albi bietet nur einen einzigen Berg, den Sinai, dargestellt
durch zwei ineinandergestellte Dreiecke auf einem Stiel und ein wenig an
das Warnungs-Verkehrszeichen unserer Tage erinnernd.
Isidor zeichnet rotbraune Zackenreihen, Theodulf braune, Beatus wählt
bald grüne Lappen-, bald schwarze Zackenreihen, auch grüne Haufen von
Lappen oder Zacken, die schuppenartig wirken und alle ausnahmslos rot
konturiert sind. Die Beatus-Karte aus Silos bietet zusätzlich Vegetationsmo-
tive an den Bergen durch Äderung und herausragende Pflanzen an, was ein
reines Dekor sein mag, kennt ferner flammendrote Haufen von Bergen. Auf
der Cottoniana sind die Berge tiefgrüne, gezinnte und abgetreppte Reihen,
auf der Leipziger Sallust-Karte übereinanderliegende Wellenlinien, während
die Schroffheit der Alpen durch phrygische Mützen ausgedrückt wird. Hein-

44
Zu diesem Kapitel vgl. J. ROGER, Bergzeichnung, mit vielen Details und Abb.; auch EK-
KERT, Kartenwissenschaft 1 S. 399 ff., wonach die folgende Beschreibung vorgenommen ist.
[343/344] III. Zeichen und Farbgebungen 131

rich von Mainz verwendet rote Lappenketten, auch doppelreihig, vereinzelt


erscheinen namhafte Berge für sich mit individuellem Umriß.
Während Guido von Pisa die Berge als zwei ineinandergestellte Blätter
malte, hat Lambert von St.-Omer für sich stehende rote Bogen oder Bogen-
haufen. Die Londoner Psalterkarte beläßt die gelappten Bergreihen perga-
mentfarben, faßt sie aber schwarz ein und füllt die Einzellappen mit schwar-
zen Halbkreiskonturen. Matthaeus Parisiensis sieht Gebirge als ockerfar-
bene Spiralenketten, Ranulph Higden hingegen beschränkt sich auf einige
berühmte Einzelberge, die er traubenartig in blau oder dunkelgrün hervor-
hebt. Auf der Zonenkarte des Girardus hatten Berge keinen Platz, Pierre
dAilly löste das Problem für seine Klimaten-Karte durch braune Legenden.
Die Vatikanische Mela-Karte hat grüne, meist geradlinige Zackenreihen
oder Einzelzacken, Andreas Walsperger bald braune, bald grüne individuell
geformte Gebirgsgruppen, in z. T. perspektivischer Zeichnung. Auf Simon
Marmions vollperspektivischer Landschaftsdarstellung sind die Berge grün
oder bläulichgrau. Auch Johannes de Vico zeigt Perspektive in seiner Gelän-
dedarstellung, braune Zahn- oder Zopfreihen. Die gravierten bzw. Holz-
schnitt-Karten sind wieder besonders unvollkommen in ihren Verfahren, im
Rudimentum noviciorum haben wir keine Geländedarstellung im eigentli-
chen Sinne, Hartmann bildet Eckzahnreihen, z. T von der Schmalseite be-
trachtet, die Borgia-Karte Zahn- und Lappenreihen, oft mehrreihig.
Die Araber bevorzugen ähnliche Zeichen und rotgelbe Farbtöne. Sie geben
Berge wohl auch als Fläche von oben, die Berggrundrisse sind Streifen, Stri-
che oder Rundungen, auch Rosetten, oft gestrichelt, dann wieder aus seitli-
cher Sicht wie Backenzähne. Verglichen mit dem Abendland sind ihre Berg-
zeichnungen sehr mäßig in der Qualität und mehr ornamental. 45 Bei dem
Türken al-Kaschgari sind die Berge rote Linien46 neben grünen Linien, die
Wüsten bedeuten.
Als Ansätze, die Berge von oben zu sehen, wird man das Flechtwerk deu-
ten dürfen auf den von Portolani - und zwar von katalanischen - beeinfluß-
ten Karten, da sich die italienischen für das Landesinnere nicht interessieren.
Die Farbe ist bald braun, bald grün. Anfänge finden sich bei Vesconte und
Paulin, vollendeter stellt Brunetto dar: wie gewundene Fahnentücher sind
die Gebirgszüge ineinander verwoben, bei Vesconte braun oder gelb, bei
Brunetto grün. Insgesamt ist das Mittelalter recht vielseitig und erfinderisch,
auch die sogenannte Mönchskarte ist nicht so weltfremd und gegen die Na-

45
ECKERT, Kartenwissenschaft 1 S. 404 f.
46
MILLER, Mappae Arabicae 5 S. 142ff.
132 Studien zur Universalkartographie [344/345]

tur eingestellt, wie oft angenommen wird. 47 Die Araber waren dem Abend-
land da keineswegs überlegen, sondern bedienten sich viel abstrakterer Zei-
chen. Die eigentliche Grundrißzeichnung freilich setzte sich erst im 18. Jahr-
hundert durch.

8. Konventionelle Zeichen für Siedlungen

Die Formen der mittelalterlichen Stadtsymbole leiten sich von Wegekarten


wie der des Castorius oder aus Darstellungen der Agrimensoren, der römi-
schen Landmesser, ab. Auch die berühmte Mosaikkarte von Madaba in Pa-
lästina aus dem 6. Jahrhundert ist zwar griechisch beschriftet, steht aber
ganz in der Tradition der Karten vom Typ der Agrippa-Karte 4 und stellt
die Siedlungen durch individuelle Symbolbauten dar, in diesem Fall künstle-
risch sorgfältig gestaltet.
Derartige Architekturen haben vereinzelt auch einmal Ähnlichkeit mit der
dargestellten Stadt, sofern sie der Maler kannte oder sonst eine Vorstellung
von ihr besaß: Niedersachsen auf der Ebstorfer Weltkarte ist so gestaltet,
daß der Schöpfer der Karte dort gelebt haben muß.
Hingegen verwenden die Araber nun wirklich konventionelle Zeichen, die
von der Wirklichkeit abstrahiert sind, z. B. Kreise - die auch in modernen
Karten in gleicher Funktion vorkommen -, auch Rosetten und verwandte
geometrische Figuren, ausgestaltet durch die Vorliebe aller Moslems für
pflanzliche Ornamentik und durch leuchtende Farben hervorgehoben. 49
Bei Kosmas Indikopleustes sind keinerlei Städte eingetragen, weil er im
Grunde eine Kosmologie verfaßte. Die spätmittelalterlichen Ptolemaeus-Kar-
ten vom Athos u.a. dagegen haben gleichfalls völlig einheitliche Architektur-
symbole mit Zinnen oder drei bezinnten Türmchen. 50 Auch in dieser Hinsicht
stehen die Araber den Griechen wiederum näher, während die abendländi-
schen Kartographen wie auch die Römer eine gewisse Malfreude entwickeln.
Abstrakte Zeichen sind in der lateinischen Welt selten. Vielleicht kann
man die winzigen Kreise an den Küsten bei Rom sowie vereinzelt im Binnen-
land, die die Albi-Karte aufweist, als Zeichen der Besiedlung deuten. Die Isi-
dor-Karte von 775 bezeichnet die sechs Großstädte Rom, Byzanz, Kartha-
go, Alexandrien, Jerusalem und Babylon durch achtstrahlige Sterne, einige

47
ROGER, Bergzeichnung S.78; ECKERT, Kartenwissenschaft 1 S.410.
48
A. SCHULTEN, Die Mosaikkarte von Madaba, in: Abh. Göttingen, phil.-hist.Kl. N F 4, 2
(1900) S. 113.
49
MILLER, Mappae Arabicae 1 S.62.
50
BAGROW-SKELTON, Kartographie, Tafeln VIII und X, S. 334 und 336.
[345/346] III. Zeichen und Farbgebungen 133

wenige weitere Orte an der Küste Nordafrikas und im Heiligen Land nur
durch Legenden. Die Londoner Psalterkarte verwendet ockerfarbene Drei-
ecke als Städtesymbole. Viele Kartographen aber begnügen sich mit bloßen
Legenden wie z.B. Guido von Pisa, Matthaeus Parisiensis, John of Walling-
ford, die Vinland-Karte und Hartmann Schedel; letzterer allerdings ließ
seine Chronik anderwärts durch die berühmten Holzschnitt-Stadtansichten
schmücken. Die italienischen Portolani verwenden auch nur Legenden und
zwar bloß für Küstenstädte, die sie auf die freie Landfläche schreiben, ge-
wöhnlich in schwarzer Farbe, bedeutsame Plätze durch rote Tinte hervorhe-
bend. Desgleichen gebraucht Pierre d'Ailly die rote Farbe für Länder- und
Städtenamen, Lambert von St.-Omer, Girardus de Avernia und Johannes de
Vico interessieren sich überhaupt nicht für Städte bzw. beschränken sich in
dieser Hinsicht auf Rom.
Bei Castorius finden sich zwei- bis dreitürmige Bauten neben größeren
Villen- und Palastsymbolen, Ravenna, Rom und Jerusalem sind besonders
hervorgehoben, alle Architekturen auch mehrfarbig gehalten. Beatus ver-
wendet drei- bis sechszinnige Bauten, Theodulf Quaderbauten mit drei Tür-
men, die Cottoniana zweitürmige Gebäude oder sechstürmige Rundbauten
als Symbol für Stadtmauern. Pietro Vesconte beschränkt sich wieder auf
schematischere Ein- bis Dreizinner, während Ranulph recht unterschiedli-
che untersetzte Festungsbauten bietet. Andreas Walsperger gebraucht neben
individuellen Architekturgemälden auch einfache rote oder schwarze
Punkte, erstere zeigen Siedlungen der Christen, letztere der Ungläubigen
an; die Katalanen variieren gleichfalls ihre Festungssymbole. Da sich Bauten
gut durch Holzschnitte wiedergeben lassen, hat neben Hartmann auch der
Graveur der Borgia-Karte Dreitürmer mit erhöhtem Mittelturm verwendet,
und selbst das «Rudimentum noviciorum» bringt allerhand Gebäude, ohne
daß dazu immer eine Städte-Legende gehört.
Vollperspektivische Stadtgemälde hat nur Simon Marmion, im Falle von
Jerusalem kann man den Felsendom erkennen, bei Mainz eine Ähnlichkeit
zu finden erfordert schon Phantasie, während für sein in Afrika gelegenes
Athen die Städte der Romantischen Straße Pate gestanden haben.
Flora und Fauna übrigens, die hier nur kurz berührt werden sollen, sind
dem Mittelalter zweitrangig, insbesondere Flora. Die Fauna regt zu tollen
Phantasieblüten vor allem in unbekannten Zonen an, spielt außerdem eine
Rolle bei allen großen dekorativen Karten wie der Ebstorfer Weltkarte und
der Hereford-Karte, auch bei den Katalanen, bei Walsperger, auf der Bor-
gia-Karte und im «Rudimentum noviciorum». Beatus kennzeichnet das Meer
durch Fische, bisweilen zusätzlich durch Schiffe.
Eine Besonderheit der katalanischen Karten ist hier noch zu erwähnen, si-
cherlich in erster Linie auch ein dekoratives Element: die einzelnen Herr-
134 Studien zur Universalkartographie [346/347]

scher und Städte sind durch Wappenfahnen hervorgehoben, bei deren Ge-
staltung der Phantasie des Malers kaum Zwang auferlegt war.

9. Die Rahmengestaltung der Welt

Die Mehrzahl der Ökumene-Karten ist rund. Außerdem natürlich sind Zo-
nen-, Klimaten- und T-Karten immer kreisförmig. Oval sind die Beatus-
Karten - jedenfalls die Mehrzahl der erhaltenen Formen -, die Karten des
Heinrich von Mainz und Ranulph Higden, rechteckig aus Prinzip die des
Kosmas, dagegen wohl bloß durch die Pergamentblattform bestimmt die
von Albi, die Cottoniana und die - vielleicht unvollständige - des Matthaeus
Parisiensis; sphärische Rechtecke in Ptolemaeus-Nachfolge liegen bei der
Vatikanischen Mela-Karte, bei Hartmann und Johannes de Vico vor, viel-
leicht auch bei der rahmenlosen Vinland-Karte. Die Portolankarten passen
ihre Form vielfach dem pergamentenen Beschreibstoff in der Urform, d.h.
einer Tierhaut, an.
Kosmologische Vorstellungen spielen in die Rahmengestaltung der hemi-
sphärischen Karten hinein: mit roten Flammen ist das Rund der Karte des
Theodulf umgeben, einen roten mittleren Flammengürtel als Zeichen für die
heiße unbewohnbare Zone kennen Lambert und Girardus auf ihren Zonen-
karten. Bei den T-Karten findet sich etwas Vergleichbares nur bei Simon
Marmion, der das Weltmeer mit grauen Schaumkronen belegt, darüber ei-
nen Wolkenhimmel, dann einen Flammenrand - wohl die Sonne symbolisie-
rend - und in der Außenschicht einen Sternenhimmel andeutet. Vermutlich
ist auch bei Theodulf die vermeintliche Sonnenbahn um die Erde mit den
Flammen gemeint.
Gewöhnlich schwimmt die Erde auf dem Weltmeer, ausgenommen die
ptolemäisch geprägten Karten. Alle malfreudigen Kartographen bringen im
Rahmen die verschiedenen Winde unter, pausbäckige Köpfe, die mit hefti-
gem Blasen beschäftigt sind.

10. Zusammenfassung

Mit gutem Grund ist also behauptet worden, daß man von konventionellen
Zeichen im Mittelalter nur sehr bedingt sprechen kann, 51 denn diese bilden
sich erst im 14. und 15. Jahrhundert heraus, werden - vielleicht unter griechi-

51
WRIGHT, Geographical Lore S. 252.
[347/348] III. Zeichen und Farbgebungen 135

schem und arabischem Einfluß - abstrakter und beginnen sich - allerdings


keineswegs allenthalben - vom Gemälde zu lösen und zum Vermessen und
Zeichnen überzugehen.
Der Grund dafür liegt aber vor allem darin, daß der Kartograph schreibt
und malt, daß das Schreiben der primäre Vorgang und das Malen die zu-
sätzliche Erläuterung ist. Darin steht man in antiker Tradition, bei der auch
das Malen aus didaktischen Gründen hinzukam. Da sich der Kartograph an
ein gebildetes Publikum wandte, das seine Erläuterungen und die Legenden
vor sich hatte, konnten die Zeichen auf der pictura vor allem als Ornament
gestaltet und mußten nicht zu einer festgelegten Kurzschrift werden. Auch
brauchten die Zeichen nicht räumlich beschränkt zu werden bzw. maßstab-
gerecht zu sein: Platz war auf Karten meist ausreichend vorhanden. Das
letztere Moment dürfte in der Moderne das Entstehen konventioneller Zei-
chen wesentlich gefördert haben: schließlich konnte man nicht jeden Berg
durch eine umfangreiche Legende in einer Weltkarte verewigen, der es seiner
Größe wegen etwa im Vergleich zu legendären Bergen wie Olymp oder Sinai
verdient hatte.
Aus dieser kursorischen Betrachtung äußerer Merkmale einer Auswahl
von Weltkarten lassen sich aber sehr schön die Abhängigkeitsverhältnisse
einzelner Kulturbereiche voneinander verdeutlichen. Die sehr enge Bezie-
hung der abendländisch-mittelalterlichen Malweise zur römischen fand sich
voll bestätigt, ebenso die engere Beziehung der Araber zur griechischen Kar-
tographie. Bei den christlichen Orientalen mischen sich beide Elemente,
doch lehnt man dort das Ornamentale und Malerische ab.
Durchweg sind alle diese Kartenschulen sehr philosophisch oder kosmo-
logisch bestimmt. Die Vorstellungen der griechischen Naturphilosophen
bleiben allenthalben gerade im christlichen Bereich lebendig, während im Is-
lam die Praxis eine größere Rolle spielt, wodurch Abstraktion und Schema-
tismus unterstützt werden. Ob man unter diesen Gesichtspunkten den Ara-
bern oder den Lateinern den Vorzug geben will, ist Geschmackssache: die
Araber sind wirklichkeitsnäher, die Abendländer künstlerischer, individuel-
ler.
Im H.Jahrhundert beginnt die exakte Küstendarstellung von der Seekarte
her in die Universalkartographie einzudringen; die Karte wird zunehmend
zum Grundriß. Das Land ist häufiger koloriert, die einheitliche Farbe von
stehenden und fließenden Gewässern erkannt. Noch bleibt die Freude am
Malerischen, aber man beginnt zu messen. Übrigens nahmen die entstehen-
den konventionellen Zeichen ihre Form weiter von der Wirklichkeit, z.B.
Leuchttürme.
Mochten die Araber einen großen Vorsprung vor dem Abendland haben,
indem sie ihre Karten nicht in einen festen Rahmen preßten, sondern offen
136 Studien zur Universalkartographie [348/349]

blieben für Neuentdeckungen, auch das Abendland war so naturabgewandt


nicht, wie es oft dargestellt wird. 52 Es stand in fester antiker Maltradition
und hatte ein Weltbild, geprägt von christlichem Universalismus mit über-
weltlichem Endziel, aber es malte diese Welt mit Freuden. Es war zwar vom
Klerus bestimmt, denn die Karte wandte sich an Gebildete und war von den
Gebildeten - den Geistlichen - geprägt. Nur Brunetto, die Seekartenmaler
Vesconte, Marmion und Schedel vertraten in der Spätzeit das bürgerliche
Element. Aber eine bewußte Abkehr des Menschen von der Welt findet sich
in der Kartographie nicht, jedenfalls nicht mehr als im Islam.
Die Mannigfaltigkeit, die die pictura trotz der ihr auferlegten Vorschriften
und dem Variationsverbot erreichte, gibt Kunde von Phantasie, Einfalls-
reichtum, Lebendigkeit und Lebensfreude des lateinischen Mittelalters.

52
ROGER, Bergzeichnung S. 78.
IV. Die Klimakarte in der Chronik
des Johann von Wallingford -
ein Werk des Matthaeus Parisiensis?

Die im abendländischen Mittelalter übliche kartographische Darstellung der


Welt war die Ökumene-Karte. Sie entsprach der Weltanschauung jener Tage
am ehesten, denn sie zeigte die Erde als flächigen Schauplatz des göttlichen
Heilswirkens sowie des Weltgeschehens und war mehr von der Geschichte in
Verbindung mit der Theologie als von den exakten Naturwissenschaften her
bestimmt.1 Man suchte im Mittelalter die Welt weder physikalisch zu erfas-
sen noch zu vermessen, sondern wollte das Wirken Gottes erläutern und ver-
herrlichen. Als Grundlage für die Kartographie diente hierbei vermutlich die
verlorene Ökumene-Karte des Vipsanius Agrippa aus der Zeit des Kaisers
Augustus, im Mittelalter gern zu der kreisrunden T-Karte schematisiert, die
ihren Namen von dem dem Kreis einbeschriebenen T der Meere erhielt,
durch das die drei damals bekannten Erdteile Asien, Europa und Afrika
voneinander getrennt gedacht waren.
Die griechische Naturwissenschaft hatte aber wesentlich früher versucht,
die gesamte Erde einschließlich der terrae incognitae darzustellen, zudem
längst ihre Kugelgestalt erfaßt. Unterschwellig sind auch im Abendland wäh-
rend des Mittelalters Reminiszenzen davon aufzuspüren. Relikte des helleni-
stischen Weltbildes dieser Art sind die Zonen- und Klimatenkarten, die ver-
einzelt belegt sind. Die Zonenkarte setzt die Kugelgestalt der Erde voraus;
sie nimmt um den Äquator einen heißen unbewohnbaren Gürtel an, der auf
beiden Seiten gemäßigten Zonen benachbart ist, in denen Lebewesen existie-
ren können, was sie jedoch tatsächlich nur in dem einen tun, endlich an den
beiden Polen zwei kalte unbewohnbare Zonen. Diese Karte geht auf Krates
von Mallos im 2. Jahrhundert vor Chr. zurück und stellt die Ökumene annä-
hernd hemisphärisch dar. In vielen naturwissenschaftlichen Schriften ist sie
belegt, so bei Isidor, Beda, Lambert von Saint-Omer, Honorius Augustodu-
nensis, Wilhelm von Conches, Herrad von Landsberg und in den Hand-

1
Vgl. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN: „...Ut describeretur universus orbis". Zur Univer-
salkartographie des Mittelalters, in: Miscellanea Mediaevalia 7 (1970) S.249ff., bes. S.251 ff.
( = o . S.84ff.).
138 Studien zur Universalkartographie [47/48]

Schriften des Macrobius-Kommentars zum «Somnium Scipionis».2 Eine dif-


ferenzierte Sonderart dieses Kartenschemas ist die Klimatenkarte, die die
bewohnte Welt in sieben Klimate aufteilt; diese sind ursprünglich als Gürtel
einer Kugel verstanden. 3 Dieser Typ wurde von Eratosthenes, Hipparch,
Strabo, Marinus von Tyrus und Ptolemäus verwendet.4 Er ist im Abendland
das Mittelalter hindurch höchst selten belegt, während er bei den Moslems
recht verbreitet war und sich auch bei dem Jakobiten Gregorios ibn al-'Ibri
genannt Barhebraeus findet, wie überhaupt die Klimatenlehre im Orient eine
bedeutsame Rolle spielte. Die westlichen naturwissenschaftlichen Handbü-
cher erwähnen sie, jedoch nur knapp.
An lateinischen Klimatenkarten sind daher überhaupt nur vier aus dem
Mittelalter erhalten. Die älteste, das Werk des Petrus Alphonsi, eines jüdi-
schen Konvertiten aus Huesca, zeigt um 1110 lediglich die Klimagürtel ohne
jede nähere Bestimmung;5 sie ist nach arabischem Vorbild gesüdet und ver-
meldet am Rande der bewohnten Welt, d.h. im Mittelpunkt des Kreises,
Aren civitas, den Sitz der Dämonen nach Meinung der Moslems. Desglei-
chen ist eine Karte dieses Typs in Frühdrucken von Werken des Johannes de
Sacro Bosco erhalten, 6 die aber kaum im Original dieser Schriften um 1250
gleichartig ausgesehen haben wird; sie hat keine Legenden, nur Länderkon-
turen, und ist ebenfalls gesüdet. Die Klimatenkarte des Pierre dAilly von
1410 ist genordet, steht jedoch bereits ganz unter dem Einfluß der Ptole-
mäus-Renaissance und gehört dem Humanismus an.
Die vierte und zugleich eigenwilligste Karte ist der Chronik des Johann
von Wallingford (f 1258) beigegeben in der Handschrift des Britischen Mu-
seums Cott. Jul. D. VII. 7 Sie zeigt die Klimaten, ist aber geostet und in ihrem
Legendenmaterial sowohl der christlichen Welt als auch den geographischen
und politischen Interessen ihrer eigenen Zeit angepaßt, was sehr ungewöhn-
lich ist.

2
Vgl. DIES.: Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländi-
schen Mittelalters, in: DA 24 (1968) S. 134f. (= o. S.32f.).
3
BRINCKEN (wie Anm. 1) S. 275ff.
4
KONRAD MILLER: Mappae mundi III (Stuttgart 1895) S. 126.
5
Abb. ebd. S. 127.
6
Opusculum spericum cum figuris optimis et novis (Leipzig ca. 1500) fol. F IVv. z.B.
7
Bisher veröffentlicht bei YOUSSOUF KAMAL: Monumenta Cartographica Africae et Aegypti
(Kairo 1926-52) III fase. 4 fol.922, und BRINCKEN (wie Anm. 1) Tafel 5 vor S.273; s. Abb.32
(vgl. unten Tafel 37), die der Liberalität des Britischen Museums verdankt wird.
[48] IV. Die Klimakarte in der C h r o n i k des J. v. Wallingford 139

1. Die Weltkarte im chronikalischen Sammelwerk des J o h a n n von


Wallingford, Ms. London BM Cott. Jul. D. VII. fol. 46

Die einzige erhaltene Handschrift vom Werk Wallingfords ist das Auto-
graph; allerdings enthält dieses auch Partien von fremder Hand. So findet
sich fol. 10-33 eine andere Chronik aus St. Albans, 8 deren Niederschrift aus
paläographischen Gesichtspunkten nach 1220 anzusetzen ist. Sie hat die Ge-
schichte Englands zum Gegenstand, steht dem Werk Rogers von Wendover 9
nahe und wurde irrtümlich dem Abt Johannes de Cella zugeschrieben. 10 Der
Hauptteil der Handschrift enthält fol. 61-110 die von Johann von Walling-
ford geschriebene Weltchronik bis zum Jahre 1258, die aus Matthaeus Pari-
siensis exzerpiert ist und einige wenige Zusätze meist mehr lokalen Charak-
ters bietet.11
Losgelöst von diesen beiden Chroniken findet sich fol. 46 von Johannes'
Hand die Weltkarte. Ihr gehen u. a. Auszüge aus Schriften des hl. Bernhard
fol. 43 ff. voraus und fol. 45v eine Berechnung der Flut der Themse an der
London-Bridge, es folgen ihr fol. 46v Vorrede und Einleitungskapitel einer
Universalhistorie. Die Handschrift enthält ferner fol. 50-53 die Englandkar-
te des Matthaeus Parisiensis, von diesem selbst ausgeführt, mit Zusätzen von
der Hand Johanns, 12 jetzt aus der Handschrift herausgenommen und geson-
dert aufbewahrt, ferner fol. 42v ein Bild des Johann, gezeichnet von Matt-
haeus. 13 Außerdem bietet der Kodex verschiedene kalendarische Teile.
Die Weltkarte steht somit für sich ohne direkten Bezug zu den benachbar-
ten Texten. Da sie geostet ist, liegt die bewohnte Hemisphäre links, die Kli-
magürtel verlaufen senkrecht. Die Legenden sind aber unter Drehung der
Handschrift um 90° eingetragen, so daß zum Schreiben doch eine Südung
vorgenommen wurde. Das läßt auf arabischen Einfluß oder arabische Vorla-
ge schließen.
Praktisch hat die bewohnte Hemisphäre acht Klimagürtel, denn auf den
siebenten folgt am Pol ein gleichfalls mit Legenden versehener Restraum. Je-
des Klima ist am Rande neben der eigentlichen Karte gekennzeichnet durch

8
E d . RICHARD VAUGHAN, in: C a m d e n Miscellany 21 ( L o n d o n 1958).
9
E d . H E N R Y G. HEWLETT, in: Rolls Series 84, 1-3 ( L o n d o n 1886-89).
10
Vgl. hierzu VAUGHAN (wie Anm. 8), Einleitung S. IX ff.
11
Diese Z u s ä t z e ed. RICHARD VAUGHAN: T h e Chronicle of J o h n of Wallingford, in: E H R 73
(1958)S.70ff.
12
Vgl. RICHARD VAUGHAN: T h e H a n d w r i t i n g of M a t t h e w Paris, in: T r a n s a c t i o n s of the R o y -
al C a m b r i d g e Bibliographical Society 1 (1953) S. 392.
13
Vgl. A b b . 33 (vgl. unten Tafel 38).
140 Studien zur Universalkartographie [48/50]

Angabe des Landes, das es hauptsächlich umschließt, während es sich bei


den Inschriften auf der Karte selbst überwiegend um Städtenamen handelt:14
1. Im Clima Indorum, quod est ultimum versus austrum, liegt im Osten In-
dia, in der Mitte wiederum Aren civitas, von denen letzteres gleichfalls auf
moslemischen Einfluß weist, 15 sich aber auch bei Petrus Alphonsi und Pierre
d'Ailly findet. India als das Land des äußersten Ostens ist mehr eine christli-
che Vorstellung, während es in antiken und arabischen Klimatenkarten ge-
wöhnlich erst im zweiten Klima erscheint und das erste Äthiopien überläßt.
Clima Ethiopum sive Maurorum folgt bei Johann von Wallingford an zwei-
ter Stelle und beinhaltet Rubrum Mare und monstruosi homines.
Das Clima Egiptiorum umfaßt im Osten die Montes Capsios [!], die Kaspi-
schen Berge, eine im Mittelalter für den Kaukasus übliche Bezeichnung (hier
im Akkusativ gebraucht!), Damascus, Alexandria und Tagus fluvius. Die
letzte Legende läßt an eine spanische Vorlage denken.
Clima Jerosolimitarum quod est medium Septem climatum umschließt Antio-
chia und Jerusalem. Hier ist also auch Ernst gemacht mit der Forderung, daß
Jerusalem den Weltmittelpunkt bilden müsse, 16 freilich den der Ökumene,
nicht des Erdkreises schlechthin. Auf den Klimatenkarten der Antike und
der Moslems muß es nämlich in der Regel im dritten Klima gesucht werden,
auch bei dem Christen Gregorios ibn al-'Ibri genannt Barhebraeus 17 und in
den Texten der Lateiner, die die Klimatenlehre bieten; nur bei Hermann von
Reichenau ist die christliche Lehre vom Zentrum gleichfalls in seine theore-
tischen Ausführungen übernommen.
Clima Grecorum enthält Constantinopolis, Grecia, Creta, Sicilia und Terra
Barbarorum, d.i. das Berberland in Nordafrika.
Clima Romanorum weist die Legenden Con[s]tantia - wohl Konstanza am
Schwarzen Meer, jedenfalls im Katalanischen Atlas des H.Jahrhunderts so
belegt19 -, Roma und Lumbardorum [seil, terra] auf.
Im Clima Francorum liegen Russia, Hungaria, Dacia, Parisius, Nor[wegia],
Andeg/avum], Pro[vin]c[i]a, His[pania].
Hoc ultimum et residuum Septem climatum complectitur Angliam, Hiberniam
et partes septentrionales; hier erscheint unter den Legenden ferner Scotia auf
der Karte.

14
Vgl. Abb. 32 (vgl. unten Tafel 37).
15
Zu Aren vgl. KONRAD MILLER: Mappae Arabicae V (Stuttgart 1931) S. 133.
16
Hieronymus, Comm. in Ezech. II, in: MIGNE PL 25 Sp. 52.
17
Vgl. MILLER (wie Anm. 15) S. 168 und S. 169.
18
De utilitatibus astrolabii I c. 19, in: MIGNE PL 143 Sp. 403 f.
" Vgl. J. A. C. BUCHON und J. TASTU: Notice d'un Atlas en Langue Catalane, in: Notices et
Extraits des Manuscrits de la Bibliotheque du Roi 14,2 (Paris 1843) S. 83.
[50/51] IV. Die Klimakarte in der Chronik des J. v. Wallingford 141

Am Rand des Erdkreises sind zudem die Himmelsrichtungen Oriens, Sep-


tentrio, Auster, Occidens vermerkt, über Oriens ist Paradisus angedeutet.
Die leere Hemisphäre ist mit Inschriften angefüllt, die Lehrsätze der Kos-
mographie bieten: Mare equinoctiale, quod dividit duas partes tocius aride, id
est terre, que scilicet est tercia pars tocius terre, que est globus spericus; scilicet ter-
ra, que elementum eius meditullium est centrum tocius mundi, ubi dicitur esse in-
fernus vel abissus, que est matrix aquarum omnium, que sunt circa globum terre
sicut albumen circa vitellum [ !] in ovo. Quando nos habemus diem, Uli noctem,
quando nos hiemem, Uli estatem.
Diese Formeln, dem leeren Halbkreis einbeschrieben, entsprechen der
Naturlehre des Idrisi, 20 finden sich aber ganz ähnlich auch schon ein Jahr-
hundert zuvor bei Wilhelm von Conches. 21
Der Raum der unbewohnten Hemisphäre ist gekennzeichnet: Hec media
pars, que est ultra torridam, si inhabitetur, nescitur; numquam enim aliquis ab
illa parte ad nos vel econtra transmigravit.
Weitere Grundsätze sind am Rande niedergelegt: Mundus ad similitudinem
ovi est dispositus. Nam terra in medio est ut meditullium in ovo; circa hanc enim
est aqua ut album[en] in ovo; circa quam aer ut paniculus circa albumen.
Extra cetera in ovo est ignis ad modum teste in ovo, Divina Sapientia sciens
sine calore et humore nil posse vivere.
Terram frigidam et siccam esse, ut aliquid in ea vivere possit, fontem tocius ca-
lori[s], id est solem, posuit in medi/oj eiusdem terre, fontem humoris, ut terra
hinc et Mine temperatur.
Dicit Marcianus et omnes philosophi et astrologi ad hec concordant, dicentes,
quod nostra terra habitabilis similis est ciamidi extense, id est spacio semicircula-
ri.
Estfons humoris in medio torride zone in modum equinoctialis circuii terram
cingens et dividens, qui ideo a pluribus esse non creditur, quia propter nimium
fervorem torride zone ad ipsos non pervenitur.
Der Autor huldigt also dem Weltbild der chlamys extensa als der Hälfte ei-
ner Halbkugel, eine Vorstellung, die der ptolemäischen Karte zugrunde
liegt. Sie wurde dem Mittelalter bekannt vor allem durch Macrobius. 22

20
MILLER (wie Anm. 15) I (1926) S.53.
21
Vgl. Philosophia mundi IV, in: MIGNE PL 90 Sp. 1167f.; DERS.: Dragmaticon, ed. GUILEL-
MUS GRATAROLUS, Dialogus de substantiis physicis ante annos ducentos confectus a Wuilhelmo
Aneponymo philosopho (Straßburg 1567). Die Ausgabe war nicht zugänglich.
22
Comm. in Somnium Scipionis II, 9, 8 f., ed. J A C WILLIS (Leipzig 1963) S. 124.
142 Studien zur Universalkartographie [51]

2. Die Arbeitsweise des J o h a n n von Wallingford

Vom Werk des Johann von Wallingford - Mönch von St. Albans wie Mat-
thaeus Parisiensis - kennt man nur diejenigen Abschnitte, die er zur historio-
graphischen Sammelhandschrift Cott. Jul. D. VII. eigenhändig beisteuerte.
Außerdem wird er die Zusammenstellung des Kodex' besorgt haben, so die
erwähnte etwas ältere Chronik aus St. Albans eingefügt haben neben der ge-
nannten Englandkarte und seinem eigenen Bild von der Hand des Matt-
haeus. 23
Das Manuskript trägt vorne den Vermerk Hie est liber fratris Johannis de
Walingeforde.. ,24 und zu Beginn des Nekrologs die Eintragung Hie scribun-
tur nomina fratrum de professione Sancti Albani defunetorum a suseeptione fra-
tris Johannis de Walingeford in eodem ordine.25 Zum 14. August 1258 hat eine
fremde Hand hinzugefügt:26 ... XIX. Kai. Sept. apud Wymund'obiit Johan-
nes de Wali[n]gford', sacerdos, dominus et scrip tor huius libri.
Aus Eintragungen im Nekrolog läßt sich erschließen, das Johannes zuerst
um 1231 in der Zelle von St. Albans namens Wallingford Mönch war und
1246/47 nach St. Albans übersiedelte. Matthaeus nennt ihn auf seiner Zeich-
nung infirmarius; dies war also in St. Albans sein Amt.27
Das Geschichtswerk Johanns ist nahezu ausnahmslos aus dem des Mat-
thaeus geschöpft, aus den Chroniken, den «Additamenta» 28 sowie aus der
«Abbreviatio Chronicorum». 29 Daraus wurde mit Recht der Schluß gezogen,
daß beide Autoren eng miteinander befreundet waren, 30 wobei Matthaeus
der gebende Teil gewesen zu sein scheint.31 Allenfalls hat Johann sich über-
arbeitend am Stoff betätigt und war nicht nur Abschreiber, 32 denn er spricht
in der Vorrede von den cronica fratris Johannis de Walingeford' excerpta a cro-

23
Zu ihm zuletzt W. N. BRYANT: Matthew Paris, Chronicler of St. Albans, in: History Today
19 (London 1969) S.772-782; ferner besonders RICHARD VAUGHAN: Matthew Paris. Cambridge
Studies in Medieval Life and Thought, New Series 6 (Cambridge 1958) S.205ff. zu Matthaeus
als Künstler, S. 229f. zur Handschrift BM Cott. Jul. D. VII., die auf die Zeit nach 1253 datiert
wird.
24
Fol. lv; vgl. VAUGHAN (wie Anm. 8) S. IX, und DERS. (wie Anm. 11 ) S.66f.
25
Fol. 112v.
26
Fol. 113v.
27
Fol. 42v; s. Abb. 33 (vgl. unten Tafel 37).
28
Fol. 61-110; vgl. VAUGHAN (wie Anm. 11) S.66ff.
29
Fol. 56v-59v; vgl. VAUGHAN (wie Anm. 23) S. 116.
30
VAUGHAN (wie Anm. 8) S. IX.
31
Über weitere Beziehungen zwischen beiden Autoren vgl. VAUGHAN (wie Anm. 11 ) S. 66.
32
Fol. 46v; vgl. VAUGHAN (wie Anm. 11) S.67.
[51/52/53] rV. Die Klimakarte in der Chronik des J. v. Wallingford 143

nicis diversorum ystoriographorum; die Teile, die aus anderen Schriften als
denen des Matthaeus stammen, machen in der Edition doch 7 1/2 Seiten im
Kleindruck aus. 33 Immerhin ist es nicht von der Hand zu weisen, daß auch
diese Zusätze aus Arbeitsmaterial des Matthaeus stammen, das heute nicht
mehr zugänglich ist. Johannes ist nämlich so außerordentlich abhängig von
seinem großen Historikerfreund, daß man ihm selbst kaum eigenständige
Forschung und Suche auf diesem Sektor zutraut. Das legt zugleich den Ver-
dacht nahe, die recht ungewöhnliche Weltkarte in Johanns Werk könnte
auch auf Matthaeus zurückzuführen sein. Selbständig geschrieben hat Jo-
hann nachweislich jedenfalls nur für die Jahre ab 1252.34
Auf der Weltkarte wurden die Einflüsse der naturwissenschaftlichen
Schriften des Wilhelm von Conches nachgewiesen. Auch Matthaeus hat sich
sehr mit diesem Autor beschäftigt und sogar Zeichnungen zu seinen Schrif-
ten angefertigt, 35 kannte ihn also gut und könnte sein Wissen Wallingford
vermittelt haben. Die Karte der Winde bei Wallingford 36 nach Robert Gros-
seteste steht gleichfalls der des Matthaeus nach Elias von Dereham in seinen
«Additamenta» nahe. 37 So führt die Spur immer wieder irgendwo zu Matt-
haeus.

3. Verlorene kartographische Arbeiten


des Matthaeus Parisiensis

Matthaeus Parisiensis genießt seinen Ruf als bedeutsamer Kartograph vor


allem aufgrund seiner Englandkarte. Sie steht am Anfang der Partikularkar-
tographie des Mittelalters, zumindest vom Stand der Überlieferung her be-
urteilt, soweit derartige Stücke überhaupt eine gewisse Brauchbarkeit zei-
gen. 38 Außerdem besitzt man von Matthaeus eine rudimentäre Weltkarte, er-
halten in zwei Handschriften. 39 Diese Karte gehört freilich keineswegs zu

33
Ed. VAUGHAN (wie Anm. 11) S.70ff.
34
Ebd. S.72ff. nach fol. 101 ff.
35
Vgl. VAUGHAN (wie Anm.23) S.220 und S.254f. über die Handschrift Cambridge CCC
385 p. II mit dem «Dragmaticon» Wilhelms; dazu Tafel XX ebd.
36
Fol. 51v.
37
VAUGHAN (wie Anm. 23) S.255.
38
Vgl. ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN: Die Ausbildung konventioneller Zeichen und
Farbgebungen in der Universalkartographie des Mittelalters, in: ArchDipi 16 (1970) S. 326 (=
o. S. 113); die Karte ed. u.a. MILLER (wie Anm.4) S.74, S.76, S.77.
39
Autograph Ms. Cambridge CCC 26 S. 284, ferner BM Cott. Nero D. V fol. 1 v; ed. MILLER
(wie Anm.4) S.70 und 71.
144 Studien z u r Universalkartographie [53/54]

den Paradestücken mittelalterlicher Universalkartographie, 40 erscheint viel-


mehr so unvollständig, daß Destombes 41 sie in seinem Repertorium nicht un-
ter die Weltkarten eingestuft hat. Tatsächlich sind nur grobe Umrisse Euro-
pas darauf zu sehen, die übrigen Erdteile wurden lediglich angedeutet. Der
Herausgeber Miller42 hat daher konstatiert, daß das Interessanteste an der
Karte eine Legende sei, die die Existenz dreier großer Wandweltkarten in
London und Umgebung bezeugt: 43 Summatim facta est dispositio mappamundi
magistri RoberftiJ de Melkeleia et mappamundi de Waltham. Mappamundi
domni Regis quidem est in camera sua apud Westmonasterium, figuratur in ordi-
nali Mathei de Parisio. Verissimum autem figuratur in eodem ordine quod est
quasi clamis extensa. Talis est scema nostre partis habitabilis secundun philoso-
phos, scilicet quarta pars terre, que est triangularis fere. Corpus enim terre speri-
44

cum est.
Matthaeus gibt hier Kunde von drei großen Vorbildern für sein Werk,
derjenigen des Robert Melkeley, derjenigen in der Abtei Waltham und einer
eigenen im Zimmer des Königs zu Westminster. Zugleich übt er Kritik an
diesen Karten und äußert, daß die Welt richtiger als chlamys extensa darzu-
stellen sei, in der Form eines ausgebreiteten Mantels, weil die bewohnte Welt
den vierten Teil der gesamten Erde ausmache, fast dreieckig sei, aber sphä-
risch vorzustellen.
Demnach darf man vermuten, daß Matthaeus die Welt auch hemisphä-
risch dargestellt haben dürfte. Dies könnte in der Gestalt einer differenzier-
ten Zonenkarte erfolgt sein, wie es etwa bei Lambert von Saint-Omer ge-
schah, 45 der sich auch auf Marcianus Capella berief wie Johann von Wal-
lingford. Ebensogut könnte er eine Klimatenkarte gezeichnet haben. Kleine
schematische Zonenkarten von Matthaeus' Hand 4 6 sind sogar in seinen Illu-
strationen zu Wilhelm von Conches erhalten, der übrigens selbst recht ver-
schiedenartige Zonenkarten entwarf.47 Hier möchte man daher wieder in Er-
wägung ziehen, daß Johann von Wallingford seine den Forderungen des
Matthaeus so entsprechende Klimatenkarte von diesem übernommen haben
könnte.

40
VAUGHAN (wie Anm. 23) S.247.
41
MARCEL DESTOMBES: M o n u m e n t a C a r t o g r a p h i c a Vetustioris Aevi A D 1200-1500, Bd. 1:
M a p p e m o n d e s (Amsterdam 1964) sect. 54 S.246.
42
M I L L E R (wie Anm. 4) S. 7 3 .
43
Ebd. S. 71 f.
44
Vgl. M A C R O B i u s ( w i e A n m . 2 2 ) I I , 9, 8 f. S. 124.
45
Vgl. z . B . M s . Guelf. 1 G u d . Lat.fol.69v-70r; ed. u . a . MILLER (wie A n m . 4 ) I I I T a f e l IV.
46
Eine solche publizierte VAUGHAN (wie Anm. 23) Tafel X X e.
47
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 41) sect. 3 9 - 4 2 S. 96 ff.
[54] IV. Die Klimakarte in der Chronik des J. v. Wallingford 145

Es muß allerdings festgehalten werden, daß sich bei Matthaeus in den


zahlreichen eigenhändigen oder teilweise autographen Kodizes nirgends
eine derartige Karte nachweisen läßt, so daß es sich um eine Hypothese han-
delt.

4. Matthaeus Parisiensis auf d e r Suche nach einem Platz


für die Mongolen innerhalb der Ökumene

Die Frage ist, ob sich Texte bei Matthaeus beibringen lassen, die noch näher
an die Klimatenkarte der Wallingford-Handschrift heranführen.
Diese hat, wie angedeutet wurde, eine nicht ganz alltägliche Klimatenein-
teilung. Zwar ist kein paralleles Stück aus der Zeit vor der ptolemäischen Re-
naissance des 15. Jahrhunderts erhalten, auf dem die Klimate so differenziert
dargestellt sind. Doch besitzt man auch unter den mehrfach erhaltenen Tex-
ten dieser Art keinen mit vergleichbarer Aufteilung der Klimate. Denn diese
stimmen z.B. bei Beda, 48 Hermannus Contractus 49 oder auf den Karten der
Araber 50 bzw. der christlichen Orientalen 51 nicht mit Johanns Karte überein.
Hingegen findet sich exakt die gleiche Klimateneinteilung in den «Chroni-
ca Maiora» des Matthaeus Parisiensis zum Jahre 1241. 52 Matthaeus berich-
tet hier vom Einfall der Mongolen nach Europa - am 9. April dieses Jahres
war die Schlacht auf der Wahlstatt bei Liegnitz verloren worden, die aber
immerhin den Sturm gen Westen eindämmte, wie sich freilich erst später her-
ausstellte - und von der großen Sorge, die auch Kaiser Friedrich IL darob
erfüllte. Der Autor überliefert einen Brief, datiert vom 3. Juli, den der weltli-
che Oberherr des Römischen Reiches an viele christliche Fürsten des Abend-
landes richtete, 53 u. a. auch an den König von England, zumal man Friedrich
verschiedentlich seitens der kurialen Partei wegen seines Kampfes mit dem
Papsttum die Schuld am Mongoleneinfall geben wollte. Der Kaiser ruft zur
Zusammenarbeit auf und äußert über die Herkunft der Mongolen: 54 Egressa
enim dudum ex ultimis mundi finibus de regione australi, que diu sole sub torri-

48
De natura rerum e. 47, in: MIGNE PL 90 Sp.265ff.
49
Wie Anm. 18.
50
MILLER (wie Anm. 15) z.B. V S . 130f. und nach S. 160.
51
Ebd. S. 168 ff.
52
Ed. HENRY RICHARDS LUARD, in: Rolls Series 57 (London 1872-83) Bd. 4 S. 112 ff. bzw. ed.
F. LIEBERMANN, in: MG SS 28 (1884/88) S. 210 ff.
53
Vgl. J. J. SAUNDERS: Matthew Paris and the Mongols, in: Essays in Medieval History, pre-
sented to Bertie Wilkinson (Toronto 1969) S. 124f.
54
Rolls Series 57, 4 S. 112 bzw. MG SS 28 S.210.
146 Studien zur Universalkartographie [54/55]

da zona tosta latuerat, que postea, versus partes boreales occupatis violenter re-
gionibus, diu manens ut brucus multiplicatur, gens barbare nacionis et vite, quo
nescimus a loco vel origine, Tartari nuncupata, non absque previso Dei iudicio
ad sui populi correpcionem et correccionem, non utinam ad tocius christianitatis
dispendium ! ad hec novissima tempora reservatur. Friedrich IL ruft nament-
lich folgende Länder zum Waffengang auf:55 Germania, Francia, Hispania,
Anglia, Alemannia, navalis Dacia [= Dänemark!], Ytalia, Burgundia, Apulia,
mare Grecum, Adriaticum et Tyrenum, Creta, Cyprus, Sicilia, Hybernia, Wal-
lia, Scocia, Norwegia.
Matthaeus kommentiert diesen Brief:56 Oritur mala super hiis suspicio. Hui-
us igitur eventus famosa novitas totam Europe celerius implevit latitudinem, im-
mo etiam Sarracenorum climata pervolavit. Orta est igitur discordia sentencialis
inter mukös, diversis diversa super hiis sencientibus. Fuerunt namque qui dice-
rent, imperatorem hanc Tartarorum pestem sponte fuisse machinatum et per hanc
elegantem epistolam scelus tam nepharium nequiter palliasse et ad tocius mundi
monarchiam in fidei Christiane subversionem ad instar Luciferi vel Antichristi
hiatu protervo conspirare. Redarguitur enim epistola quasi continens falsitatem.
Dicitur enim in ea, gentem ipsam ignotam Tartarorum ab australibus mundi,
que sub torrida zona sunt, partibus empisse, quod evidenter apparet ficticium.
Non enim audivimus, eos australes vel etiam orientales partes peragrasse. Occulta
insuper eorum Consilia et investigabiles ipsorum Tartarorum vias et conspiracio-
nes quam plures plenas esse imperialibus consiliis suspicantur; suum nempe celant
ydioma, armaturas variant; et si quis eorum capiatur, nulla ratione potest noticia
eorum vel propositum a capto, licet exquisitis tormentis affligatur, extorqueri. Et
cum sint in tocius mundi capacitate septem climata, videlicet Indorum, Ethiopum
vel Maurorum, Egipciorum, Ierosolimitanorum, Gregorum, Romanorum et
Francorum, nee sint tam remoti in terra nostra tota habitabili, quos mercatores
navigando non rimentur - unde Poeta Oracius:57 Impiger extremos curris mer-
cator ad Indos -, ubi tot et tales hactenus latuerunt? Ut quid tam fraudulenta in-
ter eos et tarn occulta coniuracio f Sunt igitur, ut inquiunt, Hircani et Sicii, hu-
manam cedem avide sicientes, montes et salebras boreales inhabitantes, quifera-
lem vitam ducentes, deos colunt montium et previsa in die; qui etiam cum Cu-
manis sibi conterminis et tam confederatis, machinante imperatore, regem
Hungarie cum quibusdam aliis magnatibus expugnarunt, ut fatigatus rex ad alas
imperatoris avolaret, homagium eipro succursu impendendo facturus. Unde, cum

55
Ebd. S. 118 bzw. S.212.
" Ebd. S. 119 f. bzw. S. 213.
57
Ep. 1,1,45.
[55/56] IV. Die Klimakarte in der Chronik des J. v. Wallingford 147

hecfierent, ipsi hostes sunt regressi. Sed absit, ut in uno corpore mortali tanta sce-
leris immanitas latitaret.
Der Brief des Kaisers - der übrigens von Matthaeus nicht ganz genau
überliefert wird 58 - wurde also diesem als Fälschung angekreidet. Friedrich
habe sich als Antichrist der Hilfe der Mongolen bedienen wollen und den
Brief verfaßt, um seine Unschuld glaubwürdig zu machen. Der Brief enthalte
insofern einen Fehler, als die Mongolen gar nicht von Süden kamen, wie
darin behauptet werde; vielmehr sei bei ihnen alles streng geheim, und sie
seien durch nichts zum Verrat zu bringen. Matthaeus zählt an dieser Stelle
die sieben Klimate der bewohnten Welt auf, und seine Beschreibung paßt ge-
nau zu der Klimatenkarte bei Johann von Wallingford, so daß es nur zwei
Möglichkeiten gibt: entweder benutzte Matthaeus die Karte als Vorlage für
den Text, oder er zeichnete sie als Illustration dazu. Außerhalb dieser sieben
Klimate, so meint der Autor, gäbe es keinen noch so entfernten Ort der Er-
de, als daß ihn die Kaufleute nicht durchstöbert hätten. Als Beweis zitiert er
Horaz. Die Mongolen seien letztlich Hyrkanen und Skythen, blutrünstig,
kämen aus dem Norden und lebten den Rumänen benachbart.
Doch nicht nur die sieben Klimate bei Matthaeus passen zu denen der
Karte im Cott. Julius D. VII., auch ein großer Teil der relativ wenigen Le-
genden der Karte deckt sich mit den bei Friedrich II. erwähnten Ländern:
Griechenland, Kreta, Sizilien, Ungarn, Rußland, Dänemark, Norwegen,
Spanien, England, Irland und Schottland. Daraus darf geschlossen werden,
daß der Brief des Kaisers das primäre Stück war, zu dem die Karte entstand.
Die übrigen Legenden bei Wallingford vermelden in Europa Konstanza,
Konstantinopel, die Lombardei, Paris, Anjou, ferner sagenhafte Gegenden
wie Indien, das Rote Meer, die Kaspischen Berge und die Monstren, endlich
TióXetc; 87uoT||j.oi,59 die bei den Arabern auch eine Rolle spielen, so Damas-
kus, Alexandrien, Jerusalem als Mittelpunkt, Antiochien und vor allem Aren.
Der Tagus fluvius verweist auf spanische Vorbilder, desgleichen das Berber-
land.
Man möchte an eine Klimatenskizze aus dem Werk des Wilhelm von Con-
ches und der arabisch beeinflußten Schule von Chartres denken, nach der
Matthaeus eine Skizze zur Illustration seiner Chronik zeichnete, die er ein-
fügen wollte oder nur seinen Materialsammlungen beilegte. Vielleicht fiel ge-
rade sie Johann von Wallingford in die Hände, und er übernahm sie zusam-

58
Vgl. VAUGHAN (wie Anm. 23) S. 132 ff.
5
' So nennt man die Städte, die für die einzelnen Provinzen bzw. Klimate kennzeichnend
sind; vgl. ERNST HONIGMANN: Die sieben Klimata und die nóXac, èmonuoi Eine Untersuchung
zur Geschichte der Geographie und Astrologie im Altertum und Mittelalter (Heidelberg 1929)
S. 62 ff.
148 Studien zur Universalkartographie [56]

menhanglos in seinen Kodex. 60 Erhalten ist dieses Curiosum jedenfalls nur


einmal, und besonders schön anzusehen ist es auch nicht gerade. Aber es
könnte die Skizze zu einer von Matthaeus geplanten Idealkarte in Form der
chlamys extensa, sein. Die arabischen Elemente sind nicht zu übersehen, doch
ist das Schema ins Christliche transponiert: Jerusalem ist Mittelpunkt der
Ökumene, und diese ist vorschriftsmäßig geostet. Nur die Schreibrichtung
der Legenden erinnert daran, daß das Vorbild wohl gesüdet war.
Bei der Karte des Cott. Julius D. VII. handelt es sich also nicht um die Re-
produktion einer der verlorenen großen Wandkarten, von denen Matthaeus
Parisiensis Kunde gibt. Vielmehr ist das Kärtchen zweckgebundenes An-
schauungsmaterial, und das ist bei mittelalterlichen Weltkarten - abgesehen
von den Sehernakärtchen naturwissenschaftlicher Werke - gar nicht so häu-
fig. So stellt die Karte auch in dieser Hinsicht etwas Besonderes dar.

Zusammenfassung

Die Klimatenkarte im historischen Sammelkodex des Johann von Walling-


ford hat die verschiedensten Einflüsse in sich aufgenommen: das Schema ist
griechisch-arabisch, die Anlage in ihrer Aktualität gleichfalls arabisch. Na-
mengut verweist auf spanische Vorlagen. Die engste Beziehung aber ergibt
sich zu Texten aus den «Chronica Maiora» des Matthaeus Parisiensis: das
Legendenmaterial findet sich dort nahezu vollständig wieder im Zusammen-
hang mit dem Mongoleneinfall und der Frage nach der Herkunft dieses
Steppenvolkes. Da Johann von Wallingford als Historiograph weitgehend,
möglicherweise sogar ausschließlich von Matthaeus Parisiensis abhängig ist,
darf man in diesem wohl auch den Schöpfer der einzigen detaillierten mittel-
alterlichen Klimatenkarte vor der ptolemäischen Renaissance sehen, zumal
Matthaeus unter dem Einfluß der Schule von Chartres, unter dem auch un-
sere Karte entstand, die Forderung nach einer ganz entsprechenden Welt-
darstellung geäußert hatte.

60
Im Textteil bei Wallingford - fol.93-93v - finden sich die entsprechenden Ausführungen
des Matthaeus über die Klimate zu AD 1241 nicht übernommen.
V. Europa in der Kartographie des Mittelalters*

Verwendung und Reichweite des Begriffs Europa in der Literatur der Ver-
gangenheit sind bisher generell für die ältere Zeit in den vierziger und fünfzi-
ger Jahren von Gonzague Comte de Reynold, 1 speziell für Spätantike und
Frühmittelalter 1957 von Jürgen Fischer,2 für den Humanismus bereits 1928
von Richard Wallach, 3 für dieselbe Spanne sowie für die frühe Neuzeit 1931
von Werner Fritzemeyer4 und für das 18. und 19. Jahrhundert 1951 von
Heinz Gollwitzer5 untersucht worden. Für den Zeitraum von ca. 1050 bis
1400 klafft einstweilen eine Lücke in der Forschung.
Jürgen Fischer unterscheidet ausdrücklich zwischen einem Wortinhalt im
Sinne relativ unveränderlicher Objekte der Bildung und Wissenschaft einer-
seits und einer Wortbedeutung mit wandelbarem tendenziösem Charakter
andererseits, 6 so umschreibt er den Europa-Begriff in Mythologie und Geo-
graphie als starr, während er seinen Werdegang und Wandel im politischen
Bereich verfolgt. Er setzt ihn in Beziehung zu dem gebräuchlicheren Wort
Abendland, lateinisch occidens; dieses hat seinen Ursprung in dem spätanti-
ken Gegensatz zum oströmischen Reich, oriens,7 und wurde vielfach syno-
nym für Europa verwendet.

* Antrittsvorlesung, gehalten vor der Philosophischen Fakultät der Universität Köln am 21.
4. 1972.
1
Besonders GONZAGUE COMTE DE REYNOLD, La Formation de l'Europe I: Qu'est-ce que c'est
l'Europe? (Fribourg 1944 bzw. 1948).
2
Oriens-Occidens-Europa. Begriff und Gedanke „Europa" in der späten Antike und im frü-
hen Mittelalter. Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 15 (Wiesba-
den 1957). Wichtig in diesem Zusammenhang ferner EUGEN ROSENSTOCK und JOSEF WILLIG, Das
Alter der Kirche I (Berlin 1927) S. 513 ff.; EUGEN ROSENSTOCK-HUESSY, Die europäischen Revo-
lutionen und der Charakter der Nationen (Stuttgart/Köln 2. Aufl. 1951 ) S. 34 ff.
3
Das abendländische Gemeinschaftsbewußtsein im Mittelalter. Beiträge zur Kulturge-
schichte des Mittelalters und der Renaissance 34 (Leipzig/Berlin 1928) S. 45 ff.
4
Vgl. WERNER FRITZEMEYER, Christenheit und Europa. Zur Geschichte des europäischen Ge-
meinschaftsgefühls von Dante bis Leibniz. Beiheft 23 der Hist. Zeitschr. (München/Berlin
1931).
5
Europabild und Europagedanke. Beiträge zur deutschen Geistesgeschichte des 18. und 19.
Jahrhunderts (München 1951); DERS., Zur Wortgeschichte und Sinndeutung von „Europa", in:
Saeculum2(1951)S. 161 ff.
6
FISCHER (wie Anm.2) S. 5.
7
GOLLWITZER (wie Anm. 5) Europabild S. 10.
150 Studien zur Universalkartographie [290/291]

Hier soll nun der Europa-Begriff der Kartographen beleuchtet werden,


die naturgemäß von der Erdkunde, im Mittelalter aber bemerkenswerter-
weise mindestens ebensosehr oder sogar noch mehr von der Historiographie
herkamen; sie waren daher sowohl Natur- als auch Geisteswissenschaftler.8
Während Europa für die Geographen nur einen der drei damals bekannten
Erdteile mit festen Grenzen darstellt, haben die Kartenzeichner Kenntnis
von dem vielschichtigen Sinn des Wortes Europa.
Vorweg sind jedoch einige Anmerkungen zum Europa-Begriff in der Lite-
ratur zu machen. Er erscheint dort in recht verschiedenartigen Schattierun-
gen. Europenses waren es nach einem spanischen Fortsetzer Isidors von Sevil-
la von ca. 754, die den Arabern 732 bei Tours und Poitiers erfolgreichen Wi-
derstand entgegensetzten.9 Seit der Zeit Karls des Großen meinte man mit
Europa in der Regel das Frankenreich. Der Verfasser des Paderborner Epos
z.B. konnte den Frankenherrscher 799 als Europae celsa Pharus,i0 erhabenen
Leuchtturms Europas, als Europae venerandus apex,u verehrungswürdigen
Gipfel Europas, und gar als rex pater Europae,12 König und Vater Europas,
feiern. Bis ins 11. Jahrhundert kam der Begriff in diesem Sinne häufig vor. Er
wurde dann von Imperium Romanum zurückgedrängt und erschien später
überwiegend in historischen Zusammenhängen. 13 Nie hatte Europa damals
allerdings auch nur entfernt das Gewicht, das ihm der Humanismus und die
Neuzeit beimaßen.
Das Mittelalter war sich dabei durchaus bewußt, daß sich Abendland und
geographischer Europa-Begriff nicht völlig deckten; man sprach deshalb
wohl auch einschränkend von fast ganz Europa, cuncta pene Europa^4 oder
pene tota Europa.^5 Hierunter verstand man das occidentale Imperium oder
den orbis Romanus mit dem Papst an der Spitze; dieser wurde zu Beginn des
11. Jahrhunderts beispielsweise in der Chronik des Benediktinerklosters von
Novalese als pastor ac universae Eurupae rector, als Hirt und Lenker des ge-

8
Vgl. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, „... Ut describeretur universus orbis" - Zur Uni-
versalkartographie des Mittelalters, in: Miscellanea Mediaevalia 7 (Köln 1970) S.251 ff. ( = o.
S.84ff.).
9
„Continuano Hispana" zu Isidor, ed. THEODOR MOMMSEN MG AA 11 (1893) S. 362.
10
V. 12, ed. FRANZ BRUNHÖLZL, in: Karolus Magnus et Leo Papa, ein Paderborner Epos vom
Jahre 799. Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte 8 (Paderborn 1966) S.60.
11
V. 93 ebd. S. 66.
12
V 504 ebd. S. 94.
13
Fischer (wie Anm. 2) S. 112 ff.
14
NOTKER BALBULUS, Gesta Karoli Magni I c. 17 ed. HANS F. HAEFELE, MG SS rer. Germ.
NS 12 (1959) S. 21.
15
Vgl. WIDUKIND von KORVEI, Res gestae Saxonicae III, 46 edd. PAUL HIRSCH und H. E.
LOHMANN nach GEORG WAITZ und K. A. KEHR, MG SS rer. Germ, in us. schol. (5. Aufl. 1935)
S. 127.
[291] V. Europa in der Kartographie des Mittelalters 151

samten Europa, apostrophiert. 16 Nur aufgrund des stets engen Schülerver-


hältnisses jener Zeit zur Antike blieb das Wort Europa überhaupt weiterhin
lebendig. 17 Da Byzanz seit der Karolingerzeit eliminiert war, verlagerte sich
Europa aus dem mediterranen Raum gewissermaßen ins Frankenreich. 18 Ins-
besondere in panegyrisch gefärbter Literatur des Westens wurde es dort ge-
sucht. Der Verfasser der «Vita Reginswindis» bezeichnete im 12. Jahrhun-
dert Italien, Frankreich und Deutschland z. Z. Ludwigs des Frommen als die
tres praestantiores Europae species, die 3 vortrefflichsten Unterabteilungen Eu-
ropas. 19 In der Kreuzzugsliteratur, beispielsweise in einem anonymen Pilger-
führer um 1200, 20 war Europa der Erdteil, der die verschiedenen Völker der
Lateiner, nämlich die Deutschen, Spanier, Franzosen, Italiener und andere
hervorbrachte. Der Engländer Matthaeus Parisiensis ließ 1247 den Papst
Deutschland, Italien, Spanien und Norwegen als die 4 Teile Europas oder
der Christenheit durch seine Legaten gegen Friedrich IL mobilisieren,21 das
lateinische Wort Christianitas für Christenheit ist hier synonym für Europa
verwendet.
Es gibt aber gegenteilige Zeugnisse. Gervasius von Tilbury mag 1214 mit
Bysantium als einer civitas Europae22 vielleicht nur an Europa im Sinne von
Thrakien gedacht haben, denn in dieser Verwendung 23 kam Europa seit der
griechischen Frühzeit bis zur Provinzeneinteilung Diokletians vor. Alexan-
der von Roes hat jedenfalls 1288 in seiner „Noticia Saeculi" eine umfassen-
dere Vorstellung, wenn er als die vier Hauptreiche Europas Griechenland im
Osten, Spanien im Westen, Rom im Süden und das Frankenreich im Norden
namhaft macht, unbeschadet anderer selbständiger Herrschaften. Rom und
das Frankenreich feiert er als die principaliora regna,24 besonders hervorra-

" C h r o n . Novalicense, Anf. 1 l.Jh., ed. L. C . BETHMANN, M G SS 7 (1846) S. 122.


17
GoLLwrrZER (wie Anm. 5) Wortgeschichte S. 165.
18
F I S C H E R (wie A n m . 2) S. 50 ff.
19
Ed. O . H O L D E R - E G G E R , M G SS 15 (1887) S.359 Z. 30f.
20
I n n o m i n a t u s V., 1. II c. 9, e d . W I L H E L M A N T O N N E U M A N N , D r e i mittelalterliche Pilger-
schriften, in: Oesterr. Vierteljahrsschrift f. K a t h . T h e o l . 5 (1866) S.261f.
21
C h r o n . mai., ed. F. LIEBERMANN, M G SS 28 (1888) S.290.
22
O t i a Imperialia II, 16, e d . G O T T F R I E D W I L H E L M LEIBNIZ, SS rer. Brunsvic. I ( H a n n o v e r
1707) S. 929.
23
Vgl. GOLLWITZER (wie Anm. 5) Europabild S. 13 ff.; ALEJANDRO DE RANDA, Diez E u r o p a s
hasta hoy (Palma d e Mallorca 1969) S. 8 f.
24
G . 9 e d d . H E R B E R T G R U N D M A N N u n d H E R M A N N H E I M P E L , A l e x a n d e r v. R o e s , Schriften,
M G Staatsschr. d. späteren Mittelalters 1 (1958) S. 155 f.: Nunc Europe terminos describere et po-
pulorum ac ordinum mores et differentias convenit. Europa igitur quatuor habet regna principalia, vi-
delicet regnum Grecorum in Oriente et regnum Hispanorum in occidente, regnum Romanorum in
meridie et regnum Francorum in aquilone, aliis tarnen regnis in sua sublimitate permanentibus. Sed
inter quatuor hec regna principalia duo sunt principaliora, videlicet regnum Romanorum et Franco-
152 Studien zur Universalkartographie [291/292]

gende Reiche. Sein Frankenreich geht von den Slawen bis nach Spanien. Hier
ist das paläologische Byzanz als europäische Vormacht respektiert, desglei-
chen Spanien. Dabei weiß Alexander durchaus, daß es auf der Iberischen
Halbinsel verschiedene Könige mit ihren eigenen Territorien gibt. 25 Der et-
wa gleichzeitige Verfasser der «Descriptio Alsatiae», 26 einer Beschreibung
des Elsaß, schildert sein Land als in Europa gelegen und von Konstantinopel
im Osten 8, von Cordoba im Westen 7 Reisewochen entfernt; diese beiden
Städte sind ihm Europas Vorposten.
Die Mongolengefahr hat entgegen der Meinung Fischers27 wenig zum
Wiederaufleben des Europagedankens beigetragen. Lediglich der Aufruf
Friedrichs IL zu einem Verteidigungsbund 28 wäre hier zu erwähnen. Der
Kaiser suchte damit 1241 alle christlichen Fürsten Europas einschließlich der
lateinischen Herren in der griechischen Inselwelt anzusprechen und versteht
Europa als den Einflußbereich der eigenen Macht. Der fanatische Schismati-
kerhasser Guillaume Adam endlich stellt zu Beginn des H.Jahrhunderts, an-
geregt durch die Erfahrungen bei der Mongolenmission, fest, daß von einer
einst christlichen Welt Afrika jetzt völlig heidnisch und Asien nicht recht-
gläubig sei; aber auch Europa werde östlich von Deutschland und Polen von
Ungläubigen, in Spanien von Sarazenen und im übrigen von schismatischen
Russen, Bulgaren, Slawen, Serben, Kroaten und vor allem Griechen be-
wohnt; 29 damit ist die naive Vorstellung des christlichen Einheitskontinents
überholt, wie sie noch Gottfried von Viterbo zu Ende des 12. Jahrhunderts
äußern konnte, als er behauptete, daß der jüngste Noachide Japhet Europa,
ubi nunc sunt Christiani,i0 den Erdteil, wo jetzt die Christen wohnen, zuge-
sprochen erhielt.
Die Türkennot des 15. Jahrhunderts 31 ließ den Westen unter dem Ein-
druck der griechischen Flüchtlinge Byzanz als zweites Auge bzw. zweiten

rum. Terminus autem regni Romani olimfuit tota Italia cum aliquibus maritimis circumiacentibus.
Termini vero regni Francorum comprehendebant totam Teutoniam et totam Galliam, quas versus
orientem a Sclavis, Boemis et Ungaris nemora dividunt, versus occidentem ab Hispanis montes Pire-
nei separant, contra meridiem Alpes Italie terminant et versus aquilonem mare Frisie et Britanie in-
cludunt.
25
Memoriale c. 19 ebda. S. 115.
26
ED.PH.JAFFE,MGSS17(1861)S.237.
27
FISCHER (wie Anm. 2) S. 115.
28
Vgl. MG SS 28 S. 212.
29
Directorium ad passagium faciendum I, 1, Receuil des Hist, des Croisades, Doc. Armen.
II (Paris 1906, Repr. 1967) S.382f.
30
Speculum Regum, ed. GEORG WAITZ, MG SS 22 (1872) S. 32.
31
FRITZEMEYER (wie Anm.4) S.22.
[293/294] V. Europa in der Kartographie des Mittelalters 153

Arm Europas anerkennen, wie es Enea Silvio de' Piccolomini ausdrückte. 32


Das Abendland wuchs in den antiken bzw. geographischen Europabegriff
hinein. 33 Europa überwand gewissermaßen das Abendland des Mittelalters.
Es bleibt zu fragen, wie die Kartographen Europa und Abendland verstan-
den und beides zueinander in Beziehung setzten.
Hier ist zunächst auf einige uns heute nicht selbstverständliche Merkmale
mittelalterlicher Karten hinzuweisen. Zu den charakteristischen Zügen der
Weltdarstellung der Lateiner gehört es, daß man die Erde nicht vermißt, wie
dies die antike und auch die moderne Kartographie tun. Man will gar kein
wirklichkeitsgetreues Abbild der Erde für wissenschaftliche oder verwal-
tungstechnische Zwecke geben, sondern die Welt als Ganzes malen und auf-
schreiben - describere lautet der lateinische Fachausdruck -, um die Schau-
plätze des göttlichen Heilshandelns und das daraus resultierende Weltge-
schehen zu verdeutlichen. Dabei geht man im Abendland deduktiv vor, vom
Allgemeinen zum Speziellen; während die Moslems Einzelkarten zu Weltbil-
dern zusammensetzen, steht im Abendland die Universalkartographie am
Anfang34 und beherrscht das Feld bis zum Aufkommen der Portolankarten
im Spätmittelalter. Von Pilgerwegskizzen und einer unförmigen Italiendar-
stellung Guidos von Pisa abgesehen ist die England-Karte des Matthaeus
Parisiensis um 1250 die erste differenzierte Spezialdarstellung eines Landes.
Die mittelalterliche Kartenwissenschaft ist primär theologisch ausgerichtet
und dient der Bibelexegese; darüber hinaus trägt sie - wie erwähnt - ausge-
sprochen historiographische Züge. Sie zeigt Plätze aller Zeiten nebeneinan-
der, dient aber nie als Wegweiser für Reisende. Nach Ansicht des Venezia-
ners Paulinus Minorità - er lebte zu Anfang des H.Jahrhunderts - besteht
eine gute Karte aus Textabschnitt und Gemälde, scriptura et pictura. Sie ist
somit eine mappa duplex, deren Teile für sich allein nicht vollwertig sind und
die sich ausdrücklich nur an die litterati, die Schriftkundigen, wendet. 35 Pau-
lin war es auch, der es strengstens verbot, die pictura, das Gemälde, zu vari-
ieren. Dieses Vergehen hat Gervasius von Tilbury ein Jahrhundert zuvor
schon mit der Fälschung von Zeugenaussagen verglichen.36 Die neuen Er-

32
Cosmographia in Asiae et Europae descriptione, Teil II: Europa temporum authoris varias
continet historias, ed. MARQUARD FREHER als „Europae Status", in: Germanicarum rerum Scrip-
tores aliquot insignes hactenus incogniti II (Frankfurt 1600) S.38-112 u.a., weitere Nachweise
dazu bei WALLACH (wie Anm. 3) S.45ff., bes. S. 51, und FRITZEMEYER (wie Anm.4) S. 18ff.
33
Vgl. ROSENSTOCK-HUESSY (wie Anm.2) S. 34ff.; GOLLWITZER (wie Anm.5) Wortgeschichte
S.167.
34
Vgl. v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 8) S.254.
35
Ebda. S.260f., vgl. Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 13 u.a.
36
Otia Imperialia (wie Anm.22) II, 23 S.956.
154 Studien zur Universalkartographie [294/295]

kenntnisse der Mongolenmissionare über den Fernen Osten vermeldet Paulin


daher nur im Text, nicht auf der Karte. 37 So konnte die Kartographie des
Abendlandes keinerlei Entwicklung durchmachen, sondern beharrte auf ih-
ren antiken Formen.
Bezeichnenderweise finden sich die differenzierteren Karten der Lateiner
in Enzyklopädien oder in Geschichtswerken, 38 in denen sie Zustand und
Werdegang erläutern. Vorzugsweise illustrieren sie die Völkertafel der Noe-
Söhne aus der Genesis oder die Völkerzerstreuung nach dem Turmbau von
Babel. Da laut Aussage Hugos von St.-Viktor persone, a quibus res geste sunt,
d. h. handelnde Personen, loca, in quibus geste sunt, nämlich die Schauplätze,
und tempora, quando geste sunt, die Daten, diejenigen Komponenten sind,
die die Geschichtsschreibung ausmachen, 39 ist die mittelalterliche Karte ge-
wissermaßen die graphische Darstellung des Menschen im Raum, das Anna-
lenschema die in der Zeit.
Die abendländische Ökumene-Karte wird von vielen Forschern 40 auf die
verlorene Weltkarte des Agrippa, Schwiegersohn des Kaisers Augustus, zu-
rückgeführt. Diese zeigte die drei damals bekannten Erdteile rund um das
Mittelmeer, war im übrigen eine der römischen Provinzialverwaltung die-
nende Straßenkarte und nicht maßstabgerecht. Die antiken Provinznamen
blieben auf diese Weise das ganze Mittelalter hindurch lebendig. Zudem
gruppierten sich die Länder bis zum Ausgang des 1 5. Jahrhunderts weiterhin
um das Mittelmeer, auch wenn dem Wasser nicht der angemessene Platz ein-
geräumt wurde; weniger bekannte Randgebiete drängte man wegen des hor-
ror vacui, der Scheu vor weißen Flecken auf der Landkarte, zusammen. Der
Weltmittelpunkt Delos wurde aus der Antike übernommen und erst im 12.
Jahrhundert von Jerusalem aufgrund einer Forderung des Hieronymus ver-
drängt, 41 denn der Prophet Ezechiel hatte es als Zentrum aller Völker cha-
rakterisiert.
Die abendländische Weltkarte zeigt die Erde als runde oder ovale, selten
als rechteckige Fläche. Sie gliedert sich in die seit den jonischen Naturphilo-
sophen gebräuchlichen, den Arabern nicht bekannten Erdteile Asien, Afrika

37
Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 17.
38
ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago
mundi des abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters
24 (1968)S.128ff. ( = o. S.26ff.).
39
Liber de tribus maximis circumstaneiis gestorum, ed. teilws. WILLIAM M. GREEN, in: Specu-
lum 18 (1943) S. 491.
40
Vgl. KONRAD MILLER, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten I-VI (Stuttgart 1895-98);
RICHARD UHDEN, Zur Herkunft und Systematik der mittelalterlichen Weltkarten, in: Geogr.
Zeitschr. 37 (1931 ) S. 321-340.
41
Comm. in Ezech. II (zu 5, 5), MIGNE PL 25 Sp. 52.
[295] V. Europa in der Kartographie des Mittelalters 155

und Europa. 42 Die Bibel kennt diese Namen nicht, verwendet aber analog
die Noachidenkontinente. 43 Dabei ist die Erde unter Noes Söhne Sem,
Cham und Japhet aufgeteilt: Sem erhielt Asien, Cham Afrika und Japhet Eu-
ropa.
Das Wissen um die Kugelgestalt der Erde ist nicht nur in Byzanz immer
verbreitet geblieben, auch im Abendland fand es Verteidiger von Virgil von
Salzburg bis zu Johann von Mandeville. Kartographischer Ausdruck dafür
ist das vereinzelte Vorkommen der auf Krates von Mallos zurückgehenden
Zonenkarte und ihrer Sonderform, der Klimatenkarte. Die Zonenkarte 44
zeigt an jedem Pol eine kalte unbewohnbare, um den Äquator eine zu heiße
Zone; dazwischen finden sich 2 gemäßigte Gürtel, von denen man nur den
einen für belebt halten mußte, wollte man nicht an die Existenz von Antipo-
den, Gegenfüßlern auf der Unterseite, glauben. Bei der Klimatenkarte unter-
teilte man die bewohnte Zone nochmals in 7 Klimate. Auf der flächig ausge-
führten Karte des Mittelalters erscheinen Zonen und Klimaten als Segmente
eines Kreises. Die Klimatenkarte erfreute sich bei Arabern und Ostchristen
der Verbreitung; die Zonenkarte kommt in naturwissenschaftlichen Werken
des Westens wie dem Kommentar des Macrobius zu Ciceros «Somnium Sci-
pionis» vor. 45 Beide Typen wurden auch gern mit einer clamys extensa, ei-
nem ausgebreiteten Mantel - Relikt des ursprünglich sphärischen Charakters
- verglichen. Die westlichen Historiker und Theologen freilich gaben der
Ökumene-Karte in Gestalt des Rades den Vorzug. Bei dieser ist der Kreis
durch ein ihm einbeschriebenes T in eine Hälfte und zwei Viertel geteilt, die
den Kontinenten Asien, Europa, Afrika entsprechen. Schon der hl. Augusti-
nus hatte dafür ein Größenverhältnis von 2:1:1 angegeben.47 Die Scheibe ist
z. B. symbolisch an einem Reichsapfel in der Hand des Kaisers Augustus von
Lambert von St.-Omer um 1120 eindrucksvoll dargestellt. 48 Eine besonders
schöne Entsprechung als Noachidenkarte hat Simon Marmion 1455 zu Jean
Mansels «Fleur des Histoires» entworfen. 49 Japhet erscheint hier auf dem

42
J O A C H I M G. LEITHÄUSER, M a p p a e M u n d i (Berlin 1958) S.27.
43
E b d a . S. 61 f.
44
Vgl. hierzu die M a c r o b i u s - K a r t e n bei MILLER (wie Anm. 40) III S. 122 ff.
45
Vgl. v. DEN BRINCKEN (wie A n m . 3 8 ) S . 134f. ( = o. S.32f.).
46
Vgl. M a c r o b i u s , C o m m . in Somnium Scipionis II, 9, 8 f. ed. JAC. WILLIS (Leipzig 1963)
S. 124.
47
Vgl. D e civitate Dei 16, 17.
48
M s . Ü B G e n t 92 fol. 138v, vgl. Teilfacsimileausgabe von ALBERT D E R O L E Z , Lamberti S.
A u d o m a r i canonici Liber Floridus (Gent 1968) S.280.
49
M s . Brüssel Bibl. Roy. 9231 Vol. I fol.281 v, A b b . bei M A R C E L DESTOMBES, M o n u m e n t a
C a r t o g r a p h i c a Vetustioris Aevi I: M a p p e m o n d e s A D 1200-1500 (Amsterdam 1964) Tafel X X .
156 Studien zur Universalkartographie [295/296/297]

perspektivischen Hintergrund eines Landschaftsgemäldes, bei dem bemer-


kenswerterweise nicht Rom, sondern Mainz im Mittelpunkt Europas steht.
Die mittelalterliche Weltkarte war grundsätzlich geostet, man schaute ge-
wissermaßen vom Felsen von Gibraltar der Sonne entgegen. In Abweichung
davon ist die moderne Karte ebenso wie die griechische der Antike genordet,
die Araber pflegten zu süden. Im Osten, a principio,50 befand sich nach An-
gabe der Genesis das Paradies. Während Ptolemäus dem Festland ein Sech-
stel der Erdoberfläche zubilligte, propagierte die jüdisch-christliche Lehre
z.B. im 4. Esrabuch ein Verhältnis von 6 Siebenteln Land gegenüber 1 Sie-
bentel Wasser.51 Erst die Portolankarte, die eine Küstenwiedergabe für die
Seefahrer zum Ziel hatte, rückte diesen Maßstab auf die Naturgegebenhei-
ten zurecht: der tatsächliche Anteil des Festlandes beträgt nach moderner
Erkenntnis 29,2%.
Als älteste Europa-Separatkarte hat man bislang eine im Zusammenhang
mit einer Ptolemäus-Rezension wiederholt überlieferte byzantinische Karte
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts hervorgehoben, die vielleicht auf den
Chronisten Nikephoros Gregoras zurückgeht. 52 Tatsächlich aber hat Lam-
bert von St.-Omer schon fast zweieinhalb Jahrhunderte zuvor unseren Kon-
tinent zum speziellen Gegenstand einer Abbildung gemacht. Während die
Bedeutung von Europa in der lateinischen Literatur häufig auf occidens be-
schränkt war, wurden in der Geographie die antiken Grenzen beibehalten,
die die verbreiteten Schriften des Orosius und Isidor von Sevilla mit Don
und Schwarzem Meer als Trennungslinie gen Asien bzw. linkem Teil des T-
Balkens der sogenannten T-Karte und mit Mittelmeer als Scheide gen Afrika
bzw. T-Schaft angaben. In der Kartographie stießen Geographie und Histo-
riographie aufeinander. Allerdings haben politische Grenzen für die Karten-
zeichner des Mittelalters bemerkenswerterweise nie eine Rolle gespielt. Eu-
ropa, occidens, Endstation des Sonnenlaufs, Träger der letzten danielischen
Weltreiche 53 Makedonien und Rom, war dem jüngsten Noachiden Japhet
zugeordnet, 54 dieser aber sollte in Sems Zelt wohnen 55 und Ahnherr aller
zur Kirche gehörigen Völker werden. 56 Europa erhielt damit eine ganz be-
sonders herausgehobene Position.

50
Gen. 2, 8.
51
Vgl. LEITHÄUSER (wie Anm. 42) S. 53.
52
Vgl. KONRAD MILLER, Die ältesten Separatkarten der 3 Erdteile, wahrscheinlich von Nike-
phoros Gregoras um 1350 in Konstantinopel entworfen (Stuttgart 1931).
53
Dan. 2, 31 ff.
54
FISCHER (wie Anm.2)S. lOff.
55
Gen. 9, 27.
56
Vgl. FISCHER (wie Anm. 2) S. 18.
[297/298] V. Europa in der Kartographie des Mittelalters 157

Die Europa-Separatkarte des Lambert von St.-Omer ist eine so singulare


Erscheinung, daß man sie in der Forschung gern als Torso einer Weltkarte
verstanden hat. 57 Lamberts «Liber Floridus», eine der berühmtesten vor-
scholastischen Enzyklopädien, enthält mehrere davon, die ausnahmslos dem
Typ der geosteten hemisphärischen Zonenkarte zuzuweisen sind.58 Links er-
kennt man auf ihnen die bewohnte Zone mit Asien, Europa und Afrika.
Hierunter findet sich auch eine bemerkenswert differenzierte Ausführung, 59
bei der das T-Schema in der Weise berücksichtigt ist, daß der aus Don, Nil
und Mittelmeer gebildete Buchstabe der Hemisphäre einbeschrieben ist.
Dieses Blatt fehlt heute im sonst guterhaltenen Genter Autograph des Wer-
kes, ist aber in vielen Abschriften übereinstimmend überliefert, von denen
die hier abgebildete aus Wolfenbüttel noch dem 12. Jahrhundert angehört.
Aus dem Inhaltsverzeichnis der Genter Handschrift 60 ist das einstige Vor-
handensein dieser Erddarstellung sicher bezeugt, doch ging das Blatt mit-
samt den Kapiteln 27 und 28 und anderen verloren.61 Lambert nennt selbst
als seine Hauptvorlage die Karte des Martianus Capella aus dem S.Jahrhun-
dert, die er freilich aufgrund von Erkenntnissen der eigenen Zeit abwan-
delt. 62 Während die Weltkarte das 27. Kapitel mit der Überschrift „Mappa
vel oresta mundi" begleitet - oresta mundi ist verschrieben für moesta mundi
bei Orosius, es meint also Karte zum Jammer dieser Welt -, steht die Euro-
pa-Karte beim 169. Kapitel „De Francorum regibus primis" oder „Genealo-
gia Francorum regum", 63 gehört also zum Bericht über die Anfänge der
Frankenherrscher. Sie ist zweifellos ein eigenständiges Werk, 64 das natürlich
viele Züge der Weltkarte übernimmt und zudem für Details mehr Platz bie-
ten kann. Europa erscheint hier als ziemlich exaktes Viertel eines Kreises,
d.h. als Sektor, während es auf der Weltkarte nur die Hälfte eines Segments
ausmacht. Als weitere Vorlage aus eigenen Werken dient dem Maler seine
„Sphaera triplicata gentium mundi". 65 Den Inhalt ihres linken unteren Sek-

57
Vgl. MILLER (wie Anm.40) III S. 44 ff.
58
Z.B. Guelf. 1 Gud. lat. fol.59v-60, in Abschrift vom Ende des 12. Jahrhunderts, vgl. Ms.
ÜB Gent 92 fol.92v-93, Teil-Facsimile-Ausgabe ed. ALBERT DEROLEZ (wie Anm. 48) S. 188 f.
59
Guelf. 1 Gud. lat. fol.69v-70; vgl. Abb. 1 (vgl. unten Tafel 25).
60
Fol. 4, Teil-Facsimile (wie Anm. 48) S.9.
61
Zwischen fol. 47 und fol. 48, d.h. nach S. 96 der Teil-Facsimile-Ausgabe.
62
RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Martianus Capella, in: Mnemosyne 3.Ser. 3 (1935/
36) S. 97 ff.
63
Ms. ÜB Gent 92 fol.241 bzw. Teil-Facsimile (wie Anm.48) S.481: vgl. Abb.2 (vgl. unten
Tafel 20).
64
Vgl. UHDEN (wie Anm.62) S.97.
65
Guelf. 1 Gud. lat. fol. 5; vgl. Ms. ÜB Gent 92 fol. 19 bzw. Teil-Facsimile S.39; auch Ms.
Gent 92 fol. 52v bzw. Teil-Facsimile S. 106.
158 Studien zur Universalkartographie [298/299]

tors, die Völker Europas, hat er unten neben der Europadarstellung einge-
tragen. Er sagt ausdrücklich, daß man Europa als dritten Teil der Welt be-
zeichne, daß es jedoch nur ein Viertel der Erde einnehme, da Asien so groß
sei wie Europa und Afrika zusammen. Außerdem gibt er in der Kopflegende
summarische Zahlen an für Meere, Inseln, Provinzen, Berge, Flüsse und
Völker, die weitgehend aus Isidors Werk abgeleitet, aber keineswegs ent-
sprechend in die Karte selbst eingezeichnet noch anderweitig im Text näher
benannt sind; lediglich die erwähnten 33 gentes links unten stimmen hiermit
zahlenmäßig überein. Endlich leitet Lambert den Namen Europa an dieser
Stelle von der libyschen Königstochter ab, wie sich das in vielen Enzyklopä-
dien fand. Bei der „Sphaera triplicata" gibt er auch die Grenzen Europas mit
Don, Mäotidischen Sümpfen, d.h. Asowschem Meer, Krim, Schwarzem
Meer bis Konstantinopel und Mittelmeer bis zu den Säulen des Herkules an.
Der Europa-Sektor Lamberts besteht zu fast 90% aus Festland. 66 Seine
Besiedlung ist durch Gebäudesymbole angedeutet, die sich gleichmäßig über
die ganze Fläche verteilen und offenbar keine bestimmten Ortschaften mei-
nen. An Städten benennt der Autor lediglich Rom und Lavinia in Italien,
Athen in Achaia, Köln und Narbonne in Gallien. Barcelona und Tarragona
in Spanien. Von Gebirgen erscheinen die Alpen als Mons Iovis, die Pyrenäen
und der Olymp. An Flüssen kennt Lambert den Ebro, die Rhone, den Tiber
ohne Legende, den Rhein und die Donau mit ihren von Isidor bezeugten sie-
ben Mündungsarmen, 67 auch Hister geheißen, von denen sich zwei ins
Schwarze Meer und fünf in die Nordsee ergießen. In der oberen rechten Ek-
ke kann man als Kreis- und Weltmittelpunkt Naxo erkennen; die Insel Na-
xos vertritt hier ihre berühmteste Zykladenschwester Delos, in der Antike
bedeutsame Kultstätte.
Ebenso wie die Weltkarte, die aber neben Palästina das Paradies im Osten
und als Gegenstück den Antipodenkontinent im Westen zeigt, hat die Euro-
pa-Karte auffallend wenig christliches Namengut übernommen. 68 Die aus
der antiken Naturwissenschaft herrührende Zonenkarte ist auch wenig dafür
geeignet, so daß Lambert hier von der Mehrzahl seiner Zeitgenossen ab-
weicht. Auf seiner Europa-Karte fehlen außerdem nahezu alle historisch be-
deutsamen Plätze. In einem Punkt ist Lambert jedenfalls sehr modern: Dä-
nemark erscheint bei ihm bereits als Dacia, in der Kartographie der älteste

66
Eine erste Beschreibung lieferte FRANZ JOSEPH MONE, Erdkarten im Mittelalter, in: Anzei-
ger für Kunde der teutschen Vorzeit 5 (Karlsruhe 1836), c. 1: Charte von Europa vom Jahre
1120, Sp. 38 f.
67
Isidor, Etymologiae, ed. W. M. LINDSAY (Oxford 1911, Repr. 1966)
XIII, 21,28.
68
Vgl. UHDEN (wie Anm.62) S. 123.
[299/300] V. Europa in der Kartographie des Mittelalters 159

Beleg für diese merkwürdige Namenübertragung. Um 1015 hatte der Nor-


manne Dudo, Dekan von St.-Quentin, in seinem Geschichtswerk über die
Normannen die Dänen kurzerhand nicht nur mit den Dakern der Antike, 69
sondern zu allem Überfluß auch noch mit den homerischen Danaern ver-
knüpft, 70 er wollte ihnen - ebenso wie Fredegar im 7. Jahrhundert den Fran-
ken - eine den Römern ebenbürtige trojanische Abkunft sichern, ungeachtet
der Tatsache, daß Danaer eine Bezeichnung für Griechen ist. Lamberts Da-
da liegt zwischen Scanzia, Skandinavien, und Norwegen, einer Halbinsel,
einerseits und neben den Slawen andererseits an einem ins Schwarze Meer
mündenden Donauarm. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft findet sich
auch Norica. Neben dem Einfluß Dudos wirkt sich die mangelnde Kenntnis
antiker Kartographen von Nordeuropa aus. In ihrer Nachfolge schieben die
mittelalterlichen Maler den Weltmeerrand wegen des horror vacui, der er-
wähnten Antipathie gegen leere Flächen auf der Karte, so an die bekannte
Welt heran, daß die Vorstellung eines ineinandergreifenden Dänemark-Da-
kien aufkommen kann. So vermag man entsprechend auf der Beatus-Karte
von St.-Sever71 um 1045 nach einer Vorlage des ausgehenden 8. Jahrhunderts
trotz unverhältnismäßiger Vergrößerung des europäischen Kontinents Dacia
als Verbindung zwischen nördlichem Eismeer und Asowschen Meer westlich
vom Don zu finden; der Zeichner erläutert dies durch den Zusatz hie capud
Europae, hier beginnt Europa, während darüber, d.h. östlich von Dakien,
hie fines Asiae, hier endet Asien, zu lesen steht. Erst gegen Ausgang des
Hochmittelalters bekommt man klarere Vorstellungen von Osteuropa, von
Nordeuropa sogar erst im 14. Jahrhundert auf den katalanischen Portolan-
karten. 72
Die Hervorhebung Europas bei Lambert ist übrigens ein ausgesprochen
antikes Element. Sein Weltzentrum Naxos hat er zudem Rom recht nahege-
bracht.
Immerhin hatte aber rund 10 Jahre zuvor der erste Kartograph gemäß der
Forderung des Hieronymus Jerusalem ins Weltzentrum verlegt.73 Er tat es
ohne Beachtung irgendwelcher Realitäten rein geometrisch, und das Ergeb-
nis war ein Jerusalem mit Berg Zion genau im Schnittpunkt von T-Balken
und T-Schaft, also eine Insel mitten im Meer. Konstantinopel und Athen hat
er kurzerhand nach Asien verschoben; diese Plätze waren für ihn offenbar in

69
De moribus et actis primorum Normanniae dueum I, MIGNE PL 141 Sp.619f.
70
Ebda. Sp. 621.
71
Ms. BN lat. 8878 fol. 45 ter; vgl. Abb. 3 (vgl. unten Tafel 13).
72
Vgl. E.-T. HAMY, Les origines de la cartographie de l'Europe septentrionale, in: DERS.,
Etudes historiques et géographiques (Paris 1896) S. 1 ff.
73
Oxford St. John's Coli. 17 fol. 6; vgl. Abb. 4 (vgl. unten Tafel 19).
160 Studien zur Universalkartographie [300/301]

ausgeprägterem Maße Orient als das Heilige Land, denn letzteres ist mit-
samt Jerusalem gewissermaßen nach Europa im Sinne von Abendland her-
eingeholt; in der Tat war es 1099 lateinisch geworden, und der Zeichner
scheint unter dem Eindruck der Kreuzzüge gestanden zu haben. 74 Europa
wäre dann hier Sammelbegriff für die dem römischen Papsttum ergebenen
Länder. Merkwürdigerweise liegen allerdings die Inseln Britannien und Ir-
land im Raum Asiens. Ca. 150 Jahre später war die Problematik, Jerusalem
im Mittelpunkt unterzubringen, in korrekter Weise etwa in der Psalterkarte
von London 75 gelöst: Asien wurde etwas über die obere Hälfte der Scheibe
hinaus verlängert, wie es in gleicher Weise auch auf den Karten von Ebstorf
und Hereford gehandhabt ist.
Lambert steht im Bann der Antike. Seine Welt ist sozusagen europäisch.
Die Europa-Karte ist jedoch kein Torso einer Weltkarte, sondern der
Schauplatz zu dem genealogischen Abschnitt des begleitenden Textes, der
mit dem Trojaner Priamus als Ahnherrn der Franken beginnt. Unmittelbar
vor der Karte stehen Bischofslisten der Erzdiözesen Köln, Trier und Reims
sowie der Diözesen Noyon und Cambrai.
Zu diesen Auszügen aus der deutschen und französischen Geschichte hat
die Karte einen höchst aktuellen Bezug, denn es heißt in der Kopflegende:
Regna vero que sunt colore rubeo circumscripta ad Romanorum Francorumque
pertinent imperium, die Gebiete, die rot umrandet sind, gehören zum rö-
misch-fränkischen Kaiserreich. Lambert setzt hier das westliche Imperium,
also gewissermaßen das Abendland, häufig in der Literatur Europa genannt,
ab gegen den geographischen Europa-Begriff und konstatiert damit zugleich
den Unterschied zwischen antikem Europa und Karolingerreich: innerhalb
der roten Linie finden sich Italien, Frankreich mit Burgund, Aquitanien bis
zu den Pyrenäen, Deutschland unter Einschluß von Sachsen, Schwaben und
Bayern; die Iberische Halbinsel liegt ebenso außerhalb des Imperiums wie
der gesamte byzantinische Raum einschließlich der slawischen Länder, des
Balkans, auch Skandinaviens und Dänemarks; christliche Lande im Osten
jenseits der römischen Einflußsphäre, heidnische Gebiete und Staaten im
Norden, deren oft junges Christentum dem Autor noch nicht recht geläufig
ist, bleiben außerhalb der roten Umrandung. An dieser Stelle setzt sich
Lambert mit einem einerseits antiken und andererseits nunmehr durch die

74
Vgl. ALEXANDER RANDA, in: Mensch und Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universalge-
schichtsschreibung, hrsg. von ALEXANDER RANDA, Siebentes Forschungsgespräch, Internationa-
les Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg (Salzburg/München
1969) S. 74.
75
Ms. BM Add. 28681 fol.9: Abb. u.a. v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 8) Tafel I (vgl. unten Tafel
42) neben S. 272.
[301/302] V. Europa in der Kartographie des Mittelalters 161

Zeit abgewandelten Begriff auseinander; beide decken sich rein räumlich be-
trachtet kaum zur Hälfte; der Enzyklopädist selbst vermeidet es folglich
wohl bewußt, das Reich Europa zu nennen.
Vermutlich will er durch die Zeichnung sogar auf die Unsinnigkeit eines
solchen Wortgebrauchs aufmerksam machen. Die Karten des politischen
und geographischen Europa sind bei ihm übereinander gelegt. Ein weiteres
Unikum innerhalb der gesamten Kartographie jener Zeit ist die Einzeich-
nung politischer Grenzen, mit denen die rote Linie die einzelnen Reichsteile
kennzeichnet: Italien unter Ausschluß der Alpen, Deutschland und Frank-
reich, durch einen roten Rhein voneinander geschieden.
Der traditionsgebundene Enzyklopädist Lambert ist somit keine nur re-
zeptive Natur, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Er konturiert
vielmehr die Gegensätze, fällt jedoch - wie viele mittelalterliche Stoffsamm-
ler - keine Entscheidungen zwischen widersprüchlichen Aussagen seiner
Vorlagen.
Mit seiner Pointierung des Gegensatzes zwischen Europa und abendländi-
schem Imperium - nicht ausdrücklich als Gebiet der römischen Kirche be-
zeichnet - steht der Autor allein. Seine Europa-Karte scheint nicht einmal
kopiert worden zu sein, sie fehlt jedenfalls in den mit Karten versehenen Ab-
schriften seines Werkes. Allerdings findet sich der Text der Kartenrückseite
des Autographs, Listen von Königen Israels, Perserherrschern und römi-
schen Kaisern bis auf Heinrich V., auch nirgends wieder, 76 was an eine kodi-
kologisch bedingte Ursache für das Fehlen von Kopien denken läßt. Paläo-
graphisch ist das Blatt sicher Lambert selbst zuzuweisen. Auch haben die
meisten Abschriften - mit Ausnahme der frühen Pariser und der Leidener -
den ganzen zweiten Teil des 169.Kapitels fortgelassen.77 Ganz offensichtlich
hat also die Europa-Karte kein großes Echo ausgelöst.
Die Karte Lamberts ist die einzige spezifische Europa-Karte des Mittelal-
ters. Doch müssen wenigstens zwei Maler am Rande hier Erwähnung finden,
die das Europa-Bild deuteten. So hat Marcel Destombes mit Recht die so ge-
nannte Weltkarte des Matthaeus Parisiensis78 aus der Universalkartographie
eliminiert. 79 Afrika fehlt gänzlich, sein Name ausgenommen; die entspre-

76
Vgl. über die verschiedenen Handschriften LEOPOLD DÉLISLE, Notice sur les manuscrits du
Liber Floridus, compose en 1120 par Lambert, chanoine de Saint-Omer, in: Notices et Extraits
des manuscrits de la Bibliotheque Nationale et autres Bibliothèques 38, 2 (Paris 1906) S. 577-
791, bes. S.710ff.
77
Text Ms. Gent UB 92 fol. 240ff. bzw. Teilfacsimile (wie Anm. 48) S.479ff.
78
Ms. Cambridge CCC 26 p. 284; Abb. bei MILLER (wie Anm. 40) III S. 71.
79
Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I: Mappemondes 1200-1500 (Amsterdam
1964) S. 246 sect. 54, 1-2; entsprechend schon RAYMOND C. BEAZLEY, The Dawn of Modern
Geography II (London 1901) S. 587: sketch of Europe.
162 Studien zur Universalkartographie [302/303]

chenden Bezeichnungen vermißt man hingegen bei den anderen Erdteilen.


Von Asien sind nur Jerusalem, Tyrus und Provinzen Klein-Asiens einge-
zeichnet, sonst ist seine Fläche mit einer Legende gefüllt, die Kunde gibt von
drei großen, heute verlorenen Wandweltkarten in der Form der chlamys ex-
tensa, von denen Matthaeus selbst die eine für die Gemächer des englischen
Königs in Westminster ausführte. Eine Skizze dieser verlorenen Erddarstel-
lung ist vielleicht in der Klimatenkarte des Johann von Wallingford 80 erhal-
ten; zumindest ist diese im Urtyp Matthaeus wohl zuzuschreiben, weil 1. Jo-
hann sein Wissen nahezu ausnahmslos von Matthaeus zu beziehen pflegte,
2. die Form der chlamys extensa verwandte und 3. eine anderwärts nirgends
belegte Klimateneinteilung mit den «Chronica Maiora» des Matthaeus ge-
meinsam hat. Matthaeus' „Europa"-Karte stellt im Vergleich mit Lambert al-
lerdings keinen Fortschritt dar, obgleich sie 130 Jahre jünger ist. Rom oder
sogar Bologna bilden den Kartenmittelpunkt, Spanien fehlt völlig, das nicht-
lateinische Europa ist nur mit Griechenland und Skythien vertreten, Dacia
als Dänemark liegt zwischen Holland und Brabant an der Donau, die in die
Nordsee fließt. Die Karte zeigt relativ viel Meer und breite Flüsse, ist aber
nicht mediterran geprägt. Matthaeus scheint Lambert benutzt zu haben. 81
Erwähnt sei auch das auf den Portolankarten, den Seekarten, basierende
Werk des Opicinus de Canistris, der zu Anfang des 14. Jahrhunderts das
Mittelmeer als Meermann oder corpus peccati,*2 Afrika als Frau, Hure,
Agar, 83 Europa als Mann, Kleriker, Adam, vir animo bestialis, Mensch mit
tierischem Sinn, interpretiert. Die Lombardei und speziell die Heimat des
Autors im Räume Pavia gelten ihm als Ursprungsland der Sündhaftigkeit
dieser Welt. In dieser anthropomorphen Ausdeutung des Kartenbildes ver-
steht Opicin sich selbst als das unzulängliche Europa. Er will kein Bild der
Erde zeichnen, sondern lediglich eine ,Carte moraliséV entwerfen - wie Ri-
chard Salomon sein Werk interpretiert hat. 84
Im 15. Jahrhundert lebt der Europa-Begriff in der Literatur ebenso in anti-
kem wie in gesamtchristlichem Sinne auf. Andreas Walsperger, 85 der 1448

80
Ms. BM Cotton Jul. D VII fol. 46; den Nachweis über die Autorschaft des Matthaeus hoffe
ich in der Festschrift für JOSEPH PRINZ unter dem Titel Die Klimatenkarte in der Chronik des Jo-
hann von Wallingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Zs. Westfalen 51 (1973), S.47-
56 erbracht zu haben; Abb. auch v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 8) nach S.272 Tafel V (vgl. unten
Tafel 37).
81
MILLER (wie Anm. 40) III S. 73.
82
Vat. Pal. Lat. 1993 fol. 20, vgl. Facsimile bei RICHARD SALOMON, Opicinus de Canistris.
Weltbild und Bekenntnisse eines avignonesischen Klerikers des 14. Jahrhunderts, Tafelband
(London 1936) Abb. 27 Tafel 39.
83
SALOMON ebda. Textband S. 68 ff.
84
Ebd. S. 78.
[303/304] V. E u r o p a in der K a r t o g r a p h i e des Mittelalters 163

die christlichen Siedlungen auf seiner Weltkarte durch rote, die heidnischen
durch schwarze Punkte kennzeichnete, konnte ein völlig christliches Europa
gegenüber einem gemischten Asien und einem heidnischen Afrika verkün-
den.
Durch die Ptolemäus-Renaissance vergrößert sich die Welt, Europa
nimmt z.B. auf der Karte des Pirrus de Noha 1438 kein volles Viertel mehr
ein.86 Der Camaldulensermönch Fra Mauro aus Murano bei Venedig erklärt
auf seiner vielgepriesenen Weltkarte Jerusalem 20 Jahre später zum Mittel-
punkt der Menschheit, nicht der Erdoberfläche: weil Europa dichter besie-
delt sei als Asien, bilde die Heilige Stadt das Zentrum, auch wenn sie auf der
Karte nach Westen abgedrängt erscheine.87 Europa ist damit weitaus mehr
als nur geographischer Begriff.
Europa-Separatkarten begegnen uns sonst - abgesehen von Ptolemäus-
Karten - erst im 16. Jahrhundert in der «Carta itineraria Europae» des Mar-
tin Waldseemüller von 1511 88 und derjenigen Sebastian Münsters zu seiner
«Mappa Europae», 89 die Waldseemüllers Werk popularisierte.

Theologisch hat im Mittelalter der Orient als Lichtbringer auf alttestamentli-


cher Grundlage den Vorrang vor dem Okzident, und damit steht Asien Eu-
ropa voran. Nach Osten, 90 in die Richtung des Paradieses, fuhr Christus gen
Himmel und wurde von dort wiedererwartet. Vom Osten kamen Weltherr-
schaft, Studium und Mönch tum.91 Europas Blüte hingegen fiel in die Spät-
zeit dieser Welt. Lamberts Zeitgenosse Hugo von St.-Viktor verstand das zu

85
Pal. Vat. 1362 B; A b b . bei DESTOMBES (wie A n m . 4 9 ) Tafel X X X I .
86
M s . V a t , Arch. S. Pietro H . 31 fol.8v. von 1438; A b b . bei DESTOMBES (wie Anm. 49) Tafel
XXII.
87
II M a p p a m o n d o di Fra M a u r o a cura di TULLIA GASPARRINI-LEPORACE, C o m m u n e di Vene-
zia, Settimo centenario della nascita di M a r c o P o l o 1254-1954 (Rom 1956) Tafel 28.
88
Vgl. A U G U S T WOLKENHAUER, Sebastian Münsters handschriftliches Kollegienbuch aus den
J a h r e n 1515-1518 und seine Karten, in: A b h h . d. kgl. Ges. d. Wiss. G ö t t i n g e n , philol.-hist. Kl.
N F 11,3 (Berlin 1909) S.46 ff.; d a z u H E I N Z R O H R , Die Entwicklung des Kartenbildes W e s t e u r o -
pas zwischen Kanal und Mittelmeer von den ältesten W e l t k a r t e n bis M e r c a t o r (Diss. Leipzig
1939) S. 148 ff.
89
R e p r i n t e d . KLAUS STOPP (Wiesbaden 1965 nach E r s t d r u c k von 1536).
90
Vgl. FRANZ JOSEPH D Ö L G E R , Sol salutis. G e b e t und G e s a n g im christlichen Altertum, mit
b e s o n d e r e r Rücksicht auf die O s t u n g in G e b e t und Liturgie. Liturgiegeschichtliche Forschungen
1 6 / 1 7 ( M ü n s t e r 1920) S. 161 ; d a z u Ps. 67, 34.
91
Vgl. O T T O VON FREISING, C h r o n i c a sive historia de d u a b u s civitatibus, ed. A D O L F H O F M E I -
STER, M G SS rer. G e r m , in us. schol. (1912), P r o l o g an Isingrim S.8; prol. lib. V S.227; V I I , 35
S.372.
164 Studien zur Universalkartographie [304]

Beginn des 12. Jahrhunderts in „De archa Noe mystica" so, 92 daß Weltkarte
wie Zeit im Osten ihren Anfang haben und im Westen auslaufen, daß Lage
der Orte und Ordnung der Zeiten vom gleichen Punkt, vom Paradies, ihren
Ausgang nehmen und beide im Westen, am Ort des Gerichts, enden. Europa
ist gewissermaßen dem Jüngsten Gericht benachbart, die Hölle wurde im
Norden angenommen. Unser Kontinent, der Erdteil der Christen, symboli-
siert Fortgeschrittensein der Zeit, Herrschaft des letzten Weltreichs, letzte
aetas, christianisierte Welt und hat in diesem Sinn, als finis saeculi, Zeitenen-
de, eine Funktion in der Heilsgeschichte, die ja die mittelalterliche Karto-
graphie letztlich erläutern will. Daß dieses Europa mehr ist als das Imperium
Romanum, bleibt immer - von Panegyrikern des abendländischen Kaiser-
tums abgesehen - im allgemeinen Bewußtsein und tritt auf den Karten auch
hervor, bis es der Humanismus wieder klar ausspricht.

92
C. 14 MIGNE PL 176 Sp. 700: In hoc spatio mappa mundi depingitur ita ut caput arcae ad
orientem convertatur, et finis ejus occidentem contingat, ut mirabili dispositione ab eodem principe
decurrat situs locorum cum ordine temporum, et idem sit finis mundi, qui est finis saeculi. Conus au-
tem ille circuii, qui in capite arcae prominet ad orientem, Paradisus est, quasi sinus Abrahae, ut postea
apparebit majestate depicta. Conus alter, qui prominet ad occidentem, habet universalis resurrectionis
Judicium in dextra electos, in sinistra reprobos. In cujus coni angulo aquilonari est infemus, quo dam-
nandi, cum apostatis spiritibus detrudentur.
VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas
durch italienische und mallorquinische
Portolanzeichner im 14. und in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts 1

Gegenstand der folgenden Betrachtungen soll die Darstellung des Nord-


Ostsee-Raumes unter Ausschluß der Britischen Inseln im Spätmittelalter
sein. Dabei wurde eine Beschränkung speziell auf kartographisches Quellen-
gut vorgenommen, Texte sind nur vereinzelt zur Erläuterung herangezogen,
Seebücher etwa ausgelassen.
Mit der Ankündigung ,Portolanzeichner' soll die Abgrenzung zu der unter
dem Einfluß der ptolemäischen Renaissance stehenden Wiedergabe in Pro-
jektion angedeutet werden, die gleichfalls ausgeklammert bleibt.
Das Werk des Claudius Ptolemaeus erwachte im Abendland seit seiner
Übersetzung ins Lateinische im Jahre 1409 nach seiner Übermittlung durch
die vor den Osmanen flüchtenden byzantinischen Gelehrten zu neuem Le-
ben. Es erwies sich aber bereits nach kurzer Zeit als unzureichend für den
Kenntnisstand des 15. Jahrhunderts. Deshalb veranlaßte der französische
Kanonist und Kardinal Guillaume Fillastre d. Ä. (f 1428), den dänischen
Kartographen Claudius Clavus oder Claudius Claussen Swart zu einer kor-
rigierten Nordeuropa-Darstellung zum Werk des Ptolemaeus. Der 1388 auf
Fünen geborene Clavus befand sich seit 1412 auf Reisen und erlernte in Ita-
lien südeuropäische Kartenkunst. Außer der in Nancy erhaltenen Karte für
Fillastre schuf er später noch eine weitere Karte des Nord-Ostsee-Raumes,
die jedoch nur aus den Arbeiten seiner Benutzer Nicolaus Germanus und
Henricus Martellus zu Ende des 15. Jahrhunderts zu rekonstruieren ist und
nur verhältnismäßig geringe Wirkung hatte. Auch beruhen des Clavus Kar-
ten nicht so sehr auf eigenen Forschungen, wie man ursprünglich annahm, 2

1
V o r t r a g , gehalten anläßlich der 89. J a h r e s v e r s a m m l u n g des H a n s i s c h e n Geschichtsvereins
am 13. 6. 1973 zu Köln. N a h e z u von allen genannten Karten finden sich - leider nicht immer z u -
reichende - R e p r o d u k t i o n e n bei YOUSSOUF KAMAL, M o n u m e n t a C a r t o g r a p h i c a Africae et Ae-
gypti (Kairo 1926-1951). Dieses W e r k ist in der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d n u r in M ü n c h e n
und Göttingen verfügbar.
2
AXEL A N T H O N B J Ö R N B O und C A R L S. PETERSEN, Der D ä n e CLAUDIUS CLAUSSON SWART
(CLAUDIUS CLAVUS), d e r älteste K a r t o g r a p h des N o r d e n s , d e r erste P t o l e m ä u s - E p i g o n d e r R e -
naissance (Innsbruck 1909), S. 169ff.
166 Studien z u r Universalkartographie [46/47]

als vielmehr auf italienischen Vorbildern. 3 Als erstem Kartographen des


Nordens kommt ihm aber immerhin trotz mannigfacher Mängel 4 eine ge-
wisse Bedeutung zu. Clavus gehört zudem einer Zeit an, in der die Hanse ih-
ren Höhepunkt überschritten hatte; erwuchs in der Ära der Kalmarer Union
auf5 und äußerte sich kritisch sowohl über die Hanse als auch über Preu-
ßen.6
Da von der Hanse selbst keine kartographischen Arbeiten aus dem 14.
und 15. Jahrhundert überliefert sind, gilt es, die Kenntnisse der Südeuropäer
vom Nord- und Ostsee-Raum unter Berücksichtigung der ihnen zur Verfü-
gung stehenden Erkundungsmöglichkeiten und Vorlagen zu betrachten.

1. Nordeuropa in der Kartographie des frühen


und hohen Mittelalters

Der nordeuropäische Raum war den Kartographen der Antike und damit
auch den von diesen völlig abhängigen des frühen Mittelalters unbekannt.
Da die Zeichner einen ausgeprägten horror vacui hatten, d.h. unbekannte
Gebiete nicht gern als weiße Flecken auf der Landkarte erscheinen ließen,
zudem auch keinerlei Vermessung anwandten, schob man den vertrauten
mediterranen Raum kurzerhand nahe an den Welten-Ozean heran, gab also
Nordeuropa sehr zusammengedrängt und verkürzt wieder und ließ Spanien,
Gallien, Germanien und Skythien direkt an das nördliche Meer stoßen; man
kannte weder Nord- noch Ostsee oder gar Skandinavien. Die Griechen hat-
ten von diesen Gegenden noch keine kartographischen Vorstellungen ent-
wickelt; für die nur auf Verwaltungszwecke ausgerichtete römische Straßen-
karte, die sich in Anpassung an die Wegeführung verzerrte, lag Nordeuropa
außerhalb der Interessensphäre.
Ein typisches Beispiel dieser frühmittelalterlichen Kartenform ist die Welt-
karte des Spaniers Beatus von Liébana, entstanden zwischen 776 und 786 zu
seinem Apokalypsenkommentar als Illustration der sogenannten Apostel-
scheidung (divisio apostolomm), d.i. Aussendung der zwölf Apostel in die
verschiedenen Weltgegenden. Beatus stützte sich vermutlich auf die römische
Ökumene-Karte als Vorlage, die bald rund, bald oval, bald rechteckig er-

3
FRIDTJOF NANSEN, Nebelheim. E n t d e c k u n g u n d Erforschung d e r nördlichen L ä n d e r u n d
Meere. II (Leipzig 1911), S. 197 ff.
4
H i e r z u u . a . j ü n g s t RALEIGH A S H L I N SKELTON, T H O M A S E. M A R S T O N u n d G E O R G E D . P A I N -
TER, T h e Vinland M a p and the T a r t a r Relation ( N e w H a v e n und L o n d o n 1965), S. 176 f.
5
B J Ö R N B O u n d PETERSEN (wie A n m . 2), S. 199.
6
E b d a . : Slavorum regio insidiatrix - Perversa Prutenorum nacio velnocio.
[47] VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas 167

scheint. Beispielsweise die Isidor-Karte folgt diesem sogenannten T-Sche-


ma, 7 d.h. sie ist geostet und zeigt die Erdteile Asien oben und Europa mit
Afrika unten im Größen Verhältnis 2:1:1, jeweils getrennt durch ein T der
Gewässer, dessen Schaft das Mittelmeer zwischen Europa und Afrika und
dessen Balken Don und Schwarzes Meer einerseits zwischen Europa und
Asien sowie der Nil andererseits zwischen Afrika und Asien bilden. Die älte-
ste Kopie der Beatus-Karte - das Original ist verloren - stammt aus St. Sever
vom Jahre ca. 1045.8 Marmara-, Schwarzes und Asowsches Meer bilden den
linken T-Balken, in den der Don mündet. Er kommt von relativ nahegelege-
nen Bergen herab, gleich dahinter liegt der Welten-Ozean oder das Nördli-
che Eismeer. Der Don ist von der Legende Hie fines Asiae, „Hier endet Asi-
en", eingerahmt, westlich davon findet sich zwischen Alania und Dada die
Inschrift Hie capud Europae, „Hier beginnt Europa". Dada erhielt den Zu-
satz ubi et Gothi, „wo auch die Goten leben", ist also wohl auf Dakien, das
heutige Rumänien, zu beziehen, das auf der Karte vom Schwarzen Meer bis
zum Nördlichen Eismeer reicht und keineswegs viel Platz beansprucht.
Hierin mag eine Ursache liegen, daß man später auch Dänemark mit Dada
bezeichnete und mit Dakien verwechselte. Der älteste Beleg für Daci als Dä-
nen in der Literatur findet sich schon zwischen 1002 und 1015 bei Dudo von
St.-Quentin in seiner Normannengeschichte, 9 wo dieser die Dänen gar von
den Danaern ableitet, d.h. von den Griechen in Analogie zur fränkischen
Trojanersage. Vorliegende Karte meint aber mit Dada trotz dessen Lage im
Norden den Donauraum, denn das Land ist von Alania, Sarmatica und
Wandali eingerahmt, wobei auch die Wandalen ans nördliche Meer stoßen;
ihnen sind im Westen die Sachsen benachbart.
Eine fortschrittlichere Form Nordeuropas zeigt um 1000 die sogenannte
Cottoniana; sie ist im Original erhalten. 10 Auch hier reicht Dacia ubi et Go-
thia von der Donau in Thrakien und Mösien bis zum Nordmeer, wo es Is-
land gegenüberliegt; es wird von Bulgarii und Sciavi eingerahmt, an Sciavi
aber schließt sich Slesvic an; diesem folgt nach Nordwesten eine Halbinsel
Norweci, deren Name an dieser Stelle erstmals in der Kartographie er-
scheint. Neben England, Irland und Thule kennt der Autor viele kleine als

7
Als Beispiel einer solchen T-Karte diene die Isidor-Karte aus Ms. Brux. Bibl.Roy. 9311-19
fol.89v, 9 J h .
8
Vgl. Abb. 1 (vgl. unten Tafel 13); Ms. Paris BN Lat. 8878 fol.45 ter; ed. u.a. KONRAD MIL-
LER, Mappae mundi. I (Stuttgart 1895), Beilage.
9
De moribus et actis primorum Normannorum dueum I, ed. MIGNE PL 141, Sp. 619-621.
10
Ms. London BM Cott. Tib. V. fol. 56v; ed. MILLER (wie Anm.8) II Tafel 10 und ebd. III
S.29ff.
168 Studien zur Universalkartographie [47/48]

Orcades insule bezeichnete Eilande, denn als Einwohner Britanniens hat er


einige Lokalkenntnisse.
Skandinavien erscheint noch um 1109 bei Heinrich von Mainz 11 als Insel
Ganzmir, die Halbinsel Jutland als Noreya, Schweden findet sich erst auf der
Ebstorfer Weltkarte. 12 Selbst die überformatigen Karten aus der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts, nämlich die genannte Ebstorfer aus Nieder-
sachsen um 1260 - die Norwegen wiederum als Insel zeigt - und die engli-
sche Hereford-Karte von ca. 128513 - wo Norwegen immerhin schon Halb-
insel ist - bringen für die Nordeuropa-Darstellung kaum einen Fortschritt:
sie sind einerseits streng biblisch bestimmt mit Jerusalem als Weltmittelpunkt
und Paradies im äußersten Orient und folgen andererseits den mediterran
geprägten Vorlagen der Antike.

2. Das Aufkommen der Portolankarten in Italien

Die ältere Darstellungsweise hatte ihren Grund darin, daß die früh- und
hochmittelalterliche Karte überhaupt nicht der Praxis diente. Sie war Wie-
dergabe des Weltbildes, fand sich in Bibelhandschriften, insbesondere in
Genesis-Kommentaren zur Verdeutlichung der Aufteilung der Erde unter
Noes Nachkommen oder des Sprachenzerfalls nach dem Turmbau von Ba-
bel, auch zur Illustration von Weltchroniken. Man ging dabei deduktiv vor.
Die induktive Verfahrensweise, Erforschung und Vermessung einzelner Ge-
biete und Zusammensetzung zu einem Ganzen, war unbekannt. Die Karte
diente daher auch nicht als Reiseführer oder Wegweiser. Ganz anders arbei-
teten hingegen die Moslems, die aus Einzelkarten für Verwaltungs- und
Postzwecke eine Weltkarte zusammensetzten.
Der Impuls zur exakten Kartographie ging im Abendland von der Seefahrt
aus, die Küstenhandbücher, sogenannte Portolane, benötigte, zu denen Spe-
zialkarten angefertigt wurden. Voraussetzung für diese kartographische
Technik war die Verwendung des Kompasses. Sein Prinzip ist bereits bei den
Chinesen im 2. Jahrhundert nachgewiesen.14 Doch fand er im Abendland

» MILLER (wie Anm. 8) III Tafel 2 und S. 21 ff.


12
MILLER (wie Anm.8) V (1896) u.ö.; vgl. dazu ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINKKEN, Mappa
mundi und Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: DA
24 (1968), S. 163 (= o. S.59). - Das bei Lambert von St.-Omer belegte Suevia kann auf Schwa-
ben ebensogut wie auf Schweden bezogen werden.
13
MILLER (wie Anm.8) IV(1896) u.ö.
14
Vgl. RICHARD HENNIG, Ein Zusammenhang zwischen der Magnetberg-Fabel und der
Kenntnis des Kompasses, in: AKG 20 (1930), S.351 ff.
[48/49] VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas 169

vermutlich spät durch die Normannen seit dem Ausgang des 11. Jahrhun-
derts 15 Verwendung und wurde erst im 13. Jahrhundert allgemein gebräuch-
lich, für die Islandfahrt sogar erst im H.Jahrhundert und im hansischen Be-
reich 1433.16
Im Zusammenhang mit dem Kompaß setzte sich die Portolankarte seit der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Südeuropa durch. Sie gibt ein mög-
lichst getreues Bild der Küsten und arbeitet mit den Linien der Windrose;
diese zeigen die Richtung an, die man vom einen zum anderen Ort wählen
muß. Derartige Linien ziehen sich daher netzartig über das Kartenbild des
Wassers. Die Projektion ist noch nicht berücksichtigt, weshalb man die Li-
nien nicht als loxodromische bezeichnen sollte.
Die Portolankarte wurde auf dem Schiff mitgeführt. Sie hatte meist das
Format einer ganzen Tierhaut. 1354 schreibt König Peter IV. von Aragon
für jede Galeere sogar zwei solcher Seekarten vor. 17 Da die Karte großfor-
matig war, fand sie nirgends im schützenden Verband von Büchern Konser-
vierung, war vielmehr Witterung und Sturm ausgesetzt. So kommt es, daß
das älteste heute erhaltene Stück, die Pisana, von um oder kurz vor 1300
stammt und allein steht, obwohl es zu ihrer Zeit sicher schon viele Parallel-
werke gab.
Die Anfänge der Portolankartographie dürften in Italien zu suchen sein,
wo auch der Kompaß frühzeitig Eingang fand.18 Mallorca, das erst 1229
wieder in christliche Hände überging, tritt seit Beginn des 14. Jahrhunderts
stärker hervor. Ursprünglich hatte die Portolankarte - wie im Falle der Pisa-
na 19 - nur das Mittelmeer und seine Küsten zum Gegenstand. Die Kennt-
nisse des Atlantik waren gering, das Landesinnere fand keine Darstellung.
Die Küsten sind mit einer Vielzahl Namen beschriftet, die die Häfen nen-

15
Vgl. J O A C H I M G. LEITHÄUSER, M a p p a e mundi (Berlin 1958), S. 119.
16
A R E N D WILHELM LANG, Traces of Lost N o r t h E u r o p e a n Sea C h a r t s of the 15' C e n t u r y , in:
Imago M u n d i 12 (1955), S. 36 Anm. 1.
17
LEITHÄUSER (wie A n m . 15), S. 126.
18
H E I N R I C H W I N T E R , Berlin, versuchte wiederholt, d i e F ü h r u n g d e r sogenannten Katalanen
zu erweisen, vgl. DERS., D a s katalanische Problem in d e r älteren K a r t o g r a p h i e , in: Ibero-ameri-
kanisches Archiv 14 ( 1 9 4 0 / 4 1 ) , S . 8 9 - 1 2 6 ; DERS., Petrus Roselli, in: Imago M u n d i 9 (1952),
S. 1-11 ; DERS., C a t a l a n P o r t o l a n M a p s and their Place in the T o t a l View of C a r t o g r a p h i c Deve-
lopment, in: Imago M u n d i 11 (1954), S. 1-12; DERS., T h e C h a n g i n g of Scandinavia and the Bal-
tic in C a r t o g r a p h y u p t o 1532, in: Imago M u n d i 12 (1955), S . 4 5 - 5 4 ; dagegen R O B E R T O A L M A -
GIÀ, I n t o r n o alla più antica cartografia nautica catalana, in: Bolletino della Società Geografica
Italiana ser. 7 voi. 10 (1945), S. 2 0 - 2 7 , u n d B. R. M O T Z O , N o t e di cartografia nautica m e d i o -
evale, in: Studi Sardi 19 ( 1 9 6 4 / 6 5 ) , S. 3 4 9 - 3 6 3 , die beide die Priorität d e r Italiener hervorheben.
19
M s . Paris B N , D é p t m . d e s C a r t e s ; A b b . u a. bei L E O BAGROW u n d RALEIGH A S H L I N SKEL-
T O N , Meister d e r K a r t o g r a p h i e (Berlin 1963) A b b . X X X I I S. 358 sowie LEITHÄUSER (wie
Anm. 15), S. 122.
170 Studien z u r Universalkartographie [49/50]

nen, wichtige Häfen sind durch rote Schrift hervorgehoben. Die Nord- und
Ostsee fehlen auf der Pisana. Das Gebilde, das die Britischen Inseln andeu-
tet, hat mit deren wahrer Gestalt nicht die geringste Ähnlichkeit. Die nörd-
lichsten Inschriften auf dem Kontinent sind Brugis, Flandris und Allamagna.
östlich davon liegt auf fast gleicher Höhe Vinesia, Venedig: der Zeichner in-
teressiert sich also ausnahmslos für den mediterranen Raum, alles übrige ist
verzerrt.
Als diejenigen, die das Portolanzeichnen zu einer dekorativen Kunst ver-
feinerten, werden mit Recht die Katalanen, 20 bzw. exakter umschrieben, die
Mallorquiner 21 gefeiert; denn von dieser Insel aus fand die Kartographie auf
dem Festland Spaniens Eingang, insbesondere, als jüdische Zeichner zu En-
de des H.Jahrhunderts nach Barcelona fliehen mußten. Die Mallorquiner
beschränkten sich nicht mehr auf die bloße Küstendarstellung, sondern be-
zogen das Landesinnere mit in die Darstellung ein und begannen, sich mit
dem Atlantik zu befassen. Doch die erste Karte, die diese Merkmale auf-
weist, ist noch einem Italiener zuzuschreiben, weshalb ausdrücklich Italiener
und Mallorquiner nebeneinandergestellt sind. Auch waren in vorhansischer
Zeit die Italiener sicher die aktiveren Seefahrer im Norden, denen daher die
Sachkenntnisse verdankt werden.
Es handelt sich bei dieser ältesten Portolan-Binnenkarte um das Werk des
Giovanni da Carignano, das im Staatsarchiv von Florenz ein Opfer des letz-
ten Weltkrieges wurde und das sicherlich zu den bedeutendsten kartographi-
schen Leistungen des Spätmittelalters gehört. Heute ist man auf wenig voll-
kommene Kopien des Werkes 22 angewiesen. Carignano, gestorben 1344, ist
1306-14 als Rektor von San Marco zu Genua bezeugt und führt auf der Kar-
te diesen Titel, so daß sich das Werk auf ca. 1310 datieren läßt.
Der Genuese hat mit den aus späterer Zeit erhaltenen Mallorquiner-Kar-
ten auch das Interesse für Nordeuropa, Nord- und Ostsee gemeinsam, fer-
ner die Verwendung von Emblemen für die einzelnen Herrschaftsgebiete,
Wappenschilde oder Vignetten. Seine Kenntnisse hat Carignano aus Gesprä-
chen mit fremden Seeleuten, die es nach Genua verschlug, z. B. von den Leu-
ten des Priesterkönigs Johannes oder den Mongolen. 23

20
Vgl. s c h o n vor W I N T E R (wie A n m . 18) E R N E S T T H E O D O R E H A M Y , Les origines de la c a r t o -
graphic de l'Europe Septentrionale, in: Etudes historiques et géographiques (Paris 1896, nach
Erstpublikation 1888), S. 1-94.
21
M O T Z O (wie A n m . 18), S. 349 ff.
22
Vgl. A b b . 2 (vgl. unten Tafel 56) (Kopie einer Kopie); Weitere A b b . u. a. bei BAGROW-SKEL-
TON (wie Anm. 19) A b b . X X X I I I S.359 sowie LEITHÄUSER (wie Anm. 15), S. 124.
23
Vgl. E N R I C O CERULLI, Giovanni d a C a r i g n a n o e la cartografia dei paesi a sud dell'Egitto
agli inizi del secolo X I V , in: Atti del X I V . C o n g r e s s o Geografico Italiano 1947 (Bologna 1949),
[50/51] VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas 171

Carignanos Nordeuropa-Darstellung war für ihre Zeit sehr fortschrittlich.


Der Kartograph bezeichnet Dainemarch richtig als Halbinsel, darunter liegt
Frisia. Colonia, Köln, bildet einen hellen Kreis südlich davon, Brügge ist mit
dem nach oben offenen Halbkreis gemeint, östlich von Dainemarch kennt
der Maler im Inland KU, dann Lübeck, Vismaria, Grifswald, Stetin (heller
Halbkreis) und Town. Weiter östlich folgen Prusia - das Meer darüber be-
zeichnet eine Legende Septentrio - mit Riga und Rossia. Das Schwarze und
das Asowsche Meer stoßen fast an das Meer Septentrio, die Legende Meoti-
des Paludes steht dem Nordmeer näher als dem Asowschen Meer. Die letzte
Stadt an der Südküste der Ostsee ist Nogardia, Nowgorod. Die Gestaltung
Rußlands ist der des Beatus gar nicht so fremd. Der sehr weit nach Osten
reichenden Ostsee entspricht eine von Osten nach Westen enorm gestreckte
Skandinavische Halbinsel, die die Legenden Finonia und im Westen Norwe-
gia trägt. Eine Andeutung des Bottnischen Meerbusens fehlt völlig, Nord-
und Südküste der Ostsee einschließlich Finnischem Meerbusen laufen fast
parallel zueinander.
Ungefähr zur gleichen Zeit, zu der Carignano lebte, hat der Venezianer
Pietro Vesconte - um einen Gewährsmann aus der dritten der großen italie-
nischen Seestädte zu nennen - gewirkt. Er illustrierte mit seinen Karten die
Kreuzzugspropagandaschrift seines Landsmannes Marino Sanudo d. Ä., die
«Secreta Fidelium Crucis», in den Jahren zwischen 1310 und 1320. Von Ma-
rino wissen wir aus ausdrücklichen Zeugnissen, daß er Nordeuropa bereist
hat. Er suchte nach Hilfskräften für einen neuen Kreuzzug und nennt unter
den der Seefahrt Kundigen in Deutschland u. a. die Tremartii im Erzbistum
Bremen, die Friesen, Holländer und Seeländer, die Bewohner von Geldern
und Kleve, ferner im Norden in Holstein und im Slawenlande, ubi personali-
ter affiti, wo ich persönlich gewesen bin, Anwohner am Wasser, nämlich in
Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald und Stettin,
ferner verweist er auf Dänemark und Schweden.24 Man möchte aufgrund
dieser Aufzählung annehmen, daß Marino als Kaufmann ganz zu Beginn
des 14. Jahrhunderts - das 2. Buch der «Secreta» ist 1312-13 niedergeschrie-
ben - bis zur Odermündung gelangt ist. Denn in dieser Zeit endete der vene-
zianische Handel noch nicht unbedingt in Flandern, wie er das seit den gro-
ßen Stapelprivilegien der Grafen von Flandern für Brügge seit 1323 zuneh-
mend tat. 25

S. 507; RALEIGH ASHLIN SKELTON, An Ethiopian E m b a s s y to Western E u r o p e 1306, in: O . G . S .


CRAWFORD, Ethiopian Itineries ca. 1400-1500. H a k l u y t Society ser. II, 109 (1955, C a m b r i d g e
1958) A p p . I l l , S.212-215.
24
Secreta Fidelium Crucis II, IV, 18 ed. Bongars, Gesta Dei per Francos. II ( 1611 ), S. 72.
25
Vgl. A R E N D WILHELM LANG, Seekarten d e r südlichen N o r d - und Ostsee. Ihre Entwicklung
172 Studien z u r Universalkartographie [51/52]

Die eine, vermutlich frühere Gruppe der Karten des Pietro Vesconte zu
Marino Sanudo 26 zeigt Schweden und Norwegen mit Dänemark als nach-
träglich durch einen schmalen Steg verbundene Halbinsel, 27 wobei auch
Gotland zu dieser Landzunge gerechnet wird. Westlich davon findet sich
Friesland, auf einer Fassung auch die Tremartier des Marino, 28 östlich die
Wenden, nordöstlich Livonia, Livland.
Die jüngere und bessere Form 29 zeigt Dänemark als Halbinsel, darüber
eine weitere Halbinsel mit Schweden und Norwegen, die von Osten herein-
ragt, Gotland und Ösel als Inseln, die Baltenländer Estland und Livland
korrekt weiter östlich von Preußen, Pommern und dem Slawenland. Insbe-
sondere dieser Typ gibt wenigstens eine Vorstellung der Lage Dänemarks zu
Schweden und Norwegen, auch wenn Finnischer und Bottnischer Meerbusen
nicht recht auszumachen sind. Man wird kaum Ortskenntnis bei Pietro vor-
aussetzen dürfen, allenfalls stützte er sich auf Marinos Bericht und nahm
deshalb auch seine Korrektur vor.
Die italienische Portolankarte des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts
beschränkt sich im übrigen auf das Mittelmeer. Ein venezianischer Portolan
der Bodleiana beispielsweise, entstanden um 1400, 30 zeigt das übliche Bild:
oberhalb der Rheinmündung verläuft die Küste steil nach Norden, die Karte
bricht mit den Legenden Frixia und Danesmar ab. Die weiter nördlich und
östlich gelegenen Gebiete sind für den Zeichner ohne Interesse.

3. D e r N o r d - und Ostsee-Raum
in der mallorquinischen Kartographie

Ernest Theodore Hamy hat zuerst auf die Bedeutung der Mallorquiner für
die Darstellung Nordeuropas hingewiesen,31 denn sie haben bald nach Ca-
rignano - von Vescontes sehr ungenauem Bild ganz abgesehen - den Küsten
von Nord- und Ostsee eine ähnliche Sorgfalt angedeihen lassen wie die Ita-

von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Ergänzungsheft zur Deutschen Hydro-
graphischen Zeitschr. Reihe B (4°) Nr. 10 (Hamburg 1968), S.4.
26
Ms. Pal. Vat. Lat. 1362 A, fol. lv-2.
27
Vgl. zu dieser Fassung (mit Reproduktion) KONRAD KRETSCHMER, MARINO SANUDO d. Ä.
und die Karten des Petrus Vesconte, in: Zs. d. Ges. f. Erdkde. Berlin 26 (1891), S. 364.
28
Ms. Vat. Lat. 2972 fol. 112v-l 13.
29
Ms. Vat. Reg. Lat. 548 fol. 138v-139.
30
Ms. Oxford Bodl. Douce 390.
31
Vgl. oben Anm. 20; eine gute Zusammenstellung derartiger Karten gibt N. E. NORLUND,
Danmarks Kortlaegning. En historisk Fremstilling. Geodaetisk Instituts Publikationer 4 (Ko-
penhagen 1943) Tafeln 2-3.
[52/53] VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas 173

liener zuvor dem Mittelmeer, auch wenn sie ihre Kenntnisse offenbar nur bis
zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erwerben konnten und ihre Vorstel-
lungen mangels praktischer Anschauung dann stagnierten.
Am Anfang dieser Entwicklung steht Angelino Dalorto; von ihm ist eine
Karte von ca. 1325 in Florenz überliefert;32 eine weitere im Britischen Mu-
seum 33 geht vermutlich auf ihn zurück. Endlich wird die Identität seiner Per-
son mit Angelino Dulcert angenommen, der 1339 für seine heute in Paris la-
gernde Karte 34 ausdrücklich Mallorca als Entstehungsort angibt. Alle drei
Karten weisen solche Übereinstimmung auf, daß sie von der Forschung ei-
nem einzigen Schöpfer zugeschrieben werden. Umstritten ist nur die Frage,
ob Dalorto-Dulcert Mallorquiner war, der in Italien lernte, 35 oder ein nach
Mallorca verzogener Italiener.36
Kennzeichen dieser Karte, am Beispiel der letzten Dulcert-Karte aufge-
zeigt, ist eine Küstendarstellung der Nordsee, bei der die niederländische
Küste bei der Rheinmündung einen Knick macht und von dort geradlinig
nach Norden abbiegt bis zum Nordwestzipfel Jütlands. Der Rhein kommt
direkt aus dem Osten, sogar nahezu aus dem Ostnordosten. Venedig liegt
fast auf demselben Breitengrad wie Dordrecht, die Alpen ganz nahe bei
Mainz am Rhein. Auch die Elbe fließt aus dem Ostnordosten, schon Adam
von Bremen bezeugte 37 ihre Ostwestrichtung. Prags Lage an der Elbe er-
scheint auf diesen Karten sehr hervorgehoben. Die Form Jütlands ist fast
geometrisch geraten, in den Konturen aber nicht ganz falsch. Charakteri-
stisch für mallorquinische Portolane ist der Verlauf der südlichen Ostseekü-
ste von Lübeck über Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Allech
mit Allech-See bis Stolp oder Elbing in Nordostrichtung und ihr Abknicken
nach Osten. Die dänischen Inseln lassen noch sehr zu wünschen übrig, aber
Jutland ragt in den Oslo-Fjord. Der Bottnische Meerbusen ist allen Katala-
nen unbekannt, die Ostsee verengt sich bei Elbing gegenüber Südschweden
und nimmt dann eine ovale Form an; im Osten wird sie von Riga und Now-
gorod begrenzt. Kenntnis des Finnischen Raumes ist nicht nachzuweisen,
ebensowenig ist die Verengung des Finnischen Meerbusens angedeutet.

32
Besitz des Principe T o m m a s o Corsini, Verbleib z. Z. nicht nachzuweisen; Repr. bei ALBER-
T O M A G N A G H I , La carta nautica costruita nel 1325 d a Angelino D a l o r t o (Florenz 1898); d a z u
auch DERS., Angellinus de D a l o r c o , cartografo italiano della prima metà del secolo XIV., in: Ri-
vista Geografica Italiana 4 (1897), S. 2 8 2 - 2 9 4 und S. 3 6 1 - 3 6 9 .
33
M s . L o n d o n B M A d d . 2 5 6 9 1 , ed. H E I N R I C H W I N T E R (wie Anm. 18, D a s katalanische P r o -
blem), h i n t e r S. 126.
34
Vgl. Abb. 3 (vgl. unten Tafel 57); M s . Paris B N C 988.
35
So W I N T E R (wie Anm. 18).
36
So M A G N A G H I (wie Anm. 32) und ALAMAGIX (wie Anm. 18).
32
I I , 22 ed. BERNHARD SCHMEIDLER, M G SS rer. G e r m , in us. schol. (3. Aufl. 1917), S . 8 1 .
174 Studien z u r Universalkartographie [53/54]

Dieses Kartenbild wurde für die Mallorquiner und die darauf fußenden
Katalanen für mehr als 100 Jahre verbindlich und erfuhr keinerlei Verbesse-
rungen. So weicht der als Höhepunkt dekorativer Kartenkunst der Balearen
gefeierte sogenannte Katalanische Atlas des Juden Grescas um 1375 kaum
von Dulcerts Vorstellung ab. 38 Nur die dänische Inselwelt ist reichhaltiger
geworden, sonst folgen die Küstenlinien Jütlands, der Ostsee und Skandina-
viens noch Dulcerts Modell. Auch Norwegen erscheint wieder sehr gebirgig
mit vier Zipfeln im Süden. Das Legendenmaterial ist konstant, nur sind man-
che Orte ein wenig verschoben. Die künstlerische Differenziertheit hat zuge-
nommen, die exakte blieb unverändert.
Selbst die letzte Karte von diesem Typ, die sogenannte Katalanische Karte
von Modena um 1450, 39 zeigt nochmals ganz das entsprechende Bild des
Mar d'Alamanya, wie die Ostsee gewöhnlich benannt ist. Zwar hat die Küste
Frieslands und Jütlands ein paar Einbuchtungen erhalten, dafür sind die dä-
nischen Inseln stärker schematisiert. Rhein und Elbe kommen aus dem
Osten, und das bergige Norwegen zeigt vier Zipfel.
Die Ursache dieser Stagnation südeuropäischer Kartographie bezüglich
Nordeuropas lag bei der Hanse. Ihre Privilegien machten Flandern zum Um-
schlagplatz für den gesamten Handel; sie ließ Schiffe der Italiener und Spa-
nier in ihren Gewässern nicht zu. Brügge und London waren die Endpunkte
der südeuropäischen Linienschiffe, die darüber hinausgehenden Transport-
rechte hütete die Hanse eifersüchtig. Brügge, genannt „Stapel der Christen-
heit, 40 war seit seiner Privilegierung 1323 Zwangsstapel41 für Süd-, West-
und Nordeuropa und spätestens von der Mitte des H.Jahrhunderts an der
beherrschende Weltmarkt des Nordens; es bildete mit Antwerpen den Sperr-
riegel für den außerhansischen Raum. 42 Die Hanseaten selbst betätigten sich

38
M s . Paris B N Esp. 30; d a z u J. A. C. B U C H O N und J. TASTU, Notice d'un atlas en langue ca-
talane, manuscrit de l'an 1375, conserve parmi les manuscrits de la Bibliotheque Royale, in: N o -
tices et extraits des manuscrits de la Bibliotheque du Roi et autres bibliothèques XIV.2 (Paris
1843), S. 1-152; R e p r o d u k t i o n e n u.a. BAGROW-SKELTON (wie Anm. 19) Tafel X X X V I I - X X X I X
S. 3 6 3 - 3 6 5 und LEITHÄUSER (wie Anm. 15), S. 129ff.
39
M s . Biblioteca Estense, M o d e n a ; vgl. d a z u KONRAD KRETSCHMER, Die Katalanische Welt-
karte der Biblioteca Estense zu M o d e n a , in: Zs. d. G e s . f. E r d k d e . Berlin 32 (1897), S.65-111
und S. 191-218 mit R e p r o d u k t i o n .
40
Vgl. R U D O L F VOLLAND, Die Rolle Bordeaux's im H a n d e l zwischen d e n H a n s e s t ä d t e n u n d
Westfrankreich im Mittelalter, besonders im 1 5 . J a h r h u n d e r t (Diss. H a m b u r g 1962), S.33.
41
H E I N R I C H R O G G E , D e r Stapelzwang des hansischen K o n t o r s zu Brügge im 15. J a h r h u n d e r t
(Diss. Kiel 1903), S. 10.
42
Vgl. das Fehlen über Angaben dieses R a u m e s schon bei Pegolotti, La PRATICA DELLA M E R -
CATURA, W e r k eines Florentiners aus der ersten Hälfte des H . J a h r h u n d e r t s , ed. ALLAN EVANS,
Medieval Academy Pubi. 24 ( C a m b r i d g e / M a s s . 1936); vgl. d a z u THEOBALD FISCHER, Sammlung
mittelalterlicher Welt- und Seekarten italienischen Ursprungs und aus italienischen Bibliotheken
[54/55] VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas 175

lange Zeit nicht als Kartographen; erst 1441 43 begegnet eine Karte in ihrem
Bereich in den Quellen, beim Deutschen Orden um 1400.44
Selbst die älteste ptolemäische Karte, die sogenannte Vatikanische Mela-
Karte des Pirrus de Noha, konserviert das alte Bild der Katalanen zwangs-
läufig, 45 und Fra Mauro, der 1458 in Murano bei Venedig u.a. auf dem Rei-
sebericht des Pietro Querini von 1431 aufbaut, bemerkt von den Nordlän-
dern, sie kennten weder Kompaß noch Karte, nur das Lot. 46 Sein Bild ist
noch immer von Dulcert geprägt, befremdlicherweise erscheint bei ihm aber
Jutland als Insel.47 Die Küstenlinien sind differenziert, hingegen offenbar
nach ornamentalen Gesichtspunkten gestaltet. Fra Mauro gilt als der bedeu-
tendste Kartograph des Spätmittelalters; im Falle Nordeuropas waren ihm
seine Hände jedoch gebunden.
Ansätze zu einer Änderung bietet erst 1465 Petrus Roselli, bei dem zumin-
dest die friesische Küste mehr Ähnlichkeit mit ihrer wirklichen Gestalt er-
hält. 48

4. Die Karte des Brunetto Latini

Eine Karte aber ist gesondert zu betrachten, weil sie die berühmte Ausnahme
von der Regel des aufgezeigten Entwicklungsverlaufs darstellt, nämlich die
Karte in dem Oxforder Manuskript Bodleian Douce 319 fol. 8 zu den «Liv-
res dou trésor» des Brunetto Latini. Nur in dieser einen der heute erhaltenen
73 Handschriften des zwischen 1260 und 1266 im französischen Exil des
Autors und in französischer Sprache abgefaßten enzyklopädischen Werkes
ist eine Karte überliefert. Brunetto, gestorben 1294, ist bekannt als Notar in
Florenz und als Lehrer Dantes. 1260 unternahm er eine Gesandtschaftsreise
im Auftrag seiner Vaterstadt an den Hof Alfons des Weisen von Kastilien,

und Archiven (Marburg 1885, Repr. 1961), S.33ff., bes. S.39f.; zur Fremdenbehandlung vgl.
z.B. die Nowgoroder Schra, ed. WOLFGANG SCHLÜTER (Dorpat 1914) Sachregister S. 122
„Fremdlinge" mit Nachweisen.
43
Hans. ÜB VII Nr. 767 § 23, S. 425.
44
Vgl. M. TOEPPEN, Über einige alte Kartenbilder der Ostsee, In: HGbtl. 1880/81 (1882)
S.50.
45
Ms. Vat. Arch. S. Pietro H. 31 fol. 8v von vor 1438; Reproduktionen u. a. BAGROW-SKELTON
(wie Anm. 19) Tafel XLI S. 367 und LEITHÄUSER (wie Anm. 15), S. 45.
46
Vgl. Text bei TULLIA GASPARRINI-LEPORACE, II mappamondo di Fra Mauro (Rom 1956),
S.59.
4?
Reproduktion der Karte ebda, in einzelnen Tafeln, besonders Tafel XXXV.
48
Vgl. z.B. MS. London BM Egerton 73 fol.4; dazu WINTER, Petrus Roselli (wie Anm. 18)
und LANG (wie Anm. 16), S. 36ff.
176 Studien zur Universalkartographie [55/56]

1263 erscheint er in Frankreich, 1266 wieder in seiner Heimat, offenbar als


Angehöriger der angiovinischen Partei.
Die Oxforder Handschrift wird ins erste Jahrzehnt des H.Jahrhunderts
datiert und soll südwesteuropäischer, kontinentaler Provenienz sein, 49 ist
aber bereits im H.Jahrhundert in England nachweisbar.
Die in intensiven Farben gehaltene mit kräftigen Konturen der Länder ver-
sehene Karte hat die im Mittelalter völlig singulare Eigenschaft, stumm zu
sein, d.h. sie enthält keinerlei Legenden, und ganz offensichtlich war für Le-
genden auch von Anfang an gar kein Platz vorgesehen.50 Zudem zog die
Karte das Interesse der Fachleute auf sich, weil man sie nach arabischem
Vorbild für gesüdet hielt; das gilt freilich nur, wenn man den Kodex in Lese-
position hält, richtiger wird man die Karte für drehbar ansehen, was aus der
wechselnden Stellung der Gebäudesymbole erhellt und der Tradition der
Portolankarten entspricht.
Mit den Portolanen hat die Karte vor allem die Gestalt Afrikas gemein-
sam, nämlich die aus der arabischen Kartographie herrührende, starke Aus-
dehnung gen Osten in den Indischen Ozean hinein und die Nähe zu Indien,
ferner die sehr exakte Wiedergabe des gesamten Mittel- und Schwarzmeer-
raumes. Hingegen fehlen jegliche Spuren von Kompaßlinien.
Im Gegensatz zu den Mallorquinern zeigt Brunetto einen von Süden kom-
menden Rhein. Die Küsten Frieslands und Jütlands sind ziemlich ihrer wah-
ren Gestalt entsprechend und nicht geradlinig nach Norden verlaufend dar-
gestellt. Desgleichen ist die Ostsee gut gelungen, man kann sogar den Finni-
schen Meerbusen erkennen, der Bottnische allerdings bleibt unbekannt. Die
stellenweise abgeblätterte Farbe läßt auch keine eindeutigen Rückschlüsse
auf die Gestalt der dänischen Inselwelt zu.
An Siedlungen, kenntlich gemacht durch ein Gebäudesymbol mit drei Zin-
nen, findet man direkt an der Ostsee nur eine, die Lübeck bedeuten könnte,
ferner eine Stadt nahe dem Finnischen Meerbusen, vielleicht Nowgorod. Es
läßt sich aber bei den Städten nicht leicht sagen, ob und welche spezifischen
Orte jeweils gemeint sind, schon wegen der sehr groben Konturen, die zu er-
heblichen Verschiebungen führen. Auffällig ist jedenfalls, daß der Zeichner
sehr viele Siedlungen außerhalb der abendländischen Gebiete kennt, so in
Zentralasien und Persien, wo ihm andererseits das Kaspische Meer völlig
entgangen ist. Sehr viele Städte deutet er an der nordafrikanischen Mittel-
meerküste an, allerdings auch landeinwärts, ferner im Innern Rußlands. Ob

49
Nach Auskunft der Bodleiana vom 12. 5. 1969.
50
Vgl. Abb.4 (vgl. unten Tafel 53); über diese Karte (mit Farbreproduktion) ANNA-DORO-
THEE v. DEN BRINCKEN, Die Ausbildung konventioneller Zeichen und Farbgebungen in der Uni-
versalkartographie des Mittelalters, in: AfD 16 (1970), S. 325-349, bes. S. 333 ff. (= o. S. 119ff.).
[56/57] VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas 177

ornamentale Gesichtspunkte für den Maler bei Verteilung der Siedlungssym-


bole eine Rolle spielten, läßt sich sehr schwer sagen. In Nordafrika, Ägypten
und Arabien ist sicherlich auf bestimmte Städte angespielt, und zwar auf sol-
che, die nicht im Rahmen des christlichen Weltbildes Bedeutung hatten, et-
wa Mekka.
Eine derart fortschrittliche Kenntnis des nordeuropäischen Raumes sucht
man aber auch auf Karten aus dem islamischen Bereich vergebens. Der einzi-
ge Kartograph, der hier überhaupt Details bot, der am sizilischen Hof wir-
kende Idrisi 51 kennt z.B. die Ostsee nicht und zeigt skandinavische Länder
nur als Inseln, sein Werk hat also nicht als Vorlage gedient.
Man möchte nämlich gerade wegen des Fehlens von Legenden die Vermu-
tung äußern, Brunetto hätte eine Vorlage kopiert, deren Legenden ihm un-
zugänglich waren, weil sie in einer ihm fremden Schrift geschrieben waren.
In Spanien hätte er solche Karten haben finden können.
Die Dreizinner als Siedlungssymbole hingegen sind nur auf byzantinischen
Karten belegt.52 Es ist deshalb auch an eine griechische Vorlage zu denken,
zumal der ägäischen Inselwelt viel Aufmerksamkeit gewidmet ist; allerdings
gibt es keinen Hinweis, daß Konstantinopel bezeichnet ist, man müßte also
eher eine antike Karte als Modell vermuten. Von einer Projektion findet sich
auch keine Spur. Man möchte daher für ein indirektes griechisches und direk-
tes arabisches Vorbild plädieren, das aus vorhansischer Zeit stammte. Die
Karte des Bodleian Douce dürfte auch darin singular dastehen.
Überhaupt sind die Kenntnisse des gesamten europäischen und vorder-
asiatischen Raumes gut. Das Schwarze Meer oder die Adria stoßen hier we-
der an die Nord- noch die Ostsee oder gar ans Nördliche Eismeer wie auf
fast allen mittelalterlichen Ökumene-Karten und auch auf frühen Portola-
nen. Die Brunetto-Karte zeigt auch keinerlei Einfluß der Portolane der Mal-
lorquiner, zumal sie mit Sicherheit als älter gelten darf.
Allerdings handelt es sich nicht um Erfahrungen Latinis selbst, die auf der
Karte ihren Ausdruck fanden. Denn daß er Nordeuropa bereist hätte, ist aus
nichts zu erschließen. Vielmehr hat er seine Aussagen im Text über Nordeu-
ropa nahezu ausschließlich aus der Anekdotenschachtel des Solinus entnom-
men, vermehrt um eine Angabe über die Zahlen der Bistümer und Erzbistü-
mer. 53 Die Karte hat also keinerlei spezifischen Bezug auf seinen Text. Man

51
Vgl. Abb. verschiedener Versionen bei KONRAD MILLER, Mappae Arabicae 1-5 (Stuttgart
1926-1931), Falttafeln.
52
Vgl. BAGROW-SKELTON (wie Anm. 19) Tafeln VIII-X S. 334-336 betr. Ptolemäus-Karten;
vgl. ebd. S. 114 zu diesen Zeichen in der handschriftlichen Überlieferung.
53
Vgl. ed. Francis J. CARMODY, Li livres dou trésor de Brunetto Latini, University of Califor-
nia Pubi, in Modern Philol. 22 (Berkeley und Los Angeles 1948), S. 118f., d.i. I, 123, S.23ff.
178 Studien z u r Universalkartographie [57/58]

möchte vermuten, daß Brunetto sie in Spanien oder Frankreich in einer


nichtlateinischen Handschrift aufgetan und für sein Werk kopiert hat.
Eine zumindest in ihrer Zielsetzung auf Exaktheit ausgerichtete Kartogra-
phie des Nord- und Ostseeraumes kommt mithin - von der Karte des Bru-
netto Latini abgesehen, die aus außerlateinischen Kulturkreis zu stammen
scheint und dem 13. Jahrhundert angehören dürfte - in Italien kurz nach
1300 im Gefolge der ursprünglich rein mediterran orientierten Portolankarte
auf. Sie wird von den Mallorquinern verbessert und setzt sich in dieser Form
auch in Italien durch. Da südeuropäische Schiffe seit Mitte des H.Jahrhun-
derts keinen Zugang zu nordeuropäischen Gewässern hatten, die Nordeuro-
päer selbst aber vor dem 15. Jahrhundert keinerlei Kartographie betrieben,
stagnierte das Bild.
Zum Schluß sei noch eine Karte von legendärem Ruhm zur Diskussion ge-
stellt, die sogenannte Vinland Map, 54 deren mysteriöses Auftauchen im An-
tiquariatshandel nach Erwerb durch die Yale-University anläßlich ihrer Pu-
blikation 1965 großes Aufsehen erregte. Die Frage der Echtheit wird sich
grundsätzlich nur am Original erörtern lassen. Außerordentlich ist sie wegen
ihrer Wiedergabe von Vinland, Weinland, einem Inselkontinent jenseits des
Atlantik, vielleicht kartographisches Relikt normannischer Amerika-Ent-
deckung um 1000. Die Karte wird aufgrund der Papierzeichen der zugehöri-
gen Handschrift und paläographischer Merkmale auf die Zeit um 1440 da-
tiert und dem oberrheinischen Raum zugewiesen.
Sie ist keine ausgesprochene Seekarte, hat keine Kompaßlinien, keine Be-
zeichnung der Küstenorte und sehr stilisierte Küstenkonturen. Ihre Nord-
und Ostseegestaltung entspricht genau den aus Südeuropa bekannten Vor-
stellungen, wie sie von den Katalanen verbreitet wurden. 55 Eine nordeuro-
päische Vorlage läßt sich für diesen Raum nicht reklamieren. Falls es sich um
eine Fälschung handelt, ist diese genau für den beabsichtigten Zeitraum in
einer höchst raffinierten Weise erstellt, gerade in dem an sich nebensächli-
chen Faktum zeitgemäßer Nordeuropagestaltung. Ein Fälscher hätte eigent-
lich ein korrekteres Nordeuropabild erwarten lassen, und das wird man des-
gleichen auch für den vermeintlichen nordischen Kartographen voraussetzen
dürfen, der bisweilen als Vorlage der .Vinland Map rekonstruiert wird. 56

54
Vgl. SKELTON, MARSTON und PAINTER (wie Anm.4) Reproduktion nach S. 18.
55
Ebd. S. 160 ff.
56
Ebd., mehrfach.
Nachtrag: im Januar 1974 hat die Yale-Universität veröffentlicht, daß die Vinlandkarte eine Fäl-
schung ist. Die Tinte enthält Anatas-Pigment, weshalb als Terminus post für die Karte etwa das
Jahr 1920 zu gelten hat.
VII. Ost- und Südosteuropa in der abendländischen
Kartographie des Spätmittelalters*

Im Gegensatz zu den antiken und arabischen Kartographen gingen die


abendländischen Zeichner bei der Wiedergabe der Erde deduktiv vor. Sie
stellten die Welt als Ganzes vornehmlich aufgrund biblischer Aussagen dar
und verstanden sie als Kreisfläche, die geostet abgebildet wurde. Nie diente
die Karte vor dem 13. Jahrhundert der Praxis; niemand wäre darauf verfal-
len, das Land stückweise zu vermessen und naturgetreu für Verwaltungs-,
Post-, Reise- oder Kriegszwecke zu kopieren. Zudem kannte man vor 1250
keine Detail-, sondern nur Weltkarten. 1 Auf ihnen hatte Ost- und Südosteu-
ropa auf der linken Seite seinen symbolischen Platz; mehr hat man auf die-
sen der Bibelexegese zugehörigen imagines mundi auch nie angestrebt.

1. Ost- und Südosteuropa in der Vorstellung


des frühen und hohen Mittelalters

Das verbreitetste Grundschema einer Weltkarte im frühen und hohen Mit-


telalter war die sogenannte Noachidenkarte. Noe teilte die Welt nach der
Sintflut unter seine drei Söhne auf. Nach damaliger Vorstellung erhielten
diese die drei bereits aus der griechischen Naturphilosophie bekannten, in
der Bibel freilich noch nicht benannten Erdteile, nämlich Sem Asien, Cham
Afrika und Japhet Europa. 2 Bereits der Kirchenvater Augustinus gab das
Größenverhältnis dieser Erdteile untereinander mit 2:1:1 an, 3 d.h. die obere
Hälfte des geosteten Erdkreises nahm Asien ein, in die untere teilten sich
Europa und Afrika, so daß Europa das linke untere Viertel erhielt. Man
dachte sich die Erdteile voneinander durch ein T der Gewässer getrennt;
deshalb spricht man auch von der T-Karte. Dabei bildete das Mittelmeer zwi-

* Mitteilung beim III. Internationalen Kongreß für Süd-Ost Europäische Studien, Bukarest,
4.-10. September 1974.
1
Zu diesem Fragenkomplex vgl. ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, „... Ut describeretur
universus orbis" - Zur Universalkartographie des Mittelalters, in: Miscellanea Mediaevalia. Ver-
öffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität zu Köln 7 (1970) S.249ff. (= o. S.82ff.).
2
Vgl. JOACHIM G. LEITHÄUSER, Mappae Mundi (Berlin 1958) S.27 und 61 f.
3
De civitate Dei 16, 17.
180 Studien z u r Universalkartographie [254]

sehen Europa und Afrika den Schaft des T, der Nil zwischen Asien und Afri-
ka den rechten Teil des T-Balkens, der Don, das Asowsche und das Schwarze
Meer sowie die Ägäis den linken Balkenteil zwischen Europa und Asien.
Das Weltbild der Antike war mediterran bestimmt und wurde vom Mittel-
alter übernommen. 4 Man stand gewissermaßen auf dem Felsen von Gibraltar
und schaute von dort nach Osten. Von Europas Norden 5 und Osten hatte
man noch kaum Kunde; Rußland wurde als Hyrkanien (Ircania) oder Sky-
thien (Scitia) eingezeichnet und war sehr zusammengedrängt wiedergege-
ben, da man außer dem Don und dem Kaukasus nichts an Flüssen, Gebirgen
oder gar Siedlungen kannte und wegen des horror vacui weiße Flecken auf
der Landkarte zu vermeiden trachtete.
Eindrucksvoll zeigt das die Karte des Beatus von Liébana, zwischen 776
und 786 in Spanien zu einem Apokalypsenkommentar entstanden und nur in
Abschriften erhalten, deren älteste die sogenannte Fassung von S. Sever von
1045 repräsentiert. 6 Auf dieser Karte ist das Mittelmeer ein sehr breiter T-
Schaft; Europa ist auf Kosten von Asien und Afrika über das ihm zustehende
Viertel des hier zu einem Oval variierten Kreises vergrößert. Ägäis, Helle-
spont, Marmara- und Schwarzes Meer nehmen viel Platz ein, und das letz-
tere ist in unmittelbarer Nähe des nördlichen Weltenozeans gedacht. Es hat
drei unbenannte Zuflüsse von einem Gebirge am Nordmeer her, wohl Wol-
ga, Don und Dnjepr. Auf der Balkanhalbinsel liest man von rechts nach links
- d.h. von Süden nach Norden - Achaia, Epirus, Makedonien, Dalmatien II-
lyrikum, Thrakien, Mösien. Die Donau mündet mit sieben Armen in das
Schwarze Meer, wie man das bei den Georgraphen jener Zeit allenthalben
finden konnte. Dann folgt im Norden Alanien und als nördlichstes Land Da-
kien, Dacia, mit dem Zusatz hie capud Europae, d.i. „hier beginnt Europa,
Anfang Europas", nämlich vom Nordmeer her gesehen ebenso wie von Asi-
en, denn die Legende darüber lautet hie fines Asiae, d.i. „hier endet Asien".
An Balkanländern wird noch Norikum, Pannonien, Sarmatika genannt,
nördlich davon die Wandalen, Sachsen und Friesland. Rußland erscheint na-
türlich noch nicht, der asiatische Teil heißt hier Albania, östlich vom Kaspi-

4
Vgl. hierzu grundlegend KONRAD MILLER, Mappae mundi 1-6 (Stuttgart 1895-98); R I -
CHARD UHDEN, Zur Herkunft und Systematik der mittelalterlichen Weltkarten, in: Geogr.
Zeitschr. 37 (1931) S. 321 ff.
5
Vgl: dazu ERNEST THEODORE HAMY, Les origines de la cartographie de l'Europe Septentrio-
nale, in: Etudes historiques et géographiques (Paris 1896 nach Erstdruck 1888) S. Iff.; ANNA-
DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die kartographische Darstellung Nordeuropas durch italienische
und mallorquinische Portolanzeichner im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in:
Hansische Geschichtsblätter 92 (1974), in Druck ( = o. S. 165ff.).
6
Abb. 1 (vgl. unten Tafel 13) von Ms. BN Paris lat. 8878 fol. 45 ter; vgl. dazu MILLER (wie
Anm.4) 1 (1895) mit Farbtafel.
[254/255] VJI. Ost-und Südosteuropa in der Kartographie 181

sehen Meer liegt Ircania, Skythien (Scicia) grenzt gar im äußersten Osten an
das Paradies. Diese verzerrte Abbildung gibt die ganz typische Vorstellung
wieder, die der Westen im frühen und hohen Mittelalter vom Osten Europas
hatte. Auch die berühmten überformatigen Weltkarten des 13. Jahrhunderts
wie die von Ebstorf und Hereford bilden da keine Ausnahme.
Das merkwürdige Ineinanderfallen von Nord- und Osteuropa erklärt es
auch, wie die Bezeichnung Dacia, in der Antike und auch noch bei Beatus
von Liébana Dakien, nicht nur für das Land am Schwarzen Meer, sondern
auch für Dänemark gebräuchlich wurde; um 1015 suchte zudem bereits Du-
do von Saint-Quentin einen antiken Anknüpfungspunkt für die Dänen in
«De moribus et actis primorum Normanniae dueum» 7 und brachte sie so-
wohl mit Dakern als auch mit Danaern in Verbindung, um ihnen eine hohe
historische Abkunft zu sichern.
Waren von Südosteuropa in der Antike immerhin eine Reihe Länder be-
kannt und daher auch dem Mittelalter geläufig, so wurde Rußland erstmals
1109 bei dem Mainzer Domherrn Heinrich auf einer Karte genannt.

2. Italienische Portolane des frühen 14. Jahrhunderts

Die Gesichtspunkte exakter Vermessung für praktische Zwecke, kamen erst


durch die Portolankarte in die abendländische Kartographie. Es handelt sich
dabei um für die Seefahrt bestimmte Küstendarstellungen. Voraussetzung
für diesen Kartentyp war die Verwendung des Kompasses, der in China
schon seit dem 2. Jahrhundert, im Abendland vereinzelt seit dem 11., allge-
mein seit dem 13. Jahrhundert gebräuchlich war. Diese Karte diente als
Schiffswegweiser, sie war übersät mit Kompaßlinien, die die Richtung an-
zeigten, die man von einem Küstenort zum anderen wählen mußte. Die Por-
tolankarte war seit 1270 gebräuchlich, die ältesten erhaltenen Stücke stam-
men aus der Zeit um 1300. Sie wurde auf dem Schiff mitgeführt und hatte
die Form einer Tierhaut. Auch sie war zunächst wieder rein mediterran be-
stimmt und zeigte nur die Küsten von Mittelmeer und Schwarzem Meer, nur
selten Teile des Atlantiks Immerhin wurde Südosteuropa jetzt wesentlich ex-
akter dargestellt, denn man hatte von der Adria, von Griechenland, der
Agäis und dem Schwarzen Meer Vorstellungen, die dem wahren Aussehen
schon sehr nahe kamen.
Die erste dieser Karten, die nachweislich auch das Landesinnere berück-
sichtigte, ist die leider seit dem letzten Krieg verlorene Portolankarte des

7
Vgl. Migne PL 141. Sp. 619-621.
182 Studien zur Universalkartographie [255/256]

Genuesen Giovanni da Carignano 8 von ca. 1310. Sie bringt den Mittelmeer-
raum naturgetreu, nennt auch landeinwärts Städte-, Gebirgs- und Länderna-
men. Vor allem berücksichtigt sie erstmals die Nord- und Ostsee, allerdings
total verzerrt in einer riesigen Ost-West-Ausdehnung. War bei der früh- und
hochmittelalterlichen Karte das Land auf Kosten des Meeres vermehrt wor-
den, weil die römische Straßenkarte hier Vorbild war, so stehen jetzt die
Meere im Vordergrund, drängen aber den außermediterranen Raum und
insbesondere das Festland zusammen. Von Venedig bis zur Ostsee ist es
nicht weiter als von Venedig bis Rom, während dem Schwarzen Meer sein
volles Ausmaß gegeben ist. Dadurch ist Südosteroupa ganz naturgetreu er-
faßt, d.h. insbesondere Griechenland, Bulgarien und Thrakien, nicht aber
Osteuropa und ebensowenig Asien. Denn das Asowsche Meer, die Maeotides
Paludes, liegt gleich bei der Ostsee, ebenso das Land von Rumänen und
Amazonen sowie Alanen, Rußland stößt westlich von der Krim schon fast an
die Ostsee. Östlich des Schwarzen Meeres wohnen die Elamiter, in der Nähe
fließt der Ganges. Der Genuese, von dem wir wissen, daß er sich seine au-
ßergewöhnlichen Kenntnisse über Afrika von Seeleuten im Hafen seiner
Heimatstadt erfragte, 9 interessierte sich offenbar für Osteuropa überhaupt
nicht.
Sein nur wenige Jahre später wirkender venezianischer Kollege Pietro Ves-
conte hingegen hatte ziemlich falsche Vorstellungen vom Aussehen Nordeu-
ropas, wußte dagegen wohl von dem breiten Gürtel Festlandes mit Gebirgs-
zügen nördlich vom Schwarzen und Kaspischen Meer. 10 Er zeichnete Karten
zu den «Secreta Fidelium Crucis», einer Kreuzzugspropagandaschrift, deren
Autor Marino Sanudo bis zur Odermündung gereist war." Auch hat Pietro
immerhin Kenntnis von schismatischen Russen und heidnischen Kareliern.
Pietro machte sich nämlich zwar die Technik der Portolankarten zunutze,
aber für ihn stehen nicht die Meere im Vordergrund, sondern das Festland
und seine Bewohner, insbesondere deren Verwendbarkeit für einen Kreuz-
zug. Daher hat er wiederum geringeren Wert auf die Küstengestaltung Süd-

8
Abbildung nach einer Kopie im Staatsarchiv von Florenz; Reproduktionen u.a. hei LEIT-
HÄUSER (wie Anm.2) S. 124; Leo BAGROW - R. A. SKELTON, Meister der Kartographie, (Berlin
1963)S.359.
9
Vgl. dazu R. A. SKELTON, An Ethiopian Embassy to Western Europe 1306, in: O. G . S.
CRAWFORD, Ethiopian Itineraries ca. 1400-1500. Hakluyt Society ser. II, 109 für 1955 (Cam-
bridge 1958)AppendixIIIS.212ff.
10
Ms. Oxford Bodleian Tanner 190 fol.203v/204r; zu den verschiedenen Versionen dieser
Weltkarte vgl. MILLER (wie Anm.4) 3 (1895) S. 132ff.; sehr ähnliche Abb. ist publiziert hinter
der Ausgabe der „Secreta Fidelium Crucis" in JACOBUS BONGARSIUS, Gesta Dei per Francos II
(Hanau 1611) hinter S.288.
11
Vgl. Secreta Fidelium Crucis II, IV, 18 ed. BONCARSIUS (wie Anm. 10) S.72.
[256/257] VII. Ost-und Südosteuropa in der Kartographie 183

Osteuropas gelegt. Übrigens arbeiteten der Genuese und der Venezianer un-
abhängig voneinander.

3. Mallorquinische Portolane
des 14. und frühen 15. Jahrhunderts

Den Mallorquinern - früher meist als katalanische Schule bezeichnet -


kommt das Verdienst zu, die Portolankarte in der von Giovanni da Carigna-
no vorgezeichneten Weise bis zum äußersten verfeinert zu haben. Sie nah-
men auch die außermediterranen Küsten auf, soweit diese bekannt waren,
berücksichtigten ferner das Inland, zeigten auch gern die Herrschaftsem-
bleme und Wappen einzelner Territorien. Sie entwickelten dabei die Porto-
lankartographie zu einer wahren Kunst.
Für die Korrektur des Nordeuropa-Bildes haben sie Wesentliches gelei-
stet, insbesondere für die Wiedergabe von Nord- und Ostsee. Durch sie er-
hielt Jutland eine sehr charakteristische Form mit einer schnurgeraden West-
küste sowie eine Ostseeküste, die von der Kieler Bucht zunächst nordöstlich
verläuft und dann geradlinig nach Osten abknickt; diese Darstellung blieb
über Jahrhunderte vorherrschend, da die Hanse keine Südeuropäer in ihren
Gewässern duldete, ihrerseits aber lange keine Kartographie betrieb. Der
Finnische und der Bottnische Meerbusen sind auf diesen Karten noch nicht
ausgestaltet. Auf allen katalanischen Karten fließen Elbe wie Rhein direkt
und fast geradlinig nach Westen, während die Donau auf gleichem Breiten-
grad wie der Rhein ohne Knie nach Osten strömt. Köln erscheint daher un-
gefähr auf derselben Breite wie Costanza, wie das die Karte des ältesten na-
mentlich bekannten mallorquinischen Zeichners, des Angelino Dulcert von
1339, verdeutlicht.12 So liegt auch Riga nur wenig nördlicher, wohl aber er-
heblich westlicher als die Krim. Vom Bild des Angelino weicht weder der be-
rühmte Katalanische Atlas von 1375 noch etwa die Katalanische Karte von
Modena um 1450 ab. Erst auf der ältesten Karte des Abendlandes, die wie-
der das Wissen des Ptolemaeus anwandte, auf der Karte des Pirrus de Noha
vor 1438, nimmt das osteuropäische Festland an Umfang angemessenere
Formen an. 13

12
Abb. 2 (vgl. unten Tafel 57) von der Karte der Pariser Nationalbibliothek C 988.
13
Ms. Vat. Ach. S. Pietro BH. 31 fol.8v; Reproduktionen u.a. bei BAGROW-SKELTON (wie
Anm. 8) S. 367 und LEITHÄUSER (wie Anm.2) S. 145.
184 Studien zur Universalkartographie [257/258]

4. Die Karte des Brunetto Latini

Aus dem üblichen Rahmen fällt auch hier wieder einmal die Karte, die in der
Oxforder Bodleiana als Ms. Douce 319 14 zum Werk des Brunetto Latini
überliefert ist, zu der Enzyklopädie «Li livres dou trésor». 15 Dieses Werk ist
zwischen 1260 und 1266 im französischen Exil des florentinischen Notars
und Lehrers Dantes in französischer Sprache abgefaßt worden, nachdem
der Autor zuvor auch als Gesandter am Hofe Alfons des Weisen von Kasti-
lien geweilt hatte. Nur die Handschrift der Bodleiana ist mit einer Karte aus-
gestattet; sie wird ins erste Jahrzehnt des H.Jahrhunderts datiert und süd-
westeuropäischer kontinentaler Provenienz zugewiesen, auch wenn sie be-
reits Ende des 14. Jahrhunderts in England belegt werden kann.
Zunächst einmal ist sie nicht geostet, aber auch nicht unbedingt nach ara-
bischem Vorbild gesüdet - wie es auf den ersten Blick aussieht, wenn man
den Kodex in Leseposition hält -, sondern wohl drehbar zu verstehen wie
viele Portolankarten; diese Vermutung wird durch die Richtung der Sied-
lungssymbole erhärtet.
Das Außerordentliche und im Mittelalter völlig Singulare an dieser in
kräftigen Farben gehaltenen Karte ist nämlich, daß sie stumm ist, d.h. keine
Legenden aufweist. Auch ist nirgends dafür Platz vorgesehen, sie war also
immer stumm geplant. Sie zeigt sich außerdem von den Portolankarten be-
einflußt, weist aber keinerlei Kompaßlinien auf.
Die Siedlungssymbole mit ihren drei Zinnen sind ähnlich auf byzantini-
schen Karten belegt, die starke Ausbuchtung Ostafrikas läßt an eine arabi-
sche Vorlage denken. Die Ägäis ist relativ differenziert gestaltet, was neben
Portolankarten auch an antike griechische Einflüsse denken läßt, vielleicht
durch die Araber vermittelt.
Bei Brunetto kommt der Rhein wieder von Süden. Die Ostsee ist erstaun-
lich naturgetreu gestaltet, sogar der Finnische Meerbusen ist angedeutet. An
der Donau und nördlich vom Schwarzen Meer finden sich viele Städtesym-
bole, die sich nicht einfach identifizieren lassen, aber bei dem Zeichner zwei-
fellos mehr als nur ornamentale Funktion haben. Desgleichen weisen Zen-
tral-Asien und Persien sowie Afrika dichte Besiedlung auf. Gerade Zentren
des außerchristlichen Kulturbereichs wie Mekka sind offenbar angedeutet,

14
Ebda, fol.8; in Farbe publiziert bei ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die Ausbildung
konventioneller Zeichen und Farbgebungen in der Universalkarthographie des Mittelalters, in
Archiv f. Dipl. 16 (1970) neben S.328 (vgl. unten Tafel 53).
15
Ed. FRANCIS J. CARMODY, Li livres dou trésor de Brunetto Latini. Univers, of California
Pubi, in Modern Philol. 22 (1948).
[258] VII. Ost- und Südosteuropa in der Kartographie 1 85

während z. B. Konstantinopel bemerkenswerterweise fehlt. Man möchte da-


her eine Vorlage vermuten, die zumindest stark arabisch bestimmt war, viel-
leicht sogar arabische Legenden aufwies, die der Zeichner wegließ, weil er
sie nicht verstand. In Spanien könnte Brunetto mit derartigen Werken in
Verbindung gekommen sein.16 Ausgeprägtes Ost- und Südosteuropa-Inter-
esse findet man auf derartigen Karten freilich vor 1453 auch noch nicht.
Die Gestaltung Ost- wie Südosteuropas genügt schon fast modernen An-
sprüchen. Im Text seines Werkes findet sich so gut wie nichts im Europa-Ka-
pitel über diese Gegenden ausgesagt. Es handelt sich also nicht um eine neue
geographische Erkenntnis, sondern bloß um die Übernahme einer ausge-
zeichneten bildlichen Darstellung, die vermutlich aus einer nichtlateinischen
Handschrift stammt.

Zusammenfassung

Südosteuropa erhält seine kartographisch korrekte Ausgestaltung im Abend-


land seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter dem Einfluß der Por-
tolanzeichner, die den Schwarzmeerraum in ihre Mittelmeervermessung ein-
beziehen. Das Binnenland hingegen im europäischen Osten erscheint ver-
zerrt, bis die ptolemäische Renaissance das mittelalterliche Bild korrigiert.
Nur Brunetto Latini macht eine Ausnahme, vielleicht unter arabischem Ein-
fluß. Das Kartenbild des Mittelalters war an sich ungemein zählebig, denn
wiederholt - insbesondere in den Schriften des Paulinus Minorità um 132517
- wurde gewarnt, eine Zeichnung zu variieren, auch wenn im Begleittext
längst fortschrittlichere Einsichten diskutiert wurden.

16
Vgl. v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 14) S.325ff.; bes. S.333ff. ( = o. S. 119ff.); DIES., (wie
Anm. 5) in Druck ( = o. S. 165ff.), auch mit Farbreproduktion (vgl. unten Tafel 53).
17
Prolog zu „De mappa mundi", ed. v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 1) S. 261 ( = o. S.94).
Vili. Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie
des Mittelalters

Die Meinung, daß dem abendländischen Mittelalter die der Antike geläufige
Auffassung von der Erde als Kugel weitgehend verlorengegangen sei,1 ist
sehr verbreitet. Gegenstand der folgenden Betrachtungen soll eine kritische
Überprüfung dieser Ansicht vorzugsweise aufgrund kartographischen Mate-
rials sein. Dabei ist insbesondere im Auge zu behalten, daß Relikte der na-
turwissenschaftlichen Erkenntnisse Alexandriens wegen der großen Abhän-
gigkeit des Mittelalters vom Altertum zu allen Zeiten Wertschätzung genos-
sen, was von der Forschung nie verkannt wurde. Das Christentum fand auch
in der Kosmographie festgeprägte Formen vor, die es neu zu beleben galt.
Mithin ist es nicht erstaunlich, daß sich in der Literatur eine Fülle von
Zeugen für die Kugelgestalt der Erde namhaft machen lassen. Diese Tatsa-
che blieb nicht ohne Rückwirkung auf die Kartographen, zumal diese sich
im Mittelalter grundsätzlich Neuerungen gegenüber wesentlich abwartender
verhielten als die Geographen. Gervasius von Tilbury fürchtete um 1214 un-
ter Berufung auf das Decretum Gratians, 2 sich des Vergehens der falschen
Zeugenaussage vor Gericht schuldig zu machen, wenn er der mappa mundi
eigene Zutaten beifügt.3 Noch um 1324 gestattete der Venetianer Paulinus
Minorità zwar die theoretische Diskussion neuer Erkenntnisse im Begleittext
der Karten, mahnte aber eindringlich, daß größte Vorsicht walten müsse,
damit die Karte nicht vom Maler verfälscht würde. 4
In der Antike sind zwei grundsätzlich verschiedene Traditionen der Uni-
versalkartographie zu unterscheiden. Die Griechen hatten ursprünglich
mehr spekulativ bereits seit den Pythagoreern die Kugelgestalt der Erde er-
schlossen und diese Erkenntnis dann mit naturwissenschaftlichen Methoden
untermauert. Piaton, Aristoteles, vor allem Eratosthenes sind hier zu nen-
nen, später Krates von Mallos, Strabo und Ptolemaeus. Die Römer hingegen
betrieben Kartographie für praktische Zwecke, erstellten Straßenkarten vom
Typ der Peutingeriana sowie Ökumene-Karten, die in erster Linie das Impe-

' Vgl. Z . B . J O A C H I M G. LEITHÄUSER, M a p p a e mundi (Berlin 1958), S. 74.


2
P a r s 2 causa 3 q. 9 c. 17: pura et simplex.
3
Otia Imperialia, ed. G O T T F R . W I L H . LEIBNIZ, in: SS rer. Brunsvic. I ( H a n n o v e r 1707), S. 956.
4
M s . Vat Lat. 1960, fol. 13: quod vero per pictores non vicietur pictura, magna est cautio adhi-
benda.
[78] VIII. Die Kugelgestalt d e r E r d e 187

rium Romanum zum Gegenstand hatten und der Reichsverwaltung dienten


wie etwa die verlorene, vermutlich runde Karte des Vipsanius Agrippa,
Schwiegersohn des Kaisers Augustus. Für Römer wie Cicero und de facto
auch für Plinius war die Erde ein im Weltenraum schwebender Diskus, ganz
flach gedacht, auf dessen Unterseite aber Gegenfüßler, Antipoden, ange-
nommen wurden, um die Scheibe im Gleichgewicht zu halten.
Das antike Weltbild umfaßte drei Erdteile, Asien, Europa und Afrika, die
schon bei den jonischen Naturphilosophen bekannt sind und in der christli-
chen Überlieferung den biblischen Noachidenkontinenten - zugeordnet den
drei Söhnen Noes - gleichgesetzt werden. Die Entdeckungsfahrten, die die
Phönizier bereits vor 800 v.Chr. zu den Kanarischen Inseln führten und mit
dem Atlantik bekannt machten, 5 sowie die Wikingerfahrten um 1000 nach
dem legendären Vinland, die immerhin glaubwürdig sowohl in Sagas wie in
isländischen Annalen6 und bei Adam von Bremen7 bezeugt sind, haben noch
keine Erweiterung des Weltbildes herbeigeführt; dies war erst dem 15. Jahr-
hundert vorbehalten.
Generell gilt für die mittelalterliche Weltkarte, daß sie loca, in quibus res
gestae sunt, die Orte der Geschehnisse aller Zeiten, auf eine Fläche produ-
ziert - wie es Hugo von St.-Viktor darstellt - , zum eigentlichen Gegenstand
hat; daher gehört sie mehr in den Bereich der Universalgeschichtsschrei-
bung. 8 Die folgenden Ausführungen sollen aber gerade den mehr naturwis-
senschaftlich orientierten Karten gewidmet sein, die etwa ein Drittel ausma-
chen. Praktische Zwecke pflegte man im Mittelalter nicht mit den Karten zu
verfolgen, desgleichen blieb die Vermessung außer acht. 9

5
Vgl. RICHARD H E N N I G , T e r r a e Incognitae I (Leiden 2 1 9 4 4 ) , S.40ff.
6
Zu diesem K o m p l e x v o r allem RALEIGH A S H L I N SKELTON, T H O M A S E . M A R S T O N u n d G E O R G E
D . PAINTER, T h e Vinland M a p and the T a r t a r Relation (New H a v e n u. L o n d o n 1964), S. 160 ff.
7
IV, 39, ed. B. SCHMEIDLER, in: M G SS rer. G e r m in us. schol. (' 1917),
S.275.
8
Vgl. A N N A - D O R O T H E E V. DEN BRINCKEN, M a p p a mundi u n d C h r o n o g r a p h i a , in: D A 24
(1968), S. 118ff. ( = o . S . 1 7 f f ) .
9
Vgl. d a z u u.a. KONRAD MILLER, M a p p a e M u n d i I - V I (Stuttgart 1895-98); M I C H A E L C O R -
BETT ANDREWS, T h e Study and Classification of Medieval M a p p a e M u n d i , in: Archaeologia 75
( 1 9 2 5 / 2 6 ) , S. 6 1 - 7 6 ; KONRAD KRETSCHMER, D i e mittelalterliche W e l t k a r t e nach Anlage u n d
H e r k u n f t , in: Petermanns Mitt., Ergh. 209 (1930), S. 5 5 - 6 4 ; RICHARD U H D E N , Z u r H e r k u n f t
u n d Systematik d e r mittelalterl. W e l t k a r t e n , in: Geogr. Zeitschr. 37 (1931), S . 3 2 1 - 3 4 0 ; L E O BA-
GROW und R. A. SKELTON, Meister d e r K a r t o g r a p h i e (Berlin 1963).
188 Studien zur Universalkartographie [79/80]

Weltbild des Krates von Mallos


Bewohnbare Kontinente I-IV

1. Das kratetische Weltbild

Soweit man im lateinischen Kulturbereich in der Spätantike die Kugelgestalt


der Erde verteidigte, folgte man den Vorstellungen des bereits erwähnten
Krates von Mallos, der um 150 v. Chr. als Homer-Exeget in Pergamon lehrte
und seine kosmographischen Kenntnisse der Schule von Alexandrien ver-
dankte. Er behauptete im Rahmen seiner hydrographischen Ausführungen,
daß die Erdkugel von zwei sich im rechten Winkel schneidenden Ozeangür-
teln derart in vier große Kontinente geteilt würde, daß der eine Wassergürtel
durch beide Pole ginge, der andere dem Äquator folge. Die Erdkugel wurde
an beiden Polen wegen der Kälte, am Äquator wegen der Hitze als unbe-
wohnbar vorgestellt, während sich zwischen diese drei Zonen jeweils eine
gemäßigte bewohnbare schob. Nach Krates waren beide Zonen bzw. die vier
Halbgürtel auf jedem Kontinent bewohnt gedacht.
Bereits Aristoteles hatte sich für die Existenz einer Antökumene ausge-
sprochen. Im Westen waren es in der ausgehenden Antike vornehmlich Mar-
tianus Capella und Macrobius, die dieses der Stoa eigene Weltbild um oder
bald nach 400 neu formulierten und dem Mittelalter überlieferten. Beide wa-
ren Heiden, aber die Enzyklopädie der Freien Künste «De nuptiis Philolo-
giae et Mercurii» von Capella, deren zum 6. Buch, zur Geometrie, gehörige
Karte vielleicht durch Lambert von Saint-Omer wenig verändert erhalten
[80/81] V i l i . Die Kugelgestalt d e r E r d e 189

ist, 10 war ein nicht minder populäres Schulbuch des christlichen Abendlan-
des wie des Macrobius' Kommentar zum «Somnium Scipionis» des Cicero.
Beide Autoren kennen die Ozeangürtel und die fünf Zonen der Erde, und
beide sprechen sich für die Annahme von Antipoden aus. So wurde das Mit-
telalter immer wieder mit derartigen Lehren konfrontiert.

2. Die Kugelgestalt der Erde in d e r Literatur


des lateinischen Mittelalters 1 2

Aufgrund der Tatsache, daß in Konstantinopel immer das Wissen der anti-
ken Griechen lebendig blieb, während das lateinische Mittelalter auf die Rö-
mer und später auf die Araber als Vermittler angewiesen war, soll den By-
zantinern die Kugelgestalt der Erde stets eine Selbstverständlichkeit gewesen
sein, während der Westen meist nur noch die flächige Ökumene-Karte
kannte. Diese Anschauung bedarf einiger Korrekturen.
Um 150 n. Chr. hatte Ptolemaeus das Weltbild geöffnet, indem er Räume
in die Kartographie einbezog, die jenseits der Grenzen der bekannten Welt
lagen; seine Berechnungen setzten den Erdumfang freilich viel zu gering an.
Wenig später nur schloß das Christentum das Weltbild wieder. Von einer
Kugel war in der Bibel nirgends die Rede; und ob die Erde eckig oder rund
zu denken war, dafür gab es in der Heiligen Schrift widersprüchliche Bele-
ge. 13 Die frühen Kirchenväter, zumeist griechisch geschult, nahmen keinen
Anstoß an der Kugelgestalt; erst der aus Afrika stammende Rhetor Laktanz
rechnete z. Z. Konstantins d. Gr. mit der heidnischen Wissenschaft in dieser
Hinsicht ab 14 und machte den Gedanken eines Himmels unter der Erde und
gar einer Existenz von Antipoden lächerlich.
Augustinus 15 zweifelte nicht die Kugelgestalt als solche an, fand aber nir-
gends ein Zeugnis dafür, daß es auf der anderen Erdseite einen von Wasser-

10
Ed. ADOLF DICK (Leipzig 1925 / Stuttgart 1969); zur Karte vgl. RICHARD UHDEN, Die
Weltkarte des Martianus Capella, in: Mnemosyne III, 3 (1935/36), S.97-124.
11
Ed. Jakob WILLIS, Macrobius II (Leipzig 1963, 1970).
12
Vgl. zu diesen Fragen KONRAD KRETSCHMER, Geschichte der Geographie (Berlin/Leipzig
1912); JOHN KIRTLAND WRIGHT, The Geographical Lore of the Time of the Crusades (New York
1925, Repr. 1965); auch: C. RAYMOND BEAZLEY, The Dawn of modern Geography. 1-3 (Lon-
don/Oxford 1897-1906).
u
Die Verwendung von gyrus oder orbis terrae setzt die Scheibe voraus; eckig erscheint die
Erde Job 38, 13; Mth. 24, 31; Apoc. 7, 1; Kreis und Tabernakel sind Is. 40, 22 gegeben; nur
vom Tabernakel ist 2. Cor. 5, 4; Hebr. 8, 2; 2. Petr. 1,13 und Apoc. 13,6; 15, 5; 21, 3 die Rede.
14
Divin. Instit. III, 24.
15
Decivitate Dei 16, 9.
190 Studien z u r Universalkartographie [81]

massen freien Kontinent gäbe, der von Menschen bevölkert würde. Da alle
Menschen von Adam und weiter von Noe abstammten, nirgends aber berich-
tet würde, daß Teile von deren Nachkommen aus den bekannten Gegenden
in die jenseitigen schifften, könne man derartige Phantasien beiseite lassen.
Den schärfsten christlichen Widersacher fand die Theorie von der Kugel-
gestalt im griechischen Sprachraum in Gestalt des Alexandriners Kosmas In-
dikopleustes, eines Nestorianers, der betont mit dem heidnischen Weltbild
brach und die Tabernakelgestalt des Weltalls lehrte: die Erde selbst sei ein
Rechteck im Verhältnis Breite zu Höhe wie 2:1. 1 6 Kosmas richtete sich vor
allem gegen die Fabelliteratur seiner Zeit. Im Osten fand er Verbreitung.
Daß er aber ein Jahrtausend die Vorstellungen des Abendlandes geformt
hätte, 17 ist schon deshalb falsch, weil er nicht einmal einen Übersetzer fand.
Karten der Byzantiner sind erst aus dem Spätmittelalter erhalten, und diese
sind von Ptolemaeus bestimmt. Der Westen lernte griechische Geographie
bei Macrobius und Martianus Capella. Beide Schulbücher haben im frühen
und hohen Mittelalter das Wissen der Dom-, Stifts- und Klosterschulen ge-
prägt. Isidor von Sevilla, der mit seinen «Etymologiae» die populärste Enzy-
klopädie des frühen und hohen Mittelalters schuf, sich auch in ,De natura
rerum' mit ähnlichen Problemen zu Beginn des 1. Jahrhunderts beschäftigte,
kannte zwar die Lehre von Macrobius und Capella, 18 vertrat aber selbst
doch letzten Endes die Vorstellung von der Erdscheibe. Hingegen ist Beda 19
sehr viel eingehender auf die Zonen- und Klimatenlehre eingegangen, war
also wohl von der Kugelgestalt überzeugt.
Berühmt ist die Haltung des Iren Virgil von Salzburg, der 748 von seinem
kirchenpolitischen Widersacher Bonifatius bei Papst Zacharias 20 der Intrige
bei Herzog Odilo von Bayern und in diesem Zusammenhang der Irrlehre ei-
nes alius mundus und von alii homines sub terra verklagt wurde. 21 Der Papst
hat Virgil deshalb nicht zur Rechenschaft gezogen.

16
Über ihn vgl. WANDA WOLSKA, La topographie chrétienne de Cosmas Indicopleustes. Bi-
bliotheque Byzantine, Etudes 3 (Paris 1962); auch die Neuausgabe W. WOI.SKA-CONUS, in:
Sources Chrétiennes 141, 159 und 197 (Paris 1968/70/73).
17
Gegen LEITHÄUSER (wie Anm. 1 ), S. 57.
18
Etym. III, 44 und XIII, 6; De nat. rer. c. 10 (PL 83, col. 978f.).
" De natura rerum c. 3, 9 und 46f. (PL 90, col. 192, 202 ff. u. 264ff.).
20
Ep. 11 (PL 89, col. 946f.).
21
Die Identität mit Aethicus Ister, die HEINZ LÖWE, Ein literarischer Widersacher des Boni-
fatius. Virgil von Salzburg und die Kosmographie des Aethicus Ister. Abhh. Mainz phil. 1951,
11, vermutete, hat FRANZ BRUNHÖLZL, Zur Kosmographie des Aethicus, in: Fs. MAX SPINDLER
(1969), S.75-89, in Frage gestellt, LÖWE erneut verteidigt in: DA 31 (1975) S. 1-16.
[82/83] V i l i . Die Kugelgestalt der Erde 191

Aus der Karolingerzeit seien als Vertreter der Lehre von der Kugelgestalt
neben Theodulf von Orléans 22 der Ire Johannes Scotus Eriugena 23 genannt,
aus der Ottonenzeit Gerbert von Reims 24 - der hier weniger arabisch als von
Martianus Capella beeinflußt ist -, aus der frühen Salierzeit Hermann von
Reichenau. 25
Zu Ende des 11. Jahrhunderts (ca. 1085/90) zog Manegold von Lauten-
bach «Contra Wolfhelmum Coloniensem» 26 zu Felde, weil derselbe das kra-
tetische Weltbild des Macrobius mitsamt der Antipoden- und Antökenlehre
neben anderem heidnischem Geistesgut verteidigt hatte; Christus litt schließ-
lich für die gesamte Menschheit, so argumentierte Manegold, nicht für nur
einen unter vier Kontinenten. Ob übrigens dieser Kölner Wolfhelm mit dem
Abt von St.-Pantaleon und später von Brauweiler identisch ist, bietet sich an,
läßt sich aber nicht sicher beweisen.27
Noch bei Lambert von Saint-Omer 28 lassen sich römische Vermittler für
die griechischen Lehrmeinungen aufzeigen. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts
kam die durch die Araber übermittelte Tradition hinzu, besonders deutlich
in der Schule von Chartres nachzuweisen. Auch bei den Arabern standen
Aussagen von Kugel und Fläche nebeneinander, aber nie wurde die sphäri-
sche Gestalt der Erde direkt bestritten. Für Idrisi, 29 den bedeutendsten ara-
bischen Kartographen, der im 12. Jahrhundert am sizilischen Hofe wirkte,
war die Erde eine Kugel, in Wasser eingetaucht wie das Eidotter ins Eiweiß,
nur auf der nördlichen Halbkugel bewohnt, vom Ozean wie mit einem
Kreisband umgeben und in sieben Klimate eingeteilt. Dabei gibt es auch im
Koran Stellen, wo von einer eckigen Erde die Rede ist.30
Ganz ähnliche Theorien lehrte der Rationalist Wilhelm von Conches zwi-
schen 1125 und 1150, selbst Schüler des Thierry von Chartres und durch
diesen mit arabischer Wissenschaft und vor allem mit dem nunmehr das
Abendland erobernden Aristotelismus vertraut gemacht. Am englischen Hof
kam er als Lehrer des späteren Königs Heinrichs I. mit Petrus Alfonsi, einem
konvertierten Juden aus Huesca, in Berührung. Sein Hauptwerk «De philo-

22
S. unten S.89ff. (= u. S. 198ff.).
23
De divisione naturae III, 33 (PL 122, col. 715 ff.).
24
Ed. NICOLAUS BUBNOV, Gerberti opera mathematica, Liber de astrolabio c. 18f. (Berlin
1899, Repr. 1963), S. 138ff.
25
De utilitatibus astrolabii c. 2f. (PL 143, col. 408f. n. Gerbert).
2b
G. 4, ed. W. HARTMANN, MG QGG 8 (1972), S. 51 f.
27
Vgl. WILFRIED HARTMANN, Manegold von Lautenbach und die Anfänge der Frühschola-
stik, in: DA 26 (1970), S.60ff.
28
S. unten S. 91 f.
29
Vgl. KONRAD MILLER, Mappae Arabicae I (Stuttgart 1926), S. 53.
30
Sure 2, 20 und 78, 6 Erde als Bett, 71, 18 als Teppich.
192 Studien zur Universalkartographie [83]

sophia mundi» erschien um 1130, vor 1150 in einer erweiterten Fassung als
«Dragmaticon Philosophiae». Wilhelm schuf zwei Karten zu seinem Werk,
kommentierte ferner Piaton und Macrobius und lehrte das kratetische Welt-
bild.31 Idrisis Gedanken begegnen hier wieder, auch Antipoden und Antö-
ken erscheinen ungestraft.
Da Macrobius sich im 11. und 12. Jahrhundert größter Beliebtheit er-
freute, 32 findet sich seine Zonenlehre zu Anfang des Jahrhunderts bei Hono-
rius Augustodunensis, 33 um 1180 bei Herrad von Landsberg, 34 zu Ausgang
des Jahrhunderts bei Gottfried von Viterbo. 35 Im 13. Jahrhundert, unter-
stützt vom Aristotelismus, gewann die Lehre von der Kugelgestalt allenthal-
ben Anhänger, obgleich dies auch das Jahrhundert ist, das uns die schönsten
Ökumene-Karten beschert hat; zu erwähnen sind u.a. Gervasius von Tilbu-
ry, 36 Robert Grosseteste, 37 der Dominikaner Vincenz von Beauvais 38 , Jo-
hannes von Sacrobosco, 39 der Predigermönch Albertus Magnus, 40 der Ad-
vokat Brunetto Latini aus Florenz 41 und der Minorit Roger Bacon. 42 Die
großen Reisenden realisierten dagegen die Kugelvorstellung nur zögernd seit
Ende des Jahrhunderts, obwohl die Mongoleninvasion Mitte des Jahrhun-
derts viele Reisewege geöffnet hatte.
1316 geriet der Arzt und Professor in Treviso Pietro d'Abano mit der In-
quisition u.a. deshalb in Konflikt, weil er die Antipodenlehre vertrat, und
nur der Tod entzog ihn seinen Richtern, während 1327 der Astrologe und
Laie Cecco dAscoli zu Florenz wohl weniger wegen seines Kommentars zu

31
Nur die erste Fassung wurde der Verfasserin zugänglich, Edd. PL 90 als Ps.-Beda, PL 172
als Ps.-Honorius; Texte s. PL 172, 1. 3 c. 14 und 1. 4 c. 1-3, col. 80f. und 85f.; dazu KARL WER-
NER, Die Kosmologie und Naturlehre des scholastischen Mittelalters mit spec. Beziehung auf
Wilhelm von Conches, in: SBB Ak. Wien, phil.-hist. Kl. 75 (1873), S. 373 und 376ff.
32
Vgl. unten über die Handschriften seiner Karten: auch HARTMANN (wie Anm. 27), S. 57 ff.
33
De imagine mundi I, 1 und 5, PL 172, col. 121 f.
34
Vgl. MILLER (wie Anm.9) III, S. 125.
35
Pantheon p. 26 c. 4, ed. GEORG WAITZ, in: MG SS 22 (1872), S.274f.
36
Ed. LEIBNIZ (wie Anm.3), S. 885.
37
Ed. LUDWIG BAUR, in: Btr. z. Gesch. der Philos. d. MA, Texte und Unters. 9 (Münster
1912), De sphaera c. 3f. und De natura locorum, S.20-25 bzw. S.66f.
38
Speculum Naturale (Douai 1624) VI, 8-10, 13-14, col. 374-379.
39
Opusculum spericum cum figuris optimis et novis (Leipzig ca. 1500).
40
Ed. PAUL HOSSFELD, Alberti Magni OP ep. Opera omnia V, 1 : De caelo et mundo II tr. 4,
9 u. 11 (Münster 1971), S. 196 f. u. 199 ff. u.a. Albertus betont hier, daß die Erde viel kleiner sei,
als gemeinhin angenommen, da jeder Ortswechsel eine Änderung des Sternenhimmels bedeute.
41
Ed. FRANCIS CARMODY, Li livres dou trésor. Univers, of California Pubi, in mod. philol. 22
(Berkeley/Los Angeles 1948), S.86f., 1.1 c. 104, 1 ff.
42
Op. Maius ed.J. H. BRIDGES, pars IVdist. IV c. 10, Bd. I, S. 152-157.
[83/84] VIII. Die Kugelgestalt d e r E r d e 193

Sacroboscos Werk, 43 wo er der Antipodenlehre huldigte, als wegen seiner


astrologischen Lehren verurteilt wurde, mit denen er Christi freien Willen
leugnete.
Der Predigermönch Wilhelm Adam warb nur 5 Jahre später in seinem
«Directorium ad passagium faciendum»44 für die Mission mit dem Argu-
ment, daß die Welt und vor allem Asien viel größer seien als gemeinhin ange-
nommen werde; er selbst sei jenseits des Äquators gewesen, wo man den Po-
larstern nicht mehr sehen könne, auch noch viel südlicher gereist, und er
könne bezeugen, daß es die berüchtigten Antipoden sehr wohl gäbe und das
Abendland ( = wir) nur den zwanzigsten Teil der Menschheit ausmache.
Um 1360 konnte Sir John Mandeville, angeblich Ritter aus England mit
abenteuerlichen Reiseerfahrungen, tatsächlich aber wohl identisch mit Jean
de Bourgogne, Arzt in Lüttich und nur bis Kairo gelangt, in seiner fingierten
Erlebnisschilderung 45 äußern, in Sumatra (Lamory) sähe man den Polarstern
nicht mehr und Priester Johannes von Indien wohne unter dem Abendland,
sei also dessen Antipode. Mandeville stellte Jerusalem als obersten Punkt der
Welt dar, alles andere sollte darunter liegen. Ein über Indien Hinausgereister
sei zu vielen Inseln gekommen und schließlich in eine Gegend geraten, wo
man eine seiner eigenen Sprache sehr ähnliche sprach. Er kehrte um und fuhr
den ganzen Weg zurück, anstatt noch ein wenig weiterzureisen und auf diese
Weise auf kürzestem Wege an den Ausgangspunkt zurückzugelangen. Dieses
Volksbuch schöpfte nur aus bekannten Werken, aber es popularisierte die
wissenschaftlichen Erkenntnisse. Vielleicht strebte der Autor sogar die My-
stifikation seiner Antipodenlehre an, um nicht verketzert zu werden.
Kurz darauf wollte Johann von Hildesheim in seiner Dreikönigslegende
von den Nestorianern, gar bösen Ketzern, wissen, daß sie die Erdgestalt als
Apfel verstehen; in den anschließenden Betrachtungen zu diesen Fragen ver-
riet er, daß ihn selbst dieses Problem beschäftigte, denn es ist ganz mediter-
ran verstanden. 46
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts faßte Pierre d'Ailly die Kenntnisse von der
Erde in seiner Kosmographie «Imago mundi» zusammen. 47 Er bot da nichts

43
Prozeßbericht bei I. v. DÖLLINGER, Beiträge zur Sektengeschichte des MA 2 (1890),
S.591f.
44
RHGArm. 11(1906, Repr. 1967), S.383, 1. 1 c. 1.
45
Travels, ed. MALCOLM LETTS, Hakluyt Soc. II, 101-02 (London 1953), c. 20, S. 127ff.
bzw. 330ff.; dazu ALBERT BOVENSCHEN, Unters, z. Joh. Von Mandeville und den Quellen seiner
Reisebeschreibung, in: Zs. d. Ges. f. Erdkde. in Berlin 23 (1888), S. 177-306.
46
Übers. ELIS. CHRISTERN, DTV(1963), c. 43, S. 106f.
47
Ed. EDMOND BURON (Paris 1930), c. 5, S. 188ff. und c. 13, S.248f., auch c. 8, S.210ff.
194 Studien z u r Universalkartographie [84/85]

Neues, brachte aber Spanien in die Nähe von Indien 48 und vermutete, daß
das Meer dazwischen nicht groß sein könne. Dabei spielte das apokryphe 4.
Esra-Buch eine Rolle, das im Gegensatz zu Ptolemaeus den Anteil des Mee-
res an der Erdoberfläche mit nur einem Siebentel angab. 49 Aber Pierre hat
nachhaltig auf Columbus gewirkt, dessen geographisches Handbuch er ab-
gab. Zu gleicher Zeit erlebte Ptolemaeus im Abendland bereits seine Renais-
sance, und Heinrich der Seefahrer begann mit systematischen Entdeckungs-
reisen und deren wissenschaftlicher Auswertung.

3. Zonenkarten in naturwissenschaftlichen Werken:


Macrobius und Wilhelm von Conches

Während zu Martianus Gapellas Werk keine Karte im Zusammenhang mit


seinen Texten überlebt hat, weist das Repertorium der mittelalterlichen Kar-
tographie von Marcel Destombes 50 unter insgesamt 636 Karten aus der Zeit
800 bis 1500 allein 99 Macrobius-Karten nach. Demnach war dieser Karten-
typ allgemein bekannt bei allen, die die Artes studierten.
Freilich ist den Zeichnungen die Kugelgestalt nicht mehr anzusehen, der
Planiglob wurde zur einfachen Scheibe. Die fünf Zonen erscheinen nicht als
Gürtel, sondern als Segmente eines Kreises. Zwar wird mit Rücksicht auf die
Einheit des Menschengeschlechts und die Undurchdringbarkeit der dazwi-
schenliegenden heißen Zone in der Regel die gemäßigte Zone auf der südli-
chen Halbkugel nur als bewohnbar, nicht als tatsächlich bewohnt charakte-
risiert. Die Karten sind anfangs meist noch nach antikem Vorbild genordet,
später auch häufig in Analogie zur christlichen Ökumene-Karte geostet, bis-
weilen unter arabischem Einfluß gesüdet. Von einer unbiblischen Weltkon-
zeption kann dabei keine Rede sein, man folgte durchaus noch Augustinus.
Allein aus dem 12. Jahrhundert sind 41 derartiger Karten überliefert, Macro-
bius erlebte also in der Frühscholastik eine Renaissance.
Wenn bereits Laktanz sich bei dem Gedanken an die Antipoden lustig
machte, weil er sich ihr Dasein als eine Art verkehrter Welt ausmalte, zeigt
das deutlich, daß die Erde hier im Grunde streng als ebene Fläche begriffen
wurde. Nun haben die Macrobius-Karten ausgesprochen kosmologischen
Charakter; nur ganz wenige machen gegenständliche Angaben beispielsweise

48
Ebd. c. 8, S.210ff. undc. 13, S. 248f.
49
Vgl. LEITHÄUSER (wie Anm. 1 ), S. 53.
50
Mappemondes AD 1200-1500. Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I (Amsterdam
1964), S. 43 ff. und 85 ff.
[85/86] VIII. Die Kugelgestalt der E r d e 195

Zonenkarte mit zwei bewohnbaren Zonen

über die Lage der Orte. Sie beschränken sich in der Regel auf Angabe der
drei Erdteile, nennen drei bis vier Meere, einige Grenzflüsse und Gebirge;
die der mittelalterlichen Ökumene-Karte so wichtigen Plätze des histori-
schen Geschehens sind hier uninteressant. Vielfach enthalten die Karten No-
tizen aus der Hydrographie über die Strömung der Ozeane, wobei am Äqua-
tor eine Ost-West-Strömung angenommen wird, vom Äquator dann immer
zu den Polen hin, wie z.B. das Exemplar der Bodleiana aus dem 11. Jahr-
hundert verdeutlicht.51 Die heiße Zone ist durch den Äquatorialozean in
zwei Landgürtel zerteilt, beide sind als total verbrannt, perusta, charakteri-
siert. An den Polen finden sich die kalten Zonen, die nördliche und die südli-
che. Im Süden liegt die temperata antictorum zona, d. h. die Zone der Antö-
ken, während der Norden als temperata nostra bezeichnet ist. Kenntlich sind
außerdem das nicht benannte Mittelmeer, das benannte Kaspische, Indische
und Rote Meer. Italia und Gades - d. i. die Halbinsel von Cadiz - sind au-
ßerdem eigens erwähnt. Karten dieser Form haben in der Regel ihren Platz

51
Ms. Bodl. D'Orville 77 fol. 100; Abb. des Typs u.a. MILLER (wie Anm.9) III, S. 122ff.; BA-
GROW-SKELTON (wie Anm.9), S.54; LEITHÄUSER (wie Anm. 1), S.54; DESTOMBES (wie Anm.50),
pl. O, Taf. XIII c.
196 Studien zur Universalkartographie [86/87]

bei Macrobius' Kommentar im 2. Buch neben Kapitel 9, wo die Erde be-


schrieben wird.
Übrigens fand sich in einer Handschrift der Kölner Dombibliothek aus
dem Jahre 798 52 innerhalb von komputistischen Tafeln und Ausschnitten aus
Isidors «De natura rerum» eine Zonenkarte, die bisher noch nirgends ver-
zeichnet ist. Hier hat der Zeichner versucht, den sphärischen Charakter der
Erde dadurch zu verdeutlichen, daß er die Gürtel nicht gleichsam in Äquato-
rialprojektion bot, sondern eine Art Polarkarte entwarf.
Zu Beginn des 12. Jahrhunderts, als Macrobius seine Renaissance erlebte,
hat Wilhelm von Conches gleichfalls ozeanische Karten entworfen, die aber
in ihrer Einteilung nicht mehr - wie bei Macrobius - vom griechischen Kar-
tenbild her bestimmt waren, sondern von den frühen Formen der christlich-
abendländischen T-Karte, zudem in manchen Handschriften Südung zeigen.
Eine derartige Karte findet sich meist beim 14. Kapitel des 3. Buchs der
«Philosophie», wo von den Ozeanströmungen zu den Polen hin bzw. von
Osten nach Westen die Rede ist. Hierzu zählt etwa eine geostete Karte, 53 die
keine Zonen, sondern die drei Erdteile Asien, Europa und Afrika wiedergibt.
Europa mit dem Gebirge Calpes, d.i. Gibraltar, wird von Afrika mit dem At-
las durch das Mittelmeer getrennt, Asia ubi Nilus durch den Don von Euro-
pa. Die Karte ist hemisphärisch. Die andere Karte des Wilhelm hat ihren
Platz beim 4. Kapitel des 4. Buches und ist gleichfalls geostet und hemisphä-
risch.54 Allerdings ist die bewohnte Zone erheblich auf Kosten der anderen
vergrößert. Hier sind wieder die drei bekannten Erdteile, die Himmelsrich-
tungen Osten und Westen, die Grenzflüsse Don und Nil sowie Jerusalem
durch Legenden hervorgehoben. Zugunsten der bewohnten Welt hat der
Maler die Zonen erheblich verzerrt, liefert also kein rein kosmologisches
Schema, sondern schon den Ansatz einer Ökumene-Karte.
Die Seherna-Kärtchen von Macrobius und Wilhelm nehmen selten ganze
Seiten in Anspruch, meist sind sie im Kleinformat am Textrand unterge-
bracht.

52
Ms. 8311 fol. 82; vgl. zu dieser und anderen Sonderformen von Isidor-Karten ANDREWS (wie
Anm.9), S.71.
53
CLM 2655 fol. 117v, 13Jh.; Abb. ANDREWS neben S.70; DESTOMBES (wie Anm.50), pi. N,
Taf. XII.
54
CLM 2655 fol. 119.
[87/88/89] VIII. Die Kugelgestalt der Erde 197

4. Spiegelungen der Kugelgestalt der Erde


und der Zonentheorie auf radförmigen Ökumene-Karten

Seit dem frühen Mittelalter setzte sich allenthalben die Radkarte als Welt-
kartenschema durch. Die Erdfläche war kreisförmig - eventuell oval - ge-
dacht und so unter die drei Erdteile aufgeteilt, daß Asien die obere Hälfte
der geosteten Scheibe einnahm, Europa und Afrika sich in die untere Hälfte
teilten; hatte doch schon Augustinus das Größenverhältnis dieser bekannten
Erdteile mit 2:1:1 angegeben.55 Daraus ergab sich außerdem, daß man die
Erdteile durch ein T der Gewässer voneinander trennte: den Schaft bildete
das Mittelmeer, den Balken Don und Nil.
Zu Isidors Werken sind zahlreiche solcher T-Schema-Karten überlie-
fert, 56 die ihre vollendetste Ausprägung in der allegorischen Gestaltung des
13. Jahrhunderts fanden, wo die Erde als Leib Christi erscheint, z.B. auf der
Ebstorfer Weltkarte oder der Psalterkarte von London. 57 Doch gab es be-
reits zu Isidors Texten Varianten der Karte, die einen vierten unbekannten
Erdteil berücksichtigen.58 Hier ist ein Drittel des Kreises als Segment abge-
schnitten, terra inhabitabilis genannt; daneben ist deutlich das T in der be-
wohnten Welt zu erkennen. Noch kurioser verfuhr der Maler der großen va-
tikanischen Isidor-Karte von 775, 59 der im Südwesten einer gewissermaßen
genordwesteten Ökumene eine insula incognita auf dem Ozean schwimmen
ließ und dazu bemerkte, daß die Erde eigentlich vier Teile habe. Es handelt
sich um ein Relikt des Antipodenkontinents oder um den Versuch, die krate-
tische Lehre von den vier Kontinenten mit der populären von drei Kontinen-
ten in Verbindung zu bringen. 60
Eine ähnliche Besonderheit weisen die Beatus-Karten in nahezu allen Fas-
sungen61 auf, z.B. auf der großen von Saint-Sever.62 Außerhalb der drei be-
wohnten Erdteile befindet sich da ein vierter jenseits des Ozeans und unter-

55
De civitate Dei 16, 17.
54
Z.B. Ms. Brux. 9311-19, fol.89v, 9.Jh.
57
Ms. BL Add. 28681 fol.9; Abb. MILLER (wie Anm.9) III, T. III; BAGROW-SKELTON (wie
Anm.9), T. XVIII, S.344.
58
Ms. St. Gallen Stiftsbibl. 237, 8.Jh., Abb. MILLER (wie Anm. 9) VI, S. 58.
59
Ms. Vat. Lat. 6018, fol.64v/65r.
60
Vgl. zu dieser Karte RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in: Mnemo-
syne 111,3 (1935/36), S. 1 -28 m. Abb.; Abb. auch DESTOMBES (wie Anm. 50), pi. U, Taf. XIX.
61
Ms. BN NAL 1366, 12.Jh. ausgenommen.
62
Ms. BN Lat 8878, fol.45 ter; Abb. u.a. MILLER (wie Anm.9) I, Tafel; DESTOMBES (wie
Anm. 50), pi. J, Taf. IX; auch ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Europa in der Kartographie
des Mittelalters, in:AKG 55 (1973) Abb. 3 nach S.292 (vgl. unten Tafel 13).
198 Studien zur Universalkartographie [89]

T-Karte

halb desselben im Süden, wegen der Hitze unbekannt; Beatus nennt aber
auch gleich seine Bewohner, die Antipoden, die er freilich als fabulös cha-
rakterisiert. Er entwarf seine Karte für seinen Apokalypsenkommentar 776/
786 zur Verdeutlichung der Aussendung der zwölf Apostel in alle Welt. Und
er scheute sich keineswegs, außerhalb der christlichen Welt eine unzugängli-
che, dem Christentum nicht erreichbare Region anzunehmen, in der Men-
schen lebten.
Es ist also keineswegs so, daß die biblisch und römisch bestimmten Öku-
mene-Karten, wie sie sich in exegetischen und universalhistorischen Werken
finden, einfach die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Antike grund-
sätzlich abtaten. Gerade diese Karten, die die Erde als Schauplatz des Heils-
handeln Gottes darstellen, wagen sogar die Erwähnung der Antipoden.

5. Die hemisphärischen Karten des Theodulf von Orléans


und Lambert von Saint-Omer

War bei Isidor der Antichthonenkontinent zwar vorhanden, aber ganz ver-
zerrt, d.h. zu einer winzigen Fläche verkleinert wiedergegeben worden, weil
man keine Vermessung anwandte und weiße Flecken auf der Landkarte zu
vermeiden trachtete, so haben einige andere Zeichner die Hälfte der Erd-
scheibe ausgespart und mit Textbändern gefüllt. Sie wußten, daß nur einer
[89/90] VIII. Die Kugelgestalt d e r E r d e 199

der vier Erdteile nachweislich bevölkert war; ihn stellten sie dann in Anleh-
nung an die T-Karte dar.
Das Original der Karte Theodulfs von Orleans ist nicht erhalten, aber eine
aus Ripoll stammende Kopie, die aufgrund weiterer Eintragungen in der
Handschrift auf das Jahr 1055 datiert werden kann. Da sie auch Texte mit
dem Bezugsjahr 810 enthält, 63 ist ihre Vorlage vermutlich in dieser Zeit ent-
standen. Dieter Schaller64 hat es einleuchtend gemacht, daß die verlorene
Weltkarte Theodulfs, die dieser selbst in einem Gedicht besingt, als Tisch
fungiert haben muß; das war durchaus nicht ungewöhnlich, Einhard gibt
uns Kunde von drei solchen Tischen im Erbe Karls des Großen. 65
In der Handschrift 66 erscheint die Karte als Scheibe, von roten Flammen
umgeben, beseitet von Texten, die eine Dimensuratio terrae zum Gegenstand
haben, geordnet nach Erdteilen. Ungewöhnlich ist, daß die Länder nach
Umfang, nicht nach Länge oder Breite beschrieben sind. Innerhalb des
Flammenkreises findet sich ein blauer Ring, der den durch beide Pole gehen-
den Ozean andeutet, Oeeanus Meridianus genannt und von Vignetten der
zwölf Winde unterbrochen ist. Die geostete Scheibe ist durch ein Band
längsgeteilt, das sich in der Legende als die heiße Zone zu erkennen gibt, die
als für Sterbliche unüberwindlich gilt. Links am Nordpol ist eine unbe-
wohnte arktische Zone benannt. Rechts vom Äquator erläutert eine größere
Legende das System der fünf Zonen und die Gebiete, die sie von links nach
rechts umspannen. Einen Äquatorialozean, wie er bei Macrobius erwähnt
ist, hat Theodulf nicht eingezeichnet, doch ist ein solcher hier zu denken. Im
übrigen ist die Ökumene sorgsam und detailliert ausgeführt. Man kann das
T der Gewässer mit einiger Phantasie zwischen den Kontinenten erkennen,
Gebirge und Flüsse sind markiert, aber auch eine Reihe wichtiger Städte als
Schauplätze des Geschehens, wie sie sonst auf Zonenkarten fehlen. Als
größte Siedlung erscheint Konstantinopel, was für Theodulfs Zeit entschie-
den angemessen ist; außerdem sind u. a. Rom, Ravenna, Jerusalem, Babylon,
Alexandrien und Karthago zu erkennen. Die Nomenklatur ist in erster Linie
römisch, aber auch biblisch bestimmt. Sie zeigt die erste geglückte Kombina-
tion der historisch orientierten Ökumene-Karte mit der mehr naturwissen-
schaftlich ausgerichteten Zonenkarte zu einer hemisphärischen Darstellung.

63
Zu den Datierungen vgl. A. VIDIER, La mappemonde de Théodulfe et la mappemonde de
Ripoll, in: Bulletin du comité des travaux historiques et scientifiques, sect, de géographie histori-
que et descriptive (1911), S.293, 307 und 311 m. Abb.
64
Philol. Unters, zu den Gedichten Theodulfs von Orleans, in: DA 18 (1962), S. 82-84.
65
Vita Karolic. 33, ed. O. HOLDER-EGGER, in: MG SS rer. Germ in us. schol. (1911), S. 40.
66
Ms Vat. Reg. Lat. 123, fol. 143v/144r; Abb. auch DESTOMBES (wie Anm.50), pi. T, Taf.
XVIII.
200 Studien zur Universalkartographie [90/91]

Den unbewohnbaren Zonen ist kaum noch Platz eingeräumt, wohl aber der
Gegenhemisphäre. Diesen Leerraum hat Theodulf mit zwei Täfelchen mit je
acht Zeilen aus seinem Gedicht sowie mit einer Abbildung der personifizier-
ten Erde gefüllt: die Terra hält in den Händen Schlange und Füllhorn. Der
geographische Wissensstand steht dem der großen vatikanischen Isidor-Kar-
te nahe, doch ist dem Kugelcharakter der Erde ganz anders Rechnung getra-
gen.
Die wohl dekorativsten wie inhaltsreichsten Zonenkarten des Hochmittel-
alters werden dem «Liber Floridus» des Lambert von Saint-Omer verdankt.
Er lieferte um 1119 recht verschiedene Ausführungen davon, solche, die
mehr auf kosmographische Probleme ausgerichtet sind, aber auch Öku-
mene-Karten. Da im Genter Autograph die hemisphärische Ökumene-Karte
verlorenging, eignet sich die gleichfalls noch dem 12. Jahrhundert angehöri-
ge Wolfenbütteler Handschrift 67 am besten für einen Vergleich.
Die erste Zonenkarte zeigt als Spera Macrobii den Lauf der Sonne um die
Erde; die Solstitialpunkte sind hervorgehoben, ferner besonders die heiße,
von der Sonne verbrannte und von einem grünen Streifen - der vermutlich
den Äquatorialozean bezeichnet - durchschnittene Zone. Die Karte ist geo-
stet. Links und rechts von der heißen Zone sind die gemäßigten Klimagürtel
gekennzeichnet, weiter außen jeweils die kalten unbewohnbaren, wiederum
in grüner Farbe. Um den Planiglob herum verläuft der blau ausgeführte Po-
larozean. Das unbewohnte gemäßigte Gebiet im Süden ist nicht näher darge-
stellt, dient nur als Platz für eine Legende über diesen Raum. Die bewohnte
Zone hat im Osten zwei Halbinseln, offenbar durch das Kaspische Meer ge-
trennt zu denken, mit der irreführenden Inschrift Insula, die vielleicht India
lauten sollte; im Westen findet sich gleichfalls eine Insula, vielleicht auf Spa-
nien zu beziehen, in der Mitte eine halbinselartig ins Mittelmeer ragende
Landmasse. Jede weitere Nomenklatur fehlt.
Detaillierter fiel die zweite Zonenkarte, 68 genannt Globus Terre, aus, die
bei astronomischen Texten steht. Allerdings ist das Äquatorialmeer als Mit-
telmeer (mare mediterraneum) bezeichnet; außerdem gibt es auch innerhalb
der bewohnten Welt ein Meer zwischen Europa und Afrika, T-Schaft zu
dem Balken aus Don und Nil, aber nicht eigens benannt. In Asien ist Baby-
lon als einziger Ort eingezeichnet, dahinter das Land von Gog und Magog,
es folgt das Kaspische Meer und endlich Indien mit dem Indischen Meer. Im
Kerngebiet Europas ist nur Rom als Entsprechung zu Babylon hervorgeho-

67
Ms. 1 Gud. lat. zunächst fol. 16v.
*» Fol. 59v/60r; Abb. DESTOMBES (wie Anm. 50), pi. M, Taf. XI.
[91/92] VIII. Die Kugelgestalt der Erde 201

ben, ferner Spanien mit Gibraltar und Cadiz, in Afrika Libyen und der At-
las.
Für die große hemisphärische Weltkarte 69 beruft sich Lambert ausdrück-
lich auf Martianus Capella als Vorlage. In Anlehnung an Macrobius hat
Lambert die Ozeantheorie am Rand eingetragen. 70 Auf dieser Karte sind die
unbewohnbaren Zonen nur angedeutet; Lambert konnte das mit gutem Ge-
wissen tun, denn er hatte die Anordnung auf den vorausgegangenen Karten
im richtigen Verhältnis gebracht. So ist nur die kalte Zone der südlichen He-
misphäre durch eine Legende benannt. Mit einer großen Inschrift ist die ge-
mäßigte Zone im Süden angefüllt, auf der ausgeführt ist, weshalb die natur-
wissenschaftlichen Erkenntnisse die Annahme eines solchen Gebietes for-
dern, daß aber andererseits die Kinder Adams dorthin keinen Zugang haben
wegen des heißen Sperrgürtels und eines mare mediterraneum. Dort herrscht
immer die entgegengesetzte Jahreszeit, auch hat man dort einen anderen
Sternenhimmel, hingegen die gleiche Tageszeit wie auf der bewohnten Welt.
Lambert erläutert weiter, daß die Philosophen dort die Antipoden anneh-
men, richtiger hätte er das Wort Antöken gebraucht.
Auf der hemisphärischen Ökumene-Karte ist das T der Meere und Flüsse
besonders schön hervorgehoben. Die Ökumene ist von einem Inselkranz um-
geben, wobei auch im Osten das Paradies auf einer großen Halbinsel, die
„Antipoden" im Westen auf einer großen Insel erscheinen. Diese Inselantipo-
den haben andere Tageszeiten, aber gleiche Jahreszeiten wie der Autor. Da-
mit deutet Lambert ganz offensichtlich den rückseitigen Kontinent auf der
nördlichen Halbkugel, d.h. die Periöken, an. den er nicht anders zeichne-
risch darzustellen wußte. Auf die Idee, gewissermaßen einen zweiten Plani-
glob zu entwerfen, ist er nicht gekommen. Immerhin schwimmt dieses Relikt
des rückseitigen Ozeans im Schnittpunkt von Äquatorial- und Polarozean.
Rechtens hätte Lambert nun auch auf der südlichen Hemisphäre noch einen
entsprechenden Gegenkontinent für die Antipoden im strengen Sinne beifü-
gen müssen.71 Diese merkwürdige und sonst nicht belegte Darstellungsweise
hat er vielleicht seiner Vorlage Martianus Capella entnommen.
Die Nomenklatur von Lamberts Ökumene-Karte ist weitgehend heid-
nisch-antik geprägt, was auch auf eine sehr alte Vorlage schließen läßt. Bi-
blische Namen kommen kaum vor, auch kaum Städte wie bei Theodulf, hin-

" Fol. 69v/70r; Abb. MILLER (wie Anm.9) III, T. IV, sowie UHDEN (wie Anm. 10), Tafel; D E -
STOMBES (wie Anm. 50), pl. L, Taf.X; v. DEN BRINCKEN (wie Anm.62), Abb. 1 neben S. 292 (vgl.
unten Tafel 13).
70
Ed. WILLIS (wie Anm. 11)11, 9, S. 122 f.
71
Vgl. UHDEN (wie Anm. 10), S. 118.
202 Studien zur Universalkartographie [92/93/94]

gegen viele römische Provinznamen. Diese Tatsache bewog die Forschung,


in Lamberts Karte die Überlieferung der Karte Capellas zu sehen.

6. Die Klimatenkarten

Im ausgehenden Mittelalter ist die Zonenkarte nicht mehr sehr populär. 73


Hingegen begegnet bisweilen eine Sonderform derselben, die Klimatenkarte,
zweifellos unter arabischem Einfluß. Sie gliedert nach griechischem Vor-
bild 74 die bewohnte Welt in sieben Klimagürtel auf, die auf mittelalterlichen
Karten als Segmente erscheinen. Schon Eratosthenes, Hipparch, Strabo,
Marinos von Tyros und Ptolemaeus verwandten sie.75 Die arabische Karto-
graphie machte von diesem Einteilungssystem ebenso Gebrauch wie die
christlichen Orientalen, z.B. Barhebraeus. Während sich die Klimatenlehre
im Orient immer großer Beliebtheit erfreute, erschien sie im Abendland nur
in naturwissenschaftlichen Traktaten.
Die älteste erhaltene lateinische Klimatenkarte des Mittelalters stammt
von Petrus Alfonsi, dem schon erwähnten getauften Juden aus Huesca, Hof-
arzt Heinrichs I. von England. Auf dieser Imago mundi von 1110 ist nur das
einfache Klimatenschema zu sehen.76 Im Mittelpunkt der Scheibe, d.h. am
Rande der bewohnten Welt, ist Aren oder Arym eingezeichnet, nach arabi-
scher Auffassung der Sitz des Teufels. Aus der Tatsache, daß alle Klimaten-
karten diesen Ort verzeichnen, wird die enge Bindung dieses Typs an die
arabische Kartographie deutlich.
Eine ähnlich schematische Klimatenkarte muß Johann von Sacrobosco er-
stellt haben, erhalten nur in den frühen Drucken seines Werkes, 77 daher of-
fensichtlich nicht unbeeinflußt von der Portolankartographie. Wie die Karte
Alfonsis ist sie gleichfalls nach arabischem Vorbild gesüdet und zeigt außer
der Klimateneinteilung nur Meereskonturen.
Besonderes Interesse verdient die geostete Klimatenkarte aus dem Auto-
graph der Chronik des Johann von Wallingford, Infirmarius in St. Albans,

72
Ebd., S. 97 ff.
73
Z.B. einmal noch bei Girard von Arvernia im 13.Jh., erhalten aus dem 15.Jh. in Ms. Ut-
recht 737, fol. 49v.
74
Vgl. zu den Klimaten ERNST HONIGMANN, Die sieben Klimata und die Póleis epfsemoi.
Eine Unters, zur Gesch. der Geographie und Astrologie im Altertum und Mittelalter (Heidel-
berg 1929).
75
MILLER (wie Anm. 9) III, S. 126.
76
Ms. BN Lat. 10722, fol. 77; vgl. MILLER (wie zuvor), S. 127.
77
Ausgabe wie Anm. 39, fol. F IVv z. B., übrigens ohne Nennung von Arym.
[93/94] VIII. Die Kugelgestalt der Erde 203

Klimatenkarte

Zeitgenosse und Freund des Matthaeus Parisiensis. An anderer Stelle78 wur-


de versucht nachzuweisen, daß diese Karte Matthaeus selbst zum Urheber
haben dürfte, denn 1) benutzte Johann ausnahmslos des Matthaeus Chroni-
ken für seine eigene - von lokalen Notizen abgesehen -, 2) hat Matthaeus
Parisiensis nach eigenem Zeugnis auf seiner erhaltenen Weltkarte eine solche
für den Palast von Westminster in Form des ausgebreiteten Mantels - diese
Formulierung stammt aus Macrobius und bezeichnet 79 das Weltkugelviertel
der bewohnten Welt, sphärisch charakterisiert - angefertigt und 3) findet
sich auf der Karte eine Klimateneinteilung, wie sie sonst nur in einem Text
des Matthaeus belegt ist. In den theoretischen Ausführungen am Rande der
Karte bekennt sich der Maler zum Weltbild des Wilhelm von Conches, zur
Ozeantheorie, deutet auch die Lebensbedingungen der Gegenfüßler an, zi-
tiert endlich Martianus Capella. Interessant ist hier besonders der Text des
Matthaeus, 80 zu dem sie in Beziehung steht und zu dem sie vermutlich auch
ursprünglich gehörte: Friedrich IL richtete am 3. Juli 1241 einen Hilferuf an
alle christlichen Fürsten zum Kampf gegen die Mongolen, in dem er den Sü-

78
ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von
Wallingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (1973), S.47-56 (= o.
S. 137-148), mit Reproduktion aus Ms. London BL Cott. Jul. D. VII., fol. 46 (vgl. unten Tafel 37).
79
Macrobius 11,9, ed. WILLIS (wie Anm. 11 ), S. 124.
80
Ed. F. LIEBERMANN, in: MG SS 28 (1884/88), S. 210ff.
204 Studien zur Universalkartographie [94/95]

den als das Herkunftsgebiet der Mongolen anspricht. Matthaeus geht in ei-
ner anschließenden Betrachtung dem mehrfach gegen den Kaiser erhobenen
Vorwurf, der Herrscher selbst habe die Mongolen geholt, nach unter dem
Gesichtspunkt, daß sie gar nicht von Süden kamen, vielmehr ihre Herkunft
verborgen sei; dies verdeutlicht er an der Klimatenaufzählung, wo sie nir-
gends auszumachen sind. Typisch ist es wiederum, daß Matthaeus einen
Schritt nicht vollzieht, nämlich die Mongolen auf der Rückseite der Klima-
ten zu suchen. Das 13. Jahrhundert vermochte noch nicht, den Schritt über
die bekannte Ökumene hinaus zu tun.
Um 1410 endlich entwarf Pierre d'Ailly eine unter ptolemäischem Einfluß
genordete Klimatenkarte. 81 Er weiß und vermerkt auch auf der Karte, daß
die Erde über die bekannten Klimate und den Äquator hinaus bewohnbar
ist; dabei beruft er sich auf „authentische Historiker". Indien, das auf der
Karte nur wenig Platz im äußersten Osten findet, nehme in Wahrheit ein
Drittel der bewohnbaren Welt nach Süden hin ein, reiche über den Äquator
hinaus und stoße weiter im Osten beinahe an Afrika, d.h. der Atlantik zwi-
schen Indien und Afrika ist nicht breit. 82 Zeichnerisch ließ sich das aber
nicht weiter darstellen, denn Projektion kennt Pierre noch nicht. Doch wird
hier deutlich, daß es zu neuen Ufern geht.

Die abendländische Weltkarte hat im Mittelalter durchweg und im Gegen-


satz zur arabischen Darstellung die merkwürdige Eigenheit, keine prakti-
schen Bedürfnisse befriedigen zu müssen, abgesehen von den Portolankarten
im 14. und 15. Jahrhundert. Sie hat es daher nie nötig, auf einer Vermessung
zu beruhen. Vielmehr entsteht sie nicht induktiv, sondern deduktiv, sie er-
läutert ein vorgegebenes Weltbild. Entweder sind die Noachidenkontinente
ihr Gegenstand im Rahmen der Bibelexegese, oder sie erklärt kosmographi-
sche Traktate. Im letztgenannten Fall ist bei der Darstellung nahezu immer
die Kugelgestalt vorausgesetzt, die aber zeichnerisch Schwierigkeiten berei-
tete. Die großen und originellen Leistungen der mittelalterlichen Kartogra-
phie liegen auf dem Gebiet der Ökumene-Karte, die ihre Stütze in der Heili-
gen Schrift hatte. Deshalb ging das Wissen um die Kugelgestalt aber keines-
wegs verloren, man stellte gewissermaßen Kugel neben Fläche. Selbst die An-

81
Ms. Brux. 21198-204, fol.4; Abb. u.a. BAGROW-SKELTON (wie Anm.9), S. 58f.; LEITHÄUSER
(wie Anm. 1), S. 161; DESTOMBES (wie Anm. 50), pl. S, T. XVII.
82
Vgl. Ed. BURON (wie Anm.47), c. 8 und 13, S.210ff. und 248f.
[95] Vili. Die Kugelgestalt der Erde 205

tipodenlehre vertreten nicht nur die Heiden Macrobius und Martianus, son-
dern auch christliche Kartographen wie Beatus, Lambert von Saint-Omer,
Wilhelm von Conches und auch Matthaeus Parisiensis lange, ehe Mission
und Entdeckung im Mittelalter neue Belege dafür liefern.
IX. Portolane als Quellen der Vexillologie

Einleitung

Seit Beginn des H.Jahrhunderts zeigen sowohl geschriebene als vor allem
gezeichnete Portolane - und unter ihnen insbesondere diejenigen aus der
mallorquinischen Kartenmalschule - Flaggen als Rekognitionszeichen ein-
zelner Herrschaften, d.h. sowohl der Territorien als auch der Städte: man
denke nur an den „Katalanischen Atlas" oder das Küstenhandbuch «Libro
del Conoscimiento».1 Die Seekarten gehören sogar zu den bedeutsamsten
und reichhaltigsten Quellenzeugnissen, die dem Flaggenkundler für das Mit-
telalter zur Verfügung stehen.2 Daher hat ihnen der Pariser Vexillologe Ge-
orges Pasch eine Reihe von Betrachtungen gewidmet.3
Aus Stoff gefertigte Banner haben von ihrer Funktion her als Erkennungs-
marke für die Zugehörigkeit zu einer Körperschaft - im Mittelalter ist dies
noch nicht die Nation! -, die zudem im Unterschied von der als einzelnes
Feldzeichen verliehenen Fahne jederzeit durch gleichartige Stücke ersetzbar
sind, zu Land und vor allem zur See, im Frieden und noch mehr im Kriege
eine für den Augenblick bestimmte Wirkweise im Gegensatz etwa zum Siegel
oder zur Münze. Sie haben sich deshalb und auch schon vom Material her
nur selten erhalten, man ist vielmehr auf Wiedergaben in der bildenden
Kunst, vor allem auf Gemälde und Kleinplastiken der Münz- und Siegelbil-
der angewiesen. Neben ihnen helfen Seekarten, den Verlust auszugleichen,
denn in einigen Kartographenschulen setzte sich der Brauch durch, Herr-
schaftsbereiche durch ihre Flaggen bildlich zu identifizieren; es geschah dies
vor allem in der früher als katalanisch, heute richtiger als mallorquinisch ge-

1
Diese Studie ergänzt die Ausführungen in AD 16 (1970): Die Ausbildung konventioneller
Zeichen und Farbgebungen in der Universalkartographie des MA (insbes. S.344ff.) (= o.
S. 132 ff.). Angeregt wurde sie durch einen Vortrag, den Verf. 1976 im Haag vor der „Stichting
voor Banistiek en Heraldiek" der Niederlande hielt.
2
Grundlegend hier H. HORSTMANN, Vor- und Frühgeschichte des europäischen Flaggenwe-
sens. Die Rechtszeichen der europäischen Schiffe im MA (1971).
3
G. PASCH, Les drapeaux des Cartes-Portulan, in: Vexillologia. Bulletin de 1'Association
Francaise d'Etudes Internationales de Vexillologie T. 3 N° 2 (7), Paris 1973, S 51-62; DERS., Les
drapeaux des Cartes-Portulans II: Drapeaux du „Libro del Conoscimiento", in: ebd. T. 2 N c 1/
2 (4/5) (1969) S. 8-32; DERS., Les drapeaux des Cartes-Portulans: L'atlas dit de Charles V
(1375) (Atlas 1375, Atlas Catalan, Ms. Espagnol 30), in: ebd. T 1 N° 2/3 (1967) S.38-60.
[409/410] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 207

kennzeichneten Tradition. 4 Doch hat Mallorca seine Lehrmeister zweifellos


aus Italien, offenbar vornehmlich aus Genua bezogen, wie Italien ganz ein-
deutig die Wiege der Seekartographie war. Allerdings ist das Wissen der Ita-
liener auf den Balearen zu höchster künstlerischer Vollendung entwickelt
worden. Gilt heute mit Recht der Genuese Giovanni da Carignano mit seiner
zwischen 1306 und 1314 angefertigten Karte als Begründer der mallorquini-
schen Malweise, 5 so ist auch er es, dem die Schlüsselstellung hinsichtlich der
Verwendung heraldischer Embleme als Siedlungssymbole - allerdings noch
nicht der Flaggen! - zukommt.
Bis etwa in die Mitte des H.Jahrhunderts ist die Vexillologie recht eng
mit der Heraldik verbunden; dann geht sie eigene Wege.6 In vorheraldischer
Zeit - d.h. vor dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts - erscheint als
Rechtszeichen zur See häufig ein Kreuz im Topp des Schiffes,7 später abge-
löst oder begleitet vom Gonfanon, einem farbigen, bildlosen, in mehreren
Zipfeln auslaufenden Wimpel.8 Mit dem Aufkommen der Wappen entwickelt
sich parallel die Seeheraldik,9 allerdings erst im zweiten Viertel des O.Jahr-
hunderts nachweisbar. Für den nordeuropäischen Raum sind zuerst bei
Matthaeus Parisiensis (f 1259) neben Toppkreuzen und einfarbigen Wim-
peln Wappenfiguren auf den Schiffssegeln festgehalten, hingegen noch nicht
auf Flaggen; erst in der zweiten Jahrhunderthälfte kommen Flaggen mit he-
raldischen Kennzeichen in Gebrauch. Im Mittelmeerraum sind vor dem
zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts lediglich bildlose farbige Flaggen zur
Kennzeichnung der Nationalität von Galeeren bezeugt; erst zum ersten
Kreuzzug Ludwigs des Heiligen 1248-1254 ist eine reguläre Seeheraldik auf
Flaggen faßbar. 10 Doch kann der Beginn eines Flaggenwesens in den italieni-
schen Seestädten durch urkundliche Zeugnisse zu 1238 nachgewiesen wer-
den, es ist da von insignia die Rede, die näher als vexilla erklärt sind.11 Ge-
nua führte nach Aussage seiner Annalen bereits damals ein rotes Kreuz auf
weißem Grund, Venedig den heiligen Markus bzw. den Markuslöwen.

4
B. R. M O T Z O , N o t e di Cartografia nautica medioevale, in: Studi Sardi 19 ( 1 9 6 4 / 6 5 ) (Gal-
lizzi-Sassari 1966), S . 3 4 9 - 3 6 3 , bes. S. 3 4 9 - 3 5 2 .
5
Vgl. R O B E R T O ALMAGIA, I n t o r n o alla più antica cartografia nautica catalana, in: Bolletino
della Sociatà Geografica Italiana ser. 7 voi. 10, R o m a 1945, S. 2 0 - 2 7 .
6
H O R S T M A N N (wie Anm. 2) S. 19.
7
E b d . S.2Iff.
8
E b d . S. 2 6 - 2 9 u n d S. 40 ff.
' E b d . S. 87 ff.
10
E b d . S. I l l f.
11
Vgl. beste Edition des Vertrages bei CESARE IMPERIALE DI SANT'ANGELO, Annali Genovesi
di C a f f a r o e de'suoi continuatori voi. I l i , Fonti per la storia d'Italia 13 (1923) S.88 A n m . 2 zu
1238; ferner S. 127f. zu 1242: vgl. d a z u auch H O R S T M A N N (wie Anm. 2) S. 115 ff.
208 Studien zur Universalkartographie [410/411]

1. Die Seekartographie des Spätmittelalters


auf dem Hintergrund der allgemeinen Kartographie der Zeit

Im Gegensatz zur antiken wie auch zur modernen, aber auch zur mittelalter-
lichen arabischen Kartographie erfüllte die abendländische Kartenprodukti-
on im Mittelalter keinerlei praktische Funktion; weder diente sie als Reise-
führer noch als Hilfsmittel der Verwaltung. Während die Moslems ihre Pro-
vinzialregierung hieran orientierten, Post- und Etappenstationen danach er-
richteten, ist die abendländische Kartographie imago mundi, Weltbild im
wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Sie dient primär der historischen Bi-
belexegese und ist dieser eng verbunden, meist im Zusammenhang mit der
Aufteilung der Welt unter Noes drei Söhne oder dem Zerfall der Menschheit
in 72 Zungen nach dem Turmbau von Babel. Wichtige Plätze des Welt- und
Heilsgeschehens finden sich - ohne Rücksicht auf den unterschiedlichen
Zeitpunkt ihrer Blüte - nebeneinander auf eine Fläche projiziert. Dabei in-
teressieren sich die Kartographen absolut nicht für eine maßstabgerechte
Wiedergabe dieser Fläche und ihrer Details, vielmehr ist die Vermessung
gänzlich außer Gebrauch gekommen und wurde auch überhaupt nicht ver-
mißt: man will die Erde weder physikalisch korrekt noch in ihrer politischen
Einteilung bieten - wie dies moderne Karten erstreben -, sondern als Schau-
platz des Wirkens Gottes erläutern. Daher sind im Früh- und Hochmittelal-
ter nur Weltkarten gebräuchlich, keine Detailkarten. 12
Die Kugelgestalt der Erde ist dabei übrigens nicht in dem Maße verdammt
worden, wie das die moderne Literatur bisweilen glauben macht; 13 aber man
legte die Vorstellung von einer Fläche -, meist kreisrund, seltener oval oder
rechteckig verstanden - im Regelfall zugrunde.

12
Grundlegend und allgemeinverständlich erläuternd hierzu J. G. LEITHÄUSER, Mappae
mundi (1958); L. BAGROW und R. A. SKELTON, Meister der Kartographie (1963 u.ö.); speziell
zur ma. Kartographie A.-D. v. DEN BRINCKEN, Mappa mundi und chronographia. Stud, zur ima-
go mundi des abendländischen MA, in: DA 24 (1968) S. 118-186 ( = o. S. 17-81); DIES., .... Ut
describeretur universus orbis". Zur Universalkartographie des MA, in: Miscellanea Mediaevalia
7 (1970) S. 249-278 ( = o. S. 82—111); die bisher umfassendste Zusammenstellung ma. hand-
schriftlicher Karten findet sich bei MARCEL DESTOMBES, Monumenta Cartographica Vetustioris
Aevi I: Mappemondes 1200-1500 (Amsterdam 1964); am sorgfältigsten beschrieben sind ma.
Karten bei K. MILLER, Mappae mundi T. 1-6 (1895 bis 1898). Das umfassendste Reproduktions-
werk - YOUSSOUF KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti (Kairo 1926-52) - ist
nicht zitiert, da es nur in München und Göttingen verfügbar ist.
13
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie des MA, in:
Archiv für Kulturgeschichte 58 (1976) S. 77-95 ( = o. S. 186-203).
[411/412] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 209

In totalem Gegensatz zu den heute geläufigen Vorstellungen ist die mittel-


alterliche Weltkarte geostet: im Osten geht die Sonne auf, von Osten kom-
men Licht und Wärme, im Osten nimmt man das Paradies an, 14 gen Osten
fuhr Christus zum Himmel auf und von dort wird er daher wiedererwartet:
nicht von ungefähr sind auch die christlichen Kirchen geostet.
Wie die Antike kennt auch das Mittelalter nur die drei Erdteile Asien, Eu-
ropa und Afrika, die in der Bibel nicht mit diesen profanen Bezeichnungen,
sondern als Noachidenkontinente nach Sem, Cham und Japhet benannt sind.
Bereits der hl. Augustinus hat gelehrt, daß Asien so groß sei wie Europa und
Afrika zusammen. 15 Daraus entwickelt sich bei Annahme einer runden Erd-
scheibe die sogenannte T-Karte: die obere Hälfte nimmt Asien ein, durch ei-
nen Gewässerbalken des Buchstabens T - gebildet von Don, Schwarzem
Meer, Ägäis, östlichem Mittelmeer und Nil - von den beiden anderen Erd-
teilen abgegrenzt; in die untere Hälfte teilen sich Europa und Afrika, ge-
trennt durch den Schaft des T, das Mittelmeer. Übrigens nimmt das Mittel-
alter in Abhängigkeit vom IV. Henochbuch ein Verhältnis Festland zu Was-
ser auf der Erdoberfläche an von 7 : 1 , während in Wahrheit dem Wasser ein
Anteil von 70,8 % zukommt. Der beliebteste Kartentyp ist daher im Mittelal-
ter die T-Karte, vielfach ganz einfach schematisch dargestellt. Dieser Typ
kann freilich auch wesentlich differenzierter und malerischer ausgeführt er-
scheinen in Gestalt einer runden Ökumene-Karte, vermutlich orientiert am
Vorbild der römischen Ökumene-Karte aus der Zeit des Augustus.16 Der
mediterrane Raum steht hier im Mittelpunkt, das zeigt die Abhängigkeit von
der Antike. Wegen des horror vacui schiebt der mittelalterliche Zeichner un-
bekannte Gegenden einfach zusammen: er mag keine weißen Flecken auf der
Landkarte.
Unter den konventionellen Zeichen, die damals noch keineswegs sehr fest-
gelegt sind, verwendet man im Abendland gern die Andeutung einer Burg-
oder Stadtmauer als Siedlungssymbol, bisweilen auch nur durch Türme oder
Zinnen vertreten. Diese sind nicht differenziert und streben schon gar nicht
eine individuelle Kennzeichnung einzelner Orte an, vielmehr stammen die
Architektursymbole aus der römischen Straßenkartographie. Doch werden
jetzt gern Ringsymbole verwandt, die an ummauerte Städte denken lassen.
Selbst auf der berühmten überformatigen Ebstorfer Weltkarte von 1260 etwa
sind die Zeichen für Siedlungen stereotyp, wenn auch vereinzelt heraldische

14
Gen. 2, 8.
15
De civitate Dei 16, 17.
16
Vgl. K. KRETSCHMER, Die ma. Weltkarte nach Anlage und Herkunft, in: Petermanns Mitt.
Erghft. 209 (1930) S. 55-64; R. UHDEN, Zur Herkunft und Systematik ma. Weltkarten, in:
Geogr. Zs. 37 (1931) S.321-340.
210 Studien zur Universalkartographie [412/413]

Embleme auftauchen, so z. B. der Braunschweigische Löwe 17 oder eine gold-


farbene Flagge (Lehnsfahne) am Gebäudesymbol von Lüneburg, das zudem
von luna, dem Monde, gekrönt ist.
Und nicht nur Künstler, auch bedeutende Gelehrte hielten selbst noch im
15. Jahrhundert an der traditionellen T-Karte fest, obwohl zu diesem Zeit-
punkt längst die Ptolomaeus-Renaissance das geographische Denken Euro-
pas gestaltete, nachdem 1409 das grundlegende Werk ins Lateinische über-
setzt worden war; denn der Vormarsch der Osmanen zwang griechische Ge-
lehrte in zunehmendem Maße, mitsamt ihren Bibliotheken im Westen Zu-
flucht zu suchen. Vielfach entstanden jetzt im Abendland Karten eines
bislang ungebräuchlichen Typs, die die sphärische Gestalt durch die chlamys
extensa, den ausgebreiteten Mantel, zum Ausdruck zu bringen suchten und
die in griechischer Tradition genordet waren.
Während der Westen selbst am Ende des Mittelalters nur in beschränktem
Maße auf den Griechen aufbaute, waren diese den Arabern immer Leitbild
gewesen. Zwar Sudeten die Moslems ihre Karten und begriffen Europa mehr
als Außenposten, aber dafür war man jederzeit offen für die Erschließung
neuer geographischer Räume und zum Anbau der Karten bereit.
Politische Gesichtspunkte waren den Arabern aber gleichfalls unwichtig;
so begegnen hier nirgends Flaggen, Wappen oder Rechtszeichen irgendwel-
cher Art im Zusammenhang mit Siedlungssymbolen, für die die Moslems
übrigens bevorzugt Kreise, Sterne, Rosetten oder auch Gebäude verwenden.
Flaggenbilder sind mithin der allgemeinen Kartographie des Mittelalters
im Abendland wie im Orient unbekannt geblieben; ihre Anfänge sind nicht
einmal auf den reichbebilderten überformatigen Karten des 13. Jahrhunderts
nachzuweisen; dies blieb erst den Seekarten des H.Jahrhunderts vorbehal-
ten.
Neben der relativ einheitlichen Tradition mittelalterlicher Universalkarto-
graphie, die sich durch mehr als ein Jahrtausend gleichblieb und die erst im
Zeitalter des Columbus durch die Vervollkommnung des nautischen Instru-
mentariums eine Umbildung erfuhr, so daß man zur Vermessung der Erde
überging, entstand aber bereits im Spätmittelalter ein ganz anders gearteter
Sonderzweig der Kartographie, die Portolankarten.
Portolani sind Küstenhandbücher, wörtlich Hafenführer, Textbücher mit
exakter Beschreibung von Küsten und Segelanleitung, als solche schon in der
Antike bekannt - etwa der „Periplus des Erythräischen Meeres" aus dem er-

17
Vgl. hierzu auch W. OHNSORGE, Zur Datierung der Ebstorfer Weltkarte, in: Niedersächs.
Jb. für LG 33 (1961) S.158ff.; Abdruck in: DERS., Konstantinopel und der Okzident (1966)
S.252-279 (Datierung wurde nicht von der Forsch, akzeptiert, aber Hinweis auf die Embleme
ist wichtig).
[413/414] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 211

sten nachchristlichen Jahrhundert -, im Mittelalter über lange Zeit aber weit-


gehend in Vergessenheit geraten, wie z. B. der „Stadiasmos des Mittelländi-
schen Meeres", der der Weltchronik des Hyppolytos von Rom aus dem 3.
Jahrhundert beigegeben war und der lediglich in der griechischen Fassung
unvollständig erhalten ist. Seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts werden
derartige Küstenhandbücher wieder gebräuchlich und mit Portolankarten,
d. h. Karten, deren Hauptzweck die Wiedergabe der Meeresküsten war, aus-
gerüstet. 18 Zu jener Zeit pflegte sich die Seefahrt immer schön an der Küste
entlangzubewegen und - wo immer das anging - das offene Meer zu meiden.
Es war daher für die Kapitäne sehr wichtig, über jeden Ort am Meer, über
seine Ankerungsmöglichkeiten, etwaige Untiefen und sonstige Gefahren
orientiert zu sein. Vor allem aber mußte man den genauen Kurs kennen, den
man einzuschlagen hatte, um den nächsten Hafen zu erreichen.
Voraussetzung für die Entstehung dieses Spezialzweiges der Kartographie
war die Kenntnis des Kompasses. Im Abendland ist diese sicher zu Ende des
11. Jahrhunderts in Amalfi bezeugt, während sich die Chinesen der Magnet-
nadel schon rund ein Jahrtausend früher zu bedienen wußten. Doch lernten
die Lateiner sie wohl nicht - wie lange vermutet wurde - aus dem Orient
durch die Vermittlung der Araber kennen, sondern durch die seekundigen
Normannen.
Das Netz richtungweisender Linien, das die Portolankarten zu überziehen
pflegt und das ihr Kennzeichen ist, war jedenfalls nur mit Hilfe des Kompas-
ses zu erstellen und zu gebrauchen; daher entstand diese Kartengattung ge-
wissermaßen neu im Spätmittelalter. Die Kompaßlinien leiteten das Schiff
an, welche Richtung es für den angestrebten Hafen zu wählen hatte. Irrtüm-
lich spricht man in der Forschung bisweilen auch von loxodromischen Li-
nien. Doch meint dieser Begriff Linien, die alle Meridiane im gleichen Win-
kel schneiden, wovon aber bei den noch gar nicht sphärisch verstandenen
Portolankarten nicht die Rede sein kann.
Portolankarten waren für die Praxis bestimmt, sie wurden auf den Schif-
fen mitgeführt. Von König Peter r V von Aragon ist ein Gesetz aus dem Jah-
re 1354 bekannt, demzufolge jedes Schiff aus Sicherheitsgründen zwei sol-
cher Karten verfügbar haben mußte. Die Karte mußte mit Rücksicht auf
Wind und Wetter aus stabilem Beschreibstoff sein, man verwandte daher

18
Vgl. hierzu die allgemeinen Überblicke bei LEITHÄUSER (wie Anm. 12) S. 119 ff.; BAGROW-
SKELTON (wie Anm. 12) S. 83 ff.; ferner T H . FISCHER, Sammlung ma. Welt- und Seekarten italieni-
schen Ursprungs und aus italienischen Bibl. und Archiven hg. und erläutert (1885 und Repr.); K.
KRETSCHMER, Die italienischen Portolane des MA. Ein Beitr. zur Geschichte der Kartographie
und Nautik. Veröfftl. des Instituts für Meereskunde und des Geographischen Instituts an der
Universität Berlin 13 (1909).
212 Studien zur Universalkartographie [414/415]

vorzugsweise reißfeste Ochsenhaut. Sie war überformatig, hatte gewöhnlich


die Größe einer ganzen Tierhaut. Allerdings entbehrte sie dadurch des
Schutzes, den ein fester Buchverband gewährt, sie war daher in ihrer Erhal-
tung recht gefährdet. So wurde sie vielfach in Teile zerlegt und als Atlasband
verwendet. Wir besitzen heute kein neueres vollständiges Repertorium mit-
telalterlicher Seekarten; in der älteren Literatur wird ihre Zahl auf rund 75
geschätzt, die sich erhalten haben, 19 eine sehr bescheidene Zahl, wenn man
bedenkt, daß alle Schiffe einst damit ausgerüstet waren. Allerdings ist ihre
Zahl sicher heute höher anzusetzen.
Portolankarten sind nicht mehr geostet, sondern waren drehbar zu benut-
zen: im unteren bzw. äußeren Teil ist die Karte jeweils aufrecht beschriftet.
Die Küstenlinien treten deutlich und breit hervor, weil sie mit unzähligen
Ortsnamen quer zur Uferlinie bezeichnet und auf diese Weise kenntlich ge-
macht sind. Ursprünglich gaben diese Karten ausnahmslos den Mittelmeer-
raum wieder, sie füllten damit gerade bequem das ovalähnliche Format der
Tierhaut. Die wichtigen Hafenorte sind häufig durch rote Schrift hervorge-
hoben, sonst fehlt anfänglich jede Bebilderung. Neben den Festlandsküsten
ist den Inseln sehr viel Sorgfalt gewidmet, dagegen ist das Binnenland eine
leere Fläche.
Ob es schon in der Antike zu den Segelhandbüchern Karten gab, ist eine
heißumstrittene Frage. 20 Jedenfalls erfahren wir von dem Geschichtsschrei-
ber Wilhelm von Nangis in der Biographie Ludwigs des Heiligen, daß dieser
um 1270 Weltkarten konsultierte, um die Schiffsposition zu bestimmen.21
Entweder hat man derartige Karten neu zu den Segelhandbüchern entwor-
fen, oder man übernahm den Brauch von den Arabern, die ihrerseits mögli-
cherweise noch auf den Griechen fußten. Karten selbst sind erst aus der Zeit
um 1300 erhalten. Das älteste bekannte Stück ist die sogenannte ,Pisana',
benannt nach ihrem Fundort und heute in der Pariser Nationalbibliothek
aufbewahrt.22 Sie ist recht beschädigt. Ihre Darstellung beschränkt sich auf
die Küsten des Mittelmeeres, die mit den Kreisen zweier sechzehnstrahliger
Windrosen belegt sind, welche sich südlich von Sizilien berühren.
Derartige Karten wurden - vom praktischen Gebrauch einmal abgesehen
- auch gern zu Repräsentationsgeschenken herausgeputzt. In diesem Falle

" Vgl. d a z u KRETSCHMER (wie Anm. 18) S. 106 ff.


20
Vgl. u . a . G. GROSJEAN und R KINAUER, K a r t e n k u n s t und Kartentechnik vom Altertum bis
z u m Barock (Bern und Stuttgart 1970) S.29f.
21
Vgl. WILHELM VON N A N G I S , Vita Ludwigs des Heiligen, hg. B O U Q U E T u . a . , in: R H F 20
(1840) S.444.
22
Cartes et Plans Res. G e B 1118; A b b . u . a . LEITHÄUSER (wie Anm. 12) S. 122; BAGROW-SKEL-
TON (wie Anm. 12) Tafel X X X I I S. 358.
[415/416] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 213

zerlegte man die Karten zumeist in Teilkarten und bot sie als Atlas dar. Die
Bodleiana in Oxford besitzt einen venezianischen Portolan dieser Art aus
der Zeit um 1400,23 der sieben doppelseitige Einzelkarten ohne Gesamtüber-
sichtskarte enthält. Der Bucheinband weist eine kostbare Einlegearbeit auf.
Miniaturen auf den Blättern vor und hinter den Karten zeigen einen Engel,
die Gottesmutter, Markus als Patron von Venedig, den Apostel Paulus -
vielleicht seiner vielen Seereisen wegen. Die Einzelblätter beschreiben das
Mittelmeer von Osten nach Westen, beginnend mit dem Schwarzen Meer,
gefolgt vom östlichen Mittelmeer mit Ägäis, wobei Rhodos in den Johanni-
terfarben erscheint. Das letzte Kartendoppelblatt zeigt die französische
Westküste, die Niederlande bis Friesland, dazu England und Irland. Jutland
hat der Autor eine kerzengerade Westküste zugedacht, hingegen liegt die
Ostsee außerhalb seines Interessenbereiches, ein Mangel, der für die frühen
italienischen Partolani charakteristisch ist. Der ganze Atlasband wird in ei-
ner kostbaren, dazugehörigen Lederschatulle aufbewahrt.
Die Mehrzahl der italienischen Portolankarten ist in dieser Weise reine
Mittelmeerküstendarstellung mit etwas Atlantik und Nordsee als Beigabe,
verzichtet auf jede Bebilderung der Karten und auf jede Binnenlandgestal-
tung. Ihre Exaktheit ist - gemessen an der allgemeinen Kartographie der Zeit
- beachtlich, doch beruht sie rein auf Erfahrungswerten, nicht auf theoreti-
schen Erörterungen oder Berechnungen. Die Tatsache, daß der magnetische
Pol nicht überall und zu jeder Zeit mit dem mathematischen Pol zusammen-
fällt, ist nicht bekannt. Da der magnetische Pol wandert, können sich allein
für den mediterranen Raum erhebliche Abweichungen ergeben; so kann die
Deklination im östlichen Mittelmeer bis zu 11 ° betragen. 24
Doch auch in Italien entwickelt sich frühzeitig eine Mischform aus der
Weltkarte vom Charakter imago mundi und der mehr oder minder exakten
Seekarte, die im folgenden besonders interessiert.

2. Portolani mit Rechtszeichen in Italien und auf den Balearen

Die Anfänge der Portolankartographie - darin ist sich die Forschung jetzt
einig - sind mit Sicherheit in den großen italienischen Seestädten Pisa, Ge-
nua und Venedig zu suchen, und unter ihnen kommt offenbar Genua die

23
Ms. Bodleian Douce 390.
24
Vgl. KRETSCHMER (wie Anm. 18) S. 82.
214 Studien zur Universalkartographie [416/417]

Führungsrolle zu. 25 Ihre höchste Blüte als wahre Kartenkunst erlebt die See-
kartographie freilich auf den Balearen.
Die Mallorquiner, aber zweifellos vor ihnen auch schon die Genuesen
zeichnen sich gegenüber den frühesten Seekartographen dadurch aus, daß
sie ihre Darstellung nicht eng auf den Mittelmeerraum beschränken. Viel-
mehr interessieren sie sich für den Atlantik, Afrikas Westküsten, die Nord-
und Ostsee, für das Rote Meer, den Indischen Ozean, vor allem aber auch
für das Binnenland. Zudem sind diese Karten durch Bebilderung angerei-
chert, so daß sie Personen und Orte wiedergeben und den Charakter einer
illustrierten Weltgeschichte nach Art der Karten von Ebstorf und Hereford
erhalten: sie beschränken sich da nämlich keineswegs auf die eigene Zeit,
sondern bieten viele historische Reminiszenzen. Seit langem finden sie aber
das besondere Interesse der Heraldiker und noch mehr der Vexillologen,
weil auf ihnen Territorien und Kommunen durch Rechtszeichen individuell
charakterisiert sind. Derartig malerische Kartenwerke eignen sich natürlich
auch in ganz besonderer Weise als Repräsentationsgeschenke.
Die zeitweilig vermutete Priorität der Mallorquiner auf dem Gebiet der
Portolankartographie ist schon historisch nicht zu vertreten, da die Balearen
im 13. Jahrhundert noch keinerlei Rolle spielen als christliche Seemacht. Erst
1229 von Jakob I. von Aragon den Arabern entrissen, bilden sie seit 1276 ein
selbständiges Königreich, bis sie 1343 wieder mit Aragon vereinigt werden.
Natürlich liegt es sehr nahe, hier eine Verbindung zur arabischen Kartogra-
phie zu vermuten. Inzwischen ist sicher nachgewiesen, daß die wissenschaft-
lichen - weniger die künstlerischen - Vorzüge der sogenannten katalani-
schen Schule alle bereits zuvor in Italien zu belegen sind, daß auch die zu-
meist jüdischen Kartenkünstler Mallorcas aus christlicher und damit nur in-
direkt aus arabischer Tradition schöpfen. Es spielt daher auch keine
entscheidende Rolle mehr, ob der erste nachweisbar auf Mallorca wirkende
Kartograph, Angelino Dulcert, der mit Angelino Dalorto von Genua iden-
tisch ist, ein in Genua ausgebildeter Mallorquiner oder ein auf die Balearen
ausgewanderter Genuese ist.26
Die Dulcert-Karten haben nämlich bereits italienische Vorläufer sowohl
hinsichtlich der Darstellung außermediterraner Meere, der Aufarbeitung des
Binnenlandes wie auch der Verwendung von Rechtszeichen. Als älteste Kar-
tengruppe, auf der sich Flaggen eingezeichnet finden, hat Pasch die Atlanten

25
Vgl. oben Anm. 5.
26
Die Priorität der Spanier verfocht vor allem H. WINTER, Das katalanische Problem in der
älteren Kartographie, in: Ibero-amerikanisches Archiv 14 (1940/41) S. 89-126; auch DERS., P E -
TRUS ROSELLI, in: Imago Mundi 9 (1952) S. 1-11; DERS., Catalan Portolan Map and their Place
in the Total View of Cartographic Development, in: Imago Mundi 11 (1954) S. 1-12.
[417/418] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 215

des Pietro Vesconte herausgestellt.27 Dieser namhafte, aus Genua stam-


mende Kartograph hat bereits nachweisbar seit 1311 und sicher noch 1321
gewirkt, offenbar zeitweilig in Venedig bzw. in enger Zusammenarbeit mit
Venezianern. Seine Atlanten mit verschiedenen Teilkarten des Mittelmeer-
raumes haben aber immer jeweils auch eine geostete runde Weltkarte als Ge-
samtübersicht; ihr besonderes Charakteristikum ist zudem eine detaillierte
Darstellung des Heiligen Landes: hier zeigt sich die Verknüpfung mit dem li-
terarischen Werk, dessen Erläuterung Pietro mit seinen Arbeiten erstrebte,
nämlich mit den «Secreta Fidelium Crucis» des Venetianers Marino Sanudo.
Marino ist einer der bedeutendsten Kreuzzugspropagandisten der Spätzeit
gewesen, der 20 Jahre nach dem Verlust der letzten lateinischen Bastion im
Orient, nach dem Fall von Akkon, die Feder ergriff. Er stand in enger Bezie-
hung zur avignonesischen Kurie und wollte wiederholt den Papst ermuntern,
eine neuen Kreuzzug zu predigen. Dazu hatte er eine Fülle praktischer Rat-
schläge für die Durchführung anzubieten, war zudem selbst viel in der Welt
herumgekommen - er war bis in den Ostseeraum gereist - und galt mit Recht
als Weltreisender. 28
Sanudo verfaßte das erste Buch seiner Schrift 1306-1313, das zweite
1312-1313, wie aus den verschiedenen Widmungen ersichtlich wird; der
dritte, ausgesprochen historisch orientierte Teil erhielt seine erste Fassung
1321, anscheinend aber erst 1322 seine endgültige Gestalt. Zu diesem Werk
schuf Vesconte dann die Karten. In der Vatikanischen Bibliothek sind be-
sonders gute Exemplare erhalten, nämlich im Vaticanus Latinus 2972 zu-
sammen mit dem Text der „Secreta" offenbar das Dedikationsexemplar für
Papst Johann XXII. und damit der Archetypus, ferner der Palatinus Latinus
1362 A, der nur die Karten ohne das Werk Marinos enthält, aber Petrus Ves-
conte d'Ianua ausdrücklich als Verfasser nennt 29 und das Entstehungsjahr
mit MCCCXX angibt, wobei möglicherweise noch römische Ziffern für die
Einer der Jahreszahl folgten.
Während die Weltkarten in den verschiedenen Atlanten Vescontes, des-
gleichen die Palästina-Karten auch das Inland gestalten, aber noch keinerlei
Flaggen aufweisen, man hier auch ggf. vom außermediterranen Raum sagen
muß, daß er nur mäßig wirklichkeitsgetreu geraten ist, sind die Seekarten
des Mittelmeeres ganz im Stil der Pisana ausgeführt: nur Küstenorte sind

27
Vgl. PASCH (wieAnm.3) (1973) S. 57ff.
28
Vgl. TADEUSZ LEWICKI, Marino Sanudos Mappa Mundi (1321) und die runde Weltkarte
von Idrisi, in: Rocznik Orientalistyczny 38 (1976) S. 169-196.
29
Fol. 3v-4v.
216 Studien z u r U n i v e r s a l k a r t o g r a p h i e [418/419]

vom Autor eingetragen. Hier aber kommen erstmals Flaggen auf Seekarten
vor.30
Sicherlich ist Paschs Beobachtung richtig, wenn er gerade diese Flaggen
am wenigsten ornamental verstanden wissen will: sie dienten der Kreuzzugs-
strategie und damit der Praxis. Die häufigsten Embleme sind Kreuz und
Halbmond: man wollte schließlich vor allem wissen, ob man von Glaubens-
brüdern erwartet oder von Ungläubigen in einen Hinterhalt gelockt wurde,
wenn man in einem Hafen Schutz suchte bzw. einem Schiff mit dieser Flagge
begegnete.
Die Form der bei Vesconte belegten Banner ist noch die des Gonfanons,
eines Rechtecks, das etwa dreimal so breit wie hoch und am Ende ausge-
zackt ist. Diese Form findet sich z.B. für die gesamte muselmanische Küste
Nordafrikas, so für Ceuta, Melilla I und II, Bugia, Tunis, Gabes, die Berbe-
rei - bebildert zumeist mit Halbmonden oder schlüsselähnlichen Gebilden - ,
für Europas christlichen Westen, wo die Iberische Halbinsel mit Sevilla, Al-
meria, Valencia, Barcelona, Frankreich mit Paris im Inneren, femer mit
Narbonne und Montpellier in dieser Weise vertreten sind, desgleichen Italien
mit seinen Seestädten Pisa, Genua und Venedig, während Toulon und Savo-
na die später häufig gebräuchliche hochrechteckige Bannerform haben. Ob-
schon Vesconte nun für das ihm ja vertraute Italien keine weiteren Rechts-
zeichen festhält, sind ihm für die Kreuzzugsplanung offenbar die Niederlas-
sungen an der Dalmatinischen Küste wie Zara, Dubrovnik-Ragusa, Duraz-
zo, ferner in der nördlichen Ägäis Thessaloniki, am Schwarzen Meer
Konstantinopel, Varna, Mauro Castro, Tana (oder Feodosia), Sewastopol,
Faxi oder Fare mit ihren Gonfanonformen wichtig. Trapezunt, Samsun und
Sinope sind durch ein Dreiecktuch symbolisiert, Samastro (d.i. wohl Seba-
ste-Sivas, hier an die Küste verlegt) zeigt eine hochrechteckige Flagge.31
Über das östliche Mittelmeer scheint Vesconte keine Detailkenntnisse ge-
habt zu haben, da hier de facto die christlich-byzantinische Tradition unter-
drückt ist. Jedenfalls hat die Verwendung von Flaggen in diesem Falle eine
ganz handfeste strategische Motivation für die Kreuzzüge, und wo Marino
keine Flaggen kennt, erfindet er solche, die die Einstellung den Kreuzfah-
rern gegenüber signalisieren. Marino sucht ja gerade in seinem Werk intensiv
nach präsumtiven Bundesgenossen für die Kreuzfahrer.
Pietro Vesconte steht jedoch nicht am Anfang der genuesischen Portolan-
kartographie, vielmehr kommt einem anderen Genuesen hier die Schlüssel-

30
Vgl. die besten leicht zugänglichen m o d e r n e n R e p r o d u k t i o n e n bei ROBERTO ALMAGIÀ, P l a -
nisferi, C a r t e Nautiche e Affini dal Secolo X I V al X V I I . M o n u m e n t a C a r t o g r a p h i c a Vaticana 1
(Città del V a t i c a n o 1944) S. 13ff. u n d Tafeln I V - I X .
31
M s . Vat. Lat. 2972 fol. 1 0 7 r - l l I r sowie Pal. Lat. 1362 A ; vgl. ALMAGIÀ wie zuvor.
[419/420] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 217

Stellung zu, nämlich Giovanni da Carignano, Rektor an San Marco zu Ge-


nua, zweifellos der originellste Kopf unter den Seekartographen des 14.
Jahrhunderts. Seine bedeutende Karte mit ausgesprochen universalhistori-
schen Zügen ist im Staatsarchiv von Florenz ein Opfer des Zweiten Weltkrie-
ges geworden, ein Verlust, der dem der Ebstorfer Weltkarte vergleichbar
sein dürfte. Im Falle Carignanos sind wir gar auf nur mäßige Schwarzweißa-
blichtungen angewiesen, die von der an sich schon recht beschädigten Karte
allenfalls noch eine annähernde Vorstellung vermitteln.
Der Autor nennt sich selbst auf einer in der Ostsee placierten Legende:
Presbiter Johannes rector S. Marci de porta Janue me fecit. Giovanni, den die
Forschung bis 1329 nachweisen zu können glaubt, ist jedenfalls für die Zeit
zwischen 1306 und 1314 als Rektor an San Marco bezeugt. Seine Kenntnisse
über entfernte und entlegene Gegenden bezieht er aus Unterhaltungen mit
fremden Seeleuten aller Regionen im Hafen von Genua, dort will er z. B. ei-
ner Gesandtschaft des legendären Priesterkönigs Johannes 1306 begegnet
sein. Dieser Quellennachweis, der offenbar auf der verlorenen Karte aufge-
führt war, diente zu Ende des 15. Jahrhunderts noch dem Chronisten Jaco-
bus Philippus Foresta von Bergamo als Grundlage für seine Ausführungen
über die Matthäus-Christen; 33 es ist davon die Rede, daß die Gesandtschaft
nach Spanien unterwegs war und von der Witterung in Genua festgehalten
wurde, was Giovanni zum Studium ihrer Riten benutzte. Die Nennung des
Jahres 1306 läßt vermuten, daß Carignano seine Karte in diesem oder den
unmittelbar folgenden Jahren anfertigte, somit früher wirkte als Pietro Ves-
conte.
Zum Unterschied von Vesconte, aber ganz im Einklang mit der Technik
der Mallorquiner hat Carignano bereits Nord- und Ostsee einbezogen, sich
vor allem aber in der Gestaltung seiner Karte nicht auf die Küsten be-
schränkt, sondern das Binnenland voll einbezogen. Allerdings steht da Ca-
rignano noch sehr in der Tradition der allgemeinen Universalkartographie
mit ihrem horror vacui: unbekannte und unerforschte Landstriche sind zu-
sammengeschoben. Rußland etwa ist so verkleinert, daß das Asowsche

32
Die Signatur lautete N° 2; die beste leicht zugängliche Wiedergabe dürfte diejenige bei Ki-
NAUER und GROSJEAN (wie Anm. 20) S. 30 sein. Da die Karte nur noch in älteren Schwarzweißbil-
dern existiert, ist sie in neueren Nachschlagewerken nicht beschrieben. In der älteren Literatur
finde ich für die Gesamtkarte als ca.-Maße (sie war schon immer sehr beschädigt): 92:60 cm
(vgl. unten Tafel 56).
33
Vgl. Frühdruckedition dieser Chronik als Inkunabel 1483, Lib. VIII zum Jahre 80, II
fol. 17v-18; dazu R. A. SKELTON, An Ethiopian Embassy to Western Europe 1306, Appendix
Nr. 3 zu O. G. S. CRAWFORD, Ethiopian Itineries ca. 1400-1524. Hakluyt Society ser. II N° 109
für 1955 (Cambridge 1958) S.212-215.
218 Studien zur Universalkartographie [420/421]

Meer, die sogenannten Paludes Maeotides, fast an die Ostsee zu stoßen dro-
hen, wobei die Ostsee in auffälliger Weise nach Osten gedehnt erscheint: für
den Schwarzmeerraum liegen Giovanni da ganz offensichtlich noch Erfah-
rungswerte vor, aber Nordosteuropa gestaltet er nach dem Hörensagen.
In unserem Zusammenhang interessiert aber ganz besonders die Verwen-
dung von Hoheitszeichen bei Carignano. Auf der ganzen Karte findet sich
noch keine einzige Flagge, hingegen gibt es kreisförmige Gebilde mit heral-
dischen Emblemen gleicherweise an der Küste wie im Binnenland. Es erhebt
sich die Frage, wie diese runden Gebilde zu deuten sind. Vertreter von Flag-
gen sind sie sicher noch nicht, zumal sie keineswegs an Küstenplätze gebun-
den erscheinen. Auch eine Beziehung zu Siegeln scheidet aus: diese sind zwar
zumeist rund, aber im übrigen ganz verschieden von Carignanos Hoheitszei-
chen. Eignen sie sich doch als feine Kleinplastiken gar nicht für eine Verwen-
dung als Rekognitionszeichen, und dasselbe gilt auch für Münzen. Ihr Re-
liefcharakter läßt Münzen wie Siegel als denkbar ungeeignet erscheinen, auf
Karten als konventionelle Zeichen für Siedlungen aufzutreten. Ganz anders
steht das mit Wappen, die ja ihre Entstehung der Notwendigkeit von Erken-
nungszeichen auf Entfernung verdanken: klare Farbgebungen und gemeine
Figuren lassen sich sehr wohl auf Karten verwenden. Probleme gibt hier nur
die Rundform auf, denn die Erklärung mit Rundschilden erscheint abwegig
und herbeigezwungen; zwar sind in vorheraldischer Zeit Rundschilde sehr
wohl bekannt, im H.Jahrhundert aber kaum mehr denkbar. 34
Besieht man sich die Rundzeichen im einzelnen, so erscheinen sie aus-
nahmslos an Siedlungsplätzen und tragen die Legenden von Städten. Carig-
nano vermeldet auch Ländernamen auf seiner Karte, doch stets ohne jegli-
ches, wie immer geformtes Hoheitszeichen auf einem schlichten Schriftband.
Dabei zeigen die Landeshauptstädte oder solche, die der Kartenzeichner da-
für hielt, häufig die heraldischen Figuren des betreffenden Landes: Köln
weist den einköpfigen Reichsadler auf, das kastilische Emblem ist einer Stadt
dort (Cartagena?) beigegeben, Paris zeigt die Zeichen Frankreichs: das
Rundsymbol steht immer für eine Stadt. Auch in der älteren Kartographie
steht für die Stadt bevorzugt ein Rundsymbol neben dem Architektursymbol,
bedeute es nun Stadtmauer oder erscheine es als Kreis, Rosette, Stern.35 Man
möchte daher auch die Verwendung des Rundsymbols als Grundfläche für
heraldische Embleme damit erklären, daß es die Stadt an sich andeutet, wäh-
rend die heraldischen Embleme - bei Carignano sind es in der Mehrzahl der

34
Vgl. hierzu A. M. HILDEBRANDT, Wappenfibel. Hdb. Heraldik (161970) S.53f.; D. L. GAL-
BREATH, Handbüchlein der Heraldik (Lausanne 21948) S. 58 und 63.
35
Vgl. v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 1) S.344ff. (= o. S.132ff.).
[421/422] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 219

Fälle Kreisteilungen nach Art der Schildteilungen in der Heraldik - die Indi-
vidualität der betreffenden Siedlung bezeichnen und diese unverwechselbar
festlegen. Carignano hat übrigens recht gute Kenntnisse über die Wappen im
westmediterranen Raum. Im Orient muß er seiner Fabuliergabe Raum geben
bzw. sich mit Emblemen begnügen, die aus der geschichtlichen Tradition er-
schlossen sind. Im Gegensatz zu Vesconte arbeitet Carignano nicht für prä-
sumtive Kreuzfahrer, sondern eher für Kaufleute und Missionare. Kreuze
und Halbmonde spielen allerdings auch bei ihm die Hauptrolle an den nicht-
europäischen Küsten des Mittelmeeres. Kreuze z. B. finden sich daher nicht
nur an der Westküste des Schwarzen Meeres oder im Heiligen Land, son-
dern auch in Ostafrika, wo Priesterkönig Johannes in Äthiopien und Nubien
gemeint ist. Der Halbmond beherrscht vorzugsweise Nordafrika und verein-
zelt Spanien. Im Ostseeraum ist sicherlich erheblich Phantasie mit im Spiel,
die Einzelbilder lassen sich schwer deuten, gehen wohl von farbigen Schild-
teilungen aus, während Figuren dem Zeichner nicht bekannt sind.
Demnach steht Giovanni da Carignano am Anfang einer Malschule, die
heraldische Embleme und verwandte Rechtszeichen zur Kennzeichnung von
Städten verwendet und zwar unter Benutzung der konventionellen Zeichen
für Siedlungen, denen die Embleme einbeschrieben sind. Die Karte ist kurz
nach 1306 anzusetzen. Zwischen 1311 und 1320 geht Vesconte bei den See-
städten zur Verwendung von Flaggen über, da er keine Siedlungssymbole be-
nutzt, sondern nur den Ortsnamen an die Küste schreibt. Abgesehen davon,
daß die Kenntnis von Flaggen sich für die Seefahrt empfiehlt, läßt sich die
Flagge an einer entsprechend verlängerten Stange auch gut über dem Ortsna-
menband dieses Kartentyps anbringen, füllt sogar das ursprünglich noch lee-
re Binnenland auf den reinen Küstenkarten. Es ist dann auch nicht verwun-
derlich, wenn die mallorquinischen Kartographen, die die ornamentale
Komponente ihres Handwerks sehr herausarbeiten, sich der Einzeichnung
von Flaggen zur Belebung ihres Kartenbildes bedienen: damit ist der See-
fahrt ebenso wie der Kunst gedient.
Bereits gegen Ende des ersten Viertels des H.Jahrhunderts verstehen es
die Kartographen der Balearen offensichtlich, sich die Kunst und das Wissen
der Italiener anzueignen und zu einem Höhepunkt zu führen. Der erste Ver-
treter dieser Richtung ist der schon erwähnte Dalorto oder Dulcert, zumin-
dest in seiner Spätzeit auf Mallorca nachzuweisen und offenbar Vermittler
zwischen den verschiedenen Kartographenschulen. Er wirkte zwischen 1325
und 1340. Heinrich WINTER hat in London ein frühes Werk dieses Meisters
identifiziert und eingehend analysiert. 36

36
Vgl. oben Anm. 26, WINTER (1940/41) S. 89ff.
220 Studien zur Universalkartographie [422/423]

Zweifellos baute Dulcert, selbst wohl genuesischer Herkunft oder Ausbil-


dung, auf Carignano auf, konnte dessen Arbeiten auch stellenweise erheb-
lich verbessern, insbesondere für Nordosteuropa. Dagegen ist es auffällig,
daß sich nach Dulcert die mallorquinische Kartographie kaum mehr verän-
derte, sondern völlig erstarrte. Gegenüber den Italienern gab es im Mittel-
und Schwarzmeerraum nicht mehr viel zu verbessern, Rußland dagegen,
ebenso der Ostseeraum behielten die von Dulcert festgelegte Form: an eine
nach Norden senkrecht verlaufende Westküste Jütlands schloß sich eine tie-
feingeschnittene Kieler Bucht an, von der aus die Küste erst steil nach Nord-
osten, dann in einem Knick waagrecht nach Osten verlief. Die Ursache für
diese Stagnation der Kenntnisse ist in der Sperre zu sehen, die die Hanse in
diesem Raum für Schiffe aus dem Süden errichtete durch Einführung des
Zwangsstapels in Brügge 1323.37
Von Dulcert sind drei Karten bekannt, die bereits alle dem gleichen stren-
gen Formenkodex entsprechen, nämlich neben der Londoner 38 die in Flo-
renz 39 und die in Paris. 40 Bei allen sogenannten katalanischen Karten findet
sich der Hals der Tierhaut nämlich links im Atlantik. Häufig ist er mit einer
Zierborte in Giebelform geschmückt, wie man auch sonst Rahmen für die
Karten schätzte. Die Ausnutzung der natürlichen Form der Tierhaut kommt
übrigens der Orientdarstellung zugute. Die Himmelsrichtungen werden
durch besondere Symbole auf kleinen Disken angedeutet: der Norden durch
einen Stern, der Süden durch eine halbbeschattete Erdkugel, der Osten
durch ein Kreuz, der Westen durch die Inschrift Ponente. Binnenseen und
Haffs, bisweilen auch die Ozeane sind durch Wellenlinien markiert, Länder-
und Meeresnamen werden häufig in kastenförmiger Umrahmung dargebo-
ten, beides Eigenheiten übrigens, die sich bei Carignano vorgebildet finden.
Eine Besonderheit der mallorquinischen Karten ist freilich die Verwendung
der aragonesischen Emblemfarben für die Gestaltung der Ostkreuze.
Seit Dulcert verläuft in der Portolankartographie der Rhein von Osten
nach Westen, desgleichen die Elbe, die auf seinen späteren Werken in Böh-
men eine bemerkenswerte Hufeisenform erhält, Kennzeichen der Portolan-
kartographie auch im 15. Jahrhundert. Dulcert verwendet als erster die Flag-
gen neben anderen Architektursymbolen, d.h. er deutet Siedlungen durch
stadtmauerartige runde Gebäudesymbole an und zeichnet ggf. außerdem da-

37
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die kartographische Darstellung Nordeuropas durch italieni-
sche und mallorquinische Portolanzeichner im 14. und in der ersten Hälfte des 15.Jh., in: Hans.
Geschichtsbll. 92 (1974) S. 45-58 (= o. S. 165-178).
38
Ms. British Library Add. 25691 ; vgl. dazu WINTER (wie Anm. 26) (1940/41 ) S. 89 ff.
39
Vgl. hierzu u.a. KRETSCHMER (wie Anm. 18) S. 117f. mit Nachweisen.
40
BN Paris, Cartes et Plans Rés. Ge B 696.
[423/424] I X . P o r t o l a n e als Quellen d e r Vexillologie 221

zu die Flagge ein. Seine Kenntnisse der Flaggen im nordeuropäischen Raum


sind besser und fundierter, so taucht bei ihm z. B. der flandrische Löwe auf.
Etwa in die Zeit um 1350 ist ein geschriebener Portolan zu datieren, der
eine Quelle allerersten Ranges für die Vexillologie darstellt, obgleich er
keine Karte bietet, der «Libro del Conoscimiento de todos los reynos y tier-
ras y senorios que son por el mundo y de las senales y armas que han cada
tierra y senorio por sy y de los reyes y senores que los proveen», geschrieben
von einem spanischen Minoriten, der seinen Namen nicht nennt. 41 Er gibt
vor, eine Reise entlang sämtlichen Küsten gemacht zu haben, die er dann mit
recht stereotypen Wendungen beschreibt bzw. aufzählt. In Wahrheit scheint
er gar nicht gereist zu sein, sondern eine Portolankarte in Worte umzuset-
zen; denn das Programm, das er absolviert zu haben behauptet, würde ihn
ein Menschenleben auf Reisen gehalten haben, eine Tätigkeit, die ihm sein
Orden wohl kaum zugedacht hätte. Er nennt die wichtigsten Küstenstädte,
die Herrscher des jeweiligen Hinterlandes und ihre Hoheitszeichen. Von
Kastilien führt sein Weg die Küsten Portugals, Westfrankreichs, Hollands,
Frieslands, Dänemarks entlang in die Ostsee mit den Anliegern Böhmen,
Polen, Litauen, dann von Skandinavien, England und Irland zurück nach
Kastilien, anschließend durch das Mittelmeer in östlicher Richtung die
Nordküste, auf dem Rückweg an Afrika entlang; schließlich ist sogar der
Orient, nämlich der Indische Ozean bis nach China behandelt, den letzten
Rückweg nimmt der Autor weitgehend zu Lande durch Persien, den Nahen
Osten, am Schwarzen Meer entlang und durch Rußland. Von den drei erhal-
tenen Handschriften des Werkes gilt Nr. 1997 der Madrider Nationalbiblio-
thek als die reichhaltigste, was die zumeist dreieckigen Bannerdarstellungen
anbelangt, auch wenn sie in jedem Falle jünger als das Autograph ist. Die
Mehrzahl der hier groß und sorgfältig abgebildeten Hoheitszeichen ist auch
sonst gut belegt, insbesondere durch die Kartographie der Zeit, viele von ih-
nen sind sogar noch heute in Gebrauch und weisen den «Libro del Conosci-
miento» als erstrangige Quelle aus. Doch lassen sich auch die Phantasiege-
bilde nicht übersehen, die insbesondere für die Gebiete herhalten müssen, in
denen Flaggen ungebräuchlich waren. Priesterkönig Johannes etwa ist auch
hier wiederum eingehend behandelt mitsamt seinen Nachbarn, erhoffte sich
das Abendland doch bereits seit dem 12. Jahrhundert von ihm die Mithilfe
vom anderen Ende der Welt bei der Einkreisung der Moslems. Im H.Jahr-
hundert hat man ihn weitgehend in Äthiopien vermutet, vielleicht hat der be-

41
Ed. M A R C O JIMENEZ DE LA ESPADA ( M a d r i d 1877); engl. Ü b e r s e t z u n g mit farbigen A b b .
der Flaggen von CLEMENTS MARKHAM, Book of Knowledge. H a k l u y t Society ser. II N ° 29 (Lon-
don 1912); d a z u PASCH (wie Anm. 3) (1969).
222 Studien zur Universalkartographie [424/425]

deutende Negusa Nagast 'Amda Seyon (1312-1344) zur Belebung des Jo-
hannes beigetragen. Unserem Minoriten erscheint er übrigens als Patriarch
mit entsprechenden Emblemen. Auch Dongola ist hier christlich verstanden,
vielleicht ein Relikt des einst christlichen Nubien. Bezeichnenderweise haben
aber all diese Phantasieflaggen keine besonderen individuellen Züge, son-
dern immer nur die Zeichen der Zuweisung zum christlichen bzw. nicht-
christlichen Bekenntnis allgemein.
Als Höhepunkt der spätmittelalterlichen Kartenkunst schlechthin gelten
die Werke des Juden Abram Crescas und seines Sohnes Yafuda, insbesonde-
re der sogenannte „Katalanische Atlas" von 1375, erhalten in der Kopie für
den französischen König von 1380. Aufgezogen auf Holz und buchartig ein-
geteilt durch Aneinanderreihen der Stücke, besteht der Kodex aus zwei
Doppelseiten mit kosmologischen sowie vier Doppelseiten mit geographi-
schen Karten, 42 die 49x62 cm messen. Die Karten bieten keinerlei geogra-
phische Novitäten, aber erstrangige Malkunst zur Darstellung des Weltbil-
des, im einfachen wie im übertragenen Sinne. Orte aller Zeiten und handeln-
de Personen aller Epochen werden hier im Bild lebendig. Die Siedlungen
werden durch Architektursymbole und Flaggen gekennzeichnet, wobei die
Flaggen jetzt neben praktischer zweifellos auch ornamentale Funktion ha-
ben. Vexillologisch neues Material bringen die Karten kaum. Neben der
hochrechteckigen Bannerform erscheint noch weitaus häufiger die breitere
Form, die aber nicht mehr die Maße des Gonfanons zeigt. Bisweilen laufen
die Flaggen dem Stab gegenüber in eine Spitze aus, wie es auch im «Libro
del Conoscimiento» belegt ist. Da die Banner hier wesentlich häufiger die
Zugehörigkeit zu einem Territorium bezeugen, haben oft viele Städte dessel-
ben Landes auch die gleichen Fahnen. Ganz besonders wird dieses Verfah-
ren angewandt, wenn individuelle Flaggen nicht bekannt oder gar nicht vor-
handen sind, z.B. im Herrschaftsgebiet der Goldenen Horde oder der Tür-
ken. Priesterkönig Johannes ist im „Katalanischen Atlas" nicht lokalisiert.
Im Femen Osten hatte der Zeichner Gestaltungsfreiheit, so stimmen dort die
Flaggen keineswegs mit den entsprechenden des «Libro del Conoscimiento»
überein.

42
BN Paris Ms. Esp. 30; dazu beste Aufarbeitung des Textes noch heute J. A. C. BUCHON
und J. TASTU, Notice d'un atlas en langue catalane, manuscrit de Fan 1375, conserve parmis les
manuscrits de la Bibliotheque Royale, in: Notices et Extraits de la Bibliotheque du Roi et autres
bibliothèques XIV, 2, Paris (1843) S. 1-152; Facsimile u.a. hg. von H. FREIESLEBEN, Der Katala-
nische Weltatlas vom J. 1375 (Quellen und Forsch, zur Geschichte der Geographie und der Rei-
sen 11, Stuttgart 1977); zu den Flaggen vgl. PASCH (wie Anm. 3) (1967). Nachtrag: Inzwischen
erschien mit übersetzten Texten: G. GROSJEAN, Der katalanische Weltatlas aus dem J. 1375, Fac-
similedruck (Dietikon/Zürich 1977).
[425/426] IX. Portolane als Quellen der Vexillologie 223

Die Karten des katalanischen Typs behalten die geschilderten Eigenheiten


während des folgenden Jahrhunderts bei, etwa bei Guilelmus Soleri (um
1385) oder Mecia de Viladestes (um 1413). Eine Weltkarte im vollen Wort-
sinn aus der mallorquinischen Schule ist in der großen Rundkarte der Biblio-
teca Estense von Modena aus der Zeit um 1450 erhalten. 43 Im Original hat
sie einen Durchmesser von 115 cm und ist auf Pergament ausgeführt. Sie ist
drehbar orientiert und rundhemm von einem Polarozean umgeben. Das
Meer ist durch Wellenlinien gekennzeichnet, Weltmeere wie Binnenmeere.
Die Potentaten Afrikas sitzen nicht in Burgen, sondern zumeist in Zelten,
und auch diese Zelte der Nomaden sind durch Flaggen geschmückt. Selbst-
verständlich ist Priesterkönig Johannes in Äthiopien abgebildet, denn die Su-
che nach ihm hat im 15. Jahrhundert wesentlich zur Umsegelung Afrikas bei-
getragen. Überhaupt zeigt die Afrika-Darstellung bedeutsame Fortschritte,
auch wenn der Süden noch sehr nach Phantasie gestaltet ist.
Auf einer der letzten typisch mittelalterlichen Karten, der sogenannten ge-
nuesischen Ellipsenkarte von 1457 - in der die Forschung schon verschie-
dentlich die Toscanelli-Karte vermutet hat, die Columbus Indien jenseits des
Atlantik suchen ließ -, finden sich keine Kompaßlinien mehr, wohl aber wie-
der Gonfanons. 44 Sie sind einfarbig, wie das für die Frühzeit der Rechtszei-
chen zur See typisch ist.45 Meist wehen sie fröhlich mitten im Meer, scheinen
hier also nochmals ausgesprochen ornamentale Funktion zu haben. Wie ge-
zeigt wurde, spielte Genua eine besonders hervorragende Rolle hinsichtlich
der Pflege der Vexillologie auf Seekarten.
Flaggen auf Portolankarten haben mithin sowohl praktische als auch or-
namentale Funktionen. Ganz offensichtlich erweisen sie sich brauchbar als
individuelles Kennzeichnungsmittel von Siedlungen, denn ihre Verwendung
hört keineswegs mit dem Ende des Mittelalters auf; vielmehr begegnen sie
auch während der ganzen Frühdruckzeit.

43
Analyse und gute Reproduktion bei K. KRETSCHMER, Die Katalanische Weltkarte der Bi-
blioteca Estense zu Modena, in: Zs. der Ges. für Erdkunde zu Berlin 32 (1897) S.65—111 und
191-218.
44
Ms. Bibl. Naz. Centr. Florenz, Port. 1; Abb. u.a. LEITHÄUSER (wie Anm. 12) S. 155 und BA-
GROW-SKELTON (wie Anm. 12) S. 80/81.
45
Vgl. HORSTMANN (wie Anm.2) S.40ff.
X. Raum und Zeit in der Geschichtsenzyklopädie
des hohen Mittelalters

A. Einleitung: Raum und Zeit als Kategorien des Geschehens S. 224


B. Hauptteil: Raum und Zeit in der Geschichtsenzyklopädie des hohen Mittelalters
S.226
1. Die mystische Einheit von Raum und Zeit bei Hugo von St.-Viktor im Bild von
den Arche Noe S.226
2. Macrobius als Bewahrer des hellenistischen Weltbildes im lateinischen Mittel-
alter S. 229
3. Topographia Christiana aus dem Raum des christlichen Orients S. 231
4. Orientation S. 232
5. Die schematische T-Karte des frühen Mittelalters S. 233
6. Die abendländischen Ökumene-Karte S. 235
7. Antikes Wissen und christlichen Topographie bei Lambert von St.-Omer S. 237
C. Schluß: Raum und Zeit in der Enzyklopädie der Scholastik: Ebstorfer Weltkarte
und Vincenz von Beauvais S. 238

A. R a u m u n d Z e i t spielen als K a t e g o r i e n d e s G e s c h e h e n s
z u allen Z e i t e n eine b e d e u t e n d e R o l l e in d e r G e s c h i c h t e

Im Lehrgebäude des Mittelalters stellt die Geschichtswissenschaft keinen ei-


genen Fachbereich dar; vielmehr ist sie Teilgebiet oder Anhängsel einer der
drei Grundschulfertigkeiten, nämlich des Triviumsfaches der Rhetorik. 1 Die
Rhetorik lehrt die Kunst, einen Gegenstand in angemessenem Stil darzustel-
len. In einer guten Erzählung hat man sieben Kategorien zu berücksichtigen,
die auf die sieben Frageworte wer, was, w o , mit welchen Hilfsmitteln, war-
um, aufweiche Weise, wann 2 zu antworten haben, d.h. sie haben handelnde

1
Vgl. HANS WOLTER SJ., Geschichtliche Bildung im Rahmen der Artes Liberales, in: Artes
Liberales. Von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters, hg. von JOSEF KOCH, Stu-
dien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 5 (Leiden - Köln 1959) S. 50-83; Laetitia
BOEHM, Der wissenschaftstheoretische Ort der historia im frühen Mittelalter. Die Geschichte
auf dem Wege zur „Geschichtswissenschaft", in: Speculum Historiale, JOHANNES SPÖRL darge-
bracht (Freiburg 1965) S. 663-693.
2
Vgl. WOLTER (wie Anm. 1) S.74ff., bes. S.78 Anm. 139. Die Fragepronomina lauten: quis,
quid, ubi, quibus adminiculis, cur, quomodo, quando.
[6/7] X . R a u m und Zeit 225

Person, Gegenstand der Handlung, Ort des Geschehens, Werkzeug beim


Tun, Begründung des Vorgangs, Art des Ablaufs und Zeitpunkt 3 zu benen-
nen.
Drei dieser Kategorien, nämlich handelnde Personen, Orte und Zeiten,
werden 1126 von den Geschichtsphilosophen Hugo 4 in der berühmten Stifts-
schule von St. Viktor vor den Toren von Paris in einer ,Geschichtsdidaktik'
herausgestellt, die er deshalb „Buch über die drei Grundkategorien des Ge-
schehens" nennt. Hugo, von Herkunft vermutlich ein deutscher Graf aus
dem Harz, gehört zu den großen Denkern des Mittelalters. Er war Vertreter
des Symbolismus des 12. Jahrhunderts und geschätzter Lehrer. Zu seinen
Schülern gehört Otto von Freising, der als größter Historiograph des Mittel-
alters gilt. Hugo äußert sich im Vorwort zu seinem Handbüchlein: 5
„Die Weisheit ist ein Schatz und dein Herz die Arche, der Schrein dazu...
Auf dreierlei Weise ist im Geist das auseinanderzuhalten, was zu lernen ist,
nämlich nach der Zahl [der Handelnden], nach dem Ort [des Geschehens]
und nach der Zeit... Daher hängt an drei Kategorien die Erkenntnis der Ge-
schehnisse, nämlich an den Personen, von denen Taten ausgeführt wurden,
an den Orten, an denen sie stattfanden, und an den Zeiten, zu denen sie aus-
geführt wurden. Wer diese drei Dinge sich im Gedächtnis bewahrt, der wird
entdecken, daß er eine gute Grundlage erworben hat, und was immer er
durch Lektüre später ergänzt, das wird er ohne Schwierigkeit und schnell
begreifen und lange behalten."
Um Geschichte zu lernen, zu verstehen, zu schreiben, muß man mit diesen
drei Kategorien umgehen können, und Hugo empfiehlt in seinem Buch einen
Grundstock an Namen und Daten, d. h. Personenlisten, Ortsnamen und eine
Zeittafel, die man sich einprägen soll.
Eine dieser drei Kategorien, die Schauplätze des Geschehens, sollen im
folgenden besonders betrachtet werden. Man hat es hier nämlich mit einer
Art von Historischem Atlas zu tun, weil die mittelalterliche Karte grundsätz-
lich Geschichtskarte ist.

3
Ebd. persona, causa, locus, adminicula, ratio, modus, tempus.
4
Über ihn insbes. JOACHIM EHLERS, Hugo von St. Viktor. Studien zum Geschichtsdenken
und zur Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts. Frankfurter Historische Abhh. 7 (Wiesba-
den 1973).
5
Die Vorrede gab WILLIAM M. GREEN, Hugo of St. Victor, De tribus maximis circumstantiis
gestorum, in: Speculum 18 (1943) S. 484-493 heraus:... sapientia thesaurus est et cor tuum archa...
Tribus modis discernenda sunt in animo ea, quae discuntur, secundum numerum, secundum locum, et
secundum tempus. ... Tria igitur sunt, in quibus praecipue cognitio pendet rerum gestarum, id est, per-
sonae a quibus res gestae sunt, et loca in quibus gestae sunt, et tempora quando gestae sunt. Haec tria
quisquis memoriter animo tenuerit, inveniet se fundamentum habere bonum, cui quicquid per lectio-
nem postea superedificaverit sine difficultate et cito capiet et diu retinebit.
226 Studien zur Universalkartographie [7/8]

Kartographie des abendländischen Mittelalters muß mehr den Geistes- als


den Naturwissenschaften zugerechnet werden, denn sie gibt nicht statisch
die physikalische, politische, religiöse oder kulturelle Beschaffenheit der Er-
de wieder - obwohl sie bisweilen auch solche Züge hat -, sondern sie illu-
striert Welt- und vor allem Heilsgeschehen. Sie projiziert Geschehnisse aller
Zeiten auf eine Fläche und liefert so „Weltbeschreibung" (descriptio orbis),
ohne daß es ihr etwa um naturgetreue und gar maßstabgerechte Wiedergabe
des Raumes zu tun ist. Sie kennt nämlich keine Vermessung, denn sie will
gar nicht der Praxis dienen. Vielmehr ist die mittelalterliche Weltkarte, map-
pa mundi genannt, laut theoretischen Anweisungen für Ihre Herstellung 6
zweiteilig, sie besteht aus beschreibendem Text und Zeichnung. Eines
kommt nicht ohne das andere aus, denn Gemälde ohne Erläuterung bringt
Provinzen und Reiche durcheinander, Text allein, ohne die Unterstützung
der Zeichnung, bestimmt nicht zureichend die Nachbarschaft der Provinzen
und die Lage zueinander nach den Himmelsrichtungen, wie sie vor dem Au-
ge erscheinen. Ohne Weltkarte aber ist das, was über Noes Nachkommen
und die vier Weltmonarchen berichtet wird, vorstellungsmäßig nicht zu be-
greifen.
Die mittelalterliche Karte ist bis ins Spätmittelalter immer Weltkarte, nie
Detailkarte. Sie erläutert universale Bezüge. Weil sie so eng mit der Ge-
schichte verbunden ist und - wie diese - vor allem der Bibelexegese dient,
darf man sie den Erzeugnissen der Geistesgeschichte zuordnen. Es erstaunt
daher nicht, daß Richard of Haldingham, der Schöpfer der Hereford-Karte
um 1285, sein Werk «Estorie» benennt.
Dem mittelalterlichen Christen ist alles Geschehen einmalig und unwie-
derholbar. Die Welt wird räumlich wie zeitlich begrenzt gedacht und auch
so wiedergegeben. Die Symbolisten des 12. Jahrhunderts gehen aber noch ei-
nen Schritt weiter, denn sie erfassen auf der Karte nicht nur die Zeiten in ei-
ner Projektion, sondern sogar deren Dynamik.

Bl.

Der schon vorgestellte Hugo von St. Viktor erläutert die mystische Verbin-
dung von Raum und Zeit am Bild der Arche Noe. Er hat nämlich nicht nur
das kleine Lehrbuch über die Geschichtsdidaktik mit einem Anhang zum

6
Vgl. Paulinus Minorità, De mapa mundi (Anf. 14.Jh.), Vorrede, ed. teilws. ANNA-DORO-
THEE v. DEN BRINCKEN, „... Ut describeretur universus orbis". Zur Universalkartographie des
Mittelalters, in: Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters, in: Miscellanea Mediae-
v a l (1970) S.261 ( = o. S. 94) nach Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 13.
[8/9] X . Raum und Zeit 227

Memorieren geschrieben, sondern eine Fülle von Schriften, von denen hier
nur „Von der moralischen Sinndeutung der Arche Noe" 7 , „Von der mysti-
schen Sinndeutung der Arche Noe" 8 und „Von der Eitelkeit der Welt" 9 ge-
nannt seien. Er erörtert in diesen Schriften, welchen Sinn man der genauen
Beschreibung der Arche Noe in der Genesis 10 entnehmen kann, und benutzt
gerade dieses Symbol für den Ablauf des Welt- und Heilsgeschehens.
Hugo geht es vor allem um die Bibelexegese, die er hier auf dreierlei We-
gen in Angriff nimmt, ' ' durch Erfassen des historischen Sinnes, d. h. Erzäh-
lung des Geschehens und buchstabengetreue Erläuterung, durch die allegori-
sche Auslegung, indem er das Geschehen auf vergangene, gegenwärtige oder
zukünftige Ereignisse bezieht, schließlich durch die moralische Interpretati-
on, die der Frage nachgeht, welcher Art Ermunterung zu ethischem Handeln
aus dem Geschehenen herauszulesen ist. Das früheste Werk behandelt die
moralische Deutung der Arche Noe. Sie wird als Abbild Christi und des Cor-
pus mysticum Christi, d.h. der Kirche, verstanden. 12 Dieses Corpus Christi,
die Kirche, beginnt mit dem Anfang der Welt und dauert bis ans Ende der
Zeiten. 13 Das Heilsgeschehen, die Wiederherstellung der gefallenen Schöp-
fung, vollzieht sich vom Anbeginn der Welt bis zu ihrem Ende in dreifacher
Ordnung, nämlich gemäß dem Ort, gemäß der Zeit, gemäß dem Rang. 14
Die Ordnungen von Ort und Zeit aber entsprechen einander und laufen
gleichsam zusammen; 15 der Anfang spielt sich im Osten ab, der Fortlauf geht
von dort in Westrichtung. Der Garten Eden und mithin der Sitz der ersten
Menschen liegt im Osten. Nach der Sintflut kommt die Herrschaft im Osten
zuerst zu den Assyrern. Von hier nimmt sie ihren Lauf über die Chaldäer
und Meder durch den Orient. Dann kommt sie zu den Griechen, schließlich
zu den Römern im Westen. Dieser Ablauf ist wie eine gerade Linie von Osten
nach Westen. Der Osten ist dabei immer oben plaziert zu denken.

7
De archa Noe morali, MIGNE PL 176 Sp. 617-680.
8
De archa Noe mystica, ebd. Sp. 681-704.
9
De vanitate mundi, ebd. Sp. 703-740 und K<\RL MÜLLER, Hugo von St. Viktor: Soliloquium
de arrha animae et De vanitate mundi. Kl. Texte f. Vorlesungen und Übungen 123 (Bonn 1913)
(nur Buch 1-2) S.47 f.
10
Gen. 6.
11
Vorrede bei GREEN (wie oben Anm. 5).
12
MIGNE PL 176 Sp.622: Et quia haec arca Ecclesiam significai, ecclesia autem corpus Christi
est.
13
Ebd. Sp. 625: Hoc corpus est Ecclesia, quae coepit a principio mundi, et usque adfinem saeculi
durabit.
14
Ebd. Sp.677: In operibus restaurationis tribus modis ordo consideratur, secundum locum, se-
cundum tempus, secundum dignitatem.
15
Ebd. Sp.677 f.
228 Studien zur Universalkartographie [9/10]

Im Rahmen der mystischen Sinndeutung der Arche führt Hugo aus, 16 daß
die Arche, die einen rechteckigen Grundriß hat, „mit einer Ellipse derart
umgeben wird, daß diese durch die Ecken der Arche verläuft, und dieses
ovale Rund den Erdkreis darstellt. Mit dieser Fläche wird die Weltkarte wie-
dergegeben in der Weise, daß das Haupt (Anfang) der Arche gen Osten ge-
wandt ist und das Ende den Westen berührt, so daß in wunderbarer Zuord-
nung die Lage der Schauplätze vom gleichen Ausgangspunkt verläuft wie die
Abfolge der Zeiten, mithin das (räumliche) Ende der Welt identisch ist mit
dem Ende der Zeiten. Der Scheitelpunkt des Ovals nämlich, der in der Spitze
der Arche nach Osten ragt, ist das Paradies, gleichsam Abrahams Schoß,
wie er später in der beschriebenen Herrlichkeit erscheinen wird. Der andere
Scheitelpunkt aber, der nach Westen ragt, beinhaltet das Gericht anläßlich
der allgemeinen Auferstehung mit den Erwählten zur Rechten und den Ver-
worfenen zur Linken. Im nördlichen Scheitelpunkt befindet sich die Hölle,
in die die zu Verwerfenden mit den abgefallenen Geistern hinabgestoßen
werden."
Auch in der Schrift von der Eitelkeit der Welt.' 7 spricht Hugo vom oberen
oder östlichen Teil der Arche, wo sich Eingang und Beginn von Welt und
Zeit befinden und von wo sich der Lauf gen Westen herabbewegt. Der erste
Mensch war im Paradies, im äußersten Osten, ansässig. Von hier ergoß sich
das Menschengeschlecht über die ganze Erde. Entsprechend war das erste
Haupt aller Reiche das der Assyrer im Osten, als jüngstes hat jetzt Rom die
Weltmacht inne.
Im Bild der Arche sieht Hugo Kirche und Heilsgeschichte bzw. Ort und
Zeit verbunden, so daß sie im Sprachgebrauch gleichsam austauschbar wer-
den. Mithin beschreibt bzw. erzählt eine Weltkarte von oben nach unten -
denn diese ist im Mittelalter immer geostet - den Welt- wie Zeitablauf und
geht mit dem Geschehnisbericht eine enge Bindung ein. Sie dient letztlich
der Bibelexegese, denn sie findet sich in Chroniken und in exegetischem
Schrifttum vorzugsweise im Zusammenhang mit der Verteilung der Erde un-

16
Ebd. Sp. 700: Hoc modo arca perfecta, circumducitur et circulus oblongus, qui ad singula cornua
earn contingat, et spatium quod circumferentia ejus includit, est orbis terrae. In hoc spatio mappa
mundi depingitur ita ut caput arcae ad orientem convertatur, et finis ejus occidentem contingat, ut mi-
rabili dispositione ab eodem prìncipe decurrat situs locorum cum ordine temporum, et idem sit finis
mundi, qui est finis saeculi. Conus autem Me circuii, qui in capite arcae prominet ad orientem, Para-
disus est, quasi sinus Abrahae, ut postea apparebit majestate depicta. Conus alter, qui prominet ad oc-
cidentem, habet universalis resurrectionis Judicium in dextra electos, in sinistra reprobos. In cujus coni
angulo Aquilonari est infemus, quo damnandi cum apostatis spiritibus detrudentur. (Bild 1 = mo-
derne Skizze zu Hugos Text. Ansonsten sind die Bilder mit den Miniaturen der jeweils zitierten
Handschriften oder Skizzen der Drucke identisch.)
17
Ebd. Sp. 720.
[10/11] X . R a u m und Zeit 229

ter die Noesöhne nach der Flut oder mit dem Zerfall der Menschheit in ver-
schiedene Sprachen nach dem Turmbau von Babel, bisweilen auch mit der
Aussendung der Apostel. Sie ist Geschichtsenzyklopädie und zeigt das Uni-
versum in seiner gemäß damaliger Vorstellung zeitlichen und räumlichen Be-
grenztheit.

B2.

Der spätantike heidnische Schulbuchautor M a c r o b i u s übernahm zu An-


fang des 5. Jahrhunderts die Rolle eines B e w a h r e r s d e s h e l l e n i s t i -
s c h e n W e l t b i l d e s für d a s l a t e i n i s c h e M i t t e l a l t e r , wenn auch
nur Umrisse desselben lebendig blieben. Immerhin hatte man in der Antike
schon stellenweise durchaus zutreffende Vorstellungen von unserem Plane-
ten, insbesondere im Wissenschaftszentmm Alexandria. Im griechischen
Kulturraum blieben diese Erkenntnisse auch das ganze Mittelalter über le-
bendig, so insbesondere die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde. 18
Ein Relikt dieses Wissens gelangte in Gestalt der mittelalterlichen Zonenkar-
te in die abendländische Welt. Sie war durch den Kommentar des Macrobius
zum «Somnium Scipionis» Ciceros 19 sowie durch das Werk seines Zeitgenos-
sen Martianus Capella 20 vermittelt worden.
Diesem Kartentyp liegt das Weltbild des Krates von Mallos zugrunde, ei-
nes Homer-Exegeten zu Pergamon um 150 v.Chr. Im Rahmen seiner Hy-
drographie vertrat er die Lehre, daß die Erdkugel von zwei sich in rechtem
Winkel schneidenden Ozeangürteln in vier Kontinente geteilt werde, näm-
lich in Ökumene, Antökumene auf der südlichen Halbkugel, Periökumene
auf der Rückseite und den Antichthonenkontinent auf der südlichen Rück-
seite der Kugel, denn der eine Ozeangürtel wurde um den Äquator ange-
nommen, der andere verlief durch beide Pole.
Die Zonenkarte der Lateiner, die auf Macrobius zurückgeführt wird, ist
ein verballhornter Planiglob der Krates-Karte. Auf ihr wird die Erdscheibe
von einem Polarozean eingerahmt und von einem Äquatorialozean durch-
schnitten. Um den Äquator wird eine heiße, nicht passierbare Zone, an bei-
den Polen eine kalte, alles Leben tötende Zone angenommen. Es gibt daher
auf der Erde zwei gemäßigte Zonen mit je einem bewohnbaren Kontinent,
die nicht miteinander in Verbindung stehen. Die Frage ist, ob dennoch beide

18
Vgl. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie
des Mittelalters, in: Archiv für Kulturgeschichte 58 (1976) S. 77-95 (= o. S. 186-205).
» Ed. JACOB WILLIS, Macrobius II (Leipzig 1963, 2 1970), bes. II, 9 S. 122 f.
20
De nuptiis Philologiae et Mercurü, ed. ADOLF DICK (Leipzig 1925, Stuttgart 1969).
230 Studien z u r Universalkartographie [11/12]

tatsächlich bewohnt sind, da laut Bibel alle Menschen von Noe abstammen
und eine Einheit bilden.
Macrobius wie Martianus Capella waren Heiden, aber ihre Lehrbücher
fanden sich in jeder Dom-, Stifts- oder Klosterschule. Der Typ der Zonen-
karte des Macrobius blieb immer bekannt, wurde aber im 11. und 12. Jahr-
hundert - vielleicht unter arabischem Einfluß - besonders häufig im Abend-
land kopiert. 21
Die Macrobius-Karte (vgl. unten Tafel 12)22 ist in hellenistischer Traditi-
on genordet. Sie ist Beweis, daß die Kenntnisse von der Kugelgestalt der Er-
de unterschwellig im Westen fortlebten; denn nicht die Vorstellung der Ku-
gelgestalt wurde von der Kirche bekämpft, sondern diejenige von Lebewesen
in anderen Erdteilen, die nicht von den biblischen Urvätern abstammten,
insbesondere die von Antipoden, sogen. Gegenfüßlern im Antichthonenkon-
tinent. Diese wären nach heutigen Vorstellungen im Raum Neuseeland zu
suchen, werden aber von den Kirchenvätern der Lateiner bei Annahme einer
Erdscheibe lächerlich gemacht, da sie von unten gegen unsere Scheibe tre-
tend dargestellt werden.
Unsere bewohnte Zone hat bei Macrobius ein Aussehen, das bereits auf
die Vorsokratiker zurückgeht: sie ist ein zusammenhängender Kontinent auf
der nördlichen Hälfte, von einem Ozean umflossen, der vier Einbuchtungen
ins Festland aufweist: das Mittelmeer, das Rote Meer, der Persische Golf
und das Kaspische Meer, 23 auf vorliegender Karte auch durch Legenden
hervorgehoben mit Ausnahme des Mittelmeeres. Im übrigen hat der Zeich-
ner als einziges Land Italien benannt, im Ozean schwimmt westlich vom
Mittelmeer eine als Orcades ausgewiesene Insel.
Von diesem Kartentyp gibt es auch eine mehr christianisierte Version (vgl.
unten Tafel 17), 24 die geostet ist. Hier ist das Wissen des hellenistischen Ale-
xandria mit dem christlichen Weltbild kombiniert, denn hier werden zwei
Städte bildhaft gemacht: Babylon oder Jerusalem oben im Osten und Rom
unten im Westen der bewohnten Zone.

21
Vgl. MARCEL DESTOMBES, Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I: Mappemondes A.
D. 1200-1500 (Amsterdam 1964) S.43ff. und S.85ff. u.ö. (zitiert D).
22
Ms. Bodl. D'Orvilie 77 fol. 100, I I . J h . - D 20, 12.
23
Eine gute, populär-wissenschaftliche Einführung in die Traditionen der Kartographie bie-
tet JOACHIM G. LEITHÄUSER, Mappae Mundi (Berlin 1958), hier bes. S. 26 ff.
24
Ms. London BL Cotton. Tib. B. V. fol.28v-29r, ll.Jh. - D 8, 1.
[12/13] X . R a u m und Zeit 231

B3.

Eine T o p o g r a p h i a C h r i s t i a n a a u s d e m R a u m d e s c h r i s t l i c h e n
O r i e n t aber ist auf uns gekommen, die bewußt mit dem antiken Weltbild
zu brechen bemüht ist. Der Oriens Christianus, das Herkunftsland des Chri-
stentums, geht da konsequenter vor als die Griechen. Kosmas mit dem Bei-
namen Indikopleustes, d.i. der Indienfahrer, 25 ein alexandrinischer Kauf-
mann, vertraut mit dem Geistesgut seiner Heimat, verwirft zu Beginn des 6.
Jahrhunderts alles überlieferte Wissen und damit vor allem das ptolemäische
Weltbild. Von syrischen Theologenschulen nestorianischer Richtung ge-
prägt, bekämpft er vor allem die Kugel als Symbol der Unendlichkeit. Die
Erde stellt er daher als genordetes Rechteck dar, den Himmel darüber denkt
er sich als gewölbtes Zelt, den Kosmos insgesamt als Tabernakel. In der Bi-
bel finden sich Belege sowohl für eine eckige als auch für eine runde Erdge-
stalt, 26 bisweilen sogar im gleichen Vers. 27 Auch das Bild des Tabernakels 28
ist oft bezeugt, und dieses entspricht wiederum dem Symbol der Arche.
Im übrigen bedient sich Kosmas auch durchaus überlieferter Vorstellun-
gen, z.B. umgibt er das Land dieser Erde, ein Rechteck im Verhältnis 2:1
(vgl. unten Tafel 4), wie die griechischen Naturphilosophen mit einem
Ozean, der die vier bekannten Einbuchtungen aufweist. Wie die Alexandri-
ner nordet Kosmas seine Karte.
Gemäß christlicher Lehre zeichnet er dazu das Paradies ein, gelegen a
principio, im Osten, den Menschen unzugänglich, wie dies Genesis 2,8 for-
dert. Es erscheint daher rechts als Sonderkontinent jenseits des Weltenoze-
ans. Außerdem kennt Kosmas im Norden einen Antichthonenkontinent, wo
Menschen bis zur Sintflut gelebt haben sollen.
Die Legenden der Meeresbuchten auf der Karte benennen das Mittelmeer
als „Römischen Meerbusen", das Rote Meer, den Persischen Golf und das
Kaspische Meer.

25
Über ihn vgl. WANDA WOLSKA, La topographie chrétienne de Cosmas Indicopleustès.
Theologie et science au VF siècle, Bibliotheque byzantine, Etudes 3 (1962); dieselbe erstellte
auch als WANDA WOLSKA-CONUS eine Neuausgabe der Topographia Christiana in Sources Chré-
tiennes 141, 159 und 197 (Paris 1968, 1970 und 1973).
26
lob 38, 18; Mth. 24, 31; Apoc. 7, 1 für Ecken, Worte für Rundung wie orbis oder gyrus
noch häufiger belegt.
27
Is. 40, 22.
28
2 Cor. 5, 4; Hebr. 8, 2; 2 Petr. 1, 13; Apoc. 13, 6; Apoc. 15, 5; Apoc. 21, 3 u.ö.
29
Ms. Vat Gr. 699 fol.40v, 9.Jh. - D 22, 5.
232 Studien zur Universalkartographie [13/14]

Kosmas hat auch die vier Paradiesflüsse aus Genesis 2,10-14 berücksich-
tigt, nämlich Phison, Gehon, Euphrat und Tigris. Da das Paradies aber von
der Welt durch den Ozeangürtel getrennt ist, muß er die Ströme untermee-
risch verlaufen lassen, den Gehon, d.i. der Nil, sogar in großem außerweltli-
chem Bogen von Osten durch den Süden nach Afrika.
Kosmas will konsequent allein der Bibel folgen und das heidnische Welt-
bild als Blendwerk entlarven. Sein Werk zeigt aber, daß er ohne das Wissen
der Antike gar nicht auskommt.
Seine Wirkung war übrigens nicht überragend, obwohl er in griechischer
Sprache schrieb, möglicherweise, weil er schismatischen syrischen Schulen
angehörte. Verdrängen konnte er die Übermacht antiker Erkenntnis bei aller
Bibelfestigkeit nicht.

B4.

Die O r i e n t a t i o n , Ostung, ist ein Wesensmerkmal, durch das sich die


Karte der Lateiner grundsätzlich von der der griechischen Antike unterschei-
det. Sie findet sich weder bei Macrobius noch bei Kosmas.
Um die abendländische Karte des Mittelalters zu begreifen, muß man sich
von unseren Vorstellungen lösen und umdenken. Die Welt des Mittelalters
ist das Land rund um das Mittelmeer, von Westen aus nach Osten betrachtet.
Man stelle sich vor, man stehe auf dem Felsen von Gibraltar und blicke der
aufgehenden Sonne entgegen, vor der die Welt wie ein Tuch ausgebreitet
liegt. Den Osten des Mittelmeeres nimmt dann Asien, den Norden Europa,
den Süden Afrika ein.
Das Wort Orientierung 30 hängt mit Ostung zusammen, ist allerdings aus
der italienischen Seglersprache übernommen und bedeutete ursprünglich
Ausrichtung der Segel nach Osten, dann generell nach dem Wind. So wurde
der Teilbegriff Ostung zum Gesamtbegriff Ausrichtung.
Die besondere Wertschätzung der Ostrichtung im lateinischen Mittelalter
ist nun keineswegs eine genuin christliche Eigenheit; sie hat vielmehr ihren
Ursprung in der Tatsache, daß man sich bei Ostung der aufgehenden Sonne
zuwendet, die erneut Licht, Wärme und Leben spendet. Daher findet sich
die Ostung in der Kartographie ganz verschiedener Kulturen, u.a. bei zen-
traltürkischen Stämmen des 11. Jahrhunderts ebenso wie in den altamerika-

30
Vgl. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Mappa mundi und chronographia. Studien zur
imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: DA 24 (1968) S. 118-186, bes. Kap. 8
S.175ff. ( = o . S.70ff.).
[14] X. Raum und Zeit 233

nischen Hochkulturen, die von Osten die Ankunft der weißen Götter erwar-
teten.
Die Bibel lokalisiert das Paradies im Osten, in der Vulgata a principio,
räumlich wie zeitlich zu deuten. Hebräisch heißt es QTj???, auch mit „vom"
zu übersetzen. Der hebräische Sprachgebrauch identifiziert nicht nur „vorn"
mit „im Osten", sondern auch „rechts" mit „im Süden" und „links" mit „im
Norden". Christus fuhr gen Osten in den Himmel, und von dort wird er wie-
dererwartet. Deshalb osten die Christen ihre Sakralbauten im Regelfalle.
Nachteil der Ostung für die Praxis ist die Tatsache, daß die Sonne jeden
Tag in den Augen des Beobachters an einer anderen Stelle aufgeht; die
Nordung bzw. Südung, die in der Benutzung des Magnetsteins ihre Grund-
lage hat, ist vergleichsweise wesentlich geringeren Schwankungen ausgesetzt
und hat daher in vielen Kulturen ihre Stellung erobern und behaupten kön-
nen.

B5.

Die s c h e m a t i s c h e T - K a r t e d e s f r ü h e n M i t t e l a l t e r s wurde daher


das Modell aller Weltkarten des Abendlandes.
Die lateinische Welt hat in der Antike - praktisch, wie sie war - vor allem
Straßenkarten erstellt, die genaue Kenntnisse über Entfernungen und Etap-
penstationen vermittelten, den Römern daher für Feldzüge wie für Verwal-
tungszwecke in ihrem Großreich unentbehrlich waren. Doch schon Vipsani-
us Agrippa, der Schwiegersohn des Kaisers Augustus, gilt als Schöpfer einer
verlorenen römischen Ökumenekarte, die die Welt ums Mittelmeer in einem
Rund darstellte. Sie zeigte die drei damals bekannten Erdteile Asien, Europa
und Afrika.
Die Bibel kennt diese drei Erdteile nicht, verwendet aber entsprechend die
Vorstellung von drei Noachidenkontinenten: nach der Flut wurde die Welt
unter Noes Söhne aufgeteilt, Sem als ältester erhielt Asien, Cham Afrika und
Japhet Europa.
Augustinus bietet31 Angaben über die Größenverhältnisse der drei Erdteile
untereinander; danach nimmt Asien die östliche, d.h. obere Erdhälfte ein,
Europa und Afrika jeweils ein Viertel des Erdkreises unten links und unten
rechts. Hatte man in der Antike die Ansicht vertreten, daß fünf Sechstel der
Erdoberfläche von Wasser bedeckt seien - nach heutigen Erkenntnissen sind
es 70,8 % -, so glaubte das Mittelalter im Gefolge des IV. Henochbuches,

31
De civitate Dei 16, 17.
234 Studien zur Universalkartographie [14/15]

daß sechs Siebentel Festland seien.32 Infolgedessen wurde dem Wasser nur
wenig Raum auf Karten belassen; doch hatte es die Funktion, die drei Erd-
teile voneinander zu scheiden.
Durch ein T von Gewässern, dessen Schaft das Mittelmeer bildete, dessen
Balken Don, östliches Mittelmeer und Nil ausmachten, wurden einerseits
Europa und Afrika gegeneinander, andererseits Asien von den übrigen Kon-
tinenten abgegrenzt. Die Abendländer waren im Mittelalter nur beschränkt
als Seefahrer aktiv, erst im Spätmittelalter erhält die Meeresdarstellung in
der Kartographie Gewicht. So begnügte man sich im Frühmittelalter weitge-
hend mit rein schematischen T-Karten, wie sie sich insbesondere in den
Handschriften der «Etymologiae» Isidors von Sevilla, der Enzyklopädie des
frühen und hohen Mittelalters, finden.
Eine solche Karte (vgl. unten Tafel 5), 33 hier aus einem Kodex des 9. Jahr-
hunderts, zeigt einen Kreis, der durch das eingezeichnete T in eine Hälfte
und zwei Viertel zerlegt wird. An Legenden finden sich lediglich die Namen
der drei Erdteile eingetragen.
Auch von diesen primitiven Schemakärtchen gibt es frühe Versionen, die
die im 12. Jahrhundert blühende symbolische Weltdeutung anklingen lassen,
so auf einem St. Galler Palimpsest aus dem 8. Jahrhundert (vgl. unten Tafel
6). 34 Hier sind T-Karte, Zonenkarte und christliches Weltverständnis kom-
biniert. Rechts, d.h. im Süden, ist ein unbewohnbarer Kontinent als Segment
ausgegliedert. Die bewohnte Welt ist geostet und zerfällt in drei Kontinente,
die die antiken Namen ebenso wie die der Noachiden tragen. Allerdings ist
die Wasserscheide Mittelmeer durch Asien hindurchgezogen, so daß dieses
zweiteilig erscheint. Man kann diesen Strom aber auch als Stamm eines
Kreuzes deuten, über das sich Christus - in der Haltung des Gekreuzigten -
als Herr über die Welt erhebt; andererseits kann man die Wasserläufe in der
bewohnten Welt als Kreuz verstehen, über das Christus nun emporgestiegen
ist. Jedenfalls ist hier bereits die Erde zum Corpus Christi bildlich in Bezie-
hung gesetzt.

32
LEITHAUSER (wie Anm.23) S. 53.
33
Ms. Brux. 9311-19 fol. 89 v . - D 2, 1.
34
Vgl. KONRAD MILLER, Mappae Mundi VI (Stuttgart 1898) S. 58 nach Ms. St. Gallen Stifts-
bibl. 237 p. 1 - D 1,6.
[15/16] X. Raum und Zeit 235

B6.

D i e a b e n d l ä n d i s c h e Ö k u m e n e k a r t e hat sich aus der Kombination


römischer Ökumenekarten mit den T-Karten entwickelt. Ein Beispiel deko-
rativer früher Kartenkunst lieferte der Spanier Beatus von Liébana in seinem
zwischen 776 und 786 entstandenen Apokalypsenkommentar, mit dem er
die Aussendung der zwölf Apostel an die Enden der Welt erläutern wollte.
Das Original ist nicht erhalten, die vorliegende Skizze der Karte aus Burgos
de Osma (vgl. unten Tafel 14)35 aus dem Jahre 1086 gibt eine Vorstellung
der ursprünglichen Anlage und ihrer Zielsetzung. Sie zeigt z.B. Thomas in
Indien im äußersten Osten, Jakobus d. Ä. in Spanien im Westen, dazu die
übrigen neun Jünger und Paulus.
Die ansehnlichste der zahlreichen erhaltenen Kopien dieser Karte, die al-
lerdings auf die Apostelköpfe verzichtet, ist die von St.-Sever von 1045 (vgl.
unten Tafel 13).36 Aus dem Rund der Erdscheibe ist hier ein Oval geworden,
vermutlich vorgegeben durch das Format des aufgeschlagenen Buches. Da
der Zeichner in Europa beheimatet ist, hat er dieses detaillierter und daher
im Verhältnis größer gemalt. Mittelalterliche Kartenzeichner waren nämlich
erfüllt von einem horror vacui, Angst vor weißen Flecken auf der Landkarte.
Wenn sie über ein Gebiet wenig wußten, schoben sie die Grenzen kurzer-
hand zusammen; hatten sie viele Plätze zu vermelden, dehnten sie das Land
einfach aus. Daher gerät das linke untere Viertel der Karte, nämlich Europa,
eben größer. Man findet S.-Sever deutlich im Westen ausgezeichnet, den
Entstehungsort der Karte. Da weder Maßstab noch äußere Form die Dar-
stellung bestimmen, helfen nur die Legenden, die eingezeichneten Plätze zu
identifizieren. Von Italiens Stiefelform ist im Bilde nämlich nichts übrigge-
blieben, aber das Stadtsymbol von Rom ist nicht zu übersehen. Ein relativ
breites Mittelmeer trennt Europa von Afrika. Darin schwimmen viele Inseln
von stereotyp ovaler Form, bei denen es sich laut Legende um Zypern, Kre-
ta, Sizilien, Korsika, Sardinien, Mallorca, Menorca und Gades - das für
Cadix steht - handelt. Im die Erde umgebenden Weltenozean findet man Ir-
land, Britannien, Thule, die Gold- und Silber-Insel, die Insel der Seligen
usw. Spanien ragt als Dreieck ins Mittelmeer. Die Adria sowie Hellespont
und Schwarzes Meer bilden zwei Meeresarme. Vom Asowschen Meer, das
nicht ausdrücklich benannt ist, ist es nicht weit bis zum Nördlichen Eismeer,
denn Rußland war dem Maler unbekannt. Von Städten sind sichtbarlich die

35
Vgl. MILLER (wie Anm. 34) I (1895) S. 35 bzw. vgl. dazu D 17,8.
36
Ms. BN lat. 8878 fol.45 t e r - D 17,7.
236 Studien zur Universalkartographie [16/17]

hervorgehoben, in denen Apostel wirkten; hieran ist die Beziehung zur ur-
sprünglichen Funktion der Karte noch kenntlich.
Da Jerusalem seinen Platz im Südwesten Asiens hat, bildet es nicht den
Kartenmittelpunkt. Fast liegt bei Beatus Rom dem Zentmm näher, denn er
hat Europa sorgfältig bearbeitet, Asien und Afrika erscheinen geschrumpft.
Südlich von Afrika bildet das Rote Meer einen Gürtel, der als Segment des
Ovals einen unzugänglichen Kontinent abschneidet. Dieser wird durch seine
Legende ausdrücklich als vierter Kontinent neben den drei bekannten der
Welt ausgewiesen und erhält die Zahl Vier offenbar in Erinnerung an die
Erdteile des Krates von Mallos. Er liege jenseits des Ozeans im Süden und
sei wegen der dort herrschenden Sonnenhitze unerforscht. An seinen Enden
lebten Fabelwesen.
Im Scheitel der Karte befindet sich das Paradies.
Bereits Hieronymus hatte gefordert, daß Jerusalem den Mittelpunkt der
Welt als Stadt Gottes darstellen müsse; Entsprechendes findet sich auch in
anderen Kulturen: bei den Indern bildet der Götterberg Meru das Zentmm,
bei den Persem Gandjak oder Siz, bei den Azteken das paradiesische Tol-
lan, bei dem Türken al-Kaschgari Balasaghun, bei den Griechen Delphi
oder Delos, bei den Arabern Mekka oder - bei hemisphärischen Karten -
die Dämonenfestung Arym als Ende der bewohnten Welt.37 Der geometri-
sche Mittelpunkt einer T-Karte - nämlich Schnittpunkt von T-Balken und
T-Schaft - fällt aber buchstäblich ins Wasser. So hat erst um 1110 - vielleicht
im Zusammenhang mit einer Jerusalem-Renaissance durch die Kreuzzüge -
ein Zeichner (vgl. unten Tafel 19)38 die Anweisung des Hieronymus ausge-
führt, und prompt fiel Jerusalem ins Meer, exakt im Schnittpunkt von Mit-
telmeer, Don und Nil. Auch sonst hat der Zeichner eigenwillige Vorstellun-
gen von der Welt, denn Irland und Britannien liegen bei ihm im Weltenozean
bei Nordasien, ebenso lokalisiert er Athen und Konstantinopel in Asien. In
der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erlebte der Typ der abendländischen
Ökumenekarte, die am T-Schema orientiert ist, seinen Höhepunkt. Die
schönsten Kunstwerke sind die überformatigen Ausfertigungen von Ebstorf
und Hereford. Ihr kleinformatiges Gegenstück ist die Psalterkarte von Lon-
don, im Lichtbild leichter vorführbar (vgl. unten Tafel 42). 39 Christus er-
scheint als Weltenrichter über einem Erdkreis, der in der Originalhand-
schrift nur 8 cm Durchmesser hat. Christus ist von zwei Engeln beseitet, die
Gefäße mit Weihrauch schwingen. Auch hier kann die Erdscheibe als Leib

37
Vgl. v. DEN BRINCKEN (wie Anm. 30) S. 185 (= o. S.80).
38
Ms. Oxford St. John's College 17 fol.6 - D 25, 8.
39
Ms. London BL Add. 28681 fol.9 - D 49, 8.
[17/18] X. Raum und Zeit 237

Christi verstanden werden, unten von zwei Drachen gehalten. Exakt im Mit-
telpunkt der Karte, aber korrekt in Asien, ist Jerusalem eingezeichnet, da
dem größten Erdteil etwas mehr als die obere Hälfte der Welt eingeräumt
ist. Im äußersten Osten findet sich das Paradies. Sogar fünf Paradiesflüsse
ergießen sich von dort in den Erdkreis, der Ganges ist eigens bezeichnet,
während er sonst mit dem Phison identifiziert zu werden pflegt. Noch immer
hat die Erde vier Einbuchtungen des Weltmeeres, und - wie schon früher -
ist das Rote Meer rot koloriert. Der Nordosten Asiens ist durch einen Wall
abgetrennt, der einen bestimmten Raum vom übrigen Land abgrenzt, offen-
bar das Gebiet der Völker Gog und Magog oder der eingeschlossenen Na-
tionen aus Ezechiel 38 und 39. Konstantinopel gegenüber zeichnet der Kar-
tograph Troja ein, als hätten beide nebeneinander und miteinander existiert.
Im Süden, d. h. ganz rechts im Kreis, wartet der Maler mit einer perfekten
Bildergalerie der Monstren und Fabelwesen auf.

B7.

A n t i k e s W i s s e n u n d c h r i s t l i c h e T o p o g r a p h i e sind b e i L a m -
b e r t v o n S a i n t - O m e r um 1119 im «Liber Floridus» in geglückter Weise
kombiniert, denn ihm gelingt die Verbindung der christlichen Ökumene- mit
der Zonenkarte. Die hemisphärische Ökumenekarte des Genter Autographs
ist leider nicht erhalten, doch findet sich dort die bildlich besonders anspre-
chende T-Karte in der Hand des Kaisers Augustus (vgl. unten Tafel 21). 40
Der Thronende hält den Erdkreis oder den Reichsapfel, und die Umschrift
des Bildes zitiert den Anfang der Weihnachtsgeschichte: die Steuerschät-
zung, die der Kaiser befahl, heißt lateinisch descriptio orbis, d.i. auch „Erd-
beschreibung".
Zonenkarten lieferte Lambert gleich drei, im Wolfenbütteler Kodex be-
sonders eindrucksvoll erhalten. 41 Die erste (vgl. unten Tafel 23) zeigt die
Spera Macrobii, die Kugel des Macrobius, betont unter physikalischen
Aspekten. Der Lauf der Sonne um die Erde und die Solstitialpunkte sind
hervorgehoben; die geostete Scheibe ist senkrecht geteilt von der von der
Sonne verbrannten Zone, die vom Äquatorialozean durchschnitten wird. An
die heiße Zone schließen sich nach außen beidseitig die gemäßigten Zonen
an, ganz außen links und rechts finden sich die Polargebiete. Die bewohnte
nördliche Zone hat im Osten zwei offenbar durch das Kaspische Meer ge-

40
Ms. ÜB Gent 92 fol. 138v- D 40, 1.
41
Ms. Guelf. 1 Gud. Lat. Fol. 16v, fol.59v-60rund fol. 69v-70r - D 43, 2.
238 Studien zur Universalkartographie [18/19]

trennte Halbinseln, in der Mitte und im Westen besteht sie aus je einer Insel.
Jede weitere Nomenklatur fehlt. Detaillierter fiel die zweite Zonenkarte (vgl.
unten Tafel 24), genannt Globus Terre, Erdglobus, aus. Allerdings ist das
Äquatorialmeer irrtümlich als Mittelmeer ausgewiesen. In der bewohnten
Welt sind immerhin die drei Erdteile benannt, auch T-Schaft und linker T-
Balken kenntlich. In Asien ist als Ort lediglich Babylon eingezeichnet, da-
hinter das Land Gog und Magog. Als Entsprechung zu Babylon erscheint in
Europa Rom.
Für die große hemisphärische Weltkarte (vgl. unten Tafel 25) beruft
Lambert sich ausdrücklich auf Martianus Capella als Vorlage. Auf dieser
Karte nun sind die unbewohnbaren Zonen nur angedeutet bzw. durch eine
knappe Legende benannt. Eine große Legende füllt die gemäßigte Zone auf
der südlichen Halbkugel, aus der man erfährt, daß die Kinder Adams dort-
hin keinen Zugang haben. Es herrscht dort die entgegengesetzte Jahreszeit
und ein anderer Sternhimmel als auf der bewohnten Welt, hingegen ist die
Tageszeit dieselbe in beiden Zonen. Lambert weiß, daß die Philosophen dort
die Antipoden vermuten, richtiger hätte er von den Antöken gesprochen. In
der hemisphärischen Ökumene ist das T der Meere und Flüsse deutlich her-
vorgehoben. Sie ist zudem von einem Inselkranz umgeben, deren östlichste,
eine Halbinsel übrigens, Paradies heißt. Eine Gegeninsel im Westen ist nach
den Antipoden benannt und offenbar bei Lambert ein Relikt für den rücksei-
tigen Antichthonenkontinent: auf dieser Insel vermeldet Lambert andere Ta-
ges-, aber gleiche Jahreszeiten wie auf der bewohnten Welt, was an die Peri-
ökumene denken läßt. Lambert hat hier Probleme mit der Darstellungstech-
nik, da er nicht auf die Idee verfiel, die Rückseite der Erdkugel als zweiten
Planiglob zu zeichnen. Diese Kartenform ist im christlichen Abendland da-
mals völlig singular und vielleicht aus Martianus Capella übernommen, zu-
mal die Nomenklatur von Lamberts Ökumene weitgehend heidnisch-antik
geprägt ist: man begegnet vor allem den römischen Provinznamen.
Die Austauschbarkeit von Raum und Zeit lassen auch hier Paradies, Anti-
poden, Babylon, Rom, Flandern usw. nebeneinander stehen, doch ist hier
die Welt in astronomische Zusammenhänge eingeordnet.

C.

Zum S c h l u ß seien R a u m u n d Z e i t in d e r E n z y k l o p ä d i e d e r
S c h o l a s t i k an der E b s t o r f e r W e l t k a r t e und an V i n c e n z v o n
B e a u v a i s , an einem Bilderbogen und an einem Text, betrachtet. Beide
Zeugnisse gehören ins zweite Drittel des 13. Jahrhunderts.
[19/20] X . Raum und Zeit 239

Auf der überformatigen, dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallenen


Ebstorfer Weltkarte kommen Erdscheibe und Leib des Gekreuzigten zur
vollständigen Deckung. Diese Bilderenzyklopädie umfaßt ebenso Erdbe-
schreibung wie Heilsgeschichte vom Paradies-Aufenthalt der Menschheit an
bis in die Zeit der Entstehung des Territoriums Braunschweig-Lüneburg im
13. Jahrhundert. Eine Fülle von Geschehnissen ist auf die Fläche von 358 x
356 cm gebannt, in deren Mittelpunkt Christus in Jerusalem - er ist mithin
zweimal auf der Karte abgebildet - dem Grabe entsteigt.
Zur gleichen Zeit schreibt der Franzose Vincenz von Beauvais, der erste
Universalhistoriker unter den Mendikanten, die umfangreichste historische
Summe des Mittelalters schlechthin, das «Speculum Historiale». In der ein-
leitenden Rechtfertigungsschrift äußert er sich über den Nutzen der Profan-
geschichte so: 42
„Wie groß aber ist schon die Schönheit auch des Geringsten auf dieser
Welt und wie lieblich für ein Auge mit Vernunft, das sorgfältig nicht nur Art,
Zahl und Ordnung der Dinge betrachtet, die an verschiedenen Plätzen der
Welt angemessen und ordentlich aufgestellt sind, sondern auch die Umwäl-
zungen der Zeit beobachtet, die durch ihr Auf- und Abtreten fortdauernd er-
klärt und durch das Sterben und Geborenwerden unterteilt werden.
Ich zwar - um ganz zu schweigen von denen, die reinen Herzens sind und
denen eigen ist, daß sie Gott schauen und sich in ihm erfreuen -, ich sage -

42
Apologia Actoris c. 6, ed. ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Geschichtsbetrachtung bei
Vincenz von Beauvais. Die Apologia Actoris zum Speculum Maius, in: Deutsches Archiv für Er-
forschung des Mittelalters 34 (1978) S. 473 f.: lam vero quanta est pulchriludo etiam infima huius
mundi, et quam grata rationis aspectui diligenter consideranti, non solum modos et numeros et ordines
rerum, que per diversas mundi partes decentissime et ordinarissime collocantur, verum et volumina
temporum, que per decessiones atque successiones earum iugiter explicantur et in morte nascentium di-
stinguntur. Ego quidem - ut taceam de mundis corde, quorum est proprium Deum videre et in ipso
delectari -, ego inquam - utfateor - licetpeccator indignus, cuius nimirum mens adhuc infecibus car-
nis sue iacet eiusdem sordibus obvoluta quadam tarnen spirituali suavitate in mundi creatorem ac rec-
torem afficior, ipsumque maiori veneratione ac reverentia prosequor: cum ipsius creature magnitudi-
nem simul et pulchritudinem eiusque permanentiam intueor. Ipsa namque mens plerumque paululum
a prefatis cogitationum et affectionum fecibus se erigens, et in specula rationis - ut potest - assurgens,
quasi de quodam eminenti loco totius mundi magnitudinem uno ictu considerai, infinita loca diversis
creature generibus repleta intra se continentem. Evum quoque totius mundi videlicet a principio us-
que nunc uno quodam aspectu nichilominus conspicit, ibique tempora omnia per diversas generatio-
num successiones rerum mutationes continentia quasi sub quadam linea comprehendit, et inde saltern
intuitu fidei ad cogitandum utcumque creatoris ipsius magnitudinem, pulchritudinem atque perpetui-
tatem ascendit. Ipse namque mundus spaciositate locorum imitaturpro modulo suo creatoris inmensi-
tatem, varietate specierum ipsius pulchritudinem, prolixitate quoque temporum eius etemitatem. Hec
autem ipsa temporalis pulchriludo, que rerum transitu ac successu peragitur, historica narratione com-
prehenditur, que ab initio mundi usque adfinem in hoc opere pienissime describitur.
240 Studien zur Universalkartographie [20/21]

und gestehe als gar unwürdiger Sünder, dessen nur allzu geringer Geist bis-
lang im Abschaum des Fleisches liegt und sich im Schmutz wälzt -, daß ich
durch eine gewisse, dabei geistliche Süßigkeit mit Liebe zum Schöpfer und
Regierer der Welt erfüllt werde und ihn mit umso größerer Hingabe und
Ehrerbietung suche, wenn ich die Größe seiner Schöpfung und zugleich ihre
Schönheit wie ihre Dauerhaftigkeit betrachte. Eben dieser Geist nämlich,
der sich sehr oft ein wenig von vorgenanntem Auswurf im Denken und Füh-
len erhebt und zu den Spiegeln der Vernunft - soweit er vermag - aufsteigt,
betrachtet gleichsam mit einem Blick von einem erhabenen Ort aus die Grö-
ße der ganzen Welt, ihre ungezählten Plätze, gefüllt mit den verschiedensten
Arten von Geschöpfen.
Auch die Fortdauer der ganzen Welt, nämlich vom Anfang bis jetzt, erfaßt
er in einem Hinsehen, und dazu alle Zeitläufte, die verschiedene Abfolgen
und Wechsel von Generationen umschließen, begreift er gleichsam unter ei-
ner Linie, und von da an wenigstens steigt er auf durch den Sichtwinkel des
Glaubens zum Nachdenken über die Größe des Schöpfers selbst, seine
Schönheit und seine Ewigkeit.
Die Welt nämlich ahmt durch die Geräumigkeit ihrer Platze in ihrer Pro-
portion die Unermeßlichkeit des Schöpfers nach, durch die Vielfalt ihrer Ar-
ten seine Schönheit, durch die Fülle der Zeiten auch seine Ewigkeit.
Aber die zeitliche Schönheit selbst, die sich im Vergehen und Werden der
Dinge vollzieht, wird von der Geschichte erfaßt, die vom Anfang der Welt
bis zu ihrem Ende in diesem Werk («Speculum Historiale») vollständig be-
schrieben wird."
XL Weltbild der lateinischen Universalhistoriker
und -kartographen

A. Einleitung: Die Gewichtung von Raum und Zeit in der Universalhistoriographie


des Alto Medioevo
B. Weltbild der lateinischen Universalhistoriker und -kartographen
I. Die Wurzeln
1. Die biblisch-hellenistische Synchronistik bei Hieronymus
2. Das römische geprägte Weltbild im Geschichtswerk des Orosius
3. Naturwissenschaft im abendländischen Schulbuchwissen
IL Die Synthese
4. Der Enzyklopädist Isidor von Sevilla
5. Chronographie und Kartographie von der Karolingerzeit bis zu den Kreuzzü-
gen
C. Schluß: Zusammenfassung

A. D i e G e w i c h t u n g v o n R a u m u n d Z e i t
in d e r U n i v e r s a l h i s t o r i o g r a p h i e d e s A l t o M e d i o e v o

„Um d a h e r von der Erschaffung der Welt . . . bis auf unsere Tage die Kon-
flikte des Menschengeschlechtes namhaft zu machen, soweit ich sie zur
Kenntnis zu bringen vermag, und um die an verschiedenen Enden durch
Übeltaten brennende Welt, aus dem Hinterhalt angesteckt durch die Fackel
der Begierde, vorzuführen, halte ich es für unumgänglich, d a ß ich zuerst
den Erdkreis darstelle, den das Menschengeschlecht bewohnt, wie er von
unseren Vorfahren als dreigeteilt und durch Länder und Provinzen gekenn-
zeichnet ist: um so leichter können die an verschiedenen Orten erfolgten Ka-
tastrophen durch Kriege und Krankheiten aufgezeigt werden, und jeder
Lernwillige erwirbt nicht nur Kenntnisse der Gegenstände und Zeiten, son-
dern auch der Schauplätze". 1 Mit diesen Worten rechtfertigt Paulus Orosius

' Dicturus igitur ab orbe condito... usque ad dies nostros, in quantum ad cognitionem vocare suf-
fecero, conflictationes generis humani et veluti per diversas partes ardentem malis mundumface cupi-
ditatis incensum e specula ostentaturus necessarium reor, ut primum ipsum terrarum orbem quem in-
habitat humanum genus, sicut est a maioribus trifariam distributus deinde regionibus provinciisque
242 Studien zur Universalkartographie [378/379]

den geographischen Exkurs zu Beginn seiner Weltgeschichte. Er richtet sein


Werk gegen die Heiden und will an Hand allen Unheils im vor- und außer-
christlichen Bereich aufzeigen, daß der Zustand der Welt sich seit der Chri-
stianisierung Roms keineswegs verschlechtert habe. 2 In diesem Zusammen-
hang ist ihm die Kenntnis der Orte des Geschehens ebenso wesentlich wie
die der Sachverhalte und Zeiten.3
Raum und Zeit werden zu verschiedenen Epochen von den Universalge-
schichtsschreibern unterschiedlich gewichtet. Darüber hinaus hat das per-
sönliche Anliegen des Autors, sein individuelles Weltbild und selbstverständ-
lich das seiner Vorlagen Einfluss auf die jeweilige Gestaltung.
In der Antike haben erst die Züge des Makedonen Alexander und die
Großräumigkeit seiner Reichsbildungen im Zeitalter des Hellenismus den
Horizont der Historiker in einem zuvor nicht gekannten Maß geweitet; dies
bezeugen die Schriften des Alexander Polyhistor und im augusteischen Zeit-
alter die des Diodoros Sikulos, Pompeius Trogus und Nikolaos von Damas-
kus. Zeitliche Universalität im Sinne eines linearen Geschichtsablaufes von
der Schöpfung der Welt bis zu ihrer Vollendung verkündet vor allem die
Heilige Schrift. Die ersten christlichen Weltchroniken schöpfen aus beiden
Quellengruppen. Da das Römische Reich damals Weltherrschaftsanspruch
erhebt und zumindest den Raum rund um das Mittelmeer beherrscht, ist das
Weltbild mediterran geprägt. Man weiß darüber hinaus aber durchaus um
Gebiete extra limina Romani Imperii. Im übrigen gewinnt die Zeitkompo-
nente für die christlichen Apologeten des ersten Jahrtausends ganz eindeutig
das Übergewicht. Es gilt dabei u.a., den Nachweis des höheren Alters des
auserwählten Volkes der Bibel zu erweisen, unerlaubte Parusieberechnungen
zu verhindern oder zu widerlegen, die Übereinstimmung verschiedenartiger
Datierungen zu sichern, biblizistische und christliche Ären zu erstellen und
zu propagieren. Andererseits verengt sich die räumliche Sicht. Das Römische

determinatus, expediam; quo facilius, cum locales bellomm morborumque clades ostentabuntur, Stu-
diosi quique non solum rerum ac temporum sed etiam locorum scientiam consequantur : vgl. Pauli
Orosii Historiarum adversum paganos libri VII, ed. CARL ZANGEMEISTER, IN: C.S.E.L. V, Wien
1882,1, 1, 14-17, S.8.
2
Das jüngste Werk über Orosius, HANS-WERNER GOETZ, Die Geschichtstheologie des Oro-
sius, Darmstadt 1980 (Impulse der Forschung XXXII), verzeichnet die wesentliche Literatur
S. 167-172.
3
Der Geschichtsphilosoph Hugo von Sankt-Viktor hat im 12. Jahrhundert in der Vorrede zu
seinem «Liber de tribus maximis circumstantiis gestorum» als die für den Historiker wesentli-
chen Kategorien herausgestellt: Tria igitur sunt in quibus praecipue cognitio pendet rerum gestarum,
id est, personae a quibus res gestae sunt, et loca in quibus gestae sunt, et tempora quando gestae sunt;
vgl. WILLIAM M. GREEN, Hugo of St. Victor, De tribus maximis circumstantiis gestorum, in: Spe-
culum XVIII, 1943, S.491.
[379/380/381] XL Das Weltbild der Universalhistoriker 243

Reich gerät seit Ende des vierten Jahrhunderts in die Krise. Vollends der
Einbruch der Moslems in den Mittelmeerraum erschwert den Zugang nach
Nordafrika und Vorderasien erheblich, so daß die Welt lateinischer Zunge
sich zunehmend auf sich selbst beschränkt. Dennoch bleiben in Schulbü-
chern Relikte hellenistischer Weltkunde ebenso lebendig wie praktische Er-
fahrung der römischen Reichsverwaltung. Mithin ist das Weltbild der Histo-
riker im Alto Medioevo nicht so sehr von Entdeckungen und Neuerkenntnis-
sen geprägt als vom Bewahren, Auswählen und Harmonisieren widersprüch-
licher Aussagen. Auch verläuft diese Entwicklung in einer ruhigen
Geradlinigkeit nicht nur bis ins Zeitalter des Gregorianismus, sondern un-
verändert bis in die Kreuzzugszeit, die hier den großen Einschnitt bildet;
diese ist als Epoche allerdings u.a. auch im Zusammenhang mit dem Univer-
salitätsanspruch der römischen Kirche im Reformzeitalter zu sehen. Um
1100 sind es keineswegs nur praktische Erfordernisse, die das geographische
Interesse beleben, sondern vor allem eine intensivierte Anteilnahme am ideel-
len Jerusalem-Verständnis, das mit der Forderung, die Stadt des Heils zum
religiösen wie kartographischen Weltmittelpunkt zu erheben, Ernst macht.
Zu einer Vermessung der Erde kommt es im Alto Medioevo ebensowenig
wie in den folgenden drei Jahrhunderten des Mittelalters: es geht nach wie
vor nicht um naturgetreue Wiedergabe der Welt für praktische Zwecke, son-
dern um Dokumentation der rechten Ordnung. Aber die Weltchronistik seit
1100 erfasst wieder mehr den Orient, belebt die Quellen hellenistischer Zeit
und schafft hieraus kenntnisreiche mystische Weltdarstellungen wie die Eb-
storfer Weltkarte; man hat diese als Chronik, gebannt auf die Fläche einer
Karte, charakterisiert, denn sie berücksichtigt Schauplätze aller Zeiten.4
Im ersten Jahrtausend und auch im elften Jahrhundert überwiegt der Welt-
chronikentyp, der die exakte series temporum zum Kemanliegen hat; nur
vereinzelt findet man den enzyklopädischen imago mundi-Typ,5 der für die
Frage nach Völkern und Ländern besonders ergiebig zu sein pflegt, etwa bei
Isidor von Sevilla und um 1100 bei Lambert von Saint-Omer, Guido von Pi-
sa oder Honorius Augustodunensis.

4
ARMIN WOLF, Die Ebstorfer Weltkarte als Denkmal eines mittelalterlichen Welt- und Ge-
schichtsbildes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht VIII, 1957, S. 204-215.
5
Zu dieser Klassifikation der Weltchronistik vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN,
Abendländisches Mittelalter, in: Mensch und Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universalge-
schichtsschreibung (VII. Forschungsgepräch. des Internationalen Forschungszentrums für
Grundfragen der Wissenschaften) ed. ALEXANDER VON RANDA, Salzburg 1969, S.47 ff.
244 Studien zur Universalkartographie [381/382]

I. Die Wurzeln

1. Die biblisch-hellenistische Synchronistik bei Hieronymus

Die frühesten christlichen Weltchroniken aus dem 3. Jahrhundert, die Chro-


nographien des Sextos Julios Aphrikanos und des Hippolytos von Rom, in
griechischer Sprache verfaßt, sind verloren.6 Aus Fragmenten ist zumindest
für Hippolytos sowohl durch den Diamerismos, den Bericht über die Zer-
streuung der Menschheit nach dem Turmbau von Babel,7 als auch durch den
Stadiasmos des Mittelländischen Meeres* ausgeprägtes Interesse an Völkern
und Ländern nachgewiesen. Er nennt nämlich anläßlich der Sprachenverwir-
rung keineswegs nur die 72 Zungen, sondern auch ihre Nachfahren, ordnet
sie den Noe-Söhnen zu, verzeichnet ihre Länder und Inseln sowie deren Ber-
ge und Flüsse, auch die Schriftkundigkeit der einzelnen Stämme. Der
Schwerpunkt des Interesses - und das bleibt für das gesamte Frühmittelalter
charakteristisch - liegt auf Völkern vor Ländern. Soweit Weltchroniken geo-
graphische Exkurse und Karten aufweisen, finden sich diese vorzugsweise
bei der Aufteilung der Erde unter die Noachiden oder bei der Sprachenver-
wirrung, ggf. entsprechend auch in Genesis-Kommentaren.
Aphrikanos sowie sein bedeutenderer Nachfolger Eusebios von Kaisareia
im 4. Jahrhundert lebten in Palästina, Hippolytos in Rom. Hieronymus, 381
Übersetzer, Bearbeiter und Fortsetzer der Chronik des Eusebios, verlegte
386 seinen Sitz ganz nach Palästina, nachdem es ihm in Rom nicht gelungen
war, das höchste Amt in der Kirche zu erreichen. Geboren an der Grenze
zwischen ost- und weströmischem Gebiet, hatte er in jungen Jahren lange
Zeit im Osten verbracht und griechisches Bildungsgut erworben, das seinen
großen Übersetzungen ins Lateinische dienlich war. Die theoretische Chro-
nologie des Eusebios erachtete er für wenig nützlich für lateinische Leser,
aber große Mühe verwandte er auf den Erhalt der Synchronistik für die Zeit
seit Abraham. 9

6
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das
Zeitalter Ottos von Freising, Düsseldorf 1957.
7
Liber generationis, ed. THEODOR MOMMSEN, Chronographus anni 354, in: M.G.H., Aueto-
res Antiquiss. IX, 1892, S.94-112.
8
VON DEN BRINCKEN (wie Anm. 6) S. 56.
' Hieronymi Chronicon, in: EUSEBIUS, Werke VII, ed. RUDOLF HELM, in: Die griechischen
christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, XXIV und XXXIV, Leipzig 1913 und
1926.
[382/383/384] XI. Das Weltbild der Universalhistoriker 245

Im Jahr von Abrahams Geburt regiert der Assyrer Ninus als erster Herr-
scher Asiens bereits im 43. Jahr, 10 der zweite König des griechischen Sikyon
im 22. Jahr, während für Ägypten schon die 16. Dynastie bezeugt wird: Hie-
ronymus kennt für diesen Zeitpunkt mehr als 2000 Jahre vor Christi Geburt
also mindestens vier Herrschaften, drei außerhalb Israels, im Osten, Norden
und Süden, Er beschreibt allerdings weder deren Länder noch Völker, son-
dern nur annalistisch die Abfolge der Regenten und hin und wieder ihre be-
Ddeutsameren Taten. In der Folgezeit kommen als weitere griechische Rei-
che das der Argiver1 ' und das der Athener 12 hinzu, die Argiver werden bald
durch die Mykene 13 ersetzt. Anläßlich des Untergangs von Troja widmet
Hieronymus die Spalte Mykenes den Latinern 14 um, damit begegnet erst-
mals eine Macht des Westens in der Universalchronographie. Nach dem
Fortfall Sikyons erscheinen eine Generation später Zahlenreihen für die
Spartaner und Korinther, 15 so daß die Synchronistik sieben Reiche berück-
sichtigt. Auf acht steigt die Zahl anläßlich der Teilung von Salomos Reich in
die Königtümer Israel und Juda. 16 Gemäß der Weltreichslehre lösen die Me-
der die Assyrer ab, 17 während die Makedonen 18 bereits zu diesem Zeitpunkt
als neunte Herrschaft auf der Weltbühne auftreten. Später ersetzen die Ly-
der die Korinther, 19die Spartaner 20 und das Teilreich Israel 21 verschwinden,
dazwischen lösen die Römer 22 die Latiner ab. Zeitweilig entfällt Athen, 23 die
Perser treten an die Stelle der Meder, 24 wenig später löschen sie die Lyder 25
aus. Mit dem Ende der Babylonischen Gefangenschaft ist die Abfolge der Ju-
den nicht mehr auszumachen. 26 Alexander der Grosse löst alle Vorgänger
mit Ausnahme von Rom 27 ab, doch zerfällt seine Herrschaft in die der Dia-

i° Ebd. f. 20.
11
Anno Abrahae 161, ebd. f. 27.
12
Anno Abrahae 461, ebd. f. 41.
13
Anno Abrahae 705, ebd. f. 53 bzw. anno Abrahae 711, f. 54.
14
Anno Abrahae 835/836, ebd. ff. 60-62.
15
Anno Abrahae 888, ebd. f. 65 bzw. anno Abrahae 916, f. 66.
16
Anno Abrahae 1021, ebd. f. 72.
17
Anno Abrahae 1198, ebd. f. 83.
18
Anno Abrahae 1204, ebd. f. 83.
w
Anno Abrahae 1239, ebd. f. 85.
20
Anno Abrahae 1240, ebd. f. 86.
21
Anno Abrahae 1270, ebd. f. 88.
22
Anno Abrahae 1264, ebd. f. 88.
23
Anno Abrahae 1333, ebd. f. 93.
24
Anno Abrahae 1457, ebd. f. 102.
25
Anno Abrahae 1469, ebd. f. 103.
26
Anno Abrahae 1496, ebd. f. 105.
27
Anno Abrahae 1688, ebd. S. 124.
246 Studien zur Universalkartographie [384/385]

dochen. Von den Makkabäern an haben die Juden wieder ihre Spalte.28 Seit
der Zeit des Augustus beherrscht Rom allein das Feld neben dem auserwähl-
ten Volk, 29 dessen Untergang 30 dann die Synchronistik beendet.
Das geographische Feld, das das historische Weltbild prägt und das natür-
lich von Eusebios übernommen ist, ist identisch mit dem Blickwinkel des
auserwählten Volkes inmitten der vier Weltreiche des Propheten Daniel. Es
gruppiert sich um das Mittelmeer und ist landeinwärts vor allem für Asien
materialreich; dies bleibt für das Mittelalter verbindlich; Hieronymus
schreibt für eine lateinische Welt. Seine Interessensphäre endet in Babylon
im Osten, in Ägypten im Süden, in Makedonien im Norden und in Rom im
Westen. Er sucht dort potestates, Träger der Macht, nicht Völker oder Län-
der. Als Historiker richtet er sein Augenmerk auf handelnde Personen, aber
überwiegend auf Einzelpersonen. Da sein Werk erst mit Abraham einsetzt,
entfällt der Anreiz, im Zusammenhang mit Noe oder dem Turmbau eine
Erdbeschreibung einzuflechten.
Der Name des Hieronymus wird jedoch auch mit zwei mittelalterlichen,
im 12. Jahrhundert gezeichneten Karten in Verbindung gebracht. 31 Da sie
mit Sicherheit in Zusammenhang mit der Kreuzzugsbewegung entstanden,
liegen sie zeitlich jenseits des Alto Medioevo und gehen in der überlieferten
Form nicht direkt und nicht ausschließlich auf Hieronymus zurück, wenn
man da etwa Mesia hec et Vulgaria liest. Beide Karten stehen nicht bei der
Chronik, sondern bei des Hieronymus Übersetzung von Eusebios' «Liber de
situ et nominibus locorum Hebraicorum»; 32 es handelt sich auch nicht um
Weltkarten, sondern im einen Fall um eine geostete Darstellung des Vorde-
ren Orients, im anderen um eine ebensolche des Heiligen Landes. Sie decken
sich allerdings im wesentlichen mit den Schauplätzen der Bibel und der
Chronik unter Ausschluß Roms. Die Orient-Karte des Hieronymus um-
schließt das Land vom Indischen Ozean mit der Insel Thule, Indien, das
Land Gog im Osten, den Don, das Donaugebiet und den Balkan im Norden,
Kreta im Westen, das Heilige Land im Süden, an das sich dann die Palästi-
na-Karte anreiht mit südlicher Mittelmeerküste in Ägypten, Nil und Sudan.
Während die Orient-Karte mehr profanes Namengut bietet, hält sich die Pa-
lästina-Karte an die Heilige Schrift.

28
Anno Abrahae 1856, ebd. S. 141.
29
Anno Abrahae 1987, ebd. S. 163.
30
Ebd. S. 187.
31
Hierzu immer noch am gründlichsten und anregendsten KONRAD MILLER, Mappae mundi.
Die ältesten Weltkarten I-VI, Stuttgart 1895-1898, hier III, S. 1 ff.; Abb. ebd. II, Tafeln 11 und 12
und III, Tafel I nach Ms. London, Brit. Libr., Add. 10 049 fol. 64r/64v (vgl. unten Tafel 1 u. 2).
32
Ed. MIGNE, P.L. XXIII, col. 903ff.
[385/386/387] XL Das Weltbild der Universalhistoriker 247

Nun bezeugt Hieronymus in der Vorrede zum genannten Onomastikon


des Eusebios 33 eine zeichnerische Darstellung von Jerusalem mit Tempel
hinter einer Chorographie, einer Landbeschreibung von Judäa sowie den
verschiedenen Anteilen der Stämme, am Schluß des nachfolgenden Werkes.
Am Ende ist von einer Geographica tabula Palaestinae ... in hac extruenda
mappa die Rede. 34 Mannigfache Übereinstimmungen zwischen Karten und
Text bei Hieronymus lassen die Zeichnungen in jedem Fall zu dem Text an-
gefertigt sein, vielleicht von einem späteren Autor. Altertümlichkeiten auf
den Karten sind kein überzeugendes Indiz für eine Entstehung im 4. Jahr-
hundert, da man sich in der Kartographie besonders streng an Vorlagen hält
und eine Abweichung in der Zeichnung der Verfälschung eines Zeugnisses
gleichzusetzen geneigt ist.35 Die römischen Provinznamen beispielsweise
bleiben bis zum Ende des Mittelalters gebräuchlich, mag sich das Territori-
um auch seit 800 Jahren in der Hand der Moslems befinden und unter völlig
abweichendem Namen geführt werden.
Hieronymus sollte allerdings noch in ganz anderem Sinne für die Karto-
graphie des Mittelalters richtunggebend sein, auch wenn sich das in der Mal-
weise erst mehr als 700 Jahre später im Zeitalter der Kreuzzüge auswirkt:
auf ihn nämlich geht die Forderung zurück, Jerusalem als Weltmittelpunkt
herauszustellen. Im Ezechiel-Kommentar deutet er das Prophetenwort Ista
est Ierusalem: in medio gentium posui earn, et in circuitu eius terras.. . 36 in der
Weise, daß Jerusalem in medio mundi07 gelegen sei als Nabel der Welt. Er
erläutert dies weiter dahin, daß von hier gen Osten Asien liege, gen Westen
Europa, gen Süden Libyen und Afrika, gen Norden Skythien, Armenien,
Persien und Pontus; und in die Mitte der Völker sei es gestellt, damit Gott,

33
Ebd. col. 903: Eusebius ... post decern Ecclesiasticae Historiae libros: post Temporum Ca-
nones, quos nos Latina lingua edidimus: post diversarum vocabula nationum, quae quomodo ol-
im apud Hebraeos dicta sint, et nunc dicantur, exposuit: post Chorographiam terrae Iudaeae, et
distinctas tribuum sortes, ipsius quoque Ierusalem templique in ea cum brevissima expositione
picturam ad extremum in hoc opusculo laboravit, ut congregaret nobis de sancta Scriptura omni-
um pene urbium, montium, fluminum, viculorum, et diversorum locorum vocabula: quae vel ea-
dem manent, vel immutata sunt postea, vel aliqua ex parte corrupta...
34
Ebd. col. 975/976 als späterer Zusatz eines Hieronymus-Benutzers, vgl. dazu MILLER (wie
Anm. 31) III, S. 3; daselbst auch weitere Nachweise.
35
So lautet das Urteil in Gervasii Tilberiensis, Otia imperialia II, 22 zu Beginn des 13. Jahr-
hunderts, ed. GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ, Scriptores rerum Brunsvicensium I, Hannover 1707,
S.956, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Decretum Gratiani C. 3 q. 9 pura et simplex,
Corpus Iuris Canonici, ed. AEMILIUS FRIEDBERG, I, Leipzig 1879, col. 533; vgl. hierzu ANNA-DO-
ROTHEE VON DEN BRINCKEN, „...Ut describeretur universus orbis". Zur Universalkartographie
des Mittelalters, in: Miscellanea Mediaevalia VII, 1970, S. 259f. ( = o. S.92f.).
36
Ezech. 5,5.
37
Hieronymi Commentarli in Ezechielem II, ed. MIGNE, P.L. XXV, col. 52.
248 Studien zur Universalkartographie [387/388]

in Judäa bekannt und in Israel gepriesen, in allen Nationen Nachahmer für


dieses Beispiel fände.
Aus den dem Hieronymus zugeschriebenen Karten kann man die Befol-
gung dieses Grundsatzes nicht erweisen, denn es handelt sich nicht um Welt-
karten. Erst der Zeichner der Oxford-Karte von 111 0 38 hält sich an die An-
weisung; ihm folgten u. a. die Maler der Psalter-Karte von London, der gro-
ßen Karten von Ebstorf und Hereford: Jerusalem war seit 1099 wieder Reali-
tät für das Abendland geworden. Zur gleichen Zeit findet Hieronymus für
seine Chronik in Sigebert von Gembloux 39 einen Fortsetzer, der das Früh-
mittelalter synchronistisch gestaltet und neben Römern Perser, Franken,
Briten bzw. Angelsachsen, Wandalen, Ost- und Westgoten, Hunnen, Lan-
gobarden, Sarazenen und Bulgaren erfaßt, sich allerdings seit der Karolin-
gerzeit auf Franken und Byzantiner beschränkt, dann Franzosen, Engländer
und ab 1100 Könige von Jerusalem aufführt. Dieses Verfahren freilich fand
im Alto Medioevo noch keinen adäquaten Vertreter; vielmehr tendierte man
in dieser Zeit ausgesprochen zur Einsträngigkeit der Geschichtsabfolge. Zu-
dem stand nicht so sehr Jerusalem als vielmehr Rom im Zentmm der Interes-
sen von Historikern und Kartographen. Die biblisch-hellenistische Weltsicht
trat bis 1100 im lateinischen Kulturraum hinter der römischen zurück. 40

2. Das römisch geprägte Weltbild im Geschichtswerk des Orosius

Wie eingangs dargelegt wurde, war es um 417 das Anliegen des spanischen
Priesters Paulus Orosius, die moesta mundi, die Katastrophen der Weltge-
schichte, aus der Überliefemng zu sammeln und damit das mehr geschichts-
theologische Werk des Augustinus «De civitate Dei» in dessen Auftrag nach
der negativen Seite der Weltgeschichte hin zu ergänzen.
Stammte Hieronymus aus dem ost-west-römischen Grenzgebiet, und
schrieb er im Osten für den lateinischen Westen, so ist Orosius ebenso wie
später Isidor im äußersten Westen des Mittelmeerraumes beheimatet. Von
dort sind Asien und selbst Palästina recht weit entfernt. Auch liegt das Ge-

38
Ms. Oxford, St. John's Coll. 17 fol.6r; vgl. MARCEL DESTOMBES, Monumenta Cartographi-
ca Vetustioris Aevi I: Mappemondes A.D. 1200-1500 (Catalogue), Amsterdam 1964, sect. 25, 8,
S.48; vgl. MILLER (wie Anm. 31 ) III, S. 118-120 (vgl. unten Tafel 19).
39
Chronographia, ed. LUDWIG CONRAD BETHMANN, IN: M.G.H., Scriptores VI, 1844,
S. 268 ff.
40
Zur Fragestellung allgemein vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und
chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Archiv
für Erforschung des Mittelalters, XXIV, 1968, S. 118-186, hierS.138f. ( = o. S.35f.).
[388/389] XL Das Weltbild der Universalhistoriker 249

wicht der Darstellung nicht auf der Heilsgeschichte, sondern auf der außer-
biblischen Welt, und diese ist für den Lateiner Rom. Orosius benutzt keine
griechischen, sondern nur lateinische Vorlagen, so die Schriften des Hiero-
nymus, Rufin, Justinus, Fionas, Livius, Eutrop, Sueton, Tacitus und Caesar.
Seine Geschichtensammlung ist mithin ganz romazentrisch, auch in chrono-
logischer Hinsicht durch Verwendung nicht nur der römischen, sondern so-
gar einer retrospektiven römischen Ära. 41 Wie Hieronymus setzt er im Grun-
de erst mit Ninus ein, 42 nachdem er in einem einzigen Kapitel zuvor 43 die
Schöpfung, die Erschaffung des Menschengeschlechts, seinen Fall und die
Sintflut gestreift hat. Der heilsgeschichtliche Aspekt dieses Zeitraumes bot
ihm nicht genügend Unheil. Nur das erste von sieben Büchern umfaßt vorrö-
mische Geschichte. Zu Beginn des zweiten Buches44 bietet Orosius die Welt-
reichslehre in einer eigenwilligen Interpretation: Babylon, Makedonien,
Karthago und Rom repräsentieren bei ihm ausdrücklich die vier Himmels-
richtungen und belegen damit die räumlich-geographische Komponente, die
seiner Geschichtseinteilung eigen ist. Das erste und das letzte Reich sind aus
moralischen Gründen besonders herausgehoben; auch klingt der Gedanke
einer Ost-West-Wanderung an, 45 der seit dem 12. Jahrhundert eine so be-
herrschende Rolle spielen sollte, hier mit Zwischenstationen im Norden und
Süden ausgestattet. Karthagos Einbeziehung rechtfertigt Orosius mit seinem
Ausgreifen nach Sizilien, Sardinien und dem heimatlichen Spanien.
Da Orosius aller Arten Tragödien sammelt, wechseln die Schauplätze
häufig bei Erstellung dieses recht kritischen Bildes der Alten Welt. Von der
Tendenz des Werkes her steht der handelnde Mensch absolut im Brenn-
punkt des Interesses. Die Orte seines Handelns wirken nicht auf sein Tun ein
und sind mithin nur Akzidens, Orosius aber dennoch nicht gleichgültig, wie
eingangs zitiert wurde.
Des Orosius Schildemng der Schauplätze 46 beginnt mit dem Bericht von
dem alles umgebenden Weltenozean und von der Dreiteilung in die Konti-
nente Asien, Europa und Afrika. Asien nimmt den Orient ein, und von dort
liegt - wenn man nach Westen blickt - Europa zur Rechten und Afrika zur
Linken: Orosius beschreibt hier ganz offensichtlich im Text eine Ökumene-
Karte, die gewestet war.

41
Orosii Hist. I, 4 (wie Anm. 1 ), S. 42 u. ö.
42
Ebd.
43
I, 3, ebd. S. 40-42.
44
II, 1,3-6, ebd., S. 81 f.
45
VII, 2, 4-6, ebd. S. 435.
46
I, 2, ebd. S. 9-40.
250 Studien zur Universalkartographie [390/391]

Im folgenden bietet er Grenz- und Gebietsbeschreibung der Erdteile, dar-


auf der Einzelregionen. Länder, Meere, Gebirge, Flüsse und Inseln interes-
sieren ihn jedoch nur um ihrer Lage zueinander willen; auf ihre Wesens-
merkmale - Lieblichkeit, Wärme, Fruchtbarkeit etc. - geht er nicht ein. Ab-
gesehen von der Funktion des Nils erfährt man lediglich im Abschnitt über
Baktrien 47 von den dort wachsenden Gewürzen, zum Skythenland von der
kältebedingt spärlichen Besiedlung,48 zu Irland von dessen günstigem Kli-
ma, 49 zu Afrika50 von hitzebedingtem Bevölkerungsmangel. Diese Charak-
teristika werden jedoch nicht mit den Geschehnissen daselbst verknüpft.
Daß zu Orosius' Werk Karten überliefert sind, ist mehrfach bezeugt; 51
meist sind es kleine schematische T-Karten, eine Form, die für Orosius selbst
noch nicht eindeutig gesichert ist.
Bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang die Karte der Bibliothek von
Albi aus dem 8./9. Jahrhundert 52 , die dem geographischen Kapitel des Oro-
sius beigegeben ist. Es handelt sich um eine der ältesten erhaltenen lateini-
schen Ökumene-Karten schlechthin, von den Isidor-Karten abgesehen.
Die Form des Bildes ist rechteckig; das Festland liegt gleichsam hornför-
mig im Weltmeer. Die Karte ist geostet und zeigt unten das Mittelmeer als
tiefe Einbuchtung. Kleinere Meerbusen außen sind das Kaspische Meer links
im Nordosten, der Persische Golf - ohne Legende - und das Rote Meer
rechts im Südosten. Diese vier Meeresbuchten - Kaspisches Meer als Ozean-
bucht - kennen schon die Vorsokratiker; sie finden sich ganz ähnlich auf der
etwa gleichzeitigen rechteckigen, aber in griechischer Tradition genordeten
Weltkarte des Kosmas Indikopleustes, des christlichen «Topographen» aus
dem 6.Jahrhundert, der die Welt als Tabernakel versteht. 53 Im Gegensatz zu
Kosmas bietet der Orosius-Zeichner außen die Insel Britannien, im Mittel-
meer Kreta, Zypern, Sizilien, Sardinien und Korsika in Phantasieformen.
Die Erdteile sind nicht benannt. Im Osten kennt der Kartograph die Barba-
rei beim Kimerischen Meer, Armenien, Indien, Babylon - als einzige Stadt
durch eine Rosette besonders hervorgehoben -, Persien, Antiochien, Ara-
bien mit Wüste, Sinai als Dreieck, Judäa mit Jerusalem, auch vier den Para-

47
I, 2, 42, ebd. S. 18
48
I, 2, 47, ebd. S. 20.
49
I, 2, 81, ebd. S. 29f.
50
I, 2, 86, ebd. S.31
51
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.38) sect. 22, 4, S.46, 9. Jb.; sect. 49, 22, S. 172, 13.Jh.; sect. 51,
30, S. 186, 15.Jh.
52
Ebd. sect. 22, 1, S.46, Ms. Albi, Bibl. Rochegude 29 p.487; dazu MILLER (wie Anm.31)
III, S.57ff.; VON DEN BRINCKEN (wie Anm.40) S. 139f. ( = o. S.37); (vgl. unten Tafel 3).
53
Ebd. sect. 22, 5, S. 46, Bibl. Apost. Vat, Vat. Gr. 699 fol. 40v (vgl. unten Tafel 4).
[391/392] XI. Das Weltbild der Universalhistoriker 251

diesflüssen entsprechende Ströme, von denen Tigris und Phison benannt


sind. Links erscheinen die Länder Gotien, Thrakien, Makedonien, Achaia
mit Athen, Italien mit Ravenna und Rom, Gallien und Spanien, dazu die
Flüsse Rhein und Rhone, rechts Ägypten mit Alexandrien, Libyen, Afrika
mit Karthago, Numidien, Mauretanien und Äthiopien, als Flüsse Nil und
Ganges. Die Länder bzw. Provinzen sind durch annähernd gerade Linien ge-
geneinander abgegrenzt. Vergleichsweise ist bei Kosmas die Nomenklatur
und Länderkennzeichnung armselig, Meere und Winde - von denen die Al-
bi-Karte nur im Süden den Zephyrus nennt - aber besser dargestellt; vor al-
lem das Paradies mit seinen Flüssen ist im Osten als Sonderkontinent apo-
strophiert.
Von den 50 Legenden der Albi-Karte sind 41 bei Orosius in gleicher
Schreibung belegt, sie folgen den Lagebezeichnungen bei Orosius. Sieben
der neun restlichen Namen liest man bei Isidor, spätere Zutat ist damit si-
cher.
Orosius ist der typische Vertreter eines mediterranen Weltbildes, wie es im
Römischen Reich vor allem den für die Verwaltung bestimmten Straßenkar-
ten eigen ist und als deren bekanntester Beleg die Karte des Castorius gilt.54
Allerdings ist der Maßstab beim Zeichner von Albi ein sehr viel größerer.
Nicht Orte und Raststationen, sondern Länder und Provinzen werden auf-
geführt. In der Vorlage des Orosius wie in der Karte von Albi vermutet man
Schattenrisse der römischen Ökumene-Karte, die auf Vipsanius Agrippa,
den Schwiegersohn des Kaisers Augustus, zurückgehen soll: vermutlich eine
Rund karte, erstellt für Verwaltungszwecke aufgrund praktischer Erforder-
nisse. Ob sie bereits geostet war, mag man bezweifeln, wenn man Orosius
folgt.
Die schematische T-Karte, die zum Grundmodell der abendländischen
Kartographie des Mittelalters wurde, ist erst bei Augustinus 55 sicher be-
schrieben, denn er gibt das Größenverhältnis Asien zu Europa zu Afrika mit
2 : 1 : 1 an, was sich bei Orosius in dieser Form noch nicht findet.56 Doch
trennt auch Orosius Asien von Europa durch den Don, 57 Europa von Afrika
durch das Mittelmeer.58 Bei der T-Karte bildet der Nil die Grenze zwischen
Afrika und Asien, und da die Kontinente vom Weltmeer umgeben sind,
schwimmen sie auf einem Rad als östliche asiatische Hälfte und nordwestli-

54
Ed. u.a. KONRAD MILLER, Die Peutingersche Tafel, Stuttgart 1962.
55
De civitate Dei XVI, 17.
56
Orosius Hist. I, 2, 1 (wie Anm. 1 ), S.9, ist wohl nicht auf Größenverhältnisse und Form zu
beziehen.
" I, 2, 4, ebd. S. 10.
58
1,2, 3, ebd. S.9 f.
252 Studien zur Universalkartographie [392/393/394]

ches europäisches Viertel sowie südwestlicher afrikanischer Sektor; die Ge-


wässer zwischen den Kontinenten bilden ein T, das Mittelmeer den Schaft,
die Don-Nil-Linie den Balken.
Dieses Weltbild ist für die Autoren der Folgezeit verbindlich. Jordanes er-
weitert ausdrücklich die Nachrichten des Orosius in seinen Getica um solche
aus Nordeuropa. 59 Auch der anonyme Geograph von Ravenna, ein vermut-
lich dem 7. Jahrhundert angehöriger Geistlicher, dessen Karte verloren ist,
huldigt diesen Vorstellungen. 60 Die Karte seines Benutzers Guido von Pisa
aus dem Beginn des 12. Jahrhunderts 61 darf als bescheidener Schattenriß gel-
ten. Auch hier sind die Regionen geradlinig abgeteilt. Die vier Paradiesflüsse
beherrschen Asien auf der geosteten Darstellung. Bemerkenswert ist der
Wasserreichtum auf dieser Darstellung, der gänzlich unmittelalterlich ist:
die Antike nahm fünf Sechstel Wasser für die Erdoberfläche an, das Mittel-
alter sechs Siebentel Festland; das tatsächliche Verhältnis ist 29,2 % Fest-
land.
Die einzige große Weltchronik der Karolingerzeit, das Werk des Frechulf
von Lisieux um 830, 62 ist in hohem Maße von Orosius abhängig, wenn auch
der Heilsgeschichte hier wieder ihr Platz eingeräumt ist. Hierzu zieht der
Autor u.a. Hieronymus und Isidor heran. Für Frechulf ist das Römische
Reich untergegangen.
In allen auf breite Erzählung angelegten Universalhistorien des frühen
Mittelalters überwiegt mithin eine geographische Vorstellungswelt, die sich
von Rom aus rund um das Mittelmeer bewegt.

3. Die Relikte griechischer Naturwissenschaft


im abendländischen Schulbuchwissen

Die Kugelgestalt der Erde war der griechisch-hellenistischen Wissenschaft


eine Selbstverständlichkeit. Sie fand auch in die lateinische Literatur und da-
mit sowohl in heidnische Lehrbücher der Spätantike als auch in das Schul-
wissen des christlich-abendländischen Mittelalters Eingang. Da die Christen
festgefügte Formen der Bildung vorfanden und sich ihrer bedienten, blieb zu
allen Zeiten des Mittelalters die Deutung der Erde als Kugel unterschwellig

59
Romana et Getica, ed. THEODOR MOMMSEN, in: M.G.H., Auetores Antiquiss. V, 1, 1882,
Getica I, 4ff., S.54 ff., bes. I, 9, S.55f.
60
Ed. JOSEPH SCHNETZ, Itineraria Romana II, Leipzig 1940.
61
Text ebd.; Karte s. DESTOMBES (wie Anm.38) sect. 25, 2, S.48, Ms. Brux., Bibl. Roy.
3897-3919 fol.53v; vgl. auch MILLER (wie Anm. 31 ) III, S. 54ff. (vgl. unten Tafel 27).
" Ed. MIGNE, P.L. CVI, col. 917 ff.
[394/395] XI. Das Weltbild der Universalhistoriker 253

lebendig. Zwar überwiegt im Westen das Weltbild der römischen Ökumene-


Karte mit ihren historischen Eintragungen, aber hellenistische Naturer-
kenntnis existiert rudimentär fort.63
Es ist vor allem die Darstellung des Krates von Mallos um 150 v.Chr., der
sich die Erdkugel durch zwei sich in rechtem Winkel schneidende Ozeangür-
tel, einen Äquatorialozean und einen durch beide Pole verlaufenden Wasser-
ring, in vier Kontinent geteilt dachte. Als Planiglob oder Hemisphäre darge-
stellt, erhält die Erde im Süden und im Norden je einen bewohnbaren Konti-
nent, an den Polen je eine kalte und um den Äquator eine heiße Wasserzone,
die als unpassierbar gelten. Gewöhnlich nimmt man nur den nördlichen Erd-
teil als tatsächlich besiedelt an. Bei einer Kugel ist auf der Rückseite der An-
tipoden- oder Antichthonenkontinent zu suchen.
Um 400 nach Christus haben Martianus Capella und Macrobius diese
Lehren im Westen vertreten, beide wurden zu Schulbuchautoren des Mittel-
alters. Zu ihren Werken entstand daher die Masse der sogenannten Zonen-
karten, wobei sich besonders Macrobius im ausgehenden Alto Medioevo un-
geheurer Beliebtheit erfreute:64 allein 22 derartiger Karten vor 1100 sind
heute noch nachweisbar. Sie sind primär naturwissenschaftlich orientiert, er-
halten aber bisweilen auch historisch-politische Züge. Gewöhnlich sind sie
in griechischer Tradition genordet. 65 Die bewohnte Zone erinnert dann ent-
schieden wieder an die Karte des Kosmas Indikopleustes, wo die vier Meer-
busen gleichermaßen erscheinen, drei von ihnen auch benannt sind, während
von den Ländern nur Italien, auf vorliegender Karte auch Gades, d.i. Cadiz,
irrtümlich als Insel, Namen tragen.
Diese Karte gibt es auch noch in einer christianisierten Form, 66 sie ist
dann geostet. Die beiden Siedlungssymbole in Asien und Europa möchte
man als Babylon und Rom in Erinnerung an Orosius deuten.
Absurde Sonderformen der Zonenkarte bieten einige zu Isidors Schrift De
natura rerum in westlichen Schulbüchern überlieferte Zeichnungen. 67 Hier
hat der Maler die fünf Zonen entweder als kleine Kugeln auf der Erdkugel

63
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie
des Mittelalters, in: Archiv für Kulturgeschichte, LVIII, 1976, S. 77-95 ( - o. S. 186-205).
64
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.38) S.43ff.
65
Vgl. ebd. sect. 20, 12, S.44; Ms. Oxf., Bodl. d'Orville 77 fol. lOOr; die Karte gehört zu MA-
CROBIUS, Commentarii in Somnium Scipionis II, 9, ed. JACOB WILLIS, Werke II, Leipzig 1963,
2
1970 (vgl. unten Tafel 12).
" DESTOMBES (wie Anm. 38) sect. 8, 1, S.36; Ms. London, Brit. Libr., Cott. Tib. B. V.
fol.28v-29r.
67
Zu diesem Kartentyp vgl. MICHAEL C. ANDREWS, The Study and Classification of Medieval
Mappae Mundi, in: Archaeologia LXXV, 1925/26, S.71.
254 Studien zur Universalkartographie [395/396/397]

untergebracht 68 oder aber versucht, durch bogenförmige Anordnung der


Gürtel den sphärischen Charakter der Erde zum Ausdruck zu bringen, 69 so
daß keine Äquatorialprojektion vorgenommen ist. Die Karte nennt - ent-
sprechend dem begleitenden Text 70 - Aethiopes als Inbegriff heißer Länder,
außerdem Rifei montes als das Ende der bewohnten Welt in Richtung Nor-
den: von Völkern und Ländern bleibt auf derartigen Darstellungen wenig
übrig.

IL Die Synthese

4. Der Enzyklopädist Isidor von Sevilla

Isidor von Sevilla werden jedoch auch ganz andersartige Karten zugeschrie-
ben. Ihm gelang es in seinem enzyklopädischen Schrifttum, eine Synthese
von griechischer und lateinischer Kartographie herzustellen.
Im 5. Buch der «Etymologiae» liefert er eine kurze Weltchronik, im 13.
und 14. eine Kosmographie sowie eine Geographie. Da dieses Werk in jeder
frühmittelalterlichen Bibliothek, die auf Gelehrsamkeit hielt, vorhanden
war, wurden Isidors Arbeiten für mehr als ein halbes Jahrtausend absolut
verbindlich. Er geht in seiner Enzyklopädie sowohl auf das Zonenschema 71
als auch auf die Dreiteilung der Erde in die bekannten Kontinente gemäß
dem von Augustinus propagierten Größenverhältnis 72 ein.
In seiner Erdbeschreibung im 14. Buch erfährt man nun nicht mehr nur
Namen und Lage von Ländern, Städten, Gebirgen und Flüssen, sondern ent-
sprechend dem methodischen Vorgehen der «Etymologiae» werden jeweils
die Namen erläutert und häufig mit einer kurzen Charakterisierung verbun-
den. Länder sind nicht mehr Flächen, die lediglich anderen Flächen benach-
bart sind, sondern individuelle Plätze. Auch die jeweiligen Bewohner sind
bisweilen, wenn auch nicht systematisch in die Betrachtung einbezogen; über
sie hat Isidor einen weiteren Exkurs angefertigt „Über die Namen der Völ-
ker". 73 Trotz der angestrebten Knappheit und sogar angesichts der manch-
mal abenteuerlichen etymologischen Phantasien versteht Isidor sich nämlich

68
De natura rerum, ed. MIGNE, P.L., LXXXIII, col. 979f. (vgl. unten Tafel 7).
69
Ms. Colon., Bibl. Metr. opol. 8 3 n fol. 82r (vgl. unten Tafel 8).
70
De natura rerum X, P.L. LXXXIII, col. 978ff.; Etym. XIII, 6 ed. W. M. LINDSAY, Oxford
1911.
71
Ebd.
72
Etym. XIV, 2 (wie Anm.70).
73
Ebd. IX, 2: De gentium vocabulis.
[397/398] XL Das Weltbild der Universalhistoriker 255

auf die Kunst, aus der Vielheit ein einheitliches Bild zusammenzustellen. Die
gleichen Tugenden beweist er übrigens auch als Historiograph. Er verzichtet
auf die Einteilung nach Weltreichen und periodisiert das Geschehen mit Hil-
fe der Weltalterlehre des Augustinus.
Zu Isidors Werken sind verschiedenartige Karten überliefert. Allein 73 im
Original erhaltene lassen sich für das Alto Medioevo heute noch nachwei-
sen.74 Zumeist handelt es sich dabei um schlichte kreismnde T-Karten rein
schematischen Charakters, auf denen häufig lediglich die Erdteile benannt
sind. 75
Aber gerade unter den frühen Stücken gibt es Mischformen, die Relikte
des Kugelverständnisses der Erde aufweisen und die darüber hinaus sogar
eine umfangreiche Nomenklatur für die Ökumene bieten. Aus dem S.Jahr-
hundert stammt die auf einem Palimpsest in St.-Gallen überlieferte Darstel-
lung, die neben dem geosteten T mit den drei Erdteilen noch einen vierten
segmentförmig durch einen Meeresgürtel im Süden abtrennt. 76 Die bekann-
ten Kontinente tragen sowohl ihre antiken als auch die entsprechenden bibli-
schen Namen, die sie je einem der Noachiden zuweisen, außerdem sind
Don, Asowsches Meer und Nil eingezeichnet. Das Mittelmeer, auf der Le-
gende fauces benannt, ist nach Osten versehentlich so durchgezogen, dass es
Asien in zwei Teile teilt. Der rechte, südliche Kontinent trägt die Legende
terra inhabitabilis. Über dem Erdkreis aber erscheinen die Umrisse der Figur
des Gekreuzigten, sie wächst gewissermaßen aus dem nach Osten verlänger-
ten T-Schaft heraus, so daß das T zum Kreuz wird: ein theologisches Welt-
verständnis dieser Art begegnet später im 13. Jahrhundert häufig, etwa auf
der Psalter-Karte von London oder der Ebstorfer Weltkarte. Der Gekreu-
zigte erhebt sich als Herr über die Welt, sein Leib verschmilzt mit der Welt.
Damit ist der allegorische Sinn der descriptio orbis bereits voll herangezogen
zur Deutung dieser Erde in äußerer Erscheinung und Geschichte.
Wesentlich reichhaltiger ist die große Isidor-Karte zu einer Handschrift
der «Etymologiae», die auf 775 datiert wird. 77
Ihre ovale Form und ihre vermeintliche Nordwestung - geht man von der
am häufigsten auf der Karte praktizierten Schreibrichtung aus - irritieren
zunächst und müssen dem Ungeschick des Kopisten sowie dem Format des

74
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.38) S.29ff.
" Ebd. sect. 2, 11, S. 30; Ms. Brot., Bibl. Roy. 9311-19 fol. 89v (vgl. unten Tafel 5).
76
Ebd. sect. 1, 6, S.30; Ms. St.-Gallen, Stiftsbibl. 237, S. 1; Abb. bei MILLER (wie Anm. 31)
VI, S.58 (vgl. unten Tafel 6).
77
Ebd. sect. 1, 7, S.30; Ms. Bibl. Apost. Vat., Vat. Lat. 6018 fol.63v-64r; Format 29 X 22
cm. Abb. DESTOMBES Taf. XIX; dazu mit Abb. RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isidorus von
Sevilla, in: Mnemosyne, ser. 3 e , III, 1936, S. 1-28 (vgl. unten Tafel 9).
256 Studien zur Universalkartographie [398/399/400]

Kodex zugeschrieben werden. Asien nimmt die östliche, hier untere Hälfte
ein, Europa das rechte obere, Afrika das linke obere Viertel. Als Relikt des
vierten, unzugänglichen Kontinents erscheint im Südwesten eine langge-
streckte Insel im Weltenozean mit der Legende insola incognita, enim [?] sunt
IUI partes mundi, eine Entsprechung zu dem Südsegment auf dem St. Gal-
lener Palimpsest. Denn von dem vierten Erdteil gibt Isidor sehr wohl Kunde
in den «Etymologiae»:78 auf ihm leben die Antipoden, die fragwürdigen Ge-
genfüßler, die allen Anhängern einer scheibenförmigen Erdvorstellung
Kopfzerbrechen zu bereiten pflegten.
Die Vatikanische Isidor-Karte zeigt ein rosettenförmiges Paradies und
trägt auch die vier Flüsse dazu ein. Wiederum sind die einzelnen Länder
durch nahezu gerade Linien voneinander abgetrennt. Palästina ist recht de-
tailliert und unverhältnismäßig groß gestaltet mit seinen beiden Seen, dem
Jordan und Jemsalem in Form eines achtstrahligen Sterns als Mittelpunkt
von Judäa, 79 während Babylon im Osten am Eufrat nur einen bescheidenen
Stern erhält. Den größten Stadtstern hat der Zeichner freilich Konstantino-
pel reserviert, vor Rom, Alexandreia und Karthago; dieses Faktum ist wich-
tig für die Datiemng der Karte. Kurios muten die Inselformen an, fast ex-
pressionistisch gestaltet. Die Karte ist die älteste erhaltene umfangreiche
Ökumene-Karte und daher recht bedeutsam. Im Vergleich zur annähernd
gleichzeitigen Darstellung aus Albi bietet sie etwa dreimal soviel Material
und beachtet auch die naturwissenschaftlichen Traditionen. Zudem enthält
sie viel historisches Namengut, eine typische Eigenart des Mittelalters: Plät-
ze, die zur Zeit der Karte längst verödet sind, werden nachhaltig herausge-
stellt, beispielsweise Babylon. In der Tat hat die Ökumene-Karte damals
auch den Charakter einer Weltchronik. Wenn sich diese verschiedenen We-
senszüge bereits in Isidors Werken zeigen, so muss zugegeben werden, dass
er seinen Platz unter den ganz großen Geschichtskartographen verdient.
Das Legendenmaterial trägt allerdings noch ausgesprochen antikes Gepräge,
dabei überwiegt generell weltliches Namengut. Vollständig verzichtet hat Isi-
dor auf die Berücksichtigung von Fabelwesen auf der Karte, obwohl ihm
hier eine reichhaltige Literatur zur Verfügung gestanden hätte, die erst im
Zeitalter der Kreuzzüge ihren ganz großen Leserkreis fand. Die Antipoden
allerdings bedeuten Isidor mehr als nur Wunderwesen.
Von den 135 Legenden der Karte lassen sich bis auf 42 alle im Text der
«Etymologiae» nachweisen, die restlichen finden sich zumeist bei Orosius,

78
Vgl. Etym. (wie Anm. 70) XIV, 5, 17: Extra tres autemfinibusAntipodes fabulose inhabitare
produntur.
79
Etym. XIV, 3, 21 ebd.
[400/401] XL Das Weltbild der Universalhistoriker 257

der als Quelle gedient haben könnte; eine andere Möglichkeit ist eine mit
Orosius gemeinsame Vorlage nach Art der Karte des Vipsanius Agrippa, an-
gereichert mit Namengut aus der Heiligen Schrift. Die gesamte Nomenklatur
der Karte ist jedenfalls um 500 bereits zu belegen. Von daher ist der Schluss
erlaubt, in Isidor selbst den Schöpfer der vorliegenden Karte zu sehen, auch
wenn die Vatikanische Abschrift einer jüngeren Zeit angehört. Isidors große
Karte erscheint noch ganz in antikem Gewände, doch - bedingt durch das
Christentum - nehmen außerklassische Elemente zu.
Als Beispiel für individuelle Wandlungen der Folgezeit sei das «Chronicon
Albeldense»; von 976, auch «Epitome Ovetensis» genannt, zitiert. Es ist
ganz Isidor verpflichtet und lediglich um spezifisch spanische Materialien
angereichert. 80 Bekannt ist nur die Textfassung des Werkes, Karten sind
nicht bezeugt. Im Kapitel De proprietatibus gentium werden bekannten Völ-
kern der Antike wie auch solchen des Frühmittelalters - z. B. Franken, Bri-
ten, Schotten, Sachsen und Franzosen - besondere Eigenschaften zugespro-
chen. 81 Bei der Quellenanalyse wird die Isoliemng Spaniens im Frühmittelal-
ter recht deutlich, die Sicht des Verfassers verengt sich auf die eigene Um-
welt. Typisch mittelalterlich ist der Hang zum Moralisieren.

5. Chronographie und Kartographie von der Karolingerzeit


bis zu den Kreuzzügen

Ähnlich wie die christliche Chronographie, die vom 3. bis zum S.Jahrhun-
dert, von Aphrikanos bis zu Beda brauchte, um sich von der Apologie zur
Universalhistorie zu entwickeln, so durchläuft auch die Kartographie bis zur
großen Isidor-Karte der Vaticana, der ersten ausführlichen Erddarstellung,
durch ein halbes Jahrtausend ein Entwicklungsstadium von der römischen
Strassenkarte bis hin zur imago mundi auch in allegorischem Sinne.
Die Weltchronistik vom Ende des 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts
bewegt sich dann in ruhigem Gleise fort; sie liefert aufschluß- und abwechs-
lungsreiche Synthesen der Welt- und Heilsgeschichte, jedoch keine grund-
sätzlichen Neuschöpfungen. Erst der Universalitätsanspruch des Gregoria-
nismus, der sich im Bereich Völker und Länder u. a. in der Kreuzzugsbewe-
gung manifestiert, hat hier im Zeitalter der Frühscholastik und unter dem
Einfluss benachbarter Kulturkreise einen Wandel geschaffen, zumal der
Versuch der Trennung von Temporalia und Spiritualia die überkommene

80
Ed. MIGNE, P.L, CXXIX, coli. 1123-1146.
81
Ebd.cV, col. 1126.
258 Studien zur Universalkartographie [401/402/403]

Ordnung in Frage stellt. Generell lässt sich nach der Karolingerzeit ein na-
turbedingtes Zurückweichen von antiken Schablonen feststellen, die in im-
mer weitere Ferne rücken; andererseits wird das Angebot der eigenen Welt
reichhaltiger, gerade auf dem Sektor der Kirchengeschichte. Bis 900 etwa -
z. B. Frechulf von Lisieux oder Ado von Vienne mögen hier als Beispiel gel-
ten - füllt die Geschichte der Alten Welt die Chroniken, seit Regino und der
Ottonenzeit steht eigenes Erleben entschieden im Vordergrund, etwa in den
sächsischen Annalenwerken des 10. oder der schwäbischen Chronistik des
11. Jahrhunderts. Die Entwicklung in der Kartographie verläuft analog,
wenn diese auch noch zäher am Hergebrachten festhält.
Am nächsten steht der großen Isidor-Karte die des Spaniers Beatus von
Liébana, angefertigt in ihrer verlorenen Urform zwischen 776 und 786 zu ei-
nem Apokalypsenkommentar. Sie dient dort der Erläuterung des Abschnittes
über die sogenannte «Apostelscheidung», d.i. die Aussendung der zwölf
Apostel an die Enden der Welt.82 Obgleich es um die kartographische Dar-
stellung eines heilsgeschichtlichen Faktums geht - am besten verdeutlicht
dies das Exemplar aus Burgo de Osma 83 von 1086 unter den zehn aus dem
Alto Medioevo erhaltenen Stücken84 -, haben gerade die älteren Abschriften
der Karte generell am wenigsten ein christliches Gepräge; sie sind in der
Form rechteckig oder oval, nennen überwiegend römische Provinzen, wäh-
rend diejenigen des 11. Jahrhunderts des Beatus eigentliches Anliegen zu-
meist besser verdeutlichen. Dabei geht das christliche Legendengut wohl ge-
rade auf Beatus selbst zurück, braucht aber seine Zeit, um in die Kartogra-
phiegemälde Eingang zu finden.
Alle Beatus-Karten weisen einen vierten Kontinent im Süden auf. Die an-
spruchsvollste Fassung stammt aus St.-Sever und wird auf die Mitte des 11.
Jahrhunderts datiert. 85 Europas Viertel ist hier auf Kosten der übrigen Erd-
teile - im Gegensatz etwa zu der Karte aus Burgo de Osma - vergrößert, weil
der Zeichner reiches Namenmaterial zu bieten hat. Der mittelalterliche Ma-
ler ist durch einen ausgesprochenen horror vacui charakterisiert: weiße Flek-
ken auf der Landkarte umgeht er, indem er unbekannte Gegenden einfach
zusammenschiebt, zumal er ja nicht an eine Vermessung gebunden ist. So
pflegt z.B. das Schwarze Meer immer beinahe ans Nördliche Eismeer zu

82
Beati in Apocalipsin libri XII, ed. HENRY A. SANDERS, Rom 1930 (Papers and Monographs
of the American Academy in Rome VII) II, 3, 17, S. 116.
83
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 38) sect. 17, 8, S. 41 bzw. MILLER (wie Anm. 31) I, S. 34 ff. (vgl.
unten Tafel 14).
84
Ebd. sect. 17,1-10, S.40f.
85
Ebd. sect. 17,7, S.41; Ms. Paris, Bibl: N a t , Lat. 8878 fol.45 ter; vgl. MILLER (wie Anm.31)
I, S.41 ff. und Beilage (vgl. unten Tafel 13).
[403/404] XI. Das Weltbild der Universalhistoriker 259

grenzen. Die Karte von St.-Sever ist oval und misst 37 x 57 cm. Sie weist an-
sprechende Bebildemng und größere Textblöcke auf, letztere sind überwie-
gend Isidor entnommen. Orte der eigenen Umwelt beanspruchen viel Raum,
überhaupt sind dem Zeichner vor allem Städte, d.h. Siedlungen der Men-
schen, wichtig. Die Karte kann als romazentrisch klassifiziert werden, denn
Rom ist der Weltmitte näher als Jemsalem.
Beatus-Karten fanden in Spanien ihre Kopisten, weiterentwickelt wurden
sie hingegen nicht, zumal das Werk, dem sie zugeordnet waren, nicht für
den Schulgebrauch bestimmt war.
Theodulf von Orléans besingt in einem seiner Gedichte 86 eine Weltkarte,
die im Original verloren und vielleicht auf einem Tisch angebracht war, je-
doch in einer Handschrift aus Ripoll von 1055 überliefert ist. Als Datum der
Handschriftenvorlage läßt sich sogar das Jahr 810 ausmachen. 87 Die Karte,
auf einer flammenumgebenen Scheibe, ist hemisphärisch 88 und erhält durch
kosmologische Andeutungen eine sehr malerische Wirkung. Sie ist beseitet
von einem Text Dimensuratio Tenae, der jeweils den Umfang der Länder an-
gibt. Rund um die geostete Erdscheibe findet sich ein Polarozean mit den
Winden, während man den Äquatorialozean im Falz der Handschrift ver-
muten muß. So entsteht eine Zonenkarte, deren unbewohnbare Randzonen
nicht in Erscheinung treten. Die südliche Hemisphäre weist zwei Vignetten
mit Versen Theodulfs auf. Nur die nördliche Hemisphäre nennt Völker und
Länder, die dort nach Art der T-Karte angeordnet sind, lediglich daß sich
das T im Halbkreis findet, der afrikanische Kontinent auch sehr verkürzt
wirkt.
Die Nomenklatur ist wiederum primär römisch, daneben biblisch beein-
flußt; sie ist der großen Isidor-Karte oder einer mit dieser gemeinsamen
Vorlage entnommen. Einige Merkmale sind jedoch zeittypisch: beispiels-
weise tritt Ravenna unter den Städten neben Rom, Benevent, Karthago, Ale-
xandreia und Babylon sowie den Plätzen des Heiligen Landes nachhaltig
hervor, nur Konstantinopel hat ein noch aufwendigeres Städtesymbol erhal-
ten. Im Vergleich zu Isidor ist die Theodulf-Karte, obgleich auch in grober
Malweise ausgeführt, differenzierter hinsichtlich der naturkundlichen Infor-

86
Vgl. DIETER SCHALLER, Untersuchungen zu den Gedichten Theodulfs von Orléans, in:
Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, XVIII, 1962, S. 82-84.
87
A. VIDIER, La mappemode de Théodulfe et la mappemonde de Ripoll (IXe-XIe siècle), in:
Bulletin du comité des travaux historiques et scientifiques, section de géographie historique et
descriptive, 1911, S.285-313, bes. S.311 ff.
88
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.38) sect. 24, 11, S.48 und Taf. XVIII; Ms. Bibl. Apost. Vat,
Reg. Lat. 123 fol. 143v-144r (vgl. unten Tafel 15).
260 Studien zur Universalkartographie [404/405/406]

mationen, legt auch mehr Wert auf die Wiedergabe beispielsweise von Ge-
birgen. Die bewohnte Fläche mag auf beiden Karten etwa gleichgroß sein,
auch die Nomenklatur dürfte sich entsprechen. Neben dem Falz hat Theo-
dulf auf der südlichen Hälfte noch eine größere naturwissenschaftliche Le-
gende angebracht.
Beachtenswert ist die Weiterentwicklung der hemisphärischen Karte des
Frühmittelalters in der Enzyklopädie, wofür der «Liber Floridus» des Lamb-
ert von Saint-Omer ein malerisches Beispiel ist. Zeitlich steht dieses Werk
schon an der Grenze des Alto Medioevo, 8 zumal die beste der Weltkarten
nur in einer Abschrift des ausgehenden 12. Jahrhunderts überliefert ist.90
Lambert bietet in seinem Sammelwerk - ebenso wie Isidor - auch eine Welt-
chronik. Als Vorbild seiner großen hemisphärischen Karte gilt die Zonen-
karte des Martianus Capella, wofür die noch sehr antik geprägte Nomenkla-
tur spricht. Überwiegend bietet Lambert auf der detailliertesten seiner drei
geosteten Zonenkarten die Provinzen des römischen Reiches unter Ausnut-
zung der gesamten Hemisphäre, hingegen kaum Städtelegenden: entgegen
mittelalterlicher Denkweise sind ihm also Länder wichtiger aus Völker.
Mehr als die Hälfte der Namen lassen sich bei Martianus belegen, außerdem
sind Macrobius und Orosius herangezogen, dazu kommen einige biblische
Plätze. Von den wenigen nachantiken geographischen Bezeichnungen finden
sich mehrere noch beim Geographen von Ravenna, nur etwa zehn sind jün-
ger als das 7. Jahrhundert. Das mehr auf Geographie als auf Ethnologie ge-
richtete Interesse wird durch einige auf Flora und Fauna bezügliche Legen-
den unterstrichen, ein für das Mittelalter in dieser Zeit noch ungewöhnlicher
Zug. Die Annahme einer antiken Vorlage hat daher viel für sich, zumal hier
auch der afrikanische Kontinent im Vergleich zu Theodulf noch besser be-
kannt ist.
Besonders originell an dieser Karte ist endlich als Pendant zum halbinsel-
förmigen Paradies im Osten eine Insel im äußersten Westen, auf der die An-
tipoden wohnen sollen: sie haben Jahreszeiten wie wir, aber entgegengesetzte
Tageszeiten; im Grunde beschreibt Lambert damit den Kontinent auf der
Rückseite der Kugel.91
Die sogenannte Cottoniana des 11. Jahrhunderts gehört gleichfalls zu ei-
nem enzyklopädischen Sammelkodex, sie steht bei der «Periegesis» des Pris-

89
Das Autograph Ms. Gent, ÜB 92, entstand von 1095-1119.
90
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 38) sect. 43, 2, S. 115; Ms. Guelf. 1 Gud. Lat. fol.69v-70r; vgl.
MILLER (wie Anm. 31) III, S.43 ff. und Taf. IV; dazu RICHARD UHDEN, Die Weltharte des Mar-
tianus Capella, in: Mnemosyne, ser. 3 e , III, 1936, S. 97-124 (vgl. unten Tafel 25).
91
Die Legende bezieht sieh auf die Periöken; es ist aber von den Antipoden die Rede.
[406/407] XI. Das Weltbild der Universalhistoriker 261

zian. Sie ist rechteckig 92 und zeigt die üblichen Länderteilungen, wie sie sich
auch bei Lambert ausmachen lassen, die indes bei dessen Zeitgenossen Hein-
rich von Mainz um 1109 in seiner Illustration der «Imago Mundi» des Ho-
norius Augustodunensis weitgehend fehlen. Heinrichs Karte, 93 die schon
viele Merkmale der Folgezeit aufweist, soll hier deshalb außer acht bleiben.
Der vermutlich in Großbritannien beheimatete Maler der Cottoniana hat be-
sonderes Interesse am Küstenverlauf und an Inseln, wobei er vor allem
Nordeuropa und den nördlichen Atlantik berücksichtigt, natürlich auch das
Mittelmeer. Städte sind recht häufig eingetragen, besonders in Europa. Der
Autor hat mithin sowohl Interesse für Völker als auch für Länder, zumal er
auch Flüsse und Gebirge sorgfältig kennzeichnet. Das antike Namengut
macht noch 66 % aus, davon gehen 51 % auf Orosius zurück. Von den restli-
chen 34 % sind 21 % biblisch und nur 13 % mittelalterlich. Allerdings weist
die Vatikanische Isidor-Karte vergleichsweise nur 2 % zeitgenössische Le-
genden auf.94
Im 11. Jahrhundert ist mithin auch in der Kartographie die Hinwendung
zur eigenen Umgebung festzustellen, die in der Chronistik mehr als ein Jahr-
hundert früher zu konstatieren war. Die Beobachtungsgabe wird geschärft,
Völker und Länder erscheinen nicht mehr als Namenliste, sondern als Indi-
viduen, deren Eigenart nachgespürt wird. Praktische Anfordemngen, die
man an Karten stellen mochte, standen dabei sicherlich noch nicht im Vor-
dergrund, aber sie spielen unterschwellig mit: nicht von ungefähr findet man
die bedeutenderen Ökumene-Kartographen des Alto Medioevo in europä-
ischen Randländem am Meer: Orosius, Isidor, Beatus und den Cottoniana-
Zeichner. Die Binnenlandbewohner wie Theodulf und Lambert bevorzugen
den naturwissenschaftlichen Typ der hemisphärischen Karte.

C. Zusammenfassung

Die enzyklopädische Universalhistoriographie, die popoli e paesi in ihr Ge-


schichtsbild einbezieht, erlebt eine erste Blüte in der Zeit des Übergangs von
der Antike zum Mittelalter, insbesondere im großen Sammelwerk des Isidor.
Im übrigen aber beherrscht der chronologisch ausgerichtete Typ der Ge-
schichtsschreibung das Frühmittelalter und drängt die vielsträngige Bericht-

92
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.38) sect. 24, 6, S.47; Ms. London, Brit. Libr, Cott. Tib. B.V.
fol.56v; vgl. MILLER (wie Anm. 31 ) III, S.29ff. und II, Taf. 10 (vgl. unten Tafel 16).
93
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.38) sect. 25, 3, S.48; dazu MILLER (wie Anm.31) III, S.21 ff.
und II, Taf. 13
94
Vgl. UHDEN, Isidorus (wie Anm.77) S.23.
262 Studien zur Universalkartographie [407/408]

erstattung an den Rand. Die Entfremdung der Lateiner gegenüber Ostrom


und der Arabereinbmch verengen seit dem 7. Jahrhundert den Horizont.
Die folgenden Jahrhunderte haben vor allem das Verdienst, durch die Pro-
duktion von Lehrbüchern bewahrend gewirkt zu haben. Echtes Interesse für
Völker und Länder entwickeln am ehesten die Bewohner von Randgebieten
der europäischen Kultur.
Im Zentmm christlicher Erdbeschreibung stehen Asien und das Heilige
Land, denn das Christentum kommt aus dem Orient. Die lateinische Welt
übernimmt diese Kenntnis durch Vermittlung der griechischen Kirchenväter,
doch überwiegt bei ihr die Tradition des römischen Verwaltungsschrifttums:
die römischen Provinznamen erweisen sich in der Kartographie als ungemein
zählebig. Im Laufe des Frühmittelalters steigert sich das Interesse an Europa
und beschränkt sich dabei nicht mehr auf das mediterrane Gebiet; 95 die Afri-
ka-Kenntnis geht hingegen zurück, da sie nicht gefragt ist. Unterschwellig
bleibt die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde stets lebendig.
Die Kenntnis von Völkern und Ländern nimmt zu, doch ist sie für den Hi-
storiker immer nur von akzidentieller Bedeutung. Im grundsätzlichen Unter-
schied von der historischen Geographie unserer Tage sucht man nämlich we-
der bei Ländern noch bei Völkern die Gründe des Geschehens, sondern al-
lein Gott bestimmt den Gang der Geschichte.

95
Vgl. VON DEN BRINCKEN (wie Anm. 40) S. 162 ff. (= o. S.58ff.).
XII. Universalkartographie und geographische
Schulkenntnisse im Inkunabelzeitalter
(Unter besonderer Berücksichtigung des «Rudimentum Noviciorum»
und Hartmann Schedels)

A. Zeugnisse über die Pflege geographischer und kartographischer Kenntnisse in


den Städten im ausgehenden Mittelalter
B. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse im Inkunabelzeitalter
I. Das «Rudimentum Noviciorum»
Das «Rudimentum Noviciorum» als Geschichtsenzyklopädie
Die geographischen Partien des «Rudimentum Noviciorum»
Die Weltkarte des «Rudimentum Noviciorum»
IL Hartmann Schedel
Die Schedeische «Weltchronik»
Die geographischen Interessen Hartmann Schedels
Die Weltkarte in Schedels Chronik
III. Die Universalkartographie der Inkunabeln
Geographische Entdeckungen des 15. Jahrhunderts und die gedruckte Litera-
tur der Zeit
Gedruckte Weltkarten und ihre Beziehungen zu den Texten, die sie erläutern
Beobachtungen zur Verbreitung einzelner Kartentypen
C. Zusammenfassung

A. Z e u g n i s s e ü b e r d i e Pflege g e o g r a p h i s c h e r u n d k a r t o g r a p h i s c h e r
K e n n t n i s s e in d e n S t ä d t e n im a u s g e h e n d e n M i t t e l a l t e r

Geographie und Kartographie machten im mittelalterlichen Bildungskanon


ebensowenig wie die Geschichte eine eigenständige Freie Kunst aus. 1 Viel-
mehr w a r ihrer aller theoretischer Elementarstoff Annex von anderen Artes,

1
Vgl. hierzu u.a. HANS WOLTER S.J., Geschichtliche Bildung im Rahmen der Artes Liberales,
in: Artes Liberales. Von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters (Studien und
Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 5, hg. von JOSEF KOCH). Leiden/Köln 1959, S. 50-
83, bes. S.78.
264 Studien zur Universalkartographie [398/399]

die letztlich gleicherweise im Dienst der Theologie standen. Bemerkenswer-


terweise wurden die Kenntnisse vom Aussehen dieser Welt weniger - wie
man das erwarten sollte! - im Zusammenhang mit den mehr auf exakte Wis-
senschaft orientierten Quadriviumsfächem, als vielmehr in Verbindung mit
der Geschichte als Zubehör der Triviumsfächer, vorzugsweise der Rhetorik,
im Unterricht behandelt: loca in quibus (res) gestae sunt bildeten bei dem gro-
ßen Geschichtstheoretiker des Hochmittelalters Hugo von St. Viktor 2 eine
der drei Kategorien der Geschichtswissenschaft, die wiederum aus den
Kernfragen der Rhetorik ausgesondert worden waren. 3
Mithin erwarb man seine Kenntnisse über die Beschaffenheit dieser Erde
im „Grundstudium" an der Artistenfakultät der Universitäten und entspre-
chend in Kollegs, Gymnasien der Humanistenzeit und Bürgerschulen der
Städte. Man bediente sich dort auch am Ende des 15. Jahrhunderts noch der
mittelalterlichen Enzyklopädien, insbesondere der «Etymologiae» des Isidor
von Sevilla,4 die entsprechende Abschnitte boten. Die Verbindung von Geo-
graphie und Geschichte war im übrigen recht oberflächlicher Natur, denn
hier wurden keinerlei Kausalzusammenhänge konstruiert: Vemrsacher allen
Geschehens war allein Gott. Man wollte lediglich die Schauplätze vorzugs-
weise der Heilsgeschichte bekanntmachen und in ihrer Lage zueinander
skizzieren.
Das Aufblühen von Fernhandel und Kaufmannsstand läßt in den Städten
des späteren Mittelalters eine verstärkte Pflege der Länderkenntnis und der
Kartographie erwarten. Merkwürdigerweise sind die Belege hierfür spärlich,
besonders in Deutschland. Die Seestädte Italiens, die im Hochmittelalter
das Mittelmeer beherrschten, wurden die Schöpfer der Portolankartogra-
phie, d.h. einer relativ exakten, die Verwendung des Kompasses vorausset-
zenden Küstenkartographie. In Nordeuropa fand ihr Vorgehen kaum Ein-
gang, denn seit der ersten Hälfte des H.Jahrhunderts verhinderten die Sta-
pelprivilegien von Hansestädten nicht nur den direkten Warenaustausch
zwischen Süd- und Nordeuropa, sondern auch den Kenntnisaustausch: die
geschriebenen und gezeichneten Portolane geben über Nord- und Osteuropa
nur stereotype Mitteilungen.5 Entsprechungen etwa zur «Pratica della mer-

2
Liber de Tribus Maximis Circumstantiis Gestorum, praefatio, ed. WILLIAM M. GREEN, Hu-
go of St. Victor, De tribus maximis circumstantiis gestorum, in: Speculum 18 (1943) S. 491.
3
Zum Verhältnis von Geographie, Kartographie und Geschichte vgl. ANNA-DOROTHEE V.
DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländi-
schen Mittelalters, in: DA 24 (1968) S. 118-186 ( = o. S. 17-81); DIES, „...Ut describeretur uni-
versus orbis" - Zur Universalkartographie des Mittelalters, in: Methoden in Wissenschaft und
Kunst des Mittelalters. Miscellanea Mediaevalia 7 (1970) S. 249-278 (= o. S. 82-111).
4
Ed. W.M. LINDSAY, Oxford 1911 u. ö.
[399/400] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 265

catura» des Florentiners Francesco Balducci Pegolotti von vor 13406 sind
aus Hansestädten nicht bekannt.

Über den Schulunterricht breiterer Schichten in Geographie ist man höchst


dürftig informiert, denn es gibt darüber weder Schulakten noch Lehrpläne.
Unterrichtsnachschriften und persönliche Tagebücher sind selten und erst
aus späterer Zeit erhalten. Hier bietet sich dem Forscher daher in der Litera-
tur des Inkunabelzeitalters eine Zeugengmppe an, die bereits heute als rela-
tiv gut erforscht angesehen werden kann. Der frühe Buchdmck war ein fi-
nanzielles Risiko und lohnte nur in Fällen, in denen mit einer breiteren Le-
serschicht gerechnet werden konnte. Von seinen kartographischen Erzeug-
nissen und seinen geographischen Traktaten sind daher weniger die neuesten
Forschungsergebnisse, wohl aber der allgemeine Bildungsanspruch abzule-
sen.
Den folgenden Ausführungen liegen die Karten der Inkunabeln zugrunde,
die bereits repertorienmäßig erfaßt sind.7 Sie sind zumeist mit Texten geo-
graphischen Inhalts verbunden. Für die Zeit vor 1500 - die Eingrenzung des
Inkunabelbegriffs auf diesen Zeitraum ist nicht ohne Grund immer wieder
angefochten worden, erlaubt es aber, den Stoff überschaubar zu halten 8 -
sind 18 Frühdruckkarten in insgesamt 43 Auflagen nachgewiesen. Von ihnen
sollen zwei besonders aussagekräftige Stücke stellvertretend eingehender ge-
würdigt werden, nämlich die geostete Radkarte aus dem Lübecker «Rudi-
mentum Noviciomm» von 1475 und die genordete ptolemäische Weltkarte
des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel von 1493. Beide gehen aus
einer unterschiedlichen Umwelt und Schultradition hervor und repräsentie-
ren eigene Weltbilder, leugnen aber keineswegs die feste Verwurzelung in
der mittelalterlichen Geisteswelt. Im Anschluß an diese Einzelanalysen sollen
die übrigen Karten mit den zugehörigen Texten bildungsgeschichtlich einge-
ordnet werden. Der Frühdruck erreichte ein Hundertfaches an Lesern, ver-
glichen mit den Handschriften. Wenn man auch über Auflagenhöhe und
Buchpreise nur unzureichend informiert ist, darf von dem Inkunabelmaterial

5
Vgl. zuletzt u.a. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die kartographische Darstellung
Nordeuropas durch italienische und mallorquinische Portolanzeichner im 14. und in der ersten
Hälfte des 15.Jahrhunderts, in: Hans. Geschichtsbll. 92 (1974) S.45-58 ( = o. S. 165-178).
6
Ed. ALLAN EVANS, Cambridge/Mass. 1936.
7
Vgl. MARCEL DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500. Monumenta Cartographica Ve-
tustioris Aevi A.D. 1200-1500, Vol. 1. Amsterdam 1964, section 57, S. 252-254; für 1981 ist fer-
ner angekündigt: RODNEY W. SHIRLEY, The Mapping of the World: Early Printed Maps 1477-
1700 (Holland Press Cartographical Series 9) London 1981; 1983 noch nicht verfügbar.
8
Vgl. zum Problem FERDINAND GELDNER, Inkunabelkunde. Eine Einführung in die Welt des
frühesten Buchdrucks (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 5) Wiesbaden 1978, S. 1 ff.
266 Studien zur Universalkartographie [400/401]

her doch ein behutsamer Rückschluß auf die Leserkreise und ihre Kenntnisse
gestattet sein.

B. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse


im Inkunabelzeitalter I. Das «Rudimentum Noviciorum»

In den gängigen Handbüchern zur Geschichte der Kartographie des Mittel-


alters und der frühen Neuzeit wird häufig als Beleg früher Karten, die im
Buchdruck Verbreitung fanden, die Weltkarte aus dem «Rudimentum Novi-
ciorum» abgebildet und als Beispiel für die besondere Rückständigkeit der
Kartenkunst noch im Zeitalter der mechanischen Vervielfältigung graphi-
scher Produkte herausgestellt.9 Es handelt sich dabei um eine Darstellung
der Erde als geosteter Scheibe, auf der Landschaften gleich Inseln mit ste-
reotypen Hügelgebilden aus einem reichlich überfüllten Meer - man muß
schon sagen - sich herauszudrängein scheinen. Diese merkwürdigen Sym-
bole vermitteln nicht die geringste Kenntnis von der laut Legende repräsen-
tierten Provinz. Die Karte ist noch ganz dem mittelalterlichen Denken ver-
haftet. Sie gehört zu einer umfangreichen Enzyklopädie in lateinischer Spra-
che aus Norddeutschland und hat in der Tat als Zweitälteste gedruckte Welt-
karte zu gelten.

1. Das «Rudimentum Noviciomm» als Geschichtsenzyklopädie

Den Titel «Rudimentum Noviciomm» erhielt die gewaltige, am Ablauf der


Zeiten ausgerichtete Geschichtssumma im Kolophon, der in den Inkunabeln
das häufig noch fehlende Titelblatt ersetzen mußte. Der uns namentlich
nicht bekannte Autor des Werkes oder sein Bearbeiter betont hier auch sehr
nachdrücklich die Außerordentlichkeit des vorgelegten Bandes:
Conclusio libri sequitur: Anno secundum carnem filii Dei a nativitate
MCCCCLXXV, ipso die sanctissimi regis et martiris Oswaldi, qui est V Au-
gusti, sanctissimo in Christo patre ac domino, domino Sixto papa Quarto, illu-
strissimo preclarissime domus Austrie Frederico Tercio Romanorum imperatore
invictissimo semper augusto ac pro nunc Colonie existente, imperiali nobili in

9
Vgl. u . a . L E O BAGROW u n d R.A. SKELTON, Meister d e r K a r t o g r a p h i e . Berlin 1963 u . ö ,
S. 125 u n d 137f.; J O A C H I M G . LEITHÄUSER, M a p p a e M u n d i . D i e geistige E r o b e r u n g d e r Welt.
Berlin 1958, S. 142, 144 u n d 174; a u c h CHARLES BRICKER u n d R O N A L D V E R E T O O L E Y , G l o r i a C a r -
tographiae. Geschichte der mittelalterlichen K a r t o g r a p h i e . 1969, G ü t e r s l o h / B e r l i n 1971, S.63.
[401/402] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 267

urbe Lubicana, arte impressoria, speciali gratia divina animamm ob salutem fi-
delium inventa.
Epithoma istud partes in sex iuxta mundi sex etates divisum prius alibi non
repertum. Quod placuit rudimentum noviciorum intitulari Dei adiutorio, qui
supernas res ac subtemas fortiter, suaviter tranquilleque dispensai.
Per magistrum Lucam Brandts de Schaßfeliciter est excusum atque finitum.
Veteris Novique Testamentorum ac aliarum incidentium historiarum conten-
tivum a prothoplasto non solum usque ad Christum, ut in prohemio est promis-
sum, sed etiam omnium imperatorum ac summorum pontificum usque ad annum
prememoratum, omnibus cum doctoribus famosis, poetis ac sapientibus contem-
poraneis eorundem gestatim, cum memorabilioribus eorum gestis, ceteris precisis,
in quantum unico fuitpossibile volumine concludi, utpauperes multos solvere li-
bros non valentes unum tantum haberent encheridion loco multorum semper ad
manum librorum. Nee talis quandoque moveat abbreviano, cum Christus fons
omnis sapientie multa fecerit, que scripta non sunt, Io. XXI0. Pro cuius fine sem-
per laus et gloria Trino sit et Uno. AMEN10
Dieser Text ist im Gmnde das einzige Zeugnis über Entstehung und Anlie-
gen des «Rudimentum Noviciomm», das bislang auch bei den Historiogra-
phiehistorikern auf noch recht wenig Interesse stieß." Das Werk liegt nur in
der Ausgabe von 1475 vor; doch ist diese keineswegs so selten, wie der im
Grunde einzige Historiker, der sich mit dem «Rudimentum» befaßte, Hugo
Wolffgram,12 meinte: der Holzschnittforscher Albert Schramm 13 wies im
Jahr 1927 Exemplare - bisweilen wohl mehrere! - in 27 verschiedenen Bi-
bliotheken nach. Wolffgram ging es bei seiner Untersuchung keineswegs um
das «Rudimentum» an sich; er glaubte nur, in ihm die Vorlage für den «Fas-

10
Der Text findet sich hinter dem Register fol. 473. Benützt und in der Blattzählung zugrun-
degelegt wurde die Inkunabel der Universitätsbibliothek Göttingen Hist. Un. II, 12, da das an-
dere Exemplar derselben Bibliothek, Hist. Un. II, 11, zwar koloriert, aber erheblich unvollstän-
diger ist (zur Inkunabel vgl. LUDWIG HAIN, Repertorium bibliographicum 4996).
11
OTTOKAR LORENZ befaßt sich, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der
Mitte des 13. Jahrhunderts, Bd.2. Berlin 3 1887, S. 165ff, zwar eingehend mit der Historiogra-
phie Lübecks, erwähnt jedoch das ,Rudimentum' ebensowenig wie HEINRICH VILDHAUT, Hand-
buch der Quellenkunde zur deutschen Geschichte 2: Vom Falle der Staufer bis zum Auftreten
des Humanismus. Arnsberg 1900 (S. 446 ff. über Lübeck); lediglich AUGUST POTTHAST, Biblio-
theca Historica Medii Aevi 2. Berlin 1896, Repr. 1958, S.986 vermerkt über das Werk: „Wahr-
scheinlich von einem Franziskaner ... nicht zu verachten für die Geschichte des 15. Jahrhun-
derts".
12
HUGO WOLFFGRAM, Neue Forschungen zu Werner Rolevinck's Leben und Werken (1.
Teil), in: Zs. f. vaterld. Gesch. und Alterthumskunde ... Westf. 48 (1890) S.95ff, bes. S. 124-
130, daselbst S. 126; S. 125 f. auch Text des Kolophons.
13
ALBERT SCHRAMM, Der Bilderschmuck der Frühdrucke 10: Die Drucker in Lübeck 1: Die
beiden Brüder Brandis. Leipzig 1927, S. 8.
268 Studien zur Universalkartographie [402/403]

ciculus Temporum» des Werner Rolevinck, die dieser im Vorwort erwähnt,


entdeckt zu haben. Beiden Werken ist nämlich die Verwendung der retro-
spektiven Inkarnationsära gemeinsam, eine Eigenheit, die ebensogut auf Be-
nutzung einer gemeinsamen Quelle beruhen kann. 14
Die Aussagen des Kolophons sind folgende: Der Druck des Buches wurde
am 5. August 1475 zu Lübeck abgeschlossen. Gott wird ausdrücklich geprie-
sen, weil er die Menschen den Buchdmck erfinden ließ, der dem Heil der
Seelen dient. Das vorliegende Werk wurde entsprechend den sechs Weltal-
tern in sechs Teile geteilt. Es ist in dieser Weise anderswo nicht zu finden,
d.h. doch wohl, daß es nicht bereits als Handschrift der Öffentlichkeit über-
geben war; denn die Sechsteiligkeit einer Weltchronik gemäß den Weltaltern
war in der Literatur nicht nur keine Seltenheit, sondern sogar recht an der
Tagesordnung seit Isidors Chroniken. Der Titel «Rudimentum Novicio-
mm», d.i. Elementarbuch für Anfänger, wird Gottes Mithilfe verdankt.
Meister oder mag. Lukas Brandis von Schaß hat die Gestaltung und Vollen-
dung des Bandes bewirkt. Er umfaßt Altes und Neues Testament in ihrem
Geschehen und beschränkt sich nicht nur auf die Zeit von Adam bis Chri-
stus, wie es in der Vorrede in Aussicht gestellt war, sondern bietet - taten-
weise geordnet - auch die Geschichte aller Kaiser und Päpste sowie der
gleichzeitigen Gelehrten, Dichter und Weisen. Alles dies ist in einem einzi-
gen Buch beschlossen, damit Arme, die sich eine größere Anzahl von Bü-
chern nicht leisten können, doch alles in einem einzigen Handbuch an Stelle
vieler Bücher verfügbar hätten. Eine dadurch bedingte Kurzfassung des
Stoffes dürfe nicht betrüben, denn auch Christus habe vieles getan, was nicht
schriftlich festgehalten sei: so bezeuge es der Evangelist Johannes am Ende
seines Evangeliums.15
Vergleicht man diese abschließende Äußemng mit der Vorrede, 16 so wird
dort in der Tat ein Werk angekündigt, das - an der Heiligen Schrift ausge-
richtet - zur Nachahmung guter Beispiele ermuntern soll - typisches Kenn-
zeichen der Mendikantenhistoriographie! -, indem es in Kettengliedern von
Adam auf Christus führt und das Heilsgeschehen gemäß hebräischer Datier-
weise, Septuagintachronologie und nach Jahren vor Christi Geburt zeitlich
festlegt. Als seine Quellen nennt der Anonymus Josephos, Vincenz von
Beauvais, Hieronymus, Petms Comestor, Orosius, Hrabanus Maurus, Ni-
colaus de Lyra, Prosper, Eusebios, Isidor, Hugo von St. Viktor, Beda und

14
Vgl. hierzu ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Beobachtungen zum Aufkommen der re-
trospektiven Inkarnationsära, in: AfD 25 (1979) S. 19f.
15
loh. 21,25.
16
Fol. 12.
17
Fol. 12v.
[403/404] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 269

Augustinus. 18 Der ursprüngliche Plan des Verfassers sah mithin nur eine er-
weiterte und vor allem chronologisch präzisierte Schrift von der Art der «Hi-
storia Scholastica» des Petrus Comestor vor, während anläßlich der Ausfüh-
rung auch eine Papst-Kaiser-Chronik angefügt wurde. Zweifellos waren es
chronologische Interessen, die den Autor bei der Niederschrift seines Wer-
kes leiteten, und diese galten ganz besonders der vorchristlichen Zeit ange-
sichts der Unstimmigkeit der Weltären. Wie Rolevinck wirkt er für die Ver-
wendung der retrospektiven Inkarnationsära, die er schon in den «Flores
Temporum» eines ungenannten schwäbischen Minoriten am Ausgang des 13.
Jahrhunderts benutzt fand. Die Berücksichtigung von Gelehrten, Dichtern,
Weisen und Kirchenversammlungen in Weltchroniken war in der Universal-
historiographie des Spätmittelalters durchaus üblich; so sieht die noch weit-
gehend unedierte «Chronologia Magna» und die «Satyrica Historia» des Ve-
netianers Paulinus Minorità für diese Gebiete jeweils eigene Spalten in der
snychronistischen Anlage vor. 19
Wegen der vorwiegend theologischen Zielsetzung des «Rudimentum» hat
man in dem Autor einen Geistlichen vermutet. Dieser Gedanke ist auch kei-
neswegs von der Hand zu weisen. Insbesondere das Lübecker Minoritenklo-
ster war eine bedeutsame Pflegestätte der Geschichtsschreibung im Spätmit-
telalter. 20 Jedenfalls ist der Anonymus theologisch gebildet und interessiert,
ein Merkmal, das man aber auch dem Arzt Hartmann Schedel nicht abspre-
chen kann - wie noch zu zeigen ist. Zudem sind die «Flores Temporum»
vom Verfasser zumindest indirekt benutzt, und auch sie sind bekanntes Bei-
spiel der Minoritenhistoriographie. Die in der Geographie bevorzugt heran-
gezogene Vorlage, das Werk des Bartholomaeus Anglicus, hat gleichfalls ei-
nen Minoriten zum Schöpfer; es hat die Anlage des «Rudimentum» nachhal-
tig bestimmt.
Der Leserkreis, an den sich das Werk richtet, war sicherlich nicht auf die
Novizen eines Klosters beschränkt, denn im Kolophon wird die Buchdmk-
kerkunst generell als Hilfsmittel für das Heil der Seelen gepriesen. Sie er-
möglicht auch Armen, durch Kauf eines einzigen Leitfadens eine Epitome
der gesamten Heilsliteratur zu erwerben. Das «Rudimentum» wird hier aus-
drücklich als ein erschwingliches Lehrbuch für breite Kreise bezeichnet, und
damit ist nicht nur der mittellose Klerus, sondern eine breite Bürgerschicht
gemeint. Ein derartiger Anspmch des Buches ist in der Tat ein Novum in der
Universalhistoriographie.

18
Fol. 12v-13.
" Vgl. zu dieser Anlage mit weiteren Nachweisen A N N A - D O R Ò T H E E V. DEN BRINCKEN, Z U
H e r k u n f t u n d Gestalt d e r M a r t i n s - C h r o n i k e n , in: D A 37 (1981 ) S. 729.
20
Vgl. L O R E N Z und V I L D H A U T (wie o b e n Anm. 11 ).
270 Studien zur Universalkartographie [404/405]

Gedruckte Weltchroniken sind nämlich zuerst im zweiten Drittel der sieb-


ziger Jahre des 15. Jahrhunderts bezeugt. Von den erst im Inkunabelzeitalter
abgefaßten Weltgeschichten erschien die bis 1457 reichende Chronik des
Antoninus von Florenz (f 1459) zu Venedig im Gesamtwerk 1474-79, 21 der
«Fasciculus» des Werner Rolevinck 1474 gleich zweimal in Köln. Im gleichen
Jahr erlebte auch eine deutsche Kurzfassung der «Flores Temporum» von
Heinrich Steinhöwel zu Ulm ihre Edition; in Mailand erhielt 1475 der Erst-
druck der Chroniken des Eusebios, Hieronymus und Prosper eine bis 1449
reichende Fortsetzung durch Matthaeus Palmerius aus Florenz, bis 1482
dann durch Matthias Palmerius aus Pisa, während 1472 zu Augsburg die er-
ste Edition der «Etymologiae» Isidors - die auch die älteste gedmckte Welt-
karte schlechthin bietet - und 1473-78 zu Straßburg der Erstdruck der «Spe-
cula» des Vincenz von Beauvais in die Tat umgesetzt wurden.
Es ist mithin nicht zu hoch gegriffen, wenn das «Rudimentum» als Neue-
rung gefeiert zu werden wünscht. So, wie es uns heute vorliegt, reicht es in-
haltlich bis 1473. Der Drucker hat also recht zügig gearbeitet, wenn er den
Satz am 5. 8. 1475 abschloß. Allerdings ist die Möglichkeit nicht ganz auszu-
schließen, daß die eigentliche Kompilation schon in den fünfziger Jahren
entstand, da die letzten 20 Jahre nur sehr knapp behandelt und nachgetragen
wirken. 22 Dann hätte das Manuskript das Glück gehabt, 20 Jahre nach Ent-
stehung einen Drucker zu finden.
Im übrigen hat das «Rudimentum Noviciorum» nun keineswegs ausge-
sprochen den Charakter einer Epitome, denn es umfaßt 474 Blätter, in zwei
Kolumnen bedruckt, und ist damit eine ansehnliche Enzyklopädie. Da es zu-
dem mit beachtenswerten Holzschnitten ausgestattet ist, wird es in der Inku-
nabelkunde als bedeutsame Leistung des Buchdrucks und als erstes Produkt
dieser Art aus Lübeck gefeiert23. Lübeck war auch am Ende des Mittelalters
noch repräsentativ für die großen Hansestädte im Nord-Ostsee-Raum, und
einen Teil der Leser des «Rudimentum» wird man sich in der dortigen und
der benachbarten Kaufherrenschicht erhofft haben. Die Hansestädte
brauchten gebildete Bürger. Mithin kommt dem Drucker Lukas Brandis zu
Recht ein erhebliches Verdienst am Werk des Anonymus zu, denn er über-
blickte die Verhältnisse und wagte sich an den Druck.

21
Angaben nach GELDNER (wie Anm. 8) passim und POTTHAST (wie Anm. 11) passim; hierzu
demnächst ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Die Rezeption mittelalterlicher Historiographie
durch den Inkunabeldruck, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mit-
telalter, hg. von HANS PATZE, Vortr. u. Fo. 30 ( = Vortr. u. Fo. 31, 1987, S. 215-236).
22
Fol. 419v, vgl. dazu WOLFFGRAM (wie Anm. 12) S. 130.
23
Vgl. u.a. SCHRAMM (wie Anm. 13).
[405/406] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 271

Lukas Brandis 24 ist 1470-73 noch in Merseburg bezeugt; er muß im Win-


ter darauf nach Lübeck gezogen sein und dort in eineinhalb Jahren den
Druck des riesigen Folianten mitsamt graphischem Schmuck in die Tat um-
gesetzt haben. Dabei gab die technische Ausführung etwa der Patriarchen-
ketten des Alten Testaments, der Linea Christi wie auch der Nebenlinien,
die jeweils mit Unzialbuchstaben gekennzeichnet sind, sicherlich manche
Nuß zu knacken. Das ganze Unternehmen wurde für Lukas Brandis letztlich
offenbar ein Mißerfolg, obwohl in Frankreich zwei Fassungen einer franzö-
sischen Übertragung unter dem Titel «La Mer des Hystoires» erschienen,
die Weltkarte auch noch für eine Orosius-Ausgabe herangezogen wurde. 25
Gegen Ende des Jahrhunderts ist Lukas Brandis als verschuldet bezeugt,
und noch 1500 verpflichtet er sich deshalb, Lübeck nicht zu verlassen. Die
lateinische Version des «Rudimentum» erlebte auch keinen Nachdruck, nur
die unterschiedliche Bindung des Werkes lassen die Foliierung nicht in allen
Fällen übereinstimmen, indem die Generationsketten bald am Anfang, bald
mittendrin, bald am Ende stehen.
Die Chronik bevorzugt aufgrund ihrer primär chronologischen Interessen
eine personengebundene Darstellung, sie ist gewissermaßen eine Kette oder
ein Bündel von Kurzbiographien mit reichem Exempla-Material. Die ausge-
sprochen biblisch orientierte Geschichtsdarstellung begegnet bei Hartmann
Schedel allerdings in einer ganz ähnlichen Weise, denn diese Form von Uni-
versalhistoriographie entsprach einfach dem Geschmack der Zeit, auch in
bürgerlichen Kreisen.
Beide Chroniken sind an den Weltaltem orientiert, die in dieser Deutung
auf Augustinus zurückgehen und seit Isidor das beliebteste Einteilungssche-
ma der Geschichte waren. Im «Rudimentum» beginnt aetas I fol. 30 nach
ausführlicher Behandlung des Sechstagewerkes, aetas II fol. 48v, aetas III
fol. 123, aetas IV fol. 201, aetas V fol. 240, und aetas VI reicht von fol. 301
bis 419v. Hierauf folgen ein Kalendar und das Register. Mithin nimmt die
Geschichte der nachchristlichen Zeit nicht einmal ein Drittel des Werkum-
fangs in Anspmch.
In den aetates II und III finden sich größere geographische Exkurse über
das Aussehen dieser Welt bzw. des Heiligen Landes; zur aetas II werden

24
Vgl. neben den älteren Nachschlagewerken ERNST VOULLIEME, Die deutschen Drucker des
15. Jahrhunderts. Berlin 2 1922, S.90-92 und 117; MAX GEISBERG, Geschichte der deutschen
Graphik vor Dürer (Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte 32) Berlin 1939, S. 104 f.; FER-
DINAND GELDNER, Die deutschen Inkunabeldrucker. Ein Handbuch der deutschen Buchdrucker
des 15. Jahrhunderts nach Druckorten, Bd. 1. Stuttgart 1968, S.208f.; DERS. (wie Anm. 8) S. 76.
25
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.7) sect. 57,2 S.252.
272 Studien zur Universalkartographie [406]

nach den Monstren auch die Götter der Heiden abgehandelt 26 , wie der Bil-
dungs- und Kulturgeschichte allenthalben Raum gewährt ist. Für die jüngere
Vergangenheit ist das Interesse am Geschehen in Norddeutschland charak-
teristisch, Hansestädte finden ganz eindeutig vorrangige Beachtung.
Überhaupt verbindet die beiden hier vorgestellten Enzyklopädien städti-
scher Provenienz ein ganz ausgeprägtes Studium der Geschichte bürgerlicher
Anfänge: beide streuen laufend Gründungsgeschichten von Städten, hervor-
gehoben durch Holzschnitte von den behandelten Siedlungen, in den großen
Ablauf von Heils-, Papst- und Kaisergeschichte ein.

2. Die geographischen Partien des «Rudimentum Noviciorum»

Geographische Traktate innerhalb von Weltchroniken oder chronologisch


aufgebauten Enzyklopädien sind im Mittelalter durchaus an der Tagesord-
nung und überraschen an entsprechenden Stellen in Inkunabeln keineswegs.
Der Lübecker Anonymus teilt sein Weltbild zur Geschichte Phaleks mit.
Auch dies ist ein traditioneller Platz, denn mitten in der zweiten aetas hinter
der Erzählung vom Turmbau von Babel, der Sprachenverwirrung und der
Völkerzerstreuung hat ein solcher Exkurs durchaus seinen Sinn. Ein anderer
entsprechender Ansatzpunkt für derlei Ausführungen ist der Bericht über die
Aufteilung der Erde unter die drei Söhne Noes, die den drei damals bekann-
ten Kontinenten zugeordnet galten. Das Heilige Land stellt der Autor im
Zusammenhang mit dem Zug des Auserwählten Volkes ins Gelobte Land
vor, d. h. im Rahmen der dritten aetas. Die genannten geographischen Par-
tien sind recht umfangreich und folgen der Weltkarte B1.85v-86 auf Bl. 87-
118 bzw. der Heilig-Land-Karte Bl. 174v-175 auf Bl. 176-199v.
Als Vorlagen für die allgemeine Geographie benennt der Anonymus die
Heilige Schrift, einen „Erodocus", d.i. Herodot, Plinius und Isidor, ferner
Johannes Chrysostomos sowie Jakob, d. i. Jakob von Vitry. Von diesen Ge-
nannten hat er aber offenbar nur Isidor und Jakob direkt benutzt, alles übri-
ge einschließlich der genannten Autoritäten hat er aus einer Vorlage abge-
schrieben, die er dem Leser nicht namhaft macht, nämlich aus der Schrift
«De proprietatibus remm» des Bartholomaeus Anglicus OFM. 27 Von dort
hat der Lübecker auch die Anregung zur alphabetischen Anordnung seines
Materials übernommen, die er im „Schweiße seines Angesichts" 28 erstellt zu

26
Fol. 60 ff. nach Abhandlung der Monstren fol. 57 ff.
27
Beste Edition unter dem Titel „De genuinis rerum coelestium terrestrium et inferarum pro-
prietatibus", ed. D. GEORGIUS BARTHOLDUS PONTANUS A BRAITENBERG. Frankfurt/M. 1601.
28
Fol. 87-87v sudoroso conamine.
[406/407] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 273

haben vorgibt. Bartholomaeus schuf um 1240/50 eine Enzyklopädie der Na-


turkunde in 19 Büchern, die Medizin, Philosophie, Geographie, Mineralo-
gie, Ethnographie, Zoologie, Botanik, Astronomie, Zeitrechnung sowie Far-
benlehre umschließt. Auf Buch XII über die Vögel folgt in Buch XIII die Be-
handlung von Gewässern, d.h. Brunnen, Flüssen, Strömen, Seen, in Buch
XrV von der Erde und ihren Teilen, nämlich Berge in alphabetischer Folge,
Hügel, Täler, Felder, Wiesen, Wüsten und Höhlen, in Buch XV endlich von
den Provinzen der Erde und ihren Teilen, in alphabetischer Reihenfolge,
wie Bartholomaeus XV c. 2 ausdrücklich ankündigt. Hier leben - wie allent-
halben im Mittelalter - die alten römischen Provinznamen munter fort, doch
erscheinen auch einige mittelalterliche Territorien wie Bohemia, Franconia,
Livonia, Lotharingia, Misena, Norwegia, Normannia, Reucia, Ollandia, Rin-
covia, Saxonia, Selandia, Westvalia, Winlandia, Yselandia, um nur einige eu-
ropäische Herrschaften zu nennen.
Der Lübecker Anonymus hat von dieser Sammlung mit wenigen Auslas-
sungen eifrig Gebrauch gemacht, auch die Bemfung auf Herodot ist hier ab-
geschrieben. Die Notwendigkeit eines geographischen Exkurses wird im
«Rudimentum» ausdrücklich gerechtfertigt unter Bemfung auf Joh. 3,12, wo
es heißt, daß man, um Überirdisches zu erfassen, zuerst das Irdische begrei-
fen müsse. Mit Hieronymus 29 verweist der Autor auch darauf, daß die Alten
keine Gefahren und Kosten scheuten, um die Länder zu durchforschen.
Er erläutert zunächst die Provinzen, jedoch unterteilt nach den einzelnen
Erdteilen und innerhalb derselben dann jeweils alphabetisch, wobei ihm z.B.
der Irrtum unterläuft, Medien 30 unter Europa abzuhandeln. Im Anschluß
daran 31 bespricht er die Berge im allgemeinen und dann im einzelnen in al-
phabetischer Abfolge, was bei Bartholomaeus ohne System geschehen war.
Inseln 32 sind im folgenden gleichfalls alphabetisch zusammengefaßt, wäh-
rend sie bei Bartholomaeus - als Provinzen behandelt - bei diesen eingereiht
worden waren. Der Abschnitt über Flüsse33 ist wiederum alphabetisch ge-
ordnet, die Texte stammen nur zum Teil aus Bartholomaeus, viele auch aus
Isidor unmittelbar. Nur das Kapitel über den Rhein ist erheblich erweitert
und den Verhältnissen des 15. Jahrhunderts angepaßt. Dem Kapitel über

29
Epistola ad Paulinum presbyterum I c. 1, i.e. Epist. 53, ed. ISIDORUS HILBERG, CSEL 54
(1910) S. 442-445.
30
Fol. 98.
31
Fol. 106 ff.
32
Fol. 11 lv ff.
33
Fol. 114v ff.
274 Studien zur Universalkartographie [407/408]

Quellen endlich 34 hat der Anonymus Zeugnisse aus Jakobs von Vitry «Histo-
ria Orientalis» 35 zugefügt.
So erschließt der Exkurs, jeweils in der mechanischen Anordnung des Al-
phabets, Länder, Berge, Inseln und Flüsse, lediglich die Quellen werden in
freier Folge diskutiert. Aus einem solchen Text geht die Lage der einzelnen
besprochenen Geographica zueinander überhaupt nicht hervor, so daß die
Karte hier Abhilfe leisten muß. Umgekehrt erscheint der Text als Erläute-
rung des Kartenbildes unentbehrlich, da dieses mangels Platzes keine aus-
führlichen Angaben zuläßt. 36 Auch müsse man bei mehreren, für dieselbe
Gegend üblichen Bezeichnungen die Synonyma kennen und suchen können.
Bei der Beschreibung des Heiligen Landes hat es sich der Lübecker Autor
noch leichter gemacht. Er bietet nämlich nichts weiter als die editio princeps
der «Descriptio Terrae Sanctae» des Burchard von Monte Sion O P , 3 7 die
dieser kurz vor dem Fall von Akkon um 1283 anfertigte. Ihn nennt der An-
onymus aber auch ausdrücklich.

3. Die Weltkarte des «Rudimentum Noviciomm»

Während die Karte des Heiligen Landes keine besonderen Merkmale zeigt -
sieht man einmal von der merkwürdigen Inselberggestalt der einzelnen Pro-
vinzen ab - und in etwa den Zeichnungen entspricht, die unter dem Namen
des Hieronymus aus dem 12. Jahrhundert belegt sind, soll die Weltkarte ein-
gehender gewürdigt werden, weil sich in ihr der Bildungsanspruch breiter
städtischer Kreise spiegelt. Da es sich - hält man sich an den Stand der For-
schung, den uns das Repertorium von Destombes vermittelt 38 - um die
Zweitälteste gedruckte Karte überhaupt und die älteste mit dem Charakter
einer Ökumene-Karte handelt, verdient sie in jedem Falle Interesse. Älter ist
nur die schematische Radkarte zu Isidors «Etymologiae», die bereits in zwei
Auflagen von Augsburg 1472 und Straßburg 1473 vorlag. Wie bei allen Früh-
druckkarten deutscher Provenienz handelt es sich um Holzschnitte.
Die Karte des «Rudimentum Noviciorum» 39 ist eine geostete Radkarte;
sie hat einen Durchmesser von 256 mm und wird durch den Falz in der Mitte
senkrecht auseinandergerissen, weist aber für die untere Hälfte auch eine

» Fol. 117 ff.


35
Ed. JAKOB BONGARS, Gesta Dei per Francos. Hanau 1611, hier I, c. 84 S. 1098.
" Fol. 87.
37
Ed. JOHANN CARL LAURENT, Peregrinatores Medii Aevi Quattuor. Leipzig 2 1873, S. 3-94.
38
DESTOMBES (wie Anm.7) S.252.
39
Fol. 85v-86, in anderen Ausgaben auch fol. 74v-75.
[408/409] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 275

Trennungslinie auf, desgleichen in waagerechter Richtung: so werden die


Begrenzungen der drei Erdteile angedeutet, ohne daß die Gewässer Don,
Nil und Mittelmeer eingezeichnet sind. Die Mappa hat den typischen Cha-
rakter einer Ökumene-Karte, denn sie vermittelt dem Betrachter weniger na-
turwissenschaftliche Kenntnisse als erste Vorstellungen von der Lage histori-
scher Schauplätze zueinander. Die Ostung ist bei mittelalterlichen Radkar-
ten eine Selbstverständlichkeit. Seit Augustin 40 war es auch üblich, Asien die
obere Hälfte der ErdScheibe, Europa und Afrika je ein unteres Viertel zuzu-
billigen.
Oben im äußersten Osten, wo gewöhnlich das Paradies eingezeichnet zu
sein pflegt, sieht man zwei Männer, jeder ein Buch haltend, offenbar also
Gelehrte, die miteinander disputieren. Daß es sich dabei um einen Juden und
einen Christen handele, ist eine Vermutung, 41 die ihre Begründung allenfalls
in der Tatsache findet, daß das «Rudimentum Noviciorum» sich sowohl als
Hilfsmittel des Alten und auch des Neuen Testamentes verstanden wissen
will.
Länder und Provinzen haben im übrigen die merkwürdig stereotype Form
eines Hügels, der inselartig aus dem Meer herauszuragen scheint, bisweilen
gewissermaßen eine Steilküste aufweist oder aber vom nächsten derartigen
Gebilde verdeckt wird. Viele dieser eigenwilligen Länderschablonen tragen
Gebäudesymbole, vorzugsweise Türme, Häuser oder Burgen.
Die ansonsten in der mittelalterlichen Kartographie beliebten Monstren
sind relativ spärlich vertreten: nur bei den Kaspischen Bergen trifft man auf
eine Reminiszenz an Gog oder Magog, eine Art menschenfressenden Teufel,
in Südasien auf Tile auf ein vielbeiniges Ungeheuer sowie bei Saba auf den
Vogel Phönix. Jerusalem scheint durch eine zum Himmel auffahrende Per-
son hervorgehoben zu sein. Afrika ist im Norden durch Drachen in Libyen
und andere wilde Tiere spärlich belebt. In Europa sind allenthalben gekrönte
Regentenfiguren, in Rom zudem der Papst eingezeichnet.
Im übrigen ist diese Karte mit ihren schematischen Hügelprovinzen kaum
wesentlich informativer als die handschriftlichen Karten des Hochmittelal-
ters, die einfach nur die Legenden der einzelnen Länder in einer die Plazie-
rung zueinander andeutenden Abfolge auflisteten unter Verzicht auf kon-
ventionelle Zeichen oder Grenzlinien, z. B. die Karte des Wilhelm von Tri-
polis. 42

40
Decivitate Dei 16, 17.
41
Vgl. LEITHÄUSER (wie Anm.9) S. 144.
42
Vgl. ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, „... Ut describeretur ..." (wie Anm.3), Mise.
Med. 7 Tafel 2 hinter S.272 (vgl. unten Tafel 44).
276 Studien zur Universalkartographie [409/410]

Die Nomenklatur - gelesen in jedem Erdteil quasi zeilenweise von links


nach rechts - ist die folgende:
Obere Hälfte, links: Evilath / Laniania (oder Laviania) / Arcusia - 2x
Hircania, lindia / Terra Paricinomm / Kaldea /Montes, Armenia, Babilonia,
Presbiteri Ioh(annis) /Assiria, Grandis Cain / Idumea / Iturrea / Galilea, Me-
dea / Caspy, Albania, Samaria / Cilicia / Ma(r)e Amasoneorum, Sitia, Amaso-
nia, Frigia, Siria, ludea; ebenda rechts: Tabrobana trabobatha, Mons Auri /
Persia /Arbor Solis et Lune, Tile insula / Terra Moab, Arabia, Terra Amalech,
Terra diversorum monstrorum / Terra Amoreorum, Pentapolis / Sabea / Carme-
lus, Testudinum / Palestina, Philistiim, Ophir; untere Hälfte, links: Tartarea,
Slavia Maior, Europa / Ciprus, Rodus, Alania / Creta / Moscavia, Tessalia,
Nicomedia, Apulia / Grecia / Littavia, Slavia Minor, Roma, Subaudia / Swevi
/ Pruda, Pomegaria, Macedonia, Venecia, Misena, Alsacia, Alimani(a) / Polo-
nia, Ungaria, Bohemia, Flandria / Wstva(lia) / Saxonia, Braba(ntia), Francia /
Obtritorum Holsacia, Frisia, Equitania, Andega(vum) / Vinland, Gothia, Livo-
nia, Moravia / Norwe(gia), Dacia, Anglia, Hispani(a) / Island, Galicia; eben-
da rechts: Affiica /Egiptus / Lybya, Ethiopia / Ipona /Alexandria, Babilonia
/ Cartago / Braciana, Reugio sive Reu / Tragodisia / Nicomedea, Torttes / Pe-
trapolis, Mons Aliariorum /Maditania / lunonia, Mons Alpharye / Terra Fera-
rum /Mons Calesti / Gorgoles.
Viele Namen erscheinen hier recht verballhornt, verglichen mit dem Text
des «Rudimentum» und mit Bartholomaeus' Schrift. Jedenfalls waren die Ge-
fahren für Fehler beim Satz noch wesentlich größer als bei normalem, fort-
laufendem Text, denn die Legenden waren in die ausgeschnitzten Vertiefun-
gen des Holzstocks einzusetzen, und da gab es sehr leicht Verwirrungen und
Irrtümer.
Im übrigen geht die Karte an einigen Stellen über den begleitenden Text
und die Vorlagen hinaus; hier hat der Autor vermutlich weiteres Kartenma-
terial zur Hand gehabt, das ihm als Vorbild diente. Das gilt für die Erwäh-
nung des Priesters Johannes westlich von Indien und des noch weiter im We-
sten lokalisierten Großkhans, die offenbar beide in Persien vermutet werden
und Relikt des Reiches der Ilkhane von Persien sind. Die afrikanische Wirk-
lichkeit scheint kaum Platz im Bewußtsein des Kartographen gehabt zu ha-
ben, wenn man Äthiopien westlich von Ägypten, Alexandrien und Kairo
(Babilonia) aber wiederum südwestlich von Äthiopien wähnt, auch ein Niko-
medien in Nordafrika vermeldet: streckenweise sieht es aus, als habe hier
eine genordete Karte als Vorlage - vielleicht eine vom Typ des Ptolemäus -
Verwirrung gestiftet. In Europa sind z.B. die Tartarei, die verschiedenen
Slawien, Moskau, Pommern und Holstein nichtalltägliche Legenden der
Kartographie. Insbesondere Nordeuropa ist hervorgehoben, während man
sich fragt, wo das zweite Nikomedien zwischen Rom und Apulien her-
[410/411] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 277

kommt. Ein Lübecker Kaufmann, der mit diesem Blättlein im Handgepäck


die Welt hätte bereisen wollen, hätte wohl böse Überraschungen erlebt. Aber
ebendieses beabsichtigte man mit mittelalterlichen Karten nicht: sie beruhten
in keiner Weise auf Vermessung und dienten nie der Praxis, sondern begrün-
deten ein allgemeines Elementarwissen, etwa, daß Moskau, Preußen und
Polen im Nordosten zu suchen waren. Lübeck ist übrigens nicht auch nur an-
gedeutet, wie Städtenamen überhaupt äußerst selten sind. Vielleicht soll Lü-
beck mit dem Turm zwischen Dänemark und Livland gegenüber von Norwe-
gen symbolisiert sein.
Außer den Provinzen haben nur wenige Begriffe auf der Karte Platz ge-
funden: an Meeren das Amazonenmeer im Nordosten, an Bergen solche bei
Armenien ohne Namen, offenbar der Kaukasus, der Karmel im Heiligen
Land, der Goldberg in Südasien und zwei ominöse Berge in Afrika.
Die Erfindung des Buchdrucks wie auch der Holzschnittkunst gelten als
einschneidende Ereignisse der Geistesgeschichte schlechthin. Der Verfasser
des Kolophons des «Rudimentum Noviciomm» war sich dieser Tatsache
durchaus bewußt. Wenn er die Notwendigkeit einer Vermittlung von Kennt-
nissen der Geographie und Kartographie ausdrücklich begründete, so war er
überzeugt, mit seinem Beitrag brauchbaren Schulstoff anzubieten. Eine
Weltkarte hat damals nicht die Funktion, ein Führer für die Praxis zu sein,
sie muß daher nicht den neuesten Stand des Wissens, sondern sein zeitloses
Fundament präsentieren; daher werden ausdrücklich mit Hieronymus die
Alten gepriesen, die sich die Erdkenntnis viel kosten ließen. Ihre Aussagen
bilden die Gmndlage für den Lübecker Anonymus, denn was alt ist, pflegt
gut zu sein. So lebten die römischen Provinznamen der Antike fröhlich auch
dort fort, wo seit 800 Jahren Moslems saßen und das Land total verändert
und anders benannt hatten.
Sicherlich war die Holzschnittechnik um 1475 noch nicht in der Lage,
ähnlich verfeinerte Karten zu liefern wie die gleichzeitigen Zentren der Por-
tolankartographie, wo man begierig auch die neusten Erkenntnisse des Ent-
deckungszeitalters zu registrieren verstand. Aber dieses Erfordernis bestand
nicht vorrangig für deutsche Kaufleute, ihnen reichte schematisches Elemen-
tarwissen, das durch sein Alter auch die nötige Ehrwürdigkeit erworben
hatte. Es wird im folgenden zu zeigen sein, daß die gleichzeitigen Ptole-
mäus-Karten zwar den sphärischen Charakter der Erde korrekter zum Aus-
druck bringen, ansonsten aber zunächst auch nur oberflächliche Ähnlichkeit
mit den Details und mit der Wirklichkeit aufweisen. Das 15. Jahrhundert
und damit die gesamte Inkunabelkartographie waren letztlich noch aus-
schließlich dem mittelalterlichen Weltbild verhaftet.
278 Studien zur Universalkartographie [411/412]

IL H a r t m a n n Schedel

Das «Rudimentum Noviciomm» hat bislang in der Forschung nur wegen sei-
ner Zugehörigkeit zur frühen Inkunabel- und Holzschnittkunst Beachtung
gefunden, nicht wegen seines Inhalts. Das sieht bei Hartmann Schedels
Chronik anders aus, auch wenn im Mittelpunkt der Studien über sein Werk
wiedemm kunsthistorische Interessen stehen. Der Nürnberger Arzt gilt näm-
lich als Vertreter des deutschen Humanismus und erfreute sich schon zu
Lebzeiten großer Popularität, sowohl aufgrund der von ihm dargebotenen
Materie als auch ihrer Ausstattung in der Werkstatt von Wolgemut und
Pleydenwurff.
Es ist für Schedel daher fast selbstverständlich, daß er sich als Vorbild für
seine Karte das Modell des Ptolemäus wählt. Im übrigen wird sich aber bei
genauem Hinsehen zeigen, daß die hier paradigmatisch herausgegriffenen
Autoren doch letztlich ganz aus derselben Geisteswelt hervorgegangen sind.
Nur ca. 20 Jahre trennen die beiden Werke; auch gilt für das Kulturgefälle
im Reich, daß der Süden dem Neuen immer ein wenig fortschrittlicher ge-
genüberzustehen pflegt als der Norden. Letztlich aber verkünden beide noch
ein Weltbild, das einen wohlgeordneten, begrenzten und überschaubaren
Kosmos zum Gegenstand hat. Diese Aussage beinhaltet keineswegs eine ne-
gative Wertung. Es soll lediglich aufgezeigt werden, daß die Frühdruckkar-
ten des 15. Jahrhunderts noch primär aus der Tradition der mittelalterlichen
imago mundi zu verstehen sind und nicht an den Erzeugnissen des Humanis-
mus des beginnenden 16. Jahrhunderts und der eigentlichen Neuzeit zu mes-
sen sind, wenn man ihnen gerecht werden will.

1. Die Schedeische «Weltchronik»

Hartmann Schedel43 wurde 1440 zu Nürnberg geboren, vermutlich in einer


Kaufmannsfamilie. Er studierte von 1456 bis 1461 zu Leipzig und von 1463
bis 1466 zu Padua Medizin, wo er den Doktorgrad erwarb. Zunächst als
Arzt in Nördlingen und seit 1477 in Amberg tätig, kehrte er bei Gelegenheit
in seine Vaterstadt zurück, wo er 1484 Stadtphysikus wurde. Er gehörte zu

43
Vgl. hierzu insbesondere jüngst ELISABETH RÜCKER, Die Schedeische Weltchronik. Das
größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit. München 1973 und ADRIAN WILSON, The Making of
the Nuremberg Chronicle. Introduction by PETER ZAHN. Amsterdam 1976.
[412] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 279

den Genannten des Großen Rates und damit zur bürgerlichen Führungs-
schicht. 1514 verstarb er zu Nürnberg.
Von seinem älteren Vetter Hermann Schedel, der bei dem früh Verwaisten
Vaterstelle vertrat, erbte er 1485 eine umfangreiche Bibliothek, die er durch
eigene Erwerbungen und das Anfertigen von Handschriften zu erweitern
verstand. Über diese Büchersammlung, die Schedel als wahren Polyhistor
ausweist, ist man relativ gut informiert, da mehr als die Hälfte des Bestandes
in den Gmndstock der Bayerischen Staatsbibliothek München - nach Ver-
kauf durch einen erbenlosen Enkel Schedels an Hans Jakob Fugger und von
da an Herzog Albrecht I., den Begründer der Bibliothek, veräußert - ge-
langte und unversehrt erhalten ist. Andere Teile hatte Schedel geistlichen In-
stituten seines Umkreises vermacht, von wo sie anläßlich der Säkularisation
in der Reformationszeit zumeist in die Stadtbibliothek Nürnberg gelangten,
darunter auch Schedels handschriftliche Vorlage für die berühmte Inkuna-
belchronik. Hartmanns Bücher betrafen neben der Medizin vor allem Ma-
thematik, Kosmographie, Philosophie, lateinische Klassiker wie Cicero, Sal-
lust, Valerius Maximus, Vergil, Horaz, Livius, Tacitus, Sueton u.a. und Kir-
chenväter wie u.a. Laktanz, Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Orosius
und Prosper. Von den Autoren der italienischen Renaissance waren Dante,
Petrarca, Boccaccio vertreten, zudem kopierte Hartmann nach Möglichkeit
alles, was er von Enea Silvio de'Piccolomini, Poggio Bracciolini, Pico della
Mirandola u.a. auftreiben konnte. Selbstverständlich pflegte er besonders
den Umgang mit den deutschen Humanisten seiner Zeit.
Vollen Niederschlag fand dieser vielseitige Sammeleifer in Hartmanns
Hauptwerk, seiner Chronik, in der er sich in echt mittelalterlicher Weise vor
allem als Kompilator und wenig als kritischer Denker betätigt.
Nürnberg war im ausgehenden 15. Jahrhundert wohl die idealste Umwelt
in Deutschland schlechthin für ein derartiges Buchunternehmen; die Stadt
rangierte in dieser Zeit längst vor Köln und Lübeck in wirtschaftlicher Hin-
sicht. Zudem hatte Schedel hier das Glück, eine Reihe bedeutsamer Mitar-
beiter und Mäzene mobilisieren zu können. Auch schloß er sein Werk 18
Jahre nach dem «Rudimentum Noviciomm» ab, als Dmck und Holzschnitt
in technischer Hinsicht weiter fortgeschritten waren und die Marktlage für
derartige Universalhistorien erheblich verbessert war.
Sebald Schreyer aus Nürnberg (1446-1520) hatte gleichfalls in Leipzig
studiert und war später im Pelzhandel und im Geldgeschäft tätig. Er gehörte
dem Großen Rat an und war 1482-1503 Kirchmeister von St. Sebald. Er un-
terstützte Schedel sowohl mit seinen Büchern als auch bei der Geldbeschaf-
fung ebenso wie sein Schwager Sebastian Kammermeister, worüber Belege
erhalten sind. Den eigentlichen Ruhm der Schedeischen Chronik begründe-
ten neben dem Autor selbst Michael Wolgemut (1434/37-1519) und Wil-
280 Studien zur Universalkartographie [412/413]

heim Pleydenwurff (f 1494), denn sie erstellten in ihrer gemeinsamen Werk-


statt die künstlerische Ausstattung. Wolgemut gilt als erster namentlich be-
zeugter Reißer, d. h. er zeichnete die Darstellung für den Holzschnitt, den
der Formschneider - auch Bildschnitzer geheißen - auf den Stock über-
trug. 44 Seit 1484 arbeitete er in diesem Bereich; sein berühmtester Schüler
war Albrecht Dürer. Nicht den geringsten Anteil am Erfolg hatte der Druk-
ker Anton Koberger (1440/45-1513); gleichfalls Genannter des Großen Ra-
tes, von Ausbildung her vielleicht Goldschmied, war er jedenfalls hochgebil-
det und vermutlich studiert, er gehört zu den erfolgreichsten Inkunabeldruk-
kern. Georg Alt schließlich (1440/50-1510), seit 1475 Bürger von Nürnberg
und Stadtschreiber, seit 1476 kaiserlicher Notar, 1485 auch Losungsschrei-
ber, hat nicht nur selbst eine lateinische Beschreibung Nürnbergs verfaßt,
sondern Schedels Chronik noch im Jahre ihres Erscheinens 1493 ins Deut-
sche übersetzt und damit die volkssprachliche Ausgabe ermöglicht.
Die Chronik Schedels ist gleichfalls umfangreich, erreicht etwa 60% des
«Rudimentum Noviciorum». Auch sie ist nach den Weltaltern eingeteilt; al-
lerdings steht hier das 6. Weltalter, die nachchristliche Zeit, mit einem Anteil
von zwei Dritteln ganz im Vordergmnd. Wie der Lübecker Anonymus geht
der Nürnberger Humanist ausführlich auf das Sechstagewerk der Schöpfung
ein, behandelt aber - nachdem er hinter der eigenen Zeit drei Blätter für die
Geschehnisse künftiger Jahre leer ließ 45 - zudem am Ende die Letzten Din-
ge, d.h. er gibt einen Abriß der Eschatologie, wie dies z.B. früher schon die
Weltchronisten Hilarian, Beda, Otto von Freising und Vincenz von Beauvais
besorgten. 46
Als Hartmanns Hauptquelle wurde schon von Trithemius die Weltchronik
des Jacobus Philippus Foresta von Bergamo, die bis 1482 reicht und 1483 in
Venedig gedmckt wurde, erkannt. Neben dem Werk des Vincenz von Beau-
vais war auch für Hartmann der im Spätmittelalter so beliebte Typ der
Papst-Kaiser-Chronik vorbildlich, daneben aber auch Humanisten wie Enea
Silvio, den er insbesondere wegen seiner geographischen Kenntnisse aus-
führlich zu Wort kommen läßt.
Der Druck weist 1809 Holzschnitte auf, neben stereotypen Papst- und
Kaiserbildern u. a. zahlreiche Städteansichten, bei denen oft die Identität
durchaus eindeutig auszumachen ist und die bisweilen die Stadt aus der Vo-

44
Vgl. hierzu GEISBERG (wie Anm. 24), zur Technik S. 1 ff.
45
Hinter fol.258v der lateinischen Ausgabe, in der deutschen nie eingebunden, vgl. RÜCKER
(wie Anm.43) S.32. In den folgenden Ausführungen wird nach dem verkleinerten Reprint der
deutschen Ausgabe von 1493 (Hain 14510) München-Allach 1965 zitiert.
46
Vgl. hierzu MARTIN HAEUSLER, Das Ende der Geschichte in der mittelalterlichen Welt-
chronistik (Beihh. AKG 13) 1980, bes. S. 137ff.
[413/414] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 281

gelperspektive darstellend auch die Funktion eines Stadtplans überneh-


47
men.
Anstelle eines Titelblattes findet sich zu Beginn die Ankündigung des al-
phabetischen Registers, das dann ohne Foliierung den Band eröffnet. Auf
die Behandlung der Schöpfung folgt fol. 6v aetas I, ab fol. 11 aetas II. Wie-
derum findet sich hier die Weltkarte fol. 12v-13 mit einem daran anschlie-
ßenden geographischen Exkurs, diesmal im Zusammenhang mit dem Bericht
über die Verteilung dieser Erde unter die drei Noachiden. Fol. 21v beginnt
aetas III, fol. 46v aetas IV, fol. 66v aetas V und fol. 95 aetas VI.
Auch Hartmanns Werk hat den Charakter einer Enzyklopädie, was man
schon an der Beigabe eines Registers sehen kann. Sein Interesse im histori-
schen Bereich gilt besonders den Städten, ferner den Sibyllen, den Gelehr-
ten, den Konzilien usw. Auf allerlei Kuriositäten, wie man sie insbesondere
in den Papst-Kaiser-Chroniken finden konnte, verzichtet der gelehrte Hu-
manist mitnichten, etwa auf die Fabel von der Päpstin Johanna 48 nach Mar-
tin von Troppau - eine Partie, die man im «Rudimentum Noviciomm» ver-
gebens sucht -; er erörtert den Urspmng des Kaisertums und seine Übertra-
gung auf die einzelnen Völker bis auf die Deutschen, 49 auch die Entstehung
des Kurfürstenkollegs unter Otto III. und Gregor V.50 mit Erwähnung der
Quatemionen unter den Reichsständen. Aber die überraschendsten Wunder
aus der Exempla-Literatur der Mendikanten, wie z.B. aus den «Flores Tem-
porum», finden in Hartmanns Werk Eingang: mag man bei der Geburt von
siamesischen Zwillingen51 noch den Arzt in Hartmann erkennen, die Geburt
eines Löwen durch eine Adlige52 ist nun wirklich nur unter Predigtmärlein
einzuordnen. 53 Man kann daher in Hartmann den großen Humanisten im
Gegensatz zu Antonin von Florenz feiern,54 letztlich sind beide dem gleichen
Denken verhaftet. Haben auch Jacobus Philippus Foresta und Enea Silvio

47
Den Hinweis, daß es sich vielfach um Pläne aus der Vogelperspektive handelt, so daß die
Holzschnitte auch kartographischen Wert haben, verdanke ich Gesprächen mit Frau Dr. Karen
S.Pearson, Fairbanks/Alaska. In einigen Fällen gilt dies auch für die sehr viel einfacheren gra-
phischen Beigaben im ,Rudimentum Noviciorum'.
48
Fol. 169v.
4
' Fol. 178.
50
Fol. 183 ff.
51
Fol. 182v, 217 u.a.
52
Fol. 217.
53
Vgl. Flores Temporum, ed. teilweise OSWALD HOLDER-EGGER, MG SS 24 (1879) S. 242.
54
Vgl. PAUL JOACHIMSEN, Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland
unter dem Einfluß des Humanismus (Beitr. z. Kulturgesch. d. MA und der Renaiss. 6). Leip-
zig19!0, S.87ff.
282 Studien zur Universalkartographie [414/415]

Gedanken des Humanismus eingeführt, Hartmanns Chronik ähnelt dem


«Rudimentum Noviciomm» nicht wenig.
Im Gegensatz zu seinem Lübecker Kollegen war Schedel mit seiner Chro-
nik eine außerordentliche Wirkung beschieden. Man weiß nicht verbindlich,
wie groß die Auflagen der beiden Versionen aus Kobergers Druckerei zu
Nürnberg waren, denen bald - Beweis für die Nachfrage! - ein verkleinerter
Raubdruck durch Johannes Schönsperger zu Augsburg 1496/97 für den
lateinischen wie für den deutschen Text folgte. Immerhin schätzten Fachleu-
te jüngst, 55 daß Koberger mnd 1500 lateinische und 1000 deutsche Exem-
plare auf den Markt brachte, eine Zahl, die für die damalige Zeit ganz au-
ßergewöhnlich hoch gewesen wäre. Die übliche Zahl lag am Ende des 15.
Jahrhunderts zwischen 200 und 600 Exemplaren in Deutschland, in Italien
höher. 56

2. Die geographischen Interessen Hartmann Schedels

Auch für den Nürnberger Humanisten gilt, daß seine geographisch-natur-


wissenschaftlichen Interessen und Kenntnisse eingebettet sind in ein Ge-
schichtswerk und daher auch in einer chronologisch bestimmten Abfolge zur
Sprache kommen, also grundsätzlich nicht für sich stehen - ganz entspre-
chend dem mittelalterlichen Brauch.
Hartmann weicht nicht von der Norm ab, wenn er zum Bericht der Gene-
sis über die Verteilung der Welt unter Noes Söhne seine Weltkarte liefert.
Zuvor allerdings 57 fand er schon eine andere Gelegenheit zur Mitteilung
geographischer Elementarkenntnisse, nämlich im Zusammenhang mit der
Erwähnung des irdischen Paradieses im äußersten Osten und den daraus
hervorgehenden Paradiesflüssen: hier läßt er sich bereits angelegentlich über
Meere und Erdteile aus. 58
Die Teilung in die bekannten Kontinente fügt er dem Bericht über die
Sintflut an, verbindet dieses Geschehen auch mit der „Zungen Zerteilung", 59
d. i. mit der Sprachverwirrung nach dem Turmbau von Babel. Eingehend und
genüßlich schildert er aber zunächst die Monstren und ihre Eigenheiten.
Während der Autor des «Rudimentum» hierzu verworrenen Stoff zusam-

55
Vgl. WILSON und ZAHN (wie Anm. 43) Appendix I S. 238 f.
56
Vgl. hierzu GELDNER (wie Anm.8)S. 156f.
" Fol. 7vf.
58
Fol. 8.
59
Fol. 11 v.
[415/416] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 283

mengetragen hatte, 60 zeigt Hartmann sich recht engagiert in der plastischen


Schildemng der Einzelheiten: die Ausstatter des Werkes trugen diesen Mit-
teilungen daher auch mit 21 Holzschnitten Rechnung.61 Auch sind die Ge-
genden, wo die Monstren zu finden sind, sorgfältig aufgelistet.
Anschließend ist von der Verteilung der drei Erdteile in den traditionellen
Größenverhältnissen unter die Noachiden die Rede, 62 von der Lage der
Kontinente zueinander. Darauf folgt63 eine knappe Beschreibung der einzel-
nen Erdteile, die im Grande nur eine Aufzählung der zugehörigen Länder,
Provinzen und Flüsse darstellt, Kenntnisse, die weitgehend eine Kurzfassung
der entsprechenden Abschnitte bei Isidor wiedergeben, allerdings mit eini-
gen Überraschungen gewürzt, etwa der Nachricht von einem feuerspeienden
Berg bei Zwickau.64 Dieser ganze Abschnitt umfaßt nicht mehr als vier Spal-
ten, kann sich also nicht entfernt mit dem messen, was das «Rudimentum»
zu bieten hat.
Als erste Stadt der Welt wird Jemsalem vorgestellt, 65 eingehend beschrie-
ben und durch den Holzschnitt nicht unzutreffend abgebildet.
Nach Erwähnung der ersten weltlichen Reiche am Ende des zweiten Welt-
alters ist in diesem Zusammenhang ein besonderer Exkurs über Inseln einge-
schoben, 66 zumal manche Reiche mit Inseln identisch waren. Die Einführung
neuer Herrschaften gibt immer wieder Gelegenheit zu kleineren Abschwei-
fungen in die Erdkunde. Allenthalben werden auch die Territorien der eige-
nen Zeit mit den Völkern des Alten Testaments z. Zt. der Noachiden und
Abrahams verknüpft. Dabei finden sich laufend Stadtgründungsberichte ein-
gestreut. Hartmann billigt Institutionen dieser Art ein überraschend hohes
Alter zu und glaubt, viele Siedlungen in einer sehr frühen Zeit glaubhaft
nachweisen zu können.
Nach der Behandlung des Weltendes schließt Hartmann nochmals einen
großen geographisch angelegten, mit historischen Nachrichten angereicher-
ten Bericht an, 67 dem die Beschreibung Europas durch Enea Silvio de' Picco-
lomini zugrunde liegt.68 Hartmann schreitet in der Darstellung unseres Kon-
tinents von Osten nach Westen fort, er widmet sich vorrangig den Teilen

<° Fol. 57 ff.


61
Fol. 12-12v.
62
Fol. I2v-13.
63
Fol. 13v-14.
64
Fol. 13v am Ende des Abschnitts über Asien.
65
Fol. 17.
<•' Fol. 19.
67
Fol. 263 ff.
68
Vgl. Aeneae Silva Piccolominei postea Pii II papae Opera geographica et historica. Helm-
stedt 1699, S.218ff.: In Europam.
284 Studien zur Universalkartographie [416/417]

Ost- und Mitteleuropas, die in der klassischen Literatur noch kaum zu fin-
den sind, während er Italien weitgehend beiseite läßt.

3. Die Weltkarte in Schedels Chronik

Die Weltkarte in der Chronik Hartmann Schedels ist an Ptolemäus orien-


tiert. Das ist keineswegs überraschend, denn dieser Kartentyp war schon seit
Beginn der Ptolemäus-Renaissance zu Anfang des 15. Jahrhunderts gern
nachgeahmt worden im Bereich der handschriftlichen Karten. Auch die ge-
druckten Karten bedienten sich lange vor Schedel dieser Form, insbesondere
in Italien, wo Schedel studiert hatte: dort waren sie am Ende des 15. Jahr-
hunderts fast ebenso stark vertreten wie die traditionellen Rundkarten, wäh-
rend in Deutschlands Inkunabeln die alte Form entschieden überwog.
Andererseits hat Hartmann Schedel im beigegebenen Text eine Welt ge-
schildert, die genau der seit Isidor verbreiteten Radkarte entsprach: 69 sie sei
simbel rotundgescheybelt und kugelt ist eine ungemein treffende Beschreibung.
Man hat es als auffällig angemerkt, daß Schedel sich nicht der ältesten deut-
schen Ptolemäus-Karte von Ulm 1482 und des zugehörigen Textes be-
diente; 70 vielmehr folgt er unter den gedruckten Weltbildern dieses Typs, d. h.
der sphärischen Darstellung in der Form der sogenannten „chlamys extenta",
des ausgebreiteten Mantels, 71 vielleicht der Ausgabe Erhard Ratdolts aus Ve-
nedig von 1482.72 Wie alle Karten ptolemäischen Typs ist Schedels Abbild ge-
nordet und zeigt gewissermaßen ein Viertel der Weltkugel und dazu unter
dem Äquator ein wenig ,Mantelsaum' als Andeutung der Antökumene, hier
wie bei allen frühen Darstellungen dieses Typs durch einen Knick abgesetzt:
Schedel bediente sich nicht gerade der modernsten Fassung dieses Weltbildes.
Die Karte ist auch Noachidenkarte entsprechend ihrer Plazierung in der
Chronik, die Noesöhne erscheinen oben in der Ecke außerhalb der Chlamys
im Bild, nämlich Japhet links oben bei Europa, Sem rechts oben bei Asien,
Cham allerdings nicht links unten bei Afrika, sondern rechts unten bei Ta-
probana und Indien. Die zwölf Winde sind eingezeichnet und durch eine Le-

" Fol. 12v; Karte fol. 12v-13 (vgl. unten Tafel 74).
70
Vgl. RÜCKER (wie Anm. 43) S. 77.
71
Vgl. Macrobii Opera II: Commentarii in Somnium Scipionis II, 9, 8, ed. JAKOB WILLIS,
Leipzig 1962, S. 124.
72
Vgl. RÜCKER (wie Anm.43) S.77 zu Hain 11019; Frau Dr. Karen S. Pearson bezweifelt
diese direkte Abhängigkeit, weil Schedels Karte besser als die bei Ratdolt gedruckte geriet, Ko-
pien aber gewöhnlich eine Verschlechterung bedingen; sie vermutet daher mit gutem Grund eine
gemeinsame Vorlage für beide Karten, die uns heute nicht mehr vorliegt.
[417/418] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 285

gende links unten erläutert, die auch in der deutschen Fassung der Chronik,
ebenso wie die Legenden sonst, die lateinische Sprache beibehielt.
Die Zeichnung entspricht nicht der textlichen Mitteilung, daß Asien die
Hälfte, die beiden anderen Erdteile den Rest der Welt einnähmen; vielmehr
hat Asien einen weitaus größeren Anteil, und Jemsalem liegt daher keines-
wegs im Mittelpunkt der Karte, sondern stark gen Westen verschoben. Dies
ist allerdings eine Aufteilung, zu der sich schon Fra Mauro auf seiner gesü-
deten Rundkarte von 1459 zu Venedig gezwungen sah aufgrund seiner
Kenntnisse über die wirklichen Entfernungen.
Die Nomenklatur der Schedeischen Karte ist - verglichen mit ihrem Format
von 44 x 67 cm für die Doppelseite - recht spärlich. Wiedemm werden überwie-
gend Länder genannt, Inseln, die Säulen des Herkules, Mittelmeer und Asow-
sches Meer, in Asien nur sehr wenige Länder und die üblichen Weltmeere.
Sie erscheinen in Europa, gleichsam zeilenweise gelesen:
Hibernia /Anglia, Scoda / Galicia, Hispania, Dacia, Suecia / Columne Her-
culis, Francia, Saxonia, Prussia, Livonia / Ungaria, Polonia, Mosco(via) / Cor-
sica, Italia, Dalmacia, Grecia, Palus Meotis / Sardinia / Sicilia, Mare Mediter-
raneum, Candia, Rodus / Ciprus;
in Afrika:
Insule Fortunante, Mauritania / Tunis /Affrica, Carthago /Ethiopia, Egiptus
/Maritima Ethiopie, Mare Rubrum /Ethiopia Interior/ Nilus Fluvius;
in Asien:
Scitia / Nogardum, Russia, Serica / Tartaria / Asia Minor, Mare Caspium,
India extra Gangem / Media / Parthia / Persia, India intra Gangem / ludea,
Hierusalem /Mons Synai, Mare Persicum /Arabia Felix /Mare Indicum, Ta-
probana Insula.
Dem armseligen Namengut steht als Pluspunkt die gelungenere Verteilung
von Wasser und Land - verglichen mit der Karte des «Rudimentum» - ge-
genüber: zwar nimmt das Wasser keine 70,8 % der Erdoberfläche ein - wie
dies exakt wäre -, aber immerhin fast die Hälfte, auch sind die Verläufe von
Küstenlinien und Flüssen der Wirklichkeit stellenweise schon ähnlich, ein
Merkmal, das dem «Rudimentum» mit seinen stereotypen Symbolen total
abging. Mithin ist die ptolemäische Karte Hartmanns zwar keine einem Hu-
manisten angemessene wissenschaftliche Leistung, auch von Exaktheit weit
entfernt, aber sie bedient sich doch mit Erfolg der antiken Erdkunde und
macht sich die Technik ihrer Zeit zunutze.
Schedels «Weltchronik» bietet am Schluß auch eine Deutschlandkarte, 73
auf der sich neben dem Einfluß des Globus des Martin Behaim Übereinstim-

73
Fol. 286v-287.
286 Studien zur Universalkartographie [418]

mungen mit der Karte finden, die Hieronymus Münzer 1491 erstellt hat und
stechen ließ, die aber wohl erst später im Dmck verbreitet wurde. Münzer
war Arzt in Nürnberg wie Schedel. Seiner Arbeit liegt eine Zeichnung zu-
grunde, die Nikolaus von Kues um 1439 schuf und die als mehrfach hand-
schriftlich bezeugt gilt. Vielleicht hat auch Behaim sich ihrer bedient. Mögli-
cherweise war es mithin Schedel, der die Darstellung als erster druckte. 74 Sie
reicht von Irland, England, Bretagne und Provence im Westen über Island,
Norwegen, Grönland und Rußland im Norden sowie Marseille, Lombardei,
Triest, Ragusa und Albanien im Süden bis Nowgorod, Tartarei, Walachei
und Konstantinopel im Osten. Mit ihrem reichen Legendenmaterial stellt sie
einen wirklichen Neuansatz dar, was man von der Weltkarte trotz klassi-
scher Form nicht sagen kann: in seiner traditionalistischen Bindung hat
Hartmann sich auch in der Kartographie nicht weit vom «Rudimentum» ent-
fernt. Die Deutschlandkarte paßt übrigens recht gut zu den aus Enea Silvio
übernommenen Ausführungen über Ost- und Mitteleuropa.

III. Die Universalkartographie der Inkunabeln

Da die Inkunabeln bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts - nach Anfän-
gen im 17. Jahrhundert - gesammelt, erfaßt und beschrieben wurden und
man insbesondere seit Ludwig Hains Repertorisierang hier systematisch vor-
ging, dürften auch die Karten in dieser Literatur nahezu erschöpfend be-
kanntgemacht worden sein; vergleichsweise sieht das im Bereich der Hand-
schriften problematischer aus.
Die folgenden Beobachtungen beschränken sich darauf, das von Destom-
bes 1964 zusammengestellte und beschriebene Material über 18 gedruckte
Weltkarten des 15. Jahrhunderts in 43 Ausgaben zu vergleichen und die Er-
gebnisse in einer Tabelle darzustellen.
Man erwartet von diesen Karten Modernisierung der Kenntnisse und Ver-
vollkommnung des Weltbildes, weil der Buchdruck eine große Neuerung
und ein Fortschritt war. Doch moderne graphische Technik und Vervielfälti-
gung bedingen keineswegs Verbreitung der wissenschaftlich hervorragend-
sten Inhalte. Vielmehr bieten die handschriftlichen Mappae Mundi des 15.
Jahrhunderts z.T. wesentlich differenziertere, originellere und zutreffendere
Leistungen, ob man nun etwa an die Vatikanische Melakarte des Pirrus de

74
Vgl. RÜCKER (wie Anm. 43) S. 79 ff.
[418/419] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 287

Noha von ca. 141575 denkt oder an die in Portolantechnik erstellte Rund-
karte von Modena von ca. 1450,76 an die Genuesische Ellipsenkarte von
1457 77 , in der man die legendäre Toscanelli-Karte vermutet hat, die Colum-
bus den Weg nach Amerika wies, an die gesüdete Rundkarte des Fra Mauro
aus Venedig von 1459,78 an die recht fortschrittlichen ptolemäischen Karten
des Heinricus Martellus Germanus um 148979 oder an die offensichtlich an
der Ulmer Frühdrackkarte von 1482 orientierte ptolemäische Karte des Jo-
hannes Vico von Douai: 80 sie stellen bedeutendere Leistungen dar, als sie die
Drackgraphik zu bieten hat. Breiten Kreisen wurden mithin im Grande nur
Schatten der zeitgenössischen Kartographie durch Holzschnitt und Kupfer-
stich zugänglich gemacht. Das lag natürlich zu einem wesentlichen Teil an
den technischen Möglichkeiten des graphischen Gewerbes jener Tage, die
nur grobe Bilder vermitteln konnten, aber natürlich auch daran, daß im 15.
Jahrhundert nicht Forscherarbeiten, wohl aber Lehrbücher ihre Drucker
fanden, die zum Risiko bereit waren. Nur wenige der Frühdrackkarten wa-
ren originelle Schöpfungen zu einem bestimmten Werk, vielmehr übernahm
man aus den Vorlagen die vorhandenen Zeichnungen, am liebsten solche,
die schematisch waren und daher technisch keine Probleme bereiteten.

1. Geographische Entdeckungen des 15. Jahrhunderts


und die gedruckte Literatur der Zeit

Das 15. Jahrhundert - an dessen Ende die Auffindung Amerikas steht, die
das Weltbild in der Folgezeit so sehr umgestaltete, daß man darin einen Fak-
tor für das Aufkommen der Neuzeit sieht - bildet die Kernzeit des Entdek-

75
Vat. Arch. S. Pietro H . 31 fol.8, vgl. DESTOMBES (wie A n m . 7 ) sect. 5 1 , 34 S. 187f.; Abb.
u . a . BAGROW-SKELTON (wie A n m . 9 ) Tafel 41 S.367 u n d LEITHÄUSER (wie A n m . 9 ) S. 145.
76
M o d e n a , Biblioteca Estense C G . A. 1, vgl. DESTOMBES (wie A n m . 7 ) sect. 52, 12 S.217ff.;
ed. von K O N R A D KRETSCHMER, Die katalanische W e l t k a r t e d e r Biblioteca Estense zu M o d e n a ,
in: Zs. d. G e s . f. E r d k d e . Berlin 32 (1897) S. 65-111 und 191-218 und A b b . ; auch BAGROW-SKEL-
T O N Tafel 43 S. 370 und LEITHÄUSER S. 140.
77
Florenz, Bibl. Centr. P o r t . N ° I; vgl. DESTOMBES (wie A n m . 7 ) sect. 52, 13 S.222f.; A b b .
B A G R O W - S K E L T O N S. 8 0 / 8 1 ; LEITHÄUSER S. 155.
78
Venedig, Bibl. N a z . M a r c i a n a ; vgl. DESTOMBES (wie A n m . 7 ) sect. 52, 14 S.223ff.; beste
Ausgabe von TULLIA GASPARRINI-LEPORACE, Il M a p p a m o n d o di Fra M a u r o . Istituto Poligrafico
dello Stato. R o m 1956; auch BAGROW-SKELTON Tafel 42 S. 369 und LEITHÄUSER S. 159.
79
Ü b e r ihn vgl. besonders PAUL GALLEZ, D a s Geheimnis des D r a c h e n s c h w a n z e s . Die K e n n t -
nis Amerikas vor Kolumbus. Berlin 1980, passim und A b b . S. 167-169; vgl. DESTOMBES (wie
A n m . 7 ) sect. 52, 17 S.229ff. und sect. 55, 18; 51 und 5 5 - 5 8 ; A b b . BAGROW-SKELTON Tafel 53
S. 380 und LEITHÄUSER S. 179.
80
M s . Wien Ö N B 325 fol.9v; d a z u DESTOMBES (wie A n m . 7 ) sect. 5 1 , 37 S. 189.
288 Studien zur Universalkartographie [419/420]

kungszeitalters. Nun brauchen fundamentale Neuerkenntnisse oft lange


Zeit, bis sie ins allgemeine Bewußtsein eindringen, ganz besonders im Mit-
telalter, wo etwas Gutes alt zu sein hatte und das Neue leicht in den Geruch
der Häresie geriet. Auch gab es oft Gründe, geographische Neuerkenntnisse
gewissermaßen als geheime Staatssache zu behandeln 81 und nicht in der
Weise auszuposaunen, daß sie in jedem Elementarbuch für Schüler zu finden
waren.
Es waren damals vor allem die Portugiesen, die von Sagres aus Entdek-
kung und Kartographie betrieben. Doch fanden diese Aktivitäten nicht den
geringsten Niederschlag auf den Frühdruckkarten. Überhaupt ist die Iberi-
sche Halbinsel nur mit einer einzigen Inkunabelkarte, die zudem aus Italien
übernommen wurde, vertreten. Für die Seefahrerpraxis erwiesen sich ganz
offensichtlich die großformatigen stabilen Portolankarten, gezeichnet auf
eine ganze Tierhaut, so daß sie den Details ausreichend Raum boten, als
zweckmäßiger als die relativ kleinen, zwangsläufig schematischen und zu-
meist Büchern eingebundenen gedruckten Karten, deren Genauigkeit zu
wünschen übrigließ.
Die Masse der Inkunabelkarten findet sich auch dort produziert, wo die
Buchdruckerkunst erfunden und am nachhaltigsten gepflegt wurde, nämlich
im Deutschen Reich. Hier aber war man nur im Norden mit der Seefahrt ver-
traut und tat sich keineswegs als Entdecker hervor. Neben Deutschland war
es Italien, wo Weltkarten und Inkunabeln Verbreitung fanden: 43 % aller In-
kunabeln entfallen auf das Reich, 36 % auf Italien, 17 % auf Frankreich, 3%
auf die Iberische Halbinsel, 1 % auf England. 82 Entsprechend verteilen sich
die Mappae Mundi: von 43 Ausgaben fanden 20 in Deutschland, 16 in Ita-
lien, 4 in Frankreich, 2 in England und 1 in Spanien statt.
Seefahrende Nationen sind in der Kartographie vorzugsweise aktiv. Das
gilt sogar im Mittelalter, obwohl man damals mit Karten keine praktischen
Zwecke verfolgte. Hier sei nur für Spanien an Orosius, Isidor, Beatus von
Liébana und Theodulf von Orléans erinnert, für England an Beda, die
Schöpfer der sogenannten Cottoniana und der Psalter-Karte von London,
an Matthaeus Parisiensis, Johann von Wallingford und Ranulph Higden. Im
Spätmittelalter wird Italien in der Portolankartographie führend, man denke
an Brunetto Latini, Pietro Vesconte und Paulinus Minorità aus Venedig, Jo-
hann von Carignano von Genua und Angelino Dalorto/Dulcert, auch an
Andrea Bianco, Fra Mauro und viele andere.

81
Vgl. GALLEZ (wie Anm. 79) S. 27 ff.
82
Vgl. GELDNER (wie Anm. 8) S. 43
[420/421 ] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 289

Unter den Autoren, die eines frühen Buchdrucks gewürdigt wurden, fin-
den sich nur wenige Geographen. Schwerpunkt der gedruckten Literatur bil-
det das theologische Schrifttum, gefolgt von den Klassikern und den großen
Gesetzessammlungen. 83 Der Buchdruck entsprach übrigens ziemlich exakt
der Wertung, die Vincenz von Beauvais im 13. Jahrhundert hinsichtlich der
Autoritäten und der authentischen Bücher vorgetragen hatte 84 . Wichtig wa-
ren ferner die Elementarbücher. In diesem Zusammenhang sind auch Enzy-
klopädien zu nennen: Isidors «Etymologiae» wurden 1472 erstmalig ge-
druckt, Vincenz' von Beauvais «Specula» seit 1473, auch Bartholomaeus An-
glicus und Brunetto Latini fanden Editoren. Die zahlreichen, der Theologie
nur dienenden Wissenschaften nahmen im Buchdruck des 15. Jahrhunderts
eine untergeordnete Rolle ein. Das gilt für Philosophen und Naturwissen-
schaftler ebenso wie für Historiker. Allenfalls die italienischen Humanisten
profitierten von einem Modetrend.
Da überrascht es letztlich nicht, daß das umfangreiche lateinische «Rudi-
mentum Noviciorum» nur eine Auflage in der Originalsprache erlebte, wäh-
rend es der knappe «Fasciculus Temporum» des Werner Rolevinck zum
Bestseller mit 26 lateinischen Auflagen und 7 übersetzten Versionen
brachte. 85 Bei den Naturwissenschaften sind es vor allem antike Autoren, die
gedruckt wurden, dazu einige mittelalterliche und wenige zeitgenössische.
Die «Kosmographie» des Ptolemäus wurde siebenmal gedruckt, erschien
femer in einer Versifizierung durch Berlinghieri. Strabo erlebte sechs Aufla-
gen. Daraus resultiert fast zwangsläufig, daß Neuerkenntnisse im Weltbild
keine Chance hatten, ihren Weg in die Inkunabeln zu finden. Die Karten fin-
den sich im Regelfalle bei alten Texten, die auch schon in Handschriften mit
Karten versehen waren, so bei Ptolemäus, Macrobius, Pomponius Mela, Isi-
dor und Sacrobosco.

2. Gedruckte Weltkarten und ihre Beziehungen


zu den Texten, die sie erläutern

Die Frühdruckkarten begleiten in gleicher Weise wie die handgezeichneten


Karten Texte mit zumeist allgemein unterweisendem Charakter, d. h. Enzy-
klopädien und Geschichtssummen aller Art.

83
Ebd. S. 198 ff.
84
Apologia Actoris c. 11 ff., ed. ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Geschichtsbetrachtung
bei Vincenz von Beauvais. Die Apologia Actoris zum Speculum Maius, in: DA 34 (1978)
S. 482 ff.
85
Vgl. GELDNER (wie Anm. 8) S. 224.
290 Studien zur Universalkartographie [421/422]

An erster Stelle sind hier Isidors «Etymologiae» zu nennen, die schon im


Zeitalter der handschriftlichen Literatur der am häufigsten mit Weltkarten
illustrierte Text sind. Die älteste Frühdruckkarte schlechthin wurde 1472 ei-
ner Isidor-Ausgabe beigegeben, und bis zum Ende des Jahrhunderts wurde
dieselbe siebenmal gedruckt, viermal in Deutschland, zweimal in Italien und
einmal in Frankreich. Es handelt sich um eine geostete Radkarte schemati-
scher Art, 86 bei der die drei Erdteile auf dem Weltenozean schwimmen. Die
Legenden bezeichnen außer dem Ozean nur die Erdteile sowohl mit ihrem
antiken als ihrem biblischen Namen und die trennenden Gewässer zwischen
ihnen, nämlich Mittelmeer, Don, Asowsches Meer und Nil.
Verwandte schematische Radkarten finden sich zu den Schriften des Gau-
tier von Metz «Image du Monde» oder hier englisch «Myrrour of the Worl-
de» 1481/90 87 und bei Zacharias Lilius 1493 ff. zu verschiedenen geographi-
schen Arbeiten in leicht abgewandelten Formen. 88
Radkarten mit Ökumene-Charakter sind in den Inkunabeln nur zweimal
vertreten, einmal im «Rudimentum Noviciorum» 89 und zum anderen in ei-
nem Einblattdruck des Hanns Rüst aus Augsburg um 1490 mit einer
deutschsprachigen Nomenklatur. 90
Ein Autor der heidnischen Antike, der es im Mittelalter zum Schulbuchau-
tor brachte, war Macrobius mit seinem Kommentar zum «Somnium Scipio-
nis»; im Zusammenhang mit seinen hydrographischen Theorien war sein
Werk mit Zonenkarten ausgestattet, deren es schon im Mittelalter über hun-
dert gab, 91 insbesondere aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Diese erscheinen
gleichfalls in den drei Frühdruckeditionen des Werkes 1483-92 92 und wur-
den außerdem seitenverkehrt für eine astrologische Schrift von Johannes
Eschuid 1484 benutzt. 93 Karten ähnlicher Art zum «Opusculum Sphaeri-
cum» oder zur «Spaerà Mundi» des Johannes von Sacrobosco haben sich
zwar nicht handschriftlich erhalten, jedoch im Frühdruck. 94 Es handelt sich
um gesüdete Zonenkarten, deren bewohnte Zone zudem die Klimateneintei-
lung aufweist und dabei Land und Wasser ganz zutreffend skizziert. Die

86
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 7) sect. 57, 1 S. 252 (Hain 9273, auch 9270-9280).
87
Vgl. ebd. sect. 57,6 S.252; dazu ebd. sect. 44-46, Handschriften des 13. bis 15. Jahrhun-
derts, S. 117 ff. (Hain 11656/7).
88
Ebd. sect. 57,17 S. 253f. (Hain 10101).
89
Ebd. sect. 57,2 S.252; vgl. oben 1. Kapitel.
90
Ebd. sect. 57,15 S. 253.
" Ebd. sect. 18-21 S. 43 ff. und sect. 36-38 S.85ff.
92
Ebd. sect. 57,12 S.253 (Hain 10427).
93
Dieser absurde Typ ist auch sonst zu Macrobius-Ausgaben belegt, z. B. Venedig: Philippus
Pincius 1500.
94
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.7) sect. 57,18 S.254 (Hain 14122 u.ö.).
[422/423] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 291

Klimatenkarte des Pierre d'Ailly, gedruckt zu Löwen 1483, 95 hält sich an ih-
re handschriftliche Vorlage, wie sie sich in der «Imago Mundi» von ca.
141096 verschiedentlich belegt findet; sie hat einen merkwürdig „aufgeschrie-
benen" Charakter: Legenden in besonders zugeordneten Farben stehen für
konventionelle Zeichen.
Von den Karten ptolemäischen Typs sind 10 Exemplare 97 in 16 Ausgaben
belegt, davon stehen 5 bei Texten der «Kosmographie» des Ptolemäus, 98 2
sind offenbar Einblattdrucke. 99 Die übrigen sind fremden Texten beigege-
ben, nämlich der poetischen Bearbeitung des Ptolemäus durch Francescho
Berlinghieri «Geographia in terza rima» 1482,10° dem Text des Pomponius
Mela, 101 bei dem man auch bereits in Handschriften ptolemäische Karten
finden kann, 102 und endlich der Schedeischen Chronik. 103
Von den insgesamt 18 Karten sind mithin 3 Einblattdracke, 11 stehen bei
primär naturwissenschaftlichen Werken, 2 bei Enzyklopädien und 2 bei Ge-
schichtswerken. In diesem Punkt ist ein Wandel gegenüber dem Hochmittel-
alter zu konstatieren, wo man nur wenige Karten in naturwissenschaftlichen
Schriften ausmachen kann.

3. Beobachtungen zur Verbreitung der einzelnen Kartentypen

Zwar sind von 18 Frühdruckkarten 10 ptolemäischen Typs, 104 jedoch ma-


chen diese von den insgesamt 43 Ausgaben nur 16 aus. Mithin ist die mittel-
alterliche Radkarte zwar nur für 8 Drackstöcke erneut konzipiert, aber in
27 Ausgaben gedruckt worden und hat sich damit erfolgreich behauptet.
Von den genannten 8 Radkarten sind 3 in 9 Ausgaben mehr nach kosmologi-
schen Aspekten als Zonen- oder Klimatenkarten gestaltet, 105 von den restli-
chen 5 gehören 3 zu den Schema-Karten, 106 und nur 2 sind echte Ökumene-

95
Ebd. sect. 57,11 S.253 (Hain 832).
96
Ebd. sect. 48 S. 16 Iff.
97
Ebd. sect. 57,3; 4; 5; 7; 8; 9; 10; 13; 14; 16 S.252f. (Hain 13538, 13537, 2825, 13539,
11019, 14508 u.ö., GW 3870).
98
Ebd. sect. 57,3; 4; 8; 9; 13S.252f.
99
Ebd. sect. 57,5 und 14 S.252 f.
,0
° Ebd. sect. 57,7 S.252; vgl. dazu GELDNER (wie Anm. 8) S.231.
101
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.7) sect. 57,10 S.253.
102
Ebd. sect. 51, 34 S. 187 f.; vgl. oben Anm. 75.
103
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.7)sect. 57,16 S.253 und oben 2. Kapitel.
104
Vgl. oben Anm. 97.
105
Vgl. DESTOMBES (wie Anm.7) sect. 57,11; 12; 18 S.253 f.
106
Ebd. sect. 57,1; 6; 17 S. 252-254.
292 Studien zur Universalkartographie [423/424]

Karten. 107 Generell sind Details nur mäßig in die Darstellung einbezogen;
die Zahl der Legenden ist in allen Fällen überschaubar, was seinen Grand im
Stand der Holzschnitt- und Kupferstichtechnik hat.
Was die geographische Streuung der einzelnen Kartentypen anbelangt, ist
der ptolemäische in Italien etwas stärker als in Deutschland vertreten: von 9
in Italien belegten Karten gehören 6 mit 7 Ausgaben 108 dem ptolemäischen
und 3 mit 9 Ausgaben 109 den Rundkarten an. Ökumene-Karten fanden dort
keine Drucker.
Die einzige spanische Karte 110 ist ptolemäisch und erscheint im Gefolge
einer italienischen Erstausgabe, die an Dürftigkeit der Information alle
Wünsche offenläßt.
Hingegen gehört die einzige englische Karte mit 2 Ausgaben den Rund-
karten an. 111
Die beiden französischen Karten mit 4 Ausgaben 112 haben jeweils deut-
sche Rundkarten zum Modell und sind streng traditionell, einmal im Sche-
ma-, einmal im Ökumene-Charakter.
Die deutschen Karten endlich, 9 Versionen in 20 Ausgaben insgesamt,
zerfallen in 4 ptolemäische in 8 Ausgaben 113 sowie 5 Rundkarten in 12 Edi-
tionen. Bei letzteren handelt es sich um 2 Ökumene-Karten in 3 Ausga-
ben, 114 1 schema tische Radkarte in 4 Ausgaben 115 und 2 Rund karten kos-
mologischer Art in 5 Ausgaben. 116 Mithin erweist sich - wie zu erwarten
stand - Deutschland in seinem Schulbetrieb stärker der Tradition verhaftet
als Italien, wo der Humanismus und damit die klassische Antike nachhalti-
ger Fuß fassen konnten.
Hinsichtlich der Drucktechnik ist zu beobachten, daß von den 18 Karten
5 im Kupferstichverfahren hergestellt wurden, während es sich bei den übri-
gen um Holzschnitte handelt. Die 5 Kupferstiche sind ausnahmslos ptole-
mäische Karten italienischer Provenienz. Italien hat daneben auch 4 Holz-
schnittkarten zu bieten, während umgekehrt das Kupferstichverfahren au-
ßerhalb Italiens vor der Jahrhundertwende noch keinerlei Anwendung fand.

107
Ebd. sect 57,2; 15 S.252 f.; vgl. Anm. 89-90.
108
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 7) sect. 57,3; 4; 5; 7; 10; 14; S.252 f.
109
Ebd. sect. 57,1; 12; 17 S.252-254
110
Ebd. sect. 57,10 S.253 (Hain 11021).
111
Ebd. sect. 57,6 S.252.
112
Ebd. sect. 57,1 und 2 S.252.
1,3
Ebd. sect. 57,8; 9; 13; 16 S.252f.
114
Ebd. sect. 57,2 und 15 S.252 f.
115
Ebd. sect. 57,1 S.252.
116
Ebd. sect. 57,11 und 18 S.253 f.
[ 4 2 4 / 4 2 5 ] XII. Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse 293

Auf den ptolemäischen Karten im hier behandelten Zeitabschnitt ist end-


lich eine Entwicklung zu beobachten, die offenbar in Deutschland ihren An-
fang nimmt: bis 1482 reicht die Form der „chlamys extenta" nur bis zum
Äquator, dann ist die südliche Hälfte durch einen breiten Saum nach einem
Knick angedeutet, den man sich sphärisch als Zylinder vorzustellen hat. 117
Seit den Ulmer Ptolemäus-Karten erhält die Karte eine Rundung am Äqua-
tor, nach unten verengt sie sich. Nur Schedel behielt die alte Form bei, was
auf eine ältere Vorlage schließen läßt.

C. Zusammenfassung

Die Inkunabelkartographie hat weder wissenschaftliche noch technische


Wunderleistungen in ihrem Bereich zu bieten. Ihr besonderer Wert liegt dar-
in, daß sie es erlaubt, behutsame Rückschlüsse auf die geographische Allge-
meinbildung und kartographische Vorstellungswelt breiterer Schichten in
den Städten und ihre diesbezüglichen Wünsche zu ziehen. Nur in Städten
konnte der Buchdruck erfunden, ausgeführt, populär gemacht werden, nur
dort waren die wissensmäßigen, handwerklichen und wirtschaftlichen Vor-
aussetzungen hierfür gegeben.118
Wenn wir von geschätzten durchschnittlichen Auflagen von 100 bis 200
Exemplaren 119 im Deutschland der siebziger Jahre ausgehen, die sich gegen
Ende des Jahrhunderts erhöhen - von Hartmann Schedel als Sonderfall sei
zunächst abgesehen! -, so müßten bei 17 Karten in 39 Ausgaben (ohne
Schedel) wenigstens 6000 gedmckte Weltkarten im Umlauf gewesen sein,
dazu kommen noch 2500 zu Schedels Nürnberger Ausgaben und diejenigen
der Augsburger Raubdrucke, alles in allem also rund 10 000 Weltkarten um
1500 in Europa.
Destombes Repertorium verzeichnet für das ganze Mittelalter, also für
1000 Jahre, etwa 1100 Stücke, denn er listet auch diejenigen von vor 1200
auf.120 Mithin hat das letzte halbe Jahrhundert des Mittelalters fast ein
Zehnfaches an Karten produziert von dem, was für das Jahrtausend zuvor
bezeugt ist. An diesen Zahlen wird deutlich, welche Bedeutung der Buch-
druck u. a. für Bildung und Schulwesen hatte.

117
Ebd. z.B. sect. 57,3; 4; 10 S.252.
118
Vgl. GELDNER (wie Anm. 8) S. 20 ff.
119
Ebd. S. 155ff., vgl. auch ebd. S.4.
120
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 7) S. 3.
294 Studien zur Universalkartographie [425]

Leider weiß man sehr wenig über Buchpreise. Aber für Schedels Chronik
ist in London der Gegenwert von 5'/2 Schlachtochsen entrichtet worden. 121
Nichtsdestotrotz scheinen sich recht viele Menschen einen Schedel haben
leisten können. So ist es nicht abwegig, wenn der Autor des Kolophons zum
«Rudimentum Noviciorum» sich der Hoffnung hingibt, daß dieser fast tau-
send Seiten starke Band eine ganze Bibliothek für Arme werden könnte. Zu-
mindest die Anschaffung eines Einblattdrackes einer Weltkarte müßte jedem
Interessierten damals möglich gewesen sein.

Vgl. RÜCKER (wie Anm.43) S.47; zum Problem GELDNER (wie Anm. 8) 170ff.
Übersicht über die Inkunabelkarten

Erstdruck Textautoren Aufl.- Signatur Ersch.-Ort Drucker SR. Ök. Z. Kl. Pt. Dt. It. Fr. E. Sp. Ht. K.
Verfasser Jahr Typ Herkunft. Technik

i) 1472 Isidor
1472 H. 9273 Augsburg G. Zainer SR. Dt. Ht.
1473 H. 9270 Straßburg J. Mentelin SR. Dt. Ht.
1478 H.9271 Köln C. Winters SR. Dt. Ht.
1483 H.9279 Venedig P. Löslein SR. It. Ht.
1489 H.9274 Basel J.v. Amerbach SR. Dt. Ht.
1493 H.9280 Venedig P. Locatelli SR. It. Ht.
1499 H.9275 Paris G. Wolff/Ker- SR. Fr. Ht.
ver
2) 1475 Rudimentum No-
viciorum (an- 1475 H.4996 Lübeck L. Brandis Ök. Dt. Fr. Ht.
onym) 1488 Cop. 3991 Paris P. Le Rouge Ök. Fr. Ht.
Mer des Hystoires 1491 Cop. 3992 Lyon J. du Pré Ök. Fr. Ht.
Orosius 1491 H. 12105 Paris P. Le Rouge Ök. Ht.
3) 1477 Ptolemäus
1477 H.13538 Bologna D. de'Lapsi Pt. It. K
4) 1478 Ptolemäus
1478 H.13537 Rom Sweynh./Buk- Pt. It. K.
1490 H.13541 Rom kinck Pt. It. K.
P. de Turre
5) 1480 ca. (Einblattdruck)
ca. 1480 Rom? A. Buckinck? Pt. It. K.
6) 1481 Gautier de Metz
1481 H.11656 Westminster W. Caxton SR. E. Ht.
1490 H.11657 Westminster W. Caxton SR. E. Ht.
7) 1482 Berlinghieri
1482 GW 3870 Florenz N. Tedescho Pt. It. K.
8) 1482 Ptolemäus
1482 Cop. 4976 Ulm L. Holle Pt. Dt. Ht.
9) 1482 Ptolemäus
1482 H.13539 Ulm L. Holle Pt. Dt. Ht.
1486 H.13540 Ulm J. Reger Pt. Dt. Ht.
10) 1482 Pomponius Mela
1482 H.11019 Venedig E. Ratdolt Pt. It. Ht.
1498 H.11021 Salamanca A. de Mebressis Pt Sp. Ht.
Erstdruck Textautoren Aufl.- Signatur Ersch.-Ort Drucker SR. Ök. KL Pt. De Fr.
Verfasser Jahr Typ Herkunft.

Erstdruck Textautoren Aufl.- Signatur Ersch.-Ort Drucker SR. Ök. z. Kl. Pt. Dt. It. Fr. E. Sp. Ht. K.
Verfasser Jahr Typ Herkunft. Technik

in 1483 Pierre d'Ailly


1483 H. 837 Löwen J. de Westpha- Kl. Dt. Ht.

12) 1483 Macrobius


1483 H. 10427 Brescia B. de Boninis z. It. Ht.
1485 H.10428 Brescia B. de Boninis z. It. Ht.
1492 H. 10429 Venedig G Rosso z. It. Ht.
J. Eschuid 1489 GW 9392 Venedig J. L. Santritter Z. verk. It. Ht.
13) 1490 Ptolemäus
1490 H. 13542 Nürnberg G Stuchs Pt. Dt. Ht.
14) 1490 ca. (Einblattdruck)
ca. 1490 Florenz F. Rosselli Pt. It. K.
15) 1490 ca. (Einblattdruck)
ca. 1490 Augsburg Hanns Rüst Ök. Dt. Ht.
ca. 1500 Nürnberg Hans Sporer
16) 1493 Hartmann Schedel
1493 H. 14508 Nürnberg A. Koberger Pt. Dt. Ht.
1493 H. 14510 Nürnberg A. Koberger PL Dt. Ht.
1496 H. 14511 Augsburg J. Schönsperger PL Dt. Ht.
1497 H. 14509 Augsburg J. Schönsperger Pt. Dt. Ht.
17) 1493 Zacharius Lilius
1493 H. 10101 Florenz A. Miscomini SR. It. HL
1496 H.10102 Neapel A. de Cantono SR. It. Ht.
1496 H.10103 Florenz F. Bonaccorsi SR. It. Ht.
18) 1495 Johann von Sacro-
bosco 1495 H. 14122 Leipzig M. Landsberg Z. Kl. Dt. Ht.
1495/6 Leipzig M. Landsberg Z. Kl. Dt. Ht.
1498 Leipzig W. Stöckel Z. Kl Dt. Ht.
1499 H. 14123 Leipzig W. Stöckel Z. Kl. DL Ht.

Zeiche

H. Hain, Repertorium bibliographicum SR. Schematische Radkarte Dt. Deutsches Reich (15.Jh.) Ht Holzschnit
Cop. Hain-Copinger, Supl. 2 zum Repertorium Ök. Okumene-Karte (rund) It. Italien K. Kupferstich
GW Gesamtverzeichnis der Wiegendrucke 2. Zonen karte Fr. Frankreich
Kl. Klimatenkarte E. England
Pt. Ptolemäischer Kartentyp Sp. Spanien
XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein
des Abendlandes im Mittelalter

A: Einleitung: Die Fragestellung.

Die folgenden Ausführungen widmen sich dem Gegenstand, ob, in welchem


Maße und in welcher Art das Abendland im Mittelalter Vorstellungen mit
den Bulgaren verband, wobei der zeitliche Rahmen hier auf das 6. bis 15.
Jahrhundert eingegrenzt sein soll, denn seit Ausgang des 5. Jahrhunderts bis
zum Endes des H.Jahrhunderts bestimmen die Bulgaren die mittelalterliche
Geschichte des Ostmittelmeerraumes in wechselndem Maße. Ausgangspunkt
ist hier das Schulwissen, schwerpunktmäßig das Schrifttum der Geographen
und Historiker, die zugleich stellvertretend zu befragen sind für die damals
unüblichen anderen Fachrichtungen wie etwa die Ethnologie. In Rechnung
zu stellen ist bei Wertung der Spärlichkeit der Aussagen auch, daß Be-
schreibstoff kostbar war, man sich daher im frühen und hohen Mittelalter
knapp faßt. Geschichtsschreibung ist nahezu ausnahmslos Ereignis- oder
Tatenablauf, res gestae, nicht Zustandsbeschreibung.
Das abendländische Mittelalter geht in seiner Verfassungsstruktur im frü-
hen und hohen Mittelalter vom Personenverbandsstaat aus, nicht vom Terri-
torium. Daher ist in den Quellen von Bulgari, Bulgarin oder Bulgares die Re-
de, nur selten und in später Zeit von Bulgaria. Diese Bulgari erscheinen als
natio in mittelalterlichem Verständnis, wobei primärer ndü'obildender Fak-
tor gemeinsame Kultur, gemeinsames Recht, gemeinsame Sprache sind, die
das conubium begründen, und die vornehmlich in einer gemeinsamen Reli-
gion wurzeln. So finden die Bulgaren insbesondere, als sie anerkannterma-
ßen den nationes Christianomm orientalium zugeordnet sind, Erwähnung ne-
ben anderen nichtlateinischen Christen. In der frühesten zusammenfassen-
den Betrachtung dieser Gruppe, in der um 1165 entstandenen «Descriptio
Terrae Sanctae» des Johannes von Würzburg, l stehen die Bulgaren gleich
hinter den Griechen, übrigens neben Lateinern, Deutschen, Ungarn, Schot-

1
Ed. Trrus TOBLER, in: Descriptiones Terrae Sanctae ex saeculo VIII, IX, XII et XV., Leip-
zig 1874, S. 189 f.: .. .quas habent ibi diversarum nationum et linguarum homines. Sunt namque ibi
Graeci, Bulgari, Latini, Alemanni, Hungarii, Scoti, Navarri, Britanni, Angli, Franci, Rutheni, Bohe-
mi, Georgiani, Armeni, Jacobitae, Suriani, Nestoriani, Indi, Aegypti, Copte, Capheturici, Maroni et
alii quamplures, quos longum est enumerare.
298 Studien zur Universalkartographie [87/88]

ten, Navarresen, Briten, Engländern, Franzosen, Russen, Böhmen, Geor-


giern, Armeniern, Jakobiten, Surianen, Nestorianern, Indern, Ägyptern,
Kopten, Capheturici, Maroniten und zahllosen anderen mehr, die hier auf-
gezählt sind. Allen gemeinsam, die da in Jerusalem versammelt sind, ist ihr
christlicher Glaube, noch gar nicht differenziert nach einzelnen Bekenntnis-
sen, denn neun der genannten nationes sind lateinische Christen, 13 Ostchri-
sten; von letzeren ist jedoch nur ein kleiner Teil chalkedonensisch wie die
Bulgaren. Das Interesse an den Bulgaren auf Grund ihres Christentums tritt
im Abendland überhaupt erst im Zeitalter der Kreuzzüge hervor, darum er-
gibt sich hier ein Einschnitt. Als die Lateiner nach anfänglichen Erfolgen seit
Mitte des 12. Jahrhunderts im Nahen Osten in die Defensive geraten, sehen
sie sich nach Glaubensgenossen um, denn sie brauchen Unterstützung gegen
die Übermacht der Ungläubigen. Die Bulgaren spielen hier keine bedeutsa-
me Rolle, aber sie erregen jetzt Aufmerksamkeit, nachdem sie zuvor allen-
falls aus der Sicht des oströmischen Reiches als Eindringlinge vermeldet
worden waren. Denn genannt werden sie durchaus früher.
In die Kartographie finden sie seit dem 11. Jahrhundert Eingang, ganz of-
fensichtlich im Zusammenhang mit zunehmendem Interesse für die östliche
Welthälfte im damaligen Verständnis, die auch die Geschichtsschreibung auf
ein noch vom Hellenismus geprägtes Weltbild der Patristik zurückgreifen
läßt: Jerusalem wird realer Weltmittelpunkt durch die Kreuzzüge.

1. Die Bulgaren in der lateinischen Historiographie


vordem 12. Jahrhundert

In lateinischen Quellen tauchen die Bulgaren - dem historischen Geschehen


entsprechend - bald nach dem Verschwinden der Hunnen auf, als sie mit
Ostrom in Berührung kommen. Da zu jener Zeit für Ostrom noch das Latei-
nische Amtssprache ist, finden sich frühe Nachrichten über die Bulgaren
gleichermaßen in der abendländischen Literatur.
Im Zeitalter Kaiser Justinians berichten sowohl Marcellinus Comes 2 als
auch Jordanes u.a. über sie aus der Sicht des römischen Reiches. Sie erschei-
nen als Störenfriede in Thrakien und Mösien und des weiteren im gesamten
Schwarzmeerraum. Allerdings erfährt man nichts von ihrer Herkunft aus
Zentralasien, noch werden sie etwa mit den Hunnen in Verbindung gebracht
und als deren Erben gesehen; vielmehr erscheinen sie bei Jordanes bald ne-

2
Ed. THEODOR MOMMSEN, Chronica Minora Vol.2, M G Auct. Ant. 11, 1894, S.95-108, c.
499, 502, 530, 535, 548.
[88/89] XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein 299

ben germanischen Völkern wie Herulern und Gepiden, 3 bald neben Slawen
wie Anten und Slawinen, 4 lokalisiert werden sie im Schwarzmeerraum. 5
Diese Nachrichten bilden die Grundlage für weitere Erwähnungen der Bul-
garen in der lateinischen Literatur des frühen Mittelalters, denn noch ist
Osteuropa ein westlicher Interessenraum. Wenig später engt sich das Abend-
land auf das weströmische Reich ein, nur Italien hat zum Balkan weiterhin
Kontakt. So kennt der Ravennatische Geograph 6 sie natürlich und weiß so-
gar zu berichten, daß sie aus Maior Scythia stammen, womit er auf das euro-
päische Rußland anspielt. Er schreibt vermutlich im 7. Jahrhundert, zu einer
Zeit, wo die Bulgaren Ostrom nachhaltig zu schaffen machen, aber Ostrom
ist inzwischen in der Sprache griechisch geworden.
Man sucht die Bulgaren bereits vergeblich bei Isidor von Sevilla; die spär-
lichen Nachrichten spätantiker Autoren haben diesen nicht veranlaßt, sie in
seine «Etymologiae» 7 aufzunehmen und ihnen damit den Zutritt in das Stan-
dardwerk des Schulwissens im frühen und hohen Mittelalter verwehrt. Sie
erscheinen folglich ebensowenig auf Isidor- wie sonstigen Karten der frühen
Zeit; nicht einmal Honorius Augustodunensis zu Anfang des 12. Jahrhun-
derts nennt sie, noch letztlich ganz auf Isidor aufbauend. Spärliche Nach-
richten vom Beginn des 8. Jahrhunderts vermeldet Beda, denn zu seiner Zeit
hatten die Bulgaren immerhin ein bedeutsames Reich auf dem Balkan errich-

3
Ed. THEODOR MOMMSEN, Jordanis Romana et Getica, MG Auct. Ant. 5, 1861, Rom. c.
363, S.47.
4
Ebd. c. 388, S. 52.
5
Ebd. Get. c. 37, S.63.
' Ed. JOSEPH SCHNETZ, Intineraria Romana Vol. 2, Ravennatis Anonymi Cosmographia et
Guidonis Geographia, Leipzig 1940, S. 48 f.: Inter vero Tratiam velMacedoniam et Mysiam infe-
riorem modo Bulgari habitant, qui ex super scripta Maiore Scythia egressi sunt.
7
ISIDOR, Etymologiae, ed. W. M. LINDSAY, Oxford 1911, IX, IV, 28: Burgarii a burgis dicti,
quia crebra per limites habitacula constituta burgos vulgo vocant. Unde et Burgundionum gentis no-
men inhaesit ist wohl kaum auf ein Volk zu beziehen, schon gar nicht auf die Bulgaren; vielmehr
geht es hier um die Etymologie des deutschen Wortes Bürger, denn der Abschnitt findet sich im
Kapitel «De civibus» (IX, IV) und keineswegs bei «De gentium vocabulis» (IX.II) oder im Buch
«De Terra... et Provinciis totius Orbis», dem Buch XIV; anders interpretiert hier aufgrund lexi-
kalischer Zusammenstellungen PETER SCHREINER, Das Bulgarenbild im europäischen Mittelalter,
in: Académie Bulgare des Sciences, Institut d'Etudes Balcaniques, Etudes Balcaniques 2 (Sofia
1982), S.58ff., bes. S. 65 f. Die Ausführungen basieren auf dem Glossar zur frühmittelalterlichen
Geschichte im östlichen Europa, Serie A, Lateinische Namen bis 900 Bd.2, hg. von Jadran FER-
LUGAu.a., Wiesbaden 1983, S. 191 ff. (Isidor: S. 194), eine typische Computerleistung.
8
Ed. THEODOR MOMMSEN, Chronica Minora Vol. 2, MG Auct. Ant. 13,1898, c. 577 und
592, S. 317 und 320 f.
300 Studien zur Universalkartographie [89]

In der Folgezeit sind es nur noch die byzantinischen Chronographen, die


eingehender Notiz von Bulgaren nehmen, karolingische Autoren erwähnen
sie sehr am Rande. Aber in das späte 9. Jahrhundert gehört des Anastasius
Bibliothecarius «Chronographia Tripertita», die u.a. die bis 813 reichende
Chronik des Theophanes Confessor dem Westen vermittelte. Dieses Werk
wiederum fand vor allem durch Landolfus Sagax im 10. Jahrhundert Eingang
in seine bis 813 reichende «Historia Miscella», eine Bearbeitung der römi-
schen Geschichte des Paulus Diaconus. 9 Aus diesen Werken schöpfen spä-
tere Chronisten, und so findet sich zumindest in der lateinischen Geschichts-
schreibung Italiens eine Menge Material zur Geschichte der Bulgaren vom 7.
bis zum beginnenden 9. Jahrhundert. Die Bulgaren sind zu diesem Zeitpunkt
noch Heiden und keineswegs christliche Nation des Ostens.
Merkwürdigerweise ist die Folgezeit, nämlich die Christianisierung der
Bulgaren, sehr viel spärlicher im Abendland dokumentiert, zumindest in den
erzählenden Quellen. Die Ursache ist mithin eine äußerliche: Nur für die
oströmische, d.i. byzantinische Geschichte spielen die Bulgaren eine bemer-
kenswerte Rolle, und nur dort tauchen sie in den Quellen auf. Da es aber
keine Übersetzer griechischer Quellen mehr im Abendland gibt, wird es im
9. bis 11. Jahrhundert still um die Bulgaren. Dabei findet die Hinwendung
zum Christentum durchaus in dokumentarischen Quellen Roms ihren Nie-
derschlag. Unter Zar Boris Michael (852-889) ist ein reger Austausch belegt,
der neben sporadischen Mitteilungen vorzugsweise im einzigen erhaltenen
Vatikanischen Register dieser Zeit, dem Registrum Vaticanum 1, d.i. das
Register Papst Johannes VIII. (872-882), zuverlässig überliefert ist.10 Durch
die Hinwendung der Bulgaren zum byzantinischen Kirchenritus erlahmt das
Interesse im Westen offenbar auch schnell. Etwa die kulturelle Blüte um 900

9
Vgl. MAX MANITUS, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Vol. I., Hand-
buch der klass. Altertumswiss. 9, 2, 1, München 1911, S.680f.
10
Vgl. hierzu DIETRICH LOHRMANN, Das Register Papst Johannes' VIII. 872-882. Neue Stu-
dien zur Abschrift des Reg. Vat. 1, zum verlorenen Originalregister und zum Diktat der Briefe
(Bibliothek des Dt. Histor. Instituts in Rom 30), Tübingen 1968. Reichhaltige Erwähnungen der
Bulgaren in diesem Band lassen ahnen, was einst an Quellenmaterial vorhanden gewesen und
verlorengegangen sein muß. In den lateinischen Chroniken gedenkt u.a. Regino von Prüm der
Bekehrung der Bulgaren, verzeichnet zu AD 868, ed. FRIEDRICH KURZE, MG SSrerGerm. in us.
schol, 1890, S.95; weitere Zeugnisse der karolingischen Geschichtsschreibung u.a. bei SCHREI-
NER (wie Anm. 7), besonders Tabelle S. 67; VASIL GJUSELEV, Bulgarien und die Balkanhalbinsel in
den geographischen Vorstellungen des angelsächsichen Königs Alfred der Große (871-901), in:
Byzantinobulgarica 4 (1973) S.91-104, zeigt am Beispiel von Alfreds Orosius-Text, wie dieser
um Hinweise auf die Bulgaren erweitert wird unter dem Eindruck der Mission der Zeit. (Ich
danke Herrn Schreiner für Hinweis auf diese Spezialstudie).
[89/90] XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein 301

unter Zar Simeon ist nur geringfügig im Westen faßbar 11 und in lateinischen
Zeugnissen allenfalls sporadisch belegt.
Das über ein Jahrhundert dauernde Bemühen des neuen christlichen Rei-
ches, sich rangmäßig neben Byzanz zu profilieren, ist im Abendland nicht
dokumentiert. Nach 1014 ist Bulgarien praktisch Byzanz eingegliedert, wird
allenfalls als Anhängsel oder Teil von Byzanz eingestuft und findet zwangs-
läufig nur beiläufige Beachtung.
1053 hat Bulgarien insofern Anteil am Vorspiel des großen morgenländi-
schen Schismas, als es zu einer Auseinandersetzung zwischen Kardinal
Humbert von Silva Candida - der 1054 die Bannbulle gegen den byzantini-
schen Patriarchen in der Hagia Sophia deponierte - und Leon Erzbischof
von Ochrid kam über Fragen des Ritus, die sogar in die Chronistik Eingang
fand: Sigebert von Gembloux berichtet zu Beginn des 12. Jahrhunderts in sei-
ner Chronik zum Jahre 1054 darüber. 12
In der Tat haben zu Ende des 11. Jahrhunderts die Kreuzzüge den Ostmit-
telmeerraum in den Brennpunkt des Interesses gerückt, und es ist nicht von
ungefähr, daß Bulgarien als Annex von Byzanz Gewicht gewinnt, zumal es
am Wege nach Jerusalem liegen kann, je nachdem, welche Route gewählt
wird. So ist zu erklären, daß Sigebert nicht nur Bulgaren seiner Zeit, sondern
auch die von 1054, ja, sogar solche aus früheren Zeiten in seiner Chronik
würdigt, ebenso wie sein Zeitgenosse Frutolf von Michelsberg. Beide haben
Geschichtswerke früherer Zeiten durchforstet, auch für die Zeit von Justi-
nian bis zu Karl den Großen, wobei sie auf die obengenannten Werke wie
die Schriften des Jordanes oder die «Historia Miscella» stießen, auch andere
Quellen der Karolingerzeit neben Paulus Diaconus ausschrieben. Bei Frutolf
geschieht das sporadisch und stark eklektisch, 13 bei Sigebert systematischer,
der damit zu einer eigenständigen Wertung der Bulgaren kommt: 14 In Fort-
setzung des Hieronymus führt er ab 381 das System der fila regnorum fort
bzw. erweitert die inzwischen auf Rom beschränkte Darstellung und Paralle-
lisierung von Herrscherreihen etwa der Germanen wie Wandalen, Ostgoten,
Westgoten, Franken, später Langobarden, dazu Briten, Hunnen und Perser,

11
Vgl. hierzu den K a t a l o g der Ausstellung Manoscritti Slavi - D o c u m e n t i e C a r t e riguardanti
la Storia Bulgaria della Biblioteca Apostolica Vaticana e delFArchivio Segreto Vaticano ( I X -
X V I I secolo), hg. von A. DZUROVA und B. DIMITROV, Sofia 1979; andere literarische Berührun-
gen spricht an VASIL GJUZELEV, Bulgarien und die Bulgaren in d e r mittelalterlichen D i c h t u n g
( 7 . - 1 5 J h . ) , in: Bulgarian Historical Review, 1981, 3, S. 4 2 - 7 2 .
12
E d . L U D W I G C. B E T H M A N N , M G SS 6, 1844, S. 359.
13
Ed. GEORG W A I T Z als E k k e h a r d i Uraugiensis. C h r o n i c a ebd., vgl. u.a. S. 157,46,
162,45,170,28 172,1 208,45 215,49 2 2 0 , 1 6 / 1 7 und 2 3 .
14
Wie Anm. 12, S. 326 ff.
302 Studien zur Universalkartographie [90/91]

letztere dann von Moslems abgelöst. Schon im Vorspann 15 über die einzel-
nen regna und gentes ist im Zusammenhang mit den Langobarden von den
Bulgaren die Rede, die Agelmundus besiegen. Sie erscheinen weiter als Fein-
de Roms, außer mit den Hunnen in Verbindung mit Gepiden, Alanen und
Türken, d.h. hier immerhin neben Germanen, Iranern und Zentralasiaten.
Sie werden weiter Ende des 5. Jahrhunderts und unter Justinian erwähnt. 17
Ab 680 richtet Sigebert ihnen ein eigenes filum regnorum ein, das bis 813/
820 reicht, weil er bis hier die in ihrem Quellenmaterial an Anastasius Biblio-
thecarius orientierte «Historia Miscella» auswerten kann. Die Bulgaren sind
diesen ganzen Zeitraum hindurch Heiden und stellen ein großes Problem für
Ostrom dar. Sie verschwinden aber zu Anfang des 9. Jahrhunderts weitge-
hend aus der lateinischen Historiographie mangels geeigneter Quellenüber-
setzungen und treten - von 1054 abgesehen - erst im Zusammenhang mit
den Kreuzzügen wieder hervor.
Sigebert hat das Verdienst, in ganz Westeuropa zu einer Vorstellung von
Bulgaren beigetragen zu haben, die bislang auf Italien beschränkt war. Eben
weil sie in der Universalenzyklopädie des Frühmittelsalters par excellence, in
Isidors «Etymologiae», nicht Eingang fanden, haben sie erst mit Sigebert ei-
nen Autor für sich zu interessieren gewußt, dessen Werk große Breitenwir-
kung erlangte.
Allerdings führt ihr Fehlen in den Fortsetzungen derartiger Werke in spä-
terer Zeit dazu, daß sie selten erwähnt sind. Etwa Paulinus Minorità zu Be-
ginn des H.Jahrhunderts hat ihnen kein gesondertes filum regnorum zu re-
servieren vermocht, denn er kannte offenbar nicht viel von ihnen.

2. Die Bulgaren als Natio Christianorum Orientalium in der Kreuzzugs-


und Nachkreuzzugsepoche

Die Erwähnung der Bulgaren unter den christlichen Nationen im Heiligen


Land ist seit Johannes von Würzburg auszumachen. 18 Da hier eine große
Vielfalt europäischer Völkerschaften aufgezählt ist, die keineswegs identisch
sind mit eigenständigen und unabhängigen Staatsgebilden, finden auch die
von Byzanz abhängigen Bulgaren Erwähnung. Andere Nationen sind z.B.

15
Ebd. S.301,26.
16
Ebd. S. 302,16.
17
Ebd. S.312,26 und 61, S.316,60 zu AD 479, AD 487 und AD 539.
18
Vgl. hierzu allgemein ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die „Nationes Christianorum
Orientalium" im Verständnis der lateinischen Historiographie von der Mitte des 12. bis in die
zweite Hälfte des H.Jahrhunderts (Kölner Histor. Abhh. 22) Köln/Wien 1973.
[91/92] XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein 303

Latini, Britanni, Bohemi im Westen, Jacobitae, Suriani, Nestoriani u.a. im


Orient; hier sind also bestimmte Glaubensrichtungen oder Sprachgruppen,
gleichen liturgischen Gebräuchen verbunden, zusammen erfaßt. Ganz sicher
bilden die Bulgaren um 1165 keinen selbständigen Staat, fielen aber offenbar
den westlichen Pilgern als Gefolge Konstantinopels mit eigener Sprache und
eigenem Ritus auf. Die Unterscheidung ist hier nicht nach einheitlichen Kri-
terien vorgenommen, sondern eher nach hervorstechenden Unterschieden.
Johannes schreibt nach dem Fehlschlag des Zweiten Kreuzzugs, jedoch ganz
offensichtlich noch vor dem entscheidenden Erstarken der Moslems durch
Zusammenschluß der Sunniten mit den Fatimiden Ägyptens 1170. In ver-
wandten Schriften der Folgeperiode werden die Bulgaren nicht eigens er-
wähnt, denn eine eigenständige Rolle am Heiligen Grab spielen sie nicht: sie
sind auch nicht im engeren Umkreis Jerusalems beheimatet, so daß sie von
dort den Kreuzfahrern zu Hilfe hätte eilen können.
Nach 1185/86 verselbständigen sie sich und lösen sich von dem auseinan-
derbrechenden byzantinischen Reich, was sich für die Kreuzfahrer des Drit-
ten Kreuzzugs noch nicht, doch für den Vierten Kreuzzug auswirkt: das
neue sogenannte Bulgaro-walachische Reich der Aseniden schreckt die
Kreuzfahrer zunehmend von der Wahl des Landweges ab, stärkt damit Ve-
nedigs Rolle als Seemacht und ist insofern auch beteiligt an der Entwicklung
des Vierten Kreuzzuges. Das lateinische Kaisertum in Byzanz versteht es
nicht, aus dem Gegensatz der Aseniden zu Byzanz Vorteil zu ziehen, ob-
wohl diese Kontakt zur Kirche Roms aufgenommen und sich ihr 1204 unter-
worfen haben, so daß es erst unter Papst Gregor IX. ab 1232 zu intensiveren
Bemühungen kommt. Seit dieser Zeit erscheinen die Bulgaren in den Mis-
sionsbullen der Päpste, vom griechischen Patriarchen Germanos von Nikaia,
der sich vorübergehend unionsbereit zeigt, als seine Anhänger ins Spiel ge-
bracht; 1234 brechen sie mit den Lateinern und erregen deshalb erhöht de-
ren Aufmerksamkeit als Ostchristen neben Russen, Goten, Chazaren, Ala-
nen, Lazen, Iberern, Syrern, also Chalkedonensern, sowie Äthiopiern.
Hin und wieder erscheinen auch Rumänen im Zusammenhang mit den
Bulgaren als deren Nachbarn, 19 jedenfalls gelten sie als den Griechen ver-
bunden.
Generell aber findet die Ausdehnung und Bedeutung, die das zweite Bul-
garische Reich vorzuweisen hat, in westlichen Quellen keine angemessene
Würdigung. Es teilt dieses Schicksal mit den Russen, bei denen man um hohe
Zahl und große Ausdehnung weiß, die aber dennoch real kaum faßbar wer-
den. Zweifellos sind fremde Sprache und fremde Schrift wesentliche Barrie-

19
Vgl Ms. Turin E.V.8 vom Ende des 13. Jahrhunderts, fol. 11.
304 Studien zur Universalkartographie [92]

ren, auch zu anderen ostchristlichen Nationen hin. Andererseits hat der


Mongoleneinfall die Bulgaren nicht in der Weise betroffen wie die Russen
und damit nicht in gleicher Weise gen Osten öffnend gewirkt noch speziell
auf die Bulgaren als Betroffene aufmerksam gemacht, d. h. ihre Lage ver-
bleibt im Windschatten der großen Politik des 13. und H.Jahrhunderts. Sie
werden mithin nur von solchen Autoren beachtet, die Ost- und Südosteuro-
pa besonders im Visier haben wie dem Anonymus, der 1308 eine «Descriptio
Europae Orientalis: Imperium Constantinopolitanum, Albania, Serbia, Bul-
garia, Ruthenia, Polonia, Bohemia»20 verfaßt und sie hier gewissermaßen
neben Byzanz und Slaven einordnet als vom griechischen Patriarchen ab-
hängig. Weniger zutreffend ist das Zeugnis des Johann von Soltanijä OP, Ti-
tularerzbischofs, der um 1403/4 in seinem «Libellus des notitia orbis», ei-
nem mehr von antiostchristlicher Propaganda als von Sachkenntnis getrage-
nen Traktat, 21 zu sagen weiß, daß man in Bulgarien vulgärlateinisch spre-
che, weshalb das Land Bulgarien, Vulgaria, heiße. Hier sind zweifellos
Walachen und Bulgaren vermengt, und das ist aus der Konstruktion des in-
zwischen untergegangenen Bulgaro-walachischen Staates zu erklären. Da
die Bulgaren seit Ende des H.Jahrhunderts dem Osmanenreich eingegliedert
sind, wird es im ausgehenden Mittelalter still um sie.

3. Bulgaren in der traditionellen Kartographie


des frühen und hohen Mittelalters

Die mittelalterliche Historiographie widmet sich in knappen Stil der Ereig-


nisgeschichte, die Kartographie dem Aussehen dieser Erde, jedoch nicht als
Momentaufnahme unter Beachtung physikalischer oder politischer Aspekte
und im lateinischen Abendland schon gar nicht mit dem Ziel naturgetreuer
Nachbildung, sondern sie dient zur Orientierung über die Schauplätze der
Menschheitsgeschichte: loca, in quibus res gestae sunt, sind hier als eine der
Kategorien der Geschichte neben handelnden Personen und geordneten Da-
ten 22 zusammengestellt und anschaulich gemacht. Die abendländische Kar-
tographie des frühen und hohen Mittelalters ist ihrer Art nach viel mehr Gei-

20
Anonymi Descriptio Europae Orientalis, Imperium Constantinopolitanum, Albania, Ser-
bia, Bulgaria, Ruthenia, Polonia, Bohemia, anno 1308 exarata, ed. OLGIERD GORKA, Krakau
1916 (und G. POPA-LISSEANU, in: Izvoariie Istoriei Romanilor, Bukarest), S.41; vgl. v. DEN BRIN-
CKEN (wie Anm. 18), S. 138, 140.
21
C. 5, ed. ANTON KERN, Arch. Fratr. Praedicat. 8 (1938), S. 102f.
22
Vgl hierzu Hugo von St.Viktor, Vorrede zum Liber de Tribus Maximis Circumstantiis Ge-
storum, ed. WILLIAM M. GREEN, in: Speculum 18 (1943), S.484-493.
[92/93] XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein 305

steswissenschaft als exakte Fertigkeit und steht wissenschaftstheoretisch vor-


zugsweise bei der Geschichte, insbesondere bei der Heilsgeschichte. Unter
diesem Gesichtspunkt ist es sinnvoll, sie hier im Rahmen der Zusammenstel-
lung historischer Belege zu befragen, half sie doch, Plätze oder Personen-
verbände in ihrer Umgebung darzustellen und aus derselben zu erklären.
Gerade die nur zeichenhaften Schemakarten des Mittelalters haben in der
Schule eine wichtige Funktion gehabt, denn ihre Signa charakterisierten das
Gesamtverständnis der Welt und ihrer hervorragenden Plätze.
Die mittelalterliche Kartographie ist im Abendland primär Universalkar-
tographie, sie zeigt Plätze verschiedener Epochen, auf eine Fläche projiziert.
Ihr Bild hat eine griechische wie eine lateinische Wurzel. In der griechisch-
hellenistischen Prägung ist die Vorstellung von der Welt als Kugel lebendig,
insofern zwei Ozeanringe - einer geht durch die beiden Pole, der andere
durch den Äquator - einander im rechten Winkel schneiden und die Kugel in
vier Kontinente teilen, von denen man bei der flächenhaften Malweise des
Mittelalters nur zwei auf einem Planiglob vorzeigt. Dieser ist unterteilt in
fünf Zonen, zwei kalte unbewohnbare an den Polen, eine zu heiße am Äqua-
tor und dazwischen je eine gemäßigte bewohnbare, deren eine mit der be-
kannten Ökumene gleichgesetzt wird. Die römische Kartenform ist die der
an der Praxis orientierten Straßenkarte nach Art der Peutingeriana, die zur
Ökumenekarte wird, im Mittelalter flächig rund und grundsätzlich geostet.
Da der Kirchenvater Augustinus zudem die Größenverhältnisse der drei da-
mals bekannten Erdteile dieser Scheibe mit 2:1:1 wie Asien zu Europa zu
Afrika festgelegt hat, 23 ist die beliebteste Kartenform die T-oder O-Karte,
bei der eine Erdscheibe von einem Weltenozean als O bzw. Kreis umflossen
wird und der ein T der Gewässer einbeschrieben ist, das die genannten Erd-
teile aufteilt: Oben befindet sich Asien, links unten Europa, von Afrika
rechts durch das Mittelmeer geschieden; die Grenze zwischen Asien und Eu-
ropa bildet der Don, die zwischen Asien und Afrika der Nil. Da die römi-
sche Kartographie in ihren Interessen mediterran orientiert war, hat man
auch im Mittelalter vorwiegend Orte rund um den Mittelmeerraum gezeich-
net, dabei aber vor allem bekannte Plätze zu Lande vermeldet, unbekannte
Räume als weiße Flecken auf der Landkarte - z. B. Rußland - ebenso wie
große Meeresflächen zusammengedrängt. Der Balkan und der Schwarz-
meerraum finden dabei immer ein gewisses Maß an Beachtung, da diese Zo-
ne den geschichtsträchtigen Mittelmeerländern der Antike benachbart oder
nahe ist. Seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert rückt man zudem gemäß ei-

De civitate Dei 16, 17.


306 Studien zur Universalkartographie [93/94]

ner Forderung des Hieronymus 24 Jerusalem auch im Bild der Karte in das
Zentrum.
Die frühe abendländische Kartographie ist von Isidor bestimmt, dem die
Bulgaren nicht kundig geworden waren, weshalb man sie auch vergebens auf
den von ihm geprägten Karten westeuropäischer Provenienz, etwa eine Beat-
us von Liébana oder Theodulf von Orléans, sucht. 25
Vielmehr findet sich das früheste Zeugnis von Bulgarin in der lateinischen
Kartographie im 11. Jahrhundert auf der sogenannten Cottoniana, 26 wo
diese an der Donaumündung östlich von der Legende Dacia ubi et Gothia
und beide auf dem linken, d. h. nördlichen Ufer lokalisiert sind. Zumindest
Dacia ubi et Gothia grenzt dann direkt an die Ostsee, in der Nähe heißt eine
Insel Island, ist also ebenso auf Dänemark als auf Dakien zu deuten, ein Irr-
tum, der durch Namenähnlichkeit oder - gleichheit das ganze Mittelalter
hindurch zu Mißverständnissen geführt hat, nachdem bereits Dudo von
Saint-Quentin in seiner Geschichte der Normannen die Dänen sowohl mit
Dakern als auch mit Danaern in Verbindung gebracht hatte: Daker gab es
nur in der Antike, Dänen erst im Mittelalter, und so setzt man sie vielfach
ungeniert einander gleich, zumal man auf den Karten angesichts mangelnder
Kenntnis Osteuropas keine allzu große Entfernung zwischen Schwarzmeer-
raum und Nordeuropa kartographisch oder geographisch dokumentiert fin-
det.
Wenig später sind die Bulgaren auf der unter dem Namen des Hieronymus
bekannten Orientkarte aus dem 12. Jahrhundert belegt, diesmal mit dem Na-
men ihres Landes und der Zuordnung Mesia hec et Vulgaria,27 wobei man
vulgaria als Apposition zu Moesia oder synonym verstehen kann: Moesia ist
dem Zeichner der allenthalben bekannte Name, Vulgaria der Zusatz. Die
Legende ist korrekt plaziert auf dem rechten Donauufer westlich von Kon-
stantinopel. Zweifellos waren hier Ortskundige am Werk, vermutlich Kreuz-
fahrer. Von Hugo von St. Viktor ist keine Karte erhalten, aber in seiner Liste
geographische Namen im «Liber de Tribus Maximis Circumstantiis Gesto-
rum» sind auch Bulgari2* bezeugt zwischen Scyte inferiores, Daci, Gothi, Ala-

24
Comment, in Ezech. 5, 5, in: MIGNE PL 25 col. 52.
25
Alfred der Große bildet hier eine Ausnahme, vgl. GJUSELEV (wie Anm. 10); der Verfasser
nimmt auch von hier einen direkten Traditionsstrom zum Zeichner Cottoniana (vgl. folgende
Anm.) an.
26
Ms. London BL Cott. Tib. B. V fol.58v, vgl. MARCEL DESTOMBES, Mappemondes AD.
1200-1500 (Monumenta Cartographia Vetustioris Aevi 1), Amsterdam 1964, sect. 20 Nr. 24,
S.47; vgl. dazu KONRAD MILLER, Mappae Mundi 3, Stuttgart 1895, S.29ff. (vgl. unten Tafel 16).
27
Ms. London BL Add. 10 049 fol. 64; vgl. MILLER (wie Anm. 26) 3, S. 1 ff. (vgl. unten Tafel
! ) •
28
Ms. Leipzig Univers.-Bibl. 350 fol. 107v.
[94/95] XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein 307

ni, Gepidi, Rugi einerseits und Huni vel Ungari, Nores et Sciavi andererseits.
Zweifellos hat die Kreuzzugsbewegung viel für die Popularität der Bulgaren
getan, denn auch Guido von Pisa vermeldet sie 1118 auf seiner legendenar-
men Ökumenekarte. 29 Seine Hauptvorlage ist der Geographus Ravennas,
aber wenn er aus dessen reichhaltigem Namenmaterial gerade dieses Land
einzeichnet, auch mit dem Ländernamen, mag er dies für wichtig gehalten
haben; Guidos Karte zeigt verhältnismäßig viel Wasserfläche, abweichend
vom Brauch seiner Zeitgenossen, die dem Wasser ein Siebentel der Erdober-
fläche zugestanden, de facto sind es 70,8 %. Bulgarien säumt bei Guido das
gesamte südliche Donauufer bis vor Konstantinopel von Westen her, hier
mithin nachhaltig betont.
Selbstverständlich fand Bulgarien auf den überformatigen Weltkarten des
13. Jahrhunderts Platz, d.h. auf der Ebstorfer Weltkarte 30 wie auf derjeni-
gen von Hereford, 31 allerdings im Verhältnis mehr beiläufig. Für den Zeich-
ner der Ebstorfer Weltkarte war seine engere Heimat wichtig. Relativ kor-
rekt vermeldet er Terra Bulgarorum auf dem südlichen Donauufer Mähren
gegenüber nördlich von Thrakien neben 14 barbarischen Slawenstämmen in
nordwestlicher Richtung von Konstantinopel.
Der Zeichner der Hereford-Karte wähnt - wie sein Landsmann, der Cot-
toniana-Schöpfer - Bulgarien auf dem Nordufer der Donau, richtiger: er
verzeichnet dort ein gleichnamiges Volk, dessen Wohnsitze anfluvius Dana-
per, den Dnepr, stoßen, siedelt die Bulgaren mithin zu sehr nordöstlich von
Konstantinopel an. Diese Lage ist freilich kein allgemein englischer Fehler,
denn bei Ranulph Higden 32 erscheinen die Bulgaren - abgesehen von der
großen Karte, auf der sie fehlen - allenthalben auf dem rechten, südlichen
Donauufer, allerdings als Bulgaria zwischen Hungaria im Osten und Panno-
nia im Westen: Sehr klar also sind die Vorstellungen nicht und wohl nur zu-
sammengelesen. Ranulph verstarb 1363, das Bulgarenreich überlebte ihn um
eine Generation.
Doch findet es sich auch nach dem Fall 1393 noch auf den Karten des 15.
Jahrhunderts. Man war in dieser Hinsicht ungemein konservativ bzw. ver-
stand die Karte nicht als punktuelle Aufnahme. So gut man das ganz Mittel-
alter hindurch die Lage Trojas zu vermerken weiß, bleibt auch Bulgarien als
Landschaft unter den Osmanen lebendig. So meldet die Genfer Sallustkar-

29
Bs. Bruxell. Roy. 3897-3919 fol. 53v (vgl. unten Tafel 27).
30
Ed. MILLER (wie Anm. 26) 5,1896.
31
Ed. MILLER (wie Anm. 26) 4,1896.
32
U. a. Ms. London BL Roy. 14. C. LX. fol.2v, vgl. DESTOMBES (wie Anm.26) sect. 47
S. 149ff. mit weiteren Handschriftenangaben, auch MILLER (wie Anm. 26) 2, S. 94 ff. (vgl. unten
Tafel 59).
308 Studien z u r Universalkartographie [95]

te 33 an der Westküste des Schwarzen Meeres ein Land, dessen Name sich als
Burgia und Burcya entziffern läßt im Kernbestand der Buchstaben. Bulga-
rien dürfte gemeint sein, denn es liegt korrekt zwischen Donau und Kon-
stantinopel.
Damit zeigt sich, daß die Bulgaren als Volk und ihr Land durchaus einen
Platz hatten in der traditionell abendländischen Schulkartographie.

4. Bulgarien in der Seekartographie des Spätmittelalters

Neben der konservativen, universal orientierenden Kartographie kommt im


Spätmittelalter in den Kompaßkarten ein an der Praxis orientiertes genus
auf, das eine echte Neuerung bedeutet. Ausgehend vom Mittelmeerraum
werden Portolane erstellt, Küstenführer, die auch im frühen Stadium bereits
den Schwarzmeerraum erfassen. Sie sind für das 13. Jahrhundert, die späte
Kreuzzugsepoche, bezeugt, wenn auch erst aus dem H.Jahrhundert, zumin-
dest für den Schwarzmeerraum, erhalten. 34
So gibt der Venetianer Pietro Vesconte 35 die Schwarzmeerküste noch
nicht auf seinen Weltkarten, aber auf den Schwarzmeerkarten seiner Atlan-
ten recht wirklichkeitsgetreu wieder. Den Namen Bulgarien verzeichnet er
nirgends, doch ist das ein Typikum früher italienischer Portolane: sie be-
schränken sich auf die Darstellung der Küsten. Das Meer ist belegt mit den
Netzen von Rumbenlinien, die 16-strahlig von Knotenpunkten ausgehen ge-
mäß der Windrose. Sie berühren an 16 Stellen einen imaginären Kreis, von
diesen Schnittpunkten werden untereinander Verbindungen gezogen, so daß
sich ein Gitterwerk ergibt, das noch nichts mit Meridianen und Graden zu
tun hat. Mit Hilfe des Kompasses kann von jedem Punkt im Meer eine ge-
wünschte Richtung eingeschlagen werden, die die Landung an einem ange-
strebten Hafen ermöglicht. Die Küste erscheint als breites Band, weil quer
zu ihr jeder Ortsname durch eine Legende bestimmt ist. Dieser Legenden-
saum ist ins Land hineingeschrieben, wichtige Orte sind durch rote Schrift
hervorgehoben. Das Landesinnere interessiert überhaupt nicht, weder Sied-
lungen noch Gebirge noch Ländernamen, wohl Flußmündungen, die westli-
che Schwarzmeerküste zwischen Donaudelta und Bosporus ist recht detail-

33
Ms. Genf, Bibl. Pubi. L a t 54 fol.34v; vgl. DESTOMBES (wie A n m . 2 6 ) sect. 31 N r . 11 S . 7 1 ;
auch MILLER (wie A n m . 2 6 ) 3 S. 141 ff. (vgl. unten Tafel 66).
34
Die berühmte Pisana am E n d e des 13. J a h r h u n d e r t s ist für den S c h w a r z m e e r r a u m zerstört.
35
Vgl. hier u . a . M s . Pal. Vat. 1362 A , Vat. Lat 2972, Paris B N Res. G D D 6 8 7 ; Abb. jüngst
bei M O N I Q U E D E L A R O N C I E R E u n d M I C H E L M O L L A T D U J O U R D I N , Les p o r t u l a n s , C a r t e s m a r i n e s
du X H I e au X V e siede, Fribourg 1984 bzw. dt. M ü n c h e n 1984, Tafel 2.
[95/96] XIII. Bulgarien im allgemeinen Geschichtsbewußtsein 309

liert wiedergegebene, man liest u. a. rot Staignara, Cisopoli, Mesember, Var-


na.
Fast zur gleichen Zeit bietet Johann von Carignano aus Genua schon Ein-
blicke ins Hinterland. Seine bedeutsame Karte von Beginn des H.Jahrhun-
derts im Staatsarchiv Florenz wurde ein Opfer des letzten Weltkrieges, aber
auf den Reproduktionen 36 ist deutlich eine Vignette Bulgaria im Hinterland
der westlichen Schwarzmeerküste auszumachen.
Die Genuesische Tradition wurde in Mallorca fortgeführt, vielleicht von
Angelino Dalorto oder Dulcert auf die Balearen transferiert. Bei ihm 37 ist
die Schwarzmeerküste sehr sorgfältig gestaltet und bietet großen Ortsna-
menreichtum. Auch einige Städte an der Donau wie Vetina und Sirmia sind
eingezeichnet, die Legende Bulgaria jedoch findet sich nördlich der Donau,
Polonia benachbart. Der Fehler von der Cottoniana und der Hereford-Karte
ist hier mithin konserviert, und nicht nur hier, er ist auch im berühmten Ka-
talanischen Atlas 38 anzutreffen, wo eine große Legende Burgaria den nord-
westlichen Schwarzmeerraum nördlich der Donau in der Nachbarschaft Po-
lens um 1375 bezeichnet. Hier bürgert sich eine regelrechte mallorquinische
Tradition ein, die sich auch zu Beginn des 15. Jahrhunderts bei Mecia de Vi-
ladestes 39 wiederfindet, während Guilelmus Soleri aus Mallorca 40 um 1385
hier bereits die korrektere Vorstellung propagiert: Er plaziert die Legende
Burgaria im Hinterland von Varna. Typisch für die mallorquinische Karto-
graphie ist die strenge Westostführung der Donau, wie generell diese Rich-
tung besonders betont wird, sofern nicht der Meeresraum durch Kompaßli-
nien vermessen ist.
Nicht mehr auf der Grundlage der Rumbensysteme arbeitet der Salzbur-
ger Benedektiner Andreas Walsperger, der dem weiteren Rahmen der Wien-
Klosterneuburger Kartenschule angehört und schon Anfänge der Ptole-
mäus-Renaissance erkennen läßt. Seine Karte ist gesüdet.41 Bulgaria er-

36
Vgl. z.B. GEORGES GROSJEAN und RUDOLF KINAUER, Kartenkunst und Kartentechnik vom
Altertum bis zum Barock, Bern/Stuttgart 1970, S.30.
37
Ms. Paris BN Res. Ge B 696 (DE LA RONCIERE Tafel 7, wie Anm. 35).
38
Ms. Paris BN Esp. 30 fol.4/5; ed. u.a. HANS CHRISTIAN FREIESLEBEN, Der Katalanische
Weltatlas vom Jahre 1375 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der
Reisen 11) Stuttgart 1977 sowie GEORGES GROSJEAN, Der katalanische Weltatlas vom Jahr 1375,
Dietikon 1975.
39
Ms. Paris BN Res. Ge AA 566 (DE LA RONCIERE Tafel 12, wie Anm. 35).
40
Ms. Paris BN Res. Ge B 1131 (DE LA RONCIERE Tafel 9, wie Anm. 35).
41
Ms. Pal. Lat. 1362 B, vgl. DESTOMBES (wie Anm.26) sect. 52 Nr. 10, S.212ff.; gute Wieder-
gabe neuerdings in: BELSER, Facsimilie Editionen aus der Biblioteca Apostolcia Vaticana, Stutt-
gart.
310 Studien zur Universalkartographie [96/97]

scheint korrekt auf dem südlichen Donauufer herausgestellt. Auf dieser Kar-
te sind Binnenland und Küste gleichwertig aufgearbeitet.
Auch sonst wird Bulgarien nun meist exakt lokalisiert, so auf der Vatika-
nischen Metallgravurkarte der Borgia-Galerie, 42 die, gleichfalls aus der
Mitte des 15. Jahrhunderts und gesüdet, exakt Burgaria südlich der Donau
vermeldet. Inzwischen ist Bulgaria ein Territorium geworden. Seine Men-
schen spielen keine politische Rolle mehr, der Begriff Bulgaria oder Burgaria
stagniert.

Zusammenfassung

Die hier vorgestellten Zeugnisse über die Bulgaren oder Bulgarien im Allge-
meinwissen der Lateiner sind nicht als reichhaltig einzuschätzen, vorhanden
aber waren sie. Das Bulgarenreich gehörte nicht dem lateinisch-abendländi-
schen Ritus an und war daher dem Westen nicht nur in der Liturgie, sondern
auch in der Alltagssprache unerreichbar; vergleichsweise war da im Spätmit-
telalter der Kontakt zu den Walachen leichter vorgegeben. Weiterhin fand
bei den Bulgaren keinerlei Verwechslung oder Identifizierung mit anderen
Völkern statt, wie etwa für die Wallachen nicht nur Daker, sondern auch
Danaer und Dänen stehen können, weshalb ihre Erwähnung häufiger ist,
nur sind sie gewöhnlich gar nicht gemeint. Das gilt für Geschichtsschreibung
wie für Kartographie: Die Historiographie über Bulgarien bezog ihre Kennt-
nisse indirekt aus der byzantinischen Chronographie in der Übersetzung des
Anastasius Bibliothecarius, später aus spärlichen Kontakten der Kreuzfahrer
und Missionare. Die Kartographie bezeugt die Bulgaren da sogar häufiger
und zuverlässiger, wenn auch nicht immer an der richtigen Stelle: Manchmal
sind sie von der Donau gen Norden nach Rußland verschoben. Da nicht ver-
messen wurde, waren derartige Angaben immer etwas vage, aber ungemein
zählebig: Das Gemälde der Karte einfach zu verändern, war schon von Ger-
vasius von Tilbury 43 einer falschen Zeugenaussage gleichgesetzt worden. Ge-
messen aber am Rußlandbild der Lateiner schneiden die Bulgaren nicht
schlecht ab: Trotz geringer realer Beziehungen weiß man durchaus von ih-
nen, man berücksichtigt sie auch im Schulwissen.

Otia Imperialia, ed. G. W. LEIBNITZ, SS. rer. Brunsvic. 1, Hannover 1707, S. 956.
XIV. Quod non vicietur pictura
Die Sorge um das rechte Bild in der Kartographie

Einleitung:
Kartographie im theoretischen Schrifttum des Mittelalters

Die kartographische Hinterlassenschaft des Mittelalters ist nicht unerheb-


lich: Marcel Destombes wies bereits 1964 in seinem Repertorium allein 1106
Weltkarten nach, eine Zahl, die sich aufgrund der intensiven Handschriften-
erschließung inzwischen noch recht erheblich erhöht haben dürfte 1 . Sehr
spärlich nehmen sich daneben vergleichsweise die theoretischen Texte aus,
die Aufschluß geben über die Erfordernisse und Ansprüche, die man an eine
Karte stellte. Dies fällt der modernen Forschung um so schmerzlicher auf,
als die Kartographie damals in gänzlich anderer Weise als heute betrieben
wurde und man daher gern mehr über ihre Denkweise wüßte: Man kannte
nämlich bis ins Spätmittelalter keine Vermessung, verfolgte auch mit Hilfe
von Karten so gut wie gar keine praktischen Ziele, sondern suchte die Welt
als Ganzes zu erfassen, ihre Ordnung und ihre Sinngebung und in diesem
Zusammenhang vor allem die für den Geschichtsablauf wichtigen Plätze auf
ihr. Sie beweist damit mehr den Zug zur Geistes- als zur Naturwissenschaft.
Vielfach ist sie nur schematisch gestaltet und nichts anderes als Signum für
Welt oder Weltbild;2 sie hat mithin ausgesprochen literarischen Charakter. 3
Diese Merkmale treffen freilich nicht mehr zu für die seit dem Ausgang des
13. Jahrhunderts bezeugte Portolan-Kartographie. 4 Vollends die Einführung
des Koordinatensystems gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts hat unter dem
Einfluß der Ptolemäus-Renaissance aus der Kartographie eine exakte Wis-
senschaft gemacht.

1
MARCEL DESTOMBES, M a p p e m o n d e s A . D . 1200-1500 ( M o n u m e n t a C a r t o g r a p h i c a Vetu-
stiorisAevi 1, 1964) S. 23.
2
J Ö R G - G E E R D ARENTZEN, Imago M u n d i C a r t o g r a p h i c a . Studien z u r Bildlichkeit mittelalterli-
cher Welt- u n d Ö k u m e n e k a r t e n unter b e s o n d e r e r Berücksichtigung des Zusammenwirkens von
T e x t und Bild (Münstersche Mittelalter-Schriften 53, 1984) S. 21 ff.
3
E b d . S. 13 n a c h WILLIAM LATHAM BEVAN u n d H . W . P H I L L O T E , M e d i a e v a l G e o g r a p h y . An
Essay in Illustration of the H e r e f o r d M a p p a M u n d i (1873) S.2.
4
H i e r z u j ü n g s t M O N I Q U E DE LA R O N C I E R E u n d M I C H E L M O L L A T DU J O U R D I N , Les p o r t u l a n s :
Cartes marines d u X H I e au X V I I e siede (1984; dt.: P o r t u l a n e : Seekarten vom 13. bis z u m 17.
J a h r h u n d e r t , 1984).
312 Studien zur Universalkartographie [588]

Hugo von St. Viktor hat zu Anfang des 12. Jahrhunderts den Zusammen-
hang der Karte mit der Historiographie in seinem geschichtstheoretischen
«Liber de tribus maximis circumstantiis gestorum» in der Weise charakteri-
siert, daß als eine der drei Kategorien die loca in quibus (res) gestae sunt5 er-
scheinen, und in De arca Noe mystica6 beschreibt er die graphische Verbin-
dung von Geschichtsablauf und Weltkarte: Der Osten ist die Richtung des
Ursprungs, der Arche Noe, auf deren überlebende Bewohner sich alle Men-
schen zurückführen; der Westen bedeutet das Ende, den Platz des Jüngsten
Gerichts, so daß die Lage der Orte mit dem Ablauf der Zeiten überein-
stimmt, mithin alles von Osten gen Westen wandert.
Kartographie ist primär Bibelexegese, Auflistung der Plätze der Heilsge-
schichte. Die Beschreibung des Heiligen Landes ist zumeist von besonderem
Gewicht, zumal Hieronymus mit seinem «Liber de situ et nominibus locorum
Hebraicorum» 7 entsprechendes Material bietet und auch vermerkt, daß er
hierzu eine pictura geliefert habe, die cum brevissima expositione das Land
Judäa und die Stadt Jerusalem zum Gegenstand gehabt habe; 8 möglicher-
weise spricht er damit die Vorlagen der im 12. Jahrhundert unter seinem Na-
men gehenden Karten Palästinas und des Orients 9 an.
Etwa zur gleichen Zeit betont Orosius - der die nicht primär zur Heilsge-
schichte zählenden Fakten der Vergangenheit zwecks Vergleiches in seiner
«Historia adversum paganos» aufarbeitet -, daß man, um die Konflikte des
Menschengeschlechtes und die Bosheit der Welt herauszustellen, die Plätze
des Geschehens aufzeigen müsse.10
Die pictura aber in ihrem Verhältnis zur scriptura hat für die mappa mundi
nur Paulinus Minorità monographisch angesprochen in der Vorrede zu sei-
nem Traktat De mapa mundi, dort warnt er: quod non vicietur pictura.11

5
Vgl. WILLIAM M . G R E E N , H u g o of St. Victor, D e tribus maximis circumstantiis gestorum,
in: Speculum 18 (1943) S. 4 9 1 .
' Ed. M I G N E P L 176, Sp.700.
7
Ed. M I G N E P L 2 3 , Sp. 9 0 3 - 9 7 8 .
8
E b d . Sp. 903.
9
Vgl. hierzu KONRAD MILLER, M a p p a e M u n d i 3 (1895) S. 1-21.
10
I, 1, 14-17, ed. KARL ZANGEMEISTER ( C S E L 5, 1882) S.8.
11
Vgl. Vat. Lat. 1960, fol. 13; ed. ROBERTO ALMAGIÀ, M o n u m e n t a C a r t o g r a p h i c a Vaticana 1:
Planisferi, carte nautiche e affini dal secolo X I V al X V I I (1944) S.4; erneut A N N A - D O R O T H E E
VON DEN BRINCKEN, " U t describeretur universus orbis" - Z u r Universalkartographie des M i t t e -
lalters, in: Miscellanea Mediaevalia 7 (1970) S.261 ( = o. S.94).
[589] XIV. Die Sorge um das rechte Bild 313

1. Die Warnung des Paulinus Minorità


vor einer Entstellung des Kartengemäldes

Paulinus Minorità (t 1344) ist nun keineswegs mehr dem Früh- oder Hoch-
mittelalter zuzuordnen; vielmehr kam dieser aus Venedig gebürtige Minorit,
der seit 1293 seinem Orden angehörte, 12 seit 1314 als Diplomat im Kreis um
Robert von Neapel und seit 1324 als Bischof von Pozzuoli mit den führen-
den Persönlichkeiten seiner Zeit aus Politik und Wissenschaft in Berührung.
Hier interessiert sein großes universalhistorisches Werk, das er in drei
Fassungen herausbrachte und an dem er bereits zu Lebzeiten Kaiser Hein-
richs VII. (f 1313) und bis nach 1331 wirkte. Während die erste Fassung sei-
ner Weltgeschichte vorwiegend von Vincenz von Beauvais geprägt ist, spie-
gelt sich in den beiden späteren Versionen, der «Chronologia Magna» und
der «Satyrica Historia», 13 die Tatsache, daß Paulinus 1321/22 von Papst Jo-
hann XXII. zum Gutachter für die Kreuzzugspropaganda seines Landsman-
nes Marino Sanudo 14 bestellt und dadurch auch mit den Arbeiten des vene-
tianischen Portolankartographen Pietro Vesconte konfrontiert wurde. Pau-
lin lernte auf diese Weise den gewissermaßen jüngsten Wissensstand auf die-
sem Gebiet kennen und bediente sich für ein eigenes Werk eifrig dieser
neuen Erkenntnisse.
Es ist aufgrund der Vorlagen nicht befremdlich, daß in Paulins umfassen-
dem Werk das Heilige Land eine herausragende Rolle spielt, in der Chronik
wie auch in dem der enzyklopädisch angelegten «Satyrica Historia» 15 als
Geschichtserzählung vorangestellten geographischen Traktat «De mapa
mundi», 16 aus dessen Vorrede das Motto für diese Untersuchung entnom-
men ist, das nun so ganz und gar nicht zum Zeitalter der Missionsreisen zu
den Mongolen passen will.

12
Über ihn ausführlich P. ALBERTO GHINATO O.F.M., Fra Paolino da Venezia O.F.M., vesco-
vo di Pozzuoli ( t 1344) (1951 ).
13
Ebd. S.69ff.
14
Secreta Fidelium Crucis, ed. J. BONCARSIUS, Gesta Dei per Francos 2 (1611).
15
Das Werk liegt noch nicht brauchbar ediert vor; zu den Hss. von Paulins Werken vgl. GHI-
NATO (wie Anm. 12) S.66f. Von der Satyrica Historia wurden mehrfach Bruchstücke ediert,
nämlich als Excerpta ex Jordani Chronico, ed. LUDOVICO A. MURATORI, Antiquitates Italicae 4
(1741) S. 945-1034; von WALTHER HOLTZMANN, Bruchstücke aus der Weltchronik des Minoriten
Paulinus von Venedig (Texte zur Kulturgeschichte des Mittelalters 3-4, 1927) aus der Erstfas-
sung Epitome. - Hier wird zitiert nach der Hs. Vat. Lat. 1960 der Satyrica Historia
16
Ebd. fol. 13-21v; Paulin schreibt stets mapa statt mappa.
314 Studien zur Universalkartographie [590]

Die Vorrede lautet:17 Incipit prologus in mapa [!] mundi cum trifaria orbis
divisione. Sine mapa mundi ea, que dicuntur de filiis ac filiis filiorum Noe et
que de IIH°r monarchiis ceterisque regnis atque provinciis tam in divinis quam
humanis scripturis, non tam difficile quam impossibile dixerim ymaginari aut
mente posse concipere. Requiritur autem mapa duplex, picture et scripture. Nee
unum sine altero putes sufficere, quia pictura sine scriptura provincias seu regna
confuse demonstrat, scriptura vero non tarnen sufficienter sine adminiculo picture
provinciarum confinia per varias partes celi sic determinai, ut quasi ad oculum
conspici valeant. Pictura autem hic posita ex mapis variis est composita sumptis
exemplaribus, que scripturis actorum concordant illustrium, quos imitamur, vi-
delicet: Ysi(dori) in libro Eth(ymologiarum), I(er)o(nimi) de distantia locorum
et hebraicarum questionum, Hug(onis) de S. Vic(tore) et Hug(onis) Floriacensis
in sua ecclesiastica ystoria, Orosii de ormesta mundi, Solini de mirabilibus
mundi, G(er)vasii de mirabilibus terramm, Pomponii Mela [!] de situ orbis,
Ho[no]rii de ymagine mundi, Eusebii, Bede, Iustini, Balderici Dolensis episcopi
in itinerario transmarino et aliorum plurium scribentium maxime de situ Tetre
Sancte et circumstantium regnorum Syrie et Egypti, que ad multos passus intelli-
gendos Sacre Scripture necessaria sunt; in quibus studiosissimum doctorem
I(er)o(nimum) plurimum laborasse qui legit, intelligit. Quod vero per pictores
non vicietur pictura, magna est cautio adhibenda.
Paulin fordert grundsätzlich für Geschichtswerke die Beigabe einer mapa
mundi, da das Geschehen sonst dem Leser unverständlich bleibe. Ganz be-
sonders gelte dies für die Weltgeschichte, bei der die Verteilung der Nach-
kommen Noes über die ganze Welt, die Lage der vier Weltmonarchien, aber
auch die verschiedenen sonstigen Herrschaften und Provinzen zueinander
anders nicht aufgezeigt werden könnten, wie dies aus den Geschichtswerken
und aus der Heiligen Schrift gefordert würde. Paulin wünscht deshalb eine
doppelte mappa mundi in pictura wie in scriptura. Scriptura ist dabei nicht et-
wa nur auf die Legenden von Karten zu beziehen, sondern auf einen aus-
führlichen erläuternden Text, wie ihn der Traktat De mapa mundi selbst bei
Paulin bietet. Eines reiche nämlich ohne das andere nicht aus: das Gemälde
ohne Texterklärung gäbe die Lage der Gebiete zu verworren an, die Schrift
aber könne ohne das Hilfsmittel des Gemäldes die Grenzen der Provinzen
und Reiche nicht zureichend nach den einzelnen Himmelsrichtungen ver-
deutlichen, so daß der Leser sie gleichsam vor Augen hätte.

17
Vat. Lat. 1960, fol. 13; Editionen vgl. oben Anm. 11.
[590/591/592] XIV. Die Sorge um das rechte Bild 315

Paulin sagt weiter, daß die hier erstellte Karte, d. h. die pictura - er meint
damit seine eigene Karte am Ende der Handschrift 18 - aus verschiedenen
Vorlagen entnommen sei, die mit den Schriften der Autoritäten übereinstim-
men und die er dann als Vorbild nennt. So wählt er mit Isidors Etymologiae
die bis ins 12. Jahrhundert vorrangig gültige Richtschnur des enzyklopädi-
schen Wissens im Abendland, die der gesamten wissenschaftlichen Literatur
als Fundament diente; an zweiter Stelle erscheint der Kirchenvater Hierony-
mus als bester Kenner des Heiligen Landes, von den übrigen verdienen Hugo
von St. Viktor als der Geschichtstheoretiker, der die Bedeutung der Schau-
plätze betonte, ebenso wie Orosius als Faktengeschichtsschreiber mit Sinn
für die Orte Erwähnung, vor allem aber Gervasius von Tilbury. Ihm ist nicht
nur eine eindrucksvolle Sammlung von Kuriositäten zu verdanken, er war es
auch, der sich mit der Frage von Veränderungen auf Karten auseinander-
setzte. Im übrigen macht allerdings die Abfolge der Autoritäten bei Paulinus
einen etwas ungeordneten Eindruck; auch läßt die Nennung von Solin dar-
auf schließen, daß bei der Auswahl der Namen mehr Popularität als Wissen-
schaftlichkeit als Auswahlkriterium fungierte, zumal recht verschiedene
Fachbereiche mit den Autoren vertreten sind, Enzyklopädisten, Historiker
sowie Mirabiliensammler.
Die besondere Empfehlung gilt dann allerdings den Autoren, die sich Pa-
lästina und seinen Nachbarländern widmen, insbesondere hier Syrien und
Ägypten, da ihre Arbeiten in besonderem Maße der Exegese der Heiligen
Schrift dienlich seien. Unter ihnen nimmt natürlich Hieronymus die führen-
de Stellung ein.
Die nachdrückliche Warnung gilt der Veränderung des Bildes durch den
Kartenzeichner. Eine Veränderung im Sinne von Verschlechterung, Entstel-
lung, Schändung, Fälschung liegt bereits im Wortsinn von vitiare. Man wird
kaum fehlgehen in der Annahme, daß Paulin diese Furcht vor fehlerhafter
Malweise bei Gervasius von Tilbury vorgebildet fand. Nun hatte sich in dem
Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert, der diese beiden Autoren trennte,
eine Menge im Weltbild verändert, mehr als je zuvor, denn nachdem die
Mongolen die Chinesische Mauer durchbrochen und nicht wieder restauriert
hatten, konnte man den eurasischen Kontinent durchqueren und besorgte
dies auch. Durch neuartige Seefahrtstechniken entwickelte sich eine Seekar-
tographie mit Ansätzen zur Vermessung. Von diesen Neuerungen finden sich
bei Paulin Spuren, aber nicht mehr: letztlich folgt er im Traktat De mapa
mundi treu der althergebrachten Art der Erdbeschreibung: Er schreitet von

18
Ebd. fol.264v; eine weitere Karte, die auf Paulinus zurückgeht, findet sich in der Pariser
Hs. Bibliotheque Nationale Lat. 4939 der Chronologia Magna, hier am Anfang, fol. 9.
316 Studien zur Universalkartographie [592/593]

Osten nach Westen mit sehr ausführlicher Behandlung des Heiligen Landes.
Lediglich Skythien wird im Text auf zweierlei Weise dargestellt, zuerst im
herkömmlichen und dann in einem neuen, durch den Armenier Hethum 1 9
propagierten Stil, bei dem an erster Stelle Cathay, d.i. Nord-China, im äu-
ßersten Osten erscheint, gefolgt von Tarse, dem Uigurenreich, heute auto-
nome Provinz Xinjiang, Turquesten oder Turkestan, Corasme oder Hörezm
und Kumanien, ehe endlich Indien, der alte Ostpunkt, an der Reihe ist. In
seiner pictura hält sich Paulin strikt an Pietro Vesconte; doch hat er dessen
Fundament, die Kompaßlinien, gar nicht als entscheidend wahrgenommen
und daher auch nicht übernommen, geschweige sich ihrer bedient: er hätte
hier nämlich eine Absicherung bei Erstellung einer Replik von Pietros Karte
finden können. Diese Möglichkeit nicht erkannt und genutzt zu haben, das
ist der Mangel des Paulinus als Kartograph und Kartographie-Theoretiker.

2. Gervasius von Tilbury über den Kartographen als Zeugen

Paulins Sorge um das rechte Bild war zweifellos u.a. ausgelöst durch ein
Verdikt, das er bei Gervasius von Tilbury 20 fand. Dieser Engländer (ca.
1140-1220) hatte in Bologna die Rechte studiert, war zeitweilig am engli-
schen Königshof tätig und stand später im Dienst Kaiser Ottos IV., der ihn
zum Marschall des Arelat erhob. Dem Weifenkaiser widmete Gervasius nach
dessen Abdankung 1214 die «Otia Imperialia», ein unterhaltsames Kompen-
dium der Geographie, Geschichte, Politik und aller wundersamen Dinge,
weshalb das Werk auch unter dem Titel «Mirabilia mundi» bekannt ist. Ger-
vasius beweist neben Kenntnissen in der Theologie und im Recht ausge-
prägte naturwissenschaftliche Interessen.
Das zweite Buch seiner «Otia» ist vorzugsweise der Geographie gewidmet
und enthält - wie es Brauch ist - eine ausführliche Behandlung des Heiligen
Landes. Als Gervasius schließlich auch die Provinzen Europas aufzählen
will, stößt er auf Widersprüche zwischen den Listen antiker Provinzen und
solchen der eigenen Zeit, bei denen es sich offenbar um das Provinciale Ro-
manum - die Liste der Erzbischofs- und Bischofssitze, die Kardinal Cencius,

19
La Flor des Estoires de la Terre d'Orient oder Flos Historiarum Terre Orientis, ed. C H .
KOHLER, Recueil des Historiens des Croisades, Documents Armeniens 2 (1906) S. 111-363.
20
Über ihn vgl. u.a. RICHARD UHDEN, Gervasius von Tilbury und die Ebstorfer Weltkarte,
in:Jb. der Geograph. Ges. zu Hannover 1930, S. 185 ff.; HANS-JOACHIM SCHULZE, Gervasius von
Tilbury. Sein Leben, seine Staatsauffassung und sein Verhältnis zur Antike (Phil. Diss. Berlin
1955, masch.); JERZY STRZELCZYK, Gerwazy z Tilbury. Studium z dziejów uczonosci geograficz-
nej w sredniowieczu (1970).
[593/594] XPV. Die Sorge um das rechte Bild 317

der spätere Papst Honorius III., zu Verwaltungszwecken für die Kurie er-
stellte - handelt. Gervasius äußert hier:21 Haec de numero et nominibus pro-
vinciarum annotavimus; alia fortassis nomina interdum interserentes, quam in
priore tractus nostri Serie proposuimus. Cuius diversitatis ea sit ratio, quod Ulk
profusius rem prosequentes Orosium et alios historiographos secuti sumus, et Ro-
manae ecclesiae registrum, cuius de verbo ad verbum habuimus. Hanc autem
provinciarum seriem de registro Romano, in quo non secundum archiepiscopatus,
sed secundum antiquitus distincta officia praesidatuum vel proconsulatuum,
praefecturarum et moderationum Romani imperii ordinavimus, hic antiquitati
servientes, Mie novitati locum dantes. Nee indignentur aliqui, quod aliis olim
videbantur esse subiecti, cum tolerandum sit antiquioribus, quod cum tempore
dignitate sunt diminuti. Ut autem, oculata fide avidis mentibus et sitientibus au-
ribus satisfaciamus, in summa naturalem provinciarum ordinem et situm per tres
orbis partes distinetarum in emendatiore pictura subiunximus; considerantes,
quod ipsa pictorum varietas mendaces efficit de locorum veritate picturas, quas
mappas mundi vulgus nominat. Plerumque enim pictor, ut alias testis, cum de
suo addit, partis mendacio totam testimonii seriem decolorat, ut in decretis c.3
q.9, „Pura et simplex". Nee adscribat lector ignorantiae vel mendacio, quod in-
terdum nomina secus, quam hoc tempore se habent, scribimus, cum nunc antiqui-
tati servierimus, nunc consuetudini loquentium satisfacere nos oportuerit.
Gervasisus stößt sich an den uneinheitlichen Angaben alles dessen, was
sich Provinzenliste nennt, und erkennt auch durchaus die unterschiedlichen
Entstehungszeiten und Zwecke derartiger Verzeichnisse. So beobachtet er,
daß die Zahl der Kirchenprovinzen wesentlich höher ist als die antiker Pro-
vinzen, vor allem aber, daß viele Sitze mit anderen Namen als früher be-
zeichnet werden. Hinsichtlich des eigenen Vorgehens gesteht er, daß er bald
der altertümlichen Form anhing, dann auch der Neuerung Raum gewährte,
denn manche Provinzen seien im Rang auf- bzw. abgestiegen. Er verteidigt
hier sein Vorgehen auf der Grundlage des Ermessens, denn er habe insge-
samt dem neugierigen Publikum eine natürliche Ordnung der Provinzen
nach den Erdteilen in verbesserter Zeichnung geboten, allerdings durchaus
in dem Bewußtsein, daß eine Veränderung durch den Maler zur Verfäl-
schung der rechten Lokalisierung im Bild auf den mappa mundi genannten
Zeichnungen führen könne. Hieran schließt er seine Warnung an die Karten-
maler, nicht Eigenes hinzuzufügen, weil sie sonst - wie der Zeuge vor Ge-
richt - die gesamte Aussage22 entstellten. Unter diesem Aspekt möge der Le-

21
Ed. G.W. LEIBNIZ, Scriptores rerum Brunsvicensium 1 (1707) S.956.
22
C. 3 q.9 c.17, ed. E. FRIEDBERG, Corpus Iuris Canonici 1: Decretum Magistri Gratiani
(1879) Sp. 533: Pura et simplex testimonii series intimanda est. Plerumque testis, dum ad seriem ge-
storum aliquid ex suo adicit, totam testimonii fidem partis mendacio decolorat. Nichil igitur, quod
318 Studien zur Universalkartographie [594/595]

ser es ihm nicht als Unkenntnis ankreiden, wenn er Ortsnamen bald in anti-
ker Form bewahre, bald in der Sprache der Zeit eintrage. Seine besondere
Warnung gilt der Bildwiedergabe, und hier hat er sich offenbar besonders
behutsam an alte Namensformen gehalten, um nicht den Wert des Bildes zu
gefährden. In der Tat ist es nämlich so, daß die Kartenmaler konservativer
sind als die Textautoren. Er nennt etwa das Beispiel, daß Köln bald Colonia,
bald in antiker Weise Agrippina heißt. An diesem Beispiel wird deutlich, daß
der Kartenmaler weitgehend reines Kopistentum anstrebt, um nicht bei der
Rezeption und Interpretation einen Irrtum einzufügen und die Karte der
Ungültigkeit preiszugeben. Gervasius denkt ganz offensichtlich dabei an den
Arbeitsaufwand, den die Erstellung einer Ökumene-Karte erforderte: Da
nahm man lieber eine veraltete Namensform in Kauf, ehe man das ganze
Werk zur Makulatur werden ließ.

3. D e r Kirchenvater Hieronymus als höchste Autorität


für mittelalterliche G e o - und Kartographen

Da die mittelalterliche Kartographie vorrangig der Geschichte zugeordnet


ist und diese sich stets in ausgeprägtem Maße dem Heilsgeschehen widmet,
kommt das Heilige Land in recht vielen Geschichtswerken als Schauplatz
vor. Hieronymus, der seinen Wohnsitz in Palästina genommen hatte und als
Übersetzer dem Abendland den Vulgata-Text der Heiligen Schrift bescherte
und früher bereits die Chronik des Eusebios übersetzt hatte, erstellte ver-
schiedentlich Glossare zu Hebraica und lieferte hier auch ein Ortsnamen-
handbuch 23 nach einer griechischen Vorlage des Eusebios. Außerdem war er
es, der in seinem Ezechiel-Kommentar für Jerusalem die Mittelpunktsstel-
lung postulierte. 24
Alle diese Umstände sicherten ihm außerordentliche Autorität auf dem
Gebiet der Geo- und Kartographie. Dabei darf er selbst auch bei den Kar-
tenmalern eingereiht werden, denn zu seinem Ortsnamenglossar sind zwei
Karten in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts erhalten, die zwar einige
zeitgenössische Zutaten aufweisen, zumal sie in der Kreuzzugszeit von gro-
ßer Aktualität waren, aber durchaus auf Hieronymus selbst zurückzugehen

bonum videtur, addendum est (Ambrosius, De paradiso c. 12 § 56, ed. C. SCHENKL, CSEL 32, 1,
1, 1896, S.315).
23
Vgl. oben Anm. 7.
24
Ezech. 5, 5, MIGNE PL 25, Sp. 52.
[595/596] XIV. Die Sorge um das rechte Bild 319

scheinen25 und zumindest inhaltlich eng mit seinem Text verbunden sind; sie
zeigen Palästina und den Orient mit den Nachbarländern Palästinas.
Paulinus scheint an diese Schriften und Karten zu denken, als er sich ganz
besonders im Rahmen der Literatur zur Wiederbelebung der Kreuzzugsidee
mit der Aufgabe betraut sieht, dem Leser eine klare Vorstellung von dem
den Lateinern inzwischen verlorenen Heiligen Land zu vermitteln. Folge-
richtig nehmen die Informationen über das Heilige Land bei Marino Sanudo
wie bei Paulinus einen breiten Raum ein, und Pietro Vesconte hat hierzu gu-
tes Material an Regionalkarten geliefert, die bereits Ansätze zu maßstabge-
rechter Vermessung für die Gebiete im östlichen Mittelmeerraum bieten 26 in
Gestalt von Itinerarien und Lageplänen. Bei Abhandlung der übrigen Welt
verharrt man allerdings noch bei den alten Schemata, beschreibt die drei be-
kannten Erdteile nach dem Vorbild des Orosius.
Das außerordentliche Ansehen des Hieronymus ist ein maßgeblicher
Grund, daß noch im Zeitalter der spätmittelalterlichen Kreuzzugspropagan-
da und der aufblühenden Seekartographie seiner Aussage die allerhöchste
Autorität zukam.

4. Die mittelalterliche Landkarte als Geschichtswerk

Die mittelalterliche Ökumene-Karte wurde als das Abbild der Schauplätze


des historischen Geschehens verstanden. Man hat es damals nicht mit einem
Zeitalter der Seefahrer zu tun, vielmehr bevorzugte der Reisende den Land-
weg, wo immer ihm dieser offenstand. Mithin sind auch die Schauplätze des
Geschehens auf dem Festland zu suchen. In diesem Sinne sind die mittelal-
terlichen Karten Landkarten. Während die Antike nur ein Sechstel der Erd-
oberfläche als Festland annahm, glaubte das Mittelalter gemäß dem apokry-
phen 4. Esra-Buch an sechs Siebentel Festland und gestaltete seine Karten
entsprechend: Wasser erhält nur wenig Fläche auf den bedeutsamen Öku-
mene-Karten des 13. Jahrhunderts wie den Karten von Ebstorf, Hereford
oder der Londoner Psalter-Karte. Man begab sich nur auf Seereise, wenn
das unvermeidlich war, und man hielt sich immer möglichst in Ufernähe. Im
Rahmen dieser unvermeidlichen Seefahrt notierte man nur die Abfolge von
Küstenorten, also gewissermaßen eine series locorum, die auch im Inland

25
Vgl. oben Anm.9.
26
Vgl. hierzu P. D. A. HARVEY, The History of Topographical Maps. Symbols, Pictures and
Surveys (1980) S. 144 ff.
320 Studien z u r U n i v e r s a l k a r t o g r a p h i e [596/597]

wichtig war: nicht maßstabgerechte Entfernung der Orte, aber korrekte Ab-
folge war gefragt.
Hier stellt sich die Frage, wieweit man geschichtlichem Wandel Rechnung
trug und wieweit dieser eine Veränderung der Karten bewirkte. Dies war in
außerordentlich geringem Maße der Fall, da man nicht vermaß und etwa
Schwemmland, Versandung usw. nicht zu erfassen pflegte. Einzig der Wan-
del in der Namengebung verursacht daher Gervasius Bedenken. Und solche
kommen ihm keineswegs angesichts einer Wüstung, denn es gibt kaum eine
Weltkarte, die es sich versagt, Troja zu vermelden. Die Karte informiert
nicht über den momentanen Zustand, sondern über die Lage der Orte zu al-
len Zeiten auf der Erde, sie ist sozusagen die Projektion der Zeit auf die Flä-
che. Hinsichtlich der zu wählenden Namensformen gesteht er, daß er Er-
messensentscheidungen trifft, die er an seinem Publikum ausrichtet. Er
schreibt gewissermaßen ein unterhaltsames Lehrbuch, nicht streng wissen-
schaftlich, wie dies Paulin für sich in Anspruch nehmen könnte. Systematik
ist ganz und gar nicht seine starke Seite. Leider ist die von ihm angefertigte
Landkarte nicht erhalten.

5. Die Portolankarte als Beginn exakter Kartographie


unter Beachtung technischer Gesetzmäßigkeit

Zur Zeit des Paulinus genoß mit der Portolankarte längst ein neuer Karten-
typ Ansehen im Mittelmeerraum. Er ist für 1270 sicher bezeugt an Bord des
Schiffes, mit dem Ludwig der Heilige bei einem Unwetter in Cagliari auf
Sardinien Zuflucht suchte. 27 Die älteste erhaltene Karte dieser Art stammt
aus Pisa aus dem Ende des H.Jahrhunderts. 28
Kenntlich sind die Portolankarten, d.i. Hafenführerkarten, daran, daß sie
mit Systemen von Kompaßlinien überzogen sind. Dabei sind über das Mit-
telmeer nebeneinander sechzehnstrahlige Windrosen gezeichnet und mit
Kreisen umgeben. Die Schnittpunkte auf diesen Kreisen mit den Strahlen
sind wiederum Ausgangspunkt für zweiunddreißigstrahlige Windrosen. Mit
Hilfe dieser vorgenannten Rumbenlinien läßt sich von und für jeden Punkt
festlegen, welchen Kurs man wählen muß, um einen anderen Punkt zu errei-
chen. Voraussetzung war die Benutzung des Kompasses, der von den Nor-
mannen in den Mittelmeerraum gebracht worden war.

27
Wilhelm von N a n g i s , Gesta S.Ludovici, ed. B O U Q U E T 20 (1840) S. 444.
28
Paris, Bibliotheque Nationale, Cartes et Plans Res. G e B 1118, vielfach abgebildet, z u l e t z t
als Tafel 1 bei DE LA R O N C I E R E und M O L L A T DU J O U R D I N (wie A n m . 4 ) .
[597/598] XIV. Die Sorge um das rechte Bild 321

Diese Art von Karten hat eine vornehmlich praktische Funktion, sie hilft
beim Steuern der Schiffe und kam daher in den italienischen Seestädten auf.
Hier wird mit relativ exakten Messungen gearbeitet, die sich auf die Magnet-
nadel stützen und mithin in die Richtung auf das Vermessungswesen deuten.
Ursprünglich wurde diese Technik nur für die Seefahrt angewandt, man
zeichnete Küsten mit breiten Schriftbändern von Ortsnamen. Die mallorqui-
nische Portolanschule erfaßte dann auch das Landesinnere.
Durch die Abhängigkeit vom Kompaß war die Ermessensfreiheit nunmehr
eingeschränkt. Diese Tatsache minderte die Gefahr, eine pictura zu entstel-
len. Wenn man des Gervasius Sorge noch versteht, so erstaunt dasselbe Ver-
halten bei Paulin. Es beweist klar, daß er die Kunst des Pietro Vesconte nur
sklavisch nachahmt, sie jedoch nicht verstanden hat. Als Historiker ist er
noch ganz im herkömmlichen Denken verankert. Es ist mithin nur zwangs-
läufig, daß die beiden Weltkarten, die uns unter seinem Namen bzw. mit sei-
nem Werk überliefert sind, 29 keine Kompaßlinien aufweisen. Paulin lokali-
siert hier historische Plätze noch streng nach der Textüberlieferung der Hi-
storien, nicht nach der Bewegung der Magnetnadel. Bei der Illustration be-
diente er sich neapolitanischer Spezialisten.30

6. Replik und Rezeption

Paulin, der nicht erkannt hat, nach welchen Gesetzen die von ihm benutzten
und ausgeschriebenen Seekartographen arbeiteten, um die realen Verhält-
nisse zutreffend im Kartenbild festzuhalten und wiederzugeben, traut sich
keine freie Replik zu. Hier zeigt sich - analog der Beobachtung von Peter
Landau 31 -, daß die Gefahr einer Fälschung im Mittelalter schrumpft oder
entfällt mit dem Aufblühen der Kartenwissenschaft, Kartentechnik und der
Festlegung ihrer Gesetzmäßigkeiten. Unsicherheit herrscht, solange es keine
klare Anleitung für Kartenzeichner gibt. Nun wird man kaum eine Karten-
fälschung des Sinnes unterstellen wollen, daß wissentlich und zu eigenem

29
Paris, Bibliotheque Nationale, Lat. 4939, fol.9 und Vat. Lat. 1960, fol.264v
30
Vgl. zu den Malerschulen BERNHARD DEGENHART und ANNEGRIT SCHMITT, Marino Sanudo
und Paolino Veneto. Zwei Literaten des H.Jahrhunderts in ihrer Wirkung auf Buchillustrierung
und Kartographie in Venedig, Avignon und Neapel, Rom. Jb. für Kunstgeschichte 14 (1973)
S. 1-137; DIES., Corpus der italienischen Zeichnungen 1300-1450, Teil 2: Venedig 1300-1400.
Addenda zu Süd- und Mittel-Italien, Bd.2: Katalog 665-716, Nrn. 692 (Paris, Bibl. Nat., Lat.
4939) S.261-274 und 693 (Vat. Lat. I960) S.274-289, die hier auf 1329 und 1334-1339 für die
Illustration datiert werden.
31
PETER LANDAU, Gefälschtes Recht in den Rechtssammlungen bis Gratian (in diesem Werk
Bd.2 S. 11-49).
322 Studien z u r U n i v e r s a l k a r t o g r a p h i e [598/599]

Vorteil bzw. zum Nutzen eines Dritten falsch kartographiert wird. Dublet-
ten und Repliken eignen sich nicht zur Täuschung, 32 da sie einander ersetzen
können und sollen und mithin denselben praktischen Wert haben. Aber das
Fehlen einer gesicherten Reproduktionstechnik führte den Maler in die En-
ge. Texte lassen sich mühelos buchstabengetreu kopieren, bei Gemälden wir-
ken sich Stilepochen auf Detailformen aus. Entsprechend kann man eine
Schema-Karte problemlos replizieren, eine Ökumene-Karte hingegen ver-
langt eine volle Rezeption und Nachgestaltung, die zur Neugestaltung her-
ausfordert. Das Mittelalter arbeitet mit Handschriften - Probleme der Re-
plizierung entfielen mit der Erfindung des Buchdruckes bzw. des Holz-
schnittes -, es benötigte die manuell erstellte Replik, die den Replikator zur
Zugabe oder Streichung ermuntert. Natürlich besteht außerdem die Mög-
lichkeit der Korrektur an der Vorlage, etwa leere Vignetten mit Legenden zu
füllen wie beim Rotulus von Vercelli;33 der Mediceische Atlas von 1351 wur-
de später hinsichtlich der Gestalt der Südspitze von Afrika korrigiert. 34 Auf
der Pariser Paulinus-Karte 35 ist der Orient in der herkömmlichen Weise ge-
staltet, Indien bildet den äußersten Osten. Spärlich sind aktuelle Eintragun-
gen wie der Hinweis auf den Magnus Canis im Nordosten Asiens und auf
Cathay, lokalisiert zwischen den zwei Kaspischen Meeren, die die Kartogra-
phie seit Pietro Vesconte kennt und von diesem übernimmt. Aber auf dem
Pariser Exemplar hat eine spätere Hand ein zweites Mal Catay weiter im
Osten bei Sycia d.i. Scythia nachgetragen: seit dem zweiten Viertel des 14.
Jahrhunderts war man sich durch die mallorquinische Portolan-Kartogra-
phie hier offenbar sicherer geworden und fegte Paulins Furcht beiseite. Das
Mittelalter kannte keine politischen Karten, in denen Grenzen eingetragen
gewesen wären. In dieser Hinsicht muß man daher Karten nie aktualisieren,
sie dienten mithin auch nie der Durchsetzung von Ansprüchen, denn dieser
Tatbestand hätte zwangsläufig zum Fälschen ermuntert. De facto betraf die
Warnung vor variatio und vitiatio den viel harmloseren Tatbestand, daß
man Modernisierungen bei den Legenden vorzunehmen trachtete. Und da
blieb die Möglichkeit, die Paulin wählt: er diskutiert seine Neuerkenntnisse
in der scriptura, hält sich in der pictura aber an das vorgegebene Muster. Un-
ter diesem Aspekt leuchtet seine Forderung nach einer scriptura zur pictura
ein.

32
U M B E R T O E c o , Tipologia della falsificazione, oben S . 6 9 - 8 2 .
33
Kopie bei YOUSSOUF KAMAL, M o n u m e n t a C a r t o g r a p h i c a Africae et Aegypti 3 (1935)
Abb. 997.
34
Florenz, Bibliotheca L a u r e n z i a n a ; A b b . u . a . bei L E O BAGROW u n d R. A. SKELTON, M e i s t e r
der K a r t o g r a p h i e ( 2 1963) A b b . X X X V I S. 362.
35
Paris, Bibl. N a t . , Lat. 4939, fol. 9, vgl. oben Anm. 29 u n d 30.
[599] XIV. Die Sorge um das rechte Bild 323

Schluß: Die Scheu vor der Ermessensentscheidung

Als zeittypisch für das Mittelalter ist die Scheu vor der Ermessensentschei-
dung anzumerken. Man hält sich, wo immer möglich, an das vorgegebene
Gesetz, den Rechtsentscheid, den Präzedenzfall, auf den man sich berufen
kann. Im Rechtsleben hilft man bei Fehlen der Norm gegebenenfalls nach
durch das Erstellen einer solchen. Die Kartographie findet im Kompaß ihre
Stütze. Doch ehe man ihn anwandte, suchte man Rückhalt bei den Autoritä-
ten. Sie stellten einen Maßstab dar, der nur langsam von Präzisionsgeräten
abgelöst wurde.
Gerade bei der Konventionalität der pictura ist zudem zu berücksichtigen,
daß diese bei sorgsamer Ausführung nicht des Raritätswertes entbehrte.
Viele Karten als Vorlage hatte man wohl nur in besonderen Bildungszentren
zur Hand. Schriftliche Anweisung zum Erstellen von Karten wurden nämlich
leicht mißverstanden. So wird beispielsweise die mittelalterliche Zonenkarte
korrekt mit fünf Zonen beschrieben, zwei kalten an den Polen, einer heißen
am Äquator und dazwischen jeweils zwei gemäßigten bewohnbaren. Diese
Zonen, die bei der Kugel Gürtel darstellten, erscheinen im lateinischen
Sprachgebrauch als circuii. Der Maler der Kölner Domhandschrift 8311 aus
der Zeit um 800 36 hat ein Isidor-Kompendien mit entsprechenden Aussagen
dann in der Weise illustriert, daß ein großer Kreis mit fünf kleinen Kreisen
knopfartig besteckt ist: da er keine Bildvorlage besaß und sich die Textaus-
sage nicht vorstellen konnte, hielt er sich an den Wortlaut und malte circuii.
Die Erfindung präziser Instrumente wie des Kompasses befreite die Kar-
tographie langfristig von der Sorge, das Kartenbild zu entstellen.

36
Köln, Dombibliothek 8 3 n , fol. 130v; Abb. vgl. MIGNE PL 83, Sp. 979/980 zu De natura re-
rum c.lO.
XV. Das geographische Weltbild um 1300*

I. Die Bedeutung der Mongolen-Invasion für das Weltbild


des abendländischen Mittelalters

Die imago mundi, d.h. das Weltbild - sowohl im engeren, geographischen


als auch im weiteren, kosmologischen Sinn - war im frühen wie im hohen
Mittelalter von den lateinischen Schulbuch-Autoren der Spätantike her an
den Vorstellungen des Hellenismus orientiert.1 Daran haben auch die
Kreuzzüge, die Begegnung der Lateiner mit den Schwesterreligionen des
Nahen Ostens, mit Judentum und Islam, wenig geändert. Zwar rückte Jeru-
salem nun gemäß einer bereits vom Kirchenvater Hieronymus formulierten
Forderung 2 auch auf den Weltkarten in den Mittelpunkt 3 und schob den me-
diterranen Raum rund um Rom mehr in den Westen des Bildes, während der
Orient detaillierter ausgearbeitet war sowohl auf der Grundlage der Heiligen
Schrift als auch ihrer Interpreten Eusebios und Hieronymus, ferner der apo-
kryphen Alexander-Literatur; aber man änderte mitnichten an der vorgege-
benen Rahmung, variierte nur die Einzelheiten. Auch die über Spanien im

* Abkürzungen
BN=Bibliothèque Nationale Paris
Muratori = Rerum italicarum scriptores, ed. L. A. Muratori
Muratori 2 = dass., Nova Series
RHC doc. arm. =Recueil des historiens des Croisades, documents armeniens.
RHC hist. or. = Recueil..., historiens orientaux.
RHF=Recueil des historiens de France et de Gaule (ed. Bouquet)
RS=Rerum Britannicarum Scriptores, Rolls Series
Sinica=Anastasius van den Wyngaert, Sinica franciscana, Bd. 1: Itinera et Relationes Fratrum
Minorum s. XIII et XPV. Quaracchi 1929.
1
Vgl. hierzu u.a. die noch immer hervorragende Einführung vonj. K WRIGHT, The Geogra-
phical Lore of the Time of the Crusades. A Study in the History of Medieval Science and Tradi-
tion in Western Europe, New York 1925, Repr. 1965.
2
Comment, in Ezech. 5, 5, ed. MIGNE, Patrologia Latina t. 25, col. 52.
3
Vgl. hierzu u.a. die Karte im S.John's College, Oxford, Ms. 17 fol. 6; Abb. u.a. bei K. MIL-
LER, Mappae Mundi 3, Stuttgart 1895, S. 118-120; zuletzt J. G. ARENTZEN, Imago Mundi Carto-
graphica. Studien zur Bildlichkeit mittelalterlicher Welt- und Ökumenekarten unter besonderer
Berücksichtigung von Text und Bild (Münstersche Mittelalter-Schr. 53), München 1984,
Abb. 25 und S. 1161 ; auch A.-D. v. DEN BRINCKEN, Mundus figura rotunda, in: Ornamenta Eccle-
siae. Kunst und Künstler der Romanik (Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums) 1,
Köln 1985, 103-106, mit weiterführender Literatur.
[10/11] XV. Das geographische Weltbild um 1300 325

12. und 13. Jahrhundert von den Arabern übernommenen Erkenntnisse der
Griechen hatten höchst geringfügige Korrekturen zur Folge. Der Islam bil-
dete in geisteswissenschaftlicher Hinsicht generell so etwas wie eine wirksa-
me Sperre gegen den Austausch zwischen Mittelmeerraum 4 und Orient jen-
seits des Heiligen Landes.
Als diese ein wenig stagnierende Welt sich gerade mit dem Problem aus-
einandersetzen mußte, ob sie Jerusalem, den eineinhalb Jahrhunderte zuvor
zurückeroberten Nabel der christlichen Welt, gegen die Ungläubigen zu ver-
teidigen vermochte oder aufgeben sollte, brachen die Mongolen ein, ein
Steppenvolk, wie früher seine Vorgänger Hunnen, Avaren, Bulgaren und
Magyaren; anders als diese hatten sie aber nicht als geschlossenes Volk - et-
wa durch Naturkatastrophen und akute Mangelsituationen gezwungen - ih-
re Wohnsitze verlassen müssen, sondern unternahmen unter Beibehaltung
ihrer Stammsitze geplante Eroberungszüge gen Osten und gen Westen. Als
fernes Donnergrollen bekamen bereits die Teilnehmer des Fünften Kreuzzu-
ges diese Bewegung um 1221 zu spüren, in der Folgezeit beunruhigten die
Mongolen den Nahen Osten bis in den Kaukasus. Auf relativ breiter Front
überfielen sie 1237-1241 zunächst Rußland und griffen von dort nach Polen,
Schlesien, Ungarn und auf den Balkan aus. Im Jahr 1258 konnten sie die Ab-
basidenherrschaft in Bagdad beenden.
In Ost- und Südosteuropa löste die Invasion lähmendes Entsetzen aus. Im
Nahen Osten hingegen, wo sich die fremden Eindringlinge auch gegen den
Erzfeind des Abendlandes, die Moslems, durchsetzen konnten, folgte man
um die Mitte des Jahrhunderts erneut den Träumen, denen sich schon die
Historiker des Fünften Kreuzzuges Jakob von Vitry5 und Oliver von Köln 6
hingegeben hatten, und mutmaßte, daß Helfershelfer für die christliche Sa-
che vom anderen Ende der Welt, Abgesandte des legendären Priesterkönigs
Johannes, 7 zur Rettung der Kreuzfahrer herbeieilen würden. Ganz unsinnig
war diese Hoffnung insofern nicht, als zwar nicht die Mongolen, aber einige
der von ihnen unterworfenen Völker, die in ihrem Heer mitzogen und an

4
Die These des belgischen Wirtschaftshistorikers HENRI PIRENNE hat in seinem Fachgebiet
nur sehr bedingt Anerkennung gefunden; hingegen erklärt sie manche Auffälligkeit im Geistesle-
ben recht einleuchtend, schon auf Grund der Überlieferungsgeschichte.
5
Vgl. Brief 7, ed. R. B. C. HUYGENS, Lettres de Jacques de Vitry (1160/70-1240), évéque de
Saint-Jean d'Acre, Edition critique, Diss. Leiden 1960, S. 141 ff.
6
Historia Damiatina c. 35 und 55, ed. HOOGEWEG (Bibliothek des Litterarischen Vereins in
Stuttgart 202), Tübingen 1894, S.232f. und 258 f.
7
Vgl. hierzu F. ZARNCKE, Der Priester Johannes, in: Abhh. der kgl.-sächs. Ges. der Wiss.,
philol.-hist. Kl. 7 (1879), S.827-1028, und 8 (1883), S. 1-186; zuletzt A.-D. v. DEN BRINCKEN,
Presbyter Johannes, Dominus Dominantium - ein Wunschweltbild des 12. Jahrhunderts, in: Or-
namenta Ecclesiae (Anm. 3), S. 83-97, mit weiterführender Literatur.
326 Studien zur Universalkartographie [11]

sich in Zentral-Asien beheimatet waren, dem christlichen Bekenntnis ange-


hörten, teils dem orthodoxen, teils dem nestorianischen.
Papst Innozenz IV. (1243-1254), derselbe römische Bischof, dem kein
Mittel zu verwerflich war, um seinen Universalitätsanspruch Kaiser Fried-
rich IL gegenüber durchzusetzen, suchte auch die Mongolen in seine Welt
einzubeziehen. Vom Ersten Konzil von Lyon aus entsandte er Franziskaner
und dann Dominikaner zu ihrem unbekannten Machthaber, um ihn für das
Christentum zu gewinnen, und König Ludwig der Heilige von Frankreich
unterstützte ähnliche Aktivitäten. Einigen dieser Mönche verdankt man aus-
führliche Gesandtschaftsberichte, die dem Abendland verbürgte Kunde von
den Invasoren brachten, so Johann von Piano Carpini OFM, 8 C. de Bridia
OFM, 9 Benedictus Polonus OFM, 1 0 Simon von Saint-Quentin OP 1 1 und
Wilhelm von Rubruck OFM. 12
Im Ostmittelmeerraum sind die Mongolen des Il-Khanates Persien in der
Tat vorübergehend erfolgreich gegen die Moslems vorgegangen, jedoch be-
reits 1260 bei fAin Gälüt (Goliathsquelle) in Palästina und noch einmal 1299
bei Hirns in Syrien vernichtend geschlagen worden, so daß sie das weitere
Vorgehen gegen die Mamlukenherrschaft einstellten, insbesondere, nach-
dem sich die Mongolen in Südrußland, die sogenannte Goldene Horde, und
später im Iran zum Islam bekehrt hatten.
Andererseits verlegte der Großkhan 1260/67 seinen Sitz von Qaraqorum
in der Äußeren Mongolei nach Cambalec in China nahe dem heutigen Bei-
jing, das bereits unter Dschingis-Khan erobert worden war; seit 1279 be-
herrschten die Mongolen als Yüan-Dynastie Gesamt-China. In der Folgezeit
eröffnete sich hier für die Bettelorden ein neues Missionsfeld. Die Chinesi-
sche Mauer, die bereits in vorchristlicher Zeit die chinesische Hochkultur
gegen Steppenvölker aus dem Norden abriegelte, war in Verfall geraten, und
die Mongolen sahen keinen Anlaß, etwas dagegen zu unternehmen; dieser
Zustand dauerte ein knappes Jahrhundert an, bis zum Aufstieg der chinesi-
schen Ming-Dynastie 1369. Für diese kurze Spanne trat der äußerste Osten
des eurasischen Festlandblockes zur Welt der Lateiner in Beziehung, ein
Kontakt, für den der venezianische Kaufmann Marco Polo mitsamt Vater
und Onkel das berühmteste Beispiel ist: ihm verdankt die Weltliteratur den
farbigsten aller Reiseberichte, gefolgt von vielen Zeugnissen über Versuche

8
Ystoria Mongalorum, Sinica, S. 1-130.
9
Hystoria Tartarorum, ed. A. ÖNNERFORS (Lietzmanns Kleine Texte 186), Berlin 1967.
10
Relatio, Sinica, S. 131-143.
11
Histoire des Tartares, ed. J. RICHARD (Documents relatifs à l'Histoire des Croisades, pu-
blies par l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 8), Paris 1965.
12
Itinerarium, Sinica, S. 145-332.
[11/12] XV. Das geographische Weltbild um 1300 327

der Christianisierung durch Mendikantenmissionare, die von ihrer Arbeit


kündeten. So fand ein breiter Informationsstrom Eingang ins Abendland
und davon ein dünner und sehr gefilterter Extrakt auch in das wissenschaftli-
che Schrifttum der Geographen und Kartographen, die hier bis etwa 1330
interessieren. Nur in dem Jahrhundert von ca. 1245 bis 1355 rückten sich die
Menschen von den Rändern Asiens und Ostafrikas nahe und wurde die Sei-
denstraße, der große transkontinentale Handelsweg seit vorchristlicher Zeit,
wieder in voller Länge bereist. Qaraqorum und Cambalek beschäftigten die
lateinische Welt, 13 man suchte in der Wirklichkeit nach den Enden Asiens
und Europas, bereit sich gar dem Tartaros zu nähern, den man als Her-
kunftsort der Tataren auf Grund abwegiger Etymologien 14 einbezog.

II. Das geographische Weltbild um 1300

1. Skizzierung des herkömmlichen Weltbildes im Früh- und Hochmittelalter

Auch noch im 12. Jahrhundert orientierten sich Geographen und Kartogra-


phen im Abendland nahezu ausschließlich an den Schriften Isidors von Sevil-
la, insbesondere an den «Etymologiae» und an «De rerum natura», in denen
die Vorstellungen der Kirchenväter wie Augustinus und Hieronymus mit de-
nen der spätantiken Schulautoren wie Macrobius und Martianus Capella zu-
sammengefaßt angeboten wurden.
Die Kartographie wurde von zwei Schemata beherrscht, die sich keines-
wegs ausschlössen, sondern durchaus nebeneinander oder sogar ineinander
integriert belegt sind:
Die auf der griechischen Tradition aufbauende sogenannte Zonenkarte re-
präsentiert eindeutig ein Relikt der Kugelvorstellung von der Erde, indem
zwei sich im rechten Winkel schneidende Ozeanringe die Kugel so vierteilen,
daß vier Kontinente entstehen; 15 von ihnen sind im Bild bei der Darstellung

13
WRIGHT (Anm. 1), S. 266 ff.
14
Die Tataren sind ein Teilstamm der Mongolen; man spricht korrekterweise grundsätzlich
im Deutschen von den Mongolen. Das Mittelalter bediente sich jedoch überwiegend des Wortes
Tartari und fügte hinter dem zweiten Buchstaben ein r ein; man brachte dann in Volksetymolo-
gien gern das schreckenerregende und unbekannte Volk mit der Unterwelt, dem Tartaros, in
Verbindung, weil man es auf der bewohnten und bekannten Welt nicht nachweisen konnte. Über
den neueren Stand der Mongolistik informiert gründlich M. WEIERS, Die Mongolen. Beiträge zu
ihrer Geschichte und Kultur, unter Mitwirkung von VERONIKA VEIT und WALTHER HEISSIG,
Darmstadt 1986.
15
Es handelt sich hierbei um den Kartentyp des Krates von Mallos, eines pergamenischen
Homer-Exegeten im 2. vorchristlichen Jahrhundert; den Lateinern wurden diese Vorstellungen
Studien zur Universalkartographie

Abb. 1 : Weltbild des Krates von Mallos


Bewohnbare Kontinente I-IV

Abb. 2: Zonenkarte mit zwei bewohnbaren Zonen

als Planiglob nur zwei zu erkennen, getrennt durch den heißen, unpassierba-
ren Äquatorial-Ozean und zu den Polen hin jeweils in eine eiskalte und da-
her verödete Zone übergehend; bewohnbar ist dazwischen auf dem nördli-
chen und auf dem südlichen Kontinent ein breiter Festlandsgürtel. Gewöhn-
lich identifiziert man den nördlichen mit der bekannten Welt aus den drei

vor allem durch Macrobius in seinem Kommentar zu Ciceros «Somnium Scipionis» vermittelt,
von dem es im Mittelalter unzählige Kopien gab; vgl. zu diesem Verständnis des Weltbildes
Abb.l.
[13/14] X V . D a s geographische Weltbild um 1300 329

Abb.3: Klimatenkarte

Erdteilen Asien, Europa und Afrika;16 diese Form - oft geostet - wurde dem
Westen durch die Schulautoren Macrobius und Martianus Capella vorrangig
vermittelt. Eine ihrer Sonderformen, die Klimatenkarte, stammt gleichfalls
aus dem Griechischen und kam nur vereinzelt über die Araber ins Abend-
land, war aber den Ostchristen bekannt. Auf ihr ist die bewohnte Zone in
sieben Klimagürtel eingeteilt, die nach den namhaftesten Städten benannt
sind. In muselmanischer Tradition erscheinen sie gesüdet, 17 kommen im
Abendland aber auch geostet vor.
Die Kirchenväter wirkten gestaltend an der Alternative, der T-O-Karte
oder Rad-Karte mit, die aus der römischen Ökumene-Karte unter besonde-
rer Betonung des Mittelmeers hervorgegangen ist. Auch hier bildet ein Wel-
ten-Ozean als umgebendes Rad den finis mundi bzw. das O, die Scheibe
wird durch ein T von Gewässern geteilt. Dabei trennt das Mittelmeer als T-
Schaft Afrika von Europa, der T-Balken als Don und Nil Asien sowohl von

16
Vgl. hierzu Abb. 2 als Schema der Macrobius-Karte. Über die Geschichte der Kartogra-
phie allgemein informieren u. a. L. BAGROW und R. A. SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin
2
1963; J. G. LEITHÄUSER, Mappae Mundi. Die geistige Eroberung der Welt, Berlin 1958. Für die
Geschichte der Kartographie im Mittelalter sei verwiesen auf K. MILLER, Mappae Mundi 1-6,
Stuttgart 1895-1898; M. C. ANDREWS, The Study and Classification of Medieval Mappae
Mundi, in: Archaeologia 75 (Oxford 1925/26), S.61-76; K. KRETSCHMER, Die mittelalterliche
Weltkarte nach Anlage und Herkunft, in: H. Wagner Gedächtnisschrift (Petermanns Mitteilun-
gen Erg.-Heft 209), Gotha 1930, 55-64; R UHDEN, Zur Herkunft und Systematik der mittelal-
terlichen Weltkarten, in: Geographische Zeitschrift 37 (1931), 321-340; ARENTZEN (Anm.4).
17
Vgl. Abb. 3.
330 Studien zur Universalkartographie [14/15]

Abb. 4: T-Karte

Europa als auch von Afrika. Der Kreis ist auf diese Weise im Verhältnis
2:1:1 (Asien zu Europa und zu Afrika) gegliedert, wobei das für den moder-
nen Betrachter Ungewöhnliche die Tatsache ist, daß man grundsätzlich oste-
te, Asien also oben zu liegen kam. 18 Diese Schemata wurden vielfach mit
Namengut gefüllt und so mehr oder minder zu Ökumene-Karten abgewan-
delt. Dabei standen bis zum Ende des 11. Jahrhunderts Europa und der Mit-
telmeerraum im Brennpunkt des Interesses, erst seit der Kreuzzugszeit nahm
man sich des Nahen Ostens besonders an, vorzugsweise des Heiligen Lan-
des.
Der Orient östlich von Jemsalem war schon für das Alte Testament be-
deutsam; im Zeitalter des Hellenismus erfuhr er durch die Züge Alexanders
des Großen eine außerordentliche Aufwertung - Vorstellungen, die über
Hieronymus ins Mittelalter gelangt waren und nun ihre Aktualisierung fan-
den. Dabei hielt sich manch ein Irrtum durch rund 2000 Jahre, etwa die Aus-
sage der griechischen Naturphilosophen, daß der Welten-Ozean vier Ein-
buchtungen ins Land hinein aufweise, das Mittelmeer, das Rote Meer, den
Persischen Golf und das Kaspische Meer. Die Erkenntnis des Kaspischen
Meeres als Binnenmeer setzte sich nämlich erst im H.Jahrhundert durch,
zuerst bei dem Venezianer Pietro Vesconte von 1311 an, wo es gewisserma-
ßen zum Ausgleich dann gleich doppelt erscheint, offenbar einmal den Aral-
See ansprechend.

18
Vgl. Abb. 4.
[15/16] XV. Das geographische Weltbild um 1300 331

Daß die Vorstellung von der Erde als Kugel dem Mittelalter fremd gewe-
sen sei, ist schlicht eine irrige Meinung. 19 Dies bezeugen nicht nur die recht
großen Mengen mittelalterlicher Zonenkarten schon in der Frühscholastik
des 11. und 12. Jahrhunderts, 20 sondern auch wissenschaftliche und populäre
Texte des gesamten Zeitraumes, etwa im 13. Jahrhundert bei Autoren wie
Gervasius von Tilbury, 21 Vincenz von Beauvais OP, 2 2 Johannes de Sacro-
bosco 23 oder Brunetto Latini 24 und vielen anderen mehr. 5
Diese Konzeption fand im 12. und 13. Jahrhundert noch besonders ein-
drucksvoll ihren Niederschlag im traditionsgebundenen Kartenwerk des «Li-
ber Floridus», den Lambert von Saint-Omer von 1112-1121 erstellte, der
vielfach abgeschrieben und kopiert wurde; von ihm wird hier ein Beispiel aus
einer auf 1290 datierten Handschrift 26 gezeigt (s. Tafel 26). Auf dieser geo-
steten Zonenkarte sind die unbewohnbaren Teile zugunsten der Ökumene so
zusammengedrängt, daß man von einer Hemisphärenkarte sprechen kann,
die durch ein T gegliedert ist und die bekannten Erdteile aufweist. Dem mit
Indien im äußersten Osten, d.h. oben endenden Asien ist eine Insel namens
Paradisus vorgelagert. Im Westen findet sich hingegen eine Insel, die Lam-
bert als Periökenkontinent deutet; denn von ihr heißt es, sie habe dieselben
Jahreszeiten wie wir, jedoch andere Tageszeiten, während die Bewohner der
rechten, südlichen Hemisphäre laut Legende andere Jahreszeiten, aber glei-
che Tageszeiten hätten. Lambert nennt sie Antipoden, richtiger hätte er sie
als Antöken charakterisiert, während die Antipoden oder Antichthonen auf
der Rückseite des Südkontinents anzunehmen sind. Jedenfalls hatte Lambert
ebenso wie seine Kopisten recht klare Vorstellungen von der Kugelgestalt
der Erde und kannte ihre Kontinente.

" Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie des Mittelal-
ters, in: AKG 58 (1976), 77-95 ( = o. S. 186-205); zur Frage der Integration der verschiedenen
Schemata jüngst ARENTZEN (Anm. 3), S. 871
20
Vgl. M. DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200-1500 (Monumenta Cartographica Vetu-
stioris Aevi 1), Amsterdam 1964, sect. 18-21, S.43-45 z.B. Das Werk von Destombes stellt den
Versuch eines provisorischen Repertoriums mittelalterlicher Weltkarten dar.
21
Otia Imperialia I, 1, ed. G. W. LEIBNIZ, in: Scriptores rerum Brunsvicensium 1, Hannover
1707, S.885.
22
Speculum Naturale, Douai 1624,1. VI c. 8-10; 13-14, col. 374-379.
23
Opusculum spericum cum figuris optimis et novis, Leipzig ca. 1500.
24
Li livres dou trésor 1,104, I ff., ed. F. CARMODY (Publications in Modern Philology 22), Be-
rkeley/Los Angeles 1948, S.86f.
25
Belege vgl. v. DEN BRINCKEN (Anm. 19), S. 80-85 (= o. S. 189-194).
26
Ms. Leiden Voss. Lat. F 31 fol. 175v-176r von 1290, vgl. DESTOMBES (Anm.20), 43, 4,
S. 115.
332 Studien zur Universalkartographie [16/19]

Desgleichen gebrauchte Johann von Wallingford bzw. Matthaeus Pari-


siensis in der ungewöhnlichen geosteten Klimatenkarte 27 den Begriff der
chlamys extensa, für die bewohnte Welt und deutete damit ihren sphärischen
Charakter an. Sie entstand zur gleichen Zeit wie die großen überformatigen
Ökumene-Rad-Karten von Ebstorf und Hereford, nämlich in der Mitte
bzw. zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Als Beispiel für die T-Karte sei ih-
re kleine Schwester, die Psalterkarte von London 28 von nur 8 cm Durchmes-
ser, vorgeführt (s. Tafel 42): das T der Gewässer ist ein wenig nach unten,
d.h. gen Westen verschoben, damit Jerusalem exakt den Kreismittelpunkt
zugewiesen erhalten kann, ohne deshalb im Meer plaziert werden zu müs-
sen. Oben im äußersten Osten finden sich - wie auf vielen Weltkarten -
Adam und Eva im Paradies; rechts, im unbekannten Süden Afrikas, kann
der Betrachter eine Monstrengalerie bewundern. Über der Welt selbst thront
Christus als der Herr der Welt zwischen Engeln mit Weihrauchfässern. Der
vierte Kontinent ist hier nicht direkt eingezeichnet; man kann ihn mit den
Monstren identifizieren, wie sich das z.B. von den Karten des Beatus von
Liébana, die auch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch ihre Ko-
pisten fanden, 29 ablesen läßt; diese Gegend war wegen ihrer Hitze unzu-
gänglich. Auf der Psalterkarte sind biblische und klassisch-antike Momente
vereint: vier Paradiesflüsse30 ergießen sich auf die Erde. Das Rote Meer ist
von leuchtendem Rot. Der Alexanderwall im Nordosten deutet die Absiche-
rung gegen die zehn eingeschlossenen Nationen Israels an, die das Weltende
herbeiführen.31
Allen mittelalterlichen Karten ist eines gemeinsam: sie waren unabdingbar
begrenzt, in einen vorgegebenen Rahmen eingezeichnet; diesen vermochte
man mit vielen oder wenigen, mit großen oder kleinen Legenden weiträumig
oder engmaschig zu füllen, man konnte ihn jedoch nicht durch einen Anbau
erweitern.
Raum und Zeit waren endliche Dinge; das heißt konkret, sie hatten An-
fang und Ende, die man zwar nicht exakt lokalisieren und terminieren konn-
te, die man sich aber nahe vorstellte. Entsprechend hielt es die Weltchroni-
stik, die der Universalkartographie eng verbunden war, ja deren eine Er-
scheinungsform, der Raum, gewissermaßen in ihr festgehalten war: Ereig-
nisse aller Zeiten wurden auf eine begrenzte Fläche projiziert. Die

27
Vgl. A.-D v. DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von Walling-
ford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (1973), S. 47-56 ( - o. S. 137-148).
28
Ms. London Brit. Libr. Add. 28681 fol.9, d.i. DESTOMBES (Anm.20) 49, 8, S. 168ff.
29
Ms. Paris BN NAL 2290 fol. 13v-14r, vgl. DESTOMBES (Anm.20) 35, 2, S. 83f.
30
Vgl. Gen. 2, 10-14.
31
Ezech. 38 und 39 sowie Apoc. 20, 7.
[19/20] XV. Das geographische Weltbild um 1300 333

mittelalterlichen Weltkarten sind Geschichtskarten, sie erläutern das Heils-


geschehen; sie bieten wenig physikalisches und schon gar kein politisches In-
formationsmaterial. 32

2. Das Problem der Einordnung der Mongolen

In dieses durch Jahrhunderte kaum verwandelte Weltbild brachte der Ein-


bruch der Mongolen nicht geringe Unruhe, denn man stellte natürlich die
Frage nach ihrem Herkommen und ihrem Heimatsitz, zumal sie diesen nicht
aufgaben, man ihnen also gewissermaßen nachgehen konnte. Für rund 100
Jahre, etwa von den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts an, kam es zu
mannigfacher Bewegung im geographischen und kartographischen Schrift-
tum. Hieran waren die Mongolen erheblich beteiligt, selbst wenn die Spuren
im wissenschaftlichen Bereich letztlich spärlicher sind, als man zunächst ver-
muten mag. Denn die Neuerkenntnisse der verschiedenen Gesandtschaftsrei-
sen mußten dem überlieferten Bild eingefügt werden; die sehr statisch ange-
legte Kartographie insbesondere verkraftete die Neuerungen nur behutsam,
für das Binnenland erst auf den Portolanen der mallorquinischen Maler-
schulen.
Im Zusammenhang mit dem Fünften Kreuzzug brachte man 1221 die
Kunde von der Bewegung großer Völkermassen im Osten mit dem Priester-
könig Johannes in Verbindung, dem rettenden Helfer der Christenheit, der
sie vom anderen Weltende, vom äußersten Osten her befreien sollte. Als die
Mongolen eineinhalb Jahrzehnte später über Rußland und Südosteuropa
herfielen, mußte man ihnen entgegentreten und sich entsprechend rüsten.
Der Traum von der Bundesgenossenschaft war ausgeträumt, denn Schauer-
berichte über ihre Unmenschlichkeit eilten ihnen voraus.
Der englische Chronist Matthaeus Parisiensis 33 überliefert einen Brief
Kaiser Friedrichs IL, in dem dieser zum Kampf gegen den rätselhaften Feind
aufrief und die Kräfte der verschiedenen Herrschaften des Abendlandes zu
einen suchte. 34 Er schrieb hier, die Mongolen seien jüngst von den äußersten

32
Vgl. dazu A. WOLF, Die Ebstorfer Weltkarte als Denkmal eines mittelalterlichen Welt-
und Geschichtsbildes, in: GWU 8 (1957), 204-215; A.-D. v. DEN BRINCKEN, Mappa mundi und
Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: DA 24 (1968),
S. 118-186 ( = o. S. 17-81).
33
Chronica Maiora, ed. H. RICHARDS LUARD (RS 57), London 1872-1883, Bd.4,112ff. bzw.
ed. F. LIEBERMANN (teilweise) in: M G H Scriptores [fortan SS] Bd.28 (1884/88), S.210ff.
34
Ebd. RS 57, 4, S. 112 bzw. M G H SS 28, S. 210: Egressa enim dudum ex ultimis mundi fini-
bus de regiona australi, que diu sole sub torrida zona tosta latuerat, que postea, versus partes boreales
334 Studien zur Universalkartographie [20/22]

Enden der Welt im Süden - nämlich der lange Zeit der heißen Sonne ausge-
setzten, verbrannten Zone - aus dem Verborgenen hervorgebrochen, hätten
Eroberungen in nördlicher Richtung vorgenommen, dort lange verweilt und
sich wie Heuschrecken vermehrt, als ein Volk niedriger Herkunft und bar-
barischer Lebensführung, von dem man letztlich den Ursprung nicht zuver-
lässig kenne; sie würden Tartari genannt. Dies alles geschehe nicht ohne
Gottes vorausschauendes Urteil zur Züchtigung und Besserung seines Vol-
kes, damit diese nicht zum Nachteil der gesamten Christenheit bis zum
Jüngsten Tage aufgeschoben würde. Man hatte Friedrich als dem Antichrist
Kontakte zu den Mongolen als dem Erzfeind der Christenheit und als den
apokalyptischen Völkern Gog und Magog angedichtet, ein Verdacht, den
Matthaeus zu widerlegen suchte, weil der sonst so hervorragend gebildete
Kaiser die Invasoren fälschlich in den südlichen Grenzgebieten der Welt ver-
mutete: er irre sich hier vollständig, sie seien in Wahrheit ein ganz neues
Volk, das die Sarazenenlande zerstöre und mithin auch gegen den Erzfeind
der Christen antrete; sie kämen nicht aus dem Süden, sondern vom Osten
und seien in keinem der sieben bekannten Klimata der bewohnten Welt 35
bislang aufzufinden gewesen, wie weit auch die Kaufleute gelangt seien,
nämlich bis Indien. Sie seien blutrünstige Nordleute, 3 6 die in wilden Wäldern
zuhause seien und sich dorthin nach jedem Überfall zurückzögen. Mat-
thaeus suchte sie vergebens in der Welt, die Alexander der Große erobert
hatte und die dem Hellenismus wie dem Mittelalter als das Non plus ultra

occupatis violenter regionibus, diu manens ut brucus multiplicatur, gens barbare nacionis et vite, quo
nescimus a loco vel origine, Tartari nuncupata, non absque previso Dei iudicio ad sui populi correp-
cionem et correccionem, non utinam ad tocius christianitatis dispendium ! ad hec novissima tempora
reservatur.
35
Ebd. RS 57, 4, S. 119 f. bzw. MGH SS 28, S. 213: Dicitur enim in ea, gentem ipsam ignotam
Tartarorum ab australibus mundi, que sub torrida zona sunt, partibus empisse, quod evidenter appa-
rel ficticium. Non enim audivimus, eos australes vel etiam orientates partes peragrasse. Occulta insu-
per eorum Consilia et investigabiles ipsorum Tartarorum vias et conspiraciones quam plures plenas esse
imperialibus consiliis suspicantur; suum nempe celant ydioma, armaturas variant; et si quis eorum ca-
piatur, nulla ratione potest noticia eorum vel propositum a capto, licet exquisitis tormentis effligatur,
extorqueri. Et cum sint in tocius mundi capacitate Septem climata, videlicet Indorum, Ethiopum vel
Maurorum, Egipciorum, Ierosolimitanorum, Grecorum, Romanorum et Francorum, nec sint tam re-
moti in terra nostra tota habitabili, quos mercatores navigando non rimentur - unde poeta Oracius:
Impiger extremos curris mercator ad Indos -, ubi tot et tales hactenus latuerunt?
36
Ebd.: Sunt igitur, ut inquiunt, Hircani et Sicii, humanum cedem avide sicientes, montes et sale-
bras boreales inhabitantes, qui feralem vitam ducentes, deos colunt montium et previsa in die; qui
etiam cum Cumanis sibi conterminis et iam confederatis, machinante imperatore, regem Hungarie
cum quibusdam aliis magnatibus expugnarunt, ut fatigatus rex ad alas imperatoris avolaret, homa-
gium ei pro succursu impendendo facturus. Unde, cum hecfierent, ipsi hostes sunt regressi. Sed absit,
ut in uno corpore mortali tanta sceleris immanitas latitaret!
[22/24] XV. Das geographische Weltbild um 1300 335

der Ausdehnung erschien; schließlich wähnte er sie im unwirtlichen Norden


bei Skythen und Hyrkanen. Er schrieb natürlich europazentrisch Ge-
schichte, und so verwundert es nicht, daß die einzige Weltkarte, die eindeu-
tig mit seinem Namen verbunden ist, ganz entsprechend aussieht37 (s. Tafel
39): sie ist rechteckig, billigt Europa den Löwenanteil der Bildfläche zu,
spart Afrika nahezu gänzlich aus, während sich die Angaben über Asien auf
Klein-Asien beschränken; sonst sind Jerusalem genannt, die Meere, Skythien
- wo Philippus evangelisierte -, der Taurus und eine große Legende über an-
dere Weltkarten als Vorlage für Matthaeus. Hier ist von einer sonst nicht
nachgewiesenen Karte des Matthaeus zu Westminster die Rede, die sich viel-
leicht in derjenigen des Johann von Wallingford, einer geosteten Klimaten-
karte, 38 wiederfinden läßt (s. Tafel 38). Auf ihr sind - abweichend vom übli-
chen Vorgehen - viele Plätze der eigenen Zeit aufgeführt, auch eine dem
Text bei Matthaeus entsprechende Klima-Einteilung; hingegen sucht man
die Mongolen vergebens. Man stand mithin um die Mitte des O.Jahrhun-
derts dem Problem der universalhistorischen Einordnung der Mongolen im
wissenschaftlichen Schrifttum noch hilflos gegenüber, obwohl gerade Mat-
thaeus sämtliche Aussagen über das rätselhafte Volk mit Begier gesammelt
hatte und zu unseren besten Informanten der Frühzeit zählt. 39

3. Wandel der Vorstellungen vom äußersten Ende Asiens und Afrikas


in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts

War man nach dem Einbruch der Mongolen in Europa 1237-1241 zunächst
ratlos ob der Frage, wie man sie einordnen sollte, andererseits aber aufs
höchste beunruhigt, so legte sich der Sturm in der Folgezeit. Die Missions-
reisen in den vierziger und fünfziger Jahren des 13. Jahrhunderts waren von
der Hoffnung beflügelt, die Mongolen in die christliche Welt einbeziehen zu
können, da man unter ihren Kriegern aus den unterworfenen zentralasiati-
schen Völkern Christen vorfand. Auch richteten sich die Angriffe der Inva-

37
Ms. Cambridge, Corpus Christi College 26 p.284; dazu vgl. DESTOMBES (Anm.20) 54, 1,
S.246; auch K. MILLER (Anm. 3) 3, S.68-73.
38
Ms. London Brit. Libr. Cott. lui. D. VII. fol.46 v; dazu DESTOMBES (Anm.20) 49, 7,
S.168, auch v. DEN BRINCKEN (Anm.27) ( = o. S. 137-148).
39
Vgl. J. J. SAUNDERS, Matthew Paris and the Mongols, in: Essays in Medieval History, pre-
sented to Bertie Wilkinson, Toronto 1969, 116-132; G A. BEZZOLA, Die Mongolen in abendlän-
discher Sicht (1220-1270). Ein Beitrag zur Frage der Völkerbegegnungen, Bern/München
1974; A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die Mongolen im Weltbild der Lateiner um die Mitte des 13.
Jahrhunderts, unter besonderer Berücksichtigung des Speculum Historiale des Vincenz von
Beauvais, in: AKG 57 (1975), S. 117-140.
336 Studien zur Universalkartographie [24/25]

soren erfolgreich gegen Bagdad, was die Christen ermutigte. Schließlich wa-
ren mehrfach Khane der Mongolen mit oft nicht unbedeutenden christlichen
Frauen verheiratet. In dieser Hinsicht berechtigten insbesondere die II-
Khane von Persien als Nachfolger der Abbasiden zu Hoffnungen. Allerdings
setzte schon deren Niederlage bei fAin Gälüt gegenüber den aufsteigenden
Mamluken (1260) dem Unbesiegbarkeitsmythos des fremdartigen Volkes
ein Ende, desgleichen eine Generation später die Schlacht von Hirns und der
endgültige Übertritt zum Islam unter Gäzän Khan (1297-1304).
Zu Ende des 13.Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des H.Jahrhun-
derts zogen die Mendikantenmissionare weiterhin zum Großkhan, der seit
Qubilai in Cambalec residierte. Er war nicht zum Islam übergetreten, son-
dern scharte vornehmlich Buddhisten um sich. Es handelte sich vor allem um
Franziskaner, die bis hin zu Johann von Marignola (um 1353/4) in Ostasien
tätig wurden. Viele von ihnen schrieben Briefe aus der Ferne oder verfaßten
Reiseberichte, was im Falle des Marco Polo fast durch einen Zufall gesche-
hen war, als er im Gefängnis saß. Insbesondere die Seidenstraße wurde in
diesem Zusammenhang vielfach beschrieben und drang in das Bewußtsein
der Freunde von Reiseliteratur ein, beschäftigte auch kirchliche Kreise;
träumte man doch gerade nach dem Verlust von Akkon 1291 und vielleicht
sogar nun erst recht vom Priesterkönig Johannes. So wandte man sein Inter-
esse dem Osten Asiens und dem Osten Afrikas zu, denn man hatte zumin-
dest spärliche Kunde von christlichen Nubiern und Äthiopiern, die jenseits
von Ägypten lebten und residierten. 40
Die wissenschaftliche Literatur beachtete diese Aspekte für das D.Jahr-
hundert noch nicht; jedoch sind auch hier Neuerungen zu beobachten, die
nicht über den Orient direkt, sondern auf dem Umweg über Sizilien oder
Spanien Eingang in die lateinischen Texte fanden und alte griechische
Kenntnisse über das arabische Schrifttum aufleben ließen.
So ist der Florentiner Notar Brunetto Latini zu erwähnen, der nach einem
Aufenthalt in Spanien seine Enzyklopädie «Li livres dou trésor» um 1266 er-
stellte.41 Zu ihr ist in einer Handschrift von etwa 131042 eine außergewöhnli-
che Weltkarte überliefert, die auffälligerweise zunächst einmal nach arabi-
scher Sitte gesüdet ist. Noch weitaus bemerkenswerter ist die Tatsache, daß
sie jeglicher Legende entbehrt - ein völlig singuläres Faktum in der Karto-

40
Hierzu A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die „Nationes Christianorum Orientalium" im Verständ-
nis der lateinischen Historiographie von der Mitte des 12. bis in die zweite Hälfte des H.Jahr-
hunderts (Kölner Histor. Abhh. 22), Köln 1973.
41
Ed. CARMODY(Anm.24).
42
Ms. Oxford Bodl. Douce 319 fol. 8; vgl. dazu DESTOMBES (Anm.20) 50,15 S. 175f.
[25/26] XV. Das geographische Weltbild um 1300 337

graphie des Mittelalters. Daher wurde die Vermutung gewagt, der abendlän-
dische Kopist könnte nach einer Vorlage mit arabischer Beschriftung gear-
beitet haben und mangels Sprach- und Schriftkenntnis nicht zur Übertra-
gung der Inschriften gekommen sein.43 Aus dem üblichen Rahmen fällt näm-
lich auch die Verteilung der Siedlungssymbole: sie fehlen in vielen Zentren
des Christentums wie in Rom und Konstantinopel, hingegen erscheint Mek-
ka; auch kennt der Maler viele Städte in Turkestan sowie in Ost- und Nord-
afrika. Das Kaspische Meer ist noch nicht als Binnenmeer zu erkennen. Da-
gegen belegt die Karte bereits die für die arabische Kartographie typische,
sorgfältige Wiedergabe des ,Horns von Afrika', das allerdings in alexandri-
nischer Tradition nach Süden hin total ausufert. Hier hat wohl, wie wenig
später bei Pietro Vesconte, 44 der Gelehrte 'IdrTsT Pate gestanden, der in der
ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die arabische Kartographie am Hofe Ro-
gers IL von Sizilien auf ihren Höhepunkt führte. 45 Diese charakteristische
Ostafrika-Gestaltung, die u.a. für Ptolemäus kennzeichnend ist, erscheint
auch in der gesamten Portolankartographie, die seit Mitte des 13. Jahrhun-
derts im Abendland aufkam und auf dem offenbar von den Normannen
übernommenen Kompaß beruhte; denn diese Karten sind durch den Über-
zug mit einem System zumeist sechzehnstrahliger Windrosen gekennzeich-
net, mit deren Hilfe man für die einzelnen Häfen die Schiffsrichtung für die
jeweils gewünschten Zielorte ablesen konnte. Hier entstanden im Anfangs-
stadium exakte Küstenwiedergaben auf der Grundlage technischer Hilfsmit-
tel, während bislang im Abendland jeder Ansatz zu einer Vermessung gefehlt
hat. Aus diesen ursprünglich nur für den Mittelmeerraum erstellten Rich-
tungsweisern wurden zumindest seit Pietro Vesconte 46 auch Weltkarten. Pie-
tro illustrierte seit 1311 auf diese Weise die Kreuzzugspropaganda-Schriften
seines Landsmannes Marino Sanudo. Dieser muß selbst weitgereist gewesen
sein, da er nicht nur über das Mittelmeer, sondern auch über den Nord-Ost-
see-Raum Informationen geben konnte, für die er teilweise ausdrücklich ei-

43
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die Ausbildung konventioneller Zeichen und Farbgebungen
in der Universalkartographie des Mittelalters, in: Archiv für Diplomatik 16 (1970), S. 325-349
(= o. S. 112-136), besonders S. 332-336 (= o. S. 119-122), mit Farbreproduktion der Karte zu
Brunetto (vgl. unten Tafel 53).
44
Vgl. T. LEWICKI, Marino Sanudos Mappae Mundi (1329) und die runde Weltkarte von
IdrTsT (1154), in: Rocznik Orientalistyczny 38 (1976), S. 169-196.
45
Abb. bei J. G. LEITHÄUSER (Anm. 16), 113; vgl. dazu bes. K. MILLER, Mappae Arabicae 1-
5, Stuttgart 1926-1931, S.35ff.
46
Z.B. Ms. Vat. Pal. Lat. 1321 A, hier fol. lv-2r; zur Portolankartographie allgemein vgl.
jetzt M. DE LA RONCIERE und M. MOLLAT DU JOURDIN, Portulane. Seekarten vom 13. bis zum 17.
Jahrhundert, München 1984.
338 Studien zur Universalkartographie [26]

gene Anschauung geltend machte. 47 Aber das Stapelprivileg der Hanse für
Brügge von 1323 unterband diesen Austausch wenige Jahre später, so daß
die Kenntnisse der einen Region von der anderen fortan stagnierten. 48
Zur gleichen Zeit, d.h. um 1307, erschien zunächst in französischer Spra-
che, bald darauf auch ins Lateinische übersetzt die «Flor des Estoires de la
Terre d'Orient». Ihr Autor, der Armenier Hethum, ein Abkömmling des in
Klein-Armenien regierenden Königshauses, war als Prämonstratenser-Chor-
herr zeitweilig in Frankreich und sonst auf Zypern tätig. Die seinem Volke
eigene Mittlerstellung zwischen Ost und West befähigte ihn, auf Grund
orientalischer Informationen präzise Angaben über den Osten an die lateini-
sche Welt weiterzugeben. Er ging dabei technisch in gleicher Weise vor, wie
es einst schon Orosius für die Geschichtsschreibung gefordert hatte: 49 er be-
schrieb zunächst die verschiedenen Landstriche des zu behandelnden Rau-
mes.50 Die Abfolge wich hier zum ersten Mal von den bisher üblichen, mit
Indien einsetzenden Modellen ab. Sie begann vielmehr im äußersten Osten
mit Cathay (Nordchina), dem Tarse als das Herkunftsland der Heiligen
Drei Könige (Tharsis; die Beschreibung könnte sich auf Ostturkestan, die
heutige Provinz Xinjiang beziehen), Turquesten (Turkestan), Corasme (Hö-
rezm) und Kumanien folgten, bis endlich Indien an der Reihe war. Dieses
Werk hat eine immense Verbreitung im Westen gefunden, es wurde in viele
Volkssprachen übersetzt und beeinflußte daher die wissenschaftliche und
die populäre Literatur. Hier ging erstmals ein Autor mit System über die
Welt Alexanders des Großen hinaus und apostrophierte nicht mehr Indien
als den Inbegriff des äußersten Orients. Dies war eine völlige Neuerung.
Auch Hethum schrieb übrigens zwecks Neubelebung der Kreuzzugsidee und
nicht etwa zur Verbesserung der allgemeinen Schulkenntnisse. Seine Vorstel-
lungen aber fanden immerhin in begrenztem Umfang in die Universalhisto-
riographie Eingang und haben zunächst insofern nachhaltigere Wirkung ge-
zeitigt als Marco Polo, der «Il Milione» neun Jahre zuvor konzipiert hatte.
Kreuzzug und Mission waren die aktuellen Gesichtspunkte des Tages, und
die Ordensleute fanden natürlich eine große Lesergemeinde.

47
Vgl. Secreta Fidelium Crucis II, IV, 18, ed. J. BONGARS, Gesta Dei per Francos II, Hanau
1611, S.72-73.
48
Vgl. A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die kartographische Darstellung Nordeuropas durch italieni-
sche und mallorquinische Portolanzeichner im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
in: Hansische Geschblätter 92 (1974), S. 45-58 (= o. S. 165-178) bes. 54 ( = o. S.174 f.).
49
Historia adversum paganos 1,1,14-17, ed. C. ZANGEMEISTER (CSEL 5) Wien 1882, S. 8.
50
I, I ff, ed. KOHLER, in: RHC doc. arm. 2, 1906, 111-363, hier 121 ff.; vgl. zu Hethum W.
GIESE, Asienkunde für den kreuzfahrenden Westen. Die „Flos historiarum terre orientis" des
Hayto von Gorhigos (OPraem.) aus dem Jahre 1307, in: Secundum regulam vivere, Festschr. N.
Backmund, Windberg 1978, S. 245-263.
[27] X V . D a s geographische Weltbild um 1300 339

4. Die geographischen und kartographischen Summen im ersten Viertel


des H.Jahrhunderts

Wie das Beispiel Hethums zeigt, gingen rund zwei Generationen nach der
Mongolen-Invasion ins Land, ehe die Wissenschaft von diesem Ereignis
Kenntnis nahm und sich trotz ihrer konservativen Grundhaltung gewissen
Neuerungen nicht mehr verschließen konnte. Als Beispiele aus dem ersten
Viertel des 14. Jahrhunderts seien ein Venezianer und ein Genuese vorge-
stellt, Paulinus Minorità aus Venedig, 51 als Historiker aktiv wohl etwa
1310-1331, sowie Johann von Carignano, Rektor von San Marco in Genua,
seit 1306 belegt.52
Paulinus, tätig am Hofe Roberts von Neapel und seit 1324 Bischof von
Pozzuoli, verstorben 1344, wurde im Dienst der Anjou mit der Kreuzzugs-
propaganda seines Landsmannes Marino Sanudo konfrontiert, dessen Ge-
dankengut er seiner Geschichtsepitome in ihrer zweiten und dritten Fassung
beigab. Vor allem die «Satyrica Historia» hat vermittels diverser Übersichts-
tabellen den Charakter einer historischen Enzyklopädie erhalten, u.a. auch
durch eine Erdbeschreibung mit dem Titel «De mapa mundi». 53 In der Vor-
rede 54 unterschied Paulin ausdrücklich scriptura und pictura einer mappa
mundi, deren unabdingbaren Zusammenhang er begründete. Der Text sei
nicht ohne Bild, das Bild ebensowenig ohne Textbeschreibung verständlich;
besonders warnte er vor Veränderungen am Bild.
Im Aufbau seines Werkes begann er nach Art seiner Vorläufer mit Asien.
In alter Tradition wurde zuerst Indien beschrieben, wobei alle Einzelaussa-
gen immer Bezug auf die Chronik nahmen, die jeweils mit Verweis auf Kapi-
tel und Unterabschnitt zitiert wurde, so daß die Korrespondenz zur Ge-
schichtsschreibung hergestellt war. Den Hauptteil der Abhandlung über Asi-

51
Sein Werk liegt noch nicht in brauchbaren Editionen vor, nur in unzureichenden Fragmen-
ten; über ihn zusammenfassend bisher vor allem P. A. GHINATO OFM, Fr. Paolino da Venezia
O. F. M., vescovo di Pozzuoli (f 1344), Rom 1951; über das Verhältnis zu den Schriften des
Marino Sanudo vgl. v. DEN BRINCKEN (Anm. 40), Exkurs S. 454-459. Im folgenden wird die «Sa-
tyrica Historia» in der Fassung der Handschrift Vat. Lat. 1960 zugrunde gelegt.
52
Seine Weltkarte, die erste Portolan-Weltkarte, die das Festland einbezog, wurde im
Staatsarchiv Florenz (Nr. 1 ) ein Opfer des Krieges. Abb. liegen in Kopien vor, im Druck u. a. bei
G. GROSJEAN und R. KINAUER, Kartenkunst und Kartentechnik vom Altertum bis zum Barock,
Bern/Stuttgart 1970, 30. Beitexte sind zu den Karten überliefert bei JACOBUS PHILIPPUS FORESTI
aus Bergamo im Supplementum Chronicarum, Venedig 1483/86 u.ö., in Buch 8 Bl. 147v f.
53
Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 13-21 v.
54
Ed. A.-D. v. DEN BRINCKEN, „. . . Ut describeretur universus orbis" - Zur Universalkarto-
graphie des Mittelalters, in: Miscellanea Mediaevalia 7 (1970), S.261 ( = o. S.94).
340 Studien zur Universalkartographie [27/28/29]

en nimmt die Beschreibung des Heiligen Landes ein, der diejenigen von
Klein-Armenien und Ägypten folgen. Der 21. Abschnitt ist Skythien gewid-
met, das vom äußersten Osten und dem Chinesischen Meer (Sericus Oeea-
nus) bis Germanien reicht, gefolgt von Baktrien, Hyrkanien, Groß-Arme-
nien und Kappodokien. Im 26. Kapitel nahm Paulinus die Beschreibung
Skythiens unter dem Titel: De alia divisione Scythie nochmals auf. Nunmehr
orientierte er sich an Hethum, bezog die Mongolen mit ein und stellte zu-
nächst Cathay vor, dann Tarse, Turquesten, Corasme und Kumanien. 55 Im
Text wagte er es, diese neue Version zur Diskussion zu stellen, im Bild dage-
gen hütete er sich und ließ Vorsicht walten 56 (s. unten Tafel 54): Indien be-
hielt seinen angestammten Platz im äußersten Osten, seine südliche Spitze
heißt finis Indie, es galt: quod non vicietur pictura. Paulin folgte hier strikt
Pietro Vesconte und seinen Karten und vermeldete daher auch das Kaspi-
sche Meer zweifach; links neben Indien, d.h. im Nordosten vermerkte er
montes Sythie, dann Sithia (Skythien) - nur in der Pariser Handschrift hat
eine spätere Hand zusätzlich hinzugefügt sive regnum Catay -, magnus canis
nördlich vom ersten Kaspischen Meer, zwischen erstem und zweitem Kaspi-
schen Meer dann Catay bzw. Incipit regnum Catay. Indien erstreckte sich
weit von Osten nach Westen, es erschien dort weiter unterteilt in India ma-
gna und India parva, letzteres näher erklärt als Ethiopia. Im Gegensatz zu
Pietro Vesconte kannte Paulinus keine inclusi Tartari, er war da noch zag-
hafter; möglicherweise betrachtete er auch die Mongolen nicht mehr als ein-
geschlossen, aber als die neuen Herren des Ostens hat er sie doch nicht ge-
bührend herausgestellt. Ob man Sera auf der Vatikanischen Handschrift als
Bezeichnung für China verstehen soll, ist nicht recht klar. Die Welt war mit-
hin keineswegs entgrenzt, der Osten auch nicht etwa größer geworden; viel-
mehr sind magnus canis und Catay im Norden bzw. Nordwesten von Indien
untergebracht, und Indien selbst ist nach Süden gedehnt: wenn man den
Rahmen beließ, mochte man nun magnus canis nördlich von Indien suchen.
Ähnlich verfuhr man in Afrika mit dem Priester Johannes. Schon Oliver
hatte Kontakte zu Christen in Nubien und Äthiopien vermutet. Es waren
Vorstellungen, die um 1300 nachhaltig auflebten, weil seit 1270 das alte Kai-
serhaus der Salomoniden wieder an die Stelle der Zagwe-Dynastie getreten
war. Um 1306 will Johann von Carignano von äthiopischen Seeleuten im
Hafen von Genua Kunde erhalten haben, daß in ihrem Land der Priesterkö-
nigjohannes herrsche. 57 Auf der Karte des Carignano sind im Osten Afrikas

55
Vgl. hierzu Ms. Vat. Lat. 1960 fol. 17r, auch synchronistische Tafeln ebd. fol. 1 lv-12r.
" Ebd. fol. 264v, dazu die Pariser Fassung BN Lat. 4939 fol. 9.
" Vgl. Anm. 52.
[29/30] XV. Das geographische Weltbild um 1300 341

Kreuze auf den runden Siedlungssymbolen zur Andeutung christlicher Ober-


hoheit eingezeichnet: um etwa diese Zeit herrschte tatsächlich der Negusa
nagast 'Amda Seyon (ca. 1312-1344), der sich große Verdienste um die
Rechristianisierung des Landes erwarb. Auch hier hat keineswegs eine Ent-
grenzung Afrikas stattgefunden; aber die Freiheit für den Kartographen war
wesentlich größer als in Asien, da Afrika noch nicht so exakt festgelegt und
im äußersten Süden der Monstren Platz für Variationen gegeben war.
Allerdings drang der Priester Johannes nicht mit nachweisbaren Daten in
die Universalhistoriographie ein, seine Person blieb verschwommen im Ge-
gensatz zu den Mongolen, die Paulinus 58 in seiner synchronistischen tabella-
rischen Erfassung unter Berücksichtigung ihrer Aufteilung in vier Reiche
auch mit vier fila regnorum bedachte.
Für zwei Jahrhunderte trafen sich bald in China, bald in Äthiopien die In-
teressen der frühen Entdecker; von hier gingen noch zu Ende des 15. Jahr-
hunderts die wesentlichen Impulse für die Umsegelung Afrikas und die Ent-
deckung Amerikas aus.

5. Wissen als Grundlage geopolitischer Spekulation?

Es war festzustellen, daß der Mongoleneinbruch das Weltbild des Mittelal-


ters beeinflußt hat, insbesondere um 1300 und in den drei folgenden Jahr-
zehnten. Aber die Veränderungen waren viel geringer, als man angesichts
des sich tatsächlich ergebenden transkontinentalen Kontaktes hätte anneh-
men können. Vielmehr blieben die vorgegebenen Grenzen von Raum und
Zeit gültig, der Gedanke einer Entgrenzung kam gar nicht erst auf. Dieses
Weltbild brauchte keineswegs mit der Vorstellung von der Kugelgestalt zu
kollidieren, wie sie etwa im Volksbuch des Sir John of Mandeville 59 zu fin-
den ist, wo man die Erde umrunden kann und dann an den Ausgangspunkt
zurückkehrt, wo Jerusalem im höchsten Punkt und der Priester Johannes als
Antipode ganz unten angenommen werden.
Ein mithin begrenztes, wenn auch nur unvollkommen bekanntes und er-
schlossenes Gebiet läßt beim modernen Menschen die Frage aufkommen, ob
die Machthaber jener Zeit das Ziel einer politischen Einigung im großen ver-
folgt haben. Solche Gedanken erweisen sich jedoch für das Abendland als
Anachronismen. Das römische Kaisertum des Westens beruhte im Mittelal-

58
Vgl. Anm. 55.
59
Travels, ed. M. LETTS (Hakluyt Society II, 101-102), London 1953, c. 20, S.127ff. bzw.
330 ff.
342 Studien zur Universalkartographie [30/31]

ter auf auctoritas und nie auf potestas. Kein Kaiser konnte für sich beanspru-
chen, die Herrschaft über die gesamte lateinische Welt auszuüben, geschwei-
ge denn über diesen Bereich hinaus. Zwar finden sich im politischen Schrift-
tum der Zeit und bei einigen Staatsdenkern gerade der Zeit um 1300 - offen-
sichtlich angesichts der langen Vakanz des Kaisertums, wodurch der Sinn
für Realitäten verlorenging - bisweilen anspruchsvolle Ideen, etwa in der
Auseinandersetzung zwischen Kaiser Heinrich VII. und Robert von Nea-
pel60 oder im Frankreich Philipps IV. des Schönen mit dem Einschlag eines
wachsenden Nationalismus. Aber de facto war kein König oder Kaiser Herr-
scher über sein Territorium hinaus. Bezeichnenderweise wechselten daher
auch die in den Legationen der Mongolen angesprochenen Partner im weltli-
chen Bereich. Den Deutschen fiel dabei die geringste Rolle zu, weil sie auf
den Kreuzzügen nicht mehr in vorderster Front erschienen.
Für die Kreuzfahrer und ihre Propagandisten spielte immer noch der Prie-
ster Johannes eine Rolle, 61 aber er blieb eine nur in Umrissen erträumte Fi-
gur, die man abwechselnd in Afrika oder Asien vermutete.
Klarere Vorstellungen von einer Einheit hatte zweifellos die hierarchische
Spitze der Kirche, der Papst in Rom. Für ihn waren die Kreuzzüge schon
deshalb förderungswürdig, weil er auf eine Union mit den schismatischen
Kirchen des Ostens hoffte. Von großem Gewicht war hier das Zweite Konzil
von Lyon 1274, auf dem es u.a. um die Union mit den Griechen und den
nestorianischen Mongolen ging.62 Schon für die von Innozenz IV. angereg-
ten Gesandtschaftsreisen war dieses Motiv entscheidend. Er dachte an die
kirchliche Einheit, während die Mongolen Weltherrschaftsansprüche des
Papstes in der Weise unterstellten, wie sie sie selbst geltend zu machen such-
ten. Von den Päpsten um 1300 sind hier besonders Gregor X. (1272-1276)
als Schirmherr des Lyoner Konzils, Nikolaus IV. als erster Minoritenpapst
(1288-1292) und Clemens V (1305-1314) zu nennen, die Universalitätsan-
sprüche im Verkehr mit Ostkirchen und in der Mission nachdrücklich gel-
tend machten. Sie suchten friedliche Zusammenarbeit auf der Basis eines ge-
meinsamen Bekenntnisses, verfolgten aber natürlich auch die Anerkennung
des Primats des römischen Papstes. Diese Haltung war keineswegs neu, sie

60
Vgl. hierzu u. a. die Enzyklika des Kaisers von 1312, MGH Const. 4 (1909-1911 ) Nr. 801,
S. 802; in Frankreich ist insbesondere der Publizist Pierre Dubois mit seiner «Recuperatio Terrae
Sanctae» um 1306 zu nennen.
61
Vgl. v. DEN BRINCKEN (Anm. 40) Kap. III, 2, S. 382ff.
62
Vgl. u. a. B. ROBERG, Die Union zwischen der griechischen und der lateinischen Kirche auf
dem II. Konzil von Lyon (1274) (Bonner Historische Forschungen 24), Bonn 1964; zum Ge-
samtkomplex auch das C.N.RS.-Kolloquium „1274 - Année charnière: Mutations et continui-
tés". Colloque Internationale du C.N.R.S. 558, Paris 1977.
[31/32] XV. Das geographische Weltbild um 1300 343

erhielt nur jetzt eine eurasische Komponente, die besonders im Schrifttum


der Dominikaner faßbar ist. Man wußte im übrigen bereits durchaus, daß
die Christenheit nur etwa ein Zehntel der Menschheit ausmachte. 63

III. Das Kreuz über der Welt

Nicht geopolitisch, jedoch gewissermaßen geochristlich wird man diesen


Universalitätsanspruch deuten dürfen.
Johann von Marignola, Florentiner Minorit und als Missionar in päpstli-
chem Auftrag von 1339 bis 1353 bis Cambalec unterwegs, hat eine Weltchro-
nik verfaßt, in der er im Zusammenhang mit der Frage nach der Existenz
von Antipoden 64 mit Augustinus 65 vermutete, daß die Rückseite der Erde
von Wasser bedeckt sei. Er wisse aus eigener Erfahrung, daß die Erde über
den Wassern gegründet sei; sie teile den Ozean in die Form eines Kreuzes:
zwei Viertel seien schiffbar und zwei nicht, denn Gott habe nicht gewollt,
daß der Mensch die Welt auf dem Meer umrunden könne.
Marignola begegnete auf seiner Reise überall dem Kreuzeszeichen und in-
terpretierte dies zugunsten der Ubiquität des Christentums. Das Bild der
Welt in Kreuzform ist allerdings nicht als kreuzförmiges Festland auf dem
Weltmeer schwimmend zu deuten, 66 vielmehr wird umgekehrt die Welt von
einem kreuzförmigen Meer geteilt. Dies ist just das Weltbild des Krates von
Mallos, das Marignola von der Wirklichkeit bestätigt glaubte: die Ozeanrin-
ge schnitten sich im rechten Winkel und bildeten so auf jedem Planiglob ein
Kreuz; das nichtschiffbare Äquatorialmeer verhinderte die Weltumsegelung
über den zweiteiligen Polar-Ozean. Nichts war im H.Jahrhundert denkbar,
was nicht irgendwo schon seine Vorlage hatte; es galt nur, die eigene Aussa-

63
Vgl. hierzu die Aussage des Wilhelm Adam OP, Directorium ad Passagium faciendum I,
1, ed. KOHLER in RHC doc. arm. 2 (1906), S. 382-384.
64
Kronika Marignolova, ed. J. EMLER, Fontes rerum Bohemicarum 3, Prag 1882, Sp.510a:
Neeputandum est, ut dick beatus Augustinus, antipedes esse, quasi homines plantas contra nos tenen-
tes, quod nullomodo putandum est, quia terra firmata est super aquas, et ut experiencia certa didici-
mus, dividendo Occeanum in modum crucis, due quadre sunt navigabiles et due alie nullomodo. No-
luit enim Deus, quod homo posset circuire per mare totum mundum.
65
De civitate Dei 16, 9: Augustin verneint nicht die Kugelgestalt, nur die Existenz von Men-
schen auf der Rückseite der Erde.
66
A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die universalhistorischen Vorstellungen des Johann von Marigno-
la OFM. Der einzige mittelalterliche Weltchronist mit Fernostkenntnis, in: AKG 49 (1967), 297
und 325-327; diese Interpretation läßt sich nicht halten, da sich dieses Bild sonst nirgends fin-
det: auch Marignola bediente sich eifrig in der Literatur belegter Vorlagen. Vgl. auch oben
Anm. 15 und Abb. 1.
344 Studien zur Universalkartographie [32]

ge dem alten Bild einzufügen. Marignola fand die eigene Reiseerfahrung in


den spätantiken Schulautoren und in den Kirchenvätern vorgebildet. So wur-
de hier die Zonenkarte unter dem Kreuzeszeichen begriffen, wie man das
längst bei der T-O-Karte 67 gehalten hatte, zumal das T als Kreuz zu deuten
ist und vielfach in dieser Weise abgewandelt wird, etwa auf der St. Gallener
Isidor-Karte oder auf den überformatigen Karten von Ebstorf und Here-
ford: das Kreuz regiert die Welt.

67
Vgl. hierzu J. T. LANMAN, The Religious Symbolism of the T in T-O Maps, in: Cartogra-
phica 18 (Toronto 1981), S. 18-22.
XVI. Gyrus und Spera -
Relikte griechischer Geographie im Weltbild
der Frühscholastik
(Aufgezeigt an fünf lateinischen Weltkarten
des beginnenden 12. Jahrhunderts)

Anlaß für die folgenden Überlegungen ist nicht ein Jubiläum der antiken
«Einführung in die Darstellung der Erde des Klaudios Ptolemaios» - wie
man die sogenannte «Geographia» im Deutschen zutreffend betitelt1 -, son-
dern das der ersten aufwendigen Drucklegung des Werkes mitsamt karto-
graphischer Ausstattung an der Schwelle zur Neuzeit, d. h. eine Würdigung
der Geographie und Kartographie im Zeitalter des Humanismus, des Inku-
nabeldruckes und der Holzschnittkunst. Wenn die folgenden Betrachtungen
von diesem Ereignis knapp vier Jahrhunderte zurückschweifen, so geschieht
dies einmal um der Kontrastwirkung willen, die ein Vergleich der Imago
Mundi des 12. Jahrhunderts als Produkt der Blütezeit des hochmittelalterli-
chen Symbolismus einerseits und der auf Messung und Berechnung basieren-
den Erddarstellung hellenistischer bzw. humanistischer Zeit andererseits
auslösen kann; darüber hinaus aber läßt sich trotz der grundsätzlich anders-
artigen Denkweise des lateinischen Abendlandes gerade in dieser Zeit eine
rudimentäre Kenntnis griechischer Naturwissenschaft nachweisen, die -,
wenn auch nur unterschwellig - aus verschiedenartigen Quellen gespeist, im
Westen Spuren hinterläßt.
Der gewählte Zeitabschnitt zweites Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts ist un-
ter diesem Aspekt besonders aufschlußreich, weil er relativ reichhaltig durch

1
ERICH POLASCHEK, Klaudios Ptolemaios. Das geographische Werk, in: Pauly-Wissowa, RE
Suppl. 10 (1965) Sp.680-833, hier Sp.692. - Bei der obigen Untersuchung handelt es sich um
ein Referat, das am 30. 10. 1982 auf dem Ulmer Symposion, Zur Ptolemäus-Forschung in Mit-
teleuropa - Das frühe Bild der Alten Welt, gehalten wurde. Die ursprüngliche Form wurde be-
lassen, die Literatur wurde nicht ergänzt. Doch sei darauf hingewiesen, daß u.a. inzwischen
zum Thema Cartography in Prehistoric, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean,
ed. by J. B. Harley and David Woodward, Chicago & London, 1987, Bd. 1 (mit reichhaltiger Bi-
bliographie) vorliegt, ferner ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Kartographische Quellen -
Welt-, See- und Regionalkarten. (Typologie des Sources du Moyen-Age Occidental, A-V.D.3*,
Fase. 51) Turnhout 1988; auch erscheint demnächst die Bayreuther Antrittsvorlesung von Uta
Lindgren über Vorstellungen von der Gestalt der Erde.
346 Studien z u r Universalkartographie [129/130]

kartographische Produkte dokumentiert ist: damals kommt es sowohl in


Spanien als auch im Orient anläßlich der Kreuzzüge zu Kontakten zwischen
Lateinern und Orientalen christlichen wie muselmanischen Bekenntnisses,
bei denen mannigfaches Gedankengut griechischen Ursprungs ausgetauscht
wird.
Mit der Wahl der im Mittellateinischen verballhornten, von Herkunft
griechischen Worte gyrus und spera, d.i. griechisch gyros und sphaira,
deutsch Scheibe und Kugel, ist bereits der Reliktcharakter der hellenisti-
schen Wissenschaft im Mittelalter angesprochen. Gyrus ist in der Heiligen
Schrift recht häufig belegt2 und daher insbesondere in der christlichen Lite-
ratur gebräuchlich geworden, 3 u. a. als gyrus terrae4 neben Synonyma wie or-
bis, rota, circulus oder circuitus. Spera bleibt Fremdwort und wird mit lateini-
schen Umschreibungen wie pila rotunda5 bzw. gutta, auch mit pomum oder
malumb wiedergegeben; spera7 dringt insbesondere mit der Lektüre der heid-
nischen Schul-Autoren Macrobius 8 und Martianus Capella 9 in die geogra-
phische Literatur der Lateiner ein.10
Der Beginn des 12. Jahrhunderts kann in der Geistesgeschichte als symbo-
lische Mitte des Mittelalters gewertet werden, denn er liegt rund 400 Jahre
hinter der zumindest im Bildungsbereich nachweislich erfolgten Barriere-
Bildung im Mittelmeerraum durch die Moslems" nach Eroberung der Süd-
küste zu Beginn des 8. Jahrhunderts und rund 400 Jahre vor der Einbezie-

2
Vgl. N o v a e C o n c o r d a n t i a e Bibliorum Sacrorum iuxta Vulgatam Versionem, ed. P. BONIFA-
TIUS FISCHER O S B , Stuttgart-Bad C a n n s t a t t 1977, Sp.2271 f.
3
Vgl. T h e s a u r u s Linguae Latinae VI (1927) Sp.2384ff. mit Belegen aus der Vetus Latina,
der Vulgata und den Kirchenvätern.
4
Is. 40, 2 2 : . . . qui sedet supergyrum terrae. . .
5
Vgl. H o n o r i u s Augustodunensis, D e Imagine M u n d i I, 1, ed. M I G N E P L 172 Sp. 121; ä h n -
lich auch Wilhelm von C o n c h e s , D e Philosophia M u n d i IV, 1 als vitellus, Eigelb mit Ei, ed. M I -
GNE P L 172 Sp. 85.
6
Vgl. hierzu PERCY ERNST SCHRAMM, Sphaira - G l o b u s - Reichsapfel. W a n d e r u n g e n u n d
Wandlungen eines Herrschaftszeichens von Caesar bis zu Elisabeth IL Ein Beitrag zum „ N a c h -
leben" der Antike (Stuttgart 1958) S.2.
7
In der Heiligen Schrift selten belegt, vgl. Novae C o n c o r d a n t i a e Sp.4912, z . B . Is. 29, 3, u n d
z w a r d o r t im Sinne von circuitusl
8
Ambrosii Theodosii Macrobii C o m m e n t a r l i in Somnium Scipionis, ed. JAKOB WILLIS, W e r k e
2 ( L e i p z i g 2 1 9 7 0 ) II, 9f. S. 122ff. (der Sache nach).
' M a r t i a n u s Capella, D e nuptiis Philologiae et Mercurii, ed. A D O L F D I C K , (Leipzig 1925,
Repr. Stuttgart 1969) Bücher V I u n d VIII.
10
M a r t i a n u s gebraucht bevorzugt globus, desgleichen Chalcidius, vgl. THESAURUS (wie
A n m . 3 ) V I ( 1 9 2 5 - 3 4 ) Sp. 2049ff.
" Vgl. T h e s e von H E N R I PIRENNE, M a h o m e t et C h a r l e m a g n e , in: Revue Beige de Philologie
et d'Histoire 1 (1922) S. 7 7 - 8 6 ; Repr. in: Bedeutung und Rolle des Islam beim Ü b e r g a n g vom Al-
tertum zum Mittelalter, hg. von PAUL E G O N H Ü B I N G E R , W e g e d e r Forschung 202 (1968) S. 1-9;
[130/131] XVI. Gyrus und Spera 347

hung der Neuen Welt in das abendländische Denken zu Beginn des 16. Jahr-
hunderts: Beschränkung des christlichen Kulturkreises einerseits und dann
erneute Ausweitung. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts wirkt in Sizi-
lien am Normannenhofe in IdrTsT der bedeutendste Geograph der Muselma-
nen im Mittelalter, der auch die christliche Kartographie des Spätmittelalters
prägt. 12
An fünf Beispielen aus der Kartographie des zweiten Jahrzehnts des 12.
Jahrhunderts soll gezeigt werden, wie Relikte der Schule von Alexandreia
hin und wieder im abendländischen Hochmittelalter aufblitzen:
1. bei dem sehr traditionsgebundenen Guido von Pisa 1118;
2. bei dem spanischen Juden und Konvertiten Petrus Alfonsi, der in seiner
Eigenschaft als Hofarzt Kenntnisse der Orientalen an den Westen vermit-
telt;
3. bei Heinrich von Mainz als konventionellem Illustrator des Honorius
Augustodunensis, in dessen Texten sich bereits Spuren arabischen Denkens
finden;
4. bei Lambert von Saint-Omer, der in seiner berühmten Bilderenzyklopä-
die «Liber Floridus» die Synthese griechischer und lateinischer Schulen er-
strebt;
5. auf der sogenannten ,Oxford-Karte von 1110', die erstmals Jerusalem
auch kartographisch in den Mittelpunkt stellt und strikt alle Aussagen der
Heiligen Schrift und der Kirchenväter in ihrer Zeichnung zu realisieren sucht
- unberührt von jeglicher Erfahrung der wirklichen Verhältnisse.

Gyrus und Spera

Scheibe oder Kugel - diese Bilder stehen für die Gestalt der Erde bereits in
der Antike. Während die Griechen der Kugelgestalt den Vorrang einräumen,
gehen die Römer das Problem von der praktischen Seite an: sie benötigen
Straßenkarten für Militär- und Verwaltungszwecke und interessieren sich
vornehmlich für Entfernungen. So haben sie für sphaira kein sprachliches
Äquivalent in der Geographie geschaffen, allenfalls globus ist mehr in über-
tragenem als in geometrischem Sinne eine lateinische Entsprechung.

als selbständiges Buch später erschienen (Paris/Brüssel 1937); dazu u.a. Beiträge im gen. Bd.
Wege der Forschung 202.
12
Vgl. TADEUSZ LEWICKI, Marino Sanudos Mappa Mundi (1321) und die runde Weltkarte
von IdrTsT, in: Rocznik Orientalistyczny 38 (1976) S. 169-196.
348 Studien zur Universalkartographie [131]

1. Gyrus und Spera im Frühmittelalter

Der hervorstechendste Charakterzug am Weltbild des christlichen Abend-


landes im Mittelalter ist die Tatsache, daß alles Geschaffene grundsätzlich
als begrenzt, d.h. in einen festen Rahmen vorgegeben, dargestellt wird. Die-
ser hinwiederum ist von der Heilsgeschichte der Menschheit bestimmt: loca
in quibus res gestae sunt, Schauplätze des Geschehens, gehören neben han-
delnden Personen und Daten nach dem Geschichtsphilosophen Hugo von
Sankt-Viktor zu den drei Grundkategorien der Geschichte. 13 Kartographie
wird im Mittelalter daher vorwiegend im Rahmen der Geschichtsschreibung
gepflegt: man projiziert Orte aus verschiedensten Epochen auf die Fläche
der Karte. Das mittelalterliche Weltbild ist mithin nicht ohne weiteres offen
für die Angliederung neuer, bislang unerforschter Gebiete, im Gegensatz et-
wa zum Denken der Moslems. Mittelalterliche Mappae dienen so gut wie nie
der Praxis. Man zeichnet sie nicht als Reise- und Militärführer oder Verwal-
tungsanleitungen, wie dies die Römer der Antike mit ihren Straßenkarten
hielten: die Technik des Messens und Vermessens ist sogar völlig außer Ge-
brauch gekommen und wird nicht einmal vermißt. Wenn Ptolemaios und vor
ihm Eratosthenes und Marinos von Tyrus als die großen Vermesser der Erde
gelten, so kann ihnen das lateinische Mittelalter gewissermaßen diametral
gegenübergestellt werden: Imago Mundi ist eher Weltsicht, allegorisch ver-
standene Weltdarstellung, und keineswegs exakte Abbildung. 14 Für die
Theologen hat die Geographie die Funktion, mit der Vielfalt des Zeitlichen
einen Hinwies auf die Vollkommenheit und die Schönheit des Schöpfers zu
vermitteln.15 Erst zu Ende des 13. Jahrhunderts kommt aufgrund der Kom-
paßbenutzung durch die Portolankartographie eine einigermaßen zutreffen-

13
Tria igitur sunt in quibus praecipue cognitio pendet rerum gestarum, id est, personae a quibus
res gestae sunt, et loca in quibus gestae sunt, et tempora quando gestae sunt, vgl. ed. WILLIAM M.
GREEN, Hugo of St. Victor, De tribus maximis circumstantiis gestorum, in: Speculum 18 (1943)
S. 484-493, hier S. 491; zur Beziehung von Kartographie und Chronistik vgl. ANNA-DOROTHEE
v. DEN BRINCKEN, Mappa mundi und chronographia. Studien zur imago mundi des abendländi-
schen Mittelalters, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 24 (1968) S. 118-186
(= o. S. 17-81).
14
Vgl. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, „ ... Ut describeretur universus orbis". Zur Uni-
versalkartographie des Mittelalters, in: Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters.
Miscellanea Mediaevalia 7 (1970) S. 249-278 (= o. S. 82-111 ).
15
Vgl. Vincenz von Beauvais, Apologia Actoris c. 6, ed. ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN,
Geschichtsbetrachtung bei Vincenz von Beauvais. Die Apologia Actoris zum Speculum Maius,
in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 34 (1978) S. 473 f.
[131/132] XVI. Gyrus und Spera 349

de Küstenzeichnung für die praktische Verwendung bei der Seefahrt in Um-


lauf.
Im übrigen hält man sich strikt an Autoritäten, deren Abfolge Vinzenz
von Beauvais in seiner «Apologia Actoris» 16 mitteilt. Außerhalb jeder Dis-
kussion erscheint da zunächst die Bibel: ihr Zeugnis ist unantastbar. Es folgt
eine Dreistufigkeit der Wertung weiterer Vorlagen: oben stehen die Ent-
scheidungen des Kirchenrechts, d.h. die Dekretalen und Kanones, gefolgt
von den Lehren der Kirchenväter; auf der zweiten Stufe finden sich die
Schriften der mittelalterlichen Kirchenlehrer, auf der unteren die von heidni-
schen Philosophen und Dichtern. An dieser Klassifikation orientiert sich das
Weltbild des Mittelalters: verbindlich und unwiderlegbar sind die Aussagen
der Heiligen Schrift. In ihr ist die Erde bald rund, bald eckig und ganz über-
wiegend als Fläche charakterisiert: orbis ist neben gyrus die übliche Bezeich-
nung, bisweilen in Verbindung mit terrae, terrarum bzw. caeli und stellar-
um,w nicht aber spera, sphaira oder globus; anguli terrae kennt gar die Apo-
kalypse. 18 Nabel der Welt ist für die Christen das in die Mitte gestellte Jeru-
salem, 19 umgeben vom Heiligen Land, dessen Plätzen bereits Eusebios und
als dessen Übersetzer Hieronymus ihre Aufmerksamkeit widmen. 20 Im
Osten - a principio - liegt das Paradies, 21 aus dem die vier Flüsse Gehon,
Phison, Euphrat und Tigris hervorgehen. 22 Noe hat die Welt unter seine drei
Söhne Sem, Cham und Japhet geteilt, 23 ihre Anteile entsprechen den antiken
Kontinenten Asien, Afrika und Europa. Die mittelalterlichen Karten, die na-
hezu immer Weltkarten sind, haben in der Chronistik im Zusammenhang
mit Noe oder auch mit der Völkerzerteilung nach dem Turmbau von Babel
ihren Platz. 24 Kirchenväter und mittelalterliche Philosophen halten sich an
dieses Schema.
Die profane Grundlage der mittelalterlichen Kartographie ist in erster Li-
nie in Rom zu suchen. Vorbild sind die römischen Straßenkarten und die auf
denselben aufbauende römische Ökumene-Karte, wie sie Vipsanius Agrippa,
dem Schwiegersohn des Kaisers Augustus, zugeschrieben wird und die den
Raum rund um das Mittelmeer zum Gegenstand hat.

16
L.C..C. 11-12, S.482-484.
17
Vgl. oben Anm. 2.
18
7,1.
19
Ezech. 5, 5.
20
Liber de situ et nominibus locorum hebraicorum, ed. MIGNE PL 23 Sp.903ff. u.a.
21
Gen. 2, 8.
22
Gen. 2, 10-14.
23
Gen. 9-10.
24
Gen. 11, Iff.
350 Studien zur Universalkartographie [132/133]

Den Griechen ist die Lehre von der Kugelgestalt der Erde früh vertraut.
Nur anfangs verstehen sie die Welt als eine vom Ozean umflossene Scheibe,
bei der sie seit Anaximander vier Einbuchtungen, nämlich Mittelmeer, Rotes
Meer, Persischen Golf und Kaspisches Meer, annehmen. Bereits die Pytha-
goräer erschließen die Kugelform auf spekulativem Wege; seit Piaton, Ari-
stoteles und vor allem Eratosthenes ist sie Allgemeingut der Gebildeten. U.
a. wird sie von Krates von Mallos, Strabon und Ptolemaios verfochten.
Hingegen halten Römer wie Cicero und Plinius an dem Gedanken eines
Diskus fest, für den sie aus Gründen des Gleichgewichts sogar Gegenfüßler
an der Unterseite zulassen. Da diese jedoch nirgends in der Bibel unter den
Nachkommen Noes bezeugt sind, zu denen sie zwangsläufig hätten gehören
müssen, machen Kirchenväter wie Laktanz sich nur lustig über sie, 25 wäh-
rend der heilige Augustinus nicht so sehr die Kugelgestalt, wohl aber die
Existenz von Antipoden in Zweifel zieht, zumal er auf der Rückseite der Er-
de kein Festland, sondern Wasser vermutet. 26
Um 400 haben die heidnischen Autoren Macrobius 27 und Martianus Ca-
pella28 dem Westen die hydrographischen Theorien des Krates von Mallos
übermittelt, denen zufolge sich zwei Ozeangürtel, ein durch beide Pole ver-
laufender Polar-Ozean und ein Äquatorial-Ozean, im rechten Winkel derart
schneiden, daß sie das Festland in vier Erdteile zerlegen, die jeweils zum
Äquator hin eine heiße unpassierbare Zone, an den Polen kalte unbewohn-
bare Zonen und dazwischen eine temperierte bewohnbare Zone aufweisen.
Mit Aristoteles nehmen Krates und die Stoa eine Antökumene an, deren Exi-
stenz dann auch Kirchenväter und Mittelalter diskutieren. Korrekterweise
hat man dabei zu unterscheiden: Antöken auf der südlichen Halbkugel, Pe-
riöken auf der Rückseite und Antichthonen auf der Rückseite der südlichen
Halbkugel der Erde. In der unperspektivischen Malweise des Mittelalters
bleibt davon ein halber Planiglob mit fünf Zonen, häufig als Scheibe gedeu-
tet und als Zonenkarte bezeichnet. 29
Das Christentum und seine Neigung zur Eingrenzung favorisiert die Flä-
chengestalt und hat - besonders deutlich wird das bei dem ostkirchlichen
Autor Kosmas Indikopleustes - Vorbehalte gegen die Kugelgestalt als Sym-
bol der Unendlichkeit. Die lateinischen Autoritäten des Frühmittelalters, für
die hier Isidor stellvertretend zitiert sein soll - ihm folgen z.B. Beatus von

25
Divin. Institut. III, 24.
26
Decivitate Dei 16, 9.
27
Vgl. oben Anm. 8.
28
Vgl. oben Anm. 9.
29
Vgl. z.B. Ms. Bodl. d'Orville 77 fol. 100 aus dem 11.Jahrhundert mit der für diese Karten
gewöhnlich üblichen Nordung.
[133/134] XVI. Gyrus und Spera 351

Liébana und Theodulf von Orléans -, lassen die Frage Kugel oder Scheibe
offen: Mehrfach ist von der Himmelskugel die Rede, 30 auch von den vier
Erdteilen des Krates und von den Antipoden. 31 Die Kugel als Herrschafts-
zeichen 32 charakterisiert Isidor gar als pila, welche Zeichen für orbis sei. Im
übrigen steht Isidor fest in der Tradition der lateinischen Patristik. Mit Au-
gustinus 33 deutet er die Welt als geostete Scheibe, deren Erdteile Asien, Eu-
ropa und Afrika sich im Verhältnis 2:1:1 in die Oberfläche teilen. Don und
Nil grenzen Asien von Europa bzw. Afrika ab; das Mittelmeer bildet die
Scheide zwischen Europa und Afrika, so daß die Kontinente von einem T
der Gewässer eingerahmt sind.34 Die über das einfache T-Schema hinausge-
henden Karten haben bereits alle zusätzlich Relikte des vierten Kontinents
aus dem Weltbild des Krates aufzuweisen, so die Isidor-Karte aus St.-Gal-
len 35 und die Vatikanische Isidor-Karte von 775. 36 Entsprechend kennt
Beatus auf allen Kartenvarianten im Süden einen Antichthonenkontinent. 37
Nach dem Iren Virgil von Salzburg im 8. Jahrhundert hat u.a. Theodulf von
Orleans am Karolingerhof dieses Weltbild vertreten, wie die aus Ripoll von
1055 erhaltene Abschrift seiner hemisphärischen Karte belegt: sie folgt dem
Zonenschema, verzichtet jedoch auf Raum für unbewohnbare Gebiete au-
ßerhalb der Ökumene und deutet die Beschaffenheit der Kontinente in di-
versen Legenden an.38
Isidor bleibt bis ins 12. Jahrhundert nahezu ausschließlich die Grundlage
des Wissens. Karten werden an seinem Werk orientiert, denn das Erstellen
von Weltkarten gilt als vornehme Tätigkeit: hat doch die Erdbeschreibung
(Steuereinschätzung) z. Zt. des Augustus, von der Lukas im Weihnachts-
evangelium berichtet, immer wieder als Vorbild gedient. 39

30
Etym. III, 32 ff.; XIII, 4ff., ed. W. M. LINDSAY (Oxford 1911 u.ö.); auch De natura rerum
c. 10, ed. MIGNE PL 83 Sp. 978.
31
Etym.XrV, 5, 17 1. c.
32
Ebd. XVIII, 3, 4 1. c : Pilam in signo constituissefertur Augustus, propter nationes sibi in cunc-
to orbe subiectas, ut maiusfiguram orbis ostenderet.
33
De civitate Dei 16, 17; vgl. dazu z.B. Ms. Brux. 9311-19 fol.89v, 9. Jahrhundert.
34
Etym. XrV, 2, 1-1-3, ed. LINDSAY (wie Anm. 30).
35
Ms. St. Gallen Stiftsbibliothek 237, 8. Jahrhundert.
36
Ms. Vat. Lat. 6018 fol.64v-65r; vgl. MARCEL DESTOMBES Mappemondes A.D. 1200-1500
(Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi 1), Amsterdam 1964, sect. I, 7 S.30.
37
Vgl. die Karte von Saint-Sever von 1045, Ms. BN Paris Lat. 8878 fol.45 ter; dazu auch
DESTOMBES (wie Anm. 36) sect. 17 und 35, S. 40 ff. und 79ff.
38
Ms. Vat. Reg. Lat. 123 fol. I43v/144r; dazu A. VIDIER, La mappemonde de Théodulfe et la
mappemonde de Ripoll, in: Bulletin du comité des travaux historiques et scientifiques, sect, de
géographie historique et descriptive 16 (1911) S. 285-313.
39
Luc. 2, 1.
352 Studien zur Universalkartographie [134]

Im übrigen ist die Karte bis ins Spätmittelalter invariabel, da Gervasius


von Tilbury 40 noch 1214 ihre Veränderung mit dem Verbrechen einer fals-
chen Zeugenaussage gemäß Decretum Gratians 41 gleichsetzt. Der Chronist
Paulinus Minorità warnt gar 100 Jahre später in seinem Traktat «De Mappa
Mundi» - er selbst erstellte seine Weltkarte strikt nach dem Vorbild seines
Landsmannes Pietro Vesconte aus Venedig! - vor Korrektur des Bildes: Afe
vitietur pictura.41
In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts hat der schon erwähnte Hugo
von Sankt-Viktor 43 den Ablauf des Heilsgeschehens als von Osten nach We-
sten fortschreitend im Bild der Arche Noe gedeutet und zu den Weltkarten
in Beziehung gesetzt. Zudem ist durch die Kreuzzüge das Interesse am Welt-
bild der hellenistischen Zeit wieder erwacht: aus dem 12. Jahrhundert sind
eine Heilig-Land-Karte und eine Orient-Karte zu den Schriften des Hiero-
nymus erhalten, 44 die dem Text so eng verbunden sind, daß sie auf den Kir-
chenvater selbst zurückzugehen scheinen. Sie belegen die große Anteilnahme
des 12. Jahrhunderts an Palästina. Zur gleichen Zeit lebt auch in der Chro-
nographie das Interesse für eine weiträumige Universalgeschichtsschreibung
auf: Sigebert von Gembloux sucht die Synchronistik des Hieronymus nach-
zuahmen. Allerdings bestimmt gyrus und nicht so sehr spera die Vorstel-
lungswelt des beginnenden 12. Jahrhunderts.

40
Otia Imperialia, ed. G. W. LEIBNIZ, Scriptores Rerum Brunsvic. 1 (Hannover 1707) S.956:
Ut autem oculata fide avidis mentibus et sitientibus auribus satisfaciamus, in summa naturalem pro-
vinciarum ordinem et situm per tres orbis partes distinctarum in emendatiore pictura subiunximus;
considerantes, quod ipsa pictorum varietas mendaces efficit de locorum veritatepicturas, quas ,mappas
mundi' vulgus nominal Plerumque enim pictor, ut alias testis, cum de suo addit, partis mendacio to-
tam testimonii seriem decolorat, ut in decretis c. 3 q. 9 Pura et simplex.
41
C. 17 C. III q. 9, ed. EMIL FRIEDBERG, Corpus Iuris Canonici 1 (Leipzig 1879) Sp.533.
42
Ms. Pal. Vat. Lat. 1960 fol. 13: Requiritur autem mapa duplex, picture et scripture. Nee unum
sine altero putes sufficere, quia pictura sine scriptum provincias seu regna confuse demonstrat, scriptum
vero non tarnen sufficienter sine adminiculo picture provinciarum confinia per varias partes celi sic
determinai, ut quasi ad oculum conspici valeant. . . Quod vero per pictores non vitietur pictura, ma-
gna est cautio adhibenda.
43
De Archa Noe mystica, ed. MIGNE PL 176 Sp.700: In hoc spatio mappa mundi depingitur
ita ut caput arcae ad orientem convertatur, et finis eius occidentem contingat, ut mirabili dispositione
ab eodem principe decurrat situs locorum cum ordine temporum, et idem sit finis mundi, qui est finis
saeculi. Conus autem ille circuii, qui in capite arcae prominet ad orientem, Paradisus est, quasi sinus
Abrahae, ut postea apparebit in maiestate depicta. Conus alter, qui prominet ad occidentem, habet
universalis resurrectionis iudicium in dextra electos, in sinistra reprobos. In cuius coni angulo aquilo-
nari est infemus, quo damnandi cum apostatis spiritibus detrudentur.
44
Ms. BL London Add. 10 049 enthält des Hieronymus Schriften: De hebraicis quaestioni-
bus; 2. De interpretationibus nominum Veteris et Novi Testamenti; 3. De nominibus locorum,
dazu fol. 64r/v Karten des Orients bzw. Palästinas, die geostet sind.
[134/135] X V I . Gyrus und Spera 353

2. Guido von Pisa (1118)

Unter den Weltkarten des zweiten Jahrzehnts des 12. Jahrhunderts ist dieje-
nige Guidos von Pisa die jüngste, denn das Jahr 1118 ist als Abschlußjahr
dieser Kompilation gut bezeugt; dem Geiste nach aber ist diese Imago Mundi
am ausgeprägtesten der frühmittelalterlichen Tradition verhaftet. Guido war
Geistlicher und - seinen Interessen nach zu urteilen - in Pisa zuhause. 45 Er
verfaßte eine «Historiae Variae» benannte geographisch-historische Enzy-
klopädie, bestehend aus drei Büchern geographischen und drei chronikali-
schen Inhalts, bietet Auszüge aus Isidor und schließt eine allgemeine Geo-
graphie an, bei der er gleichfalls weitgehend Isidor folgt, ferner dem soge-
nannten Geographen von Ravenna, einem Geistlichen aus dem 7. Jahrhun-
dert, 46 dem Guidos Werk auch in der Überlieferung verbunden ist. Nur
einer der Kodizes enthält drei Karten, nämlich neben einer schematischen
T-Karte und einer Italien-Darstellung eine Weltkarte. 47 Sie steht vor der all-
gemeinen Geographie 48 und hat einen Durchmesser von 13 cm, gibt mögli-
cherweise eine Vorstellung von der verlorenen Karte des Ravennaten.
Jedenfalls handelt es sich um eine ausgesprochen konventionelle Karte,
die dem Schema der von Augustin propagierten T-Karte verhaftet ist und
ebenso Isidors Werken entnommen sein könnte. 49 Das Mittelmeer nimmt ei-
nen verhältnismäßig breiten Raum ein, wie diese etwas grobe Karte über-
haupt für mittelalterliche Verhältnisse dem Wasser viel Raum gewährt: nur
etwa die Hälfte der Scheibe ist dem Festland vorbehalten. Vermutete die An-
tike, daß nur ein Sechstel der Erdoberfläche Festland sei, so rechnet das
Mittelalter mit dem 4. Esra-Buch mit sechs Siebenteln Land und verkürzt
dabei die Wasserflächen: Der korrekte Wert ist 29,2% Festland auf der Erd-
oberfläche. Das Mittelmeer ist jedoch nicht durch Legenden gekennzeichnet
im Gegensatz zu Don und Nil, und der T-Schaft sieht fast wie ein Dreieck

45
E r nennt sich in c. 3 seiner G e o g r a p h i a , ed. J O S E P H SCHNETZ, Itineraria R o m a n a II: Raven-
natis Anonymi C o s m o g r a p h i a et G u i d o n i s G e o g r a p h i c a (Leipzig 1940), S. 113 f. Buch 1 d e r
G e o g r a p h i e ist hier §§ 1-119 vorgelegt S. 113 ff.
46
Ed. SCHNETZ 1. c ; vgl. hierzu RAYMOND BEAZLEY, T h e D a w n of M o d e r n G e o g r a p h y . A H i -
story of Exploration and G e o g r a p h i e Science 1 ( L o n d o n 1897 ) S. 303 ff.
47
M s . Brux. Bibl. Roy. 3 8 9 7 - 3 9 1 9 , eine H a n d s c h r i f t italienischer Provenienz, vgl. d a z u D E -
STOMBES (wie A n m . 3 6 ) sect. 25, 2 S. 48; K O N R A D MILLER, M a p p a e M u n d i 3 (Stuttgart 1895)
S.54 ff.
48
Ebd. fol. 53v. - Vgl. Abb. 1 (vgl. unten Tafel 27).
49
Vgl. BEAZLEY (wie A n m . 4 6 ) 2 (1901) S.632f. Zu G u i d o vgl. auch M A X M A N I T I U S , G e -
schichte d e r lateinischen Literatur des Mittelalters 3. H a n d b u c h d e r Altertumswissenschaft 9, 2,
3 ( M ü n c h e n 1931) S. 6 1 6 - 6 2 0 .
354 Studien zur Universalkartographie [135/136]

aus. Auch die Erdteile sind nicht durch Legenden unterstrichen. Auffällig ist
aber die ausgeprägte Hervorhebung des Horns von Afrika im Osten, wie
man diese später auf Karten arabischer und ptolemäischer Art beobachten
kann. Das Paradies läßt sich aufgrund der durch Legenden bezeichneten vier
Flüsse lokalisieren. Jerusalem liegt östlich von dem ins Meer fallenden Kar-
tenzentrum und ist eigens benannt. Sonst beschränkt Guido sich weitgehend
auf Ländernamen, an Städten kennt er nur Babylon, Troia, Konstantinopel,
Alexandreia, Karthago, Athen und Narbonne, an Flüssen nur den Rhein, an
Gebirgen die Riphäischen Berge und die Kaspische Pforte. Legenden wie
Bolgaria dürften jünger sein als der Geograph von Ravenna. Bei Gotia vel
Dacia bleibt offen, ob Dacia Dänemark oder Dakien sein soll.
Guido ist Kompilator. Der Schwerpunkt seines Interesses liegt im West-
mittelmeer. Er steht ganz in der römischen Tradition, könnte etwa die Karte
des Castorius benutzt haben, zumal er diesen im Bild in seinem Werk ver-
ewigt.50 Griechische oder arabische Einflüsse sind in seinem Werk nicht aus-
zumachen, sieht man einmal von der Afrika-Gestaltung ab. Er steht zwei-
felsfrei in der Tradition Augustin - Orosius - Isidor mit der Auffälligkeit,
daß er vom Wasserreichtum der Erde Kunde gehabt haben muß - will man
nicht malerische Gesichtspunkte für die Größe der Meere und Flüsse als ge-
wichtig annehmen.

3. Petrus Alfonsi (1110)

Nicht so sehr die Kreuzzugsbewegung als vielmehr die Begegnung von


Orient und Okzident im Spanien der reconquista ist es, die für die Frühscho-
lastik eine Brücke von der Wissenschaft der Griechen im Zeitalter des Helle-
nismus über Araber und ggf. Juden zum abendländischen Mittelalter schlägt.
Der traditionsgebundenen Karte Guidos sei daher eine Mappa Mundi aus
ganz anderem Geist gegenübergestellt, die des Petrus Alfonsi.51 Sie ent-
stammt griechisch-muselmanischer Tradition, denn es handelt sich um eine
Klimatenkarte, die älteste in lateinischer Sprache, die erhalten ist.52 Sie wur-
de von einem konvertierten Juden aus Huesca erstellt. Dieser hieß ursprüng-
lich Moses Sephardi und nannte sich nach dem Tagesheiligen seines Tauffe-

50
MILLER (wie Anm.47) S.54.
51
Ms. Paris BN Lat. 10722 fol.77; dazu DESTOMBES (wie Anm.36) sect. 25, 10 S.49. - Vgl.
Abb. 2.
52
Vgl. hierzu ERNST HONIGMANN, Die sieben Klimata und die Poleis episemoi. Eine Unter-
suchung zu Geschichte der Geographie und Astrologie im Altertum und Mittelalter, Heidelberg
1929.
[136/137] XVI. Gyrus und Spera 355

Petrus Alphonsi, Klimakarte zu den Dialogi (um 1110)


Skizze nach Ms. Paris BM Lat. 10722 fol. 77

stes Petrus, Alfonsi aber nach seinem Taufpaten König Alfons I. von Aragon.
Er lebte etwa 1062 bis 1140, war zuerst Leibarzt von König Alfons, später
von Heinrich I. von England. 53
Anläßlich seiner Konversion von seinen ehemaligen Glaubensbrüdern an-
gegriffen, tragen seine Schriften ausgeprägt apologetischen Charakter. Ins-
besondere die «Dialogi»54 verdeutlichen dies, ein Streitgespräch zwischen
dem Juden Moses und dem Christen Petrus. Am Beginn dieses Werkes ste-
hen kosmologische Erörterungen im Zusammenhang mit der Frage, wo man
Gott zu suchen habe, und hier ist auch von den fünf Zonen die Rede und
von den sieben Klimata, in die die Griechen die bewohnte Welt zu untertei-
len pflegten. Als ein Ort, der von beiden Polen gleichweit entfernt ist, er-

53
Vgl. J. VINCKE in LThK 8 (1963) Sp.332; MANITIUS (wie Anm.49) 3 S.274-277.
54
Ed. MIGNE PL 157 Sp. 535-672.
356 Studien zur Universalkartographie [137]

scheint Aren, d.i. Arym, nämlich am Beginn des ersten Klima bzw. am Ran-
de der bewohnten Welt, jedoch in der Mitte der Erdscheibe.
Geographisch bietet die Karte so gut wie nichts an Material. Sie ist in ara-
bischer Tradition gesüdet. Die untere, nördliche Hälfte der Erde ist in sieben
Klimagürtel eingeteilt, die jedoch nur gezählt, nicht durch Ortsnamen näher
bezeichnet sind.55
Die Klimata haben eine alte Tradition, die auf Eratosthenes, Hipparch,
Strabon, Marinos von Tyrus und Ptolemaios zurückgeht. 56 Die Ökumene ist
in sieben, bisweilen auch acht Abschnitte unterteilt, die nach bestimmten,
auf ihnen gelegenen Orten heißen und deren Grenzen sich daraus ergeben,
daß bei ihnen die Dauer des längsten Tages um jeweils eine halbe Stunde dif-
feriert. Petrus benennt diese kennzeichnenden Orte jedoch nicht, obwohl sie
der arabischen Wissenschaft sonst gewöhnlich durchaus vertraut waren. Daß
Petrus in arabischer Tradition wirkt, beweist ansonsten die Erwähnung von
Aren, hier als stattliche Festung eingezeichnet, die praktisch die Hälfte des
Erdkreises - der einen Durchmesser von 7,3 cm hat - südlich vom Äquator
füllt. Seit dem 9. Jahrhundert spielt dieser Ort in der Literatur der Moslems
eine Rolle, Zufluchtsstätte der Dämonen und Sitz des Iblys, des Teufels der
Moslems. Im Text der «Dialogi» 57 erscheint Aren freilich nur als gewisser-
maßen geometrischer Ort ohne besondere religiöse Symbolik, als solcher
war es gewöhnlich seit dem 11. Jahrhundert auch in der abendländischen Li-
teratur bekannt. Petrus tritt hier als Mittler arabischen Wissens auf, als Arzt
hatte er engsten Kontakt zu den Herrschern, denen er diente.
Lateinische Klimakarten sind denn auch nicht allzu häufig bekannt, fin-
den sich erst wieder bei Johann von Wallingford 58 und damit im Umkreis
der Hochburg englischer Historiographie, in St. Albans, wo man die Karte
des Petrus gekannt haben könnte. Außerdem sind Klimakarten von Ostchri-
sten wie Barhebraeus bezeugt, im 15. Jahrhundert tauchen sie im Rahmen
der Ptolemaios-Renaissance auch genordet bei Pierre d'Ailly auf.
Mit dieser Karte wird ein echtes Relikt griechischer Kartographie beige-
steuert. Es betrifft auch Fragen, denen sich Ptolemaios eingehend gewidmet
hat, denn außer der sogenannten «Geographie» hat er ein Werk Kanon epi-
semon poleon verfaßt.59 Nun wird man deshalb mitnichten bei Petrus auf

55
Zur Karte vgl. MILLER (wie Anm. 47) 3 S. 126f.; BEAZLEY (wie Anm.46) 2 S.575f. und 626 f.
56
Vgl. HONIGMANN (wie Anm. 52).
57
MIGNE PL 157 Sp. 544-548.
58
Vgl. Ms. BL London Cotton. lui. D. VII. fol. 46v; dazu ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN,
Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von Wallingford - ein Werk des Matthaeus Pari-
siensis? in: Festschrift Joseph Prinz, Westfalen 51 (1973) S.47-56 ( = o. S. 137-148).
59
Vgl. POLASCHEK (wie Anm. 1) Sp. 681-692 und HONIGMANN (wie Anm. 52).
[137/138] X V I . Gyrus und Spera 357

Ptolemaios-Benutzung schließen dürfen, dazu sind die Aussagen bei Petrus


viel zu ungenau. Ptolemaios war dem lateinischen Mittelalter nur schemen-
haft bekannt, allenfalls kannte man ihn als einen Weisen und verwechselte
ihn mit ägyptischen Königen gleichen Namens. Daß Petrus Alfonsi große
Wirkung hatte, ist für die «Dialogi» kaum zu beweisen. Man kennt rund 20
Handschriften des Werkes, zumeist aus dem Umkreis von Paris, 60 doch ist
die Karte nur im vorliegenden Falle bezeugt. Letztlich handelt es sich doch
um eines der raren Zeugnisse, wo ein mittelalterlicher Christ, gebildet in ei-
nem fremden Kulturkreis, zum Mittler griechischer Weisheit wird.

4. Heinrich von Mainz (1110) und die Schule von Chartres

Isidors «Etymologiae» beherrschen als das universale Handbuch der Allge-


meinbildung das 7. bis 11. Jahrhundert nahezu ausschließlich. Ehe es im 13.
Jahrhundert zur Blütezeit der umfangreichen Summenliteratur kommt, ist
im Zusammenhang mit der Bedeutung der Stiftsschulen voruniversitärer Zeit
vielfach eine neuerliche Bearbeitung der Schulliteratur zu beobachten. Ein-
flüsse des muselmanischen Spanien sind verschiedentlich in der Frühschola-
stik zu vermerken, auch präsentiert man den Stoff gern nach allegorischen
Gesichtspunkten. Einer der erfolgreichsten Handbuchautoren dieser Art ist
der als Person mystifizierte Honorius Augustodunensis, der vielleicht insula-
rer Herkunft ist und jedenfalls über längere Zeit im Raum Regensburg nach-
gewiesen werden kann. 61 Seine Schrift «De Imagine Mundi», eine historisch-
naturwissenschaftliche Enzyklopädie knappen Umfangs, begründet ebenso
wie andere Kompendien seine außerordentliche Verbreitung auf dem Bü-
chermarkt: Teil 1 bietet einen Abriß der Geographie und Astronomie, Teil 2
der Komputistik und Teil 3 eine Weltchronik. 62 Zeitlich ist Honorius unter
Kaiser Heinrich V (1106-1125) einzuordnen. Die Imago, in verschiedenen
Handschriften Abt Christian von Sankt-Jakob in Regensburg (1133-1153)
gewidmet, geht in ihrer Abfassungszeit bereits in die Zeit der Eheschließung
Heinrichs V. und der Mathilde von England um 1110 zurück. 63

60
Vgl. MANITIUS (wie Anm. 49) 3 S. 276.
61
Zuletzt zusammenfassend über ihn HARTMUT FREYTAG in Verfasser-Lexikon 4 (1982)
Sp. 122-132 mit reichhaltiger Bibliographie.
62
Ed. MIGNE PL 172 Sp.115-188; Neuedition wird von VALERIE I.J. FLINT vorbereitet.
63
Zur Handschrift Cambridge, Corpus Christi College 66 vgl. u.a. MILLER (wie Anm.47) 3
S. 21 : der Text ist von Honorius !
358 Studien zur Universalkartographie [138/139]

Zu Beginn charakterisiert Honorius die Erde als runden Ball, d. h. als Ku-
gel, 64 und vergleicht sie mit dem Ei, wobei die Schale dem Himmel, das Ei-
weiß dem reinen Äther, das Eigelb dem bewegten Äther und der Fetttropfen
der Erdkugel darin entspricht, ein Bild, das aus der Literatur der Araber be-
kannt ist.65 Es findet sich entsprechend ungefähr zur gleichen Zeit bei Wil-
helm von Conches (ca. 1080-1154), einem Vertreter der Schule von Chartres
und eifrigen Verfechter der Anschauungen des Macrobius, die er u. a. bereits
in seinem Frühwerk «De Philosophia Mundi» vor 112466 bezeugt: hier wer-
den Vorstellungen arabischer Kosmologie greifbar. In derselben Zeit erlebt
auch die Zonenkarte des Macrobius, die ein ausgesprochenes Relikt griechi-
scher Geographie ist, eine wahre Renaissance, 67 und die Karten, die Wil-
helm schuf, variieren dieses Weltbild mannigfaltig.68
Wäre von Honorius selbst eine Karte erhalten, man dürfte sie wohl als Zo-
nenkarte erwarten. Nun gibt es zur Imago eine detaillierte Ökumene-Karte
aus der Feder des Heinrich von Mainz, eines Kanonikers, der unabhängig
vom Text gezeichnet hat, sich vielmehr streng an die biblischen Angaben
hält, ferner vielleicht an die Karten des Hieronymus oder deren Vorlagen.
Heinrich steht mithin als Kartenzeichner nicht in der griechischen Traditi-
on. 69 Wer sich hinter der Person des Zeichners verbirgt, ist auch nicht ganz
klar: möglicherweise ist dieser identisch mit Heinrich aus der Familie der
Grafen von Wartburg, der 1142-1153 Erzbischof von Mainz war und im
Jahr seines Todes wegen treuer Weifengefolgschaft abgesetzt wurde. Dieser
Heinrich war zuvor Lehrer bei Heinrich, Sohn König Konrads III., gewe-
sen.
Die Karte mißt 29,5 x 20,5 cm und ist oval. In ihren Ecken stehen bzw. lie-
gen an Stelle der Winde Engel. Der Kodex trägt den Besitzvermerk Liber S.
Mariae de Salleia. Die Anlage ist nicht sehr von der Guidos verschieden, nur
erhält das Wasser weniger Raum. Europa ist nach Süden hin vergrößert. Der
Nil kommt - wie übrigens auch bei Guido - aus dem Südosten, so daß das T
der Gewässer nach rechts verschoben wirkt. Ganz oben im äußersten Osten

64
I, 1 ed. MIGNE PL 172 Sp. 121.
65
Vgl. KONRAD MILLER, Mappae Arabicae 1 (Stuttgart 1926) S. 53 zu IdrTsT.
" IV, 1 u.a., ed. MIGNE PL 172 Sp.85.
67
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 36) sect. 21 S.43ff.: 41 Stück gegenüber 16 Stück aus dem 11.
Jahrhundert.
68
Ebd. sect. 39-42 S.96ff.: 9 Exemplare aus dem 12., 38 aus dem 13., 16 aus dem 14. und 6
aus demi 5. Jahrhundert.
69
Die Handschrift 66 des Corpus-Christi-College in Cambridge ist teils im 12., teils im 13.
Jahrhundert geschrieben. Der Kodex der Imago stammt aus dem Kloster Sawley in Yorkshire,
Vorlage ist ein Kodex von 1110; vgl. dazu MANITIUS (wie Anm. 49) 3 S. 371. - Vgl. Abb. 3 (vgl.
unten Tafel 18).
[139/140] XVI. Gyrus und Spera 359

zeigt sich eine als Paradies bezeichnete Insel, durchflössen von den vier cha-
rakteristischen Flüssen. Jerusalem hat seinen Platz oberhalb der Kartenmitte
in Asien nahe der Küste des östlichen Mittelmeeres, es ist zudem eine Spur
nach Süden verdrängt. Im Zentrum des Ovals - diese Form ist bedingt durch
das Buchformat - findet sich Cyclades insule laut Inschrift, eine große Insel,
umgeben von zwölf kleinen Eilanden: offenbar ist auf Delos und sein Apol-
lon-Heiligtum angespielt, ein Relikt klassischer Frömmigkeit der Griechen.
Das Namenmaterial, insbesondere das von Siedlungen, ist umfangreich,
229 Legenden weist die Karte auf, weitaus mehr Namen, als Honorius bei-
steuert. Heinrich hat hier selbständig gestaltet bzw. sich einer Vorlage be-
dient, die besonders exakt auf Siedlungen in Europa sowie auf biblisches
Namengut einging.70 So finden sich im Heiligen Land Jerusalem, Jericho,
Bethlehem, Damaskus, Antiocheia, Tyrus, Sidon, Caesarea, Askalon und
Bersabee, dazu die zwölf Stämme Israels verzeichnet, .in Zentral- und West-
europa Angers, Poitiers, Paris, Rouen, Köln, Mainz, Rom und Pisa. Hier
zeigt die Karte entschieden eigenständige Ansätze, geht über das Material
der 100 Jahre älteren Cottoniana erheblich hinaus. 71
Der englischen Forschung 72 fiel zudem die enge Beziehung zur Karte in
der Kathedrale von Hereford auf, man schloß daher gern auf eine gemeinsa-
me Vorlage, da eine direkte Benutzung nicht allzu wahrscheinlich ist, ebenso
wurde immer wieder auf die Ähnlichkeit mit den beiden gleichfalls aus Eng-
land erhaltenen Hieronymus-Karten hingewiesen.
Die Karte des Heinrich von Mainz steht mithin in griechischer Tradition
lediglich hinsichtlich der Betonung von Delos, nicht aber in ihrer Beziehung
zur hellenistischen Naturwissenschaft. Ihr im Grunde konventionelles Bild
ist nicht von den Arabern beeinflußt, sondern von den Kirchenvätern - im
Gegensatz zum Text des Honorius: Heinrich hat sich gehütet, die überkom-
mene pictura zu verändern. Der Symbolismus des 12. Jahrhunderts, nicht die
Frühscholastik prägen diese Karte. Zukunftsweisend ist lediglich die sorgsa-
mere Gestaltung von Nordeuropa.

70
MILLER (wie Anm. 47) 3 S. 23 ff.
71
Vgl. ebenda S. 29 ff.
72
Vgl. W. L. BEVAN and H. W. PHILLOTT, Mediaeval Geography. An Essay in Illustration of
the Hereford Mappa Mundi (London 1873, Repr. Amsterdam 1969) S. XXXVI-XXXIX und
BEAZLEY (wie Anm.46) 2 S. 563-566 und 614-617, vgl. auch MANITIUS (wie Anm.47) 3 S.23ff.
mit Nachweisen.
360 Studien zur Universalkartographie [140]

5. Lambert von Saint-Omer (um 1112-1115)

Neben Honorius schuf im 2. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts auch der Kano-
niker Lambert von Saint-Omer einen der reizvollsten, lebendigsten und
künstlerisch aussagekräftigsten Miniaturenbände der romanischen Epoche
schlechthin, die Bilderenzyklopädie «Liber Floridus». 73 Sorgfältige kodiko-
logische Untersuchungen 74 haben die Entstehung auf die Zeit 1112-1121
eingegrenzt, wobei die geographischen und kartographischen Partien zu den
frühesten Teilen gehören, die in die Zeit 1112 bis 1115 datiert werden.
Das Autograph des «Liber Floridus» - es sind insgesamt elf Exemplare des
Werkes erhalten 75 - enthielt neun Welt- bzw. Himmelskarten, doch fehlt
heute die ausgefeilteste der drei hemisphärischen Weltkarten in der Genter
Handschrift, weshalb im folgenden die Abschrift vom Ende des 12. Jahrhun-
derts aus Wolfenbüttel zugrundegelegt wird, so daß ein Vergleich die Beur-
teilung der Variationen gestattet. Vier Karten seien hier beachtet: da ist zu-
nächst die Augustus-Darstellung, auf der der Kaiser die Sphaira in der Hand
hält wie die Salierkaiser zu Lamberts Zeiten den Reichsapfel, und die Sphai-
ra erscheint im Bild als T-Karte. Als Umschrift liest man den Anfang des
Weihnachtsevangeliums, den man auch als Aufforderung zum Kartenzeich-
nen verstand.
Sodann liefert Lambert die Zonenkarte des Krates von Mallos gleich in
drei Ausführungen:
1. Spera Macrobii76 zeigt den vermeintlichen Lauf der Sonne um die Erde.
Gekennzeichnet sind die Solstitialpunkte sowie die heiße Zone, die vom
Äquatorial-Ozean durchschnitten zu denken ist. Die Karte ist in mittelalter-
licher Tradition geostet im Gegensatz zu den genordeten Darstellungen des
Krates. Man kann alle fünf Zonen gut erkennen. Die bewohnte Zone auf der
nördlichen Halbkugel hat im Osten zwei Halbinseln mit der Legende Insula,
die vielleicht für India steht. Eine Insula im Westen verkörpert offenbar die
Iberische Halbinsel.

73
Lamberti Sancti Audomari canonici Liber Floridus. Codex autographus Bibliothecae Uni-
versitatis Gandavensis, ed. ALBERT DEROLEZ (Gent 1968).
74
ALBERT DEROLEZ, Lambertus qui librum fecit. Een codicologische Studie van de Liber Flo-
ridus-Autograaf (Gent, Universiteitsbibliotheek, handschrift 92). Verhandelingen van de Ko-
ninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Künsten van Belgie, Klasse der
Letteren. Jaargang XL, 1978, N° 89 (Brüssel 1978).
75
Vgl. DESTOMBES (wie Anm. 36) sect. 43 S. 111 ff.
76
Ms. Guelf. 1 Gud. Lat. fol. 16v.
[140/141] X V I . Gyrus und Spera 361

2. Globus Terre77 nennt Lambert eine sorgfältigere Ausführung desselben


Kartentyps. Diesmal ist das Äquatorialmeer merkwürdigerweise als Mare
Mediterraneum identifiziert; außerdem gibt es innerhalb der bewohnten Welt
ein T der Gewässer. Im äußersten Osten kann man die Halbinsel India zwi-
schen Kaspischem und Indischem Meer ausmachen, nördlich vom Kaspi-
schen Meer sind Gog und Magog eingetragen. Von Asien ist sonst nur Baby-
lon benannt, von Afrika Libya, der Atlas, von Europa Rom, Spanien, Calpe
(Gibraltar) und Gades (Cadiz).
3. Martianus Capella endlich wird als Autor für die dritte Karte in An-
spruch genommen, 78 und vieles spricht dafür, daß es sich hier um eine heid-
nische Karte der Spätantike handelt, an der kaum modernisiert worden ist.
Die unbewohnbaren Zonen sind nahezu getilgt, in der südlichen bewohnba-
ren Zone findet sich eine große Legende zur Beschaffenheit dieses Raumes,
in den niemand gelangen könne; auch herrsche dort eine andere Jahreszeit
und ein anderer Sternenhimmel, man vermute dort die Antipoden - richtiger
wäre von Antöken die Rede. In der nördlichen bewohnbaren Zone ist wie-
derum das T der Meere und Flüsse kenntlich. Dem Paradies als Insel im äu-
ßersten Osten entspricht im Westen eine Antipoden-Insel, die von der Öku-
mene abweichende Tageszeiten hat, mithin eigentlich auf die Periöken an-
spielt: hier findet sich eine Andeutung, daß der Planiglob eine Rückseite hat.
Die Nomenklatur ist ausgesprochen antik, nennt römische Provinznamen,
kaum christliche Plätze, wenig Städte, zeigt keine mittelalterlichen Bezüge.
Wo Heinrich von Mainz ganz die christliche Tradition illustriert, bietet
Lambert das möglicherweise unveränderte antike Bild in seiner Enzyklopä-
die, das er bei Martianus vorfand. 79 Griechisch ist hier das Weltbild der pic-
tura, nicht eigentlich die Anschauung Lamberts: fast paßt sein Bild besser zu
Honorius' Text.

6. Die sogenannte Oxford-Karte von 1110

Als letzte, auffallendste und widersprüchlichste Karte aus der Zeit des Er-
sten Kreuzzugs soll die in dem Oxforder Misch-Kodex Nr. 17 des S. John's
College überlieferte Imago Mundi betrachtet werden. Das enzyklopädische
Sammelwerk dieser Handschrift wird auf 1110 - daher der Name der Karte -,

77
L. c. fol.59v/60r.
78
L. c. fol. 69v/70r. - Vgl. 4 (vgl. unten Tafel 25).
79
RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Martianus Capella, in: Mnemosyne III, 3 (1935/36)
S. 97-124; ANNA-DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie
des Mittelalters, in: Archiv f. Kulturgeschichte 58 (1976) S. 77-95, hier S. 91 f.
362 Studien zur Universalkartographie [141/142]

neuerdings auch auf ca. 1090 datiert und hat seinen Schwerpunkt im kom-
putistischen Bereich.80 Ziemlich zu Beginn81 stößt man auf die Karte, die
auffällig viele Ungereimtheiten enthält, auch stets Interesse erregte, weil auf
ihr Jerusalem erstmals de facto den Mittelpunkt einer Karte einnimmt.82
Die Forderung nach der Zentralstellung für Jerusalem findet sich in der
Bibel, u.a. beim Propheten Ezechiel im 5. Kapitel Vers 5: Ista est Ierusalem,
in medio gentium posui earn, et in circuitu eius terras. Hier ist im Sprachge-
brauch der Vulgata Jerusalem Mittelpunkt einer Scheibe der Erde und der
Menschheit. Der Kirchenvater Hieronymus 83 hat die entsprechenden
Schlüsse in seinem Kommentar zu Ezechiel geäußert; Jerusalem war ihm Na-
bel der Welt, medium mundi, von dem aus gesehen Asien im Osten, Europa
im Westen, Afrika und Libyen im Süden, Skythien, Armenien, Persien und
Pontus im Norden liegen sollten. Von hier sollte das Gotteslob seinen Aus-
gang nehmen.
Obwohl Hieronymus eine wichtige Autorität für die Palästina-Kenntnisse
im Westen war, ließ man sich Zeit, Jerusalem in der Kartographie angemes-
sen zu placieren. Das erste Jahrtausend zeichnet die Ökumene mehr roma-
zentrisch. Erst der Erste Kreuzzug scheint einen Wandel eingeleitet zu ha-
ben, denn nun wird das Heilige Land wieder zu einer Realität.
Für den Kartenzeichner konkurrieren allerdings jetzt zwei Vorschriften,
die sich nur schwerlich in Einklang bringen lassen: wenn nämlich die drei
Kontinente von einem T der Gewässer begrenzt sind, fällt der Mittelpunkt
und damit das Zentrum der Scheibe ins Wasser, in den Schnittpunkt von T-
Balken und T-Schaft. Andererseits ist das Zentrum als Stadt Jerusalem be-
zeugt. Im 13. Jahrhundert hat man das T einfach nach Westen verrückt, etwa
auf der Ebstorfer Weltkarte, auf der Karte von Hereford oder auf der Psal-
ter-Karte von London: das bedeutet geringe Vergrößerung von Asien.

80
Vgl. HENRY O. COXE, Catalogus Codicum Manuscriptorum, qui in collegiis aulisque Oxo-
niensibus hodie adservantur, Pars 2 (Oxford 1852) S. 5 ff., Datierung nach fol. 3 v; neuere Datie-
rung vgl. bei C. M. KAUFFMANN, Romanesque Manuscripts 1066-1190. A Survey of Manuscripts
illuminated in the British Isles 3 (London 1975) S. 56f.; vgl. hierzu inzwischen auch ANNA-DO-
ROTHEE v. DEN BRINCKEN, Mundus figura rotunda, in: Ornamenta Ecclesiae. Kunst und Künstler
der Romanik. Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums 1 (Köln 1985) S. 98-106.
81
Ms. Oxford S. John's College 17 fol. 6; vgl. dazu DESTOMBES, (wie Anm. 36) sect. 25,8
S.48. Vgl. Abb. 5 (vgl. unten Tafel 19).
82
Vgl. BEVAN and PHILLOTT (wie Anm. 72) S. XXXVI; BEAZLEY (wie Anm.46) 2 S.578.
83
Ed. Migne PL 25 Sp.52: Jerusalem in medio mundi sitam ... umbilicum terrae earn esse de-
monstrans ... Operatus est... salutem in medio terrae ...In medio igitur gentium posita est ut qui
erat notus in Judaea Deus, et in Israel magnum nomen eius, omnes in circuitu nationes illius seque-
rentur exempla ...
[142] XVI. Gyrus und Spera 363

Der Zeichner der Oxford-Karte hält sich strikt an beide Aussagen: Jerusa-
lem ist bei ihm Zentrum, und dieses fällt in den Schnittpunkt des T, es ist
folglich eine Insel im östlichen Mittelmeer. Die blinde Autoritätsgläubigkeit
des Zeichners hat bei ihm offenbar keinerlei Zweifel aufkommen lassen,
denn Kirchenväter wie Hieronymus und Augustin waren in ihren Aussagen
verbindlich. Im übrigen hat der Kartograph mit Zirkel und Lineal operiert
und so Konturen eingezeichnet, die nicht das geringste mit der Wirklichkeit
zu tun haben.
Daß religiöse Zentren den Mittelpunkt von Weltkarten bilden, ist ein ural-
ter und in vielen Kulturen üblicher Brauch. Bei den Griechen spielt Delos
oder Delphi diese Rolle, bei den Skandinaviern Asgard, bei den Hindu der
Götterberg Mera, bei den Babyloniern Nippur, bei den Arabern Mekka
oder Arym, bei den Azteken Tollan, bei den Persern Gandjak, bei den Tür-
ken Balasaghun.
An der Oxford-Karte von 1110 ist jedoch nicht nur die Position Jerusa-
lems auffällig, auch andere Eigenheiten treten in Erscheinung. So werden die
Himmelsrichtungen griechisch und lateinisch bezeichnet:84 Anathole vel
Oriens vel Eoi, Mesembrios vel Meridies vel Auster, Disis vel Occidens vel Oc-
casus, Arcton vel Septentrio. Die griechische Schrift beherrscht der Zeichner
nicht, er gibt die Worte in lateinischer Umschrift wieder. Spuren griechischer
Sprachkenntnisse sind damals eine Rarität, sie könnten auf den Kreuzzügen
angeeignet sein.
Ebenso wie die Legenden für die Himmelsrichtungen finden sich außer-
halb des Erdkreises noch weitere Eintragungen, die z. T. in den die Erde
umgebenden Weltenozean hineinragen, so links oben - d.i. im Nordosten -
die Britischen Inseln Thile, Hibernia und Britannia, Athen und Konstantino-
pel gegenüber gelegen, rechts oben - d. i. im Südosten - Maior (seil. Asia) ha-
bet in Oriente Alexandriam Pamphiliam: bei einer genordeten Scheibe träfen
diese Außenpositionen einigermaßen zu.
Im übrigen wirkt die geostete Scheibe wie waagrecht in Segmente zerlegt,
die eine Lektüre in Abschnitten von oben nach unten erlauben: Obere
Hälfte:
Asia Maior
Quod sunt septuaginta due gentes orte (Ausgangspunkt der Sprachverwir-
rung in der Genesis), südlich davon Achaia ubi Sanctus Andreas (entspricht
dem Brauch der Beatus-Karten);
De Sem gentes XXVII. Dejafeth [gentes XV];

84
MILLER (wie Anm. 47) 3 S. 118.
364 Studien zur Universalkartographie [142/143]

Asia Minor, Constantinopolis, Effesus: Sanctus Johannes predicavit, Cilicia,


Cesarla: hie Petrus predicavit, Armenia gentes XXXIII, Archa Noe, Eufrates flu-
vius, Mesopotamia, Babilonia, Caldea;
Athenas: hie Paulus predicavit, Nazareth, Äser, Dan, Efraim, Jordanis fluvius,
Neptalim, Zàbulon, Manases, Isachar, Galilea, civitas refugii, lericho (letzteres
wie Efraim und Zàbulon schon auf dem T-Balken)
(auf dem T-Balken) Hierusalem, crux Christi, (im Schaft darunter) Mons
Syon; Linkes unteres Viertel:
Terra Macedonum;
Campania;
Italia;
Roma;
Tiberis fluvius;
Tuscia, Mons Ethna;
Sicilia;
Kartago Magna;
(Eine Vignette) Europa (liegt quer über Europa und Afrika).
Rechtes unteres Viertel:
Terra Iuda, Palestina, Cartago;
De Cham gentes XXX;
Affiica.
Insbesondere die Konfusion in Asien ist natürlich der Forschung seit lan-
gem aufgefallen; Frage war nur, ob es sich um Absicht oder nur um Ab-
schreibfehler handelt, 85 wenn Achaia im Südosten, Athen und Konstantino-
pel in Nordasien lokalisiert sind, während in Europa Kartago Magna im
Nordwesten stutzig werden läßt. Als Erklärang sei vorgeschlagen, daß der
Zeichner vielleicht eine genordete Karte der Griechen im Sinne hatte. Damit
würden sich viele unerwartete Lokalisationen begründen lassen, Legenden
wie Constantinopolis, Athenas, Britannia, Hibernia, Thile, Asia Minor, Effesus,
Cilicia, Armenia, Archa Noe, Eufrates, Mesopotamia, Babilonia, Caldea, end-
lich auch Kartago Magna links unten. Nicht verständlich machen kann diese
Hypothese das Achaia, das vielleicht für India steht. Generell sind Europa
und Afrika dem Zeichner besser gelungen als Asien.
Griechische Elemente der Kartenvorlage könnten mithin viele Fehler er-
klären. Die Hervorhebung Jerusalems aber scheint doch ein Gedanke der la-
teinischen Patristik: Kreuz Christi und Berg Zion sind zudem typische Sym-
bole der Kreuzzugszeit. Die enge Beziehung zur Heiligen Schrift hat die
Oxford-Karte mit der gleichzeitigen Darstellung des Heinrich von Mainz

85
Le, S. 120.
[143/144] XVI. Gyrus und Spera 365

gemeinsam, auch dort erscheinen - sogar vollständig! - die zwölf Stämme Is-
raels. Bei der Wirksamkeit der Apostel an allen Weltenden sind nur vier be-
rücksichtigt. Der Hinweis auf 33 Stämme in Armenien kann Orosius 86 ent-
nommen sein, der 34 Stämme im Kaukasus kennt, desgleichen kann von die-
sem Autor der Gedanke stammen, daß Afrika bei einer Zweiteilung der Erde
Europa zuzurechnen sei.87 Biblisch ist schließlich auch der Begriff der civitas
refugii,ss deren sechs im Alten Testament bezeugt sind. Mithin ist das Mate-
rial dieser Weltkarte von 17 cm Durchmesser ziemlich reichhaltig, wenn
auch durchwegs flüchtig dargeboten.
Bemerkenswert ist endlich, daß das irdische Paradies nicht lokalisiert ist;
ebensowenig haben Monstren und Orte der Sagen Platz, vielmehr läßt sich
ein Bezug zur eigenen Zeit beobachten. Das spricht in der Tat für einen en-
gen Bezug der Karte zur Kreuzzugsepoche und läßt die Benutzung einer by-
zantinischen Vorlage nicht ausgeschlossen erscheinen: trotz mangelnder
Perfektion kommen hier lateinische und griechische Kenntnisse passend zu-
sammen. Die Oxford-Karte bildet auch einen Gegenpol zur heidnischen
Karte des Petrus Alfonsi.

Summary

The symbolism of the 12th Century promoted an allegorical representation


of the world in western cartography. Survey was neither known nor wanted.
With regard to this characteristic feature the medieval Latin map of T-O-
type was diametrically opposite to the school of Ptolemy. Rather it was
signed by the testimony of the Bible and its interpretation by the Fathers of
the Church, besides by the knowledge of classical antiquity, that means in
Latin world by the road map of the Roman empire as model.
Though the work of Ptolemy was not known in western middle ages be-
fore 1410, there might be no doubt, that elements of Greek geography sur-
vived during the whole period. They can be observed for instance in the type
of the so-called map of zones and the map of climates, which both are
founded in the comprehension of the earth as a spherical structure. The term
gyrus like orbis marks the circle of earth in the Scripture, while spera is a
transformation of the Greek word sphaira. Both allude to the shape of earth.
With regard to the old authorities medieval cartographers were not allowed

86
Adversum paganos I, 2 § 50, ed. KARL ZANGEMEISTER CSEL 5 (1882, auch Leipzig 1889)
S.9; vgl. Geogr. Ravennas ed. SCHNETZ (wie Anm.45) S.22ff.
87
Oros. I, 2 § 1 ed. ZANGEMEISTER (1889) S.5.
88
Nura. 35, 11-15: drei diesseits und drei jenseits des Jordans.
366 Studien zur Universalkartographie [144]

to create new representations nor introduce variations, because their aim


was not the exact reproduction but a sketch of the order of the world.
Five examples of the second decade of the 12th Century, a fertile time with
regard to cartographical products, may demonstrate the different forms of
the imago mundi:
1. In 1118 Guido of Pisa represents the old western tradition of an or-
iented T-O-map in the conventional way.
2. The converted Spanish Jew Petrus Alfonsi is the first to transfer the
Greek map of climates from oriental sources to the Latins in 1110.
3. In the same year the canon Henry of Mainz enlarges the written «Imago
Mundi» of Honorius Augustodunensis by a painted map, which is not based
on the ideas of Honorius, but on his own.
4. Lambert of Saint-Omer, the famous author of the «Liber Floridus»,
traces different sorts of maps of zones in hemispheric type between 1112 and
1115.
5. The scholar, who first places Jerusalem in the centre of the picture, is
the painter of the miscellaneous codex 17 of the College of St. John at Ox-
ford ca. 1090-1110. In his map there are to be found different and striking
Graecisms, which make this map subject of special interest.
In every case the cartography of the 12th Century, though typically Latin,
conserves many traces of Hellenistic thought.
XVII. Christen im Orient auf abendländischen Karten
des 11. bis H.Jahrhunderts

1. Der Orient im christlichen Weltbild der Lateiner

Die christliche Weltkarte des abendländischen Mittelalters war nahezu stets


geostet.1 Eine verwandte Ausrichtung des Weltbildes ist z.B. aus alttürki-
scher Sicht (al-Käsgäri um 1076),2 aber auch aus altamerikanischem Ver-
ständnis 3 bekannt. Die Ursache hierfür dürften kosmologische Gesichts-
punkte sein:4 Im Osten geht die Sonne auf, aus dieser Himmelsrichtung er-
wartet man Licht und Wärme, Neuanfang des Tages. Im Osten liegt nach
Genesis 2, Vers 85 das Paradies; dort nahm die Menschheit ihren Anfang,
dorthin fuhr Christus gen Himmel, und von dort wird er bei seiner Parusie
wiedererwartet. Für die Lateiner liegt der Schauplatz der Heilsgeschichte,
das Heilige Land, zugleich der Weltmittelpunkt, 6 im Osten. Jenseits vom
Zentrum erstreckt sich der Orient bis nach Indien, bis in das Land, das Alex-
ander der Große als äußersten Zipfel der Erde erreichte. Von Osten nach
Westen wandern in mittelalterlicher Vorstellung die Weltreiche und die Wis-
senschaft; das Christentum kommt aus dem Orient und endlich auch das
Mönchtum. 7

1
Zur mittelalterlichen Kartographie jüngst zusammenfassend und aus führlich: J.-G. ARENT-
ZEN, Imago Mundi Cartographica. Studien zur Bildlichkeit mittelalterlicher Welt- und Ökume-
nekarten unter besonderer Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Text und Bild, Mün-
chen.1984 (Münstersche Mittelalter-Schriften 53); A.-D. VON DEN BRINCKEN, Kartographische
Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten, Turnhout 1988 (Typologie des Sources du Moyen-
Äge occidental Fase. 51.)
2
Vgl. A. HERRMANN, Die älteste türkische Weltkarte, in: Imago Mundi 1 (1935), S.21 ff. mit
Abb. - Abb. auch bei L. BAGROW und R. A. SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin 1963, Ta-
fel XXVIII, S. 354 bzw. J. G LEITHÄUSER, Mappae Mundi, Berlin 1958, S. 104.
3
Vgl. E. GUZMAN, The Art ofthe Map-Making among the Ancient Mexicans, in: Imago
Mundi 3 (1939), S. 1 ff. Abb. bei BAGROW/SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin 1963, Ta-
fel III, S. 329 und LEITHÄUSER, Mappae Mundi, Berlin 1958, S. 18 f.
4
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und chronographia. Studien zur imago mundi des
abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 24 (1968),
S. 118ff. (= o.S. 17-81), besonders S.175ff.(= o. S.70ff.).
5
Hebräisch lautet es miqqedem, lateinisch in principio.
6
Ezech. 5,5; vgl. dazu den Kommentar des Hieronymus. Ed. MIGNE, Patrologia Latina 25,
Sp.52.
7
Vgl. z.B. Otto von Freising, Chronica sive historia de duabus civitatibus, ed. A. HOFMEI-
368 Studien zur Universalkartographie [91/92]

Das lateinische Mittelalter war mithin ausgesprochen ost-gerichtet,


,orientiert'; das Wort kommt aus dem Italienischen und bedeutet ursprüng-
lich die Ausrichtung der Segel nach dem Wind. 8 Der abendländische Christ
sucht dann darüber hinaus Jerusalem wie Paradies, irdische wie himmlische
Vollendung im Osten.
Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß die abend-
ländische Karte des Mittelalters ein Weltbild zu fixieren bemüht ist, nicht
aber praktischen Zwecken dienen will. Sie unterrichtet über Plätze des Welt-
und vor allem Heilsgeschehens und ihre Lage zueinander, auch vermeldet sie
als Geschichtskarte Orte aus allen Epochen, projiziert gewissermaßen das
Geschehen unter Ausklammerung der Zeitkomponente auf das Pergament-
blatt. Raum und Zeit sind endlich verstanden und grundsätzlich begrenzt
dargestellt.

2. Die biblisch-patristische Tradition: Hieronymus

Christus war Orientale. Schon das Neue Testament bezeugt daher in Apo-
stelgeschichte, Episteln und Apokalypse Christen im Orient. Eusebios von
Kaisareia hat sich bereits in seinem «Onomastikon» mit Namengut und Geo-
graphie des heiligen Landes und des Orients befaßt. Seine Untersuchungen
wurden den Lateinern durch den Kirchenvater Hieronymus zugänglich ge-
macht, insbesondere durch die Schrift «De situ et nominibus locorum He-
braicorum». 9
Hierzu sind zwei dem Hieronymus zugeschriebene mittelalterliche Karten
überliefert, allerdings erst in einer englischen Handschrift des 12. Jahrhun-
derts; 10 sie bieten das Heilige Land (das in dieser Untersuchung ausgeklam-
mert bleibt) sowie den Orient. Beide Karten sind ganz offensichtlich durch
die Kreuzzüge wieder in das Interesse der Lateiner gerückt und daher viel-
leicht nach Vorlagen des Kirchenvaters selbst gestaltet worden, allerdings
mit Zutaten späterer Zeiten angereichert."
Die Orientkarte ist vermutlich Teil einer Weltkarte; sie ist geostet und
zeigt Kleinasien, Mesopotamien, Skythien, Parthien, Persien und Indien,

STER, in: Mon. Germ. Hist. Script, in usum schob (1912), Prolog an Isingrim, S. 8; Prolog lib. V,
S.227;lib.VII.35, S.372.
8
H. NISSEN, Orientation, Berlin 1906 (Studien zur Geschichte der Religion. I) S. 15.
5
Ed. MIGNE, Patr. Lat. 23, Sp.903ff.
10
MS London Brit. Libr. Add. 10049 fol. 64 und 64v; vgl. dazu insbes. K. MILLER, Mappae
Mundi 3, Stuttgart 1895, S. 1 ff. und Tafeln im Anhang.
11
Vgl. MILLER, Mappae Mundi 3, S.4.
[92/93] XVII. Christen im Orient auf abendländischen Karten 369

auch Teile der Balkanhalbinsel. Das verwendete biblische Namengut ist gro-
ßenteils alttestamentlich, von Gog gentes über arca Noe mit Armenie pile u.a.
über Orte in Kleinasien aus dem Neuen Testament bis hin zu Babylon. Ein
spezifisches Interesse an der Christenheit des Ostens läßt sich in der lateini-
schen Patristik noch nicht ausmachen, denn die Christenheit wird - unbe-
schadet der Tendenz zur Bildung von Nationalkirchen - generell als Einheit
verstanden.

3. D e r Missionsaspekt im frühen Mittelalter. Beatus von Liébana

Illustrieren mittelalterliche Ökumene-Karten im Regelfall zumindest vor-


zugsweise historische Texte, so findet man sie vielfach auch im Zusammen-
hang mit den biblischen Geschichtsbüchern erhalten. Diese Beobachtung
trifft nur bedingt auf die Karte des Spaniers Beatus von Liébana (um 776/
786) zu, denn sie gehört zu einem Apokalypsen-Kommentar, 12 ist aber ge-
plant zum Kapitel von der Divisto Apostolorum, von der Aussendung der
zwölf Apostel, d.h. sie dient der Illustration eines historischen Vorgangs.
Vermutlich unter dem Einfluß des aufblühenden Jakobus-Kultes auf der Ibe-
rischen Halbinsel wünscht man eine Verdeutlichung der Wirkungsorte nicht
nur der europäischen Apostel wie Petras und Paulus in Rom, Philippus in
Gallien, Matthäus in Makedonien und Andreas in Achaia, 13 sondern zeigt
auch Thomas in Indien, Johannes in Kleinasien, Bartholomäus in Lykao-
nien, Simon Zelotes in Ägypten, Jakobus Alphäi, den Bruder des Herrn, in
Jerusalem, Matthias in Juda, während Judas Thaddäus an dieser Stelle nicht
aufgenommen ist.
Die Beatus-Karte aus Burgo de Osma 14 von 1086 (Ära 1124) hat die Aus-
sagen im Kartenbild detailliert festgehalten, Johannes allerdings in Assyrien
eingezeichnet. Nur diese mappa mundi ist neben derjenigen aus dem Kloster

12
Ed. H. A. SANDERS, Beati in Apocalipsin, Rom 1930 (Papers and Monographs of the Ame-
rican Academy in Rome 7 ), insbes. Prol. lib. 2, e. 3. über die Apostel, S. 113 ff. Beatus behandelt
neben Petrus und Paulus Andreas, Johannes, Jacobus Zebedaei, Jacobus Alphaei, Philippus,
Thomas, Bartholomaeus, Matthaeus, Simon Zelotes (Cananeus), Judas Jacobi, Judas Iscariotes,
Matthias, Marcus den Evangelisten, Lucas, Barnabas, den Sohn des Propheten.
13
Ebd. § 17, S. 116: adpraedicandum in mundo sortesproprias aeeeperunt, Petrus Roma, Andreas
Acaya, Thomas India, Iacobus Spania, Johannes Asia, Mattheus Macedonia, Filippus Gallias, Barto-
lomeus Licaonia, Simon Zelotes Aegyptum, Iacobus frater Domini Jerusalem ...; Matthias wird in
§ 15 in Juda bezeugt.
14
Vgl. M. DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200-1500, Amsterdam 1964 (Monumenta Car-
tographica Vetustioris Aevi 1), sect. 17,8, S.41; ed. K. MILLER, Mappae Mundi 1, Stuttgart
1895, S. 35 und Abb. Heft 2 (vgl. unten Tafel 14).
370 Studien zur Universalkartographie [93/94]

Ofia, überliefert in der Ambrosiana in Mailand, sowie einem Fragment aus


Lorväo (vor 1189)15 so exakt der ursprünglichen Anlage treu geblieben, ganz
offensichtlich, weil diese sich um 1100 und in der Folgezeit wieder mit dem
Interesse des Westens in der Kreuzzugszeit deckte. Die übrigen Beatus-Kar-
ten hatten der Apostel-Aussendung zwischenzeitlich keine Aufmerksamkeit
mehr entgegengebracht.

4. Weltweite Interessen im 13. Jahrhundert:


die Karten von Vercelli, Ebstorf sowie des Matthaeus Parisiensis

Die Weltkarten des 12. Jahrhunderts rücken Jerusalem und das Heilige Land
unter dem Einfluß der Kreuzzüge deutlicher in den Mittelpunkt. Die Spuren
orientalischer Missionare der Vergangenheit finden sich daher nach längerer
Pause wieder im Bild auf den Großkarten des 13. Jahrhunderts festgehalten;
vielleicht geschah dies bereits unter dem Einfluß der Mongolen-Invasion in
die bekannte Welt und in der Hoffnung auf Christen vom anderen Ende die-
ser Erde, die man für den Endkampf der Kreuzfahrer gegen die Moslems zu
gewinnen hoffte. Jedenfalls werden im 13. Jahrhundert gleich mehrfach Wir-
kungsstätten der Apostel im Orient auch auf Karten nachgewiesen.
Der Rotulus von Vercelli, eine zu Anfang unseres Jahrhunderts ent-
deckte Weltkarte auf der Rückseite einer Archivalienrolle des Kapitelsar-
chivs von Vercelli, hat in den noch heute entzifferbaren Teilen die meisten
Wirkungsstätten der Apostel im Orient in ähnlicher Weise bezeugt wie die
Beatus-Karte von Burgo de Osma: nicht nur Thomas ist in Indien, Johannes
an der Westküste von Kleinasien erwähnt, sondern auch Bartholomäus er-
scheint nördlich von der Arche Noe in Armenien, Philippus in Kappadokien
nordwestlich von der Arche sowie Simon und Juda südlich vom Turmbau zu
Babel und der Wüste Babylon in einem als Arabia bezeichneten Landstrich.
Stimmen die Plätze der beiden erstgenannten Apostel mit Beatus überein, so
wird Bartholomäus in nahezu allen Zonen des Nahen Ostens, Indiens und
Äthiopiens in christlicher Tradition gesucht, Philippus in Phrygien und Si-
mon Zelotes und Juda entsprechend dem Rotulus und abweichend von Bea-

15
Vgl. L. VAZQUEZ DE PARGA, Un mapa deconoscido de la serie de los „Beatos", in: Aetas del
simposio para el estudio de los Codices del „Comentario al Apocalipsis" de Beato de Liebana
1,1, Madrid 1978, S. 271-278. B. ROSEN, Aachen, bereitet eine Untersuchung über die Beatus-
Karten vor.
16
Der Erhaltungszustand des Originals im Archivio Capitolare di Vercelli erschwert die Ar-
beit. Hilfe bietet hier für das Gesamtbild die Wiedergabe bei Y. KAMAL, Monumenta Cartogra-
phica Africae et Aegypti 3, Kairo 1935, Tafel 997.
[94/95] XVII. Christen im Orient auf abendländischen Karten 371

tus in Babylon. Die Vercelli-Karte steht allerdings vielleicht in einer Beatus-


Tradition, die korrekter den literarisch verbreiteten Apostellegenden ent-
sprach. Die Datierung der Vercelli-Karte schwankt in der Meinung der For-
scher zwischen Anfang und Ende des Jahrhunderts.
Die bekanntere, heute im Original verlorene Ebstorfer Weltkarte 18 aus
der Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt wiederum das Grab des heiligen Tho-
mas in Indien, 19 während Johannes gar nicht erwähnt ist. Bartholomäus ist
hier desgleichen bei Hierapolis, aber bei einem Hierapolis in Mesopotamien
vermerkt, nördlich von der Arche Noe und insofern in Übereinstimmung mit
dem Rotulus von Vercelli;20 das Grab des Philippus erscheint in Kleinasien
westlich von der Arche Noe 21 in Kappadokien, also gleichfalls entsprechend
der Vercelli-Deutung. An Stelle von Simon und Juda vermeldet die Ebstorfer
Weltkarte in Mesopotamien 22 Matthäus. Mithin dürften die genannten Kar-
ten des 13. Jahrhundert aus einer gemeinsamen Quelle schöpfen, die nicht
mit der Burgo-de-Osma-Version des Beatus identisch ist.
Als einziger weiterer Kartograph des 13. Jahrhunderts, der sich für die Lo-
kalisierung der Missionsapostel interessiert, erscheint Matthaeus Parisiensis
mit einer Weltkarte, die etwa um 1250 anzusetzen und sicher von den ge-
nannten Karten unabhängig, da völlig anders konzipiert ist.23 Beide erhalte-
nen Handschriften seiner für Asien übrigens ausgesprochen dürftig ausgefal-
lenen Weltkarte vermelden einmal - übereinstimmend mit der Ebstorfer Kar-
te - in Armenien ein Ierapolis. Hie predicavit Philippus apostolus, d.h. etwa in
Mesopotamien, südlich vom Kaspischen Meer und östlich von Pamphylien.
Die Zeichnung für den Orient ist mehr als spärlich. Außerdem aber notieren
beide Ausführangen dieser Darstellung im Nordosten Sicia, ubi predicavit
Ph"s; Philippus soll demnach offenbar in Skythien tätig geworden sein. Diese

17
C. ERRERÀ, Un mappamondo medioevale sconosciuto nell'Archivio Capitolare di Vercelli,
in: Atti della R. Accademia delie Scienze di Torino. Classe di Scienze morali, storiche e filologi-
che 46, Turin 1910, S.8-11. C. F. CAPELLO, Il mappamondo medioevale di Vercelli (Nota preli-
minare), in: Atti del XVII. Congresso Geografico Italiano 4, Bari 1957, S. 577-585. DERS., Il
mappamondo medioevale di Vercelli (1191-1218?), Turin 1976 (Università di Torino, Memorie
e Studi Geografici. 10.).
18
Beste Reproduktion heute E. SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte. Hrsg. im Auftr. d.
Historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover 1891; Blattzählung nach dieser Ausgabe;
sehr übermalt bei K. MILLER, Mappae Mundi 5, Stuttgart 1896.
" SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte, Bl. 14.
20
SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte, B1.9.
21
SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte, B1.9.
22
SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte, Bl. 15.
23
Vgl. K. MILLER, Mappae Mundi 3, Stuttgart 1895, S.70-73; dazu R.VAUGHAN, Matthew
Paris. 1958 u.ö. (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought II, 6.), S. 235 ff., bes. S.241.
372 Studien z u r Universalkartographie [95/96]

letzte Aussage24 hat keine Vorbilder; die erste kann als Variante der Traditi-
on von Vercelli bzw. Ebstorf verstanden werden. Beatus in der Überlieferung
von Osma weicht auch hiervon ab. Mithin hat das 13. Jahrhundert gerade
für Kleinasien, Armenien und Mesopotamien Interesse an Apostelmissionen.
Die Berücksichtigung von Skythien läßt wiederum an die Mongolen denken,
denen Matthaeus in seiner Geschichtsschreibung besonderes Interesse entge-
genbrachte.
Eine Beziehung zu Beatus-Karten ist durchaus denkbar, nicht jedoch zu
denjenigen in der Fassung des Bildes von Burgo de Osma.

5. Ostchristen bei Ranulph Higden im England


des 14. Jahrhunderts

Ranulph, Chronist typisch englischen Traditionsbewußtseins in der Mitte


des H.Jahrhunderts, liefert auf seiner Karte nicht mehr die Begräbnisplätze
der Apostel, wohl aber aktuelle Hinweise auf Christen im Orient.
Nördlich der Donau trägt er ein: Sithia inferior cuius pars est Alania propter
barbaras gentes. Ex parte aquilonis habitant Tartari, quorum rex fuit presbiter
Johannes.25 Es handelt sich um den Norden unserer Erde, gleichzusetzen
mit Rußland. Ranulph weiß vom Reich der Goldenen Horde, mit dem er
Priester Johannes in Verbindung bringt, den legendären Retter der Christen-
heit vor der Übermacht der Moslems vom anderen Ende der Welt.
Weiterhin kennt er in Südafrika26 Gens Arabea Ethiops super (statt semper)
nuda, veridica atque christianissima. Tres habet reges, tot episcopos, weiß also,
daß in Äthiopien christliche Könige und Bischöfe wirken.
Das Sagengut des 13. Jahrhunderts ist ins Geschehen integriert und hat
Neuerkenntnisse gezeitigt.

24
Vgl. K. MILLER, Mappae Mundi 3, Stuttgart 1895, S.72.
25
Abb. M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500, Tafel F und sect. 47,1. K. MILLER,
Mappae Mundi 3, S. 101; Texte: Polychronicon, ed. C. BABINGTON und J. R. LUMBY, London
1865-1886 (Rolls Series.41, 1-9), Hb. VII c. 32, Bd.8, S. 176 zu A.D. 1201:Johannes in Indien.
26
K MILLER, Mappae Mundi 3, S. 105. J. TAYLOR, The Universal Chronica of Ranulph Hig-
den, Oxford 1966; zu den Karten S.63-68. Hier ist die Karte London Brit. Libr. Roy. 14. C. IX.
fol. lv-2 herangezogen.
[96/97] XVII. Christen im Orient auf abendländischen Karten 373

6. Das Echo auf den Seekarten des 14. Jahrhunderts

Die Portolan-Karten, ursprünglich nur Küstenführer, verbinden seit dem


Ende des 13. Jahrhunderts Erfahrung mit Überlieferung; das Neue an ihnen
ist, daß sie sich des Kompasses bedienen und mit einem Liniennetz überzo-
gen sind, das die Schiffe die Richtung für das gewünschte Ziel finden läßt.
Sie bieten daher recht exakte Küstendarstellungen und erste Vorstellungen
von deren wahrem Aussehen. Zeigte die als Pisana bezeichnete älteste erhal-
tene Karte dieser Art um 1300 noch ausschließlich Küsten, so haben die Ve-
nezianer wie Petras Vesconte schon Interesse für die Zuordnung der Küsten-
bewohner; hier finden sich zuerst Fahnen, die u.a. andeuten, ob die Einwoh-
ner Christen oder Moslems sind: Kreuze in Kleinasien weisen auf armeni-
sche und andere Glaubensbrüder hin. 27
Insbesondere die mallorquinische Kartenkunst interessiert sich dann nicht
nur für die Beschaffenheit der Küsten, sondern auch für das Landesinnere.
So zeigt bereits vor Vesconte der Genuese Johann von Carignano, Rektor an
San Marco in Genua, 28 auf runden Siedlungssymbolen Embleme an, die
Christen bezeugen, etwa in Nubien und Äthiopien. 29
Angelino Dalorto-Dulcert, vermutlich italienischer Kartograph, der auf
die Balearen zog, bezeugt viele Christen in Kleinasien wie in Nubien; dies
belegen die eingezeichneten Fahnen und Patriarchalkreuze. 30
Der Katalanische Atlas von 1375 ist in Kopien erhalten 31 und erlaubt ex-
akte Beobachtungen durch sein handliches Format, seine deutliche bildliche
Ausführung, die zudem in brauchbaren Reproduktionen zugänglich ist. Er
steht zweifellos in engem Kontext mit den Aussagen des «Libro del Conosci-

27
Abb. hierzu u. a. bei R. ALMAGIÀ, Planisferi, carte nautiche e affini del secolo XIV al XVII,
Città del Vaticano 1944 (Monumenta Cartographica.Vaticana 1), S. 13ff. und Tafeln IV-IX.
Siehe auch Ms. Vat. Lat. 2972 fol. 107-111 und Ms. Pal. Vat. Lat. 1362 A.
28
Im Staatsarchiv von Florenz Opfer des Zweiten Weltkrieges geworden; Abb. u.a. bei G.
GROSJEAN und R. KINAUER, Kartenkunst und Kartentechnik vom Altertum bis zum Barock, Ber-
lin, Stuttgart 1970, S.30.
29
Vgl. hierzu J. Ph. FORESTI VON BERGAMO, Supplementum Chronicarum, lib. VIII (Venedig
1483), f. 17f. zur Mission Carignanos 1306; dazu E. CERULLI, Giovanni da Carignano e la car-
tografia dei paesi a sud dell'Egitto agli inizi del secolo XIV, in: Atti del XIV. Congressso Geo-
grafico Italiano 1947, Bologna 1949, S. 507. R. A. SKELTON, An Ethiopian Embassy to Western
Europe 1306, in: O. G. S. CRAWFORD, Ethiopian Itineraries ca. 1400-1500, Cambridge 1958,
App. III. S.212-215 (Hakluyt Society II, 109/1955).
30
M. DE LA RONCIF.RE und M. MOLLAT DU JOURDIN, Portulane. Seekarten.vom 13. bis 17.
Jahrhundert, München 1984, Tafel 7.
31
Ms. Paris Bibl. Nat. Esp. 30, ed. u. a. H.-C. FREIESLEBEN, Der Katalanische Weltatlas vom
Jahre 1375, Stuttgart 1977.
374 Studien zur Universalkartographie [97/98]

miento de todos los Reynos y Senorios que son por el Mundo». 32 Die Tafeln
zeigen in Afrika33 den König von Nubien, der mit den Christen seines Lan-
des im Kampfe liegt; diese sind Untertanen des Kaisers von Äthiopien und
Priesters Johannes. Die Stadt Dobaha hat ein Patriarchalkreuz auf der
Fahne, ebenso Sohan. In Kleinasien und Armenien ist christliche Besiedlung
gekennzeichnet, desgleichen auf Zypern, in Kappadokien etc. Arabia Sebba
ist von der Königin von Saba 34 beherrscht. Von Tarssia04 reiten die Heiligen
Drei Könige auf ihrem Weg in Richtung Bethlehem: Typisch für mittelalter-
liche Karten ist es, daß Ereignisse sehr verschiedener Zeiten auf die Karten-
fläche projiziert sind. In Indien sieht man den König Colobo34 von Colombo,
viele Städte um ihn zeigen Tatzen- oder Patriarchalkreuze. Im Ysicol-Seei5
gibt es ein armenisches Kloster mit dem Grab des Apostels Matthäus. In
Ostindien herrscht König Stephan im Lande des Apostels Thomas. Außen
ganz im Norden findet sich das Land Gog und Magog und das des Anti-
christ. Hier sind Glaube und Wissen, Mythologie und Kunst in sinnfälliger
Weise miteinander verbunden.

** *

Mittelalterliche Karten als Geschichtswerke geben Orte vorzugsweise der


Heilsgeschichte wieder, um ihren Platz im ordo zu bestimmen; erst in zwei-
ter Linie können sie allenfalls als Itinerar dienen, denn Vermessung kennen
sie nicht. Erst die spätmittelalterliche Seekarte bietet praktischen Nutzen im
althergebrachten Gewand; sie verbindet historische Stätten des östlichen
Christentums mit zeitgenössischen Beobachtungen über dieselben und führt
so zu einer Synthese von Ideologie und Wirklichkeit im Bilde. Behutsam be-
reitete sie im Weltbild die Öffnung vor, die auf der Suche nach Christen am
anderen Ende der Welt zur Entdeckung neuer Kontinente anregte.

32
Ed. M. JIMENEZ DE LA ESPADA, M a d r i d 1877; engl. E d . C. MARKHAM, Book of t h e K n o w l -
edge, L o n d o n 1912 ( H a k l u y t Society. II, 29.).
33
M s . Paris Bibl. N a t . Esp. 30, ed. FREIESLEBEN, Tafel 4 links.
34
E b d . , Tafel 5 links bzw. rechts.
35
Ebd., Tafel 6 links.
XVIII. Monumental Legends on Medieval
Manuscript Maps
Notes on designed capital letters on maps of large size (demonstrated from
the problem of dating the Vercelli Map, thirteenth century)*

Introduction

The medieval map is a documentary and also a narrative authority for the his-
torian : It reflects the knowledge as well as the view of the world. The auxiliary
historical scientist has to examine internal characteristics, and also the exter-
nal, if the original document survived. And though the internal features are
more fascinating, they are often objects of speculation, whilst external marks
are of more consequence and confront the historian with a fait accompli.
The thirteenth century left four maps of large size, which are conserved as
singles, not in the protected binding of a book: the Maps of Ebstorf, of Ver-
celli, of Hereford, and the Duchy of Cornwall fragment. There is much dis-
cussion to date them, because they lack the text which they illustrate - re-
spectively which explains the painting.1 Therefore they are to be studied iso-
lated with regard to their content and to their appearance. Apart from porto-
lan charts which mostly can be attached to certain workshops of chart-
makers, only the thirteenth century left large maps before the time of the Re-
naissance; these have the character of medieval sums of knowledge.

* References to reproductions of manuscript maps are given - if possible - according to The


History of Cartography, ed. by j . B. HARLEY and DAVID W O O D W A R D , vol. I, Cartography in Prehis-
toric, Ancient and Medieval Europe and the Mediterranean ( C h i c a g o and L o n d o n 1987), cited as
Cartography, 1.
1
PAULINUS MINORITÀ. De mapa mundi, Prologus, Biblioteca Apostolica Vaticana M s . Lat.
1960 fol. 13 : Requiritur autem mapa duplex, picture et scripture. Nec unum sine altera putes sufficere,
quia pictura sine scriptura provincias seu regna confuse demonstrat, scriptura vera non tarnen suffi-
cienter sine adminiculo picture provinciarum confinia per varias partes celi sic determinai, ut quasi ad
oculum conspici valeant; cf VON DEN BRINCKEN, A N N A - D O R O T H E E (1988), Quod non vicietur pic-
tura. Die Sorge um das rechte Bild in der K a r t o g r a p h i e , in: Fälschungen im Mittelalter. Interna-
tionaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München 16-19 Sept. 1986, Schriften der
Monumenta Germaniae Historica 3 3 , 1, p . 5 9 0 ( = o. S. 314); RUBERG, UWE (1980), M a p p a e mun-
di des Mittelalters im Z u s a m m e n w i r k e n von T e x t und Bild. Mit einem Beitrag z u r V e r b i n d u n g
von Antikem und Christlichem in der 'principium'- und 'finis'-Thematik auf d e r Ebstorfkarte,
in: Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit,
ed. by C . M E I E R and U. RUBERG (Wiesbaden) p p . 5 5 2 - 5 9 3 .
376 Studien zur Universalkartographie [9]

Solely the author of the Hereford Map is known. Recently there arose a
vehement controverse on the Ebstorf Map. 2 As the original was destroyed in
the Second World War, there remains only a limited argument with regard
to external characteristics. The Duchy of Cornwall fragment offers a very
small section of the world. But even the Vercelli Map produces problems be-
cause the dating of the former times was superseded by a daring hypothesis
since 1957, and today it is in a very bad condition, a fragment, faded by
damp and partly illegible. However, as there is also a good black and white
copy made before 1935, this map in comparison with the Hereford Map is a
suitable object to demonstrate methodological problems of dating medieval
maps in general, and especially to study external features in the way of aux-
iliary historical sciences.
The aim of the present paper can only be to contribute some ideas in dat-
ing, not to date finally. In many cases it is possible to fix a terminus post
quem, but rarely to find a terminus ante quem. The style of painting and
writing can be observed, though monumental elements make it survive for
long times. And as maps are documents, large maps are especially works of
art, too. Therefore the legends do not always use normal script but designed
capital letters, 3 which are like epigraphic writing.

1. Dating of maps according to external characteristics

If paleographers wish to date the script of documents, there are, for in-
stance, different ways to describe the design of Gothic letters. Especially in
the later Middle Ages each generation has its own features.4 The way of
writing is somewhat cursive and often flighty and careless, in any individual
case, few obliged to the rules of scholar writing of book-hands. As most of
the historical documents are dated, there is no difficulty in finding records
for comparison also for the different regions, if a single piece is lacking its
date.
It is much more difficult to put literary manuscripts in a chronological or-
der. Usually they do not bear dates. Their script is careful, often monumen-

2
WOLF, ARMIN (1988), Neues zur Ebstorfer Weltkarte: Entstehungszeit - Ursprungsort -
Autorschaft, in: Das Benediktinerinnenkloster Ebstorf im Mittelalter, ed. by K. Jaitner and I.
Schwab. Vorträge einer Tagung im Kloster Ebstorf vom 22. bis 24.Mai 1987. Quellen und Untersu-
chungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 11, pp. 75-109.
3
In German 'Auszeichnungsschriften'.
4
HEINEMEYER, WALTER (1982), Studien zur Geschichte der gotischen Urkundenschrift. Archiv
für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 4 (Köln & Graz, 2. ed).
[9/10] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 377

tally executed, especially for liturgical and biblical books, and this makes
them look uniform. That is the reason, why the catalogues of manuscripts
note only the presumed century, half of a century, or third of a century ac-
cording to the character of letters.5 The modern method of dating literary
hands is the comparison with tables of dated and datable manuscripts of the
same time and region: the famous old libraries publish their material in edi-
tions of large scale in all European countries. 6
Medieval mappaemundi normally belong to literary manuscripts. Most of
them are conserved in books as illustrations to religious texts. They are to be
analysed with analogue methods. Quite another problem are the singles,
especially on sheets of large size. That refers also to portolan charts of the
later Middle Ages, which are not dated, though they offer toponymic clues
and announce their provenance.7
Especially the large sums of the thirteenth century have been discussed in
our time, if the author is unknown. The ideas expressed on the Ebstorf Map
made revive the opinion that Gervase of Tilbury may be not only the ideal
but the real creator of it.8 As the original is destroyed, it is very dangerous to
work with the excellent modern reproductions. Paleographic research can-
not study the ductus of the hands, only perhaps the way of painting. That is
the reason that the Vercelli Map may be preferred here as a secondary thea-
tre of dispute. Though it is also damaged, the pictures and the way of paint-
ing still may be studied in many instances.

5
Richtlinien Handschriftenkatalogisierung (1985), ed. by Deutsche Forschungsgemeinschaft,
U n t e r a u s s c h u ß Handschriftenkatalogisierung (Bonn-Bad G o d e s b e r g , 4. ed.) p. 9.
6
France: Catalogue des manuscrits en écriture latine portant des indications de date, de Heu ou de
capiste, ed. by C H . SAMARAN et R. MARICHAL (Paris, 1959 rei sqq.); N e t h e r l a n d s : Manuscrits dates
conserves dans les Pays-Bas, ed. by G. I. LIEFTINCK (Amsterdam, 1964); Belgium: Manuscrits dates
conserves en Belgique, ed. by F. MASAI and M. W I T T E K (Brussels/ G e n t , 1968 sqq.); Austria: Ka-
talog der datierten Handschriften in lateinischer Sprache in Osterreich, ed. by F. UNTERKIRCHER
(Wien, 1969 sqq.); Italy: Catalogo dei manoscritti in scrittura latina datati o databili, ed. by V. J E -
MOLO ( T o r i n o , 1971 sqq.); Switzerland: Catalogue of dated manuscripts written in Latin script
from the beginnings of the Middle Ages to 1 HO in the libraries of Switzerland, ed. by B. M . V.
SCARPATETTI ( D i e t i k o n / Z ü r i c h , 1977); Sweden: Katalog der datierten Handschriften in lateinischer
Schrift vor 1600 in Schweden, ed. by M . H E D L U N D (Stockholm, 1977); United K i n g d o m : Catalo-
gue of dated and datable manuscripts c. 700-1600 in the department of manuscripts of Great Britain,
ed. by A. G. W A T S O N (Oxford, 1979 sqq.); G e r m a n y : Datierte Handschriften in Bibliotheken der
Bundesrepublik Deutschland, ed. b y j . AUTENRIETH (Stuttgart, 1984 sqq.)
7
CAMPBELL, T O N Y (1986), Census of the Pre-Six-teenth C e n t u r y P o r t o l a n C h a r t s , Imago
Mundi, 38 ( L o n d o n ) p . 6 9 .
8
W O L F , cf supra n. 2.
378 Studien z u r Universalkartographie [10]

The fragment of the Duchy of Cornwall Map is too small to give an idea
of painting and writing of the whole.

2. Traditional dating and actual problems

The most discussed object is the Ebstorf Map, because it was the largest and
the most interesting. As the specialists of regional history summoned up the
development of the Benedictine Abbey at Ebstorf, the interest in the famous
lost map developed in a striking way.9 Nobody was able to find any mention
of it in records before 1830. There is no doubt of a strict connection with the
«Otia imperialia» of Gervase of Tilbury, intimate of Emperor Otto IV
(1209-14, d. 1218); moreover the mapmaker was well informed about the
surroundings of Ebstorf-Lüneburg. That is the reason that Armin Wolf10 re-
newed the idea of Richard Uhden, 11 who identified the Ebstorfian provost
Gervasius, documented 1223 and 1234, with Gervase of Tilbury as well as
with the map-maker. Wolf proposed the year 1239 as the year of painting,
because he found many places and actual references on the map which were
important for Duke Otto the Child of Braunschweig-Lüneburg (1235-52),
ancestor of the Guelfs, whom he supposed to be the orderer. 12 This argu-
ment is based only on internal characteristics, especially on the politics of
the Guelfs at this time. Recently Bernd Ulrich Hucker, too, supposed Ger-
vase to be the map-maker, but at an earlier time, during the reign of Emper-
or Otto TV already, and Hans Martin Schaller interpreted Gervase and the
Ebstorf Map as a proof of a high civilization at the court of Emperor Otto
IV of Braunschweig.13

9
Urkundenbuch des Klosters Ebstorf, ed. by K. JAITNER, Quellen und Untersuchungen zur
Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 7 (Hildesheim, 1985).
10
WOLF, cf supra n.2.
11
UHDEN, RICHARD (1930), Gervasius von Tilbury und die Ebstorfer Weltkarte, in: Jahrbuch
der Geographischen Gesellschaft zu Hannover, pp. 185-200; DROGEREIT, RICHARD (1962), Zur
Entstehung der Ebstorfer Weltkarte, in: Lüneburger Blätter 13 pp.5-23; IDEM (1976) Die Eb-
storfer Weltkarte und Hildesheim, in: Zeitschrift des Vereins für Heimatkunde im Bistum Hildes-
heim 44, pp. 9-44
12
WOLF, ARMIN (post 1988), Ikonologie der Ebstorfer Weltkarte und politische Situation des
Jahres 1239, in: Ein Weltbild vor Columbus: Die Ebstorfer Weltkarte. Interdisziplinäres Collo-
quium 1988, ed. by H. KUGLER and E. MICHAEL (Weinheim, 1991 ), pp. 54-111.
13
HUCKER, BERND ULRICH (1988), Zur Datierung der Ebstorfer Weltkarte, in: Deutsches Ar-
chiv für Erforschung des Mittelalters 44, pp. 510-538. SCHALLER, HANS MARTIN (1989), Das gei-
stige Leben am Hofe Kaiser Ottos IV. von Braunschweig, in: Deutsches Archiv . . ., 45, pp. 54-82.
[10/11] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 379

On the other hand the art historians usually date the paintings of the Eb-
storf Map into the second half of the thirteenth century. 14 As there remain
only copies today, it is difficult to argue with external characteristics, though
they also in this case overcome the internal features. Both methods offer a
terminus post quern, none of them a certain terminus ante quem. This lack
affects the internal arguments, whilst the style of painting and writing cannot
be extended on pleasure from the supposed origin, if there is an original
piece. The case of the Ebstorf Map is especially complicated, as there are to-
day four copies, real graphic masterpieces, but they themselves all are based
only on reproductions of the last century, 15 which have been varied from the
original. The summary of an international colloquy at Ebstorf on the Map in
June 1988 did propose a compromise: The map might be conceived in the
early thirteenth century but executed in the present known form about fifty
years later, an argument which also convinced the author of this article, be-
cause the historical auxiliary scientist as well as the historian of mentality
might be satisfied.
The problem of dating the Vercelli Map is of a similar character. Even in
this case neither author nor orderer nor provenance is known. The map sur-
vived at Vercelli; it was found in the present century only as a fragment and
has been damaged by humidity. The contents and conception resemble much
to the Ebstorf Map.
The third map of large size, the Hereford Map, is not only well preserved
as an original but is the only map which informs about its author, who can
be dated chronologically, because he is documented elsewhere. Thus this
map has the function of a "dated or datable manuscript". Below in the left
corner there is an inscription
Tuz ki cest estoire ontie ou oyront ou lirront ou veroni, prient a Ihesu en deyte
de Richard de Haldingham e de Lqfford eytpite. Ki latfet e compasse, ki ioie en
eel li seit done.

14
APPUHN, HORST (1963, 1984), Kloster Ebstorf. Große Baudenkmäler 176 (München) p. 5;
IDEM (1963), Über Ursprung und Datierung der Ebstorfer Weltkarte, in: Lüneburger Blätter 14
p.32; IDEM (1991), Datierung und Gebrauch der Ebstorfer Weltkarte und ihre Beziehungen zu
den Nachbarklostern Lüne und Wienhausen, in: Ein Weltbild vor Columbus, cf. supra n. 12;
KROOS, RENATE (1991), Über die Zeichnungen auf der Ebstorfkarte und die niedersachsische
Buchmalerei, ibidem.
15
SOMMERBRODT, ERNST (ed., 1891), Die Ebstorfer Weltkarte. Atlas von 25 Tafeln in Licht-
druck (Hannover); MILLER, KONRAD (ed., 1896), Mappaemundi. Die ältesten Weltkarten, 5: Die
Ebstorfkarte (Stuttgart).
16
MILLER, KONRAD (1896), ibidem 4: Die Herefordkarte; Mom, A. L. (81979), The World
Map in Hereford Cathedral (Hereford ) p. 7 and pl. VII p. 23 ; Cartography, 1 pp. 309-312.
380 Studien zur Universalkartographie [11]

Richard of Haldingham and Lafford was Richard de Bello, treasurer of


Lincoln Cathedral 1250/60, prebendary of Lafford or Sleaford and Hal-
dingham or Holdingham in Lincolnshire 1276/83. In 1305 he was appointed
to the prebend of Norton in Hereford Cathedral, and he is probably attested
there in 1326. The earliest date possible for the map is the last quarter of the
thirteenth century or the time about 1300. Usually this map is thought to be
the most recent of the large maps, though its contents mostly offer informa-
tion of classical antiquity: The Hereford Map was often interpreted as a
copy of the Agrippa Map of the Augustan period.
A few years ago there was discovered the fragment of a fourth large map
of the same century among the records of the Duchy of Cornwall, carbon-
dated 1150-1220, showing the right part below of an east-orientated world
map, that means the Western part of Africa.17 It measures 61 to 53 cm 2 of a
circular map of 157 18 cm in diameter and seems to have belonged to the ar-
chives of King Richard, formed about 1260 to 1285. It might be compared
with the Hereford Map or the Psalter Map of London.

3. T h e Vercelli M a p in the research

The map on the Rotulus of Vercelli is much smaller than its large sisters: it
measures 84 cm in height and about 70 to 72 cm in latitude; the left and right
borders of the parchment, that is the south and the north of the east-orien-
tated map, are destroyed. The Ebstorf Map measures 358 to 356 cm 2 , the
Hereford Map 165 to 135 cm 2 , and the Cornwall Map 157 to 157 cm 2 .
Carlo Errerà discovered the Rotulus in 1908 when putting in order the ar-
chive of the Chapter of Vercelli: Nobody before had paid attention to it, be-
cause it was inventoried by a hand of the eighteenth century as an old sketch
of a synoptic picture. 19 In 1911 Errerà presented the world map, emphasized
its information as regarded to Spain and Italy, and dated it to the end of the
thirteenth or the beginning of the fourteenth century, 20 assisted by Romual-
do Paste, and by G. C. Faccio, direttore del Archivio Communale di Vercel-

17
Cartography, 1 pl. 14 and p.307; according to Wolf, op. cit. n. 2 p.91 sq.; HASLAM, GRAHAM
(post 1987),The Duchy of Cornwall Map Fragment, 12th International Conference on the History
of Cartography Paris7-11 Sept. 1987, dates the map 1260-1285.
18
Measure according to Cartography, 1 ibidem, 157 cm diameter, according to Wolf 164 cm.
19
Disegno antico rappresentante un quadro sinottico.
20
ERRERÀ, CARLO (1911), Un mappamondo medioevale ritrovato a Vercelli, in: Rivista Geo-
grafica Italiana (Firenze) p. 107; IDEM (1910/11), Un mappamondo sconosciuto nell'Archivio
Capitolare di Vercelli, in: Atti Accademia di Science Torino, 46, pp. 8-11.
[11/12] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 381

li, who were both learned paleographers. Errerà thought the toponymic tes-
timony not to be older than the end of the thirteenth century. Only the place
of Jerusalem caused him any doubt because, since the time of the crusades, it
was usually drawn as the centre of the world also on pictures and not only in
texts; even the way of depicting the earthly paradise was unusual. Errerà al-
ready noticed remarkable relation to the maps of Beatus of Liébana. More-
over, his attention was attracted to a 'bizarre bird' with an iron horseshoe in
its beak and a riding king sitting on it, who swings a brush or flag in his
hand. A legend presents him as Philippus rex Francie; and even Errerà con-
sidered this small scene to be the key for dating the map. The only problem
was, whether it was Philip II (Augustus, 1180-1223), Philip III (Audax,
1270-85), or Philip IV (Le Bel/The Fair, 1285-1314); Errerà favoured Phi-
lip III, as he was the only one who visited Africa, where the king is placed on
the Rotulus. He stands on Mt. Atlas, and besides him there are some fabu-
lous monsters.
In 1935 Anna Maria Brizio 21 thought that the way of painting resembled
Spanish miniatures of the Romanesque style and pleaded for a painter of the
first half of the thirteenth century.
Leo Bagrow in his History of Cartography in 1951 22 published a small
black and white reproduction and mentioned a larger one to be more useful.
As he lost the plates of his book during the Second World War and he was
to reconstruct it, the models of his copies were only in general identified. It
might be supposed that yet he remembered as the large copy the only one,
which we have today, that in the publication of Youssouf Kamal, 2 3 rarely
noticed up today, as the original map is in a bad condition. Bagrow seems to
have accepted the datings of Errerà, as he mentions the map together with
that of Hereford. Leithäuser followed him. 24
Stimulated by the Italian historian of cartography Roberto Almagià, a
geographer of the University of Turin, Carlo Felice Capello, studied the
map and its history after 1951 and proposed in 1957 25 at the seventeenth
Geographical Congress at Bari to attribute the map to the contemporaries of

21
BRIZIO, ANNA MARIA (1935), Catalogo delle cose d'arte e di antichità d'Italia Voi. Vercelli
(Roma) pp. 109-110.
22
BAGROW, LEO (1951), Die Geschichte der Kartographie (Berlin) p. 323 (p. 376 details on the
material); cf BAGROW/SKELTON, R. A. (1963), Meister der Kartographie (Berlin) pl. X X V p. 351.
23
KAMAL, YOUSSOUF (Ed.), Monumenta Cartographica Africae et Aegypti, III (Le Caire 1935)
pl. 997 (vgl. unten Tafel 49).
24
LEITHÄUSER, JOACHIM G. (1958), Mappae Mundi. Die geistige Eroberung der Welt (Berlin)
p. 82 sq.
25
CAPELLO, CARLO FELICE (1957), Il mappamondo medioevale di Vercelli; nota preliminare,
in: Atti delXVII. Congresso Geografico Italiano, voi. 4 pp. 577-585.
382 Studien z u r Universalkartographie [12]

Cardinal Guala Bicchieri (d. 1227). Born at Vercelli, Bicchieri became papal
legate of Innocentius III and Honorius III. He visited England in 1216-18
and is known as donor of Anglo-Saxon manuscripts to the school of Vercel-
li.26 This made Capello plead for an English provenance of the map and a
dating about 1200, an intelligent hypothesis but an unproved one. Though
Capello announced a comprehensive study, Marcel Destombes 27 followed
his hypothesis and everybody after him, as the study of the original map was
difficult. In 1976 Capello published his inquisition with detailed photo-
graphs of the manuscript map in spite of the bad condition. 28 He commented
on it carefully, tried to decipher the often illegible legends and to interpret
them. As he was no medievalist, many mistakes surely took place, which
might have been corrected with the help of the reproduction in Kamal but
Capello did not know of it. Capello compared the legends with the maps of
Ebstorf and Hereford as there are many similarities, and also called to Bea-
tus as model, and we owe to him important results. But as the map was
thought to be illegible29 during the last decades, also his hypothetic dating
has always been accepted by the whole recent research 30 without criticism.

4. Internal characteristics for dating

Though this study will be devoted to external marks - as they are the more
weighty in case of doubt - also the internal characteristics have to be consid-
ered with regard to the terminus post quern. The puzzle for dating, the ter-
minus ante quern, remains unknown. In medieval cartography there is an ex-
treme uncertainty with regard to it, more than in other kinds of literature,
because especially the pictures in contrast to the text are subject to a unique
conservatism.31

26
COOK, A. S. (1888), Cardinal Guala and the Vercelli Book, University of California, Library
Bulletin 10 (Sacramento).
27
DESTOMBES, MARCEL (1964), Mappemondes A. D. 1200-1500. Monumenta Cartographica
Vetustioris Aevi I (Amsterdam) p. 193 et seq.
28
CAPELLO, CARLO FELICE (1976), II mappamondo medioevale di Vercelli (1191-1218?). Uni-
versità di Torino, Memorie e studi geografici, 10 (Torino); cf Imago Mundi, 38 (1978) p. 121, No.
78:30(116).
29
V. DEN BRINCKEN, ANNA-DOROTHEE (1985), Mundus figura rotunda, in: Ornamenta Eccle-
siae. Kunst und Künstler der Romanik. Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums in der Jo-
sef-Haubrich-Kunsthalle Köln, ed. by A. Legner, p. 98 and 105 sq. It was not possible to expose
the original.
30
Cartography, 1, p. 306-309
31
V. DEN BRINCKEN, ANNA-DOROTHEE (1970), '... Ut describeretur universus Orbis'. Zur
[12] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 383

Ordinarily the mappamundi of the Middle Ages in Western Europe is a


sort of sum of knowledge drawn from different sources, concentrated in a
picture offering places of interest of different times. Rarely is it qualified as a
guide for travellers although it might serve perhaps as a first pre-information
for pilgrimage, as it instructs about places of history regarding the salvation
of mankind. Therefore nobody was in a hurry to offer actual or new knowl-
edge. Only the portolan charts are an exception with regard to this. Gervase
of Tilbury 32 compares the variation of the picture with the crime of false wit-
ness in canon law, and even Paulinus Minorità 33 at the beginning of the
fourteenth century cautioned against a correction of the picture and only
permitted the texts to be modernized. The medieval world map seems to be a
kind of historiography which lost the chronological series: Events and facts
of quite different times are projected on the surface of the picture. This effa-
cement of chronological relations renders the dating more difficult in a spe-
cial manner, for instance: Every medieval world map testifies the city of Troy
as a famous historical place; yet as it indicates a town, but not its rains, the
terminus post quem, taken from this fact, is the foundation of Troy; and no-
body would argue that a map was painted before the destruction, as it shows
Troy alive. The medieval map is as much historical as actual.
An important mark for a terminus post quern on the Vercelli Map is the
city of Alessandria in Lombardy, founded in 1167 and named in honour of
Pope Alexander III, 34 probably the youngest city shown on the map. It is
not shown on the Ebstorf or Hereford Map: the Hereford Map is not older
than 1276; maybe it was not shown because England is far away from Ales-
sandria. But the example also illustrates the difficulty to claim an internal ar-
gument for the terminus post quern. Moreover, the Vercelli Map offers many
places, of which the knowledge seems to be unusual, for instance Friesach in
Austria: The chapter-houses were founded in 1187 and 1217. The handwrit-
ing of these legends might have been added later; even in Ireland legends
may have been corrected or added at a later date.
The placing of Jerusalem and of the earthly paradise on the Vercelli Map
differ from the other maps of large size. Both are placed in a striking man-
ner. Instead of the Garden of Eden with Adam and Eve before a picturesque

Universalkartographie des Mittelalters, in: Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters.
Miscellanea Mediaevalia 7 (Berlin/New York) pp.257-264 ( = o. S.91-97); eadem (1988), cf su-
pra n. 1, pp. 587-599 (= o. S. 311-323).
32
Gervasii Otia imperialia, ed. by G. W. LEIBNIZ, in: Scriptores rerum Brunsvicensium, I
(Hannover 1707) p.956.
33
B.A.V. Ms. Lat. 1960 fol. 13, ed. by v. DEN BRINCKEN, cf. supra n. 1 ( = o. S.314).
34
CAPELLO (1976) cf. supra n.28 p. 118.
384 Studien zur Universalkartographie [12/15]

apple-tree, the Rotulus has in the eastern part a simple rectangle with frame
and a cross inside, and it is filled with a didactic text explaining Asia and
Paradisus Terrestris. The whole is not placed at the top outside the world out-
line but inside Asia between countries each named India. Nothing of this
character is known from other maps, only the rosette of the paradise on the
large Vatican Map of Isidor of 775 35 has a comparable position. But it is a
mistake to think it shocking if the paradise is omitted on maps of the thir-
teenth century; Matthew Paris omitted it, 36 just as John of Wallingford. 37
On the other hand the paradise is often to be found even on portolan-styled
maps of the fifteenth century and other secular maps such as the Catalan At-
las, 38 the maps of Andrea Bianco, 39 Andreas Walsperger 40 and Giovanni
Leardo 41 as well as on a map in German language of Hanns Rüst in about
1500.42
In favour of an early dating of the Vercelli Map there has often been dis-
cussed the position of Jerasalem because it is not the centre of the map. But
this rule, first proclaimed by Saint Hieronymus when commenting on Eze-
kiel 5,5, was difficult to be executed on paintings because the model of the
T-O Map had its centre in the intersection of the T-upright and the T-top-
stroke, and that was a place in the sea between the Don, the Eastern Medi-
terranean Sea and the Nile. The painter of the so-called Oxford Map 4 3 of
about 1090-1110, who first gave to Jerasalem its place, made it 'swim' like
an island at the meeting point of the waters on his geometrical drawing. La-
ter on, medieval map-makers preferred to displace the T somewhat to the
west - that is on east-orientated maps below - in order to secure the centre
for Jerasalem in Asia.44 But many map-makers abandoned this rale as for in-
stance Matthew Paris, 36 Ranulph Higden, 45 the Mela Map of Reims, 46 Pir-

35
B.A.V. Ms. Lat. 6018; pi. ed. DESTOMBES, cf. supra n.27, pl. XIX resp. U
36
Cartography, 1, p. 349, fig. 18.58.
37
V. DEN BRINCKEN, ANNA-DOROTHEE (1973), Die Klimatenkarte des Johann von Walling-
ford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (Münster) p.47-56 ( = o. S. 137-
148) with plate; EADEM (1988), Kartographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten, Typo-
logie des Sources du Moyen Age occidental, 51 (Turnhout) pl. 4.
38
Cartography, 1, p. 356, if the crowned person can be interpreted as Christ; Antichrist
should be sought in occidental regions.
39
Venice, Biblioteca Marciana, MS of 1436.
40
Cartography, / pl. 21.
41
Ibidem pl. 20 and p. 338, fig. 18.40.
42
BAGROW/SKELTON (1963), cf. supra n. 22 pl. LI p. 378
43
Oxford, St. John's College Library MS 17 fol. 6.
44
Cartography, 1, p. 341 fig. 18.42; p.349 fig. 18.59; better pp.350-351 figg. 18.60, 18.63
and 18.65.
45
Cartography, 1, pl. 15 and pp.313, 352 and 353, figg. 28.22, 18.67, 18.68 and 18.69.
[15] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 385

ras de Noha, 47 Andrea Bianco, 39 Fra Mauro, 48 and Jean Mansel. 49 On the
Vercelli Map it might be Tyre, which is to be recognized as the centre. The
same idea seems to be found on the Isidor Map of Munich (CLM 10058) of
the twelfth century, which is of French provenance and seems to be influ-
enced by the ideas of Hugo of St. Victor. 50 There are other connections be-
tween the Vercelli Map and the Victorines with regard to scholastic ideas.51
The dislocation of Jerasalem on the Vercelli Map is not extraordinary and
should not be used as a mark for dating. 52 Finally the centre of the map is
not quite exact, as the border is missing today at the poles.
Much more interesting indeed is the depiction of the French King Philip
on Mt. Atlas. The bird with a horseshoe in its beak is an 'iron-eater'; it has
the head of a goose, the body of a crane, the feet of a calf, and is to be iden-
tified as an ostrich. Exactly the same bird can be found on the Hereford
Map, yet it is not shown in Africa as the ostrich of the Ebstorf Map, but in
Northern Europe near the Don and the Maeotis at the border between Eu-
rope and Asia. The legend on the Hereford Map explains Ostricius, capud
anseris, corpus gruis, pedes vituli, ferrum comedit, a legend which would be sui-
table also for the Vercelli Map. 53 The source of the legend is Alexander
Neckam, 54 who also states that the ostrich likes to ingratiate himself by de-
ception so that he swallows even iron.
There is also the question which King Philip is represented. His slashed
riding habit is characteristic for the second half of the thirteenth century. 55
That would mean Philip III, who was the only one to visit Africa when he ac-
companied his father in 1270. But Africa was an episode for him, nothing of
importance to his reign. Philip III is called Audax, le Hardi, i.e. the Bold,
but nobody knows the reason for this name today, neither the sources nor
the historians. He was illiteratus, a good hunter, but unreliable, dependent
on his favourites. On the Vercelli Map the king is not represented in a profit-

46
DESTOMBES (1964) cf. supra n . 2 7 pl. X X I o r IJ.
47
Cartography, 1 pi. 19.
48
Cartography, 1 pl. 18.
49
Cartography, 1 pl. 12.
50
GAUTIER D A L C H É , Patrick (1988), La "Descriptio Mappe Mundi" de Hugues de Saint-Victor
(Paris) pp. 8 1 - 8 6 , c f . p l . 1 and p p . 193-195.
51
CAPELLO (1976) cf. supra n.28 p . 9 sq.
52
W O O D W A R D (1987) in Cartography, 1 p p . 306 sq. and 3 4 0 - 3 4 2 .
53
MILLER (1896) cf. supra n. 16 p. 18; M o i r p. 37.
54
ALEXANDER NECKAM ( N E Q U A M ) , De naturis rerum 1, 50; De struthione, ed. by T h . Wright,
Rolls Series 34 ( L o n d o n 1863) p. 101.
55
T h e a u t h o r is deeply indebted to D r . R e n a t e K r o o s of the Zentralinstitut fur Kunst-
geschichte, M ü n c h e n , for her advice.
386 Studien z u r Universalkartographie [15/17]

able way, because an ostrich puts its head in the sands and neglects its eggs.
Moreover it is not quite clear what he is holding in his hand, a flag, a whip,
a brash, or any attribute of his boldness. Philip III is no person of glory in
contrast to his father, and the connection with Africa might be a short-lived
one. There remains the question whether this fact allows a terminus ante
quern, for instance only a short time after 1270.
The map-maker had French interests. The comparison with the maps of
Ebstorf and Hereford was of importance, of more is that with the Isidor
Map of CLM 10058, also a French map, painted in Parisian surroundings
according to the study of Gautier Dalché, 56 and a product of the Victorine
School. Though the map of Munich is a small one, 26,6 cm of diameter, and
never offered the place for the material of all the legends of the Descriptio of
Hugo of St. Victor, there might be a joint source, and the Vercelli Map
seems to belong to that tradition, even with regard to the placing of Jerusa-
lem and Tyre. The type is an antique one, 57 and Tyre might be found in a re-
markable position on the map of Saint Hieronymus.

5. T h e style of painting

Before discussing the paleography and its monumental versions, the contri-
bution of art historians should be observed: the style of painting, special
characters which allow us to identify a copy; the fashion of a time may be ex-
tremely helpful in dating. But there are limits too: A world map is an indivi-
dual production, but also the sum of conventional signs, often shaped as
symbols taken from heraldry. Moreover there are regional differences.
Early research on the Vercelli Map thought the style of painting to reflect
that of Spanish miniatures.58 Otherwise Capello was looking for English
links. 59 Both are right in the idea, because Spain as well as England are
countries which produced outstanding Latin maps during the Middle Ages.60
They exercised much influence on other countries, especially on the large
maps of the thirteenth century.61

56
GAUTIER D A L C H É (1988) cf. n.50 p p . 8 1 sqq.; DESTOMBES (1964), cf. n . 2 7 , sect. 4, 6 p . 3 2 ,
noted there as Isidorian M a p .
57
G A U T I E R D A L C H É , ibidem p. 77.
58
BRIZIO (1935), c / n . 21 p. 110.
59
CAPELLO (1976), cf. n. 28 p . 12 sq., 123-125.
60
V. DEN BRINCKEN (1988), cf. n. 37 p . 85; p . 102
61
EADEM (post 1988), Die Ebstorfer W e l t k a r t e im Verhältnis z u r spanischen u n d angelsäch-
sischen W e l t k a r t e n t r a d i t i o n , in: Ein Weltbild vor Columbus, cf. supra n. 12.
[17] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 387

If the Vercelli Map is compared with its sisters, there are only limited
water areas on it. The Mediterranean Sea as well as the Red Sea are filled
with islands, and even the surrounding 'World-Ocean' is full of them: the
Ebstorf and Hereford Maps have much more water; the Ebstorf has waves
like portolan-style maps. On the other hand, the Vercelli Map offers waves
in the sandy desert of Sahara, a kind of sandhills. The painter was not inter-
ested in seas but in deserts. This is a unique mark of this map. Might he have
accompanied King Philip to Africa?
Mountains mostly have three-leaved symbols, chains, often they look like
grapes. This way of painting is the traditional and found since the Beatus
Maps.
The Vercelli Painter was fascinated by all kinds of animals. He painted
lots of them and preferred heraldic forms and well-composed figures. The
symbols of architecture are extremely conventional; there are few individual
signs in contrast to the Ebstorf Map. At first sight all settlements are of the
type of the Castel Sant' Angelo: There is a wall, and higher buildings inside
surpass it like towers; on the wall, the name of the place is written. The
whole seems to be a collection of fortresses. This sign of architecture repre-
sents the ordinary type of town, seen from far away. It is in nothing a typical
Spanish town, it might even be found in Italy as well as in France. The archi-
tecture of Matthew Paris (d. 1259) on his itineraries is of the same charac-
ter, 62 and Matthew Paris was a famous painter. But Ranulph Higden one
century later used the same symbols.63 Even the architecture of the Hereford
Map resembles that of Vercelli: It is not English but European. Neither can
we speak of typical Romanesque style nor of English, and they are not lim-
ited to the time of Cardinal Guala Bicchieri, but the signs are usual for the
middle of the thirteenth to the fourteenth century as conventional marks.
England is scantily documented on the Vercelli Map, as surely a large part
might be destroyed: Its place was often in the surrounding Ocean on the left
side and at the edge of the inhabited world. Ireland can be studied well, it
enters the Ocean too, but there is some toponymic evidence: Cassel (Cashel),
Mide (Meath) and Armagh can be identified. British maps as the Cottonian
inform about the surrounding isles near England. The Vercelli Map looks
like a continental map of Mediterranean or West-European provenance, for
instance Italy, France, or Spain, and a French king documents French inter-
ests. There is contact surely with Beatus, for example in mentioning the

62
VAUGHAN, RICHARD (1958), Matthew Paris, Cambridge Studies in Medieval Life and
Thought, II, 6 (Cambridge, 2. ed. 1979) p. 205 sqq.
63
Cartography, 1, cf. supra n. 44; Destombes (1964), cf. supra n. 27 pl. XIV or F.
388 Studien zur Universalkartographie [17/18]

tombs of the apostles, distributed over the whole earth. But the way of sym-
bolizing these places is quite different: The three Beatus Maps which pre-
served this information 64 are marked by twelve heads of saints in the coun-
tries of their mission. The Vercelli Map offers their tombs with bell-towers;
the Ebstorf Map has chapels with tombs inside: Both Vercelli and Ebstorf
report about places of pilgrimage, they are like itineraries. The Vercelli
Map 65 reports Thomas in India, Bartholomew north and Philip northwest
of the Ark of Noah; Simon and Judas south of the Tower of Babel and north
of the Babylonian Desert; John at the western coast of Asia Minor. 66 The
European apostles are not marked. There was no available space in countries
with many well-known towns. The more a region was actually known, there
was less space free for monsters, mysteries, old and historical places. But
countries far away or of old tradition without new information offered pos-
sibilities to fill the picture in order to avoid blank spaces on the map.
All the figures - men, animals, and monsters alike - look slim and seem to
belong to the Gothic style of painting.
The slashed riding-gown of the French King Philip was yet discussed as a
proof of fashion of the second half of the thirteenth century, and the style of
painting suggests this dating, too.

6. Paleographic characteristics

The experience of paleography should not be under-estimated when dating


maps, though there are included many imponderables. The map-maker did
not only change between everyday scripts and literary handwriting, he was
also artist and painter and used special monumental letters, to which the fol-
lowing section is devoted.
Though a map connected with a book was regularly executed by the same
hand, it is no matter of fact. And a map of large size is quite an individual.
As there are legends of didactic character, they need place and were carefully
executed, trimmed with lines and frames; others are worked free in italics or
in a current way. Even maps of large size have monumental legends, but very

64
Burgo de Osma, Oiia and Lorvào; cf. Vazquez de Parga, L. (1978), Un mapa deconoscido
de la serie de los "Beatos", in: Actas del simposio para el estudio de los codices del "Comentario al
Apocalipsis" del Beato de Liébana I (Madrid) p.271-278.
65
V. DEN BRINCKEN, ANNA-DOROTHEE (1990), Christen des Orients auf abendländischen
Karten des 11. bis H.Jahrhunderts, in: Akten des XXIV. Deutschen Orientalistentages Köln, ed.
by W. DIEM and A. FALATURI, ZDMG. Suppl. 8, pp.90-98.
66
CAPELLO (1976), cf. supra n.28 p.59: he read 'Jossis'; correct:Johannis.
[18] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 389

cursive ones, too, as the writer was not sitting at a desk when writing, but he
might have been crouching on the floor over a large parchment or standing
on a step before a wall in an inconvenient position, and the script testifies
these difficulties. This may be the reason why these maps offer artificial
monumental letters close to usual and common forms. As maps of large size
were set up in public places such as churches or teaching-halls, everybody
who passed them was able to add something to or correct legends.
Capello 67 observed the change of majuscule and minuscule letters on the
Vercelli Map; that was really the change of monumental and common letters.
As the writing of the Vercelli Map is faded, it is extremely difficult to analyse
the original, which also seems to have been corrected in the Middle Ages
and to be completed, as the painter forgot different legends: Austria and Ire-
land belong to these parts of the map. Even Capello perceived that there was
more than one hand.
For dating it is necessary to know the provenance of a manuscript. The
way of writing in western and southern parts of Europe precedes always that
of Middle Europe. The miniscule letters of the Vercelli Map are typical for
the thirteenth century, and they do not show the character of the beginning
of the fourteenth century: There are no combined curves of different letters.
The middle space of the four-lines-system is curtailed typically for the thir-
teenth century in cursive manner. But the blocks of the texts are extremely
cursive. The writer did not use carefully the lines. Yet the texts are divided
by the chapter symbols like in literary texts: maybe the map-maker had a
text as model, not a painting of large size. Another characteristic is a light in-
cline to the right and the unequal measure for the middle line; the writer was
no artist in writing. He often uses abbreviations even for names such as Jo-
hannes, that means he was accustomed to theological texts. Rarely he uses
initials, proper names begin often with minuscules.
With regard to corrections and additions these are only a few decades
younger.

7. Monumental legends in designed capital letters

Many Historians of medieval cartography, as far as they are learned auxili-


ary scientists, were somewhat confused by legends in designed capital letters,
which look extraordinarily antiquated. With regard to the dating of the Eb-

CAPELLO, ibidem p. 118.


390 Studien z u r Universalkartographie [18/19]

storf and Vercelli Map the scientists were aware of this speciality, 68 but until
now there are few studies in this way of writing. The forms of the letters re-
semble those used for epigraphic works. Medieval epigraphy is a young
science in Germany and Western Europe. And the way of writing special le-
gends of maps is not quite the same which is used for inscriptions on stone
or metal. Otherwise close to these legends on the maps, there are those of
another speciality, written in minuscule letters but of large size, a sort of
Elongata; further more others use small majuscule letters. These are all inter-
mediate forms of letters, which differ from the usual minuscules as well as
from usual capitals, which are defined to be written in a four-lines-system
with ascenders and descenders (minuscule) or in a two-lines-system (majus-
cule). Maps and especially those of large size offer a rich assortment of var-
ious legends with an outstanding character. With regard to the Ebstorf Map
there is no doubt about the different hands. This phenomenon needs special
study.
Rudolf M. Kloos 69 defined the subject of epigraphy: 'Inscriptions are writ-
ings on different materials - stone, wood, metal, leather, textile cloth, enam-
el, glass, mosaic, etc. - which are executed by writers and methods which
don't belong to the scriptoria or chancelleries'. This definition is only nega-
tive, but it is the most applicable one, as it suits all kinds of writing which
use monumental forms. Characteristics of epigraphy are moreover in West-
and South-European research:70
1. The material which is to be decorated with letters is durable as the in-
scriptions are written for ages.
2. Inscriptions prefer monumental forms, they exceed triviality.
3. Inscriptions are of universal publicity and addressed to everybody.
Inscriptions of classical antiquity mostly are conserved on stone. Medieval
epigraphy includes - besides architecture, sculpture, and fine art of metal -
also enamel, carving of ivory, mosaics, and according to Kloos also glass-
painting, and all other kinds of painting, frescoes as well as plates and tex-
tiles.71 All these paintings have inscriptions and legends of which the charac-

68
H U C K E R (1988), cf. supra n. 13, p . 533 sq. and 537; CAPELLO (1976), cf. s u p r a n . 2 8 , p . 118.
69
K L O O S , R U D O L F M . (1980), Einführung in die Epigraphik des Mittelalters und der Neuzeit,
Die Kunstwissenschaft ( D a r m s t a d t ) , p . 2.
70
FAVREAU, ROBERT (1979), Les inscriptions mediévales. Typologie des Sources du Moyen Age
occidental, 35 ( T u r n h o u t ) pp. 1 3 - 1 7 ; Battelli, G. ( 3 1949), Lezioni di paleografia (Citta del Vatica-
no) p. 3.
71
K O C H , WALTER (1969), P a l ä o g r a p h i e d e r Inschriften österreichischer Fresken bis 1350, in:
Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 77 ( W i e n / K ö l n ) p p . 1-42.
[19] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 391

ter is the same as on coins, medals, and seals. The way of executing these
scripts is a special one.
Subtle research found out another sub-division. It is described as a differ-
ence between hard and soft inscriptions according to the instrument which is
used for executing: Hard inscriptions are made by chisel, engraving needle,
carving scalpel, soft ones by brush, pencil, etc. 72 The way of this writing was
a special art, and we even possess medieval textbooks on it as the Reiner
Musterbuch of the beginning of the thirteenth century. 73 Also maps of large
size on parchment belong to this group of paintings: quadro sinotico, the Ver-
celli Map was called by an archivist of the eighteenth century. These scripts
are not only the concern of art historians, but of auxiliary scientists and ar-
chivists. Large maps are also descendants of book-painting as of soft epigra-
phy. German scholars have a special word Auszeichnungsschriften, which is
defined as 74 scripts, appointed to emphasize certain words (quotations, lem-
mata, foreign words) within coherent texts or special parts of texts (titles,
heading titles, initial lines, colophones, rubrics, etc). Known since the third
century A.D. they were used throughout the Middle Ages. Their characteris-
tics are letters of smaller or larger size or of varied mostly antique forms.
Since the Carolingian period there was a hierarchy of writing: capitalis quad-
rata, or rustica, uncial, half uncial, minuscule; sometimes different forms
were combined. Other methods for marking were special ascenders and des-
cenders, change of ink or spacing out. In order to find a term which covers
all these kinds of writing between paleography and epigraphy, we call them
in the title of the present paper 'monumental' or designed capital letters'. As
writing was a sacred art, designed letters were used for nomina sacra, liturgi-
cal formulae, etc.

72
T h e a u t h o r is deeply indebted to D r . Renate Neumiillers-Klauser, w h o as leading specia-
list in G e r m a n e p i g r a p h y taught her the differences; cf. NEUMÜI.LERS-KLAUSER, RENATE (1990),
Denkmalschriften des Veit Stoß, in: Festschrift für Jozef Szymanski (Lublin, forthcoming 1990).
73
Das Reiner Musterbuch (ex C o d e x Vindobonensis 507), Facsimile ( G r a z 1979); cf U n t e r -
kircher, F r a n z ( 1 9 7 9 ) , Reiner Musterbuch. Kommentar ( G r a z ) ; WALTER, SEPP (1979), Die zwölf
Szenenbilder aus d e m Reiner Musterbuch. Ein gezeichnetes Weltbild aus dem frühen 13. J a h r -
h u n d e r t , in: 1129-1979 Stift Rein, 850 Jahre Kultur und Glaube, Festschrift zum Jubiläum, ed. by
Abt PAULUS R A P P O L D u.a. (Rein) p p . 5 3 9 - 5 4 7 .
74
J O H N , J A M E S J. (1980), Auszeichnungsschriften, in: Lexikon des Mittelalters, I (München/
Zürich) col. 1259 sq.; regarding the English terminology cf. IDEM (1976), Latin P a l e o g r a p h y , in:
Medieval Studies. An Introduction, ed. by J. M . POWELL (Syracuse, N Y ) , p . 1 et seq.; cf. KESSLER,
EVA (1986), Die Auszeichnungsschriften in den Freisinger Codices von den Anfängen bis zur karo-
lingischen Erneuerung. Denkschriften der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist.
Kl. 188 (Wien).
392 Studien zur Universalkartographie [19]

During the thirteenth century there was a considerable change from


Gothic majuscule, developed from uncial forms, to usual Gothic minuscule,
which became the regular script for epigraphy in the fourteenth century. This
change was remarkable, and it is often used to date seals and signets. Its ob-
servation might be of importance for dating maps according to their monu-
mental legends.
The maps of Ebstorf, Hereford and Vercelli have legends in majuscule,
yet not of usual type, but of the designed capital character, antiquated uncial
forms of an old time. Originally these letters had a circular form, each of
them needed the place of a square. In the thirteenth century they became
slender, Gothic, somewhat elliptic in the ratio of two to one. They present
ornamental strokes and knots:

aa DO ee o o p R
ö 0 € 0 P R

These characters of a transitorial period offer some possibilities for dating


for instance signets, which, of course, belong to the hard epigraphy, while
maps are of the soft type.
In former times the change of epigraphy to Gothic minuscule was not
fixed earlier than about 1320. For Germany, this date is correct; 75 but re-
cently there have been found older testimonies of it in Northern France and
Flanders dating from 1261, 76 as Western Europe always precedes Central
Europe. Majuscule is still usual during the whole century, but this is a time
of a beginning upheaval.
The Vercelli Map has majuscules as well as minuscules for monumental le-
gends, and sometimes there is a change in the same word. Then the minus-
cules are enlarged in order to be marked out. The coexistence of these forms
points to a date in the second half of the thirteenth century on a map of
West-European provenance. Capello in his edition had majuscule legends

75
BRANDI, KARL (1937), Grundlegung einer deutschen Inschriftenkunde, in: Deutsches Archiv
für Geschichte des Mittelalters 1 (Weimar) p. 36 sqq.
76
NEUMÜLLERS-KLAUSER, RENATE (1986), Schrift und Sprache in Bau- und Künstlerinschrif-
ten, in: Deutsche Inschriften. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik Lüneburg
1984, ed. by K. STACKMANN, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Phil-
hist.Kl. Ill, 51 pp. 62-81.
[19/20] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 393

printed in capitals; 77 in the following list uncial forms are underlined, the
others offer only enlarged minuscules.

In Asia (northern part): In Asia (southern part): In Europe (incl. Mediterra-


INDIA ASIA (in the legend on Para- nean Sea):
CAPAD[OCI]A dise) MARE CRETICUM
P[I1SIDA REGIO INDIA MEDIA MARE mediterraNEUM
REGIO MESOPOTAMIA MEDA ISPANIA
ARMENIA PERSIA EBUSO insula
ARRABIA

In Africa:
HIC SUNTARE PHILISTI-
NORUM

The majuscules are not identical, EBUSO is written in normal capitals


without uncial character. Besides these legends there are many others, of
which it is not quite sure whether they have spaced out, or enlarged minus-
cules, or whether they are normally written. The map-maker did not work
systematically nor was he influenced by the aesthetic.
Legends with majuscule letters have an old tradition in map-making. Cer-
tain names as those of continents, countries and large provinces are marked
in this way. The author of the Vercelli Map might have been influenced by
models. But continents are not marked out on the Vercelli Map. Only the let-
ters of the word ASIA are dispersed over the legend of paradise, and the ob-
server has to gather them. Besides, most of the capital legends are to be
found in Asia, belonging to places which are named in the Bible, enriched
with some places of actual interest. In the Holy Land, the painter knew so
many places that he had no space to write with spacious majuscules. In Eur-
ope only Spain is marked out, as it was the end of the map. Many provinces
of Europe are written in usual letters. As the painter had little knowledge of
Africa, he did not mark out any place there. But also his models did not offer
majuscule legends for this continent. A unique character of this map is the
change to Gothic minuscules in one and the same word as MARE mediterra-
NEUM.

^®» **v#«#
The Ebstorf Map of a larger size has place for more monumental legends,
for instance the names of the continents are written in a way spaced out,

CAPELLO (1976), cf. supra n.28, lists of legends, passim.


394 Studien z u r Universalkartographie [20/21]

ASIA horizontal on the upper half, EUROPA sloping and AFRICA vertical.
On this map are marked out the following legends (the folios according to
Sommerbrodt): 78

2: CASPIUM MARE CILICIA 17 LONGOBARDIA


UBERA AQUILONIS 11 [GE]RMANIA LIGURIA
[SA]XONIA TEU(fol.l7:TONIA) EMILIA
[MARE GERMANIC]UM 12 [FR]ESIA CALABRIA
[NOR]VEGIA YSLANDIA ROMA
EOUS ANGLIA 18 FRANCIA
SCITIA HIB[ER]NIA 21 PERSIDA
[LACUSCIMERICUS SCOTIA CALDEA
ARMENIA BRITANNIA SINUS PERSICUS
CAPADOCIA 13 INDIA ARABIA
ASIA (that is Minor Asia) INDICUS SINUS ARABIE
EUXINUS PONTUS 15 PARTHIA 22 SAMARIA
TRACIA MEDIA EGYPTUS
FRIGIA (twice) ASSYRIA CRETA
BITINIA MESOPOTAMIA LIBIA (fol. 23 once
LIDIA SYRIA more)
KARIA GALILEA (fol. 16 once 23 SICILIA
LTCAO[NI]A more) MARE LIBICUM
16 IHERUSALEM 26 AzANICUS

The Ebstorf Map is executed by different hands; that may be the reason,
why many legends are shown twice. Monumental legends are reserved for
continents, seas, large provinces and the cities of Jerusalem and Rome. Some
other towns - fol. 9 EDISSA, fol. 10 LAODICIA - are written in usual capi-
tals. These places are important for the salvation of mankind. Even here Asia
is the continent of monumental legends, whilst Africa has none. The letters
of Gothic majuscule are of fine art, contrasting colour and look like the initi-
als of the escorting texts in the corners of the map; maybe the same person
executed them. The capital Z seems to have been unknown to the painter
(fol. 26), he uses the minuscule.
The size of the Hereford Map resembles more the Vercelli than the Eb-
storf Map. Monumental letters are to be found there, and they are executed
after 1276. In this case, there is no doubt that another person than the writer
of the usual inscriptions executed the monumental legends. On this map re-
lics of epigraphy form the frame of the whole; it has the function of an archi-
tecture. There is to be found enclaviation of letters, too: 79

78
SOMMERBRODT (1891), cf. supra n. 15.
79
MILLER (1896), cf. supra n. 15 vol. 4 p. 7.
[21] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 395

A JULIO CESARE ORBIS TERRARUM METIRI CEPIT.


A NICODOXO OMNIS ORIENS DIMENSUS EST.
A POLICLITO MERIDIANA PARS DIMENSUS EST.
A TEODOCO SEPTEMTRION ET OCCIDENS DIMENSUS EST.
Noting the names of the continents, the artist made a mistake and reversed
AFRICA and EUROPA. Only the vertical ASIA is correct. Besides the four
directions are written in majuscules: ORIENS, MERIDIES, OCCIDENS
and SEPTEMTRIO, moreover INDIA and MARE MEDITERRANEUM.
Legends of countries are written in minuscule, but somewhat stronger, more
energetically, heavier, yet by the same hand. Altogether on the Hereford
Map is a loss of majuscules. That is not surprising, because the Hereford
Map may be the most recent of the maps of large size.
The Duchy of Cornwall fragment has only legends in minuscules.80 If it
was produced in the time 1260/85 - the paleography agrees to this - it is
contemporary to the Hereford Map. The fragment offers only the western
part of Africa, a region where the other maps also lacked majuscule legends:
Asia, Europe and the Mediterranean with marked places are lost.
In this regard it is necessary to have a look on the small maps in books
and their examples of monumental letters, which are to be found there, too,
and which have their old tradition, derived from late antiquity. The type of
letters, descendants of the uncial, does underline this thesis, because the un-
cial was the solemn way of writing religious texts also in the early Middle
Ages. These letters were used for texts of the Fathers of the Church, who
even are the spiritual guides to Christian cartography.
Already the maps of the Agrimensores, which are conserved of early med-
ieval time, offer these characters as well as the early maps of Orosius and Isi-
dor. 81
The following development may be studied from the copies of the Beatus
Map. 82 The oldest manuscript, that we have today, dated from 926 (for-
merly Ashburnham, now Pierpont Morgan Library New York, M 644) is an
almost quadrangular map. Continents, some countries, and the legend con-
cerning a fourth unknown part of the world are written in uncial letters, the
other texts are executed in Caroline Minuscule. - The Beatus Map of Valla-

80
Cartography, 1 cf. supra n. 17
81
Cartography, 1 p. 220 fig. 13.10, Manuscript of Wolfenbüttel ca. A.D. 500, and p.218/
219, B. A. V MS Pal. 1564 of the 9th century: the first is written in uncial, the last in Caroline
Minuscule and some uncial for marking out. The Orosian Map of Albi resembles the type of the
Wolfenbüttel Manuscript, those of Isidorian maps the Vatican manuscript.
82
DESTOMBES (1964), cf. supra n.27, sect. 17 pp.40-42 and sect. 35, pp.79-84; cf. MILLER
(op. cit. supra n. 15) vol. 1 and 2 (Stuttgart 1895) with plates Vol.2; cf. Adas (1978) supra n.64.
396 Studien zur Universalkartographie [21/22]

dolid (c. 970) offers the form of a rounded rectangle. Only India and the
fourth continent are marked out by monumental letters. - The same form is
typical for the Map of Gerona (c. 975), but here are much more uncial and
half-uncial legends; the fourth continent got only minuscules. - The Map of
Madrid of 1047 looks oval and does not only offer continents, but many
names of countries and the notice on the fourth continent in capital letters. -
The same observation is to be made for the map of Burgo de Osma of 1086,
famous for presenting the heads of the apostles; the fourth continent is de-
scribed in minuscules. - The Map of Silos in the beginning of the twelfth cen-
tury (now at London, British Library, Add. MS. 11695) looks like a rounded
rectangle and uses only minuscules or half-uncial letters. Legends for conti-
nents are absent, Africa means Libya. - The Map of Turin of the same time
is almost round, uses minuscules for the fourth continent, but majuscules for
other continents and some provinces. - The Parisian Ms (NAL 1366) of the
twelfth century, looking like a four-leaved clover, has only minuscules like
all later Gothic manuscripts of Beatus. - This summary demonstrates that
the old copies preserve a tradition of majuscule legends, but limited to a cer-
tain group of subjects. The lost original of the end of the 8th century might
be imagined in a similar way as the large Vatican Map of Isidor of 775 83 or
the Map of Albi84 in uncial or half-uncial letters.
During the following time minuscule scripts replace the old forms. The
Tabula Peutingeriana of Wien, formerly dated to the early Middle Ages, is
executed mostly in minuscules, expect for names of provinces and holy
places; it may have been copied in the twelfth century. Here are combined
two different traditions, that of antique provinces of Roman maps and that
of holy places of Christian history; both are marked out in archaic letters.
The Oxford Map of 1090-1110, 86 paragon of a strictly theological inter-
pretation of the world in the time of the crusades, uses many monumental le-
gends, which suit well the geometrical form of this map. Not only continents
and territories but all important places of the history of salvation are marked
out in this way.
It is a matter of course that Petrus Alfonsi on his map underlines the isla-
mic centre of the world AREN CEvTEAS with capital letters; 87 though the

83
Cf. supra n.35.
84
MILLER (op. cit. supra n. 15) Vol.3 (1895)p.58; Cartography, 1 p. 348 fig. 18.56
85
Cartography, 1 pl. 5.
86
MILLER (1895) ut supra n. 15, vol. 3 pp. 118-120; v. DEN BRINCKEN (1985), cf. supra n.29,
pp. 103-105.
87
Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. Lat. 10722, ed. MILLER ibidem p. 127; quite another
script is typical for the same subject in the 15th century, cf. Cartography, 1 p. 355, fig. 18.73.
[22] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 397

Cottonian Map 88 of a hundred years earlier as well as the Isidorian Map of


Munich (CLM 10058)89 and the original Liber Floridus of Lambert of Saint-
Omer at Gent as well as the early copy of Wolfenbüttel, 90 Guido of Pisa, 91
too, and finally the Palestine Map of Hieronymus 92 of the twelfth century
lack designed capital letters. The Orient Map of Hieronymus has marked
names of asiatic provinces in old tradition. Capitals and enlarged minuscules
are used by Henry of Mainz in the twelfth century, 93 but monumental letters
were never an English peculiarity; they are not to be found on the map of the
London-Psalter 94 (the reason may be the extreme small size of 8 cm dia-
meter!). In the middle ofthe thirteenth century Matthew Paris does use the
possibility of writing in quite different ways: his world map 95 offers plain let-
ters, the map of England 96 is the top of fine art in capital letters; that is
something new, because England has neither ancient towns nor holy places.
During the following period the Italian portolans 97 as well as the Pisana,
the Cortona, the maps of Pietro Vesconte and the Medicean Atlas, but also
'written' maps such as those of William of Tripolis or Pierre d'Ailly - which
lack pictures and consist of carefully placed legends 98 - do not use designed
capitals. Marking out of legends was no more practised in oecumenical maps
of the later Middle Ages as for instance by Ranulph Higden 99 and the map
of Ste.-Geneviève100 in the fourteenth century, the Sallust Map of Gene-
va, 101 the Mela Map of Reims, 102 the Ptolomean Map of Pirrus de Noha, 103

88
Cartography, 1 pl. 22 and p. 348 fig. 18.57.
89
Cartography, 1 p. 350 fig. 18.61; Gautier Dalché (1988), cf. supra n.50 pl. 1
90
Lamberti Audomarensis canonici Liber Floridus codex autographus Bibliothecae Universitatis
Gandavensis, ed. by A. DEROLEZ (Gent 1968); Cartography, 1 p. 354 fig. 18.71 offers a map of
the manuscript of Wolfenbüttel. The Liber Floridus, belonging to the most interesting manu-
scripts of the Romanesque style, demonstrates the change of designed letters, too. Fol. 138v of
the autograph of Gent presents Emperor Augustus with legends in uncial script; the frontispiece
of Destombes (1964) is executed in gothic minuscule according to a manuscript of the second
half of the thirteenth century.
91
Cartography, 1, p. 350 fig. 18.62.
92
Cartography, I, p. 289 fig. 18.1.
93
Cartography, 1, p. 341 and 349, figg. 18.42 and 18.59.
94
Cartography, 1, p. 350 fig. 18.63.
95
Cartography, 1, p. 349 fig. 18.58.
96
Cartography, 1, pl. 39.
97
Cartography, 1, pl. 16, 26, 29, 30, p.405 fig. 19.11 etc.
98
MILLER (1895), cf. supra n. 15 vol. 3 p. 121 and 128, Pierre also Destombes (1964), cf. su-
pra n. 27 pl. XVII or S.
99
Cartography 1, pl. 15, p. 313 fig. 18.22, pp. 352-353 figg. 18.67, 18.68, 18.69.
100
MILLER (1895), cf. supra n. 15, vol. 3 p. 137.
101
Ibidem p. 142.
102
Ibidem p. 139 and Destombes, cf. supra n. 27 pl. XXI or IJ.
398 Studien zur Universalkartographie [22]

and the map of Jean Mansel 104 in the fifteenth century, even the large map
of Andreas Walsperger, 105 the Borgia Map, 1 0 6 the Genoese elliptical
map, 107 and the maps of incunabula as Rudimentum Novitiorum, 108 and the
German map of Hanns Rüst. 109
On regional maps such as the Gough Map 110 no one should expect monu-
mental letters, though Matthew Paris is a special exception.
But the ornamental Catalan cartography, too, renounced on designed let-
ters up to the Modena Map. 111 On the other hand, the splendid Catalan At-
las 112 has them and also in Italy Giovanni Leardo" 3 and Fra Mauro. 114 The
use of majuscules even on maps survived the Renaissance.
If we summarize our examination of maps in books and atlasses, many of
them have monumental letters. These were used during the first millennium
in the Latin world for sacred places and legends, but stopped after the ele-
venth century without interrupting the use at all. Especially legends in Asia
preserved these old forms. Surely the model was of much influence.
Monumental letters do not allow us to use them as an infallible mark for
dating. But maps of large size had place for them, and here they were affixed
even in the thirteenth century. They are one of many external characteristics.
In the case of the Vercelli Map they are of use because of their transitional
character.

Summary

External characteristics can always be one of different arguments to date a


map. The observations made with the dating of the Vercelli map are not defi-
nitive. But the result might be, that though the idea of an English provenance
as a gift of Cardinal Guala Bicchieri is a fascinating hypothesis, there are
many arguments to consolidate the old opinion of Errerà, Paste, and Faccio,

103
Cartography 1, pl. 19.
104
Cartography, 1, pl. 12.
105
Cartography, I, pl. 21.
106
DESTOMBES (1964), cf. supra n. 17, pl. XXIX or V
107
BAGROW/SKELTON (1963), cf. supra n.22 pp.80-81.
108
Ibidem, p. 138.
109
Ibidem, pl. LI p. 378.
110
Cartography, 1, pl. 40
1,1
DESTOMBES (1964), cf. supra n. 27 pl. XXXIII or W.
112
Cartography, 1, p. 356 fig. 18.77.
113
Cartography, 1, pl. 20 and p. 338 fig. 18.40.
114
Cartography, 7, pl. 18; details DESTOMBES (1964), cf. supra n.27 pl. X X X V o r H H .
[22/23] XVIII. Monumental Legends on Medieval Maps 399

who found as well external characteristics for the second half of the thir-
teenth century as they identified King Philip of France as Philip III, who vis-
ited Africa.
Object of this study was the reference to historical auxiliary science, which
is to be used also by the historians of cartography. The best method might
always be the comparison, and modern editions and reproductions of maps
allow more research in this domain.
XIX. Geographisches Weltbild
und Berichtshorizont in der Papst-Kaiser-Chronik
des Martin von Troppau OP

A. Einleitung: Bäh mandü und chronographia

Der Perser RasTd ad-Dln (f 1318) hat im Rahmen seiner Universalgeschichte


für die mongolischen Il-Khane um 1304/06 eine Darstellung der Frankenge-
schichte, d.h. eine Geschichte des Abendlandes, vorgenommen. Hier be-
dient er sich für den zweiten Abschnitt, d.i. die nachchristliche Zeit, einer
Bearbeitung der Papst-Kaiser-Chronik des Dominikaners Martin von Trop-
pau als Hauptquelle. 2 Eingeleitet wird dieser Teil durch kurze Passagen über
die Messias-Vorstellung der Christen, 3 die Beschaffenheit des Landes Arme-
nien4 - welches das II-Khan-Reich von der Welt der Lateiner trennt - sowie
durch ein umfangreiches Kapitel über Länder der Franken, Meere, Inseln,
deren Eigentümlichkeiten und die dort regierenden Herrscher, 5 vorrangig
den Chroniken des Jakobiten Barhebraeus (Gregorios ibn al-'Ibri.) entnom-
men, 6 ein wenig ist auch der Abriß der römischen Geschichte vor Christus
aus den letzten Versionen der Chronik Martins von Troppau herangezogen. 7
Am Ende dieses Kapitels erscheint die Mitteilung, daß die Franken über eine
bäb mandü genannte Darstellung ihres Weltbildes verfügten, auf der sie ihre
Länder, Inseln, Berge und Wüsten abbildeten. Sie bedienten sich eines Maß-
stabes vermittels Skala und der Windrose zur Entfernungsbestimmung zwei-
er Orte.
Bäb mandü wird sprachlich als Verballhornung des lateinischen Begriffes
mappa mundi erklärt, der die mittelalterliche Weltkarte meint. RasTds Be-

1
K. JAHN, Die Frankengeschichte des Rasid ad-Din. Einleitung, vollständige Übersetzung,
Kommentar und 58 Texttafeln (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klas-
se, Denkschriften 129, 1977) S. 10.
2
JAHN (wie Anm. 1) S. 13-16.
3
Ed. JAHN (wie Anm. 1) S. 43-44.
4
Ed. JAHN (wie Anm. 1) S. 44-45.
5
Ed. JAHN (wie Anm. 1)S. 45-54.
6
JAHN (wie Anm. 1) S. 13-16 und Textnachweise; benutzte Ausgaben Jahns ebd. S. 27.
7
Martin von Troppau ist hier benutzt nach der Ausgabe von L. WEILAND, Chronicon pontifi-
cum et imperatorum, M G H SS 22 (1868) S. 377-475; die Doppelsträngigkeit ist in dieser Ausga-
be nicht beachtet, die Teile folgen einander.
[91/92] XIX. Die Papst-Kaiser-Chronik des M. v. Troppau 401

Schreibung derselben hat aber eben nicht die eigentliche mappa mundi* zum
Vorbild, sondern ganz offensichtlich die damals gerade aufgekommene Por-
tolankarte, denn nur sie bedient sich bereits der Windrose und kennt Maß-
stabskalen, hat zudem nicht die Welt, sondern das Abendland mitsamt Mit-
telmeerraum zum Gegenstand. RasTds Karte bot jedenfalls Nachrichten auch
über das Inland, müßte also bereits dem Typ der sogenannten katalanischen
Malschule - die wohl besonders in Genua zuhause war - angehört haben. 9
Endlich vermeldet RasTd 25 verschiedene Sprachen bei Frankenvölkern, die
einander nicht verstehen, sich aber alle einer einheitlichen Schrift, gleicher
Zahlzeichen und derselben Zeitrechnung bedienen. RasTd hat in der Haupt-
vorlage seiner Frankengeschichte, in der Papst-Kaiser-Chronik des Martin
von Troppau, keinerlei Anregung zu Ortsbeschreibungen oder gar eine Kar-
te vorgefunden; er vermißte offenbar beides und ergänzte den Mangel not-
dürftig aus anderen Vorlagen.
Laut Vorrede zur Chronik sind für Martin Zeitrechnungsprobleme der
Anlaß zur Abfassung:10 es geht um die tempora summorum pontificum ac im-
peratorum sowie anderer, diesen Vätern gleichzeitiger Personen, deren Wer-
ke man einordnen und zeitlich zueinander in Beziehung setzen will. Martins
Chronik ist mithin dem Weltchronikentyp series temporum11 zuzuordnen,
für den die Abfolge der Zeit im Mittelpunkt des Interesses steht, hier nicht
der schlichten einsträngigen, nach Welt- oder Inkarnationsjahren angelegten
series, auch nicht einer breiten Synchronistik wie bei Sigebert von Gembloux
oder Paulinus Minorità in der Nachfolge des Hieronymus, bei denen die
chronologische Tabelle schon die geographische Weite des Berichtshorizon-
tes 12 erahnen läßt, sondern einer Doppelsträngigkeit, die sich an Päpsten
und Kaisern orientiert. Immerhin kündet die Erwähnung anderer, den Päp-

8
Die Wendung mappa mundi findet sich schon im frühesten verbalen Nachweis für Porto-
lankarten, nämlich in der Vita Ludwigs des Heiligen von Frankreich von Wilhelm von Nangis,
derzufolge Ludwig IX. 1270 nach einem Unwetter auf See vermittels einer Mappa mundi den
Hafen von Cagliari auf Sardinien erreichte; vgl. Gesta S. Ludovici, ed. BOUQUET 20 (1840)
S.444.
9
Neueste zusammenfassende Darstellung bei T. CAMPBELL, Portolan Charts from the Late
Thirteenth Century to 1500, in: The History of Cartography 1, ed. by J. B. HARLEY and D.
WOODWARD (1987) S. 371-463, bes. S. 392 ff.
10
MGH SS 22 S. 397.
11
So definiert Isidor von Sevilla den Chronikbegriff, Etymologiae V, 28, ed. W. M. LINDSAY
(1911 U.Ö.). Zur Typologie der Weltchronistik vgl. A.-D.v.den Brincken, Abendländisches Mit-
telalter, in: Mensch und Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universalgeschichtsschreibung (7.
Forschungsgespräch des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissen-
schaften Salzburg, hg. von A. Randa, 1969) S. 47 ff.
12
A.-D.v. DEN BRINCKEN, Contemporalitas Regnorum. Beobachtungen zum Versuch des Si-
gebert von Gembloux, die Chronik des Hieronymus fortzusetzen, in: Historiographia Mediae-
402 Studien z u r Universalkartographie [92/93]

sten und Kaisern gleichzeitiger Personen an, daß Martin sich nicht zu eng
auf die Zweisträngigkeit beschränken will.
Martin adressiert seine Chronik gewissermaßen an Theologen und
Rechtsgelehrte, für sie will er die ihnen wichtigen Personen zeitlich überzeu-
gend einordnen als Urheber von Glaubens- und Rechtssätzen. Es geht Mar-
tin mithin immer vorrangig um Personen, insbesondere im Zusammenhang
mit Fragen des Heilsgeschehens. Orte werden allenfalls als Schauplätze die-
ses Geschehens erwähnt, als Wirkungsorte der Personen; nie interessieren
sie an sich, schon gar nicht in ihrer natürlichen Beschaffenheit. Das Heraus-
arbeiten der Geschichtsschreibungskategorie loca in quibus res gestae suntli
bereitet in Martins Chronik daher einige Mühe: er selbst dürfte sie sehr sel-
ten bewußt benannt haben.
Durch die gewählte Zweisträngigkeit Päpste-Kaiser ist die Chronik
zwangsläufig romazentrisch, denn die beiden universalen Führungsmächte,
an denen er seine Aussagen aufgehängt hat, sitzen in Rom. Folgt Martin in
den ersten Rezensionen seiner Chronik hier strikt seinen Vorläufern, so
reicht ihm diese Einengung schließlich nicht mehr: Im Zusammenhang mit
der Einbeziehung der vorchristlichen Geschichte Roms greift er mit Orosius
auch die anderen, in die römische Universalmacht mündenden Weltreiche
auf. Desgleichen werden für die christliche Zeit zunehmend missionsge-
schichtliche Aspekte berücksichtigt, die gerade im 13. Jahrhundert bedeut-
sam werden. Damit ist auch der Berichtshorizont abgesteckt, der in den
Blickpunkt des Interesses rückende Raum des Geschehens; allerdings wäre
eine Überschreitung dieses Rahmens durchaus denkbar, wird aber kaum
wahrgenommen. ' 4

valis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. FS. für Franz-Josef
Schmale zum 65. Geburtstag, hg. von D. BERG und H.-W. GOETZ (1988) S. 199-211.
13
Hugo von St. Viktor, Liber de tribus maximis circumstantiis gestorum, Vorrede, ed. W. M.
GREEN, Speculum 18 (1943) S.491.
14
Vom Berichtsgegenstand und Berichtshorizont handelt F.-J. SCHMALE, Funktionen und
Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung (1986) S. 124-142.
[93/94] X I X . Die P a p s t - K a i s e r - C h r o n i k des M. v. Troppau 403

B. Geographisches Weltbild und Berichtshorizont


in der Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau O P

1. Das Weltbild der Chroniken vom Typ series temporum

Chroniken mit dem Schwerpunkt series temporum, denen die Papst-Kaiser-


Chroniken grundsätzlich zuzuordnen sind, erscheinen primär linear ausge-
richtet, seriell. Isidor schon hat allerdings, als er Beispiele für Chronisten be-
nannte, für den griechischen Sprachbereich ausdrücklich Eusebios von Kai-
sareia zur Leitfigur erhoben, 15 unter den Lateinern dessen Übersetzer Hie-
ronymus herausgestellt, mithin eine beachtliche Breite des Berichtshorizon-
tes vorausgesetzt. In jedem Falle sucht ein Weltchronist für die zeitliche
Abfolge nach universalen Zeitlinien, an die er sich halten kann, befaßt sich
gegebenenfalls auch mit ihrer Stichhaltigkeit und Fragwürdigkeit: Etwa Be-
da korrigiert die hieronymianische Weltära, weil sie noch auf der Septuagin-
tachronologie beruht; ebenso wie später u.a. Marianus Scottus stellt er be-
reits die Zuverlässigkeit der Inkarnationsära in Frage.
Da im Vordergrund des Interesses dieser Chronisten die korrekte Datie-
rung vorrangig heilsgeschichtlicher Fakten, von Märtyrerakten, Bekeh-
rungsberichten u. ä. steht, wird auf die Breite der Erzählungen weniger Wert
gelegt, zumal Beschreibstoff kostbar und Kürze 16 Stilideal ist im frühen und
hohen Mittelalter. Schon die Hieronymus-Chronik ist seit der Zerstörung
Jerusalems 70 n.Chr. einsträngig geführt, ebenso ihre direkten Fortsetzun-
gen. Auch Isidor und Beda bescheiden sich mit dieser Form.
Ganz anders verfahren da die Autoren der geschichtenreichen Erzähl-
chronik vom Typ mare historiarum,17 als deren bekanntestes Beispiel der frü-
hen Zeit die «Historiae adversum paganos» des Orosius angeführt seien:
Eine Fülle von Einzelgeschehnissen, meist in erbaulichem Ton und morali-
sierender Absicht dargeboten, werden zeitlich zwanglos aneinandergereiht.
Orosius allerdings ist unter den lateinischen Christen auch der erste Histori-
ker, der die Notwendigkeit einer Vorstellung der wichtigsten Schauplätze
des Geschehens ausdrücklich zu Beginn seines Werkes begründet. 18

15
Etymologiae (wie Anm. 11 ).
16
E.-R. CURTIUS, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (41963) S.479-485,
grundlegend.
17
Der Dominikaner Johannes Columna (Colonna) wählte um 1340 diesen Titel für sein Ge-
schichtswerk; über ihn vgl. ST. L. FORTE OP, JOHN COLONNA OP, Life and Writings (1298-
1340), in: Archivum Fratrum Praedicatorum 20 (1950) S.369-414.
18
Ed. K. ZANGEMEISTER, CSEL 5 (1882) S.8-40.
404 Studien z u r Universalkartographie [94]

Endlich bietet die enzyklopädisch ausgerichtete Chronik vom Typ imago


mundi]9 grundsätzlich Geschichte in Verbindung mit kosmologischen und
geographischen Aussagen, mit Astronomie, Komputistik und Chronologie.
Das klassische Beispiel hierfür sind die «Etymologiae» des Isidor von Sevilla
oder das Werk des Honorius Augustodunensis.
Das räumliche Interesse des Martin von Troppau ist jedenfalls recht ge-
ring, Naturwissenschaften fesseln ihn ganz offensichtlich, für sich genom-
men, nicht. Neben Datierungsfragen bewegen ihn aber ganz ohne Zweifel
noch moralisierende Neigungen. Da andererseits seine Chronik 20 wie keine
andere in ihrer Wirkung die Grenzen des Abendlandes überschreitet, ist die
Frage nach seinem Berichtshorizont nicht ohne besonderen Reiz.

2. Der Berichtshorizont der Papst-Kaiser-Chroniken


bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts

Hieronymus hatte sich, nachdem Jerasalem zerstört war, aus dem berechtig-
ten Geschichtsverständnis seiner Tage mit der Zeitabfolge im Römischen
Reich begnügt; die Germanen hatten noch kein Gewicht erlangt, die Sassa-
niden regierten außerhalb seines Informantenkreises. Bemerkenswerter ist
die Tatsache, daß seine Nachfolger sich mit der Einsträngigkeit zufrieden-
gaben; erst Sigebert von Gembloux um 110021 versucht als einziger hochmit-
telalterlicher Geschichtsschreiber, die Breite eines Hieronymus anzustreben
und in bis zu neun Kolumnen nebeneinander die verschiedenen Geschichts-
stränge des frühen Mittelalters synchronistisch zu beleuchten. Im übrigen
aber bleibt zunächst der Berichtshorizont der Chronographie ein einge-
schränkter, trotz Erweiterung des Weltbildes im Zeitalter der Kreuzzüge.
Die Papst-Kaiser-Chronik bringt nun wenigstens eine eindeutige Doppel-
strängigkeit in die Darstellung, wobei die Stränge aufs engste miteinander
verflochten sind, inhaltlich ineinandergreifen, den gleichen Raum zum Ge-
genstand haben und sich insofern gar nicht ohne weiteres beispielsweise mit

19
Honorius Augustodunensis benannte so eine um 1109/10 in Angriff genommene Enzyklo-
pädie, die ganz außerordentliche Beliebtheit erlangte. Unter den Weltchronisten nahm Jacobus
da Acqui um 1300 diesen Titel auf für seine «Chronica ymaginis mundi».
20
Zu Martins Person und seinem Werk allgemein zuletzt A.-D. v. DEN BRINCKEN, ZU Her-
kunft und Gestalt der Martins-Chroniken, DA 37 (1981) S.694-735; DIES., Martin von Trop-
pau, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon 6 (1985) Sp. 158-166; DIES.,
Martin von Troppau, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter,
hg. von H. PATZE (VuF 31, 1987) S. 195-214.
21
Ed. L. C. BETHMANN, MGH SS 6 (1844) S. 268-374; dazu vgl. oben Anm. 12.
[94/95] XIX. Die Papst-Kaiser-Chronik des M. v. Troppau 405

dem Nebeneinander von Argivern und Sikyoniern bei Hieronymus oder so-
gar Ost- und Westgoten bei Sigebert vergleichen lassen. Als erster Verfasser
einer Papst-Kaiser-Chronik hat Hugo von St. Viktor zu gelten, der seinem
genannten «Liber de tribus maximis circumstantiis gestorum» eine solche 22
anfügte. Dieser gehen gesonderte Listen der personae a quibus res gestae sunt
und der loca in quibus gestae sunt voraus, 23 so daß man den nach Päpsten
und Kaisern kolumnenweise organisierten Katalog im Annalenschema, der
große Verbreitung erfuhr, als Erstling ansprechen kann - im Gegensatz zur
in der Anlage freieren Parallelordnung eines entsprechenden Katalogs am
Ende des 7. Buches der Chronik Ottos von Freising24 oder im «Speculum re-
gum» des Gottfried von Viterbo. 25 Desgleichen erstellt auch Cencius letzt-
lich nur einen Parallelkatalog. 26 Mehr weltchronikalischen Charakter zeigen
da die «Annales Ceccanenses»27 um 1218, die reichliche Information über
Innozenz III. und Honorius III. (Cencius) vermitteln. Eine breite Doppel-
strängigkeit bietet endlich Gilbertus Romanus um 1220/21; unter Benutzung
seiner Vorgänger berichtet er rombezogen, bezieht aber Ungarn, die Kreuz-
züge und für die eigene Zeit reichhaltiges Material aller Art ein. Allen diesen
zumeist in Rom selbst oder seiner nächsten Umgebung entstandenen Werken
bis hin zur «Chronica pontificum et imperatoram S. Bartholomaei in Insula
Romani» 28 um 1255 ist gemeinsam, daß sie die Vergangenheit knapp und im
wesentlichen auf Rom beschränkt referieren und bescheidene Universalität
nur in der eigenen Zeit und jüngsten Vergangenheit entwickeln.

3. Die alte Welt bei Martin von Troppau

Papst-Kaiser-Chroniken beginnen - das liegt in der Sache! - mit der christli-


chen Zeitenwende. Schon Hugo von St. Viktor 29 zählt Christus selbst als
den ersten Papst, und hierin folgen ihm Gottfried, Gilbertus und natürlich

22
Ed. G. WAITZ als «Chronica quae dicitur Hugonis de S. Victore», MGH SS 24 (1879)
S. 88-97.
23
Das Werk wurde noch nicht vollständig ediert und muß in Handschriften benutzt werden,
z.B. Ms. Leipzig, Universitätsbibliothek 350 fol.95v-l31v.
24
Ed. A.HOFMEISTER, MGH SS rer. Germ. (1912) S. 375 ff.
25
Ed. G. WAITZ, MGH SS 22 (1868) S. 23-30 nacheinander, vgl. «Memoria saeculorum»,
ebd. S. 102, und «Pantheon», ebd. S. 282-297, parallel.
26
Ed. G. WAITZ, MGH SS 24 (1879) S. 102-107.
27
Ed. JAHN (wie Anm. 1) S.54.
28
Ed. O. HOLDER-EGGER, M G H SS 31 (1903) S. 189-225.
29
M G H SS 24 S. 90.
406 Studien zur Universalkartographie [95/96]

auch Martin von Troppau. 30 Mit Augustus setzen sich für den mittelalterli-
chen Historiker monarchische Herrschaftsprinzipien durch. Octavianus, ali-
as Kaiser Augustus, und alle, die diesen seinen Herrschernamen tragen, füh-
ren ihn auf den Sieg von Actium 31 v.Chr. zurück; doch in christlicher Vor-
stellung ist nicht die Ausrufung zum princeps durch den Senat 27 v. Chr. ent-
scheidend, sondern letztlich die Erwähnung des Kaisers Augustus bei Lukas
im Weihnachtsevangelium, seine Verbindung mit dem Bericht von der Ge-
burt Christi: Seine Steuerschätzung veranlaßt die Geburt des Messias in
Bethlehem, wie es der Prophetensprach geweissagt hatte.
Die vorgenannten, für Papst-Kaiser-Chroniken entscheidenden Datenan-
sätze sind in den Zeitenablauf einzubauen, und dies geschieht gewöhnlich
durch eine vorangestellte Komputation, etwa bei Gilbertus. 31
In den frühen Rezensionen A und B stürzt Martin sich medias in res: da
das zweiseitige Schema der Chronikenanlage möglichst ebenmäßig zu füllen
ist, steht ihm nur die erste Vorderseite für eine etwaige Einleitung zur Verfü-
gung. Martin beschränkt sich hier auf eine Benutzungsanleitung, dazu eine
Absichtserklärung. Er stellt außerdem das wohl von Richard von Cluny
übernommene Kardinalskapitel und eine Liste der benutzten Vorlagen an
den Anfang; er benennt hier als Quellen den «Liber Pontificalis», Paulus
Diaconus, Bonizo von Sutri, Gilbertus Romanus, einen Escodius, aber auch
Orosius, Richard von Cluny, Gervasius von Tilbury, Gottfried von Viterbo,
Vincenz von Beauvais und Märtyrerakten. Von diesen Autoren war zumin-
dest des Orosius Werk eine Fundgrube für auf Rom bezogene, aber aus aller
Welt zusammengetragene Ereignisse aus der Antike, von den übrigen Welt-
chronisten warteten Richard, Gervasius und besonders Vincenz mit einem
breiten Berichtshorizont auf. Dennoch beschränkt sich Martin zunächst
weitgehend auf Rom als Schauplatz des Geschehens.
Erst in der Spätfassung - Rezension C -, in der Martin auch das strenge
Jahresschema fallen läßt, 32 reicht ihm die ausschließliche Papst-Kaiser-Welt
nicht mehr aus. Bei Orosius hat er sich über die vier Weltreiche informiert,
deren letztes das Römische sein sollte. Er findet sie gemäß den vier climata
der Erde angeordnet; 33 Orosius spricht hier von cardines, gemeint sind die
Himmelsrichtungen, Begriffe, die Martin offenbar weniger geläufig waren,

30
MGH SS 22 S.408.
31
Ed. O. HOLDER-EGGER, MGH SS 24 (1876) S.122: Sunt igitur anni ab Adam usque ad or-
tum Salvatoris quinque milia centum nonaginta novem, a condicione vero Romane urbis septingenti
novem, ut ait Paulus Dyaconus in ystoriis Romanorum.
32
MGH SS 22 S. 442: A Clementepredictopresens cronica stilum operis commutavit...
33
Ebd. S. 398; vgl. Orosius 11,1,5 (wie Anm. 18) S. 82.
[96/97] XIX. Die Papst-Kaiser-Chronik des M. v. Troppau 407

nämlich Babylon im Osten, Karthago im Süden, Makedonien im Norden


und Rom im Westen. Babylon und Rom werden bei Orosius besonders ge-
wichtet. Bei Martin wird Babylon noch ausgeprägter im Bezug auf Rom be-
trachtet, desgleichen Kyros und die Geschichte Israels. Das geographische
Namengut ist von der Heiligen Schrift vorgegeben. Als Rom im Weltjahre
4484 Babylon in der Weltherrschaft ablöst, wird seine Entwicklung mit den
Geschehnissen des Alten Testaments, aber auch mit dem Untergang Trojas
und der Gründung Karthagos verknüpft. Im Zusammenhang mit der Erbau-
ung Roms befaßt sich Martin dann ausgiebig mit Details der Stadtbeschrei-
bung, die er der Mirabilia Romae-Literatur entnommen hat und einem Autor
namens Escodius zuschreibt: Pforten, Paläste, Tempel werden abgehandelt
ebenso wie die Machthaber, die dort wirkten. Eine Neuerung in der letzten
Rezension ist die Heranziehung des Livius, der ausdrücklich in der Quellen-
liste angeführt ist. Diese Varianten betonen eher den Rombezug noch, Ita-
lien und der Mittelmeerraum erscheinen als Umfeld von Roms politischer
Aktivität. Bei der Berichterstattung über die Herrschaft des Augustus finden
sich zu Pannonien, Ungarn und Osteuropa Einzelheiten, die auf Martins
persönliches Interesse zurückgeführt werden könnten: 34 die Elbe in Böhmen,
die aus Mähren - Martins Heimat! - kommende Oder, die von Polen ins
Meer fließende Weichsel lassen ganz ausnahmsweise einmal den gebürtigen
Troppauer fassen.

4. Die christliche Welt Martins von Troppau

Martin erstellt primär ein chronographisches Hilfsmittel für Theologen und


Rechtskundige, letzteres bedeutet im Sprachgebrauch eines kurialen Beam-
ten: für Kanonisten. Er wendet sich an Gelehrte und Studierende im Einfluß-
bereich der lateinischen Welt, an diejenigen, die Verantwortung tragen oder
übernehmen wollen innerhalb der Römischen Kirche, der er selbst als Pöni-
tentiar dient. Genau auf diesen Leserkreis ist sein Berichtshorizont zuge-
schnitten, auf die Welt, mit der die Kurie zu tun hat und von deren Beschaf-
fenheit und Geschichte man wissen muß. Diese Beschaffenheit meint aber
nicht ihre physikalischen Voraussetzungen, sondern ihren Standort in der
Heilsgeschichte. Im Laufe seiner Tätigkeit im Dienste der Kurie erweitert
sich Martins Horizont, das Zweite Konzil von Lyon konfrontiert ihn mit
Christen extra limina Romanae Curiae.

34
MGH SS 22 S. 406.
408 Studien zur Universalkartographie [97]

Martins Interesse ist so ausgeprägt personenbezogen, daß ihn die locorum


scientia bei Orosius 35 nur innerhalb Roms wichtig dünkt, Rom mehr als urbs
denn als orbis verstanden. 36 Hier haben die seine Geschichtsschreibung or-
ganisierenden Universalmächte ihr Wirkungsfeld, und daher ist Martin auch
die Lage von Toren, Palästen, Tempeln wichtig, allerdings erarbeitet aus der
Literatur und nicht etwa in Form eines Erlebnisberichtes, von Stadtführung
ganz zu schweigen. Die urbs ist Martin Signum monarchie orbis,57 hingegen
ist nirgends an einen Kausalitätsbezug zwischen Geschehen in Rom und sei-
nen natürlichen Gegebenheiten gedacht: Mauern, Pforten, Paläste und Tem-
pel bzw. Kirchen wurden von Menschen gestaltet und sind nicht etwa vorge-
geben.
In der Chronik selbst ist die linke, nach den Päpsten datierte Seite zwar
keineswegs als Kirchengeschichte im Gegensatz zu einer Profangeschichte
auf der rechten Kaiserseite zu deuten, denn für die Placierung der Nachrich-
ten ist einzig die Datierung in der Vorlage ausschlaggebend. Aber zwangs-
läufig wird die Mission schon in der Zeit der Apostel, etwa in Ägypten, Gal-
lien, Antiochien, Griechenland 38 und die Christianisierung ganzer Regio-
nen, auch der Verlauf von Konzilien vorzugsweise in Verbindung mit Päp-
sten erörtert, wenn auch vergleichsweise Märtyrerberichte häufig auf der
Kaiserseite zu denjenigen Herrschern angeführt werden, die sich als Chri-
stenverfolger hervortaten. 39 Mit großer Selbstverständlichkeit bedient sich
Martin auch der in der Konstantinischen Schenkung belegten Hierarchie der
Kirche, wenn er bereits unter Papst Viktor I.40 von einem Patriarchen von
Jerusalem spricht. Die östliche Christenheit ist ansonsten durch das reiche
Legendenmaterial, das schon Vincenz von Beauvais bot, gut vertreten. Zu
Silvester I. wird nicht nur die Bekehrung der Römer, 41 sondern zeitlich par-
allel auch die der Georgier 42 und der Äthiopier 43 eingetragen. Unter Dama-
sus (366-384) reiht Martin die Historie von Barlaam und Josaphat 44 ein, die
Vincenz - weil er sie nicht zu datieren wußte - in seinem 15. Buch hinter Kai-

35
I,l,17(wieAnm.l8)S.8.
« MGH SS 22 S. 399ff.
37
Ebd. S. 400.
38
Ebd. S. 409.
39
Ebd. S.445-450.
40
Um 200, vgl. ebd. S.412.
41
Ebd. S.415.
42
Ebd. S.416.
43
Ebd.; sie werden als Inder bezeichnet gemäß Vincenz von Beauvais 13, 96-97 (Douai-Edi-
tion 1624, Ndr. 1965) S.535. Schon Rufin nennt die Äthiopier in seiner Kirchengeschichte In-
der, weil Äthiopien als India Tertia angesprochen wurde.
44
MGHSS22S.416f.
[97/98] XIX. Die Papst-Kaiser-Chronik des M. v. Troppau 409

ser Valens ("f"378) vermeldet. Auch aus außeritalischen Gebieten des Römer-
reiches wie Spanien, Dalmatien, Griechenland und natürlich Ostrom wird
von Häretikern berichtet. 45 In Nordwesteuropa reicht der Berichtshorizont
bis Irland. 46 Überraschend mutet freilich unter Papst Simplicius (468-483)
der Hinweis auf den britannischen Seher Merlin 47 und den Artus-Sagenkreis
an; Arturus soll durch seine benignitas Frankreich, Flandern, Norwegen und
Dänemark bezwungen haben. 48 Diese anachronistische Notiz, für die die
«Historia Britonum» bemüht wird, stammt aus des Gervasius «Otia Imperia-
lia» 49 und hat englische Chroniken des 12. Jahrhunderts zur Vorlage. Merlin
erscheint bei Richard von Cluny und Vincenz, aber ohne Zeitangabe und in
anderem Zusammenhang. 50 Martins sprunghafte Arbeitsweise gibt hier Rät-
sel auf und zeigt, daß er für die Welt der Sagen und Mirabilia nicht unemp-
findlich war; vermutlich wollte er diesen durch Datierangsversuche über
seine Quellen hinaus mehr historisches Gewicht verleihen.51
Daß Chlodwigs Taufe und der Aufstieg der Franken 52 in einer rombezo-
genen Chronik zur Essenz gehören, versteht sich, dasselbe gilt für den Ein-
bruch der Langobarden nach Italien.53 Den Iren Brandanus ordnet Martin
unter Papst Pelagius I. (556-561) ein, ohne zu erläutern, weshalb derselbe
als bedeutend gilt:54 dies ist auch bei Vincenz nur unter monastischen, nicht
unter geographischen Aspekten referiert;55 die Datierung hoc tempore findet
sich schon bei Vincenz mit den Worten per idem tempus neben einem Bericht
über Gregors des Großen Jugend. Am Persersieg des Kaisers Herakleios in-
teressiert das Herkunftsland des heiligen Anastasios des Persers, der angeb-
lich ein Opfer der Sarazenen wurde, eine mithin total verworrene Berichter-
stattung, die belegt, wie wenig Martin das historische Verhältnis zwischen
Perserreich und Sarazenenaufstieg begriffen hat. 56 Zuverlässiger sind die

45
Ebd. S.417f.
46
Ebd. S.418.
47
Ebd. S. 419; die in der Ausgabe angegebene Vorlage, Richards Chronik, liegt nur teilweise
ediert vor; zu Merlin vgl. z.B. Ms. Paris, Bibl. Nat. Lat. 4934 fol.37v-39r.
48
Ebd. S.419.
49
11,17 ed. G.W. v. LEIBNIZ, Scriptores Rerum Brunsvicensium 1 (1707) S.935.
50
Vincenz21,74 (wie Anm. 43) S. 841 f.
51
Vgl. zu diesem Anliegen der Papst-Kaiser-Chronisten das Vorwort der «Flores Tempo-
rum», ed. O. HOLDER-EGGER, MGH SS 24 (1879) S.230.
52
M G H SS 22 S.420.
53
Ebd. S. 421.
54
Ebd. S. 421.
55
Vincenz 21,81 (wie Anm. 43) S. 843.
56
M G H SS 22 S. 423.
410 Studien zur Universalkartographie [98/99]

Angaben über die Englandmission des T h e o d o r von Canterbury 5 7 und die


Tätigkeit des Bonifatius, 5 8 da sie für die weitere Einflußsphäre Roms ent-
scheidend werden.

Ein Blick auf die Berichterstattung d e r Kaiserseiten bis zum Aufstieg d e r K a -


rolinger zeigt einen H o r i z o n t , der wesentlich an den Grenzen des Römerrei-
ches orientiert ist: Mittelmeerraum in d e r Antike und Gewichtung O s t r o m s
im Frühmittelalter. D a taucht in Ägypten d e r Vogel Phönix unter Kaiser
Claudius 5 auf, nachdem er 600 J a h r e zuvor in Arabien bezeugt war. Jerusa-
lems Untergang unter Vespasian und Titus 6 0 ist eine wichtige Zäsur. O b die
E r w ä h n u n g des Ptolemäus in Alexandrien 6 1 auch n u r die geringsten geogra-
phischen Assoziationen zu vermuten erlaubt, ist höchst zweifelhaft, denn
dieser ist als Mathematiker und Astronom gefeiert; immerhin wird d e r Al-
magest erwähnt, ansonsten ungewöhnliches Interesse an seiner Person be-
zeigt. M ä r t y r e r werden aus dem ganzen Reich verzeichnet, insbesondere in
vorkonstantinischer Zeit. 6 2 D e r Berichtshorizont reicht auch hier von Bri-
tannien im N o r d w e s t e n 6 3 bis Mesopotamien im Osten. 6 4 Die Völkerwande-
rung wird mit dem Goteneinfall unter Valens greifbar, 6 5 von den H u n n e n ist
erst unter Theodosius die Rede. 6 6 Die Wandalen in Nordafrika, 6 7 Justinian
als Sieger über Wandalen, Ostgoten und Perser, 6 8 die Invasion der L a n g o -
b a r d e n 6 9 werden gestreift; ihre E r w ä h n u n g ist Bestandteil der Geschichte
des Römischen Reiches. D e r N a h e Osten findet zunehmende Beachtung seit
Maurikios, besonders unter Herakleios sind Perser, Armenier sowie die G e -
schichte M o h a m m e d s und die Anfänge des Islams 7 0 erwähnenswert. Den

57
Ebd. S. 423.
58
Ebd. S. 425.
59
Ebd. S. 444.
60
Ebd. S.445.
61
Ebd. S. 447; diese Textstelle fehlt in der Rezension A.
" Vgl. oben Anm. 39.
63
MGH SS 22 S. 448.
64
Ebd. S. 449.
" Ebd. S. 453.
" Ebd. S. 454.
67
Ebd. S.453-455.
*« Ebd. S. 455f.
69
Ebd. S. 456.
70
Ebd. S. 457f.
[99/100] XIX. Die Papst-Kaiser-Chronik des M. v. Troppau 411

Kampf um Jerasalem und den Verbleib des 1247 von Ludwig dem Heiligen
nach Paris verbrachten Heiligen Kreuzes läßt Martin nicht aus. 71 Bulgaren
erscheinen unter Konstantin IV., 72 Sarazenen künftig häufig, der Ire Colum-
ban in Burgund, 73 ein Pseudo-Christus in Syrien unter Leo III., 74 die Mos-
lems in Spanien, 75 Karl Martell als Sieger über dieselben, 76 alles Gescheh-
nisse, die die Jurisdiktion der Kurie berühren.

Auch die Berichterstattung auf der Papstseite erwähnt in karolingischer Zeit


verstärkt die Sarazenen, 77 zumal diese über Italien hereinbrechen und Rom
bedrohen. Daneben finden im 9. Jahrhundert das letzte Ökumenische Konzil
im Osten 879 zu Konstantinopel 78 und die Missionierung der Slawen sowie
der Einbruch der Normannen nach Frankreich Berücksichtigung, 79 desglei-
chen im Anfang des 10. Jahrhunderts der Ungarneinfall 80 sowie die Norman-
nen als Gegenspieler der Päpste in Süditalien.81
Durch die Kreuzzugsbewegung tritt der östliche Mittelmeeraum stärker
hervor, 82 insbesondere Jerusalem, Antiochien und Tripolis. Erweitertes
räumliches Denken bringt noch keineswegs das Erste, 83 aber dann das Zwei-
te Konzil von Lyon 84 in die Chronik, wo neben den Griechen auch von den
Mongolen die Rede ist, ohne daß Martin sich der bislang universalhistorisch
unrealisierbaren Weite bewußt ist.

71
Ebd. S. 457 f.
72
Ebd. S. 458.
73
Ebd. S. 459.
74
Ebd. S. 460.
75
Ebd. S. 460.
76
Ebd. S. 460.
77
Ebd. S. 427 ff.
78
Ebd. S. 429.
79
Ebd. S. 429.
80
Ebd. S. 430 ff.
81
Ebd. S. 434.
82
Ebd. S. 435ff.
83
Ebd. S. 440.
84
Ebd. S. 442.
412 Studien zur Universalkartographie [100]

Für diesen hochmittelalterlichen Zeitraum erfüllt die nach Kaisern geord-


nete Chronistik die Erwartung auf räumliche Breite schon eher, obwohl man
dem Kaisertum hier mitnichten die größere Aktivität nachsagen kann: allen-
falls Karl der Große verteidigt Spanien durch Roland gegen die Sarazenen 85
und unterhält Beziehungen zu Jerasalem und Konstantinopel. Moslems und
Normannen bleiben die Gegner der späten Karolinger. 86 Von den Ungarn ist
hier schon im 9. Jahrhundert die Rede, 87 erstmals auch von Ruthenen. Der
heilige Wenzel 88 gibt Anlaß zu einer mißverstandenen Nachricht über den
späteren Bau einer Zisterzienserabtei in Reval. Ausgeprägtes Interesse be-
zeigt Martin für den Raum Preußen-Polen-Ungarn und seine Missionierung
unter Otto IL [!], 89 ganz besonders dann auch im Zusammenhang mit dem
heiligen Adalbert. 90 Normannen in Italien91 und die Kreuzzüge 92 sind
gleichfalls im Bezug auf die Kaiser erwähnt. Universalhistorische Breite
durch die Mongolen im 13. Jahrhundert ist hier bereits zum Jahre 1239 ge-
boten, 93 auch sonst wird die Berichterstattung für die eigene Zeit recht aus-
führlich und erfaßt den Raum von Dänemark bis Ungarn und Spanien, von
Konstantinopel bis Tunis einschließlich der Mittelmeeranlieger.94

5. Eine außerchristliche Welt bei Martin von Troppau?

Für Martin von Troppau endet die Welt offensichtlich dort, wo der Einfluß
der Päpste an seine Grenze gelangt. Die Welt darüber hinaus existiert für
ihn völlig am Rand. Bezeichnenderweise sind viele Handschriften der Chro-
nik - darunter die besonders wichtige Tabellenhandschrift der Rezension B
aus Santa Maria Novella in Florenz - mit dem «Provinciale Romanum» ver-
bunden, 95 der Auflistung der Diözesen der christlichen Welt, die der kuria-

85
Ebd. S.461.
86
Ebd. S. 462 f.
87
Ebd. S. 463.
88
Ebd. S. 464; hierzu vgl. H. KOLLN, Der Bericht über den Dänenkönig in den St.-Wenzels-
Biographien des 13. und H.Jahrhunderts (Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab. Hi-
storisk-filosofiske Meddelelser 52, 2, 1986) S. 11 ff.
89
M G H SS 22 S. 465.
90
Ebd. S. 466.
91
Ebd. S. 467 ff.
92
Ebd. S. 468 ff.
93
Ebd. S. 472.
94
Ebd. S. 472-474.
95
Vgl. hierzu die Übersichtstafeln zur Überlieferung von 408 Handschriften von Martins
Chronik, in: DA 41 (1985) S. 501-531 und 45 (1989) S. 571-591.
[100/101] XIX. Die Papst-Kaiser-Chronik des M. v. Troppau 413

len. Verwaltung als wichtiges Manuale diente: die Verbindung dieser beiden
Schriften - keine andere ist so häufig mit Martins Chronik zusammen über-
liefert - könnte schon auf Martin selbst zurückgehen. Denn das «Provin-
ciale» spiegelt exakt Martins Berichtshorizont und eignete sich für Martin
hervorragend als Ersatz für eine Aufstellung über loca, in quibus res gestae
sunt: primär ist hier Italien mit seinen vielen Bistümern erfaßt, weiter das
ganze Abendland, der Ostmittelmeerraum mit dem Heiligen Land, der
Orient bis hin zu den Mongolen, ohne daß berücksichtigt ist, daß viele Orte
zu Martins Zeit keine christlichen Sitze mehr waren.
Plätze außerhalb der christlichen Welt sind nur erwähnt, wenn sie mit
dem Abendland zu tun haben. Möglicherweise unbewohntes Land auf der
Rückseite der Erdkugel oder jenseits der Diözesen ist für Martin eine fremde
Welt, in seiner «Margarita Decreti» wie in der Chronik. Allerdings hat er an
keiner Stelle in Anspruch genommen, daß seine Chronik Universalgeschichte
sei. Er schreibt Chronica pontificum et imperatorum, und die Kapitel über
Roms Frühzeit stellte er voran, weil Kaiser und Papst Romane urbis seien, 96
auf Rom bezogen. Series temporum ist für Martin series pontificum et impera-
torum und darüber hinaus gibt es kein nennenswertes Geschehen.

C. Zusammenfassung

Der Universalhistorientyp Papst-Kaiser-Chronik hängt das Geschehen ge-


wissermaßen zwischen zwei parallelen Personengestängen auf, rahmt damit
auch die Schauplätze ein. Der Bezug Rom läßt den Berichtshorizont zumin-
dest am Rande des Römischen Reiches enden. Ein Manuale für Theologen
und Kanonisten der Römischen Kirche brauchte nicht mehr zu bieten.
Auch mittelalterliche Weltkarten bilden die Welt primär als Schauplatz
des Geschehens ab, insbesondere des Heilsgeschehens, nicht aber als natur-
gegebenes Konglomerat von Elementen. Nicht nur die Aktivität des Men-
schen, sondern Gottes am Menschen wird im bekannten Raum lokalisiert.
Martin hat keinerlei Anstalten zu einer mappa mundi geliefert, weder zu ei-
ner gemalten noch zu einer geschriebenen, Ersatz für letztere war ihm not-
falls das «Provinciale Romanum». Würde man nach einer seiner Zeit ange-
hörenden Weltkarte suchen, die den ihn interessierenden Raum in einer Ge-
wichtung bietet, die auch seinem Berichtshorizont entspräche, so müßte es
eine romazentrische sein mit dem Schwergewicht auf Europa und der An-

96
M G H SS 22 S. 397, späte Rezensionen (rechte Textkolumne).
414 Studien zur Universalkartographie [101]

deutung einiger christlicher Zentren im Ostmittelmeerraum. Da böte sich


zur Illustration allenfalls diejenige des Matthaeus Parisiensis an, die aller-
dings nur in England überliefert ist und Martin mit Sicherheit nie unter die
Augen gekommen ist. Sie zeigt just die Welt, die Martin vorrangig in seiner
Chronik behandelt. 97

97
Vgl. Abb. derselben aus Ms. Cambridge, Coipus Christi College 26 p. 284; hierzu R.VAUG-
HAN, Matthew Paris (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 11,6; 1958) S.235-250
(vgl. unten Tafel 39); zu einer möglicherweise auch auf Matthaeus zurückgehenden, ganz an-
dersartigen Weltkarte vgl. auch A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte des Johann von Wal-
lingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (1973) S.47-56 ( = o. S. 137-
148).
XX. Die Ebstorfer Weltkarte im Verhältnis zur
spanischen und angelsächsischen Weltkartentradition

Einleitung: Die Fragestellung

Die Ebstorfer Weltkarte ist - soweit heute noch bekannt - die von der be-
malten und beschrifteten Fläche her größte Universalkarte des Mittelalters
gewesen. Sie bot mithin den Raum für die größtmögliche Materialfülle.
In ihrer Vielseitigkeit diente sie keineswegs nur dem Geographen als In-
formationsquelle, vielmehr war sie imago mundi, bildhafte Enzyklopädie der
Zoologie, Botanik, Geschichte, Kosmologie und vorrangig der Königin der
Wissenschaften, der Theologie; sie ist daher vielfach als aussagenreichste
und schönste Summa ihrer Art verstanden worden.
Wenn dieses Kunstwerk hier in seiner Stellung zur spanischen und vor al-
lem zur angelsächsischen Kartentradition beleuchtet werden soll, so geht es
um die Frage nach denjenigen Darstellungen, die als Vorbild in Frage kom-
men. Zeitliche Grenze ist der Ausgang des 13. Jahrhunderts, da die Ebstorfer
Weltkarte kaum jünger war, die Entwicklung der Universalkartographie
aber unter dem Einfluß der Portolanzeichner vielfach ein recht andersartiges
Aussehen erhielt. Außer acht bleiben alle Schema-Karten. Im Mittelpunkt
steht die detaillierte Ökumene-Karte, ganz besonders ihre wenigen großfor-
matigen Exemplare, aber auch Kartengemälde im Verband des Buches, die
ein umfangreiches Wissensprogramm reproduzieren und reiches Legenden-
gut mit signifikanten Bildbeigaben bieten.
Mit der Formulierung von einer spanischen und angelsächsischen Welt-
kartentradition ist bereits angedeutet, daß sich dort beachtenswerte Stücke
finden, die deutliche Beziehungen zur Ebstorfer Weltkarte aufweisen.

1. Übersicht über die Ökumene-Karten


des Früh- und Hochmittelalters

Die Hervorhebung einer spanischen und einer angelsächsischen Weltkarten-


tradition ist insofern berechtigt, als die Atlantik-Anrainer die Führung der
früh- bzw. hochmittelalterlichen Universalkartographie innehatten, 1 wäh-

Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Kartographische Quellen: Welt-, See- und Re-
416 Studien z u r Universalkartographie [130]

rend der Mittelmeerraum erst im 13. Jahrhundert Aktivität entfaltete. War


auch zunächst jegliche Form einer Vermessung außer Gebrauch gekommen,
so hat sich Kartographie zu allen Zeiten bei seefahrenden Völkern besonde-
ren Interesses erfreuen können.
Insbesondere die Literaturwissenschaftler, die sich in jüngster Zeit recht
nachdrücklich der Kartographie des Mittelalters annehmen, 2 haben recht
überzeugend geltend machen können, daß die umfangreicheren Belegstücke
meist verschiedene Kartentypen ineinander integriert bieten.3 Dennoch kann
man behutsam aussagen, daß der stärker naturwissenschaftlich orientierte
Kartentyp, die Zonenkarte, mit ihrer Sonderversion, der Klimatenkarte des
Mittelalters, aus der alexandrinischen Schule hervorgeht und letztendlich
die Kugelgestalt der Erde zur selbstverständlichen Voraussetzung hat; sie
beschreibt die physikalischen Erscheinungen auf der Grundlage der Karte
des Krates von Mallos, bei dem die Kugel durch zwei sich in rechtem Winkel
schneidende Ozeanringe, einen Polar-Ozean und einen Äquatorial-Ozean,
in vier Kontinente aufgeteilt ist. Dem Abendland wurde sie durch Macrobius
und Martianus Capella in Gestalt einer für den Planiglob stehenden kreis-
förmigen Fläche bekanntgemacht. 4 Der Ökumene ist immer nur ein Teil des
Kreises zugewiesen, so daß recht wenig Platz für Einzelheiten bleibt und die
Karte in der Regel ziemlich schematisch ausfällt. Sie interessiert daher hier
weniger. Ausnahmen bilden nur zwei bedeutsame hemisphärische Ökumene-
Karten, die des Westgoten Theodulf von Orleans aus der Zeit Karls des
Großen, erhalten im Kodex von Ripoll von 10555 und ganz in der Tradition
Isidors von Sevilla stehend, sowie diejenige des Lambert von Saint-Omer im
«Liber Floridus» (1112-1121), die sehr antik geprägt ist, fast ausnahmslos

gionalkarten ( = Typologie des sources du moyen-äge Occidental fase. 51), Turnhout 1988,
S.75f.
2
UWE RUBERG, Mappae mundi des Mittelalters im Zusammenwirken von Text und Bild, in:
Text und Bild, Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit,
hrsg. von CHRISTEL MEIER/UWE RUBERG, Wiesbaden 1980, S. 552-592. - JÖRG-GEFRD ARENT-
ZEN, Imago mundi Cartographica ( = Münstersche Mittelalter-Schriften 53), München 1984. -
HARTMUT KUGLER, Die Ebstorfer Weltkarte. Ein europäisches Weltbild im deutschen Mittelal-
ter, in: Zeitschrift f. deutsches Altertum u. deutsche Literatur 116, 1987 S. 1-29.
3
ARENTZEN (wie Anm.2), S.63ff.
4
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie des
Mittelalters, in: Arch. f. Kulturgesch. 58, 1976, S.77-95 ( = o. S. 186-205) in populärwissen-
schaftlicher Zusammenfassung.
5
A. VIDIER, La mappemonde de Théodulfe et la mappemonde de Ripoll (IXe - Xle siècle),
in: Comité de travaux historiques et scientifiques, Bulletin de géographie historique et descripti-
ve 16, Paris 1911, S.285-313.
[130/131] X X . Die Ebstorfer Weltkarte 417

Palimpsest aus St. Gallen (Nachzeichnung K. Miller, Mappae mundi VI, S. 58)

Provinznamen aufführt, an Siedlungen nur Rom, Babylon und Karthago


nennt und sich als Karte des Martianus Capella bezeichnet. 6
Klimatenkarten kommen erst über die Araber ins Abendland; sie sind erst-
mals zu Beginn des 12. Jahrhunderts bei Petras Alfonsi in rein schematischer
Form bezeugt. 7 Johann von Wallingford, 8 Zeitgenosse und Mitarbeiter des
Matthaeus Parisiensis um die Mitte des 13. Jahrhunderts in England, liefert
auch Legenden von Orten, die für die Klimata charakteristisch waren im
Sinne der alten poleis episemeis, aber gleichfalls spärlich und schematisch, so
daß diese Karte hier ohne besonderes Gewicht bleibt.
Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen stehen vielmehr die soge-
nannten T-Karten, geostete Radkarten, geteilt durch ein T von Gewässern,
nämlich in der oberen Hälfte in Asien, begrenzt von Don und Nil als T-Bal-

6
RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Martianus Capella, in: Mnemosyne 3. ser. 3, 1936,
S. 97-124. Abb. findet sich auch in der jüngsten Monographie zur Ebstorfer Weltkarte, bei BIR-
GIT HAHN-WOERNLE, Die Ebstorfer Weltkarte, Stuttgart-Bad Cannstatt o. J. (1987), Abb. 7,
S.17.
7
KONRAD MILLER, Mappae Mundi 3, Stuttgart 1895, S. 126f. nach Ms. Paris BN lat. 10722.
8
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von
Wallingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51, 1973, S.47-56 ( = o.
S. 137-148).
418 Studien zur Universalkartographie [131/132]

ken, unten links in Europa, rechts in Afrika, getrennt durch das Mittelmeer
als T-Schaft. Hier ist an erster Stelle Isidor zu erwähnen, von dem man eine
auf 775 datierte große Ökumene-Karte besitzt, die allerdings kaum Spuren
des T-Schemas aufweist,9 von dem außerdem auf einem Palimpsest aus St.
Gallen 10 aus der Karolingerzeit eine Darstellung überlebt hat, die das T der
Gewässer auf der Karte als Kreuz deutet und Christi Leib darüber zeigt; zu-
gleich ist hier im äußersten Süden, d.h. am rechten Kartenrand, der unzu-
gängliche Antipodenkontinent angedeutet, der ein Relikt des rückseitigen
Antichthonenkontinentes auf der Krates-Karte ist.
Markstein christlicher Universalkartographie ist die nur abschriftlich er-
haltene Karte des Beatus von Liébana, die dieser um 776-786 seinem Apoka-
lypsenkommentar beigab; er wollte damit die Aussendung der zwölf Apostel
an alle Enden der Welt illustrieren. Gerade diese Dokumentation, die sich
auf nur relativ wenigen mittelalterlichen Karten findet, ist auf der Ebstorfer
Weltkarte aufgegriffen.
Weder Deutschland noch Italien noch Frankreich bieten im Hochmittelal-
ter bedeutsame Belege der Universalkartographie, wenn man einmal vom
Rotulus von Vercelli absieht. England hingegen geht eindeutig auf dem Ge-
biet der Kartographie in Führung: dies dokumentieren die sogenannte Cot-
toniana, die beiden aus London überlieferten Hieronymus-Karten, die den
Orient und das Heilige Land zum Gegenstand haben, die Karte des Hein-
rich von Mainz zur Imago Mundi des wohl aus England stammenden Hono-
rius Augustodunensis, die Psalterkarte sowie die großformatige Karte in der
Kathedrale von Hereford.
Wegen geringer individueller Aussage dürfen Sallust-Karten, aber auch
die aus Albi oder die des Guido von Pisa außer acht bleiben. Matthaeus Pa-
risiensis, der vielleicht noch Zeitgenosse des Malers von Ebstorf war, ging
eigene Wege mit seiner am Itinerar orientierten Darstellungstechnik und
wird daher nicht einbezogen.
Offen ist weiter die Frage, wie man sich eine Beeinflussung technisch vor-
zustellen hat.

9
RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in: Mnemosyne 3. ser. 3, 1936,
S. 1-28; die Karte aus Ms. Vat. Lat. 6018 fol.64v/65 ist u.a. auch abgebildet in dem Werk von
MARCEL DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500 (= Monumenta Cartographica Vetustioris
Aevi I), Amsterdam 1964, Tafel XVIII bzw. T, vgl. auch sect. 1, 7 S.30; desgleichen Abb. bei
HAHN-WOERNLE (wie Anm.6), Abb. 19, S.33.
10
Ms. St. Gallen 237, p. 1; vgl. DESTOMBES (wie Anm.9), sect. 1, 6 S.30, sowie KONRAD MIL-
LER, Mappae mundi 6, Stuttgart 1898, S. 58; zur Kreuzform vgl. J. T. LANMANN, The Religious
Symbolism of the T in T-O Maps, in: Cartographica 18, Toronto 1981, S. 18-22. - Vgl. Abb 1
(vgl. unten Tafel 6).
[132/133] X X . Die Ebstorfer Weltkarte 419

2. Anmerkungen zu den antiken (Text-)Vorlagen

Die abendländische, d.h. lateinische Ökumene-Karte des Mittelalters baut


auf ihrer antiken Vorform auf, die Ebstorfer Weltkarte ebenso wie ihre Vor-
läufer, die spanischen und angelsächsischen Karten. Die Forschung interes-
sierte sich überhaupt zunächst für die mittelalterlichen Kartographen nur
deshalb, weil sie über diese zu den verlorenen antiken Stücken vorzudringen
hoffte.11 Daß es eine römische Ökumene-Karte gegeben hat, die um Rom
und um das Mittelmeer zentriert war und überwiegend praktischen Zwek-
ken, nämlich der Verwaltung des Großreiches und seiner militärischen Si-
cherung, zugute kam, ist vielfach bezeugt. Sie bediente sich als Grundlage
vor allem der Itinerarien, römischer Straßenkarten, deren berühmteste Ver-
sion die aus dem Mittelalter erhaltene Karte des Castorius, bekannter unter
dem Namen «Tabula Peutingeriana», ist. Gerade seit Rom mit Beginn der
Kaiserzeit Weltreich wurde, benötigte man Karten mannigfacher Art, und es
ist uns von vielen Autoren glaubwürdig überliefert, daß Vipsanius Agrippa,
Schwiegersohn von Augustus, diesem Mangel durch ein gelungenes Karten-
werk abhalf. Diese vielseitig verwendbare Karte war recht verbreitet, ist aber
trotz allen Suchens bislang nicht aufgefunden worden. Dies ist ein Beweis
für die geringen Überlebenschancen großformatiger Kartenexemplare. Im-
mer wieder hat man versucht, die Agrippa-Karte aus ihren mittelalterlichen
Ablegern zu rekonstruieren, allerdings bleiben viele Aussagen hypothetisch,
obwohl man durch Agrippas Kommentatoren recht genaue Vorstellungen
von seinem Werk hat. Die Römer gingen zeichnerisch von der Fläche aus,
die sie als Ökumene ausgestalteten. Da vielfach von orbis (Romanus) im
Sinne von Reich die Rede ist, dachte man hier bereits an eine Radkarte, ohne
daß diese Form gesichert ist. Noch weniger läßt sich beweisen, daß sie be-
reits geostet war wie die christlichen Karten, denn griechische Karten sind
gewöhnlich genordet. Die Römer zeichneten Straßen, dazu Etappenstätten
ein, eine Vermessung war auch bei ihnen nicht üblich: man rechnete nach
Tagereisen, für deren Länge der Geländecharakter maßgeblich war.
Da die bedeutsameren mittelalterlichen Ökumene-Karten sämtlich einen
teilweise auffallend gleichlautenden Legendenschatz und auch viele entspre-
chende Symbole in den Zeichnungen aufweisen, ist zu Recht immer wieder
nach einer gemeinsamen Vorlage gesucht und dabei an die Agrippa-Karte

11
Vgl. KONRAD MILLER, Itineraria Romana. Reisewege an der Hand der Tabula Peutingeria-
na dargestellt, Stuttgart 1916; als Vorarbeiten dazu entstand Mappae Mundi 1-6, 1895-1898,
ferner später Mappae Arabicae 1-5, 1926-1931.
420 Studien zur Universalkartographie [133/134]

gedacht worden. Man glaubte sie besonders unverfälscht erhalten, wenn auf
einer mittelalterlichen Karte das klassische Namenmaterial überwog, insbe-
sondere bei der Hereford-Karte.
Es stellt sich natürlich die Frage, wie häufig und in welcher Form sie etwa
dem 12. oder 13. Jahrhundert zur Verfügung stand. Da das Mittelalter wenig
Wert auf Autorennamen legte und sowieso nicht das Ideal getreuer Quellen-
benennung forderte, haben Benutzer allenfalls einmal von einer mappa
mundi oder imago mundi gesprochen, von der nicht einmal bekannt ist, ob
es sich um einen Text und/oder ein Bild handelte. Kartenmaler, 12 das ist
mehrfach bezeugt und auch zu beobachten, waren besonders traditionsge-
bunden, insbesondere hinsichtlich der pictura, werden also immer eine mög-
lichst getreue Nachahmung als Ziel vor Augen gehabt haben. Daher dürfte
vieles von der antiken Ökumene-Karte in der mittelalterlichen Zeichnung
überlebt haben, ohne daß dies im einzelnen sicher einzugrenzen ist. Selbst
über den Wandel bei den konventionellen Zeichen weiß man nur bedingt Be-
scheid, denn etwa die lange als antik verstandene «Tabula Peutingeriana» ist
uns nur aus dem Hochmittelalter erhalten und hat dessen Eigenheiten in sich
aufgenommen. Ganz sicher ist, daß Ebstorf- wie Hereford-Karte einen Ex-
trakt aus Vipsanius Agrippa enthalten, zumindest aus den Kommentaren zur
Karte. Da für englische Schreibschulen des Mittelalters besondere Sorgfalt
und spezieller Konservativismus typisch sind, ist die Hereford-Karte immer
wieder als Hauptzeuge für das Werk des Agrippa angesprochen worden.
Das gilt angesichts der vielen Gemeinsamkeiten bedingt auch für die Ebstor-
fer Weltkarte, desgleichen vermutlich zudem für den Rotulus von Vercelli,
der leider nur noch so bruchstückhaft zur Verfügung steht, ' 3 daß er bloß un-
ter Vorbehalt hier miteinbezogen werden kann; aber auch er ist bei den
Überformaten einzuordnen, soll nämlich 84 x 72 cm gemessen haben gegen-
über der Ebstorfer Weltkarte von 358 x 356 cm und der Hereford-Karte von
163 x 135 cm. Er ist übrigens bislang auch noch nicht eindeutig datiert; Leit-
fossil ist ein in Nordafrika eingezeichneter französischer König Philipp,

12
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, „...Ut describeretur universus orbis" - Zur Univer-
salkartographie des Mittelalters, in: Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters. Mis-
cellanea Mediaevalia 7, 1970, S. 249-278 ( = o. S. 82-111); DIES., Quod non vicietur pictura -
Die Sorge um das rechte Bild in der Kartographie, in: Fälschungen im Mittelalter, Internat.
Kongreß der MGH München 1986 ( = Sehr, der MGH 33, 1), Hannover 1988, S.587-599 ( =
o. S. 311-323).
13
Archivio Capitolare Vercelli; abgebildet Tafel 997 bei YOUSSOUF KAMAL, Monumenta Car-
tographica Africae et Aegypti III, Kairo 1935. CARLO F. CAPPELLO, II mappamondo medioevale
di Vercelli (Nota preliminare), in: Atti del XVII Congresso Geografico Italiano 4, Bari 1957,
S.577-585; DERS., II mappamondo medioevale di Vercelli (1911-1218?), Università di Torino,
memorie e studi Geografici 10, 1976; s. unten Anm. 39.
[134] XX. Die Ebstorfer Weltkarte 421

aber die Forschung ist sich nicht einig, ob Philipp IL (1180-1223) oder Phil-
ipp III. (1270-1285) gemeint ist. Bildlich hat die Karte große Übereinstim-
mungen mit der Ebstorfer Weltkarte. Der Schwerpunkt der Lokalkenntnisse
betrifft ganz Westeuropa einschließlich Englands. Auch diese Karte ist ein
Zufallsfund der jüngsten Zeit, nämlich zu Anfang unseres Jahrhunderts im
Kapitelsarchiv von Vercelli, wo sie nach einem Rückvermerk zumindest seit
dem 18. Jahrhundert einen Dornröschenschlaf geschlafen hat.
Betrachtet man nun die Ebstorfer Weltkarte auf ihre antiken Textvorlagen
hin, so steht man auf etwas festerem Boden als hinsichtlich der Kartenvorbil-
der. Sehr oft bleibt natürlich unkontrollierbar, ob Zitate aus dem antiken
Autor direkt oder aus Exzerpten seiner Nachfahren oder auch aus mittelal-
terlichen Florilegien stammen. Aus der klassischen Zeit wie aus der Spätanti-
ke läßt sich immerhin eine beachtliche Reihe an Autoritäten namhaft ma-
chen. Konrad Miller14 hat da besondere Verdienste, denn er hat in seiner
Ausgabe alle Parallelbelege, die er fand, mitgeteilt.
Aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. ist hier die Chorographie des Pomponius
Mela zu nennen, zumeist als ein unter Kaiser Claudius entstandener Kom-
mentar zur Agrippa-Karte gedeutet, weiterhin die «Historia Naturalis» des
Plinius ( t 79). In die heidnische Welt gehört weiter Solinus mit seinen «Col-
lectanea verum memorabilium», einer Kuriositätensammlung aus der Mitte
des 3. Jahrhundert, die im Mittelalter außerordentliche Beliebtheit genoß.
Dem «Itinerarium Antonini» liegt eine Provinzliste aus der Zeit Diokletians
zugrunde; Julius Honorius, Grammatiker und Rhetor, liefert mit seiner Kos-
mographie gleichfalls wohl die Namensammlung zu einer ihm vorliegenden
Karte, wie auch verwandte Schriften der Zeit benutzt worden sind, die sich
in modernen Sammlungen von ,Geographi minores' zu finden pflegen. Die
«Notitia dignitatum» ist das Staatshandbuch der römischen Behörden in der
ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Damit ist auch die Zeit der ersten spätanti-
ken christlichen Autoren erreicht, die hier zu nennen sind: Paulus Orosius
verfaßte seine «Historiae adversum paganos» mit eingehender vorangestell-
ter Schauplatzbeschreibung 417/418, etwa zur gleichen Zeit entstand des
Martianus Capella Enzyklopädie der Sieben Freien Künste «De nuptiis Phi-
lologiae et Mercurii». Der Geograph von Ravenna, ein anonymer Christ, ist
etwa Zeitgenosse Isidors von Sevilla. Ob von diesen Schriftstellern auch pic-
turae zur Hand waren, ist nicht mehr zu entscheiden.
Mithin bleibt die Frage offen, welche Anteile die Agrippa-Karte an den
überformatigen Universalkarten des 13. Jahrhunderts hatte. Sicher aber hat
nicht Ptolemaeus, sondern die römische Straßenkarte das Weltbild des Mit-

14
Mappae Mundi 5 (1896).
422 Studien zur Universalkartographie [134/135]

telalters überwiegend geprägt. Konrad Miller hat mit seinem Urteil, daß die
Karte des Castorius ihm mehr bedeute für die Beurteilung des Altertums als
die Geographie des Ptolemaeus, 15 auch wissenschaftlich origineller sei, inso-
fern recht, als er geltend machte, daß die Straßenkarte eine von Praktikern
aufgenommene Arbeit ist, bei der in der späteren Überlieferung allenfalls die
Zahlen verderbt wurden, während Ptolemaeus allgemeinen Fehlern der Geo-
physik und Astronomie Raum gab.
Isidor ist die Hauptfundgrabe für den Maler von Ebstorf gewesen, erwei-
tert und modifiziert von Honorius Augustodunensis und Gervasius von Til-
bury. Zumindest die Darstellung des Mittelmeerraumes ist dabei noch ganz
von den antiken Erkenntnissen geformt, d. h. der Balkan, Italien, Frank-
reich, Spanien, die Inseln des Mittelmeeres, Afrika, während Nordeuropa
und England die Merkmale des Mittelalters aufweisen. Für Asien spielt die
biblische Tradition die entscheidende Rolle, so für Palästina, Syrien, Meso-
potamien, für Indien ist die mittelalterliche Literatur um Alexander den Gro-
ßen prägend. Für seinen eigenen Lebensbereich hat der Maler der Ebstorfer
Weltkarte zweifellos auch neue Aussagen geliefert.

3. Einflüsse spanischer Universalkartographie des Frühmittelalters

Die Texte aus Isidors «Etymologiae» haben nahezu alle Aussagen der Eb-
storfer Weltkarte mitbestimmt; die Mehrzahl größerer Textblöcke, insbe-
sondere auch die Kolumnen in den Ecken der Karte außerhalb des Erdkrei-
ses, sind diesem Werk entnommen. Hin und wieder sind Zusätze aus ver-
wandten Werken exzerpiert, so aus den Schriften des Honorius und Gervasi-
us, bisweilen ist der Isidor-Text dann aus zweiter Hand zitiert. Das betrifft
neben geographischen vor allem zoologische und botanische Kommentare.
Dieses Vorgehen ist in damaliger Zeit absolut keine Besonderheit, sondern
die allenthalben geübte Technik der Materialbeschaffung. Isidor bot in sei-
ner relativ handlichen Enzyklopädie Extrakte aus nahezu allen Wissensge-
bieten der Antike, und es wäre eher ungewöhnlich gewesen, sich seiner nicht
zu bedienen.
Von Isidors Karten besitzen wir zahllose schematische in seinem enzyklo-
pädischen Schrifttum, dazu die schon erwähnte große von 775 in der Biblio-
teca Vaticana 16 mit Namenmaterial, das auch ausgeprägt aus Orosius ge-
schöpft und daher sehr antik bestimmt ist. Isidor ist noch nicht der Neuge-
stalter des Wissens, sondern derjenige, der das Überkommene übersichtlich

15
Itineraria Romana (wie Anm. 11), S. XXXIX f.
16
Vgl. Anm. 9.
[135/136] XX. Die Ebstorfer Weltkarte 423

und handlich zusammenfaßt, der große Exzerptor. Allerdings ist die unter
seinem Namen gehende Karte auf dem Palimpsest von St. Gallen entschie-
den als eine für das Frühmittelalter originelle Interpretation der Welt im
christlichen Sinne zu werten: 17 aus der Welt wächst Christi Kreuz, es zeigt
Christus als Sieger und Herrscher über die Welt, der sie überwunden hat.
Hier ist etwas vorweggenommen an mystischem Weltverständnis, wie es erst
im Hochmittelalter häufiger anzutreffen ist. Ob das Bild in der überlieferten
Form auf Isidor selbst zurückgeht, kann nicht eindeutig entschieden werden,
ist aber durchaus denkbar, hatte doch Isidor den Buchstaben T als Kreuz
Christi gedeutet. 18
Die erste in ihrer Thematik christlich geprägte Ökumene-Karte erstellte in
der Tat erst Beatus von Liébana, als er die Aussendung der zwölf Apostel in
alle Welt verdeutlichen wollte. Die Karte gehört zu seinem Apokalypsen-
Kommentar, ist aber in ihrer ursprünglichen Form mit Einzeichnung der
Apostelgräber nur in der Handschrift von 1086 aus Burgo de Osma 19 erhal-
ten: Offenbar haben viele Kopisten auf diese Information recht wenig Wert
gelegt, dafür das antik bestimmte Legendengut sorgsam abgezeichnet und
ausgebaut.
Auch die Ebstorfer Weltkarte teilt immerhin sieben der Apostelgräber mit,
nämlich diejenigen von Thomas, 20 Bartholomaeus, 21 Philippus, 22 Mat-
thaeus, 23 Paulus und Petras 24 sowie Jacobus maior.2S Die Hereford-Karte
bietet hier keine Entsprechung. Auf der Beatus-Karte von Osma 26 finden
sich alle zwölf Apostel, für Judas Thaddaeus und Judas Ischarioth stehen
Paulus und Matthias. Auf allen bekannten Beatus-Karten fehlen sie gänz-
lich, denn das Original ist nicht auf uns gekommen. Der Rotulus von Vercelli

17
Vgl. Anm. 10.
18
Etymologiae I, 3, 9.
19
Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, fol.35v/36; vgl. MILLER (wie Anm.7), Bd.2, Tafel
3a; auch Text bei DESTOMBES (wie Anm.9), sect. 17,8 S.41; zudem vgl. HAHN-WOERNLE (wie
Anm. 6), Abb. 36, S. 56. -Vgl. Abb. 2 (vgl. unten Tafel 14).
20
In Indien, Blatt 14 (Zählung nach der Zählweise der Pergamentteile nach ERNST SOMMER-
BRODT, Die Ebstorfer Weltkarte, Hannover 1891, nämlich kolumnenweise von oben nach un-
ten); vgl. HAHN-WOERNLE (wie Anm.6), Abb. 31, S.49.
21
In Mesopotamien, Blatt 9, nördlich von der Arche Noe, vgl. HAHN-WOERNLE (wie
Anm.6), Abb. 2, S.6.
22
In Kappadokien, Blatt 9, westlich von der Arche Noe.
23
In Mesopotamien, Blatt 15.
24
In Rom, Blatt 17.
25
In Spanien, Blatt 18; vgl. HAHN-WOERNLE (wie Anm.6), Abb. 1, S. 2.
26
Vgl. Anm. 19; zu weiteren Karten mit Aposteln s. Literatur bei ANNA-DOROTHEE v. DEN
BRINCKEN, Christen im Orient auf abendländischen Karten des 11. bis H.Jahrhunderts, in: Zs.
d. Dt. Morgenland. Ges., Suppl. VIII, 1990, S.92f. (= o. S.369f.).
424 Studien zur Universalkartographie [136/137/138]

aber läßt noch einige Apostelplätze erkennen, nämlich die Grabeskirchen


von Bartholomaeus nördlich von der Arche Noe, von Philippus nordwestlich
von der Arche, Johannes an der Westküste von Kleinasien, Thomas in Indien
sowie Simon und Juda nördlich von Babilon; Petras, Paulus, Jacobus maior
und Jacobus minor fehlen offensichtlich, für Andreas und Matthaeus bzw.
Matthias ist der Nachweis nicht mehr möglich, da hier Schriftverlust einge-
treten ist.27
Für die Ebstorfer Weltkarte läßt sich hier jedenfalls eine enge Beziehung
zur Beatus-Karte in ihrer ursprünglichen Form konstatieren, bei der Gerva-
sius als Mittler fungiert haben könnte, denn er interessiert sich in seinem
Text ernstlich für diesen Fragenbereich. Zugleich ergeben sich deutlich ver-
wandtschaftliche Beziehungen zum Rotulus von Vercelli. Beide Großkarten
verbindet mit der Beatus-Karte die betont christlich orientierte Fragestel-
lung, die etwa die Hereford-Karte nicht gleichermaßen aufweist.
Ein weiteres christliches Spezifikum ist die Einzeichnung des Paradieses,
die sich zuerst bei Isidor findet und gleichfalls für Beatus charakteristisch
ist. Endlich erscheint auf den Beatus-Karten regelmäßig im Süden die Skizze
eines vierten Erdteils, unzugänglich durch den heißen Äquator und jenseits
von Afrika abgespalten. Diese Zone wird im Bild des 13. Jahrhunderts zum
Monstrenwohnort, der im Grande das Relikt des Antichthonenkontinents
ist: Auf der Rückseite der Kugel des Krates von Mallos entsteht ein Depot
für alle dem gewöhnlichen Menschen unzugänglichen Wesen: Extra tres au-
tem partes orbis quarta pars trans Oceanum interior est in meridie, quae solis ar-
dore incognita nobis est. In cuius finibus antipodas fabulosae inhabitare produn-
tur. Auf der großen Isidor-Karte trag eine unbekannte Insel die Kennzeich-
nung als vierter Erdteil. 28 Die Ebstorfer Weltkarte zeigt ebenso wie die Psal-
terkarte von London 29 und die Hereford-Karte 30 eine Bildergalerie von
Monstren, während der Rotulus von Vercelli am Südrand zerstört ist.
Alle frühmittelalterlichen Karten, d.h. alle spanischen Ökumene-Karten,
stellen die Welt europazentrisch dar: Das europäische Kartenviertel ist im
Vergleich zu den übrigen Teilen hervorgehoben und vergrößert, zumal Jeru-
salem noch nicht kartographischer Weltmittelpunkt ist. Diese Eigenheit hat
auch auf der Ebstorfer Weltkarte Spuren hinterlassen, übrigens desgleichen
bei Heinrich von Mainz.

27
Belege bei KAMAL (wie Anm. 13) und CAPELLO (wie Anm. 13), S. 121.
28
T e x t bei Beatus nach der Karte von Saint-Sever, Ms. Paris BN lat. 8878, zitiert bei MILLER
(wie Anm. 7), Bd. 1, S.58.
29
M s . L o n d o n BL A d d . 28681 fol.9; vgl. T e x t bei DESTOMBES (wie A n m . 9 ) , sect. 4 9 , 8 , S. 168
ff; vgl. H A H N - W O E R N L E (wie Anm. 6), A b b . 22, S.37.
30
Vgl. MILLER (wie A n m . 7 ) , B d . 4 ; vgl. H A H N - W O E R N L E (wie A n m . 6 ) , A b b . 2 0 , S.35.
[138/139] XX. Die Ebstorfer Weltkarte 425

4. D a s Vorbild der angelsächsischen Tradition des Hochmittelalters

Nachdem Spanien auch die Karolingerzeit über noch die Position des Vor-
reiters innegehabt hatte, ging im Hochmittelalter England in Führung; das
Gewicht verlagerte sich aus dem Mittelmeerraum, der erst im Spätmittelalter
unter Einfluß der Kompaßbenutzung mit der Portolankarte gestaltend in die
Kartenproduktion eingriff. Als Inselbewohner, angesiedelt in der Nordwe-
stecke der damals bekannten Welt, waren die Engländer stärker als andere
Völker auf die Seefahrt angewiesen und von Naturgewalten abhängig. Sie
haben sich daher zweifellos überdurchschnittlich in der Kartographie enga-
giert, ohne deshalb gleich neue Techniken zu entwickeln. Ganz allgemein ist
festzuhalten, daß Früh- und Hochmittelalter innerhalb der lateinischen Welt
keine Blütezeiten der Seefahrt waren. Man fertigte Karten vor allem für den
Schulbereich an, gewissermaßen als Lehrbild und nicht als Reiseführer. Ab-
gesehen von der Portolankarte gilt daher, daß allenthalben - zumal nicht
vermessen wurde - das Land und nicht die Meere darzustellen waren. Die
Erdoberfläche besteht auf mittelalterlichen Karten überwiegend aus Fest-
land, obwohl die Wirklichkeit ganz anders aussieht.
Mag es mit der eigentümlichen Lage und Natur Englands, mag es mit sei-
nem besonders gut ausgebildeten Schulwesen begründet werden, seit dem
11. Jahrhundert übernimmt England die Gestaltung der Universalkartogra-
phie. Hier ist die Cottoniana zu nennen, Honorius Augustodunensis mit sei-
nen Beziehungen nach Canterbury und seinem Illustrator Heinrich von
Mainz, dessen Arbeit nur aus England überliefert ist, die beiden aus England
erhaltenen Hieronymus-Karten aus der Kreuzzugszeit, die Psalter-Karte
von London und die Karte der Kathedrale von Hereford; dabei ist hier ab-
gesehen vom bedeutenden Kartenkomplex des Matthaeus Parisiensis.31 Die
Ebstorfer Weltkarte steht buchstäblich in dieser Tradition, ist von ihr ge-
prägt und hat als jüngstes Quellenwerk die «Otia Imperialia» des Gervasius
von Tilbury, eines Engländers, ausgeschöpft.
Eine spezielle Fragestellung brachte die Referentin dazu, die Verzahnung
dieser Karten untereinander ein wenig sorgsamer zu betrachten, und dies
nicht nur hinsichtlich der klassisch-antiken Aussagen, sondern auch der bi-
blischen Aspekte, nämlich die Suche nach der Lokalisierung der Völker Gog
und Magog, der apokalyptischen Nationen, deren Hervorbrechen aus dem

31
Vgl. RICHARD VAUGHAN, Matthew Paris ( = Studies in Medieval Life and Time II, 6),
Cambridge 1958 u.ö., S. 235-250; auch VON DEN BRINCKEN (wie Anm. 1), S. 59-66.
426 Studien zur Universalkartographie [139]

Norden das Weltende ankündigen sollte. Anderson 32 hat sich bereits mit die-
sem Problemkreis befaßt, aber nicht einmal erkannt, daß mittelalterliche
Weltkarten geostet zu sein pflegen; er war daher zu recht wirren Aussagen
über die Cottoniana, Heinrich von Mainz sowie die Karten von Ebstorf und
Hereford gekommen. Gog und Magog und die von Alexander dem Großen
eingeschlossenen zehn verlorenen Stämme Israels erscheinen zudem in der
18. Sure des Korans. Seit der Cottoniana auf Karten eingeführt, erhalten sie
durch Heinrich von Mainz sogar eine eigene Bildtradition. Etwas Vergleich-
bares sucht man auf der Beatus-Karte vergeblich, obwohl diese zu einem
Apokalypsen-Kommentar gehört, wo man zwangsläufig auf Gog und Ma-
gog stoßen mußte. Mithin haben die apokalyptischen Nordvölker die Karto-
graphen Nordeuropas besonders beschäftigt, und im 13. Jahrhundert muß
dies im Zusammenhang mit dem Einbrach der Mongolen noch eine ausge-
prägte Aktualisierung erfahren haben, ohne daß hier in der Kartographie
eine Identifizierung vorgenommen wurde. Die apokalyptischen Völker er-
scheinen als Symbol der Verderber des Menschengeschlechts, nämlich als
Menschenfresser. Diese Tradition läßt sich deutlich an den theologisch
orientierten Weltkartenkompendien aufzeigen, sogar noch im 14. und 15.
Jahrhundert. Ob die Karte von Vercelli dieses Signum kannte, läßt sich des-
halb nicht entscheiden, weil der Nordrand verlorengegangen ist.
Die britische Kartographie akzentuiert gerade die außermediterranen Zo-
nen, gibt eine Vorstellung von den Inseln im Atlantik, widmet auch im Mit-
telmeer Küsten und Inseln ihr besonderes Augenmerk. Dazu kommt das
theologisch-didaktische Interesse, die Karte zu einer echten imago mundi zu
gestalten. Nicht von ungefähr stammt die erste Weltkarte, die kurz vor 1100
Jerusalem auch im Bild gemäß einer textlichen Forderung des Kirchenvaters
Hieronymus 33 zum Mittelpunkt erhebt, aus Oxford: 34 Die heilige Stadt wird
von einer Insel im Schnittpunkt der Gewässer von T-Balken und T-Schaft
ins Meer verlegt, unbeeindruckt von den realen Verhältnissen.
Die Cottoniana 35 gestaltet die Welt nach der Vorgabe des Blattformates
annähernd rechteckig. Jerasalem ist noch nicht Zentrum, auch ist das Archi-
tektursymbol noch recht bescheiden ausgefallen im Vergleich zu Weltstädten

32
ANDREW R U N N I A N D E R S O N , Alexander's G a t e , G o g and M a g o g , a n d the Inclosed N a t i o n s ,
C a m b r i d g e / M a s s . 1932, S.87f.
33
C o m m . in Ezech. 5,5, M I G N E P L 25 col. 52.
34
M s . St. J o h n ' s College O x f o r d N o . 17 fol. 6; vgl. MILLER (wie Anm. 7) 3, S. 118 f. ; auch T e x t
bei DESTOMBES (wie Anm. 9), sect. 2 5 , 8 , S. 48.
35
M s . L o n d o n BL C o t t o n . T i b . B. V fol.56v; vgl. MILLER (wie A n m . 7 ) 3, S.29ff.; T e x t bei
DESTOMBES (wie A n m . 9 ) , sect. 2 4 , 6 , S.47; vgl. H A H N - W O E R N L E (wie A n m . 6 ) , A b b . 17, S.30. -
Vgl. A b b . 3 (vgl. unten Tafel 16).
[139/141] XX. Die Ebstorfer Weltkarte 427

wie Babylon und Rom. Im Mittelpunkt der Karte erscheinen nicht näher be-
zeichnete Inseln des östlichen Mittelmeerraumes, man könnte eine größere
als Zypern deuten. Die konventionellen Zeichen auf dieser Karte erinnern in
ihrem Aussehen sehr an die «Tabula Peutingeriana», die gleichfalls nur in ei-
ner Abschrift aus dem hohen Mittelalter verfügbar ist. Die Cottoniana wird
gewöhnlich ins 11. Jahrhundert datiert. Das Namenmaterial entspricht Isidor
und Theodulf. Zumeist beziehen sich die Legenden auf Provinzen, die zu-
dem durch schematische Linien eingegrenzt wirken. Neuartig ist im Nord-
osten die Figur eines Löwen mit der Bemerkung, es gäbe dort deren in Fülle.
Erstmals erscheint die Arche Noe eingezeichnet, weiter finden sich hier Gog
und Magog, die auf früheren Karten unbekannt sind, lokalisiert westlich
vom Kaspischen Meer. Apostelgräber fehlen; falls die Beatus-Karte bekannt
war, dann nicht in der Form von Osma. Doch dürfte zumeist nur Isidor Pate
bei dieser Karte gestanden haben, noch mehr Orosius und sonst wenig jün-
gere Vorlagen. Eine Identifizierung der Welt mit dem Leib Christi fehlt hier
noch völlig. Doch zeigt der Kartenmaler schon erhöhtes Interesse für das
Heilige Land. Wie Gog und Magog so sind auch einige der zwölf Stämme Is-
raels benannt. Das biblische Namengut dürfte weitgehend aus den Schriften
des Hieronymus geschöpft sein bzw. aus einer Karte, die sich der Angaben
des Kirchenvaters bediente. Generell überwiegt das seit Jahrhunderten ver-
traute Legendengut der Antike; jüngeren Datums sind Legenden im Norden
wie Island, Slesvic, Norweci, Turchi zwischen Asowschem und Kaspischem
Meer, Huni in Ungarn und endlich Sciavi.
In diesem Zusammenhang sind die beiden Hieronymus-Karten 36 zu be-
trachten, die aus dem England des 12. Jahrhunderts und damit aus der frü-
heren Kreuzzugszeit erhalten sind. Es handelt sich nicht um Weltkarten,
sondern um eine Heilig-Land-Illustration und um eine Orient-Karte, die zu
Hieronymus Schrift «De situ et nominibus locorum Hebraicoram» gehören.
Ob das überlieferte Bild auf ein Gemälde des Kirchenvaters selbst zurück-
geht, läßt sich nicht sicher ausmachen, da einige eindeutig jüngere Zutaten
zu konstatieren sind. Dem Text aber liegt die Überarbeitung des «Onomasti-
con» des Eusebios zum Alten und Neuen Testament zugrunde. Die Palästi-
na-Karte erläutert die Lage von Plätzen des Heiligen Landes selbst, die
Orient-Karte betrifft die Orte des Umlandes, das im Hochmittelalter um so
mehr interessierte, als man nunmehr von Jerasalem gen Osten auf die andere
Welthälfte blickte und sich dazu gern des Wissens der hellenistischen Zeit
bediente. Die Welt Alexanders des Großen, die die mittelalterliche Literatur
der Zeit so sehr faszinierte, wird hier lebendig nicht nur in stereotypen Pro-

36
Ms. London BL Add. 10049 fol.64/64v; MILLER (wie Anm.7) 3, S. 1 ff.
428 Studien zur Universalkartographie [141/143]

vinznamen, sondern auch mit Siedlungen und Plätzen historischen Gesche-


hens.
Heinrich von Mainz 37 illustriert die «Imago Mundi» des Honorius und
gibt der textlichen Vorlage eine Bildenzyklopädie auf kleinster Fläche an die
Seite, vor allem für den Schulgebrauch bestimmt. Die Welt des Heinrich von
Mainz ist rund, in Anpassung an das Format des Beschreibstoffes letztlich
aber oval geraten. In jeder der vier Ecken findet sich außerhalb des Erdkrei-
ses ein Engel mit erhobenem Zeigefinger an Stelle der sonst üblichen Winde.
Ganz oben zeigt die Karte das Paradies mit den vier Strömen der Bibel wie
die Beatus-Karten, hier über die Cottoniana hinausgehend. Diese Karte
stellt die Welt ganz in den theologischen Kontext einer Wiedergabe des
Welt-Ordo, entspricht auch im ornamentalen Umfeld der Darstellungsweise
des Honorius in seiner «Imago Mundi». Das Heilige Land ist sehr viel sorg-
fältiger als auf der Cottoniana geraten, wie dies für die Kreuzfahrerzeit
nicht verwunderlich ist. Zudem dürfte sich der Zeichner der Arbeiten des
Hieronymus bedient haben. Die Karte ist im übrigen reich an malerischen
Elementen, sie zeigt Flüsse eigenwilligen Laufes, Gebäude mit individuellen
Architekturen - etwa in Jerasalem offenbar den Felsendom. Vielen Sied-
lungssymbolen fehlt freilich die Legende. Man hat daher die Abzeichnung
einer größeren Vorlage angenommen, dachte in der Forschung bevorzugt an
die Karte des Agrippa, zumal sie der jüngeren Hereford-Karte ähnlich ist,
die gleichfalls als Schatten der Agrippa-Karte verstanden wird. In der Tat
sind die Meeres- und Flußformen auf beiden Karten einander recht ähnlich.
Zu wünschen übrig läßt bei Heinrich freilich noch die Plazierung Jerusalems
im Weltmittelpunkt, aber auch dies könnte auf eine antike Vorlage zurück-
zuführen sein. Heinrich apostrophiert hier eine als Delos gekennzeichnete
Insel inmitten eines Inselkranzes als Zentrum; auch das könnte eine antike
Karte als Vorbild vermuten lassen. Das T-Schema läßt konsequenterweise
den Mittelpunkt ins Meer treffen, es sei denn, man verschiebt das T leicht
nach Westen, d.h. nach unten, wie dies die Überformate und die Psalterkar-
te besorgen. Außerdem sind Solin und Aethicus Ister benutzt. Zeitgenössi-
sche Namen geben wenig Anhaltspunkte für eine spezielle Interessenregion,
weisen aber allgemein in den Norden oder Nordwesten Europas.
Annähernd gleichzeitig mit der Ebstorfer Weltkarte, d.h. um 1260, ist die
Entstehung der Psalterkarte von London 38 anzusetzen. Sie wirkt auf den er-

37
Ms. Cambridge, Corpus Christi College 66, p.8; MILLER (wie Anm.7) 3, S.21 ff.; Text bei
DESTOMBES (wie Anm.9), sect. 25,3, S.48; vgl. HAHN-WOERNLE (wie Anm.6), Abb.18, S.31. -
Vgl. Abb. 4 (vgl. unten Tafel 18).
38
Ms. London BL Add. 28681 fol. 9/9v; MILLER (wie Anm.7) 3, S. 37 ff; Text bei DESTOMBES
(wie Anm.9), sect. 49,8, S. 168-170; vgl. HAHN-WOERNLE (wie Anm.6), Abb.21 und 22, S.36
[143/144] XX. Die Ebstorfer Weltkarte 429

sten Blick just wie die Klein-Ausgabe der Ebstorfer Weltkarte, was die allge-
meine Linienführung Wasser-Land anbelangt, auch die Gebirgszüge verlau-
fen ganz entsprechend, etwa der Rundbogen im Nordosten, der die Kaspi-
schen Berge mitsamt der Kaspischen Pforte darstellen soll. Während die Eb-
storfer Weltkarte einen Durchmesser von mehr als dreieinhalb Meter hat,
sind es bei der Psalterkarte ganze 8 cm. Daher sind nahezu alle Reproduk-
tionen von ihr bereits vergrößert, man kann Details auf ihr nur mit der Lupe
erkennen. Dies hat zwangsläufig zur Folge, daß der Maler sehr sparsam mit
Legenden umging, denn wenn sie leserlich bleiben sollen, reicht der Platz
nur für wenige. Analog zu den Großkarten von Ebstorf und Hereford ist der
Erdkreis mit dem Leib Christi in Verbindung gebracht, sorgsam ausgeführt
auf der Vorderseite, während die Rückseite eine Zeile für Zeile mit Inschrif-
ten gefüllte schematische T-Karte bietet. Die Vorderseite zeigt Christus im
Brustbild mit Segensgestus und Erdkugel, durch das T gekennzeichnet, in
der Linken, beseitet von zwei Engeln mit Weihrauchfässern, während unter
dem Erdkreis zwei Drachen sichtbar sind; auf der Rückseite ist der Erdkreis
mit Christi Leib identisch, er sucht ihn von oben mit den Armen zu umfas-
sen, während unten seine Füße die beiden Drachen oder Schlangen zertre-
ten. Im Bild der malerischen Vorderkarte mit den 12 Winden ist Jerasalem
der Mittelpunkt; oben, d.h. im Osten, sieht man das Paradies, aus dem sich
fünf Flüsse - der Ganges ist zu den biblischen Strömen hinzugekommen -
auf die Erde ergießen. Eine Monstrengalerie, deren Bewohner gen Süden
blicken, schließt das Bild rechts ab, ganz der Ebstorfer Karte entsprechend,
wo die Unwesen auf der Hereford-Karte nach Westen zum Betrachter hin-
blicken. Die Apostelgräber sucht man vergebens, für ein solches Detail war
auf dieser Mini-Weltkarte kein Platz. Es liegt auf der Hand, auch hier eine
Großvorlage zu vermuten, zumal die Bilder recht gelungen sind, während
die Legenden viele Flüchtigkeiten und Schreibfehler aufweisen. Die Bildkon-
zeption steht der Ebstorfer Karte nahe, aber zweifellos auch derjenigen des
Rotulus von Vercelli, während die Karte des Heinrich und die von Hereford
eine etwas andersartige Ausformung zeigen.
Die Karte von Vercelli,39 die hier mehrfach erwähnt wurde, müßte sorg-
fältig analysiert werden, doch ist dies auf Grand des schlechten Erhaltungs-

und 37. - Vgl. Abb. 3. des Beitrags von HARTMUT KUGLER, in: Ein Weltbild vor Columbus. Die
Ebstorfer Weltkarte. Interdisziplinäres Colloquium 1988. Hrsg. Von HARTMUT KUGLER, in Zu-
sammenarbeit mit ECKHARD MICHAEL, Acta Humaniora 1991, S. 356.
39
Vgl. Anm. 13; ihr wie auch den Datierungsfragen im allgemeinen ist eine eingehendere Stu-
die gewidmet in Imago Mundi 42, 1990, S.9-25: Monumental Legends on Medieval Manuscript
Maps. Notes on designed capital letters on maps of large size (Demonstrated from the problem
of dating the Vercelli Map, 13th Century) (= o. S. 375-399).
430 Studien zur Universalkartographie [144/145]

zustandes kaum mehr möglich. Offen bleibt hier die Frage nach einem mög-
lichen Einfluß des Gervasius von Tilbury. Das erhaltene Namenmaterial der
Karte zeigt Schwerpunkte in Südfrankreich, Italien wie Spanien, aber auch
in Deutschland und den Britischen Inseln; vieles mag aus einer zur Verfü-
gung stehenden Tradition übernommen sein, man bediente sich aller Aussa-
gen, die greifbar waren. 40
Die Hereford-Karte hat Richard of Haldingham zum Schöpfer, der um
1276-1305 belegt ist. Sie faßt die Typika der angelsächsischen Kartentraditi-
on zusammen und ist für den Vergleich wichtig. Zeitlich gehört sie ans Ende,
stofflich ist sie sehr antik geformt.

C. Schluß: Zusammenfassung

Die Ebstorfer Weltkarte steht mit ihren Textaussagen - und das war für das
13. Jahrhundert nicht anders zu erwarten - primär noch in der Tradition Isi-
dors von Sevilla, erweitert durch seine hoch mittel alterlichen Nachfolger wie
Honorius und Gervasius. Hier kommt es gewissermaßen textlich zur Verei-
nigung iberischer und angelsächsischer Kartographie in der scriptura. Dies
beweisen auch die verwendeten Anglizismen und Germanismen. Das Karten-
bild zeigt deutlich die Spuren des Beatus von Liébana sowie der hochmittel-
alterlichen Hieronymus-Karten, steht außerdem besonders der Psalterkarte
nahe, desgleichen wohl auch dem Rotulus von Vercelli, zu Heinrich von
Mainz und zur Hereford-Karte ist die Verwandtschaft etwas weitläufiger.
Ein angelsächsischer Einfluß dominiert sicher, doch ist das zwangsläufig
auch dadurch bedingt, daß die festländische Kartographie nichts Vergleich-
bares an die Seite zu stellen hatte: Guidos von Pisa Karte war keine Kopie
wert, Lambert von Saint-Omer widmete seine kunstvolle Darstellung vor al-
lem naturwissenschaftlichen Phänomenen. Die Ebstorfer Karte aber ist in
ganz ausgeprägtem Sinne Geschichtskarte, Projektion von Schauplätzen al-
ler Zeiten auf die begrenzte Pergamentfläche der Karte: Siedlungen stehen
im Mittelpunkt des Bildes.
Hier stellt sich die Frage, wie man sich das Zustandekommen von Bezie-
hungen mittelalterlicher Karten, insbesondere Großkarten, vorzustellen hat.
Bücher wurden von Stift zu Stift, von Kloster zu Kloster ausgeliehen, aber
überformatige Karten waren gegebenenfalls enormem Verschleiß ausgesetzt,
wie man aus der Überlieferungsgeschichte der Portolankarten weiß. Vermut-

40
Die Möglichkeit einer Spätdatierung unter Philipp III. nach 1270 kann auch CAPELLO (wie
Anm. 13) nicht ausschließen.
[144/145] XX. Die Ebstorfer Weltkarte 431

lieh waren große Karten im Mittelalter ,von der Fernleihe ausgeschlossen',


vielleicht auch nicht, und dann wäre hier die Ursache zu suchen für ihre
spärliche Zahl heute. Falls die Karten ihren ständigen Platz in der Kirche
oder in den Schul- und Versammlungsräumen geistlicher Institute hatten,
d.h. Andachts- und Lehrzwecken dienten, müßten Interessenten regelrechte
Wallfahrten zu ihnen unternommen haben. Doch davon ist kein Wort über-
liefert, zumindest hielt man dies nicht für bemerkenswert für die Nachwelt.
Wir wissen bei den erhaltenen Karten mitnichten, daß sie dem Mittelalter ir-
gendwie als besondere Attraktionen erschienen wären, auch wenn das argu-
mentum e silentio noch nicht unbedingt für das Gegenteil spricht.
Beim Kopieren ging man besonders gewissenhaft vor, hielt sich strikt an
Vorbilder. Daher ist zwar ein terminus post quem leicht zu bestimmen, nicht
jedoch ein terminus ante quem. Solange man keinerlei Vermessungstechniken
kannte - wie sie etwa die Verwendung des Kompasses für die Portolankarte
bereits mit sich brachte -, war die Erstellung zuverlässiger Kopien eine
schwere Aufgabe. Mithin ist die Benutzung der Großvorlagen zum Zwecke
der Kopie gar nicht problemlos nachzuweisen; auch der beste Maler konnte
Abweichungen nicht ganz vermeiden. Die Zahl großer Vorlagen ist nicht
mehr zu erschließen, ebensowenig ist ein Nachweis von Agrippa-Karten
möglich; gerade hier ist durchaus denkbar, daß auch die mittelalterlichen
Zeichner dieses Werk nur aus den Texten späterer Kommentatoren kannten
wie wir heute. Schließlich bleibt die Frage nach der Zutat des einzelnen Ko-
pisten offen, auch wenn diese damals nicht als Vorzug galt wie heute. Tech-
nische Anweisungen zum Kartenzeichnen sind nicht auf uns gekommen,
ebensowenig weiß man von Kartenflorilegien, die es durchaus gegeben ha-
ben mag. Gerade die Großkarten bleiben letztlich ein faszinierendes Rätsel.
Möglicherweise entstanden sie wirklich - wie es Vincenz von Beauvais41 sagt
- zum Lobe Gottes als Form von Liturgie, Gott zur Ehre, nicht so sehr den
Mitbrüdern zum Studium.

Speculum Maius, Apologia Actoris c. 6.


XXL Der vierte Erdteil in der Kartographie
des Hochmittelalters

0. Reale und mythische Ferne, zumindest rational erschlossene und legendä-


re Ferne soll Gegenstand der folgenden Betrachtungen sein. Aus der Fülle
der Quellenzeugnisse wird eine Beschränkung auf das Bildmaterial der Kar-
tographie vorgenommen, zeitlich liegt der Schwerpunkt auf dem 12. und 13.
Jahrhundert, allerdings unter Einbeziehung der Vorgeschichte und unter
Heranziehung einiger Texte, da die mittelalterliche Weltkarte, die mappa
mundi, immer aus pictura und scriptura besteht.1
Der einleitende Abschnitt geht dem Begriff des vierten Kontinentes im
Mittelalter, der quarta pars terrae, im frühen und beginnenden Hochmittelal-
ter nach. Im zweiten Teil wird die Weltkarte des Hochmittelalters an zwei
charakteristischen Beispielen des 12. Jahrhunderts vorgestellt. Das abschlie-
ßende Kapitel gilt dem Platz des vierten Erdteils in der Heilsgeschichte.
1. Als vierten Kontinent, quarta pars terrae, bezeichnet man das ganze Mit-
telalter hindurch auf Karten unbekannte Räume jenseits der drei dem klassi-
schen Altertum bekannten Erdteile Asien, Europa und Afrika. Hinter dieser
Konkretisierung stehen jedoch nicht etwa vage Vorstellungen von Atlantis,
Thule, Tilos, Taprobane oder gar Vinland, schon gar nicht von einer Proto-
kartographie Amerikas oder Australiens, sondern spekulativ erschlossene
Lehren griechischer Kosmographen der Antike, die bereits die Kugelgestalt
der Erde erkannt hatten. Die Römer als Praktiker befaßten sich vorrangig
mit der Ökumene, doch gelangten einige griechische Theorien über spätanti-
ke Schulbuchautoren in das Lehrgut des Mittelalters. Dort respektierte man
bekanntlich grundsätzlich altes Wissen, 2 so daß sich auch Relikte griechi-
scher Geographie allenthalben finden; sie blieben sehr lebendig, auch wenn
man zur griechischen Literatur der Antike im lateinischen Abendland keinen
Zugang mehr hatte.

1
So schreibt es Paulinus Minorità aus Venedig um 1320 in seinem Traktat «De mapa mundi»
vor, Ms. Vat. Lat. 1960, fol. 13; Text ed. zuletzt ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Quod non
vicietur pictura. Die Sorge um das rechte Bild in der Kartographie, in: Fälschungen im Mittelal-
ter. Internat. Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München, 16.-19. Sept. 1986, Teil
1 (Schriften der MGH 33/1), Hannover 1988, p.590 ( = o. S.314).
2
Nach F. KERN, Recht und Verfassung im Mittelalter, in: H Z 120 (1919 und mehrfach ge-
sondert), wurde diese Maxime für den Geschichtsbereich u.a. von J. SPÖRL, Das Alte und das
Neue im Mittelalter, HJb. 50 (1930), p.297 ss. und 498 ss., untersucht.
[17/18/19] XXI. Der vierte Erdteil 433

Die hier vielzitierte sogenannte Geographie des Ptolemäus freilich ist dem
Mittelalter bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts unbekannt geblieben.3 Si-
cherlich darf noch ein Zitat des Cassiodor darauf bezogen werden, der in
der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts in seinen «Institutiones» gerade Mön-
chen das Studium der Kosmographie als Hilfswissenschaft für die Exegese
empfiehlt und konkret Ptolemaei codicem, qui sic omnia loca evidenter expres-
sit4 benennt. Hier darf an die geschriebene - offenbar nicht gezeichnete -
«Geographike Hyphegesis» gedacht werden. Der Name des Ptolemäus ist
dem Mittelalter sonst durchaus vertraut, schon weil er identisch ist mit aus
der Chronistik bekannten ägyptischen Königen, wird aber nur auf den
Astronomen bezogen, wenn etwa Martin von Troppau unter Kaiser Antoni-
nus Pius 5 Ptolemeus vir mirabilis in mathematicis, qui plus addidit in astrono-
mia, quam esset totum quod ante se scriptum invenit. Martin kennt auch Buch-
titel wie «Almagest», nicht jedoch «Geographica».
Hingegen waren die Lehren des Krates von Mallos, eines Pergameners aus
dem 2. Jahrhundert vor Christus, dem Mittelalter bestens bekannt, denn sie
fanden Eingang in gleich zwei spätantike, das ganze Mittelalter gebräuchli-
che Schulbücher aus dem Beginn des 5. Jahrhunderts, mithin zeitgleich mit
den Kirchenvätern Augustinus und Hieronymus, nämlich in die Enzyklopä-
die «De nuptiis Philologiae et Mercurii» des Martianus Capella 6 - im 6.
Buch ist die Geometrie und mit dieser die Geographie behandelt - und in
des Macrobius' Kommentar zu Ciceros «Somnium Scipionis».7 Beide Schrif-
ten erfreuten sich einer großen Verbreitung: von Martian sind 244 Hand-
schriften - allerdings ohne Karten - nachgewiesen,8 von Macrobius gibt es
sogar Hunderte von Karten. 9 Krates stellt sich die Erde als Kugel vor, die
von zwei sich in rechtem Winkel schneidenden Ozeanringen - einem Polaro-
zean und einem Äquatorialozean - in vier Kontinente unterteilt wird (vgl.
Abb. 1). Zeichnet man die Krates-Karte in der unperspektivischen Malweise
des Mittelalters, kann man sie lediglich als Planiglob erfassen (vgl. Abb.2).
Die bekannte Ökumene ist nur auf einem Kontinent unterzubringen, ob an-
dere Kontinente bewohnt sind, ist unbekannt. Das heiße Klima rund um den

3
Geographike Hyphegesis, vgl. dazu E. POLASCHEK, in: Pauly-Wissowa, RE Suppl. X
(1965), col. 692 ss.
4
Cassiodori Senatoris Institutiones, ed. R.A.B. MYNORS, Oxford 1936, c. XXV, 66.
5
Martin von Troppau, Chronicon pontificum et imperatorum, ed. L. WEILAND, MGH SS 22
(1868), p.447.
6
Ed. J A C WILLIS, Leipzig 1983, VI § 590-§ 703, p. 207-250.
7
Ed. J A C WILLIS, Leipzig 1970, 11, 9, p. 122-124.
8
Vgl. WILLIS in der Ed. (cf. nota 6), p. VII N 1 nach den Funden von Claudio Leonardi.
9
M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500, Amsterdam 1964 (Monumenta Cartogra-
phica Vetustioris Aevi 1), sect. 18-21 und 36-38, p.43-45 und 85-95; cf. auch 39-42, p.96-109.
434 Studien zur Universalkartographie [18/19]

Abb. 1: Skizze zum Globus des Krates von Mallos

Polarzione
V////////////////////;
CterriossigteZone
.quatortalzone
ÄQuaforialzonz
V//////////////////////A
QernSsstgteZom ''"'

Volarzone,

Abb. 2: Schema der Zonenkarte


[19/20/21] XXI. Der vierte Erdteil 435

Äquator ebenso wie die kalten Zonen um beide Pole gestatten oben, in der
mittleren Zone und im unteren Segment des Planiglob kein Leben. Auf diese
Weise zeigt sich dem Betrachter die Welt im Schema der sogenannten Zo-
nenkarte. Korrekt sind die vier Kontinente mit Ökumene, Periöken-Konti-
nent, Antöken-Kontinent und Antichthonen-Kontinent zu bezeichnen; die
Lateiner simplifizieren vielfach und identifizieren irrtümlich drei davon mit
den bekannten Kontinenten Asien, Europa und Afrika, als vierten aber be-
nennen sie die unbekannte Zone im Süden.
Bekanntlich orientierte sich das Mittelalter an der sogenannten Mönchs-
karte. Damit meint die fortschrittliche Neuzeit in der Regel die TO-Rad-
Karte. Es handelt sich dabei um ein schematisches Rundkärtchen, das von
einem Rad, das den Weltozean darstellt, umgeben ist. Ein T der Gewässer
unterteilt es in eine obere Hälfte und zwei untere Viertel, die bei einer geo-
steten Karte für die Erdteile Asien oben, Europa unten links und Afrika un-
ten rechts stehen (vgl. Abb. 3). Diese Größenverhältnisse hat bereits Augusti-
nus im 17. Kapitel des 16. Buches von «De civitate Dei» vorgeschlagen. Den
T-Schaft bildet das Mittelmeer zwischen Asien und Europa und der Nil zwi-
schen Asien und Afrika. Die genannten Kontinente werden gern mit den
Noachidenkontinenten gleichgesetzt. TO-Karten gibt es in riesiger Zahl in
mittelalterlichen Handschriften, denn sie haben meist reinen Zeichencharak-
ter und sind mithin kaum größer als die Schriftzeichen, sind vielmehr das Si-
gnum für Ökumene, ebenso wie die Zonenkarte das Signum für den Kosmos
ist.
Diese beiden sehr schematischen Kartenformen sind durchaus ineinander
integrierbar, die T-Karte wird dann zu einer der bewohnbaren Zonen, wel-
che durch ein T unterteilt wird. Schon früh gibt es für diese Formen Belege,
etwa in den sehr häufig mit T-Karten ausgestatteten Isidor-Handschriften.
Auf einem Palimpsest aus St. Gallen aus dem 8. Jahrhundert 10 findet sich be-
reits eine geostete Zonenkarte mit einer im Verhältnis vergrößerten nördli-
chen Ökumene, die vermittels T aufgeteilt ist. Zugleich wächst aus dem T ein
Kreuz heraus mit einem Corpus Christi über der Welt: Hier deutet sich
schon das Bild der Welt als Makrokosmos an." Um die gleiche Zeit ent-

10
Ms. St. Gallen, Stiftsbibliothek 237, p. 1; Abb. bei K. MILLER, Mappae Mundi VI, Stuttgart
1898, p. 58, 8.Jh.
11
In jüngster Zeit bemühen sich die Germanisten sehr um die Deutung der Kartographie im
Mittelalter, u.a. U. RUBERG, Mappae Mundi des Mittelalters im Zusammenwirken von Text und
Bild, in: CHRISTEL MEIER/U. RUBERG (ed.), Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zwei-
er Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980, 550-592; J. G. ARENTZEN, Imago
Mundi Cartographica. Studien zur Bildlichkeit mittelalterlicher Welt- und Okumenekarten unter
besonderer Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Text und Bild, Münster 1984 (Mün-
436 Studien zur Universalkartographie [20/21]

OSTEN

Abb. 3: Schema der TO-Karte

stand die große und inhaltsreiche Isidor-Karte, die heute in der Vatikani-
schen Bibliothek erhalten ist und auf die Zeit um 775 datiert wird. Sie er-
scheint dem Betrachter nach Westen orientiert, wenn man von der Schreib-
richtung der Mehrzahl der Legenden ausgeht, hingegen gesüdet, wenn man
den Kodex entsprechend seiner Paginierung liest.12 Das Bild zeigt eine
reichhaltige Ökumene, oval gemäß Beschreibstoff im Format 22 x 29 cm.
Mit Phantasie kann man die Gestalt als T-Karte interpretieren. Außerge-
wöhnlich ist eine langgestreckte Insel im Weltozean, gelegen vor der West-
küste von Afrika, deren nicht ganz sicher lesbare Inschrift mit Insula incogni-
ta omini (?). Sunt III partes mundi wiedergegeben sei. Diese Karteninschrift
entspricht einem Text aus den «Etymologiae» XEV/5/17, wo es im Anschluß
an die Beschreibung des afrikanischen Kontinentes heißt: Außerhalb der drei
Erdteile aber liegt der vierte Erdteil jenseits des Ozeans als Binnenland im

stersche Mittelalter-Schriften 53); H. KUGLER, Die Ebstorfer Weltkarte. Ein europäisches Welt-
bild im deutschen Mittelalter, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 116
(1987), p. 1-29.
12
Ms. Vat, Lat 6018, fol.64v-65; Abb. u.a. DESTOMBES (cf. nota 9) Tafel XLX; vgl. auch R.
UHDEN, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in: Mnemosyne III/3 (1936), p. 1-28 m. Abb.
[21/22/23] XXI. Der vierte Erdteil 437

Süden, uns wegen der Sonneneinstrahlung unbekannt; auf seinem Gebiet


sollen die sagenumwobenen Gegenfüßler hausen. 13 Isidor bezieht hier einen
unerforschten und unzugänglichen Erdteil in sein Ökumenebild wenigstens
in Form einer Andeutung ein. Im Text dachte er wohl an die Antökumene
jenseits des Äquators.
Der beeindruckendste Kartograph des abendländischen Früh- und begin-
nenden Hochmittelalters nach Isidor stammte gleichfalls von der Iberischen
Halbinsel: Von Beatus von Liébana, der ca. 776-786 seinen Apokalypsen-
Kommentar mit einer Weltkarte ausstattete und hier antikes Bildungsgut mit
christlichen Vorstellungen verband, sind 17 Weltkarten erhalten, die bis auf
eine alle in Spanien entstanden sind. Sie dienten dem Bericht der Aussendung
der Apostel als Missionare bis an die Enden der Welt. Ein Teil der erst seit
dem 10. Jahrhundert erhaltenen Gemälde zeigt durch Einzeichnen der Apo-
stelköpfe sehr deutlich dieses ursprüngliche Anliegen der Karte, andere, wie
die aus Saint-Sever in der Gascogne von 1045, sind ausschließlicher von der
Antike geprägt. Allen geosteten Beatus-Karten ist im Süden, d.h. rechts, ein
segmentartiger Erdteil gemeinsam, durch eine rote Meeressperre abgetrennt.
Diese Fläche ist immer als der vierte, den Menschen unbekannte Erdteil ge-
kennzeichnet; auf der Karte von Saint-Sever z. B. findet sich in vollem Wort-
laut der oben zitierte Isidor-Text. 14
Die Beatus-Karte aus Burgo de Osma von 1086, 15 der heute älteste Beleg
für die Apostelmission im Bilde, zeigt im vierten Kontinent ein großes Mon-
strum, einen Menschen, der, auf dem Rücken liegend, sich mit seinem riesi-
gen Fuß beschattet. Die Legende verkündet, 16 daß dieser Erdteil wegen der
Sonnenwärme uns unbekannt und überhaupt unbewohnbar sei; wertlose
Schattenfüßler sollten ihn bewohnen, wunderbar wegen einzelner Gebeine
und wegen ihrer Schnelligkeit; die Griechen hätten sie Skiopoden genannt,
weil sie rücklings in der Hitze auf der Erde liegend sich mit Hilfe der Größe
ihrer Füße beschattet hätten. Hier erscheint ein sonst unbekanntes Mon-

13
Isidor, Etymologiae, ed. LINDSAY, Oxford 1911 u.ö. XIV/5/17: Extra tres autem partes or-
bis quarta pars trans Oceanum inferior est in meridie, quae solis ardore incognita nobis est; in cuius
finibus Antipodes fabulose inhabitare produntur.
14
Ms. Paris B.N. Lat. 8878, fol.45 ter; Abb. u.a. bei K. MILLER, Mappae mundi I, Beilage,
Stuttgart 1895.
15
Ms. Burgo de Osma, Archivo de la Catedral 1, fol.34v-35; Abb. u.a. als Skizze bei MILLER
(wie zuvor), p. 35; über die Überlieferung der Beatus-Karten und ihr Verhältnis zueinander vgl.
D. ROSEN, Die Beatus-Karten, Magister-Arbeit an der RWTH Aachen, Februar 1989 (unpubl).
16
Hec pars ab ardore solis incognita nobis et inhabitabilis; inanes sciopodes feruntur habitare sin-
gulis cruribus et celeritate mirabili, quos inde sciopodes Greci vocant eo quod per estum in terra resu-
pini iacentes pedum suorum magnitudine adumbrantur.
438 Studien zur Universalkartographie [23/24]

strum als Bewohner des unzugänglichen vierten Erdteils. Diese Karte vom
Ende des 11. Jahrhunderts ist typisch für das Weltbild der Zeit.
Man darf daher sicher festhalten, daß der vierte Erdteil auf der Rückseite
der Erde das ganze Frühmittelalter und beginnende Hochmittelalter bekannt
und eine Selbstverständlichkeit war, auch die Vorstellung von der Kugelge-
stalt als sicheres Bildungsgut belegte. Die TO-Karte war das Symbol der
Ökumene, der Karte, die den Schauplatz der Heilsgeschichte illustrierte. Es
fehlt übrigens keineswegs an Stimmen in der Forschung unseres Jahrhun-
derts, die das Weltbild des Mittelalters ebenso interpretieren; ich nenne nur
Francis Betten17 und John Kirtland Wright. 18 Dennoch liest man immer wie-
der auf Giovanni Marinelli 19 u.a. zurückgehende Ansichten über die einfälti-
gen Vorstellungen der Kirchenväter.
2. Die Frühscholastik manifestierte sich im Aufblühen der Bildungsein-
richtungen insbesondere in Westeuropa; als Beispiel sei die Schule von
Chartres genannt, die seit dem Ende des 11. Jahrhunderts zu einer vorbildli-
chen Einrichtung wird. U.a. durch die dort tätigen Lehrer erleben viele ältere
Schulbücher ihre Aktualisierung. Aus dem 11. wie aus dem 12. Jahrhundert
sind auffällig viele Macrobius-Handschriften bekannt, die mit Karten ausge-
stattet sind. Bereits Marcel Destombes 20 nennt 16 Kodizes für das 11. Jahr-
hundert, 39 für das 12. Jahrhundert, 16 für das 13. Jahrhundert; Wilhelm
von Conches aus der Schule von Chartres löst Macrobius dann in seinem Re-
zeptionserfolg ab; denn seine ähnlich gestalteten Karten sind im 12. Jahr-
hundert neunfach, im 13. Jahrhundert 35fach belegt.
Wie hat nun die Theologie und ihre symbolistische Exegese die Zonenkar-
te mit der TO-Ökumene-Karte in Zusammenklang gebracht? Als Zeuge
diene eine Bibelhandschrift, die in zwei Bänden im Bestand Harley der Bri-
tish Library erhalten ist21 und im ersten Band einen Hinweis auf Arnstein als
Provenienz aufweist. Sie dürfte der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an-
gehören. Am Ende des zweiten Bandes finden sich zwei kartographische In-
terpretationen der Welt: Auf der linken Seite sieht man eine Ökumene-Karte
mit einem Durchmesser von 27 cm. Sie zeigt die geostete Ökumene im T-
Schema und wirkt wenig malerisch, vielmehr aufgeschrieben. Analog den
Beatus-Karten ist rechts im Süden nach einem schmalen Randsegment für

17
F.S. BETTEN S.J., The Knowledge of the Spherity of the Earth during the Earlier Middle
Ages, in: Catholic Review NS 3 (1924), p. 74-90.
18
J.K. WRIGHT, The Geographical Lore of the Time of the Crusades. A Study in the History
of Medieval Science and Tradition in Western Europe, New York 1925, Repr. 1965.
19
G. MARINELLI, Die Erdkunde bei den Kirchenvätern, Leipzig 1884.
20
Vgl. oben, Anm. 9.
21
Ms. London Brit. Libr. Harl. 2799, fol.241v und 242.
[24/27] XXI. Der vierte Erdteil 439

die heiße Zone eine bewohnbare schmale Zone eingezeichnet; rechts wie
links erscheinen als Randsegmente die beiden kalten Polarzonen. Auf der
rechten Seite sieht man eine Zonenkarte, auf der die heiße Zone den Mittel-
gürtel bildet. Dieser ist beidseitig mit gleichgroßen Gürteln für die bewohn-
baren Zonen und am Rand mit ebensolchen für die Polarzonen ausgestattet.
Nur eine der bewohnbaren Zonen ist durch das T geteilt und mithin identifi-
ziert als die bekannte Ökumene (cf. Abb. 5) (vgl. unten Tafel 29). Man könn-
te daher die linke Karte als vergrößerten Ausschnitt der rechten deuten,
Ökumene als Teil des Kosmos. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß man die
Heilige Schrift mit dieser Art Darstellungen erläutert und sie zur Exegese
empfiehlt.
Derartige Doppelweltkarten sind keinesfalls ungewöhnlich. Am Anfang
des 12. Jahrhunderts entstand mit dem «Liber Floridus» des Lambert von
Saint-Omer die wohl eindrucksvollste bebilderte Enzyklopädie der romani-
schen Zeit. Sie enthält eine Reihe von Weltbildern, von denen exemplarisch
zwei herausgegriffen seien, die T-Karte des Augustus und die große hemi-
sphärische Karte. 22
Kaiser Augustus sitzt auf seinem Thron und hält - wie später die Kaiser
des Mittelalters den Reichsapfel - in der Linken die Erdkugel, die hier als T-
Karte gestaltet ist. Der Kaiser deutet damit seinen Weltherrschaftsanspruch
an, der zugleich durch das T näher bestimmt ist als Regentschaft über die
Ökumene. Eine Umschrift des Medaillons, in dem der Kaiser gewissermaßen
sitzt, vermeldet den Anfang des Weihnachtsevangeliums nach Lukas: Exiit
edictum a Cesare Augusto, ut describeretur universus orbis. Augustus genoß für
das Mittelalter besonderes Ansehen, da er im Neuen Testament genannt
wurde. Seine Steuerveranlagung veranlaßte Christi Geburt in Bethlehem,
und im Bilde wird hier von Augustus die ganze Ökumene dem Erlöser prä-
sentiert. Diese Darstellung ist mithin Vorführung der bewohnten Welt als
Ort der Heilsgeschichte und als ihr Gegenstand.
Derselbe Lambert ist auch Schöpfer diverser hemisphärischer Karten, de-
ren vollkommenste sich ausdrücklich als Karte des Martianus Capella 23 vor-
stellt (cf. Abb.6) (vgl. unten Tafel 25). Die Polarzonen sind zum Nichts zu-
sammengeschoben, auch die heiße Zone am Äquator erscheint nur als
schmaler senkrechter Streifen auf der geosteten Karte. Die linke Seite zeigt
sich als sehr deutliche und differenzierte, dabei recht malerische T-Karte,
während die rechte Hälfte erklärende Texte über den südlichen Erdteil, über

22
Ms. Gent Univers.-Bibl. 92, fol. 138v (vgl. unten Tafel 21).
23
Ms. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek 1 Gud. Lat. fol.69v-70. Abb. u.a. DESTOM-
BES (cf. nota 9), Tafel X; dazu auch R. UHDEN, Die Weltkarte des Martianus Capella, in: Mne-
mosyne HI/3 (1936), p.97-124 mit Abb.
440 Studien z u r Universalkartographie [27/29]

Antipoden, die entgegengesetzten Jahreszeiten und den dortigen Sternen-


himmel enthält. Wie auf vielen mittelalterlichen Weltkarten erscheint im äu-
ßersten Osten Paradisus terrestris - Enos Helyas, eine Insel im Weltenozean,
verbunden mit Asien durch die Paradiesflüsse. Hierzu findet sich unten, im
äußersten Westen, eine Entsprechung in Gestalt einer großen, in ihrer Ellip-
senform an die Landblöcke für die bewohnbaren Zonen in den Hemisphären
erinnernden Insel; die Legende darauf lautet verstümmelt: Hie antipodes no-
stri habitant, sednoctem diversam diesque contrariusperferunt et et [l] estatem •
Die Aussage über unterschiedliche Tages- und Jahreszeiten weist auf den
Antichthonenkontinent. Er ist an sich auf der Rückseite des rechten Antö-
kenkontinents anzunehmen, scheint gewissermaßen durch die Kugel hin-
durch. Seine Plazierung im äußersten Westen legt sogar die Vermutung na-
he, daß von hier der Weg nicht zu weit sein kann: man muß den Rand über-
schreiten, um die Antipoden zu erreichen. Die Insel Thyle - Island? - liegt
gleich nebenan!
3. Wie vereinten die Gelehrten um 1200, geprägt vom Symbolismus des
vorausgehenden Jahrhunderts, die Vorstellungen vom vierten Kontinent jen-
seits der Enden der bekannten Welt mit den Aussagen der Heiligen Schrift?
Augustinus 24 hatte da klare Anweisungen gegeben, die auch ein Vincenz von
Beauvais um die Mitte des 13. Jahrhunderts ausdrücklich zu seinem Maßstab
erklärt. 25 Widersprüche können ihre Ursachen nur haben entweder in einer
fehlerhaften Handschriftenüberlieferung der Bibel oder in einer mißver-
ständlichen Übersetzung, oder aber sie sind verursacht durch mangelnde
Einsicht des Lesers.
Augustinus hat nie die Kugelgestalt der Erde verworfen, er hielt sie nur für
nicht zureichend nachgewiesen. Auf der Rückseite lebende Menschen muß-
ten von Noe abstammen, waren aber nirgends biblisch bezeugt. Er äußerte
daher 26 die Vermutung, daß nicht etwa die Antipoden die Rückseite der
Erdkugel bevölkerten, sondern daß die Oberfläche dort von Wasser bedeckt
wäre. Augustinus hat an dieser Stelle auf Grund Kenntnis antiker Literatur
wesentlich korrektere Vorstellungen von der Verteilung von Wasser und
Land: Die Antike hielt angeblich nur ein Sechstel der Erdoberfläche für Fest-
land, das Mittelalter sechs Siebentel - tatsächlich sind 29,2% Festland.
Das Alte Testament kennt Begriffe für Erdkreis, aber auch für Ecken der
Erde: Hebräisch heißen sie kanefot, was mit alae oder plagae übersetzt wird
und letztlich die Himmelsrichtungen meint. So heißt es Ezechiel 7/2: Finis

24
Contra Faustum X / 5 .
25
Apologia Actoris e i l , ed. ANNA-DOROTHEE V. DEN BRINCKEN, Geschichtsbetrachtung bei
Vincenz von Beauvais. Die Apologia Actoris zum Speculum Maius, in: DAEM 34 (1978), p. 482.
26
De civitate Dei 16/9.
[29/30] XXI. Der vierte Erdteil 441

venit, venu finis super quatuor piagas terrae, und in Apokalypse 7 ist von qua-
tuor angelos super quatuor angulos terrae die Rede, ein Wortspiel im Lateini-
schen. Eingefangen werden soll damit die Endlichkeit des Raumes, der Öku-
mene als Gegenstand des Heilsgeschehens, Objekt der Erlösung. Ein vierter
Erdteil, der die Grenzen des bekannten Raumes überschreitet, entzog sich
hier der gängigen Beschreibungsweise. Zwei Beispiele aus dem 13. Jahrhun-
dert sollen dies abschließend exemplarisch erläutern, ein literarisches und
ein bildliches.
Um 1214 widmete der Engländer Gervasius von Tilbury Kaiser Otto IV.
seine «Otia Imperialia», die in drei Abschnitten zunächst die Urgeschichte
bis zur Sintflut, sodann eine Erdbeschreibung mit historischen Einschüben
bieten, endlich im dritten Teil in Form von kleinen Mirabilia-Erzählungen
ungewöhnliche Erscheinungen unterhaltsam darreichen. Das 45. Kapitel die-
ses Teils ist überschrieben De antipodibus et eorum terra, handelt aber nur
von letzterem. 27 Das Schloß Peak (in Devonshire), gelegen auf einem Berg,
war bekannt für einige Schächte, aus denen Winde heulen, die aus unterirdi-
schen Höhlen kommen. Laut namentlich erwähnter Zeugen und unter einem
bekannten Besitzer dieser Festung passierte es dem Schweinehirten, daß eine
besonders prächtige Sau, die trächtig war, in einen solchen Wind Schacht fiel.
Da er das Tier nicht aufgeben wollte, kletterte er nach und geriet bald in eine
zunächst finstere, aber klimatisch angenehme Gegend, bis er zu einem hellen
und fruchtbaren Landstrich gelangte. Dort herrschte Sommer, die Frucht

27
Text nach F. LIEBRECHT, Hannover 1956, p.24:
XLV. De antipodibus et eorum terra.
(De Castro, quod Angli Pech nominant.)
In Britannia majore castrum est inter montana quaedam situm, cui populus nomen Pech imposuit.
Mundio ejus difficile expugnabilis, et in monte caverna foraminis, quae velutfistula ventumpro tem-
pore validissime eructuat. Unde tanta prodeat aura, miratur populus; et inter plurima, quae ibidem
cum admiratione geruntur, accepi a viro religiosissimo, Roberto Priore de Renildewrta, exinde oriun-
do, quod, cum vir nobilis Guilielmus Peverelli castrum, cum adiacente baronia, praetaxatum posside-
ret, vir quidem strenuus et potens ac in animalibus diversis copiosus, uno aliquo die subulcus ejus,
cum segnis circa creditum sibi ministerium esset, suem gravidam, de genere scropharum, magis genero-
sam perdidit. Timens ergo propter jacturam asperiora vicarii dominici verba, cogitavit penes se, si quo
fortassis casu sus ilia foramen Pech famosum, sed usque ad dia tempora inscrutatum, subintrasset. Ap-
ponit in animo, ut abditi loci se facial perscrutatorem. Intrat cavemam tempore tunc ab omni vento
tranquillo, et cum diutinam in procedendo viam perfecisset, tandem ab opacis in lucidum locum obve-
nit, solutum in spatiosam camporum planitìem. Terram ingressus late cultam, messores reperit fructus
maturos colligentes, et inter spicas pen den tes scropham, quae multiplicaverat ex se suculos editos, reco-
gnovit. Tunc miratus subulcus et de redintegrata jactura congratulatus, facto rerum, prout evenerat,
verbo cum praeposito terrae illius, scropham recipit, et cum gaudio dimissus, adgregem porcorum edu-
cit. Mira res: a messibus subterraneis veniens, hyemalia frigora videt in nostro hemisphaerio perseve-
rare, quod utique solis absentiae ac vicariaepraesentiae merito adscribendum duxi.
442 Studien z u r Universalkartographie [30/31/33]

stand in der Reife, und sein Schweinchen fand er auch rasch mitsamt seinem
Nachwuchs. Er kehrte heim, aber in Englands Oberwelt herrschte Winter-
wetter. Da Gervasius nur einen praepositus in der lieblichen Unterwelt ver-
meldet, das Kapitel aber in der Überschrift mit einem Hinweis auf die Anti-
poden versieht, ist nicht - wie im Kommentar der zitierten Ausgabe - an eine
liebliche Bergwerksunterwelt mit Heinzelmännchen gedacht, sondern offen-
bar phantasievoll ein Durchstieg durch die Erde beschrieben, den sich Ger-
vasius möglicherweise gerade von England aus, gelegen nahe dem Rand der
Ökumene, nicht zu langwierig dachte. Ähnlich wie für Jean de Mandeville 28
darf man auch bei Gervasius annehmen, daß er ein hohes Maß an Gelehr-
samkeit in seinen Anekdoten mundgerecht anbot. Hier wird phantasiert, wie
man - unter Vermeidung der undurchdringlichen Erdgürtel - auf die Rück-
seite der Erde mit ihren entgegengesetzten Jahreszeiten gelangen kann. Den
Weg denken sich alle mittelalterlichen Autoren und Kartenmaler am ehesten
gen Westen oder aber gen Osten, nie in Richtung Norden oder Süden über
die Pole.
Zeichnerisch schlägt sich diese Vorstellungswelt recht deutlich auf den be-
deutenden enzyklopädischen Weltbildern des 13. Jahrhunderts nieder. Bei
der Vercelli- und bei der Cornwall-Karte fehlen die seitlichen Ränder, d.i.
bei geosteten Karten der Norden und der Süden; Ebstorfer Weltkarte und
Hereford-Karte aber zeigen jeweils im Süden eine große Monstrengalerie
just dort, wo schon Isidor und Beatus den vierten Erdteil andeuteten. Als
Beispiel diene hier die Londoner Psalterkarte, weil sie gerade durch ihr Mi-
niformat für eine Demonstration geeignet ist. In allen genannten Fällen kann
man übrigens zu den Monstren im Süden eine Entsprechung in Gog und Ma-
gog mitsamt den eingeschlossenen Nationen im Norden sehen, gerade in der
englischen Kartographie häufig hervorgehoben. 29
Die Londoner Psalterkarte ist in doppelter und unterschiedlicher Ausferti-
gung einer Psalterhandschrift beigegeben und mißt im Durchmesser nur je-
weils um 9 cm. Der gemalten Karte auf der Vorderseite 30 (cf. Abb. 7) (vgl.
unten Tafel 42) entspricht eine mehr geschriebene Version der TO-Karte auf
der Rückseite (cf. Abb. 8) (vgl. unten Tafel 43). In beiden Fällen erscheint
Christus als Welterlöser über der Erde, wobei die geschriebene Version viel-
leicht einen zeitlich verschobenen Punkt des Erlösungsgeschehens wieder-

28
Vgl. CHRISTIANE D E L U Z , Le livre d e J e h a n d e Mandeville, u n e ,géographie' au X I V 5 s.,
Louvain-la-Neuve 1988.
29
A N N A - D O R O T H E E V. DEN B R I N C K E N , G o g und M a g o g , in: W . H E I S S I G / C . M Ü L L E R ( e d . ) , D i e
Mongolen. H a n d b u c h z u r Ausstellung in M ü n c h e n , I n n s b r u c k / F r a n k f u r t 1989, p. 2 7 - 2 9 .
30
M s . London, Brit. Libr. 2 8 6 8 1 , fol.9 und 9v. A b b . u . a . bei BIRGIT H A H N - W O E R N L E , D i e
Ebstorfer W e l t k a r t e , S t u t t g a r t / B a d C a n n s t a t t 1987, 36 s.
[33] XXI. Der vierte Erdteil 443

gibt: die Füße Christi - ohne Kreuznimbus! - zertreten gerade die Drachen
der Unterwelt im Westen, seine Arme umfangen die Ökumene, vier Engel
fliegen auf ihn zu; auf der gemalten Karte erhebt er sich mit Kreuznimbus
über die Erde, hat in der Linken nochmals das Symbol der Erdkugel und
wird von Engeln mit Weihrauchgefäßen verherrlicht. Die Erde zeigt links
die eingeschlossenen Nationen, rechts im Süden eine detaillierte Monstren-
galerie, die für den unbekannten vierten Erdteil steht und in das Heilsge-
schehen hineingenommen wird. Wie die Kunstdarstellungen der Zeit auch
sonst bestätigen, 31 haben alle Wesen die Chance der Teilhabe an der Erlö-
sung, die Wunderwesen wie die Bewohner unbekannter Regionen, denn sie
sind Zeugen für Gottes Güte und Allmacht.
4. Verfassern der großen Summen des 13. Jahrhunderts - in der Kartogra-
phie sind dies beispielsweise die Schöpfer der Ebstorfer Weltkarte und der
Hereford-Karte - gelingt die Integration der nur spekulativ erschlossenen
Räume der Schöpfung in die Heilsgeschichte, indem sie in augustinischem
Geiste gerade aus den die eigene Erfahrung übersteigenden Gegebenheiten
Gott zu ertasten suchen. So rechtfertigt Vincenz von Beauvais die Erstellung
seines «Speculum Maius» im 6. Kapitel der Apologia Actoris52 als eine Form
der Anbetung im Überschreiten der Ökumene, wenn er von der Welt, mun-
dus, sagt, daß sie spaciositate locorum gewissermaßen in ihrem Maßstab
Creatoris immensitatem nachahme, desgleichen varietate specierum ipsius pul-
chritudinem, polixitate quoque temporum eius eternitatem. Und er kann mit
der tiefsinnigen Begründung für seine Tätigkeit als Geschichtsschreiber
schließen: Hec temporalis pulchritudo, que rerum transitu et successu peragitur,
historica narratione comprehenditur ... Ganz entsprechend nehmen mittelal-
terliche Weltkarten als ein Genus der Geschichtsschreibung den gesamten
Kosmos in ihre Betrachtung auf.

31
Vgl. J. B. FRIEDMAN, The Monstrous Races in Medieval Art and Thought, Cambridge/
Mass. 1981.
32
Ed. v. DEN BRINCKEN (cf. nota 25), c. 6, p. 473 s.; vgl. insgesamt zum Thema jetzt ANNA-
DOROTHEE v. DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterli-
chen Weltkarten, Hannover 1992 (Schriften der M G H 36).
XXII. Köln, das Reich und die Ökumene (800-1475)

1. Mittelalterliche Universalkartographie im Reich

Die mittelalterliche Karte, für die seit dem 9. Jahrhundert die Bezeichnung
mappa mundi1 gebräuchlich ist, hat im frühen wie im hohen Mittelalter den
Raum als Ganzes zum Gegenstand, denn mundus, Welt, ist in der Vulgata
stets die Übersetzung für Kosmos, Welt im weitesten Sinne. Erst im 12. Jahr-
hundert beginnt man im Abendland, einzelne Regionen für die Detaildar-
stellung auszusondern. 2 Praktische Wegbegleitung und Reiseführung waren
ebensowenig Aufgabe der Karte, wie sie auch keinerlei Vermessung unterlag;
vielmehr diente sie vor allem dazu, die Lage der Orte zueinander zu skizzie-
ren und dies vornehmlich für Schulzwecke. Insofern entwickelte sich die
Kartenkunst unabhängig und war nicht an besondere landschaftliche Vor-
aussetzungen gebunden.
Dennoch lassen sich im mittelalterlichen Europa durchaus Länder ausma-
chen, in denen die Kartographie besondere Pflege erfuhr. Hierzu rechnen
im Frühmittelalter vorrangig die Iberische Halbinsel von Isidor von Sevilla
über Beatus von Liébana und Theodulf von Orléans bis zu Petrus Alfonsi,
im Hochmittelalter England von der Cottoniana über Heinrich von Mainz
als Maler zu Honorius Augustodunensis, der Oxforder Karte des St. John's
College, Matthaeus Parisiensis, der Psalterkarte, der Hereford-Karte bis
u.a. zu Ranulf Higden sowie im hohen und späten Mittelalter Italien von
Guido von Pisa bis zu den zahlreichen Großkarten des 15. Jahrhunderts.
Die Vorrangstellung dieser Regionen hängt zweifellos mit ihrer Abhängig-
keit vom Meer zusammen und wird auch nicht von der höchst bescheidenen
nautischen Aktivität des abendländischen Mittelalters eingeschränkt.

1
Erste Belege sind aufgelistet bei P. LEHMANN, Mittelalterliche Bibliothekskataloge,
Deutschland und die Schweiz, Bd. 1: Die Bistümer Konstanz und Chur, München 1918, Repr.
1969, Nr.49, Reichenau 821/822, S.82 Zeile 13 und Nr. 19, St. Gallen 883, S.87 Zeile 23.
2
P. D. A. HARVEY, The History of Topographical Maps. Symbols, Pictures and Surveys,
London 1980, hat sich als erster Kartographiehistoriker eingehend mit der Regionalkarte des
Mittelalters befaßt; vgl. DERS., Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The
History of Cartography, Vol. 1 : Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval Europe and
the Mediterranean, ed. by J. B. HARLEY and D. WOODWARD, Chicago/London 1987, 464-501;
A.-D. v. DEN BRINCKEN, Kartographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten (Typologie
des Sources du Moyen Age occidental, Fase. 51), Turnhout 1988.
[702/703] X X I I . Köln, das Reich und die Ö k u m e n e 445

Das Reich hatte wenig Anteil an der Kartenkunst. Da die mittelalterliche


mappa mundi nie politisch orientiert war, war auch das Ansehen des Reiches
kein spezielles Motiv für die Kartenherstellung. Daher hat das Reich nur we-
nige Gemälde aufzuweisen. Vorrangig möchte man hier die Ebstorfer Karte
erwähnen. Aus Randzonen des Reiches kommen im frühen und hohen Mit-
telalter sonst nur der Palimpsest aus St. Gallen und die Karten des «Liber
Floridus», im 14. und 15. Jahrhundert wären das Wiener Kompendium, Si-
mon Marmion, Andreas Walsperger und die Borgia-Karte zu nennen. Alle
diese Werke stammen aus bedeutsamen Schulen. Darüber hinaus aber konn-
te das Reich keinerlei Führungsrolle in der Kartenproduktion beanspruchen,
es war nur zweifellos begünstigt von den Möglichkeiten, früh an einer Re-
zeption teilzuhaben.

2. Kartographie und Köln

Fragt man nach der Kartographie in Köln, so stellen sich hier die Verhält-
nisse ganz analog denjenigen im übrigen Reich dar.
Als Verkehrsknotenpunkt mit einer in die Römerzeit reichenden Vergan-
genheit blühte in der geschichtsträchtigen Metropole wiederholt ein beacht-
liches Bildungswesen; es hinterließ auch Spuren in der Pflege der Kartogra-
phie; aber ausgesprochene Kartographieschulen gab es in Köln ebensowenig
wie im übrigen Reich.
Betrachtet man zunächst einmal das umgekehrte Verhältnis, nämlich Köln
auf Karten, auch auf Weltkarten, so schneidet Köln überdurchschnittlich
gut ab. 4 Es ist häufiger belegt als Mainz, von Trier ganz zu schweigen, häu-
figer auch als Paris und London, rangiert gleich hinter Rom und Konstanti-
nopel. Der Grand hierfür liegt einzig und allein in der Verankerung der mit-
telalterlichen Kartographie in der Vorstellungswelt der Antike, wie sie offen-

3
Neuere Zusammenstellungen von mittelalterlichen Karten u.a. bei D. WOODWARD, Medi-
eval Mappaemundi, in: The History of Cartography (wie Anm.2), 359-367; v. DEN BRINCKEN,
Kartographische Quellen (wie Anm.2), 54-57; DIES., Fines Terrae. Die Enden der Erde und der
vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (MGH Sehr. 36) Hannover 1992, XV-XXVI.
4
K. MILLER, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten, Bde. 1-6, Stuttgart 1895-1898, legte
die erste umfassende Sammlung und Darstellung der lateinischen Karten des Mittelalters vor,
die auch heute noch von großem Wert ist; denn sie entstand aus dem Bestreben des Verfassers,
die antike Kartographie aus ihren mittelalterlichen Resten zu rekonstruieren. Für die Legenden
der Karten sind Vorlagen aus der Literatur und Kartographie namhaft gemacht worden in den
Nomenklaturen der einzelnen Karten. Einen tabellarischen Überblick dazu liefert A.-D. v. DEN
BRINCKEN, Mappa Mundi und Chronographia. Studien zur imago mundi des abendländischen
Mittelalters, in: DA 24, 1968, 164, Tabelle IV (= o. S.60).
446 Studien zur Universalkartographie [703/704]

bar in bestimmten gängigen Versionen der römischen Straßenkarten festge-


halten war; hingegen dürfte die Heiligkeit Kölns noch keine Rolle gespielt
haben, schon gar nicht die Eigenschaft einer Kaiser- oder Reichsstadt. 5
Ein eigenes Selbstverständnis entwickelt Köln hier erst am Ausgang des
Mittelalters, wovon unten die Rede sein wird. Diese Beobachtung gilt für die
Städte im Spätmittelalter generell, weil sie sich ihrer Bedeutung bewußt wer-
den.
Um den Standort Kölns in der Rezeptionsgeschichte ausfindig zu machen,
wird man zunächst einmal Marcel Destombes Repertorium mittelalterlicher
Weltkarten 6 konsultieren; man findet im Verzeichnis der Lagerungsorte von
mappae mundi Köln nur ein einziges Mal nachgewiesen mit einer noch vor-
zustellenden frühen Macrobius-Karte. Dennoch ist die Ausbeute bei nähe-
rem Hinsehen nicht so armselig, wie dies im ersten Augenblick erscheint.
Köln verfügte stets über ein funktionstüchtiges Schulwesen; zumindest seit
der Karolingerzeit galt der Dom als Zentrum des geistigen Lebens. Da bei
vielen älteren Bänden der Dombibliothek die Zugehörigkeit zum Bestand
des Erzbischofs Hildebald in den Handschriften eingetragen ist, kann man
daraus das lebhafte Interesse der Kölner gelehrten Welt an Geographie und
Kosmographie ablesen. Die heute noch verfügbaren rund 100 Handschriften
der Bibliothek aus dem ersten Jahrtausend bzw. der Zeit der Jahrtausend-
wende legen ein beredtes Zeugnis vom geistigen Leben im Kölner Raum ab. 7

5
Hier hat D. LECOQ, La Mappemonde du Liber Floridus ou La Vision du Monde de Lamb-
ert de Saint-Omer, in: Imago Mundi 39, 1987, 34, die Funktion des mittelalterlichen Köln um
1112-1115 doch sehr überschätzt und fehlgedeutet: Et Cologne - pourquoi Cologne? - la grande
metropole religieuse des bords du Rhin, avec ses abbayes, ses églises, Saint- Gideon (!), Sainte- Ursule,
Saint- Séverin, Saint- Cunibert, Sainte-Marie du Capitole, Saint-André... Cologne, la cité imperiale
où soni couronnés les empereurs germaniques, où a cinquante ans de la Rainald de Dassel, chancelier
imperiai et archevèque, fera transferer les reliques des Rois Mages. Vgl. auch DIES., entsprechend, La
Mappamonde d'Henri de Mayence ou l'image du monde au Xlle siècle, in: Iconographie medi-
evale. Image, Texte, Contexte. Sous la direction de G. DUCHET-SUCHAUX, Paris 1990, 194: De la
Germanie reduite a sa plus simple expression, il ne reste que l'Alemanie et les deux grandes villes im-
periales de Cologne et de Mayence..., bezogen auf die Zeit 1109-1110. Zu Beginn des 12. Jahr-
hunderts kann mit dem Begriff einer Reichsstadt noch gar nicht gearbeitet werden, aber auch
den einer Kaiserstadt kann man nicht vertreten, da weder Köln noch Mainz Krönungsort sind.
Eher handelt es sich um die „Renaissance ofthe 12th Century" (Haskins).
6
M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500 (Monumenta Cartographica Vetustioris
Aevi I), Amsterdam 1964.
7
P. JAFFE et G. ( = W.) WATTENBACH, Ecclesiae Metropolitanae Coloniensis Codices Manu-
scripti, Berlin 1874.
[704/705] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 447

3. Die karolingische Schultradition

Die erste Blüteperiode mittelalterlicher Bildung und Schultradition ist mit


dem Schlagwort „Karolingische Renaissance", mit der Hofschule Karls des
Großen und ihrer Ausstrahlung durch Erzbischof Hildebald 8 in den Kölner
Raum verbunden. Hildebald, bereits vor 787 in Köln nachweisbar, ist vor
der Jahrhundertwende maßgeblich an der Neuorganisation der Kirchenpro-
vinz beteiligt und regiert bis 818. Seit 791 wirkt er als Nachfolger Angilrams
von Metz an der Spitze der Hofkapelle Karls und gehört damit zum engsten
Beraterkreis als Führer der Geistlichkeit im Reich, eine Stellung, die er auch
unter Ludwig dem Frommen zu wahren versteht. Zeugnis seiner vielseitigen
geistigen Interessen gibt der Handschriftenschatz der Kölner Dombiblio-
thek, deren besonderer Förderer er war: Zwölf Handschriften tragen noch
heute den Hinweis auf ihn, 9 weitere wurden im unmittelbaren Umfeld er-
stellt.
Eines dieser Manuskripte mit dem Vermerk Codex Sancti Petri scriptus sub
pio patre Hildebaldo archiepiscopo ist der Codex 83 , 10 eine Sammelhand-
schrift zur Komputistik, Chronologie und Astronomie mit Auszügen aus
den Schriften des Hieronymus, Isidor, Beda und Aratos, reich bebildert,
u. a. auch mit Diagrammen und kunstvollen Schautafeln ausgestattet.
Die Handschrift bietet ab fol. 126 einen Traktat unter dem Titel „Liber ro-
tarum", ganz offensichtlich eine Verschreibung von Isidor, «Liber de natura
rerum», vielleicht wegen der vielen kreisförmigen Graphiken sogar bewußt

8
Vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Erster Band 313-1099, bearb.
von F. W. OEDIGER, (Pubi. d. Ges. f. Rheinische Geschichtskunde XXI), Bonn 1954-1961, Nrn.
82-139, 35-47; auch W. SCHÄLKE, Hildebald, in: LexMA 5, 1991, Sp. lOf. mit Literaturhinwei-
sen.
9
Vgl. JAFFÉ/WATTENBACH (wie Anm.7) passim; über die Hildebald-Bibliothek eingehender
zuerst A. DECKER, Die Hildebold'sche Manuskriptensammlung des Kölner Domes, in: Fest-
schrift der dreiundvierzigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, Bonn
1895, 215-251; jüngst W. SCHMITZ, Die mittelalterliche Bibliotheksgeschichte Kölns, in: Orna-
menta Ecciesiae. Kunst und Künstler der Romanik in Köln. Katalog zur Ausstellung des Schnüt-
gen-Museums, hg. von A. LEGNF.R, Bd.2, Köln 1985, 137-148, bes. 138ff.; I. JEFFRE, Hand-
schriftliche Zeugnisse zur Geschichte der Kölner Domschule im 10. und 11. Jahrhundert, in:
Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtau-
sends. Gedenkschrift des Kölner Schnütgen-Museums zum 1000. Todesjahr der Kaiserin Theo-
phanu, hg. von A. v. Eu"w und P. SCHREINER, Bd. 1, Köln 1991, 165-171 mit Literaturangaben,
165 Anm. 8.
10
JAFFÉ/WATTENBACH (wie oben Anm.7) 29ff.; dazu A. v. Euw, Liturgische Handschriften,
Gewänder und Geräte, in: Ornamenta Ecciesiae (wie oben Anm.9) Bd. I, 392 und 421; JEFFRE
(wie oben Anm.9), 165.
448 Studien zur Universalkartographie [705/706]

als „Buch der Räder" bezeichnet. Auf fol. 130v findet sich eine auch sonst
aus dem Bildprogramm von «De natura rerum» bekannte, arg mißlungene
Zonenkarte, 11 auf der die als quinque circuii bezeichneten Klimagürtel der
Erde nicht als Segmente auf dem Planiglob erscheinen, sondern gleichsam
als fünf runde Knöpfe aufmontiert wirken.
Eindrucksvoller ist eine andere Isidor-Karte derselben Handschrift, die
sich fol. 82 bei den Osterzyklen findet und die einen Begleittext illustriert,
der fast wörtlich mit «Etymologiae» XIII, 6 übereinstimmt und gleichfalls
die fünf Klimagürtel zum Gegenstand hat. 12 Hier ist bei der Gestaltung des
Bildes der Versuch unternommen, die Sphärik unseres Planeten zum Aus-
druck zu bringen. Die Karte ist vielfach zum gleichen Text belegt. 13 Zugleich
liefert das Blatt ein originelles Zeugnis über den Geographie-Unterricht an
einer deutschen Domschule im karolingischen Zeitalter, weil die Hand-
schrift sich wegen historischer und chronologischer Notizen sicher in die
Zeit zwischen 798 und 805 datieren läßt, 14 andererseits die Karte von einer
weiteren Hand Zusätze erhielt, die ihrem Charakter nach gleichfalls noch in
die Karolingerzeit gehören. 15
Diese originelle Zonenkarte ist nicht in der üblichen Art als Planiglob in
die fünf Segmente für die Zonen zerlegt, sondern macht den Betrachter glau-
ben, er studiere die Erdkugel von einem erhabenen Punkt hoch über dem
nördlichen Polarkreis. Unter sich nimmt er die vollständige Kuppe der Ark-
tis ins Visier, die unwirtliche und unbewohnbare Zone am unteren Rand des
gesüdeten Bildes
CIRCULUS FRIGORE INHABITAB1LIS, QUIA VERTICE POLI
SEXTOMOHERCHRUM (!) SPACIODISTATSECUNDUM
ASTRALOGUS (.'),
darüber die nördliche gemäßigte und mithin bewohnbare Zone
CIRCULUS INTER FRIGOREM ETCALOREM HABITABILIS,

11
Entsprechend auch in Ms. 99 der Dombibliothek aus dem II.Jh., das an vierter Stelle,
fol. 53 ff., De natura rerum liefert, bes. Abb. fol.61v; dazu JAFFÉ/WATTENBACH (wie oben
Anm.7), 37f.
12
Abb. 1 (vgl. unten Tafel 8).
13
Vgl. z.B. Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. Lat. 4860 fol. 166v und Basel, Öffentliche Bi-
bliothek der Universität, Ms. F.III. 15k fol. 64, verzeichnet bei DESTOMBES (wie oben Anm. 6)
sect. 3,13 und 3,1, S. 32 und 31, beide dem 10.Jh. zugehörig; Abb. bei Y. KAMAL, Monumenta
Cartographica Africae et Aegypti, Cairo 1926-1951, verkleinerter Nachdruck hg. von F. SEZGIN,
Frankfurt 1987, fol.551 und 515.
14
Vgl. v. Euw (wie oben Anm. 10), 421.
15
JEFFRE (wie oben Anm.9), 165.
[706/707] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 449

dann die heiße Äquatorialzone

CIRCULUS ARDORE TORRENS ETINHABITABILIS,

darüber die südliche gemäßigte Zone

CIRCULUS INTER FRIGOREM ETCALOREM HABITABILIS

und ganz am oberen Rand die antarktische Zone

CIRCULUS AUSTRALIS QUEM (!) FRIGORE INHABITABILIS.

Aus der Sicht des Betrachters annähernd mitten auf der Kugel, mithin auf
der nördlichen Halbkugel, findet sich eine im Bild kreisrund gestaltete Flä-
che aufgeheftet, an deren oberem Rand - die Karte unterliegt der Südung! -
Aethiopes, in deren N o r d e n am unteren Rand Rifei Montes ausgewiesen sind.
G a n z offensichtlich symbolisiert dieser Festlandsflecken die bekannte Ö k u -
mene in gesüdeter Form, denn Aethiopes bilden stets das südlichste bekannte
Volk auf mittelalterlichen Karten, Rifei Montes aber sind das Gebirge im h o -
hen N o r d e n , das nach den heftigen, d o r t üblichen Windstößen benannt ist
und hinter d e m sich die Sonne bei N a c h t vom Westen zurück in den Osten
bewegt, von d e m auch alle großen Flüsse, die nach Süden fließen, ihren U r -
sprung n e h m e n , so angeblich die D o n a u und der Rhein. 1 6
D e r das Bild begleitende Text ist eine Variante von «Etymologiae» X I I I , 6
und lautet:

In hac rota sunt quinque circuii. Inde Isidorus tractavit,


ait: Zona (!) caeli quinque sunt. Quaedam partes temperatas,
quaedam immanitate frigoris aut caloris existunt, quae
ideo zonae (!) circuii appellantur eoque in circumductione
spere existunt. Primus circulus araicus ab Araon side-
re dicitur septentrionalis frigidus inhabitabilis.
Secundus exinterinus (eximerinus?), hoc est bestialis (hestialis?) tem-
peratus habitabilis, qui solisticialis estualis dicitur.
Tercius eximerinus,
quod latine a die diurnus dicitur
equinoctialis torridus inhabitabilis.
Quartus antarcticus, id est contrarius cuculo, qui
antarcticus (!) nominatus, et hic dicitur eximerinus temperatus habita-
bilis. Quintus hiemerinus, id est hiemalis sive brumalis, quia hie-
mem nonfacit, qui ad aquilonem sunt, estatem autem his, qui ad
austrum commorantur.

" F. LASSERRE, in: Kleiner Pauly 4, dtv-Ausgabe 1979, Sp. 1417-1419.


450 Studien zur Universalkartographie [707/708]

Man irrt gewaltig, wenn man diese nicht immer verständliche, auch von Feh-
lern entstellte Lehrbuchseite für erstarrte Tradition hält, die gewissermaßen
versehentlich in einen Prachtcodex geriet. Erläuternde Zusätze von einer an-
deren Hand der Karolingerzeit unten links auf der Kugel belegen vielmehr,
daß diese Schautafel im Unterricht benutzt und interpretiert wurde. Das 13.
Buch von Isidors «Etymologiae» hat mundus zum Gegenstand, die Kosmo-
graphie, während das 14. Buch mit terra, der bewohnten Welt, bekannt-
macht: In XIV, 5,14-16 sind zwei Aethiopiae als Ende der Ökumene im Sü-
den vorgestellt, gefolgt von dem vielzitierten Satz. 17 Extra tres autem partes
orbis quarta pars trans Oceanum interior est in meridie, quae solis ardore incog-
nita nobis est; in cuius finibus Antipodes fabulose inhabitare produntur. Im glei-
chen Buch18 erscheinen Riphaei montes nach den Hyperborei montes Scythiae,
sie stoßen an die äußersten Enden Germaniens und wurden nach den andau-
ernden Windstößen benannt. Auf der Karte hat besagte Hand daher nachge-
tragen:

Riphei montes in capite Germanie


sunt a perpetuo ventorumflatu no-
minati, nam rifen grece impetus;
Germania propter gignen-
dorum populorum dicta
sequitur in Isidoro in
ethimologiarum...
Auch die hier vorgetragene etymologische Deutung von Germania ist natür-
lich Isidor entnommen. 19 Ein Lehrer der Domschule zu Köln in der Karolin-
gerzeit erstarrte mithin keineswegs vor Respekt bei Benutzung dieser Hand-
schrift und Interpretation der Karte, sondern versah sie ungeniert mit Kom-
mentaren, die dem geographischen und ethnologischen Verständnis dienen
sollten, damit die Schüler oder Benutzer den eigenen Standort in Ökumene
und Kosmos erkennen sollten.
Während das Bildmaterial der Handschrift 8 3 n die Kartographiehistori-
ker noch kaum beschäftigte, findet sich im Repertorium der Weltkarten von
Destombes eine andere Weltkarte der Karolingerzeit als einziges Kölner
Zeugnis, eine Macrobius-Karte aus dem 9. Jahrhundert 20 in der Domhand-

12
Etymologiae XIV, 5, 17 ed. W. M. LINDSAY , Oxford 1911.
18
Ebd. XIV 8, 8.
19
Isidor, Etymologiae XIV, 4, 4, ed. LINDSAY: Terra dives virum acpopulis numerosis et inma-
nibus; unde et propterfecunditatem gignendorum populorum Germania dicta est.
20
Vgl. DESTOMBES (wie oben Anm. 6), 301 mit dem Hinweis auf sect. 18,1 ebd., 43.
[708/709] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 451

schrift 186 fol. 74v, die auch sonst in der Literatur bereits bekannt ist, 21 er-
stellt offenbar in der unmittelbar auf Hildebald folgenden Zeit.22 Der Codex
enthält die Arithmetik des Boethius und den Kommentar des Macrobius zu
Ciceros Somnium Scipionis. Die Zeichnung wirkt unfertig, sie gehört zu den
ältesten Macrobius-Karten schlechthin. Sie zeigt eine Erdkugel als genorde-
ten Planiglob, dessen Durchmesser 15,7 cm beträgt. Während eine Gestal-
tung der südlichen Hälfte völlig fehlt, kann man auf der nördlichen gemä-
ßigten Zone im kalten Polargebiet Eurasien ausmachen, auch das Mittelmeer
im Westen und eine Meeresbucht im Osten, von der man nicht weiß, ob sie
das Kaspische Meer oder den Persischen Golf repräsentiert, denn diese wa-
ren seit den Vorsokratikern feste Bestandteile des kartographischen Weltbil-
des, jeweils als Einbuchtungen des umgebenden Ozeans; als viertes Meer ge-
hörte das Rote Meer im Süden dazu, das man auf der angesprochenen Karte
aber noch nicht ausgeführt findet. Legenden fehlen auf dieser Karte noch
vollständig, auch die Vorlage war möglicherweise unzureichend.
Die Macrobius-Karte geht auf den Pergamener Krates von Mallos (2.Jh.
v. Chr.) zurück, einen Stoiker, der sich die Erdkugel durch zwei sich in rech-
tem Winkel schneidende Ozeanringe - einen am Äquator und einen weiteren
durch beide Pole - in vier Kontinente geteilt vorstellte. Die Zeichnungen
präsentieren nur einen Planiglob mit zwei Kontinenten, durch das Äquatori-
almeer voneinander geschieden und von einem durch die Pole verlaufenden
Ozeanring eingefaßt. Sie erläutern die Hydrographie des Macrobius. 23 Im
11. und 12. Jahrhundert war diese Karte sehr populär im Abendland. 24
Der Text des Kommentars von Macrobius ist heute in einem weiteren
Textzeugen des 11. Jahrhunderts ohne Zeichnungen überliefert, in Ms.
199. 25 Außerdem besitzt die Kölner Dombibliothek auch eine aus dem 10.
Jahrhundert stammende Handschrift vom Artes-Lehrbuch des Martianus
Capella «De nuptiis Philologiae et Mercurii» mit einer gleichfalls zu Beginn
des 5. Jahrhunderts in lateinischer Sprache verfaßten Kosmographie auf der
Basis griechischer Naturphilosophie, nämlich Ms. 193. 26 Dieses Werk, dem
keine erhaltenen Karten gesichert zuzuweisen sind, informierte textlich recht
ausführlich über Kosmos und Ökumene und war gleichfalls ein beliebtes

21
Abb. 2 (vgl. unten Tafel 10); vgl. KAMAL (wie oben Anm. 13) fol. 514.
22
JAFFÉ/WATTENBACH (wie oben Anm.7), 77f.; vgl. JEFFRE (wie oben Anm.9), 166.
23
Macrobius, Comentarii in Somnium Scipionis II, 9, ed. J. WILLIS, Leipzig 1970, 122-124.
24
DESTOMBES (wie oben Anm.6) sect. 20-21, 43-45, wo 16 bzw. 41 Karten nachgewiesen
sind.
25
JAFFÉ/WATTENBACH (wie oben Anm.7), 86; der Text findet sich in der Handschrift
fol.26v-38v.
26
JAFFÉ/WATTENBACH (wie oben Anm.7), 81.
452 Studien zur Universalkartographie [709/710]

Lehrbuch in mittelalterlichen Schulen. Die Kölner Dombibliothek darf mit-


hin seit der Karolingischen Epoche als hervorragend ausgestattet gelten;
geographisch und kartographisch interessierte Studierende der Domschule
fanden die gängige Literatur hier vor.

4. Kosmographie im gregorianischen Zeitalter

Geht man von den skizzierten Bibliotheksbeständen in der Domschule zu


Köln aus, so nimmt es gewiß nicht wunder, daß ein von Manegold von Lau-
tenbach angegriffener Wolfhelm von Brauweiler Verfechter des Weltbildes
des Macrobius ist. Eher erstaunt das Verhalten seines literarischen Widersa-
chers Manegold, wenn er im Zeitalter des Investiturstreites um 1085 27 einen
«Liber contra Wolfelmum Coloniensem» 28 verfaßt, um einem Wolfhelm -
vermutlich ist dieser identisch mit dem gleichnamigen Abt von Brauweiler -
unangebrachte Wertschätzung heidnischer Gelehrsamkeit vorzuwerfen. 29
Anlaß zum Tadel lieferte Wolfhelm durch seine Zurückhaltung den Grego-
rianern gegenüber, denen Manegold zugehört. Macrobius wird nachhaltig
wegen seiner Antipodenlehre verurteilt, die sich mit christlichem Denken
nicht vereinbaren lasse, weil alle Menschen von Noe abstammten, dies aber
für die Antipoden nicht nachweisbar sei.30 Manegold ist da der Ansicht, daß
Menschen auf allen vier untereinander unverbundenen Kontinenten völlig
unvorstellbar seien, denn andernfalls bliebe den Menschen dreier Erdteile
die Erlösung durch Christus vorenthalten. Er stützt sich auf das Wort aus
Psalm 97, 2: In conspectu gentium revelavit iustitiam suam.
Wolfhelm hatte offenbar Macrobius verteidigt, in welcher Weise, das
bleibt unklar, denn von ihm ist kein Zeugnis erhalten. Falls er seine Bildung
in Köln erhielt, fehlte es ihm nicht an Gelegenheiten, sich des Macrobius
Lehre anzueignen, denn dieses Weltbild boten ihm mindestens vier verschie-
dene Handschriften der Dombibliothek an, wie oben gezeigt wurde. So
wußte er vermutlich recht wohl zwischen Erdkugel und Ökumene zu unter-
scheiden, und eine ausgefallene Ansicht vertrat er ganz sicher nicht, schon
gar nicht im Köln des 11. Jahrhunderts. Eher verfolgte Manegold einen Irr-
weg, denn seine Ausfälle blieben ohne jedes Echo: Nur eine einzige Hand-

27
W. HARTMANN, Manegold von Lautenbach und die Anfänge der Frühscholastik, in: DA
26,1970, 47-149, bes. 47-71.
28
W. HARTMANN, MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 8,1972.
29
W. HARTMANN, Manegold von Lautenbach, in: Verf-Lex2 5, 1985, Sp. 1214-1218.
30
Cap. IV, ed. HARTMANN (wie oben Anm.28), 51 f., dazu HARTMANN (wie oben Anm.27),
67-69.
[710/711] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 453

schrift ist von seiner Streitschrift erhalten, 31 die sogar aus dem unmittelbaren
Umfeld des Autors stammen könnte; auch eine Benutzung seiner Argumen-
tation läßt sich nirgendwo nachweisen.
Köln war in karolingischer und romanischer Zeit kein schöpferisches Zen-
trum der Kartographie, denn dafür gab es keinen Bedarf. Aber es war stets
vorbildlich in der Pflege der Schultradition, auch der Wissenschaft der Anti-
ke, die sich durchaus mit der Heiligen Schrift vertrug. Hier gab es zumindest
seit dem apokryphen «Decretum Gelasianum» eine Abstufung, die der Bibel
ihre absolute Sonderstellung sicherte, danach aber eine Rangfolge von Kir-
chenvätern über Kirchenlehrer zu heidnischen Denkern akzeptierte. 32 Die
Kölner Domschule steht da in einer allgemein anerkannten Haltung neben
vielen vergleichbaren Studienzentren. Köln selbst freilich gerät als Hort geo-
graphischen Interesses noch nicht ins Blickfeld, erst Albertus Magnus sollte
es bescheiden akzentuieren.

5. Albertus Magnus und die Kartographie der Scholastik

Albertus Magnus (vor 1200-1280) als Universalkartograph - diese Aussage


klingt zunächst verblüffend! Freilich ist die bescheidene Skizze der Erde,
mit der Albertus seinen in Köln entstandenen «Liber de natura loci» ausge-
stattet hat, alles andere als augenfällig und auch keineswegs auf den ersten
Blick als mappa mundi zu erkennen. 33 Köln war wiederholt durch längere
Zeit der Sitz des Gelehrten, sogar schon bald nach der Gründung des Domi-
nikanerkonventes (1220), 1248 als Leiter des neu errichteten Studium Gene-
rale des Ordens, 1254/60 und ab 1270/71, bis Albertus 1280 verstarb. 34
Wenn er im «Liber de natura loci» aufzählt Agrippinam, quae nunc Colonia
vocatur, in qua et istud volumen compilatum est,55 so ist dies das einzige
Zeugnis, das erlaubt, seine sonst wenig in der Literatur beachtete 36 und in

31
Vgl. HARTMANN im Vorwort der Edition (wie oben Anm. 28), 32 ff.
32
Vgl. Das Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis, in kritischem Text
hg. und untersucht von E. v. DOBSCHÜTZ (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der alt-
christlichen Literatur 38, 4) Leipzig 1912.
33
Abb. 3 (vgl. unten Tafel 36).
34
A. FRIES, in: Verf-Lex2 (wie oben Anm.29) 1, 1978, Sp. 124-129; W. KÜBEL, in: LexMA
1,1980, Sp.294f.; P. SIMON, in:TRE 2,1978, 177-179.
35
Ed. P. HOSSFELD, De natura loci ad fidem autographi, tract. 3 cap. 2, in: Opera V, 2,1980,
S.33.
36
Die Ausnahme macht bisher nur Sr. J. P. TILMANN OP, An Appraisal of the Geographical
Works of Albertus Magnus and his Contributions to Geographical Thought (Michigan Geogra-
phical Publication 4), Ann Arbor 1971, mit englischer Übersetzung von De natura loci und Ab-
454 Studien z u r Universalkartographie [711/712]

der Kartographiegeschichte bislang verborgen gebliebene Karte hier heraus-


zustellen.
Die Schrift «De natura loci» entstand im Zusammenhang mit verschiede-
nen Kommentaren zu aristotelischen und pseudoaristotelischen Schriften,37
an denen Albertus Magnus in seiner zweiten Kölner Periode arbeitete. Der
volle Titel «De natura loci ex latitudine et longitudine eiusdem proveniente»
basiert gleichfalls auf heute nicht mehr verfügbaren Schriften, die Piaton
und Aristoteles zugeschrieben wurden, 38 sie deutet antikes Wissen unter Be-
nutzung arabischer Kommentatoren aus christlicher Sicht. In den gleichen
Zeitraum gehören die Arbeiten an den «Physica» und «De caelo et mundo»,
es folgen «De causis proprietatum elementoram» und «De generatione et
corruptione».
Von «De natura loci» sind neben dem Autograph 43 Handschriften erhal-
ten. Der Titel der Schrift lautet - auch in Selbstzitaten - häufig «De natura
locorum», ein in dieser Form sonst im Mittelalter nirgends vergleichbar be-
handelter Gegenstand. Locus, der Ort, Geortetes, hat auch den Sinn von
Raum. Behandelt Albertus in den ersten beiden Traktaten der Schrift das
Verhältnis von physikalischem und geographischem Raum, Klimata, be-
wohnbare und unbewohnbare Räume sowie das Geortete, so ist der dritte
Traktat insofern von Interesse, als ihm die Kosmographie des Pseudo-Aethi-
cus aus dem 5. Jahrhundert zugrunde liegt,39 die fast wörtlich ausgeschrie-
ben ist. Ihre Besonderheit ist eine Vierteilung der Ökumene nach den Him-
melsrichtungen40 in der Abfolge Osten, Westen, Norden und Süden, für die
Albertus einfach Meere, Provinzen, Berge, Flüsse, Inseln, Städte und Be-
wohner aufzählt. Albertus schreibt seine Vorlage Augustus zu, 41 in Wahrheit

bildung der Karte auf 111 und 112, vergrößert nach Cod. Vindob. 271 fol. 151 v; vgl. Interpreta-
tion 166ff.; vgl. auch U. LINDGREN, Die Geographie als Naturwissenschaft? in: Köln. Stadt und
Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. Festschrift für Odilo Engles zum 65. Geburtstag.
Hrsg. H. VOLLRATH nd S. WEINFURTER, Köln/Weimar/Wien 1993, S.571 ff.
37
P. HOSSFELD, Albertus Magnus über die Natur des geographischen Orts, in: Zs. f. Religi-
ons-und Geistesgeschichte 30, 1978, 107-115, bes. 107 f.
38
Albert sagt De natura loci tract. 1 cap. 1, ed. HOSSFELD (wie oben Anm. 35), 3: Et hunc li-
brum in tres distinctiones dividimus... in tertia determinabimus particularia loca fluminum et ci-
vitatum et montium; hoc enim modo in hac scientia processerunt Aristoteles et Plato.
39
Ed. A. RIESE, Geographi Latini minores, Heilbronn 1878, 71-103; zu Julius Honorius vgl.
auch C. NICOLET et P. GAUTIER DALCHÉ, Les quatre sages de Jules Cesar et la mesure du monde
selon Julius Honorius; réalite antique et tradition medievale, in: Journal des Savants 1978,157-
218, bes. 205-207.
40
Ed. HOSSFELD (wie oben Anm. 35), 29ff.
41
Ebd. tract. 3 cap. 1 S.29.
[712/713] XXII. Köln, das Reich und die Ö k u m e n e 455

handelt es sich wohl um einen auf den spätantiken Rhetoriklehrer Julius Ho-
norius zurückgehenden Unterrichtstext, der die Legenden einer Weltkarte
auflistet.42 Seiner vermeintlich hehren Vorlage hat er 60 Namen jüngeren
Datumshinzugefügt.
Die Karte des Albertus findet sich zu Beginn des dritten Traktates 43 und
bietet lediglich eine Skizze des situs orbis, eine geostete, sphärisch zu verste-
hende Fläche, die an den Polen links und rechts beschnitten und im Bild
durch einen Meridian waagerecht geteilt ist. Außer den Richtungsbezeich-
nungen enthält sie keine Legenden. 44 Hat Albertus dem Text seines Buches
eine Menge origineller und verwunderlicher Erscheinungen auf dieser Erde
eingefügt, so begnügt er sich für die pictura mit einem reinen Schema. Außer-
dem ist zu De causis proprietatum elementomm eine aus zweiter Hand über-
lieferte Ökumene-Zeichnung aus arabischen Vorlagen erhalten, 45 die aber
kaum als Weltbild des Albertus gelten kann.
Vergleicht man die Arbeit des Albertus mit denjenigen in der Tradition
der Kölner Domschule, so ist das naturphilosophische Denken selbständiger
geworden. Bei Beschreibung der Ökumene hingegen ist Albertus trotz vieler
origineller Einschübe ganz von seinen Vorlagen bestimmt. Auch die Schola-
stik verlegt sich zunächst vorrangig aufs Sammeln von Material, ehe sie es
neu deutet und gar harmonisiert. Im dritten Traktat von «De natura loci»
zeigt sich Albertus ganz als Zeitgenosse eines Vincenz von Beauvais. Brauch-
bare Kartenbilder sind ihm offenbar nicht zu Gesicht gekommen, so hat er
sich in dieser Gattung auch nicht ernsthaft geübt.

6. Universale Geschichtskartographie rheinischer Reichsstädte


um 1475

Seit 1406 etwa ist die sogenannte Geographie des Ptolemäus, in Wahrheit
eine Anleitung zum Kartenzeichnen, dem Abendland in lateinischer Sprache
zugänglich, fristet aber zunächst ein relativ verborgenes Dasein, ehe sie

42
Vgl. P. L. SCHMID, Julius Honorius, in: Kleiner Pauly 2, dtv 1979, Sp. 1549.
43
Cod. Vindob. 273 fol. 151v.
44
Für die Vorstellungen des Albertus von der Gestalt der Erde vgl. auch De caelo et mundo,
bes. tract. II, 4, 9-10, ed. HOSSFELD, in: Opera V, 1, 1971, 196-201.
45
Vgl. HOSSFELD (wie oben Anm. 37), 108; J. BABICZ und H. M. NOBIS, Die mathematisch-
geographischen und kartographischen Ideen von Albertus Magnus und ihre Stelle in der Ge-
schichte der Geographie, in: Die Kölner Universität im Mittelalter. Geistige Wurzeln und so-
ziale Wirklichkeit, in: Miscellanea Mediaevalia 20, 1989, 97-110.
456 Studien zur Universalkartographie [713/714]

147746 im Druck erscheint und insbesondere 1482 durch den Ulmer Ptole-
mäus 47 weite Verbreitung findet.
Auf der anderen Seite tritt in der spätmittelalterlichen Kartographie das
kosmische Interesse nicht nur in Köln, sondern allenthalben eher zurück zu-
gunsten historisch geprägter Ökumene-Karten, auch gerade im Bereich der
Portolankarten. Zonenkarten werden seit dem 13. Jahrhundert generell selte-
ner, hingegen erregen regionale Details zunehmend Interesse. Diese Erschei-
nungen sind auch in Köln zu beobachten.
Die erste umfassende und ausführliche Stadtchronik erhielt Köln erst spät
mit dem «Agrippina» genannten Werk um 1469-1472, das zugleich in der
Form einer Universalgeschichte ein Zeugnis des Selbstverständnisses im Vor-
feld der Privilegierung Kölns als Freie Reichsstadt 1475 durch Kaiser Fried-
rich III. ist; angesichts der Absetzung Kurfürst Ruprechts waren die Kon-
takte zwischen Kaiser und Stadt ausnahmsweise ungestört.
Über den Verfasser der «Agrippina», Heinrich van Beeck, ließ sich bislang
wenig Aufschlußreiches ermitteln, da der Name nicht ganz selten ist, eine
Identifizierung der Person aber noch nicht gelang. Erhalten ist von der
Chronik das flüchtig entworfene Autograph, 48 eine vom Autor ergänzte kal-
ligraphische Prachtausfertigung, 49 drei annähernd zeitgenössische Kopien,
teils aufwendig erstellt, 50 sowie spärliche jüngere Textzeugen. 51 Die Wir-
kung der «Agrippina» war aus zwei Gründen insgesamt bescheiden: einmal
endete sie bei den Geschehnissen von 1419 und mithin lange vor der eigenen
Zeit, bot insofern wenig aktuelles Geschehen; der Grund dafür könnte die
Abhängigkeit von der um die gleiche Zeit endenden Chronik des Jakob
Twinger von Königshofen sein; zum anderen erschien mit der nach dem
Drucker benannten Koelhoffschen Chronik, die ihr Material zu einem gro-
ßen Teil aus der «Agrippina» schöpfte, 1499 die erste gedruckte Chronik
Kölns, die rasche Verbreitung erlangte und damit den Druck der «Agrippi-
na» unwichtig machte, wie diese auch nach dem Beginn des 16. Jahrhunderts
keine Abschreiber mehr gefunden hat.

46
Vgl. DESTOMBES (wie oben Anm.6) sect.57,3, 252.
47
Ebd. 57,9, 252 f.
48
Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK), Chroniken und Darstellungen 19.
49
Ebd. 20.
50
Ebd. 21-23.
51
Vgl. H. CARDAUNS, Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Cöln Bd. 1 (Chr. dt.
Städte 12), 1875, Allgemeine Einleitung LXXXI; DERS., ebd. Cöln Bd.2 (Chr. dt. Städte 13),
1876, 226-231; A.-D. v. DEN BRINCKEN, Köln 1475 - des Heiligen Reiches Freie Stadt (Ausstel-
lungskatalog), Köln 1975, 66-71; H. BECKERS, Heinrich van BEECK, Verf-Lex2 3, 1981, 693-
695.
[714/715] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 457

Im Autograph der Agrippina findet sich die älteste schlichte TO-Schema-


Karte, 52 die aus Köln belegt ist. Sie steht bei der sehr frühen Geschichte, wo
von den Anfängen der städtischen Siedlungen in Europa die Rede ist. Köln,
im 14. und 15. Jahrhundert führend unter den Rheinmetropolen, trag schwer
an dem Zeugnis der Geschichtsschreibung, die Trier das weitaus höhere Al-
ter zubilligte. Die «Gesta Treverorum», ausgestaltet im 11. Jahrhundert 53
aus älteren Materialien, ließen Trier die Gründung des Ninus-Sohnes (von
einer Chaldäerin) namens Trebeta sein, der vor den Nachstellungen seiner
japhetitischen Stiefmutter Semiramis aus Babylon an die Mosel floh, etwa
2000 Jahre vor Christi Geburt gemäß den üblichen Berechnungen.54 Trier
war mithin wesentlich älter als Rom, von Köln ganz zu schweigen.
Beeck benutzt sein Kärtchen zur Verdeutlichung der verschiedenen Städ-
tegründungen, so auch der Kölns, im Zusammenhang mit dem Tun Trebe-
tas, nachdem er sich seiner ihn bis Europa verfolgenden Stiefmutter entle-
digte: 55 Dama nam er zu ime dye fursten ind herren, die myt der moeder kom-
men waren, ind deden ine sere goytlichen, dat sye yne gerne hatten zu eyme her-
ren. Ind also sy zusamen waren kommen van verren landen und van
mancherhande spraichen, do geboyt hey under deme volcke, dat sye alleyne sul-
den dutzsche sprechen, dat oeven und halden, ind gheyn ander spraiche, want
hey dye spraiche die lyeffste hatte. Dama quam auch zu ime vyle ander volks
van über mere, dye da van seyner groisser wyßheyt hoyrten sagen, van seyner
fromcheyt und genoichlicheyt des lantz. Ind meyrden sich van dage zu dage myt
yren kynderen und mit zukomendem folke, dat yre also viel wart, dat sie zu
Tryer neyt ackerlantz genoich hatten, wyesen noch weyden, do bouweden und
arbeyden sye dye lande von umbe sich ind machten vort stede ind dorper bye
deme Ryne naeynander, sunderlingen diese fünf stede Collen zum ersten, dama
Mentze, Wormße, Strayßborch unnd Baesel ind vyl dorper daby. Dyese funfif ste-
de waren kleyne ym begynne ind synt van jaeren zu jaeren gebessert unnd ge-
meyrt. Aver wye lange na dem begynne der statt Trier dyt gescheyt sy und zu
wilcherzyt, vynden ich nyrgen beschreven. Doch vynt sich kuntlichen, datsyvyl
hundert jaere vur der geburt Christi gewest sint. Also ys Triere dye yerste und
eiste stat inn duytzschen landen van dem hertzogen Trebeta gebouwet, as vorge-

52
HAStK, Chron. und Darst. 19 fol.9v.
53
Vgl. WATTENBACH/HOLTZMANN/SCHMALE, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelal-
ter, 1939-1971, Bd.1,172-175; Bd.2, 621-623; Bd.3,170f., ferner grundlegend H. THOMAS,
Studien zur Trierer Geschichtsschreibung des 11. Jahrhunderts, insbesondere zu den Gesta Tre-
verorum (Rheinisches Archiv 68) 1968.
54
Gesta Treverorum ed. G. WAITZ, in MGH SS 8 (1948), 130-191, bes. c. 1 und 5, 130 und
133.
55
HAStK Chron. u. Darst. 19, fol.9v bzw. hier zitiert nach 20 fol.8v f.
458 Studien zur Universalkartographie [715/716]

sacht ys, und vur synre zyt en was ghyen mynsche in dyesen landen, in Europa,
genant des drytten deyls der werk.
An dieser Stelle folgt im Autograph die TO-Schema-Karte, mit der das
Symbol der Ökumene ins Gedächtnis gerufen werden soll.56 Es geht um die
Besiedlung des dritten Weltteils Europa, der auf der traditionell geosteten
T-Karte das linke untere Viertel innehat. Schon Augustinus 57 hatte die be-
kannten Erdteile in der Weise einander zugeordnet, daß Asien die östliche,
d. i. obere Hälfte einnahm und Europa und Afrika sich in die untere westli-
che Hälfte teilten. Dem die Ökumene umgebenden O war auf diese Weise
ein T einbeschrieben, dessen Balken Asien von Europa und Afrika, dessen
Schaft Europa von Afrika trennte. Spätestens Isidor von Sevilla hat dann da-
nach das Schemakärtchen gemalt, bei dem der Balken auch für Don und
Nil, der Schaft für das Mittelmeer stehen. Künftig ist dieses Kärtchen das
konventionelle Zeichen für die bewohnte Welt, in der sich die Geschichte
abspielt. Die Bibel benannte diese Erdteile nicht, kannte aber die Noachi-
denkontinente, von denen die Kontinente Sems Asien, Chams Afrika und Ja-
phets Europa entsprechen.
Heinrich van Beeck hat nun für seinen Bericht gar nicht einmal die «Gesta
Treveroram» selbst58 zur Hand gehabt, sondern seine Vorstellungen über
die frühe Besiedlung des Rheinlandes aus der erwähnten Chronik des Jakob
Twinger von Königshofen, eines Straßburger Chronisten um 1420,59 bezo-
gen, wie er ausdrücklich am Rande vermerkt. 60 Dort fand er freilich keiner-
lei kartographische Skizzen, auch fehlt dort die Zuweisung von Japhetiten
aus dem Gefolge der Semiramis an Europa. Beeck allein betont den dritten
Erdteil nachhaltig. In der kalligraphischen Prachtausgabe seiner Chronik
vermerkt er in einem größeren Nachtrag am Rande eigenhändig, daß alle
Menschen von Adam und Eva abstammten. Er beruft sich hierfür ausgerech-
net auf die Böhmen-Chronik des Enea Silvio,61 in der er fand, daß die He-

56
Ebd. Bd. 19 fol. 9v.
57
De civitate Dei XVI, 17.
58
Textnachweis vgl. oben Anm. 54.
59
Ed. C. HEGEL, Die Chroniken der oberrheinischen Städte, Straßburg Bd. 1-2 (Chr. dt.
Städte 8-9) Leipzig 1870-71; hier Bd.2, 697ff., bes. 700 wörtlich übernommen, wo die Aussa-
gen auf das Alter von Straßburg bezogen sind. Twinger spricht allerdings nur von mehr als 1200
Jahren vor Christi Geburt. - Eine Handschrift der Twingerschen Chronik befand sich im Besitz
des Heinrich van Beeck - vgl. Hegel im Vorwort der Edition Bd. 1, 302, früher Stadtarchiv
Nr. 39 - und liegt jetzt HAStK unter der Signatur Chron. und Darst. 330.
60
HAStk Chron. u. Darst. 19 fol. 8v bzw. 20 fol. 8.
61
AENEAS SYLVIUS (Enea Silvio Piccolomini = Pius II papa), Historia Bohemica c. II, Colo-
niae apud Gothardum Hittorpium 1532 (ÜB Köln Ei 303), 9f.
[716/717] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 459

bräer das älteste aller Völker seien, ferner daß viele Germanenstämme sich
auf die Römer zurückführten, diese wiederum von den Trojanern abstamm-
ten ebenso wie die germanischen Franken, die Böhmen aber gar sich bis zum
Turmbau von Babel zurückverfolgten und damit auf Noe und die ersten
Menschen; wahrer Adel aber bestimme sich sowieso nur durch Tugend.
Die Mitteilung über die Gründung Triers bereits rund 1900 Jahre vor Cae-
sar findet sich bei Beeck auch am Beginn der Chronik zu einer Miniatur, 62
die Trebeta und seine Abstammung von Noe in einem Deszendenztafelaus-
schnitt zeigt.
Die Abschriften des Autographs mit ihrem prachtvollen Beiwerk zeigen an
Stelle der TO-Karte eine aussagekräftigere Ökumene-Form 63 derselben mit
einer Anzahl Legenden.64 Im Brennpunkt des Interesses stehen Ortsnamen
in Europa, die man auf keiner anderen Karte in gleicher Weise herausgestellt
sieht und die auf den ersten Blick die Freien Reichsstädte des 15. Jahrhun-
derts oder die Städte, die um derartige Privilegien bemüht sind, benennen,
nämlich neben Trier die fünf Rheinstädte Basel, Straßburg, Mainz, Worms
und Köln direkt westlich von Trier, also nicht gerade besonders korrekt in
der Abfolge. Alle übrigen Karteninschriften dienen der Einordnung Euro-
pas, und dies ist in hohem Maße auch zeitlich zu verstehen. Im T-Balken er-
scheint dat groisse mere, die deutsche Form für Mare Magnum als (östliches)
Mittelmeer. Für Afrika ist lediglich die Kontinentzeichnung vermerkt. Asia
hingegen ist der Ausgangskontinent der historischen Menschheit, daher liest
man ganz oben Paradysß, darunter die Namen von Adam und Eva, mitten-
drin Babilonia, Trebetas Herkunftsort, zudem nahe dem Kartenmittelpunkt
ein Kreuz und darunter Jerusalem.
Im übrigen neutralisiert die kartographische Gestaltung Europas die
schmerzende Zeitkomponente und verwischt zudem die zeitlichen Abstände
zwischen den einzelnen Stadtgründungen. In den «Gesta Treverorum» 65
orientierte sich die Abfolge auch bereits rheinabwärts und mithin räumlich,
während Twinger wie Beeck Köln direkt nach Trier aufführen. Da der
Chronist anschließend auch berichten muß, wie die genannten Städte Trier
zunächst tributpflichtig waren, sich aber dann davon zu befreien vermoch-
ten, ehe sie unter die Herrschaft Roms gerieten, brauchen sich alle genann-
ten Städte nicht allzu sehr in ihrem Stolz getroffen fühlen.

" HAStK Chron. u. Darst. 19 fol. 3 bzw. 20 fol.2v.


" Abb. 5 (vgl. unten Tafel 70).
<•" HAStK, Chron. u. Darst. 20 fol. 9, vgl. auch Chron. u. Darst. 21 fol. 14 und 22 fol.44v so-
wie 23 fol. 21 ohne Städte Europas.
" Ed. WAITZ (wie oben Anm. 54) c. 5, 133.
460 Studien zur Universalkartographie [717/718]

Löst man die Karte aus dem historischen Zusammenhang, in den sie zwei-
fellos primär gehört - mittelalterliche Karten illustrieren vorrangig Ge-
schichtswerke, wie schon festgestellt wurde -, so zeigt die Ökomene-Karte
natürlich auch nebenbei Plätze, die dem Autor gerade bedeutsam sind. Die
Chronik entstand im unmittelbaren Vorfeld der Reichsstadtprivilegierung
Kölns, und der Autor vermittelt eine Reihe Schaubilder, auf denen von Köln
als Stadt im Verband des Heiligen Römischen Reiches die Rede ist, u. a. auf
dem zweiten Blatt, auf dem Collen, dye krone boven allen rychsteden oben in
einem Rund von 89 Städtenamen herausgestellt ist. Direkt neben Köln er-
scheinen auf der linken Seite Trier, Regensburg und Basel, auf der rechten
Mainz, Worms, Speyer und Straßburg, sämtlich Bischofsstädte mit Neigun-
gen in Richtung Freier Reichsstadt und mit zwei Ausnahmen auch auf der
Ökumene-Karte vertreten. Darin spiegelt sich natürlich auch ein Anteil des
Selbstverständnisses der Kölner um oder vor 1475, 66 auch wenn der primäre
Zweck Wiedergabe der historischen Verhältnisse lange vor der Gründung
Roms, rheinische Städte im Verhältnis zum Paradies, Babylon und Jerusa-
lem, den Vororten der Heiligen Schrift, sein sollte. Heinrich van Beeck ver-
bindet in seiner Karte recht anschaulich verschiedene Zeiten in der für mit-
telalterliche Kartographie üblichen Weise, daß Plätze verschiedener Zeiten
auf einen Raum projiziert werden. 67
Eine wie immer geartete Vorlage der Kölner Weltkarte ließ sich nirgend-
wo ausmachen. Als Typ ist sie jedoch nicht außergewöhnlich, gerade die
TO-Karte wird im Mittelalter gerne benutzt, um Einzelaussagen am Ge-
samtschema hervorzuheben. Die Namensformen auf der Beeckschen Karte
sind bereits deutsch; auch dies ist eine Eigenheit, die erst im 15. Jahrhundert
üblich wird. Ein erwachendes bürgerliches Selbstbewußtsein paart sich mit
dem Traditionssinn, der auf das heilsgeschichtliche Fundament nicht ver-
zichtet.

7. Zusammenfassung

Köln lag nicht am Meer und gehörte daher nicht zu den Regionen, für die
Kartographie ein vorrangiges Interessensgebiet war, soweit man dies im Mit-
telalter überhaupt unterstellen will; denn die Kartographie verfolgte kaum
praktische Zwecke. Als angesehener Studienort verfügt aber bereits die
Domschule über eine gediegene kosmographische Tradition als Fundament

66
Vgl. v. DEN BRINCKEN, Köln 1475 (wie oben Anm. 51) Nr. 86, 66f.
67
Vgl. v. DEN BRINCKEN, Mappa mundi (wie oben Anm.4), 186 (= o. S. 80f.).
[718] XXII. Köln, das Reich und die Ökumene 461

enzyklopädischen Wissens. Man bemüht sich hier auch durchaus um eine


Bestimmung des eigenen Standortes, wie dies schon für die Karolingerzeit
belegt ist. Im ausgehenden Mittelalter bedient sich das Kölner Bürgertum
der Ökumene-Karte, um darauf die eigenen Ansprüche einzutragen, wobei
man sich mit Selbstverständlichkeit in einen frühen Verlauf der Heilsge-
schichte einfädelt.
XXIII. Occeani Angustior Latitudo
Die Ökumene auf der Klimatenkarte des Pierre d'Ailly

Einleitung: D e r Anteil des Ozeans an der Erdkugeloberfläche

Die einzige mittelalterliche Weltkarte präkolumbischer Zeit, die die Vertei-


lung von Wasser und Festland auf der Erdoberfläche als fundamentale Fra-
gestellung anspricht und herrschenden Lehrmeinungen auch auf einer klei-
nen Inventarkartenskizze entgegenzutreten wagt, hat den französischen
Kardinal und namhaften Konziliaristen Pierre d'Ailly (1350-1420) zum
Schöpfer.1 Sie gehört zu seiner kosmographischen Schrift «Ymago Mundi»
bzw. dem angehängten «Epilogus Mappae Mundi» als Kartenskizze Nr. 7.2
Als Abschlußdatum ist der 12. August 1410 ausgewiesen.3 An insgesamt vier
Stellen der in den Handschriften im Durchmesser nur zwischen 110 und 128
mm4 messenden Zeichnung deutet der Kartograph an, daß etwaige weiße
Flecken auf der Landkarte dem Zeugnis authentischer Geschichtswerke mit
Nachrichten über eine Besiedlung entgegenstehen.

' Über die Werke Pierres orientiert immer noch am besten L. SALEMBIER, Petrus de Alliaco
(Diss, theol.) Lilie 1886; vgl. aus jüngerer Zeit u.a. A. E. BERNSTEIN, Pierre d'Ailly and the Blan-
chard Affair. University and Chancellor of Paris at the Beginning of the Great Schism (SMRT
24) Leiden 1978; G. OUY, Pierre d'Ailly, in: LMA I (1980) 289; B. GUENÉE, Entre l'Église et
l'Etat. Quatre vies de prélats francais à la fin du Moyen Age, Paris 1987, 125-299.
2
Vgl. Abb.; auch E. BURON, Ymago Mundi de Pierre d'Ailly, cardinal de Cambrai et chan-
celiier de PUniversité de Paris (1350-1420). Texte latin et traduction francaise des quatre traités
cosmographiques de d'Ailly et des notes marginales de Christophe Colomb. Etudes sur les sour-
ces de l'auteur, I-III, Paris 1930: II, Tafel X neben S.356 und Tafel XIII S.405; weitere Abb.
u.a. bei Y. KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti IV 3, Kairo 1938, fol. 1 354; L.
B A G R O * / R A. SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin 21963 (ND 1994) 58 f.; J. G. LEIT-
HÄUSER, Mappae Mundi. Die geistige Eroberung der Welt, Berlin 1958, 161 und 173; M. D E -
STOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I) Am-
sterdam 1964, Tafel XVTI/S; A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der Erde und
der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (Schriften der M G H 36) Stuttgart 1992,
Abb. 46.
3
Ymago, ed. BURON (Anm. 2) II, 496.
4
DESTOMBES (Anm.2) beschreibt die handschriftlichen Karten section 48, 161-163; es geht
hier um die beiden Handschriften der Bibliotheque Municipale von Cambrai 927, fol.4, und
954, fol. 1 Ov, sowie der Bibliotheque Royale von Brüssel 21198-21204, fol. 4. Abgebildet ist hier
Ms. Cambrai 954 (vgl. unten Tafel 62).
[565/566] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 463

Die «Ymago Mundi» erlangte Berühmtheit, weil ein Exemplar des von Jo-
hannes de Westfalia5 1483 erstellten Löwener Wiegendruckes, der eine Rei-
he von Pierres Schriften6 enthält, Christoph Kolumbus als Handbuch ge-
dient hat und von ihm vor 1492 reichhaltige Glossierung erfuhr. Dieses be-
deutsame Zeugnis vom Weltbild des Kolumbus ist in der Biblioteca Colom-
bina in Sevilla erhalten und wurde durch Edmond Buron 7 der Forschung
zugänglich gemacht. Die Karte ist Bestandteil dieses Werkes.
Der Komplex Wasser - Land spricht ein zentrales Problem im Bereich
Kosmos - Ökumene an. Das Mittelalter akzeptierte sehr wohl die Kugelge-
stalt der Erde, 8 zitierte aber stets Augustinus 9 betreffs etwaiger Besiedlung
der Rückseite der Erde, weil eine solche durch die Nachkommen Noes nicht
in der Bibel bezeugt war. Ein Ausschluß von Adamssöhnen aus der Heilsge-
schichte war undenkbar, Augustin vermutete daher Wasser auf der Erdrück-
seite.
Um just diesen rückseitigen Ozean zwischen Westende der Ökumene und
Ostanfang von Indien sollte es Kolumbus bei Erkundung der Westpassage
gehen, gegebenenfalls aber auch um das Meer zwischen unserer Ökumene
und dem Periökenkontinent, falls man mit den Schulbüchern des Mittelal-
ters im Gefolge des Macrobius 10 die Erdkugel als Globus des Krates von
Mallos aus Pergamon (um 150 v.Chr.) verstand, nämlich durch zwei sich
kreuzende Ozeanringe, einen Polarozeanring und einen Äquatorialozean-
ring, gevierteilt und in vier Inselkontinente untergliedert. Als Periökenkonti-
nent bezeichnete man die Festlandsinsel auf der Rückseite der nördlichen
Halbkugel, als Antökenkontinent das Land südlich vom Äquator, als Anti-
chthonenkontinent den Erdteil auf der Rückseite der südlichen Halbkugel.
Pierre d'Ailly, optimal an der Pariser Universität ausgebildet, hat auch die
Quadriviumsfächer intensiv studiert und geht in seinen Schriften weit über
das Lehrbuchwissen hinaus. Seine in Anbetracht des Formats erstaunlich in-
haltsreiche Ökumene-Karte weist in den Handschriften - der Druck hat das
nur teilweise übernommen - wörtlich übereinstimmende Verbindungsnotizen
zur scriptura der Werke, dem Text - den sie erläutern soll - auf, nämlich am

5
Jetzt T. CAMPBELL, The Earliest Printed Maps, 1472-1500, Berkeley-Los Angeles 1987,
Nr. 15, 87 f.
6
Vgl. BURON (Anm.2) im Vorwort zur Edition I U l f .
7
In der Ausgabe Paris 1930.
8
Vgl. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae (Anm. 2); R. SIMEK, Erde und Kosmos im Mittelalter,
München 1992.
9
De civitate Dei XVI, 9.
10
Commentarli in Somnium Scipionis, ed. J. WILLIS, Leipzig 1970, 122-124 (119); zu den
Macrobius-Karten vgl. DESTOMBES (Anm.2) insbes. 85f. u.ö.
464 Studien zur Universalkartographie [566/567]

Kopf:11 Hec figura servii XIIIT capitulo et pluribus aliis pro divisione terre in
tres partes et similiter pro distinctione maris ac quorundam fluminum et regio-
num; hie gratia exempli positorum, quia particularior distinetio maiorem figu-
ram requirit. Die Kartenzeichnung wird dem 14. Kapitel der «Ymago» zuge-
ordnet und erläutert die Aufteilung der Erde in die damals bekannten Erd-
teile im Zusammenhang mit Meeren, Flüssen und Landschaften. Sie kann die
Zeugnisse nur andeuten, sonst wäre eine größere Skizze vonnöten. Unter der
pictura aber wird in Akzentuierung der Bildaussage festgestellt, daß die
Breite des rückseitigen Ozeans zwischen den Herkules-Säulen im Osten und
im Westen geringer sei, als die Mehrzahl der Gelehrten annehme. 12
Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf eine Interpretation der
Karte Pierres und ziehen seine Texte nur zur Erläuterung heran. Ganz ver-
zichtet wurde daher auch auf eine Diskussion der aus Ptolemäus übernom-
menen Zahlen, Gradeinteilungen und Maßangaben, deren Ungereimtheiten
die Forschung vielfach beschäftigte. Vielmehr wird die Karte hier lediglich
unter geisteswissenschaftlichen Aspekten analysiert, da die pictura nur diese
akzentuiert.

Hauptteil: ,Occeani angustior latitude/.


Die Ökumene auf der Klimatenkarte des Pierre d'Ailly

1. Kartographische Interessen französischer Konziliaristen im Umfeld


des Konstanzer Konzils

In den Jahren der Übersetzung der „Einführung in die darstellende Erdkun-


de" - wie man den Titel der Schrift des Ptolemäus «Geographike Hyphege-
sis», gemeinhin «Geographia» oder auch «Cosmographia» genannt, korrekt
übersetzt - durch Jacobus Angeli da Scarperia 13 ins Lateinische haben sich
zu einer Zeit, aus der gar nicht so viele Karten bezeugt sind, zwei französi-

11
Nachweise von Reproduktionen der Handschriften vgl. oben Anm. 2.
12
Cuius OCCEANI inter orientates et occidentale! Gada Herculii ANGUSTIOR LATITU-
DO, quam vulgus philosophorum credat esseperhibetur; der Text fehlt im Frühdruck. Er entspricht
«Epilogus Mappae Mundi» c. 5, ed. BURON (Anm. 2) II 534.
13
Den besten Eindruck eines lateinischen Ptolemäus-Textes im 15. Jahrhundert vermittelt
die Faksimile-Ausgabe aus der Vaticana: Die Cosmographia des Claudius Ptolemäus, Cod. Urb.
Lat. 277, mit einer Einführung von A. DURST (Codices e Vaticanis Selecti 53) Zürich 1983. Dt.
Teilausg.: Theorie und Grundlagen der darstellenden Erdkunde (I und II: Vorwort), ins Deut-
sche übertragen und mit Erläuterungen versehen von H. VON MZIK unter Mitarbeit von F. HOPF-
NER (Klotho 5) Wien 1938.
[567/568] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 465

sehe Konziliaristen mit kosmographischen Ambitionen getragen: Pierre


d'Ailly aus Compiegne, der am Navarra-Kolleg in Paris zunächst Artes stu-
dierte, 1381 mit 31 Jahren bereits Magister der Theologie und 1389 Kanzler
der Pariser Universität, 1395 Bischof von Le Puy und 1397 von Cambrai
war, engagierte sich hier ebenso wie sein Freund Guillaume Fillastre der Äl-
tere (ca. 1350-1428), Dekan in Reims. Durch Einsatz für das Pisaner Konzil
wurden beide 1411 von Johannes XXIII. zu Kardinälen erhoben und nah-
men führende Positionen auf dem Konstanzer Konzil 14 ein. Pierre hat kurz
davor seine kosmographischen Traktate erstellt, nämlich bis zum 12. August
1410 seine «Ymago Mundi», 15 daran anschließend den «Epilogus Mappae
Mundi», 16 der die acht Karten der «Ymago» zusammenfaßt, ferner die bei-
den Kompendien bzw. Traktate zur Kosmographie des Ptolemäus, mit de-
nen er die wichtigsten Provinzen der Ökumene im Auszug vorstellen
wollte. 17
Mit Guillaume Fillastres Namen ist die Reimser Mela-Karte verbunden,
die als Mappa Mundi gestaltete O-Initiale des Incipits Orbis situm dicere ag-
greditur, d.h. zu den Anfangsworten der Schrift «De situ orbis» des Pompo-
nius Mela, Relikt einer verlorenen Karte in derselben Handschrift - eine
Auftragsarbeit für Fillastre, aber stets mit seinen eigenen Arbeiten in Verbin-
dung gebracht. 18 Fillastre war gleichfalls ein Ptolemäus-Benutzer. Die Reim-
ser Karte wird auf ca. 1418 datiert, es handelt sich um eine TO-Karte, auf
der die Ränder von Festlandsregionen aller Richtungen als terrae incognitae
vorgestellt werden. Die Karte ist trotz Kleinformates ein kunstvolles Gemäl-
de.
Kosmographische Interessen sind zu Beginn des 15. Jahrhunderts keine
Alltäglichkeit, auch nicht bei der Elite der studierten Geisteswissenschaftler.
Schon gar nicht muß man meinen, man habe damals nur so auf die Ptole-

14
Vgl. hierzu jüngst W . BRANDMÜLLER, D a s Konzil von K o n s t a n z 1414-1418, I (Konzilien-
geschichte, Reihe A: Darstellungen 11 ) P a d e r b o r n u. a. 1991, passim.
15
W i e oben Anm. 3.
" E d . BURON ( A n m . 2 ) II 498 ff.
17
E b d . III 556ff.; L. T U O R N D I K E , Four British M a n u s c r i p t s of Scientific W o r k s by Pierre
d'Ailly, in: Imago M u n d i 16 (1962) 157, zitiert einen Handschriftenbeleg für 1409 als E n t s t e -
h u n g s j a h r der K o m p e n d i e n .
18
Vgl. DESTOMBES (Anm. 2) sect. 51,27 S. 185 f. mit weiteren Nachweisen; A b b . u . a . ebd., T a -
fel X X I / Y sowie K. MILLER, M a p p a e M u n d i . Die ältesten W e l t k a r t e n 3, Stuttgart 1895, 137f.;
KAMAL ( A n m . 2 ) I V / 4 , K a i r o 1939, fol. 1398; v. DEN BRINCKEN ( A n m . 2 ) A b b . 4 2 ; F a r b r e p r o d u k -
tion bei U . RUBERG, M a p p a e mundi des Mittelalters im Z u s a m m e n w i r k e n von T e x t und Bild, in:
T e x t und Bild. Aspekte des Z u s a m m e n w i r k e n s zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit,
hg. von C . M E I E R / U . RUBERG, W i e s b a d e n 1980, 589; jetzt P. GAUTIER D A L C H É : siehe unten
Nachtrag.
466 Studien zur Universalkartographie [568]

mäus-Renaissance gewartet. Vielmehr greift diese sehr behutsam; erst der


Buchdruck veranlaßt nach 1477 und nach der Ulmer Ptolemäus-Ausgabe
von 1482 die Verbreitung der sogenannten «Geographie» und die Kenntnis
von Weltkarten, die nach des Ptolemäus Anweisung, jedoch nicht von die-
sem selbst, gezeichnet sind.19 Vielmehr gibt es unter den Handschriften aus
der ersten Jahrhunderthälfte nur einen Beleg des neuen Kartentyps, die Vati-
kanische Mela-Karte von vor 1415, die Pirrus de Noha zugeschrieben
wird. 20
Pierre d'Ailly und Guillaume Fillastre, befreundete Kollegen und kirchen-
politisch Verbündete, haben sich mit ihren Ptolemäus-Interessen auf einem
ungewöhnlichen und andersgearteten Gebiet getroffen, denn außerhalb der
Zentren der Portolankartographie im Mittelmeerraum war das Interesse für
„darstellende Erdkunde" mäßig. Doch könnte das Große Abendländische
Schisma zu einem Überprüfen der Grenzen unserer Ökumene angeregt ha-
ben. Natürlich ist auch nicht zu verkennen, daß kartographische Versuche in
den Bibliotheken geistlicher Institutionen und ihrer Würdenträger generell
gute Überlebenschancen vor vergleichbaren Arbeiten anderer hatten.

2. Das Kartenwerk des Pierre d'Ailly

Die Zeichnungen Pierres illustrieren die «Ymago Mundi», im «Epilogus


Mappae Mundi» sind erläuternde Bemerkungen dazu angefügt.21 Nach den
theoretischen Darlegungen in der «Ymago» begründet der Autor dies im An-
hang, ut res ipsa velut in speculo clarius appareret, nee solum oculis cordis, sed
etiam corporis sensibili visione nota fieret, figuram que mappa mundi dici solet,
cum astronomica climatum distinctione temptavi describere.
Die Skizzen stellen den Himmel mit den Planetensphären und Elementen,
die Erde mit Zonen und Klimata sowie die Winde dar. 22 Die Septima Figura
bietet als einzige Details der Ökumene. Dabei ist Pierre nie Maler, sondern
stets nur Zeichner. Alle seine Karten sind „Inventar-Karten", d. h. Sammlun-

" Zur Geographie des Ptolemäus vgl. E. POLASCHEK, Klaudios Ptolemaios. Das geographi-
sche Werk, in: Pauly-Wissowa, RE Suppl. 10 (1965) 680-833.
20
Vgl. DESTOMBES (Anm.2) sect. 51,34 S. 187f. mit Nachweisen; Abb. u.a. ebd. Tafel X X I I /
Z sowie KAMAL (Anm.2) PV/3, Kairo 1938, fol. 1376; BAGROW/SKELTON (Anm.2) 367; LEITHÄU-
SER (Anm.2) 145; v. DEN BRINCKEN (Anm.2) Abb.44.
21
Epilogus, ed. BURON (Anm.2) II 498.
22
Ebd. I 126-143, nach den Frühdruck-Fassungen der Edition vorangestellt; vgl. zu den
Karten auch J. GLENN, The World Map of Pierre d'Ailly, in: England in the Fifteenth Century.
Proceedings of the 1986 Harlaxton Symposium, ed. By D. WILLIAMS, Woodbridge 1987, 103-
110.
[568/569] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 467

gen von Inschriften, die so einander zugeordnet sind, daß man aus der Art
ihrer Aufschreibung die Lage der res aus den nomina erschließen kann, ins-
besondere in ihrer Beziehung untereinander. Ein solcher Kartentyp nimmt
gewissermaßen eine Zwischenstellung ein zwischen scriptura und pictura, er
ist eine dem Itinerar verwandte Darstellungsform.
Dieser in der wissenschaftlichen Literatur nicht ganz seltene Typ empfahl
sich in besonderem Maße für die Klimatenkarten. Die Klimatenkarte des
Mittelalters - aus der Antike ist sie als Zeichnung nirgends erhalten - ist eine
Sonderform der auf Macrobius zurückgehenden Zonenkarte. Die Zonenkar-
te 23 ist die flächige, d.h. zweidimensionale Wiedergabe des halben Globus
des Krates von Mallos. Dabei wird der Äquatorialozean als undurchdringli-
cher heißer Gürtel verstanden, während im Norden und im Süden das ewige
Eis um die Pole jegliches Leben unmöglich macht. Dazwischen finden sich
auf der nördlichen wie auf der südlichen Halbkugel jeweils breite Gürtel be-
wohnbaren Raumes, durch den Polarozeanring in eine Vorder- und eine
Rückseite so aufgeteilt, daß man spekulativ vier Inselkontinente auf der Erd-
kugel erschlossen hat. Nur von einem, unserem nördlichen, weiß man sicher,
daß er tatsächlich bewohnt ist.
Diesen bewohnten Teil hat man spätestens im vierten Jahrhundert v. Chr.
in sieben Klimazonen 24 eingeteilt, die ihre Namen nach kennzeichnenden
Plätzen in ihrer Breitenregion erhielten. Die Klimagürtel erscheinen im Bild
auf einer Buchseite zwangsläufig als schmale Segmente, die sich zugleich als
Liniensystem für die Legenden anbieten. Insofern forderte das Schema der
Klimatenkarte gewissermaßen zum Inventarisieren auf.
Nicht von ungefähr haben die drei aus dem Abendland bekannten Klima-
tenkarten ebenso wie übrigens die syrische des Barhebraeus aus dem 13.
Jahrhundert diese Charakteristika. Das älteste lateinische Beispiel stammt
von Petras Alfonsi, einem getauften Juden aus Huesca. Um 1110 entstanden,
zeigt es nur das Schema und ist gesüdet, zählt lediglich die Klimata durch
und nennt als Mittelpunkt Aren civitas, den Sitz des Teufels der Moslems,
am Rande der bewohnten Welt angenommen. 25 Die zweite Karte ist geostet
und gehört zur Chronik des Engländers Johann von Wallingford um 1250,
steht offenbar in engem Zusammenhang mit Texten des Matthaeus Parisien-
sis26 und bietet beachtliches, zumeist aktuelles Legendengut neben der Teu-
felsstadt ,Aren'.

23
Vgl. DESTOMBES (Anm.2) sect. 36-38 S. 85f.
24
Vgl. grundlegend E. HONIGMANN, Die sieben Klimata und die poleis episemoi, Heidelberg
1929.
25
Vgl. zuletzt hierzu v. DEN BRINCKEN (Anm.2) 76f. und Abb.25.
26
Ebd. 109-112 und Abb. 36; auch A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chro-
468 Studien zur Universalkartographie [569/570/571 ]

Wenn Pierre diese Kartentradition nach gut eineinhalb Jahrhunderten


wieder aufnimmt, hat dies sicherlich mit dem Studium des Ptolemäus zu tun,
der noch nicht so sehr durch die Geographie als vielmehr durch den seit En-
de des 12. Jahrhunderts im Westen bekannten «Almagest»27 wirkt, ein
Handbuch der Astronomie bzw. der sphärischen Trigonometrie. Hier findet
sich die klassische Einteilung in sieben Klimata, wie sie mittelalterliche Kli-
matenkarten kennen, dazu werden auch differenziertere Einteilungen vorge-
nommen.
Pierre d'Ailly bietet als fünfte Figur unter seinen acht Karten eine schema-
tische Zonenkarte, 28 als sechste eine schematische genordete Klimatenkarte.
Die siebte Figur endlich stattete er mit geographischem Legendengut aus
und suchte unter dem Einfluß des Ptolemäus, seine eigenen Vorstellungen
und die der vorgegebenen Autoritäten zur Übereinstimmung zu bringen.

3. Die detaillierte Klimatenkarte des Pierre d'Ailly (Septima Figura)

Kaum ein jüngeres Handbuch zur mittelalterlichen Kartographie versäumt


es, die ausführliche Klimatenkarte Pierres zu erwähnen und abzubilden, 29
obwohl sie absolut nicht dazu angetan ist, den unvorbereiteten Beobachter
durch malerische Effekte anzulocken. Sie gilt jedoch als Beleg besonderer
Fortschrittlichkeit in ihrer Zeit. Um oder direkt vor 1410 entstanden, weist
sie intensive Auseinandersetzung mit den Schriften des Ptolemäus auf, bei
dem die Klimata einen wichtigen Platz einnehmen, in seinem «Almagest»
ebenso wie in der 1406 ins Abendland gekommenen „Geographie".
Eindeutig ptolemäisch an der Karte ist zunächst sicherlich die Nordung,
die im lateinischen Mittelalter nur bei einigen Macrobius-Karten zu finden
ist. Sie taucht zu gleicher Zeit einzig auf der vor 1415 zu datierenden ptole-

nik des Johann von Wailingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (1973)
47-56 (= o. S. 137-148).
27
Griechische Ausgabe unter dem Titel «Mathematike Syntaxis» in den Opera I 1-2, ed. J.
L. HEIBERG, Leipzig 1898-1903; dt. Übersetzung von K. MANITIUS, Ptolemäus, Handbuch der
Astronomie I—II, Leipzig 1912-1913 u.ö.; engl, zuletzt: Ptolemy's Almagest, Translated and An-
notated by G.J. TOOMER, London 1984. Zur Wirkung, insbes. im Mittelalter, zuletzt O. PEDER-
SEN, A Survey ofthe Almagest (Acta Historica Scientiarum Naturalium et Medicinalium, ed. Bi-
bliotheca Universitatis Havniensis 30) Odense 1974, bes. 16-19. 1160 wurde die erste von vier
Übersetzungen in Sizilien aus dem Griechischen erstellt, am weitesten verbreitet war die von
Gerhard von Cremona um 1175 aus dem Arabischen; dazu auch P. KUNITZSCH, Almagest, in:
LMA 1(1980) 444f.
28
BURON (Anm.2) I 136ff.
29
Nachweise vgl. oben Anm. 2.
[571] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 469

maischen Karte des Pirrus de Noha zu Pomponius Mela 30 auf. Während


jene Karte aber die Form des ausgebreiteten Mantels hat, ist die Klimaten-
karte des Pierre rund. 31 Eingerahmt ist sie von den oben zitierten Verbin-
dungstexten zu «Ymago» c.14 und «Epilogus» c.5. Außerhalb des Kreises
liest man oben im Norden die Überschrift polus septentrionalis, unten polus
australis, auf dem rechten nördlichen Kreis sind die Klimatenzählungen ein-
getragen, links heißt es zweifach Occeanus am Rande der Ökumene gen
Nordwesten. Nord- und Südpol-Region sind durch Linien Circulus ar(c?)ti-
cus und Circulus antarticus abgetrennt, weitere feste Vorgaben sind Tropicus
cancri im Norden und Tropicus Capricorni im Süden, ferner eine Linie Equi-
noxialis für den Äquator.
Die südliche Halbkugel trägt außer den noch zu erörternden Mitteilungen
über das viel größere Ausmaß der bewohnten Welt sonst nur den Eintrag
Arim am Mittelpunkt des Kreises.
Die nördliche Halbkugel ist mit Legenden übersät. Allerdings ist der Gür-
tel direkt über dem Äquator ausgespart, denn er entspricht der torrida zona
der Zonenkarte südlich von den Klimata, wegen Hitze gewöhnlich als un-
passierbar eingestuft.
Darüber liegt primum (seil, clima). Man liest von links nach rechts, d.h.
von Westen nach Osten folgende Legenden: Esperides; montes Athlas; Gara-
mantes; Etyopia; trogodite; Regio inhabitabilis propter calorem; nubia; Meroe
als die dem Klima den Namen gebende Eintragung; sodann senkrecht auf
der Mittellinie Beronice, rechts nur die Notiz Habitatio elephantum.
Secundum (seil, clima) ist vom Wendekreis des Krebses durchteilt. Im süd-
lichen Kasten finden sich links: Gades; Mauri; getuli; numide; Affrica in Aus-
zeichnungsschrift; Cirtes minores; bizancium; Tripolis; Cirtes maiores; Syene
als kennzeichnender Ort; rechts Mare rubrum cuius longitudo vix VI mensibus
pertransitur; im nördlichen Kasten erscheinen links Cartago; libia; rechts

30
Wie oben Anm.20.
31
Die folgende Beschreibung legt das Exemplar der Handschrift Cambrai, Bibliotheque Mu-
nicipale, Ms. 954, fol. 10v zugrunde, das im Original nur einen Durchmesser von 110 mm hat;
Abb. auch BURON (Anm.2) II, Tafel XIII, 405. Inhaltlich ist die Karte identisch mit derjenigen
von Ms. 927 derselben Bibliothek, reproduziert bei KAMAL, BAGROW/ SKELTON und LEITHÄUSER
(Anm.2). Viel abgebildet wird auch die Karte aus Brüssel Ms. 21198-21204, fol.4, u.a. BURON
II, Tafel X, 356, DESTOMBES und v. DEN BRINCKEN (Anm.2). THORNDIKE (Anm. 17) 157-160,
macht in British Library Ms. Harl. 637 einen Textzeugen für Ymago, Epilogus, Compendium
und Tractatus dingfest, der auch Zeichnungen aufzuweisen scheint; Epilogus wird außerdem Bri-
tish Library Harl. 3742, ferner in Oxford, Oriel College 69, nachgewiesen. - Die hier wiederge-
gebenen Lesungen halten sich auch bei Groß- und Kleinschreibung strikt an die gewählte hand-
schriftliche Vorlage.
470 Studien zur Universalkartographie [571/572]

ambia; ydaspen; Indus sowie eine noch zu deutende Mitteilung über die Aus-
dehnung Indiens.
Tercium (seil, clima) wird links von der Legende Mare mediterraneum us-
que Asiam et dividit europam a affrica beherrscht, es folgt: alexandria als
kennzeichnender Ort; nilus; Egiptus; im rechten Teil von baruth; babilonia;
assiria; Asia in Auszeichnungsschrift; parthia; bactria.
IUI. (seil, clima) nennt: im Westen Hyspanie; als Aushängeschild Rodus;
im Osten cilicia oder hier cicilia; eufrates; tigris; ararim; Armenia.
V. (seil, clima) hat: links als Kennzeichen Roma; Europa in Auszeich-
nungsschrift; grecia; rechts thanay; Georgia; montes armenie und mare Ca-
spium sowie Montes Caspii.
VI. (seil, clima) hat: links liguria; hystria; Germania; Danubius; rechts
Montes. Ein Aushängeschild ist nicht auszumachen.
VII. (seil, clima) nennt: links francia; rechts yrcania; sein Aushängeschild
montes riphei wirkt nördlich verschoben.
Der anschließende breite Gürtel vor dem Circulus articus ist links wieder-
um mit einem Text zur Bewohnbarkeit postklimatischer Zonen gefüllt, es
folgen noch die Legenden Ruthenia; Cumania; rechts Regio inhabitabilis
propter algorem.
Die Polarkuppe weist Legenden wie links yperborei und rechts Arumphei
auf.
Das Namengut der Karte ist durchweg konservativer Art und keineswegs
so zeitgenössisch bestimmt wie bei Johann von Wallingford, 32 denn der hu-
manistisch gebildete Pierre steht in klassisch-antiker Tradition. Das Außer-
gewöhnliche an der Karte sind die vier Inschriften, die in brauner Farbe 33
gehalten sind wie alle Aussagen über Festland und Gebirge, während Mittei-
lungen über Gewässer blaugrüner Farbe sind, Orte und Länder ebenso wie
das Rote Meer rot eingetragen wurden. Mit dieser Farbwahl deutet Pierre
an, daß er in vier Richtungen festes, gesichertes Land vermutet.
Die erste der Legenden im Südwesten lautet Ante climata versus equinoxia-
lem et ultra multas habitationes continent, ut ex historiis autenticis compertum
est.
Im Nordwesten findet sich nördlich von francia korrespondierend die
zweite Inschrift: Post climata versus polum multas habitationes et insulas conti-
nent, que non possunt hie convenienter describi; sie muß auf Britannien, Skan-
dinavien und Island bezogen werden.

32
Vgl. oben Anm. 26.
33
So auf den Zeichnungen Brüssel Ms. 21198-21204, fol. 4, sowie Cambrai Ms. 927, fol. 4,
und 954, fol. 10v.
[572/573] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 471

Die dritte Legende im Osten, östlich von Indus, bactria und Habitatio ele-
phantum, lautet: India fere terciam partem terre habitabilis continet, versus me-
ridiem se extendens, und deutet an, daß der Indische Subkontinent über die
Ränder des Planiglobs sowohl nach Osten als auch nach Süden hinausreicht,
wenn Indien ein Drittel der bewohnten Welt einnimmt.
Die vierte Inschrift im Südosten steht auf der sonst unbeschrifteten südli-
chen Halbkugel neben dem Wendekreis des Steinbocks: Frons Indie meridi-
anus secundum quosdam protenditur usque tropicum capricorni; Orientale vero
latus usque prope finem affrice, wiederholt die vorgenannte Aussage.
Das auch im Begleittext wiederholt angesprochene Problem, daß der be-
wohnten Erde anteilmäßig weitaus mehr Raum gebühre, als gemeinhin vor-
gesehen werde, ist zeichnerisch nur angedeutet. Für die westliche Hemisphä-
re geht es um die Besiedlung von Ante- und Postklimaten im Süden bzw. im
Norden; für den Orient wird im Norden wie im Süden das viel größere Aus-
maß von Indien akzentuiert.
Pierre bediente sich keinerlei malerischer Mittel, sondern inventarisiert in-
nerhalb wie außerhalb der Klimata mit Hinweisen auf die Überschreitung
der Kreisränder; das ist singular.
Ehe die textlichen Quellenvorlagen erörtert werden, ist das Verhältnis
zum Weltbild des Ptolemäus anzuschneiden. Authentisches Kartenmaterial
von ihm selbst besitzt man nicht. Die sich auf ihn berufenden Weltkarten ha-
ben übereinstimmend die Form des ausgebreiteten Mantels 34 und zeigen nur
unsere Ökumene, wobei der Indische Ozean als Binnenmeer erscheint. Die
Karte wirkt im Osten und Süden abgeschnitten und endet nur nach Westen
und Norden im Meer. Der Meeresanteil ist nicht anders als auf den meisten
mittelalterlichen Ökumene-Karten. Hätte Pierre d'Ailly diesen Typ der Pto-
lemäus-Karten bereits gekannt, etwa die Karte des Pirrus de Noha, 3 5 er
hätte vermutlich Gebrauch davon gemacht! Ganz offensichtlich war sie ihm
fremd; er versuchte daher auf andere, visuell weniger einprägsame Art, die
Aussagen des Ptolemäus bildlich umzusetzen. Er bediente sich der Klimata
als Hilfe und hielt sich eng an den «Almagest», wie dies auch die Texte der
«Ymago» belegen. Die «Geographie» des Ptolemäus erschloß er sich offen-
sichtlich erst allmählich, selbst wenn das Kompendium ins Jahr 1409 zu da-
tieren wäre.
Die Klimatenkarte Pierres ist aussagekräftig, aber nur für Kenner der Ma-
terie aus sich verständlich. Daher sind die zugehörigen Texte wenigstens

34
Vgl. Beispiel Anm.20 sowie die zahllosen Frühdruck-Karten zu Ptolemäus gegen Ende des
15. Jahrhunderts.
35
Wie oben Anm.20.
I
472 Studien zur Universalkartographie [573/574]

kursorisch heranzuziehen, denn zur mappa mundi gehört scriptura wie pictu-
ra, Text und Bild.36

4. Der Umfang der bewohnten Welt nach dem Textzeugnis


des Pierre d'Ailly

In seinen Schriften hat Pierre d'Ailly sich ausführlich mit dem Ausmaß der
bewohnten Welt und der Meinung der Philosophen, d.h. der heidnischen
Gelehrten der Antike befaßt. Insbesondere in seiner «Ymago Mundi» geht er
detailliert darauf ein.
Um als bewohnbar eingestuft zu werden, muß eine Region unter zweierlei
Aspekten betrachtet werden, 37 nämlich unter dem klimatischen, von der
Sonne bestimmten und unter dem der Wasser-Land-Verteilung. Diese logi-
sche Unterscheidung hat Pierre nun nicht durch eigenes Nachdenken her-
ausgefunden, sondern aus einer Vorlage abgeschrieben, und man muß wohl
sagen: aus seiner Hauptvorlage für die Behandlung dieses Fragenkomplexes
übernommen, ohne seinen geistigen Führer zu nennen: Es ist Roger Bacon
(t um 1292),38 englischer Universalgelehrter aus verarmtem Adel, Minorit,
Schöpfer der Enzyklopädie «Opus Maius», außerordentlich sprachenkun-
dig, aber nicht immer in der Gunst seiner Oberen, u. a. wegen seiner astrolo-
gischen Ambitionen in Verbindung mit Prognostik. Es war im Mittelalter be-
kanntlich nicht erforderlich, seine Autoritäten zu benennen. Ob Pierre der
doctor mirabilis als Autor nicht geläufig war, ob er das «Opus Maius» als
Schrift eines Anonymen benutzte, oder ob er sich scheute, Roger zu nennen,
das bleibt unklar. Pierre schrieb nicht etwa einige Sätze, sondern große Pas-
sagen teilweise wörtlich aus und hat sein gesamtes Problembewußtsein hin-
sichtlich Occeani angustior latitudo von Bacon übernommen.
Pierre erörtert 39 die Besiedlung des Antökenkontinents, d.h. der Region
auf der südlichen Halbkugel, die keine christliche Mission erreichte, weil sie
den Äquator wegen Hitze nicht passieren konnte. Offen ist hier auch der

36
Vgl. hierzu Paulinus Minorità, De mapa mundi, Ms. Vat. Lat. 1960, fol. 13; Text u.a. A.-
D. v. DEN BRINCKEN, Kartographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten (Typologie des
sources du Moyen-Àge Occidental 51)Tumhout 1988, 29; dazu RUBERG (Anm. 18) 550-593.
37
Ymago c.8, ed. BURON (wie Anm.2) I 206: Ad investigandum quantitatem habitationis terre
intelligendum est, quod habitatio dupliciter consideratur: Uno modo respectu celi, scilicet quantum
propter Solem potest habitari, et quantum non; et de hoc superius generaliter est satis dictum. Alio
modo consideratur respectu aque, scilicet quantum aque impediat, et de hoc nunc considerandum
38
Roger BACON, Opus Maius, ed. J. H. BRIDGES, I, London 1900, insbes. 290-311.
39
Ymago c.7, ed. BURON (Anm.2) I 198ff.
[574/575] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 473

Nachweis von Festland überhaupt, nachdem Augustin für die Rückseite der
südlichen Erdkugel auf Wasser getippt hatte, 40 da er eine Nachkommen-
schaft Noes dort für ausgeschlossen hielt.
Nun sollte Ptolemäus in seiner Schrift «De dispositione sphaerae» 41 geäu-
ßert haben, fünf Sechstel der Erdoberfläche seien von Wasser bedeckt, dem
Festland komme nur ein Sechstel zu. Im «Almagest» aber sei zu lesen, 42 un-
sere Ökumene nähme nur ein Viertel der Erde ein. Diese auf den ersten Blick
widersprüchlichen Aussagen müssen sich nicht unbedingt entgegenstehen,
denn mit dem Viertel ist primär die Vorderseite der nördlichen Halbkugel
gemeint; von Wasser und Land auf derselben ist zunächst nicht die Rede,
ebensowenig ist man auch in der Antike etwa über das Festland auf der An-
tökumene, Periökumene und auf dem Antichthonenkontinent unterrichtet,
weil man aus klimatischen Gründen dort nicht hingelangen kann. Die Antike
geht deshalb generell davon aus, daß man nur über unsere Ökumene Kennt-
nis hat und diese daher als besiedelt denken mag. Weitere Einschränkungen
durch Ozeane sind durchaus vorstellbar.
Das Zitat aus dem «Almagest» gibt mithin nur die allgemein verbreitete
Meinung wieder. Sie wird aber nicht erst von Pierre d'Ailly hinterfragt; viel-
mehr kann er sich neben vielen anderen bereits auf Aristoteles berufen, der
zu Ende seines zweiten Buches von «De caelo et mundo» 43 Zweifel daran ge-
äußert hat, daß das Meer zwischen den Herkules-Säulen in Spanien bzw.
Hispania Ulterior, d.i. Westafrika, und Indien im Osten gewaltigen und gar
unüberwindlichen Ausmaßes sein soll. Gleiche Meinung äußerten Plinius 44
und in seinem Gefolge Orosius und Isidor. Seneca45 gar spräche von einer
Entfernung von nur wenigen Tagereisen bei günstigem Wind. Pierre favori-
siert daher - alles natürlich nur im Gefolge von Roger Bacon 46 - die im Mit-
telalter verbreitete Meinung des IV Esra-Buches, 47 derzufolge sechs Teilen
Festlandes als den vor Gott produktiven Teilen ein Siebentel Meer - analog
dem Sabbat - entspricht, Interpretation einer jüdischen Apokryphe in An-

40
Vgl. oben Anm. 9.
41
Ymago c. 8, ed. BURON (Anm.2) 1206ff.
42
Almagest II 6, hier zitiert nach der dt. Übersetzung von MANITIUS (Anm. 27) 69ff.
43
II 14; Aristote, Du ciel, ed. P. MORAUX [griechisch und französisch] Paris 1965, 101 f.
44
Vgl. C. Plinius Secundus, Naturalis Historia, u.a. II 67, ed. C. MAYHOFF I, Leipzig 1906,
190 f.
45
Vgl. L. Annaei Senecae Naturaiium Quaestionum I, Prol., ed. A. GERCKE, Leipzig 1907, 5.
46
Roger Bacon, ed. BRIDGES (Anm. 38) 291.
47
IV 6, 42, ed. A. F. J. KLIJN, Der lateinische Text der Apokalypse des Esra (Texte und Un-
tersuchungen zur Gesch. der altchristl. Literatur 131) Berlin 1983, 41; dazu A. NORLIND, Das
Problem des gegenseitigen Verhältnisses von Land und Wasser und seine Behandlung im Mittel-
alter (Lunds Universitets Ärsskrift NF 14,1 Nr. 12) Lund-Leipzig 1918, 53 f.
474 Studien zur Universalkartographie [575]

lehnung an den Schöpfungsbericht. An Aristoteles weiß Pierre mit Roger zu


rühmen, daß er durch Alexanders des Großen Erfahrung gut über die Enden
der Erde informiert gewesen sei; und das Argument, 48 in Indien wie in Afri-
ka finde man Elefanten, was für geringe Entfernung zwischen beiden spre-
che, hat seinen Niederschlag sogar im ersten Klima von Pierres Karte gefun-
den. Im übrigen äußert Pierre Bedenken gegen eine Vorstellung der Ökume-
ne als exaktes Viertel, denn gemäß Zonenlehre sind im Norden wie im Süden
wegen Kälte bzw. Hitze noch territoriale Abstriche zu machen.
Pierre stellt sodann 49 die Klima-Einteilung der Astronomen gemäß Ptole-
mäus vor, sowohl die Feineinteilung mit Viertelstundendifferenzen als auch
die übliche der sieben Klimata 50 entsprechend den sieben Planeten. Nach
Mitteilungen51 über verschiedene Möglichkeiten, die Klimata in Maßanga-
ben zu erfassen, sind die Überlegungen zu den Räumen außerhalb der Kli-
mata, vor und hinter ihnen, 52 aufschlußreich. Wiederam in Abhängigkeit
von Roger Bacon 53 macht Pierre für die Bewohnung Zeugnisse bei Plinius
und bei Ambrosius 54 geltend, ferner greift er die Diskussion über die zweier-
lei Äthiopier - die einen am Wendekreis des Krebses und die anderen an
dem des Steinbocks - bei Ptolemäus heraus. 55 Selbstverständlich sind Pierre
Länder nördlich vom siebenten Klima 56 wie England, Schottland, Däne-
mark, Norwegen und die Insel Tyle bekannt. Als unbewohnbar 57 sind nur
die Regionen anzusprechen, die von Wasser überflutet, total steril, unerträg-
lich heiß bzw. kalt oder von Schlangen und Ungeheuern unbegehbar gehal-
ten sind.
Im Zusammenhang mit der Behandlung des Ozeans 58 wird die Entfernung
zwischen Indien und Spanien übers Meer erneut beleuchtet, 59 da die Maße

48
Vgl. oben Anm. 43.
49
Ymago c. 9, ed. BURON (Anm.2) I, 216ff.
50
Vgl. hierzu HONIGMANN (Anm.24).
51
Ymago c. 10, ed. BURON (Anm.2) I 222ff.
52
Ymago c. 11, ed. BURON (Anm.2) I 230ff.
53
Roger Bacon, ed. BRIDGES (Anm.38) 305ff.
54
Ambrosius, Hexaemeron IV, 5: MPL 14, 199.
55
Ymago c. 11, ed. BURON (Anm.2) I 232; Pierre zitiert mit Roger (ed. BRIDGES [Anm.38]
306) des Ptolemäus Schrift «De dispositione sphaerae». Dieselbe Stelle ist wegen der gleichen
Aussage von Albertus Magnus angeführt in «De natura loci» I 7, ed. P. HOSSFELD, Opera V, 2,
1980, 13 f. Albertus charakterisiert die rätselhafte Vorlage dort qui est introductorins ad Almage-
iti.
56
Ymago c.l 1, ed. BURON (Anm.2) 1236.
» Ebd.c.12, 238ff.
58
Ymagoc.49, ed. BURON (Anm.2) II 424ff.
59
Vgl. Roger Bacon, ed. BRIDGES (Anm.38 ) 291.
[575/576] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 475

der Erde nicht bekannt seien. Vom Roten Meer, 60 einem der vier Ozeanbu-
sen der Vorsokratiker, weiß Pierre, daß man sechs Monate für die Durch-
fahrt benötige 61 - er vermerkt dies sogar auf seiner Klimatenkarte -, ein wei-
teres Jahr sei für die Reise bis Indien erforderlich, insgesamt also brauche
man eineinhalb Jahre. Betrachte man in diesem Zusammenhang die Aussa-
gen des Aristoteles und beziehe das apokryphe Esra-Buch ein, so dränge
sich die Vermutung auf, daß das Meer häufig überschätzt werde. Im e p i l o -
gus Mappae Mundi' greift Pierre die entsprechende Argumentation zusam-
menfassend wieder auf und macht erneut geltend, 62 daß man die Maße des
Meeres nicht kenne.
Das «Compendium Cosmographiae» bietet im 19. Kapitel nochmals die
gleichen Gedanken im Zusammenhang mit Ptolemäus: 63 unde sequitur, quod
non tam magnum est mare, ut possit cooperine tres quartas terre, ut quidam esti-
mante4 so verteidigt Pierre erneut die These eines größeren Festlandsanteils
der Erdoberfläche.

5. Das Ausmaß des Ozeans in der Meinung der Autoritäten

Während Altertum wie Mittelalter von der Klima-Lehre gewisse Vorstellun-


gen hatten, machte die Frage der Verteilung von Wasser und Land auf der
Erdoberfläche sehr viel mehr Schwierigkeiten, da man keine zuverlässigen
Erfahrungswerte besaß.
Insofern die Kartographie im christlichen Raum primär die Heilsge-
schichte illustriert, ist sie festlandsorientierte Ökumene-Darstellung. Die
Aussagen des apokryphen Esra-Buches kommen diesen Interessen sehr ent-
gegen, zumal die Seefahrt erst im Spätmittelalter ein gewisses Gewicht er-
langt und eine Seekartographie aufkommen läßt.
Unsere heutigen Erkenntnisse bestimmen das Verhältnis exakt mit 29,2 %
Festland gegenüber 70,8 % Wasser. Das Mittelalter geht von ca. 15 % Wasser
aus, wenn man eine Umrechnung vornimmt; es sieht auch auf vielen Karten

60
Ymago c. 51, ed. BURON (Anm.2) II 434ff.
61
Vgl. Roger Bacon, ed. BRIDGES (Anm.38) 308f. Als Quelle ist dort Hieronymus, «Epistola
ad Rusticum monachum», genannt, d.i. Epist. 125 c. 3, ed. I. HILBERG, Pars III (CSEL 56) Wien
1918, 121 f.
62
Epilogus c. 4, ed. BURON (Anm.2) II 526, und ebd. c. 5, 532ff.
" Compendium c. 19, ed. BURON (Anm.2) III 658ff.
64
Ebd. 660.
476 Studien zur Universalkartographie [576/577]

etwa noch die doppelte Menge vor, 65 wobei bei Betrachtung mittelalterlicher
Weltkarten nicht vergessen werden darf, daß gewöhnlich nur die Vorderseite
der Erde in Kreisform abgebildet wird. Lediglich die schematischen Karten
setzen mehr Wasser an, etwa Macrobius- oder Isidor-Karten.
Wenn Pierre d'Ailly als erster mittelalterlicher Kartograph die verbreitete
Lehre von der Festland-Wasser-Verteilung auf seinem kleinen Kärtchen in
Frage stellt, so ist das eine Neuerung, auch gegenüber Roger, denn von ihm
ist kein Kartengemälde überliefert, obwohl er offenbar auf diesem Feld gear-
beitet hat. 66 Daß die Auseinandersetzung mit den Schriften des Ptolemäus
für Pierre eine Haupttriebkraft ist, daran kann gleichfalls kein Zweifel be-
stehen. Andererseits muß man sich wohl nicht vorstellen, daß Pierre sich be-
reits voll bewußt war, welche Neuerungen von Ptolemäus ihren Ausgang
nehmen sollten. Pierre steht mindestens ebensosehr im Banne des Roger Ba-
con.
Sucht man nach chronologischen Fixpunkten, so gilt das Jahr 1406 als
dasjenige, das die Geographie des Ptolemäus nach dem Westen kommen
läßt. Die lateinische Übersetzung stand bald danach zumindest in Italien zur
Verfügung. Pierre weilte 1407 vermutlich erstmals in Italien. 67 Die «Ymago»
ist auf 1410 zu datieren, der «Epilogus» entsteht gleichzeitig, das «Compen-
dium» eher im Anschluß daran, auch wenn eine Ersterstellung 1409 nicht
ganz auszuschließen ist.68
Andererseits sind Entdeckungsaktivitäten zu Beginn des 15. Jahrhunderts
noch gering, die große Zeit der Portugiesen setzt erst ein bis zwei Jahrzehnte
später ein. Pierres Ansatz ist mithin noch ein rein theoretischer. Natürlich
hat er sich von den mathematischen und astronomischen Ausführangen sei-
ner Vorlagen anregen lassen, etwa auch, um dem Ausmaß von Meer und
Festland auf der Erde beikommen zu können.
Bei Roger Bacon stieß er wohl auch auf den Missionsaspekt. Roger, der
150 Jahre vor Pierre für die Annahme von mehr als nur einem Viertel Öku-
mene plädierte, schreibt u. a. unter dem Einfluß seines Konfraters Wilhelm
von Rubrack, der 1253 bei den Mongolen geweilt hatte. 69 Roger ließ es also
nicht bei seiner scholastischen Schulung bewenden, sondern er reagierte auf

65
Vgl. hierzu den Versuch, das Wasser-Festland-Verhältnis auf mittelalterlichen Weltkarten
tabellenmäßig zu fassen, bei v. DEN BRINCKEN, Fines Terrae (Anm.2) 187-189.
66
Hierzu zuletzt D. WOODWARD, Roger Bacon's Terrestrial Coordinate System, in: Annals
ofthe Association of American Geographers 80/1 (1990) 109-122.
67
Vgl. Le recueil épistolaire autographe de Pierre d'Ailly et les notes d'Italie de Jean de Mon-
treuil. Introduction par G. OUY (Umbrae Codicum occidentalium 9) Amsterdam 1966, XVII.
68
Vgl. oben Anm. 17.
69
Roger Bacon, ed. BRIDGES (Anm.38) 303-305.
[577/578] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 477

die kurzfristige Erweiterung des mittelalterlichen Weltbildes in Verfolg der


Mongolenherrschaft, die vorübergehend gestattete, die Chinesische Mauer
zu passieren. Zu Pierres Zeit war Ostasien bereits wieder verschlossen.
Pierre vermeidet ebenso wie Roger spekulative Erörterungen etwa der Erd-
rückseite im Sinne des Krates von Mallos mit Periöken und Antipoden in an-
deren Kontinenten. Die Mutmaßungen beider verharren in einem viel näher-
gelegenen Raum, gewissermaßen innerhalb der Ökumene, wenn es um die
Entfernung zwischen Westafrika und Ostindien geht. Hier lassen sich eine
Anzahl Autoritäten der heidnischen Antike, aber auch aus den Kirchenvä-
tern beibringen, 70 die ihre Zweifel am Ausmaß des Ozeans angemeldet hat-
ten, so Aristoteles, 71 Seneca,72 Plinius, 73 und dann Ambrosius 74 und Hiero-
nymus 75 sowie die von der Scholastik besonders geschätzten arabischen
Kommentatoren der Alten wie al-Farghani 76 u. a.
Die Ptolemäus-Benutzung ist bei Pierre ambivalent. Ein umfassendes Ein-
dringen in die «Geographie» hat die Forschung gern herausgestellt, beweisen
läßt sie sich nur eingeschränkt. Die meisten Ptolemäus-Zitate sind dem «Al-
magest» entnommen, der zu Pierres Zeit seit mehr als 200 Jahren bekannt
war und den Pierre zudem vorzugsweise aus Roger Bacon zitiert.
Pierre nennt aber einen weiteren, Interesse erregenden Titel von Ptole-
mäus, nämlich die Schrift «De dispositione sphaerae». Vergleicht man nun

70
Für die Rangordnung der Autoritäten war das apokryphe «Decretum Gelasianum» ver-
bindlich - ed. E. v. DOBSCHÜTZ (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristl. Litera-
tur 38/4) Leipzig 1912 -, das ins Kirchenrecht Eingang fand und z. B. von Vincenz von Beauvais
seiner Enzyklopädie «Speculum Maius» in der einleitenden Apologia Adori! e. 11-14 zugrunde
gelegt wurde, ed. A.-D. v. DEN BRINCKEN, Geschichtsbetrachtung bei Vincenz von Beauvais. Die
Apologia Actoris zum Speculum Maius, in: DA 34 (1978) 482-488.
71
Wie oben Anm. 43.
72
Wie oben Anm.45.
73
Wie oben Anm. 44.
74
Wie oben Anm. 54.
75
Wie oben Anm. 61 zu Hieronymus.
76
Al-Farghani, lat. Alfraganus - vgl. u.a. F. SEZGIN, Geschichte des arabischen Schrifttums
VI, Astronomie bis ca. 430 H., Leiden 1978, 149-151; nach HONICMANN (Anm.24) 136 -, ver-
faßte sein Hauptwerke 833-861 in enger Anlehnung an den «Almagest»; zur lateinischen Versi-
on des Johannes Hispalensis vgl. R. CAMPANI, II „Kitäb al-Farghani" nel testo arabo e nelle ver-
sioni, in: Rivista degli Studi Orientali 3 (1910) 205-252; in der Übersetzung Gerhards von Cre-
mona erschien: Al-Farghani, Differentie seiende astrorum, ed. F. J. CARMODY, Berkeley, Cali-
fornia 1943 („reproduced from typewritten copy", daher über Fernleihe nicht zugänglich; zitiert
nach SEZGIN); eine lateinische Version der hebräischen Fassung ed. J. CHRISTMANN, Frankfurt
1590. Die Rezeption arabischer Autoren, die über die Astronomie schrieben, ist erst in den An-
fängen aufgearbeitet, wie P. KUNITZSCH, München, der Verf. dankenswerterweise mitteilt; z.B.
könnte auch Thbit ibn Qurra (836-901) - zu ihm SEZGIN, 163-170 - als Ptolemäus-Benutzer in
Betracht kommen.
478 Studien zur Universalkartographie [578/579]

die Aussagen von Pierre d'Ailly mit denen des Roger Bacon, so geht Pierre
nirgends über den doctor mirabilis hinaus. Man wird daher vermuten dürfen,
daß er die ominöse Schrift selbst gar nicht in der Hand gehabt hat. Besagter
Traktat ist sonst bei Albertus Magnus in «De natura loci» bezeugt als intro-
ductorius zum «Almagest».77
Erwähnenswerte Aussagen von «De dispositione sphaerae» sind neben
Ausführangen über die zweierlei Äthiopier 78 - die man allenthalben in der
antiken Literatur nachweisen kann - und der Mitteilung, daß der Äquator
mit Hilfe des Herrschers von Ägypten durchschritten wurde, 79 insbesondere
die Behauptung, fünf Sechstel der Erdoberfläche seien mit Wasser bedeckt. 80
Diese Aussage steht der Beweisführung von Roger wie von Pierre diametral
entgegen. Man mag auch Zweifel haben, ob diese Aussage auf den gleichen
Denker zurückgeht wie die diversen Mitteilungen zum gleichen Gegenstand
im «Almagest», etwa 11,6. Vorsichtshalber sei daher der Verfasser von «De
dispositione sphaerae» vielleicht einstweilen Pseudo-Ptolemäus genannt.
Über die Frage, um was es bei genanntem Traktat geht, hat man sich in
der Forschung schon im Zusammenhang mit Roger Bacon Gedanken ge-
macht, 81 verfiel aber auf Grund der Albertus-Notiz stets auf einen Annex
zum «Almagest». Zu denken wäre natürlich auch an einen der arabischen
Vermittler von Ptolemäus-Werken, etwa an al-Farghani, 82 als Verfasser.
Wer immer sich hinter dem Autor von «De dispositione sphaerae» ver-
birgt, er lehrt vieles, was sich andernorts auch findet, jedoch einen Satz, der
sich bei den von Roger und Pierre zitierten Autoren so nicht nachweisen läßt
und ihrer Festlandseinschätzung entgegensteht, nämlich die Reduzierung
der Ökumene auf ein Sechstel der Erdoberfläche wegen der Masse des Was-
sers. Ob man die Aussage harmonisieren kann mit der verbreiteten Behaup-
tung, die Ökumene nehme nur ein Viertel der Erdkugel ein, sei dahingestellt.
Viel eher paßt die Annahme von einer überwiegend mit Wasser bedeckten
Erde in die spekulativen Systeme früher, vom Mythos geprägter Denker. 83
Das Sechstel Festland ist weder klimatisch noch astronomisch überzeugend
zu begründen. Pseudo-Ptolemäus könnte eher von der Vorstellung eines Ur-
meeres geprägt sein, aus dem Inselkontinente auftauchen und eine Ökumene
ermöglichen. Hier stößt man gar nicht auf das Weltbild, das mit Ptolemäus

77
Wie oben Anm. 55.
78
R o g e r Bacon, ed. BRIDGES ( A n m . 3 8 ) 294 u n d 306; Y m a g o c. 11, ed. B U R O N ( A n m . 2 ) I 232.
79
R o g e r Bacon, ed. BRIDGES ( A n m . 3 8 ) 296.
80
R o g e r Bacon, ed. BRIDGES (Anm. 38) 2 9 0 ; Y m a g o c. 8, ed. BURON (Anm. 2) I 2 0 6 .
81
W O O D W A R D (Anm. 66) 117.
82
Wie oben Anm. 76.
83
Vgl. F. LASSERRE, G e o g r a p h i e , in: D e r Kleine Pauly 2 (1979) 749f.
[579] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 479

in Verbindung gebracht wird, sondern viel eher auf das des Krates von Mal-
los.
In dieselbe Richtung weisen auch Reminiszenzen bei Albertus Magnus. 84
Er erwähnt nämlich als Quelle für die zweierlei Äthiopier bei Pseudo-Ptole-
mäus quendam poetam, cuius nomen est Karites, qui Karites inducit Homerum •
Hinter diesem Karites verbirgt sich kein anderer als Krates von Mallos, 85
der ausgiebig über das erwähnte Äthiopier-Problem handelte, 86 wie das
Werk «Sphairopoiia» ausweist. Albertus erwähnt Karites als Homer-Exege-
ten ein weiteres Mal und bezieht sich nunmehr auf einen «Liber de natura lo-
corum habitabilium». 87 Sphairopoiia gilt der Forschung als das Schlagwort
kratetischer Homer-Interpretation. 88 Der Sphairopoios sucht die Kugel und
damit auch den sphäroiden Kosmos mit Geraden, Winkeln, Kreisen und
Drehungen zu erfassen. Ein lateinischer Titel «De dispositione sphaerae»
scheint sich mit ganz entsprechenden Gegenständen befaßt zu haben. Pseu-
do-Ptolemäus wäre dann als Krates-Schüler zu charakterisieren.
Roger Bacon wird gern als Vorläufer für Projektionstechnik angeführt,
Pierre hat vergleichbare Ambitionen. Ihr Interesse für Sphairopoiia ist also
nicht überraschend. Für ihre Festlandstheorie allerdings fanden sie hier wohl
nicht den geeigneten Kronzeugen.
Pierres Karte ist anderer Art als die der Krates-Jünger. Als Zeugnis der
Zuletztgenannten könnte man etwa die große Karte des Lambert von Saint-
Omer verstehen, der nicht nur den Antökenkontinent, sondern auch die
rückwärtigen Inselkontinente der Erdkugel ins Bild einzubeziehen trach-
tet. 89 Das tut Pierre nicht, er weitet vielmehr unsere Ökumene auf der Kugel
auf Kosten des vermuteten Meeres aus. Er sucht nicht die Abstraktion anti-
ker Naturwissenschaft, sondern das von der Menschheitsgeschichte be-
stimmte Weltbild, das dem Mittelalter vertraut war. Dieses trachtet er in sei-
ner Karte wenigstens inventarmäßig vorzustellen, ohne daß er mit Maßen zu
arbeiten wagt.

84
Vgl. oben Anm. 55.
85
Vgl. HOSSFELD (Anm. 55) im Kommentar ebd. zu Zeile 55-57.
86
Vgl. H. J. METTE, Sphairopoiia. Untersuchungen zur Kosmologie des Krates von Perga-
mon, München 1936, 66-74.
87
Albertus, De natura loci I 12; ed. HOSSFELD (Anm. 55) 20.
88
METTE (Anm. 86), Einleitung VIII und XX.
89
Vgl. zuletzt zusammenfassend v. DEN BRINCKEN (Anm.2) 73-76 und Abb. ebd. 29.
480 Studien zur Universalkartographie [579/580]

6. Das Bild der ptolemäischen Weltkarten im Abendland


des 15. Jahrhunderts

Die übrigens recht malerischen Ptolemäus-Karten des 15. Jahrhunderts -


man denke an Pirrus de Noha, 9 0 das Faksimile des Urb. Lat. 277 91 oder den
Ulmer Ptolemäus-Druck von 1482 - bieten im Vergleich zu Pierre d'Ailly ein
schmuckes Bild. Sie beschränken sich nämlich schlicht auf die Ökumene, bil-
den die vermuteten 180 vorderen Längengrade ab, beginnen im Norden bei
64° nördlicher Breite und enden bei 16° südlicher Breite. Damit ist alles das
ausgespart, wovon man noch keine Kenntnis hat. Praktisch fehlen drei Vier-
tel der Erdkugel, just die, die unbewohnt gedacht sind.
Mit der ausgeprägten Ökumene-Darstellung kann man sich auf das be-
kannte Festland beschränken. Meer ist im Norden und Westen als Rand zu-
gelassen, der Indische Ozean ist zum Binnenmeer zusammengezogen. Wenn
man die Karte betrachtet, glaubt man die ganze Welt erfaßt. Die Ränder er-
scheinen als Klimagrenzen, zumindest im Süden und im Norden. Diese Kar-
ten reihen sich im Grande lückenlos den Portulankarten an, etwa dem Kata-
lanischen Atlas von 1375, 92 dessen Blätter, zusammengeleimt, auch als zona
habitabilis bzw. zona habitata der nördlichen Halbkugel zu deuten sind. Die
ptolemäischen Karten - es ist gar nicht gesagt, daß dies im Sinne des Ptole-
mäus war - beschränken sich auf die Ökumene, denn die darstellende Erd-
kunde behandelt textlich nur die bewohnte Welt, soweit sie bekannt ist. Hier
liegt ein grundsätzlicher Unterschied zur Weltkarte des Pierre d'Ailly.

Zusammenfassung

Die kleine Klimatenkarte des Pierre d'Ailly ist auf den ersten Blick eine un-
scheinbare Skizze, bestimmt zur Erläuterung eines Buchtextes. Sie steht in
dieser Hinsicht in der Tradition der Klimatenkarten, die ausgesprochenen
Inventarcharakter haben und malerisch wenig ansprechen.
Betrachtet man sie näher, so liegt ihre Besonderheit in dem Versuch, über
unsere Ökumene und die bekannte Welt hinaus zu weiterer kartographischer
Gestaltung herauszufordern.

90
Wie oben Anm.20.
91
Wie oben Anm. 13.
92
Vgl. u.a. Der Katalanische Atlas aus dem Jahre 1375, hg. von G. GROSJEAN, Dietikon-Zü-
rich 1977; Der Katalanische Weltatlas vom Jahre 1375, hg. von H.-C. FREISLEBEN, Stuttgart
1977.
[580/581] XXIII. Die Ökumene auf der Klimatenkarte des P. d'Ailly 481

Kolumbus hat die Arbeiten des Pierre d'Ailly besonders geschätzt. Die
Kartenskizze könnte ihn sehr wohl auf seinen Reisen begleitet haben, nicht
in einem Pergamentband und auch nicht auf einem losen Blatt, sondern
durch Einprägen ins Gedächtnis. An vier Stellen wird dem Betrachter „ge-
predigt", daß „authentische Geschichtswerke" bezeugen, die belebte Welt
habe in dieser oder jener Richtung eine Fortsetzung und es sei nicht ein uner-
meßliches Meer, das sich hier anschließe. Ob dies neugieriger machen kann
als das „herausgeschnittene" Ökumene-Bild der Ptolemäus-Karte, das ge-
rade durch die Gradeinteilung als ausgesonderter Teil und gerahmt wirkt?
Die Klimaskizze mag wenig gegenständlich erscheinen. Sie fordert durch ih-
ren spekulativen Charakter stärker zum Weiterdenken, Weitersuchen auf.
Gerade weil die Legenden, die zusätzliche terra habitabilis suggerieren, gro-
ße Räume füllen - während sonst die Plazierung einzelner Namen sehr über-
legt geschieht -, vermag die kleine Kartenskizze etwas von einer vermuteten,
aber noch unbekannten Großräumigkeit auf der Erdkugel zu vermitteln.

Nachtrag

Nach Umbrechung des obigen Textes belehrte ein Sonderdruck von P. Gau-
tier Dalché, L'oeuvre géographique du cardinal Fillastre (f 1428). Represen-
tation du monde et perception de la carte à l'aube des découvertes, in: Archi-
ves d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 59 (67) 1992, 319-383,
die Verfasserin über die parallelen Fragestellungen, denen Fillastre vor dem
1. November 1417 auf dem Konstanzer Konzil seine Introductio zur «Cho-
rographia» des Pomponius Mela widmete. Dieser von G. D. edierte Text ist
nicht nur der älteste Mela-Kommentar, sondern vor allem ein Zeugnis der
Ptolemäus-Rezeption. Nach Ptolemäus stelle sich die Ökumene viel weiträu-
miger dar, bzw. es gebe eigentlich keine unbewohnbaren Gegenden auf der
Welt. Fillastre erörtert c. 45/46 (S. 363), daß auch der Ozean allenthalben
schiffbar sei. Das Verhältnis Wasser zu Festland hat er allerdings nicht be-
handelt. Vielmehr versteht G. D. die Introductio als eine Auseinandersetzung
mit dem konventionell doppelten mittelalterlichen Kartenbild, nämlich ei-
nerseits der Zonenkarte als Signum für die Kugelgestalt und andererseits der
Scheibe des orbis terrarum für die bewohnte Erde mit Benennung von terrae
incognitae, nicht von terrae inhabitabiles auf Fillastres Initialenkarte.
XXIV. Mappe del cielo e della terra: l'orientamento
nel basso medioevo

A. Introduzione: il tema e la sua problematica con riferimento ai


quattro concetti di spazi, tempi, misure, percorsi

Il tema che mi è stato proposto si riallaccia ad alcune riflessioni sullo stesso


argomento sviluppate in occasione di un recente convegno sulle rappresenta-
zioni del cielo e della terra nell'undicesimo e dodicesimo secolo.1 Le mie os-
servazioni in questo ambito si limiteranno al basso medioevo: all'inizio pren-
deremo in considerazione due mappe del mondo caratteristiche per il dodi-
cesimo secolo, poi vedremo tre esempi di autori appartenenti alla letteratura
delle Summae del tredicesimo secolo; per il quattordicesimo secolo parlere-
mo dell'influsso della bussola e del portolano sulla cartografia universale.
Nel quindicesimo secolo diviene particolarmente grande la varietà dei tenta-
tivi di interpretazione e delle forme di rappresentazione cartografica: abbia-
mo da una parte monumenti esemplari di un accentuato conservatorismo,
dall'altra testimonianze di un articolato sviluppo e di tendenze innovative
decisamente più moderne.
E noto che il medioevo non conosceva il concetto di progresso come lo in-
tendiamo noi. Un cambiamento o una nuova scoperta non si diffondeva così
rapidamente dovunque, ed aveva particolari difficoltà ad affermarsi, soprat-
tutto nella cartografia, come sappiamo dai relativi manuali per cartografi. 2
Nella cartografia quindi non si può distinguere una evoluzione lineare che
conduca dalle testimonianze di una visione del mondo tipicamente alto-me-
dievale ai documenti del basso medioevo. Molte forme - ad esempio le carte
1
Mondi del Medioevo: Mappe del cosmo e della terra. Tredicesima Settimana internazionale
di studi medioevali sul tema: cielo e terra nei secoli XI-XII. orizzonti, percezioni, rapporti, Pas-
so della Mendola, 22-26 agosto 1995; cfr. una altra relazione sul tema Descriptio Terrarum.
Zur Repräsentation von bewohntem Raum im späteren deutschen Mittelalter, che sarà pubblica-
ta da PETER MORAW (ed.), Raumerfassung und Raumbewußtsein im späteren Mittelalter (12.-15.
Jahrhundert). Convegno Reichenau 3.-6. 10. 1995 (Vorträge und Forschungen 49), 2002,
pp. 11-30 ( = u. S. 623-646); anche se si basa su diversi materiali del basso medioevo tedesco.
Per la traduzione del testo di questa mia relazione ringrazio la dott. Laura Balbiani di Milano.
2
Cfr. ad esempio le prescrizioni e i divieti per le modifiche del pinto cartografico di Gervasio
da Tilbury nel 1214 e Paolino Minorità nel 1320, in: A.-D. VON DEN BRINCKEN, Kartographische
Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten (Typologie des Sources du Moyen Age occidental,
fase. LI), Turnhout 1988, p. 26 s. e p. 39.
[82/83] X X I V . M a p p e del cielo e della terra 483

di Macrobio 3 o di Isidoro - si mantengono praticamente immutate per molti


secoli. E possibile comunque individuare dei tratti caratteristici per ogni sin-
gola epoca, anche se questo non esclude la presenza, almeno sotterranea, di
documenti di altro tipo.
La cartografia non solo non ha avuto nel medioevo uno sviluppo chiara-
mente lineare; essa era anche completamente avulsa della vita pratica e ha
conservato un carattere esclusivamente monumentale. Di solito era un ausilio
per le lezioni scolastiche, e proprio questo fatto le conferiva una certa statici-
tà, più accentuata nell'alto medioevo, meno marcata nel periodo che pren-
diamo in considerazione in questa sede. Tutto il materiale didattico era, allo-
ra, decisamente conservativo.
Al contrario dei cartografi musulmani, i disegnatori cristiani del mondo
latino procedono deduttivamente. Essi riempiono la solida cornice dell'ecu-
mène, che offre una panoramica del mondo, con i luoghi significativi per la
storia dell'umanità. Soltanto in rarissimi casi la mappa è destinata ad un uso
pratico come guida di viaggio e quindi corredata di dati concreti. Ma ora
esaminiamo più da vicino le tematiche di questo convegno:
a. Gli spazi vengono ovviamente trattati in ogni carta. Ma dato che non si
conosceva la misurazione in senso moderno, gli spazi sulle carte dell'ecumè-
ne interessano solo se corredati da testimonianze che permettono di inserire
molte leggende. La rappresentazione è quindi distorta a seconda del luogo di
residenza dell'autore della mappa, ed è pure condizionata dal materiale car-
taceo disponibile e dal suo formato.
b. Il tempo gioca un ruolo piuttosto bizzarro nella cartografia medievale,
nel senso che in un certo modo è azzerato: se si concepisce una mappa del
mondo come una carta storica, allora il dipanarsi della storia viene proietta-
to su una superficie piana, in cui la sequenza cronologica viene estromessa.
In questo contesto non ci soffermeremo tanto su queste rappresentazioni,
decisamente inusuali, quanto sui tempi richiesti per gli spostamenti. Non era
abituale indicarli, anche se ovviamente si conoscevano le informazioni sui
viaggi giornalieri, ma compaiono solo raramente sulle carte.
e. Le misure sfuggono già per il fatto che la misurazione era quasi scono-
sciuta fino alla fine del tredicesimo secolo, e anche in seguito viene effettuata
soltanto sporadicamente.
d. I percorsi sono importanti per gli itinerari. Sulle carte a grande portata
mancano, poiché le carte stradali romane non trovano una adeguata prose-

3
Cfr. le mappe diverse di Macrobio in A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden
der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (Schriften der Monumenta
Germaniae Historica 36), Hannover 1992, tavv. 4-7.
484 Studien zur Universalkartographie [83/84]

cuzione. Solo all'inizio dell'era moderna abbiamo delle carte stradali, che di-
vengono vere e proprie guide turistiche.
Le carte dell'ecumène del tardo medioevo non sono fonti necessariamente
esaustive per la padronanza del problema spazio, almeno dal punto di vista
pratico, ma sono invece molto significative per lo spazio come concetto spe-
culativo.
Le carte del cielo vengono intese in questa sede come carte del cosmo,
mappae mundi nel senso concreto. Nel dodicesimo secolo svolgono ancora
un ruolo importante; per il resto, la cartografia tardo-medievale si concentra
principalmente sull'ecumène, terra in latino.

B. Mappe del cielo e della terra: l'orientamento nel basso medioevo

1. Il simbolismo del dodicesimo secolo


a. Cosmo et ecumène in Lamberto di St. Omer

Dalla grande ricchezza di mappe del «Liber Floridus» di Lamberto di St.


Omer, composto nel 1112-1121, la più bella enciclopedia illustrata del pe-
riodo romanico che ci sia rimasta, è tratta la grande carta emisferica univer-
sale Spera geometrica Martiani ripresa da Marciano Capella, presentata qui
nella redazione del manoscritto di Wolfenbüttel del 1180 circa:4 la sfera ter-
restre è rappresentata come un planisfero orientato verso Est. L'ecumène oc-
cupa la metà sinistra e compare un vasto continente insulare circondato dal-
l'oceano; la T delle acque divide con i suoi due tratti (quello orizzontale: il
Mediterraneo, e quello verticale: i fiumi Don e Nilo) l'ecumène nei continenti
allora conosciuti, Asia, Europa ed Africa, come aveva già spiegato Sant'Ago-
stino. Il planisfero è incorniciato da un oceano meridionale passante per i
due poli, e viene diviso in due perpendicolarmente dall'oceano equatoriale; a
destra inoltre, nell'emisfero meridionale, vediamo l'anti-ecumène. Allo spa-
zio al di fuori del planisfero rimanda non soltanto il Paradiso terrestre a for-
ma di stella nell'estremo Est, collegato all'ecumène con i suoi quattro fiumi,
e all'estremo Occidente, quindi in basso, ma anche l'accenno ad un continen-
te insulare sulla parte posteriore del globo, con diverse ore del giorno e di-
verse stagioni rispetto a noi, il continente anti-ctonio. Il Paradiso è abitato
da Enoc ed Elia, il continente opposto all'ecumène dai famosi antipodi.

4
MS. Guelferbytanus 1 Gud. Lat, fol.69v-70r; cfr. in proposito R. UHDEN, Die Weltkarte
des Martianus Capella, in: Mnemosyne 3 ser., Ili, 1935/36, pp. 97-124 (vgl. unten Tafel 25).
[84/85] XXIV. Mappe del cielo e della terra 485

Lamberto ci offre così immagine più corretta della terra del periodo alto-me-
dievale, del cosmo comprensivo anche di Paradiso.

b. Aldilà, cosmo ed ecumène nella carta della


«Vita Sancti Brandani abbatis»

Un foglio isolato, appartenente ad un manoscritto della «Vita Sancti Bran-


dani abbatis» del dodicesimo secolo rinvenuta nella «Dr.-Albert-Knoepfli-
Stiftung kartographischer Dokumente» nel museo di Bischofszell nel canto-
ne Thurgau è stato recentemente identificato come una mappa cosmica re-
datta dalla stessa mano che copiò il testo della leggenda della terra repromis-
sionis sanctorum e che evidentemente cercava di localizzarla geograficamen-
te. Il testo, nella versione del decimo secolo - il titolo di solito è «Navigatio
Sancti Brendani» -, ha per tema il leggendario viaggio dell'irlandese Branda-
no o Brendano, abate di Clonfert nel sesto secolo, che navigò dall'Irlanda
verso Occidente. La mappa si basa sul modello di rappresentazione della sfe-
ra terrestre contenuto nel tredicesimo libro delle «Etymologiae» di Isidoro di
Siviglia,5 in cui il disegnatore cerca di rappresentare in prospettiva il globo
terrestre orientato a Sud; egli infatti disegna le cinque zone terrestri - quella
calda equatoriale, le due zone temperate e abitabili negli emisferi settentrio-
nale e meridionale, e le due zone polari, inabitabili per il freddo - non par-
tendo dall'equatore, bensì prendendo come riferimento un punto posto al di
sopra del circolo polare, e tracciando così delle linee curve.
Nella parte inferiore del cosmo, cioè nell'emisfero settentrionale, è inserita
una figura tonda, che le legende Aetiopes a Sud e Riphei a Nord ci fanno
identificare come l'ecumène. Una novità rispetto a Isidoro è costituita dal
tappeto rettangolare, dal bordo decorato, da cui sembrano zampillare quat-
tro sorgenti, contraddistinte dai nomi Ghicon, Pison, Eufrate e Tigri - i
quattro fiumi del Paradiso secondo la Genesi 2, 10-14 - e che ci fanno inten-
dere il tappeto come la terra repromissionis sanctorum in quanto Paradiso. Es-
so non tocca l'ecumène, ma soltanto un punto molto distante sulla parte po-
steriore della zona abitabile settentrionale vicino al polo Nord, poiché Bran-
dano aveva navigato sette anni verso Ovest, alla ricerca della sua terra pro-
messa.
In questa rappresentazione, oltre all'ecumène e al cosmo è inserito anche il
mondo trascendente, come in Lamberto, e questo è un tratto tipico del dodi-
cesimo secolo, con la sua spiccata tendenza al simbolismo. Invano cerchiamo

5
XIII e. 6, ed. W. M. LINDSAY, Oxford 1911; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae (op. cit.
nota 3) p. 53 s. e taw. 13-15 (vgl. unten Tafel 8 und 31).
486 Studien zur Universalkartographie [85/86]

in queste carte dimensioni e percorsi, il tempo è assoluto e lo spazio si esten-


de fino all'aldilà.

2. La letteratura oggetiva delle Summae nel tredicesimo secolo


a. La copia della cosiddetta «Tabula Peutingeriana»

A differenza dei greci, più dotati dal punto di vista speculativo, i romani ave-
vano a loro disposizione un ricco materiale per la cartografia pratica. La te-
stimonianza più conosciuta in proposito è la copia di una carta romana del
quarto secolo, la «Tabula Peutingeriana» o carta di Castorius, giunta fino a
noi in una copia risalente all'inizio del tredicesimo secolo e conservata nel
manoscritto 324 della Biblioteca Nazionale di Vienna.6 Sicuramente proprio
negli anni seguenti alla fioritura del simbolismo, all'inizio dell'epoca delle
Summae, alcuni amanuensi si sono messi al lavoro per copiare questa carta,
certamente non molto maneggevole: la copia è infatti larga 34 centrimetri ed
era originariamente lunga 6,75 metri. In tutto sono rappresentati 104.000
chilometri di strade, le tappe sono indicate con i simboli dei diversi edifici -
santuari, città, terme, grotte, e così via. Le distanze sono riportate general-
mente in miglia romane (circa un chilometro e mezzo), in Gallia in leghe (un
miglio e mezzo romano), in Persia in parasanghe (quattro miglia romane),
in India in miglia indiane (corrispondenti a due miglia romane). Sembra che
questa carta non abbia esercitato alcun influsso in quel periodo, e che l'inte-
resse del copista fosse probabilmente limitato al valore antiquario dell'ogget-
to. La carta è coperta da una rete stradale chiaramente riconoscibile, cioè
percorsi con indicazioni relative alle distanze, ma lo spazio è nel complesso
molto distorto.

b. La carta del salterio di Londra

La carta del salterio di Londra, che misura soltanto nove centimetri di dia-
metro, è particolarmente adatta alla presentazione nelle conferenze, perché
è la riproduzione in miniatura di carte più grandi come quella di Ebstorf, e
offre materiale iconografico e descrittivo estremamente ricco, che si può

6
Cfr. O. A W. DILKE, Itineraries and Geographical Maps in the Early and Late Roman Em-
pires, in: The History of Cartography, I: Cartography in Prehistoric, Ancient and Medieval Eu-
rope and the Mediterranean, ed. by J. B. HARLEY and D. WOODWARD, Chicago/London 1987,
pp. 238-242; inoltre K. MILLER, Die Peutingersche Tafel, Stuttgart 1962 (vgl. unten Tafel 41a-
b).
[86/87/88] XXIV. Mappe del cielo e della terra 487

identificare bene anche a distanza. Appartenente ad un prezioso salterio ma-


noscritto del 1262 circa, questa mappa offre un quadro completo dell'ecumè-
ne; sul versus del foglio7 si trova una versione <compilata> della stessa mappa,
una <cartainventario> delle legende. Nonostante il minusculo formato, il dise-
gnatore ha costruito un'immagine in cui viene dato rilievo non tanto al cos-
mo, quanto all'aldilà, poiché la carta non è il corpo di Cristo, come in quella
di Ebstorf: Cristo qui è rappresentato invece come signore e giudice: nella
sua maestà egli troneggia sopra il mondo, mentre in basso - cioè ad Occiden-
te - i suoi piedi schiaccianno i draghi sotto il globo terrestre, simboleggiando
cosi la vittoria sul maligno.
In alto nella figura, cioè ad Est, si vedono Adamo ed Eva nel Paradiso, ri-
conoscibile per i quattro fiumi nella Genesi: Ghicon, Pison, Eufrate e Tigri,
a cui si aggiunge anche il Gange; punto centrale è Gerusalemme. La T delle
acque si distingue molto chiaramente fra i continenti, cosa che ci permette di
inserire anche questa carta nel gruppo delle rappresentazioni dell'ecumène
che seguono lo schema TO. Il disegnatore è riuscito ad inserire, oltre ai sim-
boli, 145 legende. L'Asia attira l'attenzione in modo particolare, occupando
praticamente metà della terra in quanto scenario eletto per lo storia della sal-
vezza. Saltano all'occhio a sinistra - a Nord Est - le nazioni Gog e Magog,
rinchiuse da possenti bastioni. Il Mar Rosso è di un rosso brillante, l'Europa
invece non è affatto evidenziata. Da notare è la galleria di mostri - tipica an-
che di altre grandi carte - sul lato destro, cioè a Sud del mondo allora cono-
sciuto: essa accenna alla conoscenza di un quarto continente, abitato da esse-
ri fantasiosi ma ancora ignoto, al di là del deserto della zona torrida.
Questa piccola figura del mondo serviva per la devozione, a lode di Dio;
lo stesso scopo avevano la più vasta carta di Hereford e probabilmente quella
di Ebstorf.
Se cerchiamo di descrivere il fattore spazio in questa carta, esso ci appare
molto ristretto già per la dimensione stessa del foglio, riempito fino ai margi-
ni con scene tratte dalla storia di tutti i tempi, ad esempio l'arenarsi dell'arca
di Noè sul monte Ararat. Le dimensioni sarebbero decisamente fuori luogo
su questa mappa; i percorsi che è possibile in qualche modo individuare sono
tutti, senza eccezioni, corsi d'acqua, che vanno intesi come simbolo di sepa-
razione e di unione insieme. Vi sono anche catene di monti. Proprio così si
presentano anche le mappe di Ebstorf e di Hereford, solo di dimensioni
maggiori e di conseguenza molto più dettagliate.

7
Londra, British Library, MS. Add. 28681, fol.9v, la forma dipinta si trova nel fol. 9; cfr. N.
MORGAN, Early Gothic Manuscripts II, 1250-1285 (A Survey of Manuscripts, Illuminated in the
British Isles 4, 2), London 1988, N° 114 pp. 82-85; nomenclatura in K. MILLER, Mappae Mundi.
Die ältesten Weltkarten III, Stuttgart 1895, pp. 37-43 (vgl. unten Tafel 42).
488 Studien zur Universalkartographie [88/89]

e. Ecumène, Inghilterra e itinerario di Matteo Parisiense

Parallelamente alle Summae ci sono ancora - o di già - storiografi che proce-


dono con metodo analitico: a questo grappo sono da ricondurre generalmen-
te i cartografi medievali. Matteo Parisiense era uno storico universale con vi-
vaci interessi politici e aperto ai grandi mutamenti del suo tempo: monaco
benedettino nell'abbazia di St. Albans vicino a Londra (morto nel 1259) e at-
tivo nella scuola degli storiografi reali. Votato alla stabilitas loci - lo trovia-
mo sempre in Inghilterra -, Matteo viene inviato solo una volta come messo
papale in Norvegia. A lui dobbiamo i resoconti più veritieri su Frederico II
come anche le notizie basilari sull'influsso dei Mongoli in Europa. Le sue
opere principali sono: una cronaca universale con una appendice di docu-
menti, una storia d'Inghilterra e la storia del suo convento. Nei manoscritti
delle sue opere troviamo una carta mondiale, una carta dell'Inghilterra, una
della Terra Santa e un Itinerario da Londra alla Puglia. In tutto ci sono rima-
ste 16 mappe redatte nella scuola del suo convento, ma non è escluso che sia-
no di suo pugno. 8
La carta mondiale è deludente per la povertà di informazioni se confronta-
ta con le altre rappresentazioni di Matteo, molto più incisive. Nel disegno
marcatamente europo-centrico 9 è contenuto un riferimento, collocato sul
non meglio identificato continente asiatico, ad altre carte di Matteo, da
identificare forse fra l'altro con la carta di Giovanni da Wallingford. 10 Il di-
segnatore stesso aveva notato la modesta universalità della carta, che era in-
formativa soltanto riguardo all'Europa a Nord delle Alpi. Persino l'Inghilter-
ra è assente, dato che ad essa Matteo aveva dedicato una apposita carta. Di
nuovo troviamo rappresentati solo fiumi e qualche rara montagna, in uno sti-
le molto simile a quello delle carte enciclopediche di ampio respiro.
La carta dell'Inghilterra è veramente una delle realizzazioni cartografi-
che più notevoli di tutto il Medio Evo. Al contrario di tutte le altre carte,
orientate a Est, questa è rivolta a Nord. Ai suoi margini sono collocati dei ri-

8
Maggiori dettagli in proposito in R. VAUGHAN, Matthew Paris (Cambridge Studies in Me-
dieval Life and Thought II, 6), 1958, e. XII, 1: Cartography, pp. 235-250; cfr. MILLER, Mappae
Mundi (op. cit. nota 7), pp. 68-94; VON DEN BRINCKEN, Kartographische Quellen (op. cit. nota 2)
pp.61-65.
' Cambridge, Corpus Christi College, MS. 26, p.284; copia anche in Londra, British Libra-
ry, MS. Cott. Nero D. V , fol. 1v (vgl. unten Tafel 39).
10
Cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von Walling-
ford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen LI, 1973, pp.47-56(= o. S. 137-148).
11
London, British Library, MS. Cott. Claudius D. VI., fol.8v; cfr. VAUGHAN (op. cit. nota
8), p. 241 su altre quattro copie (vgl. unten Tafel 40).
[89/90] X X I V . M a p p e del cielo e della terra 489

quadri, che fanno capire come la carta non sia che un particolare di una carta
mondiale: in essi compaiono infatti i nomi dei paesi confinanti, che il carto-
grafo immagina estendersi oltre la cornice. Inoltre in questa carta è segnato
anche il percorso da Dover a Newcastle, che attraversa Canterbury, Roche-
ster, Londra, St. Albans, Dunstable, Northampton, Leicester, Belvoir, Ne-
wark, Blyth, Doncaster, Pontrefact, Boroughbridge, Northallerton e Dur-
ham. Non si tratta certamente di una carta stradale, ma elencando tutte le
stazioni di questo itinerario Matteo aggiunge alla sua carta un particolare
valore informativo, senza indicare però le distanze e senza servirsi delle tec-
niche cartografiche tolemaiche. Questa carta è decisamente superiore a tutte
le altre rappresentazioni di questo genere.
L'itinerario da Londra alla Puglia 12 occupa per lo più cinque pagine: di-
pinto su due colonne, esso inizia in basso a sinistra con Londra, di cui si ri-
conoscono le mura della città e la cattedrale di St. Paul. Da qui procede ver-
so Sud per Rochester e Canterbury fino a Dover nella prima colonna di sini-
stra; a destra prosegue per Boulogne e St. Riquier fino a Beauvais, indicando
sempre percorsi della durata di un giorno. Dato che Matteo era anche un di-
segnatore molto dotato, la sua mappa è un'opera d'arte ricca di molte infor-
mazioni, e da questo punto di vista non è da meno delle carte enciclopediche
di più ampio respiro di questo secolo.

3. L'influsso di bussola e portolano


a. Brunetto Latini

In un manoscritto redatto intorno al 1310 del «Livre dou Trésor» di Bru-


netto Latini, l'enciclopedia composta nel 1266 dal notaio fiorentino e amba-
sciatore della sua città in Spagna, si trova una stupenda carta mondiale a co-
lori, orientata verso Sud, con i profili costieri sorprendentemente precisi. Sa-
remmo tentati di classificarla fra le carte portolane, ma non vi è tracciata
neppure una linea della bussola. Ancora più strana è la totale mancanza di le-
gende: la carta è muta, ed è l'unica carta muta di tutto il Medioevo, perché di
solito non si rinunciava mai alla combinazione di testo e figure.14 Ad un mo-

12
Londra, British Library, MS. Roy. C. VII., fol. 2; cfr. VAUGHAN (op. cit. nota 8), p.242 su
tre altre manoscritti (vgl. unten Tafel 41a).
13
Oxford, Bodleian Library, MS. Douce 319, fol. 8; cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Aus-
bildung konventioneller Zeichen und Farbgebungen in der Universalkartographie des Mittelal-
ters, in: Archiv f. Diplomatik XVI, 1970, pp. 325-349.
14
Cfr. in proposito Paolino Minorità nella Satyrica Historia, MS. Vat. Lat. 1960 fol. 13: Pro-
logu! in mapa (!) mundi:.. .Requiritur autem mapa duplex, picture et icripture. Nec unum iine altero
490 Studien z u r Universalkartographie [90/91]

dello arabo ci rimanda la marcata accentuazione del « corno d'Africa ». An-


cora più strana è la collocazione dei simboli degli insediamenti: dove ce li
aspetteremo, non ne troviamo; Roma e Constantinopoli, ad esempio, non
sono segnate, e per Gerusalemme il problema è ancora aperto, perché il sim-
bolo posto nel vicino Oriente potrebbe indicare altrettanto bene Damasco. Si
identifica invece chiaramente la Mecca, mentre la Persia, l'Asia centrale, il
Nord-Africa e il corso del Nilo appaiono fittamente popolati. Per questi mo-
tivi si presuppone la copiatura di una carta araba che Brunetto potrebbe aver
portato con sé dalla Spagna, ma di cui non era in grado di copiare le legende.
Mancando le legende, non abbiamo indicazioni nemmeno riguardo alle di-
stanze, ma anche percorsi, strade e simili si cercano invano, come del resto
nelle grandi carte enciclopediche del periodo di Brunetto.

b. Giovanni da Carignano

Sempre nella seconda metà del tredicesimo secolo fanno la loro prima com-
parsa le carte portolane: inizialmente si trattava del semplice profilo costiero
tracciato su una pelle di animale, che si poteva orientare ruotandola, compi-
lata utilizzando la bussola e destinata ad esigenze pratiche, abitualmente
conservata sulle navi. Il mare e i territori circostanti sono segnati da una rete,
che si compone dei sedici settori della rosa dei venti. I punti di intersezione
dei raggi con la circonferenza diventano a loro volta il centro di una nuova
rosa dei venti, cosicché la carta è ricoperta da innumerevoli rombi di vento.
In questo modo il timoniere è in grado di definire con precisione la rotta da
un determinato punto di partenza fino al porto di destinazione prescelto.
Originariamente queste carte illustravano solo le coste della terraferma e del-
le isole ed eventuali ostacoli in mare. Questa tecnica cartografica era partico-
larmente coltivata a Pisa e, dall'inizio del quattordicesimo secolo, sopratutto
a Venezia.
Giovanni da Carignano, rettore di San Marco a Genova, ci ha lasciato la
prima di queste carte, che illustra anche i territori dell'entroterra. Questa ric-
chissima carta, conservata nell'archivio nazionale di Firenze, è andata per-
duta durante l'ultima guerra, ed è disponibile ora soltanto in una riproduzio-
ne in bianco e nero. 15 Anche se alcune informazioni cronachistiche avevano
suggerito di datarla al 1306, gli studiosi hanno recentemente puntualizzato

putes sufficere, quia pictura sine scriptura provincias seu regna confuse demonstrat, scriptura vero non
tarnen sufficienter sine adminiculo picture provinciarum confinia per varias partes celi sic determinat,
ut quasi ad oculum conspici valeant...
15
Prima a Firenze, Archivio di Stato, Carta N° 2; copie sono disponibili in loco.
[91/92] XXIV. Mappe del cielo e della terra 491

che la carta in questione risalirebbe - forse a differenza di una redazione


precedente - agli ultimi anni di vita del suo compilatore, quindi intorno al
1329/30; 16 sarebbe quindi cronologicamente posteriore alla cartografia ve-
neziana di Vesconte ed influenza in modo duraturo, tramite la mediazione
di Angelino Dalorto, la cartografia nautica di Maiorca per tutto il quattordi-
cesimo secolo.
Sulla terraferma la carta di Carignano lavora con quei simboli che com-
paiono spesso sulle carte come bandierine, ma che qui sono tondi. L'entro-
terra dell'Europa occidentale è intessuto di rombi di vento fino allo Jutland e
all'Adriatico; in questo senso la carta offre anche informazioni su misure e
percorsi; molte carte nautiche inoltre disponevano di disegni in scala. Le car-
te portolane di Maiorca non sono quindi soltanto carte nautiche, bensì spes-
so mappe universali.

e. La Terra Santa in Vesconte

Il veneziano Pietro Vesconte, il cui periodo più produttivo può essere indivi-
duato fra gli anni 1311 e 1321, non ha soltanto riprodotto le varie parti del
mare Mediterraneo compilandone le relative carte per gli atlanti nautici, ma
ha anche fornito contributi cartografici per gli scritti propagandistici di Ma-
rino Sanudo nell'ambito dei tentativi di rinnovamento del movimento per le
Crociate. A questo contesto possiamo ricondurre una carta della Palestina
orientata a Est, dove la terra Santa è ricoperta da una griglia: come si premu-
ra di comunicarci Vesconte, ogni quadretto corrisponde a due miglia qua-
drate. Egli ricorre quindi ad un metodo di rappresentazione tipico della car-
tografia nautica, e lo modifica per applicarlo anche alla terraferma. E curio-
so che degli appunti moderni, annotati sul manoscritto della British Libra-
ry, 17 confondano il Mediterraneo orientale con il fiume Giordano, di cui si
parla nel testo sottostante la carta.
Nel quattordicesimo secolo vediamo così fianco a fianco dei cambiamenti,
che all'uomo moderno cominciano a sembrare familiari e che quindi possia-
mo considerare come un progresso, e rappresentazioni cartografiche molto
tradizionali, ad esempio le carte del cronista inglese Ranulf Higden risalenti

16
Dettagli e resoconto sulle opinioni degli studiosi in: T CAMPBELL, Portolan Charts from
the Late 13th Century to 1500, in: HARLF.Y-WOODWARD, The History of Cartography (op. cit.
nota 6) pp. 404-406. Nella carta fiorentina andata perduta era l'annotazione Johanne! preibyter
rector Sancti Marci de portu Janue me fecit.
17
Londra, Brit. Libr., MS. Add. 27376, fol.l88v-189r; cfr. per la descrizione P. D. A. HAR-
VEY, Medieval Maps. The British Library 1991, N° 62 p.79 (vgl. unten Tafel 55).
492 Studien zur Universalkartographie [92/93]

al periodo 1342-1363, che avrebbero potuto tranquillamente essere redatte


due secoli prima.

4. Conservatorismo e rinnovamento nel quindicesimo secolo


a. La carta della Biblioteca Estense di Modena

Alla tradizione cartografica di Maiorca appartiene la carta di grande forma-


to conservata nella Biblioteca Estense di Modena, una carta mondiale roton-
da, orientabile per rotazione, di 113 centimetri di diametro. 18 Lo status delle
conoscenze di questo ramo della cartografia non si è molto modificato nel
volgere di un secolo, come ci dimostra la forma del Mar Baltico. L'intera car-
ta è ricoperta di rombi di vento, e mostra con un' iconografia affascinante i
diversi abitanti della Terra, a dimostrazione dei diversi punti focali di inte-
resse al tempo di Enrico il Navigatore, ad esempio raffigurando Giovanni il
presbitero all'intorno dell'Africa orientale. L'Africa appare già circumnaviga-
bile, e si presenta con una penisola meridionale estremamente estesa. Questo
testimonia chiaramente gli interessi dei Portoghesi, mentre l'Europa del
Nord è rimasta praticamente immutata.

b. La carta di Mela a Reims

Lo scritto classico «De situ orbis» di Pomponio Mela, intitolato anche


«Chorographia» (primo secolo dopo Cristo), viene studiato con rinnovato
interesse nel secolo dell'Umanesimo e viene integrato con un multiforme cor-
redo cartografico. All'inizio del quindicesimo secolo le tecniche di rappre-
sentazione sono decisamente più varie. Nel manoscritto della Biblioteca di
Reims, 19 datato 1418 circa, la O iniziale di Orbis situm dicere è adornata con
una piccola rappresentazione del mondo, che misura soltanto 96 x 107 milli-
metri. Si tratta della tradizionale carta sullo schema TO, rivolta ad est, con
legende per i singoli paesi. Tre volte si parla qui di terra incognita, nell'Euro-
pa del Nord, nell'Asia di Nord-Est e nel Sudafrica. Anche questo spazio vie-

18
Modena, Biblioteca Estense, C.G.A. 1; cfr. M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-
1500 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I), Amsterdam 1964, sect. 52, 12, pp.217-
221; più diffusamente cfr. K. KRETSCHMER, Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense
zu Modena, in: Zeitschrift d. Gesellschaft f. Erdkunde zu Berlin XXXII, 1897, pp.65-111 e
pp. 191-218; cfr. Ernesto Milano (nel Urs Graf Verlag, Dietikon) in corso di stampa (vgl. unten
Tafel 67).
" Reims, Bibliotheque de la Ville, MS. 1321, fol. 13 (vgl. unten Tafel 63).
[93/94] X X I V . M a p p e del cielo e della terra 493

ne compreso nella cornice dell'ecumène. La carta nel suo insieme può ancora
essere paragonata a quella di salterio di Londra.

e. La carta tolemaica di Mela in Vaticano

Molto diverso è l'aspetto della carta dell'archivio di San Pietro in Vaticano,


redatta negli stessi anni ma di stampo tolemaico. 20 Essa mostra una porzione
del globo come un mantello spiegato, con rappresentata la parte conosciuta
dell'ecumène, sempre in riferimento a Pomponio Mela, di cui Pirrus de No-
ha riferisce di essere il copista. La carta, orientata a Nord, si rifa espressa-
mente alla cosmografia di Tolemeo è alla suddivisione in gradi: l'ecumène in-
fatti oltrepassa l'equatore e si estende a Nord fino a 64° di latitudine Nord.
L'Oceano Indiano appare come un mare chiuso all'interno dell'ecumène, e
non l'ecumène come isola nell'oceano. Del resto, anche le leggende ci tra-
smettono conoscenze di Tolomeo, che però non vengono concretamente ap-
plicate.

d. Pierre d'Ailly

In questo senso la carta delle zone climatiche di Pierre d'Ailly (1350 -1420),
orientata a Nord, è più originale. Essa fa parte della sua «Ymago Mundi», in
cui Pierre cita abbondantemente Tolomeo. La carta climatica consiste sol-
tanto in uno schema dei climi e in una moltitudine di leggende variopinte, lo
spazio non ha confini precisi, né a livello di coste, né tanto meno a livello po-
litico, un genere di confine che nel medioevo non veniva mai preso in consi-
derazione. Seguendo le indicazioni dei manuali, Pierre pone l'ecumène nel-
l'emisfero settentrionale a la correda con le relative legende, 21 ma in quattro
punti diversi riferisce come l'ecumène sia in realtà molto più estesa, poiché
l'India si spinge a Sud fino al Tropico del Capricorno e ad Est fino a toccare
la costa occidentale dell'Africa; allo stesso modo la zona abitata si estende
ben oltre le zone climatiche, a Nord quasi fino al polo e a Sud oltrepassa

20
Roma, Vatic, Arch, di San Pietro, MS. H. 31, fol. 8, redatto dopo il 1410 (vgl. unten Tafel
61).
21
Cambrai, Bibliotheque Municipale, MS. 954, fol. lOv; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op.
cit. nota 18), sect. 48,4 p. 162; cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Occeani Angustior Latitudo. Die
Ökumene auf der Klimatenkarte des Pierre d'Ailly, in: Studien zum 15. Jahrhundert, Festschrift
für Erich Meuthen, hg. von JOHANNES HELMRATH und HERIBERT MÜLLER in Zusammenarbeit mit
HELMUT WOLFF, I, München 1994, pp. 565-581 (= o. S. 462-481; vgl. unten Tafel 62).
494 Studien zur Universalkartographie [94/95/96]

l'equatore, come si è appreso dalle testimonianze di autentici storiografi.


Pierre quindi nella sua carta oltrepassa lo spazio prescritto e si immagina
una ecumène molto più vasta di quanto possa permettergli la sua carta clima-
tica di influsso tolemaico. In questo modo egli amplia lo spazio occupato
dall'ecumène a spese delle regioni ancora sconosciute della terra. E non dob-
biamo stupirci che sia proprio la sua carta, in un primo esemplare stampato
nel 1480 o nel 1483 a Löwen, ad accompagnare Cristoforo Colombo nel suo
viaggio e ad incoraggiarlo ad osare l'attraversata dell'Atlantico: lo spazio
prefissato dalla tradizione non basta più, e i suoi confini vengono oltrepassa-
ti dagli esploratori.

5. L'itinerario per Roma e la rappresentazione delle strade imperiali


di Erhard Etzlaub

Solo con Erhard Etzlaub, il cartografo di Norimberga nativo di Erfurt


(1469-1532), troviamo una figura le cui carte, all'inizio dell'epoca moderna,
offrono un orientamento ideale per il complesso: spazio, tempo, misure e
percorsi. Etzlaub fabbricava meridiane con funzione di bussola in formato
tascabile, ma anche calendari da parete, e dal 1515 è attestato anche come
medico. Il suo primo lascito cartografico è una carta di Norimberga e dintor-
ni del 1492. Al centro di una circonferenza di sedici miglia tedesche di dia-
metro (un miglio equivale 7,5 chilometri), orientata a Sud, 22 è collocata No-
rimberga. L'indicazione della scala utilizzata permette di determinare,
«usando il compasso» come raccomanda lo stesso Etzlaub, la distanza fra
diversi luoghi. Allo stesso modo Etzlaub spiega al viaggiatore l'uso della bus-
sola.
Probabilmente in occasione dell'Anno Santo 1500, Etzlaub preparò la sua
famosa carta, orientata a Sud, con l'itinerario per Roma, 2 3 in cui da Danzica
e Brügge, sul lato inferiore, vengono tracciate in scala tutte le strade che con-
ducono a Roma; un anno più tardi appare la mappa delle strade imperiali,
redatta con la stessa tecnica. Qui per la prima volta la tecnica della bussola
viene consapevolmente utilizzata anche per la terraferma, in cui si tiene con-
to anche di un confine politico. L'effetto di queste carte fu straordinario: co-
me silografie erano facilmente acquistabili da chiunque, inoltre usavano del-
la lingua tedesca ed erano di grande utilità per una vasta cerchia di persone.

22
Cfr. H. KRÜGER, Des Nürnberger Meisters Erhard Etzlaub älteste Straßenkarten von
Deutschland, in: Jahrbuch f. fränkische Landesforschung XVIII, 1958, pp. 1-286; cfr. tavola vi-
cino a p. 16.
23
(Vgl. unten Tafel 77).
[96] XXIV. Mappe del cielo e della terra 495

Nelle sue meridiane a bussola del 1511 e del 1513 - che sono costruiti con
la stessa tecnica delle carte e come le carte non hanno l'indicazione dell'auto-
re -, sono intagliate sul coperchio di avorio della bussola, alto 11 centimetri,
delle carte mondiali orientate a Sud. Da notare sul bordo i gradi di latitudine
riportati: in basso, cioè verso il polo Nord, appaiono allargati, anticipando
così la proiezione di Mercatore. 24

C. Conclusione: riassunto

Queste osservazioni avrebbero potuto avere come titolo anche «Dalla Peu-
tingeriana a Erhard Etzlaub», poiché queste sono le due carte in cui mag-
giormente vengono trattati i quattro concetti che fanno da tema a questo
convegno. In verità queste due carte sono eccezioni, che si distinguono dal-
l'insieme delle altre mappe. Non era un'abitudine misurare, e soprattutto le
carte non erano destinate alla vita pratica, come avveniva per i romani e co-
me divenne nuovamente necessario all'inizio dell'era moderna.

24
Cfr. L. BAGRO'*' -R. A. SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin 1963, p. 219; cfr. anche
F. SCHNELBÖGL, Life and Work of Erhard Etzlaub, in: Imago Mundi 20, 1968, pp. 11-26; T.
CAMPBELL, The Woodcut Map, Considered as a Physical Object: A New Look at Erhard Etz-
laub's Rom Weg Map ca. 1500, in: Imago Mundi 30, 1978, pp. 79-91; P. D. A. HARVEY, The Hi-
story of Topographical Maps. Symbols, Pictures and Surveys, London 1980, pp. 147-149; IDEM,
Local and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, (op. cit.
nota 6) I, p. 497 sg.
XXV. Kosmographische Betrachtungen bei den
Kirchenvätern, auf mittelalterlichen Mönchs karten
und bei Gerhard Mercator

Vorwort

Die Aufgabe, die der Autorin im Rahmen der Reihe „Gerhard Mercator und
seine Zeit" gestellt war, lautete als Arbeitstitel „Gerhard Mercator und das
Mittelalter". Die hier gewählte Formulierung sollte die anzusprechenden Be-
reiche plastischer verdeutlichen, bedarf aber - da die Materie manchem
fremd sein mag - einer etwas eingehenderen Erläuterung.
,Kosmographische Betrachtungen' ist die deutsche Übersetzung des Titels
von Mercators Hauptwerk, das er «Atlas sive Cosmographicae Meditationes
de fabrica mundi et fabricata figura», „Atlas oder kosmographische Betrach-
tungen über die Erschaffung der Welt und das Aussehen dieses Geschöpfes",
überschrieb. Der Herzog von Kleve hatte ihm den Titel eines Kosmographen
verliehen,' der ihn nicht nur als gewöhnlichen Kartenzeichner, sondern als
Kosmos-Darsteller in Wort und Bild auswies. Text und Bild in der Kartogra-
phie sind für Mercator eine untrennbare Einheit, wie dies auch schon für das
Mittelalter selbstverständlich war. 2 Das aus dem Griechischen stammende
Wort Kosmos - lateinisch mundus zum Unterschied von terra, griechisch
Ökumene - umschrieb bewohnte wie unbewohnte Welt. Beides war natürlich
auch im Mittelalter der übliche Gegenstand der Kartographie; die Karte
heißt nämlich mappa mundi und nicht etwa mappa terrae, auch wenn beiden
gemeinsam ist, daß das Hauptinteresse dem Schauplatz des historischen Ge-
schehens gilt als den loca, in quibus res geste sunt,5 den Schauplätzen des Ge-

1
Vgl. Facsimile der Ausgabe von 1595 durch RUMOLD MERCATOR, hg. vom Verlag Coron,
Lachen am Zürichsee o. D., Einleitung im Anhang, S. 17.
2
Vgl. Paulinus Minorità, Prolog zu „De mapa mundi", ed. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRIN-
CKEN, Die Sorge um das rechte Bild in der Kartographie, in: Fälschungen im Mittelalter. Inter-
nationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München 16.-19. September 1986,
Teil I (Sehr. d. MGH 33,1), S. 590 (= s.o. S. 314): Requiriturautem mapa duplex, picture et icrip-
ture. Nee unum line altero putei sufficere, quia pictura sine icriptura provincial ieu regna confuse de-
monstrat, scriptura vero non tarnen sufficienter sine adminiculo picture provinciarum confinia per va-
rias partes celi sic determinai, ut quasi ad oculum conspici valeant.
3
Vgl. Hugo von St. Viktor, De Tribus Maximis Circumstantiis Gestorum, Prologus, ed.
[28/29] XXV. Kosmographische Betrachtungen 497

schehens. Die Masse der mittelalterlichen Karten findet sich in historischen


und nicht in den naturwissenschaftlichen Werken, aber auch bei Mercator
ist die Kartographie noch in ausgeprägtem Maße auf die Geschichte bezo-
gen.4
Bei den Kirchenvätern sind nur die lateinischen zu befragen, hier beson-
ders Hieronymus, Augustin und Orosius sowie der mit ihnen zeitgleiche
Schulbuchautor Macrobius, von dem das religiöse Bekenntnis nicht auszu-
machen ist.
Als mittelalterliche Mönchskarte pflegt man die Kartenzeichnungen vom
8. bis 15. Jahrhundert zu bezeichnen, weil sie in Schulen von Stiften und Klö-
stern entstanden, die bis ins 12. Jahrhundert im Westen auch die Hochschu-
len der Christenheit waren. Hier sollen die Karten des letzten Kirchenvaters
Isidor von Sevilla erörtert werden mit ihrer Fortgestaltung bei Beatus von
Liébana, dazu vier weitere Beispiele aus Frühscholastik, Summen-Kartogra-
phie des 13. Jahrhunderts, Seekartographie sowie aus dem Vorentdeckungs-
zeitalter bzw. der Zeit der Ptolemäus-Renaissance des 15. Jahrhunderts.
Mercator aber kommt mit der Karte der Nordlande aus dem Atlas zu
Worte, deren Vorbild 1569 entstand. Sie wendet neue Technik auf uralte
Überlieferungen an.

Einleitung

Gerhard Mercators Name ist untrennbar mit der nach ihm benannten Pro-
jektion verbunden, jenen Kartennetzentwürfen, auf denen Meridiane und
Breitenkreise als sich rechtwinklig schneidende Parallelen abgebildet sind;
die Breitenkreisabstände werden zum im Unendlichen angenommenen Pol
hin ständig größer. Vermutlich hat es sich Mercator selbst nie träumen las-
sen, daß seine Projektion ihm derart zum Ruhme gereichen würde, denn er
sah im Kartenzeichnen nur eine Fertigkeit, die ihm die Möglichkeit eines sei-
ner Ausbildung entsprechenden Broterwerbs bescherte, strebte mit der Kos-
mographie hingegen zu der Wissenschaft, in der er - als einer höheren Form
von Weltdarstellung, ihrer Entstehung in theologischer wie philosophischer
Sicht einschließlich der Einwirkung des Menschen auf sie im Laufe der Ge-
schichte - seine eigentliche Berufung sah, denn von Hause aus bzw. aus inne-

WILLIAM M. GREEN, Hugo of St. Victor, De Tribus Maximis Circumstantiis Gestorum, Specu-
lum 18, 1943, S.491.
4
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, „...Ut describeretur universus orbis". Zur Uni-
versalkartographie des Mittelalters, in: Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters,
hg. von ALBERT ZIMMERMANN, Miscellanea Mediaevalia 7, 1970, S.249-278 ( = o. S. 82-111).
498 Studien zur Universalkartographie [29/30]

rer Berafung fühlte sich Gerhard Mercator als Geisteswissenschaftler. Seine


Projektion wurde zu seiner Zeit noch keineswegs als genialer Einfall gefeiert
und nur in der Seekartographie angewandt, erst Adolf Stieler hat ihr seit
1817 durch seinen Handatlas zu allgemeinener Anerkennung verholfen.5
H. Averdunck allerdings äußert sich 1914 in seinem Standardwerk über
die Kartographenfamilie Mercator über den «Atlas sive Cosmographicae
Meditationes»:6„Wenn der Ruhm Mercators auf diesem Werke beruhte, so
wäre er längst dahin. Denn es ist seiner ganzen Anlage nach verfehlt: auf der
Genesis und hebräischen Hymnen und anderen Poesien kann man keine
Kosmogonie aufbauen ... Das Werk hat vielleicht bei einigen Theologen
noch Beachtung gefunden; in der naturwissenschaftlichen Forschung ist es
mit Recht unbeachtet geblieben". Averdunck übersieht, welches das persön-
liche Anliegen Mercators war, er übersieht das Selbstverständnis des christli-
chen Universalgelehrten im 16. Jahrhundert. Geisteswissenschaftler haben es
auch heute nicht leicht, ihr Brot zu finden; die Ausrichtung auf den Men-
schen selbst und sein Tun aber war im Zeitalter des Humanismus nicht min-
der aktuell als heute.
Wenn die folgenden Ausführungen auch als „Blick von einem erhabenen
Ort" charakterisiert werden könnten, so geht es hier um ein Zitat des Vin-
cenz von Beauvais aus dem Einleitungsteil zu seinem großen Spiegelwerk,
«Speculum Maius», wie er seine Summa, die größte Enzyklopädie des Mit-
telalters, überschrieb.7 Vincenz berichtet dort von sich, wie er durch geistli-
che Süße mit Liebe zum Schöpfer und Regierer der Welt erfüllt werde, wie
sein Geist aufsteige und mit einem einzigen Blick von einem erhabenen Ort
die Größe der ganzen Welt, ihre ungezählten Plätze, gefüllt mit den ver-
schiedensten Arten von Geschöpfen, betrachte, weil die Welt durch die Ge-
räumigkeit ihrer Plätze in ihrer Proportion die Unermeßlichkeit des Schöp-
fers nachahme.
Auch bei Mercator werden wir das Studium dieser unserer Erde als eine
Form von Anbetung und Gotteslob ausmachen können, denn im 16. und so-
gar im 17. Jahrhundert war man in den verschiedenen konfessionellen Lagern
der Christenheit noch weit entfernt von einer Säkularisation der universalhi-
storischen Auffassung.

5
Wie oben Anm. 1, S.20.
6
H. AVERDUNCK und J. MÜLLER-REINHARD, Gerhard Mercator und die Geographen unter
seinen Nachkommen (Petermanns Mitteilungen, Erg.-Heft 182), Gotha 1914, S.90.
7
Ed. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Geschichtsbetrachtung bei Vincenz von Beauvais.
Die Apologia Actoris zum Speculum Maius c. 6, DA 34, 1978, S. 473: ...de quodam eminenti lo-
co totius mundi magnitudinem uno ictu considerai...
[30/31 ] X X V . Kosmographische Betrachtungen 499

Man darf aber den Blick vom erhabenen Ort im Rahmen der Universal-
kartographie auch viel vordergründiger verstehen, nämlich als Versuch eines
Blickes von einem sehr hohen Punkt am Himmel (z.B. aus einer Raumfähre)
auf unsere Erdkugel; wir streifen just ein Problem, das unten im Vergleich
zwischen mittelalterlichem und frühneuzeitlichem Bild anzusprechen ist,
nämlich: Wie deutet ein Kartograph auf einer ebenen Fläche die Kugelgestalt
der Erde an?
Bedeutet Mercator und seine Zeit zugleich Mercator und das Mittelalter?
Mercator ist nur rund 30 Jahre jünger als z.B. Martin Luther, und er ist
daher in vergleichbarem Maße auch noch ein Kind des Mittelalters. Erzogen
bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben in 'sHertogenbosch, absolvierte
Mercator in Löwen das Artistenstudium, das er 1532 mit dem Magister-Exa-
men abschloß. Geistlich unruhige Zeiten ließen ihn von der Theologie Ab-
stand nehmen; auch in der Beschäftigung mit Naturphilosophie sah er keine
Existenzgrandlage für eine Familie. So widmete er sich der Mathematik, die
er dann in Astronomie und insbesondere unter dem Einfluß von Gemma Fri-
sius in Kartograpie so umzusetzen lernte und dies so vorzüglich, daß sie ihm
mitsamt seiner Familie ein angemessenes Auskommen bescherte.
Nach Überschreiten des 50. Lebensjahrs - Mercator lebte damals seit 14
Jahren in Duisburg im Dienst des Herzogs von Kleve - muß er nicht mehr
ausschließlich für den Lebensunterhalt arbeiten und kann sich die letzten 30
Jahre seines Lebens weitgehend seinem «Atlas sive Cosmographicae Medita-
tiones» widmen, gewissermaßen als ein Senior-Gelehrter seiner Neigung und
Berufung nachgehen.
Die Meditationen aber, die das 20. Jahrhundert so erstaunen, stehen in be-
ster Tradition der mittelalterlichen geographisch-historischen Enzyklopädie
etwa des Vincenz von Beauvais, dessen Werk seit der Mitte des 13. Jahrhun-
derts als die Summe aller Gelehrsamkeit galt und das bis tief ins 16., in ka-
tholischen Kreisen auch bis ins 17. Jahrhundert bekannt und benutzt blieb,
wie die frühen Drucke bis 1624 zeigen. Erst das Erstarken des Rationalismus
und die Aufklärung bewirkten hier einen Wandel. 8
Mercator sucht im ersten Kapitel der Einleitung des Atlasses (1589ff.) das
Motiv für die Erschaffung dieser Welt bei Gott in dessen Wunsch Communi-

8
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie wurde u.a. von ADALBERT KLEMPT, Die Säkularisierung
der universalhistorischen Auffassung. Zum Wandel des Geschichtsdenkens im 16. und 17. Jahr-
hundert (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 31), 1960, Teil 1, untermauert; vgl.
auch DERS., Der Protestantismus, in: Mensch und Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universal-
geschichtsschreibung, hg. von ALEXANDER RANDA (Siebentes Forschungsgespräch des Internatio-
nalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften), Salzburg/München 1969,
S. 203-236.
500 Studien z u r Universalkartographie [31/32]

care gloriam suam,9 ,Anteil zu geben an seiner Herrlichkeit'; er selbst aber


betreibt Kosmographie zu dem Zweck, daß aus dem Bewundernswürdigen
an allen Dingen in seiner einheitlichen Zielrichtung die Harmonie Gottes,
aus der Unerforschlichkeit der Komposition seine Fürsorge, seine nie enden-
de Weisheit und seine unerschöpfliche Güte Sichtbarwerden sollten.10
Bei Vincenz wie bei Mercator klingt hier die Denkweise des hl. Augustinus
an, der wie kein anderer lateinischer Kirchenvater die antike heidnische Wis-
senschaft in den Dienst der christlichen Theologie zu nehmen verstand. Ge-
meinsam mit seinem Mitarbeiter Orosius verband er heidnisches Wissen mit
christlichem Denken, während beider Zeitgenosse Hieronymus als der füh-
rende Exeget die geographische Vorstellungswelt der Heiligen Schrift aus-
legte. Hieronymus gilt auch als der früheste Schöpfer einer Karte des Heili-
gen Landes und seines Umfeldes, und Gerhard Mercator beginnt 1537 be-
zeichnenderweise seine selbständige kartographische Tätigkeit bei demsel-
ben Gegenstand.
Wie schon Isidor widmet sich Mercator der Aufgabe, die Erde in ihrer
Kugelförmigkeit auf die Fläche zu bannen, wie Beda Venerabilis und Maria-
nus Scottus betätigt sich in Mercator der Historiker und Chronologe an den
exakten Lebensdaten Christi, denn für Mercator gehören ebenso wie für
Hugo von St. Viktor Geographie und Geschichte untrennbar zusammen. Für
die Frühscholastik soll das Kartenwerk des Lambert von Saint-Omer be-
trachtet werden, für die Zeit der Summenliteratur eines Thomas von Aquin
oder Vincenz von Beauvais exemplarisch die Psalterkarte. Die Navigations-
technik der Portolane soll an der Weltkarte von Modena beleuchtet werden,
als Kenner des Ptolemäus wird Pierre d'Ailly berücksichtigt.
Neu gegenüber dem Mittelalter war seit der Ptolemäus-Renaissance die
Vermessung, sie spielte vor der Mitte des 15. Jahrhunderts so gut wie keine
Rolle. Hier liegt für den modernen Interessenten in der Tat eine große Be-
fremdlichkeit.

9
Atlas, De mundi creatione ac fabrica liber, Prolegomenon Fabricae Mundi, c. 1, Intentio
totius Cosmographiae: „... primaque intentio est, communicaregloriam suam ".
10
Ebda.: Id enim molimur, dum Cosmographiam tradimus, ut ex mirabili omnium verum in
unum [.] Deifinem concordia, et ex inperscrutabili in compositione Providentia, infinita Dei sapien-
tia, et inexhausta eius bonitas conspiciantur.
[32/33] XXV. Kosmographische Betrachtungen 501

1. Die Sicht der Kirchenväter

In seinem Geschichtswerk wider die Heiden hat Orosius, Mitarbeiter des hl.
Augustinus, um 418 als Ergänzung zu des Kirchenvaters Werk über den
Gottesstaat die Aufarbeitung der vorchristlichen heidnischen Geschichte
übernommen, um zu zeigen, daß es den Römern vor der Christianisierung
und vor der Völkerwanderungszeit mit ihren Greueln keineswegs besser er-
gangen war als seinen Zeitgenossen zu Beginn des 5. Jahrhunderts. Orosius
schreibt also mitnichten heilige oder biblische Geschichte, sondern Moesta
mundi, „Betrüblichkeiten dieser Welt". Im Einleitungsteil konstatiert er, 11
daß er zuerst die Erde (orbis terrarum) mit ihren drei von den Alten bestimm-
ten Erdteilen Asien, Europa und Afrika vorführen wolle, damit man eine
Vorstellung von den Schauplätzen der Geschichte gewinne. Da das Werk
des Orosius gern und viel studiert wurde 12 - man liebte es auch damals
schon, von Elend und Gewalttat zu lesen! -, ist diese Forderung nach Ver-
bindung von Geschichte mit Geographie immer wieder zitiert worden.
Augustinus selbst streift die Geographie verschiedentlich, ohne sich ihr
eingehender zu widmen. Bekanntlich hat er die Kugelgestalt der Erde nicht
verworfen, jedoch bezweifelt, daß es auf der Rückseite der Erde Antipoden
geben könnte - Gegenfüßler, die nicht von Noe abstammen konnten, da die
Heilige Schrift sie nicht kennt -, weil es ihm vielmehr einleuchtender dünkte,
dort Wasser anzunehmen: 13 Damit hat er nur allzu recht, er träfe auf die In-
selwelt vor Neuseeland.
Ihm wird jedoch eine für die Folgezeit verbindliche Angabe über die Grö-
ße der drei der Antike bekannten Erdteile verdankt, 14 Asien nämlich soll
sich im Verhältnis zu Europa und Afrika wie 2:1:1 verhalten; die Heilige
Schrift kannte diese Namen nicht, jedoch die genannten Erdteile als die Lan-
de der Noe-Söhne nach der Flut Sem, Japhet und Cham.
Augustinus und Orosius ebenso wie Hieronymus interessieren sich weniger
für nuda natura, für die Welt an sich, wie man am Antipodenproblem bei

11
1, 1, 14-17: ed. CAROLUS ZANGEMEISTER, CSEL 5,1882, S.8: Dicturus.. .conflictationes ge-
neris humani et veluti per diversas partes ardentem malis mundumface cupiditatis incensum e specula
ostentaturui neceaarium reor, ut primum ipium terrarum orbem quem inhabitat humanum genui, li-
cut eit a maioribus trifariam distributus deinde regionibus provinciisque determinatus, expediam;
quo facilita, cum locales bellorum morborumque clades ostentabuntur, itudioii quique non lolum re-
rum ac temporum led etiam locorum icientiam comequantur.
12
Vgl. die Tabellen bei BERNARD GUENEE, Histoire et Culture historique dans POccident me-
dieval, Paris 1980: S.250 sind 245 Textzeugen genannt
13
De civitate Dei XVI, 9.
14
Ebd. XVI, 17.
502 Studien zur Universalkartographie [33/34]

Augustin sehen kann, vielmehr suchten sie die Plätze des Heilsgeschehens zu
erfassen. Hier wurde der große Exeget und Bibelübersetzer Hieronymus
grundlegend tätig. Insbesondere in seinen Kommentaren zu den Propheten
des Alten Testaments hat er wichtige Aussagen gemacht, wozu ihn vorzugs-
weise Ezechiel anregte. Dort sind in c. 38 und 39 die der Apokalypse später
entsprechend vertrauten Völker des Nordens Gog und Magog, die den Anti-
christ und das Ende der Welt ankündigen sollten und daher das ganze Mit-
telalter hindurch höchste Aktualität genossen, erwähnt. Sie finden sich aber
auch bei Mercator auf der Septentrionalium terrarum descriptio und auf der
Asien-Karte. Aus Kap. 5, 5 leitete Hieronymus den Schluß ab, Jerasalem bil-
de das Zentrum der Ökumene, weshalb mittelalterliche Kartographen zu-
mindest seit der Kreuzzugszeit Jerusalem häufig in der Weltmitte einzeich-
nen. Hieronymus übersetzte endlich des Eusebios «Liber de situ et nomini-
bus locorum Hebraicorum», ,Hebräische Ortsnamenkunde', und befaßte
sich gründlich mit dem geographischen Namenmaterial der Heiligen Schrift.
Unter seinem Namen sind hierzu zwei Karten aus dem 12. Jahrhundert er-
halten; die eine ist eine Karte des Orients, oft als Fragment einer Weltkarte
gedeutet, vielleicht treffender als Karte zum Alten Testament verstanden,
eine weitere Karte mit Palästina und Teilen Ägyptens ist vielleicht als Karte
zum Neuen Testament zu interpretieren. In der Kreuzzugszeit - auf die die
erhaltenen Exemplare zurückgehen - waren diese Lande extrem aktuell; es
spricht aber nichts dagegen, bereits den Kirchenvater selbst als Schöpfer der
genannten Darstellungen zu verstehen. Ihre Eigenheiten finden sich denn
auch allenthalben in der mittelalterlichen Kartographie rezipiert. Hierony-
mus kommt als Exeget eine Nachwirkung zu wie keinem anderen Kirchenva-
ter, er darf daher als Gestalter der spezifisch christlichen Kartographie wie
Geographie verstanden werden.
Er hat endlich auch die Sprache der mittelalterlichen Geographen erheb-
lich mitgeformt, insofern seine Bibelübersetzung zumindest seit der Karolin-
gerzeit der verbindliche Text der Heiligen Schrift wurde. Er übertrug be-
kanntlich das Alte Testament aus dem Hebräischen und nicht aus dem Grie-
chischen der Septuaginta-Fassung. Seine Wortwahl bestimmte das 8. bis 15.
Jahrhundert nahezu ausnahmslos. 15 So findet sich für Welt im Sinne des
Schauplatzes allen Geschehens stets das Wort terra, das Wort mundus hinge-
gen, das das Neue Testament beherrscht (griechisch kosmos), kommt in sei-
ner Fassung des Alten Testaments nur ein einziges Mal bei lob (28, 24) vor.

15
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Hieronymus als Exeget ,secundum historiam'.
Von der Chronik zum Ezechiel-Kommentar, in: Dt. Archiv f. Erforschung d. MA 49, 1993,
S. 453-477.
[34/36] XXV. Kosmographische Betrachtungen 503

Diese Bedeutungen wurden für das Mittelalter verbindlich. Die Juden ver-
standen unter Erde die Ökumene; die Erde im Sinne von Kosmos ist ein im
griechischen Denken viel zitierter Begriff. Allein beim Evangelisten Johannes
kann die Hälfte der zahlreichen Belege für mundus im Neuen Testament
nachgewiesen werden, sie entstammen also sehr ausgeprägt dem Corpus Io-
hannaeum: Johannes gilt im Gegensatz zu den Synoptikern als derjenige un-
ter den Evangelisten, der mit dem spekulativen Denken der Griechen ver-
traut war. Die Heilige Schrift aber wurde zur unumstößlichen Autorität im
Christentum und insbesondere in dem des Mittelalters, jedoch auch noch für
Mercator, wenn auch nicht mehr in der von der katholischen Kirche vorge-
schriebenen Übersetzung des Hieronymus, weshalb sich Mercator die Miß-
billigung der offiziellen Kirche zuzog.
Macrobius endlich war ein Zeitgenosse der genannten Kirchenväter. Wir
wissen nicht, ob er Christ war; das geht an keiner Stelle aus seinem Werk
hervor, darf aber für diese Zeit durchaus als sehr wahrscheinlich gelten. Die-
ser Macrobius hat mit seinem Kommentar zum «Somnium Scipionis» des Ci-
cero, der zu einem der führenden Schulbücher des abendländischen Mittel-
alters wurde, die Version der ursprünglich griechischen Karte des Krates
von Mallos aus dem 2. Jahrhundert vor Christus geliefert, die das Modell
der abendländischen Kugeldarstellung wird, d.h. die Arbeiten des Ptole-
mäus haben die Lateiner in der Antike kaum erreicht; sie brauchten daher im
Westen gar nicht erst in Vergessenheit zu geraten. Krates stellte sich die Erd-
kugel von zwei Ozeangiirteln - einem Meridiangürtel und einem Äquatorial-
gürtel - in vier Landkontinente mit Inselcharakter zerlegt vor; von nur einem
hatte man Kunde über seine Bewohner, er wurde zur Ökumene, während
man über Antökumene, Periökumene und Antichthonenkontinent nichts
auszusagen wußte.
Zeichnete man die Karte des Krates bzw. Macrobius auf einer ebenen Flä-
che entstand die genordete sogen. Zonen-Karte als ein Planiglob mit Öku-
mene, bei der zwei unbewohnbare Zonen an den Polen und eine heiße un-
überwindliche Zone am Äquator zwei bewohnbare Zonen einsäumten; nur
eine von ihnen galt erschlossen als Ökumene.
Dieses,Weltbild' ging in jedes mittelalterliche Schulbuch ein und liegt u. a.
dem 13. Buch von Isidors Etymologien, dem „Brockhaus des Mittelalters",
zugrunde.
Es ist der Irrtum des ausgehenden 19. Jahrhunderts, den Kirchenvätern
ein flächiges Weltbild nachzusagen: 16 die in diesem Zusammenhang zitierten
Zeugen waren nicht nur keine Kirchenväter, sondern Ketzer: Lactantius,

16
GIOVANNI MARINELLI, Die Erdkunde bei den Kirchenvätern, Padua 1882, dt. Leipzig 1884
504 Studien zur Universalkartographie [36/37]

Rhetor bei Konstantin und Lehrer seines Sohnes, bekehrte sich zwar zum
Christentum, kannte aber die Heilige Schrift noch mit keinem Wort; Kos-
mas Indikopleustes, ein nestorianischer Alexandriner des 6. Jahrhunderts,
der griechisch schrieb, hat mit seinem Weltbild einer Tabernakelgestalt der
Erde keinerlei Leserecho gefunden.

2. Die mittelalterliche Mönchskarte

Die Erdkunde bei den Kirchenvätern genoß einen betrüblichen Ruf, aller-
dings nur in der Neuzeit, weil man Außenseiter als Kirchenväter zitierte.
Keineswegs besser bestellt war es mit der mittelalterlichen Mönchskarte, ei-
ner in ihrer Einfalt vielfach belächelten kleinen Graphik in der oben be-
schriebenen Form der Zonenkarte oder der TO-Karte.
Die erstere wurde schon vorgestellt,17 sie geht auf Macrobius zurück und
hat den ganzen Kosmos, bewohnte und unbewohnte Welt, zum Gegenstand,
zeigt freilich nur die Vorderseite der genordeten Erdkugel, die Ökumene im
Norden, die Antökumene im Süden. Besonders verbreitet war sie im 11. und
12.Jahrhundert.
Der geistige Vater der TO-Karte ist der hl. Augustinus mit seiner oben zi-
tierten Vorstellung von den Größenverhältnissen der Erdteile im Vergleich.
Da man im Mittelalter grundsätzlich ostet - im Osten geht die Sonne auf,
von Osten kommen Licht und Wärme, im Osten liegt das Paradies, gen
Osten fuhr Christus zum Himmel und wird von dort wiedererwartet; auch
außerchristliche Kulturen wie die Uiguren oder die Völker der altamerikani-
schen Hochkulturen osteten! -, wird die Ökumene als Erdkreis rund darge-
stellt mit einer oberen Hälfte Asien und mit zwei unteren Vierteln, links Eu-
ropa und rechts Afrika. Der Kreis, auch als O bezeichnet, wird durch ein
einbeschriebenes T unterteilt. Daß Augustinus eine entsprechende Graphik
entworfen hätte, ist nicht bezeugt. Sie taucht aber bald darauf in der be-
schriebenen Form und oft ganz klein auf, so daß man sie als konventionelles
Schriftzeichen für Ökumene deuten kann.
Häufig belegt ist sie bei Isidor von Sevilla (f 636), 18 dem letzten lateini-
schen Kirchenvater, dessen Werk durch Handschriften seit dem S.Jahrhun-
dert überliefert ist und dem - sowohl den Etymologien als auch seiner Na-
turkunde - beigegeben sind.

17
Vgl. Abb. 1 (vgl. unten Tafel 12): Oxford, Bibliotheca Bodleiana, Ms. d'Orville 77 fol. 100,
11. Jh
18
Vgl. Abb.2 (vgl. unten Tafel 5): Brüssel, Bibliotheque Royale, Ms. 9311-19 fol.89v, 9Jh.
[38] X X V . Kosmographische Betrachtungen 505

Die genannten Kärtchen waren reine Schemakärtchen, Schriftsymbole für


bestimmte Grund typen von Karten. 19 Es gibt daneben durchaus auch schon
Karten, auf denen Details der bewohnten Welt in reichhaltigerem Maße ge-
boten werden, doch muten sie den modernen Betrachter befremdlich an,
denn sie kennen eine für uns heute selbstverständliche Eigenschaft nicht, die
Vermessung. Hier liegt der ganz fundamentale Unterschied der Kartogra-
phie des Mittelalters zur Moderne, der zweifellos für heutige Interessen ein
beachtlicher Mangel derselben ist. Man deutete nur durch die Abfolge von
Kartenlegenden an, wie man sich die Abfolge einzelner Plätze untereinander
dachte, aber man hat bis ins 13. Jahrhundert gar nicht den Wunsch, Entfer-
nungen in einem bestimmten Maßstab mitzuteilen. Deshalb haben mittelal-
terliche Karten häufig in der Tat wenig Ähnlichkeit mit modernen.
In jeder guten Allgemeindarstellung kann man nachlesen, wie erstaunlich
die geographischen Kenntnisse der Antike waren. Hier führen die Griechen
und später ihre hellenistischen Erben, wobei sie manche Kunde vom Alten
Orient übernahmen. Wir besitzen reichhaltige schriftliche Quellen darüber,
und in ihnen ist auch mühelos nachzuweisen, daß die Antike zu messen und
zu rechnen verstand. Diese Technik ist im Mittelalter aus dem Gebrauch ge-
kommen. Der Grund dazu ist schwer auszumachen. Aber es stellt sich gene-
rell die Frage, was wir eigentlich an gemalten Karten der Alten besitzen. Au-
ßer einer babylonischen Tonscheibe ist mir persönlich kein antikes Karten-
original bekannt. Plinius 20 bezeugt die Existenz einer Karte des Vipsanius
Agrippa, Schwiegersohns des Augustus, und man hat in den verschiedensten
mittelalterlichen Karten ihre Kopie erkennen wollen. Berühmt ist auch die
Straßenkarte, die als Peutingeriana bekannt ist, doch ihre uns erhaltene
Form stammt aus dem 13. Jahrhundert. Die frühesten im Original erhaltenen
Karten des Mittelalters gehören ins 8. Jahrhundert und hängen mit Isidors
Arbeiten zusammen. Es ist nicht auszuschließen, daß die Antike gar nicht so
zahlreiche und so perfekte Karten besaß, weil etwa die spekulativ denkenden
Griechen ein viel ausgeprägteres Vorstellungsvermögen besaßen und sich bei
der Lektüre der Texte das Bild recht gut vor ihr inneres Auge zu stellen ver-
mochten. Jedenfalls gab es bei den Römern schon nicht mehr allzu viele Kar-
ten außer Straßenkarten, so daß das Mittelalter hier vielleicht gar keine gro-
ßen Möglichkeiten zur Vernachlässigung hatte. Ganz offenbar aber konnte

19
Vgl. JÖRG-GEERD ARENTZEN, Imago Mundi Cartographica. Studien zur Bildlichkeit mittel-
alterlicher Welt- und Okumenekarten unter besonderer Berücksichtigung des Zusammenwirkens
von Text und Bild (Münstersche Mittelalter-Schriften 53), 1984.
20
Plinius, Naturalis Historia III, 1-2, ed. C. MAYHOFF, Leipzig 1892-1909, 1, S.233 und
238; zur Kartographie der Antike jetzt KAI BRODERSEN, Terra Cognita. Studien zur römischen
Raumerfassung (Spudasmata 59), Hildesheim 1995.
506 Studien zur Universalkartographie [38/39]

das Mittelalter nicht vermessen und verfügte obendrein nicht über das Vor-
stellungsvermögen antiker Geographen.
Karten zeichnete man im christlichen Bereich vorrangig von der Ökumene
oder ihren Teilen, um den Ablauf der Heilsgeschichte bildlich zu untermau-
ern. Die Karten finden sich am häufigsten in Weltchroniken oder bei den bi-
blischen Geschichtsbüchern. Hier haben die Karten des Hieronymus maß-
geblich gewirkt, denn sie sind bereits geostet; sie zeigen überwiegend festes
Land und wenig Gewässer. Sie dienen der Erläuterung des biblischen Orts-
namengutes. 21 Naturwissenschaftliche Texte hingegen sind gar nicht so oft
mit Karten ausgestattet. 22
Isidor hat nun nicht nur das 14. Buch der Etymologien, De terra, „Von
der Ökumene", mit Karten versehen, sondern auch das 13. Buch, De mundo,
„Vom Kosmos". Und hier begegnet uns seit der Karolingerzeit in diversen
Handschriften eine ungewöhnliche Graphik: 23 Die Abbildung zeigt eine Zo-
nenkarte, die aber zum Unterschied von der üblichen genordeten Gestaltung
Südung zum Kennzeichen hat, später ein Typikum des Islams. Völlig aus
dem Rahmen fällt der Versuch des Zeichners, den Klimagürteln auf der Erd-
kugel durch Wölbung einen Hauch von Perspektive zu verleihen. Legenden
beschreiben die Gürtel näher. Man blickt aber auf die Kugel nicht wie ge-
wöhnlich bei Weltkarten auf der Höhe des Äquators, sondern ganz offen-
sichtlich von einem erhabenen Ort etwa über dem 60. Breitengrad oder auch
über dem Polarkreis aus. So kann man über dem Pol einen als Kreis erschei-
nenden arktischen Raum ausmachen, bei dem zu vermuten bleibt, daß er
nicht zur Ökumene gehört. Die eigentliche bewohnte Welt auf der nördli-
chen Halbkugel erscheint wie eine aufgeheftete kreisähnliche Fläche; sie
trägt nur zwei Legenden: Im Süden sind Aethiopes, im Norden Rifei Montes
zu entziffern. Diese stehen für das „Ende der Welt gen Süden" und das „gen
Norden". Dazwischen ist die bekannte bewohnte Welt anzunehmen. Diese
Karte zeigt wie keine andere Ökumene und Kosmos in ihrer Stellung zuein-
ander, wenn man sie von einer Raumfähre etwa über Island betrachtete.
Bei der genaueren Beschreibung der Ökumene stößt Isidor natürlich auch
längst auf die Tatsache, daß die Welt nicht nur aus bekannter Ökumene be-

21
London, British Library, Ms. Add. 10049 fol.64 und 64v, Hieronymus, Karte des Orients
und des Hl. Landes, 12.Jh. Reproduktionen bietet u.a. KONRAD MILLER, Mappae Mundi. Die äl-
testen Weltkarten, Bd.3, Stuttgart 1895, Tafel I und S. 14.
22
Hierzu grundlegend ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronogra-
phia. Studien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: DA 24, 1968, S. 118-186
( = o. S. 17-81).
23
Vgl. Abb. 3 (vgl. unten Tafel 8): Köln, Dombibliothek, Ms. 83/11 fol. 82, zwischen 798
und 805.
[39/41 ] XXV. Kosmographische Betrachtungen 507

steht und daß auf der Erdkugel weitere Teile jenseits der drei bekannten
Kontinente angenommen werden können. Isidor wie viele Kartographen
nach ihm vermutet diese Teile, den ,vierten Erdteil', südlich vom Äquator
und glaubt, ihn wegen der Hitze auf dem Wege dorthin nicht erreichen zu
können. Isidor sagt ausdrücklich, daß es außerhalb der drei bekannten Kon-
tinente einen vierten jenseits des Ozeans im Süden gäbe, wegen der Sonnen-
einstrahlung uns unbekannt, und daß auf seinem Gebiet monströse Gegen-
füßler angenommen würden. 24
Daher findet man auch auf einer sehr ausführlichen Isidor-Karte in der
Vaticana 25 eine insula incognita homini im Südwesten. Bildhafter tritt dieser
vierte Kontinent auf den Karten des Beatus von Liébana hervor, eines Apo-
kalypsenkommentators, der zwischen 776 und 786 in Kastilien wirkte. An-
gespielt wird hier auf die Version aus Saint-Séver aus der Mitte des 11. Jahr-
hunderts. 26 Die Karte ist wegen der Buchform oval und hat die Form der T-
Karte, wobei Europa auf Kosten der anderen Erdteile ein wenig hervorgeho-
ben ist. Typisch für die nichtvermessene Karte des Mittelalters ist die Ver-
meidung weißer Flecken auf der Landkarte: Hier beschränkt man sich auf
engem Raum auf das Bekannte und hütet sich, Leere auf dem kostbaren Per-
gament zu lassen. Daher ist Südeuropa fleißig ausgemalt und beschriftet,
auch wenn die Küsten wenig Ähnlichkeit mit heutigen Darstellungen haben.
Nordeuropa ist schlicht zusammengedrückt, das Asowsche Meer befindet
sich in nächster Nähe vom Nördlichen Eismeer, das Teil des die Ökumene
umgebenden Weltenozeans ist, gefüllt mit Inseln, Schiffen und Fischen. Das
leicht nach Südosten verrutschte T ist gut auszumachen. Ganz rechts, d. h.
südlich von Afrika, sieht man eine rote Grenzlinie, als Mare Rubrum identi-
fiziert, die Hitze versinnbildlicht, dahinter den legendären vierten Konti-
nent, mit den obigen Worten Isidors gekennzeichnet.
Die Kreuzzugszeit hat um 1100 sowohl eine neue Blüte in der Universalhi-
storiographie - Autoren wie Frutolf von Michelsberg, Ekkehard von Aura
und Sigebert von Gembloux seien genannt - als auch in der Weltkartenkunst
eingeleitet. Beispiel soll hier Lambert von Saint-Omer sein, dem man die

24
Isidor von Sevilla, Etymologiae sive Origines XIV, 5, 17, ed. W. M. LINDSAY, Oxford
1911 : Extra tres autem partes orbis quarta pars trans Oceanum inferior est in meridie, quae solis ardo-
re incognita nobis est; in cuius finibus Antipodes fabulose inhabitare produntur.
25
Ms. Vat. Lat. 6018 fol.64v-65, 775 ca.; vgl. hierzu RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isi-
dor von Sevilla, in: Mnemosyne 3, ser. 3 (1935/36), S. 1-28 mit Abb.
26
Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. Lat. 8878 fol.45ter, Beatus von Liébana, um 1045; gute
Reproduktionen bzw. ihre Nachweise bei MARCEL DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200-1500
(Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I), Amsterdam 1964, sect. 17, 7, S.41 und Tafel J
bzw. K.
508 Studien zur Universalkartographie [41/42/43]

schönste bebilderte Enzyklopädie der romanischen Zeit verdankt. Er war


Lehrer am Stift Saint-Omer, die Karten entstanden zwischen 1112 und 1115.
Insgesamt zehn Karten gehen auf ihn zurück, die aussagekräftigste sei hier
herangezogen: 27 Die Karte gehört zu einer Serie geosteter Zonenkarten, bei
denen von Stück zu Stück der Ökumene mehr Raum gelassen ist auf Kosten
der unbewohnbaren und unbekannten Gebiete am Pol und am Äquator. Bei
der vorliegenden Karte nimmt der Inselkontinent Ökumene fast das ganze
nördliche Kugelviertel ein, erscheint aber geostet. Mithin ist die Ökumene
nicht kreis-, sondern halbkreisförmig. Ein entsprechendes Gebilde kann
man als Antökumene rechts auf der südlichen Halbkugel sehen. Man kann
sehr eindrucksvoll das die bewohnte Welt einteilende T ausmachen, ganz
oben im Osten sogar ein sternförmiges Paradies jenseits der Erde, in dem
sich laut Inschrift Henoch und Elias aufhalten. Der Stern ist durch die vier
Paradiesflüsse mit der Erde verbunden.
Als Gegenpol erscheint im Westen eine Insel, deren Lage durch eine In-
schrift als auf der südlichen Rückseite der Kugel lokalisiert zu denken ist;
auf ihr sollen die berühmten Gegenfüßler hausen. Die Karte zeigt natürlich
ebenfalls keinerlei Ansätze zur Vermessung, aber sie deutet den Versuch an,
von einem sehr erhabenen Ort gewissermaßen mit einem hinter die Dinge
schauenden geistigen Auge auch die entgegengesetzte Seite der Kugel zu er-
fassen. Für den Antichthonenkontinent - er ist offensichtlich gemeint, wenn
davon die Rede ist, man habe dort Tages- wie Jahreszeiten entgegengesetzt
wie bei uns - ist das natürlich de facto kaum möglich, da ist vom Maler
schon gleichsam ein Zipfel dieses Kontinents auf die Ökumeneseite gezerrt.
Aber die Frage, wie man die Kugelrückseite ins Bild bringen könnte, ist hier
durchaus angesprochen mitsamt den üblichen Verzerrungen. Auch sind die
beiden südlichen Enden der Ökumene vom Äquator weggezogen in Rich-
tung Norden, um sie nicht zu umfangreich erscheinen zu lassen.
Von Vincenz von Beauvais ist uns keine Bildversion dieser Erde bekannt,
er hat sie offenbar nur textlich mehrfach abgehandelt, während die Chroni-
sten bzw. Enzyklopädisten häufig Bild und Schrift anbieten können. Die
Zeit der großen scholastischen Summen fand auch in der Universalkartogra-
phie ihren Niederschlag. Hier wären vorrangig die Großkarten wie die ver-
lorene Ebstorfer Weltkarte oder die Karte aus der Kathedrale von Hereford
zu nennen. Als winziges Pendant sei aber die Londoner Psalterkarte heran-
gezogen. Maß die Ebstorfer Karte 3,5 Meter im Durchmesser, so die Psal-
terkarte nur 9 cm. Auf der Vorderseite erscheint in dem Psalterbüchlein die

27
Vgl. Abb. 4 (vgl. unten Tafel 25); Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Ms. 1 Gud.
Lat. fol.69v-70, Liber Floridus, um 1180.
[43/45] XXV. Kosmographische Betrachtungen 509

gemalte, auf der Rückseite die geschriebene' Version, denn Text und Bild
paßten nicht miteinander darauf. Ebenso wie die genannten Großkarten, die
wohl Andachtsbilder in ihren Kirchen waren, ist die Psalterkarte ein theolo-
gisch-historisch-geographisches Weltbild im Kleinformat.28
Auf der Ebstorfer Weltkarte ist die Welt selbst der Leib Christi, auf der
Psalterkarte erscheint der verherrlichte Herr segnend über der Welt oder
dieselbe in Händen haltend, und unter der Welt sieht man ihn die Drachen
der Hölle zertreten. Die Welt besteht nur aus der Ökumene, Jerasalem bildet
den Mittelpunkt. Man kann das leicht nach unten verschobene T der Meere
zwischen den Kontinenten ausmachen, wobei auf allen westlichen Öku-
mene-Karten der Anteil des Meeres zu gering angesetzt wird, weil die
Abendländer nicht primär Seefahrer waren und daher keine großen Be-
schreibstoffflächen für Wasser zu vergeuden pflegten.29 An Stelle des vierten
Kontinents erscheint im äußersten unbekannten heißen Süden eine Mon-
strengalerie, im Nordosten aber die hinter den Kaspischen Bergen einge-
schlossenen Nationen Gog und Magog. Im äußersten Osten sind Adam und
Eva in einem irdischen Paradies - aus dem gleich fünf Paradiesflüsse strö-
men, nämlich außer Gion, Phison, Euphrat und Tigris auch der Ganges - zu
sehen. Orte aus den verschiedensten Geschichtsepochen sind auf diese Flä-
che projiziert, allerdings sicher nicht in Mercator-Projektion. Vermessen
wird hier überhaupt nichts, hier gelten gewissermaßen heilige, überirdische
Maße.
Etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts setzen mit dem Aufkommen der
Portolankartographie Anfänge einer Vermessung im Abendland ein, die auf
der Benutzung des Kompasses bei der Schiffahrt beruhten. Ihr Kartennetz
hat aber nichts mit den späteren Gradnetzen zu tun; vielmehr wurden Rum-
ben nachträglich über die Küsten gelegt, um genaue Angaben zu ermögli-
chen, welchen Kurs man einschlagen mußte, um einen bestimmten Hafen an-
zusteuern und besonderen Fährnissen unterwegs angemessen zu begegnen.
Zunächst hatte die Portolankarte nur die Küsten des Mittelmeeres zum
Gegenstand, erfaßte dann weitere bekannte Meere sowie das Inland und er-
oberte im 14. und 15. Jahrhundert auch die Universalkartographie. Etwa auf
der großformatigen Karte aus Modena 30 verbindet sie noch um 1450-1460

28
Vgl. Abb. 5 (vgl. unten Tafel 42); London, British Library, Ms. Add. 28681, fol. 9, um 1260.
29
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der Erde und der
vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (Sehr. d. MGH 36), Hannover 1992, S. 185 ff.
30
Modena, Biblioteca Estense, C.G.A. 1, Mitte 15Jh.; dazu KONRAD KRETSCHMER, Die ka-
talanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena, Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkun-
de zu Berlin 32, 1897, S.65-111 und 191-218 mit Abb.; auch DESTOMBES (wie oben Anm.26)
510 Studien zur Universalkartographie [45/46]

die Elemente der mittelalterlichen Ökumene-Karte mit denen der mallorqui-


nischen Seekartographie, ist aber bereits genordet.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wird die sogen. Geographie des Ptole-
mäus, eigentlich eine geschriebene Anleitung zum Kartenzeichnen, ins Latei-
nische übersetzt. Die beigegebenen Karten lassen sich nur bis in die spätby-
zantinische Zeit zurückverfolgen. Ptolemäus wurde keineswegs begierig al-
lenthalben verbreitet, sondern erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
durch die Erfindung des Buchdrucks allgemeines Bildungsgut.
Einzelne Gelehrte aber haben sich rasch intensiv mit seiner Lehre vertraut
gemacht. Zu ihnen gehört der französische Kardinal Pierre d'Ailly (1350-
1420), der seiner «Ymago Mundi» um 1410 auch Karten beigab. In der Erst-
drackausgabe hat dieses Werk Columbus nachhaltig angeregt, wie man aus
dem Handexemplar des Entdeckers weiß.
Pierre legte u. a. eine Klimatenkarte vor; dies ist eine schon aus der Antike
bekannte verfeinerte Form der Zonenkarte, auf der die bewohnte Zone in
sieben Klimagürtel unterteilt ist, die jeweils nach einem kennzeichnenden
Ort dieses Gürtels benannt sind. Pierre hat wenig gemalt und im Grande nur
auf der Karte geschrieben, d.h. Geographica inventarisiert, Gewässer zu-
meist in grüner Tinte, Gebirge in brauner und Siedlungen in roter Tinte. Die
Karte ist genordet. Nach jeder Himmelsrichtung hin findet sich der Hin-
weis, 31 bestimmte Landstriche seien nicht angemessen erfaßt, 32 sie seien in
Wirklichkeit viel größer, als dies auf der Karte erscheine; mithin vermutet
Pierre die Meere eher kleiner als angedeutet: Küstenlinien sind auf der Karte
überhaupt nicht angegeben. So soll Indien in Wahrheit fast ein Drittel der
Ökumene ausmachen, d. h. es gehe auf der dem Beschauer abgewandten Sei-
te der Karte weiter, reiche dort im Süden bis zum Wendekreis des Steinbocks
und berühre mit seiner Ostküste beinahe Afrikas Westen; auch reiche die
Ökumene im Norden weit in Richtung auf den Pol über die bekannten Kli-

sect. 52, 12, S. 217-221; vgl. jetzt Facsimile: II Mappamondo Catalano Estense - Die Katalani-
schen Estense-Weltkarte, edd. ERNESTO MILANO und ANNALISA BATTINI, Dietikon-Zürich 1995.
31
Vgl. Abb. (unten Tafel 62); Cambrai, Bibliotheque Municipale, Ms. 954 fol. 10v, nach
1410.
32
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Occeani Angustiar Latitudo. Die Ökumene auf
der Klimatenkarte des Pierre d'Ailly, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für ERICH
MEUTHEN, hg. von HERIBERT MÜLLER und JOHANNES HELMRATH mit HELMUT WOLFF, München
1994, Bd. 1, S. 565-582 (= o. S. 462-481): India fere terciam partem terre habitabilis continet, ver-
sus meridiem se extendens... Frons Indie meridianus secundum quondam protenditur usque tropicum
capricorni; Orientale vero latus usque prope finem Affrice ... Post climata versus polum multas habi-
tationes et insulas continent, que non possunt hie convenienter describi... Ante climata versus equi-
noxialem et ultra multas habitationes continent, ut ex historiis autenticis compertum est.
[46/47] XXV. Kosmographische Betrachtungen 511

mata hinaus, desgleichen südlich derselben am Äquator, wie dies ,authenti-


sche Historiker' bezeugten.
Pierre d'Aillly ist überzeugt, daß die bekanten Karten die wahren Verhält-
nisse nur sehr ungenau wiedergeben und keine brauchbaren Entfernungsvor-
stellungen aufkommen lassen. In seinen Texten liefert er dazu Einzelheiten
mit Hilfe des Ptolemäus, diese in die Zeichnung umzusetzen versteht er noch
mitnichten.

3. Die kosmographischen Betrachtungen Mercators

Nicht von Mercators Projektion soll hier die Rede sein, sondern von Merca-
tors Opus Magnum als Bekenntnis eines universellen Geistes. Spätestens ab
1564 verfolgt Mercator seinen großen Plan einer umfassenden Kosmogra-
phie, d.i. einer Weltdarstellung als vollständiger Beschreibung des Himmels
und der Erde mitsamt der Menschheit: «Atlas sive cosmographicae medita-
tiones de fabrica mundi et fabricata figura», „Atlas oder kosmographische
Betrachtungen über die Entstehung der Welt und ihr Aussehen", nennt Mer-
cator sein unvollendetes Hauptwerk, das posthum erschien. 33 Am Beginn
steht die vierjährige Arbeit an der Chronologia, 34 die als Teil des Gesamt-
werkes vorgesehen war, dann aber gesondert 1569 ebenso in Druck ging wie
die Weltkarte.
Für Mercator ebenso wie für viele mittelalterliche Autoren von Isidor über
Guido von Pisa, Lambert von Saint-Omer, Honorius Augustodunensis und
Herrad von Landsberg im 12. Jahrhundert, Gervasius von Tilbury, Vincenz
von Beauvais, Brunetto Latini und Girard von Antwerpen (Arvernia) im 13.
Jahrhundert bis hin zum perfektesten Werk dieser Art, der «Chronologia
Magna» bzw. «Satyrica Historia» des Paulinus Minorità am Anfang des 14.
Jahrhunderts, ist die Ökumene-Karte aufs engste verbunden mit einer Welt-
geschichte von der Schöpfung an. 35 Chronologia bedeutet hier Zeitablauf-

33
Benutzt in der Ausgabe von Hond 1630, Exemplar der Universitäts- und Stadtbibliothek
Köln, Signatur GG 3/2555 l 0 . Bei diesem Exemplar sind die ersten Karten (S. 27-46) herausge-
schnitten.
34
Chronologia, hoc est Temporum Demonstratio exactissima ab initio mundi usque ad an-
num Domini MDLXV1II, Köln 1569, benutzt in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln un-
ter der Signatur G 27/10.
35
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in
das Zeitalter Ottos von Freising, Düsseldorf 1957, grundlegend zur Universalhistoriographie im
abendländischen Mittelalter; zum Spätmittelalter vgl. dieselbe, Abendländisches Mittelalter, in:
Mensch und Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universalgeschichtsschreibung, hg. von ALEX-
512 Studien zur Universalkartographie [47/48]

lehre, besonders hingewiesen wird im Untertitel auf die astronomischen


Grundlagen 36 neben der Heiligen Schrift.
In der Vorrede an die Leser geht es just um die Auffälligkeit, die Mercator
dem Mediävisten so interessant macht, nämlich die Frage, was Geschichte
und Geschichtsschreibung bei dem Geo- und Kartographen Mercator zu su-
chen haben. In mittelalterlicher Tradition hängen Geographie und Ge-
schichte aufs engste zusammen, wie schon bei Orosius zu zeigen war, und
dies keineswegs im Sinne historischer Geographie, die dem Geschehen in
kausaler Verknüpfung zur Voraussetzung diente. Das gesamte Mittelalter
folgte Orosius; am treffendsten hat es Hugo von St. Viktor, Vertreter des
Symbolismus zu Anfang des 12. Jahrhunderts, in seinem Büchlein über die
Kategorien der Geschichte gesagt: Drei Dinge gehören zur Geschichts-
schreibung, die handelnden Personen, die Daten und die Schauplätze des
Geschehens. 37 Für Mercator gilt noch dieselbe Trias, und wenn er eine Kos-
mographie anstrebt, will er nicht nur die Erde, sondern den ganzen Kosmos
einbeziehen. Von mundi historia, Geschichte der Welt, ist die Rede, von hi-
storia a mundi exordio, a primo capite Genesis, Geschichte vom Anfang der
Welt bzw. ab Adam und Eva, denn mit der Bibel will Mercator beginnen.
Kosmographie biete die Anfänge des gesamten Naturgeschehens, 38 Choro-
graphia hingegen sei Teil der Geographie im engeren Sinne und desgleichen
Teil der Kosmographie, zu der mithin naturalis historia und actiones huma-
nae, Naturgeschehen und menschliches Handeln, gehören. Zeiten und Per-
sonen darzustellen sei nicht weniger Aufgabe des Kosmographen als Himmel
und Erde, Städte, Flüsse und Völker an ihren Plätzen zu beschreiben. 39
So habe die Kosmographie fünf Bereiche zu behandeln; Mercator will sich
daher zuerst den Genealogien der alten Zeiten 40 in Gestalt einer Chronik
widmen, danach werde er das geographische Werk in Angriff nehmen und

ANDER RANDA (wie oben Anm. 8), Salzburg/München 1969, S.41-86; zur Beziehung zur Karto-
graphie vgl. oben Anm. 22.
36
Chronologia, Titelblatt: ...ex eclipsis et observationibus astronomicis omnium tempom, sacris
quoque Bibliis, et optimis quibusque Scriptoribus summa fide concinnata.
37
Vgl. Liber der Tribus Maximis Circumstantiis Gestorum, Prologus, ed. WILLIAM M. GREEN
(wie oben Anm. 3), S. 491: Tria igitur sunt, in quibus praecipue cognitio pendet rerum gestarum, id
est peronae a quibus res gestae sunt, et loca in quibus gestae sunt, et tempora quando gestae sunt.
38
Chronologia, Praefatio ad lectorem, 1. bzw. 2. Seite: Cosmographia ... universae naturalis
historiae primordia exhibet, quam ad rerum gestarum historiam pertinere videntur.
39
Ebd.: ...tempora etpersonas (vgl. Hugo von St. Viktor) describere non minus erat Cosmogra-
phi, quam caelum terramque depingere et urbesflumina acpopulos suis locis disponere ...
40
Genealogias omnium antiquorum temporum ... informam chronici colligam, et quas quisque
regum urbes condiderit, quae regna instituerit, quos colonos diduxerit, et reliqua adgeographiam spec-
tantia studiose annotare...
[48/49] XXV. Kosmographische Betrachtungen 513

zwar als Teil 2 bis 4 in drei Schritten, nämlich erstens das Aussehen der Erde
und ihrer Herrschaften in jüngster Zeit, sodann zweitens dasselbe auf den
Tafeln des Ptolemäus und endlich drittens die alte Geographie - bald ge-
kürzt, bald erweitert - erörtern, schließlich als fünften Komplex die Entste-
hung der Welt beleuchten, wenn ihm Gott dazu Leben und Gesundheit
schenkt. Mercator wird also zu seiner Weltchronik angeregt, weil sie unab-
dingbar zur Kosmographie gehört. Neu ist, daß der Autor ausdrücklich äu-
ßert, seine Chronik behandle Kirchengeschichte wie bürgerliche Geschichte
für sich nach dem Vorbild des Eusebios: im Mittelalter kennt man diesen
Unterschied nicht, er kommt erst im 16. Jahrhundert auf.41 Etwa bei Johan-
nes Carion, Astronom am brandenburgischen Hofe, ist diese Zuordnung in
einer Weltchronik hervorgehoben. Seine kurze deutsche Chronik von 1532
erfuhr in der Bearbeitung von Philipp Melanchthon und anderen außeror-
dentliche Verbreitung. 42 Mercator erwähnt ferner bekannte Muster der Ge-
schichtseinteilung, so die vier danielischen Weltreiche, die zumindest seit
des Hieronymus' Daniel-Kommentar sehr populär waren, 43 er zitiert hierzu
antike Autoren aus zweiter Hand, nämlich nach Eusebios, und beklagt die
fehlerhaften Zeitangaben in der Überlieferung.
Der Kosmograph läßt im Anschluß an das Vorwort für den Leser eine al-
phabetische Quellenliste mit 123 Autoren folgen, darunter an erster Stelle
Abbatis Urspergensis chronicon, d.i. des Burchard von Ursperg Überarbeitung
der im Mittelalter sehr geschätzten Frutolf-Ekkehard-Chronik, Ado von
Vienne, die Alfonsinischen Tafeln, Alberich von Troisfontaines, Bedas
Schrift «De temporum ratione», die Heilige Schrift, die Kabala, Cassiodors
Chronik, Kedrenos, die Stromateis des Klemens von Alexandrien, Tacitus,
Diodor, Dio Cassius, Dionysius von Halikarnaß, Eusebs Chronik im Druck
von 1543, Eutrop, Gottfried von Viterbo, Herodot, Trithemius, Josephus,
Macrobius, Marcellinus Chronik, Marianus Scottus, Martinus von Trop-
pau, Matthaeus Palmerius (mit Hieronymus), Nikephoros Gregoras, Orosi-
us, Piatina, Plinius, Plutarch, Polybius, Prosper von Aquitanien, Ptolemäus
mit dem Almagest, Regino, Sabellicus, Sigebert (mit Hieronymus), Socrates'
Kirchengeschichte, Solin, Sueton, Strabo, Suidas, Thukydides, Valerius
Maximus, Velleius Paterculus, Vergil und Zonaras; dies belegt eine beachtli-

41
Vgl. hierzu HARALD ZIMMERMANN, Ecclesia als Objekt der Historiographie. Studien zur
Kirchengeschichtsschreibung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, SBB Wiener Akad. 235,
4, 1960.
42
Benutzt wurde hier die Ausgabe „Neuwe vollkommene Chronica Philippi Melanchtho-
nis ...", Frankfurt 1566, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln Gl/3906.
43
Dies gilt gleichfalls für die Carion-Chronik
514 Studien zur Universalkartographie [49/50]

che Historiographie-Kenntnis, in der kaum ein Autor fehlt, dessen Werk


1569 mühelos gedruckt zugänglich war.
Die Chronik bietet zunächst Listen von Herrschern aus vor- und nach-
christlicher Zeit sowie eine Papstliste, jedoch im Tafelteil keine retrospektive
Inkarnationsära. 44 Sie reicht bis zum Weltjahr 5534, d.i. 1568, zählt mithin
bis Christi Geburt 3965 Jahre. Mercator folgt damit der Chronologie des
Frutolf von Michelsberg mit kleinen Varianten 45 z.B. bei den Regierangsjah-
ren des Königs Amon von Juda. Um die Problematik der Chronologie des
Dionysius Exiguus, d.h. unserer Ära, weiß Mercator sehr wohl. Besonders
beschäftigen ihn die Lebensdaten Christi, auch im Mittelalter heftig erörtert,
etwa bei Marianus Scottus, der benutzt ist. Mercator legt hierzu eine Tafel
an, die auf 16 Doppelseiten nachweist, daß zwischen der Taufe Christi und
seiner Passion nicht nur zweieinviertel Jahre - wie es die Synoptiker wollen -
oder dreieinviertel Jahre nach Johannes, sondern viereinviertel Jahre vergin-
gen.
Von den danielischen Weltreichen - nämlich der Abfolge Babylon, Medo-
Persien, Makedonien und Rom - ist wiederholt die Rede, das römische läßt
Mercator ab 337 gespalten sein in ein östliches und ein westliches. Außerdem
verwendet er das Einteilungsschema Aevum I-III zur Weissagung aus dem
Hause des Elia, das u.a. bei Augustin, Hugo von St. Viktor, Otto von Frei-
sing und Joachim von Fiore 46 belegt ist, nämlich als Aevum I, inane (vor
dem Gesetz), die Zeit bis zum Weltjahr 2048, als Aevum II, unter dem Ge-
setz, die Zeit von Moses bis Christus, und schließlich als Aevum III, unter
der Gnade, die Zeit von Christi Passion im Weltjahr 3999 47 an.
Zum Weltjahr 3999 vermeldet der Kosmograph Christi Passion. 1592 hat
er nochmals gesondert in seiner Evangelienharmonie Christi Lebenszeit er-
forscht. Von den Ereignissen der heidnischen antiken Geschichte nimmt er
reichlich Kenntnis, von der mittelalterlichen hingegen kaum. Am Ende der
Tabelle sind nach festem mittelalterlichem Usus noch einige Jahre nach dem
Erscheinungsdatum - hier 1569 - vorgeplant.
Mercator gedachte nun gewiß nicht, als Historiker oder Chronist berühmt
zu werden, sondern liefert hier den ersten Teil der Kosmographie. Die
«Chronologia» war aber immerhin so erfolgreich, daß sie 1577 erneut er-

44
Vgl. hierzu ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Beobachtungen zum Aufkommen der re-
trospektiven Inkarnationsära, in:Archivf. Diplomatik 25, 1979, S. 1-20.
45
Diese Varianten finden sich bei Carion nicht.
46
Vgl. zur Lehre von den drei Status HERBERT GRUNDMANN, Studien über Joachim von Fiore
(Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 32), 1927, Repr. Darmstadt
1966, S. 89-91.
47
Vgl. Chronologia (Köln 1569), S. 147.
[50] XXV. Kosmographische Betrachtungen 515

schien. 1578 legt Mercator einen weiteren Werkteil vor, seine Ptolemäus-Be-
arbeitung, gewissermaßen den mittleren Abschnitt des in der «Chronologia»
angekündigten geographischen Parts der Kosmographie.
Den dritten Komplex aus dieser Planung über die alte Geographie hat er
nicht mehr erstellen können. Aber mit Teil II des Atlasses nimmt er die ge-
plante Studie über das gegenwärtige Aussehen dieser Erde in Angriff, end-
lich ist die Erörterung der Entstehung dieser Welt im ersten Teil desselben
aufgenommen. Dieser Atlas im engeren Sinne ist seit 1589 in Arbeit. Seine
Vollendung hat Mercator nicht mehr erlebt, er wurde erstmals durch Ru-
mold Mercator 1595 der Öffentlichkeit vorgelegt.48
Diese Ausgabe von 1595 machte erstmals viele Teilkarten zugänglich, 49
darunter nach Weltkarte, Europa-Karte, Afrika-Karte, Asien-Karte und
Amerika-Karte die Septentrionalium terrarum descriptio, gefolgt von den mit
Island beginnenden einzelnen Länderkarten, wobei die Weltkarte von Ru-
mold Mercator gezeichnet wurde.
Teil I aber behandelt zuvor De mundi creatione acfabrica, d.h. die Erschaf-
fung der Welt. Mercator folgt in der Anlage seiner Naturgeschichte einer seit
der Väterzeit üblichen Technik, indem er sich schlicht an den Ablauf des
Hexaemerons, des Sechstagewerkes Gottes bei der Schöpfung, hält; schon
Basilios der Große und Ambrosius sind hier als Vorbilder zu nennen. Vin-
cenz von Beauvais hat den naturkundlichen Teil seiner Enzyklopädie, das
Speculum Naturale, gemäß der Abfolge des Schöpfungsgeschehens aufge-
baut. Just diese Form von Naturgeschichte ist es, die Mercator auch schon in
der Chronologia modellhaft ins Auge faßte.
Verschiedene Prolegomena des Autors, von deren Aussagen oben schon
die Rede war, informieren über die Intention des Autors. Vincenz von Beau-
vais hat sich in der Apologia Actoris, dem Einleitungsbuch für seine Enzyklo-
pädie, ganz ähnlich geäußert. 50 Dabei ist nun keineswegs an eine direkte Ab-
hängigkeit Mercators von Vincenz zu denken, ebensowenig von der Chronik
des Johannes Carion, vielmehr wird hier die Norm natur- und universalge-
schichtlicher Enzyklopädien jener Zeit deutlich.

48
Vgl. oben Anm. 1.
49
Vgl. Facsimile (wie oben Anm. 1): Atlas sive Cosmographicae Meditationes de fabrica
mundi et fabricata figura, Gerardo Mercatore Rupelmundano Illustrissimi ducis Iulie Clivie et
Montis Cosmographo Autore cum Privilegio, Duisburgi Clivorum", benutzt in der Universitäts-
und Stadtbibliothek Köln, Signatur 1 P 403. Hinten angebunden ist eine Einführung, Gabe für
die Freunde des Hauses Coron, Lachen am Zürichsee, von ungenanntem Autor, der als Orien-
tierung das Werk von GEORGES GROSJEAN und RUDOLF KIENAUER, Kartenkunst und Kartentech-
nik vom Altertum bis zum Barock, Bern/Stuttgart 1970, angibt.
50
Vgl. ed. VON DEN BRINCKEN (wie oben Anm.7).
516 Studien z u r Universalkartographie [50/51]

Es folgen bei Mercator 17 Kapitel zum Hexaemeron. Da ist zunächst von


der Weisheit des Schöpfers die Rede, von der Ordnung der Dinge zueinan-
der in augustinischem Denken. Kapitel 2-7 befassen sich dann mit dem er-
sten Schöpfungstag, mit dem Anfang der Materie und mit dem Chaos, gehen
auch der Frage nach, wie lange Adam und Eva im Paradies verweilen durf-
ten. Es folgen Erschaffung des Firmaments, Trennung von Wasser und Land
- erörtert z. B. an der Gestaltung der Meeresstraße zwischen Asien und Ame-
rika -, Erschaffung der Pflanzen, der Tiere, des Menschen. Im anschließen-
den 18. Kapitel geht es um den Sündenfall, im 19. um die Erlösung durch
Christus als gewissermaßen Neuschöpfung des Menschen: auch diese heils-
geschichtliche Gegenüberstellung von Abstieg und Wiederaufstieg der Men-
schen ist in der christlichen Universalgeschichtsschreibung seit dem Symbo-
lismus des 12. Jahrhunderts üblich.
Bei der Atlantis pars altera, nämlich der Geographia nova totius mundi, ste-
hen am Anfang die großen Übersichtskarten, die Welt- und Europa-Karte
von Rumold Mercator, aber u. a. die Karte vom Polarkreis von Gerhard sen.
Schon in der Weltkarte von 1569 findet sich eine Entsprechung, die beson-
ders charakteristisch die Mercator-Projektion verdeutlicht. Ohne daß die
Projektion hier besonders erläutert werden soll, ist ihr Gegenstand so be-
schaffen, daß sie im vorrangig auf die Ökumene fixierten Mittelalter schwer-
lich einen Vorläufer haben konnte.
Die Karte geht in der bescheideneren Version von 1569 nur bis zum 70.,
in der Fassung aus dem Atlas von 1595 bis zum 60. Breitengrad. In der
Mitte des Bildes findet sich der Nordpol, als schwarzer Magnetberg im
Meer vorgestellt. Der arktische Kontinent erscheint rund um den Pol aus
vier Inseln gebildet, durch schmale Meeresstraßen untergliedert. In den Er-
läuterungen ist von stürmisch nach Norden brausenden Meeren die Rede, in
denen man so etwas wie die Relikte der Hydrographie des Macrobius 52 bzw.
Krates vermuten mag: Erwärmte Meere stürmen vom Äquator in die kalten
Zonen, hier vierfach, wo die Antike nur zwei Hälften eines Meridian-Oze-
ans kennt. Mercator gibt seine Quellen an, so hier den heute verschollenen
Bericht des Niederländers Jacobus Cnoyen aus 'sHertogenbosch aus dem 14.
Jahrhundert, der seine Informationen über die Meere von einem englischen
Minoriten aus Oxford (um 1360) bezog. Bezeichnend ist, daß man jetzt den

51
Septentrionalium terrarum descriptio bzw. Polus Arcticus ac terrarum circumiacentium desrip-
tio aus dem Atlas, Teil II, 1595 erschienen, aber auf Gerhard Mercator zurückgehend, Facsi-
mile; vgl. zu dieser Karte jetzt E. OKHUIZEN, De kaart van de noordpool in Mercators Atlas van
1595, in: Caert-Thresoor 13, Utrecht 1994, S.5-10.
52
Vgl. Macrobius, Commentarli in somnium Scipionis II, 9, ed. IACOBUS WILLIS, Leipzig
1970, S. 122-124.
[51/52] XXV. Kosmographische Betrachtungen 517

Informanten nennt, was sich erst seit Vincenz von Beauvais im Spätmittelal-
ter durchsetzt; ganz neu sind diese Inhalte dann auch keineswegs, aber das
Hauptkriterium des Mittelalters, daß ein zuverlässiges Zeugnis möglichst alt
sein mußte, gilt nicht mehr.
Viel Legendengut auf der Karte stammt aus der Mirabilia-Literatur des
Mittelalters, so die Erwähnung von Pygmäen auf einer der Pol-Inseln jen-
seits der Grenzen der bewohnten Welt, von Ung bzw. Gog in Nordostasien,
denn dort findet man sie auf vielen Portolan-Weltkarten, zumeist mit den
Mongolenherrschern in Beziehung gebracht. 53 Auch Priester Johannes ist
Mercator noch erwähnenswert. Seine wörtliche Vorlage ist hier der Minorit
Wilhelm von Rubruck aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. 54
Ganz gewiß entspricht diese Karte nicht unseren heutigen Vorstellungen
von der Arktis, bekommt aber durch Gradeinteilung und Vermessung ein
völlig neues Profil. Der sehr erhabene Ort, von dem Mercator auf die Erde
zu blicken sucht, liegt direkt über dem Nordpol, er ist also ein errechneter
Ort besonderen Charakters.
Auch die Weltkarte der östlichen Hemisphäre im Atlas, 55 die in ihrer vor-
liegenden Form auf Mercators Sohn Rumold zurückgeht, der aber die Welt-
karte von 1569 zugrunde liegt, ist im nördlichen Bereich voller Mirabilia,
wie sie sich z. T seit der Antike über die mittelalterliche Literatur fortge-
pflanzt hatten. Der Grund ist natürlich u.a., daß man auch jetzt weiße Flek-
ken auf der Landkarte meiden will, weil sie auf Wissenslücken aufmerksam
machen, die man im Zeitalter der Vermessung nicht mehr ganz so leicht ver-
decken kann wie zuvor. Man trägt dann, ehe man von gar nichts weiß, lieber
die alten Märlein ein.
Der Zeichner der Karte zu Isidors 13. Buch der Etymologien hingegen
wählt seinen erhabenen Ort über der auf den Kosmos aufgesetzten Ökumene
und denkt sich diese schlicht rund, weil der Blick vom erhabenen Ort eine
Art Rundhorizont vermittelt. Die Karolingerzeit deutet hier die Idee der be-
wohnten Welt mit der Skizze an, will nicht exakt Küsten von Ländern und
Inseln wiedergeben.

53
Vgl. zuletzt ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Gog und Magog, in: Die Mongolen, hg.
von W. HEISSIG und CLAUDIUS C. MÜLLER, Handbuch zur Ausstellung im Haus der Kunst in
München 22.3.-27.5. 1989, Bd.2, Innsbruck/Frankfurt 1989, S.27-29.
54
Wilhelm von Rubruck, Itinerarium, c. XVII,2 ff., ed. ANASTASIUS VAN DEN WYNGAERT, Sini-
ca Franciscana I, Quaracchi 1929, S. 206-208; vgl. dazu ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN,
Die „Nationes Christianorum Orientalium" im Verständnis der lateinischen Historiographie
von der Mitte des 12. bis in die zweite Hälfte des H.Jahrhunderts (Kölner Historische Abhand-
lungen 22), Köln/Wien 1973, S.400 u.ö.
55
Atlas, Weltkarte nach Rumold, östliche Hemisphäre, 1595.
518 Studien zur Universalkartographie [52/53]

An die Nordpolkarte schließen sich dann lückenlos die Einzelkarten an,


mit Island beginnend über die Britischen Inseln nach Skandinavien usw.

4. Schluß: Zusammenfassung

War mithin Mercator ein mittelalterlicher Gelehrter?


Das wird man so gewiß nicht sagen wollen. Hier sollte nur einmal davon
abgesehen werden, an Mercators Werk ausnahmslos oder vorrangig das her-
vorzuheben, was zukunftsträchtig und mithin dem modernen Menschen lieb
und teuer, vor allem vertraut ist. Mercator ist ein Kind seiner Zeit. Das 16.
Jahrhundert aber war noch mitnichten von Rationalismus geprägt, die
Grundlagen hierzu schuf erst die Aufklärung. Mercator war als Geisteswis-
senschaftler noch ganz durch die spekulative Schule der spätmittelalterlichen
Universität gegangen und wollte sich hier im Alter vollenden. Er selbst
schätzte diejenigen unter seinen Werken hoch ein, in denen er seine Fertig-
keit als Kartograph in den Dienst einer theologisch ausgerichteten Gesamt-
schau stellen, wo er von der großen Einheit her ins Detail gehen konnte, wie
man dies das ganze Mittelalter hindurch im Abendland besorgte, während
die Moslems stets induktiv vorgingen und für jeden Anbau offen waren.
Der Historiker geht methodisch korrekterweise von der vorausgehenden
Zeit aus, von dem vorhandenen und vorgegebenen Wissen, dessen Neufor-
mung dann Sache der betrachteten Persönlichkeit ist. Und in dieser Hinsicht
gliedert sich Mercator ebenso wie etwa Carion seiner Zeit ein. Der Beginn
der Neuzeit ist eine außerordentliche Zäsur, hat aber nicht über Nacht ein
neues Denken erzwungen. Dieses mußte sich über die Jahrhunderte entwik-
keln. So kommt Mercator von den geschlossenen Weltbildern eines Augusti-
nus, Hugo von St. Viktor oder Vincenz von Beauvais her, auch wenn er ihre
Modelle nur aus zweiter Hand kennt. Die Autoritätenordnung 56 ist für ihn
noch diejenige des Mittelalters: An oberster Stelle steht unumstößlich die
Aussage der Heiligen Schrift, wie dies aus der Chronologia bzw. der Evan-
gelienharmonie hervorgeht. Mercator reiht sich seinen Vorgängern als gläu-
biger Christ an.
Die Christen unterschiedlicher Richtungen waren im 16. Jahrhundert reli-
giös gleichermaßen motiviert, und hierfür legt Mercator aus voller Überzeu-
gung ein beredtes Zeugnis ab, das ebenso zu seinem Persönlichkeitsbild ge-
hört wie die Entwicklung der Mercator-Projektion.

56
Vgl. u.a. Vincenz von Beauvais, Apologia Actoris c. 11-14, ed. VON DEN BRINCKEN (wie
oben Anm.7), S.482-488, gemäß kirchenrechtlichen Vorschriften.
XXVI. Terrae Incognitae
Zur Umschreibung empirisch noch unerschlossener Räume
in lateinischen Quellen des Mittelalters bis in die Entdeckungszeit

A. Einleitung:
Terrae Incognitae - ein geheimnisumwobener
und zugleich verheißungsvoller Begriff

Der Begriff Terrae Incognitae^ weckt beim Kenner mittelalterlicher Geo- und
Kartographie mancherlei Assoziationen und scheint merkwürdig vertraut,
um sich einem konkreten Erfassen doch immer wieder zu entziehen: Er dient
nämlich als Metapher für zu entdeckende Räume dieser Erde. So empfiehlt
er sich sowohl als Buch- als auch als Zeitschriftentitel2 für Fachpublikatio-
nen zur Entdeckungsgeschichte.
Dem Freund mittelalterlicher Weltkarten und künstlerisch anspruchsvoller
Buchmalerei steht aber sogleich eine Buchinitiale des frühen 15. Jahrhun-
derts vor Augen, bei der das O der Worte Orbis situm am Textbeginn der
„Chorographia" des Pomponius Mela zugleich als eine nach mittelalterli-
chem TO-Schema gestaltete Ökumene-Karte von 96 x 107 mm erscheint, die
an den Rändern insgesamt dreimal die durch ihr Deckweiß recht auffällige
Legende terra incognita aufweist. Es handelt sich um die sogenannte Mela-
Karte von Reims, leicht oval geformt, dabei entgegen der üblichen O-Form
breiter als hoch. Bei im ganzen nur um 50 knappen Karteninschriften ist den
Terrae Incognitae herausragendes Gewicht auf dieser kleinen Karte einge-
räumt, nämlich im Norden von Europa, im Norden von Asien und im Süden
von Afrika.3

1
Das Land ist nicht unbekannt, terra ignota, sondern unerkannt, incognita.
2
Cf. R. HENNIG, Terrae Incognitae. Eine Zusammenstellung und kritische Bewertung der
wichtigsten vorcolumbischen Entdeckungsreisen an Hand der darüber vorliegenden Originalbe-
richte. Vol. 1-4, Leiden 2 1944-1956. - Die Zeitschrift gleichen Namens erscheint seit 1969 als
The Annals of the Society of Discoveries in Amsterdam im Verlag Israel.
3
Tab. IV (vgl. unten Tafel 63); Reims, Bibliotheque de la Ville, MS 1321 fol. 13, 96 x 107
mm; cf. M. DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200-1500, Amsterdam 1964, sect. 51, 27, 185 sq.
et pl. XXI/II (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi 1); cf. K. MILLER, Mappae Mundi.
Die ältesten Weltkarten 3, Stuttgart 1895, 138 sq.; cf. U. RUBERG, Mappae mundi des Mittelal-
520 Studien zur Universalkartographie [558]

Nicht ohne Grand vermutet der Betrachter dieser Kopie eines klassischen
geographischen Textes der Antike bei den Humanisten hier einen Vorge-
schmack auf das u.a. von der Ptolemäus-Renaissance bestimmte Entdek-
kungszeitalter.
Geht man in unseren lateinischen Wörterbüchern dem Begriff Terrae In-
cognitae4 nach, so findet man für incognitus die Interpretation „unbekannt,
weil noch nicht erforscht bzw. untersucht durch entsprechende experimen-
telle Erfassung", auch „fremdartig hinsichtlich Ortsangaben". Eine Reihe
von Beispielen, bei denen das incognitus bald mit terra, bald aber auch mit
plaga oder insula verbunden ist, soll dies verdeutlichen. In allen diesen Fällen
ist von einem nachweislich vorhandenen Raum, in der Geo- bzw. Kartogra-
phie von Teilen der Ökumene oder unmittelbar angrenzender Fläche die Re-
de. Als incognitus wird generell zwar etwas Unbekanntes, aber doch etwas
Kognoszierbares bezeichnet. Der Begriff spielt besonders in historisch-kul-
turellen Übergangszeiten eine Rolle, d. h. in Spätantike und Frühmittelalter
ebenso wie in der Entdeckungszeit am Ausgang des Mittelalters.

B. Hauptteil:
Zur Umschreibung empirisch noch unerschlossener R ä u m e
in lateinischen Quellen des Mittelalters bis in die Entdeckungszeit

1. Terrae Incognitae in der klassischen Literatur der Antike

Aus den Beispielen der Lexikographie seien einige charakteristische ausge-


wählt, die bei dem hier besonders interessierenden mittelalterlichen Begriff
Pate gestanden haben mögen:
Livius (59 v. Chr. - 17 n. Chr.) 5 etwa spricht zwar nicht von Terrae Incogni-
tae, sondern von einem "incognitus orbis terrarum", den sich diejenigen mit
Waffen in Asien erschlossen, die Europa bereits bezähmt hatten.

ters im Zusammenwirken von Text und Bild. Mit einem Beitrag zur Verbindung von Antikem
und Christlichem in der ,principium'- und ,finis'-Thematik auf der Ebstorfkarte, in: Text und
Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, ed. C.
MEIER und U. RUBERG, Wiesbaden 1980, 560 u. Abb. auf 589; cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fi-
nes Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten, Han-
nover 1992, 136 sq. et tab. 42 (Schriften der MGH 36).
4
Cf. Thesaurus Linguae Latinae Vol. VII, 1 Fase. XV, Leipzig 1964, col. 962-964, specialiter
col. 963 de locis; cf. etiam Oxford Latin Dictionary, ed. P. G. W. GLARE, Oxford 1982-1985,
871.
5
Ab Urbe condita 1. 42, 52, 14; Titi Livi Ab Urbe condita libri XLI-XLV, ed. J. BRISCOE,
Stuttgart 1986, 129: animum hos habendum esse quem habuerint majores eorum, qui Europa omni
[558/559] X X V I . Terrae Incognitae 521

Weltbild des Krates von Mallos. Bewohnbare Kontinente I-IV

Pomponius Mela verfaßte um 43/44 n.Chr. unter Kaiser Claudius sein


geographisches Werk «De Chorographia», in dem der Begriff Terrae In-
cognitae erstmals eindeutig in dem später für das Mittelalter üblichen Sinne
belegt ist. Mela zitiert 6 einleitend in seiner Erdbeschreibung kosmographi-
sche Aussagen aus dem Weltbild des Krates von Mallos und der darauf beru-
henden Unterteilung des Planiglobs in fünf Gürtel nach Art der mittelalterli-
chen Zonenkarte; auf beiden Hemisphären gibt es da jeweils eine breite Zo-
ne, die bewohnbar ist, beide sind voneinander getrennt durch einen heißen
Gürtel und an beiden Polen jeweils begrenzt durch eine eisige Polarzone;
Mela beschreibt: reliquae habitabiles paria agunt anni tempora, verum non pa-
riter. anticthones alteram, nos alteram incolimus. illius situs ob ardorem interse-
dentis plagae incognitus, huius dicendus est. Noch nicht Terra, aber situs einer
theoretisch bewohnbaren zona ist hier incognitus wegen der Hitze der da-
zwischenliegenden plaga, derentwegen man ihn nicht erreichen kann. Bei
dem in Pergamon wirkenden stoischen Homer-Exegeten Krates von Mallos
(2.Jh. v.Chr.) wird die Erdkugel durch zwei sich in rechtem Winkel schnei-
dende Ozeanringe, einen Polar-Ozean durch beide Pole und einen Äquato-
rial-Ozean, in vier Inselkontinente derart geteilt, daß vier Kugelviertel ent-
stehen, deren eines als unsere Ökumene gedeutet ist; auf der Südkugel sind
die Antöken, auf der Rückseite unserer Ökumene die Periöken und auf der
Rückseite der südlichen Halbkugel die Antichthonen anzunehmen; sie alle
sind von der Ökumene unerreichbar geschieden. Mela spricht irrtümlich die
Periöken als Antichthonen an, wenn er von gleicher Jahreszeit redet; die an-

domita transgressi in Asiam incognitum famae aperuerint armis orbem terrarum, nee ante vincere de-
sierint...
' I, 4; cf. K. BRODERSEN (ed.), Kreuzfahrt durch die Alte Welt, zweisprachige Ausgabe,
Darmstadt WB 1994, 32-34.
522 Studien z u r Universalkartographie [559/560]

ticthones unterscheiden sich von den Ökumenebewohnern sowohl durch ver-


schiedene Jahres- als auch verschiedene Tageszeiten.
Plinius Secundus (79 n.Chr.) beschreibt in seiner Naturgeschichte 7 einen
sinus incognitus in ora Aethiopiae, einen unbekannten Meerbusen an den Ge-
staden Äthiopiens, den er deshalb für verwunderlich hält, weil Kaufleute
darüber hinaus vordrangen und als Seefahrer ein weiter südlich gelegenes
Vorgebirge erforschten; es geht mithin hier mit Äthiopien um ein Gebiet an
der südlichen Grenze zur bewohnten Welt bzw. sogar jenseits derselben.
Tacitus läßt die Flotte der Römer im Werk über seinen Schwiegervater
Agricola (verfaßt um 98 n.Chr.) bislang unbekannte Inseln jenseits von Bri-
tannien, nämlich die Orkneys, finden.8
Curtius Rufus, Biograph Alexanders des Großen in der Kaiserzeit und
wohl vor der Mitte des 2.Jh. wirkend, sagt von den Tyriern, 9 sie hätten als
erfahrene Seefahrer Länder als Sitze für ihren Nachwuchs ausgewählt, die
den übrigen Völkern noch unbekannt waren.
Tiberius Claudius Donatus, Vergil-Interpret vor Ende des 4.Jh., spricht
von für die Schiffbrüchigen fremden und unbekannten Ländern. 10
Faßt man diese Beispiele zusammen, so geht es stets um bislang uner-
forschtes festes Land, das bei Livius mit Waffen als unbekannter Erdkreis,
bei Mela als bewohnbarer Erdgürtel auf der anderen Halbkugel der Erde,
bei Plinius als unbekannter Meerbusen im äußersten Süden, bei Tacitus als
die Orkney-Inseln im Nordwesten, bei Curtius Rufus als Terrae Incognitae
im Sinne von wenig bekannten Meeresgestaden, bei Claudius Donat als
fremde und unbekannte Gestade für Schiffbrüchige erscheint. Insgesamt ist
an Küsten des Mittelmeeres, Inseln im Atlantik oder aber - so bei den Geo-
graphen - an Erdstriche auf einem Südkontinent gedacht.

7
Naturalis H i s t o r i a V I , 173, ed. C. MAYHOFF, Leipzig 1906, T. I, 502: Hinein ora Aethiopiae
sinus incognitus, quos miremur, cum ulteriora mercatores scrutentur, promunturium in quo fons Cu-
cios, expetitus navigantibus.
8
Agricola 10, 4, e d d . R. M . OGILVIE et Sir I. R I C H M O N D , O x f o r d 1 9 6 7 / 1 9 7 0 , 9 9 : . . . Romana
classis circumvecta insulam esse Britanniam adftrmavit, ac simul incognitas ad id tempus insulas, quas
Orcadas vocant, invenit domuitque.
' H i s t o r i a r u m Alexandri Magni M a c e d o n i s libri quae supersunt 4, 4, 20, ed. K O N R A D M Ü L -
LER, M ü n c h e n e. a. (ca. 1954), 52: Credo libero commeantes mari saepiusque adeundo ceteris incog-
nitas terras elegisse sedes iuventuti.
10
Interpretationes Vergilianae 1, 2 9 5 , ed. H . G E O R G I I , Leipzig 1905, 64: ...ne naufragi in
alienis terris et incognitis atque in Hs in quibus constaret inimicam lunonem vehementissime coli ali-
quam violentiam paterentur.
[560/561] X X V I . Terrae Incognitae 523

2. Terrae Incognitae im christlichen Weltbild

Befragt man die Heilige Schrift nach Terrae Incognitae, so erweist sich die
Suche als ergebnislos. Weder das Alte noch das Neue Testament kennen den
Begriff, übrigens auch nicht das Wort incognitus als etwas, das man nicht
kennt, aber gern gekannt hätte; wohl ist hingegen der Begriff ignotus, unbe-
kannt, verwendet.
Terra ist im Alten Testament in der Vulgata-Fassung des Hieronymus der
Begriff nicht nur für Land, sondern für Erde schlechthin. Im Gegensatz zu
mundus, dem entsprechenden Begriff des Neuen Testaments, der das grie-
chische Wort Kosmos wiedergibt, besagt er bewohnte Welt," Platz des
Heilsgeschehens und des Wirkens Gottes an seinem auserwählten Volk, also
eine Welt, die der Erfahrbarkeit an sich offensteht und offenstehen muß. Ein
Weltbildbegriff, wie ihn der Hellenismus kennt, geht dem Alten Testament
im übrigen ab. 12
Zwangsläufig sind demnach Plätze des Heilsgeschehens renommierte Orte
und eben keineswegs Terrae Incognitae; Gottes Offenbarung kennt keine un-
bekannten Handlungsorte. So richtet sich etwa der Missionsbefehl am Ende
des Matthäus-Evangeliums 1 an omnes gentes und nicht an Terras Incognitas,
und bei der entsprechenden jüngeren Stelle im Markus-Evangelium 14 ist in
mundum Universum hinzugefügt. Mithin hat Hieronymus einen entspre-
chenden Begriff nirgends herausarbeiten müssen, da er für die Schriftexegese
bedeutungslos war.
Anders sieht das bei Augustinus aus, als er die Glaubwürdigkeit der hohen
Lebensaltersangaben der vorsintflutlichen Menschen in der Genesis erör-
tert: 15 Zweifeln kann man an Schriftaussagen grundsätzlich nicht, 16 und
wenn sich auch kein eindeutiger Beweis erbringen lasse, so habe doch auch
Plinius schon Menschen gekannt, die 200 Jahre alt waren. Falls man solche
Menschen an einem uns unbekannten Ort akzeptiere, so sei dasselbe Verfah-
ren auch analog für sehr ferne Zeiten nicht zu verwerfen.

11
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, op. cit. nota 3, 10-14.
12
Cf. C. HOUTMAN, Der Himmel im Alten Testament. Israels Weltbild und Weltanschauung,
Leiden 1993, 283 sqq.
13
Mth28, 19.
14
Mc 16, 25: Euntes in mundum Universumpraedicate Evangelium omni creaturae.
15
De civitate Dei 15, 9, edd. B. DOMBART et A. KALB, Darmstadt WB 2 1981, II, 76.
16
Cf. Augustinus, Contra Faustum XI, 5, ed. J. Zycha, Wien 1891, 320 sq. (CSEL 25,1).
524 Studien zur Universalkartographie [561/562]

Was Augustin hier und desgleichen auch im Zusammenhang mit der Dis-
kussion um die Existenz von Antipoden 17 anspricht, ist etwa eine contraria
pars terrae, von der man nicht einmal wisse, ob sie von Festland gebildet oder
mit Wasser bedeckt sei; schon gar nicht könne man sagen, daß dort Men-
schen lebten, weil niemand den Ozean dorthin überquert haben könnte, an-
dererseits aber alle Menschen gemäß Heiliger Schrift von Noe abstammten
und man sich daher schwerlich vorstellen könne, daß und auf welche Weise
menschliche Lebewesen dorthin gelangt sein könnten.
Das Christentum kann mithin wenig mit Terrae Incognitae anfangen, ak-
zeptiert diese allenfalls als ein Gebiet, von dem man nicht weiß, ob es be-
wohnt ist, da man sich nicht vorstellen kann, wie Nachkommen Adams bzw.
Noes dort hingelangen konnten. Der Begriff Terrae Incognitae ist folglich
ebensowenig in Isidors Etymologien erörtert.

3. Terrae Incognitae im kratetischen Weltbild der Lateiner

Die Bibel befaßt sich nicht mit der Kugelgestalt der Erde, weil ihr nur die
Orte des Heilsgeschehens wichtig sind, d.h. die Ökumene. Das bedeutet
aber mitnichten, daß die Christen die Kugelgestalt der Erde grundsätzlich
verworfen hätten, wie ihnen dies oft für Antike und Mittelalter unterstellt
wird. Ausnahmen bilden nur einmal Laktanz, Lehrer am Hofe Konstantins
des Großen und in eben dieser Zeit zum Christentum bekehrt, der in seinen
«Institutiones» 18 die Antipodenlehre lächerlich macht, sich allerdings an kei-
ner Stelle seines Werkes als Kenner oder gar Benutzer der Heiligen Schrift
ausweist; zum anderen hat desgleichen der Nestorianer Kosmas Indikopleu-
stes, 19 dem lateinischen Mittelalter total unbekannt geblieben, die Kugelge-
stalt der Erde als Symbol der Zyklik abgelehnt; ansonsten aber hat das 19.
Jahrhundert die Kirchenväter zu Unrecht der Borniertheit geziehen. 20
Schule bildend wurden vielmehr zwei Autoren zu Beginn des 5. Jahrhun-
derts, Zeitgenossen von Hieronymus und Augustinus, die vermutlich auch
bereits Christen waren, ohne daß dies aus ihren Schriften deutlich wird, Ma-
crobius und Martianus Capella. Beider Werke spielten im mittelalterlichen
Artes-Kanon eine große Rolle:

17
Decivitate Dei 16, 9, op. cit. nota 15, 138.
18
Divinae Institutiones III, 24, ed. S. BRANDT, Wien 1890, 254-256 (CSEL 19).
19
Ed. W. WOLSKA-CONUS, Cosmas Indicopleustès. Topographie Chrétienne, 1968-1973
(Sources Chrétiennes 141, 159, 197); W. WOLSKA, La Topographie Chrétienne de Cosmas Indi-
copleustès: Theologie et science au Vìe siede, 1962 (Bibliotheque Byzantine. Études 3).
20
Cf. G. MARINELLI, Die Erdkunde bei den Kirchenvätern, dt. Leipzig 1884.
[562/563] X X V I . Terrae Incognitae 525

Zonenkarte mit zwei bewohnbaren Zonen TO-Karte

Macrobius, der Ciceros «Somnium Scipionis» kommentierte, lehrte das


Abendland das Weltbild des Krates von Mallos, 21 das bereits auf die frühen
griechischen Naturphilosophen zurückging und für die Stoa verbindlich
wurde, und in dieser Form ging die Vorstellung von der Kugelgestalt der Er-
de in die Lehrbücher des lateinischen Mittelalters ein. Macrobius kannte
keine ausdrücklichen Terrae Incognitae, doch erörterte er an anderer Stelle22
die Inselkontinente der Antöken und Antichthonen, von uns durch vastae so-
litudines getrennt, und dachte sich alle vier Kontinente vergleichbar be-
wohnt, vermutete also gewissermaßen vier verschiedene, einander unbe-
kannte Menschengeschlechter. Zu seinem Werk sind zahllose Zonenkarten
überliefert.
Martianus Capella handelte in seinem Buch «De Nuptiis Philologiae et
Mercurii» systematisch von den sieben Artes Liberales und ging im 6. Buch
«De geometria» gleichfalls auf die möglichen Bewohner der anderen Konti-
nente ein, 23 deren Lebensverhältnisse er selbstverständlich ausführlich be-
schreibt.
Die bildliche Gestaltung dieser Kosmosdeutung lief nicht problemlos ab,
da Kugeln nicht ohne weiteres auf einer Fläche zu kennzeichnen sind. Si-
gnum für diesen Kartentyp wurde die sog. Zonenkarte, die die fünf Klima-
gürtel der Erde als Zonen auf dem Planiglob zeigt und daher den in der Re-

21
Commentarli in Somnium Scipionis II, 9, ed. I. WILLIS, Leipzig 1970, p. 122-124.
22
Ibidem II, 5, 29-35, ed. I. Willis, p. 112-114.
23
Ed. I.WILLIS, Leipzig 1983, §§ 602-608, p. 211-213.
526 Studien zur Universalkartographie [562/563/564]

gel genordeten Kosmos in Segmenten anbietet. Dabei sind die Zonen 2 und
4 bewohnbar, Zone 2 wird als unsere Ökumene verstanden.

4. Terrae Incognitae im Frühmittelalter

Isidor von Sevilla ("f 636) setzte Augustins Konzeption der TO-Karte bild-
lich um, denn zu seinem Werk sind erstmals die kleinen schematischen TO-
Karten erhalten, die sich die geostete Ökumene kreisrund ( = O) vorstellen,
unterteilt durch ein T von Gewässern, nämlich Don und Nil als T-Balken
und Mittelmeer als T-Schaft: So erhält Asien die obere, östliche Welthälfte,
in die untere westliche teilen sich Europa und Afrika. 24
Isidor versuchte außerdem sogar, die Zonenkarte sphärisch zu gestalten,
indem er die Erde nicht als Planiglob vom Äquator aus, sondern von einem
Punkt hoch über dem nördlichen Polarkreis gesüdet betrachtete, so daß die
Klimagürtel nicht als Segmente, sondern als Bogen erscheinen. 25 Unter sei-
nem Namen ist endlich eine große detaillierte Ökumene-Karte bekannt, die
übrigens als genordwestet zu gelten hat und in den Ausgang des S.Jahrhun-
derts datiert wird. 26 Sie zeigt die drei bekannten Erdteile, läßt aber außer-
halb der Ökumene oben links, d.h. im Süden, eine große Insel erscheinen,
die die Legende trägt: insula incognita (h)omini. sunt IUI partes mundi. Diese
Stelle korrespondiert mit den Texten des 14. Buches der «Etymologiae», wo
es V, 17 nach Behandlung der bewohnten Welt und ihrer drei Kontinente im
Anschluß an die Erörterung von Afrika heißt: Extra tres autem partes orbis
quarta pars trans Oceanum interior est in meridie, quae solis ardore incognita
nobis est; in cuius finibus Antipodes fabulose inhabitare produntur. Südlich von
Afrika liegt mithin der vierte Erdteil jenseits des Ozeans, zu einer Insel ver-
kleinert, da man ihn inhaltlich nicht zu füllen weiß angesichts der Tatsache,
daß er den Menschen unbekannt ist.
Die Karte des Beatus von Liébana, der 776 bis 786 seinen Apokalypsen-
kommentar mit einer kartographischen Illustration der Aussendung der
zwölf Apostel als Missionare an die Enden der Ökumene ausstattete, ist nur
in etwa 15 Abschriften aus der Zeit des 10. bis 13. Jahrhunderts erhalten; fast
alle sind auf der Iberischen Halbinsel entstanden. Gewöhnlich haben sie,
dem Buchformat folgend, eine ovale Form und zeigen die Erdteile nach dem
Modell der TO-Karte. Nahezu alle haben rechts, d.h. im Süden jenseits von

24
De civitate Dei 16, 17, op. cit. nota 15, 154.
25
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, op. cit. nota 3, tab. 13.
26
MS Vat. Lat. 6018 fol.64v-65; cf. R. UHDEN, Die Weltkarte des Isidor von Sevilla, in:
Mnemosyne 3, ser. 3, 1935/36, p. 1-28 (vgl. unten Tafel 9).
[564/565] X X V I . Terrae Incognitae 527

Afrika, einen vierten Erdteil, abgetrennt durch einen roten Strom, der das
heiße Äquatorialmeer bzw. das Rote Meer versinnbildlicht. Der meist ver-
kleinerte vierte Erdteil ist mithin die Antökumene. Teilweise ist er mit dem
obenzitierten Isidor-Text beschriftet, oder er trägt den ähnlichen Vermerk: 27
Hec pars ab ardore solis nobis incognita et inhabitabilis, inanes scopodes feruntur
habitare singulis cruribus et celeritate mirabili, quos inde sciopodas Greci vocant
eo quod per estum in terra resupini iacentes pedum suorum magnitudinem adum-
brantur. Der vierte Erdteil ist also unbekannt, aber der klimakundige Kom-
mentar stellt sich die Lebensbedingungen in der großen Hitze vor und hält
offenbar einen angemessenen Sonnenschutz für das vordringlichste Problem.
Dazu ist ein Skiapode eingezeichnet, der sozusagen die Vorstufe der Mon-
strengalerie bildet, die später die summarischen Ökumene-Karten des 13.
Jahrhunderts im Süden aufweisen. Soweit diese Karten noch Apostelköpfe
zeigen wie die von Burgo de Osma, 2 8 sucht man vergebens nach Terrae In-
cognitae, denn diese waren den Heilsboten nicht zugänglich und nur einer
Welt außerhalb der Ökumene und des Heilsgeschehens zuzuordnen.

5. Terrae Incognitae im Hochmittelalter

Lambert von Saint-Omer zeigt sich in seinem an Weltbildern recht reichen


«Liber Floridus» (um 1112-21) natürlich auch mit dem Problem der Terrae
Incognitae konfrontiert. Auf seiner großen hemisphärischen Weltkarte, die
im Autograph verlorenging und nur in Abschriften seit Ausgang des 12. Jahr-
hunderts vorliegt, hat er links die nördliche Halbkugel in vielen Details plan
dargestellt, rechts blieb ihm viel kostbarer Beschreibraum verfügbar, weil er
über die Antökumene zwangsläufig wenig auszusagen vermochte. Diesen
weißen Flecken auf der Landkarte nutzt er zu einem ausführlichen Text über
die Terrae Incognitae :29 Auster. Plaga australis temperata, sed filiis Ade incogni-
ta. Nichil pertinens ad nostrum genus. Mare namque Mediterraneum, quod ab
ortu solis ad occidentem defluit, et orbem terre dividit, humanus oculus non vi-
dit; quoniam solis ardore semper illustratum, qui desuper per lacteum currit cir-
culum, accessus repellit hominum, nec ulla ratione ad hanc zonam permittit tran-

27
Cf. Tab. II (vgl. unten Tafel 14): Beatus-Karte von Burgo de Osma, Archivo de la Catedral
MS 1 fol.34v-35, A. D. 1086, cf. Destombes op. cit. nota 3, sect. 17,8 p . 4 1 ; repr. nach K. MIL-
LER, op. cit. nota 3, vol. 1, 35.
28
Cf. DESTOMBES, ibidem, sect. 17, 11 p.42: Karte von Lissabon, Arq. Nat. de Torre do
Tombo, cod. 160, 1189, et Milano, Ambros. F. 105 sup., fol.71v-72, Ende 12Jh.; cf. D. ROSEN,
Die Beatus-Karten (Phil. Mag.-Arb. R W T H Aachen 1989, unpubl.).
29
Ms. Wolfenbüttel 1 Gud. Lat. fol.69v-70 (vgl. unten Tafel 25).
528 Studien zur Universalkartographie [565/566]

situm. Hanc inhabitare phylosophi antipodes autumant, quos a nobis diversitate


temporum divisos asserrunt. Nam cum estate torremur, Uli frigore congelantur.
Nobis vero septentrionalia sydera cernere permissum est, et Ulis penitus denega-
tum. Nulla alia astra sunt que illorum obtutibus denegentur, et que simul cum il-
lis oriuntur, simul veniunt in occasum, et dies noctesque sub una longitudine pa-
tiuntur. Solstitii autem celeritas et sol per brinam [= brumam?] properando re-
vertens bis hyemem per Mos inducit.
Lambert beschreibt hier den Antökenkontinent, den die Menschen unserer
Ökumene nicht erreichen können, weshalb ihn kein menschliches Auge je
gesehen hat. Die Philosophen bezeichnen die Bewohner als Gegenfüßler.
Man hat dort stets entgegengesetzte Jahreszeiten und sieht andere Sterne,
aber gegebenenfalls gleichermaßen Aufgang und Untergang, da man Tag
und Nacht unter dem gleichen Längengrad erlebt. Auch soll die Geschwin-
digkeit der Sonnenwenden so schnell verlaufen, daß man zweifach Winter
erlebt.
Die übrigen Zeichnungen Lamberts, die die Zonenkarte bieten, enthalten
ganz entsprechende Texte über die zona australis incognita.30 Lamberts Bil-
denzyklopädie wurde auch in den folgenden Jahrhunderten kopiert und
blieb im Gedächtnis. Darüberhinaus allerdings spielt Pomponius Mela keine
große Rolle etwa im Zeitalter der Summenliteratur oder der großen Asienrei-
sen, wo vom Aufsuchen irgendwelcher Terrae Incognitae nie die Rede ist:
Wandte man sich auf den Orientreisen doch Gebieten zu, die seit alters der
Ökumene zugerechnet wurden und daher nicht als incognitae eingestuft wur-
den. Insbesondere die Mission war - man vergleiche die Heilige Schrift -
eben nicht auf Terrae Incognitae ausgerichtet, sondern hatte zuerst einmal
die Ökumene im Sinn. Insofern ist die Entdeckungsroute das ganze Mittelal-
ter hindurch immer gen Osten gerichtet und - damit korrespondierend - al-
lenfalls nach Westen, nie nach Süden oder Norden.

6. Terrae Incognitae im 15. Jahrhundert. Die Ablösung


des kratetischen Weltbildes

Erst in der wegen ihrer Ästhetik bekannten Mela-Karte aus dem Reims des
15. Jahrhunderts fällt die Legende terra incognita gleich dreifach nachhaltig
ins Auge und zwar im Norden zweifach und einmal im Süden.31 Die geostete

30
Ms. Gent 92 fol. 24 v, Teilfacsimile, ed. ALBERT DEROLEZ, Gent 1968, auch Umschrift so-
wie fol. 92v-93 ibid.
31
Reims, Bibliotheque de la Ville, Ms. 1321 fol. 13 (supra nota 3) (vgl. unten Tafel 63).
[566] X X V I . Terrae Incognitae 529

T-Karte befindet sich in dem gen Norden und Süden leicht verbreiterten O,
im Gegensatz zu der üblichen Ausdehnung gen Osten. Terrae Incognitae wer-
den in Legenden in Nordeuropa, in Nord- bzw. Nordostasien sowie in Süd-
bis Südwestafrika herausgestellt, sie sind mithin nicht durch ein Weltmeer
oder einen heißen Gürtel von der Ökumene getrennt, sondern ganz offenbar
in deren Nachbarschaft geraten bzw. geradezu selbstverständlich in sie hin-
eingenommen. Die Initiale gilt als Signum einer größeren Weltkarte, die der
Besitzer der Reimser Mela-Handschrift, der Kardinal Fillastre, in Kommen-
tierang des Mela-Textes voranstellte. Jüngst hat der französische Geogra-
phie-Historiker Patrick Gautier Dalché eine Untersuchung über Fillastres
Weltbild vorgelegt und mit einer Edition der den Mela-Text aktualisieren-
den Einleitung versehen.32
Guillaume Fillastre (1347/48-1428), nach dem Studium in Angers u.a. seit
1392 Dekan in Reims, im Großen Abendländischen Schisma als Franzose
zunächst Anhänger Benedikts XIII., trat 1409 zur Pisaner Obödienz über
und wurde wie Pierre d'Ailly 1411 von Johannes XXIII. zum Kardinal erho-
ben. Beide vertraten Frankreich auf dem Konzil von Konstanz; beiden war
ihr großes Interesse am Weltbild im Zusammenhang mit der Renaissance des
Ptolemäus nach 1406 gemeinsam. Vom Konzil, das den Gelehrten große
Möglichkeiten für wissenschaftliche Kontakte bot, brachte Fillastre Hand-
schriften u. a. von Mela und Ptolemäus 33 mit nach Frankreich, zu denen man
auch die Mela-Handschrift von Reims rechnet. 34
Das Kernproblem für Guillaume Fillastre war die Frage, ob es neben der
Ökumene nur noch unbewohnbare und obendrein unzugängliche bewohnba-
re Erdteile im Sinne der Zonenkarte des Macrobius gäbe, ferner ob man die
darunterliegenden Teile durch etwaige Überwindung der Sperrgürtel nicht
doch erreichen könnte. Die von Pomponius Mela in seiner «Chorographia»
als Terrae Incognitae apostrophierten Gebiete waren just die diversen Gegen-
ökumenen, die nach der herrschenden Meinung wegen Hitze bzw. Kälte
dem Menschen verschlossen blieben. Außerdem greift Fillastre die Diskussi-
on auf, wie der die Welt umgebende Ozean zu verstehen sei, nachdem er bei
Ptolemäus gelesen hatte, daß die ganze Welt bewohnbar sei, die Meere mit-
hin im Gegensatz zu den antiken Naturphilosophen nur als Binnengewässer
und damit passierbar zu deuten seien.

32
P. GAUTIER DALCHÉ, L'oeuvre géographique du Cardinal Fillastre (f 1428). Representation
du monde et perception de la carte à Taube des decouvertes, in: Archives d'histoire doctrinale et
littérairedu Moyen-Àge, année 1992, 319-383.
33
Ms. Nancy, Bibl. Municip. 441.
34
Ms. Reims 1321.
530 Studien zur Universalkartographie [566/567]

Dieser Widerspruch ließ Fillastre über die Terrae Incognitae bei Mela ein-
gehend nachdenken. 35 In seiner Introductio56 spricht er sich nach reiflichem
Abwägen dafür aus, daß der Ozean nicht nur die bewohnbare Erde, sondern
auch die Terra Incognita umgibt, die auf diese Weise mit der Ökumene ver-
bunden ist, so daß die bewohnbare Erde in Wahrheit weiträumiger wird, als
bislang angenommen - auch seien mehr als nur die bekannten sieben Klimata
bewohnt, eine Überzeugung, die Fillastre mit Pierre d'Ailly teilt 37 -, womit
Fillastre die Terra Incognita gewissermaßen - wie auf der Karte sehr schön
sichtbar gemacht ist - in die Ökumene einbezieht bzw. den ganzen Globus
unter Berafung auf Ptolemäus zur Ökumene erklärt. Fillastre möchte daher
mit seinen Vorüberlegungen gewissermaßen das Werk Melas - das im Mit-
telalter nur wenig benutzt wurde - aktualisieren und aus den Spekulationen
der Antike herauslösen. Darum stellt sich auch von neuem und anders die
Frage nach den Antipoden, die uns nur gänzlich incogniti seien;38 Fillastre
hält sie durchaus für möglich, auch wenn sie in der Schrift nicht als Nach-
kommen Adams und Noes bezeugt sind. 39 Durch sein Ptolemäus-Studium
hat er verstanden, daß der Zodiacus keine Grenze für Lebensmöglichkeiten
ist, daß vielmehr die Äthiopier munter südlich davon lebten und die Men-
schen dort sich nur durch eine viel dunklere Hautfarbe von den anderen un-
terschieden, während sie immer hellhäutiger wurden, wenn sie in der Nähe
der Pole lebten; 40 auch seien die Randgebiete der Ökumene zu den Polen
hin nicht unbewohnbar, vielmehr sollten dort Menschen sehr glücklich exi-
stieren, lediglich uns sei ihre Region incognita. Selbst der Ozean könne nicht
als inhabitabilis eingestuft werden, denn er könne sehr wohl mit Schiffen be-
fahren werden: 41 Fillastre korrigiert mit Hilfe seiner Ptolemäus-Kenntnis
das Weltbild Melas und der Maler der Zonenkarte dahin, den Unterschied
zwischen der Ökumene und einer diese übersteigenden Kosmos-Region her-
unterzuspielen, wozu ihn die neuen Erkenntnisse seiner Zeit durchaus be-
rechtigten. Er hat übrigens auch theologische Begründungen bereit: Gott
schuf die Erde für den Menschen, und er schuf sie deshalb für ihn nicht etwa

35
Cf. GAUTIER D A L C H É , op. cit. n o t a 32, 3 2 3 - 3 4 4 .
36
E d . GAUTIER D A L C H É , ibidem, 3 5 5 - 3 6 5 .
37
Cf. zuletzt A . - D . VON DEN BRINCKEN, Occeani angustior latitudo. Die Ö k u m e n e auf d e r Kli-
m a t e n k a r t e des Pierre d'Ailly, in: Studien zum 15. J a h r h u n d e r t , Festschr. für E R I C H M E U T H E N ,
edd. J. HELMRATH und H . MÜLLER in Z u s a m m e n a r b e i t mit H . W O L F F , M ü n c h e n 1994, p . 5 6 5 -
581 ( = o . S . 4 6 2 - 4 8 1 ) .
38
Fillastre, Introductio c. 7, ed. GAUTIER D A L C H É , o p . cit. nota 36, p. 357.
39
Cf. ibidem ce. 16-17, p . 3 5 9 sq.
40
Ibidem, c. 8 sq., 357 sq.
41
Ibidem cc. 4 5 - 4 7 , p . 365.
[567/568] X X V I . Terrae Incognitae 531

unbewohnbar, noch wollte er, daß die Sonne das Leben zerstören könnte
und folglich Unfruchtbarkeit und gar Ungeheuer das Leben behinderten. 42
Für die Praxis des anbrechenden Entdeckungszeitalters zieht Fillastre hier
wichtige Schlüsse, die anders lauten als bei seinem Kollegen Pierre d'Ailly:
Dieser propagiert die Westpassage und hat durch die Frühdruckfassung sei-
nes Werkes maßgeblichen Einfluß auf Columbus genommen; demgegenüber
lehnt Fillastre den Binnenmeercharakter des Indischen Ozeans, Kennzei-
chen aller Ptolemäus-Karten, ab und will Portugal auf dem Ostwege errei-
chen. Die Expansion Portugals in Richtung Süden und zu den Antipoden ist
offensichtlich das Problem, das die Konzilsväter am Rande des Konstanzer
Treffens beschäftigt.
Mit Ptolemäus kann angenommen werden, daß die äußersten Enden der
Erde bewohnbar, daß sie bislang aber incognitae sind. Dies gilt für den Sü-
den der Ökumene im Räume Äthiopiens gleichermaßen wie für die Hyper-
boräischen Berge im Norden. Im Gegensatz zu Mela nimmt Fillastre43 das
Kaspische Meer nicht als Bucht des Weltozeans an, sondern als Binnenmeer.
Mithin kann man auf der Rückseite der Erde auch von Westen nach Osten
segeln, 44 denn wie Augustinus 45 denkt sich Fillastre die Rückseite unserer
Erdkugel mit Wasser bedeckt und daher nicht von Antipoden besiedelt; die-
ses Meer scheint ihm überwindbar, nur fehlt bislang dafür jede Erfahrung.
Das Klima muß man jedenfalls nicht scheuen.
Die reizvolle und ansehnliche Mela-Karte von Reims in der Initiale von
Orbis situm, dem Textanfang von des Pomponius Mela «Chorographia», ist
mithin wesentlich mehr als nur ein originelles Zeugnis für die Kunstge-
schichte, sie ist in ihrer Gestaltung das Symbol für die Verdrängung von
Ant-, Periökumene und Antichthonenkontinent aus einem spekulativen Kos-
mosbild, das rund 2000 Jahre hindurch als das Weltbild des Krates von Mal-
los großes Ansehen genossen hatte und insbesondere für das Abendland ein
volles Jahrtausend verbindlich geworden war für das Kugelverständnis der
Erde, ehe man im lateinischen Kulturraum Ptolemäus kennenlernte.

42
Ibidem c. 12, p. 359, wo freilich von etwaigen Folgen des Sündenfalls nicht die Rede ist.
43
Ibidem c. 14, p.359; kartographiegeschichtlich ist das Verständnis des Kaspischen Meeres
ein ganz wesentliches Leitfossil der Moderne, denn die Vorstellung einer Bucht des Nördlichen
Eismeeres geht schon auf die griechischen Naturphilosophen zurück und beherrschte Antike
und abendländisches Mittelalter weitgehend bis in die Zeit der Mongoleninvasion.
44
Ibidem c. 15, p.359.
45
Decivitate Dei 16, 9.
532 Studien zur Universalkartographie [568]

C. Schluß: Zusammenfassung

Terrae Incognitae sind das ganze Mittelalter hindurch keineswegs eine allge-
meine und verheißungsvolle Anspielung auf mögliche Entdeckungen an
Raum, sondern stellen die den Menschen aus klimatischen Gründen zwar
unzugängliche, aber bewohnbar gedachte Region ferner Gegenwelten dar.
Mit der Ptolemäus-Renaissance werden die vermuteten klimatischen Hin-
dernisse abgebaut, auch das Meer erscheint überwindbar. Und so macht
man sich gen Orient oder gen Okzident jeweils durchaus auch über die ent-
gegengesetzte Richtung rund um die Kugel auf die Reise, wie man nunmehr
und in der Folgezeit auch den Äquator und die Pole mehr ins Visier nimmt.
XXVII. Mappe del Medio Evo:
mappe del cielo e della terra'

Prefazione

E noto che il termine mondo può venire interpretato in molti modi diversi,
nel Medio Evo come ai giorni nostri. Mondo, dal latino mundus, indica in
prima battuta essenzialmente il mondo abitato, poi lo oltrepassa andando ad
indicare anche il cosmo ed estendosi infine oltre ad esso, fino all'aldilà. Que-
sto stesso termine indica anche una enorme quantità di spazio, di tempo o di
persone. Dato che il compito a me riservato è l'osservazione delle carte geo-
grafiche, userò questo termine in una accezione prevalentemente spaziale. Il
cielo in senso astronomico e astrologico verrà trattato in un'altra sezione del
congresso e quindi non me ne occuperò: mi concentrerò invece sulle regioni,
abitate e non, del nostro pianeta e sul cosmo rappresentabile graficamente,
che in qualche caso comprende anche il Paradiso.
I concetti del medio latino sono per noi oggi difficilmente traducibili in
modo univoco, per quanto nella cartografia regni uno spiccato conservatoris-
mo linguistico e una certa immediatezza espressiva. In ogni caso, per la cor-
retta comprensione dei termini dell'XI e XII secolo restano le Sacre Scritture
nella versione della Vulgata di Girolamo. Mundus era un concetto ricorrente
nel Nuovo Testamento, 2 dove viene utilizzato per rendere il termine kosmos
del testo greco di origine e che nell'Afra - i primi testi biblici, redatti dai Pa-
dri della Chiesa del Nordafrica - veniva frequentemente tradotto come sae-
culum. Nell'Antico Testamento della Vulgata manca una qualsiasi attestazio-
ne per il termine mundus,5 il che ci dimostra anche come la veterotestamen-
taria imago mundi fosse da intendersi solo limitatamente all'ecumène. Da qui
trae la sua origine la suddivisione in libri delle Etymologiae di Isidoro, in cui
il tredicesimo libro è intitolato al mundus, il quattordicesimo alla terra. Del
mundus fanno parte, tra l'altro, gli elementi, il caelum inteso come atmosfe-
ra, etere, in cui hanno ovviamente sede i corpi celesti, ma anche i poli, i cir-

1
Per la traduzione ringrazio la dott. Laura Balbiani, Milano.
2
Cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent
auf mittelalterlichen Weltkarten, Hannover 1992 (Schriften der Monumenta Germaniae Histori-
ca, 36), pp. 11-13.
3
Tranne Gb 28,24.
534 Studien z u r Universalkartographie [32/33]

coli celesti (circuii caeli) come fasce climatiche, le nuvole con tuono e fulmi-
ne, i venti, le acque comprendenti i mari come l'Oceano e il Mediterraneo, i
vari golfi, correnti, laghi, abissi marini, i fiumi e il diluvio universale: in bre-
ve, il cosmo con tutti i suoi accessori. Parleremo insomma di tutto ciò che del
cosmo troviamo raffigurato sulle carte.

Introduzione

Se poniamo le rappresentazioni cartografiche al centro delle nostre osserva-


zioni, queste sarano determinate da una prospettiva prevalentemente visiva.
Le carte hanno un centro, hanno margini, confini, orizzonti.
Il fatto che la sfericità della terra fosse un dato acquisito da tutto il Medio
Evo occidentale, non necessita qui di ulteriori dimostrazioni. Il problema
tecnico era quello di rendere graficamente, in modo chiaro e inequivocabile,
la sfericità del globo. Ma poiché si possedevano soltanto limitate conoscenze
sulle cose del cosmo, questa parte appariva spesso raffigurata troppo som-
mariamente: gli spazi bianchi sulle carte geografiche non erano infatti tanto
graditi nel Medio Evo, e, dato il valore della carta, anche difficilmente giu-
stificabili. Abbiamo però un tentativo di Isidoro, che non si può certo defini-
re mal riuscito, di rendere graficamente il carattere sferico della Terra. 4 Qui
vengono contemporaneamente chiamati in causa gli orizzonti e noi, le loro
zone di confine e le nostre conoscenze su ciò che si trova oltre ad esse. A
questo si rivolgerà essenzialmente il nostro interesse nell'osservazione della
cartografia universale dell'XI e XII secolo, con l'ausilio di documenti visivi.

1. La cartografia occidentale all'inizio del secondo millennio:


i principi di Isidoro applicati da: a) Beatus, b) mappa di Ripoll,
e) nelle due parti della Cottoniana

La svolta del primo millennio è un periodo relativamente poco spettacolare


dal punto di vista geografico-cartografico.5 Nel periodo precedente alla Sco-
lastica e a nuovi rinascimenti culturali, si attinge essenzialmente alla rina-
scenza carolingia. Il sistema scolare, ancora decisamente fiorente nel periodo

4
Cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines terrae (op. cit. nota 2), p p . 53 s. e t a w . 13-15.
5
Cfr. A . - D . VON DEN BRINCKEN, R o m a z e n t r i s c h e Weltdarstellung um die erste J a h r t a u s e n d -
w e n d e , in: Kaiserin T h e o p h a n u . Begegnung des Ostens und Westens um die W e n d e des ersten
J a h r t a u s e n d s . G e d e n k b a n d des K ö l n e r S c h n ü t g e n - M u s e u m s zum 1000. T o d e s j a h r d e r Kaiserin,
hrsg. von A. VON E U W - P . SCHREINER, Köln 1991, pp. 4 0 1 - 4 1 1 .
[33/34] X X V I I . M a p p e del M e d i o Evo 535

ottoniano, si accontenta della tradizione, almeno nel campo delle scienze


della natura: personalità del rango di Gerberto di Aurillac, che si aprì agli in-
flussi della Spagna musulmana, restano un'eccezione. Non ci sono pervenute
carte redatte da lui né da dotti come Ermanno di Reichenau. E le escursioni
dei Vichinghi verso l'America erano tutt' altro che azioni mirate, per cui i
contemporanei non le consideravano certo innovazioni spettacolari, né tanto
meno imprese degne di nota. 6
Dall'inizio del VII all'inizio del XII secolo, le «Etymologiae» di Isidoro
restano per mezzo millennio l'enciclopedia par excellence: i suoi testi, le defi-
nizioni e le mappe vengono copiati innumerevoli volte. Nel campo della car-
tografia si tratta prevalentemente di schematiche carte TO, con l'Est posto in
alto, come signum per la terra, cioè per l'ecumène, e di mini-carte delle zone
astronomiche in cui viene rappresentato il corrispondente del mundus, cioè il
cosmo, il cielo con tutti i suoi annessi, in questo caso raffigurato come plani-
sfero. Poiché la storiografia veniva coltivata un po' dovunque, volentieri le
cronache venivano corredate da uno schizzo degli scenari principali degli av-
venimenti, come aveva già consigliato Orosio (417/18 circa), ancora molto
letto nell'alto Medio Evo.7 La figura era di solito una carta dell'ecumène leg-
germente più dettagliata, nello stile delle carte TO, in cui i luoghi intorno al
Mediterraneo venivano rappresentati più scrupolosamente, e di regola com-
pariva anche il Paradiso. 8 Le cronache del tempo infatti non abbracciavano
di solito spazi molto vasti, e ci si accontentava generalmente di seguire la
strada maestra, ben battuta e controllata, della cronografia di Beda.9
Se sfogliamo i nostri repertori 10 alla ricerca di carte di questo periodo, tro-
viamo nominate quasi unicamente varianti di mappae mundi più antiche, va-
rianti che spesso finiscono per essere rielaborazioni del tutto personali, come
vedremo dall'esempio di Beatus da Liébana.

6
Cfr. E.A. MF.L'NIKOVA, Drevne-skandinavskie geograficeskie socinenija. Teksty, perevod,
kommentarìj, Moskau 1986; R. SIMEK, Altnordische Kosmographie. Studien zu Weitbild und
Weltbeschreibung in Norwegen und Island vom 12. bis zum H.Jahrhundert (Reallexikon der
Germanischen Altertumskunde, Erg.-Bd. 4), Berlin-New York 1990.
7
Historiarum adversum paganos libri Septem, I, 1, 14-17, hrsg. von C. ZANGEMEISTER,
CSEL5, Wien 1882, p.8.
8
Cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines terrae (op. cit. nota 2), p. 51 e tav. 8.
9
Cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter
Ottos von Freising, Düsseldorf 1957, p. 102; EAD., Abendländisches Mittelalter, in: Mensch und
Weltgeschichte. Zur Geschichte der Universalgeschichtsschreibung, Siebentes Forschungsge-
spräch des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg,
hrsg. von A. RANDA, Salzburg-München 1969, pp. 47-52.
10
Cfr. M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500, sect. 1-25 (Monumenta Cartogra-
phica Vetustioris Aevi, I), Amsterdam 1964, pp. 25-49.
536 Studien zur Universalkartographie [34/35]

a) Beatus compose il suo commentario dell'Apocalisse tra il 776 e il 786; le


prime mappe di quest'opera che ci sono pervenute risalgono all'inizio del X
secolo.11 La più antica delle mappe che hanno mantenuto intatto l'intento
originario di Beatus, cioè la raffigurazione dell'invio dei Dodici fino agli
estremi confini della terra, è la carta di Burgo de Osma, datata 1086;12 più
antica è solo un'altra variante, molto più nota: la carta di Saint-Sever,13 su
cui ci soffermeremo perché mostra i tratti caratteristici della cartografia della
prima metà dell'XI secolo (1045 circa). Al centro dell'unica carta di Beatus
non redatta in Spagna si trova Saint-Sever, che si suppone quindi sia il luogo
di redazione della mappa. Particolari della Guascogna si ritrovano un po'
dovunque, essendo questa regione molto ingrandita a spese degli altri terri-
tori. La carta è decisamente euro-centrica, il nostro continente ha infatti il so-
pravvento, cosa che in altri esemplari non balza all'occhio con così tanta evi-
denza. Il copista ha cercato di rappresentare degnamente il proprio territorio
nell'ambito del mondo, costruendo così una stupenda e variopinta immagine
di estrema efficacia, abbellita da elementi pittorici come i simboli degli inse-
diamenti sulla terraferma e pesci, navi, e isole nel mare. La missione degli
Apostoli passa qui completamente in secondo piano. In linea generale, pos-
siamo dire che questa carta è molto meno biblica rispetto a molte delle sue
sorelle, è stata definita addirittura come più prettamente classica. Diventa
quindi comprensibile come in questa mappa dell'ecumène - come in tutte le
mappe di Beatus - a destra, cioè a Sud della carta, che è orientata verso Est,
venga rappresentato un quarto continente, di dimensione variabile, oltre alle
terre note: situato al di là dei tre continenti conosciuti, esso è irraggiungibile
per gli uomini. 14 Ma anche il Paradiso non manca: all'estremo Est, oltre
l'Asia, Adamo ed Eva, l'albero della conoscenza e il serpente sono raffigurati
come un quadrilatero inawicinabile, protetto dalle fiamme.
b) Anche della cosiddetta mappa di Ripoll (Catalogna) - cioè la versione
da libro della carta che si vuole commissionata dall'arcivescovo Teodulfo di
Orléans - l'esemplare più antico che ci è pervenuto risale all'XI secolo. La
versione originale si suppone fosse un'incisione per il piano di un tavolo risa-
lente all'anno 810, mentre il manoscritto di Ripoll è databile intorno al 1055.
Ma le ultime ricerche fanno apparire il ruolo di Teodulfo discutibile. In ogni

11
Cfr. K. MILLER, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten, t. 1, Stuttgart 1895, con tav.;
cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 17, pp. 40-42.
12
Ibid., sect. 17, 8, p. 41.
13
Ibid., sect. 17, 7, p. 41; Paris, Bibl. Nat., ms. Lat. 8878, f. 45ter(vgl. unten Tafel 13).
14
Cfr. ISIDORI HISPALENSIS EPISCOPI Etymologiarum I, 14, 5, 17: Extra tres autem partes orbis
quarta pars trans Oceanum interior est in meridie, quae solis ardore incognita nobis est; in cuius fini-
bus A ntipodes fabulose inhabitare produntur.
[35/36] X X V I I . M a p p e del M e d i o Evo 537

caso ci troviamo anche qui di fronte a un dipinto di straordinaria bellezza,


in cui la carta emisferica è circondata tutt'intorno da un oceano azzurro con
lingue di fuoco purpuree che arrivano a toccare il cosmo, o il cielo. E sempre
orientata verso Est, e sulla piega del manoscritto si estende l'oceano equato-
riale. L'emisfero sinistro, quello settentrionale, abitato, è raffigurato secon-
do lo schema delle carte a T, mentre l'Africa appare molto compressa verso
il margine e, rispettivamente, sulla piegatura. 15 Ancora una volta la nomen-
clatura è per alcuni aspetti classica, per altri carolingia e mediterranea. La
cornice della carta, così come la sua presentazione e i testi che la accompa-
gnano, testimoniano uno spiccato interesse per il cosmo - o cielo che dir si
voglia.
e) Mentre le copie di queste carte altomedievali non provenivano assoluta-
mente dal campo di influenza dell'impero medievale degli Ottoni e dei Salii,
bensì dall'estremo Sud-Ovest dell'Europa, la terza e forse più famosa carta
di questo periodo è di origine insulare: è la cosiddetta «Cottoniana». Essa
deve il suo nome al manoscritto londinese Tiberius B. V. contenuto nel Cot-
ton-Fonds, una raccolta di diversi manoscritti. 16 Per «Cottoniana» si intende
comunemente una mappa dell'ecumène squadrata, 17 collocata vicino alla Pe-
riegesis di Prisciano, ma senza alcun apparente collegamento con quel testo.
Anch'essa è caratterizzata dalla brillantezza dei colori; il formato è quello
del codice che la contiene. A differenza di tutte le altre carte dell'ecumène
del tempo, l'interesse del disegnatore in questo caso si rivolge in modo parti-
colare ai mari, alle coste e alle isole, che possiamo distinguere particolarmen-
te numerose, sia nel Mediterraneo che nell'Atlantico settentrionale. I profili
costieri sono tracciati accuratamente, e questo non deve stupirci, trattandosi
di un compilatore insulare, da cercare forse nella regione di Winchester. 18 La
carta è di stampo classico - forse sulla scia di Orosio -, ma è molto più preci-
sa riguardo all'Europa settentrionale: città, fiumi e monti sono indicati con
dovizia di particolari. Anche la nomenclatura a Nord, cioè sulla sinistra della

15
Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana, ms. Reg. Lat. 123, f. H3v-144r; cfr. DESTOMBES,
Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 24, 11, p.48 e tav. T/XIII; cfr. M.A. VIDIER, La mappe-
monde de Théodulfe et la mappemonde de Ripoll (IX - Xle siècle), in: Comité de travaux histo-
riques et scientifiques. Bulletin de géographie historique et descriptive, 16 (1911), pp. 285-313;
P. GAUTIER DALCHE, Notes sur la «Carte de Théodose II» et sur la «Mappemonde de Theodulf
d'Orléans», in: Geographia Antiqua, 3-4 (1994-1995), pp. 91-104 (vgl. unten Tafel 15).
16
Cfr. E. TEMPLE, Anglo-Saxon Manuscripts 900-1066, N. 87 (A Survey of Manuscripts Illu-
minated in the British Isles, 2), 1976, pp. 104 s.
17
F. 56v (vgl. unten Tafel 16); cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 24, 6,
p. 47.
18
Tav. in VON DEN BRINCKEN, Romazentrische Weltdarstellung (op. cit. nota 5), tav. 3,
p. 407.
538 Studien z u r Universalkartographie [36/37]

carta, è più attenta: la Scandinavia e il mondo britannico sono ben rappre-


sentati, insieme alla penisola Nomorweci; sulla terraferma troviamo Dacia
ubi et Gothia, Sciavi e Slesvic, inoltre le isole Island/Scridefinnas, Orcades e
Tylen. Da notare è la forte influenza delle Sacre Scritture. Gerusalemme e la
Terra Santa non si trovano ancora al centro, ma offrono lo spunto per una
gran parte delle legende: ad esempio il Mar Caspio, che presenta nelle vici-
nanze della costa occidentale i popoli Gog e Magog e l'arca di Noè a Sud,
quindi uomini dell'Antico Testamento. Invano si cerca invece il Paradiso,
troviamo menzionata solo l'isola Tabrobanen.
Del cosmo in questa carta non si parla affatto, si tratta di una pura carta
terrestre. Ma questo codice contiene comunque anche una rappresentazione
del cosmo, 19 posta fra il Calendario e l'Aratea: è una carta delle zone astro-
nomiche, sempre orientata ad Est. A sinistra, le terre abitate del settentrione
portano le indicazioni Asia Maior et Minor, Africa e Aequitania, e troviamo
due imponenti simboli di città, che sono molto verosimilmente da interpreta-
re come Babilonia - per una torre altissima al suo interno - e Roma. Al com-
pilatore di questo manoscritto il cosmo non era certo indifferente, e il globo
terrestre viene persino descritto in una estesa legenda che corre lungo la zona
equatoriale. Qui avvertiamo il primo apparire di un interesse che sarà carat-
teristico dell'XI, ma ancora più del XII secolo: la riscoperta della visione del
mondo di Cratete di Mallo.

2. La prima Scolastica e il rinascimento di Macrobio

Uno sguardo ai repertori ci insegna come questa riscoperta di Cratete sia


mediata in Occidente dal rinascimento di Macrobio. Se Destombes 20 è riu-
scito a rintracciare sei carte astronomiche di questo tipo antecedenti al 1000,
ne cataloga 16 per l'XI e 41 per il XII secolo, e presumibilmente ne esistono
molte di più. Con quale personaggio sia da identificare Macrobio, non siamo
in grado di dirlo con certezza. In ogni caso era contemporaneo di san Giro-
lamo e sant'Agostino, e redasse, oltre ai «Saturnalia», un commentario sul
«Somnium Scipionis» di Cicerone, dove nel capitolo 9 del secondo libro si
parla della Terra. Non sappiamo nemmeno se fosse cristiano: all'inizio del v
secolo gli elementi a favore sono forse più numerosi. Il commentario di Cice-
rone divenne del resto uno dei testi scolastici più letti di tutto il Medio Evo,

19
F. 29; cfr. DESTOMBES, Mappemondes, (op. cit. nota 10), sect. 8, 1, p. 36 (vgl. unten Tafel
17).
20
Sect. 18-21, pp. 43-45.
[37/38] XXVII. Mappe del Medio Evo 539

e il divulgatore di una concezione del mondo risalente ai presocratici e colti-


vata nella Stoà greca, imperniata sulla sfericità della terra ma senza riferi-
menti a Tolomeo: ci si immaginava il globo terrestre diviso in quattro grandi
isole, delimitate da due anelli oceanici - uno intorno all'equatore, uno pas-
sante per i due poli. Le isole continentali erano ritenute tutte abitabili, ma so-
lo di una si sapeva con certezza che fosse popolata. Ma la tecnica pittorica
medievale, che non conosceva la prospettiva, trasformò le mappe di Cratete
in mappe bidimensionali.
Le carte che troviamo nominate nei repertori si trovano sempre annesse al
testo di Macrobio, che evidentemente era letto e studiato ugualmente in tutta
Europa; 21 ma mentre le carte più antiche erano più dettagliate nella rappre-
sentazione dell'ecumène, nel XII secolo esse acquistano una forma sempre
più schematica, fino a diventare simbolo in miniatura del cosmo.
A Frisinga, ad esempio, si è conservato un esemplare particolarmente pre-
gevole di questa mappa, molto dettagliato, risalente all'inizio dell'XI seco-
lo. 22 In questa carta delle zone astronomiche, orientata a Nord, si distingue
ancora molto bene il carattere insulare dei quattro continenti, ma è possibile
identificare anche altre isole, pur senza nome, che rappresentano probabil-
mente le isole britanniche e le Orcadi. I quattro golfi dell'Oceano, che cir-
conda l'ecumène, si distinguono chiaramente: il primo è il Mediterraneo con
l'Adriatico, il Mar Nero, il Mar di Marmara e il Mar d'Azov, con Corsica,
Sicilia, Sardegna e Cipro (e qui si nota la forte influenza dalla cartografia
classica, e forse dello stesso Cratete); gli altri tre sono il Mar Rosso, il Golfo
Persico e il Mar Caspio. Le legende sulla terraferma riguardano l'Egitto, la
Palestina, la Grecia e Roma. Qui ci troviamo di fronte alla rivisitazione di
una concezione pagana, probabilmente ellenistica, del cielo e della terra, e
sebbene Gerusalemme venga nominata, non possiamo in alcun modo caratte-
rizzare questa carta come cristiana.
Nel complesso possiamo definire l'XI secolo come poco innovativo, cosa
che nella concezione medievale non era assolutamente intesa come penaliz-
zante. Con la riscoperta di Macrobio ci si aprì verso la concezione classica,
che venne cautamente combinata con le rappresentazioni cristiane dell'ecu-
mène.

21
Ed. J. WILLIS, Leipzig 1970.
22
München, Bayerische Staatsbibliothek, ms. CLM 6362, f. 74; tav. v. VON DEN BRINCKEN,
Romazentrische Weltdarstellung (op. cit. nota 5), p. 402; EAD., Fines terrae (op. cit. nota 2), tav.
5; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 20, 6, p. 43 (vgl. unten Tafel 11).
540 Studien zur Universalkartographie [38/39]

3. Il periodo intorno al 1100: la svolta per l'interesse delle Crociate

Come nella storiografia anche nella cartografia universale23 il movimento


delle Crociate causò uno spostamento dei valori. Il primo millennio aveva un
orientamento romano-centrico: questo punto di vista lo abbiamo visto con-
fermato anche per l'XI secolo nella mappa di Beatus di Saint-Sever. Con
l'aumentare dell'interesse verso Gerusalemme dal 1095 in poi, crebbe anche
il desiderio di conoscerne meglio i territori circostanti. L'affermazione di Gi-
rolamo, che Gerusalemme, come ombelico del mondo, 24 ne sarebbe anche il
centro, venne trasposta sulle carte: la prima volta in evidente collegamento
con la prima Crociata, che riservò ai cavalieri occidentali la conquista della
Città Santa nel 1099. Ci si interrogò su ciò che la Cristianità latina già sapeva
di queste terre, e questo significò una riscoperta di Girolamo sia nella storio-
grafia, che nell'esegesi, che nella geografia.25
Una tale svolta si preparò ovviamente in modo lento, dato che il Medioevo
non aveva la coscienza del progresso in senso moderno, in cui una nuova
idea soppianta la precedente. Così nel 1100 abbiamo carte dell'ecumène an-
cora molto convenzionali e decisamente goffe, come ad esempio quella di
Guido di Pisa, redatta nel 1118 per le sue «Historiae Variae». 26 Persino un
influsso orientale attraverso la Spagna, cioè la carta climatica dell'ebreo cri-
stianizzato Petrus Alfonsi da Huesca intorno al 11 IO,27 non causò profondi
rivolgimenti, tanto più che questa carta, orientata a Sud, enumerava soltanto
i climi, senza alcun riferimento all'ecumène cristiana: si trattava invece di un
tipo di carta molto comune nella Grecia.

23
Cfr. VON DEN BRINCKEN, Weltchronistik (op. cit. nota 9), pp. 181-207.
24
Cfr. Ez 5,5 ; v. Hieronymi Commentarli in Hyezechielem, ed. F. GLORIE, CCSL75, 1964,
pp. 55 s.
25
Cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Hieronymus als Exeget secundum historiam>. Von der
Chronik zum Ezechiel-Kommentar, in: Dt. Archiv f. Erforschung des Mittelalters, 49 (1993),
pp. 473-476.
26
Bruxelles, Bibl. Roy., ms. 3897-3919, f. 46v; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota
10), sect. 25,2, p.48; MILLER, Mappae Mundi (op. cit. nota 11),..., t. 3, 1895, pp.55 s.; J. B.
HARLEY - D. WOODWARD (edd.), The History of Cartography. I. Cartography in Prehistoric,
Ancient and Medieval Europe and the Mediterranean, Chicago-London 1987, p. 350; A.-D. VON
DEN BRINCKEN, Gyrus und Spera - Relikte griechischer Geographie im Weltbild der Frühschola-
stik, in: Sudhoffs Archiv, 73 (1989), pp. 134 s. e tav. 1 (= o. S.353 und vgl. unten Tafel 27);
EAD., Fines terrae (op. cit. nota 2), tav. 20 (vgl. unten Tafel 27).
27
Paris, Bibl. Nat., ms. Lat. 10722, f. 77; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10),
sect. 25, 10, p.49; tav. e comm. VON DEN BRINCKEN, Gyrus (op. cit. nota 26), pp. 136-138 ( = o.
S. 354-357); EAD., Fines terrae (op. cit. nota 2), tav. 25.
[39/40] XXVII. Mappe del Medio Evo 541

a) La prima sorpresa ce la riserva la carta del St. John's College a Ox-


ford, 28 la cui datazione, inizialmente fissata intorno al 1110, è stata di recen-
te anticipata agli ultimi anni prima del 1100.29 In questa carta si prende sul
serio per la prima volta l'affermazione di Girolamo che poneva Gerusalemme
al centro del mondo, inteso come ecumène. Poiché il disegnatore rispetta lo
schema a T anche in questa carta ad orientamento strettamente biblico, Ge-
rusalemme viene a trovarsi nel punto di congiunzione dei due tratti della T,
una piccola isola tondeggiante nel Mediterraneo orientale. Non si può quindi
certo parlare di una rielaborazione personale.
Successivamente i cartografi eviteranno di raffigurare Gerusalemme in
modo così bizzarro, facendo ruotare la T verso il basso, cioè verso l'Ovest,
in modo da poter collocare Gerusalemme sul continente asiatico. La carta di
Oxford invece esegue le istruzioni alla lettera.
Oltre il circolo oceanico che circonda l'ecumène, tracciato con la precisio-
ne di un compasso, troviamo indicati i punti cardinali con i nomi greci ma in
alfabeto latino. Britannia, Hibernia e Thule appaiono sorprendentemente
fuori dal circolo in alto a sinistra, come nelle carte orientate a Nord, e quindi
davanti alle coste dell'Asia settentrionale, mentre il resto dell'ecumène è
orientato a Est. Oltre a questo, ci sono anche alcune altre evidenti incon-
gruenze nella nomenclatura, ad esempio Atene e Costantinopoli sono collo-
cate nell'Asia settentrionale, l'Acaia, l'Armenia e l'Arca di Noè, l'Eufrate,
Babilonia e la Caldea nell'Asia meridionale. Esse potrebbero spiegarsi pre-
supponendo la copiatura di un modello orientato a Nord, portato magari
dai Crociati, e quindi di origine bizantina. Numerose sono le informazioni
bibliche, vengono indicati i viaggi di Giovanni, Pietro, Paolo e Andrea. Del
Vecchio Testamento compaiono i figli di Noè, le dodici tribù di Israele e la
civitas refugii (Num 35,11-15). Questa carta ci offre materiale solo per la ter-
ra, ma nulla sul mundus o cosmo e ancora meno sul Paradiso. Gerusalemme
ha assunto, per questa generazione, una dimensione tangibile. Quello che
era stato annunciato è divenuto realtà.
b) La carta di un certo Enrico di Magonza, conservata in un codice del
1180 circa dell'abbazia di Sawley, nello Yorkshire, sembra essere basata sul-
l'«Imago mundi» di Onorio Augustodunense, ed è anche conservata insieme
a questo testo. 30 Onorio redasse il suo scritto già nel 1109/10, quindi si ritie-

28
M s . 17, f. 6; cfr. DESTOMBES, M a p p e m o n d e s (op. cit. nota 10), sect. 2 5 , 8, p . 4 8 ; cfr. M I L -
LER, M a p p a e M u n d i (op. cit. n o t a 11), t. 3, p p . 118 s.; VON DEN BRINCKEN, Gyrus (op. cit. nota
26), p p . 142 s. ( = o. S. 3 6 1 - 3 6 5 ; vgl. unten Tafel 19).
29
Cfr. C M . KAUFFMANN, R o m a n e s q u e M a n u s c r i p t s 1066-1190 (A Survey of Manuscripts Il-
luminated in the British Isles, 3, 1975, N . 9, p p . 5 6 s.
30
C a m b r i d g e , C o r p u s Christi College, ms. 66, p . 2; cfr. DESTOMBES, M a p p e m o n d e s (op. cit.
542 Studien zur Universalkartographie [40/41]

ne che l'archetipo della carta, non pervenutoci, sia da datare intorno al 1110.
La «Imago mundi» è un'enciclopedia storico-scientifica, che affranca i settori
trattati dall'esclusiva egemonia delle «Etymologiae» di Isidoro, affiancando-
si in un certo modo ad esse e restandone anche debitrice in larga misura.
Questa mappa funge da elemento di collegamento fra la Cottoniana e la car-
ta di Hereford. E effettivamente piuttosto piccola, adattata al formato del li-
bro, e ci mostra un mondo ovale con un angelo in ogni angolo del foglio. Ge-
rusalemme si trova leggermente spostata verso Sud-Ovest rispetto al centro
del mondo, dove lo sguardo viene catturato dalle Cicladi, secondo i modelli
classici; ma nelle legende la Palestina ha chiaramente il sopravvento: com-
paiono anche qui, ad esempio, le dodici tribù di Israele, sicuramente una
conseguenza dell'interesse per le Crociate. All'estremo Est si distingue il Pa-
radiso come un'isola con i suoi quattro corsi d'acqua. Sono pochi gli elementi
attinenti al cosmo, al contrario che nel testo di Onorio: evidentemente il di-
segnatore non conosceva ancora la tradizione cartografica ad esso relativa.

4. Il «Liber Floridus» di Lamberto di Saint-Omer

Il «Liber Floridus» di Lamberto di Saint-Omer è la più bella enciclopedia il-


lustrata dell'epoca romanica. Lamberto, figlio di Onulf, era canonico a
Saint-Omer, e attingendo agli insegnamenti consueti compilò un florilegio di
tutto il sapere, illustrandolo in modo eccellente.31 Come spiega egli stesso
nella prefazione dell'opera, il cui nucleo centrale era nato fra il 1112 e il
1121, e che era delineata nelle linee principali già nel 1115, 32 l'autore si era
proposto di raccogliere a gloria di Dio tutte le gesta insigni e i miracoli per
ravvivare l'amore verso il Creatore, dato che l'amore per lo studio, ai suoi
tempi, sembrava essersi estinto. 33 Poi Lamberto illustra il metodo usato per
la compilazione del florilegio. L'interesse principale della sua enciclopedia è
rivolto alle scienze della natura, ma anche la storiografia è trattata con zelo.
Abbondanti fonti erano disponibili nelle biblioteche di Saint-Omer e di

nota 10), sect. 25,3, p.48; MILLER, Mappae Mundi (op. cit. nota 11), t. 3, pp.23-28 e tav. Ili;
VON DEN BRINCKEN, Gyrus (op. cit. nota 26), pp. 138-140 e tav. 3 ( = o. S.357-359); EAD., Fines
terrae (op. cit. nota 2), tav. 24 (vgl. unten Tafel 18).
31
LAMBERTI SANCTI AUDOMARI CANONICI Liber Floridus. Codex autographus Bibliothecae
Universitatis Gandavensis, ed. A. DEROLEZ, Gent 1968 (partim facsimile).
32
Cfr. A. DEROLEZ, Lambertus qui librum fecit. Een codicologische Studie van de Liber Flo-
ridus-Autograaf (Gent, Universiteitsbibliotheek, Handschrift 92), in: Verhandelingen van de
Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Künsten van Belgie, Klasse der
Letteren, N. 89,1978.
33
Prologus, f. 3v.
[41/42] XXVII. Mappe del Medio Evo 543

Saint-Bertin; egli stesso era non solo molto dotto, ma anche un artista dal ta-
lento straordinario e un insegnante pieno di fantasia, come ci dimostra l'ana-
lisi del suo manoscritto, a prima vista scoordinato.
Dieci carte geografiche di Lamberto sono elencate nei nostri repertori. 34
Cinque meritano un interesse particolare da parte dei cartografi, poiché in
esse si osserva la fusione del simbolismo ecumenico cristiano con la rappre-
sentazione del cosmo di Cratete di Mallo.
La prima è una semplice e schematica carta a T, ma non è a sé stante, è po-
sta invece nella mano sinistra dell'imperatore Augusto. Essa è in relazione
con l'inizio del Vangelo della Natività: l'annuncio della nuova era è collegato
alla rappresentazione dell'imperatore Augusto, che tiene in mano l'ecumène,
il mondo intero, in cui è nato il Cristo. 35
Solo nell'autografo di Gent si è conservata una carta dell'Europa di Lam-
berto, 36 un caso piuttosto singolare per la letteratura medievale. Vediamo
rappresentata soltanto la porzione in basso a sinistra di una mappa terrestre,
con molti particolari, ma solo in questo manoscritto; tutte le altre copie con-
tengono in quella stessa posizione una carta emisferica dettagliata, che in
quell' autografo è andata perduta probabilmente durante la copiatura della
parte europea.
c-e) Per quanto riguarda invece l'insieme delle carte emisferiche, a quanto
pare Lamberto ne aveva disegnate tre, molto dettagliate, per la sua opera. La
prima, detta «Spera Macrobii», 37 è decisamente una carta delle zone astro-
nomiche di media grandezza, schematica e orientata verso Est; la seconda,
«Globus Terre», 38 di grande formato, è corredata da moltissimi dettagli sull'
ecumène; la terza invece, quella andata perduta nell' autografo di Gent, 39 ci
mostra un emisfero abitato perfetto e preciso, che riporta chiaramente i segni
distintivi dell'ecumène cristiana. Per una rappresentazione di questo tipo,
Lamberto necessit - come già per il «Globus Terre» - di una doppia pagina
di grande formato. Lungo la piega corre l'oceano equatoriale. Per non spre-
care spazio, la zona polare, non abitata, appare ristretta ad un nulla, in mo-
do che tutto il semicerchio sia disponibile per l'ecumène. Osserviamo un'ecu-

34
Cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 43, pp. 111-116.
35
Gent, ms. 92, f. 138v (vgl. unten Tafel 21 ).
36
Ibid., f. 241; cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Europa in der Kartographie des Mittelalters,
Archiv f. Kulturgeschichte, 55 (1973), pp.289-304 ( = o. S. 149-164; vgl. unten Tafel 20).
37
Gent, ms. 92, f. 24v; cfr. Wolfenbüttel, ms. 1 Gud. Lat., f. 16v (vgl. unten Tafel 23).
38
Gent, ms. 92, ff. 92v-93; cfr. Wolfenbüttel, ms. 1 Gud. Lat., ff. 59v-60 (vgl. unten Tafel
24).
39
Manca in ms. Gent; Wolfenbüttel, ms. 1 Gud. Lat., ff. 69v-70; cfr. VON DEN BRINCKEN, Gy-
rus (op. cit. nota 26), pp. 140 s.; EAD., Fines terrae (op. cit. nota 2), pp.75 s. (vgl. unten Tafel
25).
544 Studien zur Universalkartographie [42/43]

méne emisferica, suddivisa secondo la consueta T, circondata da un Oceano


con molte isole. Il materiale per questa carta, attinto da Marciano Capella,
offre una infinità di dettagli. Decisamente fuori del comune è, nell'estremo
Oriente, la raffigurazione del Paradiso a forma di stella, collegato all'Asia
attraverso i suoi quattro fiumi che scorrono sotto l'Oceano, e contraddistinto
dalle legende: Paradisus terrestris; Enoc; Helyas. Gli si contrappone, all'estre-
mo Ovest, un'isola, su cui si legge: Hie antipodes nostri habitant, sed noctem
diversam diesque contrarios perferunt et et(iam) estatem. Si tratta quindi di un
continente insulare, dotato di diverse ore del giorno e di stagioni diverse ri-
spetto all'ecumène, e che corrisponde al continente anti-ctonio sul lato poste-
riore dell'emisfero meridionale. L'isola tocca il bordo dell'ecumène, il che sta
ad indicare la sua posizione esterna ad essa. Lamberto cerca di rappresentare
in qualche modo sulla carta anche la parte posteriore del globo, e a destra
possiamo ammirare infatti anche l'anti-ecumène. Qui il cosmo e il Paradisus,
inteso in senso unicamente terrestre, sono inseriti nella figura, come non era
mai stato tentato fino ad allora.
Dovremmo quindi ricordare anche innumerevoli altre carte, prevalente-
mente rotonde e di piccole dimensioni, ad esempio le Gentes Asie Europe
Africe diverse,40 in cui i nomi dei popoli e dei paesi sono trascritti sulla sche-
matica disposizione a T delle terre, riconducibile al cosiddetto pseudo-Ae-
thicus, o meglio a Julius Honorius. Seguono poi YOrdo regnorum principaliter
regnantium - etates mundi,4X Mundi etates usque Godefridum regem (di Bouil-
lon), 42 Cursus solis solstitialis et equinoctialis,45 Cursus lunaris et anni descrip-
tio,44 poi tavole astronomiche secondo Beda e Macrobio, ad esempio una
carta Macrobiana con le fasi lunari, 45 una carta a T con i pianeti, 46 una carta
con i sette pianeti 47 seguita da un'altra, molto simile, sul foglio successivo,48
tutte riprese da Macrobio. In queste immagini quindi Lamberto unisce con
grande sollecitudine temi dell'astronomia e della geografia, proprio come
aveva fatto Macrobio, collegando volentieri anche la geografia con la storia
in grafici naturalistici, oppure comprimendo le sei età del mondo in corri-
spondenti schemi iconografici, o ancora combinando le età del mondo con i

40
Gent, ms. 92, f. 19 (vgl. unten Tafel 22).
41
Ibid., f. 19v.
42
Ibid., f. 20v.
43
Ibid., f. 25.
44
Ibid., f. 25v.
45
Ibid., f. 225; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 43, N. VI, p. 114.
46
Ibid., f. 225 v; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 43, N. VII, p. 114.
47
Ibid., f. 227v.
48
Ibid., f. 228; cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 43, N. IX, p. 114.
[43/44] XXVII. Mappe del Medio Evo 545

quattro regni, una interpretazione della storia molto singolare, 49 non certo
canonica, anzi quasi giocosa; la statua che appare in sogno a Nabucodòno-
sor nel secondo capitolo di Daniele non viene posta in collegamento con i
quattri regni, bensì con le sei età del mondo, e dopo l'oro e l'argento vengo-
no nominati il bronzo, il ferro, il piombo e l'argilla.
Caratteristica di Lamberto e della sua enciclopedia illustrata è il tentativo
di provare nuove combinazioni nelle rappresentazioni grafiche. Nel suo te-
sto, che in un certo qual modo può essere definito il precursore dello «Specu-
lum naturale» di Vincenzo di Beauvais, il sapere è presentato in maniera in-
credibilmente efficace. Ad esempio nelle grandi mappe delle zone astronomi-
che «Spera Macrobii, Globus Terre» e «Spera geometrica Martiani Capelle»,
possiamo seguire nelle diverse fasi lo sforzo di Lamberto di ottenere, con
strumenti pittorici efficaci ed accessibili, una rappresentazione dell'ecumène
facilmente memorizzabile, ma senza perdere il collegamento con il cosmo in
cui è inserita: così, nella carta di Marciano Capella egli dipinge la parte po-
steriore del globo in modo tale da farla divenire parte integrante della figura,
invitando quasi a proseguire il viaggio sul retro della Terra; oppure circon-
dando di raggi o di alte muraglie merlate il Paradiso terrestre per contraddi-
stinguerlo come inaccessibile. Abbiamo già accennato ai numerosi tentativi
di abbinare carte delle zone astronomiche e carte ecumeniche con tavole
astronomiche; con questa sintesi Lamberto occupa una posizione unica nella
sua epoca. Come aveva già fatto per il cosmo e per l'ecumème, egli tenta inol-
tre di inserire nelle sue illustrazioni simboliche anche grafici riguardanti
l'evoluzione storica, non soltanto riportando una accanto all'altra, nella car-
tografia, civiltà fiorite in diverse epoche storiche, ma scambiando anche nel-
l'esegesi le età del mondo con i regni; non si tratta tanto di una svista, quanto
piuttosto di un gioco arguto ed elegante con elementi figurativi e numerici e
con la loro interpretazione, cosa che si addiceva perfettamente al cosiddetto
simbolismo del XII secolo.
Le opere di Lamberto trovarono una folta schiera di copisti: oltre all'origi-
nale, ci sono noti sette esemplari del manoscritto illustrato, con il corpus car-
tografico completo, poi altri quattro senza le mappe. 50 Tre trascrizioni risal-
gono al XII secolo, una al XIII, una al XIV, due al XV e una al XVI. Lo
sforzo richiesto dalla copiatura di un'opera simile venne quindi affrontato ri-
petutamente per ben quattro secoli. Anche queste osservazioni ci confermano
l'eccezionalità del lavoro di Lamberto, che non appariva soltanto bello, ma
anche istruttivo e convincente.

49
Ibid., f. 232v.
50
Cfr. DESTOMBES, Mappemondes (op. cit. nota 10), sect. 43, pp. 115 s.
546 Studien z u r Universalkartographie [44/45]

5. Il simbolismo del X I I secolo

Le attività cartografiche di cui abbiamo parlato finora risalgono tutte ai pri-


mi due decenni del XII secolo, e hanno una almeno parziale giustificazione
nelle esperienze dei Crociati. Il periodo seguente scorre più tranquillo, ma è
più profondamente influenzato dalla nascente Scolastica, in quanto diviene
sempre più importante l'esposizione delle conoscenze ai fini didattici. Sotto
la voce simbolismo del XII secolo andrebbe nominato Ugo di S. Vittore,
che sottolineò espressamente il legame fra i personaggi e le coordinate geo-
grafico-temporali dell'azione in campo storico. Se di lui sono rimaste solo
due versioni di una carta geografica, e precisamente la «Descriptio Mappe
Mundi» 51 e il capitolo geografico del «Liber de tribus maximis circumstantiis
gestorum», 52 altre due carte di questo stesso secolo sono legate a lui. La pri-
ma è la carta monacense di Isidoro, orientata ad Est, 53 che ci illustra in mo-
do preciso e convincente la visione del mondo del xu secolo; le conoscenze
tipiche di allora vengono trascritte su una rappresentazione dell'ecumène e a
destra, dove troviamo il Sudafrica, vediamo una prefigurazione delle gallerie
di mostri delle «Summae» del XII secolo. La seconda è la carta contenuta
nella Bibbia di Arnstein, 54 composta da un inventario dell'ecumène e da uno,
separato, del cosmo: in questo modo può fornire, su due pagine contrappo-
ste, le informazioni relative ai due diversi ambiti. La Bibbia di Arnstein è un
manoscritto del xu secolo, che alla fine presenta appunto i due disegni, che
non sono dipinti veri e propri, bensì schizzi che aiutavano a collocare spa-
zialmente in modo corretto le nozioni all'interno di un mondo altrimenti im-
maginario e che servivano per l'esegesi biblica. A sinistra si vede una carta a
T compilata, cioè una carta-inventario. A Ugo di S. Vittore si rifa il disegno
dell'albero genealogico delle scienze e delle arti, costruito proprio con la
stessa gerarchia indicata da Ugo nel suo «Didascalicon». Sono sistemi classi-
ci, che servivano da ausilio nella spiegazione della Bibbia. Nelle carte-inven-
tario non si può effettivamente parlare di dipinti: i nomi e le informazioni
vengono elencati, mentre il loro posizionamento nell'elenco accenna alla col-
locazione dei luoghi l'uno rispetto all'altro. La carta dell'ecumène mostra la

51
Cfr. P. GAUTIER DALCHÉ, La «Descriptio Mappe Mundi» de Hugues de Saint-Victor, Tex-
te inédit avec introduction et commentaire (Etudes Augustiniennes), Paris 1988.
52
GAUTIER DALCHÉ prepara l'edizione come «Chronica».
53
München, Bayerische Staatsbibliothek, ms. CLM 10058, f. 154v; cfr. GAUTIER DALCHÉ, La
«Descriptio Mappe Mundi» (op. cit. nota 51), pp.81-88 e 193-195.
54
London, Brit. Libr., ms. Harl. 2799, ff. 241v-242; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines terrae (op.
cit. nota 2), pp. 71-73 e taw. 22 e 23 (vgl. unten Tafel 29).
[45/46] XXVII. Mappe del Medio Evo 547

T delle acque, inoltre a destra e sinistra molto concisamente le regioni oltre


l'ecumène. Sono riportati, in ordine per continente, i nomi dei paesi ma an-
che delle città, come ad esempio Gerusalemme, Troia, Nicosia, Il Cairo (Ba-
bylonia) ed Alessandria. All'estremo Est, in alto, appare il Paradiso; non è
chiaro se si intenda quello terrestre, ma è, comunque sia, divenuto parte inte-
grante dell'ecumène. Nella carta astronomica a destra appaiono solo i nomi
dei continenti sulla zona abitata, dato che la Terra è molto rimpicciolita.
Tutt'intorno vediamo le orbite dei sette pianeti e i segni zodiacali.
In questo caso non possiamo parlare di grande arte, né viene stimolata la
fantasia di chi consulta le mappe. Ma la pagina di pergamena deve sottostare
ad una particolare suddivisione, si lavora in spazi prefissati, con scrittura e
spazi bianchi. Questo procedimento, la trasmissione delle conoscenze facili-
tandone la memorizzazione attraverso un ordinamento grafico ben medita-
to, è tipico anche del «Liber de tribus maximis circumstantiis gestorum» di
Ugo. Il sapere non è esposto in maniera tale da venire sviscerato meccanica-
mente attraverso la consultazione di registri alfabetici, come nell'epoca delle
«Summae», e nemmeno è possibile ottenere una grafica efficace attraverso il
lay-out, che nella scuola gioca un ruolo molto importante. Il modo di proce-
dere è molto simile a quello di Lamberto di Saint-Omer, ma manca la sua
abilità artistica. La trasmissione del sapere attraverso le immagini avviene
qui in modo completamente diverso, sebbene in entrambi i casi con un note-
vole lavoro di astrazione.

6. La carta dell'abate Brandano

Nella «Dr. Albert-Knoepfli-Stiftung kartographischer Dokumente» [«Fon-


dazione dottor Albert Knoepfli per la documentazione cartografica»], che
ha sede dal 1975 nel museo di Bischofszeil nel cantone Thurgau, un foglio
ha recentemente attirato l'attenzione di chi l'inventariava:55 si tratta di una
pagina singola, tagliata verosimilmente da un manoscritto del tardo XII se-
colo. E un grande foglio di pergamena di dimensioni 21 x 16,5 cm, che da un
lato mostra l'inizio del testo della «Navigatio Sancti Brendani», dall'altro la-
to presenta una versione del cosiddetto planisfero di Isidoro>.56 La pagina
di testo è composta di 29 righe, sormontate da un titolo in rosso: Incipit vita
Sancti Brandani abbatis; il testo, che comincia con le parole Sanctus Branda-
nus..., è caratterizzato da una artistica S iniziale decorata in stile romanico;

55
Prof. Arthur Durst, Zürich.
56
Cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines terrae (op. cit. nota 2), pp.53 s. e taw. 13-15.
548 Studien zur Universalkartographie [46/47]

la scrittura stessa è ancora romanica, pur mostrando però numerose intrusio-


ni del gotico. Il testo è il primo capitolo della «Navigatio», e si interrompe
dopo le parole ut navigaremus contra occidentalem plagam ad insulam que dici-
tur ..., poiché proprio con questa meta l'abate Brandano si reca per mare ad
occidente dell'Irlanda. Il nucleo storico della leggenda di Brendano o Bran-
dano è il viaggio dell'omonimo abate di Clonfert nel VI secolo, ma il testo in
questione risale circa al X secolo e appartiene al grappo dei racconti di viag-
gio più popolari del Medio Evo. 57 Se identifichiamo la pagina di testo con il
recto del primo foglio di un manoscritto della «Navigatio» - anche il mano-
scritto di Gent dell'edizione Selmer presenta le indicazioni di pagina invertite
in questo punto -, 5 8 allora la carta si troverebbe sul verso del primo foglio e
sarebbe parte integrante del testo. Che questa supposizione sia probabile è
confermato anche da osservazioni esterne: sul margine sinistro il testo mo-
stra delle glosse risalenti ai tempi moderni, le cui lettere iniziali sono state
successivamente mutilate; l'altro margine invece non è perfettamente diritto e
sembra trovarsi ancora nella sua condizione originale. La carta sarebbe dun-
que una illustrazione del primo capitolo del testo.
L'identità fra la mano che redasse il testo e quella che disegnò la carta è
stata inoltre confermata senza ombra di dubbio da studi approfonditi. In
questo caso i reperti-guida sono state le lettere maiuscole, dalla forma spesso
insolita, che si presentano in svariate fogge in entrambe le pagine della per-
gamena.
Per planisfero di Isidoro si intende il disegno dei Padri della Chiesa conte-
nuto nelle «Etymologiae», XIII, 6, in cui egli aveva cercato di rendere grafi-
camente la forma sferica di una mappa delle zone astronomiche, orientata
verso Sud, prendendo come riferimento un punto poco al di sopra del circolo
polare e tracciando così le fasce climatiche della terra con linee curve, in mo-
do da renderne riconoscibile la sfericità.59 Su questo globo inserì poi un'ecu-
mène circolare, in un certo qual modo il continente ecumène abitato del co-
smo. Esattamente questo è il modello che vediamo ripreso nel testo di Bran-
dano, anche le legende sono tutte tratte da Isidoro e sono in parte molto di-
storte, come ci dimostra il testo della zona polare settentrionale. Anche
l'ecumène è contraddistinta attraverso i suoi avamposti a Nord e a Sud, con
le indicazioni Aetiopes e Riphei. Una sorpresa è invece il disegno sottostante,
quasi a forma di tappeto, squadrato e con bordi decorati, adornato per
quanto si può vedere con sorgenti zampillanti, identificate dalle diciture

57
Ed. C. SELMER, Navigatio Sancti Brendani Abbatis, Notre Dame 1959 (Publications in
Medieval Studies, 16).
58
Cfr. ibid., p. 5, 1. 32 (vgl. unten Tafel 32).
59
V nota 55 (vgl. unten Tafel 31).
[47/48] XXVII. Mappe del Medio Evo 549

Geon, Fison, Eufrates e Tigris - lette in senso antiorario: i quattro fiumi del
Paradiso secondo Genesi 2, 10-14. Il rettangolo rappresenta quindi il Para-
diso. Esso non tocca affatto l'ecumène, ma solo leggermente il bordo del co-
smo della sfera terrestre e questo apparentemente sul lato posteriore della fa-
scia abitata settentrionale, nei pressi della regione polare; probabilmente si
pensava fosse collegato ad essa tramite l'Eufrate. Se il disegno si riferisse ef-
fettivamente al testo, esso indicherebbe dunque una traduzione grafica della
terra repromissionis sanctorum di Brandano, che si mise in mare per cercarla
salpando dall'Irlanda e navigò verso Occidente per sette anni insieme ai suoi
compagni, alla ricerca di un'isola paradisiaca situata nell'Atlantico. Più avan-
ti essa venne messa in relazione con l'America, e si parlò di una prima sco-
perta.
La carta in questione è molto parca nel dipingere l'ecumène sul globo ter-
restre, ma inserisce nella rappresentazione un simbolo, la terra repromissionis
sanctorum, che può venire interpretato in modo trascendente. Il tappeto che i
quattro fiumi ci fanno intuire essere l'isola-Paradiso, e la cui collocazione
dovrebbe essere sul lato posteriore del globo - ripensiamo qui ai tentativi di
Lamberto di Saint-Omer di trovare una collocazione sia per il continente an-
tictonio che per il Paradiso, inteso sicuramente come terrestre -, viene inseri-
to nella figura con più valenze. A prima vista, la resa degli elementi di questa
rappresentazione ci appare primitiva e superficiale. Ma ad un esame più ap-
profondito l'osservatore moderno resta stupito di quanti doppi sensi siano
estesi a questo rozzo schizzo e della difficoltà di rendere ragione di tutti i
suoi elementi, rapportandoli al nostro modo di vedere. Anche solo la tecnica
di collocazione delle legende, come l'avevamo incontrata sulla carta-inventa-
rio di Arnstein, può servire da stimolo a cercare l'isola paradisiaca dell'A-
tlantico sulla parte posteriore del globo, ma nell'emisfero settentrionale,
quindi ad interpretarla come un continente periecumenico, cosa che farebbe
effettivamente pensare al Nord America o al Nord Asia. Se invece si intende
il tappeto come fluttuante liberamente nello spazio, la terra repromissionis
sanctorum sarebbe allora da intendersi come un luogo per così dire ultrater-
reno, il cielo nel senso di aldilà. Il simbolismo del XII secolo stimola più in-
terpretazioni e sottolinea la possibilità di diversi livelli di lettura: esso ogget-
tiva il trascendente e trascende l'esperienza.
550 Studien z u r Universalkartographie [48/49]

Conclusione: riassunto delle caratteristiche di un'epoca

In linea generale, il tema delle mie osservazioni era costituito da tutto ciò
che vediamo rappresentato nelle carte dell'XI e XII secolo riguardo alla Ter-
ra e al cosmo, a siti storici, a regioni scoperte attraverso la speculazione e a
luoghi trascendenti.
Il primo millennio era decisamente più influenzato dai relitti del classici-
smo latino, e con la rinascenza carolingia quelle teorie riacquistarono vigore.
Nell'XI e XII secolo vengono tenuti in maggior conto i luoghi biblici e - lo si
vede anche nelle copie delle carte più antiche - inizia quella tendenza che ab-
biamo definito come una riscoperta di Girolamo, poiché il padre dell' esegesi
occidentale si era occupato diffusamente della topografia della Terra Santa,
ad esempio nel suo scritto «Liber de situ et nominìbus locorum Hebraico-
ram»,60 basato su Eusebio. In Occidente essa trovò copisti e lettori soprat-
tutto nei secoli XII e XIII, quindi in corrispondenza con le Crociate, un pe-
riodo a cui risale più della metà dei manoscritti. 61 Allo stesso modo le crona-
che ebbero una maggiore diffusione a partire da quello stesso periodo, poi-
ché l'Oriente godeva di una sempre crescente considerazione, interesse che
durerà fino alla fine del Medio Evo. Inoltre i grandi commentari sui Profeti,
soprattutto Daniele ed Ezechiele, vennero molto letti e citati fin dall'inizio
delle Crociate. 62 I simbolisti del XII secolo trovarono molti spunti di rifles-
sione sulla concezione medievale di impero in Daniele, sui luoghi della Terra
Santa e dell'intero Oriente in Ezechiele. Anche il crescente interesse per i po-
poli del Nord, come Gog e Magog, ha la sua origine in Ezechiele 38-39.
Questi nomi riempiranno di preferenza le superfici vuote nel Nord-Est di
tutte le carte medievali a partire dall'inizio del secondo millennio. La carto-
grafia insulare è all'avanguardia in questo, 63 e non dobbiamo stupirci se le
due carte di Girolamo, quella dell'Oriente per il Vecchio Testamento e la
carta della Palestina per il Nuovo Testamento, vennero copiate - e conserva-
te - proprio in Inghilterra durante il periodo delle Crociate. 64

60
Ed. M I G N E , P L 2 3 , 903 ss.
61
Cfr. VON DEN BRINCKEN, H i e r o n y m u s (op. cit. nota 26), p . 475.
62
Ibid., p. 476.
63
Cfr. A . - D . VON DEN BRINCKEN, G o g und M a g o g , in: Die M o n g o l e n , hrsg. von W . H E I S S I G -
C. C. MÜLLER, Ausstellung H a u s der Kunst, M ü n c h e n , 22. M ä r z bis 28. Mai 1989, Innsbruck-
Frankfurt 1989, t. 2, pp. 2 7 - 2 9 .
64
L o n d o n , Brit. Libr., ms. A d d . 10049, ff. 64 e 64v; cfr. MILLER, M a p p a e M u n d i , t. 3, p p . 5 -
19 e tav. I; VON DEN BRINCKEN, Fines terrae (op. cit. nota 2), p p . 2 5 - 2 7 e t a w . 2 e 3.
[49/50] XXVII. Mappe del Medio Evo 551

La rappresentazione cartografica del mondo veterotestamentario è limita-


ta solo ai luoghi della storia della Salvezza e non ha alcuna ambizione cos-
mologica. Questo si riflette anche negli interessi e nel pensiero di Girolamo.
La cosmologia dell'ellenismo si pone al centro dell'attenzione del mondo la-
tino grazie a Macrobio e alla riscoperta dei suoi scritti. All'inizio del XII se-
colo Onorio Augustodunense, insegnante particolarmente dotato, fece ricor-
so alla simbologia del cosmo nella sua raccolta di prediche «Speculum Eccie-
siae» per la solennità «De inventione S. Crucis»: la Croce che giace sulla Ter-
ra, divide il mondo in quattro parti: innalzata, attira tutto a sé. 65 Ma qui le
quattro parti vanno intese in senso cosmico e non come i quattro continenti
insulari di cui parlava Macrobio.
In queste considerazioni i confini tra realtà e simbolo trascolorano. Il Pa-
radiso per Lamberto è il luogo in cui vennero confinati Enoch ed Elia; ma è
inteso in senso espressamente terrestre. Lamberto però rappresenta nel suo
«Liber Floridus» anche un luogo trascendente, la Gerusalemme celeste, una
città circondata da alte mura con dodici torri, sulle quali troneggiano gli
Apostoli con Cristo al centro, poiché egli si sforza sempre di inserire nelle
sue figure il mondo ultraterreno. Il fascino del suo linguaggio di immagini
consiste proprio in questa ambivalenza, che si imprime molto bene nella me-
moria ma sfugge ad ogni tentativo di sistemazione definitiva, offrendo così
al lettore e allo studioso spunti di riflessione sempre nuovi.

" Ed. MIGNE, PL 172, 945 B/C.


XXVIII. Thesaurus Coloniensis in der Vorstellung
mittelalterlicher Kartographen

Den Historiker, der nicht auf Kunstwissenschaft spezialisiert ist, stellt das
Rahmenthema vor Interpretationsprobleme. Die folgenden Beobachtungen
gelten daher nicht etwa der bildlichen Darstellung des thesaurus Coloniensis
auf Karten, sondern den Signa, die für Köln in der mittelalterlichen Karto-
graphie verwandt wurden. Dabei stellt sich vorab die Frage, wie man thesau-
rus übersetzen will, als Schatz oder als Schatzhaus; im folgenden wird der
Begriff auf die Stadt Köln als Schatzkammer bezogen, die die Kostbarkeiten
beherbergt. Kunstwerke sind es absolut nicht, die Köln auf Karten repräsen-
tieren, und von einer Ähnlichkeit mit real existierender Architektur der Zeit
kann man ebensowenig sprechen, zumal der Konservativismus des Mittelal-
ters erst sehr spät veränderten Stilformen in den Symbolen der Kartographie
Rechnung trag. Mitnichten sind etwa kleine Abbilder von Köln im Mittelal-
ter zu erwarten, die gar für Datierungsversuche - sowohl von dargestellten
Bauten als auch von Karten, die Köln verzeichnen - herangezogen werden
könnten, wohl aber einfachste Kennzeichnungen der Stadt.

Einleitung

Die folgenden Betrachtungen wurden durch die Beschäftigung mit „Rom in


der Kartographie des Mittelalters vom 9. bis zum 13. Jahrhundert" ange-
regt;1 die selbst hier nur bescheidenen bildlichen Materialien lassen sich u.a.
lediglich durch Vergleich mit den Signa für andere bedeutsame Städte zum
Sprechen bringen. Doch gibt es immerhin so etwas wie eine mittelalterliche
Rom-Ideologie, die um den Kern eines antiken Weltreiches kreist, natürlich
auch um Rom als Zentrum des lateinischen Christentums in Spätantike und
Mittelalter. Bedeutsamer noch ist Jerasalem für die Universalkartographie
des Mittelalters, 2 weil bereits die Patristik seine Mittelpunktstellung rekla-

1
Roma nella cartografia medioevale (secoli IX-XIII), in: L'eredità di Roma antica nella
,Respublica Christiana' dei secoli IX-XIII. Mito, rappresentazioni, sopravvivenze. Atti della
quattordicesima Settimana internazionale di studio, Mendola 24-28 agosto 1998, Miscellanea
del Centro di studi medioevali, voi. XVI, Milano ca. 2001 ( = s.u. S. 593-611).
2
Für die Tagung über die Hereford-Karte ebenda im Juni 1999 plant Verfasserin eine Jerusa-
lem-Untersuchung vergleichbarer Art (= s.u. S.683-703).
[206/207] XXVIII. Thesaurus Coloniensis 553

mierte, auch wenn es in der politischen Bedeutung Rom unterlegen war;


denn die mittelalterliche Ökumene-Karte gehört in der Regel zu Geschichts-
werken, 3 deren Hauptgegenstand immer auch die Heilsgeschichte war. Die-
se spielte sich zu einem erheblichen Teil in Jerasalem ab und machte Jerusa-
lem zu einem bedeutenden Pilgerziel des Mittelalters. Rom hatte zudem
gleichfalls als Wallfahrtsziel Anziehungskraft, sowohl als Apostelgrablege
als auch als Sitz der Spitze der abendländischen Kirche. Im Vergleich dazu
kam Köln eine bescheidenere Position zu, es konnte aber doch mit einer
beachtlichen Vergangenheit in der Antike, später mit der Grablege der Hei-
ligen Drei Könige und mit Einrichtungen eines überragenden kirchlichen
Zentrums aufwarten: Auch für Rom im Mittelalter erlangte übrigens die ak-
tuelle Funktion als Mittelpunkt der westlichen Christenheit ein wesentlich
größeres Gewicht als die eines Monuments antiker Größe.

1. Vom Charakter mittelalterlicher Ökumene-Karten

Stadtpläne kannte das Mittelalter nicht, weder zur Orientierung - man be-
trieb keinerlei Vermessung - noch als Erinnerungsbild. Überhaupt war die
mittelalterliche Kartographie bis zum Ende des Hochmittelalters fast aus-
schließlich Universalkartographie, mappa mundi. Man zeichnete die drei da-
mals bekannten Erdteile in der seit Augustin üblichen Verteilung Asien zu
Europa zu Afrika wie 2:1:1, ostete diese Ökumene und erhielt die soge-
nannte TO-Karte, die die Erdteile mit einem Ozeanring, symbolisiert durch
das O, umgab und durch ein T der Gewässer, nämlich Mittelmeer als Schaft
und Don und Nil als Balken, unterteilte. Die nicht nur schematische, son-
dern zudem häufig Details bietende Ökumene-Karte füllte das oben be-
schriebene TO-Schema mit kennzeichnenden Symbolen.
Wichtigste, durch entsprechende Legenden mitgeteilte Einzelheiten waren
Kontinente und Ländernamen, ohne daß Grenzen eine nennenswerte Rolle
spielten. Siedlungen standen nicht im Mittelpunkt, sondern Länder im Sinne
von Reichen, Herrschaften, Personenverbänden. Ausnahmen bildeten hier
nur die Städte Jerusalem, Rom und Konstantinopel, 4 außerdem erschienen
gerade in der Kartographie des ersten Jahrtausends einige bekannte Orte Pa-
lästinas und des Mittelmeerraumes wie Athen, Korinth, Mailand und Barce-

3
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago mundi des
abendländischen Mittelalters, in: DA 24, 1968, S. 118-186 (= o. S. 17-81); E. EDSON, Mapping
Time and Space. How Medieval Mapmakers viewed their World, London 1997.
4
Vgl. VON DEN BRINCKEN (wie Anm. 3), Tafel II-VII, S. 162-167, besonders Tafeln IV S. 164
und VHS. 167.
554 Studien zur Universalkartographie [207/208]

Iona. Diese Plätze waren aus der Antike recht bekannt, aber wohl weniger
aus einer nur fragwürdig bezeugten klassischen Kartographie, 5 als vielmehr
in antiken historischen und geographischen Texten beschrieben. Erst im Zu-
sammenhang mit der Territorialisierung setzte hier ein Wandel ein.

2. Das vorscholastische Zeitalter

Köln, Römergründung der Antike, erschien nirgends in den spätantiken und


frühmittelalterlichen Texten an herausragender Stelle und daher auch kei-
neswegs in der frühen Kartographie. Vielmehr bestimmten die Kirchenväter
Hieronymus und Augustin die Auslese der wichtigen Schauplätze, Hierony-
mus als Übersetzer und Verbreiter der griechischen Schriften des Eusebios
von Kaisereia mit Akzent auf Asien sowie dem Heiligen Land vermutlich zur
Erläuterung des Alten und des Neuen Testaments 6 und Augustin7 als Syste-
matisator der TO-Karte.
Macrobius und Isidor nahmen das vorgefundene Material in ihre enzyklo-
pädischen Werke auf. Erst mit Beatus von Liébana kam ein typisch christli-
cher Zug in die Universalkartographie, indem er der Mission der zwölf Apo-
stel nachspürte, von der jedoch Köln nicht betroffen war; ebensowenig fand
es sich auf der sehr antik geprägten Karte aus Ripoll aus der Mitte des 11.
Jahrhunderts. Die gleichzeitige Cottoniana war mehr zeitgeschichtlich
orientiert, schwieg sich jedoch noch weitgehend über Deutschland aus, er-
faßte nur Italien und England sorgfältiger. Beatus-Karten erwiesen sich dar-
über hinaus als an Nordfrankreich interessiert.

3. Das Hochmittelalter

Hugo von St. Viktor, von dem wir keine Karte besitzen, war der erste, der
aufgrund seiner sächsischen Herkunft auf deutsche Städte genauer einging
und daher in seiner Descriptio Mappe Mundi Köln unter den Städten von

5
Vgl. K. BRODERSEN, Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung, Hildesheim/
Zürich/New York 1995 (Spudasmata 59).
6
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf
mittelalterlichen Weltkarten, Hannover 1992 (Sehr. d. MGH 36), S.24-27; DIES., Hieronymus
als Exeget „secundum historiam". Von der Chronik zum Ezechiel-Kommentar, in: DA 49, 1993,
S. 453-477, bes. S. 455 f. und S. 467 f.
7
VON DEN BRINCKEN (wie Anm. 6), S. 28-30.
[208/209] X X V I I I . T h e s a u r u s Coloniensis 555

Gallia Belgica neben Metz, Lüttich, Trier etc. aufführte8 und auch als Colo-
nia Agrippinensis im Zusammenhang mit Tongern, Reims, Laon als urbs in-
clita et famosa9 (eine bekannte und berühmte Stadt) einstufte; auf gleichzeiti-
gen Karten wie der Isidor-Karte aus Nordfrankreich sucht man es ohne Er-
folg, während Mainz belegt ist.10 Man schaut desgleichen vergebens nach
Köln auf Karten wie denen von Guido von Pisa, Lambert von Saint-Omer
einschließlich der Europa-Karte, auf der Oxford-Karte von ca. 1110 und na-
türlich bei Petras Alfonsi aus, aber auch die Karte in der Bibel von Arnstein
erwähnt Köln nicht. Alle genannten Karten sind noch sehr an Herrschaften
insgesamt, noch nicht an den Einzelsiedlungen interessiert.
Die erste kartographische Spur von Köln findet sich auf der Karte aus
dem Kloster Sawley vom Ende des 12. Jahrhunderts, die bei einer Hand-
schrift der «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis steht und daher
lange Zeit mit diesem bzw. einem vermeintlichen und wohl verlesenen Hein-
rich von Mainz in Verbindung gebracht wurde." Honorius selbst erwähnte
Köln nicht, wohl natürlich Regensburg, 12 wo er lebte. Auf der Karte aus
Sawley findet Köln sich in Gallien, Mainz liegt an der Mosel. 13
Köln erscheint hier aber immerhin bereits mit einem Bildsymbol (Aus-
schnitt aus Tafel 18), das eine von zwei Türmen eingerahmte Mauer mit spit-
zem Rundturm im Innern aufweist. Dasselbe Symbol, aber etwas kleiner, ist
für Korinth verwandt, in Europa ist vielleicht Paris noch vergleichbar zu
deuten, dort überragen allerdings die Stadtmauern das Architektursymbol
für das Stadtinnere wie auch bei Rom, wo riesige Mauern ein kleines Gebäu-
desymbol umrahmen. Konstantinopel ist entsprechend bezeichnet, aber von
einer dreitürmigen Mauer umgeben. In Afrika taucht das Konstantinopel
entsprechende Symbol für Alexandria auf, das Köln entsprechende für die

8
Ed. P. GAUTIER DALCHÉ, La „Descriptio Mappe Mundi" de Hugues de Saint-Victor. Texte
inédit avec introduction et commentaire, Paris 1988, S. 155 Z. 586.
9
Ebda. S. 157 f. 2. 679 f.
10
Ms. CLM 10058 fol. 154v, dazu GAUTIER DALCHÉ (wie Anm. 8), Tafel I und Text S. 193-
195.
11
P. D. A. HARVEY, The Sawley Map and Other World Maps in Twelfth-Century England,
in: Imago Mundi 49, 1997, S. 33-42, Abb. S.34.
12
I, 23 ed. V. I. J. FLINT, in: Archives d'Histoire Doctrinale et Littéraire du Moyen Age 57,
1983, S. 60.
13
Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 66, S. 2; dazu K. MILLER, Mappae Mundi. Die
ältesten Weltkarten 3, Stuttgart 1895, Tafel II und S. 29; D. LECOQ, La mappemonde d'Henri de
Mayence ou l'image du monde au XII siècle, in: Iconographie medievale. Image, Texte, Con-
texte. Sous la direction de G DUCHET-SUCHAUX, Paris 1990, S. 155-207, die allerdings in der
Deutung von Kölns Gewicht als einer Reichsstadt des Mittelalters einem sachlichen wie chrono-
logischen Mißverständnis unterliegt.
556 Studien z u r U n i v e r s a l k a r t o g r a p h i e [209]

Sawley-Karte (Ausschnitt). Links die Inseln Hibernia (Irland) und Britannia, rechts davon am
Fluß das Bildsymbol für Köln mit der Beschreibung „colonia".

Augustinus-Stadt Hippo, in Asien ist es für Antiochia, Askalon und eine Nil-
insel zwischen Alexandria und Meroe, also wohl für Babylonia (Alt-Kairo),
verwandt; Jerasalem ist durch ein vergleichbares, aber wesentlich größeres
und aufwendigeres Siedlungssymbol hervorgehoben. Versucht man, die ge-
nannten Plätze zu vergleichen, handelt es sich jeweils um für Christen be-
deutsame Stätten, so daß man mit einer Deutung der Gebäude im Innern als
Kirchenbauten wohl nicht fehlgeht. Mainz, gelegen an der Mosel, sieht ent-
schieden bescheidener aus, vor allem innerhalb der Mauern. Man darf aus
diesen Beobachtungen für Köln eine erstrangige Stellung innerhalb des Rei-
ches und auch innerhalb Europas ablesen, die auf der kirchlichen Bedeutung
beruht.

4. Spätmittelalter

Erst im Spätmittelalter traten Städte auf mittelalterlichen Karten - wie auch


generell in der Geschichte - nachhaltiger hervor. Matthaeus Parisiensis, als
Universalhistoriker bestens informiert über die Geschehnisse seiner Zeit, hat
[209/210] XXVIII. Thesaurus Coloniensis 557

auf seiner europabetonten Weltkarte 14 in Deutschland nur Köln und Metz


der Erwähnung durch nicht ganz einsichtig platzierte Legenden gewürdigt.
Auf der wohl um diese Zeit erstellten Kopie der «Tabula Peutingeriana» 15
erscheint Köln als bescheidener Zweitürmer in Abschnitt III, vergleichbar
Bonn, Trier, Mainz, Besancxm, Avignon, Aries, Vienne und Marseille. Geht
man hier von einem spätantiken Wissensstand aus, so hat Köln damals seine
Bedeutung als Wegstation, aber diese ragte nicht heraus: Wirkliches Anse-
hen erlangte erst das kirchliche Zentrum im Mittelalter.
Die Psalter-Karte von London um 1262, 16 Mini-Weltbild von 9 cm
Durchmesser, zeigt auf der Bilddarstellung - die Textversion auf der Rück-
seite kennt fast ausnahmslos nur die Ländernamen - an einem Fluß Colonia,
wobei zwischen zweitem und drittem Buchstaben ein kleiner Einzinner er-
scheint, der auch andere Städte symbolisiert wie z.B. Halle, Barcelona,
Lyon, Paris, Bologna und viele legendenlose Plätze; in Europa erhielten nur
Rom und Konstantinopel Dreizinner, in Afrika ist Karthago, in Asien ledig-
lich Troja durch ein solches Zeichen herausgestellt.
Der überformatige Rotulus von Vercelli17 platziert Köln ganz am Nord-
rand von Europa als dreigeschossigen Rundbau. Mit derartigen Symbolen,
kleinen „Engelsburgen", ist die Karte insbesondere in Europa übersät. Die
Mehrzahl der Stadtsymbole hat zwei Geschosse, Rom und Konstantinopel,
auch Troja haben zum Vergleich vier, Köln entsprechend sieht Venedig, Pa-
ris, Persepolis und Karthago aus, aber etwa Passau oder Reims sind bei drei
Geschossen weniger wuchtig gehalten.
Die heute verlorene Ebstorfer Weltkarte, wohl in Nordwestdeutschland
entstanden, bot Stadtmauerzinnen, einen massiven Domturm und ein offen-
bar langgestrecktes Kirchenschiff, von dem nur noch das Dach auszuma-

14
Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 26 S.284; dazu MILLER (wie oben Anm. 13),
S. 70-73; R. VAUGHAN, Matthew Paris, Cambridge 1958, 2 1979, (Cambridge Studies in Medi-
eval Life and Thought II, 6), S. 235-250.
15
Benutzt in der Ausgabe nach K. MILLER, Die Peutingersche Tafel, Stuttgart 1962, Segment
III.
16
London, Brit. Libr. Ns. Add. 28681 fol.9; MILLER (wie Anm. 13), Tafel III und S.37-43;
zur Datierung vgl. N. MORGAN, Early Gothic Manuscripts 2: 1250-1285, 1988 (A Survey of Ma-
nuscripts illuminated in the British Isles 4, 2), Nr. 114, S. 82-85.
17
Vgl. VON DEN BRINCKEN, A.-D., Monumental Legends on Medieval Manuscript Maps.
Notes on designed capital letters on maps of large size (demonstrated from the problem of da-
ting the Vercelli Map, thirteenth Century), in: Imago Mundi 42, 1990, S.9-25 ( = o. S.375-
399); brauchbare Abb. (Original sehr zerstört) bei Y. KAMAL, Monumenta Cartographica Afri-
cae et Aegypti, 5 Bde. in 16 Teilen, Kairo 1926-52, verkleinerter Nachdruck in 6 Bdn., hg. von
F. SEZGIN, (Veröffentlichungen des Instituts f. Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissen-
schaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Reihe D, 3, 1-6, 1987), Tafel 997.
558 Studien zur Universalkartographie [210/211]

chen war, da die Karte insgesamt nicht gut erhalten war. 18 Das benachbarte
Koblenz und desgleichen Mainz waren besser zu sehen und wirkten kleiner,
aber kompakter. Bei dieser übergroßen und künstlerisch besonders liebevoll
ausgestatteten Karte wird man dennoch nicht von individuellen Zügen bei
der Architektur ausgehen dürfen, sondern auch nur von differenzierten Si-
gna. Lüneburg z. B. wies verwandte Elemente auf.
Die überformatige Hereford-Karte hat für Agrippina Colonia19 einen
stattlichen Bau mit vier Türmen vorgesehen; London ist im Vergleich be-
scheidener, Paris viel schmucker. Die Architektursymbole sind vielseitiger
geworden und zeigen vor allem Befestigungscharakter; wenige gleichen ein-
ander, ohne daß man gleich von Individualität sprechen könnte.
In derselben Tradition stand auch der um zwei Generationen jüngere Ra-
nulph Higden, 20 der sich wieder des normalen Buchformates bedient. Er
stellte England mit einheitlichen Siedlungssymbolen heraus. Auf einem
Exemplar erschien Köln als Legende südlich der Loire, während das nörd-
lich davon gelegene Paris einen stattlichen Dreizinner erhielt. 21
Die Weltkarte in der Abtei Evesham 22 hingegen, die sich sehr an Ranulf
anlehnt und offenbar um 1390 als Wandkarte gestaltet wurde, heute erhalten
aus der Zeit um 1452 auf der Rückseite eines Stammbaums im College of
Arms in London, zeigt im Gegensatz zu Ranulf, aber unter Verwendung ver-
gleichbarer Architektursymbole, sehr wohl Köln im Bild und zwar als stattli-
chen Festungsbau.23

18
Die Karte, die ein Opfer des zweiten Weltkrieges wurde, liegt nur noch in Kopien vor, von
denen die von E. SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte, i. A. des Historischen Vereins für
Niedersachsen hg., Hannover 1891, als beste gilt; vgl. auch K. MILLER, Die Ebstorfkarte. Map-
pae Mundi. Die ältesten Weltkarten 5, Stuttgart 1896; B. HAHN-WOERNLE, Die Ebstorfer Welt-
karte, Stuttgart-Bad Cannstadt 1987; ausführlich zuletzt: Ein Weltbild vor Columbus. Die Eb-
storfer Weltkarte. Interdisziplinäres Colloquium 1988, hg. von H. KUGLER, in Zusammenarbeit
mit E. MICHAEL, Weinheim 1991.
" Vgl. K. MILLER, Die Herefordkarte. Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten 4, Suttgart
1896; P.D. A. HARVEY, Mappa Mundi - The Hereford World Map, Hereford/London 1996.
20
Vgl. MILLER (wie Anm. 13) S.3, S. 94-109, bes. S. 100.
21
Vgl. Tafel XIV oder F bei M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500, Amsterdam
1964 (Monumenta Cartographica Vestustioris Aevi I).
22
Vgl. E. BARBER, The Evesham World Map: A Late Medieval English View of God and the
World, in Imago Mundi 47, 1995, S. 11-33 m. Abb., bes. S. 14.
23
BARBER (wie Anm. 22), S. 24 glaubt gar, hier den gotischen Dom im Bau erkennen zu kön-
nen (vgl. unten Tafel 60).
[211/212] XXVIII. Thesaurus Coloniensis 559

5. Seekarten

Sicherlich war Köln nicht als Seestadt einzustufen und hat daher auf der
Portolankarte im engeren Sinne nichts zu suchen. Da aber bald auch das In-
land Berücksichtigung in der Darstellung der Seekarten fand, wurden Städte
an bekannten Flüssen, die im Rahmen des Seehandels eine Rolle spielten,
einbezogen. Hier sind an erster Stelle die Karten des Pietro Vesconte zur
Kreuzzugspropaganda des Marino Sanudo und die davon abhängigen des
Universalhistorikers Paulinus Minorità zu nennen, die in das zweite und
dritte Jahrzehnt des H.Jahrhunderts gehören. Zumindest einige von ihnen 24
kennen Köln neben Basel, Aachen und Speyer.
Die dem Inland stärker verpflichtete mallorquinische Portolankartogra-
phie zeigt Köln ziemlich einhellig, bei Angelico Dulcert 1339 z.B. als Drei-
zinner Collogne neben Koblenz und Mainz, 25 im Katalanischen Atlas 26 Col-
logna schön ansehnlich im Vergleich zu den genannten rheinischen Nach-
barn. Auch im folgenden Jahrhundert halten die katalanischen Karten an
dieser Tradition fest.27

6. D a s Zeitalter der Ptolemäus-Renaissance

Die Ptolemäus-Renaissance setzte sich im Handschriftenzeitalter erst behut-


sam durch, der Buchdruck kam ihr natürlich dann sehr zustatten. Andreas
Walsperger, Salzburger Benediktiner, stellte Köln 1448 auf seiner gesüdeten
Weltkarte mit einem roten Punkt heraus, sein Kennzeichen für eine christli-
che Stadt laut Hinweis auf der Karte. 28
Das dreitürmige Stadtsymbol auf der in Metall gravierten sogenannten
Borgia-Karte in der Vatikanischen Bibliothek 29 aus der Mitte des 15. Jahr-
hunderts (s. folgd. Seite) teilte Köln mit allen anderen Städten - von Alexan-

24
Vgl. MILLER (wie Anm. 13), S. 3, 133 mit Nachweis der Handschriften Biblioteca Apostoli-
ca Vaticana, Pal. 1362 A fol. 2 und Paulinus Minorità, Chronologia Magna, Paris BnF lat. 4939
fol. 9.
25
Vgl. Tafeln bei M. DE LA RONCIERE, und M. MOLLAT DU JOURDIN, Portulane. Seekarten
vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, München 1984, Tafel 7.
26
Vgl. DE LA RONCIERE, MOLLAT DU JOURDIN (wie Anm.25), Tafel 8.
27
Vgl. z.B. MECIA DE VILADESTES, in: LA RONCIERE, MOLLAT DU JOURDIN (wie Anm.25). Tafel
12.
28
Vgl. Facsimile der Vatikanischen Handschrift Pal. 1362B in: BELSER, Bibliophile Edition
aus der Biblioteca Apostolica Vaticana, 1981.
29
Vgl. Tafel V oder XXIX bei DESTOMBES (wie Anm. 21 ).
560 Studien zur Universalkartographie [212/213]

Die Borgia-Karte (Ausschnitt). Rechts unten über dem Segelschiff „ays" (Aachen) und
colonia am Rhein.

dria bis Aachen - als neutrales Siedlungssymbol ebenso wie den roten Punkt
auf der Rundkarte aus Zeitz. 30 Die Städte hatten ihre überlieferte Fama ein-
gebüßt, zumal Köln im 15. Jahrhundert viele ebenbürtige Konkurrenten ak-
zeptieren mußte. Erwähnenswert war allenfalls auch hier nochmals die Her-
vorhebung im Rahmen rheinischer Bischofsstädte auf den kleinen schemati-

30
Vgl. Tafel XLVTI bei L. BAGROW, und R. A. SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin
1963, S. 374.
[212/214] X X V I I I . Thesaurus Coloniensis 561

sehen TO-Karten bei Heinrich van Beeck in seiner Agrippina um 1472, mit
der er auf Kölns Funktion im Reich aufmerksam machen wollte. 31
Aus dem Rahmen schließlich fällt Kölns sehr gotische Gestaltung auf der
lange Zeit Columbus persönlich zugeschriebenen Karte von um 1500 in der
Pariser Nationalbibliothek, eintürmig und von italienischer Bauform, 32 ein-
deutig ein Werk der Zeitenwende zur Neuzeit.

7. Auswertung

Die Zeichen für Städte können sehr unterschiedlicher Art sein. An erster
Stelle ist die ganz schlichte Legende zu nennen, die den Namen der Stadt
wiedergibt, z.B. Colonia c(ivitas) oder Agrippina. Der Name Kölns ist so
kurz, daß er immer Platz findet, zumal er sich generell nicht sonderlich für
eine Kürzung anbot. Wichtig ist seine Platzierung auf dem Pergament. Da
der Raum nicht vermessen wurde - auch die antike römische Kartographie
baute auf keinerlei Vermessung auf, ging wohl von Tagereisen zwischen den
einzelnen Stationen auf Karten für Heeres- und Poststationen aus -, kann
aus der Stellung der Legenden zueinander nur bedingt auf bestimmte Entfer-
nungen geschlossen werden, wohl aber auf die Lage der nominierten Plätze
zueinander, denn die Karten haben stets auch Itinerarcharakter und deuten
die Verbindungswege an. Die Schriftzeichen sind insofern im Kartenbild viel
aussagekräftiger als im schlichten Textblock. Im Falle der Psalterkarte von
London hat der Zeichner das bescheidene Architektursymbol zwischen der
ersten und zweiten Silbe des Namens eingefügt und Bildsymbol und Legende
verbunden: das Türmchen nimmt sich sehr dezent, aber doch dekorativ vor
der Oberlänge des 1 von Colonia aus.
Die verwendeten Zeichen sind denkbar simpel, deuten durch Mauer,
Dach und Turm an, daß sie für aufwendigere Bautenansammlungen stehen.
Türme sind Ausdruck von Befestigungen im Mauerwerk, beziehen sich aber
zweifellos gerade bei den heilsgeschichtlich orientierten Weltkarten auch
ebenso häufig auf Kirchenbauten im Inneren der Stadt. Auf einem Miniatur-

31
Ed. jetzt R. MEIER, Heinrich van Beeck und seine „Agrippina". Ein Beitrag zur Kölner
Chronistik des 15. Jahrhunderts. Mit einer Textdokumentation (Kölner Hist. Abhh. 41). Köln/
Weimar/Wien 1998; dazu A.-D. VON DEN BRINCKEN, Köln, das Reich und die Ökumene (800-
1475), in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters, Festschrift f. ODILO EN-
GELS zum 65. Geburtstag, hg. von H. VOLLRATH, und S. WEINFURTER, (Kölner Hist. Abhh. 39),
Köln/Weimar/Wien 1993, S. 713-717 ( = o. S. 455-460) und Abb. 5 (vgl. unten Tafel 70).
32
Paris, BnF Res. Ge AA 562, Abb. bei LA RONCIERE, MOLLAT DU JOURDIN (wie Anm.25)
(vgl. unten Tafel 21).
562 Studien zur Universalkartographie [214/215]

bild wie der Psalterkarte sind keine großen Varianten denkbar, auf großfor-
matigen wie der Ebstorfer Weltkarte ist die Möglichkeit für aussagekräftige
Bildbeigaben eine ganz andere. Individualitäten können hier durchaus zum
Ausdruck gebracht werden, ohne daß sie gleich als Abbildungen zu deuten
sind.
Aus dem Vergleich mit dem Rombild im Mittelalter 33 muß die Beobach-
tung eingebracht werden, daß man recht lange vergebens z.B. nach bekann-
ten und charakteristischen Bauten aus der Antike, die überdauert hatten, su-
chen muß. Im H.Jahrhundert werden diese üblich, vorher fehlt jeder frap-
pant ähnliche Zug und bleibt bestenfalls ein Gegenstand wagemutiger Inter-
pretation. Individuelle Bildelemente sind im Falle Roms anscheinend zuerst
auf Siegeln greifbar und kommen erst von dort in die Zeichnungen oder
Stadtpläne.
Da die Antike ganz offensichtlich räumliche Vorstellungen anders verle-
bendigte als wir und ohne Stadtpläne mit Verhältnisgrößen zurechtkam, 34
reiht auch das Mittelalter sogenannte landmarks' aneinander, das sind
Kennzeichen für bestimmte Plätze in einer vorgegebenen Abfolge. Etwa Hu-
go von St. Viktor nennt im Text seiner «Descriptio Mappe Mundi» andere
Plätze im Umfeld von Köln und ruft damit dem Leser die korrekte Lokali-
sierung ins Gedächtnis.
Auf der Sawley Map, der frühesten Bildversion, hat Köln ein durchaus
markantes Symbolbild. Man möchte es als Stadtmauer mit befestigten Tor-
türmen deuten, aus dem Inneren ragt gleichfalls eine Gebäudespitze hervor,
die hier wohl einen bedeutenden Kirchenbaukomplex repräsentiert; wie oben
auch aus der Verwendung des entsprechenden und verwandter Symbole zu-
sammenfassend deutlich gemacht wurde, ist Köln um 1200 als ein Paris ver-
gleichbarer Platz zu verstehen.
Matthaeus Parisiensis hat nur die Namensform von Köln im Bereich von
Alemannia und an einem Fluß vermerkt, alles nur skizziert und nicht näher
bezeichnet. Metz ist erheblich weiter im Nordosten lokalisiert, sonst fehlen
deutsche Siedlungen auf dieser gleichfalls in England entstandenen Karte.
Der Engländer Ranulph Higden hat hundert Jahre später nicht wesentlich
solidere Köln-Kenntnisse, er nennt es auf der großen Karte an einem Fluß,
der als Loire ausgewiesen ist. Im Gegensatz zur Masse der englischen Sied-
lungen, aber auch zu Paris erhält Köln bei Ranulph kein Bildsymbol; doch
in dieser Hinsicht wendet auch Heinrich van Beeck nicht mehr an Köln als

Vgl. oben Anm. 1.


Vgl. BRODERSEN (wie Anm. 5), S. 289f. zusammenfassend.
[215/216] XXVIII. Thesaurus Coloniensis 563

die Legende, obwohl er sich sehr wohl auf die Kunst der Malerei verstand
und seine Agrippina eindrucksvoll ausstattete.
Die mit Matthaeus Parisiensis fast gleichzeitige Psalterkarte von nur 9 cm
Durchmesser verbindet die Inschrift mit einem Minimalsymbol, einem klei-
nen Turm, der in die Buchstaben eingefügt ist.
Ganz anders ist die Situation für die drei überformatigen Karten aus dem
letzten Drittel des 13. Jahrhunderts, auf denen der Raum um Köln erhalten
ist, nämlich die Karten aus Vercelli, Ebstorf und Hereford. Auch bei ihnen
folgt die Architekturzeichnung stets gewissen formelhaften Vorgaben, doch
ist Raum für Phantasiezutaten gegeben. Am bescheidensten fällt noch die
kleinste der genannten Karten aus, der Rotulus von Vercelli (Durchmesser in
unbeschädigtem Zustand 84 cm). Hier sind nämlich recht einheitliche Archi-
tektursigna verwandt, tonnenartige Rundbauten, die bald zwei-, bald drei-
oder gar viergeschossig in Erscheinung treten. Für Europa und Afrika ver-
wendet der Zeichner diese Symbole nahezu durchgehend und in sehr großer
Menge, d. h. er meidet mit Erfolg weiße Flecken auf der Landkarte seiner be-
sonders wasserarmen und mithin festlandbestimmten Karte und füllt die
Länder restlos mit seinen Siedlungssymbolen. Anders ist das in Asien, wo es
siedlungsfreie Räume gibt, dort erscheint allerlei phantastische Flora und
Fauna, auch aus dem Rahmen fallende Architektursymbole für Apostelgra-
blegen z. B. oder die Arche Noe.
Auf der Ebstorfer Weltkarte (358 x 356 cm) war Köln durch ein langge-
strecktes Kirchendach, dazu durch einen Turm im Osten und ein zinnenbe-
wehrtes Mauerstück fragmentarisch zu studieren gewesen, also als eine ein-
zige riesige Kirche in einer befestigten Stadt. Der Vergleich mit anderen
rheinischen Bischofsstädten ist wegen Zerstörung der Karte problematisch,
aber weder Koblenz, noch Mainz, Metz, Toul, Verdun und Trier weisen ty-
pische Merkmale auf. Der Zeichner, der die genannte Städte gekannt haben
dürfte, strebte kein individuelles Abbild an. Das muß man im Vergleich auch
von Rom sagen, dessen Hauptkirchen sogar ausdrücklich durch Legenden
ausgewiesen sind, die aber wiederum lediglich Architektursymbole kommen-
tieren. Die bei Köln gezeigten Architekturteile erscheinen auch in anderen
Kontinenten, wenn auch nicht in verhältnisgleicher Ausdehnung.
Agrippina Colonia auf der Hereford-Karte (165 cm hoch, 135 breit) zeigt
eine viertürmige Stadtmauer und innen einen stattlichen Rundbau. Das Sym-
bol wiederholt sich auf der Karte kein einziges Mal in völlig gleicher Form,
ist aber aus Bauelementen erstellt, die sich immer wieder finden. Die Platzie-
rung Kölns zu den Suffraganen von Trier ist ganz dieselbe wie auf der Eb-
storfer Weltkarte.
Schließlich hatte auch die Karte aus Evesham ein dem Rotulus von Vercel-
li vergleichbares Format, nämlich 94 x 46 cm. Sie gewährt nur einem kleinen
564 Studien zur Universalkartographie [216/217]

Teil der erwähnten Orte außerhalb Englands Gebäudesymbole, doch im-


merhin einigen mehr als Ranulf. Köln kann es da mit Rom durchaus aufneh-
men, das allerdings ausgeprägtere angeblich gotische Stilmerkmale zeigt,
und überragt Paris erheblich.
Die Seekarten haben gleichfalls Bildchiffren für die Städte, die eine ge-
wisse Größe oder Bedeutung besagen könnten. Köln unterscheidet sich da
nicht vom benachbarten Koblenz, offenbar aus der Sicht von Schiffern als
Kauffahrern gesehen.
Walsperger im 15. Jahrhundert beschränkt sich auf den roten Punkt für
Köln, den er grundsätzlich christlichen Siedlungen zuerkennt, die Rundkar-
te von Zeitz desgleichen, wobei die rote Farbe hier schon nichts mehr über
das Bekenntnis der Siedlungen aussagt.
Die sogenannte Borgia-Karte, graviert auf Metall, hat zwar Gebäudesym-
bole, aber diese sind fast in allen Fällen gleich; ein dreitürmiges Haus mit er-
habenem Mittelturm (oder Kreuzkuppelbau?) gibt die Schablone ab für
sämtliche Siedlungen, erhält nur im Heiligen Land und in Arabien Abwand-
lungen, die natürlich nicht mit Autopsie zu begründen sind.

Zusammenfassung

Die für Köln in der Universalkartographie des Mittelalters verwandten


Schrift- und Bildsymbole geben als Signa durchaus eine Vorstellung von der
Bedeutung, die Köln für den Kartographen besaß, z.B. als verkehrsgünstig
am Rhein gelegen, als Stadt von vielen Kirchen, sicherlich aber nicht als ein-
stige Römerstadt, denn deren Überreste kannte man nicht. Sie erlauben kei-
nerlei Interpretation hinsichtlich des Aussehens von Köln, da jede Überein-
stimmung mit der Realität rein zufällig war.
XXIX. Die bewohnte Welt in neuen Sichtweisen
zu Anfang des 13. Jahrhunderts
bei Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry

Bei Einwerbung der Tagungsbeiträge aufmerksam gemacht auf die noch ge-
ringe geistesgeschichtliche Erschließung der Randperioden des 13. Jahrhun-
derts, gelten die folgenden Beobachtungen einmal nicht der künstlerischen
Reifeperiode mittelalterlicher Kartographie am Ende dieses Zeitraums - ab-
zulesen an den Karten von Ebstorf, Hereford und den ersten Seekarten -,
sondern dem noch wenig erörterten ersten Viertel.
Im Gegensatz zur Mediävistik West- und Südeuropas ist in Mitteleuropa
eine Dreiteilung des Mittelalters üblich: Nicht ein Hoch- und Spätmittelalter
mit der Grenze im gregorianischen Zeitalter des 11. Jahrhunderts ist in der
deutschen Forschung gebräuchlich, sondern eine Aufteilung in Früh-, Hoch-
und Spätmittelalter in Anlehnung an die Herrscherdynastien im Reich. Die
Zäsuren fallen in der gängigen Zählweise mit dem Aussterben der Karolinger
im Osten und mit dem der Stauferkaiser zusammen. Herbert Grundmann
legte den Schnitt zwischen Hoch- und Spätmittelalter bereits 1198,1 was die
Anlage von Gebhardts „Handbuch der deutschen Geschichte" und Genera-
tionen seiner Benutzer prägte; als Grand nannte er einerseits den Beginn des
Thronstreites, verbunden mit der Zurückdrängung des dynastischen Prin-
zips im Reich, andererseits die Erhebung Innozenz' III., des bedeutendsten
Vertreters des Papsttums im Mittelalter, auf den Stuhl Petri. Die hierarchi-
sche Neuordnung der Kirche mit ihren Rückwirkungen auf Byzanz ließ zu-
kunftsträchtige Neubildungen früher als zu Ende der Stauferzeit hervortre-
ten und legte die Zäsur in die Zeit um 1200. Dieser auf den ersten Blick äu-
ßerliche Einschnitt soll im folgenden unter dem Aspekt,Sichtweisen der be-
wohnten Welt' beleuchtet werden, denn auch politische Fakten wirkten auf
das Geistesleben der Zeit.

1
Wahlkönigtum, Territorialpolitik und Ostbewegung im 13. und H.Jahrhundert, in: Geb-
hardt, Handbuch der deutschen Geschichte, ed. H. GRUNDMANN, 9. Aufl. 1973, 14-16 (dtv WR
4205).
566 Studien zur Universalkartographie [604/605]

1. Kartographie um 1200

In der Kartographie ging es um 1200 - im Gegensatz etwa zu der Zeit um


1100 oder 1300 - ruhig zu. Der Beginn des 12. Jahrhunderts war, vermutlich
befrachtet durch die Kreuzzugsbewegung, eine Blütezeit der Kartenkunst
gewesen. Die Oxford-Karte 2 z.B. um die Jahrhundertwende, die erstmals
auch im Bild Jerusalem konsequent im Weltmittelpunkt zeigte, auch wenn
sie eine sehr schematische, vielleicht zudem byzantinisch beeinflußte Öku-
mene-Darstellung 3 bot, oder die gesüdete, aus arabischer Tradition stam-
mende Klimatenkarte des jüdischen Konvertiten Petras Alfonsi4 um 1110
vermittelten hellenistisches Wissen; Guido von Pisa 5 malte 1118 eine klobige
Ökumene im TO-Schema, während Lambert von Saint-Omer schon ein Lu-
stram zuvor in seinen hemisphärischen Zonenkarten Ökumene wie Kosmos
zu erfassen verstand. 6 In die Jahrhundertmitte rechnet die Inventarkarte von
Arnstein, die nur vermittels Stellung der Legenden die Orte und ihre Lage
zueinander zu lokalisieren suchte und auf Bildelemente ganz verzichtete.
Zwischen 1150 und 1250 aber ist sonst nur noch eine bedeutendere Karte
namhaft zu machen, die man jetzt als Karte aus Sawley bezeichnet 7 und die
in enger Beziehung zur «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis
steht, denn sie ist einem solchen Text beigegeben. Lange Zeit einem nicht

2
Oxford, St. John's College, Ms. 17 fol. 6; cf. M. DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200-
1500, sect. 25,8 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I); Abb. K. MILLER, Mappae
Mundi. Die ältesten Weltkarten 3, Stuttgart 1895, 119.
3
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Gyrus und Spera - Relikte griechischer Geographie im Welt-
bild der Frühscholastik (Aufgezeigt an fünf lateinischen Weltkarten des beginnenden 12. Jahr-
hunderts), in: Sudhoffs Archiv 43 (1989), 141-144 (= o. S. 361-365).
4
Paris, Bibliotheque Natio.nale, Ms. Lat. 10722 fol.77; cf. DESTOMBES (op. cit. nota 2), sect.
25,10; Abb. MILLER (op. cit nota 2), 3, 127; (vgl. o. S.355 Abbildung).
5
Brüssel, Bibl. Roy., Ms. 3897-3919 fol.53v; cf. DESTOMBES (op. cit. nota 2), sect. 25,2;
Abb. MILLER (op. cit. nota 2), 3, 56; VON DEN BRINCKEN (op. cit. nota 3), 134 sq. ( = o. S. 353 f.).
6
Im Genter Autograph fehlt heute die große Weltkarte, deren schönste Kopie aus der Zeit
um 1180 in Wolfenbüttel in Ms. 1 Gudenus Lat. fol.69v-70r erhalten ist; cf. DESTOMBES (op. cit.
nota 2), sect. 43,2; Abb. MILLER (op. cit. nota 2), 3, Tab. IV; A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines
Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten, Hanno-
ver 1992, tab. 29 (Schriften der MGH 36).
7
Cambridge, Corpus Christri College, Ms. 66 p. 2; cf. DESTOMBES (op. cit. nota 2), sect.
25,3; MILLER (op. cit. nota 2), 3, Tab. Ill; cf. P. D. A. HARVEY, The Sawley Map and Other
World Maps in Twelfth Century England, in: Imago Mundi 49 (1997), 33-42; zum Bildinhalt
cf. auch D Lecoq, La mappemonde d'Henri de Mayence ou l'image du monde au Xlle siècle, in:
Iconographie medievale: image, texte, contexte, ed. G. DUCHET-SUCHAUX, Paris CNRS 1990,
155-207 (vgl. unten Tafel 18).
[605/606] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 567

identifizierbaren Heinrich von Mainz zugeschrieben, weist die jüngere For-


schung sie der Abtei Sawley in Yorkshire zu - wo sie seit dem 13. Jahrhun-
dert nachgewiesen ist - und bringt sie mit der Schreibschule von Durham in
Verbindung. Die Karte steht in einem Sammelband enzyklopädischer Texte,
die wohl schon seit dem 13. Jahrhundert in der Überlieferung vereinigt wa-
ren. Honorius, einer der fruchtbarsten Lehrbuchautoren des Hochmittelal-
ters, der bei Regensburg lebte und in enger Beziehung zu England stand, be-
handelte in seinem höchst erfolgreichen, knapp formulierten Werk im ersten
Buch Kosmographie, Geographie, Meteorologie und Astronomie, im zwei-
ten Chronologie und Komputistik, im dritten Chronographie.
Die bei Honorius eingehend erörterte Kosmos-Darstellung ist auf der
Sawley-Karte beiseite gelassen; die Ökumene erscheint hier wegen des Buch-
formates oval. In den Ecken außerhalb des Ökumene-Ovals findet sich je ein
Engel, unten liegend, oben schwebend. Die bewohnte Welt bietet in der da-
mals üblichen Weise gemäß dem Typ der geosteten TO-Karte in der oberen
östlichen Hälfte Asien, unten links Europa und rechts Afrika. Der Karten-
mittelpunkt liegt im östlichen Mittelmeer im Schnittpunkt von T-Balken und
T-Schaft und wird von einer als Cyclades insule bezeichneten Insel einge-
nommen, die von zwölf kleinen unbenannten Eilanden umgeben ist; offenbar
wird auf das Apollon-Heiligtum von Delos angespielt. Der Schaft des T,
nämlich das Mittelmeer, ist stark nach rechts verschoben, d. h. Europa erhält
viel Platz auf Kosten von Afrika, die Karte ist also europazentrisch und in
dieser Hinsicht noch frühmittelalterlich geprägt. Trotz des für Karten engli-
scher Herkunft typischen Interesses an Inseln ist der Raum für das Wasser
knapp bemessen. Während wir heute von 70,8 % Wasseroberfläche auf der
Erde ausgehen, die Antike sogar die Vorstellung von fünf Sechsteln hatte,
nahm das Mittelalter mit dem apokryphen IV. Esra-Buch 8 nur ein Siebentel
Meer als Entsprechung zum Sabbat an.
Ganz oben, d.h. im äußersten Osten, erscheint das Paradies als Insel, von
den vier biblischen Strömen durchflössen. Jerasalem hat seinen Platz östlich
der Kartenmitte auf dem asiatischen Festland, es ist zudem leicht gen Süden
verschoben. Ein weiteres, biblisch bestimmtes und für englische Karten typi-
sches Kennzeichen ist oben links, d.h. im Nordosten, die Einzeichnung von
Gog et Magog gens immunda in einem ummauerten Quadrat als den apoka-
lyptischen, eingeschlossenen Nationen aus Ezechiel 38 und 39, zum Festland
östlich des Kaspischen Meeres gehörig. Im übrigen steht die Karte im Zei-
chen des Symbolismus des 12. Jahrhunderts und damit noch in einer streng

8
Der lateinische Text der Apokalypse des Esra IV, 6, 42, ed. A. F. J. KLIJN, Berlin 1983
(Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 131), 41.
568 Studien zur Universalkartographie [606/607]

patristischen Tradition; sie ist noch gar nicht von arabischem Wissen beein-
flußt.
Das reichhaltige Namenmaterial der 229 Legenden der 295 x 205 mm
messenden Karte ist umfangreicher als das des Honorius, insbesondere hin-
sichtlich der Siedlungsnamen. In Asien nimmt das Heilige Land eine bedeu-
tende Position ein, indem Jericho, Bethlehem, Damaskus, Antiochia, Tyrus,
Sidon, Caesarea, Askalon, Bersabee sowie die zwölf Stämme Israels aus Ge-
nesis 49, nämlich Dan, Äser, Neptalim, Zàbulon, Ysachar, Ruben et Gad, Ma-
nasse, Effraim, Benjamin, Juda, Simeon verzeichnet sind, ferner Galilea supe-
rior und inferior, Decapolis regio, Iturea et Traconitidis regio, Amorrei, das Ma-
re Galilee und das Mare Mortuum, die Flüsse Jabbok, Arnon und Jordan, der
Mons Libanus, Tabor, Mons Galaad, Mons Sina und Silva piperis, zweifellos
eine Fülle an Namen, die für dieses kleine Fleckchen Land unter dem Einfluß
der Kreuzzüge herausgestellt ist.9 Die Mehrzahl der erwähnten historischen
Stätten Asiens sind biblischer Herkunft, die Kenntnisse von Afrika hingegen
sehr bescheiden und bereits patristisch zu belegen; in Europa erscheinen
weitgehend ältere Siedlungen wie z.B. in Deutschland Köln und Mainz, in
Italien Rom und Pisa, in Spanien Tarragona, in Frankreich Angers, Poitiers,
Paris, Rouen; in Britannien hielt der vermutlich englische Maler keinen Ort
für erwähnenswert, ebensowenig in Skandinavien, brach also nicht aus der
hergebrachten Linie aus. Insgesamt wird man diese englische Karte als ent-
schieden konservativer einordnen dürfen, als es Honorius 50 Jahre zuvor in
seinen Texten war, weil das Bild nicht variiert werden durfte.
Wie schon die Cottoniana eineinhalb Jahrhunderte zuvor, 10 die Psalter-
karte von London" und die Großkarten von Ebstorf und Hereford 12 - der
Rotulus von Vercelli steht hier in einer anderen Tradition 13 - , ist die Karte
aus Sawley trotz Betonung des europäischen Kontinents biblisch-orienta-

' Die Beschreibung folgt der Darstellung in A.-D. VON DEN BRINCKEN (op. cit. nota 3), 138—
140 ( = o. S. 357-359).
10
London, Brit. Libr., Ms. Cotton. Tib. B. V. fol.58; cf. DESTOMBES (op. cit. nota 2), sect.
24,6; MILLER (op. cit. nota 2, 3, 33).
11
London, Brit. Libr., Ms. Add. 28681 fol.9-9v; cf. DESTOMBES (op. cit. nota 2), sect. 49,8;
Abb. MILLER (op. cit. nota 2, 3, tab. III.
12
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Ebstorfer Weltkarte im Verhältnis zur spanischen und
angelsächsischen Weltkartentradition, in: Ein Weltbild vor Columbus. Die Ebstorfer Weltkarte.
Interdisziplinäres Colloquium 1988, ed. H. KUGLER in Zusammenarbeit mit E. MICHAEL, Wein-
heim 1991, 129-145 (= o. S.415-431).
13
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Monumental Legends on Medieval Manuscript Maps. Notes on
designed capital letters on maps of large size (demonstrated from the problem of dating the Ver-
celli Map, thirteenth Century), in: Imago Mundi 42 (1990), 9-25 ( = o. S. 375-399).
[607/608 ] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 569

lisch gewichtet.14 Hinweise auf Verwendung in der Praxis finden sich gar
nicht; zweifellos diente die Karte um 1200 Schulzwecken und bestach durch
ihre Anschaulichkeit im Vergleich etwa zu der schematischen Karte aus Arn-
stein.15 Sie bietet die Zusammenfassung hochmittelalterlicher Kartographie
um 1200 und dient hier als Ausgangspunkt für eine Beobachtung von Wand-
lungen zu Beginn des 13. Jahrhunderts.
Ob der Konservativismus um 1200 wirklich allein die Kartographie be-
herrschte, ist in jüngster Zeit in Zweifel gezogen worden. Bislang galt die auf
der Kompaßbenutzung basierende Portolankartographie als eine Erfindung
der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, zuerst sicher bezeugt in der Vita
Ludwigs des Heiligen für seinen letzten Kreuzzug 127016 und erstmals er-
halten in Gestalt der Pisanischen Seekarte von ca. 1291.' 7 Durch die neuerli-
che Deutung des «Liber de existencia riveriarum et forma maris nostri Medi-
terranei» - überliefert in der Handschrift Cotton Domitian A. XIII. fol. 114—
129 der British Library in London von ca. 1200 - als Text eines Portulans,
der auf einer damals bereits vorhandenen Portulankarte - cartula mappe
mundi wird sie genannt - basiert, könnte hier bereits eine Portulanzeichnung
als Vorlage existiert haben; das setzt voraus, daß man cartula mappe mundi
als Portulankarte akzeptiert 18 und darin nicht nur eine gewöhnliche Welt-
karte sieht. Demzufolge wären die Portulankarten rund 100 Jahre älter, nur
hinterließen sie im ersten Jahrhundert ihrer Existenz merkwürdigerweise
keine Spuren.19 Deshalb ist diese Neuerung mit gewisser Zurückhaltung von
der Forschung aufgenommen worden.
Wesentliche kartographische Weiterentwicklung ist sonst erst in der Mitte
des 13. Jahrhunderts an der Klimatenkarte des Johann von Wallingford bzw.
Matthaeus Parisiensis 20 aufzuzeigen, wie sie entsprechend auch Johann von
Sacrobosco vertraut war.

14
Cf. LF.COQ (op. cit. n o t a 7).
15
L o n d o n , Brit. Libr., M s . H a r l . 2799 fol.241v und 242; cf. DESTOMBES (op. cit. nota 2),
sect. 25,2; VON DEN BRINCKEN (op. cit. n o t a 6), 7 1 - 7 2 et t a b b . 2 2 - 2 3 .
16
WILHELM VON N A N G I S , G e s t a S. Ludovici, ed. B O U Q U E T , Rer. Gali, et Franc. SS 20, 1840,
444.
17
Paris, Bibliotheque N a t i o n a l e , Cartes et Plans, Res G e B 1118; cf. M . DE LA RONCIERE, M .
MOLLAT DU J O U R D I N , P o t t u l a n e . Seekarten vom 13. bis z u m 17. J a h r h u n d e r t , M ü n c h e n 1984,
Tab.
18
P. GAUTIER D A L C H É , C a r t e marine et portulan au X l l e s i e d e : le ,Liber de existencia riveria-
rum et forma maris nostri Mediterranei' (Pise, ca. 1200), R o m e 1995 (Collection de l'Ecole fran-
caise de R o m e 203).
19
T. CAMPBELL nennt u . a . diesen Einwand in d e r Besprechung d e r Edition in: I m a g o M u n d i
4 9 ( 1 9 9 7 ) , 184.
20
A . - D . VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in d e r C h r o n i k des J o h a n n von Wallingford
570 Studien zur Universalkartographie [608/609]

2. Gervasius von Tilbury und seine von einer mappa mundi


inspirierte Weltchronistik im zweiten Buch der «Otia Imperialia»

Gervasius von Tilbury, eine politisch wie literarisch brillante Persönlichkeit,


deren Wirken im 13. Jahrhundert zumindest bis 1221 21 sicher bezeugt ist,
war weltoffen ausgebildet. Als Kleriker in England, Frankreich, Italien, Sizi-
lien, im Arelat und im Reich zu Hause und geschult, neben traditionellen
auch neue Wege zu beschreiten, prägte ihn insbesondere das Studium des
Kirchenrechts, das ihn die kanonischen Standpunkte wahren und die neuen
Angebote seiner Zeit registrieren ließ.
Wenn ein mittelalterlicher Geschichtsschreiber die Vergangenheit behan-
delte, war er in erster Linie auf die Schriften seiner Vorgänger angewiesen,
da man mit archäologischen Resten und Denkmälern wenig umzugehen
wußte. Selbst die systematische Auswertung dokumentarischer Quellen wur-
de erst in bescheidenem Umfang seit der Jahrtausend wende üblich. Vielmehr
bediente man sich einer möglichst alten Erzähltradition, weil hohes Alter als
Qualitätsmerkmal galt. Vincenz von Beauvais lieferte noch um 1250 eine
Rangabfolge für die Glaubwürdigkeit seiner Vorlagen von der Heiligen
Schrift über die Patristik, die Kirchenlehrer, heidnische Poeten und Philoso-
phen bis hin zu den Apokryphen. 22 Auch bezog man sein Quellenmaterial
damals bereits weitgehend nicht aus vollständigen Originaltexten, sondern
aus Florilegien. Zu den Autoren, die frühzeitig durch Einbeziehung oraler
Quellen von dieser Norm abwichen, gehört Gervasius von Tilbury.
Die nichtalltägliche Arbeitsweise ist im Lebenslauf des Gervasius begrün-
det. Aus englischem Adel gebürtig, stammte er aus Tilbury in der Grafschaft
Essex links der Themse. Um 1176 erscheint er im Umfeld des Erzbischofs
Wilhelm IL von Reims, war 1177 ebenda in einer persönlich fragwürdigen
Weise in die Verfolgung einer seiner Werbung als Kanoniker nicht zugängli-
chen jungen Dame als Ketzerin verwickelt23 und beim Frieden von Venedig

- e i n Werk des Matthaeus Parisiensis?, in: Westfalen 51 (1973), 47-56 ( = o. S. 137-148); cf. EA-
DEM, Fines Terrae (op. cit. nota 6), tab. 36.
21
CF. R. BUSQUET, Gervais de Tilbury inconnu, in: Revue historique 191 (1941), 2-3; cf. H -
J. SCHULZE, Ist Gervasius von Tilbury Propst von Ebstorf gewesen? in: Niedersächs. Jahrbuch 33
(1961), 239-244.
22
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN (ed.), Geschichtsbetrachtung bei Vincenz von Beauvais. Die
Apologia Actoris zum Speculum Maius c. 11-14, in: Dt. Archiv f. Erforschung d. MA 34 (1978),
482-488 mit Kommentierung der Vorlagen.
23
Cf. RADULPHI DE COGGESHALL Chronicon Anglicanum, ed. J. STEVENSON, in: RS 66, 1875,
121-124.
[609/610] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 571

zwischen Papst Alexander III. und Friedrich Barbarossa anwesend. Zu die-


sem Zeitpunkt muß er schon ein Studium als Kanonist in Bologna absolviert
und dort vielleicht auch schon gelehrt haben; deshalb geht man nicht fehl,
seine Geburt bald nach der Jahrhundertmitte anzusetzen. 24 Als Mentor
Heinrichs III. d. J., des Sohns von König Heinrich IL von England, scheint
er bis zum Tode seines Schützlings am 11. 6. 1183 am englischen Königshof
gewirkt zu haben. Ihm widmete er sein heute verlorenes Werk «Liber facetia-
ram». In der Folgezeit erscheint Gervasius am Hofe Wilhelms IL von Sizilien
bis zu dessen Tod 1189, danach im Umfeld Erzbischof Humberts von Arles,
dessen im Arelat begüterte Verwandte - Besitzerin eines Palatiums - er heira-
tete. Hier fand er Kontakte zu Alfons IL von Aragon und zu dem jungen
Weifen Otto von Poitou. Er schloß sich Otto offenbar nach dessen Königs-
wahl 1198 an, wohnte 1209 seiner Krönung bei und erhielt durch ihn den
Ehrentitel eines Marschalls des Arelats.
Das einzige ihm sicher zugeschriebene erhaltene Werk, die «Otia imperia-
lia», deren Abschluß man ins Jahr 1214 legen muß 25 und die auch unter den
Titeln «Mirabilia Mundi» und «Solacium Imperatoris» bekannt sind, ent-
standen in ihrer überlieferten Form seit 1209, gedacht als Trost für die Mu-
ßestunden des abgesetzten Kaisers, zur Unterhaltung und zur Belehrung.26
Gervasius blieb bei Otto bis zu dessen Ende in Sachsen, danach verliert sich
seine Spur, will man nicht auf Grund der Namengleichheit Identität mit ei-
nem Propst von Ebstorf annehmen, der dort 1223 und 1234 bezeugt ist. Daß
des Gervasius geographische Vorstellungen die wesentlich jüngere Ebstorfer
Weltkarte mitgeprägt haben, steht außer Zweifel; doch ist die Karte stili-
stisch eindeutig erst in das Ende des 1 3. Jahrhunderts einzuordnen. 27
Den Prolog für den Kaiser hat Gervasius unter dem Titel Collatio regni et
sacerdotii zum Schluß komponiert. Hier sucht er den Kaiser über die Zuord-
nung der weltlichen Herrschaft zum Papsttum zu unterweisen; in klarer An-
erkennung des hierokratischen Prinzips und in Kenntnis der päpstlichen
Translationstheorie, jedoch nicht ohne Vorbehalte dieser Deutung gegen-
über, wollte der gelehrte Kanonist dem Kaiser keineswegs einfach die strikte

24
W. MAAzin:LMA4(1989), 1361.
25
Cf. R. PAULI in: MGH SS 27, 1885, 359sqq.; J. STRZELCZYK, Gerwazy z Tilbury. Studium z
dziejów uczonosci geograficznej w sredniowieczu, Wroclaw-Warszawa-Kraków 1970; W.
MAAZ in: EM 5 (1987), 1109-1122, und in: LMA 4 (1989), 1361; HUCKER in: LThK 4 (1995),
541.
26
Ed. G. W. LEIBNIZ, Scriptores rerum Brunsvicensium I und II, Hannover 1707-10.
27
Cf. nota 21 et 23 und Diskussionsbericht I und III in: Ein Weltbild vor Columbus (op. cit.
nota 12), 118 und 315.
572 Studien zur Universalkartographie [610/611]

Unterordnung zudiktieren, 28 denn Gervasius hielt seinen Herrn, der seiner-


seits wie keiner seiner Vorgänger Rechte an das Papsttum preisgab, mitnich-
ten für superbus, stultus, sedfortis.29 Er deutete ihm den Dualismus von sacer-
dos und rex unter Bezug auf Aaron und auf den messianischen Priesterkönig
Melchisedech. In der Nachfolge des Sigebert von Gembloux hob er weniger
auf eine translatio als auf eine divido des Römischen Reiches im Jahre 800
ab, weshalb er Byzanz als Erben Roms anerkannte und auf mögliche Erban-
sprüche auf das papstfreie Ostrom hinwies, die sich Otto IV durch seine Ehe
mit Beatrix von Schwaben, Enkelin Kaiser Isaaks, erworben haben könnte.
Gervasius hat seine «Otia» in drei decisiones, Abschnitte, unterteilt, deren
beide erste nach Art enzyklopädischer Handbücher erarbeitet sind, die aber
auch Dokumente aus Archiven einbeziehen. Der völlig andersgeartete, für
die Zeit ungewöhnliche dritte Abschnitt bietet 129 Erzählungen zur Unter-
haltung, jedoch mit mannigfachem allegorischem und moralischem Hinter-
sinn. Diese Mirabilia stammen mehrheitlich aus der oralen Kultur europä-
ischer Volkssagen und haben natürlich die meisten Leser angelockt. Neben
dem Autograph sind heute 29 Handschriften der «Otia» nachgewiesen, auch
mehrere Übersetzungen ins Französische (Jean d'Antioche u.a.).3'1 Die dritte
decisio ist als Fundgrube für Literaturwissenschaftler mit viel Aufmerksam-
keit bedacht worden, 32 soll aber hier trotz Beiträgen zur Geographie außer
acht bleiben.
Die erste decisio erörtert den Ursprung der Welt und die ältesten Ge-
schlechter der Menschheit in 24 Kapiteln, d.h. die Geschichte der Schöp-
fung und der Menscheit bis zur Sintflut in strenger Anlehnung an die „Histo-
ria Scholastica" des Petrus Comestor, die um 1170 strikt die historischen
Aussagen der Heiligen Schrift als Geschichtsbuch für Theologen zusammen-
stellte. So bedenkt Gervasius die Worte „am Anfang" im Schöpfungsbericht,
die Ewigkeit Gottes und die Erschaffung des Himmels. Er referiert hier der

28
Cf. K. SCHNITH, Otto IV. und Gervasius von Tilbury. Gedanken zu den Otia Imperialia,
in: Hist. Jb. 82(1963), 50-69.
29
So titulierte ihn der stauferfreundlich gesinnte Burchard von Ursperg in seiner Chronik,
ed. O. HOLDER-EGGER und B. v. SIMSON, in: MGH SSrG 16, 1916, 76.
30
Ed. LEIBNIZ I, 883: ex veteribus autorum libris congessimus; II, 760: Est ergo ordo talis, ut ex
archivis domini pape collegi.
31
Zur Überlieferung J. R. CALDWELL, The Autograph Manuscript of Gervase of Tilbury (Va-
tican, Vat. Lat. 933), in: Scriptorium 11 (1957), 87-98; ID., Manuscripts of Gervase of Tilbury's
Otia Imperialia, in: Scriptorium 16 (1962), 28-45; ID., The Interrelationship of the Manuscripts
of Gervase of Tilbury's Otia Imperialia, ibid., 246-274.
32
Cf. schon F. LIEBRECHT, Des Gervasius von Tilbury Otia Imperialia in einer Auswahl neu
hg, Hannover 1856, und zuletzt Gervais de Tilbury, Le livre des merveilles. Divertissement pour
un Empereur (Troisième partie), traduit et commenté par A. DUCHESNE, Paris 1992.
[611/612] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 573

Schöpfungsgeschichte widersprechende Lehren und setzt sich mit den Duali-


sten auseinander, die durch die Albigenser in die Diskussion geraten waren.
Die folgenden Kapitel orientieren sich an der Genesis. Hier erörtert er auch
die fünf Klimagürtel der Erde.
Die zweite decisio, der hier das besondere Interesse gelten soll, weil sie
den Ablauf des Geschehens an einer mappa mundi auszurichten sucht, liefert
Universalgeschichte, die nach räumlichen Aspekten aufgegliedert ist und in
36 Kapiteln Bericht von der Aufteilung der Erde unter Noes Söhne bis in die
eigene Zeit erstattet. Da Gervasius weite Teile der Ökumene aus eigener Er-
fahrung kannte, behandelte er die verschiedenen Länder mit unterschiedlich
lebhafter Anteilnahme und in sich überlappender chronologischer Abfolge.
Für beide ,Abteilungen' der «Otia» benutzte Gervasius, auf der Höhe des
enzyklopädischen Wissens seiner Zeit, Isidors «Etymologiae» und die «Ima-
go Mundi» des Honorius Augustodunensis als wesentliche Vorbilder, ferner
Beda, Paulus Diaconus, Claudius von Turin, Ado von Vienne, Pseudo-Tur-
pin, Geoffrey von Monmouth, die Heilig-Land-Beschreibung des Theodosi-
us Archidiaconus aus dem 6. Jahrhundert, das «Decretum Gratiani» und -
als erster Historiker - das «Provinciale Romanum», er kannte Ralph Niger
und an klassischen Autoren Vergil, Horaz, Ovid, Lukan, Sallust und Plinius
d. Ä. Die allgemeine Belesenheit wurde hier aufgestockt durch die Vorstel-
lungen der Kanonisten vom Orbis Christianus der Zeit. Die Texte wurden
keineswegs wörtlich aneinanderkompiliert, wie dies noch für Vincenz von
Beauvais selbstverständlich war und mitnichten als anstößig galt.
Als Rahmen für die Universalgeschichte von Noe bis auf die eigene Zeit
bedient Gervasius sich dabei der bekannten Einteilungsschemata mittelalter-
licher Weltchroniken: Die räumlich disponierte Weltreichseinteilung aus
dem Propheten Daniel mit den sich verschlechternden vier Reichen findet im
ersten Kapitel ihre Erörterung, obwohl sie nicht mit Noe im Zusammenhang
steht; die zeitlich gegliederte Lehre von den sechs Weltaltern nach Augusti-
nus und Isidor, in der Noe einen Einschnitt bildet, bestimmt das letzte Kapi-
tel. Damit spannt Gervasius geschickt die neuen, durch die universalen Herr-
schaftsideen bei den großen Juristenpäpsten um 1200 erarbeiteten Vorgaben
in einen traditionellen Rahmen. Er erlebt die Kreuzzugsbewegung in der
Krise nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Abendländer, von
der Öffnung des Mittelmeerraumes bis Ostasien durch die Mongolen hat er
hingegen noch keine Ahnung. Ein damals bekanntes Eurasien - Afrika bleibt
bei ihm völlig am Rand -, aber unter Einschluß insbesondere von Osteuropa
ist das besondere Kennzeichen dieses Weltbildes, das sich keineswegs nur an
die antiken Vorgaben des mediterran bestimmten Raumes bindet. Den Rück-
halt für diese Neuerungen findet Gervasius in dem ihm in den päpstlichen
Archiven zugänglich gewordenen «Provinciale Romanum»: Est ergo ordo ta-
574 Studien zur Universalkartographie [612/613]

lis, ut ex palatinis archivis domini pape collegi,55 begründet er seine Vorstel-


lungen über Bischofssitze in Asien.
Aufbaumäßig stellt sich seine räumlich orientierte Universalgeschichte im
zweiten Buch so dar: Auf die Aufteilung der Welt in drei Kontinente unter
die Noe-Söhne, verbunden mit dem Abriß über die vier Weltreiche (c. 1),
und auf vier kleine Kapitel über die Teilung der Erde in die Kontinente Asi-
en, Europa und Afrika sowie eine kurze Vorstellung eines jeden derselben,
folgt eine Schilderung Ostasiens (c. 6) mit den Paradiesflüssen, der Mission
des hl. Thomas, einer Beschreibung von Monstren und ethnologischen Be-
sonderheiten im Orient wie Kannibalismus. 34 Unter Südasien (c. 7) berichtet
Gervasius über Parthien und Mesopotamien und die Missionierung dieser
Reiche, es folgen unter der Überschrift „Chaldäa, Arabien und Syrien" (c. 8)
Berichte über ganz Vorderasien einschließlich Palästinas und Ägyptens. Im
9. Kapitel über die Kathedralstädte Asiens, wo das «Provinciale Romanum»
erstmals zitiert wird, sind die Metropolen Vorderasiens mit ihren Suffraga-
nen aufgelistet. Davon unterschieden wird ein im Norden gelegenes Groß-
Asien (c. 10), bei dem es um die gemeinhin wenig bekannten Länder Sky-
thien, Hyrkanien, den Kaukasus, das Taurus-Gebirge, Albanien, Armenien
und Colchis, die Länder von Massageten und von Amazonen geht; die Be-
richterstattung betrifft vorrangig Wunder, das «Provinciale Romanum» fällt
hier natürlich als Wegweiser aus, während man sich im 11. Kapitel über
Klein-Asien wieder auf historisch vertrautem Boden bewegt, von der Troja-
Sage bis zu Berichten über die Mission und Heilige Stätten. Nordeuropa er-
streckt sich von den Riphäischen Bergen bis zum Asowschen Meer und um-
faßt die Länder des Balkans, Südost- und Osteuropas einschließlich Polens
und Galiziens, dazu Deutschland und Skandinavien. Sodann wird Italien
mit Rom als Haupt detailliert beschrieben, seine Bauten und Heiligtümer.
Daran schließt sich im 15. Kapitel das Verzeichnis der Erzbistümer und Bis-
tümer Europas an, von Polen und dem Balkan angefangen über Deutschland
nach Italien bis Skandinavien im Norden. Gervasius zeigt sich hier auf dem
neuesten Stand des Wissens, denn er nennt unter Bremens Suffraganen das
1201 gegründete Bistum Riga in Livland.35 Das folgende Kapitel über West-
europa arbeitet die Franken einschließlich ihrer trojanischen Abkunft auf,
dann folgt eine Übersicht über die Provinzen Frankreichs und ihr Umland,
endlich eines über die Erzdiözesen und Diözesen Frankreichs und Spaniens
sowie über diejenigen von Spaniens Städten, die in der Hand der Ungläubi-

33
C. 9 De urbibus Asie cathedralibus, Ms. Vat. Lat. 933 fol.2Ira, und ed. LEIBNIZ, contili.,
II, 760.
34
C. 6, ed. LEIBNIZ I, 911sq., etcontin., II, 755 sqq.;cf. Ms. Vat. Lat. 933 fol. 18 sqq.
35
Ed. LEIBNIZ, contin., II, 770; cf. Ms. V a t Lat. 933 fol.25vb.
[613/614] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 575

gen sind (c. 18). Unter den Ozean-Inseln eröffnet Britannien den Reigen, ge-
folgt von Irland und der Zusammenfassung der Erzbistümer und Bistümer
der Britischen Inseln (c. 21). Afrika wird in einem einzigen Kapitel als klein
und beinahe zu Europa gehörig abgehandelt, klimatisch wegen Hitze und
Wüsten problematisch. Die Beschreibung folgt antiken Vorlagen, weiter
werden im gleichen Kapitel Inseln des nördlichen Ozeans wie die Orkneys,
Island und Thule gestreift. Den Inseln des Mittelmeeres und ihren Reizen ist
der nächste umfangreiche Abschnitt (c. 23) gewidmet, ein weiterer dem Meer
und seinen Besonderheiten (c. 24). Nach diesen mehr deskriptiven Ortsbe-
schreibungen erst wendet sich Gervasius ganz der Geschichte zu und nimmt
sich die Zeit um Trojas Untergang für Israel wie für Latium vor, es folgt die
Zeit bis auf Caesar bei Juden, Medern, Persern, Makedonen, Ägyptern und
Römern (c. 26), die römische Kaiserzeit bis zu den Karolingern (c. 27), die
Übertragung des Römerreichs auf die Franken, die ältere Geschichte Britan-
niens ausführlich und wenig systematisch (c. 29), das Frankenreich von sei-
nen Anfängen bis auf die Karolinger, die römischen Kaiser von Karl dem
Großen bis auf Otto PV., die französischen Könige seit der Karolingerzeit
(c. 32), die englische Geschichte seit der Normannenzeit, schließlich ein Epi-
log auf die Hauptprovinzen der Erde von Asien bis zum Heiligen Land und
Kleinasien (c. 34), unterbrochen durch eine Beschreibung des Heiligen Lan-
des nach Theodosius 36 aus dem frühen 6. Jahrhundert (c. 35) und fortgeführt
für Ägypten, den Schwarzmeerraum und Kleinasien sowie Westeuropa ein-
schließlich der Inseln im Atlantik.
In diesem Zusammenhang analysiert Gervasius den Begriff ,Provinz', wie
er ihn einerseits bei Orosius und in der Geschichtsschreibung, andererseits
in seinem «Registrum Romanum», nämlich im «Provinciale» vorfand, d. h. er
erörtert die Bedeutung in der Spätantike einerseits und einer amtlichen
,Adreßliste' der Kurie andererseits. Schon im 6. Kapitel bei der Behandlung
von Ostasien hatte er - und im Autograph 37 ist diese Stelle vom Autor unten
nachgetragen - die Vorsichtsmaßregel an die Hand gegeben, daß, wenn er
Gebiete und Städte anders als mit den gebräuchlichen Namen bezeichne,
man nachsichtig sein möge, weil die Geschichte, die die Orte durch wech-
selnde Völkerschaften erfuhren, die Namen veränderte. 38 Am Ende des 35.
Kapitels findet sich das vielzitierte Zeugnis, 39 daß er alles über Zahl und Na-

36
Cf. ed. P. GEYER, Itineraria et alia Geographica, CCSL 175, Tumhout 1965, 113-125.
37
Ms. Vat. Lat. 933 fol. 18rb
38
Cf. ed. LEIBNIZ I, 911, korr. nach nota 37: Hanc lectoribus meis prestans cautelam quod si
quas regiones aut urbes aliis quam vulgus nominat appellationibus, nominavero, venia detur, eo,
quod eventus varii circa loca nomina variaverunt cum gentibus.
39
Ed. LEIBNIZ I, 956: Haec de numero et nominibus provinciarum annotavimus, alia fortassis
576 Studien zur Universalkartographie [614]

men der Provinzen angemerkt, dabei auch andere Namen eingestreut habe,
als er sie bei früherer Berichterstattung in seinem Traktat gebrauchte. Der
Grand für diese Verschiedenheit liege darin, daß er mal stärker Orosius und
die Historiographen, mal das Register der römischen Kirche («Provinciale
Romanum») wörtlich herangezogen habe. Er habe endlich die Abfolge der
Provinzen noch einem anderen römischen Register entnommen, nämlich ei-
nem spätantiken Staatshandbuch des Römischen Reiches, bald der Altehr-
würdigkeit dienend, bald der Neuerung Raum gewährend. Man solle sich
nicht erregen, daß einst oft andere Abhängigkeiten bestanden; manche Un-
terordnung sei mit der Zeit aufgehoben oder verkehrt worden. Damit er als
Augenzeuge den wißbegierigen Lesern verläßlich Genüge tue, habe er die
naturgegebene Ordnung der Provinzen insgesamt und ihre Lage innerhalb
der drei Erdteile in einem verbesserten Gemälde, also einer Weltkarte, beige-
geben; er berücksichtige ausdrücklich, daß die Variationsfreudigkeit der
Maler die Bilder, die man gewöhnlich als mappa mundi zu bezeichnen pfle-
ge, hinsichtlich der wahren Lage der Orte trügerisch gestalte. Zumeist näm-
lich entstelle der Maler, wie anderwärts der Zeuge, wenn er Eigenes hinzu-
gäbe, durch eine Teillüge die ganze Abfolge des Zeugnisses, wie dies im De-
kret Causa 3 Quaestio 9 Pura et simplex40 zu lesen stehe. Der Leser möge es
nicht mißverstehen, wenn Gervasius die Namen bald nach altertümlichem
Brauch, bald nach Gewohnheit der Umgangssprache schreibe.

nomina interdum interserentes, quam in priore tractatus nostri serie proposuimus. Cuius diversitatis
ea sit ratio, quod illicprofusius rem prosequentes Orosium et alios historiographos secuti sumus, et Ro-
manae eccleiiae regiitrum, cuiui [Ms. Vat. Lat. 933 fol.55vb: contextum] de verbo ad verbum ha-
buimui. Hanc autem provinciarum leriem de registro Romano, in quo non secundum archiepiscopa-
tus, sed secundum antiquitus distincta officia praeiidatuum vel proconiulatuum, praefecturarum et
moderationum Romani Imperii ordinavimui, hie antiquitati lervientei, illic novitati locum dante!.
Nee indignentur alii, quod aliii olim videban tur eae lubiecti, cum tolerandum lit antiquioribui, quod
cum tempore dignitate lunt diminuti. Ut autem oculata fide avidii mentibui et litientibui auribui ia-
tiifaciamui, in lumma naturalem provinciarum ordinem et litum per trei orbis parte! diitinctarum in
emendatiore pictura lubiunximui; coniiderantei, quod ipia pictorum varietà! mendace! efficit de lo-
corum verdate picturai, quai mappa mundi vulgui nominat. Plerumque enim pictor, ut aliai teitii,
cum de iuo addit, partii mendacio totam teitimonii leriem decolorat, ut in decreti! c. i. q. 9. ,pura et
limplex'. Nee adicribat lector ignorantiae vel mendacio, quod interdum nomina lecui, quam hoc tem-
pore le habent, icribimui, cum nunc antiquitati servierimus, nunc consuetudini loquentium latisfacere
noi oportuerit (korrigiert nach Ms. Vat. Lat. 933 fol.55va-b).
40
C. 3 q. 9 c. 17, ed. E. FRIEDBERG, Corpus Iuris Canonici 1: Decretum magistri Gratiani,
1879, col. 533: Pura et limplex teitimonii leriei intimanda eit. Plerumque teitii, dum ad seriem ge-
storum aliquid ex suo adicit, totam testimonii fidem partis mendacio decolorat. Nichil igitur, quod
bonum videtur, addendum est (Ambros. de paradiso c. 12 § 56, ed. C. SCHENKL, CSEL 32, 1,
1896, 315).
[614/615] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 577

Gervasius ist der erste mittelalterliche Geschichtsschreiber, der einen


Wandel im geographischen Namenmaterial seit der Antike konstatiert und
häufig auch die Entsprechungen vermerkt. Der Grand liegt in der Benutzung
des «Provinciale Romanum», das ihm im ersten Jahrzehnt des O.Jahrhun-
derts im Archiv des Lateran in die Hände gekommen sein muß. Es handelt
sich um eine zu jener Zeit aktuelle Zusammenstellung aller Kirchenprovin-
zen und Diözesen, die mit der Kurie Kontakt hatten oder haben sollten. Die
Auflistung wurde zur Notwendigkeit für den erstarkenden päpstlichen Zen-
tralismus und die Sicherung des Instanzenzuges im geistlichen Gerichtswe-
sen, für die Ausbildung der Verwaltung, für das Visistionswesens in der Ge-
neration nach Gratian. Das «Provinciale» steht zudem in engem Zusammen-
hang mit dem «Liber censuum Ecciesiae Romanae», einem um 1192 von
Kardinal Cencius Savelli (dem nachmaligen Papst Honorius III.) angelegten
und laufend fortgeführten Verzeichnis der dem Römischen Stuhl zinspflich-
tigen Kirchen, Städte und Einzelpersonen, geordnet nach Kirchenprovinzen
und Diözesen; denn erst in dieser Zeit nahmen die Finanzbedürfnisse der
Kurie ein solches Ausmaß an, daß sie nach modernisierter Besitzverwaltung
verlangten. Zeugnis hierfür ist auch die Rekuperationspolitik der Kurie, um
die sich die großen Juristenpäpste um die Jahrhundertwende Verdienste er-
warben. Päpstliches Gerichtswesen wie Finanzverwaltung waren die Auf-
traggeber für das „Adreßverzeichnis", ein im Spätmittelalter vielbenutztes
Hilfsmittel, zugleich eine verwaltungsmäßig orientierte Beschreibung der
Ökumene.
Untersuchungen der Handschriften des «Provinciale Romanum» haben
deutlich gemacht, daß es in seinem Kernbestand älter als der «Liber Censu-
um» sein muß. 41 Gervasius von Tilbury bediente sich schon einer Überarbei-
tung, die auf die Zeit um 1210 datiert wird. 42 Das «Provinciale» wurde in
seiner Überlieferung übrigens häufig Begleiter von Weltgeschichten; es spielt
bereits bei Matthaeus Parisiensis in der Jahrhundertmitte eine Rolle, der es
in die Additamenta seiner Weltchronik aufnahm; 43 vor allem aber ist es mit
vielen führenden Handschriften der meistbenutzten Chronik des Mittelal-
ters, der Papst-Kaiser-Chronik des päpstlichen Pönitentiars Martin von
Troppau (nach 1268), verbunden, 44 offensichtlich als Ersatz eines geogra-
phischen Exkurses über den Schauplatz der Papst-Kaiser-Chroniken; des-

41
Cf. H. BÖRSTING, Das Provinciale Romanum mit besonderer Berücksichtigung seiner
handschriftlichen Überlieferung, Phil. Diss. Münster/W. 1937, 67-71.
42
Ibid., 13et38sq.
43
Cf. Ed. H. R. LUARD, Chronica Maiora, Additamenta, in: RS 57, 6, 1882, 446-463.
44
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Studien zur Überlieferung der Chronik des Martin von
Troppau (Erfahrungen mit einem massenhaft überlieferten Text), in: Dt. Archiv f. Erforschung
578 Studien zur Universalkartographie [615/616]

gleichen finden sich spätere Fassungen in der «Satyrica Historia» des Pauli-
nus Minorità, 45 der sich übrigens wie Gervasius als Kartographietheoretiker
gleichfalls vehement gegen jede Veränderung der pictura verwahrte. 46 Beide
dulden durchaus die Diskussion über geographische Veränderungen im bei-
gegebenen Text, wollen aber das Bild streng gewahrt wissen. Die Karte mit
einem verbesserten Bild, die Gervasius zu malen ankündigt, ist nicht erhal-
ten, man ist auf die Texte angewiesen.
Die zweite decisio schiebt formal als Fortsetzung der ersten bei der Sintflut
mit der Verteilung der Ökumene unter die Noe-Söhne deren ausführliche
Beschreibung in den ersten 24 Kapiteln ein. Dabei schreitet Gervasius mit
der Sonne von Osten nach Westen, von Asien nach Europa, behandelt Afri-
ka als Annex zu Europa ebenso wie die großen Inseln im Nordatlantik. Wie
er im 35. Kapitel mitteilt, läßt er auch im Text die antike Provinzeneintei-
lung keineswegs zugunsten der aktuelleren Vorstellungen des «Provinciale»
beiseite, zumal es dafür noch kein Vorbild gab, sondern stellt beides neben-
einander bzw. nacheinander, ein Vorgehen, das ihm seine pictura niemals
gestattet hätte. Die Kapitel aus dem «Provinciale» beschränken sich auf das
9. über Ostasien, das 15. über Ost-Mittel-Europa, das 18. über Frankreich
und Spanien und das 21. über die Britischen Inseln.
Der konkrete weltgeschichtliche Teil ab Kapitel 25 liefert blockweise das
Geschehen einzelner Reiche von der Flut bis zur Zeit des normannischen
England; die verschiedenen Reiche sind also nicht synchronistisch, sondern
Herrschaft für Herrschaft neben- und nacheinander bearbeitet, wobei stets
die Reihenfolge von Ost nach West eingehalten wird. Auch die geographi-
schen Abschnitte im ersten Teil sind mit historischen Einschiebseln aufberei-
tet, das 16. Kapitel etwa über die westlichen Teile von Europa verbindet viele
Ortsnamen mit kurzen Streifzügen sowohl durch die antike Geschichte und
Sagenwelt wie durch die Hagiographie nachchristlicher Jahrhunderte. Die
Regionen und historischen Stätten regen zum Erzählen von Geschichten an.
Das 35. Kapitel nimmt u.a. den Exkurs über die unterschiedliche Bezeich-
nung bekannter Plätze zu verschiedenen Zeiten auf,47 z.B. Byblos Gibelet

des Mittelalters 41 (1985), 460-531, bes. 501-531, und eadem, Zweiter Teil, ibid. 45 (1989),
551-591, bes. 571-591.
45
Ms. Vat. Lat. 1960 fol.22-23 und Ms. Bamberg Hist. 4/2 fol. 12-13, Hinweis von H. BOO-
STING (op. cit. nota 41), 62sq.
46
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Quod non vicietur pictura. Die Sorge um das rechte Bild in
der Kartographie, in: Fälschungen im Mittelalter. Internat. Kongreß der MGH München 16.-
19. Sept. 1986, Teil I: Literatur und Fälschung (Sehr. d. MGH 33,1 1988), 587-599 ( = o.
S. 311-323).
47
Ed. LEIBNIZ I, 956 bzw. Ms. Vat. Lat. 933 fol. 55vb-56 a: Ecce enim Babilonia Abathenis ol-
im dicebatur; Jeropolis Halap dicitur, Edissa Rages Medorum; Joppe et Jafre; Nitria Damiata; The-
[616/617] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 579

usw.; bei den Lateinern wurde aus Agrippina Colonia u.a.; in Deutschland
ist „Wezebur" Erbipolis, „Rainesburg" (Regensburg) Ratisponensis. Diese Li-
ste, die nicht vom «Provinciale» beeinflußt ist, ist zwar imformativ, aber wirr
in der Aussagenkoordinierang, wie das Autograph belegt; offenbar wurden
die «Otia» nicht endgültig redigiert.
Die Zeitkomponente spielt in der Historiographie des Gervasius nur eine
mehr als untergeordnete Rolle im Gegensatz zum Raum, so daß man von
Weltchronistik im eigentlichen Sinn nicht mehr sprechen kann. Gervasius
scheiterte denn auch mit seinem Modell einer räumlich orientierten Univer-
salhistoriographie insofern, als er keine Nachahmer fand. Nach diesem Ver-
fahren kann man allenfalls Geschichten schreiben - man denke an die 3. de-
cisio! -, aber nicht von der Zeitabfolge losgelöst ein Gesamtgeschichtsbild
erstellen. Hierzu wäre zumindest eine zuverlässige Synchronistik notwendig
gewesen, wie sie Paulinus Minorità im folgenden Jahrhundert vorlegte und
für die es bescheidenere Vorbilder bei Hieronymus oder Sigebert von Gem-
bloux gab. Hingegen kann eine mappa mundi als Gemälde durchaus Weltge-
schichte liefern, nämlich verschiedene Ereignisse aus ganz unterschiedlichen
Zeiten auf die Fläche der Karte projizieren, die dann mit einem einzigen
Blick ein „Geschichtsbild" vermittelte.
Wenn Gervasius im letzten Kapitel der 2. decisio den Stoff nach den sechs
Weltaltern zusammenfaßt, verbindet er die Namen der Noe-Nachkommen
(Völkertafel) mit den verschiedenen Erdteilen, Provinzen und Städten, paßt
also nochmals die Erdbeschreibung den zeitorientierten aetates ein. Das mag
den didaktischen Effekt des Werkes erhöht haben.

3. D e r Einbruch der zentralasiatischen Dimension in das Weltbild


des Abendlandes z. Zt. des Fünften Kreuzzuges

War die Neuerung bei Gervasius durch die politische Entwicklung innerhalb
des Abendlandes bedingt, so wird um 1221 der bedeutendste Einbruch au-
ßereuropäischer Mächte in die geschlossene Welt des Mittelmeeres sogleich

bais Barbas; Mempfis Babilonia minor...; Ebron Sanctus Abraham; Sichern Neapolii; Lidda Sanctui
Georgiui...; Samaria Sebaite; Biblium Gibilet...; Jeropolii Malbech; Bostra Busselech. Sic et apud
Graecos nomina mutata sunt, ut Bisantium Constantinopolis; apud Latinos Trinovantum Londonie;
Agrippina Colonia; Arelas Aries...; et in Lotharingia Metii Mediomatretorum ...; in Italia Papia
Ticinum vocabatur...; in Siria Bergelerim, hoc at Beriabee; Jerichuntui Jereb...; Archil Tolemaidii,
id eit Acon; Antiochia Mygdoniae nunc autem Nizibi; Acaron id eit Ceiarea; Sarepta Sarfeat; Bo-
trion id eit Butrin...; Berytui id eit Baruth...; Jeropolii id eit Malbech; in Anglia Cantuarieniii olim
Dolobernensis; Lincolniensis Lindisfemensis; in Siria Reblata, id est Antiochia; in Alemannia We-
zeburc Erbipolis, Rainesburg Ratisponensis.

I
i
580 Studien zur Universalkartographie [617/618]

faßbar. Auf dem Fünften Kreuzzug konnten die Kreuzfahrer erstmals seit
dem Ersten wieder Erfolge gegen die Moslems verbuchen, zwar nicht in Je-
rasalem selbst, denn man hatte sich zum Umweg über Ägypten, die Korn-
kammer der Gegner, entschlossen, aber durch die Eroberung von Damiette
im Nildelta; dadurch eröffneten sich diplomatische Wege für den Rücker-
werb Jerusalems, die der päpstliche Legat Pelagius allerdings verspielte. Der
Kreuzzug von Damiette dauerte insgesamt von 1217 bis 1221, die Stadt war
vom November 1219 bis zum September 1221 Siegespfand in der Hand der
Kreuzfahrer.
In dieser Zeit der neuen Hoffnung begegnete man merkwürdigen Prophe-
tien, an deren Verbreitung der Legat nicht unbeteiligt war und die etwa Han-
nan, dem Sohn eines Isaak, angeblich nestorianischer Arzt im 9. Jahrhun-
derts aus Persien, zugeschrieben wurden; in Wahrheit handelte es sich wohl
um zeitgenössische Schriften orientalischer Christen. 48 Sie ermutigten die
Kreuzfahrer und den Legaten, in schon fast leichtgläubiger Weise auf den
endgültigen Sieg zu bauen, zumal auch die Enthüllungen des Pseudo-Cle-
mens, deren lateinische Version in die Zeit um 400 anzusetzen ist, zwei
christliche Herrscher von verschiedenen Enden der Erde kennen wollten, die
sich in Jerasalem treffen und die Gegner Christi überwinden sollten. 49
Durch den Kreuzzug nach Damiette war aber zudem der afrikanische
Kontinent, der Gervasius noch völlig fremd war, deutlicher ins Blickfeld des
Abendlandes gerückt. Bei Oliver von Paderborn, dem Kölner Domschola-
ster und leitenden „Ingenieur" des Damiette-Feldzuges, der mit seiner «Hi-
storia Damiatina» auch zum Historiker des Fünften Kreuzzuges wurde, er-
fährt man von einer Prophetie über afrikanische Christen in Nubien; 50 ihr
König sei im Begriff, Mekka zu zerstören und die Gebeine Mohammeds zu
zerstreuen. Die Nubier waren monophysitischen Bekenntnisses wie die an-
derwärts vorgestellten Äthiopier, 51 die jenseits vom Jemen wohnten.
Die Zeit war mit Prophetien gewissermaßen aufgeladen, denn es fehlte
nicht an beunruhigenden Geschehnissen im weltlichen wie kirchlichen Be-
reich, als das eschatologische Gedankengut des Joachim von Fiore die Ge-

48
Cf. H. E. MAYER, Geschichte der Kreuzzüge, 1985, 199 (Urban-TB 86).
49
C. CONTI ROSSINI, II Libro dello Pseudo-Clemente e la Crociata di Damietta, in: Rivista
degli Studi Orientali 9 (1921), 32-35.
50
Historia Damiatina e. 35, ed. HOOGEWEG, Die Schriften des Kölner Domscholasters, spä-
teren Bischofs von Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina Oliverus, Tübingen 1894 (Bi-
bliothek des Literar. Vereins Stuttgart 202), 231-233.
51
Ibid. c. 62, 264; cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die „Nationes Christianorum Orientalium"
im Verständnis der lateinischen Historiographie von der Mitte des 12. bis in die zweite Hälfte
des H.Jahrhunderts, 1973 (Kölner Historische Abhandlungen 22), 249 sq. et 268.
[618/619] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 581

müter ergriff. Zudem geisterte schon seit zwei Generationen der Kreuzzugs-
messias Priesterkönig Johannes aus Indien durch die Literatur, der christli-
che Wunsch-Herrscher aus dem Fernen Osten, der gemeinsam mit den
Abendländern die Ungläubigen umzingeln und bezwingen sollte; zunächst
wurde er in Zentralasien, seit dem legendären Brief an Kaiser Manuel vor
1177 offenbar im christlichen Afrika, nämlich im dritten Indien, d.i. Äthio-
pien, vermutet. 52
Handgreifliche Gestalt nahm er dann im VII. Brief des Jakob von Vitry
an, den dieser 1221 am Sonntag nach Ostern an Papst Honorius III. richtete
und in dem er ein Stimmungsbild der Kreuzfahrer in Damiette entwarf.53 Ja-
kob, Prediger und Geschichtsschreiber in Orient und Okzident, damals Bi-
schof von Akkon, wurde zum wichtigen Zeugen für die Begegnung von östli-
chem und westlichem Christentum nach dem Fall Jerusalems an die Ungläu-
bigen 1187 und gilt neben Oliver durch seine Briefe als zuverlässigste Quelle
für den Fünften Kreuzzug. 54 Jakob hat diesem Brief zwei transkribierte Ein-
Schübe, die er als carte (Dokumente) bezeichnet, beigegeben, die von einem
König David aus Indien berichten. Dieser sei Sohn eines Israel und Urenkel
von Priesterkönig Johannes sowie überzeugter Christ. Im ersten Bericht ist
David, dem jüngsten Sohn von Israel, von gar schöner Gestalt - wie der alt-
testamentliche David -, eine Königslaufbahn vorhergesagt worden, was sei-
nen Oberherrn, den Großkhan, nach seinem Leben trachten läßt, doch kann
David Nachstellungen mit Hilfe seiner Tante, der Gattin des Großkhans,
entgehen. Als er selbst drei Jahre später zum König gewählt wird, zieht er
gegen den ungläubigen Großkhan, kann ihn besiegen und sein Land, das
von Kashgar bis Bälasaghun reicht und Kokand, Buchara, Samarkand und
Fergana umschließt (Ost- und Westturkestan), in wenigen Wochen einneh-
men. Er erobert auch Ghazni (heute Afghanistan) völlig mitsamt allen Mo-
scheen und sucht Verbindung mit dem Chorezm-Shah. Da letzterer aber ge-
rade gegen Chorasan ziehen will und damit dem Kalifen von Bagdad be-
drohlich wird, hintertreibt der Kalif auf Rat des nestorianischen Katholikos
dieses neue Bündnis und fördert die Konfrontation der Chorezmier mit Kö-
nig David, dem sie natürlich unterliegen. David zieht weiter gegen Persien,
erobert dort Qazvin, Hamadan, Isfahan und Meragheh, wendet sich sodann
gegen Georgien, weil dieses sich den Moslems unterworfen hatte. Der Kalif
von Bagdad aber sucht gute Beziehungen zu David und bietet ihm ein Statt-

52
Cf. VON DEN BRINCKEN, „Nationes" (op. cit. nota 51), 382-412.
53
Lettres de JACQUES DE VITRY (1160/70-1240), évèque de Saint-Jean-d'Acre, ed. critique
par R. C. B. HUYGENS, Diss. Leiden 1960, 134-153 et introduction 52-62.
54
Cf. I. SCHÖNDOREER, Orient und Okzident nach den Hauptwerken des Jakob von Vitry,
Frankfurt e. a. 1997 (Europäische Hochschulschriften III, 743).
582 Studien zur Universalkartographie [619/620]

halterverhältnis an. Die letzte Nachricht betrifft einen Aufstand Qazvins im


Rücken von David, den er nun umgehend blutig rächen müsse; sein Ziel blei-
be aber die Befreiung Jerusalems und der ganzen Christenheit.
Der zweite Einschub läßt Gott dem König David viele namentlich ge-
nannte Länder geben; David erreicht Kokand und Buchara, tritt gegen Sul-
tan Mahometh von Chorasan (eigentlich Chorezm) an, läßt ihn Dagestan
(Ostkaukasus) und Gorgan nehmen und über Ray, Qazvin, Qom, Hamadan
und Meragheh zur Bedrohung von Bagdad heranziehen. Mit drei Heeren
wende er sich nunmehr gegen Chelat (Ahlat am Van-See), Bagdad und Mos-
sul bzw. Ninive, das nur 15 Tagereisen von Antiochien entfernt sei; David
plane Züge nach Konya, Aleppo und Damaskus.
Im abschließenden Briefteil schildert Jakob die Wirkung von Texten wie
in den beiden Einschüben mitgeteilt, auch von den sonstigen unter den
Kreuzfahrern umlaufenden Endprophetien über Jerusalems Befreiung wie
den Pseudo-Clemens-Revelationen, vor allem aber das Warten aller auf Kai-
ser Friedrich IL Inhaltlich völlig entsprechende Zeugnisse finden sich hierzu
auch bei Oliver in der «Historia Damiatina». 55
Die Einschübe bei Jakob enthalten große Mengen von für die Lateiner bis-
lang unbekannten Ortsangaben in beiden Turkestan, Chorezm und Persien,
die sich sämtlich identifizieren lassen. Sehr schnell hat sich daher herausge-
stellt, daß den konkreten Angaben der carte realistische Vorgänge zugrunde
lagen, nämlich der Aufbruch der Mongolen gen Westen. Aus dem Orchon-
becken in Zentralasien hervorgegangen, hatte Dschingis-Khan um die Jahr-
hundertwende bereits benachbarte Turkstämme teils nestorianischen Be-
kenntnisses besiegt und zu einer neuen Herrschaft vereinigt; seit Beginn des
zweiten Jahrzehnts brach man in Nordchina ein. Das Ausgreifen nach We-
sten wurde 1217-19 durch Übergriffe der Chorezmier ausgelöst und betraf
ganz Zentralasien und Nord-Persien. Bereits im Herbst 1219 nahmen die
Mongolen Kashgar und Bälasaghun, am 10. Februar 1220 Buchara, 17.
März Samarkand. Im Winter 1220/21 faßten sie im Kaukasus Fuß, zogen
von Tiflis nach Armenien und erreichten am 30. März 1221 Meragheh, so
schildert eine moderne wissenschaftliche Darstellung die Ereignisse.56 Die
carte machen insgesamt einen zuverlässigen Eindruck, nur stufen sie die In-
vasoren ethnisch und religiös völlig anders ein, als dies die moderne For-
schung tut. Die Aktualität der Invasionsberichte wurde von Jakob von Vitry
ganz klar erkannt und daher wortgetreu dem Papst mitgeteilt, weil Jakob

55
Cap. 55 sq., ed. H O O G E W G (op. cit. nota 50), 258 sq.
56
Cf. B. SPULER, Die Mongolen in Iran, Politik, Verwaltung und Kultur der Ilchanzeit
1220-1350, Berlin 3 1968, 23 sqq.
[620/621] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 583

und die Kreuzfahrer sich Rettung für die gesamte Christenheit versprachen.
Christliche Trappen gab es im Mongolenheer tatsächlich, nämlich zentral-
asiatische Nestorianer, und wenn man auf den Kleidern der Nomaden Kreu-
ze erkennen zu können glaubte, handelte es sich dabei um das mongolische
Falkenemblem auf den Fahnen. Daher ist es nicht erstaunlich, daß auch se-
riöse Kreuzzugsautoren keine Probleme hatten, die Fremden in ihr gewohn-
tes Weltbild bzw. dessen Freiräume einzugliedern und die folgenreichste
Fremdvölkerinvasion des Mittelalters zwar entsprechend zu würdigen, aber
sogleich der eigenen gewohnten Welt einzufügen.57
Bei Jakob von Vitry findet sich der erste Versuch, die Mongolen bei ihrem
frühesten Auftauchen zu registrieren und in das Bild der Ökumene einzu-
ordnen. Noch weiß man nichts von ihrer fremdartigen Kampftechnik und
Zerstörungswut, die 20 Jahre später nach der Schlacht auf der Wahlstatt bei
Liegnitz Europa in große Furcht stürzen sollten. Aber auch 1221 versteht
man die Mongolen schon als apokalyptisches Volk, preßt sie jedoch in das
Wunschbild der Kreuzzugshelfer aus dem Fernen Osten, räumt ihnen daher
auch sogleich einen Platz im überkommenen christlichen Weltbild ein.
Mit diesem Vorgehen hat man eine Generation später viel mehr Schwierig-
keiten. Matthaeus Parisiensis überliefert um die Jahrhundertmitte einen Brief
Kaiser Friedrichs IL an die christlichen Fürsten des Abendlandes, in dem
dieser - beschuldigt vom Papsttum, die Mongolen herbeigerufen zu haben -
die Frage nach ihrer Herkunft aufwirft und die sieben Klimata dieser Erde
nach ihnen ohne Ergebnis absucht. Eine exakt zu diesem Text passende au-
ßergewöhnliche Weltkarte in Klimatenform ist bei Matthaeus' Zeitgenossen
Johann von Wallingford überliefert und geht vermutlich auf Matthaeus
selbst zurück, 58 offenbar als Illustration dieses Briefes Friedrichs IL Damals
vermochte man die Mongolen nicht zu lokalisieren. Die Tartaren - der
Stamm hieß korrekt Tataren - wurden vom Tartaros, der Unterwelt der An-
tike, hergeleitet; sie wurden als Gottesgeißel auf Erden verstanden, um das
Ende der Zeiten anzukündigen und sich nach dem Vorbild des Teufels und
des Antichrist zu gebärden. Auf der Weltkarte waren sie nirgends auszuma-
chen. Die beigegebene Klimatenkarte von Matthaeus bzw. Johann hat relativ
modernen Charakter im Namenmaterial, in der Form ist sie die erste aussa-
gekräftige Klimatenkarte des abendländischen Mittelalters. 59 Als man in
Furcht vor den Mongolen diese heilsgeschichtlich nicht mehr einordnen

57
Cf. J. RICHARD, L'Extréme-Orient légendaire au moyen äge: Roi David et PretreJean, in:
Annales d'Éthiopie II, Paris 1957, 225-242.
58
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte (op. cit. nota 20) (= o. S. 137-148).
59
Ms. London BL Cott. Jul D. VII fol.46, Abb. VON DEN BRINCKEN (op. cit. nota 20) (vgl. un-
ten Tafel 37).
584 Studien zur Universalkartographie [621/622]

kann wie 1221, werden sie auf den Karten der zweiten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts zu den außerhistorischen menschenfressenden Monstren um Gog
und Magog aus Ezechiel 38 und 39. Es sollte bis ins H.Jahrhundert dauern,
bis die Mongolen auf dem Bild der Weltkarten im Portolanstil bei Pietro
Vesconte aus Venedig erstmals ihren korrekten Platz in Zentralasien finden
und von Paulinus Minorità synchronistisch den Mittelmeerreichen an die
Seite gestellt werden.

Zusammenfassung

,Neue Welten' sind am Beginn des 13. Jahrhunderts im Bereich der Geogra-
phie nur schwer auszumachen, wie die konservative Weltkarte aus der Abtei
Sawley belegt. Wohl aber gibt es neue Sichtweisen, die Aufmerksamkeit ver-
dienen. Die Karte aus Sawley bietet ein in sich geschlossenes Weltbild, das
eindrucksvoll die Projektionen verschiedener Zeiten auf die Fläche verdeut-
licht. Sie steht mit dem Text der «Imago Mundi» des Honorius in enger Ver-
bindung, entstand aber keineswegs nur im Zusammenhang mit diesem Text,
noch erläutert sie ihn in ausgeprägter Weise. Zwar gehören in der Kartogra-
phie pictura und scriptura zusammen, 60 entstammen aber gewöhnlich eigenen
Traditionssträngen und werden getrennt überliefert.6
Bei Gervasius kommt mit seiner Weltoffenheit und mit seinem politischen
Engagement der weite Blick für zeitgenössische Wandlungen im Traditions-
bild des 13. Jahrhunderts hinzu. Gervasius bedient sich beim Erstellen eines
räumlich geprägten Weltbildes als erster des «Provinciale Romanum», der
modernen Bistumserfassung als Spiegel des Aufstiegs der Kirche und ihres
Zentralismus in der christlichen Ökumene. Bei offenkundigen Widersprü-
chen stellt Gervasius alte und neue Version nicht im Bild, aber im Text
gleichwertig nebeneinander und merkt die Unterschiede an.
Jakob von Vitry berichtet dem Papst als erster vom Einbrach der Mongo-
len als einer vermeintlichen Hoffnung für die Kreuzfahrer. Er wertet den

60
Cf. PAULINUS Minorità in seinem Traktat «De mapa mundi», Prolog, Ms. Vat. Lat 1960
fol. 13: Requiritur autem mapa duplex, picture et scripture. Nee unum sine altera putes sufficere, quia
pictura sine scriptura provincias seu regna confuse demonstrat, scriptura vero non tarnen sufficienter
sine adminiculo picture provinciarum confinia per varias partes celi sic determinai, ut quasi ad ocu-
lum conspici valeant".
61
Gegen eine Überstrapazierung der ,Text und Bild'-Chiffre wendet sich mit guten Gründen
P. UEBERHOLZ, Requiritur autem mapa duplex. Die Darstellung Afrikas in der angelsächsischen
Geschichtsschreibung und Kartographie des Mittelalters, in: Aus Überrest und Tradition. Fest-
schrift für Anna Dorothee von den Brincken, hg. von PETER ENGELS, Lauf/Pegnitz 1999, S. 54-
72.
[622] XXIX. Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry 585

Einbruch des Steppenvolkes durchaus als außerordentlich, aber er fügt ihn


ins eigene Wunschweltbild ein. Er erkennt nicht etwa, daß die Chinesische
Mauer zu Beginn des 13. Jahrhunderts gefallen war und Europa und Asien
erstmals verbunden waren. Der Tagespolitik verhaftet, hofft er einzig auf
den fernöstlichen Kreuzfahrer, damit Jerasalem und die Christen ihrer Sor-
gen ledig werden. Das weltpolitische Ereignis wird den Wünschen eingepaßt
und nur als momentan erfaßt.
XXX. Das Weltbild des irischen Seefahrer-Heiligen
Brendan in der Sicht des 12. Jahrhunderts

Stückbeschreibung

Die recht ungewöhnliche, in dieser Kombination anderweitig bisher nicht


bekannte Weltkarte findet sich auf einem offensichtlich aus einer Pergament-
handschrift herausgetrennten Blatt (vgl. unten Tafel 31). Sie hat das Format
von 165 x 208 mm. Mit ihren kräftigen Schmuckfarben Rot und Schwarz
macht sie wirkungsvoll auf sich aufmerksam und weckt die Wissbegierde der
Freunde mittelalterlicher Gelehrsamkeit wie kartographischer Kunstfertig-
keit. Ihr gebührt mit Recht ein Ehrenplatz in der Sammlung von Prof. Dr. h.
c. Albert Knoepfli, die jetzt als Stiftung im Ortsmuseum von Bischofszeil im
Kanton Thurgau der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.1

Auf der einen Seite zeigt das Blatt das Kartenbild, auf der anderen sind von
einer gepflegten Buchschriftenhand des 12. Jahrhunderts die ersten 29 Zeilen
eines als Vita Sancti Brandani abbatis ausgewiesenen Textes eingetragen (vgl.
unten Tafel 32), beginnend mit einer roten Schmuck-Initiale. Schrift und
Schmuck könnten aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus dem süd-
deutschen Raum stammen.2 Das generelle Fehlen der Cauda am e - vgl. z.B.
Zeile 4 (vgl. unten Tafel 32) - rückt die Entstehungszeit der Handschrift nä-
her an die Jahrhundertwende heran. Insulare Züge - die man bei einem für
Irland wesentlichen Text vermuten möchte - weist das Fragment überhaupt
nicht auf.
Der gerade Rand rechts von der Bild- bzw. links von der Textseite lässt
das Blatt hier modern beschnitten erscheinen, während die gegenüberliegen-
de Seite ebenso wie die Ober- und Unterkante des Blattes den natürlichen
mittelalterlichen Beschnitt aufweisen. Diese Beobachtung wird durch Text-
verluste an den Marginalien links auf der Textseite unterstrichen und legt die
Einordnung der Textseite als recto und der Bildseite als verso nahe. Die

1
ARTHUR DÜRR, Die Dr.-Albert-Knoepfli-Stiftung/Kartographie, in: Die Erweiterung des
Museums Bischofszell, red. Heinz Reinhart, Frauenfeld 1999 (Mitteilungen aus dem Thurgaui-
schen Museum 32), S. 55-60.
2
Vgl. Z.B.JOACHIM KIRCHNER, Scriptura Latina libraria a saeculo primo usque ad finem me-
dii aevi. München, 1955. Taf. 42b.
[17] XXX. Das Weltbild des Seefahrer-Heiligen Brendan 587

Marginalien sind der Schrift nach etwa dem 17. oder 18. Jahrhundert zuzu-
weisen, so daß das Heraustrennen des Blattes an der Falzseite erst danach
und mithin in jüngster Zeit zu vermuten ist.

Einordnung der Weltkarte

Überrascht das Bild der Karte auf den ersten Blick durch die Kombination
recht verschiedener Elemente, so sind diese Elemente für sich genommen
durchaus früher bekannt. Der Archetypos der eigentlichen Weltkarte ist eine
Illustration zum 13. Buch der «Etymologiae» des Isidor von Sevilla (f 636),
das den Kosmos behandelt, während im 14. Buch von der Ökumene die Re-
de ist.3 Im 6. Kapitel dieser Kosmologie beschreibt der Kirchenvater die fünf
Zonen, die sich wie Gürtel um die Erdkugel schmiegen: eine kalte Zone im
Süden und eine im Norden haben jeweils unbewohnbare Regionen an den
beiden Polen zur Folge; um den Äquator legt sich ein weiterer Gürtel, der
wegen der Intensität der Sonneneinstrahlung unzugänglich ist; dazwischen
finden sich auf beiden Halbkugeln bewohnbare Zonen, die jedoch unüber-
windbar voneinander getrennt sind. Die nördliche bewohnbare Zone wird
wohl auch als Ökumene, als tatsächlich bewohnte Welt, bezeichnet und häu-
fig gar mit den drei der Antike bekannten Erdteilen Asien, Europa und Afri-
ka identifiziert, während die südliche auch Antökenkontinent heisst, Erdteil
der Gegenbewohner. Es handelt sich hierbei um das stoische Weltbild des
Krates von Mallos aus dem 2. Jahrhundert v.Chr., das dem Abendland
durch den Kommentar des Macrobius zu Ciceros «Somnium Scipionis» zu
Beginn des 5. Jahrhunderts vermittelt wurde. Das Weltbild an sich ist aber
viel älter und schon für Parmenides, auch für Piaton und Eratosthenes eine
selbstverständliche Grundlage. Macrobius' Schrift war mitsamt ihren Zeich-
nungen sehr verbreitet und in vielen frühmittelalterlichen Bibliotheken als
geschätztes Naturkunde-Lehrbuch verfügbar, die Zonenkarte wurde aller-
dings - da man sich nicht auf die Kunst verstand, eine Kugel perspektivisch
darzustellen - meist als Planiglob gestaltet. Für das mittelalterliche Ver-
ständnis von der Kugelgestalt der Erde gehört Macrobius zu den Kronzeu-
gen.4
Isidor oder einer seiner Kopisten hat nun hier den Versuch gemacht, die
Kugelgestalt - lateinisch sphaera oder spera - perspektivisch' anzudeuten,

3
Isidori Hispalensis Episcopi Etymologiarum sive originum libri XX, (Hrsg.) W[ALLACE]
M[ARTIN] LINDSAY, Oxford, 1911, Liber XIII, 6.
4
Ambrosii Theodosii Macrobii Commentarii in Somnium Scipionis, (Hrsg.) JAMES A.WILLIS,
Leipzig 1970 (Repr. Stuttgart, Leipzig, 1994), Liber II, 9, S. 122-124.
588 Studien zur Universalkartographie [17/18]

indem er seinen Betrachterstand ort ungefähr über dem Polarkreis wählte


und von hier die Wölbung der Erdgürtel zu erfassen suchte. Seine Karte ist
gesüdet, während Macrobius wohl in griechischer Tradition genordet hat,
hingegen die meisten mittelalterlichen Karten, insbesondere die Ökumene-
Karten, geostet sind. Die Südpolgegend verschwimmt im Bild, die Nordpol-
gegend erscheint als Kreisfläche auf die Kugel aufgesetzt. Eine weitere auf-
geheftete Kreisfläche stellt die Ökumene dar, in dieser Form auch aus vorso-
kratischer Zeit bei den Griechen bekannt. Die Legenden AETHIOPES
oben, d.h. am südlichen Rand der Ökumene und in die heiße Äquatorialzo-
ne reichend, und RIPHEI unten, d.h. im Norden, benennen die Grenzen
der bekannten Welt der Antike, nämlich das Land der Äthiopier gen Süden
und die Riphei als Gebirgssperrriegel gen Norden, vielleicht identisch mit
dem Ural. Das hier beschriebene Bild ist in vielen Isidor-Handschriften seit
der Karolingerzeit überliefert (vgl. unten Tafel 8)5 und war Allgemeingut
mittelalterlicher Schulbücher, denn das Wissen um die Kugelgestalt der Erde
war für mittelalterliche Gelehrte eine Selbstverständlichkeit. Im 11. und 12.
Jahrhundert gibt es natürlich schon detailliertere Zonenkarten, etwa die
Freisinger Macrobius-Karte 6 oder die geosteten hemisphärischen Darstel-
lungen des Lambert von Saint-Omer. 7
Die vorliegende Karte weist aber einen Zusatz auf, der in dieser Form bei
Isidor nicht belegt ist (vgl. unten Tafel 31). Unten, d.h. im Norden des Kos-
mos, findet sich ein rechteckiges teppichähnliches Gebilde, dessen Legenden
gedreht werden müssen, um entziffert werden zu können. Entgegen dem
Uhrzeigersinn gelesen (!), ergeben sich GEON, FISON, EUFRATEN und
TIGRIS, die vier Paradiesflüsse aus Genesis 2, 10-14, die das Rechteck un-
missverständlich als Paradies ausweisen. Über den Flußlegenden sieht man
Ströme hervorbrechen, die sich über den Rand des Paradieses ergießen und

5
Vgl. hierzu
- Köln, Dombibliothek, Ms. 8311, fol. 82 (um 800); ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Fines
Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (Monu-
menta Germaniae Historica Schriften 36), Hannover 1992, Abb. Taf. 13 (vgl. unten Tafel 8),
- Paris, Bibliotheque nationale de France, Ms. Lat. 4860, fol. 166v (lO.Jh.); Abb. VON DEN
BRINCKEN (wie oben) Taf. 14,
- Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität, Ms. F.III. 15.k., fol.64 (lO.Jh.); VON DEN
BRINCKEN (wie oben) S. 53-54 und Taf. 15.
6
München, Bayerische Staatsbibliothek, Ms. CLM 6362, fol.74 (11.Jh.); Abb. VON DEN
BRINCKEN (wie oben) Taf. 5 (vgl. unten Tafel 11 ).
7
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Ms. 1 Gud. Lat., fol.69v-70 (um 1180); Abb.
VON DEN BRINCKEN (wie Anm. 5) Taf. 29 und DAVID WOODWARD, Medieval Mappaemundi, in:
Cartography in Prehistoric, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean. Hrsg.
J [ O H N ] B[RIAN] HARLEY, DAVID WOODWARD (The History of Cartography 1), Chicago, London,
1987, S. 354, Abb. 18.71 (vgl. unten Tafel 25).
[18] XXX. Das Weltbild des Seefahrer-Heiligen Brendan 589

verlieren, also nicht etwa die Ökumene erreichen. Das Paradies selbst ist
weit von der bewohnten Welt entfernt, mithin keineswegs ein irdisches Para-
dies, wie es auf vielen TO-Weltkarten in die Ökumene hineingenommen ist;
lediglich die Längsseite nahe dem Euphrat berührt vielleicht die Polarzone
des Kosmos und den rückseitigen bewohnbaren nördlichen Erdgürtel, d.h.
Alaska-Sibirien oder - in mittelalterlicher Vorstellung - Scythia Exterior
und Hyrcania. Natürlich erwähnen auch die «Etymologiae» des Isidor die
vier Paradiesflüsse, nämlich im 21. Kapitel des 13. Buches. Die Beigabe des
Vierflusslandes könnte mithin bereits aus Isidor-Handschriften entnommen
sein. Gewöhnlich erscheint das Paradies auf mittelalterlichen Ökumene-
Karten im äußersten Osten. Es ist oft recht irdisch gestaltet und zeigt Adam
und Eva in einem prächtigen Apfelgarten, so bei Kosmas Indikopleustes, 8
auf der Beatus-Karte von St.-Sever9 und der Psalter-Karte von London, 10
während sich die Maler der Beatus-Karte von Osma 11 und der Karte aus
Sawley12 mehr an die erste Genesis-Erwähnung halten und das Paradies von
vier Flüssen in einem außerirdischen Rechteck oder Oval, gewissermaßen ei-
ner Art kleinem Himmelsteppich, vertreten wissen. Just diesem mehr trans-
zendental verstandenen Paradies begegnet man auch im Weltbild des Bren-
dan.

D e r Bezugstext zur Karte

Der Text auf der Rückseite der Karte oder - richtiger - der Text, auf den die
Karte zu beziehen ist, lässt sich durch die schmucke Initiale S von Sanctus
Brandanus als Text-Anfang der «Navigatio Sancti Brendani» identifizieren,
auch wenn er in der Überschrift mit roten Buchstaben als Vita Sancti Bran-
dani abbatis ausgezeichnet ist.

8
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Gr. 699, fol.40v (9.Jh.); Abb. WOODWARD
(wie Anm.7), S.351, Abb. 18.66.
9
Paris, Bibliotheque nationale de France, Ms. Lat. 8878, fol.45bisv-45ter (um 1045), Abb.
Mappemondes A.D. 1200-1500, hrsg. MARCEL DESTOMBES (Monumenta Cartographica Vetu-
stioris Aevi 1; Imago Mundi Supplement 4), Amsterdam 1964 Taf. J / I X .
10
London, British Library, Add. Ms. 28681, fol.9 (um 1262); Abb. VON DEN BRINCKEN (wie
Anm. 5) Taf. 32 (vgl. unten Tafel 42) und WOODWARD (wie Anm. 7), S. 350, Abb. 18.63.
11
Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, Ms. 1, fol.34v-35 (um 1086); Abb. VON DEN BRI-
NCKEN (wie Anm.5) Taf. 17 (vgl. untenTafel 14).
12
Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 66, p.2 (um 1180); hierzu jetzt P[aul] D.A. HAR-
VEY, The Sawley Map and Other World Maps in Twelfth-Century England, in: Imago Mundi 49
(1997) S.33-42; Abb. auch VON DEN BRINCKEN (wie Anm.5) Taf. 24 (vgl. unten Tafel 18) und
WOODWARD (wie Anm. 7), S. 349, Abb. 18.59.
590 Studien z u r Universalkartographie [18]

Brendan ist der Name vieler irischer Heiliger (irisch Brénaind, lateinisch
Brendanus, Brendenus oder Brendinus, dt. Brandan). 13 Der berühmteste
Namensträger lebte von ca. 483 bis 577 oder 583 und ist als Klostergründer
insbesondere der Abtei Clonfert hervorgetreten. Seit dem 9. Jahrhundert ge-
noss er in ganz Europa Verehrung als Patron der Seeleute. Der Legende
nach unternahm er mit siebzehn Mitbrüdern von Clonfert aus eine Seereise
zu einer Paradiesinsel im Atlantik, genannt Terra Repromissionis Sanctorum,
und war sieben Jahre unterwegs. Diese Reise wird in der berühmten «Navi-
gatio Sancti Brendani» 14 beschrieben, einem sehr verbreiteten fiktiven Reise-
bericht, der - von Iren, aber vielleicht von als Schottenmönchen auf dem
Kontinent pilgernden verfasst - seit Ende des 10. Jahrhunderts auf dem Fest-
land bezeugt ist, von dem über 130 Handschriften überlebt haben und der
erst im 12. Jahrhundert im insularen Bereich rezipiert wird. Er behandelt
Gottes Geheimnisse in seinem grossen Ozean und stellt im 28. Kapitel die
reiche und schöne Insel als Zuflucht der verfolgten Christen vor.
Der Schreiber des vorliegenden Blattes begann mit dem Kopieren und
fügte die Karte - die er entweder selbst entwarf oder aber in seiner Vorlage
bereits vorfand - just vor dem erstmaligen Vorkommen des Begriffes Terra
Repromissionis anlässlich eines Seitenwechsels ein, um dieses Paradies in sei-
ner Kosmosvorstellung zu lokalisieren. Es heißt da: /...] navigemus contra oc-
cidentalem plagam ad insulam que dicitur terra repromissionis sanctorum, quam
Deus daturus est successoribus nostris in novissimo tempore („Laßt uns gen We-
sten segeln zur Insel, die Land der Verheißung für die Heiligen heißt, die
Gott unseren Nachkommen im Jüngsten Gericht geben wird"). Die Stelle des
Seitenwechsels ist laut der Ausgabe von Carl Selmer15 eine Bruchstelle für
die Handschriftenkombinationen und daher vielfach ein Texteinschnitt, an
dem sich das Kartenbild unterbringen ließ. Das Bild zeigt eine streng wissen-
schaftliche Darstellung der Welt, wie sie uns seit der Karolingerzeit häufig
zu Isidor überliefert ist. Hier steht die Kugelgestalt der Erde für das Welt-
bild des Atlantikreisenden, ein sehr passendes Weltkartenmodell, jedoch
entbehrt es der konkreten Angaben zur Ökumene, die beiden Begriffe AE-
TEOPES und RIPHEI ausgenommen. Passend dazu erscheint die Terra Re-
promissionis keineswegs als Garten des Überflusses und der Freuden, son-
dern jenseitig und nur in nichterklärlicher Weise durch die Paradiesflüsse
mit dem Diesseits verbunden.

13
JOHN HENNIG, Brendan, in: Lexikon des Mittelalters 2. München, Zürich, 1983. Sp.606.
14
G[IOVANNI] ORLANDI, Navigatio Sancti Brendani, in: Lexikon des Mittelalters 6. München,
Zürich 1993. Sp. 1063-1066.
15
Navigatio Sancti Brendani Abbaus, (Hrsg.) CARL SELMER (Publications in Mediaeval Stu-
dies 16), Notre Dame/Indiana, 1955. S.5.
[18/21] XXX. Das Weltbild des Seefahrer-Heiligen Brendan 591

Text und Bild

Die formale Zusammengehörigkeit von Text und Bild erweist sich bei ge-
nauerem Schriftvergleich einwandfrei; insbesondere die zum Teil ungewöhn-
lichen Großbuchstaben, die in verschiedenen Formen vorkommen, lassen
den Betrachter die Frage eindeutig zu bejahen.
Die Karte wurde bewusst zur Erläuterung der geheimnisvollen und noch
verschlüsselten Vorstellung eingefugt, die den Schreiber bei dem Gedanken
an die Terra Repromissionis Sanctorum erfüllte: er hat dieses Paradies jenseits
der bekannten und wissenschaftlich erfaßten Welt nicht gesehen, er hörte
nur von seiner Existenz am äussersten Rand des Kosmos. Er deutet auch an,
daß das verheißene Land das Diesseits allenfalls berührt, schildert also in
der Tat einen transzendentalen Ort in ganz losem Zusammenhang mit der
Welt.
Das Handschriftenfragment aus dem Ende des 12. Jahrhunderts bietet
eine altertümliche Kartenform, verglichen mit der etwa gleichzeitigen Welt-
karte aus dem Kloster Sawley oder den Wolfenbütteler Karten des Lambert
von Saint-Omer, bei denen freilich die Darstellung der Ökumene ein ganz
anderes Gewicht hat. Der heilige Brendan sah die Welt mit anderen Augen:
Er sah das gewaltige Meer vor dem Hintergrund des Jenseits. Seine «Naviga-
tio» schildert gewissermaßen Außenposten dieser Welt, und die Karte des
Hochmittelalters zu seinem Reisebericht hält sich gleichfalls an diese Vorga-
be. Sie illustriert ihren Text nicht vordergründig, sondern deutet ihn aus der
Sicht der Symbolisten des 12. Jahrhunderts.

Resume:
L'image du monde de saint Brendan dans l'optique du 12e siede

Le musée local de Bischofszeil (Thurgovie) présente au public une carte du


monde dont la composition est inconnue ailleurs: une face du parchemin
montre la carte du monde dont l'archétype est une Illustration du 13e livre
des Etymologies d'Isidore de Seville (f 636). La forme sphérique de la Terre
est representee en perspective. Mais une adjonction n'est pas présente chez
Isidore: en bas, c'est-à-dire au nord en dehors du cosmos, on trouve une
image rectangulaire avec les quatre fleuves du paradis qui désigne indubita-
blement celui-ci.
Sur 1'autre face du manuscrit on peut lire le début de la «Navigation de
saint Brendan» dans une écriture à la main très soignée. Le texte raconte
592 Studien zur Universalkartographie [21]

l'histoire de l'irlandais saint Brendan (6e siècle) qui avait entrepris avec dix-
sept compagnons une navigation de sept années vers une ile du Paradis dans
l'Atlantique. L'écriture et l'ornementation pourraient dériver d'un style caro-
lingien gothique de la seconde moitié du 12e siècle originaire de I'Allemagne
meridionale. Une comparaison détaillée démontre sans equivoque l'homogé-
néité formelle du texte et de la carte.

Summary

Concept of the world by the Irish seafarer Saint Brendan as seen from the
12th Century The museum in Bischofszell (Canton of Thurgovia) has a un-
ique world map on display which is otherwise unknown in this combination:
One side of the parchment shows the map image. The archetype of this
world map is an illustration to the 13th book of the «Etymologiae» by Isi-
dore of Seville (f 636). There is a 'perspective' suggestion as to the spherical
form of the Earth. An additional element, however, does not appear in Isi-
dore's work: in the lower part, i.e. to the north, outside of the cosmos, there
is a rectangular object containing the four rivers of Paradise, thus an unmis-
takable reference to Paradise.
On the other side of the manuscript the beginning of the «Navigatio Sancti
Brendani» is written by hand in a sophisticated script. The text tells the le-
gend of Saint Brendan of Ireland (6th Century), who sailed to a paradise is-
land in the Atlantic during a period of seven years with 17 companions. The
writing and decorations could be a 12th-century carolino-gothica from
southern Germany. A careful comparison of the script and lettering show
without doubt that the text and map match.
XXXI. Roma nella cartografia medievale
(secoli IX-XIII) 1

1. Introduzione: cartografìa romana e cartografia medievale

Nel XIX secolo, quando si cominciò ad affrontare in modo scientifico la sto-


ria della cartografia, si fu subito d'accordo nel ritenere di poco valore la car-
tografìa medievale. Il Medioevo infatti non conosceva alcun tipo di misura-
zione, per cui le carte appaiono molto rozze e irreali. Solo con il rinascimen-
to tolemaico venne riscoperta in Occidente quella che si riteneva fosse la più
pregevole cartografia antica. Dopo i brevi articoli di Franz Joseph Mone
(1836) 2 e di Heinrich Wuttke (1853), 3 alla fine dell'Ottocento Konrad Miller
redige i sei volumi dell'opera Mappae Mundi, 4 dedicata interamente alla car-
tografia latina dal V al XV secolo, con lo scopo di ricostruire, a partire da
queste riproduzioni deformate, la cartografia romana e in particolare il map-
pamondo del tempo di Augusto. Miller era infatti convinto di poter ricono-
scere, in particolare nelle migliori realizzazioni della cartografia universale
inglese, tracce del mappamondo di Vipsanius Agrippa, genero di Augusto.5
In quest'ottica, la cartografia medievale venne utilizzata inizialmente solo
come fonte di informazioni sulle antiche carte romane. 6
Studi più recenti vedono questa genesi in una prospettiva completamente
diversa. Che nessuna carta romana originale sia giunta fino a noi è un dato
di fatto. Di conseguenza, si è cominciato a dubitare dell'esistenza di una car-
tografia romana di tipo moderno, e si ritiene che, almeno per i romani, si
debba partire da una concezione dello spazio di tipo diverso.7 Infatti, la co-

1
Perla traduzione ringrazio la dott. Laura Balbiani, Milano.
2
Cfr. F.J. MONE, Erdkunde im Mittelalter, in: Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit, 5
(1836), coli. 37-41 e 113-116 e taw.
3
H. WUTTKE, Über Erdkunde und Karten des Mittelalters, in: Serapeum, 14 (1853),
pp.225-235, 241-272, 273-280.
4
K. MILLER, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten, I-VI, Stuttgart 1895-1898.
5
Cfr. C. PUNII SECUNDI Naturalis Historiae I, vol. VI, ed. e trad. K. Brodersen, Zürich-Düs-
seldorf 1996, passim.
6
K. MILLER, Itineraria Romana. Römische Reisewege an der Hand der Tabula Peutingeriana
dargestellt, Stuttgart 1916.
7
Cfr. il recente studio di K. BRODERSEN, Terra cognita. Studien zur römischen Raumerfas-
sung, Hildesheim-Zürich-New York 1995 (Spudasmata, 59).
594 Studien zur Universalkartographie [210/211]

siddetta 'Tabula Peutingeriana', tanto celebrata da Miller, risale al XII seco-


lo, e nessuno è in grado di spiegare per quale motivo i copisti di un convento
abbiano riprodotto fedelmente una così strana carta stradale. Questa carta
verrà trattata in questa sede principalmente come documento medievale, e a
buon diritto. La cartografìa occidentale del Medioevo è una creazione a suo
modo originale, anche se ha saputo servirsi accortamente delle fonti classi-
che disponibili. In ogni caso essa non aveva certo potuto vanificare le misura-
zioni delle carte classiche, perché non ne aveva a disposizione nessuna, nem-
meno dai romani.
Cercando nella cartografia medievale delle attestazioni per l'antica Ro-
ma, 8 dobbiamo valutare lo scarso materiale con molta prudenza. Se per il pe-
riodo che ci interessa, dal IX al XIII secolo, non abbiamo alcuna mappa uti-
lizzabile della città di Roma, non è un caso. Evidentemente non vi erano pre-
cedenti classici, e le belle rappresentazioni simboliche della città eterna, ad
esempio sui sigilli, sono una creazione originale del Medioevo. Non è nem-
meno da escludere che proprio questi abbiano influito sulla cartografia.

2.1 fondamenti della cartografia ecumenica nel Medioevo

Il tipo di fonti che sembra essere più promettente, nell'ambito del tema che
mi è stato assegnato, non è la mappa mundi intesa come rappresentazione
del cosmo, bensì la riproduzione delle terre abitate su una carta. In questo il
Medioevo ha ovviamente sfruttato gli esempi a disposizione. Possiamo sup-
porre che si trattasse di testi e di immagini simboliche, i cosiddetti 'land-
marks'. E almeno per quanto riguarda i testi a carattere geografico, essi sono
abbondanti sia nell'antichità classica che nel Medioevo. Proprio la carta del-
l'ecumène si trova in stretto rapporto con un testo storico e prevalentemente
interessato alla storia della salvezza; 9 la carta ha infatti lo scopo di riprodur-
re su un'unica superficie descrittiva il teatro degli avvenimenti di epoche mol-
to diverse, per rendere visibili i loca, in quibus res gestae sunt, una delle cate-
gorie della storia secondo la definizione di Ugo di San Vittore. 10

8
Cfr. K. BRODERSEN, Ein karolingischer Stadtplan von Rom?, in: Cartographica Helvetica,
Fachzeitschrift für Kartographiegeschichte, 14 (1996), pp. 35-41.
' Cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographia. Studien zur imago mun-
di des abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters,
24 (1968), pp. 118-186 (= o. S. 17-81); cfr. il recente esame di E. EDSON, Mapping Time and
Space: How Medieval Mapmakers Viewed Their World London 1997 (The British Library Stu-
dies in Map History, 1).
10
Prefazione del «Liber de Tribus Maximis Circumstantiis Gestorum» di Hugo of St. Victor,
De tribus maximis circumstantiis gestorum, ed. W.M. Green, in: Speculum, 18 (1943), p. 491.
[211/212] X X X I . R o m a nella cartografia medievale 595

Le prime testimonianze originali che ci sono pervenute della cartografia


dell'ecumène risalgono all'VIII secolo; per il periodo precedente possiamo ri-
ferirci soltanto a testi scritti.
La cartografia medievale è prevalentemente e, all'inizio, quasi esclusiva-
mente una cartografia universale; solo nel XII secolo abbiamo attestazioni
cartografiche di alcuni paesi o itinerari particolari. Soltanto poche mappe di
luoghi di pellegrinaggio sono documentate già nel primo Medioevo, ad
esempio Gerusalemme nella mappa di Adamnan di Hy secondo il racconto
di Arculphus. Le carte erano spesso legate alle cronache universali: redatte di
solito a scopo didattico, esse iniziavano spesso con un excursus geografico,
come era consuetudine già nel periodo dell'ellenismo. A richiedere questa
parte geografica, e quindi anche una carta, non era tanto la cronaca rigida-
mente lineare del tipo series temporum, quanto piuttosto la cronaca dagli spa-
zi dilatati del mare historiarum o il genere enciclopedico dell'imago mundi.11

3. Le cronache dell'antichità cristiana

Le «Historiae adversum Paganos» di Paolo Orosio sono un esempio di cro-


naca universale dagli spazi dilatati. Sant'Agostino incaricò Orosio, suo colla-
boratore, di redigere una descrizione della storia universale dalle origini fino
al suo tempo come integrazione alla Civitas Dei, per dimostrare che il male
nel mondo non era affatto aumentato con la cristianizzazione di Roma, ben-
sì il contrario: il mondo pagano, prima di convertirsi al cristianesimo, era
moralmente ancora più peccaminoso. Questa cronaca, detta anche Moesta
Mundi, raccoglie tutti i racconti dell'orrore allora conosciuti, ed è dotata di
una iniziale panoramica geografica.12 Una delle più antiche mappe dettaglia-
te dell'ecumène che ci sono giunte, relativamente al periodo che consideria-
mo, è collegata al testo di Orosio e si trova in un manoscritto del IX secolo
conservato nella biblioteca di Albi. 13 La carta viene comunemente considera-

11
Cfr. A . - D . VON DEN BRINCKEN, Abendländisches Mittelalter, in: Mensch und Weltgeschich-
te. Z u r Geschichte d e r Universalgeschichtsschreibung. Siebentes Forschungsgespräch. Interna-
tionales Forschungszentrum für Grundfragen d e r Wissenschaften Salzburg, hrsg. von A. RANDA,
S a l z b u r g - M ü n c h e n 1969, p p . 4 1 - 8 6 .
12
Paulus O r o s i u s , H i s t o r i a r u m adversum p a g a n o s libri Septem, I, 1, 16-17, ed. C. Z A N G E -
MEISTER, C S E L 5, Wien 1882, p . 8: Utprimum ipsum terrarum orbem quem inhabitat humanum ge-
nus, sicut est a maioribus trifariam distributus deinde regionibus provinciisque determinatus, expe-
diam; quo facilius, cum locales bellorum morborumque clades oitentabuntur, itudioii quique non so-
lum rerum ac temporum led etiam locorum scientiam consequantur.
13
Albi, Bibliotheque Municipale, M s . 29, p . 4 8 7 ; cfr. MILLER, M a p p a e M u n d i III, p . 58 trac-
cia u n o schizzo secondo il modello; cfr. A . - D . VON DEN BRINCKEN, Fines T e r r a e . Die E n d e n d e r
596 Studien zur Universalkartographie [212/213]

ta parte integrante di questo testo, anche se sono evidenti anche altre fonti.
Ad esempio, nella carta non si distinguono ancora bene i tre continenti allora
conosciuti, e al Mediterraneo viene riservato uno spazio piuttosto ampio,
mentre è noto che il Medioevo riteneva che soltanto un settimo della superfi-
cie terrestre fosse occupato dalle acque; 14 così la terraferma appare disposta
ad U intorno al Mediterraneo. Non si può ritenere che Gerusalemme costi-
tuisca il centro della carta, e nemmeno Roma. Entrambe le città sono eviden-
ziate da legende, ma sostanzialmente non si distinguono da altre, ad esempio
Ravenna, Cartagine, Alessandria, Atene, Babilonia o Antiochia. Roma viene
intesa, insieme a tante altre città qui rappresentate, principalmente come un
insediamento e solo secondariamente come capitale di un impero universale;
essa ha sì il ruolo di uno dei luoghi significativi dell'antichità, ma alla pari di
tante altre città, mentre nel testo di Orosio Roma riveste un ruolo assoluta-
mente dominante.
Girolamo è, fra i Padri della Chiesa, quello che ha influito in modo mag-
giore, attraverso i suoi studi esegetici, sulla rappresentazione spaziale della
Cristianità occidentale. Egli vi introduce una forte componente biblica, ma
non si sofferma su Roma, perché cartograficamente si limita alle zone del
Mediterraneo orientale, una configurazione che ritroviamo anche nelle carte
del XII secolo a lui attribuite. 15 Sant'Agostino invece non ci ha lasciato alcu-
na carta, ma ha descritto verbalmente la tipologia della carta a TO, simbolo
per eccellenza della mappa dell'ecumène, quando definisce il rapporto fra i
tre continenti allora conosciuti, Asia, Europa e Africa, con l'equivalenza
2:1 : l. 16 Il suo punto di partenza era una carta circolare orientata a Est, dove
la linea di confine fra i vari continenti è l'acqua: il Mediterraneo fra Europa e
Africa, il Don fra Europa e Asia e il Nilo fra Asia e Africa. Nell'ambito di
questo testo, Roma non svolge alcun ruolo particolare.
Isidoro, l'ultimo dei Padri della Chiesa latini, riprende da Agostino i det-
tagli sull'aspetto dell'ecumène e viene ritenuto il creatore di vari tipi di carte,
di cui abbiamo però documenti solo a partire dall'VIII secolo.17 General-
mente si tratta di carte a T O molto schematiche, ma nella Biblioteca Aposto-

Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten, MGH, Schriften, 36, Hannover
1992, tav. 1 (vgl. unten Tafel 3).
14
In realtà l'acqua occupa il 70,8% della superficie terrestre.
15
London, British Library, Ms. Add. 10049ff. 64 e 64v; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III,
tav. I, e VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, taw. 2-3; cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Hieronymus
als Exeget secundum historiam>. Von der Chronik zum Ezechiel-Kommentar, in: Deutsches Ar-
chiv für Erforschung des Mittelalters, 49 (1993), pp. 453-477.
16
Decivitate Dei, 16, 17.
17
Cfr. M. DESTOMBES, Mappemondes A.D. 1200-1500, Amsterdam 1964 (Monumenta Car-
tographica Vetustioris Aevi, 1), sect. 1, p. 30.
[213/214] XXXI. Roma nella cartografia medievale 597

lica Vaticana è conservata una prima carta dettagliata, che viene generalmen-
te attribuita a Isidoro e che presenta legami con le sue «Etymologiae» 18 ad
esempio, un'isola situata a Sud-Ovest, che dovrebbe costituire il quarto con-
tinente oltre ai tre già conosciuti. La carta occupa due pagine del volume, è
orientata a Nord-Ovest e il lato occidentale è occupato quasi esclusivamente
da una grande superficie di acqua, popolata da numerose isole. L'Italia ha la
forma di una pera e non quella di uno stivale, forma che acquisirà solo a par-
tire dal XIII secolo. Le città principali sono evidenziate da stelle ad otto pun-
te, e in tutto sono sei, cioè Gerusalemme, Babilonia e Alessandria ad Est;
Cartagine, Roma e Costantinopoli ad Ovest. La stella che indica Roma non
si distingue dalle altre, nell'emisfero occidentale si trova anzi decisamente al-
l'ombra di Cartagine e Costantinopoli; inoltre la sua stella appare strana-
mente deformata verso il Sud, con raggi di lunghezza diversa. Questa carta
rappresenta la visione dell'ecumène della tarda antichità o del primo Medio-
evo, e non riconosce a Roma un molo primario, vista la complessità del
mondo ellenistico. Anche le altre carte dettagliate di Isidoro riportano sem-
pre Roma, ma non dimostrano alcuna predilezione per questa città.

4. La cartografia universale nell'alto Medioevo

Il fatto che questa situazione muti nell'epoca carolingia è dovuto senza dub-
bio all'influsso della Chiesa. Roma non è ancora la città del Papa, perché
questi non si pone ancora come riferimento universale, ma Roma è il centro
d'azione degli apostoli Pietro e Paolo e quindi assume un rilievo particolare
rispetto a tutti gli altri luoghi in cui essi si recano. Il monaco spagnolo Beato
di Liébana redige fra il 776 e il 786 un commento sull'Apocalisse, e nella pre-
fazione al secondo libro racconta la missione degli apostoli di Cristo fino ai
confini della terra: nel testo vengono nominati tutti, uno dopo l'altro. 19 Ben
17 dei 32 manoscritti rimastici dispongono di carte dell'ecumène; originaria-
mente esse servivano per rappresentare visivamente la missione degli aposto-
li, ma soltanto tre sono rimaste in questa forma; si tratta delle più recenti,
mentre i codici più antichi, risalenti al X secolo, tralasciano la missione degli

18
Biblioteca Apostolica Vaticana, M s . Vat. Lat. 6018 ff. 6 4 v - 6 5 ; cfr. R. U H D E N , Die W e l t k a r -
te des Isidor von Sevilla, in: M n e m o s y n e , 3 ( 1 9 3 5 / 3 6 ) , III s., p p . 1-28, e VON DEN BRINCKEN, Fi-
nes T e r r a e , tav. 16 (vgl. unten Tafel 9).
19
BEATI in Apocalipsin, Prefazione 1. 2 e. 17, ed. H . A. SANDERS, R o m a 1930 (Papers and
M o n o g r a p h s of the American Academy in R o m e , 7), p . 116: ad praedicandum in mundo sortes
proprias acceperunt, Petrus Roma, Andrea! Acaya, Thomai India, Iacobui Spania, lohannei Alia,
Mattheu! Macedonia, Filippui Gallias (!), Bartolomeus Lycaonia, Simon Zelotes Aegyptum (!), Iaco-
busfrater Domini Ierusalem ...
598 Studien zur Universalkartographie [214/215]

apostoli. Un esempio particolarmente interessante è la carta di Burgo de


Osma dell'anno 1086, 20 che probabilmente si avvicina molto all'archetipo
presente nel testo originario. 21 Roma appare evidenziata anche dalle teste di
due apostoli, appunto Pietro e Paolo, oltre che dal testo di Beato; la carta
presenta inoltre anche una dodicesima testa, Matthias in Giudea. Se cerchia-
mo di inquadrare le carte di Beato nello schema a TO, colpisce la lieve pre-
valenza del continente europeo in tutte le carte, e in particolare in quella di
Saint-Sever. In tutte, Roma si trova vicino al centro del mondo, mentre
l'Asia, con Gerusalemme, appare leggermente spostata verso Est.
Con ragione possiamo ritenere che questa prima carta tipicamente medie-
vale abbia le sue radici in un testo missionario-storico di commento all'Apo-
calisse, ma allo stesso tempo costituisce una testimonianza ben marcata di
quella che doveva essere la rappresentazione, esistente solo a livello mentale,
della carta romana dell'ecumène, che raggiunse il suo culmine nel periodo di
Augusto. Roma raffigurava il suo impero esteso tutto intorno al Mediterra-
neo, con l'accento sul territorio europeo. Gli apostoli vengono inviati in ter-
ritori, solo nel caso di Pietro e di Giacomo minore sono nominate due città,
appunto Roma e Gerusalemme. In confronto alle mappe che abbiamo visto
prima, quella di Albi e quella vaticana di Isidoro, sulla carta di Beato Roma
non appare più come una fra le città del Mediterraneo ellenistico: si nota in-
vece la sua doppia supremazia, nel significato classico e cristiano del termi-
ne.
All'XI secolo risale la particolareggiata carta di Macrobio, redatta a Frei-
sing.22 Le carte di Macrobio sono relitti di carte cosmiche, che oltre all'ecu-
mène rappresentano anche l'anti-ecumène. Generalmente si tratta di carte
delle zone astronomiche nelle quali l'ecumène occupa soltanto uno spazio
molto ristretto. Roma, con il simbolo di edifici, appare sottolineata fra le cit-

20
Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, Ms. 1 ff. 34v-35; cfr. MILLER, Mappae Mundi, I,
p. 35 traccia uno schizzo secondo il modello; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, tav. 17 (vgl.
unten Tafel 14).
21
Critico ai riguardo J. WILLIAMS, Isidore, Orosius and the Beatus Map, in: Imago Mundi,
49 (1997), pp. 7-31, che preferisce il manoscritto del Pierpont Morgan Library, Ms. M 644, ff.
33v-34 e il mappamondo di Beatus di Saint-Sever, Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. Lat. 8878,
ff. 45ter; Tav. cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Mappe del Medio Evo: mappe del cielo e della ter-
ra, in: Celi e terre nei secoli XI-XII. Orizzonti, percezioni, rapporti. Atti della tredicesima Setti-
mana internazionale di studio. Mendola 22-26 agosto 1995, Milano 1998 (Miscellanea del cen-
tro di studi medioevali, XV), pp. 31-50 con riproduzione tav. I. (vgl. unten Tafel 13).
22
München, Bayerische Staatsbibliothek, Ms. CLM 6362, f. 74; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fi-
nes Terrae, tav. 5 ed. EAD., Mappe del Medio Evo, p.38 ( = o. S.539) con riproduzione tav. V
(vgl. unten Tafel 11 ).
[215/216/217] XXXI. Roma nella cartografia medievale 599

tà italiane, ma come Gerusalemme, Meroe e Siene, una visione senza dubbio


classica.
In modo simile Roma appare evidenziata sulla carta attribuita comune-
mente a Teodulfo di Orléans, ma più correttamente detta 'carta di Ripoll', ri-
salente all'anno 1055. In questa carta emisferica23 Roma viene nominata in-
sieme ad altre città italiane, insieme a Ravenna e Benevento. La concezione
di questa carta risale certamente ancora al primo millennio.
Al contrario la cosiddetta Cottoniana, 24 una carta inglese della prima par-
te o della metà dell'XI secolo, mostra tratti 'roma-centrici'. La zona delle ac-
que è molto accentuata, sia il Mediterraneo che l'Atlantico del Nord presen-
tano molte isole; in Italia l'autore conosce i nomi di sette città, Roma, Saler-
no, Ravenna, Luca, Luna, Pavia e Verona, ma soltanto Roma ha un cinta con
sei porte, un simbolo che qui viene riservato solo a Babilonia e a nessun altro
dei punti focali della storia universale. Si tratta probabilmente di un riflesso
della concezione della translatio imperii da Est verso Ovest, da Babilonia a
Roma. Roma è la sede dell'ultimo impero, la città della salvezza, di cui que-
sto simbolo sottolinea la portata storica universale. Questa stessa idea è rap-
presentata anche nella carta delle zone astronomiche, orientata a Est, dello
stesso manoscritto. 25 La zona abitata, la parte settentrionale della sfera ter-
restre, ha soltanto due simboli squadrati di centri abitati, privi di legende,
uno in Asia con una torre simile a un minareto, l'altro in Europa ad Est del-
l'Aquitania; con tutta probabilità possiamo identificarli con Babilonia/Bag-
dad e Roma.

5. Mappamondi all'epoca delle prime Crociate

La diminuzione di importanza di Roma rispetto a Gerusalemme si basa sul-


l'esegesi biblica di Girolamo: intorno al 400 egli si sofferma infatti su una
frase del profeta Ezechiele, in cui Gerusalemme viene definita l'ombelico del
mondo. 26 Questa affermazione troverà una sua applicazione nella cartogra-

23
Cfr. P. GAUTIER DALCHÉ, Notes sur la «carte de Théodose II> et sur la «mappemonde de
Theodulf d'Orléans>, in: Geographica antiqua, III-IV (1994-95), pp.91-108; cfr. VON DEN
BRINCKEN, Fines Terrae, tav. 5 e Mappe del Medio Evo, p. 35 con riproduzione tav. II. (vgl. un-
ten Tafel 15).
24
London, British Library, Ms. Cott. Tib. B. V, f. 58; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III,
p. 33, e VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, tav. 19 e Mappe del Medio Evo, p.38 con riproduzione
tav. Ili (vgl. unten Tafel 16).
25
London, British Library, Ms. Cott. Tib. B. V, ff. 28v-29; cfr. tav. VON DEN BRINCKEN,
Mappe del Medio Evo, p. 38 con riproduzione tav. IV (vgl. unten Tafel 17).
26
Commentarli in Hiezechielem, V, 5, ed. F. GLORIE, CC 75, Turnhout 1964, p.56.
600 Studien zur Universalkartographie [217/218]

fia soltanto all'epoca delle Crociate, quando Gerusalemme diventa davvero


una realtà per l'Occidente. Così ad ogni modo viene interpretata la carta di
St. John ad Oxford, 27 in cui Gerusalemme occupa esattamente il centro della
carta, ed è situata nel punto di intersezione fra Don, Mediterraneo e Nilo,
una piccola isola ovale con una croce. Per il resto la mappa è 'euro-centrica',
il nostro continente è infatti evidenziato da una legenda scritta in risalto e in-
corniciata. Dopo Gerusalemme, è Roma, al suo posto tradizionale, ad avere
la seconda legenda in scala di importanza.
Mentre Guido da Pisa non inserisce Roma nella sua carta dell'ecumène,
corredata solo di nomi di paesi, e la sottolinea solo nella carta dell'Italia, 28
la città eterna svolge un ruolo importante nelle mappe dell'ecumène e del-
l'Europa di Lamberto di Saint-Omer. Nella prima, 29 trovano posto quasi
esclusivamente nomi di paesi, ma è presente anche Roma, mentre manca Ge-
rusalemme, e costituisce il riferimento per l'impero romano. Molto più evi-
dente è invece sulla carta dell'Europa, 30 dove il simbolo della città di Roma è
di gran lunga più appariscente di tutti gli emblemi delle altre città. Sopra gli
edifici, una croce sottolinea il suo ruolo centrale dal punto di vista religioso,
un ruolo che Roma si era andata costruendo a partire dal periodo gregoria-
no. Similmente la carta dell'ecumène di Arnstein, 31 della metà del XII secolo,
nomina Roma insieme a poche altre città, ad esempio Iherusalem, Constanti-
nopolis, Carthago e Hyppone.
La carta dell'ecumène dell'abbazia di Sawley, conservata insieme ad un
manoscritto dell'imago mundi di Onorio Augustodunense 32 e per molto tem-
po erroneamente attribuita a un certo Enrico di Magonza, risale circa al pe-
riodo intorno al 1200, e viene considerata un prodotto a se stante, anche se i

27
O x f o r d , St. J o h n ' s College, M s . 17, f. 6; cfr. MILLER, M a p p a e M u n d i , III, p. 119, e VON
DEN BRINCKEN, Fines T e r r a e , tav. 21 e M a p p e del M e d i o Evo, p.38 con r i p r o d u z i o n e tav. V I
(vgl. unten Tafel 19).
28
Bruxelles, Bibliotheque Royale, M s . 3 8 9 7 - 3 9 1 9 , f. 53v; cfr. MILLER, M a p p a e M u n d i , III,
p. 56, e VON DEN BRINCKEN, Fines T e r r a e , tav. 20 (vgl. unten Tafel 27).
29
Wolfenbüttel, H e r z o g August Bibliothek, M s . 1 G u d . lat., ff. 69v-70; cfr. MILLER, M a p p a e
M u n d i , III, tav. IV, e VON DEN BRINCKEN, Fines T e r r a e , tav. 29 e M a p p e del M e d i o E v o , p . 3 8
con r i p r o d u z i o n e tav. X I I (vgl. unten Tafel 25).
30
G e n t , Bibliotheek van de Rijksuniversiteit, M s . 92, f. 2 4 1 ; cfr. MILLER, M a p p a e M u n d i ,
III, p . 45 e VON DEN BRINCKEN, M a p p e del M e d i o Evo, p . 3 8 , con r i p r o d u z i o n e tav. IX (vgl. u n t e n
Tafel 20).
31
L o n d o n , British Library, M s . H a r l . 2799, f. 24 lv; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines T e r r a e ,
tav. 22 e M a p p e del M e d i o E v o , p . 3 8 con r i p r o d u z i o n e tav. X I V (vgl. unten Tafel 29).
32
C a m b r i d g e , C o r p u s Christi College, M s . 66, p . 2 ; cfr. MILLER, M a p p a e M u n d i , III, tav. II,
e VON DEN BRINCKEN, Fines T e r r a e , tav. 2 4 ; ora in P . D . A. HARVEY, T h e Sawley M a p and o t h e r
W o r l d M a p s in Twelfth C e n t u r y E n g l a n d , in: Imago M u n d i , 49 (1997), p p . 3 3 - 4 2 (vgl. unten
Tafel 18).
[218/219] XXXI. Roma nella cartografia medievale 601

cataloghi di testi medievali ne segnalano dei paralleli a Durham, Lincoln e


Rochester. Su questa mappa inglese dell'ecumène, le Cicladi intorno a Delo
occupano il centro del mondo; Roma appare come una delle città italiane,
ma non è evidenziata rispetto alle altre. Gerusalemme appare invece in mag-
giore risalto, anche se non occupa il centro del mondo. Questa mappa è co-
munque piuttosto generica, di tipo enciclopedico; dagli studiosi viene spesso
considerata come anticipatrice della carta di Hereford e le si riconosce una
matrice classica, opinione effettivamente confermata dalla raffigurazione di
Roma.

6. Il XIII secolo: un periodo di versatilità

Il XIII secolo offre invece abbondante materiale, soprattutto a partire dalla


metà del secolo. Una carta islandese dell'ecumène testimonia un livello note-
vole di conoscenze nei ceti dotti anche nelle parti più periferiche della Ter-
ra. 33 Questa mappa ha un carattere di inventario molto marcato, e rinuncia
completamente alle figure. Roma compare nella colonna delle città e dei pae-
si della zona mediterranea e dell'Europa centrale dopo Costantinopoli, Apu-
lia e Italia e davanti a Langobardia, Germania e Saxonia; è dunque un nome
che bisogna conoscere insieme a molti altri, e possiamo soltanto supporre
che poi, in ambito didattico, venissero fornite ulteriori informazioni.
Guglielmo di Tripoli, autore di due scritti su Maometto e sulla situazione
dei prìncipi maomettani del suo tempo in preparazione al secondo concilio
di Lione (prima del 1274),34 ci ha lasciato una carta-inventario simile a quel-
la appena considerata, conservata in un manoscritto del XIV secolo. 35 Asso-
miglia ad una carta a TO, e i vari settori contengono colonne di nomi geo-
grafici. Roma appare nel quadrante europeo sul lato del Mediterraneo dopo
Grecia, Dalmatici, Epyrus, Ellada, Thessalia, Macedonia, Achaya e Boetia e da-
vanti a Ytalia, Tuscia, Gallia e Yspania. Sono tutti senza eccezione nomi di
paesi, e anche Roma va intesa come tale; sulla carta islandese la stessa sorte
toccava anche a Costantinopoli, che Guglielmo non indica poiché la città era
ridivenuta greca.

33
Reykjavik, Stofnun Àrna Magnùssonar, Ms. GkS 1812-40, ff. 5v-6; cfr. VON DEN BRIN-
CKEN, Fines Terrae, tav. 38 (vgl. unten Tafel 35).
34
Wilhelm von Tripolis, Notitia de Machometo, De statu Sarracenorum, ed. P. ENGELS,
Würzburg-Altenberge 1992 (Corpus Islamo-Christianum, 4).
35
Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. Lat. 5510, f. 118; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III,
p. 121, e VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, tav. 31 (vgl. unten Tafel 44).
602 Studien zur Universalkartographie [219/220]

Matteo Parisiense, storiografo con uno spiccato senso realistico, ci offre


una cartografia molto più differenziata; siamo intorno al 1250. La sua map-
pamondo 36 è decisamente incentrata sull'Europa. Per l'Italia ha tracciato
una tozza penisola nel Mediterraneo, in cui indica, oltre a Roma, Mediola-
num, Bononia, Pisa e Veneria. La legenda di Roma non si discosta dalle altre,
e non è nemmeno collocata al posto giusto. In quanto benedettino, Matteo è
legato dal voto della stabilitas loci, e probabilmente per questo non ha girato
molto nella zona mediterranea: eppure, annessi al suo itinerario in Puglia,
offre dettagli molto più precisi.
La carta climatica, molto teorica, di Giovanni di Wallingford, benedettino
amico di Matteo, è molto diversa, 37 anche se si rifa, almeno in parte, alla
concezione di Matteo. 38 Il mondo abitato è raffigurato come un emisfero
orientato verso Est, suddiviso in sette zone climatiche. Al centro, cioè nella
parte centrale della quarta fascia, troviamo Gerasalemme, nel mezzo della
sesta fascia Roma, in un certo qual modo il corrispondente nordico di Geru-
salemme, nella settima zona abbiamo Parigi. Ai nomi delle tre città sono evi-
dentemente intestate le diverse zone climatiche, e si tratta di semplici legen-
de, senza alcun simbolo. Questo tipo di carta affonda le sue radici nell'anti-
chità greca ed è giunto in Occidente attraverso la mediazione araba, fatto di-
mostrato, almeno nel caso di Giovanni, dalla presenza di una Aren civitas
nel centro della sfera terrestre e ai confini del mondo abitato. Aren era la se-
de di Iblis, il 'diavolo' dei musulmani.
Gerardo di Anversa o Arvernia disegnò intorno al 1272 una carta delle zo-
ne astronomiche orientata ad Est, annessa alla sua «Historia Figuralis», un
estratto dallo «Speculum Historiale» di Vincenzo di Beauvais e dai suoi epi-
goni, detto anche «Biblia tabulata». La sua mappa è conservata in un mano-
scritto di Utrecht del XV secolo. 39 La zona popolata, la seconda da sinistra,
è suddivisa secondo lo schema tipico delle carte a T. Come centro dell'ecu-
mène appare, nella T, Gerusalemme, probabilmente l'unica città nominata,
poiché il simbolo di Roma nell'Europa occidentale indica non tanto la città,
quanto l'impero; lo stesso vale per la Kartaginensium regio in Africa.

36
Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 26, p.284; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III,
p. 71, e VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, tav. 34 (vgl. unten Tafel 39).
37
London, British Library, Ms. Cott. Jul. D. VII., f. 46v; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fines Ter-
rae, tav. 36 (vgl. unten Tafel 37).
38
Cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von Walling-
ford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen, 51 (1973), pp.47-56 (= o. S. 137-
148).
39
Utrecht, Bibliotheek van de Rijksuniversiteit, Ms. 737, f. 49v; cfr. VON DEN BRINCKEN, Fi-
nes Terrae, tav. 37 (vgl. unten Tafel 45).
[220/221] XXXI. Roma nella cartografia medievale 603

Proprio nello stesso periodo, in un convento tedesco probabilmente in Al-


sazia, veniva copiata una carta stradale romana, l'unica di queste dimensioni
che ci sia pervenuta. Scoperta da Konrad Celtis in un convento della Germa-
nia meridionale, venne affidata nel 1508 all'umanista Conrad Peutinger di
Augusta. Per molto tempo la si ritenne autenticamente romana, fu pubblicata
soltanto nel 1598 e più tardi, con il principe Eugenio, giunse nella Biblioteca
Nazionale Austriaca di Vienna, dove è catalogata con la segnatura: Codex
Vindobonensis 324. Si tratta di un rotolo lungo 675 centimetri e largo 34,
consistente originariamente di dodici fogli, oggi rimasti undici, che raffigura
l'impero universale di Roma, dalla Bretagna fino all'India, allora considerata
la parte più orientale dell'Asia. La carta si basa su un originale del IV secolo
dopo Cristo e di solito viene fatta risalire a un certo Castorius, noto per gli
itinerari romani; ma le analisi paleografiche moderne ne hanno fissato con
certezza l'origine al XII secolo.
Si tratta di una carta molto singolare; se fosse unica anche nel suo tempo,
non possiamo stabilirlo. Chi ha copiato, in un convento tardo-medievale,
una carta così poco maneggevole? Chi poteva avere interessi antiquari di
questo tipo, chi l'ha utilizzata o ne ha tratto degli stimoli? Di solito viene ci-
tata come documento della tarda classicità, poiché il Medioevo non si azzar-
dava a modificare una carta basandosi semplicemente sulle conoscenze da
poco acquisite. Gervasio di Tilbury intorno al 1214 e Paolino Minorità nel
1320 circa lo avevano chiaramente proibito, 40 e ammettevano la discussione
verbale soltanto nell'ambito del testo che accompagnava le carte. Nel XIII
secolo abbiamo quindi una importante testimonianza per l'antica Roma nella
cartografia medievale. Nel quinto segmento 41 appare la dea Roma in un cer-
chio, dal quale si dipartono a raggiera le strade in tutte le direzioni. Ci sono
però altri luoghi sulla carta, che appaiono segnalati con altrettanta evidenza,
e sono Costantinopoli nel nono, ma soprattutto Antiochia nel decimo seg-
mento: Roma sopravanza solo di poco queste due città. Le due concorrenti
potrebbero avere acquistato una tale importanza nel XIII secolo a causa del-
le Crociate, ma più probabilmente sono fratto della concezione tardo-classi-

40
Cfr. Gervasius de Tilbury, Otia Imperialia n, 23, ed. G. F. LEIBNIZ, Scriptores rerum Brun-
svicensium 1, p.956, e Paulinus Minorità, De mapa mundi, Ms. Vat. Lat. 1960, f. 13; cfr. A.-D.
VON DEN BRINCKEN, Die Sorge um das rechte Bild in der Kartographie, in: Fälschungen im Mit-
telalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica 16.-19. September 1986,
Teil 1, MGH, Schriften, 33,1, pp.587-599 ( = o. S.311-323).
41
Tabula Peutingeriana, ed. K. MILLER, Stuttgart 1962; cfr. K. BRODERSEN - J . GRUBER, Lexi-
kon des Mittelalters, VIII, München-Zürich 1997, coli. 398 s.; cfr. MILLER, Itineraria; cfr. BRO-
DERSEN, Terra cognita, pp.186 s. e ID., Ein karolingischer Stadtplan, p. 36 (vgl. unten Tafel
34a).
604 Studien zur Universalkartographie [221/222]

ca del mondo mediterraneo. Elementi cristiani sono infatti completamente


assenti nella 'Tabula Peutingeriana'; Herusalem nel secondo segmento ha sol-
tanto due dimesse merlature, poiché la carta riproduce il mondo pagano. A
differenza delle altre carte medievali, questa era destinata a fini pratici, e ri-
produceva, senza servirsi di alcuna misurazione, una rete stradale con indi-
cazioni delle distanze in miglia o in leghe e le varie tappe, con vignette pro-
porzionate alla loro importanza.
Del tutto diversa è un'altra carta, risalente allo stesso perìodo: la mappa
del salterio di Londra, 42 una edizione in miniatura della grande mappa mun-
di cristiana della fine del XIII secolo, allegata ad un salterio certamente co-
me immagine atta a manifestare il dispiegarsi della gloria di Dio. Cristo ap-
pare come sovrano sopra il globo terrestre, circondato da angeli incensanti.
Al centro della carta, che misura circa nove centimetri di diametro, si trova
Gerasalemme. Roma è contraddistinta da tre merli al centro di una tozza pe-
nisola (ripresa da Matteo?), ed è l'unica città nominata in Italia; Costantino-
poli è raffigurata in modo analogo, come anche Cartagine e Babilonia/Csà-
ro. L'inventario relativo alla carta, compilato sul retro del foglio, riferisce:
Ytalia in qua Roma. La sottolineatura di queste città è sia tardo-antica che
medievale, come dimostrano Costantinopoli e il Cairo. Ma dato che la map-
pa è interessata prevalentemente alla storia della salvezza, il disegnatore ha
certamente pensato a Roma come punto centrale della Cristianità e non tanto
alla Roma imperiale, che trova comunque il suo pendant in Cartagine.
Più o meno contemporaneo alla carta del salterio, datata 1262, è il rotolo
di Vercelli, risalente circa al 1270.43 Questa carta di grosso formato, 44 pur-
troppo in cattivo stato di conservazione, presenta parecchie icone architetto-
niche nei diversi paesi, e contraddistingue Roma con una costruzione a quat-
tro piani. Gerusalemme è però ancora più evidente, Troia è abbastanza simi-
le a Roma, e anche Babilonia appare molto in risalto. In questa carta domi-
nano le città che nella storiografia erano designate come capitali dei grandi
imperi. Questo è un cambiamento rispetto alla prassi riscontrata finora, che
tendeva a sottolineare le città più significative del momento.

42
London, British Library, Ms. Add. 28681, ff. 9 e 9v; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III, tav.
Ili, e VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae, taw. 32-33. Vedi Tavola X (vgl. unten Tafel 42).
43
Formato grande Vercelli, Biblioteca Capitolare; cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Monumen-
tal Legends on Medieval Manuscript Maps. Notes on designed capital letters on maps of large
size (demonstrated from the problem of dating the Vercelli Map, thirteenth century), in: Imago
Mundi, 42 (1990), pp. 9-25 (= o. S. 375-399; vgl. unten Tafel 49a).
44
Migliore riproduzione a cura di Y. KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti,
5 vol., Kairo 1926-1952, rist. ed. F. Sezgin, tav. 997, Frankfurt 1987 (Veröffentlichungen des
Instituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der Johann Wolfgang Goe-
the-Universität, Reihe D, 3, 4).
[222/223] XXXI. Roma nella cartografia medievale 605

La più ricca di informazioni a questo proposito è la carta di Ebstorf, di-


strutta dalle bombe nella seconda guerra mondiale. 45 Con i suoi 356 x 358
centimetri, essa supera in estensione tutte le altre mappe, e può quindi rap-
presentare con maggiore cura le singole città. Come in altre carte, i simboli
architettonici sono significativi, ad esempio Babilonia è rappresentata da
una grande torre. Ma soltanto Gerusalemme e Roma appaiono come luoghi
circondati da mura e con qualcosa all'interno. Gerasalemme dalle dodici
porte ha mura d'oro, dentro le quali si vede Cristo che risorge dal sepolcro.
Soltanto all'interno della cinta di Roma, che sembra avere sedici porte, si
possono distinguere anche i singoli edifici. La città è divisa dal Tevere in una
parte occidentale (sopra) e in una orientale (sotto). A Nord-Est appare un
leone sulle mura, sopra il quale si legge: Secundum formam leonis inchoata est
Roma,40 Laurentii, Sebastiani, Pauli; all'interno appaiono ad Est ad Sanctam
Mariam Maiorem, Rotunda, ad S. Joannem in Laterano, Crucis; ad Ovest leg-
giamo Cristancia civitas (Crescendi civitas — Castel Sant'Angelo) e ad Sanc-
tum Petrum. Tutti questi nomi, ad eccezione del leone sulle mura, rimandano
a Roma come simbolo della Cristianità: non la capitale di un impero univer-
sale classico, bensì il cuore della Chiesa. I simboli degli edifici non hanno an-
cora carattere individuale, come le immagini dei sigilli a partire dal periodo
svevo. Roma cattura subito l'attenzione, in questa carta, ma non la domina.
Fuori dalla norma è soltanto, in effetti, la cinta muraria dalle molte porte.
Sull'altra grande mappa, la carta di Hereford, 47 la situazione è molto di-
versa. Questa carta proviene dalla pala dell'altare della chiesa di Hereford, e
siamo in grado di collegarla a persone precise, che vengono nominate sulla
carta stessa: possiamo così situarla negli anni fra il 1283 e il 1305. Secondo
gli studiosi si tratta della carta maggiormente influenzata dalla concezione
classica romana, e molti la consideravano una copia della carta di Vipsanius
Agrippa, vissuto nel periodo di Cesare Augusto. Roma è indicata con un sim-
bolo architettonico molto artistico, ma non eccezionale: quello di Parigi ad
esempio è più grosso e più gotico, quindi anche realistico; Babilonia supera

45
Migliore edizione del mappamondo di Ebstorf a cura di E. SOMMERBRODT, Die Ebstorfer
Weltkarte. Im Auftrag des Historischen Vereins für Niedersachsen hg. Hierbei ein Atlas von 25
Tafeln in Lichtdruck, Hannover 1891; cfr. MILLER, Mappae Mundi, V, 1896; cfr. H. KUGLER,
Ein Weltbild vor Columbus. Die Ebstorfer Weltkarte. Interdisziplinäres Colloquium 1988,
Weinheim 1991 (vgl. unten Tafel 50a).
46
Cfr. HONORIUS AUGUSTODUNENSIS, Imago Mundi, I, 26, ed. V. I. J. FLINT, Archives d'hi-
stoire doctrinale et littéraire du Moyen Age, 57 (1983), p. 61: Roma formam leonis habet...; si ve-
da più avanti la descrizione della miniatura nel manoscritto di Amburgo nota 59; Sulla personifi-
cazione della città cfr. BRODERSEN, Stadtplan, fig. 5, p. 37 e note 22 e 30.
47
Cfr. P. D. A. HARVEY, Mappa Mundi. The Hereford World Map, Hereford-London 1996;
cfr. MILLER, Mappae Mundi, IV, 1896 (vgl. unten Tafel 51a).
606 Studien z u r Universalkartographie [223/224/225]

Roma di una buona misura, così anche Gerasalemme e i castra di Alessandro


Magno in Africa. Mentre Gerasalemme ha una cinta muraria con otto porte
sormontate da torri, Roma è rappresentata semplicemente da un complesso
di edifici, in cui però si potrebbero distinguere i tratti di costruzioni ben pre-
cise, simili a quelli rappresentati sulle bolle d'oro del periodo svevo, di solito
abbozzi del Colosseo o della navata di una chiesa, ovviamente ancora molto
lontani dal realismo dei sigilli di Ludovico il Bavaro. Da notare è la didasca-
lia allegata: Roma capud mundi tenet orbis frena rotundi. Questa frase fregia-
va le bolle imperiali a partire dal 1033, il periodo di Corrado II; il disegnato-
re ne aveva probabilmente avuta in mano una. Anche qui la rappresentazione
si riferisce a una Roma medievale, il cui influsso si estende a tutto il mondo
allora conosciuto, piuttosto che a una Roma classica; il disegnatore si basa
sulla concezione del suo tempo e non sull'idea di un impero tramontato or-
mai da secoli.
Il primo itinerario che offre una descrizione dettagliata di Roma, l'itinera-
rio pugliese di Matteo Parisiense, risale allo stesso periodo delle prime carte
marittime, in cui si riproducono con maggiore realismo i profili costieri.
Sempre nel XIII secolo, un'altra carta ci riserva un'ulteriore sorpresa: si trat-
ta della carta di Oxford, orientata a Sud, priva di legende e ricondotta a Bru-
netto Latini.48 Qui Roma non compare nemmeno, lo stivale italiano non of-
fre alcun simbolo di insediamenti, probabilmente perché la carta riproduceva
un originale arabo, in cui Roma non aveva alcuna importanza. Brunetto non
sapeva decifrare le legende arabe e lascia quindi la carta senza testo.
Il lasso di tempo che qui ci interessa si conclude proprio in corrispondenza
delle Crociate in senso stretto. Non ci resta quindi che gettare un ultimo
sguardo alla letteratura di propaganda per le Crociate, in particolare agli
scritti del veneziano Marino Sanudo e Paolino Minorità nel primo quarto
del XIV secolo. Entrambi potevano contare sull'aiuto del veneziano Pietro
Vesconte, cartografo specializzato in carte portolane; Paolino stesso era un
buon disegnatore e tracciò nuove carte. Sulle sue mappe, ad esempio su quel-
la tratta dalla Chronologia magna,49 lo stivale italiano presenta, oltre a Ro-
ma, Lombardia, Marcia Tervisina, Forumiulium, Ystria, Romandiola, Marcia,
Tuscia, Abrutium, Apulia, Calabria: tutte zone ben note ai veneziani, ma cer-

48
Oxford, Bodleian Library, Ms. Douce 319, f. 8; cfr. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Ausbil-
dung konventioneller Zeichen und Farbgebungen in der Universalkartographie des Mittelalters,
in: Archiv für Diplomatik, 16 (1970), pp. 325-349 ( = o. S. 112-136).
49
Redazione della istoria universale di Paolino nel manoscritto Paris, Bibliotheque Nationa-
le, Ms. Lat. 4939, f. 9; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III, pp. 132 ss., e VON DEN BRINCKEN, Fines
Terrae, tav. 40 (vgl. unten Tafel 54).
[225/226] XXXI. Roma nella cartografia medievale 607

to lontane dall'ideologia di un impero romano. Fra le altre cose, Paolino re-


dige anche una carta di Roma. 50

7. Roma sulle carte topografiche

Il genere delle carte marittime è per noi di ben poca utilità, perché all'inizio
venivano rappresentati unicamente i profili costieri; soltanto a partire dal
XIV secolo viene indicata anche la terraferma. 51 Per le carte regionali si trat-
ta di solito soprattutto di carte o piante di città, e sia nell'alto che nel basso
Medioevo ne abbiamo per Gerusalemme, meta di pellegrinaggi, ma non per
Roma. Sulle due grandi carte che conosciamo, quella di Ebstorf e quella di
Hereford, abbiamo constatato il primo apparire di dettagli architettonici so-
miglianti a una pianta cittadina.
Paul D.A. Harvey, lo studioso più competente per le carte regionali, può
nominare una sola carta cittadina del periodo tardo-classico, una enorme
pianta marmorea di Roma di 13 x 18 metri, Torma Urbis, risalente all'inizio
del III secolo, originariamente situata nel Forum Pacis. 52
Eginardo riferisce che nel testamento di Carlo Magno erano nominati tre
tavoli d'argento e uno d'oro, sul cui piano erano incise delle carte; uno tra
quelli in argento raffigurava la città di Roma (effigies urbis, cioè una personi-
ficazione della città) e venne destinato da Carlo alla chiesa di Ravenna. 53
Nel codice Cotton Tib. B. V, che fra le altre cose contiene una carta squa-
drata dell'ecumène e una carta emisferica, si trova anche l'itinerario per Ro-
ma dell'arcivescovo Sigeric di Canterbury (990-994), citata spesso perché
permette una precisa datazione del manoscritto; l'itinerario però è privo di
simboli e riporta soltanto i nomi delle varie stazioni di sosta. 54
Più interessante è invece l'itinerario di Matteo Parisiense, da Londra fino
alle Puglie, per noi almeno il tratto fino a Roma. E conservato in quattro ma-

50
Nell'ultima redazione della istoria universale di Paolino da Venezia OFM (f 1344 come
vescovo di Pozzuoli), Biblioteca Apostolica Vaticana, Ms. Vat. Lat. 1960, f. 270v, e Venezia, Bi-
blioteca Marciana, Ms. Lat. Z. 399, f. 98; Cfr. B. DEGENHART - A. SCHMITT, Corpus der italieni-
schen Zeichnungen 1300-1450, II: Venedig 1300-1400, IV, Berlin 1982, p.273.
51
Eccezione è il «Liber de existencia riveriarum et forma Maris Nostri Mediterranei», ed. P.
GAUTIER DALCHÉ, in: Carte Marine et portulans au Xlle Siècle, Paris 1995 (Collection de l'Ecole
Francaise de Rome, 203), w . 1690-1704.
52
P. D. A. HARVEY, The History of Topographical Maps. Symbols, Pictures and Surveys,
London 1980, pp. 127-131.
53
Vita Karoli, c. 33; cfr. BRODERSEN, Ein karolingischer Stadtplan.
54
London, British Library, Ms. Cotton Tib. B. V , f. 22v; cfr. MILLER, Mappae Mundi, III,
pp. 156 ss.
608 Studien zur Universalkartographie [226/227]

noscritti, 55 in cui Roma è indicata da un maestoso simbolo architettonico,


però non dissimile da quello di altre città. A uno degli itinerari 56 è però alle-
gata una carta della Puglia e una piccola pianta di Roma, squadrata, suddivi-
sa dal Tevere in due metà, una a destra e una a sinistra. E evidentemente
orientata a Sud, poiché a destra in alto si trova San Pietro, in basso la porta
verso la Lombardia; a sinistra in alto San Paolo e San Giovanni in Laterano,
all'estrema sinistra Quo vadis, sotto troviamo a sorpresa anche la porta verso
le Puglie. Si tratta ovviamente, senza eccezioni, di edifici religiosi, come si
addice ad un pellegrinaggio; oppure possiamo supporre che fosse destinata a
Riccardo di Cornovaglia, a cui il papa nel 1252 affidò la parte italomeridio-
nale del regno svevo. Originariamente l'itinerario finiva a Roma, indicata co-
me terminus itineris multorum et laborum initium. Le tappe giornaliere preve-
dono in media circa 35 chilometri.
Ora dobbiamo soffermarci anche sui sigilli. L'immagine di Roma infatti
compare abbastanza presto sulle bolle degli imperatori tedeschi. Mentre al-
l'inizio si trattava soltanto di mura e di porte turrite, nel XII secolo si ricono-
scono già edifici molto precisi all'interno delle mura, che si stagliano sullo
sfondo murario. Il Colosseo si riconosce molto bene già sotto Barbarossa ed
Enrico VI; 57 la perfetta prospettiva aerea si avrà soltanto con Ludovico il Ba-
varo. 58
Una rappresentazione simbolica della città di matrice sicuramente classica
si ritrova per la prima volta alla fine del XIII secolo, in una versione in volga-
re delle Historiae Romanorum risalenti al xu secolo:59 Roma edificata a muodo
de lione.60 Le mura della città hanno la forma di un leone dalle fauci spalan-
cate, girato a sinistra e la coda rizzata; tre persone gli tirano la coda. All'e-
sterno delle mura, al termine della coda, si legge Thermas Diocletiani, più

55
Cfr. MILLER, Mappae Mundi, III, pp. 85-90; R. VAUGHAN, Matthew Paris, Cambridge
1958 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, II, 6), p. 242.
56
London, British Library, Ms. Royal 14 C. VII., ff. 2a-4a; cfr. MILLER, Mappae Mundi,
III, p.89 (vgl. unten Tafel 41b).
57
Cfr. W. ERBEN, Rombilder auf kaiserlichen und päpstlichen Siegeln des Mittelalters, Graz
1931 (Veröffentlichungen des Historischen Seminars der Universität Graz, 7), p.53 e tav. II; cfr.
O. POSSE, Die Siegel der deutschen Könige und Kaiser 751-1913, 1, Dresden 1909 e rist., taw.
23, 6; V, 1913, p.26 (vgl. unten Tafel 33).
58
ERBEN, Rombilder, tav. III; cfr. POSSE, Die Siegel, I, tav. 50, 8; V, pp.37 s.
59
Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Ms. 151 in scrin., f. 107v; cfr. Historiae Ro-
manorum, Codex 151 in scrin. der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Propyläen-
Faksimile, Frankfurt-Berlin-Wien 1974, II: Beschrieben und mit Anmerkungen versehen von T.
BRANDIS - O. PACHT, pp. 155-158 e 208-212. Il manoscritto è di provenienza Romana, cfr. B.
GUENÉE, Histoire et Culture historique dans l'Occident medieval, Paris 1980, p.239 (vgl. unten
Tafel 52).
60
Cfr. supra, nota 46.
[227/228] XXXI. Roma nella cartografia medievale 609

sotto la fortezza delle milizie (Militie); nella testa dell'animale ci sono le


Therme Antoniane (cioè le terme di Caracalla), poi Salustio, nella zampa po-
steriore Theatrum, fra le due zampe Palatium Maius. In questa immagine di
Roma tutti gli elementi sono di origine classica, la chiesa non viene assoluta-
mente considerata, un atteggiamento che finora non avevamo ancora rileva-
to.
Per avere una più precisa pianta di Roma, dobbiamo aspettare fino al
1320-34 la carta che Paolino Minorità disegna per la sua cronaca, conserva-
ta in un manoscritto completo della Satyrica Historia (ora alla Vaticana) e in
un manoscritto veneziano. 61 La pianta non è certo realistica in senso moder-
no: la città è orientata a Nord-Ovest, circondata da possenti mura, le cui
porte vengono disegnate e spesso anche citate per nome. Anche qui prevalgo-
no le costruzioni religiose, a Est San Pietro con Castel Sant'Angelo, poi i
Santi Apostoli, Aracoeli, Sancta Maria Rotunda; tutte costruzioni che al tem-
po del disegnatore esercitavano una grande attrazione. Ma accanto a queste,
compaiono anche edifici noti dell'epoca classica, che facevano parte delle
mirabilia Romae, fra l'altro il Capitolium, il Mons Tapeius, cioè la roccia Tar-
pea come luogo di esecuzioni, il Palatium Senatorum, il Colosseo, il Palatium
Neronis Lateranense. Quindi luoghi della Roma antica, che finora non aveva-
mo trovato raffigurati in nessuna carta medievale. Paolino ha tracciato carte
simili anche per Gerusalemme, disegnate in modo parallelo e utilizzate poi
sia come base per altre piante di città, sia per la loro rappresentazione sulle
carte mondiali.

8. Conclusione

Se volessimo riassumere le impressioni tratte dall'osservazione di queste car-


te, soprattutto quelle ecumeniche dal IX al XIII secolo (e questo è comunque
il tipo di carte per noi maggiormente ricco di informazioni), potremmo rite-
nere difficile parlare di un'immagine di Roma nella cartografia, poiché in ef-
fetti su queste carte non c'è molto da vedere. Il termine 'rappresentazione' va
però inteso anche nella sua accezione simbolica. Soltanto in rari casi Roma
appare realisticamente come città importante, e ancora meno come capitale
di un impero universale; queste caratteristiche vengono indicate invece da se-
gni convenzionali. In questo la cartografìa medievale non si distingue da

61
Cfr. supra, nota 50 e W. HOLTZMANN, Der älteste mittelalterliche Stadtplan von Rom: Eine
quellenkritische Untersuchung, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 41
(1926), pp. 56-66.
610 Studien zur Universalkartographie [228/229]

quella classica, ma si allinea nella tradizione. Nella maggior parte dei casi
questi segni sono semplici legende, nel caso di Roma le quattro lettere che ne
compongono il nome. La legenda può però venire interpretata in molti casi
come una indicazione cartografica, e vengono così resi evidenti i rapporti
con i territori circostanti. Interessante è anche il confronto con le capitali di
altri imperi, ad esempio Babilonia, il primo impero, come antitesi a Roma,
l'ultimo; oppure con città come Costantinopoli, Cartagine, Alessandria e so-
prattutto con Gerasalemme. Tutti questi loca, in quibus res gestae sunt, rap-
presentano sia importanti insediamenti, sia il cuore dei diversi imperi. Signi-
ficative sono infine anche altre città europee moderne, ad esempio Parigi, la
più grande città europea del Medioevo.
Se la cartografia medievale sia o meno figlia di quella classica, è di secon-
daria importanza; una sua dipendenza dai testi classici è infatti incontestabi-
le, e questi testi esercitano un notevole influsso sulle raffigurazioni. Per il
primo Medioevo si può senz'altro parlare di 'Roma-centrismo', perché que-
sta era l'opinione corrente nell'antichità, che viene confermata nelle carte di
Beato, nella Cottoniana e nella carta di Oxford, dove Gerasalemme doveva
ancora conquistarsi il posto di ombelico del mondo. A partire dal testo ese-
getico di Girolamo, dovevano passare 700 anni prima che questo apparisse
rappresentato su una carta; Lamberto di Saint-Omer e la carta di Sawley ce
lo confermano. Appare quindi sensato mettere a confronto Roma e Gerusa-
lemme, o almeno le loro sfere di influenza. Per il disegnatore islandese, per
la carta di Matteo Parisiense e per Guglielmo di Tripoli, Roma è la città più
importante dell'Europa e può venire considerata sinonimo dell'impero uni-
versale dell'Occidente. In Giovanni di Wallingford e in Gerardo di Anversa
prevale la concezione di impero che troviamo persistente ancora nel XIII se-
colo. La 'Tabula Peutingeriana', una testimonianza originaria del rV secolo,
riproduce nel XIII secolo la centralità di Roma, ma senza trascurare le città
del periodo ellenico. La carta del salterio invece, dominata dalla storia della
salvezza, considera Roma in generale come sinonimo del grande impero del-
l'Occidente, mentre il rotolo di Vercelli appare più legato a modelli classici.
Le grandi carte di Ebstorf e di Hereford sono le uniche che osano rappresen-
tare anche ciò che si trova all'interno delle mura cittadine, in prospettiva ae-
rea o attraverso un composito simbolo architettonico. Sulla carta arabeg-
giante di Brunetto, Roma è assente, mentre Matteo Parisiense, l'illustratore
delle «Historiae Romanoram», e Paolino abbozzano per la prima volta una
pianta della città, simile a quelle che si trovavano sui sigilli del secolo prece-
dente. Particolari della Roma antica vengono abbozzati per la prima volta
da Paolino, mentre tutte le carte precedenti avevano una prospettiva preva-
lentemente religiosa.
[229] XXXI. Roma nella cartografia medievale 611

Inevitabile è anche il confronto con le altre metropoli dell'antichità, in par-


ticolare con Alessandria d'Egitto o Antiochia in Siria come centri del potere
ellenistico. Abbiamo poi Cartagine, che Orosio considera sede di uno dei
quattro imperi secondo il profeta Daniele, precorritrice della supremazia di
Roma insieme a Babilonia e alla Macedonia; infine, l'ultima antagonista di
Roma è Costantinopoli, a partire dal regno di Costantino. Il dualismo Ro-
ma-Gerusalemme e il conseguente superamento del 'Roma-centrismo' della
zona mediterranea intorno al 1100, a favore della Gerusalemme delle Cro-
ciate, sono la nota dominante dell'evoluzione cartografica.
Per l'uomo di oggi è difficile immaginare come l'uomo del Medioevo, e fi-
no al 1300, potesse sopravvivere senza una pianta delle città: ci si aiutava con
simboli, e i risultati erano tutt'altro che disprezzabili.
XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt
neben einer Kosmos-Darstellung
in der Sammelhandschrift 155
der Koblenzer Stadtbibliothek (um 1300)

Die Vorgabe

In der Handschrift 155 der Stadt-Bibliothek Koblenz macht u.a. eine rudi-
mentäre rechteckige Weltkarte auf sich aufmerksam,1 die Ausschnitte einer
Monstrenwelt andeutet. 2 Sie stellt sich mithin eine inhaltliche Aufgabe, wie
dies als Spezialthema sonst in jener Zeit nicht belegt ist. Insofern ist sie mit
Recht als Rarität angesprochen worden, 3 auch wenn sie künstlerisch grob
und unfertig erscheint. Perfekter gelang dem gleichen Maler eine Kosmos-
Darstellung im gleichen Kodex. 4

1. Beschreibung der Handschrift

Die historisch-geographische Sammelhandschrift 155 der Koblenzer Stadt-


bibliothek aus der dortigen Kartause, Provenienz Nachlaß Pfarrer Georg
Joseph Christoph Lang (1755-1834), 5 besteht aus drei ursprünglich selbstän-
digen Teilen, von denen hier der mittlere besonders interessieren soll. Er ent-
hält eine Reihe enzyklopädischer Schriften des 12. Jahrhunderts, vorrangig
aus der Feder des Richard von St. Viktor, wie Teile des «Liber exceptionum»
und Allegorien des Alten und Neuen Testaments, «Allegorie IV Evangelio-
rum», ferner die «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis, Herr-
scher- und Priesterlisten, Sammlungen von Apostelzitaten, des Fretellus Be-
schreibung von Jerusalem, dazu auch zwei figürliche Darstellungen der

1
Vgl. Buch und Bild. Kostbarkeiten der Stadtbibliothek aus sieben Jahrhunderten. Doku-
mentation zur Ausstellung in der Alten Burg vom 21. Juli bis 25. Oktober 1992, bearbeitet von
WALTHER GOSE und DIETER KERBER, Koblenz 1992, Nr. 2 S. 44-46.
2
Ms. 155fol.77v.
3
GOSE (wie oben Anm. 1 ), S. 45.
4
Ms. 155fol.74v.
5
KERBER (wie oben Anm. 1), S. 8-15.
[91/92] XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt 613

Welt, eine in Form einer Sphärenscheibe, die andere als unvollendete Skizze
einer Monstren-Ökumene. 6
Die Handschrift gehört allerdings erst der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun-
derts an. Sie ist vielleicht gleicher Provenienz wie Teil I des Kodex, der dem
Benediktinerkloster auf dem Beatusberg in Koblenz, jetzt Koblenz-Kar-
tause, zugeschrieben wird, das 1315 in die Kartause Koblenz umgewandelt
wurde. 7
Die 109 Pergamentblätter im Format 19,5 x 13,8 cm scheinen - nach dem
ersten Eindruck - einheitlich von einer Hand in zwei Kolumnen zu je 50 Zei-
len beschriftet. Die Buchschrift trägt die Merkmale des späten O.Jahrhun-
derts; sie hat ein breites, ebenmäßiges Mittelband; die Buchstaben weisen
deutliche Merkmale gotischer Textschrift mit noch mäßig ausgeprägter Bo-
genverbindung auf. Die nur bedingt aus dem Schriftbild herausfallenden, zu-
dem noch spärlich eingesetzten Großbuchstaben zeigen Betonung der Senk-
rechten, die nur selten verdoppelt ist. Kürzel sind - wie bei allen feineren
Buchschriften - sparsam verwendet. Die Vermutung einer Entstehung auf
dem Beatusberg als der Vorstufe der Kartause hat einiges für sich, dann wä-
re Teil II vielleicht schon vor 1300 mit Teil I des Kodex verbunden gewesen.8
Zur genaueren Datierung - terminus post quem - hat man inhaltliche Krite-
rien der Papst- und Kaiserlisten herangezogen: Die Päpste enden fol.73va
mit Hadrian V. (1276) und die Kaiser bzw. Könige fol. 74b mit Rudolf von
Habsburg, der den Böhmenkönig niederwarf und in Frankfurt zum König
gewählt worden war. Auch dies ist entweder auf 1276, die Überwindung Ot-
tokars IL, zu beziehen 9 oder auf dessen Tod 1278; für 1276 spricht die Tat-
sache, dass sonst weitere Papstnamen hätten genannt sein können, die 1278
bereits bekannt waren. Diese Daten passen recht gut zu den Beobachtungen
der Paläographen über die Schrift.

6
WALTHER GOSE hat (wie oben Anm. 1), S.44-46, eine provisorische Beschreibung der bis-
lang noch nicht eingehender untersuchten Handschrift für Ausstellungszwecke erstellt.
7
Hinweis von WALTHER GOSE; vgl. hierzu WILHELM FABRITIUS, Erläuterungen zum Ge-
schichtlichen Atlas der Rheinprovinz V, 2, Publikationen der Gesellschaft f. Rheinische Ge-
schichtskunde XII, Bonn 1913, S. 167 Nr. 49.
8
Vorschlag von Walther Gose.
' GOSE (wie Anm. 1), S. 44.
614 Studien zur Universalkartographie [92/94]

2. Beschreibung der Karten

Aus dem Rahmen fallen auch bei oberflächlicher Betrachtung zwei als Figure
gekennzeichnete Abbildungen, fol. 74v eine ,Sphärenscheibe' (mit als Exposi-
cio figure überschriebenem Begleittex) und fol. 77v die fragmentarische
,Monstrenkarte', auf der Folgeseite gleichfalls durch einen Text Exposicio fi-
gure erläutert, der nicht recht zur Karte in Beziehung zu stehen scheint und
eher gleichfalls zu der Sphärenscheibe paßt.
Beide Karten zeigen bei näherem Zusehen einen anderen Schriftcharakter
als die übrige Handschrift und als ihre sie begleitenden Exposiciones, näm-
lich von einem Typ, den die Spezialisten unter den Paläographen als Trecen-
to I bezeichnen, weil er ins beginnende H.Jahrhundert oder in dessen erste
Hälfte gesetzt zu werden pflegt. Er hat im Mittelrheingebiet, in Hessen,
Franken, und in der Pfalz eine große Bedeutung erlangt, hat einen etwas
groben Charakter und den feinen, aus dem Italienischen stammenden Na-
men Trecento I gewissermaßen als Euphemismus erhalten. 10 Die Karten-
zeichnungen dürften mithin eine Generation oder sogar ein halbes Jahrhun-
dert später entstanden sein als der übrige Text, d. h. eine nachträgliche Illu-
stration sein oder die Feinausfertigung einer vorgegebenen Skizze, die frei-
lich heute nicht mehr auf den Seiten 74v und 77v auszumachen ist. Im
eigentlichen Text begegnet diese jüngere Hand aber auch noch einmal, näm-
lich fol.93vb-94vb mit einem Text über hebräische Buchstaben und über
Monstren aus dem Orient, der mit der zweiten Karte zu tun hat. Mithin hat
die Handschrift nach 30 bis 50 Jahren Ergänzungen erhalten hinsichtlich
Kartographie und Monstrenkunde.
Die als ,Sphärenscheibe' charakterisierte Figura11 ist ein Kosmos-Bild,
das - wie der zugehörige Text bezeugt - zur Darstellung bringt, wie beschei-
den die Erde ist im Vergleich zum Firmament. Sie wird vom Ozean umgeben
und unterteilt, zudem von allen Seiten von Winden durchblasen. Der Raum
zwischen Erde und Mond heißt Luft. Vom Mond bis zum Firmament sind es
dann sieben Kreise, benannt nach den sieben Planeten Mond, Merkur, Ve-
nus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn. Den nächsten, nach außen folgenden
Kreis besetzen die im Zodiacus zusammengefassten zwölf Tierkreiszeichen.
Darauf erscheinen noch im Fixsternhimmel die zwölf Monatsnamen des Jah-
res, schwarz eingetragen in roten Medaillons, sowie der Kristallhimmel als

10
Vgl. WALTER HEINEMEYER, Studien zur Geschichte der gotischen Urkundenschrift, 1962,
und erneut in Archiv für Diplomatik, Beiheft 4, 1982, S. 127ff., bes. S. 130 ff., dort zur Bezeich-
nung Trecento nach ERICH MEUTHEN vgl. S. 145.
11
Ms. 155 fol.74v (vgl. unten Tafel 47); dazu GOSE (wie oben Anm. 1), S.45.
[94] XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt 615

primum mobile. Die sich anschließende zehnte Sphäre über der Erde ist nach
Ptolemäus der empyräische Himmel oder auch der unbewegte Lichthimmel
beim Übergang in die göttliche Sphäre, erschaffen am ersten Schöpfungstag,
erfüllt von den Engeln. Im folgenden Außenkreis erscheinen in roten Medail-
lons in Schwarz die Namen der zwölf kleinen Propheten des Alten Testa-
ments sowie die zwölf Jünger Jesu, im Umfeld der Medaillons liest man in
roter Schrift die Namen von 24 Senioren aus Altem und Neuem Testament.
Diese Kosmos-Darstellung ist unter geographischen Aspekten ohne jeden
Aussagewert, denn Terra, die bewohnte Welt, tritt überhaupt nicht in Erschei-
nung; es handelt sich vielmehr bei der Kosmos-Karte um ein umfassendes
astronomisch ausgerichtetes theologisch-philosophisches Weltbild, wie es
textlich aus den gängigen Enzyklopädien wie beispielsweise der auch in dieser
Handschrift tradierten «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis 12 und
Nachfolgern bis Vincenz von Beauvais in der Mitte des 13. Jahrhunderts 13 ab-
zuleiten war, das aber auch bildliche Vorstufen kennt, etwa im «Liber Flori-
dus» des Lambert von Saint-Omer (ca. 1112-1115), 14 und am Ende des 14.
Jahrhunderts als Prunkversion im Katalanischen Atlas 15 belegt ist.
Die Karte ist in Schwarz und Rot beschriftet, die konzentrischen Kreise
sind stets rot. Die Zeichnung ist detailliert ausgeführt und liebevoll gestaltet.
Dies geschah vermutlich wesentlich später als die Niederschrift des Textes
darunter. Sie dürfte als vollendet gelten.
Das gilt für die andere, so genannte Monstrenkarte 16 nicht; sie ist nur zu
einem bescheidenen Teil ausgeführt.
Wenig gewohnt ist schon ihre rechteckige Form, denn sie hat in der Pla-
nung nur die Ökumene zur Rahmenvorlage, die Fläche der bewohnten Welt,
und die wird in der Regel rund angenommen, bisweilen auch oval, weil sie
dem Format der Buchseiten angepaßt ist. Es gibt aber auch durchaus recht-
eckige Karten, von denen die bekannteste die so genannte Cottoniana oder
Angelsächsische Karte sein dürfte, eine englische Ökumene-Darstellung aus

12
Ms. 155 fol. 78v-86, Anfangsteil.
13
Vgl. besonders «Speculum Naturale», die ersten Bücher nach der Apologia Actoris, die das
Schöpfungswerk der ersten Tage behandeln, zu benutzen in der Ausgabe Douai 1624, Repr.
Graz 1965.
14
Ms. Universitätsbibliothek Gent Nr. 92, Autograph, foil. 94, 94v, 226, 227v und 228, Teil-
facsimile Lamberti Sancti Audomari canonici Liber Floridas. Codex autographus Bibliothecae
Universitatis Gandavensis, ed. ALBERT DEROLEZ, Gent 1968.
15
Ms. Esp. 30 der Bibliotheque Nationale de France, fol. lv-2; Facsimilia u.a. als Der Kata-
lanische Weltatlas aus dem Jahre 1375, hg. von GEORGES GROSJEAN, Dietikon/Zürich 1977, und
als Der Katalanische Weltatlas vom Jahre 1375, hg. von HANS-CHRISTIAN FREIESLEBEN, Stuttgart
1977.
16
Ms. 155 fol.77v (vgl. unten Tafel 46).
616 Studien zur Universalkartographie [94/96]

der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. 17 Der Zeichner folgt schlicht dem
rechteckigen Buchformat, und dem Schöpfer der Monstrenkarte geht es
nicht anders, er will den vorgegebenen Raum von 19,5 x 13,8 cm optimal
ausnutzen.
Er rahmt also seine Karte in breitem Ockerstrich mit beidseitigen roten
Haarstrichen als Rechteck und bringt im Rahmen zusätzlich Medaillons mit
der Bezeichnung der Himmelsrichtungen an, wie sie bei einer normalerweise
geosteten Karte Tradition sind, oben Oriens (Osten), links Septentrio (Nor-
den), rechts Auster (Süden) und unten Occidens (Westen). Nur oben im
Osten ist das Medaillon leicht nach links verschoben, denn in der Mitte ist
ein größeres Medaillon für das Paradies reserviert, gekennzeichnet durch ei-
nen Baum und die Legenden Adam und Eva unter den Zweigen. Rechts vom
Paradies findet sich noch ein kleineres Medaillon mit der Inschrift Luna.
Die linke obere Ecke der Karte ist einigermaßen mit Inschriften und
Grenzlinien gefüllt und vermittelt den Nordosten der Karte, füllt vielleicht
ein Zwölftel des Gesamtwerkes. Sonst sind nur in der rechten oberen Ecke,
also in Südosten, drei inselartige Gebilde auszumachen, von denen zwei nur
mit der Legende insula und die dritte westlichste mit Frondista insula ge-
kennzeichnet sind.
Der ausgeführte Kartenteil wird von der rechten oberen Ecke zur Mitte
hin abgeschlossen durch einen großen Wasserarm, der durch eine Legenden-
vignette als Caspium mare vorgestellt ist.
Der äußerste Osten ist gen Norden durch einen Fluss abgetrennt, der
Ganges fluvius heißt. Er ist ferner charakterisiert durch die Inschrift Quin-
que milia civitatum in India dicuntur, quas inhabitant gentes monstruose. Asia
maior. Links daneben ist die Gegend als INDIA benannt, die Legende dane-
ben Seres bezieht sich wohl auf die Bewohner des äußersten Ostens, die Se-
rer, die auch als Städtesymbol mit einem Turm geschmückt dokumentiert
sind, der sich als Alexandria zu erkennen gibt, also als eine der vielen Stadt-
gründungen Alexanders des Großen im Orient; ein weiteres Alexandria ist
nördlich davon ausgewiesen, wo auch oxus fluvius fließt. Östlich davon er-
kennt man ein durch gewaltige Wälle abgetrenntes Territorium, dessen Be-
wohner sich in Gebirgen den Blicken entziehen, mit einer roten Legende er-
läutert: Serasinites (Nord- und Südchinesen) visus hominum fugiunt montibus
inclusi.
Gen Norden finden sich nahe dem Außenrand bareum und botri portus, im
Norden Massagete et derbes parentes valde senes devorant. Ferner sind Hircani

17
Ms. London British Library Cott. Tib. B. V fol.56v, um 1030 (vgl. unten Tafel 16); gute
Reproduktion bei KONRAD MILLER, Mappae Mundi Bd.3, Stuttgart 1895, S.33.
[96/97] XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt 617

canibus et volucribus senes(?) vivos congratos devorandosproiciunt und Tybarei


quos dilexerunt senes, in patibulis suspendunt vorgestellt. Gefolgt werden diese
ihr Seniorenproblem barbarisch lösenden drei Nationen von Cenocefali
(Hundsköpfigen) und der Landschaft Scitia. Schließlich erscheinen auch im
Norden Antropofagi id est Exedones, idem sunt in montibus ab Alexandro in-
clusi, humanis carnibus vescuntur, die von Alexander dem Großen einge-
schlossenen Nationen. Alles in allem werden hier verschiedene Schattierun-
gen von Menschenfressern vorgestellt, weitere Monstren eigentlich nicht.
Die Karte fällt im Kodex natürlich schon durch ihre Farbigkeit aus der
Norm. Der Maler verwendet neben dunkler und roter Tinte für die Schrift
die rote Farbe für die Medaillons, für einige Grenzlinien und für mehrere
Legenden. Ocker dient der Hervorhebung der Kartenränder.
Damit ist das Legendengut der Karte, das etwaiges Bildgut vertritt, schon
erschöpft. Vergleicht man es mit dem von gleicher Hand fol.87vb bis 88vb
eingetragenen Text, so bietet dieser, der natürlich einen weiteren Raum er-
fasse, im Grande auch kein auffälliges Mehr an Information, wie man das
vielleicht erwarten möchte, nur ein Vielfaches an ungeordnetem Material.
Zwar stehen bei beiden Zeugnissen die Wunder aus dem Osten, die vielzi-
tierten „Marvels of the East" (Rudolf Wittkower), im Vordergrund. Beiden
Darstellungen ist aber auch eine gewisse Verwirrtheit gemeinsam, beide wie-
derholen sich in ähnlichen Aussagen und lassen sich nicht systematisieren.

3. D e r zur Karte gehörige Text in der Handschrift

In der Handschrift findet sich heute - um rund zwei Lagen von der Karte
entfernt fol. 93v-94v - ein Text, der zunächst auffällt, weil er nicht das eben-
mäßige Schriftbild des übrigen Bandes aufweist, sondern von einer typischen
Trecento-I-Hand erstellt ist, also paläographisch den beiden Karten nahe
steht und vermutlich der gleichen Hand zuzuweisen ist. Er ist durch keinerlei
Überschrift herausgestellt, handelt aber in kleinen Absätzen vorrangig von
diversen Monstren. Die jüngere Hand setzt fol.93vb ein, wo die linke Ko-
lumne 93va noch im Stil des ausgehenden 13. Jahrhunderts ausgeführt ist. In-
haltlich gehört diese linke Kolumne noch zum Abschnitt: Collatio de verbis
und handelt hier über Freundschaft und Freunde.
Zunächst ist noch nicht von Monstren, sondern fol. 93vb vom hebräischen
Alphabet die Rede. Den Buchstaben ist jeweils eine Bedeutung zugespro-
chen, anschließend werden Schreibeigenheiten wie Unterpungierung, lautli-
che Besonderheiten u. Ä. erörtert.
618 Studien zur Universalkartographie [97/98]

Fol. 94a hebt eine aufwendige H-Initiale den Beginn eines neuen Textab-
schnitts hervor: Homines sunt in quibusdam partibus orientis ab aliis mundi
nationibus valde dissimiles: Im Orient gibt es Menschen, die ganz anderer
Art sind als auf der übrigen Welt.
Den Reigen eröffnen die Amazonen, weibliche Krieger, die nahe den Kas-
pischen Bergen unbemannt auf einer Insel leben, nur einmal im Jahr zwecks
Fortpflanzung männlichen Besuch erhalten - andernfalls würden sie ihrer
Kraft verlustig gehen -, und auch ihre männlichen Nachkommen nur bis
zum sechsten Lebensjahr bei sich behalten. Die nächste Gruppe sind die
Gymnosophisten, unbekleidete und unbehauste Höhlen- und Hüttenbewoh-
ner, die keine Städte kennen, wohl eine Gruppe indischer Asketen. Alexan-
der der Große handelte mit ihnen, als er ihre Wege kreuzte, über die Un-
sterblichkeit. Wieder andere sind die Brahmanen, die am Ganges wohnen
und gleichfalls mit Alexander dem Großen über die Religion diskutierten.
Einige Menschen verüben die Selbstverbrennung aus Nächstenliebe; andere
schlachten ihre alten Eltern und verzehren sie - wie dies übrigens auch auf
der Monstrenkarte in verschiedenen Varianten berichtet wird. Weiter ist die
Rede von Riesen und Zwergen, von Hundsköpfigen, von Lebewesen, die
von rohem Fisch leben, oder solchen, die mißgebildete Füße und Hände auf-
weisen, aus dem Rahmen fallende Kopfformen und abnorme Sinnesausstat-
tung zeigen wie z. B. Einäugige. Andere praktizieren für uns abwegige Eßge-
wohnheiten, sind gar Menschenfresser, Waldmenschen und ähnliche Son-
derlinge Indiens als dem Land des äußersten Ostens im mittelalterlichen
Weltbild, etwa mit vertauschten Geschlechtsmerkmalen. Diese Wunder-aus-
dem-Osten-Litanei wird unterbrochen 18 durch die Mitteilung, dass in eini-
gen Gegenden, besonders in den äußersten Teilen von Burgund diesseits der
Alpen, manche Frauen Gurgeln bis zum vorgestreckten Bauch hätten gleich-
sam wie Amphoren oder Kürbisse. Der Autor ergeht sich in recht verworre-
nen Aufzählungen körperlicher Abnormitäten, besonders ziehen ihn zudem
Gebilde wie Hermaphroditen an, die auch in Frankreich bezeugt seien. Mit-
tendrin wird die Leiche einer Riesin erwähnt, die im westlichen Meer aus
den Fluten gezogen wurde, dann ist man wieder auf einer Insel des Orients.
Schließlich wird das Colosseum in Rom auf einen monströsen Menschen na-
mens Colossus zurückgeführt, der als Erschlagener den Tiber versperrte,
das Meer mit seinem Blut rötete und später durch Tempel und Statue in Rom
verewigt wurde.
Nimmt man sich dazu die fragmentarische Karte vor, so gibt ihr Legen-
denmaterial keinerlei vertiefende Auskunft. Abgesehen von ein paar Berich-

18
Ms. 155 fol. 94va, Mitte der Kolumne.
[98/99] XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt 619

ten über den Umgang mit alten, nicht mehr benötigten Menschen, die sich
fast in allen Kulturgeschichten finden, deckt sich kaum etwas zwischen Text
und Karte, außer dass Indien als Inbegriff des äußersten Ostens apostro-
phiert wird und auf der Karte entsprechend eine angelegentliche Rolle spielt.
Die Monstrengeschichten basieren auf einem seit dem Hochmittelalter
sehr breiten Überlieferungsstrom, der zumeist griechischen Ursprungs ist
und durch die Lateiner der Spätantike ins Abendland kam. Originell ist hier
nichts.
Wunder aus dem Osten sind ein geistesgeschichtlicher terminus technicus,
der bereits in der Antike dem Mittelmeerraum vertraut war und ein gewalti-
ges Fortleben im Mittelalter sowohl im Abendland als auch in Byzanz hatte.
Auch die moderne Literatur zum Thema ist Legion, besonders seitens der
Kunsthistoriker. Unter ihnen sei die auch in deutscher Sprache zugängliche
Untersuchung von Rudolf Wittkower über Wunder des Ostens 1 'exempla-
risch für die folgende Darstellung herangezogen als eine führende Publikati-
on.
Durch 2000 Jahre beherrschten diese Wunderwesen, die vorzugsweise im
fernen Indien als dem Inbegriff des äußersten Ostens angesiedelt wurden,
unsere enzyklopädische Literatur. Diese Welt war durch den Zug Alexan-
ders des Großen in den Gesichtskreis der Alten Welt geraten. Schon davor
gab es bei Herodot Spuren von Wundern des Orients. Dann war es vor allem
der Ethnograph Megasthcnes (um 300 v.Chr.), der die Vorstellungen vom
Osten Alexanders sprachliche Gestalt annehmen ließ. Während für Byzanz
Photios zum Vermittler dieses Stoffes wurde, taucht er in der lateinischen
Welt schon bei Plinius d. Ä. in der Naturgeschichte (1. Jahrhundert n.Chr.)
auf, dann in der Spätantike bei Solin (Mitte 3. Jahrhundert) sowie bei den
Schulautoren des beginnenden 5. Jahrhunderts Macrobius und Martianus
Capella. Der heilige Augustinus suchte die Monstren als Geschöpfe Gottes
einzuordnen. 20
In der mittelalterlichen Enzyklopädie spielen sie seit Honorius Augusto-
dunensis - er ist in unserem Kodex fol.78v-86 vertreten - im 12. und 13.
Jahrhundert eine bedeutende Rolle, so bei Gossouin von Metz, Gervasius
von Tilbury, Bartolomaeus Anglicus, Vincenz von Beauvais und Brunetto
Latini und gar bis ins 15. Jahrhundert bei Pierre d'Ailly. Die Monstren wer-
den bevorzugtes Objekt der Buchmalerei, menschenähnliche Lebewesen wie

" RUDOLF WITTKOWER, Marvels of the East. A Study in the History of Monsters, in: Journal
of the Warburg and Courtauld Institutes 5, 1942, S. 159-197; dt. in: DERS., Allegorie und der
Wandel der Symbole in Antike und Renaissance. Dumont Taschenbuch 142, Köln 1984, S. 87 ff.
und Anm. S. 364-384.
20
De Civita te Dei XVI, 8.
620 Studien zur Universalkartographie [99/101]

Amazonen, Hundsköpfige, Menschen mit vier Augen, andere ohne Mund,


ohne Gesicht, stattdessen mit Mund und Augen auf der Brust, Langohren,
solche, die sich mit dem Fuß beschatten oder deren Füße verkehrt herum ste-
hen, Menschen, die acht Finger und acht Zehen haben und andere Abnormi-
täten, Kranichhälse, Zwitterwesen, ganze Bestiarien von Monstren, zu de-
nen beispielsweise Thomas von Cantimpré (13. Jahrhundert) Texte lieferte.
Besonders ergiebige Bildquellen finden sich in den reichen Handschriftenbe-
ständen englischer Bibliotheken, ferner in der Plastik der romanischen Kir-
chen Frankreichs, ganz ausgeprägt aber auch auf Weltkarten wie beispiels-
weise der Ebstorf-Karte und der Hereford-Karte, auf denen der notwendige
Raum für Bilder vorhanden und einzuplanen war.
Gemessen an dieser Fülle von ähnlichem Textmaterial im 13./H.Jahrhun-
dert ist der kleine Abschnitt über Monstren in unserer Handschrift beschei-
den und ein dürftiger und wenig durchformter Text; zwangsläufig konnte da
die Karte kein Glanzstück werden; sie dient ja auch nur der Lokalisierung
von Legenden bezüglich Monstren und ist wohl kaum von den annähernd
gleichzeitigen Großkarten wie denen von Ebstorf und Hereford angeregt
oder auch nur beeinflußt.

4. Die Paläographie der Karten und des Monstrentextes


im Vergleich zur übrigen Handschrift

Betrachtet sei zunächst die Schrift fol. 93va einerseits als Beispiel der eigent-
lichen Handschrift des Kodex, nämlich in der linken Kolumne und anschlie-
ßend vergleichsweise von 93vb unter Heranziehung des Monstrentextes von
fol. 94 und 94v wegen der dort gleichermaßen aktiven jüngeren Hand.
Beiden Kolumnen ist eine völlig entsprechende Zeileneinteilung eigen, die
ganz offensichtlich auf dem Beschreibstoff vorgegeben war. Die Schrift der
a-Kolumne von fol.93v (vgl. Tafel 48) weist ein sehr einheitlich gestaltetes
Mittelband auf, das den Buchschriftcharakter herausstreicht. Die Oberlän-
gen sind verhältnismäßig modest, die Unterlängen noch unauffälliger. Die
Wortblöcke sind sorgfältig gestaltet. Kürzel sind nicht allzu häufig und
ebenmäßig eingefügt, so dass sie sehr eindeutig sind. Es handelt sich um eine
gepflegte Bibliotheksschrift.21

21
Für Schriftexpertisen ist vorbildlich WALTER HEINEMEYER (wie oben Anm. 10) als Gesamt-
darstellung. Die Studien sind auf Urkundenschrift ausgerichtet. Doch läßt sich ihre Methode
mit Einschränkungen auch auf Buchschriftenanalysen anwenden. Heinemeyer geht grundsätz-
lich von einem ersten Eindruck des Schriftbildes aus, wendet sich dann den Details wie einzelnen
Buchstabenformen, Kürzeln, Ligaturen zu und zieht daraus das Fazit. Hier ist besonders der
[101/102] XXXII. Spuren einer kartographierten Monstrenwelt 621

Der Bestand an Großbuchstaben ist bescheiden. Sie werden vor allem für
Satzanfänge verwandt wie Quia, Qui, Hec, Cum, Tarn, Ideo, natürlich nicht
nachhaltig hervorgehoben. Eigennamen wie Salomo oder Syrach weisen im
Anlaut Kleinbuchstaben auf.
Die Kleinbuchstaben entsprechen der Norm des ausgehenden 1 S.Jahrhun-
derts: das a ist immer in der unzialen Form gestaltet und wächst bisweilen
schon ein klein wenig über das Mittelband hinaus, das d ist stets unzial ge-
formt, das g zeigt noch keine untere Schlingenbildung, sondern schwingt
nach links aus, das t geht mit einem bescheidenen Kreuz ans Oberband her-
an. Ligaturen sind bei et, st und tt belegt, wobei jeweils das am Ende stehen-
de t eine Oberlänge erhält. Nach Segeln, Schleifen und Schlingen sucht man
noch vergebens.
Die Schrift der b-Kolumne und der beiden folgenden Seiten fol.94-94v
mit dem Monstrentext wirkt für eine Buchschrift recht flüchtig hingeworfen.
Die Buchstabenblöcke perlen locker dahin. Das Mittelband wird oft recht
schmal und ist wenig einheitlich gestaltet; im Vergleich erscheint das Ober-
band kaum schmaler. Die reichliche Verwendung von unebenmäßigen Kür-
zeln machen das Schriftbild ausgesprochen unruhig.
Die leicht aphoristische Anlage des Textes hat viele Großbuchstaben für
die Satzanfänge zur Folge, die in ihren Formen zumeist Auszeichnungs-
schriftcharakter haben; auch gibt es aufwendige Initialen.
Die Kleinbuchstaben weisen einige für den Beginn des H.Jahrhunderts
charakteristische Besonderheiten auf: das kleine a ist nun grundsätzlich dop-
pelstöckig, d.h. seine unziale Form ragt kräftig ins Oberband, das g zeigt
die typische Form einer verkümmerten kleinen Acht um die Mittelzeile, das t
steht jetzt ganz im Mittelband.
Ligaturen mit t gehen weiterhin kräftig ins Oberband, Schlingen, Segel
und Schleifen fehlen auch hier noch.
Als entscheidende Leitfossilien für die Unterschiedlichkeit der Hände sind
vor allem die Formen vom doppelstöckigen a und vom kleinen Acht-g festzu-
halten, die dem Schrifttyp Trecento I 22 angehören und die die hier bespro-
chenen Texte der zweiten Schrift von der ersten besonders auffällig abwei-
chen lassen.
Und genau diese Eigenheiten finden sich auf beiden Karten, weisen deren
Ausführung also der späteren Hand des beginnenden H.Jahrhunderts zu,
insbesondere die Leitfossilien a und g.23

dritte Teil seiner Studien bedeutsam, der den Charakter der Schriften 1300 bis 1500 zum Gegen-
stand hat, S. 127 ff.
22
HEINEMEYER (wie oben Anm. 10), S. 144f.
23
Vgl. unten Tafel 48.
622 Studien zur Universalkartographie [102/103]

Die Kosmos-Darstellung fol. 74v zeigt Auszeichnungsinitialen wie der


Text fol. 94-94v etwa bei den Planetennamen und Sternbildern. Im übrigen
sind Großbuchstaben bei Monats- sowie Propheten- und Apostelnamen ver-
wandt, die Minuskeltexte weisen z.B. regelmäßig doppelstöckiges a und
kleines Acht-g auf. Der darunterstehende Text Expositio figure ... ist hinge-
gen wieder der Hand des ausgehenden 13. Jahrhunderts zuzuweisen.
Der fein abgestimmte Wechsel von Schwarz und Rot gibt der Karte eine
gewisse Erlesenheit.
Die Monstrenkarte ist gleichfalls von der Hand des H.Jahrhunderts be-
schriftet, wie doppelstöckiges a und Acht-g belegen. Die Farbgebung hebt
das Blatt hervor, obgleich das Schwarz der Tinte dominiert. Schwarz gibt
den Rahmen, die Gewässer, die Mehrzahl der Inschriften. Ocker dient der
breiteren Farbgebung des Rahmens und der Medaillonränder, während Rot
in dünnen Doppellinien das Ocker der Medaillons und des Rahmens ab-
grenzt, die Schrift der Medaillons prägt und einige Legenden hervorhebt,
auch durch Linien die Legenden voneinander abhebt, die Menschenfresser
als eingeschlossene Nationen gar durch rote Mauerzinnen abgeriegelt er-
scheinen lässt. Insgesamt ist die Schrift dieser Karte gar nicht aufwendig ge-
halten. Selbst Großbuchstaben sind spärlich für Eigennamen eingesetzt, le-
diglich für den Ländernamen INDIA sind rote Majuskeln verwandt. Die
Karte macht einen flüchtigen Eindruck. Sie blieb wohl nicht Fragment, weil
dem Zeichner der Stift aus der Hand gerissen wurde, sondern weil der Maler
kein Darstellungsmaterial mehr im Kopfe hatte und gewissermaßen am Ende
seines Lateins war. Besieht man sich dazu den Monstrentext, so bleibt fest-
zuhalten, dass er auch hier keine Vertiefung seines krausen Wissens und we-
nig Erweiterung erwarten durfte.
Das Monstrenwissen war an der Wende des 13. zum H.Jahrhundert si-
cherlich anderswo besser präsentiert, denkt man an die Fülle von Enzyklo-
pädien des 13. Jahrhunderts und die zugehörigen Bestiarien. Aber Text und
Karte belegen das breite Interesse, das der Gegenstand damals fand.
Hier ist unsere Handschrift in einer Linie mit den Großkarten der Zeit,
der Ebstorfer Weltkarte und der Hereford-Karte, zu sehen.

Zusammenfassung

Die kartographische Ausstattung der Sammelhandschrift 155 verdient


durchaus Aufmerksamkeit, denn sie kann ein gediegenes und ein schlichtes
Beispiel einer Kartenausstattung beibringen, die vom Kompilator geplant,
aber deren Ausführung erst einer späteren Hand vorbehalten blieb. Damit
kann anhaltendes Interesse am Gegenstand belegt werden.
XXXIII. Descriptio Terrarum
Zur Repräsentation von bewohntem Raum
im späteren deutschen Mittelalter

Vorwort: Begrenzung des Themas

Gewiß war der eine oder andere von Ihnen befremdet, als er das Thema der
folgenden Ausführungen las: Muß man eine so selbstverständliche Angele-
genheit wie «Beschreibung von Land» unbedingt in Deutschland lateinisch
vortragen? Ich möchte kurz Rechenschaft ablegen, weshalb ich mich auf die
gängige mittelalterliche Formulierung zurückzog. Der Themenvorschlag
meiner Gastgeber lautete: Geographisches Bewußtsein im späteren deut-
schen Mittelalter nach Texten und Landkarten, und er wird maßgeblich die
folgenden Gedanken bestimmen. Als Leser und Freund mittelalterlicher Kar-
ten wurde mir schon einmal die Aufgabe gestellt, über «Land- und Seekar-
ten» im Mittelalter ein kleines Buch zu verfassen, und daraus wurden «Kar-
tographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten», denn Landkarten in
unserem Sinne gab es im Abendland noch kaum und im mittelalterlichen
Deutschland noch gar nicht. Diese Behauptung mag Ihnen auf den ersten
Blick ungeheuerlich vorkommen und allenfalls für das Frühmittelalter noch
akzeptabel erscheinen; für Deutschland aber gilt sie tatsächlich auch noch
im späteren Mittelalter.
Das Rahmenthema der Tagung umschreibt die Zeit des späteren Mittelal-
ters ausdrücklich als 12. bis 15. Jahrhundert. Wenn das 12. Jahrhundert hier
nach west- und südeuropäischem Brauch dem Spätmittelalter unter Verzicht
auf ein Hochmittelalter zugeschlagen wird, so wird im Gedenken an die an
unseren Universitäten selten gelehrte und allenfalls im Rahmen der Landes-
geschichte beachtete Historische Hilfswissenschaft ,Historische Geogra-
phie' 1 vermutlich gerade eine Zäsur im geographischen Bewußtsein des 12.
Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Territorialisierung im Reich vermu-
tet: Der bis dahin Recht und Verfassung prägende Personenverband meinte
den Zusammenschluß von Menschengruppen, er war keineswegs an Raum
gebunden; das ändert sich zwischen ca. 1156 - Privilegium Minus - und

1
AHASVER v. BRANDT führt sie in: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Histori-
schen Hilfswissenschaften (Urban-TB wk 33), zuerst Stuttgart 1958, an erster Stelle auf.
624 Studien zur Universalkartographie [11/12]

1235 - Mainzer Hoftag - in der Weise, daß das Territorium zu einem maß-
geblichen Faktor wird, gewissermaßen umgrenzter Raum mit Personen dar-
in. Man darf daher unvoreingenommen vermuten, daß man Territorien zu-
mindest seither geo- und kartographisch darzustellen begann; schließlich
war das Rechtswesen jetzt von Landrecht, nicht mehr von Stammesrecht ge-
prägt. Doch das war keineswegs gleich der Fall. Eine politische Kartogra-
phie ist dem abendländischen Mittelalter überhaupt generell fremd. Es gibt
in unserem Raum keine Karten, die Länder nach politischer Zugehörigkeit
gegeneinander abgrenzen. Im Gegensatz zur Universalkartographie ist es
zudem im Mittelalter um eine Partikularkartographie nicht allzu gut bestellt.

Einleitung: Descriptio Terrarum - Umschreibung des Themas

Die textliche wie die bildliche Erfassung von Land wird im Lateinischen glei-
cherweise mit describere bezeichnet. Da die Bibel als höchste Autorität im
Mittelalter sowohl die Begriffswelt als auch den Sprachschatz im wissen-
schaftlichen Alltag prägte, sind die Belege hier leicht aufzuzeigen.
Das Gebot des Kaisers Augustus, das die Geburt Christi ausgerechnet in
Bethlehem - wie dies der Prophet Micha vorausgesagt hatte - zur Folge
hatte, lautet im Lukas-Evangelium der Vulgata ...ut describeretur universus
orbis ...;2 es wurde vom Mittelalter dahin verstanden, daß Augustus eine
mappa mundi erstellen ließ. Ein berühmtes Bild aus dem 12. Jahrhundert, die
Augustus-Miniatur des Lambert von Saint-Omer aus dem «Liber Floridus»,
zeigt den Kaiser mit der Erdkugel in der Linken, 3 die nach Art der geosteten
mittelalterlichen T-Karte - das Signum für den bewohnten Erdkreis - aufge-
teilt ist in die asiatische Hälfte im Osten und die beiden westlichen Öku-
mene-Viertel Europa und Afrika. Der mittelalterliche Betrachter der Minia-
tur denkt natürlich in diesem Zusammenhang an den Reichsapfel. Die Erfas-
sung der Ökumene, die descriptio universi orbis, ist engstens mit dem Kern-
geschehen der Heilsgeschichte, der Menschwerdung Christi, verbunden, das
Kartenzeichnen ist im Mittelalter also ein gottgefälliges Werk. Und wer sich
von den evangelischen Hörern hier daran erinnert, daß er unter dem Weih-
nachtsbaum mit Luther „daß alle Welt geschätzet würde" aufsagte, begreift
zugleich das praktische Anliegen der ,Raumerfassung' als Erstellung eines
Einkünfteverzeichnisses für den Verzeichnenden und einer Steuerveranla-
gung für die Verzeichneten.

2
1x2,1.
3
Gent, ÜB, Ms. 92, fol. 138v.
[12/13] XXXIII. Descriptio Terrarum 625

I. Geschichtsschreibung und Raumerfassung

Augustus sucht universus orbis personell und räumlich zu erfassen, die ihm
untertane Ökumene des Römischen Weltreiches, d.h. ausnahmslos bewohnte
Gefilde aufzuzeichnen. Vielfach wird hierbei an die legendäre Weltkarte sei-
nes Schwiegersohnes, des Vipsanius Agrippa gedacht, die dieser zur Ver-
herrlichung der Macht des Herrschers im Portikus Vipsania anbringen ließ.
Sie ist ebensowenig erhalten, wie wir von der gesamten klassischantiken Kar-
tographie keinerlei originale Bildzeugnisse besitzen. Unsere Forschung
macht sich Bilder von ihr; etwa Konrad Miller sammelte die mittelalterlichen
mappae mundi nur, um aus ihnen die römische Kartographie zu rekonstruie-
ren; das ist bis heute ebensowenig gelungen, wie die griechisch-byzantini-
sche Kartographie nicht aus Ptolemäus-Illustrationen der Palaiologen-Zeit
zu erschließen ist. Dem Mittelalter wird vorgeworfen, die klassische Karto-
graphie verballhornt zu haben; doch kennen wir die Vorlagen dieser Ver-
ballhornung gar nicht. Es darf daher vielleicht nicht so erstaunen, im Mittel-
alter auf Versuche von Raumerfassung zu stoßen, die mit unserer Vorstel-
lung von Wirklichkeit nur bedingt zu tun haben und uns archaisch dünken.
Der seit der Karolingerzeit gebräuchliche Fachausdruck für Karte ist im
Mittelalter mappa mundi.4 Im eigentlichen Sinn meint er eine Weltkarte,
denn die Universalkartographie geht der Partikularkartographie voraus;
letztere wird gewissermaßen als Teil aus dem Ganzen herausgeschnitten,
wobei das Mittelalter deduktiv vorgeht: Der Rahmen der endlichen Welt ist
vorgegeben. Schließlich ist mit dem Wort mundus nach mittelalterlichem
Sprachgebrauch mehr angeschnitten als nur die Ökumene. Mundus ist in der
Vulgata die Übersetzung von griechisch kosmos und zwar durchgängig, wo
die Afra noch saeculum verwandte. Hier ist also über die bewohnte Welt hin-
aus der Kosmos miteinbezogen und wird auf vielen mittelalterlichen Welt-
karten auch dargestellt.5 Bezeichnenderweise kennt die alttestamentliche
Welt dieses Wort nicht; 6 hier spricht man stets von terra, Ökumene, die
grundsätzlich schon in der Antike auch Gegenstand der Geschichtsschrei-
bung war.

4
Zu den Grundbegriffen vgl. u.a. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Kartographische
Quellen. Welt-, See-und Regionalkarten (Typologie des Sources du Moyen Age Occidental,
fase. 51), Turnhout 1988, S.23-38.
5
Vgl. hierzu ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der Erde und
der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten (Schriften der M G H 36), Hannover 1992,
S. 10-14 zur biblischen Terminologie.
6
Einzige Ausnahme findet sich lob 28, 24.
626 Studien zur Universalkartographie [13/14]

Weniger die physikalische als die sogenannte Kulturgeographie stieß da-


her im Mittelalter auf Interesse; dies spiegelt sich auch auf den Karten, die
in der Regel Geschichtskarten sind. Unter Ausklammerang der zeitlichen
Abfolge sind historische Ereignisse gewissermaßen auf eine Fläche projiziert.
Die Weltkarten sind dann Geschichts- oder Weltbilder und Weltchroniken
vergleichbar. Sie stehen in mittelalterlichen Handschriften auch mehrheitlich
bei Geschichtswerken. 7
Wenn ich die folgenden Gedanken unter das Generalthema Descriptio Ter-
rarum stelle, so heißt dies, daß ich bemüht bin, mich mit bildlichen und text-
lichen Formen der Raumerfassung von bewohntem Land, terrae allgemein
und im weitesten Sinne, zu befassen, aber nach Möglichkeit Beispiele aus
dem deutschen Raum heranziehe und nur für das 13. Jahrhundert auf Eng-
land ausgreife. Zur descriptio gehören Gemälde und Schrift: Schrift allein ist
durchaus belegt, aber rarer im Deutschland des Spätmittelalters, als man er-
warten mag. Das Bild kann im Grunde nicht ohne Schrift existieren; es hat
zumindest immer Legenden, sieht man hier von der singulären Brunetto-La-
tini-Karte aus Oxford ab, für die sicherlich auch eine Beschriftung geplant
war; 8 es richtet sich mithin an die litterati. Umgekehrt wird in geographi-
schen Texten zumeist auf eine mappa mundi angespielt, die möglicherweise
oft verloren ging.
Der Schwerpunkt der folgenden Überlegungen soll daher hier der Raum-
erfassung im Bild in Verbindung mit dem Text gelten als den gängigen Ver-
suchen, Raum darzustellen.
Geschichte und Geographie, die heute selbstverständliche und nicht ein-
mal einfach abwählbare Schulfächer sind, gehören im mittelalterlichen Bil-
dungskanon nur zum Zubehör einzelner artes, der Rhetorik vorzugsweise.
Die Verbindung dieser beiden Fachbereiche ist antik, wobei es sich weniger
um die physikalische Geographie, als um die Kultur- oder Ökumene-Geo-
graphie handelt, die in der Regel einen Teil der Geschichtswerke einnimmt.
Der im Mittelalter vielgelesene Orosius befindet sich nur in selbstverständli-
cher Gesellschaft, wenn er seine Universalgeschichte «Historiae adversum
paganos» mit einer Schauplatzbeschreibung der bekannten Welt einleitet
und diese als notwendig für ein Geschichtswerk apostrophiert. 9 Das 12.

7
Vgl. hierzu ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographia. Stu-
dien zur imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: DAEM 24, 1968, S. 118-186 ( = o.
S. 17-81).
8
Vgl. Oxford, Bibl. Bodl, MS. Douce 390, fol. 8; dazu ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN,
Die Ausbildung konventioneller Zeichen und Farbgebungen in der Universalkartographie des
Mittelalters, in: AfD 16,1970, S.332-336(= o. S. 119-122).
9
I, 1, 14-17, ed. CAROLUS ZANGEMEISTER (CSEL 5), 1882, S.8.
[14/15] X X X I I I . Descriptio T e r r a r u m 627

Jahrhundert, dessen Weltbild durch die Kreuzzüge erweitert worden war,


steht hier in einer selbstverständlichen Tradition.

2. Raumbewußtsein und Symbolismus des 12. Jahrhunderts

a. Hugo von St. Viktor

Mit Hugo von St. Viktor kann ein Gelehrter vorgestellt werden, der vermut-
lich sächsischer Herkunft war 10 und durch seine Lehrtätigkeit großen Ein-
fluß auf die folgenden Generationen ausübte; so gehörte Otto von Freising
zu seinen Schülern. In der Vorrede zu seinem Kategorienbuch 11 stellt er als
die entscheidenden Faktoren der Geschichtsschreibung die handelnden Per-
sonen, die Zeiten der Geschehnisse und die Orte, an denen das Geschehen
stattfand, heraus. Die zuletztgenannte Kategorie hatte nun noch keineswegs
die Geburt der historischen Geographie zur Folge, weil man weit entfernt
war, hier eine kausale Verknüpfung vorzunehmen. Vielmehr erstellte Hugo
mit dem noch nicht vollständig edierten Schriftchen - außer der Vorrede
liegt nur die Papst-Kaiser-Chronik, die erste der mittelalterlichen Literatur
schlechthin, vor, die man Hugo wegen Dürftigkeit absprechen wollte 12 - ein
Memorierbüchlein für Geschichtsinteressierte und brachte darin neben der
Chronik und Namenlisten zur Geschichte der verschiedensten Völker auch
einen Katalog merkenswerter Orte unter. Von einer dazugehörigen Zeich-
nung weiß man nichts, seine Kenntnisse pflegte man durch das Auswendig-
lernen der Inventarliste, die im Unterricht erläutert worden war.
Wir verdanken Hugo außerdem mit seiner «Descriptio Mappe Mundi» 13
die Beschreibung einer Weltkarte größeren Formates, bei der man nicht
weiß, ob sie ihm tatsächlich als Gemälde vorgelegen hat; er erfaßte den
Raum in Worten und erstellte mit dem handlichen Text einen Ersatz für eine
überformatige Karte. Er erläutert in der Vorrede, 14 daß nicht jeder sich lei-

10
Vgl. hierzu eingehend JOACHIM EHLERS, Hugo von St. Viktor (Frankfurter Historische Ab-
handlungen 7), Wiesbaden 1973, S.27ff.
11
Liber de Tribus Maximis Circumstantiis Gestorum, nur die Vorrede ed. WILLIAM M.
GREEN, Hugo of St. Victor, De tribus maximis circumstantiis gestorum, in: Speculum 18, 1943,
S. 484-493, ZitatS. 491.
12
Chronica quae dicitur Hugonis de Sancto Victore, ed. GEORG WAITZ, MGH SS 24, 1879,
S. 88-97. Eine Gesamtausgabe des «Liber» unter dem Titel «Chronica» wird von PATRICK GAU-
TIER DALCHÉ vorbereitet.
13
Ed. PATRICK GAUTIER DALCHÉ, La «Descriptio Mappe Mundi» de Hugues de Saint-Victor,
Texte inédit avec introduction et commentaire, Paris 1988, S. 133-160.
14
Ebd. S. 133:... in tabula velpelle solent orbem terrarum depingere, ut incognita scire volenti-
628 Studien zur Universalkartographie [15/16]

sten könne, ferne Gegenden zu bereisen und daher auf Kartengemälde ange-
wiesen sei, welche die Einzelheiten schon durch Farbgebungen einprägsam
zu machen vermöchten, zumal die Bilder zusätzlich durch beigegebene Le-
genden interpretiert würden. In vorliegender Schrift aber wolle er sich auf
die Texte beschränken, auf ihren Sinn und die Bedeutung ihrer Aussage.
Aus unserem Raum kennt Hugo manche Namen, aber zumeist sind diese
auch schon im Altertum bekannt. Eine besondere Bevorzugung von Hugos
deutsch-französischem Lebensraum ist nicht auszumachen. Nach Asien und
Afrika ist im Text endlich auch von Europa die Rede, aber es wird gewisser-
maßen nur inventarisiert. C. XXI. De cisalpina parte Europe, erwähnt Rhein
und Donau mit Nebenflüssen häufig, weiß von vielen Stämmen, aber noch
nicht von Territorien und nur von wenigen Städten, kommentiert das geo-
graphische Material auch nicht weiter historisch, sondern listet nur Karten-
legenden auf aus klassischen, spätantiken und frühmittelalterlichen Vorla-
gen. Ein Raumbewußtsein des Lesers wird kaum angesprochen. Hugos Stär-
ke liegt in seiner heilsgeschichtlich orientierten Symbolkartographie zu sei-
nen Schriften über die Arche Noe. 15
Ebenso wie Hugo sind viele Karten des 12. Jahrhunderts vom Symbolis-
mus dieser Zeit geprägt, von denen noch zwei Beispiele angeführt seien, bei
denen man die Provenienz zumindest im Reich nördlich der Alpen suchen
mag.

b. Lambert von Saint-Omer

Das ist an erster Stelle die Kartographie des Flamen Lambert von Saint-
Omer, Schöpfers der schönsten romanischen Bildenzyklopädie und genialer
Repräsentator komplizierter Gedankengänge in didaktisch einprägsamen
Schaubildern. Seine Miniatur zur ,Landaufnahme' durch Augustus wurde
schon erwähnt: Als Beherrscher der Ökumene hält der Kaiser die als T-Kar-

ins rerum imagines ostendant, quia res ipsas non possunt presentare. Sed nee omnes valent circuire oc-
ceanum ... non omnes possunt adire longinquas regiones ... Sed et singulis rebus que in hac mappa
mundi depingitur, titulus scripture apponitur, quia rerum incognitarum imagines sine scripture vel
sermonis magisterio aut nullatenus aut difficile intelliguntur. Nos autem non depingere, sed describere
mappam mundi proponimus in hoc opere, id est non res nee rerum imagines, sedpotius significationes,
non quas res ipse significant, sed quibus significantur volumus demonstare.
15
Vgl. DANIELLE LECOQ, La ,mappemonde' du De arca Noe Mystica de Hugues de Saint-
Victor (1128-1129), in: Geographie du Monde au Moyen Age et à la Renaissance, ed. par M O -
NIQUE PELLETIER (Comités des travaux historiques et scientifiques. Mémoires de la section de
géographie 15), 1989, S.9-31.
[16] XXXIII. Descriptio Terrarum 629

te gestaltete Erde in der Hand und löst damit gewissermaßen die Zeitenwen-
de, Christi Geburt in Bethlehem, aus. 16
Von seinen mindestens zehn Weltkarten gelang Lambert in der hemisphä-
rischen Kosmos-Darstellung Spera geometrica nach Marcianus Capella eine
Kombination der Zonenkarte als Kosmos-Darstellung mit einer vollendeten
Ökumene-Wiedergabe als Halbkreis, im Autograph heute leider verloren
und hier nach der Wolfenbütteler Fassung vorgestellt.17 Die unbewohnbaren
Gürtel der geosteten Zonenkarte am Äquator und an den Polen sind auf mi-
nimales Format zusammengedrängt; in der linken, d.i. nördlichen Kugel-
hälfte erscheint die bewohnte Welt, in die bekannten drei Kontinente vom T
der Gewässer geteilt, umgeben von vielen Inseln im Weltenozean, während
rechts der Raum der unbekannten Antökumene auf der südlichen Halbkugel
für textliche Erläuterungen genutzt ist. Ganz oben im äußersten Osten ist
eine Sterninsel durch Flüsse mit Asien verbunden, die durch ihre Legende als
Aufenthaltsort von Henoch und Elia und als Paradisus terrestris vorgestellt
wird. Noch bemerkenswerter ist ihr Gegenstück am unteren Rand, d.h. im
äußersten Südwesten jenseits der Ökumene, wo eine Insel durch die Mittei-
lung über sowohl abweichende Jahres- als auch Tageszeiten eindeutig als der
Antichthonenkontinent ausgewiesen ist, auf dem zudem die Antipoden ver-
meldet werden. Lambert versuchte sich in einer Andeutung des rückseitigen
südlichen Inselkontinentes nach dem Weltbild des Krates von Mallos, das
durch Macrobius in jedes Schulbuch des Mittelalters Eingang fand und ein
eindeutiges Zeugnis für das selbstverständliche Wissen um die Kugelgestalt
der Erde das ganze Mittelalter hindurch ist, allerdings nicht auf der Grund-
lage des Ptolemäus, der dem abendländischen Mittelalter bis ins 15. Jahr-
hundert unbekannt blieb.
Im Genter Autograph des «Liber Floridus» und nur in ihm findet sich an
Stelle der großen hemisphärischen Karte eine Darstellung von Europa, 18 ein
im lateinischen Mittelalter vor Ptolemäus singulärer Fall. Das Bild scheint
aus einer T-Karte herausgeschnitten zu sein, denn Europa wirkt wie ein
Kreisviertel, wird auch in der Seitenüberschrift ausdrücklich also vorgestellt:
Europa mundi pars quarta. Man könnte dies alles noch für ein Versehen der

16
Vgl. oben Anm.3; Abb. u.a. VON DEN BRINCKEN, Fines (wie oben Anm.5), Taf. 26, dazu
Nachweises. XIX Nr. 32.
17
Ms. Guelferbytanus 1 Gud. Lat., fol.69v-70r; Abb. u.a. bei VON DEN BRINCKEN, Fines (wie
oben Anm. 5), Taf. 29, dazu Nachweise ebd. S. XX Nr. 36. - Abb. 1 (vgl. unten Tafel 25).
18
Gent, ÜB, MS 92, fol. 241; vgl. dazu ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Europa in der
Kartographie des Mittelalters, in: AKG 55,1973, S.289-304 ( = o. S. 149-164), mit Abbildung. -
Abb. 2 (vgl. unten Tafel 20).
630 Studien zur Universalkartographie [16/17]

Überlieferung halten, wären nicht einige Länder in der Originalzeichnung


mit einer roten Umrandung versehen, und das sind just die Länder des
abendländischen Kaiserreiches, denn in der Kopflegende heißt es: Regna ve-
ro que colore rubeo circumscripta ad Romanorum Francorumque pertinent Impe-
rium. Lambert hebt also das Imperium karolingischer oder lateinischer Prä-
gung besonders hervor, denn es handelt sich um Italien, Frankreich mit Bur-
gund, Aquitanien bis zu den Pyrenäen und Deutschland einschließlich Sach-
sens, während die Iberische Halbinsel und der skandinavisch-slavisch-
byzantinische Raum ausgegrenzt bleiben von einem lateinischen Europa im
engeren Sinne des Mittelalters gegenüber dem größeren Europa der Antike.
Hier sind politisch-kulturelle Grenzen eingezeichnet, wie man das sonst aus
der mittelalterlichen Kartographie nicht kennt. Diese Hervorhebung ist von
Lambert selbst vorgenommen worden, wie die Legende ausweist. Schule hat
diese Karte nicht gemacht, keine der zahlreichen Lambert-Handschriften
enthält Kopien dieser Karte.

c. Die Brendanus-Karte

Nicht geklärt ist die Provenienz einer jüngst im Antiquariatshandel angebo-


tenen Weltkarte zur «Vita (Navigatio) Sancti Brandani abbatis». 19 Erhalten
ist nur ein einzelnes Blatt einer Handschrift aus dem ausgehenden 12. Jahr-
hundert mit dem Beginn des Textes auf der recto-Seite und der Karte auf der
verso-Seite von gleicher Hand. Die «Navigatio» stammt aus dem 10. Jahr-
hundert; ihr liegt eine Legende zugrunde, die mit dem irischen Abt Branda-
nus oder Brendanus des 6. Jahrhunderts in Verbindung gebracht wird. Die
Karte zeigt im Grundmuster die sogenannte Kugelkarte des Isidor von Sevil-
la, mit dem dieser im 6. Kapitel des 13. Buches seiner «Etymologiae» zum
Thema De mundo die Kugelgestalt nach Krates von Mallos bzw. Macrobius
erläutert und dann den originellen Versuch unternimmt, eine Kugel im Bild
anzudeuten, indem er den Standort des Betrachters einer gesüdeten Erdku-
gel etwa über dem nördlichen Polarkreis wählt und so die Klimagürtel sphä-
risch, nämlich in Bögen gestaltet. Die Ökumene ist auf diesen Karten als
kreisrunder Fleck der Kugel aufgeheftet und oben - d.i. im Süden - durch
die Legende Aeteopes, unten im Norden durch Riphei (montes) gekennzeich-

19
Dr.-Albert-Knoepfli-Stiftung kartographischer Dokumente, Museum Bischofszell/Thur-
gau, Pergamentblatt 21 x 16 cm; ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Das Weltbild des irischen
Seefahrer-Heiligen Brendan in der Sicht des 12. Jahrhunderts, in: Cartographica Helvetica 21,
2000 S. 17-21 (= o. S. 586-592), mit Farbtafel. - Abb. 3 (vgl. unten Tafel 31).
[17/18] X X X I I I . Descriptio T e r r a r u m 631

net. 20 Diese Karte aber deutet nicht nur die bewohnte und die unbewohnte,
sondern auch die jenseitige Welt an durch einen rechteckigen, mit einer Bor-
düre versehenen Teppich, der durch die Inschriften Geon, Fison, Eufrates
und Tigris als Paradies mit den nach Genesis 2,10-14 daraus hervorspru-
delnden Flüssen identifiziert ist, nämlich als Brendans Terra repromissionis
sanctorum, weil die Karte just vor diesem Textwort eingefügt ist. Das Para-
dies stößt nicht an die Ökumene und ist allenfalls dem Periökenkontinent
der Kugelrückseite zugeordnet; da der irische Abt bereits sieben Jahre gen
Westen gesegelt war, ehe er sein gelobtes Land erreichte, deutet diese Plazie-
rung die Raumvorstellung des Kartenzeichners vom Jenseits in Beziehung
zum Kosmos an.

3. Summenliteratur und Realitätserfassung im 13. J a h r h u n d e r t

Das 13. Jahrhundert ist das Säkulum der Summenliteratur; das gilt nicht nur
für Vincenz von Beauvais oder Thomas von Aquin, sondern auch für die
Kartographie durch die bis dahin nirgends belegten Großkarten; aus der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts stammen die Zeugnisse von Vercelli, Corn-
wall, Ebstorf und Hereford, die alle Kenntnisse zusammentragen. Vermut-
lich sind sie - für Hereford ist das heute gesichert21 - Kunstwerke zur Ver-
herrlichung Gottes, aber keineswegs für eine Verwendung im Alltag geplant
worden.
Im 13. Jahrhundert entstehen die großen Landrechtsbücher in Deutsch-
land. Für die Kurie - darüber werden wir noch hören - erstellt der Kardinal
Cencius Savelli um die Jahrhundertwende ein Einkünfte- und Besitzver-
zeichnis, dazu auch das Provinciale Romanum,22 das aber keineswegs eine
Karte der Kirchenprovinzen und Diözesen der Römischen Kirche liefert,
sondern eher eine Art Adreßbuch für kuriale Behörden wird. In dieser Ei-
genschaft von dem Dominikaner und kurialen Pönitentiar Martin von Trop-
pau benutzt, scheint dieser es den Handschriften seiner Papst-Kaiser-Chro-
nik beigeheftet zu haben, 23 um so den Raum anzudeuten, dem seine Chronik
galt.

20
Zu diesem Kartentyp eingehend VON DEN BRINCKEN, Fines (wie oben Anm. 5), S. 53 f. und
Taf. 13-15
21
Vgl. u.a. MARTIN BAYLEY, The mappa mundi Triptych: the full Story of the Hereford Ca-
thedral Panels, in: Apollo. The International Magazine of Arts, London,June 1993, S.374-378.
22
Benutzt in der Ausgabe von HENRY RICCHARDS LUARD, Additamenta zu Matthaeus Pari-
siensis, Chronica Maiora (RS 57,6), 1882, S.446-463.
23
Vgl. die Tabellen über die mit Martins Chronik in der Überlieferung verbundenen Werke
632 Studien z u r Universalkartographie [18/19]

a. Deutscher Alltag

Wie geht man in Köln ohne zuverlässige Maße und Vermessungstechnik im


Alltag vor, wenn man Raum exakt umschreiben will? Bei der Urkunde Stift
St. Aposteln 6 aus den Köln-Düsseldorfer Beständen des Kölner Stadtar-
chivs, undatiert und zwischen 1220 und 1240 eingeordnet, handelt es sich
um eine Schreinsnotel, Auszug aus den Kölner Schreinskarten von St. Mar-
tin. Strittig ist ein Aquädukt gen. Sü, d.i. ein Abwässerkanal zwischen ei-
nem St. Aposteln gehörigen Haus unter Hutmacher (am Heumarkt) und
dem Haus des Bran vamme Spegel und des Helperich: die Höhe dieser
Gosse reicht bis zu ihrer Oberfläche (gemeint ist offenbar die Höhe des je-
weiligen Inhalts), die Breite aber ist in der Schreinskarte und entsprechend
in der Schreinsnotel durch einen Strich angegeben. Sie beträgt exakt 19,4 cm
bei einem Urkundenformat von 11,4 x 23,2cm. Der Rechtsstreit wurde also
dadurch beendet, daß man das Originalmaß auf das Pergament übertrug. 25

b. Englischer Alltag

In England - das für diesen Zeitraum neben Deutschland vergleichend her-


angezogen sei - war man im Zeichnen von Regionalkarten und Plänen nach
der Wirklichkeit - nicht etwa Idealplänen als Bauvorlage - zweifellos tech-
nisch und intellektuell weiter, vom Mittelmeerraum in diesem Zusammen-
hang einmal vollständig abgesehen. England hatte eine weitgehend eigen-
ständige Kartographie mit vorzeigbaren Ergebnissen, da die isolierte seefah-
rende Nation darauf angewiesen war. 26 Die älteste topographische Karte aus

bei A N N A - D O R O T H E E VON DEN BRINCKEN, Studien z u r Überlieferung d e r C h r o n i k des Martin


von T r o p p a u (Erfahrungen mit einem massenhaft überlieferten historischen T e x t ) , in: D A E M
4 1 , 1985, S. 4 6 0 - 5 3 1 u n d 4 5 , 1989, S . 5 5 1 - 5 9 1 ; zum geographischen Weltbild M a r t i n s vgl. D I E S . ,
Geographisches Weltbild u n d Berichtshorizont in d e r P a p s t - K a i s e r - C h r o n i k d e s M a r t i n von
T r o p p a u O P , in: E x ipsis rerum documentis. Beiträge z u r Mediävistik, Festschr. f. H a r a l d Zim-
m e r m a n n z u m 6 5 . G e b u r t s t a g , hg. von KLAUS H E R B E R S , H A N S - H E N N I N G K O R T Ü M u n d CARLO
SERVATIUS, Sigmaringen 1991, S. lOOf. ( = o. S.412f.)
24
Vgl. zu diesem A q u ä d u k t und den Bedeutungen seines N a m e n s ROBERT HOF.NIGER, K ö l n e r
Schreinsurkunden d e s 12. J a h r h u n d e r t s 2,2 (Pubi. d. G e s . f. Rhein. G e s c h i c h t s k d e . I ) , 1884,
S. 313 f.
25
Vgl. z u r U r k u n d e s c h o n L E O N A R D E N N E N u n d G O T T F R I E D E C K E R T Z , Q u e l l e n zur Ge-
schichte d e r Stadt Köln 2, Köln 1863, N r . 186, S. 186, Anm. 1.
26
Beste Aufarbeitung des Komplexes Regionalkarten im Mittelalter bei P A U L D . A. HARVEY,
T h e H i s t o r y of T o p o g r a p h i c a l M a p s . Symbols, Pictures and Surveys, L o n d o n 1980.
[19/20] X X X I I I . Descriptio T e r r a r u m 633

England stammt aus der Zeit um 1160, betrifft die Kathedrale von Canter-
bury und ihre Klostergebäude und soll die baulichen Verbesserungen, insbe-
sondere im neuen Wasserleitungssystem (durch grüne und rote Linien her-
vorgehoben), verdeutlichen, die Prior Wibert verdankt werden. 27 Am Refek-
torium von Christchurch sind z.B. Fenster bezeichnet, durch die das Ge-
schirr für den Abwasch bzw. die Tabletts mit den Speisegängen gereicht
werden.
Erwähnenswert aus dem 13. Jahrhundert ist der Wasserversorgungsplan
der Abtei Waltham (Hertfordshire) durch die Quellen in Wormley, drei an
der Zahl, geleitet durch Rohre und zwei Tanks über drei Meilen Wegstrek-
ke. 28 Am Fuß des Kreuzes oben im Bild findet sich ein Richtungsweiser für
die Karte, der gen Osten - d.i. nach unten - zeigt. Die Karte gilt als erster
Beleg schlechthin für ein derartiges Orientierungszeichen. Vergleichbare
Pläne sind aus unseren Breiten nicht bekannt.

c. Matthaeus Parisiensis

Über diese beiden Karten hinaus soll noch ein bedeutender Kartograph des
13. Jahrhunderts aus England vorgestellt werden, dem auf dem Festland kein
vergleichbarer Maler an die Seite zu stellen ist, das ist Matthaeus Parisiensis,
berühmter englischer Historiograph in königlichem Auftrag in der Benedik-
tinerabtei St. Albans bei London, ")" 1259. Begabter Illuminator, stattete er
seine Schriften mit reicher Bebilderung aus. Insgesamt sind ihm wenigstens
vier Kartenentwürfe in zusammen 16 Exemplaren zuzuschreiben, an deren
Herstellung er wohl weitgehend persönlich beteiligt war. 29 Seine Weltkarte
wirkt dürftig im Vergleich zu anderen 30 und ist ausgesprochen europazen-
trisch angelegt. Im verkleinerten, fast leeren Asien finden sich nur Hinweise
auf andere Weltkarten des Matthaeus, und England sucht man vergebens.
Dafür hat er mit seiner England-Karte 31 eine genordete ,Landkarte' - oder
richtiger Inselkarte - vorgestellt, die nicht ihresgleichen hat auf dem Fest-

27
Cambridge, Trinity College, MS. R. 17.1, fol.284v-285r, nach PAUL D. A. HARVEY, Medi-
eval Maps. The British Library, London 1991, Abb. 10, S. 15.
28
London, British Library, MS. Harley 391, fol.6; Abb. nach HARVEY, Medieval Maps (wie
vorhergehd. Anm.), Abb. 76, S.94.
29
Vgl. hierzu insbes. RICHARD VAUGHAN, Matthew Paris (Cambridge Studies in Medieval Li-
fe and Thought, Ser. 11,6) Cambridge 1958, S. 235-250; VON DEN BRINCKEN, Kartographische
Quellen (wie oben Anm.4), S.61-65.
30
Cambridge, Corpus Christi College, MS 26, p.284; Abb. u.a. bei VON DEN BRINCKEN, Fines
(wie oben Anm. 5), Taf. 34, dazu Nachweise ebd. S. XXI, Nr. 45.
31
London, British Library, MS. Cott. Claud. D. VI., fol. 8v; vgl. zu anderen Handschriften
634 Studien zur Universalkartographie [20/21]

land. Die Vignetten am Rahmen der Karte verweisen immer auf das jeweils
dort angenommene Nachbarland und belegen, daß die Karte als Ausschnitt
aus einer Universalkarte zu verstehen ist. Einen Maßstab weist auch diese
Karte noch nicht auf, unterteilt das Land aber sehr genau durch die Flußsy-
steme und die künstlichen Wälle zwischen Schotten, Pikten und Angeln.
Von Norden nach Süden verläuft eine Städteabfolge, die durch doppelte
Einkästelung der Legenden besonders hervorgehoben ist und in Newcastle
beginnt, über Durham, Northallerton, Boroughbridge, Pontrefact, Donca-
ster, Blyth, Newark, Belvoir, Leicester, Northampton, Dunstable, St. Al-
bans, London, Rochester, Canterbury nach Dover führt und damit zugleich
ein innerenglisches Itinerar liefert zwischen Stationen, die jeweils um eine
Tagereise voneinander entfernt sind. Noch deutlicher wird die Itinerartech-
nik in dem Wegeführer von London nach Apulien.32 Die erste von gewöhn-
lich fünf in zwei Kolumnen beschrifteten Seiten ist von unten nach oben zu
lesen und vermeldet links die Tagesetappen von London nach Dover, rechts
von Calais oder Boulogne nach Beauvais. Itinerare kamen sicher aus römi-
scher Tradition und fanden für Pilgerwegbeschreibungen häufig Verwen-
dung, sind aber aus Deutschland zu jener Zeit nicht bekannt; schon gar
nicht gibt es künstlerisch vergleichbare Arbeiten.

d. Die Ebstorfer Weltkarte

Wenig jünger ist aber die sicherlich in Deutschland entstandene Ebstorfer


Weltkarte, 33 die berühmteste der mittelalterlichen Mappae mundi, die größte
und in der Ikonologie wohl eindrucksvollste aller mittelalterlichen Weltkar-
ten, schon wegen ihres Weltbildzeugnisses: Die Erde ist hier der Leib des
Gekreuzigten, dessen Hände und Füße mit den Nägelmalen am Rande des
Erdkreises sichtbar sind und dessen Haupt mit Kreuznimbus gewissermaßen
sogar das Paradies aus der Bildspitze verdrängt. Jerusalem im Kartenmittel-
punkt mit dem dem Grabe entsteigenden Christus zieht an zweiter Stelle die
Blicke des Betrachters an. Die heute verlorene Karte spricht nur noch durch
Reproduktionen zu uns, die nur bedingt über die ursprüngliche Farbgebung

VAUGHAN (wie oben Anm.29), S.241. - Abb. auch VON DEN BRINCKEN, Fines (wie oben Anm.5),
Taf. 35
32
London, British Library, MS Royal 14. C. VII., fol. 2, Abb. nach HARVEY, Medieval Maps
(wie oben Anm. 28) Frontispiece.
33
Beste Reproduktion von ERNST SOMMERBRODT, Die Ebstorfer Weltkarte. Im Auftrag des
Historischen Vereins für Niedersachsen hg. Hierbei ein Atlas von 25 Tafeln in Lichtdruck, Han-
nover 1891; auch KONRAD MILLER, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten 5, Stuttgart 1896.
[21/22] XXXIII. Descriptio Terrarum 635

informieren. Zweifellos spielen auf dieser ausgeprägten ,Land'-Karte - das


Mittelalter verteilte das Festland zu Wasser gern mit dem Vierten Esra-Buch
im Verhältnis sechs zu eins gemäß Sabbatvorstellungen - Gewässer nicht die
primäre Rolle, und es bleibt offen, ob sie der Begrenzung oder der Verbin-
dung dienen. Blickpunkte in der Jerusalem-Achse sind Babylon mit seinem
Turmbau und Rom, entsprechend dem hochmittelalterlichen Weltbild etwa
eines Otto von Freising. Auffällig ist auch die relativ geometrisch angelegte
Monstrengalerie im Süden am rechten Rand, die das Ende der bewohnten
Welt und die Terra incognita andeutet; entsprechend finden sich im Nord-
osten die Völker Gog und Magog und die eingeschlossenen Nationen, ähn-
lich aus vielen anderen Karten der Zeit bekannt.
Im Rahmen der Datierungsdiskussion - die Vortragende bekennt sich zu
den Spätdatierern, da ihr die äußeren Merkmale grundsätzlich als die
schwerer wiegenden erscheinen - ist vielfach nach den aktuellen Bezügen
Ausschau gehalten worden. 34 Zweifellos lassen sich in Mittel- und Nordeu-
ropa und ganz besonders in Deutschland Eigenheiten geltend machen, die
auf Ortskenntnis oder zumindest solide Spezialinformation deuten, etwa für
den Raum Braunschweig-Lüneburg oder ein wenig für die Reichenau, aber
demgegenüber auch z.B. für Sizilien. Wegweiserfunktionen hingegen sind
auf der Karte nicht auszumachen, sie wurde ja von Ferne betrachtet und war
schon durch ihre äußere Gestalt als Reisebegleiter undenkbar. Allenfalls
mochte sie sich für den Schulunterricht eignen - darauf könnten die Lehr-
texte in den vier Ecken deuten! -, aber kurzsichtig durften die Studierenden
nicht sein. Angesichts des Fehlens auch der geringsten Spur einer Benutzung
oder eines Echos hat diese Karte wohl Gott, aber nicht den Menschen ge-
dient.

e. Die Kolmarer «Descriptio Alsatiae» und «Descriptio Theutoniae»

In dieselbe oder die unmittelbar folgende Epoche gehört die erste Beschrei-
bung einer deutschen Landschaft und ,Deutschlands' mit der Feder schlecht-
hin, noch nicht mit dem Pinsel. Nach dem Interregnum ist das Raumdenken
in Deutschland offenbar handgreiflicher, auf Naheliegendes ausgerichtet ge-
worden. Im deutschen Südwesten als dem Umfeld der aufsteigenden Habs-
burger wird Historiographie besonders in Basel und Kolmar gepflegt. Aus

34
Vgl. HARTMUT KUGLER und ECKHARD MICHAEL, Ein Weltbild vor Columbus. Interdiszipli-
näres Colloquium 1988, Weinheim 1991; darin bes. ARMIN WOLF, S. 54-116; auch Diskussions-
bericht III, S. 315.
636 Studien zur Universalkartographie [22/23]

dem Kolmarer Dominikanerkloster stammen eine «Descriptio Alsatiae» und


eine «Descriptio Theutoniae». 35 Mit der Schilderung des Elsaß wird gewis-
sermaßen die Schauplatzbeschreibung zu den historischen Notizen geliefert.
Man erfährt, daß es ein locus in Teuthoniae partibus sei, 61 Meilen oder drei
Reisewochen vom Ozean entfernt, zu Alamania gehöre und auf dem 50.
nördlichen Breitengrad zu finden sei; Konstantinopel, eine Stadt Griechen-
lands, liege secundum mappam mundi östlich von Alsatia, Corduba westlich;
das Elsaß stoße an den Rhein. Theutonia, das auch Alamania, oder Germa-
nia genannt werde und nach dem Riesen Theuton heiße, 36 erstrecke sich
über 120 große oder 240 kleine Meilen bzw. vier Reisewochen von Utrecht
oder Lübeck am Meer bis zu den Alpen, die Deutschland von Italien oder
der Lombardei trennten, und ebensoweit reiche es von Freiburg im Üchtland
bis Wien. Vom Rhein ist die Rede, den zeitgenössischen Bischofsstädten
daran, von Metropolitansitzen, von geistlichen und weltlichen Amtsträgern
als Kurfürsten, wobei auch hier in der Geographie Bezug genommen ist ut in
mappa mundi depingitur. Dabei reicht das beschriebene Deutschland nur bis
zu den Alpen und ist nicht einmal mit dem deutschen regnum deckungs-
gleich, stellt aber eine politische Größe dar, die von den Kurfürsten getragen
wird, hat eine kirchliche Organisation und soll sehr menschenreich sein.
Hier zeichnet sich ein noch recht ambivalenter Deutschlandbegriff ab, der
zudem als Zeugnis singular bleibt und wohl nirgends rezipiert wurde. Er soll
aber jetzt hier den folgenden Betrachtungen über das Spätmittelalter zu-
grundegelegt werden.

4. Beharrung und Wandel im 15. J a h r h u n d e r t

Die Wende vom 13. zum H.Jahrhundert bringt dem Raumdenken im Mit-
telmeerraum mit den auf der Kompaßbenutzung basierenden Portolankarten
eine bedeutende Neuerung, die die Raumerfassung nicht nur auf dem Meer
mit Hilfe nautischer Instrumente umgestalten, sondern bald auch auf das
Festland übergreifen und daher zu zuverlässiger und detaillierter Wiederga-
be insbesondere der Küsten führen. Parallel dazu entstehen Isolarien und
kartographische Aufnahmen von Seen, so in Oberitalien schon im H.Jahr-
hundert. Deutschland wird davon wenig berührt, daher sei hier vom 14.

35
Sie stehen in der Stuttgarter Handschrift MS. Hist. 4° Nr. 145 aus dem 16. Jahrhundert
zwischen den Kolmarer Annalen und der Kolmarer Chronik und folgen dem Kapitel De rebus
Alsaticis ineuntis saeculi XIII, ed. PHILIPP JAFFE, MGH SS 17,1861, S. 237-239.
36
Vgl. hierzu JOACHIM LEUSCHNER, Deutschland im späten Mittelalter (Deutsche Geschichte
3, Kl. Vandenhoeck-Reihe 1410), 1975, S. 12 f.
[23] XXXIII. Descriptio Terrarum 637

Jahrhundert abgesehen und gleich zum Reichtum des 15. Jahrhunderts über-
gegangen.
Die Übersetzung der «Geographike Hyphegesis», „Anleitung zum Kar-
tenzeichnen", durch Giacomo Angeli da Scarperia 1406 ins Lateinische, lei-
tet die Ptolemäus-Renaissance ein. Dieses wichtige Ereignis zeitigte aber erst
im Zeitalter der Druckkunst Breitenwirkung und wurde keineswegs allent-
halben als der große Durchbruch gefeiert. Eine Blütenlese zunächst an Welt-
karten, dann an Regionalkarten soll das verdeutlichen:

a. Handschriftliche runde Weltkarten

Der burgundischen Malschule zuzuordnen - und damit ist sie ein Produkt
deutsch-französischer Kultur - ist eine ästhetisch bestechende Ökumene-
Darstellung, die Simon Marmion noch um 1455 seiner Illuminierung der
«Fleur des Histoires» des Jean Mansel beifügte. Der Maler beruft sich für
seine in Fleuron-Bordüren eingebettete Karte auf Isidor und seine Etymolo-
gien. Er liefert eine geostete T-Karte, umgeben innen von feinen farbigen
Wolken und außen von einem Sternenhimmel mit Goldsternen. Das Raum-
bewußtsein ist ausgeklammert. Oben erscheint Asien mit dem Berg Ararat
und der Arche Noe darauf, im Vordergrund steht Sem als der Stammvater
dieses Kontinents, neben ihm sieht man zu beiden Seiten je eine Stadt, bei
denen es sich laut Inschrift um Ninive bzw. um Nazareth handelt. In den un-
teren Vierteln stehen Japhet und Cham vor charakteristischen Städten ihres
Kontinents, die in Europa als Mainz und in Afrika als Athen [!] ausgewiesen
sind; alle diese Städte sehen eher nach Mainz oder Nürnberg aus und zeigen
einfach eine Phantasie-Ökumene mit ausnahmslos schönen Seiten. Von Pto-
lemäus-Renaissance gibt es nicht die Spur.
In dieser Hinsicht gilt die aus der Palatina im Vatikan erhaltene Karte des
Salzburger Benediktiners Andreas Walsperger aus Konstanz von 1448 als
wesentlich fortschrittlicher. 38 Überformatig angelegt, ist sie gesüdet. Jerusa-
lem scheint leicht aus dem Weltmittelpunkt nach Süden verschoben, aber
links im Osten beherrscht ein prächtig befestigtes Paradies das Bild. Rechts
sind die sieben Klimata im Meer ausgezeichnet, wie überhaupt die Kunde

37
Brüssel, Bibl. Roy., MS. 9231 fol.281v; vgl. MARCEL DESTOMBES, Mappemondes A.D.
1200-1500 (Monumenta Cartographica Verustioris Aevi I), sect. 51, 1 S. 179; Abb. ebd. pi. X /
XX. - Abb. 4 (vgl. unten Tafel 68).
38
MS Vat. Pal. Lat. 1362 b; vgl. DESTOMBES (wie oben Anm.37), sect. 52, 10, S.212-214;
KONRAD KRETSCHMER, Eine neue mittelalterliche Weltkarte der vatikanischen Bibliothek, in: Zs.
d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin 26, 1891, S. 371-406, mit Tafel. - Abb. 5 (vgl. unten Tafel 65).
638 Studien zur Universalkartographie [23/24]

vom Kosmos einbezogen ist. Unten im Norden ist auf die Kosmographie des
Ptolemäus Bezug genommen, auch die Farbgebung der Karte und die Benut-
zung ihrer Meilenskala zwecks Bestimmens der Entfernungen ist erläutert.
Die deutsche Meile wird mit 10000 Schritt zu je zwei Fuß angegeben. Mittel-
europa weist neben gelungenen Flußläufen natürlich die weitaus meisten
Siedlungssymbole auf, zumeist bezeichnen sie zeitgenössische Bischofssitze,
aber in Kleinasien fehlt natürlich Troja nicht. Rote Punkte benennen christli-
che, schwarze heidnische Orte. Die Küstenlinien weisen längst nicht die Ex-
aktheit der Portolankarten auf. Dafür gibt es bisweilen reizvolle und maleri-
sche Stadtvignetten, und selbst der Menschenfresser fehlt im Nordosten
nicht. Die Karte gilt als einer der raren Belege für die Ausstrahlung der soge-
nannten Wien-Klosterneuburger Kartographenschule, 39 die von Ptolemäus
geprägt, eine mathematisch-physikalische Darstellung zum Ziel hatte, hier
angereichert durch Relikte einer Kulturgeographie. Ansätze zur Vermessung
kommen von Ptolemäus, andererseits ist das Kartenbild noch recht weit ent-
fernt vom ptolemäischen Schema. So ist etwa der Indische Ozean noch nicht
als Binnenmeer mißverstanden.
Die Rundkarte aus einer Zeitzer Ptolemäus-Handschrift von ca. 147040
steht der Walsperger-Karte sehr nahe und schöpft vielleicht aus demselben
österreichischen Kartenfonds. Sie ist freilich weniger aufwendig gestaltet
und geht nicht nur im Süden, sondern auch im Norden mit dem Festland an
den Rand der Erde. Jerusalem ist wieder exakt in der Mitte, der Osten so be-
schnitten, daß man die Existenz des Paradieses nicht nachprüfen kann.
Flußläufe und Siedlungen entsprechen sich weitgehend.
Um dieselbe Zeit machte man es sich in Köln mit der Darstellung der
Ökumene, die man als Rahmen seiner reichsstädtischen Interessen zu schät-
zen wußte, wesentlich einfacher: Heinrich van Beeck, Autor der als «Agrip-
pina» bekannten, bis dato noch unedierten Stadtchronik, brachte 1472 hier
eine Weltkartenskizze ein, die die bewohnte Welt im TO-Schema wieder-
gibt.4 Sie steht bei den Ausführungen über frühe Stadtgründungen im

39
Vgl. DANA BENNETT DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Coipus of the Fifteenth
Century. A Study in the Transition from Medieval to Modern Science, Leiden 1952.
40
Zeitz, Stiftsbibliothek, MS. Lat. Hist. Fol. 497, Ptolemäus, fol.48; Abb. bei LEO BAGROW
und R. A. SKELTON, Meister der Kartographie, Berlin 1963, Tafel XLVII, S. 374; Reproduktion
und Erläuterung bei WERNER KREUER (Bearb.), Monumenta Cartographica, Tabulae Mundi,
Kartographische Denkmäler - ein Triumph über die Zeit, Tab. VIII, Gotha: Klett-Perthes
1997-1999. - Abb. 6 (vgl. unten Tafel 69).
41
Historisches Archiv der Stadt Köln, Chron. u. Darst. Nr. 19-23; es handelt sich um das
Autograph und vier wenig jüngere kalligraphische Versionen mit Illuminationen. Abb. aus
MS. 20 fol. 9; dazu zuletzt ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Köln, das Reich und die Öku-
mene (800-1475), in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters, Festschr. f.
[24/25] X X X I I I . Descriptio T e r r a r u m 639

Reich, insbesondere Triers durch Trebeta, Stiefsohn der Semiramis, und da-
mit der ältesten Stadt, von der aus die übrigen als Ableger begründet wur-
den, die sich dann schnell zu befreien wußten. Im Bild erscheint nach dem
Paradies von Asien nur Babilon und Jerusalem, in Afrika gar keine Siedlung,
in Europa Basel, Straßburg, Trier, Mainz und Köln, in manchen Hand-
schriften auch Worms, nicht aber Rom. Schon Simon Mannion wertete
Mainz als Repräsentantin Europas. Die Namensformen auf der Karte sind
übrigens deutsch. Kölns Raumbewußtsein stellte seinen Platz mitten im Kon-
zert rheinischer Reichsstädte heraus.

b. Frühdruck-Karten

Die Frühdrucktechnik war nicht dazu angetan, das Bild von Karten zu ver-
feinern. Abgesehen von den Schemakarten, die zuerst in Holzschnitt-Tech-
nik wiedergeben sind, steht am Anfang die Weltkarte zum «Rudimentum
Novitioram» von 1475, einer Lübecker Geschichtssumma aus dem Minori-
tenkloster. 42 Die Weltkarte hat mit der Karte des Heiligen Landes im glei-
chen Werk gemeinsam, daß Länder bzw. Provinzen wie Berge dicht ge-
drängt in einem See schwimmen. Ihre Schablonenform, bedingt durch die
Holzschnitt-Technik, wirkt aber recht grotesk, ebenso erklärt sich die Ver-
ballhornung bei den Legenden aus technischer Unbeholfenheit. Weder Kü-
sten noch Grenzen zeigen hier Übereinstimmung mit der Wirklichkeit; eher
betonen die Schablonenreihen den Inventarcharakter. Da wird z. B. die Le-
gende Nicomedia doppelt verwendet für unterschiedliche Schablonen einmal
in Nordafrika und doch nahe Alimania und einmal zwischen Rom und Apu-
lien. Selbst dem Schulwesen war mit einer solchen Karte nur bedingt gedient,
denn sie hatte mit Raumbewußtsein nichts zu tun, half allenfalls als Ge-
dächtnishilfe beim Auswendiglernen von Namen.

ODILO ENGELS, hg. von HANNA VOLLRATH und STEFAN WEINFURTER (Kölner Histor. Abhh. 39),
Köln/Weimar/Wien 1993, S.713-717 ( = o. S.455-460); die Agrippina edierte jüngst ROBERT
MEIER, Heinrich van Beeck und seine «Agrippina». Ein Beitrag zur Kölner Chronistik des 15.
Jahrhunderts. Mit einer Textdokumentation (Kölner Historische Abhandlungen 41), Köln/Wei-
mar/Wien 1998. - Abb. 7 (vgl. unten Tafel 70).
42
Als Drucker des anonymen Werkes ist im Kolophon Lucas Brandis de Schaß genannt; vgl.
zur Karte ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Universalkartographie und geographische
Schulkenntnisse im Inkunabelzeitalter (Unter besonderer Berücksichtigung des «Rudimentum
Novitiorum» und Hartmann Schedels), in: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten
Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung
der Kultur des Spätmittelalters 1978-1981. Abhh. Ak. Wiss. Göttingen, phil.-hist. Kl. III. Folge
137, 1983, S. 400-411 ( = o. S. 266-277). - Abb. 8 (vgl. unten Tafel 71).
640 Studien zur Universalkartographie [25/26]

Demgegenüber hat die nächste bekannte ausführlichere Früh druck-Karte


mehr zu bieten, die Karte des Nürnberger Arztes und Humanisten Hart-
mann Schedel (1440-1514) aus seinem 1493 lateinisch und deutsch erschie-
nenen «Liber chronicaram». Er hatte in Leipzig und Padua studiert und war
ein leidenschaftlicher Sammler von Büchern, Globen und astronomischem
Gerät. Hauptquellen seiner mit Holzschnitten von Hans Pleydenwurff und
Michael Wohlgemut ausgestatteten Weltchronik sind neben Giacomo Filip-
po Foresti von Bergamo Humanisten wie Biondo, Platina und Enea Silvio
de'Piccolomini. Die Weltkarte hat die typische ptolemäische Form, wie sie
schon seit der Vatikanischen Mela-Karte im handschriftlichen Bereich be-
kannt war, aber erst durch den Buchdruck Verbreitung fand, nachdem Pto-
lemäus erstmals 1477 und 1482 in der prachtvollen Ulmer Ausgabe im Druck
erschienen war, nämlich die Form des ausgebreiteten Mantels. Sie zeigt die
Ökumene ab Nordeuropa und Nordasien bis ein wenig über den Äquator
hinaus. Sie ist genordet, Jerasalem liegt nicht mehr im Mittelpunkt, das Pa-
radies fehlt gänzlich. Europa ist im Verhältnis zu Asien klein geworden,
weist aber mit Abstand die meisten Legenden auf. Angesichts der noch etwas
unbeholfenen Holzschnitt-Technik ist auch diese Karte in ihren Küstenli-
nien alles andere als überzeugend, wenn auch das Festland zu einem Block
geworden ist im Gegensatz zu den Bergen im «Rudimentum». Von unserem
Raum wird nur Saxonia benannt. 43 Humanistisches Selbstverständnis ist hier
im Bild nicht auszumachen, sehr viel eher bei den Städtevignetten, die im
Gegensatz zu Foresti schon ein wenig an Individualität gewinnen.
Textlich bietet da Schedel mehr, denn im Anschluß an seine eigentliche
Chronographie findet sich nach Kapiteln über Polen, Lübeck und Neiße in
Schlesien des Enea Silvio de'Piccolomini Schrift «In Europam», eine Art
Kulturgeographie. Am Ende liefert Schedel eine Deutschland- - oder richti-
ger - Mitteleuropa-Karte, die er seinem Nürnberger Arztkollegen Hierony-
mus Münzer (1437-1508) verdankte. Bei dieser durch Schedel verbreiteten
Karte handelt es sich um eine Variante der Karte des Nikolaus von Kues.
Nürnberg scheint an der Wende zur Neuzeit das herausragendste geogra-
phische Bewußtsein entwickelt zu haben, denn neben Schedel und Münzer
bringt 1492 Martin Behaim (1459-1504 ca.) seinen Globus heraus, der auf
Erfahrungen im afrikanischen Raum durch Teilnahme an Portugiesenfahr-
ten basierte. 44 Neben dem noch zu würdigenden Erhard Etzlaub wirkte hier

43
Die Weltkarte hat ihren Platz hinter der Sintflut bei der Aufteilung der Erde unter die
Noe-Söhne, d. i. fol. XIIv-XIII in den Drucken und Reprints der zuerst bei Anton Koberger ge-
druckten Weltgeschichte, dt. Ausgabe. - Abb. 9 (vgl. unten Tafel 74).
44
Vgl. dazu: Focus Behaim Globus. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, hg. von GER-
HARD BOTT, T. 1: Aufsätze, T. 2: Katalog, Nürnberg 1992.
[26/27] XXXIII. Descriptio Terrarum 641

auch Hanns Rüst oder Rist; er schuf die erste deutschsprachige Weltkarte
detaillierteren Charakters, allerdings auch wiederum ein typisches Produkt
der Holzschnitt-Technik, das nicht dazu angetan ist, das geographische Be-
wußtsein jener Zeit offenzulegen, allenfalls sein Vorhandensein zu bezeugen.
Die Karte wurde von dem Nürnberger Briefmaler Hanns Sporer ergänzt und
um 1500 herausgebracht: „Das ist die mapa mundi unde alle land unde ku-
nigkreich wie sie ligend in der gantzen weit" 45 Die Teile sind offenbar bis-
weilen durcheinander geraten, auch gibt es viele Druckfehler bei den Legen-
den. Aber oben erscheint das Paradies, in der Mitte Jerusalem, dazwischen
Babilon; das Persische Reich liegt im Nordosten, das Makedonische süd-
westlich von Jerasalem, Rom im Nordwesten; dazu gibt es Schablonen von
jeder Menge Fabelwesen und Fabelländern, von Gog und Magog angefan-
gen.

c. Henricus Martellus Germanus

Mit den Leistungen südlich der Alpen hielt man schwerlich Schritt, und so
wirkte der fortschrittsorientierte deutsche Kartograph Heinrich Hammer
bei Francesco Rosselli (1447-1513 ca.) in Florenz, einem Kartographen und
Kupferstecher, zugleich Inhaber des ersten Kartengeschäftes, von dem man
weiß: Es handelt sich hierbei um Henricus Martellus Germanus, der Latein
für seine Karten verwandte und vermutlich seinen Namen in Humanistenma-
nier latinisierte. Er ist zwischen 1480 und 1496 in Florenz und Rom nach-
weisbar, erstellte eine Ptolemäus-Abschrift, deren vorgegebenen 27 Karten
er 13 weitere hinzufügte, u.a. eine Deutschland-Karte nach Nikolaus von
Kues. Außerdem sind von seinem Inselwerk drei Handschriften erhalten,
endlich von seiner Weltkarte von 1489 drei handschriftliche und eine ge-
druckte Version. 46 In ihnen beweist er ausgezeichnete Kenntnisse über die
Umrandung der Südspitze Afrikas durch Bartolomeu Diaz, der vom Sturm
bis Südostafrika getrieben, wegen Meuterei an der Entdeckung des Seeweges
nach Indien gehindert wurde. Die Weltkarte des Martellus, hier gezeigt in
der Londoner Version, 47 ist oval und hat damit nicht die Form der Ptole-

45
Beschreibung nach BAGROW-SKELTON, (wie oben Anm.40), Tafel LI, S.378. - Abb. 10 (vgl.
unten Tafel 75).
46
Vgl. über ihn ausführlicher PAUL GALLEZ, Das Geheimnis des Drachenschwanzes. Die
Kenntnis Amerikas vor Kolumbus, dt. Berlin 1980, u. a. S. 67-78.
47
London, British Library, MS. Add. 15760, fol.68v-69; vgl. DESTOMBES (wie oben
Anm.37), sect. 52, 17, S.229-234; Reproduktion und Erläuterung bei KREUER, wie oben
Anm.40, Tab. II. - Abb. 11 (vgl. unten Tafel 72).
642 Studien zur Universalkartographie [27/28]

mäus-Karte. Das Festland der drei bekannten Kontinente ist vom Welten-
ozean umgeben, Asien nimmt natürlich weit mehr als die rechte Hälfte des
genordeten Landblockes ein. Auffällig ist in Europa ein halbinselförmiges
Skandinavien, das nur an einer schmalen Landbrücke hängt, nördlich davon
ein ebenso geformtes Grönland. Afrika ist mit einer Unzahl Ortsnamen an
der Westküste und im südlichen Abschnitt der Ostküste beschriftet. Zwei
große Vignetten im Atlantik nennen die Portugiesen als Informanten, 48 be-
richten vor allem von Diogo Cäo. Das Kap der Guten Hoffnung heißt hier
übrigens cavo desperanza. Der Indische Ozean ist kein Binnenmeer; Rotes
Meer und Persischer Golf sind kundig gestaltet. Der Schweif im Süden In-
diens mit dem Land des hl. Thomas und dem Ort Cattigara aus den Ptole-
mäus-Karten hat noch jüngst zu abenteuerlichen Deutungen in der For-
schung als einer Vorwegnahme der Kartographie Südamerikas 49 angeregt.

d. Die ,Deutschland-Darstellung' und die Cusanus-Karte

Als früher Schöpfer einer Deutschland-Karte wird häufig der Kardinal Ni-
kolaus von Kues genannt. Seine Karte ist im Original wie in Abschriften ver-
loren. Nikolaus Cryfftz aus dem Moselort Kues ist studienhalber viel herum-
gekommen und hat eifrig Handschriften gesammelt. Dazu gehörte auch eine
Ptolemäus-Handschrift. Hier hat er offenbar Mitteleuropa bzw. das Reichs-
gebiet neubearbeitet. Die kartographischen Ableitungen stellen das Rhein-
Mosel-Gebiet ebenso wie Brixen heraus, so daß die Abfassung der Karte ge-
meinhin um 1454 angesetzt wird, nachdem der Kardinal (seit 1448) und Bi-
schof von Brixen (seit 1450) seine Legationsreisen durch Deutschland unter-
nommen hatte. Die Zeugnisse der Karten sind in zwei Traditionssträngen
greifbar,50 einmal 1485 handschriftlich unter den 13 neuen Karten des Hen-
ricus Martellus Germanus zu Ptolemäus nachzuweisen und zum anderen auf
der Grundlage einer Kupferstichplatte bezeugt, die sich im Besitz Peutingers

48
Hec est vera forma moderna Affrice secundum descriptionem Portugalensium inter mare Medi-
terraneum et Oceanum meridionalem. Ad hunc usque montem, qui vocatur niger, pervenit classis se-
cundum regis Portugalie, cuius classis perfectus [!] erat Diegus Canus, qui in memoriam rei erexit co-
lumnam marmoream cum crucis insigne, et ultra processit usque ad Serram Pardam, que distal ab
monte nigra mille miliaria, et hie moritur.
49
Vgl. GALLEZ (wie oben Anm. 46).
50
Vgl. allgemein u.a. BAGROW-SKELTON (wie oben Anm.40), S.215f. und 512 auf älterem
Stand, neuere Diskussion u.a. bei PETER H. MEURER, Zur Systematik der Cusanus-Karten.
Überlegungen aus der Sicht der rheinischen Landeskunde, in: Kartographische Nachrichten 33,
1983, S. 218-225; hier ist die ältere Unterscheidung in Typen nach dem Blattschnitt in Frage ge-
stellt.
[28] XXXIII. Descriptio Terrarum 643

befand und die zuerst 1491 in Eichstätt gedruckt wurde; ihre Form als «Ta-
bula Nova» wird der Bearbeitung durch den deutschstämmigen Benediktiner
Nikolaus Germanus für eine Ptolemäus-Ausgabe von 1478 zugeschrieben.
Diese Version51 genießt auch wegen ihrer ptolemäischen Trapezform hohen
Zeugniswert, obwohl viele Legenden rheinisch-moselländischer Orte hier
nur in Signatur erscheinen.
Die Karte ist das frühe Zeugnis für ein spezielles Interesse an Mitteleuropa
aus praktischen Erwägungen und besticht in ihrer sinnvollen Kombination
mit humanistischen Kenntnissen, was nicht mit nationalen Ambitionen zu
verwechseln ist. In diesem Sinne schuf der Kusaner wohl die erste Tandkar-
te' unseres Lebensraumes.

e. Die Repräsentation von Städten

Flächenmaße für Ackerland orientierten sich an der zu leistenden Arbeit


oder an dem Ertrag, und die Größe war von unterschiedlichen Bodenquali-
täten abhängig; auf dem engen Siedlungsraum in befestigten Städten aber
hat man früh Grenzen eindeutig abstecken müssen. Diese werden jedoch of-
fensichtlich nur mit Worten beschrieben, wie die Kölner Schreinsbücher zei-
gen. Es scheint keine frühe Tradition für ein anderes Vorgehen gegeben zu
haben, von Grundkarten kann nirgends die Rede sein. Auch das ändert sich
radikal erst nach 1500, zuvor gibt es bescheidene Zeugnisse von Stadtplänen
vor allem im H.Jahrhundert in Italien, in Deutschland fast gar nicht. 52 Na-
türlich kennt man seit dem 7. Jahrhundert schematische Zeichnungen der
heiligen Stätten in Jerusalem, seit der Kreuzzugszeit stark stilisierte Stadt-
pläne der heiligen Stadt. Ebenso spielt das Rombild eine Rolle, unter ande-
rem stilisiert auf kaiserlichen Siegeln. Zumindest seit Lothar III. weist das
Rom der Kaiserbullen Andeutungen von charakteristischen Bauten auf, seit
Ludwig dem Bayern auch Ähnlichkeit mit einer Stadtvignette aus der Vogel-
perspektive. 53

51
Abbildung nach BAGROW-SKELTON (wie oben Anm.40), Tafel LXXII, S.399. - Abb. 12
(vgl. unten Tafel 73).
52
Vgl. PAUL D. A. HARVEY, Topographical Maps (wie oben Anm.26), p.66-103; DERS., Local
and Regional Cartography in Medieval Europe, in: The History of Cartography, Vol. 1: Carto-
graphy in Prehistoric, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean, ed. by J. B. HAR-
VEY and DAVID WOODWARD, Chicago/London 1987, S. 464-501.
53
Vgl. dazu Handbücher über Siegelkunde und speziell WILHELM ERBEN, Rombilder auf kai-
serlichen und päpstlichen Siegeln des Mittelalters (Veröfftlgn. des Historischen Seminars der
Universität Graz 7), Graz/Wien/Leipzig 1931.
644 Studien z u r Universalkartographie [29]

Als erste maßstaborientierte Lokalkarte bzw. Stadtplan gilt ein solcher


von Wien mit Preßburg, heute erhalten in einer Abschrift aus der Mitte oder
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Historischen Museum der Stadt
Wien. 54 Wegen der Kombination mit einem Plan von Preßburg brachte man
ihn mit König Albrecht IL in Verbindung, der in Preßburg residierte; die
Vorlage des heute verfügbaren Planes wird gewöhnlich bereits in die Zeit
1421/22 datiert, da in dieser Zeit Wien mit Preßburg durch die Eheschlie-
ßung von Elisabeth, der Tochter Kaiser Sigismunds, mit dem Habsburger
und nachmaligen König Albrecht enger verbunden wurde. Der Plan mißt ca.
58 x 40cm. Bemerkenswert ist der Maßstab rechts unten, der mit Schritten
arbeitet. Man hat an eine Verbindung mit der Wien-Klosterneuburger Kar-
tenschule um Johannes von Gmunden gedacht; wahrscheinlicher ist es, daß
man italienischen Vorbildern folgte. Es dauert lange, bis man auf diesem
Sektor Fortschritte in Richtung Stadtplan als -führer machte. Die Stadtvi-
gnetten der Frühdrackzeit, auch bei Schedel, sind noch nicht sonderlich ty-
pisch und wirken wohl durch die Holzschnitt-Technik in ihrem Informati-
onswert eher eingeschränkt. Erst mit Erhard Etzlaub tritt hier eine Wende
zu maßstabgerechten Regionalplänen in Deutschland ein.

5. An der Wende des Mittelalters: Erhard Etzlaub

Der einzige Vorzeigekartograph, der wirklich im Zusammenhang mit deut-


schen Landkarten zu nennen wäre, nämlich Erhard Etzlaub, wirkte just an
der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Zwar fällt seine Lebenszeit noch
mehrheitlich ins 15., seine Schaffenszeit aber ins 16. Jahrhundert. Geboren
etwa um 1460 in Erfurt, erwarb er 1484 das Nürnberger Bürgerrecht und
ließ sich damit in der wirtschaftlich florierendsten und damals wohl attrak-
tivsten Stadt Deutschlands nieder, die gerade in den folgenden Jahrzehnten
beachtliche Beiträge zur Kartographie leistete durch die Ärzte Hieronymus
Münzer und Hartmann Schedel, auch Rüst und vor allem Behaim wären zu
erwähnen. Etzlaub betrieb in Nürnberg die Herstellung von Taschensonnen-
uhren, die zwecks leichterer Benutzung zudem mit einem Kompaß ausge-
stattet waren. Seit 1515 praktizierte er auch als Arzt, er verstarb 1532.

54
I. N. 31.018; behandelt und abgebildet bei PAUL D. A. HARVEY, Topographical Maps (wie
oben Anm.26), S.80f. und Anm.48, S.473f.; eingehender behandelt von MAX KRATOCHWILL,
Zur Frage der Echtheit des «Albertinischen Planes» von Wien, in: Jahrbuch des Vereins für Ge-
schichte der Stadt Wien 29, 1973, S.7-36. -Abb.13 (vgl. unten Tafel 64).
[29/30] XXXIII. Descriptio Terrarum 645

Aus dem Jahre 1492 ist seine erste Karte erhalten, nämlich eine Karte von
Nürnberg und seiner Umgebung. 55 Im Zentrum der ursprünglich gesüdeten,
in der hier gezeigten Fassung genordeten Karte liegt Nürnberg, und im Ra-
dius von ursprünglich 16, später auch 25 deutschen Meilen (die Meile um
7,5 km) sind die Städte des Umfeldes eingezeichnet samt den Straßen, sofern
solche dorthin führen. Unten ist ein Meilenmesser angebracht und der Hin-
weis auf den Zirkel gegeben, mit dem man die Entfernungen bestimmen und
umrechnen kann.
Die berühmte gesüdete Romweg-Karte entstand wohl als Pilgerhilfsmittel
für das heilige Jahr 1500;56 sie wurde bisweilen als Deutschland-, richtiger
als Mitteleuropa-Karte bezeichnet. Sie geht im Süden bis Neapel, im Norden
bis Kopenhagen und Edinburgh, im Osten bis Ofen und Marienburg, im
Westen bis Narbonne und Brügge. Unten findet sich eine Benutzungsanwei-
sung mit Meilenmesser und Hinweis auf den Zirkel sowie die Kompaßbenut-
zung. Wiederam sind die Straßen mit den Meilenmaßen eingetragen, natür-
lich viele jeweils mögliche Straßen. Auch die Gebirge - z. B. Böhmen ist wie
eine Festung abgeschottet - sind deutlich mitsamt ihren Übergängen kennt-
lich gemacht.
Nur ein Jahr später erschien die daraus abgeleitete Karte der Landstraßen
durch das Römische Reich, 57 die nur im Westen weiter ausgreift und dann
als Reichskarte durchgehen mag. Zu just dieser Karte komponierte Johannes
Cochlaeus, Vorsteher der Schule von St. Lorenz in Nürnberg, 1512 eine
«Brevis Germaniae Descriptio», die als erste Geographie Deutschlands
gilt.58
Außerdem sind zwei Elfenbeinkästchen von 1511 und 1513 zu Kompaß-
sonnenuhren erhalten; in ihren Deckeln finden sich trapezförmige gesüdete,
bis zum Äquator reichende Weltkarten, die in der Angabe der Breitengrade
schon die Mercator-Projektion vorwegnehmen, wie die sich verbreiternde
Gradnotation am Rand belegt.59 Hier hat ein bürgerlicher Handwerksmei-
ster ohne Studium die Initiative ergriffen und seinen Verstand für die Erstel-

55
Abb. bei HARVEY (wie oben Anm.26), S. 149. - Abb. 14 (vgl. unten Tafel 76).
56
Eingehend behandelt von HERBERT KRÜGER, Des Nürnberger Meisters Erhard Etzlaub äl-
teste Straßenkarten von Deutschland, in: Jahrbuch f. fränkische Landesforschung 18, 1958,
S. 1-286; Zu Etzlaub u.a. FRITZ SCHNELBÖGL, Life and Work of the Nuremberg Cartographer
Erhard Etzlaub (t 1532), in: Imago Mundi 20, 1966, S. 11-26; Abb. auch in allen Handbüchern
zur Kartographiegeschichte. - Abb. 15 (vgl. unten Tafel 77).
57
Abb. wie vorhergehende Anmerkung - Abb. 16 (vgl. unten Tafel 78).
58
Zugänglich in der zweisprachigen Edition von KARL LANGOSCH, FStGA Neuzeit 1, Darm-
stadt 1969; im IV. Buch handelt Cochlaeus von Nürnberg als dem Zentrum Deutschlands; das
33. Kapitel (S. 90) ist dem Künstler Erhard Etzlaub ebd. gewidmet.
59
Abb. bei BAGROW-SKELTON (wie oben Anm.40), S.219.
646 Studien zur Universalkartographie [30]

lung von Wege- und Regional- wie Weltkarten eingesetzt, um eine Markt-
lücke zu füllen. Auf der Grundlage einer soliden Vermessungstechnik ließ er
die bislang gültigen Warnungen vor einem Verändern von Kartenbildern 60
aus Furcht vor einer möglichen Verfälschung außer acht und setzte sich über
den in der Kartographie herrschenden extremen Konservativismus hinweg.
Er steht damit an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit und soll als
Symbolfigur den Rundgang durch die Zeugnisse zum Raumbewußtsein im
späteren deutschen Mittelalter beenden.

60
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Quod non vicietur pictura. Die Sorge um das
rechte Bild in der Kartographie, in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der
Monumenta Germaniae Historica, München, 16.-19. September 1986, Teil 1 (Schriften d.
MGH 33,1), S.587-599 (= o. S.311-323).
XXXIV. Herausragende Plätze
der antiken Geschichte
im Bild der mittelalterlichen Ökumene-Karte
(9. bis beginnendes H.Jahrhundert)

Vorbemerkung

Die Aufgabe, Rom in der mittelalterlichen Kartographie im Rahmen einer


Tagung über das Erbe des antiken Rom in der ,Respublica Christiana' des 9.
bis 13. Jahrhunderts 1 aufzuspüren, forderte zur Behandlung anderer Plätze
der Antike im Vergleich heraus. Das Material für Rom war vor 1300 keines-
wegs so reichhaltig wie erhofft. Stadtpläne fehlen noch weitgehend, und im
Rahmen der Universalkartographie werden auch bedeutende Siedlungen nur
mit mehr oder minder stereotypen Symbolen angedeutet, die interpretiert
sein wollen. Die Suche nach ihrer Bedeutung hat die folgenden Überlegun-
gen angeregt. Rom bleibt daher hier ausgeklammert, desgleichen verdiente
Jerusalem 2 mitsamt den Plätzen des Heiligen Landes eine eigene Untersu-
chung.

Einleitung

Da man vor 100 Jahren die in ihrer Qualität sehr umstrittene mittelalterliche
Kartographie vor allem studierte, um aus ihr eine verlorene antike römische
Kartographie zu rekonstruieren, 3 liegt die Annahme auf der Hand, daß die
mappa mundi des Mittelalters von der antiken abstammt und man die römi-
sche Kartographie nach Plätzen der Alten Geschichte befragen muß. Da

1
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Roma nella cartografia medievale (secoli IX-XIII),
in: Roma antica nel Medioevo. Miti, rappresentazioni, sopravvivenze nella «Respublica Chri-
stiana» dei secoli IX-XIII. Atti della quattordicesima Settimana internazionale di Studio, Men-
dola 24-28 agosto 1998, Milano, Vita e Pensiero 2001, pp. 209-229 (= o. S. 593-611), XVI tav.
2
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Jerusalem on medieval mappaemundi: a site both his-
torical and eschatological, in: The Hereford World Map: Medieval World Maps and their Con-
text, ed. by P. D. A. Harvey, London, British Museum Library, 2006, S. 355-379 ( = u. S.683-
703).
3
Vgl. KONRAD MILLER, Mappae Mundi. Die ältesten Weltkarten. Bd. 1-6, Stuttgart 1895-98.
648 Studien zur Universalkartographie [23/24]

man aber so gut wie keine Originale aus der Antike besitzt, ist nicht ohne
Grund jüngst die Existenz einer angeblich hochrangigen klassischen Karto-
graphie in unserem Sinne schlechthin in Zweifel gezogen worden; zumindest
müssen die Römer eine sehr andersartige Form der Raumerfassung gepflegt
haben, als man dies heute erwartet. 4 In jedem Fall geht man nicht fehl, die
geographischen Aussagen der Geschichtsbücher vorrangig als Vorlagen an-
zunehmen und zu befragen.
Die mittelalterliche Kartographie wandte keine Vermessung an, was auf
den ersten Blick sehr befremdlich wirkt. Ganz offensichtlich aber kannte
auch die römische Antike diese Technik nicht, so daß es gar nicht die mittel-
alterlichen Kartenzeichner waren, die ihre perfekten antiken Vorlagen ver-
ballhornten; vielmehr fanden sie nichts anderes vor, als das, was sie kopier-
ten. Auch die Antike arbeitete mit Symbolen, mit Signa, deren Verwendung
im Mittelalter weiter kultiviert wurde und die in Kürzeln fortlebten; sie fan-
den besonders auf bescheidenen schematischen Karten Anwendung, die sich
schon wegen der Beschreibstoffkosten empfahlen.

I. Beschreibung des auszuwertenden Materials bis ins Zeitalter


der Portolankartographie

Die mittelalterliche Geschichtsforschung - und auch die Ökumene-Karten


dienen vorrangig als Teil der Geschichtsschreibung - baute auf schriftlichen
Quellen auf, war also Teil einer Literatenkultur. Man benutzte als Vorlagen
vorzugsweise erzählende Quellen, mit der Einfügung dokumentarischer war
man im ersten Jahrtausend zurückhaltend. Erst im späten Mittelalter zur Be-
sitzabgrenzung herangezogen, spielten Karten auch so gut wie gar keine
Rolle für die Einzeichnung politischer Grenzen, zumal man bis um 1200 in
Personenverbänden dachte. Vielmehr erstellte man deduktiv ein Weltbild,
d.h. man ging vom Allgemeinen zum Besonderen, nicht wie die arabischen
und die modernen Wissenschaftler, die induktiv ein erforschtes Stück an das
andere reihten, bis ein Gesamtbild entstand. 5 Das Mittelalter sah die Welt
als Ganzes, endlich und grundsätzlich begrenzt. Innerhalb dieses Rahmens
spielten unter historischen Aspekten die Schauplätze des Geschehens eine
bedeutsame Rolle. An der Spitze standen im Mittelalter die Plätze des christ-

4
KAI BRODERSEN, Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung, Hildesheim 1995
(Spudasmata Bd. 59).
5
Vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Mappa mundi und Chronographia. Studien zur
imago mundi des abendländischen Mittelalters, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mit-
telalters 24 (1968), S. 118-186 (= o. S. 17-81).
[24/25] XXXrV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 649

liehen Heilsgeschehens, aber daneben hatte die Weltgeschichte ebenso ihren


Platz, zumal man nicht zwischen Kirchen- und Profangeschichte zu trennen
pflegte. Babylon als Inbegriff weltlicher Herrschaft gehörte ebenso ins Ge-
samtbild wie Jerasalem und Rom. Begründet durch das Fortleben antiker
Bildung im Mittelalter, erhielten viele Plätze eine Sonderstellung im Welt-
bild, die der literarischen Vorstellungswelt entsprach und ganz und gar nicht
dem, was die moderne Archäologie vorfinden sollte. Dieser Gegensatz soll
die folgenden Studien der Kartographie anregen.

a. Die klassische Antike in der Patristik

Das Christentum war im Römischen Reich zunächst eine Katakombenreli-


gion; erst seit Konstantin geduldet, wurde es am Ende des 4. Jahrhunderts
unter Theodosius I. bereits Staatsreligion. Es bestimmte nunmehr maßgeb-
lich das Bildungswesen mit, mußte andererseits das apologetische Verhalten
noch abstreifen. Um 400, im Zeitalter der großen Kirchenväter Augustin
und Hieronymus, war die Frage sehr akut, wie man mit dem hochwertigen
Bildungsgut der heidnischen Antike umgehen wollte; man entschied sich
aber nahezu einhellig, sich für die christianisierte Wissenschaft der vorhan-
denen klassischen Gefäße vorchristlicher Zeit zu bedienen. So überlebte die
antike Geographie.
Orosius, der seine «Historiae adversum paganos» in Augustins Auftrag
417/418 erstellte, erörterte am Anfang6 die Notwendigkeit eines geographi-
schen Überblicks als Einleitung für ein Geschichtswerk, damit man sich die
Geschehnisse besser vergegenwärtigen könnte. Er lieferte einen bedeutsamen
Textteil und gilt als Schöpfer einer Karte.
Augustinus selbst hat zwar keine Karte erstellt, aber das Modell der im
Mittelalter üblichen schematischen Ökumene-Darstellung, die TO-Karte, in
Worte gefaßt, 7 wenn er die runde, vom Ozean wie einem O umflossene geo-
stete bewohnte Welt in eine obere Hälfte, Asien, und zwei untere Viertel,
Europa und Afrika, durch ein T der Gewässer - Don und Nil als T-Balken,
Mittelmeer als T-Schaft - aufgeteilt denkt.
Hieronymus schließlich war in seiner Funktion als Exeget derjenige, der
sich dem biblischen Weltbild widmete, auch die Schriften des Eusebios von
Kaisareia über die Geographie des Heiligen Landes übersetzte. Bei der Zu-

6
I, 1, 14-17. Ed. CAROLUS ZANGEMEISTER, Wien 1882 (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum
Latinorum Bd. 5), S. 8.
7
De civitate Dei 16, 17. Edd. BERNARDUS DOMBART et ALFONSUS KALB. 5. Aufl., Darmstadt
1981, S. 154.
650 Studien zur Universalkartographie [25/26]

Ordnung biblischer Ortsnamen kam er ohne Bezug auf weltliche Plätze nicht
zurecht, wie die ihm zugeschriebene Orientkarte 8 unmißverständlich be-
zeugt. Von ihm sind nämlich zwei Karten in einer Handschrift des 12. Jahr-
hunderts erhalten, eine Karte des Orients und eine des Heiligen Landes, aus
einer Zeit, als den Kreuzfahrern diese Regionen aus eigener Erfahrung be-
kannt waren. Legenden wie Mesia hec et Vulgaria beweisen zudem den hoch-
mittelalterlichen Redaktor des Materials. Überwiegend sind es Städte der
hellenistischen Periode, die in relativ reichem Maße hier mit Gebäudesym-
bolen, meist kleinen Rund türmen, hervorgehoben sind - neben vielen reinen
Ortsnamenlegenden. Im Bild besonders auffällig erscheinen Seres als Groß-
bau, Babilon, insofern ihm ein Turm beigegeben wurde, Ninive, die Arche
Noe und Constantinopolis mit seinen drei Türmen. Da man diese Orientkar-
te besonders auf das Alte Testament bezieht, fehlen in diesem Bild zwangs-
läufig die Städte, die nicht mit der biblisch-hellenistischen Welt in Berüh-
rung gekommen waren, im Mittelalter aber zur Kenntnis des Literatus ge-
hörten, nämlich etwa Troja und Karthago.
Isidor von Sevilla ist derjenige unter den Kirchenvätern, der mit seiner
Universalenzyklopädie «Etymologiae» wesentlich den Teil des antiken Wis-
sens bestimmte, der ins Mittelalter fand. Die Texte des 14. Buches sind hier
relevant. Isidor werden auch Kosmos- wie Ökumene-Darstellungen ver-
dankt, u.a. schematische TO-Karten und eine auf um 775 datierte Detail-
darstellung in der Vaticana, 9 die seinen Vorstellungen sehr nahe steht. Die
Karte ist genordwestet und akzentuiert sechs große Städte durch Sternsym-
bole, neben Jerusalem und Rom Konstantinopel, Karthago, Alexandrien
und Babylon. Babylon bildete gewissermaßen das östliche Weltreichspen-
dant zu Rom, Karthago war Roms großer Gegenspieler im westlichen Mit-
telmeer, Alexandrien verkörperte die letzte Großmacht vor Rom bis zur
Schlacht von Actium, und Konstantinopel galt als neues Rom.

8
London, British Library, MS Add. 10049 fol.64; MILLER, Mappae (s. Anm.3), 3, S.5-13
und Tab. I. Abb. 1 (vgl. unten Tafel 1 ).
' Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Vat. Lat. 6018, fol.64v-65; vgl. MARCEL DESTOMBES,
Mappemondes AD 1200-1500, Amsterdam 1964 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi
Bd. I), sect. 1,7; vgl. RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isidor von Sevilla, in: Mnemosyne 3.
ser. 3 (1935/36), S. 1-28, m. Abb., und LEONID S. CHEKIN; Easter Tables and die Pseudo-Isido-
rean Vatican Map, in: Imago Mundi 51 (1999), S. 13-23 with coloured Plate I. Abb. 2 (vgl. unten
Tafel 9).
[26/27] XXXIV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 651

b. Das (literarische) Wiederaufleben bekannter Plätze der Alten Welt


im Zusammenhang mit der Karolingischen Renaissance

Am Anfang der mittelalterlichen Universalkartographie im engeren Sinne


steht die Karte, die der spanische Mönch Beatus von Liébana seinem zwi-
schen 776 und 786 entstandenen Apokalypsenkommentar beigab. In der
Vorrede zum zweiten Buch erörterte er die Aussendung der zwölf Apostel an
die Enden der Welt, 10 die dann auf Karten illustriert ist. Hier werden die
Zielgebiete durch Apostelköpfe hervorgehoben. Lediglich im Falle Roms
wird eine Stadt benannt als Wirkungsstätte von Petras und Paulus, sonst
sind nur Länder bezeichnet wie Indien, Mesopotamien, Judäa, Palästina,
Ägypten, Lykaonien, Makedonien, Achäa, Gallien und Spanien.11 Viele Ko-
pien zeigen diese ursprüngliche Form sehr abgewandelt und bieten zahlrei-
che Orte wie die berühmte Karte von Saint-Sever,12 die neben Massen an
Siedlungen u.a. in Spanien besonders Konstantinopel, Metropolis Striae,
Hecbatanis, Rom, Ravenna, Antiochia turmata, Jerasalem, Tyras, Saint-Se-
ver, Tolesirion Castrum, Alexandria und Karthago unterstreicht.
Die Weltkarte aus der Stadtbibliothek von Albi bei einer Orosius-Hand-
schrift aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts 13 gibt in ihrer Spärlichkeit ein
Bild der bösen heidnischen Welt, die Orosius darstellte: Neben Rom und Je-
rusalem erscheinen Ravenna, Athen, die Barbarei im Norden, Babylon, An-
tiochia, Alexandria und Karthago.
Die materialreiche Macrobius-Karte aus Freising aus dem 11. Jahrhun-
dert 14 vermeldet mit Syene, Meroe, Jerusalem, Roma und Korinth Plätze
hellenistischer Tradition.

10
Ed. HENRY A. SANDERS, Rom 1930 (Papers and Monographs of the American Academy in
Rome Bd. 7), Prolog 1. II c. 3, S. 116.
11
Z.B. die Karte von 1086 aus Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, MS 1, fol.34v-35;
vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9), sect. 17, 8; MILLER, Mappae (s. Anm.3) Bd. 1,
S. 34-36 mit Abb. S. 35.
12
Paris, Bibliotheque Nationale, MS Lat 8878, fol.45ter; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s.
Anm.9), sect. 17, 7; MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd. 1, S.41-61 und Tafel Abb.3 (vgl. unten
Tafel 13).
13
Albi, Bibliotheque Municipale MS 29, S.487; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9),
sect. 22, 1; MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd.3, S.58-59. Abb.4 (vgl. unten Tafel 3) nach Miller,
Mappae Mundi Bd. 3, S. 58.
14
München, Bayerische Staatsbibliothek, MS CLM 6362, fol.74; vgl. DESTOMBES, Mappe-
mondes (s. Anm.9), sect. 20, 6. Abb.5 (vgl. unten Tafel 11).
652 Studien zur Universalkartographie [27]

Erst die Karte von Ripoll,15 um die gleiche Zeit entstanden, bringt zeitge-
nössisches Material und bezieht andererseits das Heilige Land stärker ein
mit Konstantinopel, Rom, Ravenna, Benevent und Senones in Europa; Beth-
lehem, Jerusalem, Bersabea, Hericho und Eybron in Asien entstammen aus-
nahmslos biblischer Tradition, Alexandrien und Karthago in Afrika betref-
fen die klassische Antike. Troja fehlt, Babylonia ist orientalische Provinzbe-
zeichnung.
Nicht zu vergessen ist unter den frühmittelalterlichen Karten die sogen.
Cottoniana, 16 eine insulare Karte aus angelsächsischer Zeit mit sieben italie-
nischen Städten, nämlich Luna, Luca, Roma, Ravenna, Salerno, Pavia und
Verona, dazu mit Kent, Winchester und London in England und zahlreichen
Städten im Heiligen Land. In Afrika sticht Karthago hervor, im Orient Ba-
bylon, Ninive und erstmals Froja, das auch Isidor und Beda in ihren Texten
kannten. Hier rundet sich das Bild der Siedlungen aus Altertum und Mittel-
alter.

c. Die tatsächliche Begegnung mit dem Orient in der Kreuzzugszeit

Hieronymus hatte in seinem Ezechiel-Kommentar bei Auslegung des Verses


5,5 bereits Jerusalem zum Zentrum dieser Welt erklärt, 17 doch beherrschte
nach wie vor Europa in antiker Tradition die Weltkarten. Erst mit den
Kreuzzügen wird man sich klar, daß es östlich von Jerusalem eine weitere
Welthälfte zu füllen gibt.
Die Weltkarte in der Handschrift des St. Johns College in Oxford18 ist mit
Zirkel und Lineal erstellt und sieht recht geometrisch aus. Sie ist wie alle mit-
telalterlichen mappae mundi geostet, hat aber Züge, die auf eine genordete
Vorlage schließen lassen, vielleicht eine griechische. Nicht nur Rudimente
des Griechischen legen das nahe, auch z.B. die Lage der Britischen Inseln
vor Nordasien. Das hervorstechendste Merkmal ist Jerasalem im Weltmittel-

15
Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Reg. Lat. 123, fol. 143v-144, meist mit Theodulf von
Orléans in Verbindung gebracht; vgl. Destombes, Mappemondes (s. Anm.9), sect. 24, 11; PA-
TRICK GAUTIER DALCHÉ, Notes sur la «carte de Théodose II» et sur la «mappemonde de Theo-
dulf d'Orléans», in: Geographia Antiqua III-IV (1994-95), S.91-108 mit Farbtafel.
16
London, British Library, MS Cotton Tib. B. V, fol.56v; vgl. DESTOMBES, Mappemondes
(s. Anm.9), sect. 24, 6; Miller, Mappae (s. Anm.3), Bd.3, S. 31-35. Abb. 6 (vgl. unten Tafel 16).
17
Commentarli in Hiezechielem, ed. FRANCISCUS GLORIE, Turnhout 1964 (Corpus Christia-
norum, Series Latina Bd. 75), S. 55f.
18
Oxford, St. Johns College, MS 17, fol.6; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9), sect.
25, 8; MILLER, Mappae (s. Anm.3) Bd.3, S. 118-119. Abb.7 (vgl. unten Tafel 19) nach Miller,
Mappae Mundi 3, S. 119.
[27/28] XXXrV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 653

punkt als kleine Insel im T der Gewässer, schon grotesk anzusehen. In Euro-
pa kennt der Maler außer Rom nur Cartagena (C. Magna), in Afrika nur
Karthago, es ist teilweise als Europa bezeichnet. In Asien sind eine Fülle
Städte des Heiligen Landes benannt, die Stämme Israels und die Civitas re-
fugii (Asylstadt).
Die Weltkarte des Guido von Pisa von 111819 ist eine ungeschlachte Pinse-
lei, die immerhin Troja neben Jerusalem und Alexandria im Osten kennt,
Karthago in Afrika und Narbona in Europa, auf der Italienkarte im gleichen
Kodex gibt es in Italien nur Otranto, in Spanien Barchinona und Narbona.
Lambert von Saint-Omer bietet zur gleichen Zeit auf seinen hemisphäri-
schen Karten 20 in Spanien Terragona und Barcelona, in Italien Rom, Capua,
Lavinia und Venedig, in Griechenland Athen und Maronea, in Asien keine
Siedlungen, in Afrika Alexandria und Karthago; auf der Europa-Karte ist
allenfalls Italien detaillierter geraten. Lambert war der Kosmos wichtiger.
Die Karte aus Arnstein21 vermutlich aus der Jahrhundertmitte ist eine In-
ventarkarte, angebunden an eine Skizze des Stammbaumes der Wissenschaf-
ten und Mechaniken, die zum zweiten Buch des Didascalicon des Hugo von
St. Viktor paßt. Überwiegend sind Länder aufgelistet, aber in Asien erscheint
Troja, Nicea, Antiochia, Jerusalem, Alexandria, Babylonia (Alt-Kairo), in
Europa Rom und Konstantinopel, in Afrika Karthago und Hyppone.
Mit Hugo von St. Viktor wird auch eine nordfranzösische Karte in Ver-
bindung gebracht, die jetzt in München liegt und sehr auf Isidors Aussagen
aufbaut. 22 Auf Hugo weist hier die enge Beziehung zu Hugos Schrift «De-
scriptio mappe mundi». Diese Karte zeigt auffallend viele Siedlungssymbole
- deren Namen Hugo in seinem Text bietet. Er vermischt alt und neu; so fin-
den sich auf der Karte neben Massen von Inseln wie Tilos insula im Ostnord-
osten und Gog und Magog im Norden in Europa Rom, Ravenna, Bologna,
Mailand, Theben, Dyrrhachion, Athen, Beroe, Korinth, Larissa, Heraclea,

19
Bruxelles, Bibliothèques Royale, MS 3897-3919, fol.53v; vgl. DESTOMBES, Mappemondes
(s. Anm. 9), sect. 25,2; MILLER, Mappae (s. Anm. 3) Bd. 3, S. 54-56, Abb. S. 56.
20
Cod. Guelf. 1 Gud. lat., fol.69v-70 ist die beste und ausführlichste Karte dieses Typs; vgl.
DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9), sect. 43, 2; MILLER, Mappae (s. Anm.3) Bd.3, S.47-51
und Taf. IV.
21
London, British Library, MS Harl. 2799, fol.241v; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s.
Anm.9), sect. 25, 5; Abb. bei ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der
Erde und der vierte Kontinent auf mittelalterlichen Weltkarten, Hannover 1992 (Schriften der
Monumenta Germaniae Historica Bd. 36), Abb. 22.
22
München, Bayerische Staatsbibliothek, CLM 10058, fol. 154v; vgl. DESTOMBES, Mappe-
mondes (s. Anm.9) sect. 4, 6; PATRICK GAUTIER DALCHE, La «Descriptio Mappe Mundi» de Hu-
gues de Saint-Victor. Texte inédit avec introduction et commentaire, Paris 1988, Appendice II,
S. 192-194 mit Farbtafel. Abb. 8 (vgl. unten Tafel 28).
654 Studien zur Universalkartographie [28/29]

Ransburg/Donau, Konstantinopel, Mainz, Rouen, Beauvais, Reims, Lyon,


Arles, Bordeaux, Cordoba, Caesaraugusta, Theodosia, Chersona, in Afrika
Babylon am Nil, Meroe, Alexandria, Tuburbis, Karthago, Bizatium, in Asi-
en Enoch, Archa Noe, Nisan, Palibotra, Carra, Ninive, Ectesifon, Edissa,
Babilon, Seleucia, Antiochia, Decusa und sehr viele Orte des Hl. Landes;
hierunter sind antik Rom, Ravenna, Theben, Athen, Korinth, Konstantino-
pel, Mainz, Lyon, etc., Troja fehlt, auch im Descriptio-Text.
Gleichfalls mit einem besonders erfolgreichen Schulbuch aus dem ersten
Drittel des 12. Jahrhunderts, nämlich mit der Imago Mundi des Honorius
Augustodunensis, ist eine Karte englischer Provenienz verbunden, die jetzt
in die letzten Jahre des Jahrhunderts datiert und als deren Entstehungsort
das Kloster Sawley vermutet wird (früher irrtümlich einem nicht identifizier-
baren Heinrich von Mainz zugeschrieben 23 ). Diese Karte zeichnet sich trotz
des biblischen Rahmens und des für England charakteristischen reichen Na-
mengutes aus dem Heiligen Land durch umfangreiches profanes Material
aus. Erstmals erscheint Köln auf einer Karte, ferner Mainz, in Frankreich
neben Paris Poitiers, Angers und Rouen, in Italien Pisa und Rom, in Grie-
chenland u. a. Konstantinopel und Korinth, in Syrien Antiochien, in Kleina-
sien Troja, in Asien u.a. Babel, Persepolis, Rages und Nisa sowie Enos, in
Afrika Ramesse, Horrea Joseph, Porte Nibie, Kloster St. Antonius, Alexan-
dria, Templum Iovis, Are Philenorum, Karthago, Yppone und Basiliscus. In
klassischer Reminiszenz ist der Weltmittelpunkt an eine Insel, umkreist von
zwölf kleinen vergeben: Ciclades insule, offenbar Delos als Heiligtum des
Apollon.
Ein halbes Jahrhundert jünger ist eine Inventarkarte aus Island,24 die ein
eindrucksvolles Bild vom Wissensstand am Ende der Welt gibt. Genannt sind
hier Konstantinopel, Roma, Sparta, Babylon, und viele Plätze im Hl. Land
um Jerasalem, Troja nachgetragen über Frigida Pamphilia.
Wilhelm von Tripolis, Spezialist für Kenntnisse über die Moslems in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, hat in seiner Inventarkarte 25 überwie-

23
Cambridge, Corpus Christi College, MS 66, p.2; DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9),
sect. 25, 3; MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd.3, S.23-28; PAUL D. A. HARVEY, The Sawley Map
and Other World Maps in Twelfth Century England, in: Imago Mundi 49 (1997), S. 33-42 mit
Tafel. Abb. 9 (vgl. unten Tafel 18) nach MILLER, Mappae Mundi 3, Tafel II.
24
Reykjavik, Arnamagnaeanisches Institut, Ms. GKS 1812-4°, fol.5v-6; vgl. DESTOMBES,
Mappemondes (s. Anm.9), sect. 50,9; RUDOLF SIMEK, Altnordische Kosmographie. Studien und
Quellen zu Weltbild und Weltbeschreibung in Norwegen und Island vom 12. bis zum H.Jahr-
hundert, Berlin, New York 1990 (Reallexikon der germanischen Altertumskunde Ergbd. 4),
S.419-422mitAbb. S.423.
25
Erhalten in einer Hs. des 14. Jh. in Paris, Bibliotheque Nationale, MS Lat. 5510, fol. 118;
[29/30] XXXIV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 655

gend Ländernamen erfaßt, erwähnt aber Jerasalem, Troya, Rom, Karthago,


Zeusis.

d. Die Öffnung der mittelalterlichen Welt durch die Mongolen

Bis ins 13. Jahrhundert war die Ökumene-Vorstellung des Abendlandes von
der Alten Welt rund um das Mittelmeer geprägt, wie dies gerade die TO-
Karte sehr eindrucksvoll verdeutlicht. Durch die Kreuzzüge war der Alte
Orient zunehmend ins Blickfeld der Lateiner gekommen, doch richtig gese-
hen hatte ihn natürlich niemand. Indien galt als der äußerste Osten, aber In-
dienfahrten vor 1200 waren die absolute Ausnahme, bei der zudem selten
klar war, wo der Reisende wirklich gewesen war. Nach Zentralasien und gar
ins Sererland kamen allenfalls vereinzelt Seidenhändler, die nur selten latei-
nischer Herkunft waren. Daher war das gesamte Wissen über den fernen
Osten Buchwissen, ebenso wie die Geschichtskenntnisse vom Alten Orient.
Durch den Mongoleneinbruch wird das anders.
Dschingis-Khan, Steppenkhan aus dem Orchon-Becken in Zentralasien,
war bereits in mittleren Jahren, als er um 1206 eine Reihe von Nomadenvöl-
kern, darunter auch solche nestorianischen Bekenntnisses, unter seine Be-
fehlsgewalt gebracht hatte. In den ersten beiden Jahrzehnten des D.Jahr-
hunderts griff er nach China über und konnte dort - um es bildlich auszu-
drücken - die zweifellos inzwischen morsche Chinesische Mauer durchbre-
chen. Seit 1217, herausgefordert durch einen Gesandtenmord, wandten sich
die Mongolen gegen Turkestan, Chorezm, Persien, Chorasan und in den
Kaukasus und wurden dem Fünften Kreuzzug zur Hoffnung gegen die Mos-
lems. Als große Gefahr erkannte der Westen sie erst bei ihrem Einbruch nach
Ost- und Südosteuropa im Zusammenhang mit der Schlacht auf der Wahl-
statt von Liegnitz 1241. Dies veranlaßte Papst Innozenz IV., Gesandtschaf-
ten von Mendikanten zu den Mongolen zu entsenden, um Näheres über sie
zu erfahren und sie für das Christentum zu gewinnen. Die Kunde von ihnen
gelangte über die Missionsberichte u. a. in das Geschichtswerk des Vincenz
von Beauvais, desgleichen griff der ordensbedingt seßhafte englische Bene-
diktiner Matthaeus Parisiensis jede Nachricht von ihnen auf.
Ebendieser Matthaeus war ein begabter Maler und hat eine Menge karto-
graphischer Versuche hinterlassen. Hier gilt es, die Weltkarte 26 zu befragen,

vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9), sect. 50, 16; MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd.3,
S. 121 f. mit Abb. S. 121.
26
Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 26, p.284; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s.
Anm.9), sect. 54, 1; MILLER, Mappae (s. Anm.3) 3, S.71-73 (vgl. unten Tafel 39).
656 Studien zur Universalkartographie [30/31]

die - verglichen mit den anderen gleichartigen Produktionen - ausgespro-


chen grob gestaltet ist. Sie ist zudem recht europalastig. Dort werden auch
eine Reihe Städte neben den Ländernamen genannt, aber solche, die z. Zt.
des Matthaeus Bedeutung hatten, etwa in Italien, in Deutschland beispiels-
weise Köln und Metz, in Griechenland Konstantinopel, Larissa und Micena,
in Afrika keine Siedlung und in Asien Jerasalem, Tyras und Jerapolis in
Phrygien, wo Philippus missionierte. Außerdem findet sich in Asien eine Le-
gende, die auf eine Weltkarte des Matthaeus in Westminster verweist, die
die Gestalt des ausgebreiteten Mantels haben soll, d.h. sphärisch gestaltet
war.
Vermutlich ist diese Karte handschriftlich erhalten in der Weltkarte des
Johann von Wallingford, eines Zeitgenossen des Matthaeus, der gleichfalls
vor 1258 schrieb und lediglich aus Matthaeus schöpfte. Hier handelt es sich
um eine Klimatenkarte, eine Sonderversion der Zonenkarte, die aus griechi-
scher Tradition stammt, 27 in der Regel gesüdet ist und die bewohnte Welt in
sieben nach jeweils charakteristischen Orten benannte Klimata einteilt. In
diesem Fall erläutert die Karte eindeutig einen Brief Kaiser Friedrichs IL aus
dem Jahre 1241, der uns bei Matthaeus in den Additamenta, der Dokumen-
tenbeilage zu seiner Chronik, überliefert ist. Friedrich war vom Papst be-
schuldigt worden, die Mongolen herbeigerufen zu haben: er beteuerte in sei-
nem Brief an die Fürsten Europas seine Unschuld und bezeugte hier aus-
drücklich, nicht zu wissen, aus welchem Erdteil die Mongolen herkommen;
er beleuchtete zwecks Nachforschung die sieben bewohnten Klimata der Er-
de zu seiner Zeit. Die Karte erscheint als Erläuterung zu dieser Suche. So
nennt Johann im dritten Klima der Ägypter Damascus und Alexandria, im
vierten mittleren Antiochia und Jerasalem, im fünften der Griechen Kon-
stantinopel, im sechsten der Römer Kostanza und Rom, im siebten der Fran-
ken Paris und Angers. Bis auf das letzte sind diese Klimata sowohl antik wie
gegenwartsbezogen charakterisiert; die Franken gab es natürlich in der Anti-
ke noch nicht.
Die Psalterkarte von London ist eine Miniaturausgabe der berühmten
Großkarten aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Bei einem Durch-
messer von nur 9 cm ist ihr Bildmaterial natürlich zwangsläufig beschränkt.
Wahrend die Bildseite28 Barcelona, Terragona, Paris, Boulogne, Köln,
Rom, Larissa und Konstantinopel in Europa, Are Alexandri, Carras, Octo-

27
London, British Library, Ms. Cotton Jul. D. VII., fol. 46; vgl. DESTOMBES, Mappemondes
(s. Anm.9), sect. 49, 7; ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik
des Johann von Wallingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (1973),
S. 47-56 ( = o. S. 137-148) mit Abb. Abb. 11 (vgl. unten Tafel 37).
28
London, Brit. Libr., Add. 28681, fol.9; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9), sect.
[31 /32] XXXrV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 657

gora, Ninive, Nisa u.a. in Asien, Troja in Kleinasien, Antiochia, Acaron,


Cesarea Palestine, Tiberias, Jerico, Belehem(f), Jerusalem, Azotus u.a. in Sy-
rien und Palästina, endlich Damiete, Alexandria, Memphis, Babilonia, Elio-
polis, Horrea Josep, Meroe in Ägypten, Beronice, Zeugis, Karthago in Afrika
nennt, ist auf der Textseite 29 neben vielen Ländernamen immerhin u.a. Ba-
bylonia magna, Ninive, Persepolis, Susa, Carra, Philadelphia, Antiochia
und Damascus, im Heiligen Land Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, Kaper-
naum, Sebaste, Ascalon, Azotus, Alexandria, Memphis, Tarsis, Troja,
Ephesus, Paphus, Chalcedon, Niacetum, in Europa Rom, Bordeaux, Poi-
tiers, London, Canterbury, Dublin, Armagh, St. Andrews, in Afrika Zeugis,
Karthago, Saba in Äthiopien verzeichnet. Als Plätze der Antike verdienen
hier besondere Aufmerksamkeit Rom, Köln, Konstantinopel, Larissa, in
Asien Babylon, Carrae, Ninive, Nisa, Troja, Persepolis, Susa, Edessa, An-
tiochia, Damascus und Plätze des Heiligen Landes, in Afrika Zeugis, Kar-
thago, Saba, in Ägypten Alexandria, Memphis, Babylonia usw. Besondere
Erwähnung verdient im Norden des Bildes eine Einzäunung für die Völker
Gog und Magog, die jedoch nicht eigens benannt ist.
Die älteste erhaltene Großkarte dürfte der Rotulus in der Kapitelsbiblio-
thek von Vercelli sein, der in die Zeit um 1270 zu gehören scheint und leider
sehr schlecht erhalten ist.30 Diese Karte ist sehr literarisch bestimmt, d.h. sie
ist übersät mit Gebäudesymbolen und zugehörigen Legenden. Die Angaben
der Bibel, soweit sie sich fixieren ließen, sind hier Bild geworden, wie die
Fülle an Inschriften im Heiligen Land zeigt. Aber auch die Plätze der heidni-
schen Antike erhielten ihre Geltung. Im Bild fallen besonders auf in Asien
Arche Noe, Babylon, Susa, die Pforte zu den eingeschlossenen Nationen
(Kaspische Pforte?), Polibotra, Antiochia, Troja, Damascus, Jerusalem,
Mecca, Sinai, Syene, Babylonia am Nil, in Afrika Leptis magna, Karthago,
Alexandria (im Bild zerstört); Europa ist, von Constantinopolis angefangen,
sehr ausgiebig mit lebenden Städten belegt. Diese Karte beruhte sicherlich
nicht auf eigenem Erleben, sondern diente Schulzwecken zum Erlernen

49, 8; Miller (s. Anm.3), Bd.3, S.38-42 und Tafel III. Abb. 12 (vgl. unten Tafel 42) nach MIL-
LER, Mappae Mundi Bd. 3, Tafel II.
29
Ebd., fol.9v; Nomenklatur VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae (s. Anm.21), S.87f. und
Abb. 33.
30
Rotulus von Vercelli, vgl. Destombes, Mappemondes (s. Anm.9), sect. 52, 1; beste Abb.
bei YOUSSOUF KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti. Bd. 1-5, Kairo 1926-51;
verkl. Reprint in 6 Bänden von FUAT SEZGIN, Frankfurt 1987, Tafel 997; vgl. ANNA-DOROTHEE
VON DEN BRINCKEN, Monumental Legends on Medieval Manuscript Maps. Notes on designed
capital letters on maps of large size (demonstrated from the problem of dating the Vercelli Map,
thirteenth Century), in: Imago Mundi 42 (1990), S.9-25 ( = o. S. 375-399).
658 Studien zur Universalkartographie [32/33]

wichtiger Namen. Im übrigen tauchen hier viele Sepulcra von Aposteln auf,
die aus der Beatus-Tradition stammen könnten.
Tritt man vor die Ebstorfer Weltkarte,31 so sind es im Osten an erster Stel-
le Babylon mit seinem gewaltigen Stufenturm, Poliboca, Domus Pori, Ktesi-
phon, Ecbatana, Ninive, das Heilige Land in allen Details, Alexandria, Ba-
bylonia, Meroe, Leptis Magna, Karthago (magna altera), Yppone, Rom,
Konstantinopel und vieles mehr, das zur allgemeinen Erläuterung der Psal-
terkarte erwähnt sei wegen einer größenbedingten Unvergleichbarkeit. Im
Nordosten sind eingeschlossene Nationen ausgegrenzt.
Entsprechend ist die Weltkarte von Hereford32 hier zu behandeln. Wie-
derum fällt in Asien Babylon auf als Turmbau, Caspia, Samarcan, Antio-
chia, Troja; das Heilige Land erscheint vielfältig, dazu sind Damascus, Ale-
xandria, Babylonia, Meroe, Karthago, Konstantinopel, Rom usw. zu beach-
ten.
Ranulph Higden ist in der Mitte des H.Jahrhunderts noch ganz an alten
Maßstäben orientiert, obgleich es zu dieser Zeit längst eine Portolankarto-
graphie gibt. Die ausführlichste seiner Weltkarten 33 nennt in Europa Santia-
go, Poitiers, Angers, Köln und Paris, in Italien Genua, Rom, Capua, Neapel
und Brindisi, in Asien Nicomedia und Troja, Saba, Antiochia, Damascus,
viele Plätze im Heiligen Land, im Orient Babylonia, Persepolis, Ninive,
Edessa, in Afrika Alexandria, Meroe und Karthago.
Ähnlich gestaltet und an Ranulf orientiert ist die Wandkarte aus der Abtei
Evesham 1390/1452, 34 94 x 46 cm groß, indem sie Babilonia, Jerasalem und
viel Heiliges Land, Troia, Alexandria, Karthago, Rom, Paris, Velusia, Co-
lonia, viel zeitgenössisches England für genealogische Zwecke bietet.
Zu dieser Zeit sind längst die ersten Weltkarten in Umlauf, die sich seit
Pietro Vesconte der Portolantechnik bedienten und damit vom Messen vor-
gegebener Merkmale ausgehen. Zu den einschlägigen Seekartenatlanten ge-
hören fast stets Weltkarten. In Europa nennt er Sevilla, Granada, Paris,

31
Verloren; Abb. u.a. von MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd.5,1896, und Ein Weltbild vor
Columbus. Die Ebstorfer Weltkarte. Interdisziplinäres Colloquium 1988. Hrsg. von HARTMUT
KUGLER und E. MICHAEL, Weinheim 1991 (Acta Humaniora). Beste Wiedergabe von ERNST
SOMMERBRODT (Hrsg.), Die Ebstorfer Weltkarte. I. A. des Historischen Vereins für Niedersach-
sen hrsg. Hierbei ein Atlas von 25 Tafeln in Lichtdruck, Hannover 1891.
32
Vgl. MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd.4, 1896 mit Tafel und PAUL D. A. HARVEY, Mappa
mundi. The Hereford World Map, London 1996.
33
London, Brit. Libr., Ms. Roy. 14 C. IX., fol. lv-2; DESTOMBES, Mappemondes (s. Anm.9),
sect. 47, 1; MILLER, Mappae (s. Anm.3), Bd.3, S.99-108. Abb. 13 (vgl. unten Tafel 58).
3<
London, College of Arms; dazu PETER BARBER, The Evesham World Map. A Late Medi-
eval View of God and the World, in: Imago Mundi 47 (1995), S. 13-33 mit Abb.
[33] XXXrV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 659

Wien, Basel, Speyer, Köln, Aachen, Thorn, Krakau, Baldac, Ylium, Kaysa-
ri, Siwas, Gerasa, Trapezunt, Karthago. 35

IL Die wichtigen Plätze der Alten Welt, jeweils mit Blick


auf etwaige Ruinen bzw. Nachfolgestädte

Die Erinnerung, die mittelalterliche Karten für bedeutende Plätze der Alten
Geschichte anbieten, dazu die Embleme, mit denen dies geschieht, sind recht
unterschiedlich und zweifellos auch geprägt von dem Umstand, ob sie an
sich schon im biblisch bestimmten Bild der Heilsgeschichte einen Platz hat-
ten. Es ergeben sich drei Gruppen antiker Plätze:

a. Zentren der antiken Geschichte, die auch in der Bibel eine Rolle spielen

B a b e l (hebr.) oder Babylon (griech.) im Zweistromland gilt den mittelalter-


lichen Chronisten als ältester Schauplatz für ein Weltreich. Als heidnische
Stadt ist es der Inbegriff weltlicher Macht in der Gottesferne, Ort der Göt-
zenanbeter, auch der Gegenpol zur Stadt des Heils Jerusalem, endlich Sitz
des ersten der vier danielischen Weltreiche im Orient, auch Symbol des heid-
nischen Orients ungeachtet der Tatsache, daß Indien als östlichstes Land fir-
mierte: Über Indiens Geschichte wußte man nämlich zu wenig und über die
der Serer nicht viel mehr; sie waren Chinesen im Seidenland, durch die Chi-
nesische Mauer seit alters abgeschottet von der übrigen Welt, immerhin
schon von Hieronymus in seiner Orientkarte durch ein Seres oppidum er-
wähnt.
Babel oder Babylon ist seit dem 3. Jahrtausend die Hauptstadt des Alten
Orients mit Blütezeit im 2. Jahrtausend, gelegen am Eufrat - zum Unter-
schied von Baldac, d.i. Bagdad am Tigris, oder Babylonia, d.i. Alt-Kairo
am Nil -, und für das Alte Testament die Großmacht aus dem Osten, meta-
phorisch auch in beiden Testamenten Inbegriff für Übermut und Gottes-
ferne. Babylon fehlt auf kaum einer Karte, die auch nur das geringste Inter-
esse für den Osten aufbringt, von der Orientkarte des Hieronymus angefan-
gen über Isidors sechs Großsiedlungen, die Albi-Karte, die Karte von Ri-

35
Vgl. z . B . L o n d o n , British Library, M S A d d . 2 7 3 7 6 , fol. 187v-188; vgl. DESTOMBES, M a p -
p e m o n d e s (s. A n m . 9 ) , sect. 54, 6; Abb. bei PAUL D . A. HARVEY, Medieval M a p s , L o n d o n 1991,
S. 35 N r . 27.
660 Studien zur Universalkartographie [33/34]

poll, die Cottoniana, die Oxforder Karte aus dem St. Johns College, die
Karten Guidos von Pisa und Lamberts von Saint-Omer, die viktorinische Isi-
dor-Karte, die Karten von Sawley, von Island, von Wilhelm von Tripolis;
der klassisch bestimmte Freisinger Macrobius und Beatus als Spezialist für
christliche Missionsplätze sowie die Karte aus Arnstein sind die einzigen,
denen Babylon nichts bedeutet; hingegen sind Matthaeus und Wallingford
ganz offenbar ausnahmslos gegenwartsbezogen und an der alten Geschichte
wenig interessiert. Für die Psalterkarte von London ebenso wie für die Groß-
karten von Vercelli, Ebstorf und Hereford sowie die englischen Traditions-
karten des Ranulph Higden und die von Evesham nimmt Babylon wieder
eine Vorrangstellung ein, wo Vesconte statt dessen Baldac, Bagdad, vermel-
det. Stets ist Babylon als Gegenpol der westlichen Herrschaft, durch Pracht
der Architektur und natürlich durch einen Turmbau gekennzeichnet, ob-
wohl man schon aus der Genesis wissen mußte, daß der Turm zerschmet-
tert wurde: Das Bild der Stätte, das Symbol lebt unzerstört und unbescha-
det fort von Hieronymus bis zum Maler von Evesham mit den Blick nach-
haltig einfangenden Darstellungen auf den Großkarten von Ebstorf und
Hereford.
Auch das Assyrische Reich ist mehr oder weniger mit dem Babylonischen
zusammengewachsen, da der Ort Assur am Tigris keinen Ruhm erlangte und
in den großen Weltchroniken mit Babylon verschmolz. Als Nachfolgestadt
erscheint wohl N i n i v e am oberen Tigris, Gründung Nimrods nach Gn
10,12, Hauptstadt des Neuassyrischen Reiches im 8. und 7. Jahrhundert
v.Chr., besonders bekannt als Wirkungsort des Propheten Jona und bis 612
der Inbegriff eines orientalischen Machtstaates, endlich für die moderne
Forschung Fundort einer beachtlichen Tontafelüberlieferung. Ninive ist na-
türlich auf der Orientkarte des Hieronymus vertreten, insgesamt aber auf
die Karten beschränkt, für die Asien und dazu das Alte Testament wichtig
sind, so Beatus von Saint-Sever, die Münchener Isidor-Karte, die englischen
Karten wie die Cottoniana, die Psalterkarte vom London, die auf den Groß-
karten von Ebstorf und Hereford sowie Ranulf Higden.
Der eigentliche Nachfolgestaat in der Abfolge der Weltreiche war in helle-
nistischer Zeit Medien, später ein zusammengelegtes Medo-Persisches
Reich, vertreten durch Ekbatana (Hamadan), häufig Rages Medorum ge-
nannt, und Persepolis. Auch Susa, die alte Elamiter-Metropole, die in der
Perserzeit wieder aufblühte, wird hier gern erwähnt. E c b a t a n a erscheint
bei Hieronymus und Beatus von Saint-Sever, R a g e s M e d o r u m desglei-
chen bei Hieronymus, auf der Sawley-Karte, auf der Ebstorfer Weltkarte
und auf der von Hereford, wie die Provinz Media allenthalben seit Hierony-
mus häufig aufgeführt wird. Hamadan war auch im Mittelalter eine bedeu-
tende Stadt und spielte eine beachtliche Rolle in islamischer Zeit.
[34/35] XXXPV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 661

P e r s e p o l i s , die Perserresidenz, findet sich bei Hieronymus, auf der


Sawley-Karte, der Psalterkarte, dem Rotulus von Vercelli, der Ebstorfer
Weltkarte mit Verschreibung zu Andropolis, der Hereford-Karte, bei Ra-
nulf Higden, S u s a bei Hieronymus, auf der Psalterkarte und dem Rotulus
von Vercelli. Das Perserreich befreite de facto die Israeliten aus der Babylo-
nischen Gefangenschaft und erhielt daher für die Hl. Schrift den Anstrich ei-
nes Retters. Vor allem aber lösten die Medo-Perser Babylon in der Weltherr-
schaft bei Übertragung derselben in den Westen ab und erlangten damit eine
heilsgeschichtliche Funktion. Im Mittelalter spielte die Stadt keine Rolle, sie
blieb Ruinenfeld und wurde erst in unseren Tagen restauriert.
Unter den Nachfolgestädten des Perserreiches erscheint wohl auch die
Hauptstadt des Partherreiches, N i s s a , gelegen im heutigen Turkmenistan.
Hieronymus war sie natürlich bekannt, dem viktorinischen Isidor und offen-
bar der englischen Kartentradition, denn sie erscheint auf der Sawley-Karte,
der Psalterkarte, der Ebstorfer Weltkarte und auf der von Hereford.

b. Plätze der antiken Geschichte, die in der christlichen Spätantike


eine überragende Bedeutung behalten

Mit dem Reich Alexanders und der Diadochen wechseln die Herrschaftszen-
tren aus dem Orient in den griechisch-hellenistischen Raum. Dabei ist etwa
Pella, der Herkunftsort der Makedonen, nicht bekannt; mit Athen verbindet
man das klassische Griechenland und zeichnet es mehrfach ein. Häufig be-
legt aber ist vor allem Korinth, Adressat von Paulusbriefen. Für die übrigen
Diadochenstaaten, die auch zu kirchlichen Zentren in christlicher Zeit wur-
den, stehen Antiochien in Syrien und Alexandrien in Ägypten. Schließlich ist
Carrae (Harran) in Syrien in der Bibel und Edessa häufig in der alten Kir-
chengeschichte aufgeführt als wichtige Plätze hellenistischer Zeit mit Erwäh-
nung in der Hl. Schrift.
A t h e n ist wohl nur noch eine literarische Reminiszenz, erwähnt auf der
Beatus-Karte von Saint-Sever, der Albi-Karte, der Cottoniana, bei Guido
von Pisa, Lambert von Saint-Omer, auf der viktorinischen Isidor-Karte und
natürlich auf den Großkarten von Vercelli, Ebstorf und Hereford, K o -
r i n t h ist auf der Beatus-Karte von Saint-Sever, auf der Freisinger Macrobi-
us-Karte genannt, auf der viktorinischen Isidor-Karte, auf der Sawley-Kar-
te, auf der Ebstorfer Weltkarte und auf der Karte von Hereford.
A n t i o c h i e n fehlt auf keiner mittelalterlichen Karte, die dem Vorderen
Orient auch nur etwas Interesse entgegenbringt, stets gezeigt in strategisch
wichtiger Hafenposition, wie sie den Kreuzzugsautoren trotz Versandung
vorschwebte, von Hieronymus über Beatus von Saint-Sever, Albi, den vikto-
662 Studien zur Universalkartographie [35/36]

rinischen Isidor, die Karte aus Sawley, sogar Johann von Wallingford, die
Psalterkarte, alle drei Großkarten bis hin zu Ranulf. Antiochia blühte seit
der Diadochenzeit - s. Tabula Peutingeriana! - und behielt seit altchristli-
cher Zeit sein Gewicht als Sitz von Patriarchen und Schulen bis hin zum
gleichnamigen Kreuzfahrerstaat.
E d e s s a , erst in frühchristlicher Zeit wegen der Abgar-Legende und der
diversen Schulen oft zitiert, erschien nur bei Hieronymus, auf der viktorini-
schen Isidor-Karte, der Psalterkarte, der Karte von Vercelli, der Ebstorfer
Weltkarte und bei Ranulf, das benachbarte H a r r an findet sich bei Hiero-
nymus, dem viktorinischen Isidor, der Karte aus Island, der Psalterkarte,
dem Vercelli-Rotulus und der Ebstorfer Weltkarte.
Mit Rücksicht auf den historischen Zusammenhang ist hier auch A l e -
x a n d r i a zu erwähnen, das auf kaum einer Karte fehlt. Es hatte verkehrs-
technisch an der Nilmündung eine zeitlos wichtige Position, war auch im
Mittelalter stets ein bedeutender Platz, war zudem die Region des letzten
wichtigen hellenistischen Reiches, das vor Errichtung der römischen Welt-
herrschaft zu erobern war. Zu welchem Erdteil man es rechnete, war auch
im Mittelalter unstrittig, weil Afrika und Asien durch den Nil geschieden
wurden und Alexandrien auf dem afrikanischen Ufer seinen Platz hatte. Von
Hieronymus über die Vatikanische Isidor-Karte, Beatus, die Albi-Karte, die
Karte aus Ripoll, die Cottoniana, Guido von Pisa und Lambert von Saint-
Omer, den viktorinischen Isidor, die Karte aus Arnstein, die Sawley-Karte,
die Isländische Karte, Johann von Wallingford, die Psalterkarte, den Rotu-
lus von Vercelli, die Ebstorfer und die Hereford-Karte mit Pharas-Symbol
und endlich bis zu Ranulf und der Karte von Evesham oder bei Vesconte
fehlt es nie, nur bei Wilhelm von Tripolis. Natürlich war Alexandrien auch
sehr früh Ort der christlichen Mission und später Sitz von Erzbischöfen, Pa-
triarchen und berühmten Schulen.

c. Schauplätze der vorchristlichen Geschichte,


die aufgrund ihres literarischen Nachlebens lebendig bleiben

Wie sehr die Kartographie des Mittelalters auf der Literatur der litterati auf-
baute und wie wenig sie auch mit der antiken Wirklichkeit vertraut war,
zeigt das Fortleben von Orten in der Kartographie, die bereits in der Antike
Literatur waren und die auch damals niemand wirklich geschaut hatte. Der
krasseste Fall dieser Art ist das legendäre T r o j a , vereinzelt auch als Ilion
oder Ilium auf den Karten verzeichnet. Homers Elias bildete den Höhepunkt
klassischer griechischer Literatur, lebte bei den Lateinern u.a. durch Vergil
bis in die Spätantike fort. Schon aufgrund der fränkischen Herkunftssage
[36/37] XXXIV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 663

gelangte es im abendländischen Mittelalter seit dem 7. Jahrhundert 36 immer


erneut zu literarischen Ehren. Es wird verschiedentlich gar großartig abge-
bildet. Deshalb erstaunt es auch nicht, daß der Ausgräber Heinrich Schlie-
mann sich das Troja Homers viel gewaltiger gedacht hat, als das, was er vor-
fand, und daher die eigentliche Ruinenschicht zerstörte, um die Schichten
darunter als das homerische Troja zu feiern.
Auf den frühesten Karten fehlt Troja allerdings, die Troja-Literatur lebte
erst um die Jahrtausendwende auf. 7 Bei Hieronymus sucht man es verge-
bens, was nicht überrascht, wenn man bedenkt, daß die beiden Karten wohl
einerseits das Alte und andererseits das Neue Testament erläuterten. Viel-
mehr erscheint es erstmals auf der Cottoniana kurz nach der Jahrtausend-
wende, dann wieder bei Guido von Pisa, der Karte von Arnstein, der Karte
aus Sawley, nachgetragen bzw. übergeschrieben auf der Karte aus Island
und sogar bei Wilhelm von Tripolis. Es fehlt bei Matthaeus und Walling-
ford, erscheint aber wieder auf der Psalterkarte, dem Rotulus von Vercelli,
der Ebstorfer Weltkarte als Ilium, der Hereford-Karte, bei Ranulf Higden
und auf der Karte in Evesham. Selbst die von der Seekartographie bestimm-
ten Weltkarten wie Vesconte verzeichnen Ylium, offenbar als Huldigung an
die Frühhumanisten. Das erste Architektursymbol bietet die Karte von Saw-
ley, es entspricht etwa Persepolis und steht Konstantinopel kaum nach, des-
gleichen ist es auf der Psalterkarte Konstantinopel, Rom und Karthago
ebenbürtig. Die Großkarten schmücken es aus, die große Karte von Ranulf
deutet offenbar ein leeres Gemäuer Droga an.
K a r t h a g o s Fortleben im Mittelalter hat da entschieden mehr Berechti-
gung. Das Reich der Punier war echter Gegenspieler von Rom gewesen,
hatte reichlich Spuren in der lateinischen Historiographie hinterlassen,
spielte zudem als kirchliches Zentrum in und nach der Völkerwanderungs-
zeit noch eine bedeutende Rolle und war Exarchat bis zu seiner Eroberung
durch die Moslems, unter denen es zum Dorf herabsank. Vor allem aber hat
Orosius Karthago ein Nachleben dadurch gesichert, daß er es zu einem der
vier danielischen Weltreiche machte, unter Streichung der Medo-Perser an-
schließend an die Makedonen. 38 Karthago fehlt denn auch gleichfalls so gut
wie auf keiner Karte vom Vatikanischen Isidor über Beatus von Saint-Sever,
die Karte von Albi, die von Ripoll, die Cottoniana, die von St. John in Ox-
ford, Guido von Pisa, Lambert von Saint-Omer, die aus Arnstein, die vikto-

36
Über die fränkische Trojanersage und andere Herkunftsmythen vgl. ANNELIESE GRAU, Der
Gedanke der Herkunft in der deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters, Diss. Leipzig
1938.
37
Vgl. JÜRGEN STOHLMANN, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 8 (1997), Sp. 1035.
38
Orosius, Historiae adversum paganos II, 1,4-6, (s. Anm.6), S. 82.
664 Studien zur Universalkartographie [37/38]

rinische Isidor-Karte, die Karte aus Sawley, die Inventarkarten aus Island,
und die von Wilhelm von Tripolis, bis hin zur Psalterkarte und natürlich den
Großkarten; noch bei Ranulf ist es als ansehnliche Festung eingetragen und
selbst in Evesham erwähnt und Vesonte bekannt.
Im Bereich des römischen Reiches spielt zunächst R a v e n n a eine gewisse
Rolle, etwa auf der Beatus-Karte von Saint-Sever, der Karte von Ripoll, der
Cottoniana, dem viktorinischen Isidor, später verliert es an Gewicht. Stets
aber ist K o n s t a n t i n o p e l , das neue Rom, berücksichtigt, natürlich wegen
seiner aktuellen Bedeutung; es erscheint bereits bei Hieronymus, auf dem
Vatikanischen Isidor, bei Beatus und auf der Karte aus Ripoll; nur die Karte
aus Albi und der sehr antike Freisinger Macrobius übergehen es, während es
auf der Cottoniana, der viktorinischen Isidor-Karte, der Oxford-Karte, der
Guidos von Pisa, der Karte aus Arnstein und der Sawley-Karte erscheint;
bei Lambert und Wilhelm von Tripolis, sucht man es vergebens, doch gene-
rell spielte es für das Spätmittelalter durchaus noch eine Rolle, wie die Karte
aus Island, Matthaeus, Johann von Wallingford, die Psalterkarte, die drei
Großkarten zeigen. Nicht eindeutig erkennt man es bei Ranulf und Ves-
conte.
Welche Stadt aber ist im deutschen Raum die bekannteste? Natürlich bie-
ten sich die rheinischen Bischofsstädte (Mainz auf der Sawley-Karte, Köln
ebenda, auf der Psalterkarte und bei Matthaeus) an, es scheint ansonsten
Regensburg zu sein. Daß Honorius Augustodunensis, der dort lebte, den
Ort erwähnt, ist nicht überraschend; aber auch auf dem viktorinischen Isidor
findet sich an der Donau Ransburg, doch von Antike kann hier kaum die
Rede sein.

Zusammenfassung und Fazit:


Welche Funktion hatte dieses Wissen für das Mittelalter?

Das Mittelalter war wesentlich stärker als die Moderne von einem linearen
Zeitdenken bestimmt, das ein-, zwei- oder vielsträngig synchronistisch vor-
zustellen ist. Die nach damaligen Möglichkeiten vollkommene Darstellung
war natürlich ein fortlaufendes synchronistisches Tafelwerk, wie es Eusebios
und Hieronymus mit bis zu neun Parallelreichen durchführten; Paulinus Mi-
norità brachte es gar zu Anfang des H.Jahrhunderts auf 26 Parallel-Kolum-
nen. Die Karte erlaubt die Projektion der Herrschaften auf eine relativ be-
grenzte ebene Fläche, historisch korrekt natürlich nur zu einem bestimmten,
festgelegten Zeitpunkt. Bei der Karte des Mittelalters wird auf die Zeitkom-
ponente verzichtet, indem Orte verschiedenster Blütezeit auf eine oft nur
[38] XXXrV. Herausragende Plätze der antiken Geschichte 665

kleine Buchseite projiziert werden. Nimmt man mit dem abendländischen


Mittelalter einen Geschichtsablauf von Osten nach Westen mit dem Weg der
Sonne an, kann man die Geschichtskarte von oben nach unten lesen. Da
man keine Vermessung kannte, war Verhältnisgleichheit nicht vonnöten.
Man bot einen Blick auf die Ökumene und ihre unterschiedlichen Plätze, die
zu sehr verschiedenen Zeiten Bedeutung erlangten. Sie konnte man ganz un-
terschiedlich akzentuieren.
Das Vorkommen wichtiger Plätze
Babylon Ninive Ekbatana Rages Persepolis Susa Nissa Athen Korinth Köln Ransburg Hium Antiochia Edessa Harran Alexandria Troja Seres Karthago Konstantinopel Mekka Metz Mainz
Hieronymus Babylon Ninive Ekbatana Rages Persepolis Susa Antiochia Edessa Harran Alexandria Seres Konstantinopei
Vatikanischer
Babyton Alexandria Karthago Konstantinopel
Isidor
Beatus von
Ninive Ekbatana Athen Korinth Antiochia Alexandria Karthago Konstantinopel
S. Sever
Karte aus
Babylon Athen Antiochia Alexandria Karthago
Albi
Freisinger
Korinth
Macrobius
Karte von
Babylon Alexandria Karthago Konstantin opel
Ripoli
Cottoniana Babylon Ninive Alexandria Troja Karthago Konstantinopei
Viktorin i-
Babyion Ninive Nissa Athen Korinth Hamburg Antiochia Edessa Harran Alexandria Karthago Konstantinopel Mainz
scher Isidor
St. John,
Babylon Karthago Konstantinopei
Oxford
Guido von
Babylon Athen Alexandria Troja Karthago Konstantinopcl
Pisa
Lambert von
Babylon Athen Alexandria Karthago
S.-Omcr
Bibel von
Antiochia Alexandria Troja Karthago
Arnstein
Karte aus
Babylon Rages Persepolis Nissa Korinth Köln Antiochia Alexandria Troja Karthago Konstantinopel Mainz
Sawley-
Karte aus
Babylon Alexandria Troja Karthago Konstantinopei
Island
Wilhelm von
Babylon Troja Karthago
Tripolis
Matthaeus
Köln Konstantinopel Metz
Parisiensis
Johann von
Antiochia Alexandria Konstantinopel
Wallingford
Psalterkarte
Babylon Ninive Persepolis Susa Nissa Köln Antiochia Edessa Harran Alexandria Troja Karthago Konstantinopei
London
Rotuius von
Babylon Susa Antiochia Edessa Harran Alexandria Troja Karthago Konstantinopel Mekka
Vercelli
Ebstorfer
Babylon Ninive Ekbatana Rages Persepolis? Athen Korinth Ilium Antiochia Edessa Harran Alexandria Karthago Konstantinopel
Weltkarte
Weltkarte
Babylon Rages Persepolis Nissa Athen Korinth Antiochia Alexandria Troja Karthago Konstantinopel
Hereford
Ranulf
Babylon Ninive Persepolis Köln Antiochia Edessa Alexandria Troja Karthago
Higden
Karte aus
Babylon Köln Alexandria Troja Karthago
Evesham
Vesconte (Baldac) Ylìum Antiochia Karthago Mekka
Tabelle antiker Plätze, die auch im Alten Testament bzw. auch im christlichen Altertum
oder nur in der Welt der Klassik Bedeutung hatten

Babel Ninive Ekbatana Rages Medorum Persepolis Susa Nissa Athen Korinth Antiochia Edessa Hatran Alexandria Troja Karthago Konstantinopel

Hieronymus X X X X X X X X X X X X

Vatikanischer Isidor X X X X

Beatus von S. Sever X X X X X X X X

Karte aus Albi X X X X X

Freisinger Macrobius X

Karte von Ripoll X X X X

Cottoniana X X X X X X X

Viktorinischer Isidor X X X X X X X X X X X

St. John, Oxford X X X

Guido von Pisa X X X X X X

Lambert von S.-Omer X X X X

Bibel von Arnstein X X X X

Kane aus Sawley X X X X X X X X X X

Karte aus Island X X X X X

Wilhelm von Tripolis X X X

Matthaeus Parisiensis X

Johann von Wallingfotd X X X

Psalterkarte London X X X X X X X X X X X X

Rotulus von Vetcelli X X X X X X X X X X X

Ebstorfer Weltkarte X X X X X? X X X X X X X X X X

Weltkarte Hereford X X X X X X X X X X X

Ranulf Higden X X X X X X X X

Karte aus Evesham X X X X

Vesconte X? X X X
XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit
auf Karten des 12. bis 14. Jahrhunderts

Einleitung:
Die W a h r n e h m u n g orientalischer Christen im Kreuzzugszeitalter

Spätestens mit dem Ersten Kreuzzug rückt die Tatsache, daß es östlich von
Jerusalem eine Ökumene gibt, in ein auch von der Erfahrung untermauertes
Bewußtsein. Beim Propheten Ezechiel1 findet sich das Zeugnis, Jerusalem sei
der Nabel der Welt. Hieronymus als der verbindliche Exeget der Propheten
des Alten Testaments hat Jerusalem daher zum Zentrum der bewohnten Welt
erklärt. 2 Diese Aussage wurde lange Zeit wenig von den Universalkartogra-
phen des Abendlandes beachtet, wie eine sorgsame Betrachtung der einzel-
nen Weltkarten bezeugt. 3 Bis zum Ersten Kreuzzug nämlich bildet Jerusalem
nicht in einem einzigen Fall das Zentrum, obwohl die mittelalterlichen west-
lichen Kartographen keinerlei Vermessung kannten und es daher verhältnis-
mäßig leicht gehabt hätten, dieser biblischen Forderung im Bild nachzukom-
men. Betrachtet man Karten des Isidor, des Beatus oder z. B. die Cottoniana,
so erscheint auf diesen geosteten Gemälden Jerusalem stets aus dem Karten-
mittelpunkt nach rechts oben, d. h. nach Südosten verschoben. Das hat seine
Ursache darin, daß die Ökumene-Kartographie von der klassischen antiken
Tradition her europazentriert war: Man kannte seit der hellenistischen Zeit
vorrangig den mediterranen Raum relativ detailliert und war schon im Na-
hen Osten entschieden weniger zu Hause. Diese Sicht ändert sich, als mit
den Kreuzzügen Jerusalem zu einem mannigfaltig diskutierten Zielpunkt
wird.
Als Beleg aus der Universalkartographie zieht man besonders gern die
Mappa Mundi aus Oxford von 1110 heran, 4 bei der Jerusalem erstmals exakt

1
Ezechiel 5, 5; vgl. zum Thema auch oben S. 367-374.
2
Commentarli in Hiezechielem, hg. v. FRANCISCUS GLORIE (Corpus Christianorum Series La-
tina 76) 1964, S. 55 f.
3
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Jerusalem on medieval mappaemundi: a site both hi-
storical and eschatological, in: The Hereford World Map. Medieval World Maps and their
Context, ed. by PAUL D. A. HARVEY, London 2006 ( = u. S.683-703).
4
Oxford, St. John's College MS 17 fol. 6; vgl. MARCEL DESTOMBES, Mappemondes A.D.
1200-1500, sect. 25,8 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi 1) Amsterdam 1964; gute
[404/405] XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit 669

den Mittelpunkt eines geosteten Erdkreises bildete. Da nach gängiger Lehre 5


die Ökumene auf der geosteten TO-Karte derart in drei Erdteile gegliedert
war, daß ein T von Gewässern dem O der kreisrunden Ökumene einbe-
schrieben war, trennte es die obere Hälfte, Asien, durch Don, Östliches Mit-
telmeer und Nil als T-Balken von den beiden unteren Vierteln, Europa und
Afrika, ab, die ihrerseits durch das Mittelmeer, den T-Schaft, voneinander
geschieden waren. Konsequenterweise lag der Erdmittelpunkt dieses Bildes
im Schnittpunkt von T-Schaft und T-Balken exakt im Wasser, und so stellt
es die Oxford-Karte denn auch dar: Jerusalem ist eine rundliche Insel, die im
Östlichen Mittelmeer schwimmt.
In der Folgezeit ziehen die Maler mehrheitlich das T der Gewässer nach
unten, d.h. sie verschieben es nach Westen, damit Jerusalem auf dem asiati-
schen Festland doch als Kartenzentrum erscheinen kann. Diese schematische
Lösung bildet sich aber erst langsam heraus und ist erst seit Mitte des 13.
Jahrhunderts sicher bezeugt, d.h. seit John of Wallingford, der Psalterkarte
von London und den Großkarten von Ebstorf und Hereford. 6
Die Ökumene-Hälfte östlich von Jerusalem war nunmehr mit Legenden zu
füllen, und daran hatte es keinen Mangel, da man aus spätantiken Schulau-
toren das hellenistische Wissen erschloß, vor allem aber aus dem Alten Te-
stament schöpfte. Im Zeitalter der Kreuzzüge spielt dabei zunehmend die
Suche nach christlichen Brüdern im Orient eine Rolle, die geeignet waren,
den Kreuzfahrern Hilfestellung zu geben. In diesen Zusammenhang gehören
sowohl Nachrichten über christliche Nationen im Nahen Osten als auch am
Ende der Welt, desgleichen die Kunde vom legendären Priesterkönig Johan-
nes als möglichem Retter.7 Dieses Wissen mochte auch für Klosterschulen
von Gewicht sein. Spuren von orientalischen Christen finden sich in der Kar-
tographie zwangsläufig in bescheidenem Maße, weil Weltkarten im Buchfor-
mat wenig Platz boten. Die Großkarten sind hier aufschlußreicher; mit ihren
Belegen will sich die folgende Studie vorrangig befassen.

Abb. bei KONRAD MILLER, Mappaemundi. Die ältesten Weltkarten 3, Stuttgart 1895, S. 118f. mit
Nomenklatur, Abb. S. 119, siehe auch Abb. 2 (vgl. unten Tafel 19).
5
Aurelius Augustinus, De civitate Dei 16,17, hg. v. BERNARDUS DOMBART und ALPHONSUS
KALB, Darmstadt 5 1981, S. 153-155.
6
Vgl. VON DEN BRINCKEN, Jerusalem (wie Anm.3) ( = u. S.683-703); dazu besonders Psalter-
karte, London British Library MS Add. 28681 fol.9, DESTOMBES, Mappemondes (wie Anm.4)
sect. 49, 8.
7
Zum Fragenkreis grundsätzlich vgl. ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Die Nationes
„Christianorum Orientalium" im Verständnis der lateinischen Historiographie von der Mitte
des 12. bis in die zweite Hälfte des H.Jahrhunderts (Kölner Historische Abhandlungen 22)
Köln 1973.
670 Studien zur Universalkartographie [405/406]

1. Bezeichnungen für ostchristliche Nationen

Zunächst soll kurz umrissen werden, welche Kirchen des Ostens in diesem
Zusammenhang zu betrachten sind. Grundsätzlich unterscheiden sie sich
von der ecclesia des Abendlandes dadurch, daß sie von dieser Jurisdiktionen
geschieden sind, d.h. sie gehören im weiteren Sinne zu den Schismatikern,
weniger zu den Häretikern. Sie unterstehen nicht der Kirche Roms, erken-
nen den Papst nicht als ihr Oberhaupt an und bedienen sich weder in der Li-
turgie, noch in der Verwaltung der lateinischen Sprache, die das einigende
Band der westlichen Kirche war. Dies bedeutet, daß die Kontakte nur loser
Natur sein konnten, wenn es auch im Einzelfall große Unterschiede sowie
Ansätze zu Unionen gab.
Die wichtigste Rolle8 spielen hier die sogenannten Orthodoxen, d.h. die
erst seit 1054 von Rom getrennten Byzantiner als die griechische Kirche mit
ihren anderssprachigen Brüdern in Nachbarländern, nämlich den Melkiten
im Nahen Osten - in lateinischen Quellen Surianen genannt -, die Georgier
einschließlich der Abchasen, Iberer und Lazen, die Alanen im Schwarzmeer-
gebiet, die Balkan-Christen wie Bulgaren, Serben, Walachen, Raszier und
Slawonen, die Russen, die Sogdier und andere Chalkedonenser Zentral-
asiens. Im Dogma stimmen sie mit dem Abendland überein, ausgenommen
das sogen, filioque, nämlich die Aussage im Glaubensbekenntnis, daß der
Hl. Geist vom Vater und dem Sohne und nicht durch den Sohn hervorgeht.
Sie werden mit den Lateinern als Chalkedonenser zusammengefaßt, weil sie
die ersten vier Großkonzilien der Christenheit einschließlich des Konzils
von Chalkedon 451 anerkennen, zelebrieren aber eine fremdsprachige Litur-
gie wie die griechische, altkirchenslawische oder syrische.
Größere dogmatische Unterschiede trennen den Westen von den durch
die christologischen Streitigkeiten des 5. Jahrhunderts abgespaltenen Natio-
nalkirchen. Diese deuteten den Glaubenssatz, daß in Christus die göttliche
und die menschliche Natur vereint zu denken sind, mit unterschiedlicher Ak-
zentuierung. Die Monophysiten wie die syrischen Jakobiten, Kopten, Nu-
bier, Äthiopier und Armenier betonten mit der Einnaturenlehre die Gottheit,
die Nestorianer mitsamt den Thomas-Christen werteten die Menschheit des
Herrn auf. Auf den Kreuzzügen begegnen viele dieser Nationen - von denen
man aus den Schulbüchern wie Isidors "Etymologiae" nur weiß, daß sie

Vgl. VON DEN BRINCKEN, Nationes (wie Anm.7).


[406/407] XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit 671

pessimi heresiarche, gar böse Ketzer seien9 - den Abendländern und erregen
ihr Interesse, nicht zuletzt als Pilger am Heiligen Grab.
Natürlich erhalten derartige Splitternationen nur minimalen Raum auf
Weltdarstellungen im Buchformat. Wenn etwa die Armenier oder ihr Land
hier Erwähnung finden, ist mitnichten gleich an deren christliches Bekennt-
nis gedacht. Eine uralte Hochkultur, waren sie im 1. Jahrtausend v.Chr. An-
hängsel der Perser, traten in der Zeit des Hellenismus hervor und wurden 66
v.Chr. römische Provinz als Armenia minor (Kappadokien), während Arme-
nia maior als Klientelstaat bisweilen zu den Parthern gehörte, 114 von Tra-
jan erobert, seit Hadrian wieder selbständig war, auch teilweise zu Justinians
Reich rechnete. Die Kartographen denken bei dem Namen vielfach nur an
eine römische Provinz. Biblisch aber spielt die Arche Noe eine noch gewich-
tigere Rolle, die auf dem Berg Ararat in Armenien gelandet sein sollte. Etwas
detailliertere Hinweise auf ihr Christentum darf man einigen Großkarten
entnehmen.

2. Die Missionierung des Orients nach mittelalterlichem Wissen

Hilfreich für den mittelalterlichen Kartographen waren die Aposteltraditio-


nen der Hagiographie. Diese schlugen sich beispielsweise nieder in einem
einzigartigen Zeugnis des frühmittelalterlichen Spanien, nämlich in Text und
Miniaturen des Beatus von Liébana zu seinem 776 bis 786 entstandenen
Apokalypsen-Kommentar. In der Vorrede zum 2. Buch weist der Kommen-
tator die großen christlichen Missionsgebiete bestimmten Aposteln zu, 10
nämlich im Orient Indien dem hl. Thomas, das kleinasiatische Lykaonien
dem Bartholomäus, Jerusalem dem Jacobus minor, Bruder des Herrn,
(Klein-)Asien dem Apostel Johannes, Judäa dem Apostel Matthias 11 und
Ägypten Simon Zelotes. Die auf Beatus zurückgehende Karte (vgl. unten Ta-
fel 14) sollte diese Entsendung der Apostel in alle Welt in diversen Versionen
illustrieren. Vielfach wird hier auch ein Zusammenhang mit dem aufkom-
menden Jakobuskult in Spanien gesehen, denn Beatus berücksichtigt natür-
lich auch die Apostel des Westens: Matthäus in Makedonien, Andreas in
Achaia, Philippus in Gallien, Petrus und Paulus in Rom und schließlich Ja-
cobus maior in Spanien.

' Isidor von Sevilla, Etymologiae VIII, V, hg. v. W. M. LINDSAY, Oxford 1911.
10
Beati in Apocalipsin, II, Prolog c. 17, hg. v. HENRY A. SANDERS (Papers and Monographs
of the American Academy in Rome 7) Rom 1930, S. 116.
11
Dieser Apostel fehlt in der textlichen Auflistung des Beatus und erscheint nur auf den Kar-
ten.
672 Studien zur Universalkartographie [407/408]

Beatus baut auf alten Traditionen auf, die meist aus östlichen Vorlagen
stammen. Die Zuordnung der Missionsgebiete ist zudem keineswegs überall
in der Literatur gleich, aber zumindest Indien als das nach spätantiker wie
mittelalterlicher Sicht am weitesten im Osten gelegene Reich wird stets mit
Thomas in Verbindung gebracht und spielt wegen seiner Extremlage allent-
halben eine wichtige Rolle. Auch ist hier erst einmal nur von der textlichen
Apostelaussendung die Rede; von der bildlichen Verwirklichung und ihrer
divergierenden Überlieferung ist unten zu handeln. In jedem Fall ist die Aus-
einandersetzung des Beatus mit der Missionierung der Enden der Welt von
großer Bedeutung für die Fragestellung von Kloster und Bildung, weil hier
das Bewußtsein von Christen am anderen Ende der Welt und von ihrer Vor-
geschichte vorhanden ist. Die Kartographie des Beatus erhielt allgemeines
Gewicht für Schulzwecke, auch wenn seine vielfach überlieferte Karte 12 über
Spanien hinaus nur bescheidene Verbreitung fand.

3. Kenntnisse von orientalischen Christen auf Karten


der Vorkreuzzugszeit

Hatte die ältere Kartenforschung die antike Kartographie eingehend disku-


tiert, wird deren Existenz seit den Arbeiten von Kai Brodersen 13 sehr in Fra-
ge gestellt und daher hier beiseite gelassen, auch wenn etwa die englische
Kartenmalerei ausgeprägter antik bestimmt ist als dies quellenmäßig nachzu-
weisen ist.
Ein erster Blick gilt hier den beiden englischen Karten des Hieronymus
aus dem 12. Jahrhundert, die freilich eindeutig hochmittelalterliche Zutaten
enthalten. Während die sogenannte ,Orient-Karte' keine Auffälligkeiten
zum Thema bietet, ist auf der Heilig-Land-Karte 14 allenfalls Armenia mit
mons Armenie, ubi resedit archa erwähnenswert, hier aber ohne Gegenwarts-
bezug rein alttestamentlich verstanden.
Die einzige ausführlichere Ökumene-Karte des frühen Mittelalters, die
mit Isidor in Zusammenhang gebracht wird, die Vatikanische Karte von
775, 15 ist gleichfalls ohne Belang.

12
Vgl. u.a. DESTOMBES, Mappemondes (wie Anm.4) sect. 17 und 35.
1J
KAI BRODERSEN, Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung (Spudasmata 59)
Hildesheim 1995.
14
London British Library, MS Add. 10049 fol.64v; Abb. MILLER, Mappaemundi 3 (wie
Anm.4) S. 14.
15
Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Vat. Lat. 6018 fol.64v-65; vgl. DESTOMBES, Mappe-
mondes (wie Anm. 4) sect. 1,7 mit guter Abb. pl. U/XIX.
[408/409] XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit 673

So steht Beatus für eine neue Sicht der christlichen Ökumene im Mittelal-
ter. Man vermutet nicht ohne Grund, daß ihn der Bericht über die Aussen-
dung der Apostel maßgeblich zum Kartenzeichnen anregte. Ganz eindeutig
ist diese Motivation deshalb nicht, weil der Apokalypsenkommentar in weit
über 30 Handschriften erhalten ist, von denen mehr als die Hälfte Karten
aufweisen, aber nur drei von ihnen Darstellungen der Apostelköpfe am Ziel
ihrer Mission zeigen. Diese sind unter den erhaltenen keineswegs die älte-
sten, vielmehr datiert die älteste überlieferte Handschrift mit Karte von 926,
die schönste, größte und umfassendste, die aus Saint-Sever, von ca. 1045.
Dagegen ist die Aussendung der Apostel zuerst in der Handschrift aus Burgo
de Osma von 1086 belegt.16 Hier ist die Verteilung der Apostel dem Text
entsprechend, aber es kommt in Judäa Matthias hinzu. Ein weiterer Text-
zeuge aus Ona vom Ausgang des 12. Jahrhunderts 17 steht der Karte von Os-
ma recht nahe. Schließlich verballhornt ein Fragment aus Lorväo von 118918
das ikonographische Material, zeigt zwar Thomas in Indien, Jacobus Minor
in Jerusalem, Matthias in Judäa, Johannes in Asien, Simon Zelotes in Ägyp-
ten und Bartholomäus in Chaldea, aber die geographische Plazierung ist ein
einziges Verwirrspiel. Aus dieser Überlieferungsgeschichte ist jedenfalls zu
schließen, daß die Apostelaussendung erst am Ende des 11. und dann im 12.
Jahrhundert unter den Kopisten Interessenten fand. 19
Die sogen. ,Cottoniana' oder angelsächsische' Karte 20 um 1030, erhalten
als Rechteck im Buchformat, mißt 21x17 cm im Original und ist, während
sie im Nordwesten allerlei Lokalkenntnisse anspricht, im Orient ausgespro-
chen antiquarisch und vom Alten Testament geprägt. Armenia mit Montes
Armeniae und Arca Noe findet sich ebenso wie schon bei Hieronymus, aber
auch in der Kartographie des 13. Jahrhunderts. Im Kaukasus liest man Hibe-
ria, ältere Bezeichnung für Georgien nach Orosius. Im Heiligen Land wer-
den die Stämme Israels aufgezählt, durchaus in biblischer Tradition, und
hier tauchen erstmals auf einer Karte die Endzeitkünder Gog und Magog im
Nordosten auf, eine Eigenheit insbesondere der englischen Kartographie.

16
Burgo de Osma, Archivo de la Catedral MS 1 fol. 34v-35; vgl. DESTOMBES, Mappemondes
(wie Anm. 4) sect. 17, 8; Abb. MILLER, Mappaemundi 1 (wie Anm. 4) S. 35, siehe unten Tafel 14.
17
Heute Mailand, Bibliotheca Ambrosiana MS F 105 sup.
18
Lissabon, Arquivo National da Torre do Tombo MS 160.
" BRIGITTE ENGLISCH, Ordo orbis terrae. Die Weitsicht in den Mappae mundi des frühen und
hohen Mittelalters (Vorsteliungswelten des Mittelalters 3) Berlin 2002, S. 171-223 und 259-389,
hat die Beatus-Karten jüngst strukturanalytisch beleuchtet, zu den besonderen Schwerpunkten
dieser Kartengruppe aber keine andersgeartete Genese erstellt.
20
London, British Library, MS Cott. Tib. B.V. fol.56v; gute Abb. MILLER, Mappaemundi 3
(wie Anm. 4) S. 33.
674 Studien zur Universalkartographie [409/411 ]

Eindeutige Reminiszenzen an das östliche Christentum sind diese kleinen


Funde nicht.

4. Die Ökumene-Karten der Kreuzzugszeit im engeren Sinne

Die Rundkarte aus dem Oxforder Sammel-Codex des St.John's College (Ta-
fel 19), 21 datiert auf die Zeit um 1100 oder 1110, 22 gilt gewöhnlich als
Markstein in der Universalkartographie, weil hier erstmals auch im Bild
Ernst gemacht ist mit der Zentralstellung Jerusalems. Das T der Gewässer
scheint mit Zirkel und Lineal - ein damals keineswegs gängiges Verfahren -
dem Erdkreis einbeschrieben zu sein, Jerusalem als Insel im Östlichen Mit-
telmeer ist zugleich geometrischer Mittelpunkt. Dieser Schritt wird gern mit
der Erweiterung des Weltbildes durch den Ersten Kreuzzug begründet. Die
Karte zeigt noch mehr gelehrte Besonderheiten: So erscheinen die Himmels-
richtungen mit griechischen wie lateinischen Bezeichnungen in lateinischer
Schrift. Eine Reihe von Legenden ist gleichsam im Uhrzeigersinn um 90°
verschoben wie die Britischen Inseln, Island, ferner Athen, Konstantinopel,
Achaia, Armenien, Mesopotamien, Babylonia, Chaldea und der Euphrat, so
daß hier vielleicht eine genordete byzantinische Karte von Einfluß gewesen
sein könnte. Neu ist endlich die Erwähnung einiger Apostel mit ihren Pre-
digtorten im Raum des erweiterten Heiligen Landes, nämlich Paulus in
Athen, Johannes in Ephesus, Andreas in Achaia und Petrus in Caesarea,
ausnahmslos im Neuen Testament entsprechend bezeugt, wie überhaupt das
Material dieser Karte weitgehend biblisch ist, wie etwa die Erwähnung der
Stämme Israels. Die Karte bezeugt, daß durch den Ersten Kreuzzug die
Plätze des Nahen Ostens als Orte des biblischen Heilsgeschehens ins allge-
meine Bewußtsein rückten.
Die Oxford-Karte bleibt aber für das ganze 12. Jahrhundert Ausnahme.
Weder Lambert von Saint-Omer in seiner reichbebilderten Enzyklopädie
«Liber Floridus» (1112/15) mit ihren insgesamt zehn Weltkarten zeigt hier
ausgeprägte Interessen - auf der großen hemisphärischen Karte 23 nennt er
Armenia, Lazarum gens für Georgier und Saba Ethiopie am Roten Meer in

21
Vgl. oben Anm.4. Abb.2 (nach MILLER) (vgl. unten Tafel 19).
22
CLAUS MICHAEL KAUFFMANN, Romanesque Manuscripts 1066-1190 (A Survey of Manu-
scripts illuminated in the British Isles 3) London 1975, S.56f.
23
Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, MS 1 Cod. Lat. fol.69v-70r; gute Abb. MILLER,
Mappaemundi 3 (wie Anm. 4) Tab. IV.
[411/412] X X X V . Spuren d e r orientalischen Christenheit 675

Vorderasien, ohne daß man hieraus zeitgenössische Bezüge ableiten könnte -,


noch geht Guido von Pisa 1118 auf christliche Nationen des Ostens ein.24
Von Hugo von St. Viktor hat sich zwar keine Karte, aber eine «Descriptio
Mappae Mundi» (um 1130) erhalten, verstanden zumeist als Anleitung zum
Zeichnen einer größeren Karte. Er erwähnt da Indien mit der civitas Calami-
nta et sepulchrum beati Thome apostoli,25 schließt die Liste von Städten im
Umfeld des Heiligens Landes mit hec omnia contra orientem ab Ierusalem,26
erläutert In hac Armenia requievit archa Noe super montes Ararat27 und ver-
meldet: In oceano septentrionali sunt insule in quibus habitant gentes ille Gog et
Magog, de quibus in Apocalipsi legitur.2* Das ist eine dürftige Ausbeute für
unsere Fragestellung aus einem Text von immerhin 774 Zeilen.
Am Ende dieses Abschnitts über die Kreuzzugszeit im engeren Sinne steht
die in den Ausgang des 12. Jahrhunderts datierte, heute «Sawley Map» ge-
nannte Karte zur «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis, 29 lange
fälschlich einem Heinrich von Mainz zugeordnet. Sie ist sehr antiquarisch,
nennt nur Armenia und in gut englischer Tradition Gog et Magog gens im-
munda, geht aber im Grunde keineswegs über die Cottoniana hinaus.
So ist ein durch die Kreuzzugszeit verändertes Kartenbild bis in die Mitte
des 13. Jahrhunderts nur in sehr schwachen Umrissen zu fassen.

5. Die Summenkarten des ausgehenden 13. Jahrhunderts

Um 1250 ändert sich das bisher übliche Bild. Die in mancherlei Hinsicht aus
dem üblichen Rahmen fallende Weltkarte des Johann von Wallingford ist
hier die erste Neuerung (s. unten Tafel 37). Zunächst einmal handelt es sich
um eine geostete Klimatenkarte, ein Weltkartentyp, der im Abendland bis-
lang nur bei dem getauften Juden Petrus Alfonsi um 1110 belegt war, aus
dem Griechischen kam und von den christlichen Orientalen oft verwandt
wurde. Der englische Benediktiner Johann von Wallingford erfaßt die be-

24
Brüssel, Bibliotheque Royale MS 3897-3919 fol.53v; gute Abb. MILLER, Mappaemundi
(wie Anm.4), S.56.
25
La «Descriptio mappe mundi» de Hugues de Saint-Victor. Texte inédit avec introduction
et commentaire, hg. v. PATRICK GAUTIER DALCHE (Etudes Augustiniennes) Paris 1988, S. 141
Zeile 222.
26
«Descriptio mappe mundi» (wie Anm.25) S. 142 Zeile 265f.
27
«Descriptio mappe mundi» (wie Anm.25) S. 144 Zeile 306f.
28
«Descriptio mappe mundi» (wie Anm.25) S. 145 Zeile 314-316.
29
Cambridge, Corpus Christi College MS 66 p.2; gute Abb. MILLER, Mappaemundi 3 (wie
Anm.4) Tab. III und Paul D.A. HARVEY, The Sawley Map and Other World Maps in Twelfth
Century England, in: Imago Mundi 49 (1997) S.34.
676 Studien zur Universalkartographie [412/414]

wohnte Welt im geosteten Halbkreis, dessen Mittelpunkt - im vierten von


sieben Klimata gelegen - Jerusalem bildet. 30 Dies ist nach der Oxfordkarte
von 1110 der erste Beleg für Jerusalems Zentralstellung. Da diese außerge-
wöhnliche Karte in einer Kurzchronik auftaucht, die einzig die Chroniken
des Matthaeus Parisiensis OSB zur Quelle hat, bildlich zudem exakt zu ei-
nem in den Additamenta zu des Matthaeus Chroniken überlieferten Text
paßt, wurde Matthaeus mit gutem Grund als geistiger Vater dieser Karte
vermutet.31
Aber auch Matthaeus selbst werden außerdem um die Jahrhundertmitte
Karten mannigfaltiger Art verdankt, eine Weltkarte, eine England-Karte,
ein Itinerar von London nach Apulien und eine Karte des Heiligen Landes.
Die Weltkarte 32 enthält den Hinweis auf eine weitere für Westminster er-
stellte Universalkarte in Form einer Chlamys extensa, eines ausgebreiteten
Mantels, die damit just dem Typ der Wallingford-Karte entspräche und viel-
leicht hier angesprochen ist. Die bekannte Weltkarte des Matthaeus ist an-
sonsten recht enttäuschend (s. unten Tafel 39), verglichen mit anderen Map-
pae Mundi der Zeit. Sie ist rechteckig, nicht eigentlich begrenzt und auffal-
lend europalastig. Von Afrika ist nur das Mittelmeerufer eingezeichnet, Asi-
en ist zur Hälfte gefüllt mit dem schon erwähnten Verweis auf ein anderes
Kartengemälde der Zeit. Jerusalem liegt keineswegs im Mittelpunkt. Um Asi-
en sind die drei klassischen Weltmeerbusen Kaspisches Meer, Persischer und
Arabischer Golf angedeutet, sonst erkennt man Provinzen Kleinasiens. Im
äußersten Nordosten, nahe dem Schwarzen Meer, liest man Siria ubi Ph.
predicavit, dann ganz im Osten Ierapolis: hie predicavit Philippus apostolus.
Ob damit auf ein und dieselbe oder zwei verschiedene Personen angespielt
wird, ob in einem Fall eine Verschreibung für Petrus vorliegt, ist umstritten.
Aber hier wird ein schon aus der Oxford-Karte bekanntes Element aufge-
griffen, die Erwähnung der Predigtorte der Apostel. Matthaeus Parisiensis
bezieht sich auf andere Orte - Ierapolis gibt es mehrfach, u. a. könnte Pa-
mukkale gemeint sein - und andere Apostel, aber trotz seines rudimentären
Asienbildes schaut Matthaeus nach christlichen Missionsorten aus.
Den berühmten Großkarten des ausgehenden 13. Jahrhunderts geht um
1262 ihre Miniaturausgabe voraus, die als Psalter-Karte von London 33 be-

30
London, British Library, MS Cott. Jul. D, VII, fol. 46; vgl. DESTOMBES, Mappemondes
(wie Anm. 4) sect. 49, 7.
31
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von
Wallingford - ein Werk des Matthaeus Parisiensis? in: Westfalen 51 (1973) S.47-56 (= o.
S. 137-148), mit Abb.
32
Cambridge, Corpus Christi College, MS 26 p.284; RICHARD VAUGHAN, Matthew Paris
(Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 2,6) 1958, 2 1979.
33
London, British Library, MS Add. 28681 fol. 9; vgl. DESTOMBES, Mappemondes (wie
[414/416] XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit 677

kannt ist (vgl. Tafel 42). Auf ihr erhält die Erde in einem kleinen Gebetbuch
nur 9 cm Durchmesser; Jerusalem bildet das Zentrum. Auf dieser bescheide-
nen Kreisfläche sind Armenia mit Archa Noe wie auf fast allen Karten er-
wähnt; von den eingeschlossenen Nationen im Nordosten hat zwar ihr Wall
ins Bild gefunden, aber nicht einmal zur entsprechenden Legende hat es ge-
reicht. Natürlich ist der Platzmangel ein einleuchtender Entschuldigungs-
grund.
Die einzige im Original erhaltene Großkarte, die Karte von Hereford, 34
hat ursprünglich als Retabel gedient, wie man heute weiß. 35 165 x 134 cm
groß, war ihr Schöpfer Richard de Bello, bepfründet in Lafford und Hal-
dingham; er ist 1276 bis 1305 dort urkundlich bezeugt. Die Karte wurde we-
gen ihrer antiken Züge lange als die Kopie einer klassisch-römischen Welt-
karte angesehen. Zumindest sind der typisch mittelalterlichen Zusätze nicht
allzu viele, obwohl man immerhin über 1091 Legenden verfügt. Da ist im
Nordosten, nahe dem Wall gegen die eingeschlossenen Nationen von fili
Cain maledicti: Hos inclusit Dominus per magnum Alexandrum5b und von in-
clusi. .. tempore Antichristi erupturi et omni mundo persecutionem Maturi57 die
Rede, südlich davon von Urbs Choolissime, quam edificavit Magog filius Ja-
phet,58 westlich davon von Panda oppidum Sogdianorum.59 Daß die Sogdier
Christen waren, ist wohl kaum bewußt. Thiberia40 und Armenia41 sind an-
tik, und archa Noe sedit in montibus Armenie und Armenia Minor42 nicht
minder. Allenfalls Nibei, gens Nibie, Ethiopes Christianissimi45 im äußersten
Südosten, und terra Ethiopie44 erinnern an die Existenz von Christen in Afri-

Anm.4) sect. 49,8; Datierung nach NIGEL MORGAN, Early Gothic Manuscripts 2, 1250-1285 (A
Survey of Manuscripts illuminated in the British Isles 4,2) 1988, N° 114 S. 82-85; gute Abb.
MILLER, Mappaemundi 3 (wie Anm.4) Taf. 3.
34
Hereford, heute Cathedral Library; neueste Aufarbeitungen: PAUL D.A. HARVEY, Mappa
Mundi. The Hereford World Map, Hereford Cathedral & The British Libraiy, London 1996;
SCOTT D. WESTREM, The Hereford Map. A Transcription and Translation of the Legends with
Commentary (Terrarum Orbis 1, hg. v. PATRICK GAUTIER DALCHE) Tumhout 2001.
35
MARTIN BAILEY, The Mappa Mundi Triptych: the full story of the Hereford Cathedral pa-
nels, in: Apollo. International Magazine of the Arts 128 (1993) S. 374-378; DERS. auch in: The
Hereford World Map (wie Anm. 3).
36
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S. 69 c. 141.
37
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S.71 c. 142.
38
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S. 47 c. 94.
39
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S.73 c. 148/149.
40
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S. 78/79 c. 164; gemeint ist Iberia, Georgien.
41
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S.79 c. 166.
42
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S. 107 c. 224/225.
43
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S. 93 c. 198.
44
WESTREM, Hereford Map (wie Anm. 34) S. 185 c. 440.
678 Studien zur Universalkartographie [416/418]

ka, nämlich Nubier und Äthiopier, von denen man seit Ende des 12. Jahr-
hunderts wieder weiß, weil man ihnen im Heiligen Land begegnet. Die Aus-
beute der großen Traditionskarten Englands ist also nicht sehr ergiebig.
Anders stellen sich diese Interessen auf dem Rotulus von Vercelli dar (Ta-
fel 49b). 45 Diese nur fragmentarisch erhaltene Karte maß einst 84 x 72 cm.
Sie wurde erst vor weniger als 100 Jahren im Kapitelsarchiv von Vercelli ent-
deckt, nachdem man sie zuvor für die Skizze eines synoptischen Bildes ge-
halten hatte. Der Entdecker der Karte Carlo Errerà 46 datierte sie in die Zeit
König Philipps III. von Frankreich (1270-85), weil sich rechts unten in Afri-
ka die Darstellung eines Königs findet, der, durch die Legende als Philippus
rex Francie identifiziert, auf einem Phantasievogel reitet. Schon Errerà
machte auf die Beziehung zu den Beatus-Karten aufmerksam. Jüngere For-
scher wie Capello 47 suchten eine Verbindung zu Handschriften des Kardi-
nals Guala Bicchieri (f 1227), der Legat in England war und der Bibliothek
von Vercelli Manuskripte insularen Ursprungs stiftete; Capello bezog den
König Philipp im Bild auf Philipp II. August. Paläographisch läßt sich diese
Sicht allerdings nicht stützen, 48 aber trotz der Widersprüche blieb die Früh-
datierung lebendig, denn auch den Mittelalter-Historikern kann nichts alt
genug sein. Die besondere Problematik der Beurteilung der Karte liegt in ih-
rem Erhaltungszustand. An beiden Seiten, d.h. im Norden und Süden, sind
Teile ausgerissen, Nässe hat die ganze untere Hälfte verblassen lassen, so
daß Aussagen eigentlich nur noch auf der Basis von relativ brauchbaren
schwarzweißen Reproduktionen bei Kamal möglich sind.
Die Karte weist ausnehmend wenig Wasser auf der Ökumene nach und
zeigt offenbar ein Interesse für Wüsten. 49 Dies alles spricht mehr für Her-

45
Diese Karte ist in ihrem Original im Kapitelsarchiv von Vercelli aufbewahrt und befindet
sich in einem so schlechten Erhaltungszustand, daß sie kaum mehr zu benutzen ist. Hilfreich ist
die einzige brauchbare Reproduktion bei YOUSSOUF KAMAL, Monumenta Cartographica Africae
et Aegypti 3, Le Caire 1935, pl. 997; verkleinerter Nachdruck hg. v. FUAT SEZGIN (Veröffentli-
chungen des Instituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der Johann
Wolfgang Goethe-Universität, Reihe D, 3,1-6) Frankfurt 1987.
46
CARLO ERRERÀ, Un mappamondo sconosciuto nelF Archivio Capitolare di Vercelli, in: Atti
Accademia di Scienze Torino 46 (1910/11) S. 8-11; DERS., Un mappamondo medioevale ritro-
vato a Vercelli, in: Rivista Geografica Italiana (1911) S. 107.
47
CARLO FELICE CAPELLO, II mappamondo medioevale di Vercelli (1181-1218?) (Università
di Torino, Memorie e studi geografici 10) Torino 1976.
48
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Monumental Legends on Medieval Manuscript
Maps. Notes on designed capital letters on maps of large size (demonstrated from the problem of
dating the Vercelli Map, thirteenth Century), in: Imago Mundi 42 (1990) S.9-25 (= o. S.375-
399).
49
Abb. nach KAMAL (wie Anm. 45) nördlicher Teil der Osthälfte der Karte, siehe Tafel 49b.
[418/419] XXXV. Spuren der orientalischen Christenheit 679

kunft aus dem merditerranen Raum als für England. Es finden sich aber auch
keine Anklänge an die typisch englische Kartentradition wie z.B. Betonung
von Gog und Magog. Umgekehrt bezeugen englische Karten wenig Sinn für
Beatus-Anklänge. Gleich fünf bzw. sechs orientalische Apostelgräber - die
obere, östliche Hälfte der Karte ist teilweise noch gut benutzbar - springen
ins Auge, nämlich mit einer Grabkapelle: Sepulcrum Thome apostoli bei India
Minor und Polibocra, Sepulcrum Bartholomei apostoli nordwestlich der Arche
Noe, Sepulcrum Philippi apostoli westlich von der Arche Noe, Sepulcrum Si-
monis et lüde südlich vom Turm von Babel und nördlich von einem zweiten
Babilonia neben Babilonia-Kairo (meint wohl Bagdad), endlich ein Sepul-
crum Iohannis apostoli an der Westküste von Kleinasien südlich von Troja.
Neben Armenia mix. Archa Noe ist nordöstlich von Antiochien ein kirchliches
Bauwerk Hab/itaculum ?] magnum betont. In Afrika erscheint Nubia civitas,
durch ein Kreuz als christlich gekennzeichnet, ergänzt durch die Legende
Hie sunt Nubie porte, ferner zwei Kirchen offenbar in der nitritischen Wüste
Sanctus Macarius und Sanctus Paulus als Klöster.
Wo immer diese Karte im mediterranen Raum am Ende des 13. Jahrhun-
derts entstand, beweist der Zeichner ausgeprägtes Interesse für außereuro-
päische Christen. Diese Ausrichtung ist typisch für die Zeit, in der die
Kreuzfahrer ihrer letzten Bastionen in Asien und Afrika verlustig gingen, die
Mongolen aber den Weg nach Zentralasien öffneten.
Die Ebstorfer Weltkarte aus der gleichen Zeit 50 bietet als flächenmäßig
größte Karte des Mittelalters diesen Interessen ihrer Zeit gleichfalls ange-
messenen Raum (s. unten Tafel 50b).
Hier finden sich nun in ihrer Ikonographie ganz ähnliche Grabbauten wie
auf dem Rotulus von Vercelli, jedoch stets mit Grableuchten gekennzeich-
net, nicht in der Weise des Beatus von Liébana mit Apostelköpfen bebildert,
sondern durch Kapellen, in denen man Lampen über Sarkophagen ausma-
chen kann.
Wiederum fällt ganz oben im Bild, d.h. im äußersten Osten bzw. in Indien
das Zeugnis über den hl. Thomas auf, Sepulchrum Thome apostoli,51 nördlich
davon Urbs Calaminica: Hie sanctus Thomas martyrio coronabatur, weiter süd-
lich Hie Sanctus Thomas Gundoforo regi palatium edifieavit.52 Armenia ...a
Capadocia usque ad Caspium Mare protensa55 findet sich östlich von Sepul-

50
Die brauchbarste Reproduktion der heute vernichteten Karte bietet immer noch: Die Eb-
storfer Weltkarte. Im Auftrag des Historischen Vereins Niedersachsen hg. v. Ernst SOMMER-
BRODT. Hierbei ein Atlas von 25 Tafeln in Lichtdruck, Hannover 1891.
51
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S. 24 und Bl. 14.
52
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S. 24 und Bl. 14.
53
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S. 31 Bl. 3.
680 Studien zur Universalkartographie [419/421]

chrum Bartholomei apostoli bei Heriopolis, Archa Noe und Ararath mons.54 Se-
pulchrum Philippi apostoli55 in Cappadocia folgt weiter westlich, während
weiter südöstlich in Parthien beim Fluß Arbela Hie sanctus Matheus corpore
requiescit, genordet zu lesen, 56 bei einer Festung, nicht einer Kapelle er-
scheint. Eine Grabkapelle gibt es auch südöstlich nahebei; sie ist als Hie est
sepulchrum ... regis Parthorum a magno Alexandro conditum ausgewiesen.
Fast möchte man hier eine Vertauschung der Legenden vermuten, da der an-
gebliche Partherkönig, richtiger als der Achämenide Darius III. gedeutet, im
Sarkophag einer Kapelle mit Lampe ruht. Mit den englischen Karten hat die
Ebstorfer Weltkarte die Einzeichnung der eingeschlossenen Nationen Gog
und Magog im Nordosten gemeinsam. Neben diesen vier orientalischen
Grabkapellen als gewissermaßen Ikonen ostchristlicher Missionsgebiete fin-
den sich Spuren von Christen in Afrika auf den Resten des ausgefallenen
Pergamentblatts der Karte, das eingerissen ist: Locus qui dicitur [Moyse] (Le-
sung nach Sommerbrodt) id est aque [ortus]. Que hie habitant [Nybie voca]n-
tur. Gens nuda... modum veridica Christianissima, auro [dives esjt, negotio vi-
vit, tres reges habens et totidem episcopos. Ierusalem cum multa turma et cum
multa pecunia frequenter venit et sepulcrum Domini multa pecunia honorat et
ditata Nybia civitas, darunter Porte Nybie Caspiarum similes, ubi custodie
Nybiarum posite aditum prohibent advenarum.59 Weiter im Südwesten zwi-
schen Naddaber und dem Ammon-Orakel liest man: Hie sanctus Mattheus
apostolus Christum predicavit et idola Zaroen etArfaxat destruxit.b0
So gibt die Ebstorfer Weltkarte reiches Zeugnis von Christen im Orient,
sicherlich zur Verherrlichung Gottes und Christi.

54
SOMMERBRODT (wie Anm.50) S.25 B1.9, s. Ausschnitt Armenien/Kappadokien, vgl. Tafel
50b.
55
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S. 33 Bl. 9.
56
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S. 26 Bl. 15.
57
SOMMERBRODT (wie Anm. 50); zum Darius-Grab vgl. JÖRG-GEERD ARENTZEN, Imago
Mundi Cartographica. Studien zur Bildlichkeit mittelalterlicher Welt- und Okumenekarten un-
ter besonderer Berücksichtigung von Text und Bild (Münstersche Mittelalterschriften 53) Mün-
chen 1984, S. 237-242.
58
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S.64 Bl. 20.
59
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S.65 B1.20.
60
SOMMERBRODT (wie Anm. 50) S. 71 B1.28.
[421/423] X X X V . Spuren d e r orientalischen Christenheit 681

6. Ranulph Higden im Vergleich mit Pietro Vesconte

Die englische Kartographie verharrt noch mehr als ein Jahrhundert auf den
Ergebnissen der Summenkartographie. Da etwa die Karten des Ranulph
Higden, um 1342/43 entstanden zu seinem «Polychronicon», wieder vom
Buchformat bestimmt sind, so ist die Materialausbeute zwangsläufig be-
scheidener, doch auch sie haben Kompendiencharakter (Tafel 58).61
Links am Rand, d. h. im äußersten Norden hier eigentlich schon von Euro-
pa, liegt Sithia inferior, cuius pars est Alania propter barbaras gentes. Ex parte
aquilonis habitant Tartari, quorum rex fuit presbyter Johannes. Der legendäre
christliche Retterkönig wird auf dieser Karte direkt im Norden gesucht und
mit den Mongolen identifiziert, wie dies durch den VII. Brief des Jacques de
Vitry 62 im 5. Kreuzzug üblich geworden war. In Nordasien nennt Ranulph
Hyberia (Georgien), die Amazonen, Albania, Armenia mit montes Armenie
und archa Noe, östlich vom Kaspischen Meer Bactria mit Gog et Magog, qui
infine exibunt cum Antichristo ad destruendum mundum. Am Horn von Afrika
erwähnt Ranulph gens Arabea Ethiops supemuda, veridica atque christianissi-
ma; tres habet reges, tot episcopos. Die Karte hat meist nur Legenden, etwa für
die Monstren, keine Bildsymbole mehr, von wenigen Architekturzeichnun-
gen abgesehen. Das Handbuchwissen der Summen wirkt erstarrt.
Zu jener Zeit waren längst ganz andere Karten in Gebrauch gekommen,
nämlich die Portolankarten im mediterranen Raum, sicher bezeugt ab 1270
und erhalten seit ca. 1290. Sie dienten der Praxis, schon die Antike kannte
geschriebene Portolane (= Küstenhandbücher). Sie basieren auf der Benut-
zung des Kompasses und sind mit Rumbenlinien übersät, die angeben, wel-
che Richtung man von einem Hafen einschlagen muß, um einen anderen zu
erreichen. Die Karten kennen noch keine Vermessung in unserem Sinne und
richten ihr Augenmerk vorrangig auf den Küstenverlauf. Man hat sie bald in
Atlanten zusammengestellt, denen eine Weltkarte vorangestellt war. Neben
dem Katalanischen Atlas von 1375 hat bereits zu Anfang des H.Jahrhun-
derts Pietro Vesconte zu Venedig (seit 1310) die gesamte Ökumene in dieser
Technik wiedergegeben.63 Bei ihm bildet Jerusalem noch durchaus den Mit-

61
DESTOMBES (wie Anm.4) sect. 47 zählt 22 Karten gleichen Typs, aber unterschiedlicher
Detailarbeit auf, deren beste London BL Roy. MS 14. C. IX. fol. lv-2r, nach 1342, ist; Abb. D E -
STOMBES pl. F/XIVund PAUL D.A. HARVEY, Medieval Maps, London 1991, S. 34.
62
Lettres de Jacques de Vitry (1160/70-1240), évèque de Saint-Jean-d'Acre, Edition criti-
que, hg. v. ROBERT BURCHARD CONSTANTIJN HUYGENS, Diss. Leiden 1960, S. 134-153.
« Beispiele sind MS Pal. Lat. 1362A fol. lv-2r, ggf. auch MS Vat. Lat. 2972 fol.H2v-l 13r
und Oxford MS Bodl. Tanner 190 fol.203v-204r; gute Reproduktion des Pal. Lat bei KONRAD
682 Studien zur Universalkartographie [423/424]

telpunkt, durch eine Legende gekennzeichnet. Neu aber ist die Erwähnung
von Mekka auf der arabischen Halbinsel. Charakteristisch ist das aus arabi-
scher Tradition herrührende ausgebildete Horn von Afrika. Man stellt sich
also den veränderten Wirklichkeiten. Ostchristliche Nationen wie Georgien
und Armenien oder Nubier und Äthiopier in Afrika werden erwähnt, von ih-
rem Bekenntnis ist keine Rede, aber Cathay, das Reich des Großkhans dort
und die Mongolen nahe Gog und Magog sind genannt, und den äußersten
Osten bildet India inferior Johannis presbyteri.
Die Bildsymbole und historischen Exkurse sind auf diesen Karten ver-
schwunden. Sie begleiteten Seefahrer im Mittelmeerraum auf dem Meer und
gelangten natürlich nicht in die Schulbibliotheken Mitteleuropas, wurden
hier nur als ein Beispiel erläutert, um auch eine andersartige Weiterentwick-
lung aufzuzeigen.

Schluß: Zusammenfassung

Die mittelalterliche Karte ist wenig für die Praxis bestimmt gewesen, eignete
sich aber natürlich stets als Hilfsmittel im Unterricht. Die Nonnen von Eb-
storf benötigten keine Reisepraxis, zumal sie nicht auf Kreuzfahrt strebten,
wohl aber im Chorgebet die Größe des Schöpfers und seines Werkes besan-
gen. Sie mögen den Gedanken der Ausdehnung des Christentums bis ans En-
de der Welt im Gotteslob nachempfunden haben, wenn sie die Apostelgräber
in den fernsten Landen betrachteten.

KRETSCHMER, Marino Sanudo der Ältere und die Karten des Petrus Vesconte, in: Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 26 (1891) S. 371-406 und Falttafel.
XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi:
A site both historical and eschatological*

Introduction:
Places of sacred and secular significance

The stimulus for this piece of research came from a similar study (for the
Catholic University of Milan) on Rome in medieval cartography, viewed in
the general context of medieval Rome's inheritance from its classical past.1
The way Rome was represented on medieval maps turned out to be quite a
complicated question. The material was by no means as abundant as had
been thought at first, and it turned out that, in order to reach a proper un-
derstanding of the symbols used to represent Rome on medieval maps, it was
necessary to compare them with those for other significant places: Carthage
and Alexandria inevitably, but in the first instance Jerusalem. 2 It was clear
from the start that such a study would undoubtedly be rewarding and that it
would correct certain established ideas.
There is a fundamental difference between Jerusalem and Rome on medie-
val maps: Jerusalem belongs to the Christian history of salvation, while
Rome's importance stems from classical antiquity and derives only seconda-
rily from the medieval history of the western Church. In the Middle Ages,
however - unlike today - sacred and secular history were inseparable be-
cause Church and State were not divided but inextricably intermingled. One
result of studying the ways in which Rome is represented was the realization
that, when symbols for the city were created, it was its role as the seat of the
apostles and the popes that was uppermost in the mind. It was not until the
fourteenth century that classical Rome with its ruins entered the picture.

* Key Note Lecture of 29. June 1999 at Hereford.


1
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Roma nella cartografia medievale (secoli XI-XIII),
in: Roma antica nel Medioevo: mito, rappresentazioni, sopravvivenze nella 'respublica Christi-
ana' dei secoli IX-XIII: atti della quattordicesima Settimana internazionale di studio, Mendola,
24-28 agosto 1998 (Milan: Vita e Pensiero, 2001), pp. 209-29 (= o. S. 593-611), plates i-xvi.
2
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Herausragende Plätze der antiken Geschichte im
Bild der mittelalterlichen Ökumene-Karte (9. bis beginnendes H.Jahrhundert), in: Geschichts-
deutung auf alten Karten, ed. by DAGMAR UNVERHAU, Wolfenbütteler Forschungen, 101 (Wies-
baden: Harrassowitz, 2003), pp.23-53 (= o. S.647-667).
684 Studien zur Universalkartographie [355/356]

Medieval Mappaemundi as evidence of classical cartography

The Hereford map was regarded by earlier researchers into the history of
cartography as a copy of the lost world map that dated from the time of the
Emperor Augustus: a relic of the lost map of Vipsanius Agrippa, Augustus's
son-in-law, of which we have a written record. 3 Konrad Miller, the historian
of cartography who gave the nineteenth century its most valuable survey of
medieval maps, worked on what he viewed as thoroughly debased shadows
of a once mature classical cartography only because he hoped that he could
thus reconstruct the lost Roman maps of antiquity. 4 He believed that the
Hereford map, which shows most signs of referring back to classical anti-
quity, was the most closely modelled on the Augustus map.
More recently, however, doubt has been cast upon these views. This criti-
cism takes at its starting-point the fact that virtually no original ancient maps
survive. It is as impossible to find traces of the art of measuring large areas in
Roman times as it is in the Middle Ages. If this art was unknown to the era
preceding the Ptolemaic Renaissance of the fifteenth century, it was simply
because it was not practised in ancient times. People's understanding of the
concept of space differed from that of today. 5
Certainly we know no more about biblical maps than we do about maps of
classical antiquity. The models from biblical times from which western medi-
eval maps were thought to be copied in fact never existed. We thus cannot
deduce from the maps themselves what the places they show once looked
like. In no instance do they provide us with real pictures as we understand
the term. Since it was essential to be economical with writing materials,
draughtsmen avoided leaving blank spaces on the map and represented
places with signs that would have been understood everywhere as conven-
tional symbols. In what follows we shall be looking at all these symbols, but
in particular at those used for Jerusalem.

3
Thus, for instance, Pliny, Natural History, ed. and trans, by H. RACKHAM and others, 10
vols (London: Heinemann; Cambridge, MA: Harvard University Press, 1938-62), 11, 340-41
(VI.I.3), 364-65 (VI.15.37), 364-67 (VX15.39), 380-81 (VI.21.57), 440-43 (VI.31.136), 442-45
(VI.31.139), 460-61 (VI.33.164), 484-85 (VI.35.196), 490-93 (VI.38.207), 492-93 (VI.38.209).
4
MILLER, Mappaemundi. Die ältesten Weltkarten, vol. 1-6, (Stuttgart: 1895-1898).
5
See especially KAI BRODERSEN, Terra cognita: Studien zur römischen Raumerfassung, in:
Spudasmata, 59 (Hildesheim: Olms, 1995).
[356/357] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 685

T h e idea of Jerusalem in Western patristic thought

Our aim in these studies of Rome, Jerusalem, and other significant places is
to see how these fundamentally important sites - focal points of history - ap-
pear on medieval maps of the inhabited world, maps, that is, of the oecu-
mene. They are never, of course, pictured naturalistically, partly for lack of
space, but are shown by symbols. Wording on the map may itself function as
such a symbol, and can actually tell us a great deal about the place by the
way it is arranged within the local context; successive names may even, for
instance, serve as an itinerary. However, the name Jerusalem has too many
letters to form a symbol for the city on a map; its root is the Hebrew word
Jeruschalajim, which in Latin is normally rendered as Hierosolyma or some
similar form. But medieval maps also employ a great variety of architectural
vignettes as symbols for cities, and Jerusalem is often shown by means of the
walls of the past or the present city or even by the twelve gates of the future
one. In addition historical sites may be marked, such as the church of the
Holy Sepulchre, Golgotha, or Solomon's Temple which appears with a cu-
pola in the rounded shape of the Moslem Dome of the Rock.
The Middle Ages knew from the Old Testament that King David had ex-
panded Jerusalem, with its lofty situation, into a national centre and that
King Solomon had built it up as the cultural centre of Judaism by construct-
ing the Temple as a resting-place for the Ark of the Covenant. The prophet
Ezekiel described it in his vision of the future as having twelve gates corre-
sponding to the number of the Tribes of Israel.6 For Christians it is asso-
ciated with Christ's passion as the site of Golgotha, but it is also, as the site
of the Holy Sepulchre, the place of his victorious Resurrection. It was in Je-
rusalem that the Council of the Apostles took place, and from here that mis-
sionary activity spread into all the world. Recognized by Constantine and
Helena as the Mother Church and as a place of pilgrimage, it was to Jerusa-
lem that Christians came to honour the Mother of God, John the Baptist as
Christ's forerunner, Stephen the first martyr, and James the 'brother' of
Christ, apostle of both Jewish and Gentile Christians. In AD 70 it was de-
stroyed as a centre of Judaism, and from the end of the wars of the second
century until Arab times Jews were forbidden to enter it. Apart from a short
period under the Persians from 614 until 628 it was part of the Roman Em-
pire till it fell to the Moslems in 638. They held it right up to the twentieth
century, except for the two brief conquests by the Crusaders in 1099-1187

6
Ezekiel 48.31-35; cf. Isaiah 9.7 and Psalm 46.
686 Studien z u r Universalkartographie [357]

and 1229-1244. In the twenty-first chapter of the book of Revelation, John


the Divine, influenced by Ezekiel, sees a vision of a heavenly Jerusalem at
the end of time coming down from heaven as the bride of the Lamb. 7 The vi-
sion gave the city an eschatological position like that of no other place on
earth and at one level identified it with Paradise.
Of the early Church fathers it was Jerome, the father of the exegetes, who
most concerned himself with the geography of the Holy Land in his work of
translating Eusebius; 8 he himself spent the latter part of his life there. Work-
ing on his commentary on Ezekiel he continually came up against the geo-
graphy of Palestine, and it was here that he hit upon the description of Jeru-
salem as the navel of the world; commenting on this, he exhorted people to
think of Jerusalem as the centre of the world. 9 This exhortation was not ta-
ken up cartographically until the time of the Crusades, when it resulted in
the stylization of symbols of Jerusalem, such as the use of a circle.
Evidence that pilgrimages were made to Jerusalem from as far back as the
time of the Emperor Constantine is confirmed by travel writings from the
time of the imperial family's rediscovery of the Holy Cross and the holy
places. Pilgrimages were still possible even after the city had fallen into the
hand of the infidels. For this reason the oldest western sketch-maps (called
situs Jerusalem) are along the lines of town plans of Jerusalem devised for the
assistance of pilgrims. The oldest of these sketch-maps to survive was drawn
by Adamnan of Iona around 700 from descriptions given to him by the Gal-
lic Bishop Arculphus. 10 Here, however, we must turn our attention away
from itineraries and sketch-maps to concentrate on mappaemundi.
Two twelfth-century maps are associated with works by Jerome in a
manuscript in the British Library." They are generally referred as the map
of Asia and the map of Palestine, but might better be described as the Old
Testament map and the New Testament map. On the map of Asia, in avail-
able reproductions, the Holy Land is only hinted at, whereas the map of Pa-
lestine gives prominence to Jerusalem (fig. 1) (vgl. unten Tafel 2). 12 The dou-

7
Revelation 21.2, 10.
8
Liber de situ et nominibus locorum Hebraicorum, in: S. Eusebii Hieronymi Stridonensis
presbyteri opera omnia, ed. by J.-P. MIGNE, Patrologia cursus completus, Latin series, 22-30
(Paris: the editor and (II, III) Vrayet, 1845-46), II-III, cols 859-928.
9
Jerome, Commentariorum in Hiezechielem libri XIV, ed. by FRANCISCUS GLORIE, Corpus
Christianorum, Latin series, 75 (Turnhout: Brepols, 1964), pp. 55-56 (on Ezekiel 5.5).
10
Reproduced in JOHN WILKINSON, Jerusalem Pilgrims before the Crusades (Warminster:
Aris and Phillips, 1977), plate 5.
11
BL, Additional MS. 10049, fols 64r, 64v; the map of Asia is reproduced in EDSON, Time
and Space, p. 28. See MILLER, Mappaemundi, III, pp. 1-21.
12
In a paper to the 17th International Congress of the History of Cartography (Lisbon,
[357/358] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 687

ble ring of the city's circular wall, containing the legend Iherusalem, is inter-
rupted by four gates and a representation of the Tower of David - all in the
artistic style of the 12th century. Many of the towns of Palestine are named,
as also the seas. The assertion that these maps stem from originals from the
time of the early Church fathers has not yet been proved, but it is true that
the sixth-century Greek mosaic map at Madaba is not so very different,
though it was compiled with much more care.
All in all, one must start from the assumption that there were hardly any
maps in early Christian times - no more than there were in classical antiquity
- and that in fact the texts themselves were thought to be adequate without
visual images. We see this in the work of Orosius, a contemporary of Augus-
tine and Jerome. Around 417 or 418 he included in his «Seven Books of His-
tory against the Pagans» an introductory description of the world, so as to
bring to life the places where the events he was writing about occurred. He
deals with Palestine and Syria, but from a Roman, not a Christian, point of
view.13 Isidore of Seville likewise deals in some detail with the Holy Land in
his «Etymologies», in effect a universal encyclopaedia, but he mentions
Hierosolyma only in passing as mid-point of the earth and as the scene of
the Resurrection. 14

T h e cartography of Western Europe before 1100

However, copies of Isidore's work include maps which may be his own or
may have been drawn by copyists from his text. The earliest example of these
is the great Vatican map, which is correctly attributed to Isidore insofar as it
is based largely on his and Orosius's material (fig. 2) (vgl. unten Tafel 9). 15
Isidore also provides evidence of the earliest T-O maps, the schematic repre-

1997), P.D.A. Harvey described the successive changes made to each of the two maps; cf. PAUL
D.A. HARVEY, The Biblical Content of Medieval Maps of the Holy Land, in: Geschichtsdeutung
auf alten Karten, ed. D. UNVERHAU, Wolfenbüttel 2003, pp. 55-63 (pp. 59-60).
13
Pauli Orosii historiarum adversus paganos libri VII, ed. by KARL ZANGEMEISTER (Leipzig:
Teubner, 1889), pp.6-7 (1.2.23-24); Paulus Orosius, Seven Books of History against the Pa-
gans, trans., by ROY J. DEFERRARI, The Fathers ofthe Church, a New Translation, 50 (Washing-
ton: Catholic University of America Press, 1964), pp. 9-10.
14
Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri XX, ed. by W.M. LINDSAY,
2 vols (Oxford: Clarendon Press, 1911), II, XIV.3.21.
15
BAV, ms. Vat. lat. 6018, fols 64v-65r; reproduced in EVELYN EDSON, Mapping Time and
Space. How medieval mapmakers viewed their world (London: British Library 1999), p. 63. See
M. DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200-1500, in: Monumenta Cartographica Vetustioris
Aevi I, Amsterdam (1964) p.30; RICHARD UHDEN, Die Weltkarte des Isidorus von Sevilla, in:
688 Studien zur Universalkartographie [358/359/360]

sentations of the east-oriented oecumene, which allocate the upper half of


the circle to Asia and the two lower quarters to Europe and Africa. The Vati-
can map which has been dated before 775, offers in addition a mass of
further details, and the important Mediterranean cities of Rome, Constanti-
nople, Carthage, and Alexandria as well as Jerusalem and Babylon on the
Asian mainland, are shown as large eight pointed stars. The star at Hierusa-
lem is even given a double border and lies close to the mid-point of the oval
map, thus in the fold of the page; it is the most conspicuous place in Asia -
apart from Paradise, which takes something of the form of a rose window
right down in the mainland area of the map, which is oriented to the north
west.
A map dating from the beginning of the ninth century accompanies geo-
graphies texts by Orosius in the Municipal Library at Albi. 16 The girdle of
the mainland, given the map's easterly orientation, embraces the Mediterra-
nean like an inverted U, and in the south-east is a strip of land which is sim-
ply labelled Judea and Iherusalem. The words Alexandria and Cartago also
appear in the middle of the mainland; they are to be interpreted not so much
as contemporary information but rather as historical aides-memories. Oro-
sius's work lists the sites of all the historical disasters of pre-Christian times
- there is thus no place in it for Paradise.
The Macrobius map originated in classical antiquity; it shows the whole
globe, with a cold zone at each pole, a hot belt at the equator, and a tempe-
rate zone in each of the northern and southern hemispheres. This diagram-
matic globe shows our inhabited world as the second of its five zones; differ-
ent copies contain a variety of details, some even of medieval Christian ori-
gin, as we find on the eleventh-century Freisinger Macrobius map (fig. 3)
(vgl. unten Tafel 11).17 This names Hierosolima and, along with Siene (today
Assuan), Meroe, Rome, and places in the Hellenistic world, marks it by a
small square symbol like a building. Paradise is never shown on medieval zo-
nal maps.
The first map that wholly reflects the spirit of Christianity was produced
by the Spanish monk Beatus of Liébana around 776-86 as part of his com-
mentary on the book of Revelation; a copy of this map which undoubtedly

Mnemosyne, 3rd series 3 (1935-36), pp. 1-28; LEONID S. CHEKIN, Easter Tables and the Pseu-
do-Isidorean Vatican Map, in: Imago Mundi, 51 (1999), pp. 13-23.
16
Albi, Bibliotheque municipale, ms. 29, fol.57v; transcribed and reproduced in: Itineraria
et alia geographica, ed. by FRANCOIS GLORIE, Corpus Christianorum, Latin series, 175, 2 vols
(Turnhout: Brepols, 1965), I, pp.468-69. See DESTOMBES, p. 46; MILLER, Mappaemundi, III,
pp. 57-59, with sketchy illustration p. 58.
17
Munich, Bayerische Staatsbibliothek, MS. Clm 6362, fol. 74v. See DESTOMBES, p. 43.
[360/361/362] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 689

reproduces the original version was made in Burgo de Osma in 1086.18 It il-
lustrates the preface to the second book of the commentary, an explanation
of the apostolic mission to all the world. A portrait of one of the apostles
marks each of the main centres of their mission: in Rome we have Peter and
Paul together, and in Jerusalem James the Less, 'brother' of Christ (the city
is not actually named). Copies of a later version of the map, dating from the
tenth century, have no apostles; instead they emphasize the architectural
symbol for Jerusalem, though it is not given a central position. The Saint-Se-
ver copy of the map, for instance, lays special emphasis on Europe, showing
it enlarged in relation to other parts of the earth, so that the symbol for Jeru-
salem - which can be seen as the front view of a circular wall with twelve
gates - has been shifted into the south-east of Judea (fig. 4) (vgl. unten Tafel
13). 19 Paradise appears on all the Beatus maps. It is shown on the later ver-
sions as the scene of the Fall and the Tree of Knowledge; but on the original
version of the map it appears as an inaccessible light-green square, the
source of the four rivers of Paradise.
The hemispherical map of Ripoll has often been linked with Theodulf of
Orleans, but the earliest version we have dates from 1055 and is preserved in
the Vatican. 20 Of the cities of Asia it names only Hierusalem, Bethlehem,
Hericho, and Eybron, marked by very faded schematic architectural sym-
bols. The primary sites shown are thus Christian ones, but Jerusalem is not
particularly emphasized. In Europe, by contrast, many more cities are
shown. Paradise does not appear.
From the same period, probably the second quarter of the eleventh cen-
tury, we have the British Library's Anglo-Saxon map, commonly called the
Cottonian map (vgl. unten Tafel 16).21 It is rectangular, the same format as
the book that contains it, and it is distinctive in giving individualistic outlines
to the coasts and islands. Certainly the results bear little relation to reality as
we understand it; however they do point to a certain interest in these fea-
tures. As on the Ripoll map, great care has been taken over the Holy Land.
The Tribes of Israel are named, but in Palestine only Hierusalem, Betleem,

18
Burgo d e O s m a , Archivo d e la C a t e d r a l , M S . I, fols 35v-36r; r e p r o d u c e d , sketchily, in:
MILLER, M a p p a e m u n d i , 1, 35. See DESTOMBES, p . 4 1 . F o r an account of the Beatus m a p s , with a
brief bibliography, see above, p p . 1-4.
" BnF, ms. lat. 8878, between fols 4 5 , 46; r e p r o d u c e d in E D S O N , T i m e and Space, p . 155. See
DESTOMBES, p. 41.
20
BAV, m s . R e g . lat. 1 2 3 , fols 143v-144r. See D E S T O M B E S , p . 4 8 ; P A T R I C K G A U T I E R D A L C H É ,
N o t e s sur 'la carte d e T h é o d o s e II' et s u r la ' m a p p e m o n d e d e T h e o d u l f d'Orléans', in: G e o g r a -
phia antiqua, 3-4 ( 1 9 9 4 - 9 5 ) , p p . 9 1 - 1 0 8 , with coloured plate.
21
BL, C o t t o n M S . Tiberius B.v, fol. 56v. See DESTOMBES, p . 47. For an account of the C o t t o n
map, with a brief bibliography, see above, pp. 4 - 8 .
690 Studien zur Universalkartographie [362]

and Cesarea Philippi are given settlement symbols. The two last have tiny tri-
angles with small towers, but Jerusalem is given a circular wall with four
towers; Rome, in contrast, boasts six towers on its circular wall. This map is
the first to show Gog and Magog in the north-east, west of the Caspian Sea,
where the relevant legend is accompanied by a range of mountains. This is
clearly meant to show that these apocalyptic nations are cut off by a moun-
tainous barrier, and so a further image of eschatological importance is added
to the range of cartographical symbols in use. Again, Paradise is not shown.

T h e cartography of the time of the crusades

Given that up till now the bounds of the inhabited world were defined by
classical geography - albeit extended in the eleventh century to embrace
northern Europe - it was not until the period of the Crusades that people
really shifted their gaze eastwards. Thought began to focus on the signifi-
cance and purpose of the Crusades, and people read about the concept of
Jerusalem as the centre of the earth in the works of Jerome.
In this context the map at St John's College, Oxford, is a most striking ex-
ample of shoddy workmanship; it follows this formula strictly and start-
lingly mechanically (fig. 5 ) (vgl. unten Tafel 19).22 It is a T-shaped map,
which seems to have been drawn with compasses and ruler. The four corners
of the earth are named in Greek, and there are a number of mistakes in the
legends, which suggest that the map was originally oriented to the north and
subsequently changed - one cannot rule out a Byzantine model. The cross-
bar and shaft of the T are picked out with double lines in the drawing, and
in the eastern part of the Mediterranean, where they meet, lies a circular is-
land marked with a cross; an inscription running right along the cross-bar of
the T shows that this is Jerusalem, placed thus simply because the geometric
centre of the map is in the sea. However, the map enhances its representation
of the Holy Land with many place-names and a list of the Twelve Tribes of
Israel. What it tells us of Africa is beneath notice. The British Isles lie to the
north of Asia and Achaea is situated in the south-east. It is debatable
whether one can see in this rather cramped diagram any changes that the
Crusades made to the medieval world view. The map is dated about 1100.

22
Oxford, St John's College, MS. 17, fol.6r. See DESTOMBES, p. 48; MILLER, Mappaemundi,
III, pp. 118-20; ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Gyrus und Spera - Relikte griechischer
Geographie im Weltbild der Frühscholastik (Aufgezeigt an fünf lateinischen Weltkarten des be-
ginnenden 12. Jahrhunderts), Sudhoffs Archiv, 73 (1989), pp. 129-44 (pp. 142-143) (= o. S.361-
365).
[362/363] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 691

The contemporary map by Guido of Pisa, of about 1118, is a roughly


sketched T-shaped map. 23 Jerusalem, named, but without a symbol, has
been moved away from the mid-point towards the south-east, as was normal
on all the older maps. Only a few names of settlements are shown, among
them Constantinople and Carthage. Once again, Paradise does not appear.
Jerusalem does not appear at all on the large hemispherical map by Lam-
bert of Saint-Omer at Wolfenbüttel. 24 It gives the names only of provinces,
and it is in this guise that we find places such as Carthage. Not a single archi-
tectural symbol appears. The names Judea and Phenicia are approximately at
the centre of the inhabited world. Although we have here in principle an ex-
tended zonal map, Paradise is nevertheless drawn as a radiant sun in the ex-
treme east, and is called Paradisus terrestris, the resting place of Enoch and
Elijah, linked with Asia by the rivers of Paradise.
The map in the Arnstein Bible, a typical inventory map, similarly restricts
itself almost totally to the names of provinces. 25 It does however make an ex-
ception of Iherusalem, and indeed of Rome, Carthage, and Constantinople,
as well as Troy, Nicaea, Tyre, Alexandria, and Ascalon. Knowledge of the
Mediterranean and the Near East has progressed, and the Jerome maps,
mentioned earlier, with similar contents, also belong to this period. But on
this map there are no symbols, and even Paradysus is marked only by an in-
scription.
The map attributed to the Victorines and now in Munich, which draws its
material ultimately from Isidore, is more artistic and is liberally covered with
architectural symbols (Barber, fig. 3 ) (vgl. unten Tafel 28). 26 At the centre
of the world is a peninsula labelled civitas Tyrus, a feature partly based on
the actual topography of Tyre, partly derived from Ezekiel, and partly taken
from Jerome, who also emphasizes it. Ierusalem is placed to the south of
Joppe and is shown as an imposing structure, a domed building flanked by
two towers. The world appears fully inhabited right to the very edge, in both
the north and the south. The architectural symbols are drawn in a single
style, though each is different from the others.

23
Brussels, Bibliotheque royale, ms. 3897-3919, fol.53v. See DESTOMBES, p.48; MILLER,
Mappaemundi, III, 55-57.
24
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, MS. 1 Gud. Lat., fols 69v-70v. See DESTOMBES,
p. 115; MILLER, Mappaemundi, III, pp.47-51, plate IV.
25
BL, Harley MS.2799, fol.241v; reproduced in VON DEN BRINCKEN, Fines terrae, plate 22.
See DESTOMBES, p. 48.
26
Munich, Bayerische Staatsbibliothek, MS. Clm 10058, fol. 154v. See DESTOMBES, p. 32.
For an account of this map, with a brief bibliography, see above, pp. 8-10.
692 Studien zur Universalkartographie [364]

Finally in this context we should consider a late-twelfth-century map in a


manuscript from Sawley Abbey, which accompanies a copy of the Picture of
the World (Imago mundi) by Honorius Augustodunensis and which has been
erroneously attributed to Henry of Mainz (Barber, fig. 4 ) (vgl. unten Tafel
18).27 The map follows the Hellenistic Greek tradition and takes as its cen-
tral point not Jerusalem but a large island called Cyclades surrounded by
twelve smaller islands. Jerusalem has, in accordance with early-medieval tra-
dition, been shifted towards the south-east and is marked on the landward
side by an imposing architectural symbol of two slim towers flanking an im-
pressive dome. Prominent too are the Tower of Babel and a squarish pro-
montory in the north-east labelled Gog et Magog gens immunda, a feature
characteristic of Anglo-Saxon cartography. This map anticipates a little the
practice of framing mappaemundi within the heavenly sphere: it places an is-
land called Paradisus with four rivers in the eastern ocean, and it shows an
angel at each corner of the framed area, those at the top of the map stand-
ing, those at the bottom lying down. Its conception of the world is thus em-
bedded in the transcendent.
The mid-thirteenth-century Icelandic map reflects the sound education
provided by north European monastic schools. 28 The map is a straightfor-
ward inventory map without any drawings. Instead of proclaiming Jerusalem
as the centre of the earth, it shifts it south-eastwards, the normal practice on
most older-style maps of the twelfth century. Right up until the middle of
the thirteenth century it was only in a very few cases - strictly speaking only
on the St John's College map - that Jerusalem was placed centrally; most
conservative mapmakers took the greatest pains not to alter the layout of
their exemplar. 29 This rigid view began to change only with John of Walling-
ford and the London Psalter map. On the Icelandic map we look in vain for
Paradise.
Matthew Paris likewise stands in the tradition of the early Middle Ages,
using a very Europe-centred layout for his world map of 1250. 30 However,

27
Cambridge, Corpus Christi College, MS.66, p. 2. See DESTOMBES, p. 48. For an account of
the Sawley map, with a brief bibliography, see above, pp. 10-13.
28
Reykjavik, Stofnun Arna Magnüssonar a Islandi, MS. GKS 1812-4°, fols 5v-6r repro-
duced in VON DEN BRINCKEN, Fines terrae, plate 38. See DESTOMBES, p. 175 (the manuscript was
then in the Kongelige Bibliotek, Copenhagen); Tafel 35.
29
ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN, Quod non vicietur pictura. Die Sorge um das rechte
Bild in der Kartographie, in: Fälschungen im Mittelalter: Internationaler Kongreß der Monu-
menta Germaniae Historica, München, 16.-19. September 1986, Schriften der Monumenta Ger-
maniae Historica, 33,1 (Hannover: Hahn, 1988), pp. 587-599 ( = o. S. 311-323).
30
Cambridge, Corpus Christi College, MS. 26, p. 284, reproduced in EDSON, Time and
Space, p. 124. See DESTOMBES, p.246; MILLER, Mappaemundi, III, pp.70-73; RICHARD VAUGH-
[364/365] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 693

he mapped England, the Holy Land, and the routes to Jerusalem and to
Apulia separately, and could therefore afford to overlook the finer details
on his world map. He used the wide open spaces of Asia for a lengthy piece
of writing about a map that he was producing for Westminster. The only
areas of water that he names in Asia are the Caspian Sea, the Red Sea, and
the Persian and Arabian Gulfs. The coastline of Asia Minor is shown in some
detail and the Black Sea is drawn in. Apart from these the only places named
are Siria ubi Ph[ilippus]predicavit, Ierapolis hie predicavit Philippus apostolus,
the peninsula of Tirus, and, inland, Ierusalem. This is not primarily a reli-
gious view of the world, since Matthew Paris provided this in his other
maps, where we see detailed sketches of Jerusalem, the Tower of David, the
Valley of Jehoshaphat, the Holy Sepulchre, the Mount of Olives, Solomon's
Temple, and so on. 31
John of Wallingford's map is quite different (fig. 6 ) (vgl. unten Tafel
37). 32 It is possible that it draws on Matthew Paris, for the description of
Matthew's Westminster map fits it exactly and in it we recognize links with
Matthew's particular cartographical concerns. What we have is a map of the
seven inhabited climatic regions of the northern hemisphere; it is oriented to
the east and serves simply as a framework for its inscriptions. At the centre
of the world, in the middle of the fourth region, we find the name Ierusalem,
emphasized by intersecting lines. There is no mention of any other places in
the Holy Land; only modern cities such as Alexandria, Antioch, and Da-
mascus are named, since everyone at the end of the Crusade period would
have heard of these.
If we assume that the manuscript of the Peutinger table which has come
down to us was copied at about the same period, then we are faced with the
interesting possibility of a representation of the Holy Land based directly on
a fourth-century model (fig. 7 ) (vgl. unten Tafel 34b). 33 Jerusalem, de-
scribed as antea dicta Herusalem nunc Helya Capitolina, is in the tenth seg-
ment and is marked by only two modestly small towers, making it as incon-
spicuous as any other city in the land - Tyre, for instance, or Sidon, Beirut,

AN, Matthew Paris, Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, 2nd series 6 (Cambridge:
Cambridge University Press, 1958), pp.235-50, plates xii-xvu.
31
VAUGHAN, plates XVI, XVII.
32
BL, Cotton MS. Julius D.VII, fol.46v. See DESTOMBES, p. 168; ANNA-DOROTHEE VON DEN
BRINCKEN, Die Klimatenkarte in der Chronik des Johann von Wallingford - ein Werk des Mat-
thaeus Parisiensis? in: Westfalen, 51 (1973), pp.47-56 (= o. S. 137-148).
33
KONRAD MILLER, Die Peutingersche Tafel (Stuttgart: Brockhaus, 1962); Tabula Peutin-
geriana, Codex Vindobonensis 324: Vollständige Faksimile-Ausgabe im Orginalformat, ed. by
Ekkehard Weber (Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1976).
694 Studien z u r Universalkartographie [365/366]

or Biblos - and tiny in comparison with the neighbouring city of Antioch.


Clearly this represents a view that is far from western mediaeval concepts,
for Jerusalem appears as a mere staging post and military base, and not as
the arena in which the drama of Christian salvation was enacted. The Mount
of Olives, however, has been picked out in red as an afterthought.
William of Tripoli, an authority on Islam, produced in about 1273 an in-
ventory map, divided up by a T-shaped stretch of water drawn with a ruler
(fig. 8 ) (vgl. unten Tafel 44). 34 The simple legend Hierosolima is written di-
rectly above the meeting-point of the shaft and crossbar of the T, and a half-
sun designated Paradisus crowns the East. At the same point, around 1272,
Gerard of Antwerp, excerptor of Vincent of Beauvais, accompanied his
chronicle extracts with a zonal map oriented to the east (fig. 9 ) (vgl. unten
Tafel 45). 35 The temperate zone of the northern hemisphere is again subdi-
vided by a T-shaped stretch of water, which has been shifted slightly to the
west (i.e. downwards) so that the draughtsman can place Jerusalem exactly
in the middle of this zone, at the centre of the inhabited world, the zone that
has the legend Paradisus at its eastern rim.
We can therefore conclude that John of Wallingford, William of Tripoli,
and Gerard of Antwerp were, in the third quarter of the thirteenth century,
the first since the Oxford draughtsman of about 1100 to point to Jerusalem
as the centre ofthe world. John of Wallingford achieved this in a particularly
striking way. On the other hand, Jerusalem is completely absent from Bru-
netto Latini's silent - inscription-free - map, that dates from about 1266 or
later; it is thought to have been based on a Moslem model, and not even an
architectural symbol marks Jerusalem. 36

34
In a 14th-century manuscript: BnF, ms. lat. 5510, fol. 118r. See DESTOMBES, p . 176; M I L L -
ER, M a p p a e m u n d i , III, p p . 121-22.
35
In a 15th-century manuscript: U t r e c h t , Bibliotheek d e r Rijksuniversiteit, M S . 737, fol.49v.
See D E S T O M B E S , p . 186.
36
In an early-14th-century manuscript: Bodl, MS. D o u c e 319, fol.9v. See DESTOMBES,
pp. 1 7 5 - 7 6 ; A N N A - D O R O T H E E VON DEN BRINCKEN, Die Ausbildung konventioneller Zeichen und
Farbgebungen in d e r Universalkartographie des Mittelalters, in: Archiv für D i p l o m a t i k , 16
(1970), p p . 3 2 5 - 4 9 ( = o. S. 112-136), with coloured plate (vgl. unten Tafel 53).
[367/368] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 695

T h e glory of G o d in his creation:


Oecumene maps from the second half of the thirteenth century

So far we have found little evidence for any general practice of placing Jeru-
salem at the centre of maps of the world. The view that this was general
practice is based in large measure on the three maps that we are now about
to consider: the London Psalter map and the two great maps of Ebstorf and
Hereford. All of these have attracted the attention of scholars because they
are so characterful and expressive, and they have thus been discussed as
though they were typical of medieval world maps. It has been assumed that
all three served devotional purposes.
The oldest of them is the London Psalter map, which is in a manuscript of
the psalter that has been dated 1262. It contains two world maps, a painted
version on the front of the page (Barber, fig. 6 ) (vgl. unten Tafel 42), and on
the back a version dominated by text which takes the form of an inventory
map; both versions are 9 cm in diameter. 37 These maps can be seen as a
mini-edition of the two renowned maps of Ebstorf and Hereford; it pre-
ceded them by just a little. The maps' purpose can readily be deduced from
the manuscript in which they are found, for the book of Psalms is the prayer
book of the Old Testament and a prayer manual for Christians. On one of
the maps Christ holds the globe in his arms, and on the other he appears
glorified above the oecumene, flanked by two (or four) angels; his feet tram-
ple on dragons as images of evil. At the exact centre of the painted map is a
small circle - not so much an architectural symbol, as used elsewhere by the
artist, but rather a sign for the middle - surrounded by a wheel with the le-
gend Ihierusalem. The T of the waters that divide the parts of the earth is
moved slightly downwards - that is to say westwards. Palestine is well repre-
sented with a relatively large number of inscriptions. In the Far East we find
Paradise and we can make out the heads of Adam and Eve and a branch of
the apple tree. There are not four, but five, rivers flowing westwards: the
Ganges, the Euphrates, the Tigris, the Gihon, and the Pison. The Ganges is
included in addition to the four rivers of the book of Genesis. 38 In the north-
east there is an oval area enclosed by a wall with a large gate; this clearly sur-
rounds Gog and Magog and the captive Tribes of Israel as in the book of

37
BL, Additional MS. 28681, fol.9r, 9v. See DESTOMBES, pp. 168-70. For an account of the
Psalter map, with a brief bibliography, see The Hereforde World Map. Medieval World Maps
and their Context, de. by P. D. HARVEY, (London: British Library 2006) pp. 15-19.
38
Genesis 2. 10-14.
696 Studien zur Universalkartographie [368]

Ezekiel, though they are not specifically named. 39 This is the earliest surviv-
ing map to have a gallery of monsters along the southern edge, which later
became common practice. It also shows little sketches of legendary beasts
and deformed beings as a way of hinting at an unknown land, a terra incog-
nita, there but undiscovered. So we can see this map as an image of the world
that is at once both cartographical and metaphorical.
The original purpose of the sadly damaged though sizeable rolled map at
Vercelli, which dates from around 1270, is not clear.40 However from its
form as a parchment roll, 81 cm long, we may guess that it was intended as a
sketch for a map to be executed on a large surface. It has to be said that its
noteworthy points in the picture are few. The lower, western, section of the
map is very faded and the two sides, that is the north and the south of the
map, have been torn off. We now search in vain for a gallery of monsters,
whether or not it was once there. Paradise, named Paradisus Terrestris, is a
rectangular shape filled with text, and is rather prosaically included in the
oecumene, picked out with a cross. Jerusalem is not in the exact mid-point of
the map but to the east of it - essential if it was not to be shunted into the sea
- but we would be quite wrong to argue an early date for the map from this
peculiarity. The city is marked by an architectural symbol of a three-storey
tomb labelled simply Sepulcrum; it is surrounded by many other named sites
in the Holy Land. The map is not especially artistic; most of its surface is oc-
cupied by mainland areas, liberally sprinkled with rather uniform symbols of
buildings. Only north Africa, to the lower right of the map, is strikingly illu-
strated with legendary beings that practically fall off the edge - such as one
finds traditionally in the north-east, the area around Noah's Ark. All this is
in striking contrast to the Ebstorf and Hereford maps, where the eye is im-
mediately drawn to the centre of the map by their graphic representations of
Jerusalem.
Even today the original function of the Ebstorf map is still uncertain, but
it is likely to have been used in church for devotional rather than didactic
purposes, just as we are now sure the Hereford map was used. The Ebstorf
map is circular, measuring 358 by 356 cm and is designed in the form of the

39
Ezekiel 38, 39.
40
Vercelli, Archivio Capitolare; reproduced, from a photograph taken when the map was
less damaged than now, by YOUSSOUF KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti, 5
vols (Cairo: the author, 1926-51), III, part 5 (1935), fol.997. See DESTOMBES, pp. 193-94; CAR-
LO F. CAPELLO, II mappamondo medioevale di Vercelli (1191-1218?,), Università di Torino,
Memorie e studi geografici, 10 (Turin: Fanton, 1976); ANNA-DOROTHEE VON DEN BRINCKEN,
Monumental Legends on Medieval Manuscript Maps: Notes on Designed Capital Letters of
Large Size (Demonstrated from the Problem of Dating the Vercelli Map, Thirteenth Century),
in: Imago Mundi, 42 (1990), pp.9-25 ( = o. S. 375-399).
[368/369] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 697

body of Christ. 41 The head is partly drawn into the mainland, but extends
slightly into the ocean surrounding the earth's sphere, as do the feet and
hands with the wounds of the nails. Paradise, in the east on the Asian main-
land, is moved slightly to the north; it shows Adam and Eve with the serpent.
The eye is drawn not only to the head of Christ with its cross nimbus, but
just as irresistibly to the mid-point of the map: a square city with golden wall
and twelve gates, in the heart of which we see Christ rising from the grave
(fig. 10 ) (vgl. unten Tafel 50c). So this image of Jerusalem is imbued not so
much with the sacrificial death of Christ in accordance with western tradi-
tion, but rather with his victorious resurrection. Well-known places in the
Holy Land are named in abundance. The Ebstorf map shares one further
feature with the Psalter map: a wall in the north-east excludes the unclean
peoples of Gog and Magog, taken captive by Alexander and they are shown
as cannibals in a square enclosure. Along the southern edge of the map is the
gallery of monsters that appeared on the Psalter map - a frontier zone be-
tween the oecumene and the cosmos as a whole.
Not only does the Hereford map survive as an original artefact, but it has
been relatively well preserved and in addition we know a good deal about its
origin and purpose. 42 We have documentary testimony to the existence of its
named author Richard de Bello. The map measures 158 by 133 cm and it
adorned a retable, so we know that it was intended for devotional purposes,
as we also suspect the Ebstorf Map may have been. Jerusalem is at the map's
exact centre, just as on the Psalter map, though, as the format is so much
larger, it is here furnished with battlements, four gates, and four fortress
towers (fig. 11 ) (vgl. unten Tafel 51b). It is called Civitas Jerusalem and
above it, outside the city, we find a drawing of Calvary, Mons Calvarie, with
Christ on the Cross. As on the Psalter map and the Ebstorf map, much space
is devoted to the Holy Land and many places are shown there. Paradise ap-
pears in the ocean at the very eastern edge of the map - a circular island on
which we can make out the gates of Paradise as well as the rivers Euphrates,
Tigris, Gihon, and Pison, and all the gates. On the mainland are the serpent
in the act of tempting Adam and Eve, and the angel expelling them from
Paradise. In the north-east on a heart-shaped peninsula are the captive na-
tions, shown just like the cannibals of Solinus. Along the map's southern

41
The map was destroyed during the Second World War. See DESTOMBES, pp. 194-97. For
an account of the Ebstorf map, with a brief bibliography, see pp.23-27 ( = The Hereforde
World Map. Medieval World Maps and their Context, ed. by P. D. HARVEY, London British Li-
brary 2006, S. 23-27).
42
See DESTOMBES, pp. 197-202. For an account of the Hereford map, with a brief bibliogra-
phy, see pp.27-30(= The Hereforde World Map. Medieval World Maps and their Context, ed.
by P. D. HARVEY, London British Library 2006, S.23-27).
698 Studien zur Universalkartographie [369/370/371/372]

edge is the customary gallery of monsters. Above the map is the figure of
Christ in Majesty.

T h e fortified City at the end of the middle ages

Many late-medieval maps make use of this design. Ranulf Higden, on what
is probably the oldest surviving copy of his great map, shows a kind of chest
or sarcophagus as a symbol for Jerusalem, slightly east of the map's centre,
marking the Holy Sepulchre with a spire or a flag of victory (Barber, fig. 11 )
(vgl. unten Tafel 58). 43 This differs from his other architectural vignettes
which mostly take the form of circular fortified structures. In place of the
gallery of monsters he provides little verbal sketches of the individual strange
beings. In the extreme east are allusions to the form of Paradise that we find
on other world maps. The artist of the closely related Evesham map, on the
other hand, drew an eye-catching Jerusalem, showing it as a magnificent
Gothic fortification with splendid churches above a sarcophagus (fig. 12)
(vgl. unten Tafel 60). 44 Paradise, too, is shown in detail with Adam and Eve
and the Tree of Knowledge.
Even on world maps that draw on portolan charts, such as those of Pietro
Vesconte (Barber, fig. 10 ) (vgl. unten Tafel 54) and Paolino Minorità da Ve-
nezia, 45 we still find Jerusalem at the centre, but only as a name without a
picture, for, in spite of the western interest in reclaiming the Holy Land, it is
no longer emphasized on this type of map. Paradise likewise is omitted,
although in the fourteenth century it still appears as a name on the map ac-
companying the chronicle of Saint-Denis in the Bibliotheque Sainte-Gene-
viève; here we have a central architectural vignette to mark Jerusalem but it
in no way outclasses the structures marking other cities. 46 The Sallust map at
Geneva is not markedly-different from Vesconte's; Jerusalem, though
marked only with its name, is still at the centre. 47

43
BL, Royal MS. 14.C.IX, fols lv-2r. See DESTOMBES, pp. 153-54. For an account of Hig-
den's map, with a brief bibliography, see above, pp. 32-35.
44
London, College of Arms, Muniment Room 18/19. See PETER BARBER, The Evesham
World Map: A Late Medieval English View of God and the World, in: Imago Mundi, 47 (1995),
pp. 13-33, with reproduction p. 14.
45
See DESTOMBES, p. 246. For an account of Vesconte's map, with a brief bibliography, see
above, pp. 31-32.
46
Paris, Bibliotheque Sainte-Geneviève, ms. 782, fol.374v. See DESTOMBES, pp. 177-78;
MILLER, Mappaemundi, III, pp. 136-38.
47
Geneva, Bibliotheque publique et universitaire, ms. lat. 54, fol.34v. See DESTOMBES, p. 71;
MILLER, Mappaemundi, III, pp. 141-43.
[372/373] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 699

Even the Ptolemaic Renaissance in the fifteenth century did not at once
succeed in dislodging Jerusalem, though it no longer leaps from its context
as it once did. The Mela map at Reims, which uses the initial O of Orbis Si-
tum as the circle of the earth, is entirely at one with the Ptolemaic concept of
the world, as we see from the text itself: it rejects the concept of inaccessible
zones of the earth and admits only unexplored lands, but Jerusalem is still
shown in its old central position (fig. 13 ) (vgl. unten Tafel 63). 48 Even the
southoriented circular map by Andreas Walsperger in 1448 shows Jerusalem,
deliberately and expressively, at the centre of the world; only the splendour
of Paradise in the east surpasses it. 49 However, throughout the Ptolemaic re-
volution in mapping the norms gradually changed, as we see on the Mela
map at the Vatican by Pirrus of Noha, which dates from around 1415: Asia
has been enlarged and pushes Jerusalem more towards the Mediterranean
and into the western world. 50

T h e historical and eschatological Jerusalem

In this chronological overview, we have considered 33 medieval world maps


and have looked at pictures of most of them. Jerusalem is shown on all ex-
cept two. One of these exceptions is the great hemispherical world map of
Lambert of Saint-Omer, which confines itself strictly to names of provinces
and takes a general view of the cosmos as a whole, not just the oecumene.
The other is the silent, wordless map of Brunetto Latini, for which, we must
suppose, the draughtsman had only an indecipherable Arabic model. Appar-
ently this exemplar did not show el-Quds, Jerusalem, even though the city
was also sacred to Moslems; there are no city symbols close to the eastern
Mediterranean coast which could represent it.
Although Jerome proposed - primarily in a metaphorical sense - a central
position for Jerusalem on the basis of the words of the prophet Ezekiel, he

48
Reims, Bibliotheque municipale, ms. 1321, fol. 13r. See DESTOMBES, pp. 185-86; MILLER,
Mappaemundi, III, 138-39; PATRICK GAUTIER DALCHE, L'oeuvre géographique du Cardinal Fil-
lastre (f 1428): Representation du monde et perception de la carte à l'aube des decouvertes, Ar-
chives d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age, 59 (1992), pp.319-83; ANNA-DOROTHEE
VON DEN BRINCKEN, Terrae incognitae: Zur Umschreibung empirisch noch unerschlossener
Räume in lateinischen Quellen des Mittelalters bis in die Entdeckungszeit, in: Raum und Raum-
vorstellungen im Mittelalter, ed. by JAN A. AERTSEN and ANDREAS SPEER, Miscellanea mediaeva-
lia, 25 (Berlin: De Gruyter, 1998), pp. 557-72 (pp. 565-68) ( = o. S. 528-531).
49
BAV, ms. Pal. lat. 1362b; facsimile reproduction published at Zurich by Belser, 1981. See
DESTOMBES, pp. 212-14.
50
BAV, Archivio di San Pietro, ms. H 31, fol. 8r. See DESTOMBES, pp. 187-88.
700 Studien zur Universalkartographie [373/374]

himself was unable to represent this cartographically. Not only did he him-
self not create a world map, but in his time there was no Roman mappamun-
di in our sense of the word: the legendary Agrippa map, set up in a colon-
nade, was not a circular map like the map at Hereford, where the central po-
sition of Jerusalem is to be attributed to patristic thought. So we know of
no instance of a map with Jerusalem at the centre from the whole of the first
millennium - rather, all surviving maps emphasize Europe and shift Jerusa-
lem away from the centre towards the south-east.
It is indisputable that at the time of the Crusades Jerusalem became a focus
of interest. The draughtsman of the St John's College, Oxford, map un-
doubtedly wished to adhere strictly to the patristic guide-lines. Since there
was no map he could copy for the layout he envisaged, and since in the Mid-
dle Ages people were extremely reluctant to adapt graphic representations,
he created the schematic, unrealistic map that we have today. No one seems
to have copied it, whether in the twelfth century or in the first half of the
thirteenth. We conclude that John of Wallingford was the next mapmaker to
make Jerusalem the logical mid-point of the oecumene when he produced his
schematic map of the climatic regions. This was in 1250, following the fall of
Jerusalem in 1244 and during the period when, to crown it all, the alien
Mongols were threatening Europe. Perhaps we can explain the belated car-
tographical acceptance of the central position of Jerusalem by the fact that
many historical institutions are not celebrated in literature and art until we
find ourselves having to lament their loss - the Western Empire in the four-
teenth century for example. Whatever the reason, the Psalter map, the three
large maps, Gerard of Antwerp, and William of Tripoli all place Jerusalem
at the centre of the inhabited world. In the fourteenth century Higden, too,
follows suit, as do the Evesham and Saint-Denis maps and even the porto-
lan-influenced world map by Pietro Vesconte. It is not until the Ptolemaic
Renaissance that things begin to change, but even some of the maps which
have been influenced by it, such as the Mela map of Reims or Walsperger's
map, still keep Jerusalem in its central position, while the Mela map by Pir-
rus of Noha, in Ptolemaic style, shifts Jerusalem away from the centre into
the western part of the overall picture.
Jerusalem is emphasized visually and made eye-catching in various ways,
even if it does not occupy the centre of the map. It is usually represented by a
magnificent and conspicuous edifice, as on the Saint-Sever Beatus map, the
Cotton map, the Victorine Isidore map, the Sawley map, the great maps of
Ebstorf and Hereford, and the Evesham and the Walsperger maps, though

51
Brodersen (see note 5), pp.268-287.
[374] XXXVI. Jerusalem on medieval mappaemundi 701

on the other hand the emblems used by the Freisinger Macrobius and the Ri-
poll maps, the Peutinger table, and the Saint-Denis map treat Jerusalem like
any other settlement. On the Beatus map from Osma the missionary figure
of James the Less stands for the city, while other maps stress the site of
Christ's burial or his resurrection - such as the Vercelli map and the Ebstorf
map, or the map by Ranulf Higden. Both the Jerome maps and the Psalter
map make use of a ring, while Isidore uses a star as with other large cities
and the artist of the St John's College, Oxford, map puts the symbol of the
cross on an island in the Mediterranean. These structures and symbols are to
be understood historically, although many of them also refer to the apoca-
lyptic Jerusalem - as perhaps do the twelve gates of the Saint-Sever Beatus
map - while on the Ebstorf map the double significance of Jerusalem is more
clearly revealed than on any other.
Let us look at the representation of Paradise as a parallel feature. Some-
times - as by Lambert of Saint-Omer and on the Vercelli map - it is expres-
sively called the Earthly Paradise (Paradisus terrestris), because it is closely
linked with the earth. From time to time, as on the Osma Beatus map, or the
Sawley and Hereford maps, it appears as a land full of promise though dimly
perceived, or as an island, inaccessible to the earthly observer, from which
the rivers of Paradise issue forth. Where, on the other hand, Paradise is
more historically understood, it is represented by the figures of Adam and
Eve, as on the Saint-Sever Beatus map, the Psalter map, or the Ebstorf and
Evesham maps. The Psalter map and the Ebstorf and Hereford maps show
both aspects, the historical and the otherworldly Paradise. Other artists
choose symbols to express transcendence: for the Isidore map a rose-win-
dow, for Lambert a sun with Enoch and Elijah, for William of Tripoli a
half-hidden sun. Walsperger even gave Paradise the form of the heavenly
Jerusalem - here Jerusalem and Paradise plainly overlap.
The inclusion of Gog and Magog and the captive Tribes of Israel in the
north-east is common to all the English maps: we find them on the Cotton,
the Sawley, the Psalter, and the Hereford map, and also on the Ebstorf
map, but not on other or later examples. It is possible that the Mongol threat
may have played a role here: in the thirteenth century this alien nation from
north-eastern Asia began to be linked with the peoples of Gog and Magog,
explaining why English maps found this complex of images of such interest.
On the thirteenth-century maps with devotional implications, the galleries of
monsters in the extreme south take over the task of giving shape to the far
unexplored Terrae Incognitae: they draw a veil over the Unknown, and our
gaze is drawn instead to its antithesis - to the Eternal Jerusalem.
702 Studien zur Universalkartographie [375/376]

Appendix
Representations of Jerusalem, Paradise, and Gog and Magog on the maps
discussed (If the feature does not appear, the column is left blank)

Map Jerusalem Paradise Gog and Magog

Vatican eight-pointed star, rose-window


double borderd
Albi legend only
Freising Macrobius square building
Osma Beatus James the Less square, four rivers
Saint-Sever Beatus round walls, twelve Adam and Eve
gates
Ripoll building
Cotton round wall, four Gog and Magog
towers
St. John's College, Ox- in centre; round
ford island with cross
Guido of Pisa legend only
Lambert of Saint-Omer sun, Elijah
Arnstein legend only legend only
Victorin Isidor domed building, island, four rivers Gog and Magog
two towers
Jerom, Palestine circle, four gates
Sawley domed building, island, four rivers Gog and Magog
two towers
Icelandic legend only
Mattew Paris legend only
John of Wallingford in centre (fourth
climate); legend only
Peutinger table two towers
William of Tripoli in centre; legend only half-sun shape
Gerard of Antwerp in centre; legend only legend only
Brunetto Latini
Psalter in centre; double Adam and Eve, Gog and Magog
circle five rivers
Vercelli three-storey tomb legend only
('Sepulcrum')
Ebstorf in centre; Christ rising Adam and Eve, Gog and Magog
from grave, twelve four rivers
gates
Hereford in centre; four towers circular isle, four Gog and Magog
rivers, Adam
Ranulf Higden in centre; sarcophagus drawing
of Christ
[376] X X X V I . Jerusalem on medieval mappaemundi 703

Map Jerusalem Paradise Gog and Magog


Evesham in centre; Gothic for- Adam and Eve
tress
Piero Vesconte in centre; legend only
Saint-Denis in centre; building legend only
Geneva Sallust in centre; legend only
Reims Mela in centre; legend only
Walsperger in centre; building Gothic town
Vatican Mela legend only (displaced
to west)
XXXVII. Beobachtungen zum geographischen
Berichtshorizont der lateinischen Weltchronistik

1. Einleitung: Zeit und Raum in der Universalchronographie

Zeit und Raum sind neben den handelnden Personen die Kategorien, die
nach Hugo von St. Viktor 1 die Geschichtsschreibung ausmachen. Universal-
chronographie bzw. Weltchronistik betont schon durch ihren Namen die
Zeitkomponente, gewöhnlich seit der Schöpfung oder Christi Geburt ge-
rechnet, über die Kernpunkte der Heilsgeschichte und mit Blick auf das En-
de der Zeiten.
Ein nicht unwesentlicher Interessenpunkt der frühchristlichen Apologeten
ist dabei der Wettstreit um das höchste Alter ihrer Kultur, womit man die
Argumentationen der Juden im hellenistischen Zeitalter aufgreift. Ferner wi-
derspricht Africanus übereilten Parusie-Erwartungen durch den Nachweis,
daß die übliche, auf der Septuaginta basierende biblische Chronologie kei-
nen Anlaß zur Errechnung eines baldigen Weltendes gebe.2 Darüber treten
die Interessen am Raum zunächst noch sehr zurück und beschränken sich
auf den Nachweis der Gleichzeitigkeit bedeutender Herrschaften; hierdurch
wird auch die räumliche Komponente berührt.
Das sah in der klassischen Antike keineswegs entsprechend aus; vielmehr
dienten räumliche Aspekte durchaus als Einteilungsprinzip von Weltge-
schichten. Als Beispiel seien hier im lateinischen Bereich die 44 Bücher «Hi-
storiae Philippicae» des Pompeius Trogus genannt, entstanden in augustei-
scher Zeit kurz vor der Zeitenwende und bekannt vor allem durch die Aus-
züge des Justin aus dem 3. Jahrhundert. 3 Das Werk ist teils chronologisch,
teils geographisch angelegt nach den Weltreichen der Assyrer, Meder, Per-
ser, Makedonen, Diadochen, Römer in ihrer Frühzeit, schließlich der Par-

1
Tria igitur sunt, in quibus praecipue cognitio pendet rerum gestarum, id at, penonae a quibui
rei geitae lunt, et loca in quibui geitae lunt, et tempora quando gestae sunt. Hec tria quisquis memori-
ter animo tenuerit, inveniet se fundamentum habere bonum... Hugo von St. Viktor, De tribus ma-
ximis circumstantiis gestorum, Vorrede, ed. W. M. GREEN, Spec. 18, 1943, S. 491.
2
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos
von Freising, Düsseldorf 1957, S. 50-54.
3
M. Iuniani Iustini epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi, ed. O. SEEL, Stuttgart
1985; Pompeius Trogus, Fragmenta collegit O. SEEL, Stuttgart 1956 (nicht nur aus Justin).
[161/162] XXXVII. Berichtshorizont der Weltchronistik 705

ther und der Randherrschaften in Italien, Südfrankreich, Spanien und Kar-


thago.
Vergleichsweise kann man im islamischen Raum RasTd al-Dln (f 1318)
nennen. Jüdischer Herkunft, arbeitete er als in persischer Sprache schreiben-
der Universalhistoriker am Hofe der mongolischen Il-Khane im Iran, in de-
ren Auftrag er, nach Herrschaften (Kulturen) getrennt, unter anderem die
Geschichte der Oguzen, die Geschichte Chinas, die Geschichte der Kinder
Israels, die Geschichte der Franken - d.i. die Geschichte des Abendlandes,
für die er sich der Papst-Kaiser-Chronik des Martin von Troppau bediente -
und die Geschichte Indiens 4 erstellte.
Im christlich-abendländischen Bereich könnte man allenfalls einen Ansatz
zu geographischem Einteilungsprinzip im zweiten Abschnitt (decisio) der
«Otia Imperialia» des Gervasius von Tilbury ausmachen. Seine um 1214 für
den abgesetzten Weifen-Kaiser Otto EV. verfaßten «Kaiserlichen Mußestun-
den» fallen aus dem Rahmen der üblichen Weltchronistik vor allem durch ih-
ren dritten Abschnitt heraus; in ihm bietet der welterfahrene und höchst be-
lesene Autor 145 unterhaltsame Erzählungen aus der oralen Überlieferung,
die zugleich eine Enzyklopädie wundersamer Dinge darstellen. Der erste
Abschnitt der «Otia» 5 behandelt die Schöpfung und die frühe Menschheits-
geschichte bis zur Sintflut in 25 Kapiteln nach der «Historia Scholastica»
des Petrus Comestor. Der zweite Abschnitt, die systematische Bearbeitung
der Weltgeschichte von Noe bis auf die eigene Zeit, folgt in der Gesamtanla-
ge dem mehrfachen Durchgang einer Mappa Mundi, wie sie Gervasius laut
Schlußkapitel des Buches selbst erstellte:6 Von oben nach unten, d.i. von
Osten nach Westen fortschreitend - denn mittelalterliche Karten sind grund-
sätzlich geostet -, handelt er in den ersten 13 Kapiteln von den drei Konti-
nenten der Noe-Söhne und den vier Weltreichen, von den drei Erdteilen Asi-
en, Europa und Afrika, von den Mittelmeer-Inseln und vom Charakter des
Meeres. 7 Daran schließt sich ein Abriß der Alten Geschichte an, bei dem

4
U. a. ed. K. JAHN, Die Geschichte der Kinder Israels des RasTd ad-Din, DOAW.PH 114,
Wien 1973; DERS., Die Frankengeschichte des RasTd ad-Din, DOAW.PH 129, Wien 1977;
DERS., Die Indiengeschichte des RasTd ad-Din, DOAW.PH 144, Wien 1980; dazu: DERS., Der
Islam. Universalgeschichte im islamischen Raum, in: Mensch und Weltgeschichte. Zur Ge-
schichte der Universalgeschichtsschreibung, hg. von ALEXANDER RANDA, Siebentes Forschungs-
gespräch des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften Salz-
burg, Salzburg/München 1969, S. 143-170.
5
Gervase of Tilbury, Otia Imperialia. Recreation for an Emperor, ed. and transl. by SHEILA
E. BANKS/J. W. BINNS, Oxford 2002, pp. 16-163; andere Titel des Werkes lauten «Solacium Im-
peratoris» oder «Mirabilia Mundi».
6
Gervase of Til., Otia II 25 (pp. 520-529, bes. p. 526 BANKS/BINNS).
7
Gervase of Til., Otia II 1-13 (pp. 166-351 BANKS/BINNS).
706 Studien zur Universalkartographie [162/163]

Gervasius, mit Israel zur Zeit Noes und Trojas Untergang einsetzend, zum
Geschehen in Rom und seinen Nachfolgestaaten fortschreitet und ausführ-
lich Britannien behandelt, auch hier in vier Kapiteln die Ostwestrichtung
einhaltend. 8 Im letzten Durchgang von Ost nach West geht es um das Mittel-
alter, um die Franken und das römisch-deutsche Reich, wiederum sehr ein-
gehend um England, schließlich gesondert um das Heilige Land bis in die
Zeit des Gervasius.9 Im 25. Kapitel folgt die Erdbeschreibung mappa mundi;
das letzte, 26. Kapitel handelt von den Weltaltern. 10 Dieser geographische
Ansatz erinnert entfernt an Pompeius Trogus, ist wenig systematisch, über-
lappt sich laufend mit der chronologischen Einteilung und ist als nicht gelun-
gen einzustufen; er fand verständlicherweise im Mittelalter keine Nachfol-
ger, 11 sollte aber als Ausnahme nicht unerwähnt bleiben. Die Anordnung der
christlichen Universalhistoriographie nach geographischen Aspekten emp-
fahl sich nicht. Synchronistik vermochte hier mehr zu leisten, wie unten zu
zeigen ist.
Man hat die lateinische Weltchronistik in drei Untergruppen aufgeteilt, 12
in die primär vom Zeitablauf bestimmte series temporum, in die breite Erzähl-
chronistik mare historiarum und in die enzyklopädisch ausgerichtete imago
mundi. Von der letzten soll hier abgesehen werden, weil die geographischen
Teile meist einen gesonderten Unterabschnitt bilden, ebenso wie die chrono-
graphischen, etwa bei Isidor von Sevilla oder Vincenz von Beauvais. Viel-
mehr sollen paradigmatisch einige große Erzähl-Chroniken mit geographi-
schem Einleitungsteil zur Sprache kommen; vor allem aber interessieren die
nicht sehr zahlreichen synchronistischen Weltgeschichten der Lateiner.

8
Gervase of Til., Otia II 14-17 (350-435 BANKS/BINNS).
' Gervase of Til., Otia II 18-24 (434-521 BANKS/BINNS).
10
Gervase of Til., Otia II 26 (528-547 BANKS/BINNS).
11
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die bewohnte Welt in neuen Sichtweisen zu Anfang des 13.
Jahrhunderts bei Gervasius von Tilbury und Jakob von Vitry, in: Geistesleben im O.Jahrhun-
dert, hg. V.JAN A. AERTSEN, MM 27, Berlin 2000, 604-624, bes. 608-617 ( - o. S. 565-585).
12
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Das abendländische Mittelalter, in: Mensch und Weltgeschichte
(wie Anm.4), 41-86, bes. 47.
[163/164] X X X V I I . Berichtshorizont der Weltchronistik 707

2. Die W u r z e l n der lateinischen Weltchronistik in der Spätantike

2.1 Frühchristliche Chronographien in griechischer Sprache


im 3. und 4. Jahrhundert

Julius Africanus synchronisiert als weitgereister christlicher Laie aus Palästi-


na in fünf Büchern die biblische Geschichte mit der weltlichen. Es geht um
eine Weltära und den eigenen Standort in Bezug auf das mögliche Weltende,
das er mit Hilfe des damals gängigen Chiliasmus und der Vorstellung von
der Präfiguration des Weltverlaufs im sechstägigen Schöpfungsgeschehen13
als keineswegs drohend einordnet, da er sich im 3. Jahr des Kaisers Elaga-
bal, dem Weltjahr 5723, noch weit von der Vollendung des sechsten Welt-
jahrtausends entfernt wähnt. Die Vergleiche mit der Chronologie der Völker
rund ums Mittelmeer und des Nahen Ostens bestimmen seinen Berichtshori-
zont im Rahmen des chronographischen Vergleichs; besondere geographi-
sche Interessen darüber hinaus sind in den erhaltenen Teilen nicht auszuma-
chen.
Das sieht 235 n.Chr. bei Hippolytus von Rom schon insofern anders aus,
als die in der Anlage ähnlich geartete Chronik, die gleichfalls nicht in ihrer
ursprünglichen Gestalt auf uns gekommen ist, in ihrer fragmentarischen la-
teinischen Version des «Liber generationis» 14 mit einem Diamerismos (Spal-
tung) anläßlich der Verwirrung der Völker nach dem Turmbau von Babel
ausgestattet ist, der gewissermaßen das Glanzstück des sonst knapp gehalte-
nen chronologischen Abrisses darstellt. 15 Er hat die Aufteilung der Völker in
72 Sprachen zum Gegenstand, verbunden mit der Teilung der Erde unter die
drei Noe-Söhne, parallel zum zweiten Weltalter von der Sintflut bis zu Ab-
raham. Allerdings liefert das Werk nur geo- und ethnographisches Namen-
material, eine reine Auflistung ohne nähere Beschreibung. Immerhin ist der
Diamerismos fast so umfangreich wie die ganze übrige erhaltene Chronik.
Hinzu kommt noch der nur in der einzigen griechischen Handschrift, einem
Fragment aus Madrid, überlieferte Stadiasmus des Mittelländischen Meeres
als weiteres geographisches Beiwerk, 16 eine Art Küstenbeschreibung des
Mittelmeers, Vorläufer der Portulani.

13
Ps89, 4 ( M T 9 0 ) .
14
Fassung I und II mit Chronica Alexandrina, ed. T H . MOMMSEN, im Zusammenhang mit
dem Chronographen von 354, M G H A A 9 , Berlin 1892,78-140.
15
Ebd. 94-113.
16
Hippolytus, Die Chronik, ed. R. H E L M / A . BAUER, GCS 46, Hippolytus Werke IV, Berlin
708 Studien zur Universalkartographie [164]

Für die Folgezeit und insbesondere für die lateinische Geschichtsschrei-


bung wird Eusebius von Caesarea (f 339) einflußreich. Er schreibt als Erster
eine Kirchengeschichte, denn das Christentum hat inzwischen die staatliche
Duldung erfahren und wird historisch wahrgenommen. Hier interessiert
aber mehr die zweiteilige Chronik, die nur in Übersetzungen erhalten ist.
Teil I, Chronographia, die wissenschaftliche Diskussion um die christliche
Zeitrechnung, ist lediglich in armenischer Version überliefert;17 die Zeitta-
feln, xQovtxol xctvóvEC,, sind beim Kirchenvater Hieronymus ( j 419 oder
420) auf uns gekommen. Es handelt sich um eine Weltgeschichte in synchro-
nistischer Tabellenform, die enorm verbreitet war und die lateinische Uni-
versalgeschichtsschreibung des Abendlandes entscheidend prägen sollte,
nicht zuletzt auch ihren Berichtshorizont.
Eusebius hat bereits ausgeprägte geographische Interessen im Zusammen-
hang mit der Heiligen Schrift, denn sein verlorenes Onomastikon biblischer
Stätten ist ein Ortslexikon, das in Schriften des Hieronymus Eingang findet.
Auf lateinischer Seite wird hier also später eine Spur verfolgt, die die griechi-
schen Kirchenväter vorgezeichnet hatten.

2.2 Die Anfänge lateinischer Chronistik


mit breitem geographischem Horizont

Die Weltchronik des Hieronymus wird im Mittelalter an Breitenwirkung nur


von der Bedas übertroffen. Sie steht am Anfang der lateinischen Universalge-
schichtsschreibung christlichen Bekenntnisses. Die Chronik des Eusebius
reicht bis 325. Hieronymus setzt sie um 380/81 bis 379 fort. Die große Lei-
stung ist die synchronistische Anlage der Kanones, die in einem nicht mehr
eindeutig meßbaren Umfang auf Eusebius zurückgeht. Für die beiden ersten
Weltalter, d. h. bis zu Abraham, ist die Geschichte auf das auserwählte Volk
der Bibel beschränkt, erst aus der Zeit Abrahams sind andere Kulturen be-
kannt, die in der Hieronymus-Chronik - so wie sie heute erhalten ist und
wie ihr Herausgeber Rudolf Helm 18 sie handschriftlich für seine Edition
nachgezeichnet hat - als fila regnorum, Jahresfäden von einzelnen Reichen
und ihren Herrschern, erscheinen, während am Rand, im spatium historicum,

2
1955; dazu auch A. BAUER, Die Chronik des Hippolytus im Matritensis Graecus 121, nebst ei-
ner Abhandlung über den Stadiasmus maris magni von O. CUNTZ, TU 29, Leipzig 1905.
17
Eusebius, Die Chronik, übers, und komm. v.J. KARST, GCS 20, Eusebius Werke V, Leip-
zig 1911.
18
Hieronymus, Chronicon, ed. R. HELM, GCS, Eusebius Werke VII, Berlin 1913-26 (21955
3
= 1984).
[164/165] XXXVII. Berichtshorizont der Weltchronistik 709

die wichtigsten Geschehnisse zu den einzelnen Zeitabschnitten vermeldet


sind. Hieronymus hat die Chronologie im Prolog für die Frühzeit - noch im-
mer auf Septuaginta-Grundlage - erheblich, nämlich um rund 300 Jahre im
Vergleich zu Africanus, korrigiert, so daß ein Weltende im Jahr 6000 - von
dem nirgends die Rede ist - noch lange nicht ansteht. Der Berichtshorizont
der Herrschaften umfaßt zur Zeit des Abraham und des Ninus auch Sikyo-
nier und Ägypter, erweitert sich weiter auf die Argiver, Athener, später My-
kener statt der Argiver, seit Trojas Untergang auf die Latiner und anschlie-
ßend Römer, ferner auf die Korinther, Spartaner, Makedonen, Lyder, Per-
ser, Diadochen und zuletzt auf die Juden bis zu Jerusalems Eroberung durch
Rom; danach bleiben die Römer als Weltreich allein übrig. Immerhin ist hier
die Welt rund um das Mittelmeer auf den drei bekannten Kontinenten er-
faßt.19 Diese Weitsicht hat vor Eusebius bzw. Hieronymus als seinem Publi-
kator niemand erreicht. Zumindest von Hieronymus wissen wir auch aus an-
deren Werken von geographischen Interessen, denn er nahm nicht nur als
Topograph Palästinas die Arbeiten von Eusebius auf, sondern ist in «De viris
inlustribus»20 auch Literaturhistoriker der Christen rund ums Mittelmeer
und wird insbesondere im Ezechiel-Kommentar mit seinen universalen Inter-
essen zum Vater der abendländischen Ökumene-Kartographie.
Völlig anders geartet ist die wenig jüngere Weltgeschichte des Spaniers
Paulus Orosius, der seine sieben Bücher «Historiae adversus paganos» 21 um
417/18 im Auftrag des hl. Augustinus verfaßt, sozusagen als weltliche Er-
gänzung zu «De civitate Dei», um den Nachweis zu erbringen, daß die Wid-
rigkeiten der eigenen Zeit - z. B. die Einnahme Roms durch den Westgoten
Alarich - nicht etwa ein Racheakt der alten Götter am Christentum seien,
vielmehr daß das Elend der Welt in der heidnischen Vergangenheit viel
schlimmer gewesen sei. Die moesta mundi, wie sie im Mittelalter vielfach um-
schrieben werden, sind eine Ansammlung von Schauergeschichten seit Anbe-
ginn der Zeiten; im Mittelpunkt steht natürlich die profane Welt. Orosius
hat die antike Geschichtsschreibung fleißig studiert und beginnt mit der Bi-
bel bei Adam und Eva, doch ist ihm Chronologie kein entscheidendes Anlie-
gen. Die vier Weltreiche aus dem Propheten Daniel 22 interpretiert er mehr
weltlich aus der klassischen Literatur der Antike, versteht sie vor allem geo-
graphisch: Assur im Osten, Makedonien im Norden, Karthago im Süden

" A.-D. VON DEN BRINCKEN, Hieronymus als Exeget,secundum historiam'. Von der Chronik
zum Ezechiel-Kommentar, DA 49, 1993, 453-477, bes. 463-467.
20
Ebd. 468 f.
21
Orosius, ed. C. ZANGEMEISTER, CSEL 5, Wien 1882, sowie jetzt Histoires contre les
paiens, ed. M.-P. ARNAULD-LINDET, Paris 1990-1991.
22
Dan 2 und Dan 7.
710 Studien zur Universalkartographie [165/166]

und Rom im Westen. Das Werk erlangte außerordentliche Verbreitung, jede


Klosterbibliothek besaß es, um sich an den schlechten Sitten der heidnischen
Vorfahren zu weiden. 23
Am Anfang des ersten Buches folgt auf den Prolog an Augustin im ersten
Kapitel die Begründung der Notwendigkeit einer Schauplatzbeschreibung
im Geschichtswerk, 24 damit man erkenne, an welchen Orten die Menschheit
tätig wurde. Die folgende Abhandlung folgt der Einteilung in drei Erdteile,
die Orosius der Reihe nach vorstellt: Asien, Europa und Afrika von Osten
gen Westen nach Provinzen und Inseln.25 Dieses aus antiken Autoren ge-
wonnene Bild wird später für Isidor in seinen «Etymologiae» maßgeblich
und dadurch gestaltend für das Mittelalter.
Ausgangspunkte in der Antike sind die Weltchroniken von Hieronymus
und Orosius, beide mit beachtlichem Berichtshorizont; und zu beiden sind
auch Karten überliefert, obwohl die jeweilige Zuordnung nicht unumstritten
ist. Die Orient-Karte des Hieronymus stammt in der erhaltenen Form aus
dem 12. Jahrhundert und kennt Ländernamen, die es z. Zt. des Kirchenva-
ters noch nicht gab. 26 Dennoch könnte sie eine Vorlage des 5. Jahrhunderts
gehabt haben, zumindest steht sie den Texten des Hieronymus nahe. Orosi-
us wird die Karte aus einer Handschrift seiner «Historiae» aus dem 9. Jahr-
hundert zugeschrieben, die sogenannte Albi-Karte, 27 die viel orosianisches
Gut enthält, manches geht auch auf Isidor zurück. Die Kartographen der
Folgezeit werden maßgeblich von Hieronymus und Orosius angeregt. Isidor
von Sevilla, der letzte lateinische Kirchenvater, faßt das Wissen der Zeit zu-
sammen u. a. in zwei Chroniken und in seinen «Etymologiae», die dem enzy-
klopädischen Geschichtsschreibungstyp zugeordnet werden und daher hier
ausgeklammert bleiben. Seine Weltkarten in vielfältiger Form prägen die
Kartographie auch des Hochmittelalters nachhaltig, wofür als Beispiel eine
in München überlieferte, wohl den Viktorinern zuzuschreibende Karte des
12. Jahrhunderts 28 dienen soll.

23
B. GUENEE, Histoire et culture historique dans l'Occident medieval, Paris 1980, 250.
24
Oros., hist. 11,14-17 (8 ZANGEMEISTER = 1,12 ARNAULD-LINDET).
25
Oros., hist. I 2 (9-40 ZANGEMEISTER = 1,13-42 ARNAULD-LINDET).
26
London, British Library, MS Add. 10049, fol. 64 (Abb. 1 vgl. unten Tafel 1 ).
27
Albi, Bibliotheque Municipale MS 29, p.487 (Abb. 2 vgl. unten Tafel 3).
28
Staatsbibliothek München, CLM 10058, fol. 154v (Abb.3 vgl. unten Tafel 28).
[166/167] XXXVII. Berichtshorizont der Weltchronistik 711

3. Schauplatzbeschreibungen in Erzähl-Chroniken
des 14. Jahrhunderts

Natürlich haben die breiten Erzähl-Chroniken hin und wieder Raum für
geographische Exkurse. Exemplarisch seien zwei Werke aus der Mitte des
H.Jahrhunderts herausgegriffen, die dies beispielhaft verdeutlichen, näm-
lich das «Polychronicon» des englischen Benediktiners Ranulph Higden und
die als «Böhmenchronik» betitelte Universalgeschichte des Minoriten Johan-
nes de Marignollis.
Ranulphs «Polychronicon» ist ein breit angelegtes Geschichtswerk tradi-
tionellen Charakters, entstanden 1340-60 in St. Werburgh in Chester, wo
Ranulph 1363 verstarb. Die Chronik in sechs Weltaltern ist recht umfang-
reich, in sieben Bücher unterteilt und erfuhr eine beachtliche Verbreitung,
aber nur in England. Mindestens 118 Handschriften 29 des Werkes sind be-
kannt, dazu Übersetzungen ins Englische und Fortsetzungen. 30 Das ausge-
prägte Interesse für die Antike und ihre Literatur belegt den hohen Bildungs-
anspruch des Chronisten.
Ranulph Higden, stellt wie schon Orosius, an den Anfang seines umfang-
reichen Werkes eine Schauplatzbeschreibung; er widmet ihr eins von sieben
Büchern mit 60 Kapiteln und damit einen stattlichen Anteil an der Chronik.
Von der Gestalt der Erde kommt er zu ihrer Aufteilung in drei Kontinente,
die der Reihe nach abgehandelt werden. In die Ortsbeschreibung sind, von
Osten nach Westen voranschreitend, neben Klimadaten, geographischen
und ethnographischen Merkmalen Begebenheiten aus Mythos und Ge-
schichte eingewoben. Das Wissen stammt weitgehend aus der klassischen Li-
teratur und ist so konservativ wie die zugehörige Weltkarte, in mehreren
Versionen vom Verfasser zwischen 1343 und 1362 erstellt.31 Text und Kar-
tenbild stimmen hier übrigens keineswegs überein, sondern schöpfen aus un-
terschiedlichen Überlieferungen.32 Ranulph ist der Inbegriff des traditions-
bewußten Engländers.

29
GUENEE, Histoire (wie Anm. 23), 250.
30
Edd. C. BABINGTON/J. R LUMBY, RBMAS 41,1-9, London 1865-86.
31
Die am sorgfältigsten erstellte findet sich London, British Library MS Roy. 14. C. IX.,
fol. lv-2 (Abb. 4 vgl. unten Tafel 58).
32
P. UEBERHOLZ, „Requiritur autem mapa duplex". Die Darstellung Afrikas in der angel-
sächsischen Geschichtsschreibung und Kartographie des Mittelalters, in: Aus Überrest und Tra-
dition, Festschrift für Anna-Dorothee von den Brincken, hg. von P. ENGELS, Lauf a. d. Pegnitz
1999,54-72.
712 Studien z u r Universalkartographie [167]

Einen völligen Gegensatz dazu stellt die Weltgeschichte des Minoriten Jo-
hannes de Marignollis aus Florenz dar, der als Hofkaplan Kaiser Karls EV.
in dessen Auftrag wegen seiner angeblichen stilistischen Gewandtheit in Prag
unter dem Titel einer «Böhmenchronik» eine Universalgeschichte verfaßt, in
die er seine Erfahrungen von einer 15-jährigen Missionsreise in päpstlichem
Auftrag zu den Mongolen 1338-53 via Indien nach China hineinpackt. Die
Vorlagen zu Böhmens Vergangenheit interessieren ihn völlig am Rande,
ebenso wenig folgt er den üblichen universalhistorischen Einteilungsschema-
ta wie aetates oder regna; vielmehr orientiert er sich wesentlich an der Gene-
sis als einer Weltbeschreibung. Alexander den Großen will er übertroffen ha-
ben, als er am Scheitelpunkt der Welt dem Paradies gegenüber eine Säule
mit einem Kreuz aus Marmor errichtete. 33 Hier liegt die Vorstellung der
geosteten Ökumene-Weltkarte des Mittelalters zugrunde, deren höchster
Punkt Indien im äußersten Osten fast an das Paradies stößt. Marignollis
Aussage, der Weltozean teile die Erde nach der Art eines Kreuzes, wobei
zwei dieser Meeresabschnitte schiffbar seien, zwei unzugänglich, 34 folgt of-
fenbar der Macrobius-Karte, 35 d. i. der Zonenkarte des kratetischen Weltbil-
des, die die Erde als Kugel zu erfaßen sucht, unterteilt durch zwei sich in
rechtem Winkel schneidende, nämlich sich kreuzende Ozeanringe: einer von
ihnen orientiert sich am Äquator, der andere geht als Meridian durch beide
Pole. Um dies zu begreifen, bedarf es einiger Anstrengungen seitens der Le-
ser, denn Marignolli ist weder sehr systematisch, noch drückt er sich immer
verständlich aus. 36 Eine gute Allgemeinbildung hat ihm sein Orden wohl ver-
mittelt, wenn auch keine historische. Insgesamt wird man auch von seinem
Werk sagen dürfen, daß es geographischen Gesichtspunkten in der Anlage
folgt, auch wenn die trinitarische Aufteilung in thearcos, monarchos und ierar-
cos, d.i. in regnum und sacerdotium vor der Flut, regnum nach der Flut und
sacerdotium nach der Flut in Anlehnung an Augustinus zwar sehr gelehrt
klingt, aber mehr verwirrt als ordnet oder erläutert. Marignolli behandelt
z. B. die Paradiesflüsse und identifiziert den Phison mit Ganges und Jangtse-
kiang. 37 Reiche Schilderungen von Land und Leuten begleiten den Zeitab-

33
Kronika Marignolova, ed. JOSEF EMLER, Fontes rerum Bohemicarum 3, Prag 1882, 496b.
34
510a EMLER: ... terra firmata est super aquas, et ut experiencia certa didicimus, dividendo oc-
ceanum in tnodum crucis due quadre sunt navigabiles et due alle nullomodo ...
35
Z.B. München, Bayerische Staatsbibliothek CLM 6362, fol.74, 1 l.Jh. Freising (Abb.5 vgl.
' unten Tafel 14.).
36
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die universalhistorischen Vorstellungen des Johann von Marig-
nola OFM. Der erste mittelalterliche Weltchronist mit Fernostkenntnis, in: AKuG 49, 1967,
297-339; korrektere Interpretation des kartographischen Weltbildes in: DIES., Fines Terrae. Die
Enden der Erde und der vierte Kontinent, Sehr. MGH 36, Hannover 1992, bes. 204-207.
37
497ab EMLER.
[167/168] XXXVII. Berichtshorizont der Weltchronistik 713

lauf, bei jeder Gelegenheit schweift Johannes ab zu mirabilia aller Art, die er
erlebt hat. Seine eigenen Leistungen als Missionar weiß er wohl herauszu-
stellen. Auch huldigt er touristischen Eigenheiten, macht überall fakultative
Ausflüge auf seinen Wegstationen, sammelt Souvenirs und errichtet Monu-
mente. Ein in jener Zeit außergewöhnlicher Lebensweg regt einen phantasie-
begabten Christen zur Zeichnung eines farbigen Weltbildes an.

4. Synchronistik im 12. bis 14. J a h r h u n d e r t

Synchronistik im Rahmen der Universalgeschichtsschreibung ist eine für den


Leser sehr praktische und sehr eingängige, für den Autor aber höchst an-
spruchsvolle Form der Stoffdarbietung. Abgesehen von geeigneten Be-
schreibstoff-Flächen benötigt man gründliche Kenntnisse der Chronologie
der Parallelkulturen, und daran scheitert meist die Anwendung dieser Tech-
nik. Die Leistung der Eusebius-Hieronymus-Kanones ist daher nicht hoch
genug anzusetzen. Im christlichen Bereich liegt hier die erste gelungene Syn-
chronistik vor. Auch in der heidnischen Antike gab es nichts Vergleichbares,
doch in der hellenistischen Zeit finden sich Versuche paralleler Herrscherli-
sten.
Die Synchronistik setzt zur Zeit Abrahams mit Ninus ein, dem ältesten be-
kannten Großherrscher. Die augusteische Zeit bedingt den Niedergang die-
ser Form, als alle Herrschaften rund ums Mittelmeer im römischen Weltreich
aufgehen. Nach dem Untergang Jerusalems 70 n. Chr. verlaufen die letzten
300 Jahre der Hieronymus-Chronik einsträngig. Fortsetzer des Hieronymus
wie Prosper Tiro, die sich kurz fassen wollen, werden durch keinerlei Vor-
bild angeregt, erneut eine Mehrsträngigkeit anzustreben. An Quellenmateri-
al gebricht es vollständig. So arbeiten die auf Hieronymus folgenden sieben
Jahrhunderte in einem Block, obwohl sich schon 395 eine Teilung in Ost-
und Westrom anbahnt, zur gleichen Zeit Germanenreiche auf antikem Bo-
den hervortreten, man aber auch im Osten von Sassaniden Kunde hat. Zu-
verlässige Jahreszahlen fehlen ebenso wie Regentenlisten.
Unter diesem Aspekt ist die Leistung des Sigebert von Gembloux nicht
hoch genug einzuschätzen, der - wie er in seinem Vorwort sagt - eine con-
temporalitas regnorum58 in seiner Chronik erfassen will. Erwirkt 1088-1106
daran und führt die Arbeit bis 1111 fort, wobei er schlicht die Chronik des
Hieronymus fortsetzt. 39 Zu diesem Zeitpunkt ist die Inkarnationsära des

38
Chronographia. ed. L. C. BETHMANN, M G H SS 6, Hannover 1844,300.
39
A.-D. VON DEN BRINCKEN, Contemporalitas regnorum. Beobachtungen zum Versuch des
714 Studien zur Universalkartographie [168/169]

Dionysius Exiguus im Abendland lebhaft in die Diskussion geraten, und


auch Sigebert hat sich durch seinen «Liber Decennalis» an der Kritik betei-
ligt.40 In seiner Komputation am Ende der Vorrede zur Chronik weist er die
Jahre ausdrücklich unter Bezugnahme auf Dionysius nach. 41 Durch die con-
temporalitas regnorum will er die Zeitabfolge absichern, denn etwa die Dop-
pelsträngigkeit der Papst-Kaiser-Chronistik wurde erst von Hugo von St.
Viktor erfunden. Zu Beginn stellt Sigebert kurz die einbezogenen gentes vor,
Römer, Perser, Franken, Briten, Wandalen, Langobarden, Westgoten, Ost-
goten und Hunnen. Dann setzt er 381 mit sehr gleichmäßigen Jahresberich-
ten ein. Die Anlage weicht insofern von Hieronymus ab, als er nicht fila reg-
norum und am Rande ein spatium historicum führt, sondern jeden einzelnen
Jahresbericht annalistisch formuliert; dabei erscheinen die Inkarnationsjahre
. im uns erhaltenen Autograph 42 nur zu jedem 10. Jahr, die jeweiligen Regie-
rungsjahre der einzelnen Herrscher aber sind alljährlich angegeben, begin-
nend mit den römischen Kaisern. Je mehr Herrscherstränge bekannt sind,
umso besser ist die Jahresdatierung abgesichert. Bei Karl dem Großen
spricht Sigebert von translatio wie divido imperii, denn von hier an führt er
zwei Stränge des römischen Kaisertums. Die Papstabfolge spielt bei ihm
noch keine Rolle. Viele Germanenreiche gehen unter, die Perser werden
durch die Moslems (Sarazenen) abgelöst. Damit wird die außergewöhnliche
Breite des Berichtshorizontes bei Sigebert durch Jahrhunderte beibehalten,
denn auch Steppenvölker wie Bulgaren und Avaren finden sein Interesse, so-
fern sie irgendwo in der Historiographie erwähnt sind. Dabei bleibt Sigebert
von seinen schriftlichen Vorlagen abhängig, denn man arbeitet noch kaum
mit Überresten und hält sich ganz an die Tradition. Die Breite des Berichts-
horizontes verbessert die contemporalitas regnorum und damit die Absiche-
rung der Chronologie. Sigebert wird sehr viel benutzt und auch fortgesetzt.
Die synchronistische Anlage aber hält sich nur bei den Kontinuatoren durch
das 12. Jahrhundert, 43 dann gibt man sie wieder auf.

Sigebert von Gembloux, die Chronik des Hieronymus fortzusetzen, in: Historiographia mediae-
valis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters, Festschrift für
Franz-Josef Schmale zum 65. Geburtstag, hg. von DIETER BERG/HANS-WERNER GOETZ, Darm-
stadt 1988,199-211.
40
Sigebert von Gembloux, Liber Decennalis, ed. J. WIESENBACH, M G H QG 12, Weimar
1986.
41
Sigebert, Chronographia (MGH SS 6, 302).
42
MS Bruxell. 18239 olim S. Petri Gemblacensis im Gegensatz zu Bethmanns Edition MGH
SS 6.
43
Vgl. SIGEBERT, Chronographia (MGH SS 6, 375-456) im Gegensatz zu den folgenden
Fortsetzungen.
[169/170] XXXVII. Berichtshorizont der Weltchronistik 715

Die Hieronymus-Chronik fortzusetzen unternahmen im Humanismus


noch Matthaeus Palmerius aus Florenz (f 1475) und sein Sohn Matthias
Palmerius aus Pisa ("j" 1483).44 Hier handelt es sich um antiquarische Interes-
sen; die Chroniken erscheinen bereits im Buchdruck und gehören nicht mehr
in den Zusammenhang mittelalterlicher Chronistik.
Anders sieht das bei Jean de Mailly 45 in seiner Metzer Weltchronik in der
Mitte des 13. Jahrhunderts aus, der sich auch als Bearbeiter von Legendaren
einen Namen macht und als ältester Zeuge der Existenz einer Päpstin Johan-
na genannt wird. Die «Chronica universalis Mettensis» 46 führt er bis 1254
fort. Diese mit der ausführlichsten Weltchronik des Mittelalters, dem «Spe-
culum Historiale» des Vincenz von Beauvais, zeitgleich erstellte Universalge-
schichte stammt ebenfalls aus der Hand eines gelehrten Dominikaners. Sie
setzt sich mit größtmöglicher Universalität ein vergleichbares Ziel wie Vin-
cenz, wählt aber den formal völlig anderen Weg von knapp formulierten
synchronistischen Tafeln, die pro Seite jeweils 50 Jahre abhandeln; sie arbei-
ten damit der Halbjahrhunderteinteilung vor. In der Handschrift Lat. 14593
der Pariser Nationalbibliothek ist das direkt aus der Bibliothek von St. Vik-
tor erhaltene Autograph in mehreren Teilen verfügbar, das einen hervorra-
genden Einblick in die Arbeitsweise des Chronisten gewährt, weil es Ab-
schnitte früherer Entwürfe des Werkes überliefert, an denen der Autor sehr
herumkorrigiert hat. Der erste Teil der Chronik 47 umfaßt die Geschichte
von Abraham bis in das 41. Jahr des Kaisers Augustus, der zweite von da,
d.h. von Christi Geburt, 4 8 bis auf die eigene Zeit und ist im Schema vorbe-
reitet für die Fortsetzer bis 1350. Derselbe Codex liefert aber dahintergebun-
den 49 eine frühere, dürftigere Fassung der Chronik ab Christi Geburt, in der
für jede Seite nur 43 Jahreszeilen vorgesehen waren und die Jean deshalb
ausdrücklich 50 für nicht zum Kopieren bestimmt erklärt. Man hat es also mit
echten Werkstattzeugnissen zu tun, und ganz offensichtlich sind diese nicht

44
Vgl. A. POTTHAST, Wegweiser durch die Geschichtswerke des europäischen Mittelalters
bis 1500, Berlin 1896, Repr. Graz 1957,891 f.; M. WALLRAFF, Die Chronik des Hieronymus und
ihre frühen Drucke, in: DERS. (Hg.), Welt-Zeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahrtausen-
den in Beständen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Berlin 2005, 63-67.
45
GUY PHILIPPART, in: LMA 5, München 1991, 339; M. CHAZAN, Jean de Mailly et la Chro-
nique de Robert dAuxerre: Hagiographie, Histoire et ,Autorité', in: AFP 68, 1998, 117f.
46
Ed. fragm. G. WAITZ, M G H SS 24, Hannover 1879, 502-523; dazu M. CHAZAN, Écrire
l'histoire au XlIIe siècle a Metz: La chronique de Jean de Mailly, in: Les Cahiers Lorrains 199,
1991,205-238.
47
MS Paris BN Lat. 14593, fol. 228-248.
48
Ebd. fol.248v-261.
49
Ebd. fol. 264v-279v.
50
Ebd. fol. 264.
716 Studien z u r Universalkartographie [170]

abschließend redigiert und bereinigt worden. Daher ist die Chronik bislang
nur in Bruchstücken ediert worden.
Das Prinzip leuchtet ein: Im Laufe seiner Arbeit hat Jean, angeleitet von
dem Vorsatz, nicht zuviel Pergament verschwenden zu wollen, eine Tabel-
lenform entwickelt, die durch ihre optische Anlage eine schnelle Ein- und
Übersicht der Geschichte erlaubt und die er dann im Laufe seiner Tätigkeit
vervollkommnet. Man soll einen größeren Zeit- und Berichtsraum mit einem
Blick im Auge haben. Jean wählt ursprünglich ein 43-Zeilensystem, denn das
entsprach dem Zeilenspiegel von Handschriften des gebräuchlichen Formats.
Später geht er auf das 50-Zeilensystem für Halbjahrhunderte über, das auch
noch gerade auf eine Seite paßt und dann z. B. für Martin von Troppau of-
fensichtlich durch diese Vorlage verbindlich wird. Für die vorchristliche Zeit
ist Jean ganz an Eusebius-Hieronymus ausgerichtet. Neben den Hebräern
hat er Spalten für die Assyrer und ihre Nachfolger Meder, Perser und Make-
donen, ferner für Sikyon mit anderen griechischen Folge-Reichen, für Ägyp-
ter, Rom und die Diadochen wie seine Vorlage Hieronymus. Aber bei Chri-
sti Geburt macht er einen deutlichen Einschnitt.
Es folgt jetzt ein verändertes synchronistisches Schema, das sich an den
Papst-Kaiser-Chroniken ausrichtet, die man seit Hugo von St. Viktor
kennt. 51 Neben Päpsten und römischen Kaisern führt Jean die Juden und
Daten der Kirchengeschichte an, die Franken treten hinzu, die Kaiser teilen
sich 801 in die von Konstantinopel und Rom, hinzu kommen die Franzosen.
Die Bischöfe von Metz lösen links vor den Inkarnationsjahren die Olympia-
denrechnung ab. In den so entstandenen fünf Spalten finden sich von Zeit zu
Zeit größere Blöcke mit Erzählstoff, der in die jeweiligen Spalten gehört.
Insgesamt wird man von dieser synchronistischen Anlage sagen, daß sie eine
durchaus originelle Fortführung des hieronymianischen Schemas darstellt,
beschränkt allerdings auf den abendländischen Raum. Die Kreuzzugsge-
schichte wird bei der Frankengeschichte untergebracht. Die Welt reicht von
Konstantinopel bis Metz.
Die eindrucksvollste synchronistische Darstellung der Universalgeschichte
im Mittelalter bringt Paulinus Minorità aus Venedig zustande, denn er ver-
fügt zumindest für das 13. und 14. Jahrhundert über die Kenntnisse der
Weltgeschichte jener Zeit und bedient damit einen anspruchsvollen geogra-
phischen Horizont. Wenig älter als sein franziskanischer Mitbruder Johan-
nes de Marignollis entwickelt er ein wahrhaft eurasiatisches Weltbild unter
dem Eindruck der bis China reichenden Mongolenmission. Er arbeitet syste-

51
Chronica quae dicitur Hugonis de Sancto Victore, ed. G. WAITZ, M G H SS 24, Hannover
1879, 88-97.
[170/171] XXXVII. Berichtshorizont der Weltchronistik 717

matisch und auf solider Quellengrundlage, frei von Phantasien, denn mit der
Orientgeschichte des armenischen Prämonstratensers Hethum 52 hat man
eine vorzügliche Quelle für den Osten bis in den Anfang des H.Jahrhun-
derts. Paulin (f 1344) als Bischof von Pozzuoli, 53 venezianischer Gesandter
am Hofe Roberts von Neapel 1316 und 1320, lebt ab 1324 im engeren Um-
kreis des neapolitanischen Königshofes, ist 1321 im Auftrag des Papstes zu-
ständig für die Approbation der Kreuzzugspropaganda seines Landsmannes
Marino Sanudo und erhält so auch Zugriff auf die Portulan-Karten des Pie-
tro Vesonte. In den späteren Fassungen seiner noch ungedruckten Universal-
historie «Chronologia Magna» 54 und «Satyrica Historia» 55 entwickelt er
synchronistische Systeme, die für das 13. und H.Jahrhundert - die genann-
ten Fassungen der Chronik entstanden etwa um 1324 und um 1331 - bis zu
26 Herrschaften gleichzeitig nebeneinander auf riesigen Doppelfolioseiten
behandeln, nämlich, wie Hieronymus von Osten nach Westen wandernd, 1.
Turkestan als Herkunftsland der Mongolen, 2. Catay oder China, 3. Kuma-
nien bzw. Kiptschak (Goldene Horde), 4. Asien bzw. Persien (Ilkhan-
Reich), 5. Damaskus, 6. Ägypten, 7. Armenien, 8. Antiochien, 9. Zypern,
10. Jerusalem (ggf. nur Titularherrschaft), 11. Venedig, 12. Gelehrte der
Zeit, 13. Gegenpäpste, 14. Päpste, 15. Römische Kaiser, 16. Kirchen- und
Konziliengeschichte, 17. Konstantinopel (griechisch und lateinisch), 18.
Frankreich, 19. Sizilien, 20. Ungarn, 21. Kastilien, 22. Leon, 23. Portugal,
24. Aragon, 25. England und 26. Schottland. Derart aufwendige Hand-
schriften - sie sind außergewöhnlich qualitätvoll illuminiert56 - gehören in
den Umkreis König Roberts, der ein besonderes kulturelles Zentrum an sei-
nem Hof schuf. Die Chroniken sind viel kopiert worden, meist jedoch sehr
vereinfacht. Die Probleme der Kopisten hinderten bislang auch etwaige Edi-
toren an einer Herausgabe, weil nur eine Faksimilierung diesem Werk ge-
recht wird. Nach Paulin hat niemand mehr eine ähnliche Kunstfertigkeit er-
reicht. Selbst im Zeitalter des Frühdrucks gibt es nichts Vergleichbares; Man
darf seine Chroniken wohl als Höhepunkt der synchronistischen mittelalter-
lichen Universalgeschichtsschreibung bezeichnen. Bei ihm ist der Berichts-

52
La Flor des Estoires de la Terre d'Orient oder Flos Historiarum Terre Orientis, ed. C H .
KOHLER, Recueil des Historiens des Croisades, Historiens Armeniens 2, Paris 1906,111-363.
53
P. ALBERTO GHINATO OFM, Fra Paolino da Venezia OFM, vescovo di Pozzuoli (t 1344),
Rom 1951.
54
Beste Handschrift Paris BN Lat 4939.
55
Führende Handschrift Biblioteca Apostolica Vaticana Lat. 1960.
56
B. DEGENHART/A. SCHMITT, Marino Sanudo und Paolino Veneto. Zwei Literaten des 14.
Jahrhunderts in ihrer Wirkung auf Buchillustrierung und Kartographie in Venedig, Avignon und
Neapel, RJ 14, 1973, 1-137.
718 Studien zur Universalkartographie [171/172]

horizont erstaunlich anspruchsvoll und erreicht eine noch nie da gewesene


Breite.
Es ist da nicht verwunderlich, daß sich Paulinus auch für Weltkarten in-
teressiert hat. Er gibt seinen genannten Chroniken Exemplare bei, für die er
die Portulankarten des Pietro Vesconte benutzt. Er wendet keine für die
Portulani typischen Rumbenlinien an, zeichnet aber die Karten des Pietro
nach. 57 Noch verwendet man Ostung und sucht Jerusalem im Weltmittel-
punkt, aber die sehr viel exakteren Meeresküsten belegen, daß hier Vorlagen
benutzt sind, die durch die Kompassverwendung einen neuen Begriff von
Wirklichkeit in die Kartographie einführen, der sich von der alten Mappa
Mundi abhebt.

5. Zusammenfassung

Der Berichtshorizont in der abendländischen Weltchronistik ist breiter, als


man generell vermuten möchte. Obwohl man im Westen nur beschränkt Zu-
gang zur reichhaltigen Literatur der griechischen Antike hat und über die
Araber erst im ausgehenden Mittelalter den Wissensanschluß gewinnt, sind
Vorstellungen von vielen Herrschaften vorhanden, die nebeneinander be-
stehen oder sich ablösen. Eusebius und Hieronymus haben für die Synchro-
nistik Maßstäbe gesetzt, deren Anforderungen etwa ein Minorit wie Pauli-
nus sogar zu überschreiten vermag und die auch die heutigen Benutzer in Er-
staunen versetzen.

57
Paris, Bibl. Nat. MS Lat. 4939, fol. 9 (Abb. 6 vgl. unten Tafel 54) und Biblioteca Apostolica
Vaticana Lat. 1960, fol.264v.
XXXVIII. Die stumme Weltkarte
im Bodleian Douce 319 - ein arabisches Dokument
in einer abendländischen Handschrift?

I. Die Verbindung von Text und Bild in der


mittelalterlichen Kartographie

Die Oxforder Handschrift Bodleian Douce 319 bietet auf fol. 8r' eine in der
gesamten abendländischen Literatur singulare Rarität, eine stumme Weltkar-
te (vgl. unten Tafel 53), die dem Betrachter eine Menge Rätsel aufgibt. Sie ist
zudem sehr schön anzusehen und erscheint erstaunlich exakt. Aber sie hat
keinerlei Legende.
Die Verbindung von Text und Bild in der mittelalterlichen Kartographie
ist in der Forschung ein inzwischen zwar etwas abgegriffenes Schlagwort, 2
aber trotz einiger Einschränkungen ein unverzichtbares Merkmal. Ganz so
eindeutig ist die Verzahnung auch nicht, wie etwa das «Polychronicon» des
Ranulph Higden 3 belegt: Hier entspricht eine recht gelungene Weltkarte im
Buchverband, die in verschiedenen Versionen überliefert ist,4 keineswegs
dem Text des ersten von sieben Büchern der Weltchronik, 5 das eine einge-
hende Schauplatzbeschreibung innerhalb des ausführlichen Geschichtswer-
kes bietet.
Es gibt zu Text und Bild aber durchaus bereits mittelalterliche Vorschrif-
ten, die schon recht verbindlich sind. Sie betreffen primär die Tatsache, daß
1
Dr. Martin Kauffmann von der Bodleian Library in Oxford sei besonders gedankt für
kurzfristige Bereitstellung der Handschrift im August 2004 anläßlich einer Studienreise der Ver-
fasserin.
2
Cf. U. RUBERG, Mappae mundi des Mittelalters im Zusammenwirken von Text und Bild.
Mit einem Beitrag zur Verbindung von Antikem und Christlichem in der ,principium'- und ,fi-
nis'-Thematik auf der Ebstorfer Weltkarte, in: CHR. MEIER - U. RUBERG (eds.), Text und Bild.
Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden
1980, 550-592.
3
Cf. P. UEBERHOLZ, ,Requiritur autem mapa duplex' - Die Darstellung Afrikas in der angel-
sächsischen Geschichtsschreibung und Kartographie des Mittelalters, in: P. ENGELS (ed.), Aus
Überrest und Tradition, Festschrift für A.-D. VON DEN BRINCKEN, Lauf a. d. Pegnitz 1999, 54-
72.
4
Cf. London, British Library, Ms. Roy. 14.C.1X., foli. lv-2.
5
Cf. C. BABINGTON - J. R LUMBY (eds.), in: Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores
41,1-9,1865-1886.
720 Studien z u r Universalkartographie [791/792]

zu einer Karte immer auch der erläuternde Text gehört und umgekehrt der
Text durch das Bild der Karte Gestalt annimmt. Hugo von St. Viktor be-
merkt in der Vorrede zu seiner Schrift «Descriptio Mappae Mundi», 6 daß
die in weltlicher wie kirchlicher Literatur Erfahrenen den Erdkreis auf einer
Tafei oder auf Pergament beschreiben bzw. malen, da sie die Dinge selbst
nicht vorweisen können; denn nicht jeder kann den Ozean bzw. das Meer
befahren. Deshalb werde die Erdbeschreibung - descriptio bedeutet Be-
schreibung wie Malerei -, genannt mappa mundi, verschiedenartig gemäß ih-
ren unterschiedlichen Gegenständen koloriert. Obendrein werden die einzel-
nen Gegenstände, die auf der Mappa erscheinen, mit einer Legende, latei-
nisch titulus, versehen, denn die Bilder unbekannter Dinge könne man ohne
Schrift oder Anleitung eines Kommentars überhaupt nicht oder nur schwer
begreifen. Zur Mappa Mundi also gehören die tituli, die Legenden, denn das
Abbild unbekannter Dinge ist nicht aus sich selbst verständlich.
200 Jahre später fordert der Venezianer Paulinus Minorità, Schöpfer der
synchronistischen Weltgeschichte mit dem weitesten geographischen Be-
richtshorizont des Mittelalters, 7 im Traktat «De mappa mundi», den er der
Endfassung seiner Chronik voranstellt, grundsätzlich die Beigabe einer
Mappa Mundi für Geschichtswerke, da das Geschehen dem Leser sonst un-
verständlich bleibe.8 Ganz besonders gelte das für Universalgeschichten, um
die Verteilung der Nachkommen Noes über die Welt und die Weltmonar-

6
P. GAUTIER D A L C H É , La , Descriptio M a p p a e M u n d i ' de H u g u e s de Saint-Victor. T e x t e in-
édit avec introduction et commentaire (Etudes Augustiniennes), Paris 1988,133: Sapientes viri,
tam seculari quam ecclesiastica litteratura edocti, in tabula vel pelle solent orbem terrarum depingere,
ut incognita scire volentibus rerum imaginei oitendant, quia rei ipiai non poaunt preientare. Sed nee
omnei valent circuire occeanum [...]. Inde eit, quod eadem deicriptio, que mappa mundi appellatur,
diveriii modii propter rerum divenitatem coloratur [...]• Sed et lingulii rebui, que in hac mappa
mundi depinguntur, titului icripture apponitur, quia rerum incognitarum imaginei line icripture vel
lermonii magiiterio aut nullatenui aut difficile intelliguntur.
7
D a s wegen seiner komplizierten Anlage bis heute n u r in Bruchstücken edierte Geschichts-
werk des Paulinus trägt in den beiden letzten Versionen den T i t e l , C h r o n o l o g i a M a g n a ' und ,Sa-
tyrica Historia' n u r eine Facsimile-Ausgabe k ö n n t e es dem Publikum angemessen vorstellen. Die
beiden wichtigsten, prächtig illuminierten Handschriften sind Paris, Bibl. N a t , Ms. Lat 4939
(,Chronologia M a g n a ' ) und Biblioteca Apostolica Vaticana, M s . Vat. Lat. 1960 (,Satyrica H i -
storia').
8
Cf. Biblioteca Apostolica Vaticana, M s . Vat. Lat. 1960, fol. 13r, zitiert u . a . bei A . - D . VON
DEN BRINCKEN, Quod non vicietur pictura. Die Sorge um das rechte Bild in d e r K a r t o g r a p h i e , in:
Fälschungen im Mittelalter. Internationaler K o n g r e ß d e r M o n u m e n t a G e r m a n i a e H i s t o r i c a ,
M ü n c h e n , 16.-19. September 1986 (Schriften d e r M o n u m e n t a G e r m a n i a e H i s t o r i c a 36,1), H a n -
nover 1988, 590 ( = o. S. 314): Sine mapa mundi ea, que dicuntur de filiii acfiliii filiorum Noe et
que de 4 monarchiii ceteriique regnil atque provinciii tam in divinii quam in humanil icripturii, non
tam difficile quam imponibile dixerim ymaginari aut mente pone coneipere. Requiritur autem mapa
duplex, picture et icripture. Nee unum line altem putei lufficere, quia pictura line icriptura provincial
[792/793] XXXVIII. Die stumme Weltkarte 721

chien sowie die einzelnen Provinzen in ihrer Lage zueinander aufzeigen zu


können, wie dies die Geschichtswerke und die Hl. Schrift erfordern. Paulin
verlangt eine doppelte mappa mundi als pictura wie scriptura, wobei die scrip-
tura das Bild, die pictura aber nicht nur die Legenden, sondern auch den er-
läuternden Text benötige. Keines von beiden allein reiche aus, um die Lage
der Orte zu verdeutlichen.
Mittelalterliche Kartographie richtet sich daher trotz ausgeprägter Bild-
haftigkeit an die Litterati, denn nur sie als des Lesens Kundige können die
Mappa Mundi verstehen. Es geht bei Paulin um einen Erläuterungstext, aber
natürlich auch um Legenden.

IL Die stumme Weltkarte im Bodleian Douce 319

1. Eine legendenlose Karte

Die legendenlose Karte in der Bodleian Library zu Oxford im Bestand Dou-


ce Nr. 319 macht den Betrachter auf einer schlichten Schwarzweißablichtung
total ratlos. Schon vor mehr als 130 Jahren erregte sie wegen ihrer detaillier-
ten Linienführung und der Schönheit ihrer Farben die Aufmerksamkeit der
Forschung. 9
In der lateinischen wie in der orientalischen Kartenliteratur ist kein ande-
rer Fall dieser Art bezeugt. Da die fehlenden Legenden als ein schwerwiegen-
des und irreparables Manko erscheinen, ist davon auszugehen, daß der voll-
ständige Mangel an Text nicht gewünscht oder gar beabsichtigt war, son-

ieu regna confine demonilrat, icriptum vero non tam lufficienter line adminiculo picture provincia-
rum confinia per variai partei celi lie determinat, ut quasi ad oculum conspici valeant.
9
Cf. W. L. BEVAN - H. W PHILLOTT, Medieval Geography. An Essay in Illustration of the
Hereford Mappa Mundi, London 1873, Repr. Amsterdam 1969, Introduction N. 8 (XLTVsq.);
Y. KAMAL, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti IV, 1, Le Caire 1936, N. 1124; Brunet-
to Lattini, Li Livres dou Trésor, ed. J. F. CARMODY (University of California Publications in
Modem Philology 22), Berkeley-Los Angeles 1948, XLFX; M. DESTOMBES, Mappemondes A.
D. 1200-1500 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi I), Amsterdam 1964, 175 sq.; O.
PACHT - J. J. G. ALEXANDER, Illuminated Manuscripts in the Bodleian Library Oxford 2, Italian
School, Oxford 1970, 16, N. 154; A.-D. VON DEN BRINCKEN, Die Ausbildung konventioneller
Zeichen und Farbgebungen in der Universalkartographie des Mittelalters, in: Archiv für Diplo-
matik 16 (1970), 325-349 ( = o. S. 112-136); EADEM, Die kartographische Darstellung Nordeur-
opas durch italienische und mallorquinische Portolanzeichner im 14. und in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts, in: Hansische Geschichtsblätter 92 (1974), 45-58 ( = o. S. 165-178); F.
SEZGIN, Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abend-
land, Historische Darstellung, Teil I (Geschichte des arabischen Schrifttums X), Frankfurt a.
M. 2000, 327-331.
722 Studien zur Universalkartographie [793/794]

dem aus noch zu erörternden Gründen keine Beschriftung mehr vorgenom-


men werden konnte, nachdem diese sehr ansehnliche Karte als Gemälde er-
stellt war.
Auch in Farbe ist dieses Weltbild für den abendländischen Betrachter in-
sofern gewöhnungsbedürftig, als die Karte weder in moderner Weise genor-
det noch in mittelalterlicher geostet ist; 10 vielmehr hat man es mit Südung zu
tun, die für die islamische Kartographie die Regel war. In der abendländi-
schen Literatur kommt sie höchst selten vor, in der Periode vor der stummen
Karte im lateinischen Bereich nur 1110 auf der Klimatenkarte des getauften
Juden Petrus Alfonsi, sonst grundsätzlich bei allen Arabern, ferner bei Ost-
christen wie Moses bar Kepha im 9. und Barhebraeus im 13. Jahrhundert. Im
Westen gibt es allerdings im 15. Jahrhundert mehrfache Belege für Südung,
so bei Andreas Walsperger 1448, auf der sogenannten Borgia-Karte Mitte
des 15. Jahrhunderts, einer Metallgravur im Vatikan, bei Fra Mauro 1459
und auf der Rundkarte aus dem Zeitzer Ptolemäus-Atlas von 1470.

2. Konventionelle Zeichen und Farbgebungen in der Kartographie

Beim Fehlen von Legenden ist der Kartenbetrachter allein auf das Bild ange-
wiesen, das nach Ansicht mittelalterlicher Kartentheoretiker - wie Hugo von
St. Viktor und Paulinus Minorità ohne zur Karte zusätzlichen Erläuterungs-
text an sich für eine eindeutige Aussage nicht ausreicht, schon gar nicht ohne
Legenden. Damit stellt sich die Frage nach im Mittelalter gängigen konven-
tionellen Zeichen auf Karten und nach Farbgebungen, von denen auch bei
Hugo oben die Rede war und die keineswegs unbedingt mit den modernen
Bräuchen übereinstimmen müssen. Immerhin gibt es da Zusammenstellungen
von Beobachtungen, die bei der Interpretation der legendenlosen Karte wei-
terhelfen können und die oft noch mit der modernen Kartenkunst überein-
stimmen,11 die vorliegende Karte erregte in diesem Zusammenhang schon
vor 35 Jahren das Interesse der Forschung.
Für die Farbgebung gilt, daß auch im Mittelalter Wasser grün bzw. grün
und blau im Wechsel gekennzeichnet ist Das Rote Meer erscheint oft rot;
ggf. übermalt, desgleichen Gewässer in vermeintlicher Äquatornähe. Das be-
trifft Flüsse, Seen und auch das Meer, das oft durch Wellenbildung hervor-
gehoben wird. Das Land ist demgegenüber hell gelassen, damit man die Flä-

10
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Kartographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten
(Typologie des Sources du MoyenÄge Occidental 51), Turnhout 1988, 34.
11
Cf. EADEM, Die Ausbildung konventioneller Zeichen (nt. 9), 325-349 ( = o. S. 112-136).
[794/795] XXXVIII. Die stumme Weltkarte 723

che gut beschriften kann. Seine Farbe kann ocker oder gräulich sein neben
der Naturfarbe des Beschreibstoffes, vereinzelt auch grün.
Geländedarstellung geschieht meist als Aufriß. Gebirge erscheinen als
Bergketten, Flechtwerke, Bögen oder Zacken, meist in dunkler Tönung,
d. h. braun, anthrazit oder schwarz. Flachland ist hell, bisweilen grün. Wie
gewundene grüne Fahnentücher wirken etwa Bergketten im Bodleian Douce.
Siedlungssymbole können höchst wichtig sein, denn im Douce 319 werden
sie zu Leitfossilien für die kulturelle Einordnung der Karte. Architektursym-
bole sind neben Kreisen z. B. Dreiecke, Häuschen, Türme, Mehrtürmer und
Ein- bis Dreizinner, vollperspektivische Stadtbilder begegnen nur bei Simon
Marmion.

3. Brunetto Latini: Person und Werk

Die Karte Douce 319 findet sich in einer Handschrift von «Livres dou Tre-
sor» des florentinischen Notars Brunetto Latini (ca. 1220-1294), der in der
Führungsschicht seiner Heimatstadt eine wichtige Rolle spielte und von
Dante als sein Lehrer gefeiert wurde. Als überzeugter Guelfe12 wich er wäh-
rend der ghibellinischen Herrschaft in Florenz 1260-1266 nach Frankreich
aus und weilte wohl schon zuvor um 1260 mehrfach als Gesandter bei Alfons
X. dem Weisen von Kastilien, 13 um Widerstand gegen den Staufer Manfred
zu schüren. In Frankreich nämlich entstand seine Enzyklopädie in französi-
scher Sprache. Details über die Westeuropa-Aufenthalte fehlen sonst.
«Li Livres dou Trésor» sind eine Universalenzyklopädie in drei Büchern,
deren erstes den Ursprung aller Dinge, den Ablauf der Geschichte, die Ge-
stalt von Himmel und Erde und all ihren Lebewesen, deren zweites Tugen-
den und Laster und deren drittes Rhetorik und Politik behandeln.
Beinahe zeitgleich mit dem «Speculum maius» des Vincenz von Beauvais
geht es hier um verwandte Gegenstände, freilich in ganz anderer Form. Die
knappe Handbuchversion Brunettos fand in Fassungen von Paris 1267 und
Florenz 1268 daher außerordentliche Verbreitung, vorrangig in der gesam-
ten romanischen Welt

12
Cf. F. BRUNI, ,Latini, Brunetto', in: Lexikon des Mittelalters V (1991), 1746 sq.
13
Cf. B. LATINI, Li Livres, ed. Carmody (nt. 9), preface XV.
724 Studien z u r Universalkartographie [795/796]

4. Die Karte im Bodleian Douce 319, fol. 8r: kodikologischer Befund

Die legendenlose Karte befindet sich in der Bodleianischen Bibliothek in


Oxford in der Handschrift Nr. 319 des Bestandes Douce. Diese enthält nur
den französischen Text von «Li livres dou Trésor» des Brunetto. Sie wird in
die ersten Jahrzehnte des H.Jahrhunderts datiert und den italienischen Pro-
venienzen eingereiht, 14 ist in England aber bereits zu Ende desselben Jahr-
hunderts nachgewiesen.15 Francis Douce erwarb die Handschrift 1802 von
Guilleaume du Pré. Er vermachte seine Handschriften 1834 der Bodleiana;
der Fonds trägt deshalb seinen Namen. In demselben findet sich eine Reihe
von Kostbarkeiten italienischer Provenienz.
Die Handschrift ist mit Miniaturen ausgestattet, die für ihre Datierung ins
beginnende H.Jahrhundert Anlaß und für die italienische Malweise typisch
sind. So zieren Bildinitialen die drei Buchanfänge.16 Hinzu kommen die
ganzseitige Karte auf fol.8r sowie kleinere Zeichnungen beim Inhaltsver-
zeichnis. Hat die große Karte auch ihren eigenen, nicht alltäglichen Charak-
ter, so fällt sie doch nicht aus der übrigen Malerei heraus: Zweifellos war zu-
mindest bei den Initialminiaturen derselbe Maler am Werk, die Kunstwerke
gehören mithin derselben Zeit an. Beweis dafür ist das auf den ersten Blick
an der Karte störend auffallende Weiß im Meer, insbesondere im Arabischen
Meer bzw. Indischen Ozean und im Nördlichen Eismeer, wo das Blau abge-
blättert ist; es findet sich wieder auf der gegenüberliegenden Seite, fol. 7v.
Die gleiche Erscheinung begegnet bei den drei Bildinitialen, mithin wurde
hier mit der gleichen Farbe gearbeitet.
Die Karte ist markant positioniert zwischen Inhaltsverzeichnis und erstem
Buch. Von ihrer Aussage her hat sie dort allerdings wenig zu suchen, er-
scheint vielmehr isoliert, denn ihr geht eine Leerseite voraus, und es folgt
eine ebensolche vor dem eigentlichen Text der Pergamenthandschrift. Die
stumme Karte hatte hier kodikologisch von Anfang an ihren Platz, nämlich
auf der letzten recto-Seite des ersten Quaternio. Die verso-Seite blieb frei.
Sie verirrte sich also nicht etwa beim Buchbinder von irgendwoher an diese
Stelle. Sie steht aber auch keineswegs dort, wo man sie vom Inhalt her am
ehesten vermuten würde, nämlich bei den Kapiteln 121-124 des ersten Bu-
ches, die die Verteilung von Wasser und Land und die Kontinente allgemein,

14
Die Handschrift ist beschrieben bei O. PACHT - J. J. G. ALEXANDER, Illuminated Manu-
scripts (nt. 9), 16, N. 154.
15
Laut Vermerk in der Handschrift, fol. 22v, auf Rasur: Sie wurde von William of Montague,
Earl of Salisbury (t 1397), an Thomas of Woodstock, Duke of Gloucester, übergeben.
16
Oxford, Ms. Bodl. Douce 319, foil. 9ra, 86ra u. 163vb.
[796/797] XXXVIII. Die stumme Weltkarte 725

sodann Asien, Europa und Afrika zum Gegenstand haben. 17 Vielmehr gibt
der Brunetto-Kopist seinem Text keinerlei Miniaturen bei, erläutert aber die
Kapitelüberschriften mit kleinen Zeichnungen; so bietet er auf fol. 3r zwei
kleine runde Schema-Kärtchen, nämlich eine T-Karte mit den drei damals
bekannten Erdteilen und eine Darstellung zur Plazierung des irdischen Pa-
radieses. 18
Ist die rätselhafte legendenlose Karte also vom Inhalt her isoliert einge-
ordnet, so spricht andererseits absolut nichts dagegen, daß sie von Anfang
an zur Douce-Handschrift gehörte und ihren Platz hinter dem ausführlichen
Index der «Livres» foil. lr-7r, hatte. Auf fol. 9r beginnt der eigentliche Text
der Enzyklopädie, ausgeführt jeweils in zwei Kolumnen zu 31 Zeilen. Der
Codex ist mit 18,5 x 13,5 cm bei 222 Blatt Umfang kleinformatig, dabei sehr
sorgfältig gearbeitet.
Die stumme Karte steht kodikologisch an ihrem ursprünglichen Platz,
dient aber nicht der Erläuterung der Geographie des Textes oder nur des In-
dexes, sondern als ein Schmuckelement, allenfalls als Abgrenzung des In-
haltsverzeichnisses vom eigentlichen Text, oder aber als Bindeglied, etwa als
,Eröffnungsweltbild' zu der allgemeinen philosophischen Einleitung der En-
zyklopädie, das zugleich Blickfang und Einstimmung ist.
Die Karte ist in Italien entstanden, der Heimat von Brunetto, im Mittel-
meerraum, nicht etwa in England. Natürlich drängt sich in diesem Zusam-
menhang und auch angesichts der Beziehungen Brunettos das Umfeld Por-
tulankartographie auf. Es gibt aber nicht die geringste Spur der für diese
Kunst typischen Rumbenlinien, Kompaßlinien, die dem Seefahrer die Rich-
tung wiesen. Auch finden sich keinerei Spuren von Angaben mathematischer
Astronomie.
Es mag daher die Vermutung gewagt werden, daß die Karte aus einer Vor-
lagehandschrift kopiert ist, in der das Modell an derselben Stelle seinen
Platz hatte, dort aber durchaus denkbar als loses Blatt, und zwar aus einer
arabischen Bibliothek in Süditalien, Sizilien oder Spanien als Schmuckbild
beigelegt. Dieses Vorbild war vermutlich arabisch beschriftet; das aber ver-
mochte der Kopist des Douce 319 nicht zu verstehen oder gar zu kopieren
und schon gar nicht zu transkribieren, weshalb er die ästhetisch ansprechen-
de Karte jeglicher Legenden entkleidet darbot Die Vorlagehandschrift muß
deshalb keineswegs von Brunetto selbst, aber aus seinem Umfeld stammen

17
Cf B. LATINI, Li Livres, ed. CARMODY (nt. 9), 1 0 9 - 1 2 1 .
18
O x f o r d , M s . Bodl. D o u c e 319, fol 3r bei d e n Kapitelüberschriften des I. Buches, cc. 113—
116; diese entsprechen den Textkapiteln 115-118 in M s . D o u c e 319, foli. 53vb-61b, welche sich
in der Ausgabe von CARMODY als cc. 121-124, S. 1 0 9 - 1 2 1 , wiederfinden; cf. BEVAN - PHILLOTT,
Medieval G e o g r a p h y (nt. 9), Introduction N . 8 ( X L I V ) .
726 Studien zur Universalkartographie [797/798]

und mit Beigaben aus Italien oder auch Spanien ausgestattet gewesen sein.
Die Vorlagekarte für Douce 319 war sicher nicht mehr als eine Generation
jünger als Brunetto.
Zu Brunettos,Schatzbuch' scheint die Karte in keinem Zusammenhang zu
stehen, so daß selbst die Bezeichnung einer sogenannten ,Brunetto-Karte'
falsche Assoziationen hervorruft. Man tituliere sie - gerade wegen ihrer Sin-
gularität - besser als ,Douce-Karte'.

5. Inhaltliche Aussagen der Douce-Karte

5.1 Zur Geographie

Um die Besonderheit der Karte im Douce 319 würdigen zu können, sei sie
auf dem Hintergrund anderer bekannter Karten der Zeit diskutiert. Hierzu
eignet sich als Beispiel der abendländischen Mappae Mundi, da Brunetto zu-
mindest zeitlich nahestehend, einmal die Psalterkarte von London (Abb. 1
vgl. unten Tafel 42), die auf ca. 1262 datiert wird 19 und hervorragend die
traditionelle lateinische Kartographie repräsentiert. Doch gab es im Westen
zeitgleich mit dem Bodleian Douce zum anderen schon die fortschrittlichere
Portulankartographie, die mit Hilfe des Kompasses die Gestalt der Küsten
zu erfassen trachtete. Kennzeichen dieser Karten ist, daß sie mit Kompaßli-
nien, sogenannten Rumbenlinien, übersät sind, die der Schiffahrt ermöglich-
ten, die gewünschte Richtung einschlagen zu können. Seit der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts bekannt, fanden sie ihren ersten überragenden Karten-
zeichner im zu Venedig wirkenden Pietro Vesconte, der 1311-1321 faßbar
ist, also exakt zur Zeit der Entstehung des Bodleian Douce 319. Seine detail-
lierten Küstenkarten stellte er zu Atlanten zusammen, denen er jeweils auch
eine Weltkarte beigab (Abb. 2 vgl. unten Tafel 54). 20
Die Erdteilzuordnung und das Verhältnis der Kontinente zueinander ist
auf der Douce-Karte den bekannten westlichen Karten gleich, eine Hälfte
für Asien und je ein Viertel für Europa und Afrika; desgleichen entsprechen
sich die kartographischen Mittelpunkte. Die Erdoberfläche ist allenthalben
wasserarm, auch der umgebende Weltenozean erscheint auf allen Karten
schmal, wie das im Mittelalter üblich war.

" London, British Library, Ms. Add. 28681, fol.9r; cf. N. MORGAN, Early Gothic Manu-
scripts, vol. 2:1250-1285 (A Survey of Manuscripts Illuminated in the British Isles 4,2), London
1988, 82-85, N. 114; Repr. K. MILLER, Mappae Mundi III Stuttgart 1895, Tab. III.
20
Oxford, Bodleian Library, Ms. Tanner 190, foil. 203v-204; diese Vesconte-Karte wird im
Tafelteil von der Paulinus-Karte vertreten.
[798/799] XXXVIII. Die stumme Weltkarte 727

Die Psalterkarte und die venezianischen Portulani sind gemäß lateini-


schem Brauch geostet und zeigen Jerusalem namentlich im Weltmittelpunkt;
das Paradies ist auf der Psalterkarte im äußersten Osten eingezeichnet, fehlt
jedoch auf der Portulan-Karte; beides entfällt für die gesüdete Douce-Karte
- falls sie nicht drehbar gedacht ist, wofür die Stellung der Siedlungssymbole
jedoch keinen überzeugenden Beweis liefert, denn diese purzeln gewisserma-
ßen über die ganze Karte -; ebenso entbehren Douce-Karte wie Vesconte-
Karte der Monstrengalerie, die die Psalterkarte im Süden ziert und entspre-
chend aus Ebstorf und Hereford bekannt ist, gewissermaßen als Symbol ei-
ner Terra Incognita.
Afrika ist auf der Douce-Karte wesentlich größer als auf der Psalterkarte,
eine Eigenheit, die sich entsprechend auf den Portulan-Karten findet. Das
liegt u. a. am Ausmaß des Horns von Afrika, das deutlich im Douce-Codex
hervortritt, ein Typikum islamischer Kartographie. Obwohl die Douce-Kar-
te nur einen Durchmesser von 178 mm hat, sind die Küstenlinien der Mee-
resufer mit tiefroten Haarstrichen deutlich abgegrenzt. Die grauen Flüsse er-
gießen sich hellblau ins tiefblaue Meer. Gebirge erscheinen dunkelgrün und
schwarz konturiert.
Als wichtiges Leitfossil für die kartographiegeschichtliche Zuordnung gilt
das Kaspische Meer, das auf der Psalterkarte in klassischer Tradition als
kleiner Weltenozeanbusen im Norden erscheint, auf den Portulan-Karten
korrekt als asiatisches Binnenmeer vermerkt ist, hingegen auf der Douce-
Karte völlig fehlt. Auf arabischen Karten ist es gleich den Portulan-Karten
ein Binnenmeer.
Die Küsten von Mittelmeer und Atlantik sind auf der Psalterkarte - und
Ebstorf- und Hereford-Karte halten es nicht anders - sehr phantastisch und
mit wenig sinngebenden Details gestaltet. Hier ist die Douce-Karte von ganz
anderer Qualität. Man kann die einzelnen Teile des Mittelmeeres sehr gut
erkennen, die Iberische Halbinsel, die Balearen, Korsika und Sardinien, den
italienischen Stiefel mit Sizilien, die Adria, Griechenland mit Peloponnes,
die Ägäische Inselwelt, das Schwarze Meer mit Krim, Kleinasien, Zypern
und auch die Küste von Nordafrika. Selbst der Atlantische Ozean ist gut ge-
staltet, Golf von Biscaya, Normandie, Dänemark, Skandinavien, die Ostsee
allerdings ohne Bottnischen Meerbusen, Britannien, Irland und sogar Island
lassen sich eindeutig identifizieren. Arabische Karten sind hier zumindest in
der Darstellung Europas wesentlich schlechter, da sie von diesem Erdteil ge-
ringere Sachkenntnis aufweisen, Portulani hingegen sind schon relativ gut
erarbeitet und nehmen qualitativ eine Mittelstellung ein zwischen Psalter-
und Douce-Karte.
An Gebirgen durchzieht ein stattlicher Zug Eurasien, vielleicht der Ural,
der wohl schon in der Antike als Rifei Montes seinen Platz in Geographie
728 Studien zur Universalkartographie [799/801]

und Kartographie hatte und auch auf arabischen Karten erscheint; weiter
nördlich verläuft ein weiterer Zug, im südlichen Afrika findet sich das Ge-
genstück.
Den Indischen Ozean mit Rotem Meer und Ansätzen des Persischen Golfs
gibt es auf der Douce-Karte als Meerbusen, nicht als Binnenmeer, wie es die
Ptolemäus-Tradition handhabt; dabei sind die beiden Einbuchtungen er-
staunlich gekonnt dargestellt im Gegensatz zu den lateinischen Mappae und
den Portulan-Karten.
Flüsse erscheinen auf der Douce-Karte in dickem Grau und ziemlich stili-
siert. Unter ihnen fallt die Donau mit Delta auf, der Rhein desgleichen eben-
so wie der Nil, sämtlich auch in der Antike gewichtet und auf arabischen
Karten auszumachen. Nordeuropa dagegen ist auf der Douce-Karte unge-
wöhnlich gelungen; Dänemark zum Beispiel ist zutreffender gestaltet als auf
den venezianischen und sogar den späteren mallorquinischen Portulan-Kar-
ten. Zahlreich sind die Flüsse in Asien mit Richtung Schwarzes Meer; aber
auch im Sererland, in China und Afrika haben viele Flüsse - grau gehalten
im Gegensatz zu den grünen Gebirgen - ihren Platz; das ist auf arabischen
Karten längst nicht so ausgeprägt.

5.2 Zur Besiedlung

In der Dokumentation der Besiedlung liegt am ehesten der Schlüssel für eine
kulturelle Zuordnung der stummen Douce-Karte. Als Siedlungssymbole die-
nen Dreizinner, die mit einem roten Querstrich markiert sind. Sie erscheinen
über Europa keineswegs zahlreicher verstreut als über Afrika oder etwa über
Asien. Nur im äußersten Norden Eurasiens jenseits des Urals werden sie ra-
rer, entsprechend sind sie im äußersten Süden nur noch vereinzelt zu finden.
Von Europazentrik kann also trotz guter Küstengestaltung nicht die Rede
sein.
In der lateinischen Kartographie steht stets der mediterrane Raum im Mit-
telpunkt. Das ist in der arabischen anders, bei der nur die afrikanischen und
asiatischen Ufer des Mittelmeeres detailliert bewohnt erscheinen. Weiterhin
sind auf der Douce-Karte die arabische Halbinsel, nämlich mit Mekka und/
oder Medina, Persien und der Persische Golf, auch der Indische Subkonti-
nent und das Sererland mitsamt Turkestan beachtlich besiedelt.
Betrachtet man einzelne Siedlungssymbole und sucht sie auf der Douce-
Karte Stätten zuzuweisen, die im 13. / H . J a h r h u n d e r t gängig waren, ergibt
sich: An der Ostküste des Mittelmeeres im Räume Palästina gibt es einen
Dreizinner, der halbwegs im Mittelpunkt der Karte liegt; man könnte ihn
mit Jerusalem identifizieren, aber möglicherweise auch mit Damaskus, das
[801/802/803] XXXVIII. Die stumme Weltkarte 729

dem Islam genauso wie den Christen eine heilige Stätte ist. Die ganze Küste
von Ägypten und Nordafrika ist mit Siedlungssymbolen übersät, aber das-
selbe gilt auch für das Inland, entgegen etwa dem Usus der frühen Portulan-
Karten, die um 1300 das Inland noch wenig beachten. Man ahnt also nicht
nur Alexandrien, sondern auch Babylonia (Kairo); sogar die afrikanische
Atlantikküste ist mit Siedlungssymbolen ausgestattet.
Europa wirkt dünn besiedelt: drei nicht identifizierbare Plätze auf der Ibe-
rischen Halbinsel, drei in Frankreich, kaum mehr in Deutschland - politi-
sche Grenzen sind auf mittelalterlichen Karten nirgends eingezeichnet -, in
Italien nur Venedig: Rom ist unbekannt. Ein Platz ist in Britannien zu erken-
nen, einer in Irland, einer in Dänemark und einer in Norwegen; in Osteuro-
pa gibt es allerlei Dreizinner, etwa Novgorod, weitere u. a. an Dnjepr und
Wolga; auch auf dem Balkan sieht man Städte, u.a. einige an der Donau,
wenige am Schwarzen Meer; Konstantinopel sucht man vergebens, während
Kleinasien mehrere Siedlungen aufweist. Die Vorlage dieser Karte stammt
nicht aus der christlich-mediterranen Welt, sondern mit einiger Sicherheit
aus dem arabischen Kulturkreis; Asien spielt auch auf christlichen Karten
eine Rolle wegen seiner zahlreichen biblischen Plätze im Heiligen Land wie
im Mittleren Osten. Hier aber kennt man bewohnte Lande in Fernost, sogar
nördlich des Ural in Zentralasien und Indien.
Afrika, auf der Douce-Karte auch flächenmäßig Europa weit überlegen,
übertrifft dieses gleichfalls an Siedlungssymbolen, sogar über den; ganzen
Kontinent verstreut, besonders reichlich auf dem Horn von Afrika.
Vergleicht man die Douce-Karte mit gleichzeitigen Portulani, so verfügen
diese über das Kaspische Meer als Binnenmeer, aber gleichfalls über ein aus-
geprägtes Horn von Afrika. Nordeuropa 21 ist bei den Venezianern wie Ves-
conte unzureichend erfaßt, erscheint bei den Mallorquinem korrekter, aber
erreicht keineswegs die Qualität der Wiedergabe auf der Douce-Karte. Afri-
ka ist auf Portulan-Karten noch äußerst spärlich besiedelt. Eine Beziehung
von Douce zu den Venezianern bestand keinesfalls trotz Gleichzeitigkeit,
auch zu den Mallorquinem springt sie nicht ins Auge, zumal sie wohl älter
ist als die mallorquinische Kartenkunst, wenn man die Karte des Johann von
Carignano nicht auf 1306, sondern auf um 1330 datiert. 22
Vorbild der Portulan-Karten kann die Douce-Karte schon aus chronolo-
gischen Erwägungen nicht gewesen sein, denn diese waren älter als das 14.

21
Cf. VON DEN BRINCKEN, Die kartographische Darstellung Nordeuropas (nt. 9), 55-57
( = o . S . 175-177).
22
T. Campbell hat mit verbreiteten Fehldatierungen insbesondere der Carignano-Karte auf-
geräumt; cf. IDEM, Portolan Charts from the Late Thirteenth Century to 1500, in: J. B. HARLEY -
D. WOODWARD, The History of Cartography I: Cartography in Prehistoric, Ancient, and Medi-
eval Europe and the Mediterranean, Chicago-London 1987, 404-406.
730 Studien zur Universalkartographie [803/804]

Jahrhundert, auch wohl älter als Brunettos Enzyklopädie; umgekehrt ist


Douce 319 kaum einem Portulan nachgebildet, da es keine Spur von Seekar-
tencharakteristika gibt. Der früher geäußerte Verdacht byzantinischer Vor-
lagen 23 ist unter Hinweis auf die Beatus-Karte von Saint-Sever mit Recht wi-
derlegt worden. 24 Fuat Sezgin führt die Douce-Karte in seiner grundlegen-
den Studie zur mathematischen Geographie und Kartographie 25 einleuch-
tend auf die frühe arabische Kartographie aus der Zeit des Abbassiden-
Kalifen 'Abd Allä al-Ma'mün (813-833) zurück, d. h. auf die Anfänge arabi-
scher Kartographie. Zudem plädiert er für Beziehungen zu IdrTsT. Wenn der
Codex Douce 319 im südlichen Italien 26 entstanden ist, liegt diese letzte
Vermutung mit Recht besonders nahe. Die IdrTsT-Karte von 115427 (Abb. 3
vgl. unten Tafel 30) mag hier durchaus Pate gestanden haben, auch wenn es
große Abweichungen gibt Nordeuropa etwa ist auf der Douce-Karte wesent-
lich fortschrittlicher geraten, und selbst der mediterrane Raum läßt bei IdrTsT
viele Wünsche offen, wirkt dieser doch mehr als eineinhalb Jahrhunderte
früher.

III. Zusammenfassung

Die Douce-Karte spricht viele Komplexe an, die auch die abendländischen
Mappae Mundi erfassen, so die Kontinente und die Zentrierung nach anti-
kem Vorbild. Auffällig aber sind die Südung, das Fehlen des Kaspischen
Meeres, die Ausprägung des Horns von Afrika sowie abweichende Besied-
lungsschwerpunkte.
Die Douce-Karte ist mit Sicherheit aus muslimischen Quellen gespeist.
Kodikologisch hat sie einen festen Platz in der Handschrift, inhaltlich steht
sie in gar keinem Zusammenhang mit Brunetto. Denn etwa das Kaspische
Meer hat in Brunettos geographischem Text seinen angestammten traditio-
nellen Platz. 28 Die rätselhafte Karte hat also mit Brunetto überhaupt nichts
gemein, sie ist ein Einzelgänger.

23
Cf. VON DEN BRINCKEN, Die k a r t o g r a p h i s c h e Darstellung N o r d e u r o p a s (nt. 9), 57 ( = o.
S.177).
24
Cf. SEZGIN, M a t h e m a t i s c h e G e o g r a p h i e (nt. 9), 3 3 1 .
25
Cf. ibid., 3 2 7 - 3 3 1 .
26
P A C H T weist sie dem R a u m N e a p e l zu; cf. P A C H T - ALEXANDER, Illuminated M a n u s c r i p t s
(nt9), 15.
27
Cf. J. G. LEITHÄUSER, M a p p a e M u n d i . Die geistige E r o b e r u n g d e r Welt, Berlin 1958, 1 1 3 ,
nach einer aus d e r Zeit um 1500 s t a m m e n d e n Kopie d e r K a r t e von 1154.
28
BRUNETTO, Livres I, 122, 15, ed. CARMODY (nt. 9), 112: Par enki se tome la mers de Seite et
[804] X X X V I I I . Die stumme Weltkarte 731

Fuat Sezgin hat in seiner ,Mathematische[n] Geographie und Kartogra-


phie im Islam und ihr Fortleben im Abendland', 29 wie er sein Werk bezeich-
nenderweise überschreibt, in der Douce-Karte ein Bindeglied zwischen latei-
nischer Mappa Mundi und der technisch viel perfekteren Kartenkunst des
Islams sehen wollen. Er vermutet gar Brunetto als Übermittler des arabi-
schen Wissens ans Abendland. Dafür gibt der Text der «Livres» nicht den
geringsten Anhaltspunkt. Die abendländische Kartographie nähert sich erst
durch die Ptolemäus-Renaissance im Jahrhundert darauf dem Erkenntnis-
stand des Orients. Vielmehr fußt ihr hoch- und spätmittelalterliches Wissen
von der Kugelgestalt der Erde, das im Mittelalter stets lebendig war, nicht
auf dem arabischen, d. i. ptolemäischen Weltbild, sondern auf dem des Kra-
tes von Mallos 30 aus dem Hellenismus, das mithin nicht auf dem Umweg
über den Islam, sondern in der Spätantike direkt in den Westen kam. Die
Douce-Karte spricht allerdings die Kosmologie in keiner Weise an, sie ist
eine reine Ökumene-Karte. Sie ist das singulare Zeugnis der Übertragung is-
lamischer Bildkenntnis in eine lateinische bzw. französische Handschrift.
Jegliche Spuren einer astronomisch-mathematischen Beschriftung fehlen
ebenso wie die Legenden, insofern übermittelt sie nur bildlich arabische
Kenntnisse.
Schließlich besitzt man nicht die geringsten Benutzungsspuren oder An-
sätze von weiteren Kopien der Karte. Die inhaltliche Isoliertheit dieses Do-
kuments in Text und Kartenkunde des Westens läßt daher an der früher ge-
äußerten Vermutung festhalten, hier habe eine arabische Vorlage durch ihre
malerische Wirkung und ihre Liebe zum Detail einen abendländischen Kopi-
sten so faszniert, daß er sie nachzeichnete, aber auf jegliche Beschriftung
mangels Verständnisses verzichten mußte. Wissen über Grenzen wird an die-
sem Beispiel unterschiedlich faßbar: Das Bild überspringt die Grenzen, der
Text bleibt zurück.

celi de Caspe en occheaine [...]; das Kaspische Meer ist mit dem Skythischen Meer in griechi-
scher Tradition Teil des die Welt umgebenden Ozeans.
29
Cf. nt. 9, 326-331.
30
Cf. A.-D. VON DEN BRINCKEN, Fines Terrae. Die Enden der Erde und der vierte Kontinent
auf mittelalterlichen Weltkarten (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 36), Hannover
1992.
Nachweise der Erstveröffentlichung

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III. Die Ausbildung konventioneller Zeichen und Farbgebungen in der Universalkartographie
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VI. Die kartographische Darstellung Nordeuropas durch italienische und mallorquinische Por-
tolanzeichner im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Hans. Geschbll. 92
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VII. Ost- und Südosteuropa in der abendländischen Kartographie des Spätmittelalters, in: Re-
vue des Etudes Sud-Est-Européennes 13 (1975) S.253-260.
VIII. Die Kugelgestalt der Erde in der Kartographie des Mittelalters, in: Arch. f. Kulturgesch.
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IX. Portolane als Quellen der Vexillologie, in: Arch. f. Diplomatik 24 (1978) S. 408-426.
X. Raum und Zeit in der Geschichtsenzyklopädie des hohen Mittelalters, in: Beitr. z. Gesch.
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teilungen d. Bulgarischen Forschungsinstituts in Österreich Nr. l/FX/1987, Wien 1987,
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Tafelverzeichnis

Tafel 1. Hieronymus: Karte zum Alten Testament, gen. Orientkarte, um 400, Kopie 12.Jh.,
London, British Library MS Add. 10049 fol. 6 4 r - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 2. Hieronymus: Karte zum Neuen Testament, gen. Heilig-Land-Karte, um 400, Kopie
12.Jh., London, British Library MS Add. 10049 fol.64v - © The British Library. All Rights
reserved.
Tafel 3. Albi-Karte (nach Orosius), 9.Jh., Wiedergabe nach Catalogue General des manuscrits
des bibliothèques publiques des départements de France 1, Paris 1849 = Albi, Bibliotheque
Municipale MS 29 p. 487.
Tafel 4. Kosmas Indikopleustes: Weltkarte aus der «Topographia Christiana», 6. bzw. 9.Jh.,
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana MS Vat. Gr. 699 fol.40v.
Tafel 5. TO-Karte nach Isidor, 7. bzw. 9Jh., Brüssel, Bibliotheque Royale MS 9311-19 fol. 89v.
Tafel 6. Isidor: Palimpsest-Karte, 8.Jh., Wiedergabe von St. Gallen, Stiftsbibliothek MS Sangall.
237 p. 1, nach Konrad Miller, Mappae Mundi VI (1898) S.58.
Tafel 7. Isidor: Sogen. Knopfkarte zu «De natura rerum», um 800, Köln, Dombibliothek MS
83" fol. 130v.
Tafel 8. Isidor: Sogen. Kugelkarte zu «Etymologiae» XIII,6 u.a., um 800, Köln, Dombibliothek
MS83 n fol.82r.
Tafel 9. Isidor: Sogen. Große Vatikanische Ökumene-Karte, um 775, Vatikan, Biblioteca Apo-
stolica Vaticana MS Vat. Lat. 6018 fol.64v-65r.
Tafel 10. Macrobius: Zonenkarte der Kölner Dombibliothek, 9.Jh., Köln, Dombibliothek MS
186fol.74v.
Tafel 11. Macrobius-Karte aus Freising, 11.Jh., München, Bayerische Staatsbibliothek CLM
6362 fol. 74r.
Tafel 12. Macrobius-Karte aus Oxford, ll.Jh., Oxford, Bodleian Library MS d'Orville 77
fol.lOOr.
Tafel 13. Beatus-Karte von Saint-Sever, 776/1045, Paris, Bibliohèque nationale de France MS
Lat. 8878 fol. 45ter.
Tafel 14. Beatus-Karte von Burgo de Osma, 776/1086, Wiedergabe von Burgo de Osma, Archi-
vode la Catedral MS 1 fol.34v-35r, nach Konrad Miller, Mappae Mundi I (1895) S. 35.
Tafel 15. Karte aus Ripoll, früher Theodulf von Orléans zugeschrieben, um 1055, Vatikan, Bi-
blioteca Apostolica Vaticana MS Vat. Reg. Lat. 123 fol. H3v-144r.
Tafel 16. Cottoniana, um 1030, London, British Library MS Cott. Tib. B. V. fol.56v - © The
British Library. All Rights reserved.
Tafel 17. Zonenkarte aus der Sammelhandschrift der Cottoniana, um 1030, London, British Li-
brary MS Cott. Tib. B. V. fol.29r - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 18. Sawley Map zur «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis, früher einem Hein-
rich von Mainz zugeschrieben, 1110/80, Cambridge, Corpus Christi College MS 66 p. 2.
Tafel 19. Oxforder Karte aus St. John, um 1110, Wiedergabe von Oxford, St. John's College
MS 17 fol.6r, nach Konrad Miller, Mappae Mundi III (1895) S. 119.
Tafel 20. Lambert von Saint-Omer: Europa-Karte aus dem «Liber Floridus», 1112/1115, Gent,
ÜB MS 92 fol.24Ir.
738 Tafelverzeichnis

Tafel 21. Lambert von Saint-Omer: Kaiser Augustus mit der TO-Kugel im «Liber Floridus»,
1112/1115, Gent, ÜB MS 92 fol. 138v.
Tafel 22. Lambert von Saint-Omer: Gentes-Tafel aus dem «Liber Floridus», 1112/1115, Gent,
ÜB MS 92 fol. 19r.
Tafel 23. Lambert von Saint-Omer: Spera Macrobii aus dem «Liber Floridus», 1115/1180, Wol-
fenbüttel, Herzog August Bibliothek, MS Guelf. 1 Gudenus Lat. fol. 16v.
Tafel 24. Lambert von Saint-Omer: Globus Terre aus dem «Liber Floridus», 1115/1180, Wol-
fenbüttel, Herzog August Bibliothek, MS Guelf. 1 Gudenus Lat. fol. 59v-60r.
Tafel 25. Lambert von Saint-Omer: Große hemisphärische Weltkarte aus dem «Liber Floridus»,
1115/1180, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, MS Guelf. 1 Gudenus Lat. fol.69v-
70r.
Tafel 26. Lambert von Saint-Omer: Große hemisphärische Weltkarte aus dem «Liber Floridus»,
gotisch, 1115/1300, Leiden, ÜB MS Voss. Lat. F. 31 fol.l75r.
Tafel 27. Guido von Pisa: Weltkarte, 1118, Brüssel, Bibliotheque Royale MS 3897-3919
fol.53v.
Tafel 28. Ökumene-Karte der Viktoriner nach Isidor, 12.Jh., München, Bayerische Staatsbi-
bliothek CLM 10058 fol. 154v.
Tafel 29. Bibel von Arnstein, Ökumene- und Zonenkarte, um 1150, London, British Library MS
Harl. 2799 fol.241v-242r- © T h e British Library. All Rights reserved.
Tafel 30. Gesüdetes Weltbild des IdrTsT, um 1154, Wiedergabe nach Joachim G. Leithäuser,
Mappae Mundi, Berlin 1958, S. 113.
Tafel 31. Karte der Terra Repromissionis aus der «Vita S. Brandani abbatis», Ende 12.Jh., Bi-
schofszell/Thurgau, Ortsmuseum, Dr. Albert Knoepfli-Stiftung.
Tafel 32. Textprobe aus der «Vita S. Brandani abbatis» zu vorgen. Karte, Ende 12.Jh., Bischofs-
zell/Thurgau, Ortsmuseum, Dr. Albert Knoepfli-Stiftung.
Tafel 33. Rombild auf der Goldbulle Kaiser Heinrichs VI., 1191-97, Wiedergabe nach W. Er-
ben, Rombilder auf kaiserlichen und päpstlichen Siegeln des Mittelalters, Graz 1931, Taf. II.
Tafel 34a. Peutingeriana, römische Straßen-Karte des 4.Jh., Ausschnitt Rom, 13.Jh., Wiederga-
be nach Konrad Miller, Tabula Peutingeriana, Stuttgart 1962.
Tafel 34b. Peutingeriana, römische Straßen-Karte des 4. Jh., Ausschnitt Jerusalem, 13. Jh., Wie-
dergabe nach Konrad Miller, Tabula Peutingeriana, Stuttgart 1962.
Tafel 35. Isländische Ökumene-Karte, um 1250, Reykjavik, Arnamagnaeanske Institut, MS
GkS 1812-04° fol. 5v-6r.
Tafel 36. Albertus Magnus: Kartenskizze, um 1250, Wien, Österreichische Nationalbibliothek
MS 273 fol. 151v.
Tafel 37. Johann von Wallingford: Klimatenkarte, um 1250, London, British Library MS Cott.
Iul. D. VII. fol. 46v - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 38. Johann von Wallingford, portraitiert von Matthaeus Parisiensis, um 1250, London,
British Library MS Cott. Iul. D. VII. fol. 42v - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 39. Matthaeus Parisiensis: Weltkarte, um 1250, Cambridge, Corpus Christi College MS
26p.284.
Tafel 40. Matthaeus Parisiensis: England-Karte, um 1250, London, British Library MS Cott.
Claud. D. VI. fol. 8v - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 41a. Matthaeus Parisiensis: Itinerar von London nach Apulien, Ausschnitt England und
Nordfrankreich, um 1250, London, British Library MS Roy. 14. C. VII. fol.2r - © The Bri-
tish Library. All Rights reserved.
Tafel 41b. Matthaeus Parisiensis: Itinerar von London nach Apulien, Ausschnitt Italien und
Rom, um 1250, London, British Library MS Roy. 14. C. VII. fol.4r - © The British Library.
All Rights reserved.
Tafelverzeichnis 739

Tafel 42. Psalter-Karte von London, gemalte Version, um 1262, London, British Library MS
Add. 28681 fol. 9r - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 43. Psalter-Karte von London, Inventarversion, um 1262, London, British Library MS
Add. 28681 fol.9v - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 44. Wilhelm von Tripolis: Weltkarte, 1271/H.Jh., Paris, Bibliotheque nationale de France
MS Lat. 5510 fol. 118r.
Tafel 45. Girard von Arvernia oder Antwerpen: Zonen-Ökumene-Karte, 13./15.Jh., Utrecht,
ÜB MS 737 fol. 49v.
Tafel 46. Fragment einer Weltkarte mit Monstren am Weltrand, Ende 13.Jh., Koblenz, Stadtbi-
bliothek MS 155 fol. 77v.
Tafel 47. Sphärenscheibe aus dem Codex der Monstren-Karte, Ende 13.Jh., Koblenz, Stadtbi-
bliothek MS 155fol.74v.
Tafel 48. Textprobe betr. Monstren des Orients, Ende 13Jh., Koblenz, Stadtbibliothek MS 155
fol.93v.
Tafel 49. Rotulus von Vercelli, Gesamtansicht, um 1270, Vercelli, Kapitelsbibliothek, Wieder-
gabe nach Youssouf Kamal, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti III,V (1935) 997.
Tafel 49a. Rotulus von Vercelli, Ausschnitt Rom, um 1270, Vercelli, Kapitelsbibliothek, Wie-
dergabe nach Youssouf Kamal, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti III,V (1935)
997.
Tafel 49b. Rotulus von Vercelli, Ausschnitt christlicher Orient, um 1270, Vercelli, Kapitelsbi-
bliothek, Wiedergabe nach Youssouf Kamal, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti
III,V (1935) 997.
Tafel 50a. Ausschnitt Rom aus der verlorenen Ebstorfer Weltkarte, um 1300, Wiedergabe nach
Nathalie Kruppa/Jürgen Wilke (Hg.), Kloster und Bildung im Mittelalter. Veröffentlichun-
gen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218, Studien zur Germania Sacra 28, 2006, Bei-
lage.
Tafel 50b. Ausschnitt christlicher Orient aus der verlorenen Ebstorfer Weltkarte, um 1300, Wie-
dergabe nach Nathalie Kruppa/Jürgen Wilke (Hg.), Kloster und Bildung im Mittelalter. Ver-
öffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218, Studien zur Germania Sacra
28, 2006, Beilage.
Tafel 50c. Ausschnitt Jerusalem aus der verlorenen Ebstorfer Weltkarte, um 1300, Wiedergabe
nach Nathalie Kruppa/Jürgen Wilke (Hg.), Kloster und Bildung im Mittelalter. Veröffentli-
chungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218, Studien zur Germania Sacra 28,
2006, Beilage.
Tafel 51a. Ausschnitt Rom aus der Hereford-Karte, 1276/1305, Wiedergabe nach einem Poster
aus Hereford.
Tafel 51b. Ausschnitt Jerusalem aus der Hereford-Karte, 1276/1305, Wiedergabe nach P. D. A.
Harvey, Mappa Mundi. The Hereford World Map, London 1996, Frontispiz.
Tafel 52. Planskizze von Rom aus den «Historiae Romanorum», Ende 13.Jh., Hamburg, Staats-
und Universitätsbibliothek Cod. 151 in scrin. fol. 107v, Wiedergabe nach Facsimile von T.
Brandis und O Pacht 1974.
Tafel 53. Legendenlose Karte aus Bodleian Douce, früher Brunetto Latini zugeschrieben, 1310-
20, Oxford, Bodleian Library MS Douce 319 fol. 8r.
Tafel 54. Paulinus Minorità: Weltkarte aus der «Chronologia Magna», um 1320-30, Paris, Bi-
bliotheque nationale de France MS Lat. 4939 fol. 9r, entspricht auch der Weltkarte von Pietro
Vesconte im Oxforder Manuskript MS Bodl. Tanner 190 fol. 203v-204r.
Tafel 55. Heilig-Land-Karte des Pietro Vesconte zu Marino Sanudo «Secreta fidelium crucis»,
mit Gitter überzogen, um 1320, London, British Library MS Add. 27376 fol. 188v-189r - ©
The British Library. All Rights reserved.
740 Tafelverzeichnis

Tafel 56. Johann von Carignano aus Genua: Portulan-Karte, 1329-30, Kopie der heute verlore-
nen Karte des Staatsarchivs Florenz.
Tafel 57. Angelino Dulcert (oder Dalorto): Portulan-Karte, um 1330, Paris, Bibliotheque natio-
nale de France MS C 988.
Tafel 58. Ranulph Higden: Große Weltkarte, um 1342-43, London, British Library MS Roy. C.
IX. fol. 1 v-2r - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 59. Ranulph Higden: Kleinere Weltkarte, um 1342-43, London, British Library MS Roy.
C. IX. fol. 2v - © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 60. Evesham-Weltkarte, um 1400, Wiedergabe nach Peter Barber, The Evesham World
Map, Imago Mundi 47 (1995) S. 14.
Tafel 61. Vatikanische Mela-Karte im ptolemäischen Stil, nach Pirrus de Noha, nach 1410, Va-
tikan, Archivio di San Pietro, MS H. 31 fol. 8r.
Tafel 62. Pierre d'Ailly: «Ymago Mundi», Weltkarte, um 1412, Cambrai, Médiathèque Munici-
pale MS 954 fol. 40v.
Tafel 63. Reimser Mela-Karte, vor 1418, Reims, Bibliotheque Municipale, MS 1321 fol. 13r.
Tafel 64. Stadtplan von Wien und Preßburg, Nachzeichnung eines Plans von 1422 aus der Mitte
des 15.Jh., Wien, Wien Museum I. N. 31.018 - Copyright Wienmuseum.
Tafel 65. Andreas Walsperger OSB: gesüdete Weltkarte, 1448, Vatikan, Biblioteca Apostolica
Vaticana MS Pal. Vat. Lat. 1362b.
Tafel 66. Genfer Sallust-Karte, 15Jh., Genf, Bibliotheque de Geneve MS Lat. 54 fol.34v.
Tafel 67. Genordete Weltkarte im Portulanstil der Mallorquiner aus Modena, Mitte 15Jh., Mo-
dena, Biblioteca Estense C. G. A. 1, Wiedergabe nach Bagrow-Skelton, Meister der Karto-
graphie (1963) S.370.
Tafel 68. Simon Marmion: Ökumene-Karte zu Jean Mansel «La Fleur des Histoires», 1455,
Brüssel, Bibliohèque Royale MS 9231 fol.281v.
Tafel 69. Gesüdete runde Weltkarte aus Zeitz, 1470, Zeitz, Stiftsbibliothek MS Hist. Fol. 497
fol.48r.
Tafel 70. Heinrich van Beeck: Ökumene-Karte aus der «Agrippina», 1469-72, Köln, Histori-
sches Archiv der Stadt, Chron. u. Darst. Bd.21 fol. H r (vgl. auch Chron. u. Darst. Bd. 19
fol. 9v und Bd. 20 fol. 9r).
Tafel 71. Rudimentum Noviciorum, Weltkarte, Lübeck 1475, Frühdruck, fol. 85v-86r.
Tafel 72. Henricus Martellus Germanus: Weltkarte, 1489, London, British Library MS Add.
15760 fol.68v-69r- © The British Library. All Rights reserved.
Tafel 73. Eichstätter Druck der sogen. Mitteleuropa-Karte des Nikolaus von Kues, 1491, Kup-
ferstich.
Tafel 74. Hartmann Schedel: Weltchronik, Nürnberg, Koberger 1493, Frühdruck, fol. 12v-13r.
Tafel 75. Hanns Rüst/Hanns Sporer: Weltkarte in deutscher Sprache, um 1500, Holzschnitt.
Tafel 76. Erhard Etzlaub: Umgebungskarte von Nürnberg, genordete Fassung, 1492, Früh-
druck.
Tafel 77. Erhard Etzlaub: Romweg-Karte für das Heilige Jahr 1500, gesüdet, um 1500, Früh-
druck.
Tafel 78. Erhard Etzlaub: Reichslandstraßenkarte, gesüdet, 1501, Frühdruck.
Register

Das Kreuzregister zu einer Aufsatzsammlung, bei der grundsätzliche Aussagen in jedem Titel
erneut angesprochen sind, hat zwangsläufig hinsichtlich des Sachteils viele Wiederholungen,
aber mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses sind Lemmata auch abschnittsweise abrufbar. Über
mehrere Jahrzehnte entstandene Einzelstücke der Sammlung bedingen einen Wandel in der Aus-
drucksweise, auch sind der Verfasserin manche Zusammenhänge erst im Laufe der Jahre deut-
lich geworden; durch Verweise mit „vgl." sind hier Verbindungen geschaffen worden, während
„s." stets auf ein Ersatzlemma verweist. Negativaussagen sind als wichtige Belege im Register be-
rücksichtigt, denn der in Worte und Buchstaben zerlegte Text wird durch das Alphabet erneut
mechanisch erschlossen. Für Universalkartographie liegt im Deutschen nur eine bescheidene
Terminologie vor, Willkürlichkeiten sind nicht zu umgehen. Fremdsprachliche Texte sind unter
den deutschen Begriffen erfaßt. Eigennamen können für den Benutzer zudem eine mnemotech-
nische Hilfe sein, um an einen Sachbegriff heranzukommen: Krates von Mallos etwa oder Ma-
crobius stehen für die Kugelgestalt der Erde.
Personen des Mittelalters sind bis zum Ende des 15. Jahrhunderts unter ihrem Vornamen auf-
gelistet. Da die Anmerkungen - von Nachträgen abgesehen - stets nur die Nachweise nennen,
sind sie, gekennzeichnet mit einem A hinter der Seitenzahl, nur in Ausnahmefällen einbezogen.

Aachen 559f., 659 Adam und Eva 39, 42, 68, 75, 111, 332,
Aaron 572 458f., 487, 509, 512, 516, 530, 536, 589,
Abbasidenherrschaft 325 616, 695, 697f., 701,709
Abchasen 96, 670
Adams-Pik 75
Adam von Bremen 108,173
Abendland 149, 153, 400-402, 705
Adamnan von Hy oder Iona 595,686
Abessinien, Habesch, Habesse s. Äthio-
Adela von Blois 27
pien 52, 58, 65
Ado von Vienne 258, 513, 573
Aethicus Ister, auch Pseudo-A., 428, 454, 544
Adressbuch 631
Abgar von Edessa 662 Adria 146, 181, 235, 491, 539, 727
abissus 46 Ägäis 40,98, 100, 121, 180 f., 184,209, 213,
Abnormitäten, körperliche, s. Monstren 727
Abraham 67, 244, 246, 283, 707-709, 713, Ägypten, Egiptus, Ägypter 48, 58, 64, 75 f.,
715 90, 105, 118, 140, 146, 177, 246, 251, 276,
Abrahams Schoß, sinus Abrahae 118 285, 298, 315, 336, 340, 369, 408, 410,
Abram Crescas s. Crescas 470, 478, 539, 574f., 580, 611, 651, 671,
Abrutium 606 673, 709, 716f., 729
Ägyptische Könige 433
Abu Zaid al-Balchi 77
Ägyptische Plagen 23
Abwässerkanal Köln 632
Äquator 253, 472, 478, 494, 688
Acaron, vgl. Akkon 657
Äquatorialozean, -zone, -gürtel, Äquinok-
Achäa, Achaia 59, 65, 103, 158, 180, 251, tialmeer 32, 46, 110, 117, 141, 188, 195,
363 f., 369, 541, 601, 659, 671, 674, 690 199 f., 229, 2371, 259, 328, 350, 361, 416,
Actium 406, 650 433, 435, 449, 451, 463, 469, 484, 503,
Adalbert, hl., 412 521,539,543,588,712,722
742 Register

Äquinoktien 79 Alarich, Westgote 709


Äthiopien, Ethiopia, Äthiopier 52, 58, 61 f., Albania 61, 180, 276, 286, 304, 574, 681
64f., 69, 103f., HO, 146, 219, 221, 251, Albelda, Chronik von 38
254, 276, 285, 303, 336, 340 f., 370, 372- Alberich von Troisfontaines OCist. 513
374, 408, 449f., 469, 474, 478 f., 485, 506, Albertin de Virga 27
522, 530f., 548, 580f., 588, 590, 630, 657, Albertus Magnus O P 192, 453 f., 478f.; Kar-
670, 677f., 681 f., tenskizze Tafel36
Ätna 364 Albert von Bonstetten OSB 30
Afrika, vgl. Nordafrika 26, 29f., 45 f., 48, Albert-Knoepfli-Stiftung 547
58, 64f., 67, 81-83, 97f., 115, 122, 127, Albert von Stade 44
129f., 137, 154, 157f., 163, 167, 179, 182, Albi-Karte, auf Orosius zurückgeführte Welt-
184, 187, 196f., 200f., 204, 209, 214, 221, karte der Bibliothek von Albi 37, 57, 99,
223, 232-234, 236f., 249-251, 256, 262, 124, 126, 128-130, 132, 134, 250, 256,
276, 285, 290, 305, 322, 329f., 341 f., 349, 418, 595, 598, 651, 659, 661-664, 666f.,
351, 361, 364f., 374, 381, 385-387, 394f., 688, 702, 710; Tafel 3
399, 418, 422, 424, 432, 435f., 458, 469f., Albrecht IL, König 644
474, 484, 492 f., 501, 504, 507, 510, 515, Albrecht L, Herzog von Bayern 279
519, 525f., 537, 553, 555, 563, 567f., 573- Albzor (Elbrus) 96
575, 580f., 587, 606, 624, 628, 639, 641, Aleppo 582
649, 652-654, 656f., 662, 669, 676, 678- Alessandria (Lombardei) 383
680, 682, 688, 690, 696, 705, 709f., 725- Alexander der Große 17,41,65,67-69, 111,
729 242, 245f., 330, 334, 367, 422, 426-428,
Afrika-Frau oder Afrika-Hure 52, 106, 162 474, 606, 618f., 661, 677, 697, 712
Afrika, Horn von, Ostausbuchtung 104, 121, Alexander III., Papst 571
176, 184, 337,354, 490, 681 f., 727, 729f. Alexander Neckham 385
Africanus, S.Julius 35, 244, 257, 704, 707, Alexander Polyhistor 242
709 Alexander von Roes 151
Agathodaemon 72 Alexanderwall 332
Agelmundus 302 Alexandria, Alexandreia, Alexandrien 22,
Agricola 522 38, 50, 58, 65, 72, 99, 110, 132f., 140,
Agrimensoren 132, 395 147, 186, 188, 199, 229, 251, 256, 259,
Agrippa, Vipsanius, Schwiegersohn des Kai- 276, 347, 354, 470, 547, 555f., 559f.,
sers Augustus und Schöpfer einer verlore- 596f., 610f., 616, 650-654, 656-568, 662,
nen Karte des Römischen Reiches 20, 125, 666f., 683, 688,691,693, 729
137, 154, 187, 233, 251, 257, 349, 419, Alfons I. von Aragon 49, 355
505, 593,605,625,684 Alfons IL von Aragon 571
Agrippa-Karte 44, 64, 70, 72, 83, 123, 132, Alfons X. der Weise von Kastilien 49, 121,
380,419-421,428,700 175 f., 184,723
Agrippina, antiker Name von Köln 318, 561, Alfonsinische Tafeln 513
563, 579 Alimania, Allamagna 170,276,639
«Agrippina», Titel der Kölner Stadtchronik Allech (See) 173
des Heinrich van Beeck mit Welt- Allegorie 227,612
karte 456-460, 638; Tafel70 Almagest, astronomisches Werk des Ptole-
Ahlat oder Chelat am Van-See 582 mäus 433, 468, 473, 477
'Ain Gälüt, Goliatsquelle 326, 336 Almagià, Roberto 51, 381
Ajjubiden 105 Almeria 216
Akkon 63,69, 102,215, 336 Alpen 60, 161, 173,636
Alania, Alanen 61, 96, 167, 180, 182, 276, Alsatia (Elsaß) 152, 276, 603
302 f., 306, 372, 670, 681 Alt, Georg 280
Register 743

Altamerika 76, 110f., 232 f., 367, 504 Anteklimaten 471


Altarschmuck 26, 70 Anten 299
Alte Geschichte 705 Anthropophagi vgl. Menschenfresser 617
Alter, höchstes, einer Kultur 704 Antichrist 68, 81, 146, 334, 502, 583, 677,
Altes Testament s. AT 681
Altkirchenslawisch 670 Antichthonenkontinent 73, 99, 198, 229,
Altenentsorgung 619 231, 238, 253, 331, 350f., 418, 424, 432-
Alto Medioevo (ital. Frühmittelalter 443, 473, 484, 503, 508, 521, 525, 531,
bis 1100)241-263 629
Amalfi 211 Antike, Klassische 19, 65, 83, 115, 160, 530,
Amasonia, Amazonen 63, 69, 276, 574, 618, 647-667,683,718
620,681 Antiken-Rekonstruktion 684
Amberg 278 Antiken-Renaissance 651
Ambrosius, hl. 279, 474, 477 Antike Kartographie 648
Amda Seyon, äthiopischer Kaiser (1312- Antiocheia, Antiochien 62, 105, 140, 147,
1344)222,341 250, 359, 408, 556, 568, 603, 611, 651,
Amerbach, J. von, Drucker 295 654, 656-658, 661 f., 666 f., 693 f., 717
Amerika 53, 287, 432, 535 Antipoden (Gegenfüßler), -kontinent, -in-
Ammonium 58, 65, 680 sel 34, 42, 63, 108, 155, 158, 187, 189,
Anion, König von Juda 514 191-198, 201, 203, 230, 238, 253, 256,
Amorrei 558 260, 331, 343, 350f., 361, 418, 432-443,
Anastasius Bibliothecarius 300, 302, 310 437, 440-441, 450, 452, 477, 484, 501,
Anathole (Oriens) 363 507f. 524, 528, 530f., 544, 629
Anaximander 350 Antöken, -kontinent, Antökumene 38 f., 49,
Anbetungsbild 431, 443, 487, 498, 500, 682, 68, 100, 188, 191 f., 195, 201, 229, 238,
695-698 331, 350, 361, 435, 463, 473, 484, 503,
Andersson, Andrew Runni 426 508, 521, 525, 527f., 531
Andreas, Apostel 363, 369, 541, 671, 674 Antonianae Thermae (= Caracalla-Thermen
Andrea Bianco 27, 68, 97, 288, 384f. in Rom) 609
Andreas Walsperger OSB 27, 107, 122, 124, Antoninus Pius, Kaiser 433
126-128, 131, 133, 162f., 309, 384, 398, Antonini Itinerarium 421
445, 559, 564, 637f., 699-701, 703, 722; Antoninus von Florenz OP 270, 281
Tafel 65 Anton Koberger 280, 282, 296
Andropolis (für Persepolis auf der Ebstorfer Antwerpen 174
Weltkarte) 661 Apfelbaum 695
Angeli da Scarperia, Jacobus 464,637 Apfelgestalt der Erde 193
Angelino Dalorto oder Dulcert 173-175, Apokalypse, vgl. Offenbarung 441, 675
183, 214, 219f., 288, 309, 373, 491, 559; Apokalypsenkommentar 28, 166, 180, 198,
Tafel 57 258, 369, 423, 426, 597, 651, 671, 673,
Angilram von Metz 447 688 f.
Anglia/Britannia 59, 276, 285 Apokalyptisches Volk 583
Angeln 634 Apokryphen 570
Angelsachsen 248, 382 Apollon-Heiligtum 359
Angelsächsische Kartographie 415-431, 692 Apostel 365, 551,673,689
anguli terrae 349 Apostelwirkstätten, -grablegen 39, 100, 236,
Anjou, Angers, Andegavum 140, 147, 276, 423,526, 554,563,658,683
359, 568,654, 656,658 Apostelkonzil 685
Angiovinische Partei 176 „Apostelscheidung", d.i. Aussendung 28, 39,
Annalistik 714 198, 258, 369, 418, 536, 651, 673
744 Register

Apulien 146, 276, 488 f., 601 f., 606-608, „Armenier, der", meint die armenische Fas-
639, 693 sung der Eusebios- Chronik 708
Aquitanien 59, 160, 276, 630 Arnon 568
Araber, vgl. Moslems, Sarazenen 19-21, 49, Arnstein-Bibel mit doppelter Weltkarte 438,
51 f., 64, 76, 80, 87,90,95, 103 f., 109- 546, 549, 555, 566, 569, 653, 660, 662-
111, 120, 124, 125-127, 129, 131 f., 135, 664, 666 f., 691, 702; Tafel 29
138 f., 145, 147f., 150, 155f., 176, 184 f., Artes Liberales 24, 85, 189, 194, 224, 263,
189, 191, 202, 208, 211f., 214, 325, 329, 421,626
354f., 358, 363, 417, 455, 483, 606, 610,
Artistenfakultät 264
685,719-731
Artus, Arturus 409
Arabien 61, 177, 250, 276, 285, 370, 374,
Arumphei 470
410,470,564, 574,682, 728 f.
Arym oder Aren civitas, Sitz des Iblys 34, 46,
Arabaeus 681
Arabische Quellen 730 58, 80, 138, 140, 147, 202, 236, 355f.,
Arabischer Golf oder Meer, vgl. Persischer 363, 467, 602
Golf 676, 693, 724 Asaphjudaeus 49
Arabische Schrift 122,725 Aseniden 303
Arabisches Wissen 731 Äser 364 , 568
Aragon 59, 105, 214,717 Asgard 363
Aral-See 330 Asien, Erdteil 26, 29f., 61-64, 67-70, 74f.,
Ararat in Armenien (mit Archa Noe) 63, 69, 82 f., 94, 96-98, 100, 115, 117, 122, 137,
487,637,671,675,680 154, 157-160, 162, 167, 179f., 187, 193,
Ararim 470 196f., 200, 209, 232-234, 236f., 247, 249,
Aratea, Aratos 447, 538 251, 256, 262, 285, 290, 305, 329f., 342,
Araxes 62 349, 351, 361-363, 384, 393-395, 417f.,
Arbela 680 422, 432, 435, 458, 484, 487, 492, 501,
Arbor Solis et Lune 276 504, 515, 519, 526, 541, 544, 553f., 563,
Archa Noe 312, 352, 364, 427, 538, 541, 673 567 f., 574, 578, 585, 587, 596, 624, 628 f.,
Archäologie 649, 683 637, 639f., 649, 652f., 656f., 662, 669,
Architektursymbole, vgl. Gebäudesym- 676, 679, 688, 690, 693, 705, 709f., 725f.,
bole 122, 685, 723 728 f.
Arculphus 595, 686 Asia, provincia s. Kleinasien
Arcusia 276 Asia für Persia um Taurisium, Ilkhan-
Arae Alexandri 656 Reich 61, 105, 717
Arae Philenorum 654
Askalon 359, 556, 568, 657, 691
Arelat 570 f.
Asketen in Indien 618
Arfaxat (Idol) 680
Asowsches Meer, Paludes Maeotides 118,
Argiver 245, 405, 709
158f., 167, 171, 180, 182, 217f., 235, 255,
Aristoteles 186, 350, 454, 473 f., 477
285,290,427, 507,539, 574
Aristotelismus 191 f.
Arktik-Kuppe 448 Assuan s. Siene
Arktischer Kontinent 363,516 Assur, Assyrer 61, 227 f., 245, 276, 369, 470,
Arles 557,654 660,704,709, 716
Armagh 387,657 Astrologie 193
Armenia, Armenien, Armenier 61, 67, 74f., Astronomie 31, 79, 85, 404, 447, 512, 567,
96, 102, 105, 247, 250, 276, 298, 340, 725
364 f., 369, 372, 374, 400, 410, 470, 541, AT (Altes Testament) 21, 64, 75, 111, 268,
574, 582, 670-675, 677, 679, 681 f., 717 330, 407, 502, 523, 538, 550, 554, 612,
Armenia minor (Kappadokien) 671, 677 650, 659f., 663, 667f., 685f., 695
Register 745

Athen, Athener 50, 60, 66, 133, 158f., 236, Babel, Babylon am Euphrat, Stätte des Turm-
245, 251, 354, 363 f., 541, 553, 596, 637, baus, Babylonier 28, 35f., 62, 67, 70, 76,
651, 653f., 661, 666f., 674, 709 85,99, 115, 132f., 154, 168, 199f., 208,
Athos 67, 132 229f., 238, 244, 246, 249f., 253, 256, 259,
Atlantik 181, 187, 204, 214, 223, 537, 590, 272, 282, 349, 354, 361, 363, 369f., 407,
599,727 417, 427, 457, 459f., 514, 541, 596, 599,
Atlantik-Anrainer 415 f. 635, 639, 641, 650, 654, 657-660, 666f.,
Atlantik-Inseln 522 679, 688, 692, 707
Atlantik-Küste 103, 729 Babylonische Gefangenschaft 245
Atlantik-Überquerung 494 Babylonische Tonscherbe mit Weltkarte 505
Atlantis 432 Babylonia am Nil in Ägypten, Fostat oder
Atlas-Gebirge 58, 196, 201, 361, 381, 469 Alt-Kairo 42, 58, 61, 65, 276, 364, 459,
Atlas (Kartenwerk) 496-518 470, 538, 556, 597, 604f., 611, 652-654,
Attica 59 657-659, 674, 679,729
Auferstehungsort 685 Bacon, Roger s. Roger Bacon
Auflagenhöhe 265 f., 293 Bagdad am Tigris, Baldac u.a. 325, 581 f.,
Aufriss (Geländedarstellung) 723 599, 659
Augsburg 274, 293, 295 f. Bagrow, Leo 381
Auguren 72 Bagrow-Skelton, Handbuch-Autoren der
Augustin, hl. 33, 50, 65, 155, 179, 189f., 197, Kartographie-Gechichte 17A
248, 254, 255f., 269, 279, 305, 327, 343, Baktrien 61, 250, 340, 470f., 681
350f., 353f., 363, 433, 435, 458, 463, 473, Balasaghun, auch Bälasaghun, Karachani-
484, 497, 500-502, 504, 514, 523 f., 526, den-Hauptstadt, heute Kirgistan 75, 80,
531, 538, 554, 573, 596, 619, 649, 687, 363, 581 f.
709 f., 712 Balderich von Döle 94
Augustus (Octavianus), Kaiser 20, 82 f., 97, Balducci Pegolotti s. Pegolotti
137, 154 f., 187, 209, 233, 237, 246, 251, Balearen 60, 67, 207, 213-223, 309, 373,
349, 360, 406, 454, 505, 516, 605, 624f., 727
628, 713,715 Balkan 65, 160, 246, 299, 305, 325, 369,
Augustus-Miniatur mit TO-Karte 21, 41 f., 422, 574, 729
82, 108, 155, 237, 360, 439, 543, 684; Ta- Balkan-Christen 670
fel 21 al-Balkhi 77
Ausgebreiteter Mantel als Kartenform s. chla- Bar Ali 75,90
mys extensa Barbarei 250,651
Aussendung der Apostel s. Apostelscheidung Barcelona 60, 158, 216, 553f., 557, 653, 656
Auster im Antökenkontinent 527 Bareum 616
Austria 59 Barhebraeus, Gregorios ibn al-Ibri 75, 81A,
Australien 432 110, 118, 138, 140, 202, 356, 400, 467,
Auszeichnungsschriften 375-399, 621 f. 722
Authentische Geschichtsquellen bei Pierre Barlaam und Josaphat 408
d'Ailly 462, 470, 481,494 Bartholomaeus, Apostel 369-371, 388,
Avaren 325,714 423f., 671,673, 679f.
Averdunck, H. 498 Bartholomaeus Anglicus OFM 50, 269, 272 f.,
Avignon 557 276,289,619
Azotus 657 Bartolomeu Diaz 641
Azteken 80, 363 Baruth 470
Basel 295, 457, 459f., 559, 635f., 639, 659
Bäb mandü, persische Bezeichnung von map- Basiliscus 654
pa mundi 97, 400-408 Batavia, Hollandia 59
746 Register

Baum der Erkenntnis 689, 698 Betten, Francis 438


Baumonumente 562 Bibel, Heilige Schrift vgl. AT, N T 20, 28, 30,
Bayern 160 70, 94, 179, 189, 233, 246, 272, 315, 349,
Bayerische Staatsbibliothek 279 407, 440, 501, 512f., 523, 533, 624, 657,
Beatrix von Schwaben, Gemahlin Ottos IV. 661,684, 708
572 Bibelexegese, vgl. Exegese 85, 87, 153, 204,
Beatus von Liébana, Apokalypsenkommenta- 227 f., 312
tor, Kartenmaler 28, 34, 39, 54, 56, 58- Bibliotheca Colombina Sevilla 463
63, 67f., 100, 124, 126-130, 133, 159, Bibliotheksschrift 620
166f., 171, 180f., 197f., 205, 235f., 258f., Bibliotheque Sainte-Geneviève, Paris 698
261, 288, 306, 350f., 363, 369f., 381 f., Bicchieri, Guala, Kardinal (vor 1227)382
387f., 395f., 418, 423f., 426, 430, 4 3 7 t ,
Bildenzyklopädie 415-431
442, 444, 449, 497, 507, 526, 535 f., 540,
Bildschnitzer (Holzschnitt) 280
554, 588f., 597, 610, 651, 660-664, 666-
Bildschriftsymbole 561
668, 671-673, 679, 688f., 700-702, 730;
Bindeglied Islam-Abendland 731
Karte von Saint-Sever Tafel 13; Karte von
Binnenland-Darstellung auf Portulani 104,
Osma Tafel 14
Beatusberg, Kloster OSB in Koblenz 613 214,217
Beauvais 489, 634, 654 Biondo, Flavio 640
Beda Venerabilis 30-32, 39, 41, 54, 56, 94, Bischofszell/Thurgau 485, 547, 586, 591 f.
137, 145, 190, 257, 268 f., 280, 288, 447, Bischofsstädte 460, 560 f.
513, 535, 544, 573,652 Biscaya, Golf von 727
Befestigungen 561 Bithynia, Bithynien 61,67
Begrenzung 348 Bizantium in Afrika 51, 469
Behaim, Martin 640 Bizatium 654
Beirut, Beritus 63, 693 Blaue Farbe 722, 724
Belvoir 489, 634 Blick vom erhabenem Ort, von oben 498f.
Benedikt XIII., Papst (Pisa) 529 Blütenlese-Buchtitel 25
Benedictus Polonus OFM 326 Blyth 489, 634
Benediktiner 55 Boccaccio 279
Benevent 108, 259, 599, 652 Bodleian Douce 319 (Oxforder Handschrift)
Benjamin 568 175f., 719-732; vgl. Brunetto Latini; Tafel
Benutzungsspuren 731
53
Berberei 216
Boethius 441
Bergamo 217
Böotien 601
Berge, Gebirge 130,723
Böhmen, Bohemia 59, 220f., 273, 276, 297,
Berichtshorizont 400-414,704-718
303 f., 407, 459, 645
Berlinghieri, Francesco 289, 291, 295
Böhmen-Chronik des Enea Silvio de'Piccolo-
Beroe 653
mini 458, des Johann de Marignollis 712
Beronice 657
Bogenverbindung (Paläographie) 613
Bersabea, Bersabee 359, 568, 652
Bologna, Bononia 60, 66, 162, 295, 557,
Besancon 557
Beschreibstoff 684, 723 571,602,653
Besiedlung 457, 462 Bonaccorsi, F., Drucker 296
Besitzabgrenzung 648 Bonifatius 190, 410
Bestiarien 622 Boninis, B. de, Drucker 296
Bethlehem 28, 63, 82, 359, 406, 439, 568, Bonizo von Sutri 406
624,629,652,657,689 Bonn 557
Bettelordensmission 326 f. Bordeaux 657
Register 747

Borgia-Karte, Metallgravur im Vatikan 28, Bürgerschaft 269


107, 124, 127 f., 131, 133, 310, 398, 445, Bürgerschulen 264
559f., 564, 722 Bürgertum Köln 461
Boris Michael, Bulgaren-Zar (852-889) 300 Bugia 216
Boroughbridge 489, 634 Bulgaren, Bulgarien, Vulgaria 36, 59, 65,
Bosporus 308 167, 182, 246, 248, 297-310, 325, 411,
Botanik 415 650,670,714
Botri portus 616 Bulgaro-Walachen 303 f.
Bottnischer Meerbusen 172f., 176,727 Bullen-Umschrift 606
Boulogne 489, 634, 656 Bundeslade 685
Brabant 162, 276 Burchard von Monte Sion 274
Braciana 276 Burchard von Ursperg 513
Brahmanen 47, 63, 67 Burgo de Osma, Lagerungsort der Osma-
Brandis de Schaß, Lucas, Mag., Drucker 267 Karte des Beatus 235, 258, 369f., 423,
f., 295 598
Braunschweig-Lüneburg 239, 635 Buron, Edmond 453
Brauweiler 191, Burgund 146, 160, 630; Malschule 99, 125
Bremen 574 Byblos, Gibelet 578, 694
Brendan, auch Brandan, irischer Abt und Byzacena 58
Heiliger 66, 485, 547-549, 586-592, Byzanz (Reich), Byzantiner (zur Stadt vgl.
630 f. ; Tafel 31 ; Schriftprobe Tafel 32 Konstantinopel) 49, 69, 72-74, 89 f., 116,
Brescia 296 122, 132f., 151 f., 190, 248, 298, 300-302,
Bretagne 286 541, 565 f., 619, 630, 670, 674, 690, 730
Brindisi 658
Britannien, Britische Inseln 40, 121, 165, C. de Bridia OFM, Autor der «Historia Tar-
168, 170, 235f., 261, 363f., 410, 430, 470, tarorum» 107 f., 326
518, 539, 541, 556, 568, 575, 674, 690, Cadiz 201
706, 727, 729 caelum im Sinne von Kosmos 349
Briten 66, 248, 297, 301, 303, 714 Caesar 249, 575
Brixen 642 Caesaraugusta 654
Brizio, Anna Maria 381 Caesarea, Palaestinae 41, 359, 568, 657,
Brodersen, Kai 672 690; Cappadociae 62f., 364, 674
Broterwerb 497 Cagliari 320, 401A
Brugis, Brügge 170f., 174, 220, 494, 645 Cain filii 677
Brun vamme Spegel, Köln 632 Calabria 606
Brunetto Latini, Notar, Enzyklopädist, zur Calais 634
„stummen" Karte vgl. Bodleian Douce 319 Calaminica civitas 675,679
25, 48f., 54-56, 68, 78, 104, 120-122, Caldea s.Chaldaea
124-126, 128-131, 136, I75f.,178, Calpes (Gibraltar) 196, 361
184f.,192, 288f., 331, 336f., 489f., 511, Calypso 58
606, 610, 619, 626, 694, 699, 702, 723- Cambalek (Peking) 67, 326f., 336, 343
725, 730f.; Tafel 53 Cambrai 160, 465
Buchara 581 f. Cambridger Bibel mit Weltkarte 47, 56, 67
Buchdruck 277,510,715 Campania 364
Buchhandschriften 88, 376, 669 Canaan 63
Buchwissen 655 Candia (Kreta) 285
Buckinck, Drucker 295 Canterbury 425, 489, 633f., 657
Buddhisten 77, 336 Cantono, A. de, Drucker 296
Bürgerliche Kartographie 55 Cap Comorin (Südspitze Indiens) 17
748 Register

Capello, Carlo Felice 381 f., 386, 389, 392f., Chinesische Mauer 326, 477, 585, 655
678 chlamys extensa (der ausgebreitete Mantel,
Capheturici 298 Bild für Sphärik) 46, 141, 144, 148, 155,
Capitalis (Schrift) 391, 394, 397 f. 162, 203, 210, 284, 293, 332, 469, 471,
Cappadocia s. Kappadokien 640, 656, 676
Capua 653, 658 Chlodwig 409
Carignano s. Johann v. Carignano Choolissime urbs 677
Carion, Johannes 513,515,518 Chorasan (Region Ost-Iran) 77, 581, 655
Carmelus 63, 276 Chorasmia, Chorezm (Nord-Iran), Chorez-
Carra, Carrae s. Harran mier 52, 96, 316, 338, 340, 581 f., 655
Cartagena 218,653 Chorfrauen 56
Carte moralisée 106,162 Christian, Abt von St. Jakob in Regens-
Carthago s. Karthago burg 357
Cashel 387 Christianisierung Roms 241,300
Caspy 276 Christianitas, Christentum 151, 649, 729
Caspia 658 Christensitze rot gekennzeichnet 638, 667
Caspium Mare s. Kaspisches Meer Christi Geburt und Kartographie 82 f., 624,
Cassiodor 31, 433, 513 704, 715f.
Castilia s. Kastilien Christi Kreuz 364, 373
Castorius-Karte, vgl. Peutingeriana 123-126, Christi Corpus s. Corpus
130, 133, 251, 354, 419, 422, 486, 603 Christologische Streitigkeiten 670
Cathay (Kitai), Süd-China 52, 61, 67, 96, Christus als Weltenherrscher 43
105, 316, 322, 338, 340, 682, 717 Chronik von St. Albans 139
Cattigara 642 Chronicon Albeldense (Epitome Ovetensis)
Caxton, W., Drucker 295 257
Caucasus s. Kaukasus Chronica S. Bartholomaei in insula Roma-
Cecco d'Ascoli, Florenz 50, 192 f. ni 405
Celler Karte OFM 50, 103 Chronik von St.-Denis, Karte 30
Celtis, Konrad 603 Chronographie, lateinische 17-81, 400-415,
Cencius Savelli, Kardinal (Honorius III., 567, 706, 708f.
Papst) 316f., 405, 577, 631 Chronographie, byzantinische 300, 707
Cenocephali s. Kynokephalen Chronologia Magna s. Paulinus Minorità
Ceylon (Sri Lanka) 75 Chronologie 404, 447, 511, 514f., 518, 567,
Chalkedon 62, 657, 670 704
Chalkedonenser (Anhänger des Konzils Chryse und Argyre 63, 69
von 451)298, 303,670 Cicero, Somnium Scipionis 187, 189, 279,
Chaldaea 61, 67, 276, 364, 541, 574, 673f. 350, 433, 538, 587
Cham (Ham), Noachide, und Hamiten 29 f., Ciclades s. Kykladen
53,64, 117,349,364,501,637 Cilicia s. Kilikien
Chartres, Schule von 47, 108, 110, 147f., Ciprus s. Zypern
191 f., 357-359, 438 Circuitus 346
Chazaren 303 Circuii (terrae, Gürtel der Erde) 323, 346,
ChelatoderAhlat 582 448,588
Chersona 654 Circulus arcticus/antarcticus 469
Chester 46,711 Cirtes 469
Chiliasmus 707 Cisopoli 309
China, Chinesen 28, 57, 75f., 79, 122, 130, civitas refugii s. Refugii civitas
168, 181, 211, 221, 326, 341, 477, 585, Claudius, Kaiser 410, 421
655, 712, 716f., 728 Claudius Clavus oder Clausson 165
Register 749

Claudius von Turin 573 Dalmatien 56, 59, 180, 285, 409, 601
Clemens V., Papst 342 Dalorto oder Dulcert, Angelino s. Angelino
Clima Egyptiorum, Ethiopum, Francorum, Damaskus 63, 105, 140, 147, 359, 490, 568,
Grecorum, Indorum, Ierusalem, Roma- 582,656-658,693,717,728
norum 45 Damiette 58, 65, 580f., 657
Clonfert 485, 590 Dan 306, 364, 568
Cnoyen, Jacobus s'Hertogenbosch 516 Danaer (Griechen bei Homer) 159, 167, 181,
Cochlaeus, Johannes 645 306,310
Colchos 61 Dänemark, Danorum terra, auch Dacia 59,
Collatio regni et sacerdotii 571 65, 100, 146 f., 158-160, 162, 167, 171 f.,
Colombo, Colobo 374 181, 221, 306, 409, 474, 727-729
Colonia vgl. Köln 60, 171, 579 Daniel-Vision betr. sich verschlechternde Pe-
Colosseum (Rom) 606 rioden und Weltreiche 71, 106f., 156,
Colossus 618 246, 545, 550, 573, 611, 659, 663, 709
Columban 411 Dante 120, 175, 184, 279
Columbus s. Kolumbus Danubius s. Donau
Columnae Herculis 58 Danzig 494
Comestor s. Petrus Comestor Dares Phrygius 41
Constantinopolis s. Konstantinopel Darius III. (Achämenide) 680
Corasme s. Chorasme Datierungsprobleme 431
Cordoba 60, 152,636,654 David, König im AT 685
Corinthus s. Korinth David, König von Indien, Sohn von Israel
Cornwall-Fragment 375f., 378, 380, 395, und Urenkel von Priester Johannes 581 f.
442,631 Davids-Turm in Jerusalem 693
Corpus Christi 101, 197, 234, 239, 255, 423, Decapolis 568
427, 429, 435, 442f., 509, 634, 697 Decusa 654
Corsica s. Korsika Deduktive Methode 97, 153, 179
Cortona-Karte 397 Deklination (Vermessung) 213
Costanza 183 Decretalen und Kanones 349
Cottoniana, angelsächs. Karte Cott. Tib. B. Decretum Gelasianum 453
V. 40, 54, 56, 58-63, 65-67, 100, 124, Decretum Gratiani 93, 116, 186, 317, 352,
126-130, 134, 167, 260f., 288, 306f., 309, 573, 576
359, 387, 397, 418, 425-427,444, 537, 542, Delos 38, 60, 80, 98, 100, 154, 158, 236,
554, 568, 599, 607, 610, 615, 652, 660- 359, 363, 567, 654
664, 666-668, 673, 689, 700-702; Tafel Delphi 66, 80, 236, 363
16; Zonenkarte der Cottoniana Tafel 17 Denkmal mit Kreuz 17
Crescas, Abram und Jafuda, mallorquinische Denkmäler 713
Juden 20,28,96, 174,222 Derbes 616
Creta s. Kreta «Descriptio Alsatiae» 635f.
Cumania s. Rumänien «Descriptio mappae mundi» des Hugo von St.
Curtius Rufus 522 Viktor 546, 554, 627, 720
Cylades s. Zykladen descriptio orbis (Lc 2) 84, 87f., 92, 111, 153,
Cyprus s. Zypern 237, 351,623-646
descriptio Theutoniae 635f.
Dach als Siedlungssymbol 561 «Descriptio Europae Orientalis» Anonymi
Dacia, Dakien, Daker, caput Europae 65, von 1308 304
100, 140, I58f.,162, 167, 180f., 276, 285, Destombes, Marcel 17A, 54, 144, 161, 194,
306,310, 538 274, 286, 293, 311, 382, 438, 446, 450f.,
Dagestan 582 538
750 Register

Detailkarte 226 Dreikönige, hl. 28, 374, 553


Deutscher Alltag 632 Dreikönigslegende 193
Deutscher Orden 175 Dreiecke 133
Deutsches Reich 56, 146, 151, 160f., 288, Dreieckskarte 144
292, 418, 430, 568, 574, 601, 630, 729 Dreigeschosser 557
Deutschland-Karte 285 Dreitürmer 133
Deutschsprachigkeit 494, 641 Dreizinner 49, 104, 120, 122, 133, 177,
Devonshire 441 f. 557f., 723, 728
Devotio moderna 499 Droga = Troja 663
Diadochen 661, 704, 709, 716 Dschingis-Khan 77, 326, 582, 655
Dialogi Petri Alfonsi 355 f. Dublin 657
Diamerismos des Hippolytos 35, 78, 244, Dubrovnik (Ragusa) 216, 286
707 Dudovon Saint-Quentin 159, 167, 181, 306
Dichter 349 Duisburg 499
Didaktische Interessen in der Kartographie, Dulcert oder Dalorto, Angelino s. Angelino
vgl. Schulen 19, 21, 115, 135,425,696 Dunstable 489, 634
Dimensuratio Terrae 259 Durazzo, Dyrrhachion 216, 653
Dio Cassius 513 Durham 489,567,601,634
Diodoros Sikulos 242, 513
Diogo Cäo 642 Ebro 59, 158
Diokletian, Kaiser 421 Ebstorfer Weltkarte 21 f., 26, 30, 43f., 54,
Dionysius Exiguus 514,714 56-63, 65, 70, 88, 92, 101, 119, 123, 126,
Dionysios von Halikarnass 513 132f., 160, 168, 181, 197, 209, 214, 217,
Divisio apostolorum s. Apostelscheidung 236, 238f., 248, 255, 307, 319, 332, 344,
Dnjepr 180, 307,729 352, 370f., 375f., 378f., 382f., 385-388,
Dobaha 374 392-394, 415-431, 442f., 445, 486f.,
Dokumentarische Quellen 375 508f., 557f., 562f., 565, 568, 571, 605,
Dominikaner 55 607, 610, 620, 622, 631, 634, 660-664,
Dominikaner-Studium Köln 453 666f., 669, 679f., 695-697, 700-702, 727;
Don, Tanais 2 9 , 5 9 , 9 6 , 9 8 , 117, 157, 167, Kartenausschnitte Rom Tafel 50a; Arme-
180, 196f., 200, 209, 216 234, 236, 246, nien Tafel 50b; Jerusalem Tafel 50c
252, 255, 290, 305, 329f., 353, 384, 417f., Ectesifon s. Ktesiphon 654
458, 470, 484, 526, 553, 596, 600, 649, Eden, Garten, vgl. Paradies 227
669 Edessa 62, 654, 657 f., 661 f., 666f.
Donat, Tiberius Claudius 522 Edfu 76
Donau, Danubius 59, 66, 158, 162, 167, Edinburgh 645
180, 183 f., 306-309, 449, 470, 628, 729 Effraim 364, 568
Doncaster 489, 634 Egyptus s. Ägypten
Dongola 222 Eichstätt 643
Doppelsträngigkeit der Papst-Kaiser-Chroni- Eidotter-Gleichnis für Kosmos 46, 110, 141,
ken 401 f., 404, 714 191,358
Dordrecht 173 Einblattdrucke 295 f., 586
Douce, Francis 120, 724 Eingeschlossene Nationen Israels 332, 617,
Douce-Karte, fr. Brunetto Latini zugeschrie- 622, 690
ben 49,78, 104, 120-122, 175f., 184, Einhard 199,607
606, 721; Tafel 53 Einsträngigkeit 713
Dover 489, 634 Eismeer, nördliches 159
Drachen 429, 443, 487, 695 Ekbatana, Rages Medorum, heute Hama-
Drehbarkeit der Portulane 104, 212, 492 dan 62, 581 f., 651, 658, 660, 666f.
Register 751

Ekkehard von Aura 507 Erdteil-Größe 649


Ecken der Erde, kanefot, anguli terrae 73, Erdteile, Kontinente, drei oder - nach Krates
349, 440 von Mallos - vier 29f., 64, 94, 232, 283,
Elagabal, Kaiser 707 464, 473, 503
Elamiter 182 Erdteil, vierter 63, 68, 507, 526 f.
Elbe 173f., 183, 220, 407 Erdteilgröße im Verhältnis zueinander bei
Elbing 173 Augustin 649
Elefanten 471,474 Erfahrungswissenschaft 20
Elemente 533 Erfurt 644
Elias 68, 440, 484 Erhard Etzlaub 494f., 640f.,644, 646; Tafel
Elia, Weissagung aus dem Hause des (Lehrer) 76-78
514 Erhard Ratdolt, Drucker, s. Ratdolt
Elias von Dereham 143 Erkennungsmarke 206
Eliopolis s. Heliopolis Erläuterungstext 721, 725
Elisabeth 106 Ermessensentscheid 317,323
Ellipse 127 Erodocus = Herodot
Elsass. s. Alsatia 152, 276, 603 Errerà, Carlos 380f., 398 f., 678
Empirie 97 Erythräisches Meer 210
Empyreum 615 Eschatologie 280
Enea Silvio de'Piccolomini (Pius IL, Papst) Eschuid,J., Drucker 296
153, 279-283,458,640 Escodius 406
End-Prophetie 580, 582 Esra IV., jüdische Apokryphe 30, 98, 128,
Engel 213, 692,695,697 194, 209 (fälschlich Henoch benannt),
England 44f., 54, 56, 105, 140, 145-147, 233, 319, 353, 473, 475, 567, 635
167 f., 176, 213, 221, 286, 288, 292, 297, Estense-Karte s. Modena-Karte
382, 386f., 422, 425, 444, 474, 554, 558, Estland 172
562, 567, 570, 632, 678 f., 693, 706, 717 „Estorie" 22, 89, 226
England-Karte des Matthaeus Parisiensis 45, Etappenstätten 419
57, 97, 153, 488f., 633 f., 676; Tafel 40 Ethiopia s. Äthiopien
England, Könige von, Genealogie 30 Ethna mons (Aetna) 364
Englische Kartographie 415-431, 673, 701 Ethnographie 711
Enoch (Stadt in Asien) 654 Etrusker 72
Enos s. Henoch und Elia Etymologiae oder Origines, vgl. Enzyklopä-
Entdeckerzeit 476 die Isidors 25, 38, 234, 254,
Entgrenzung 341 Etzlaub, Erhard s. Erhard
Enzyklopädische Weltkarten im Chroniken- Eugen, Prinz 603
typ Imago Mundi 20, 24 f., 28, 48, 82, Euphrat 36, 62, 76, 232, 256, 349, 364, 470,
154, 234, 264, 273, 281, 289, 415-431, 485, 487, 509, 541, 549, 588f., 631, 674,
499, 705 695, 697
Ephesus 62, 364, 657, 674 Eurasien 573, 728
Epigraphik 375-399 Europa 26, 29f., 52, 59f., 64-67, 75, 81-83,
Epirus, 180,601 94, 100, 106 f., 117, 137, 144, 146, 149-
Epitome Ovetensis 257 164, 167, 179 f., 187, 196 f., 200, 209 f.,
Equitania s. Aquitania 216, 232-234, 236, 247, 249, 251, 256,
Eratosthenes 138, 186, 202, 348, 356, 587 262, 273, 275f., 283, 285, 290, 305, 329f.,
Erdbodenfarbe, Landfarbe 125 335, 349, 351, 359, 361, 364f., 393-395,
Erdkugel, Globus sphericus 82, 141, 452 418, 428, 432, 435, 458, 470, 484, 487f.,
Erdkugeloberfläche 462-481 492, 501, 504, 519, 526, 537, 553, 556,
Erdrückseite 463, 531, 545 563, 567, 574, 578, 585, 587, 590, 596,
752 Register

599, 602, 624, 628, 639f., 642, 649, 652f., Fernost, vgl. Ostasien 222, 327, 536, 581,
656-658, 668 f., 688, 705, 709f., 725f., 729
728 Festlandskarte mit Kompass-Benutzung 494
Europa als Mann 52, 106, 162 Festlandswiedergabe 125, 129
Europa-Karte 41 f., 149-164, 515, 600, 629; Festungsarchitektur 558, 698
Tafel 20 figura 114
Europenses 150 fila regnorum, Jahresspalten der Herrschaf-
Eurozentrik 536, 557, 689, 692f., 700 ten 708, 714
Eusebios von Kaisareia 36, 91, 94, 244, 247, Filioque (Glaubensbekenntnis) 670
268-270, 318, 324, 368, 403, 513, 554, Fillastre, Guilleaume d.Ä., Kardinal ( t ' 4 2 8 )
649, 664, 686, 708f., 718 31, 165, 465 f., 481, 529-531
Eutrop 249, 513 Finnischer Meerbusen 172 f., 176, 184
Evangelienharmonie betr. Lebensdaten Chris- Finonia 171
ti 514,518 Fischer, Jürgen 149, 152
Evesham, Karte von 558, 563 f., 658, 660, Fison s. Phison
662-664, 666f., 698, 700, 703; Tafel 60 Flachland 723
Evilath 276 Flächenvorstellung 117
Evolution 482 Flaggen, Flaggenkunde 206-223, 698
Exakte Kartographie 90f., 112,264 Flammengürtel 134, 199, 259
Exedones 617 Flandern 56, 170 f., 174, 221, 238, 276, 409
Exegese, vgl. auch Bibelexegese 179, 315, Flechtwerke 723
433, 500, 502,649 Fleuron-Muster 637
Exempla-Literatur der Mendikanten 281 Florenz 121, 173, 175f., 295f., 489, 641,
Exkursionen auf Missionsreisen 713 712,723
Exodus (2. Mose) 42 Florenz, Staatsarchiv 170, 217, 309, 490
Eybron s. Hebron «Flores Temporum», Minoritenchronik 269
Ezechiel, Prophet 37, 68, 91, 237, 247, 362, Florilegium 570
382, 440, 550, 567, 584, 599, 652, 668, Floras 249
685f., 691,696, 699f., 709 Flüsse 124, 464, 722, 728
Fluss-Delta 728
Fabelwesen, vgl. Monstren 47, 57 Foresti, Jacobus Philippus von Bergamo 53,
Faccio, G . C . 380 f., 389 f. 217,280,640
Fälschung 153f., 311-323 Fortschritt, Fortentwicklung 482f.,
Fahnen, vgl. Flaggen 206-223, 373 Fortunatae Insulae 63, 285
Fahnentücher als Geländedarstellung 131 Forum Iulium (Rom) 606
Faksimilierung 717 Fra Mauro s. Mauro, Fra
Falkenemblem 583 Francesco Balducci Pegolotti s. Pegolotti
Farbgebung auf Karten 49, 112-136,470, Francesco Berlinghieri s. Berlinghieri
720, 722 Francesco Rosselli, Florenz 641
al-Farghani 477 f. Franken, Frankenreich 140, 150 f., 160, 248,
Fasciculus temporum s. Werner Rolevinck 273, 301, 459, 575, 614, 662f., 705f., 714,
Fatimiden 303 716
Fauna 133 Frankengeschichte 400-402
Faxi oder Fare am Schwarzen Meer 216 Frankenkönige 157
Felsendom steht für Jerusalem 133, 685 Frankenvölker (Lateiner) 401
Feodosia 216 Frankfurt 613
Fergana 581 Frankreich, vgl. Gallien 105, 146, 160f., 216,
Fernhandel 264 218, 222, 276, 285, 288, 292, 387, 409,
Register 753

411,418, 422,470, 529, 574,601,630, Gautier oder Goswin von Metz 30, 290, 295,
717,723, 729 619
Franzosen 66,297,716 Gautier Dalché, Patrick 386, 481, 529, 569A
Französische Enzyklopädie 724 Gäzän Khan 336
Frechulf von Lisieux 252,258 Gebäudesymbole, vgl. Architektursym-
Fredegar 159 bole 275, 387, 650, 657, 723
Freiburg im Üchtland, Fribourg 636 Gebirgedarstellung 121, 129f., 723, 728
Freie Reichsstädte 460 Gegenfüßler s. Antipoden
Freisinger Macrobius-Karte, vgl. Macro- Gegenpäpste 105, 717
bius 539, 588; Tafel 11 Geisteswissenschaft 112,226,498
Fretellus, Beschreibung von Jerusalem 612 Geländedarstellung 113, 119, 124, 130, 387,
Friedensreich 83 723
Friedenszeichen 206 Geldern 171
Friedrich I. Barbarossa 571,608 Gelehrtengeschichte 269, 281, 717
Friedrich IL, Kaiser 145, 147, 151 f., 203 f. Genesis 18,36,42,68, 115, 118, 168,227,
333f., 488, 582f., 656 231, 244, 282, 485, 498, 523, 573, 588f.,
Friedrich III., Kaiser 267, 456 631,660,695, 712
Frisia, Frixia, Friesland 171 f., 174, 176, 180, Genezareth, See, auch Galiläisches Meer 103
221,276 Genfer Sallust-Karte 307 f., 397, 698, 703;
Frigia s. Phrygia Tafel 66
Frisius, Gemma 499 Gent, Universitätsbibliothek, Lagerungsort
Fritzemeyer, Werner 149 von Lamberts «Liber Floridus» 41 f., 157,
Frondisia insula 616 200, 237, 360, 543
Frons Indie 471 Genua 20, 60, 66, 103, 170, 183, 207, 213-
Frühdruckzeit, -karten 53, 223, 639, 717 217,223,288, 373,490,658
Frühdruck-Statistik 265, 295f. Genuesische Ellipsen-Karte 27, 223, 287,
Frühhumanisten 663 322, 398
Frühmittelalter, vgl. Alto Medioevo 565 Geoffrey of Monmouth 573
Frühscholastik 345, 497 Geographie, Geographica 19, 24 f., 31, 94,
Frutolf von Michelsberg 301, 507, 513f. 149, 404, 448, 513, 567, 645, 706
Fugger, Hans Jakob 279 Geographike Hyphegesis ( des Ptolemäus
Fußbeschatter, Skiopoden 620 „Geographie") 433, 464
Geographus Ravennas s. Ravennas 41
Gabes 216 Geologische Karten 22
Gad 568 Geometrische Figuren 85, 132
Gades, Cadix 58, 195f., 235, 253, 361, 469 Gehon, Geon (Luther: Gihon), Nil 36, 58,
Galaad mons 568 232, 349, 485, 487, 509, 549, 588, 631,
Galatia 61 695, 697
Galicia 276, 285, 574 Georg Alt 280
Galilaea, vgl. auch Hl. Land 63, 276, 364, Georgien, Georgier 61, 96, 297f., 408, 470,
568; als Meer vgl. See Genezaret 568 581,670,682
Gallia/Francia, vgl. Frankreich 59, 166, 251, Gepiden 299, 302, 307
369,408,486,651,671 Gerasa 659
Gallia Belgica 59, 555 Gerbert von Aurillac oder Reims, (als Papst
Gandjak, Kandiz oder Siz 80, 236, 363 Silvesterll.) 191, 535
Ganges 43, 62, 182, 237, 251, 285, 429, 487, Gerard oder Girard von Arvernia oder An-
509,695, 712 twerpen 47, 54, 56, 58-63, 66, 109, 118,
Garamantum Terra, Garamantes 58, 469 128, 131, 133, 511, 602, 610, 694, 700,
Gascogne 437, 536 702; Tafel 45
754 Register

Gericht, Jüngstes 119,590 Gotische Malweise 388


Germanenreich 713 Gotische Textschrift 613
Germania, Alemania, Deutschland, Germa- Gotland 172
nen 59, 95, 166, 302, 404, 450, 459, 470 Gottesferne s. Babylon
Gervasius von Tilbury 25 f., 43f., 54, 92-95, Gotteslob 431, 498, 500, 604, 682, 695-698
97, 116, 151, 153, 186, 192, 310, 315-318, Gottfried von Viterbo 152, 192, 405f., 513
321, 331. 352, 378, 383, 406, 409, 422, Gough Map 398
424f., 430, 441 f., 511, 565-585, 603, 619, Grab Christi 634
705 f. Grabkapellen der Apostel 388,679
Gervasius Propst von Ebstorf 571 Gradeinteilung 464, 495
Geschichtsdidaktik s. Schule 226f. Grammatik (Triviumsfach) 85
Geschichtsenzyklopädie 224, 267 Granada 658
Geschichtsgemälde, Schauplätze 18, 496, Gratian, Dekret s. Decretum
711 Gravur 129
Geschichtskarte 225, 262, 430, 483, 497 Gräzismen 363-366, 652, 674, 690
Geschichtskategorien s. Hugo von St.-Viktor Gregor d. Gr. 409
Geschichtsschreibung, vgl. Historiogra- Gregor V , Papst 281
phie 625f., 648, 711,720 Gregor IX., Papst 303
Geschichtswissenschaft 224 Gregor X., Papst 47, 102, 342
Getuli 469 Gregorianismus 243, 257, 452, 565
Ghazni 581 Gregorios ibn al-'Ibri gen. Barhebraeus s.
Giacomo Filippo Foresti s. Foresti Barhebraeus
Gibraltar 156, 180,201 Greifswald 171, 173
Gihon s. Gehon Grenzkarten 648
Gilbertus Romanus 405 f. Grenzmangel 129
Giovanni da Carignano s. Johannes von Griechen, Griechenland, Hellas 20, 59, 65 f.,
Carignano 72,80, 132, 140 f., 151 f., 162, 166, 182,
Giovanni Leardo 27, 384, 398 186, 189, 210, 212, 227, 231, 276, 285,
Gitterkarte des Hl. Landes 491 297, 329, 354, 361, 408f.,411, 496, 505,
Globus Terrae 200, 238, 285f., 349, 361, 539f., 601, 619, 625, 636, 670, 727
543 Griechische Kosmographie 19
Gog und Magog und die Eingeschlossenen Griechische Schrift 363
Nationen 50, 63, 67-69, 200, 237 f., 246, Griechisches Meer 146
275, 334, 361, 369, 374, 425-427, 442, Grönland 108, 286, 642
487, 502, 509, 517, 538, 550, 567, 584, Großbuchstaben 613, 621 f.
635, 641, 653, 657, 673, 675, 679-682, Großkarten 375-399, 664, 669
690,692,695,697,701-703 Großkhan der Tataren 17, 276, 322, 336,
Goldene Horde, vgl. Rumänen, 340, 581,682
Kiptschak 222, 326,717 Grundmann, Herbert 11, 565
Goldinsel Chryse 235 Grüne Farbe 722
Goldminen 76 Guala Bicchieri, Kardinallegat (fl227) 382,
Goldschrift 125 387, 398,678
Golgatha 685 Guelfi 723
Gollwitzer, Heinz 149 Guido von Pisa 25, 30, 41, 45, 54, 56, 58-63,
Gonfanon 207,216,223 97, 101, 113, 124, 126-129, 131, 133, 153,
Gorgan 582 243, 252, 307, 347, 353f., 358, 366, 397,
Gorgoles 276 418, 430, 444, 511, 540, 555, 566, 600,
Goten, Gothi 167,248,303,410 653, 660-664, 666f., 675, 691, 702; Tafel
Gotien, Gothia 251, 276, 306, 538 27
Register 755

Guilleaume Adam O P 152 Heiliges Land, vgl. Palästina 36, 57, 64, 91,
Guilleaume Fillastre s. Fillastre 94, 133, 160, 215, 219, 246, 259, 262,
Guilleaume du Pré 120 271, 274, 312f., 315f., 325, 330, 349, 352,
Guilelmus Soleri 223, 309 368, 393, 413, 427, 488, 491, 500, 502,
Gundoforus rex 679 538, 550, 554, 564, 568, 573, 575, 639,
Gymnasien 264 647, 650, 652, 654, 657f., 672, 675, 686,
Gymnosophisten 618 689, 693, 696 f., 706, 729
gyrus 345-366 Heilig-Land-Karte, vgl. Hieronymus 57,
352, 427, 500, 502, 650, 672
Habesch = Abessinien, vgl. Äthiopien 65 Heiligkeit Kölns 446
Habesse = Abessinien, vgl. Äthiopien 52 Heilige Schrift s. Bibel
Habitaculum Magnum 679 Heilige Stätten 574
Habsburger-Aufstieg 635 Heilsgeschichte 20 f., 30, 34 f., 80 f., 87, 91,
Hadrian V , Papst 613 111, 117, 119, 137, 164,208,226-228,
haeresiarchipessimi, Häretiker 409, 671 f. 249, 268, 305, 333, 367f., 402f., 407, 432,
Hafenführer 210, 320 438, 441, 461, 463, 475, 502, 506, 523,
Hagia Sophia, Konstantinopel 301 551, 561, 628, 648, 661, 674, 683, 704
Hagiographische Literatur 28 Heinrich V , Kaiser 40f., 161, 357
Hain, Ludwig 286 Heinrich VI., Kaiser 608; Goldbulle Tafel 33
Halbjahrhunderteinteilung 715 f. Heinrich VII., Kaiser 313, 342
Halbmond-Emblem 216 Heinrich, Sohn Konrads III. 358
Hamadan s. Ekbatana Heinrich I. von England 46,49, 191,202,
Halle 557 355
Hamburg 171 f. Heinrich IL von England 571
Hamy, Ernst Theodore 172 f. Heinrich d. Jüngere, Sohn Heinrichs II. von
Handschriftenduktus 377 England 571
Hannan, Sohn eines Isaak 580 Heinrich der Seefahrer 194,492
Hans Pleydenwurff 640 Heinrich van Beeck 456-460, 560-562, 638
Hanns Rüst 296, 384, 398, 641; Tafel 75 Heinrich von Huntingdon 31
Hanns Sporer 641 Heinrich von Mainz, angeblich Maler der
Hanse 166, 174 Sawley Map, vgl. dort 40, 54, 56, 58-63,
Hansestädte 272 65 f., 100, 124, 126-131, 134, 168, 181,
Harran, Carrae 654, 656 f., 661 f., 666f. 261, 347, 357-359, 364, 366, 397, 418,
Hartmann Schedel 53-56, 58-63, 66-68, 80, 424 f., 428-430, 444, 541, 555, 567, 600,
107, 124, 127f., 131, 133f., 136, 263, 265, 654,675,692
269, 271, 278-286, 291, 293, 640, 644; Heinrich Steinhöwel, Ulm 270
Tafel 74 Helena, hl. 685
Harvey, Paul 607 Heliopolis, Eliopolis 657
Hebräer 77, 458f., 716 Hellas S.Griechenland
Hebräische Namen 427, 550 Hellenismus 137, 242, 330, 346, 366, 651,
Hebräisches Alphabet 614,617 671,692
Hebraica loca 36 Hellespont 180,235
Hebron, Eybron 63, 652, 689 Helperich (zu Köln) 632
Hecbatana s. Ekbatana Helya Capitolina = Jerusalem 693
Heiden 570 Helyas s. Elias
Heidengötter 272 Hemisphärische Karten 31 f., 41 f., 45, 108,
Heiliges Grab 634, 671, 685, 693, 698 139, 144, 157, 196, 198-202, 237, 253,
Heiliges Jahr 494 259f., 331, 351, 360, 416, 439f., 484, 508,
756 Register

521, 527, 544, 566, 588, 599, 629, 653, 384, 397, 401, 403-405, 418, 425, 427,
688f., 699 430, 433, 447, 477, 497, 501 f., 506, 513,
Henricus Martellus Germanus 165, 287, 524, 533, 538, 540f., 550f., 554, 579, 596,
641 f.; Tafel 72 599, 610, 649f., 652, 659-664, 666-668,
Henoch, Enoc (und Elias) 42, 68, 111, 440, 672 f., 686 f., 690 f., 701 f., 708-710, 713-
484, 508, 544, 551, 629, 654, 691, 701 718; Tafel 1 (Orient) und Tafel 2 (Palästi-
Henoch IV, jüdische Apokryphe, hier im na)
Text fälschlich für Esra IV. zitiert 209, Hieronymus Münzer 286, 640, 644
233 Hierosolyma S.Jerusalem
Heraklea 653 Hilarian 280
Herakleios, Kaiser 409 f. Hildebald, Erzbischof von Köln 446 f.
Heraldik 207,214, 386 Hilfswissenschaften, Historische 375-399
Herbipolis, Würzburg 579, 680 Himmelfahrtsrichtung 71, 111, 209, 367, 504
Hereford-Karte 22, 26, 30, 43 f., 56-63, 65- Hims in Syrien, Emesa oder Homs 326, 336
67, 88, 92, 101, 119, 123, 126, 133, 160, Hindu 363
168, 181, 214, 226, 236, 248, 307, 309, Hipparch 138,202,356
319, 332, 344, 359, 362, 375f., 379, 381- Hippo regius 58, 65, 276, 556, 600, 653 f.,
383, 385-387, 392, 394f., 418, 420, 423- 658
425, 428-430, 442-444, 487, 508, 542,
Hippolytos 35 f., 78, 211, 244, 707
558, 563, 565, 568, 601, 605, 607, 610,
Hircania, Hirkanen s. Hyrkanen
620, 622, 631, 658, 660-664, 666f., 669,
Hispania s. Spanien
677, 684, 695-697, 700-702, 723; Karte-
Hispania Ulterior = Westafrika 473
nausschnitte RomTafel 51a; Jerusalem Ta-
«Historia Brittonum» 409
fel 51b
«Historia Miscella» 300-302
Hericho = Jericho
«Historia Romanorum» 608, 610
Herkules-Säulen, columnae Herculis 158,
«Historia Scholastica» s. Petras Comestor
285,464,473
Historiographie, vgl.Geschichtsschrei-
Hermaphroditen 618
bung 85, 150,298-302, 514
Hermann von Reichenau 140, 145, 191, 535
Historische Geographie 623
Hermann Schedel 279
Historische Stätten 35
Herodot, Erodocus 86, 272f., 513, 619
Herrad von Landsberg, «Hortus deliciar- Hochmittelalter 432-443, 565
um» 25,32, 43, 54, 56, 137, 192, 511 Hölle 119,228
Herrscherkataloge 41 Hoheitszeichen 218
s'Hertogenbosch 499 Holland, Batavia, Holländer 59, 162, 171,
Heruler 299 221,273
Hesperides 469 Holle, L , Ulm, Drucker 295
Hessen 614 Holsacia 276
Hethum (Hayton) OPraem., armenischer Holzschnittverfahren 127, 129, 270, 274,
Historiker 316, 338-340, 717 277f., 280f., 283, 292, 345, 639
Hexahemeron, Sechstagewerk 271, 280, 516 Homer 662 f.
Hiberia, vgl. Iberia = Georgien 673, 681 Homer-Exeget 229
Hibernia, vgl. Irland 59, 285, 363f., 541 Homilien 28
Hierapolis, s.Jerapolis 371 Honorius III., Papst, vgl. Cencius 317, 382,
Hieronymus, Chronik, Ezechielkommentar 405, 577, 581
und Karten 24, 36, 44, 56-63, 65-67, 91, Honorius Augustodunensis, Enzyklopä-
94 f., 98, 100, 123, 159, 236, 244-249, dist 24, 32, 40f., 54, 94, 100, 115, 137,
252, 268-270, 273, 279, 301, 306, 312, 192, 243, 261, 299, 347, 357-359, 366,
315, 318, 324, 327, 349, 358f., 362f., 368, 404, 418, 422, 425, 430, 444, 511, 541 f.,
Register 757

551 f., 555, 566-569, 573, 584, 600, 612, Ilium vgl. Troja 659, 662f.,666
615,619, 654,664,675,692 Il-Khan-Reich in Persien 78, 105, 326, 336,
Horaz 146f., 279, 573 400, 705
Horezm s. Chorasmia Illumination von Handschriften 717
Horn von Afrika s. Afrika Illyrikum 180
Horrea Joseph (Pyramiden) 654, 657 imago mundi, Weltbild als Enzyklopädie
Horror vacui 100, 129, 154, 166, 180, 217, (Honorius Augustodunensis) und enzyklo-
235, 258,684 pädischer Weltchronikentyp 24, 70, 89,
«Hortus deliciaram» s. Herrad 115, 243, 345, 404, 706; auch Titel des
Hrabanus Maurus 268 f. Werks von Pierre d'Ailly 462-481
Hucker, Bernd Ulrich 378
incognitus (unbekannt, aber kognoszierbar)
Huesca 33, 191, 202, 354, 467, 540
519-532
Hugo Floriacensis 94
Indien, Inder 37, 61, 67, 75, 80, 96, 102,
Hugo von St. Viktor, u. a. Kategorienbuch,
104, 140, 146f., 176, 194, 200, 204, 223,
Archa Noe mystica, «Didascalicon» und
246, 250, 276, 284f., 298, 316, 331, 338,
«Descriptio Mappae Mundi» 22 f., 42 f.,
340, 361, 364, 367-370, 388, 422, 463,
52, 57-63, 65, 67, 85f., 88, 92, 94f.,
470 f., 473-475, 493, 510, 616, 622, 641,
118f., 154, 163f., 187, 225, 264, 268f,
651, 655, 659, 671, 679, 682, 705, 712
304, 306, 311 f., 348, 352, 385f., 405, 512,
India Tertia (Afrika) 581
514, 518, 546, 554, 562, 594, 627, 653,
675, 704, 714, 720, 722; die «Excerp- Indienfahrer 17
tiones» werden heute Richard von St. Vik- Indischer Ozean 121, 176, 195f., 200, 214,
tor zugeschrieben 221, 246, 285, 361, 471, 480, 493, 531,
Humanismus 54, 289, 345, 492, 498 638,642, 724, 728
Humbert von Silva Candida 301 Indisches Baumorakel 63
Humbert, Erzbischof von Arles 571 Indus 62, 470f.
Hundsköpfige, Kynokephali 618,620 Initialenkarte (Mela von Reims) 492, 519-
Hungaria s. Ungarn 532, 699,724
Hunorum Terra, Hunnen 248, 298, 301 f., Inkarnationsära 111, 269, 403,514,714, 716
307, 325,410, 427, 714 Inkunabelzeitalter 263-296, 345
Hydrographie 188, 195, 451, 516 Inlandzeichnung auf katalanischen Portula-
Hymnen 498 nen 491
Hyperborei Montes 450, 470 Innozenz III., Papst 405, 565
Hyrkanen, Hyrkanien 146 f., 180, 276, 335, Innozenz IV., Papst 326, 342, 382, 655
340,470,574, 589,616 Inquisition 192 f.
Inschriftenbeschreibstoffe 390 f., 470
Iberer (Kaukasusvolk), vgl. Hiberer 303, 670
Inseln 283, 387,422, 710
Iberische Halbinsel, vgl. Spanien 444, 630,
Inselkontinente 467
727,729
Inselschablonen 127 f., 274
Iberas, Ebro 59, 158
Iblys, Teufel der Moslems 80, 356, 602 Insula incognita 38, 99, 197, 256, 436, 507,
Ibn Haukai, Kartograph 78 526,597
Ibn Said 78 Insulae Brandani 60
Idealpläne (Bauten in England) 632 Inventarkarten (Listenkarten) 24, 40, 101,
Idrisi, Kartograph am Hof Rogers II. 19, 46, 103, 111, 118, 225, 429, 442 f., 466f., 509,
49, 67, 69, 78, 87, 110, 141, 177, 191 f., 639, 695
337, 347, 730; Tafel 30 Ipona s. Hippo
Idumea 276 Iran, vgl Persien, auch Il-Khanat 73, 78, 302
Ikonologie 89 Ircania s. Hyrcania
758 Register

Irland vgl. Hibernia 140, 146f., 213, 221, Istrien 606


235f., 250, 286, 389, 485, 548f., 556, 575, Italien, Italiener 56, 59, 97, 146, 151, 160,
590, 630f., 727, 729 195f., 207, 213f., 230, 235, 251, 285, 288,
Isaak, byz. Kaiser 572 292, 299, 364, 380, 387, 409, 418, 422,
Isachar 364, 568 430, 554, 568, 601, 630, 636, 705, 727,
Isfahan 581 729
Isidor von Sevilla, «Etymologiae», «De na- Italienische Portulane 165-178, 181 f.
tura rerum», diverse Karten 30, 32, 34, Itinerare 40, 74, 387, 418, 488f. (Apulien),
37f., 41, 54, 56, 58-63, 67f., 94f., 99, 561, 606 (Apul.), 634 (Apul.), 676 (Apul.)
102, 137, 150, 156, 158, 167, 190, 196, Iturea 276, 568
200, 234, 243, 248-254, 260f., 264, 268-
270, 272, 274, 288-290, 295, 299, 302, Jabbok 568
315, 323, 327, 344, 350f., 353f., 357, 395, Jacobus maior, Apostel 423f., 671
403 f., 416, 421 f., 424, 427, 430, 442, 444, Jacobus-Kult 369
446-450, 458, 473, 476, 483, 485, 497, Jacobus minor Alphaei, Bruder des Herrn,
500, 503 f., 506, 511, 517, 524, 526, 533- Apostel 369, 598, 671, 673, 685, 689, 701
535, 542, 554, 573, 589, 591 f., 596, 637, Jacobus de Acqui 24
650, 652, 659, 668, 670f., 687, 706, 710; Jacobus Angeli da Scarperia 464,637
Tafel 5 Jacobus Philippus Foresti s. Foresti
Isidor, speziell sogen, große Vatikanische Jahreszeiten, entgegengesetzte 46, 110, 141,
Karte von 775 38, 57, 99, 124, 126, 128, 201, 238, 260, 331, 361, 440, 442, 508,
132, 197, 255f., 351, 384, 418, 422, 436, 528,544,629
507, 526, 597, 650, 662-664, 666f., 672, Jakob I. von Aragon 214
687, 701 f.; Tafel 9 Jakob Twinger von Königshofen 456, 458 f.
Isidor, Knopfkarte (misslungenes Kosmos- Jakob von Vitry 272, 274, 325, 565-585, 681
bild) 253 f.; Tafel 7 Jakobiten 75, 298, 303, 670
Isidor, Kugelkarte als Kosmosbild 547-549, Jangtsekiang 712
587, 630; Tafel 8 Januspforten 83
Isidor-Karte der Viktoriner 385f.,391, 397, Japan 77
555, 653, 660-666, 691, 700, 702, 710; Japhet, Japhetiten 29 f., 53, 117, 152, 155 f.,
Tafel 28 349,363,458, 501,637
Isikol-See 374 Jean d'Antioche 572
Islam, insbes. Kartographie 77, 87, 324 f., Jean de Borgogne, Arzt in Lüttich 193
336, 346, 410, 694, 722, 727, 729 Jean de Mailly O P 715 f.
Island, bes. Kartographie 59, 65f., 108, 167, Jean Mansel 30, 99, 125, 155, 385, 398, 637
273, 276, 286, 470, 538, 575, 601, 654, Jenseits 485f., 533, 549
660, 662-664, 666f., 674, 692, 702, 727; Jerapolis 371,656,676,693
Tafel 35 Jericho, Hericho 63, 359, 364, 568, 652,
Islandfahrt 169 657,689
Isolarien 636 Jerasalem, Weltzentrum und Himmels-
Israel, bes. zwölf Stämme Israels (Ruben, Si- stadt 37-39, 41, 43, 45, 47, 50, 53, 63,
meon, Juda, Zàbulon, Ysachar, Dan, Gad, 69f., 75, 77, 80, 89, 91, 98-101, 103, 105-
Äser, Neptalim, Manasse, Effraim, Benja- 109, 113, 117, 132f., 140, 146-148, 159,
min,) 161, 359, 365, 407, 426, 541f., 568, 162f., 168, 196, 199, 230, 236f., 239,
575, 653, 661, 673, 685, 689f., 695, 701, 247f., 250, 256, 275, 283, 285, 298, 301,
705 f. 303, 306, 318, 324f., 330, 332, 341, 349,
Israel, Enkel von Johannes Presbyter 581 359, 362-364, 368f., 381, 383f., 403f.,
al-Istakhri 78 408, 411 f., 426-428, 459f., 490, 502, 509,
Ister, Hister 158 538-542, 547, 551-553, 566, 580-582,
Register 759

585, 595-602, 604-607,610-612,634, 700, 702; Tafel 37; Portrait des Johann
638-641, 643, 647, 649-653, 655-657, Tafel 38
659, 668 f., 671, 673-676, 681, 683-703, Johannes de Westfalen 463
709, 713, 717f., 727f. Johannes von Würzburg 297
Jerusalem-Pilger 680 Jona, Prophet 660
Joachim von Fiore 514, 580f. Jonische Naturphilosophen 64
Job 502 Joppe 52, 63, 691
Johanna, Päpstin 281 Jordan 63, 256, 364, 491, 568
Johannes der Täufer 106,685 Jordanes 252,298, 301
Johannes, Evangelist und Apostel 364, 369- Josaphat 693
371, 388, 503, 541, 671, 673f., 679 Josephos, Historiker 42, 268 f., 513
Johannes-Apokalypse 48, 686 Jubiläenbuch, Makkabäer-Zeit 71
Johannes Presbyter oder Priesterkönig 46, Juda, Reich 245
63, 65, 68 f., 103 f., 170, 193, 217, 219, Juda, Stammvater 568
221, 223, 276, 325, 333, 336f., 340-342, Judas, Apostel 370
372, 374, 492, 517, 581, 669, 681 f. Judas Ischarioth 423
Johannes VIII., Papst 300 Judas Thaddaeus, Apostel 369, 423
Johannes XXII., Papst 215,313,717 Judaea 42, 63, 248, 250, 276, 285, 364, 369,
Johannes XXIII., Papst 465, 529 598,659,671,673,688,691
Johann von Carignano zu Genua 28, 103, Judaismus 685
170-173, 181-183, 207, 217-220, 288, Juden 53, 75, 246, 324, 354, 575, 705, 709,
309, 339f., 373, 490f., 729; Tafel 56 716
Johannes de Cella, Abt 139 Jutland 173f., 176, 183, 213,491
Johannes Chrysostomos 272 Julius Honorius 421, 455, 544
Johannes de Columna 24 Junonia 276
Johannes Elemosyna 86 Jupiter 72
Johannes Eschuid, Drucker 290 Justinian L, Kaiser 298, 302, 410, 671
Johannes von Gmunden 644 Justinus 94, 249
Johannes von Hildesheim 193
Johann von Mandeville 19, 87, 155, 193, Kaaba in Mekka 77
341,442 Kabbala 513
Johann de Marignollis OFM 17f., 22, 55, 64, Kairo s. Babilonia 193, 547, 604
73, 88, 101, 336, 343, 711-713, 716f. Kaiser, römische 105, 161
Johann von Plano Carpini OFM 326 Kaiseridee 342
Johannes de Sacro Bosco 32-34, 50, 109, Kaiserliste 613
138, 192f., 202, 289f., 296,331 Kaiserreich, römisch-fränkisches 630, 714
Johannes Schönsperger, Drucker 282 Kaiendarien 30, 139, 538
Johannes Scotus Eriugena 191 Kalmarer Union 166
Johannes von Soltanijä O P 304 Kalvarienberg 697
Johannes Trithemius 280,513 Kamal, Youssouf 17A, 381 f., 678
Johannes von Udine OFM 50, 52-56, 58-63, Kambyses 42
66, 103 Kammermeister, Sebastian 279 f.
Johannes de Vico aus Douai 53, 107, 124f., Kanaan, Sohn Chams 64
128, 131, 133 f., 287 Kanarische Inseln 187
Johann von Wallingford OSB 34, 45, 54, 56, Kannibalen s. Menschenfresser
58-63, 65f., 78, 80, 109f., 117, 133, 137- Kanonische Schriften 23
148, 162, 202-204, 332, 335, 356, 384, Kanonistik 349, 570 f.
417, 467, 470, 488, 569, 583, 602, 610, Kanontafeln 244
656, 662-664, 666 f., 669, 675 f., 692-694, Kanones-Synchronistik 708
760 Register

Kanones, Eusebios-Hieronymus 713 Katalanischer Atlas 20, 28, 96, 140, 174,
Kap der Guten Hoffnung 642 183, 206, 222, 309, 373, 384, 480, 559,
Kapernaum 657 615,681
Kappadokien 61, 374, 671, 679 f. Katastrophen 91, 241
Karachaniden = Uiguren 75 Kategorienbuch des Hugo von St. Viktor 22,
Kardinalsübersicht 406 86, 224 f., 312, 512, 546,704
Karites = Krates 479 Kaufleute 80, 219, 264
Karl derGroße 27, 88, 150, 199, 412, 575, Kaukasus-Gebirge 48, 62, 95, 140, 180, 325,
607,714 365, 574, 582, 655
Karls d. Großen Hofkapelle 447 Kausalitätsprinzip 86, 117, 264, 408, 627
Karl IV., Kaiser 712 Kaysari, vgl. Caesarea Cappadociae 659
KarlMartell 411 Kedrenos 513
Kent 652
Karolingerzeit 191, 410, 450-452, 461, 575,
Ketten als Geländedarstellung 130
651
Ketzeraffaire desGervasius 570
Karte von Ste. Genevieve = Karte von Saint-
Kibla-Karte 78
Denis 30
Kieler Bucht 183
Karte von Ripoll, vgl. Theodulf von Orléans
Kiew 60, 66
s. Ripoll
Kilikien 61,276, 364, 470
Kartenformate im Buch 26
Kimerisches Meer 250
Kartenkopien 102
Kiptschak, vgl. Goldene Horde, Rumä-
Kartenpergament 720
nien 717
Kartentechnik 118,320-322
Kirchenbauten 556, 562
Kartenkorrektur 322 Kirchen- u. Konzilsgeschichte 105, 649, 683,
Kartenzentrum 363, 668, 681 708, 717
Karthago 38,47, 58,65,70,99, 116, 132f. Kirchenlehrer 349, 570
199, 249, 251, 256, 259, 276, 285, 354, Kirchenrecht 349, 570 f.
364, 407, 417, 469, 557, 596f., 600, 602, Kirchenschisma 1054 301
604, 610f., 650-655, 657-659, 663, 666f., Kirchenschmuck 88
683,688,691, 705, 709 Kirchenunion 1274 342
Karthago Magna in Europa 364 Kirchenväter 189, 349, 365, 496-518, 596
Kartentheorie 311-323 Kitai, vgl. Catay = China 96
Kartographenschule Wien-Klosterneu- Klassische Gefäße, Rahmen 649
burg 638 Klassische Plätze 667
Kashgar 581 f. Klein-Armenien = Kappadokien 75, 340
al-Kashgari 75, 80, 110, 131, 367 Kleinasien, Asia provincia oder Asia mi-
Kaspisches Meer, auch Kaspische Berge oder nor 61,97, 162,285, 364, 368 f., 371 f.,
Kaspische Pforte 51, 62, 73, 75, 77, 90, 575, 638, 657, 671, 673, 676, 679, 693,
95f., 104, 117, 121, 140, 147, 182, 195 f., 727, 729
200, 230 f., 237, 250, 275, 285, 330, 337, Kleinbuchstaben 621
350, 354, 361, 371, 427, 429, 451, 470, Klemens von Alexandrien 513
509, 531, 538f., 567, 616, 618, 657, 676, Kleve, Herzog von 496, 499
679, 681, 690, 693, 727, 729 f. Klimatenkarte 32-36, 45f., 68, 75, 78, 81A,
Kastilien, Kastilier 59, 105, 218, 221, 717, 109 f., 117f., 137-148, 155,202-204,291,
723 329, 332, 335, 355f., 416f., 448, 462-481,
Katalanen (bei Portulanen besonders Mallor- 493, 566, 573, 583, 602, 656, 675, 693,
quiner) 20, 78, 121, 124, 127 f., 133, 165- 711
178, 183, 206, 214-223, 321, 398, 401, Kloos, Rudolf M., 390
510, 559, 728 f. Klosterbibliotheken 497, 669, 710
Register 761

Knoepfli, Dr. Albert, 485, 586-592 Konya 582


Knopfkarte (Isidor) 253 f. Konziliaristen 465
Koberger, Anton 280, 282, 296 Konziliengeschichte 105, 269, 281, 453, 649,
Koblenz 558 f., 563f., 612-622 683,708,717
Koblenz, Beatusberg 613 Kopenhagen 645
Koblenz, Kartause 612 f. Kopievorlage 725
Koblenzer Monstrenkartographie 612-622; Kopten 298, 670
Tafel 46-48 Koran 426
Kodikologischer Befund 724 Korea 76
Koelhoffsche Chronik von 1499 456 Korinthus, Korinther 60, 245, 553, 555, 651,
Köln, Colonia, Stift und Stadt 66, 158, 183, 653f., 661, 666f., 709
218, 270, 279, 295, 318, 359, 444-461, Korsika 60, 67, 235, 250, 285, 539, 727
552-564, 568, 638f., 654, 656-659, 664, Kosmas Indikopleustes 73, 89, 124-126,
666 128, 130, 132, 190, 231, 250, 253, 350,
Köln, St. Aposteln 632 504, 524, 589; Tafel 4
Kölner Dombibliothek 196, 323, 446, 450- Kosmos, lat. mundus, Kosmos-Karten 435,
452 444, 451 f., 463, 484 f., 496, 502 f., 533-
Köln, Unter Hutmacher 632 551, 591, 612-622, 625, 631, 650, 688
Kokand 581 f. Kosmographie 73, 186-205, 279, 433, 450,
Kolchis 574 452,454,464,496-518, 567
Kolmar 635 f. Kosmologie 89, 358, 367, 404, 415, 731
Kolumbus, Christoph 194, 210, 223, 287, Krakau 659
494, 510, 531, 561 Krates von Mallos 32, 38,42, 108, 137, 155,
Kompass 20, 79, 90, 103, 111, 116, 168 f., 186-205, 229, 253, 328, 343, 350f, 360,
175f., 181, 184,211,223,264,308, 316, 416, 418, 424, 433f., 451, 463, 477, 479,
320f., 337, 348f., 373, 425, 482, 489f., 503, 521, 525, 528, 531, 538 f., 543, 587,
494, 509, 569, 645, 681, 718, 725f. 629f., 712, 731
Kompilator 279 Kreis, Kreisform, Kreissymbol 90, 127, 179,
Komputistik 362, 404, 406, 447, 567 218
Konrad IL, Kaiser 606 Kreta (Candia) 60, 67, 140, 146f., 235, 250,
Konrad III., König 358 276,285
Konservativismus 482, 569, 576, 646 Kreuzauffindung 686
Konstantin der Große 189, 504, 524, 649, Kreuz als Emblem 17,207,216,583
685 f. Kreuzmystik 73
Konstantinische Schenkung 408 Kreuzform der Ozeane 343, 712
Konstantin IV. 411 Kreuznimbus 443, 697
Konstantinopel, vgl. Byzanz 38, 50f., 60, 66, Kreuzzüge, Kreuzzugszeit 40, 65, 67, 69,
68, 90, 99, 105f., 108, 140, 147, 152, 159, 104, 151, 160, 182, 215, 243, 257, 298,
185, 189, 199, 216, 236, 259, 286, 303 f., 302f., 307, 318, 324f., 330, 333, 338, 342,
307, 337, 354, 363 f., 411 f., 445, 490, 541, 346, 352, 362, 365, 368, 370, 405, 411,
553, 555, 557, 597, 600f., 603f., 610, 611, 425, 428, 502, 507, 540, 542, 546, 550,
636, 650-652, 654, 656-658, 663f., 666f., 559, 568, 573, 579-585, 599f., 606, 611,
674, 688, 691,716f. 627, 650, 652, 655, 662, 668 f., 674, 685 f.,
Konstanz, Konzil 465, 481, 529, 531, 637 690, 693, 700, 716; bes. 5. Kreuzzug 65,
Konstanza 140, 147, 656 104, 579-585,655
Kontinuatoren, Fortsetzer des Sigebert 714 Krim 158, 182f., 727
Konturenzeichnung 124 Kristallhimmel 614
Konventionelle Farbgebungen 112-136, 684 Kroaten 152
Konventionelle Zeichen 112-136, 722 Ktesiphon, Ectesifon 654, 658
762 Register

Kugelgestalt der Erde 19, 31-33, 46, 70, Land- und Seekarten 623
72f., 78, 89f., 110, 117, 137, 155, 179, Landolfus Sagax 300
186-205, 229, 252f., 260, 262, 284, 305, Landrecht 624
327, 331, 347, 350, 416, 440, 479, 481, Landsberg, M., Drucker 296
501, 503, 505 f., 524 f., 531, 587 f., 590, Landschaftsmalerei 125
629f., 712, 731 Lang, Georgjoseph Christoph (1755-1834)
Kugelkarte Isidors, sphärische Karte 144, 612
254, 485, 506, 526 Langobarden 248, 301 f., 409f., 601, 714
Kugel-Symbol 90,351 Langohren 620
Kulturgefälle 278 Laniania 276
Kulturgeographie 626 Laodicaea 62
Kulturelle Karten 22, 89, 116, 226 Laon 555
Kulturwissenschaft 112 Lapsi, D. de, Drucker 295
Rumänien, Cumania, vgl. Kiptschak, Gol- Larissa 653, 656f.
dene Horde 52, 96, 105, 146f., 316, 338, Laster 723
340,470,717 Lateinischer Ptolemaeus 464
Kupferstichverfahren 292 Lateran 88, 577
Kurfürsten 281, 636 Latiner 245, 709
Kurie (päpstliche) 407 Latini s. Brunetto
Küstendarstellung 128, 135, 261, 264, 285, Latium 575
707 Lavinia 158, 653
Küstenhandbücher 103, 206, 211 Lazarus 52, 106 f.
Küstenhinterland 309 Lazen, Lazarum gens (Kaukasus-Volk) 303,
Kürzel (Paläographie) 613 670, 674
Kykladen, Ciclades insulae s. Zykladen Leardo, Giovanni s. Giovanni Leardo
Kynokephalen, Hundsköpfige 617 Legenden, l a t tituli 112,721
Kyros 407 Legendenlosikeit, stumme Karten 49, 104,
122, 176, 184, 336f., 719-731
Laktanz 189, 194, 279, 350, 503f., 524 Lehrzweck, vgl. didaktische Zwecke oder
Lambert von Saint-Omer, Autor des «Liber Schulzwecke 23, 80
Floridus» 21, 25, 32, 34, 41 f., 47, 54, 56, Leicester 489, 634
58-63, 65 f., 82, 101, 108, 124, 126-129, Leiden, Universitätsbibliothek 42
131, 133, 137, 144, 149-164, 188, 191, Leif Eriksson 108
198-202, 205, 237f., 243, 260f., 331, 347, Leipzig 296, 640
360f., 366, 397, 416, 430, 445, 479, 484f., Leitfossilien (in der Paläographie) 621
500, 507 f., 511, 527f., 542 f., 545, 547, Leithäuser, Joachim G. 17A, 381
551, 555, 566, 588, 591, 600, 610, 615, Leo III., Papst 411
624, 628, 653, 660-664, 666f., 674f., 691, Leon, Erzbischof von Ochrid 301
699, 701 f.; Augustus-Karte Tafel 21 ; Leon 105, 717
Europa-Karte Tafel 20; Gentes-Karte Ta- Leonardo Dati aus Florenz 28 f.
fel 22; Spera Macrobii Tafel 23; Globus Leptis Magna 58, 65, 657 f.
Terrae Tafel 24; Hemisphäre des Martia- Le Puy, Bistum 465
nus Tafel 25; Gotische Hemisphäre aus Le Rouge, P., Drucker (Paris) 295
Leiden Tafel 26 Lexikographie 520
Lamory = Sumatra 193 Letzte Dinge 280
Landau, Peter 321 Libanon 62
Länderschablonen auf Frühdruck-Kar- Libanus Mons 568
ten 275 «Liber excerptionum» (von Richard von St
Landfärbung auf Karten 723 Viktor, früher Hugo zugeschrieben) 25
Register 763

«Liber de existencia riveriaram» 569 Ludwig IX. (hl.) von Frankreich 207, 212,
«Liber facetiarum» 571 320, 326, 401A, 411
«Liber Floridus» s. Lambert von Saint-Omer Lübeck 25, 53, 173, 176, 267f., 270, 277,
«Liber generationis», lat. Form der Hippoly- 295, 636, 639f.
tos-Chronik 707 Lüneburg 210, 378, 558
Liber pontificalis 406 Lüttich 555
«Liber de tribus maximis circumstantiis» s. Lucan, Pharsalia 29, 86, 573
Kategorienbuch des Hugo von St. Viktor Lukas, Evangelist 21, 82, 84, 406, 439, 624
«Libro del conoscimiento» 206, 221 f., 373f. Lukas Brandis 270
Libya, Libyen (bisweilen synonym für Afrika) Luna 599, 616,652
58, 64, 81A, 201, 247, 251, 276, 361, 469 Luzifer 146
Libysche Wüste 65 Lycia 61
Liegnitz, Wahlstatt bei 145, 583, 655
Lydia, Lyder 61,245, 709
Liguria 470
Lydgate, John, (fH50) 48
Lilius, Zacharias 290
Lykaonien 61, 369,651,671
Lineal und Zirkel 363
Lyon 295, 326, 342, 407, 411, 557, 601, 654
Lincoln 380, 601
Listen, vgl. Inventare 24, 40, 43, 86, 118, 225
Litauen, Litavia 221, 276 Macedonia, Makedonien, Makedonen 59,
Literaturwissenschaft 416, 709 65, 70, 156, 180, 245f., 249, 251, 276,
Litterati als Kartennutzer 119, 135, 153, 626, 364, 369, 407, 514, 575, 601, 611, 641,
662, 72! 651,661,671,704,709,716
Liturgie 30, 670 Machtwanderang 70 f.
Livius 72, 279, 407, 520, 522 Macrobius, Cicero-Kommentator 32, 38,
Livland, Livonia 172, 273, 276, 285, 574 108, 124, 126 f., 137, 141, 155, 188-192,
Livres dou trésor vgl. Brunetto Latini 25, 194-196, 201, 203, 205, 229f., 237, 253,
184, 723 260, 289, 290, 296, 327, 329, 346, 350,
358, 360, 433, 438, 446, 450-452, 463,
Loca, in quibus res gestae sunt (Kategorie)
467f., 476, 483, 497, 503f., 513, 516,
42f., 86, 88, 154, 187, 225, 264, 304, 594
524f., 538f., 543f., 551, 554, 587f., 598,
Locus als georteter Raum (Albertus) 454
619, 630, 651, 660 f., 664, 666 f., 688,
Locatelli, P., Drucker 295
701 f., 712; Macrobius-Karte aus Freising
Löslein, P., Drucker 295
Tafel 11 ; Macrobius-Karte der Kölner
Löwe als Symbol 210,221,605
Dombibliothek Tafel 10; Macrobius-Karte
Löwen 296, 499
aus Oxford Tafel 12
Loire, Ligeris 59, 558, 562
Lombardei 106, 140, 147, 162,286,606, Madaba-Karte 71, 132,687
Maditania 276
608, 636
London (u.a. British Library), Londi- Madrid, Nationalbibliothek 221, 707
nium 60, 128, 138 f., 144, 173, 319, 445, Mähren, Moravia 276, 307, 407
486f., 489, 558, 634, 652, 657 Maeotides Paludes s. Asowsches Meer
Lorväo (Portugal) 370 Maghreb 77
Lot 175 Magnetbergfabel 79
Lothar III., Kaiser 643 Magnetstein 233
Lothringen, Lotharingia 273 Magog filius Japhet 677
Loxodromische Linien 103 f., 106,211 Magyaren 325
Lucca 599, 652 Mahomet, Sultan von Chorezm 582
Ludwig der Fromme 151,447 Mailand, Milano 52, 60, 270, 370, 553, 602,
Ludwig der Bayer 606, 608, 643 653
764 Register

Mainz, Erzbistum und Stadt 60, 66, 133, Marino Sanudo 51, 104, 171f., 182,215,
156, 173, 358 f., 445, 457, 459f., 555-559, 313, 319, 337, 339, 491, 559, 606, 717
563, 568, 623, 637, 639, 654, 664, 666 Marinos von Tyras 138, 202, 348, 356
Majestas-Gestalt 698 Marmara-Meer 167, 180, 539
Majuskelschrift 390-392, 395 f. Maronea 653
Makkabäer-Zeit 71, 246 Maroniten 298
Makrokosmos 435 Marseille 286, 557
Malaga 78 Martianus Capella 42, 46, 85, 108, 110, 141,
Malazgirt 75 144, 157, 188, 190f., 194, 201-203, 205,
Mallorca, Mallorquinische (Katalanische) 229f., 238, 253, 260, 327, 329, 346, 350,
Portolane 20, 165-178, 183, 206, 214- 361, 416f., 421, 433, 439f., 451, 484,
223, 235, 309, 321, 491, 510, 559, 728f. 524 f., 545,619
malum (Apfel) 346 Martin Behaim 285f., 640
Mamelucken 105, 336 Martin von Troppau O P 281, 400-414, 433,
al-Ma'mün-Kartographie 730 513, 577,631
Manasses 364, 568 Märtyrer-Akten 403, 408
Manegold von Lautenbach 191, 452 Marvels of the East 617
Manfred (Staufer) 723 Massageten 574, 616
Manko 721 Maßangaben 464
Mansel s. Jean Mansel Maßstab 19
Manuel, Kaiser von Byzanz 69, 581 Massudi 78
Maphrian der Jakobiten 75 Mater Ecclesia 106
Mappa Mundi, Begriffserklärung und Trak- Mathematik 279
tat Paulins 51,94, 114, 313 f., 339, 352, Mathilde, Kaiserin, Gemahlin Heinrichs
400, 625 V. 40f., 54, 357
Marcellinus Comes 298,513 Matthaeus, Apostel 369, 374, 423f, 671,
Marcia 606 680
Marco Polo 30, 32f.,102, 326, 336, 338 Matthaeus Palmerius aus Florenz 25, 270,
Marcus, hl. 213 513, 715
Markuslöwe 207 Matthaeus Parisiensis OSB 44-46, 54, 56-
Mare Amasoneoram 276 63, 65 f., 69 f., 97, 102, 110, 113, 124, 126,
Mare Caspium s. Kaspisches Meer 128, 131, 133f., 137-148, 151, 153, 161 f.,
Mare Galileae / Tiberias / Genezaret 63 203-205, 207, 288, 332-334, 370-372,
Mare Mortuum 63 384, 387, 397f., 414, 417f., 425, 444, 467,
Mare Persicum 62 488, 556, 562 f., 569, 577, 583, 602, 604,
Mare Rubrum 62 606f., 610, 633f., 655, 660, 663f., 666f.,
Mare historiarum, Chronikentyp 24, 403, 676, 692f., 702; Weltkarte Tafel 39; Eng-
706 land-Karte Tafel 40; Apulien-Itinerar,
Margarita Decreti des Martin vonTrop- London, Tafel 41a; Apulien-Itinerar Rom,
pau 413 Tafel 41b
Marianus Scottus 403, 513 f. Matthäus-Christen 217
Marienbild auf Karten 106,213 Matthias, Apostel 369, 423 f., 598, 671, 673
Marienburg 645 Matthias Palmerius aus Pisa 270, 715
Marienverehrung 685 Mauer als Siedlungssymbol 561
Marignola s. Johannes de Marignollis Mauerzinnen 622
Marmion, Simon, s. Simon Marmion Maureninvasion 54, 140, 146,469
Marmorkreuz auf dem Scheitel der Erde 712 Mauretanien 5 8 , 6 4 , 2 5 1 , 2 8 5
Marinelli, Giovanni 438 Maurikios, Kaiser 410
Register 765

Mauro, Fra, aus Murano, Camaldulenser 27, Merlin 409


37, 163, 175, 285, 287 f., 385, 398, 722 Meroe 58, 469, 556, 599, 651, 654, 657 f.,
Mauro Castro 216 688
Meath 387 Merseburg 271
Mebressis, A. de, Drucker 295 Mera, Götterberg der Hindu 80, 236, 363
Mecia de Viladestes 223, 309 Mesember 309, 363
Media, Medien oder Medo-Perser (Wel- Mesopotamia 61, 364, 368, 371 f., 410, 422,
treich), auch Chaldäer 61, 70, 227, 245, 574,651,674
273, 276, 285, 514, 575, 660f., 663, 704, Messias-Glaube 400
716 Metallgravur 107, 127, 310
Med iceischer Atlas 397 Meteorologie 567
Mediolanum s. Mailand Metropolis Syriae 651
Meditationes 496-500 Metropolitan-Einteilung 92
Medizin 279 Metz 555, 562 f., 656, 666, 716
Meer, Meergestaltung 124-126, 211, 464,
Metzer Weltchronik, vgl. Jean de Mailly OP
718, 722
25, 715, 725f.
Meeresbuchten, Ozeanbuchten 451, 534
Micena s. Mykene
Mehrtürmer 133, 723
Michaeas oder Micha, Prophet 82, 624
Mehrsträngigkeit 713
Michael Wolgemut 279 f., 640
Mehrzinner 133
Mikrokosmos-Makrokosmos 52, 92
Megasthenes, Ethnograph 619
Miller, Konrad 17A, 19A, 44, 144, 421 f.,
Meilenberechnung, -skala 486, 638, 645
593,625,684
Mekka 52, 62, 67, 78, 80, 122, 177, 184,
Ming-Dynastie 326
236, 337, 363, 490, 580, 657, 666, 682,
Miniaturen 725
728
Minoriten 55 f., 221,269
Mela, Pomponius 465, 481, 530
Mela-Karte von Reims 31, 384 f., 397, 465, Minuskelschrift 390- 92, 395, 397 f., 622
492, 519-532, 699f., 703; Tafel 63 Mirabilia mundi oder Romae 25, 407, 409,
Mela-Karte, Vatikanische, vgl. Pirrus de 441 f., 517,609,713
Noha 124-126, 128 f., 131, 134, 175, Miscomini, A., Drucker 296
286f., 466, 469, 493; Tafel 61 Misena 273, 276
Melanchthon, Philipp 513 Missgebildete s. Monstren
Melchisedech 572 Missionsreisen von Christen 80,95, 154,
Melilla 216 205, 219, 310, 369, 408, 528, 574, 671,
Melkiten 670 713
Memorierhilfe 23, 227, 627, 639 Mitteleuropa 284, 645; Tafel 73
Memphis 42, 58, 657 Mittellatein 346
Mendikantenhistoriographie 268 Mittelmeer 20, 29, 48, 73, 90, 96, 98f.,
Mendikantenmissionare 336, 655 103f., 121 f., 156, 179-181, 185, 195,
Menorca 235 200f., 207, 209, 230f., 234f., 238, 250f.,
Menschenfresser, Kannibalen, Anthropopha- 255, 285, 290, 308, 320-322, 325, 330,
gen 426, 574, 617f., 622, 638, 697 350f.,361, 384, 387, 416, 422, 451, 458f.,
Mentelin,J., Drucker 295 466, 470, 484, 491, 509, 526, 534, 537,
Meragheh 581 f. 539, 541, 553, 575, 596, 599f., 602, 679,
Mercator, Gerhard 496-518 691,699,707,709, 727,729
Mercator, Runold 515-517 Mittelrheingebiet 614
Mercator-Projektion 495, 497 Modena-Karte in der Estense 27, 174, 223,
Meridional-Ozean, Ozeangürtel, vgl. Oeea- 287, 398, 492, 494, 500, 509f.; Tafel 67
nus meridianus 484, 503 Modernisierung der Nomenklatur 93
766 Register

Moesia, Mösien 59, 167, 180, 246, 298, 306, Mythologie 78 f., 149
650 Mythos 711
Moesta Mundi bei Orosius 501, 595, 709
Mogontiacum s. Mainz Nabataea 61
Mohammed 50, 77, 410, 580, 601 Naddaber 680
Mönchskarten 496-518 Nägelmale 697
Mönchtumsbewegung von Ost nach West 71 Naher Osten 669, 674, 691, 707
Mond, luna 210 Namengerüst 23
Mone, Franz Joseph 593 Namen-Modernisierung 93, 317, 320, 577
Mongolen (Tataren sind Teilstamm dersel- Namenlisten 627
ben), Mongolei 17, 77, 52, 57, 67, 95 f., Narbonne, Narbona 158, 216, 354, 645, 653
102, 104, 145-148, 152, 170, 192, 203 f., Nationen, eingeschlossene 635
276, 285f., 304, 324-344, 372, 400, 411- Naturkunde 24, 253
413, 426, 476f., 488, 517, 579-585, 655f., Nautik 444, 636
679, 681 f., 700f., 705, 712, 716f. Navarra-Kolleg, Paris 465
Monophysiten 670 Navarresen 297
Mons Aliarioram 276 Navigationsanleitung 36
Mons Alpharye 276 Navigatio S. Brandani 547, 586-592, 630
Montes Armeniae 470, 673 Naxos 158 f.
MonsAuri 276 Nazareth 52, 63, 82, 364, 637, 657
Mons Calesti 276 Neapel, Neapolis 60, 296, 645, 658, 714
Montes Riphei, vgl.Riphäische Berge 62 Nebukadnezar 545
Monstren 43f., 46, 6 9 f . , l l l , 129, 140, 147, Neiße 640
237, 272, 276, 282 f., 332, 341, 365, 424, Neptalim 365, 568
429, 437 f., 442 f., 487, 507, 509, 531, 574, Nestorianer 74, 190, 193, 231, 298, 303,
612-622, 635, 641, 681, 696, 701, 727 580, 583,655,670
Monstrenkarte vgl. Koblenzer Monstrenkarte N T (Neues Testament) 33, 268, 368 f., 503,
Montpellier 216 523, 550, 554, 612, 663, 674, 686
Monumental-Legenden 375-399 Neuseeland, Inselwelt 501
Moravia vgl. Mähren 276 Newark 489, 634
Mosaik-Karte vgl. Madaba 71, 132 Newcastle 489, 634
Mosel 555, 642 Niacetum 657
Moses bar Kepha 74f., 81A, 110, 127, 722 Nibei, gens Nibie, vgl. Nubier 677, 680
Moses Chorenatzi, Armenien 5. Jh. 69, 74 Nibia civitas 680
Moses Sephardi = Petras Alphonsi 354 Nicaea, Nikaia 62, 653, 691
Moskau, Moscovia 53, 60, 66, 276, 285 Nichtlateinische Legenden 185
Moslems, vgl. Araber, Sarazenen 75, 153, Niedersachsen 132, 168
168, 210, 221, 247, 302, 347f., 373, 412, Nikephoros Gregoras 74, 156, 513
535, 580f., 685, 694, 699, 714 Nikolaos von Damaskus 242
Mossul 74, 110,582 Nikolaus IV. OFM, Papst 342
Münster, Sebastian 163 Nicolaus Germanus OSB 165, 643
Münzer, Hieronymus 286, 640, 644 Nikolaus von Kues 640-642; Mitteleuropa-
Mukkadesi 78 Karte Tafel 73
Mundlose 620 Nicolaus de Lyra 268 f.
mundus, Welt im Sinne von Ksomos 444, Nikomedien, Nicomedia 276, 639, 658
450, 496, 502, 523, 533, 625 Nicosia 547
Murano 163, 175 Nil 29, 37, 65, 76, 98f., 117, 157, 179,
Mutterkirche Jerusalem 685 196 f., 200, 209, 234, 236, 246, 250-252,
Mykene 245, 656, 709 255, 285, 290, 305, 329f., 353, 384, 417f.,
Register 767

458, 470, 484, 490, 526, 553, 596, 600, Norton 380
649,662 Norwegen, Norwegia 59, 65, 140, 146 f.,
Ninive 62, 67, 582, 637, 650, 652, 654, 159, 168, 172, 174, 273, 276, 286, 409,
657 f., 660, 666 f., 669 427,474,488, 538,729
Ninus 245,457, 709,713 Notitia dignitatum (Staatshandbuch) 421
Nippur 363 Novalese, Kloster OSB 150
Nisa (Parther-Hauptstadt, heute Turkmeni- Nowgorod, Nogardum 60, 66, 171, 173,
stan) 654, 657, 661, 666 f. 176, 285 f., 729
Nisan 654 Noyon 160
Nitritische Wüste 679 Nubien, Nubier, vgl. Nibien 219, 222, 336,
Noe 67,459,487, 573, 705f. 340, 373 f., 469, 580, 670, 678-680, 682
Noes Arche 226-228, 369, 371, 563, 628, Nürnberg 278-286, 293, 296, 494, 637, 640,
637, 650, 654, 657, 671, 677, 679-681, 644 f.
696 Numidia, Numidien 58, 251, 469
Noachiden, Noe-Nachkommen, Noachiden-
Kontinente, Noachiden-Karte 28, 33, 35, Obtritorum Holsatia 276
64, 85, 97f.,101, 115, 117, 154f., 168, Occidens 149
179, 187, 190, 204, 208 f., 226, 229, 233, Oeeanus meridianus, vgl. Meridional-
244, 246, 255, 272, 281-284, 290, 314, Ozean 199
349, 435, 452, 463, 473, 501, 530, 541, Ochsenhaut als Beschreibstoff 212
573f., 578f., 707, 720 Octogora 656 f.
Nomadenvölker 77, 655 Oder 182, 407
Nomenklatur historischer Stätten 35 Odilo, Herzog von Bayern 190
Nomina Sacra 391 Ökumene (bewohnte Welt, lat. terra) 20, 42,
Nordafrika 133, 177, 219, 337, 490, 639, 82, 100, 117, 204, 229, 253, 432f., 435f.,
727,729 438f., 444-461, 463, 465, 473, 475, 480f.,
Norden als links gelegen 71,502 483, 485, 496, 502-504, 506, 524, 530,
Nordeurasien 728 536, 543, 584, 588f., 625, 628f., 665, 673,
Nordeuropa 67, 159, 165-178, 264, 306, 688
359,422, 428, 574, 730 Ökumene-Darstellung, -Karte 29f., 35, 41,
Nordlande 515, 537 99, 115, 118, 123, 137, 155, 166 f., 186,
Nordleute 140, 334 194, 197, 204, 209, 233, 235, 291 f., 305,
Nördliches Eismeer 507, 724 329, 415, 424, 438, 456, 471, 488, 553,
Nördlingen 278 594, 601, 647-667, 672, 685, 695-698,
Nordostasien 130 709, 712, 731
Nordpol 485, 516,588 Ölberg 693 f.
Nordsee 121, 162, 166, 183,214 Ösel 172
Nordung 56, 70, 72, 76-78, 80, 109, 111, Österreich 389
138, 363, 468, 488, 493, 541, 588, 652, Ofen 645
674, 690 Offenbarang Johannis, vgl. Apokalypse 686
Nordwestung 38, 609, 688 Oguzen 705
Nores 307 Ollandia s. Hollandia 273
Noreya = Norwegen Olisbona (Lissabon) 60
Norikum 180 Oliver von Köln bzw. Paderborn 325, 340,
Normandie 727 580-582
Normannen 64, 79, 159, 169, 181, 211, 273, Olympus 60,67, 135, 158
306, 347, 411 f., 575 Olympiadenrechnung 716
Northallerton 489, 634 omnes gentes (Mth. Ende) 523
Northampton 489, 634 Ona-Karte des Beatus 370
768 Register

Onomastikon (Eusebios / Hieronymus) 36, Ostsee 121, 166, 174, 182f., 214f., 218-221,
318,368, 502,649,708 727
Ophir 63, 69, 276 Ostturkestan, heute Xinjiang 581
Opicinus de Canistris 52-54,66,70, 124, Ostung 38, 56, 70-72, 76, 78f., 83, 98, 109-
128, 162 111, 117f., 138 f., 156,209,232-234,267,
Orale Quellen 570, 572, 705 275, 312, 360f., 367, 536, 541, 588, 675,
orbis (Begriff) 346, 349 688,705, 722
Orchon-Becken 582, 655 Ost-West-Wanderung (Macht, Christentum,
oriens = Ostrom 149 Studium, Mönchtum)70f., 106f., 119,
Oriens Christianus 110 163, 227f., 249, 352, 367, 578, 599, 665,
Orient 243,618,717 705f., 710f., 717
Orient, Vorderer 661 «Otia Imperialia» des Gervasius, vgl. Gerva-
Orientation 49, 70f., 75, 232, 368, 504 sius 570-579
Orient-Karte, vgl. Hieronymus 36, 502, 650, Otranto 653
672 Ottonen 537
Otto IL, Kaiser 412
Originalkarten der Antike 625
Otto III., Kaiser 281
Originalmaß auf Pergament 632
Otto IV., Kaiser 316, 378, 571 f., 575, 705
Orkney-Inseln, Orcades 168, 230, 522,
Otto d. Kind, Weifenherzog 378
538 f., 575
Otto von Freising 26, 86, 225, 280, 405, 514,
Orosius, Paulus 26, 37, 42, 52, 54, 56-63,
627, 635
65, 67, 83, 86, 91, 94f., 99, 128, 156f.,
Ottokar II. von Böhmen 613
241f., 248-250, 252, 260f., 268f., 271,
Oval 117
279, 288, 312, 315, 317, 319, 338, 354,
Ovid 573
365, 395, 403, 406-408, 421 f., 473, 497,
Oxford, Bodleian Douce 319, s. Bodleian
500f., 512f., 535, 537, 576, 595f., 611,
Douce 319
626, 649, 651, 663, 673, 687f. 709f.; Albi-
Oxford, Bodleian Library 724
Karte Tafel 3
Oxford, Minoriten 516
Ornamentik 132
Oxford St. John's College, Karte von 1110
Ortskategorie s. loca in quibus
43, 100, 236, 347, 361-366, 384, 396, 426,
Orthodoxie, griechische 670
444, 541, 555, 566, 600, 610, 652, 660,
Ortsnamenbänder an Küsten 308
663 f., 666-668, 674, 676, 690, 692, 694,
Ortsnamenglossar s, Onomastikon 700-702, 721, 724; Tafel 19
Oslo-Fjord 173 Oxus 62,616
Osma-Karte des Beatus 39, 372, 437 Ozean, Weltozean 75, 96, 195, 436, 462-
Osmanen 68,97,210, 307 481, 484, 526, 534, 614, 692, 720
Ostafrika 184, 219, 327, 336f. Ozean-Einbuchtungen (vier) 90, 121, 127,
Ostasien vgl. Fernost 67, 336, 477, 578, 701 230 f., 253,330,350,475, 539
Ostchristen 117, 135, 145, 155,202,231, Ozean-Geheimnisse 590
297, 300, 302, 329, 342, 346, 356, 367- Ozeangürtel vgl. Äquatorial- und Meridional-
374, 580, 668-682, 722 gürtel 188, 229, 253, 305, 327, 416, 433,
Ostertafeln 24 451,463,521, 539, 553,712
Osteuropa 65, 159, 179-185, 284, 407, Ozeankreuz 343
573f., 655, 729 Ozeantheorie 201
Ostgoten 248, 301, 405, 410, 714 Ozeanverständnis, transzendental 591
Ostindien 463
Ostmittelmeerraum 297, 669, 699 Paderbomer Epos 150
Ostrom vgl. Byzanz, Konstantinopel 298 f., Padua 640
409f., 572, 713 Padus, Po 59
Register 769

Paläographie 375-399, 678 Parthia, Parthien, Parther 61, 67, 285, 368,
Palaiologenzeit 625, 470, 574, 661,671,680, 704f.
Palästina, vgl. Heiliges Land 40, 45, 63, 244, Partikularkartographie, vgl. Regionalkarto-
256, 276, 318f., 352, 364, 422, 539, 542, graphie 143, 179,208,625
553, 574, 651, 657, 659, 686f., 695, 707, Parasie-Erwartung 36, 704
709,728 Pasch, Georges 206, 214f.
Palästina-Karten, vgl. Hieronymus, Pietro Passau 557
Vesconte 215 Paste, Romualdo 380, 398 f.
Palastsymbole 133 Patmos 47, 60, 67
Palimpsest-Karte aus St. Gallen s. St. Gall- Patras 103
ener Palimpsest Pariarchalkreuze 373f.
Palibotra 654 Patriarchat 662
Palmerius s. Matthaeus P. aus Florenz und Patriarchenserie 48
Matthias P. aus Pisa Patristik 570,685
Pamphylia 61 Patron der Seefahrer 590
Panda, Sogdierstadt 677 Paulinus Minorità, Autor der «Chronologia
Panegyrik 151 Magna» und «Satyrica Historia» 25, 5 1 -
Pannonia, Pannonien 59,180,407 63,65-67,78,92-97, 105f., 1l5f., 121,
Paphlagonia 61 126, 129, 131, 153f., 185f., 269, 288, 302,
Paphos 657 312-315, 319-322, 339, 341, 352, 383,
Päpste, Papsttum, vgl. Gegenpäpste 17, 401, 511, 559, 578f., 584, 603, 606f.,
105f., 145, 151,683, 717 609f., 664, 698, 716-718, 720-722; Tafel
Papst-Kaiser-Chronistik 23, 103, 269, 400- 54
414, 577,627,631, 705,714 Paulus, Apostel 213, 364, 369, 423f., 541,
Papstkatalog 514 597 f., 651,671,674, 689
Papstlisten 613, 714 Paulus-Briefe im N T 66, 661
Paradies 17, 37-39, 42-44, 47f., 68, 71, 73, Paulus Diaconus 300f., 406, 573
75, 80f., 89f., 98, 108, 111, 118, 141, 158, Pausverfahren 19
163, 168, 181, 201, 209, 227f., 231, 233, Pavia 52, 162,599,652
236-238, 251, 256, 260, 282, 331, 349, Pax orbis terrarum SPQR 83
359, 365, 367f., 381, 383f., 424, 428f., Pegolotti, Francesco Balducci 31, 264 f.
440, 459f., 484f., 487, 504, 508 f., 533, Peking 55
535f., 538, 541 f., 544, 547, 549, 551, 567, Pelagius I., Papst 409
589, 591, 629, 631, 634, 637, 639-641, Pelagius, Legat 580
686, 688-692, 694-699,701-703, 712,727 Pella 661
Paradiesflüsse (vier) 36-38, 41, 43, 50, 63, Peloponnes 727
68, 77, 89, 99, 232, 237, 250-252, 256, Pentapolis 276
282, 354, 359, 428f., 484, 509, 588-590, Pergamenthandschrift 724
692,695, 712 Pergamon 62, 188, 229
Paris, Parisius 60, 66, 140, 147, 216, 218, Periöken, Perökenkontinent, Periöku-
295, 359, 445, 555, 557 f., 562, 568, 602, mene 201, 229, 331, 350, 361, 435, 463,
605, 654, 656, 658 473,477,503,521,531,631
Paris, Bibliotheque Nationale 42, 173 Periplus des Erythräischen Meeres 210
Paris, Navarra-Kolleg 465 Persepolis 62, 557, 654, 657 f., 661, 663,
Paris, S t Viktor 715 666 f.
Paris, Universität 463 Persia, Persien, Perser 61, 67, 80, 96, 102,
Parmenides 587 161, 176, 184, 221, 245, 247f., 250, 276,
Parnassus 60 285, 301, 326, 363, 368, 409f., 486, 490,
770 Register

575, 580, 582, 641, 655, 661, 671, 685, Phönix, Vogel 275,410
704f., 709, 714, 716f., 728 Photios 619
Persischer Golf, Arabischer Golf 73, 76, 90, Phrygia, Frigia, Phrygien 61, 276, 370, 654,
127, 230f., 250, 285, 330, 350, 451, 539, 656
642, 676, 693, 728 Physikalische Karten 22, 89, 112, 208, 226,
Personen als Kategorie 23 626
Personenverband 623 Pico della Mirandola 279
Petrapolis 276 pictura, tabula, und scriptura 23, 25, 52, 89,
Petrarca 279 91, I14f., 153, 314,420
Petrus, Apostel 364, 369, 423 f., 541, 597 f., Pierre d'Ailly 34, 49f., 80, 109, 124, 127f.,
651,671,674,676,689 131, 133, 138, 140, 193f., 204, 291, 296,
Peter IV. von Aragon 169, 211 356, 397, 462-481, 493, 500, 510f., 529-
Petrus Alfonsi, zuvor Moses Sephardi aus 531, 619; Tafel 62
Huesca 33, 46, 49, 80, 109, 117, 138, Pietro d'Abano 192
140, 191 f., 202, 347, 354-357, 365 f., 396, Pietro Querini 175
417, 444, 467, 540, 555, 566, 675, 722 Pietro Vesconte aus Genua, Kartograph zu
Petrus Comestor, Autor der «Historia Scho- Venedig 28, 49, 51, 57, 67, 78, 95, 104 f.,
lastica» 50, 103, 268 f., 572, 705 121f., 124, 126, 128f., 131, 136, 171 f.,
Petras Roselli 175 182, 215f., 219, 288, 308, 313, 316, 319,
Peutinger, Konrad 603 330, 337, 340, 352, 373, 397, 491, 559,
Peutingeriana Tabula 19, 123, 127, 186, 305, 584, 658-660, 662-664, 666f., 681 f., 698,
396, 419, 427, 486, 495, 505, 557, 593, 700, 703, 717f., 726, 729; Heilig-Land-
603f., 610, 642f., 662, 693f., 701 f.; Karte Tafel 55
Ausschnitte Rom und Jerasalem Tafel 34a Pikten 634
und Tafel 34b pila 346
Pfalz 614 Pilgerwegbeschreibungen, -Itinerare, -Kar-
Phalek 272 ten 74, 113, 123, 153, 192, 553, 595, 607,
Phantasievogel 678 645, 671, 685f.
Pharao 42 Piperis Silva 568
Pharus-Turm in Alexandria 22, 662 Pirrus de Noha 80, 107, 125, 127, 163, 175,
Philadelphia 657 183, 286f., 384f., 397, 466, 469, 471, 480,
Philistium 276 493, 640, 699f., 703; Tafel 61
Philippus, Apostel 335, 369-371, 388, 423, Pisa 213f., 216, 359, 490, 568, 602, 654
656, 671,676, 679 f., 693 Pisana, Portulankarte 28, 169f., 215, 373,
Philipp (?), fanzösischer König 385, 387, 678 397, 569
Philipp II. August (1180-1223) 381, 678 Pisaner Konzil 465
Philipp III. le Hardi (1270-1285) 381, 385f., Pison s. Phison
399, 678 Pius IL, Papst s.Enea Silvio
Philipp I V , der Schöne (1285-1314) 342, 381 Planeten 474,614,622
Philipp der Schöne von Habsburg 53, 107, Planiglob 200, 350, 448, 587
125 Piatina, Humanist (eigtl. Bartolomeo Sacchi)
Philippus Foresti von Bergamo s. Foresti 513,640
Philosophen, heidnische 349 Platon 186, 192, 350,454,587
Philosophie 279 Pleydenwurff, Hans und Sohn Wilhelm 278-
Phison, Fison, Pison (Paradiesfluß) 36, 62, 280, 640
232, 237, 251, 349, 485, 487, 509, 549, Plinius, sen. und jun. 49, 187,272, 350, 421,
588,631,695,697, 712 473f., 477, 505, 513, 522f., 573, 619
Phoenicia, Phönizien, Phönizier, vgl. Pu- Plutarch 71, 513
nier 61, 187,691 Poggio Bracciolini 279
Register 771

Poitiers 359, 568, 654, 657 f. Preise beim Buchdruck 294


Pol 199,213, 253 Pressburg 644
Pol-Inseln 517 Preußen, Prussia 59, 65, 171 f., 276, 285,
Polarkarte 196 412
Polarkreis 448, 587, 630 Presbyter Johannes s. Johannes Presbyter
Polar-Ozean 118, 200, 229, 343, 350, 416, Priscian, Periegesis 40, 260f., 537
433,451,463,467, 521, 539,712 Privilegium Minus von 1156 623
Polarzonen 117, 195, 229, 237, 435, 439, Profangeschichte 649, 683
449, 521, 543, 589 Prologus in mapaf !] mundi vgl. Paulinus 94
Polibotra, Polibocra 657, 679 Prognostik 472
Politische Kartographie 22, 89, 208, 226, Projektion Mercators 495, 497
648,723 Propheten des AT 502, 605
Polus australis 469 Prosper von Aquitanien 268-270, 279, 513
Polus septentrionalis 469 Prosper Tiro 713
Polonia, Polen 59, 65, 221, 276, 285, 304, Protokartographie Amerikas 641 f.
309,325,407, 412, 574,640 Provincia, Provence 140, 286
Polybius 513 Provinciale Romanum 92, 316f., 412, 573-
Polychronicon vgl. Ranulf 25, 46, 92, 711 577, 584,631,710
Pomegaria, Pommern 172, 276 Provinzgrenzen 111, 115
Pompeius Trogus 242, 704, 706 Prussia s. Peußen
Pomponius Mela 94, 289, 291, 295, 421, Psalterien 28, 695
465, 481, 519-532; vgl. Tafel 61; Tafel 63 Psalterkarte von London 43, 54, 56, 58-63,
pomum 346 65, 101, 124, 127, 129, 131, 133, 160, 197,
Ponente ( = Westen) 220 236f., 248, 255, 288, 332, 362, 380, 397,
Pontrefact 489, 634 418, 424f., 428-430, 442-444, 486f., 500,
Pontus 247 508 f., 557,561 f., 568, 589, 604, 656, 660-
Pori Domus 658 664, 666f., 669, 676f., 692, 695, 697,
Porte Nibie 654 700-702, 726f.; Gemälde Tafel 42; Inven-
Porticus Vipsania 625 tar Tafel 43
Portugal, Portugiesen 69, 105, 221, 288, Pseudo-Kallisthenes 41
476,492, 531,640, 717 Pseudo-Clemens 580, 582
Portulankarten 20, 49, 52f., 90, 103f., 106, Pseudo-Ptolemaeus 477-479
124, 128, 131, 133f., 153, 156, 159, 165- Pseudo-Turpin 573
178, 181-183, 185, 206-223, 264, 287f., Ptolemäus 19, 30, 53, 72-74, 87, 89, 98,
308, 311, 320-322, 337, 348f., 373f., 383, 125, 132, 134, 138, 165f., 183, 186, 189f.,
397, 401, 415, 425, 430f., 456, 466, 482, 194, 202, 289, 295 f., 337, 345, 348, 350,
489, 509, 559, 565, 569, 636, 638, 648, 353, 356f., 365, 410, 421 f., 433, 455f.,
681, 698, 700, 707, 717f., 725-730 464, 468, 471, 474, 476f., 493, 503, 513,
Postklimaten 470 f. 529-531, 539, 615, 629, 637f., 640, 642
Postverkehr 19, 168 Ptolemäus-Karten 49, 53, 75, 122, 156, 175,
Pozzuoli 717 204, 276, 278, 284-286, 291, 471, 481,
Präfiguration der Schöpfung 707 625
präkolumbische Zeit 462 Ptolemäus, «Geographike Hyphegesis» 637
Prag 173,712 Ptolemäus-Dracke 466, 480
«Pratica della Mercatura» s. Pegolotti Ptolemäus-Renaissance 74, 80, 113, 138,
Praxis-Bezug 19f., 87, 179, 186f., 208, 226, 163, 165, 185, 210, 309, 356, 465 f., 497,
348, 383, 425, 444, 486, 490, 635 500, 515, 520, 532, 559, 593, 637, 641,
Pré, Guilleaume du 724 654, 699f., 728, 731
Pré, J. du, Drucker 295 Ptolemäus-Ubersetzung 510
772 Register

Ptolemäus von Ulm 293, 640 Ravennas, Geographus 252, 299, 307, 353 f.,
Ptolemäus, Almagest 513 421
Punier-Reich, vgl. Phönizier 663 Ray 582
Pygmäen 517 Realistik in der Malweise 685
Pyrenäen 60, 158, 160,630 refugii civitas (Asylstadt im AT) 364 f., 541,
Pythagoreer 186, 350 563
Regensburg, Ratispona, Ransburg, Raines-
Qaraqoram 326 f. burg 460, 567, 579, 654, 664, 666
Qazvin 582 Regentenfiguren auf Karten 275
Qom 582 Reger, J., Drucker 295
Quadriviumsfächer 85, 264, 463 Regino von Prüm 258,513
Quaternionen der Reichsstände 281 Regionalkartographie, vgl. Partikularkarto-
Qubilai 336 graphie 97, 113, 143, 179, 208, 376, 623,
el-Quds (Jerasalem) 699 625, 632
Quinquageneneinteilung 715 f. Register, alphabetisches 281
Quo vadis bei Rom 608 regnum et sacerdotium 712
Reich, römisch-deutsches 444-461
Radkarte vgl. TO-Karte 274 f., 291, 329 Reichenau 635
Räderbuch, Liber Rotarum Isidors 447 Reichsapfel 82, 360, 624
Radulphus de Diceto 44 Reichslandstraßenkarte 494, 645
Rages Medoram (Ecbatana) 654, 660, 666f. Reichsstädte 446, 456, 459
Ragusa, heute Dubrovnik 216, 286 Reichsstände 281
Rahmenlosigkeit bzw. Rahmung von Kar- Reichsverwaltung 186
ten 108, 134,348 Reims 160, 465, 492, 519, 555, 557, 654
Ralph Niger 573 Reimser Mela-Karte, s. Mela-Karte von
Ramesse 654 Reims
Randa, Alexander von 11 Reiseführer 18 f.
Randherrschaften 705 Rekognitionszeichen 206
Ransburg = Regensburg 654, 666 Rekuperationspolitik 577
Ranulph Higden OSB 25, 46, 53 f., 56, 58- Religiöse Karten 89, 226
63, 65, 67-69, 92, 102, 124, 126-129, 131, Repromissionis Terra, s. Terra Repromissio-
134, 288, 307, 372, 384 f., 387, 397, 444, nis
491 f., 558, 562, 564, 658, 660-664, 666f., Repräsentationsgeschenke 212, 214
681, 698, 701 f., 711; große Weltkarte Ta- Retabel 697
fel 58; kleine Weltkarte Tafel 59 Retrospektive Inkarnationsära 83
RasTd al-DTn 78, 97, 400, 705 Reusia 273
Raszier 670 Reugio 276
Ratdolt, Erhard, Drucker 284, 295 Reval, Kloster OCist. 412
Ratispona s. Regensburg Reynold, Gonzague Comte de 149
Raum als Gliederangsprinzip der Rhabanus s. Hrabanus
Geschichtsschreibung 570-579, 704 Rhein, Rhenus 59, 161, 173f., 183f., 220,
Raumbewusstsein 628, 684 251,273,354, 449,628,642
Raumvorstellung in Verbindung mit Zeit 22- Rhetorik 85, 224, 264, 626, 723
24, 224-263 Rhodanus, Rhone 59,251
Raumvorstellungsvermögen, Raumerfas- Rhodos, Rhodus 60, 67, 213, 276, 285, 470
sung 505, 624 f. Riccioli, Jesuit 79
Ravenna 108, 133, 199, 251, 596, 599, 607, Richard von Cluny 406, 409
651-654,664 Richard von Cornwall 380,608
Register 773

Richard von Haldingham and Lafford oder Rom, Kurie 631


de Bello 22, 44, 89, 226, 379f., 430, 677, Rom, Stadtplan 608
697 Romandiola 606
Richard von St. Viktor (fälschlich Hugo gen.) Romwegkarte 494, 645
25,612 Romzentrik 259,324,610
Richterbild Christi 487 Römer 132, 140, 146, 186, 227f., 459, 648,
Riesen, Monstren 618 704, 709,714
Ryphei Montes (Ural?) 48, 62, 254, 354, Römisch-fränkisch-deutsches Reich 150,
449f., 485, 506, 548, 574, 588, 590, 630,
160, 164,706, 717
727
Römische Kartographie, Ökumene und
Riga 171, 173, 183, 574
Straßenkarte 20 f., 122,419
Ringsymbole für Mauern 209
Römische Provinzeinteilung 20,65, 115
Ripoll, Karte von, Theodulph zugeschrie-
Roselli, Francesco, Florenz 641
ben 27, 66f., 108, 124, 126, 128f., 133f.,
Roselli, Petras 175
191, 198-202, 259f., 288, 306, 351, 416,
Rosetten 131 f., 210, 218
427, 444, 536, 554, 599, 652, 659, 662-
664, 689, 701 f.; Tafel 15 Rosso, G., Drucker 296
Rostock 171, 173
Ristoro d'Arezzo 32
Robertus de Melkeleia 144 rota 346
Robert, König von Neapel 339, 342, 717 Rotbeschriftung bei Hafennamen 212
Robert Grosseteste 143, 192 Rotes Kreuz auf weiß, Emblem 207
Rochester 489, 601, 634 Rotes Meer 50, 73, 76, 90, 103, 107, 124,
Roger IL, König von Sizilien 78, 337 126f., 140, 147, 195f., 214, 230f., 236f.,
Roger Bacon OFM 192, 472-474, 476, 478 f. 250, 285, 330, 332, 350, 387, 451, 469,
Roger von Wendover OSB 139 475, 487, 507, 527, 539, 642, 674, 693,
Roland 412 722,728
Rolevinck s. Werner Rolevinck 268 Rotulus von Vercelli s. Vercelli
Rom, Roma 38, 41, 44, 47, 60, 66f.,70, 72, Rouen 359, 568, 654
99, 108, 122, 132f., 140, 156, 158 f., 162, Ruben 568
200, 230, 235f., 238, 244, 246, 249, 251, «Rudimentum Novitiorum» 25, 53-56, 58-
253, 256, 259, 275f., 295, 337, 349, 359, 63, 66f., 69, 103, 124, 127-129, 131, 133,
361, 364, 369, 400-414, 417, 427, 445,
263, 265-278, 280-282, 285, 289f., 295,
457, 470, 486, 490, 494, 514, 538f., 552f.,
398, 639; Tafel 71
555, 557, 562f., 568, 575, 593-611, 635,
Rudolf von Habsburg 613
639, 641, 643, 647, 649-658, 663 f., 668,
Rüst, Hanns, s. Hanns Rüst
670f., 683, 685, 688-691, 706, 710, 716,
Rufin 249
729; Karte aus der «Historia Romana» Ta-
Rugier 307
fel 52
Rum = Byzanz 75
Rom, Bauten und Plätze: Castel St. Ange-
Rumänien 303
lo 609; Diokletians-Thermen 608; Kapi-
Rumbenlinien, Kompasslinien 308, 490, 492,
tel 609; Kolosseum 608f.; Militiae 609;
Mons Tarpeius 609; Palatium Maius 609; 509, 681, 718, 725 f.
Palatium Neronis Lateranense 609; Pala- Rundbauten 133,218,557,563
tium Senatoris 609; Theatram 609 Rundschilde 218
Rom, Kirchen: Araceli 609; St. Johannes in Rundtürme 650
Laterano 605, 608; St. Laurentius 605; St. Russia, Russland, Russen 59, 65, 96, 110,
Maria Maior 605; St. Maria Roton- 140, 147, 171, 176, 180-182, 217, 220f.,
da 605, 609; St. Paulus 605, 608; St. Pe- 235, 285f., 297, 303-305, 310, 325f., 670
ter 605, 608f.; St. Sebastianus 605 Ruthenia, Ruthenen 304,412,470
774 Register

Saba (Königreich) 28, 61, 275, 374, 657f.; Sarazenen, vgl. Moslems, Araber 102, 115,
Saba Aethiopica 674 146, 152, 248,409, 411 f., 714
Sabea 276 Sardes 62
Sabbatgleichnis: Wasser zu Land wie 1:6 Sardinia, Sardinien 60, 67, 235, 249f., 285,
473,635 539,727
Sabellicus 513 Sarkophage 679, 698
Sachsen, Saxonia 160, 167, 180, 273, 276, Sarmatica 167, 180
285,601,630 Sassaniden 404, 713
Sagas 187 «Satyrica Historia» s. Paulinus
Sagres 288 Savona 216
Sahara 387 Savoyen s. Subaudia
Sakralbauweise 71 Sawley Map, fr. Heinrich von Mainz zuge-
Salamanca 295 schrieben 40f., 44, 54, 56, 58-63, 65f.,
Salerno 599, 652 100, 124, 126-131, 134, 168, 181, 261,
Salier 537 347, 357-359, 364, 366, 397, 415, 424-
Sallust, Bellum Iugurthinum 29, 86, 124, 426, 428-430, 444, 541, 555f., 562, 566-
130, 279,573 569, 584, 589, 591, 600, 610, 654, 660-
Sallust-Karte aus Genf s. Genfer Sallust- 664, 666f., 675, 692, 700-702; Tafel 18
Karte Schablone für Siedlung 564
Salomo, König 71, 245,685 Schablonencharakter 639
Samarcan 658 Schaller, Dieter 199
Samarcand 62, 581 f. Schaller, Hans Martin 378
Samaria 63, 276 «Schatzhöhle», syrische Chronik 69
Samastro (Sebaste, heute Sivas) 216 Schauplatzbeschreibung 137, 403, 626, 649,
Samsun 216 687, 710f.
Sankt-, St,: Schedel, Hartmann bzw. Hermann, s. Hart-
Saint Albans, Kloster OSB nahe London 44, mann bzw. Hermann Schedel
139, 142, 356, 488f., 633f. Scheibe 267
Saint Andrews 657 Scheitelpunkt der Welt, Zenit 17, 118,712
St. Anton / St. Paul in der Wüste 58, 65, 654, Schema-Karten 114, 123, 291, 639, 725
679 Schiffbrüchige 522
Saint-Bertin 543 Schildteilungen 219
Saint-Denis, Chronik mit Karte 397, 698, Schisma 466
700f., 703 Schismatiker, Ostchristen 670
Sankt-Gallener Isidor (Palimpsest) 57, 99, Schlesien 325
234, 255, 344, 351, 417f., 423, 435, 445; Schliemann, Heinrich 67, 663
Tafel 6 Schneidetechnik 129
Sankt-Makarius-Kloster 679 Schmuckelement 725
Saint-Omer s. Lambert Schönsperger, Joh., Drucker 282, 296
Saint-Riquier 489 Schöpfung, Zeitenanfang 24, 515, 572, 704
Saint-Sever in der Gascogne, vgl. Beatus-Kar- Scholastische Kosmographie 20
ten 39, 167, 180, 235, 258, 437, 651; Tafel Schottland, Scotia, Schotten 105, 140, 147,
13 285,297,474,634, 717
Saint Werburgh in Chester 711 Schramm, Albert, Holzschnitzer 267
Sansibar 52 Schreyer, Sebald 279 f.
Santiago 60, 658 Schreinsnotel 632
Santritter, J. L., Drucker 296 Schreinskarten St.-Martin, Köln 632
Sanudo s. Marino Sanudo Schriftbeschreibung 620
Sara 96 Schriftfarben 510
Register 775

Schriftproblem 731 Sepulcrum S. Thomae 62


Schriftverlust 626 Serasinites 616
Schriftzeichen 401 Serbia, Serben 152,304,670
Schulkenntnisse, geographische 263-296, Seria, Sererland 61, 67, 95, 285, 340, 616,
299 650, 655, 659, 666, 728
Schulzwecke 444, 446, 569, 635, 639, 662, Series Temporam, Chronikentyp 24, 243,
682 401,403,706
Schwaben 160 Seuchen 91
Schwarzes Meer, Schwarzmeerraum 29, 37, Sevilla 216,658
98-100, 104, 117, 122, 156, 158f., 167, Sewastopol 216
180-182, 184f., 209, 216, 218, 220f., 235, Sezgin, Fuat 730 f.
258f., 298, 305f., 308, 539, 575, 670, 693, Sibiria, Sibirien 121
727 f. Sibyllen 281
Schweden 65, 168, 171 f. Sidon 52, 63, 359, 568, 693
Sebald Schreyer 279 f. Siedlungssymbole 124, 132-134, 163, 207,
Sebaste 657 209, 218,337, 430, 723, 727 f.
Sebastian Kammermeister 279f. Siene s. Syene
Sechstagewerk, Hexahemeron 271, 280, 516 Sigebert von Gembloux 24, 248, 301 f., 352,
Seefahrt, Seefahrer 103, 168f., 207, 319f., 401, 404f., 507, 513, 572, 579, 713f.
349, 425, 590,682,725 Sigeric, Erzbischof von Canterbury 607
Seehandel 20 Sigismund, Kaiser 644
Seekartographie, vgl. Portulankartogra- Signa vgl. Symbole 648
phie 113, 116,206-223, 315, 373 f., 475, Sikyon, Sikyonier 245, 405, 709, 716
491, 497, 500, 509,559,636 Silber-Insel Argyre 235
Seeländer 171 Silbertisch mit Karte 88
Segelhandbücher 74 Simeon 568
Selandia 273 Simon Marmion 99, 124-126, 128, 131, 133,
Selbstverbrennung 618 136,155,445, 637, 639, 723; Tafel 68
Seldschuken 69 Simon von Saint-Quentin 326
See Genezareth 50 Simon Zelotes und Juda, Apostel 369-371,
Seen 124, 722 388,671,673,679
Seestädte Italiens 264 Simplicius, Papst 409
Segmente der Scheibe 363 Sinai 37, 53, 63, 69, 75, 81A, 110, 130, 135,
Seidenstraße 336 250,285,568,657
Seleucia 62, 654 Si-ngan-fu heute Xian 76
Selmer, Carl 548, 590 Sinope 216
Sem 29f., 53, 156, 349, 363, 509, 637 Sintflut 231, 572, 578, 705, 707
Semiten 117, 363 Sirmia 309
Semiramis, Herrscherin von Babylon 457f., Sitia s. Skythien
639 Situs Jerasalem 686
Seneca 473, 477 Sivas 659
Senioren, 24 im AT und N T 615 Sixtus I V , Papst 267
Senioren-Entsorgung 618 Sizilien, Sicilia 48, 60, 67, 105, 127, 140,
Sennaar 61 147, 212, 235, 249f., 285, 347, 364, 539,
Senones 652 570,635, 717,725, 727
Septuaginta-Chronologie 403, 503, 709 Skala, Entfernungsmesser 400
Sepulcrum für Jerasalem 696 Skandinavien, Scandza 65, 159f., 166, 168,
Sepulcrum S. Bartholomaei 62 221, 470, 518, 538, 568, 574, 630, 642,
Sepulcrum S. Philippi 62 727
776 Register

Skythien, Skythen, Scitia, Sitia, auch maior Sprachverwirrung 707


und inferior oder exterior 52, 61, 69, 95 f., Staatsreligion 649
100, 146 f., 162, 166, 180, 247, 250, 276, stabilitas loci 488
285, 299, 306, 316, 322, 335, 340, 368, «Stadiasmos des Mittelländischen
371 f., 450, 574, 589, 617, 676, 681, 693 Meeres» 36,211,244,407
Skiopoden (Fußbeschatter) 437, 527, 620 Stadtgemälde, -plan 133, 206, 280f., 553,
scriptura für Text 91, 115 640, 643f., 723; Tafel 64
Slawen, Slavia, Slavoram Terra 59, 65, 152, Stadtgründungen in Deutschland 638
159, 167, 172, 276, 299, 307, 411, 427, Staignara 309
538,630 Stammesrecht 624
Slawinen 299 Stapelrecht 174, 220, 264, 338
Slawonen 670 Stephanus Protomartyr 685
Slesvic 167, 427, 538 Stephan, König in Ostindien 374
Smyrna 62 Steppenvolk 585
Sodom (und Gomorrha) 63 Sterne, Sternbilder 134, 210, 218, 622
Sogdier, Sogdianen 670, 677 Stettin 171, 173
Sohan 374 Steuerschätzung 19-21, 84, 624
Sokrates, Kirchenhistoriker 513 Stieler, Adolf 498
Soleri, Guilelmus s. Guilelmus Stiftsschulen 497
Solinus 94f., 177, 421, 428, 513, 619, 697 Stoa 350, 525, 539
Somnium Scipionis Ciceros s. Macrobius Stöckel, W., Drucker 296
Sonne (für Licht und Wärme) 70,111, 209, Stolp 173
367 Stralsund 171, 173
Souvenirs 713 Strabo 138, 186, 202, 289, 350, 356, 513
Spätantike 707 Straßburg 270, 274, 295, 457-460, 639
Spätbyzantinische Zeit 510 Straßenkarten, bes. römische 186, 233, 251,
Spätmittelalter 482-495, 565 305, 349, 483 f., 486, 593 f.
Spanien, Hispania 39, 54, 56, 59, 121, 140, Strauß 385
146f., 151 f., 158, 162, 166, 170, 180, 185, Stucks, G., Drucker 296
194, 200f., 216, 219, 251, 257, 259, 276, Stumme Karten 119-122, 336 f., 489f., 626,
285, 288, 292, 324f., 361, 369, 380, 386f., 694,719-731
409, 411 f., 422, 430, 444, 470, 473f., Subaudia für Sabaudia, Savoyen 276
489f., 526, 535f., 540, 568, 574, 578, 601, Sudan 246
651,653, 671, 725f. Suecia, Suebia 59, 65, 285
Spanische Buchmalerei 381 Südafrika 492
Spanische Kartographie 415-431 Süddeutschland 603
Sparta / Lacedaemon, Spartaner 60, 66, 245, Süden als rechts gelegen 71
654, 709 Südende der Ökumene 522
spatium historicum. Erzählspalte 708, 714 Südfrankreich 430, 705
Speculum Historiale / Maius / Naturale s. Süditalien 725
Vincenz Südosteuropa 179-185
spera für sphaira, sphaera (Kugel) 42, 345- Südpolgegend 588
366,587 Südung, Südweisung 49 f., 56, 71 f., 74, 76-
Speyer 460, 559,659 79, 103f., 109, 111, 120, 138, 156, 176,
Sphärenscheibe, Sphärik 45, 191, 448, 534, 184, 196, 202, 285, 287, 356, 485, 494f.,
587, 613f., 630, 656 606, 608, 637, 645, 722, 730
«Sphairopoiia» 479 Südwestfrankreich 39
Spiralenketten 131 Sueton 279,513
Sporer, Hanns 296 Suevi 276
Register 777

Suidas 513 Terra = Ökumene (oft personifiziert) 200,


Sumatra (Lamory) 193 450, 496, 502, 625
Summenliteratur des 13. Jh. 486, 497 f., 528, Terra Amalech 276
675-680 Terra Amoreoram 276
Sunniten 303 Terra Feraram 276
Surianen = Melkiten 298, 303, 670 Terra incognita (unerforscht) 31, 137, 492 f.,
Susa 62, 657, 661, 666 f. 519-532, 635, 696, 699, 701, 727
Sweynheim, Drucker 295 Terra Moab 276
Syene, Siene, heute Assuan 469, 599, 651, Terra Particinoram 276
657,688 Terra Repromissionis 485, 549, 590f., 631
Sym 52,96 Territorien 206
Symbolismus des 12Jh. 546-550, 591 Territorialisierung 623 f.
Symbolkartographie 106,628,685 Tervisina Marcia 606
Synchronistik 24, 105, 244, 352, 401, 404, Testitudinum 276
579, 664,706, 713, 716-718 Teufelssitz Arym 202
Syon Mons s. Zion 364 Teuton, Riese 636
Syria, Syrien, Syrer 61, 74, 94, 231, 276, Text und Bild 21, 25,432-443,626,719,721
303, 315,411, 422, 574,611,657,670, Textschrift, gotische 613
687 Theben 653 f.
Themse, Flutberechnung 139
T der Meere zwischen den Kontinenten 47, Theodor von Canterbury 410
109, 426, 602, 629, 694 Theodosia 60, 654
al-Taban, Perser 78 Theodosius I., Kaiser 649
Tabernakel-Gestalt 73, 89f., 190, 231, 250, Theodosius IL, Kaiser 410
504 Theodosius archidiaconus, 6.Jh. 573, 575
Tabor 63, 568 Theodulf von Orléans s. Ripoll
Tabula Peutingeriana s. Peutingeriana Theologie 289,415
Tacitus 249,279, 513, 522 Theophanes Confessor 300
Täbris 105 Thessalien, Tessalia 276, 601
Tageszeiten, entgegengesetzte 46, 110, 141, Thessaloniki 60, 216
201, 238, 260, 331, 361, 440, 508, 528, Thierry von Chartres 191
544,629 Thomas, Apostel 369-371, 374, 388, 423 f.,
Tagus fluvius 46, 110, 140, 147 574,642,671-673,675,679
Tanais, Thanay s. Don Thomas-Christen 670
Taprobane 62, 276, 284f, 432, 538 Thomas von Aquin 500,631
Tarragona, Terragona 158, 568, 653, 656 Thomas von Cantimpré 620
Tarse, Tharsa = Xinjiang 52, 96, 316, 338, Thorn, Toron 171, 659
374 Thrakien, Thracia 59, 167, 180, 182,251,
Tarsus 62, 657 298, 307
Tataren, Teilstamm der Mongolen, s. dort Thukydides 513
Tatarenkhan 28 Thule, Tile 60, 67, 167, 235, 246, 275f.,
Taschenkompass 494 363f., 432, 440, 474, 538, 541, 575
Tauras 62, 574 Thurgau 586
Tedescho, N., Drucker 295 Tiberias, 657, 677
Templumjovis 654 Tiber, Tiberis 59, 158,364
Tempel Salomos 685, 693 Tiberius Claudius Donatus s. Donatus
Temporum Series, Chronikentyp s. Series Tier-Enzyklopädie 723
Temporam Tierhaut 169, 181, 212, 220
Teppich (Erde) bei Moslems 77 Tierkreiszeichen 614
778 Register

Tiersymbolik 387 Troja, Ilium 4 7 , 6 2 , 6 7 , 9 0 , 111,237,245,


Tiflis, heute Tbilissi 582 307, 320, 354, 383, 407, 459, 547, 557,
Tigris 36, 62, 232, 251, 349, 470, 485, 487, 575, 604, 638, 650, 652-655, 657-659,
509,549,588,631,695,697 662f., 666f., 679, 691, 706, 709
Tilbury 570 Tropicus cancri, Wendekreis des Krebses 469
Tilos insula bei Indien 47,432,653 Tuburbis 654
Tintenfarbe 133 Tunis 216, 285
Tisch-Karten, d.h. Karten auf Tisch- Turchia, Türkei, Türken 61, 67, 75, 96, 110,
platte 27, 199, 607 122, 222, 232f., 302, 363, 367, 427
titului 720 Turin, Papyri 76
Titus, Kaiser 410 Turin, Universität 381
TO-Karte 21, 29, 34, 39, 48, 70, 74, 82, 98, Turkestan, Turquesten 52, 67, 96, 105, 122,
101, 110, 117, 137, 155, 157, 179, 197- 316, 337f., 340, 581 f., 655, 717, 728
199, 209f., 233-235, 251 f., 254f., 259, 305, Turmbau zu Babel s. Babel
329f., 344, 351, 353, 361, 365, 384, Turm, Türme als Siedlungssymbol 132, 561,
417f.,435f., 438, 457-460, 465, 487, 492, 723
504, 507, 519, 525, 535, 537, 543, 553f., Turmspitze 698
566f., 589, 596, 598,601,624,628f., 637f., Turre, P. de, Drucker 295
649, 653, 655, 669, 690f., 694; Tafel 5 Tuscia, Tuszien 364,601,606
Tolesirion Castrum 651 Tybarei 617
Tollan, Paradies der Azteken 80, 236, 363 Tyrrhenisches Meer 146
Tongern 555 Tyras, Tyrier 63, 162, 359, 385 f., 522, 568,
Tontafel-Karte 76 651,656,691,693
«Topographia Christiana» s. Kosmas
Topographische Karten vgl. Regionalkarto- Uhden, Richard 70, 378
graphie 632 Uiguren, vgl. Tarse 77, 96, 504
Topp des Schiffs 207 Ulm 270, 295
Toscanelli-Karte 223, 287 Ulmer Ptolemäus 455 f., 466
Totes Meer 50,63, 103, 568 Umstände, circumstantia = Kategorien
Toul 563 Ung 517
Toulon 216 Ungarn, Hungaria 59, 65, 105, HO, 146f.,
Tours und Poitiers, Schlacht 150 276, 285, 297, 307, 325, 405, 407, 411 f.,
Traconitidis 568 717
Tragodisia 276 Universal-Enzyklopädie 723
Transkription 725 Universalgeschichte 94, 720
Trapezunt 216, 659 Universalhistoriographie 22, 97, 241-263
Trebeta 457, 459, 639 Universalkartographie 113, 179, 208, 226,
Trecento I, Begriff der Paläographie 614, 305,625
617,621 Unionen der Kirche 670
Trematii 171 f. Unterrichtsglossen, -mitttel 450, 635, 682
Treverorum (Augusta), Trier 60, 66, 160, Unzialschriften 395 f.
445, 457-460, 555, 557, 563, 639 Ural (Riphei Montes?) 588, 727-729
Treveroram gesta 457 f. Urartu 76
Triest 286 Urbis Forma von Rom, 3.Jh. 607
Trinitätssymbole 712 Utica 58, 65
Tripolis 469 Utrecht 636
Trithemius, Johannes 280, 513
Triviumsfach 85, 224, 264 Valencia 216
Trogodytaram Terra 58 Valens, Kaiser 409 f.
Register 779

Valerius Maximus 279, 513 602, 615, 619, 631, 655, 694, 706, 715,
Variationsverbot für das Kartenbild 92, 116- 723
118, 136, 186, 247, 311-323,352, 382f. Vinlant, Vanlant, Weinland 59, 66, 108, 187,
Varna 216,309 276
Varrò 72 Vinland Map 80, 107f., 129, 133f., 178
Vatikanische Mela-Karte s. Pirrus de Noha Vipsanius Arippa s. Agrippa
Vatikanisches Register Nr. 1 300 Virgil von Salzburg 19, 87, 155, 190, 351
Vatikanische Metallgravur-Karte 722 Vita Reginswindis 151
Vegetationsmotive 130 Vogelperspektive 280f.
Velleius Paterculus 513 Völkertafel 28, 41, 101, 157f., 254, 579
Velusia 658 Völkerwanderangszeit 410,663
Venedig, Venetianer 20, 50, 60, 66, 103, Vorentdeckungszeitalter 497
105, 126, 163, 170, 173, 182 f., 207, 213- Vornoachiden, Menschen vor der Sintflut 90,
216, 270, 276, 284f., 287, 295 f., 490f., 523 f.
557, 570, 602, 606, 653, 681, 698, 716f., Vorscholastik 534
726, 728 f. Vorsokratiker 475
Verballhornungsvorlagen 625 Vulgaria s. Bulgaria
Vercelli, Bibliothek 678 Vulgata 318, 444, 502, 533, 624
Vercelli, Kapitelsarchiv 380f., 678
Vercelli, Rotulus von 27, 322, 370f., 375- Wadi Hammamat 76
399, 420f., 423f., 426, 429f., 442, 557, Waitz, Georg 23
563, 604, 610, 631, 657, 660-664, 666f., Walachei 286
678f., 696, 701 f.; Tafel 49; Ausschnitte Walachen 310,670
Rom Tafel 49a; Christlicher Orient Tafel Waldmenschen 618
49b Waldseemüller, Martin 163
Vercelli, Stadtarchiv 380f. Wales 146
Verdun 563 Wallach, Richard 149
Vergil 31 f., 279, 513,573 Walsperger, Andreas s. Andreas Walsperger
Vermessung 19-21, 100A, 112f., 129, 153, Waltham, Abtei in Hertfordshire 144, 633
168, 204, 210, 226, 258, 277, 311, 444, Wandalen 167,180,248,301,410,714
483, 494, 505, 517, 593, 632, 645f., 648, Wandkarten 27, 144, 148, 162
665, 668, 684 Wappenfahnen 134
Verona 599, 652 Wappenfiguren 207
Verzerrungen 129 Wartburg, Heinrich Graf von, Erzbischof
Vesconte s. Pietro von Mainz, vgl. Heinrich von Mainz 358
Vespasian, Kaiser 410 Wasser-Darstellung 125f., 722
Vetina 309 Wasser-Land-Verteilung 30,98, 127 f., 156,
Vexillologie 206-223 194, 209, 233f., 252, , 285, 290, 307, 319,
Vienne 557 353, 440, 462-481, 531, 567, 635, 678,
Viergeschosser 557 724,726
Vierter Erdteil (nach Krates) 38, 188, 197 f., Wasserleitsysteme 633
236,256, 351,424, 432-443 Weichsel 407
Viktor L, Papst 408 Weihnachtsevangelium 21, 82, 543
Viktoriner 385 Weihrauch-Engel 429
Viladestes, Mecia de 223, 309 Weinland in Amerika s. Vinlant
Vincenz von Beauvais 25, 46f., 85, 107f., Weisheitswanderung von Ost nach West 71
192, 238-240, 268-270, 280, 289, 331, Weifen 378
349, 406, 408 f., 431, 440, 443, 455, 498- Wellendarstellung 127,722
500, 508, 511, 515, 517f., 545, 570, 573, Weltären 403, 707, 709
780 Register

Weltalteriehre 255f., 268, 271, 280, 573, 706 Wilhelm Pleydenwurff 279
Weltchronik in Flächenprojektion 21 f., 26 Wilhelm von Rubruck OFM 326, 476, 517
Weltchronik, Metzers. Metzer Weltchronik Wilhelm von Tripolis OP 30, 102,275, 397,
Weltchronistik 241-263, 513, 626, 704-718 601, 610, 654 f., 660, 662-664, 666 f., 694,
Weltende-Errechnung 704, 707 700-702; Tafel 44
Weltgeschichte 80,648 Wimpel 207
Weltkartenerfordernis in der Chronistik 25 Winchester 537, 652
Weltkleriker 55 f. Winde 134, 143, 284 f., 534, 614
Weltmittelpunkt, -Zentrum 37 f., 41, 98, 168, Windrose 212, 337, 400, 490
236, 247f., 306, 324, 332, 362, 367, 566, Winlandia s. Vinlant
599, 610, 652f., 668, 674, 686 Winter, Heinrich 219
Weltozean, umgebender 90, 117, 166f., Winters, C , Drucker 295
258f., 387, 507, 531, 629, 642, 726 Wirtschaftskarten 22
Weltmeerbuchten 73, 727 Wismar 171, 173
Weltreichslehre nach Daniel mit Ost-West- Wittkower, Rudolf 619
Wanderung der Macht 34, 70 f., 156, 226, Wohlgemut, Michael 278-280, 640
249, 255, 314, 367, 406, 513f., 573f., 705, Wolf, Armin 378
720 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek 42,
Weltrichter 44 157, 200, 237, 360, 484, 543f., 629
Wendekreis des Krebses 469, 474 Wolff, G. und Kerver, Drucker 295
Wendekreis des Steinbocks 471, 474, 493, Wolffgram, Hugo 267
510 Wolfheimus Coloniensis von Brauweiler 452
Wenzel, hl. 412 Wolga 180,729
Werner Rolervinck «Fasciculus Tempor- Worms 457, 459 f., 639
um» 268-270,289 Wortsymbolik 685
Westvalia 273 Wright, John Kirtland 438
Westphalia, J. de, Drucker 296, 463 Würzburg, Wezebur, Erbipolis 579
Westgoten 248, 301, 405, 709, 714 Wüstenkarte 125,678
Westfrankreich 213,221 Wüstenklöster Ägyptens 65
Westminster 295 Wüstenvorliebe 387
Westminster-Wandkarte 144, 203, 335, 656, Wunder aus dem Osten, Marvels of the
693 East 618
Westpassage nach Indien 463, 531 Wuttke, Heinrich 593
Westrom 713
Westturkestan, s. Turkestan Xian, fr. Si-ngan-fu (alte Hauptstadt Chinas)
Westung 72, 79 76
Wien 636, 644 (Stadtplan), 659; Tafel 64 Xinjiang = Ostturkestan 338
Wien, Nationaibibliothek 486, 603
Wien-Klostemeuburger Kartogra- Y statt Tauf T-Karten 29
phenschule 638, 644 Yafuda Crescas 222
Wiener Kompendium 48, 56, 58-64, 445 Ydaspen 470
Wikinger 108, 187, 535 Yüan-Dynastie 326
Wilhelm IL, König von Sizilien 571
Wilhelm IL, Erzbischof von Reims 570 Zàbulon 364, 568
Wilhem Adam OP 193 Zacharias, Papst 27, 88, 190
Wilhelm von Conches 32, 108, 110, 137, Zacharias Lilius 290
141, H3f., 147, 191 f., 194-196,203,205, Zacken 723
358,438 Zagwe-Dynastie 340
Wilhelm von Nangis 212 Zahlzeichen 401
Register 781

Zainer, G., Drucker 295 Zonenkarte 32 f., 39, 41-43, 47, 50, 68,
Zara 216 108 f., 117, 137, 144, 155, 194-196, 229,
Zaroen, ein Idol 680 254, 259, 323, 327f., 331, 344, 351, 355,
Zeitkomponente 23 f., 111,664 434, 435, 438 f., 456, 467, 474, 481, 503f.,
Zeitlose Geschichtsprojektion auf Kar- 510, 521, 525, 529f., 566, 587f., 602, 656,
ten 487 688,691,694,712
Zeitzer Rundkarte 560, 564, 638, 722; Tafel Zoologie 415, 422
69 Zopfreihen 131
Zentralasien, Zentralasiaten 130, 176, 184, Zul Karnein, Zweigehörnter = Alexander der
302, 326, 490, 579-585, 655 Große im Koran 69
Zentraltürken 232 f. Zwangsstapel 174, 220
Zeugis 657 Zweigeschosser 557
Zeugnisverfälschung 92 f., 116, 153 f., 352, Zweistromland 67
576 Zwerge 618
Zeusis 655 Zwickau 283
Zinnen 132 Zwitterwesen 620
Zodiacus 530, 614 Zwölftorigkeit 685, 689
Zona frigida australis / septentrionalis 32 Zykladen, Ciclades, Kyklades 41, 48, 60,
Zona temperata 32 100, 359, 542, 567, 601, 654, 692
Zona torrida 32 Zyklik 524
Zonaras 513 Zypern, Zypras 60, 67, 105, 146, 235, 250,
Zonen, vgl. circuii 188, 199, 350 276,285, 374, 539,717, 727

Bayerische
Staatsbibliothek
München
•)
Tafeltteil

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TAFELTEIL

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Tafel 1. Hieronymus: Karte zum Alten Testament, gen. Orientkarte, um 400, Kopie 12. Jh., London, British
Library MS Add. 10049 fol. 64r.
Tafel 2. Hieronymus: Karte zum Neuen R'stament, gen. Heilig-Land-Kartc, um 400, Kopie 12. Jh., London, British Library MS Add. 10049 fol. 64v.
TAFELTEIL

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Tafel 3. Albi-Karte (nach Orosius), 9. Jh., Wiedergabe nach Catalogue General des manuscrits des bibliothèques
publiques des departements de France 1, Paris 1849 = Albi, Bibliotheque Municipale MS 29 p. 487.
TAFELTEIL
TAFELTEII

Tafel 5. TO-Karte nach Isidor, 7. bzw. 9. Jh., Brüssel, Bibliotheque Royale MS 9311-19 fol. 89v.
TAFELTEII.

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Tafel 6. Isidor: Palimpsest-Karte, 8. Jh., Wiedergabe von St. Gallen, Stiftsbibliothek MS Sangall. 237 p. 1, nach
Konrad Miller, Mappae Mundi VI (1898) S. 58.
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Caelum cur"rfnfT mmium Infloctffvccnrfti^uf rem rttvirrrit-f^,,,^^-
toinarfeaerrruppCtfpTer^ Cpcußocm-ttT—rwrn necno-mi-nefyr^oyrrriiumt
«in ccf-t/oftrn hortmryr B m i r n t t i T t i r * . ^X T rofrm«-f>prenTr-»oii.v(if < ^.
a.iJA^ujrcit~cuIirUjnTjTOofÌTifutTir ni"'iOQUe-'cirrt.i f-i*?p;v ut'frTOj-iim
q^rt»Jip^larnt>uf,Cori-cA.btf"cutTC'. v^ oLiffciClTUffuTr-o OtTii'uf cuttmoT-i
S^tnxi^r~f<?r»r*tixr*io-nA.Letri rf«; ^-t^fli u u m cfr- cor»loc.vruj"i<elitri' auitn
occiderrcfr inxtrrwrfhutttri c<l^.i,fVv-Urn o o f f c u f e f t . 1cfcrrn.>Tit.u-?»v
Ttfun-r eoauod C?cunpctr~cuU> 7-i£>fV*n ClitXx&ro CAIOJVT" LvòvAtrr,
"""Oeauibtif t i i r - y l t u f httflrn^r^'"OTi<xmaue-du£ce-tTior-Tt«:iibiif"t'3l^'»»i/
« e t r - c o n c c f f c - d i u u m f e d q u i P t - o x i m i f u m r AefViuocij-cufo ipfefu"*"
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fP \ì^i*f mundi iiitfurrctgritfACT^AÓut^ Let |iv cyuArum hp.-eft-n*mr«"ir'r'
. t e n u l f Artmifz^mobittf iUct-mob»Uf" iUrtmif <^cr-arf"f"f. . A ouacfwffX
. Otminfii (^niö btltf- <^rer~vxcnxffa: otrcurtfA- Intnoti l i f cimin-c|uf ci~Afft
x u ' J i t i e ^<jbTunfi-rA.Tfcolti*«Tur~ ^ e i r i c / ^ icru«r Xericrxf{^citaitie-
(^CmobiLrarce- conwTì<pTitr~- ~^uf~fu{xrr~iiyi commutitene ACUT?
- W m o t . L f COÌLTCCZUI-. terr^cevreem <^JJ"tf „vfe ,Vpa. T ivrrair- fed
« U l u f w e d t t f l a u « «SK^verr lutigutrcuT- U ^ v n w p e - «ccofifLfA-tn
;-r*»wuf collifccti-tJr- f u t i e v w <r»:pTvff« pe-rur-Am JicrefV-

Tafel 7. Isidor: Sogen. Knopfkarte zu «De natura rerum», um 800, Köln, Dombibliothek MS 83" fol. 130v
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Tafel 8. Isidor: Sogen. Kugelkarte zu «Etymologiae» X1I1.6 u.a., um 800. Köln, Dombibliothek MS 83" fol. 82r.
TAFELTEIL

Tafel 9. Isidor: Sogen. Große Vatikanische Ökumene-Karte, um 775, Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana
MS Vat. Lat. 6018 fol. 64v-65r.
TAFEI.TF.IL

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Tafel 10. Macrobius: Zonenkarte der Kölner Dombibliothek, 9. Jh., Köln, Dombibliothek MS 186 fol. 74v.
TAFELTEIL

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Tafel 11. Macrobius-Karte aus Freising, 11. Jh., München, Bayerische Staatsbibliothek CLM 6362 fol. 74r.
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Tafel 12. Macrobius-Karte aus Oxford, 11. Jh., Oxford, Bodleian Library MS d'Orville 77 fol. lOOr.
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TAFELTEIL

Tafel 14. Beatus-Karte von Burgo de Osma, 776/1086, Wiedergabe von Burgo de Osma, Archivo de la Catedtal
MS 1 fol. 34v-35r, nach Konrad Miller, Mappae Mundi I (1895) S. 35.
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Tafel 15. Karte aus Ripoll, früher Theodulf von Orleans zugeschrieben, um 1055, Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana MS Vat. Reg. Lat. 123 fol. 143v-]44r.
TAFELTEIL

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Tafel 16. Cottoniana, um 1030, London, British Library MS Cott. Tib. B. V. fol. 56v.
TAFELTEIL

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Tafel 17. Zonenkarte aus der Sammelhandschrift der Cottoniana, um 1030, London, British Library MS Cott. lib. B. V. fol. 29t.
TAFELTEIL

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Tafel 18. Sawley Map zur «Imago Mundi» des Honorius Augustodunensis, früher einem Heinrich von Mainz
zugeschrieben, 1110/80, Cambridge, Corpus Christi College MS 66 p. 2.
TAFELTEII.

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Tafel 19. Oxtorder Karte aus St. John, um 1110, Wiedergabe von Oxford, St. Johns College MS 17
fol. 6r, nach Konrad Miller, Mappae Mundi III (1895) S. 119.
TAFELTF.IL

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Tafel 20. Lambert von Saint-Omer: Europa-Karte aus dem «Liber Floridus», 1112/1115. Gent,
UB MS 92 fol. 241 r.
TAFELTEIL

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Tafel 21. Lambert von Saint-Omer: Kaiser Augustus mit derTO-Kugel im «Liber Floridus», 1112/1115, Cent,
ÜB MS 92 fol. 138v.
TAFELTEIL

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T e n * «V^ «"•«--uluf-'fcuometf Attitupomif nulib; ffcötoru .
ctiurupAyrTra. duoo m\Uj* -crefcittaiff ^utrtBccief I
(Vafcto?: cópuranoti c cwiocttxrr.ili a-
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Cumof 0<1-utca(|^iaf.Gi«.v>'ä Spirventx-S


|o7Aot>o)* ScTiffio^ J Antrrofa<t^> ö \fAmuovoS y
»CJutrtmof "EVpimoo«? B<lTs>r]f.uii'<>^ A<-'i<lno jaTZyuiof
1 1 ( 4 , ^ t v ? JnancwT- S<irracerio'<> OroexMio^ t|To<3-> An
SvprvCoL-lSo^ $^.i(nit^ Jniof-7jcjt^o5 Alling Syrer"' 'fyppo^ rtejnc>'
m o n a r Ro&bacof ^r<tou|if ÌMCT-OWIOS AnyOj-of&S V A C C C O Ö ^ C<ko —
•Äjröof y(tXnxnppSf?Ali'ayaA. Cumo J U K V S Atvite-o—p ftaj-Aeoö m^nndC
Z?cytnA«S <5y rnoct*. tfopomhV P*flit» fWm«? S y w c c t i o S f r t C o n e ^ L>it«ft»<;
ArMCaoe^ Arrnobioc, Oüi.frccV C i m l n o g
S r A a r o n c i rtmAnof BA<ht.\na
G Conoco hx&opi&r lUixò*^, -q^u^s
$ AM « M t ì J(.II7AÌ; rituit,Tnei
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Tafel 22. Lambert von Saint-Omer: Gentes-Tafel aus dem «Liber Floridus», 1112/11,5, Gent, UB MS 92 fol. 19r
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lolu; arciKe letup Tojndanime
ülutftumaccefß tidiari ut
Jus ttjpdlfx-^ rus eft(éo
JZpruxfapmn anobio
xtionalisba' meruU
^ btabiUsitä cUcafquo
éjn bat podi; eduopu -
tcdsaöam ctefecta
et txiacr~-?' ruitcuB^i
tt in bac£
oblquumlbl
£/ tu paniti calo-
l ^ g f t : T U tedici / tis erfóos ardo
tt^rerjnr^ratnuf
m-vrontÄ^W fiic Iwbc ec medùi>maw2t»ul
amfimdio mirm^ctuct|
""SlMtetutEad nrtn gmSqrä Wmran^ tiamj>u i^anc-f. tota
tonatoiteaatfi'^trantca^tmnaobti Cu$w incoltali* ai» omni borni
wnc enu.OC>ciluaittnaxitèi affla
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er quinochali?:
Tafel 23. lambert von Saint-Omer: Speri Macrobii aus dem «Liber Floridus-, 1115/1180, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek,
MS Guelf. 1 Gudenus Lat. fol. 16».
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C ffafnifiUH(i)u;arni(i-dniuii
tmn .itkptiotf-ijb <ürg(.iri.ilitjY.ii{ub-fo
liiiiiiir.r«!iiiii lniic.pnmu awnii*r intir
prtrtìim m u t t * i'rttn: MtfttMf Ittu f w « M U r t n n cariai càuK-IViin. i liiere
•tlT oLi.vl •jArtLtQiMudLBIt' tnoràuui cdiitcs t w n m r iiatTftrrevCr
' «eta j m a i k i M i B f c K ' H M V tuiu.ifiipno>nuT.iiiiiu4inriP.ui<j;ti' n
naie Ulm.-Kitui -nii^innTt.ni:> TÌtoM arcKutt|du .|tu .fi> mu- m-ti- i.iiVtw oeif' -
CÜ H i.Hi 't..i. 'In (JM i " W CHumaliiòmu Ljuiitrt ,.,., niet-^ulriir
i m X J b u C eniu.rjiubasiv'ii^ii.inoiui iu quo p W u r fùcsie iìf< I ^ i i i b t . n e
t . l .uranio ron« «ft m i i u i t r b f a f mi, UJUIK ..ira-iii.>7TftimiJtt''ni<li!iic.b|'T
''.nr*r.MtiüTnirt.<*'(it<^uf^rta(ito , u« frfn • mi ' • ."»utnptu ' '
+ , .1 .in-lli Jj]: r:tìoitnn(MlÌEltij ia e
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Tafel 2 4 . L a m b e r t v o n S a i n t - O m e r : C i l o b u s T e r r e a u s d e m «Liber F l o r i d u s » . 1 1 1 5 / 1 1 8 0 , W o l f e n b ü t t c l , H e r z o g A u g u s t Bibliothek,


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Tafel 2 5 . L a m b e r t von S a i n t - O m e r G r o ß e h e m i s p h ä r i s c h e W e l t k a r t e aus d e m T i b e r Floridus», 1 1 1 5 / 1 1 8 0 , W o l f e n b ü t t e l ,
H e r z o g August B i b l i o t h e k , M S Guelf. 1 G u d e n u s Lat. fol. 6 9 v - 7 0 r .
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Tafel 26. lambert von Saint-Omer: Große hemisphärische Weltkarte aus dem «Liber Floridus-, gotisch, 11 I 5/1300, Leiden,
ÜB MS Voss. Lat. F. 31 fol. 175r.
TAFELTEIL

[} ec fuiir nomina pl»il ofopbap cjumuliìorbé defcpftrr.


( il(iJt,l>rn rnm-inorum. »>Viilofoj>f>ul.
1 olljjnliTTH. mnunomn;. pHiVIbplnif.
.3 rbuionmi. nmunonnn p^i'iiiórVntf.
i •) .iMrhil Junj. gorhorttm jihilofopHtf.
A äxTundiim. afnhanmi. pViilal'o T>1 > l f
(TÌAranmTUm. ycnkortm. phi'nl' r. ,m.
V> m n c u m . ' gurt»niin. |>hi!ufo Bt<tiT
porrMjirmtn. iTTtconwt. pklofii pfeif
Ixmblmtm-
pV>lli)fo trl.ijf
l tlunujm. ^rrcaram. pMiIofo pjr>!f.
P »imrlilruf. Tit.n-rdonn.

Tafel 27. Guido von Pisa: Weltkarte, 1118, Brüssel, Bibliotheque Royale MS 3897-3919 fol. 53v.
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Tafel 28. Ökumene-Karte der Viktoriner nach Isidor, 12. Jh., München, Bayerische Staatsbibliothek Cl.M 10058 fol. 154v
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Tafel 29. Bibel von Arnstein, Ökumene- und Zonenkarte, um 1150, London, British Librar)- MS Harl. 2799 fol. 241v-242r. - © T h e British Library. All Rights reserved.
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Tafel 30. Gesüdctcs Weltbild des Idrisi, um 1154, Wiedergabe nach Joachim G. Leithäuser, Mappae M u n d i , Berlin 1958, S. 113.
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Tafel 31. Karte der Terra Repromissionis aus der «Vita S. Brandani abbatis ». Ende 12. Jh., Bischofszell/Thurgau, Ortsmuseun
Dr. Albert Knoepfli-Stiftung.
TAFELTEII.

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TT-xnorai^onr'^fcfbttndari^TrviU^ «fera rofcnlar cùe-dicms.
LircMr rfricva kx&cm iaducmnt TUÖ". f(«"uic a^cfoUxwmr nxà u e
nifh. mams lencui ru debts frib; p pararr. Indica tio&'ucrtfu cu.'
«mj: rrftct animas maf debiuerfi? minted!
le fc's barino erpleuf bi£ftTrooiul?bra»oi.cepur
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dfcfs Aoucnru ineu. r\&ui«fintui,TU)B tnpdutó utfuß'occumr
iT-nobif obuia fie ccunen a*iu.ccdmcrfis cdltdiS Hrs-lravem
liabrta.no tsefparfa- tarn unaninur xlloc- t'vfaxu». infpe.^fio.A'
carttaxc.unarvfefKo.Adop^dtuna eccta. l\vJ'il aliud citi numi*
^arcafnifipCTaa.<*fnuccs.?r^ic<5.*'c«a c»àabeTbdV.pt5J?ccp3*•
-conti infilai fuiotas c<Uula/^oi;^i*aIloi conr. fe*i pulf« capane.
^n^ctanru^ito^^ambuLanrtb; -tota utfuCt ?fiuot$Tns bxxxmtr '
AJIZC5 rnJLTifcotte occidente, ubi eraCnauiculai^òix m. U t W
cctidc innauc. *? nauicrcm f?»>r occtdoscalr pUcrà- ddtnf^ti ctotosr

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Talel 32. Textprobe aus der «Vita S. Brandani abbatis» zu vorgen. Karte, Ende 12. Jh., Bischots/ell/Thurgau, Ortsmuseum.
Dr. Albert Knoepfli-Stiftung.
TAFELTEIL

Tafel 33. Rombild auf der Goldbulle Kaiser Heinrichs VI., 1191-97, Wiedergabe nach W. Erben, Rombilder auf
kaiserlichen und päpstlichen Siegeln des Mittelalters, Graz 1931, Taf. IL
TAFELTEIL

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Tafel 34a. Peutingeriana, römische Straßenkarte des 4. Jh., Ausschnitt Rom 13. Jh., Wiedergabe nach Konrad Miller,
Tabula Peutingeriana, Stuttgart 1962.
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lalel 34 b. Peutingeriana, römische Straßenkarte des 4. Jh., Ausschnitt Jerusalem 13. Jh.,
Wiedergabe nach Konrad Miller, Tabula Peutingeriana, Stuttgart 1962.
TAFELTEII.

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Tatel 35. Isländische Ökumene-Karte, um 1250, Reykjavik, Arnamagnaeske Institut, MS GkS 1812-04° fol. 5v-6.
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Tatel 36. Albertus Magnus: Kartenskizze, um 1250, Wien, Österreichische Nationalbibliothek MS 273 fol. 1 51v.
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Tafel 37. Johann von Wallingford: Klimatenkarte, um 1250, London, British Library MS Cott. lui. D. VII. fol. 46v
© The British Library. All Rights reserved.
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Tafel 38. Johann von Wallingtord, portraiticrt von Matthaeus Parisiensis, um 1250, London, British Library
MS. Cott. Iul. D. VII. fol. 42v - © The British Library. All Rights reserved.
TAFELTEIL

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Tafel 39. Matthaeus Parisiensis: Weltkarte, um 1250, Cambridge, Corpus Christi College MS 26 p. 284.
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Tafel 40. Matthaeus Parisiensis: England-Karte, um 1250, London, British Library MS Cott. Claud. D. VI. fol. 8v
© T h e British Library. All Rights reserved.
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Tafel 4la. Matthaeus Parisiensis: Itinerar von London nach Apulien, Ausschnitt England und Nordtrankreich.
um 1250, London, British Library MS Roy. 14. C. VII. fol. 2r - © T h e British Library. All Rights reserved.
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Tafel 41b. Matthaeus Parisiensis: Itinerar von London nach Apulien, Ausschnitt Italien und Rom, um 1250,
London, British Library MS Roy. 14. C. VII. fol. 4r - © The British Library. All Rights reserved.
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Tafel 42. Psalter-Karte von London, gemalte Version, um 1262, London, British Library MS Add. 28681 fol. 9r
© The British Library. All Rights reserved.
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Iafel 43. Psalter-Karte von London, Inventarversion, um 1262, London, British Library MS Add. 28681 fol. 9v
CO The British Library. All Rights reserved.
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Tafel 44. Wilhelm von Tripolis: Weltkarte, 1271/14. Jh., Paris, Bibliotheque nationale de France MS Lat. 5510 fol. 118r.
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Tafel 45. Girard von Arvernia oder Antwerpen: Zonen-Ökumene-Karte, 13./15. Jh., Utrecht,
ÜB MS 737 fol. 49v.
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Tafel 46. Fragment einer Weltkarte mit Monstren am Weltrand, Ende 13. Jh., Koblenz, Stadtbibliothek MS 155 fol. 77v.
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I^ ft gitili* ?jjim*öiu Ouiitiinii'.VCntj» i iinJHfi: j.'flutiirc)lmnij'. rffrrt ttfipat
liiDiini ifpinnir- tier t»|*rWitiii**.illuna ml i^rurn;i>'itiivii «iviilt ffcifoinr.*
fiiuili: pttiitcn* at tHiJnfomf «tiinoiMrt iiaiiim>ii*.i?"i <nir n&b* tnii*. L»*ii<l-<•*
04i*»i*#.vciw#.^oN**m¥.|«*jrf.^tnn*n-t<ft«ü'jjjWMtftiipfi'ii l«r önmri>i>ji
ni» «• r<#m.fj fol uf liitut tomjrtit f»nt^p»l'<»o'r»iH«; auffinets fUtnettl ttom
riil# liiit» (Impili*? fijiui- «Wi0. W"i in mawe l>f t y p e lìiitfiHwnO'ìtDrninUii
fmrtyte* :oniiift-f;vti- filini «l'i/Ui* ö'trt'iin-ijuc tntS nòti* aipeltftnrJlfctt'/
ùifttcmiéjet e'lniipntvititv:\'ii-in{c3fi«r fpftu-ctfìcimffWUiSjtiimùti•felu
fni|»rrci( flirt mitii cipinntnMijjinti die « r ü et tenuti*'t-fa* »TmjrUS'vpa*
him -tTn firmnmti? fnjjflii$ <ii»l mrtjrnitHtimc et «IhtiiAmC'<i',,fii*nitirnfi..
malert» ti«.C«m>j>Kvfcii* uim'ifti mimrmfu cü MMM ctflmicn^.inftiTfmc

Tafel 4 T . Sphärenscheibe aus dem Codex der Monstren-Karte, Ende 13. Jh., Koblenz, Stadtbibliothek MS 155 fol. 74v.
TAFELTF.IL

Um ivA,Vn>ti lliitr óìk* mw mi««* < . -v <fl'Lc4>'d e^tHeiU'Aot-Wi^


.}»**• titptutwi/iwftltwc'dViHl i n icrf, iotii?ia'*>ftiflo
V i Aijmlawm*rtiiam erte Med» '«• A e >>t»id!^icrbuno-1^jlaii^:i,,4ij.
uom.iongnB jfftrtitoo'C if bri mt •'-• • - ! J tfled[i-v*-»H?i'rtMls!'lih„Il,
tv» w»inimpe|e»^rtui*.<f {4?n**fF !' n/Jttrtö-Vrtöi.
yi;id>? Ot&ffp crani lì» ouiOi Ott v ?i ^co<h»-iiTi^ri'rci|»i5,.rf.jViito
tcniKtitWK $ ef-(cjitui«»ni trfKbm vr " VflU'itrnEafaMI
c>-et M»«» ctrentfitt) ftinnautnrtHO
»poro rjiFa*ùn.*Tji>if-cf- iiiifiwt iie vt< •> 2 fl^*^n«iiJtffcTTi<srg.T/ih
qmoficmanòfiw regit» tnifrout Vr- n ^^•*^t*"m4ata^Tc}>fti40i
imi# ocUtAwoü è- f^cf cfr mim l>- U u Ctfyt»niltil'«diiiù>_
o^ rtmin.td urfttmiitaittalii'itc # > atìyiaanUpnP-l'^nAwtnV
non n toni£ mngenbà e t>f retr
<tUo«iojic <fi.ni or in Giuiciin.i- (Vyy&i iMtonu'tobloW mru/i*» ,
orrtoitni* twpMM crtt. tinttdt* *02/G(Q( n&'Ot*rp2töhiatil\ufUil 'nt •
tutrc"(hiitt>u ctfuictui* f«mr-1t«*iXS <-t U&m<b-to<&Ul-VoifttplvVcD2,r
c\t 6uu* Hntìch^ijimeubtr hip;» fhio.TcoiJhucxtC -
cumrtgrte-rtl'trM«'ftvnäp»tßa.oV irbiu-l cm*«Yj£wiJ>^'fiÌAfriiifcl
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JlV-Ot «JÌ6HÌ» ^k'niiOi ptìàetn l»»f ttf O j3rt(Titt^frn«»Tnm''PciruwiP
rvf.fHm yiiunt rtiiW fuocfnf n; Aòi nam it •1 tritata
«»m**i.*jt>«r no* rcpmvtì enee»*- tex -V \*n<fìmr' nioc&lirerrnmr
a»Ht» patirla ftnr tibt'jftìiAilu* & W I > /<)coc&rtbox^Vl4àu«'rVciiTft; / ,
àn$vvt>Vnn* ce mille.I imteuo kwy.&'S' >l^^t»i*1'ii«*h' 1iieriii*r<)fMò
ofll»rtniloiii>ff arwiloi ifipiemi c -6 c^A*»*iWO'iiiir.rmcMiir
"bijnta dtligrDr evtl»immn*M »_ CV:<.«>V»*r*Kilrfto*1'4QMoe „
cc -7 JLV ei»;xin»nr-. i tP*> trirtr'l I plantT
feltrimi*.et fitnf ftimì no rtwjprt
no*f non.i.mi (-tOmtttrndtt-Mn cacJTJ -flu-iirnfi ul'l¥e«iU>min
ro»t«M* ttginj.-itfr «In wnnrwirt -m4oo *ii l'e mfliiitr
rt's ivoPtoit Au5 ftr>fnm)>t4oiu>
rti'mts tirili« «e**« rtt>mtt*c-
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tilu'«5-ftttfeV lifco <? tiniOtim Afnlr <V?TÌ1tOTU Ijttc.rnoà'iinif
tut-anuaii- tJivar.^nvttT» %w-' i''*ViTctììm Frirca-Ooió.
iliii miwitf ilium. *mi<cnitf(>c \VgrjW fì»Jp»Tol-3^rMOireia
ftUUt' rtiiuoi tifctt miHrtC annuii folcir ramr-')-tTfDlln?|N%i J
a»** htv e Oiffnrt *imft'»wt»*»iirt et x Ac2J OmnT
muvraitttjtvii bjn*t*t*m bttatt .» vr.»«w Ii-C'll? bcbafotiphctf
( frc&?y.oy£tn.'nim-{ii-ÙÀbt
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bc betz Monstren des Orients, Ende 13. Jh., Koblenz, Stadtbibliothek MS 155 fol. 93v.
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Tafel 49. Rotulus von Vercelli, Gesamtansicht, um 1270, Vercelli, Kapitelsbibliothek,


Wiedergabe nach Youssouf Kamal, Monumenta Cartographica Atricae et Aegypti III,V (1935) 997.
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Tatcl 49a. Rotulus von Vercelli, Ausschnitt Rom, um 1270, Vercelli, Kapitelsbibliothek,
Wiedergabe nach Youssouf Kamal, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti III,V (1935) 997.
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Tafel 49b. Rotulus von Vercelli, Ausschnitt christlicher Orient, um 1270, Vercelli, Kapitelsbibliothek,
Wiedergabe nach Youssouf Kamal, Monumenta Cartographica Africae et Aegypti IILV (1935) 997.
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Tafel 50a. Ausschnitt Rom aus der verlorenen Ebstorfer Weltkarte, um 1300.
Tafel 50b. Ausschnitt christlicher Orient aus der verlorenen Ebstorfer Weltkarte, um 1300.
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Tafel 50c. Ausschnitt Jerusalem aus der verlorenen »rfer Weltkarte, um 1300.
Wiedergabe der Tafeln 50a - 50c nach Nathalie Kruppa/Jürgen Wilke (Hg.), Kloster und Bildung im Mittelalter. Veröffentlichungen
des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218, Studien zur Germania Sacra 28, 2006, Beilage.
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Tafel 51a. Ausschnitt Rom aus der Hereford-Karte, 1276/1305, Wiedergabe nach einem Poster aus Hereford.
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latcl S1 b. Ausschnitt Jerusalem am der Hereford-Karte, 1276/1305, Wiedergabe nach P. D. A. Harvey, Mappa Mundi.
The Hereford World Map, London 1996, Frontispiz.
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Tafel 52. Planskizze von Rom aus den «Historiae Rniruinorum», Ende 13. J h . , H a m b u r g , Staats- u n d Universitätsbiblio-
thek C o d . 151 i n scrin. f o l . l 0 7 v , Wiedergabe nach Facsimile von T. Brandis u n d O . Pacht 1974.
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Tafel 53. Legendenlose Karte aus Bodleian Douce, früher Brunetto Latini zugeschrieben, 1310-20,
Oxford, Bodleian Librarv MS Douce 319 fol. 8r.
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Tafel 54. Paulinus Minorità: Weltkatte aus der «Chronologia Magna», um 1320-30, Paris, Bibliotheque nationale de France
MS Lat. 4939 fol. 9r, entspricht auch der Weltkarte von Pietro Vesconte im Oxforder Manuskript MS Bodl.
Tanner 190 fol. 203v-204r.
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Tafel 55. Heilig-Land-Karte des Pietro Vesconte zu Marino Sanudo -Secreta fidelium crucis», mit Gitter überzogen, um 1320, l.ondon, British Librar)'
MS Add. 27376 fol. 1 8 8 v - 1 8 9 r - © T h e British Library. All Rights reserved.
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laici 57. Angelino D u k c n (oder Dalorto): Portolan-Karte, u m 1330, Paris, Bibliotheque nationale de France M S C 988.
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Tafel 58. Ranulph Higden: Große Weltkarte, um 1342-43, London, British Library MS Roy. C. IX. fol. lv-2r
© The British Library. All Rights reserved.
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Tafel 59. Ranulph Higden: Kleinere Weltkarte, um 1342-43, London, British Library MS Roy. C. IX. fol. 2v
© The British Library. All Rights reserved.
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Tafel 60. Evesham-Weltkarte, um 1400, Wiedergabe nach Peter Barber. The Lvcsham World Map,
Imago Mundi 47 (1995) S. 14.
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l'alci 61. Vatikanische Mela-Karte im ptolemäischen Stil, nach Pirrus de Noha, nach 1410, Vatikan, Archivio di San Pietro, MS H. 31 fol. 8r.
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Tafel 62. Pierre d'Ailly: «Ymago Mundi», Weltkarte, um 1412, Cambrai, Médiathèque Municipale MS 954 fol. 40v.
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Tafel 63. Reimser Mela-Karte, vor 1418, Reims, Bibliotheque Muncipale, MS 1321 fol. I3r.
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l'atei 64. Stadtplan von W i e n und Prclshurg, Nachzeichnung eines Plans von 1422 aus der M i t t e des 15. Jh..
W i e n . W i e n Museum I. N . 31.018 - © W i e n m u s e u m .
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65. Andreas Walsperger OSB: Gesüdete Weltkarte, 1448, Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana MS Pal. Vat. Lat. 1362b.
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Tafel 66. Genfer Sallust-Karte, 15. Jh., Genf, Bibliotheque de Genève MS Lat. 54 fol. 34v
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Tafel 67. Genordete Weltkarte im Portulanstil der Mallorquiner aus Modena, Mitte 1 5. Jh., Modena,
Biblioteca Estense C. G. A. 1, Wiedergabe nach Bagrow-Skelton, Meister der Kartographie (1963) S. 370.
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Tafel 68. Simon Marmion: Ökumene-Karte zu Jean Mansel «La Fleur des Histoires», 1455, Brüssel,
Bibliohèque Royale MS 9231 fol. 281v.
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Tafel 69. Gesüdete runde Weltkarte aus Zeitz, 1470, Zeitz, Stiftsbibliothek MS Hist. Fol. 497 fol. 48r.
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Tafel 70. Heinrich van Beeck: Ökumene-Karte aus der «Agrippina», 1469-72, Köln, Historische, Archiv der Stadt,
Chron. u. Darst. 21 fol. 14r, (vgl. auch Chron. u. Darst. Bd.19 fol. 9v und Bd. 20 fol. 9t).
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Tafel 7 1 . Rudimentum Noviciorum, Weltkarte, Lübeck 1475, Frühdruck, fol. 85v-86r.


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Tafel 72. Henricus Martellus Germanus: Weltkarte, 1489, London, British Library MS Add. 15760 fol. 68v-69r - © The British Library. All Rights reserved.
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Tafel 73. Hichstätter Druck der sogen. Mitteleuropa-Karte des Nikolaus von Kues, 1491, Kupferstich.
Tafel 74. Hartmann Schedel: Weltchronik, Nürnberg, Koberger 1493. Frühdruck, fol. I2v-13r.
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Tafel 75. Hanns Rüst/Hanns Sporer: Weltkarte in deutscher Sprache, um 1500, Holzschnitt.
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Tafel 76. Erhard Fitzlaub: Umgebungskarte von Nürnberg, genordete Fassung, 1492, Frühdruck.
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Tafel 77. Erhard Etzlaub: Romweg-Karte tür das Heilige Jahr 1 500. gesüdet. um 1 500. Frühdruck.
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Tafel 78. Erhard Etzlaub: Reichslandstrafenkarte, gesüdet, 1501, Frühdruck, f


Bayerische
Staatsbibliothek

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