Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Lundershausen1
F. Potthoff2
M. Kaiser3
Supplementäre Insulintherapie bei Patienten mit Ch. Häuser3
Typ-2-Diabetes ± die PHAZIT-Studie Ch. Münscher2
the PHAZIT-Study
Zusammenfassung Abstract
Einleitung: Die supplementäre Insulintherapie (SIT) ermöglicht Background: The supplementary insulin therapy (SIT) allows a
bei Patienten mit Typ-2-Diabetes eine bedarfsorientierte Form treatment of type 2 diabetes according to individual demands.
der Insulinbehandlung. Über die Effektivität einer SIT mit kurz- Up to now only few data were available on the clinical efficacy
wirksamen Insulinanaloga im Vergleich zu Humaninsulin (HI) of a SIT with short-acting insulin analogues in comparison to
wurden bislang nur wenige Daten erhoben. In der vorliegenden regular insulin. The PHAZIT-Study compared insulin aspart
PHAZIT-Studie wurde Insulin Aspart (ASP) mit Humaninsulin (ASP) with regular human insulin (HI), both administered in
verglichen, jeweils in Kombination mit Metformin (MET). Me- combination with metformin (MET). Methods: PHAZIT was a
thoden: PHAZIT wurde als eine prospektive, multizentrische, prospective, multicenter, non-randomized observational study,
nicht-randomisierte Beobachtungsstudie unter Praxisbedingun- conducted under everyday life conditions. Patients for which a
gen durchgeführt. Es wurden Patienten eingeschlossen, bei de- SIT with ASP or HI in combination with MET was initiated for
nen erstmalig eine SIT mit ASP oder HI in Kombination mit MET the first time were included. Primary outcome parameter was
begonnen wurde. Primärer Outcome-Parameter war die ¾nde- the change in HbA1c after 26 weeks of treatment. The external va-
54 rung des HbA1c 26 Wochen nach Therapiebeginn. Die externe Va- lidity was verified by comparison with the TEMPO-Study. Re-
lidität wurde durch Vergleich mit der TEMPO-Studie belegt. Er- sults: The intention-to-treat (ITT) population comprised 615 pa-
gebnisse: Die Intention-to-treat (ITT) Population umfasste 615 tients (ASP/MET 315; HI/MET 300). The mean observation period
Patienten (ASP/MET 315; HI/MET 300). Die mittlere Beobach- lasted for 26 weeks. Starting with baseline values of 8.77 1.09 %
tungsdauer betrug 26 Wochen. Bei HbA1c Ausgangswerten von (meanSD) for ASP/MET and 8.75 1.13 % for HI/MET, a distinct
8,77 1,09 % (MittelwertSD) für ASP/MET sowie 8,75 1,13 % HbA1c reduction was achieved in both treatment groups (ASP/
für HI/MET wurde in beiden Behandlungsgruppen eine deutliche MET 1.72 1.35 %; HI/MET 1.57 1.26 %; p < 0.0001). Under ASP/
HbA1c-Reduktion erzielt (ASP/MET 1,72 1,35, HI/MET 1,57 MET this result was achieved with a 16 % lower insulin dose com-
1,26 %; p < 0,0001). Dabei wurde unter ASP/MET das Ergebnis pared to HI/MET (30.1 U/day vs. 35.7 IU/day; p < 0.0001). While
mit einer um 16 % niedrigeren täglichen Insulindosis als unter HI/ under HI/MET a body weight increase of 0.5 4.4 kg was observ-
MET erreicht (30,1 E/Tag gegenüber 35,7 IE/Tag; p < 0,0001). ed, the ASP/MET treatment resulted in a weight loss of 0.3
Während im Verlauf der Behandlung unter HI/MET eine Ge- 4.2 kg (p = 0.017 for the between-group difference). Conclu-
wichtszunahme von 0,5 4,4 kg zu verzeichnen war, kam es un- sion: A SIT with ASP/MET represents an effective treatment of
ter ASP/MET zu einer Gewichtsabnahme von 0,3 4,2 kg, type 2 diabetes, requiring ± in comparison to HI/MET ± a 16 % lo-
(p = 0,017 für den Gruppenunterschied). Schlussfolgerung: wer daily insulin dose to achieve equal metabolic results. Com-
Eine SIT mit ASP/MET stellt eine effektive Therapie des Typ- pared to HI/MET, a more favourable course of body weight is ob-
Institutsangaben
1
Diabeteszentrum Erfurt, Erfurt
2
MNC - Medical Netcare GmbH, Münster/Westf.
3
Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
Bibliografie
Diabetologie 2006; 1: 54±59 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ´ New York
DOI 10.1055/s-2006-931493
ISSN 1861-9002
2-Diabetes dar, bei der ± im Vergleich zu HI/MET ± eine gleich served during treatment with ASP/MET over approximately 6
gute Stoffwechseleinstellung mit einer um 16 % geringeren tägli- months.
chen Insulindosis erreicht werden kann. Im Vergleich zu HI/MET
ist unter ASP/MET eine vorteilhaftere Gewichtsentwicklung im Key words
Verlauf einer etwa halbjährigen Behandlung zu verzeichnen. Type 2 diabetes ´ insulin aspart ´ human insulin ´ insulin dose ´
supplementary insulin therapy ´ SIT
Schlüsselwörter
Typ-2-Diabetes ´ Insulin Aspart ´ Humaninsulin ´ Insulindosie-
rung ´ supplementäre Insulintherapie ´ SIT
Originalarbeit
Bei der Therapie des Typ-2-Diabetes werden zu Beginn der Phar- bisherige Therapie mit zwei oralen Antidiabetika ± eines davon
makotherapie üblicherweise orale Antidiabetika (OAD) einge- Metformin ± zu einer unzureichenden Stoffwechseleinstellung
setzt, welche vorzugsweise die postprandiale Insulinsekretion (HbA1c zwischen 7,0 % und 12,0 %) geführt hatte, und bei denen
bzw. die hepatische Glucoseproduktion oder die Insulinsensitivi- erstmalig eine SIT (mit ASP oder HI) in Kombination mit MET
tät beeinflussen. Im weiteren Verlauf kann dann allerdings bei begonnen wurde. Die Indikationsstellung zur SIT sowie die
einer zunehmenden Anzahl von Patienten mit einem OAD oder Wahl des Insulins erfolgte unabhängig von der Studie durch
einer Kombination von OADs keine zufriedenstellende Stoff- den behandelnden Arzt. Der Beobachtungszeitraum betrug 26
wechselkontrolle mehr erreicht werden. Damit ist die zusätzli- Wochen.
che oder ausschlieûliche Gabe von Insulin angezeigt [1]. Die
prandiale Injektion von Humaninsulin oder eines schnellwirken- Datenerhebung, Datenmanagement und Qualitätssicherung
den Insulinanalogons stellt dabei eine Variante der Insulinbe- Dokumentiert wurden Daten zu Demographie, Diabetesdauer,
handlung von Typ-2-Diabetikern dar, die zunehmend Verbrei- Risikofaktoren, Begleit- und Folgeerkrankungen, antidiabeti-
tung findet. Wegen des die residuale endogene Insulinsekretion scher Therapie, Begleitmedikation, klinischen Befunden, Lebens-
unterstützenden Ansatzes wird von einer supplementären Insu- qualität und Kosten vor Beginn der Therapie (Baseline), nach 12
lintherapie (SIT) gesprochen. Durch die zusätzliche orale Gabe Wochen und nach 26 Wochen. Die Diagnostik der makro- und
von Metformin kann die Insulinsensitivität verbessert und die mikrovaskulären Komplikationen orientierte sich an den Vorga-
erhöhte hepatische Glukoseproduktion vermindert werden ben der Deutschen Diabetes Gesellschaft und wurde in den vor-
[2 ± 4]. Metformin führt dabei zu einer durchaus erwünschten liegenden Progressionsstadien zu jedem Beobachtungspunkt er-
Einsparung von Insulin. Da Metformin darüber hinaus die Ge- fasst [7]. Die Retinopathie wurde entsprechend dem aktuellsten 55
wichtsentwicklung positiv beeinflusst, stellt auch unter patho- augenärztlichen Befund dokumentiert. Alle Daten wurden über
physiologischen Gesichtspunkten eine SIT in Kombination mit eine eigens für die PHAZIT-Studie entwickelte Dokumenta-
Metformin eine sinnvolle und effektive Behandlungsform bei tionssoftware erfasst. In regelmäûigen Abständen wurden die
Typ-2-Diabetes dar. Daten anonymisiert exportiert und auf einer zentralen Daten-
bank zusammengeführt. Maûnahmen zur Qualitätssicherung
Die therapeutische Wirksamkeit einer SIT mit schnellwirksamen umfassten automatisierte Plausibilitätskontrollen bei der Daten-
Insulinanaloga im Vergleich zu Normalinsulin wurden bislang erfassung. Desweiteren wurden die exportierten Daten zentral
nur in wenigen Studien untersucht [5, 6], wobei bis dato noch mittels eines anonymisierten Datenprotokolls (MNC-Report) auf
keine Arbeiten über eine SIT mit schnellwirksamen Analoga in Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Die Bestimmung des
Kombination mit Metformin publiziert wurden. Die PHA- primären Zielparameters HbA1c in einem Zentrallabor (LKF-La-
ZIT-Studie (Pharmaökonomische Anwendungsbeobachtung bor für Klinische Forschung, 24 223 Raisdorf) ermöglichte die
zur supplementären Insulintherapie) vergleicht den Einsatz von Vergleichbarkeit der Ergebnisse untereinander. Ein regelmäûiges
Insulin Aspart (ASP) mit Humaninsulin (HI) bei einer SIT ± je- externes Monitoring in den Studienzentren, bei dem alle Diagno-
weils in Kombination mit Metformin (MET) ± hinsichtlich Stoff- sen per Interviewverfahren sowie alle Befunde und eingegebe-
wechselkontrolle, Gewichtsentwicklung, Insulindosierung sowie nen Kostenparameter überprüft wurden, wurde als zusätzliche
den Behandlungskosten unter Praxisbedingungen. Der vorlie- Qualität sichernde Maûnahme durchgeführt.
gende Artikel befasst sich mit den klinischen Aspekten der PHA-
ZIT-Studie. Eine weitere Publikation widmet sich den pharma- Auswertungspopulationen
ökonomischen Ergebnissen. Die Wirksamkeitsanalyse erfolgte nach einem Intention-to-treat
(ITT) Ansatz. Die ITT-Population umfasste alle Patienten, die in
die Studie aufgenommen wurden und für die zumindest ein
Methodik HbA1c-Wert vor Therapiebeginn sowie nach 12 Wochen oder
zum Ende der Beobachtung (26 Wochen) vorlag. Zusätzlich er-
Studiendesign folgte eine Analyse der Per-protocol Population (PP), welche nur
Die PHAZIT-Studie wurde als prospektive, multizentrische, offe- aus denjenigen Patienten bestand, bei denen keine Protokollver-
ne Beobachtungsstudie mit parallelen Gruppen von Januar 2003 letzung vorlag und der primäre Outcome-Parameter an sämtli-
bis Juni 2004 in 51 diabetologischen Schwerpunktpraxen unter chen drei Beobachtungszeitpunkten erhoben werden konnte.
HbA1c (%) 8,77(1,09) 8,75 (1,13) 0,818 7,05 (1,08) 7,18 (0,98) 0,128 ±1,72 (1,35) ±1,57 (1,26) 0,163
BZ (mg/dL) < 60 Min. pp 226 (51) 224 (56) 0,860 137 (46) 156 (50) 0,049* ±89 (58) ±67 (76) 0,124
BZ (mg/dL) ³ 60 Min. pp 203 (58) 207 (59) 0,553 151 (44) 154 (41) 0,450 ±53 (62) ±53 (58) 0,965
NBZ (mg/dL) 172 (51) 174 (56) 0,685 132 (38) 131 (42) 0,841 ±40 (54) ±41 (56) 0,799
Gewicht (kg) 89,6 (18,2) 89,5 (17,0) 0,909 89,3 (18,0) 90,0 (16,7) 0,632 ±0,3 (4,2) + 0,5 (4,4) 0,017*
BMI (kg/m2) 31,3 (5,7) 31,4 (5,4) 0,794 31,2 (5,8) 31,6 (5,4) 0,372 ±0,1 (1,5) + 0,2 (1,6) 0,021*
Ges.-Cholesterin (mg/dL) 224 (108) 214 (48) 0,167 212 (39) 204 (45) 0,044* ±14 (117) ±11 (44) 0,729
HDL-Cholesterin (mg/dL) 49 (15) 50 (16) 0,381 53 (14) 53 (16) 0,781 + 3 (13) + 3 (15) 0,767
LDL-Cholesterin (mg/dL) 134 (44) 125 (47) 0,035* 123 (33) 116 (37) 0,044* ±10 (42) ±8 (47) 0,035*
Originalarbeit
Triglyzeride (mg/dL) 236 (141) 247 (256) 0,540 212 (218) 188 (107) 0,143 ±21 (210) ±71 (254) 0,029#
RR systolisch (mmHg) 144 (19) 142 (17) 0,246 138 (16) 138 (16) 0,795 ±6 (19) ±4 (21) 0,312
RR diastolisch (mmHg) 84 (9) 82 (10) 0,014* 82 (9) 81 (9) 0,061 ±2 (10) ±2 (11) 0,711
Postprandiale (pp) Blutzuckerwerte: Veränderungen adjustiert auf den Baseline-Wert. Signifikante Unterschiede (p < 0,05) zwischen den beiden Beobachtungsgrup-
pen sind mit * gekennzeichnet. NBZ, Nüchtern Blutzucker. # p Wert durch die Ergebnisse von 4 Ausreiûern verursacht; ohne Berücksichtigung der Ausreiûer ergibt
sich keine Signifikanz.
Tab. 3 Vergleich der Baseline-Parameter für die Population der PHAZIT- (ITT) und der entsprechenden Population (Typ-2-Diabetiker unter SIT
mit OAD) in der TEMPO-Studie; Mittelwerte (Standardabweichung)
Signifikante Unterschiede (p < 0,01) zwischen beiden Populationen sind mit * gekennzeichnet
Originalarbeit
8
Schuhmacher M, Schulgen G. Kontrollierte klinische Studien. In: Me-
zu einer deutlich verbesserten Perspektive hinsichtlich diabeti- thodik klinischer Studien. Heidelberg: Springer Verlag, 2002
scher Spätkomplikationen führen. 9
Benson K, Hartz AJ. A comparison of observational studies and rando-
mized, controlled trials. NEJM 2000; 342: 1878 ± 1886
10
Altenhofen L, Haû W, Oliveria J. In: Modernes Diabetesmanagement in
der ambulanten Versorgung. Deutscher ¾rzteverlag, Köln: 2002
Folgerungen 11
Bierwirth RA, Kron P, Lippmann-Grob B et al. Die Tempo-Studie: Kos-
tenanalyse in der diabetologischen Schwerpunktpraxis und Definition
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine SIT mit Insulin As- diabetesspezifischer Risikoprofile. Diabetes und Stoffwechsel, 2003:
part in Kombination mit Metformin als wirksame Therapieform 83 ± 94
12
Bierwirth RA, Funke K, Grüneberg M et al. Insulinresistenz und Typ 2
zur Behandlung des Typ-2-Diabetes betrachtet werden kann, bei Diabetes: Eine ökonomische Perspektive. Diabetes und Stoffwechsel
der vergleichbare Stoffwechselergebnisse mit ca. 16 % weniger 2003; 12: 135 ± 144
Insulineinsatz erreicht werden als unter der Kombination von 13
Liebl A, Neiss A, Spannheimer A, Reitberger U, Wagner T, Gortz A. Kos-
Humaninsulin und Metformin. Im Vergleich zu HI/MET ist unter ten des Typ-2-Diabetes in Deutschland. Ergebnisse der Code-2-Stu-
die. Dtsch med Wochenschr 2001; 126: 585 ± 589
ASP/MET eine günstigere Gewichtsentwicklung zu verzeichnen. 14
Lippmann-Grob B, Bierwirth RA, Kron P, Leinhos B, Funke K, Huptas M,
Langzeituntersuchungen könnten aufzeigen, ob die erreichten Gruneberg M, Weich KW, Munscher C, Potthoff F. Patientenklassifika-
Stoffwechselverbesserungen und die damit verbundene Risiko- tion und Risikoprofilanalysen bei Typ-2-Diabetikern in der Schwer-
reduktion auch aufrechterhalten werden können. punktpraxis. Ergebnisse der TEMPO-Studie. Dtsch med Wochenschr
2004; 129: 75 ± 81
15
Heller S. Weight gain during insulin therapy in patients with type 2
diabetes mellitus. Diabetes Res Clin Pract 2004; 65 Suppl. 1: S23 ± 27
Literatur 16
Lindholm A, Jacobsen LV. Clinical pharmacokinetics and pharmacody- 59
namics of insulin aspart. Clin Pharmacokinet 2001; 40: 641 ± 659
17
1
Tanenberg RJ. Transitioning pharmacologic therapy from oral agents Stratton IM, Adler AI, Neil HA, Matthews DR, Manley SE, Cull CA, Had-
to insulin for type 2 diabetes. Curr Med Res Opin 2004; 20: 541 ± 553 den D, Turner RC, Holman RR. Association of glycaemia with macro-
2
Bailey CJ. Biguanides and NIDDM. Diabetes Care 1992; 15: 755 ± 772 vascular and microvascular complications of type 2 diabetes (UKPDS
3
Davidson MB, Peters AL. An overview of metformin in the treatment of 35): prospective observational study. BMJ 2000; 321: 405 ± 412
type 2 diabetes mellitus. Am J Med 1997; 102: 99 ± 110