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Auszug aus
Ausgabe 2
April 2018
Synchronisierung
von Erneuerbaren- und
Netzausbau
Netzausbau in Brandenburg
Brandenburger zahlen bundesweit die höchsten Netzentgelte. Dafür gibt es insbesondere
zwei Gründe: Erstens sind zur Integration von Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerba-
rer Energien (EE), insbesondere von Windkraftanlagen, derzeit hohe Netzinvestitionen
notwendig. Und zweitens fallen, solange die Netzinfrastruktur noch nicht ausgebaut ist,
parallel Kosten für das Einspeisemanagement der Erneuerbaren an. Denn EE-Anlagen be-
rücksichtigen den Netzzustand weder bei der Standortwahl noch beim Zeitpunkt der In-
betriebnahme – das erzeugt hohe Kosten für die Stromkunden. Eine Synchronisierung von
Erneuerbaren- und Netzausbau bietet ein hohes Einsparpotenzial beim Netzausbaubedarf
– bei gleicher eingespeister Energiemenge. Der folgende Beitrag stellt die Ergebnisse der
Studie „Synchronisierung von EE- und Netzausbau“ vor, die E-Bridge im Auftrag des Minis-
teriums für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg erstellt hat. Mögliche Maßnah-
men zur Synchronisierung werden aufgezeigt und bewertet.
Von Dr. Henning Schuster, Principal Consultant, E-Bridge Consulting, Dr. Marion Wilde, Regierungsdirektorin im
Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg und Matthias Wessels, Consultant, E-Bridge Consulting
S
owohl aus konventionellen als auch Energien, insbesondere von Windkraftan-
erneuerbaren Energien werden in lagen, hohe Netzinvestitionen notwendig
Brandenburg insgesamt mehr als 55 Mehr als ein Zehntel des in und zweitens fallen, solange die Netz-
TWh Strom pro Jahr erzeugt und Deutschland verbrauchten infrastruktur noch nicht ausgebaut ist,
damit fast dreimal so viel Strom wie ver- Stroms wird in Brandenburg Kosten für das Einspeisemanagement der
braucht wird (circa 19 TWh pro Jahr). Der produziert. EE-Anlagen an. Denn die Erzeugung von
Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung EE-Anlagen wird auch vergütet, wenn sie
am Stromverbrauch in Brandenburg be- aufgrund von Netzsicherheitsmaßnahmen
trägt bereits mehr als 75 Prozent – das ist abgeregelt wird.
weit mehr als der Bundesdurchschnitt (cir- Bürger immer stärker spürbar. In Bran-
ca 30 %). Ziel des Landes ist ein weiterer denburg zahlten Stromkunden mit einem Würden EE-Anlagen den Netzzustand bei
Ausbau der erneuerbaren Energien. Neben Verbrauch von 5.000 kWh p. a. in 2017 der Standortentscheidung und auch beim
dem weiteren Zubau von Windkraft- und deutschlandweit die höchsten Netznut- Zeitpunkt der Inbetriebnahme berück-
PV-Anlagen soll dieses Ziel auch durch zungsentgelte (614 Euro pro Jahr) – fast 50 sichtigen, könnten Netzinvestitionen und
eine Steigerung der Energieeffizienz er- Prozent mehr als im bundesweiten Durch- Entschädigungszahlungen für Einspei-
reicht werden. schnitt (415 Euro pro Jahr). Die hohen semanagement-Maßnahmen vermieden
Netznutzungsentgelte haben auch direkte werden und damit die Netznutzungs-
Bundesweit die höchsten Folgen für die ansässigen Unternehmen. entgelte geringer ausfallen. Ein weiteres
Netznutzungsentgelte Mittel zur Reduzierung der Netznutzungs-
Weil Brandenburg beim Ausbau der erneu- Es gibt vor allem zwei Gründe für die entgelte ist die Nutzung der Flexibilität
erbaren Energien sehr weit vorangekom- hohen Netznutzungsentgelte in Branden- neuer Verbraucher wie E-Pkw, elektrische
men ist, werden auch die Auswirkungen burg: Erstens sind zur Integration von Heizlösungen oder Kleinspeicher zur
einer dezentralen Energieversorgung für die Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Netzentlastung.
Hoher Bedarf an Netzausbau nach Ladeleistung und Gleichzeitigkeit der Ein deutlich höheres Potenzial zur Senkung
Im Verteilnetz in Brandenburg wird bis E-Pkw beträgt der Ausbaubedarf bis 2030 des Investitionsbedarfs besitzen Maßnah-
2030 ein weiterer Ausbau der EE-Leistung circa drei Prozent der Mittel- und ein Pro- men zur Synchronisierung von EE- und
erwartet. Die Leistung an Windkraft- zent der Niederspannungsebene (Abb.1). Netzausbau (circa 20 %, siehe Abb. 2).
und Photovoltaikanlagen wird bis 2030 Signifikant höherer Netzausbaubedarf in In einer Studie untersuchte E-Bridge für
um circa 60 Prozent auf mehr als 15 der Mittel- und Niederspannungsebene das brandenburgische Ministerium für
GW steigen. Parallel wird sich auch die wird nach 2030 erwartet, wenn beispiels- Wirtschaft und Energie eine beispielhaf-
Stromverbrauchsseite wandeln: Insbeson- weise die Elektromobilität einen kritischen te alternative räumliche Allokation des
dere E-Pkw und elektrische Wärmepum- Durchdringungsgrad erreicht. Zubaus von EE-Anlagen in Brandenburg,
pen erhöhen den Stromverbrauch, sind die zur gleichen EE-Einspeisemenge führt,
jedoch zukünftig intelligent steuerbar und Flexible Lasten und Speicher können jedoch deutlich netzverträglicher ist. Damit
ermöglichen gemeinsam mit Kleinspei- den durch Windkraftanlagen getriebenen reduziert sie den Investitionsbedarf in die
chern zusätzliche Flexibilität, die auch für Netzausbaubedarf in Brandenburg kaum Hochspannungsnetze im Vergleich zur nach
netzdienliche Zwecke eingesetzt werden kompensieren. E-Pkw, elektrische Heizlö- heutigem Ordnungsrahmen prognostizier-
kann. Bis 2030 werden in Brandenburg sungen, Kleinspeicher, Haushaltslasten und ten Allokation bis 2030 um 120 Mio. Euro.
150.000 E-Pkw erwartet – das entspricht Industrielasten sind jeweils in begrenztem
einer Durchdringung von zehn Prozent Umfang flexibel. Flexible Lasten und Spei- Synchronisierung von Erneuerbaren-
der Pkw in Brandenburg. Gemessen an cher sind vornehmlich in urbanen Gebieten und Netzausbau
heutigen Proportionen würde dies einer angeschlossen. Dort jedoch können sie ein- Die Studie bewertete drei alternative Ansät-
deutschlandweiten Zahl von circa fünf speisegetriebene Überlastungen nicht kom- ze zur Synchronisierung von EE- und Netz-
Mio. Elektrofahrzeugen entsprechen. pensieren, denn EE-Anlagen befinden sich ausbau in Brandenburg: eine ortsabhängige
überwiegend in ländlichen Regionen. Das Netzanschlussgebühr, die Reduzierung der
Vor allem der Zubau an Windkraftanlagen maximale zeitgleiche Potenzial für positive Vergütung von Ausfallarbeit sowie eine
bis 2030 führt zu zusätzlichen Lastflüssen Flexibilität (Lastreduktion) beträgt mit EEG-Ausschreibung mit Verteilernetzkom-
und Netzausbau in der Hochspannungs- 600 MW weniger als ein Zwanzigstel der ponente (Abb. 3). Aufgrund des sehr engen
ebene in Brandenburg. Bis 2030 müssen maximalen Einspeisung aus EE-Anlagen. Spielraums der bestehenden Rahmenbedin-
circa 1.600 km zusätzliche Hochspan- Sowohl die Höhe des Flexibilitätspotenzials gungen, die durch den aktuellen Rechts-
nungsleitungen gebaut werden. Das ent- als auch die fehlende räumliche Kongruenz und Ordnungsrahmen vorgegeben sind,
spricht circa 35 Prozent der bestehenden mit den EE-Anlagen führen dazu, dass werden die Überlegungen zur Synchroni-
Netzlänge. Die Simulationen im Rahmen flexible Lasten und Speicher EE-Einspei- sierung von EE- und Netzausbau losgelöst
der Studie „Synchronisierung von EE- und sungen nur bedingt ausgleichen und damit von den heutigen Rahmenbedingungen
Netzausbau“ bestätigen die Berechnungen auch den Netzausbaubedarf bis 2030 nicht angestellt.
des Netzausbauplans der Arbeitsgemein- nennenswert reduzieren können. Stattdes-
schaft der ostdeutschen 110-kV-Flächen- sen könnte ein marktdienlicher Einsatz Baukostenzuschuss (BKZ) für Einspeiser
netzbetreiber 2017. Der Ausbaubedarf in der Flexibilität den Netzausbaubedarf in Netzbetreiber sind verpflichtet, Erzeugungs-
der Mittel- und Niederspannungsebene niedrigen Spannungsebenen sogar erhöhen anlagen auf Basis von regenerativen Ener-
in Brandenburg ist dagegen geringer. Je (+70 Mio. Investitionsbedarf bis 2030). gien oder mit Kraft-Wärme-Kopplung an
Reduktion des
Ausbaubedarfs v.a.
in niedrigen
Spannungsebenen Reduktion des
Ausbaubedarfs in der
Netzdienlicher Hochspannungsebene
Flexibilitätseinsatz
von Speichern und Lasten Synchronisierung von
EE- und Netzausbau
(Allokation der EE-Anlagen)
das Netz anzuschließen und den erzeugten kW) gemeinsam aus (in Summe 400 MW Darüber hinaus existieren weitere Maß-
Strom abzunehmen. Der Netzbetreiber ist pro Jahr). Dabei wird auch eine neue nahmen, die in Brandenburg anfallende
darüber hinaus verpflichtet, die technische „Verteilernetzkomponente“ berücksichtigt, Kosten reduzieren können, allerdings
Aufnahmefähigkeit seines Netzes durch aus der ein Gebotsaufschlag für Anlagen keine allokierende Wirkung besitzen, da
Netzausbau herzustellen. Einspeiser tragen in allen Landkreisen resultiert, deren sie nicht auf die Standortentscheidung des
keine Netzkosten, sodass bei der Standort- maximale Stromerzeugung die maximale EE-Zubaus wirken: etwa ein Flexibilitäts-
wahl die Auswirkung auf das Stromnetz Last innerhalb des Landkreises übersteigt. markt oder eine deutschlandweit bessere
nicht berücksichtigt wird. Eine Internalisie- Die tatsächliche Netzsituation wird in dem Verteilung der Netznutzungsentgelte.
rung der Netzkosten bei der Standortent- Verfahren nicht berücksichtigt. Gebote
scheidung könnte durch eine ortsabhängige für Anlagen in Brandenburg würden mit Markt für Flexibilität
Netzanschlussgebühr (analog zum BKZ für einem Aufschlag versehen, obwohl die Aktuell wird einspeisebedingtes Engpass-
Lasten) erreicht werden. Netze durch schon erfolgten Ausbau management im Verteilnetz nach dem „Leit-
hier bereits sehr stark sind. Die aktuelle faden zum EEG-Einspeisemanagement“
Reduzierung der Vergütung von Ausgestaltung reizt daher zum einen keine der Bundesnetzagentur (BNetzA) durchge-
abgeregelter Energie aus EE-Anlagen effektive Synchronisierung von EE- und führt. Dabei wird eine Abschaltreihenfolge
(Ausfallarbeit) Netzausbau an und führt zum anderen vorgegeben (§ 13 Abs. 1 und 2 EnWG sowie
Die Akzeptanz, nicht ins Netz eingespeis- dazu, dass der Erneuerbaren-Ausbau in § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 EEG), die unter
ten Ökostrom zu vergüten, ist gering. So Brandenburg abgebremst wird. Umständen zu ineffizienten Kosten für Eng-
wurde in den Medien im Oktober 2017
von „643 Mio. Euro für Phantomstrom“
berichtet. Stattdessen sollte ein Anreiz
03 Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten für Brandenburgerinnen und Brandenburger
zum „Nutzen statt Abregeln“ gegeben
werden, beispielsweise durch die Nutzung
von Speichern. Bliebe der wegen Netz
engpässen nicht eingespeiste Strom von Maßnahmen zur Synchronisierung von EE- und Netzausbau
EE-Anlagen ohne Vergütung, würde dies
die örtliche und zeitliche Synchronisie- Ortsabhängige
Reduzierung der Vergütung EEG-Ausschreibungen mit
rung von EE- und Netzausbau fördern. Netzanschlussgebühr
von Ausfallarbeit Verteilernetzkomponente
(BKZ für Einspeiser)
Gleichzeitig würde die Belastung der bran-
denburgischen Netzkunden reduziert.
EEG-Ausschreibungen mit Verteilernetz- Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten in Brandenburg
komponente
Das Bundesministerium für Wirtschaft Deutschlandweite Verteilung
Markt für Flexibilitäten
und Energie (BMWi) schreibt 2018–2020 der Kosten für Ausfallarbeit
in einem Pilotvorhaben Windenergiean-
lagen an Land und Solaranlagen (>750
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