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Spannungsklassen

in der Elektromobilität

Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie


Impressum
Spannungsklassen in der Elektromobilität
Herausgeber:
ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik-
und Elektronikindustrie e. V.
Kompetenzzentrum Elektromobilität
Lyoner Straße 9
60528 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 6302-276
Fax: +49 69 6302-407
E-Mail: zvei-be@zvei.org
www.zvei.org
Verantwortlich:
Hans-Martin Fischer
Redaktion:
Layla Dorn
Autoren:
ZVEI-Task Force Spannungsklassen:
Bertrandt
Delphi Deutschland
Heraeus Materials Technology
Infineon Technologies
Leopold Kostal
Lenze Schmidhauser
Leoni Kabel
Robert Bosch
Schweizer Electronic
Tyco Electronics AMP
Webasto SE
ZF Friedrichshafen
Dezember 2013
Trotz größtmöglicher Sorgfalt übernimmt der ZVEI
keine Haftung für den Inhalt. Alle Rechte, insbesondere
die zur Speicherung, Vervielfältigung und Verbreitung
sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.
1 Adressatenkreis und Zielsetzung
Die Elektromobilität befindet sich in einer
dynamischen Entwicklung. Dabei treffen
neue technologische Ansätze auf klassisch
bewährte, sowohl was die Elektrotechnik und
Elektronik, als auch was ihre Verbindung mit
der klassischen Verbrennungsmotorentechnik
betrifft.

Dieses Dokument soll einen Überblick über


den aktuellen Stand der Technik und Standar-
disierung der erforderlichen Spannungsklas-
sen geben. Es richtet sich an die Berufs- und
Interessengruppen, die in Entwicklung, Tech-
nik, Produktion und Service mit der Elektri-
fizierung des Antriebsstrangs konfrontiert
werden. Zudem soll es ZVEI-Arbeitsgremien
und -Mitgliedern, die in Teilbereichen kompo-
nentenspezifisch arbeiten, dazu dienen, ihre
Kenntnisse der Zusammenhänge aus Gesamt-
systemsicht zu vertiefen.

3
Inhalt

1 Adressatenkreis und Zielsetzung 3

2 Editorial 6

3 Technische Einleitung 8

4 Neue Lowvoltage-Spannungsebene 48 V 11

5 Hochvolt 11
5.1 Namensgebung ‚Hochvolt‘ 12

6 Anbindung an die Ladeinfrastruktur 13

7 Zusammenspiel verschiedener Spannungsebenen 14

8 Batterien 16

9 Ladespannungen 18
9.1 AC-Ladespannungen 18
9.2 Ladespannung DC-Schnellladen 18

10 Einfluss auf die Kosten der Komponenten 20


10.1 Leistungssteigerung mittels Spannungserhöhung 20

11 Leistungselektronik 21

12 Schütze 22

13 Energieverteilung 22

14 HV-Steckverbinder 24
14.1 Steckverbinder mit Sicherheitsverriegelung 26

15 Laderegler und DC/DC-Wandler 26

16 Spannung der Antriebsmaschinen 27



17 Thermisches Management 28
18 Regularien, Normungen und Standardisierung 29

19 Sicherheit: Gefährdungspotentiale
im Umgang mit HV-Spannungen 29
19.1 Wirkung des elektrischen Stroms auf den Körper 29
19.2 Elektrische Sicherheit im Unternehmen 30
19.3 Schutzkonzept 31
19.4 Schutzmaßnahmen 31
19.4.1 Der Potentialausgleich 32
19.4.2 Schutzfunktionen 32
19.4.3 Optionale Schutzfunktionen 33

20 Lebensdauer 33

21 Offene Fragen 37
21.1 Weitere Optimierungsgrößen 37

22 Ausblick und Fazit 37

23 Anhang 38
23.1 Halbleitermaterialien für die
Aufbau- und Verbindungstechnik 38
23.1.1 Neue Lotlegierungen 38
23.1.2 Diffusionslöten 39
23.1.3 Silbersintern 40
23.1.4 Bonddrähte und -bändchen 41
23.1.5 Zugfestigkeit 41
23.1.6 Endoberflächen der Chips, Substrate, Frames 41

24 Abkürzungsverzeichnis 42

25 Literaturhinweise 43
2 Editorial
Ein Blick in die Automobilgeschichte zeigt, gen, wenn diese Grenzwerte im Flottenmittel-
dass viele der ersten nicht von Pferden wert überschritten werden. Durch den Einsatz
bewegten Kutschen mit einem Elektroantrieb aktueller Hybridtechnik kann dieser Gefahr
ausgestattet waren. Dass in den folgenden begegnet werden, da die CO2-Emissionen
Jahrzehnten die Historie von Verbrennungs- bezogen auf den europäischen Drittelmix im
motoren geprägt wurde, ist auf die erhebliche Mittelwert 10 – 20 Prozent reduziert werden
Entwicklungsarbeit zurückzuführen, die dazu können. Darüber hinaus strebt die E-Kommis-
führte, dass der Verbrennungsmotor seine sion für die Zukunft CO2-freie Innenstädte an.
anfängliche Pannenanfälligkeit und Bedie- Das erfordert den Einsatz von Fahrzeugen, die
nungsunfreundlichkeit überwand und praxis- in der Lage sind, zumindest kürzere Distan-
und langstreckentauglich wurde. Heute aber, zen ausschließlich elektrisch zurückzulegen.
nach intensiver Forschung und Entwicklung Soviel zur Wiedergeburt des Elektrofahrzeugs!
auf dem Gebiet der Elektromobilität, erfahren
wir, dass mit dieser innovativen Technik nicht Bis in jüngster Zeit waren Hybridantriebe
nur dem Umweltschutz genüge getan werden meist asiatischer Provenienz. Marktgerechter
kann, sondern wesentlich erhöhte Fahrdyna- Wettbewerb führte zum Einzug dieser Tech-
mik und Fahrfreude damit einhergehen. Das nik in europäische und außereuropäische
lässt erwarten, dass zukünftig die Elektrifi- Fahrzeuge. Der damit einhergehende Ent-
zierung des Antriebsstrangs weiter zunehmen wicklungsboom traf auf eine Verfügbarkeit
wird und bei einer wachsenden Käuferschicht von Hochvolt-Komponenten, die zwar in der
Interesse finden wird. Militär- und der Flugzeugtechnik sowie in
der Industrie und der Traktion (Straßenbahn
Das wiedererwachte Interesse an der und Züge, etc.) Verwendung finden, aber
E-Mobilität oder der Hybridtechnologie – die automobiltechnischen Anforderungen
und damit an elektrischen Antrieben – hat weit überschritten und nicht den preislichen
seinen Ausgangspunkt an umweltpolitischen Vorstellungen der Automobilhersteller ent-
Zielsetzungen. Mit der Markteinführung von sprachen. Diese Komponenten fanden trotz-
allradgetriebenen Hybridfahrzeugen wurde dem zunächst in den frühen nichtasiatischen
jedoch deutlich, dass sich im Parallelbetrieb Hybridfahrzeugen Anwendung, wurden aber
zweier unterschiedlicher Antriebstechno- sukzessive durch geeignetere Komponenten
logien (thermischer Motor plus elektrische ersetzt, die erst einmal spezifiziert, entwickelt
Maschine) beträchtliche Drehmomentwer- und hergestellt werden mussten.
te und damit beeindruckende Beschleuni-
gungswerte erreichen ließen. Das war der Heute steht uns eine Vielzahl von Hochvolt-
noch fehlende Impuls, der zu den heutigen Komponenten zur Verfügung, die die techni-
E-Mobilitätsentwicklungen führte. Jeder Mar- schen Anforderungen erfüllen und preislich
ketingexperte weiß, dass mit entsprechendem im automobilen Umfeld akzeptabel erschei-
Spaß beim Fahren mehr Käufer erreicht wer- nen. Es ist zu erwarten, dass in der Zukunft
den. Somit stehen auch eventuelle Mehrkos- der Hybridantrieb neben den fahrdynami-
ten Kaufargumenten nicht entgegen. schen Vorteilen auch preislich an Attraktivität
gewinnen wird.
Zur Einhaltung der CO2-Emissionswerte des
Kyoto-Protokolls postuliert die EU-Kommissi-
on für die Zeit ab 2015 CO2-Limits, die mit der
traditionellen Verbrenner-Technologie kaum
einzuhalten sind. Zudem drohen Strafzahlun-

6
Angesichts der Evolution der Hybridmechani- • Traditionelle 12/24 Volt-Ebene für alle
sierungen bei PKW und NKW ist davon auszu- gängigen Fahrzeug- und Komfortfunkti-
gehen, dass sich in naher Zukunft die folgen- onen
den Architekturen in den meisten Fahrzeugen • 48 Volt-Ebene für die Verbraucher ein kW
wiederfinden werden, anschließend schema- bis fünf kW und Anwendung in Mild-Hyb-
tisch mit den zurzeit möglichen Optionen dar- riden für Boost Funktion und Rekuperati-
gestellt (siehe Abb. 1 – 3). on bis maximal 12 kW (grün)
• Hochvolt-Ebene für Hybrid- und Elektro-
fahrzeuge für Boost Funktion, Rekupera-
tion und elektrisches Fahren größer als
12 kW (rot/orange)

Abb. 1: 14 V – 18 V Basis-Architektur

Quelle: Delphi Deutschland

Abb. 2: 24 V – HV – E/E-System, Hybrid-NKW

Quelle: Delphi Deutschland

7
Abb. 3: 14 V – 48 V – HV – E/E-System, Hybrid-Fahrzeug

Quelle: Delphi Deutschland

Die nachfolgenden Abhandlungen konzentrie-


ren sich auf den aktuellen Stand der verschie-
denen Spannungsebenen und deren Einsatz in
PKW und NKW. Näher untersucht werden zu-
dem die technischen Auswirkungen auf die in
Hybridfahrzeugen eingesetzten Komponenten.
Nicht betrachtet werden die Spannungsebe-
nen innerhalb der E-Mobilitätsinfrastruktur.

3 Technische Einleitung
Hinsichtlich intensiven Engagements der Waren bisher Spannungen größer als 12/24 V
Automobilindustrie, die Elektrifizierung des Industrie- und Haushaltsapplikationen vorbe-
Antriebsstranges Wirklichkeit werden zu las- halten, so erfordert die elektrische Antriebs-
sen, stellt sich im Hinblick auf die dazu not- leistung in PKW und NKW bis zu einigen hun-
wendigen Anwendungen die Frage nach der dert Volt höheren Spannungen.
technischen Umsetzbarkeit mit Fokus auf die
zu verwendenden Spannungsebenen.

8
Abb. 4: Motor- und Batteriestrom – Systemspannung

Quelle: Lenze Schmidhauser

Hinzu kommt die Notwendigkeit, Funktionen, Während die gängigen Spannungsebenen


die beim Betrieb thermischer Antriebsmaschi- weitgehend durch den VDE standardisiert
nen heute mechanisch angetrieben werden, sind, fehlt zum jetzigen Zeitpunkt ein allge-
zukünftig losgelöst von Drehzahl und Drehmo- mein gültiger Standard für die Spannungsbe-
ment elektrisch und damit unabhängig vom reiche größer als 60 V DC im Automobil.
Zustand und Verhalten der Verbrennungsma-
schine (sofern vorhanden) zu betreiben.

Abb. 5: Spannungen im 12/24 Volt-Bordnetz

Quelle: ZVEI

9
Abb. 6: Spannungen im 48 Volt-Bordnetz weil dadurch die Zahl der Zellverbindungen
reduziert wird und der Aufwand für das Batte-
Berührschutzbereich riemanagement sinkt.
60 V U48sh protect
58 V U48r
Überspannungsbereich Die Wahl der (kosten-)optimalen Spannung
54 V U48 max. high limited
oberer Betriebsbereich mit Funktionseinschränkungen
52 V U48 max. unlimited ist ein übergreifendes Systemthema und kann
allein aus Komponentensicht nicht zufrieden-
48 V U48n
Betriebsbereich ohne stellend beantwortet werden.
Funktionseinschränkungen
Während die elektrischen Antriebskompo-
36 V U48 min. unlimited nenten in den Industrieanwendungen kos-
tenintensive Reserven in der Auslegung auch
unterer Betriebsbereich
mit Funktionseinschränkungen in Bezug auf ihren Bauraum und die Dauer-
belastbarkeit haben, ist dies im kostensensib-
24 V U48 max. low limited
Unterspannungsbereich len und hochvolumigen Automobilbau nicht
20 V U48sto protect
hinnehmbar. Zurzeit sind die elektrischen
Architekturen und deren physikalische Reali-
Quelle: Delphi Deutschland
sierung individuell auf den jeweiligen Fahr-
zeugtyp zugeschnitten. Die Kostenoptimie-
Stand der Technik rung durch die mögliche Vereinheitlichung
Die zurzeit gängigen 12/24 Volt-Ebenen die- wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen,
nen nach wie vor der Versorgung der meisten bevor man sich in der Automobilentwicklung
Fahrzeug- und Komfortfunktionen. Sie werden basierend auf Erfahrungswerten auf einheit-
im Automobil auch weiterhin dafür Verwen- liche Strukturen und Komponenten einigen
dung finden. wird.

Bei den unterschiedlichen Elektro- und Sicher ist, dass man hohe Spannungen
Hybridantrieben orientiert sich die Wahl der benötigt, um Leistungen in der 100 kW-Liga
Spannungsebenen an den jeweiligen Appli- zu transportieren, die die Stromwerte im Rah-
kationen innerhalb des elektrischen Antriebs- men der physikalischen Realisierung in Gren-
strangs, was zu einer gewissen Individualität zen halten.
und Vielfalt führt.
Zu übertragende elektrische Leistungen in
Die elektrischen Architekturen und deren dieser Größenordnung bei stationären oder
physikalische Realisierung sind ebenfalls den mobilen Anwendungen wie Bahnen oder
jeweiligen Anforderungen des Antriebs- Gabelstaplern wurden bisher von elektrotech-
stranges angepasst. Eine Vereinheitlichung nischem Fachpersonal bedient und gewartet.
(Standardisierung) an dieser Stelle würde im Bei der Nutzung von PKW wird diese Tech-
Hinblick auf die Kosten den entscheidenden nik aber auch Laien zugänglich. Daher muss
Beitrag leisten. sichergestellt sein, dass diese vor unbeabsich-
tigtem Berühren von gefährlichen Spannun-
Höhere Spannungen – und damit niedrigere gen geschützt sind. Das gilt für den normalen
Ströme – bewirken tendenziell Kostenvorteile Betrieb des Fahrzeugs sowie beim Service.
im Bereich der Energieverteilung (Steckver- Selbst im Falle eines Unfalls muss diese
binder, Kabelquerschnitte, etc.). In der Bat- Sicherheit gegeben sein. Auf diesen Punkt
terietechnik wiederum werden aus Kosten- wird an anderer Stelle noch eingegangen.
gründen niedrigere Spannungen bevorzugt,

10
4 Neue Lowvoltage-Spannungsebene 48 V
Bereits heute ist absehbar, dass sich neben übernommen werden können und man
den beiden Ebenen 12/24 V bis Hochvolt, sich weiterhin unterhalb der VDE-Kleinspan-
eine dritte Ebene 48 V etablieren wird, die nungsgrenze (kleiner als 30 V AC, kleiner als
u. a. dafür vorgesehen ist, elektrische Aggre- 60 V DC) bewegt, was aufwendige Personen-
gate größer als 3 kW Leistung zu bedienen. schutzmaßnahmen wie Berührschutz, Poten-
Zu nennen sind zum Beispiel Start-Stopp- tialausgleich und Isolationsüberwachung
Funktion (Boost und Rekuperation), Klima- obsolet erscheinen lassen. Trotzdem wird
kompressoren, elektrische Heizer, Pumpen, im Bereich der Steckverbinder einen Über-
Lenkungsantriebe und in Zukunft sicherlich wachungskontakt vorgesehen, der das so-
noch einige Funktionen (Audio, u. a.) mehr. genannte ‚Hot Plugging‘ verhindern soll.

Technisch gesehen spiegelt die 48 Volt-Span- Abb. 7: Elektrischer Heizer


nungsebene im Wesentlichen wider, was um
die Jahrtausendwende im Hinblick auf die
42 Volt-Standardisierung erarbeitet wurde.
Das ist aus heutiger Sicht zu begrüßen, da
die damaligen Erkenntnisse zum großen Teil

Quelle: Webasto Thermo & Comfort

5 Hochvolt
Elektrische Antriebsstrangleistungen größer In der PKW-Hybrid-Technik sind Batteriespan-
als 12 kW sind nun der Hochvolt-Spannungs- nungen bis zu 400 V vorgesehen, bei NKW
ebene vorbehalten, wobei sich die Höhe der hingegen Spannungen bis zu 850 V. Diese
Spannung aus den zu übertragenden Strömen Spannungen liegen in der Spannungsklasse B.
von ca. 250 A ableitet. Die Hochvolt-Ebene beträgt max. 60 < U ≤
1.500 V DC, 30 < U ≤ 1.000 V AC rms.

Tab. 1a: Betrachtete Fahrzeugtypen und Leistungsklassen

Übersicht Leistungsklassen E-Mobilität für PKW


Mild Hybrid Full Hybrid/Plugin EV (Batt/RE/FC) Einh.
12 V 48 V HV mid power Kleinwagen Medium Sport
max. EM motorisch 4 12 20 60 100 60 100 180 kW
Leistung
max. EM motorisch 50 150 150 200 300 200 300 500 Nm
Drehmoment
DC-Spannung max. 15 60 200 400 450 400 400 450/800 V
(generatorisch)
min. 12 36 120 300 250 300 300 300/600 V
(motorisch)
max. Strom DC 333 333 167 200 400 200 333 550/280 A
AC 350 500 500 600 800 250 450 1.000/500 A
Drehzahlverhältnis EM/ 3 1 1 1 1 10 – 15 bis 20
Kurbelwelle bzw. max. k/min k/min
Drehzahl EM
Leistungs-Verhältnis 2 2 2 2 2,5 1,5 1,5 2
max./Dauer
Quelle: ZVEI
11
Tab. 1b: Betrachtete Fahrzeugtypen und Leistungsklassen

Übersicht Leistungsklassen E-Mobilität für NKW, Bus


Mild Hybrid Plugin EV/RE/FC
(bis ca. 40 % Verbrennungsmotorleistung) Hybrid Einh.
< 7,5 t 7,5 – 12 t > 12 t Bus (18 t) 7,5 – 12 t < 7,5 t 7,5 – 12 t Bus (18 t)
max. EM motorisch 50 65 120 120 90 100 120 2x 120 kW
Leistung
max. EM motorisch 350 450 1.000 1.000 500 350 450 2x 500 Nm
Drehmoment
DC-Spannung max. 400 420 420/800 420/800 420 420 420 800 V
(generatorisch)
min. 280 300 300/600 300/600 300 300 300 600 V
(motorisch)
max. Strom DC 180 220 400/200 400/200 300 330 400 400 A
AC 300 350 450/250 450/250 450 450 450 2x 250 A
Drehzahlverhältnis EM/ 1 1 1 1 – 1,6 1 10 k/min 10 k/min
10 k/min
Kurbelwelle bzw.
max. Drehzahl EM
Leistungs-Verhältnis 1,5 1,5 2 2 1,8 2 2 2
max./Dauer
Bemerkung scheint scheint Achse mit
nicht weiter nicht weiter 2 EM
verfolgt verfolgt
zu werden zu werden
Quelle: ZVEI

5.1 Namensgebung ‚Hochvolt‘


‚Hochvolt‘ bezeichnet im Automobilsektor gut geeignet. Für die Beschreibung der Span-
Spannungen oberhalb von 60 V. Die nungsklassen im Fahrzeug ist die Unterteilung
Unterscheidung der Spannungsklassen in Niedervolt und Hochvolt aussagekräftiger.
Klein-, Nieder-, Mittel-, Hoch- und Höchst- Auch verdeutlicht sie dem Laien das erhöh-
spannung kommt aus der Installations- und te Gefahrenpotential in Verbindung mit der
Gebäudetechnik, was sich insbesondere bei höheren Spannung. Daher wird bei den unter
der genauen Beschreibung von Erdungs- Spannung stehenden Komponenten die Sig-
verhältnissen und Abgrenzungen/Isolation nalfarbe ‚Orange‘ verwendet. Alle energiever-
niederschlägt. Diese Unterscheidung ist zur teilenden Komponenten werden so gekenn-
Verwendung in der industriellen Anwendung zeichnet.

12
6 Anbindung an die Ladeinfrastruktur
Die Niederspannungsnormen gelten auch für Somit ist davon auszugehen, dass das HV-Netz
die gesamte Ladeinfrastruktur von E-Fahrzeu- im Fahrzeug immer vom Energieversorgungs-
gen und – gemäß einer Vereinbarung zwischen netz galvanisch getrennt ist. Man spricht
IEC und ISO aus dem Jahre 2011 – während daher grundsätzlich von sogenannten IT
des Ladevorgangs auch für Stromkreise im (Isolated Terra g Isolierte Erdung)-Systemen.
Fahrzeug, welche mit der Ladeinfrastruktur Im Ladebetrieb wird das Fahrzeug-Chassis
galvanisch verbunden sind [9]. Lediglich im über die Infrastruktur im Sinne der IEC Schutz-
Falle eines On-Board-Ladegerätes mit galva- klasse 1 geerdet.
nischer Trennung oder bei induktiven Lade-
systemen ist diese Art der Potentialtrennung In diesen IT-Systemen führt immer erst eine
im Fahrzeug vorhanden. Bei der DC-Ladung beidpolige Berührung der elektrischen Span-
entfällt eine galvanische Trennung im Fahr- nungsquelle/Pole zu einer Wirkung (Strom-
zeug gänzlich. Die Potentialtrennung muss schlag). Deshalb ist es im Gegensatz zur
daher innerhalb der netzseitigen Ladestation Installations- und Gebäudetechnik im Fahr-
gewährleistet sein. zeug durch Verwendung eines Isolationswäch-
ters möglich, eine Gefährdung bereits beim
Auftreten eines Erstfehlers zu erkennen und
diesen zu beheben, bevor ein Zweitfehler eine
beidpolige Berührung ermöglicht.

Tab. 2: Spannungsebenen

Spannungsebenen im Automobilbereich

Schutz- Name Ober- Ober- geltende andere Berühr- Bemerkung


klasse grenze AC grenz DC Norm gebräuchliche schutz
Veff V Bezeichnungen
III Funktions- 25 60 kein FELV – Functional Kein besonderer Schutz zur sicheren
kleinspannung Recherche- Extra Lowvoltage Trennung von anderen Stromkreisen mit
ergebnis höherer Spannung
III Schutz- 25 60 IEC 50178 PELV – Protective ohne Wenn man zwischen den Stromkreisen
kleinspan- Extra Lowvoltage einen Potenzialausgleich sicherstellen
nung muss um Funkenbildung zu vermeiden
z.  B. in Kesselanlagen mit explosiven
Gasen, aber auch für HiFi Anlagen
III Sicherheits- 25 60 IEC 61140 SELV – Saftey ohne Gegenüber Kleinspannung besonderer
kleinspannung Extra Lowvoltage Schutz zu Stromkreisen mit höherer Span-
nung, wie z.  B. Sicherheitstransformatoren
III Klein- 25 60 IEC 60449 ELV – Extra ohne
spannung Lowvoltage
III Klein- 50 120 IEC 60449 ELV – Extra mit
Quelle:spannung
ZVEI Lowvoltage
II Nieder- 1.000 1.500 EN 50110 doppelt
Im Automobilbereich hat sich für diese
spannung
Spannungsklasse die Bezeichnung ‚Hoch-
volt‘ durchgesetzt. Damit soll der Tatsache
Ausdruck verliehen werden, dass diese
Spannungsklasse nicht ohne zusätzliche
Schutzmaßnahmen für den Menschen un-
gefährlich ist, wie es die 12/24 V Klasse ist
I Mittel- ca. länder- mit speziell ausgebildete Fachkräfte,
spannung 36.000 spezifisch Abstand national geprägte Vorschriften
0, I Hoch- > 36.000 länder- mit speziell ausgebildete Fachkräfte,
spannung spezifisch Abstand national geprägte Vorschriften
Quelle: ZVEI weiter auf der nächsten Seite g
13
7 Zusammenspiel verschiedener
Spannungsebenen
Die in einem Fahrzeug zur Anwendung kom- tuell zusätzliche Maßnahmen. Idealerweise
menden unterschiedlichen Spannungsebenen sollten unterschiedliche LV-Spannungsebenen
müssen voneinander getrennt, unabhängig galvanisch getrennt sein. Zwischen HV- und
und gleichzeitig arbeiten können. Für die LV-Netz(en) muss eine galvanische Trennung
einzelnen Spannungsebenen sind die gängi- erfolgen. Höchstmögliche Sicherheit kann hier
gen Absicherungsverfahren anzuwenden, um durch räumliche Trennung der Beschaltung in
den Leitungs- und Kurzschlussschutz sicher zu der Weise gewährleistet werden, dass diese
stellen. Das kann mittels Schmelzsicherungen möglichst wenige physikalische Berührungs-
oder durch elektronische Sicherungsverfahren punkte haben und damit der Spannungs-
erfolgen. Bei Auftreten von Fehlern zwischen schluss nahezu ausgeschlossen werden kann.
zwei unterschiedlichen Spannungsebenen er-
fordern Schutzbeschaltung und Detektion HV-Kabel und -Stecker sind bevorzugt in der
besondere technische Beachtung und even- Signalfarbe ‚Orange‘ zu kennzeichnen.

Tab. 3: Spannungslagen im PKW

Übersicht Spannungslagen E-Mobilität, PKW


Komponenten Mild Hybrid Full Hybrid/Plugin EV (Batt/RE/FC)
12 V 48 V HV mid power Kleinwagen Medium Sport
Antriebs- und
Ladekomponenten
Elektromotor 12 36 120 300 250 300 300 300/600
(Bemessungsspannung)
Inverter DC/AC 15 60 200 400 420 400 400 420/800
Spannungswandler
-- 60 – 12 200 – 12 400 – 12 450 – 12 400 – 12 400 – 12 800/420 – 12
DC/DC
Lader AC/DC -- -- -- -- 230/420 230/400 230/400 230/450/800
Batterie 15 60 200 400 420 400 400 420/800
Subkomponenten
Leistung
Kompressor 12 36 120 300 250 300 300 300/600
Heizer 36 36 36/120 36/300 36/250 36/300 36/300 36/300
Elektrische Pumpen 12 36 12 12 12 12 12 12
Lenkung 12 36 12 12 12 12 12 12
Energietransfer
Komponenten
(Traditionelles Bordnetz) 12 12 12 12 12 12 12 12
Energieverteiler 12 60 200 400 420 400 400 420/800
Kabel 12 60 200 400 420 400 400 420/800
Steckverbinder 12 60 200 400 420 400 400 420/800
Trennelemente 12 60 200 400 420 400 400 420/800
Relais/Schütze 12 60 200 400 420 400 400 420/800

14
g Fortsetzung von Seite 14

Mild Hybrid Full Hybrid/Plugin EV (Batt/RE/FC)


Komponenten
12 V 48 V HV mid power Kleinwagen Medium Sport
Integrierte
Bauelemente
Leistungshalbleiter 75 75 250 650 650 650 650 650/1.200
Kapazitäten 16,5 66 220 440 462 440 440 460/880
Widerstände 16,5 66 220 440 462 440 440 460/880
Spulen 16,5 66 220 440 462 440 440 460/880
Relais/Schütze 16,5 66 220 440 462 440 440 460/880
Sicherungen 16,5 66 220 440 462 440 440 460/880
Stromsensoren 12 12 12 12 12 12 12 12
Lagegeber 12 12 12 12 12 12 12 12
Temperatursensoren 12 12 12 12 12 12 12 12
Quelle: ZVEI

Tab. 4: Spannungslagen im NKW


Übersicht Spannungslagen E-Mobilität für NKW, Bus
Komponenten Mild Hybrid Plugin EV/RE/FC
(bis ca. 40 % Verbrennungsmotorleistung) Hybrid
< 7,5 t 7,5 – 12 t > 12 t Bus (18 t) 7,5 – 12 t < 7,5 t 7,5 – 12 t Bus (18 t)
Antriebs- und
Ladekomponenten
Elektromotor (Bemes- 280 300 300/600 300/600 300 300 400 600
sungsspannung)
Inverter 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
(DC/AC-Wandler)
Spannungswandler 400 -12 400 - 24 420/800 - 24 420/800 - 24 420 - 24 420 - 12 800 - 24 800 - 24
(DC/DC-Wandler)
Lader (AC/DC-Wandler)  - - -- -- -- 3x400 /420 3x400/420 400/420 3x400/800
Batterie 420 420 420/800 420/800 420 420 420 400/800
Subkomponenten
Leistung
Kompressor 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
Heizer 12/48 24 24 800 - 24 24 12 24 800 - 24
Elektrische Pumpen 12/48 24 24 24 12 24 24
420/800 - 24

Lenkung hydraulisch hydraulisch hydraulisch hydraulisch hydraulisch (420 - 12) (420 - 12) (800 - 24)


(elektro-hydraulisch)
Quelle: ZVEI weiter auf der nächsten Seite g

15
g Fortsetzung von Seite 16

Komponenten Mild Hybrid Plugin EV/RE/FC


(bis ca. 40 % Verbrennungsmotorleistung) Hybrid
< 7,5 t 7,5 – 12 t > 12 t Bus (18 t) 7,5 – 12 t < 7,5 t 7,5 – 12 t Bus (18 t)
Energietransfer
Komponenten
(Traditionelles Bordnetz) 12 24 24 24 24 12 24 24
Energieverteiler 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
Kabel 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
Steckverbinder 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
Trennelemente 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
Relais/Schütze 420 420 420/800 420/800 420 420 420 800
Integrierte
Bauelemente
Leistungshalbleiter 650 650 650/1.200 650/1.200 650 650 650 1.200
Kapazitäten 450 450 450/880 450/880 450 450 450 880
Widerstände 450 450 450/880 450/880 450 450 450 880
Spulen/ 450 450 450/880 450/880 450 450 450 880
Motorwicklungen
Relais/Schütze 450 450 450/880 450/880 450 450 450 880
Sicherungen 450 450 450/880 450/880 450 450 450 880
Stromsensoren 12 24 24 24 24 12 24 24
Lagegeber 12 24 24 24 24 12 24 24
Temperatursensoren 12 24 24 24 24 12 24 24
Quelle: ZVEI

8 Batterien
An dieser Stelle wird lediglich ein kurzer Bei Elektro- und Hybridfahrzeugen werden
Überblick zur Batterietechnologie gegeben. heute meist Lithium-Ionen-Batterien (Li-Ion,
Detaillierte Ausführungen hierzu sind bei- LIB) eingesetzt. Haupttreiber für den Einsatz
spielsweise im Buch von Dr. Reiner Korthauer der Li-Ionen-Speicher ist ihre gegenüber dem
(Herausgeber) ‚Handbuch Lithium-Ionen-Bat- Blei-Speicher um ein Vielfaches höhere Ener-
terien‘, Springer Verlag, zu finden. giedichte (Wh/kg), durch die erst ein rein elek-
trisches Fahren in einem für den Alltagsge-
In konventionellen Automobilen werden seit brauch ausreichendem Maße ermöglicht wird.
vielen Jahrzehnten Blei-Akkumulatoren als Allerdings sind auch die Preise für solche Spei-
Speicher elektrischer Energie eingesetzt. Sie cher deutlich höher. Maßgeblich hierfür sind
arbeiten mit einer Nominalspannung von 12 V zum einen die Kosten zur Herstellung der Bat-
bis 14 V (PKW) bzw. 24 V (NKW). teriezellen und zum anderen auch der rege-
lungstechnische Aufwand, um einen Li-Ionen-
Speicher für den Fahrzeugeinsatz nutzbar zu
machen.

16
Die im Fahrzeug sinnvollerweise mitge- Die Zellspannung selbst bestimmt sich aus
führte elektrische Energiemenge (Kapazi- den verwendeten Kathoden- und Anoden-
tät der Batterie) hängt maßgeblich von der materialien. Welche Materialien für die Elek-
angestrebten elektrischen Reichweite, dem troden zum Einsatz kommen, hängt auch von
Fahrzeuggewicht und dem dynamischen Ver- den Anforderungen hinsichtlich Temperatur-
halten (Beschleunigungsvermögen, Bremsen stabilität, elektrischer Kapazität, möglicher
mit oder ohne Rekuperation) ab. Grundsätz- Lade- und Entladeströme und Anzahl der
lich ist zwischen dem reinen Elektrofahrzeug Lade- und Entladezyklen ab. Darüber hinaus
und Hybrid-angetriebenen Fahrzeugen zu un- spielt die Wahl von Elektrolyt und Separator
terscheiden. Batterien reiner Elektrofahrzeuge ebenfalls eine wichtige Rolle.
haben häufig eine Kapazität im Bereich von
16 kWh bis 25 kWh. Einige Fahrzeuge gehen Als Einzelzellenbauform kommen heutzutage
auch deutlich darüber hinaus. zylindrische, prismatische und Pouch-Zellen
zum Einsatz.
Hybride haben üblicherweise eine stark be-
grenzte rein elektrische Reichweite, sodass Bei Li-Ionen-Batterien liegen die Zellspan-
hierfür Batterien mit deutlich geringerer nungen im Bereich von 3 V bis 4 V, so dass für
Kapazität, meist im einstelligen kWh-Bereich, eine Gesamtbatteriespannung von beispiels-
verwendet werden. weise 300 V schon eine Vielzahl von Zellen in
Reihe zu schalten ist.
Darüber hinaus besteht ein Unterschied wie
die Batteriezellen optimiert werden. Reine ‚Elektrisch‘ besteht die Batterie aus den
BEV haben meist energieoptimierte Zellen, Batteriezellen, der Blocküberwachung, dem so-
während HEV leistungsoptimierte Zellen nut- genannten Batterie-Management-System und
zen. den Abschaltelementen, die eine allpolige
elektrische Freischaltung der Batterie vom
Wichtige Kriterien für die Auslegung einer Rest des Fahrzeugs gewährleisten müssen.
Batterie sind: Darüber hinaus ist noch eine mechanische
• Gravimetrische Energie (Wh/kg) Trennmöglichkeit der HV-Batterie im Service-
• Volumetrische Energie (Wh/l) und Wartungsfall bzw. bei einem Unfall vor-
• Peak-Leistung (W/kg) gesehen.
• Leistung bei Kaltstart (W/kg)
• Preis (Euro/kWh) Die Blocküberwachung übernimmt die Aufga-
be, die Zellen so auszubalancieren, dass jede
Die gesetzten Bedingungen bezüglich Lebens- Zelle möglichst viel Energie aufnehmen bzw.
dauer, Qualität und Sicherheit sind dabei un- abgeben kann. In Reihe geschaltete Batterie-
abdingbare Voraussetzungen, die ebenfalls zu zellen haben nämlich das Verhalten, dass die
erfüllen sind. ‚schwächste‘ Zelle innerhalb der Reihe den
Zeitpunkt für die Beendigung des Ladens-
Aufbau und Funktionsweise bzw. Entladens bestimmt. Der Ladevorgang ist
Mechanisch werden die Batterie-Zellen zu- dann beendet, wenn die schwächste Zelle voll
nächst zu einem Block aus mehreren Einzel- ist bzw. vice versa im Entladefall die erste leer
zellen zusammengefasst. Mehrere solcher Blö- ist, obwohl die anderen Zellen noch Reserven
cke bilden dann die Batterie. Hierbei ergibt hätten. Um auch die anderen Zellen möglichst
sich die Gesamt-Batteriespannung aus der gut laden bzw. entladen zu können, wird ein
Anzahl der in Reihe geschalteten Batteriezel- sogenanntes Cell-Balancing vorgenommen.
len multipliziert mit der Zellspannung einer Hierbei wird zwischen aktivem und passivem
Einzelzelle. Balancing unterschieden. Beim aktiven Balan-

17
cing wird Energie von einer Zelle in die ande- turen lassen die Zellen schneller altern.
re aktiv umgeladen, während beim passiven Mithilfe von Kühlung bzw. Heizung muss das
Balancing lediglich überschüssige Energie in BMS dafür sorgen, dass die Batterietempera-
Wärme umgewandelt wird. tur innerhalb des geeigneten Temperaturbe-
reiches geregelt wird.
Das Batterie-Management-System (BMS) re-
gelt den Entlade- bzw. Ladevorgang der Bat- Das BMS übernimmt sowohl die Kommuni-
teriezellen, d.h. es bestimmt, wie viel Strom kation innerhalb der Batterie-Submodule als
in welcher Zeit von der Batterie bereit gestellt auch gegenüber anderen Steuergeräten, wie
bzw. abgenommen werden kann. der Lade-Einheit, dem DC/DC-Wandler und
natürlich dem Inverter. Es bestimmt dabei
Li-Ionen-Batterien haben einen gegenüber auch Batteriekenndaten, wie beispielsweise
dem Fahrzeug-Betriebstemperaturbereich ein- State-of-Charge, Depth-of-Discharge, State-
geschränkten Temperaturbereich. Niedrige of-Health, die auch anderen elektronischen
Temperaturen erschweren das Aufnehmen Steuergeräten zur Verfügung gestellt werden.
bzw. Abgeben von Energie. Hohe Tempera-

9 Ladespannungen
9.1 AC-Ladespannungen
Um Elektrofahrzeuge zu laden, bedarf es des spannungen. Diese Anpassung erfolgt in
Anschlusses und Anpassung der Batterie- den Ladegeräten, die heute Bestandteil der
spannung an die jeweiligen Versorgernetz- Elektrofahrzeuge sind.

Etabliert sind in der EU: 230 V AC einphasig  3,3 kW Peak Ladeleistung


400 V AC dreiphasig  22 kW Peak Ladeleistung
Außerhalb der EU ebenso: 110 V AC einphasig  3,3 kW Peak Ladeleistung

9.2 Ladespannung DC-Schnellladen


Um den Ladevorgang der Elektrofahrzeuge zu zwischen Fahrzeug (Batterie) und Ladesäule
beschleunigen, setzt man heute die Gleich- ein Austausch der wesentlichen Kenndaten
stromschnellladung ein. Hierbei wird die (Ladezustand, Ladespannung, maximaler
Ladesäule direkt mit der Batterie des Fahr- Ladestrom) für die Ladung zwischen Ladesäu-
zeuges verbunden. Bei diesem Ladeverfah- le und Fahrzeug stattfindet. Innerhalb dieser
ren ist ein fahrzeugseitiges Ladegerät nicht Kommunikation steuert das Fahrzeug den
notwendig. Das setzt allerdings voraus, dass Ladevorgang während die Ladesäule Strom
die Ladesäulen sich auf die Spannungsebene und Spannung regelt.
der zu ladenden Batterie anpassen und dass

18
Von Japan ausgehend hat sich ‚Chademo‘- Die europäischen Fahrzeughersteller set-
Schnittstelle der Firma ‚Tepco durchgesetzt. zen auf die ‚Combo Typ 2‘-Ladeschnittstelle
Technische Kenndaten: 500 V, 125 A. Theore- Combined Charging System, die es zu diesem
tisch kann man damit eine 20 kWh Batterie Zweck neu zu entwickeln galt. Diese Schnitt-
innerhalb von ca. 20 Minuten nahezu vollla- stelle ermöglicht sowohl das AC- als auch das
den. Mittlerweile verteilen sich in Japan etwa DC-Laden. Die meisten europäischen Fahr-
1.000 Stationen. Unterschiedliche asiatische zeughersteller haben sich darauf geeinigt,
Fahrzeuge sind mit dieser Schnittstelle bereits dass alle neuen Elektrofahrzeuge ab 2017
ausgestattet. diese Schnittstelle bedienen.

Die technischen Kenndaten sind maximal


850 V und 200 A.

Tab. 5: Konzepte Antriebsaggregate

Leistungs-
Elektrifizierungstyp
Parallel-Hybrid verzweigter HEV
Sp2 Sp3
48 V 300 V AC 600 V AC 1.000 V AC
Merkmal
450 V DC 900 V DC 1.500 V DC
Leistung (grob) bis 20 kW bis 50 kW 150 kW
Kühlung Luft Wasser Wasser Wasser
Konstruktion-
offen geschlossen geschlossen geschlossen
Gehäuse
Kunststoffe und neue
Deckelkonstruktion Stahlblech, Alu-Druckguß, usw. (Crash-Sicherheit)
Materialien zulässig
COD, Pilot Line nicht erforderlich erforderlich erforderlich erforderlich
Berührschutz kein erforderlich erforderlich erforderlich
Klemmstellen offen (Crashschutz) geschlossen geschlossen geschlossen
DC-seitig erforderlich z. B. IP6K7
Korrosionsschutz (z. B. bei integrierter
LE auf EM)
Standard Automotiv Zusatzmaßnahmen bezüglich Isolationsfestigkeit
Wickeltechnik
einsetzbar (Dicke, Zwischenphasenisolation, Abstände ...)
Windungszahlen ‚steigen‘ mit Spannung
Zwischenphasen- keine erforderlich empfohlen obligatorisch obligatorisch
isolation
2x Unenn + 2x Unenn + 2x Unenn +
Prüfspannung 500 V
1.000 V 1.000 V 1.000 V
EMV kritisch mit steigender Spannung
Eisenkreis (Blechschnitt) weitgehend synergetisch
Blechpaket
zwischen den verschiedenen Spannungslagen
Quelle: ZVEI

19
10 Einfluss auf die Kosten der Komponenten
Für eine gute möglichst kostengünstige Aus-
legung ist auf jeden Fall das Gesamtsystem,
bestehend aus Speicher, E-Maschine und Leis-
tungselektronik zu betrachten. Die Kosten-
treiber sind je nach Komponente individuell
unterschiedlich.

Abb. 8: Kosten der Komponenten

Quelle: ZF Friedrichshafen

10.1 Leistungssteigerung mittels


Spannungserhöhung

Die Steigerung der elektrischen Leistung Da physikalisch der Erhöhung des Stromes
erfolgt entweder durch die Strom- oder größer als 250 A Grenzen gesetzt sind, wird
Spannungserhöhung. Der Leistungssteigerung die Leistungssteigerung im PKW/NKW durch
über eine Erhöhung des Stromes stehen aber die Spannungserhöhung realisiert.
systembedingte Engpässe im Weg, weil eine
Stromerhöhung zwingend mit einer Quer- In den folgenden Detailbetrachtungen wird
schnittsvergrößerung der internen und exter- näher auf die Einzelkomponenten eingegan-
nen Kontakte (Leistungsmodule und Stecker) gen.
und der Verkabelung einhergehen muss.

20
11 Leistungselektronik
In Wechselrichtern und DC/DC-Wandlern Je höher nun die DC-Spannung gewählt wird,
werden Halbleiter eingesetzt, mit denen desto kleiner sind die für gleiche Leistung not-
durch periodisches Ein- und Ausschalten die wendigen Ströme, so dass diese Halbleiter an
ausgangseitigen Spannungen mit geringen ihrer oberen Maximalspannung die maximale
Verlusten verändert werden können. Damit Leistung übertragen können. Umgekehrt wer-
können sowohl DC- als auch AC-Spannungs- den durch eine Reduktion der DC-Spannung
formen erzeugt und je nach Anwendung die übertragbare Leistung proportional ver-
das Drehmoment oder die Drehzahl von kleinert und die Kosten pro kW erhöht.
E-Maschinen oder die DC-Ausgangsspannung
eines Wandlers geregelt werden. In leistungselektronischen Komponenten wird
die Blindleistung in Kondensatoren zwischen-
Sowohl das Schalten selbst als auch der zu gespeichert. Diese als Elektrolyt- oder Folien-
schaltende Strom führen zu thermischen Ver- kondensatoren aufgebauten Kapazitäten gibt
lusten, die über die Kühlflächen abgeführt es fein abgestuft für verschiedene DC-Span-
werden müssen. Je höher die Umgebungstem- nungen, so dass diese auch für mittlere Stück-
peratur und je höher der Strom, desto größere zahlen optimiert beschaffbar sind.
Chipflächen sind notwendig. Allerdings unter-
scheiden sich die verwendeten Halbleiter Auch bei Leiterplatten und bei der inter-
und die eingesetzten Schaltungskonzepte in nen Verschaltung der Leistungskomponen-
Bezug auf die stromabhängigen Durchlass- ten eines Wechselrichters gilt, dass eine
und Schaltverluste. Insbesondere bei Wand- Erhöhung der Spannung die Kosten reduziert,
lern führen höhere Schaltfrequenzen zu einer weil damit die notwendigen Ströme verklei-
Reduktion der induktiven Bauteile. Aber auch nert werden können. Bei Leiterplatten und
bei schnell drehenden elektrischen Maschinen vor allem in den Halbleitern selbst müssen
sind hohe Schaltfrequenzen von Vorteil, weil die auftretenden Maximalströme besonders
damit die Verluste im Motor und in Lärm- beachtet werden, weil deren feine Strukturen
emissionen reduziert werden. bereits nach kurzer Zeit (0,1 sek. bis 10 sek.)
die zulässigen Maximaltemperaturen errei-
Die heute verfügbaren Leistungshalbleiter wie chen. Im Gegensatz zu Motoren, Steckern oder
IGBT’s, MOSFET’s oder SiC-Dioden wurden für Kabeln müssen daher Leistungshalbleiter oft
stationäre und netzgebundene Anwendungen für eine Dauerbelastung bei den geforderten
entwickelt und optimiert. Die in Anwendungen Maximalströmen ausgelegt werden, so dass
oberhalb 200 V dominierenden IGBT’s verfü- durch eine Reduktion der Maximalströme
gen über Sperrspannungen von 600 V und erhebliche Kosteneinsparungen möglich sind.
1.200 V, so dass diese in allen Energieversor-
gungsnetzen der Welt eingesetzt werden kön- Bei Wechselrichtern und DC/DC-Wandlern ist
nen. Die Versorgungsnetze sind in zwei vor- die Beherrschung intelligenter Schaltungs-
herrschende Spannungsstufen einzuordnen, konzepte eine wichtige Voraussetzung um die
die meist einphasige 220 V- bis 240 V-Stufe Gesamtverluste und die EMV-Störungen nied-
und die meist dreiphasige genutzte 380 V- bis rig zu halten.
440 V-Stufe. Daraus ergeben sich Spannungs-
amplituden, die zu den genannten Sperrspan-
nungen der IGBT führen. Aufgrund einer tech-
nisch bedingten Spannungsreserve können
diese Halbleiter nicht bis zur Sperrspannung
ausgenutzt werden. Es zeigt sich, dass diese
Halbleiter für maximale DC-Spannungen von
420 V und 800 V geeignet sind (siehe Tabelle 3,
Seite 14, und Tabelle 4, Seite 15).

21
12 Schütze
Im Bereich der elektromechanischen Kompo- Schütze übernehmen innerhalb von chemi-
nenten wie z.  B. Stecker und Schütze spielt schen Energiespeichern auch die Aufgabe des
die HV-Spannungsform und Höhe des Stromes Kurzschluss-Schutzes und müssen daher in der
bezogen auf die damit verbundenen Kosten Lage sein, die bei einem Kurzschluss auftre-
eine wesentliche Rolle. tenden Gleichströme sicher abzuschalten. Die
dabei auftretenden Schaltleistungen der Last-
Die technische Anforderung an die Schütze schütze errechnen sich durch das Strom-Span-
besteht darin, die unter Spannung stehenden nungsprodukt im Lastabschaltfall und kön-
Komponenten im Bedarfsfall zu schalten (gal- nen Leistungen bis hin zu mehreren 100 kW
vanisch zu trennen). Wesentliche Kenngrößen betragen. Daher müssen die Schaltelemente
sind die Stromtragfähigkeit, die Maximal- der Schütze in eine Umgebung eingebracht
spannung und die Schaltleistung unter den werden, die die Abrisslichtbögen auf ein
maximal möglichen Lastbedingungen. Minimum reduzieren. Das erreicht man durch
Vakuum oder durch spezielle Gasfüllungen
Um Stromspitzen während des Einschaltvor- und zusätzlich durch magnetische Umlenk-
ganges zu reduzieren, bedient man sich meist elemente im Bereich der Schaltkontakte, die
sogenannter Vorladerelais, die über einen die Lichtbögen von den Lastschaltkontakten
Widerstand die Zwischenkreiskapazitäten der ablenken. Diese technischen Maßnahmen tra-
Leistungselektronik aufladen. Erst danach gen zu signifikant höheren Kosten bei.
werden dann die Hauptschütze zeitlich ver-
setzt sequentiell zugeschaltet.

13 Energieverteilung
Leitungen
Die wichtigste Anforderung eines HV-Bord- sondere einadrige geschirmte Aufbauten zum
netzes ist die sichere Übertragung der elekt- Einsatz. Gängige Querschnittsbereiche sind
rischen Energie. Hierzu kommen spezielle HV- hier ausgehend von 16 mm² bis 70 mm².
Leitungen zum Einsatz, die in der Regel eine Die mit deutlich weniger Leistung ausgestat-
Schirmung aufweisen. Diese wird aus Gründen teten Nebenaggregate wie Klimakompres-
der elektromagnetischen Abstrahlung und sor, elektrischer Zuheizer sowie im Falle von
Verträglichkeit notwendig. Anders als in der Plug-In Fahrzeugen notwendige Einbindung
HF-Antennentechnik üblich wird der Schirm von On-Board-Charger und Vehicle Inlet wer-
beidseitig kontaktiert und auf Massepoten- den häufig mittels mehradriger geschirmter
tial gelegt. Innerhalb des Leistungsstrangs – Leitungen der Querschnittsbereiche 2,5 mm²
d. h. die zweiphasige Anbindung der HV-Batte- bis 6 mm² dargestellt. Nachfolgende
rie zum Leistungsverteiler sowie von dort aus- Abbildung zeigt den prinzipiellen konstrukti-
gehend der dreiphasige Anschluss eines oder ven Aufbau der zum Einsatz kommenden HV-
mehrerer Elektromotoren – kommen insbe- Leitungen.

22
Abb. 9: Schematischer Aufbau einadrig und mehradrig geschirmter HV-Leitungen

Quelle: Leoni Kabel

Die wesentlichen Auslegekriterien für die


einzusetzenden Kabel sind Spannungslage,
Stromerwärmung sowie die Umgebungs-
temperatur. Im Zuge einer nationalen Stan-
dardisierung wurden in der LV 216-2 die
Spannungsklassen 2 und 3 nach folgend auf-
geführter Tabelle definiert.

Tab. 6: Spannungsklassen

AC DC
Spannungsklassen
Ueff (Urms) Uss Udc

Niedervolt 1 (A(*)) ≤ 30 V ≤ 42 V ≤ 60 V
Hochvolt 2 ≤ 600 V ≤ 849 V ≤ 900 V
Hochvolt 3 (B(*)) ≤ 1.000 V ≤ 1.414 V ≤ 1.500 V

Diese Tabelle wurde in Anlehnung an ISO 6469-3 erstellt. In der ISO 6722-1 ist die Spannungsklasse 2
mit 600 V AC und 600 V DC spezifiziert und die Spannungsklasse 3 nicht berücksichtigt.
Die Spannungsklassen 2 und 3 sind in der ISO 6469-3 zur Klasse B zusammengefasst.

(*) Spannungsklassenbezeichnung nach ISO 6469-3


Uss Spitzenwert der Spannung
Ueff (Urms) Effektivwert der Spannung (rms: Root Mean Square)
Quelle: Entwurf LV 216-2: 5. Mai 2013: Hochvolt-Mantelleitungen geschirmt für Kraftfahrzeuge und deren elektrische Antriebe

23
Zu jeder Spannungslage wurde eine material- Wesentlich stärker ins Gewicht fällt die
unabhängige Geometrie für die geschirmten Beanspruchung der HV-Leitungen mit konti-
HV-Leitungen hinterlegt. Diese wurde ins- nuierlich hohen Stromstärken. Diese gehen
besondere notwendig, um die geometrische quadratisch in die Verlustleistung über die
Schnittstelle zu den HV-Steckverbindern ein- Kabellänge ein und führen somit zu einer
heitlich und kompatibel zu gestalten. Eigenerwärmung der Verbindungskomponen-
ten. In Kombination mit hohen Umgebungs-
Im Vergleich zu Spannungsklasse 2 werden temperaturen, wie beispielsweise innerhalb
für die Auslegung 1.000 V AC/1.500 V DC des Motorraums oder einer Verlegung entlang
höhere Wandstärken in der Primärisolation des Abgasstrangs von Hybridfahrzeugen, wer-
der Leitungen definiert. Daraus resultierend den sehr schnell hohe Temperaturen innerhalb
steigt auch der Außendurchmesser der Lei- der HV-Leitungen erreicht. Dies führt zum
tung. Dies hat einen erhöhten Materialanteil Einsatz sehr temperaturbeständiger Materia-
und somit letztendlich eine Erhöhung des lien für Primärisolation und Mantel sowie zu
Kostenfaktors zur Folge. Da jedoch aufgrund einer Erhöhung des Leiterquerschnitts, welche
der großen Bandbreite der Spannungsklasse 2 in der Regel aus Kupfer bestehen. Beide Maß-
ein Großteil der heutigen Applikationen prob- nahmen sind als maßgebende Kostentreiber
lemlos abgedeckt werden kann, ist der Span- für HV-Leitungen zu sehen. Um Gewicht und
nungslage von HV-Leitungen in Hinblick auf Kosten zu sparen wird oftmals Aluminium als
Kosten eine eher geringe Bedeutung bei zu Alternative zu Kupferleitern diskutiert.
messen.
Somit lässt sich konstatieren dass insbeson-
dere hohe Stromstärken in Kombination mit
steigender Umgebungstemperatur im Wesent-
lichen die Kostentreiber für HV-Leitungen dar-
stellen.

14 HV-Steckverbinder
Ohne eine Bündelung der verschiedenen maximale Betriebsspannung 850 V, Berühr-
Produktanforderungen würde es zu einer schutz nach IPX2B (VDE-Finger), Voreilender
unüberschaubaren Produktvielfalt von HV- Signalkontakt (HVIL), EMV-Anforderung mit
Steckverbinder innerhalb des HV-Bordnetzes 10 A Dauerstrom über die Schirmung. Zusätz-
kommen. Daher wurden diese  Anforderun- lich wurde eine Einteilung der HV-Steckver-
gen im Rahmen des Arbeitskreises AK 4.3.3 binder in verschiedene Leistungsklassen über
der deutschen Automobilhersteller in der Leitungsquerschnitt und Stromtragfähigkeit
LV 215-1 [1] definiert. Dieser Ansatz führt zu definiert. Viele dieser Produktanforderungen
einer Standardisierung und Verwendbarkeit haben auf die konstruktive Auslegung der
der HV-Steckverbinder an verschiedenen HV-Steckverbinder einen großen Einfluss und
Komponenten im Fahrzeug. Um die Nutzung wurden bisher in dieser Kombination noch
unter den vielen möglichen Einsatzbedin- nicht gefordert [1 bis 6].
gungen zu gewährleisten, wurden mehr als
50 Produktanforderungen festgelegt, z.   B.

24
Der Pfad der Ladesteckdose bei Batterie und Abb. 10: Dreiphasenstecker
Plug-in Fahrzeugen stellt eine Besonderheit
bezüglich der normativen Auslegung dar. Die
Trennung des fahrzeuginternen HV-Kreises
vom Versorgungsnetz findet meist im internen
Ladegerät statt.

Ladesteckdose
Die standardisierten Ladesteckdosen nach
IEC 62196-1/-2 [6, 7] unterscheiden drei
Typklassen. Alle Typen werden mit 10.000
Steckzyklen unter Verschmutzungsbedingun-
gen getestet. Die maximale Umgebungs-
temperatur beim Ladevorgang ist mit 50 °C
spezifiziert. Die Glühdrahtbeständigkeit der
Ladesteckdose benötigt besondere Zusätze, Quelle: Tyco Electronics AMP

die die Verarbeitbarkeit und die mechanischen


Materialeigenschaften verschlechtern. Steck- Der Dreiphasenstecker (siehe Abb. 10) ver-
verbinder im Fahrzeug HV-System haben die- bindet die Typ 2 Ladesteckdose mit dem
se Anforderung nicht. internen Ladegerät und somit das HV-Bord-
netz mit dem Energieversorgungsnetz (siehe
Bei der Ladesteckdose Typ 2 beträgt die ma- Abb. 11).
ximale Spannung 500 V AC. Der dargestellte
Aufbau ermöglicht die Übertragung von bis zu
70 A einphasig oder bis zu 63 A dreiphasig.

Abb. 11: TYP 2 Ladesteckdose Abb. 12: Combo-Steckdose

Quelle: Tyco Electronics AMP Quelle: Delphi Deutschland

25
14.1 Steckverbinder mit Sicherheitsverriegelung
Abb. 13: HV-Steckverbinder Um zukünftige HV-Steckverbinder und Ter-
mit Sicherheitsverriegelung minals weiter für die Anforderungen des HV-
Bordnetzes zu optimieren, muss ein ganzheit-
licher Systemansatz gewählt werden. Dieser
Ansatz betrachtet den Steckverbinder nicht
mehr alleine als verbindendes Glied zwischen
den Komponenten, sondern bezieht ihn in die
Auslegung des Gesamtsystems mit ein. Heu-
tige Derating-Kurven nach LV 214-1 [8] stel-
len Laborwerte zur Verfügung, die nur eine
Indikation der Stromtragfähigkeit unter realen
Fahrzeugbedingungen geben. Weiterführende
Systembetrachtungen erlauben z.  B. geringe-
re Leitungsquerschnitte und somit Gewichts-
Quelle: Leopold Kostal
und Kosteneinsparungen im Gesamtsystem.
Innerhalb der Vielzahl unterschiedlicher
Hochvolt-Stecker gibt es Lösungen, die das Abb. 14: Electric Vehicle
schnelle Öffnen der Steckerkontakte mittels Portable Charging Cordset
einer speziellen Verriegelung verhindern.
Hintergrund ist die Entladezeit der Konden-
satoren der Leistungselektroniken auf einen
ungefährlichen Spannungswert. Um dies zu
gewährleisten, bevor die Kontakte berührt
werden können, besitzen diese Stecker eine
Verriegelung, die nur einen zeitverzögerten
Zugang zu den Kontakten zulässt. Diese An-
forderung wir in der bestehenden LV 215-1
Quelle: Delphi Deutschland
heute nicht mehr gefordert.

15 Laderegler und DC/DC-Wandler


Zur Umwandlung der Wechselspannung aus Innerhalb des Fahrzeugs gibt es wie aus Abb. 2
dem öffentlichen Versorgungsnetz in einen und 3 ersichtlich mehrere Spannungsebenen,
Batteriegleichstrom werden Batterielade- die durch meist bidirektionale Gleichspan-
geräte, sogenannte Laderegler, eingesetzt, nungswandler, sogenannten DC/DC-Wandlern,
die bei kleineren Leistungen bis ca. 7 kW verbunden sind. Diese wie auch die Laderegler
im Fahrzeug, also on board, und bei größeren benötigen neben dem eigentlichen Bauraum
Leistungen wegen der großen Abmessungen häufig noch die Anbindung ans Kühlsystem.
und Gewicht extern verbaut werden. Um diesen Kühlbedarf und damit auch Bau-
raum und Bauplatzeinschränkung zu verklei-
Die Laderegler sollen in späteren Versionen nern, sind hocheffiziente Schaltungskonzepte
auch die Abrechnungssysteme für öffentliche in den nächsten Jahren zu entwickeln.
Ladestationen beinhalten.

26
Abb. 15: Batterieladegerät

Quelle: Leopold Kostal

16 Spannung der Antriebsmaschinen


Zum Antrieb in Hybrid- und Elektrofahrzeugen • Durch eine Erhöhung der Drehzahl, bei
kommen drei- und mehrphasige Synchron- gleichzeitiger Erhöhung der Spannung,
oder Asynchron- oder Reluktanzmaschinen kann bei gegebener Bauform die mecha-
zum Einsatz, die den automobilen Umge- nische Leistung einer E-Maschine erhöht
bungsbedingungen angepasst sind (Feuchtig- werden. Umgekehrt kann bei gleichen
keit, Temperatur, Bauform, Vibration, Schmutz Leistungsanforderungen eine kleinere
etc.). Bei allen E-Maschinen sind die folgen- Maschine eingesetzt werden, wenn die
den physikalisch gegebenen Gesetzmäßigkei- Getriebeübersetzung erhöht wird.
ten zu beachten:
• Die Nenndrehzahl eines Motors bestimmt Elektrische Maschinen werden durch die Varia-
seine Nennspannung oder umgekehrt, je tion der Windungszahlen an die Nenndrehzahl
schneller eine Maschine drehen soll, desto und gleichzeitig an die Nennspannung ange-
höher muss die Ansteuerspannung des passt, die max. 75 Prozent der (minimalen)
Wechselrichters sein. Batteriespannung betragen kann. Traktions-
• Das Drehmoment eines Motors wird durch motoren können durch eine geeignete Kons-
die Größe des Stromes bestimmt. Aus die- truktion so ausgelegt werden, dass sie durch
sem Grunde wird das maximale Anfahr- das Einprägen von Blindstrom im sogenann-
moment durch den maximalen Wechsel- ten Feldschwächebereich betrieben werden.
richterstrom begrenzt. In diesem Bereich verhalten sich E-Maschinen

27
wie ein ideales Getriebe, in dem sie eine kons- Durch die Vergrößerung des Feldschwächebe-
tante Leistung abgeben, bei welcher das Dreh- reiches wird der Nennpunkt der E-Maschine zu
moment mit höherer Drehzahl abnimmt. Bei tieferen Drehzahlen hin verschoben. Gleich-
fremderregten Synchronmotoren kann diese zeitig wird dadurch die Windungszahl erhöht
Feldschwächung durch Reduktion des Feld- und der Strombedarf an den Wechselrichter
stromes auch ohne zusätzliches Einprägen von für das benötigte Anfahrmoment reduziert.
Blindstrom erreicht werden.
Solange die Wickeldrähte nicht zu dünn wer-
Abb. 16: Inverter und DC/DC-Wandler für Nutzfahrzeuge den, können durch die Anzahl der Wicklungen
E-Maschinen an jede beliebige Versorgungs-
spannung angepasst werden. Es sind Tenden-
zen erkennbar, wonach auch bei E-Maschinen
die Spannungen erhöht werden, um damit
sowohl geringere Querschnitte bei den An-
schlüssen als auch höhere Drehzahlen errei-
chen zu können.

Quelle: Lenze Schmidhauser

17 Thermisches Management
Zur Auslegung von Leistungselektroniken auf Kostentreiber des elektrischen Antriebes
Lebensdauer im KFZ müssen nicht nur die Der Hauptkostentreiber der Elektromobilität
elektrischen und mechanischen Belastungen ist heute sicherlich im Bereich der Energie-
ausreichend berücksichtigt werden, sondern speicherung zu suchen. Heutige Batterietech-
auch die thermischen Belastungen und insbe- nologien erlauben es nicht, moderate und
sondere die kombinierten sogenannte thermo- vergleichbare Reichweiten unter akzeptablen
mechanischen Belastungen im Wechselspiel Kosten zu erzielen. Hier spielt die Spannungs-
von Funktion und Umweltbedingungen. ebene weniger die Rolle des Kostentreibers,
sondern eher die Verwendung der zur Verfü-
Es gibt nur zwei Lösungsansätze, um eine gung stehenden Batterietechnologien.
lebensdauergerechte Auslegung von Kompo-
nenten und System zu garantieren: Insgesamt kann man feststellen, dass neben
• Ein operatives System mit Kühlmittel, um den Kosten für die Energiespeicherung die
Verlustwärme aktiv abzuleiten technische Umsetzung von stationär einge-
• Einsatz von robusten Werkstoffen und setzten HV-Komponenten in die automobile
Technologien in den Baugruppenkompo- Umwelt Einfluss auf die Gesamtkosten dar-
nenten unter Berücksichtigung aller inhä- stellen. Dabei müssen aber sicherlich eben-
renten temperaturabhängigen Werkstoff- so Sicherheitsaspekte und der Gesamtwir-
eigenschaften. kungsgrad über die Fahrzyklen berücksichtigt
werden. Was die Energieverbrauchskosten
anbetrifft, sollte insbesondere dem Teillast-
wirkungsgrad besondere Aufmerksamkeit
geschenkt werden.

28
18 Regularien, Normung und Standardisierung
Eine Vielzahl von Normen ist für die Elektro- Im Rahmen der Aktivitäten der ‚Nationalen
mobilität von Relevanz. Dazu zählen solche Plattform Elektromobilität‘ (NPE) wurden
Normen, die direkt für elektromobile Anwen- diese Normen vom DKE als Anhang der dort
dungen erstellt worden sind. Beispielhaft sei- erarbeiteten Normungsroadmap zusammen-
en die Normen für den Ladestecker Typ 2 und gestellt. Der zuständige Technische Arbeits-
für elektrische Leitungen in Kraftfahrzeugen kreis ‚Normung und Standardisierung‘ im
für Spannungen größer als 60 V genannt. ZVEI pflegt und erweitert diese Auflistung mit
Daneben existieren viele Normen der Elektro- Informationen, die für die Arbeit im Bereich
technik, die zwar nicht speziell für die Elekt- Elektromobilität von Interesse sind. Zu diesen
romobilität erstellt wurden, die aber aufgrund Zusatzinformationen zählt eine genauere Be-
ihres allgemeinen Charakters auch für die schreibung, was die jeweilige Norm beinhaltet
Elektromobilität von Bedeutung sind. Hierzu und wie der Bearbeitungsstand ist.
zählen zum Beispiel die Sicherheitsnormen
und Normen, die die Installation betreffen.

19 Sicherheit: Gefährdungspotentiale
im Umgang mit HV-Spannungen
Die Vermeidung der Gefährdung von Personen Die Gefährdungspotentiale sind:
bei der Entwicklung, Herstellung, Wartung • Elektrische Energie
und beim Gebrauch von Produkten für den • Störlichtbögen
HV-Spannungsbereich hat höchste Priorität. • Körperdurchströmung
(elektrischer Schlag)
• Elektromagnetische Felder
z.  B. Beeinflussung Herzschrittmacher
• Wechselwirkung zwischen elektrischer
Energie und anderen Medien

19.1 Wirkung des elektrischen Stroms


auf den Körper

In Abhängigkeit der Einwirkdauer und der Physiologische Wirkung


Stromstärke kann der elektrische Strom viel- Die Beeinflussung des Nervenleitsystems führt
fache Reaktionen im menschlichen Körper über das Auslösen von Krämpfen, die u. U. das
auslösen. Loslassen des spannungsführenden Teils ver-
hindern, über Herzkammerflimmern bis zum
Herzstillstand.

29
Wärmewirkung
Der Stromfluss führt zu Verbrennungen an Hierbei können die Symptome zeitverzögert
den Übertrittstellen sowie im Körper zu wahrgenommen werden. Deshalb muss auch
Eiweißgerinnung. bei einem scheinbar leichten Unfall mit HV-
Spannung ein Arzt aufgesucht werden.
Chemische Wirkung
Der Strom kann die elektrolytische Zersetzung Die genannten Gefährdungspotentiale der
von Zellen bzw. Zellbestandteilen verursa- HV-Spannung und die daraus möglichen
chen, die zu einer Vergiftung des Körpers füh- Schäden für Personen und Tiere erfordern
ren können. zwingend Schutzmaßnahmen.

19.2 Elektrische Sicherheit im Unternehmen


Die dargestellten Gefährdungspotentiale Zwar sind die DIN VDE 1000-100 und die
erfordern besondere Vorsichtsmaßnahmen in DIN VDE 0105-100 keine Rechtsnormen, sie
den Industrie- und Handwerksunternehmen, haben jedoch einen gleichsam zwingenden
die im Bereich der Elektromobilität tätig sind, Charakter, da es sich um anerkannte Regeln
insbesondere im Hinblick auf den Aspekt der der Technik handelt, bei deren Befolgung
Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes. die Verpflichtungen des Arbeitgebers zum
Arbeits- und Gesundheitsschutz erfüllt sind,
Unternehmen, die bis jetzt ausschließlich in was insoweit Rechtssicherheit schafft.
der Kleinspannungswelt tätig waren (12 V-,
24 V-, 42 V-Automotive-Produkte), müssen Für alle Bereiche im HV-Umfeld, z. B. Labor,
jetzt Ihre Sicherheitsanforderungen den Hoch- Fertigung, Werkstatt, müssen Gefährdungs-
volt-Bedingungen anpassen. beurteilungen für die Arbeitsplätze und die
Tätigkeiten erstellt werden. Darauf aufbau-
Um die Schutzmaßnahmen im erforder- end sind Arbeits- und Betriebsanweisungen
lichen Maße sicherzustellen, ist es erforder- zu erstellen. Oft wird eine Anpassung, eine
lich, entsprechend den Regelungen der Nor- Umrüstung oder Erweiterung von Labor-,
men DIN VDE 1000-100 und DIN VDE 0105- Werkstatt- und Arbeitsplätzen zur Erreichung
100, die die Vorgaben der §§ 3 Abs. 2 und der erforderlichen elektrischen Sicherheit
13 Arbeitsschutzgesetz sowie auch des § BGV unabdingbar sein. Besondere Kennzeichnung
A 3 (Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für von HV-Arbeitsbereichen und Zutrittsbeschrän-
Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit) kungen für nicht eingewiesene Personen sind
konkretisieren, zu beachten und die erfor- weitere mögliche Maßnahmen zur Erhöhung
derliche Anzahl von verantwortlichen Elektro- der elektrischen Sicherheit. Periodische Schu-
fachkräften und anderer abgestuft befähigter lungen der Mitarbeiter vervollständigen die
Personen vorzusehen. Die Normen gehen von Aktivitäten zur Gewährleistung der Arbeits-
einer Verantwortungshierarchie aus. sicherheit.

30
Abb. 17: Organisation Elektrofachkraft, Struktur der Kompetenz

vEFK Organisation
gvEFK
xxxx

nvEFK nvEFK nvEFK


Entwicklung Versuch/Prototypenaufbau Manufacturing
vvvvv aaaaa wwww

nvEFK EuP
Entwicklung I Prototypenbau
xxxxx ppppp

nvEFK EFK
Entwicklung II Prototypenbau
zzzzz ttttt

nvEFK EuP
ANVL Entwicklungsprüfstand Versuch Dauerlauf
kkkkkk mmmm

gvEFK: gesamtverantwortliche Elektrofachkraft


nvEFK: nachfolgendverantwortliche Elektrofachkraft
ANVL: Anlagen Verantwortlicher
EuP: Elektrisch unterwiesene Person

Quelle: ZVEI

19.3 Schutzkonzept
Bei Geräten in der Schutzklasse B (60 V DC
< Spannung < 1.500 V DC) muss eine doppel-
te Schutzmaßnahme (Schutz gegen direktes
und indirektes Berühren) angewandt werden
(ISO 6469-3). Ein Konzept umfasst den Basis-
schutz gegen direktes Berühren und den Po-
tentialausgleich als Schutz gegen indirektes
Berühren. Alternativ hierzu können doppelte
oder verstärkte Isolationen zur Anwendung
kommen.

19.4 Schutzmaßnahmen
Hierzu zählen konstruktive Maßnahmen: Integrale Bestandteile der Auslegung des
• Die zu einem Fingerschutz, IP2xB, oder Berührschutzes von HV-Geräten sind:
zu Schutz gegen Zugang mit einem Werk- • Die Wahl der Isolation aus festen Isolier-
zeug, IP3xD, bei unter Spannung stehen- stoffen mit Isolationswiderständen > 100
den Komponenten notwendig sind Ω/V DC bzw. > 500 Ω/V AC
• Den Zugang zu den spannungsführenden • Der Abstand von spannungsführenden
Teilen erschweren Teilen zu metallischen Gehäusen
• Die Werkzeuge zum Öffnen von Verriege- • Die korrekte Dimensionierung der Luft-
lung und Gehäusen erfordern und Kriechstrecken

31
19.4.1 Der Potenzialausgleich

Der Potenzialausgleich als Schutz gegen indi- Daten- und Energieübertragung erreicht.
rektes Berühren erfordert eine niederohmige Die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen wird
Verbindung von HV-Geräten mit metallischen durch die Messung des Isolationswiderstandes
Gehäusen im Fahrzeug. Der Summenwider- und durch Anlegen der Prüfspannung durch-
stand der Verbindungen muss < 100 mΩ sein. geführt.

Ein weiterer Baustein zur Komplettierung der Dies ist für alle HV-Komponenten notwendig!
Schutzmaßnahmen ist die Potenzialtrennung
der Gerätebereiche mit Hochvolt und mit Die normgerechte Kennzeichnung HV-füh-
Kleinspannung. Hierbei muss das potential- render Geräte (gelbes Dreieck mit Blitz) muss
bezugsfreie HV-Netz durch galvanische Tren- erfolgen.
nung von den Kleinspannungsnetzen separiert
werden. Die galvanische Trennung wird durch
Verwendung geeigneter Bauteile zur Signal-,

19.4.2 Schutzfunktionen

Der Überstromschutz muss in den HV-Geräten HV-Komponenten müssen durch Auslegung


gewährleitstet sein. Energiespeicher und Leis- des Systems eine Spannungsfestigkeit ent-
tungselektronik müssen mögliche Kurzschluss- sprechend ISO 6469 aufweisen – zurzeit gän-
ströme sicher abschalten. Die Berührung von gige Praxis:
Spannungen oberhalb 60 V DC müssen beim „HV-Komponenten müssen durch Auslegung
Öffnen der Kontakte sicher vermieden werden. des Systems eine Spannungsfestigkeit ent-
sprechend ISO 6469 aufweisen. Ausnahmen
Komponenten, die vom HV-Bordnetz getrennt für Wechselrichter sind in Diskussion.“
werden, müssen durch passive Entladung die
in der Komponente gespeicherte Energie ab-
bauen und den Spannungspegel auf weniger
als 60 V DC in einer vom Automobilhersteller
spezifizierten Zeit reduzieren.

32
19.4.3 Optionale Schutzfunktionen

Eine optionale Schutzfunktion, die nicht je Die Erkennung eines geöffneten HV-Kreises
HV-Komponente angewandt wird, sondern ist eine weitere optional angewandte Schutz-
im HV-Netzverbund betrachtet wird, ist die funktion. Der sogenannte HV-Interlock ver-
Isolationsüberwachung. Hierbei wird der hindert das Öffnen eines unter Last stehenden
Isolationswiderstand der HV-Netze, AC- und HV-Kreises, indem über einen voreilenden
DC- System, gegenüber Fahrzeugmaße (Poten- Kleinspannungs-Signal-Kontakt im HV-Stecker
tialausgleich) überwacht. Bei Isolationsverlet- einem zentralen Steuergerät (Batteriesteuer-
zung wird in einem mehrstufigen Warnsystem gerät) die Öffnung des HV-Kreises signalisiert.
der Fahrzeugnutzer auf den Fehler aufmerk- Im zentralen Steuergerät wird die Abschaltung
sam gemacht bzw. zum Service aufgefordert. des HV-Netzes vorgenommen und die Energie-
zufuhr vor dem Öffner der HV-Kontakte ge-
Isolationswächter, die vereinzelt zum Einsatz stoppt.
kommen, werden tendenziell zukünftig inte-
graler Bestandteil und Funktionalität einer
Leistungselektronik oder eines Batteriema-
nagement-Systems werden.

20 Lebensdauer
Im Vergleich zu den im konventionellen Fahr- Hinsichtlich Betriebszeit ergeben sich die
zeug verwendeten Komponenten bringt die größten Unterschiede für das Ladesystem und
Elektromobilität für die Leistungselektronik das Batteriemanagement-System (BMS).
auch Änderungen mit sich, die im Zusam-
menhang mit Lebensdauerbetrachtungen Während im konventionellen Fahrzeug mit ca.
stehen. Diese Änderungen ergeben sich zum 8.000 Betriebsstunden zu rechnen ist, sind
einen aus der erhöhten Betriebszeit einzelner die on-board Ladesysteme immer dann aktiv,
Sys-teme und zum anderen durch Belastungs- wenn das Fahrzeug ‚am Stecker hängt‘. Hier-
unterschiede bei den zu verwendenden HV- für werden derzeit ca. 30.000 Betriebsstun-
Komponenten. den angenommen. Als Stand-by-Zeit sind für
die Ladeeinheit noch weitere 60.000 Stunden
hinzu zu rechnen.

Tab. 7: Lebensdauer-Randbedingungen
Stationär Fahrzeug
Nutzfahrzeug/Bus PKW
Lebensdauer 10 15 15 Jahre
kalendarisch
Betriebsstunden 30.000 60.000 8.000 h
Tmin -40 -25 -25 °C
Tmax 70 85 85 – 120 °C

T 110 110 110 – 145 K
Vibration keine 2 – 10 g, 2 – 10 g,
teilweise bis 30 teilweise bis 30
Quelle: ZVEI

33
Das Batteriemanagement-System muss per- Die grundlegenden Unterschiede in der Belas-
manent den Zustand der Batterie überwa- tung der Leistungselektronik für die Elektro-
chen. Es ist somit für die Überwachung der mobilität gegenüber einer solchen im konven-
Batterie von einer Betriebszeit von 80.000 tionellen Fahrzeug ergeben sich aus folgender
Stunden auszugehen. Im Gegensatz zur Leis- Betrachtung.
tungselektronik, die im elektrischen Antrieb
verwendet wird, kann für die im BMS verwen- Im konventionellen Fahrzeug wird Kraftstoff
dete Leistungselektronik von einem reduzier- getankt, im Motor zusammen mit Sauerstoff
ten Betriebstemperaturbereich ausgegangen verbrannt und in mechanische bzw. thermi-
werden. Diesem System kommt die Tatsache sche Energie gewandelt. Es ist ein chemisch-
entgegen, dass die Batterie aufgrund ihrer thermisch-mechanischer Energiefluss. Hier-
elektro-chemischen Eigenschaften temperiert bei ist die Elektronik lediglich Helfer, um
und damit der Betriebstemperaturbereich des die Betriebszustände möglichst optimal zu
Gesamtsystems ‚Batterie und BMS‘ deutlich gestalten. Im elektrifizierten Fahrzeug kommt
eingeschränkt werden muss. die elektrische Energie aus der Batterie und
wird im Elektromotor in mechanische Energie
Im Nutzfahrzeug ergeben sich Betriebszeiten gewandelt. Es ist ein elektrisch-mechanischer
von mindestens 50.000 Stunden. Damit lie- Energiefluss. Die gesamte Energiemenge
gen die Anforderungen für den Antriebsstrang ‚fließt‘ hierbei über elektrische ‚Stellglieder‘.
inklusive Batterie bei LKW und Bussen deut- Die hierfür notwendige Leistungselektronik
lich höher als beim PKW, während die Anfor- ist damit in einer ganz anderen Dimension
derungen an das Batteriemanagement und angesiedelt.
an das Ladesystem in etwa gleich bleiben.
Es sind aber zusätzlich die sehr unterschied- Lebensdauerbetrachtungen müssen daher
lichen Lastprofile zu berücksichtigen, welche die für das KFZ neuen, in dieser Dimension
im Gegensatz zum PKW, eine deutlich hö- aber notwendigen Leistungsbauelemente und
here Dauerleistung und deutlich längere deren spezifische Aufbau- und Verbindungs-
Zeiten mit maximaler Leistung aufweisen. technik (z.  B. thermische Anforderung gegen-
über kräftigen Vibrationen) berücksichtigen.

Abb. 18: Leistungsklassen im Vergleich

Quelle: Infineon Technologies

34
Neben den Ausfällen, die sich im Zusammen- Abb. 19: Leistungsbauelemente/Module und Leistungsklassen der
hang mit der Spannung (Überschläge durch Leistungselektronik
zu klein gewählte Luft- und Kriechstrecken)
und dem Strom ergeben, sind insbesondere
spezifische Ausfallmechanismen durch ther-
mische Beanspruchung wie im Abschnitt
‚Thermal Management‘ beschrieben zu be-
trachten.

Bei den Ausfallmechanismen in den Leis-


tungshalbleitern kommt, wie bereits angedeu-
tet, der Betrachtung der Materialverbünde aus
verschiedenen Metallen, Metalllegierungen,
Keramik zur Isolation, Silizium als eigentli-
chem Leistungsschalter usw. eine besondere
Bedeutung zu. Denkt man an die unterschied-
lichen Ausdehnungskoeffizienten wird schnell
Quelle: Infineon Technologies
klar, dass es bei Temperaturwechseln, die sich
aus der Verlustleistung beim Schalten der
Halbleiterbauelemente und den elektrischen
Widerständen der Materialien ergeben, zu ei- Abb. 20: Ausfallursachen bei einem Leistungsmodul
nem erheblichen thermo-mechanischen Stress
des Materialverbundes kommt.

Ob und in welchem Ausmaß es dabei zu Aus-


fällen kommt, hängt also wesentlich vom
thermo-mechanischen Stress ab, der auf die
Bauelemente und die Aufbau- und Verbin-
dungstechnik ausgeübt wird.

Hierbei werden durch Maximaltemperatur


und Anzahl der Belastungszyklen die Grenzen
gesetzt. Diese wiederum sind vom Fahrpro-
fil und den Kühleigenschaften des Systems
abhängig.

Quelle: Infineon Technologies

35
Abb. 21: Vom Fahrprofil zum thermo-mechanischen Stress Durch die geringen Bauräume im Fahrzeug
in der Leistungselektronik werden die Elektroniken bei verhältnismäßig
hohen Temperaturen betrieben, was vor allem
für die Lebensdauer der großen Elektrolyt-
kondensatoren in den Ladereglern eine hohe
Herausforderung ist. Zusätzlich kommt durch
die starken Vibrationen eine weitere hohe
Belastung auf die großen Kondensatoren zu,
die durch Befestigung der Kondensatorwickel
in ihren Gehäuse und der Befestigung an der
Platine gelöst werden müssen, da ein Vergie-
ßen oder Verkleben der Kondensatoren nach
dem Einbau aus Kostengründen vermieden
werden soll.

Um zu einer Lebensdauer-Aussage zu kom-


men, ist also die Kenntnis der Ausfallme-
Quelle: Infineon Technologies
chanismen, des Anforderungsprofils und der
Auslegung des Systems wesentlich. Das sind
keine neuen Erkenntnisse. Die Neuartigkeit
Abb. 22: Modell zur Lebensdauervorhersage liegt vielmehr darin, dass die Kombination
‚Leistungs-Bauelement im Auto‘ eine Neue ist.
Electrical Mission Power Loss Module Electrical Module
Zwar werden die Komponenten beispielsweise
Profile Model Charakteristics Thermal Model Cooling Conditions
für elektrische Antriebe in Zügen oder großen
+
+ Fertigungsstraßen bereits eingesetzt, die aus
Power Losses Temperature
Computation Computation diesem Einsatz abgeleiteten Anforderungspro-
+ file sind aber auf den KFZ-Einsatz nur bedingt
Temperature Profile Climatic Conditions
übertragbar. Auch stellt das KFZ andere Anfor-
IGBT/Diode/Solder/NTC
derungen an Stückzahl und Kosten, die wie-
+
derum Einfluss auf den Systemaufbau haben.
Computation of AT
(active, passive)

+ Die komplexen Wechselwirkungen aus Last-


Life Time Model
profil, Systemaufbau und Ausfallmechanismen
führen dazu, dass eine allgemeine Aussage
Life Time Prediction Customer Input Required
zur Lebensdauer nur eingeschränkt möglich
ist. Solche Aussagen sind jedoch bereits im
Quelle: Infineon Technologies
Entwicklungsprozess wichtig. Somit wird die
Aufgabe ‚Lebensdauer-Vorhersage‘ auch unter
Zuhilfenahme entsprechender Modelle ge-
löst, die fahrzeugmodellspezifische Eingangs-
größen berücksichtigen. Nur so lassen sich
zuverlässige Aussagen über die Lebensdauer
herleiten.

36
21 Offene Fragen
21.1 Weitere Optimierungsgrößen
Hinsichtlich Bauvolumen und Gewicht sind
bisher elektrische Komponenten nicht auf
minimales Bauvolumen und Gewicht opti-
miert. Im Fahrzeug sind diese Größen aber
unabdingbar. Somit wird in den nächsten Jah-
ren ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt auf
deren Optimierung gelegt werden müssen, um
international wettbewerbsfähig zu bleiben.

22 Ausblick und Fazit


Mobilität wird in der Zukunft durch elektrische Trotzdem wird sich das automobile Umfeld
Antriebskonzepte bestimmt werden, sei es als an die neuen Bedingungen anpassen müs-
Hybride in allen Varianten oder durch reine sen, sowohl in der Entwicklung und Herstel-
E-Fahrzeuge. Damit verbunden werden jen- lung, als auch im Betrieb und im Service.
seits der heutigen 12/24 V Spannungen neue Hier ist sicherlich noch einiges zu leisten,
Spannungsebenen unsere Fahrzeuge erobern. was den Umgang mit Elektroantrieben und
Die elektrische Leistungsübertragung spielt deren Fragestellungen betrifft. Und es gilt,
für das Gesamtsystem in Hybrid-, Brenn- die entsprechende Expertise bereitzustellen
stoffzellen- und Batteriefahrzeugen eine und damit verbunden auch die Ansprüche an
wichtige Rolle. Abhängig vom Systemaufbau die Ausbildung unserer Experten. Die Techni-
werden an alle HV-Komponenten unterschied- schen Arbeitskreise des ZVEI-Kompetenzzen-
lichste Anforderungen gestellt. trums Elektromobilität werden diesen Prozess
aktiv begleiten.
Die Beherrschbarkeit dieser Neuerungen ist
heute Schwerpunktthema in allen beteilig- Darüber hinaus wird sich auch die Auto-
ten Fahrzeugentwicklungsbereichen. Realis- mobile Umwelt der stationären Energiebereit-
tisch betrachtet sind alle dafür notwendigen stellungsindustrie nähern, denn Elektromobi-
Technologien bereits vorhanden – es gilt jetzt, lität setzt die Erzeugung und zur Verfügung-
diese in die automobile Umgebung zuverläs- Stellung von elektrischer Energie voraus – sei
sig und sicher zu implementieren. Dies ist ein es innerhalb der notwendigen Infrastruktur
evolutionärer Prozess, der mit jeder Applika- (Grids) oder bidirektionaler Speicherkonzepte
tion Verbesserungen aufzeigen und innerhalb (Supergrids). Hier ist sicherlich noch Entwick-
der Komponenten ebenso die dazu notwendi- lungsarbeit notwendig. Die Zukunft der Elekt-
ge Standardisierung einbringen wird – damit romobilität wird spannend bleiben und unsere
verbunden ebenso die Produktkosten verrin- Ingenieure und Techniker noch lange Zeitbe-
gern wird. schäftigen, möglicherweise mit dem Ziel, in
ferner Zukunft ganz auf fossile Energieträger
verzichten zu können.

37
23 Anhang
23.1 Halbleitermaterialien für die Aufbau- und
Verbindungstechnik
Der Einfluss und die Bedeutung der Mate- Die Anforderungen an die AVT-Materialien
rialien nehmen mit der fortschreitenden steigen zusätzlich durch den Einsatz von neu-
Erhöhung der Leistungsdichte, der Schalt- en Halbleitermaterialien wie SiC oder GaN.
frequenzen sowie mit den erhöhten Zuver- Diese Halbleiter ermöglichen deutlich schnel-
lässigkeitsanforderungen zu. In den meisten lere Schaltfrequenzen und niedrigere Schalt-
Standard-Leistungselektronikmodulen erfolgt verluste erhöhte Leistungsdichten und können
die Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) bei wesentlich höheren Sperrschichttempera-
durch die Lötverbindung mit dem bleifreien turen noch zuverlässig arbeiten. Aufgrund der
SnAg (früher auch SnPb/Ag) Lot bzw. durch sehr guten Wärmeleitfähigkeit ist SiC auch für
das Bonden mit dem Aluminiumdickdraht. höhere Spannungsklassen und Leistungsdich-
Diese Materialien und die entsprechenden ten sehr gut geeignet.
Prozesse sind seit Jahren bekannt und werden
erfolgreich eingesetzt. Aus allen diesen Gründen ergibt sich der
Bedarf an optimierten Materialien mit den
Durch die ständige Erhöhung der Leistungs- verbesserten mechanischen aber auch thermi-
dichte verbunden mit den erhöhten Betrieb- schen und elektrischen Eigenschaften.
stemperaturen (150 °C, 175 °C und höher)
sowie den Anforderungen an verbesserte
Powerzyklen-Festigkeit und Langzeitzuverläs-
sigkeit (mehr als 15 Jahre für Automotive-An-
wendungen) kommen diese AVT-Materialien
an Ihre Grenzen. Darüber hinaus stellen die
großen Temperaturhübe, wie sie z.  B. beim
Kaltstart im Winter vorkommen, eine beson-
dere Herausforderung hinsichtlich der Power-
zyklen-Festigkeit.

23.1.1 Neue Lotlegierungen

Eine Vielzahl von Projekten hat sich insbeson- Die Beispiele sind spezielle Legierungen wie
dere im Rahmen des Übergangs zu bleifreien z.  B. das 6-Stoffsystem SnAgCuBiSbNi (gemäß
Loten mit Verbesserungen der thermozykli- Projekt auch als InnoLot® bezeichnet) und die
schen Beständigkeit und Hochtemperatur- HT1-Legierung (SnAgCuIn + Kristallmodifi-
eigenschaften der Lotlegierungen beschäf- zierer). Die beiden neuen Legierungen haben
tigt. Typische Herausforderung ist bei diesen einen ähnlichen Schmelzpunkt wie SnAg-Lot
Arbeiten der Konflikt aus möglichst niedriger und ermöglichen Steigerungen der thermo-
Prozesstemperatur beim Löten (Belastung der zyklischen und Hochtemperatureigenschaften.
Bauelemente, Verdrahtungsträger, usw.) und Auf der Leistungselektronik-Module-Ebene
der angestrebten Hochtemperatureigenschaf- lässt sich dadurch eine geringe Erhöhung der
ten der Fügeverbindung. Eine bloße Stei- maximal erlaubten Betriebstemperatur bzw.
gerung des Schmelzpunkts ist deshalb nicht eine geringe Verbesserung der Powerzyklen-
zielführend. Festigkeit erreichen.

38
23.1.2 Diffusionslöten

Eine deutlichere Verbesserung der Hoch- Bei den dickeren Schichten wird das Diffu-
temperatureigenschaften wird durch die sionslot mit einem Grundstoff, z.  B. Kupfer
isotherme Erstarrung des Lotes (Diffusions- gefüllt. Das geschmolzene Lot diffundiert in
löten) erreicht. den Grundstoff bis der ganze Lötspalt iso-
therm erstarrt ist.
Bei den konventionellen Lötverbindungen
bildet sich eine eutektische Zone in der Mit- Bei den Diffusionslötprozessen muss das Lot
te der Lötstelle und zum Metall die isotherm solange flüssig gehalten werden bis durch
erstarrten intermetallischen Zonen. Die eutek- die Diffusion der Lötspalt vollständig erstarrt
tische Zone der konventionellen Lote bestimmt ist. Bei den Diffusionslötprozessen muss das
die thermo-mechanischen Eigenschaften. Sie Lot länger als bei den konventionellen Löt-
hat beim SnAg-Lot einen Schmelzpunkt von prozessen flüssig gehalten werden, beson-
221 °C und beim SnPb-Lot 183 °C. ders bei dickeren Schichten. Ein vorzeitiges
Abbrechen des Diffusionslötprozesses würde
Beim Diffusionslöten (dünne Schichten kleiner zu einer eutektischen Restzone führen und die
als 10 µm) dagegen erstarrt das Lot (z.  B. mechanischen Eigenschaften somit negativ
SnCu, Schmelzpunkt 227 °C) isothermisch beeinflussen. Die große Herausforderung bei
und verwandelt sich komplett in die interme- den dickeren Schichten ist eine gleichmäßige,
tallische Phase. Die intermetallischen Phasen porenfreie Verbindungsschicht zu erreichen.
haben einen deutlich höheren Schmelzpunkt
als das konventionelle Lot selbst: Cu3Sn-
Phasen 676 °C und Cu6Sn5-Phasen 415 °C.
Bei den dünnen Schichten müssen jedoch
spezielle DCB-Substrate mit einer geringen
Rauigkeit verwendet werden, ein Standard
DCB-Substrat hat eine Rauhigkeit von ca.
20 μm.

39
23.1.3 Silbersintern

Eine noch deutlichere Verbesserung der Hoch- Der Sinterprozess unterscheidet sich vom Löt-
temperatureigenschaften und besonders der prozess:
Powerzyklen-Festigkeit wird durch das Silber- • Löten: unter Wärme (230 – 250 °C für
Niedertemperatursintern erreicht. SnAg-Lot) schmilzt das Lot, an den Gren-
zen zum Metall finden Diffusionsprozesse
Die Silber-Sinterschicht hat deutlich bessere statt und intermetallische Phasen entste-
Wärme- und elektrische Leitfähigkeit sowie hen. Das Löten unter Vakuum hilft die
höhere Temperaturbelastbarkeit (Schmelz- Porenbildung zu minimieren. Nach dem
punkt von Ag ist 961 °C vs. SnAg-Lot 221 °C). Löten werden die Flussmittelrückstände
gewaschen.
Darüber hinaus lassen sich beim Einsatz von • Sinterpaste: unter Wärme (größer als
Sinterpasten die Wärmeleitfähigkeiten von 220 °C) und Druck (5 – 30 MPa, abhängig
über 200 W/mK realisieren. von der Fläche der IGBTs/Dioden) erfolgt
eine Verdichtung der Silberpartikel durch
die Diffusionsprozesse. Das Drucksintern
hilft die Porosität zu reduzieren, speziell
bei den großflächigen Halbleitern. Eine
Reinigung nach dem Sintern ist nicht not-
wendig.
• Sinterkleber: bei Wärme härtet der Kle-
ber aus und die Silberpartikel versintern.
Ein Druck ist nicht erforderlich. Die Rei-
nigung nach dem Aushärten ist ebenfalls
nicht notwendig.

Der Sinterkleber kombiniert die Vorteile der


stoffschlüssigen Verbindung von Ag-Sinter-
pasten und die hohen Adhäsionskräfte von
Ag-Leitklebern in einem Pasten-System. Im
Vergleich zum Lot hat der Sinterkleber eine
höhere Flexibilität. Dadurch kann er besser
die thermo-mechanischen Belastungen, die
durch Unterschiede im WAK zwischen dem
Substrat und dem Halbleiter entstehen, kom-
pensieren. Das kann besonders bei den größe-
ren Halbleitern relevant sein. Der Silberkleber
hat eine niedrigere Wärme- und elektrische
Leitfähigkeit als die Sinterpaste selbst. Bei
dem Sinterkleber scheinen die Betriebstempe-
raturen von bis zu 200 °C beherrschbar.

Mit der Sinterpaste wurden Verbindungen


aufgebaut die selbst bei sehr hohen Tempera-
turen wie 300 °C noch immer thermo-mecha-
nisch stabil sind.

40
23.1.4 Bonddrähte und -bändchen

Eine Steigerung der Temperaturbeständigkeit Eine deutliche Verbesserung der Powerzyklen-


und Powerzyklen-Festigkeit durch z.  B. Sintern Festigkeit lässt sich durch den Einsatz von
erfordert auch eine Optimierung der Bond- Cu-Drähten und -Bändchen erreichen. Kupfer
drahtverbindung. Das Ultraschall-Wedge- hat deutlich bessere elektrische und thermi-
Bonden mit Aluminium-Dickdraht bis zu einer sche Leitfähigkeit als Aluminium.
Drahtstärke von 500 μm stellt den Standard-
prozess dar.

Durch den Einsatz von Aluminium-Bändchen


kann man die Powerzyklen-Festigkeit leicht
verbessern.

23.1.5 Zugfestigkeit

Typische Bondkraft (Ø 300 µm) Ein Mittelweg sind Aluminium beschichtete


Die deutlich höhere Zugfestigkeit und Härte Kupferkern-Bonddrähte und -Bändchen:
von Cu bedarf höherer Kräfte beim Bonden. • Durch die Aluminium-Beschichtung lassen
sich diese Bonddrähte deutlich leichter
bearbeiten als die reinen Cu-Drähte
• Der Kupferkern sorgt für bessere ther-
mische, elektrische und mechanische
Eigenschaften und somit für eine bessere
Powerzyklen-Festigkeit als bei den reinen
Al-Drähten.

23.1.6 Endoberflächen der Chips, Substrate, Frames

Beim Einsatz von neuen Materialien wie Sil-


bersinterpasten oder Cu-Bonddrähte muss
beachtet werden, dass die Endoberflächen
der Halbleiter, der Substrate und der Frames
an diese Prozesse angepasst werden. Die Sin-
terpasten werden zurzeit bevorzugt auf den
Ag-, Au- und Pd-Oberflächen eingesetzt. Im
Rahmen des ProPower-Projektes werden auch
neue funktionale Oberflächen basierend auf
Kupfer sowie die entsprechenden benötigten
Pasten entwickelt.

41
24 Abkürzungsverzeichnis
AC Wechselstrom
ASC Active Chassis Control / Actives Fahrwerk
Batt Batterie
BEV Battery Electric Vehicle / Batterieelektrisches Fahrzeug
BMS Batteriemanagement-System
CHAdeMO in Japan entwickelte markenübergreifende elektrische Schnittstelle eines Batteriemanagement-
Systems für Elektroautos (charge de move)
COD Chemical Oxygen Demand / Chemischer Sauerstoffbedarf
DC Gleichstrom
E/E Elektrik/Elektronik
EM Elektromotor
EMV Elektromagnetische Verträglichkeit
EPS Electric Power Steering / Elektrische Servolenkung
EV/BEV Electric Vehicle / reines Batteriefahrzeug
FC Fuel Cell / Brennstoffzelle
FSH Frontscheibenheizung
HEV Hybrid electric Vehicle / Hybridelektrokraftfahrzeug
HV Hochvolt
HVIL High Voltage Interlock Loop
IEC International Electrotechnical Commission
IGBT insulated-gate bipolar transistor / Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode
IT Isolated Terra / isolierte Erdung
IPX2B Electric Shock Protection Standard
ISG Integrierter Starter-Generator
ISO International Organisation for Standardisation
KFZ Kraftfahrzeug
kW Kilowatt
kWh Kilowattstunde
LE Leistungselektronik
LKW Lastkraftwagen
LV Lowvoltage
LV 216 Liefervorschrift (der OEM) 216
M Elektrische Antriebsmaschine (Motor)
M/G Motor/Generator
MOSFET metal oxide semiconductor field-effekt transistor, Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor
Nm Newtonmeter
NPE Nationale Plattform Elektromobilität
NKW Nutzkraftwagen
PKW Personenkraftwagen
RE Range Extender
RMS Root Mean Square / Quadratisches Mittel
SiC-Deode Schottky-Deode, hat keinen p-n-Übergang (Halbleiter-Halbleiter-Übergang) sondern einen
(sperrenden) Metall-Halbleiter-Übergang
SP2 und SP3 Spalte
TF Task force
vEFK verantwortliche Elektrofachkraft
WAK Wärmeausdehnungskoeffizient
Wh/kg Wattstunden pro kg Masse, Energieinhalt pro Gewicht
Wh/l Wattstunden pro Volumen, Energievolumen, Energieinhalt pro Volumen
V Volt
42
25 Literaturhinweise
• Forschungsvorhaben ‚ProPower‘ – [1] LV 215-1: Elektrik/Elektronik Anforderung
Kompakte Elektronikmodule mit hoher an HV-Kontaktierungen, September 2011
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