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Methodisches Handeln
in der Sozialen Arbeit
Grundlagen und Arbeitshilfen für die Praxis
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finden Sie bei der Darstellung dieses Titels alle 25 Arbeitshilfen aus
dem Buch als nicht ausgefüllte Kopiervorlagen im DIN A4-Format
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Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
III Anhang
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
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Vorwort
Das berufliche Handeln in der Sozialen Arbeit wird verwirklicht durch den
reflexiven Einsatz der eigenen „Person als Werkzeug“. Methodisch zu han-
deln bedeutet, die spezifischen Aufgaben und Probleme der Sozialen Arbeit
strukturiert und kontextbezogen, kriteriengeleitet und eklektisch, zielorien-
tiert und offen zu bearbeiten. Hierbei sollte man sich an Charakteristika des
beruflichen Handlungsfeldes sowie am wissenschaftlichen Vorgehen orien-
tieren. Der Begriff beschreibt eine besondere Art und Weise der Analyse,
der Planung und der Auswertung des beruflichen Handelns, die sich vom
Alltagshandeln unterscheidet. Professionelle müssen ihre Situations- und
Problemanalysen, die Entwicklung von Zielen und die Planung ihrer Inter-
ventionen verständigungsorientiert, multiperspektivisch und revidierbar
gestalten. Es wird von ihnen erwartet, dass sie ihre Handlungen transparent
und intersubjektiv überprüfbar halten, und dass sie diese berufsethisch recht-
fertigen, unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher und erfahrungsbezogener
Wissensbestände begründen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bilanzieren
können.
Diese Definition des methodischen Handelns spiegelt den Stand der wis-
senschaftlichen Diskussion dieses Themas. Die Herausforderung besteht
darin, die kompakte Anforderungsliste zu operationalisieren: Was bedeutet
es konkret, im beruflichen Alltag eklektisch und strukturiert zu arbeiten?
Wie genau kann man sich ein verständigungsorientiertes, multiperspektivi-
sches und revidierbares Vorgehen vorstellen? Was sind Charakteristika der
beruflichen Handlungsstruktur und warum sollte man sich an ihnen orien-
tieren? Auf welche Weise könnte es realisiert werden, dass Fachkräfte die
Anforderungen nicht nur in ihr berufliches Selbstverständnis übernehmen,
sondern diese auch im Alltag praktizieren? Welche Vorschläge liegen hierzu
schon vor?
Mit der Verwissenschaftlichung der Ausbildung für die Soziale Arbeit
in den 70er Jahren wurden Fragen des methodischen Handelns für fast
20 Jahre von der Tagesordnung genommen. Die Diskussion war dominiert
von Auseinandersetzungen um die Positionierung der Sozialen Arbeit im
Sozialstaat, um die Professionalisierung des Berufes und seine Verwissen-
schaftlichung. Erst in den 90er Jahren wandte sich die Fachwelt wieder die-
sem Thema zu. Es schien an der Zeit, das berufliche Alltagshandeln von
Fachkräften der Sozialen Arbeit wieder in den Fokus zu nehmen. Seitdem
wurden erfreulich viele und differenzierte Vorschläge zum methodischen
Handeln veröffentlicht. Man kann sich heute mittels dickleibiger Hand-
10 Vorwort
innerhalb dessen sich die Soziale Arbeit vollzieht. Im ersten Teilkapitel wer-
den vorwiegend gesellschaftliche Faktoren skizziert wie Aspekte der histori-
schen Herausbildung des Handlungsfeldes der Sozialen Arbeit und deren
Position im Kanon der sozialstaatlichen Aufgaben. Diese gesellschaftliche
Funktion wird von Mitgliedern der Disziplin und der Profession vielfach
analysiert, bewertet und in Theorien der Sozialen Arbeit behandelt. Sie
spiegelt sich in der Suche nach dem spezifischen Gegenstand, auf den sich
Disziplin und Profession beziehen können und der zur Ausbildung einer
beruflichen Identität der Berufsangehörigen beitragen kann. Im zweiten
Teilkapitel werden das Handlungsfeld genauer betrachtet und die Beson-
derheiten der Sozialen Arbeit charakterisiert, die sich als gesellschaftlich
organisierte, institutionalisierte Hilfe zwischen den beiden Polen der sozial-
staatlichen Auftragserfüllung und der Bearbeitung individueller Problemla-
gen bewegt. Sie kann nicht auf Technologien zurückgreifen und ist daher im
höchsten Maße auf eine dialogische Verständigung und eine Koproduktion
mit ihren Adressaten angewiesen. Im vorliegenden Buch werden diese Be-
sonderheiten als „Charakteristika der beruflichen Handlungsstruktur“ be-
zeichnet, auf die das methodische Handeln abgestimmt sein muss.
Im zweiten Kapitel werden wissenschaftliche Grundlagen des Berufes
und entsprechende Anforderungen an den Beruf betrachtet. Es ist genauer
zu bestimmen, auf welche Wissensbestände sich die Soziale Arbeit stützen
kann und wie ein fruchtbares Verhältnis von Wissenschaft und Praxis denk-
bar ist. Diese Themenkomplexe bilden die Grundlage für ein „reflexives“
Professionalitätsverständnis. Im ersten Teilkapitel gehe ich der Frage nach,
weshalb die Soziale Arbeit bis heute nicht als Profession anerkannt ist und
skizziere die Resultate der so genannten Professionalisierungsdebatte. Das
zweite Teilkapitel enthält neben einer Beschreibung der wissenschaftlichen
Vorgehensweise eine Auffächerung der verschiedenen Wissensbestände, auf
die sich methodisches Handeln beziehen kann (Beobachtungs- und Be-
schreibungswissen, Begründungs- und Erklärungswissen, Wertwissen sowie
Handlungs- und Interventionswissen).
Das dritte Kapitel ist der professionellen Persönlichkeit im engeren Sinne
gewidmet. In diesem Kapitel werden die bisherigen Ausführungen zu den
Bedingungen des Handlungsfeldes, zur Professionalisierung und zur Funk-
tion der Wissensbestände in Überlegungen zur beruflichen „Könnerschaft“
zusammengeführt. Dies geschieht im ersten Teilkapitel eher „historisch“;
hier werden verschiedene Etappen der Bestimmung des „Anforderungspro-
fils“ an Fachkräfte dargelegt und der Kompetenzbegriff sowie Ansätze einer
Fehlerdiskussion konkretisiert. Hierbei wird das über die Jahre aufgebaute
Profil einer „individualisierten Professionalität“ diskutiert sowie der Vor-
schlag eingebracht, das professionelle Handeln durch institutionell gesi-
cherte Verfahren zu stützen. Das zweite Teilkapitel ist der Kompetenzdiskus-
sion im engeren Sinne gewidmet und eröffnet einen Orientierungsrahmen
für die Beschreibung von Kompetenzen für die Soziale Arbeit, die dann im
Einzelnen dargestellt werden.
Im Hinblick auf die Themenkreise „Handlungsfeld“, „Wissenschaft“ und
12 Vorwort
Das siebte Kapitel enthält ein Set von Arbeitshilfen für die Entwicklung
einer Konzeption. Diese Arbeit fällt gewöhnlich auf der Managementebene
an, da sie die gesamte Einrichtung oder eine Organisationseinheit im Blick
hat. Sie wird in stationären, teilstationären und auch offenen Einrichtungen
benötigt, die lebensweltlich organisiert sind (z. B. Wohngruppen, Tagesstät-
ten und offene Kinder- und Jugendarbeit). Eine Konzeption bietet Koordi-
naten für den fachlich strukturierten Rahmen und die Ziele der Alltagsorga-
nisation in diesen Einrichtungen, deren Arrangements oft stärker „wirken“
als manche geplante Intervention.
Die Arbeitshilfen des achten Kapitels liegen sozusagen diametral zu den
drei vorangehenden Kapiteln. Sie leiten ihre Anwenderinnen Schritt für
Schritt an, ein Projekt der Selbstevaluation durchzuführen.Viele der dort ge-
zeigten Arbeitsschritte sind aus den Arbeitshilfen zum methodischen Han-
deln schon bekannt und werden hier für Zwecke der Evaluation auf andere
Weise kombiniert.
Danksagung
Das Buch ist das Ergebnis vielfältiger praktischer Erfahrungen: Die Arbeits-
hilfen wurden in der Lehre und in verschiedenen Projekten der Fortbildung
von Fachkräften der Sozialen Arbeit immer wieder eingesetzt, kritisiert und
weiterentwickelt. Ich danke hiermit Studierenden und Praktikerinnen aus
verschiedenen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe für ihre Bereitschaft, sie aus-
zuprobieren und für deren kritisch-konstruktive Rückmeldungen. Der Zeit-
punkt des Erscheinens hängt mit dem Abschluss des durch das Bundesminis-
terium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes
„Online-casa“ zusammen. Lehrende von elf Fachbereichen für Sozialwesen
experimentierten mit internetgestützer Lehre und entwickelten Online-
Module für die Soziale Arbeit. Sie arbeiten daran, neue Medien in die Lehre
an Fachhochschulen einzuführen und dadurch einen Beitrag zur verbesser-
ten Nutzung der Informationstechnologien zu leisten. Es wurden hoch-
schuldidaktisch und multimedial aufbereitete Lehreinheiten entwickelt und
eingeführt, die über das Internet vermittelt und von Studierenden interaktiv
genutzt werden können (www.online-casa.de). In diesem Zusammenhang
wurde an der Fachhochschule Münster auch ein Online-Modul „methodi-
Vorwort 15
sches Handeln“ entwickelt und erprobt, in dessen Rahmen diese Texte ent-
standen sind.
Das vorliegende Buch ist zugleich Ergebnis vielfältiger Dialoge über das
methodische Handeln. Ohne Maja Heiner, Marianne Meinhold, Silvia
Staub-Bernasconi und C. Wolfgang Müller wäre diese Konzeption des
methodischen Handelns nicht entstanden. Ich profitierte ebenfalls von den
produktiven Diskussionsrunden der „Methoden-AG“ der DGfE, die immer
wieder kritische und weiterführende Ideen und Einsichten hervorbringen.
Ein herzliches Dankeschön geht auch an die Mitglieder des OWL-Salons,
die ein kritisches Forum für sozial- und professionspolitische und methodi-
sche Fragen bilden; allen voran danke ich Benedikt Sturzenhecker, der mit
seinen kritischen Einwänden zur Qualifizierung des Manuskriptes beige-
tragen hat.
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Beispiele
Resümee
Das Spektrum der Berufe, in denen „mit Menschen“ gearbeitet wird, ist
groß. Die Berufe unterscheiden sich durch ihren Fokus und ihre besonderen
beruflichen Strategien. Diese orientieren sich an den historisch gewachse-
nen Aufgabenfeldern, ihren gesellschaftlich definierten Funktionen und den
diesen zugrunde liegenden gesetzlichen Grundlagen sowie nach den von
Profession und Disziplin selbst definierten Gegenständen der Berufe. Aus
den genannten Faktoren und aus der Tatsache, dass „mit Menschen“ gear-
beitet wird, ergeben sich so genannte Charakteristika der beruflichen Hand-
lungsstruktur. Berufliches Handeln muss sich an diesen Besonderheiten
ausrichten, um nicht zum Selbstzweck zu werden. In diesem Kapitel werden
wesentliche Strukturelemente des Handlungsfeldes der Sozialen Arbeit be-
schrieben, die den Kontext für das methodische Handeln bilden.
nen? Zu Beginn der Ausführungen werden die „Wurzeln“ der beiden Tradi-
tionen, ihre Annäherung und ihre Verschmelzung skizziert und die Soziale
Arbeit als Teilfunktion des Sozialstaates verortet.
Der Staat definierte sich als Sozialstaat mit dem Anspruch, den Bürgern
Gleichheit, Freiheit und Solidarität zu ermöglichen und differenzierte zu die-
sem Zweck weitere Handlungsstrukturen aus.
Die Gesellschaft akzeptierte zunehmend bestehende Probleme als gesell-
schaftlich zu bearbeitende Aufgaben und entwickelte rechtliche, institutio-
nelle und professionelle Konzepte für deren Bewältigung.
Die sozialstaatliche Bearbeitung der Probleme und Aufgaben wurde schritt-
weise rechtlich festgeschrieben und von gesicherten Institutionen und wis-
senschaftlich fundierten Berufen wahrgenommen.
stützung angewiesen war und von den Armen Demut und Abhängigkeit
forderte. Im Kontext sozialer Bewegungen veränderte sich dieser Status
zögerlich und immer auch mit Einschränkungen zugunsten eines Anspru-
ches auf Hilfe durch die Gesellschaft. Sozialarbeit etablierte sich nach
Thiersch (1996b) als
Sozialarbeit als Arbeit mit materiell Verelendeten befasst sich zwangsläufig mit
Problemen der Entwicklung von Handlungs- und Bewältigungskompetenzen
der Betroffenen, wie sie auch in der Erziehung und Bildung diskutiert werden und
Sozialpädagogik schaut zunehmend auf die gesellschaftlichen Bedingungen,
die für Erziehung und Bildung vorausgesetzt werden müssen sowie auf allge-
meine Fragen der Hilfe, Unterstützung, Beratung und Förderung.
Die unter diesen Aspekten gewachsene Soziale Arbeit gewann weitere Be- zusätzliche
deutung durch die zunehmende Vergesellschaftung von Lebensbereichen Aufgaben für die
sowie den Trend zur Individualisierung der Lebensführung und zur Plurali- Soziale Arbeit
sierung der Lebenslagen (Beck 1986). Diese Entwicklungen bargen und
bergen neue Chancen, aber auch neue Belastungen für die Menschen. Die
Aufgaben der Lebensbewältigung wurden und werden anspruchsvoller,
schwieriger und riskanter: Neben den herkömmlichen Aufgaben der Sozial-
arbeit (im Kontext von Armut, Verelendung und Ausgrenzung) und der So-
zialpädagogik (als Erziehung und Bildung in belasteten Verhältnissen) gibt
es zusätzlich Angebote der Unterstützung und Beratung in den alltäglichen
Schwierigkeiten der Lebensgestaltung und -bewältigung. Seit den 70er Jah-
ren expandierten die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit und differenzierten
sich weiter aus (Übersicht in Mühlum 1996).
22 Grundlagen methodischen Handelns
Die Bestimmung des Gegenstandes der Sozialen Arbeit gestaltet sich Streit um die
schwierig, schon allein aufgrund des unscharfen Berufsprofiles (s. Kap. 2.1). Leitwissenschaft
Überdies gibt es keine Einigkeit darüber, welche der wissenschaftlichen
Bezugsdisziplinen als Leitwissenschaft der Sozialen Arbeit gelten kann. In
Abgrenzung zur eher universitären Sozialpädagogik, als deren Leitwissen-
schaft die Erziehungswissenschaft betrachtet wird, arbeiten Wissenschaft-
lerinnen, die sich in der „Deutschen Gesellschaft für Sozialarbeit“ (DGSA)
zusammengeschlossen haben, an der Etablierung einer eigenständigen
➔ Sozialarbeitswissenschaft. Es ist umstritten, ob es eine solche Disziplin
geben sollte. Gründe für den Streit liegen in den beiden Entwicklungssträn-
gen der Sozialen Arbeit mit jeweils eigenen Theorietraditionen und profes-
sionellen Identitäten, die sich nicht ohne weiteres verschmelzen lassen.
Auch der Begriff Soziale Arbeit sperrt sich gegen eine Umwandlung in
einen sprachlich stimmigen akademischen Grad (Klüsche 1999). Hinzu
kommen verschiedenste hochschulspezifische und berufsständische Inter-
essen, die hier nicht ausgeführt werden sollen (Puhl 1996; Merten et al.
1996; Kap. 2.1.2).
Vorschläge für Gegenstandsbestimmungen gehen aus Theorien Sozialer Gegenstands-
Arbeit hervor. Sie bilden auch die inhaltlichen und normativen Positionen oder Funktions-
bestimmung?
ihrer Protagonisten ab, die zumeist keine ungeteilte Zustimmung finden.
Daher schlagen manche Autoren vor, sich auf formale Bestimmungen der
Funktion Sozialer Arbeit zu beschränken. Formale, also inhaltsleere Be-