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BERND MARTIN
Zwei Vorwürfe sind gegen Martin Heideggers Tätigkeit als Rektor der Albert-
Ludwigs-Universität immer wieder erhoben wordcn. Zum einen habe der weit
über Freiburg hinaus bekannte Philosoph mit seiner Rektoratsrede vom 27. Mai
1933l ein Fanal des flammenden Bekenntnisses zum neuen Staat gegeben und
viele unentschlossene oder noch zögernde Professoren-Kollegen mitgerissen.
Zum anderen wird seinem politischen Wirken ein wesentlicher, wenn nicht sogar
der alleinige Anteil an der Entstehung der neuen badischen Hochschulverfassung
vom 21. August 1933 zugeschrieben2, in welcher das »FührerPrinzip«erstmals im
Reich Eingang in Universitäten fand. Wirkte der neue Rektor Heidegger tatsäch-
lich als mai3geblicher nspiritus rectorcc bei der geistigen und politischen Umgestal-
tung der deutschcn Universität im Jahre 1933?
Selbst in der Standardgeschichte zur nationalsozialistischen Machtergreifung3
wird die Rektoratsrede als »Wendung von besonderer Bedeutung. herausgestellt.
Doch diese Behauptung stützt sich wie ähnliche Aussagen von Zeitzeugen, etwa
von Karl Jaspers4, Gerhard Ritter5 und Gerd Tellenbach6, auf Mutmaßungen
bzw. subjektive Empfindungen und Iäßt sich empirisch nicht beweisen. Dieser
Annahme von der großen Ausstrahlungskraft der »wohl klügstcn und subtilsten
faschistischen Rede.' war Heidegger bereits 1945, bevor solche Anschuldigungen
dann auch öffentlich erhoben wurden, in seiner Re~htfeni~ungschrift, einer Art
Leitfaden zu seiner Verteidigung, mit der Behauptung cntgegengetreten, die Re-
de sei in den Wind gesprochen und von denen, die es anging, nicht verstanden
w o ~ d e nAls
. ~ Beleg für die Richtigkeit der Aussagen des Vaters führte Hermann
Heidegger die 'I'atsache an, daß die Nationalsozialisten die zweite Auflage der
Rektoratsrede kurz nach ihrem Erscheinen aus dem Handel gezogen hätten."
Breslau 1933. Wiederabdruck zusammcn mit der Niederschrift *Das Rektorat 1933/34. Tat-
sachen und Gedanken., hrsg. von Hcrmann Heidegger, Frankfurt am Main 1983.
Universitätsarchiv Frciburg im Breisgau (fortan UAP) XVIII/I-5 (Verfassung der Universitäten
Heidelberg und Freiburg): Erlaß Nr. A22296 vom 2 I . Aug. 1933. Für den Wortlaut siehe Doku-
ment Nr. 4 unten.
Karl-Dietrich Brachcr, Wolfgang Sauer und Eberhard Schulz: Nationalsozialistische Macht-
ergreifung, Knln 1960, S. 319.
Karl Jaspers: Notizen zu Martin Heideggcr, hrsg. von Hans Saner, München 1978, S. 45 und
218.
Gerhard Ritter: Ein politischer Historiker in seinen Briefen, hrsg. von Klaus Schwabe und Rolf
Reichardt, Boppard 1984, Dok. 132, Anm. 2, Brief an H . Hcimpcl.
Gerd ?'ellenbach: Aus crinnerter Zeitgeschichte, Freiburg i. Br. 1981, C. 41: rTausende von de-
nen, auf die ich gcbaut hatte, fielen unter Heideggers Einflug u m . . . Wenn der weltberiihmte
Philosoph von der Grnllc und Herrlichkeit dieses Aufbruches uberzeugt war, warum sollte man
sich da cigentlich nicht auch für das Dritte Rcich begeistern können. . .a
Paul. Hühnerfeld: In Sachen Hcidegger. Versuch über ein deutsches Gcnic, Hamburg 1959,
S. 94.
Heidcgger, Rektorat (Anm. I), S. 30 und 34.
1-lermann Hcidcgger: Die S e l b ~ t b e h a u ~ t u nder
g deutschen Universität vor 50 Jahren, in: Mittei-
lungsblätter der Ranke-Gesellschaft 1984, S. 9.
Ähnlich kontrovers sind Aussagen über Heideggers Anteil und vor allem über sei-
ne Motive bei der Änderung der Hochschulverfassung. Schon der Reinigungs-
- - - -
ausschuß der Freiburger Universität, besetzt mit fünf im Dritten Reich oppositio-
nell eingestellten Professoren, rügte Ende 1945 in dem Gutachten über seinen
prominentesten Fall Heideggers Mitarbeit an der Umwandlung der Universitäts-
verfassung im Sinne des Führerprinzips.l0 Zeitgenössische private und noch nicht
veröffentlichte Quellen, wie das (im Original vernichtete) Tagebuch des dama-
ligen Prorektors Sauer1' oder wie die inzwischen publizierten Briefe Gerhard
Ritters", bezichtigen Heidegger der eindeutigen Urheberschaft an diesem
schwerwiegenden Eingriff in die traditionelle Autonomie der Hochschule. An
Quellenmaterial konnten sich diese Behauptungen allerdings bislang ebenfalls
nicht überprüfen lassen. Der 'Shese dcr Alleintäterschaft steht Heideggers Einge-
ständnis einer begrenzten Mitwirkung entgegen, die er allein aus dem Grunde
gesucht haben will, um die Einheit der universitas litterarum zu retten und ihre
Degradierung zu Fachhochschulen zu vereiteln."
Die folgenden Ausführungen wollen versuchen, in das Dunkel jener Vorgänge
einige Lichtstrahlen zu werfen, um auf diese Weise zu einer Neubewertung zu
gelangen. Dabei wird die Perspektive bewuflt von den damaligen Interna in Frei-
burg, wo der Fall Heidegger noch immer die Gemüter in Emotionen versetzt,
nach auflen verlagert. Mit Hilfe der Ergebnisse einer breitangelegten Umfrage
soll erstens das Problem der Resonanz auf Heideggers Rektoratsrede objektiviert
und zweitens auf der Grundlage neuen Quellenmaterials im Marburger Staatsar-
chiv sein Anteil an der Gleichschaltung der Universität bemessen werden.
Im Auftrage des Rektors der Freiburger Universität wurden die heutigen Präsi-
denten bzw. Rektoren der damaligen 23 Voll~niversitäten~~ und 11 Technischen
H o c h ~ c h u l e ndes
~ ~Deutschen Reiches angeschrieben und um Amtshilfe gebeten.
Konkret lautete die Frage: nWic wurde Heideggers Verhalten und öffentliches
Auftreten an den anderen deutschen Universitäten rezipiert, wie wurde seine
Rektoratsrede ,Die Selhstbchauptung der deutschen Universität( vom 27. Mai
'0 Zitiert bei Hugo Ott: Martin Heidegger und dic Universität Preiburg nach 1945. Ein Beispiel für
die Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit, in: Historisches Jahrbuch 105 (1985),
S. 95-128, hier S. 107f.
11 Zitierr bei Hugo Ott: Martin Heidegger als Kektor der Universität Preiburg i. Br. 1933/34.11. Die
Zeit des Kekmrats von Martin Heidegger (23. April 1933 bis 23. April 1934), in: Zeitschrift des
Breisgau-Geschichtsvereins 103 (1984), S. 107-130, hier S. 112: .Das war Heideggers Werk.
>Finisuniversitatum<. Und das hat uns dieser Narr von Heidegger eingcbrockt, den wir zum Kek-
tor gcwrhlt haben, daG er uns die neue Geistigkeit der Hochschule bringe . . .M
l2 Ritter, Briefwechsel (Anm. 5), S. 265, Brief an Hermann Oncken vom 1. Okt. 1933: .Unsere neue
Hochschulordnung werden Sie gelesen haben. Natürlich geht sie in letzter Linie auf unseren radi-
~ e r . .W
kalcn Rcktor ~ e i d e ~zuriick.
'' Heidegger, Rektorat (Anm. I), S. 35 - In einem Privatbrief an Elisabeth Blochmann (Marburg)
äuGerte sich Martin Heidegger am 30. Aug. 1933 zur neuen Hochschulverfassung wie folgt: mDa-
nach haben Rektor und Dekane gro5e Vollmachten und noch größere Verantwortung - aber das
Größte dabei ist jetzt der Mangel an Menschen - ohne diese wird die neue Vcrfassung zu einem
t der Erziehung der Hochschullehrer - sie als erste
verhängnisvollen >Instrument<.Alles h ~ n g an
Erziehcr müsscn sich zuvor selbst erziehen und dafür eine sichcrc und stetige Form finden. Sonst
könnte das Ganze an lauter Organisation ersticken* (schriftliche Mitteilung von Hermann Hei-
degger an den Vf. vom 28. Juni 1985). Aus diesen Worten spricht Skepsis, aber wohl weniger über
die Verfassung als über die sie tragenden, ungeeigneten Professoren-Kollegen.
l4 Berlin, Bonn, Breslau, Erlangen, Frankfurt a. M., Freiburg, Gießen, GBttingen, Greifswald, Ha]-
le, Hamburg, Heidclberg, Jena, Kiel, Köln, Königsberg, Leipzig, Marburg, München, Münster,
Rostock, Tübingen, Würzburg.
'5 Aachen, Berlin, Braunschweig, Breslau, Danzig, Darmstadt, Dresden, Fqannovcr, Karlsruhe,
München, Stuttgart.
1933 aufgenommen?* In den jeweiligen Universitätsarchiven sollte herausgefun-
den werden, so die Bitte, ob
~ 1 bei
. der Rektoratsübernahme 1933 in der Rede des neuen Rektors auf Hei-
degger Bezug genommen wurde,
2. bei Reden anläßlich von akademischen Feiern im Studienjahr 1933/4 Hei-
dcggers öffentlich geäußerte Vorstellungen von der Umgestaltung der deut-
schen Universität aufgegriffen w u r d e n ~ . ' ~
Obwohl die Hochschulen vollständig antworteten - mit Ausnahme der nicht be-
rücksichtigten zwei Universitäten und zwei Technischen Hoch~chulen'~ der ehe-
maligen deutschen Ostgebietem -, wirft die Auswertung der Erhebung beträchtli-
che Schwierigkeiten auf und gestattet kein definitives, wohl aber doch ein anna-
herndes Urteil. Einige der Hochschulen haben ihre Archive durch Kriegseinwir-
kungen ganz oder teilweise verloren (z. B. Technische Hochschulen Berlin19,
Darmstadtzo, Dresden2', Universität Bonn2*), bauen ein solches erst auf (Frank-
furt2') oder haben die entsprechenden Reden nicht archiviert. Obwohl Koopera-
tionsbereitschaft bei den meisten Archivaren vorhanden war, lassen sich deren
Recherchen im Falle von Fehlanzeigen für einen Auaenstehenden nicht nachvoll-
ziehen. In der Bundesrepublik wie in der DDR schienen manche Universitätsspit-
Zen und ihre Archive etwas peinlich berührt zu sein, mit Fragen zur »braunen
Vergangenheit* konfrontiert zu werden. Die Benutzung des universitären Ar-
chivguts für die wissenschaftliche Forschung dürfte nicht zuletzt, um das eigene
Nest nicht zu beschmutzen, sehr restriktiv gehandhabt werden.24 Fehlendes oder
unzugängliches Quellenmaterial ließ sich jidoch teilweise dadurch ersetzen, daß
an vielen Hochschulen akademische Festreden, vor allem bei der Rektoratsüber-
gabe, ohnehin gedruckt wurden. Auch wachte 1933 die gleichgeschaltete Presse
über die ~ n ~ l e i c h der
u n ~Hochschulen an das neue ~emeinweienund berichtete
immer dann ausführlich von akademischen Feiern und Reden, wenn diese ein un-
eingeschränktes Bekenntnis zum Staat Adolf Hitlers enthielten.
Vergleicht man folglich inhaltlich die Ausführungen Heideggers mit den damals
an vielen Hochschulen üblichen Bekundungen zum neuen, völkischen Deutsch-
land, etwa mit dem Debut, das der benachbarte Karlsruher Rektor am 1. Mai
1933 gab25,dann ist dem Urteil eines äußerst kritischen Heidegger-Schülers, Kar1
'6 Schreiben des Vf. vom 25. Juni 1985.
l7 Universitäten Königsberg und Breslau, Tcchnische Hochschulen Danzig und Breslau.
' 8 Die Königsberger Rektoratsrede liegt gedruckt vor: Hans Heyse: Die Idee der Wissenschaft und
die deutsche Universität (Rektoratsrede vom 4. Dez. 1933), K ~ n i g s b e r1934.
~ (Die nationalsozia-
listische Philosophie des Aufbruchs wird mit Platons Politeia verglichen, ein Bczug zu Heidegger
fehlt aber.)
' 9 Schreiben vom 26. 7. 1985.
20 Schreiben vom 17. 7. 1985.
2' Schreiben vom 26. 7. 1985.
22 Schreiben vom 14. 8. 1985.
23 Schreiben vom 12. 2. 1985.
z4 Auch in der DDR sind Untersuchungen über die Hochschulen in der nationalsozialistischen Zeit
rar. Vgl. Wolfgang Schumann: Die Universität Jena in der Zeit des deutschen Faschismus, in: Ge-
schichte der Universität Jena 1548/58-1958, Festgabe zum 400jährigen Universitiitjubiläum, Jena
1958, Bd. I, S. 642ff.; Ruth Carlsen: Zum Prozeß der Faschisicrung und den Auswirkungen der
faschistischen Diktatur auf die Universitlt Rosmck (1932-1935). Phil. Diss., MS, Rostock 1965.
25 Rede des Professors für Maschinenbau Hans Kluge, der wie Heidegger seit Ende April 1933 am-
tierte, zum Tag der nationalen Arbeit am 1. Mai 1933: r u n d in diesem großen historischen
Augenblick ist CS selbstverständliche Pflicht der deutschen Hochschulen, sich nicht nur gleichzu-
schalten, sondern Führer im Kampf zu sein und ihr wissenschaftliches Rüstzeug in Lehre und For-
schung bewußt fiir die nationale Erhebung einzuset2en.a Kluge sprach sich zudem für die Ver-
wirklichung des Führerprinzips an den Hochschulen aus. (Wortlaut in: Karlsruher Akademische
Mitteilungen, Nr. 2, Juni 1933, freundlicherweise vom Universitatsarchiv Karlsruhe dem Vf. über-
lassen.)
b w i t h , beizupflichten, der die Rede als nphilosophisch und anspruchsvolla, als
nkleines Meisterwerksz6 bezeichnete. Die Heideggersche Rektoratsrede, in der
weder der Name Hitler noch der Begriff Nationalsozialismus auftauchen, ent-
sprach nicht der damals gängigen und von oben gewünschten Linie des angepad-
ten Verhaltens. Im Kontext mit anderen Universitätsreden ihrer Zeit gesehen, bil-
dete sie eine Ausnahme, so dad ihr schon aus diesem Grunde keine von der Pro-
paganda zugewiesene groiSe Rolle beschieden sein konnte.
D a die Nationalsozialisten und vor allem Hitler den Intellektuellen mit abgrund-
tiefem Miduaucn begegneten2' und in der Wissenschaft lediglich ein Hilfsmittel
für den völkischen Staat zur Förderung des Nationalstolzes erblicktenZs,bemüh-
ten sich viele der akademischen Festredner, diese Vorurteile durch eiferndes Auf-
treten und eifrigen Rückgriff auf den Jargon der Bewegung a u s ~ u r ä u m c nDie
.~~
Trias von Wehrdienst, Arbeitspflicht und Studium wurde oftmals in damaligen
Ansprachen beschworen, ohne daf3 sich direkte Verbindungen zu Heideggers
Vorstellungen nachweisen lassen. Gewisse Affinitäten, die womöglich eine
Kenntnis der Heideggerschen Ausführungen verraten, lassen sich bei akademi-
schen Festreden in JenaJo, MarburgJ1 und M ü n ~ t e r 'herauslesen.
~ Ein ausdrückli-
cher Bezug auf Heideggers Rektoratsrede findet sich lediglich in zwei Anspra-
chen - beide Male jedoch in kritischer Distanzierung.
In seiner Antrittsrede am 7. November 1933 bekannte sich der neue, noch ge-
wählte Rektor der Universität Hamburg zwar zum Führeramt, wies aber den gei-
stigen Führungsanspruch, wie ihn Heidegger formuliert hatte, als Überforderung
einer Person von sich.33 Hinter diesen Worten gegen Heidegger standen womög-
34 Adolf Rein: Die Idee der politischen Univrrsit~t,Hamburg 1933 (das Manuskript wurde im De-
zember 1932 abgeschlossen). Kein wurdc Nachfolger von Schmidt als erster ernannter Rektor in
Hamburg und gab am 5. Nov. 1934 ein flammendes Bekenntnis zum Nationalsozialismus ab:
.Der Nationalsozialismus nun aber kann in der Wissenschaft gar nicht radikal genug sein, denn
die Wissenschaft geht immer auf das G a n z e . . .= (Hamburger Rektoratsreden, Anm. 33). Rein
(1885-1979) wurde 1950 Präsident der Ranke-Gesellschaft.
35 Professor Oswald Kroh: Rede am 6. Nov. 1933 über mDie nationalpolitische Erziehung an den
deutschen Hochschulenr (Beilage Nr. 1 aus der Württernbe~~ischen Studcntenzeitung Nr. 62 vom
15. Nov. 1933, freundlicherweise vom Tübinger Universit?itsarchiv überlassen). Der ncue Tübin-
ger Rektor, Karl Fezer, sprach am 1 B. Jan. 1934, bei der rReichsgründungsfeieru, zum Thema
*Die Universität im neuen Scaatr. Anklänge an Heideggers Rektoratsrede waren nicht zu verneh-
men (Uwe Dietrich Adam: Hochschule und Nationalsozialismus. Die Universität Tübingen im
Dritten Reich. Tübingen 1977, S. 56 irrt mit seiner anders lautenden Behauptung. Vgl. die Wie-
dergabe der Rede in der ~ T ü b i n g e Chronika
r vom 23. Jan. 1934).
36 Siehe die wiedergegebenen Zeitungsberichte bei Guido Schneeberger: Nachlese zu Heidegger.
Dokumente zu seinem Leben und Denken, Bern 1962, Dokumente Nr. 46,47 und 48.
j7 Im Verlagshaus Wilh. Gottl. Korn zum Preise von Rh4 -.90, Bericht des Vdkischen Beobachters
vom 20. Juli 1933 (Schneeberger, Dok. 79).
38 Ebenda: Reiburger Zeitung vom 16. Juli 1933.
ger persönlich die Kerngedanken seiner Rede, nunmehr unter dem bescheidenen,
- - -
gerung verbunden gewesen (Kudolf Morsey: Hitler als Braunschweigischer Regierungsrat, in:
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte B [1960, 5.419-4481). Die Braun~chwei~ischen Vorgänge
wurden an den übrigen Hochschulen aufmerksam verfolgt (vgl. IJAF VI/I-37: Protokolle der
Rektorenkonferenzen vom 28. Nov. und 14. Dez. 1932). Rektor und Senat traten in Braun-
schweig am 5. April 1933 zurück, Rektor Gaßner wurde kurz darauf sogar vorübergehend in
Haft gcnammen. Eraunschweig erhielt als erste gleichgeschaltete Hochschule am 18. April 1933
vom Ministerium einen Rektor (den Pharmakologen Horrmann) eingesetzt.
54 Am 11. April 1933 waren in Kein Rekwr und Senat zurückgetreten. Reichskommissar Rust, ab
22. April 1933 preußischer Kultusminister, stellte auf der Wiesbadener Konferenz diesen Schritt
als beispielhaft hin (UAM 3051, acc. 1975/79, Nr. 149; UAF V1 1-37: Protcikoll der Wiesbadener
Konferenz). Der Rücktritt des Kölner Rektors, des Juristen Godehard Ebers, erfolgte auf Druck
des neuen kommissarischen Oberbürgermeisters, eines Mitgliedes der NSDAP. Vgl. dazu: Franz
Golczewski: Die >Gleichschaltung' der Universität Kaln im Frühjahr 1933. In: Leo Haupts/Georg
Melich (Hg.): Aspekte der nationalso7.ialistischen Herrschaft in Kaln und im Rheinland. Köln
19113, S. 49-72. In Badcn hatte der Staatskommissar Wacker im Ministerium fur Kultus und Un-
terricht mit ErlaM Nr. A 7723 vom 7. April den badischen Hochschulen eine Umbesetzung der
akademischen Behörden empfohlen (Universitätsarchiv Freiburg i. Br. = UAF XVIII/I-5).
55 Vgl. Anm. 52.
56 UAM 305a, acc. 1975/79 Nr. 168: Rundschreiben des Kektorats Frciburg, Tageb.Nr. 4260, vom
5. Mai 1933.
57 Vgl. Anm. 56.
Der Führungsanspruch des Freiburger Rektors gegenüber dem neuen Kanzler
klang so deutlich aus diesen Worten, dai3 der Marburger Curator es vorzog, den
Vorgang gleich zu den Akten zu nehmen58, um gar nicht erst eine Diskussion
über ein solches, an preußischen Universitäten schwer vorstellbares Untcrord-
nungsverhältnis des staatlichen Vertreters und Chefs der Verwaltung unter einen
Rektor-Führer zu entfachen. Der Mitteilung Heideggers, die bewußt in dieser
Form an alle deutschen Hochschulen gegangen war, lag die Absicht zugrunde,
daß dieses Modell auch anderswo Schule machen und den Rektor in seinen
Kompetenzen als Führer der Universität stärken solle. In der H a u ~ m i t t e i l u n gan~ ~
die ~ r e i b u r ~ Dozentenschaft
er hatte Heidegger einige Tage zuvor nämlichdiese
Veränderung im Rektorat weitaus konzilianter formuliert und implizit als Entla-
stung seiner Person hingestellt. Dem Kanzler wurden in diesem Rundschreiben
genaue Kompetenzen in den Bereichen Soziales, Bau- und Wirtschaftswesen, Im-
matrikulation und Exmatrikulation sowie in den damals brisanten Fragen - der
Kolleggelder und des Gebührenwcscns zugewiesen. Der Freiburger Dozenten-
schaft präsentierte Heideggcr seinen Kanzler folglich nicht als *Unterführera,
sondern als höchsten Verwaltungsbeamten der Universität. Offensichtlich wollte
der neue Rektor die wegen seines autoritären Führungsstils beunruhigte Freibur-
ger Dozentenschaft nicht noch weiter herausfordern.60
Hatte das Sornrnersernester 1933 kcine strukturelle Veränderung der deutschen
Hochschule mit sich gebracht - wenn auch der Aderlaß jüdischer Gelehrter mit
dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums einsetzte -, so war
der Konflikt zwischen den bewahrenden Kräften und den sich im Aufwind des
neuen Systems entfaltenden Neuerern auf der Rektorenkonferenz in Berlin am
8. Juni 1933 offen ausgebrochen. Der ihm vorausgegangene Austritt der Kieler
und Bonner Universitäten aus dem Hochschulverband, der Standesvertretung der
deutschen Universitätslehrer, wurde mit der parlamentarischen Struktur dieses
Gremiums begründet, das dem neu geltenden Führerprinzip eindeutig widersprä-
che. Die Spaltung der Hochschulen begann sich abzuzeichnen; ebenso kündigten
sich Alleingänge einzelner, von Sympathisanten des neuen Regimes geführter
Universitäten an.
Nach den pausenlosen Bekenntnissen zum neuen Staat drängte vor allcrn die
längst nach dem r>I;ührerprinzip« organisierte Studentenschaft darauf, daß mit
den vielfach angekündigten Reformen endlich begonnen werde. Die erste Num-
mer der neu begründeten Zeitschrift der deutsche Studenta61, die im August
1933 crschien, war daher Fragen der Neugestaltung der Hochschulen im
nationalsozialistischen Sinne und eines neuen Wissenschaftsbegriffes gewidmet.
Die Ausführungen des Cöttinger Rektors Friedrich Neumann6*, eines Heideg-
ger-Konfidenten, zum politischen Rektorat nahmen programmatisch die vom ra-
dikalen Flügel der Professoren propagierte Universitätsreform im Sinne einer An-
58 Handschriftlicher Zusatz: ~ 1 0 . 7 33
. z. d. A.a
59 UAF XVIII/l-5: Rundschreiben Heideggers ..An die Herren Dozenwnu vom 30. Juni 1933 mit
derselben Tagebuch-Nr. 6662 wie das Rundschreiben an dir anderen Universitäten.
60 Heidegger hatte bis dahin den Senat nur ein einziges Mal einberufen (Sitzung am 14. Juni 1933).
Vgl. Hugo Ott: Manin Heidegger als Rektor der Universität Freiburg 1933/34, in: Zeitschrift für
die Geschichte des Oberrheins 132 (2984), S. 343-358, hier S. 349.
61 *Der deutsche Student., Zeitschrift der Deutschcn Studentenschaft, Schriftleitung Gerhard
Schröder, Breslau 1933. Am 22. April hatte Reichsinnenministcr Frick ein rGeseu über dir Bil-
dung von Studentenschaften an den arissenschaftlichcn Hochschulen= verfügt. Die dem vorausge-
gangene gpreußische Studentcnrechtsverordnung~vom 12. April 1933 hatte das Führcrprinzip in
der studentischen Selbstverwaltung institutionalisiert (Kalischer, Anm. 44, Dok. Nr. 139 und 140).
62 Ott (Anm. 60), S. 350f.
Passung an das neu gestaltete öffentliche Leben vorweg.63 Die von völkisch-grofl-
deutschen G e i s e n erstrebte politische Universität (A. G. Rein) bzw. die Idee ei-
nes politischen Pflichtsemesters für alle Studierenden wurden in diesem Heft als
untaugliche Maßnahmen verworfen.64 Getreu der nationalsozialistischen Devise
*Am Anfang war die Tata wollten die radikalen Studenten handeln und nicht
wiederum nur erzogen werden, und sei es diesmal auch nur politisch. »Student
sein heißt eine öffentliche Funktion haben, genauso wie Soldat - lautete
der neue studentische Diensteid. Unter ausdrücklicher Berufung auf die Rekto-
ratsrede, die inzwischen im Druck erschienen war, wurde Heideggee6 neben
Bacumlei-6' als Begründer eines neuen antiliberalen Wissenschaftsb~~riffs genannt
und im Sinne nationalsozialistischer geistiger Gleichschaltung schlichtweg verein-
nahmt. Von solchen Hochschullehrern, die ndas Wollen des politischen Studen-
ten begriffen haben und schlierSlich auch verstehen, daß es sich um eine Minder-
heit handelt, die aber allein ausschlaggebend ist für das Werden der neuen Hoch-
schuleab8, wurde nunmehr Handeln erwartet. Heidegger selbst hatte zusammen
mit Baeumler dieses studentische Verlangen durch seine Teilnahme an einer na-
tionalsozialistischen Schulungstagung des Amtes für Wissenschaft der Deutschen
Studentenschaft u n t e r s t ü t ~ t . ~ ~
Heidegger selbst hatte einen T a g nach seinem Amtsantritt eine Tagung des Am-
tes für Wissenschaft der Deutschen Studentenschaft vorgeschlagen, die schließ-
lich am 10. und 1 1 . Juli 1933 in Berlin stattfand.lveZweck dieser Zusammenkunft
war es, die neue Struktur der deutschen Studentenschaft voranzutreiben - eine
Struktur, die weitgehend Heideggers Vorstellungen von studentischer Selbstver-
antwortung und gesellschaftlicher Eingliederung der Studierenden entsprach.
Auf diese Weise sollte die Universität, die sich bei ihrem traditionellen Lehrkör-
per von oben nur schwer umgestalten ließ, gewissermaßen von unten, von der
studentischen Basis, radikal verändert und in die Volksgemeinschaft eingeglie-
dert werden. Auch wenn sich Heideggers Federführung nicht nachweisen läflt, so
kommen doch die vom Amt für Wissenschaft erlassenen R i ~ h t l i n i e nzum~ ~ ~Auf-
bau der Fachschaften und Fachgruppen den Vorstellungen des Freiburgr Rek-
tors sehr nahe.
Die Fachschaften, über deren endgültigen Aufbau sich die studentische Zentrale
in Berlin die Entscheidung noch vorbehalten wollte, erhielten festumrissene Auf-
gaben: Das *Hinwirken auf ein lebendiges Verhältnis wisscnschaftlichcr Zusam-
menarbeit zwischen Student und Hochschullehreru stand an erster Stelle; es soll-
63 Das politische Rektorat. Grundsätzliches zur Reform der Universitrtsverfassung, in: *Dcr deut-
sche S ~ u d e n ~(Anm.
u 61) S. 14-21.
64 Ebenda S. 21-26: Klaus Schickert: Sinn und Unsinn auf dcm Wege zur ~olitischenUniversität.
65 Ebcnda, S. 1 im Gelcitwort von Gerhnrd Schrhder; S. 2 : mDcr kommende Studcnt wird Studcnt
und Soldat und Arbeiter in einer Person sein.*
66 Im Aufsatz von Schickert (Anm. 64), S. 24. In einer Fußnote wird auf die Verlagsanzeige der
Heidegger-Rede im hinteren Umschlag des Hefts verwiesen.
67 Alfred Baeumler (1887-1968), Mitglied des ~Kampfbundesfür deutsche Kultur., ab SS 1933 Pro-
fcssor für politische Padngogik an der Humboldt-Universität Berlin. Bacumler war mit einem Auf-
satz zum 'i'hema .Der politische Student* ebcnfalls in der Fröffnungsnummer vertreten, s. 3-8.
Schicken (Anm. 64), S. 26.
6y Die Fachschaft irn Neubau der Deutschen Studentenschaft. Bericht (von Georg Plötncr) von der
ersten Schulungstagung des Amtcs für Wissenschaft der Deutschen Studentcnschaft am 10. und
1 1 . Juli 1933 in ßerlin (ebenda, S. 35-38).
69a O t t (Anm. 60), S. 351 f.: Heidegger hatte bei Plötner, Hauptamtsleitcr für politische Bildung und
zugleich f i t e r des Amtes für Wissenschaft in der Deutschen Studentenschaft, bereits am 24. April
1933 cin solches Treffen angeregt.
5 !3 69b Vollständiger Abdruck in: Der deutsche Student (Anm. 60), S. 5 8 4 1 .
te durch B~~kottrnaßnahmen gegen mifiliebige Professoren und die Mitentschei-
dung bei der Auslese der Studenten sowie der Berufung der Professoren weiter
gefördert werden. Ferner sollten Pläne zur Studienreform, die Aufstellung eines
Dienstplanes und Berufsberatung z"' ihren Aufgaben zählen. Die Fachschaftslei-
ter sollten ernannt werden und ihre Mitarbeiter selbst berufen können. Das Prin-
zip Führer und Gefolgschaft war somit in der praktischen studentischen Arbeit
fest verankert worden.
Spiegelt der Fachschaftsgedanke stärkcr Überlegungen Heideggers wider, so fan-
den berufsständische, eher parteigebundene Vorstellungen Eingang in das über-
geordnete Konzept der Fachgruppen. Diese sollten im Berliner Amt für Wissen-
schaft entsprechend den akademischen Studiengängen gebildet werden und die
Fachschaften gleicher
- Berufe und Studienziele aller Hochschulen zusammenfas-
sen. Heideggers idealistische Vorstellungen einer Selbsterneuerung der Universi-
tät durch das gemeinsame Handeln von Studenten, Hochschullehrern und Volks-
genossen wurden in einen zentralistischen, zweckgebundenen Befehls~tran~ der
neuen Machthaber gepreßt. Wie schließlich die im Februar 1934 erlassene Ver-
fassung der Deutschen Studentens~haft~~';, in welche das Ordnungsprinzip von
Fachschaft und Fachgruppe aufgenommen wurde, verdeutlichen sollte, konnte
die nSelbstbehauptung der deutschen Universität« nicht länger von ihr selbst aus-
gehen. Die Studentenschaft wurde seit Februar 1934 reichseinheitlich erfaflt und
dirigiert. Knapp drei Monate später ereilte die Universitäten, vor allem die Pro-
fessoren, mit der Einrichtung des Reichserziehungsministeriums das gleiche
Schicksal.
Dai3 Heidegger diese Entwicklung hat kommen sehen oder gar bewui3t verfolgt
hat, muß bezweifelt werden. Er konnte ihr jedoch seit der Schulungstagung in
Berlin, auf der seine Ideen vereinnahmt worden waren, kaum noch entgegensteu-
ern. Möglicherweise gedachte er der ihm zugedachten Rolle als ~ a l l i o n s -und
Integrationsfigur bei der nationalsozialistischen Hochschulreforrn, der Umwand-
lung der gesamten Universitätsverfassung, durch eigenständiges Handeln zuvor-
zukommen. Sicher erscheint lediglich ein Zusammenhang zwischen der Berliner
Tagung Anfang Juli, der Auslieferung des ersten Heftes der neuen Studentenzei-
tung in den ersten Augusttagen mit den programmatischen Ausführungen zur
Universitätsreform und der schließlich in der zweiten Augusthälfte in Baden und
Bayern in Gang gesetzten Umgestaltung der Hochschulverfassung.
Die hochschulpolitischen Zeichen standen folglich auf Sturm, als Studenten und
Dozenten die Sommerferien 1933 antraten. Der Marburger Rektor hatte sowohl
beim Vorsteher der Rektorenkonferenz, dem Hallenser Rektor Professor Her-
mann Stieve70, als auch beim Zweiten Vorsitzenden des Hochs~hulverbandes~~
bereits am 19. Juli 1933 angefragt, welche staatlichen Keformen zu erwarten
seien. Da keine befriedigende Antwort eingegangen war, wiederholte der Prorek-
4 9 ~Kalischer, Anm. 44, Dok. Nr. 149: Gesetz vom 7. Febr. 1934.
70 Herrmann Stievc, Professor der Medizin, Rektor der Universitfit Halle vom 5. Mai bis 18. Nov.
1933. Der jeweilige Hallesche Rektor war damals seit etwa 30 Jahren qua Amt Vorsitzender der
(außeramtlichen) deutschen Rektorenkonferenz (Schreiben des Archivs der Martin-Luther-Uni-
versität vom 19. Febr. 1986 an den Vf.).
71 Vnrsitzender des Hochschulverbandes war bis zum 1. Juli 1933 der Bonner Theologe Fritrr. 'I'ill-
mann, er wurde abgehst von Friedrich Schucht, Professor für Geologie und Bodenkunde in Ber-
lin. Gustav Bebermeyer, Professor für Germanistik in Tübingen, war zweiter Vorsitzender. Alle
Vorstandsmitglieder waren Angehörige der NSDAP (Frontabschnitt Hochschule. Die Cießener
59 Universität im Nationalsozialismus, Gießen 1982, S. 25).
t o r diese Anfrage a m 14. A ~ g u s t . ?V~o n dem Vorsteher d e r Rektorenkonferenz
wünschte e r Auskunft darüber, welche Ergebnisse die angekündigten Gespräche
im Reichsinnenministerium gebracht hätten. Am 21. August, genau an dem Tage,
an dem in Karlsruhe d e r badische Minister f ü r Kultur, Unterricht und Justiz die
neue Führewerfassung für seine Hochschulen verfügte, antwortete Stieve:
Dokument Nr. 2?'
72 UAM 305a, acc 1975/79 Nr. 64: Schreiben Marburger Prorektor Thiel - Stieve vom 14.August,
dort auch Bezug auf die vorausgegangene Korrespondenz.
73 Ebenda.
74 Dr. Rudolf Hermann Buttrnann, seit 1922 Mitglied der NSDAP, seit 1924 Fraktionsführer der
NSDAP in Hayern und Leitcr der H a ~ p t a b t e i l u nVolksbildung
~ der NSDAP, seit dem 5. Mai
1933 Leiter der kulturpolitischen Abteilung im Reichsinnenministerium. Bis zur Gründung des
Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter Bernhard Rust am
30. April 1934 war das Ressort unter Buttmann für alle bildungspolitischen Fragen auf Reichsebe-
ne zuständig.
Demnach bestanden irn Reichsinnenrninisterium Anfang August 1933 keinerlei
ausgereifte Pläne für eine Hochschulreform. Ein Einwirken von Berliner Reichs-
behörden und Parteidienststellen auf den badischen Erlai3 scheidet somit aus.
Drei Tage nach Erhalt dieses beruhigenden Briefes wandte sich der Marburger
Prorektor sichtlich erregt an den Vorsteher der Rektorenkonferenz mit der An-
frage, o b die dem schreiben beigefügten Pressemeldungen zuträfen, daß in Ba-
den nach der neuen H o c h s c h ~ l v e r f a s s u nin~ Zukunft der Rektor »nichts weiter
als ein Beamter des Ministeriumsa sei und die Selbständigkeit der Fakultäten
beendet werde. D e r Vertreter des Marburger Rektors legte dem Repräsentanten
der deutschen Rektorenschaft unmii3verständlich nahe, sogleich zusammen mit
dem Präsidenten des Hochschulverbandes, dem Berliner Professor Schucht, »ge-
rneinsarn eine Aussprache mit dem Herrn Reichsinnenminister zu erreichen oder
womöglich unmittelbar von Herrn Reichskanzler empfangen z u werden. Es be-
steht die Gefahr, dai3 beim Ausbleiben einer Gegenwirkung Aktionen dieser Art
allgemein w e r d c n . ~ ' ~
Mit Schreiben vom 1. September bestätigte Stieve die schlimmsten Befürchtungen
der Marburgcr Universitätsspitze und bezichtigte explizit Heidegger, die Freibur-
ger Professoren vor vollendete Tatsachen gestellt z u haben.
75 Schreiben 'I'hiel - Stiwe vom 24. Aug. 1933 mit Zeituiigsausschnitten aus den Basler Nachrichten
vom 22. Aug. 1933 und der Berliner Börsen Zeitung vom 23. Aug. 1933 in der Anlage (UAM
305a, acc. 1975/79, Nr. 64).
6' Ebenda.
77 Rektor Leo v o n Zumhusch, Professor der Medizin, wurde durch den ernannten Rektor Karl
Leopold Eschrich am 15. Okrober 1933 abgelhst.
78 Hans Scheunes (1891-1935), Leiter des bayerischen UnterrichtFministeriums vom 10. März 1933
bis zu seinem Tode.
79 Abschrift einer undatierten Denkschrift des Rektors der Universität München an den StaatFmini-
Ster.
61 80 Siehe Dokument Nr. 5.
Mit dem Führer des hoch schul verband es^' werde ich am 8. und 10. Septbr. in
Würzburg zu verhandeln haben. Leider erwarte ich mir von diesen Verhand-
lungen in der angcgebcnen Frage zunächst wenig. Die Ministerien stützen
sich bei ihren Ausführungen auf die Ratschläge ganz bestimmter Professoren.
/. . ./ Die einzige Möglichkeit, hier vorzugehen, ist folgende: Die Badenser
Universitäten müssen, entsprcchcrid dcm Vorgehen der bayerischen Universi-
täten, gegen den Entscheid des Ministeriums Einspruch erheben. Die Rekto-
renkonferenz als solche muß sich dann hinter den Einspruch stellen und ent-
sprcchcnd bei dem Reichsministerium des Innern vorstellig werden.
In der zweiten Hälfte des Oktober findet in Berlin eine Rektorenkonferenz
statt, und ich werde selbstverständlich als ersten Punkt die Frage der Rektor-
wahl an den Universitäten behandeln lassen. Ich wcrde zu der betreffenden
Sitzung auch die Herren Prorektoren einladen. Wahrscheinlich wird Herr
Ministerialdirektor Buttmann8z vom Reichsministcrium dcs Innern auch an
der Sitzung teilnehmen, und wir werden dann entsprechende Beschlüsse fas-
sen müssen.
Mit dem Ausdruck dcr vorzüglichsten Hochachtung und besten Empfehlun-
gen verbleibe ich
Ihr stets sehr ergebener
Unterschrift:
H. Stieve
Dokument Nr.
NY.A 22296
Die Verfassungen der badischen Universitäten und der Techn. Hochschule in
Karlsruhe bedürfen der Umgestaltung. Die völlige Erneuerung der deutschen
Hochschulen kann nur erreicht werden, wcnn die Hochschulreform einheit-
I. Der Rektor.
1. Der Rektor ist dcr Führer der Hochschule, ihm stelicn alle Befugnisse des
seitherigen (cngeren und grossen) Senats zu. Er wird vom Minister des Kul-
tus, des Unterrichts und der Justiz aus der Zahl der ordentlichen Professoren
ernannt und von ihm vereidigt.
2. Der Rektor hat das Recht, für eine von ihm zu bestimmende Zeit aus dem
Lehrkörper der Hochschule einen Kanzler zu ernennen. Der Kanzler vertritt
den Rektor nach dessen näherer Anordnung. Der Rektor kann für einzelne
Angelegenheiten odcr für einen bestimmten Geschäftskrcis Angehörigen der
Hochschule die Ausübung seiner Obliegenheiten übertragen und diese inso-
weit [mit] seiner Vertretung betrauen.
3. Der Rektor kann und soll zur Behandlung der eigentlich wissenschaftli-
chcn und erzieherischen Gesamtaufgaben der Hochschule die Dekane (Ab-
teilungsleiter) zusammenrufen.
4. Der Rektor kann jederzeit den Lehrkörper der Hochschule mit oder ohne
deren Assistenten zusammenrufen.
84 UAF XVTTT/I-5, korrigiert mit Erlag Nr. 27 147 vom 16. Okt. 1933 in W. . . (Ahteilungsleitern)der
Fakultäten..
Fakultät (Abteilung) kiinnen zur Beratung zugezogen werden. In wichtigen
Angelegenheiten ist ihre Ansicht einzuholen und schriftlich niederzulegen.
Fakultäts-(Abteilungs-)beschlüsse werden nicht gefasst.
2. Der Dekan (Abteilunrsleiter) ist allein dem Rektor verantwortlich. Dieser
kann die Entscheidung des Dekans beanstanden. Wird keine Einigung zwi-
schen Dekan (Abteilungsleiter) und Rektor erzielt, so entscheidet das Mini-
stcrlum.
3. Der Geschäftsverkehr der Fakultäten (Abteilungen) mit dem Ministerium
geht über den Rektor.
4. Der Dekan (Abteilungsleiter) ist verpflichtet, dem Rektor von allen wichti-
gen Fakultäts-(Abteilungs-)angelegenheiten Kenntnis zu geben.
5. Der Rektor hat das Recht, an allen Fakult~ts-(Abteilungs-)-sitzungenteil-
zunehmen; er kann sich hierbei durch den Kanzler oder einen hierzu beson-
ders ermächtigten Dozenten vertreten lassen. Der Rektor ist zu allen Sitzun-
gen einzuladen.
1. Das Amt des Rektors und die vom Rektor übertragenen Ämter können nur
aus wichtigen Gründen abgelehnt oder niedergelegt werden. Werden solche
Gründe geltend gemacht, so entscheidet über die Ablehnung oder Nieder-
legung des Rektoramtes das Ministerium, im übrigen der Rektor.
2 . Das Amt des nach diesem Erlass erstmalig zu ernennenden Rektors beginnt
am I . Oktober 1933; das Ende seiner Amtszeit wird vom Ministerium be-
stimmt.
3. Der sonach berufene Rektor hat die ihm nach diesem Erlass zustehenden
Ernennungen bis spätestens 20. Oktober 1933 vorzunehmen.
4. Die Amtsdauer der Dekane (Abteilungsleiter) und Senatoren bestimmt der
Rektor; er ist befugt, diese jederzeit abzuberufen. Gegen eine die Abberufung
aussprechende Entscheidung steht dem betroffenen Dekan (Abteilungsleiter)
oder Senator die Beschwerde an das Ministerium zu.
5. Entgegenstehende Bestimmungen werden hiermit ausser Kraft gesetzt; ins-
besondere treten der engere und der grosse Senats5 sowie die allgemeine
Dozcntenversamrnlung nicht mehr zusarnmcn.
gez. Dr. Wacker
Handschriftliche Zusätze:
I ) z. d. Akten Hochschulreforrn
M(erk) 8. 9. 33
2) S. Magnifizenz nach Rückkchr
vorzulegen !
'I'h(ie1) 2. 9 .
Stück f Kektor.
I. Der Rektor wird aus dcr Zahl der ordentlichen Professoren bcrufcn. Der
Senat der Univcrsität schlsgt einen odcr mehrere geeignete Namen vor. Der
Staatsministcr für Unterricht und Kultus ernennt den Rektor. 2. Der Rektor
ist der Puhrer der Universität. Er ist für die Führung der Geschäfte dem
Staatsrninister verantwortlich. 3. Die Zuständigkeiten, die bisher durch Staat,
Universität- oder Stiftungsbestirnrnungen dem Senate zugewiesen waren, ge-
hen auf den Rektor über. Ausgenommen hiernon sind die bisherigen Auf-
sichtsbefugnisse des Senats über die Studenten (Stück V11 der Satzungen für
die Studierenden an den bayerischen 1Jniversitäten) und die dienstaufsichtli-
chen Befugnisse, die dem Senate durch dic Ministerial-Bekanntmachung vom
22. Okt. 1909. GVBL. S. 737, zugewiesen sind. 4. Der Rektor ist der Vorsit-
zende des Verwaltungsausschusses. 5. Der Rektor ernennt seinen Vertreter.
6. Der Rektor kann mit der Vorbereitung oder Erledigung bestimmter Rekto-
ratsgeschäfte Angehörige der Universitat betrauen. Diese sind ihm pers~nlich
vcrantwortlich. Die Verantwortung des Rektors gegenüber dem Minister
bleibt auch in diesen Fällen bestehen.
Stück 11 Senat.
1. Der Akademische Senat setzt sich so zusammen: Rektor, Syndikus, sechs
vom Rektor ernannte Senatoren aus dem Kreise der ordentlichen Professo-
ren, vier vom Rektor ernannte Senatoren aus dem Kreise der H ~ n o r a r ~ r o f e s -
soren, der planmässigen und nichtplanmässigen ausserordentlichen Professo-
ren und der Privatdozenten. Unter dicsen vier Senatoren muss wenigstens ein
wissenschaftlicher Assistent sein. Der Rektor kann noch drei weitere Mitglie-
der des Lehrkörpers zu Scnatoren ernennen. Dem Senatc muss aus jeder Fa-
kultät (Sektion, Abteilung) wenigstens ein ordentlicher Professor angehören.
Hierzu treten der Führer der Studentenschaft und zwci von ihm benannte
Mitglieder der Studentenschaft in allen Angelegenheiten, die von der Studen-
tenschaft satzungsmässig zu betreuen sind oder die die Gestaltung des Stu-
dienbeuicbcs betreffen. - Diese Vcrtrcter der Studenten kann der Rektor
ausserdem zu allen Senatsverhandlungen beiziehen, die die Gesamtkörper-
schaft berühren. Der Rektor kann zu einzclncn Beratungen des Scnats weite-
re Angchörige der Universität beiziehen. 1:alls ein vom Rektor ernanntes Se-
natsmitglied längere Zeit verhindert ist, ernennt der Rcktor einen Ersatz-
mann. 2. Der Senat steht dem Rektor beratend zur Seitc.
UAM 305a. acc. 1975/79, Nr. 64. (Vgl. Bayensche Staatrzeitung und Bayerischer Staauanzeiger
vom 31. Aug. 1933, freundlichcrweise vom Archiv der Universität Mrinchen dem Vf. oberlassen).
vom Rektor crnannt. D e r Dekan ernennt seinen Vertreter. 2. D e r Dekan er-
nennt die Ausschüsse und die Berichterstatter der Fakultät. 3. Die Anträge
der Fakultät an das Ministerium sind schriftlich über den Rektor zu stellen.
4. D e r Rektor ist von allen wichtigen Beschlüssen der Fakultät und wichtigen
die Fakultät angchcnden Angelegenheiten zu unterrichten. 5. D e r Dekan
kann gegen Beschlüsse der Fakultät Einspruch crhcbcn. Beharrt die Fakultät
gegen den Einspruch des Dekans auf einem Beschlusse, so entscheidet der
Rektor.
Schon ein flüchtiger Vergleich zeigt, daß das badische Modell bis hin zu Aufbau
und manchen Formulierungen bei der bayrischen Verordnung Pate gestanden
haben muß. Vermutlich sind entsprechende Absprachen von Parteidienststellen
noch vor der Verkündung der beiden neuen Hochschulverfassungen erfolgt. Ob
der Freiburger Rektor dabei seine Hand im Spiel gehabt hat, Iäßt sich auf Grund-
lage des bisher ausgewerteten Quellenmaterials nicht klären. Jedenfalls forderte
das Freiburger Rektorat am 29. September, über einen Monat nach der in Bayern
vollzogenen Gleichschaltung der Universitäten, ein Exemplar der neuen Hoch-
schulverfassung an, das wenige Tage später eintraf.89
Im ehedem liberalen deutschen Süden waren zwei I'räzedenzfalle zur Umgestal-
tung der deutschen Hochschule im Dritten Reich geschaffen worden, die sich je-
doch in einem wesentlichen Punkt unterschieden. Verblieb in Bayern dem Senat
das Recht, dem Minister einen oder mehrere Namen für die Ernennung zum
Rektor vorzuschlagen, so war diese Mitwirkung des professoralen Kollegial-
Organs in Baden nicht vorgesehen. Die schärfere Version der badischen Hoch-
schulverfassung wurde zwar noch im damaligen Hessen mit seinen beiden Hoch-
schulen Gießen und Darmstadt übernommenY0,aber allgemein setzte sich die
bayerische, etwas gemäßigtere Fassung durch.
Auf der für Oktober 1933 anberaumten Rektorenkonferenz, auf der ursprünglich
der Vorsteher Stieve gegen die Alleingänge Badens und Bayerns zu Felde ziehen
wollte, bekannte, sich der Hallenser Rektor„ nunmehr selbst vom Titel her zum
~Führeruder Rektoren avanciert, zum Führergrundsatz an den Hochschulen.
89 UAF XVlll/l-5: Rektorat Freiburg, Tagebuch 9350, Schreiben an das Rektorat Munchen vom
29.Sept. 1933. Am 3. Okt. ging das gewünschte Exemplar in Freiburg ein.
66 90 Frontabschnitt Hochschule (Anm. 71), S. 159-166: Gesetz vom 13. Okt. 1933.
Der Rektor sollte in Zukunft auf Vorschlag des Senats vom Staatsministerium er-
nannt, der Führer des Hochschulverbandes auf Grund von Vorschlägen seitens -
91 Niederschrift üher die 26. außeramtliche Deutsche Rektorentagung am 21. Oktober 1933 in Ber-
lin (UAM 305a, acc. 1975/79, Nr. 149; UAF V1/1-37).
92 Vgl. die Ausführungen Stieves, S. 5 der Niederschrift.
93 Der häufig erhobene Vorwurf, die deutschen Universitäten hätten sich 1933 überhaupt nicht
gewehrt, stimmt nicht. Auch Brachers Urteil von der ~Selbst~leichschaltungr. (vgl. Anm. 3) muiS
modifiziert werden.
94 Freiburg und Göttingen waren die einzigen beiden Universitäten, die weder den Rektor noch des-
sen Vertreter nach Berlin entsandt hatten. Mijglicherweise spricht aus diesem gemeinsamen Boy-
kott von Heidegger und Neumann dit: Enttäuschung beider über eine von ihnen in dieser Form
nicht intendierte Anpassung der Hochschulen an den nationalsozialistischen Staat.
95 Faksimile in: Frontabschnitt Hochschule (Anm. 71), S. 26, doch falsche Interpretation, S. 25.
96 Herwart Fischer, Professor für gerichtliche und soziale Medizin in Würzburg, hatte den Wahl-
aufruf vom 3. M s r z 1933 für die NSDAP unterzeichnet (Anm. 49) und war seit 1. Juli 1933 irn
Vorstand des Hochschulverbandes (Anm. 71).
97 Vgl. Anm. 91.
98 UAF Vl/l-30.
YY Esau sprach am 23. Juni 1934 anlaßlich der akademischen Preiweneilung ober das Thema die
Entwicklung der deutschen drahtlosen Nachrichtentechniku (vgl. Anm. 31).
'On UAM 305a, acc. 1975/79, Nr. 64. Das Freiburger Rektorat fordene unter Tagebuch Nr. 11510
am 20. Nov. 1933 von der Universität Göttingen ein Excmplar der preuRischen Verordnung an,
das kurz darauf eintraf (UAF XVIII/l-5).
Dekane wurden fortan in Preußen aufgrund eines Dreiervorschlages vom zustän-
digen Minister bzw. dem ernannten Rektor bestimmt. Das Führerprinzip war,
wenn auch im Vergleich zu Baden in abgeschwächter Form, an den preufiischen
Hochschulen dekretiert.
Thüringen1o1,Württemberg102,der Freistaat HamburglD3und wohl auch die an-
deren Länder1"' folgten dem Beispiel, bevor ein reichsministerieller
Erlaß vom 3. August 1935 die Verfassungen aller deutschen Hochschulen verein-
fachte.'05 Fortan unterstanden alle Universitäten und Technischen Hochschulen
des Reiches dem Berliner Reichserziehungsministerium. Die Kultusministerien
der Länder wurden zu Außenstellen der Berliner Zentrale degradiert. Der beflis-
sene badische Minister Wacker, der als erster die Führerverfassung in seinem
Amtsbereich eingeführt hatte, rückte später zum Leiter des Amtes Wissenschaftlo6
in der neuen Berliner Behörde, dem Reichserziehungsministerium, auf.
Was irn Wintersernester 1933/4 in Freiburg an der Universität unter dem Rekto-
rat Heideggers noch geschah, war Episode. Die Bestellung zum Führer der Al-
bert-Ludwigs-Universität durch den badischen Minister Wacker nahm Heideg-
ger zum Anlaß, den an ihn ergangenen Ruf aus Berlin abzulehnen.lo7 Er wußte
oder fühlte doch instinktiv, warum er der Provinz den Vorzug gab.Ios In Berlin,
der Zentrale der Macht, gar nicht erst vorgelassen1og,blieb dem Führer der Philo-
sophen auch das Schicksal Platons erspart, der einst aus Syracus vom Hofe des
Tyrannen Dionysos, erniedrigt und seiner persönlichen Freiheit beraubt, in die
Heimat zurückkehren mußte.
Noch scheint Heidegger sich der Illusion hingegeben zu haben, wenigstens durch
das in Freiburg zu verwirklichende Modell einer Führeruniversität beispielhaft
wirken zu können."" Seine Bestätigung im Amt wurde wiederum den anderen
deutschen Hochschulen offiziell angezeigt."' Nunmehr zum Führer der Albert-
Ludwigs-Universität avanciert mit Kompetenzen, die in der Geschichte der Frei-
'0' 10. Nov. 1933. Der amtierende Rektor Esau wurde zum neuen Führer-Rektor bestellt Uenaer
Akademische Reden, Heft 19, S. 21).
102 mtreu und fest hinter dem Fuhrerr (Anm. 49), S. 61.
'03 UAF XVTII/l-5: Gesetz vom 21. J a n 1934.
'O' Die Gesetzgebung der damaligen Länder Sachsen (Hochschulen Dresden und Leipzig) sowie
Mecklenburg (Universität Rostock) konnte nicht ermittelt werden. Zu Braunschweig siehe oben
(Anm. 53).
'0' Hellrnut Seier: Der Rektor als Führer. Zur HochschulPolitik des Rei~hserziehun~srninisteriums
1934-1945, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 12 (1964), S. 105-146, hier S. 105.
'06 Ebenda, S. 114.
'07 UAF XVIII/I-5: Rundschreiben .An die Herren Dekaner (von Heidegger abgeiindcrr. in *Her-
ren Dozentenr) vom 2. Okt. 1933. Vgl. O t t (Anm. 60), S. 353.
108 Schneeberger (Anm. 36), Dok. Nr. 185: .Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der
Provinz? Von M. Heidegger, Kektor der Universität Freiburg i. Br.r, Beilage zum ~Alemannena
vom 7. Miirz 1934.
'09 Heidegger will lediglich irn November 1933 dem noch allein für Preußen zuständigen Minister
Rust in Berlin seine Vorstellungen über die Hochschulreform erläutert haben (Spiegel-Gesprsch
vom 23. Sept. 1966, postum veröffentlicht in Nr. 23/1976). Heidegger hatte Rust zuvor nur kurz
bei dessen Ankunft auf dem Freiburger Flugplatz am 26. Mai 1933 aus Anlaß der Schlageter-Feier
getroffen (Schneeberger, Anrn. 36, Dok. Nr. 51).
110 Vgl. auch die weitgehend unbekannte Rede, die Heidegger arn 30. Nov. 1933 in Tiibingen hielt.
In ihr legte er sein philosophisch-politisches Programm zur Erneuerung der Universitiit wohl
letztmalig öffentlich dar (Tübinger Chronik 1. Dez. 1933, freundlicheweise vom Tübinger Uni-
versitätsarchiv überlassen).
1 1 1 lJAM 305a, acc. 1975/79, Nr. 168: Mitteilung des Freiburger Rektors (gezeichnet vom Kanzler
Wilser) vom 6. Okt. 1933: .Der Badische Herr Minister des Kultus, des Unterrichts und der
Justiz hat mit Erlaß vom 211. 9. 1933, Nr. A 259611, den bisherigen Rektor, o. ö. l'rofessor der
Philosophie Dr. Martin Heidegger, mit Wirkung vom 1. Okt. 1933 zum Rektor der Alben-
Ludwigs-Universi~ternannt.r
burger Hochschule einmalig waren, zeigte sich der Philosoph ungeeignet zum
Führen. In den politischen Säuberungen, Querelen mit der nationalsozialistischen
Studentenschaft und Auseinandersetzungen mit den Kollegen wie mit dem Mini-
sterium wurde der neue Führer-Rektor zerrieben.l12 Ein Rundschreiben vom
2. Mai 1934 des Rektors der Freiburger Universität, das erstmals mit der Gruß-
formel »Heil Hitlera schloß, teilte den deutschen Hochschulen schließlich lapidar
den am 28. April 1934 vollzogenen Machtwechsel im Freiburger Rektorat mit.ll'
Heidegger hatte seine Schuldigkeit getan, er konnte gehen, bzw. sein Abgang
war aus der Sicht der vorgesetzten Behörden und Parteistellen langst überfällig
geworden. Die Resonanz auf seine theoretischen Bekenntnisse zum neuen Staat
war immer eher negativ gewesen, bei den Nationalsozialisten wie bei den Kolle-
gen, doch sein Mitwirken bei der Reform der Studentenschaft und an der Füh-
rerverfassung der deutschen Hochschule bahnte entscheidend den Weg zur Ende
1933/Anfang 1934 vollzogenen Hochschulreform im nationalsozialistischen
Sinne.
'12 Siehe die Aufsätze von Hugo Ott (Anrn. 1 1 und 60).
"3 UAM 305a, acc. 1975/79, Nr. 168: *Der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität, Tagebuch
Nr. 3643, Preiburg i. Br., 2. Mai 1934. Den Herren Rektoren der deutschen Hochschulen teile ich
mit, daß ich vom Badischen Herrn Minister des Kultus, des Unterrichts und der Justiz am
28. April 1934 zum Rektor der Universiat Freiburg ernannt worden bin. Heil Hitler! gez. Kern*
(Eduard Kern, 1887-1972, Professor fur Straf- und Prozeßrecht, amtierte bis zum 24. April 1936,
der feierlichen Rektorarsiibemhme [Hcrvorhebung vom Vf.] durch den Geographieprofessor
69 Friedrich Metz).