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Master Arbeitsmarkt und Personal

Vorlesung Arbeitsmarktökonomie

Kapitel 2:
Arbeitsangebot

Rechts- und Wirtschafts-


wissenschaftliche Fakultät

Fachbereich Wirtschafts-
und Sozialwissenschaften

Prof. Dr.
Claus Schnabel
2. Arbeitsangebot Folie 2-2 I

Literatur
Lehrbücher:
◆ Borjas (2019): Kap. 2
◆ Cahuc / Carcillo / Zylberberg (2014): Kap. 1
◆ Franz (2013): Kap. 2
Exemplarische Studie:
◆ N. A. Klevmarken: Estimates of a labour supply function
using alternative measures of hours of work, European
Economic Review 49 (2005), 55-73
Weiterführende Literatur:
◆ M. P. Keane: Labor supply and taxes: A survey, Journal of
Economic Literature 49 (2011), 961-1075
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2. Arbeitsangebot Folie 2-3 I

Typische Fragen

◆ Wovon hängt das Ausmaß des Arbeitsangebots in einer


Volkswirtschaft ab?
◆ Wie wirken sich Erhöhungen des Lohnsatzes (Senkungen
des Lohnsteuersatzes) auf das Arbeitsangebot aus?
◆ Wie wirkt sich eine Erhöhung des Preises einer Monats-
fahrkarte zum Arbeitsplatz auf das Arbeitsangebot aus?
◆ Warum ist das Arbeitsangebot von Männern höher und
unelastischer als das von Frauen?

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2. Arbeitsangebot Folie 2-4 I

Arbeitsangebotsverhalten und Indikatoren


Zwei grundsätzliche Aspekte des Angebotsverhaltens:
◆ Bietet ein Individuum überhaupt Arbeit an?
❖ 0/1-Entscheidung → Partizipationswahrscheinlichkeit
❖ wird kollektiv reflektiert in der
Erwerbsquote = Anteil der Erwerbspersonen (Erwerbstätige +
Arbeitslose) an den Personen im erwerbsfähigen Alter
❖ Empirie: deutliche Unterschiede nach Geschlecht und im Zeitablauf

◆ In welchem Ausmaß bietet ein Individuum Arbeit an?


❖ Indikatoren sind Stunden pro Tag / Woche / Jahr
❖ Problem: evtl. angebotene/gewünschte ≠ vereinbarte Arbeitszeit
❖ Empirie: vereinbarte Arbeitszeit rückläufig, niedriger bei Frauen

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2. Arbeitsangebot Folie 2-5 I

Einige Daten
Erwerbsquoten
lt. Mikrozensus (%) West-Dtld. Ost-Dtld.
Männer: 1970 88,2
1992 80,8 79,5
2019 83,7 82,7
Frauen: 1970 46,2
1992 57,8 71,1
2019 74,2 77,7
Wochenarbeitszeit
lt. Tarifregister (Std.) West-Dtld. Ost-Dtld.
1973 40,7
1992 38,1 40,1
2019 37,6 38,7
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2. Arbeitsangebot Folie 2-6 I

Erwerbsquoten nach Geschlecht und Alter

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2. Arbeitsangebot Folie 2-7 I

Durchschnittliche Jahresarbeitszeit

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2. Arbeitsangebot Folie 2-8 I

Arbeitszeiten nach Geschlecht

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2. Arbeitsangebot Folie 2-9 I

Arbeitszeit: Wunsch und Wirklichkeit (2012)

Quelle: SOEP, IAB


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2. Arbeitsangebot Folie 2-10I

Arbeitszeit: Wunsch und Wirklichkeit

◆ Würden am Arbeitsmarkt alle Arbeitszeitwünsche erfüllt,


wäre die Ungleichheit in den letzten 30 Jahren nur halb
so stark angestiegen wie tatsächlich beobachtet.
(Beckmannshagen and Schröder 2022)

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2. Arbeitsangebot Folie 2-11I

Marktlohn versus Anspruchslohn


Neoklassisches Arbeitsangebotsmodell:
◆ Individuum möchte die ihm insgesamt zur Verfügung
stehende Zeit nutzenmaximal aufteilen. Alternativen:
❖ Zeit, die auf Arbeitsmarkt zum Lohnsatz W verkauft wird (Arbeitszeit H)
❖ Zeit, die nicht für Marktarbeit verwendet wird („Freizeit“ F)

◆ Entscheidung: Individuum vergleicht den (subjektiven) Wert


einer Stunde Freizeit mit dem Wert einer Stunde Marktarbeit
 angebotene Arbeitsstunden: Randlösung H* = 0 für W ≤ WA
innere Lösung H* > 0 für W > WA

◆ Anspruchslohn WA („reservation wage“): €-Betragschwelle,


die der am Markt gezahlte Stundenlohn überschreiten muss,
damit jemand freiwillig eine Stunde (Mehr-)Arbeit leistet.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-12I

Nutzenmaximales Arbeitsangebot (innere Lösung)

◆ Individuelle Nutzenfunktion: U = U (C, F)


mit UF, UC > 0 und U streng quasi-konkav (konvexe Indifferenzkurven)
U = Nutzen, C = realer Konsum (bzw. Einkommen), F = Freizeit

◆ Zeitrestriktion: T = F + H bzw. H = T – F
T = (konstante) Gesamtzeit, F = Freizeit, H = Arbeitszeit (Std.)

◆ Budgetrestriktion: P * C ≤ W * H + V bzw. C ≤ W/P * H + V/P


P = Preis, W = Stundenlohnsatz, V = Nicht-Arbeitseinkommen

◆ Maximierung z.B. mithilfe einer Lagrange-Funktion


(unter Einbeziehung der Nebenbedingungen):
Max L = U (C, F) + λ [(W/P) * (T – F) + (V/P) – C]

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2. Arbeitsangebot Folie 2-13I

Nutzenmaximales Arbeitsangebot (innere Lösung)


Lagrange-Fkt.: Max L = U (C, F) + λ [(W/P) * (T – F) + (V/P) – C]
◆ Bedingungen erster Ordnung sind:
❖ LC = UC – λ = 0 (bzw. ∂L/∂C = ∂U/∂C – λ = 0)
❖ LF = UF – λ(W/P) = 0 (bzw. ∂L/∂F = ∂U/∂F – λ(W/P) = 0)
❖ Lλ = (W/P) * (T – F) + (V/P) – C = 0 (bzw. ∂L/∂λ = (W/P) * (T – F) + (V/P) – C = 0)
◆ Ergibt für gegebene Werte von W, V und P drei Gleichungen
für die Unbekannten λ, C und F  implizite Lösungen möglich
◆ F* = F* (W, P, V, T) = F* (W/P, V/P) bzw.
H* = T – F* (W/P, V/P)
 Einfachste Arbeitsangebotsfunktion: H = f (W/P, V/P)
 Zahl der angebotenen Arbeitsstunden ist Funktion des realen
Lohnsatzes und des realen Nicht-Arbeitseinkommens.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-14I

Nutzenmaximales Arbeitsangebot (innere Lösung)


◆ Wann bzw. wie lange wird Arbeit angeboten?
◆ Vgl. die ersten zwei Bedingungen erster Ordnung:
❖ LC = UC – λ = 0
❖ LF = UF – λ(W/P) = 0

◆ Gleichsetzen und umformen ergibt:


UF (C*, F*) / UC (C*, F*) = W/P
 Im Gleichgewicht entspricht das Verhältnis der Grenznut-
zen der Freizeit und des Konsums (d.h. deren Grenzrate
der Substitution) dem realen Lohnsatz.
 Arbeit wird angeboten, so lange Reallohn mindestens dem
Grenznutzenverhältnis aus Freizeit und Konsum entspricht.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-15I

Grafische Darstellung: Nutzenmax. Arbeitsangebot


Reales Einkommen Zeitrestriktion auf der Abszisse, H von rechts nach links
bzw. Konsum Budgetrestriktion ist TDC: setzt sich zusammen aus
Nicht-Arbeitseinkommen V/P und Arbeitseinkommen W/P*H

I(A) Indifferenzkurven: Kombinationen von Konsum (Einkommen)


und Freizeit (Arbeitszeit) mit gleichem indiv. Nutzenniveau
C Für Individuum A ist Kombination E nutzenmaximal
 bietet Arbeit im Umfang von H1 (TH1) Stunden an
W/P
Steigung Für Indiv. B ist Randlösung D nutzenmaximal
E  Nicht-Partizipation am Arbeitsmarkt, H*=0
C1

D
I(B)
V/P
0 Zeit
H1
Freizeit F Arbeitszeit H T=Gesamtzeit
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2. Arbeitsangebot Folie 2-16I

Innere Lösung vs. Randlösung


◆ Innere Lösung (H* > 0 für W > WA):
UF (C*, F*) / UC (C*, F*) = W/P
Grenzrate der Substitution bei Partizipation = Reallohn
(mit erfüllter Budgetrestriktion P * C = W * (T – F*) + V)

◆ Randlösung (H* = 0 für W ≤ WA):


UF (V/P, T) / UC (V/P, T) ≥ W/P
Grenzrate der Substitution bei Nicht-Partizipation ≥ Reallohn

◆ Damit erfolgt Partizipation falls:


W/P > UF (V/P, T) / UC (V/P, T) = WA/P
Reallohn am Markt überschreitet den Anspruchslohn.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-17I

Auswirkungen von Erhöhungen des Lohnsatzes


Reales Einkommen
bei (zu) geringem Lohnsatz (Budgetgerade mit
bzw. Konsum
Steigung DC0) Randlösung D: kein Arbeitsangebot
C2
bei Erhöhung des Lohnsatzes (Budgetgerade DC1)
Nutzenmaximum in A: Arbeitsangebot TH1 Stunden
C3
weitere Erhöhung des Lohnsatzes (DC2)
C1 ergibt Nutzenmaximum in B: Arbeitsan-
gebot verringert sich auf TH2 Stunden!
E B
Substitutions- und Einkommenseffekt!
A

C0 I2

I1

I0
D

Freizeit
H3 H1 H2 T
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2. Arbeitsangebot Folie 2-18I

Substitutions- und Einkommenseffekt


◆ Lohnsatzerhöhung hat zwei gegenläufige Auswirkungen
auf die Zahl der angebotenen Arbeitsstunden:
❖ Substitutionseffekt: Arbeitsangebotseffekt der Lohnsatzänderung
bei konstantem Nutzenniveau, nach Hicks (in Grafik Drehung der
Budgetgeraden (gestrichelt) an gegebener Indifferenzkurve I1)
(Alternative: bei konstantem Nicht-Arbeitseinkommen, nach Slutsky)
immer positiv, da Veränderung relativer Preise; Grafik: H1→H3.
❖ Einkommenseffekt: Arbeitsangebotseffekt, der sich ergibt, weil
sich beim höheren Lohnsatz die Konsummöglichkeiten erhöhen
(in Grafik Parallelverschiebung der Budgetgeraden von C3 auf C2)
üblicherweise (falls Freizeit normales Gut) negativ; Grafik: H3→H2.

◆ Gesamteffekt einer Lohnsatzerhöhung auf das Arbeits-


angebot ist wegen gegenläufiger Effekte theoretisch offen!
(in Grafik negativ: H1→H2 , d.h. Einkommenseffekt dominiert hier)

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2. Arbeitsangebot Folie 2-19I

Verlauf der Arbeitsangebotskurve


Realer Lohnsatz
Arbeitszeit kann mit steigendem
Lohnsatz erst zu- und dann abneh-
men, falls bei höheren Lohnsätzen
der Einkommenseffekt dominiert!

Einkommenseffekt überwiegt

Substitutionseffekt überwiegt

Anspruchs-
lohn

H2 H1 Arbeitszeit H
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2. Arbeitsangebot Folie 2-20I

Implikationen
◆ Wie wirkt sich eine Senkung des Erbschaftssteuersatzes auf
das Arbeitsangebot aus?

◆ Wie beeinflusst eine Erhöhung von Arbeitslosengeld (ALG) II


das Arbeitsangebot?


◆ Wie wirkt sich eine Senkung des Beitragssatzes zur


Arbeitslosenversicherung auf das Arbeitsangebot aus?

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2. Arbeitsangebot Folie 2-21I

Auswirkungen von Arbeitsaufwendungen


◆ Arbeitsaufwendungen haben meist den Charakter von (nicht
stundenabhängigen) Fixkosten monetärer oder zeitlicher Art:
❖ Fahrtkosten zum Arbeitsplatz, Arbeitskleidung
❖ Fahrtzeit zum Arbeitsplatz

◆ Erhöhung von fixen monetären Arbeitsaufwendungen:


❖ führt bei manchen Arbeitnehmern zu längeren Arbeitszeiten
❖ führt bei anderen (Grenz-)Arbeitnehmern zum Arbeitsmarktrückzug
❖ Nettoeffekt auf das Arbeitsangebot ist offen.

◆ Erhöhung fixer Zeitkosten der Arbeitsaufnahme:


❖ angebotene Arbeitsstunden gehen zurück, u.U. Nicht-Partizipation.

◆ Wegen Arbeitsaufwendungen akzeptieren Individuen selten


kurze Arbeitszeiten  Arbeitgeber bzw. Staat kompensieren.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-22I

Fixe monetäre Arbeitsaufwendungen


Reales Einkommen
Individuum mit Nicht-Arbeitseinkommen TD erreicht bei
bzw. Konsum
Nicht-Partizipation am Arbeitsmarkt Nutzenniveau I1
C3 bei Arbeitsaufnahme fixe Arbeitsaufwendungen DA
 Steigung AC1 ist Anspruchslohn (in E indiff. zu D)
C2  höherer Lohn (z.B. AC3) bewirkt Arbeitsangebot

C1 Arbeitsaufwendungen steigen auf DB


 Anspruchslohn steigt (BC2)
G  Arbeitszeit steigt (auf TH3) oder
F
Rückzug aus dem Arbeitsmarkt

E
I2
D
I1
A

B
Freizeit
H3 H2 H1 T
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2. Arbeitsangebot Folie 2-23I

Lebensarbeitsangebot
◆ Bisher nur statische Analyse für eine einzige Periode.
Tatsächlich haben Individuen für Arbeitsangebot oft längere
Planungshorizonte bis hin zum Renteneintritt.
◆ Lebenszyklus-Modelle: Maximierung einer intertemporalen
Nutzenfunktion über gesamte Lebenszeit unter Beachtung
einer für diesen Zeitraum definierten Budgetrestriktion:
❖ Nicht-Arbeitseinkommen jetzt nicht mehr exogen (wg. Spartätigkeit)
❖ Erwartungen über zukünftig erzielbare Reallöhne jetzt wichtig.

◆ Individuen berücksichtigen, dass individuelle Produktivität


und Entlohnung im Lauf des Lebens variieren  zu deren
Höhepunkt in der Lebensmitte wird am meisten Arbeit
angeboten (entspricht empirischen Beobachtungen).
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2. Arbeitsangebot Folie 2-24I

Arbeitsangebot im Familien-Kontext
◆ Innerhalb von Haushalten weisen die Arbeitsangebotsent-
scheidungen mehrerer Individuen oft Interdependenzen auf.
◆ Familiale Nutzenfunktion: UHaushalt = U (C, FMann, FFrau)
Budgetrestriktion: P * C ≤ (W * H)Mann + (W * H)Frau + VHaushalt
◆ Neben den Einkommens- und Substitutionseffekten für jedes
Individuum nun auch Kreuzeffekte zwischen den Individuen;
z.B. bewirkt eine Lohnsatzerhöhung des Mannes auch für die
Frau Einkommens- und Substitutionseffekte (und umgekehrt).
◆ Komplexere Entscheidung, wie Zeit optimal aufgeteilt wird in
Marktarbeit, Haushaltsarbeit und Freizeit und wer welche
Arbeit übernimmt (→ Theorie der Haushaltsproduktion). Wird
u.a. beeinflusst durch relative Verdienstmöglichkeiten und
Fähigkeiten der Partner sowie Vorhandensein von Kindern.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-25I

Lebensarbeitsangebot mit/ohne Kinder: Frauen

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2. Arbeitsangebot Folie 2-26I

Lebensarbeitsangebot mit/ohne Kinder: Männer

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2. Arbeitsangebot Folie 2-27I

Erwerbsmuster in Paarhaushalten mit Kindern

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2. Arbeitsangebot Folie 2-28I

Reaktion des Arbeitsangebots in einer Rezession


◆ Für Individuen treten bei einem Rückgang des realen Netto-
lohns gegenläufige Einkommens- und Substitutionseffekte
auf  Gesamteffekt theoretisch offen.
◆ Im Haushaltskontext kommt es vor, dass einer der Partner
kurzarbeiten muss oder den Arbeitsplatz verliert:
❖ Einkommenseffekt: der andere Partner weitet seine Stunden aus
oder tritt neu in den Arbeitsmarkt ein: „added worker“-Effekt
❖ Substitutionseffekt: wegen fallender Löhne u. geringerer Jobchancen
in der Rezession suchen manche Arbeitnehmer (v.a. Zweitverdiener)
nicht mehr aktiv einen Job: „discouraged worker“-Effekt
❖ Beide Effekte treten gleichzeitig auf, aber in Rezessionen überwiegt
üblicherweise der „discouraged worker“-Effekt  Erwerbsquote sinkt.

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2. Arbeitsangebot Folie 2-29I

Empirie des Arbeitsangebots: Schätzprobleme


◆ Zwei Dimensionen des Arbeitsangebots:
❖ Partizipationswahrscheinlichkeit (im [0,1]-Intervall)
❖ Zahl der angebotenen Stunden (linkszensiert bei Null)
❖ gemeinsame Analyse sinnvoll  möglich durch Tobit-Schätzung.

◆ Lohnsatz als zentrale Variable der Angebotsentscheidung ist


nur bei arbeitenden Individuen beobachtbar  Problem: bei
Beschränkung auf diese Gruppe Selektionsverzerrung.
◆ Heckman-Korrektur:
❖ Zuerst wird die Partizipationswahrscheinlichkeit eines Individuums ge-
schätzt und in die Schätzgleichung für den Marktlohnsatz eingebaut.
❖ Der so konsistent geschätzte Erwartungswert der individuellen Löhne
geht dann bei der (erneuten) Schätzung der Partizipationsfunktion
bzw. der Stundengleichung als erklärende Variable ein.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-30I

Schätzgleichungen: Effekte und Elastizitäten

◆ Theoretische Zusammenhänge der Arbeitsangebotswirkung


einer Lohnsatzerhöhung formalisiert in Slutsky-Gleichung:
❖ ∂H/∂W = ∂H/∂W│U konstant + H * ∂H/∂V
Gesamteffekt = Substitutions- + Einkommenseffekt

◆ Durch Erweiterung dieser Gleichung ergeben sich die in


empirischen Studien oft betrachteten Elastizitäten:
❖ ∂H/∂W*W/H = ∂H/∂W*W/H│U konstant + (∂H/∂V*V/H) * W*H/V
unkompensierte = einkommenskompensierte + gesamte
Lohnelastizität Lohnelastizität Einkommenselastizität

◆ Typische Schätzgleichung für Arbeitsangebot (in Stunden):


❖ Stunden = f (Nettostundenlohn, Nichtarbeitseinkommen, Kontrollvar.)

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2. Arbeitsangebot Folie 2-31I

Typische Ergebnisse empirischer Studien


◆ Ausgewählte Schätzergebnisse für verheiratete Frauen
(vgl. Bargain et al. JHR 2014):
Land Jahr unkompensierte Einkommenselastizität
Lohnelastizität (Std.) (Nichtarbeitseink., Std.)
USA 2005 0,14 0,00
UK 2001 0,09 -0,002
Deutschland 2001 0,31 -0,01
ø 18 Länder 0,27 -0,002

◆ Erkenntnisse für verheiratete Frauen:


❖ Einkommenselastizität meist negativ  Freizeit ist ein normales Gut
❖ unkomp. Lohnelastizität positiv  Substitutionseffekt dominiert
❖ Elastizitäten gehen im Zeitablauf zurück ( fester im Arbeitsmarkt?).

◆ Für Männer ist unkomp. Lohnelastizität kleiner (nahe Null).


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2. Arbeitsangebot Folie 2-32I

Exemplarische Studie: Klevmarken (2005)


◆ Schätzung von Arbeitsangebotsfunktionen für Schweden
(Männer und Frauen 1983/84 und 1992/93) mit Daten für
erfragte Arbeitszeiten pro Tag/ in letzter Woche/ pro Jahr.
◆ 3SLS-Schätzgleichungen (Heckman-Verfahren):
Std. = f (Nettolohn, Einkommen, Selektions-WK, Kontrollvar.)
◆ Erkenntnisse:
❖ Für Wochentage sind Einkommenseffekte meist negativ und
Lohnsatzeffekte positiv  entspricht theoretischen Erwartungen.
❖ An Wochenenden weichen die Ergebnisse deutlich davon ab!
❖ Ergebnisse variieren in Abhängigkeit von dem verwendeten Arbeits-
zeitindikator; z.B. fallen bei Jahresdaten Einkommenseffekte am
größten und Lohnsatzeffekte am niedrigsten aus.
❖ Problem: oft sehr breite Konfidenzintervalle (schließen teils Null ein).
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2. Arbeitsangebot Folie 2-33I

Empirische Metaanalyse: Bargain/Peichl (2016)

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2. Arbeitsangebot Folie 2-34I

Erkenntnisse und Schlussfolgerungen


◆ Arbeitsangebot eines nutzenmaximierenden Individuums
hängt v.a. vom realen Lohn und Nichtarbeitseinkommen ab.
◆ Auswirkungen einer Reallohnerhöhung sind wegen gegenläu-
figer Substitutions- und Einkommenseffekte theoretisch offen.
◆ Arbeitsaufwendungen können Arbeitsangebot beeinflussen.
◆ Arbeitsangebotsentscheidung erfolgt oft im Familien-Kontext
und hat auch eine intertemporale Komponente.
◆ Arbeitsangebotselastizität ist bei verheirateten Frauen meist
größer als bei Männern (und bei unverheirateten Frauen):
 konsistent mit geringerer Erwerbsbeteiligung von (verheirateten) Frauen
 reflektiert u.a. geringere Verdienstchancen und typ. Rollen von Frauen
 ESt-Änderungen wirken sich im Haushalt stärker auf Frauen aus.
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2. Arbeitsangebot Folie 2-35I

Diskussion
◆ Wie lässt sich das Arbeitsangebot (bzw. das Erwerbsper-
sonenpotenzial) in Deutschland, das demografisch bedingt
eine rückläufige Tendenz zeigt, stabilisieren oder steigern?

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2. Arbeitsangebot Folie 2-36I

Projektion des Arbeitsangebots

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