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ALLGEMEINE INFORMATIONEN
david.paulus@uni-leipzig.de
§ 1 – Einführung
§ 2 – Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts (Teil I / 1)
§ 3 – Allgemeine Bestimmungen (Teil I / 2)
§ 4 – Abschluss des Vertrages (Teil II)
§ 5 – Die Regeln zum Warenkauf (Teil III)
§ 6 – Wesentliche Unterschiede zum deutschen Kaufrecht (BGB / HGB)
§ 7 – Übungsfall zum UN-Kaufrecht
§ 1 – EINFÜHRUNG
Vorab sei auf – aus deutscher Sicht – auf folgende Besonderheiten des CISG hingewiesen:
1. Das CISG ist ein Kompromiss: daher viele Lücken und allgemeine Rechtsbegriffe
➢ z.T. Symbiose verschiedener Rechtskreisbesonderheiten, insb. von civil und common law
➢ Lies z.B. Art. 28 CISG oder Artt. 4 + 5 CISG
2. Weitgehender Ausschluss von Verbrauchergeschäften:
➢ Vgl. Art. 2 lit. a CISG: keine Anwendung auf KV über „Ware für den persönlichen Gebrauch
oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt“
➢ Aber: dennoch Anwendbarkeit des CISG möglich (Wortlaut „es sei denn“), s. Art. 1 II CISG
3. Sehr weitgehende Privatautonomie:
➢ Art. 6 CISG: Abwahl des gesamten + von Teilen des CISG möglich (vgl. § 311 I BGB)
➢ lies auch: Art. 16 I CISG – Vergleich zum deutschen Recht?
4. Existenz weltweiter, mannigfacher Rspr.; jedoch kein einheitliches Obergericht
2. Jedoch kann auch im Anwendungsbereich des CISG eine IPR-Prüfung nötig sein
➢ vgl. Art. 1 I lit. b CISG
➢ Geltung Art. 1 I lit. b CISG kann ausgeschlossen werden (lies: Art. 95 CISG, zB USA)
➢ In der Lit. ist umstritten, ob Vorbehalt nach Art. 95 mittelbar über Art. 1 I lit. b auch Nichtvor-
behaltsstaaten bindet, dh ob zB dt Gerichte lit. b nicht anwenden, wenn IPR auf USA verweist
➢ h.Lit.: nein; für Deutschland schreibt jedoch Art. 2 CISGG die Beachtung vor
4. Auch für die Lückenfüllung kann neben CISG auf IPR zurückzugreifen sein (Art. 7 II)
➢ Das Gleiche gilt für Rechtsfragen, die nicht in den AB des CISG fallen (lies: Artt. 4, 5 CISG!)
D.h. – aus deutscher Perspektive – zu den §§ 433 ff. BGB sowie 373 ff. HGB
1. Grds. verdrängt CISG – als lex specialis – die 433 ff. BGB
➢ Für Rechtsfragen, die nicht im CISG geregelt, jedoch bedeutsam
➢ Sog. „Lücken“ (Unterscheidung zwischen internen und externen Lücken)
➢ zB Verjährung; Bindungswirkung Willenserklärung bei Tod u.v.m.
2. Das CISG kann (u.U. partiell) abgewählt werden (lies erneut: Art. 6 CISG!)
➢ Die Rspr. legt jedoch strengen Maßstab an
➢Nicht z.B. bei Wahl „deutschen Rechts“
➢Denn: Das UN-Kaufrecht IST Teil des deutschen Rechts
➢z.B.: „deutsches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 19
VIII. DIE WICHTIGSTEN (LERN-)ZIELE DER VORLESUNG
§ 2 – ANWENDUNGSBEREICH DES
UN-KAUFRECHTS
V. Parteiautonomie im UN-Kaufrecht
Art. 1 I CISG verlangt, dass die Vertragsparteien Niederlassung in verschieden. Staaten haben
Niederlassung = autonom, undefiniert = Ort, von dem aus eine nach außen gerichtete Teil-
nahme am Wirtschaftsverkehr von gewisser Dauer + mit gewisser Selbstständigkeit erfolgt
(P1) Mehrere Niederlassungen
➢ Art. 10 lit. a CISG = entscheidend ist diejenige Niederlassung, die die engste Beziehung zu
dem jeweiligen Vertrag und seiner Erfüllung hat
(P2) Keine Niederlassungen
➢ Art. 10 lit. b CISG = gewöhnlicher Aufenthalt der jeweiligen Partei maßgeblich
Der Auslandsbezug muss nach Art. 1 II CISG erkennbar sein (sonst irrelevant)
➢ aus Vertrag, aus Verhandlungen zw. den Parteien oder aus von ihnen gegeb. Informationen
Sonstige persönlichen Eigenschaften der Parteien (Kaufmann, Staatsangehörigkeit) sind
gleichgültig, Art. 1 III CISG
Sachlich muss für die Anwendbarkeit des CISG (1.) ein Kaufvertrag über (2.) Waren vorliegen,
und es darf (3.) keine Bereichsausnahme nach Art. 2 CISG vorliegen
Das CISG gesteht der Privat- und Parteiautonomie größtmöglichen Raum zu:
Nach Art. 6 CISG können die Vertragsparteien grds. die Anwendung des CISG ausschließen (opt
out) bzw. vereinbaren (opt in) oder – vorbehaltlich insb. Art. 12 CISG – von den Bestimmungen
des Übereinkommens abweichen/deren Wirkung ändern
➢ Bei Abwahl richtet sich Abwahlvereinbarung nach 14 ff. CISG, die positive Rechtswahl selbst
hingegen nach der Rom I-VO
1. Abwahl des CISG: Art. 6 CISG
Abwahl kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, vgl. Art. 8 CISG
Die Rspr. wendet bei Abwahl strengen Maßstab an !!!
➢ Wiederholung: in der Verweisung auf die Rechtsordnung eines Vertragsstaates durch
Rechtswahl (z.B. „deutsches Recht“) liegt nach h.M. keine Abwahl des CISG
➢ CISG nur dann nicht berufen, wenn mit hinreichender Sicherheit aus dem Vertrag deutlich wird,
dass die Parteien über die Rechtswahl das materielle, unvereinheit-lichte Recht des
betreffenden Vertragsstaates vereinbaren wollten
➢ zB „Dieser Kaufvertrag unterliegt dem Recht der BRD unter Ausschluss des CISG.“
4. Sonderproblem AGB: z.B. bei Abwahl des CISG in AGB – s. spätere Folie
➢ Zweiteilung der rechtlichen Behandlung von AGB im CISG
§ 3 – ALLGEMEINE
BESTIMMUNGEN
Wie eingangs erwähnt enthält das CISG viele Lücken und regelt bestimmte Materien
bzw. Rechtsfragen gerade nicht!
➢ Insofern stets Abgrenzung zur sachlichen Regelungsmaterie d. CISG notwendig!
Denn: Regeln des CISG haben Vorrang vor autonomem nationalen Recht, welches
jedoch im Einzelfall ergänzend zur Lückenschließung heranzuziehen ist
➢ Die Regelungsmaterie des CISG ergibt sich zunächst durch (Auslegung) seine(r)
Vorschriften!
➢ Gem. Art. 4 S. 1 CISG grds. nur Abschluss des Kaufvertrages + Rechte und
Pflichten des Verkäufers und des Käufers daraus
➢ Jedoch ungenau (vgl. etwa Art. 29 CISG: auch Änderung / Aufhebung des Vertrages)
➢ Wenn ausdrückliche Regelung im CISG, liegt naturgemäß keine Lücke vor
1. Externe Lücken
= Rechtsfragen, die außerhalb der Regelungsmaterie des CISG liegen
➢ D.h. für die das CISG gar keine Lösung präsentieren möchte
➢ Vgl. insbesondere Artt. 4 und 5 CISG (aber: nicht abschließend)
2. Interne Lücken
= Fragen, die zwar in die Regelungsmaterie des CISG fallen, dort aber nicht
ausdrücklich geregelt sind
➢ Vgl. insb. Art 7 II CISG
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 39
1. EXTERNE LÜCKEN IM UN-KAUFRECHT (1/2)
1. Die Regelung der externen Lücken:
Bestimmte Bereiche sind vom CISG explizit ausgenommen
➢ s. insbesondere die Ausnahmen in Artt. 4, 5 CISG [+Rechte Dritter]
➢ Daneben gibt es auch implizite externe Lücken
➢ z.B. Abtretung, Aufrechnung (umstr.), Verjährung, Stellvertretung, cic ohne dass es zum Ver-
tragsschluss gekommen ist, ganz allgemein fraudulöses Verhalten
a) Art. 4 S. 2 lit. a: Gültigkeitsfragen
V.a. Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Parteien (vgl. Art. 7 + 12 EGBGB; Art. 13 Rom I-VO), Willens-
mängel / u.U. Anfechtung (vgl. Art. 12 I lit. e Rom I-VO), ferner Nichtigkeit aufgrund Sittenwidrigkeit
oder nationaler Verbotsgesetze (§§ 134, 138 BGB; Art. 9 Rom I-VO); (nur!) Inhaltskontrolle AGB
b) Art. 4 S. 2 lit. b: Eigentumserwerb
Beurteilt sich nach dem Sachenrechtsstatut, Art. 43 EGBGB
(P) Kauf unter Eigentumsvorbehalt = CISG gilt für schuldrechtliche Aspekte, zB Aufhebung wegen
Zahlungsverzug / Pflichtverletzung des Vorbehaltskäufers
c) Art. 5: Körperverletzung/Tod, der durch Ware (Kausalität!) verursacht wird
➢ Ratio: nationale Normen zur Produkthaftung sollen unberührt bleiben
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 40
1. EXTERNE LÜCKEN IM UN-KAUFRECHT (2/2)
➢ Erfasst nach wohl h.M. auch Regressansprüche des Käufers, der seinerseits seinen (dritten)
Abnehmern Ersatz schuldet, weil diese wg. Tod oder Körperverletzung einer Person haften
(P) SACHSCHÄDEN: Keine externe Lücke; ABER: Verdrängt das CISG das nationale Haftungs-
recht? Wenn, dann nur für Schäden an (warenfremden) Sachgütern nicht vom CISG verdrängt
➢ H.M.: Differenzierung, ob Ausbleiben Schaden nach KV zu erwarten (Erfüllungsinteresse)
➢ Z.B.: CISG, wenn Sprinkleranlage Brand nicht löscht, (-) hingegen bei explod. Maschine
➢ NICHT von Bedeutung ist (nat.) Abgrenzung Vertrag / Delikt (vgl. auch Weiterfresserschäden)
Externe Lücken sind durch Rückgriff auf das IPR der lex fori zu schließen
➢ Im Einzelfall aber stets Kontrolle, ob Rechtsfrage nicht doch durch CISG geregelt!
➢ Z.B. verdrängte Art. 68 S. 3 CISG (lesen!) die alte Nichtigkeitsnorm in 306 BGB a.F. (bei
anfänglicher Unmöglichkeit; ähnliche Regelung in der Schweiz, Art. 20 OR, und
Österreich, § 878 ABGB)
Nach Art. 9 I CISG sind die Parteien an Gebräuche, mit denen sie sich einverstanden
erklärt haben, und die Gepflogenheiten gebunden, die zwischen ihnen entstanden s.
➢ Gebräuche = Regeln geschäftlichen Verhaltens, die nicht Gesetz sind und von den
beteiligten Handelskreisen in einer Branche oder an Marktort üblicherweise
eingehalten werden (≈ 346 HGB)
➢ Gepflogenheiten = Verhaltensweisen, die zwischen den Parteien regelmäßig
beachtet werden / worden sind
Auch INCOTERMS (bzw. deren Inhalt) können als einverständlich berufener Handels-
brauch i. S. des Art. 9 I gelten, wenn die Parteien eine Klauselabkürzung vereinbaren
➢ Art. 9 I CISG hat nach h.Lit. neben Art. 6 CISG (Privatautonomie) keinen eigen-
ständigen Aussagegehalt!
➢ Folgt stets auch aus der jeweiligen vertraglichen Einigung selbst
➢ Bei Gepflogenheiten nach a.A. keine konkludente Einigung erforderlich (umstr.)
Nach Art. 9 II CISG wird vermutet, dass im Verhältnis zwischen den jeweiligen
Vertragsparteien auch weithin bekannte und beachtete Gebräuche gelten,
wenn die Parteien diese Handelsbräuche kannten oder kennen mussten
➢ Dabei muss es sich um gerade internationale Bräuche handeln!
➢ Diese müssen in allen betroffenen Ländern vorherrschen, und zwar auch
im betreffenden Geschäftszweig
Sehr enge Voraussetzungen („Verträge dieser Art“, „weithin“, „regelmäßig“)
➢ selten relevant
➢ z.B.: branchenspezifische Bräuche im Fisch- und Stahlhandel
➢ Kaufvertrag kann zudem gem. Art. 11 S. 2 auf jede Weise bewiesen werden, auch durch Zeugen!
➢ D.h. (hier) Beinhaltet das CISG ausnahmsweise auch eine prozessuale Regelung
Nach seiner systematischen Stellung gilt Art. 11 CISG nicht nur für den Vertragsschluss, sondern auch für
andere rechtsgeschäftliche Erklärungen der Parteien
➢ z.B. auch die Vertragsänderung bzw. Aufhebung (Art. 29 CISG) oder Aufhebungserklärung
Art. 11 gilt nicht, wenn eine Partei ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat hat, der eine Vorbehalts-
erklärung nach Art. 96 CISG abgegeben hat
➢ Ein derartiger Vorbehalt ist dann grds. nicht abdingbar, Art. 12 S. 2 CISG
➢ Rechtsfolge: Bestimmung der Form dann nach dem IPR (h.M.)
➢ NICHT etwa stets Schriftformerfordernis
➢ D.h. es gilt das vertragliche Formstatut, z.B. Art. 11 Rom I-VO
4. Schriftform im CISG:
➢ Wenn (a) vereinbart o. (b; umstr.) i.F.v. Art. 96 IPR auf Recht mit Schriftform verweist
Schriftform = autonom = erfordert, dass die Mitteilung in einem Schriftstück verkörpert ist
+ ihren Urheber erkennen lässt (Unterschrift wohl nicht erforderlich ≠ § 126 I BGB)
➢ Darunter fallen auch (Vorschrift ist veraltet!) E-Mail und z.B. SMS, Whatsapp-Nach-
richten usw.
§ 4 – ABSCHLUSS DES
VERTRAGES (TEIL II)
Regelung des Vertragsschlusses entspricht in großen Teilen dt. Recht (§§ 145 ff. BGB)
➢ Hauptunterschied 1: Widerruflichkeit des Angebots z.T. auch nach Zugang, s. Art. 16 I CISG
➢ Hauptunterschied 2: Vertragsschluss trotz abänd. / verspät. Annahme, Artt. 19 II, III, 21 CISG
INHALT der Regelung: In den Artt. 14 ff. CISG geht es nur um den sog. „äußeren Konsens“
➢ d.h. die technische Einigung an sich
➢ Wirksamkeit hingegen ausgespart (vgl. Art. 4 S. 2 lit. a CISG) – sog. „innerer Konsens“
➢ Externe Lücke, d.h. nach dem aufgrund des jew. IPR anwendbaren nationalen Recht
➢ Insb. Geschäftsfähigkeit, Willensmängel (Irrtum), Stellvertretung und Botenschaft
Der Kaufvertrag unterliegt räumlich und sachlich dem CISG, da Italien und Deutschland Ver-
tragsstaaten des Übereinkommens sind (Art. 1 I lit. a CISG), (+)
Ein wirksames Angebot i.S.v. Art. 14 CISG liegt vor; es ist auch nicht etwa nach Art. 17 durch Ab-
lehnung erloschen (erfasst nur vollständige Ablehnung, nicht jedoch die bloße Abänderung).
Die Gegenäußerung der italienischen Verkäuferin enthält jedoch Änderungen i. S. des Art. 19 I
CISG, so dass ein erneutes Angebot vorliegen könnte.
Diese Änderungen sind aber nicht wesentlich (Art. 19 II, III CISG), da die angemessene Rüge-
frist i. S. des Art. 39 I CISG ohnehin im Regelfall einen Monat beträgt.
Da der deutsche Käufer nicht unverzüglich widersprochen hat, kam daher ein Kaufvertrag mit
dem Inhalt der abändernden Annahme zustande (+)
1. Die Ababe
Im Gesetz nicht geregelt, aber z.B. für Art. 100 I CISG wichtig (zeitliche Anwendbarkeit)
Zudem nach ganz hM ebenfalls für ein wirksames Angebot notwendig
= willentliche Entäußerung des Angebots durch den Erklärenden in den Rechtsverkehr (wie im BGB)
➢ Entspricht in etwa § 130 I BGB, aber nach h.M. keine zeitliche Verzögerung zB nachts (umstr.)
➢ Kenntnisnahme möglich = bedeutet räumliche Möglichkeit der Kenntnisnahme (zB nicht: im Klo)
(P) Zugang in fremder Sprache
➢ Zugang nur, wenn Sprache vereinbart, verwendet oder (quasi) Muttersprache ist
➢ Uneinheitliche Rspr., ob Englisch als „Weltsprache“ immer ok ist (eher nicht, umstr.)
➢ Entgegen Teilen der Rspr. (öst. OGH) ist jedenfalls Deutsch keine Weltsprache
3. Zugang mündlicher Erklärungen: Art. 24 Alt. 1 CISG
Vernehmbarkeitstheorie (ähnlich der dt. (eingeschränkten) Vernehmungstheorie)
= Erklärung so geäußert, dass der Erklärende damit rechnen musste, verstanden zu werden
Das CISG scheint auf den ersten Blick der sog. „Theorie des letzten Wortes“ zu folgen.
➢ Da Abweichungen in den AGB selten „unwesentlich“ i. S. des Art. 19 II CISG sein werden, wäre die Annahme an sich
unter Verweis auf die eigenen AGB als Gegenangebot zu werten (Art. 19 I CISG).
➢ Gibt der Anbietende durch sein konkludentes Verhalten (Leistungsbewirkung, Entgegennahme der Leistung der anderen
Seite etc.) stillschweigend sein Einverständnis mit dem Gegenangebot zum Ausdruck, dann hat sich an sich der Anneh-
mende mit seinen Bedingungen durchgesetzt.
➢ Widerspricht dagegen der Anbietende noch einmal unter Verweis auf seine eigenen Bedingungen und schweigt jetzt der
Annehmende, führt aber den Vertrag durch, dann würde in der „battle of forms“ der Anbietende obsiegen.
Im Hinblick auf den Zufallscharakter dieser Lösung lehnt die Rspr. jedoch für das CISG zu Recht die Theorie des letz-
ten Wortes ab und schließt sich der sog. Restgültigkeitstheorie an.
➢ Danach werden voneinander abweichende AGB nur insoweit Vertragsbestandteil, als sie sich nicht widersprechen;
im Übrigen gelten die gesetzlichen Regeln. Hier ist daher die Haftungsbeschränkung der V-AGB unwirksam
➢ Dies gilt grds. sowohl bei Vorliegen von Abwehrklauseln als auch bei Sachverhalten ohne Abwehrklauseln!
Dafür spricht nach Auffassung des BGH entscheidend, dass die Parteien mit der Durchführung des Vertrages iSv Art. 8 III
CISG zu erkennen gegeben haben, die fehlende Übereinstimmung nicht für wesentlich zu erachten, d.h. konkludent gem. Art.
6 CISG insofern die Geltung von Art. 19 CISG abbedungen haben.
VII. Rechtsbehelfe des Käufers bei Vertragsverl. des Verkäufers (Artt. 45 – 52)
➢ Gehört zu den praktisch und auch für Studenten wichtigsten Vorschriften des CISG
➢ Gilt nur für Sachmängel i.S.v. Art. 35 CISG [ebenso wie § 377 HGB]
➢ Für Rechtsmängel (Artt. 41, 42) gilt nicht Art. 39, sondern Art. 43 (kürzer; ohne Ausschlussfrist)
1. Allgemeines:
➢ Regelungskomplex umfasst vier Artikel – Artt. 38 bis 40 und 44 CISG
➢ Verletzung der Rügeobliegenheit schneidet zwar im Regelfall, aber nicht immer alle Rechte ab
➢ Art. 44 CISG: bei „vernünftiger Entschuldigung“ (kein Pendant dazu in § 377 HGB)
➢ Artt. 38 ff. CISG sind jedoch insgesamt abdingbar, Art. 6 CISG
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 85
VI. RÜGE- UND UNTERSUCHUNGSOBLIEGENHEIT (2/4):
2. Untersuchungsobliegenheit: Art. 38 CISG
Beachte: zweiteiliger Tatbestand aus (1.) Untersuchung und anschließender (2.) Rüge
➢ (2.) Rügefrist beginnt grds. erst (1.) nach Ablauf der Untersuchungsfrist od. Entdeckung zu laufen
Nach Art. 38 Abs. 1 CISG hat der Käufer die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder
untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben.
a) Frist: richtet sich v.a. nach der Art der verkauften Ware (zB ob verderblich?)
➢ Kaum präzise Vorgaben (OLG Karlsruhe: 3-4 Tage; Staudinger/Magnus: 1 Woche/5 Arbeitstage)
➢ Beginnt bei Versendung erst mit Ankunft am Bestimmungsort, Art. 38 II CISG + ähnlich Art. 38 III
b) Art und Weise: oberflächlich zB durch Besehen, Riechen, Betasten, Zählen, Wiegen oder Messen der Ware
➢ Bei größeren Warenmengen repräsentative Stichproben ausreichend, aber auch erforderlich
c) Differenzierung nach Art des Mangels:
(1) Mängel, die bei einer normalen Untersuchung auffindbar sind = offene Mängel
➢ Grds. nur für solche Mängel beginnt im Anschluss an die U.frist oder Entdeckung die Rügefrist zu laufen
(2) Verborgene Mängel = die auch durch eine normale Untersuchung nicht zu Tage getreten wären
➢ Bei verborgenen Mängeln beginnt die Rügefrist nur zu laufen, wenn sie entdeckt w. / Verdachtsmoment.
d) R.folge der Fristversäumung: KEINE; verspätete Untersuchung kann durch frühe Rüge ausgeglichen w.
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 86
VI. RÜGE- UND UNTERSUCHUNGSOBLIEGENHEIT (3/4):
3. Rügeobliegenheit: Art. 39 CISG
a) Gegenstand = Mangelhaftigkeit, Falschlieferung (aliud), Fehlmenge (-/+ 52 II 2), mangelhafte Dokumente
➢ NICHT zu rügen ist die bloße Nichtlieferung bzw. verspätete Lieferung
b) Inhalt = Substantiierung, so dass Verk. Mangel erkennt + wie auf Vertragswidrigkeit zu reagieren ist
➢ Allgemeine Beschwerden („Alles Mist“) daher nicht ausreichend
➢ Wohl kein Nachschieben der Präzisierung möglich (h.M.) ≠ angloamerikanische Vorstellungen
c) Das Transportrisiko für die Rüge trägt der Verkäufer (Empfänger), Art. 27 CISG
d) Frist = „angemessen“ = je nach Art der Ware (verderblich/Saisonware?)
➢ BGH: i.d.R. 1 Monat (sog. „noble month“; kürzer jedoch bei verderblicher Ware)
e) Fristbeginn: Wiederum Differenzierung nach Art des Mangels
➢ offene Mängel = Rügefrist beginnt im Anschluss an Ablauf Untersuchungsfrist (dh Addition!);
➢ Spätestens jedoch Beginn der Rügefrist mit nachgewiesener Entdeckung des Mangels
➢ verborgene Mängel = Rügefrist beginnt erst, sobald der Mangel entdeckt oder -bar wurde
➢ Erfasst alle Schadensarten, ohne dass Differenzierung erforderlich (neben / statt Leistung)
➢ Jedoch Schadensersatz statt der Leistung nur, wenn Aufhebung erklärt (Artt. 75 + 76 CISG)
➢ Parallelnorm für den Verkäufer in Art. 61 I lit. b CISG
➢ Artt. 74 – 77 CISG sind keine Anspruchsgrundlagen (regeln lediglich Inhalt = Schadensrecht)
1. Allgemeines:
➢ Zu den Voraussetzungen s. die übernächste Folie
➢ Art der Pflichtverletzung gleichgültig für den Schadenersatzanspruch
➢ Egal ob Nichtleistung, teilweise Nichtleistung, nicht rechtzeitige Leistung, Schlechtleistung
➢ Egal ob Verletzung Haupt- / Nebenleistungspflichten oder (ausnahmsweise) Nebenpflichten
➢ Kraft Gesetzes Garantiehaftung
➢ d.h. kein Vertretenmüssen nötig; kann aber naturgemäß vertraglich abbedungen werden
➢ Keine „wesentliche Vertragsverletzung“ iSv Art. 25 CISG erforderlich
➢ Grds. immer aber Entlastungsmöglichkeit durch Befreiungsgründe gem. Artt. 79, 80 CISG
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 95
4. SCHADENERSATZ, ART. 45 I LIT. B, ARTT. 74-77. CISG (2/2):
2. Umfang des Schadensersatzes:
➢ Schadensrecht des UN-Kaufrechts geregelt in Artt. 74 – 77 CISG (vgl. in Dtld. §§ 249 - 254 BGB)
➢ SE nach CISG ist stets nur auf Geld gerichtet (anders als § 249 I BGB: Naturalrestitution)
a) Grundsätze:
1. Nur materielle Schäden (kein Schmerzensgeld, vgl. insofern bereits Art. 5 CISG)
2. Totalreparation und Vorteilsanrechnung
3. Differenzierung zw. fehlender (Art. 74) und Vertragsaufhebung (Artt. 75, 76 CISG)
Verweisungs- Zurückbehalt
norm: Art. 61
Erfüllung, Art. 62
[Spezifizierung, 65]
Zahlung Vor Fälligkeit
Artt. 54 - 59 Abnahme Vertragsaufhebung
SE, Art. 61 I lit. b Art. 71
Artt. 60
➢ Voraussetzungen der einzelnen Rechtsbehelfe sind grds. die gleichen wie im II. Kapitel
➢ Gleiche Rechtsbehelfe, nur Nacherfüllung und Minderung fehlen (logisch beim Verkäufer nicht denkbar)
➢ Nachfristsetzung zur Naturalerfüllung (Zahlung und Abnahme) richtet sich nach Art. 63 CISG (≈ Art. 47)
➢ Zus. Sonderregelung in Art. 65 CISG für den Spezifikationskauf (= „Bestimmungskauf“)
= Handelskauf, bei dem die nähere Bestimmung der Leistung dem Käufer vorbehalten ist
➢ Rechtbehelf, der zum Übergang des Bestimmungsrechts auf den Verkäufer (statt des Käufers) führt
➢ Erfordert bei fehlender Zeitvereinbarung vorh. Aufforderung + Fristablauf + Spezifikationsanzeige (≠27)
Vorlesung UN-Kaufrecht (CISG) | David Paulus 104
X. PFLICHTEN DES KÄUFERS + IHRE MODALITÄTEN:
Die Hauptleistungspflichten des Käufers werden in Artt. 53 – 60 CISG näher spezifiziert
➢ 2 Hauptpflichten: (1.) Zahlung und (2.) Abnahme
1. Pflicht zur Zahlung: Artt. 54 – 59 CISG
➢ Modalitäten (Scheck, Vorauszahlung etc.) richten sich grds. nach dem Vertrag, Art. 54 CISG
➢ Währung: Vereinbarung, hilfsweise Handelsbrauch, sonst Währung des Zahlungsortes (57; h.M., umstr.)
➢ Bei Fehlen einer Preisvereinbarung: Art. 55 CISG (scheinbarer Widerspruch zu Art. 14 I 2 CISG, s. oben)
➢ Bei angenommener Zuviellieferung besteht eine zusätzliche Zahlungspflicht, s. Art. 52 II 2 CISG
2. Zahlungsort: Art. 57 CISG
= Erfüllungsort = damit von Bedeutung für Erfüllungsortgerichtsstand im Verfahrensrecht (29 ZPO)
➢ vgl. im dt. Recht § 270 IV BGB
➢ IdR Niederlassung Verkäufer (lit. a) = Bringschuld; bei Zug-um-Zug (lit. b) wo Übergabe (NICHT bei Versendung – lit. a)
6. Befreiung: Art. 79 – 80 CISG (vgl. im dt. Recht ≈ 280 I 2, 278 BGB; s. vorherige Folie)
§ 6 – ZUSAMMENFASSUNG:
WESENTLICHE UNTERSCHIEDE
ZUM DEUTSCHEN KAUFRECHT
§ 7 – ÜBUNGSFALL
david.paulus@uni-leipzig.de