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Rechtsgeschichte

Prof. Dr. Bernd Kannowski


Corpus Iuris Civilis (534)

- Teilung römisches Reich 395 († Theodosius):


Westrom: Romulus Augustulus Ostrom: Herrschaft
476 von Odoaker gestürzt  Justinians (527-565)
Ende weströmisches Reich

Kommission zur Sammlung


kaiserlicher Konstitutionen
Vorläufiger Abschluss 534
534 drei Teile:
Institutionen (Einführungslehrbuch)
Digesten oder Pandekten (Sammlung von Zitaten
römischer Rechtsgelehrter)
Codex (Sammlung von Kaisergesetzen)

Später Ergänzung durch vierten Teil:


Novellen (Sammlung neu erlassener Gesetze)

 alles vorherige Recht tritt außer Kraft


 Griechisch und Latein
 Später „Corpus Iuris Civilis“
ius civile = Recht für alle römischen Bürger (cives)
„Öffentliches Recht ist das, was sich auf die Ordnung des
römischen Staatswesens bezieht, Privatrecht das, was das
Interesse der Einzelnen betrifft“ (Inst. 1.1.4)
Digesten seit Anfang 7. Jh. nahezu vergessen, seit Mitte 11.
Jh. rasch anwachsende Bedeutung
 Irnerius in Bologna, jurist. Unterricht
 Rezeption des römischen Rechts
Institutionen – Lehrbuch des Gaius (2. Jhd.)

Ehrenhaft leben, niemanden verletzen, jedem das Seine gewähren


(honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere, Inst. 1.1.3)

Drei Arten von Recht (Inst. 1.2.):

Naturrecht Völkergemeinrecht Recht einer Bürgerschaft


(ius naturale): (ius gentium): (ius civile):
Bsp.: Ehe, Bsp.: Sklaverei und Bsp.: Gesetze Solons,
Kindererziehung Gefangenschaft, Recht der Bürger Roms,
Vertragstypen …
Personen (personae) – Sachen (res) – Klagen (actiones)

- Personenrecht nach röm. Recht eng mit Familien- u. Erbrecht


verbunden (nach heutigem BGB in getrennten Büchern
geregelt)
- Trennung Eigentum ./. Besitz
- Nach röm. Recht (anders als nach BGB) Numerus clausus der
Vertragstypen ⇒ keine Vertragsfreiheit (wie nach BGB)
- Trennung vertragliche ./. deliktische Schuldverhältnisse
- Rechtsbrüche bei den Römern v.a. privatrechtlich geregelt
(selten öffentliche Strafverfolgung)
Personen (personae) – Sachen (res) – Klagen (actiones)

- Personenrecht nach röm. Recht eng mit Familien- u. Erbrecht


verbunden (nach heutigem BGB in getrennten Büchern
geregelt)
- Trennung Eigentum ./. Besitz
- Nach röm. Recht (anders als nach BGB) Numerus clausus der
Vertragstypen ⇒ keine Vertragsfreiheit (wie nach BGB)
- Trennung vertragliche ./. deliktische Schuldverhältnisse
- Rechtsbrüche bei den Römern v.a. privatrechtlich geregelt
(selten öffentliche Strafverfolgung)
Römisches und germanisches Recht
Publius Cornelius Tacitus (55-120 n. Chr.):
Germania (um 100)

⇒ Behandelt Lebensweise und Sitten


⇒ (1) der Germanen insgesamt
⇒ (2) einzelner germanischer Stämme

⇒ Basiert nicht auf eigener Anschauung


⇒ Intention unklar; evtl. Gegenentwurf („edle
Wilde“) zu dekadenter röm. Gesellschaft
⇒ Viele Aussagen des Tacitus offenbar richtig
Zeit der Völkerwanderung und Frühmittelalter
⇒ 476 n. Chr.: Ende des weströmischen Reiches
(Sturz des letzten weström. Kaisers Romulus
Augustulus durch germ. Söldnerführer Odoaker)
⇒ Ende 5. Jhd.: Gesamter Westen des ehemaligen
weström. Reiches in Hand germanischer Stämme
⇒ Reiche meist nur von kurzer Dauer; unruhige,
unsichere Zeit voller Gewalt
Quellen: die Leges

Allgemein

⇒ Aufzeichnungen des Rechts einzelner


germanischer Stämme
⇒ Unterschiedlich stark von römisch-antiker
Rechtskultur bzw. Christentum beeinflusst
⇒ Rechtsaufzeichnungen mit deutlicheren Spuren
römischen Rechts: „Vulgarrechte“
Beispiel: Lex Salica
Lex Salica

⇒ Benannt nach fränkischem Teilstamm („Salfranken“)


⇒ Erlassen um 507/511 durch König Chlodwig (466-511)
⇒ Wenig römischrechtlicher Einfluss
⇒ Für germanische Gesetzgebung eigentümlicher
Konsenscharakter in Prolog
 Inhalt:

⇒ Strafrecht: Unterschiedlich für Freie  Unfreie


(Kompositionensystem ./. Strafen an Leib u. Leben)
⇒ Beweisführung durch Eidhelfer, Zweikampf und
Gottesurteil
⇒ Malbergische Glossen: Fränkische Einschübe im
lat. Gesetzestext (z. B. in mallobergo: „vor Gericht“)
„De crenecruda“ – Vom Erdwurf
Alemannen und Bayern:
Lex Alamannorum und Lex Baiuvariorum

⇒ beide 7./8. Jhd.

⇒ Lex Baiuvariorum basiert auf Lex Alamannorum


Zum Kompositionensystem: Leges Alamannorum Art. 57

§ 1. Wenn jemand einen andern aus Zorn schlägt, wozu die Alemannen
Beulenschlag sagen, büße er mit einem Schilling.
§ 2. Wenn er aber Blut vergießt, so dass es die Erde berührt, büße er einen
Schilling und einen halben.
§ 3. Wenn er ihn aber schlägt, dass die Hirnschale erscheint und [die
Hirnschale] verletzt wird, büße er mit 3 Schillingen.
§ 4. Wenn er aber vom Haupte einen Knochensplitter aus der Wunde reißt,
so dass über einen öffentlichen Weg [der] 24 Fuß breit [ist] [und jener
Knochen über diesen Weg geworfen wird und hier] jener Knochen auf
einem Schilde erklingt, büße er mit 6 Schillingen.
§ 5. Wenn aber der Arzt diesen <Knochen> verliert und ihn nicht
vorweisen kann, dann bringe er zwei Zeugen bei, die das gesehen
haben, dass er aus jener Wunde einen Knochen gerissen habe, oder
jener Arzt beweise das, dass es wahr sei, dass er aus dieser Wunde
einen Knochen gerissen habe.
§ 6. Wenn aber die Hirnschale durchhauen ist, so dass das Gehirn
erscheint, dass der Arzt mit einer Feder oder mit einem Tuch das
Gehirn berühren kann, büße man mit 12 Schillingen.
§ 7. Wenn aber aus dieser Wunde das Gehirn heraustritt, wie es geschehen
mag, so dass der Arzt es mit einem Heilmittel oder <mit> einem
Seidentuch verbindet, und später heilt und <das> bewiesen wird, dass
es wahr ist, büße man mit 40 Schillingen.
§ 8. Wenn <irgend>jemand eines andern Ohr abschlägt und [dadurch]
nicht taub macht, büße er mit 12 Schillingen.
§ 9. Wenn er es aber <so> von Grund aus abschlägt und ihn taub macht,
büße er mit 40 Schillingen.
§ 10. Wenn er aber die Hälfte des Ohres abschlägt, wozu die Alemannen
Scharte sagen, büße er mit 6 Schillingen.
Zum Verwandtenmord: Leges Alamannorum Art. 40

Wenn ein Mann willentlich seinen Vater [oder seinen Vaterbruder]


oder seinen Bruder oder seinen Mutterbruder oder den Sohn seines
Bruders [oder den Sohn seines Mutterbruders oder den Sohn seines
Vaterbruders] oder seine Mutter oder seine Schwester [oder den Sohn
seiner Schwester] tötet, wisse er, dass er wider Gott gehandelt und die
Brüderlichkeit nicht gemäß Gottes Gebot bewahrt und schwer gegen
Gott gefehlt hat, und vor allen seinen Verwandten werde <sein>
Vermögen eingezogen und nichts falle mehr seinen Erben zu; die
Buße aber leiste er gemäß dem kanonischen Recht.
Langobarden (Mittelitalien):
Edictus Rothari (643)
⇒ römische Einflüsse
⇒ Erlass durch Konsens: Auf Heeresversammlung mit
Speerritual (gairethinx)
Friesen, Sachsen, Thüringer:
Leges Frisionum, Saxonum, Thuringorum

⇒ Im Auftrag Karls des Großen anlässlich Aachener


Reichstag 802/803 aufgezeichnet
⇒ Jeweils nur ein oder zwei Handschriften; wohl kaum
praktische Bedeutung
Kompositionensystem

⇒ Gemeinsames Merkmal aller Leges


⇒ lat. compositio, Buße – wörtl. „Zusammensetzung“
(lat. com-ponere, zusammenstellen), d. h.
Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands
⇒ Jeder Verletzung von Leib und Leben entspricht
Geldbetrag zur Abgeltung der Tat
(„Wergeld“ von ahd. wer, Mann, vgl. lat. vir)
⇒ Höhe des Wergeldes nach
- Person des Opfers
- Schwere der Verletzung
⇒ Keine Zahlungspflicht; ohne Zahlung Fehde und
Blutrache
Zweck der germanischen Rechtsaufzeichnungen

⇒ Ältere Auffassung: Schutz vor Verdrängung durch


römisches Recht
- aber: Anwendung zweifelhaft
(enge Kasuistik, Analphabetismus)

⇒ Neuere Forschung: Vornehmlich Prestige- und


Demonstrationsobjekte
- durch eigene Gesetzgebung begegnen
Germanenreiche Rom auf Augenhöhe
- Wahrung / Erzeugung kultureller Identität in bewegter
Zeit
Kaiser und Papst
Anfänge der Reichsgeschichte

⇒ Entstehung der deutschen Sprache: zum 1. Mal


786 Wort „deutsch“ (theodiscus = volkssprachlich)
⇒ Im 8. Jh. dt. Sprachraum keine politische Einheit
Entstehung des HRRDN
800 Kaiserkrönung Karls des Großen
- Herrschaftsgebiet u.a. in Frankreich und Italien
- erstmals wieder „Kaiser“
Das Frankenreich unter Karl dem Großen

Die Expansion des


Frankenreichs
unter Karl dem
Sachsen
Großen

Aachen
Böhmen
Austrasien
Paris
Neustrien
Bayern

Burgung
Awarenmark

Aquitanien

Rom

Das Frankenreich 768


Eroberungen durch Karl den Großen (768 – 814)
Stark abhängige Gebiete
Karl der Große
⇒ Kapitularien
- Benennung wegen Einteilung in Kapitel
- Geltung im gesamten Reichsgebiet
(Territorialitätsprinzip)
- Durchsetzung durch Königsboten (missi)

⇒ Gründung neuer Bistümer; Eigenkirchenwesen


(Recht, Bischöfe selbst zu ernennen)
Aufteilung des Frankenreichs
 Vertrag von Verdun (843)
- Westfranken (späteres Frankreich) an Karl II. („den Kahlen“)
- Ostfranken (späteres dt. Reich) an Ludwig den Deutschen
- Lotharingien (Existenz bis 887) an Lothar I.
Vertrag von Verdun 843
Teilung des Frankenreichs

Königreich Karls des Kahlen


Königreich Ludwigs des Deutschen
Abhängige Gebiete
Königreich Lothars I.
Kirchenstaat

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