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Kurverein von Rhense – Weistum über die Königswahl (16.

Juli 1338) 1

Im Namen des Herrn. Amen. Durch dieses öffentliche Schriftstück möge


jedem folgendes einleuchtend klar sein: Im Jahre 1338 nach der Geburt eben-
dieses Herrn, am 16. Tag des Monats Juli, ungefähr um die siebente Stunde
dieses Tages 1 , in der 6. Indiktion, im 4. Jahr des Pontifikats des Herrn Papstes
Benedikt XII. 2 , in dem Baumgarten beim Dorf Rhens über dem Rheinstrom,
wo die Kurfürsten des heiligen Römischen Reiches recht oft zum Abhalten
von Verhandlungen über Wahlen und andere Geschäfte dieses Reiches
zusammenzukommen pflegen, haben die in Christus hochwürdigen Väter und
Herren – die Herren Heinrich, Erzbischof der Kirche von Mainz 3 , Walram 4 ,
der von Köln, und Balduin 5 , der von Trier – ferner die erlauchten Fürsten und
Herren – die Herren 6 Rudolf sowie Ruprecht, Ruprecht und Stephan6 für den
Pfalzgrafen bei Rhein (da noch nicht festgelegt ist, wer von ihnen der Graf
sein soll, der die Kurstimme innehat), ferner Rudolf 7 Herzog von Sachsen und
Ludwig 8 Markgraf von Brandenburg – sich eingefunden und waren selbst
anwesend zur Verhandlung über die Rechte des Reiches und seine Gewohn-
heiten, und nach Hinzuziehung recht vieler Getreuen des genannten Reiches,
Klerikern wie Laien, ebenfalls dort, ferner in Anwesenheit und nach Berufung
von uns drei öffentlichen Notaren, einträchtig und einstimmig dazu bestellt,
bei diesen ordnungsgemäß teilzunehmen unter Durchführung von Eiden ihnen
gegenüber und von Umfragen, wie es bei Festlegungen Brauch dieser Fürsten
ist, haben sie urteilend gesagt und festlegend verkündet: Nach Recht und altem
anerkanntem Herkommen des Reiches gilt folgendes: Sobald jemand von den
Kurfürsten des Reiches oder von der zahlenmäßigen Mehrheit dieser Fürsten –

1
Zwischen 12 und 13 Uhr.
2
Papst Benedikt XII. (1334-42), mit bürgerlichem Namen Jacques Fournier.
3
Heinrich III. v. Virneburg, ein Neffe des Kölner Erzbischofs Heinrichs II. v. Virneburg, war im Okt. 1328 von Papst Johannes XXII. mit dem Erzbistum Mainz providiert
worden, konnte sich hier aber erst Anfang 1337 durchsetzen, nachdem der vom Mainzer Domkapitel zum Provisor bestellte Balduin v. Trier auf sein Amt verzichtet hatte.
Am 7. März 1346 wurde Erzbischof Heinrich III. von Papst Clemens VI. abgesetzt.
4
Walram v. Jülich, 1332-49 Erzbischof v. Köln.
5
Balduin v. Luxemburg, 1307-54 Erzbischof v. Trier, Bruder Kaiser Heinrichs VII. (1308-13) und Onkel König Johanns d. Blinden v. Böhmen (1310-46).
6
Die vier genannten gehörten alle dem Fürstengeschlecht der Wittelsbacher an: Rudolf II. († 1353) und Ruprecht I. († 1390) waren Söhne Pfalzgraf Rudolfs I. († 1319),
Ruprecht II. († 1398) ein Enkel; Stephan II. († 1375) war ein Sohn Kaiser Ludwigs d. Bayern.
7
Herzog Rudolf I. v. Sachsen-Wittenberg († 1356)
8
Markgraf Ludwig († 1361), ein Sohn Kaiser Ludwigs d. Bayern, war von diesem 1323 mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt worden.
Kurverein von Rhense – Weistum über die Königswahl (16. Juli 1338) 2

auch im Zwiespalt – zum Römischen König gewählt ist, bedarf er keiner


Benennung, Anerkennung, Bestätigung, Zustimmung oder Ermächtigung von
seiten des Apostolischen Stuhles zur Aufnahme der Verwaltung der Güter und
Rechte des Reiches oder zur Annahme des Königtitels; ferner: Deretwegen
muß sich der Erwählte nicht mit Notwendigkeit an den genannten Stuhl wen-
den; vielmehr ist es seit den Zeiten, an deren Beginn es kein Erinnern mehr
gibt, wie folgt gehalten, bewahrt und beachtet worden: Die von den Kurfürsten
des Reiches einstimmig oder im obengenannten Sinn mehrheitlich Erwählten
haben sich den Königstitel beigelegt und die Güter und Rechte des Reiches
verwaltet; sie konnten dies nach Recht und Herkommen erlaubterweise tun
und werden es auch künftig tun können, ohne eine Anerkennung oder Erlaub-
nis des besagten Apostolischen Stuhles dafür erlangt oder erhalten zu haben.
Nach Verkündung und Festlegung in dieser Weise haben die genannten Herren
Kurfürsten alle Getreuen und Lehnsleute des Reiches samt und sonders, die
dort bei ihren Verhandlungen und in ihrem Rat damals anwesend waren, bei
ihren dem Reich gegenüber geschuldeten oder geleisteten Eiden einzeln
gefragt, was sie hinsichtlich der verhandelten, festgelegten und verkündeten
Rechte und Gewohnheiten des Reiches meinten. Diese haben samt und son-
concordaverunt, in quo supradictorum electorum principum mens resedit. ders mit denselben oder ähnlichen Worten der Verkündung, Beurteilung und
Feststellung letztlich so zugestimmt, wie die obengenannten Kurfürsten über-
eingekommen waren.

Aus: Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spät-


mittelalter (1250-1500), ausgewählt und übersetzt von Lorenz Weinrich (Ausge-
wählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 33; Darmstadt 1983), S.
287-291.
Maßgebliche Edition: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichs-
verfassung in Mittelalter und Neuzeit, bearb. v. Karl Zeumer, 1. Teil (Tübingen
1913), S. 183-184.

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