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Laterankonzil 1139 das Zölibat für alle Weihegrade oberhalb des Subdiakonats ver-
kündet wurde.
Heutzutage werden bei uns Orden für verschiedenartige Verdienste erwiesen. Im
Mittelalter war so etwas nicht möglich, denn die Gnade des Verdienstes lag in der Hand
Gottes, so daß sich ein Mensch mit einem Abzeichen seiner Dienste nicht rühmen
konnte.
Hoffen die Menschen heute auf einen schnellen und schmerzlosen Tod, war diese
Aussicht für den mittelalterlichen Menschen nicht erstrebenswert, verlor er doch
dadurch kirchliche Gnadenmittel : für ihn war es ein schlimmer Tod.
Der vierte und letzte Teil befaßt sich mit Verwertungen und Verwerfungen des Mit-
telalters. Hier räumt der Verfasser dem Roman „Der Name der Rose" von Umberto
Eco breiten Raum ein und zieht einen Vergleich zwischen den im Roman geschilder-
ten Ereignissen und der Wirklichkeit des 14. Jahrhunderts.
Ein weiteres Beispiel für Verwertungen und Verwerfungen ist der noch immer
aktuelle Fall des Wilhelm Kammeier, eines Volksschullehrers, der 1935 anhand von
Datierungsfehlern in mittelalterlichen Urkunden vermutete, daß es sich bei diesen um
Fälschungen handelte - das Ergebnis einer spätmittelalterlichen gelehrten universalen
Geschichtsverfälschungsaktion, die das Ziel hatte, die deutsche Geschichte, gelenkt
durch das päpstliche Rom, zu verfälschen. Den Abschluß findet der vierte Teil mit
Ernst H. Kantorowicz, dem von dem amerikanischen Historiker Norman F. Cantor zu
Unrecht der Vorwurf gemacht wurde, mit seinem 1927 erschienen Hauptwerk über den
Stauferkaiser Friedrich II. ein Wegbereiter des Hitlerregimes gewesen zu sein.
Ergänzt wird das Werk durch ausführliche Literaturhinweise.

Saarbrücken Klaus Richter

D o r o t h e e K o h l h a s - M ü l l e r , Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des


Großen (= Rechtshistorische Reihe 119). Peter Lang, F r a n k f u r t - B e r l i n - B e r n -
New Y o r k - P a r i s - W i e n 1995. 447 S.

Die Sonderstellung Theoderichs des Großen unter den Herrschern der germani-
schen Nachfolgereiche des westlichen imperituri Romanum ist in der Forschung häufig
betont worden, wobei mal die gotische, mal die römische Seite seiner Doppelstellung
unterstrichen wurde. Die vorliegenden „Untersuchungen zur Rechtsstellung Theo-
derichs des Großen „ (eine von H e i n z B e l l e n betreute Mainzer Dissertation von
1993) versuchen durch umfassende Analyse, insbesondere von Cassiodors Varíen,
Ennodius' von Pavia und Prokops Schriften, dem Rechtsgrund von Theoderichs Herr-
schaft auf die Spur zu kommen. Die These der Verfasserin lautet, daß Theoderich
weder als germanischer Klientelkönig noch als Mandatar des Kaisers mit der
Kompetenz eines römischen Oberbeamten noch als Germanenkönig mit kaiserlicher
Vollmacht in Italien regierte, sondern eine hybride Herrschaftsform entwickelte, die
seine ostgotischen Nachfolger weiterbildeten. Als Rechtsnachfolger des weströmi-
schen Kaisers setzte Theoderich den römischen Prinzipat fort, griff zurück auf die
römisch-kaiserlichen Traditionen und Institutionen, imperialisierte durch die Kaiser-
imitatio sein gotisches Königtum und übte schließlich eine quasi-imperiale Teilreichs-
herrschaft aus, die ihn weit über die übrigen Germanenkönige erhob.
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Von den verschiedensten Seiten aus beleuchtet die Verfasserin diese These, so
zunächst indem sie vor dem Hintergrund der verschiedenen oströmisch-gotischen Ver-
träge (foedera, pax, pacta, amicitiae) Theoderichs Aufstieg skizziert : vom gotischen
Heerkönig (471 ) über den Patriziat, das Amt eines magister militum, über die Waffen-
sohnschaft, womit er durch die künstliche Verwandtschaft der adoptio per arma in ein
besonders enges Vater-Sohn Verhältnis zum oströmischen Kaiser trat, bis zur Über-
nahme des Konsulats (484), dem Höhepunkt der Integration in die römische Amter-
hierarchie. Die Entsendung in den westlichen Reichsteil gegen Odoaker wird im Rück-
griff auf republikanische und kaiserzeitliche Traditionen mit dem „Staatsnotstand"
begründet. Theoderichs Stellung war weder mit jener Odoakers noch jener Rikimers
zu vergleichen, denn er sollte in der Rechtsnachfolge des princeps Romanus in Italien
herrschen. Die Goten waren nicht mehr Foederaten, sondern Rechtsnachfolger des
römischen Heeres, deswegen erfolgte auch die Ansiedlung der Goten nach dem von
W. Goffart, J. Durliat und anderen herausgearbeiteten fiskalistischen Modell in durch-
aus geregelter Form (S. 203-218). Theoderichs Königserhebung im Jahre 493 durch
das gotische Heer bestätigte nicht nur „die inzwischen monopolisierte und auf den ita-
lischen Boden territorialisierte Königsstellung Theoderichs" (S. 36), sondern war am-
bivalent, weil nunmehr das gotische Heer als Rechtsnachfolger des römischen Heeres
den kaiserlichen (oder quasi-kaiserlichen) Herrn der (West-) Römer bestimmte. 497
hat Kaiser Anastasius durch die Rücksendung der ornamenta palatii Theoderichs
Herrschaft über Römer u n d Goten in Italien anerkannt. Jetzt konnte formalrechtlich
gelten, was Theoderich als die Grundlage seiner neuen staatsrechtlichen Stellung be-
trachtete: sein regnum war imitatio des römisch-kaiserlichen Modells (S. 37). Die
Ostgotenkönige waren, aus eigener Sicht betrachtet, von nun an Teilreichsherrscher;
als solche standen sie weit über den benachbarten Germanenherrschern, denen die Ver-
fasserin hier wie an anderer Stelle jeweils einen kurzen Vergleich widmet. Weit stärker
als die übrigen Germanenherrscher haben die Ostgoten römisch-kaiserliche Tradition
mit der eigenen Königsherrschaft zu verbinden und für die eigene Herrschaft nutzbar
zu machen gesucht, so bei der dynastischen Herrschaftssicherung durch Verknüpfung
der Herrschaftsübernahme durch Schilderhebung mit dem römisch-imperialen Ele-
ment der Kaisererhebung („den Kaiser macht das Heer"), mit der Designation, der
Waffensohnschaft und dem (kaiserlichen) Untertaneneid, der eine Verstärkung ge-
genüber dem auf Gegenseitigkeit beruhenden Gefolgschaftseid ist und für die mittel-
alterlichen Huldigungseide vorbildhaft werden sollte.
Ausführliches Belegmaterial bieten Cassiodor und Ennodius der Verfasserin für die
Eigen- und Fremdbezeichnungen der quasi-kaiserlichen Herrscherstellung Theode-
richs. Der nicht-gentile Titel Flavius Theodericus rex wird gesteigert durch Wandel des
Funktionstitels rex bei Germanen und Römern infolge des spätantik-christlichen und
des alttestamentarischen Bildes des Rex als Idealherrscher und wird vor allem - in
Fremdbezeichnungen - durch Übernahme der Titel princeps Romanus, dominus,
imperator, optimus princeps etc. erhöht. Wie für die spätantiken Kaiser wird für
Theoderichs Herrschaft das Gottesgnadentum beansprucht, sein Ansehen, sein Pre-
stige als auctoritas, maiestas bezeichnet, wird dem König in der Herrschaftspropa-
ganda Cassiodors und Ennodius' das traditionelle kaiserliche Tugendarsenal beigelegt
(Sieghaftigkeit, pietas, felicitas, civilitas, dementia, mansuetudo, indulgentia, huma-
nitas, largitas, iustitia etc.). Die Ehrentitel sind kaiserlich, sie zielen bewußt darauf ab,
gegenüber Goten und Römern die quasi-kaiserliche Herrschaft Theoderichs zu legi-
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timieren. Die Herrschaftsinsignien {ornamenta palatii), die Odoaker nach Absetzung


des weströmischen Kaisers nach Konstantinopel geschickt hatte und Kaiser Anasta-
sius 497 Theoderich als Zeichen der Anerkennung als consors regni zurückschickte,
interpretiert die Verfasserin als kaiserliche Insignien (insbesondere Purpur, Diadem
und Zepter) und untersucht anhand der Schriftquellen, Münzbilder und anderer bild-
lichen Darstellungen, inwieweit sie zur Imperialisierung der regespurpurati beitrugen.
Auch die wichtige Rolle des königlichen Schatzes wird in diesem Zusammenhang
erörtert. Unter den „quasi-kaiserlichen Repräsentationsformen" gebührt dem adventus
Augusti anläßlich von Theoderichs Tricennalien im Jahre 500 in Erinnerung an seine
Übernahme der gotischen Königsherrschaft (471) ein besonderer Platz, folgt der
feierliche Einzug in Rom doch dem kaiserlichen Zeremoniell (Besuch der Peters-
kirche, des Senats, Ansprache an das Volk). Die Akklamationen, das Donativ, die
Schaustellung im Zirkus zeigen gleichfalls Theoderich als legitimen Rechtsnachfolger
des römischen Kaisers. Auch die Theoderichstatuen und -bildnisse, die Baupolitik in
Ravenna und anderwärts bezeugen imperiale Formen. Theoderichs hybride Rechts-
stellung spiegelt sich ebenfalls in der (Gold-) Münzprägung, so in dem berühmten
Goldmultiplum, für welches die Verfasserin eine Prägung als Donativ aus Anlaß sei-
nes Romeinzuges von 500 vermutet (S. 182). Als Ausfluß der hybriden Herrschafts-
form betrachtet die Verfasserin auch die Gesetzes- und Gerichtspraxis des Königs, die
über jene eines römischen Oberbeamten weit hinausging. Neue Gesetze durch Auf-
hebung bestehender Gesetze erließ Theoderich nicht, aber durch seine Edikte - das
Edictum Theoderici hat Theoderich nach Verfasserin wohl um 500 erlassen - , die
formal, inhaltlich und inbezug auf ihre Dauer Gesetzeskraft (legis vigorem) hatten, bil-
dete er für Römer und Goten das Recht weiter und modifizierte es, so durch Über-
tragung des römischen Militärtestaments auf die Goten, die Einführung des Reini-
gungseides, die Verschärfung des Sklaven- und Unfreienrechts. Auch die Einzeledikte
betreffend z.B. das Steuerwesen, den Schutz der Curialen etc., bezeichnet als prae-
cepta, mandata, decreta, hatten wie die Rechtsakte des Kaisers Gesetzeskraft, blieben
aber entsprechend der Regionalisierung des Rechtswesens seit dem 5. Jahrhundert auf
den westlichen Herrschaftsbereich beschränkt. In der Gerichtspraxis zeigt sich eben-
falls deutlich die hybride Rechtsstellung der ostgotischen Könige. Zwar war die per-
sonalrechtliche Trennung von Römern und Goten im Prinzip anerkannt, doch erlangte
etwa der Gotencomes außer der Gerichtsbarkeit über Römer und Goten über die Ver-
einigung seines Amtes mit jenem des rector provinciae auch die administrative und
finanzielle Gewalt über Römer und entwickelte sich das Hofgericht zu einer Ent-
scheidungsinstanz, die weit über jene eines Appellationsgerichts hinausging.
Im Hochverratsprozeß gegen Boethius sieht die Verfasserin eine Verknüpfung des
römisch-kaiserlichen Majestätsprozesses mit Vorstellungen des aus dem germani-
schen Gefolgschaftswesen kommenden Gedankens des persönlichen Treuebruchs
(infidelitas) (S. 250ff.). Auch für die Institution des Königsschutzes (tuitio) v e r m u t e t
die Verfasserin eine solche Verbindung zweier Traditionen (S. 253 f.). Das Verhältnis
des arianischen Gotenkönigs zur katholischen Kirche war nicht so sehr von philoso-
phisch begründeter religiöser Toleranz geprägt als durch den Pragmatismus eines
Königs, der von Papst und Episkopat als rex hereticus, ac si catholicus als rechtmäßi-
ger, kaisergleicher Herrscher anerkannt war und als solcher auch in innerkirchlichen
Streitigkeiten (Lauretianisches Schisma) eingreifen konnte, sobald die öffentliche
Ordnung davon betroffen war. Nach Beendigung des Akakianischen Schismas und der

42 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. C X V . Germ. Abt.


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Wiederanlehnung der weströmischen Kirche an den orthodoxen Ostkaiser Justin ver-


lor indessen Theoderich den Rückhalt der katholischen Kirche, und die konfessionel-
len Gegensätze verschärften sich. Senat und stadtrömische Führungsschicht erkannten
desgleichen Theoderich als princeps Romanus an. Der König belohnte dies durch
Aufwertung der altrömischen Institution, durch Vergabe von Ämtern und Würden an
Mitglieder der stadtrömischen Senatsaristokratie. In der Spätphase seiner Regierung
zog er hingegen zunehmend aus Norditalien stammende Senatoren und Goten zur Be-
setzung hoher Ämter heran. Auch die in der Literatur häufig behandelte Bündnis- und
Heiratspolitik Theoderichs charakterisiert die Verfasserin als hybrid in dem Sinne, daß
der Ostgotenkönig einerseits durch die Rückeroberungen (Sirmium und Provence) und
das Bündnissystem mit den germanischen Herrschern das römische Westreich wie-
derherzustellen, andrerseits die kaisergleiche Stellung der Amalersippe als Rechts-
nachfolgerin der weströmischen Herrscherdynastie zu sichern suchte.
Die Einseitigkeit unserer Quellen - die beiden Herrscherpropagandisten Cassiodor
und Ennodius als Kronzeugen - erklärt, daß die römisch-kaiserliche Komponente der
hybriden Rechtsstellung Theoderichs weit besser dokumentiert ist als die germani-
sche. Leider sind die Bildzeugnisse, welche wohl am unmittelbarsten beide Elemente
vereinen, zwar beschrieben und gedeutet, aber nicht abgebildet. Nicht jedem Leser
dieser quellennahen Arbeit wird das entsprechende Bildmaterial sofort zur Verfügung
stehen. Die systematische Gliederung bringt es mit sich, daß viele Quellen wie das
erste Schreiben in Cassiodors Variensammlung, oder Theodahads Vertrag mit Justi-
nian (535) oder manche Grundbedingungen und ihre Folgen wie die Teilung des
Imperiums in Ost und West und die sich abzeichnende Sonderentwicklung mehrfach
erörtert werden.

Zürich Reinhold Kaiser

D i e t e r G e u e n i c h , Geschichte der Alamannen (= Urban-Taschenbücher 575). Kohl-


hammer, Stuttgart-Berlin-Köln 1997. 168 S.

Die Alemannen, hrsg. vom Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg.


Ausstellungskatalog. Theiss, Stuttgart 1997. 528 S.

Die beiden Publikationen verdanken ihre Entstehung dem gleichen Anlaß, nämlich
dem Gedenken der 496/497 angeblich stattgefundenen Schlacht bei Zülpich (Tolbia-
cum), in der nach dem Bericht Gregors von Tours die Alemannen den Franken unter-
lagen. Die spätere Geschichtsschreibung hat dieses Ereignis in epochale Dimensionen
gehoben, indem sich hier die Führungsrivalität zwischen den beiden Stämmen ent-
schieden haben soll. Die Quellen legen indessen, wie G e u e n i c h aufzeigt, eine solche
Einschätzung keineswegs nahe, vielmehr scheint sich die Überwindung alemanni-
scher Gruppen in mehreren Etappen vollzogen zu haben. Zur nochmals vielberufenen
„Entscheidungsschlacht" ist jene aber wohl nur als der lange Schatten geworden, den
der grell beleuchtete Mythos von Chlodwigs Bekehrung zum Christentum werfen
mußte. Wie dem auch sei, das besagte Schlachtendatum hat nicht nur in Frankreich zur
freilich schwer nachvollziehbaren „Rekonstruktion" eines Nationalhelden geführt,
sondern hat auch eine Besinnung auf die Geschichte der Alemannen und eine dies-
bezügliche Bestandsaufnahme bewirkt. Nur: wer waren oder sind die Alemannen, die

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