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DIE SACHSENGESCHICHTE
DES WIDUKIND VON KORVEI
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EINLEITUNG
4 Einleitung
Titel Rerum Saxonicarum libri 111. Das erste Buch handelt zuerst
de origine statuque gentis (in Anlehnung an Tacitus' Germania) und
bringt, aus Heldenlied und volkstümlichen Überlieferungen 3 geschöpft
und aus teilweise fragwürdiger Gelehrsamkeit4 (doch nicht ohne Kritik)
angereichert, die Frühgeschichte des Volkes, insbesondere seine Berufung
zum Herrenvolk anstelle der Franken, sowie die Zeit des Königs Hein
rich 1., während das zweite die Geschichte Ottos d. Gr. bis zum Tode der
Edgitha (946) und das dritte in den Kapiteln 1-696 die folgenden Jahre
erzählt bis zum Tode des jüngeren Grafen Wichmann (967), der als
Schwestersohn der Königin Mathilde nach dem Tode seiner Eltern von
Otto d. Gr. adoptiert worden war und als der letzte Rebell gegen die
Krone sein Leben beschloß.
Als Motiv für diese Hinwendung zur Profangeschichte wird I 1 devotio
generis gentisque meae, Ergebenheit gegenüber Sippe (Fürstenhaus) und
Volk6 angegeben. Die Einzigartigkeit des Namens Widukind in Verbin-
eigene Treue, zustimmend W. v. d. Steinen (vgl. Anm. 1): Ergebenheit, die ich
von Geschlechts und Stammes wegen empfinde; abgelehnt von Karl Hauck, Die
Deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexicon IV (hrsgg. v. Karl
Langosch 1953), 949.
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Einleitung 5
dung mit der Tatsache, daß in Korvei nur Söhne edler Geschlechter in
der Regel schon als Knaben aufgenommen wurden, legt den Gedanken
nahe, in ihm einen Nachfahren 7 des gleichnamigen Sachsenherzogs zu
sehen und zugleich eine wohl entferntere Verwandtschaft anzunehmen
mit der Königin Mathilde, der Gemahlin Heinrichs I . , und dem Grafen
Wichmann, dessen Schicksal den Abschluß des Werkes bildete .
Seinen Stil als erzählender8 Historiker hat Widukind an Sallustius
geschult, daneben finden sich auch Anspielungen auf Stellen bei Cicero,
Livius, Vergilius, Ovidius, Lucanus und Juvenalis. Sonst aber steht er
ganz im Rahmen der zeitgenössischen Geschichtsschreibung 9. Den Stoff
hat er, soweit es ging, chronologisch geordnet, so daß er sich entschuldigt,
wenn er einmal1° um des Zusammenhangs willen davon abweicht. Auf
die Darbietung des Stoffes und die gesamte Anlage des Werkes11 haben
antike Vorbilder wenig Einfluß, wohl aber macht sich ein starker Drang
zum Dramatisch-Anekdotischen bemerkbar, zur Auflösung in Episoden
mit Rededuellen auf dem Höhepunkt, worin Widukind mit der germa
nischen Helden- und Spielmannsdichtung zusammengehti2• Sein Welt
bild scheint, was die verwendeten Termini angeht, ganz von der Anti ke
geformt zu sein, dahinter steckt j edoch oft eine besondere Auffassung, die
unvereinbar ist nicht bloß mit der seiner antiken Vorbilder, sondern
auch mit der karolingischen Geschichtsbetrachtung. Das höchste Ziel
staatlichen Wirkens ist der Friede (pax) , leider immer wieder gestört
durch Sippenfehden, die als bellum civile bezeichnet werden. Rebellen
gegen den Herrscher werden mit denselben Farben gemalt wie die Catili
narier bei Sallustius. Wenn als Herrschertugenden clementia, regalis
disciplina, constantia und virtus aufgezählt werden, so hat sich hier anti
kes und christliches Erbgut verbunden mit heidnisch-germanischen Vor
stellungen.
Besonders aufschlußreich ist, was Widukind über das Verhältnis der
Sachsen zu den Franken, zu den Römern und zum Imperium Romanum13
7 Beumann S. 3 Anm . 3. Ferner Kar! Schmid, Die Nachfahren Widukinds,
6 Einleitung
14 In seiner 1910 erschienenen Schrift : Der Heerkaiser (Den Kaiser macht das
Heer) . Studien zur Geschichte eines politischen Gedankens, jetzt erweitert in den
Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im
Mittelalter 1965 S. 1-169. Dazu im selben Sammelband S. 239-286 (aus DA
3, 1939, lff.) Kaisertitel und Souveränitätsidee, sowie S. 287-342 (aus DA 16,
1960, 1 5 ff.) Imperator und Imperium bei den Angelsachsen. Eine wort- und
begriffsgeschichtliche Untersuchung. Außerdem vgl. James A. Brundage, Widu
kind of Corvey and the ,Non-Roman' imperial idea, in Mediaeval Studies 22,
1960, 1 5-26.
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Einleitung 7
15 Zuerst ausgesprochen von M. Lintzel in : Welt als Geschichte 4, 1938, 423 ff.
besonders 443.
1 6 Hermann Bloch hat NA 38, 1913, 95-141 eine Erstfassung von 958, die mit
8 Einleitung
etwas überbrückt werden, die sich dadurch ergab, daß der ursprüngliche
Zweck19 des Werkes, die Sachsengeschichte, nunmehr in eine Geschichte
des Fürstenhauses mit betont höfisch-panegyrischer Tendenz umgeändert
wurde.
In dieser 967/68 20 erreichten Form ist Widukinds Sachsen�eschichte
nur in einer Handschrift (A) erhalten, die um 1 220 in Kloster Altzelle
geschrieben wurde, heute J 38 in der Sächsischen Landesbibliothek in
Dresden.
In der um die Kapitel III 70-76 erweiterten Form haben sich mehrere
Handschriften erhalten 21, die in die Gruppen B und C zerfallen, je nach
dem sie in I 22 und III 2 eine von A verschiedene Fassung bieten.
Die Gruppe B, die hier einen älteren Text als A bringt, ist durch zwei
Handschriften vertreten, nämlich
B 1 aus Kloster Steinfeld, Kr. Schleiden, heute Brit. Mus. Addit.
2 1 109, Bammelhandschrift aus der Mitte des 1 2 . Jh., darin Bl. 1 38-181 ,
B 2 heute verschollen, aus Kloster Eberbach im Rheingau aus der
selben Zeit, danach die Erstausgabe Basel 1 532 durch den Heidelberger
Humanisten und Ulmer Reformator Martin Frecht, sowie eine für Konrad
Peutinger gefertigte Abschrift (heute München lat. 4209).
Die Gruppe C, die in I 22 und III 2 eine noch j üngere Fassung aufweist,
enthält allein die allgemein Widukind abgesprochene Einteilung in Kapi
tel und die Kapitelüberschriften, die unten im Textabdruck geboten
werden, und ist in zwei Handschriften greifbar :
19 Kar! Hauck (vgl. Anm. 6) Sp. 948 behauptet allerdings, Widukind habe von
Anfang an eine Geschichte des Fürstenhauses schreiben wollen. Die oben ver
tretene Auffassung wurde begründet von M. Lintzel, Die politische Haltung
Widukinds von Korvey, Sachsen und Anhalt 14, 1938, 26 (Neudruck in Aus
gewählte Schriften Bd. 2, 1961, 335 ff.) und fortgeführt von Beumann S. 24,
ebenso HZ 180, 1955, 461 ff. 480 f.
20 Wem die von Edmund E. Stenge], Abhandlungen und Untersuchungen zur
Einleitung 9
10 Einleitung
E. Stenge!, Widukind von Corvey und das Kaisertum Ottos des Großen, Ab
handlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens 1965 ,
56-91.
W. v. Stetten, Der Niederschlag liudolfingischer Hausüberlieferung in den ersten
Werken der ottonischen Geschichtsschreibung. Diss. MS. Erlangen 1954.
H. Wiesemeyer, Die Gründung der Abtei Corvey im Lichte der Translatio
Sancti Viti, Westfälische Zeitschr. 112, 1962, 245-272.
-, Corbie und die Entwicklung der Corveyer Klosterschule vom 9. bis 12. Jahr
hundert, Westfälische Zeitschr. 1 13, 1963, 271-282.
G. Wolf, Designation und designare bei Widukind von Corvey. Zeitschr. d. Sav.
Stiftg. f. Rechtsgesch. German. Abtlg. 73, 1956, 372-375.
Aus der Translatio S. Alexandri (nach der Ausgabe von Krusch in den Nachr. d.
Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen 1933 Phil ..Hist. Kl. S. 423)*.
*Der Mönch Rudolf von Fulda (Näheres über ihn in der Ausgabe der Annales
Fuldenses (Band VII dieser Reihe) S. 66 Anm. 1 und Einleitung S. 2), der die
851 durch Waltbraht, einen Nachkommen des Sachsenherzogs Widukind, erfolgte
Übertragung der Gebeine des hl. Alexander von Rom nach Kloster Wildeshausen
zu beschreiben übernommen hatte, stellte an den Anfang, fast ein Jahrhundert
vor dem Mönch von Corvei, die im Vorstehenden abgedruckte sächsische
Stammessage, wie sie wohl in Widukinds Geschlecht fortlebte, und konnte seine
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Das Sachsenvolk ist nach einer Überlieferung aus alter Zeit von den
Angeln, den Bewohnern Britanniens, ausgegangen und nach der Fahrt
über den Ozean in der Absicht und unter dem Zwang, Wohnsitze zu fin
den, an der Küste Germaniens gelandet in einer Gegend namens Radeln
s zur Zeit, da der Frankenkönig Thiodric im Kampf gegen seinen Schwager
Irminfrid, den Fürsten der Thüringer, deren Land mit Feuer und Schwert
grausam heimsuchte . Und als sie schon in zwei Schlachten mit wechseln
dem Glück und unentschieden unter j ämmerlichen Verlusten ihrer Leute
miteinander gestritten hatten, schickte Thiodric, der sich in seiner Hoff-
1 0 nung auf Sieg getäuscht sah, Gesandte zu den Sachsen, deren Führer
Hadugot war. Er hatte nämlich gehört, warum sie gekommen waren, und
indem er ihnen für den Fall eines Sieges Wohnsitze versprach, stellte er sie
als seine Bundesgenossen an, und weil sie mit ihm sozusagen schon für
Freiheit und Vaterland tapfer kämpften, wurde er Herr über seine Geg-
15 ner. Und nachdem die Eingeborenen geschlagen und nahezu ausgerottet
waren, wies er deren Land seinem Versprechen gemäß den Siegern an.
Diese verteilten es nach dem Lose, und weil viele von ihnen im Krieg
gefallen waren (in der Tat konnte nicht das ganze Land von ihnen wegen
ihrer geringen Zahl besiedelt werden), so übergaben sie einen Teil davon,
20 und zwar in erster Linie den östlichen, Hörigen, jeder entsprechend
seinem eigenen Anteil, zur Bewirtschaftung gegen eine Abgabe. Das übrige
Land aber nahmen sie selbst in Besitz, wobei sie im Süden die Franken
als Nachbarn hatten und den Teil der Thüringer, der vom vorausgehenden
Kriegssturm nicht betroffen war ( die Grenze bildete der Lauf der Un-
25 strut), im Norden die Normannen, sehr eigenwillige Völker, im Osten die
Obodriten und im Westen die Friesen, lauter Nachbarn, gegen die sie
ihr Land ohne Unterbrechung durch einen Vertrag oder eine Entschei
dungsschlacht zu schützen gezwungen W<!ren. Sie waren nämlich sehr
14 Translatio S . Alexandri
Translatio S. Alexandri 15
unruhig und bildeten eine ständige Gefahr für die Wohnsitze ihrer Nach
barn. Untereinander aber waren sie friedfertig und in ruhiger Freundlich
keit auf die Vorteile ihrer Mitbürger bedacht. Sie waren auch umsichtig
besorgt für ihre Eigenart und Vorrangstellung, und da sie sich nicht
5 leicht durch eheliche Verbindungen mit anderen oder gar unterlegenen
Völkern befleckten, gelang es, aus ihrem Volk ein unvermischtes ohne
seinesgleichen zu machen. Darum haben sie auch fast alle dieselbe Gestalt
und Leibesgröße und dieselbe Haarfarbe, wenigstens soweit das bei einem
so großen Volk möglich ist. Aus vier verschiedenen Gruppen setzt sich
10 dieses Volk zusammen, nämlich aus Adeligen, Freigeborenen, Freigelas
senen und Sklaven, und es ist gesetzlich geregelt, daß bei ehelichen Ver
bindungen keiner die Grenzen seines Standes überschreitet, sondern der
Adelige eine Adelige zur Frau nimmt, der Freigeborene eine Freigeborene,
aber der Freigelassene sich mit einer Freigelassenen verbindet und der
15 Sklave mit einer Sklavin . Wenn aber einer von diesen eine ihm nicht ent
sprechende Frau von höherem Stand heiratet, soll er das büßen mit dem
Verlust seines Lebens. Sie hatten auch vortreffliche Gesetze, um Übel
täter zu bestrafen. Überhaupt waren sie in ihrer Sittlichkeit auf vieles
bedacht, was nützlich und ehrenhaft war in Übereinstimmung mit dem
20 Gebot der Natur und was ihnen zur Gewinnung der wahren Seligkeit hätte
verhelfen können, wenn sie nicht, in Unkenntnis ihres Schöpfers, seiner
wahren Verehrung abgeneigt gewesen wären.
I
cus primus regnavit, pauca scribere curavi, ut ea legendo animum
oblectes, curas releves, pulchro otio vaces. Legat igitur tua claritas
istum libellum ea pietate nostri memor, qua est conscriptus devotione.
Vale.
EXPLICIT PREPHATIO 20
1 {los virginalis weist auf den geistlichen Stand als Ä btissin, maieataa imperialia
auf den weltlichen Stand als Kaisertochter, sapientia singularis auf die höhere
Bildung. Ihre Grabschrift (t 999) bei Edmund E. Stenge!, DA 3, 1939, 361-370.
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erfreust. Möge daher deine erlauchte Person dieses Büchlein lesen und
meiner mit soviel Huld gedenken, wie es mit Ergebenheit verfaßt ist.
Lebe wohl.
ENDE DER VORREDE
2Sall. Cat. 4.
8rerum dominU8 auch I 39. 4l .Ill . 32. 36. Zur Bedeutung vgl. Beumann
s. 232 f.
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INCIPIUNT CAPITULA
laon.
1111. Quod graviter adventum eorum Thuringi ferant et
cum eis pugnent.
V. Quomodo adolescens terram auro comparavit.
VI. Thuringi accusant Saxones de rupto foedere, Saxones 10
autem victores existunt.
VII. Unde Saxones dicantur.
VIII. Nomen Saxonum celebre fit, et a Brettis in auxilium
sumuntur.
VIIII. Thiadricus in regem eligitur et Saxones vocat in auxi- 15
Inhaltsverzeichnis 19
1 9 . Die Ungarn werden von dem großen Karl eingeschlossen, von Arnulf
aber freigelassen.
20. Wie die Ungarn Sachsen verheerten.
21. Heinrich wird Herzog von Sachsen.
30 22. Von Heinrich und Bischof Hatho und Graf Adelbert.
EXPLICIUNT CAPITULA I
SAXONICARUM
27. Heinrich aber bringt, König geworden, das zerrüttete Reich bald in
Ordnung.
28. Von Ludwig und seinen Söhnen.
29. Von Karl und Odo und ihren Nachkommen.
5 30. Wie König Heinrich Lothringen in Besitz nahm.
31 . Von den Söhnen König Heinrichs und von der Königin Mathilde und
ihrer Abkunft.
32. Von den Ungarn und ihrem Gefangenen und daß durch ihn ein neun
jähriger Friede geschlossen wurde .
10 33. Von der Hand des Märtyrers Dionysius.
34. Von dem heiligen Märtyrer Vitus.
35. Wie König Heinrich die neun Friedensjahre benutzte.
36. Von den Redariern, wie sie besiegt wurden .
37. Von der Hochzeit des Königssohnes.
15 38. Die Rede des Königs, und wie er die Ungarn in offenem Kampfe
besiegte.
39. Wie er als Sieger zurückkehrte, und von seiner Person.
40. Wie er die Dänen besiegte.
41 . Wie er erkrankt und stirbt, und wo er bestattet wird.
1 . Nach den Erstlingen meiner Werke, in denen ich die Siege der
Streiter des höchsten Gebieters dargestellt habe, möge sich niemand
25 wundern, wenn ich die Taten unserer Großen niederschreiben will ; da ich
in jener Arbeit nach Kräften erfüllt habe, was ich meinem Mönchsgelübde
schuldig war, so entziehe ich mich nun nicht der Pflicht, meine Kräfte der
ergebenen Treue gegenüber meinem Haus und meinem Volkl, soweit ich
vermag, zu weihen.
30 2. So werde ich denn zu Anfang etwas über Ursprung und Zustand des
Volkes sagen, wobei ich in diesem Teil fast allein der Sage folge, da die
allzu ferne Zeit beinahe jegliche Gewißheit verdunkelt. Denn die Meinungen
darüber sind verschieden, indem die einen glauben, die Sachsen stammen von
den Dänen und Normannen ab, andere aber, wie ich selbst in früher Jugend
35 einen rühmen hörte, von den Griechen, da sie selber angeben, die Sachsen
pulvere sinum tibi inpleo ? ' Erat enim in presenti loco egesta hurnus
plurirna. Saxo nichil cunctatus aperit sinurn et accipit hurnum, ilico
que Thuringo tradidit aururn. Laetus uterque ad suos repedat. Thu
ringi Thuringum laudibus 5 ad caelum tollunt, qui nobili fraude Saxo
nern deceperit, fortunatumque eurn inter ornnes rnortales fuisse, qui Jo
Hegesippus (CSEL LXVI) II 9 werden die Sachsen nicht erwähnt, sondern nur
die Germanen allgemein. Vielleicht meint Widukind die Stelle V 15 (CSEL LXVI
319) : tremit Saxonia inaccessa paludibus .... validissimum genus hominum
perhibetur et praestans ceteris, Worte des Josephus in einer Rede an die Juden
(nicht in der griechischen Vorlage V 9). Bei Lucanus Phars. I 423 bieten einige
Handschriften Saxones statt des richtigen Suessones.
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seien die Reste des mazedonischen Heeres gewesen, das dem großen
Alexander gefolgt und nach dessen allzufrühem Tode über den ganzen
Erdkreis zerstreut worden sei . Daß es aber ein altes und edles Volk
gewesen, ist kein Zweifel, und es wird ihrer sowohl in der Rede des Agrippa
5 an die Juden bei Josephus 2 Erwähnung getan als auch ein Satz des Dichters
Lucanus dafür geltend gemacht.
3. Für gewiß aber wissen wir, daß die Sachsen zu Schiff in diese Gegen
den gekommen und zuerst an dem Orte gelandet sind, der noch heutigen
tags Radeln 3 heißt.
10 4 . Weil sich aber die Einwohner (es sollen Thüringer gewesen sein)
ihre Ankunft nicht gefallen ließen, griffen sie zu den Waffen gegen sie ;
die Sachsen hingegen leisteten kräftigen Widerstand und behaupteten den
Hafen. Nachdem man lange miteinander gekämpft hatte und viele auf
beiden Seiten gefallen waren, beschlossen beide Teil e, über den Frieden
15 zu verhandeln und einen Vertrag zu schließen ; und es wurde der Vertrag
mit der Bedingung geschlossen, die Sachsen sollten verkaufen und kaufen
dürfen, j edoch sich das Land nicht aneignen, und sich des Mordens und
Raubens enthalten. Und es bestand dieser Vertrag unverletzt viele Tage .
Da es aber den Sachsen an Geld fehlte und sie überhaupt nichts zu ver-
20 kaufen und zu kaufen hatten, meinten sie, daß der Friede für sie nutzlos
wäre.
5. Nun traf es sich um diese Zeit, daß ein junger Mann, beladen mit
vielem Golde, einem goldenen Halsring und goldenen Armspangen d azu,
an Land ging. Dem begegnete einer der Thüringer und sagte : "Wozu
25 eine solche Menge Gold um deinen abgezehrten Hals 4 ?" "Ich suche einen
Käufer," erwiderte j ener, "zu keinem anderen Zwecke trage ich dieses
Gold ; denn wenn ich vor Hunger verschmachte, welches Gold könnte
mich erfreuen ? " Darauf fragte j ener, was der Preis sei und wie hoch .
"Der Preis," sagte der Sachse, " kümmert mich nicht ; was du mir gibst,
30 das behalte ich als willkommene Gabe . " "Wie nun", sagte j ener höhnisch
zu dem Jüngling, "wenn ich mit diesem Staube dir den Bausch deines
Kleides fülle ? " Es lag nämlich gerade an der Stelle ein großer Erdhaufen
ausgehoben. Der Sachse öffnete ohne zu zögern sein Gewand, empfing
die Erde und überlieferte sofort dem Thüringer das Gold. Beide eilten
35 fröhlich zu den Ihrigen zurück . Die Thüringer erhoben den Thüringer in
den Himmel 5, daß er den Sachsen auf eine so auffällige Art betrogen habe
und daß er der glücklichste unter allen Menschen gewesen sei, da er für
3 Name einer Landschaft links der Unterelbe. Zur Sache vgl. Rudolf von
incutere coeperunt.
VII. Fuerunt autem et qui hoc facinore nomen illis inditum tra
dant. Cultelli enim nostra lingua 'sahs' dicuntur, ideoque Saxones
nuncupatos, quia cultellis tantam multitudinem fudissent. !
einen Spottpreis in den Besitz einer solchen Menge Goldes gekommen sei.
Ihres Sieges gewiß, triumphierten sie schon gewissermaßen über die
Sachsen. Mittlerweile kam der Sachse, seines Goldes ledig, hingegen schwer
mit Erde beladen, zu den Schiffen. Als ihm nun seine Genossen entgegen-
5 kamen und erstaunt fragten, was er tue, fing ein Teil seiner Freunde an,
ihn zu verlachen, andere machten ihm Vorwürfe ; alle aber zusammen
hielten ihn für einen Narren . Er aber bat um Ruhe und sprach : "Folgt
mir, meine guten Sachsen, und ihr werdet zugeben, daß meine Torheit
euch von Nutzen ist." Obgleich ungläubig, folgten sie ihm doch. Er aber
10 nahm die Erde, streute sie so dünn als möglich über die benachbarten
Felder und gewann so den Platz für ein Lager.
6. Als aber die Thüringer das Lager der Sachsen sahen, schien ihnen die
Sache unerträglich. Sie schickten Gesandte und klagten wegen Friedens
bruchs und Vertragsverletzung seitens der Sachsen. Die Sachsen ant-
1 5 warteten, sie hätten bisher den Vertrag gehalten, ohne ihn zu verletzen ;
das um ihr Gold erworbene Land wollten sie in Frieden behaupten oder
j edenfalls mit den Waffen verteidigen. Daraufhin verwünschten nun die
Eingeborenen das sächsische Gold und erklärten den Mann, den sie kurz
vorher noch glücklich gepriesen hatten, für schuldig an ihrem und ihres
20 Landes Untergang. Dann stürmten sie zornentbrannt in blinder Wut 6
ohne Ordnung und Plan auf das Lager los. Die Sachsen aber empfingen die
Feinde wohlvorbereitet, warfen sie nieder und nahmen nach dem glück
lichen Ausgang des Kampfes von der nächsten Umgebung nach dem
Rechte des Krieges Besitz . Als nun lange und wiederholt von beiden
25 Seiten gefochten worden war und die Thüringer damit rechnen mußten,
daß die Sachsen ihnen überlegen sein würden, stellten sie durch Unter
händler das Verlangen, es sollten beide Teile unbewaffnet zusammen
kommen und von neuem über den Frieden verhandeln, nachdem dafür
Ort und Zeit ausgemacht sei . Die Sachsen erwiderten, sie würden dem
30 Verlangen nachkommen. Nun waren in j enen Tagen bei den Sachsen
große Messer im Gebrauch, wie sie die Angeln nach der Weise des alten
Volkes noch heutigentags führen. Mit dieser Waffe unter dem Mantel
kamen die Sachsen aus ihrem Lager und trafen mit den Thüringern an
dem festgesetzten Orte zusammen. Und da sie sahen, daß die Feinde
3 5 unbewaffnet und alle Häuptlinge der Thüringer zugegen waren, hielten
sie die Zeit für gekommen, sich der ganzen Gegend zu bemächtigen,
zogen ihre Messer, stürzten sich auf die Wehrlosen und Überraschten und
stießen alle nieder, so daß nicht einer von ihnen am Leben blieb . Damit
fingen die Sachsen an, bekannt zu werden und den Nachbarvölkern einen
40 gewaltigen Schrecken einzuj agen.
7. Einige erzählen aber auch, daß sie von dieser Tat den Namen be
kommen haben. Messer nämlich heißen in unserer Sprache Sahs ; und sie
seien deshalb Sachsen genannt worden, weil sie mit ihren Messern eine
solche Menge niedergemacht hätten.
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der bei Paulus Diaconus Hist. Rom. XIV 19 (MG AA II 207) das Opfer einer
Verschwörung wird. Jedenfalls hat es nie einen Kaiser namens Martialis gegeben.
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Eingreifen in Britannien 27
ein ungeheueres Bollwerk aufgeführt hatten. Aber dem kühnen und kriegs
lustigen Feinde fiel es nicht schwer, das Bollwerk zu zerstören, wo ihm ein
weichliches, dem Kriege abgeneigtes Volk entgegentrat. So kam es, daß
sie auf die Kunde von den Erfolgen der Sachsen eine Bittgesandtschaft
15 schickten, um von ihnen Hilfe zu erflehen . Und die Gesandten traten vor
und sprachen : " Ihr trefflichen Sachsen, die unglücklichen Briten, durch
unablässige Einfälle der Feinde ermattet und sehr bedrängt, haben von
euren so herrlich vollbrachten Siegen gehört und uns zu euch gesandt,
mit der Bitte, ihnen eure Hilfe nicht zu versagen. Sie unterwerfen ihr weites
20 und geräumiges Land 8, das gesegnet ist mit der Fülle j eglicher Güter,
j egliche Knechtschaft, welche ihr uns auferlegen werdet. " Die Väter er
widerten hierauf kurz : " Wisset, daß die Sachsen den Briten zuverlässige
Freunde sein und ihnen für ihre Nöte und Vorteile stets in gleicher
Weise beistehen werden." Fröhlich kehrten die Gesandten in ihre Heimat
30 zurück und riefen durch die erwünschte Nachricht bei ihren Genossen
große Freude hervor. Nun wurde das versprochene Heer nach Britannien
geschickt ; gerne von den Freunden aufgenommen, befreite es in kurzem
das Land von den Räubern und gab den Einwohnern ihr Vaterland
zurück. Denn es kostete ihnen nicht eben viel Mühe, dies zu vollbringen,
35 denn sie, die schon der seit langem gehörte Ruf der Sachsen mit Ent
setzen erfüllte, trieb erst recht ihr persönliches Auftreten in die Flucht.
Diese den Briten feindlichen Völker waren die Scoten und Pikten, und
solange die Sachsen gegen diese im Feld standen, erhielten sie alles zum
Leben Nötige von den Briten. Und so blieben sie geraume Zeit in dem
40 Lande und nutzten die gegenseitige Freundschaft mit den Briten gut aus.
9 Beda Hiat. eccl. I 23. Das ganze Kapitel gibt sich als angehängter Auszug
aus Beda I 12-15 zu erkennen.
10 Widukind gestaltet in cap. 9-13 eine auch den Quedlinburger Annalen
(MG SS III 3 1 ) bekannte Sage, die als ,Iringlied' in die Literaturgeschichte ein·
gegangen ist (Hermann Schneider, German. Heldensage 2,2, Berlin 1934, 138).
Ioa
Gemeint ist Chlodwig, der 511 starb und vier Söhne hinterließ, deren
ältester in den Quedlinburger Annalen (MG SS III 3 1 ) heißt : Hugo Theodoricus
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Als aber ihre Heerführer sahen, wie das Land geräumig und fruchtbar
und wie die Hände der Einwohner zum Kriege faul, sie hingegen und der
größte Teil der Sachsen ohne feste Wohnsitze waren, ließen sie ein noch
größeres Heer nachkommen, schlossen mit Scoten und Pikten Frieden,
5 dann erhoben sie sich gemeinsam gegen die Briten, vertrieben diese aus
dem Lande und wiesen es ihrem Herrschaftsbereich zu. Und weil j ene
Insel gewissermaßen in einem Winkel des Meeres liegt, werden sie bis
auf den heutigen Tag Angelsachsen genannt. Wenn sich j emand über das
alles genauer unterrichten will, so lese er die Geschichte dieses Volkes 9
10 und er wird hier finden, wie und unter wessen Führung dies alles geschehen
ist und wie sie zum christlichen Glauben durch den heiligsten Mann seiner
Zeit, nämlich Papst Gregorius, gelangt sind . Wir aber wollen zu dem
angefangenen Gang durch die Geschichte zurückkehren.
9.1° Hiernach starb der Frankenkönig Hugo10a, der keinen anderen
15 Thronerben hinterließ außer einer Tochter namens Amalberga11, die mit
Irminfrid, dem König der Thüringer, vermählt war. Aber das Volk der
Franken, das von seinem Gebieter gütig und mild behandelt worden war,
wollte sich dankbar zeigen und salbte einen Sohn, den er mit einer Bei
schläferin gezeugt hatte, namens Thiadrich12 zu seinem Könige . Als nun
20 Thiadrich zum Könige bestimmt worden war, schickte er eine Gesandt
schaft zu Irminfrid um des Friedens und der Eintracht willen. Als der
Gesandte vor Irminfrid trat, sagte er : "Der Beste und Größte unter den
Sterblichen , mein Herr Thiadrich, hat mich zu dir entsandt ; er wünscht
dir Gesundheit und lange Herrschaft über dein weites und großes Reich
25 und läßt dir melden, er sei nicht dein Herr, sondern dein Freund, nicht
dein Gebieter, sondern dein Verwandter und wolle dir seine Pflichten als
Verwandter unverbrüchlich bis an sein Ende bewahren ; nur bittet er
dich, in die Eintracht des Frankenvolkes nicht Zwietracht zu bringen ;
denn sie folgen ihm als dem Könige, den sie sich gesetzt haben . " Hierauf
30 erwiderte Irminfrid, wie es der königlichen Würde entsprach, gnädig
Als aber die Königin hörte, daß ein Gesandter ihres Bruders gekommen sei
( Hugdietrich) , quia olim omnes Franci Hugones vocabantur a suo quodam duce
Hngonc.
11 Amalberga war eine Nichte (oder Schwester ? ) des Ostgotenkönigs Theo
dorich.
12 Theuderich, dessen uneheliche Geburt auch Gregor von Tours (II 28) er
haec satis commotus : 'Mallem', inquit, ' hoc caput meum tibi tradere
quam huiuscemodi verba a te audire, sciens ea multo sanguine Fran
eorum atque Thuringorum diluenda' . Et haec dicens reversus est ad
Thiadricum ; quae audivit non celat. Thiadricus autem nimiam iram
vultu celans sereno : ' Oportet nos ' , inquit, 'ad servitium Irminfridi 25
und mit dem Könige über die Thronfolge gesprochen habe, gab sie dem
!ring den Rat, mit ihr zusammen ihren Gemahl davon zu überzeugen,
daß nach dem Erbrecht das Königreich ihr zugefallen sei, weil sie die
Tochter des Königs und die Tochter der Königin war ; daß Thiadrich
s hingegen als Sohn einer Beischläferin sein Knecht sei und daß es demnach
sich für ihn nicht zieme, dem eigenen Knechte je zu huldigen. Es war aber
!ring ein kühner Mann, ein tapferer Degen, von lebhaftem Geiste 14 und
scharfem Verstand, zäh im Handeln, leicht imstande, andern seinen Willen
einzureden, und hatte dadurch das Herz des Irminfrid gewonnen. Nach-
IO dem nun die Fürsten und engsten Freunde zusammengerufen waren.
legte ihnen Irminfrid die Worte des Gesandten vor. Aber j ene rieten ihm
einmütig, eine friedliche15 und einträchtige Gesinnung zu hegen ; denn er
sei den Angriffen der Franken nicht gewachsen, zumal er von einer anderen
Seite durch noch heftigere feindliche Angriffe bedrängt werde. !ring
15 aber, den Wünschen des übermütigen Weibes zu genügen, redete dem
Irminfrid ein, er dürfe den Franken nicht nachgeben, in betreff der Thron
folge vertrete er die gerechtere Sache, dazu sei sein Reich weit und groß,
und was die Zahl der Krieger, die Waffen und übrigen Hilfsmittel zum
Kriege anbelange, so sei zwischen ihm und Thiadrich wenig Unterschied.
2 0 Diesen Worten gemäß antwortete Irminfri d dem Gesandten, er verweigere
dir dieses mein Haupt überantworten, als derartige Worte von dir hören,
denn ich weiß , daß sie mit vielem Blute der Franken und Thüringer
werden gesühnt werden . " Nach diesen Worten kehrte er zurück zu
Thiadrich ; was er gehört, verhehlte er nicht. Thiadrich aber sprach,
3 0 während er seinen maßlosen Zorn unter einer heiteren Miene verbarg :
"Wir müssen eiligst unseren Dienst bei lrminfrid antreten, damit wir,
denen man die Freiheit nimmt, wenigstens das nackte Leben behalten. "
Als e r sich nun mit seinem gewaltigen Heere der Grenzmark der
Thüringer näherte, traf er, gleichfalls mit einem mächtigen Haufen,
3 5 seinen Schwager16, der ihn an einem Orte erwartete, namens Runi
bergun17. Und als es zum Kampfe kam, stritt man ohne Entscheidung
einen Tag und den folgenden ; am dritten Tage floh Irminfrid besiegt vor
Thiadrich und zog sich auf der Flucht endlich mit dem Rest des Gefolges
in die Burg Scheidungen an der Unstrut zurück. Thiadrich aber ver-
die Ronneberge bei Nebra an der Unstrut, etwa 15 Kilometer von Burgschei
dungen, Ruhnsburg an der westlichen Hainleite. Die Schlacht fand wohl 531
statt.
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sammelte seine Feldherren und die Hauptleute der Krieger seines Heeres
und bat sie um ihre Meinung, ob man Irminfrid verfolgen oder ins Vater
land zurückkehren solle . Unter ihnen sprach Waldrich18, als er um seinen
Rat gefragt wurde : "Ich bin der Meinung, um die Gefallenen zu begraben,
5 die Verwundeten zu versorgen und ein größeres Heer zusammenzubringen,
soll man ins Vaterland zurückkehren ; denn ich glaube nicht, daß wir nach
dem Verlust vieler Tausende der Deinigen stark genug sein können, um
den gegenwärtigen Krieg zu beendigen. Denn wenn sich barbarische19
Völker ohne Zahl gegen uns erheben, durch wen willst du siegen, da so
1 0 viele der Unsrigen verwundet sind ? " Es hatte aber Thiadrich einen sehr
gescheiten Diener, dessen Rat er oft als brauchbar erfahren hatte und
mit dem er darum freundschaftlich verbunden war 20• Dieser, aufgefordert
seine Meinung abzugeben, sprach : "In ehrenvollen Angelegenheiten halte
ich immer für das Schönste die Beharrlichkeit, die unsere Vorfahren so
15 hochhielten, daß sie begonnene Unternehmungen selten oder nie auf
gaben ; indes glaube ich nicht, daß man unsere Mühen den ihrigen gleich
stellen darf, die mit geringen Kräften ungeheuere Heere anderer Völker
überwunden haben. Jetzt ist das Land in unserer Gewalt, wollen wir da
durch unseren Abzug den Besiegten Gelegenheit zu siegen geben ? Auch
20 ich würde es begrüßen, wenn ich ins Vaterland zurückkehren und den
Kreis meiner nächsten Freunde sehen könnte, wenn ich wüßte, daß unser
Gegner während dieser Zeit Ruhe hält. Aber vielleicht brauchen das
unsere Verwundeten ? Dann soll man sich um den Lagerdienst mühen ;
unverdrossenen Mutes, denke ich, ist dies das größte Vergnügen. Unser
zs Heer ist also, da so viele gefallen, bedeutend gelichtet21• Sind die Feinde
alle entkommen ? Sicher nur die wenigsten ; denn der Anführer selbst
vergräbt sich, wie sich ein schwaches Tierchen in seinem Versteck schützt,
hinter den Mauern der Burg und wagt nicht einmal, den Himmel ruhig
anzuschauen, so beherrscht ihn die Furcht vor uns ! Aber es fehlt ihm nicht
30 an Geld, barbarische Nationen anzuwerben, nicht an Mannschaften,
auch wenn sie j etzt erschöpft sind. Alles dies j edoch wird in unserer
Abwesenheit wieder ergänzt. Es ist unrühmlich, wenn Sieger den Be
siegten Gelegenheit zum Siege geben . Sind wir etwa zahlreich genug, für
j ede Burg eine Besatzung zu stellen ? Und diese verlieren wir alle, wäh-
35 rend wir abziehen und zurückkehren."
Auf diese seine Ausführungen hin beschlossen Thiadrich und alle nach
Siegesruhm Begierigen, im Lager zu bleiben und zu den Sachsen, die
schon lange die heftigsten Feinde der Thüringer waren, zu schicken, daß
sie ihnen Hilfe leisten : wenn sie den lrminfrid besiegten und die Burg
40 einnähmen, so würde er ihnen das Land zu ewigem Besitze geben. Die
Sachsen schickten unverweilt und ohne langes Besinnen neun Heerführer,
j eden mit tausend Kriegern. Und als die Führer das Lager betraten, j eder
2° Cic. de off. I 17,55 : familiaritate coniuncti.
21 Vgl. Caes. bell. civ. III 89 : proeliis vehementer attenuata.
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22 1. Macc. 7,10.
23 Nach Verg. Aen. I 520. XI 248 data copia fandi.
2' Die Franken schoren das Haupthaar.
25 Im Gegensatz dazu ist Otto d. Gr. bei der Krönung tunica stricta more
Franeorum indutus (II 1 S. 86 Z. 19).
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mit hundert Kriegern, während sie die übrige Menge außerhalb des
Lagers ließen, grüßten sie den Thiadrich mit friedlichen Worten 22•
Thiadrich nahm diese Begrüßung mit großer Freude entgegen, wechselte
den Handschlag mit ihnen und erteilte ihnen das Wort 23• Jene aber
s sprachen : "Das Volk der Sachsen, dir ergeben und gehorsam deinen Be
fehlen, hat uns zu dir gesandt ; und siehe , wir sind da, bereit zu allem,
was dein Wille dir eingibt, bereit, entweder deine Feinde zu besiegen oder,
wenn es das Schicksal anders gebieten sollte, für dich zu sterben. Denn
wisse, für die Sachsen gibt es nichts anderes als siegen wollen oder im
1 0 andern Falle nicht weiterleben ; denn wir können ja unseren Freunden
keine größere Gunst erweisen, als daß wir für sie rlen Tod verachten ; und
daß du dies aus eigener Erfahrung kennenlernen mögest, ist unser heißer
Wunsch. " Als jene so sprachen, bewunderten die Franken die durch
Körperkraft und Mut hervorragenden Männer ; sie wunderten sich auch
IS über die ungewohnte Tracht, auch über ihre Bewaffnung unrl das über
die Schultern wallende Haar 24 und vor allem über die gewaltige Festig
keit ihres Mutes. Sie waren nämlich bekleidet mit Umhängen 25 und bewehrt
mit langen Lanzen, standen gestützt auf kleine Schilde und hatten an
den Hüften lange Messer. Einige sagten auch, so viele derartige Freunde
20 brauchten die Franken nicht ; sie würden eine unzähmbare Art Menschen
sein, und wenn sie das Land hier bewohnten, so würden ohne Zweifel sie
es sein, die dereinst das Reich der Franken zerstörten. Thiadrich aber,
für seinen eigenen Nutzen sorgend, nahm die Männer als Verbündete auf
und befahl ihnen, sich zum Angriff auf die Burg 26 vorzubereiten. Als sie
2S vom König zurückkehrten , schlugen sie ihr Lager auf südlich der Burg auf
den Wiesen am Fluß ; und am folgenden Tage erhoben sie sich mit dem
ersten Morgenstrahl, griffen zu den Waffen, nahmen die Vorburg ein und
steckten sie in Brand. Nachdem sie die Vorburg genommen und ange
zündet hatten, stellten sie sich rlem östlichen Tore gegenüber zur Schlacht
30 auf27• Als die in den Mauern Eingeschlossenen die Reihen geordnet und
sich selbst in der äußersten Not sahen, machten sie kühn aus den Toren
einen Ausfall, stürmten in blinder Wut auf ihre Gegner, und nach dem
Speerwurf ging der Kampf mit dem Schwerte weiter. Da sich nun eine
grimmige Schlacht entspann, wurden sehr viele auf beiden Seiten er-
3S schlagen. Während jene für das Vaterland, für Weib und Kind, endlich
für ihr Leben kämpften, die Sachsen aber für den Ruhm und um Land
erwerb stritten, erhob sich das Geschrei der sich gegenseitig anfeuernden
Männer, das Geklirr der Waffen und das Stöhnen der Sterbenden, und
über solchem Schauspiel zog sich der ganze Tag hin. Indem nun überall
est quidam cum accipitre victum quaeritans supra litus fluvii supra
dicti. Emisso vero volucre, quidam ex Saxonibus in ulteriore ripa
ilico eum suscepit. Quo rogante, ut remitteretur, Saxo dare negavit.
Ille autem : 'Da ' , inquit, 'et secretum tibi sociisque utile prodam' .
Saxo econtra : 'Die, u t accipias quod quaeris' . 'Reges' , inquit, 'inter 30
das Morden wütete, überall Geschrei sich erhob und keines der beiden
Heere vom Pl atze wich, trennte erst der schon sinkende Tag den Kampf.
An diesem Tage wurden von den Thüringern viele getötet, viele ver
wundet ; von den Sachsen aber zählte man sechstausend Gefallene .
s 10. Nun wurde Iring von Irminfrid mit demütig flehender Botschaft
und allen seinen Schätzen an Thiadrich gesandt um Frieden und freiwillige
Ergebung. Und Iring erschien und sprach : "Dieses hat dir dein ehe
maliger Verwandter, nun dein Knecht, geschickt, damit du, falls du nicht
mit ihm Mitleid hast, dich wenigstens deiner unglücklichen Schwester
1 0 erbarmest und deiner Neffen, die sich in äußerster Not befinden. " Als er
dies unter Tränen vorgebracht hatte, fügte eine Fürbitte der mit Gold
bestochenen Häuptlinge noch hinzu : eines Königs Huld dürfe eine solche
Bitte nicht abweisen ; auch solle er nicht, was sie Gemeinsames hätten,
vergessen ; und es sei nützlicher, denj enigen zum Bundesgenossen zu
1 5 machen, welchen er bereits besiegt und so geschwächt habe, daß er sich
niemals gegen ihn empören könne, als jenes unbändige und j eder An
strengung gewachsene Volk, von dem das Frankenreich nichts als Gefahr
erwarten dürfe . Schon aus dem bisherigen Verlauf des Kampfes könne er
erkennen, wie hart und unüberwindlich die Sachsen seien ; und es sei daher
20 besser, sich mit den Thüringern zu vereinigen und j ene gemeinsam aus ihrem
Gebiet zu vertreiben. Durch solche Reden ließ sich Thiadrich, obwohl mit
Widerstreben, umstimmen und versprach, am folgenden Tage seinen
Schwager in Gnaden anzunehmen und sich von den Sachsen zu trennen.
Sobald Iring dies vernommen, warf er sich dem Könige zu Füßen, lobte
25 den Ausspruch fürstlicher Huld, dann schickte er an seinen Herrn die
ersehnte Botschaft und machte dadurch diesen fröhlich und die ganze
Burg frei von Sorgen, doch blieb er selbst im Lager, damit nicht diese
Nacht eine schlimme Wendung bringe . Unterdessen ging aus der Burg,
welche sich durch die Verheißung des Friedens in Sicherheit glaubte, ein
30 Thüringer mit einem Falken heraus und suchte am Ufer des oben erwähn
ten Flusses Nahrung. Als er aber den Vogel hatte steigen lassen, nahm ihn
einer von den Sachsen am j enseitigen Ufer alsbald in Empfang. Obgleich
j ener darum bat, ihm den Vogel herauszugeben, weigerte sieh der Sachse .
Jener aber sprach : "Gib ihn heraus, und ich will dir ein Geheimnis ver-
3 5 raten, welches dir und deinen Genossen von Nutzen sein wird . " Der Sachse
nullu sque locus in omni urbe quietus, donec aurora rutilans surgit
28
Nach Verg. Aen. VI 304 : iam senior, sed eruda deo viridisque seneetWI.
28
Dieser Ausdruck im Sinne von ,Stammvater von Volk und Geschlecht'
ist wohl dem Heldenlied entnommen, vgl. ealdoran ealdor im Beowulflied.
30 Rudolf von Fulda Translatio S. Alexandri (s. S. 10 Z. 1 1) nennt einen
Sachsenherzog Hadugoto.
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unserer Väter sind mir die rings um uns hingestreckten Leichen unserer
Freunde, die lieber sterben, als sich besiegen lassen wollten, lieber die
ungebeugte Seele aushauchen, als vor Feinden vom Platze weichen woll
ten. Doch wozu habe ich es nötig, mit so viel Worten eine Aufforderung
20 zur Todesverachtung von mir zu geben ? Siehe, wir werden gegen Arglose
antreten, nur zum Töten, nicht zum Kämpfen. Denn wegen des ver
heißenen Friedens und unserer schweren Verluste ahnen sie kein Unheil ;
noch bleiben sie, durch den heutigen Kampf ermüdet, wie sie sind, ohne
Besorgnis, ohne Wachen und die übliche Vorsicht. Stürzen wir uns also
2 5 auf die Ahnungslosen und Schlaftrunkenen 31 ; es macht nicht viel Mühe ;
folgt mir als Führer, und dies mein graues Haupt überantworte ich euch,
wenn, was ich sage, nicht eintrifft. "
Ermutigt durch seine vortrefflichen Worte, verwandten sie nun den
Rest des Tages darauf, sich auszuruhen. Darauf griffen sie in der ersten
30 Nachtwache, wo der festeste Schlaf sich der Menschen zu bemächtigen
pflegt, auf ein gegebenes Zeichen zu den Waffen, stürmten, dem Führer
folgend, gegen die Mauern und drangen, als sie diese ohne Posten und
Wachen fanden, in die Burg ein mit gewaltigem Geschrei. Dadurch auf
geschreckt, suchten ihre Gegner teils in der Flucht ihr Heil, teils irrten sie
35 umher in den Straßen und auf den Mauern der Burg wie Trunkene ; andere
fielen den Sachsen, die sie für ihre Mitbürger hielten, in die Hände. Diese
aber überlieferten alle Erwachsenen dem Tode ; die noch nicht Erwach
senen sparten sie für die Beute auf. Und es war j ene Nacht erfüllt von
Geschrei, Mord und Plünderung und kein Ort ruhig in der ganzen Burg,
31 Verg. Aen. II 265 somrw vinoque sepultam. III 630 vinoque sepultas. Vgl .
unten II 20 (S. 106 Z. 2 1 ) .
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bis die rosige Morgenröte emporstieg und den unblutigen Sieg 32 enthüllte.
Da aber die Ergreifung der Person des Königs, nämlich Irminfrids, die
Krönung des Sieges bedeutet hätte, suchte man nach ihm, fand aber,
daß er mit Gemahlin und Kindern und einem kleinen Gefolge ent-
s kommen war.
1 2 . Als es nun Morgen geworden war, brachten sie ihren Adler an das
östliche Tor 33, errichteten der Siegesgöttin einen Altar und verehrten
gemäß der Irrlehre der Väter in der ihnen eigentümlichen Art der Gottes
verehrung ihr Heiligtum, welches dem Namen nach den Mars vorstellt,
10 dem Bilde nach, die Säulen nachahmend, den Herkules, dem Orte nach
die Sonne, die die Griechen Apollo nennen. Daraus erhellt, daß die Mei
nung derj enigen irgendwie Billigung verdient, welche die Sachsen für
Nachkommen der Griechen halten, weil Mars von uns Hirmin oder Her
mes im Griechischen genannt wird, ein Wort, welches wir unbewußt im
IS lobenden und tadelnden Sinne noch heutigentags anwenden 34• Hierauf
hielten sie drei Tage hindurch ihre Siegesfeier, verteilten die Beute, er
wiesen den Gefallenen die kriegerischen Ehren und priesen ihren Führer
über alle Maßen ; ihm, riefen sie, müsse ein göttlicher Geist und über
menschliche Tapferkeit innewohnen, da er sie durch seine Standhaftigkeit
20 dahin gebracht habe, einen so herrlichen Sieg zu erringen. Es ist aber das
alles geschehen, wie die Ü berlieferung unserer Vorfahren berichtet, am
1. Oktober, und es ist dieses Fest des Wahnes auf Geheiß gottesfürchtiger
Männer verwandelt in Fasten und Gebete und in Opfergaben für alle vor
uns dahingeschiedenen Christen .
1S 1 3 . Dann kehrten sie, nachdem sie dies alles vollbracht hatten, zurück
ins Lager zu Thiadrich und wurden von ihm empfangen und höchlichst
belobt und mit diesem Lande beschenkt zu ewigem Besitz . Auch nannte
man sie nun Bundesgenossen und Freunde der Franken, und sie bewohnten
die Burg, welche sie als ihren eigenen Wohnsitz mit Feuer verschont
30 hatten, zum ersten Male. Welches Ende aber den Königen beschieden war,
will ich, als eine merkwürdige Sage, nicht versäumen zu erzählen. Iring
nämlich, der an dem Tage, da die Burg genommen war, zu Thiadrich
geschickt wurde, blieb während der nächsten Nacht als Gast im Lager.
Als aber Thiadrich gehört hatte, daß Irminfrid entkommen sei, suchte
3S er ihn durch List zurückzurufen und durch Iring töten zu lassen, da dieser
mit herrlichen Gaben von ihm beschenkt und mit großer Macht im Reiche
betraut werden, Thiadrich selbst aber als unbeteiligt an dieser Mordtat
erscheinen sollte . Nur ungerne unterzog sich Iring diesem Auftrag ; end
lich, durch trügerische Verheißungen bestochen, gab er nach und erklärte
40 sich bereit, ihm zu willfahren. Irminfrid wurde demnach zurückgerufen
und warf sich dem Thiadrich zu Füßen ; Iring aber, der als Waffenträger
des Königs mit entblößtem Schwerte danebenstand, tötete seinen knienden
eccl. V 10. Lintzel, Sachsen und Anhalt 3, 1927, 39 f. 5, 1929, 6. 1 1 .35.37. 6, 1930,
5 ff.
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Herrn. Sogleich rief ihm der König zu : "Da du durch solchen Frevel,
den Mord an deinem Herrn, allen Menschen verhaßt geworden bist, sollst
du freien Weg haben, von uns hinwegzugehen ; an deiner Freveltat wollen
wir weder Schuld noch Anteil haben. " "Mit Recht", erwiderte Iring, "bin
5 ich allen Menschen verhaßt geworden, weil ich deiner Arglist gedient
habe ; bevor ich j edoch von danneu gehe, will ich dieses mein Verbrechen
sühnen, dadurch, daß ich meinen Herrn räche. " Und wie er mit ent
blößtem Schwert da stand, hieb er auch den Thiadrich selbst nieder,
nahm die Leiche seines Herrn und legte sie über die des Thiadrich, damit
1 0 der wenigstens im Tode siegte, welcher im Leben unterlegen. Und mit
dem Schwerte sich den Weg bahnend, ging er von dannen. Ob diese
Erzählung Glauben findet, liegt beim Leser. Doch können wir uns nicht
genug wundern, daß die Sage solche Bedeutung gewonnen hat, daß mit
!rings Namen die sogenannte Milchstraße am Himmel noch heutigentags
tS bezeichnet wird.
1 4 . Nachdem die Sachsen nunmehr Besitz von dem Lande genommen
hatten, lebten sie im tiefsten Frieden als Bundesgenossen und Freunde
der Franken. Auch teilten sie einen Teil ihrer Ländereien mit ihren
Freunden, die ihnen zu Hilfe gekommen waren, und mit Freigelassenen ;
20 die Reste des geschlagenen Volkes aber verurteilten sie zur Zinspflicht.
Daher wird bis auf den heutigen Tag das sächsische Volk, abgesehen von
den Knechten, nach Abstammung und Gesetz in drei Teile geteilt. Auch
wurde das Herzogtum über das ganze Volk von drei Fürsten verwaltet,
die sich damit begnügten, den Heerbann innerhalb bestimmter Grenzen
25 einzuberufen ; und wir wissen, daß sie nach ihren Wohnorten und Namen
bezeichnet wurden, nämlich als Ostfalen, Engern und Westfalen. Wenn
aber ein allgemeiner Krieg ausbrach 35, wurde einer durch das Los gewählt,
dem alle gehorchen mußten, um den bevorstehenden Krieg zu leiten. War
dieser beendet, dann lebte j eder nach gleichem Recht und Gesetz, zu-
30 frieden mit seiner eigenen Macht.
Ü ber die Verschiedenheit der Gesetze
in diesem Büchlein zu handeln, ist nicht unsere Absicht, da man das
sächsische Gesetz sorgfältig aufgeschrieben bei sehr vielen findet. Die
Sueben j enseits der Bode haben die Gegend, welche sie bewohnen, zu der
Zeit besetzt, da die Sachsen mit den Langobarden nach Italien zogen,
3 5 wie ihre Geschichte erzählt36, und haben darum andere Gesetze als die
Sachsen. Nachdem also die Sachsen die Treulosigkeit der Franken - von
denen wir nicht zu reden brauchen, da man es in ihrer Geschichte 37 auf
geschrieben findet - erfahren hatten, verharrten sie in der Irrlehre ihrer
Väter bis zu den Zeiten Karls des Großen.
36 Paul. Diac. Rist. Lang. II 6 (MG SS. rer. Lang. S. 75,25). Auch von den
XV. Magnus vero Karolus cum esset regum fortissimus, non minori
sapientia vigilabat. Enimvero considerabat, quia suis temporibus omni
mortali prudentior erat, finitimam gentem nobilemque vano errore
retineri non oportere ; modis omnibus satagebat, quatinus ad veram
viam duceretur. Et nunc blanda suasione, nunc bellorum inpetu ad id s
cogebat, tandemque tricesimo imperii sui 38 anno obtinuit - imperator
quippe ex rege creatus est - , quod multis temporibus elaborando non
defecit : ob id qui olim socii et amici erant Francorum, iam fratres et
quasi una gens ex Christiana fide, veluti modo videmus, facta est 39•
XVI. Ultimus vero Karolorum apud orientales Francos imperan- 10
J
bat Oddoni diadema inponere regni. lpse vero quasi iam gravior
reeusabat imperii onus ; eius tarnen eonsultu Cuonradus quondam dux
Franeorum ungitur in regem. Penes Oddonem tarnen summum semper
et ubique fiebat imperium.
XVII. Natus est autem ei filius toto mundo neeessarius, regum 25
maximus optimus, Heinrieus, qui primus libera potestate regnavit in
Saxonia. Qui eum primaeva aetate omni genere virtutum vitam suam
ornaret, de die in diem profieiebat precellenti prudentia et omnium
bonorum aetuum gloria ; nam maximum ei ab adoleseentia studium
erat in glorifieando gentem suam et pacem confirmando 42 in omni 30
38 Im 35. Jahr seines Königtums, das dem 30. Jahr des Kriegs entsprach.
89 Der Gedanke schon bei Einhard Vita Caroli 7 und dem Poeta Saxo 4,
1 1 1-1 1 3 (MG PL IV 1 ,48) : (Saxones) hoc sunt postremo sociati foedere Francis,
ut gens et populus fieret concorditer unus. Ü ber Widukinds Verhältnis zum
Poeta Saxo vgl. Lintzel NA 49, 1932, 183-188.
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15. Der große Karl aber, der alle Könige an Tapferkeit übertraf, zeich
nete sich nicht minder durch Weisheit aus. Denn er erwog, da er zu seiner
Zeit seinesgleichen an Klugheit nicht hatte, daß sein edles Nachbarvolk
im eitlen Irrglauben nicht dürfe befangen bleiben, und bemühte sich auf
s alle Weise, es auf den wahren Weg zu führen. Teils durch sanfte Über
redung, teils durch kriegerische Gewalt zwang er es dazu und erreichte
endlich im dreißigsten Jahre seines Kaisertums 38 - zum Kaiser wurde er,
nachdem er zuvor König gewesen war, erwählt - das Ziel, das er so lange
unablässig im Auge gehabt hatte ; dadurch wurden die, welche einst
1 0 Bundesgenossen und Freunde der Franken waren, nun Brüder, wie wir
j etzt sehen, und gleichsam ein Volk durch den christlichen Glauben 39•
1 6 . Der letzte der Karolinger aber, die in Ostfranken herrschten, war
Ludwig, der Sohn des Arnulf, eines Brudersohnes Karls, des Urgroß
vaters des j etzt regierenden Königs Lothar 40• Dieser 41 lebte nur we-
1 5 nige Jahre, nachdem er sich vermählt hatte mit Liudgard, einer
Schwester Bruns und des mächtigen Herzogs Otto . Der Vater dieser
beiden war Liudolf, der nach Rom reiste und die Reliquien des seligen
Papstes Innozenz herüberbrachte . Von diesen führte Brun, während
er als Herzog über ganz Sachsen schaltete, ein Heer gegen die Dänen
20 und kam, von einer plötzlichen Überschwemmung eingeschlossen, ohne
und den Frieden zu befestigen mit aller seiner Macht 42. Als sein Vater aber
des Jünglings Weisheit und gewaltige Klugheit sah, überließ er ihm die
40 Der westfränkische König Lothar (954-986) hatte Kar! II. (den Kahlen)
zum Ururgroßvater, den Widukind mit Kar! 111. (dem Dicken) verwechselt.
41 Liutgard heiratete 869 Ludwig den Jüngeren, den 882 verstorbenen Sohn
Ludwigs des Deutschen, während Ludwig das Kind unverheiratet gestorben ist.
42 2. Kön. 20,13.
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humana tacti cupidine, multa caede hominum facta, nulli rei proinde
parcebant. Et capta preda magna ad sedes suas reversi sunt. Videntes
autem, quia res eis secus cederent, curn uxoribus ac filiis et omni
agresti suppellectili iterum venientes et finitimas gentes circumquaque
vastantes, Pannoniam postremo inhabitare coeperunt. 30
ta Der Gau Dalminzi entspricht der Gegend um Meißen beiderseits der Eibe
und erstreckte sich auf dem linken Ufer bis zur Chemnitz.
" Jordanis Getica c. 3 f. (MG AA V 1 ,57 ff.), wo die Insel Scandza (Scandzia)
heißt ; auch das folgende ebendaher c. 24 (a. a. 0. 89 ff.) gekürzt. Wegen der
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Führung eines Heeres und den Feldzug gegen die Daleminzier 43, mit denen
er selbst lange kämpfen mußte. Die Daleminzier aber konnten seinem
Angriff nicht widerstehen und holten gegen ihn die Awaren, j etzt Ungarn
genannt, ein wildes, kriegerisches Volk.
5 18. Die Awaren aber waren, wie einige glauben, ein Rest der Hunnen.
Die Hunnen sind von den Goten ausgegangen, die Goten aber, wie Jor
danis 44 erzählt, von einer Insel namens Sulza. Nach ihrem Herzog namens
Gotha aber sind sie Goten genannt worden . Als vor diesem einige Weiber
in seinem Heere der Giftmischerei beschuldigt wurden, wurden sie verhört
1 0 und schuldig befunden . Da ihrer aber viele waren, verzichtete er auf die
verdiente Strafe, wies sie aber alle aus dem Heere. Die Verwiesenen aber
zogen in den nächsten Wald . Da dieser vom Meere und den mäotischen
Sümpfen umschlossen war, gab es keine Möglichkeit, aus ihm heraus
zukommen. Einige von ihnen, die schon schwanger waren, kamen hier
15 nieder. Indem von ihren Kindern immer wieder andere erzeugt wurden,
entstand ein mächtiges Volk . Sie lebten wie die wilden Tiere, ungebildet
und unbändig, und wurden eifrige Jäger. Nach vielen Jahrhunderten aber,
als sie immer noch hier wohnten und keinen anderen Teil der Welt
kannten, geschah es, daß sie eine Hirschkuh auf der Jagd trafen und ver-
20 folgten, bis sie ihr nachsetzend den von allen vorherigen Menschen nie
begangenen Weg durch die mäotischen Sümpfe zurücklegten ; und als sie
hier Burgen und Flecken und ei ne bisher nie gesehene Art von Menschen
erblickten, kehrten sie auf demselben Wege zurück und berichteten
solches ihren Genossen. Diese aber brachen aus Neugier in Menge auf,
2 5 das Gehörte zu prüfen. Als die Bewohner der B urgen und Flecken an
der Grenze die unbekannte Schar und ihr Äußeres, furchtbar durch
Kleidung und Gestalt, erblickten, flohen sie in der Meinung, es seien böse
Geister. Jene aber waren vor Staunen über die neuen Erscheinungen
ganz außer sich und enthielten sich anfangs des Mordes und Raubes ;
30 als aber niemand Widerstand leistete, wurden sie von der den Menschen
eigenen Gier ergriffen, richteten ein furchtbares Blutbad unter den Men
schen an und schonten fortan nichts. Und nachdem sie reiche Beute ge
macht hatten, kehrten sie zu ihren Wohnsitzen zurück. Da sie nun sahen,
daß es ihnen besser ging, kamen sie wieder mit Weib und Kind und ihrem
35 ganzen bäurischen Gerät, suchten ringsumher die Nachbarvölker heim
und begannen endlich in Pannonien zu wohnen.
19. Als sie aber von Karl dem Großen besiegt, über die Donau getrieben
und hinter einem ungeheuren Walle eingeschlossen wurden 46, mußten sie
J
reversi obvium invenerunt alium exer- citum Ungariorum ; qui com
minati sunt bellum inferre amicis eorum, eo quod auxilia eorum
sprevissent, dum illos ad tantam predam duxissent. Unde factum est,
ut secundo vastaretur Saxonia ab Ungariis, et priori exercitu in
Dalamantia secundum expectante, ipsa quoque in tantam penuriae 15
miseriam ducta sit, ut aliis nationibus eo anno relicto proprio solo pro
annona servirent.
XXI. Igitur patre patriae et magno duce Oddone defuncto, illustri
et magnifico filio Heinrico totins Saxoniae reliquit ducatum. Cum
autem ei essent et alii filii, Thancmarus et Liudulfus, ante patrem suum 20
' 8 Das folgende Kapitel geht in der zuerst gebotenen Form (Klasse B) auf die
und Landschaften Zeugnis. Solches aber hielten wir für angemessen über
dieses Volk zu berichten, damit deine Hoheit erkennen kann, mit was für
einer Art von Menschen dein Großvater und dein Vater haben streiten
müssen oder vielmehr von welchen Feinden durch ihre umsichtige Tapfer-
to keit und ihre ruhmvollen Waffen nun beinahe ganz Europa befreit worden
ist.
20. Das erwähnte Heer der Ungarn also richtete, gedungen von den
Slawen, eine große Verheerung in Sachsen an und kehrte mit unermeß
licher Beute beladen nach Daleminzien zurück, wo sie auf ein anderes
1 5 Heer von Ungarn stießen, die ihre Freunde, die Daleminzier, mit Krieg
zu überziehen drohten, weil sie ihre Hilfe verschmäht, j ene aber zu großer
Beute geführt hätten. So geschah es, daß Sachsen zum zweiten Male von
Ungarn verheert wurde, und während das erste Heer das zweite in Dale
minzien erwartete, wurde dieses Land ebenfalls in das Elend einer solchen
20 Hungersnot gebracht, daß sie in diesem Jahre den eigenen Boden ver
ben. Da aber König Konrad oft die Tapferkeit des neuen Herzogs erprobt
hatte, trug er Bedenken, ihm die ganze Macht seines Vaters zu über
tragen. So kam es, daß er sich den Groll des ganzen sächsischen Heeres
zuzog. Jedoch sagte er heuchlerischerweise sehr viel zum Preis und Ruhm
30 des trefflichen Herzogs und versprach, ihm noch Größeres zu geben und
ihn durch eine große Ehre zu erhöhen. Aber die Sachsen achteten nicht
auf solche Vorspiegelungen, sondern redeten ihrem Herzoge zu, wenn
der König ihn nicht freiwillig mit der Würde seines Vaters bekleiden
wolle, könne er ihm zum Trotze was er wolle gewinnen. Da aber der
3 5 König sah, daß die Blicke der Sachsen gegen ihn ungewöhnlich finster
regum tarn ingens bellum inter eminentes viros potuit sedare. Summus
postremo pontifex 49 mittitur ad sedandam tarn ingentem discor- diam /
et ingressus civitatem 60 Adelberti sub iureiurando spopondit aut ei
pacem cum rege facturum aut incolumem loco suo restituturum. His
pactis consentiens Adelbertus, fidei gratia et amicitiae quod dignare- 10
tur aliquid gustare, rogavit. Quo negante ilico egressus est urbem.
Cumque pertransisset oppidum cum omni comitatu, fertur darnasse :
'Proh ' , inquit, 'saepius petit, qui oblata spernit ; taedet me longioris
viae tardiorisque horae. Nam ieiuni tota die non possumus ambulare' .
Laetus Adelbertus inclinatur a d genua pontificis et, u t gustandi 1s
41 Daß Hatto I., Erzbischof von Mainz 891-913, von niederer Abkunft
(sprachliches Vorbild Sall . Cat. 23) war, ist wohl ein Irrtum Widukinds.
48 Von den beiden Brüdern Adalberts fiel Heinrich um 903 im Kampf mit
51 Alles Bisherige (seit Beginn des Kapitels) ist in der Fassung C gestrichen
und ersetzt durch die Worte : Erat autem ea tempestate Magontiacae sedis antistes
nomine Hattho, acutus consilio, acer ingenio, et qui varietate sibi consueta multos
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von geringer Herkunft 47 und scharfem Verstand, ein Mann, bei dem es
sich nicht leicht entscheiden ließ, ob sein Rat mehr Lob oder Tadel ver
diente. Das läßt sich aus einer seiner Taten erkennen. Während einer
Fehde zwischen Konrad, König Konrads Vater, und Adalbert, Heinrichs
5 Schwestersohn, wurde zuerst der Bruder Adalberts getötet 48, sodann
auch Konrad von Adalbert als Sühne für seinen Bruder, und keiner der
Könige konnte die furchtbare Fehde unter den Großen beilegen. Schließ
lich wurde der Erzbischof49 entsandt, den großen Zwist zu schlichten. Er
begab sich in die Burg 5° Adalberts und gelobte ihm eidlich, ihm entweder
1 0 Frieden mit dem König zu verschaffen oder ihn unversehrt wieder an
was man ablehnt, wenn es geboten wird. Mich ärgert der lange Weg und
die späte Stunde . Denn nüchtern können wir nicht den ganzen Tag unter
wegs sein . " Da neigte Adal bert erfreut das Knie vor dem Bischof und bat
ihn, in die Burg zurückzukehren, um etwas zu genießen . Der Bischof
20 kehrte mit Adalbert zur Burg zurück und wurde, wie er glaubte, seiner
ger als dieser Rat, der den Zwist beilegte und den Frieden wiederherstellte ?
Mit der gleichen Wendigkeit 51 machte er sich an den Mann, der uns recht
eigentlich von der Huld des Höchsten geschenkt war, ließ ihm eine gol
dene Kette 52 machen und lud ihn zu einem Gastmahl, um ihn dabei mit
30 reichen Geschenken zu ehren. Unterdessen ging der Bischof, um die Arbeit
mortales praecederet. Hic volens placere regi Conrado Francorumque simul populo,
arte solita usw., d. h. Es saß aber damals auf dem bischöflichen Stuhl zu Mainz
Hatto, ein Mann von scharfsichtigem Rate, durchdringendem Geiste und durch
die ihm eigene Wendigkeit vielen Menschen überlegen. In der Absicht, sich dem
König Konrad und zugleich dem Volke der Franken gefällig zu erweisen, machte
er sich in gewohnter Handlungsweise usw.
52 Anscheinend eine der Ketten, denen der Volksglaube die Eigenschaft
rumore magis fictum credimus 53] . Et statim omnia quae iuris ipsius
erant in omni Saxonia vel Thuringorum terra occupavit. Burchardum
quoque et Bardonern54, quorum alter gener regis erat, in tantum affiixit
et bellis frequentibus contrivit, ut terra cederent eorumque omnem
possessionem suis militibus divideret. Hatho autem videns suis calli- 15
A.*
eingetroffen war, um ihn einzuladen, und sagte : "Geh, sag Hatto, daß
Heinrich keinen härteren Hals hat als Adalbert und daß wir es für besser
erachtet haben, daheim zu bleiben und zu verhandeln, wie wir ihm dienen
können, als ihm durch unser zahlreiches Gefolge j etzt beschwerlich zu
1 0 fallen." [Dieser Adalbert erhielt nämlich , wie man erzählt, einst von dem
selben Bischof sicheres Geleit und wurde durch Hinterlist betrogen, was
wir nicht bestätigen können, weil wir es nicht sicher wissen, sondern eher
für eine Erdichtung des Volkes halten 53] . Und sogleich nahm Heinrich
alle Besitzungen Hattos in ganz Sachsen und im Thüringerland an sich .
1 5 Auch bedrängte er den Burchard und Bardo 54, von denen einer des
erzählten, er habe, durch einen Blitz des Himmels berührt und durch den
Schlag gelähmt, drei Tage darauf das Zeitliche gesegnet.
A.*
54 \�'ohl Söhne des Herzogs Burkhard von der Sorbenmark. \Velcher der
suo comitatu collecta manu omnia que erant pontificis, qui eo tempore
Maguntie preerat, Hathonis in omni Saxonia vel Thuringorum terra
occupavit. Burchardum quoque et Bardonem54, quorum alter gener I
regis erat, in tantum afflixit et bellis frequentibus contrivit, ut terra
cederent, eorumque omnem possessionem suis militibus divideret. 10
Adhuc sermo in ore eius erat 57, et ecce Saxones ei occurrerunt miliario
uno ab urbe, et inito certamine tanta caede Francos multati sunt, ut a
mimis declamaretur, ubi tantus ille infernus esset, qui tantam multi
tudinem caesorum capere posset. Frater autem regis Evurhardus
liberatus a timore absentiae Saxonum - nam eos presentes vidit - et 25
56 Obermarsberg a. Dieme!.
57 Nach Daniel 4,28 : cumque sermo adhuc esset in ore regis.
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Wege dorthin. Der Goldschmied verriet ihm sogleich, was er gehört, und
hielt so den Herzog von der Weiterreise ab . Dieser aber rief den Boten,
welcher eben gekommen war, um ihn einzuladen, und befahl ihm, seinen
Herren den Dank für die treu gemeinte Einladung zu sagen, doch könne
5 er sie im Augenblick nicht aufsuchen wegen plötzlicher Einfälle von Bar
Bardo 54, von denen einer des Königs Schwager war, dermaßen und
besiegte sie in vielen Kämpfen, so daß sie das Land räumten, worauf er
deren ganzen Besitz unter seine Vasallen verteilte . Als aber Hatto sah,
daß seinen Ränken 55 ein Ziel gesetzt war, der Sachsen Glück aber blühte,
15 kam er, wie durch übergroßen Kummer so auch durch Krankheit aufgerie
ben, nicht lange Zeit danach von Kräften und starb, ein Mann von großer
Weisheit, der in der Zeit Ludwigs des Kindes in eifriger Sorge über das
Reich der Franken wachte, vielen Streit im Reiche zum Ausgleich brachte
und den Dom zu Mainz durch einen edlen Bau schmückte.
20 23. Der König aber sandte seinen Bruder mit einem Heere nach Sach
sen, um es zu verwüsten. Als dieser sich der Feste Heresburg 56 näherte,
soll er im Übermut geäußert haben, nichts mache ihm größere Sorge, als
daß die Sachsen nicht wagen würden, sich vor den Mauern zu zeigen, da
mit er mit ihnen kämpfen könne . Noch war das Wort auf seinen Lippen 67,
2 5 und siehe, die Sachsen traten ihm entgegen eine Meile vor der Burg und
und von ihnen schimpflich in die Flucht geschlagen war, zog von dannen.
24. Auf die Kunde von dem unglücklichen Feldzug seines Bruders
versammelte der König die ganze Streitmacht der Franken und zog aus,
um Heinrich aufzusuchen. Als er erfuhr, daß dieser in der Burg Grone 68
35 Schutz gesucht habe, versuchte er diese zu gewinnen. Und er sandte eine
legati regressi sunt ad regem. Vicit vero eos ealliditate sua Thiatmarus,
quos ipse dux ferro vineere non potuit Heinrieus. Nam antelueanum
relictis castris Franei unusquisque rediit in sua.
XXV. Rex autem profeetus in Baioariam dimieavit eum Arnulfo
et ibi, ut quidam tradunt, vulneratus revertitur in patriam suam. 10
seeus Saxones summa est. Sumptis igitur his insigniis, laneea saera,
armillis aureis eum clamide et veterum gladio regum ae diademate,
ito ad Heinrieum, faeito paeem cum eo, ut eum foederatum possis
habere in perpetuum. Quid enim necesse est, ut eadat populus Franeo
rum teeum eoram eo ? ipse enim vere rex erit et imperator multorum 2s
so
SaU. Jug. 33.72 : decus regium.
81Zur Übersetzung vgl. Schlesinger, Ztschr. d. Sav. Stiftg. f. Rechtsgeschichte
German. Abtlg. 66, 1948, 401 mit Anm. 85.
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des Königs noch da waren, und fragte, wo sich sein Heer lagern solle. Da
wurde Heinrich, der schon dafür gewonnen war, sich den Franken zu
ergeben, zuversichtlich, weil er von einem Heere hörte, in der Meinung,
daß es sich wirklich so verhalte . Was Thiatmar aber sprach, war erfun-
5 den ; denn er war nur mit fünf Mann gekommen . Als sich nun der Herzog
nach der Zahl der Heerhaufen erkundigte, sagte j ener, er könne gegen
dreißig Haufen ins Feld führen. Und so kehrten die Gesandten um ihre
Hoffnung betrogen zum König zurück . So wurde Thiatmar durch seine
Schlauheit Sieger über diej enigen, welche Herzog Heinrich selbst nicht
10 mit dem Schwerte überwinden konnte . Denn vor Tagesanbruch verließen
die Franken das Lager, und ein j eder kehrte in seine Heimat zurück.
25. Der König aber zog nach Ba y ern und stritt mit Arnulf, und als er
hier, wie einige erzählten, verwundet worden war, kehrte er in seine
Heimat zurück . Und da er sich krank fühlte in Verbindung damit, daß
15 ihn sein anfängliches Glück verlassen hatte, rief er seinen Bruder, der
ihn zu besuchen gekommen war, und sprach zu ihm also : "Ich fühle,
Bruder, daß ich dieses Leben nicht länger behalten kann, da es Gott nach
seinem Ratschluß so will und eine schwere Erkrankung mich zwingt.
Deshalb gehe mit dir zu Rate und sorge, was j a ganz vorzüglich deine
20 Aufgabe ist, für das ganze Frankenreich, indem du auf meinen Rat, den
deines Bruders, achtest. Wir können, Bruder, Truppen und Heere auf
bieten und anführen, wir haben Burgen und Waffen nebst den königlichen
Insignien und alles, was die königliche Würde 60 erheischt ; nur kein
Glück und keine Eignung 61• Das Glück, mein Bruder, samt der herrlich-
25 sten Befähigung ist Heinrich zuteil geworden, die Entscheidung über das
Gemeinwesen liegt in der Sachsen Hand. Nimm darum diese Abzeichen,
die heilige Lanze, die goldenen Spangen nebst dem Mantel, das Schwert
und die Krone der alten Könige, gehe hin zu Heinrich und mache Frieden
mit ihm, damit du an ihm für immer einen Verbündeten hast. Denn
30 warum soll das Frankenvolk samt dir vor Heinrich hinsinken ? Er wird in
Wahrheit König sein und Befehlshaber zahlreicher Heeresaufgebote . " Als
er so gesprochen, erwiderte sein Bruder unter Tränen, er sei damit ein
verstanden. Danach starb der König, ein tapferer und mächtiger Mann,
tüchtig im Kriege wie im Frieden, freigebig und mild und mit aller
3 5 Tugend Schmuck geziert, und wurde begraben in seiner Stadt Weil
des Frankenheeres an einem Orte namens Fritzlar und rief ihn vor allem
Volke der Franken und Sachsen zum Könige aus . Und als ihm die Sal
bung nebst dem Diadem von dem Erzbischof, welcher zu j ener Zeit
Heriger 63 war, angeboten wurde, verschmähte er sie zwar nicht, nahm
s sie aber auch nicht an. "Es genügt mir", sagte er, "vor meinen Ahnen
das voraus zu haben, daß ich König heiße und dazu ernannt worden bin,
da es Gottes Gnade und eure Huld so will ; Salbung und Krone aber möge
Würdigeren als mir zuteil werden ; solcher Ehre halten wir uns für un
wert." Und es fand solche Rede bei der ganzen Menge Wohlgefallen 54, sie
1 0 hoben die Rechte zum Himmel empor, und Heil wünschend riefen sie
Kö nige nicht bestehen könne, und ergab sich ihm mit allen seinen Burgen
und Leuten. Nach diesem Erfolge zog er weiter nach Ba yern, wo Herzog
Arnulf herrschte . Da er erfuhr, daß dieser in der Stadt Regensburg Schutz
gesucht hatte, belagerte er ihn. Arnulf aber sah, daß er nicht stark genug
20 war, dem König zu widerstehen, öffnete die Tore, zog hinaus zum König
und unterwarf sich ihm mit seinem ganzen Reich. Er wurde von Heinrich
ehrenvoll empfangen und Freund des Königs genannt. Der König aber
wuchs und nahm zu 65 an Macht von Tag zu Tag, und seine Gewalt, sein
Ansehen und sein Ruhm erhöhten sich immer mehr. Und nachdem er das
25 Reich, welches unter seinen Vorgängern durch innere und äußere Kriege
dern wurde die berühmte Schlacht bei Fontenay geschlagen, bevor diese
que saepius fudit exercitum, iuvitque virurn fortem fortuna 72• Nam
Huga, cuius pater Rodberhtus, filius Odonis, ab exercitu Karoli occisus
est '3, misit et dolo eum cepit '4 posuitque in custodia publica 75, donec
vitam finiret. Heinricus autem rex audiens casum Karoli dolebat huma
naeque mutabilitatis communem admiratus est fortunarn, quia non 25
ken), den Widukind zum Vater Karls des Einfältigen macht. supra, nämlich c. 16.
69 Wohl ein sagenhafter Nachhall der ruhmvollen Verteidigung von Paris
gegen die Normannen 886.
70 Sulpicius Vita Martini 2 (CSEL I ed. Halm S. l l2, 12).
71 Kar! der Einfältige, der erst ein halbes Jahr nach dem Tode seines Vaters
Ludwig des Stammlers (877-879) geboren wurde, konnte die Regierung erst
nach Odos Tod 898 antreten.
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Teilung des Reiches zustande kam. Nachdem sie aber einmal geschehen,
blieb sie unverrückt, bis dem Erbrechte gemäß alle diese Reiche an Karl 68
fielen, den Urgroßvater des obenerwähnten Lothar.
2 9 . Zu diesem kam einer von den Ostfranken, namens Odo, ein tapferer,
5 kluger Mann, und bewirkte durch seinen Rat, daß mit den Dänen, welche
Karl aber forderte Odo in der Sterbestunde auf, seiner Gnade eingedenk
zu sein und die ihm erwiesene Hilfe seinem Sohne, falls ihm einer geboren
würde, nicht zu versagen. Denn er hatte damals noch keinen Sohn, aber
die Königin war schwanger. Und als nach des Vaters Tode ein Sohn
15 geboren wurde, gab ihm Odo das Reich sowie den Namen seines Vaters 71•
Aber Kaiser Arnulf, welcher den älteren Karl aus Deutschland verdrängt
hatte, zog nach dessen Tode sein ganzes Reich an sich. Ihm übergab Odo
sowohl die Krone als das Zepter und den übrigen königliehen Schmuck
und erhielt das Reich seines Herrn durch Arnulfs Gnade. Daher ist bis
20 auf den heutigen Tag Streit um das Reich zwischen Karolingern und den
Nachkommen Odos, wie auch zwischen den Karolingern und den ost
fränkischen Königen um Lothringen.
30. Deshalb zog König Heinrich mit Heeresmacht gegen Karl, schlug
sein Heer wiederholt, und dem Tapferen half das Glück 72• Denn Hugo,
25 dessen Vater Robert, Odos Sohn, von Karls Heer getötet worden war 73,
sandte hin, nahm ihn durch List gefangen 74 und sperrte ihn ins gemeine
Gefängnis 75 bis ans Ende seines Lebens. Da aber König Heinrich Karls
Unglück hörte, wurde er bekümmert und staunte über den Wechsel des
Glückes, der Menschheit gemeinsames Los, denn er war nicht minder
30 durch Frömmigkeit als durch Tapferkeit im Kriege ausgezeichnet. Und
er hielt es für geraten, vom Kriege abzusehen, hoffte aber, eher durch
List die Lothringer besiegen zu können, weil dieses Volk unzuverlässig, an
Ränke gewöhnt, stets bereit zum Kriege und zu Veränderungen geneigt
war. Um diese Zeit lebte unter den Lothringern einer mit Namen Chri-
35 stian 76 ; als dieser sah, daß demKönige alles glückte, suchte er nach einer
77 Mit der Heirat im Sommer 928 war auch die Erhebung Giselberts zum
Herzog von Lothringen verbunden. - Der genealogische Exkurs im folgenden
Kapitel ist erst in die für die Prinzessin bestimmte Fassung eingefügt worden.
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Gelegenheit, von ihm durch größere Gnade geehrt zu werden ; so rief er,
eine Krankheit vorgebend, Giselbert zu sich, dem die Herrschaft über
das Land als Nachfolger seines Vaters zugefallen war, nahm ihn durch
List gefangen und lieferte ihn unter Bewachung an König Heinrich aus.
s Es war aber Giselbert von edlem Geschlecht und alter Familie . Der König
gewesen sind. Auch gebar sie ihm noch eine zweite Tochter, welche sich
mit Herzog Hugo vermählte 79• Die Frau Königin selbst war eine Tochter
Thiadrichs, und dessen Brüder waren Widukind, Immed und Reginbern .
Das ist der Reginbern, der gegen die Dänen kämpfte, die lange Zeit
25 Sachsen verheerten, sie besiegte und das Vaterland bis auf den heutigen
Tag von ihren Einfällen befreite. Und diese waren aus dem Stamme des
großen Herzogs Widukind 80, der einen gewaltigen Krieg gegen den gro
ßen Karl fast dreißig Jahre hindurch führte .
32 . Als nunmehr die inneren Kämpfe 81 ruhten, durchzogen wiederum
30 die Ungarn ganz Sachsen, steckten Burgen und Flecken in Brand und
richteten allerorten ein solches Blutbad an, daß eine gänzliche Verödung
drohte . Der König aber befand sich in der festen Burg Werla 82• Denn er
traute nicht seinen noch wenig geübten, an offene Feldschlacht mit einem
so wilden Volke nicht gewöhnten Kriegern. Welche Verheerung aber sie
35 damals angerichtet und wieviel Klöster sie in Brand gesteckt, haben wir
7 8 Bruno war Erzbischof von Köln seit Juli 953 und starb am 1 1 . Oktober 965.
Seit September 953 war er zugleich Herzog von Lothringen, aber was bedeutet
nun magnus dux ?
79 Hugo Capet von Francien heiratet 937 die Hadwidis.
80 K. Schmid, Die Nachfahren Widukinds, DA 20, 1 964, 1 1 ff.
81 Erwähnt c. 27. iterum vgl. c. 20.
82 Vgl. Deutsche Königspfalzen Bd. 2, Göttingen 1 965.
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zurück und forderte dafür Frieden, den er auch endlich erhielt, so daß
gegen Freigabe des Gefangenen und weitere Geschenke ein Frieden auf
neun Jahre geschlossen wurde .
33. Zur Zeit da der König über den Rhein gegangen war, um seine
10 Herrschaft über Lothringen auszudehnen, kam ihm ein Gesandter Karls
Rufe deiner Heldentaten zu laben. Und er hat dir dies gesandt als Zeichen
seiner Aufrichtigkeit und Treue . " Dabei zog er aus seiner Tasche die
Hand des preiswürdigen Märtyrers Dionysius, in Gold und Edelsteine
gefaßt. "Dies" , sprach er, "sollst du behalten als Pfand des ewigen Bünd-
20 nisses und der gegenseitigen Liebe . Dir am liebsten wollte er dieses Stück
übergeben von dem einzigen Troste, der den Franken, welche Gallien
bewohnen, geblieben ist, seitdem der herrliche Märtyrer Vitus uns zu
unserem Verderben verlassen und zu euerem beständigen Frieden nach
Sachsen gekommen ist. Seit nämlich der Leichnam des hl. Vitus von uns
2 5 weggeführt worden ist, haben innere und auswärtige Kämpfe nicht auf
gehört ; im selben Jahr haben Dänen und Normannen unsere Lande heim
gesucht. " Der König aber nahm das göttliche Geschenk mit dem Aus
druck der höchsten Dankbarkeit an, kniete vor den heiligen Reliquien
nieder und erzeigte ihnen , indem er sie küßte, die größte Verehrung.
30 34. Der berühmte Märtyrer 84 aber, von dem der Gesandte Karls redete,
war in der Provinz Lycien geboren und stammte aus einer edlen, aber
heidnischen Familie . Sein Vater führte ihn dem Provinzstatthalter Vale
rianus vor, und dieser wollte ihn zwingen, den Götzenbildern zu opfern ;
aber mittlerweile verdorrte ihm die Hand und wurde durch des Heiligen
35 Gebet wiederhergestellt. Den Henkern erstarrten die Arme, aber durch
die Verdienste des Märtyrers wieder heil. Da nun sein Vater sah, daß er
der Martern spottete, führte er ihn nach Hause zurück und schloß ihn in
ein mit allen Genüssen erfülltes Gemach ein . Und da hier Hylas - so hieß
nämlich sein Vater - gewisse Geheimnisse erblickte, ward er blind. So
40 schwor er notgedrungen den Götzen ab und bekannte Christum. Nachdem
84 Das folgende Kapitel ist unter starken Kürzungen einer Passio S. Viti aus dem
6.(1. Jahrhundert entnommen, die in den Acta Sanetarum Juni 15 gedruckt ist (Bd.
III 499 ff. ) . Auch hier bieten einige Handschriften Licia statt des richtigen Sicilia.
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minui, Saxonum vero crescere, donec dilatatae ipsa sua iam magni
tudine laborant 8sa , ut videmus in amore mundi et totius orbis capite,
patre tuo, cuius potentiae maiestatem non solum Germania, Italia
aus und widmeten sich dem Gebete, während ihnen Adler ihr tägliches
Brot brachten. Den Leuten, welche kamen, ihn zu sehen, predigte der
Knabe Christum, bekehrte mehrere und vermochte einige, die Taufe zu
nehmen. Dann begab er sich, von Kaiser Diokletianus gerufen, nach Rom
1 0 und sollte, nachdem des Kaisers Sohn durch sein Gebet von einem bösen
er nun dem Kerker überantwortet, aber hier von dem Herrn und der
Schar Engel besucht. Zuletzt wurde er an ein Martergerüst, Catasta
genannt, mit Modestus und einer edlen Frau Crescentia geschlagen und,
als alle Gelenke seiner Glieder gebrochen waren, von Christus getröstet.
2 0 Denn die Henker wurden vom Strahl des Himmels getroffen und, durch
selben Orte, welcher Marianus genannt wird. Sein letztes Gebet habe ich
deiner Hoheit aufgezeichnet, damit du daraus entnehmest, wie du von
Liebe zu ihm entbrennen und durch die Glut dieser Liebe dir seinen unver
gänglichen Schutz verdienen mögest. " Herr Jesu Christe", sprach er,
30 "du Sohn des lebendigen Gottes, erfülle du denj enigen die Sehnsucht
ihres Herzens, befreie sie von allen Fesseln dieser Welt und führe sie
hinan zu deiner Herrlichkeit, welche meinetwegen dich preisen und sich
rühmen wollen ob des Leidens meines Märtyrertums." Diesen Worten
folgte eine Versicherung der göttlichen Verheißung, daß alles, worum er
3 S gebeten, in Erfüllung gehen würde . Nach langen Jahren aber kam nach
Rom ein gewisser Fulrad 85, und während er hier die Taten des preiswürdi
gen Märtyrers las, entdeckte er sein Grab, und er kam und hob die heiligen
Reliquien und stellte sie auf in dem Gau von Paris. Von da wurden sie
unter der Regierung des Kaisers Ludwig nach Sachsen übertragen, und
40 wie der Gesandte Karls gestand, seit dieser Zeit begann die Macht der
Franken zurückzugehen, die der Sachsen aber zu wachsen, bis sie so weit
gespannt war, daß sie unter dieser ihrer Größe bereits leidet 85a, wie wir
sehen an dem Liebling der Welt und dem Haupte des ganzen Erdkreises,
deinem Vater, für dessen Machtvollkommenheit nicht allein Germanien,
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atque Gallia, sed tota fere Europa non sustinet. Colito itaque tantum
patronum, quo adveniente Saxonia ex serva facta est libera et ex
tributaria multarum gentium domina. Neque enim talis ac tantus
summi Dei amicus tui gratia indiget, nos vero famuli ipsius indigemus.
Unde ut eum possis habere intercessorem apud caelestem imperato- 5
86 Das folgende Kapitel, in dem nach der Burgenordnung von 926 (Erdmann,
DA 6, 1943, 76 ff.) die Slawel.feldzüge der Jahre 928 und 929 besprochen werden,
knüpft an den Schluß von C. 32 an.
8 7 Oie. in Pisonem 40 : exercitus nostri interitus ferro, fame, frigore, pestilentia.
88 Benannt nach Jahna, einem linken Nebenfluß der Eibe bei Riesa.
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Italien und Gallien, sondern fast ganz Europa nicht mehr ausreicht. Ver
ehre demnach einen solchen mächtigen Schutzherrn, bei dessen Ankunft
Sachsen die Sklavin zur Freien, die Zinspflichtige zur Herrin über viele
Völker geworden ist. Es bedarf zwar ein solcher Freund des höchsten
5 Gottes deiner Gunst nicht, wir aber, seine Diener, bedürfen der seinigen.
dritten Teil empfange und verwahre. Die acht übrigen sollten säen und
ernten und die Früchte sammeln für den Neunten und dieselben an ihrem
Platze aufheben. Er gebot, daß die Gerichtstage und alle Märkte und
Gastmähler in den Burgen abgehalten würden, mit deren Bau man sich
20 Tag und Nacht beschäftigte, damit man im Frieden lerne, was man im
Fall der Not gegen die Feinde zu tun hätte . Außerhalb der Burgen gab es
nur geringwertige oder überhaupt keine festen Häuser. Während er nun
die Bürger an solche Satzung und Zucht gewöhnte, fiel er plötzlich über
die Slawen her, welche Heveller genannt werden, ermüdete sie durch viele
25 Kämpfe und nahm endlich in einem sehr strengen Winter, indem er auf
dem Eise sein Lager aufschlug, die Brennaburg durch Hunger, Schwert
und Kälte 87• Und als er mit dieser Burg das ganze Land in seine Gewalt
bekommen hatte, zog er gegen Daleminzien, dessen Bekriegung ihm
schon vor Zeiten sein Vater überlassen hatte, belagerte die Burg J ahna 88
30 und nahm sie endlich am zwanzigsten Tage . Die Beute in der Burg über
da wir keine sichere Kunde davon haben. Er war aber ein Bruder des
Boleslaw, der sein ganzes Leben hindurch dem Kaiser treu und gehorsam
geblieben ist. Also machte der König Böhmen zinspflichtig und kehrte
nach Sachsen zurück .
89 Herzog Wenzel I., der am 28. September 935 von seinem Bruder Boleslaw
ermordet wurde. Dieser selbst ist am 15. Juli 967 gestorben (Cosmas, hrsgg. v.
Bretholz, MG Scriptores rerum Germanicarum NS 2, 1 923, I 2 1 , 14), doch wird
die Richtigkeit dieses Datums bestritten von Holtzmann, Zeitschr. d. Vereins
f. Geschichte Schlesiens 52, 1918, S. 6 Anm. 3.
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versammelt hatte, befahl dieser auf den Rat seines Gehilfen in derselben
Stunde, die ganze Nacht in Bereitschaft zu bleiben, damit nicht etwa die
Feinde ins Lager eindringen. Als aber die Menge entlassen worden war,
waltete im Lager Freude und gleichzeitig Trauer, indem die einen sich
20 vor dem Kampf fürchteten, die anderen ihn ersehnten, und je nach der
Verschiedenheit ihrer Haltung schwebten die Krieger zwischen Furcht
und Hoffnung93• Indessen verstrich der Tag, und die Nacht kam unge
wöhnlich finster mit einem ungeheueren Regengusse nach Gottes Willen,
um den bösen Anschlag der Barbaren zu vereiteln. Wie also befohlen
25 worden war, blieben diese ganze Nacht die Sachsen unter den Waffen, und
als bei Tagesgrauen das Zeichen gegeben wurde und sie das Sakrament
empfangen hatten, gelobte ein j eder zuerst dem Feldherrn, dann einer dem
anderen eidlich seine Hilfe für die bevorstehende Schlacht 94• Aber nach
Sonnenaufgang - denn nach dem Regen kehrte des Himmels heitere
30 Bläue zurück - rückten sie mit aufgereckten Feldzeichen aus dem Lager,
in der ersten Linie der Markgraf, zum Angriff auf die Barbaren. Da j edoch
die wenigen nichts gegen die zahllosen Feinde vermochten, kehrte er
zurück zum Heere und berichtete, daß die Barbaren keine überlegene
Reiterei hätten, wohl aber eine unzählige Menge Fußvolks, das durch
35 den nächtlichen Regen so behindert sei, daß die Reiter sie kaum mit
Gewalt dazu bringen könnten, zur Schlacht vorzurücken. Als nun die
Sonne auf die feuchten Kleider der Barbaren schien, ließ sie davon den
Dampf bis zum Himmel emporsteigen und verlieh so dem Volke Gottes,
von dessen Angesicht Helle und Heiterkeit sie umstrahlte 95, Hoffnung
92 Lenzen rechts der Eibe gegenüber dem Höhbeck, vgl. das Buch von Willy
Hoppe, Lenzen. Aus tausend Jahren einer märkischen Stadt 929-1929 ( 1929).
93 Nach Verg. Aen. I 218 : spemque metumque inter dubii.
9� Vgl. III 44.
85 Luc. 2,9 : claritaa Dei circumfulsit illos.
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IHI
Nach Verg. Georg. III 480 : genus omne neci pecudum dedit.
87
Für diese Schilderung war Sall. Jug. 53 nicht Vorbild.
88
Ein Graf von Walheck und ein Graf von Stade, Urgroßväter des Geschichts
schreibers Thietmar von Merseburg.
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und Zuversicht. Als nun das Zeichen gegeben war und der Markgraf seine
Scharen anfeuerte, stürzten sie sich mit lautem Schlachtruf auf die Feinde.
Weil sich aber wegen der allzu dichten Menge kein Weg durch die Feinde
bahnen ließ, so drangen sie rechts und links mit dem Schwerte vor, und
s wenn sie welche von ihren Genossen abschnitten, hieben sie alle nieder 96•
Und als nun der Kampf heiß ward und hüben wie drüben viele fielen, die
Barbaren aber noch in Reih und Glied standen, da verlangte der Mark
graf von seinem Gehilfen, daß er seinen Mannen zu Hilfe komme. Dieser
sandte einen Hauptmann mit fünfzig Mann dem Feinde in die Flanke
1 0 und brachte Verwirrung in seine Reihen ; und von nun an gab es für die
Feinde den ganzen Tag nur Tod und Flucht. Weil sie nun auf dem ganzen
Feld niedergemacht wurden, versuchten sie zu der nahen Burg zu fliehen ;
da aber der Gehilfe ihnen den Weg verlegte, stürzten sie in den nächsten
See, und so geschah es, daß diese ganze Übermacht entweder durch das
!S Schwert hinweggerafft wurde oder im See ertrank . Von dem Fußvolk kam
keiner davon, von der Reiterei nur sehr wenige, und so endete die Schlacht
mit dem Untergang aller Gegner. Mittlerweile erhob sich ein ungeheuerer
Jubel irrfolge des neu errungenen Sieges : alle priesen die Feldherren, das
Kriegsvolk aber sich gegenseitig einer den anderen, auch die Feigen, wie
20 es in solchem Falle zu gehen pflegt. Am anderen Morgen rückten sie vor
die vorgenannte Burg, aber die Bewohner streckten die Waffen und
bedangen sich nur das Leben aus, das ihnen geschenkt wurde. Sie wurden
nun angewiesen, ohne Waffen aus der Burg abzuziehen ; die Unfreien aber
und alles Geld nebst den Weibern und Kindern und dem ganzen Haus-
2S gerät des Barbarenkönigs wurden zur Beute gewonnen. Auch von den
Unsrigen fielen in diesem Kampf zwei Liuthare 98 und einige andere Män
ner edlen Namens. Als nun der Markgraf mit seinem Gehilfen und den
übrigen Befehlshabern als Sieger nach Sachsen zurückkehrte, wurden sie
von dem Könige ehrenvoll empfangen und höchlichst belobt, daß sie mit
30 geringen Streitkräften durch Gottes Huld und Gnade einen herrlichen
Sieg errungen hätten. Denn manche erzählten, von den Barbaren seien
zweihunderttausend Mann getötet worden. Die Gefangenen wurden am
anderen Tage, wie man ihnen verheißen hatte, alle geköpft.
37. Die Freude über den soeben erfochtenen Sieg erhöhte dann eine
3 S Königshochzeit, die um diese Zeit mit großartiger Pracht gefeiert wurde.
Der König gab nämlich seinem Sohne Otto zur Gemahlin die Tochter
Edmunds, des Angelnkönigs, eine Schwester Adalstans 99, diese gebar ihm
einen Sohn Liudolf, einen gewaltigen Mann, der mit Recht allen Leuten
teuer war, sowie eine Tochter Liudgard, welche den Frankenherzog100
40 Konrad heiratete .
1111 Edgith, Tochter des Königs Eadward (901-924) , Schwester der Könige
und auswärtige Kämpfe so oft schwer zu leiden hattet. Doch nun seht ihr
es durch die Gnade des Höchsten, durch unsere Bemühung, durch euere
Tapferkeit befriedet und geeinigt, die Barbaren besiegt und unterworfen.
Was wir j etzt noch tun müssen, ist uns gegen unsere gemeinsamen Feinde,
10 die Awaren, vereint zu erheben. Bisher habe ich, um ihre Schatzkammer
uns den Feinden Gottes geben ? Oder soll ich nicht eher mit dem Gelde
die Würde des Gottesdienstes erhöhen, damit uns vielmehr Gott erlöst,
der wahrhaft sowohl unser Schöpfer als Erlöser ist ? " Darauf erhob das
Volk seine Stimme zum Himmel und rief, sie wollten durchaus von dem
20 lebendigen und wahren Gott erlöst werden, weil er treu sei und gerecht
in allen seinen Wegen und heilig in allen seinen Werken101• Und sie gelob
ten dem Könige ihre Hilfe gegen das wilde Volk und bekräftigten mit zum
Himmel erhobener Rechten den Vertrag. Nachdem also der König einen
solchen Vertrag mit dem Volke geschlossen hatte, entließ er die Menge.
25 Danach kamen die Gesandten der Ungarn zum Könige wegen der üblichen
Geschenke ; allein sie wurden von ihm abgewiesen und kehrten mit leeren
Händen in ihr Land zurück. Als dies die Awaren hörten, beeilten sie sich,
unverzüglich in großer Stärke und feindlicher Absicht in Sachsen einzu
dringen. Ihren Marsch nahmen sie durch Daleminzien und verlangten
30 von ihren alten Freunden Hilfe. Diese aber wußten, daß sie nach Sachsen
eilten und daß die Sachsen bereit waren, mit ihnen zu kämpfen, und war
fen ihnen deshalb als Geschenk einen fetten Hund vor. Und da die Awaren
zu einem anderen Kampfe eilten und keine Zeit hatten, die Beleidigung
zu rächen, wurden sie von ihren Freunden noch länger mit recht spötti-
35 sehen Zurufen verfolgt. Nun fielen sie so plötzlich als es ihnen möglich
war in Thüringen ein und durchzogen sengend und brennend das ganze
Land. Hier teilten sich ihre Scharen ; ein Teil zog nach Westen und suchte
von Südwesten her in Sachsen einzudringen. Aber die Sachsen, vereint
mit den Thüringern, scharten sich zusammen, begannen mit ihnen einen
40 Kampf, töteten die Anführer und zersprengten den Rest des westlichen
Heeres über die ganze Gegend. Von ihnen starb ein Teil Hungers, ein
101 Ps. 144,17 : JU8tU8 DominU8 in omnibus viis suis et sanctU8 in omnibus
operibU8 suis, ähnlich v. 13.
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dissoluti, alii autem caesi vel capti, ut digni erant, miserabiliter perie
runt. Qui autem in oriente remansit exercitus audivit de sorore regis,
quae nupserat Widoni Thuringo - erat namque illa ex concubina
nata - , quia vicinam urbem102 inhabitaret, et multa pecunia ei esset
auri et argenti ; unde tanta vi urbem obpugnare coeperant, ut, nisi s
nox visum pugnantibus inpediret, urbem caperent. Ea vero nocte
audientes de casu sociorum regisque super eos adventu cum valido
exercitu - nam castra metatus est rex I iuxta locum qui dicitur
Riade103 - , timore perculsirelictis castris more suo igne fumoque ingenti
agmina diffusa collegerunt. Rex vero postera die producens exercitum 10
exhortatus est, ut spem suam divinae clementiae committerent, divi
num sibi auxilium quemadmodum in aliis preliis adesse non dubita
rent ; communes omnium hostes esse Ungarios ; ad vindictam patriae
parentumque solummodo cogitarent : hostes cito terga vertere vidis
sent, si viriliter certando persisterent. His optimis verbis erecti milites 1 s
imperatoremque in primis, mediis et ultimis versantem videntes
coramque eo angelum104 - hoc enim vocabulo effigieque signum maxi
mum erat insignitum - acceperunt fiduciam magnamque constan
tiam. Rex vero veritus est, quemadmodum evenit, ut hostes viso milite
armato fugae statim indulsissent ; misit Iegionern Thuringorum cum 20
raro milite armato, ut inermes prosequerentur et usque ad exercitum
protraherentur. Actumque est ita ; sed nichilominus videntes exerci
tum armatum fugerunt, ut per octo miliaria vix pauci caederentur vel
caperentur. Castra vero invasa, et omnis captivitas liberata est.
XXXVIII!. Rex vero victor reversus modis omnibus gratiarum 2s
actiones divino honori, ut dignum erat, solvebat pro victoria de hosti
bus sibi divinitus concessa, tributumque, I quod hostibus dare consue
vit, divino cultui mancipavit et largitionibus pauperum deservire
constituit. Deinde pater patriae, rerum dominus imperatorque ab
exercitu appellatus famam potentiae virtutisque cunctis gentibus et Jo
regibus Ionge lateque diffudit. Unde et aliorum regnorum proceres
eum adierunt, gratiamque in conspectu eius invenire quaerentes, fidem
101
Vielleicht die Jechaburg in der Hainleite bei Sondershausen.
1011
Nicht sicher zu bestimmen (Riade Ried), vielleicht Kalbsrieth an der
=
Helme kurz vor ihrer Mündung in die Unstrut, südwestlich von der Pfalz
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aufgeschlagen. Da verließen sie von Furcht ergriffen das Lager und riefen
die zerstreuten Schwärme nach ihrer Weise durch Feuer und ungeheueren
Rauch zusammen. Der König aber führte am folgenden Tage sein Heer
aus dem Lager und ermahnte es, ihre Hoffnung auf Gottes Gnade zu
IS setzen und nicht zu zweifeln, daß ihnen die göttliche Hilfe gleichwie in
ihren anderen Kämpfen beistehen werde ; die Ungarn seien die gemein
samen Feinde aller, sie sollten allein auf den Schutz des Vaterlandes und
der Eltern bedacht sein ; bald würden sie sehen, daß die Feinde den Rük
ken kehrten, wenn sie mannhaft kämpfend standhielten. Diese vortreff-
20 liehen Worte feuerten die Ritter an, und da sie ihren Feldherrn bald unter
den Vordersten, bald in der Mitte und bei den Letzten sahen und vor ihm
den EngeP04 - mit dem Namen und dem Bildnis desselben war nämlich
das vornehmste Feldzeichen kenntlich gemacht - , überkam sie Zuver
sicht und große Festigkeit. Der König aber besorgte, daß - wie es auch
zs eintraf - die Feinde beim Anblick der schwerbewaffneten Reiter sogleich
die Flucht ergreifen würden, daher sandte er eine Abteilung Thüringer
aus mit nur wenigen Reitern, damit j ene den leicht Bewaffneten folgen
und bis ans Hauptheer herangelockt würden. Und so geschah es, aber
nichtsdestoweniger flohen sie, sobald sie das gewappnete Kriegsvolk
30 erblickten, so daß auf acht Meilen Weges kaum einige wenige getötet oder
gefangen wurden. Das Lager aber wurde erstürmt und sämtliche Gefan
genen befreit.
39. Nach seiner Heimkehr als Sieger, stattete der König auf alle
Weise der Ehre Gottes, wie es sich gehörte, Dank ab für den Sieg, den
35 ihm Gott über seine Feinde verliehen hatte : er gab den Tribut, den er den
Feinden zu geben gewohnt war, dem göttlichen Dienste zu eigen und be
stimmte ihn zu Schenkungen an die Armen. Das Heer aber begrüßte ihn
als Vater des Vaterlandes, großmächtigen Herrn und Kaiser ; der Ruf
seiner Macht und Tapferkeit verbreitete sich weithin über alle Völker
40 und Könige. Deshalb besuchten ihn auch die Großen anderer Königreiche,
Allstedt. Vgl. Lintzel, Sachsen und Anhalt 9, 1933, 27-5 1 . 0. Schroeter, Thüring.•
Sächsische Zeitschrift 21, 1932, 101-110.
l o& Erzengel Michael.
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und verehrten ihn, da sie Gnade vor seinen Augen zu finden suchten und die
Treue eines so herrlichen, so großen Mannes erprobt hatten. Unter diesen
bat Heribertl05, Hugos Schwager, als ihn Rudolf106, der wider Fug und
Rechtl07 König geworden war, bekriegte, daß König Heinrich ihn bei
s seinem Herrn schützen möge ; denn der König war von der Art, daß er
seinen Freunden nichts abschlug. So brach er nach Gallien auf, hielt mit
dem Könige eine Besprechung und kehrte nach Erledigung dieser Sache
nach Sachsen zurück. Und da es ihm darum zu tun war, sein Volk zu er
höhen, so gab es kaum einen oder gar niemand unter den namhaften Män-
1 0 nern in ganz Sachsen, den er nicht durch ein herrliches Geschenk oder Amt
ermüdlich, daß er auf einem Ritt vierzig oder noch mehr Stück Wild
erlegte. Und obgleich er bei Gelagen sehr leutselig war, vergab er dennoch
der königlichen Würde nichts ; denn er flößte zu gleicher Zeit seinen
Kriegsleuten ein solches Wohlwollen und eine solche Furcht ein, daß sie,
20 selbst wenn er scherzte, sich nicht getrauten, sich irgendwelche Freiheiten
herauszunehmen.
40. Nachdem er nun alle Völker ringsumher unterworfen hatte, griff
er die Dänen, welche die Friesen mit Seeräuberei heimsuchten, mit seinem
Heere an. Er besiegte sie, machte sie zinspflichtig und veranlaßte ihren
25 König Knuba110, die Taufe zu empfangen. Zuletzt, als er alle Völker im
den Otto aber, den größten und besten, setzte er über seine Brüder und das
ganze Reich der Franken . Als er so sein Testament in aller Ordnung ge
macht und alle seine Angelegenheiten gebührlich geordnet hatte, starb
er, der großmächtige Herr und größte unter den Königen Europas, an
3 5 j eglicher Tugend der Seele wie des Körpers keinem nachstehend111, und
hinterließ einen Sohn, noch größer als er selbst, und diesem Sohn ein
großes, weites Reich, welches er nicht von seinen Vätern ererbt, sondern
durch eigene Kraft errungen und Gott allein ihm gegeben hatte. Es war
108 Der Jagdhof Bodfeld im Harz ist eine Grü ndu ng Heinrichs I. (Erdmann,
autem dies quibus regnavit XVI112 anni, vitae autem fere LX. Trans
latum est autem corpus eius a filiis suis in civitatem quae dicitur
I
Quidilingaburg et sepultum in basilica sancti Petri113 ante altare euro
planctu et lacrimis plurimarum gentium.
112 1. Kön. 2, 1 1 Diu autem, quibu.s regnavit, . . . . . anni BUnt. Vom Mai 919
bis 2. Juli 936 sind es 1 7 Jahre und beinahe 2 Monate.
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aber die Dauer seiner Regierung sechzehn Jahre112, die seines Lebens
ungefähr sechzig. Sein Leichnam wurde von seinen Söhnen in die Stadt
Quedlinburg gebracht und begraben in der Kirche des heiligen Petrus113
vor dem Altar unter dem Jammer und den Tränen vieler Völker.
118 König Heinrichs Leiche wurde in der Kirche des Kanonikerstifts der hll.
Jacobus und Wichpertue auf dem heutigen Schloßberg vor dem Altar beige
setzt und blieb dort, auch als seine Witwe Mathilde einen Monat später diesem
Stift einen anderen Ort anwies und über dem Grab die Kirche des mit Nonnen
aus Wendhausen besetzten Damenstifts des hl. Servatius errichtete. Zu der
später in Quedlinburg entstandenen Überlieferung vgl. Erdmann, Sachsen und
Anhalt 16, 1940, 90--98 und DA 4, 1940, 76-97 . Vorläufiger Bericht über die
Ausgrabungen H. Giesa.u in Deutsche Kunst und Denkmalspflege 1939, 104-115.
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EXPLICIT PREPHATIO
INCIPIUNT CAPITULA
s Möge das gewaltige Werk, das ich beginne oder vielmehr überarbeite
- denn zum großen Teil ist es schon vollendet -, eine Stütze in deiner
Gnade finden, die du mit Recht als Gebieterirr von ganz Europa anerkannt
wirst, obschon auch bereits nach Afrika und Asien deines Vaters Macht
sich erstreckt. Ich hoffe nämlich, daß, was sich hierin weniger Geeignetes
10 findet, durch die rühmliche Nachsieht deiner Huld hingenommen werde und
daß es mit derselben Ergebenheit, mit der es begonnen ist, gewidmet bleibe .
1 . Von dem Reichstag bei der Pfalz zu Aachen und der Wahl eines neuen
ts Königs und dessen Salbung.
2. Von dem Dienst beim Könige und von dessen Fürsten .
3. Von dem Kriege gegen Boleslaw.
4. Von dem Feldzuge des Königs gegen die barbarischen Völker.
5. Von den Ungarn .
20 6. Von inneren Kämpfen.
7. Von den Reliquien des Märtyrers Innocentius.
8. Von Arnulf, dem Herzog von Bayern.
9. Von Siegfried und des Königs Sohn Thankmar.
10. Von der inneren Zwietracht und von der Verschiedenheit der Gesetze .
2s 1 1 . Von Thankmar, Eberhard, Heinrich und den Bürgerkriegen.
EXPLICIUNT CAPITULA
Ottos I. Königsweihe 85
18. Wie Dedi die Vasallen Heinrichs listigerweise dem Könige zuwendet.
19. Heinrich kehrt nach Sachsen zurück und zieht, vom Könige besiegt,
wieder hinweg.
20. Wie die Barbaren dem Gero nach dem Leben trachten und lange Zeit
den Krieg fortsetzen.
2 1 . Von dem Slawen, welchen König Heinrich übriggelassen hatte.
22. Wie das Heer des Königs gegen Heinrich geführt wird.
23. Von lmmo und Giselbert.
24. Von Eberhard und Giselbert.
I O 25. Von den Bischöfen Friedrich und Ruthard.
31 . Wieder von Heinrich, wie sich viele mit ihm in eine Verschwörung
gegen den König einließen.
32 . Von Vorzeichen.
33. Von Otto, dem Vorsteher der Lothringer.
2 0 34. Von Arnulfs Bruder Berchtold.
35. Wie der König den Hugo zum anderen Mal mit Waffengewalt be
zwingt.
36. Von der Eintracht der Brüder und wie sie beschaffen waren an Geist
und an Körper.
2S 37. Von der Verfolgung der Mönche .
1 . Nachdem nun also der Vater des Vaterlandes und der größte und
beste der Könige, Heinrich, entschlafen war, da erkor sich das ganze Volk
der Franken und Sachsen dessen Sohn Otto, der schon vorher vom Vater
JS zum König bestimmt worden war, als Gebieter. Und als Ort der allge
meinen Wahl bezeichnete und bestimmte man die Pfalz zu Aachen. Es
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palatii. Est autem locus ille proximus Iulol, a conditore Iulio Caesare
eognominato. Cum- I que illo ventum esset, duees ae prefeetorum
prineipes eum eaetera prineipum militum manu eongregati in sixto
basilieae Magni Karoli eohaerenti eolloearunt novum dueem in solio
ibidem eonstrueto, manus ei dantes ae fidem pollieentes operamque s
suam eontra omnes inimieos spondentes2, more suo feeerunt eum regem.
Dum ea gerunter a dueibus ae eaetero magistratu, pontifex maximus 3
eum universo saeerdotali ordine et omni plebe infra 4 in basilica
I
prestolabatur proeessionem novi regis. Quo proeedente pontifex ob
vius laeva sua dexteram tangit regis, suaque dextera lituum gestans, 10
regalia posita erant, gladius eum balteo, clamis eum armillis, baeulus
eum sceptro ac diadema 6 • Eo quippe tempore erat summus pontifex
nomine Hildiberhtus, Franeo genere, monachus professione, nutritus
vel doetus in Vuldo monasterio, et ad id honoris merito progrediens,
ut pater eiusdem loei eonstitueretur, deinde summi pontifieatus 25
I
sedes esset et tamquam a beato Petro apostolo fundata ; istius vero,
1 Die Herleitung des Namens Juliacum vom Diktator Julius Caesar ist zwar
falsch, aber sie schafft die Möglichkeit, Ottos I. Königtum mit der römischen
Tradition zu verbinden.
2 Vgl. III 76 (Wahl Ottos II.). 3 Hildibert von Mainz 927-937.
4 infra = intra, weil Säulenhof und Basilica (Octogon) auf gleicher Ebene
liegen. 5 Vgl. I 26.
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Ottos I. Königsweihe 87
ist aber j ener Ort nahe bei Jülich, das nach seinem Gründer Julius Cäsar
benannt ist!. Und als man dorthin gekommen war, versammelten sich
die Herzöge und die Ersten der Grafen mit der Schar der vornehmsten
Ritter in dem Säulenhof, der mit der Basilika Karls des Großen verbunden
5 ist, und sie setzten den neuen Herrscher auf einen hier aufgestellten
Thronsessel ; hier huldigten sie ihm, gelobten ihm Treue und versprachen
ihm Hilfe gegen alle seine Feinde 2 und machten ihn so nach ihrem
Brauche zum Könige . Während dies die Herzöge und die übrige Beamten
schaft taten, erwartete der Erzbischof3 mit der gesamten Priesterschaft
1 0 und dem ganzen Volk innen 4 in der Basilika den Aufzug des neuen
Königs. Als dieser eintrat, ging ihm der Erzbischof entgegen, berührte
mit seiner Linken die Rechte des Königs, während er selbst in der Rechten
den Krummstab trug, bekleidet mit der Albe , geschmückt mit Stola und
Meßgewand, und schritt dann vor bis in die Mitte des Heiligtums, wo er
15 stehen blieb. Dann zum Volke gewandt, das ringsumher stand - es
dies, indem ihr die rechte Hand zum Himmel emporhebt." Darauf hob
alles Volk die Rechte in die Höhe und wünschte mit lautem Zuruf5 dem
neuen Herrscher Heil. Sodann schritt der Erzbischof mit dem Könige, der
nach fränkischer Art mit enganliegendem Gewande bekleidet war, hinter
25 den Altar, auf dem die Abzeichen des Königs lagen, das Schwert mit dem
Wehrgehenk, der Mantel mit den Spangen, der Stab mit dem Zepter
und das Diadem 6• Erzbischof war zu dieser Zeit Hildebert, von Ge
schlecht ein Franke, seines Standes ein Mönch, erzogen und gebildet im
Kloster Fulda und nach Verdienst zu dieser Ehre emporgestiegen, daß
30 er zu dessen Abt bestellt wurde und hernach die höchste Würde des erz
bischöflichen Stuhles zu Mainz erlangte . Dies war ein Mann von wunder
barer Heiligkeit, und außer der natürlichen Weisheit seines Geistes war
er durch wissenschaftliche Arbeiten hochberühmt. Man erzählt von ihm,
daß er unter anderen Gnadengaben auch den Geist der Weissagung er-
35 halten habe. Und da wegen des Königs Weihe ein Streit unter den Bi
schöfen sich erhob, dem Trierer und Kölner - von seiten jenes, weil sein
Stuhl der ältere 7 und gewissermaßen vom Apostel Petrus gegründet sei,
8 Vgl. I 25, wo auch, wohl zu früh, die hl. Lanze erwähnt wird (vgl. Anm.
Krönungsmahl 89
von seiten dieses, weil der Ort zu seinem Sprengel gehöre, und deshalb
beide meinten, die Ehre der Weihe gebühre ihnen -, so traten sie dennoch
beide vor der allen bekannten Hoheit Hildeberts zurück. Dieser trat an
den Altar, nahm hier das Schwert mit dem Wehrgehenk und sprach zum
s König gewendet : "Empfange dieses Schwert und treibe mit ihm aus alle
seit 926 Herzog von Schwaben, Vetter der ebengenannten Brüder ; Arnulf
Herzog von Bayern. - Zum Krönungsmahl vgl. K. Hauck, Rituelle Speise
gemeinschaft im 10. u. 1 1 . Jhdt. , Studium Generale 3, 1950, 61 1-62 1 .
1 1 Graf Siegfried von Merseburg war ein Bruder des Markgrafen Gero (K.
stattfände, und hatte als Erzieher des j ungen Heinrich diesen bei sich.
Der König aber ehrte danach einen j eden der Fürsten königlicher Frei
gebigkeit gemäß mit dem j edem angemessenen Geschenk und entließ die
Menge mit aller Fröhlichkeit.
s 3. Mittlerweile erhoben sich die Barbaren zu neuer Empörung, auch
erschlug Boleslaw seinen Bruder13, einen Christen und, wie man sagt, im
Dienste Gottes sehr eifrigen Mann, und da er einen ihm benachbarten
Häuptling 14 fürchtete, weil dieser den Befehlen der Sachsen Folge leistete,
erklärte er diesem den Krieg. Dieser sandte nach Sachsen, um Hilfe für
10 sich zu verlangen. Es wurde ihm aber Asik 15 gesandt mit einer Schar
zum Kriege sei, erließ er ihm die gebührende Strafe und versetzte ihn
in die Vorstadt von Merseburg, gab ihm Äcker und Waffen und befahl
ihm, die Mitbürger zu verschonen, gegen die Barbaren aber, soviel sie
sich getrauten, Raubzüge zu machen . Die aus solchen Leuten gesammelte
20 Menge also stellte eine vollständige Heerschar zum Kriegszuge . Da aber
Boleslaw von dem Heer der Sachsen hörte und daß die Sachsen für sich
und die Thüringer für sich gegen ihn ziehen, teilte auch er seine Genossen,
und klug, wie er war, beschloß er, beiden Heeren entgegenzutreten . Als
aber die Thüringer die Feinde unvermutet sich gegenüber sahen, entzogen
2S sie sich der Gefahr durch die Flucht. Asik hingegen warf sich mit den
Sachsen und der übrigen Hilfsmannschaft ohne alles Zögern auf die
Feinde, vernichtete den größten Teil von ihnen mit den Waffen, trieb die
übrigen in die Flucht und kehrte siegreich zum Lager zurück . Und da er
von dem Heere, das die Thüringer verfolgt hatte, nichts wußte, erfreute
30 er sich des errungenen Sieges zu sorglos. Als aber Boleslaw sah, daß sich
unser Heer zerstreut hatte und die einen damit beschäftigt waren, den
Toten die Rüstungen abzunehmen, andere, sich zu erholen, andere, Futter
für die Pferde zu holen, da vereinigte er das in die Flucht geschlagene und
das siegreich zurückkehrende Heer, fiel über die Ahnungslosen und sich
35 wegen des soeben errungenen Sieges in Sicherheit Wähnenden plötzlich
her und erschlug den Führer samt unserem ganzen Heer. Von da zog er
weiter vor die Burg j enes Häuptlings, nahm dieselbe beim ersten Anlauf
(Grundmann, DA 5, 1942, 437 Anm. I ) gebildet und in der Vorstadt von Merse
burg angesiedelt. Hassigani sind die Bewohner des Hassegowe (Hohsego),
zwischen Unstrut und Saale, der aus einer alten, gegen die Sachsen errichteten
fränkischen Mark entstanden ist.
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et paludem, quae erat inter urbem hostium et castra regis, cum sociis
transiit, statimque hostes offendit, et ab his circumfusus cum omnibus
suis periit. Erant autem qui cum eo ceciderant electorum ex omni
exercitu virorum decem et octo. Rex autem caesa hostium multitudine
et caeteris tributariis factis reversus est in Saxoniam. Acta sunt autem 25
18 Vgl. III 8.
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und machte sie zur Wüste bis auf den heutigen Tag. Und es währte dieser
Krieg bis in das vierzehnte Regierungsj ahr des Königs16 ; von da an ver
blieb er dem Könige ein treuer und nützlicher Diener.
4 . Als aber der König von j ener Niederlage Botschaft erhielt, wurde er
5 darüber keineswegs in Bestürzung versetzt, sondern gestärkt durch
göttliche Kraft rückte er mit dem ganzen Heer in das Gebiet der Bar
baren ein, um ihrem Wüten Einhalt zu tun . Es waren nämlich j ene schon
vorher von seinem Vater mit Krieg überzogen worden, weil sie die Ge
sandten seines Sohnes Thankmar verletzt hatten, von dem wir im folgen-
t o den ausführlicher zu sprechen gedenken. Der neue König beschloß nun,
Innere Schwierigkeiten 95
nachdem alle Bewohner der Burg getötet waren. Als der König
diese Anmaßung vernahm, verurteilte er den Eberhard, als Buße eine
Anzahl Pferde zu liefern, im Wert von hundert Pfund, und alle Kriegs
obersten, die ihm dabei geholfen hatten, zu der Schande, Hunde zu tragen
5 bis zu der königlichen Stadtl8 Magdeburg.
Gefolgschaft anzuschließen.
9 . Auch starb um diese Zeit Graf Siegfried, dessen Markgrafschaft sich
Thankmar anmaßte, weil er mit ihm verwandt war. Es war nämlich seine
Mutter 20, mit der König Heinrich den Thankmar zeugte , die Tochter von
20 Siegfrieds Mutterschwester. Als sie aber durch königliche Schenkung dem
Grafen Gero anheimfiel, war Thankmar darüber sehr verstimmt. Der König
aber zog nach Bayern und kehrte, nachdem er dort in gehöriger Weise
Ordnung geschaffen hatte, nach Sachsen zurück.
10. Aber der Zwist zwischen Eberhard und Bruning ging so weit, daß
2 5 offener Totschlag verübt, das Land verwüstet wurde und das Sengen und
König aus, daß eine allgemeine Versammlung des Volkes bei der Pfalz
Steele 22 stattfinden sollte , und es wurde entschieden, daß die Sache durch
Schiedsrichter geprüft werden solle . Der König aber befolgte einen
besseren Rat und wollte nicht, daß edle Männer und die Ältesten des
3 5 Volkes unehrenhaft behandelt würden, vielmehr befahl er, die Sache durch
nach dem Tod ihres ersten Mannes den Schleier genommen, weshalb ihre zweite
Ehe von der Kirche (Bischof von Halberstadt) als unerlaubt angesehen wurde.
2 1 Luc. 2 , 1 : exiit edictum a Caesare Augusto.
2 2 Der Reichs- und Gerichtstag in der Pfalz Steele bei Essen a. d. Ruhr fand
im Mai 938 statt. - Dem Beschluß zufolge sollten die Urteilsfinder, Adelige und
Große aus dem Volke, den Streitfall durch Zweikampf entscheiden.
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valida manu obpugnat presidium quod dicitur Badiliki 23, i n quo erat
Heinricus iunior, dataque preda urbis I suis commilitonibus abiit,
secum adducens Heinricum quasi vile quoddam mancipium. lnter
fectus est autem ibi Gevehardus Udonis filius, fratris Herimanni
ducis ; ob cuius necem Deo omnia ordinante duces Franeorum inter se 15
honesta minus pudicitia usus. Erat autem mater eius multam habens
possessionem ; qui licet a patre alia plura sit ditatus, materna tarnen
se hereditate privatum aegre valde tulit, et ob hanc causam arma
sumit ad perniciem sui suorumque contra dominum suum regem. Rex
autem, licet invitus, videns rem ad tarn ingens periculum procedere, 30
Thankmars Auflehnung 97
wurde festgesetzt, daß sie gemäß der bisher stets geltenden Ordnung
nach gleichem Maße mit den Oheimen das Erbe teilen sollten. Hier wurden
auch die als Friedensstörer überführt, die bisher behaupteten, nichts
gegen die königliche Gewalt getan, sondern bloß die Unbill an ihren Ge-
5 nossen gerächt zu haben . Obgleich nun aber der König sich von ihnen
mißachtet sah - denn sie verschmähten es, gemäß dem königlichen Befehl
auf der Tagfahrt zu erscheinen - , so verschob er dennoch die Anwendung
von Waffengewalt und verzieh ihnen, da es ihm immer am nächsten lag,
in gewohnter Weise Gnade zu üben. Aber diese Verzögerung verleitete
1 0 viele zu noch größerem Unheil. Außerdem wurden viele Freveltaten
sich der j üngere Heinrich befand ; und nachdem er die Burg seinen Ge
nossen zur Plünderung überlassen hatte, zog er ab und führte Heinrich wie
einen gemeinen Knecht mit sich hinweg. Hier aber wurde Gebhard, der
Sohn Udos, des Bruders von Herzog Hermann, getötet ; wegen seines
20 Todes entzweiten sich nach Gottes Ratschluß untereinander die Häupter
der Franken. Bereichert durch die große Beute waren Thankmars Krieger
nun zu allem bereit. Danach nahm er die Eresburg 24, setzte sich in ihr
mit einem starken Haufen, den er gesammelt hatte, fest und unternahm
von da aus viele Raubzüge. Eberhard aber behielt Heinrich bei sich. Um
25 diese Zeit wurde auch Dedi getötet vor den Toren der Burg Laer 26, in der
Mannen Eberhards saßen. Als aber Wichmann, der zuerst vom Könige
abgefallen war, von so großem Frevel der Aufrührer hörte, bekehrte er
sich und schloß Frieden mit dem Könige , weil er sehr klug war, und blieb
bis an sein Ende treu und dienstwillig. Thankmar aber, der Sohn des
30 Königs Heinrich, geboren von einer Mutter edlen Stammes, war stets
fertig zum Kampf, lebhaften Geistes 26, kriegskundig, aber im Krieg gab
es Ehre und Sitte für ihn nicht. Seine Mutter hatte einen großen Besitz,
darum fühlte er sich, obgleich er durch seinen Vater mit anderen Gütern
reich ausgestattet wurde, schwer gekränkt durch den Verlust seines
3 5 mütterlichen Erbes und ergriff aus diesem Grunde zu seinem und der
Seinen Verderben die Waffen gegen seinen Herrn, den König. Der König
aber, der diese Angelegenheit zu so großer Gefahr anwachsen sah, zog,
wenn auch ungern, um Thankmars Übermut zu bändigen, mit zahl
reichem Gefolge vor die Eresburg. Als die Besatzung dieser Burg erkannte,
40 daß der König mit starker Macht über sie gekommen war, öffnete sie
2 6 Lage umstritten, entweder Laer an d. Ruhr bei Meschede oder Laar bei
Herford oder bei Zierenberg nordwestl. Kassel. - Dedi vielleicht aus dem Hause
Wettin.
28
Frei nach Sall. Jug. 7 : manu prompt'US . . . impigro atque acri ingenio.
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27 Die Kirche, deren Weihe durch Papst Leo III. (Jaffe Reg. 2502 ist eine
Fälschung) nur von Widukind berichtet wird, wurde 785 errichtet. Thankmar
wurde am 28. Juli 938 erschlagen.
2 8 Birten südöstl. v. Xanten, vgl. II 1 7 .
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Thankmars Tod 99
die Tore und ließ das Heer ein, das sich vor die Burg gelegt hatte. Thank
mar aber floh in die Kirche, die Papst Leo dem heiligen Apostel Petrus
geweiht hatte 27• Allein das Heer verfolgte ihn bis in die Kirche und nament
lich Heinrichs Mannen, aus Schmerz und aus Begierde, die Schmach ihres
5 Herrn zu rächen. Sie scheuten sich nicht, mit Gewalt die Türen einzu
so daß er bald darauf in schrecklicher Raserei den Geist aufgab . Aber einer
der Ritter, Maincia mit Namen, durchbohrte den Thankmar von hinten
durch ein Fenster nahe beim Altar mit einer Lanze und tötete ihn so
neben dem Altar. Er selbst aber, der Anstifter des Bruderzwistes, verlor
1 5 später in der Schlacht bei Birten 28 sein Leben auf j ämmerliche Weise,
samt dem frevelhaft vom Altar geraubten Golde . Als der König, welcher
nicht zugegen war und von diesen Vorfällen nichts wußte, davon hörte,
mißbilligte er das unüberlegte Handeln seiner Vasallen, doch konnte er,
während der Bürgerkrieg noch loderte, nicht mit Strenge gegen dieselben
20 verfahren. Er beklagte aber seines Bruders Schicksal und zeigte seines
Geistes Milde, indem er des Ruhms und der Tüchtigkeit Thankmars kurz
gedachte ; den Thiadrich 29 aber und drei Söhne von dessen Vatersschwe
ster, die sich mit Thankmar verbündet hatten, ließ er nach dem Gesetz
der Franken verurteilen und aufhängen . Von hier lenkte er sein kampf-
25 lustiges und durch die Beute aus der Burg bereichertes Heer gegen Laer.
Dessen Besatzung aber leistete unter Führung des Burggrafen heftigen
Widerstand und hörte nicht auf, Steine mit Steinen, Geschosse mit Ge
schossen zu erwidern. Aber des Kampfes müde, forderten sie, um den
Herzog zu befragen, eine Waffenruhe. Als man ihnen diese zugestand,
30 wurde ihnen Unterstützung vom Herzog verweigert. Deshalb verließen
sie die Burg und ergaben sich in die Gewalt des Königs. In diesem Kampfe
erwarb sich Tamma, der Schenk, schon durch viele andere wackere
Taten längst bekannt, hohen Ruhm . Als aber Eberhard den Tod Thank
mars und den Abfall seiner Mannen hörte, verlor er den Mut, er warf sich
3 5 seinem Gefangenen zu Füßen, bat um Gnade und erhielt sie auf schänd
liche Weise.
12. Heinrich war aber zu dieser Zeit noch sehr j ung und von heißem
Blute ; und so verzieh er ihm, verlockt von übergroßer Herrschsucht, sein
Verbrechen unter der Bedingung, daß er mit ihm eine Verschwörung gegen
40 den König, seinen Herrn und Bruder, schließe und ihm, wenn es möglich
liegt III 75 vor. - Thiadricus war vermutlich ein Franke, da er mit seinen
Vettern nach fränkischem Recht bestraft wird.
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wäre , die Krone des Reiches aufsetze. Und so wurde denn der Vertrag
von beiden Seiten geschlossen ; darauf kehrte Heinrich frei zum Könige
zurück und wurde von diesem mit mehr aufrichtiger Treue und Liebe
aufgenommen, als er mitbrachte .
5 13. Auch Eberhard ging auf Zureden Friedrichs30, des Nachfolgers von
Erzbischof Hildebert, eines trefflichen und in allen Andachtsübungen
bewährten Mannes, zum Könige, bat demütig um Verzeihung und stellte
sich und all das Seine dessen Willen anheim. Darauf wurde er, damit so
ungeheuerer Frevel nicht ungestraft bliebe, als Verbannter in die Burg
1 0 Hitdesheim gesandt. Doch nicht lange darauf wurde er huldreich wieder
und trieben die übrigen, wobei sie eine große Menge Pferde nebst einigen
Feldzeichen erbeuteten, in die Flucht. Aus den Burgen aber, die auf ihrem
Wege lagen, wurden sie, als man ihre Flucht bemerkte, aller Orten mit den
Waffen bedrängt, und als der größte Teil von ihnen erschlagen war,
25 wurde ihr Anführer selbst in eine Lehmgrube getrieben und so ums Leben
gebracht. Der andere Teil des Heeres aber, der sich nach Norden wandte,
geriet durch List eines Slawen in eine Gegend, welche Drömling 32 heißt,
und ging hier in dem unwegsamen Gelände, von bewaffneten Scharen
umringt, zugrunde, was den übrigen größten Schrecken einj agte . Der
30 Anführer dieser Schar aber, der mit wenigen entschlüpft war, wurde er
griffen, vor den König geführt und mußte sich um hohen Preis loskaufen.
Auf diese Kunde geriet das ganze Lager der Feinde in Verwirrung und
suchte sein Heil in der Flucht, und seitdem sind sie nun schon dreißig
Jahre lang nicht wieder im Sachsenland erschienen .
35 1 5 . Danach gab Heinrich, der von Begierde nach dem Königtum
brannte, ein großes Fest an einem Ort, der Saalfeld genannt wird. Und da
er groß und von königlicher Hoheit und Macht war, beschenkte er sehr
viele mit großen Gütern und gewann dadurch eine große Menge für sich
zu Genossen seiner Verschwörung. Doch waren viele der Meinung, daß es
40 besser sei, die Sache geheimzuhalten, nur zu dem Zweck, damit sie nicht
als schuldig an dem Bruderzwist erfunden würden . Sie gaben aber einen
Rat, wodurch der Krieg um so leichter zum Ausbruch kommen sollte :
er solle nämlich Sachsen der Verteidigung seiner Vasallen überlassen und
32 Ein waldiger Bruch zwischen Aller und Ohre nördlich von Helmstedt.
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gung übergeben hatte, zog er selbst mit seinen Freunden zu den Loth
ringern. Die Kunde davon versetzte alle weit und breit in Schrecken, weil
ihnen der Grund eines so plötzlichen Abfalls vom Könige und eines so
unerwarteten Krieges völlig unbekannt war. Der König aber, als er solche
1 0 Kunde vernahm, glaubte anfangs nicht daran ; zuletzt, da er die Botschaft
als zuverlässig bewährt fand, zog er unverweilt mit seinem Heere hinter
seinem Bruder her. Und wie er nun vor die Burg namens Dortmund kam,
die mit einer Besatzung seines Bruders verwahrt war, da wagten in
Erinnerung an Thankmars Geschick die Mannen darin es nicht, den König
IS in der Burg zu erwarten, sondern verließen sie und ergaben sich dem
König. Es war aber Agina, welcher j ene Burg zu Handen Heinrichs be
wahren sollte . Dieser wurde vom König mit einem schweren Eide ver
pflichtet, daß er, wenn er es vermöchte, seinen Herrn vom Kriege zu
Frieden und Eintracht zurückführe oder wenigstens selbst zum König
20 zurückkehre ; also entlassen suchte er seinen Herrn auf. Das Heer aber
gelangte unter des Königs Führung bis an das Ufer des Rheins.
16. Zu j ener Zeit 33, als zwischen Eberhard und dem König Krieg war,
wurde Hadald, der Kämmerer des Königs, zu Giselbert geschickt, um über
Frieden und Eintracht zu verhandeln ; aber da j ener sich noch nicht offen
zs auf eine der beiden Seiten neigte, wurde er unziemlich aufgenommen und
die Antwort von Tag zu Tag verschoben . Er aber spürte die Feindseligkeit
des Herzogs, und da er nicht ferner solcher Täuschung ruhig zusehen
wollte, sprach er : " Ich gebe dir den Befehl des Königs vor allem Volk 34,
dich vor des Königs Richterstuhl am bestimmten Tage zu stellen ; sonst
30 wisse, daß man dich j edenfalls zum Landesfeind erklären wird . " Auf
ähnliche Weise hatte Giselbert auch den Bischof Bernhard 35, des Königs
Gesandten, ohne die gebührende Ehre und ohne bestimmte Anwort von
sich entlassen . Man sagt auch, daß er öfter die Siegel königlicher Schreiben
mißbraucht habe. Nach j enen Worten aber fing er an, den Gesandten
JS etwas besser zu behandeln, und ließ ihn ehrenvoll zurückgeleiten.
17. Jetzt also rüsteten Heinrich und Giselbert zum Kriege und be
schlossen, dem Könige am Rhein entgegenzutreten. Agina, seines Schwu
res eingedenk, eilte dem Heere voran, setzte über den Rhein und stellte
sich dem Könige ; er begrüßte ihn mit sehr demütigen Worten und sprach
40 dann : "Dein Bruder, mein Gebieter, wünscht dir, du mögest gesund und
wohlbehalten lange über dein großes und weites Reich herrschen, und
35 Bischof von Halberstadt 924-968. Dieser Satz und der folgende sind nach
träglich eingeschoben.
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meldet dir, daß er seinen Dienst bei dir so schnell als möglich antritt 36. "
Als ihn aber der König fragte, o b e r a n Frieden oder Krieg denke, sah er,
in die Ferne blickend, eine große Menge mit aufgerichteten Feldzeichen
langsam vorrücken in Richtung auf den Teil seines Heeres, der schon den
5 Rhein überschritten hatte. Und zu Agina gewendet, sprach er : "Was will
j ene Menge ? und was für Leute sind es ? " Darauf erwiderte dieser in
aller Ruhe : "Mein Gebieter ist es, dein Bruder ; wenn es ihm gefallen
hätte, nach meinem Rate den Sinn zu lenken, so wäre er auf andere Weise
gekommen. Nun bin ich doch wenigstens gekommen, wie ich geschworen
1 0 habe. " Als der König dies hörte, verriet er durch die Bewegung seines
Körpers den Schmerz seiner Seele darüber, daß keine Schiffe da waren,
auf denen er über den Rhein setzen könnte ; denn der gewaltige Strom
bot weder einen anderen Übergang, noch ließ der Zeitpunkt des plötz
lichen Angriffes die am anderen Ufer Stehenden an etwas anderes denken,
15 als daß sie den Feinden erliegen oder ihr Leben mit den Waffen verteidigen
müßten. Deshalb erhob der König die Hände flehend zu Gott und sprach :
"0 Gott, du aller Dinge Urheber und Regierer, sieh auf dein Volk 37, an
dessen Spitze mich dein Wille gestellt, auf daß es vor den Feinden ge
rettet werde und alle Völker daran erkennen, daß gegen deinen Willen
20 kein Sterblicher etwas vermag, der du allmächtig bist und lebst und
daß die Feinde in die Mitte genommen und auf diese Weise trotz ihrer
Überzahl von dem kleinen Haufen heftig bedrängt wurden. Denn man
berichtet, daß auf unserer Seite nicht über hundert Geharnischte ge
wesen sind, das Heer der Feinde aber ziemlich groß . Da sie aber zugleich
30 von vorn und im Rücken bedrängt wurden, so wußten sie nicht, nach
welcher Seite sie sich vor allem wehren sollten. Auch waren unter den
Unsrigen einige, die etwas in welscher Sprache zu reden verstanden, und
diese erhoben auf welsch ein lautes Geschrei, indem sie ihre Gegner auf
forderten zu fliehen. Diese glaubten, ihre Genossen hätten so gerufen,
35 und ergriffen, wie ihnen zugerufen worden war, die Flucht. An diesem
Tage wurden von den Unsern viele verwundet, einige auch getötet,
darunter Ailbert, genannt der Weiße, der, von einem Geschoß Herzog
Heinrichs getroffen, wenige Tage nachher starb . Die Feinde aber wurden
alle entweder getötet oder gefangen oder wenigstens in die Flucht ge-
40 trieben und alles Gepäck und Gerät der Feinde unter die Sieger verteilt.
Von seiten der Lothringer aber soll in diesem Kampfe Godofrid 36 , ge
nannt der Schwarze, wacker gekämpft haben . Aber auch Maincia, dessen
wir oben Erwähnung getan, fiel an diesem Tage.
38 Sonst nicht bekannt. Maincia s. II 1 1 .
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his pro gloria et pro magno latoque imperio 4I, illis pro libertate ac
ultima servitute varie certantibus. Multos quippe illis diebus Saxones
patiebantur hostes, Sclavos ab oriente, Francos a meridie, Lotharios
ab occidente, ab aquilone j Danos itemque Sclavos : proptereaque
barbari longum trahebant certamen. 35
allen festen Plätzen nur zwei übrig geblieben, Merseburg und Burg
Scheidungen. Der König nun beschloß, nach dem Siege seinen Bruder und
Schwager zu verfolgen .
1 9 . Aber auf die Kunde von dem Abfall seiner Burgen und entmutigt
10 durch den soeben erfochtenen Sieg des Königs machte sich Heinrich mit
nur neun Gewappneten auf den Weg, kam schon etwas spät nach Sachsen
und zog in Merseburg ein. Als das der König erfuhr, kehrte er ebenfalls
nach Sachsen zurück und belagerte mit seinem Heer die Burg, in der sein
Bruder war. Da aber dieser dem Stärkeren und Mächtigeren nicht wider-
1 5 stehen konnte, übergab er nach ungefähr zwei Monaten die Burg und kam
heraus zum Könige. Und es wurde ihm eine Waffenruhe von dreißig
Tagen bewilligt, um mit seinen Anhängern Sachsen zu räumen ; falls
aber einer davon sich an den König wenden wolle, solle er Verzeihung
finden. Und hierauf hatte Sachsen vor inneren Kämpfen eine Zeitlang Ruhe.
20 20. Die Barbaren aber, durch unsere Schwierigkeiten übermütig ge
worden, hörten nirgends auf, mit Morden und Brennen das Land zu
verwüsten, und trachteten danach, den Gero, den der König über sie
gesetzt hatte 40, mit List zu töten . Er aber kam der List mit List zuvor
und räumte ungefähr an die dreißig Fürsten der Barbaren, die nach einem
25 großen Gastmahl von Wein und Schlaf trunken waren, in einer Nacht
aus dem Wege. Da er aber gegen alle Völkerschaften der Barbaren allein
zu schwach war - es hatten sich nämlich um diese Zeit auch die Abodriten
empört, unser Heer vernichtet und den Anführer desselben namens
Haika erschlagen -, so führte der König selbst mehrere Male ein Heer
30 gegen sie, fügte ihnen vielen Schaden zu und brachte sie fast in das
2 1 . Es war aber von König Heinrichs Zeiten her ein Slawe namens
Tugumir in Haft, der nach dem Gesetz seines Volkes als Nachfolger seines
Vaters über die Heveller herrschen sollte. Dieser ließ sich durch eine
große Geldsumme gewinnen, und durch noch größere Verheißungen
5 überredet, versprach er, sein Gebiet zu verraten. Deshalb stellte er sich,
als sei er heimlich entflohen, kam so in die Burg, die Brandenburg heißt,
und wurde vom Volke anerkannt und als Herrscher angenommen, worauf
er in kurzem sein Versprechen erfüllte . Er lud nämlich seinen Neffen, der
von allen Fürsten des Volkes allein noch übrig war, zu sich ein, und nach-
1 0 dem er ihn durch List gefangen, tötete er ihn und unterwarf die Burg
samt dem ganzen Gebiet der Botmäßigkeit des Königs. Daraufhin unter
warfen sich alle barbarischen Völkerschaften bis zur Oder auf ähnliche
Weise als Tributpflichtige der Hoheit des Königs.
22. Heinrich also zog, als er Sachsen verlassen mußte, wieder zu den
1 5 Lothringern und hielt sich mit seinen Vasallen eine Zeitlang bei seinem
Schwager, Herzog Giselbert, auf. Da führte der König wiederum ein Heer
gegen Giselbert und verheerte das ganze Gebiet der Lothringer, das unter
dessen Herrschaft stand, mit Feuer und Schwert. Giselbert selbst wurde
in der Burg Kievermont 42 belagert, entkam aber und machte sich davon.
2 0 Und da die Belagerung wegen der Schwierigkeiten des Geländes nicht
zum Ziel führte, verwüstete der König das Land ringsumher und kehrte
nach Sachsen zurück .
23. Da er aber von einem überaus gewandten und listigen Gefährten
Giselberts namens Immo wußte, hielt er es für ratsamer, sich dessen
2 5 Listen zu bedienen, als mit den Waffen zu kämpfen. Dieser aber, schlau
wie er war, unterwarf sich dem Besseren und Mächtigeren und ergriff die
Waffen gegen den Herzog, was diesen unter allen Drangsalen am schwer
sten traf, weil er nun die Feindschaft dessen erdulden mußte, auf dessen
Klugheit und Treue er bis dahin am allermeisten vertraut hatte. Den
30 Unwillen des Herzogs vermehrte auch eine List Immos, wodurch er ihm
lagerte Immo. Nun soll dieser sehr viele Bienenkörbe gehabt haben, welche
er zerbrochen den Reitern entgegenwarf. Die Bienen aber stachen mit
ihren Stacheln die Rosse und machten sie toll, so daß die Reiter in Gefahr
gerieten. Und als Immo, von der Mauer herabschauend, dies erblickte,
40 drohte er, mit seinen Genossen über sie herzufallen. Durch dergleichen
Listen wiederholt von Immo verhöhnt, hob der Herzog die Belagerung auf.
Als er aber abzog, soll er geäußert haben : " Solange Immo mir anhing,
habe ich alle Lothringer ohne Mühe bei mir festgehalten, j etzt kann ich
mit allen Lothringern ihn allein nicht fassen."
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24. Als nun Eberhard sah, daß sich der Krieg s o lange hinzog, blieb er
nicht länger ruhig. Er scheute sich nicht mehr vor dem Könige, brach
seinen Eid, und wie am Anfang mit Giselbert gemeinschaftliche Sache
machend, trachtete er, mit ihm vereint den Krieg zu entfesseln. Und nicht
5 zufrieden mit dem Westreiche allein, stürzten sie sich mit einem Heer
auf das ostrheinische Gebiet, es zu verwüsten. Als man dies im Lager des
Königs hörte - es stand nämlich um diese Zeit der König im Kampf um
Breisach 43 und andere Festen , die zu Eberhards Besitz gehörten -, da
entfernten sich viele aus dem Lager, und alle Hoffnung schwand, daß die
10 Sachsen noch ferner den König stellen. Aber der König zeigte bei dieser
und soll deshalb gesagt haben, er könne davon nicht abgehen. Der
König aber, der durch den Bischof eine Antwort sandte, die seiner Würde
angemessen war, wollte sich durch nichts binden lassen, was der Bischof
ohne sein Geheiß getan hätte . Deshalb, weil er gegen Gottes Wort nicht
2 5 dem Könige als dem Oberherrn untertan sein wollte 45, sondern sich von
ihm entfernte, wurde er, wie zur Verbannung, nach Harnburg verwiesen,
den Bischof Ruthard aber schickte der König nach Neu-Korvei . In
kurzem j edoch verzieh er beiden huldvoll, nahm sie in Gnaden an und
gab ihnen ihre frühere Würde zurück .
30 26. Als danach, den Hochmut der Herzöge zu dämpfen, Hermann 46
mit einem Heere abgesandt worden war, traf er sie am Ufer des Rheins
und fand, daß ein großer Teil ihrer Mannschaft nicht zugegen war, weil
sie schon mit der Beute über den Rhein gesetzt waren. Daher wurde Herzog
Eberhard selbst von bewaffneten Kriegern umringt und brach, nachdem
35 er viele Wunden erhalten und mannhaft ausgeteilt hatte, endlich von
Geschossen durchbohrt zusammen. Giselbert aber bestieg fliehend mit
mehreren ein Boot ; dieses sank überlastet und ging unter, und der Herzog
selbst samt den übrigen versank und wurde nie wiedergefunden. Als aber
der König den Sieg der Seinen und den Tod der Herzöge vernommen hatte,
40 dankte er Gott dem Allmächtigen, dessen Hilfe er zu öfteren Malen zur
rechten Zeit erfahren hatte. Dann setzte er über das Gebiet der Lothringer
Otto, den Sohn Richwins, mit dem Auftrage, seinen Neffen, Giselberts
45 In Anlehnung an 1. Petr. 2, 1 3 : subiecti igitur estote . . . regi quasi praecellenti.
46 Herzog Hermann von Schwaben. - Tod der Herzöge 2. Oktober 939.
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XXVII . Post haec lmmo, re vera nescio an falso, arma sumit contra
regem, et media hieme circumdatus exercitu se pariter euro urbe
tradidit, ac deinceps fidelis et utilis permansit.
XXVIII. Nepotes quoque Isilberhti servituti regiae se subiciebant,
I
urbibus quas tenebant nichilominus retentis ; Kievermont etiam ab 10
Ansfrido et Arnoldo adhuc tenebatur. Ad quos lmmo ruandaturn
huiuscemodi dirigens ait : 'De me non sentio nisi quod vos sentitis ;
de vobis autem notum est, quia huius gentis principes estis. Nulli
ergo dubium, quin duabus manibus quisque magis valeat quam una.
Certurn est itaque tres unum fortitudine precedere. Et nunc quae 15
27. Später ergriff Immo, ob ernstlich oder zum Schein, weiß ich nicht,
die Waffen gegen den König, und mitten im Winter, von einem Heere
eingeschlossen, ergab er sich samt seiner Burg und verblieb fortan treu
und dienstbar.
10 28. Auch die Neffen Giselberts unterwarfen sich dem König und durf
ten trotzdem die Burgen behalten, die sie innehatten. Auch Kievermont
wurde noch von Ansfrid und Arnold behauptet. Al). diese richtete Immo
eine Botschaft folgender Art : "Über meine Person habe ich keine eigene
Meinung ; euer Urteil ist auch das meine ; von euch aber ist bekannt, daß
15 ihr dieses Volkes Häupter seid. Nun ist keinem zweifelhaft, daß einer mit
zwei Händen mehr vermag als mit einer ; daher ist gewiß, daß drei an
Stärke einen übertreffen. Welche Notwendigkeit zwingt uns nun, den
Sachsen zu dienen, außer unsere Zwietracht ? Als sie euch mit Waffen
bedrängten, haben sie sich da des Sieges erfreut ? Den Siegern bringt
20 doch wahrlich Dienstbarkeit Schmach. Ich habe den Besten aller Sterb
lichen, der mich von Kindheit an behütet, mich immer unter seine
Freunde gezählt und durch große Macht ausgezeichnet hat, unsern
gemeinsamen Gebieter, verlassen und mich unter Lebensgefahr mit dem
Sachsen verbündet ; nun habe ich, wie ihr wißt, statt der verdienten Ehre
25 nur Schimpf und Schande von ihm erfahren und bin, mit Waffen um
stellt, aus einem freien Manne fast ein Knecht geworden. Damit ihr nun
wißt, daß ich ehrlich für das gemeinsame Wohl sorgen will, will ich dir,
Ansfrid, meine einzige Tochter verloben, damit ich bei euch nicht in den
Verdacht der Untreue geraten kann. Bestimmt mir daher einen Ort zu
30 gemeinsamer Besprechung, und dann werde ich selbst euch die Bürg
schaft meiner Treue geben, die der Bote euch noch nicht leisten kann."
Daraufhin widerstanden diese, obwohl ihre Brust von Eisen war und sie
ihn schon lange im Verdacht hatten, dennoch so großer Verschlagenheit
nicht und bestimmten, verleitet von den verführerischen Worten, einen
35 Ort zur persönlichen Zusammenkunft. Er aber hatte an geeigneten Orten
Bewaffnete verborgen, nahm beide hinterlistig gefangen und sandte sie
unter Bewachung zum Könige, zugleich mit einer Botschaft, die etwa in
folgenden Worten abgefaßt war : "Der Größere 48 ist sanfter und braucht
weder Fesseln noch Schläge ; Drohungen entlocken ihm alles, was er weiß.
40 Ansfrid aber ist hart wie Eisen ; wenn diesen die heftigsten Qualen ergrün
den, so ist es viel. " Als sie der König in Empfang genommen hatte, strafte
er sie dadurch, daß er sie eine Zeitlang in Haft nahm ; später gewann er
sie durch die Milde seiner Huld für sich und entließ sie in Frieden. Da nun
die Ereignisse und Begebenheiten so untereinander verkettet sind, daß
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Lothringen.
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man sie nicht in der Reihenfolge der Erzählung voneinander trennen darf,
möge mich niemand des Verwechselns der Zeiten beschuldigen, indem
ich später Geschehenes den früheren Ereignissen vorangestellt habe.
29. Der König also erbarmte sich nach der Milde, die seinem Herzen
5 immer am nächsten lag, der schweren Not49 seines Bruders, überließ ihm
für seinen Bedarf einige feste Plätze und gestattete ihm, innerhalb
Lothringens zu wohnen.
3 0 . Während dieser Zeit wütete ohne Unterlaß der Krieg mit den
Barbaren. Und da die Krieger, die dem Markgrafen Gero zugewiesen
10 waren, durch die häufigen Feldzüge aufgerieben wurden und durch
Schenkungen oder Anweisung von Zinsgefällen zu wenig unterstützt wer
den konnten, weil die Abgaben oft verweigert wurden, entbrannten sie
von aufrührerischem Haß gegen Gero. Der König aber stand zum allge
meinen Wohle des Staates immer auf Geros Seite . Daher kam es, daß sie
15 heftig erbittert ihren Haß auch auf den König selbst warfen.
31 . Dieser Umstand blieb Heinrich keineswegs verborgen. Und - wie
es gewöhnlich geht, wenn erbitterten Gemütern etwas Angenehmes dar
geboten wird - es wurde ihm leicht, solche Menschen zu überreden, sich
ihm anzuschließen ; denn noch einmal faßte er Hoffnung, König zu wer-
20 den, da er wußte, daß das Heer gegen den Herrscher aufgebracht war.
Schließlich, nachdem viele Boten hin und her gegangen waren und man
sich gegenseitig Geschenke zugesandt hatte, gewann er fast alle Vasallen
des Ostlandes für sich. Diese Sache erwuchs zu so gewaltigem Frevel,
daß sie eine mächtige Verschwörung bildeten und den Plan faßten, am
25 Osterfest, das nahe bevorstand, wenn Heinrich selbst zur Pfalz komme,
den König zu töten und j enem die königliche Krone aufzusetzen. Obwohl
sich nun niemand fand, der diese Vorgänge durch öffentliche Anzeige
bekannt machte, so wurde dennoch dem Könige, den immer Gottes
schützende Hand bewahrte, der Anschlag aufgedeckt50, kurz vor Ostern .
30 Er umgab sich daher mit einer Schar treuer Vasallen, Tag und Nacht,
ohne seiner Würde oder seiner königlichen Hoheit vor dem Volke bei
dieser Festlichkeit irgend etwas zu vergeben, und versetzte so seine
Feinde in große Furcht. Nach dem Fest aber ließ er hauptsächlich auf
den Rat der Franken, welche um diese Zeit um ihn waren, nämlich Her-
35 manns, Udos und Konrads, den man den Roten nannte 51, die insgeheim
Verratenen lebendig festnehmen oder töten. Unter diesen war der
erste Erich 52, ein, abgesehen von dieser Schuld, hinsichtlich aller übrigen
guten Eigenschaften sehr tüchtiger und ausgezeichneter Mann . Als dieser
merkte, daß Bewaffnete auf ihn zueilten, bestieg er, seiner Schuld bewußt,
40 sein Pferd, ergriff die Waffen, und umringt von den Scharen der Feinde ,
der alten Tapferkeit und Ehre eingedenk53, wollte er lieber sterben, als sich
der Gewalt seiner Feinde unterwerfen. Denn er starb, durchbohrt von
52 Vater des Bischofs Hildiward von Halberstadt (968-998).
53 Vgl. III 69, Anlehnung an Sall. Cat. 58.60.
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einem Speer, ein Mann, der durch j egliche Tugend und Mannhaftigkeit
seinen Landsleuten teuer und in hohem Ansehen war. Die übrigen Teil
nehmer der Verschwörung wurden für die nächste Woche aufgespart und,
den Gesetzen gemäß für ihre Verbrechen die verdiente Strafe erleidend,
5 enthauptet. Heinrich aber floh und entwich aus dem Reiche.
32 . In diesem Jahre erschienen auch einige Zeichen, nämlich Kometen.
Man sah sie vom achtzehnten Oktober bis zum ersten November. Viele
Menschen wurden durch ihr Erscheinen erschreckt und befürchteten ent
weder eine furchtbare Seuche oder doch wenigstens einen Wechsel der
10 Regierung, denn auch vor König Heinrichs Tode hatten sich viele Wun
der gezeigt, z. B. daß der Glanz der Sonne im Freien bei heiterem Himmel
fast nicht zu sehen war, ins Innere der Häuser aber durch die Fenster rot
wie Blut hereindrang. Auch der Berg, auf dem der großmächtige Herr 04
begraben ist, spie, wie das Gerücht ging, an vielen Orten Flammen aus.
15 Auch wurde einem Manne die linke Hand, die ihm mit dem Schwerte
abgehauen war, nachdem fast ein volles Jahr verflossen war, im Schlafe
unversehrt wiedergegeben ; zum Zeichen des Wunders behielt er als
Merkmal eine blutrote Linie an der Stelle der Verbindung. Aber den
Kometen folgte eine ungeheuere Überschwemmung und der Überschwem-
20 mung eine Rinderseuche .
33. Als aber Otto, der Statthalter Lothringens, und des Königs Neffe
Heinrich gestorben waren, wurde die herzogliche Würde im Land auf
Konrad übertragen, dem der König auch seine einzige Tochter verlobte ;
er war ein kluger und tapferer Jüngling, in Krieg und Frieden tüchtig
25 und seinen Genossen teuer.
34 . In j ener Zeit verwaltete Berchtold, Arnulfs Bruder, Bayern, und
da er gegen die Ungarn kämpfte und sie besiegte, gewann er großen Ruhm
durch den herrlichen Triumph 66 •
35. Der König aber, der von Tag zu Tag an Macht zunahm, begnügte
30 sich nicht mit seinem väterlichen Reich allein, sondern zog nach Burgund
und brachte den König 58 samt seinem Reiche in seine Gewalt. Der zweite,
den er mit den Waffen bezwang und gleichfalls sich untertänig machte,
war Hugo 67 • Dessen goldene Spange, welche er dem König zum Geschenk
überließ, wunderbar durch den mannigfaltigen Schimmer edler Steine,
35 sehen wir auf dem Altar des heiligen Stephan, des Erstlings unter den
Blutzeugen, glänzen 68.
36. Da sich nun alle Reiche vor ihm ruhig verhielten 69 und alle Feinde
sich seiner Macht beugten, gedachte er auf die Ermahnung und Vermitt
lung seiner ehrwürdigen Mutter hin des durch viele Drangsale gebeugten
60 November 947.
61 Judith.
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Bruders und setzte ihn über das Reich der Bayern, da Berchtold schon
gestorben war 60 ; und er schloß Frieden und versöhnte sich mit ihm,
worin auch Heinrich bis an sein Ende treu verharrte . Es war aber der
Herr Heinrich selbst durch die Ehe verbunden mit der Tochter Herzog
5 Arnulfs 61, einer Frau von ausgezeichneter Schönheit und wunderbarer
Klugheit. Und der Brüder Friede und Eintracht, die Gott wohlgefällig
und den Menschen eine Freude war, wurde bald auf dem ganzen Erdkreis
gepriesen, da sie einmütig das Reich vergrößerten, die Feinde bekämpften
und ihr Volk mit väterlicher Herrschaft regierten. Nachdem er also das
10 Herzogtum Bayern erhalten hatte, ergab er sich durchaus nicht trägem
Nichtstun, sondern zog aus und nahm Aquilej a, besiegte die Ungarn zwei
mal mit Heeresmacht, überschritt den Tessin und führte, nachdem er im
feindlichen Lande große Beute gemacht, sein Heer wohlbehalten in das
Vaterland zurück. Den Charakter, die Haltung und Gestalt so herrlicher
15 und großer Männer, die die Huld des Höchsten der Welt zur Freude und
j eglicher Zierde bestimmte, vollständig zu beschreiben, steht nicht in
unseren Kräften. Allein die Ehrfurcht, die wir gegen sie hegen, ganz zu
verbergen vermögen wir nicht. Er selbst also, der großmächtige Herr, der
älteste und beste der Brüder, war vor allem ausgezeichnet durch Frömmig-
20 keit, in seinen Unternehmungen unter allen Sterblichen der beständigste ,
abgesehen von dem Schrecken der königlichen Strafgewalt immer freund
lich, im Schenken freigebig, im Schlafen mäßig, während des Schlafes
redete er immer, so daß es den Anschein hatte, als ob er stets wache.
Seinen Freunden war er in allem willfährig und von übermenschlicher
25 Treue . Denn wir haben gehört, daß einige Angeklagte und ihres Ver
brechens Überführte an ihm selbst einen Rechtsbeistand und Fürsprecher
hatten, der durchaus an ihre Schuld nicht glauben wollte und sie auch
nachher so behandelte, als ob sie nie etwas gegen ihn verbrochen hätten.
Seine Geistesgaben62 waren bewunderungswürdig, denn nach dem Tode der
30 Königin Edith lernte er die Schrift, die er vorher nicht kannte, so gut,
daß er Bücher durchaus lesen und verstehen konnte . Außerdem verstand
er in romanischer und slawischer Sprache zu reden. Doch geschah es sel
ten, daß er es für angemessen hielt, sich derselben zu bedienen . Auf die
Jagd ging er häufig, liebte das Brettspiel, übte zuweilen die Anmut des
35 Reiterspiels mit königlichem Anstand . Hierzu kam noch der gewaltige
Körperbau, der die volle königliche Würde zeigte, das Haupt mit dem
ergrauenden Haar bedeckt, die Augen funkelnd und wie ein Blitz durch
plötzlich treffenden Blick einen eigenen Glanz ausstrahlend, das Gesicht
rötlich und der Bart reichlich niederwallend, und zwar gegen den alten
40 Brauch. Die Brust war wie mit einer Löwenmähne bedeckt, der Bauch
nicht zu voll, der Schritt einst rasch, j etzt gemessener ; seine Kleidung
die heimische, die er nie mit fremder Sitte vertauscht hat. So oft er aber
8 2 Die nachfolgende Charakteristik Ottos verrät den Einfluß von Einhards
Vita Caroli und des Poeta Saxo (V 230 ff. 3 1 7 ff. 333 ff. ).
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die Krone tragen mußte, bereitete er sich, wie man für wahr versichert,
stets durch Fasten vor. Heinrich aber war von überwiegend ernstem
Charakter und galt deshalb bei solchen, die ihn nicht kannten, für weniger
gütig und leutselig ; auch er war von großer Festigkeit und Treue gegen-
5 über seinen Freunden, so daß er einen Ritter 63 von geringem Vermögen
durch die Verheiratung mit der Schwester seiner Gemahlin ehrte und ihn
zu seinem Freunde und Genossen machte . Er war von hohem Wuchs und
gewann in seinen Jünglingsj ahren j edermann durch seine auffallende
Schönheit für sich . Der j üngste der Brüder aber, Herr Brun, war ausge-
1 0 zeichnet durch Geist, groß durch Wissen und jegliche Tugend und Mann
haftigkeit. Als ihn der König über das unbändige Volk der Lothringer
gesetzt hatte 64, reinigte er das Land von Räubern und lehrte sie so kräftig
gesetzliche Zucht, daß die größte Ordnung und die tiefste Ruhe in diesen
Landen waltete.
15 37. Da nun innere und äußere Kriege aufhörten, standen göttliche
und menschliche Gesetze in kraftvollem Ansehen. Und es begann in j ener
Zeit für die Mönche eine schwere Verfolgung, da einige Bischöfe behaup
teten, sie erachteten es für besser, daß wenige von rühmlichem Lebens
wandel im Kloster wären als viele Gleichgültige ; worin sie, wenn ich mich
20 nicht irre, des Spruchs vom Hausvater nicht gedachten, der seinen Knech
ten verbot, das Unkraut auszuj äten, vielmehr solle beides miteinander
wachsen bis zur Zeit der Ernte, das Unkraut und der Weizen65• So kam
es, daß mehrere, der eigenen Schwäche bewußt, das Mönchskleid ableg
ten und die Klöster verließen, um sich dem schweren Joch der Priester zu
25 entziehen. Manche aber meinten, der Erzbischof Friedrich habe dies
nicht aus reinen Absichten getan, sondern mit dem verborgenen Zweck ,
den ehrwürdigen, dem Könige treu ergebenen Mann, Abt Hadamar 66,
auf irgendeine Weise zu verunglimpfen.
38. Dieser Hadamar war nämlich ein Mann von großer Klugheit und
30 Tatkraft. In seiner Zeit brannte die berühmte Kirche zu Fulda nieder und
wurde darauf von ihm wiederhergestellt und mit viel größerem Glanze
vollendet. Er hielt den Erzbischof in Haft, als dieser zum zweiten Male
als Mitschuldiger der Verschwörung erkannt war, anfangs ehrenvoll, aber
nachdem er von ihm geschriebene Briefe aufgefangen hatte, ziemlich
3 5 streng. Als nun der Erzbischof nach seiner Freilassung Rache suchte,
aber gegen einen so trefflichen Mann die Gesetze nichts vermögen, ver
suchte er an den unbedeutendsten Klöstern seine Macht, um auf gleiche
Wei se gegen die ausgezeichnetsten weiter vorzugehen. Aber dergleichen
Ränkespiel war umsonst. Denn der Abt blieb in der Gunst und Freund-
40 schaft des Königs, und da verschiedenes dazwischenkam, gelang es dem
85 Matth. 13,27-30.
66 Abt von Fulda 927-956, unter dem die neue Kirche 948 geweiht wurde.
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39. Die Schwester des Königs 67 also gebar dem König Ludwig drei
Söhne, Karl, Lothar und Karlmann68• Der König Ludwig selbst aber
wurde von seinen Herzögen verraten, von den Normannen gefangen
genommen und auf den Rat Hugos nach Laon als Staatsgefangener
5 geführt. Aber seinen älteren Sohn Karl69 führten die Normannen mit
sich nach Rouen, und hier starb er. Als dies der König hörte, betrübte er
sich über seines Freundes Geschick sehr und ordnete einen Feldzug an
nach Gallien gegen Hugo auf das nächste Jahr.
40. Als sich um diese Zeit der König70 in den Waldgegenden, der Jagd
10 zu pflegen, aufhielt, sahen wir dort die Geiseln Boleslaws, die der König
dem Volke zeigen ließ ; große Freude hatte ihm ihre Ankunft bereitE-t.
41 . Dieses Jahr war bemerkenswert durch einen Trauerfall für das
ganze Volk, nämlich den Tod der Königin Edith seligen Andenkens, deren
Sterbetag am 26 . Januar mit den Klagen und Tränen aller Sachsen began-
15 gen wurde. Sie stammte aus dem Volke der Angeln und glänzte nicht min
der durch hohe Frömmigkeit als durch ihre Abkunft aus königlichem
Geschlechte. Zehn Jahre teilte sie des Königs Herrschaft, im elften starb
sie. In Sachsen aber lebte sie neunzehn Jahre 71• Sie hinterließ einen Sohn
namens Liudolf, der an Trefflichkeit des Leibes und der Seele keinem
20 Sterblichen zu j ener Zeit nachstand, sowie eine Tochter namens Liud
gard, die mit Herzog Konrad verheiratet war. Sie liegt aber begraben
in der Stadt Magdeburg in der neuen Basilika im nördlichen Schiffe gegen
Morgen.
ENDE DES ZWEITEN BUCHES
bei Bockenern etwa 55 Kilometer östl. Korvei und am 30. Mai 946 (ebda 77)
zu Frose bei Magdeburg für Korvei selbst. Widukind könnte zu der hierbei
notwendigen Klosterdelegation gehört haben (Beumann 6, Anm. 3).
71 Die Königin starb 946 im 10. Regierungsjahr ihres Gemahls und im
INCIPIUNT CAPITULA
regem.
II. De Gallica profectione et altercatione regis et Hugonis
ducis et rege Luthwico.
III. Quomodo rex Lucdunum adüt, Parisium atque Remen-
sem urbes. 20
Wie das Antlitz des Himmels und der Erde, der Menschen Stimmen,
Gesichter und Sitten auf tausendfache Weise in harmonischer Verschie-
s denheit wechseln, aber sich dank der Vorsehung Gottes, der alles lenkt,
nach der Leitung eines Lichtes und Gedankens richten, so ist für alle,
welche den öffentlichen wie privaten Angelegenheiten zugewandt sind, die
Kaiserwürde, die dich der Welt als hellsten Glanz und strahlendsten
Edelstein geschenkt hat, das einzige Steuer der Gerechtigkeit und Vor-
1 0 bild richtigen Handelns. Daher meine demütige Bitte, es möge dieses
Werk unserer Mühe, welches von den Einzelnen nach ihrer Sinnesart ver
schieden beurteilt wird, weil es der Klarheit des Gedankens und der Sprache
ermangelt, im Schoße deiner ruhmreichen Huld Aufnahme finden und darin
von dir nicht unsere Ungeschicktheit, sondern die größte Ergebenheit be-
1 5 achtet werden.
ENDE D E R VORREDE
petiit et accipit.
XXII. De rege, et quia multi defecerunt a fide.
XXIII. De exercitu Saxonico qui Mogontiam adiit.
XXIIII. De Thiadrico et Wichmanno.
XXV. De Ecberhto et Wichmanno et duce Herimanno. 15
valida manu.
XXXI . Boioarii bello fatigati de pace tractant.
XXXII. De placito regis apud Cinnam.
XXXIII. De pontifice Frithurico et Conrado duce.
XXXIIII. De Liudulfo, qui a patre iratus discessit, et rex eum 25
persequitur.
XXXV. Pugna apud Horsadal.
XXXVI. Obsidio urbis quae dicitur Reinesburch.
XXXVII. Liudulfus pacem postulat, sed non impetrat, et de morte
Arnulfi. 30
Inhaltsverzeichnis 1 27
EXPLICIUNT CAPITULA
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Inhaltsverzeichnis 1 29
tarn nec ipse nec pater suus umquam viderit. E t revera, cum esset
magnus valde exercitus 4, XXX scilicet duarum legionum, non est
inventus, qui foenino non uteretur pilleo5, nisi Oorbeius abbas nomine l
Bovo cum tribus suis sequacibus. Hic erat vir sapiens ac clarus, a Deo
nobis ostensus, non concessus 6. Huius patris avus Bovo Graecas litte- 20
ras coram Ouonrado rege 7 legendo factus est clarus ; et huic einsdem
nominis avus erat, ut natu maior, omni virtute ac sapientia potior.
Sed et ipse nepos erat Warini, qui ex milite factus est monachus et
primus omnium apud Novam Oorbeiam regulariter electus est in
patrem. Qui cum esset admirandae sanctitatis, ad augmentum virtu- 25
1 . Nach dem Tod der Königin Edith1 übertrug der König die ganze
Fülle seiner Liebe zur Mutter auf seinen einzigen Sohn Liudolf und
machte ihn durch letztwillige Verfügung zu seinem Nachfolger als König.
s Dieser war aber damals noch ein zarter Jüngling, indem er seines Alters
schon längst zugrunde gegangen war, als er sich wider Gott und den eige
nen König auflehnte : er habe eine so große Streitmacht, wie sie der König
bisher nie gesehen. Und er fügte noch Spott hinzu, redete eitel und aufge
blasen über die Sachsen, daß sie unkriegerisch seien und daß er leicht in
15 einem Zuge sieben Speere der Sachsen verschlucken könne. Darauf gab
der König die bekannte Antwort : er aber werde eine solche Menge Stroh
hüte 3 haben, die er ihm zeigen müsse, wie weder er noch sein Vater sie j e
gesehen. Und wirklich fand sich, obgleich das Heer sehr groß war \ näm
lich 32 Legionen, niemand, der nicht einen Strohhut trug 5, ausgenommen
20 den Korveier Abt namens Bovo mit seinen drei Begleitern . Er war ein
weiser und berühmter Mann, den Gott uns nur zeigte, nicht ließ 8 • Sein
Urgroßvater Bovo wurde berühmt, weil er König Konrad 7 einen grie
chischen Brief vorlas, und dieser hatte wieder einen Großvater desselben
Namens, der ihn wie an Alter so auch in aller Tugend und Weisheit noch
25 übertraf. Dieser aber war selbst ein Enkel Warins, der aus einem Krieger
ein Mönch wurde und als erster zu Neu-Korvei nach Vorschrift der Regel
zum Abt gewählt wurde. Er war von wunderbarer Heiligkeit und brachte
zur Erhöhung seiner Tugenden und seines seligen Gedächtnisses einen
kostbaren Schatz nach Sachsen, nämlich die Reliquien des preiswürdigen
30 Märtyrers Veit. Ludwig also zog nach seiner Entlassung dem Könige
entgegen und schloß sich mit seinen Genossen dessen Heere an.
5 Die hier folgenden Ausführungen über Abt Bovo (bis videlicet pretiosi 'TIUlr
tyris Viti) sind in der Fassung A gestrichen und dafür vorher fere non est inventus
geschrieben. Auch die jüngste Fassung C sieht von dem Abschnitt gänzlich ab
und schreibt : non est inventus, qui huiuscemodi non uteretur tegumento, nisi
rarissimus quisque. Certus autem factus de adventu regis Huga ti17WTe perterritus
dimisit Luthuvicum, d. h., es fand sich keiner, der nicht eine solche Kopfbedek
kung trug, einige wenige ausgenommen. Als aber Hugo den Anmarsch des
Königs erfuhr, gab er, von Furcht ergriffen, den Ludwig frei.
8 Bovo III. war Abt 942-948.
7 Bei dessen Besuch im Kloster 913 unter Bovo II. (900-916). Bovo I. war
non passus est ultra terminos suos hostiliter intrare, sed pergenti in
eandem expeditionem anno sequenti occurrit iuxta fluvium qui dicitur
Car, manus dedit iuxtaque imperium regis pactum iniit, utilisque
proinde permansit. /
VI. Videns autem rex filium suum Liudulfum virum factum dedit 20
8 Artold 93 1-96 1 , der 940-946 durch Hugo von Vermandois verdrängt war.
9 Nach l. Kön. 20,2 1 : percussit Syriam plaga magna.
10 Berengar II. war König seit 15. Dezember 950 (-963) .
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3. Der König aber zog mit seinem Heere gegen Laon und griff es mit
W affengew�rlt an, von da rückte er gegen Paris vor und belagerte hier den
Hugo ; auch brachte er dem Andenken des Märtyrers Dionysius die gebüh
rende Huldigung dar. Von hier wurde das Heer gegen die Stadt Reims
s geführt, wo ein Neffe Hugos war, der wider menschliches und göttliches
Recht die bischöfliche Würde erhalten hatte, obgleich der rechtmäßige
Bischof noch lebte . Als er aber die Stadt mit Gewalt einnahm, vertrieb er
den unrechtmäßig eingesetzten Bischof und gab den rechtmäßigen 8 seiner
Kirche und seinem Stuhle zurück .
10 4 . Von da zog er mit einer aus dem ganzen Heere gesammelten Schar
auserlesener Krieger gegen Rouen, die Dänenstadt, zwar brachte er ihnen
schwere Verluste bei 9, kehrte aber wegen der Schwierigkeit der Ö rtlich
keit und des Einbruchs eines strengen Winters unverrichteter Dinge nach
drei Monaten ohne Verluste nach Sachsen zurück, nachdem er die Städte
1 5 Reims und Laon nebst den übrigen, die er erobert, dem König Ludwig
eingeräumt hatte .
5. Hugo aber, nachdem er einmal die Macht des Königs und die
Tapferkeit der Sachsen kennengelernt hatte, ließ ihn nicht mehr sein
Gebiet als Feind betreten, sondern zog ihm, als er im folgenden Jahr zu
20 gleichem Feldzuge ausrückte, an den Fluß Chiers entgegen, unterwarf
sich ihm und ging nach des Königs Befehl einen Vertrag ein ; von da an
blieb er treu.
6 . Als nun der König sah, daß sein Sohn Liudolf ein Mann geworden
war, gab er ihm eine Gemahlin, ausgezeichnet durch Reichtum und edle
25 Geburt, Herzog Hermanns Tochter namens Ida . Bald darauf, nachdem
zurück .
7 . In dieser Zeit herrschte durch angemaßte Gewalt im Langobarden
reich ein wilder, habsüchtiger Mensch , der alles Recht um Geld verkaufte,
Berengar10. Weil er aber die Tugend der ausnehmend klugen Königin,
3 5 die König Ludwig hinterlassen hatte 11, fürchtete, bedrängte er sie viel
11 Adelheid war die Witwe des am 22. November 950 verstorbenen Königs
als den endli chen Untergang zu erleiden ; und er stellte sich unter die
Fahnen, gab hier dem König Rede und Antwort und erhielt zuletzt Ver
zeihung. Von da kehrte der König ruhmreich nach vollständigem Siege
nach Sachsen zurück .
10 9 . Und da ihm die Tugend der vorgenannten Königin nicht verborgen
blieb, beschloß er sich aufzumachen unt.er dem Vorwand, nach Rom zu
ziehen. Und als man in das Langobardenreich gekommen war, versuchte
er durch Geschenke von Gold die Liebe der Königin zu ihm zu erproben.
Als er das zuverlässig festgestellt hatte, nahm er sie zu sich als seine Frau
15 und erhielt mit ihr die Stadt Pavia, der Königin Wohnsitz . Als dies sein
Sohn Liudolf gesehen hatte, verließ er mißvergnügt den König, zog nach
Sachsen und hielt sich längere Zeit zu Saalfeld auf, einem Orte, der Un
heil ankündete durch einen früheren Anschlag13•
10. Der König aber machte sich, nachdem er in Italien die Vermählung
20 mit königlicher Pracht gefeiert hatte, auf, um das nächste Osterfest im
lang nicht gestattet. Hierdurch fand sich Konrad, welcher ihn hingeleitet
hatte, beleidigt, und Liudolf, des Königs Sohn, teilte seinen Unmut ; beide
suchten den Grund dafür bei Heinrich, dem Bruder des Königs, als ob
ihn alter Haß dazu antreibe, und gingen ihm aus dem Wege . Dieser aber,
3 5 welcher wußte, daß der Jüngling der mütterlichen Hilfe beraubt war,
fing an, ihn verächtlich zu behandeln, und ging so weit, daß er ihn auch
nicht mit höhnischen Worten verschonte . Indessen erhielt der König
beim König Gehör, wurde vom König und der Königin in Gnaden ange
nommen, gelobte Unterwerfung und bestimmte für das freiwillige Bünd-
40 nis Tag und Ort in Augsburg.
1 1 . Als hier nun die Fürsten sich versammelt hatten, fügte Berengar
die Hände seines Sohnes Adalbert in die seinigen, und obgleich er sich
schon früher auf der Flucht vor Hugo dem König ergeben hatte, erneuerte
1 3 V gl. II 15.
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er hier vor dem gesamten Heere den Eid der Treue und verpflichtete sich
mit seinem Sohne zum Dienste des Königs. So wurde er entlassen und
kehrte nach Italien zurück in Gnaden und Frieden. Dort verursachte ein
Hagelstein von ungeheurer Größe, der unter Donner und stürmischem
5 Ungewitter vom Himmel fiel, vielen Augenzeugen ein gewaltiges
Staunen.
12. Es wurden aber dem Könige drei Söhne von der erlauchten Königin
geboren, zuerst Heinrich, dann Brun14, als dritter der mit des väterlichen
Namens Hoheit gezierte15, den bereits der ganze Erdkreis nach seinem
1 0 Vater als Herrn und Kaiser erwartet ; sowie durch den Namen seiner ehr
würdigen Mutter ausgezeichnet eine Tochter, über die wir uns nicht
anmaßen, etwas zu sagen, da ihre herrlichen Eigenschaften alles über
treffen, was wir zu sagen oder zu schreiben im Stande sind.
13. Nun aber hörte der König, als er die Lande und Burgen der Fran-
15 ken besuchte, daß ihm von seinem Sohn und Schwiegersohn Nachstellun
gen bereitet würden ; deshalb wurde der Erzbischof von da, wo dieser
nach gewohnter Weise vor dem Osterfest ein strengeres Leben mit Ein
siedlern und Eremiten führte, zurückberufen und empfing den König zu
Mainz, wo er ihn einige Zeit bewirtete . Sohn und Schwiegersohn erkann-
20 ten, daß ihre ruchlosen Pläne verraten waren ; auf den Rat des Erzbischofs
baten sie um Gelegenheit, sich von dem Verdachte zu reinigen, und erhiel
ten sie . Obgleich sie nun offen des Verbrechens beschuldigt wurden, gab
dennoch der König ihren Behauptungen in allen Stücken nach, wegen
der Gefährlichkeit des Ortes und der Umstände .
25 14. Und als das Osterfest zu Aachen gefeiert werden sollte, erfuhr der
König, daß man hier keine Vorbereitungen, wie es ihm gebührte, getroffen
habe ; so wurde er von seiner Mutter freudig und in geziemender Weise
aufgenommen und erhob das königliche Ansehen, das er in Franken
beinahe verloren hätte, in seiner Heimat wieder zu der alten Herrlich-
30 keit.
bischof verwandte sich für den früheren Vertrag, gleich als ob er für
Frieden und Eintracht sorgen wolle, und erschien dadurch dem König
verdächtig, des Königs Räten und Freunden aber durchaus verwerflich .
Uns kommt es gar nicht zu, irgendein unbesonnenes Urteil über ihn zu
40 fällen, aber was wir von ihm für gewiß erachten, daß er groß war im
Gebet bei Tag und Nacht, groß durch Reichlichkeit der Almosen, vor
züglich durch das Wort der Predigt, das haben wir nicht geglaubt ver
schweigen zu dürfen. Übrigens ist es der Herr, der da richtet über die vor
gebrachten Beschuldigungen.
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administraret ipsis invitis, arma contra eum sumunt. Ille vero inper
territus, leoninum exerens animum, signa signis18 contraria invexit
et incredibilem multitudinem ex eis propria manu fudit, dum san
guine amici, quem in prelio amisit, Cuonradi scilicet, Evurhardi filü,
ut fera saevissima acueretur. ltaque illi fortissimo subpeditante for- 20
im Südthüringgau.
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18
Nach Lucan. Phars. I 6 : infestisque obvia signis signa; imperterritus aus
Verg. Aen. X 770.
19 Lucan. Phars. I l : bella per Emathios plus quam civilia campos.
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sexaginta ferme dies excederet, sermo fit de pace ; unde datus est obses
in urbem J consobrinus regis Ecberhtus 20, quo libera via cuilibet pateret
in castra crimen purgandi, de pace atque concordia tractandi. Filius
cum genero castra ingressi regalibus vestigiis prosternuntur : pro
scelere omnia sustinere paratos fore, saltem ut amici auxiliatores in 5
fide suscepti nichil adversi paterentur. Rex autem non inveniens,
quomodo meritas poenas filio inferret, fautores insidiarum expostulat.
Illi autem iuramentis vicariis obligati et quodammodo arte antiqui
hostis constricti hoc omnino negabant. Ingens interea oritur laetitia
in castris, et a castris circumquaque fama diffusa numquam urbe 10
egressos, nisi omnibus essent a rege imperatis obtemperaturi. Hae
spes incassum conceptae. Nam cum non obedirent edictis regis, motus
Heinricus adversus adolescentem : 'Nichil te', inquit, 'iactitas contra
dominum meum regem fecisse, et ecce omnis exercitus usurpatorem
te regni invasoremque novit. Ipse ergo si accusor reus criminis, si 1 5
culpabilis existo, quare non contra m e legiones ducis ? Signa adversum
me move' ; et festucam de terra sumens : 'Huius', inquit, 'pretii a me
meaque potestate rapere non poteris. Quid tibi visum est sollicitare
huiuscemodi rebus patrem tuum ? contra summam divinitatem agis,
dum domino patrique tuo repugnas. Si aliquid scis vel vales, in me 20
furorem tuum evome, ipse enim tuam non timeo iram'. Ad haec
adolescens nichil respondit, sed audito rege cum suis urbem ingres
sus est.
XVIII!. Consobrinus autem regis Ecberhtus cum obses datus esset
in urbem, suasibilibus corruptus verbis regi fit aversus, cum et antea 25
ei iratus esset, eo quod argueretur incauti certaminis, ubi oculum per
didisset. J
XX. Dum haec agerentur, proxima nocte Boioarü comites fratris
regis21 relicto eo iuncti sunt Liudulfo. Qui pergens cum eis cepit urbem
regiam quae dicitur Rainesburg cum caeteris in ea regione munitissi- 30
mis omnemque pecuniam ducis suis militibus divisit ; coniugem 22 cum
filiis patrui et amicis non solum urbe, sed et regione excedere cogit.
ao Ekbert (und sein Bruder Wichmann, c. 23) war ein Schwestersohn der
Königin Mathilde.
21 Herzog Heinrich von Baiern.
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etwa sechzig Tage hinauszog, fing man an, über den Frieden zu unter
handeln ; deshalb wurde Ekbert 20, ein Vetter des Königs, in die Stadt als
Geisel gegeben, damit einem j eden sicheres Geleit ins Lager offenstände,
sich von der Schuld zu reinigen und über Frieden und Eintracht zu ver-
5 handeln. Der Sohn und der Schwiegersohn kamen in das Lager, warfen
sich dem Könige zu Füßen und erklärten, sie seien bereit, für ihr Ver
brechen alles zu erdulden, wenn nur ihre Freunde und Helfer in Gnaden
angenommen würden und ihnen nichts Böses geschehe. Der König aber,
der keine Möglichkeit sah, den Sohn nach Verdienst zu bestrafen, ver-
10 langte die Auslieferung der Mitschuldigen seiner Verschwörung. Jene
Diese Hoffnungen machte man sich vergeblich ; denn da sie nicht dem
Gebot des Königs gehorchten, sprach Heinrich zornig zu dem Jüngling :
"Immer wieder behauptest du, nichts gegen den König, meinen Herrn,
getan zu haben, und siehe, das ganze Heer weiß, daß du die Hand nach der
20 Krone ausgestreckt und nach der Herrschaft gegriffen hast. Wenn ich
des Verbrechens schuldig angeklagt werden, wenn ich strafbar sein soll,
warum führst du deine Truppen nicht gegen mich ? Führe doch gegen
mich dein Heer ! " Und einen Halm vom Boden nehmend, fügte er hinzu :
"Nicht so viel ist wert, was du mir und meiner Macht wirst entreißen
25 können. Was hat dich bewogen, durch solche Dinge deinen Vater zu
19. Aber des Königs Vetter, Ekbert, der als Geisel in die Stadt gegeben
worden war, ließ sich, durch einschmeichelnde Worte verführt, dem König
abwendig machen, da er ihm schon vorher gezürnt hatte, weil man ihm
einen unvorsichtigen Kampf zur Last legte, wobei er ein Auge verloren
3 5 hatte.
u Judith.
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tur, ipse autem honore patrio privatus esset. Porro exercitus diutino
labore fatigatus missionem petit et accipit, rege cum paucis admodum
filium in Boioariam subsequente.
XXII. Ipse namque erat patiens laborum supra quam quod credi
possit 23 de homine ab adolescentia delicate nutrito. Multitudine deni- 10
que deficiente a fide, rari admodum erant, qui partes regis adiuvarent.
Inter quos erat quidam Adalberhtus et alii cum eo admodum pauci.
XXIII. Militante adversus Mogontiam rege, Herimannus dux
I
Saxoniam procurabat. Cum novus exercitus a Saxonia ad supplemen
tum veteris mitti debuisset, Thiadricus iuniorque Wichmannus ei 15
23 Vorbild SaH. Cat. 5: corpus patiens inediae . . . supra quam cuiquam credibile
est.
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Aufstand in Sachsen 1 43
alles, glauben wir, ließ Gott geschehen , damit der, den er zum erhabensten
Herrscher über viele Völker und Stämme setzen wollte, lernen sollte, er
vermöge wenig durch sich, durch Gott aber alles.
2 1 . Es war aber Arnulf der Jüngere mit seinen Brüdern, von dem solcher
5 Anschlag gegen Heinrich ausgegangen, weil dieser in seines Vaters Reich
sie anzugreifen, verlor der Fahnenträger vor dem Tore den Arm durch
den Wurf einer Holzscheibe ; hierauf wurde dem Kampfe Einhalt getan
und ihnen eine Waffenruhe von drei Tagen gestattet, um nach Sachsen
zurückzukehren.
25 24. Thiadrich wurde von Liudolf durch große Verheißungen in Ver
suchung geführt, Wichmann aber völlig gewonnen ; und dieser fing nun
an, seinen Oheim 24 zu beschuldigen, ihn für den Räuber seines väterlichen
Erbes zu erklären und als Dieb seiner Schätze zu bezeichnen. Mit welcher
Weisheit aber und mit welcher Klugheit dieser, der recht wohl um j enen
30 Anschlag wußte, gegen diese seine nächsten Verwandten und offenbaren
Feinde auf der Hut war, das vollständig zu erzählen wäre schwierig.
25. Mit Wichmann nämlich verband sich Ekbert, und, gleichen Sinnes,
erhoben sie sich gegen den Herzog und ließen ihm keine Zeit zur Ruhe.
Er aber zähmte mit edler Geduld die Wut der Jünglinge und verhütete,
35 daß sich ein Aufstand während des Königs Abwesenheit in diesen Landen
ausbreitete .
26. Die Bayern wandten sich nach des Königs plötzlicher Ankunft
weder dem Frieden zu, noch wagten sie offenen Kampf, sondern, einge
schlossen hinter den Mauern, bereiteten sie dem Heere größte Anstren-
40 gung, ihrem eigenen Lande aber Verödung. Denn da die Sache nicht
voranging, verwüstete das Heer alles und schonte nichts als das Leben .
24 Herzog Herrnann.
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mento ei adhaerebant.
XXVIII. Agens tres integros menses - a Mogontia recedens -
rex in illis regionibus, demum circa Kalend. Ianuar. , infecto negotio,
amissis duobus principalibus viris 25 ac potestate claris, Immede et
Mainwerco, quorum uterque ictu sagittarum periit, alter Mogontiae, 10
weil sie sich weder ohne Gefahr vom König lossagen, noch ohne Schaden
für sich ihm treu bleiben konnten.
28. Der König, der sich nach seinem Rückzug von Mainz drei volle
Monate in j enen Gegenden aufhielt, kehrte endlich gegen Neuj ahr un-
t o verrichteter Sache nach Sachsen zurück, nachdem er zwei vornehme und
waren für eine Züchtigung der Jünglinge . Der König aber in seiner Liebe
schonte ihrer und gab nur den Wichmann in ritterliche Haft an seinem
Hofe .
30. Unterdessen waren, wie er hörte, die Awaren in Bayern einge-
20 drungen ; sie verbanden sich mit seinen Gegnern und schickten sich an,
und richteten eine solche Verheerung an, zuerst unter ihren eigenen
Freunden, daß sie einem namens Ernust27, der zur Gegenpartei gehörte ,
von seinen hörigen Leuten mehr als tausend Gefangene wegschleppten ;
sodann aber unter allen übrigen, so daß es unglaublich zu sagen ist. Am
30 Sonntag vor Ostern wurde ihnen zu W orms öffentlich aufgewartet und
ihnen eine sehr große Menge Gold und Silber geschenkt. Von da zogen sie
nach Gallien und kehrten auf anderem Wege in ihre Heimat zurück.
31 . Die Bayern, deren Kraft durch das Reichsheer und das fremde Volk
erschöpft war - denn nach Abzug der Ungarn wurden sie durch das
3 5 königliche Heer bedrängt -, sahen sich gezwungen, um Frieden zu unter
handeln. Und es kam so weit, daß ihnen Frieden gewährt wurde bis zum
1 6 . Juni, wo sie nach Langenzenn vorgeladen wurden, um Rechenschaft
zu geben und Bescheid zu empfangen .
32 . Als a m bestimmten Ort sich das ganze Volk versammelt hatte, hielt
40 der König folgende Ansprache : " Ich wollte es ertragen, wenn der Grimm
28 Der erst 957 verstorbene Brun (Anm. 14) ist hier übersehen.
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meines Sohnes und der übrigen Verschwörer nur mich allein peinigte und
nicht das ganze Volk der Christenheit durcheinanderbrächte. Es ginge
noch an, daß sie meine Burgen wie Räuber überfallen und ganze Land
striche von meiner Herrschaft losgerissen haben, wenn sie sich nicht auch
5 an dem Blute meiner Verwandten und meiner liebsten Genossen sättigten.
Seht, ohne Söhne 28 sitze ich hier, kinderlos, da ich an dem eigenen Sohn
meinen schlimmsten Feind habe . Der, den ich am meisten geliebt, den ich
aus geringer Stellung zur höchsten Würde, zur höchsten Ehre befördert
habe, er hat meinen einzigen Sohn auf seiner Seite . Doch auch dieses wäre
1 0 noch so oder so zu ertragen, wenn nicht die Feinde Gottes und der Men
schen in diese Händel hineingezogen würden. Eben haben sie mein Reich
verödet, das Volk gefangen oder getötet, die Burgen zerstört, die Kirchen
verbrannt, die Priester erschlagen ; noch triefen vom Blute die Straßen 29 ;
beladen mit meinem Golde und Silber, womit ich Sohn und Schwiegersohn
15 bereichert, kehren die Feinde Christi in ihr Land zurück. Welch ein Frevel,
welche Treulosigkeit nun noch übrig ist, vermag ich nicht auszudenken."
Nach diesen Worten schwieg der König. Heinrich stimmte der Meinung
des Königs bei und fügte hinzu, daß die zweimal in offenem Kampfe be
siegten Feinde auf böswillige und übelste Weise gemietet würden, wodurch
20 man ihnen den Weg, Schaden zu stiften, wiederum eröffne ; er wolle j eg
liches Unheil und Ungemach wohlüberlegt lieber erdulden, als sich j emals
mit dem Landesfeind vertraglich einigen. Nach diesen Worten trat
Liudolf vor und sprach : "Von denen, die man gegen mich gedungen hat,
habe ich, wie ich gestehe, um Geld erlangt, daß sie mich und die mir
25 Untergebenen nicht schädigen ; wenn ich hierin schuldig gesprochen
werde, so möge alles Volk wissen, daß ich dies nicht aus freien Stücken,
sondern durch die äußerste Not getrieben getan habe ." Zuletzt trat der
Erzbischof ein, um sich zu verantworten, und versprach, durch j edes
Rechtsverfahren, das der König befehle, zu zeigen, daß er nie dem König
30 feindlich gesinnt gewesen , noch so etwas wolle oder getan habe ; von
Furcht getrieben habe er den König verlassen, weil er erkannt habe, daß
dieser ihm zürne ; unschuldig sei er das Opfer schwerster Beschuldigungen ;
fortan werde er mit jeder Art von Schwur seine Treue beweisen. Darauf
erwiderte der König : "Von euch verlange ich keinen Schwur, sondern nur,
35 daß ihr mein Bemühen um Frieden und Eintracht, soviel an euch ist,
den König an .
est incepta. Sed cum multitudo machinas muris adplicari non sineret,
satis dure interdum ab utrisque pugnatum pro muris. Diu tracta
obsidio cogit clausos belli negotiis aliquid actitare. Arbitrati sunt enim
fame peius torqueri, si ad id cogerentur, quam in acie fortiter mori.
Iussum itaque occidentali porta 31 erumpere equites quasi inpetum in 15
periclitari coeperunt.
XXXVII. Unde egressus urbe Liudulfus cum principalibus viris
pacem postulat, sed non inpetrat, quia patri obedientiam negat.
30 Südöstl. Nürnberg.
31 Westtor an der Ludwigsstraße, Osttor beim Kasernenplatz.
a2 Verg. Aen. IX 580.
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34. In der nächsten Nacht verließ Liudolf mit den Seinigen den König
und begab sich mit dem Heere nach Regensburg. Der König aber folgte
seinem Sohne, und als er auf eine Burg namens RoßtaP 0 stieß, schloß er
s1e em.
5 35 . Hier kam es zur Schlacht, und einen härteren Kampf um die
Mauern hat kein Sterblicher je gesehen . Auf beiden Seiten wurden viele
getötet, noch mehr verwundet ; die Finsternis der Nacht trennte das
Treffen. Mit schwerem Verlust durch den unentschiedenen Kampf wurde
das Heer am nächsten Morgen weitergeführt ; da man zu wichtigeren
1 0 Dingen zog, schien es nicht ratsam , sich hier länger aufzuhalten.
36. Von dort nach Regensburg war ein Marsch von drei Tagen. Hier
suchte man einen Platz für das Lager aus und umgab ihn ringsum mit
Befestigungen ; dann wurde die Belagerung der Stadt eifrig begonnen.
Da aber die Mehrzahl der Verteidiger keine Maschinen an die Mauern
15 heranschaffen ließ, gab es zuweilen von beiden Seiten sehr harte Kämpfe
vor den Mauern . Die lange Dauer der Belagerung zwang endlich die Be
lagerten, einen kriegerischen Streich auszuführen. Denn sie sahen es für
schlimmer an, von Hunger gepeinigt zu werden, wenn sie es so weit
kommen ließen, als tapfer im Kampfe zu fallen. So wurde denn befohlen,
2 0 die Reiter sollten aus dem Westtore 31 zu einem Scheinangriff auf das Lager
hervorbrechen ; andere sollten Schiffe besteigen und vom Flusse aus, der
neben der Stadt hinströmt, das von Bewaffneten verlassene Lager an
greifen, während man im Reiterkampf fechten würde. Die Verteidiger,
durch ein Glockenzeichen zusammengerufen, führten das Verabredete
25 aus ; aber auch im Lager war der Gebrauch dieses Zeichens nicht unbe
kannt. Deshalb rüsteten sich auch diese ohne Säumen . Während nun der
Ausfall der Reiter sich verzögerte , geriet die Flotte zu weit ab von der
Stadt ; sie sprangen ans Land und stürmten auf das Lager ; da sie aber
auf Bewaffnete stießen, dachten sie erschreckt an die Flucht, wurden von
30 allen Seiten umringt und zusammengehauen . Einige eilten auf die Schiffe,
verfehlten aber, von Furcht betäubt, den Weg und ertranken im Fluß ,
andere drängten sich in zu großer Zahl in die Schiffe und versanken,
und so geschah es, daß kaum einige wenige von den vielen davonkamen.
Die Reiter aber wurden durch die königliche Reiterei ermüdet und ge-
3 5 worfen und mit vielen Verwundeten in die Stadt gedrängt. Die Mannen
des Königs kehrten siegreich in das Lager zurück und hatten nur einen
tödlich 32 Verwundeten zu beklagen, der vor dem Tore getroffen war und
von ihnen in das Lager zurückgebracht wurde . Alles Vieh der Stadt, das
an einen grasreichen Ort zwischen den Flüssen Regen und Donau ge-
40 bracht worden war, wurde von des Königs Bruder Heinrich erbeutet
incertum esset. Cuius morte urbani satis confusi iam de pace tracta
bant.
XXXVIII. Interventu proinde principum iterum Liudulfus cum
sociis urbe egressus, dum mense integro et dimidio obsideretur, pacem
obtinuit usque ad condictum diem, dum de his causis diiudicaretur, 10
durchbohrt. Nach zwei Tagen wurde durch eine Frau, die der Hungersnot
halber aus der Stadt floh, sein Tod bekannt, während man vorher darüber
in Ungewißheit war. Durch seinen Tod gerieten die Städter in große
Bestürzung und bemühten sich nun um Frieden.
10 38 . Daher kam Liudolf abermals mit seinen Genossen aus der Stadt
heraus und erhielt, nachdem er volle anderthalb Monate belagert worden
war, durch Vermittlung der Fürsten Frieden bis zu einem bestimmten
Tage, an welchem über diese Händel entschieden werden sollte ; und als
Ort für die Zusammenkunft wurde Fritzlar bezeichnet. Der König kehrte
15 darauf in sein Land zurück.
Das Ende des Erzbischofs 36 rühmen die, welche zugegen waren, als sehr
preiswürdig. Nach dem Tode desselben wurde ein allgemeiner Reichstag
gehalten ; Mainz nebst ganz Franken ergab sich nach anderthalb Jahren
dem König. Sohn und Schwiegersohn wurden zu Gnaden angenommen
30 und verblieben auch in derselben treu bis an ihr Ende.
42. In diesem Jahre wurden die Slawen, welche die Ukrer heißen. von
Gero mit großem Ruhme besiegt, da ihm Herzog Konrad vom Kömg zu
Hilfe gesandt worden war. Ungeheuere Beute wurde weggeführt, und in
Sachsen war die Freude groß .
35 43. Die nächsten Ostern feierte der König mit seinem Bruder. führte
dann das Heer gegen Regensburg und bedrängte abermals die Stadt mit
Waffen und Kriegsmaschinen . Da nun die Hilfe der Sachsen fehlte und
Hungersnot herrschte, zogen die Verteidiger aus den Toren und ergaben
sich samt der Stadt dem Könige, dieser bestrafte die Häupter mit Ver-
40 bannung, die übrige Menge verschonte er, und ruhmreich durch den Sieg
I
occurrit ei exercitus Franeorum Boioariorumque. Cum valido quoque
equitatu venit in castra Cuonradus dux ; cuius adventu erecti milites
iam optabant non differre certamen, Nam erat natura audacis animi
et, quod rarum est audacibus, bonus consilii et, dum eques et dum
pedes iret in hostem, bellator intolerabilis, domi militiaque sociis 15
37 1. Oktober 955.
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44. Als er Sachsen um den Anfang des Juli betrat, kamen ihm Gesandte
der Ungarn entgegen, als wollten sie ihn in alter Treue und Freundschaft
besuchen, in der Tat aber, wie einige glaubten, um sich nach dem Ausgang
des Bürgerkrieges zu erkundigen. Als er sie einige Tage bei sich behalten
5 und, mit einigen kleinen Geschenken geehrt, in Frieden entlassen hatte,
hörte er von den Boten seines Bruders, nämlich des Herzogs der Bayern,
die Kunde : "Siehe, die Ungarn dringen in Gruppen verteilt in dein Gebiet
ein und sind entschlossen, einen Kampf mit dir zu wagen." Sobald dies
der König hörte, brach er, als hätte er noch gar keine Anstrengungen im
1 0 vorigen Kriege auszuhalten gehabt, sogleich gegen die Feinde auf und
nahm nur sehr wenige von den Sachsen mit sich, weil diese schon der
Krieg mit den Slawen bedrängte. Im Bereich von Augsburg schlug er
sein Lager auf, und hier stieß zu ihm das Heer der Franken und der
Bayern, auch kam Herzog Konrad mit zahlreicher Reiterei in das Lager,
15 und durch seine Ankunft ermutigt, wünschten die Krieger nunmehr den
einander seien . Es wurde ein Fasten im Lager angesagt und allen be
fohlen, am folgenden Tage zum Kampf bereit zu sein. Mit der ersten
Dämmerung erhoben sie sich, gaben sich gegenseitig Frieden und ge
lobten sodann zuerst dem Führer, darauf einer dem anderen eidlich ihre
25 Hilfe ; dann rückten sie mit aufgerichteten Feldzeichen aus dem Lager,
etwa acht Legionen an der Zahl . Das Heer wurde durch unebenes und
schwieriges Gelände geführt, um den Feinden keine Gelegenheit zu
bieten, die Scharen mit Pfeilen zu beunruhigen, die sie trefflich zu brau
chen wissen, wenn Gebüsch sie deckt. Die erste, zweite und dritte Legion
30 bildeten die Bayern, an ihrer Spitze die Befehlshaber Herzog Heinrichs.
und von mutigen Jünglingen, und vor ihm der siegverleihende Engel,
durch einen dichten Haufen gedeckt. Die sechste und siebente Schar
machten die Schwaben aus, an ihrer Spitze Burchard, verheiratet mit der
Tochter des Bruders des Königs. In der achten waren tausend auserlesene
40 böhmische Streiter, besser mit Rüstungen als mit Glück versehen ; hier
war auch alles Gepäck und der ganze Troß, als ob der hinterste Platz
auch der sicherste wäre. Aber die Sache kam anders, als man glaubte 38 .
38 Frei nach Sall. J ug. 7 : sed ea res Ionge aliter ac ratu.s erat evenit.
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exhortandi gratia allocutus est 42 socios hoc modo : ' Opus esse nobis
bonorum animorum in hac tanta necessitate, milites mei, vos ipsi
Denn die Ungarn überschritten unverweilt den Lech, umgingen das Heer,
fingen an, die letzte Legion mit Pfeilen zu beunruhigen, darauf machten
sie mit ungeheuerem Geschrei einen Angriff ; ein Teil wurde gefangen oder
getötet, alles Gepäck genommen, die noch übrigen Gewappneten dieser
5 Schar in die Flucht geschlagen. In gleicher Weise griffen sie die siebente
und sechste Schar an, streckten viele zu Boden und schlugen die übrigen
in die Flucht. Als aber der König sah, daß der Kampf ungünstig stand
und in seinem Rücken die letzten Heeresteile gefährdet waren, entsandte
er die vierte Legion unter Herzog Konrad, die die Gefangenen befreite,
10 die Beute den Feinden abj agte und ihre plündernden Haufen vertrieb.
war, wurde niedergehauen und zur Beute gemacht. Als nun Thiadrik,
nachdem der Brand erloschen, zurückkehrte und die Hälfte der Krieger
einen Sumpf, der an die Burg stieß , durchschritten hatte , sahen die
Slawen, daß die Unsrigen wegen der Ungunst des Geländes in Bedräng-
25 nis waren und weder Raum zum Kämpfen noch selbst Gelegenheit zur
Flucht hatten, und verfolgten die Heimkehrenden von hinten mit großem
Geschrei. Sie töteten von ihnen gegen fünfzig Mann, und die Unsrigen
ergriffen schmählich die Flucht.
46 . Mittlerweile ergriff ganz Sachsen wegen dieses Mißgeschicks ein
30 ungeheurer Schrecken und Besorgnis für den König und sein Heer. Es
soll.
Als nun der König erkannte, daß j etzt ein Kampf unter ungünstigen
Umständen mit seinem ganzen Gewicht41 bevorstehe, redete er seine
Genossen zur Aufmunterung in folgender Weise an 42 : "Daß wir in dieser
40 Bedrängnis guten Muts sein müssen, das seht ihr selbst, meine Mannen,
videtis, qui hostem non longe, sed coram positum toleratis. Hactenus
enim inpigris manibus vestris ac armis semper invictis gloriose usus
extra solum et imperium meum ubique vici, et nunc in terra mea et
regno meo terga vertarn 1 Superamur, scio, multitudine, sed non
virtute, sed non armis. Maxima enim ex parte nudos illos armis omnibus 5
penitus cognovimus et, quod maximi est nobis solatii, auxilio Dei.
lllis est sola pro muro audatia, nobis spes et protectio divina. Pudeat
iam nunc dominos pene totius Europae inimicis manus dare. Melius
bello, si finis adiacet, milites mei, gloriose moriamur, quam subiecti
hostibus vitam serviliter ducamus aut certe more malarum bestiarum 10
rum.
XL VIII. Tres duces gentis Ungariae capti ducique Heinrico presen
tati mala morte, ut digni erant, multati sunt, suspendio namque
crepuerunt.
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die ihr den Feind nicht in der Ferne, sondern vor uns sehen müßt. Bis
hierher habe ich mit eueren rüstigen Armen und stets siegreichen Waffen
rühmlich gekämpft und außerhalb meines Bodens und Reiches allent
halben gesiegt ; sollte ich nun in meinem eigenen Lande und Reiche den
s Rücken zeigen ? An Menge, ich weiß es, übertreffen sie uns, aber nicht
an Tapferkeit, nicht an Rüstung, denn es ist uns ja wohl bekannt, daß sie
zum größten Teil j eglicher Wehr entbehren und, was für uns der größte
Trost ist, der Hilfe Gottes. Ihnen dient zum Schirm lediglich ihre Kühnheit,
uns die Hoffnung auf göttlichen Schutz. Schämen müßten wir, die Herren
1 0 fast ganz Europas, uns, wenn wir uns j etzt den Feinden unterwerfen.
ergreifen sahen, erschraken sie, gerieten zwischen die Reihen der Unsrigen
und wurden niedergemacht. Von den übrigen begab sich ein Teil, deren
Pferde ermüdet waren, in die nächsten Dörfer, wo sie von Bewaffneten
umstellt und samt den Gebäuden verbrannt wurden. Andere schwammen
25 durch den nahen Fluß , aber da das j enseitige Ufer keinen Halt zum Er
klettern bot, wurden sie vom Strom verschlungen und kamen so ums
Leben. Am seihen Tage wurde das Lager genommen und alle Gefangenen
befreit ; am zweiten und dritten Tage wurde von den benachbarten Burgen
aus die übrige Menge dermaßen aufgerieben, daß keiner oder doch nur
30 sehr wenige entkamen. Aber nicht gerade unblutig war der Sieg über ein
so wildes Volk .
47. Dem Herzog Konrad nämlich, welcher tapfer kämpfte, wurde
durch die Hitze des Gefechtes und die Sonnenglut, die an diesem Tage
sehr heftig war, gewaltig heiß, und als er die Bänder des Panzers löste
3 5 und Luft schöpfte, fiel er, von einem Pfeil durch die Kehle getroffen. Sein
Körper wurde auf des Königs Befehl ehrenvoll aufgehoben und nach
Worms gebracht ; und hier wurde dieser Mann, groß und ruhmvoll durch
jegliche Tugend der Seele wie des Körpers, begraben unter den Tränen
und Klagen aller Franken.
40 48. Drei Anführer des Ungarnvolkes wurden gefangen vor Herzog
Heinrich geführt und büßten mit einem schmählichen Tod, wie sie es
verdient ; sie wurden nämlich durch den Strang zum Tode gebracht.
Neque enim tanta victoria quisquam regum intra ducentos annos ante
eum laetatus est. Nam ipsi bello Ungarico aberant, Sclavanico cer
tamini reservati 45•
L. Igitur, ut supra 46 retulimus, cum deficeret in ratione reddenda
contra suum patruum Wichmannus, intra palatium custoditur. Cum 10
e o Iboni comiti 48• Aliquantis diebus cum eo degens, petit post haec
venandi gratia silvam ire liceret. Ibi absconditos socios secuJ_Il sumens
perrexit in patriam et, occupatis aliquibus urbibus, iuncto sibi E cberhto
arma sumit contra imperatorem. Industria autem ducis Herimanni
facile eos obpressit trans Albiamque coegit. Illi cum se sensissent duci 20
u Ebenso nach der Schlacht bei Riade I 39. Widukinds Erzählung (c. 44-49)
zeigt starke Anklänge an den Bericht des Abts Adamnan von Hy (Vita S. Co
lumbae ed. J. T. Fowler 1920 I 1 ) über die Einsetzung des Königs Oswald von
Northumbrien als Imperator. - intra ducentos annos : Kar! Martells Sieg 732.
45 Dieser Satz ist in der Fassung C gestrichen, vgl. c. 44. ipsi bezieht sich auf
populo suo.
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49. Glorreich durch den herrlichen Sieg wurde der König von seinem
Heere als Vater des Vaterlandes und Kaiser begrüßt44• Darauf ordnete er
dem höchsten Gott Preis und würdige Lobgesänge in allen Kirchen an,
trug dasselbe durch Boten seiner ehrwürdigen Mutter auf und kehrte
5 unter Jubel und höchster Freude als Sieger nach Sachsen zurück, wo er
von seinem Volke mit größtem Wohlgefallen empfangen wurde . Denn eines
solchen Sieges hatte sich keiner der Könige vor ihm in zweihundert Jahren
erfreut. Diese nahmen nämlich am ungarischen Kriege nicht teil, da sie
für den Kampf gegen die Slawen aufgespart wurden 45•
IO 50. Es befand sich also, wie wir oben46 berichtet, Wichmann, da er
sich gegen seinen Oheim nicht rechtfertigen konnte, in der Pfalz in Haft.
Als aber der König nach Bayern ziehen wollte, schützte er eine Krankheit
vor und weigerte sich mitzuziehen ; deshalb erinnerte ihn der Kaiser
daran, daß er ihn, den Vater- und Mutterlosen 47, an Sohnes Statt ange-
1 5 nommen und geziemend erzogen, auch mit der väterlichen Würde be
kleidet habe, und bat ihn, er möge ihm doch nicht Verdruß bereiten, da
ihn schon so viele andere Sorgen bedrängten. Als hierauf der Kaiser
keine brauchbare Antwort erhielt, zog er ab und stellte ihn unter die
Aufsicht des Grafen Ibo 48. Einige Tage blieb Wichmann bei diesem,
2 0 dann bat er ihn um Erlaubnis, in den Wald auf die Jagd zu gehen. Hier
hatten sich seine Gesellen verborgen, die er nun zu sich nahm und mit
ihnen in seine Heimat zog, wo er sich einiger Burgen bemächtigte und
im Bunde mit Ekbert die Waffen gegen den Kaiser ergriff. Aber die Tat
kraft Herzog Hermanns wurde leicht mit ihnen fertig und drängte sie
25 über die Elbe. Da sie nun merkten, daß sie dem Herzog nicht widerstehen
könnten, verbanden sie sich mit zwei den Sachsen schon längst feindlich
gesinnten Slawenfürsten, dem Naco und dessen Bruder 49.
51 . Der Herzog führte ein Heer gegen sie, und man fand sie in der Feste,
die Suithleiscranne 50 genannt wird ; es war nahe daran, daß sie samt der
30 Burg dem Herzog in die Hände gefallen wären, hätte nicht j emand sie
durch Geschrei gewarnt und zu den Waffen gerufen ; doch tötete Herzog
Hermann vor dem Burgtor gegen vierzig Geharnischte und zog mit den
erbeuteten Rüstungen der Getöteten ab. Es halfen ihm aber auf diesem
Zuge Markgraf Heinrich mit seinem Bruder Siegfried, vornehme und
3 5 tapfere Männer, im Kriege wie im Frieden gleich ausgezeichnet. Dies
46 Vgl. c. 29.
47 Graf Wichmann I. war 944 gestorben.
48 Nur hier erwähnt.
50 Lage unbekannt.
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moram agens sed et ipse dux Herimannos cum presidio militari adest ;
vidensque exercitum hostium gravem sibique parvas admodum belli
copias affore civili bello urgente, arbitratus est consultius differre cer
tarnen in dubiis rebus constitutis, multitudinique imperare, quae
maxima in unam urbem confluxerat, dum caeteris diffiderent, quoquo 5
Raubzuge, nicht als ihr Fürst. Aber auch Herzog Hermann zögerte nicht,
sondern war unverzüglich mit kriegerischer Hilfe bei der Hand ; da er
aber sah, daß das Heer der Feinde bedeutend war, während seine eigene
Kriegsmacht wegen des damals noch fortdauernden Bürgerkrieges sehr
5 gering sein werde, hielt er es für geratener, den Kampf bei dem zweifel
haften Stande der Dinge zu verschieben und der Menge, die in großer
Zahl in einer Burg zusammengeströmt war, da sie den übrigen nicht
traute, zu befehlen, Frieden um j eden Preis zu begehren. Diesen Beschluß
nahmen j edoch die Krieger sehr übel auf, und vorzüglich Siegfried, der
1 0 ein überaus tapferer Streiter war. Dennoch taten die Cocarescemier 61,
wie der Herzog befohlen hatte, und erhielten unter der Bedingung Frieden,
daß die Freien mit Weibern und Kindern unbewaffnet auf die Mauer
steigen sollten, alle Knechte aber samt allem Hausrat 62 in der Mitte der
Burg den Feinden überlassen würden . Als nun die Barbaren in die Burg
15 hineinstürmten, erkannte einer von ihnen seine Magd in der Frau eines
53. In dem Wunsche, diesen Frevel zu rächen, drang der Kaiser, nach
dem er schon den Sieg über die Ungarn gewonnen hatte, feindselig in
das Gebiet der Barbaren ein . Über die Sachsen, die sich mit den Slawen
verschworen hatten, beriet man sich, und das U rteil lautete, daß Wichmann
25 und Ekbert als Landesfeinde zu erachten, die übrigen aber zu verschonen
Sümpfe sehr schwierig zu überschreiten ist, sein Lager aufschlug und hier
von den Feinden umringt wurde. In seinem Rücken nämlich wurde der
Weg durch einen Verhack von Baumstämmen versperrt und mit einem
Haufen Bewaffneter besetzt ; vorne war der Fluß und der an den Fluß
40 stoßende Sumpf und die Slawen mit einem ungeheueren Heere, das
den Kriegern sowohl die Arbeit als den Marsch wehrte . Aber auch
durch andere Beschwerden wurde das Heer gepeinigt, durch Krankheit
löblichen Eifer für den Dienst Gottes. Der Markgraf also begrüßte den
Barbaren über den Sumpf und den Fluß hin, der an den Sumpf stößt ;
worauf der Slawe in ähnlicher Weise erwiderte . Der Markgraf sagte zu
ihm : "Es würde für dich genug sein, wenn du gegen einen von uns, von
1 5 meines Herrn Dienern, Krieg führtest und nicht auch gegen meinen
Herrn, den König. Was für ein Heer hast du, was für Waffen, um solches
zu wagen ? Wenn ihr etwas Tapferkeit, etwas Geschick und Kühnheit
besitzt, so erlaubt uns, zu euch hinüberzukommen, oder wir wollen euch
zu uns herüberkommen lassen, und auf gleicher Walstatt möge dann die
20 Tapferkeit des Streiters sich zeigen." Der Slawe, nach barbarischer Sitte
werdet ihr ohne Zweifel uns mit euch handgemein werden sehen. " Gero
war nun zwar schon längst durch viele herrliche Taten berühmt, aber
gerade damals feierte man ihn ganz besonders allerorts mit großem
Lobe, weil er die Slawen, welche Ukrer heißen , so rühmlich über-
30 wunden hatte. Gero kehrte also in das Lager zurück und meldete,
was er gehört hatte. Der Kaiser aber erhob sich vor Tagesanbruch
und befahl, den Feind mit Pfeilen und anderem Geschoß zur Schlacht
herauszufordern und einen Angriff über den Sumpf und Fluß hinweg
vorzutäuschen. Die Slawen, welche nach der Drohung vom vori-
3 5 gen Tage nichts anders vermuteten, waren einig zum Kampf und ver
teidigten den Übergang mit allen Kräften . Allein Gero zog mit seinen
Freunden, den Rugiern 66, ungefähr ein Meile vom Lager abwärts und
erbaute, vom Feinde unbemerkt, in aller Eile drei Brücken ; dann sandte
er einen Boten an den Kaiser und forderte das ganze Heer auf, ihm nach-
40 zukommen. Als dies die Barbaren sahen, eilten auch sie, sich den Legionen
entgegenzustellen, allein ihr Fußvolk hatte den längeren Weg zurück
zulegen, ehe es zum Kampf kam, und wich bald erschöpft den Rittern ;
da sie nun in der Flucht Schutz suchten, wurden sie sofort nieder
gehauen .
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vorum capite caesi, eiusque consiliarius oculis erutis lingua est privatus
in medioque cadaverum inutilis relictus. Wichmannus vero et Ec
berhtus seelerum conscii in Galliam profecti, ad Hugonem ducem fuga
elapsi sunt.
LVI . Crebris victoriis imperator gloriosus factus atque famosus 15
fere totum, diem extremum obiit 57, toto Franeorum imperio relin
quens suo vulnere vulnus durum. Funus autem eius a militibus debito
honore curatum, et ab Italia Mogontiae corpus translatum, in basilica
Albani martyris sepultum est cum luctu et planctu mult.orum popu- I
lorum. Reliquit post se filium patris vocabulo insignitum. 30
55. Stoinef aber erwartete auf einem hohen Hügel mit den Reitern den
Ausgang der Schlacht. Als er sah, daß seine Gefährten zu fliehen began
nen, floh auch er ; in einem Haine wurde er mit zwei Begleitern von einem
Ritter namens Hosed entdeckt, im Kampf überwunden, seiner Waffen
5 beraubt und ihm der Kopf abgeschlagen. Einer der Begleiter wurde
lebend gefangen und dem Kaiser nebst dem Kopf und der Rüstung des
Häuptlings von j enem Ritter dargebracht. Auf diese Tat hin erntete
Hosed Ehre und Auszeichnung ; der Lohn so ruhmvoller Tat war ein
kaiserliches Gnadengeschenk mit den Einkünften von zwanzig Hufen.
1 0 An demselben Tag wurde das Lager der Feinde genommen und viele
Menschen getötet oder zu Gefangenen gemacht, und das Morden währte bis
tief in die Nacht. Am nächsten Morgen wurde der Kopf des Fürsten auf
dem Felde ausgestellt und ringsumher siebenhundert Gefangene ent
hauptet ; Stoinefs Ratgeber wurden die Augen ausgestochen und die
15 Zunge herausgerissen, und so ließ man ihn mitten unter den Leichnamen
hilflos liegen . Wichmann aber und Ekbert zogen , ihrer Freveltaten be
wußt, nach Gallien und entkamen durch die Flucht zum Herzog Hugo .
56. Durch seine vielen Siege berühmt und verherrlicht, erweckte der
Kaiser die Furcht ebenso wie die Gunst vieler Könige und Völker ; daher
20 empfing er zahlreiche Gesandtschaften, nämlich von Römern, Griechen
58 . Der Brief, der seinen Tod meldete, wurde dem Kaiser überbracht,
als er sich auf einem Kriegszuge gegen die Redarier befand. Er vergoß
viele Tränen über den Untergang seines Sohnes ; im übrigen aber ver
traute er getreulich auf Gott, den Lenker aller Dinge 58, der bisher über sein
40 Reich gewacht hat.
59. Um dieselbe Zeit zog Wichmann, der Sachsen von Kriegern entblößt
wußte , aus Gallien weg, betrat heimlich Sachsen, suchte sein Haus und
non est edicere 64, sed, ut initio historiae predixi, in tantum fideli
seine Gemahlin auf und begab sich von hier wiederum in die Fremde .
Ekbert aber wurde auf Fürsprache des Erzbischofs Brun wieder zu Gna
den angenommen .
60. Als zum dritten Male 59 ein Heer gegen Wichmann geführt wurde,
5 erlangte er mit Mühe, daß Gero und sein Sohn seine Ergebung annahmen
und beim Kaiser für ihn auswirkten, daß er sich der Heimat und des
Erbgutes seiner Gemahlin mit des Kaisers Gnade wieder erfreuen durfte .
Er schwor aus freien Stücken einen schweren Eid, daß er gegen den Kaiser
und des Kaisers Reich niemals, weder durch die Tat noch durch Rat, sich
10 in etwas vergehen wolle. Nachdem er so Treue gelobt, wurde er in Frieden
taten für ihre Sünden. Einige erklärten es für Male des Aussatzes an
Kleidern, weil ein anschließender Aussatz viele Menschen zugrunde
richtete . Die Weiseren aber verkündeten, daß das Zeichen des Kreuzes
Heil und Sieg bedeutet habe, und diesen stimmen auch wir getreulich
20 bei .
62. Um diese Zeit erkrankte auch der Kaiser selbst, aber durch das
Verdienst der Heiligen, denen er beständig treuen Gehorsam erweist,
und hauptsächlich durch den Schutz des heiligen Märtyrers Vitus, gegen
den er seinen Mund öffnete 62, genas er von seiner Krankheit und wurde
25 der Welt gleich der leuchtenden Sonne nach der Finsternis zu j eglichem
er mit seinem Sohn das Reich erweitert hat, das zu erzählen geht über
mein schwaches Vermögen 64 ; vielmehr, wie ich am Anfang meines
" Vg l . I 3 5 . I I 36.
- ut initio historiae praedixi, nämlich I l .
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14:42
I
devotione elaborasse sufficiat. Caeterum erga tuam claritatem sereni
tatemque, quam patris fratrisque celsitudo patriae ad omnem hono
rem nobisque ad solatium reliquit, magna devotio opus humile
magnificet 66•
At finis civilis belli terminus sit libelli. 5
eum sibi sociare velle, aliter rem fraudulenter agitasse non dubitaret.
Interea ab emptore pretereunte latrocinia eius produntur, sociorum
que aliqui comprehensi et tamquam contra publicam rem agentes a
duce dampnati strangulo vitam perdiderunt. Ipse autem cum fratre
vix evasit. I 15
fidem per semet ipsum declarare velit. Ille incunctanter velle respondit.
Rex vero custodire clericum usque in crastinum iubet. Mane facto
1
ingentis pon- deris ferrum igne succendi iubet, clericumque ob fidem
catholicam candens ferrum portare iussit. Confessor Christi indubitan
ter ferrum rapit tamdiuque deportat, quo ipse rex decernit. Manum 30
65 Der letzte Satz ist erst in der für die Prinzessin bestimmten Form zu der
ursprünglichen Fassung hinzugefügt worden. Der nachfolgende durch Reim
hervorgehobene Satz bildet den Übergang zu den erst 967/68 geschriebenen
Kapiteln 64-69, mit denen das Werk in der Widmungsfassung endet.
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Aber das Ende der inneren Kämpfe soll der Schluß dieses Büchleins
sem.
64. Wichmann nämlich, der seiner Heimat wiedergegeben war, verhielt
sich ruhig, solange er mit dem Kommen des Kaisers rechnete. Als sich
1 0 seine Rückkehr aber verzögerte, begab er sich in die nördlichen Lande,
sich kundtäten. Dagegen erklärte ein Geistlicher, der jetzt als Bischof
ein gottgeweihtes Leben führt, namens Poppa, es gebe nur einen einzigen
wahren Gott, den Vater mit dem eingeborenen Sohn Jesus Christus
unserem Herrn und dem Heiligen Geiste, die Götzen aber seien Dämonen
30 und nicht Götter. König Harald aber, der eifrig zum Hören, bedächtig
Glauben das glühende Eisen zu tragen. Der Bekenner Christi ergriff das
Eisen ohne Besinnen und trug es so lange, als es der König selbst be
fahl, zeigte allen die unverletzte Hand und erwies so vor der ganzen
sumere contra ducem cogitavit. Sed cum ei belli copiae non sufficerent,
missa legatione postulat presidium ab Wichmanno contra ducem.
llle nichil iocundius ducens, quam aliquam molestiam inferre posset
patruo, cito cum sociis adest Sclavo. Ut autem suscipitur in urbem
Wichmannus, statim urbs obsidione vallatur ab inimico. Ductus 25
ben, durch dessen Eifer in jenen Gebieten die Kirchen und der Priester
stand zu so leuchtendem Ansehen gekommen sind.
66. Markgraf Gero also, j enes Schwures eingedenk, gab Wichmann,
als er sah, daß dieser angeklagt wurde, und er ihn als schuldig erkannt
10 hatte, den Barbaren, von denen er ihn empfangen hatte, wieder zurück.
Von diesen mit Freuden aufgenommen, bedrängte er die entfernter woh
nenden Slawen durch häufige Überfälle. Den König Misaca 69, unter dessen
Gewalt die Slawen standen, die Licicaviki heißen, überwand er zweimal,
tötete seinen Bruder und erpreßte von ihm reiche Beute .
15 6 7 . Um diese Zeit besiegte auch Markgraf Gero die Slawen, welche
Lusiki 70 heißen, mit gewaltiger Kraft und brachte sie zu vollständiger
Knechtschaft, jedoch nicht ohne eigene schwere Verwundung und den
Verlust seines Neffen, eines wackeren Mannes, und vieler anderer edler
Männer.
20 68 . Unter Herzog Hermann standen zwei Slawenfürsten, die von ihren
Vätern gegenseitige Feindschaft geerbt hatten ; der eine hieß Selibur,
der andere Mistav ; Selibur beherrschte die Wagrier, Mistav die Abodriten.
Da sie sich gegenseitig sehr oft anklagten, wurde endlich Selibur vom
Herzog bei der Untersuchung verurteilt zu einer Buße von fünfzehn
25 Pfund Silber. Erbittert über diese Verurteilung plante er, die Waffen
gegen den Herzog zu erheben . Da er aber nicht genug Streitkräfte hatte,
schickte er Boten an Wichmann und forderte von ihm Hilfe gegen den
Herzog. Dieser konnte sich nichts Erfreulicheres denken, als seinem Oheim
irgendeinen Verdruß bereiten zu können, und so kam er mit seinen Genos-
30 sen den Slawen schnell zu Hilfe . Sobald aber Wichmann in der Burg auf
genommen war, wurde diese auch schon von den Feinden umzingelt und
belagert. Auch der Herzog führte ein Heer hinzu und lagerte sich mit
demselben um die Burg. Unterdessen verließ Wichmann, ich weiß nicht,
ob durch Zufall oder aus Vorsicht, dieselbe mit einigen wenigen, als ob er
35 sich von den Dänen Hilfsvölker holen wolle . Wenige Tage vergingen, bis
den Kriegern die Lebensmittel und dem Vieh das Futter ausging. Auch
behaupteten einige, der Slawe habe nur einen Scheinkrieg geführt, nicht
einen wirklichen Krieg ; es sei durchaus unglaublich, daß ein von Kind
heit auf an den Krieg gewöhnter Mann 72 so schlechte Vorbereitungen
arguit, hocque ab eo responsi accepit : ' Quid me' , inquit, 'de perfidia
arguis 1 Ecce, quos nec tu nec dominus tuus imperator vincere potu
istis, mea perfidia inermes assistunt' . Ad haec dux conticuit, eum suae
ditionis regione privans, filio ipsius, quem antea obsidem accepit,
omni ipsius potestate tradita. Milites Wichmanni variis poenis afßixit, 10
1
Seiavis qui dicuntur Vuloini 73, quo- modo Misacam amicum impera
toris bello lacesserent ; quod eum minime latuit. Qui misit ad Boli
zlavum regem Boemiorum - gener enim ipsius erat 74 - accepitque
ab eo equitum duas acies. Cumque contra eum Wichmannus duxisset
exercitum, pedites primum ei inmisit. Cumque ex iussu ducis paulatim 20
Coactus itaque equo cessit, pedestris cum sociis certarnen iniit, eoqueI
die viriliter pugnans armis defenditur. Ieiunio autem et longiori via ,
qua per totam noctem armatus incessit, mane cum paucis admodum
aream cuiusdam iam fessus intravit. Optimates autem hostium cum
eum repperissent, ex armis agnoscunt, quia vir eminens esset. Inter- Jo
zum Kriege getroffen habe ; vielmehr habe der Herzog diesen Plan erson
nen, um seinen Neffen auf irgendeine Weise zu bezwingen, damit er
wenigstens in der Heimat sein Seelenheil wiedergewänne, statt unter den
Heiden gänzlich zugrunde zu gehen. So wurde denn die Besatzung durch
5 Hunger und den Gestank des Viehes genötigt, aus der Burg herauszukom
men. Der Herzog redete den Slawen ziemlich streng an und warf ihm
seine Treulosigkeit und seine schlechten Handlungen vor ; darauf erhielt er
von ihm folgende Antwort : "Warum machst du mir Vorwürfe wegen
Treulosigkeit ? Siehe, durch meine Treulosigkeit stehen j etzt diej enigen,
1 0 welche weder du noch dein Herr, der Kaiser, besiegen konnte, wehrlos
vor dir." Darauf schwieg der Herzog, nahm ihm das unter seiner Bot
mäßigkeit stehende Gebiet und verlieh seinem Sohne, den er früher als
Geisel bekommen hatte, alle Gewalt des Vaters . Über die Vasallen Wich
manns verhängte er verschiedene Strafen ; die Beute der Burg schenkte
15 er seinem Kriegsvolk, bereitete mit dem aus Erz gegossenen Bilde des
Saturn, das er hier unter anderen Beutestücken der Burg fand, dem Volk
ein großes Schauspiel und kehrte als Sieger in sein Land zurück.
69. Da aber Wichmann hörte, daß die Burg genommen und seine
Gefährten in Fei ndeshand gefallen seien, wandte er sich von neuem gegen
20 Osten und begab sich wieder unter die Heiden ; hier beriet er sich mit den
Slawen, welche Wuloini 73 heißen, wie sie Misaca, des Kaisers Freund,
mit Krieg heimsuchen wollten, was diesem keineswegs unbekannt blieb .
Er sandte an Boleslaw, den König der Böhmen - denn dieser war sein
Schwiegervater - , und erhielt von ihm zwei Abteilungen Reiter. Als nun
25 Wichmann mit einem Heere gegen ihn heranzog, ließ er zuerst das Fuß
volk einen Angriff machen, aber mit dem Befehl, allmählich vor Wich
mann zurückzuweichen, wodurch dieser weiter von seinem Lager abge
zogen wurde ; dann erteilte er seinen Reitern Befehl, ihm in den Rücken
zu fallen, und gab zugleich dem flüchtenden Fußvolk das Zeichen, sich
30 wieder gegen die Feinde zu wenden. Als so Wichmann von vorne und im
und seine Rüstung schützte ihn . Die Nacht hindurch legte er gewappnet
einen weiten Weg zurück und erreichte bei Tagesanbruch, durch Hunger
und Anstrengung ermattet, ein Gehöft, in dem er mit einigen wenigen
Begleitern Zuflucht suchte . Hier fanden ihn die Führer der Feinde und
40 erkannten an seiner Rüstung, daß er ein vornehmer Mann sei ; da sie ihn
nach seinem Namen fragten, erklärte er, er sei Wichmann . Jene aber
illi velle arma deponere, illi manus dare . Dum ad Misacam ipsi per
gunt, vulgus innumerabile eum circumdat eumque acriter inpugnat.
Ipse autem, quamvis fessus, multis ex eis fusis, tandem gladium sumit
et potiori hostium cum his verbis tradidit : 'Accipe' , inquit, 'hunc
gladium et defer domino tuo, quo pro signo victoriae illum teneat 10
imperatorique amico transmittat, quo sciat aut hostem occisum
irridere vel certe propinquum deflere. ' Et his dictis conversus ad
orientem, ut potuit, patria voce Dominum exoravit animamque
multis miseriis et incommodis repletam pietati creatoris omnium
effudit. Is finis Wichmanno, talisque omnibus fere, qui contra im- 1s
I
et Calabriam provincias, quas hactenus tenuere , nisi conveniamus,
dabunt. Si vero voluntati nostrae paruerint, ut presenti aestate
coniugem cum aequivoco nostro in Franciam dirigentes, per Fraxane
tum ad destruendos Sarracenos Deo comite iter arripiemus, et sie
ad vos, disponimus. Preterea volumus, ut, si Redares, sicut audivimus, 30
tantam stragem passi sunt - scitis enim, quam saepe fidem fregerint,
quas iniurias attulerint -, nullam vobiscum pacem habeant. Unde
haec cum Herimanno duce ventilantes totis viribus instate, ut in
destructione eorum finem operi inponatis. Ipsi, si necesse fuerit, ad
7 8 Diese beiden Worte stehen nur in der Fassung A, die damit endet. Ein
forderten ihn auf, seine Waffen abzulegen, und gelobten ihm sodann auf
ihr Wort, daß sie ihn unversehrt ihrem Herrn ausliefern und diesen dazu
vermögen wollten, daß er ihn unverletzt dem Kaiser zurückgebe. Obgleich
er nun in die äußerste Not geraten war, vergaß er doch nicht seines frü-
5 heren Adels und seiner Tapferkeit und verschmähte es, solchen Leuten
sich zu ergeben ; doch bat er, sie möchten dem Misaca von ihm melden,
vor ihm wolle er seine Waffen ablegen, ihm sich ergeben. Während nun
diese zu Misaca eilten, umringte ihn unzähliges Volk und griff ihn heftig
an. So erschöpft er aber auch war, hieb er dennoch viele von ihnen nieder ;
10 endlich nahm er sein Schwert und reichte es dem Vornehmsten der Feinde
mit folgenden Worten : "Nimm dieses Schwert und überbringe es deinem
Herrn, damit er es zum Zeichen des Sieges nehme und seinem Freunde,
dem Kaiser, übersende, auf daß dieser wisse, er könne nun eines erschla
genen Feindes spotten oder einen Blutsverwandten beweinen." Und nach
15 diesen Worten wandte er sich gegen Morgen, betete, so gut er konnte, in
seiner Muttersprache zum Herrn und hauchte seine mit vielem Elend und
Jammer erfüllte Seele aus in die Barmherzigkeit des Schöpfers aller Dinge .
Dies war das Ende Wichmanns, und so endeten fast alle, die die Waffen
erhoben hatten gegen den Kaiser [deinenVater 76] .
20 70. Nachdem nun der Kaiser die Waffen Wichmanns erhalten hatte
und von seinem Tode unterrichtet worden war, schrieb er einen Brief77
an die Herzöge und Befehlshaber Sachsens folgenderweise : " Otto, durch
Gottes Willen Kaiser, des Reiches Mehrer, entbietet den Herzögen Her
mann und Thiadrik und den übrigen Befehlshabern unseres Landes alles
25 Liebe. Nach Gottes Willen steht es um unser Wohl und alle unsere Ange
legenheiten sehr gut und günstig. Auch kommen zu uns Gesandte des
Königs von Konstantinopel, sehr vornehme Männer, und verlangen, wie
wir gehört haben, angelegentliehst nach Frieden. Wie sich j edoch die
Sache auch gestalten mag, mit Krieg, so Gott will, werden sie auf keine
30 Weise wagen, sich an uns zu versuchen. Die Provinzen Apulien und Kala
brien, die sie bis j etzt besessen haben, werden sie, wenn wir nicht einig
werden, uns geben müssen. Wenn sie sich aber unserem Willen fügen, wer
den wir in gegenwärtigem Sommer unsere Gemahlin nebst dem Träger
unseres Namens nach Franken schicken und selbst über Frainet, die
35 Sarazenen zu vertilgen, mit Gottes Geleit den Weg antreten und gedenken
dann zu euch zu kommen . Außerdem wollen wir, daß die Redarier, wenn
sie, wie wir vernommen, solche blutigen Verluste erlitten haben - ihr
wißt j a, wie oft sie die Treue gebrochen und welches Unrecht sie verübt - ,
keinen Frieden von euch erhalten sollen. Deshalb erwägt dies mit dem
40 Herzog Hermann und trachtet mit allen Kräften danach, daß ihr durch
7 7 Auch aufgenommen in MG D OI. 355. Das verlorene Original ist von Widu
/
claros factos, Guntharium et Sigi- fridum 79 mittit in Calabriam. Graeci
autem preterita victoria elati et minus cauti ceciderunt in manus
eorum ; ex quibus innumera multitudine caesa, quos supererant
capientes, obtruncatis naribus Novam Romam remeare permiserunt.
Tributum in Calabria et Apulia a Graecis extorserunt, talique victoria 25
78Von derartigen Verhandlungen mit Ostrom war bisher nicht die Rede.
79 Gunther war Markgraf von Merseburg, Siegfried vielleicht Graf des Hasse
gaus.
80 Die Ermordung des Kaisers Nikephoros IL Phokas auf Betreiben seiner
ihre Vernichtung euer Werk vollendet. Wir selbst werden, wenn es nötig
sein sollte, gegen sie ziehen. Unser Sohn hat an des Herrn Geburtsfest
vom heiligen apostolischen Vater die Krone der kaiserlichen Würde
erhalten. Gegeben am 1 8 . Januar zu Capua in Campanien. " - Als dieser
5 Brief auf dem Landtage an einem Orte, W erla genannt, vor den Fürsten
und zahlreichem Volk vorgelesen worden war, hielt man es für notwendig,
daß der den Redariern schon gewährte Friede aufrechterhalten werde,
weil damals der Krieg gegen die Dänen drängte und die Streitkräfte nicht
ausreichten, um mit zwei Kriegen zu gleicher Zeit fertig zu werden.
10 7 1 . Der Kaiser also, der den Gesandten der Griechen vollen Glauben
schenkte, sandte einen Teil des Heeres mit vielen vornehmen Männern
an den verabredeten Ort, wo ihnen, gemäß dem Versprechen der Gesand
te n , das Mädchen übergeben und mit Ehren seinem Sohne zugeführt
würde 78• Die Griechen aber wandten sich den Ränken ihrer Väter zu
15- denn fast von Anbeginn der Welt sind sie Herren über die meisten
Völker gewesen, und wo ihre Tapferkeit nicht ausreichte, siegten sie durch
List - , stürzten plötzlich auf die Ungerüsteten und nichts Arges Vermu
tenden los, plünderten das Lager, töteten viele und nahmen viele gefangen,
die sie nach Konstantinopel an ihren Kaiser sandten. Die aber entfliehen
20 konnten, kehrten zum Kaiser zurück und meldeten, was geschehen war.
eine unzählige Menge von ihnen wurde niedergehauen, die übrigen nah
men sie gefangen und gestatteten ihnen, mit abgeschnittenen Nasen in
das neue Rom zurückzukehren. In Kalabrien und Apulien erpreßten sie
Tribut von den Griechen, und durch solchen Sieg mit Ruhm bedeckt,
30 kehrten sie mit reicher Beute zum Kaiser zurück.
73. Da aber die Leute von Konstantinopel den Mißerfolg der Ihrigen
hörten, standen sie gegen ihren Kaiser auf, und auf Betreiben seiner
eigenen Gemahlin erschlugen 80 sie ihn nach den Plänen eines Offiziers
und setzten diesen an seines Herrn Stelle als Kaiser ein. Sobald dieser die
35 Krone erlangt hatte, gab er sogleich die Gefangenen frei und übersandte
das Mädchen 81 mit einem großen Heere und herrlichen Geschenken dem
I
neribus ad imperatorem destinavit. Quam ipse statimfilio tradidit, cele
bratisque magnifice nuptiis omnem Italiam super hoc et Germaniam
laetiores reddidit. Eo tempore, quo haec intra Italiam gerebantur,
summus pontifex Wilhelmus82, vir sapiens et prudens, pius et cunctis
affabilis, a patre sibi commendatum regebat Franeorum imperium. 5
superat virtus tantae feminae . Quis enim digne possit explicare eius
vigilantiam erga cultum divinum ? Omnis nox omnibus modis et omni
genere cellulam suam divinorum carminum melodia inplebat. Erat
enim ei cellula ecclesiae proxima, in qua modice requiescebat, de qua
omnibus noctibus consurgens intrat ecclesiam, nichilominus cantoribus 15
Königin Mathilde 1 79
Kaiser. Dieser übergab sie sogleich seinem Sohne, und als die Hochzeit
mit großer Pracht gefeiert wurde, versetzte er dadurch ganz Italien und
Deutschland in große Freude . Während sich dies in Italien zutrug, ver
waltete der Erzbischof Wilhelm 82, ein weiser und kluger Mann, fromm
s und freundlich gegen j edermann, das von seinem Vater ihm anvertraute
Reich der Franken .
74. Die Mutter desselben war zwar eine Fremde, aber aus edlem
Geschlecht entsprossen . Als er gehört hatte, daß die Mutter des Kaisers,
eine Frau von wunderbarer Heiligkeit namens Mathilde, erkrankt sei und
10 er auf ihr Leichenbegängnis wartete, ereignete es sich, daß seine eigene
Totenfeier der ihrigen vorausging. Wenn wir nun zu ihrem Lob etwas zu
sagen wünschen, so fühlen wir uns zu schwach, weil die Tugend einer sol
chen Frau alles Können unseres schwachen Geistes übersteigt. Denn wer
vermöchte ihre Hingabe an den göttlichen Dienst würdig zu beschreiben ?
IS Jede Nacht erfüllte sie ihre Zelle mit dem Wohlklang himmlischer Lieder
von j eglicher Weise und Mannigfaltigkeit. Denn sie hatte ganz nahe der
Kirche ihre Zelle, in welcher sie ein wenig zu ruhen pflegte ; in ihr erhob
sie sich j ede Nacht und ging in die Kirche, während Sänger und Sängerin
nen innerhalb der Zelle und vor der Tür und auf dem Wege in drei
20 Abteilungen aufgestellt waren, um Gottes Huld zu loben und zu preisen.
Sie selbst verharrte in der Kirche in Wachen und Beten und erwartete die
Feier der Messe. Darauf machte sie , wo sie von Kranken in der Nachbar
schaft hörte, bei diesen Besuch und reichte ihnen, was sie brauchten ;
dann öffnete sie ihre Hand den Armen, auch nahm sie Gäste, an denen
2s niemals Mangel war, mit aller Freigebigkeit auf ; niemanden entließ sie
ohne ein freundliches Wort und fast keinen ohne ein kleines Geschenk
oder die Unterstützung, die ihm not tat. Oft schickte sie Wanderern, die sie
von ihrer Zelle aus in der Ferne erblickte, das Nötige hinaus. Und ob
gleich sie solche Werke demütig Tag und Nacht übte, vergab sie dennoch
30 der königlichen Würde nichts, und wie geschrieben steht 83 : "Obgleich
sie saß wie eine Königin unter ihrem Volk, war sie dennoch immer und
überall der Klagenden Trösterin. " Alle Diener und Dienerinnen im Haus
unterwies sie in verschiedenen Künsten und auch im Lesen und Schreiben ;
denn sie konnte das, weil sie es nach des Königs Tode recht gut erlernt
Js hat. Wollte ich demnach alle ihre Tugenden aufzählen, so würde die Zeit
nicht reichen ; wenn ich Homers oder Maros Beredsamkeit besäße, sie
würde nicht genügen . So gab sie, reich an Jahren, reich an aller Ehre,
reich an allen guten Werken und Almosen 84, nachdem sie ihren ganzen
2. Chron. 24, 15). Apostelgesch. 9,36 : plena operibus bonis et cleemosynis. - Widu
kind setzt sich hier mit der 974 verfaßten älteren Vita Mathildis (MG SS X
575-582, bes. S. 581 , 27 ff. ) auseinander, die selbst auf die Widmungsfassung
Bezug genommen hatte.
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illa loca perambulat obitu optimi viri ducis Herimanni 87, qui pru
dentiae ac iustitiae miraeque vigilantiae in rebus civilibus et externis
cunctis retro mortalibus aeternam reliquit memoriam. Post susceptos
ab Africa legatos eum regio honore et munere visitantes secum fecit
manere. Tertia autem feria ante pentecosten locum devenit qui dici- 2s
königlichen Schatz an die Diener und Mägde Gottes, sowie an die Armen
verteilt hatte, am 14. März ihre Seele Christo zurück. Um diese Zeit ver
schied auch Bernhard 86, den alles Volk als den würdigsten Priester seiner
Zeit rühmte. Wenn wir nun über diese beiden auch ein frommes Gerücht
5 mitteilen, so möge uns niemand deshalb tadeln, indem wir nicht der
Gefahr erliegen, von der Wahrheit abzuweichen. Wir haben nämlich von
einem Einsiedler gehört, er habe, ich weiß nicht, ob im Geiste oder in
einem offenbaren Gesichte, die Seelen der Königin und des Bischofs gese
hen, wie sie von einer unendlichen Menge von Engeln mit unaussprech-
to licher Glorie himmelwärts getragen wurden .
75. Als nun der Kaiser vom Tode seiner Mutter und seines Sohnes und
der übrigen vornehmen Männer - denn auch Gero, der gewaltige und
mächtige Mann, war schon vorher gestorben 86 - vernommen hatte, be
schloß er, von dem Feldzug nach Frainet abzusehen und nach Ordnung
1 � der Verhältnisse in Italien in sein Vaterland zurückzukehren. Es beun
ruhigte ihn auch ein Gerücht, als wollte sich die Mehrzahl der Sachsen
empören, eine Sache, die wir nicht einmal der Mitteilung für wert erach
teten, weil sie ohne alle Bedeutung war. So verließ er denn Italien mit
großem Ruhm, da er den König der Langobarden gefangengenommen,
20 die Griechen überwunden und die Sarazenen besiegt hatte ; mit seinen
Zeiten hinterlassen hat. Darauf empfing er Gesandte aus Afrika, die ihm
mit königlicher Ehre und mit Geschenken aufwarteten, und hieß sie bei
ihm bleiben. Am Dienstag aber vor Pfingsten kam er an einen Ort, der
Memleben heißt. In der folgenden Nacht stand er wie gewöhnlich mit.
35 der Dämmerung von seinem Lager auf und wohnte den nächtlichen und
LXXVI. Mane autem iam facto, licet iam olim unctus esset i n
regem e t a beato apostolico designatus in imperatorem, spei unicae
totius ecclesiae, imperatoris filio, ut initio certatim manus dabant,
fidem pollicentes et operam suam contra omnes adversarios sacra
mentis militaribus confirmantes. Igitur ab integro ab omni populo 1s
das Sakrament des Leibes und Blutes Gottes, nahm es und übergab dann
ohne Seufzer mit großer Ruhe den letzten Hauch dem barmherzigen Schöp
fer aller Dinge unter den Klängen der liturgischen Sterbegesänge. Dann wur
de er von hier in sein Schlafgemach gebracht und, als es schon spät war88,
5 sein Tod dem Volke verkündet. Das Volk aber sprach viel zu seinem Lobe in
ander noch viel anderes Gute über ihn redeten, wohnten sie der königlichen
Leichenfeier bei 90 •
76. Als es aber Morgen geworden war, reichten sie der einzigen Hoff
nung der ganzen Kirche, dem Sohne des Kaisers, obgleich er schon längst
15 zum König gesalbt und von dem seligen Papst zum Nachfolger im Kaiser
tum bestimmt worden war, noch einmal, wie im Anfang, wetteifernd die
Hände, gelobten Treue und bekräftigten ihm durch den Vasalleneid ihren
Beistand gegen alle Widersacher. Also wurde er von neuem vom ganzen
Volke zum Fürsten gewählt und geleitete dann seines Vaters Leiche in
20 die von diesem prächtig erbaute Stadt Magdeburg. Und so starb am
siebenten Mai, am Mittwoch vor Pfingsten, der Kaiser der Römer 91 und
König der Völker und hinterließ in kirchlichen wie in weltlichen Dingen
viele ruhmwürdige Denkmäler der Nachwelt.
110 J. 0 . Plassmann, Germanien 1942, 83 ff. 337 ff. 1943, 154ff. hat in dieser