Sie sind auf Seite 1von 17

Auslegung von 1Thess 4, 13—18

Author(s): Willi Marxsen


Source: Zeitschrift für Theologie und Kirche , 1969, Vol. 66, No. 1 (1969), pp. 22-37
Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG

Stable URL: https://www.jstor.org/stable/23584443

JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide
range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and
facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org.

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at
https://about.jstor.org/terms

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend
access to Zeitschrift für Theologie und Kirche

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von IThess 4,13—18 1

von

Willi Marxsen

Den Kontext anzugeben, innerhalb dessen unser Abschnitt zu ex


egesieren ist, ist heute nicht mehr so problemlos wie etwa Ende des ver
gangenen Jahrzehnts, als E.Bammel noch schreiben konnte, über die
Echtheitsfrage des IThess sei »mindestens ein Ermüdungsfriede zu
stände gekommen« 2. Nach zwei Seiten hin wird heute experimentiert.
Einmal wird, wenn auch mit Hilfe von Teilungshypothesen, die Be
hauptung der Echtheit sogar (wieder) auf den 2Thess ausgedehnt (so
W. Schmithals3). Andererseits wird die Echtheit von Teilen des IThess
bestritten, wobei auch wieder (allerdings ganz anders angelegte) Tei
lungshypothesen eine Rolle spielen (so E.Fuchs4 und K.-G.Eckart5).
Nun könnte man vielleicht all diese Erwägungen übergehen, denn
unser Abschnitt gilt überall als paulinisch, abgesehen vielleicht von V. 18.
Für die Bestimmung des Kontextes sind sie aber von Bedeutung, und
mit ihm zusammen ist nach dem Anlaß zu fragen, der Paulus zu den
Ausführungen bewegte. Das scheint in der Tat eine Aufgabe zu sein,
die entweder nicht gesehen oder über die oft zu schnell hinweggegangen
wird. Zugegeben, der Anlaß ist häufig nur schwer festzustellen. Das
zeigt gerade die neuere Diskussion über die Thessalonicherbriefe. Den

1Vorgetragen auf der Tagung »Alter Marburger« am 25. Oktober 1966 in


Hofgeismar.
2 Judenverfolgung und Naherwartung. Zur Eschatologie des Ersten Thessa
lonicherbriefslonicherbriefs (ZThK 56, 1959, 294-515), 294.
3 Die Thessalonicherbriefe als Briefkompositionen (Zeit und Geschichte.
Dankesgabe an R.Bultmann zum 80.Geb., 1964, 295—315); Die historische
Situation der Thessalonicherbriefe (in: Paulus und die Gnostiker, 1965, 89-157).
1 Hermeneutik? (ThViat 7, 1959/60, 44-60 = Glaube und Erfahrung, 1965,
116-135), 46ffbzw. 119ff; l.Thess 1, 2-10 (Göttinger Predigtmeditationen 18,
1963/64, 299-303); Die Zukunft des Glaubens nach l.Thess 5, 1—11 (Glaube
und Erfahrung, 1965, 334—363).
3 Der zweite echte Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher (ZThK 58,
1961, 30-44).

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von IThess 4, 15-18 23

noch entbindet die Schwierigkeit nicht von der Aufgabe. Ist


einigermaßen gelöst (und sei es vorläufig nur hypothetis
Verstehen der paulinischen Aussagen überhaupt eine Grenze
Nun meint Schmithals, daß Paulus in IThess 4, 13—18 ei
der Gemeinde behandelt, wie er auch in den beiden voran
Abschnitten υστερήματα behandelt hat®. Wenn man dann ab
daß der Begriff υστέρημα nur 3, 10 begegnet, wir es dor
Schmithals mit dem Brief D (also dem letzten nach Thes
tun haben, stehen wir alsbald wieder vor dem Problem
hypothesen. — Wir bewegen uns hier im Zirkel. Die Best
Anlasses für einen Abschnitt setzt eine Kenntnis über die mindestens
ungefähre Abgrenzung des Ganzen voraus. Selbst wenn es sich (wie
mehrfach behauptet wurde) bei unserem Abschnitt um ein eigenes Thema
handelt, bleibt zu fragen, wie es als Problem entstehen konnte. Um das
zu erfahren, wird man die Gesamtsituation mit heranziehen müssen.
Aber welche nun — die des als Einheit verstandenen Briefes oder die
einer längeren Korrespondenz in sich wandelnde Situationen hinein?
Nun will ich in unserem Zusammenhang nicht die Teilungshypothesen
diskutieren. Ich hoffe, das in nicht zu ferner Zeit nachholen zu können.
Daß mit Hilfe von Teilungshypothesen einige Probleme einfacher lösbar
scheinen,scheinen, will ich nicht bestreiten. Zugleich aber werfen sie neue Schwie
rigkeiten auf. Ich will darum jetzt nur knapp meine Auffassung vom
Kontext skizzieren, in dessen Zusammenhang dann die Exegese durch
geführt werden soll.
Ich halte den IThess (und zwar in der vorliegenden Form) für einen
auf der sogenannten zweiten Missionsreise aus Korinth geschriebenen
Brief des Apostels Paulus. Er hat die Gemeinde zwar nicht unter äußerem
Druck verlassen müssen, aber während seines Aufenthaltes hat es in
Thessalonich Spannungen gegeben. (Mindestens insofern dürften die An
gaben Apg 17, 1-10 zutreffen.) Paulus weiß also, daß er eine bedrohte
Gemeinde zurückgelassen hat, und schickt Timotheus in die makedoni
sehe Hauptstadt. Der ist gerade mit guten Nachrichten zurückgekehrt;
und so ist m. E. der ganze Brief als »Freudenbrief« zu charakterisieren.
Läßt er sich als solcher verstehen?
Im ersten Teil (Kap. 1-3) spricht Paulus von der Vergangenheit, von
seinem Wirken, der Annahme des Evangeliums und seiner Gefährdung,
von der Sendung des Timotheus und dessen Rückkehr. E.Fuchs hat
gemeint, insbesondere in 1, 2-10 unpaulinische Gedanken und unpauli
nisch benutzte Begriffe finden zu können, und daraus geschlossen, der

• Paulus und die Gnostiker, 114. 116.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
24 Willi Marxsen

Anfang des Briefes stamme ni


das Paulusbild der Apostelges
zu diesem Paulusporträt gelie
welche Funktion dieses Bild i
stellt die Vergangenheit nicht
(wie er es ja auch Gal lf nich
Einzelexegese zeigen, daß es
darum geht, den Thessalonic
Vergangenheit diese so zu in
gegenwärtigen angefochtene
an die Vergangenheit soll helfe
zu werden.
Worin besteht die Gefährdung? Von einer Bedrohung durch Irrlehrer
(Schmithals) findet sich m.E. keine Spur, auch nicht 2, 1-12. Man kann
dort wohl von einer Apologie reden; aber es ist nicht so sehr eine Apologie
des Paulus, sondern eine Apologie des Evangeliums, die Paulus dann
freilich so durchführen kann, daß er sie auch an sich exemplifiziert.
Ich lasse es hier offen, wodurch es zur Verfolgung gekommen ist.
Sicher aber ist, daß es eine Verfolgung gegeben hat. Die Frage, vor der
nun die junge Gemeinde steht, lautet: Lohnt es sich denn überhaupt,
Christ zu sein, wenn das in solche Bedrängnis führen kann ?Wenn man
als Christ in der Gefahr steht, die bürgerliche Existenz - und mehr -
zu verlieren, dann hört man doch besser (wieder) auf die Goeten. Ich
glaube (wenn ich das jetzt auch nicht ausführlich begründen kann), daß
wir es hier mit der Zentralfrage des ganzen Briefes zu tun haben.
Paulus möchte der Gemeinde zeigen, daß es sich lohnt. Sein seel
sorgerlicher Zuspruch besteht eben darin, der Gemeinde zu zeigen, daß
damals, als Paulus bei ihr war, wirklich etwas passiert ist und was da
passiert ist. In diese Richtung ist der Rückblick akzentuiert. Weil und
wie die Thessalonicher das schon einmal wirklich erfahren haben, soll
die Erinnerung eine Hilfe für die Gegenwart sein.
Inzwischen ist Timotheus zurückgekehrt. Wir erfahren nicht, was er in
Thessalonich gemacht hat, hören lediglich von dem ihm erteilten Auftrag,
die Thessalonicher in ihrer Bedrängnis zu stärken, und davon, daß er
Paulus ein erfreuliches Bild zeichnen kann. Das heißt natürlich nicht,
daß die Gemeinde nun ungefährdet sei. Die potentielle Bedrohung bleibt;
und darum bleibt das in den ersten Kapiteln Ausgeführte zu sagen nötig.
Am liebsten würde Paulus das in Thessalonich anwesend tun. Er möchte
dann auch die noch verbliebenen υστερήματα της πίστεως (3,10) beseiti

‫ י‬Göttinger Predigtmeditationen 1965/64, 500f.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von lThess 4, IS—18 25

gen. Wenn er darauf dann im zweiten Briefteil zu sprechen kom


wird deutlich: Der (ganze) Brief bildet einen Ersatz für die Anwesen
des Paulus in der Gemeinde.
Nun darf man in der Konstatierung solcher υστερήματα keinen Gegen
satz zum Lob sehen, das der Apostel den Thessalonichern zollt8. Es geht
vielmehr darum, daß vorhandene Ansätze vertieft, weitergeführt wer
den. Die Thessalonicher wandeln durchaus, wie sie von Paulus emp
fangen haben; das wird ihnen ausdrücklich bescheinigt, schließt aber
ein mögliches und nötiges περισσενειν nicht aus (4, 1).
Die beiden paränetischen Komplexe (4, 1-12) dürften ziemlich sicher
veranlaßt sein9. Sie müssen dann vor einem konkreten Hintergrund in
Thessalonich gesehen werden, auch wenn wir den nicht mehr völlig
durchschauen können. Am wenigsten deutlich ist das Thema des αγιασμός,
während es bei der φιλαδέλφια, die den Thessalonichern wieder aus
drücklich bescheinigt wird, darum geht, ein περισσενειν μάλλον zu er
reichen. Offenbar soll das Verhältnis zur nichtchristlichen Umgebung
mitbedacht werden. Das könnte die Frage stellen lassen, ob die Thessa
lonicher vielleicht doch nicht völlig unschuldig an den Nachstellungen
von seiten ihrer Volksgenossen sind.
Den υστερήματα ist also gemeinsam: Sie enthalten keinen unmittel
baren Vorwurf, sondern wollen den Finger auf die Stelle legen, wo Vor
handenes weitergeführt, vertieft werden soll. Ich meine nun, daß genau
diese Bewegung auch in dem zu exegesierenden Abschnitt wiederbe
gegnet.

IThesslThess 4, 11-18:

(15) Wir wollen nicht, daß ihr unwissend seid, Brüder, in bezug auf die Ent
schlafenen, damit ihr nicht traurig seid wie die übrigen, die keine Hoffnung
haben. (14) Denn wenn wir glauben: Jesus ist gestorben und auferstanden -
so auch: Gott wird die Entschlafenen <5ta τον ' Ιησον mit ihm führen. (15) Dies
nämlich sagen wir euch in einem λόγος κνρίον, daß wir, die Lebenden, die bis
zur Parusie des Kyrios Übrigbleibenden den Entschlafenen gegenüber nicht im
Vorteil sind. (16) Denn er selbst, der Kyrios, wird herabsteigen vom Himmel beim
Befehlsruf, bei der Stimme des Erzengels und bei der Posaune Gottes — und die

8 Gegen Schmithals (Paulus und die Gnostiker, 91 passim), der überhaupt


die inhaltlichen Spannungen im Brief weit übertreibt. Daß Lob und Mahnung
keine Gegensätze sein müssen, zeigt z.B. auch ganz deutlich der Abschnitt 4, 9—12,
von dem Schmithals selbst sagt, daß er »mit einem uneingeschränkten Lob der
Bruderliebe beginnt, dann aber ein υστέρημα in Thessalonich aufdeckt« (aaO 114).
• Darin unterscheiden sie sich von dem späteren paränetischen Abschnitt
5, 12-22. Dieser sagt eigentlich »Selbstverständlichkeiten«. Vor allem darf man
5, 14 nicht von 2Thess 5, 6—15 her »aufwerten«. Erst im 2Thess liegen konkrete
Ermahnungen vor.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
2626 Willi Marxsen

Toten in Christus werden zuerst au


den, die Übrigbleibenden, mit ihnen
zur Einholung des Kyrios in die Luf
sein. (18) So ermuntert einander mi

Mit V. 13 wird das Thema ang


wobei ganz offensichtlich nur an
um sie? Paulus spricht über di
nicht traurig sind. Das Ziel ist: Sie
die die Heiden nicht haben. Wer
Zusammenhang muß man sehen
im Blick auf wen ? Im Blick auf die Entschlafenen oder im Blick auf sich
selbst, d.h. im Blick auf den möglichen eigenen Tod? Eckart hat ja
»gegen alle Kommentare« gemeint, wir werden »das μη λνπησ&ε als
Furcht oder Betrübnis derjenigen aufzufassen haben, die in nächster
Zeit ihr Sterben erwarten« 10, während man sonst fast durchweg die
Trauer auf die Toten bezieht.
Handelt es sich aber wirklich um eine Alternative ? Es werden doch in

unserem Abschnitt die Toten und die Übrigbleibenden einander gegen


übergestellt. Da Paulus nun so betont von uns, den Übrigbleibenden
redet, die den νεκροί έν Χριστώ nicht zuvorkommen werden, kann man
das Ganze doch nur so verstehen, daß es in Thessalonich Todesfälle ge
geben hat. Paulus kann doch nicht von »uns, den Übrigbleibenden«
reden, wenn er nicht alle Briefempfänger mit einschließt. So vertritt der
Apostel hier deutlich die Überzeugung, daß weiteres Sterben in Thessa
lonich vor der Parusie nicht mehr zu erwarten ist — oder doch höchstens
als Ausnahme.

Darum scheint mir für alle weiteren Überlegungen wichtig: Trotz in


Thessalonich vorgekommener Todesfälle und trotz langjähriger Missions
tätigkeit, während der Paulus doch auch bestimmt schon Todesfällen be
gegnet ist, formuliert er nun so, daß sie die Ausnahme bleiben. Wir
werden das zu bedenken haben, wenn wir das Problem erörtern, was
Paulus den Thessalonichern bei der Mission gesagt hat.
Wenn dann die Frage nach den Toten gestellt wird, werden immer die
verstorbenen Christen gemeint sein, weil sie es ja sind, die diese Frage
aufkommen lassen. Das schließt natürlich nicht aus, daß nun auch
Lebende (eben angesichts der Erfahrung von Todesfällen) die Frage
stellen: »Was wird aus uns, falls die Parusie erst kommt, wenn wir schon
zum Heer der Entschlafenen gehören ?«11 Die Naherwartung der Parusie,

10 AaO (s. Anm. 5) 38 Anm. 1.


11 Eckart, aaO 40. Eckart sieht also das richtige Problem; man darf es nur
nicht als Alternative formulieren.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung Auslegung von IThess 4, 13-18 27

in in der die Thessalonicher durch die Predigt des Paulus leben, dürfte es
also gewesen sein, die in dem Augenblick Hoffnungslosigkeit aufkommen
ließ, in dem erste Todesfälle gesell allen, die gar nicht vorgesehen waren.
Man trauerte nun um die Toten und lebte selbst in Angst vor dem Tode. -
Ist diese Situation für Thessalonich anzunehmen?
M.Dibelius meint: »Die Missionspredigt des Apostels hatte offenbar
von der Möglichkeit, daß Christen vor der Parusie sterben würden, nicht
geredet.«12 Das hat man aber vorher schon und nachher wieder für
unmöglich gehalten. So schrieb etwa W.Bornemann: ».. .man wird von
vornherein annehmen dürfen, daß die Verkündigung der allgemeinen
Auferstehung ebenso wie die Thatsache des allgemeinen Weltgerichts ein
notwendiges und auch den Thessalonichern schon bekanntes Stück der
evangelischen Predigt des Paulus gewesen ist.«13 Ähnlich urteilen später
u.a. E. v. Dobschütz14 und neuerdings Schmithals, der es so formuliert:
»Die Lehre von der Auferstehung der Toten gehörte zu seinem [des
Paulus] jüdischen Erbteil und konnte durch die akute Naherwartung
nicht einfach ausgelöscht werden.«15 Damit stehen wir vor der Frage,
ob Paulus in Thessalonich von der Auferstehung der Toten gesprochen
hat oder nicht.
Nun kann man hier natürlich nichts beweisen, denn wir wissen ein
fach nicht, wie die Missionspredigt des Paulus ausgesehen hat. Selbst
wenn man IThess 1, 9b-10 für das Schema einer solchen Missionspredigt
hält (wras ich hier nicht erörtern will) und dann darauf hinweist, daß von
der Auferstehung der Toten darin nicht die Rede ist, müßte man doch
immer mit der Möglichkeit rechnen, daß Paulus (unabhängig von der
Missionsverkündigung im engeren Sinne) davon gesprochen hat. Hier
bleibt alles offen.
Weiter kommt man m. E. nur, wenn man der Frage einen anderen
Akzent gibt. Sie lautet dann: Mußte Paulus von der Auferstehung der
Toten reden? Hier möchte ich einiges zu erwägen geben.
Es ist richtig, daß »die Lehre von der Auferstehung der Toten« zum
jüdischen Erbe des Apostels gehörte. Es unterliegt auch keinem Zweifel,
daß er von der zu erwartenden Auferstehung der Toten überzeugt war.
Das gehörte einfach zu seiner Weltanschauung. Aber war seine Welt

»» An die Thessalonicher I. II. An die Philipper (HNT 11), 1937», 23.


13 Die Thessalonicher-Briefe (MeyerK X3195 ,1894 ,('‫־‬.
14 Die Thessalonicher-Briefe (MeyerK X'), 1909, 189: »Daß P. von der Toten
auferstehungauferstehung in Thess. nicht geredet haben sollte, ist allerdings unglaublich und
weder durch den Hinweis auf die Kürze der Zeit noch auf die lebhafte Parusie
erwartung wahrscheinlich zu machen. Das gehörte zum Evangelium.«
15 Paulus und die Gnostiker, 117.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
28 Willi Marxsen

anschauung Inhalt seiner ch


muliert: Gehörte (und wenn
seinen Glauben hinein?
Wenn die frühe Urgemeinde mit der Naherwartung der Parusie rech
nete, bedeutete das ja nicht, daß sie (im Bereich des Judentums) die
weltanschaulich vorgegebene Vorstellung von der Auferstehung der Toten
aufgab. Die Frage ist nur, ob diese dann für den Glauben noch eine
Rolle spielte. Erst die Verzögerung der Parusie stellte hier ein Problem,
bzw. Todesfälle stellten es, die damit ja das Problem der Parusiever
zögerung signalisierten. Jetzt aber konnte man dieses Problem mit Hilfe
der (inzwischen zurückgestellten) Vorstellung zu lösen versuchen.
Auffällig ist nun, wie selten Paulus in seinen Briefen von der Aufer
stehung der Toten spricht. Durchweg geschieht das ganz beiläufig und
ohne besondere Betonung. Die Vorstellung fließt in andere Ausführungen
mit ein, ohne doch ein Eigengewicht zu bekommen. Die große Ausnahme
scheint IKor 15 zu sein. Ist es aber wirklich eine?
Die korinthische Bestreitung der Totenauferstehung ist doch für Pau
lus nicht deswegen alarmierend, weil eine Vorstellung verlorenzugehen
droht, sondern weil dann die Auferstehung Christi hinfallen würde. Die
(möglichen) christologischen Konsequenzen sind alarmierend. - Hat sich
Paulus also IKor 15, durch Nachrichten aus Korinth veranlaßt, auf diese
Vorstellung eingelassen, hat er es dann nachher schwer genug, die Vor
Stellung überhaupt durchzuhalten. Ohne erhebliche Modifizierungen
kommt er hier nicht aus, wie der Schluß des Kapitels von V. 35 an zeigt.
Deutlich wird dabei, daß Paulus nicht die Botschaft von der Aufer
stehung der Toten nach Korinth gebracht hat, sondern die von der Auf
erstehung Christi. Es sind die korinthischen Irrlehrer, die das Thema
»Auferstehung der Toten« zum Problem machen und nun Paulus zu
den Ausführungen von V. 35 an provozieren. Da diese Ausführungen
eindeutig mitbestimmt sind von der Kontroverse, darf man annehmen,
daß es sich um ad hoc-Formulierungen handelt, Paulus aber nicht ein
(auch schon früher bei ihm vorhandenes, immer gleichbleibendes) dog
matisches Vorstellungsgerüst von der Auferstehung der Toten vorträgt.
Im IThess ist es doch aber so, daß die Zukunftserwartung durchweg
als Parusieerwartung ausgedrückt wird. Nun handelt es sich ja bei dieser
auch um eine weltanschaulich vorgegebene Vorstellung. Sie unterscheidet
sich aber darin von der Vorstellung von der Auferstehung der Toten, daß
sie von Anfang an christologisch unterfangen war, was IThess 1, 9f; 3, 13
deutlich zeigen. Man wird kaum bestreiten können: Am Anfang steht
die Parusieerwartung; und in der Verkündigung an die Thessalonicher
liegt dort mindestens noch das Schwergewicht.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von IThess 4, 15—18 29

Die Vorstellung von der Auferstehung der Toten ist aber zw


eingekommen. Damit soll nicht gesagt sein, daß sie (als jüdisch
anschauliche Vorgegebenheit) nicht immer vorhanden war. Bei der
erwartung der Parusie war sie aber als christliche Vorstellung unnö
als solche kommt sie erst später zwischenein. Die Frage ist: a
ί/iZ/svorstellung (als welche sie apokalyptisch bliebe); oder aber k
auch sie christologisch unterfangen und so erst wirklich integrier
den? Später geschieht das ja so, daß der auferstandene Christ
Erstling der Entschlafenen verstanden wird (IKor 15, 20). Das
schon sehr durchreflektiert. Im IThess ist davon noch nichts zu erkennen.
Nun mag man über die Frage einer theologischen »Entwicklung«
des Paulus streiten, mindestens über das Ausmaß einer solchen Entwick
lung. Nicht bestreiten kann man aber, daß eine solche vorliegt. Darum
wird man sich hüten müssen, die Aussagen von IKor 15 zu schnell für
eine Exegese von IThess 4, 15-18 heranzuziehen. Natürlich spielt hier
wieder die Frage der Datierung der Briefe eine Rolle. Ich meine aber,
die Texte zeigen, daß die Entwicklung vom IThess zu dem (einige Jahre
später geschriebenen) IKor geht16.
Man wüßte gern, wann und wo die Vorstellung von der Auferstehung
der Toten in das christliche Kerygma eingeschleust worden ist und wie
das geschah. Ohne literarische Dokumente ist da schwer etwas auszu
machen; ein älteres Dokument als den IThess besitzen wir nicht, es sei
denn, es gelingt, auf literarkritischem Wege eine ältere Tradition frei
zulegen. Möglicherweise ist das nun gerade in unserem Abschnitt der
Fall17.
Unter Berufung auf H.Köster18 vermutet Schmithals, daß IThess
4, 15-17 »längst zum Seelsorger liehen Rüstzeug des Paulus angesichts
der beginnenden Parusieverzögerung gehört haben« 19. Ich mochte dar
aufhinaufhin V. 16-17 etwas näher betrachten.
Hier fällt auf, daß in beiden Versen zwei Komplexe miteinander ver
schmolzen sind. Einerseits finden wir traditionell vorgegebene Vorstel
lungen: Herabkommen des Kyrios, Befehlsruf, Stimme des Erzengels,
Posaune Gottes, Auferstehung der Toten, Entrückung in die Luft zur
Einholung des Kyrios. Andererseits begegnen einige sozusagen aktuelle
18 Gegen Schmithals, Paulus und die Gnostiker, 116.
" Man müßte zu dieser Frage natürlich auch das synoptische Traditionsgut
heranziehen. Darauf will ich hier aber nicht eingehen. Zum Problem vgl.
A. Suhl, Die Funktion der alttestamentlichen Zitate und Anspielungen im Mar
kusevangelium, 1965, 67 ff.
18 Die außerkanonischen Herrenworte als Produkte der christlichen Gemeinde
(ZNW(ZNW 48, 1957, 220-237), 223f.
18 Paulus und die Gnostiker, 117.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
30 Willi Marxsen

Aussagen: wir, die Lebenden,


lohnt sich, hier einmal eine Sch
Wir lassen uns zunächst von
Tradition stehen konnte. Das g
ημείς ημείς οί ζώντες ol περιλει
V. 15 formulierte
wie Wendung
nung der Lebenden ausfällt, d
in der alten Tradition gestand
bum zu ändern: Statt άρπαγησό
gelautet haben.
Nach dieser groben Scheidung
bleibenden Text zu formulier
ο κύριος εν κελενσματι ... κα
Χριστώ Χριστώ άναστήσονται πρώ
άπάντησινάπάντησιν τον κυρίου ει
έπειτα.έπειτα. Dem korrespondie
stehung der νεκροί έν Χριστ
ob vielleicht die ganze Wendung
Ist das der Fall, müßte die V
έν έν κελεύσματι, έν φωνή αρχα
ατι ατι ουρανού [und nun wäre
σονταισονται έν νεφέλαις εις άπώ
Wir hätten es dann mit der Vo
Erlösung als Entrückung gedach
und die Vorstellung von der Au
Thessalonichern die Lösung de
standenen Probleme zumindes
ist nur, daß die Auferstehun
wird, sondern es bleibt eine Par
Nun muß man freilich mit d
vorgegebene Tradition bereits d
Aber auch in diesem Fall wär
Stellung wäre lediglich eingeo
zur Parusie.

20 Vgl. dazu die demnächst erscheinende Arbeit: G.Kegel, Auferstehung


Jesu — Auferstehung der Toten. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zum
Neuen Testament.
21 Viel Material für diese Vorstellung hat A.Strobel beigebracht: In dieser
Nacht (Luk 17, 54). Zu einer älteren Form der Erwartung in Luk 17, 20-37
(ZThK(ZThK 58, 1961, 16-29).
22 Ähnlich geht Paulus ja auch IKor 15, 35ff vor.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von lTliess 4, 13—18 51

Ich lasse jetzt offen, welche der beiden genannten Möglichkeit


trifft. Ein sicheres Urteil wird kaum zu erreichen sein. Für unsere
nach der Einschleusung der Auferstehungsvorstellung in das christl
Kerygma käme aber in beiden Fällen heraus: Eine unmittelbare c
logische Verknüpfung (wie IKor 15, 20) liegt nicht vor. Die Auf
hungsvorstellung wird vielmehr mittelbar christologisch verknüpft
dem sie in die (bereits vorher christologisch unterfangene) Pa
Vorstellung hineingenommen wird.
So könnte man etwa folgende Stufen annehmen:

Entweder: Oder:

1. 1. Die vorgegebene Parusi


wird aufgenommen und al
Wartung des Kyrios Jesus
2.2. Diese Parusievorstellung
der unter Aufnahme älter
tionen) nun in der Form der Ent- ein.
rückung expliziert, bildet damit eine
Sonderform der Parusievorstellung
des Kyrios Jesus.
3. In diese Vorstellung wird die der Auf- 3. Die gesamte Vorstellung wird chri
erstehung der Toten hineingenom- stologisch unterfangen.

In V. 16-17 wird also nicht mit der Totenauferstehung argumentiert,


sondern der Blick bleibt konsequent auf die Parusie ausgerichtet, wie es
ja auch schon in V. 14 der Fall war, denn das αξει συν αύχω gehört eben
falls in den Zusammenhang der Entrückungsvorstellung, wie A. Strobel
wahrscheinlich gemacht hat23. So kann man zugespitzt durchaus sagen,
daß der ganze Abschnitt nicht von der Auferstehung der Toten redet.
Natürlich ist nicht zu bestreiten, daß der Begriff fällt, aber eben erst im
zweiten Beweisgang des Paulus und dort nur als Hilfsgedanke. Im ersten
Beweisgang (V. 14) fehlt nicht nur der Begriff, sondern auch, wie ich
noch zu zeigen versuchen werde, die Sache überhaupt.
Nun dürfte die Annahme von Schmithals schwierig werden, Paulus
habe in Thessalonich die Lehre von der Auferstehung der Toten ver
kündigt, darauf seien Irrlehrer gekommen, die den Thessalonichern die
Lehre von der Auferstehung der Toten wieder zweifelhaft gemacht
hätten24. Wäre das der Fall, müßte Paulus doch ganz anders argumen
tieren; er müßte doch (und zwar von Anfang an) »am Thema« bleiben,

28 AaO (s. Anm. 21) 24 Anm. 1.


24 Paulus und die Gnostiker, 117 f.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
32 Willi Marxsen

·wie er es IKor 15 ja tut. Eine


erstehungshoffnung kann man
Es bleibt noch die Frage, ob
nicht von der Auferstehung
Ben kann man das natürlich ni
ob die Thessalonicher diesen
in sich aufgenommen hatten
Fall davon die Anwendung zu
nun aber in dieser Richtung fr
Form von der Auferstehung
V.V. 16 f geschieht.
Da Paulus in diesem Brief d
Thema behandelt, sollte er es d
haben? Dann hätte er doch d
merkenswerter Selbstverstän
benden, den bis zur Parusie Üb
Todesfälle. Auch jetzt bleiben
nähme. Wenn Paulus das aber
so annimmt, wird das dann
wesen sein? Ich halte es darum
der Toten ein »Lehrgegensta
Damit können wir uns wied
λύπη λύπη — einmal im Blick a
eigene Existenz. Die έλπίς ist b
Sehr oft ist erörtert worden
λοιποί λοιποί falsch zeichne. Ma
losigkeit reden; und man hat
Aber es geht hier gar nicht da
Zukunft haben, sondern darum
ist26. Die λοιποί haben desweg
und damit der Grund für die έ
Todesfällen in der Tat charak
στεως.στεως. Die Thessalonicher z
es ihrer πίστις an einer wirkl
mit den λοιποί verglichen wer
in Gefahr, muß Paulus beim
πίστις,πίστις,πίστις, und von ihr a
Eben das geschieht in V. 14.

' AaO (s. Anm. 14) 189.


1 Vgl. R.Bult mann, ThW II, 528

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von IThess 4, 13—18 33

das Verständnis dieses Verses dadurch erschwert, daß sie unter


Paulus rede hier von der Auferstehung der Toten. Eben das tut er
Man setzt hier mit einer solchen Selbstverständlichkeit dieses Thema

voraus, daß man gar nicht mehr nach dem Text fragt (der ja nicht davon
redet), sondern Paulus gelegentlich sogar wegen seiner ungenauen For
mulierung tadelt. Man schreibt ihm vor, was er hätte sagen müssen,
wenn er die Meinung der Kommentatoren deutlich formuliert hätte
Aber war Paulus denn wirklich der Meinung seiner Kommentatoren?
Man hat fast immer darauf hingewiesen, daß in diesem Vers eine
Spannung, eine Verkürzung, eine Inkongruenz oder dergleichen liege,
denn »eigentlich« müßte man erwarten: εΐ γ an πιστεύομεν ort Ίησοϋς
άπέϋανενάπέϋανενάπέϋανεν και άνέστη όντως και 01 κοιμηϋέντες δια τον ,Ιησοϋ εγεοϋ
σονταισονται (so Bornemann27), denn dann wäre die Entsprechung erreicht
die Dibelius hier unterstellt: »wie Christus so die Christen« 28. Aber war

um sagt Paulus das denn nicht? Dibelius meint: »άξει συν αντω sagt
Paulus statt έγερεΐ συν αντω, weil es ihm auf die Parusie ankommt.«29
Das dürfte, wie ich schon andeutete, in der Tat richtig sein. Ist das
aber der Fall, dann darf man eben nicht den Gedanken aus IKor 15 hier
einlesen. V. 14 ist kein »Exzerpt« aus IKor 15, 12-28, wie Schmithals
meint30, sondern umgekehrt: Die späteren Ausführungen IKor 15 sind
eine Weiterentwicklung hier vorliegender Ansätze. Genauer muß man
freilich sagen: Sie sind eine Neukonzipierung, wobei die Auferstehungs
Vorstellung selbständig christologisch unterfangen wird.
Es ist ja eine Binsenweisheit, die man kaum wiederholen mag, daß
Paulus keine fertige Dogmatik besaß; aber man muß dann auch die
Konsequenz daraus ziehen und etwas vorsichtiger sein, wenn man bei
der Exegese innerpaulinische Vergleiche anstellt.
Wer in V. 14 eine Aussage über die Auferstehung der Toten findet,
liest etwas ein, was nicht da steht. Man kann mir natürlich entgegen
halten, daß für Paulus die Vorstellung von der Totenauferstehung vor
gegeben und damit selbstverständlich sei, er sie also hier mitgedacht
haben müsse. Das ist durchaus möglich; nur kann Paulus hier nicht das
Problem gesehen haben, denn wenn die Auferstehung der Toten Thema
sein sollte, dann konnte Paulus es doch nicht stillschweigend übergehen
und erwarten, daß die Leser es dann schon mitdenken würden. Man muß
eben ganz genau fragen: Worum geht es Paulus ? Die richtige Antwort
gibt Dibelius: Es geht Paulus um die Parusie; und (so ist nun zu präzi

27 AaO (s. Anm. 13) 198.


28 AaO (s. Anm. 12) 25.
22 Ebd.
80 Paulus und die Gnostiker, 116.

3 ZThK 66/1

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
34 Willi Marxsen

sieren): Es geht ihm um die Ho


Parusievorstellung.
Man hat schon lange erkann
tiert: Ίησονς άπέ&ανεν και α
μεν.μεν. Das ε'ι steht hier mit
wird also nicht bestritten. — W
glauben wir doch!): Jesus ist
daraus: Dieser Glaube impliz
Verses legt, wie Eckart richtig
ben an die in Christus gesch
entschieden.

Dann ist aber auch die Frage nach dem Wann der Parusie keine Frage
mehr. Hier lag ja für die Thessalonicher das Problem. Das Datum ihres
möglichen Todes stand in Konkurrenz mit dem Datum der Parusie. Die
eingetretenen Todesfälle hatten doch scheinbar gezeigt, daß es noch gar
nicht entschieden ist, wer in dieser Konkurrenz obsiegt: der Tod oder
die Parusie. Das ist entschieden, sagt Paulus. Gut formuliert F. Neu
gebauer: »Paulus verweist die Thessalonicher ... von dem Noch-nicht
der Parusie zurück auf das Schon-jetzt der Heilstat Gottes in Christo
Jesu.«32 Die Thessalonicher haben also ihren Glauben nicht umfassend,
nicht radikal genug verstanden, weil sie ihn an Bedingungen knüpften,
weil sie ihn mit einem Vorbehalt versahen.

Nun wird auch das in der Exegese so sehr umstrittene δια τον Ίησον
verständlich, ν. Dobschütz zieht die Wendung zu τους κοιμηϋέντας und
paraphrasiert dann so: »Sie sind gestorben, indem ein Verhältnis zu
Jesus dabei war.«33 Das würde (modern ausgedrückt) etwa heißen: Sie
sind »im Glauben« gestorben. Aber das ist nicht nur grammatisch pro
blematisch, das scheint mir vor allem sachlich unmöglich, denn »im
Glauben sterben« setzt doch voraus, daß man sich über rechtes Sterben
bereits Gedanken gemacht hat.
U. Wilckens möchte das δια του Ίησον nicht auf die Entschlafenen
beziehen, sondern mit dem Verbum verbinden. Er versteht dann so:
Gott wird durch Jesus führen - nämlich die Entschlafenen. Dieses δια
τον τον Ίησον drückt aus, daß Jesus später der Vollstrecker des Willens
Gottes sein wird34. Doch auch das scheint mir gezwungen. Ich nehme

31 AaO (s. Anm. 5) 59.


32 In Christus. Eine Untersuchung zum Paulinischen Glaubens Verständnis,
1961, 111.
33 AaO (s. Anm. 14) 191.
34 Der Ursprung der Überlieferung der Erscheinungen des Auferstandenen
(Dogma und Denkstrukturen [Schlink-Festschrift], 1963, 56—95), 60 Anm. 8.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von IThess 4, 13—18 35

wieder eine Anregung von Neugebauer auf35. Er hat gezeigt, da


fast allen Stellen, an denen der Name Christus oder Jesus mit διά
struiert ist, damit der Heilsgrund bezeichnet wird. Dann braucht
aber nicht zu fragen, ob sich das διά τον Ίησοϋ auf die Entschlaf
oder das Verbum bezieht36, sondern es bezieht sich auf den ganzen Sa
Noch einmal wird das Kerygma aufgenommen: Um Jesu willen w
Gott die Entschlafenen mit ihm führen.
Zur Verdeutlichung paraphrasiere ich den Vers: Wenn wir glauben:
Jesus ist gestorben und auferstanden, d.h. wenn wir uns wirklich auf
das in Jesu Tod und Auferstehung geschenkte Heil einlassen (und das
tun wir dochl), dann schließt das unsere Hoffnung ein: Gott wird die
Schlafenden durch Jesus (d.h. auf Grund des in Jesus bereiteten Heils)
mit ihm führen, d. h. in die Gemeinschaft mit Jesus bringen.
Mit diesem σνν αντω wird ja ein Gedanke vorweggenommen, der am
Ende von V. 18 als eschatologisches Ziel angegeben wird: πάντοτε σνν
κνρίωκνρίω έσόμεϋα. Und nun läßt sich das Ganze noch viel knapper zusam
menfassen: Der Glaube stellt in das angebrochene Heil hinein und ist
damit auf Grund des angebrochenen Heils (also: διά τον Ίησοϋ) des sich
vollendenden vollendenden Heils {σνν αντω) gewiß.
Von der Auferstehung der Toten ist also wirklich nicht die Rede. Die
benutzten Vorstellungen gehören zum Komplex Entrückung/Parusie.
Aber gerade diese Vorstellung wird christologisch unterfangen (διά του
Ίησοϋ)Ίησοϋ) und damit hineingebunden in den Glauben, der am Kerygma
orientiert ist: Jesus ist gestorben und auferstanden.
Begrenzter Glaube (d.h. Glaube, der den Tod noch als Grenze be
fürchtet) wird entgrenzt. Wer glaubt, der bleibt. Wer wirklich, um
fassend, radikal glaubt, für den ist in diesem Glauben das Bleiben schon
mitentschieden.

Damit ist das περί των κοιμωμένων eigentlich geklärt. Was folgt, ist
nichts grundsätzlich Neues, läßt aber doch noch einige Aspekte hervor
treten.

V. 15 leitet über zu V. 16 und 17. Das, was Paulus V. 16 und 17


Modifizierung in das übernommene Traditionsgut einfügt, wird V
bereits vorformuliert, man könnte auch sagen: im voraus bereits
ziert. »Dies sagen wir euch in einem λόγος κυρίου, daß wir, die L
den, die Übrigbleibenden bis zur Parusie den Entschlafenen gegen
nicht im Vorteil sind.« Dann folgt das, was Paulus λόγος κυρίου nenn

33 AaO (s. Anm. 52).


33 Neugebauer bezieht die Wendung allerdings auf das Verbum, aaO (s. A
52) 111 Anm. 56.

3*

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
36 Willi Marxsen

Ein Herrenwort zu suchen, e


Prophetenwort als Herrenw
Paulus es modifiziert, zeigt sich
in die Tradition einfügt.
Einerseits wird wieder eindeu
die Auferstehung. Die Nähe
durch das betonte Herausste
bleibenden«. Sodann kommen
in den Blick in ihrem Verhältnis zu den noch Lebenden. Dieses Verhältnis
wird durch ου μη φϋάσωμεν ausgedrückt. Das Verbum ist hier in leicht
übertragenem Sinne gebraucht: (nicht) im Vorteil sein. Man darf jetzt
auf keinen Fall wieder die Vorstellung von der Totenauferstehung hinein
lesen. Es geht nicht um die Frage einer früheren oder späteren Auf
erstehung, auch nicht um die Frage einer Auferstehung der Schlafenden,
nachdem die Lebenden die Parusie erlebt haben. Es geht nicht um Vorteil
durch Reihenfolge 38. Das war kein Grund für die λύπη.
Die Befürchtung war vielmehr, daß den Verstorbenen (aber auch den
vor der Parusie noch Sterbenden) kein Anteil an der Hoffnung blieb.
Und hier betont Paulus nun eben: Im Blick auf die Parusie, der der
Glaube gewiß ist (eben weil er glaubt), ist eine Unterscheidung zwischen
Lebenden und Toten unzulässig. Das wäre gerade ein Zeichen des Un
glaubens, denn beide gelangen gleichzeitig und gewiß zur Parusie. Es
geht daher um eine gemeinsame Hoffnung.
V. 15 ist also (recht verstanden) eine Folgerung aus V. 14, in dem der
Glaube ausgelegt worden war. Er wird jetzt im Blick auf die Glaubenden
ausgelegt, für die es gleichgültig ist, ob sie leben oder gestorben sind. Die
Schlafenden sind eben νεκροί εν Χριστώ. Hier differenzieren und in der
Differenzierung werten wollen, hieße, seinen Blick auf eine falsche
Stelle richten, hieße, dem Tod Macht über den Glauben einräumen.
Das zeigt dann der λόγος κυρίου: An der άπάντησις des Kyrios und
dem anschließenden πάντοτε συν αντω είναι nehmen beide gemeinsam
teil.teil. Und erst an dieser Stelle ist von der Auferstehung der Toten die
Rede. Aber sie ist, wie gesagt, kein Thema, das behandelt wird, sondern

37 G. Bornkamm, Die Verzögerung der Parusie (In memoriam E. Lohmeyer,


1951, 116-126 = Geschichte und Glaube I, 1968, 46-55), 119 bzw. 48f.
33 Das sagt auch Schmithals (Paulus und die Gnostiker, 117 Anm. 158).
»Aber in 4, 15 ff tritt Paulus ... gar nicht mehr für die Auferstehung an sich ein,
sondern für den besonderen Gedanken, daß die Verstorbenen in nichts schlechter
als die Lebenden gestellt sein werden.« Eigenartig mutet hier das Wörtchen
»mehr« an. Vorher war von Auferstehung nicht die Rede, auch terminologisch
nicht. Später begegnet doch aber wenigstens der Begriff.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Auslegung von IThess 4, 13—18 57

bestenfalls eine Hilfe, im Rahmen einer vorhandenen Welta


die eschatologische Aussage denkmöglich und damit in eine
Weise auch aussagbar zu machen. Wenn aber (und diese Mö
hatten wir erwogen) bereits in der Vorlage des Paulus von Aufe
Entrückung die Rede war, dann liegt noch weniger Ton auf
stehung, denn dann hätte Paulus ja den gesamten Vorstellun
übernommen, der seine Spitze in der άπάντησις κυρίου hat.
Der Apostel bietet 5, 9—10 selbst eine Auslegung dieser Ve
die Entsprechung der Gedankengänge mit unserem Abschnit
Erst hier wird das Thema von 4, 15 zu Ende geführt.
Ich paraphrasiere: Gott hat uns doch nicht zum Zorn gesetzt (
um ist λύπη doch unbegründet), sondern zum Erwerb des Heils
wird der Heilsgrund zweimal angegeben (in umgekehrter R
wie 4,14): Gott hat uns δια τον κνοίον ημών ‫ י‬Ιησού Χριστού di
bereitet, der (nun nicht, wie V. 14, starb und auferstand, sonde
ημών ημών gestorben ist. Nun folgt (entsprechend 4,15-17) die Nebe
Stellung von Lebenden und Schlafenden: ... damit wir, ob w
(also bis zur Parusie noch leben) oder schlafen (und dann eben ν
Χριστώ Χριστώ sind), mit ihm zusammen leben sollen.
Wenn man sieht, wie Paulus hier erst den durchgehenden
zu Ende bringt, kann man fragen, ob 4, 18 nicht eine Gloss
Dublette zu 5, 11. Das ist mehrfach erwogen worden. Man k
Gegengründe angeben. Sachlich liegt nicht viel daran.
Jedenfalls werden hier nun (5, 11) die Christen in Thessa
einandergewiesen, sich zu ermuntern, d. h. (im Zusammenhang
sie sollen sich gegenseitig im Glauben helfen, damit die έλπίς e
wird. Sie sollen sich mit diesen Worten aus den Anfechtungen
bens heraushelfen. Denn darum geht es Paulus hier, um die Bes
der λύπη und eben damit um die Beseitigung des υστέρημα της
Wo das aber geschieht, da ist die πίστις nicht mehr ohne έλπί
die πίστις nicht mehr begrenzt, da korrespondiert der Radi
πίστις die unbegrenzte έλπίς.

This content downloaded from


141.20.217.200 on Mon, 04 Mar 2024 15:32:46 +00:00
All use subject to https://about.jstor.org/terms

Das könnte Ihnen auch gefallen