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access to Zeitschrift für Theologie und Kirche
von
Willi Marxsen
IThesslThess 4, 11-18:
(15) Wir wollen nicht, daß ihr unwissend seid, Brüder, in bezug auf die Ent
schlafenen, damit ihr nicht traurig seid wie die übrigen, die keine Hoffnung
haben. (14) Denn wenn wir glauben: Jesus ist gestorben und auferstanden -
so auch: Gott wird die Entschlafenen <5ta τον ' Ιησον mit ihm führen. (15) Dies
nämlich sagen wir euch in einem λόγος κνρίον, daß wir, die Lebenden, die bis
zur Parusie des Kyrios Übrigbleibenden den Entschlafenen gegenüber nicht im
Vorteil sind. (16) Denn er selbst, der Kyrios, wird herabsteigen vom Himmel beim
Befehlsruf, bei der Stimme des Erzengels und bei der Posaune Gottes — und die
in in der die Thessalonicher durch die Predigt des Paulus leben, dürfte es
also gewesen sein, die in dem Augenblick Hoffnungslosigkeit aufkommen
ließ, in dem erste Todesfälle gesell allen, die gar nicht vorgesehen waren.
Man trauerte nun um die Toten und lebte selbst in Angst vor dem Tode. -
Ist diese Situation für Thessalonich anzunehmen?
M.Dibelius meint: »Die Missionspredigt des Apostels hatte offenbar
von der Möglichkeit, daß Christen vor der Parusie sterben würden, nicht
geredet.«12 Das hat man aber vorher schon und nachher wieder für
unmöglich gehalten. So schrieb etwa W.Bornemann: ».. .man wird von
vornherein annehmen dürfen, daß die Verkündigung der allgemeinen
Auferstehung ebenso wie die Thatsache des allgemeinen Weltgerichts ein
notwendiges und auch den Thessalonichern schon bekanntes Stück der
evangelischen Predigt des Paulus gewesen ist.«13 Ähnlich urteilen später
u.a. E. v. Dobschütz14 und neuerdings Schmithals, der es so formuliert:
»Die Lehre von der Auferstehung der Toten gehörte zu seinem [des
Paulus] jüdischen Erbteil und konnte durch die akute Naherwartung
nicht einfach ausgelöscht werden.«15 Damit stehen wir vor der Frage,
ob Paulus in Thessalonich von der Auferstehung der Toten gesprochen
hat oder nicht.
Nun kann man hier natürlich nichts beweisen, denn wir wissen ein
fach nicht, wie die Missionspredigt des Paulus ausgesehen hat. Selbst
wenn man IThess 1, 9b-10 für das Schema einer solchen Missionspredigt
hält (wras ich hier nicht erörtern will) und dann darauf hinweist, daß von
der Auferstehung der Toten darin nicht die Rede ist, müßte man doch
immer mit der Möglichkeit rechnen, daß Paulus (unabhängig von der
Missionsverkündigung im engeren Sinne) davon gesprochen hat. Hier
bleibt alles offen.
Weiter kommt man m. E. nur, wenn man der Frage einen anderen
Akzent gibt. Sie lautet dann: Mußte Paulus von der Auferstehung der
Toten reden? Hier möchte ich einiges zu erwägen geben.
Es ist richtig, daß »die Lehre von der Auferstehung der Toten« zum
jüdischen Erbe des Apostels gehörte. Es unterliegt auch keinem Zweifel,
daß er von der zu erwartenden Auferstehung der Toten überzeugt war.
Das gehörte einfach zu seiner Weltanschauung. Aber war seine Welt
Entweder: Oder:
voraus, daß man gar nicht mehr nach dem Text fragt (der ja nicht davon
redet), sondern Paulus gelegentlich sogar wegen seiner ungenauen For
mulierung tadelt. Man schreibt ihm vor, was er hätte sagen müssen,
wenn er die Meinung der Kommentatoren deutlich formuliert hätte
Aber war Paulus denn wirklich der Meinung seiner Kommentatoren?
Man hat fast immer darauf hingewiesen, daß in diesem Vers eine
Spannung, eine Verkürzung, eine Inkongruenz oder dergleichen liege,
denn »eigentlich« müßte man erwarten: εΐ γ an πιστεύομεν ort Ίησοϋς
άπέϋανενάπέϋανενάπέϋανεν και άνέστη όντως και 01 κοιμηϋέντες δια τον ,Ιησοϋ εγεοϋ
σονταισονται (so Bornemann27), denn dann wäre die Entsprechung erreicht
die Dibelius hier unterstellt: »wie Christus so die Christen« 28. Aber war
um sagt Paulus das denn nicht? Dibelius meint: »άξει συν αντω sagt
Paulus statt έγερεΐ συν αντω, weil es ihm auf die Parusie ankommt.«29
Das dürfte, wie ich schon andeutete, in der Tat richtig sein. Ist das
aber der Fall, dann darf man eben nicht den Gedanken aus IKor 15 hier
einlesen. V. 14 ist kein »Exzerpt« aus IKor 15, 12-28, wie Schmithals
meint30, sondern umgekehrt: Die späteren Ausführungen IKor 15 sind
eine Weiterentwicklung hier vorliegender Ansätze. Genauer muß man
freilich sagen: Sie sind eine Neukonzipierung, wobei die Auferstehungs
Vorstellung selbständig christologisch unterfangen wird.
Es ist ja eine Binsenweisheit, die man kaum wiederholen mag, daß
Paulus keine fertige Dogmatik besaß; aber man muß dann auch die
Konsequenz daraus ziehen und etwas vorsichtiger sein, wenn man bei
der Exegese innerpaulinische Vergleiche anstellt.
Wer in V. 14 eine Aussage über die Auferstehung der Toten findet,
liest etwas ein, was nicht da steht. Man kann mir natürlich entgegen
halten, daß für Paulus die Vorstellung von der Totenauferstehung vor
gegeben und damit selbstverständlich sei, er sie also hier mitgedacht
haben müsse. Das ist durchaus möglich; nur kann Paulus hier nicht das
Problem gesehen haben, denn wenn die Auferstehung der Toten Thema
sein sollte, dann konnte Paulus es doch nicht stillschweigend übergehen
und erwarten, daß die Leser es dann schon mitdenken würden. Man muß
eben ganz genau fragen: Worum geht es Paulus ? Die richtige Antwort
gibt Dibelius: Es geht Paulus um die Parusie; und (so ist nun zu präzi
3 ZThK 66/1
Dann ist aber auch die Frage nach dem Wann der Parusie keine Frage
mehr. Hier lag ja für die Thessalonicher das Problem. Das Datum ihres
möglichen Todes stand in Konkurrenz mit dem Datum der Parusie. Die
eingetretenen Todesfälle hatten doch scheinbar gezeigt, daß es noch gar
nicht entschieden ist, wer in dieser Konkurrenz obsiegt: der Tod oder
die Parusie. Das ist entschieden, sagt Paulus. Gut formuliert F. Neu
gebauer: »Paulus verweist die Thessalonicher ... von dem Noch-nicht
der Parusie zurück auf das Schon-jetzt der Heilstat Gottes in Christo
Jesu.«32 Die Thessalonicher haben also ihren Glauben nicht umfassend,
nicht radikal genug verstanden, weil sie ihn an Bedingungen knüpften,
weil sie ihn mit einem Vorbehalt versahen.
Nun wird auch das in der Exegese so sehr umstrittene δια τον Ίησον
verständlich, ν. Dobschütz zieht die Wendung zu τους κοιμηϋέντας und
paraphrasiert dann so: »Sie sind gestorben, indem ein Verhältnis zu
Jesus dabei war.«33 Das würde (modern ausgedrückt) etwa heißen: Sie
sind »im Glauben« gestorben. Aber das ist nicht nur grammatisch pro
blematisch, das scheint mir vor allem sachlich unmöglich, denn »im
Glauben sterben« setzt doch voraus, daß man sich über rechtes Sterben
bereits Gedanken gemacht hat.
U. Wilckens möchte das δια του Ίησον nicht auf die Entschlafenen
beziehen, sondern mit dem Verbum verbinden. Er versteht dann so:
Gott wird durch Jesus führen - nämlich die Entschlafenen. Dieses δια
τον τον Ίησον drückt aus, daß Jesus später der Vollstrecker des Willens
Gottes sein wird34. Doch auch das scheint mir gezwungen. Ich nehme
Damit ist das περί των κοιμωμένων eigentlich geklärt. Was folgt, ist
nichts grundsätzlich Neues, läßt aber doch noch einige Aspekte hervor
treten.
3*