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Wolfgang Hauschild

Eberhard Lemke

Hochspannungsprüf-
und Messtechnik
Hochspannungsprüf- und Messtechnik
Wolfgang Hauschild · Eberhard Lemke

Hochspannungsprüf- und
Messtechnik
Wolfgang Hauschild Eberhard Lemke
Dresden, Deutschland Dresden, Deutschland

ISBN 978-3-031-33599-0 ISBN 978-3-031-33600-3 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3

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detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Buch ist eine Übersetzung des Originals in Englisch „High-Voltage Test and Measuring Tech-
niques“ von Hauschild, Wolfgang und Lemke, Eberhard publiziert durch Springer Nature Switzerland
AG im Jahr 2019. Die Übersetzung erfolgte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (maschinelle Überset-
zung). Eine anschließende Überarbeitung im Satzbetrieb erfolgte vor allem in inhaltlicher Hinsicht, so
dass sich das Buch stilistisch anders lesen wird als eine herkömmliche Übersetzung. Springer Nature
arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Werkzeugen für die Produktion von Büchern und
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Planung/Lektorat: Christoph Baumann


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Geleitwort zur ersten Ausgabe

Die meisten in den letzten Jahren erschienenen Lehrbücher über Hochspann-


ungstechnik (HV) konzentrieren sich auf allgemeine Aspekte dieses Fachgebiets,
nicht aber auf die in diesem Buch behandelten Besonderheiten der HV-Prüf- und
Messtechnik. Dieses Thema ist hauptsächlich experimentell orientiert und für
die vielfältigen gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen aufgrund der
zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien, der breiteren Anwendung von
Kabelsystemen sowie der Errichtung von Ultrahochspannungs-Langstreckenlei-
tungen (UHV), die nicht nur Wechsel-, sondern auch Gleichspannungen verwen-
den, von wesentlicher Bedeutung.
Daher entwickeln Forscher und Ingenieure, die sich mit HV-Prüf- und Mes-
stechniken beschäftigen, neue Geräte, Instrumente und Verfahren. Als allgemeine
Grundlage fassen internationale Organisationen wie CIGRE, IEC und IEEE die
Ergebnisse der Forschungsarbeit zusammen und stellen allgemein anerkannte
Regeln, Leitfäden und Normen zur Verfügung. Viele Forscher, Konstrukteure und
Techniker, die im Bereich der Hochspannungstechnik tätig sind, sind mit den von
den oben genannten Organisationen erarbeiteten und eingeführten Konzepten nicht
gut vertraut. In dieser Situation wird dieses Buch eine Lücke schließen und zu
einem besseren Verständnis der fortschrittlichen Technik beitragen, die kürzlich
für die Qualitätssicherungsprüfung und Diagnose von Hochspannungsisolierun-
gen entwickelt und eingeführt wurde. Darüber hinaus ist das Buch eine Hilfe für
Studenten, um gut verständliche Informationen über die heutigen Werkzeuge zur
Isolationsprüfung und -diagnose zu erhalten. Eine weitere Hauptanwendung ist die
Ausbildung, Weiterbildung und das individuelle Lernen von Ingenieuren.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass große Fortschritte bei der
Entwicklung von HV-Prüfsystemen einschließlich der zugehörigen Messein-
richtungen gemacht wurden, die das Hauptthema des von Hauschild und Lemke
verfassten Buches sind. Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Buch gibt eine
umfassende Einführung und einen Überblick über den Stand der Hochspannungs-
prüf- und Messtechnik in enger Verbindung mit praktischen Aspekten. Für mich
ist von den Autoren eine großartige Arbeit geleistet worden, die ich seit Anfang
der 1970er Jahre kenne, als ich zum ersten Mal das HV-Institut in Dresden

V
VI Geleitwort zur ersten Ausgabe

besuchte. Seitdem sind wir gute Partner und enge Freunde geworden. Ich traf die
Autoren regelmäßig, vor allem bei der Teilnahme an verschiedenen Arbeitsgrup-
pen der CIGRE und der IEC, wo sich Wolfgang Hauschild besonders auf dem
Gebiet der Hochspannungsprüftechnik und Eberhard Lemke auf dem Gebiet der
Hochspannungsmesstechnik engagierten. Ihre herausragenden Arbeiten und die
fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Institut für Hochspannungstechnik der Tech-
nischen Universität Graz wurden durch die Verleihung des Doktortitels honoris
causä in den Jahren 2007 und 2009 gewürdigt.

Graz, Austria Michael Muhr


Graz Technical University
Paris, France
November 2013 Chairman of Cigre AG HV Test
Techniques
Vorwort zur ersten Ausgabe

Mehr als ein Jahrhundert nach seinem Beginn bleibt die Hochspannungstechnik
(HV) weiterhin ein empirisches Feld. Experimentelle Untersuchungen sind die
Grundlage für die Dimensionierung von elektrischen Isolierungen und unver-
zichtbar für die Qualitätssicherung durch Typ-, Routine- und Inbetriebnahme-
tests sowie für die Bewertung des Isolationszustands durch Überwachungs- und
Diagnosetests. Für solche empirischen Verfahren ist keine Änderung in Sicht. Die
Anwendung höherer Übertragungsspannungen, verbesserter Isoliermaterialien und
neuer Gestaltungsprinzipien erfordern die weitere Entwicklung von HV-Test- und
Messverfahren. Die relevanten Expertengremien in CIGRE, IEC und IEEE stellen
gemeinsam anerkannte Standards und Richtlinien für HV-Tests bereit, die sowohl
den Bedürfnissen als auch dem Wissensstand entsprechen.
Die Autoren kommen aus der Dresdner Schule der Hochspannungstechnik von
Fritz Obenaus und Wolfgang Mosch und hatten das Glück, der Entwicklung der
HV-Testtechniken während des letzten halben Jahrhundert zu folgen und dazu bei-
zutragen. Dieses Buch basiert auf dieser Erfahrung und soll den aktuellen Stand
der HV-Test- und Messverfahren widerspiegeln. Wir hoffen, dass das Buch eine
Lücke in der internationalen Literatur der Hochspannungstechnik schließt und zu
einem besseren Verständnis der relevanten IEC- und IEEE-Standards führt. Es ist
für Konstrukteure, Prüffeld- und EVU-Betriebsingenieure sowie für Studierende
und Forscher gedacht. Viele Ingenieure, die heute mit HV-Prüfungen konfrontiert
sind oder sich sogar damit beschäftigen, haben keine fundierte Ausbildung in der
Hochspannungstechnik erhalten. Daher soll das Buch die individuelle Weiterbil-
dung unterstützen und auch für weitere Schulungen nützlich sein.
Nach einer Einführung zur Geschichte und zur Bedeutung der HV-Prüftech-
nik in der elektrischen Energieversorgung werden die allgemeine Grundlagen der
Testsysteme und Testverfahren, die Zulassung von Messsystemen und die statis-
tische Behandlung von Prüfresultaten erläutert. In gesonderten Kapiteln werden
die Erzeugung, die Anforderungen und die Messungen von Wechsel-, Gleich-,
Impuls- und Kombispannungen im Detail beschrieben. Da partielle Entladungen
und dielektrische Messungen hauptsächlich mit Wechselspannungsprüfungen in
Verbindung stehen, sind separate Kapitel über diese wichtigen Werkzeuge nach

VII
VIII Vorwort zur ersten Ausgabe

dem Kapitel über Wechselspannungstests angeordnet. Das Buch schließt mit Kapi-
teln über HV-Prüffelder und Vor-Ort-Prüfungen.
Die Zusammenarbeit mit vielen Experten aus aller Welt war eine Vorausset-
zung für das Schreiben dieses Buches. Wir sind allen dankbar, können aber nur
einige wenige nennen: Wir haben unsere Prägung im HV-Laboratorium der Tech-
nischen Universität Dresden erhalten und schätzen die Zusammenarbeit mit sei-
nem Personal, vertreten durch Eberhard Engelmann und Joachim Speck. Wir
betrachten unsere Mitgliedschaft in den Expertengremien von CIGRE 33 (später
D1), IEC TC 42 und IEEE- TRC und ICC als Schule während unseres Berufsle-
bens. Aus dieser Arbeit zur HV-Prüfung sowie aus Diskussionen mit den Mitg-
liedern haben wir zahlreiche Anregungen erhalten. Wir sind dafür dankbar Dieter
Kind, Gianguido Carrara, Kurt Feser, Arnold Rodewald, Ryszard Malewski,
Ernst Gockenbach, Klaus Schon, Michael Muhr und alle anderen, die hier nicht
genannt sind. Natürlich war und ist die tägliche Arbeit in unseren Betrieben mit
vielen technischen Herausforderungen der Hochspannungsprüftechnik verbun-
den. Da diese immer in unseren zuverlässigen Teams gemeistert wurden, möchten
wir der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern von Highvolt Prüftechnik Dresden
GmbH und Doble- Lemke GmbH danken. Dank an Harald Schwarz und Josef
Kindersberger die Wolfgang Hauschild auf einen Lehrauftrag für Hochspann-
ungsprüftechnik an der Technischen Universität Cottbus bzw. an der Technischen
Universität München beriefen. Dies erforderte eine dem Thema angemessene
Gliederung, die auch in diesem Buch verwendet wird. Für das sorgfältige Kor-
rekturlesen des Manuskripts und die hilfreichen Ratschläge danken wir unseren
Freunden Jürgen Pilling und Wieland Bürger. Für weitere Anregungen und Kriti-
ken der Leserinnen und Leser dieses Buches wären wir dankbar.

Dresden, Deutschland Wolfgang Hauschild


Oktober 2013 Eberhard Lemke
Vorwort zur zweiten Ausgabe

Die letzten Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches sind
durch viele Entwicklungen in der elektrischen Energieerzeugung, -übertragung
und -verteilung gekennzeichnet, z. B. die zunehmende Nutzung erneuerbarer
Energien, die Ausweitung der Wechselspannungen auf die UHV-Ebene >800 kV,
die breitere Anwendung der HGÜ-Stromübertragung, auch unter Verwendung
von Kabelsystemen, und verbesserte Methoden der Diagnose und Zustandsbewer-
tung. All diese Fortschritte haben Auswirkungen auf die Hochspannungsprüf- und
Messtechnik. Die zweite Auflage dieses Buches soll den Trend in der HV-Prüfung
widerspiegeln und ist als Beitrag zu den aktuellen Impulsen der Hochspannungs-
technik im Allgemeinen zu verstehen.
Auch bei dieser zweiten Auflage wurden wir von vielen Kollegen unterstützt
und erwähnen Dr. Ralf Pietsch, Günter Siebert und Uwe Flechtner. Besonders
bedanken wir uns für die Zusammenarbeit mit Dr. Christoph Baumann, Petra
Jantzen und Sudhany Karthick von Springer Nature.

Dresden, Germany Wolfgang Hauschild


September 2018 Eberhard Lemke

IX
Danksagung

Durch die großzügige Unterstützung von HIGHVOLT Prüftechnik Dresden GmbH


erhielt das Buch sein farbiges Erscheinungsbild. Darüber hinaus stammen alle
fotografischen Abbildungen und dreidimensionalen Zeichnungen ohne Verweis
aus dem HIGHVOLT-Archiv. Unser aufrichtiger Dank gilt der Geschäftsführung,
insbesondere Bernd Kübler, Thomas Steiner und Ralf Bergmann, für ihre dauer-
hafte Unterstützung unseres Projekts.

XI
Inhaltsverzeichnis

1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung
und erforderliche Hochspannungsprüfungen. . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC)
und ihre Standards. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch
HV-Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.4 Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von
Hochspannungsgeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld. . . . . . . . . 17
2.1.1 Prinzipien und Definitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.1.2 HV-Trockenprüfungen äußerer Isolierungen
einschließlich atmosphärischer Korrekturfaktoren . . . . 19
2.1.3 HV-künstliche Regenprüfungen an äußerer
Isolierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.1.4 HV-künstliche Verschmutzungsprüfungen
an äußerer Isolierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.1.5 Hinweise zu weiteren Umweltprüfungen. . . . . . . . . . . . 30
2.1.6 HV-Prüfungen an inneren Isolierung. . . . . . . . . . . . . . . 30
2.2 HV-Prüfsysteme und ihre Komponenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.3 HV-Messung und Abschätzung der Messunsicherheit. . . . . . . . . 35
2.3.1 HV-Messsysteme und ihre Komponenten. . . . . . . . . . . 36
2.3.2 Zulassung eines HV-Messsystems für ein
akkreditiertes HV-Prüffeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.3.3 Kalibrierung durch Vergleich mit einem
Referenzmesssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.3.4 Abschätzung der Unsicherheit von HV-Messungen . . . 44
2.3.5 HV-Messung mit Messkugelfunkenstrecken
gemäß IEC 60052:2002. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

XIII
XIV Inhaltsverzeichnis

2.3.6 Feldsonden zur Messung von Hochspannungen


und Feldstärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre
statistische Behandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.4.1 Zufallsvariablen und die Konsequenzen . . . . . . . . . . . . 64
2.4.2 HV-Prüfungen nach der
Spannungssteigerungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.4.3 HV-Prüfungen mit der Konstantspannungsmethode. . . 75
2.4.4 HV-Prüfungen für ausgewählte Quantile unter
Verwendung von Auf- und Ab-Methoden . . . . . . . . . . . 79
2.4.5 Statistische Behandlung von Lebensdauer-Tests. . . . . . 82
2.4.6 Standardisierte Stehspannungsprüfungen . . . . . . . . . . . 84
2.4.7 Die Vergrößerungsgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
3.1.1 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von
Prüftransformatoren (ACT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
3.1.2 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Resonanzkreisen
(ACR). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
3.1.3 HVAC-Prüfsysteme für induzierte
Spannungsprüfungen von Transformatoren (ACIT) . . . 128
3.1.4 HVAC-Prüfsysteme mit variablen Frequenzen
auf Basis von Transformatoren (ACTF). . . . . . . . . . . . . 131
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl von
HVAC-Prüfsystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
3.2.1 Anforderungen an AC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . 134
3.2.2 Prüfsysteme für Mehrzweckanwendungen . . . . . . . . . . 137
3.2.3 AC-Resonanzprüfsysteme (ACRL; ACRF)
für kapazitive Prüfobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
3.2.4 HVAC-Testsysteme für resistive Prüfobjekte. . . . . . . . . 143
3.2.5 HVAC-Testsysteme für induktive Prüfobjekte:
Transformatorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . 154
3.3.1 HVAC-Tests für Forschung und Entwicklung. . . . . . . . 154
3.3.2 HVAC-Qualitätstests und Diagnosetests. . . . . . . . . . . . 158
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
3.4.1 Spannungsteiler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
3.4.2 Messinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
3.4.3 Anforderungen an zugelassene Messsysteme . . . . . . . . 172
4 Teilentladungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
4.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
4.1.1 PD-Vorkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
4.1.2 PD-Größen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
Inhaltsverzeichnis XV

4.2 PD-Modelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188


4.2.1 Netzwerkbasiertes PD-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
4.2.2 Dipol-basiertes PD-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
4.3 PD-Impulsladungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
4.3.1 Auskopplung von PD-Signalen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
4.3.2 PD-Prüfkreise gemäß IEC 60270. . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
4.3.3 PD-Signalverarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
4.3.4 PD-Messgeräte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
4.3.5 Kalibrierung von PD-Messkreisen. . . . . . . . . . . . . . . . . 215
4.3.6 Systemprüfungen von PD-Kalibratoren. . . . . . . . . . . . . 218
4.3.7 Prüfungen zum Nachweis der Einhaltung der
spezifizierten Kennwerte von PD-Messsystemen . . . . . 221
4.3.8 PD-Prüfverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
4.4 PD-Fehlerlokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
4.5 Störsignalreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
4.5.1 Quellen und Signaturen von Störsignalen. . . . . . . . . . . 233
4.5.2 Verfahren zur Reduzierung von Störsignalen . . . . . . . . 233
4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
4.7.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
4.7.2 Entwurf von PD-Kopplern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
4.7.3 Grundprinzipien der PD- Detektion im
VHF/UHF-Bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
4.7.4 Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit von
UHF/VHF-PD-Detektionsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . 258
4.8 Akustische PD-Detektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
5 Messung dielektrischer Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
5.1 Messung der dielektrischen Antwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
5.2.1 Schering-Brücke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
5.2.2 Automatische C-tanδ-Brückenschaltungen. . . . . . . . . . 279
6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen. . . . . . 286
6.1.1 Halbwellengleichrichtung (Einphasen-,
Einpuls-Schaltung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
6.1.2 Verdoppler- und Multiplikatorschaltungen
(Greinacher/Cockcroft-Walton-Kaskaden) . . . . . . . . . . 288
6.1.3 Multiplikatorschaltungen für höhere Ströme. . . . . . . . . 292
6.1.4 Multiplikatorschaltungen mit kaskadierten
Transformatoren (Delon-Schaltungen) . . . . . . . . . . . . . 294
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 296
6.2.1 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . 297
6.2.2 Allgemeine Anforderungen an Komponenten
von HVDC-Prüfsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
XVI Inhaltsverzeichnis

6.2.3 Interaktion zwischen HVDC-Testsystem


und Testobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
6.3 Verfahren und Bewertung von HVDC-Tests. . . . . . . . . . . . . . . . 315
6.4 Messung der HVDC-Prüfspannung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
6.5 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen . . . . . . . 327
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
7.1.1 Klassifizierung von Impulsprüfspannungen. . . . . . . . . . 327
7.1.2 Grund- und Vervielfacherschaltungen zur Erzeugung
von Standard-LI/SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . 330
7.1.3 Schaltungen für oszillierende Impulsspannungen. . . . . 347
7.1.4 OSI-Prüfspannungserzeugung durch
Transformatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
7.1.5 Prüfkreise für Impulsspannungen mit sehr steiler
Front (VFF) und Halbleitergeneratoren. . . . . . . . . . . . . 354
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von
Impulsspannungsprüfsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
7.2.1 LI-Prüfspannung und das Phänomen des
Überschwingens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
7.2.2 SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests . . . . . . . . . 375
7.3.1 Durchschlagspannungstests für Forschung
und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
7.3.2 LI/SI-Qualitätsabnahmetests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
7.4.1 Dynamisches Verhalten von Spannungsteilern . . . . . . . 380
7.4.2 Konstruktion von Spannungsteilern. . . . . . . . . . . . . . . . 387
7.4.3 Digitalrekorder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen . . . . . . . . . 402
7.5.1 Resistiver Stromwandler (Shunt). . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
7.5.2 Induktiver Stromwandler (Rogowski-Spule). . . . . . . . . 407
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
7.6.1 SI-Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
7.6.2 DAC-Prüfspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
7.6.3 Steil ansteigende Impulsspannungen
(LI und VFF-Prüfspannungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten
Spannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
8.1 Kombinierte Prüfspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
8.1.1 Erzeugung von kombinierten Prüfspannungen . . . . . . . 424
8.1.2 Anforderungen an die kombinierten
Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
8.1.3 Messung der kombinierten Prüfspannungen. . . . . . . . . 427
8.1.4 Beispiele für kombinierte Spannungsprüfungen. . . . . . 428
Inhaltsverzeichnis XVII

8.2 Zusammengesetzte Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428


8.2.1 Erzeugung und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
8.2.2 Messung von zusammengesetzten Prüfspannungen . . . 429
8.2.3 Beispiele für Spannungstests mit zusammengesetzten
Spannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
9 Hochspannungsprüflaboratorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
9.1 Anforderungen und Auswahl von
Hochspannungsprüfsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
9.1.1 Zweck eines Prüflaboratoriums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
9.1.2 Auswahl von Prüfanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
9.1.3 Abstände und Prüfbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
9.1.4 Steuerung, Messung und Kommunikation. . . . . . . . . . . 442
9.2 Planung von HV-Laboratorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
9.2.1 Erforderliche Räume und Grunddesign. . . . . . . . . . . . . 446
9.2.2 Erdung und Abschirmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450
9.2.3 Stromversorgung und Hochfrequenz-Filterung. . . . . . . 456
9.2.4 Zusatzeinrichtungen für Hochspannungsprüfungen . . . 459
9.2.5 Gebäudeausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
9.2.6 Sicherheitsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
9.3 Freiluft HV- Prüffelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
9.4 Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder. . . . . . . . . . . . . . . . . 473
9.4.1 Aktualisierung von HV-Prüfsystemen. . . . . . . . . . . . . . 474
9.4.2 Verbesserung von HV-Prüfräumen. . . . . . . . . . . . . . . . . 474
10 Hochspannungsprüfungen vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme . . . . . . 477
10.1.1 Prüfungen zur Qualitätsicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
10.1.2 Diagnostische Tests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
10.1.3 Gesamtgestaltung von mobilen HV-Prüfsystemen . . . . 482
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
10.2.1 Spannungen für Stehspannungsprüfungen. . . . . . . . . . . 484
10.2.2 Spannungen für Spezialtests und Messungen . . . . . . . . 490
10.3 PD-Messung und Diagnostik vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
10.4.1 Prüfung von Gasisolierten Systemen (GIS, GIL) . . . . . 499
10.4.2 Prüfung von Kabelanlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
10.4.3 Prüfung von Leistungstransformatoren. . . . . . . . . . . . . 521
10.4.4 Prüfung von rotierenden, elektrischen Maschinen. . . . . 530

Biography of W. Hauschild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539

Biographie von E. Lemke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543
Abkürzungsverzeichnis

AC Wechselstrom (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. AC-Spannung)


ACIT Hochspannungseinheiten zur Induktionsspannungsprüfung
ACL Akkreditiertes Kalibrierlabor
ACRF Hochspannungs-AC-Serienresonanzkreis mit variabler Frequenz
ACRL Hochspannungs-AC-Serienresonanzprüfkreis mit variabler
Induktivität
ACT Hochspannungs-AC-Prüfkreis mit Transformatoren
ACTF Hochspannungs-AC-Prüfkreis mit variabler Frequenz und
Transformatoren
ADC Analog-Digital-Wandler
AE Akustische Emission
AMS Zugelassenes Messsystem
C Kapazität
CD Ausschussentwurf (IEC)
CH Kanal
CRO Oszilloskop mit Kathodenstrahlröhre
DAC Gedämpfte Wechselspannung (in zusammengesetzten Begriffen, z. B.
DAC-Spannung)
DC Gleichstrom (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. DC-Spannung)
DCS Richtkoppler-Sensor
DNL Differentielle Nichtlinearität
DSP Digitale Signalverarbeitung
EMC Elektromagnetische Verträglichkeit
GIL Gasisolierte (Übertragungs-) Leitung
GIS Gasisoliertes Schaltanlage
GST Prüfungt mit geerdetem Prüfling
GUM ISO/IEC Guide 98–3:2008
HF Hochfrequenz
HFCT Hochfrequenz-Stromwandler
HV Hochspannung (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. HV-Prüfung)
HVAC Hohe Wechselspannung

XIX
XX Abkürzungsverzeichnis

HVDC Hohe Gleichspannung


IEC Internationale Elektrotechnische Kommission
IEEE Institut der Elektrotechnik- und Elektronik-Ingenieure (USA)
IGBT Isolierter Gate-Bipolartransistor
INL Integrale Nichtlinearität
IVPD Teilentladungsmessung bei induzierter Wechselspannung
IVW Induzierte Stehspannungsprüfung
L Induktivität
LI Blitzimpuls (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. LI-Prüfspannung )
LIC Abgeschnittene Blitzimpulsspannung
LIP Flüssigkeitsimprägnierte Papierisolierung
LSB Least significant bit
LTC Lebensdauercharakteristik (auch: LTC- Prüfung)
LV Niederspannung
M/G Motor–Generator (Satz)
ML Maximum likelihood (Statistische Methode der Parameterschätzung)
MLM Multiple level method (Prüfmethode mit mehreren konstanten Spann-
ungsstufen)
MS Messsystem
MV Mittelspannung (Nicht verwechseln mit Dimension ‘‘Megavolt’’!)
NMI National Metrology Institute (Nationales Institut für Messwesen)
OLI Schwingende Blitzimpulsspannung
OSI Schwingende Schaltimpulsspannung
PD Teilentladung (in komplexen Begriffen, z. B. PD-Messung)
PSM Progressive Stress-Methode (Prüfmethode mit ansteigender
Beanspruchung)
R Widerstand
R&D Forschung und Entwicklung
RF Radiofrequenz
RIV Funkstörspannung
RMS Referenzmesssystem
rms Effektivwert (root of mean square, Quadratwurzel aus dem quadratischen
Mittel)
RoP Identitätsakte eines Messsystems
RVM Rückstrommessung
SFC Statischer Frequenzumrichter
SI Schaltimpuls (in zusammengesetzten Begriffen, z. B. SI-Testspannung)
TC Technischer Ausschuss (der IEC)
TDG Testdatengenerator (Prüfdaten-Software Paket)
TDR Time-Domain-Reflektometrie (Reflektometrie im Zeitbereich)
THD Gesamtharmonische Verzerrung
TRMS Transfer-Referenzmesssystem (Vergleichs Referenzmesssystem)
UDM Auf- und Ab-Methode (Prüfmethode)
UHF Ultrahohe Frequenz
Abkürzungsverzeichnis XXI

UHV Ultrahohe Spannung (in zusammengesetzten Begriffen,


z. B. UHV-Labor)
V Spannung
VHF Sehr hohe Frequenz
X Reaktanz
XLPE Quervernetztes Polyethylen
Z Impedanz
Verzeichnis der Symbole

A Fläche
a Distanz
α Phasenwinkel
ß Überschwingungsmagnitude
C Kapazität
Ci Impulskapazität
Cl Lastkapazität
c Lichtgeschwindigkeit
D Dielektrische Flussdichte
d Durchmesser
dV Spannungsabfall (DC)
Δf Bandbreite
ΔT Fehler der Zeitmessung
ΔV Spannungsreduktion (DC)
δ (1) Luftdichte
(2) Weibull-Exponent
(3) Ripple-Faktor
(4) Verlustwinkel (tan δ)
δV Ripple-Spannung (DC)
E Elektrische Feldstärke
e (1) Elementarladung (e = 1,602 × 10 −19As)
(2) Basis des natürlichen Logarithmus (e = 2,71828 …)
ε Dielektrische Permittivität (ε 0= 8,854 × 10 −12As / Vm)
εr Relative Dielektrizität
η (1) 63% Quantil (Weibull- und Gumbel-Verteilungen)
(2) Ausnutzungs- oder Effizienzfaktor
F (1) Skalenfaktor
(2) Coulomb-Kraft
Fp Polarisationsfaktor
F(f) Übertragungsfunktion
F(x) Verteilungsfunktion

XXIII
XXIV Verzeichnis der Symbole

f Frequenz
fm Nennfrequenz
ft Testfrequenz
f0 (1) Natürliche Frequenz
(2) Zentrale Frequenz (Schmalband- PD-Messung)
f1 Untere Frequenzgrenze
f2 Obere Frequenzgrenze
Φ Magnetischer Fluss
ϕ Phasenwinkel
G Stromdichte
g Parameter für atmosphärische Korrekturen
g(t) Einheits- Schrittantwort
H (1) Magnetische Feldstärke
(2) Höhe
h Luftfeuchtigkeit
I Strom
Im Nennstrom
Isc Kurzschlussstrom
iL Entladestrom
K Deckungsfaktor für erweiterte Unsicherheit
Kt Atmosphärischer Korrekturfaktor
k (1) Parameter für atmosphärische Korrekturen
(2) Fester Faktor
kd Konstante in der Lebensdauercharakteristik
ke Feldverstärkungsfaktor
k(f) (1) Prüfspannungsfaktor
(2) Prüfspannungsfunktion für die LI-Bewertung
k1 Luftdichtekorrekturfaktor
k2 Feuchtigkeitskorrekturfaktor
κ Leitfähigkeit
L (1) Induktivität
(2) Likelihood-Wahrscheinlichkeitsfunktion
M Impulsgröße (PD-Messung)
m Geschätzter Mittelwert
μ Theoretischer Mittelwert
μ Permeabilität ( µ 0= 0,4 π × 10 −6Vs/Am = 1.257 × 10 −6Vs/Am)
μr Relative Permeabilität
n (1) Lebensdauer Exponent
(2) Anzahl (z. B. von Elektronen)
ω Winkelgeschwindigkeit
P Wirkleistung (bei Prüfung)
PF Speiseleistung
Pm Dipolmoment
PN Natürliche Leistung einer Übertragungslinie
PR Leistungsverlust einer Resonanzschaltung
Verzeichnis der Symbole XXV

p (1) Wahrscheinlichkeit
(2) Druck
p0 Referenzdruck
Q (1) Ladung
(2) Güte (eines Resonanzprüfkreises)
q (1) Ladung eines PD-Impulses
(2) Ladung eines Leckstromimpulses
R (1) Widerstand
(2) Verhältnis zwischen zwei Ergebnissen
Rd Dämpfungswiderstand
Rf Frontwiderstand (LI/SI-Prüfspannung)
Rt RückenwWiderstand (LI/SI-Prüfspannung
r (1) Verhältnis (z.B. Teiler oder Transformer)
(2) Radius
S (1) Reaktive Prüfleistung
(2) Steilheit (LI / SI Prüfspannung)
Sf Skalenfaktor
S50 50 Hz Äquivalenztestleistung
sg Mittlere quadratische Abweichung (Schätzung der Standardabweichung)
σ Standardabweichung
T Dauer (AC-Periode)
TC Abschneidezeit
TN Experimentelle Reaktionszeit
TR Restantwortzeit
TT Dauer des Überschwingens
T1 Frontzeit der LI-Spannung
T2 Rückenhalbwertszeit der Impuls-Spannungen
t (1) Temperatur
(2) Zeit
ts Einschwingzeit
tt Testzeit
t0 Bezugstemperatur
τ Zeitkonstante
U ErweiterteUnsicherheit
Ucal Erweiterte Unsicherheit der Kalibrierung
UM Erweiterte Unsicherheit der Messung
u Standardunsicherheit
uA Typ-A-Standardunsicherheit
uB Typ-B-Standardunsicherheit
V Spannung
VB Maximalwert der Basiskurve (LI-Spannung)
VE Extremwert der aufgezeichneten Kurve (LI-Spannung)
Ve PD-Aussetzspannung
VF Speisespannung
Vi (1) PD-Einsetzspannung
XXVI Verzeichnis der Symbole

(2) Impuls-Spannung
Vk Kurzschluss-Spannung (Prüftransformator)
Vm (1) Höchste Systempannung , Isolationsspannung
(2) Arithmetisches Mittel (DC)
Vmax Maximum der Gleichspannung
Vmin Minimum der Gleichspannung
Vn Nennspannung
Vpeak Scheitelspannung
Vr Rückkehrspannung
Vrms Effektivwert der Spannung
VT Prüfspannungswert
V(v) Verhaltensfunktion
V∑ Summenladespannung
V0 (1) Leiter-Erde-Spannung-Spannung
(2) Anfangsspannung für eine Prüfung
(3) Lade-Gleichspannung
V1 Primärspannung eines Testtransformators
V2 Sekundärspannung eines Testtransformators
V50 50% Durchbruchspannung
v Varianz
v(t) Zeitabhängige Spannung
vk Kurzschlussimpedanz eines Prüftransformators
w Anzahl der Windungen einer Wicklung
W Energie
Wi Impulsenergie (eines Impuls-Spannungsgenerators)
X Reaktanz
Xres Kurzschlussreaktanz eines Transformators
Z Impedanz
ZL Wellenwiderstand (einer Übertragungsleitung)
Kapitel 1
Einführung

Zusammenfassung Hochspannungsprüf und -messtechniken werden in den


meisten allgemeinen Hochspannungsbüchern behandelt (z. B. Kuechler, 2009;
Kuffel et al., 2007; Beyer et al., 1986; Mosch et al., 1988; Schufft et al., 2007;
Arora & Mosch, 2011). Es gibt Lehrbücher zu Hochspannungsprüfungen für
Studenten (Marx, 1952; Kind & Feser, 1999) sowie wenige Bücher zu speziellen
Themen, z. B. zur Hochspannungsmesstechnik (Schwab, 1981; Schon, 2010,
2016). Ziel dieses Buches ist es, einen umfassenden Überblick über den Stand
der Technik sowohl der Hochspannungsprüfungen als auch der Messtechniken für
Ingenieure in der Praxis, Absolventen und Studenten von Masterkursen zu geben.
Eine gewisse Richtlinie hierfür bilden die relevanten weltweiten Standardserien
des Technischen Ausschusses 42 (TC42: „High-Voltage and High-Current Test and
Measuring Techniques”) der International Electrotechnical Commission (IEC), die
weitgehend identisch sind mit den entsprechenden Standards des amerikanischen
Institute of Electrical and Electronic Engineers (IEEE). Diese Einführung ent-
hält auch die Beziehung zwischen Hochspannungsprüfungen und -messtechniken
sowie die Anforderungen an die Übertragungssysteme im Zusammenhang mit
den steigenden Übertragungsspannungen und den Grundsätzen der Isolations-
koordination. Darüber hinaus wird untersucht, wie Hochspannungsprüfungen für
die Qualitätssicherung und Bewertung des Zustands von Stromversorgungsein-
richtungen im Lebenszyklus durchgeführt werden.

1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und


erforderliche Hochspannungsprüfungen

In den letzten 125 Jahren hat die Entwicklung der Übertragungsspannungen


von Energieversorgungsunternehmen von 10 kV auf 1200 kV eine enorme Ent-
wicklung der Hochspannungs- (HV) Ingenieurwissenschaft erforderlich gemacht.
Dazu gehören z. B. die Einführung vieler neuer Isolierstoffe und Technologien,
die genaue Berechnung elektrischer Felder, das Wissen über die Phänomene
in Dielektrika unter dem Einfluss des elektrischen Feldes und das ­Verständnis

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 1


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_1
2 1 Einführung

von elektrischen Entladungsprozessen. Trotzdem bleibt der empirische


(experimentelle) Charakter der HV-Ingenieurwissenschaft aufgrund unvermeid-
barer Fehler in der Struktur technischer Isolierstoffe, Fehler in der Herstellung und
Montage von technischen Elektroden sowie von Produktions- und Montagefehlern
eng verbunden. Aus diesem Grund wurden nationale und internationale Standards
für HV- Prüfungen sowie für Geräte zur Erzeugung von Prüfspannungen und zur
Messung (und an) diesen Spannungen entwickelt.
Seit dem frühen Beginn der weiteren Anwendung elektrischer Energie hat ihre
Übertragung vom Ort der Erzeugung (Kraftwerk) zum Ort der Verwendung (z. B.
Industrie, Haushalte, öffentliche Nutzer) die Energiekosten erheblich beeinflusst.
Die transportierbare Leistung einer Hochspannungs-Wechselstrom- (HVAC) Frei-
leitung ist durch ihren Wellenwiderstand ZL auf in ihrer Übertragungsleistung
begrenzt:
PL = V 2 /ZL . (1.1)
Während die Anstiegsimpedanz (ZL ≈ 250 Ω) durch die Geometrie der Frei-
leitung nur innerhalb bestimmter Grenzen beeinflusst werden kann, wird die
Ubertragungsleistung hauptsächlich durch die Höhe der Übertragungsspannung
bestimmt, z. B. ist die Leistungstransferfähigkeit eines 400-kV-Systems nur
ein Viertel jenes eines 800-kV-Systems. Folglich erfordert die steigende Nach-
frage nach Energie höhere HVAC-Übertragungsspannungen. Bemerkenswerte
Zunahmen vonHVAC-Übertragungen erfolgten auf 123 kV in Deutschland im
Jahr 1912, auf das Niveau von 245 kV im Jahr 1926 (USA), auf 420 kV im Jahr
1952 (Schweden), auf 800 kV im Jahr 1966 (Kanada und Russland) und auf UHV
(1000–1200 kV im Jahr 2010, China) (Abb. 1.1).
Weil bei Gleichspannung kein Wellenwiderstand wirksam wird; die Ein-
schränkung der Übertragungsleistung wird hauptsächlich durch die Stromverluste
verursacht. Für gleichwertige Spannungen ist die HVDC-Übertragungsleistung
etwa dreimal so hoch wie bei HVAC. Dies bedeutet, dass eine 800-kV-HVDC-
Leitung mit einer Effizienz von 94 % drei 800-kV-HVAC-Freileitungen mit einer
Effizienz von nur 88 % ersetzt (Schwedischer Stromzyklus, 2009). Aber HVDC-
Übertragung erfordert teure Konverterstationen. Daher ist die Anwendung der
HVDC-Übertragung auf sehr lange Übertragungslinien beschränkt, bei denen die
Kostensenkung für die Linie die höheren Kosten für die Station ausgleicht. Die
gegenwärtige Kostensenkung von Leistungselektronik-Komponenten, effiziente
HVDC-Kabelproduktion und andere technische Vorteile der HVDC-Übertragung
haben weltweite Aktivitäten in diesem Bereich ausgelöst (Long & Nilsson, 2007;
Gockenbach et al., 2007; Yu et al., 2007). Die historische Entwicklung (Abb. 1.1)
zeigt, dass das 1000-kV-Niveau jetzt in China erreicht wird, aber die nächsten
Niveaus über 1000 kV oder mehr sind in Vorbereitung (IEC TC115, 2010).
Die HV-Prüf- und Messverfahren müssen in der Lage sein, Komponenten
zu testen, die zu HVAC- und HVDC-Stromsystemen gehören. Aber zusätz-
lich bestimmt auch die Art der zu prüfenden Isolierung die Art der Prüfgeräte.
Die „klassischen” Isoliermaterialien (Luft, Keramik, Glas, Öl, Papier) wurden
durch Isoliergase, z. B. SF6 für gasisolierten Umspannwerke und Übertragungs-
1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche … 3

Abb. 1.1 Geschichte


der HVAC- und HVDC- Höchste
Spannung für
Übertragungs systeme Geräte

linien (GIS, GIL) (Koch, 2012), und synthetische Feststoffe, z. B. Epoxidharz für
Instrumententransformatoren und Polyethylen für Kabel (Abb. 1.2) (Ghorbani
et al., 2014) ergänzt. Aus Umweltgesichtspunkten wird in Zukunft eine breitere
Anwendung von Kabeln und GIL für die Stromübertragung von AC- und DC-
Spannungen erwartet.
Es wird angenommen, dass die aktuelle Technologie der UHV DC-Über-
tragung es sogar ermöglichen würde, ein weltweit reichendes Supergrid zu
errichten, um regionale Netze zu verbinden (Abb. 1.3) (Gellings, 2015). Dies
ermöglicht den weltweiten Austausch von elektrischer Energie, hält das Gleich-
gewicht zwischen Angebot und Nachfrage aufrecht und sichert Netze gegen
elektronische und physische Angriffe. Geplante und sogar errichtete EHV/UHV-
regionale Netze, z. B. in China, Europa oder rund um das Mittelmeer, können
als erste Schritte zu einem Supergrid verstanden werden, das auch eine Heraus-
forderung für UHV-Tests sein würde!
Das grundlegende Prinzip der HV-Prüfung besagt, dass Prüfspannungen die
Beanspruchungen nachbilden sollen, die den charakteristischen Spannungen im
Betrieb entsprechen (IEC 60071-1). Als der elektrische Stromtransport begann,
waren nicht alle diese Spannungen bekannt. Darüber hinaus hängen Art und Höhe
der Spannungen von der Systemkonfiguration, den verwendeten Geräten, den
Umgebungsbedingungen und anderen Einflüssen ab. Die historische Entwicklung
der HV-Prüfung steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung und dem
Wissen über Stromnetze. Sie kann wie folgt charakterisiert werden:
4 1 Einführung

Abb. 1.2 Historie Höchste


der Anwendung von Spannung für
Isoliermaterialien Geräte

Konventionelle Isolierung:
Luft, Keramik, Öl, Papier

Druckgasisolierung
SF6

Feste Dielektrika,
XLPE, EP...

Abb. 1.3 Die Idee eines weltweit reichenden Supergrids

Die HV-Prüfung begann in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahr-


hunderts mit Wechselspannungsprüfungen von Netzfrequenz (50 oder 60 Hz)
(Spiegelberg 2003). Die Prüfspannungen wurden von Prüftransformatoren, später
auch von Transformatorkaskaden (Abb. 1.4a, siehe auch Abschn. 3.1) erzeugt.
Man ging davon aus, dass geeignete HVAC-Prüfungen alle möglichen HV-
Spannungen im Betrieb darstellen würden. Natürlich wurden HVDC-Geräte mit
1.1 Die Entwicklung der Elektroenergieübertragung und erforderliche … 5

Abb. 1.4 Historische Prüfspannungsgeneratoren a Die erste 1000 – kV-Transformator-


kaskade (Koch und Sterzel Dresden 1923) b 1000 kV-Gleichspannungsgenerator (Koch und
Sterzel Dresden 1936) c 2000 kV-LI-Spannungsgenerator (Koch und Sterzel Dresden 1929) d
7000 kV-LI/SI-Spannungsgenerator (TuR Dresden 1979)

Gleichspannungen getestet, die von Gleichspannungsgeneratoren (Abb. 1.4b, siehe


auch Abschn. 6.1) erzeugt wurden.
Aber unabhängig von den durchgeführten HVAC-Tests versagten Geräte in
Stromnetzen, z. B. als Folge von Blitzeinschlägen, die aüßere Überspannungen
verursachten. Diese Impulsüberspannungen werden durch Frontzeiten von
wenigen Mikrosekunden und Rückenhalbwertszeiten von mehreren bis zu hundert
6 1 Einführung

Mikrosekunden charakterisiert. Aufgrund dieses Wissens wurden in den 1930er


Jahren Tests mit Blitzimpuls (LI) Spannungen (Frontzeit ≈ 1…2 μs, Zeit zur Halb-
wertszeit ≈ 40…60 μs) eingeführt. Für LI-Spannungsprüfungen wurden geeignete
Generatoren entwickelt (Abb. 1.4c, siehe auch Abschn. 7.1).
30 Jahre später wurde festgestellt, dass innerne Überspannungen zu
niedrigeren Durchbruchspannungen von langen Isolierstrecken in der Luft führen
als LI- oder AC-Spannungsstress. Sie werden durch Schaltvorgänge im Strom-
system verursacht. Ihre Dauer liegt zwischen einigen hundert Mikrosekunden
und wenigen Millisekunden. Als Folge davon wurden in den 1960er Jahren die
Schaltimpuls (SI) Prüfspannungen eingeführt. SI Prüfspannungen können durch
die gleiche Art von Generatoren wie LI Prüfspannungen (aber mit größeren HV-
Elektroden für eine bessere Kontrolle des elektrischen Feldes, Abb. 1.4d, siehe
auch Abschn. 7.1) oder Prüftransformatoren erzeugt werden.
30 Jahre später wurde festgestellt, dass das Schalten von Trennern in gas-
isolierten Systemen (GIS) zu oszillierenden sehr steile (VFF) Überspannungen =
very fast front (VFF) overvoltages (VFF = „very fast front“, mehrere zehn
Nanosekunden) führt, die nicht nur die Isolierung des GIS selbst, sondern auch
angeschlossene Geräte beschädigen können. Während für GIS eine Prüfung
mit sehr steile (VFF) Prüfspannungen eingeführt wurde, wird er für andere
Komponenten des Stromsystems diskutiert (Abschn. 7.1.5).
Die erwähnten Überspannungen werden auf die Betriebsspannungen auf-
gesetzt. Die traditionelle HV-Prüfung von Komponenten des HVAC-Stromsystems
braucht die Betriebsspannung nicht berücksichtigen, nur in besonderen Fällen, z.
B. Trennschalter oder dreipolige GIS-Busbars, spielt die Superposition eine Rolle.
Daher wurden die „gemischtenSpannungen” von zwei Spannungskomponenten
eingeführt. Je nach Position der Prüflings in einer solchen Prüfung unterscheidet
man zwischen „kombinierte Prüfspannungen” für dreipolige Testobjekte (z. B.
Trennschalter) und „zusammengesetzte Prüfspannungen” für zweipolige Test-
objekte (z. B. verschmutzte Isolatoren), für Details siehe Kap. 8. Bei der HV-
Prüfung von Komponenten des HVDC-Stromsystems spielen zusammengesetzte
Prüfspannungen aufgrund der dort typischen Raumladungserzeugung eine sehr
wichtige Rolle.

1.2 Die Internationale Elektrotechnische Kommission


(IEC) und ihre Standards

Die Internationale Elektrotechnische Kommission („ International Electrotechnical


Committee“, IEC) ist die weltweite Organisation für internationale Normen auf
dem Gebiet der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Sie wurde
1906 gegründet und ihr erster Präsident war der berühmte Physiker Lord Kelvin.
Heute sind mehr als 60 nationale Komitees Mitglieder der IEC. In den ersten
Jahren bemühte sich die IEC, die unterschiedlichen nationalen Standards zu
1.2 Die Internationale Elektrotechnische … 7

v­ ereinheitlichen. Aber heute tragen immer mehr nationale Ausschüsse dazu bei,
bestehende IEC-Standards zu erhalten oder neue IEC-Standards zu etablieren,
die später als nationale und regionale Standards übernommen werden (z. B.
CENELEC-Standards der Europäischen Union). Dieses Buch bezieht sich haupt-
sächlich auf IEC-Standards und erwähnt auch relevante Standards der US-
Organisation „Instituteof Electrical and Electronic Engineers (IEEE)“, die in
einigen Teilen der Welt eine wichtige Rolle spielen. IEEE veröffentlicht auch
„IEEE Guides“, die die Rolle von fehlenden Lehrbüchern übernehmen können.
Die IEEE Guides enthalten nur Empfehlungen und keine Anforderungen wie
Standards. Die aktuelle Trend zeigt eine engere Zusammenarbeit zwischen IEC
und IEEE für die Harmonisierung von IEC- und IEEE-Standards.
Die Struktur der IEC (im Jahr 2014) ist in Abb. 1.5 dargestellt: Die nationalen
Ausschüsse entsenden Delegierte in den IEC-Rat, der das IEC-Parlament ist
und die Aktivitäten der IEC durch den IEC-Exekutivausschuss kontrolliert. Der
Exekutivausschuss wird von drei Verwaltungsausschüssen unterstützt, von denen
einer mit IEC-Standards zusammenhängt. Für die verschiedenen Bereiche der
IEC-Aktivitäten wird der Verwaltungsrat von Spezialgruppen unterstützt. Die
aktive Standardisierungsarbeit wird von Technischen (TC) und Subkommittee
(SC) durchgeführt. Jede TC oder SC ist für eine bestimmte Anzahl von Standards
eines speziellen Bereichs verantwortlich. Bestehende IEC-Standards werden von
Wartungsgruppen (MG) beobachtet; neue IEC-Standards werden von Arbeits-

Deutscher
Nationale Ausschüsse bei I EC NC
(DKE)
Entwürfe

IEC-Rat
Vorschläge, Mitglieder, Abstimmungen

IEC-Exekutivausschuss Zentral
Beirat der büro
Geschäftsführung

SMB MSB CAB


Verwaltungsausschuss Ausschuss für Konformitäts
für Normung Marktstrategie bewertungsausschuss

Ausschuss Technische
Strategische 94 Technische Ausschüsse (TC)
für den Beratungs
Gruppen
Industriesektor gruppen 80 Unterausschüsse (SC)

Abb. 1.5 Struktur der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC)


8 1 Einführung

gruppen (WG) auf der Grundlage von Vorschlägen nationaler Ausschüsse etabliert.
Jedes Nationalkommittee kann Mitglied oder Beobachter einer TC/SC sein (oder
die Aktivitäten bestimmter TCs und SCs nicht besuchen) und entsendet dann Mit-
glieder in die aktiven WGs.
Es gibt TCs, die IEC-Standards aufrechterhalten müssen, die für Übertragungs-
systeme und alle Arten von Apparaten wichtig sind. Beispiele für sogenannten
horizontal standards. sind die zur Isolationskoordination oder die für die HV-Prüf-
technik) Die zugehörigen TCs sind in der ersten Spalte der Tab. 1.1 aufgeführt.
IEC-Standards, die sich auf Apparate oder Ausrüstung (z. B. Tests an Trans-
formatoren, GIS oder Kabeln) beziehen, werden als „vertical“ (or apparatus)
standards. bezeichnet. Wenn ein vertikaler Standard entwickelt wird, sollten alle
relevanten horizontalen Standards berücksichtigt werden. Umgekehrt sollten
während der Entwicklung eines horizontalen Standards die Anforderungen ver-
schiedener Geräte bekannt sein. Die Zusammenarbeit zwischen horizontalen
TCs und vertikalen (Apparaten) TCs erfordert eine Verbesserung. Vertikale TCs
sollten besser zur Tätigkeit der horizontalen Ausschüsse beitragen und dann die
horizontalen Standards konsequent anwenden.
Dieses Buch steht in engem Zusammenhang mit den Aufgaben des TC 42
„High-voltage and high-current test techniques“. Es erläutert die wissenschaft-
lichen und technischen Grundlagen der TC 42-Standards, ersetzt sie jedoch nicht.
Vielmehr sollte es als Anwendungsleitfaden für die relevanten IEC-Standards ver-
standen werden und deren Anwendung fördern.

Tab. 1.1 Die technischen Kommitttees für horizontale und vertikale Normen

Vertikale Technische Kommittees TC / SC für Geräte und Ausrüstungen

Horizontale Rotierende Leistungs Schalter- Kabel Leistungs Kapa- Insu- Arres- Instrumenten-
Fachausschüsse Maschinen transfor Gear elektronik citoren latoren ters Trans-
für Systeme matoren für T & D formatoren
und grundlegende
Aufgaben
TC 2 TC 14 TC 17 TC 20 SC 22F TC 33 TC3 6 TC 37 TC38
TC 1
Terminologie
TC 8
System-Aspekte
TC 28
Koordinierung der Isolierung
TC 42
HV-Prüftechniken
TC 77
Electrom. Kompatibilität
TC 104
Umwelt. Bedingungen
TC 115
HVDC-Übertragung
TC 122
UHV AC Übertragung
1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen 9

1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch


HV-Prüfungen

Im Dienst wird eine elektrische Isolierung mit der Betriebsspannung (einschließ­


lich ihrer vorübergehenden Erhöhung, z. B. bei einem Lastabfall) und den oben
genannten Überspannungen belastet. Die Zuverlässigkeit eines Stromversorgungs-
systems muss unter allen möglichen Belastungen seiner Isolierungen gewährleistet
sein. Dies wird durch die Isolationskoordination und in den relevanten Gruppen
von IEC-Standards (IEC 60071) beschrieben.
Die Isolationskoordination ist die Korrelation der Stehspannung von ver-
schiedenen Apparaten in einem Stromsystem miteinander und mit den Eigen-
schaften von Schutzgeräte (Ableiter). Heute sind die Schutzgeräte (IEC 60099-4
2009) Metalloxidableiter (MOA), und teilweise noch konventionelle Silizium-
karbid-Arrester mit internen Lücken und Schutzluftlücken im Einsatz. Ein ideales
Schutzgerät leitet bei Volt stärker als der protection level Strom und ist unterhalb
dieser Spannung ein Isolator (ein MOA ist nahe an dieser Charakteristik). Bei
der Planung eines Stromsystems werden Schutzgeräte an empfindlichen Punkten
installiert, die den Schutzpegel garantieren und die Isolation vor übermäßigen
Überspannungen schützen.
Der Isolations-(prüf)-pegel des Apparats wird so gewählt, dass er – unter
Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte – um einen Sicherheits-
faktor über dem Schutzpegel liegt. Die Isolationsniveaus werden durch Werte der
relevanten Prüfspannungen definiert. Die Isolation unter Prüfung muss die Prüf-
spannung in einem bestimmten Verfahren aushalten. In der Regel ist das AC- oder
DC-Prüfspannungsverfahren eine 1-minütige Belastung (siehe Abschn. 3.6 und
6.5); ein Impuls-Spannungstest besteht aus einer Anzahl von Impulsen, die je nach
Art der Isolation definiert sind (siehe Abschn. 7.3.2). Tab. 1.2 und 1.3 liefern die
Prüfspannungen für Apparate von AC-Drehstromsystemen, abhängig von seiner
Isolationsspannung Vm (rms-Wert der Phasen-zu-Phasen-Spannung).
Für Geräte mit Vm = 3,6–245 kV deckt die AC-Spannungsprüfung auch das
Isoliervermögen gegenüber internen (Schalt-) Überspannungen ab, während keine
SI-Impulsspannungsprüfung – vorgesehen ist. Für Geräte mit Vm = 300–1200 kV
umfasst die Schaltimpulsprüfung für Luftisolierungen auch den AC-Spannungs-
test; für interne Isolierungen sind die AC-Testspannungen in den relevanten
Gerätestandards angegeben.
Für die gleiche Nennspannung können je nach erforderlicher Zuverlässigkeit,
Sicherheit und/oder Wirtschaftlichkeit unterschiedliche Schutzniveaus angewendet
werden. Das Beispiel in Tab. 1.4 zeigt dies für die Nennspannung Vm = 420 kV:
Die drei Hauptlinien stellen drei unterschiedliche Schutzniveaus dar, und jede
Linie ist in zwei Linien unterteilt, die für äußere (Luft-) bzw. innere Isolierungen
geeignet sind. Die AC-Prüfspannungen beziehen sich nur auf die interne
Isolierung und sind in den relevanten Apparatustandards angegeben.
10 1 Einführung

Tab. 1.2 Prüfspannungspegel für HVAC-Anlagen Vm = 3,6–245 kV (IEC 60071-2: 2006)


Höchste Spannung für Geräte Kurzzeitige AC-Prüfspannung LI-Prüfspannung Vt kV
Vm kV (rms, phase-to-phase) Vt kV (peak/√2, phase-to-earth) (peak value)
3.6 10 20
10 40
7.2 20 40
20 60
12 28 60
28 75
28 95
24 50 95
50 125
50 145
36 70 145
70 170
72.5 140 325
123 (185) (450)
230 550
145 (185) (450)
230 550
275 650
170 (230) (550)
275 650
325 750
245 (275) (650)
(325) (750)
360 850
395 950
460 1050

Erklärung
In der Regel werden die Leiter (Phase)-Erde-Prüfspannungen auch auf Leiter-Leiter (Phasen-zu-
Phasen)-Isolierung angewendet. Wenn die in Klammern angegebenen Werte zu niedrig sind, sind
zusätzliche Leiter- Leiter-Prüfspannungen anzuwenden.

Ein Diagramm der Prüfspannungswerte gegenüber den Nennspannungen


(Abb. 1.6) zeigt, dass die SI-Prüfspannung (Scheitelwert) identisch mit der AC-
Test-Scheitelspannung ist (Tab. 1.2, 1.3 und 1.4 zeigen AC-RMS-Werte!). Die
abgeschnittenen LI-Testspannungen (LIC) sind 10% höher als die vollen LI-
Testspannungen. Das Diagramm kann bei der Auswahl der für ein HV-Prüffeld
erforderlichen HV-Systeme hilfreich sein (siehe Abschn. 9.1).
Beispiel: Für ein Transformatorprüffeld ist die Wahl der Nennspannung eines
Stoßspannungsprüfsystems (gleich der kumulierten Ladespannung des Generators, siehe
7.1.1) darzustellen. Ausgehend von der höchsten Prüfspannung (LIC in Abb. 1.6) ist zu
1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen 11

Tab. 1.3 Prüfspannungspegel für HVAC-Geräte Vm = 300–1200 kV (IEC 60071-2: 2006), (IEC
60071-2-Änderung 2010)
Höchste Spannung für SI-Prüfspannung kV (Spitzenwert) LI-PrüfspannungcVt
Geräte Vm kV (rms, kV (Scheitelwert)
Längsisolierunga Phasen-zu-Erdung- Phasen-zu-Phasen-
Phasen-zu-Phasen)
Isolierung Isolierungb
300 750 750 1125 850
750 750 1125 950
750 850 1275 950
750 850 1175 1050
362 850 850 1275 950
850 850 1275 1050
850 950 1425 1050
850 950 1425 1175
420 850 850 1360 1050
850 850 1360 1175
950 950 1425 1175
950 950 1425 1300
950 1050 1575 1300
950 1050 1575 1425
550 950 950 1615 1175
950 950 1615 1300
950 1050 1680 1300
950 1050 1680 1425
950 1175 1763 1425
1050 1175 1763 1550
800 1175 1300 2210 1675
1175 1300 2210 1800
1175 1425 2423 1800
1175 1425 2423 1950
1175 1550 2480 1950
1300 1550 2480 2100
1200 1425 1550 2635 2100
1425 1550 2635 2250
1550 1675 2764 2250
1550 1675 2764 2400
1675 1800 2880 2400
1675 1800 2880 2550
Erklärungen
aUnter Längsisolierung versteht man die Isolierung zwischen verschiedenen Teilen des Netzes, die z. B. durch

Trennschalter realisiert und mit kombinierten Spannungen geprüft wird (siehe Abschn.8.1) In der Spalte wird
nur der Wert der SI-Spannungskomponente der betreffenden kombinierten Spannungsprüfung angegeben. Der
Scheitelwert der Wechselspannungskomponente mit entgegengesetzter Polarität ist (Vm·√2/√3)
bDies ist der Scheitelwert der kombinierten Spannung bei der entsprechenden kombinierten SI/AC-

Spannungsprüfung
cDiese Werte gelten sowohl für die Isolierung Phase-Erde als auch Phase-Phase. Für die Längsisolierung

gelten sie als die Standard-Nenn-LI-Komponente der entsprechenden kombinierten Spannungsprüfung,


während der Spitzenwert der Wechselstromkomponente entgegengesetzter Polarität 0,7-(Vm·√2/√33)
Note Jedes Gerät hat eine Nennspannung (z. B. Vn = 380 oder 400 kV), aber die Isolierung ist für die Iso-
lationskoordination entsprechend der höchsten Spannung einer Gruppe von Nennspannungen ausgelegt. Diese
Spannung wird oft auch als Nennspannung bezeichnet (IEC 60038-2009). Für die genannten Nennspannungen
wird die Isolierung entsprechend dieser Nennspannung ausgelegt und muss geprüft z. B. gemäß Vm = 420 kV
12 1 Einführung

Tab. 1.4 Vereinfachtes Beispiel zur Auswahl der Spannungsfestigkeit für drei Schutzniveaus

Höchste AC-Test SI-Test LI-Test LIC-Prüfung Anwendung auf


Spannung (nur Isolierung
für Geräte Transformatoren)
Vm

850 kV 1050 kV 1175 kV Außenisolierung


(atmosphärische Luft)

(630kV) 1175 kV 1300 kV Interne Isolierung


(SF6, Öl, Feststoffe)

950 kV 1175 kV 1300 kV Externe Isolierung


420 kV
(680 kV) 1300 kV 1425 kV Innere Isolierung

1050 kV 1300 kV 1425 kV Außenisolierung

(680 kV) 1425 kV 1570 kV Innenisolierung

Hinweis Beachten Sie, dass die meisten AC-Prüfspannungen zwischen Phase und Erde angelegt
werden. Die Referenz dafür ist die line-to-ground voltageV0 =Vm/√3 bzw. deren Spitzenspannung
Vp = √2 V0

berücksichtigen, dass der Ausnutzungsgrad bei großen Prüfobjekten bis auf η = 0,85
zurückgeht. Außerdem kann für interne Entwicklungsprüfungen eine Prüfspannung
erforderlich sein, die 20 % über der LIC-Stehspannung liegt. Das bedeutet, dass die Nenn-
spannung des Stoßspannungsprüfsystems um den Faktor k = 1,2/0,85 ≈ 1,4 höher sein
sollte als die höchste LIC-Prüfspannung. Dies bedeutet, für die Nennspannung Vm= 800
kV, ist ein 3000 kV-Impulsprüfsystem ausreichend. Ist eine spätere Erweiterung der Prüf-
möglichkeiten auf 1200 kV-Anlagen geplant, sollte ein 4000 kV-Prüfsystem in Betracht
gezogen werden. Die Auswahl von Impulsprüfsystemen gemäß Abb. 1.5 wird empfohlen.

Für HVDC-Verbindungen gibt es keine Vorzugsliste der Prüfspannungen, da


die Nennspannungen und -ströme der vorhandenen Punkt-zu-Punkt-HVDC-
Verbindungen gemäß den verfügbaren Leistungselektronikkomponenten optimiert
werden (man kann davon ausgehen, dass Vorzugs-Prüfspannungen wie bei AC
eingeführt werden, wenn HVDC-Netze (CENELEC 2010) realisiert werden).
Die relevante Norm zur Isolationskoordination (IEC 60071-5: 2002) liefert keine
Prüfspannungen, sondern nur Formeln, mit denen die Berechnung von Prüf-
spannungsbereichen aus den Nennspannungen der HVDC-Verbindung mög-
lich ist (Abb. 1.7). Für HVDC-Geräte ist der Unterschied zwischen LI- und
SI-Prüfspannungen geringer als bei HVAC-Geräten. Unter Berücksichtigung
der geringeren Effizienz der SI-Spannungserzeugung (η ≤ 0,75) sollte die Aus-
wahl von Impuls-Spannungsprüfsystemen die erforderlichen SI-Prüfspannungen
berücksichtigen.
1.3 Die Isolationskoordination und ihr Nachweis durch HV-Prüfungen 13

IEC-Normen verfügbar UHV-Diskussion


Prüfspannung / kV
4000
4000
Impulsprüfsystem
Spannung
3500

3000
3000 LIC
LI
2500
2200

2000 SI
AC (Schei-
1500 telwert)
1500
AC(rms)
1000

800
500

0
0 250 500 750 1000 1250
rated Nennspannung
voltage of equipment [kV]
der Ausrüstung / kV

Abb. 1.6 Höchste Prüfspannungen für HLK-Geräte und Auswahl von Impulsspannungsprüf-
systemen

Prüfspannung / kV

LI
SI

DC

ACrms

Nennspannung der Ausrüstung / kV

Abb. 1.7 Spannungsfestigkeitsbereiche für HVDC-Geräte


14 1 Einführung

1.4 Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von


Hochspannungsgeräten

Die Prinzipien der Isolationskoordination werden nur auf neue Geräte angewendet
und in Fabriktests überprüft. Dazu gehören Typprüfung und Stückprüfung. Beide
Tests sind Qualitäts-(sicherungs)-prüfungen der Isolation; eine erfolgreiche
Typprüfung demonstriert die korrekte Konstruktion gemäß den Prüfspannungen
(Tab. 1.2 und 1.3), und eine erfolgreiche Stückprüfung überprüft die fertigungs-
gerechte Herstellung gemäß der bestätigten Konstruktion. Die beiden Tests sind nicht
die einzigen Tests im Lebenszyklus der Isolationen von Stromgeräten (Abb. 1.8).
Entwicklungstests an Modellisolierungen werden oft durchgeführt, bevor die
Isolierung endgültig entworfen wird. Wenn Typ- und Stückprüfungen erfolg-
reich durchgeführt wurden, werden größere Hochspannunggeräte zerlegt an ihren
künftigen Standort transportiert und dort zusammengebaut. Es kann vorkommen,
dass Fehler in der Isolierung durch den Transport und das Zusammenbauen ver-
ursacht werden. Auch einige große Geräte (z. B. Transformatoren) können nicht
als komplette Einheiten transportiert werden. Die endgültige Montage erfolgt nicht
in der Fabrik, sondern vor Ort. Daher müssen zusätzliche Qualitätssicherungstest
zur Abnahme oder sogar der Routine-Test vor Ort mit mobilen Hochspannungs-
testsystemen durchgeführt werden. Diese Vor-Ort-Prüfungen sollen in Relation zu
den Fabriktests (Abb. 1.8) durchgeführt werden.

Universitäten, HV-Ausbildung &


Training,
Forschungsinstitute HV-Forschung,
Entwicklungstests

Benutzer: Hersteller:
Ende des Dienstes, Berechnung,
Diagnostik Konstruktion, Qualitäts
endgültige Daten,
Tests Bewertung Typprüfung abnahme
prüfungen

Lebenszyklusbilanz
Reparatur, der
Ausrüstung Produktion,
erneute Prüfung
Routineprüfungen
(vor Ort)

Warnung durch Transport, Montage,


Überwachung, Inbetriebnahme
AC und Prüfung AC
Offline-Tests
VLF Service, vor Ort LI
DAC Überwachung, SI
Wartung

Abb. 1.8 Tests und Messungen im Lebenszyklus der Hochspannungsisolierung


1.4 Prüfungen und Messungen im Lebenszyklus von Hochspannungsgeräten 15

Nachdem die korrekte Qualität in einer erfolgreichen Vor-Ort-Prüfung


bestätigt wurde, übernimmt der Nutzer die volle Verantwortung für das Gerät
und alle weiteren (diagnostischen) Prüfungen und Messungen. Es wird in Betrieb
genommen und muss unter elektrischen, thermischen, mechanischen und/oder
Umwelteinflüssen betrieben werden. Diese Einflüsse verursachen einen Alterungs-
prozess der Isolierung, bis – nach Jahrzehnten – der Endpunkt des Lebenszyklus
erreicht ist. In der Vergangenheit wurde die Dauer des Lebenszyklus geschätzt und
das Ende des Gebrauchs vom Nutzer – unabhängig von dem tatsächlichen Zustand
der Ausrüstung – definiert. Um die Lebenszykluskosten zu reduzieren, wurden
Prüfungen und Messungen eingeführt, um die Isolierung einer Zustandsbewertung
zu unterziehen und die verbleibende Lebensdauer zu schätzen (Zhang et al.,
2007; Olearczyk et al., 2010; Balzer et al., 2004). Im Gegensatz zu den Quali-
tätsprüfungen werden diese Prüfungen für die Zustandsbewertung als Diagnose-
prüfung bezeichnet. Es gibt keine Standards für Diagnoseprüfungen, sondern nur
Empfehlungen von Organisationen (wie CIGRE oder IEEE) sowie technische
Richtlinien von Serviceanbietern oder von Ausrüstungslieferanten.
Sowohl Qualitäts- als auch Diagnoseprüfungen erfordern in der Regel
Spannungsanwendung und Messungen (mindestens eine Spannungsmessung, aber
sehr oft eine Teilentladung oder eine dielektrische Messung). Eine Stehspannungs-
prüfung ist ein direkter Test, der direkt mit der Isolationsfähigkeit des Testobjekts
in Zusammenhang steht. Eine gesunde Isolierung, die den Test besteht, hat eine
hohe Stehspannung. Eine defekte Isolierung hat eine zu niedrige Stehspannung
und scheitert am Test (Das ist viel besser, als wenn das Gerät im Betrieb ver-
sagt!). Es muss berücksichtigt werden, dass eine Spannungsbelastung die Lebens-
dauer beeinflussen kann. Eine Isolierung sollte so entworfen werden, dass der
Lebensdauerverbrauch einer gesunden Isolierung während einer Stehspannungs-
prüfung vernachlässigbar ist, während eine defekte Isolierung versagt. Wenn
eine Stehspannungsprüfung durch eine parallele Teilentladungs- (PD) -Messung
(siehe Abschn. 2.5) ergänzt wird, kann kontrolliert werden, ob ein solcher „PD-
überwachterDauertest“ Isolationsfehler verursacht oder vergrößert hat.
Wenn eine Diagnoseprüfung aufgrund von Messungen eines einzelnen Para-
meters oder einer Gruppe von Parametern (vorzugsweise von Teilentladungen)
entschieden wird, muss das Prüfergebnis mit vorgegebenen Grenzwerten ver-
glichen werden. Diese Grenzwerte sollten aufgrund von Erfahrung oder eines
physikalischen Modells mit der verbleibenden Lebensdauer in Beziehung gesetzt
werden. Die Schärfe eines solchen indirekten Tests ist geringer als die einer
„PD-monitored“ Stehspannungsprüfung. Manchmal wird veröffentlicht, dass
Stehspannungsprüfungen „zerstörerisch“ und diagnostische Messungen „nicht zer-
störerisch“ seien. Disqualifizierende Begriffe eignen sich nicht, um die Qualität
und Schärfe einer Hochspannungsprüfung zu beschreiben.
Im Betrieb durchgeführte diagnostische Messungen werden als on-line
monitoring (CIGRE TF D1.02.08 2005) (Überwachung bezieht sich nicht nur auf
die dielektrische Messung, sondern auch auf die Überwachung von Spannung,
Strom, thermischen oder mechanischen Parametern) bezeichnet. Die automatische
16 1 Einführung

Überwachung löst eine Warnung aus, wenn der gemessene Parameter einen vor-
gegebenen Grenzwert überschreitet.
Dies führt zurück zu Abb. 1.8: Im Betrieb liefern die online überwachten Daten
die Datentrends, beschreiben damit die Situation und liefern möglicherweise Daten
für die Wartung. Bei einer Warnung des Überwachungssystems muss der Grund
für den Fehler geklärt werden. Oft sind die überwachten Daten nicht ausreichend
für eine Klärung. In diesem Fall ist eine detailliertere Untersuchung erforderlich, z.
B. durch eine (off-line) vor Ort durchgeführte Prüfung mit geeigneten Messungen.
Diese Prüfung mit einer separaten Quelle ermöglicht eine Stehspannungsprüfung
(mit einem Prüfwert, der dem Alter der Isolation gut angepasst ist) und die
Messung der Parameter abhängig von der angelegten Spannung (anstelle von nur
einer festen Spannung bei der Überwachung). Nachdem der Zustand der Isolation
geklärt ist, kann es sich als erforderlich erweisen, die Ausrüstung im Werk oder
vor Ort zu reparieren. Dann erscheinen ein oder mehrere Schleifen im Schema von
Abb.1.8, und man muss zurück zur Vor-Ort-Prüfung um den Betrieb wieder auf-
zunehmen. Am Ende des Lebenszyklus wird die Ausrüstung demontiert und dies
kann auch Daten für die zukünftige Entwicklung liefern.
Die Daten aller Prüfungen und Messungen während des Lebenszyklus
müssen im – vorzugsweise elektronischen – Lebenszyklusprotokoll der Aus-
rüstung aufgezeichnet werden. Das Lebenszyklusprotokoll ist das wichtigste
Dokument der Ausrüstung, das die Trends der gemessenen Parameter liefert
und qualifizierte Entscheidungen ermöglicht. Da alle Lebenszyklusphasen mit-
einander verbunden sind, muss betont werden, dass Qualitäts- und Diagnose-
prüfungen einen gemeinsamen physikalischen Hintergrund haben. Dies wird oft
vergessen, wenn Qualitäts -und Diagnoseprüfungen getrennt betrachtet werden.
Die einzige Referenz für alle Hochspannungs-Qualitätsprüfungen vor Ort an
neuer Ausrüstung sind die Fertigungstests mit standardisierten Prüfspannungen
der Isolationskoordination. Dies kann auch bedeuten, dass die Prüfspannungen
für die Diagnostik von alternder Ausrüstung in engem Zusammenhang mit den
Betriebspannungen stehen sollten.
Kapitel 2
Grundlagen der
Hochspannungsprüftechnik

Zusammenfassung Hochspannungs-(HV)-Prüfungen nutzen die Phänomene


in elektrischen Isolierungen unter dem Einfluss des elektrischen Feldes zur
Definition von Prüfverfahren und Annahmekriterien. Die Phänomene – z. B.
Durchbruch, Teilentladungen, Leitfähigkeit, Polarisation und dielektrische Ver-
luste – hängen von dem Isoliermaterial, dem durch die Prüfspannungen erzeugten
elektrischen Feld und der Formgebung der Elektroden sowie von Umgebungsein-
flüssen ab. Unter Berücksichtigung solcher Phänomene beschreibt dieses Kapitel
die gemeinsamen Grundlagen der HV-Prüftechniken, unabhängig von der Art der
beanspruchenden Prüfspannung. Alle Details in Bezug auf die verschiedenen Prüf-
spannungen werden in den entsprechenden Kap. 3–8 berücksichtigt.

2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld

In diesem Abschnitt werden Definitionen von Phänomenen in elektrischen


Isolierungen eingeführt. Die Isolierungen werden für den Zweck der Hoch-
spannungsprüfung (HV) klassifiziert. Darüber hinaus werden Umwelteinflüsse auf
die externe Isolierung und deren Behandlung bei HV-Prüfungen erläutert.

2.1.1 Prinzipien und Definitionen

Wenn eine elektrische Isolierung im elektrischen Feld beansprucht wird, ver-


ursacht die Ionisation elektrische Entladungen, die von einer Elektrode mit hohem
Potential zu einer mit niedrigem Potential oder umgekehrt wachsen können.
Dies kann zu einem hohen Stromanstieg führen, d. h. das Dielektrikum ver-
liert seine Isoliereigenschaft und damit seine Funktion, verschiedene Potentiale
in einem elektrischen Gerät oder einer Ausrüstung zu trennen. Für den Zweck

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 17


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_2
18 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

dieses Buches soll dieses Phänomen als „Durchschlag“ in Bezug auf die
Beanspruchungsspannung bezeichnet werden:
Definition: Der Durchschlag ist das Versagen der Isolierung unter elektrischer
Beanspruchung, bei dem die Entladung die zu prüfende Isolierung vollständig
überbrückt und die Spannung zwischen den Elektroden praktisch auf Null
reduziert (Spannungseinbruch).
Anmerkung In der IEC 60060-1 (2010) wird dieses Phänomen als „Zerstörende Ent-
ladung“ bezeichnet. Es gibt auch andere Begriffe, wie „Überschlag“ wenn der Durch-
schlag entlang der Oberfläche eines festen Dielektrikums in einem gasförmigen oder
flüssigen Dielektrikum erfolgt. „Durchschlag“ dient als Oberbegriff für alle Dielektrika.
„Funkenüberschlag“(=spark over) ist in der deutschen Fachliteratur nicht üblich. wenn
es in gasförmigen oder flüssigen Dielektrika auftritt.

In homogenen und schwach inhomogenen Feldern tritt ein Durchschlag auf, wenn
eine kritische Stärke des Beanspruchungsfeldes erreicht ist. In stark inhomogenen
Feldern verursacht eine lokale Spannungskonzentration eine lokalisierte elektrische
Teilentladung (PD) ohne Überbrückung der gesamten Isolierung und ohne Zusam­
menbruch der Beanspruchungsspannung.
Definition: Eine Teilentladung (PD) ist eine lokale elektrische Entladung,
die die Isolierung zwischen den Elektroden nur teilweise überbrückt, siehe dazu
Kap. 4.
Abb. 1.2 zeigt die Anwendung einiger wichtiger Isoliermaterialien. Bis heute
wird atmosphärische Luft als das wichtigste Dielektrikum der äußeren Isolierung
von Übertragungsleitungen und Ausrüstungen von Freiluftschaltanlagen ein-
gesetzt.
Definition: äußere Isolierung bedeutet Luftisolierung einschließlich der
äußeren Oberflächen der festen Isolierung von Geräten, die dem elektrischen Feld,
atmosphärischen Bedingungen (Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit) und
anderen Umwelteinflüssen (Regen, Schnee, Eis, Verschmutzung, Feuer, Strahlung,
Ungeziefer) ausgesetzt sind.
Äußere Isolierung erholt sich in den meisten Fällen nach einem Durchbruch
und wird dann als selbst-regenerierende Isolierung bezeichnet. Im Gegensatz
dazu ist die interne oder innere Isolierung von Geräten und Ausrüstungen – wie
Transformatoren, gasisolierten Schaltanlagen (GIS), rotierenden Maschinen oder
Kabeln – stärker von Entladungen betroffen, oft sogar zerstört, wenn ein Durch-
bruch durch eine HV-Belastung verursacht wird.
Definition: Die innere Isolierung aus festen, flüssigen oder gasförmigen
Komponenten ist vor direkten Einflüssen von äußeren Bedingungen wie Ver-
schmutzung, Feuchtigkeit und Ungeziefer geschützt.
Feste und flüssig- oder gasgetränkte laminierte Isolationselemente sind
nicht-selbstregenerierende Isolierung. Einige Isolationen sind teilweise selbst-
regenerierende Isolierung selbst-wiederherstellend, insbesondere wenn sie z. B.
aus gasförmigen und festen Elementen bestehen. Ein Beispiel ist die Isolation eines
GIS, das SF6-Gas und und isolierende, feste Abstandshalter verwendet. Im Falle
eines Durchschlags in einem öl- oder SF6-gasgefüllten Behälter geht das Isolations-
verhalten nicht vollständig verloren und erholt sich teilweise. Nach einer größeren
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld 19

Anzahl von Durchschlägen haben teilweise selbst-regenerierende Isolierungen eine


deutlich reduzierte Durchschlagspannung und sind nicht mehr zuverlässig.
Das Isoliervermögen hat weitere Folgen für die HV-Prüfung: Während bei der
HV-Prüfung von der äußeren Isolation die atmosphärischen und Umgebungs-
einflüsse berücksichtigt werden müssen, erfordert die innere Isolierung keine
speziellen Prüfbedingungen. Im Falle von selbst-regenerierende Isolierungen
können Durchschläge während der HV-Tests auftreten. Für teilweise selbst-wieder-
herstellende Isolierungen wäre ein Durchschlag nur im selbst-regenerierenden Teil
der Isolierung akzeptabel. Im Falle von nicht-selbst-regenerierender Isolierung
kann während eines HV-Tests kein Durchschlag akzeptiert werden. Weitere Einzel-
heiten finden Sie in Abschn. 2.4 und den entsprechenden Unterabschnitten in den
Kap. 3 und 6–8.
Die Prüfverfahren sollten die Genauigkeit und die Reproduzierbarkeit der Prüf-
ergebnisse unter den tatsächlichen Bedingungen des HV-Tests gewährleisten. Die
verschiedenen Prüfverfahren, die für externe und interne Isolationen erforder-
lich sind, sollten vergleichbare Prüfergebnisse liefern. Dies erfordert die Berück-
sichtigung verschiedener Faktoren wie
• zufällige Natur des Durchschlagprozesses und der Prüfergebnisse,
• Polaritätsabhängigkeit der geprüften oder gemessenen Eigenschaften,
• Akklimatisierung des Prüfobjekts an die Prüfbedingungen,
• Simulation der Betriebsbedingungen während des Tests,
• Korrektur von Unterschieden zwischen Standard-, Prüf- und Betriebs-
bedingungen und
• mögliche Verschlechterung des Prüfobjekts durch wiederholte Spannungs-
anwendungen.

2.1.2 HV-Trockenprüfungen äußerer Isolierungen


einschließlich atmosphärischer Korrekturfaktoren

HV-Trockentests müssen für alle äußeren Isolierungen angewendet werden. Die


Anordnung des Prüfobjekts kann das Durchschlagverhalten und damit das Prüf-
ergebnis beeinflussen. Das elektrische Feld am Prüfobjekt wird durch Näherungs-
effekte wie Abstände zu Boden, Wänden oder Decke des Prüfraums sowie zu
anderen geerdeten oder unter Spannung stehenden Strukturen in der Nähe beein-
flusst. Als Faustregel sollte der Abstand zu allen externen Strukturen nicht weniger
als 1,5-mal die Länge des möglichen Entladungswegs entlang des Prüfobjekts
betragen. Für maximale AC- und SI-Prüfspannungen über 750 kV (Scheitelwert)
sind in Abb. 2.1 (IEC 60060-1:2010) Empfehlungen für die Mindestabstände zu
externen geerdeten oder unter Spannung stehenden Strukturen gegeben. Wenn die
erforderlichen Abstände berücksichtigt werden, wird das Prüfobjekt nicht von den
umgebenden Strukturen beeinflusst.
20 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Abb. 2.1 Empfohlene Abstand


Abstände zwischen
16
Prüfobjekt und fremden unter
Spannung stehenden oder m
geerdeten Strukturen
12

0 400 800 1200 1600 kV 2000


Scheitelwert der Prüfspannung Vp

Atmosphärische Bedingungen können auf der Erde in weiten Bereichen


variieren. Dennoch müssen Hochspannungs-Übertragungsleitungen und Geräte
mit externen Isolierungen nahezu überall funktionieren. Dies bedeutet einer-
seits, dass die atmosphärischen Betriebsbedingungen für Hochspannungsgeräte
festgelegt werden müssen (und für diese Bedingungen getestet werden müssen)
und andererseits die Prüfspannungswerte für die Isolationskoordination (IEC
60071:2010) in Bezug auf eine Standard-Referenzatmosphäre festgelegt werden
müssen:
• Temperatur t0= 20 °C (293 K)
• Absoluter Luftdruck p0 = 1013 hPa (1013 mbar)
• Absolute Luftfeuchtigkeit h0 = 11 g/m3

Hinweis. Es sei darauf hingewiesen, dass für die Korrektur der atmosphärischen
Bedingungen auf Referenzbedingungen in verschiedenen IEC-Normen für Hoch-
spannungsgeräte unterschiedliche Verfahren vorgeschlagen werden. Es ist eine zukünftige
Aufgabe, die verschiedenen Verfahren zu harmonisieren. Dieses Buch folgt der IEC
60060-1: 2010.

Die Temperatur soll mit einer erweiterten Unsicherheit t ≤ 1 °C, der


Umgebungsdruck mit p ≤ 2 hPa gemessen werden. Die absolute Luftfeuchtigkeit
h/g/m3 kann direkt mit sogenannten belüfteten Trocken- und Nassthermometern
gemessen oder aus der relativen Luftfeuchtigkeit R und der Temperatur t/°Cnach
der Formel (IEC 60060-1:2010) bestimmt werden:
17,6·t
6,11 · R · e 273+t
h= (2.1)
0,4615 · (273 + t)
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld 21

Wenn Hochspannungsgeräte für eine bestimmte Höhe entsprechend den druck-


korrigierten Prüfspannungen ausgelegt werden sollen, ist die Beziehung zwischen
Höhe H/m und Luftdruck p/hPa gegeben durch
−H
p = 1013 · e 8150 (2.2)

Eine Prüfspannungskorrektur für den Luftdruck auf Basis dieser Formel kann für
Höhen bis zu 2500 m empfohlen werden. Weitere Details finden Sie bei Pigini
et al. (1985), Ramirez et al. (1987) und Sun et al. (2009). Die Temperatur t und der
Druck p bestimmen die Luftdichte δ, die den Durchbruchprozess direkt beeinflusst:
p 273 + t0
δ= · . (2.3)
p0 273 + t
Die Luftdichte liefert zusammen mit dem Luftdichtekorrektur-Exponenten m
(Tab. 2.1) den Luftdichtekorrekturfaktor
k1 = δ m . (2.4)
Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst den Durchschlagprozess insbesondere, wenn er
durch Teilentladungen bestimmt wird. Diese werden von der Art der Prüfspannung
beeinflusst. Daher müssen für verschiedene Prüfspannungen unterschiedliche
Feuchtigkeitskorrekturfaktoren k2 angewendet werden, die mit dem Parameter k
und dem Feuchtigkeitskorrekturexponenten w berechnet werden
k2 = k w , (2.5)
mit
k = 1 + 0 : 014(h/δ − 11) − 0,00022(h/δ − 11)2 f ür 1 g m3 < h/δ, < 15 g m3 ,
 
DC :
 3 
AC : k = 1 + 0 : 012(h/δ − 11) f ür 1 g m < h/δ, < 15 g m3 ,
  3  3
LI SI : k = 1 + 0 : 014(h/δ − 11) f ür 1 g m < h/δ, < 20 g m .

Die Korrektur-Exponenten m und w beschreiben die Charakteristik möglicher Teil-


entladungen und werden unter Verwendung eines Parameters g berechnet
V50
g= , (2.6)
500 · L · δ · k

Tab. 2.1 Luftdichte- und g m w


Feuchtigkeitskorrektur-
<0.2 0 0
Exponenten m und wgemäß
IEC 60060-1:2010 0.2–1.0 g(g − 0.2)/0.8 g(g − 0.2)/0.8
1.0–1.2 1.0 1.0
1.2–2.0 1.0 (2.2 − g)(2.0 − g)/0.8
>2.0 1.0 0
22 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

mit

V50 Gemessene oder geschätzte 50 % Durchbruchspannung bei den tatsächlichen


atmosphärischen Bedingungen, in kV (Spitze),
L Minimale Entladungsstrecke, in m,
δ Relative Luftdichte und
k Dimensionsloser Parameter, definiert mit Formel (2.5).

Anmerkung 1: Für Stehspannungsprüfungen kann angenommen werden, dass


V50 ≈ 1.1 · Vt(Prüfspannung). Dann liefern Tab. 2.1 oder Abb. 2.2 die Exponenten m und
w abhängig vom Parameter g (Gl. 2.6).
Anmerkung 2: Beachten Sie die Einschränkungen der Anwendbarkeit der Gl. (2.1)–
(2.6), insbesondere für die Höhe (Gl. (2.2)) und für die Luftfeuchtigkeit (Gl. (2.5)).

Abb. 2.2 Korrektur- (a)


Exponenten nach IEC 60060- Exponent m
1:2010. a m für Luftdichte. b
w für Luftfeuchtigkeit 1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0


Parameter g
(b)
Exponent w
1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0


Parameter g
2.1 Externe und interne Isolierungen … 23

Gemäß IEC 60060-1:2010 soll der atmosphärische Korrekturfaktor


Kt = k1 · k2 , (2.7)
verwendet werden, um eine gemessene Durchbruchspannung V auf einen Wert
unter Standard-Referenzatmosphäre zu korrigieren
V0 = V /Kt . (2.8)
Umgekehrt kann, wenn eine Prüfspannung V0 für die Standard-Referenz-
atmosphäre angegeben ist, der tatsächliche Prüfspannungswert durch das
umgekehrte Verfahren berechnet werden:
V = Kt · V0 . (2.9)
Da das umgekehrte Verfahren die Durchschlagspannung V50 (Gl. 2.6) verwendet,
ist die Anwendbarkeit von Gl. (2.9) auf Werte von Kt nahe Eins beschränkt, für
Kt < 0,95 wird empfohlen, ein iteratives Verfahren anzuwenden, das in Anhang E
der IEC 60060-1:2010 ausführlich beschrieben ist.
Es ist zu erwähnen, dass die gegenwärtigen Verfahren zur atmosphärischen
Korrektur weit davon entfernt sind, perfekt zu sein (CIGRE WG D1.36/Ent-
wurf 2017; Wu et al. 2009): Die Feuchtigkeitskorrektur ist nur auf Luftstrecken
beschränkt und nicht auf Überschläge direkt entlang isolierender Oberflächen in
Luft anwendbar. Der Grund dafür ist die unterschiedliche Wasseraufnahme durch
verschiedene Oberflächenmaterialien. Weiterhin wird auf die Einschränkungen
der Anwendung der Feuchtigkeitskorrektur auf h/δ ≤ 15 g/m3(für AC- und DC-
Prüfspannungen) bzw. h/δ ≤ 20 g/m3 (für LI- und SI-Prüfspannungen) hin-
gewiesen. Das bedeutet, dass das Verfahren für tropische Länder unvollständig ist.
Die Klärung der Feuchtigkeitskorrektur für Oberflächen sowie die Erweiterung
ihrer Bereiche erfordert weitere Forschungsarbeiten (Mikropoulos et al. 2008;
Lazarides und Mikropoulos 2010, 2011). Im Allgemeinen ist die atmosphärische
Korrektur für Höhen über 2500 m noch nicht in der Norm beschrieben (Ortega
et al. 2007; Jiang et al. 2008; Jiang et al. 2008). Dennoch ist auch die verfügbare
Korrektur auf und von Referenzatmosphärenbedingungen wichtig bei der Hoch-
spannungsprüfung von externer Isolation, wie es zwei vereinfachte Beispiele
zeigen sollen:
Beispiel 1 In einem Entwicklungstest wurde die 50 % LI-Durchschlagspannung eines luft-
isolierten Trennschalters [Durchschlag (Überschlag) Pfad L = 1 m, nicht an der Isolator-
oberfläche] auf V50 = 580 kV bei einer Temperatur von t = 30 °C, einem Luftdruck von p
= 980 hPa und einer Luftfeuchtigkeit von h = 12 g/m3ermittelt. Der Wert unter Referenz-
atmosphärenbedingungen soll berechnet werden:

Luftdichte δ =(995/1013) · (293/303) = 0.95


Parameter k = 1 +0.010 · ((12/0.95) − 11) = 1.02
Parameter g =580/(500 · 1 · 0.95 · 1.02) = 1.20
Tab. 2.1: liefertden Luftdichtekorrektur- m = 1.0
Exponenten
24 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Und den Feuchtigkeitskorrektur-Exponenten w = (2.2 − 1.2) (2.0 −1.2)/0.8


= 1.0
Mit dem Dichtekorrekturfaktor k1= 0.95
Und dem Feuchtigkeitskorrekturfaktor k2= 1.02
Erhält man den atmosphärischen Korrektur- Kt= 0.95 · 1.02 = 0.97
faktor
Unter Referenzbedingungen beträgt die 50 % V0−50= 580/0.97 = 598 kV
Durchbruchspannung

Beispiel 2 Derselbe Trennschalter soll mit einer LI-Referenz-Spannung von V0= 550 kV
in einem HV-Laboratorium in größerer Höhe unter den Bedingungen t = 15 °C, p =
950 hPa und h = 10 g/m3geprüft werden. Welche Prüfspannung muss angelegt werden?

Luftdichte δ = (950/1013) (293/288)= 0.954


Parameter k = 1 + 0.010 ((10/0.95)− 11) = 0.995
Parameter g = 598/(500 · 1 · 0.95 ·0.995) = 1.265
Tab. 2.1: liefertden Korrekturfaktor für die m = 1.0
Luftdichte
Und den Korrekturfaktor für die Luft- w = (2.2 − 1.265)(2.0 −1.265)/0.8 = 0.86
feuchtigkeit
Mit dem Korrekturfaktor für die Dichte k1= 0.954
Und dem Korrekturfaktor für die Luft- k2= 0.9950.86 = 0.996
feuchtigkeit
Man erhält den atmosphärischen Kt= 0.954 · 0.996 = 0.95
Korrekturfaktor
Unter den tatsächlichen Laborbedingungen V = 550· 0.95 = 523 kV
beträgt diePrüfspannung

Die beiden Beispiele zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Ausgangs- und
den resultierenden Werten erheblich sind. Die Anwendung von atmosphärischen
Korrekturen ist für HV-Prüfungen der äußeren Isolierung unerlässlich.

2.1.3 HV-künstliche Regenprüfungen an äußerer


Isolierung

Äußere oder externe Isolierungen (insbesondere Freiluftisolatoren) sind natür-


lichem Regen ausgesetzt. Der Einfluss von Regen auf die Überschlagseigen-
schaften wird in künstlichen Regen-Prüfungen simuliert (Abb. 2.3). Das im
Folgenden beschriebene künstliche Regenverfahren ist für Prüfungen mit AC-,
DC- und SI-Spannungen anwendbar, während die Anordnung des Prüfobjekts in
den entsprechenden Gerätenormen beschrieben ist. Der Einfluss von Regen auf
den LI-Spannungsüberschlag kann vernachlässigt werden.
Das Prüfobjekt wird mit Wassertropfen bestimmter Leitfähigkeit und
Temperatur besprüht (Tab. 2.2). Der Regen soll unter einem Winkel von etwa
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld 25

Abb. 2.3 Künstlicher


eine Reihe von Düsen
Regentest an einem
800 kV-Stützisolator.
Mit freundlicher
GenehmigungHSP Köln

Tab. 2.2 Bedingungen für künstliche Regenpräzipitation


Niederschlagsbedingung Einheit IEC 60060-1:2010 Vorgeschlagener Bereich
Bereich für Geräte mit für UHV-Geräte Vmgt;
Vm≤ 800 kV 800 kV
Durchschnittliche Niederschlagsrate aller Messungen:
• Vertikale Komponente (mm/min) 1,0–2,0 1,0–3,0
• Horizontale (mm/min) 1,0–2,0 1,0–3,0
Komponente
Grenzwerte für jede (mm/min) ±0,5 vom Durchschnitt 1,0–3,0
einzelne Messung und für
jede Komponente
Wassertemperatur (°C) Umgebungstemperatur Umgebungstemperatur
± 15 K ± 15 K
Leitfähigkeit des Wassers (μS/cm) 100 ± 15 100 ± 15
26 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

45° auf das Prüfobjekt fallen, das bedeutet, dass die horizontalen und vertikalen
Komponenten der Niederschlagsrate identisch sein sollen. Die Niederschlags-
rate wird mit einem speziellen Auffanggefäß mit einer horizontalen und einer
vertikalen Öffnung gleicher Fläche zwischen 100 und 700 cm2gemessen. Der
Regen wird von einer künstlichen Regenanlage erzeugt, die aus Düsen besteht, die
an Rahmen befestigt sind. Es können alle Arten von Düsen verwendet werden, die
die entsprechenden Regenbedingungen (Tab. 2.2) erzeugen.
Hinweis 1 Beispiele für anwendbare Düsen sind in der alten Version von IEC 60-1:1989-
11 (Abb. 2, S. 113–115) sowie in IEEE Std. 4–1995 zu finden.

Die Niederschlagsrate wird durch den Wasserdruck gesteuert und muss so ein-
gestellt werden, dass nur Wassertropfen erzeugt werden und die Erzeugung von
Wasserstrahlen oder Nebel vermieden wird. Dies wird mit zunehmender Größe der
Prüfobjekte, die größere Abstände zwischen Prüfobjekt und künstlicher Regen-
anlage erfordern, immer schwieriger. Daher beziehen sich die Anforderungen der
IEC 60060-1:2010 nur auf Geräte mit Bemessungsspannungen von Vm = 800 kV,
Tab. 2.2 enthält einen aktuellen Vorschlag für den UHV-Bereich.
Die Reproduzierbarkeit von Nassprüfergebnissen (Regenüberschlagspannung)
ist geringer als bei trockenen HV-Überschlagprüfungen. Die folgenden Vorsichts­
maßnahmen ermöglichen akzeptable Ergebnisse der Regenprüfungen:
• Die Wassertemperatur und -leitfähigkeit sollen an einer Wasserprobe gemessen
werden, die der Regenfront unmittelbar vor Erreichen des Prüfobjekts ent-
nommen wird.
• Das Prüfobjekt soll zunächst mindestens 15 Minuten lang unter den in Tab. 2.2
angegebenen Bedingungen vorgenässt werden, und diese Bedingungen sollen
während des gesamten Tests innerhalb der angegebenen Toleranzen bleiben.
Die Wasserprobe soll ohne Unterbrechung der Beregnung durchgeführt werden
sollte.

Hinweis 2 Die Vorberegnungszeit beinhaltet nicht die Zeit, die für die Einstellung
der Beregnung benötigt wird. Es ist auch möglich, eine erste Vorberegnung mit
unbehandeltem Leitungswasser für 15 Minuten durchzuführen, gefolgt von einer zweiten
Vorberegnung mit dem gut konditionierten Prüfwasser für mindestens 2 Minuten ohne
Unterbrechung des Sprühstrahls, bevor der Test beginnt.

• Das Prüfobjekt soll in mehrere Zonen unterteilt werden, in denen die Nieder-
schlagsrate durch ein Sammelgefäß gemessen wird, das nahe am Prüfobjekt
platziert und langsam über eine ausreichende Fläche bewegt wird, um die
gemessene Niederschlagsrate zu mitteln.
• Einzelne Messungen sollen in allen Messzonen durchgeführt werden, wobei
auch eine Messung oben und eine nahe dem unteren Ende des Prüfobjekts
berücksichtigt werden soll. Eine Messzone soll eine Breite haben, die der Breite
des Prüfobjekts (bzw. seiner benetzten Teile) entspricht, und eine maximale
Höhe von 1–2 m. Die Anzahl der Messzonen soll die gesamte Höhe des Prüf-
objekts abdecken.
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld 27

• Die Streuung der Ergebnisse kann verringert werden, wenn das Prüfobjekt mit
einem oberflächenaktiven Reinigungsmittel gereinigt wird, das vor Beginn der
Befeuchtung entfernt werden muss.
• Die Streuung der Ergebnisse kann auch durch lokale anomale (hohe oder
niedrige) Niederschlagsraten beeinflusst werden. Es wird empfohlen, diese
durch lokale Messungen zu erfassen und die Gleichmäßigkeit der Regenfront zu
verbessern, falls erforderlich.
Der Prüfspannungszyklus für eine künstlichen Regenprüfung soll dem einer
Trockenprüfung entsprechen. Für spezielle Anwendungen sind unterschiedliche
Zyklen von den zuständigen Geräteausschüssen festgelegt. Ein Dichtekorrekturfaktor
gemäß Abschn. 2.1.2, jedoch keine Feuchtigkeitskorrektur, soll angewendet werden.
Hinweis 3 Die IEC 60060-1:2010 erlaubt einen Überschlag bei AC- und DC-Nasstests,
sofern bei einer wiederholten Prüfung kein weiterer Überschlag auftritt.
Hinweis 4 Im UHV-Prüfspannungsbereich kann es erforderlich sein, das elektrische
Feld (z. B. durch toroidale Elektroden) zur künstlichen Regenausrüstung und/oder zu
umgebenden geerdeten oder unter Spannung stehenden Objekten, einschließlich Wänden
und Decke, zu steuern, um einen Durchschlag zu vermeiden. Auch künstliche Regen-
anlagen mit einem von der Erde abweichenden Potential sollten in Betracht gezogen
werden. Unter extremen, insbesondere tropischen Bedingungen kann die Niederschlags-
rate höher sein als in Tab. 2.2 angegeben. Selbst Wasserstrahlen können nicht aus-
geschlossen werden. Für solche Bedingungen können spezielle Tests erforderlich sein,
wie z. B. von Yuan et al. (2015) beschrieben. Darüber hinaus verringert sich die Über-
schlagsspannung mit zunehmender Niederschlagsrate und mit zunehmender Wasserleit-
fähigkeit (CIGRE WG D1.36, 2017). Auch HVDC-Isolierungen erfordern bei künstlichen
Regenprüfungen besondere Überlegungen (Zhang et al. 2016).

2.1.4 HV-künstliche Verschmutzungsprüfungen an
äußerer Isolierung

Freiluftisolatoren sind nicht nur Regen ausgesetzt, sondern auch der Ver-
schmutzung durch Salznebel in Küstennähe, durch Industrie und Verkehr oder
einfach durch natürlichen Staub. Abhängig von der Position einer Übertragungs-
leitung oder eines Umspannwerks wird die Umgebung in mehrere verschiedene
Verschmutzungsklassen zwischen niedrig (Oberflächenleitfähigkeit κs ≤ 10 μS)
und extrem (κs ≥ 50 μS) (Mosch et al. 1988) eingeteilt. Die Schwere der Ver-
schmutzungsklasse kann auch durch die äquivalente Salinität (SES in kg/m3)
charakterisiert werden, wobei die Salinität [Salzgehalt (in kg) in Leitungswasser
(in m3)] bei einem Salznebeltest nach IEC 60507 (1991) vergleichbare Werte des
Leckstroms auf einem Isolator wie bei natürlicher Verschmutzung vor Ort bei
gleicher Spannung erzeugt(Pigini 2010).
Abhängig von der Verschmutzungsklasse wird der künstliche Verschmutzungs-
test mit unterschiedlichen Verschmutzungsintensitäten durchgeführt, da die Test-
bedingungen repräsentativ für nasse Verschmutzung im Betrieb sein sollen. Das
bedeutet nicht zwangsläufig, dass reale Betriebsbedingungen simuliert werden
28 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

müssen. Im Folgenden wird die Durchführung typischer Verschmutzungstests


beschrieben, ohne die Darstellung der Verschmutzungszonen zu berücksichtigen.
Der Verschmutzungsüberschlag ist mit recht hohen Vorlichtbogenströmen ver-
bunden, die über die nasse und verschmutzte Oberfläche vom notwendigen
leistungsstarken HV-Generator (HVG) geliefert werden. In einer wegweisenden
Arbeit betrachtete Obenaus (1958) ein Durchschlagmodell einer Reihenschaltung
des Vorlichtbogenentladung mit einem Widerstand für die verschmutzte Ober-
fläche. Bis heute ist das Obenaus-Modell die Grundlage für die Auswahl von
Verschmutzungsprüfverfahren und das Verständnis der Anforderungen an HVAC-
Prüfanlagen (Slama et al. 2010; Zhang et al. 2010). Diese Anforderungen an
HV-Testkreise werden in den entsprechenden Kap. 3 und 6–8 berücksichtigt.
Verschmutzungsprüfungen von Isolatoren für große Höhen müssen nicht nur die
Verschmutzungsklasse, sondern auch die atmosphärischen Bedingungen berück-
sichtigen (Jiang et al. 2009).
Das Testobjekt (Keramikisolator) muss durch Waschen mit Leitungswasser
gereinigt werden, bevor der Salznebel-Verschmutzungsprozess beginnen kann.
Typischerweise wird die Verschmutzungsprüfung mit anschließender Prüf-
spannungsbeanspruchung durchgeführt, die für eine Prüfzeit von mehreren
Minuten konstant gehalten wird. In dieser Zeit treten sehr starke Teilentladungen,
sogenannte Vorlichtbögen, auf (Abb. 2.4). Es kann passieren, dass die nasse und
verschmutzte Oberfläche trocknet (Das bedeutet elektrisches Durchhalten des
geprüften Isolators und Bestehen der Prüfung.) oder dass die Vorlichtbogen zu
einem vollständigen Durchschlag verlängert werden (Das bedeutet Nichtbestehen
der Prüfung.). Aufgrund des zufälligen Prozesses des Verschmutzungsdurch-
schlags kann eine bemerkenswerte Streuung der Prüfergebnisse erwartet werden.
Daher muss die Prüfung mehrmals wiederholt werden, um Durchschnittswerte
mit ausreichender Sicherheit zu erhalten oder Verteilungsfunktionen abzuschätzen
(siehe Abschn. 2.4). Zwei Verschmutzungsverfahren sollen beschrieben werden.
Das Salznebelverfahren verwendet einen Nebel aus einer Salz (NaCl)-Lösung
in Leitungswasser mit definierten Konzentrationen zwischen 2,5 und 20 kg/m3
abhängig von der Verschmutzungszone. Eine Sprüh einrichtung erzeugt mittels
paariger Düsen eine - von der Größe des Prüfobjekts abhängige - Anzahl von
Nebelstrahlen. Eine Düse liefert etwa 0,5 l/min der Salzlösung, die zweite die für
den Nebel nötige Druckluft mit einem Druck von etwa 700 kPa, die den Nebel-
strahl auf das Prüfobjekt lenkt. Die Sprühausrüstung enthält normalerweise
zwei Reihen der beschriebenen Doppeldüsen. Das Prüfobjekt wird vor dem Test
benetzt. Der Test beginnt mit der Anwendung des Nebels und dem Prüfspannungs-
wert, der so schnell wie möglich erreicht, aber nicht überschritten werden sollte.
Der gesamte Test kann bis zu 1 Stunde dauern.
Das Fremschichtmethode basiert auf der Beschichtung des Prüfobjekts mit
einer leitfähigen Suspension aus Kieselgur oder Kaolin oder Tonoko in Wasser
(≈ 40 g/l). Die Leitfähigkeit der Suspension wird durch Salz (NaCl) eingestellt.
Die Beschichtung des Prüfobjekts erfolgt durch Eintauchen, Sprühen oder
Fließbeschichten. Anschließend wird es getrocknet und sollte im thermischen
Gleichgewicht mit den Umgebungsbedingungen in der Verschmutzungskammer
2.1 Äußere und innere Isolierungen im elektrischen Feld 29

Der Vorlichtbogen erscheint


am Stiel des Isolators
(Ort der höchsten
Stromdichte)

Der Vorlichtbogen verlängert


und überbrückt den
Abstand zwischen zwei
Schuppen.

Die weitere Ausdehnung


des Vorlichtbogens führt zur
Überbrückung von zwei
Schuppen.

Die weitere Ausdehnung


und Kombination von
Vorlichtbögen führt zum
Überschlag des Isolators
(Endlichtbogen).

Abb. 2.4 Phasen eines Verschmutzungsdurchschlags eines Isolators. Mit freundlicher


Genehmigung von FH Zittau, Deutschland

stehen. Schließlich wird das Prüfobjekt durch eine Dampfnebelanlage (Dampf-


temperatur ≤ 40 °C) benetzt. Der Oberflächenzustand wird durch die Oberflächen
Leitfähigkeit (μS) beschrieben: Anhand des Stroms zwischen zwei Sonden auf
der Oberfläche (IEC 60-1:1989, Anhang B.3) oder durch die äquivalente Menge
an Salz pro Quadratzentimeter der isolierenden Oberfläche [sogenannte Salz-
ablagerungsdichte (S.D.D.) in mg/cm2]. Die Prüfung kann mit Spannungs-
anwendung beginnen, bevor das Prüfobjekt benetzt ist, oder nach dem Benetzen,
wenn die Leitfähigkeit ihr Maximum erreicht hat. Einzelheiten hängen vom Ziel
der Prüfung ab, siehe IEC 60507:1991.
Beide beschriebenen Verfahren können mit unterschiedlichem Ziel der Ver-
schmutzungsprüfung durchgeführt werden:
• Bestimmung der Überschlagspannung für einen bestimmten Isolator mit fest-
gelegtem Verschmutzungsgrad und einer festgelegten Prüfzeit,
• Bestimmung des maximalen Verschmutzungsgrades für einen bestimmten Iso-
lator bei einer festgelegten Prüfspannung und festgelegter Testzeit.
30 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Verbundisolatoren haben – neben vielen mechanischen Vorteilen – den Vorteil der


Hydrophobie ihrer Oberfläche (Baer et al. 2016). Daher haben sie ihre Überlegen-
heit gegenüber keramischen Isolatoren für HVAC- und HVDC-Anwendungen
bewiesen (Yang et al. 2012; Abbasi et al. 2014), benötigen jedoch zusätzliche
Tests (IEC 62217, 2012).
Verschmutzungstests erfordern separate Verschmutzungskammern, normaler-
weise mit Durchführungen für die Verbindung des außerhalb stehenden Prüf-
spannungsgenerators. Aufgrund des Salznebels und der Feuchtigkeit befindet sich
das HV-Testsystem selbst außerhalb der Kammer unter sauberen Bedingungen.
Im Inneren einer Salznebelkammer sollten die Abstände um das Prüfobjekt
herum ≥0,5 m/100 kV betragen, jedoch nicht weniger als 2 m. Wenn keine Ver-
schmutzungskammer vorhanden ist, können auch Zelte aus Kunststofffolie ver-
wendet werden, um den Verschmutzungsbereich von den anderen Bereichen eines
HV-Labors zu trennen.

2.1.5 Hinweise zu weiteren Umweltprüfungen

Es gibt auch andere Umwelt-HV-Prüfungen, z. B. unter Eis oder Schnee. Sie


werden unter natürlichen Bedingungen in geeigneten Freiluft-HV-Laboratorien
oder in speziellen Klimakammern durchgeführt (Sklenicka et al. 1999; Farzaneh
und Chisholm 2014; Hu et al. 2016; Yin et al. 2016; Taheri et al. 2014). Andere
Umwelteinflüsse, die in HV- Prüfungen simuliert werden, sind UV-Licht
(Kindersberger 1997), Sandstürme (Fan und Li 2008) und Feuer unter Über-
tragungsleitungen (Peng et al. 2016). Die HV-Testverfahren für Geräte und Aus-
rüstungen sind in den entsprechenden „vertikalen“ Normen beschrieben, Beispiele
finden sich in den Kapiteln der verschiedenen Prüfspannungen.

2.1.6 HV-Prüfungen an inneren Isolierung

In einem HV-Prüffeld sind die HV-Komponenten von Testsystemen normalerweise


mit einer externen Innenisolierung ausgelegt. Wenn die interne Isolierung geprüft
werden soll, muss die Prüfspannung an den inneren Teil des zu prüfenden Geräts
angeschlossen werden. Dies geschieht normalerweise durch Durchführungen, die
eine äußere Isolierung haben. Aus Gründen der Isolationskoordination oder der
atmosphärischen Korrekturen können Fälle auftreten, bei denen das HV-Durch-
schlagfestigkeitsniveau der internen Isolierung höher ist als das der externen
Isolierung (Durchführung). Dann muss das Durchschlagfestigkeitsniveau der
Durchführung erhöht werden, um die Anwendung der erforderlichen Prüf-
spannungen für die interne Isolierung zu ermöglichen. Normalerweise werden
spezielle „Prüfdurchführungen“ mit höherer Durchschlagspannung verwendet,
die die „Betriebsdurchführungen“ während der Prüfung ersetzen. Eine weitere
2.2 HV-Prüfsysteme und ihre Komponenten 31

Möglichkeit besteht darin, die äußere Luftisolierung während der Prüfung in


Flüssigkeiten oder komprimierten Gasen (z. B. SF6) "einzutauchen".
In seltenen Fällen, wenn das Prüfspannungsniveau der externen Isolierung
höher ist als das der internen Isolierung, kann ein Test am gesamten Gerät nur
durchgeführt werden, wenn die innere Isolierung entsprechend den Durchschlag-
niveaus der äußeren Isolierung ausgelegt ist. Wenn dies nicht möglich ist, sollte
das Gerät auf dem inneren Prüfspannungsniveau geprüft werden, und die äußere
Isolierung sollte separat mit einem Dummy geprüft werden.
Die innere Isolierung wird durch die Umgebungstemperatur des Prüffeldes
beeinflusst, normalerweise jedoch nicht durch Druck oder Luftfeuchtigkeit der
Umgebungsluft. Daher ist die einzige Anforderung das Temperaturgleichgewicht
des Prüfobjekts mit seiner Umgebung, wenn der HV-Test beginnt.

2.2 HV-Prüfsysteme und ihre Komponenten

Dieser Abschnitt liefert eine allgemeine Beschreibung von HV-Prüfsystemen und


ihren Komponenten, die aus dem HV-Generator, der Stromversorgungseinheit,
dem HV-Spannungsmesssystem, dem Steuersystem und möglicherweise zusätz-
licher Messausrüstung, z. B. für PD- oder dielektrische Messungen, bestehen. In
allen Fällen kann das Prüfobjekt nicht vernachlässigt werden, da es ein Teil des
HV-Prüfkreises ist.
Ein HV-Prüfsystem bezeichnet die vollständige Zusammenstellung von Geräten
und Vorrichtungen, die für die Durchführung einer HV- Prüfung erforderlich sind.
Es besteht aus den folgenden Geräten (Abb. 2.5).
Der HV Generator (HVG)wandelt die zugeführte Niederspannung oder Mittel-
spannung in die hohe Prüfspannung um. Die Art des Generators bestimmt die Art
der Prüfspannung. Für die Erzeugung hoher Wechselprüfspannungen (HVAC)
ist der HVG ein Prüftransformator (Abb. 2.6a). Es könnte auch ein Resonanz-
reaktor sein, der ein kapazitives Prüfobjekt (TO) benötigt, um einen schwingenden
Prüfkreis für die HVAC-Erzeugung herzustellen (siehe Abschn. 3.1). Für die
Erzeugung hoher Gleichprüfspannungen (HVDC) ist der HVG eine spezielle
Schaltung aus Gleichrichtern und Kondensatoren (z. B. ein Greinacher- oder
Cockroft-Walton-Generator, Abb. 2.6b, siehe Abschn. 6.1), und für die Erzeugung
hoher Blitz- oder Schaltimpulsspannungen (LI, SI) ist es eine spezielle Schaltung
aus Kondensatoren, Widerständen und Kugelfunkenstrecken (z. B. ein Marx-
Generator, Abb. 2.6c, siehe Abschn. 7.1).
Das Prüfobjekt spielt nicht nur für die HVAC-Erzeugung durch Resonanz-
schaltungen eine Rolle, es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem Generator
und dem Prüfobjekt in allen HV-Prüfschaltungen. Die Spannung am Prüfobjekt
kann aufgrund eines Spannungsabfalls an der HV-Leitung zwischen Generator
und Prüfobjekt oder sogar einer Spannungserhöhung aufgrund von Resonanz-
effekten von der am Generator abweichen. Das bedeutet, dass die Spannung
direkt am Prüfobjekt und nicht am Generator gemessen werden muss (Abb. 2.5).
32 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Hochspannungskreis
Koppel
Stromversor- Generator Prüfling Spannungsteiler kondensator
gung
Stellglied

Internet; LAN Computersteuerung Digitalrekorder PD-Instrument

Kontroll- und Messsystem

Abb. 2.5 Prinzipschaltung eines HV-Prüfsystems

Abb. 2.6 HV-Generatoren. a Für AC-Prüfspannung 1000 kV an der Technischen Universität


Cottbus. b Für DC-Prüfspannung 1500 kV bei HSP Köln. c Für LI/SI-Prüfspannungen 2400 kV
an der Technischen Universität Dresden
2.2 HV-Prüfsysteme und ihre Komponenten 33

Für diese Spannungsmessung ist ein Teilsystem – üblicherweise als HV-Mess-


system bezeichnet – mit dem Prüfobjekt verbunden (Abb. 2.7a, siehe Abschn. 2.3).
Weitere Teilsysteme, z. B. für dielektrische Messungen, können hinzugefügt
werden. Bis zu wenigen 10 kV können solche Systeme als kompakte Einheiten
einschließlich Spannungsquelle ausgelegt werden (Abb. 2.7b). Sehr oft werden

(a) (b)
HV-Teiler
Computer

Steuereinheit

HV-
Anschlusskabel

HV-
Resonanzprüfstand

LV-Instrument

(c)

Kabelabschluss
im Test

HV-Prüftransformator

Kupplung Spannungsteiler
Kondensator (Druckgaskondensator)

Impedanz
messung

computergestütztes
Kalibrator PD-Messsystem

Abb. 2.7 Messsysteme. a Spannungsmesssystem mit Digitalrekorder einschließlich Impuls-


generator. b Kompaktes Kapazitäts-/Verlustfaktor-Messsystem mit integrierter AC-Spannungs-
quelle (Mit freundlicher Genehmigung von Doble-Lemke). c Teilentladungsmesssystem
einschließlich AC-Spannungsprüfschaltung. Mit freundlicher Genehmigung von Doble-Lemke
34 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

PD-Messungen während eines HVAC-Tests durchgeführt. Dafür ist ein PD-


Messsystem mit dem AC-Prüfsystem verbunden (Abb. 2.7c). Alle diese Systeme
bestehen aus einer HV-Komponente (z. B. Spannungsteiler, Koppel- oder
Standardkondensator), Messkabel für die Datenübertragung und einem Nieder-
spannungsinstrument (z. B. Digitalrekorder, Scheitelwertmessgerät, PD-Mess-
gerät, Tan-Delta-Brücke).
Alle Komponenten eines HV-Prüfsystems und das oben beschriebene Prüf-
objekt bilden den HV-Stromkreis. Dieser Stromkreis sollte eine möglichst geringe
Impedanz aufweisen. Das bedeutet, er sollte so kompakt wie möglich sein. Alle
Verbindungen, die HV-Leitungen und die Erdungsverbindungen sollten gerade,
kurz und mit geringer Induktivität sein, z. B. durch Kupferfolie (Breite 10–25 cm,
Dicke abhängig vom Strom). In HV-Stromkreisen, die auch für PD-Messungen
verwendet werden, sollte die HV-Leitung durch PD-freie Rohre mit einem Durch-
messer realisiert werden, der der maximalen Prüfspannung entspricht. Jede
Schleife in der Erdungsverbindung muss vermieden werden.
Die für die HV-Prüfungen erforderliche Leistung wird aus dem Stromnetz
geliefert – im Falle von Vor-Ort-Prüfungen auch aus einem Dieselgenerator – über
die Stromversorgungseinheit (Abb. 2.5). Diese Einheit besteht aus einem oder
mehreren Schaltschränken und einer Regelungseinheit (Regeltransformator oder
Motor-Generator-Set oder Thyristorregler oder Frequenzumrichter). Sie steuert
die Leistung entsprechend den Signalen des Steuerungssystems so, dass die Prüf-
spannung am Prüfobjekt wie für die HV-Prüfung erforderlich eingestellt wird.
Aus Sicherheitsgründen sollte der Schaltschrank zwei Leistungsschalter in Reihe
haben; der erste schaltet die Verbindungen zwischen Netz und Stromversorgungs-
einheit (Netzschalter), der zweite die Verbindung zwischen Stromversorgungs-
einheit und Generator (Betriebsschalter). Zur Reduzierung der erforderlichen
Leistung aus dem Netz bei HVAC-Prüfungen an kapazitiven Prüfobjekten wird
die Stromversorgungseinheit häufig durch einen festen oder sogar einstellbaren
Kompensationsreaktor ergänzt.
Wenn der Generator das Herz des HV-Prüfsystems ist, dann ist das Steuerungs-
und Messsystem (Abb. 2.8; Baronick 2003) – sein Gehirn. Ältere Steuerungen
waren von den Messsystemen getrennt, und die Einstellung der Prüfspannung
wurde manuell vom Bediener vorgenommen (Das Gehirn war das des Bedieners).
Als nächster Schritt wurden programmierbare Logiksteuerungen eingeführt. Heut-
zutage ist ein hochmodernes Steuerungssystem eine Computersteuerung, die die
Vorwahl des Prüfablaufs mit allen Prüfspannungswerten ermöglicht, die Befehle
an die Stromversorgungseinheit gibt, die Daten von den Messsystemen über-
nimmt, die Prüfdatenauswertung durchführt und einen Prüfbericht druckt. Auf
diese Weise kann ein Bediener sehr komplexe Prüfprozesse überwachen. Die
Prüfdaten können auf ein lokales Computernetzwerk (LAN) übertragen werden,
z. B. zur Kombination mit Prüfdaten aus anderen Labors oder sogar zu externen
Interesseneten über das Internet. Letzteres kann auch bei technischen Problemen
für Fernwartung verwendet werden.
Ein HV-Prüfsystem ist erst vollständig, wenn es an ein Sicherheitssystem
angeschlossen ist, das die Bediener und die Teilnehmer einer HV-Prüfung schützt.
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 35

INTERNET

Schaltschrank

Router
Benutzer-LAN

separates Router
Management
Testsystem

Dienstleistungszentrum

IPC für Kontrolle


PLC und
PD V optischer
Profibus Messung

optisches Ethernet (System-LAN)

Abb. 2.8 Computer -Steuerungs- und Messsystem

Unter anderem umfasst das Sicherheitssystem einen Zaun um den Prüfbereich, der
mit der elektrischen Sicherheitsschleife kombiniert ist. Der Test kann nur durch-
geführt werden, wenn die Schleife geschlossen ist. Weitere Einzelheiten finden Sie
in Abschn. 9.2.

2.3 HV-Messung und Abschätzung der Messunsicherheit

Dieser Abschnitt bezieht sich auf die Spannungsmessung und beschreibt HV-
Messsystemes, deren Kalibrierung und die Abschätzung ihrer Messunsicher-
heiten. Die präzise Messung hoher Prüfspannungen gilt seit vielen Jahren als
schwierige Aufgabe (Jouaire et al. 1978; „Les Renardieres Group“ 1974). Diese
Situation spiegelt sich auch in den älteren Ausgaben der einschlägigen Norm IEC
60060-2 wider. Für eine gute Praxis in HV-Prüffeldern ist dieser Abschn. 2.3 über
HV-Messung und Unsicherheitsschätzung eng mit der Norm IEC 60060-2:2010
verknüpft. Eine detaillierte Beschreibung der Grundlagen und des Standes der HV-
Impulsmesstechnik findet sich bei Schon (2010, 2013).
Die Begriffe Unsicherheit, Fehler und Toleranz werden oft vermischt. Daher
erscheint die folgende Klarstellung notwendig: Die Unsicherheit ist ein Para-
meter, der mit dem Ergebnis einer Messung verbunden ist. Sie charakterisiert
die Streuung der Ergebnisse aufgrund der Eigenschaften des Messsystems. Der
Fehler ist die gemessene Größe minus einem Referenzwert für diese Größe und
die Toleranz ist die zulässige Differenz zwischen dem gemessenen und dem
vorgegebenen Wert. Toleranzen spielen eine Rolle bei standardisierten HV-
Prüfverfahren (Abschn.3.6, 6.5 und 7.6). Unsicherheiten sind wichtig für die Ent-
scheidung, ob ein Messsystem für Abnahmetests geeignet ist oder nicht.
36 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

2.3.1 HV-Messsysteme und ihre Komponenten

Definition: Ein HV-Messsystem (MS) ist ein „vollständiger Satz von Geräten,
der für die Durchführung einer HV-Messung geeignet ist“. Die Software zur
Berechnung des Messergebnisses ist Teil des Messsystems (IEC 60060-2:2010).
Ein HV-Messsystem (Abb. 2.9), das direkt an das Prüfobjekt angeschlossen
werden soll, besteht in der Regel aus den folgenden Komponenten
• Ein Messumformer, einschließlich seiner HV- und Erdverbindung zum Prüf-
objekt, das die zu messende Messgröße (Prüfspannung mit ihren Spannungs-
und/oder Zeitparametern) in eine mit dem Messgerät kompatible Größe
(Niederspannungs- oder Stromsignal) umwandelt. Es handelt sich sehr oft
um einen Spannungsteiler eines Typs, der von der zu messenden Spannung
abhängt (Abb. 2.10). Für spezielle Anwendungen können auch ein Spannungs-
wandler, eine spannungsumsetzende Impedanz (die einen messbaren Strom
trägt) oder eine elektrische Feldsonde (die Amplituden- und Zeitparameter eines
elektrischen Feldes umwandelt) verwendet werden. Die Abstände zwischen dem
Messumformer und benachbarten geerdeten oder unter Spannung stehenden
Strukturen können das Ergebnis der Messung beeinflussen. Solche Näherungs-
effekte müssen bei der Unsicherheitsschätzung berücksichtigt werden (siehe
Abschn. 2.3.4). Um den Beitrag des Näherungseffekts zur Messunsicherheit
gering zu halten, sollten die Abstände von beweglichen Messumformern denen

Abb. 2.9 HV-Messsystem


bestehend aus
Spannungsteiler,
Koaxialkabel und
PC-basiertem Digitalrekorder
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 37

hochresistiv niederohmig kapazitiver Teiler gedämpft kapazitiv Universal-Teiler für


Teiler für DC Trennwand für LI für AC und SI Teiler für LI,SI,(AC) alle Spannungen

Abb. 2.10 Arten und Anwendungen von Spannungsteilern

des Prüfobjekts entsprechen (siehe Abschn. 2.1.2 und Abb. 2.1). Wenn der
Messumformer immer in einer festen Position ist und das Messsystem vor Ort
kalibriert wird, kann der Näheeffekt vernachlässigt werden.
• Ein Übertragungs System, das die Ausgangsklemmen des Umsetzungsgeräts
mit den Eingangsklemmen des Messgeräts verbindet. Es handelt sich sehr oft
um ein Koaxialkabel mit seiner abschließenden Impedanz, kann aber auch eine
optische Verbindung sein, die einen Sender, ein optisches Kabel und einen
Empfänger mit Verstärker umfasst. Für spezielle Anwendungen sind auch
Kabelverbindungen mit Verstärkern und/oder Dämpfungsgliedern im Einsatz.
• Ein Mess Instrument, das geeignet ist, die erforderlichen Prüfspannungspara-
meter aus dem Ausgangssignal des Übertragungssystems zu messen. Mess-
geräte für HV-Anwendungen sind in der Regel spezielle Geräte, die den
Anforderungen der IEC-Normen 61083 entsprechen (Teil 1 und 2 für LI/SI-
Prüfspannungen wurden veröffentlicht, Teil 3 und 4 für AC/DC-Spannungen
sind in Vorbereitung). Die herkömmlichen analogen Scheitelwertspannungs-
messer werden durch digitale Scheitelwertwertspannungsmesser und
zunehmend durch digitale Recorder ersetzt (Abb. 2.11). Digitale Recorder
messen sowohl Prüfspannung als auch Zeitparameter. Dies ist für LI/SI-Prüf-
spannungen zwingend erforderlich, aber zunehmend auch für AC/DC-Prüf-
spannungen in Bezug auf zeitliche Änderungen durch Spannungsabfall (siehe
Abschn. 3.2.1 und 6.2.3.2), Oberschwingungen (AC, siehe Abschn. 3.2.1) oder
Rippel (DC, siehe Abschn. 6.2.1).
Jedes HV-Messsystem ist durch seine Betriebsbedingungen gekennzeichnet, also
die Nennbetriebsspannung, die Messbereiche, die Betriebszeit (oder Art und
Anzahl der LI/SI-Spannungsanwendungen) und die Umgebungsbedingungen.
38 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

(a) eigenständiges Gerät (b) gekennzeichnete Komponenten, die in ein


Steuerpult eingebaut sind

Abb. 2.11 Instrumente für HV-Messungen. a Digitaler AC/DC-Scheitelwertspannungsmesser.


bLI/SI-Digitalrekorder

Das dynamische Verhalten eines Messsystems kann mit dem Ausgangssignal


beschrieben werden, das von der Frequenz abhängt (Frequenzantwort für AC-
und DC-Spannungsmesssysteme, Abb. 2.12a) oder von einer Sprungantwort (
Stufenantwort für LI/SI-Spannungsmesssysteme, Abb. 2.12b) oder durch eine
ausreichend geringe Unsicherheit der LI/SI-Parametermessung innerhalb der
Nennepochen des Messsystems.
Hinweis Die Nennepoche einer Impulsspannung, die in den Abschnitten 7.2 und 7.3
näher erläutert werden, ist der Bereich zwischen dem Minimum und dem Maximum
des relevanten LI/SI-Zeitparameters, für den das Messsystem zugelassen ist. Die Nenn-
epochen leiten sich aus den oberen und unteren Toleranzen der Stirnzeitparameter der
Impulsspannung ab.

Alle diese Nennwerte müssen vom Hersteller des Messsystems (bzw. seiner
Komponenten) nach Typ- und Routineprüfungen geliefert werden. Sie sollten den
Anforderungen und Bedingungen des HV-Prüffeldes entsprechen, bei dem das
Messsystem eingesetzt werden soll.
Darüber hinaus ist jedes Spannungsmesssystem gekennzeichnet durch seinen
Skalenfaktor, das bedeutet, der Wert, mit dem die Anzeige des Instruments multi-
pliziert werden muss, um die Eingangsgröße des HV-Messsystems (Spannung und
Zeitparameter) zu erhalten. Bei Messsystemen, die den Wert der Eingangsgröße
direkt anzeigen, ist der Maßstabsfaktor eins. In diesem Fall – und bei Übertragung
über ein Koaxialkabel – ist der Maßstabsfaktor des Instruments das Inverse des
Maßstabsfaktorfaktors des Messumformers. Ein korrekt abgeschlossenes Koaxial-
kabel hat den Maßstabsfaktorfaktor eins, andere Arten von Übertragungssystemen
können einen von eins abweichenden Skalenfaktor haben.
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 39

Abb. 2.12 Antwort von (a)


Messsystemen (IEC 60060- normalisierte
2:2010). a Frequenzantwort Abweichung der
(Kurve A mit unterer und Ausgangsamplitude
oberer Grenzfrequenz, Kurve
Bmit oberer Frequenzgrenze,
bezogen auf AC/
DC-Messung). bEinheitliche +3 dB
Sprungantwort nach einem A
Spruneingang (bezogen auf
LI/SI-Spannungsmessung, 0
B
siehe Abschn. 7.3)

-3 dB

f1A f2A f 2B
zu messende Frequenz
(b)
normalisiertes
Ausgangssignal im
eingeschwungenen Zustand

±2%
Abweichung
1

virtueller
Ursprung Einschwingzeit Beispiel: Nennepoche
von LI/LIC

0
0,03 0,05 0,1 0,3 0,5 1 3 s 10

Der Maßstabsfaktor muss kalibriert werden, um eine Spannungsmessung


zu gewährleisten, die auf den nationalen Messstandard rückführbar ist. Die
Kalibrierung besteht aus zwei Hauptteilen. Einerseits soll der Wert des
Maßstabsfaktors einschließlich des erforderlichen dynamischen Verhaltens
bestimmt werden. Andererseits soll die Unsicherheit der HV-Messung abgeschätzt
werden. Wenn die Unsicherheit und das dynamische Verhalten innerhalb der von
der IEC 60060-2:2010 vorgegebenen Grenzen liegen, ist das zugelassene Mess-
system (AMS) für Messungen in einem akkreditierten HV-Prüffeld anwendbar
(siehe die entsprechenden Kap. 3, 6 und 7).
40 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

2.3.2 Zulassung eines HV-Messsystems für ein


akkreditiertes HV-Prüffeld

Ein HV-Messsystem ist für den Einsatz in einem akkreditierten HV-Prüffeld durch
mehrere erfolgreiche Tests und Prüfungen gemäß IEC 60060-2:2010 qualifiziert.
Es wird zu einem bestätigten Messsystem (AMS) = approved measuring system
(AMS), wenn es die folgenden Tests und Prüfungen bestanden hat:
• Die Typprüfung des Herstellers am System oder seinen Komponenten anhand
von Exemplaren aus der Produktion soll das korrekte Design und die Überein-
stimmung mit den Anforderungen nachweisen. Diese Anforderungen beinhalten
die Bestimmung von
– dem Maßstabsfaktor, seiner Linearität und seinem dynamischen Verhalten,
– seiner Kurz- und Langzeitstabilität,
– dem Einfluss der Umgebungstemperatur,
– dem Näherungseffekt, d. h. dem Einfluss von benachbarten geerdeten oder
unter Spannung stehenden Strukturen,
– dem Softwareeffekt, d. h. dem Einfluss der Software auf die Streuung der
Messungen,
– dem Nachweis des Isoliervermögens in einer HV-Prüfung.
• Die Stückprüfung an jedem System oder jeder seiner Komponenten durch
den Hersteller soll die korrekte Produktion und die Übereinstimmung mit den
Anforderungen durch
– den Skalenfaktorwert, seine Linearität und sein dynamisches Verhalten und
auch
– den Nachweis der SpannungsfestigkeitIsoliervermögens in einer HV-Prüfung.
• Der Leistungstest des „kompletten Messsystems“ soll an seinem Platz im HV-
Prüffeld „unter Betriebsbedingungen“ erfolgen und die Bestimmung von
– Maßstabsfaktor, seiner Linearität und seinem dynamischen Verhalten,
– Langzeitstabilität (aus Wiederholungen von Systemprüfungen) und
– Näherungseffekten umfassen.

Der Benutzer ist für die Systemprüfungen verantwortlich und sollte diese jährlich
wiederholen, jedoch mindestens einmal in 5 Jahren (IEC 60060-2:2010).
• Die Leistungsüberprüfung ist ein „einfaches Verfahren“ – normalerweise der
Vergleich mit einem zweiten AMS oder mit einer Standard-Luftstrecke (siehe
Abschn. 2.3.5) – „um sicherzustellen, dass der aktuellste Systemtest noch gültig
ist“. Der Benutzer ist für die Systemüberprüfungen verantwortlich und sollte
diese entsprechend der Stabilität des AMS wiederholen, jedoch mindestens ein-
mal jährlich (IEC 60060-2:2010).
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 41

Die genannten Einzeltests werden zusammen mit der Unsicherheitsschätzung in


Abschn. 2.3.4 beschrieben. Für den zuverlässigen Betrieb des Messsystems ist
eine HV-Prüfung des Messumformers als Typprüfung erforderlich und, wenn die
Abstände im Labor des Benutzers begrenzt sind, auch in einer ersten System-
prüfung. Die normalerweise geforderte Prüfspannung beträgt 110 % der Nenn-
betriebsspannung des Messumformers. Das Prüfverfahren soll den für die
jeweiligen Prüfspannungen typischen Verfahren folgen (Abschn. 3.6, 6.5 und 7.6).
Im Falle eines Messumformers für den Außeneinsatz sollte die Typprüfung einen
künstlichen Regentest einschließen.
Dieser erste Leistungstest soll auch eine Störtest des Übertragungssystems
(Koaxialkabel) und des Instruments der LI/SI-Messsysteme beinhalten, das vom
HV-Generator getrennt, aber in seiner Position für den Betrieb angeordnet sind.
Diese Prüfung erzeugt eine Störbedingung am kurzgeschlossenen Eingang
des Übertragungssystems, indem der zugehörige HV Generator mit einer für
die höchste Betriebsspannung des Messsystems repräsentativen Prüfspannung
gezündet wird. Der Störtest ist erfolgreich, wenn die gemessene Amplitude der
Störung weniger als 1 % der zu messenden Spannung beträgt.
Die Ergebnisse aller Tests und Prüfungen sollen in dem „Protokoll der
Leistung“ des Messsystems dokumentiert werden, das vom Benutzer des AMS
(IEC 60060-2:2010) erstellt und gepflegt werden soll. Dieses Protokoll soll auch
eine detaillierte technische Beschreibung des AMS enthalten. Es ist das Recht
eines Inspektors einer Abnahmeprüfung eines beliebigen Gerätes, die Identi-
fikationsakte für das verwendete HV-Messsystem einzusehen.
Wie die Systemprüfung fordert, können der Skalenfaktor, die Linearität und
das dynamische Verhalten eines vollständigen Messsystems mit verschiedenen
Methoden bestimmt werden. Die wichtigste und bevorzugte Methode ist der Ver-
gleich mit einem Referenzmesssystem (RMS), im Folgenden als „Vergleichs
Methode“ (IEC 60060-2:2010) bezeichnet und im folgenden Unterabschnitt
beschrieben.
Hinweis Eine Alternative ist die „Komponenten Methode“, die die Bestimmung des
Skalenfaktors des Messsystems aus den Skalenfaktoren seiner Komponenten bedeutet
(IEC 60060-2:2010). Der Skalenfaktor der Komponenten kann durch den Vergleich
mit einer Referenzkomponente mit geringerer Unsicherheit oder durch gleichzeitige
Messungen von Eingangs- und Ausgangsgrößen oder durch Berechnung auf Basis
gemessener Impedanzen bestimmt werden. Für jede Komponente müssen die Unsicher-
heitsbeiträge ähnlich denen für das gesamte System, das durch die Vergleichsmethode
qualifiziert ist, abgeschätzt werden. Anschließend müssen diese Unsicherheiten der
Komponenten zur Messunsicherheit kombiniert werden.
42 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

2.3.3 Kalibrierung durch Vergleich mit einem


Referenzmesssystem

Der ein Messsystem charakterisierende Skalen Faktor soll durch Kalibrierung


bestimmt werden. Bei der Vergleichsmethode wird die Anzeige des Messsystems
(AMS, Index X) zur Bestätigung mit der Anzeige des Referenzmesssystems (RMS,
Index N) (Abb. 2.13) verglichen. Beide Messsysteme zeigen die gleiche Spannung
V an, die der Anzeige multipliziert mit dem entsprechenden Skalenfaktor F ent-
spricht:
V = F N · V N = FX · V X (2.10)
Diese einfache Gleichung ist die Modellgleichung für die spätere Unsicherheits-
schätzung (siehe Abschn. 2.3.4), die den Skalenfaktor des Messsystems unter
Kalibrierung liefert:
FX = (FN · VN )/VX (2.11)

Hinweis Da das übliche Symbol für die Unsicherheit der Buchstabe “u” oder “U” (ISO/
IEC Guide 98-3:2008) ist, wird für die Spannung das Symbol “V” verwendet.

Für praktische Fälle wird empfohlen, die beiden Teiler in gleichem Abstand von
einer Stütze anzuordnen, die direkt mit dem Prüfspannungsgenerator verbunden
ist. Diese symmetrische Anordnung funktioniert gut, wenn die beiden Spannungs-
teiler ungefähr die gleiche Größe haben (Abb. 2.14). Alle HV- und Erdver-
bindungen sollen ohne Schleifen und so kurz und gerade wie möglich sein.

Abb. 2.13 Prinzipanordnung


der Messsysteme für Referenzmesssystem Messsystem unter
die Kalibrierung mit der FN Kalibrierung
Vergleichsmethode FX

VN VX
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 43

Abb. 2.14 Praktische


Anordnung für
LI-Spannungskalibrierung
mit der Vergleichsmethode. Unterstützung
Mit freundlicher Generator
Genehmigung der TU
Dresden

Messystem unter Referenzmesssystem


Kalibrierung

Wenn die Nennspannung des RMS größer oder gleich der des Systems unter
Kalibrierung ist, kann man ideale Bedingungen annehmen, da die Kalibrierung
mindestens bei g = 5 Spannungsstufen einschließlich der niedrigsten und höchsten
des zugewiesenen Betriebsbereichs durchgeführt werden kann (Abb. 2.15). In
diesem Fall beinhaltet die Kalibrierung auch den Linearitätstest.
Da RMS jedoch nicht bis zu den höchsten Prüfspannungen verfügbar sind,
erlaubt die IEC 60060-2:2010, dass der Vergleich bei Spannungen durchgeführt
werden kann, die so niedrig wie 20 % des zugewiesenen Messbereichs sind. Ein
zusätzlicher Linearitätstest zeigt, dass der kalibrierte Skalenfaktor bis zur oberen
Grenze des Messbereichs anwendbar ist, der oft die Nennbetriebsspannung ist
(siehe Abschn. 2.3.4). In diesem Fall ist die symmetrische Anordnung der beiden
Messsysteme wie in Abb. 2.14 nicht möglich, aber man sollte ausreichende
Abstände verwenden (Abb. 2.1), damit das RMS nicht durch das oft viel größere
System unter Kalibrierung beeinflusst wird.
Das verwendete RMS soll eine Kalibrierung aufweisen, die auf nationale
und/oder internationale Messstandards zurückführbar ist, die von einem
Nationalen Metrologieinstitut (NMI) (Hughes et al. 1994; Bergman et al.
44 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Ergebnis gemäß den


Gleichungen 2.15 bis 2.17:
F2; u2
F4; u4

F1; u1 Spannung

F3; u3
F5; u5 F; u

Abb. 2.15 Kalibrierung über den gesamten Spannungsbereich (IEC 60060-2:2010)

2001) gepflegt werden. Dies bedeutet, dass RMS, die von einem NMI oder von
einem akkreditierten Kalibrierlabor (ACL) mit NMI-Akkreditierung kalibriert
wurden, auf nationale und/oder internationale Standards zurückführbar sind. Die
Anforderungen an RMS sind in Tab. 2.3 angegeben. Die Kalibrierung von RMS
kann mit Transfer RMS (TRMS) mit geringerer Unsicherheit (UM ≤ 0,5 % für
Spannung und UM ≤ 3 % für Impulszeitparameter) durchgeführt werden. Die
Rückführbarkeit wird durch Vergleiche von RMS verschiedener Kalibrierlabore
(Maucksch et al. 1996) aufrechterhalten.
Kalibrierungen können von akkreditierten HV-Prüflaboren durchgeführt
werden, sofern ein korrekt gewartetes RMS und geschultes Personal zur Ver-
fügung stehen und die Rückführbarkeit gewährleistet ist. Dies kann in größeren
Prüffeldern möglich sein, der übliche Weg besteht darin, eine Kalibrierung durch
ein ACL zu beauftragen.

2.3.4 Abschätzung der Unsicherheit von HV-Messungen

Der Kalibrierungs -Prozess besteht aus den beschriebenen Vergleichen mit


n ≥ 10 Anwendungen auf jeder der g = 1 bis h≥ 5 Spannungsebenen, voraus-
gesetzt, die Nennbetriebsspannung des RMS ist nicht niedriger als die des AMS
unter Kalibrierung (Abb. 2.15). Eine Anwendung bedeutet für LI/SI-Spannung

Tab. 2.3 Anforderungen an Referenzmesssysteme (RMS)


Prüfspannung DC (%) AC (%) LI, SI (%) Front-chopped LIC (%)
Erweiterte Unsicherheit der 1 1 1 3
Spannungsmessung UM
Erweiterte Unsicherheit der – – 5 5
Zeitparametermessung
UMT
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 45

die synchronen Messungen eines Impulses, für AC/DC-Spannung die synchronen


Messungen zu identischen Zeiten. Aus jeder Messung wird der Skalierungsfaktor
gemäß den Modellgleichungen (2.10 und 2.11) berechnet und für jede Spannungs-
ebene Vg,wird der Skalierungsfaktor Fg als Mittelwert der n Anwendungen
(normalerweise sind n = 10 Anwendungen ausreichend) bestimmt:
n
1
Fg = Fi,g . (2.12)
n i=1

Unter der Annahme einer Gauß-Normalverteilung wird die Streuung der Ergeb-
nisse der Vergleiche durch die relative Standardabweichung (auch „Variations-
koeffizient“ genannt) der Skalierungsfaktoren Fi beschrieben:

 n
1 1
  2
sg = Fi,g − Fg . (2.13)
Fg n − 1 i=1

Die Standardabweichung des Mittelwerts Fg wird als „Typ A Standardunsicherheit


ug“ bezeichnet und für eine Gauß-Normalverteilung berechnet durch
sg
ug = √ . (2.14)
n
Nach dem Vergleich auf allen h ≥ 5 Spannungsebenen Vg, wird der kalibrierte
AMS Skalenfaktor F als Mittelwert der Fg berechnet:
h
1
F= Fg , (2.15)
h g=1

mit einer Typ A Standardunsicherheit als der größten der verschiedenen


Spannungsebenen
h
uA = max ug . (2.16)
g=1

Zusätzlich muss man die Nicht-Linearität des Skalenfaktors durch einen Typ B
Beitrag berücksichtigen
Hinweis Typ A Unsicherheit Beiträge zur Standardunsicherheit beziehen sich auf den Ver-
gleich selbst und basieren auf der Annahme, dass die Abweichungen vom Mittelwert einer
Gauss-Normalverteilung mit Parametern gemäß (2.12) und (2.13) (Abb. 2.16a) folgen,
während die Typ B Unsicherheit Beiträge auf der Annahme einer rechteckigen Verteilung
einer Breite 2a mit dem Mittelwert xm = (a+ + a−)/2 und der Standardunsicherheit u =
a/√3 (Abb. 2.16b) basieren, Details sind in IEC 60060-2:2010 und weiter unten in diesem
Unterabschnitt beschrieben.
 
1 h  Fg 
uB0 = √ · max  − 1.
 (2.17)
3 g=1 F
46 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

(a) (b)
p(x)
p(x) 2a
1

0
0 a- xi a+ x
xi σ xi xi σ x
2a/√3

Abb. 2.16 Angenommene Dichteverteilungsfunktionen für Unsicherheitsschätzung a Gauss-


Normalverteilung für Typ A Unsicherheit. b Rechteckige Dichteverteilung für Typ B Unsicher-
heit

Wenn die maximale RMS- Betriebsspannung niedriger ist als die des AMS bei der
Kalibrierung, erlaubt die IEC 60060-2:2010 den Vergleich über einen begrenzten
Spannungsbereich (VRMS ≥ 0,2 VAMS) unter Verwendung von nur a ≥ 2 Stufen.
Der Vergleich soll durch einen Linearitätstest mit b ≥ (6 − a) Stufen (Abb. 2.17)
abgeschlossen werden. Dann wird der Skalenfaktor F geschätzt durch
a
1
F= Fg , (2.18)
a g=1

die Standardunsicherheit durch


a
uA = max ug , (2.19)
g=1

Abb. 2.17 Kalibrierung


über einen begrenzten Kalibrierungs Bereich für die Linearitätsprüfung
bereich b > (6 - a) Stufen
Spannungsbereich und (a > 2 Stufen)
zusätzlicher Linearitätstest
(IEC60060-2:2010)

zugeordneter Messbereich

Spannung des zu kalibrierenden Teilers


Nenn
spannung
von RMS
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 47

und der Nichtlinearitätsbeitrag der Kalibrierung durch


 
1 a  Fg 
uB0 = √ · max  − 1.
 (2.20)
3 g=1 F

Ein zusätzlicher Nichtlinearitätsbeitrag ergibt sich aus dem Bereich des Lineari-
tätstests und soll wie unten unter „nicht-linearer Effekt“ beschrieben berechnet
werden.
Beispiel 1 Ein 1000 kV LI-Spannungsmesssystem (AMS) mit einem Skalenfaktor von
FX0 = 1000 (vor 3 Jahren kalibriert) hat bei einer Systemüberprüfung der Spannungs-
abweichungen der Scheitelwerte von mehr als 3 % im Vergleich zu einem zweiten AMS
gezeigt. Daher muss es durch Vergleich mit einem RMS kalibriert werden. Ein 1200 kV
LI-Referenzmesssystem (RMS) steht für diese Kalibrierung zur Verfügung. Es wurde
beschlossen, den Vergleich bei g = 5 Spannungsstufen mit n = 10 Anwendungen pro Stufe
durchzuführen. Das RMS ist durch einen Skalenfaktor FN = 1025 und eine erweiterte
Messunsicherheit von UN = 0,80 % gekennzeichnet. Tab. 2.4 zeigt den Vergleich auf der
ersten Stufe. Als Ergebnis erhält man den Skalenfaktor F1 für diese erste Spannungsstufe
(g = 1) und die zugehörige Standardabweichung s1und Standardunsicherheit u1.

Tab. 2.5 fasst die Ergebnisse aller fünf Vergleichsstufen zusammen und liefert als
Endergebnis den neuen Skalenfaktor FX und die Typ-A-Standardunsicherheit uA
gemäß den Gl. (2.15) und (2.16).
Die Unsicherheitsbewertung des Typs B bezieht sich auf alle Einflüsse, die sich
von dem statistischen Vergleich unterscheiden. Sie umfasst die folgenden Beiträge
zur Unsicherheit.

Tab. 2.4 Vergleich auf der ersten Ebene V1 ≈ 0.2 Vr


Anzahl der RMS gemessene AMS gemessene Skalenfaktor
Anwendungen Spannung (VN/kV) Spannung (VX/kV) Fi(Gl. 2.11)
i=1 201.6 200.8 1.0291
2 200.7 200.9 1.0240
3 201.4 200.9 1.0276
4 199.9 199 1.0296
5 201.2 199.9 1.0317
6 201.3 200.3 1.0301
7 200.9 200.4 1.0276
8 201,3 200,4 1,0296
9 201,2 199,9 1,0317
n = 10 200,6 200,7 1,0245
Ergebnis nach F1=1,0286
Gl. (2.12)–(2.16) s1=0,25  %
u1=0,08 %
48 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Tab. 2.5 Skalenfaktor und Typ-A-Unsicherheitsschätzung (Ergebnisse des Vergleichs bei den
fünf Spannungsebenen)
Nr. Spannungs- VX/VXr(%) Skalenfaktor Fg Standardab- Standardunsicher-
ebene g weichung sg(%) heit ug(%)
g = 1 (Beispiel!) 20 1.0286 0.25 0.08
2 39 1.0296 1.94 0.61
3 63 1.0279 1.36 0.43
4 83 1.0304 2.15 0.68
h=5 98 1.028 1.4 0.44
Ergebnis Neuer Skalen- Typ A Unsicher-
faktor heit
FX=1.0289 uA=0.68 %

2.3.4.1 Nichtlinearitätseffekt (Linearitätstest)

Wenn das AMS über einen begrenzten Bereich kalibriert wird, wird der Linearitäts-
test verwendet, um die Gültigkeit des Skalenfaktors bis zur Nennbetriebsspannung
zu zeigen. Dies geschieht durch Vergleich mit einem AMS mit ausreichender Nenn-
spannung oder mit der Eingangs- (Gleichspannungs-) Spannung eines LI/SI- Prüf-
spannungsgenerators (wenn das AMS auf diese Spannungen bezogen ist) oder mit
einer Standardmess-Funkenstrecke gemäß IEC 60052:2002 oder mit einer Feld-
sonde (siehe Abschn. 2.3.6). Es spielt keine Rolle, wenn der Linearitätstest ein Ver-
hältnis R zeigt, das vom Skalenfaktor abweicht, es ist nur wichtig, dass es über den
Bereich des Linearitätstests stabil ist (Abb. 2.18). Wenn dies garantiert ist, können
auch andere Methoden zur Untersuchung der Linearität angewendet werden. Die
maximale Abweichung der untersuchten g = b Verhältnisse Rg = Vx /VCD (VCD
ist der Ausgang des Vergleichsgeräts) von ihrem Mittelwert Rm liefert die Typ-B-
Abschätzung der Standardunsicherheit (Abb. 2.18) in Bezug auf Nichtlinearitäts-
effekte:
 
1 b  Rg 
uB1 = √ · max  − 1. (2.21)
3 g=1 Rm

Abb. 2.18 Linearitätstest Skalierungsfaktor F, Verhältnis R


mit einem linearen
R1 R3
Gerät im erweiterten
Spannungsbereich (IEC Rm
60060-2:2010)
F1 u1 R2 R4
F
F2 u2
Kalibrierbereich Linearitätsprüfbereich
(a = 2 Stufen) (b = 4 Stufen)

0 Spannung des Teilers unter Kalibrierung 100%


2.3 HV-Messung und Abschätzung … 49

2.3.4.2 Dynamisches Verhalten

Zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens wird empfohlen, den Skalen-


faktor des AMS bei i = k verschiedenen Werten innerhalb eines Frequenz-
bereichs oder innerhalb eines Bereichs von Impulsformen zu bestimmen, die beide
repräsentativ für seine Verwendung sind (z. B. für den Nennfrequenzbereich oder
die Nennepoche). Dann wird der zugehörige Standardunsicherheitsbeitrag aus der
maximalen Abweichung eines individuellen Skalenfaktors Fi vom Nennskalen-
faktor F ermittelt:
 
1 k  Fi 
uB2 = √ · max  − 1.
 (2.22)
3 i=1 F

Das dynamische Verhalten kann auch mit der Stufenantwortmethode untersucht


werden. Weitere Einzelheiten finden Sie in Abschn. 7.4.1.

2.3.4.3 Kurzzeit-Stabilitätseffekt

Die Kurzzeitstabilität wird häufig durch die Eigenerwärmung des AMS, ins-
besondere seines Messumformers, bestimmt. Der Test soll bei Nennbetriebs-
spannung durchgeführt werden, er beginnt mit der Bestimmung des Skalenfaktors
F1, wenn die Testspannung erreicht ist, und endet mit einer neuen Bestimmung des
Skalenfaktors F2, wenn die vordefinierte Testzeit, normalerweise die voraussicht-
liche Nutzungsdauer oder die zugewiesene Betriebszeit, vorbei ist:
 
1  F2 
uB3 =√ ·  − 1.
 (2.23)
3 F1

Der kurzzeitige Beitrag zur Messunsicherheit sollte in den Herstellerdaten der


Komponenten angegeben sein.

2.3.4.4 Langzeit-Stabilitätseffekt

Ein Ausgangswert für den Beitrag der Langzeitstabilität kann auch vom Hersteller
angegeben werden. Dann kann er auch für die Nutzungsdauer Tuse aus der
Änderung des Skalenfaktors innerhalb der Zeit von zwei Leistungsprüfungen (von
F1 bis F2 zu den Zeiten T1bzw. T2, oft ist die projizierte Nutzungsdauer Tuse= T2
− T1):
 
1  F2  Tuse
uB4 =√ ·  − 1 ·
 . (2.24)
3 F1 T2 − T1
50 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

2.3.4.5 Umgebungstemperatur-Effekt

Normalerweise ist das Messsystem für einen bestimmten Temperaturbereich


spezifiziert. Der Skalenfaktor wird für die minimale und maximale Temperatur
dieses Bereichs bestimmt. Die größere Abweichung FT vom Nennskalenfaktor F
wird verwendet, um den Standardunsicherheitsbeitrag abzuschätzen:
 
1  FT 
uB5 =√ ·
 − 1. (2.25)
3 F

Oft kann der Unsicherheitsbeitrag im Zusammenhang mit dem Temperatureffekt


innerhalb des angegebenen Temperaturbereichs aus den Herstellerdaten ent-
nommen werden.

2.3.4.6 Näherungseffekt

Der Unsicherheitsbeitrag aufgrund von benachbarten geerdeten Strukturen kann


aus den Skalenfaktoren Fmin und Fmaxbei minimalen und maximalen Abständen
von diesen Strukturen bestimmt werden:
 
1  Fmax 
uB6 =√ ·
 − 1. (2.26)
3 Fmin

Der Näherungseffekt für kleinere HV-Messsysteme wird oft vom Hersteller des
Umwandlungsgeräts untersucht und kann aus der Bedienungsanleitung entnommen
werden.

2.3.4.7 Software-Effekt

Bei der Verwendung von digitalen Messgeräten, insbesondere digitalen Auf-


zeichnungsgeräten (Digitalrekordern), wird eine korrekte Messung angenommen,
wenn künstliche Testdaten (die in IEC 61083-2:2011 angegeben sind) inner-
halb bestimmter Toleranzbereiche liegen, die ebenfalls in IEC 61083-2:2011
angegeben sind. Es sollte nicht vernachlässigt werden, dass durch diese Methode
bemerkenswerte Standardunsicherheitsbeiträge verursacht werden können. Der
angenommene Unsicherheitsbeitrag durch die Software bezieht sich nur auf die
maximale Breite dieser Toleranzbereiche Toi, die in IEC 61083-2 angegeben sind:
1 n
uB7 = √ · max (Toi ). (2.27)
3 i=1
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 51

Hinweis Nur die Toleranzbereiche Toi der künstlichen Testdaten, die dem aufgezeichneten
Stoßspannungswert ähnlich sind, müssen berücksichtigt werden.
Beispiel 2 Das im ersten Beispiel 1 charakterisierte AMS wird hinsichtlich der
Typ-B-Standardunsicherheitsbeiträge untersucht. Für die Unsicherheitsschätzung der
Kalibrierung müssen auch die Standardunsicherheiten des RMS berücksichtigt werden,
die nicht in dessen Messunsicherheit enthalten sind. Tab. 2.6 fasst beide zusammen und
nennt die Quelle des Beitrags.

2.3.4.8 Bestimmung der erweiterten Unsicherheiten

IEC 60060-2:2010 empfiehlt ein vereinfachtes Verfahren zur Bestimmung der


erweiterten Unsicherheit der Skalenfaktorkalibrierung und der HV-Messung. Es
basiert auf den folgenden Annahmen, die für die HV-Prüfung zutreffen:
• Unabhängigkeit: Die einzelne gemessene Wert wird nicht durch die vorher-
gehenden Messungen beeinflusst.
• Rechteckige Verteilung: Typ B-Beiträge folgen einer rechteckigen Verteilung.
• Vergleichbarkeit: Die größten drei Unsicherheitsbeiträge sind von annähernd
gleicher Größenordnung.

Tab. 2.6 Typ B Unsicherheitsbeiträge


Unsicherheitsbeitrag Symbol des Beitrags Unsicherheitsbeitrag Unsicherheitsbeitrag
für RMS für AMS
Nichtlinearitätseffekt uB1 In der Kalibrierung In der Kalibrierung
Gl. (2.22) enthalten: enthalten
uN= UN /2 = 0,4 % uA
Dynamisches uB2 In der Kalibrierung 0,43 % von
Verhalten Gl. (2.23) enthalten Abweichung innerhalb
der Nennepoche
Kurzzeitstabilitäts- uB3 In der Kalibrierung 0,24 % von
effekt Gl. (2.24) enthalten Abweichung vor
und nach einem
3-stündigen Test
Langzeitstabilitäts- uB4 In der Kalibrierung 0,34 % aus auf-
effekt Gl. (2.25) enthalten einanderfolgenden
Leistungstests
Umgebungs- uB5 0,06 % da außerhalb 0,15 % aus Hersteller-
temperatureffekt des angegebenen daten
Gl. (2.26) Temperaturbereichs
Näherungseffekt uB6 In der Kalibrierung Kann aufgrund sehr
Gl. (2.27) enthalten großer Freiräume ver-
nachlässigt werden
Softwareeffekt uB7 In der Kalibrierung Kann vernachlässigt
Gl. (2.28) enthalten werden, da kein
digitaler Rekorder ver-
wendet wurde
52 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Hinweis IEC 60060-2:2010 erfordert nicht die Anwendung dieser vereinfachten Methode,
alle Verfahren in Übereinstimmung mit dem ISO/IEC Guide 98-3:2008 (GUM) sind eben-
falls anwendbar. In den Anhängen A und B von IEC 60060-2:2010 wird eine weitere
Methode beschrieben, die direkt mit dem GUM in Zusammenhang steht.

Die Beziehung zwischen der Standardunsicherheit und dem kalibrierten


neuen Skalenfaktor kann durch den Ausdruck (F ± u) ausgedrückt werden, der
einen Bereich möglicher Skalenfaktoren charakterisiert (Nicht zu vergessen, F ist
ein Mittelwert und u ist die Standardabweichung dieses Mittelwerts!). Unter der
Annahme einer Gauss-Normalverteilung (Abb. 2.17a) deckt dieser Bereich 68 %
aller möglichen Skalenfaktoren ab. Für einen größeren Vertrauensbereich kann
die berechnete Standardunsicherheit mit einem „Überdeckungsfaktor“ k > 1
multipliziert werden. Der Bereich (FX ± k · u) bedeutet den Skalenfaktor plus/
minus seiner „erweiterten Unsicherheit“ U= k · u. Üblicherweise wird ein Über-
deckungsfaktor k = 2 angewendet, der einen Vertrauensbereich von 95 % abdeckt.
Um zuerst die erweiterte Unsicherheit der Kalibrierung Ucalzu bestimmen, die
Standardunsicherheit uN der Messung des RMS aus seiner Kalibrierung, die Typ
A Standardunsicherheit aus dem Vergleich und die Typ B Standardunsicherheiten
in Bezug auf das Referenzmesssystem werden gemäß der geometrischen Über-
lagerung kombiniert:

N
Ucal = k · ucal = 2 · 2
uN2 + uA2 + Σ uBiRMS (2.28)
i=0

Der erweiterte Unsicherheit der Kalibrierung erscheint auf dem Kalibrierzerti-


fikat zusammen mit dem neuen Skalenfaktor. Im Falle einer HV-Abnahmeprüfung
ist jedoch die erweiterte Unsicherheit der dabei durchgeführten HV-Messung
erforderlich. Wenn das AMS kalibriert ist und alle möglichen Umgebungs-
bedingungen berücksichtigt werden (Temperaturbereich, Bereich der Freiräume
usw.), kann die erweiterte Unsicherheit der HV-Messung ausgedrückt werden
durch die Standardunsicherheit der Kalibrierung ucal und die Typ B-Beiträge des
AMS uBiAMS


 N

2
UM = k · uM = 2 · ucal + 2
uBiAMS . (2.29)
i=0

Die vorab berechnete erweiterte Messunsicherheit sollte ebenfalls auf dem


Kalibrierzertifikat zusammen mit den vordefinierten Nutzungsbedingungen
erwähnt werden. Der Benutzer des HV-Messsystems muss nur zusätzliche
Unsicherheitsbeiträge abschätzen, wenn das HV-Messsystem außerhalb der im
Kalibrierzertifikat genannten Bedingungen betrieben werden muss.
Beispiel 3 Für das kalibrierte AMS sollen die erweiterten Unsicherheiten der Kalibrierung
und der HV-Messung unter der Annahme bestimmter Umgebungsbedingungen berechnet
werden, die im Kalibrierzertifikat erwähnt sind. Die Berechnung verwendet die Ergeb-
nisse der beiden oben genannten Beispiele:
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 53

Kalibrierungsergebnisse:
Referenzmesssystem (RMS):
RMS: Messunsicherheit UN= 0,80 % uN= 0,4 %
RMS: Temperatureinfluss uB5 = 0,06 %
Kalibrierung durch Vergleich uA= 0,68 %
Erweiterte Kalibrierunsicherheit (95 % Vertrauens- Ucal= 1,58 %
bereich, k = 2)
Standardunsicherheit der Kalibrierung ucal= 0,79 %
HV-Messung:
AMS: nicht-statistische Einflüsse uB2 = 0,43 %
uB3 = 0,24 %
uB4 = 0,4 %
uB5 = 0,15 %
Erweiterte Messunsicherheit (95 % Vertrauens- UM= 2,10 %
bereich)
Genaueres Messergebnis: V = Vx(1 ± 0,021)

Das HV-Messsystem soll gemäß seinem neuen Skalenfaktor F = 1.0289 (Tab. 2.5)
angepasst werden, möglicherweise mit einer Änderung des Instrumentenskalen-
faktors, um die direkte Ablesung des gemessenen HV-Werts auf dem Monitor
beizubehalten. Die IEC 60060-2:2010 fordert eine Unsicherheit der HV-Messung
von UM ≤ 3 %. Da UM = 2, 10 % <3 % (Beispiel 3), kann das System für weitere
HV-Messungen verwendet werden. Es wird jedoch empfohlen, die Gründe für die
relativ hohe erweiterte Unsicherheit UM zur Verbesserung des Messsystems zu
untersuchen.

2.3.4.9 Unsicherheit der Zeitparameterkalibrierung

Die IEC 60060-2:2010 (Abschn. 5.11.2) beschreibt eine Vergleichsmethode zur


Abschätzung der erweiterten Unsicherheit der Zeitparametermessung. Darüber
hinaus liefert sie in ihrem Anhang B.3 ein zusätzliches Beispiel für die Bewertung
nach dem ISO/IEC Guide 98-3:2008. Anstelle der Betrachtung des dimensions-
losen Skalenfaktors für die Spannungsmessung wendet die Methode den Zeit-
parameter (z. B. die LI-Frontzeit T1X) selbst an, betrachtet die Abweichung vom
Nennzeitparameter T1N, gemessen durch das Referenzmesssystem, als ver-
nachlässigbar und erhält aus dem Vergleich direkt den mittleren Fehler ΔT1,
n
1  
∆T1 = T1X,i − T1N,i , (2.30)
n i=1

die Standardabweichung

 n
 1   2
s(∆T1 ) =  ∆T1,i − ∆T1 , (2.31)
n − 1 i=1
54 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

und die Typ-A-Standardunsicherheit


s(∆T1 )
uA = √ . (2.32)
n
Der Typ-B-Beiträge zur Messunsicherheit der Zeitparameter werden als maximale
Unterschiede zwischen den Fehlern einzelner Messungen und dem mittleren
Fehler des Zeitparameters T1für verschiedene LI-Frontzeiten ermittelt, z. B. die
beiden Grenzwerte der Nennepochen des Messsystems.
Für externe Einflüsse folgt das Verfahren zur Abschätzung der Typ-B-
Unsicherheit den oben für die Spannungsmessung beschriebenen Prinzipien,
Gl. (2.22–2.27). Für die erweiterte Unsicherheit der Zeitkalibrierung und Zeitpara-
metermessung wird eine analoge Anwendung der Gl. (2.28) und (2.29) empfohlen.
Ein Leistungstest umfasst die Kalibrierung des Skalenfaktors, bei Impuls-
spannungen auch der Zeitparameter, und den beschriebenen vollständigen Satz
von Tests der Einflüsse auf die Messunsicherheit. Die Datensätze aller Tests sollen
in die Leistungsaufzeichnung aufgenommen werden. Der Vergleich selbst und
seine Auswertung können durch Computerprogramme unterstützt werden (Hau-
schild et al. 1993).

2.3.5 HV-Messung mit Messkugelfunkenstrecken gemäß


IEC 60052:2002

Die Durchschlagspannungen von homogenen und schwach inhomogenen


elektrischen Feldern, wie z. B. denen zwischen Kugelelektroden in
atmosphärischer Luft, zeigen eine hohe Stabilität und geringe Streuung.
Schumann (1923) schlug ein empirisches Kriterium vor, um die kritische Feld-
stärke abzuschätzen, bei der selbstständige Elektronenlawinen gezündet werden.
Wenn modifiziert, kann dieses Kriterium auch verwendet werden, um die
Durchschlagspannung Vb von schwach inhomogenen Feldern gegenüber dem
Elektrodenabstand S zu berechnen. Für ein homogenes elektrisches Feld in Luft
unter Standardbedingungen kann die Durchschlagspannung durch die empirische
Gleichung
  0,5 
S
Vb /kV = 24,4 S + . (2.33)
13,1 cm

Diese Gleichung ist für Kugelfunkenstrecken anwendbar, wenn der Abstand


kleiner als ein Drittel des Kugeldurchmessers ist, siehe Abb. (2.19).
Auf der Grundlage solcher experimenteller und theoretischer Ergebnisse
werden Messkugelfunkenstrecken seit den frühen Jahrzehnten des zwanzigsten
Jahrhunderts für Scheitelspannungsmessungen verwendet (Peek 1913; Edwards
und Smee 1938; Weicker und Hörcher 1938; Hagenguth et al. 1952) und führten
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 55

Abb. 2.19 Vertikale Mess-


kugelfunkenstrecke(Er-
läuterungen im Text)

B
D

zum ersten Standard der HV-Prüfung, der aktuellen IEC 60052:2002. Inzwischen
ist vollständig verstanden, dass diese Anwendbarkeit auf dem sogenannten
Streamer-Durchbruchmechanismus beruht, z. B. Meek (1940), Pedersen (1967),
und Durchschlagspannungs-Abstands-Charakteristiken von Kugelfunkenstrecken
können auch mit ausreichender Genauigkeit berechnet werden (Petcharales 1986).
Lange Zeit prägten Messkugelfunkenstrecken mit Kugeldurchmessern von bis
zu 3 m das Erscheinungsbild von HV-Laboratorien. Aber die Spannungsmessung
mit Kugelfunkenstrecken ist mit dem Durchschlag der Prüfspannung verbunden,
daher ist ihre Anwendung nicht einfach. Außerdem benötigen sie viele Freiräume
(siehe unten), gut gepflegte saubere Oberflächen der Kugeln und atmosphärische
Korrekturen (siehe Abschn. 2.1.2) für Messungen nach dem Standard.
Heute werden sie nicht mehr für tägliche HV-Messungen verwendet und
spielen nicht mehr die gleiche wichtige Rolle in HV-Laboratorien wie in der Ver-
gangenheit. Ihre Hauptanwendung liegt in Systemüberprüfungen von AMSs (siehe
Abschn. 2.3.2) oder Linearitätsprüfungen (siehe Abschn. 2.3.4). Bei Abnahme-
prüfungen von HV-Geräten kann der Inspektor eine Überprüfung des verwendeten
AMS durch eine Kugelfunkenstrecke verlangen, um zu zeigen, dass das AMS
nicht manipuliert ist. Für diese Anwendungen sind mobile Kugelfunkenstrecken
mit Kugeldurchmessern D ≤ 50 cm ausreichend.
Der IEC-Standard zur Spannungsmessung mittels Kugelfunkenstrecken
hat den ältesten IEC-Standard im Zusammenhang mit HV-Prüfungen. Seine
neueste Ausgabe IEC 60052 Ed.3:2002 beschreibt die Messung von AC-, DC-,
LI- und SI-Prüfspannungen mit horizontalen und vertikalen Kugel-zu-Kugel-
Abständen mit Kugeldurchmessern D = (2 … 200 cm) und eine der Kugeln
geerdet (Abb. 2.19 und 2.20). Der Abstand S für die Spannungsmessung ist
56 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Abb. 2.20 Horizontale


Messkugelfunkemstrecke

S
D D

A B

erforderlich S ≤ 0,5 D, für grobe Schätzungen kann er auf S = 0,75 D erweitert


werden. Die Oberflächen müssen glatt mit einer maximalen Rauheit unter 10 μm
und frei von Unregelmäßigkeiten im Bereich des Funkenüberschlags sein. Die
Krümmung muss so gleichmäßig wie möglich sein, gekennzeichnet durch einen
Durchmessersunterschied von nicht mehr als 2 %. Geringfügige Beschädigungen
an dem Teil der halbkugelförmigen Oberfläche, der nicht am Durchbruchprozess
beteiligt ist, verschlechtern die Anwendbarkeit nicht. Um eine Erosion der Ober-
fläche der Kugel nach AC- und DC-Durchbrüchen zu vermeiden, können Vor-
widerstände von 0,1–1 MΩ angewendet werden.
Umgebende Objekte können die Ergebnisse von Kugellückenmessungen
beeinflussen. Daher sind die Abmessungen und Abstände für Standardluftfunken-
strecken in IEC 60052 vorgeschrieben und in Abb. 2.19 und 2.20 dargestellt. Der
erforderliche Bereich der Höhe A über dem Boden hängt vom Kugeldurchmesser
ab und beträgt für kleine Kugeln A = (7 … 9)·D und für große Kugeln A = (3 …
4)·D. Der Abstand zu geerdeten externen Strukturen hängt von dem Abstand S ab
und soll zwischen B= 14 S für kleine und B= 6 S für große Kugeln liegen.
Die Streuung der Durchschlagspannung hängt stark von der Verfügbarkeit
eines freien Startelektrons ab, insbesondere für Abstände mit D ≤ 12,5 cm und/
oder Messung von Spitzenwerten Up ≤ 50 kV. Startelektronen können durch Foto-
ionisation erzeugt werden (Gänger 1953, Kuffel 1959; Kachler 1975). Die not-
wendige hochenergetische Strahlung kann aus dem weit-ultravioletten (UVC)
Anteil benachbarter Koronaentladungen bei Wechselspannung stammen, oder aus
dem Durchbruchfunken der offenen Zündfunkenstrecke des verwendeten Impuls-
generators, oder einer speziellen Quecksilberdampf-UVC-Lampe mit Quarzröhre.
Hinweis In der Vergangenheit wurde sogar eine radioaktive Quelle innerhalb der Mess-
kugel verwendet. Aus Sicherheitsgründen ist dies nun verboten.
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 57

Tab. 2.7 gibt die Beziehung der gemessenen Durchbruchspannung Ub in


Abhängigkeit von der Entfernung S zwischen den Elektroden für einige aus-
gewählte Kugeldurchmesser D ≤ 1 m an, die hauptsächlich für die genannten
Prüfungen verwendet werden, für andere Kugeldurchmesser siehe IEC
60052:2002. Eine Spannungsmessung mit einer Kugelfunkenstrecke bedeutet,
eine Beziehung zwischen einem Instrument am Netzteil-Eingang des HVG (z. B.
einer Primärspannungsmessung am Eingang eines Prüftransformators) und der
bekannten Durchbruchspannung der Funkenstrecke im HV-Kreis in Abhängigkeit
von ihrem Abstand D (Tab. 2.7) herzustellen. Dies ähnelt der Kalibrierung durch
Vergleichsmessung (Abschn. 2.3.3).
Für die AC-Spannungsmessung liefern zehn aufeinanderfolgende Spannungs-
steigerungsversuche (siehe Abschn. 2.4) 10 Durchschlagspannungsmesswerte

Tab. 2.7 Scheitelwert der Durchschlagspannungen ausgewählter Standard-Kugellücken


Abstands- 50 % Durchschlagspannung Vb50/kV bei Kugeldurchmesser D/mmb
lücke
S/mm 100 250 500 1000
AC, DCa,
+LI, +SI AC, DCa,
+LI, +SI AC, DCa,
+LI, +SI AC, +LI, +SI
−LI, −SI −LI, −SI −LI, −SI DCa, −
LI, −SI
5 16,8 16,8
10 31,7 31,7 31,7 31,7
15 45,5 45,5 45,5 45,5
20 59 59,0 59,0 59,0 59,0 59,0
30 84 85,5 86,0 86,0 86,0 86,0 86,0 86,0
50 123 130 137 138 138 138 138 138
75 (155)c (170) 195 199 202 202 203 203
100 244 254 263 263 266 266
150 (314) (337) 373 380 390 390
200 (366) (395) 460 480 510 510
300 (585) (620) 710 725
400 (670) (715) 875 900
500 1010 1040
600 (1110) (1150)
750 (1230) (1280)
Erklärungen
aFür die Messung von DC-Prüfspannungen >130 kV werden Standard- Kugelfunkenstrecken

nicht empfohlen, verwenden Sie Stab-Stab-Funkenstrecken und siehe Gl. (2.34)


bFür korrekt gewartete Standard-Kugel wird angenommen, dass die erweiterte Messunsicherheit

für AC-, LI- und SI-Prüfspannungen UM≈ 3 % für ein Konfidenzniveau von 95 % beträgt. Für
DC-Prüfspannungen gibt es keinen zuverlässigen Wert
cDie Werte in Klammern dienen nur zur Information, ihnen wird kein Vertrauensniveau

zugeordnet
58 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

am Messgerät. Deren Mittelwert (Gl. 2.12) und die relative Standardabweichung


(Gl. 2.13) werden ermittelt. Die Spannung soll ausreichend langsam erhöht
werden, um genaue Messwerte zu ermöglichen. Der Mittelwert charakterisiert die
Durchschlagspannung entsprechend den Abstandsparametern (D, S). Wenn die
Standardabweichung ≤1 % beträgt, kann man davon ausgehen, dass die Mess-
kugelfunkenstrecke korrekt gewartet wurde und die relative erweiterte Mess-
unsicherheit ≤3 % beträgt.
Hinweis Bei n = 10 Messungen und einer Standardabweichung von 1 % erhält man eine
Standardunsicherheit von u = 0,32% (Gleichung 2.14). Das bedeutet, dass etwa 1,2% für
die anderen Beiträge zur Standardunsicherheit verbleiben, wenn die erweiterte Unsicher-
heit (k = 2) ≤3% betragen soll (Gleichung 2.29).

Für LI/SI-Spannungsmessung werden die voreingestellten Durchschlagspannungen


(D, S in Tab. 2.7) z. B. mit der Ladespannung des Impulsspannungsgenerators
verglichen. Die 50 % Durchschlagspannungen U50werden in einem Mehrpegel-
test von m = 5 Spannungspegeln mit n = 10 Impulsspannungen ermittelt (siehe
Abschn. 2.4), und die entsprechende Messung wird als voreingestellte Messung
übernommen. Wenn die ausgewertete Standardabweichung innerhalb von 1 % für
LI- und 1,5 % für SI-Spannungen liegt, wird angenommen, dass die Messfunken-
strecke korrekt arbeitet.
Für Gleichspannungsmessung werden Kugel funkenstrecken nicht empfohlen,
da externe Einflüsse wie Staub oder kleine Fasern in einem Gleichstromfeld auf-
geladen werden und eine hohe Streuung der Messwerte verursachen. Daher sollte
eine Stab-Stab-Messfunkenstrecke angewendet werden, wobei die Luftfeuchtigkeit
nicht höher als 13 g/m3 sein sollte (Feser und Hughes 1988; IEC 60052:2002). Die
Stabelektroden aus Stahl oder Messing sollten einen quadratischen Querschnitt
von 10–25 mm für jede Seite und scharfe Kanten haben. Wenn der Abstand S
zwischen 25 und 250 cm liegt, wird der Durchbruch durch die Entwicklung einer
Streamer-Entladung mit einem erforderlichen durchschnittlichen Spannungs-
gradienten e = 5,34 kV/cm verursacht. Dann kann die Durchschlagspannung
berechnet werden durch
Vb /kV = 2 + 5,34 · S/cm. (2.34)
Die Länge der Stäbe in einer vertikalen Anordnung sollte 200 cm betragen, in
einer horizontalen Lücke 100 cm. Die Stab-Stab-Anordnung sollte frei von Teil-
entladungen (PD) an der Verbindung der Stäbe zur Hochspannungsleitung
bzw. zur Erde sein. Dies wird durch toroidale Elektroden zur Feldsteuerung
realisiert. Für eine horizontale Funkenstrecke sollte die Höhe über dem Boden
≥400 cm betragen. Das Testverfahren ist wie das für Wechselspannungen oben
beschriebene.
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 59

2.3.6 Feldsonden zur Messung von Hochspannungen und


Feldstärken

Die Alterung der Isolierung und damit die Betriebszuverlässigkeit von Hoch-
spannungsgeräten wird hauptsächlich durch die maximale elektrische Feldstärke
bestimmt. Auch wenn die Feldverteilung in dielektrischen Materialien auf Basis
der Maxwell-Gleichungen mit Hilfe fortschrittlicher Computersoftware berechnet
werden kann, sollte die Gültigkeit der theoretischen Ergebnisse experimentell
überprüft werden. Zu diesem Zweck können kapazitive Sensoren, allgemein
als Feldsonden bezeichnet, verwendet werden. Die Feldverteilung kann jedoch
durch die Anwesenheit solcher Feldsonden erheblich beeinflusst werden, weshalb
sie so klein wie möglich gestaltet werden sollten, um Feldverzerrung und damit
die unvermeidliche Messunsicherheit zu minimieren (Les Renardieres Group
1974; Malewski et al. 1982). In bestimmten Fällen können Feldsonden jedoch
so gestaltet werden, dass das Feld nicht gestört wird, wie im Fall von koaxialen
Elektrodenkonfigurationen, die für Durchführungen, Energiekabel und SF6-Schalt-
anlagen repräsentativ sind. Darüber hinaus können Feldsonden in die Erdelektrode
einer Patte-Platte-Elektrodenanordnung mit Rogowski-Profil integriert werden,
wie in Abb. 2.21 skizziert. Unter dieser Bedingung kann die an die Hoch-
spannungselektrode angelegte Spannung einfach aus der Feldstärke abgeleitet
werden, die an der Messelektrode auftritt.
Das grundlegende Messprinzip basiert auf der ersten Maxwell-Gleichung, die
lautet:

� = ∂ D/∂t
rot H � �
+G (2.35)

mit H – Vektor der magnetischen Feldstärke, D  – Vektor der elektrischen Ver-


schiebungsflussdichte, G
 – Vektor der Stromdichte an der Sensorelektrode.

Abb. 2.21 Prinzip einer


Feldsonde zur Messung
hoher Wechselspannungen
HV-Elektrode

E(t) Sensorelektrode
dg

Schutzringelektrode

i(t)
CM Messkondensator
60 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Für gasförmige Dielektrika ist die Leitfähigkeit extrem niedrig, so dass die
Dichte des Leitungsstroms, die durch den zweiten Term in Gl. (2.35) gegeben ist,
vernachlässigt werden kann:

� = ∂ D/∂t,
rot H � (2.36a)

Im Gegensatz dazu ist die Leitfähigkeit der Messelektrode extrem hoch, so dass
für diesen Fall der erste Term in Gl. (2.35) vernachlässigt werden kann:
� = G,
rot H � (2.36b)
Kombiniert man die Gl. (2.36a und 2.36b) und ersetzt die Verschiebungsfluss-
dichte durch die elektrische Feldstärke, d. h., D � erhält man
� = ε · E,

� = ∂ D/∂t
G � �
= ε · ∂ E/∂t, (2.37)

mit ε – Permittivität des Dielektrikums zwischen beiden Elektroden.


Für die hier betrachtete homogene Feldkonfiguration ist die elektrische Feld-
stärke, auch als der Potentialgradient bezeichnet, senkrecht zur Oberfläche der
Messelektrode gerichtet. Daher ist anstelle der Vektorpräsentation die einfache
skalare Präsentation für die eindimensionale Konfiguration anwendbar. Folglich
kann der Strom I(t), der vom Sensor erfasst wird, einfach durch die Stromdichte G
multipliziert mit der Fläche A der Messelektrode ausgedrückt werden:
I(t) = A · G = A · ε · dE(t)/dt. (2.38)
Um den am Sensorsensor induzierten Strom in ein äquivalentes Spannungssignal
Vm (t) umzuwandeln, ist es üblich, den Sensor über eine Messkapazität CM mit
Erdpotential zu verbinden, siehe Abb. 2.21. Da dies einen kapazitiven Spannungs-
teiler darstellt, kann die zeitabhängige Spannung Vh (t) an der HV-Elektrode ein-
fach aus der Spannung Vm (t) abgeleitet werden, die über CM gemessen wird, unter
Verwendung der folgenden Gleichung:
d g · Cm
Vh (t) = · Vm (t) = Sf · Vm (t), (2.39)
A·ε
mit Sf – Skalenfaktor, dg – Plattenabstand, siehe Abb. 2.21.
Im Prinzip könnte die Kapazität CM in Abb. 2.21 auch durch einen Widerstand
ersetzt werden, der im Folgenden als Rm bezeichnet wird. Unter dieser Bedingung
kann Gl. (2.38) ausgedrückt werden als
Vm (t) = Rm · A · ε · dE(t)/dt. (2.40)
Daraus folgt für den interessierenden Scheitelwert der zu messenden Hoch-
spannung Vhp, die an die obere Elektrode anliegt
ˆt
dg dg
Vhp = · Vm (t)dt = · Vmp = Sf · Vmp (2.41)
Rm · A · ε Rm · A · ε · 2πf
0
2.3 HV-Messung und Abschätzung … 61

Das bedeutet, der Skalenfaktor Sf ist umgekehrt proportional zur Testfrequenz f,


sodass nicht nur Rm, sondern auch die Testfrequenz f genau bekannt sein muss,
um den Scheitelwert der angelegten Hochspannung aus der gemessenen Nieder-
spannung abzuleiten. In diesem Zusammenhang muss darauf geachtet werden,
dass überlagerte Oberschwingungen zu erheblichen Messfehlern führen können.
Beispiel Betrachten Sie eine Anordnung gemäß Abb. 2.21 in Umgebungsluft, d.h. ε0 =
8,86 pF/m. Angenommen sei ein Abstand dg = 10 cm und eine Fläche der Messelektrode
von As = 10 cm2 sowie eine Kapazität von Cm = 2 nF, dann erhält man den folgenden
Skalenfaktor:
dg · Cm (10 cm) · (2 nF)
Sf = =   = 22,6 × 103 .
A · ε0 10 cm2 · (8,86 pF/m)

Wenn beispielsweise eine Niederspannung von Vm = 5 V über Cmanliegt, dann wird diese
durch eine angelegte Hochspannung von Vhp = 113 kV verursacht.
Ersetzt man den Kondensator Cm durch einen Messwiderstand von Rm = 500 kΩ und
nimmt eine Testfrequenz f = 50 Hz an, erhält man den folgenden Skalensfaktor:

dg
Sf = = 18 × 103 .
Rm · As · ε0 · 2πf

Die in Abb. 2.22 dargestellten Kurven, die auf den oben genannten Berechnungen
basieren, ermöglichen eine einfache Bestimmung der angelegten Hochspannung Vhp aus
der gemessenen Niederspannung Vm. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,
dass der Skalenfaktor auch von der Testfrequenz abhängig ist, wenn ein Messwiderstand
verwendet wird.

Der Hauptnachteil der in Abb. 2.21 dargestellten Anordnung besteht darin,


dass sie nur in der Lage ist, die Potentialgradienten in unmittelbarer Nähe zum
Erdpotential zu messen. Um auch beliebig orientierte Feldvektoren im Raum
zwischen HV- und LV-Elektroden zu messen, werden häufig kugelförmige
Sensoren eingesetzt, um die Zündung von Teilentladungen zu verhindern (Feser
und Pfaff 1984). Wie in Abb. 2.23 (links) dargestellt, ist die Oberfläche einer
solchen Kugel-Elektrode in sechs Teilsensoren unterteilt, die die drei kartesischen

Abb. 2.22 Angelegte 250


angelegte Hochspannung [kV]

Hochspannung gegenüber Rm = 500 k Ω


Niederspannung, die über 200
einer kapazitiven bzw. einer
resistiven Messimpedanz 150
messbar ist, unter
Verwendung der im Text Cm = 500 pF
100
angegebenen Parameter
50

0
0 2 4 6 8 10
gemessene Niederspannung [V]
62 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Rotierende
Schutzelektrode
Flügelelektrode
Messelektrode auf Erdpotential

Messelektroden

Schutzringe-
lektrode

Abb. 2.23 Feldsonden mit festen und rotierenden Elektroden

Komponenten des elektromagnetischen Feldes empfangen. Um die unvermeid-


liche Feldstörung durch die metallischen Teile, der Feldsonde zu minimieren,
wird diese batteriebetrieben und die gesamten für die Signalverarbeitung erforder-
lichen Komponenten sind in der Hohlkugel integriert. Darüber hinaus werden
die erfassten und verarbeiteten Signale über eine Glasfaser-Verbindung zum
Erdpotential übertragen. Ein wesentlicher Vorteil der kugelförmigen Sonde ist,
dass der zulässige Radius in Abhängigkeit von der zu messenden Feldstärke ohne
großen Aufwand berechnet werden kann.
Praktisch realisierte kugelförmige Feldsonden sind in der Lage, Feldstärken
von bis zu etwa 1 kV/cm bei Frequenzen im Bereich zwischen ca. 20 Hz und
100 MHz zu messen. In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden,
dass der Einsatz von Feldsonden nicht nur auf Feldstärkemessungen beschränkt
ist. Wenn sie mit einem Referenzmesssystem kalibriert sind, können sie auch für
Hochspannungsmessungen eingesetzt werden, vorausgesetzt, das Feld ist frei von
Raumladungen, d. h. Koronaentladungen müssen in der Umgebung der Feldsonde
unbedingt verhindert werden.
Da die Feldsonde im Prinzip einen kapazitiven Sensor darstellt, muss berück-
sichtigt werden, dass die induzierte Ladung und somit der messbare Strom i(t)
die Folge eines zeitabhängigen Verschiebungsflusses ist und somit mit der zeit-
abhängigen Feldstärke E(t) korreliert. Daher sind nur zeitabhängige Spannungen,
verursacht durch LI, SI, AC und andere Transienten, in der Lage, einen mess-
baren Verschiebungsstrom zu induzieren. Um auch Gleichspannungen zu
messen, könnte die erforderliche zeitliche Änderung des Stromes auch durch ein
periodisches Abschirmen der Messelektrode mittels einer rotierenden Flügel-
elektrode auf Erdpotential erzeugt werden. Dieser Ansatz, wie in Abb. 2.23
(rechts) schematisch dargestellt, wird von der sogenannten Feldmühle (Herb et al.
1937; Kleinwächter 1970) angewendet. Hier wird die Messelektrode durch zwei
halbsektionierte Scheiben gebildet, die gut voneinander isoliert sein müssen,
während die rotierende Flügelelelektrode mit der Schutzringelektrode auf
Erdpotential verbunden ist. Durch die Rotation der Flügelelektrode werden die
Mess-Elektroden einem periodisch wechselnden Verschiebungsfluss ausgesetzt.
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 63

Dadurch wird ein Wechselstrom induziert, der mit der elektrostatischen Feldstärke
korreliert ist und - entsprechend verstärkt - angezeigt wird.
Eine weitere Möglichkeit der Feldsondenmessung ist die Verwendung einer
mechanischen Methode, die die sogenannte Coulomb-Kraft nutzt, die 1884 ent-
deckt wurde. Zu diesem Zweck wird die in Abb. 2.21 dargestellte Messimpedanz
CM durch ein empfindliches Kraftmesssystem ersetzt, wie es ursprünglich von
Kelvin im Jahr 1884 für absolute Gleichspannungsmessungen angewendet wurde.
Bei einem homogenen Feld kann die Kraft, die die Messelektrode mit der Fläche
A anzieht, wenn sie einem Potentialgradienten E ausgesetzt ist, durch folgende
Gleichung ausgedrückt werden:
1
Fe = · ε · A · E2. (2.42)
2

Beispiel Wenn beispielsweise eine Hochspannung Vh = 100 kV an die obere Elektrode


angelegt wird und der Abstand zur Messelektrode dg = 10 cm beträgt, dann erreicht die
Feldstärke an der Messelektrode 10 kV/cm. Setzt man diese Werte in Gleichung (2.42)
ein, so wird die Kraft, die die Messelektrode anzieht, Fe ≈ 3,5 × 10−2 N ≈ 3,6 p.

Die Torsion aufgrund der angezogenen Sensorelektrode wird durch ein Spotlicht-
und Spiegelsystem verstärkt und angezeigt. Da die Coulomb-Kraft proportional
zum Quadratwert des Potentialgradienten ist und somit auch proportional zum
Quadratwert der angelegten Prüfspannung, ist die Anzeige unabhängig von der
Polarität der zu messenden Spannung. Daher sind elektrostatische Voltmeter nicht
nur für Gleichspannungsmessungen anwendbar, sondern auch für die Messung des
Effektivwerts von Wechsel-Prüfspannungen, siehe Abschn. 3.4.

2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und


ihre statistische Behandlung

Elektrische Entladungen und Durchschläge von Isolierungen sind


stochastische Prozesse, die mit statistischen Methoden beschrieben werden
müssen. Dieser Unterabschnitt gibt eine Einführung in die Planung, Durch-
führung und Auswertung von Hochspannungsprüfungen auf statistischer
Basis. Es werden Prüfungen mit Spannungen bis zum Durchschlag
(„Spannungssteigerunsmethode“, PSM =" progressive stress method") bzw. mit
mehrfacher Anwendung von vorgegebenen Spannungen und Schätzung von Durc
hschlagwahrscheinlichkeiten(Konstantspannnungsmethode ("multi-level method“,
MLM, „Auf- und Ab-Methode“, UDM) beschrieben. Lebensdauerprüfungen
(LTT) von Isolierungen werden mit vorgegebenen Spannungen, aber progressiven
Prüfdauern durchgeführt und können entsprechend ausgewertet werden. Auch
genormte Hochspannungsfestigkeitsprüfungen werden beschrieben und aus der
Sicht der Statistik bewertet. Der Unterabschnitt liefert erste Werkzeuge für die
Anwendung statistischer Methoden und gibt Hinweise auf die Fachliteratur, z. B.
(Hauschild und Mosch 1992).
64 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

2.4.1 Zufallsvariablen und die Konsequenzen

Die Phänomene der elektrischen Entladungen – wie die meisten anderen in Natur,
Gesellschaft und Technik – basieren auf stochastischen Prozessen und zeichnen
sich durch ihre Zufälligkeit aus (Van Brunt 1981; Hauschild et al. 1982). Dies
wird oft ignoriert und nur ein durchschnittlicher Trend wird betrachtet, um eine
untersuchte Beziehung zu interpretieren. Oft ist jedoch nicht der Mittelwert,
sondern ein Extremwert entscheidend für die Leistungsfähigkeit eines Systems.
In der Technik wird dies oft durch die Anwendung eines „Sicherheitsfaktors“
berücksichtigt. Ein besserer Ansatz ist die statistische Beschreibung stochastischer
Phänomene. Daher sollen Hochspannungsprüfungen auf statistischer Basis aus-
gewählt, durchgeführt und ausgewertet werden: Sie sind Zufallsexperimente
(Versuche) und werden mathematisch durch Zufallsvariablen (manchmal auch
„Zufallsvariante“ genannt) beschrieben.
Wenn eine vorgegebene konstante Spannungsbelastung – z. B. eine bestimmte
LI-Prüfspannung – an eine Isolierung – z. B. eine Luftstrecke – angelegt wird,
kann man das Zufallsereignis „Durchschlag“ (A) oder das komplementäre Ereig-
nis „Nichtdurchschlag“ (A*) beobachten. Die relative Durchschlagshäufigkeit hn
(A) ist das Verhältnis zwischen der Anzahl der Durchschläge k und der Anzahl der
Anwendungen n (Stichprobenumfang)
hn (A) = k/n. (2.43)
Die relative Häufigkeit der Nichtdurchschläge folgt zu
hn (A∗) = (n − k)/n = 1 − hn (A). (2.44)
Die relative Häufigkeit hängt von der Anzahl der durchgeführten Tests (oft als
Stichprobengröße) und der jeweiligen Testreihe ab, wie in Abb. 2.24 für die
Durchschlagshäufigkeit gezeigt. Die relativen Häufigkeiten variieren um einen
festen Wert und erreichen ihn als Grenzwert„Durchschlagswahrscheinlichkeit“ p:

lim hn (A) = p. (2.45)


n→∞

Die Wahrscheinlichkeit für Nichtdurchschläge q folgt entsprechend

lim hn (A∗) = q. (2.46)


n→∞

Da ein charakteristischer Wert für das Isoliervermögen nicht gemessen werden


kann („Es passiert nichts!“), wird die Wahrscheinlichkeit q des Nichtdurchschlags
(Isoliervermögens, Widerstand) aus der komplementären Durchschlagswahr-
scheinlichkeit q= 1 − p ermittelt. Folglich ist die statistische Definition einer
Nichtdurchschlagsspannung eine Spannung, die mit geringer Wahrscheinlichkeit
einen Durchschlag verursacht, in der Regel p ≤ 0,10. Die relative Durchschlags-
häufigkeit ist eine Punktschätzung der Durchschlagswahrscheinlichkeit.
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 65

Abb. 2.24 Relative relative Durchschlagwahrscheinlichkeit hn(A)


Durchschlagshäufigkeiten
1,0
von zwei Testreihen in
Abhängigkeit von der Anzahl
der durchgeführten Tests 0,8
Testreihe 1
p(A)
0,6

0,4

Testreihe 2
0,2

0 10 20 30 40 50 60
Anzahl der Tests

Je größer die Anzahl der Anwendungen für die Schätzung der Häufigkeit,
desto besser ist die Anpassung der Schätzung an die wahre, aber unbekannte
Wahrscheinlichkeit (Abb. 2.24). Eine Vertrauensschätzung liefert ein Gefühl
für die Genauigkeit der Schätzung durch die Breite des berechneten Vertrauens-
bereichs. Dieser Bereich umfasst den wahren, aber unbekannten Wert von p mit
einem bestimmten Konfidenzniveau, z. B. ε = 95 %. Aus der Stichprobe werden
die obere und die untere Grenze des Vertrauensbereichs auf der Grundlage der
Annahme einer theoretischen Verteilungsfunktion ermittelt, in diesem Fall
basierend auf der Binomialverteilungsfunktion und der Fisher (F) Verteilung als
Testverteilung.
Erläuterung: Die Binomialverteilung basiert auf zwei komplementären Ereig-
nissen A und A* (wie Durchschlag und Nichtdurchschlag = Widerstand) mit den
bekannten Wahrscheinlichkeiten p und q (Bernoulli-Versuch). Die Binomialver-
teilung gibt die Wahrscheinlichkeit P(X = k) an, mit der das Ereignis A k-mal in n
unabhängigen Versuchen auftreten wird.
 
n k
P(X = k) = p (1 − p)n−k (2.47)
k

wobei k = 0, 1, 2, . . . , n und
 
n n! n · (n − 1) · . . . (n − k + 1)
= =
k k! · (n − k)! 1 · 2 · 3 · ... · k

Abb. 2.25 zeigt die 95 % Konfidenzgrenzen in Abhängigkeit von der relativen Aus-
fallhäufigkeit und der Anzahl der Anwendungen (Stichprobengröße).
Beispiel Für hn (A) = 0,7 und n = 10 Anwendungen liefert Abb. 2.25 die untere Grenze
pl = 0,37 und die obere Grenze pu = 0,91. Mit einer statistischen Konfidenz ε = 95%
66 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

liegt die reale Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Bereichs von 0,37 ≤ p≤ 0,91. Für n
= 100 Anwendungen würde man den viel kleineren Bereich 0,60 ≤ p ≤ 0,78 erhalten.
Wiederum wird mit zunehmender Stichprobengröße die Schätzung besser, das heißt, der
Konfidenzbereich wird kleiner.
Es sollte beachtet werden, dass ein Konfidenzintervall auch berechnet werden kann,
wenn kein Ausfall (k = 0) in einer Reihe von n Belastungen auftritt. Für den Fall (n = 20;
k = 0) liefert Abb. 2.25 das Konfidenzintervall (0; 0,16). Die obere Konfidenzgrenze kann
für weitere Vergleiche oder Schätzungen verwendet werden.

Wenn ein Konstantspannungsversuch zur Schätzung der Ausfallwahrschein-


lichkeit durchgeführt wurde, muss überprüft werden, ob der Test „unabhängig“
ist. Abhängigkeit bzw. Nicht - Unabhängigkeit bedeutet, dass frühere Spannungs-
anwendungen Einfluss auf das Ergebnis der betrachteten Anwendung haben. Dies
kann durch die Untersuchung des Trends (Tab. 2.8) gezeigt werden. Eine Stich-
probe von n = 100 wird in fünf Stichproben von n* = 20 unterteilt. Wenn die
relativen Häufigkeiten der Teilproben um die der Gesamtprobe streuen, kann diese
als unabhängig betrachtet werden (Fall a). Wenn es einen klaren Trend gibt (Fall
b), wäre sie abhängig und jede statistische Auswertung ist verboten. Unabhängig-
keit kann nur durch eine Verbesserung des Testverfahrens sichergestellt werden,
z. B. durch ausreichend lange Pausen zwischen einzelnen Belastungen. Weitere
Einzelheiten zu Konstantspannungstests sind in (Hauschild und Mosch 1992)
beschrieben.
Eine Sequenz von Konstantspannungsversuchen bei verschiedenen Spannungs-
pegeln (n ≥ 5) bedeutet die Anwendung der MLM-Methode, die in Abschn. 2.4.3
ausführlich beschrieben ist.

Abb. 2.25 Konfidenzgrenzen untere (pl ) / obere (p u ) Konfidenzgrenze


der Ausfallwahrscheinlichkeit
für ein Konfidenzniveau ε 1 pu
= 95 %. Abhängig von der
Stichprobengröße Stichprobengröße n

0,8

0,6

0,4

0,2

pl

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1


relative Häufigkeit in der Stichprobe h n
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 67

Tab. 2.8 Überprüfung der Unabhängigkeit von zwei Tests mit Stichprobengröße n = 100
(a) Unabhängige Stichprobe: Kugel-Platten-Abstand in Durchbruchsfrequenz
atmosphärischer Luft (Durchschlag: -; Durchbruch: x)
h20 h100
-xxx---x-xxxxxxx-x-x 0,65
x - x- - x x x x x - x x- x x x x x x 0,75
-xxxx-xxxxxx-x-xxx– 0,70
xxx-xx-x-x---x-xxx-x 0,6 0,68
xx-xxxx--x-x-xxxxxx- 0,7

(b) Abhängige Probe: Wie oben, aber eingeschlossene Luft in einem h20 h100
Behälter (aushalten: -; Durchschlag: x)
xxxxxxxxxxxxxxxxxx-x 0.95
x - x- x x - x x - - x x x - x - - x x - 0.55
- - - x x x - x - - - x - x x - x- x x 0.5
-xx------x---x-x--xx 0.35 0.48
------x------------- 0.05

Es gibt eine zweite Gruppe von HV-Durchschlagsprüfungen: Mit zunehmender


Belastung, z. B. kontinuierlich ansteigende AC- oder DC-Testspannungen
oder LI- oder SI-Spannungen, die in Schritten ansteigen, bis ein Durch-
schlag auftritt (Abb. 2.26). Jetzt ist der Durchschlag sicher, aber die Höhe der
Durchschlagsspannung ist zufällig. Diese Gruppe von Tests wird als Spannungs-
steigerungsmethode („progressive Durchschlagsmethode PSM“ bezeichnet. Die
Zufallsvariable ist die Durchschlagsspannung Vb.Aber bei Lebensdauerprüfungen
mit konstanter Spannung wird die Zeit bis zum Durchschlag Tb zur Zufalls-
variable. In beiden Fällen haben wir eine kontinuierliche Variable.
Hinweis Im Falle von schrittweise ansteigenden Spannungen kann der Startwert variiert
werden, um kontinuierliche Ausgaben (Realisierungen) der Zufallsvariable zu erhalten.

Die Auswertung von progressiven Belastungsprüfungen folgt der typischen


Behandlung von Zufallsvariablen in der mathematischen Statistik, wie sie in
vielen Lehrbüchern beschrieben wird, z. B. von Mann et al. (1974), Müller et al.
(1975), Storm (1976) oder Vardeman (1994). Beschreibungen, die speziell auf
HV-Tests bezogen sind, werden von Lalot (1983), Hauschild und Mosch (1984)
(auf Deutsch) und (1992) (auf Englisch), Carrara und Hauschild (1990) und Yakov
(1991) sowie im Anhang A von (IEC 60060-1:2010) gegeben. Eine kurze Ein-
führung in die PSM-Auswertung findet sich in Abschn. 2.4.2.
Die Verteilung einer Zufallsvariable X mit Realisierungen xi, die in einem
progressiven Belastungstest gefunden wird, wird durch eine Verteilungsfunktion
beschrieben. Sie ist definiert durch
F(xi ) = P(X < xi ), (2.48)
und sie gibt die Wahrscheinlichkeit P an, mit der die Zufallsvariable X einen
Wert unterhalb des betrachteten Wertes xi annimmt. Eine Verteilungsfunktion
(Abb. 2.27) ist eine mathematische Funktion mit den folgenden Eigenschaften:
68 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Abb. 2.26 Verfahren der Werte der Durchbruchsspannung:


Spannungssteigerungs-
methode (progressiven
Belastungs). a Kontinuier-
lich ansteigende AC- oder
DC-Spannung. b Schritt-
weise ansteigende AC- oder
DC-Spannung. c Schrittweise
ansteigende LI- oder SI-
Spannung

Zeit t
Gruppennummer:

Durchbruchspannungswerte:

Anzahl von Gruppen und Impulsen

• 0 ≤ F(xi) ≤ 1 (Realisierungen zwischen unmöglichen und sicheren Ereig-


nissen),
• F(xi) ≤ F(xi+1) (monoton steigend),
• lim F(x) = 0 und lim F(x) = 1 (Randbedingungen).
x→−∞ x→+∞

Hinweis Anstelle der Verteilungsfunktion liefert auch die Dichtefunktion eine voll-
ständige mathematische Beschreibung, aber sie ist für die Auswertung von HV-Tests nicht
sinnvoll.

Eine Verteilungsfunktion ist durch Parameter charakterisiert, die den Mittelwert


und die Streuung beschreiben, manchmal zusätzlich die Position der Funktion. Die
Auswertung eines progressiven Belastungstests bedeutet die Auswahl einer gut
angepassten Art von Verteilungsfunktion und die Schätzung ihrer Parameter. Die
Parameterschätzung kann als Punktschätzung oder Konfidenzschätzung auf der
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 69

Abb. 2.27 Verteilungs- Wahrscheinlichkeit


und Dichtefunktion 1
mit der Definition des F(b)
0,8
Quantils x1 und des F(a)
Wahrscheinlichkeitsintervalls
(F(b) − F(a)) 0,6

0,4 F(x)=p
0,2
F(x1)

0 x1 xp a b

Wahrscheinlichkeitsdichte

0,4
0,2

0 x1 a b
Zufallsvariable

Grundlage von Formeln für funktionale Parameter (z. B. den Mittelwert), Quantile
(Realisierung der Zufallsvariable in Bezug auf eine vorgegebene Wahrscheinlich-
keit) oder Intervalle (Differenz zwischen zwei Quantilen) erfolgen (Abb. 2.27).

2.4.2 HV-Prüfungen nach der Spannungssteigerungsmethode

Die Spannungssteigerungsmethode mit kontinuierlich steigender Spannung soll für


eine Elektrodenanordnung in SF6-Gas (Abb. 2.26a) in Betracht gezogen werden. Die
Startspannung v0 muss niedrig genug sein, um keinen Einfluss auf das Ergebnis zu
haben, die Steigungsrate der Spannung soll so sein, dass eine zuverlässige Spannungs-
messung durchgeführt werden kann, und das Intervall zwischen zwei einzelnen
Prüfungen soll die Unabhängigkeit der Realisierungen vb.sichern. Die Unabhängig-
keit kann durch eine grafische Darstellung der Messungen überprüft werden. Andere
Unabhängigkeitstests sind in der oben erwähnten Literatur beschrieben.
Beispiel Abb. 2.28 zeigt die Abfolge von vier Testreihen bei vier verschiedenen Drücken
des SF6-Gases. Eine Reihe gilt als unabhängig, wenn die Realisierungen zufällig um
einen Mittelwert schwanken. Eine Abhängigkeit muss angenommen werden, wenn es eine
fallende, steigende oder periodisch schwankende Tendenz gibt. Nach dieser einfachen
Regel können die Reihen bei Gasdrücken von 0,40, 0,25 und 0,15 MPa als unabhängig
betrachtet werden und sind gut für eine statistische Auswertung geeignet. Die bei 0,10
MPa ist abhängig und sollte nicht statistisch ausgewertet werden. Der Grund für die
Abhängigkeit sollte geklärt und die Reihe unter verbesserten Bedingungen wiederholt
werden.
70 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

AC-Durchbruchsspannung SF6
Gasdruck
250

0,4 MPa
kV
unabhängig

180
0,25 MPa
unabhängig

120
0,15 MPa
Unabhängig
0,1 MPa
abhängig
60
0 20 40 60 80 100
number of single test

Abb. 2.28 Grafische Überprüfung der Unabhängigkeit von vier Testreihen in SF6-Gas

Jede unabhängige Reihe soll statistisch ausgewertet werden, das heißt grafisch
dargestellt und durch eine theoretische Verteilungsfunktion approximiert werden.
Beide Aufgaben können verbunden werden, wenn ein sogenanntes Wahrschein-
lichkeitsgitter für die Darstellung verwendet wird. Ein Wahrscheinlichkeitsnetz
verwendet die inverse Funktion der betrachteten theoretischen Verteilungsfunktion
auf der Ordinate. Für jeden Typ von theoretischen Verteilungen kann ein Wahr-
scheinlichkeitsnetz erstellt werden. Jede empirische Verteilung desselben Typs wie
das Netz erscheint als gerade Linie.
Die folgenden theoretischen Verteilungsfunktionen werden für HV-
Anwendungen empfohlen:
Die Gauss oder Normalverteilung ist gekennzeichnet durch die Parameter μ
(geschätzt durch den arithmetischen Mittelwert oder das 50 % Quantil u50) und die
Standardabweichung σ [geschätzt durch die Quadratwurzel des Mittelwerts von (xi
− μ) oder die Differenz der Quantile (x84 − x50) = (x50 − x16)]:
ˆ x
2 1 2 2
F(x; µ; σ ) = √ e−(z−µ) /2σ dz (2.49)
2π σ −∞
Die Anwendung einer bestimmten Verteilungsfunktion sollte auf ihrem
stochastischen Modell basieren: Eine normalverteilte Zufallsvariable ist das
Ergebnis einer großen Anzahl unabhängiger, zufällig verteilter Einflüsse, wenn
jeder dieser nur einen unbedeutenden Beitrag zur Summe leistet. Dieses Modell ist
auf viele zufällige Ereignisse, auch auf Durchschlagprozesse mit Teilentladungen,
sehr gut anwendbar.
Die Gumbel- oder Doppel-Exponentialverteilung ist – wie die Normalver-
teilung – eine unbegrenzte Funktion (−∞ < x < + ∞) und wird durch zwei Para-
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 71

meter charakterisiert, ihr 63 % Quantil η und das Streuungsmaß γ [geschätzt durch


γ = (x63− x05)/3]:
x−η

F(x; η; γ ) = 1 − e−e
γ
. (2.50)

Stochastisches Modell: Die Doppel-Exponentialverteilung beschreibt die Ver-


teilung von Realisierungen nach einem Extremwert, im Falle von HV-Tests
ist es das Minimum des elektrischen Isoliervermögens. Es handelt sich um eine
mathematische Beschreibung der einfachen Tatsache, dass „der Durchbruch eines
schwach inhomogenen elektrischen Feldes am schwächsten Punkt stattfindet“. Es
kann gut angewendet werden, wenn es schwach inhomogene Isolierungen gibt, die
eine ziemlich hohe Streuung aufweisen (Mosch und Hauschild 1979).
Die Weibull-Verteilung ist ebenfalls eine Verteilung, die Extremwerte
beschreibt, aber sie ist begrenzt und wird durch drei Parameter charakterisiert, ihr
63 % Quantil η = x63, der Weibull-Exponent δ als Streuungsmaß und der Anfangs-
wert (Lageparameter) x0.
 δ
x−x0
F(x; η; δ; x0 ) = 1 − e
− η
x > x0 , (2.51a)

F(x; η; δ; x0 ) = 0 x ≤ x0 , (2.51b)

δ = 1,2898/ log (x63 /x05 ). (2.51c)


Die Weibull-Verteilung ist in ihrer Struktur sehr anpassungsfähig und daher für
viele Probleme anwendbar (Cousineau 2009). Für den Fall x0 = 0 ist es die ideale
Funktion für die Untersuchung der Durchschlagzeit (Zweiparameter-Weibull-Ver-
teilung), siehe z. B. Bernard (1989) und Tsuboi et al. (2010). Im Fall x0 > 0 erhält
der Anfangswert eine absolute Bedeutung, z. B. als ideale Durchschlagsspannung
der Durchschlagwahrscheinlichkeit p= 0! Daher müssen die Konsequenzen sorg-
fältig bedacht werden, wenn sie auf Durchschlagspannungsprobleme angewendet
wird.
Für alle drei theoretischen Verteilungsfunktionen kann ein Wahrscheinlichkeits-
netz erstellt werden. Abb. 2.29 zeigt den Vergleich der verschiedenen Ordinaten
dieser Gitter. Es ist zu erkennen, dass in der Region x15–x85 die Gitter sehr ähnlich
sind, aber für sehr niedrige und sehr hohe Wahrscheinlichkeiten bemerkenswerte
Unterschiede bestehen. Das bedeutet, dass für die Schätzung von Durchschlags-
spannungen die optimale Auswahl einer theoretischen Verteilungsfunktion für die
Anpassung von empirischen Daten (Testergebnisse) sehr wichtig ist. Zusätzlich
muss eine ausreichende Stichprobengröße (Anzahl der Realisierungen), z. B. n ≥
50, gewählt werden, um Hinweise auf niedrige und hohe Wahrscheinlichkeiten zu
erhalten.
Bei HV-Prüfungen wird die empirische Verteilungsfunktion üblicherweise aus
einer recht begrenzten Anzahl von Realisierungen ermittelt, z. B. 10 ≤ n ≤ 100.
In diesem Fall wird empfohlen, die Realisierungen xi in aufsteigender Größe
72 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

x50-4σ x 50-3σ x 50-2σ x50-σ x 50 x 50+σ x 50+3σ x 50+3σ x 50+4σ


Variable x
-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4
standardisierte
Normalverteilung (µ=0; σ=1)
0,16 0,5 0,84
Gaußsche Normalverteilung
0,001 0,01 0,1 0,3 0,7 0,9 0,99 0,999

δ = 3,3
0,001 0,01 0,1 0,3 0,5 0,7 0,9 0,99 0,999
Weibull-Verteilung
δ = 10
0,001 0,01 0,1 0,3 0,5 0,7 0,9 0,99 0,999

Gumbel-Doppel-
Exponentialverteilung
0,01 0,1 0,3 0,5 0,7 0,9 0,99 0,999

Abb. 2.29 Vergleich der Ordinaten von Wahrscheinlichkeitsgittern mit identischen 50 %


Quantilen (logarithmische Abszisse für Weibull-Verteilung)

zwischen xmin und xmaxanzuordnen und sie durch ihre relativen, Summenhäufig-
keiten
i
 hm
hΣi = (2.52)
m=1
(n + 1)

zu vervollständigen, wobei n die Gesamtzahl der Realisierungen und hm die


absolute Häufigkeit des mten Spannungswertes (Gl. 2.43) ist. Dann werden die
Daten als „Treppe“ in einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsgitter dargestellt.
Wenn die empirische (Treppen-)Funktion durch eine Gerade approximiert werden
kann, ist die Anpassung mit der theoretischen Funktion des Gitters akzeptabel.
Beispiel Abb. 2.30 zeigt, dass die Treppenfunktion gut durch eine Gerade im Gauss-Netz
einer Normalverteilung angepasst werden kann. Das bedeutet, dass eine Normalverteilung
die Zufälligkeit des durchgeführten Tests ausreichend beschreibt. Ihre Parameter können
durch Quantile geschätzt werden: Der Mittelwert durch u50 = 953 kV und die Standardab-
weichung durch s = u50 − u16 = 18,2 kV.

Eine Konfidenzschätzung der Parameter kann mit Hilfe sogenannter Testver-


teilungen durchgeführt werden, der t-Verteilung für Konfidenzschätzungen des
Mittelwerts und der χ2-Verteilung für die Standardabweichung. Einzelheiten
finden Sie z. B. bei Hauschild und Mosch (1992).
Die Maximum-Likelihood-Methode liefert die effizienteste Schätzung von
Parametern einschließlich ihrer Konfidenzgrenzen. Da der Begriff „Likelihood“
ein Synonym für „Wahrscheinlichkeit“ ist, liefert die Methode Schätzungen von
Parametern der ausgewählten Verteilungsfunktion, die die höchste Wahrschein-
lichkeit für die gegebene Stichprobe haben. Die Methode wurde vor vielen Jahren
eingeführt, fand aber ihre breite Anwendung mit numerischen Verfahren mittels
Personalcomputer (PC). Sie kann für alle Klassen von HV-Durchschlagprüfungen
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 73

0,99
kumulative
Ausfallhäufigkeit h 

0,9
0,84
0,8

0,7

0,6

0,5

0,4

0,3

0,2
0,16
0,1

s = 18 kV
0,01
880 900 920 940 960 980 kV 1020
Durchschlagsspannung V b
Vb50 = 952,5 kV

Abb. 2.30 Summenhäufigkeitsfunktion auf einem Gauss-Wahrscheinlichkeitsnetz

und jede Art von theoretischen Verteilungsfunktionen angewendet werden (Carrara


und Hauschild 1990; Yakov 1991; Vardeman 1994).
Die mathematischen Berechnungen basieren auf der sogenannten „Likelihood
Funktion L“. Sie ist proportional zur Wahrscheinlichkeit pR, eine Beschreibung der
untersuchten Stichprobe (Realisierungen xi mit i = 1 … n) mit einer Verteilungs-
funktion, z. B. mit den Parametern δ1 und δ2, zu erhalten. Die n Realisierungen der
Stichprobe sind auf m Ebenen der Zufallsvariablen xi (Durchbruchspannung oder
-zeit) verteilt. Die Likelihood-Funktion L basiert auf der Wahrscheinlichkeit pR,
die proportional zum Produkt der Wahrscheinlichkeiten fRi ist:
n
L = ApR = A � fRi (xi /δ1 , δ2 ) = L(xi /δ1, δ2 ) (2.53)
i=1

Der Faktor „A“ dient nur zur Normalisierung. Die wahrscheinlichsten Punkt-
schätzungen der Parameter δ1 und δ2 sind diejenigen, die L maximieren, wie in
Abb. 2.31 gezeigt (δ*1 und δ*2). Sie werden aus den Maximalbedingungen dL/dδ1
= 0 und dL/dδ2 = 0 berechnet, normalerweise mit den Logarithmen, bei denen
dieselben Parameter das Maximum anzeigen
74 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

d(ln L)/dδ1 = 0 and d(ln L)/dδ2 = 0. (2.54)


Das dreidimensionale Diagramm zeigt die Wahrscheinlichkeitsfunktion (L
normalisiert auf ihr Maximum) im Bereich der beiden Parameter. Mithilfe eines
Querschnitts durch den „Wahrscheinlichkeitsberg“ können die Konfidenzgrenzen der
Parameter (δ1min, δ1max, δ2min, δ2max) definiert werden. Jede Parameterkombination
des Konfidenzbereichs (Abb. 2.31) liefert eine gerade Linie auf dem Wahrscheinlich-
keitsgitter (Abb. 2.32). Die oberen und unteren Grenzlinien des Bündels von geraden
Linien werden als Konfidenzgrenze für die gesamte Verteilungsfunktion betrachtet.
Abb. 2.32 zeigt dies schematisch im relevanten Wahrscheinlichkeitsgitter, das für
die Annäherung verwendet wird. Die Maximum-Likelihood-Methode kann auch
auf „zensierte“ Testergebnisse angewendet werden, z. B. wenn ein Lebensdauer-
test nach einer bestimmten Zeit abgebrochen wird und nur k der n Testobjekte aus-
gefallen sind. Dann erhält die Wahrscheinlichkeitsfunktion die Form
k
 n−k

L = A · pR = A · fRi (xi /δ1 , δ2 ) · (1 − fRi (xi /δ1 , δ2 )).
i=1 i=k+1
(2.55)

Die gleiche Probe wie in Abb. 2.30 wird mit einem kommerziell erhält-
lichen PC-Programm der ML-Methode (Speck et al. 2009) unter der Annahme
einer Weibull-Verteilung ausgewertet (Abb. 2.33). Das Programm liefert nach
Unabhängigkeitstests eine Darstellung der kumulativen Häufigkeitsverteilung
auf einem Weibull-Netz mit logarithmischer Abszisse. Die Parameter werden
wie folgt geschätzt: Anfangswert v0 = 750 kV, 63 % Quantil Vb63 = (v0 + x63)
= (750 + 211) kV und Streuparameter δ = 8,4. Die ausgewertete untere 95 %
Konfidenzgrenze der Summenhäufigkeitsfunktion sollte für technische Schluss-
folgerungen herangezogen werden.

Abb. 2.31 Punkt- und L /Lmax


Konfidenzschätzung durch
1
die Maximum-Likelihood-
Funktion (schematisch)

δ 2min δ *2 δ 2max
δ 1min δ2
δ *1
δ 1max

δ1
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 75

Abb. 2.32 Konfidenzgrenzen δ 2min


F(x)
der Verteilungsfunktion
abgeleitet aus Abb. 2.31 δ 1min
(schematisch)
untere Konfidenzgrenze δ*1; δ*2
δ 1max

δ 2max

50%
obere Konfidenzgrenze

x50 x

0,99
Abb. 2.33 Summenhäufig-
Kumulative
keitsfunktion mit 95 % Ausfallhäufigkeit h ∑
Konfidenzgrenzen im 0,9
Weibull-Netz
0,8

0,6 0,63
untere Konfidenzgrenze
0,4 obere Konfidenzgrenze

0,3

0,2

0,1

0,05

δ = 8,4
(Gl. (2.50))

v63 = 211 kV
v0 = 750 kV
0,01
140 160 180 200 220 kV 260
Durchbruchspannung X b = Vb -V0

2.4.3 HV-Prüfungen mit der Konstantspannungsmethode

Die mehrstufige Methode (MLM) bedeutet die Anwendung von Konstant-


spannungsprüfungen (siehe Abschn. 2.4.1) auf mehreren Spannungsebenen
(Abb. 2.34). Für jede Ebene liefert die Prüfung eine Schätzung der Durchschlags-
wahrscheinlichkeit einschließlich ihrer Vertrauensgrenzen (Abb. 2.25). Die
Beziehung zwischen Spannungsbelastung und Durchschlagswahrscheinlichkeit ist
76 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Impulsspannung
kV

112
Durchschläge

Nichtdurchschläge
108

104

100

Zeitpunkt der Prüfung


Spannungsstufe m= 1 2 3 4 5 6 7 8
Durchschläge k= 1 1 2 4 5 7 8 9
Durchschlaghäufigkeit h = 0,1 0,1 0,2 0,4 0,5 0,7 0,8 0,9

Abb. 2.34 MLM-Prüfverfahren nach der mehrstufigen Methode mit m = 8 Spannungsstufen und
n = 10 Impulsen pro Stufe

keine Verteilungsfunktion im statistischen Sinne und wird daher als „Verhaltens-


funktion“ (manchmal auch als „Reaktionsfunktion“) bezeichnet. Die Verhaltens-
funktion ist nicht unbedingt monoton steigend, sie kann abnehmen (Abb. 2.35),
z. B. im Falle einer Änderung des Entladungsmechanismus abhängig von der
Höhe der Spannung. Aber sie liefert genau die Informationen, die für die Zuver-
lässigkeitsschätzung und Isolationskoordination eines Stromversorgungssystems
erforderlich sind: Die Verhaltensfunktion liefert die Wahrscheinlichkeit eines
Durchschlags im Falle einer bestimmten Überspannungsbelastung.
In den meisten Fällen zeigt auch die Verhaltensfunktionfunktion einen mono-
tonen Anstieg und kann mathematisch durch eine theoretische Verteilungs-
funktion beschrieben werden. Abb. 2.36 zeigt den Unterschied zwischen der
Verhaltensfunktion V(x) (simuliert durch eine standardisierte Normalver-
teilung mit μ = 0 und σ = 1) und abgeleiteten Summenhäufigkeitsfunktionen

1
Ausfallwahrscheinlichkeit

0,5 (a) (b)

0
angelegte Impulsspannung

Abb. 2.35 Verhaltensfunktion mit monotonem (a) und nicht-monotonem (b) Anstieg
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 77

Abb. 2.36 Berechnete Summenhäufigkeit relative Stufenhöhe


Summenhäufigkeits- 1 ∆x/σ =0,02 0,1 0,2 0,4 0,7 1,0
funktionen SΔx(x) ermittelt
bei verschiedenen Schritt-
höhen Δx/σ basierend auf
S∆ x (x)
einer identischen Verhaltens-
funktion V(x) V(x)
0,5

-3 -2 -1 0 1 2 x
normierte Zufallsvariable

SΔx (x) ­unterschiedlicher Höhen Δx der Spannungsschritte bei der Prüfung. Aus
statistischen Gründen gilt das Prinzip SΔx (x) > V(x). Beide Funktionen haben
eine unterschiedliche Bedeutung: Summenhäufigkeitsfunktionen berücksichtigen
die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls bei allen Belastungen bis zur betrachteten
Belastung, Verhaltensfunktionen tun dies nur bei einer bestimmten Belastung.
Summenhäufigkeitsfunktionen aus schrittweise erhöhten Spannungen können in
Verhaltensfunktionen (Hauschild und Mosch 1992) umgewandelt werden.
Eine MLM-Prüfung sollte bei m ≥ 5 Spannungsstufen und n ≥ 10 Belastungen
pro Stufe durchgeführt werden. Die Anzahl der Belastungen muss nicht unbedingt
auf allen Stufen identisch sein. Wenn Durchschlagsspannungen berücksichtigt
werden, kann die Anzahl der Belastungen bei niedriger Durchschlagshäufigkeit
höher sein. Dann muss die Unabhängigkeit der Ergebnisse jeder Stufe überprüft
werden (siehe Tab. 2.8) und Vertrauensschätzungen für die Durchschlagswahr-
scheinlichkeit werden bestimmt (Abb. 2.25) und in einem Wahrscheinlichkeits-
gitter dargestellt.
Beispiel Aus früheren Experimenten kann erwartet werden, dass die Verhaltensfunktion
monoton zunimmt und durch eine Doppelexponentialverteilung angenähert werden kann.
Daher werden die Punkt- und Vertrauensschätzungen in einem Gumbel-Netz (Abb. 2.37)
dargestellt. Da eine Gerade durch alle Vertrauensbereiche gezeichnet werden kann, wird
die Annahme einer Doppelexponential- oder Gumbel-Verteilung bestätigt. Die geringe
Reduzierung der relativen Durchschlagshäufigkeit zwischen 1083 und 1089 kV ist nicht
signifikant, wie aus den Vertrauensgrenzen ersichtlich ist. Die Parameter können aus
Quantilen abgeschätzt werden, v63 = 1112 kV und γ = (v63 − v31) = 12 kV.

Auch die Maximum-Likelihood-Schätzung kann angewendet werden, wenn die


Verhaltensfunktion durch eine bestimmte Verteilungsfunktion (Parameter δ1, δ2)
angenähert wird. Gemäß Abb. 2.34 gibt es j = 1…m Spannungspegel und auf
jedem Pegel nj Belastungen. Die Wahrscheinlichkeit, kj Durchschläge und wj =
(nj − kj) Nichtdurchschläge bei der Spannung uj zu erhalten wird durch die
binomiale Verteilung (Gl. 2.47) auf der Grundlage der Durchschlagswahrschein-
lichkeiten ausgedrückt, die durch die Verhaltensfunktion V(vj) = V(vj /δ1, δ2)
78 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

0,99

0,9 Ausfall
wahrscheinlichkeit
0,8

0,6 0,63

0,4

0,3 0,31

0,2

0,1

untere/ Y = 12 kV
obere
Konfidenzgrenze
vb63 = 1112 kV

0
1060 1070 1080 1090 1100 1110 kV 1130
Durchbruchspannung v b

Abb. 2.37 Verhaltensfunktion mit ihrem Vertrauensbereich gemäß einer ML-Schätzung und Ver-
trauensgrenzen der einzelnen Durchschlagswahrscheinlichkeiten

gegeben sind. Die entsprechende Likelihood-Funktion für alle m Spannungspegel


mit nj Belastungen ist gegeben durch
m
  kj   wj
L= V vj /δ1 , δ2 1 − V vj /δ1 , δ2 . (2.56)
j=1

Durch Variation der Parameter δ1 und δ2 wird das Maximum von Gl. (2.56)
gefunden, wie oben beschrieben. Man erhält Punkt- und Konfidenzschätzungen
sowie eine Konfidenzregion für die gesamte Verhaltensfunktion.
Für praktische Anwendungen der Maximum-Likelihood-Methode ist die Ver-
wendung geeigneter Software erforderlich. Ein optimales Softwarepaket (Speck
et al. 2009) enthält alle notwendigen Schritte der HV-Prüfdatenauswertung, von
mehreren Unabhängigkeitstests, Tests für die beste Anpassung an eine theoretische
Verteilungsfunktion, Darstellung der empirischen Leistungsfunktion (oder der
kumulativen Häufigkeitsverteilung) auf Wahrscheinlichkeitsnetz bis hin zu Punkt-
und Konfidenzschätzungen für die Parameter und die gesamte Leistungsfunktion
(oder Verteilungsfunktion).
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 79

2.4.4 HV-Prüfungen für ausgewählte Quantile unter


Verwendung von Auf- und Ab-Methoden

Eine ganze Verhaltensfunktion ist nicht immer erforderlich, z. B. kann die Durch-
schlagfestigkeit einer Isolierung bestätigt werden, wenn der Prüfspannungswert ut
niedriger ist als das 10 % Quantil v10. In diesem Fall ist es ausreichend, den Wert
v10zu ermitteln, in anderen Fällen könnte es ausreichend sein, nach den Quantilen
v50 oder v90 zu suchen. Die zugehörige Auf- und Abwärts-Prüfmethode (UDM),
die auf den Konstantspannungsprüfungen (Abschn. 3.4.1) basiert, wurde von
Dixon und Mood (1948) eingeführt.
Die Methode erfordert, dass die Spannung zunächst in festen Spannungs-
schritten Δv erhöht wird, ausgehend von einem Anfangswert v00, bei dem sicher-
lich kein Durchbruch auftritt, bis ein Durchbruch bei einer bestimmten Spannung
auftritt (Abb. 2.38: v1 ist der erste gezählte Wert). Nun wird die Spannung um Δv
verringert, wenn kein Durchschlag auftritt, wird die Spannung wieder in Schritten
erhöht, bis der nächste Durchbruch auftritt, andernfalls wird sie im Falle eines
Durchschlags um Δv verringert. Das Verfahren wird wiederholt, bis eine vor-
bestimmte Anzahl n≥ 20 von Spannungswerten vl, v2, … vn ermittelt wurde. Der
Mittelwert dieser angelegten Spannungen ist eine erste Schätzung für die 50 %
Durchbruchspannung v50:
n
1
v50 ∗ = vl . (2.57)
n l=1

Eine detailliertere Bewertung berücksichtigt den Einfluss der Stufenhöhe Δv und


verwendet die Anzahl der Durchschläge k und die Anzahl der Nichtdurchschläge

Wider
Schritt Pause stands Spannung
Spannung i ki fähiges ui / kV
160 widerstehen Durchbruch qi
3 1 0 155
kV 2 4 2 150
1 3 5 145
v0
140 0 1 3 140
- 0 1 135

∆v k=9 q=11 q+k=20

v 00 =120

Zeit
100

Nr. der Spannungsanwendung: l=1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 n=20

Spannungswert v / kV: 145 150 145 145 135 145 145 145 155 145
140 150 150 140 140 140 150 150 150 150

Abb. 2.38 Auf-und-Ab-Methode (UDM)zur Schätzung des 50 % Quantils v50


80 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

q. Die Summe der beiden komplementären Ereignisse entspricht der Anzahl der
Spannungsanwendungen n = k+ q, beginnend mit dem ersten Durchbruch. Zusätz-
lich wird die Anzahl der Spannungsstufen oder Schritte vi (mit i = 0 … r) berück-
sichtigt. Es wird i = 0 ab dem Schritt des niedrigsten Durchbruchs gezählt. Auf
einer bestimmten Spannungsebene vi,gibt es ki Durchbrüche. Dann kann die
50%ige Durchbruchspannung geschätzt werden durch
 r 
i=1 i · ki 1
v50 = v0 + ∆v ± . (2.58)
k 2

Beispiel Der Test in Abb. 2.38 beginnt bei v00 = 120 kV und hat Spannungsschritte von Δv=
5 kV. Einschließlich des ersten Durchbruchs gibt es l= 20 Spannungsanwendungen. Die erste
Schätzung von v50* nach Gleichung (2.57) liefert v50* = 145,5 kV.
Die niedrigste Spannungsebene, bei der ein Durchbruch auftritt, ist v0 = 140 kV. Die
Anzahl der Durchbrüche beträgt k = 9, die der Nichtdurchschläge q = 11 und es gibt i=
3 Spannungsschritte über der niedrigsten Durchbruchspannung. Mit diesen Daten liefert
Gleichung (2.58) v50 = 145,3 kV. Der Unterschied zwischen den beiden Methoden ist sehr
gering, für die meisten praktischen Schlussfolgerungen kann er vernachlässigt werden.

Die UDM-Prüfung ist unabhängig, wenn die einzelnen Spannungs-


anwendungen keine abnehmende oder zunehmende mittlere Tendenz aufweisen.
Ein UDM-Prüfung nach dem Durchschlagverfahren beginnt bei einer Anfangs-
spannung, bei der der Durchschlag sicher ist, und geht hinunter bis zum ersten
Nichtdurchschlag. Es liefert auch v50, wenn die Nichtdurchschläge so gezählt
werden wie oben die Durchschläge. Weiterhin sollte erwähnt werden, dass es
Methoden zur Schätzung der Standardabweichung der Verhaltensfunktion gibt,
aber die Methode kann nicht empfohlen werden (siehe z. B. Hauschild und Mosch
1992). Vertrauensgrenzen sollen durch die Maximum-Likelihood-Funktion (siehe
unten) und nicht durch die nur grob geschätzten Dispersionen berechnet werden.
Carrara und Dellera (1972) schlugen eine „erweiterte Auf-und-Ab-Methode“
vor, die Serien von Beanspruchungen (Abb. 2.39) zur Bestimmung von voraus-
gewählten Quantilen anstelle von einzelnen Beanspruchungen (Abb. 2.38)
anwendet. Für die Bestimmung eines bestimmten Quantils ist eine bestimmte
Anzahl von Impulsen in einer Serie erforderlich. Tab. 2.9 gibt die Beziehung
zwischen der Ordnung p des Quantils und der erforderlichen Anzahl von
Impulsen in einer Serie an. Das „Stehspannungs- Verfahren“, das mit einer
Standhaltspannung v00 beginnt und die Spannung erhöht, liefert die Quantile
vp der Ordnungp ≤ 0,50, das „Durchschlags- Verfahren“ beginnend mit einer
Zusammenbruchspannung und abnehmender Spannungsfestigkeit liefert die
Quantile der Ordnung p ≥ 0,50.
Abb. 2.39b zeigt die Schätzung der statistischen Durchschlagfestigkeit, die
als 10 % Durchschlagspannung (Quantil v10) unter Verwendung des Withstand-
Verfahrens mit n= 7 Beanspruchungen pro Serie ermittelt wird. Sobald in einer
Serie nur Nichtdurchschläge auftreten, wird die Spannung um Δv auf die nächst-
höhere Stufe erhöht. Sobald ein Durchschlag auftritt, wird die Spannung auf die
nächstniedrigere Stufe verringert.
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 81

(a)
1160
6 1150 2 ja

kV 5 1120 6 ja

4 1090 7 ja
1080

3 1060 3 ja
1040
Panne 2 1030 1 Kein
k j<2

1000 1 1000 1 Kein


k j<2

960 Niveau volt- Belas- für die


nlum- age tungs Bewer-
ber gruppen tung
1 2,3 4 5 6 7 8 9 10,11,12 13 14,15,16,17,18 19 20 j Vj / kV k j verwen
(b) det

1100
Prüfspannung
6 1090 1 Kein
kj<2

kV 5 1060 2 ja

4 1030 5 ja
1020 widerstehen

3 1000 7 ja

980
2 970 4 ja

940 1 940 1 Kein


kj<2

900
Anzahl der
12 3 4 5 6,7,8 9 10 11,12,13,14 15,16,17 18 19 20 Belastungsgruppen

Abb. 2.39 Auf-und-ab-Test zur Bestimmung des 90 % Quantils v90 (a: Durchschlagsver-
fahren), und entsprechend des 10 % Quantils v10 (b: Stehspannungsverfahren)

Wenn das Durchschlagverfahren angewendet wird, wird die Spannung ver-


ringert, wenn in einer Serie nur Durchschläge auftreten, und nur erhöht, wenn der
erste Nichtdurchschlag auftritt. Das erwartete Quantil für dieses Durchschlagver-
fahren ist v90. Die Auswertung der Punktschätzung des Quantils kann gemäß der
vereinfachten Auswertung nach Gl. (2.57) durchgeführt werden.
82 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Tab. 2.9 Anzahl der Beanspruchungen n pro UDM-Gruppe zur Schätzung der Ordnung p der
Quantile
n 70 34 14 7 4 3 2 1
p 0,01 0,02 0,05 0,10 0,15 0,20 0,30 0,50 (Stehspannungsver-
fahren )
p 0,99 0,98 0,95 0,90 0,85 0,80 0,70 0,50 (Durchschlagver-
fahren )

Auch die computergestützte Maximum-Likelihood-Methode kann für die


UDM-Tests angewendet werden, sofern entsprechende Software verfüg-
bar ist (Speck 1987; Bachmann et al. 1991): Das Prinzip entspricht dem MLM
(siehe Abschn. 2.4.3). Für jede der angewendeten Spannungsebenen wird die
relative Durchschlaghäufigkeit einschließlich ihres Vertrauensbereichs geschätzt
(Abb. 2.40 für die Schätzung von v10 mit n= 7 Beanspruchungen pro Serie) und
in einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsnetz dargestellt (Abb. 2.40: Gauss-
Netz). Das Maximum der Likelihood-Funktion liefert das erwartete Quantil v10
einschließlich seiner Vertrauensgrenzen. Der Vertrauensbereich (ε = 95 %) aller
Quantile wird berechnet und als violette Linie dargestellt.

2.4.5 Statistische Behandlung von Lebensdauer-Tests

Ein Lebens-dauer Test ist die Beanspruchung der Isolierung bei einer bestimmten
konstanten AC- oder DC-Spannung (oder einer Reihe von Impulsen). Die Zufalls-

Abb. 2.40 ML-Auswertung 0,99


eines erweiterten UDM- V10l=974kV V10u=1019kV
Tests zur Bestimmung der untere
Konfidenz
Verhaltensfunktion in der V10=1000kV grenze
Nähe des 10 %-Quantils 0,9

0,8

0,7

0,5

obere
0,3 Konfidenz
grenze
0,2

0,1

0,01
900 950 1000 1050 1100 kV 1150
Durchschlagspannung
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 83

variable ist die Durchbruchzeit (oder die Anzahl der Impulse), die gemäß dem
PSM ausgewertet werden kann (siehe Abschn. 2.4.2). Wenn diese Prüfung bei
mehreren Spannungsstufen durchgeführt wird, kann die Beziehung zwischen
Durchschlagspannung und Durchschlagzeit – normalerweise als Lebensdauer
Kennlinie (LTC) bezeichnet – ausgewertet werden (Speck et al. 2009). Sie wird für
ein Quantil der Ordnung p der Durchschlagspannung vp ausgedrückt durch
 n
kd
vp = kd tp−1/n oder tp = , (2.59)
vp

wobei tp – Quantil der Ordnung p der Durchschlagzeit; n – Lebensdauer-


Exponent, der hauptsächlich das Isoliermaterial charakterisiert, und kd – eine
Konstante, die hauptsächlich die Feldgeometrie charakterisiert. In einem
logarithmischen Netz liefert die Formel eine fallende Gerade, geeignet zur
Schätzung der Parameter n und kd.
Die Durchschlagzeit kann durch eine Zwei-Parameter-Weibull-Ver-
teilung (Gl. (2.51): x0 = t0 = 0) unter Berücksichtigung von Gl. (2.59) und der
Beziehung, dass vp die angelegte Spannung des konstanten Spannungstests vp = vt
ist, beschrieben werden:
    δ 
vt n
F(t, vt ) = 1 − exp − t . (2.60)
kd

Nun wird die computergestützte Maximum-Likelihood-Methode (Speck


1987; Speck et al. 2009) für das unbekannte Triplett der Parameter kd,, n und δ
angewendet. Das Maximum der Likelihood-Funktion liefert die beste Schätzung
für das Triplett. Wie oben beschrieben können auch Konfidenzgrenzen geschätzt
werden. Die Lebensdauer-Kennlinie (Abb. 2.41) enthält nun Konfidenzgrenzen.

Abb. 2.41 Lebensdauer- angelegte Spannung


Kennlinie einschließlich 300
Konfidenzintervalle
200

kV

obere Konfidenzgrenze
100

80

70

60
untere Konfidenzgrenze

50
0,1 1 10 100 1000 h 100000
Zeit bis zum Ausfall t b
84 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Die Methode ermöglicht auch die Auswertung von zensierten Lebensdauer-


daten, das bedeutet, dass auch Testobjekte berücksichtigt werden, die noch nicht
ausgefallen sind, als der Test beendet wurde.

2.4.6 Standardisierte Stehspannungsprüfungen

Bei einer standardisierten Stehspannungsprüfung muss das Prüfobjekt einer


­Prüfspannung gemäß der Isolationskoordination (IEC 60071-1:2006) nach einem
vereinbarten Prüfverfahren standhalten. Im Folgenden werden die Verfahren für
Typ- und Stückprüfungen kurz statistisch betrachtet. Die Verfahren haben eine
lange Tradition, wurden ohne detaillierte statistische Überlegungen eingeführt,
sind aber mit den bemerkenswerten Erfahrungen von Prüffeldingenieuren ver-
bunden. Eine einfache Änderung der Verfahren wäre nicht akzeptabel und
kann nicht empfohlen werden. Es scheint jedoch notwendig zu sein, dass die
statistischen Folgen dieser Verfahren verstanden werden.
Die stochastische Natur elektrischer Entladungen führt dazu, dass ein fehler-
haftes Prüfobjekt nicht immer in einem Test abgelehnt wird. Mit einer gewissen
geringen Wahrscheinlichkeit kann es den Test bestehen und während des Betriebs
versagen. Dies wird als Risiko des Benutzers bezeichnet. Es kann jedoch auch
vorkommen, dass ein Prüfobjekt ohne Mängel im Test abgelehnt wird. Dies ist das
Risiko des Herstellers. Welches Risiko höher ist, hängt von der Konstruktion und
der Produktionsqualität des Objekts ab. Wenn nur eine sehr geringe Entfernung
zwischen tatsächlicher Durchschlagspannung und Prüfspannung besteht, kann das
Risiko des Benutzers höher sein als das des Herstellers. Bei ausreichender Sicher-
heitsmarge ist das Risiko beider Seiten jedoch akzeptabel.
Für AC- und DC-Prüfspannungen (Abb. 2.42a, IEC 60060-1:2010) soll die
Spannung schnell auf 75 % des Prüfspannungswerts erhöht werden. Dann soll sie
mit etwa 2 % des Prüfspannungswerts pro Sekunde angehoben werden. Wenn der

Stehspannung
(a) Anwendung (b) TE-Messung mit Stehspannung
Anstiegsgeschwindigkeit auf allen Ebenen Anmeldung
V /V t der V /V t
1 0,02/s

Spannung
0,75

0,5

Zeit

Abb. 2.42 Konventionelles (a) und PD-überwachtes (b) Stehspannungsprüfverfahren für AC-
und DC-Prüfspannungen
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 85

Prüfspannungswert erreicht ist, muss er innerhalb von ±1 % für die Prüfdauer Tt,
die sehr oft 1 min beträgt, aber manchmal länger, z. B. eine Stunde, eingehalten
werden. Dann soll die Spannung auf 50 % verringert und abgeschaltet werden.
Ein solcher Test ist eine Art Konstantspannungsversuch, die Prüfspannung ist
eine einzelne Belastung und ohne Kenntnis von Einzelheiten aus der Entwicklung
ist eine statistische Beurteilung des Einzelversuchs unmöglich. Wenn jedoch
viele Prüfobjekte desselben Typs getestet werden, sollte man eine statistische
Auswertung der Ausfallstatistik zur Verbesserung von Konstruktion und/oder
Produktion haben.
AC- und DC-Durchschlagfestigkeitsprüfungen werden zunehmend durch
PD-Messungen ergänzt („PD-überwachte Durchschlagfestigkeitsprüfungen“).
Dann muss ein Stufenprüfverfahren angewendet werden (Abb. 2.42b). Die Auf-
wärts- und Abwärtsschritte sollten bei identischen Spannungen erfolgen, um
einen Vergleich der PD-Eigenschaften vor und nach dem Maximalwert der Steh-
spannungsprüfung zu ermöglichen. Die PD-Messung sollte auch bei der Durchs
chlagfestigkeitsprüfspannung für die angegebene Prüfdauer durchgeführt werden.
Auch die Dauer der Schritte für die PD-Messung muss festgelegt werden. Für
alle Schritte ist eine Dauer T≥ 1 min erforderlich. Welche Stufenspannungen für
die Durchschlagfestigkeitsprüfung in Betracht gezogen werden, ist ebenfalls eine
Frage der Spezifikation. Die Kombination von Stehspannungs- und PD-Prüfung ist
heute die effizienteste Methode für AC/DC-Prüfungen.
Für LI- und SI-Durchschlagfestigkeitsprüfungen werden mehrere Methoden
empfohlen (IEC 60060-1:2010):
(A1) 
Eine Stehspannungsprüfung einer selbstregenerierenden externen Iso-
lation ist bestanden, wenn gezeigt werden kann, dass das 10 %-Quantil
der Verhaltensfunktion höher ist als die angegebene Prüfspannung. Das
10 %-Quantil kann aus einer gemessenen Verhaltensfunktion oder aus
einem Auf- und Ab-Test entnommen werden (siehe Abschn. 2.4.4).
(A2) Für solche externen Isolationen sollen n = 15 Prüfspannungsimpulse
angelegt werden und k ≤ 2 Durchschläge sind zulässig.
(B) Für interne Isolationen können n= 3 Prüfspannungsimpulse angelegt
werden und kein Durchschlag ist erlaubt.
Mithilfe der binomialen Verteilung(Gl. 2.47) können die Methoden verglichen
werden: Abb. 2.43 zeigt ein Diagramm der Wahrscheinlichkeit, den Test abhängig
von der Ausfallwahrscheinlichkeit p des Prüfobjekts bei der Prüfspannung
zu bestehen. Die Methode A1 hat ein scharfes Kriterium: Wenn die Ausfall-
wahrscheinlichkeit p = 0,10 erreicht, fällt das Prüfobjekt durch den Test. Das
Verfahren A2 ist nicht scharf, denn bei p = 0,08 scheitern 10 % der Prüfobjekte,
obwohl sie nach Verfahren A1 als akzeptabel gelten. Aber wenn p = 0,30 – eine
zu hohe Ausfallwahrscheinlichkeit – besteht, gibt es eine 15%ige Wahrscheinlich-
keit, den Test im Falle von Methode A1 zu bestehen. Das Verfahren B ist noch
schlechter: Ein Prüfobjekt mit der hohen Ausfallwahrscheinlichkeit p = 0,30 wird
den Test sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % bestehen.
86 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Wahrscheinlichkeit des Verfahren:


Bestehens des Tests p t Verhaltensfunktion n=15, k ≤2 n=3, k=0
1

0,8

0,6

0,4

0,2

0
0,01 0,02 0,04 0,.06 0,1 0,2 0,4 0,6 1
Ausfallwahrscheinlichkeit des Prüfobjekts p(Vw )

Abb. 2.43 Wahrscheinlichkeit, einen LI/SI-Spannungstest in Abhängigkeit von der Ausfall-


wahrscheinlichkeit des Prüfobjekts für verschiedene Testverfahren zu bestehen

Das Beispiel zeigt, dass kein Hersteller seine Produkte mit einer Ausfall-
wahrscheinlichkeit von 0,10 bei der Prüfspannungswert konstruieren sollte. Die
Ausfallwahrscheinlichkeit für die Konstruktion sollte p < 0,01 sein!

2.4.7 Die Vergrößerungsgesetze

Wenn Isolierungen groß sind und Spannungsquellen ausreichend leistungsfähig


sind, können Entladungen, die möglicherweise einen Durchbruch verursachen,
sowohl räumlich als auch zeitlich parallel entstehen. Der Durchbruch tritt zufällig
bei dem „schwächsten“ der parallelen Isolationselemente auf. Beispiele für
diskrete Elemente sind die vielen parallelen Isolatoren an Freileitungen oder in
Umspannwerken oder die parallelen Wicklungen in Leistungstransformatoren.
Große Isolierungen mit kontinuierlicher Struktur sind z. B. die Isolierung von
Kabeln, GIS oder GIL, die in geeignete Einzelelemente unterteilt werden können.
HV-Experimente zur Entwicklung von Geräten werden in der Regel an solchen
Elementen der Isolierung durchgeführt. Ihre Ergebnisse müssen auf die voll-
ständige Isolierung der Geräte übertragen werden. Unter der Bedingung der
statistischen Unabhängigkeit der einzelnen Elemente kann die Vergrößerung durch
das Vergrößerungsgesetz erfolgen. Das Buch von Hauschild und Mosch (1992)
enthält viele verwandte Details und Referenzen. Wichtige Beziehungen für die
Planung und Bewertung von HV-Tests werden im Folgenden gegeben:
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 87

2.4.7.1 Statistische Grundlagen

Die Vergrößerung kann im Raum (Volumen V, möglicherweise reduziert


auf Fläche A oder Länge l) oder in der Zeit T erfolgen. Der allgemeine
Vergrößerungsfaktor von einem einzelnen Referenzelement (V1, T1) zur
vergrößerten Isolierung (Vn, Tn) ist gegeben durch
Vn Tn
n= · ; 0<n<∞ (2.61)
V1 T1
Mit dem Multiplikationsgesetz für nicht abhängige Wahrscheinlichkeiten folgt,
dass das Nichtversagen der vollständigen Isolierung (1 − pn) das Nichtversagen
aller ihrer Elemente (1 − p1)i mit i = 1,…n erfordert:
(1 − pn ) = (1 − p1 )1 · (1 − p1 )2 · . . . · (1 − p1 )n (2.62)
Dies liefert das Vergrößerungsgesetz für die Ausfallwahrscheinlichkeit identischer
Elemente
pn = 1 − (1 − p1 )n (2.63)
Mit den Verteilungsfunktionen der einzelnen Elemente F1(x) erhält man die der
vollständigen Isolierung Fn(x)
Fn (x) = 1 − (1 − F1 (x))n (2.64)
Wenn die einzelnen Elemente keine identische Ausfallwahrscheinlichkeit (oder
Verteilungsfunktion) haben, wird die Vergrößerungsregel für diskrete Elemente zu
n
pn = 1 −
i=1
(1 − p1i ) (2.65)

bzw.
n
Fn (x) = 1 −
i=1
(1 − F1i (x)) (2.66)

Wenn die Verteilungsfunktion F(x; α; β) (x ist die Zufallsvariable, α und β sind


ihre Parameter) eines geeigneten Referenzelements bekannt ist und differentiell
kleine Isolationselemente betrachtet werden, erhält man das verallgemeinerte
Vergrößerungsgesetz, das für Isolationen mit kontinuierlicher Struktur anwendbar
ist. Einzelheiten finden Sie bei Hauschild und Mosch (1992) und Hauschild (1995)
sowie Marzinotto und Mazzanti (2015).

2.4.7.2 Folgen der Vergrößerung

Dort gibt es keinen Vergrößerungseffekt der Ausfallwahrscheinlichkeit, wenn


es keine Zufälligkeit der Ausfallprozesse gibt. Für die Vergrößerung identischer
Elemente ist Abb. 2.44 die allgemeine Bewertung von Gl. (2.63). Es liefert die
88 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Ausfallwahrscheinlichkeit p1
Ausfallwahrscheinlichkeit pn

Vergrößerungsfaktor n

Abb. 2.44 Ausfallwahrscheinlichkeit und Vergrößerungsfaktor für identische Elemente

Ausfallwahrscheinlichkeit der vergrößerten Isolierung pn in Abhängigkeit vom


Vergrößerungsfaktor n und der Ausfallwahrscheinlichkeit des Referenzelements p1.
Beispiel Nach Durchschlagspannungsmessungen an neu entwickelten Kabelproben von
10 m Länge wird ermittelt, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Prüfspannung gleich
0,5 % (p1 = 0,005) ist.
(1) Die geplante Produktions- und Prüflänge beträgt 1000 m, was einem
Vergrößerungsfaktor von n = 100 entspricht. Wird das Kabel die Routineprüfung im
Werk bestehen und ist das Design gut genug?
Abb. 2.44 liefert für n = 100 und p1 = 0,005 bei Prüfspannung eine Ausfall-
wahrscheinlichkeit des langen Kabels von 40 % (pn = 0,40), was viel zu hoch ist!
(2) Wenn angenommen wird, dass ein Kabelsystem von 10 km Länge mit diesem Kabel
hergestellt werden soll und eine Inbetriebnahmeprüfung vor Ort mit dem Kunden für
dieselbe Prüfspannung wie für die Stückprüfung im Werk vereinbart wird, steigt die
Ausfallwahrscheinlichkeit für n = 1000 sogar auf 99,5 %. Das Kabelsystem kann
diesen Test nicht bestehen!
Fazit: Das Design des Kabels muss verbessert werden!

Abb. 2.44 (nun basierend auf Gl. 2.67) kann auch verwendet werden, um die
Ausfallwahrscheinlichkeit von Messungen an vollständigen großen Objekten mit
pn zurück auf die sehr niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeiten p1 kleiner Proben zu
berechnen:

p1 = 1 − n 1 − pn (2.67)
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 89

Abb. 2.45 zeigt schematisch die Ergebnisse der Vergrößerung als Ergebnisse der
statistischen Eigenschaften des Durchschlags: Wenn es eine Einzelpunktver-
teilung (a) gibt, das bedeutet keine Streuung der Ergebnisse, dann können keine
Vergrößerungseffekte erwartet werden.
Im Falle einer Verteilung mit einem Anfangswert wie der Weibull-Verteilung
(Abb. 2.45b) konvergiert die Verteilung für n → ∞ zu einer Einzelpunktverteilung
beim Anfangswert x0. Wenn die Variablen der Weibull-Verteilungsfunktion durch
y = (x − x0)/η1 auf ihren Anfangswert x0 und ihr 63 % – Quantil η = x63 − x0
reduziert werden, erhält man parallele Verteilungsfunktionen für zunehmende
Vergrößerungsfaktoren und eine logarithmische y-Skala (Abb. 2.46). Die
parallelen Geraden zeigen an, dass die Anwendung des Vergrößerungsgesetzes
die Art der Verteilung nicht ändert, eine Weibull-Verteilung bleibt eine Weibull-
Verteilung. Die Einschränkung wird durch den für die Reduktion verwendeten
Anfangswert verursacht.

Abb. 2.45 Anwendung des


Vergrößerungsgesetzes auf
verschiedene Arten von
Verteilungsfunktionen.
aEinpunktverteilungs­
funktion. bVerteilungs­
funktion mit unterer Grenze
(Weibull-Verteilung).
cUnbegrenzte Verteilungs-
funktionen (Gauss- und
doppelt exponentielle
Verteilung)
90 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Vergrößerungsfaktor n
Ausfallwahrscheinlichkeit p

Realisierungen von Varianten

Abb. 2.46 Vergrößerungsgesetz für Weibull-Verteilungsfunktion auf Weibull-Wahrscheinlich­


keitspapier

Unbegrenzte Verteilungsfunktionen (Abb. 2.45c) konvergieren für n → ∞


gegen die Ausfallwahrscheinlichkeit von p = 1. Dies ist physikalisch nicht
realistisch, daher sollte das Vergrößerungsgesetz vorsichtig angewendet werden.
Im Falle der doppelt exponentiellen (oder Gumbel) Verteilungsfunktion bleibt
die Art der Verteilung doppelt-exponentiell (Abb. 2.47, parallele Geraden).
Vergrößerungsfaktoren größer als n = 103 sollten nur verwendet werden, wenn das
Ergebnis physikalisch logisch bleibt.
Im Falle der Gauss- oder Normalverteilungsfunktion ändert das Vergrößerung­
sgesetz seinen Typ (Abb. 2.48). Die Verteilungsfunktion für vergrößerte Isolier­
ung (n > 1) verläuft nicht mehr parallel zur Gauss-Verteilung eines einzelnen
2.4 Durchschlags- und Stehspannungsprüfungen und ihre statistische … 91

Vergrößerungs
faktor
Ausfallwahrscheinlichkeit p

Realisierungen von Varianten

Abb. 2.47 Vergrößerungsgesetz für doppelt exponentielle (Gumbel) Verteilung auf Gumbel-
Wahrscheinlichkeitspapier

Referenzelements (n = 1). Sie konvergiert nicht so schnell wie die doppelt


exponentielle Funktion, aber der vorsichtige Gebrauch des Vergrößerungsgesetzes
wird ebenfalls empfohlen.
Es gibt viele Bestätigungen für die Anwendbarkeit des Vergrößerungsgesetzes
für identische Elemente und für den Flächeneffekt, da die Voraussetzung statistisch
unabhängiger Elemente oft erfüllt ist, z. B. (Su et al. 2016; Rytöluoto et al. 2015).
Für den Volumeneffekt ist es schwieriger, die Unabhängigkeit der Elemente
voneinander anzunehmen, aber manchmal möglich (Zhao et al. 2015). Die
92 2 Grundlagen der Hochspannungsprüftechnik

Vergrößerungsfaktor n
Ausfallwahrscheinlichkeit p

variieren

Abb. 2.48 Vergrößerungsgesetz für Gauss-Normalverteilung auf Gauss-Wahrscheinlichkeits-


papier

Anwendung des Vergrößerungsgesetzes auf die Durchbruchzeit (Zeiteffekt) ist oft


unmöglich. Die mathematisch notwendige Annahme der statistischen Unabhängig-
keit von aufeinander folgenden Zeitelementen ist aufgrund von Alterungs-
prozessen, hauptsächlich bei festen Isolierungen, nicht realistisch.
Kapitel 3
Prüfungen mit hohen
Wechselspannungen

Zusammenfassung HVAC-Prüfspannungen stellen die Beanspruchung von


Isolierungen durch Betriebswechselspannungen (50 oder 60 Hz) und temporäre
Überspannungen dar. Aus diesem Grund sind sie die wichtigsten Prüfspannungen
und werden für alle Arten von Stehspannungsprüfungen, Lebensdauertests
und dielektrischen oder Teilentladungs(PD)-Messungen angewendet. Nach
der detaillierten Beschreibung von HVAC-Spannungserzeugung werden die
Anforderungen an HVAC-Prüfspannungen und die Wechselwirkung zwischen
Prüfsystem und Prüfobjekt untersucht. Messsysteme für HVAC-Prüfspannungen
basieren hauptsächlich auf kapazitiven Spannungsteilern und Scheitelwertvolt-
metern, aber für Messungen während HVAC-Tests mit erwartetem Spannungs-
abfall, mit Oberschwingungen oder schnellen Spannungsänderungen werden
Digitalrecorder immer notwendiger. Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt
über Verfahren für HVAC-Durchschlag- und Stehspannungsprüfungen, Trocken-,
Regen- sowie Verschmutzungsprüfungen, Langzeit- oder Lebensdauertests. Bei-
spiele für HVAC-Prüfungen an Kabeln, gasisolierten Schaltanlagen, Leistungs-
transformatoren sowie Spannungs- und Stromwandlern werden gegeben.

3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen

In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Möglichkeiten zur Erzeugung von


HVAC-Prüfspannungen untersucht. HVAC-Prüfspannungen können durch Prüf-
transformatoren oder Transformator-Kaskaden sowie durch Resonanzschaltungen
mit Reaktoren variabler Induktivität oder fester Induktivität und durch eine
Stromversorgung mit variabler Frequenz (Frequenzumrichter) erzeugt werden.
Die Prinzipien der Spannungserzeugung werden beschrieben und Empfehlungen
für die Anwendung gegeben. Auch die spezielle Anwendung der HVAC-
Prüfspannungserzeugung durch Leistungs- oder Spannungstransformatoren unter
Prüfung (induzierte Spannungsprüfungen) wird berücksichtigt.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 93


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_3
94 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

3.1.1 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von


Prüftransformatoren (ACT)

3.1.1.1 Allgemeines Prinzip

Die Komponenten eines HVAC-Prüfsystems auf Basis von Prüftransformatoren


(ACT, Abb. 3.1) werden beschrieben, wie sie für einen allgemeinen HV-Prüf-
schaltkreis eingeführt wurden (Abschn. 2.2; Abb. 2.5): Der Prüftransformator
ist der HV-Generator, die Stromversorgung wird in der Regel durch einen (bei
höherer Leistung mehrere) Schaltzelle(n), einen Regeltransformator und einen
Kompensationsreaktor realisiert, und das Spannungsmesssystem durch einen
kapazitiven Spannungsteiler mit einem Scheitelwertvoltmeter, das über ein Mess-
kabel angeschlossen ist. Das Steuer- und Messsystem vervollständigt das HVAC-
Prüfsystem.
Ein Prüftransformator—gekennzeichnet durch seine
Nenn-Primärspannung (LV) V1m,
Nenn-Sekundärspannung (HV) V2m,
Nennstrom Im und/oder
Nenn-Prüfleistung Sm, jeweils mit einer
Nenn-Betriebsart
– ist ein üblicher Einphasentransformator mit Lagenwicklungen. Das Über-
setzungsverhältnis ist die Anzahl der Windungen der Hochspannungswicklung w2
geteilt durch die der Niederspannungswicklung w1. Für die Erzeugung einer Hoch-
spannung ist ein bestimmter magnetischer Fluss erforderlich, der eine bestimmte
Anzahl von HV-Windungen w2 erfordert. Die Anzahl der LV-Windungen w1 hängt
dann von der verfügbaren (oder gewählten) Speisespannung V1m ab.
Für grundlegende Betrachtungen kann der HV-Schaltkreis wie in Abb. 3.2a ver-
einfacht dargestellt werden. Die Einführung des Übersetzungsverhältnis w2/w1 für

Kompen- Betriebssc
Netz Netzschalter Regeltransformator sationsdrossel halter Prüftransformator

Stromversorgungseinheit

IPC-Kontrolle

Abb. 3.1 Schaltbild eines HVAC-Prüfsystems auf Basis eines Prüftransformators (ACT)
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 95

(a) (c) I · RT

V1 V2
V2
jwLT · I

Testtransformator divider Testobjekt V1


w1; w2 CD C0; R0

(b)
RT LT C = CT + C0

V1* = (w2/w1)V1 I V2

I = jωC · V2

Abb. 3.2 HVAC-Prüfschaltkreis, a vereinfachter HV-Prüfschaltkreis, b äquivalenter Schaltkreis,


c Phasendiagramm

die Speisespannung V1∗ (Abb. 3.2b) liefert einen einfachen R–L–C-Schaltkreis, bei
dem LT die Streuinduktivität des Transformators, RT die aktiven Transformatorver-
luste und C die wirkende Kapazität von Prüfobjekt, Spannungsteiler und Trans-
formator darstellt.
Die Spannung am Prüfobjekt V2 ist im Phasendiagramm dargestellt (Abb. 3.2c).
Mit dem vorgegebenen Strom I im Prüfschaltkreis ergibt sich die Prüfspannung
I
VT = V2 = .
jωC
Es gibt einen resistiven Spannungsabfall am Transformator
VR = I · RT .
Die Induktivität des Transformators verursacht einen reaktiven Spannungsabfall
VL = I · jωLT ,
der die kapazitive Prüfspannung V2 = VT teilweise kompensiert. Es ist leicht zu
erkennen, dass die transformierte Speisespannung V1∗ für ein kapazitives Prüf-
objekt niedriger ist als erwartet von der Prüfspannung V2.
Hinweis Entsprechend wäre eine Speisespannung V1∗ höher als erwartet von der Prüf-
spannung V2 erforderlich, wenn das Prüfobjekt induktiv ist. Im Falle eines resistiven Prüf-
objekts und geringen Verlusten im Prüftransformator gilt V2 ≈ V1∗.
96 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Man kann daraus schließen, dass das Verhältnis zwischen der primären Speise-
spannung eines Prüftransformators und der erzeugten sekundären Prüfspannung
von den Parametern des Prüfobjekts abhängt. Daher kann die Primärspannung
nicht zur Messung der Prüfspannung verwendet werden (siehe Abschn. 3.4).
Wenn auch die resistiven Verluste im Prüfobjekt vernachlässigt werden (VR =
0), wären die Speisespannung und die Prüfspannung fast in Phase, man erhält

V2 = V1∗ + VL und
V1∗ (3.1)
V2 = .
1 − ω2 CLT

Dies führt zu einer zweiten wichtigen Schlussfolgerung: Für (1 − ω2 LTC) → 0


erhält man Schwingungen mit der Eigenfrequenz des Prüfkreises
1
ω0 = √ = 2πf0 (3.2)
C · LT
und Resonanz wenn die Eigenfrequenz f0 gleich der Frequenz f der Speise-
spannung V1* (z. B. f0 = 50 Hz) ist. Für den betrachteten theoretischen Fall ohne
aktive Verluste (RT → 0) würde die Prüfspannung bei Resonanz ins Unendliche
gehen (V2 → ∞). In praktischen Prüfkreisen mit Verlusten kann sie sehr hohe
Werte erreichen und der Kreis gerät außer Kontrolle. Daher muss Resonanz ver-
mieden und der ACT-Prüfkreis gegen Über-spannungen geschützt werden.
Hinweis Ein solcher Über-spannungsschutz kann durch einen Befehl der Steuerung
realisiert werden, um die Prüfspannung zu reduzieren und abzuschalten, z. B. für den Fall,
dass die gemessene Prüfspannung 105 % ihres vorgewählten Wertes erreicht hat.

Die Kurzschlussspannung VkT von einem Transformator ist die erforderliche


Primärspannung V1, um den Nennstrom Im durch den Transformator zu treiben,
wenn die Sekundärseite kurzgeschlossen ist (V2 = 0). Für den vereinfachten
Ersatzschaltkreis (Abb. 3.2b) ohne Widerstandsverluste (RT = 0) erhält man die
Kurzschlussspannung

VkT = ωLT Im , (3.3)
das Verhältnis dieser Kurzschlussspannung zur Nennsekundärspannung V2m =
Im/ωC des Transformators definiert die Kurzschlussimpedanz (manchmal auch
„Impedanzspannung“)

VkT
vkT = = ω2 CLT . (3.4)
V2m
Für Prüftransformatoren ist die Kurzschlussimpedanz ein wichtiger Parameter
mit Werten zwischen 5 und 25 %. Eine hohe Kurzschlussimpedanz verursacht
Spannungserhöhungen bei kapazitiver Last und – im Falle von starken Ent-
ladungen oder Durchbrüchen – Strombegrenzungen, die den Durchbruchprozess
behindern können. Mit der Kurzschlussimpedanz kann man die kapazitive
Erhöhung der Prüfspannung auf Basis der Gl. (3.1) und (3.4) abschätzen.
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 97

Beispiel Ein HVAC-Prüftransformator ist mit einem kapazitiven Prüfobjekt (Abb. 3.2b)
belastet, das bei Nennfrequenz seinen Nennstrom benötigt. Die erhöhte Spannung kann
mit V2 = V1∗ /(1 − vkT ) berechnet werden. Für eine Impedanzspannung von vkT = 18 %
erhält man V2 = V1∗ /0,82 = 1,22 V1∗. Das bedeutet, dass die Prüfspannung im Vergleich
zum Transformatorverhältnis um 22 % erhöht ist. Umgekehrt ist die Primärspannung für
eine bestimmte Sekundärprüfspannung niedriger.

Eine weitere Erhöhung der Gesamtimpedanzspannung für vollständige HVAC-


Prüfschaltungen wird durch die Impedanzspannung des Regeltransformators vkR
und Impedanzen im HVAC-Kreis (z. B. ein Speisetransformator vkF zwischen Netz
und Regler, begrenzende Reaktanzen oder Widerstände auf der Niederspannungs-
oder Hochspannungsseite) verursacht. Der Kurzschlussstrom Ik kann aus der
resultierenden Impedanzspannung berechnet werden, was die gewichtete Summe
aller Impedanzspannungen bedeutet. Die Wichtung erfolgt mit der Leistung der
betrachteten Komponenten. Wenn nur der Prüftransformator (reaktive Prüfleistung
ST und Impedanzspannung vkT), der Regeltransformator (SR, vkR) und ein Speise-
transformator (SF, vkF) berücksichtigt werden, ist die resultierende Impedanz-
spannung am Prüftransformator
SR SF
vk = vkT + · vkR + · vkF . (3.5)
ST ST
Der kontinuierliche Kurzschlussstrom Strom Ik, der beispielsweise für HVAC-
Verschmutzungstests wichtig ist (Abschn. 3.2), ergibt sich aus dem Nennstrom Im
mit der resultierenden Impedanzspannung vk
Im
Ik = . (3.6)
vk
Hinweis Diese Schätzung des Kurzschlussstroms beschreibt die stationären Zustände
und vernachlässigt die transienten Ströme nach dem Zeitpunkt des Durchbruchs. Darüber
hinaus wird die Impedanzspannung als dimensionslose Größe angegeben. Wenn sie in
Prozent (%) angegeben ist, muss die Gl. 3.6 entsprechend angepasst werden.

Im Falle eines Durchschlages des Prüfobjekts verursacht der Kurzschlussstrom


eine hohe mechanische Belastung für die Wicklungen des Prüftransformators.
Dadurch können einige Windungen verschoben werden und den Transformator
beschädigen. Daher ist eine stabile mechanische Auslegung der Wicklungen
wichtig, wenn ein hoher Kurzschlussstrom erforderlich ist, z. B. für Regen- und
Verschmutzungsprüfungen.
Eine stabile mechanische Auslegung ist schwierig aufgrund der notwendigen
hohen Anzahl von Windungen (manchmal mehrere Tausend) aus recht dünnen
Drähten (Durchmesser oft in der Größenordnung von 1 mm). Dies muss unter den
strengen HV-Isolationsanforderungen realisiert werden. Daher ist die stabile Aus-
legung notwendig, zum Beispiel wie folgt: In einem größeren öl-papierisolierten
Prüftransformator wird die gesamte Wicklung in Wicklungselemente (oder
„Spulen“) unterteilt, die jeweils auf einem Pressspanzylinder unterschiedlichen
Durchmessers basieren, getrennt hergestellt und später koaxial um einen Schenkel
des Magnetkerns angeordnet sind. Eine solche Spule besteht aus mehreren Lagen
98 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

von Drähten, die in Isolierpapier von einigen Zentimetern Dicke eingepackt sind
(Abb. 3.3). Die Lagen sind miteinander verbunden, und die Spule ist mit den
benachbarten Spulen verbunden. Die mechanische Stabilität hängt stark von einer
zuverlässigen Auslegung ab, die das Schrumpfen des Papiers berücksichtigt, von
der Qualität der Wicklungsherstellung und von einem sorgfältigen Trocknungs-
prozess.
Einige Prüftransformatoren wenig erfahrener Hersteller sind nicht ausreichend
gegen Kurzschlussströme geschützt und benötigen eine Impedanz, oft eine
Induktivität, im HV-Kreis zwischen Prüftransformator und Prüfobjekt. Dies weist
auf bestimmte Probleme der mechanischen Stabilität der Wicklungen hin, die bei
einem modernen Prüftransformator unter normalen Prüfverfahren in einem Prüf-
feld nicht auftreten sollten.
Neben der dielektrischen und der mechanischen Auslegung ist die thermische
Auslegung von großer Bedeutung. Aufgrund der dicken Papierschichten wird der
Wärmeübergang von den Wicklungen zum Öl behindert. Daher werden Kühl-
kanäle zwischen den einzelnen Lagen angeordnet, um die Wärmeleitung zum
strömenden Öl zu ermöglichen. Üblicherweise arbeiten Prüftransformatoren mit
natürlicher Kühlung durch Ölströmung aufgrund von Temperaturunterschieden
im Tank. In seltenen Fällen wird auch eine Zwangskühlung zur weiteren Ver-
besserung des Wärmeübergangs eingesetzt. Das erhitzte Öl wird an den Wänden
des Transformators durch die umgebende Luft gekühlt. Manchmal bestehen die
Wände aus gewelltem Blech oder sind mit Radiatoren oder speziellen Wärme-
tauschern ausgestattet.

Kern

rechteckige Spule, Kern


keine Barrieren

Kern

Spule mit schrägen Flanken, Steuerelektroden und Barrieresysteme

Abb. 3.3 Prinzipielle Anordnung von Schichten, Spulen und Wicklungen eines öl-papier-
isolierten Prüftransformators
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 99

Zwei Gefäßtypen von öl-papierisolierten Prüftransformatoren, mit Metall-


tank und mit isolierenden Zylindertank, sind weit verbreitet. Jeder Typ hat
charakteristische Parameter und entsprechend seine bevorzugte Anwendung,
beides zusammengefasst in Tab. 3.1. Zusätzlich zu diesen Transformatoren mit öl-
papierisolierten Wicklungen sind Prüftransformatoren mit SF6-getränkter Folien-
isolierung (für einige mobile HVAC-Prüfsysteme) und Epoxidharzguss (für kleine
Prüfsysteme mit geringer Leistung bis 100 kV) Isolierung im Einsatz.

Tab. 3.1 Parameter und Anwendung verschiedener Typen von Prüftransformatoren (Einzel-
geräte)
Typ und Iso- Metalltank Isolierzylinder Metallgekapselte Epoxydharz-
lationseigen- mit Öl-Papier- mit Öl-Papier- SF6-getränkte Isollierung
schaften Isolierung Isolierung Folienisolierung
Maximale 1000 500 1000 100
Bemessungs-
spannung (kV)
Maximaler 10 <2 <0,5 0,2
Bemessungsstrom
(A)
Maximale Prüf- 10.000 <1000 <500 <20
leistung (kVA)
Maximaler Dauerbetrieb Kurzzeit 10 h Kurzzeit < 1 h Kurzzeit < 2 h
Betriebszyklus
Impedanz- 5–10 10–15 20 20
spannung (%)
HV-Anzapfungen Ja Nein Nein Nicht wichtig
Spezifisches 10–15 8–12 8–10 15–20
Gewicht (kg/kVA)
Lab-Höhen- Niedrig Hoch Nicht wichtig Nicht wichtig
anforderung
Bodenflächen- Durchschnitt- Durchschnitt- Klein Nicht wichtig
anforderung lich lich
Für Parallel- Ja Bedingt Ja Nicht wichtig
schaltung vor-
gesehen
Für Kaskaden vor- Ja Ja Nein Nicht wichtig
gesehen
Anwendbar für Ja Nein Ja (bevorzugt) Bedingt
metallgekapselte
Schaltungen
Außenanwendung Ja Nein Nein Nein
100 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

3.1.1.2 Metalltank- Prüftransformatoren

Tanktyp-Prüftransformatoren garantieren beste Kühlbedingungen, da der aktive


Teil in einem Metall (Stahl) Tank (Abb. 3.4) angeordnet ist, der zusätzlich mit
„Kühlrippen“ ausgestattet werden kann, um die Kühlfläche des Tanks zu erhöhen.
Der aktive Teil kann eine einzelne HV-Wicklung enthalten (Abb. 3.4 und 3.5) oder
aus zwei HV-Wicklungen in Serie bestehen, wie sie auch für Zylindertyp-Trans-
formatoren verwendet werden (Abb. 3.8b). Metalltank- Transformatoren können

Schirmelektrode Buchse Ölkonservator Metalltank

Abb. 3.4 Metalltank-Prüftransformator 600 kV, 2000 kVA mit einer einzelnen HV-Wicklung

Magnetkern mit drei


Schenkeln

Pressspan-Zylinder mit
Windungen im Inneren

Vorbereiteter Anschluss
der Durchführung

Abb. 3.5 Grundsätzliches Design des aktiven Teils eines Metalltank-Prüftransformators


(einzelne HV-Wicklung und Magnetkern)
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 101

für die höchsten Prüfströme bzw. Prüfleistungen ausgelegt werden und ermög-
lichen einen Dauerbetrieb (Tab. 3.1). Der Magnetkern des Transformators hat oft
drei BSchenkel, und die innere LV- und die äußere HV-Wicklung sind um den
zentrale Schenkel angeordnet (Abb. 3.5). Der Kern befindet sich auf dem gleichen
Erdpotential wie der Tank, das untere Ende der HV-Wicklung ist normalerweise
auch über eine Durchführung geerdet. An dieser Durchführung kann der Strom im
HV-Prüfkreis gemessen werden. Für eine HVAC-Prüfung in Umgebungsluft muss
der Transformator mit einer Öl-Luft-Durchführung ausgestattet sein (Abb. 3.4),
aber Metalltank-Transformatoren können auch über Öl-SF6-Durchführungen
mit metallgekapselten Prüfkreisen verbunden werden, die hauptsächlich für die
Prüfung von gasisolierten Systemen (GIS) und deren Komponenten eingesetzt
werden (Abb. 3.6; siehe auch Abschn. 3.2.3 und 10.4.1).
Aufgrund des geerdeten Tanks benötigt der Tank-Typ Prüftransformator aus
elektrischer Sicht keinen Abstand zu benachbarten Wänden. Bei horizontalen oder
diagonalen Durchführungen können andere Komponenten (Spannungsteiler und
Koppelkondensator) unter oder sehr nahe am Ende der Durchführung angeordnet
werden. Dies ermöglicht eine sehr kompakte und platzsparende Anordnung
in einem Prüflabor, oft ist der Flächenbedarf am Boden geringer als bei einem
Zylindertyp-Transformator (Abb. 3.7).

Testbus mit
PD-Kopplungs Öl-SF6 - Transformator mit
Anschlüssen Sperrwiderstand
für Testobjekte kondensator Durch- geerdetem Tank
führung

Abb. 3.6 Metalltank-Transformator 1000 kV/1000 kVA mit Öl-SF6-Durchführung zu einer SF6-
isolierten Prüfleitung
102 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Fläche für 700-kV- Fläche für 700kV-Tank-


Zylindertest Testtransformator
transformator (76%)
(100%)

Bereich des Prüfobjekts Bereich des Prüfobjekts

Abb. 3.7 Bodenflächenbedarf eines Zylindertyp-Prüftransformators im Vergleich zu einem Tank-


typ Prüftransformator (beide 700 kV)

Metalltank-Transformatoren eignen sich gut für den Außenbetrieb. Daher sollte


dieses Design für alle Freiluft-HV-Prüffelder angewendet werden. Darüber hinaus
besteht die Möglichkeit, den Prüftransformator außerhalb einer HV-Prüfhalle auf-
zustellen und nur seine Durchführung innerhalb dieser Halle zu haben. Dies ist
eine weitere Möglichkeit, den teuren Platz im Prüflabor zu sparen.
Unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Erzeugung von AC-Prüf-
spannungen durch Resonanzschaltungen werden Tank-Typ-Transformatoren
hauptsächlich für Nass- und Verschmutzungsprüfungen (Abschn. 3.2.4), für den
Außeneinsatz und für metallgekapselte Prüfschaltungen eingesetzt.

3.1.1.3 Zylindertyp-Prüftransformatoren

Zylindertyp-Prüftransformatoren (Abb. 3.8a) benötigen keine Durchführung, da


ihr Gehäuse ein isolierender Zylinder ist. Infolgedessen ist das thermische Ver-
halten begrenzt, einschließlich der Erzeugung höherer Blindleistung (Tab. 3.1).
Normalerweise sind sie für den Kurzzeitbetrieb bis zu 10 h (Abb. 3.9) vorgesehen,
ein Langzeitbetrieb würde eine Zwangskühlung des Öls erfordern, z. B. mit
externen Kühlern, die durch Schläuche angeschlossen sind. In jedem Fall sollte
der Betriebszyklus dieses Typs von Prüftransformatoren sorgfältig berücksichtigt
werden.
Der isolierende Zylinder hat auf beiden Seiten metallische Abdeckungen. Die
untere Abdeckung trägt den aktiven Teil. Es gibt zwei Prinzipien der Gestaltung
des aktiven Teils, eines mit einer gemeinsamen koaxialen Niederspannungs- und
Hochspannungswicklung (Abb. 3.10a) und dem Kern auf Erdpotential, das andere
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 103

(a)

(b)

Abb. 3.8 Zylindertyp-Prüftransformator 500 kV/500 kVA, a kompletter Transformator, b aktiver


Teil mit geteilten Wicklungen

Abb. 3.9 Verfügbare verfügbare Testdauer


100
Prüfdauer eines Zylindertyp-
Prüftransformators in h
Abhängigkeit vom
erforderlichen Prüfstrom (T
Umgebungstemperatur)
10

0,1

0,01
0 0,2 0,4 0,6 0,8 A 1,1
erforderlicher Prüfstrom

mit geteilten Wicklungen und dem Kern auf halbem Potential (Abb. 3.10b).
Letzteres erfordert eine isolierende Stütze für den Kern, ist aber besser an die
Geometrie des Zylinders angepasst. Die unteren Wicklungen haben das Nieder-
spannungspotential auf ihrer Außenseite und das H ­ ochspannungspotential auf
104 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Abb. 3.10 Prinzipielle Gestaltung von Zylindertyp-Prüftransformatoren, a Einzelwicklung und


Kern auf Erdpotential, b geteilte Wicklungen und Kern auf halbem Potential

ihrer Innenseite. Der Kern ist mit diesem „halb“ Potential sowie einer Über-
tragungswicklung für die oberen Wicklungen verbunden. Dort ist die Erreger-
wicklung neben dem Kern, während die zweite Hochspannungswicklung
auf der Außenseite liegt. Das bedeutet, dass zwischen den beiden Hoch-
spannungswicklungen die volle Hochspannung anliegt, daher wird der Ölstrecke
dazwischen durch isolierende Barrieren geteilt, um die Isolierung für eine höhere
Durchschlagspannung zu verbessern (Abb. 3.8b und 3.10b).
Zylindertyp-Transformatoren eignen sich gut für Transformator-Kaskaden
bis zu 1500 kV (Abb. 3.11), werden jedoch nur für Innenraumlaboratorien
empfohlen. Sie sind gut geeignet für Mehrzweck-Prüflaboratorien ohne besondere
Anforderungen, z. B. an Universitäten oder bei Prüfdienstleistern.
Das Prinzip der Zylinderkaskaden wird auch in HVDC-Modulen ver-
wendet (siehe Abschn. 6.1.4; Abb. 6.9) sowie für kaskadierte HVDC-
Spannungsgeneratoren (Abb. 6.10).

3.1.1.4 Prüftransformatoren mit SF6-getränkter Folien- oder


Feststoffisolierung

SF6-impregnierte Prüftransformatoren (Abb. 3.12) stammen von SF6 -isolierten


Spannungswandlern des gleichen Prinzips der Isolierung (Moeller 1975) und
werden hauptsächlich für GIS-Tests verwendet. In diesem Fall können sie direkt
an das zu prüfende GIS angeschlossen werden, um einen metallgekapselten und
daher gut abgeschirmten HV-Test- und Teilentladungs-(PD)-Messkreis auch unter
Bedingungen vor Ort zu schaffen.
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 105

Abb. 3.11 Transformator-


Kaskade 1000 kV/350
kVA aus drei Zylindertyp-
Transformatoren. (Mit
freundlicher Genehmigung
der TU Cottbus, Deutschland)

Das thermische Verhalten der SF6-isolierten Folienisolierung ist im Vergleich


zur Öl-Papier-Isolierung schlecht. Daher hat dieser Typ von Prüftransformator
eine begrenzte Nennstrombelastbarkeit und eine sehr kurze Betriebszeit. Auch
das Gewicht ist relativ hoch aufgrund des notwendigen magnetischen Kerns. Für
GIS-Tests sollten SF6-isolierte Prüftransformatoren durch Resonanzschaltungen
mit SF6-isolierten Reaktoren mit einer viel besseren Gewichts-Prüfleistungs-
Relation (Hauschild et al. 1997) ersetzt werden, insbesondere für Prüfspannungen
> 200 kV.
Prüftransformatoren mit Epoxidharz-Isolierung werden nur bis zu Nenn-
spannungen von etwa 100 kV realisiert, aufgrund des notwendigen PD-freien
Designs. Aufgrund der notwendigen thermischen Auslegung sind nur recht
niedrige Nennströme für den Kurzzeitbetrieb zulässig (Tab. 3.1). Daher können
Epoxidharz-isolierte Prüftransformatoren nur begrenzte HV-Testanwendungen von
Niederspannungs- und Mittelspannungsgeräten, Spannungserzeugung in „Testern“
(z. B. für Isolieröl), Studentenschulungen und Demonstrationen verwendet werden.

3.1.1.5 Prüftransformator-Kaskaden

Prüftransformator-Kaskaden werden zur Erzeugung hoher Prüfspannungen ein-


gesetzt, die nicht von einzelnen Prüftransformatoren erzeugt werden können. Das
Prinzip der Transformator-Kaskaden ist ein frühes Design der HV-Testtechnik
106 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Abb. 3.12 Prüftransformator (a) Magnetkern


mit SF6-impregnierter
Folienisolierung, a
Querschnitt, b vollständiges
HV-Wicklung
Prüfsystem mit
Transformator (rechts),
Blockimpedanz (horizontal),
Koppelkondensator (vertikal)
und PD-Kalibrierkopplung
(links)
LV
Wicklung

(b)

mit Beiträgen von W. Petersen mit Mitarbeitern und A.-J. Fischer im Jahr 1915
(Abb. 3.13). Es ist nur für Öl-Papier-isolierte Transformatoren sinnvoll, die im
Folgenden betrachtet werden.
Die Anwendung einer Transformator-Kaskade kann für Spannungen über 600
kV in Betracht gezogen werden (Abb. 3.11). Ein Prüftransformator, der für Trans-
formator-Kaskaden verwendet wird, hat zusätzlich zur Primär- und Sekundär-
wicklung eine Übertragungswicklung (w3 Windungen) auf dem HV-Potential mit
einem Transformatorverhältnis zur Primärwicklung von w3:w1 = 1:1 (Abb. 3.14).
Diese Wicklung speist die Primärwicklung (Erregerwicklung) der folgenden
Stufe der Kaskade. Normalerweise haben die Transformatoren einer Kaskade ein
identisches Design mit jeweils drei Wicklungen. Dies ermöglicht ihre Anwendung
auf allen Stufen in der Kaskade, obwohl die Übertragungswicklung nicht in der
höchsten Stufe verwendet wird. Abb. 3.15 zeigt den bisher größten hergestellten
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 107

Abb. 3.13 Weltweit erste


Transformator-Kaskade für
1 MV, bestehend aus zwei +500 kV 1000 kV -500 kV
Kaskaden 4 × 125 kV in
Phasenopposition (hergestellt
von Koch & Sterzel GmbH,
Dresden 1921)

Abb. 3.14 Prinzipschaltung Stage 3


einer dreistufigen
Transformator-Kaskade

Stage 2

Stage 1

Kaskadentransformator (TuR Dresden). Diese Kaskade ist mit drei Prüftrans-


formatoren mit geteilter HV-Wicklung, magnetischem Kern und Tank auf halbem
Potential und jeweils zwei Durchführungen mit halber Nennspannung ausgestattet
(Abb. 3.16). Dieser Transformatortyp eignet sich gut für Außenkaskaden ohne
Einschränkungen des Flächenbedarfs am Boden.
Die Transformator-Kaskade ist hilfreich für die Erzeugung hoher Spannungen,
aber man muss berücksichtigen, dass die gesamte Prüfleistung über die unteren
Stufen bereitgestellt werden muss. Das bedeutet, dass die Nennleistung der
Kaskade nicht höher sein kann als die Nennleistung ihrer niedrigsten Stufe.
Manchmal ist auch die Nennspannung der Kaskade etwas niedriger als die
Spannung ihrer Komponenten multipliziert mit der Anzahl der Stufen, um nicht-
lineare Spannungsverteilungen in der Kaskade zu berücksichtigen. Zum Beispiel
betragen die Nennparameter der einzelnen Transformatoren von Abb. 3.16 1,2 MV
108 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Prüftransformatoren T Kondensatorbatterien C Spannungsteiler D


D1 C1 T1 T2 C2 D2 T3 C3 D3

Abb. 3.15 Größte Transformator-Kaskade der Welt für 3000 kV/4,2 A mit Kondensatorbänken
zur SI-Spannungserzeugung

V=0 V =Vmax

Outher Balancing
Wicklung

Kaskaden-Wicklung
Primärwicklung V = 0,5·Vmax
Isolierende
HV-Wicklung Unterstützung

Innere
Auswuchtwicklung

Abb. 3.16 Prüftransformator für Kaskaden mit geteilter HV-Wicklung und Tank auf halbem
Potential
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 109

und 14 MVA im Vergleich zu erforderlichen 1 MV und 12,6 MVA, wenn sie in


der Kaskade verwendet werden. Um höhere Ströme in Transformator-Kaskaden zu
erzeugen, können zwei Transformatoren parallel für die niedrigste Stufe geschaltet
werden.
Nicht nur der verfügbare Prüfstrom wird reduziert, die Kurzschlussimpedanz
des Kaskadentransformators erhöht sich entsprechend der Anzahl der Stufen der
Transformator-Kaskade drastisch. Es gibt vereinfachte Berechnungen der Kurz-
schlussreaktanz (Hylten-Cavallius 1988; Kind und Feser 1999). Kuffel et al.
(2006) berechneten die Kurzschlussreaktanz der Kaskade Xres aus den Reaktanzen
der einzelnen Einheiten (XHV der HV-Wicklung, XLV für die LV-Erregerwicklung
und XTV für die Übertragungswicklung) und der Anzahl der Stufen n durch
n

XHVi + (n − i)2 XLLVi + (n + 1 − i)2 + XTVi ,
 
Xres = (3.7)
i=1

wo angenommen wird, dass alle Reaktanzen auf die gleiche Spannung, z. B. den
HV-Ausgang des niedrigsten Transformators, und aktive Verluste, z. B. in den
Wicklungen oder im Kern, bezogen sind und vernachlässigt werden. Wenn drei
identische Transformatoren (n = 3) für die Kaskade verwendet werden, erhält man
die resultierende Kurzschlussreaktanz:
Xres = 3 · XHV + 5 · XLV + 14 · XTV . (3.8)
Die Formel zeigt unterschiedliche Spannungsänderungen in den verschiedenen
Stufen und folglich Nichtlinearitäten der Spannungsverteilung an. Die Spannungs-
verteilung kann durch Kompensationsreaktoren auf den Stufen verbessert werden.
Dies bleibt ohne wesentlichen Einfluss auf die Kurzschlussimpedanz. Die
Reduzierung des Prüfstroms und die Erhöhung der Kurzschlussimpedanz sind
die Hauptgründe dafür, dass Kaskaden in der Regel aus nicht mehr als drei Stufen
bestehen.
Um die Überlastung der unteren Stufen zu vermeiden, werden die kapazitiven
Ströme durch parallel zu den Primärwicklungen des Transformators geschaltete
Reaktoren kompensiert und auf den Stufen der Kaskade angeordnet. Die
Kompensationsreaktoren sind mit Abgriffen oder sogar abstimmbaren Reaktoren
zur Anpassung an die Kapazität des Prüfobjekts ausgestattet. In den meisten Fällen
sind die Reaktoren separat auf der Ebene der Stufe angeordnet. In einigen Fällen
werden feste Reaktoren innerhalb des Tanks des Prüftransformators verwendet,
wenn nur die Kapazitäten des Prüftransformators selbst kompensiert werden
sollen. Dies kann auch mit einem geeigneten Spalt im Kern des Transformators
erreicht werden.
110 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

3.1.2 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Resonanzkreisen (ACR)

3.1.2.1 Grundlagen von Resonanzkreisen

Wenn in der vereinfachten Testschaltung basierend auf einem Transformator


(Abb. 3.2b), die Induktivität so modifiziert wird, dass sie den kapazitiven Strom
der kapazitiven Last vollständig kompensiert, erhält man das Phasendiagramm
eines Serienresonanzkreises (auch: Reihenresonanzkreis) dargestellt in Abb. 3.17.
Dieser schwingende Kreis ist gekennzeichnet durch seine Eigenfrequenz (Gl. 3.2)
1
f0 = √ . (3.9)
2π L · C
Wenn die Widerstandsverluste PR = VR · I durch Einspeisung einer Spannung
der natürlichen Frequenz f0 in diesen Schaltkreis ersetzt werden, arbeitet das
System im Serienresonanzbetrieb. Dann wird die Spannung entsprechend dem
sogenannten Güte-Faktor Q erhöht, der das Verhältnis der kapazitiven Prüfleistung
SC = VC · I zur Widerstandsverlustleistung PR ist und auch identisch mit dem Ver-
hältnis zwischen der Prüfspannung VC und der Einspeisespannung VF (Abb. 3.17a
und 3.18a):
I 
SC VC ω C 1 L VT
Q= = = 0 = = 2
≈ . (3.10)
PR VF I ·R ω0 C · R C·R VF

Prüfspannung

Frequenz f

Induktivität L

Abb. 3.17 HVAC-Resonanz-Testkreis, a Ersatzschaltbild, b Phasendiagramm, c Resonanzkurve


3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 111

Es gibt zwei Möglichkeiten, um Resonanz zu erreichen (Abb. 3.17c): Man kann


die Induktivität des HV-Reaktors durch einen variablen Kernspalt so einstellen,
dass die Eigenfrequenz f0 mit der Frequenz fF der Einspeisespannung überein-
stimmt (induktivitäts-abgestimmter Resonanzkreis: ACRL, siehe Abschn. 3.1.2.2)
oder man speist den Schaltkreis über einen Frequenzumrichter mit einer zuvor
bestimmten Spannung von Eigenfrequenz des Prüfkreises ein (frequenz-
abgestimmter Resonanzkreis: ACRF, siehe Abschn. 3.1.2.3). In beiden Fällen
muss man berücksichtigen, dass die Abstimmungsbereiche begrenzt sind, da
die Resonanzbedingung fF = f0 für sehr niedrige oder sehr hohe kapazitive Last
nicht erfüllt werden kann (ohne kapazitive Last gibt es keinen Schwinkreis!). Im
Falle eines Durchschlags des Prüfobjekts ändert sich die Lastkapazität drastisch,
das System gerät aus der Resonanz und der folgende „Kurzschlussstrom“ ist ver-
nachlässigbar. Das bedeutet, im Falle eines Durchschlags ist ein Ausbrennen des
Prüfobjekts nicht zu befürchten.
Die Einspeisung in den Resonanzkreis erfolgt durch einen „Erregertrans-
formator“, der die Spannung aus dem Netz auf die erforderliche Ausgangs-
spannung VC = Q · VF anpasst. Der Erregertransformator ist entsprechend der
maximal erforderlichen Einspeiseleistung PF = PR und Spannung VF ausgelegt,
die beide für den minimal angenommenen Gütefaktor Q folgen. In einem Serien-
resonanzkreis ist der HV-Reaktor in Reihe mit der HV-Wicklung des Erreger-
transformators geschaltet (Abb. 3.18a). Serienresonanzkreise sind die wichtigste
Anwendung des Resonanzprinzips.
Die sogenannten Parallelresonanzkreise werden für spezielle Prüfungen an
sehr großen kapazitiven Prüfobjekten mit relativ niedriger Spannung eingesetzt,
z. B. Kondensatoren für Kondensatorbänke. In diesem Fall wird der Erregertrans-
formator parallel zum HV-Reaktor geschaltet (Abb. 3.18b). Das bedeutet, dass die
Spannung vollständig vom Transformator gesteuert wird. Im Resonanzfall wird
der gesamte kapazitive Strom durch den Reaktor kompensiert. Folglich wird der
Gütefaktor zu
Sc IC IT
Qp = = ≈ . (3.11)
PR IF IF

(a) (b)
IF IC
IF = I

Vf=V V
VT
VC
VF

Drossel L einschließlich
Vorschalttransformator Te Prüfobjekt Drossel L einschließlich ;
Paralleltransformator Tp Prüfobjekt

Abb. 3.18 Äquivalenter Schaltkreis von Resonanzschaltungen einschließlich Erregerschaltung, a


Serienresonanzschaltung b Parallelschwingkreis
112 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Ein Parallelresonanzkreis ist ein HV-Prüftransformator, der auf der HV-Seite voll-
ständig kompensiert ist. Es ist üblich, den Prüftransformator mit einem Resonanz-
reaktor zu einer Einheit in einem Tank zu kombinieren. In diesem Fall ist der
magnetische Kern mit Spalten ausgelegt. Aufgrund des HV-Transformators kann
die Prüfspannung durch Oberschwingungen erheblich gestört werden, während
Serienresonanzkreise eine feine Sinuswelle liefern. Im Folgenden werden nur die
wichtigeren Serienresonanzkreise betrachtet.
Das gesamte Prüfsystem kann als Parallelschaltung des Einspeisekreises (mit
dem Gütefaktor QF) und des Prüfobjekts (mit QT) verstanden werden (Abb. 3.18a).
Die Kombination der beiden Gütefaktoren liefert den Gesamtgütefaktor des Prüf-
kreises:
 
1 1 QF · QT
Q=1 + = . (3.12)
QF QT QF + QT

Der Gütefaktor ist ein relativer Parameter und daher abhängig von den Prüf-
bedingungen. Der Wert von QF kann als fester Wert für eine feste Frequenz
betrachtet werden (abhängig von der Auslegung zwischen QF = 50 und 200).
Wenn beispielsweise ein langes XLPE-Kabelsystem vor Ort getestet wird, sind die
kapazitive Prüfleistung und QT hoch, dann wird der resultierende Gütefaktor durch
QF bestimmt. Umgekehrt im Fall eines Typentests an einer Kurzkabelprobe mit
Wasserendverschluss (siehe Abschn. 3.6) ist die Kapazität des Prüfobjekts gering
und der Parallelwiderstand des Wasserabschlusses verursacht zusätzliche resistive
Verluste, dann wird der resultierende Gütefaktor durch QT bestimmt. Daher sollten
für die korrekte Auslegung eines resonanten Prüfsystems die Bedingungen der
späteren Anwendung gut bekannt sein.

Beispiel Ein Serienresonanz-Prüfsystem soll für HVAC-Routinetests an XLPE-Kabeln mit


einer Länge von 400 m bei VT = 280 kV/50 Hz ausgewählt werden. Die Gesamtkapazi-
tät besteht aus der Kapazität des Kabels (400 m · 260 pF/m = 104 nF) plus der Kapazi-
tät des kapazitiven Teilers, Kopplungskondensators und Grundlast (4 nF) CT = 108 nF.
Der Parallelwasserwiderstand des Wasserendverschlusses hat aktive Verluste von 22 kW
(Kühlleistungsbedarf), was einem Widerstand Rp von 3,6 MΩ entspricht. Die Werte für
Rp und C liefern die folgenden Parameter für die Prüfung:

• Gütefaktor des Prüfobjekts QT = 2πf · C · Rp = 121


(für parallele Kapazität und Widerstand: Q = Ic/Ir!!)
• Gütefaktor der Stromversorgung QF = 70 (Annahme)
• Gesamtgütefaktor Q = 44,3 (Gl. 3.12)
• Erforderliche Prüfleistung ST = 2πf · C · VT2 = 2650 kVA
• Erforderliche Erreger-Spannung VF = VT/Q ≈ 6,3 kV
• Erforderliche Erreger-Leistung PF = PT = ST/Q = 60 kW

Der Erregertransformator sollte liefern eine „erregende“ Spannung, die gut an


die erforderliche Prüfspannung und Testleistung angepasst ist. Der Erregertrans-
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 113

formator muss weiterhin so ausgelegt sein, dass er die aktive Einspeiseleistung PF


liefert, die sich aus der kapazitiven Prüfleistung ST und dem Gütefaktor Q durch
die Gleichung PF = ST/Q ergibt.
Wenn der Erregertransformator nur einen Spannungsausgang hätte und eine
Testspannung erzeugt werden sollte, die nur 50 % der Nennspannung beträgt,
dann steht nur ein Viertel der Prüfleistung zur Verfügung. Die volle Prüf-
leistung kann bei der 50 % Prüfspannung verwendet werden, wenn der Erreger-
transformator einen Anschluss für 50 % Ausgangsspannung hat. Eine optimale
Anpassung an Spannung und Leistung erfordert einen Erregertransformator mit
einer gut ausgewählten Anzahl von Anzapfungen. Seine Nennspannung muss ent-
sprechend der maximalen Spannung ausgewählt werden, die für den HVAC-Test
erforderlich ist, und der Test wird über einen Stelltransformator gesteuert. Wie das
obige Beispiel zeigt, sind die für die Anregung des Schwingkreises erforderlichen
Spannungen und Leistungen im Vergleich zu denen des Prüfobjekts gering.
Erste Ideen von HV-Resonanzschaltungen wurerstden von Charlton et al.
(1939) entwickelt, eine gewisse technische Perfektion wurde für induktiv
abgestimmte (ACRL) Testsysteme nach 1960 erreicht (Reid 1974). Frequenz-
abgestimmte (ACRF) Testsysteme wurden von Zaengl und Mitarbeitern vor-
geschlagen (Bernasconi et al. 1979; Zaengl et al. 1982; Schufft et al. 1995).
Im Folgenden werden die beiden grundlegenden Typen von Serienresonanz-
schaltungen beschrieben und verglichen.

3.1.2.2 Induktiv abgestimmte Resonanzschaltungen fester Frequenz


(ACRL)

Die Induktivität eines Reaktors kann geändert werden, wenn sein magnetischer
Kern einen Spalt mit einstellbarer Breite hat (Abb. 3.19). Die Induktivität des
Reaktors ist proportional zum Quadrat der Windungszahl w2 der Wicklung, der
Permeabilität μ0 des Isoliermaterials im Spalt, der Fläche A des Querschnitts
des magnetischen Kerns am Spalt sowie umgekehrt proportional zur Breite a des
Spalts (k ist ein Proportionalitätsfaktor)
k · µ0 · w2 · A
L= . (3.13)
a
Die maximale Induktivität Lmax steht in Verbindung mit dem minimalen Spalt
amin und ermöglicht die Resonanz (Gl. 3.9) mit der minimalen Lastkapazität Cmin.
Umgekehrt ist die maximale Last Cmax mit der minimalen Induktivität Lmin und
dem maximalen Spalt amax verbunden. Mit zunehmender Spaltbreite nehmen der
magnetische Streufluss und auch die Verluste zu, was zu einer gewissen Nicht-
linearität der Induktivität und einer Abnahme des Gütefaktors führt. Diese – und
auch einige technologische Einschränkungen – verursachen die technisch nutz-
bare Änderung des Spalts bis amax/amin ≈ 20. Basierend auf den Gl. 3.9 und 3.13
114 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

(a) (b)
Plungerkern HV-Ausgang am oberen Deckel Vmax

Abgriff 0,5·Vmax

HV-Durchführung
Vmax

Ausgangsspannung Ve Behälter (V = 0) Bodenabdeckung (V = Ve) Ausgangsspannung Ve Isolierrohr

Abb. 3.19 Aktiver Teil eines abstimmbaren Reaktors, a Tauchkern (Mantelkern) mit einem Spalt
der Breite a, b zwei Halbkerne mit je zwei halben Spalten, jeweils a/2

sind die Grenzen in einem Last-Prüfspannungsdiagramm (Abb. 3.20) ebenfalls


Cmax/Cmin ≈ 20 gewählt:
Cmax Lmax amax
Cmin
=
Lmin

amin (3.14)

Beispiel: Bestimmen Sie die minimale und maximale Induktivität eines ACRL-
Prüfsystems für 50-Hz-Routinetests an Kabeln mit Längen zwischen 100 und 2000 m
(Kapazität: 220 nF/km)!
Mit f = 50 Hz und Cmin = 22 nF und Cmax = 440 nF liefert die Gl. (3.9)
L = 1/(C · (2πf)2 ) Lmax = 460 H (für die Prüfung des kürzesten Kabels) und Lmin = 23
H (für das längste Kabel). Diese Induktivitäten können durch einen einstellbaren Spalt des
Reaktorkerns zwischen 200 und 10 mm realisiert werden.

Die genaue Einstellung des Spalts – entsprechend dem Maximum der Resonanz-
kurve – wird erreicht, wenn der Phasenwinkel zwischen Prüfspannung und Prüf-
strom maximiert ist. Ein robusteres Kriterium liefert der Phasenwinkel zwischen
der Speisespannung am Eingang des Reaktors und dem Prüfstrom. Wenn dieser
Winkel Null wird, ist das Maximum der Resonanzkurve erreicht. Je höher
der Gütefaktor, desto steiler ist die Resonanzkurve und desto höher sind die
Anforderungen an die Genauigkeit der Spaltregelung.
Normalerweise ist ein Resonanzkreis mit einem Grundlastkondensator Cb ≥
Cmin ausgestattet, der Resonanz und Betrieb ohne kapazitives Prüfobjekt ermög-
licht. Dies ist wichtig, wenn das Resonanzprüfsystem selbst überprüft werden
soll. Der Grundlastkondensator wird als Spannungsteiler und/oder Kopplungs-
kondensator für PD-Messungen oder als Teil eines HV-Filters verwendet.
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 115

Aktuell
35 nF Grundlast Abzweig 1:
75kV; 1000kVA Strom
Abzweig 2:
Ausgangsspannung / kV 45kV; 600kVA

Last-Kapazität /

Aktuell
35 nF Grundlast Abzweig 1:
75kV; 1000kVA
Abzweig 2:
45kV; 1000kVA
Ausgangsspannung / kV

Strom

Last-Kapazität /

Abb. 3.20 Lastdiagramm eines induktiv abgestimmten Resonanzkreises, a Entwurf für einen
Abgriff mit identischem (konstantem) Strom, b Entwurf für einen Abgriff mit identischer
(konstanter) Leistung

Tank-Typ Reaktoren: Das Design eines Reaktors hängt auch von der Isolierung
und den thermischen Bedingungen ab. Oft werden Tank-Typ Reaktoren mit
Anschlüssen für Spannungen Vi niedriger als ihre Nennspannung Vm aus-
gelegt. Dann kann die Wicklung für konstanten Strom I ausgelegt werden, was
bedeutet, dass sie mit einer einzigen Drahtsorte hergestellt wird und die Leistung
bei niedrigerer Spannung entsprechend dem Verhältnis der Spannung Vi/Vm
niedriger ist (Abb. 3.20a), die Wicklung besteht aus identischen Teilwicklungen.
Sie kann auch für konstante Leistung ausgelegt werden. Dann muss das Strom-
verhältnis Ii/Im umgekehrt zum Spannungsverhältnis Vi/Vm zunehmen. Höhere
Ströme erfordern dickere Drähte für die Wicklung, die Wicklung besteht aus ver-
schiedenen Teilwicklungen.
116 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Für das Tank-Typ Design (Abb. 3.21) ist ein Manteltypkern (Abb. 3.19a) nütz-
lich, weil der sehr stabile magnetische Kern aus einem einstellbaren zentralen
Schenkel und drei festen äußeren Schenkeln die hohen mechanischen Kräfte
(Spiegelberg et al. 1993) übernehmen kann. Die mechanische Stabilität bedeutet
weniger Vibrationen, was in einer stabilen Ausgangsspannung und weniger
akustischem Rauschen resultiert. Die Lagenwicklung ist ähnlich wie oben für öl-
isolierte Prüftransformatoren beschrieben ausgelegt. Wie in Abb. 3.20 gezeigt, ist
die Wicklung von Tank-Typ Reaktoren oft mit Anzapfungen ausgelegt. Wenn es
nur eine zusätzliche Anzapfung gibt, kann eine zweite Buchse eine wirtschaftliche
Lösung sein. Im Falle von drei oder mehr Anzapfungen ist der Reaktor mit einem
Lasttrennschalter ausgestattet. Die Vorteile von Tank-Typ- Reaktoren können mit
denen von Tank-Typ- Prüftransformatoren (Tab. 3.1) verglichen werden, aber sie
werden nicht für Kaskadierung für höhere Spannungen verwendet. Ihre Haupt-
anwendung ist für Kabelprüfung bis zu 400 kV einschließlich PD-Messung. Für
diese Anwendung mit einem Faradayschen Käfig können sie außerhalb des Käfigs
angeordnet werden, der Tank ist an die geerdete, metallische Wand des Käfigs
geflanscht und nur ihre Durchführung ist im Prüfbereich angeordnet.

Zylinder-förmige Reaktoren: Für das Zylinderdesign von Reaktoren (Abb. 3.22),


wird ein magnetischer Kern aus zwei Halbkernen (Abb. 3.19b) verwendet. Je
nach Ausführung werden beide oder nur ein Halbkern durch Zahnräder für den
Spalt eingestellt. Der Spalt ist für einen bestimmten Abstand ausgelegt – ent-
sprechend der erforderlichen Induktivität – der die Resonanz mit dem kapazitiven
Prüfobjekten ergibt (Reid 1974). Die Wicklung ist in zwei Teile unterteilt. Der

(a)
(b)

Abb. 3.21 Tank-Typ Reaktor (250–100 kV, 2000 kVA). a Reaktor mit zwei Durchführungen, b
aktiver Teil mit Antrieb für Kernverstellung
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 117

(a)

(b)

Abb. 3.22 Zylinderförmiger Reaktor (400 kV, 14 MVA). a Kompletter Prüfreaktor, b aktiver Teil
mit zwei Spulen und einem verstellbaren Halbkern

Anfang des unteren Teils der Wicklung ist mit dem geerdeten unteren Deckel des
Zylinders verbunden. Das Ende des oberen Teils ist mit dem oberen Deckel auf
HV-Potential verbunden. Der aktive Teil befindet sich hinter dem metallischen
mittleren Teil des Zylinders (grau in Abb. 3.22a), der sich auf halbem Potential
wie der magnetische Kern selbst befindet. Der Metallzylinder steuert das
elektrische Feld im Inneren für den aktiven Teil in Öl und außen für die Ober-
fläche des Reaktors in Luft. Die (blauen) isolierenden Zylinder übernehmen die
Rolle der Buchsen des Reaktors. Die äußere Feldstärkeverteilung wird durch
die toroidalen Elektroden gesteuert. Für eine gute Ausnutzung des begrenzten
Platzes im Inneren des Zylinders haben die Wicklungen einen rechteckigen Quer-
schnitt (Abb. 3.23). Für die hohe mechanische Stabilität der Drahtlagen wird eine
spezielle kompakte Isolierung verwendet.

Reaktorkaskaden: Zylinderförmige Reaktoren können leicht in Serie für höhere


Spannungen geschaltet werden, indem man sie übereinander stapelt. Im Gegensatz
zu einer Transformator-Kaskade erhöht eine solche Reaktorkaskade (Abb. 3.24)
die Prüfleistung bei jedem zusätzlichen Reaktor. Reaktorkaskaden werden ein-
gesetzt, wenn höhere Prüfspannungen erforderlich sind, jedoch nicht zu hohe
Prüfströme für GIS-Prüfungen und für angelegte Spannungsprüfungen an Trans-
formatoren. Sehr leistungsfähige Typen von zylinderförmigen Reaktoren mit
externer Kühlung werden auch verwendet, wenn Kabelprüfungen Spannungen
höher als die erwähnten 400 kV erfordern.
Höhere Prüfströme können durch die Parallelschaltung von Reaktoren erzeugt
werden. Dies ist einfach, wenn jeder Reaktor separat aufgestellt ist. Die Parallel-
schaltung der einzelnen Reaktoren – angeordnet in einer Kaskade aus einer
118 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

obere Rechteckspule Getriebe und Antriebswelle


mit einem Spannungsabgang Vt für den beweglichen Kern

Kern und
Unterstützung
bei 0,5·Vt

Vt Vmax

Öl-Barriere-
Isolierung

rechteckige untere Spule Getriebe und Antriebswelle


mit einem Eingang von Ve für den beweglichen Kern

Abb. 3.23 Rechteckige Lagenwicklung für einen zylinderförmigen Reaktor

Säule – erfordert jedoch spezielle Schaltstücke zur Verschaltung der Reaktoren.


Der Aufwand mit bis zu drei Modulen bleibt vertretbar.

3.1.2.3 Frequenzabgestimmte Resonanzprüfsysteme variabler


Frequenz (ACRF)

Ein Schwingkreis mit einem festen Reaktor der Induktivität L und einem festen
kapazitiven Testobjekt C0 hat eine feste natürliche Frequenz f0 gemäß Gl. 3.9:
1
f0 = √ .
2π L · C0
Es muss mit dieser Frequenz angeregt werden, um in Resonanz zu kommen. Für
ein anderes Testobjekt erscheint eine andere Eigenfrequenz. Der Abstimmungs-
bereich eines ACRF Resonanzkreises hängt von dem akzeptablen Frequenzbereich
ab. Die maximale Lastkapazität Cmax bestimmt die minimale Testfrequenz fmin
für eine vorgegebene Induktivität L des Reaktors und umgekehrt. Normalerweise
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 119

Abb. 3.24 Reaktorkaskade


1200 kV aus drei identischen
Modulen mit je 400 kV

erlauben die Standards für HVAC-Tests einen bestimmten Frequenzbereich, und


dieser bestimmt den Lastbereich:

1 1
Cmax =  2 und Cmin = . (3.15)
2πfmin ·L (2πfmax )2 · L

Der Abstimmungsbereich folgt zu


 2
Cmax fmax
= , (3.16)
Cmin fmin

und der maximale Strom zu



Cmax
Imax = 2πfmin · Cmax · VT = VT · . (3.17)
L

Aus den Gl. 3.9, 3.15 und 3.16 kann die Betriebscharakteristik einer ACRF-
Testschaltung (Abb. 3.25) berechnet werden. Mit zunehmender Last von Cmin bis
Cmax nimmt die natürliche Frequenz von fmax auf fmin ab (Abb. 3.25a). Gleich-
zeitig steigt der Strom mit der kapazitiven Last. Es kann vorkommen, dass der
120 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

­erfor­derliche Strom Imax höher ist als der Strom, der sich aus der thermischen Aus-
legung Imax

ergibt. Dann muss der Strom auf den technisch akzeptablen Wert
Imax durch Reduzierung der Prüfspannung im relevanten Lastbereich begrenzt

werden (Abb. 3.25b). Die Spannung kann im Bereich zwischen minimaler und
maximaler Last erzeugt werden, möglicherweise mit bestimmten Reduzierungen
für eine notwendige Strombegrenzung.
Die maximale kapazitive Prüfleistung bei fmin ergibt sich zu ST = VT · Imax,
aber dies ist kein typischer Parameter, da er von der Prüffrequenz abhängt. Daher ist
es üblich, für Vergleiche zu verwenden: 50 Hz (oder 60 Hz) äquivalente Leistung

50
S50 = · ST . (3.18)
fmin
Prüffrequenz f/Hz

Frequenz

Prüfstrom I / A
Aktuell

Belastungskapazität Cp / nF
Prüfspannung / kV

Betriebsbereich

Belastungskapazität C / nF

Abb. 3.25 Betriebscharakteristik eines frequenzabgestimmten Resonanzsystems. a Frequenz und


Strom in Abhängigkeit von der Lastkapazität, b Spannungsbetriebsbereich in Abhängigkeit von
der Lastkapazität
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 121

Die erforderliche Speiseleistung, die der Verlustleistung des Prüfkreises entspricht,


kann mit Hilfe des Gütefaktors aus der Prüfleistung ST berechnet werden:
PF = ST /Q. (3.19)
Der Gütefaktor eines frequenzabgestimmten Resonanzprüfsystems ist höher als
der eines induktiv abgestimmten Systems, da das Design eines Reaktors mit festen
Kernspalten reduzierte Streuflüsse ermöglicht und folglich geringere Verluste
im Vergleich zu einem abstimmbaren Kern aufweist. Es kann mit Werten in der
Größenordnung Q = 50–150 angenommen werden (für ACRL-Systeme liegt es
bei etwa Q = 20–60).
Es sollte beachtet werden, dass die oben erwähnte Speisungsleistung in
Bezug auf Hauptleitungen eines steifen Netzwerks steht. Wenn zum Beispiel vor
Ort ein Diesel Motor-Generator-Set für die Stromversorgung verwendet wird,
wird empfohlen, einen mit einer Nennleistung von etwa dem Dreifachen der
berechneten Speiseleistung PF zu verwenden.
Beispiel: Für Vor-Ort-Prüfungen bei Kabelsystemen wird ein Frequenzbereich von
20–300 Hz akzeptiert. Ein HVAC-Resonanz-Testsystem auf Basis eines Reaktors
160 kV/80A/16 H ist für diesen Frequenzbereich verfügbar. Welche maximale Kapazität
kann mit diesem System bei seiner Nennspannung geprüft werden? Welche Grundlast ist
erforderlich, um das Prüfsystem ohne Prüfling zu überprüfen? Welche Länge des Kabels
kann getestet werden, wenn die spezifische Kapazität des Kabels 200 nF/km beträgt?
Welche Speiseleistung ist erforderlich, wenn ein Gütefaktor Q = 100 angenommen wird?
Maximale Last nach Gl. 3.15
1
Cmax =  2 = 3962 nF
2π · 20s−1 16 VsA−1

Grundlast nach Gl. 3.16


 2
fmin 1
Cmin = Cmax = 3962 · = 18 nF
fmax 225

Bei 160 kV ist eine Kapazität von 18 nF ziemlich groß und teuer. Man kann darüber nach-
denken, z. B. eine Kapazität von diesem Wert zu verwenden, aber nur für 50 kV und die
Leistung des Prüfsystems bei dieser reduzierten Spannung zu überprüfen.
Maximaler Strom nach Gl. 3.17

3 3,962 AsV−1
Imax = 160 × 10 V · = 79,6 A
106 · 16 VsA−1
Dieser Strom liegt unter dem Nennwert und es gibt keine Begrenzung aufgrund des
Stroms. Die testbare Länge des Kabels ergibt CCable/200 nF/km = (3962 nF – 18 nF)/200
nF/km = 19,7 km.
Erforderliche Speiseleistung nach Gl. 3.19

Imax · VT 79,6 A · 160 × 103 V


PF = = ≈ 130 kVA
Q 100

Diese Leistung muss von einem steifen Netzwerk geliefert werden. Im Falle der
Anwendung einer mobilen Stromversorgung sollte ein 400 kVA Motor-Generator-Set ver-
wendet werden.
122 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Die erforderliche Speisungsleistung mit variabler Frequenz wird durch


statische Frequenzumrichter (Abb. 3.26) erzeugt. Der Dreiphasenstrom aus dem
Netz wird zunächst gleichgerichtet zu einer Gleichspannung, und dann wandelt
eine Schaltung aus Leistungstransistoren (IGBTs) oder SKIIP-Modulen die
Gleichspannung in eine rechteckige Wechselspannung um (Abb. 3.26a, 3.27).
Der Oszillationsschaltkreis wirkt als HV-Filter und erzeugt eine feine Sinus-
welle. Zwischen der rechteckigen Spannung, die die aktiven Leistungsverluste
des Schaltkreises ersetzt, und der Prüfspannung am kapazitiven Prüfobjekt besteht
eine Phasenverschiebung von 90°. In Bezug auf die hohen Gütefaktoren von
ACRF-Prüfsystemen muss die Frequenzeinstellung mit hoher Präzision gewähr-
leistet sein (besser als ± 0,1 Hz). Die Höhe der Spannung wird durch Pulsweiten-

Wechselrichtereinheit

Erregertransformator

CAN-Bus-
Leistungs Lichtwellenleiter
Schnittstelle
steuerung PT-100-Sensor

ext. Not-Aus,
Strom Sicherheitsschleife,
zufuhr Umrichtersteuerung Warnlampen
Reaktorkühlgebläse

CAN-Bus
LAN
Kontrollsystem Taktsignal
Synchronisationssignal

PLC Spitzenwert-
Steuereinheit Spannungs Spannungsteiler
Simatic messer

Touchpanel Profibus DP

Abb. 3.26 Frequenzumrichter für ein frequenzabgestimmtes Resonanzprüfsystem. a Prinzip-


schaltbild, b Schaltschrank des Frequenzumrichters

Abb. 3.27 Rechteckige Spannung


Ausgangsspannung des
Frequenzumrichters für
niedrige (oben) und hohe
(unten) sinusförmige
Prüfspannung am kapazitiven
Prüfobjekt

Zeit
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 123

modulation bestimmt. Der Frequenzumrichter – zusammen mit dem Steuer- und


Messsystem – kann in einem Schaltschrank (Abb. 3.26b) oder – für geringere
Leistung – in einem beweglichen Pult (Abb. 3.28b, siehe auch Abb. 10.21)
angeordnet werden.

Tank-typ feste Reaktoren: Wie Tank-Typ Prüftransformatoren (Abb. 3.4), sind


Tank-Typ feste Reaktoren (Abb. 3.28) mit hoher Prüfleistung (50 Hz Äqui-
valentleistung bis zur Größenordnung von 50 MVA). Ihr Design mit Öl-Papier-
Isolierung leitet sich von dem der Prüftransformatoren ab. Im zentralen Schenkel
hat der magnetische Kern viele kleine Spalte (durch kleine Isolatoren fixiert) mit
sehr geringer Streuflussdichte. Daher haben die festen Reaktoren einen höheren
Gütefaktor als stellbare Reaktoren. Der Tank eines einzelnen Reaktors ist geerdet,
aber sie können in Kaskaden angeordnet werden, wenn die höheren Stufen auf
einem isolierenden Unterbau angeordnet sind (Abb. 3.28b). Die Hauptanwendung
dieser Reaktoren ist die vor-Ort Prüfung von Kabelsystemen nach Erstaufbau
oder Reparatur. Aber immer mehr werden sie auch für Stückprüfung der langen
Seekabel und für Vor-Qualifikationstests von neu entwickelten Kabeln verwendet
(siehe Abschn. 3.6 und 7.3; Hauschild et al. 1997, 2002; Schufft et al. 1999;
Gockenbach und Hauschild 2000).

Zylinder-typ feste Reaktoren: Das Design dieser zylindrischen Reaktoren


(Abb. 3.29) ähnelt dem der zylindrischen Transformatoren (Abb. 3.10). Sie
sind für niedrigere Prüfleistung, aber gut geeignet für hohe Spannungen, d. h.
Reaktorkaskaden durch einfaches Stapeln übereinander. Ihre Anwendung ist
daher für Objekte mit höheren erforderlichen Prüfspannungen bei niedrigerer
erforderlicher Prüfleistung: Daher werden sie für die Vor-Ort-Prüfung von gas-
isolierten Systemen (GIS und GIL) und für angelegte Spannungsprüfung von
Leistungstransformatoren, sowohl in Fabriken als auch vor Ort, verwendet (siehe
Abschn. 3.2.3, 3.2.5 und 10.4). Zusätzlich werden kleine, leichte Reaktoren

(a) (b)
äußerer
Magnetkreis
zylindrischer
Mittelschenkel
(später in der
Spule)

kleine Lücken
durch keramische
Träger realisiert

Stützen für
mechanische
Stabilität

Abb. 3.28 Tanktyp-Festreaktor mit Öl-Papier-Isolierung. a Prinzipaufbau des Magnetkerns, b


zwei Reaktoren in Serie für Prüfspannungen bis zu 520 kV
124 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

(b)

(a)

Abb. 3.29 Zylinder-Typ fester Reaktor mit Öl-Papier-Isolierung. a Prinzipdesign des aktiven
Teils, b zwei Reaktoren 250/10 kV in Serie für eine Prüfspannung von 500 kV

mit einem Stabkern und einem relativ kleinen Ölvolumen realisiert. Die
Kombinationen von mehreren Reaktoren in Serie und/oder parallel (Abb. 3.29b)
ermöglichen eine gute Anpassung an verschiedene Prüfobjekte (Kuffel und Zaengl
2006; Hauschild et al. 1997). Ihre geringe thermische Kapazität begrenzt sowohl
den Nennstrom als auch den Taktzyklus erheblich.
Feststehende Reaktoren mit SF6-imprägnierter Folienisolierung: Dieser
Reaktortyp ist oft in einem nichtmagnetischen Metallgehäuse (Aluminium)
angeordnet, das direkt an gasisolierte Prüfobjekte angeflanscht werden kann
(Abb. 3.30). Er ist ohne Eisenkern, aber mit einer geteilten Wicklung mit einer
sehr hohen Anzahl von Windungen ausgelegt. Die einzelnen Schichten jeder
halben Wicklung sind jeweils auf einem leitenden Zylinder angeordnet. Die SF6-
Isolierung des Gaszwischenraums zwischen den beiden Zylindern muss für die
Nennspannung des Reaktors ausgelegt sein, während die Spannung zwischen
den äußeren Schichten und dem Gehäuse der Hälfte der vollen Spannung ent-
spricht. Die thermische Auslegung ist aufgrund der großen Anzahl von Windungen
und der Kontrolle des magnetischen Flusses schwierig. Dieser Reaktortyp ist für
Nennspannungen bis zu 750 kV pro Einheit, Prüfströme von wenigen Ampere
und Kurzzeitbetrieb ausgelegt. Es wird empfohlen, die erforderliche Last-
Zeit-Charakteristik dieser Reaktoren sorgfältig zu klären. Ihre Anwendung ist
für die Prüfung von GIS und deren Komponenten (siehe Abschn. 3.6 und 7.3)
empfehlenswert. Eine Verbesserung sowohl der Nennspannung als auch des Ein-
schaltdauer ist zu erwarten, wenn der Reaktor mit einer magnetischen Rück-
kopplung (als magnetischer Kern wirkend, Belinski et al. 2017) ausgelegt ist. Dies
ermöglicht auch die Anwendung eines Stahltanks.
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 125

(a) Spannungsspulen zum Tank 340 kV GIS-Abstandhalter

Erregers
Ausgangss
pannung
pannung
< 25 kV
680 KV

Spannung zwischen den Spulen 680 kV

(b)

Abb. 3.30 ACRF-Prüfsystem für GIS-Routinetests. a Grundprinzip der SF6-imprägnierten,


folienisolierten Reaktorauslegung, b Reaktor (blau, horizontal), Kopplungskondensator (blau,
vertikal) und Frequenzumrichter (kleiner grauer Schreibtisch in der Mitte)

3.1.2.4 Vergleich von ACRL- und ACRF-Prüfsystemen

Der Vergleich der wichtigsten Komponente in einem Resonanzkreis, dem HVAC-


Reaktor, zeigt, dass ein feststehender Reaktor viel einfacher, kompakter, robuster
und folglich kostengünstiger ist als einer mit einstellbarer Induktivität. Das
Prinzipschaltbild beider Lösungen (Abb. 3.31) zeigt, dass das ACRF-Prüfsystem
weniger Komponenten hat, auch wegen des Schaltschranks, der die Schalter, den
Frequenzumrichter und die Steuerung enthält.
Aber für die meisten Prüfungen im Werk besteht der Nachteil der variablen
Frequenz. Die Frequenztoleranz für HVAC-Prüfspannungen zwischen 45 und
65 Hz, die von der IEC 60060-1: 2010 akzeptiert wird, ist zu klein für einen
126 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Regel Resonanz
Netzschalter Betriebsschalter
transformator reaktor

Stromversorgungseinheit

LAN IPC-Kontrolle

Resonanz
reaktor

Steuerung und Messung


des Frequenzumrichters
siehe Abb. 3.1-26

LAN IPC-Kontrolle

Abb. 3.31 HVAC-Prüfsysteme auf Basis von Serienresonanzkreisen. a Äquivalentes Schaltbild


eines vollständigen ACRL-Prüfsystems, b äquivalentes Schaltbild eines vollständigen ACRF-
Prüfsystems

a­ usreichenden Abstimmungsbereich für die Last. Sie entspricht nur einem Faktor
(fmax/fmin)2 = 2 zwischen höchster und niedrigster Last.
Tab. 3.2 fasst einen Vergleich zwischen den beiden Prinzipien für die
Anwendung von Vor-Ort-Prüfungen von HV- und EHV-Kabeln zusammen. Es
ist eineFrequenzbereich von 20–300 Hz akzeptiert (IEC 62067; IEC 60840) und
vom ACRF-System ausgeschöpft, aber nicht hilfreich für ein System mit fester
Frequenz von 50 oder 60 Hz. Der erweiterte Frequenzbereich mit der unteren
Grenze von 20 Hz ermöglicht eine 2,5-mal höhere Testleistung (oder eine 2,5-
mal höhere Kapazität des Testobjekts) des ACRF-Systems als des ACRL-Systems
bei identischer Spannung. Aufgrund der geringeren Verluste des Reaktors ist der
Gütefaktor des ACRF-Systems etwa doppelt so hoch wie der des ACRL-Systems.
Der Frequenzbereich ermöglicht einen ACRF Lastbereich etwa zehnmal größer
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 127

als der eines ACRL-Systems. Sowohl der größere Frequenzbereich als auch der
höhere Gütefaktor führen zu einer Einspeiseleistung, die für ACRF-Prüfsysteme
etwa fünfmal niedriger ist als für ACRL-Prüfsysteme. Die Stromversorgung eines
ACRL-Systems erfordert Ein- oder Zweiphasenbetrieb. Der Frequenzumrichter
eines ACRF-Systems verwendet eine dreiphasige Stromversorgung, die eine sym-
metrische und geringere Last und einfachere Handhabung vor Ort ermöglicht.
Für raue Transport- und Betriebsbedingungen vor Ort ist das Fehlen von beweg-
lichen Teilen ein Vorteil von ACRF-Systemen, während ACRL-Systeme Regel-
transformatoren und abstimmbare Reaktoren verwenden. Wie auch aus Tab. 3.2
und Abb. 3.31 hervorgeht, ist die Anzahl der Komponenten eines ACRF-Systems
geringer.
Der Vergleich zeigt deutlich, dass ein ACRF-Prüfsystem immer die bessere
wirtschaftliche Lösung ist, wenn der Frequenzbereich für einen akzeptablen
Abstimmungsbereich ausreicht. Dies ist bei den meisten Vor-Ort-Prüfungen der
Fall (siehe Kap. 7), kann aber auch für einige Fabriktests angewendet werden:
Der angewandte AC-Spannungstest von Leistungstransformatoren (IEC 60076-3:
2012) muss bei einer Frequenz von >40 Hz durchgeführt werden, wenn eine obere
Grenze von 200 Hz angenommen wird, kann ein ausreichender Lastbereich von 1
bis 25 erreicht werden. Für superlange HVAC-Seekabel (einige 10 km lang) kann
keine andere Lösung als ACRF-Prüfung mit akzeptablem wirtschaftlichem Auf-
wand durchgeführt werden. Es gibt Diskussionen über die Verwendung des vollen
Frequenzbereichs 10–500 Hz gemäß IEC 60060-3 auch für die Werksprüfungen
(Karlstrand et al. 2005). Eine breitere Anwendung von ACRF-Systemen in Werks-
prüfungen erfordert die Definition akzeptabler Frequenzbereiche. Dies kann nur
auf der Grundlage neuer Forschungsarbeiten über den Einfluss der Frequenz –
z. B. im Bereich 10–100 Hz – auf die Entladungsprozesse in den relevanten
Isolierungen erfolgen.

Tab. 3.2 Vergleich zwischen ACRL- und ACRF-Testsystemen für die Kabelprüfung vor Ort
Resonanzkreis ACRL (induktiv abgestimmt) ACRF (frequenzabgestimmt)
Frequenz fL = 50 Hz (60 Hz) fF = 20–300 Hz (Kabel)
Maximale Testleistung SLmax = 2πf · CU 2 SFmax = 2,5 SLmax
Gütefaktor QL = 40–60 QF = 80 bis > 120
Lastbereich Cmax/Cmin = Lmax/Lmin ≈ 20 Cmax/Cmin = (fmax/fmin)2 ≈ 225
Zuführleistung PeL = (2πf CU2)qL PeF = PeL · (fF /fL ) · (QL /QF )
Stromversorgung Einphasig oder zweiphasig Dreiphasig
Gewichts-Leistungs-Verhält- 3–8 0,8–1,5
nis (kg/kVA)
Komponenten mit beweg- Abstimmbare Drossel, Keine
lichen Teilen Regler, Transformator
Anzahl der Haupt- Sechs Komponenten: Vier Komponenten: Fest-
komponenten Abstimmbare Drossel, HV- drossel, HV-Teiler/PD-
Teiler/PD-Koppler, Erreger- Koppler, Erregertransformator,
transformator, Schaltschrank, Steuer- und Speiseeinheit
Steuer- und Messschrank
128 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

3.1.3 HVAC-Prüfsysteme für induzierte


Spannungsprüfungen von Transformatoren (ACIT)

Oben wurde gezeigt, dass in einem Resonanzprüfsystem das kapazitive Prüf-


objekt, z. B. ein HV-Kabel, Teil der HV-Erzeugungsschaltung wird. Auch bei der
Prüfung von Leistungs- oder Instrumenttransformatoren kann das Prüfobjekt Teil
der Erzeugungsschaltung werden. Wenn der Transformator von seiner Nieder-
spannungsseite her eingespeist wird, kann die Prüfspannung auf der HV-Seite
dieses Prüfobjekts induziert werden. Dieser sogenannte induzierte Spannungs-
prüfung (IEC 60076-3, Entwurf 2011) erfordert eine Speiseschaltung, die die
Niederspannung sowohl an die erforderliche Prüfspannung als auch an das Über-
setzungsverhältnis des zu prüfendenTransformators anpasst. Dabei muss das
nichtlineare magnetische Verhalten des Transformators als Teil der Prüfschaltung
berücksichtigt werden.
Sättigungseffekte des Eisenkerns bedeuten unter Prüfbedingungen, dass eine
Erhöhung der Prüfspannung eine überproportionale Erhöhung des Prüfstroms
verursacht (Abb. 3.32). Schließlich kann bei Betriebsfrequenz fm = 50 oder
60 Hz keine wesentlich höhere Prüfspannung als die Betriebsspannung erzeugt
werden (Abb. 3.32). Aufgrund der Begrenzung des magnetischen Flusses Φ kann
die Spannung nur bis zu einem bestimmten Wert Vs erhöht werden, wenn die
Sättigung erheblich wird. Es besteht eine frequenzabhängige Beziehung zwischen
Spannung und magnetischem Fluss:
VS ∼ f · ΦS ,
was zeigt, dass die „Sättigungs“ spannung Vs nur für einen bestimmten
„Sättigungs“ fluss Φs erhöht werden kann, wenn eine höhere Prüffrequenz
angewendet wird. Daher muss die induzierte Spannungsprüfung bei höheren

Abb. 3.32 Schematische Stromstärke I; f = 50; 150 Hz


Spannungs-Strom-Kennlinie
eines Transformators
unter induzierter
Spannungsprüfung

Spannung:
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 129

Prüffrequenzen f durchgeführt werden, in der Regel höher als das Doppelte der
Betriebsfrequenz (f ≥ 2 fm).
Der Transformator unter Prüfung ist keine einfache Last, seine Kennlinie
ändert sich also mit der Frequenz (Abb. 3.33). Die obere Kurve ist die gesamte
Prüfleistungsanforderung St und die untere die aktive Leistungsanforderung Pt.
Die Differenz zwischen den beiden Kurven ist die Blindleistungsanforderung.
Bei niedrigeren Frequenzen ist das Prüfobjekt eine induktive Last, bei höheren
Frequenzen eine kapazitive Last für die Speiseschaltung. Dazwischen liegt die
Frequenz der Selbst-Kompensation, in Abb. 3.33 bei f ≈ 160 Hz. Wenn diese
Frequenz für einen Test ausgewählt wird, wird die extern erforderliche Prüf-
leistung minimal.
Bei der Transformatorprüfung müssen nicht nur die Isolierungen der
Wicklungen bei induzierter Spannung getestet werden, sondern auch die Leerlauf-
und Kurzschlussverluste sollen bei induzierter Spannung der Betriebsfrequenz
gemessen werden. Daher muss das Speisesystem mindestens Testspannungen
von zwei Frequenzen liefern, Betriebsfrequenz fm und Prüffrequenz f ≥ 2 fm. Aus
diesem Grund ist ein Frequenzumrichter für Einphasen- und Dreiphasenbetrieb
das Grundelement des Speisekreises:
Seit sehr langer Zeit werden rotierende Frequenzumrichter, sogenannte Motor-
Generator (M/G)-Sätze, eingesetzt und die meisten Transformatorprüffelder sind
mit solchen Sätzen ausgestattet (Abb. 3.34a). Sie bestehen aus einem Motor mit
variabler Drehzahl (traditionell ein Gleichstrommotor, heutzutage ein thyristor-
gesteuerter Wechselstrommotor), der mechanisch mit einem Synchron-Generator
gekoppelt ist. Die Frequenz ändert sich entsprechend der Drehzahl des Motors,
gleichzeitig kann die Ausgangsspannung eingestellt werden. Bei induzierten
Spannungsprüfungen (normalerweise f > 100 Hz) stellt das Prüfobjekt oft eine
kapazitive Last dar, die gefährliche Überspannungen verursachen kann. Um solche
Selbst-Erregungen („runaways“) zu vermeiden, die die Grenzen des M/G-Satzes
überschreiten, muss eine ausreichende induktive Kompensation angewendet
werden. Die Ausgangsspannung des M/G-Sets wird an die erforderliche Eingangs-
spannung des zu prüfenden Transformators durch einen Anpasstransformator(auch
als Step-up-Transformator bezeichnet) angepasst.

Abb. 3.33 Beispiel für die Prüfwirkleistung (kW) und Prüfblindleistung (kVA)
Frequenz-Last-Kennlinie 10.000
eines Leistungstransformators
unter induzierter
Spannungsprüfung
1.000

100

10
0 50 100 150 200 250 300
Prüffrequenz (Hz)
130 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Eine moderne Alternative ist die Anwendung von statischen Frequenz-


umrichtern (SFC) auf Basis von Leistungselektronikmodulen (Abb. 3.34b;
Kübler und Hauschild 2004; Hauschild et al. 2006; Martin und Leibfried 2006;
Werle et al. 2006; Thiede und Martin 2007; Winter et al. 2007; Thiede et al.
2010). Der Umrichter selbst (Abb. 3.35) verwendet eine Dreiphasen-Strom-
versorgung. Die Spannung wird gleichgerichtet und dann in eine einphasige
oder dreiphasige Sinusspannung durch eine Einheit von Leistungstransistoren
(IGBT) umgewandelt, die mit Pulsbreitenmodulation arbeiten. Ein Sinusfilter ist
sehr wichtig für die Unterdrückung der Störsignale, die durch das Schalten der
IGBTs verursacht werden. Der SFC verfügt über eine Steuerung für Frequenz
und Spannungshöhe, die den Umrichter automatisch auf die oben genannte
Selbstkompensation einstellt. Die Selbst-Erregung kann nicht auftreten. Ein SFC
erfordert wie der Motor-Generator-Satz einen Anpassungstransformator.
Im Gegensatz zu einem M/G-Set kann ein SFC auch den kapazitiven
Leistungsbedarf kompensieren, der bei induzierten Spannungstests bei höherer
Frequenz eine Rolle spielen kann (Abb. 3.33). Im Falle von Verlustmessungen
bei Betriebsfrequenzen von 50 oder 60 Hz ist für beide Prinzipien eine einstell-
bare Kondensatorbank zur Kompensation des hohen induktiven Leistungsbedarfs
erforderlich. Sie ist nach dem Anpassungstransformator in der Schaltung für den
induzierten Spannungstest angeordnet (Abb. 3.36). Darüber hinaus ist ein Mittel-
spannungsfilter (MVHF) zur Reduzierung von leitungsgebundenen Störsignalen
zwischen Kompensationseinheit und Prüfobjekt angeordnet. Mit Ausnahme der
beiden unterschiedlichen Frequenzumrichter können die Elemente der Schaltung
identisch sein (Abb. 3.37). Tab. 3.3 vergleicht daher nur die beiden Umrichter.

Abb. 3.34 Prinzipien


der Frequenzumrichter in
Schaltungen für induzierte
Spannungsprüfungen. a
Rotierender Umrichter
durch M/G-Set, b statischer
Frequenzumrichter (SFC) Rotierender Kompensation Anpasstransformator HV-Teiler
Konverter

Netz

statischer Anpasstransformator HV-Teiler


Frequenzwandler
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 131

(a) Eingangsfilter Frequenzumrichter Sinuswellenfilter (b)

a
t

3-phasige zum Anpassungs


NS- transformator
Stromversorgung Ethernet
Steuerung des Ablehnung PD
Wechselrichters Sicherheitsschleife
Not-Aus-
Warnlampen
Bedienfeld PC
Bedienfeld V Kontrolle

3-phasige Sinusspannung
3-phasige verzerrte Ströme

Abb. 3.35 Statischer Frequenzumrichter (SFC) für induzierte Spannungsprüfungen (Thiede et al.
2010). a Prinzipschaltbild, b sinusförmige Spannungen und gestörte Ströme

Kompensation 1

Zu prüfender
Messgeräte für Transformator
Konverter Adaptionstransformator HV-Filter Strom und Durchführung
Spannung

3x Leistungs PD-
Spitzenwert- analysator Messgerät
Voltmeter
Kompensation
ETHERNET
PROFIBUS

Bedienergerät Steuerrechner

Abb. 3.36 Vollständige Schaltung für Tests und Messungen bei induzierter Spannung

3.1.4 HVAC-Prüfsysteme mit variablen Frequenzen auf


Basis von Transformatoren (ACTF)

Ein Frequenz-wandler, wie in Abb. 3.35 dargestellt, kann auch als Stromver-
sorgung für einen Prüftransformator oder eine Transformator-Kaskade verwendet
werden. ACTF-Prüfsysteme würden HVAC Tests mit voreingestellter Frequenz
unabhängig von der Charakteristik des Prüfobjekts (kapazitiv, induktiv oder
resistiv) ermöglichen.
132 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Abb. 3.37 Komponenten einer Schaltung für induzierte Spannungsprüfungen (mit freundlicher
Genehmigung von Siemens Transformers Dresden). a Motor-Generator (M/G) Satz, b statischer
Frequenzumrichter (SCF), c oberer Teil des Anpasstransformators und Kondensatorbank, d und e
Transformator im Prüfstand und Mittelspannungs (MV) Filter

Hinweis Beachten Sie, dass die Prüffrequenz für frequenzabgestimmte Resonanz-


schaltungen nicht fest ist und durch die Induktivität des Reaktors und die Kapazität des
Prüfobjekts bestimmt wird (Abschn. 3.2.2). In solchen schwingenden ACRF-Schaltungen
kann nur Blindprüfleistung erzeugt werden. Wenn die HVAC-Prüfspannung von einem
Transformator erzeugt wird, der von einem geeigneten Frequenzumrichter gespeist wird
(ähnlich wie bei der Transformatorprüfung), können sowohl Wirk- als auch Blindprüf-
leistung bereitgestellt werden.

ACTF-Prüfsysteme könnten für Forschung und Entwicklung nützlich sein, aber


noch nicht für Geräteprüfungen (mit Ausnahme der in Abschn. 3.1.3 erwähnten),
da die meisten Geräte mit Netzspannungs-Wechselspannungen geprüft werden
sollen (siehe Abschn. 3.2.1).
3.1 Erzeugung von HVAC-Prüfspannungen 133

Tab. 3.3 Vergleich von Motor-Generator-Sets (M/G) und statischen Frequenzumrichtern (SFC)
ohne zusätzliche Kompensationselemente
Merkmale M/G SFC
Allgemeine Eigenschaft Set aus elektrischen Leistungselektronische
Maschinen mit speziellen Module, die kombiniert, ersetzt
Parametern oder hinzugefügt werden
können
Max. verfügbare Wirkleistung 5 8
(MW)
Max. verfügbare induktive 30a 12a
Leistung (MVA)
Max. verfügbare kapazitive Diese Last muss durch 12
Leistung (MVA) zusätzliche Reaktoren ver-
mieden werden
Frequenzwerte oder Bereich Normalerweise nur zwei feste Kontinuierlich einstellbar, z. B.
Frequenzen, z. B. 50 und 40–200 Hz
150 Hz
Anwendung von Leistungs- Zur Steuerung des Antriebs- Für den gesamten Umrichter
elektronik motors
PD-Störsignalunterdrückung Ja Ja
erforderlich
PD- Grundstörpegel <30 pC wird normalerweise <10 pC können erreicht
erreicht werden
Optimale Schaltkreis-Ober- Standardwert <5 % erfüllt Standardwert <5 % erfüllt
schwingungen (THD)
Dynamisches Verhalten Begrenzt, da durch rotierende Ausgezeichnet, da durch
Maschinen bestimmt schnelle Reaktion der
Leistungselektronik bestimmt
Selbsterregung Kann auftreten, um dies Kann nicht auftreten
zu vermeiden, ist eine
Anpassung der Reaktoren
bei niedrigerer Spannung
erforderlich
Gewicht und Größe Groß und schwer, M/G-Set Relativ leicht und kompakt
benötigt Fundamente
Grundsätzliches Design, Auf- Konventionelle Struktur, Modulares Design, Leistungs-
rüstung, Reparatur Leistungserhöhung ist nicht erhöhung oder Reparatur durch
möglich zusätzliche oder Austausch von
Modulen
Anwendung Traditionell für stationäre Anwendung sowohl für Werks-
Anwendung bei Werks- als auch für Vor-Ort-Prüfungen
prüfungen
aDer Bereich der induktiven Leistung kann durch eine Kondensatorbank erweitert werden
134 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl


von HVAC-Prüfsystemen

3.2.1 Anforderungen an AC-Prüfspannungen

Die Anforderungen für AC-Prüfspannungen für Labortests sind in der IEC


60060-1: 2010 festgelegt und hier beschrieben, die für Tests vor Ort sind in
Abschn. 10.2.1.1 gemäß IEC 60060-3: 2006 beschrieben. Für Forschungszwecke
kann jeder interessante Typ von Wechselspannungen verwendet werden.
Die AC-Prüfspannung soll eine annähernd sinusförmige Wellenform haben und
ihr Wert wird durch den Scheitelwert festgelegt, da die höchste Beanspruchung
normalerweise den Durchbruchprozess bestimmt (Abb. 3.38). Um den direkten
Vergleich mit dem üblicherweise angewendeten Effektivwert zu haben, wird der
Prüfspannungswert definiert durch
 
Vpeak Vpeak+ + Vpeak− 
VT = √ = √ . (3.20)
2 2 2

Wenn die Scheitelnwerte bei den beiden Polaritäten unterschiedlich sind, wird der
Durchschnittswert beider als Spitzenwert angewendet. Für einige spezielle Test-
anwendungen, z. B. wenn Erwärmungsprozesse die Entwicklung des Durchbruchs
beeinflussen, könnte der Effektivwert angewendet werden:

 ˆT
1

Vrms =  V (t)2 dt, (3.21)
T
0

Spannung V

Vrms +Vpeak

Zeit t
T
-Vpeak
t1
Abb. 3.38 Parameter von AC-Prüfspannungen
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 135

wo T die Dauer einer Periode ist. Die beiden Halbwellen sollten innerhalb von 2 %
symmetrisch sein
   
V
 peak+ − Vpeak−  
|�V | =   < 0,02 (3.22)
 Vpeak+ 

Die Toleranz der Testspannungsfrequenz beträgt laut IEC 60060-1: 2010 :


45–65 Hz.
Hinweis Dieser Bereich bezieht sich einfach auf die „europäische“ Frequenz von (50–
5) Hz und die „amerikanische“ Frequenz von (60 + 5) Hz. Es wird angenommen, dass
innerhalb des Bereichs (45–65) Hz der Einfluss der Frequenz auf den Durchbruchprozess
für alle Arten von Isolierungen vernachlässigt werden kann. Einige IEC-Gerätenormen
definieren Toleranzbereiche der Frequenz, die von den vorherigen abweichen. Es sind
keine physikalischen Untersuchungen bekannt, die physikalische Gründe für die Auswahl
der Frequenzbereiche liefern würden.

Für die Abweichung der Prüfspannungsform definiert die IEC 60060-1: 2010 den
Spitzenfaktor als das Verhältnis zwischen dem Scheitel- und dem Effektivwert, das
innerhalb von ±5 % gleich √2 sein sollte, das bedeutet
 
 Vpeak 
1,344 ≤   ≤ 1,485.
Vrms 

Diese Definition bezieht sich nur auf den Scheitelwert der Spannung, sie berück-
sichtigt nicht die Wellenform der Prüfspannung als Ganzes. Dies mag ausreichend
sein, um Durchschlag- oder Stehspannungsprüfungen zu machen, aber PD-
Messungen werden auch von anderen weiteren Zeitpunkten der Prüfspannung
beeinflusst. Für solche Anwendungen berücksichtigt die Totale harmonische Ver-
zerrung (THD) die Scheitelwerte Vnpeak der überlagerten Oberschwingungen auf
der Grundfrequenz (Scheitelwert V1peak):

 m
1 
THD =  V2 n peak . (3.23)
V1peak n=2

Das IEC Technical Committee 42 hatte diskutiert, eine akzeptable Grenze von
5 % für den THD einzuführen, entschied sich jedoch bei der letzten Überarbeitung
der IEC 60060-1 im Jahr 2010 nicht für dessen verbindliche Einführung. Ein
Grund für diese Entscheidung ist, dass Scheitelfaktor und THD nicht proportional
zueinander sind. Tab. 3.4 (Engelmann 2007) zeigt ein Beispiel: Die Spannung
eines Kaskadentransformators mit einer Nennspannung Vm = 1200 kV wurde
bei sehr niedrigen Ausgangsspannungen bewertet und mit einer 5 %igen Grenze
der Abweichung des Scheitelfaktors bzw. der THD verglichen. Während die Aus-
gangsspannung von 2,8 % in Bezug auf Vm starke Harmonische zeigt und sowohl
Scheitelfaktor als auch THD zu hoch sind, um als AC-Prüfspannung akzeptiert zu
werden. Eine geringe Spannungserhöhung um 3 % führt zu einer Verbesserung der
136 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Tab. 3.4 Abweichungen von der sinusförmigen Wellenform (Messung an einem 1200 kV
Kaskadentransformator von Engelmann 2008)
Spannungsform
Ausgangsspannung
Vpeak/VT ·100 %
Parameter

Vpeak/kV 48,4 51,6 410


Vt = Vpeak/√2/kV 32,2 36,5 290
Vrms/kV 30,8 37,4 287
F = Vpeak/Vrms 1,571 1,380 1,413
Vergleich: Spitzen- Abgelehnt Akzeptiert Akzeptiert
faktor 1,344 ≤ F
≤ 1,485
THD (%) 25 7 2,5
Vergleich THD Abgelehnt Abgelehnt Akzeptiert
≤5%

Wellenform und Akzeptanz durch den Scheitelfaktor, jedoch nicht durch die THD.
Die Ausgangsspannung von 24,1 % zeigt eine bessere Sinuswelle und Akzeptanz
durch beide Kriterien.
Hinweis Der Gehalt an Harmonischen hängt von allen Elementen des HVAC-
Prüfschaltkreises ab und somit auch von der Position des Reglers. Einige Harmonische,
die von der Stromversorgung stammen, können durch Resonanzen bestimmter Teile des
Prüfkreises verstärkt werden. Bei sehr niedrigen Positionen des Reglers ist ein hoher
Gehalt an Harmonischen typisch. Daher wird ein Scheitelfaktor (oder eine THD) inner-
halb der erwähnten Grenzen von 5 % normalerweise nur für Ausgangsspannungen Vt
> 10 % der Nennspannung eines HVAC-Prüfsystems angegeben. Wenn das HVAC-
Prüfsystem bei niedrigeren Prüfspannungen angewendet werden soll, muss die Wellen-
form überprüft werden. Normalerweise ist es ausreichend, in Gl. 3.23 die Harmonischen
der Zahlen n = 3, 5, 7 und 9 zu berücksichtigen.

Ein Teilentladungsimpuls, der einen hohen Stromimpuls verursacht, kann für


einige Perioden einen Spannungsabfall ΔV der Prüfspannung bewirken. IEC
60060-1: 2010 erlaubt ΔV/Vt < 20 %. Die Norm hat die Dauer dieses Spannungs-
abfalls nicht festgelegt. Es gibt auch keinen physikalischen Hintergrund für
den Wert von 20 % [Vergleichen Sie den Spannungsabfall für Gleichspannung
(Abschn. 6.2)!]. Der angegebene Spannungsabfall sollte als Schritt in die richtige
Richtung verstanden werden. Im Folgenden soll ein Spannungsabfall ΔV < 10 %
als akzeptabel angesehen werden. Eine detailliertere Betrachtung davon wird mit
der nächsten Überarbeitung der IEC 60060-1 erwartet.
Zuletzt muss die Toleranz des Prüfspannungswerts erwähnt werden. Für eine
Prüfdauer Tt von bis zu einer Minute (1 min) beträgt die Toleranz ±1 %. Für Tt
> 1 min beträgt sie ±3 %. Der größere Bereich für längere Prüfdauern ist not-
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 137

wendig, da bei längeren Prüfdauern größere Änderungen der Versorgungs-


spannung zu erwartet sind.
Hinweis Die Toleranzen bedeuten, dass bei einer Durchschlagfestigkeitsprüfung, z. B.
bei Vt = 500 kV für T t = 1 min, die gemessene und angezeigte Spannung innerhalb
von 495–505 kV liegen sollte. Wenn die Prüfdauer 1 h beträgt, sollte die Prüfspannung
zwischen 485–515 kV liegen. Wenn man zusätzlich eine akzeptierte Unsicherheit der
Spannungsmessung (Abschn. 2.3.4) von 3 % berücksichtigt, kann die wahre, aber
unbekannte tatsächliche Belastung während des 1 h-Tests etwa zwischen 470 und 530 kV
liegen.

3.2.2 Prüfsysteme für Mehrzweckanwendungen

Die Auswahl von Prüfsystemen hängt stark von ihrer Verwendung ab. HVAC-
Prüfsysteme für Mehrzweckanwendungen dienen der HV-Forschung, der Aus-
bildung in HV-Technik, der Kalibrierung von Messsystemen oder der HV-Prüfung
von Modellisolierungen. Während z. B. die HVAC-Prüfsysteme für die Routine-
prüfung einer bestimmten Produktgruppe nach den Prüfparametern ausgewählt
werden, erfordern Systeme für Mehrzweckanwendungen detaillierte Analysen
der späteren Anwendung. Normalerweise werden sie für Trockentests an Luft-
isolierungen, Tests an Modellisolierungen von gasförmigen, flüssigen oder festen
Dielektrika eingesetzt. Die Objekte müssen bis zu einigen hundert Kilovolt, in
seltenen Fällen bis zu 1000 kV belastet werden. Oft ist ein Prüfstrom unter 0,5 A
ausreichend, aber eine sehr empfindliche PD-Messung ist heute obligatorisch.
Unter den genannten Bedingungen sind HV-Prüftransformatoren (oder Trans-
formator-Kaskaden) mit einer Nennspannung Vm= 30–1000 kV und einem
Nennstrom Im = 0,2–0,5 A (in seltenen Fällen bis zu Im = 1 A) die idealen HV-
Generatoren für Mehrzweck-Prüfsysteme. Insbesondere sind zylindrische Prüf-
transformatoren gut geeignet. Ihr Betriebszyklus sollte einige Stunden betragen,
nur für Langzeittests ist ein Dauerbetrieb erforderlich. Das Steuerungssystem
sollte sowohl manuelle als auch computergestützte Prüfungen ermöglichen.
Der HV-Kreis sollte durch ein Spannungsmesssystem auf Basis eines
kapazitiven Spannungsteilers mit einem Scheitelwertvoltmeter oder – noch besser –
mit einem Transientenrekorder (IEC 61083-3 und -4, Entwurf 2011) für die
Messung aller oben genannten Parameter (Abschn. 3.2.1) vervollständigt werden.
Darüber hinaus sollte ein PD-Messsystem, oft auch Messsysteme für dielektrische
Parameter, verfügbar sein.
Für Nennspannungen bis 200 kV und niedrige Ströme können modulare HV-
Prüfsysteme empfohlen werden, für Spannungen bis 500 kV einzelne zylindrische
Transformatoren und für höhere Spannungen Kaskadentransformatoren
(Abb. 3.39).
138 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Abb. 3.39 Prüftransformatoren für Mehrzweckanwendungen. a AC/DC-Spannungserzeugung


mit einem modularen Systems 270 kV, b Prüfsystem mit einem 350 kV Zylindertransformator,
c 1000 kV Prüfsystem mit Zylindertransformatoren. (Mit freundlicher Genehmigung von BTU
Cottbus)

3.2.3 AC-Resonanzprüfsysteme (ACRL; ACRF) für


kapazitive Prüfobjekte

Die kapazitive Last eines HVAC-Prüfsystem kann einen sehr weiten Bereich
abdecken, von wenigen 100 pF für den Spannungsteiler und Leerlauf-
bedingungen bis zu einigen 10 μF für Seekabel oder Kondensatoren. Die Grenze
der Anwendung zwischen Mehrzweck-Prüfsystemen auf Basis von Prüftrans-
formatoren und Resonanzprüfsystemen ist nicht scharf, sollte aber durch den
verfügbaren Strom gekennzeichnet sein. Mit der Beziehung zwischen Gesamtlast-
kapazität C, Prüfspannung Vt und Prüfstrom It
It = ωC · Vt ≤ 1 A (3.24)
eines Mehrzweck-HVAC-Prüfsystems erhält man eine Grenzkurve für die prüfbare
Kapazität
It
C= . (3.25)
ωVt
Abb. 3.40 zeigt diese Beziehung. Für Gesamtlastkapazitäten C oberhalb der Kurve
von 1 A (abhängig von der Situation möglicherweise 0,5 A) ist die Anwendung
von HVAC-Resonanzprüfsystemen besser geeignet als die eines transformator-
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 139

Kapazität des Prüflings C t

30 It 0.5 A: Anwendung von Mehrzweck-HVAC-Prüfsystemen

nF

It 1 A: Anwendung von HV ACR-Resonanzprüfsystemen


20

10

It 0.5 A

0 250 500 750 kV 1000


50 Hz Prüfspannung Vt

Abb. 3.40 Prüfbare kapazitive Last abhängig von Prüfspannung und Nennstrom des HVAC-
Prüfsystems (untere Grenze für die Anwendung von Resonanzprüfsystemen)

basierten Systems. Man muss berücksichtigen, dass die Gesamtkapazität zusätz-


lich zum Prüfobjekt auch den Spannungsteiler, einen Koppelkondensator und – für
Resonanzschaltungen – eine kapazitive Grundlast einschließen kann.
Typische Prüfobjekte im Bereich bis zu wenigen 10 nF sind Komponenten
oder komplette Felder von gasisolierten Schaltanlagen (GIS), Leistungs- und
Instrumententransformatoren, Durchführungen und Kabelproben. Bei einer
HVAC-Stückprüfung kann eine komplette Kabeltrommel eine Kapazität von
einigen 100 nF haben.
Im Falle von GIS-Prüfungen kann die Last des Prüfobjekts leicht aus der Länge
der GIS-Rohre und der spezifischen Kapazität Ct ≈ 60 pF/m für eine einphasige
Sammelschiene abgeschätzt werden. Oft ist das HVAC-Prüfsystem an eine Prüf-
sammelschiene angeschlossen, die in der Produktionshalle angeordnet werden
kann (Abb. 3.41). Die Sammelschiene hat mehrere Anschlusspunkte für die zu
prüfenden GIS. Nur einer der Anschlusspunkte ist für einen Test mit dem HVAC-
Prüfsystem verbunden. Die anderen sind getrennt und geerdet, z. B. an einer
zweiten, zuvor geprüften GIS, die demontiert wird, und an einer dritten, die für
den nächsten Test vorbereitet wird. Diese Lösung erfordert kein separates Prüffeld,
da die Prüfsammelschiene und das Prüfobjekt Metallgehäuse haben und geerdet
sind. Die Prüfsammelschiene erhöht jedoch die Gesamtlastkapazität und den
erforderlichen Prüfstrom.
Wenn die angelegte Spannungsprüfung eines Leistungstransformators
durchgeführt wird, wirkt der Transformator als Kapazität in einem ungefähren
Bereich von Ct ≈ 4–30 nF, in sehr seltenen Fällen höher. Normalerweise werden
zylindrische Resonanzreaktoren verwendet (Abb. 3.42). Gemäß IEC 60076-3
ist die Anwendung einer festen Frequenz von 50 oder 60 Hz nicht zwingend
erforderlich, vielmehr ist nur eine Prüffrequenz ft > 40 Hz für den angewandten
Spannungstest erforderlich. Dies ermöglicht nicht nur die Anwendung von ACRL-
140 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Koppelkondensator
Sperrwiderstand

GIS-Testbus
Transformator oder Drossel

Abb. 3.41 AC-Prüfsystem für GIS-Prüfungen mit Prüfsammelschiene

Abb. 3.42 ACRL-Prüfsystem


während des angewandten
Spannungstests eines
Leistungstransformators

Testobjekt

Drosselkaskade Spannungsteiler

Prüfsystemen, sondern auch von frequenzabgestimmten ACRF-Systemen. ACRF-


Prüfsysteme sind sehr wirtschaftliche Lösungen für diese Anwendung.
Die Prüfung von Stromkabeln ist die traditionelle Anwendung von Resonanz-
schaltungen. Die einschlägigen Normen für flüssigkeitsgetränkte und extrudierte
Kabel erfordern eine feste Prüffrequenz von 50 oder 60 Hz für die HVAC-
Stehspannungsprüfung und die Teilentladungsmessung. Daher werden ACRL-
Prüfsysteme für Landkabel eingesetzt, die mit Längen von bis zu 1000 m pro
Trommel hergestellt werden, für Mittelspannungskabel sogar länger. Die spezi-
fische Kapazität – abhängig vom Kabeldesign (Verhältnis zwischen Leiter und
Kabelschirm) und dem Isoliermaterial – liegt normalerweise zwischen 0,15 und
0,4 nF/m. Die Verbindung zwischen dem zu prüfenden Kabel und dem Prüfsystem
muss durch einen Kabelendverschluss realisiert werden. Für Mittelspannungskabel
(MV) werden gleitende Prüfendverschlüsse aus festen Materialien aufgeschoben
oder einfache ölgefüllte Prüfendverschlüsse verwendet. Für Hochspannungs-
und Höchstspannungskabel werden Wasserendverschlüsse eingesetzt. Ihr Design
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 141

ist ein beeindruckendes Beispiel für die Kontrolle der Feldstärke entlang der
isolierenden Oberfläche des Endabschlusses (Pietsch et al. 2003; Saya et al. 2016):
Während das elektrische Feld innerhalb des Kabels schwach inhomogen ist,
ist das Feld der Kabelenden durch eine lokal hohe Feldstärke gekennzeichnet,
die eine stark inhomogene Feldstärkeverteilung entlang der Oberfläche des
Abschlusses verursacht (Abb. 3.43a). Die Feldstärkeverteilung wird verbessert,
wenn das isolierte Kabelende von deionisiertem Wasser mit kontrollierter Leit-
fähigkeit umgeben ist. Im äquivalenten Schaltbild (Abb. 3.43b) wird das Wasser
durch die Kette von Widerständen dargestellt. Je höher die Wasserleitfähigkeit
σ, desto besser ist die Steuerung des elektrischen Feldes. Aber mit zunehmender
Leitfähigkeit steigen auch die Verluste und das Wasser wird erhitzt. Um eine
Überhitzung zu vermeiden, muss das Wasser gekühlt und seine Leitfähigkeit den
Prüfbedingungen entsprechend durch eine Wasseraufbereitungseinheit angepasst
werden (Abb. 3.44a). Es gibt zwei Grenzen für die Leitfähigkeit. Die untere
wird durch eine Mindestleitfähigkeit verursacht, die für die Verbesserung des
elektrischen Feldes erforderlich ist. Die obere wird durch die verfügbare Leistung
des HVAC-Prüfsystems verursacht, um die Verluste durch die Erwärmung des
Wassers sowie die Leistung, die für die Kühlung in der Wasseraufbereitungsein-
heit erforderlich ist, zu kompensieren. Sie bestimmt die obere Grenze der Leit-
fähigkeit. Der Steueralgorithmus für die Leitfähigkeit ergibt sich aus den beiden
entgegengesetzten Effekten der Leitfähigkeit, die in Abb. 3.45 dargestellt sind.
Während eines Kabeltests soll die Leitfähigkeit im zulässigen Bereich gehalten
werden (Pietsch et al. 2003).

Grundfeld des Koaxialkabels Für die Prüfung


(leicht ungleichmäßiges Feld) vorbereiteter Abschnitt
(stark inhomogenes Feld)

kapazitive Spannungsverteilung
Widerstände stellen das Wasser der Endabschlüsse dar

Abb. 3.43 Kabelende für die Prüfung vorbereitet (schematisch) a elektrisches Feld, b äqui-
valentes Schaltbild
142 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Sperrwiderstand HV-Drossel

Wasserendverschluss Wasseraufbereitungsanlage

Abb. 3.44 Prüfung eines HV-Kabels a Kabelabschlusssystem mit Prüfanordnung, b Prinzipauf-


bau von Wasserendabschlüssen

Begrenzung durch den


Ausgleich von aktiven Verlusten Begrenzung durch
Probleme aufgrund
nichtlinearer
Spannungsverteilung
Leitfähigkeit
des Wassers

Akzeptabler Bereich
der Leitfähigkeit

Prüfspannung

Abb. 3.45 Auswahl des akzeptablen Bereichs der Wasserleitfähigkeit


3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 143

Ein Wasserendverschluss reduziert den Gütefaktor eines Resonanzkreises. Es


muss überprüft werden, ob das ACRL-Prüfsystem ausreichend für kurze Kabel-
proben mit Wasserabschlüssen arbeiten kann.
Kabel erfordern unterschiedliche HVAC-Tests, Tab. 3.5 nennt beispiels-
weise solche für EHV-Kabel von 220–500 kV: HVAC-Prüfspannung ist erforder-
lich für die AC-Stehspannungssprüfungen, die Teilentladungsprüfungen, die
Erwärmungsprüfng mit einer zusätzlichen Hochstromheizung (Naderian et al.
2011), den LI- und den SI-Spannungstest mit einer HVAC-Wiederholung nach
dem Stoßspannungstest. Insbesondere für Wärmeprüfung und Präqualifikations-
tests (Bolza et al. 2002) sind HVAC-Prüfsysteme mit hoher Zuverlässigkeit
erforderlich. Daher wurden Prüftransformatoren eingesetzt, neuerdings werden
auch Resonanzprüfsysteme mit einstellbarer Induktivität und sogar mit variabler
Frequenz für diese Tests verwendet.
Heutzutage müssen Seekabel mit einer Länge von vielen zehn Kilometern in
der Fabrik getestet werden. Die kapazitive Last kann mehr als 10 μF erreichen,
und ein ACRL-Testsystem wird sehr groß und teuer. Der Ausweg ist ein ACRF-
Testsystem (Abb. 3.46). Bis zu einem erforderlichen Teststrom von wenigen 10 A
können ACRL-Testsysteme realisiert werden, aber für höhere Ströme werden nur
ACRF-Testsysteme empfohlen, auch nach dem neuesten IEC-Entwurf für HVAC-
Seekabel (Karlstrand 2011). Abb. 3.47 zeigt den Drehtisch für Unterseekabel und
die ACRF-Testsysteme in einer Fabrik sowie das Verlegeschiff mit seinen Kabel-
trommeln.
Kondensatoren mit sehr hohen Kapazitäten werden ebenfalls mit ACRF-
Systemen geprüftt. Im Falle des sogenannten dynamischen Überlastprüfung
für Reihenkondensatoren (IEC 60143-1: 2004) erfordert eine zusätzliche Über-
spannungsperiode (Abb. 3.48) eine dynamische Änderung der Prüfspannung
innerhalb von weniger als 10 Zyklen. Für eine bessere Kontrolle der Prüfspannung
wird diese Prüfung mit einem Parallelschwingkreis durchgeführt. Diese Prüf-
spannung muss mit einem angepassten digitalen Recorder aufgezeichnet werden
(Entwurf IEC 61083-3: 2012).
ACRF-Testsysteme können auch für spezielle Anwendungen optimal sein, wie
in Abb. 3.49 gezeigt. Jeder Abstandsisolator für GIS wird nach seiner Produktion
sorgfältig auf PD getestet. Dieser Test wird bei Spannungen bis zu 1000 kV durch-
geführt und erfordert ein metallgekapseltes Prüfsystem in der Produktionshalle.
Da alle Testobjekte identisch sind, kann die Induktivität so ausgelegt werden,
dass ein Frequenzbereich zwischen 45 und 65 Hz gewährleistet ist. Für diese
Anwendung ist das ACRF-Testsystem bei weitem das wirtschaftlichste.

3.2.4 HVAC-Testsysteme für resistive Prüfobjekte

Eine resistive oder aktive Last eines HVAC-Prüfsystems erfordert eine aktive
Prüfleistung, die nur von einem Prüftransformator geliefert werden kann. In
diesem Sinne ist auch der oben erwähnte sogenannte Parallelresonanzkreis ein
144

Tab. 3.5 Prüfspannungen für extrudierte Kabel 220–500 kV (IEC 62067: 2001)
Nennspannung, Höchst- Leiter-Erde- AC- AC PD-Prüf- AC-Wärme- LI-Spannungs- AC- SI-
Vr (kV) spannung Spannung, V0 Stehspannungssprüfung spannung, zyklus- prüfung (kV) Spannung Spannungs-
für Geräte, (kV) Prüfung, nach LI prüfung (kV)
Spannung, Vt Dauer, Tt
Vm (kV) 1,5 V0 (kV) 2 V0 (kV) 2 V0 (kV)
(kV) (min)
220–230 245 127 318 30 190 254 1050 254 –
3

275–287 300 160 400 30 240 320 1050 320 850


330–345 362 190 420 60 285 380 1175 380 950
380–400 420 220 440 60 330 440 1425 440 1050
500 550 290 580 60 435 580 1550 580 1175
Prüfungen mit hohen Wechselspannungen
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 145

Abb. 3.46 Prüfbare Kapazität des Prüfobjekts C t


kapazitive Last bei
Prüfspannung und Nennstrom 30
des HVAC-Testsystems
(Grenze zwischen 25
ACRL- und ACRF- Anwendung von
Testsystemanwendung) F ACRF-Prüfsysteme

50 A
15
30 A
10
10 A

0 100 300 500 kV 700


ACRL-Systeme 50 HVAC-Prüfspannung Vt
anwendbar

(a) (b) Endstücke von Adapterkabeln an


das zu prüfende Unterseekabel

(c)

Abb. 3.47 ACRF-Testsystem für Seekabel (mit freundlicher Genehmigung von ABB Karls-
krona). a Drehender Kabeltisch, b ACRF-Testsystem aus fünf Reaktoren, c Verlegeschiff mit
Kabel an Bord
146 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Abb. 3.48 Dynamischer Spannung V


10 Zyklen
Überlast prüfung für
Reihenkondensatoren (IEC
60143: 2004)

erhöhen verringern
innerhalb von jeweils 10 Perioden

Abb. 3.49 Zwei ACRF-


Testsysteme mit 1000
und 600 kV für die
ACRF-Prüfsysteme
Routineprüfung von GIS-
Abstandsisolatoren. (Mit
freundlicher Genehmigung
von HYOSUNG Industries,
Changwon)

Testbehälter

­ ransformatorschaltkreis. Die hauptsächlich aktive Eigenschaft solcher Prüfobjekte


T
wird durch eine oder eine Kombination der folgenden Einflüsse verursacht:
• ein Volumenwiderstand der geprüften Isolierung, der niedriger ist als der Wert
der kapazitiven Impedanz, z. B. eine stark gealterte Öl-Papier-Isolierung;
• eine hohe Oberflächenleitfähigkeit des zu prüfenden Isolators, z. B. durch nasse
und/oder verschmutzte Oberflächen aufgrund von Regen, Verschmutzung und
Feuchtigkeit;
• starke Vor-Entladungen bei Prüfobjekten in Luft, z. B. verursacht durch Leader-
entladungen bei sehr hohen Wechselspannungen oder durch Vorlichtbbögen bei
Verschmutzungsprüfungen;
• kontinuierliche, quasi-stationäre Korona-Entladungen an Leitern, z. B. an
Freiluftprüfleitungen oder Koronaprüfungen Der aktive Leistungsbedarf des
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 147

Prüfobjekts kann ein quasi-stationärer Leckstrom sein – z. B. für hohe Volumen-


widerstände oder für Korona-Entladungen. In vielen anderen Fällen erfordert
jedoch der Stromimpuls, der mit einer starken Entladung verbunden ist, eine
sehr schnelle aktive Leistungszufuhr durch den Prüftransformator. Wenn
die Spannungsquelle den Strom nicht schnell genug liefern kann, würde die
Spannung absinken. Dieser Spannungsabfall kann die Entwicklung von Vor-
Entladungen zu einem Durchbruch verzögern oder sogar unterbrechen, und dies
kann zu falschen, quellenabhängigen Prüfergebnissen führen. Der akzeptable
Spannungsabfall von 20 % der aktuellen IEC 60060-1:2010 bezieht sich nicht
auf Verschmutzungsprüfungen. Der in diesem Buch vorgeschlagene Abfall von
10 % (siehe Abschn. 3.2.1) könnte besser auf realistische Prüfergebnisse bezogen
sein, aber ein neuer Wert für den Standard erfordert weitere Untersuchungen. Bis
zu einem gewissen Grad kann eine zu schwache HVAC-Spannungsquelle durch
einen Kondensator parallel zum Prüfobjekt „unterstützt“ werden (Reichel 1977).

3.2.4.1 HVAC-Prüfsysteme für Fremdschichtprüfungen

Auf einer verschmutzten Isolatoroberfläche haben die Leckstromimpulse eine


typische Form, wie in Abb. 3.50 gezeigt (Verma und Petrusch 1981). Viele
gemessene Impulse werden auf ihre Scheitelströme normalisiert und abhängig
von ihrer Phasenposition dargestellt. Die Ströme beginnen bei etwa 50° (el.) zu
steigen, erreichen ihren Höhepunkt bei etwa 110° (el.) und erlöschen bei etwa
170° (el.). Der Stromscheitelwert kann bis zu einigen Ampere erreichen (Rizk
und Bourdage 1985). Dies verursacht einen Spannungsabfall über den internen
Impedanzen des HV-Prüfsystems. Abb. 3.51 zeigt einen Spannungsabfall von
20 % bei einem Spitzenstrom von 1,8 A. Ein solcher Spannungsabfall beeinflusst
das Messergebnis erheblich, aber in der relevanten IEC-Norm 60507 (1991) ist
keine Messung des Stroms oder des Spannungsabfalls erforderlich. Mehrere Ver-
öffentlichungen halten einen Spannungsabfall von bis zu 10 % für akzeptabel.

Abb. 3.50 Normalisierte normierter Strom


Stromimpulse in
Verschmutzungstests in
Abhängigkeit von der
Phasenposition

Phasenlage/el. Grad
148 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Abb. 3.51 Gemessene normierter Strom


Leerlaufspannung, Leerlaufspannung
Leckstrom, Prüfspannung
und Spannungsabfall

Prüfspannung
aktuell

Spannungs
abfall

Phasenlage /el. Grad

Bei Verschmutzungsprüfungen (siehe Abschn. 2.1.4) definieren die eher alten


IEC-Normen 60507 (1991) und die alte IEC 60-1 (1989) anstelle einer direkten
Messung des Spannungsabfalls eine Reihe von Anforderungen an das HVAC-
Prüfsystem.
Hinweis Die aktuelle IEC 60060-1 (2010) enthält keine Anforderungen für Ver-
schmutzungsprüfungen und enthält nur einen Hinweis auf die neueste Ausgabe der IEC
60507, die derzeit die Version von 1991 ist. Beachten Sie jedoch, dass der Spannungs-
abfall von 10 % nicht mit einem Spannungsabfall von 20 % übereinstimmt, der in der
IEC 60060-1 (2010) erwähnt wird. Verschmutzungsprüfungen erfordern einen deutlich
niedrigeren Wert als 20%.

Diese Anforderungen basieren auf dem Spannungsabfall über die interne


Impedanz der HVAC-Spannungsquelle, der durch den Kurzschlussstrom aus-
gedrückt werden kann. Eine hohe interne Impedanz bedeutet einen niedrigen
Kurzschlussstrom (siehe Abschn. 3.1.1.1). Um einen kritischen Spannungsabfall
zu vermeiden, muss der Kurzschlussstrom einen Mindestwert haben, der von den
Prüfbedingungen abhängt. Die Prüfbedingungen können durch die spezifische
Kriechwegstrecke (in mm/kV) des Isolators ausgedrückt werden, der die Art und
Form des Isolators charakterisiert. Ein Isolator mit einem bestimmten spezifischen
Kriechwegabstand wird entsprechend der Verschmutzungsklasse ausgewählt. In
Abhängigkeit von der spezifischen Kriechstrecke zeigt Abb. 3.52 den Kurzschluss-
strom Iscmin, der gemäß IEC 60507 (1991) mindestens erforderlich ist, um den
Einfluss des Prüfsystems auf das Ergebnis einer Verschmutzungsprüfung zu ver-
meiden.
Ein Kurzschlussstrom höher als Iscmin ist notwendig, aber nicht ausreichend für
das „geeignete“ HVAC-Testsystem. Es muss auch folgende Anforderungen erfüllen:
R
Widerstand/Reaktanz Verhältnis : ≥ 0,1, (3.26)
X
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 149

Abb. 3.52 Erforderlicher Mindestkurzschlussstrom


Kurzschlussstrom des HVAC-
Prüfsystems in Abhängigkeit
von der spezifischen
Kriechstrecke (IEC 60507:
1991)

ausreichend

nicht ausreichend

spezifische Kriechstrecke

unter Verwendung der Reaktanz gemäß Abb. 3.2b

1 − ω2 LC
 
X= ,
ωC

und mit einem


kapazitiver Strom/Kurzschluss Strom Verhältnis: 0,001 < (Ic /Isc ) < 0,1. (3.27)
Der Wert von Isc = 6 A wird als absoluter Mindestwert für den Kurzschluss-
strom eines HVAC-Testsystems für Verschmutzungsprüfungen betrachtet. Für
höhere spezifische Kriechstrecken sind jedoch höhere Werte erforderlich, wie in
Abb. 3.2w dargestellt. Wenn das Testsystem den erforderlichen Kurzschlussstrom
Isc nicht erreicht, erlaubt die IEC 60507 die Messung des höchsten Leckstrom-
impulses Ihmax. Wenn das Verhältnis zwischen Isc (als Effektivwert) und Ihmax (als
Scheitelwert) wird
Isc
≥ 11, (3.28)
Ihmax
kann das Testergebnis als unabhängig vom Testsystem betrachtet werden.
Unter der Annahme einer gleichmäßigen Verschmutzung einer Isolatorkette
kann die Überschlagcharakteristik an einem Isolator der Kette bestimmt werden.
Dies basiert auf der Annahme, dass die Spannungsverteilung entlang der Kette
eine resistive ist. Die Überschlagcharakteristik der Isolatorkette wird ermittelt,
indem die Parameter (Spannungswerte) mit der Anzahl der Isolatoren in der
Kette multipliziert werden. Im Falle von parallelen Isolatoren und bekannter
150 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

­erteilungsfunktion liefert die statistische Vergrößerungsregel (Hauschild und


V
Mosch 1992) die Überschlagparameter. Das beschriebene Prinzip des Prüfens
von nur einzelnen Isolatoren ermöglicht, dass die verwendeten leistungsstarken
HVAC-Prüfsysteme (empfohlener Bemessungsstrom Im = 3–10 A, empfohlener
Kurzschlussstrom Isc > 20 A) auf Bemessungsspannungen unter 500 kV begrenzt
bleiben. Daher sind auch die Verschmutzungsprüfkammern und die sonstige Aus-
rüstung für Verschmutzungsprüfungen in der Regel begrenzt in der Größe.

Salznebelverfahren l Test: Im Stehspannungsprüfverfahren (IEC 60507: 1991) für


den Salznebeltest (siehe Abschn. 2.1.4), wird der Isolator einem Vorbehandlungs-
prozess mit einer Reihe von progressiven Spannungstests bei der Referenzsalinität
des als Nebel versprühten Wassers unterzogen. Anschließend wird für den Wider-
standstest selbst der Isolator gereinigt, die Verschmutzungsbedingungen angepasst
(angegebene Salinität) und der Test bei der angegebenen Widerstandsspannungs-
ebene für die Dauer von 1 h durchgeführt. Wiederholungen der Prozedur können
bei Abnahmeprüfungen spezifiziert werden. Vor jeder Wiederholung muss der Iso-
lator sorgfältig gereinigt werden. Der Isolator hat die Prüfung bestanden, wenn
während aller Stehspannungs-Prüfprozeduren kein Überschlag auftritt.

Fremdstoffschichtverfahren Test: Im Fall der Feststoffschichtmethode (IEC


600507: 1991) kann das Stehspannungsverfahren durchgeführt werden, wenn
die Prüfspannung angelegt wird, nachdem das Befeuchten des zu prüfenden Iso-
lators begonnen hat (Verfahren A), oder die Testspannung wird angelegt, bevor
das Befeuchten beginnt (Verfahren B). Für Verfahren A und angegebene Ver-
schmutzungsschichtbedingungen wird die Spannung für 15 min angelegt (oder
bis ein Überschlag auftritt). Für Verfahren B wird die Testspannung für 100 min
aufrechterhalten (oder bis ein Überschlag auftritt). Beide Verfahren müssen drei-
mal wiederholt werden. Der Isolator entspricht der Spezifikation, wenn während
der drei Wiederholungen kein Überschlag auftritt. Tritt nur ein Überschlag auf und
bleibt eine vierte Wiederholung ohne Überschlag, hat der Isolator den Test eben-
falls bestanden.
Die IEC 60507: 1991 bezieht sich auf keramische Isolatoren. Derzeit gibt es
keine standardisierte Methode für Verschmutzungstests von Verbund- und anderen
Polymerisolatoren. Daher werden die oben beschriebenen Methoden häufig auch
für Polymerisolatoren angewendet. Gutman und Dernfalk (2010) sowie Gutman
et al. (2014) präsentierten modifizierte Feststoffschichtmethoden für Verbund- und
Polymerisolatoren. Dong et al. (2012) fanden Zusammenhänge zwischen der Form
von Verbundisolatoren und der Verschmutzungsmethode. Weitere Erfahrungen bei
Isolatorenprüfungen unter verschmutzten und vereisten Bedingungen wurden von
Pigini et al. (2015), He und Gorur (2016) sowie Farzaneh (2014) veröffentlicht.
Diese Tests können durch Tests in Bezug auf die Hydrophobie (Bärsch et al. 1999;
Schmuck et al. 2010) ergänzt werden. Es kann angenommen werden, dass HVAC-
Prüfsysteme, die für Verschmutzungstests von keramischen Isolatoren geeignet
sind, auch die Anforderungen für Verschmutzungstests an Polymerisolatoren
erfüllen.
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 151

Es ist zu erwarten, dass bei Verschmutzungstests in Zukunft sowohl die Test-


spannung als auch der Leckstrom gemessen werden und dass ein bestimmter
Spannungsabfall, z. B. <10 %, ein Kriterium für einen akzeptablen Test wird.
Schon jetzt wird empfohlen, diese wichtigsten Parameter während eines Ver-
schmutzungstests mit geeigneten digitalen Registriergeräten aufzuzeichnen.

3.2.4.2 HVAC-Testsysteme für Regenprüfungen

Bei künstlichen Regen- (oder Nass-) Prüfungen (siehe Abschn. 2.1.3) können
Streamer- und sogar Leaderentladungen mit bemerkenswerten Stromimpulsen
auftreten. Die Scheitelströme erreichen nicht die Größenordnung der Leckstrom-
impulse von Verschmutzungstests, aber Mehrzweck-Testsysteme können nicht
garantieren, dass der damit verbundene Spannungsabfall innerhalb akzeptabler
Grenzen (<10 %) bleibt und die Entladungsprozesse nicht beeinflusst. Daher
werden leistungsfähigere HVAC-Testsysteme für Regenprüfungen eingesetzt.
Normalerweise ist ein HVAC-Prüfsystem auf Basis eines Transformators (ACT)
mit einem Nennstrom von Im = 1 A und einem Kurzschlussstrom Isc > 10 A
(Kurzschlussimpedanz vk < 15 %) ausreichend. Zusätzlich wird ein Kondensator
von etwa Cp ≈ 1 bis 3 nF parallel zum Prüfobjekt empfohlen (z. B. zugehöriger
Spannungsteiler).
Wenn Serienresonanz-Testsysteme für Regenprüfungen eingesetzt werden
sollen, muss ein Parallelkondensator mit einer noch höheren Kapazität als oben
erwähnt verwendet werden. In jedem Fall sollte die Spannung mit einem digitalen
Recorder aufgezeichnet werden, um sicherzustellen, dass ein Spannungsabfall
10 % nicht überschreitet. Die Überwachung der Spannung scheint auch bei Regen-
prüfungen hilfreich zu sein, und man kann hoffen, dass für diese Prüfungen eine
zukünftigen Norm eine physikalisch begründete obere Grenze des Spannungs-
abfalls vereinbart wird.

3.2.5 HVAC-Testsysteme für induktive Prüfobjekte:


Transformatorprüfung

Leistungs- und Verteilungstransformatoren, Instrumententransformatoren und


Kompensationsreaktoren haben recht komplexe Isolationssysteme und sind
für bestimmte Frequenzen der AC-Prüfspannung eine induktive Last für die
Spannungsquelle.
Als Beispiel sollen Leistungstransformatoren betrachtet werden: Tab. 3.6 gibt
einen Überblick über die wichtigsten HV-Tests an Leistungstransformatoren in der
Reihenfolge ihrer Anwendung. Die Tests mit Wechselspannung folgen den Tests
mit Impulsspannung. Das bedeutet, die im Folgenden betrachteten AC-Tests sollen
die abschließende Aussage über den Zustand der Isolierung liefern.
152 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Tab. 3.6 Wichtige HV-Tests an Leistungstransformatoren für verschiedene Bemessungs-


spannungen gemäß IEC 60076-3
Bemessungsspannung ≤72,5 kV 72,5 kV ≤ Um ≤ ≥170 kV
(Vm) 170 kV
Blitzstoßspannung Typenprüfung Routineprüfung In LIC-Test enthalten
(LI)
Abgeschnittene Sonderprüfung Sonderprüfung Routineprüfung
Blitzstoßspannung
(LIC)
Schaltstoßspannung Nicht anwendbar Sonderprüfung Routineprüfung
(SI)
Angelegte Wechsel- Routineprüfung Routineprüfung Routineprüfung
spannung (AC-AV)
Induzierte Wechsel- Routineprüfung Routineprüfung Durch SI- und AC-
spannung IVPD-Tests ersetzt
[AC-(IVW)]
Induzierte Wechsel- Sonderprüfung Sonder- oder Routine- Routineprüfung
spannung mit PD- prüfung
Messung (IVPD)

Mit der „angelegte Spannungsprüfung“ soll der einwandfreie Zustand der


Isolierung zwischen den kurzgeschlossenen HV-Leitungsklemmen und der
geerdeten Niederspannungsseite (Wicklung, Magnetkern, Tank usw.) mit einer
externen HVAC-Quelle überprüft werden. Der Transformator ist ein kapazitives
Prüfobjekt und kann mit einem Resonanzkreis geprüft werden (siehe Abschn.
3.2.3; Abb. 3.42). Da die einschlägige Norm IEC 60076-3 keine feste Frequenz
vorschreibt, sondern einen Frequenzbereich f > 40 Hz zulässt, sind frequenz-
abgestimmte Resonanzprüfsysteme für angewandte Spannungsprüfungen sehr
wirtschaftlich.
Bei der induzierten Spannungsprüfung der Durchführungsisolierung und der
angeschlossenen Wicklungen erzeugt der geprüfte Transformator die HVAC-
Prüfspannung selbst und muss mit einer geeigneten Spannung auf seiner Nieder-
spannungsseite erregt werden, wie im Detail in Abschn. 3.1.3 beschrieben. Diese
Erregerspannung sollte bei Dreiphasentransformatoren eine Dreiphasenspannung
sein. Aufgrund der Sättigung des Magnetkerns (Abb. 3.32) erfordert die AC-
Prüfspannung eine Frequenz von mehr als dem Doppelten der Betriebsfrequenz
(ft ≥ 2 · fm ). Die Spannung wird traditionell von einem Motor-Generator-Satz
erzeugt, heutzutage jedoch immer häufiger von statischen Frequenzumrichtern
(SFC) bereitgestellt. Sie wird durch einen Anpass- (step-up)-Transformator
auf die erforderliche Erregerspannung hochtransformiert. Das Prüfsystem zur
Stehspannungsprüfung des Leistungstransformators wird auch für die Wärme-
fahrtprüfung und für die Messung von Leerlauf und Kurzschlussverlusten bei
ihrer Betriebsfrequenz von 50 oder 60 Hz verwendet. Bei diesen Prüfungen
ist der Transformator immer eine induktive Last, die immer eine gut angepasste
Kompensation benötigt. Dies wird durch eine schaltbare Kondensatorbank auf der
Niederspannungsseite des geprüften Transformators realisiert, zur Feinabstimmung
3.2 Anforderungen an AC-Prüfspannungen und Auswahl … 153

manchmal zusätzlich auf der Primärseite des Step-up-Transformators (Abb. 3.36,


3.37c). Im Falle einer Einspeisung über einen statischen Frequenzumrichter sollte
dieser auf den Selbstkompensationswert abgestimmt werden (Abb. 3.33).
Nach IEC 60076-3 sollen Leistungstransformatoren einer „induzierten
Spannungsfestigkeitsprüfung (IVW)“ und danach einer „Teilentladungsmessung
bei induzierter Prüfspannung (IVPD)“ unterzogen werden, in beiden Fällen
bei der gleichen Prüffrequenz ft. Die Dauer der IVW-Prüfung hängt von der
Beziehung zwischen der Nennfrequenz fr des Transformators unter Prüfung und
der Prüffrequenz ft ab:
fr
tt /s = 120 · ≥ 15. (3.29)
ft
Der IVW-Test soll bei einer Spannung ≤ 0,33Ut beginnen, und die Spannung soll
auf die Prüfspannung Vt erhöht und dort für die frequenzabhängige Prüfdauer
tt gehalten werden. Nach dieser Zeit soll die Spannung auf ≤ 0,33 Ut reduziert
werden, bevor sie ausgeschaltet wird (Abb. 3.53, blau).
Der IVPD-Test soll überprüfen, ob der Transformator frei von schädlichen PD
ist. Im IVPD-Test folgt die Spannung einem Stufenverfahren (Abb. 3.53, rot) mit
der höchsten (Verstärkungs-) Stufe. Die Dauer der Verstärkungsstufe entspricht
dem IVW-Test, nur bei Leistungstransformatoren mit Vm > 800 kV ist diese Dauer
fünfmal länger. Bei den drei Spannungsstufen vor der Verstärkungsstufe wird eine
PD-Messung durchgeführt, die lange genug dauert, um ein stabiles Ergebnis zu
erhalten. Auf der Verstärkungsstufe ist keine PD-Messung im Standard erforder-
lich, sollte aber ebenfalls durchgeführt werden. Unmittelbar danach soll der PD-
Pegel für 60 min auf dem angegebenen PD-Messpegel ­ aufgezeichnet werden.
Anschließend wird die Spannung auf das gleiche Niveau wie bei der Spannungs-

(Prüfspannung) / (Nennspannung gegen Erde)


Widerstandsfähigkeitsprüfung
ohne TE-Messung
mit TE-Messung

Zeit

einschalten ausschalten
PD-Messung PD-Messung
Anhebungsspannung*

Abb. 3.53 Testzyklen eines induzierten Spannungstests ohne (blau) und mit PD-Messung (rot)
an Leistungstransformatoren (Entwurf IEC 60076-3: 2011)
154 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

erhöhung reduziert und eine PD-Messung wie zuvor durchgeführt. Die PD-
Einsetz- und Aussetzspannungspegel sollen ermittelt werden. Der IVPD-Test
ist bestanden, wenn während des gesamten Zyklus kein Durchschlag auftritt,
wenn innerhalb der 60-minütigen Prüfung keiner der aufgezeichneten PD-Werte
250 pC überschreitet, der PD-Pegel um nicht mehr als 50 pC ansteigt oder keinen
steigenden Trend zeigt und wenn auf der nächstniedrigeren Spannungsstufe nicht
mehr als 100 pC gemessen werden. Die angegebenen PD-Werte können gemäß
vereinbarten Abnahmebedingungen geändert werden. Weitere Einzelheiten finden
Sie in der IEC 60076-3.

3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests

Die allgemeine statistische Grundlage dieses Abschn. 3.3 wurde in Abschn. 2.4
beschrieben, und weitere Einzelheiten sind bei Hauschild und Mosch (1992) zu
finden, siehe auch Yakov (1991), Carrara und Hauschild (1990) und Anhang A der
IEC 60060-1 (2010). Im Folgenden werden Verfahren betrachtet, die für Tests mit
hohen Wechselspannungen relevant sind.

3.3.1 HVAC-Tests für Forschung und Entwicklung

Bevor eine Hochspannungsprüfung beginnt, muss ihr klares statistisches Ziel


definiert und in ein geeignetes Prüfverfahren mit klar definierten Parametern
übertragen werden. Dies kann auf der Grundlage ähnlicher früherer Experi-
mente, Literatur oder eigener Vorversuche erfolgen und beinhaltet die Klärung,
ob eine vollständige kumulative Häufigkeitsfunktion (als Schätzung der Ver-
teilungsfunktion) oder nur ein bestimmtes Quantil (zur Schätzung einer oder einer
garantierten Durchschlagspannung) ausgewertet werden soll.

Stichprobengröße: Die Breite der Konfidenzregion der Schätzung (Quantil, Ver-


teilungsfunktion) hängt von der Streuung des Entladungsprozesses (ausgedrückt
durch seine Standardabweichung) und der Stichprobengröße (Anzahl der Einzel-
tests) ab. Je höher die Konfidenzanforderungen, desto größer ist die erforderliche
Stichprobengröße. Abb. 3.54 zeigt die Breite der Konfidenzregion (oder des Inter-
valls) des Mittelwerts (V50 ober − V50 unter)/V50 in Abhängigkeit von der Varianz v
= s/V50 und der Anzahl der Einzeltests. Bei einer Varianz von v = 6 % und n =
10 Einzeltests beträgt das Konfidenzintervall 7 %. Um das auf 3 % zu reduzieren,
wären n = 50 erforderlich. Die letztendlich ausgewählte Stichprobengröße sollte
auch den für den Test erforderlichen Aufwand berücksichtigen.

HVAC-Test Verfahren: Das übliche Testverfahren bei einem HVAC-Test ist ein
progressiver Belastungstest (Abb. 2.26; Abschn. 2.4.2). Die Spannung beginnt
3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests 155

Abb. 3.54 Relative Breite Breite des Vertrauensbereichs


der Konfidenzregion in
Abhängigkeit von der Varianz
des Messergebnisses und der
Stichprobengröße des Tests
(Konfidenzniveau 95 %)
Variations
koeffizient
s/x 50

Anzahl der Einzelprüfungen

bei einer Anfangsspannung V0 und wird kontinuierlich mit einer Steigungsrate


dVpeak/dt erhöht, bis ein Durchbruch auftritt. Der Wert der Durchbruchspannung
ist eine erste Realisierung Vb1. Dann wird die Spannung schnell auf V0 reduziert,
nach einer Pause Δtp folgt der nächste Einzeltest. Insgesamt werden n Einzel-
tests durchgeführt. Die Steigungsrate kann die Ergebnisse beeinflussen (z. B.
durch Oberflächen- oder Raumladungen), daher wird empfohlen, den Einfluss der
Steigungsrate auf die gemessenen Durchbruchspannungen zu klären und eine Rate
auszuwählen, die unabhängige Ergebnisse ermöglicht.
Effizienter als eine kontinuierliche Spannung könnte ein schrittweises
Ansteigen sein (Abb. 2.26b). Die Anfangsspannung sollte innerhalb von
Grenzen niedriger als die Schritthöhe variiert werden, um kontinuierliche
Durchbruchspannungen zu erzeugen. Anstelle der Steigungsrate der Spannung
müssen die Schritthöhe ΔVs und die Schrittdauer Δts definiert werden. Dies steht
in besserem Zusammenhang mit den Verfahren der Durchschlagfestigkeitsprüfung
(siehe Abschn. 2.4.6 und 3.3.2), insbesondere wenn die Schrittdauer gleich der
Dauer einer Durchschlagfestigkeitsprüfung ist (siehe Abschn. 3.3.2). Unter
der Annahme der Unabhängigkeit – dass die vorherigen Schritte die folgenden
Schritte nicht beeinflussen – kann man aus dem Ergebnis dieser Prüfung
(kumulative Häufigkeitsfunktion) die Verhaltensfunktion einzelner Belastungen
berechnen, die direkt mit der Durchschlagfestigkeitsprüfung zusammenhängt
(Hauschild und Mosch 1992). Es gibt tatsächliche Anwendungen dieses Prinzips,
z. B. beschrieben von Tsuboi et al. (2010a, b, c).

Überprüfung der Unabhängigkeit: Wenn der Test mit den vorausgewählten Para-
metern durchgeführt wurde und n zufällige Durchbruchspannungen verfügbar
sind, muss ihre statistische Unabhängigkeit überprüft werden. Mit Hilfe einer ein-
fachen grafischen Methode werden die Durchbruchspannungen (Vb1 bis Vbn) in der
156 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Reihenfolge ihres Auftretens grafisch dargestellt. Eine visuelle Beurteilung liefert


einen Eindruck von der Unabhängigkeit: Wenn die Realisierungen auf zufällige
Weise um den Mittelwert schwanken, gibt es keine Einwände gegen die Annahme
der Unabhängigkeit (Abb. 2.28: Obere drei SF6-Drücke). Wenn es eine fallende
oder steigende Tendenz gibt, muss von Abhängigkeit ausgegangen werden
(Abb. 2.28: Unterer SF6-Druck). Numerische Unabhängigkeitstests sind verfügbar
und werden in entsprechenden Computerprogrammen angewendet.

Approximation durch eine theoretische Verteilungsfunktion: Anschließend wird


die Anpassung der empirischen kumulativen Häufigkeitsfunktion durch eine
theoretische Verteilungsfunktion unter Berücksichtigung der Übereinstimmung
zwischen dem physikalischen Modell des untersuchten Durchschlagprozesses
und dem mathematischen Modell der angewendeten Verteilungsfunktion, der
guten Übereinstimmung und der Anwendungsfreundlichkeit durchgeführt (Hau-
schild und Mosch 1992). Tab. 3.7 gibt einen Überblick, welche theoretischen Ver-
teilungsfunktionen für die Approximation von Durchbruchprüfdaten empfohlen
werden können: „Ohne PD“ bedeutet, dass die Isolierung schwach inhomogen ist,
keine Defekte aufweist und der Durchbruch sofort ohne stabile PD auftritt. „Mit
PD“ bedeutet, dass die Isolierung stark inhomogen oder schwach inhomogen mit
Defekten ist und stabile PD bis zum Durchbruch anwachsen.
Hinweis Nicht alle experimentellen Ergebnisse können durch eine theoretische Ver-
teilungsfunktion approximiert werden. Oft treten sogenannte gemischte Verteilungen
auf, z. B. in einem leicht inhomogenen Feld mit Defekten (Abb. 3.55): Wenn der Durch-
bruchprozess ein Startelektron an einem Defekt findet, ist die Durchbruchspannung recht
niedrig und zeigt eine große Streuung (flache Kurve c). Ist die Durchbruchspannung
höher, ist die Streuung gering (steile Kurve b). Für eine gemischte Verteilung ist es oft
ausreichend, eine Annäherung an den unteren Teil der gemischten Verteilung zu suchen.
Weitere Details finden Sie bei Hauschild und Mosch (1992).

Die Anwendung eines Computerprogramms der Maximum-Likelihood-Methode


(MLM) liefert die besten Schätzungen und wird ausdrücklich empfohlen.
Die MLM-Software ist kommerziell erhältlich, und die Auswertung kann
Approximationen durch verschiedene Verteilungsfunktionen durchführen.

Tab. 3.7 Theoretische Verteilungsfunktionen, die für die Approximation von


Durchschlagspannungsdaten empfohlen werden
Isolierung und Luft und Gase Flüssigkeiten Feststoffe
Feld
Verteilungs- Mit PD Ohne PD Mit PD Ohne PD Mit PD Ohne PD
funktion
Gauss X X X
(Gl. 2.48)
Gumbel X X
(Gl. 2.49)
Weibull X X X
(Gl. 2.40)
3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests 157

Abb. 3.55 Gemischte Durchschlaghäufigkeit


Verteilungsfunktion der
Durchbruchspannung einer
Kugel-Platte-Funkenstrecke
mit einer rauen
Kugeloberfläche (Radius r =
75 cm; Elektrodenabstand d
= 50 cm)

Einsetzfeldstärke

Neben dem Parameter der ausgewählten Verteilungsfunktion liefert sie auch


die Konfidenzgrenzen der Verteilung selbst und deren Größen (Abb. 3.56). Ins-
besondere die unteren Konfidenzgrenzen sind für die Bestimmung von Isolations-
bemessungskriterien wichtig, da sie „Daten auf der sicheren Seite“ liefern.

Abb. 3.56 Darstellung kumulative Häufigkeit


der Ergebnisse einer %
Spannungssteigerungsprüfung,
99
ausgewertet mit der
98
Maximum-Likelihood-
Methode und Gauss’scher 95
Normalverteilungsfunktion 90

80
70
60
50
40
30
20

10 Durchschlagwert
Meßpunkte
5 Wert ohne Durchschlag
Abbruchwerte
Treppenfunktion
2 Treppenkurve
Verteilungsfunktion
1 Verteilungsfunktion
Vertrauensbereich Verteilungsfunktion
0,5 Vertrauensbereiche Verteilung
Konfidenzintervall der Quantile
Vertrauensbereiche Quantile
0,2
100 105 110 115 kV 120
Durchbruchspannung
158 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Mehrstufige Methode: Wenn eine Wechselspannung einer bestimmten Höhe V und


einer bestimmten Dauer Δt (z. B. 1 min) als Einzelbelastung definiert ist, kann
die mehrstufige Methode ähnlich wie bei Stoßspannungen angewendet werden.
Einzelheiten finden Sie in den Abschn. 2.4.3 und 7.3.1.1.

Lebensdauertests: A eine bestimmte Anzahl von Proben, hauptsächlich fester


Isolierung, kann bei konstanter Spannung belastet werden, bis der Durchbruch
eintritt. Die Zufallsvariable ist die Belastungszeit und die statistische Aus-
wertung bezieht sich auf die Durchbruchszeit, die gut durch eine Weibull-Ver-
teilung (Gl. 2.50a) beschrieben werden kann. Wenn solche Tests bei verschiedenen
Spannungen durchgeführt werden, kann man die Lebensdauercharakteristik
(siehe Abschn. 2.4.5) einschließlich ihrer Vertrauensgrenzen unter Verwendung
der MLM (Abb. 2.41) ableiten. Für jeden Wert der Durchbruchszeit benötigt man
ein einzelnes Testobjekt (Probe). Üblicherweise ist eine bestimmte Testzeit (z. B.
1000 h) bei solchen Lebensdauertests vorgegeben. Die statistische Auswertung
ermöglicht auch die Berücksichtigung von zensierten Daten, das bedeutet Proben,
die innerhalb der vorgegebenen Testzeit nicht ausgefallen sind (Speck et al. 2009).
Ihre Information ist z. B., dass sie die Testzeit ohne Durchschlag überstanden
haben.

3.3.2 HVAC-Qualitätstests und Diagnosetests

Normalerweise sollen Abnahmetests die Produktqualität überprüfen, die aus einer


ordnungsgemäßen Konstruktion, einer genauen Produktion von Komponenten und
einer sorgfältigen Endmontage der Isolierung von Geräten oder Systemen besteht
– durch reine Stehspannungsprüfungen oder Stehspannungsprüfungen, die PD-
Messungen (oder dielektrische Messungen) einschließen (überwachter Durch-
schlagtest). Bei Stehspannungsprüfungen müssen die Prüflinge eine bestimmte
Prozedur mit den entsprechenden Prüfspannungswerten [(IEC 60071-1: 2006)
und/oder nach relevanten Gerätenormen] bestehen, wie z. B. in Abschn. 2.4.6
beschrieben. Wenn dies erfolgreich in Typ-, Routine- und Inbetriebnahme-
prüfungen durchgeführt wird, kann das Produkt dem Benutzer zur Nutzung über-
geben werden.
Das klassische Stehspannungsverfahren mit kontinuierlich steigenden
Spannungen bis zum Prüfspannungswert wurde in Abschn. 2.4.6 und Abb. 2.42a
beschrieben. Der Prüfspannungswert sollte für eine bestimmte Dauer, normaler-
weise 1 min, oft auch 1 h, auf dem Prüfspannungsniveau gehalten werden.
Eine monitored Durchschlagprüfung nach dem Stufentestverfahren (Abb. 2.42b)
liefert mehr Informationen über die Qualität der Isolierung als ein einfacher
Durchschlagtest. Während der einzelnen Schritte und – zur Information – auch
während der Durchschlagdauer sollen PD – in besonderen Fällen auch der Ver-
3.3 Verfahren und Bewertung von HVAC-Tests 159

lustfaktor – gemessen werden. Normalerweise ist das akzeptable PD-Niveau nicht


für das Durchschlagspannungsniveau, sondern für ein bestimmtes angegebenes
PD-Messniveau nach der Stehspannungsprüfung angegeben. Dieses niedrigere
Niveau kann eine längere Dauer (bis zu 1 h) haben als die Schritte vor der höchsten
Beanspruchung der Stehspannungsprüfung. Bei einem Qualitätsabnahmetest muss
das PD-Niveau niedriger als ein angegebener Wert sein, aber auch der Vergleich der
PD-Größe auf identischen Spannungsniveaus vor und nach dem Durchschlagtest
kann berücksichtigt werden. Folglich ist der Annahmetest erfolgreich, wenn
• während des gesamten Testverfahrens kein Durchbruch auftritt und
• das PD-Niveau bei der PD-Messspannung den in Standards angegebenen
Grenzwert nicht überschreitet und
• PD-Niveaus auf Spannungsniveaus nach der höchsten Spannungsstufe nicht
wesentlich höher sein sollten als auf identischen Spannungen davor.
Die ersten beiden Anforderungen sind in den relevanten Gerätenormen angegeben.
Die letzte wird normalerweise nicht in Gerätenormen erwähnt. Es wird zusätz-
lich empfohlen, zu zeigen, dass vorherige Spannungsbelastungen PD-Phänomene
an Defekten weder verstärkt haben, die auf eine bleibende Verschlechterung hin-
weisen, noch den angegebenen PD-Grenzwert überschreiten. Es sollte erwähnt
werden, dass in einigen traditionellen Fällen die Stehspannungsprüfung und das
PD-Messverfahren getrennt und nicht in einem gemeinsamen Zyklus mit dem
Durchschlagtest durchgeführt werden. Es wird jedoch empfohlen, PD-monitored
Stehspannungsprüfungen durchzuführen (Abb. 3.53).
Für die Zustandsbewertung gealterter Isolierung werden auch Durchschlag-
tests vor Ort mit geeigneten mobilen HVAC-Testsystemen durchgeführt. Ziel eines
Diagnosetests ist es, die verbleibende Lebensdauer durch geeignete Belastungen
und Messungen zur Erkennung von Defekten abzuschätzen. Die Prüfspannungs-
werte können niedriger sein als für einen Qualitätssicherungstest, sie liegen oft in
der Größenordnung von 80 %. Die ausgewählten Messungen hängen von dem zu
prüfenden Gerät, der Art seiner Isolierung und der Erfahrung des Prüfingenieurs
ab. Sehr oft ist jede Art von PD-Messung am besten geeignet, da PD – wie der
Durchschlag – Schwachstellenphänomene sind.
Für einen Diagnosetest ist das PD- oder ein tanδ-überwachtes Stufenverfahren
ratsam, aber es sollte an den erwarteten Zustand der Isolierung angepasst werden
(Alter, Belastung, Überspannungsbelastungen, klimatische Bedingungen usw.,
Pietsch et al. 2012). Daher sollte das durchgeführte Verfahren (z. B. Auswahl und
Dauer der Schritte, Auswahl der Messgrößen) der Erfahrung des Prüfingenieurs
überlassen werden. Insbesondere muss die Dauer der PD-Messungen oft in
Bezug auf die tatsächlichen Beobachtungen gesetzt werden. Für die Bewertung
sollte nicht nur ein PD-Parameter – z. B. die gemessene PD-Ladung – verwendet
werden, sondern die gesamte verfügbare PD-Charakteristik (siehe Kap. 4).
160 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung

Um hohe Wechselprüfspannungen zu messen, wurden ursprünglich Kugelfunken-


strecken verwendet, siehe Abschn. 2.3.5. Auch wenn diese eine direkte Messung
von Hochspannungen bis in den MV-Bereich ermöglichen, ist das Verfahren
äußerst zeitaufwändig. Ein weiterer Nachteil des diskontinuierlichen Verfahrens
ist, dass die tatsächliche Durchschlagspannung eines Prüfobjekts nicht ermittelt
werden kann, da das Prüfobjekt und die parallel geschaltete Kugelfunkenstrecke
niemals gleichzeitig durchschlagen. Um dieses Problem zu überwinden, könnte
die tatsächliche Prüfspannung aus der Primärspannung V1 des Prüftransformators
abgeleitet werden, wenn diese mit dem Übersetzungsverhältnis des Prüftrans-
formators multipliziert wird. Dies war zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich, als
die HVAC-Spannung zunehmend für die Energieübertragung verwendet wurde.
Ein solch einfacher Ansatz kann jedoch aufgrund des unvermeidlichen Spannungs-
abfalls über den internen Impedanzen des Prüftransformators zu erheblichen
Messfehlern führen, wie aus dem vereinfachten Ersatzschaltbild in Abb. 3.57
leicht abgeleitet werden kann.
Hier ist eine virtuelle Spannungsquelle V20 in Reihe mit der Induktivität L12
und dem Serienwiderstand R12 geschaltet, die die effektiven Impedanzen dar-
stellen, die auf die HV-Seite transformiert wurden. Die Sekundärspannung ohne
Last ergibt sich aus der Primärspannung V1, wenn diese mit dem Übersetzungsver-
hältnis multipliziert wird:
w2
V20 = V1 · , (3.30)
w1
mit w1 und w2 – den Windungszahlen der Primär- und Sekundärwicklung des
Transformators (siehe auch Abschn. 3.1.1.1). Die in Abb. 3.58 dargestellten
Zeigerdiagramme zeigen, dass die tatsächliche Prüfspannung V2T am Prüfobjekt
stark von der virtuellen Quellspannung V20 ohne Last abweicht und zudem von der
Art der Last abhängt, selbst bei gleicher Stromstärke.
Beispiel Betrachten Sie einen Prüftransformator mit einem Übersetzungsverhältnis
von w2/w1 = 1000/1, der mit einer Frequenz fe = 50 Hz erregt wird, so dass eine ohne
Last angenommene Primärspannung von V1 = 100 V eine Sekundärspannung von V20
= 100 kV verursacht. Die interne Induktivität und der Widerstand sollen als L12 = 1000

L12 R12

RT LT
CT
V20 V2T IR IL IC

Abb. 3.57 Vereinfachtes Ersatzschaltbild eines HV-Prüftransformators


3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 161

Abb. 3.58 Typische (c) V12R


Zeigerdiagramme, die
aus dem vereinfachten
Ersatzschaltbild eines V12L
Prüftransformators bei
verschiedenen Lasten gemäß (a) (b)
Abb. 3.57 abgeleitet wurden V12L V12R

V12R
V12L

V2T V20 V2T V20 V20 V2T

IR
IC
IL

H und R12 = 40 kΩ angenommen werden. Darüber hinaus soll jede Art von Prüfobjekt,
das an den Transformator angeschlossen ist, von einen gleichen Scheitelstrom durch-
flossen werden, der IR = IL = IC = 50 mA betrage. Die Scheitelwerte der Spannung, die
an den Klemmen des Prüfobjekts auftreten, sind in Tab. 3.8 aufgeführt. Dies zeigt, dass
bei konstanter Primärspannung die Ausgangsspannung des Prüftransformators V2T und
somit die am Prüfobjekt angelegte Spannung sowohl bei resistiver als auch bei induktiver
Belastung abnimmt und bei kapazitiver Belastung zunimmt.

In diesem Zusammenhang sollte betont werden, dass das Verhältnis zwischen


Sekundär- und Primärspannung nicht nur durch den Phasenwinkel und den
Scheitelwert des durch das Prüfobjekt fließenden Stromes beeinflusst wird,
sondern auch durch höhere Harmonische aufgrund von Kernsättigung und nicht-
linearen Hystereseeffekten. Daher wird nicht empfohlen, die HVAC-Prüfspannung
aus der Primärspannung abzuleiten.
Elektrostatische Voltmeter bieten eine weitere Möglichkeit zur direkten
Messung hoher Wechselspannungen, siehe Abschn. 2.3.6. Solche Geräte können
jedoch nur bei angemessenem Aufwand für HVAC-Spannungen bis zu ca. 100 kV
hergestellt werden. Daher werden heutzutage indirekte Methoden bevorzugt, die

Tab. 3.8 Änderung der Sekundärspannung bei unterschiedlicher Last unter konstanter Quell-
spannung V20 = 100 kV
Last (Bild 3.8) Resistiv (a) Induktiv (b) Kapazitiv (c)
Prüfobjekt (Beispiele) Verschmutzter Spannungswandler Starkstromkabel
Isolator (Länge 10 m)
Wert des Schaltungs- RT = 2 MΩ LT = 5350 H CT = 1,6 nF
elements
Erzeugte Prüfspannung V2T ≈ 97 kV V2T ≈ 84 kV V2T = 110 kV
Relative Abweichung −3 −16 +10
(%)
162 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

die Hochspannung auf ein angemessenes niedriges Niveau reduzieren, das bequem
mit klassischen Anzeigeinstrumenten messbar ist, was in den 1930er Jahren die
übliche Praxis war (Raske 1937).
Im Allgemeinen bestehen Systeme zur indirekten Messung hoher Spannungen
aus den folgenden Komponenten (Abb. 3.59):
• Messumformer (Spannungsteiler und Spannungswandler),
• Übertragungssystem (koaxiales Messkabel oder Lichtwellenleiter),
• Messgerät (Scheitelspannungsmesser oder Digitalrecorder).

3.4.1 Spannungsteiler

Um hohe Wechselspannungen auf ein angemessenes niedriges Niveau zu


reduzieren, werden häufig resistive, kapazitive oder auch induktive Messum-
former eingesetzt. Induktive Messumformer, wie Präzisionsspannungswandler,
werden jedoch nur für Kalibrierzwecke empfohlen, da sie sehr teuer sind, ins-
besondere wenn sie für HVAC-Messungen über 500 kV vorgesehen sind. Daher
werden in HV-Prüflabors üblicherweise kapazitive, resistive sowie gemischte
Spannungsteiler verwendet, siehe Abb. 2.10. Um fehlerhafte Messungen zu ver-
meiden, müssen die oberspannungsseitige Elektrode sowie die Abstufungs-
elektroden der Teilersäule PD-frei ausgelegt sein. Darüber hinaus müssen Staub
und Verschmutzungssablagerungen auf der Oberfläche der Teilersäule vermieden
werden, da diese infolge einer hohen Luftfeuchtigkeit parasitäre Ableitströme ver-
ursachen. Um die Belastung der HV-Prüfspannungsquelle so gering wie möglich
zu halten, sollte der Strom durch den Teiler unter 10 mA begrenzt werden, was
einem Widerstands-/Spannungsverhältnis von 100 kΩ/kV entspricht. Bei resistiven
Teilern kann diese Anforderung jedoch kaum erfüllt werden, insbesondere wenn

Abb. 3.59 Komponenten


eines Systems zur indirekten
Messung von HVAC-
Prüfspannungen Messumformer

C1
Messgerät
Übertragungssystem
V1

C2
V2
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 163

sie für Nennspannungen über 100 kV ausgelegt sind. Dies ist auf die unvermeid-
lichen Erdkapazitäten zurückzuführen, die das Teilerverhältnis beeinflussen, wie
in Abschn. 7.4 detaillierter behandelt wird. Ohne näher ins Detail zu gehen, kann
festgestellt werden, dass kapazitive Teiler die bequemste Lösung zur Messung
hoher Wechselspannungen bieten. Da einzelne HV-Kondensatoren nicht mit
angemessenem Aufwand für Nennspannungen über 300 kV ausgelegt werden
können, besteht die HV-Teilersäule aus in Reihe geschalteten Hochspannungs-
kondensatoren, siehe Abb. 3.60.
Die an den in Abb. 3.59 dargestellten kapazitiven Teiler angelegte Hoch-
spannung V1 kann aus der gemessenen Niederspannung V2 wie folgt abgeleitet
werden:
V1 = V2 · (1 + C2 /C1 ) ≈ V2 · C2 /C1 . (3.31)
Diese einfache Beziehung ist jedoch in der Praxis nicht anwendbar aufgrund der
Auswirkungen der unvermeidlichen Streukapazitäten zwischen Teilersäule und
Erde.

Abb. 3.60 Kapazitiver


Spannungsteiler einer
1,2-MV-Wechselspannungs-
Prüfanlage, bestehend aus
vier in Reihe geschalteten
Hochspannungskondensatoren,
jeweils mit einer Nennspannung
von 300 kV. (Mit freundlicher
Genehmigung der TU Dresden)
164 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Beispiel Betrachten Sie Abb. 3.61, in der die HV-Teilersäule aus zwei HV-Kondensatoren
besteht, die als C11 und C12 bezeichnet sind. Für eine einfache Abschätzung soll
angenommen werden, dass jeder HV-Kondensator von einem metallischen Zylinder der
Länge l und des Durchmessers d abgeschirmt ist, wobei jeder Schirm mit dem unteren
Anschluss des Kondensators verbunden ist. Unter dieser Bedingung wird die Strom- und
damit die Spannungsverteilung nur durch die Erdkapazität Ce des oberen metallischen
Zylinders beeinflusst, der den Kondensator C11 in einer Höhe von h = 1,2 m über dem
Boden abschirmt. Mit Hilfe der sogenannten Antennenformel kann die Erdkapazität der

für vertikale Zylinder unter der Bedingung l ≫ d gilt (Küpfmüller 1990)


Teilersäule ungefähr abgeschätzt werden, basierend auf der folgenden Annäherung, die

2πεl
Ce = ,
(3.32)
 
2l 4h+l
ln d 4h+3l

mit ε = 8,86 pF/m die dielektrische Permittivität der Umgebungsluft. Für eine
quantitative Schätzung sollen die folgenden praktischen Werte eingeführt werden: C11 =
C12 = 200 pF, d = 0,2 m, l = 1 m, h = 1,2 m. Setzt man diese Werte in Gl. (3.32) ein,
ergibt sich die Erdkapazität des oberen HV-Kondensators als Ce ≈ 26 pF, das sind etwa
13 % von C11. Wird eine Wechselspannung von V12 = 100 kV und der Frequenz f =
50 Hz angelegt, ergibt sich der folgende kapazitive Strom I12 durch C12 und somit auch
durch C2:

I12 = I2 = 2 · π · f · V12 · C12 = 6,28 mA.


Da der Strom durch die Streukapazität

Ie = 2 · π · f · V12 · Ce = 0,81 mA,

beträgt, ergibt sich der folgende Gesamtstrom durch den oberen HV-Kondensator
C12:

Abb. 3.61 Wesentliche


Parameter, die für die
Abschätzung der Erdkapazität
Ce eines zweistufigen
kapazitiven Teilers verwendet I1
werden d = 0,2m
C 11

l = 1,0m

C 12

h = 1,2m V 12 = 100 kV
Ce

C2
I2 Ie
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 165

I11 = I12 + Ie = 7, 09 mA.


Daraus folgt für die Spannung, die über dem oberen HV-Kondensator C12abfällt:

I11
V11 = = 113 kV.
2 · π · f · C11
Somit beträgt die Gesamtspannung, die über beide in Reihe geschalteten Hochspannungs-
kondensatoren abfällt:

V1 = V11 + V12 = 113 kV + 100 kV = 213 kV,

Offensichtlich ist dies 6,5 % größer als der theoretische Wert, der
2 · 100kV = 200kV beträgt.
Mit anderen Worten: Die unvermeidliche Erdkapazität der Teilersäule führt zu
einer fiktiven Reduzierung der Kapazität der HV-Teilersäule. Dies wird bei einer
größeren Anzahl n in Reihe geschaltete Kondensatoren und insbesondere bei einer
geringeren Kapazität jeder Einheit noch deutlicher. Um die Potenzialverteilung
entlang der gesamten HV-Teilersäule abzuschätzen, wird häufig das vereinfachte
Ersatzschaltbild gemäß Abb. 3.62 verwendet (Raske 1937; Hagenguth 1937;
Elsner 1939).
Auf dieser Grundlage kann die effektive Kapazität C1 der HV-Teilersäule, die
aus n in Reihe geschalteten Kondensatoren mit jeweils der Kapazität C1n besteht,
in etwa wie folgt abgeschätzt werden:
C1n n · Ce
C1 ≈ − . (3.33)
n 6

Abb. 3.62 Vereinfachtes


Ersatzschaltbild eines
I1
kapazitiven Teilers aus
sechs in Reihe geschalteten C 16
HV-Kondensatoren, bei dem
nur die Auswirkungen der
C 15
Erdkapazität berücksichtigt
werden, während der
Näherungseffekt aufgrund C 14
der umgebenden Wände
und anderer metallischer
Strukturen vernachlässigt C 13
wird
C 12

C 11
Ie1 Ie2 Ie3 Ie4 Ie5

C2 C e1 C e2 C e3
I2 C e4 C e5
166 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Theoretische und experimentelle Untersuchungen ergaben dass die Erdkapazität


Ce jedes Kondensators nur geringfügig von der Höhe h über der Erde abhängt.
Daher kann Gl. 3.32) wie folgt vereinfacht werden:
 
2·π ·ε·l pF l
Ce =   ≈ 56 ·  2·l  . (3.34)
In 2·l
d
m In d

Setzt man dies in Gl. (3.33) ein, erhält man


 
C1n pF n·l
C1 ≈ − 9,3 ·  2·l  . (3.35)
n m ln d

Beispiel Betrachten Sie einen 2-MV-Teiler, der aus n = 10 in Reihe geschalteten HV-
Kondensatoren besteht, von denen jeder eine Nennkapazität von C1n = 2000 pF hat. Die
Länge und der Durchmesser jeder Einheit sollen als l = 1 m und d = 0,2 m angenommen
werden. Setzt man diese Werte in die Gl. (3.34) und (3.35) ein, erhält man Ce ≈ 40 pF
und C1 ≈ 160 pF. Das bedeutet, dass die virtuelle Kapazität der HV-Teilersäule etwa 20 %
niedriger ist als die theoretische, die durch Cu/n = 2000 pF/10 = 200 pF gegeben ist.

In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass die effektive Teilerkapazi-


tät C1 nicht mit ausreichender Genauigkeit berechnet werden kann, selbst wenn
C1 nur geringfügig von den Streukapazitäten zwischen Teilersäule und oberer
Elektrode beeinflusst wird. Der einzige Weg besteht darin, das tatsächliche Teiler-
verhältnis experimentell zu bestimmen, wie es in zahlreichen technischen Arbeiten
und Lehrbüchern (Zaengl 1965; Kuffel und Zaengl 1984; Schon 2010, 2013)
behandelt wird und wie es auch in der IEC 60060-2:2010 festgelegt ist. Grund-
sätzlich könnten dafür die Schering-Brücke oder auch eine Transformationsver-
hältnisbrücke verwendet werden. Genauer sind jedoch Vergleichsmessungen mit
einem Referenzmesssystem (RMS), siehe Abschn. 2.3.3. Eine typische Anordnung,
die häufig für solche Referenzmessungen verwendet wird, ist in Abb. 3.63 dar-
gestellt. Hier befindet sich der Standardkondensator, der in Reihe mit dem
niederspannungsseitigen Messkondensator den Referenzteiler liefert, auf der
linken Seite (rote Einheit), während der zu kalibrierende Spannungsteiler in der
Mitte des Prüfbereichs (blaue Einheit) platziert ist. Die zu messende Wechsel-
spannung wird von der 1000-kV-Prüftransformator-Kaskade erzeugt, die sich auf
der rechten Seite befindet.
Standardkondensatoren bestehen aus koaxialen Zylinderelektroden mit Schutz-
ringen auf der Niederspannungsseite, wie ursprünglich von Schering und Vieweg
im Jahr 1928 vorgeschlagen. Um eine hohe Durchschlagspannung bei geringem
Abstand der Elektroden zu erreichen, werden solche Standardkondensatoren
mit komprimierten isolierenden Gasen, wie SF6, gefüllt, was eine hervor-
ragende Stabilität der Kapazität bei wechselnder Temperatur gewährleistet. Das
Konstruktionsprinzip ist in Abb. 3.64 dargestellt, das verdeutlicht, dass die Kapazi-
tät zwischen den koaxial angeordneten Elektroden nicht von der Erdkapazität
beeinflusst wird, sodass ein Näherungseffekt, der für in Reihe geschaltete
Kondensatoren typisch ist, nicht berücksichtigt werden muss.
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 167

Abb. 3.63 Fotografie


eines 800-kV-HVAC-
Referenzmesssystems (RMS),
das zur Kalibrierung eines
kapazitiven 1000-kV-AC-
Spannungsteilers verwendet
wird

HV-Abschirmelektrode

C/tan Messelektrode
(C 1)

Spannungsmesselektrode
(C 2)

Schutzringelektroden

C1
C2

Abb. 3.64 SF6-gefüllter Standardkondensator (Bemessungsspannung 800 kV, Nennkapazität


100 pF)

Da die Kapazität von „langen“ koaxialen Zylinderelektroden proportional zur


Zylinderlänge l und umgekehrt proportional zum Logarithmus des Verhältnisses
zwischen äußerem und innerem Zylinderradius ra/ri ist, kann der folgende Ansatz
zur Dimensionierung von Druckgaskondensatoren verwendet werden:
 
2·π ·ε·l pF l
C1 =   ≈ 55,7 ·  ,
ra m (3.36)
In rt In rrat
168 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Beispiel Für Druckgaskondensatoren mit einer Bemessungsspannung ≥ 500 kV wird


das Verhältnis der äußeren und inneren Zylinderradien ra und ri so gewählt, dass die
Durchschlagspannung einen maximalen Wert annimmt, was für ln (ra/ri) = 1 und somit
für ra/ri = e = 2,718 erreicht wird. Aus Gl. 3.36 folgt, dass die koaxialen Zylinder-
elektroden eine Länge von 1,8 m haben sollten, um eine Kapazität von C1 = 100 pF zu
realisieren.
Für Bemessungsspannungen unter 500 kV kann der Aufwand durch die Wahl des Ver-
√ra/ri < e erheblich reduziert werden. Nimmt man beispielsweise ra/ri = √e an,
hältnisses
d. h. ln e = 0,5, müssen die Zylinderelektroden nur eine Länge von 0,9 m haben, um
die gewünschte Kapazität von C1 = 100 pF zu erreichen.

Um das dynamische Verhalten von HV-Teilern zu bestimmen, ist es üblich, den


Frequenzgang zu messen. Dazu wird eine sinusförmige Spannung mit bekanntem
Effektivwert und einstellbarer Frequenz an die obere HV-Elektrode angelegt
und die Ausgangsspannung in Abhängigkeit von der Frequenz mit Hilfe eines
kalibrierten Digitaloszilloskops oder auch eines Spektrumanalysators auf-
gezeichnet. Ein vereinfachtes Blockdiagramm einer solchen Schaltungsanordnung
ist in Abb. 3.65 dargestellt.
Um den Einfluss von elektromagnetischen Umgebungsstörungen, die bei
einem extrem hohen Teilerverhältnis auftreten können, zu minimieren und somit
das Signal-Rausch-Verhältnis (S/N) zu verbessern, erscheint es sinnvoll, die
ursprüngliche LV-Kapazität C2 durch einen Referenzkondensator C2r mit einer
Kapazität, die wesentlich niedriger als C2 ist, zu ersetzen, um das Teilerverhältnis
entsprechend zu erhöhen, beispielsweise bis zu 1:1000. Unter dieser Bedingung
wird das dynamische Verhalten nicht wesentlich beeinflusst, da dies maßgeblich

C 1n

HV-Teilerarm

Signalanschlussleitung

V1
LV-Teilerarm
AC-Signal Digital-
generator Oszilloskop
C 11

Impedanzwandler

V2 C 2r C2

Abb. 3.65 Aufbau zur Messung der effektiven HV-Kapazität C1 eines Spannungsteilers
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 169

vom Frequenzgang der HV-Teilersäule bestimmt wird. Wird beispielsweise eine


AC-Scheitelspannung von 500 V an die obere Elektrode angelegt, so würde eine
Ausgangsspannung von 500 mV über C2r erscheinen, die mit einem Digital-
oszilloskop mit angemessener Genauigkeit gemessen werden kann, insbesondere
wenn dieses mit einem eingebauten Scheitelspannungs-Detektor sowie einer Ein-
heit zur Mittelwertbildung (averaging tool) ausgestattet ist. Um eine Erhöhung
der unteren Grenzfrequenz aufgrund der Eingangsimpedanz des Digitalrekorders,
die normalerweise in der Größenordnung von 1 MΩ liegt, zu vermeiden, muss
die Spannung über der Referenzkapazität C2r mit Hilfe eines Impedanzwandlers
erfasst werden, wobei die Eingangsimpedanz nicht niedriger als 10 MΩ sein sollte.
Beispiel Betrachten Sie einen 2-MV-Kapazitätsspannungsteiler, bei dem die HV-Säule
aus n = 5 in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren besteht, jeder mit einer Nennkapazi-
tät von C11 = C12 = ··· C15 = 1 nF, und einem LV-Kondensator von C2 = 877 nF. Ver-
nachlässigt man zunächst die Streukapazität zwischen HV-Teilersäule und Erde, so
ergibt sich die theoretische Kapazität zu C1t = 200 pF. Wie oben erwähnt, erscheint es
für Kalibrierungszwecke sinnvoll, den Kondensator C2 = 877 nF durch einen Referenz-
kondensator von beispielsweise C2r = 200 nF zu ersetzen, was die Ausgangsspannung
fast 5-fach erhöht. Wird beispielsweise eine AC-Scheitelwertspannung von V1 = 500 V
an die obere Elektrode angelegt, so würde der Scheitelwert der Ausgangsspannung über
C2r etwa Vr ≈ 0,5 V erreichen, der mit heutzutage verfügbaren Digitaloszilloskopen mit
angemessener Genauigkeit gemessen werden kann. Vorausgesetzt, der Eingangswider-
stand des Impedanzwandlers beträgt 10 MΩ, ergibt sich die folgende Zeitkonstante für
den LV-Arm: (200 pF) ∙ (10 MΩ) = 2 s. Dies entspricht einer unteren Grenzfrequenz von
etwa 0,8 Hz und ist ausreichend, um die Spannung mit niedrigster Nennfrequenz von f1n
= 20 Hz mit angemessener Genauigkeit zu übertragen.
Stimmt man die Frequenz des AC-Signalgenerators zwischen f1n = 20 Hz und f2n =
300 Hz ab, soll weiterhin angenommen werden, dass eine konstante Spannung von V2r =
0,438 V über C2r vom eingebauten Scheitelwertdetektor des Digitaloszilloskops angezeigt
wird. Daraus folgt für die „virtuelle“ Kapazität der HV-Teilersäule:

C2 200 nF
C1 = V1
= 500 = 172 pF.
V2
−1 0,438
−1

Offensichtlich liegt dieser Wert 14 % unter dem theoretischen Wert, der durch C1t =
1000 pF/5 = 200 pF gegeben ist. Ersetzt man den Referenzkondensator C2r = 200 nF
wieder durch den ursprünglichen Kondensator C2 = 877 nF, erhält man das folgende
„wahre“ Teilerverhältnis:

1/(1 + C2 /C1 ) = 1/(1 + 877/0,172) = 1/5099

Vernachlässigt man jedoch die Erdkapazität, würde man das folgende (falsche) Teilerver-
hältnis erhalten:

1/(1 + C2 /C1 ) = 1/(1 + 877/0,200) = 1/4386.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Kapazität C1, die den HV-
Arm repräsentiert, stark von dem Abstand zwischen der HV-Teilersäule und den
umgebenden Wänden sowie anderen leitenden Strukturen in der Nähe beeinflusst
wird. Daher sollte die geometrische Konfiguration nicht geändert werden, nach-
dem die tatsächliche Kapazität C1 der HV-Teilersäule ermittelt wurde. Darüber
170 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

hinaus ist zu berücksichtigen, dass C1 auch von der Temperatur des dielektrischen
Materials, das für HV-Kondensatoren verwendet wird, wie ölgetränktes Papier,
beeinflusst werden kann. Aufgrund der unvermeidlichen dielektrischen Ver-
luste steigt die Temperatur bei längerer Prüfzeit und höherem Prüfniveau an,
was zu einer Erhöhung der erweiterten Messunsicherheit führt. Daher kann eine
Messunsicherheit von unter 3 %, wie in den einschlägigen IEC-Publikationen
angegeben, kaum erreicht werden, insbesondere wenn die HV-Teilersäule aus in
Reihe geschalteten HV-Kondensatoren, isoliert mit ölgetränkten Papier, besteht.

3.4.2 Messinstrumente

Der erste Ansatz zur Anzeige der Ausgangsspannung eines Spannungsteilers


mittels eines Anzeigeinstruments wurde 1913 von Chubb und Fortescu vor-
geschlagen. Die Grundschaltung besteht aus einem HV-Standardkondensator,
der in Reihe mit zwei antiparallel geschalteten Dioden verbunden ist. Eine dieser
Dioden ist direkt mit der Erde verbunden, während die andere über ein Dreh-
spuleninstrument mit der Erde verbunden ist, um entweder die positive oder
negative Halbwelle des Verschiebungsstroms durch den Standardkondensator zu
integrieren. Im Falle einer rein sinusförmigen HVAC-Spannung ist die Anzeige
des Anzeigeinstruments direkt proportional sowohl zum Effektivwert als auch
zum Scheitelwert. Bei Messung von HVAC-Spannungen mit überlagerten
Harmonischen würden jedoch fatale Messfehler auftreten.
Ein anderer Ansatz zur Messung des Scheitelwerts von HVAC-Spannungen
geht auf das Jahr 1930 zurück, als Davis et al. einen kapazitiven Spannungsteiler
verwendeten, bei dem die Ausgangsspannung mittels einer Vakuumröhrendiode
in Reihe mit einem Speicherkondensator gleichgerichtet wurde. Zur Minimierung
des Leckstromes wurde ein elektrostatisches Voltmeter zur Anzeige der am
Speicherkondensator auftretende Scheitelspannung verwendet. In den 1950er
Jahren, als die ersten Halbleitergleichrichterdioden mit hohem Sperrwiderstand
und sehr schneller Erholungszeit bis in den ns-Bereich verfügbar waren, wurden
sogenannte Sample-and-Hold-Schaltungen zur Messung des Scheitelwerts von
HVAC-Spannungen eingesetzt, wie in Abb. 3.66 dargestellt. Der Hauptvorteil
solcher Schaltungen besteht darin, dass der unvermeidliche Spannungsabfall über
den gleichrichtenden Dioden nahezu vollständig kompensiert werden kann.
Aufgrund weiterer Fortschritte in der Mikroelektronik wurden in den 1970er
Jahren die ersten digitalen Scheitelspannungsmessgeräte eingeführt. Ein typisches
Blockdiagramm und ein Foto eines solchen Geräts sind in Abb. 3.67 dargestellt.
Hier dienen integrierte Mikrocomputer zur Einstellung des Teilerverhältnisses und
zur Steuerung des gesamten Messverfahrens. Der hochauflösende A/D-Wandler
gewährleistet eine Messunsicherheit von nur 0,5 % für Eingangsspannungen
zwischen 10 und 1000 V und Prüfspannungsfrequenzen zwischen 0 Hz (Gleich-
spannung) und 1000 Hz.
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 171

IN

OP1 OP2 OP3


4,7 M D1 D2

10 M 10 nF 10 M 100 nF
1M
Zurücksetzen

Abb. 3.66 Vereinfachte Schaltung zur Messung von AC-Scheitelwerten, bei der die inhärente
Durchlassspannung der Gleichrichterdioden durch Operationsverstärker (OP) kompensiert wird

Eingabe
Display &
manuelle
Teile

Spannungs Mikro
teiler programmierbarer A/D- D/A-
computer Ausgabe
Vorverstärker Wandler Wandler
1

Mikro
RS 232 RS 485
computer
(V 24) PROFIBUS
2

Abb. 3.67 Blockdiagramm und Foto eines kommerziell erhältlichen digitalen Scheitel-
spannungsmessgerätes

Heutzutage werden fast ausschließlich Digitalrekorder verwendet, um die


Ausgangsspannung von HVAC-Teilern zu messen. Mit Hilfe der fortschritt-
lichen digitalen Signalverarbeitung (DSP) und spezieller Softwaretools sind diese
Instrumente in der Lage, alle in Abschn. 3.2 vorgestellten HVAC-Prüfspannungen
zu messen. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch in Abschn. 7.4. Im
Prinzip sind auch herkömmliche Digitaloszilloskope mit integriertem Scheitel-
wertdetektor und Werkzeugen zur Mittelwertsbildung (Averaging) in der Lage,
HVAC-Prüfspannungen mit der gewünschten Genauigkeit zu messen. Um
die Anforderungen gemäß IEC 60060-2:2010 zu erfüllen, sollten jedoch nur
kalibrierte digitale Messgeräte verwendet werden. Darüber hinaus ist zu berück-
sichtigen, dass die Kapazität des BNC-Messkabels zwischen Teiler und Messgerät,
die in der Größenordnung von 200 pF/m liegt, zu einer Erhöhung der LV-Kapazi-
tät C2 beitragen kann und daher nach der Kalibrierung des gesamten HVAC-
Messsystems nicht ausgetauscht werden sollte.
Ein weiteres Problem bei der Messung von HVAC-Spannungen hängt mit dem
Eingangswiderstand Ri des Messgeräts zusammen. Eine Faustregel besagt, dass
die charakteristische Zeitkonstante τm = Ri · C2 multipliziert mit der minimalen
172 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Prüfspannungsfrequenz f1min gleich oder größer als 100 sein sollte. Diese
Bedingung ergibt

100
Ri ≥ . (3.37)
C2 · f1min

Beispiel Betrachten Sie eine LV-Kapazität C2 = 1 μF und eine minimale Prüfspannungs-


frequenz von f1min = 20 Hz. Setzt man diese Werte in Gl. (3.37) ein, erhält man Ri ≥
5 MΩ. Da die Eingangsimpedanz von Digitalrekordern üblicherweise 1 MΩ beträgt,
sollte der Ausgang des LV-Kondensators C2 über einen hochohmigen (5 MΩ) Wider-
standsteiler mit dem Eingang des Digitalrekorders verbunden werden, wie aus Abb. 3.67
ersichtlich ist.

Die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) des Messsystems muss eben-


falls berücksichtigt werden, da schnelle transiente Spannungen im Falle eines
Durchschlags vom Prüfobjekt abgestrahlt werden und transiente Anhebungen
des Erdpotentials die Messeinrichtung leitungsgebunden erreichen. Unter dieser
Bedingung kann die transiente Spannung am LV-Ausgang des Spannungs-
teilers plötzlich auf den kV-Bereich ansteigen und das Messgerät möglicherweise
beschädigen. Daher muss der Eingang mit einer geeigneten Überspannungsschutz-
einheit ausgestattet sein, die üblicherweise aus Gasentladungsröhren in Kombination
mit Funkenstrecken und sehr schnellen Suppressordioden besteht. Darüber hinaus
sollte die Hochfrequenzimpedanz der Erdungsrückführung so niedrig wie möglich
gehalten werden, um gefährliche Potentialanhebungen der Erdanschlussleitungen zu
verhindern, wie in Abschn. 9.2.2 ausführlicher behandelt wird.

3.4.3 Anforderungen an zugelassene Messsysteme

Wie in IEC 60060-2:2010 festgelegt, sollten HVAC-Messsysteme, die für


Qualitätssicherungstests von HV-Geräten verwendet werden, eine erweiterte
Messunsicherheit UM ≤ 3 % haben, wobei UM mit einer Überdeckungswahr-
scheinlichkeit (Statistische Sicherheit) von 95 % bewertet werden soll. Weitere
Einzelheiten hierzu finden Sie auch in Abschn. 2.3.4. Traditionell wird die
Scheitelspannung Vp gemessen, wobei der Effektivwert
√ der Prüfspannung nach
IEC 60060-1:2010 definitätsgemäß durch Vp / 2 gegeben ist. Für sinusförmige
Prüfspannungen entspricht diese Größe tatsächlich dem Effektivwert. In der Praxis
können jedoch überlagerte
√ Harmonische auftreten (siehe Abschn. 3.2.1), so dass
der Ausdruck Vp / 2 erheblich vom interessierenden Effektivwert abweichen
kann. In solchen Fällen, insbesondere wenn thermische Prozesse √ eine Rolle
spielen, wie bei Verschmutzungsprüfungen, sollte nicht nur Vp / 2 gemessen
werden, sondern auch der wahre Effektivwert.
Da HVAC-Prüfsysteme nicht nur bei der Netzfrequenz, wie z. B. 50 oder 60
Hz, sondern auch bei variablen Frequenzen betrieben werden, zum Beispiel für
induzierte Spannungsprüfungen von Leistungstransformatoren und Spannungs-
wandlern sowie für Vor-Ort-Prüfungen von langen Energiekabeln (Hauschild et al.
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 173

2002), ist ein Frequenzbereich deutlich größer als 50/60 Hz ebenfalls von Interesse.
Daher soll die normalisierte Amplitude Am/A0, die den Skalenfaktor darstellt, inner-
halb von 1 % zwischen der niedrigsten Nennfrequenz f1n und der höchsten Nenn-
frequenz f2n konstant sein. Ein Beispiel dafür ist in Abb. 3.68 dargestellt, das
sich auf fn1 = 20 Hz und fn2 = 300 Hz bezieht. Für diesen speziellen Fall soll die
normalisierte Amplitudengrenze innerhalb der in Abb. 3.68 gezeichneten roten und
blauen Linien liegen. Um eine akzeptable Messunsicherheit auch bei harmonischen
Verzerrungen der Prüfspannung im höheren Frequenzbereich zu gewährleisten,
sollte die Amplituden-Frequenz-Antwort für einen Nennfrequenzbereich zwischen
fn2 ≤ f ≤ 7fn2 ermittelt werden, wie durch den schattierten Bereich in Abb. 3.68
angezeigt. Dies ist auch von Bedeutung für die Messung von zusammengesetzten
Prüfspannungen, d. h. wenn transiente Spannungen auf die HVAC-Prüfspannung
überlagert werden, wie in Kap. 8 behandelt.
In diesem Zusammenhang scheint es wichtig zu erwähnen, dass Typprüfungen
und Stückprüfungen der Hauptkomponenten von Messsystemen, wie dem
Spannungsteiler und dem Messgerät sowie dem Übertragungssystem, wenn es sich
nicht um das BNC-Messkabel handelt (zum Beispiel Glasfaser-Verbindung), vom
Hersteller durchgeführt werden müssen, siehe Tab. 3.9, während Systemprüfungen
(siehe Abschn. 2.3.3) zur Qualifikation von kompletten HVAC-Messsystemen
unter der Verantwortung des Benutzers durchgeführt werden müssen, siehe
Tab. 3.10.

+ 0,15 A0

1,1
Amplitudenverhältnis Am / A0

obere Amplitudengrenze: + 0,01A 0 /Am


1,0
untere Amplitudengrenze: - 0,01 A0 /Am

0,9

- 0,15 A0

0,8
10 f1 = 20 Hz 100 f2 = 300 Hz 1000 f3 = 2100 Hz 10000
Messfrequenz f [Hz]

Abb. 3.68 Normalisierte Grenzwerte für die Amplituden-Frequenz-Antwort eines AC-


Spannungsmesssystems, um eine Messunsicherheit ≤3 % für den Nennfrequenzbereich 20 Hz ≤
f1n ≤ 300 Hz zu gewährleisten
174 3 Prüfungen mit hohen Wechselspannungen

Tab. 3.9 Übersicht über die in IEC 60060-2:2010 empfohlenen Prüfungen für zugelassene
HVAC-Messsysteme, die vom Hersteller für jede Komponente durchgeführt werden sollen
Typ-Prüfung Stückprüfungt
Linearität X
Dynamisches Verhalten X
Kurzzeitstabilität X
Langzeitstabilität X
Einfluss der Umgebungstemperatur X
Näherungseffekt X
(falls zutreffend)
Software-Effekt X
(falls zutreffend)
Trockenfestigkeitsprüfung am Umwandlungsgerät X X
(falls zutreffend)
Nass- oder verschmutzte Festigkeitsprüfung am X
Umwandlungsgerät (falls zutreffend)
Skalenfaktor des Umwandlungsgeräts X X
Skalenfaktor des Übertragungssystems, ausgenommen X X
Kabel
Skalenfaktor des Messgeräts X X
Wiederholungsrate (empfohlen)

Tab. 3.10 Übersicht über die in IEC 60060-2 empfohlenen Systemprüfungen und Systemüber-
prüfungen für zugelassene HVAC-Messsysteme, die vom Benutzer durchgeführt werden sollen
Systemprüfung Systemüberprüfung
Skalenfaktor-Kalibrierung X
Skalenfaktor-Prüfung X
Linearität X
(falls zutreffend)
Dynamisches Verhalten X
Langzeitstabilität X
(falls zutreffend)
Näherungseffekt X
(falls zutreffend)
Wiederholungsrate Jährlich, mindestens alle fünf Je nach Stabilität, mindestens
(empfohlen) Jahre jährlich

Zusätzlich zu den Systemprüfungen sind auch Systemüberprüfungen erforder-


lich, entweder mit der Vergleichsmethode mit einem zweiten zugelassenen Mess-
system oder mit Messkugelfunkenstrecken nach IEC 60052. Der zugewiesene
Skalenfaktor kann akzeptiert werden, wenn die Abweichung zwischen den
Vergleichsmessungen weniger als 3 % beträgt. Andernfalls muss der Skalen-
faktor durch Wiederholung des Kalibrierverfahren, wie oben und in Abschn. 2.3
3.4 HVAC-Prüfspannungsmessung 175

beschrieben, neu ermittelt werden. Zur Klärung zu großer Abweichungen wird


empfohlen, den Skalenfaktor der einzelnen Komponenten, wie Spannungs-
teiler und Messgerät einschließlich der Signalübertragungsstrecke, wenn nicht
kabelgebunden, zusätzlich separat zu prüfen. Dafür sollte eine kalibrierte AC-
Spannungsquelle mit einer erweiterten Unsicherheit von weniger als 1 % ver-
wendet werden. Die Abweichung zwischen den Vergleichsmessungen sollte 1 %
nicht überschreiten. Andernfalls scheint es notwendig, den tatsächlichen Wert des
zugewiesenen Skalenfaktors zu ermitteln.
Kapitel 4
Teilentladungsmessung

Zusammenfassung Dieses Kapitel ist der Messung von Teilentladungen (partial


discharges – PD) gewidmet, die in Schwachstellen der Isolierung von HV-Geräten
und deren Komponenten entstehen. Da die meisten Hochspannungsgeräte, die zur
Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie verwendet werden,
mit Wechselspannung (HVAC) betrieben werden, konzentriert sich dieses Kapitel
hauptsächlich auf PD-Messungen unter Wechselspannung. Es werden jedoch auch
die spezifischen Probleme behandelt, die sich bei PD-Prüfungen unter Gleich-
und Impuls-Spannung ergeben. Die Empfindlichkeit von PD-Messungen wird oft
durch den elektromagnetischen Grundstörpegel in der Messumgebung vermindert.
Daher werden im Folgenden auch die im Laufe der Zeit entwickelten Konzepte
vorgestellt, mit denen elektromagnetische Störsignale unterdrückt werden können,
wie auch in den relevanten Unterabschnitten von Abschn. 10.3 und 10.4. Um
die Prinzipien, Verfahren und Instrumente, die für die Messung elektrischer PD-
Größen erforderlich sind, besser zu verstehen, werden zunächst einige Grund-
lagen vorgestellt, wobei auch die in der IEC 60270:2000 empfohlenen PD-Größen
berücksichtigt werden. Im folgenden Abschnitt werden die bestehenden PD-
Modelle, die den Ladungstransfer qualitativ und quantitativ beschreiben, hin-
sichtlich ihrer Möglichkeiten und Grenzen kritisch überprüft. Danach werden
die in der IEC 60270:2000 spezifizierten Aspekte der Impulsladungsmessung
behandelt sowie die dazu erforderlichen Komponenten, einschließlich die Ver-
fahren zur Kalibrierung von PD-Messsystemen. Die folgenden Abschnitte
behandeln die Lokalisierung von PD-Fehlern, die Visualisierung von PD-Ereig-
nissen und die Verfahren zur Reduzierung elektromagnetischer Störeinflüsse.
Abschließend werden nicht-konventionelle PD-Detektionsmethoden vorgestellt,
z. B. die Messung von elektromagnetischen PD-Transienten bis in den ultrahohen
Frequenz-Bereich sowie die Detektion von Ultraschallwellen, die von PD-Quellen
emittiert werden.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 177


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_4
178 4 Teilentladungsmessung

4.1 Grundlagen

4.1.1 PD-Vorkommen

Teilentladungen (PD) werden häufig durch Unvollkommenheiten in dielektrischen


Materialien verursacht, wie z. B. gasförmige Einschlüsse in flüssigen und festen
Dielektrika sowie scharfe metallische Kanten und Partikel in gasförmigen
Isolierungen, die eine lokale Feldverstärkung verursachen, so dass die intrinsische
Zündfeldstärke überschritten werden kann. Infolgedessen kann eine selbstständige
Lawinenentladung gezündet werden, bei der die von neutralen Gas-Molekülen
aufgrund von Kollision und Photoionisation befreiten Elektronen mit extrem
hoher Driftgeschwindigkeit bewegt werden. Dies verursacht einen Verschiebungs-
strom, der durch Zeitparameter im Nanosekundenbereich gekennzeichnet ist und
eine Impulsladung an den Elektroden des Prüflings induziert. Diese kann somit
durch ein Kopplungsgerät erfasst werden, das an die Anschlüsse des Prüfobjekts
angeschlossen ist, oder auch über Feldsensoren, um die damit verbundenen
elektromagnetischen Transienten zu erfassen, die vom Prüfobjekt abgestrahlt
werden. Wie in der einschlägigen Norm IEC 60270:2000 definiert, sind Teilent-
ladungen
lokale elektrische Entladungen, die die Isolierung zwischen Leitern nur teilweise über-
brücken und an den Leitern zünden können oder auch nicht. Teilentladungen sind in
der Regel eine Folge von Ionisationsprozessen aufgrund lokaler elektrischer Feld-
konzentrationen in der Isolierung oder auf den Leiteroberflächen. Im Allgemeinen
erscheinen solche Entladungen als Impulse mit einer Dauer von deutlich weniger als 1 μs.

Die erste experimentelle Untersuchung von PD-Erscheinungsformen geht auf das


Jahr 1777 zurück, als Lichtenberg Staubfiguren wie Sterne und Kreise entdeckte.
Diese erschienen auf der Oberfläche eines Bernstein-Kuchens, nachdem er von
Funkenentladungen bis zu 40 cm Länge überdeckt wurde (Lichtenberg 1777,
1778). In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurden neben der Staubfiguren-
Technik, die ursprünglich von Lichtenberg verwendet wurde, auch Fotografien zu
einem wertvollen Werkzeug, um PD-Phänomene wie Oberflächen- und Grenz-
flächenentladungen zu untersuchen (Blake 1870; Toepler 1898; Müller 1927). Zu
Beginn des letzten Jahrhunderts, als immer häufiger hohe Wechselspannung für
Fernübertragungsleitungen eingesetzt wurde, wurde bekannt, dass Teilentladungen
als Vorzeichen für einen letztendlichen Durchbruch angesehen werden können,
insbesondere wenn sie in gasförmigen Einschlüssen in festen Dielektrika auf-
treten. Seit dieser Zeit wurden verschiedene Werkzeuge wie optische, chemische,
akustische und elektrische Methoden zunehmend zur Erkennung von Teilent-
ladungen eingesetzt. Seit den 1960er Jahren ist die elektrische PD-Messung ein
weit verbreitetes Verfahren für Qualitätssicherungstests von HV-Geräten und deren
Komponenten, wie in den folgenden Abschn. ausführlicher erläutert wird.
Im Wesentlichen werden Teilentladungen durch die Ionisation von Gas-
Molekülen verursacht. PD-Ereignisse treten aber nicht nur in der Umgebungsluft
4.1 Grundlagen 179

auf, sondern auch in gasförmigen Einschlüssen in festen Dielektrika oder in Gas-


blasen und sogar in Wasserdampf in flüssigen Dielektrika. Daher wird allgemein
angenommen, dass die Entladungsprozesse, die in gasförmigen Einschlüssen auf-
treten, mit denen in der Umgebungsluft vergleichbar sind, wie z. B. Townsend-
und Streamer-Entladungen sowie Leader-Entladungen, die seit dem späten 19.
und frühen 20. Jahrhundert ausführlich untersucht und in zahlreichen technischen
Artikeln und Lehrbüchern veröffentlicht wurden (Paschen 1889; Townsend 1915,
1925; Schumann 1923; Meek und Craggs 1953; Loeb 1956; Raether 1964; Park
und Cones 1963; Devins 1984).
Fotos von typischen Entladungsfilamenten, die in der Umgebungsluft, in
Isolieröl und in PMMA beobachtet wurden, sind exemplarisch in Abb. 4.1 dar-
gestellt (Lemke 1967; Hauschild 1970; Pilling 1976).
Wie bereits oben erwähnt, findet die Bildung einzelner Elektronenlawinen im
Nanosekundenbereich aufgrund der extrem schnellen Driftgeschwindigkeit der
Elektronen statt. Dies ist mit einem sehr schnell ansteigenden Verschiebungsstrom
verbunden und induziert somit eine Impulsladung an den Elektroden des Prüf-
objekts, die ebenfalls im Nanosekundenbereich auftritt, wie Raether 1964 und
Bailey 1966 theoretisch abgeschätzt und von Fujimoto und Boggs 1981 sowie
von Boggs und Stone 1982 experimentell bestätigt wurde. Dabei wurde das erste
verfügbare 1-GHz-Oszilloskop verwendet (Abb. 4.2). Da der Ursprung von PD-
Defekten in der Isolierung von elektrischen Geräten in der Regel nicht zugänglich
ist, kann die wahre Form von PD-Stromimpulsen nicht gemessen werden, wenn
sie von den Anschlüssen des Prüfobjekts ausgekoppelt werden. Dies liegt daran,
dass der Frequenzinhalt des PD-Signals aufgrund der unvermeidlichen Dämpfung
und Dispersion bei der Übertragung von der PD-Quelle zu den Anschlüssen des
Prüfobjekts drastisch reduziert wird.

Abb. 4.1 Fotos von Entladungskanälen. a Streamer-Entladung in der Luft (Lemke 1967). b
Leader-Entladung in Öl (Hauschild 1970). c Elektrische Bäume in PMMA (Pilling 1976)
180 4 Teilentladungsmessung

RELATIVER
STROM

ZEIT (ns)

Abb. 4.2 Zeitparameter von PD-Stromimpulsen. a Theoretische Impulsform, berechnet von


Bailey für kleine Hohlräume im Feststoffdielektrikum. b Impulsformen, gemessen von Boggs
und Stone für eine scharfe Spitze (links) und ein schwebendes Partikel in SF6 (rechts)

Als Beispiel betrachten Sie den Oszilloskop-Screenshot in Abb. 4.3. Hier


wurde ein künstlicher PD-Impuls, der von einem PD-Kalibrator erzeugt wurde,
in ein 16 m langes Stromkabel eingespeist. Der Abstand zwischen Einspeise-
punkt und nahem Kabelende, an dem das Oszilloskop angeschlossen war, wurde

(a)
Oszilloskop
Kalibrator
XLPE-Kabel
im Test

12 m 4m

(b) (c)

Abb. 4.3 Einfluss der Messfrequenz auf die Dämpfung eines PD-Impulses, der sich ent-
lang eines XLPE-Energiekabels von 16 m Länge ausbreitet. a Experimentelle Einrichtung.
b Oszilloskop-Aufzeichnung bei einer Systembandbreite von 200 MHz. c Oszilloskop-Auf-
zeichnung bei einer Systembandbreite von 20 MHz
4.1 Grundlagen 181

als 4 m gewählt. Der erste (direkte) Impuls legte also 4 m zurück, während der
zweite Impuls, der am entfernten Kabelende reflektiert wurde, insgesamt (16 −
4) m + 16 m = 28 m zurücklegte. Betrachtet man Abb. 4.3b, in der die Band-
breite des Oszilloskops auf 200 MHz eingestellt wurde, ist der Spitzenwert des
zweiten (reflektierten) Impulses deutlich niedriger als der Spitzenwert des ersten
(direkten) Impulses. Reduziert man jedoch die Bandbreite auf 20 MHz, erscheint
der Spitzenwert des ersten Impulses ebenfalls deutlich reduziert, während der
Spitzenwert des zweiten Impulses nur geringfügig beeinflusst wird. Mit anderen
Worten: Die Spitzenwerte beider Impulse werden unveränderlich, wenn die Mess-
frequenz so niedrig wie möglich gewählt wird, was im Prinzip durch ein Tief-
passfilter und damit durch eine sogenannte Quasi-Integration erreicht wird. Unter
dieser Bedingung werden die Spitzenwerte proportional zum Zeitintegral der auf-
gezeichneten Impulse, was als Grundlage für die Messung der PD-Größe „schein-
bare Ladung“ (Kind 1963; Schon 1986; Zaengl und Osvath 1986) angesehen
werden kann. Basierend auf diesem Ansatz wird in der IEC 60270:2000 sowie in
der zugehörigen Änderung/Ergänzung, die 2015 veröffentlicht wurde, empfohlen,
dass die obere Grenzfrequenz des gesamten Messsystems unter 1 MHz gewählt
werden sollte, um die gewünschte Quasi-Integration des erfassten PD-Signals zu
erreichen.

4.1.2 PD-Größen

Wie oben erwähnt, werden zur Beurteilung der PD- Gefährdung von HV-
Geräten im Betrieb häufig chemische, optische, akustische und elektrische PD-
Größen gemessen. Im Folgenden werden jedoch nur PD-Größen berücksichtigt,
die im Rahmen elektrischer PD-Messungen gewonnen werden, und in der IEC
60270:2000 definiert sind, sowie in der Änderung / Ergänzung zu dieser Norm, die
2015 veröffentlicht wurde.

1. Scheinbare Ladung

Die scheinbare Ladung kann als die wichtigste PD-Größe angesehen werden. Sie
ist in der einschlägigen IEC 60270:2000 definiert als
die Ladung, wenn sie innerhalb einer sehr kurzen Zeit zwischen den Anschlüssen des
Prüfobjekts in einem spezifizierten Prüfkreis eingespeist wird, die gleiche Anzeige
des PD-Messinstrumentes verursacht wie der an den Klemmen des Prüfobjectes aus-
gekoppelte PD-Impuls. Die scheinbare Ladung wird normalerweise in pico-Coulomb (pC)
ausgedrückt.

Es wird außerdem in dieser Norm darauf hingewiesen, dass


die scheinbare Ladung nicht identisch ist mit der Ladung, die durch die PD-Fehlerstelle
fließt, die nicht direkt gemessen werden kann.

Für weitere Informationen diesbezüglich siehe die Abschn. 4.3 und 4.4.
182 4 Teilentladungsmessung

2. PD-Einsetz- und Aussetzspannung

Die Einsetzspannung Vi und die Aussetzspannung Ve sind in der Regel für


HV-Geräte oder deren Komponenten von Interesse, die die Typ- oder Ent-
wicklungsprüfung oder auch den Qualitätssicherungstest nach der Herstellung
nicht bestanden haben. Darüber hinaus ist es üblich, Vi und Ve von HV-Geräten
zu bestimmen, die unter Betriebsspannung nicht vollständig PD-frei aus-
gelegt werden können, wie z. B. die Stabisolierung des Stators von rotierenden
elektrischen Maschinen. Als praktisches Beispiel betrachten Sie die PC-Screen-
shots in Abb. 4.4, die sich auf Entwicklungstests eines Turbogenerators beziehen.
Das angelegte Spannungsprofil ist in Abb. 4.4a dargestellt. Betrachtet man
Abb. 4.4b, so weicht der aufgezeichnete PD-Pegel bei steigender AC-Prüf-
spannung (rote Spur) nur geringfügig von dem bei abnehmender Prüfspannung ab
(grüne Spur). Eine solch geringe Hysterese ist in der Regel ein Zeichen für eine
„gesunde“ Isolierung, was sich auch in der vergleichsweise geringen Differenz
zwischen der Einsetzspannung Vi und der Aussetzspannung Ve zeigt. Im Gegensatz
dazu können isolationsschädigende PD-Defekte oft durch eine deutliche Hysterese
und eine Aussetzspannung, die deutlich niedriger ist als die Einsetzspannung,
erkannt werden, wie exemplarisch in Abb. 4.4c gezeigt.
Wie bekannt, sind PD-Impulse nur nachweisbar, wenn die scheinbare Ladung
das Hintergrundrauschen übersteigt, das daher so niedrig wie möglich gehalten
werden sollte, um fehlerhafte Prüfergebnisse zu vermeiden. Für ein besseres Ver-
ständnis betrachten Sie Abb. 4.5, die sich auf eine PD-Prüfung eines defekten
XLPE- Kabelendverschlusses bezieht, Nennspannung 36 kV. Unter Labor-
bedingungen (Grundstörpegel < 0,5 pC) wurde eine Einsetzspannung von
12 kVpeak gemessen. Angenommen, es liegt beispielsweise ein Grundstörpegel von
5 pC vor, würde die messbare Einsetzspannung auf 25 kVpeak ansteigen, wie in
Abb. 4.5 angegeben.

3. Phasen-Winkel

Die Bestimmung des Phasenwinkels Φi gemäß IEC 60270:2000 basiert auf der
folgenden Gleichung:
ti
i = · 3600 , (4.1)
Tc
mit ∆ti der Zeitspanne, die zwischen dem negativ-positiven Übergang der
angelegten Wechselspannung und dem Zeitpunkt, zu dem der PD-Impuls gezündet
wird, vergeht, und Tc die Periodendauer der angelegten Wechselspannung.
Bei der Durchführung praktischer PD-Tests ist der tatsächliche Phasenwinkel
jedes einzelnen PD-Impulses in der Regel von geringem Interesse, während die
qualitative Verteilung der PD- Impulsfolgen in Bezug auf den Phasenwinkel
der angelegten Wechselspannung oft hilfreich ist, um isolationsschädigende
4.1 Grundlagen 183

(a)
24 kV
18 kV 18 kV
12 kV 12 kV

(b)

auf

unten

Vi = Ve = 3,2 kVrms

(c)
n
te
un

auf

Ve = 11,1 kVrms Vi = 12,.3 kVrms

Abb. 4.4 PC-Screenshots, die im Rahmen von Entwicklungsprüfungen von Turbogeneratoren


mit einer Nennspannung von 24 kV gewonnen wurden. a Profil der angelegten AC-Prüfspannung
(50 Hz). b PD-Pegelu eines „gesunden“ Statorstabes gemessen bei ansteigender (rote Spur) und
abnehmender (grüne Spur) Prüfspannung. c PD-Pegel eines „fehlerhaften“ Statorstabes

PD-Quellen zu identifizieren. Für ein besseres Verständnis betrachten Sie die in


Abb. 4.6 gezeigten Oszilloskop-Screenshots, die sich auf sogenannte Trichel-
Entladungen beziehen. Aufgrund der vergleichsweise hohen Impulswiederholrate
erschienen die einzelnen Ladungsimpulse nur zeitlich aufgelöst, als die
184 4 Teilentladungsmessung

unten

Grundstörpegel (5 pC) auf


Veränderung [pC]
auf

ow n
Vpeak = 25 dkV

Vpeak = 12 kV Spannung [kV]

Abb. 4.5 Auswirkung des Grundstörpegels auf die Bestimmung der Einsetz- und Aussetz-
spannung (Erläuterung im Text)

(a) (b)

320 pC

Vpeak = - 2,8 kV Vpeak = - 2,8 kV


4 ms/div 0,4 ms/div

Abb. 4.6 Scheinbare Ladungsimpulse (rosa Spuren) von Trichel-Entladungen, die in einer
Nadel-Platten-Anordnung bei einem Elektrodenabstand von 3.5 mm unter Wechselspannung
(grüne Spur) auftreten, angezeigt auf einer Zeitbasis von 4 ms/div (a) und 0,4 ms/div (b)

u­rsprünglich gewählte Zeitskala von 4 ms/div (Abb. 4.6a) auf 0,4 ms/div
(Abb. 4.6b) eingestellt wurde. Wie man sehen kann, sind die Trichel-Impulse
zufällig um den negativen Scheitelbereich der angelegten Wechselspannung ver-
teilt, d. h. der Phasenwinkel streut um 270°.
Als weiteres Beispiel betrachten Sie die in Abb. 4.7 gezeigten Oszilloskop-
Aufzeichnungen, die sich auf Oberflächen- und Hohlraumentladungen beziehen.
Hier sind die PD-Impulse zufällig um den Nulldurchgang der Wechselspannung
verteilt, d. h. der Phasenwinkel streut um 0 und 180°. Wie man sehen kann, ist
die PD-Signatur von Hohlraumentladungen qualitativ vergleichbar mit der von
Oberflächenentladungen. Die Impulsamplituden von Oberflächenentladungen sind
4.1 Grundlagen 185

(a) (b)
Vpeak = 6,3 kV
Vpeak = 3,7 kV

720 pC 28 pC

4 ms/div 4 ms/div

Abb. 4.7 Oszilloskop-Screenshots von scheinbaren Ladungsimpulsen (rosa Spuren), die für
Oberflächenentladungen (a) und Hohlraumentladungen (b) unter Wechselspannung (grüne
Spuren) gewonnen wurden

jedoch wesentlich größer als die von Hohlraumentladungen, was die Möglichkeit
bietet, zwischen beiden Arten von Entladungen zu unterscheiden.

4. PD-Impuls-Wiederholrate

Die Bestimmung der PD-Impuls-Wiederholrate n gemäß IEC 60270:2000 basiert


auf der folgenden Gleichung:
Np
n= (4.2)
t
mit Np die Gesamtzahl der PD-Impulse und ∆t das Aufzeichnungszeitintervall. In
der Praxis werden nur die PD-Impulse ausgewertet, die entweder eine bestimmte
Größe überschreiten oder innerhalb eines bestimmten Größenbereichs auftreten.
Als praktisches Beispiel betrachten Sie die Oszilloskop-Screenshots in
Abb. 4.8, die im Rahmen von PD-Tests vor Ort von 110 kV-Leistungstrans-
formatoren gewonnen wurden. Wenn die Testspannung der Netzspannung (50 Hz)
nur auf Vrms = 19 kV erhöht wird, erscheint in jeder Halbwelle ein einzelner PD-
Impuls, bei dem die scheinbare Ladung 60 nC übersteigt, siehe Abb. 4.8a. Hier
wurde eine Aufzeichnungszeit von ∆t = 50 ms gewählt, die fünf Halbwellen
abdeckt. Die Impulswiederholung beträgt somit n = 5/(50 ms) = 100 s−1. Wenn
die Testspannung jedoch weiter erhöht wird, mindestens bis zur höchsten Phasen-
Erdspannung von Vrms = 71 kV, bleibt die Größe der scheinbaren Ladungsimpulse
nahezu konstant, während die Anzahl der PD-Impulse auf sieben pro Halbwelle
ansteigt, d. h. die Wiederholungsrate erreicht n = 35/(50 ms) = 700 s−1.
Hinweis Auf der Grundlage weiterer experimenteller Untersuchungen wurde festgestellt,
dass die extrem hohen Ladungsimpulse in Abb. 4.8 das Ergebnis von Funkenentladungen
sind, die aufgrund einer schlechten Erdung der C/tanδ-Messklemme der Kondensator-
Durchführung zünden .
186 4 Teilentladungsmessung

(a) (b)
Vrms = 19 kV Vrms = 63 kV

62 nC 62 nC

5 ms/div 5 ms/div

Abb. 4.8 Oszilloskop-Screenshots von PD-Signaturen einer defekten Transformatordurch-


führung (Nennspannung 110 kV) bei der Einstzspannung von Virms = 19 kV (a) und bei der
Leiter-Erde-Nennpannung von Vrms = 71 kV (b)

5. Akkumulierte scheinbare Ladung

Die akkumulierte scheinbare Ladung qn wird in der Änderung / Ergänzung zu IEC


60270:2000 als zusätzlich PD-Kenngröße wie folgt definiert:
qn = /q1 / + /q2 / + /q3 / + · · · + /qi /, (4.3)
mit /q1/, /q2/, /q3/ … /qi/ die Absolutwerte der scheinbaren Ladung und i die
Anzahl der akkumulierten PD-Impulse innerhalb des Zeitintervalls ∆tr.
Unter praktischen Bedingungen werden nur PD-Impulse berücksichtigt, die
entweder einen festgelegten Schwellenwert überschreiten oder innerhalb fest-
gelegter scheinbarer Ladungsgrenzen auftreten. Zum besseren Verständnis
betrachten Sie Abb. 4.9, die sich auf das PD-Verhalten eines defekten XLPE-
Kabelendverschlusses mit einer Nennspannung von 24 kV bezieht. Bei Erhöhung
der Wechselspannung auf einen Prüfpegel von Vrms = 12,8 kV erreicht die

Abb. 4.9 Oszilloskopischer Vrms = 12,8 kV


Screenshot eines defekten
XLPE-Kabelendverschlusses
(Nennspannung 24 kV). 480 pC
Neben der scheinbaren
Ladung der PD-Impulse
(rosa Spur) wurde
auch die akkumulierte
scheinbare Ladung
(grüne Spur) für beide 7.360 pC
Halbperioden der angelegten
Netzwechselspannung
(50 Hz) aufgezeichnet (blaue
Spur)
2 ms/div
4.1 Grundlagen 187

maximale scheinbare Ladung der aufgezeichneten PD-Impulsfolge fast 500 pC


(rosa Spur), wobei die akkumulierte scheinbare Ladung pro 50 Hz -Periode mehr
als 7000 pC erreichte (grüne Spur).

6. Mittelwert des Entladungsstromes

Die Bestimmung des Mittelwertes des Entladungsstromes In gemäß IEC 60270:


2000 basiert auf der folgenden Gleichung:
1 qn
In = · {/q1 / + /q2 / + /q3 / + · · · + /qi /} = , (4.4)
Tref Tref
mit Tref dem gewählten Referenzzeitintervall und n die Anzahl der erfassten PD-
Impulse. Als quantitatives Beispiel betrachten Sie die oben dargestellte Abb. 4.9.
Durch Einsetzen der akkumulierten scheinbaren Ladung von 7360 pC in Gl. (4.4)
erhält man den folgenden Mittelwert des Entladestromes:
7360 pC
In = ≈ 0,37 µA.
20 ms

7. Entladungsleistung

Die Bestimmung der Entladungsleistung Pn gemäß IEC 60270:2000 basiert auf


der folgenden Gleichung:
1
Pn = · {/q1 · v1 / + /q2 · v2 / + /q3 · v3 / + · · · + /qi · vi /}, (4.5)
Tref
mit v1, v2, v3 … vi die Augenblickswerte der Prüfwechselspannung zu den Zeit-
punkten, zu denen die PD-Impulse der Ladung von q1, q2, q3 … qi erfasst
werden. Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass der Phasenwinkel der
gemessenen Wechselprüfspannung mit der an den Anschlüssen des Prüfobjekts
angelegten übereinstimmt. Um die Entladungsleistung Pn mit angemessener
Messgenauigkeit im Echtzeitmodus zu bestimmen, ist der Einsatz von Computer-
basierten PD-Messsystemen erforderlich.

8. Quadratische Rate

Die Bestimmung der quadratischen Rate Dn gemäß IEC 60270:2000 basiert auf
der folgenden Gleichung:

1  2
· q1 + q22 + q32 · · · + qi2 .

Dn = (4.6)
Tref
Um diesen PD-Wert im Echtzeitmodus mit angemessener Genauigkeit zu messen,
ist der Einsatz von Computer-basierten PD-Messsystemen ebenfalls unerläßlich.
188 4 Teilentladungsmessung

Diese selten verwendete Kenngröße wurde eingeführt, um die Schädigung der Iso-
lation durch hohe PD-Impulsamplituden zu unterstreichen.

4.2 PD-Modelle

Wie zuvor behandelt, werden die elektromagnetischen PD-Transienten an den


Anschlußklemmen des Prüfobjekts ausgekoppel. Daher scheint es von Interesse
zu sein, ob die extern gemessene Impulsladung mit der internen Impulsladung
korreliert, die durch die PD-Fehlerstelle fließt. Um die PD-Ladungsübertragung
zu analysieren, werden anstelle realistischer dielektrischer Fehlstellen, wie in
Abb. 4.10 (Kreuger 1989) gezeigt, häufig einfache Geometrien von gasförmigen
Einschlüssen behandelt, wie z. B. sphärische, elliptische und zylindrische Hohl-
räume. Im Allgemeinen kann zwischen dem netzwerkbasierten PD-Modell
repräsentiert durch einen kapazitiven Ersatzschaltkreis, und dem dipolbasierten
PD-Modell repräsentiert durch bipolare Raumladungen, die an den gegenüber-
liegenden Hohlraumwänden abgelagert werden, unterschieden werden.

4.2.1 Netzwerkbasiertes PD-Modell

Der Ursprung des netzwerkbasierten PD-Modells geht auf das Jahr 1928 zurück,
als Burstyn die Durchschlagsequenz einer Funkenstrecke pro Halbperiode der
Prüfwechselspannung theoretisch analysierte, wobei die Funkenstrecke über
eine kleine Kapazität mit einer Wechselspannungsquelle verbunden war. Das
Hauptziel dieses Ansatzes bestand darin, zu unterstreichen, dass der vergleichs-
weise hohe Verlustfaktor von Masse-imprägnierten Energiekabeln die Folge von

Abb. 4.10 Typische Geometrien von gasförmigen Einschlüssen in festen Dielektrika nach
Kreuger (1989) a Flacher Hohlraum senkrecht zum elektrischen Feld, b Sphärischer Hohl-
raum, c Flacher Hohlraum parallel ausgerichtet zum elektrischen Feld, d Luftspalt zwischen
dielektrischen Grenzflächen
4.2 PD-Modelle 189

Abb. 4.11 Schaltungs- R


anordnung, die von Gemant
und Philippoff (1932) für
experimentelle Studien ver- C1
wendet wurde, um die Durch-
schlagsequenz der Funken-
strecke F in Abhängigkeit vom
angelegten Wechselspannungs-
pegel zu messen
F
C2

Funke­ nentladungen in unvermeidlichen Luftspalten zwischen der laminierten


Isolierung ist (Burstyn 1928). Dieser einfache theoretische Ansatz wurde später
von Gemant und Philippoff experimentell bestätigt, wobei das von Burstyn vor-
geschlagene Netzwerk verwendet wurde, wie in Abb. 4.11 gezeigt (Gemant
und Philippoff 1932). Zur Messung der Durchschlagsequenz pro Halbperiode
wurde die Funkenstrecke F parallel zu den horizontalen Ablenkplatten eines
Hochspannungsoszilloskops angeschlossen. Um die effektive Kapazität C2,
die über die Funkenstrecke zyklisch entladen wird, zu ändern, wurden zusätz-
liche Kondensatoren parallel geschaltet. Die Kapazität C1 und der Widerstand R
in Serie, siehe Abb. 4.11, dienten zur Aufladung von C2 und zur Begrenzung des
transienten Stroms durch die Funkenstrecke F. Typische oszilloskopische Auf-
zeichnungen, die für zwei verschiedene Prüfspannungswerte gewonnen wurden,
sind in Abb. 4.12 dargestellt. Die Untersuchungen ergaben, dass die gemessene
Durchschlagsequenz in Abhängigkeit von sowohl von dem Prüfspannungspegel

Abb. 4.12 Oszilloskopische Aufzeichnungen von Gemant und Philippoff (1932) (a) und Ver-
gleich mit theoretischen Abchätzungen (b)
190 4 Teilentladungsmessung

als auch von der Kapazität C2 in vernünftiger Übereinstimmung mit theoretischen


Schätzungen war.
Um nicht nur die Durchschlagsequenzen abhängig vom Prüfspannungs-
pegel und der entladenen Kapazität C2 zu berechnen, sondern auch die messbare
externe Ladung von der internen Ladung, die durch den gasgefüllten Hohlraum
fließt, abzuschätzen, wurde die in Abb. 4.11 gezeigte Schaltung später von White-
head (1951) und Kreuger (1964) modifiziert, wie in Abb. 4.13 dargestellt. In dieser
Schaltung repräsentiert Ca die Kapazität des gesamten Feststoffdielektrikums
zwischen Hochspannungs- und Erdelektrode des Prüfobjekts, während Cb und Cc
die Reihenschaltung der fiktiven Kapazität der „gesunden“ dielektrischen Säule
mit der intuitiv angenommenen Hohlraumkapazität repräsentieren, wobei Cc
zyklisch über die parallel geschaltete Funkenstrecke Fc entladen wird. Aufgrund
der drei charakteristischen Kapazitäten wird das in Abb. 4.13 gezeigte äquivalente
Schaltbild traditionell als abc-Modell bezeichnet.
Zur Abschätzung der Impulsladung, die von der PD-Quelle zu den Prüflings-
klemmen übertragen wird, wird häufig die Kapazität einer zylinderförmigen
Säule mit einem Durchmesser 2rb betrachtet, wie in Abb. 4.13a dargestellt.
Um die folgende Abhandlung zu vereinfachen, wird der gleiche Radius für die
„gesunde“ dielektrische Säule und für den gasgefüllten zylindrischen Hohlraum
angenommen. Unter dieser Bedingung können die äquivalenten Kapazitäten Cb
und Cc wie folgt ausgedrückt werden:

π · rb2
Cb = ε0 · εr · , (4.7a)
db

π · rb2
Cc = ε0 · , (4.7b)
dc

2rb
(a) (b) ib(t)
Cb1
Anode

Cb1 ib (t)+i c (t) ic (t) i a (t)


db1
Hohlraum

Ca Cc Ca
da dc Cc ∆V c ∆Va Fc ∆Vc ∆Va

db2 Cb2

Cb2
Kathode

Abb. 4.13 Netzwerkbasiertes PD-Modell. a Planparallele Elektroden mit kapazitiven


Schaltungselementen. b Kapazitives Äquivalentschaltbild (abc-Modell)
4.2 PD-Modelle 191

mit dc – der Länge der gasförmigen zylindrischen Säule, die den PD-Defekt dar-
stellt, db =db1 +db2 – der gesamten Länge der beiden Feststoffsäulen (Teillängen
db1 und db2) zwischen gasförmiger Säule und den Elektroden, ε0 – der Permittivität
der Luft, und εr – der relativen Permittivität des Feststoffdielektrikums. Voraus-
gesetzt, die Funkenstrecke in Abb. 4.13a zündet bei der Einsatzfeldstärke Ei,
und die transiente Spannung über der Hohlraumkapazität Cc bricht fast auf Null
zusammen, dann würde über Ccein transienter Spannungssprung von ∆Vc ≈ Ei ∙ dc
auftreten. Das bedeutet, dass die interne Ladung qc, die ursprünglich in der
Kapazität Cc gespeichert war, fast vollständig neutralisiert wird und somit wie
folgt abgeschätzt werden kann:
qc ≈ �Vc · Cc ≈ Ei · εo · π · rb2 . (4.8)
Wie in Abb. 4.13b angegeben, tritt der oben erwähnte Spannungszusammenbruch
∆Vc auch über der Reihenschaltung der äquivalenten Kapazitäten Cb1 −Cb2 −Ca
auf. Unter der Annahme der vereinfachten Beziehung Cb1 =Cb2 =2 Cb, erhält man
den folgenden messbaren Spannungssprung über Ca :
Cb
Va = Vc · (4.9)
Ca + Cb
Multipliziert man dies mit der Prüfobjektkapazität Ca, dann kann die messbare
externe Ladung wie folgt ausgedrückt werden:
Cb · Ca dc
qa = �Va · Ca = �Vc · ≈ �Vc · Cb ≈ Ei · ε0 · εr · π · rb2 · (4.10a)
Cb + Ca db

dc
qa ≈ q c · (4.10b)

Für technische Isolierungen ist die Ungleichung dc ≪ db1 + db2 = db ≈ da in der


db

Regel erfüllt und die relative Permittivität εr der verwendeten Feststoffdielektrika


liegt in der Regel unterhalb von 5. Unter dieser Bedingung folgt aus Gl. (4.10b):
qa dc
≈ εr ≪1. (4.11)
qc da
Aufgrund dieser Beziehung wird die externe Ladung die über die Anschluss-
klemmen des Prüfobjektes ausgekoppelt wird, als scheinbare Ladung bezeichnet.
In der IEC 60270:2000 wird darauf hingewiesen, dass die scheinbare Ladung nur
ein Bruchteil der Ladung ist, die durch die gasförmige Fehlstelle fließt und die
nicht direkt gemessen werden kann.

4.2.2 Dipol-basiertes PD-Modell

Das klassische Konzept der scheinbaren Ladung, das auf dem kapazitiven
Ersatzschaltbild gemäß Abb. 4.13 basiert, wurde von Pedersen und seinen
192 4 Teilentladungsmessung

­ itarbeitern (Pedersen 1986, 1987; Pedersen et al. 1991, 1995) abgelehnt. Ins-
M
besondere kritisierten sie, dass der Spannungszusammenbruch über der intuitiv
angenommenen Hohlraumkapazität nicht das Ergebnis einer Funkenentladung
ist, sondern die Folge eines elektrischen Dipols ist, der durch die Ablagerung
von bipolaren Raumladungen an den Hohlraumwänden entsteht. Da diese
bipolaren Ladungsträger stets infolge von Elektronenkollision und Photoionisation
aus neutralen Gasmolekülen freigesetzt werden, entspricht die Anzahl der
Elektronen und negativen Ionen, die an der anodenseitigen dielektrischen
Grenzfläche abgelagert werden, stets der Anzahl der positiven Ionen, die an der
kathodenseitigen dielektrischen Grenzfläche abgelagert werden (Abb. 4.14). Da
das Raumladungsfeld (Poisson-Feld) dem ursprünglich raumladungsfreien Feld
(Laplace-Feld), bedingt durch die angelegte Prüfspannung, entgegenwirkt, wird
die Ionisation von Gasmolekülen plötzlich unterdrückt. Das für die Abtrennung
der gesamten bipolaren Ladungsträger von den neutralen Gasmolekülen erforder-
liche Zeitintervall liegt in der Regel im Nanosekundenbereich, was somit auch für
die Zeitparameter des zugehörigen Stromimpulses repräsentativ ist.
Um den transienten PD-Strom durch die äquivalente Kapazität Ca und somit
durch das in Abb. 4.14 gezeigte Prüfobjekt abzuschätzen, gilt die klassische
Kontinuitätsgleichung. Das bedeutet, dass der Leitungsstrom ic (t), verursacht
durch die im gasgefüllten Hohlraum sehr schnell fortschreitenden Ladungsträger c,
identisch ist mit dem Verschiebungsstrom ib (t) durch die Säule des Feststoff-
dielektrikums, die durch die Kapazitäten Cb1 und Cb2 repräsentiert wird. Dieser
fließt somit auch durch die Testobjektkapazität Ca und verursacht den Spannungs-
sprung ∆Va. Das bedeutet, dass die messbare externe PD-Ladung qa, die an den
Prüflingsklemmen ausgekoppelt wird, der internen PD-Ladung qc entspricht, die
durch das Zeitintegral des transienten Stroms durch den Gaseinschluß gegeben ist.
Offensichtlich steht dies im Gegensatz zum klassischen Konzept der scheinbaren
Ladung, das aus dem zuvor betrachteten netzwerkbasierten PD-Modell abgeleitet
wurde.

(a) (b) ib (t)


Cb1
Anode

ia (t)
db1
Hohlraum

Ca Ca
da dc ∆Vc ∆Va ic (t) ∆Vc ∆Va

db2

Cb2
Kathode
ib(t)

Abb. 4.14 Dipol-Modell nach Pedersen (1986, 1987). a Raumladungsfeld aufgrund bipolarer
Punktladungen, die an den gegenüberliegenden Hohlraumwänden abgelagert werden. b Ersatz-
schaltbild
4.2 PD-Modelle 193

Um die PD-Ladungsübertragung quantitativ abzuschätzen, schlug Pedersen


einen feldtheoretischen Ansatz vor, der auf den Maxwell-Gleichungen basiert
(Pedersen 1986). Dieses alternative Konzept wurde jedoch in der Vergangenheit
ignoriert, während das traditionelle abc-Modell auch heute noch akzeptiert wird
(Achillides et al. 2008, 2013, 2017). Der Grund dafür ist offenbar, dass die PD-
Ladungsübertragung, basierend auf Pedersens Konzept, nicht einfach erklärt
werden kann, da dies ausgezeichnete Kenntnisse in der Feldtheorie basierend
auf den Maxwell-Gleichungen (Maxwell 1873) erfordert. Die analytischen
Betrachtungen zur PD-Ladungsübertragung können jedoch erheblich verein-
facht werden, wenn anstelle von sphärischen, ellipsoidalen oder zylindrischen
Hohlräumen, wie häufig untersucht und in zahlreichen technischen Artikeln ver-
öffentlicht wurde, die Bildung eines Dipolmoments unter quasi-stationären Feld-
bedingungen betrachtet wird, d. h. das Laplace-Feld zwischen den Elektroden,
herrührend von der angelegten Prüfwechselspannung, wird für die für die Zeit-
dauer der Trennung der Ladungsträger und der Dipol-Bildung als konstant
angenommen (Lemke 2012, 2016). Zur Abschätzung der PD-Ladungsübertragung
muss daher nur die zeitliche Änderung des Poisson-Feldes betrachtet werden, die
während der Trennung der Ladungsträger entgegengesetzter Polarität erfolgt.
Zum besseren Verständnis betrachten Sie zunächst die Fortbewegung eines
einzelnen Elektrons und des zugehörigen positiven Ions, wobei die Ausbreitung
zu den Elektroden durch zwei dünne dielektrische Schichten behindert wird, die
im Abstand dc angeordnet sind, siehe Abb. 4.15. Vorausgesetzt, bei der Einsetz-
feldstärke Ei wird nur ein einziges Elektron, das die Elementarladung e trägt, von
einem neutralen Molekül befreit, das sich an der Position x =xi, befindet, dann
wird dieses Elektron aufgrund der Coulomb-Kraft F = −e ∙ Ei von der Anode
angezogen. Nachdem das Elektron die maximal mögliche Entfernung xi, zurück-
gelegt hat, wird die vom Feld auf das Elektron übertragene Energie zu
ˆo
We = F dx = −e · Ei (0 − xi ) = e · Ei · xi . (4.12)
xi

Abb. 4.15 Parameter, die


für die Abschätzung der
vom Feld auf ein Elektron Anode
und das zugehörige positive
Ion übertragenen Energie
verwendet werden x=0
-dx
da dc x=xi
dx
x=dc

Kathode
194 4 Teilentladungsmessung

Auf analoge Weise erhält man den folgenden Ausdruck für die Energie, die vom
Feld auf das zugehörige positive Ion übertragen wird, das die Elementarladung +e
trägt:
ˆo
Wp = F dx = e · Ei · (dc − xi ). (4.13)
xi

Wenn man die Gl. (4.12) und (4.13) kombiniert, wird die gesamte Feldenergie, die
sowohl auf das Elektron als auch auf das positive Ion übertragen wird, wenn sie
die dünnen dielektrischen Grenzflächenerreichen, wie folgt:
Wt = W e + W p = e · Ei · d c . (4.14)
Offensichtlich ist dieser Ausdruck unabhängig von der tatsächlichen Stelle xi, an
der das Elektron aus einem neutralen Molekül freigesetzt wurde. Somit kann die
maximale Feldenergie, die auf eine Elektronenlawine übertragen wird, die durch
die Ionisation von ni neutralen Gasmolekülen erzeugt wird, einfach durch
Wa = e · n i · Ei · d c . (4.15)
ausgedrückt werden.
Wenn man sich vorstellt, dass kurz vor der Zündung eines PD-Ereignisses bei
der Einsetzspannung Vi das Prüfobjekt von der HV-Prüfspannungsquelle getrennt
wird, wird die auf die fortschreitenden Ladungsträger übertragene Feldnergie
ausschließlich von der im Prüfobjektkondensator Ca gespeicherten Energie
geliefert, siehe Abb. 4.14b. Zur Vereinfachung soll angenommen werden, dass
zum Zeitpunkt td alle Ladungsträger die anoden- und kathodenseitige dielektrische
Grenzfläche erreicht haben. Unter dieser Bedingung kann der klassische Energie-
bilanzsatz wie folgt geschrieben werden:
ˆtd
W a = Vi ia (t) · dt = Vi · qa = e · ni · dc · Ei = Pm · Ei , (4.16)
o

mit Pm = e · ni · dc – das Dipolmoment, das durch die bipolaren Ladungsträger


erzeugt wird, und Ei – die Einsetzfeldstärke. Durch Separierung der Ladung qa, die
von derPrüflingskapazität Ca geliefert wird, erhält man
Ei Ei
qa = e · n i · d c · = Pm · . (4.17)
Vi Vi
In diesem Zusammenhang scheint es erwähnenswert, dass ein ähnlicher Ansatz
basierend auf dem Konzept der Bildladungen (Shockley 1938; Kapcov 1955;
Frommhold 1956) abgeleitet werden kann. Dieser Ansatz wurde häufig von vielen
Forschern verwendet, um die Ladung verursacht durch den Verschiebungsstrom zu
berechnen, der durch die Bewegung von Ladungsträgern zwischen planparallelen
Elektroden verursacht wird (Meek und Craggs 1953; Raether 1964).
Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Isolationsschädigung infolge von
PD-Ereignissen hauptsächlich durch die Feldenergie verursacht wird, die auf die
4.2 PD-Modelle 195

Anode

da dc dc dc

Kathode

Abb. 4.16 Verteilung der dielektrischen Flussdichtelinien in Abhängigkeit vom Abstand dc


zwischen der positiven und negativen Raumladung

Ladungsträger übertragen wird. Ohne weiter ins Detail zu gehen, kann daher auf
der Grundlage der Gl. (4.15) und (4.16) festgestellt werden, dass die messbare
externe PD-Ladung qa eine vernünftige Größe darstellt, um die PD-Gefährdung
zu bewerten. So steigt die Dichte der dielektrischen Flusslinien, die anodenseitig
in den Hohlraum eintreten und kathodenseitig wieder austreten, mit zunehmender
Hohlraumlänge dc an, siehe Abb. 4.16. Folglich steigt auch die Feldstärke im
Dielektrikum an und somit die Gefahr eines Isolationsdurchschlages. Dies spiegelt
sich nicht in dem zuvor diskutierten netzwerkbasierten PD-Modell wider. So führt
eine Zunahme von dc zwar zu einem Anstieg der Einsetzsspannung Vi, aber auch
zu einer Verringerung der intuitiv angenommenen Hohlraumkapazität Cc. Daher
würde sich die berechnete „interne Impulsladung“ bei Vergrößerung von dc nicht
wesentlich ändern und daher die Gefahr eines Isolationsdurchschlages infolge des
vorwachsenden Entladungskanals nicht anzeigen.
Hinweis: In Bezug auf das zuvor betrachtete netzwerkbasierte PD-Modell gemäß
Abb. 4.14 ist es bemerkenswert, dass die interne PD-Ladung qc gemessen werden könnte,
wenn alle negativen und positiven Ladungsträger in der Lage wären, die gesamte Strecke
zwischen Anode und Kathode zu durchlaufen. Basierend auf den Gl. (4.10b) und (4.17)
kann somit geschrieben werden:

dc dc · Ei dc · Ei dc
qa ≈ qc · = e · ni · = e · ni · = e · ni ·
db Vi db · Ei db
qc ≈ e · ni .

Das bedeutet, dass die „fiktive“ interne PD-Ladung qc, die aus dem netzwerkbasierten
PD-Modell abgeleitet wird, der Ladungsmenge entspricht, die entweder allein von den
positiven Ionen oder allein von den negativen Elektronen getragen wird. Dies steht jedoch
im Gegensatz zur Physik der Gasentladungen, da bei einer Hohlraumentladung die von
den positiven Ionen getragene Ladungsmenge gleich, aber von entgegengesetzter Polari-
tät zu der von den Elektronen und den negativen Ionen getragenen Ladungsmenge ist.
Aufgrund der sehr kurzen Entfernung zwischen den bipolaren Raumladungen, die an der
anoden- und kathodenseitigen dielektrischen Grenzfläche abgelagert sind, wird ein großer
Teil der positiven Raumladung durch die negative Raumladung neutralisiert, wie auch aus
Abb. 4.16 abgeleitet werden kann. Folglich erreicht die Netto-Ladung nur einen Bruch-
teil der unipolaren Ladung, die durch e ∙ ni gegeben ist, wobei ni die Gesamtzahl der bei
einem PD-Ereignis ionisierten Gasmoleküle ist.
196 4 Teilentladungsmessung

Abb. 4.17 Parameter,


die für die Analyse der
PD-Ladungsübertragung in
extrudierten Energiekabeln
verwendet werden
ri dc
rc

ra

Selbst wenn Gl. (4.16) für quasi-homogene Feldbedingungen gilt, ist sie
prinzipiell auch für technische Elektrodenkonfigurationen anwendbar, voraus-
gesetzt, die Hohlraumlänge dc in Feldrichtung ist wesentlich geringer als der
Elektrodenabstand (Lemke 2013). Als Beispiel sei Abb. 4.17 betrachtet, das sich
auf einen kugelförmigen Hohlraum, eingebettet im Feststoffdielektrikum zwischen
koaxialen Zylinderelektroden, bezieht, wie es für Energiekabel typisch ist.
Um die folgende Abhandlung zu vereinfachen, wird ein raumladungsfreier
sphärischer Hohlraum mit dem Durchmesser dc betrachtet, der im Feststoff-
dielektrikum zwischen koaxialen Zylinderelektroden mit dem Abstand da = ra –
ri eingebettet is. Die Betrachtung eines raumladungsfreien Feldes scheint ver-
nünftig, da die Ladungsträger, die die Feldverteilung beeinflussen, erst unmittelbar

Unter der Annahme der Ungleichung dc ≪ da, die für technische Isolierung im
nach dem Moment entstehen, wenn die Einsetzfeldstärke Ei überschritten wird.

Allgemeinen erfüllt ist, kann der sogenannte Feldverstärkungsfaktor kε wie folgt


approximiert werden (Schwaiger 1925):
3εr
kε = . (4.18)
1 + 2εr
Für ein ein polyethylenisoliertes Kabel beträgt die relative dielektrische
Permittivität εr = 2,3, so dass der Feldverstärkungsfaktor kε ≈ 1,2 erreicht. Wenn
man dies in Gl. (4.17) einsetzt, kann die messbare Impulsladung mit folgendem
Ansatz abgeschätzt werden:
1.2
q a ≈ Pm ·    .
rc ln rrai (4.19)

Die quantitative Bestimmung des Dipolmoments Pm ist jedoch eine Heraus-


forderung, da die Anzahl ni der ionisierten Gasmoleküle über einen extrem weiten
Bereich zufällig verteilt ist. Daher scheint es vernünftig, nur den schlimmsten Fall
zu untersuchen, der auftritt, wenn eine streamerartige Entladung gezündet wird.
4.2 PD-Modelle 197

Für diesen speziellen Fall kann das Dipolmoment durch den folgenden semi-
empirischen Ansatz (Lemke 2013) ausgedrückt werden:
Pm ≈ (270 pC/mm) · dc2 f ür 0,1 mm < dc < 2 mm. (4.20)
Wenn man dies in Gl. (4.19) einführt und die folgenden angenommenen geo-
metrischen Parameter einsetzt: ri = 8,5 mm, ra = 14 mm und rc = 10 mm, die
repräsentativ sind für ein 20-kV-Polyethylen-isoliertes Energiekabel, dann erhält man
 2
dc
qa ≈ (67 pC) · . (4.21)
do

mit d0 = 1 mm – einem Referenzhohlraumdurchmesser. Die aus diesem Ansatz


berechnete Kurve qa abhängig vom Hohlraumdurchmesser dc ist in Abb. 4.18
dargestellt. Zum Vergleich sind in dieser Abbildung auch experimentelle Daten
dargestellt. In diesem Zusammenhang sollte beachtet werden, dass einige
experimentelle Daten sich auf Konfigurationen beziehen, die sich von dem hier
untersuchten Feld zwischen koaxialen Zylinderelektroden unterscheiden. Dennoch
stimmt die berechnete Kurve recht gut mit den gemessenen Werten überein, wobei
eine bessere Übereinstimmung aufgrund der inhärenten großen Streuung der PD-
Pulsmagnituden nicht zu erwarten ist.
In Bezug auf Qualitätssicherungstests von extrudierten Energiekabeln ist die
Impulsladung qa abhängig von der PD-Einsetzspannung Vi die interessanteste
Funktion. Um Gl. (4.17) zu lösen, muss das Verhältnis E1 /Vi bekannt sein. Ein
geeigneter Ansatz zur Bestimmung der Einsatzfeldstärke Ei abhängig vom Hohl-
raumdurchmesser dc kann aus den Schumann-Kurven (Schumann 1923) wie folgt
abgeleitet werden:
  
dr
Ei ≈ E0 1 + f ür 0,1 mm < dc < 2 mm, (4.22)
dc

mit E0 = 2,47 kV/mm – die statische Einsetzfeldstärke von Umgebungsluft unter


atmosphärischen Referenzbedingungen und dr = 0,82 mm ein Referenzhohlraum-

Abb. 4.18 PD-Impulsladung 300


qa abhängig vom
Hohlraumdurchmesser Boggs 2007
Impulsladung [pC]

dc berechnet für ein Kurrat 1991


20kVXLPE-Kabel und 200
experimentelle Daten Illias et al. 2010

Lemke1991 berechnet für ein


20-kV-XLPE-Kabel
100 van Hoove 1993

0
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2
Durchmesser des Hohlraums [mm]
198 4 Teilentladungsmessung

durchmesser. Durch Einsetzen dieser Werte in Gl. (4.17) erhält man den folgenden
Ansatz zur Bestimmung der Einsetzspannung eines raumladungsfreien kugel-
förmigen Hohlraumes, eingebettet im Feststoffdielektrikum zwischen koaxialen
Zylinderelektroden.
        
E0 ra dr 0,82 mm
Vi = · rc · ln · 1+ ≈ Vi ≈ (10,5 kV) · 1 + .
kε ri dc dc
(4.23)

Durch Kombination der Gl. (4.21) und (4.23) wurde die nachweisbare PD-Impuls-
ladung qa abhängig von der Einsetzspannung Vi berechnet und in Abb. 4.19 dar-
gestellt. In diesem Zusammenhang scheint es erwähnenswert, dass in der IEC
60502:1997 ein maximaler Prüfspannungspegel von 1,73 V0 für Mittelspannungs-
kabel mit extrudierter Isolierung empfohlen wird, wobei V0 den rms-Wert
(Effektivwert) der Phase-Erde-Spannung darstellt. Für das hier betrachtete 20-kV-
Kabel entspricht dies einer Scheitelspannung von 28 kV. In Abb. 4.19a ist dieser
Wert durch einen Kreis angezeigt, was bedeutet, dass das Kabel die PD-Prüfungt
nur bestehen würde, wenn der gemessene PD-Pegel unter 5 pC bleibt. Dieses
Ergebnis stimmt zufriedenstellend mit den Empfehlungen der IEC 60502:1997
überein, die besagt, dass die scheinbare Ladung bei der Prüfspannung von 1,73 V0
nicht mehr als 10 pC betragen darf. Darüber hinaus kann aus Gl. (4.23) abgeleitet
werden, dass eine PD- Einsetzspannung von über 28 kV nur für einen Hohlraum-
durchmesser dc < 0,3 mm garantiert werden kann.
Auch wenn die berechneten Kurven, die in den Abb. 4.18 und 4.19 gezeichnet
sind, in zufriedenstellender Übereinstimmung mit praktischen Erfahrungen stehen,
muss hier betont werden, dass die quantitativen Werte nur Annäherungen sind.
Dies liegt daran, dass Gl. (4.17) für einen raumladungsfreien Hohlraum abgeleitet
wurde, der, mit Umgebungsluft unter atmosphärischen Normalbedingungen gefüllt
ist. Bei technischen Isolierungen sind jedoch weder die Hohlraumgröße noch der

(a) (b)
32 32
PD-Einsetzspannung [kV]

PD-Einsetzspannung [kV]

30 30

28 28

26 26

24 24
2 4 6 8 10 12 0,2 0,3 0,4 0,5
PD-Impulsladung Hohlraumdurchmesser [mm]

Abb. 4.19 PD-Einsetzspannung abhängig von der PD-Impulsladung (a) und vom Hohlraum-
durchmesser (b) berechnet für ein XLPE-Mittelspannungskabel
4.3 PD-Impulsladungsmessung 199

Gasdruck bekannt. Darüber hinaus kann das durch nachfolgende PD-Ereignisse


etablierte Dipolmoment stark durch Raumladungen beeinflusst werden, die auf-
grund vorhergehender PD-Ereignisse an den Hohlraumwänden abgelagert wurden.
Dies könnte auch der Grund für die große Streuung der Pulsladungsmagnituden
sein, wie sie in der Praxis häufig vorkommt.

4.3 PD-Impulsladungsmessung

4.3.1 Auskopplung von PD-Signalen

Wie bereits in Abschn. 4.1 besprochen, wird der Frequenzgehalt von PD-Strom-
impulsen erheblich reduziert, wenn sich die elektromagnetischen Transienten
von der PD-Quelle zu den Anschlussklemmen des Prüfobjekts ausbreiten, siehe
Abb. 4.3. Im Gegensatz dazu ist das Zeitintegral des transienten PD-Stroms und
damit die Impulsladung mehr oder weniger unverändert. Zum besseren Verständ-
nis betrachten Sie Abb. 4.20, die sich auf einen gasgefüllten zylindrischen Hohl-
raum bezieht, der im Feststoffdielektrikum zwischen planparallelen Elektroden
eingebettet ist, wie bereits in Abschn. 4.2 untersucht wurde.
Da die PD-Transienten durch Zeitparameter bis in den Nanosekunden-
bereich und damit durch ein Frequenzspektrum von bis zu 100 MHz und
mehr gekennzeichnet sind, wird die Impedanz der HV-Induktivität zwischen

HV-Induktivität

qa
qa

Prüfobjekt
Koppel
kondensator qa
Ck Ca
qc V a
HV-Prüf-
spannungs- PD-Defekt
quelle

Messimpedanz

Cm
Rm qa

Abb. 4.20 Prinzip der PD-Impulsladungsmessung


200 4 Teilentladungsmessung

HV-Prüfspannungquelle und Prüfobjekt sehr hoch, so dass das Prüfobjekt


während eines jeden PD-Ereignisses als getrennt von der HV-Prüfspannungsquelle
betrachtet werden kann. Unter dieser Bedingung wird die Ladung qc, die durch
den PD-Defekt fließt, nur durch die Kapazität des Prüfobjekts Ca bereitgestellt,
und verursacht folglich einen schnellen Spannungseinbruch Va über das Prüf-
objekt. Nach dem dipolbasierten PD-Modell ist die Impulsladung qc, die durch den
PD-Defekt fließt, gleich der Ladungsmenge, die durch die Kapazität Ca des Prüf-
objekts fließt. Daher kann geschrieben werden:
qc = qa = Va · Ca . (4.24)
Im Moment, wenn der PD-Prozess abgeklungen ist und die Ladungsträger an den
Hohlraumwänden abgelagert wurden, fällt der PD-Strom auf Null, sodass der
Frequenzinhalt und damit die effektive Impedanz der HV-Zuleitung entsprechend
abnimmt. Daher wird die Prüfobjektkapazität Ca wieder durch die HV-Prüf-
spannungsquelle aufgeladen, d. h. der vorhergehende Spannungsabfall Va über
Ca wird ausgeglichen, was bei umgekehrter Strompolarität erfolgt. Das bedeutet,
dass das Zeitintegral des Stroms, der Ca wieder auflädt, und damit die scheinbare
Ladung auch mit Gl. (4.24) bewertet werden kann, selbst wenn die tatsächliche
Form des Wiederaufladestroms sehr unterschiedlich ist von der ursprünglichen
Form des PD-Stromes. Dies bietet die Möglichkeit, die PD-Impulse mit Hilfe
einer Messimpedanz zu erfassen, wenn das Prüfobjekt über die Messimpedanz
geerdet wird Abb. 4.20). Zusätzlich sollte die HV-Klemme des Prüfobjekts über
eine HV-Kapazität Ck geerdet werden, um sicherzustellen, dass der gesamte
Strom, der Ca wieder auflädt, durch die Messimpedanz fließt.
Für eine direkte Messung der PD-Impulsladung könnte die Messimpedanz
mit einer Messkapazität Cm ausgestattet werden. Unter dieser Bedingung ist der
Spannungssprung über Cm direkt proportional zu der zu messenden Impulsladung.
Bei Wechselprüfspannungen kann jedoch der kapazitive Ladestrom, der durch das
Prüfobjekt und damit durch die Messimpedanz fließt, den Signalpegel, der durch
die PD-Ereignisse verursacht wird, erheblich überschreiten, wie exemplarisch in
Abb. 4.21a gezeigt. Daher wird die Messkapazität Cm üblicherweise durch einen
Messwiderstand Rm überbrückt, der den überlagerten Wechselstrom entsprechend
reduziert, siehe Abb. 4.21b und c. Praktische Erfahrungen haben jedoch gezeigt,

5,2 kV/div 5,2 kV/div 5,2 kV/div

100 pC/div 100 pC/div 50 pC/div


4 ms /div 4 ms /div 4 ms /div

Cm = 100 nF; R m = 100 k Cm = 100 nF; R m = 10 k Cm = 50 nF; R m = 2,2 k

Abb. 4.21 Aufzeichnungen typischer Spannungssignale, die durch PD-Ereignisse in einer Stab-
Platte-Anordnung verursacht wurden (rosa Spur) und zugehörige Prüfwechselspannung (grüne
Spur); Erklärung im Text
4.3 PD-Impulsladungsmessung 201

dass eine Messimpedanz, die mit einem RC-Netzwerk ausgestattet ist, wie in
Abb. 4.20 gezeigt, nur für Prüflinge mit sehr geringer Kapazität geeignet ist, die
für grundlegende PD-Studien verwendet werden, wie z. B. das Studium von Ent-
ladungsprozessen in Stab-Platte-Funkenstrecken, aber nicht für PD-Prüfungen von
hoch-kapazitiven HV-Geräten und deren Komponenten.
Selbst wenn die höchste Messsensitivität erreicht wird, wenn das Prüfobjekt
über die Messimpedanz geerdet wird, ist dieser Ansatz im Allgemeinen nicht
anwendbar. Einerseits kann die Erdungsverbindung des Prüfobjekts oft nicht
unterbrochen werden und andererseits muss die Messimpedanz in der Lage sein,
den gesamten kapazitiven Laststrom durch das Prüfobjekt, wie oben diskutiert,
und zusätzlich den schnellen transienten Strom, der bei einem unerwarteten
Durchbruch auftreten würde, zu tragen. Daher wird die Messimpedanz üblicher-
weise in Reihe mit dem Koppelkondensator geschaltet Ck, wie in Abb. 4.22 dar-
gestellt. Hier wird der Messwiderstand Rm durch eine Induktivität Ls überbrückt,
die den gesamten Wechselstrom durch den Koppelkondensator ableitet. Die Über-
spannungsschutzeinheit Op ist erforderlich, um schnelle Überspannungen aufgrund
unerwarteter Prüflingsdurchschläge zu unterdrücken und so eine Beschädigung der
Messimpedanz und des Messgeräts zu verhindern. Da die in Abb. 4.22 gezeigte
PD-Koppeleinheit einen Hochpassfilter darstellt, muss darauf geachtet werden,
dass die untere Grenzfrequenz f1 so niedrig wie möglich gewählt wird, vorzugs-
weise unter 100 kHz.
Beispiel Um eine PD-Auskopplungseinheit gemäß Abb. 4.22 zu entwerfen, die für
induzierte Spannungsprüfungen von Leistungstransformatoren vorgesehen ist, sollen die
folgenden Parameter angenommen werden:

HV-Induktivität

PD-Koppelkondensator
Ck

PD-Messimpedanz
HV-Prüf- IN
Prüfobjekt
spannungs-
quelle OUT
PD-Impulse
Ls

Op Rm
OUT
Cm
Prüfspannung

Erdleitung

Abb. 4.22 PD-Messschaltung, bei der die Messimpedanz in Reihe mit dem Koppelkondensator
geschaltet ist
202 4 Teilentladungsmessung

Untere Grenzfrequenz: f1 = 50 kHz


Effektive Messimpedanz: Rm = 1 k
Maximale angewandte Prüfspannung: Va = 200 kV
Maximale Prüfrequenz: fac = 400 Hz
Da die untere Grenzfrequenz gegeben ist durch
1
f1 = = 50 kHz
2π · Ck · Rm
kann die minimal erforderlich Kapazität des Koppelkondensators wie folgt
bestimmt werden:
1
Ck = ≈ 3,2 nF.
2π · f1 · Rm
Setzt man die maximale Prüffrequenz von fac = 400 Hz ein, erhält man den
folgenden kapazitiven Strom durch den Koppelkondensator:
Ic = 2π · fac · Ck · Vac = 1,6 A.
Wenn dieser Strom durch den Messwiderstand Rm = 1 k fließt, würde ein
Spannungsabfall von bis zu 1600 V auftreten. Natürlich ist dies für den Bediener
gefährlich und könnte auch das angeschlossene PD-Messsystem beschädigen.
Um diesen hohen Spannungsabfall zu reduzieren, wird Rm durch eine Induktivi-
tät Ls überbrückt (Abb. 4.22). Bei Anwendung dieser Option muss jedoch darauf
geachtet werden, dass die untere Grenzfrequenz deutlich über der zuvor genannten
unteren Grenzfrequenz liegen kann, die unter 100 kHz gewählt werden sollte.
Diese Bedingung wird erfüllt für
2π · fm · Ls ≥ 5Rm ; Ls ≥ 16 mH
Für die hier betrachtete maximale Frequenz fac = 400 Hz der angelegten Prüf-
spannung erreicht die induktive Impedanz
Zl = 2π · fac · Ls ≈ 40 Ω.
Unter dieser Bedingung führt der oben erwähnte Laststrom von Ic = 1,6 A durch
den Koppelkondensator von Ck = 3,2 nF zu einem vergleichsweise geringen
Spannungsabfall über Ls, der 64 V erreicht. Dieser Wert kann weiter reduziert
werden, indem ein Hochpassfilter höherer Ordnung verwendet wird.
Um die PD-Impulse in einer phasenaufgelösten Weise mit Hilfe eines
Oszilloskops oder eines computerbasierten PD-Messsystems darzustellen, könnte
die PD-Koppeleinheit weiter konfiguriert werden, indem ein zusätzlicher Mess-
kondensator Cm verwendet wird, wie in Abb. 4.22 dargestellt. Aufgrund der
sehr unterschiedlichen Frequenzspektren der PD-Impulse und der Prüfwechsel-
spannung können diese beiden Signale einfach unterschieden werden. Betrachtet
man Abb. 4.22, so erscheinen diese an den Ausgängen „OUT PD-Impulse“ und
„OUT Prüfspannung“. Wenn beispielsweise der oben eingeführte maximale
4.3 PD-Impulsladungsmessung 203

Prüfspannungspegel von Vac = 200 kV auf 50 V gedämpft werden soll, wäre


ein Teilungsverhältnis von 1:4000 erforderlich. Bei Verwendung eines Koppel-
kondensators von Ck = 3,2 nF wäre daher eine Niederspannungsmesskapazität
von Cm = 12,8 μF erforderlich.

4.3.2 PD-Prüfkreise gemäß IEC 60270

Die grundlegenden PD-Messschaltungen, die in der IEC 60270:2000 empfohlen


werden, sind in Abb. 4.23 dargestellt. Um jegliche Gefahr für den Bediener
durch gefährliche Überspannungen im Falle eines unerwarteten Isolationsdurch-
schlages zu vermeiden, sollte die Messimpedanz immer innerhalb des HV-Prüf-
bereichs platziert werden. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass die
HV-Anschlussleitungen bis zur höchsten angewendeten Prüfspannungsebene
PD-frei ausgelegt sind. Die Erdungsleitungen, die für die Stromrückführung ver-
wendet werden, sollten so kurz wie möglich gehalten und aus Cu- oder AL-Folie
von ca. 100 mm Breite gefertigt werden, um die unvermeidliche Induktivität zu
minimieren und damit elektromagnetische Störungen zu verhindern. Weitere
Informationen hierzu finden Sie in den Abschn. 4.5.2 und 9.2.2.
Der am häufigsten verwendete Koppelmodus ist die Reihenschaltung von
Koppelkondensator und Messimpedanz (Abb. 4.24), wie bereits zuvor anhand von
Abb. 4.22 erläutert wurde.
Elektromagnetische Störungen, die empfindliche PD-Messungen beein-
trächtigen, können auch durch die Verwendung einer abgeglichenen PD-Brücken-
schaltung gemäß Abb. 4.23c bis zu einem gewissen Grad eliminiert werden. Hier
werden sowohl das Prüfobjekt als auch der Koppelkondensator im Referenzzweig
über die einstellbaren Messimpedanzen Zm1 und Zm2 geerdet. Durch Variation
von Zm1 und Zm2 wird die Brücke abgeglichen, so dass Gleichtaktstörungen, die
an den Hochspannungsklemmen auftreten, vom Differenzverstärker mehr oder
weniger unterdrückt werden. So erscheint nur das PD-Signal, das im Prüfobjekt
entsteht, am Ausgang des Differenzverstärkers und wird somit vom PD-Instrument
gemessen. Um eine hohe Gleichtaktunterdrückung zu gewährleisten, sollte die
Brücke so symmetrisch wie möglich ausgelegt sein. Es ist daher ratsam, anstelle
des Koppelkondensators ein komplementäres PD-freies Prüfobjekt als Referenz zu
verwenden. Trotz der Vorteile der abgeglichenen Brückenschaltung für die Stör-
signalunterdrückung wird dieser Ansatz in der Praxis nicht allgemein eingesetzt.
Der Grund dafür ist die Herausforderung, dass beide Zweige über die gesamte
Bandbreite, die für die PD-Signalverarbeitung verwendet wird, eine äquivalente
Frequenzantwort haben müssen. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die
Zeitverzögerung des Störsignals, das sich entlang des komplementären PD-freien
Referenzzweiges ausbreitet, mit der Zeitverzögerung des PD-Signals, das sich ent-
lang des zu untersuchenden Prüfobjekts ausbreitet, übereinstimmen muß.
204 4 Teilentladungsmessung

(a) HV-Induktivität

Koppel
kondensator
Ck

HV-Prüf- Prüfobjekt
spannungs-
quelle
PD
Messgerät
Zm Mess
impedanz

(b) HV-Induktivität
Koppel
kondensator
Ck
Prüfobjekt
HV-Prüf-
spannungs-
quelle
PD
Messgerät
Zm
Messimpedanz

(c) HV-Induktivität

Koppel
kondensator
Ck

HV-Prüf- Prüfobjekt
spannungs- Differential-
quelle Verstärker

Zm1 Messimpe- Messimpe- Zm2


danz danz

PD-Messgerät

Abb. 4.23 Grundlegende PD-Messschaltungen, die in der IEC 60270:2000 empfohlen werden.
a Messimpedanz in Reihe mit einem Koppelkondensator, der für geerdete Prüfobjekte verwendet
wird. b Prüfobjekt über die Messimpedanz geerdet. c Brückenschaltung, die zur Reduzierung des
Grundstörpegels empfohlen wird
4.3 PD-Impulsladungsmessung 205

Prüfobjekt
(20-kV- Koppel-
PD-Messsystem Spannungs- kondensator, HV-Induktivität HV-Prüftransformator
LDS-6 wandler) 0,6 nF 50 mH 100 kV

Kalibrator Messimpedanz Spannungsteiler


LDC-5/U LDM-5U 100 kV

Abb. 4.24 Foto einer PD-Prüf-und Messschaltung, die gemäß IEC 60270 ausgelegt ist. (Mit
freundlicher Genehmigung von Doble Lemke)

Anschlußklemme (Bushing Tap)


für die C/tanδ-Messung
Messimpedanz
C1
Prüfobjekt PD
Messgerät
C2

AC
Erreger
maschine

Abb. 4.25 „Bushing-Tap-Coupling-Mode“, der häufig für PD-Tests von Leistungstrans-


formatoren verwendet wird

Eine weitere häufig verwendete Option für PD-Prüfungen von Leistungs-


transformatoren ist der sogenannte Bushing-Tap-Coupling-Modus, d. h. die
Auskopplung der PD-Impulse über die C/tanδ-Messklemme von Kondensator-
durchführungen, wie in Abb. 4.25 dargestellt. Hier stellt die Oberspannungs-
kapazität C1 der Durchführung im Prinzip den Koppelkondensator Ck dar, der in
Abb. 4.23a gezeigt ist.
206 4 Teilentladungsmessung

4.3.3 PD-Signalverarbeitung

Wie besprochen in Abschn. 4.2.2, ist das Zeitintegral des transienten PD-Stromes,
der durch die Anschlussleitungen des Prüfobjekts fließt, und somit die messbare
Impulsladung, mit der Ladungsmenge korreliert, die durch den PD-Defekt fließt.
Darüber hinaus ist die Impulsladung mehr oder weniger unverändert, auch wenn
der PD-Stromimpuls beim Übergang von der PD-Quelle zu den Anschlüssen des
Prüfobjekts erheblich verzerrt sein kann. Daher wird die transiente Spannung, die
über einem resistiven Messwiderstand erscheint, üblicherweise integriert, um die
sogenannte scheinbare Ladung zu messen. Dies wird bequem durch ein Band-pass-
Filter erreicht, und allgemein als Quasi-Integration bezeichnet. Zu diesem Zweck
wird die Signalverarbeitung in einem Frequenzbereich durchgeführt, in dem das
Amplituden-Frequenzspektrum der erfassten PD-Impulse nahezu konstant ist
(Kind 1963; Kuffel et al. 2006; Schon 1986; Zaengl und Osvath 1986; König und
Narayana 1993; Lemke 1997), wie in Abb. 4.26 schematisch dargestellt. Praktische
Erfahrungen haben gezeigt, dass diese Anforderung für die meisten Prüfobjekte
erfüllt ist, wenn die obere Grenzfrequenz unter 1 MHz begrenzt ist, wie auch in der
Änderung zu IEC 60270:2000 empfohlen, die 2015 veröffentlicht wurde.
Je nach Bandbreite ∆f = f2 −f1, die für die PD-Signalverarbeitung ver-
wendet wird, wird allgemein zwischen Breit-band und Schmal-bandinstrumenten
unterschieden. Für Breitband-PD-Instrumente werden in der Änderung zu IEC
60270:2000 die folgenden Frequenzparameter empfohlen:
Untere Grenzfrequenz: 30 kHz ≤ f1 ≤ 100 kHz
Obere Grenzfrequenz: 130 kHz ≤ f2 ≤ 1000 kHz
Bandbreite: 100 kHz ≤ f ≤ 970 kHz
Hinweis Gemäß IEC 60270:2000 bezieht sich der Begriff „Breitband“ auf die Bandpass-
filtereigenschaften der PD-Verarbeitungseinheit, die durch eine Bandbreite ∆f = f2 − f1
gekennzeichnet ist, die wesentlich größer ist als die untere Grenzfrequenz f1. In diesem

Amplitude
Frequenzspektrum des
erfassten PD-Signals
0 dB
Frequenzgang des
Bandpassfilters
-3 dB

-6 dB

Bandbreite  f = f2 - f1 Frequenz
f1 f2

Abb. 4.26 Frequenzspektrum von PD-Impulsen im Vergleich zum empfohlenen Frequenzband


für PD-Impulsladungsmessungen gemäß IEC 60270:2000
4.3 PD-Impulsladungsmessung 207

Zusammenhang muss betont werden, dass dieser Begriff nicht mit dem Frequenzspektrum
realer PD-Stromimpulse korreliert ist, das oft einen Frequenzbereich bis in den GHz-
Bereich abdeckt, siehe Abschn. 4.1.

Die PD-Impulsantwort eines Bandpassfilters mit der oberen und unteren Grenz-
frequenz von f2 = 320 kHz und f1 = 40 kHz, ist in Abb. 4.27a gezeigt. Basierend
auf der Netzwerktheorie kann festgestellt werden, dass der Scheitelwert des Aus-
gangsimpulses proportional zum Zeitintegral des Eingangsimpulses ist, wobei die
Dauer des Ausgangsimpulses wesentlich größer ist als die des Eingangsimpulses.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Integrationsvermögen nur
durch die obere Grenzfrequenz f2 und nicht durch die untere Grenzfrequenz f1
bestimmt wird. So könnten prinzipiell auch Schmalbandfilter verwendet werden,
um eine Quasi-Integration zu erreichen. Zu diesem Zweck muss die Bandbreite
f deutlich niedriger als die Mittenfrequenz f0 = (f2 − f1 )/2 gewählt werden.
Als typisches Messbeispiel zeigt Abb. 4.27b die PD-Impulsantwort eines Schmal-
bandverstärkers, mit einer Mittenfrequenz von f0 = 780 kHz und einer Bandbreite
von f = 9 kHz. Hier ist der maximale Spitze-Spitze-Wert der oszillierenden
Antwort direkt proportional zu der in den Schmalbandverstärker eingespeisten
Impulsladung, was sich auch aus der klassischen Netzwerktheorie (Schon 1986)

(a)

PD-Stromimpuls

PD-Impulsladung

(b)

PD-Stromimpuls
f0 = 780 kHz
PD-Impulsladung

Abb. 4.27 PD-Impulsantwort einer Breitband- (a) und einer Schmalband- (b) PD-Verarbeitungs-
einheit. a Untere Grenzfrequenz f1 = 40 kHz und obere Grenzfrequenz f2 = 320 kHz. b Mitten-
frequenz f0 = 780 kHz und Bandbreite ∆f = 9 kHz
208 4 Teilentladungsmessung

Doppelimpuls-Abstand Doppelimpuls-Abstand

Abb. 4.28 Auswirkung des Doppelimpulsabstands auf die Schwingungsamplitude einer schmal-
bandigen PD-Signal-Verarbeitungseinheit

ergibt. In IEC 60270:2000 werden für Schmalband-PD-Instrumente die folgenden


Frequenzparameter empfohlen:
Mittenfrequenz: 5 0 kHz ≤ f0 ≤ 1000 kHz
Bandbreite: 9 kHz ≤ f ≤ 30 kHz
Der Hauptvorteil von schmalbandigen-Verstärkern ist die Immunität gegenüber
kontinuierlich auftretenden Hochfrequenzstörungen, die von Radiosendern aus-
gestrahlt werden. Diese können effektiv durch Abstimmung der Mittenfrequenz f0
entsprechend ausgeblendet werden, siehe Abschn. 4.5. In diesem Zusammenhang
muss jedoch betont werden, dass aufgrund der vergleichsweise langen Dauer der
Schwingungsantwort, die oft mehrere hundert μs übersteigt, erhebliche Über-
lagerungsfehler auftreten können. Als Beispiel betrachten Sie Abb. 4.28, die sich
auf die Doppelimpulsantwort eines schmalbandigen Verstärkers bezieht. Hier
wurde der Zeitabstand zwischen den zwei aufeinanderfolgenden Impulse von
ursprünglich 1,4 µs auf 0,7 µs reduziert. Wie man sehen kann, nimmt der Spitze-
Spitze-Wert des Schwingungssignals unter dieser Bedingung erheblich ab. Ein
solches Verhalten ist typisch für PD-Impulse, die von Energiekabeln ausgekoppelt
werden, aufgrund ihrer Reflexion an den Kabelenden. Darüber hinaus können
Überlagerungsfehler auch aufgrund von Schwingungen auftreten, die durch
PD-Ereignisse in den Wicklungen von rotierenden elektrischen Maschinen und
Leistungstransformatoren angeregt werden. Aus diesem Grund werden schmal-
bandige Verstärker im Allgemeinen nicht für die Messung der scheinbaren Ladung
von PD-Impulsen in Bezug auf pC empfohlen.

4.3.4 PD-Messgeräte

4.3.4.1 Allgemeines

Schering-Brücken in Kombination mit Oszilloskopen können als die ersten


Instrumente angesehen werden, die für die elektrische PD-Detektion verwendet
4.3 PD-Impulsladungsmessung 209

wurden. Die Messempfindlichkeit war jedoch vergleichsweise gering. In den


1920er Jahren wurde diese erheblich gesteigert, als die ersten Superheterodyn-
Empfänger mit Schmalbandverstärkern verfügbar waren (Armann und Starr 1936;
Dennhardt 1935; Koske 1938; Lloyd und Starr 1928; Müller 1934; Schering
1919). Um vergleichbare und reproduzierbare PD-Messungen zu gewährleisten,
wurden die Anforderungen an solche Instrumente erstmals 1940 in den USA und
Nordamerika festgelegt, und als der Standard „Methods for Measuring Radio
Noise“ von der „National Electrical Manufactures Association NEMA“ veröffent-
licht. Dieser Standard wurde später überarbeitet und als NEMA-Publikation 107
„Methods of Measurement of Radio Influence Voltage (RIV)“ 1964 herausgegeben.
Ein äquivalenter Standard für RIV-Messungen von HV-Geräten wurde auch in
Europa vom „Comité International Spécial des Perturbation Radioélectrique
(CISPR)“ erarbeitet und 1961 veröffentlicht.
Radio-Störspannungen (RIV) werden üblicherweise in µV gemessen und ent-
sprechend dem akustischen Geräuscheindruck des menschlichen Ohrs gewichtet.
Daher kann nicht erwartet werden, dass diese mit der scheinbaren Ladung von PD-
Impulsen, gemessen in pC, korreliert sind, wie experimentell leicht nachgewiesen
werden kann (Harrold und Dakin 1973; Vaillancourt et al. 1981). Darüber hinaus
können bei hoher PD-Impulswiederholungsrate Reflexionen in Energiekabeln
und Schwingungen in induktiven Bauteilen angeregt werden, die zu erheblichen
Überlagerungsfehlern führen können, wie zuvor diskutiert wurde. Infolgedessen
entschied die „Internationale Technische Kommission (IEC), Technischer Aus-
schuss Nr. 42: Hochspannungsprüf- und Messtechnik“ die Herausgabe eines
separaten Standards für PD-Messungen. Die erste Ausgabe der „IEC-Publikation
270“ erschien 1968, in der neben der Definition der PD-Kenngröße scheinbare
Ladung die PD-Einsetzspannung und die PD-Aussetzspannung sowie mehrere
andere PD-Kenngrößen eingeführt wurden, wie z. B. die PD-Impulswiederholrate
und die Leistung aufeinanderfolgender PD-Impulse. Zusätzlich wurden Regeln
für die Kalibrierung von PD-Messkreisen festgelegt einschließlich Richtlinien,
die die Identifizierung typischer PD-Defekte unter Prüfwechselspannung auf der
Grundlage von Oszilloskop-Aufzeichnungen unterstützen, wobei entweder die
elliptische oder die lineare Zeitbasis verwendet wird, um die charakteristischen
PD-Impulsfolgen phasenaufgelöst aufzuzeichnen.
Die zweite Ausgabe der IEC-Publikation 270, die 1981 veröffentlicht wurde,
enthielt mehr Details zum Kalibrierverfahren. Zusätzlich wurde die PD-
Kenngröße „größte wiederholt auftretende PD-Ladung“ festgelegt. Auf der
Grundlage dieses Standards wurde die elektrische PD-Messung zu einem unver-
zichtbaren Verfahren für die Identifizierung dielektrischer Schwachstellen in HV-
Geräten, die durch Konstruktions- und Herstellungsfehler oder durch schlechte
Montagearbeiten verursacht werden können. Daher wurde die Messung von Teil-
entladungen zunehmend gefordert, um die gestiegenen Qualitätsanforderungen zu
erfüllen, bedingt auch durch die Erhöhung der Konstruktionsfeldstärke und nicht
zuletzt durch die Forderung nach Verlängerung der Lebensdauer von HV-Geräten.
Die folgenden Ausführungen basieren auf der dritten Ausgabe der IEC
60270 „HV-test techniques – Partial discharge measurement“, die im Jahr 2000
210 4 Teilentladungsmessung

v­ eröffentlicht wurde und als umfangreiche Überarbeitung der zweiten Ausgabe


angesehen werden kann. Die Spezifikation umfasst neben der traditionellen ana-
logen PD-Signalverarbeitung auch die fortschrittliche digitale Erfassung, Ver-
arbeitung, Bewertung und Visualisierung der erfassten PD-Impulse. Darüber
hinaus wurde ein Abschnitt hinzugefügt, der sich auf die Aufrechterhaltung der
Eigenschaften von PD-Messsystemen und den zugehörigen Kalibratoren bezieht,
wie in Abschn. 4.3.7 ausführlicher erläutert wird.

4.3.4.2 Analoge PD-Instrumente

Ein vereinfachtes Blockdiagramm analoger PD-Instrumente ist in Abb. 4.29 dar-


gestellt. Der Eingang des Geräts ist in der Regel mit einem Abschwächer aus-
gestattet, um die gewünschte Messempfindlichkeit einzustellen, sowie mit einer
schnellen Überspannungsschutzeinheit, um eine Beschädigung des Instruments
im Falle eines unerwarteten Durchbruchs des Prüfobjekts zu vermeiden. Die
gewünschte Integration des erfassten PD-Signals wird in der Regel durch den Ein-
satz eines Bandpassverstärkers durchgeführt, wie zuvor erwähnt. Alternativ kann
auch ein Breitbandverstärker in Kombination mit einem elektronischen Integrator
verwendet werden (Lemke 1969), wie in Abb. 4.29 dargestellt. Dieses Konzept
bietet die Möglichkeit, die wahre Form der erfassten PD-Impulse aufzuzeichnen,
was Laufzeitmessungen zur Lokalisierung der PD-Stelle ermöglicht, beispielsweise
in Energiekabeln, wie in Abschn. 4.4 ausführlicher beschrieben wird. Ein weiterer
Vorteil dieses Konzepts ist, dass impulförmige Störsignale mittels Gating und
Windowing effektiv unterdrückt werden können, wie in Abschn. 4.5 vorgestellt.
Der Quasi-Peak-Detektor in Kombination mit dem Anzeigegerät ermöglicht
die Messung der „größten wiederholt auftretenden PD-Impulsladung“ gemäß
IEC 60270:2000. Diese Einheit bewertet den Mittelwert der zufällig verteilten

Dämpfungsglied Breitband Quasi-Spitzenwert-


Integrator
OV-Unterdrücker verstärker Detektor Zeigerinstrument

PD-Signal

Oszilloskop

PD-Ladungsimpulse
breitbandige
PD-Impulse CH1
AC-Prüfspannungssignal CH2
CH2

Abb. 4.29 Vereinfachtes Blockdiagramm eines analogen PD-Instruments


4.3 PD-Impulsladungsmessung 211

Abb. 4.30 Screenshots, die mit einem computergestützten PD-Messsystem gewonnen wurden
und den PD-Pegel der Impulse, ausgekoppelt aus einem defekten MV-Kabelendverschluss unter
Wechselspannung (50 Hz) bei einerPrüfwechselspannung von 38 kV zeigen, Aufzeichnungs-
dauer 120 s). a Spitzenwerte jedes einzelnen Ladungsimpulses. b Größte wiederholt auftretende
PD-Impulsladung, gewichtet nach IEC 60270:2000

Amplituden der PD-Impulse und wichtet die Impuls-Wiederholrate entsprechend


der in Abb. 4.30 dargestellten Kennlinien. Ein weiterer Vorteil dieser Einheit ist,
dass stochastisch auftretende Störimpulse mit vergleichsweise niedriger Wieder-
holungsrate entweder nicht angezeigt werden oder ihre Amplitude erheblich
reduziert wird. Wie in IEC 60270:2000 spezifiziert, sollten die Lade- und Entlade-
zeitkonstante des Quasi-Peak-Detektors als τ1 ≤ 1 ms und τ2 ≈ 440 ms, gewählt
werden, um die Anzeige abhängig von der Impulswiederholrate gemäß Abb. 4.31
zu erreichen. In diesem Zusammenhang sollte betont werden, dass dieser Ansatz
mehr oder weniger reproduzierbare Prüfergebnisse unter Wechselspannung
(50/60 Hz) gewährleistet, aber nicht, wenn die Prüffrequenz geändert wird, wie
üblich bei Qualitätssicherungstests von Leistungstransformatoren und Mess-

Abb. 4.31 Bewertungs- 120


Kennlinie für
PD-Impulsfolgen gemäß 100
IEC 60270:2000 zur
Messwert [%]

80
Messung der „größten
wiederholt auftretenden
60
PD-Impulsladung“
40

20

0
1 10 100
PD-Impuls-Wiederholrate [%]
212 4 Teilentladungsmessung

wandlern, bei denen die Prüffrequenz gelegentlich auf bis zu 400 Hz erhöht wird.
Dies muss auch berücksichtigt werden, wenn Resonanzprüfsätze für Vor-Ort-PD-
Tests von verlegten Energiekabeln verwendet werden, bei denen die Prüffrequenz
häufig zwischen 20 Hz und 300 Hz variiert (Rethmeier et al. 2012).
Um PD-Prüfergebnisse auszuwerten, wird dringend empfohlen, die phasen-
aufgelösten PD-Muster (phase-resolved-PD-pattern – PRPDP) aufzuzeichnen,
die die Identifizierung potenzieller PD-Defekte unterstützen und häufig die
Unterscheidung von störenden elektromagnetischen Signalen ermöglichen.
Zu diesem Zweck können entweder das eingebaute Oszilloskop oder ein extern
angeschlossenes Mehrkanaloszilloskop sowie ein Computer-basiertes PD-Mess-
system verwendet werden.
Wie bereits erwähnt, sind Schmalbandinstrumente in der Regel nicht in der
Lage, die scheinbare Ladung von PD-Impulsen zu messen. Dennoch werden
solche Geräte, die speziell zur Messung von Funkstörspannungen (Radio
Interference Voltages – RIV) und zur Untersuchung der elektromagnetischen
Verträglichkeit (Electromagnetic Compability – EMC) elektronischer Geräte
entwickelt wurden, heutzutage auch häufig für PD-Messungen eingesetzt, ins-
besondere für PD-Diagnosetests von HV-Geräten unter Vor-Ort-Bedingungen, auf-
grund ihrer hervorragenden Immunität gegen Radio-Störspannungen. Auch wenn
solche Instrumente das erfasste PD-Signal in μV und nicht in pC messen, besteht
kein Zweifel daran, dass die Einsetzspannung und Aussetzspannung von PD-
Ereignissen, sowie der Trend der PD-Aktivität gut mit Schmalbandinstrumenten
bestimmt werden können.

4.3.4.3 Digitale PD-Instrumente

Aufgrund der Fortschritte in der Mikroelektronik und insbesondere in der digitalen


Signalverarbeitung (Digital Signal Processing – DSP) werden die traditionellen
analogen PD-Instrumente heutzutage zunehmend durch digitale PD-Messsysteme
ersetzt. Das erste Konzept eines Computer-basierten PD-Messinstruments wurde
von Tanaka und Okamoto (1978) vorgestellt. Nach dieser Zeit wurden ver-
schiedene derartige Lösungen vorgeschlagen, beispielsweise von Kranz (1982),
Haller und Gulski (1984), Okamoto und Tanaka (1986), van Brunt (1991), Gulski
(1991), Kranz und Krump (1992), Fruth und Gross (1994), Shim (2000), Lemke
et al. (2002) und Plath et al. (2002).
Derzeit werden häufig zwei grundlegende Messprinzipien eingesetzt. Das erste
wird in Abb. 4.32a veranschaulicht, das zunächst auf einer analogen Vor-ver-
arbeitung der erfassten PD-Impulse mittels Bandpass-Verstärker basiert, um die
scheinbaren Ladungsimpulse zu generieren, wie zuvor behandelt. Danach erfolgt
die digitale Signalverarbeitung dieser Impulse, wobei die A/D-Wandlung nur eine
vergleichsweise niedrige Abtastrate erfordert. Eine zweite Möglichkeit ist die
Verwendung eines sehr schnellen A/D-Wandlers, um die unmittelbar vom Prüf-
objekt ausgekoppelten und damit sehr kurzen PD-Impulse zu digitalisieren. Die
4.3 PD-Impulsladungsmessung 213

(a)

Dämpfungsglied Breitband A/D-Wandler


OV-Unterdrücker Verstärker Integrator (PD) Anzeige

PD-Signal digitaler
Signalprozessor

Speicher

A/D-Wandler
(AC) Steuer-Einheit

AC-Prüfspannungssignal
Phasen
synchronisation

Berichterstattung

(b)

Dämpfungsglied Breitband A/D-Wandler digitaler


OV-Unterdrücker verstärker (PD) Bandpassfilter Anzeige

PD-Signal f1 f2 digitaler
Signalprozessor

Speicher

A/D-Wandler
AC Steuer-Einheit

AC-Prüfspannungssignal
Phasen
synchronisation

Berichterstattung

Abb. 4.32 Blockdiagramm digitaler PD-Instrumente. a Analoge Vorverarbeitung des PD-Signals


einschließlich Quasi-Integration mittels Bandpass-Verstärker, gefolgt von einer A/D-Wandlung
der scheinbaren Ladungsimpulse. b Direkte A/D-Wandlung der breitbandverstärkten PD-Impulse

für die Quasi-Integration der PD-Impulse erforderliche Bandpassfilterung wird in


der Regel mittels einstellbarem digitalen Filter und numerischen Integrator durch-
geführt. Der Hauptvorteil digitaler PD-Messsysteme besteht in der Möglichkeit,
die folgenden charakteristischen PD-Größen zu erfassen, zu speichern und zu
visualisieren:
ti Zeitpunkt des Auftretens der PD
qi Impulsladung zum Zeitpunkt ti
ui Prüfspannungswert zum Zeitpunkt ti
214 4 Teilentladungsmessung

φi  hasenwinkel der Prüfspannung zum Zeitpunkt ti Diese Parameter gewähr-


P
leisten nicht nur eine Bewertung aller in IEC 60270:2000 empfohlenen
PD-Kenngrößen, siehe Abschn. 4.1.2, sondern ermöglichen auch eine
umfassende Analyse der sehr komplexen PD-Phänomene mit Hilfe folgender
Funktionen:• Statistische Analyse basierend auf phasenaufgelösten
2D- und 3D-PD-Mustern und Pulssequenzmustern zur Klassifizierung und
Identifizierung von PD-Quellen sowie zur Eliminierung elektromagnetischer
Störungen.
• Klassifizierung der PD-Impulse in homogene Familien, basierend auf
der Impulsform-Analyse und Frequenzspectrums-Analyse, um die
charakteristischen Muster von PD-Ereignissen verschiedener dielektrischer
Fehlstellen voneinander zu unterscheiden.
• Lokalisierung von PD-Fehlstellen in Energiekabeln und gasisolierten Schalt-
anlagen mit Hilfe der Zeitbereichsreflektometrie sowie Ortung und Identi-
fizierung von PD-Fehlstellen in den Wicklungen von rotierenden elektrichen
Maschinen und Leistungstransformatoren mit Hilfe von Mehrkanal-PD-Mess-
verfahren.
Weitere Details zu den Möglichkeiten Computer-basierter (digitaler) PD-Mess-
systemen, wie beispielhaft in Abb. 4.33 gezeigt, werden in den Abschn. 4.4–4.8
erörtert.

Abb. 4.33 Ansicht eines Computer-basierten PD-Messsystems. (Mit freundlicher Genehmigung


von Doble Lemke)
4.3 PD-Impulsladungsmessung 215

4.3.5 Kalibrierung von PD-Messkreisen

Das Ziel der Kalibrierung von PD-Messkreisen besteht darin, den Skalenfaktor
Sf zu bestimmen, der erforderlich ist, um die scheinbare Ladung qa von PD-
Impulsen aus dem Anzeigewert Mp des PD-Messgeräts oder aus der Amplitude
der PD-Impulse, die auf dem Bildschirm eines Oszilloskops oder eines Computers
erscheinen, abzuleiten. Zu diesem Zweck wird eine bekannte Kalibrierladung q0 in
die Prüflingsklemmen eingespeist. Vorausgesetzt, dies führt zur Anzeige M0, dann
kann die scheinbare Ladung mit der folgenden Beziehung berechnet werden:
q0
qa = · Mp = Sf · Mp . (4.25)
M0
Das Kalibrierverfahren basiert auf der Tatsache, dass jedes PD-Ereignis eine
Spannungsstufe Va über der Prüflingskapazität Ca verursacht, die zwischen den
Prüflingsklemmen nachweisbar ist, siehe Abschn. 4.2. Eine äquivalente Reaktion
erfolgt, wenn eine Kalibrierladung in die Klemmen des Prüfobjekts injiziert wird,
wie in Abb. 4.34 dargestellt (Lemke et al. 1996; Lukas et al. 1997).
Beispiel Angenommen, eine Kalibrierladung von q0 = 20 pC wird in die Klemmen des
Prüfobjekts injiziert und verursacht eine Ablenkung von 5,4 div auf dem Display eines
Oszilloskops, das mit dem Ausgang des PD-Instruments verbunden ist. Der Skalenfaktor
beträgt dann Sf = 20 pC/5,4 div = 3,7 pC/div. Bei einer tatsächlichen PD-Prüfung, bei der
ein aufgezeichneter PD-Impuls eine maximale Ablenkung von 8,6 div verursacht, beträgt
die scheinbare Ladung des registrierten TE-Impulses qa = (3,7 pC/div) × 8,6 div ≈ 32 pC.

In der Praxis werden die Kapazitäten C01 und C02, wie in Abb. 4.34 gezeigt, nur
durch nur einen einzigen Kalibrierkondensator C0 ersetzt, der üblicherweise
zwischen dem internen Impulsgenerator des Kalibrators und dem HV-Anschluss

Prüfobjekt

Koppel
Kalibrator
kondensator
C 02 Ck
PD-Defekt
Ca

Messimpedanz
C 01
Zm

Abb. 4.34 Prinzip des in IEC 60270:2000 spezifizierten Kalibrierungsverfahrens zur


Bestimmung des Skalenfaktors von PD-Messsystemen
216 4 Teilentladungsmessung

HV-Anschlussklemme

Prüfobjekt

Erdleitung (Flachbandkabel)

Kalibrator

Abb. 4.35 PD-Kalibrator angeschlossen an die HV-Klemme eines 20 kV-Instrumenttrans-


formators

des Prüfobjekts angeschlossen wird, um die Kalibrierladung einzuspeisen, siehe


Abb. 4.35.
Als Messbeispiel betrachten Sie die in Abb. 4.36b gezeigten Oszilloskop-
Aufzeichnungen. Hier wurde eine Stufenspannung (CH1), die häufig durch ein
PD-Ereignis verursacht wird, in die Hochspannungsklemme einer kapazitiv
gesteuerten 110-kV-Transformatordurchführung eingespeist. Dieses Signal
erschien differenziert an der C/tanδ-Klemme (CH2), was auf die Hochpass-
filtereigenschaften des Übertragungsweges zurückzuführen ist, der durch die
Reihenschaltung der hochspannungsseitigen Kapazität von etwa 200 pF mit der
der resistiven Messimpedanz von 50 Ω Messwiderstand gebildet wird. Unter
dieser Bedingung erreicht die charakteristische Anstiegs-Zeitkonstante des aus-
gekoppelten Impulses (CH2) etwa10 ns. Dieses Signal wurde mit Hilfe eines PD-
Messgeräts integriert (CH3), um ein Signal zu reproduzieren, das proportional zur
Ladung des eingespeisten Stufenimpulses ist und im Prinzip vergleichbar ist mit
einem realen PD-Ereignis in der zu prüfenden Kondensatordurchführung.
Um reproduzierbare PD-Prüfergebnisse zu gewährleisten, wurden die Zeit-
und Amplitudenparameter der Rechteck-Spannung von PD-Kalibratoren in der

≦ 60 ns; Einschwingzeit ts ≦ 200 ns; Dauer td ≧ 5 µs; Toleranz ΔV ≦ 0.03 V0  


Änderung zu IEC 60270:2000 wie folgt spezifiziert(Abb. 4.37): Anstiegszeit: tr

Anstiegszeit: tr ≤ 60 ns
Einschwingzeit: ts ≤ 200 ns
Dauer der Rechteck-Spannung: td ≥ 5 µs
Absolute Spannungsabweichung: V ≤ 0,03 Vo
Um mögliche Verzerrungen der Rechteckspannungs-Antwort zu minimieren, die
bei vergleichsweise hoher kapazitiver Last auftreten können, sollte der Kalibrier-
4.3 PD-Impulsladungsmessung 217

(a)

Prüfobjekt
(110-kV-Konensator-
Durchführung)

Kalibrator CH1

C/tanδ-Messklemme
C0 (Bushing Tap)
CH2
CH3
C1 elektronischer
Integrator
C2 Messimpedanz

(b)

CH1

1 V/Teilung

CH2

CH3

100 mV/Teilung

20 mV/Teilung

100 ns/Teilung

Abb. 4.36 Versuchsanordnung zur Messung der Rechtecksprung-Antwort einer 110-kV-


Kondensatordurchführung (a) und charakteristische Oscillogramme von Spannungssignalen,
die in die HV-Klemme eingespeist wurde (CH1) und an der niederspannungsseitigen C/tanδ-
Klemme (CH2) sowie am Ausgang „Scheinladung“ des angeschlossenen PD-Messgeräts (CH3)
(b) erfaßt wurden

kondensator C0 nicht größer als 200 pF gewählt werden. Zusätzlich sollte die
Bedingung C0 ≤ 0,1 Ca erfüllt sein, um die vollständige Ladungsübertragung auf
die Testobjektkapazität Ca zu gewährleisten.
218 4 Teilentladungsmessung

Spannung

V0 + V
1,0 V0
0,9 V0 V0 - V

0,1 V0
tr ts Zeit
td
t0
t0 Ursprung der Rechteck-Spannug td Dauer der Rechteck-Spannung
tr Anstiegszeit V0 Größe der Schrittspannung
ts Einschwingzeit der Rechteck- V Maximal zulässige Abweichung
Spannung der Rechteck-Spannung

Abb. 4.37 Zeit- und Amplitudenparameter der Rechteck-Spannung, für PD-Kalibratoren spezi-
fiziert in der Änderung / Ergänzung zu IEC 60270:2000, die 2015 veröffentlicht wurde

4.3.6 Systemprüfungen von PD-Kalibratoren

Um die Einhaltung der charakteristischen Zeit- und Spannungsparameter von


PD-Kalibratoren zu gewährleisten, ist gemäß der Änderung /Ergänzung von IEC
60270:2000 eine turnusgemäße Überprüfung dieser Kennwerte erforderlich. Der
einfachste Ansatz diesbezüglich wäre die Injektion der Kalibrieradung q0 in einen
Messkondensator Cm, siehe Abb. 4.38a. Um den gesamten Ladungstransfer zum
Messkondensator Cm zu bewerkstelligen, der erforderlich ist, um die Beziehung
q0 = Cm · Vm , anzuwenden, muss die Bedingung Cm ≥ 100 C0 erfüllt sein.
Wenn beispielsweise der Kalibrator mit einem Kondensator von C0 = 100 pF aus-
gestattet ist, sollte der Messkondensator so groß wie Cm ≥ 10 nF gewählt werden.
Wenn jedoch ein herkömmlicher Folienkondensator verwendet wird, um eine
hohe Temperaturstabilität zu gewährleisten, kann die Stirn des Rechteckimpulses
aufgrund der inhärenten induktiven Komponente drastisch verzerrt werden, wie
exemplarisch in Abb. 4.38b gezeigt. Dieses Messbeispiel bezieht sich auf eine
Kalibrierladung von q0 = 120 pC, die über einen 100 pF Kalibrierkondensator in
einen 20 nF Messkondensator eingespeist wurde. Um derartige Verzerrungen zu
vermeiden, sollte ein geeigneter Dämpfungswiderstand Rd zwischen Kalibrator
und Messkondensator geschaltet werden, was zu einer Antwort führt, die mit der in
Abb. 4.38c vergleichbar ist. Eine weitere Möglichkeit, die effektive Induktivität zu
reduzieren, ist die Verwendung mehrerer Messkondensatoren in Parallelschaltung.
Das Hauptproblem des in Abb. 4.38a gezeigten Kalibrierkreises besteht
darin, dass Kalibrierladungen unter etwa 50 pC mit herkömmlichen Digital-
oszilloskopen kaum gemessen werden können, da eine Kalibrierladung von
4.3 PD-Impulsladungsmessung 219

(a) CH1 CH2


Kalibrator

C0 Rd

Rechteck- Cm
spannungs- V m
Generator

(b) (c)

CH1: 500 mV/Teilung CH1: 500 mV/Teilung

CH 2:5 mV/Div CH 2:5 mV/Div

Zeitskala 20 ns/Div Zeitskala 20 ns/Div

Abb. 4.38 Prinzipschaltung zur Messung der Kalibrierladung (a) und typische Oszilloskop-Auf-
zeichnungen bei Verwendung der Dämpfungswiderständet Rd = 50 Ω (b) und Rd = 390 Ω (c)

z. B. q0 = 50 pC, eingespeist in einen 10 nF Messkondensator, einen Spannungs-


sprung von nur Vm = 5 mV, ergibt, d. h. eine Spannungsänderung von nur 0,2
mV muss erkannt werden, um eine angemessene Messgenauigkeit zu erreichen.
Alternativ kann ein elektronischer Integrator eingesetzt werden, um die Mess-
empfindlichkeit entsprechend zu erhöhen (Lemke 1996). Ein schematisches Dia-
gramm einer solchen Schaltung ist in Abb. 4.39 dargestellt, das die vollständige
Ladungsübertragung vom Kalibrator auf den Kondensator Cm , sicherstellt, selbst
wenn die Messkapazität Cm um das 100-fache reduziert wird, d. h. von ursprüng-
lich 10 nF auf etwa 100 pF, wobei dieser dem Wert des Kalibrierkondensators C0
entspricht. Wie aus den oszilloskopischen Aufzeichnungen in Abb. 4.39 ersicht-
lich ist, die sich auf eine Ermittlung der Kalibrierladung von ca. 3 pC beziehen,
wird eine ausreichend hohe Spannungsstufe von ca. 30 mV erreicht, die bequem
mit der gewünschten Genauigkeit gemessen werden kann, insbesondere wenn das
Oszilloskop mit einem Averaging-Tool zur Mittelwertbildung ausgestattet ist. In
diesem Zusammenhang sollte auch beachtet werden, dass trotz des vergleichs-
weise geringen Wertes der Integrationskapazität von nur 100 pF die Abklingzeit-
konstante des gemessenen Signals ausreichend hoch ist (Abb. 4.39c), so dass das
aufgezeichnete Spannungssignal CH2 während der Aufzeichnungszeit, die als
10 μs gewählt wurde, nur geringfügig abnimmt und somit der Mindestdauer td
der Schrittspannungsantwort entspricht, die in der Änderung /Ergänzung zu IEC
60270:2000 angegeben ist.
220 4 Teilentladungsmessung

(a) CH1
Cm
CH2
Kalibrator

C0 Rd

Rechteck-
spannungs-
Generator elektronischer V m
Integrator

(b) (c)

Abb. 4.39 Prinzipschaltung zur Messung der Kalibrierladung mittels elektronischem Integrator
(a) und typische Signale, die bei einer Zeitskala von 100 ns/div (b) und 1 μs/div (c) auf-
gezeichnet wurden

(a) (b)
CH1 CH2 CH3
Kalibrator CH1: 200 mV/Teilung

C0
CH2: 0,4 mA/Teilung

Rechteck-
Spannungs- Rm vm(t)
Digital-
Generator
Oszilloskop CH3: 200 mV/Teilung

Zeitskala: 100 ns/Div

Abb. 4.40 Schaltungsanordnung zur Messung der Kalibrierladung q0 mittels numerischer


Integration (a) und typische Oszilloskop-Aufzeichnungen (b) erhalten für eine Kalibrierladung
von q0=150 pC, die in einen Messwiderstand von 50 Ω eingespeist wurde q0 = 150 pC

Eine weitere in IEC 60270:2000 empfohlene Option ist die Einspeisung der
Kalibrierladung in einen Messwiderstand Rm, wie in Abb. 4.40a dargestellt.
Offensichtlich stellt die Reihenschaltung von C0 und Rm einen Hochpassfilter dar,
sodass die vom eingespeisten Strom verursachte zeitabhängige Spannung vm (t),
die über Rm abfällt, erneut integriert werden muss, um die Kalibrierladung q0 zu
bestimmen. Zu diesem Zweck wird üblicherweis ein Digitaloszilloskop mit einer
4.3 PD-Impulsladungsmessung 221

Funktion für die numerische Integration eingesetzt, wobei der A/D-Wandler eine
vertikale Auflösung von nicht weniger als 10 Bits bei einer Abtastrate von 50 MS/s
haben sollte, um eine ausreichende Auflösung des Eingangssignals zu erreichen.
Zusätzlich sollte die analoge Bandbreite nicht niedriger als 50 MHz sein, und es
sollten nur Digitaloszilloskope verwendet werden, die gemäß IEC 61083-1:2002
kalibriert sind.

4.3.7 Prüfungen zum Nachweis der Einhaltung der


spezifizierten Kennwerte von PD-Messsystemen

Die dritte Ausgabe von IEC 60270:2000 empfiehlt die folgenden Prüfungen, um
die Einhaltung der spezifizierten Kennwerte des PD-Messsystems nachzuweisen
1. Die routinemäßige Kalibrierung des gesamten PD-Messsystems, das an den
HV-Prüfkreis angeschlossen ist. Diese sollte unmittelbar vor einem PD-Test
durchgeführt werden, wobei die Kalibrierung den Skalenfaktor Sf für das
gesamte PD-Messsystem angeschlossen an den Prüfling liefert. Heutzutage
wird dieses Verfahren hauptsächlich verwendet, um die Aussteuerung des
PD-Messgeräts so anzupassen, damit eine direkte Anzeige der PD-Ladungs-
werte in pC erfolgt, wobei der Skalenfaktor Sf vorzugsweise auf gradzahlige
Werte (z. B. 1, 2, 5, 10, 20…) abgestimmt sein sollte. Für diese routinemäßige
Kalibrierung gibt es keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zur IEC 270,
die 1981 herausgegeben wurde.
2. Die Bestimmung der spezifizierten technischen Kennwerte des gesamten PD-
Messsystems mindestens einmal im Jahr oder nach einer größeren Reparatur.
3. Die Kalibrierung des PD-Kalibrators selbst, wie oben dargestellt.
Im Allgemeinen müssen die Hersteller von PD-Messgeräten die erforderlichen
Richtlinien für die Überprüfung der angegebenen technischen Kennwerte bereit-
stellen. Unabhängig von solchen Richtlinien empfiehlt die aktuelle (dritte)
Ausgabe von IEC 60270:2000 zusätzliche Prüfverfahren, bei denen die Ergeb-
nisse in einem Prüfprotokoll (Record of Performance – RoP) erfasst werden.
das vom Benutzer eingerichtet und gepflegt wird. DerRoP sollte die folgenden
Informationen enthalten:
• Nominale Eigenschaften (Identifikation; Betriebsbedingungen, Messbereich,
Versorgungsspannung)
• Ergebnisse der Typprüfung
• Ergebnisse der Routineprüfung
• Ergebnisse der Systemprüfung (Datum und Uhrzeit)
• Ergebnisse der Systemüberprüfung (Datum und Uhrzeit; Ergebnis: bestanden/
nicht bestanden: wenn nicht bestanden: ergriffene Maßnahme)
Systemprüfungen von PD-Messsystemen und PD-Kalibratoren müssen ein-
mal als Abnahmetests durchgeführt werden sowie jährlich oder nach jeder
222 4 Teilentladungsmessung

größeren Reparatur, jedoch mindestens alle 5 Jahre. Systemüberprüfungen


müssen mindestens einmal im Jahr durchgeführt werden. Um die Einhaltung der
technischen Kennwerte der PD-Messgeräte, nachzuweisen, sollten die folgenden
Prüfungen durchgeführt werden:
a) Typprüfungen sind vom Hersteller durchzuführen und sollen für ein PD-Mess-
system einer Serie durchgeführt werden und mindestens die Bestimmung der
folgenden Parameter umfassen:
– Die frequenzabhängige Übertragungsimpedanz Z(f) sowie die untere und
obere Grenzfrequenz f1 und f2 über einen Frequenzbereich, in dem die
Amplitude auf 20 dB des Bandpasswertes abgefallen ist;
– Der Skalenfaktor k durch Einspeisung von Kalibrierimpulsen von mindestens
drei verschiedenen Impulsladungsmagnituden im Bereich von 10 bis 100 %
der Vollaussteuerung des PD-Messgerätes bei einer Impulswiederholungsrate
n von etwa 100 s−1. Um die Linearität des PD-Messgeräts nachzuweisen,
soll die Abweichung von k vom Erwartungswert weniger als 5 % betragen;
– Die Doppelimpuls-Auflösungszei Tr durch Anwendung von Kalibrier-
impulsen konstanter Ladung, aber abnehmendem Zeitintervall zwischen
zwei kurzzeitig aufeinanderfolgenden Impulsen bei gleichbleibender
Impulswiederholrate, z. B. von N = 100 s-1;
– Die Anzeige abhängig von der Impulswiederholrate für N zwischen 1 s−1
und >100 s−1.
b) Routineprüfungen sind vom Hersteller durchzuführen und müssen alle
Prüfungen umfassen, die in der unten genannten Systemprüfung durchgeführt
werden. Routineprüfungen müssen für jedes Messsystem einer Serie durch-
geführt werden. Wenn die Prüfergebnisse vom Hersteller nicht verfügbar sind,
müssen die dazu erforderlichen Prüfungen vom Benutzer arrangiert werden.
c) Systemprüfungen sollen die Bestimmung der folgenden Parameter umfassen:
– Die frequenzabhängige Übertragungsimpedanz Z(f) sowie die untere und
obere Grenzfrequenz f1 und f2 über einen Frequenzbereich, in dem sie auf 20
dB vom Spitzenbandpasswert abgefallen ist.
– Die Linearität des Skalenfaktors k ist zwischen 50 % der niedrigsten und
200 % der höchsten zu messenden scheinbaren Ladung. Bei Einspeisung
von Kalibrierimpulsen variabler Ladung mit einer Wiederholungsrate
von ungefähr n = 100 s−1 darf die Abweichung des Skalenfaktors k vom
Erwartungswert nicht mehr als 5 % variieren.
d) Systemüberprüfungen sollen die Bestimmung der Übertragungsimpedanz Z(f)
bei einer ausgewählten Frequenz im Bandpassbereich umfassen, um zu über-
prüfen, dass der Wert nicht mehr als 10 % von dem in der Systempüfung
ermittelten Wert abweicht.
Um die Einhaltung der im Standard IEC 60270:2000 spezifizierten Kennwerte von
PD-Kalibratoren nachzuweisen, sollten die folgenden Prüfungen durchgeführt
werden:
4.3 PD-Impulsladungsmessung 223

a) Typprüfungen sind vom Hersteller durchzuführen und sollen für einen PD-
Kalibrator einer Serie durchgeführt werden. Typprüfungen sollen mindestens
alle Prüfungen umfassen, die für eine Systemprüfung erforderlich sind. Wenn
die Ergebnisse von Typprüfungen nicht vom Hersteller verfügbar sind, sollen
die erforderlichen Prüfungen zur Ermittlung der technischen Parameter von
PD-Kalibratoren vom Benutzer arrangiert werden.
b) Routineprüfungen sind vom Hersteller durchzuführen und sollen alle Prüfungen
umfassen, die für eine Systemprüfung erforderlich sind. Routineprüfungen
sollen vom Hersteller für jedes Messsystem einer Serie durchgeführt werden.
Wenn die Prüfergebnisse nicht vom Hersteller verfügbar sind, sollen die
erforderlichen Prüfungen vom Benutzer arrangiert werden.
c) Systemprüfungen sollen die Bestimmung der folgenden Parameter umfassen:
– Tatsächlicher Wert der Kalibrierladung q0 für alle Nennwerteinstellungen,
wobei eine Messunsicherheit von 5 % oder 1 pC, je nachdem was größer ist,
akzeptabel ist.
– Anstiegszeit tr der Rechteck-Spannung U0, wobei eine Messunsicherheit von
10 % akzeptabel ist.
– Impulswiederholungsfrequenz N, wobei eine Messunsicherheit von 1 %
akzeptabel ist.
d) Systemüberprüfungen umfassen die Bestimmung der tatsächlichen Werte der
Kalibrierladung q0 für alle Nennwerteinstellungen, wobei eine Messunsicher-
heit von 5 % oder 1 pC, je nachdem was größer ist, akzeptiert wird.

4.3.8 PD-Prüfverfahren

Das Hauptziel von PD-Prüfverfahren gemäß IEC 60270:2000 ist es, die Integrität
von Isoliersystemen von HV-Geräten und deren Komponenten nachzuweisen. Die
Prüfverfahren, die für Qualitätssicherungstests nach der Herstellung und Reparatur
von Hochspannungsgeräten und der zugehörigen Komponenten angewendet
werden, sowie die Prüfspannungspegel und die tolerierbare scheinbare Ladung
der erfaßten PD-Impulse, die auf langjähriger Erfahrung basieren, werden für jede
Art von HV-Gerät vom zuständigen Technischen Kommittee festgelegt. Da die
Prüfverfahren für verschiedene HV-Geräte variieren, wird im Folgenden nur eine
typische Anwendung vorgestellt, die sich auf die PD-Prüfung eines einphasigen
Leistungstransformators mit induzierter Spannung bezieht, basierend auf dem in
Abb. 4.41 skizzierten Prüfkreis.
Das häufig angewendete PD-Prüfverfahren kann im Allgemeinen in die
folgenden Schritte unterteilt werden:

a) Konfiguration des HV-Prüf-und Messkreises:

Um die Auswirkungen elektromagnetischer Störungen zu minimieren, sollte


der zu prüfende Transformator gut geerdet sein. Darüber hinaus wird dringend
224 4 Teilentladungsmessung

C/tanδ-Messklemme
PD-Messsystem
Kalibrator C1 Messimpedanz
PD-Signal

Tiefpassfilter
C2 AC-Signal
Einphasen
transformator

AC-Prüf
spannungs
versorgung

Abb. 4.41 Anordnung zur PD-Messung eines Leistungstransformator, mit induzierter Spannung
bei Auskopplung der PD-Impulse über die C/tanδ-Messklemme der HV-Kondensatordurch-
führung

empfohlen, zur Einspeisung der Prüfspannung in die unterspannungsseitige


Durchführung einen Tief-passfilter zu verwenden. Bei Verwendung der C/tanδ-
Messklemme zur PD-Signalauskopplung sollte die Messimpedanz so nah wie
möglich am Prüfobjekt angebracht werden und über das Messkabel sowie zusätz-
lich über eine parallel angeschlossene Erdungsverbindung aus Cu- oder Al-Folie
mit dem PD-Messgerät verbunden sein. Außerdem sollten großflächige HV-
Abschirmelektroden verwendet werden, um die Zündung störender Koronaent-
ladungen zu verhindern, siehe Abb. 4.41 und 4.42. Darüber hinaus muss darauf
geachtet werden, dass die Oberfläche der Durchführungsporzellane gereinigt
und getrocknet ist, um Störeinflüsse durch Oberflächenentladungen zu ver-
meiden. Um phasenaufgelöste PD-Muster aufzuzeichnen, sollte zusätzlich zum
PD-Signal eine der Prüfspannung proportionale Wechselspannung als Referenz
aufgezeichnet werden, die ebenfalls der Messimpedanz, angeschlossen an die C/
tanδ-Messklemme entnommen werden kann, wie in Abschn. 4.3.1 berichtet und in
Abb. 4.22 dargestellt.

b) Einstellung des Messfrequenzbereichs:

Bei induktiven Prüfobjekten großer Abmessungen, wie Höchstspannungs-


Leistungstransformatoren, wird der Frequenzgehalt des detektierbaren PD-Signals,
das von der PD-Quelle bis zur C/tanδ-Messklemme der HV-Kondensatordurch-
führung übertragen wird, drastisch reduziert. Daher sollte die obere Grenz-
frequenz f2 vorzugsweise unter 300 kHz gewählt werden, während die untere
Grenzfrequenz f1 unter 100 kHz eingestellt werden sollte, um eine PD-Signalver-
arbeitung in einem breitbandigen Frequenz-Bereich zu gewährleisten. Wenn f1
4.3 PD-Impulsladungsmessung 225

Abb. 4.42 Abschirmelektroden, die am Hochspannungspol der Kondensatordurchführung eines


500 kV-Einphasentransformators montiert sind, um störende Koronaentladungen zu verhindern

jedoch deutlich unter 100 kHz reduziert wird, können aufgrund einer möglichen
Eisenkernsättigung sowie anderer kernbezogener Störungen und sogar Ober-
wellen, die der sinusförmigen Erregerspannung überlagert sind, erhebliche Stör-
beeinflussungen auftreten.
c) PD-Kalibrierung:

Das Hauptziel des Kalibrierungsverfahrens besteht darin, das Verhältnis zwischen


der Kalibrierungsladung q0, die in den Hochspannungspol der 500-kV-Durch-
führung eingespeist wird, und den Anzeigewert M0 des PD-Instruments zu
bestimmen, das den Skalenfaktor Sf liefert, wie in Abschn. 4.3.5 erwähnt. Die
Erdungsverbindung zwischen Kalibrator und Transformatortank sollte eine
geringe Induktivität aufweisen und daher so kurz wie möglich gehalten werden.
Um die Linearität des PD-Messsystems nachzuweisen, sollten Kalibrierungs-
ladungen unterschiedlicher Größe eingespeist werden. Wenn beispielsweise die
volle Aussteuerung (100 %) des PD-Instruments für eine Kalibrierladung von 200
pC erhalten wird, wird empfohlen, die Kalibrierladung anschließend auf 100 pC
und danch mindestens auf 50 pC zu reduzieren. Unter dieser Bedingung sollte
die Abweichung des Anzeigewertes weniger als 10 % vom Erwartungswert sein.
Nach Abschluss des Kalibrierverfahrens muss darauf geachtet werden, dass der
Kalibrator vom Prüfobjekt entfernt wird, um Schäden zu vermeiden, wenn die HV-
Prüfspannung eingeschaltet wird.
226 4 Teilentladungsmessung

Prüfspannungspegel

PD 3
V3

PD 2 PD 4 PD 5 PD n-1 PD n
V2

PD 1
V1

Testzeit 1h

Abb. 4.43 Profil der HVAC-Prüfspannung empfohlen in der IEEE-Norm C57.113 für die PD-
Prüfung von Leistungstransformatoren und Shuntreaktoren gefüllt mit Isolierflüssigkeit

d) Tatsächliche PD-Prüfung unter HVAC-Spannung:

Das zu verwendende Prüfspannungsprofil für Qualitätssicherungstests ist in


den entsprechenden Gerätenormen festgelegt. Ein typisches Messbeispiel ist
in Abb. 4.43 dargestellt, das sich auf die IEEE-Norm C57.113: 2010 bezieht.
Zunächst muss die induzierte Wechselspannung auf etwa 50 % der Nennspannung
V1 erhöht werden, um den Grundstörpegel bei erregtem Transformator, gemessen
in pC, zu bestimmen. Dieser sollte den 50 %-Wert der im Gerätestandard spezi-
fizierten scheinbaren Ladung, die akzeptiert wird, nicht überschreiten. Danach
muss die Prüfspannung auf den angegebenen 1-Stunden-Prüfwert V2 erhöht und
für einige Minuten konstant gehalten werden, um festzustellen, ob es irgend-
welche PD-Probleme gibt. Wenn nicht, muss die Prüfspannung dann auf die
höchstzulässige Prüfspannung V3 erhöht und für 7200 Zyklen konstant gehalten
werden, um den PD-Trend zu beobachten.
Hinweis Da HVAC-Prüfspannungen, die deutlich höher als die Nennspannung sind,
angewendet werden, muss die Erregerfrequenz entsprechend erhöht werden. Dies kann
durch die Verwendung von HVAC-Prüfsätzen mit variabler Prüffrequenz realisiert
werden. Aus diesem Grund wird die Prüfdauer bei der höchsten Prüfspannung in Zyklen
ausgedrückt. Wenn beispielsweise eine Prüffrequenz von 120 Hz angewendet wird, ent-
sprechen 7.200 Zyklen einer Prüfdauer von 60 s. Weitere Details hierzu finden Sie in
Abschn. 3.2.5.

Schließlich wird die angewendete HVAC-Prüfspannung auf das 1-Stunden-


Prüfpannungsniveau V2 reduziert. Unter dieser Bedingung wird die scheinbare
Ladung in fünfminütigen Abständen aufgezeichnet, wobei die Aufzeichnungs-
dauer bei jedem Prüf-Intervall auf etwa 1 Minute begrenzt werden kann.

e) Auswertung der PD-Prüfergebnisse:

Wie im oben genannten IEEE-Standard C57.113 angegeben, hat der Trans-


formator die PD-Prüfung bestanden, wenn der Mittelwert der PD-Impulse mit der
höchsten scheinbaren Ladung, ausgedrückt in pC und während des 1-Stunden-
Prüfintervalls aufgezeichnet,
4.4 PD-Fehlerlokalisierung 227

• unter einem festgelegten pC-Wert liegt,


• innerhalb eines festgelegten zulässigen Toleranzbandes liegt,
• keinen stetig ansteigenden Trend aufweist und
• während der letzten 20 min des 1-Stunden-Prüfzeitraums nicht plötzlich
ansteigt.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass während der oben
genannten 5-Minuten-Prüfintervalle sporadische Störimpulse auftreten können,
beispielsweise durch das Schalten von Kränen. Wenn die PD-Prüfergebnisse nicht
den festgelegten Grenzwerten entsprechen, sollte nicht sofort geurteilt werden,
dass der Transformator die PD-Prüfung „nicht bestanden“ hat, sondern Käufer und
Hersteller sollten zunächst über die weitere Vorgehensweise beraten.

4.4 PD-Fehlerlokalisierung

Um die PD-Gefährdung von HV-Geräten zu beurteilen, sollten neben der schein-


baren Ladung und der Wiederholungsrate der PD-Pulse auch der Ursprung der
PD-Quelle bekannt sein. Dies ist insbesondere für XLPE-isolierte Starkstromkabel
von Bedeutung, da die hochpolymere PE-Isolierung durch PD-Ereignisse mit
einer Intensität von nur wenigen pC irreversibel geschädigt werden kann. Daher
hat sich die Lokalisierung von PD-Fehlern seit den 1970er Jahren etabliert, als
kunststoffisolierte Kabel zunehmend in Energie-Verteilernetzen eingesetzt wurden
(Eager und Bahder 1967, 1969; Lemke 1975, 1979; Beinert 1977; Kadry et al.
1977; Beyer und Borsi 1977). Der Hauptvorteil der PD-Fehlerlokalisierung in
Energiekabeln besteht einerseits darin, dass die Ursache für typische PD-Defekte
geklärt werden kann, so dass die Technologie zur Herstellung solcher Kabel ver-
bessert werden kann. Andererseits muss bei einem einzelnen PD-Fehler nicht
die gesamte Kabellänge ausgetauscht werden, sondern nur der kurze Abschnitt,
der den PD-Defekt enthält. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei
Routineprüfungen die meisten erkannten PD-Fehler an den Kabelenden auftreten,
hauptsächlich aufgrund einer schlechten Montage, insbesondere des Stresskonus
für die Feldsteuerung.
Bei der Verwendung der sogenannten Zeitbereichsreflektometrie zur
Lokalisierung von PD-Fehlstellen muss zunächst die für das Kabel typische
Wanderwellengeschwindigkeit vc ermittelt werden. Als Messbeispiel betrachten
Sie Abb. 4.44a. Hier wurde ein Kalibrierimpuls in das Kabelende eingespeist, an
dem die PD-Koppeleinheit angeschlossen ist, was üblicherweise als nahes Kabel-
ende bezeichnet wird. Da sich elektrisch lange Kabel wie ein elektromagnetischer
Wellenleiter verhalten, breitet sich der am nahen Ende eingespeiste Impuls
zunächst mit der Wellengeschwindigkeit vc zum fernen Kabelende aus, wo das
Signal reflektiert wird und danach wieder zum nahen Kabel Ende zurückkehrt.
Folglich ist ein zweiter Impuls am nahen Kabelende nach einer Zeitspanne tc
erkennbar, die für das zweimalige Durchlaufen der gesamten Kabellänge erforder-
228 4 Teilentladungsmessung

(a)

Stromkabel
lc
im Test
x
t
Koppel
kondensator tc
Ck

Kalibrator
Zm Vm

Messimpedanz

(b) xr

lc

Tiefpass
filter
tr
tc
Ck

HV-Prüf-
spannungs-
quelle Zm Vm

Abb. 4.44 Prinzip der PD-Fehlerlokalisierung in elektrisch langen Kabeln. a Bestimmung der
Wanderwellengeschwindigkeit. b Verwendung der Zeitbereichsreflektometrie (Time-Domain-
Reflectometry – TDR) zur Lokalisierung einer PD-Fehlerstelle

lich ist, d. h. 2 ∙ lc. Daher kann die Wanderwellengeschwindigkeit einfach mit der
folgenden Beziehung berechnet werden
2lc
vc = (4.26)
tc.
Vorausgesetzt, ein PD-Fehler befindet sich in einer Entfernung xn vom nahen
Kabelende, dann würde sich der PD-Impuls vom Ursprungsort in beide
Richtungen ausbreiten, d. h. direkt zum nahen Kabelende innerhalb der Zeit-
spanne tn und auch zum fernen Kabelende innerhalb der Zeitspanne tr, wo er
reflektiert wird, siehe 4.44b. Der reflektierte Impuls durchläuft somit zweimal die
Entfernung xr zwischen PD-Stelle und entferntem Kabelende und danach zusätz-
lich die Entfernung xn, die auch vom direkten PD-Impuls durchlaufen wurde.
Basierend darauf kann geschrieben werden:
xr = 0,5 · vc · tr . (4.27)
4.4 PD-Fehlerlokalisierung 229

lc − xr = 0,5 · vc (tc − tr ). (4.28)


Heutzutage verfügen die meisten computerisierten PD-Messsysteme über
Funktionen zur Zeitbereichsreflektometrie (Time-Domain Reflectometry – TDR),
um PD-Fehlerstellen in Energiekabeln zu lokalisieren (Lemke et al. 1996, 2001).
Die Hauptaufgabe besteht darin, den Zeitunterschied tr zwischen dem direkten
und dem reflektierten PD-Impuls so genau wie möglich zu messen. Dies erfordert
eine A/D-Wandlung mit einer Abtastrate von nicht weniger als 100 MS/s und einer
Signalauflösung von 10 bit. Um den gesamten PD-Datenstrom aufzuzeichnen,
der während einer einzigen Halbperiode einer 50-Hz-Prüfspannung auftritt, sollte
die Speichertiefe im GByte-Bereich liegen. Die Gesamtbandbreite sollte einen
Frequenzbereich zwischen etwa 50 kHz und 20 MHz abdecken.

tc

(a) Kalibrierungsreflektogramm (b) gezoomtes Kalibrierungsreflektogramm

tPD

(c) PD-Pulsfolge (d) PD-Puls-Reflektogramm


Impulswertigkeit [V]

Störimpuls

Kabellänge (m)
2,7 m entfernt vom Kabelendverschluss 452 m (Kabelmuffe)
(e) PD-Fehler-Mappe

Abb. 4.45 Screenshots eines computergestützten PD-Fehlerlokalisierungssystems (Erläuterung


im Text)
230 4 Teilentladungsmessung

Ein weiteres praktisches Beispiel ist in Abb. 4.45 dargestellt, das sich auf einen
Vor-Ort-PD-Test eines XLPE-Stromkabels bezieht, das einer sogenannten DAC-
Testspannung ausgesetzt ist (Lemke et al. 2001). Hier wurde die Lokalisierung der
PD-Fehler ebenfalls mit Hilfe eines computergestützten PD-Messsystems durch-
geführt, das die folgenden Schritte umfasst:
a) Eingabe der Kabeldaten: Neben den grundlegenden Kabelparametern
(Hersteller, Typ und Isolierung des Kabels, Nennspannung, Betriebsspannung,
kürzlich durchgeführte Tests usw.) sollten hier auch die anzuwendenden Prüf-
spannungsparameter (Prüfspannungspegel, Anzahl der angelegten Prüfstöße
bei jedem Prüfspannungspegel) eingegeben werden, sowie die Kabellänge
und die Positionen der Garnituren (Kabelmuffen und Kabelendverschlüsse),
die besonders wichtig sind, um die PD-Defekte so genau wie möglich zu
lokalisieren.
b) Kalibrierung: Diese beinhaltet die Bestimmung sowohl der Messsensitivität als
auch der Wellengeschwindigkeit der PD-Impulse. Wie in Abb. 4.45a gezeigt,
können neben dem kalibrierenden Impuls, der am nahen Kabelende ein-
gespeist wird, mehrere Impulsreflexionen auftreten, von denen nur die erste von
Interesse ist. Daher wird dieses Signal gezoomt, wie aus Abb. 4.45b ersichtlich,
und die Cursor werden entsprechend von der Computersoftware eingestellt, um
das Zeitintervall tc und damit die Wellengeschwindigkeit vc auf der Grundlage
von Gl. (4.26) so genau wie möglich zu bestimmen.
c) PD-Messung: Aufzeichnung der aufeinanderfolgenden PD-Impulse, die inner-
halb eines vorgewählten Zeitintervalls auftreten (Abb. 4.45c), und Bewertung
der PD-Impulsmagnituden. Zu diesem Zweck wird jede PD-Impulsmagnitude
zunächst in Volt angegeben, und auf dieser Grundlage wird die Impulsladung,
die bei jedem Prüfspannungsstoß auftritt, von der Software berechnet und
gespeichert, um eine statistische Analyse des Datenstroms durchzuführen.
d) PD-Fehlerlokalisierung: Um die Zeitbereichsreflektometrie (Time-Domain
Reflectometry – TDR) anzuwenden, werden nur die PD-Impulse extrahiert,
die innerhalb des Zeitintervalls tr ≤ 2 tc typische Reflexionen zeigen. Danach
werden diese Impulse gezoomt und die Cursor entsprechend eingestellt, um
das Zeitintervall zwischen jedem direkten und dem zugehörigen reflektierten
Impuls zu messen, siehe Abb. 4.45d. Auf dieser Grundlage wird der Abstand
zwischen der PD-Quelle und dem nahen oder dem entfernten Kabelende
bestimmt. Dieses Verfahren wird mehrmals wiederholt, um eine Mittelung
durchzuführen und damit die Messgenauigkeit zu erhöhen. Gelegentlich kann
eine digitale Filterung des erfassten Signals durchgeführt werden, um den Ein-
fluss von Funkstörspannungen auf die Prüfergebnisse zu minimieren.
e) PD-Mapping: Anzeige aller ermittelten Fehlerpositionen und der zugehörigen
Pulsladungsmagnituden entlang der Kabellänge. Ein typisches Messbeispiel
hierfür ist in Abb. 4.45e dargestellt, das sich auf ein 20-kV- XLPE-Kabel
von 480 m Länge bezieht, das zwei potenzielle PD-Defekte aufweist. Der
erste befindet sich 3 m vom nahen Ende entfernt und der zweite bei 452 m.
In der Regel wird die PD-Fehlerlokalisierung automatisch von der Software
4.4 PD-Fehlerlokalisierung 231

durchgeführt. Nur wenn eine Reparatur einer identifizierten Kabelmuffe oder


eines Kabelendverschlusses beschlossen wird, sollte zusätzlich die manuelle
Funktion angewendet werden, um die Gültigkeit der automatisch lokalisierten
PD-Fehlerstellen zu überprüfen. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch
in den Abschn. 7.1.3 und 10.2.2.2.
Für einige HV-Geräte kann auch die Messung der Ankunftszeit verwendet werden,
um defekte Komponenten eines Dreiphasensystems zu identifizieren. Ein Bei-
spiel dafür ist in Abb. 4.46 dargestellt, das sich auf einen Leistungstransformator
bezieht. Hier wurde das Breitband-PD-Signal gleichzeitig von den C-tanδ-
Messklemmen der Kondensatordurchführungen aller drei Phasen unter Ver-
wendung von Messimpedanzen mit einer Bandbreite von 20 MHz ausgekoppelt.
Die oszilloskopischen Aufzeichnungen zeigen, dass eine mögliche PD-Quelle
in der Phase „T“ auftritt, da das transiente PD-Signal zuerst erschien und eine
wesentlich höhere Amplitude aufwies, verglichen mit den Signalen, die von den
beiden anderen Phasen „R“ und „S“ ausgekoppelt wurden. Dies wurde durch eine
visuelle Inspektion bestätigt.
Die synchrone Dreiphasen-PD-Messung hat sich ebenfalls als ein praktikables
Werkzeug für die Diagnose von Kabelendverschlüssen im Betrieb erwiesen, wie
beispielsweise in Abb. 4.47 gezeigt. Wenn nur das zeitabhängige PD-Niveau auf-
gezeichnet wird, könnte man vermuten, dass die PDs in allen drei Kabelendver-
schlüssen auftreten. Wenn jedoch die phasenaufgelösten PD-Impulse abhängig
von der Aufzeichnungsdauer dargestellt werden, kann der defekte Endverschluß
eindeutig der Phase „rot“ zugeordnet werden, aufgrund der höchsten Impuls-
magnituden. Darüber hinaus erschienen die PD-Impulse, die von allen drei End-
verschlüssen ausgekoppelt wurden, bei Phasenwinkeln, die für alle drei Enden
gleich waren, was bedeutet, dass das erfasste Signal nur von einer einzigen PD-
Quelle abgestrahlt wurde. Diese Schlussfolgerung wurde schließlich durch eine
visuelle Inspektion bestätigt, nachdem der identifizierte Endverschluß demontiert
wurde. Nach dem Austausch des defekten Endverschlusses durch einen neuen
wurde kein kritisches PD-Niveau mehr erkannt.

Abb. 4.46 PD-Signale,


die gleichzeitig von den
drei Phasen (R, S, T) eines
Leistungstransformators über T
die C/tanδ-Messklemmen
der drei Kondensator-
Durchführungen
ausgekoppelt wurden R
S

Zeitskala: 100 ns/Div


232 4 Teilentladungsmessung

Phase „blau“ Phase „gelb“ Phase „rot“

Abb. 4.47 Charakteristische PD-Signaturen, die aus den drei Kabelendverschlüssen einer drei-
phasigen SF6-isolierten Schaltanlage ausgekoppelt wurden

Ein anderer Ansatz, um zwischen verschiedenen PD-Quellen zu unterscheiden,


ist die Darstellung typischer Cluster in einem 3-Phasen-Amplituden-Beziehungs-
diagramm, das auf einer synchronen Mehrkanal-PD-Messung basiert (Emanuel
et al. 2002). Eine Erweiterung dieser Methode ist die Darstellung sogenannter
Dreizentrenfrequenz-Beziehungsdiagramme, bei denen drei verschiedene
Frequenzen aus dem gesamten Spektrum eines einzelnen PD-Impulses aus-
gewertet und auf dem Bildschirm angezeigt werden. Diese Funktion liefert nicht
nur wertvolle Informationen über die Entladungsnatur selbst, sondern kann auch
zur Lokalisierung der PD-Fehlerstellen genutzt werden (Rethmeier 2009). Weitere
Details dazu finden Sie auch in Abschn. 4.6.
Ein weiteres vielversprechendes Werkzeug, das für die Lokalisierung
potenzieller PD-Defekte in HV-Geräten vorgeschlagen wurde, ist die sogenannte
Analyse der Impulsform. Diese basiert auf der Extraktion einer Reihe von PD-
Pulsparametern, wie der Anstiegszeit und der Abklingzeit sowie der PD-Pulsbreite
(Montenari 2009). Durch die Darstellung der charakteristischen Cluster wie Stern-
Diagramme können auch mehrere PD-Fehlstellen erkannt werden, wie auch in
Abschn. 4.6 dargestellt.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass neben den oben beschriebenen
elektrischen Methoden auch die Messung der akustischen Emission (AE) von
Schallwellen, angeregt durch PD-Ereignisse, weit verbreitet ist, insbesondere
um PD-Defekte in metallgekapselten HV-Geräten wie gasisolierte Schaltanlagen
(GIS) und gasisolierte Leitungen (GIL) sowie große Leistungstransformatoren
zu lokalisieren. Die Kombination von elektrischer und akustischer Methode kann
auch sehr effektiv sein, z. B. um das Nutz-Störsignal-Verhältnis zu verbessern.
Weitere Informationen hierzu finden Sie in Abschn. 4.8.
Auch wenn die Lokalisierung von PD-Fehlern heutzutage mit Hilfe fortschritt-
licher computergestützter PD-Messsysteme durchgeführt wird, sollte nicht über-
sehen werden, dass auch handelsübliche digitale Oszilloskope für diesen Zweck
bequem eingesetzt werden können. In diesem Zusammenhang sollte auch betont
4.5 Störsignalreduzierung 233

werden, dass viel praktische Erfahrung erforderlich ist, um zu entscheiden, ob


ein HV-Gerät mit hoher PD-Aktivität wirklich außer Betrieb genommen werden
muß oder weiter in Betrieb gehalten werden kann. Indiesem Falle sollte der PD-
Trend dauerhaft überwacht werden, um einen plötzlichen Anstieg der PD-Aktivi-
tät sofort zu erkennen und so einen unerwarteten Ausfall zu verhindern. Weitere
Informationen hierzu finden Sie in Abschn. 10.3.

4.5 Störsignalreduzierung

4.5.1 Quellen und Signaturen von Störsignalen

Die Amplitude des zu detektierenden PD-Signals liegt oft im mV-Bereich und


darunter und kann daher durch elektromagnetische Störungen in der Mess-
umgebung überdeckt werden. Um solche Störungen vom PD-Signal zu unter-
scheiden, müssen die Quellen und Signaturen typischer Störsignale bekannt sein.
Abhängig von der Art der Ausbreitung wird allgemein zwischen feldgebundene
Störsignale und leitungsgebundene Störsignale unterschieden.
Feldgebundene Störsignale, z. B. abgestrahlt von Radiosendern, erscheinen
in der Regel moduliert und gelangen über das elektromagnetische Feld in die
Meßumgebung, wo die HV-Elektroden und Messschleifen des PD-Prüfkreises wie
Antennen wirken. Darüber hinaus können auch Koronaentladungen in der Nähe
des Testbereichs, die an scharfen Kanten und Vorsprüngen auf der Oberfläche
von HV-Elektroden zünden und daher hochfrequente Signale abstrahlen, als feld-
gebundene Störsignale eingestuft werden.
Leitungsgebundene Störsignale können im Stromnetz oder auch in der HV-
Prüfanlage selbst durch Schaltvorgänge entstehen, die dadurch stochastisch oder
periodisch erscheinen. Diese werden über Leiter in den PD-Testbereich über-
tragen. Dies bezieht sich auch auf Funkenentladungen zwischen ungeerdeten
metallischen Teilen und somit auf schwimmendem Potential. Screenshots
typischer leitungsgebundener Störsignale, die häufig in PD-Testlabors auftreten,
werden in den Abb. 4.48 und 4.49 gezeigt.

4.5.2 Verfahren zur Reduzierung von Störsignalen

Um die Auswirkungen von feldgebundenen Störsignalen, z. B. abgestrahlt von


Rundfunksendern, auf PD-Messergebnisse zu minimieren, ist es üblich, elektro-
magnetisch gut-abgeschirmte Testlabors einzurichten, wie in Abschn. 9.2.2
beschrieben, wobei die grundlegenden Gesetze der HF-Technologie berücksichtigt
werden müssen. Insbesondere sollten Drahtschleifen, die als induktive Antennen
wirken, in der Querschnittsfläche so klein wie möglich gehalten werden, um die
234 4 Teilentladungsmessung

Abb. 4.48 Signaturen von stochastisch auftretenden Störsimpulsen. a Wartungsarbeiten (Bohr-


maschine), b Auto startet in der Nähe, c Schalten eines Krans im Testlabor

Induzierung störender HF-Spannungen aufgrund abgestrahlter Störsignale zu


minimieren. Darüber hinaus sollten die Erdungsanschlussleitungen ebenfalls
eine geringe Induktivität aufweisen, was am besten durch die Verwendung von
großflächiger Cu- oder Al-Folie erreicht wird.
Wenn PD-Testlabore nicht sorgfältig gegen elektromagnetische Störungen
abgeschirmt sind, kann es unter bestimmten Bedingungen hilfreich sein, die
abgeglichene Brückenschaltung gemäß Abb. 4.23c zu verwenden. Praktische
Erfahrungen haben gezeigt, dass für vergleichsweise kleine Prüfobjekte, wie z. B.
Messwandler und Durchführungen, das Signal-Rausch-Verhältnis um einen Faktor
von bis zu 10 verbessert werden kann. Für große Prüfobjekte, wie z. B. Leistungs-
transformatoren, ist diese Methode jedoch in der Regel nicht wirksam.
Eine Option der Brückenmethode ist die Puls-Polaritäts-Diskriminierung, die
ursprünglich von Black (1975) vorgeschlagen wurde und bei der kein Brücken-
abgleich erforderlich ist. Da die von beiden Brückenzweigen erfaßten PD-Impulse
4.5 Störsignalreduzierung 235

Abb. 4.49 Signaturen von periodisch auftretenden impulsartigen Störsignalen. a Metallpartikel


auf der Oberfläche einer HV-Abschirmungselektrode. b Scharfe Kante einer metallischen
Struktur auf Erdpotential. c Funken zwischen ungeerdeten metallischen Teilen. d Frequenz-
umrichter, der eine Resonanz-Prüfanlage mit variabler Frequenz erregt. e Defekte Xenonlampe
im Kontrollraum

in entgegengesetzter Polarität erscheinen, können diese bequem von elektro-


magnetischen Störungen unterschieden werden, da diese unipolar erscheinen.
Für große Prüfobjekte ist diese Methode jedoch in der Regel nicht anwendbar, da
die über beide Brückenzweige übertragenen PD-Impulse Schwingungen anregen
können, so dass die wahre Polarität verloren geht.
Aus theoretischer Sicht kann das Nutz-Störsignal-Verhältnis erheblich verbessert
werden, wenn die PD-Signalverarbeitung in einem höheren Frequenzbereich
236 4 Teilentladungsmessung

durchgeführt wird, d. h. bei Frequenzen, die deutlich über der 1-MHz-Grenze


liegen, wie in der Änderung / Ergänzung zu IEC 60270:20060270 angegeben.
Dieses Konzept wurde ursprünglich von Lemke (1968) übernommen, wo die
PD-Impulse zuerst mit Hilfe eines 20-MHz-Breitbandverstärkers verstärkt und
anschließend mit Hilfe eines elektronischen Integrators integriert wurden, um die
Impulsladung zu ermitteln. Ein Vergleich dieses alternativen Konzepts mit der
klassischen Methode ist in Abb. 4.50 dargestellt, wobei sich die oszilloskopischen
Aufzeichnungen auf 20 pC-Kalibrierimpulse (CH1) beziehen, die in ein 20-kV-
XLPE-Kabel eingespeist wurden. Wie man sehen kann, kann der Ladungsimpuls
aufgrund einer Tiefpassfilterung (f2 = 600 kHz) nicht eindeutig identifiziert werden
(CH2, grüne Spur), während der Ladungsimpuls, der durch eine anfängliche Breit-
bandverstärkung (f2 = 20 MHz) und eine anschließende elektronische Integration
gewonnen wird, nicht signifikant verformt wird (CH3, rosa Spur).
Das Grundkonzept des oben erwähnten nicht-konventionellen PD-Messgeräts,
das mit verschiedenen Schaltungserweiterungen zur Störsignalunterdrückung aus-
gestattet ist, wird in Abb. 4.51 (Lemke 1979; Hauschild et al. 1981; Lemke 1981)
veranschaulicht, wobei das Funktionsprinzip die folgenden Merkmale umfasst:
• Breitbandverstärkung des PD-Signals, das von der Messimpedanz erfasst wird,
wobei eine Bandbreite von bis zu etwa 20 MHz sinnvoll erscheint.
• Automatisches Gating von Störimpulsen, die periodisch und stochastisch auf-
treten. Um die impulsförmigen Störsignale für die Auslösung der Gating-
Einheit zu empfangen, sollten die Stab- oder Rahmenantennen so nah wie
möglich an den vermuteten Störquellen installiert werden.
• Unterdrückung von Funkstörspannungen. Dies wird erreicht, indem der
Schwellenwert der RIV- Unterdrückungseinheit leicht über dem Grundstörpegel
eingestellt wird, der automatisch gesteuert wird.
• Elektronische Integration des entstörten PD-Signals zur Messung der Impuls-
ladung des breitbandverstärkten PD-Signals.

CH1 CH1

CH2 CH2

CH3 CH3

Abb. 4.50 Oszilloskopische Screenshots, die für einen 20-pC-Kalibrierimpuls, eingespeist in ein
XLPE-Kabel, gewonnen wurden: CH1: Eingangssignal, das von einer Breitbandmessimpedanz
erfasst wurde; CH2: Ausgekoppeltes Signal nach konventioneller Bandpassfilterung; CH3: Aus-
gekoppeltes Signal nach Breitbandverstärkung (f2 = 20 MHz) gefolgt von einer elektronischen
Integration
4.5 Störsignalreduzierung 237

Breitband
verstärker Störimpuls
PD

Antenne

Torschaltung
(Gating)

RIV-
Entstöreinheit

elektronischer
Integrator

Abb. 4.51 Blockdiagramm eines nicht-konventionellen breitbandigen PD-Messsystems, das mit


verschiedenen Entstörungswerkzeugen ausgestattet ist, wie im Text beschrieben
238 4 Teilentladungsmessung

Typische Oszilloskop-Aufzeichnungen, die die Funktionsprinzipien verschiedener


Schaltungserweiterungen zur Störsignalunterdrückung veranschaulichen, sind in
Abb. 4.52 dargestellt. Die in Abb. 4.52a, b gezeigten Screenshots beziehen sich
auf die Unterdrückung von Hochfrequenzstörungen (RIV), wie bereits zuvor
anhand von Abb. 4.50 erläutert. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden,
dass die oben genannte Störunterdrückungsmethode, die auf einer Breitband-Vor-
verstärkung der erfassten PD-Impulse gefolgt von einer elektronischen Integration
basiert, auch für die Entwicklung einer tragbaren, batteriebetriebenen PD-Sonde
verwendet wurde, die für die Vor-Ort-PD-Diagnose von HV-Geräten unter
Betriebsbedingungen entwickelt wurde (Lemke 1985, 1988, 1991). ­Impulsförmige

(a) (b)

CH1
CH1

CH2
CH2

2 ms/div 4 µs/div
(c) (d)
N N N N

CH1
CH1

CH1
500 µs
CH2

2 ms/div 200 µs/div


(e) (f)
CH2
CH2

CH1 CH1

40 ns/div 40 ns/div

Abb. 4.52 Oszilloskop-Aufzeichnungen, die für ein Breitband-PD-Messsystem gewonnen


wurden, das mit einem elektronischen Integrator und verschiedenen Schaltungserweiterungen zur
Entstörung von PD-Signalen ausgestattet ist (Beschreibung im Text)
4.5 Störsignalreduzierung 239

Störsignale, die periodisch oder auch stochastisch auftreten, können ebenfalls


effektiv mit einer Windowing- und Gating-Einheit unterdrückt werden, die durch
die über eine Antenne erfassten, Störimpulse automatisch getriggert wird, siehe
Abb. 4.52c, d.
Messfehler aufgrund der Überlagerung von reflektierten und direkten Impulsen
infolge von PD-Ereignissen in Energiekabeln können ebenfalls verhindert werden,
wie in Abb. 4.52e, f dargestellt. Hier wird der überlagerte reflektierte Impuls,
der in Abb. 4.46e aufgezeichnet wurde, durch einen elektronischen Reflexions-
unterdrücker eliminiert, wie in IEC 60885-3:2003 empfohlen. Zu diesem Zweck
wird eine Gating-Einheit durch den direkten (zuerst ankommenden) PD-Impuls
ausgelöst, der das Tor nach kurzer, einstellbarer Verzögerungszeit schließt und
somit ein Durchlassen des reflektierten (zweiten) PD-Impulses verhindert. Dieses
Prinzip arbeitet zuverlässig für Doppelpulse mit Abständen von mehr als 0,2 µs
(Lemke 1979, 1981).
Auch wenn die heutigen digitalen PD-Messsysteme mit mehr oder weniger
wirksamen Softwaretools zur Störsignalunterdrückung ausgestattet sind, sollte
nicht übersehen werden, dass die ursprünglich für die traditionelle analoge PD-
Signalverarbeitung entwickelten Entstörmethoden, wie „Windowing“ und
„Gating“, auch für digitale PD-Instrumente geeignet ist sind, wobei die Stör-
unterdrückung unmittelbar vor der Analog/Digital-Umwandlung erfolgt (Lemke
1996; Lemke und Strehl 1999). Ein praktisches Beispiel dafür ist in Abb. 4.53
dargestellt, das sich auf PD-Tests eines defekten Spannungswandlers mit einer
Nennspannung von 110 kV bezieht. Bei Anwendung einer Wechselspannungs-
testspannung variabler Frequenz ergeben die phasenaufgelösten PD-Muster die
Überlagerung von zwei charakteristischen Störmustern, siehe Abb. 4.53a. Hier
werden die zufällig verteilten Punkte, die in Größe und Phasenwinkel streuen,
durch impulsartige Störsignale verursacht. Wie man sehen kann, sind diese nicht
mit der angewendeten Testfrequenz von 92 Hz korreliert, sondern offensicht-
lich mit der Frequenz des Stromnetzes, die 60 Hz beträgt. Um dieses Störsignal
zu unterdrücken, wurde ein induktiver Sensor in der Nähe der Stromversorgung
der HV-Prüfanlage angebracht, um die Gating-Einheit auszulösen, die in das

Abb. 4.53 Phasenaufgelöstes PD-Muster eines defekten 110-kV-Spannungswandlers, das


durch Störimpulse aus dem Stromnetz (60 Hz) und aus dem Frequenzumrichter (92 Hz) der
angewendeten Resonanzprüfanlage gestört wird. a PD-Signaturen ohne Störunterdrückung.
b Gating zur Eliminierung der Störimulse aus dem Stromnetz. c Zusätzliches Gating zur
Eliminierung der Störimpulse verusacht durch die IGBT-Schalter des Frequenzumrichters
240 4 Teilentladungsmessung

Computer-basierte PD-Messsystem implementiert ist. Unter dieser Bedingung


konnten die zufällig verteilten Impulse vollständig eliminiert werden, siehe
Abb. 4.53b. Darüber hinaus wurde ein zusätzlicher induktiver Sensor in der
Nähe des Frequenzumrichters installiert, um die von den IGBTs verursachten
Kommutierungsimpulse zu erfassen, die zur Auslösung einer zweiten Gating-
Einheit verwendet werden, und somit auch die starken Störsignale, die im
Frequenzumrichter entstehen, zu eliminieren, siehe Abb. 4.53c.
Hinweis Bei praktischen HV-Prüfungen mit ACRF-Testsystemen (siehe Abschn. 3.2.3)
erscheinen die durch den Frequenzumrichter verursachten Störimpulse oft bei einem
stabilen Phasenwinkel und können daher einfach identifiziert werden. Unter dieser
Bedingung ist es nicht unbedingt notwendig, ein Störimpuls-Gating durchzuführen, was
zu einem Informationsverlust bezüglich des Auftretens von realen PD-Ereignissen führen
könnte

Im Gegensatz zu den oben vorgestellten Messbeispielen können die Störimpulse,


die in Abb. 4.53b gezeigt werden, auch offline beseitigt werden, d. h. nachdem
die eigentliche PD-Messung abgeschlossen ist. Zu diesem Zweck wurde das Soft-
ware-Tool „Windowing“ entwickelt. Als Beispiel betrachten Sie Abb. 4.54, die
sich sowohl auf den klassischen 2D-Anzeigemodus als auch auf den anspruchs-
volleren 3D-Anzeigemodus bezieht. In diesem Zusammenhang sollte beachtet
werden, dass die meisten der heute verfügbaren digitalen PD-Messsysteme mit
Softwarepaketen ausgestattet sind, um Störimpulse von echten PD-Ereignissen zu
unterscheiden, während Hardware-Tools, die ebenfalls für diesen Zweck geeignet
sind, nur selten in computerisierten PD-Instrumenten implementiert sind.

Abb. 4.54 Screenshots von phasenaufgelösten PD-Mustern und netzsynchron auftretenden


Impulsstörungen, die im Frequenzumrichter entstehen (a) und durch Gating die PD-Muster ent-
stören (b)
4.5 Störsignalreduzierung 241

Aufgrund der jüngsten Fortschritte in der digitalen Signalverarbeitung wurden


sehr vielversprechende Entstör-Software-Tools entwickelt, die meist auf einem
Cluster-Trennungs Ansatz basieren. Ein Beispiel dafür ist die Erstellung von
Stern-Diagrammen resultierend aus synchronen Dreiphasen-PD-Messungen
(Plath 2002; Kaufhold et al. 2006), wie exemplarisch in Abb. 4.55 gezeigt, die
sich auf einen PD-Test eines Leistungstransformators bezieht. Hier zeigen externe
Störimpulse aufgrund von Koronaentladungen fast gleiche Amplituden, die in
allen drei Phasen erkannt wurden und durch die drei blauen Cluster in Abb. 4.55
angezeigt werden. PD-Impulse, die jedoch in der „Gelben“ Phase entstanden,
erzeugten ein andersfarbiges Cluster. Mit Hilfe der klassischen phasenaufgelösten
PD-Mustererkennung (PRPDP) wurde ein potenzieller PD-Defekt in dieser Phase
identifiziert. Im Prinzip könnten die durch die Dreiphasen-PD-Messung erhaltenen
Vektoren auch addiert werden, um ein Dreiphasen-Amplituden-Verhältnis-Dia-
gramm zu erstellen. Unter dieser Bedingung würde nur ein einziges Störimpuls-
Cluster erstellt. Dieses befindet sich in der Nähe des Stern-Mittelpunkts, während
PDs in der einzelnen Phase außerhalb des Mittelpunkts erscheinen, was zu dem
Schluss führt, dass störende Übersprechphänomene vernachlässigt werden können.
Ein anderer Ansatz, der auf der Cluster-Trennung basiert, ist die Zerlegung der
erfassten PD-Pulsformen. Zu diesem Zweck werden charakteristische PD-Puls-
parameter entweder im Frequenz- oder im Zeitbereich verwendet, wie z. B. die
Anstiegs- und Abfallzeit sowie die Pulsbreite (Cavallini et al. 2002; Rethmeier
et al. 2008). Ein typisches Messbeispiel ist in Abb. 4.56 dargestellt, das sich auf
einen defekten Kabelendverschluß bezieht, bei der die PD-Messung in einem
schlecht abgeschirmten Testlabor durchgeführt wurde. Nachdem der gesamte
PD-Datenstrom vom Testobjekt erfasst wurde, wurde das stark gestörte phasen-
aufgelöste PD-Muster in Abb. 4.56a erhalten. Durch die Analyse der Puls-
formen im Zeitbereich gemäß der in Abb. 4.56b gezeigten Testreihe konnten die
charakteristischen PD-Muster deutlich von Punktwolke, verursacht durch die Stör-

Abb. 4.55 Dreiphasen-Stern-


Diagramm, das drei typische
Cluster (blau) für jede Phase
aufgrund externer Geräusche
sowie ein einzelnes Cluster
(farbig) zeigt, was darauf
hinweist, dass ein potenzieller
PD-Defekt in der Phase
„Gelb“ des untersuchten
Leistungstransformators liegt
(Plath 2002)
242 4 Teilentladungsmessung

(b) (c)

(a)

Abb. 4.56 Entstörung von PD-Signalen mit Hilfe der Cluster-Trennung nach Cavallini und
Montenari (2007). a Erfasster Datenstrom während einer Prüfdauer von 10 Minuten. b Wellen-
formanalyse. c Cluster-Trennung

signale, getrennt werden, siehe Abb. 4.56c. Im Prinzip ist dieser Ansatz auch für
die Trennung von PD-Impulsen aus mehreren Quellen anwendbar (Plath 2005).
In diesem Zusammenhang sollte betont werden, dass fortschrittliche Ent-
störungswerkzeuge nur von erfahrenen Testingenieuren erfolgreich angewendet
werden können, die nicht nur mit den Grundlagen der PD-Messung vertraut sein
müssen, sondern auch mit den Funktionsprinzipien sowie den Möglichkeiten und
Grenzen der verwendeten Entstörungswerkzeuge. Auch wenn in fortschrittlichen
Computer-basierten PD-Messsystemen häufig ausgeklügelte Entstörungssoft-
ware implementiert ist, sollte nicht übersehen werden, dass elektromagnetische
Störungen oft einfach von realen PD-Impulsen durch den Einsatz von Mehr-
kanal-Digitaloszilloskopen unterschieden werden können und somit bequem mit
klassischen analogen Entstörtools, wie Windowing und Gating, eliminiert werden
können, wie zuvor erläutert.

4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen

Das Hauptziel bei der Visualisierung von phasenaufgelösten PD-Mustern


(PRPDP) mittels Oszilloskopen oder computergestützten PD-Messsystemen ist die
Erkennung und Identifizierung typischer PD-Quellen. Das erste dafür verwendete
4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen 243

Hilfsmittel war die Elektronenstrahlröhre, auch bekannt als Braunsche Röhre, die
bereits 1928 von Lloyd und Starr eingesetzt wurde. Durch Anschluss des Wechsel-
spannungssignals an die horizontalen Ablenkplatten und Überbrückung der
vertikalen Ablenkplatten durch eine Messkapazität konnten sogenannte Lissajous-
Figuren aufgezeichnet werden, wie beispielhaft in Abb. 4.57a gezeigt. In diesem
Zusammenhang scheint es erwähnenswert, dass dieser Schaltkreis im Prinzip eine
integrierende Brücke darstellt, die die Messung der Leistungsverluste von Ent-
ladungen auf der Grundlage der sogenannten Parallelogrammmethode ermöglicht,
die erstmals 1960 von Dakin und Malinaric verwendet wurde.
Als die ersten PD-Detektoren verfügbar waren (Arman und Starr 1936; Mole
1954), wurde die klassische Lissajous-Figuren-Technik dahingehend modifiziert,
um die PD-Impulsfolgen auf einer elliptischen Schleife darzustellen, wobei die
Zeitbasis einen einzelnen Wechselstromzyklus abdeckt, siehe Abb. 4.57b. Später
wurde die Verwendung einer linearen Zeitbasis üblich, um die phasenaufgelösten
PD-Muster (PRPDP) aufzuzeichnen, wie beispielhaft in Abb. 4.58 gezeigt. Diese
Darstellung bezieht sich auf eine Nadel-Platte-Anordnung, die häufig für grund-
legende PD-Studien verwendet wird, insbesondere um typische PD-Defekte zu
klassifizieren.
Weitere wesentliche Fortschritte bei der Bewertung von PD-Ereignissen
wurden 1969 erreicht, als Bartnikas und Levi einen Impulshöhen-Analysator vor-
stellten und 1978, als Tanaka und Okamoto das erste minicomputerbasierte PD-
Messsystem präsentierten. Zu Beginn der computergestützten PD-Messungen
wurden PD-Impulsfolgen, die innerhalb einzelner Wechselstromperiode auftreten,
häufig wie Wasserfalldiagramme dargestellt, siehe Abb. 4.59.
 Die heutigen digitalen PD-Messsysteme sind in der Lage, den Vektor
qi ; ui ; ti ; ϕi für jeden erfassten PD-Impuls zu erfassen zu speichern und zu


visualisieren. Hier sind:

(a) (b)

Ladung: 500 pC/div; Prüfwechselspannung: 4 kV/div max. Ladung 550 pC; max. AC-Prüfspannung: 24 kV

Abb. 4.57 Die sogenannte Lissajous-Figuren-Technik, die seit den 1960er Jahren verwendet
wird, um die Ladung von PD-Impulsen innerhalb eines einzelnen Zyklus der angelegten
Wechselspannung anzuzeigen. a Spannung, die über der Messkapazität einer integrierenden
Brücke erscheint. b Traditioneller elliptischer Anzeigemodus
244 4 Teilentladungsmessung

(a) (b)

TE-Impulse: 50 pC/Div; Wechselspannung: TE-Impulse: 200 pC/Div; Wechselspannung:


4 kV/Div; Zeit: 4ms/Div 10 kV/Div; Zeit: 4 ms/Div
(c) (d)

TE-Impulse: 10 pC/Div; Wechselspannung: TE-Impulse: 100 pC/Div; Wechselspannung:


10 kV/Div; Zeit: 4ms/Div 2 kV/Div; Zeit: 4 ms/Div

Abb. 4.58 Oszilloskopische Screenshots von phasenaufgelösten PD-Mustern einer Nadel-


Platte-Anordnung unter Wechselspannung (50 Hz). a Entladungen in Luft bei Zündspannung. b
Entladungen in Luft bei einer Prüfspannung deutlich über der Zündspannung. c Hohlraument-
ladungen in XLPE bei der Einsetzspannung d Oberflächenentladungen bei der Einsetzspannung

XLPE-Kabelendverschluss XLPE-Kabelmuffe

Abb. 4.59 PD-Signaturen von defekten Kabelgarnituren, die wie Wasserfalldiagramme dar-
gestellt sind
4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen 245

qi die Impulsladung des einzelnen PD-Stromimpulses


ui d er Augenblickswert der angelegten Prüfspannung
ti der Zeitpunkt des Auftretens von PD
ϕi der Phasenwinkel zum Zeitpunkt des Auftretens von PD. Darauf basierend
wird häufig das kumulative (integrale) phasen-aufgelöste PD-Muster angezeigt,
wie in Abb. 4.60 dargestellt. Seit den 1980er Jahren wird dieser Anzeige-
modus häufig für die sogenannte phasenaufgelöste PD-Mustererkennung ver-
wendet (Kranz und Krump 1988; Ward 1992; Fruth und Gross 1994). Da der
PD-Datenstrom, der im Echtzeitmodus erfasst wird, vollständig im Computer-
speicher gespeichert werden kann, können diese Daten erneut abgerufen und
in einem sogenannten Wiedergabemodus wie echte PD-Ereignisse visualisiert
werden, auch nachdem der eigentliche PD-Test beendet ist, wie exemplarisch in
Abb. 4.61 gezeigt (Lemke et al. 1996; Lemke und Strehl 1999).
Bei Verwendung des Wiedergabemodus werden neben den traditionellen zwei-
dimensionalen Graphen, die in Abb. 4.61 gezeigt sind, häufig 3D-Darstellungen
verwendet, die insbesondere nützlich sind, um elektromagnetische Störungen von
echten PD-Ereignissen zu unterscheiden, wie bereits anhand der Abb. 4.48 und
4.49 diskutiert wurde. Darüber hinaus können die phasenaufgelösten PD-Muster
auf traditionelle Weise entweder mit elliptischer oder linearer Zeitbasis dargestellt
werden, wie in Abb. 4.62 gezeigt.
Ein anderer Ansatz, der manchmal für die PD-Mustererkennung gewählt
wird, ist die Analyse von PD-Pulssequenzen, wie von Hoof und Patsch (1994)
vorgeschlagen. Der Algorithmus basiert auf der Bewertung der Spannungs-
differenzen, die zwischen drei aufeinanderfolgenden PD-Pulsen gemessen werden,
wie in Abb. 4.63a dargestellt. Das bedeutet, dass die Spannungsdifferenz Vn−1
zwischen dem Referenzimpuls „n“ und dem vorhergehenden Impuls „n − 1“

Abb. 4.60 Prinzip zur


Visualisierung kumulativer
phasenaufgelöster PD-Muster
246 4 Teilentladungsmessung

Abb. 4.61 Verwendung des Wiedergabemodus, um phasenaufgelöste PD-Muster zu


visualisieren, die im Rahmen von Entwicklungsprüfungen von Statorstäben eines Hydro-
generators zunächst erfaßt und im Computer gespeichert wurden und danach visualisiert wurden.
a Langzeit-PD-Prüfungt unter Wechselspannung (Prüfpegel 18 kV, Prüfdauer 10 min, was 30.000
Wechselstromzyklen entspricht). b Kurzzeit-PD-Prüfung unter erhöhter Wechselspannung (prüf-
pegel 24 kV, Prüfdauer 2 min, was 6000 Zyklen entspricht)

Abb. 4.62 Verwendung des Wiedergabemodus, implementiert in die Computer-Software, um


phasenaufgelöste PD-Impulse innerhalb einer einzelnen 50-Hz-Periode der angelegten Wechsel-
spannung zu visualisieren (siehe Cursorposition, die aus dem Prüfspannungsprofil ersichtlich ist).
a Elliptische Zeitbasis. b Lineare Zeitbasis
4.6 Visualisierung von PD-Ereignissen 247

(a) (b)
Spannung

Zeit

Abb. 4.63 Prinzip der PD-Pulssequenzanalyse (a) und Messbeispiel (b) für Hohlraument-
ladungen in einem Kabelendverschluß

sowie die zugehörige Spannungsdifferenz Vn zwischen dem Referenzimpuls „ n“


und dem folgenden Impuls „n + 1“ in einem Diagramm dargestellt wird, das die
Wertepaare Vn über Vn−1 anzeigt. Ein Messbeispiel dafür ist in Abb. 4.63b dar-
gestellt, das sich auf Hohlraumentladungen in einem Kabelendverschluss bezieht.
Um typische Entladungsquellen zu klassifizieren, schlugen Tanaka und
Okamoto (1986) die Einrichtung von PD-Fingerprints auf der Grundlage der
folgenden statistischen Operatoren vor:
• Standardabweichung,
• Schiefe,
• Kurtosis und
• Kreuzkorrelation.
Später wurde die Eignung solcher statistischer Operatoren zur Erstellung von PD-
Fingerprints und zur Identifizierung und Klassifizierung typischer PD-Quellen
von Gulski und seinen Mitarbeitern (Gulski 1991) bestätigt. Um charakteristische
PD-Fingerprints zu erstellen, werden die folgenden statistischen Parameter, die in
Abb. 4.64 dargestellt sind, häufig angezeigt:
Hn (phi): Anzahl der PD-Impulse, die innerhalb jedes Phasenfensters auftreten,
über dem Phasenwinkel,
Hq (phi)peak: Spitzenwerte der PD-Impulse, die innerhalb jedes Phasenfensters auf-
treten, über dem Phasenwinkel,
Hq (phi)mean: Mittelwerte der PD-Impulse, die innerhalb jedes Phasenfensters
auftreten, über dem Phasenwinkel. Diese Größe wird aus der Gesamtladungs-
menge innerhalb jedes Phasenfensters abgeleitet, dividiert durch die Anzahl der
Impulse, die in diesem Phasenfenster auftreten.
Basierend auf PD-Fingerabdrücken, die für verschiedene Arten von Ausfällen
erstellt und im Computer gespeichert wurden, können diese miteinander ver-
glichen werden, wobei auch die Testbedingungen berücksichtigt werden müssen.
Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass Diagramme gemäß Abb. 4.65 ein
248 4 Teilentladungsmessung

Abb. 4.64 PD-Fingerprint einer PD-Fehlerstelle in einem Kabelendverschluss gemessen unter


Betriebsbedingungen

wertvolles Instrument zur Beurteilung des Isolationszustands und damit für Ent-
scheidungen bezüglich Wartung, Reparatur und Erneuerung der Betriebsmittel in
Versorgungs- und Übertragungsnetzen darstellen.

4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich

4.7.1 Allgemeines

Bei der Durchführung von PD-Messungen gemäß IEC 60270:2000 muss die
obere Grenzfrequenz unter 1 MHz begrenzt werden, wie in der Änderung zu
diesem Standard empfohlen und in Abschn. 4.3 ausführlicher erläutert. Unter
dieser Bedingung wird jedoch die Signalamplitude erheblich gedämpft, so dass
gut abgeschirmte Testlabors erforderlich sind, um empfindliche PD-Tests durch-
zuführen. Bekanntlich kann das Nutz-Störsignal-Verhältnis erheblich ver-
bessert werden, wenn das PD-Signal im VHF/UHF-Bereich erfasst wird. Diese
nicht konventionelle Methode wurde erstmals von Fujimoto und Boggs (1981)
für Qualitätssicherungstests von gasisolierten Schaltanlagen eingesetzt. Später
wurden die Vorteile dieses Ansatzes erfolgreich für PD-Diagnosetests von HV/
EHV-Kabelgarnituren (Pommerenke et al. 1995) und sogar für PD-Diagnosen
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich 249

Abb. 4.65 Vergleich des PD-Fingerabdrucks, der für eine Statorstabisolierung gewonnen wurde,
mit früher erstellten PD-Fingerabdrücken, die für verschiedene Testmuster gewonnen wurden

von Leistungstransformatoren unter Einsatzbedingungen (Judd et al. 2002) nach-


gewiesen. Darüber hinaus wurde die Leistungsfähigkeit und die Grenzen der
nicht konventionellen PD-Erkennung im VHF/UHF-Bereich von verschiedenen
CIGRE-Arbeitsgruppen ausführlich untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse
dieser Studien sind in den Technischen Broschüren Nr. 444 (2010) und Nr. 502
(2012) zusammengefasst. Basierend auf diesen Veröffentlichungen bietet die IEC
62478:2015 wertvolle Empfehlungen für die Gestaltung von VHF/UHF-PD-Mess-
systemen, einschließlich der erforderlichen Sensoren, um die von dem Prüfobjekt
abgestrahlten PD-Transienten zu erfassen.
Aufgrund des extrem breiten Frequenzspektrums von PD-Impulsen, das neben
der früher meist genutzten Radiofrequenz im Lang- und Mittelwellenbereich auch
den Kurzwellenbereich (RF: 3–30 MHz), sowie den sehr hohen Frequenzbereich
(VHF: 30–300 MHz) und den ultrahohen Frequenzbereich (UHF: 300–3000 MHz)
abdeckt, wurden in der Vergangenheit verschiedene Arten von PD-Kopplern ent-
wickelt, die üblicherweise als kapazitive, induktive und elektromagnetische
Sensoren klassifiziert werden, wie im Folgenden kurz dargestellt wird.
250 4 Teilentladungsmessung

4.7.2 Entwurf von PD-Kopplern

4.7.2.1 Kapazitive PD-Koppler

Um das PD-Signal von den Anschlüssen des Prüfobjekts abzugreifen, empfiehlt


IEC 60270:2000 die Verwendung einer Auskopplungsvorrichtung die aus einem
HV-Kopplungskondensator in Reihe mit einer Messimpedanz besteht. Die obere
Grenzfrequenz einer solchen Kopplungsvorrichtung (Abb. 4.66a) ist in der Regel
auf unter 10 MHz begrenzt, was einer Anstiegszeit von etwa 30 ns entspricht. Um
die obere Grenzfrequenz zu erhöhen, ist es notwendig, den Wert des Kopplungs-
kondensators zu verringern, da dies mit einer Reduzierung der internen Induktivi-
tät einhergeht, die die erreichbare obere Grenzfrequenz bestimmt (Abb. 4.66b).

(a)

10 ns/div

(b)

10 ns/div
(c)

10 ns/div

Abb. 4.66 Rechtecksprung-Antwort gemessen für kapazitive PD-Koppler. a Hochkapazitiver


Kopplungskondensator nach IEC 60270:2000 (Kapazität 2000 pF, Nennspannung 24 kV).
b Niederkapazitiver Koppler (Kapazität 50pF, Nennspannung 12 kV). c Scheibenförmige
C-Sensoren adaptiert am Eingang der PD Sonde LDP-5 (Kapazität <5 pF)
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich 251

Folglich ist die höchste Messfrequenz mit kapazitiven Sensoren erreichbar, die
eine einfache Metallscheibe darstellen. Die Machbarkeit dieses einfachen Ansatzes
wurde zunächst für die Erkennung und Lokalisierung von PD-Quellen mit
einer tragbaren PD-Sonde nachgewiesen, wie in Abb. 4.66c gezeigt und auch in
Abschn. 10.4.4 beschrieben (Abb. 10.43). Solche Arten von kapazitiven Sensoren,
die oft als C-Sensoren bezeichnet werden, empfangen die elektrische Feld-
komponente elektromagnetischer PD-Transienten.
Abb. 4.67 zeigt eine Skizze eines koaxialen C-Sensors, der für die PD-Signal-
erfassung in Kabelmuffen entwickelt wurde. Hier wird ein Abschnitt der äußeren
halbleitenden Schicht entfernt, um die elektrische Feldkomponente zu erfassen,
die vom inneren Kabelleiter aufgrund von PD-Ereignissen abgestrahlt wird. Die
erreichbare Messsensitivität wird hauptsächlich durch die effektive Kapazität Cs
zwischen Sensorelektrode und innerem Kabelleiter bestimmt und liegt im pC-
Bereich.
Beispiel Betrachten Sie ein polyethylenisoliertes Stromkabel mit einer dielektrischen
Permittivität von εr = 2,2. Unter der Annahme eines Verhältnisses zwischen äußerem und
innerem Kabelleiter von ra/ri =e ≈ 2,7 erhält man für einen koaxialen C-Sensor mit einer
Länge von la = 100 mm die folgende Näherung:

Cs ≈ 2 · π · ε0 · εr · la ≈ 12 pF
Vorausgesetzt, das empfangene PD-Signal wird über ein Messkabel übertragen,
das durch seine charakteristische Wellenimpedanz Zm angepasst ist, kann die
Scheitelspannung Vp, die über Zm erscheint und somit am Eingang des Peak-
Detektors, ungefähr wie folgt abgeschätzt werden:
Ip
Vp ≈ Cs · Zc · Zm · .
tr
Hier sind Ip und tr der Spitzenwert und die Anstiegszeit des PD-Pulsstroms und
Zc ist die charakteristische Wellenimpedanz des Stromkabels. Angenommen,
eine Hohlraumentladung erzeugt einen Strompuls mit einer Anstiegszeit tr = 1
ns und einem Spitzenwert Ip = 1 mA, dann erhält man für die oben eingeführten

Äußere kapazitiver
Halbleiterschicht Koppler
Kabelaußenleiter

Kabelinnenleiter

Ip
Vp

Cu-Band zur Verbindung


der äußeren Kabeladern

Abb. 4.67 Skizze eines kapazitiven PD-Kopplers installiert in einer Kabelmuffe


252 4 Teilentladungsmessung

Schaltungsparameter (Cs = 12 pF, Zc = 30 Ω, Zm = 50 Ω) eine nachweisbare


Spitzenspannung von Vp = 18 mV, die mit digitalen Oszilloskopen gut messbar ist.

4.7.2.2 Induktive PD-Koppler

Das Funktionsprinzip der induktiven PD-Koppler, die allgemein als L-Sensoren


oder auch als „Yoke Coils“ bezeichnet werden, ist vergleichbar mit dem von
Hochfrequenz-Pulstransformatoren (HFCT), bei denen die Primärspule durch
einen einzigen Leiter gebildet wird, der üblicherweise das Prüfobjekt mit Erde
verbindet, d. h. die Windungszahl ist n = 1. Um den gesamten magnetischen
Fluss um den Primärleiter zu erfassen, werden die Windungen der Sekundär-
spule normalerweise um einen hochpermeablen Ferritkern gewickelt. Unter dieser
Bedingung induziert der transiente PD-Strom ip (t) durch den Primärleiter eine
transiente Spannung vp(t) in der Sekundärspule (Abb. 4.68). In diesem Zusammen-
hang sollte die Ähnlichkeit zu Rogowski-Spulen unterstrichen werden. Der ein-
zige Unterschied besteht darin, dass diese keinen Ferritkern enthält, also eine reine
Luftspule darstellt, (siehe Abschn. 7.5.2).
Eine einfache PD-Koppeleinheit ist in Abb. 4.68 dargestellt, bei der ein
L-Sensor die PD-Signale von der Erdungsverbindungsleitung eines Kabel-
endverschlusses empfängt. Um das dynamische Verhalten zu charakterisieren,
wird empfohlen, die Schrittstromantwort im Zeitbereich gemäß Abb. 4.69 zu
bestimmen. Vergleicht man die in Abb. 4.69c und d gezeigten Oszilloskop-Auf-
zeichnungen, kann man zu dem Schluss kommen, dass die übertragene Impuls-
länge durch Verringerung der Windungszahl der Sekundärspule drastisch reduziert
wird, d. h. von ursprünglich n = 10 auf n = 1, wie zu erwarten war. Daraus
folgt auch, dass mit klassischen L-Sensoren mit einer Windungszahl n ≳ 10 eine
Impulslänge von weniger als 1 μs kaum erreichbar ist. So werden nur PD-Signale
im RF-Bereich (3–30 MHz), aber nicht im VHF/UHF-Bereich (>30 MHz) über-
tragen.

Abb. 4.68 L-Sensor montiert


an der Erdverbindungsleitung
eines Kabelendverschlusses
Kabelendverschluss

Erdverbindungsleitung

ip(t)
Ferritkern
Oszilloskop
Messkabel oder
PD-
Messsystem
Rm vp(t)
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich 253

(a) (b)

CH2 CH2
ip1(t) vp (t)
CH1

CH1
vp1(t) vp2(t)

Schritt Primär HFCT


impulsgeber wicklung Ausgabe
(c)

(d)

Abb. 4.69 Aufbau zur Messung der Schrittstromantwort von induktiven PD-Sensoren (a, b) und
Oszilloskop-Aufzeichnungen, die für Impulstransformatoren mit n = 10 Windungen (c) bzw. n =
1 Windung (d) gewonnen wurden

4.7.2.3 Elektromagnetische PD-Koppler

Das Funktionsprinzip von elektromagnetischen (EM) PD-Kopplern ist vergleich-


bar mit dem von Antennen, die im Nahfeldbereich arbeiten. Das bedeutet, dass das
Ausgangssignal sowohl durch den Vektore der elektrische Feldkomponente E ⇀
und
den der magnetische Feldkomponente H bestimmt wird, wobei der Zusammen-

hang durch die Maxwell-Gleichungen gegeben ist:


⇀ ⇀
⇀ δE ⇀ δH
rot H = ε · , rot E = −µ · . (4.29)
δt dt

Abhängig von der geometrischen Konfiguration des Testobjekts werden ver-


schiedene Arten von EM-Sensoren eingesetzt, um PD-Signale im VHF/UHF-
254 4 Teilentladungsmessung

Bereich zu erfassen, wie z. B. Stab-, Scheiben- oder Kegelantennen. Letztere


werden häufig für die PD-Diagnostik von gasisolierten Schaltanlagen eingesetzt
(Pearson et al. 1991). Eine Skizze eines kegelförmigen UHF-PD-Sensors,
installiert in einem GIS-Flansch, ist in Abb. 4.70 dargestellt. Im Allgemeinen
sind solche Antennen in der Lage, PD-Signale mit einer Frequenz von bis zu etwa
1,5 GHz zu empfangen. Die obere Grenzfrequenz ist umgekehrt proportional
zur charakteristischen Zeitkonstante, die sich aus der Multiplikation der unver-
meidlichen Streukapazität zwischen Sensorelektrode und Erdungsflansch mit der
charakteristischen Impedanz des angeschlossenen Messkabels ergibt (Meinke und
Gundlach 1968; King 1983; Küpfmüller 1984).
Um PD-Fehler in Kabelgarnituren zu erkennen, hat sich der Einsatz
sogenannter Richtkoppler-Sensoren (Directional Coupler Sensor – DCS) bewährt,
die im Frequenzbereich zwischen 2 und 500 MHz arbeiten (Pommerenke et al.
1995). Das Konstruktionsprinzip ist vergleichbar mit dem von kapazitiven
Sensoren. Der einzige Unterschied besteht darin, dass das PD-Signal von beiden
Sensor-Enden erfasst wird, die üblicherweise als „Ports“ bezeichnet werden.
Durch die Installation eines Paares von DCS an beiden Enden der Kabelmuffe
kann das PD-Signal, das im Inneren der Muffe entsteht, von externen Störsignalen
und sogar von PD-Signalen, die in den an beiden Seiten angeschlossenen Kabel-
trassen entstehen, unterschieden werden. Dies liegt daran, dass ein PD-Ereignis
innerhalb der Verbindung Impulse an den Ports „B“ und „C“ verursacht, deren
Amplitude deutlich höher ist als die an den Ports „A“ und „D“ (Abb. 4.71). Ein
weiterer Vorteil ist, dass ein einzelner Sensor verwendet werden kann, um den
anderen zu kalibrieren. Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass auch unter
Störbedingungen vor Ort eine Messempfindlichkeit im pC-Bereich erreichbar ist.
Um das PD-Signal von Erdungsleitungen des Prüfobjekts aufzunehmen,
können Hochfrequenzstromwandler (HFCTs) vorteilhaft eingesetzt werden, wie
zuvor erörtert. Ein Nachteil für solche Arten von PD- Kopplern ist jedoch, dass die
Messfrequenz üblicherweise auf den RF-Bereich (3–30 MHz) beschränkt ist. Eine
vielversprechende Alternative ist die Verwendung von UHV-Impulsübertragern,
basierend auf dem Prinzip von Transmission-Line- Invertern, wie in Abb. 4.72

Abb. 4.70 Skizze eines GIS-Flansch Kegelsensor


UHF-Sensors, der in einem
GIS-Flansch eingebaut ist

Abdeckplatte BNC-Stecker Dichtungsringe


4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich 255

Richtkoppler Richtkoppler

Quelle der Signalanschluss


Impulse
PD-Gelenk

Rauschen linkes Kabel

Rauschen rechts Kabel

Abb. 4.71 Wirkungsprinzip eines Paares von Richtkoppler-Sensoren (DCS), die an beiden Seiten
einer Kabelmuffe installiert sind

(b)
Eingangsklemme

(a)
in
aus Ausgang zu
UHF
PD-Messsystem
R=Z R=Z
zur Erdungsklemme

(c) (d)

in 20 mA/Div

Ausgang 20 mA/Div
100 MHz 1 GHZ

1 ns/Teilung

Abb. 4.72 UHF-PD- Koppler basierend auf dem Konzept von Transmission-Line-Invertern. a
Prinzipschaltung. b Technisches Design. c PD-Impulsantwort im Zeitbereich, aufgezeichnet bei
einer Zeitbasis von 1 ns/div. d Übertragungsfunktion im Frequenzbereich
256 4 Teilentladungsmessung

(Lemke et al. 2003) schematisch dargestellt. Hier wird ein Koaxialkabel von
wenigen cm Länge verwendet, wobei das PD-Signal am Kabelanfang in den
Kabelmantel (koaxialer Außenleiter) eingespeist und aus dem Innenleiter am
Kabelende wieder ausgekoppelt wird. Darüber hinaus sind der Innenleiter am
Kabeleingang und der Außenleiter am Kabelende geerdet. Unter dieser Bedingung
werden, in Analogie zum Richtkoppler-Prinzip, sowohl die magnetische als auch
die elektrische Feldkomponente mit vergleichsweise geringer Dämpfung bis in
den UHF-Bereich übertragen (Lewis 1959), wobei die Impulspolarität invertiert
wird. Die Eignung von PD- Kopplern auf der Grundlage dieses Konzepts wurde
in der Praxis erfolgreich nachgewiesen, und hat sich insbesondere im Rahmen der
Vor-Ort-PD-Überwachung von Kabelgarnituren, wie Muffen und Endverschlüsse,
bewährt (Abb. 4.73).

4.7.3 Grundprinzipien der PD- Detektion im VHF/UHF-


Bereich

Wie bereits in Abschn. 4.7.1 besprochen, liegt der Hauptvorteil der PD- Detektion
im VHF/UHF-Bereich im vergleichsweise hohen Nutz-Störsignal-Verhältnis. Bei
dieser Technologie kann grundsätzlich zwischen Breitband- und Schmalband-PD-
Detektionsmethoden unterschieden werden. Breitband-VHF/UHF-Messsysteme
sind mit einem hochsensiblen Breitbandverstärker in Kombination mit einem sehr
schnellen Peak-Detektor ausgestattet, um den Spitzenwert des verstärkten PD-
Signals zu bewerten, wie beispielhaft in Abb. 4.74a gezeigt. Bei der Schmalband-
methode werden gedämpfte Schwingungen angeregt, wobei ebenfalls ein schneller
Spitzenwertdetektor verwendet wird, um die maximale Amplitude der Hüllkurve
zu bewerten, siehe Abb. 4.74b.

Abb. 4.73 UHF-PD-KKoppler adaptiert an einem GIS-Kabelendverschluss. a Flexibel einsetz-


barer UHF-PD-Sensor konzipiert für periodische PD-Überwachungen. b Fest installierter UHF-
PD-Sensor konzipiert für die kontinuierliche PD-Überwachung
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich 257

(a) (b)

10 ns/div 40 ns/div

Abb. 4.74 PD-Impulsantwort der untersuchten UHF-Verstärker (violette Spuren) und des
zugehörigen Spitzenwertdetektors (grüne Spuren). a Breitband-Messsystem. b Schmalband-
Messsystem

Spitzenwertdetektoren, die sowohl für die Breitband- als auch für die Schmal-
band-PD-Signalverarbeitung im VHF/UHF-Bereich verwendet werden, verlängern
das Eingangssignal, dessen Dauer normalerweise im ns-Bereich liegt, bis in den
µs-Bereich. Unter dieser Bedingung kann die weitere Signalverarbeitung mit
klassischen PD-Messsystemen durchgeführt werden, so dass phasenaufgelöste
PD-Muster bequem dargestellt werden können. Eine Übersicht über die grund-
legenden Prinzipien, die üblicherweise für die PD-Bewertung im VHF/UHF-
Bereich verwendet werden, enthält Abb. 4.75.
In diesem Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass für eine breit-
bandige PD-Erkennung im VHF/UHF-Bereich auch digitale Oszilloskope ein-
gesetzt werden können, da diese heutzutage für Echtzeitmessungen bis in den
GHz-Bereich kommerziell erhältlich sind. Für die schmalbandige PD-Erkennung
sind klassische Spektrumanalysatoren anwendbar, bei denen entweder der Breit-
bandmodus oder auch der Selektivmodus verwendet werden kann, siehe Abb. 4.76.

Mess Messung im Frequenzbereich Zeitbereichsmessung im


prinzipien Selektivmodus Breitbandmodus Ultrabreitbandverfahren
frequency sweep

Frequenz
spektrum

f0 f01 f02 f1 f2

PD
im
Zeitmodus

fmin fmax

Abb. 4.75 Übersicht über die UHF/VHF-PD-Darstellungs- und Bewertungsprinzipien


258 4 Teilentladungsmessung

(a) (b)

50 MHz 300 MHz 50 MHz 300 MHz

Abb. 4.76 Oszilloskopische Screenshots, die mit Hilfe eines Spektrumanalysators im Breitband-
modus (50–300 MHz) gewonnen wurden. a Grundstörpegel der Messumgebung. b Frequenz-
antwort bei Einspeisung eines Kalibrierungsimpulses

Im Breitbandmodus wird das Frequenzspektrum des erfassten PD-Signals


sowie das überlagerte Störsignal für die vorausgewählten Start- und Stopp-
frequenzen aufgezeichnet. Um elektromagnetische Störsignale vom PD-Nutz-
signal zu unterscheiden, wird zunächst der Grundstörpegel aufgezeichnet, kurz
bevor der eigentliche PD-Test durchgeführt wird, siehe Abb. 4.76e. Das Haupt-
problem besteht darin, dass das klassische phasenaufgelöste PD-Muster nicht
angezeigt werden kann. Alternativ wird daher häufig der Selektivmodus bevorzugt,
der mit dem Prinzip der Funkstörspannungsmessung (RIV-Messung) vergleich-
bar ist (Abschn. 4.3.3). Das bedeutet, dass die Mittenfrequenz so eingestellt wird,
dass der Störpegel ein Minimum erreicht, was bequem mit dem Breitbandmodus
bestimmt werden kann.

4.7.4 Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit von UHF/


VHF-PD-Detektionsmethoden

Wie bereits besprochen, besteht der Hauptvorteil von nicht-konventionellen


UHF/VHF-PD-Detektionsmethoden im Vergleich zur klassischen Messung der
scheinbaren Ladung gemäß IEC 60270:200 in der erheblichen Verbesserung des
Nutz-Störsignal-Verhältnisses. Dies bietet die Möglichkeit, empfindliche PD-
Diagnosetests von HV-Geräten unter stark gestörten Umgebungsbedingungen
vor Ort durchzuführen, was mit der IEC-Methode, die eine Begrenzung der
oberen Grenzfrequenz unter 1 MHz empfiehlt, in der Regel nicht möglich ist. In
diesem Zusammenhang muss jedoch betont werden, dass die Amplitude der PD-
Impulse, die am Ausgang von VHF/UHF-PD-Instrumenten erscheinen, nicht mit
der scheinbaren Ladung von PD-Impulsen korreliert ist. Dies wird durch das
in Abb. 4.77 gezeigte Messbeispiel unterstrichen, das sich auf einen defekten
Kabelendverschluß bezieht.
4.7 PD- Detektion im VHF/UHF-Bereich 259

Abb. 4.77 Oszilloskopische Screenshots von phasenaufgelösten PD-Impulsen, die aus einem
defekten Kabelendverschluss unter Betriebswechselspannung (50 Hz) ausgekoppelt und gleich-
zeitig mit einem VHF-Messsystem (rosa Spur) und einem PD-Instrument gemäß IEC 60270
(grüne Spur) gemessen wurden. a Positive Halbperiode. b Negative Halbperiode

Wie man sehen kann, sind die Amplituden der PD-Impulse, die am Ausgang
des VHF-Messsystems (rosa Spur) erscheinen, nicht proportional zu denen der
scheinbaren Ladungsimpulse (grüne Spur). Dies wird durch die grafische Dar-
stellung in Abb. 4.78 unterstrichen, die aus 10 aufeinanderfolgenden Screenshots
gemäß Abb. 4.77 resultiert. Hier wurde der Spitzenwert jedes Stromimpulses,
der am Ausgang des UHV-Messsystems erscheint, über der Amplitude des
zugehörigen scheinbaren Ladungsimpulses aufgetragen.
Trotz des Nachteils, dass die UHF/VHF-PD- Detektionsmethode nicht in
Bezug auf pC kalibriert werden kann, gibt es auch verschiedene Vorteile. So wird
das Nutz-Stör-Signal-Verhältnis im Vergleich zur IEC-Methode wesentlich ver-
bessert, wie bereits erwähnt. Dies bietet u. a. die Möglichkeit, die PD- Einsatz-
spannung sowie den PD-Trend unter Störbedingungen vor Ort zu bestimmen.
Darüber hinaus kann diese Technik vorteilhaft zur Lokalisierung potenzieller
PD-Defekte in geometrisch ausgedehnten HV-Geräten, wie gas-isolierten Schalt-

Abb. 4.78 Ergebnisse 15


vergleichender PD-Studien, positive TE-Impulse
die die Amplituden
Spitzenstrom [mA]

negative TE-Impulse
der PD-Stromimpulse
zeigen, die mit der VHF- 10
Methode bewertet wurden,
im Vergleich zu den
Amplituden der scheinbaren
Ladungsimpulse 5

0
0 5 10 15 20
Scheinbare Ladung der TE-Impulse [pC]
260 4 Teilentladungsmessung

anlagen (GIS), eingesetzt werden, indem die Laufzeitmessung (Pearson 1991) ver-
wendet wird, wie in Abschn. 10.4.1 beschrieben wird.

4.8 Akustische PD-Detektion

PD-Ereignisse führen nicht nur zur leitergebundenen Ausbreitung von Wander-


wellen sowie zu deren Abstrahlung, sondern senden auch akustische Druckwellen
aus, wobei das akustische Signal einen Frequenzbereich zwischen einigen kHz
und mehreren hundert kHz abdeckt. Der Hauptvorteil der Erfassung von akustisch
emittierten (AE) Wellen ist ihre Immunität gegenüber elektromagnetischen
Störungen. Um einen Einfluss anderer mechanischer Vibrationen, die durch
Pumpen und Ventilatoren verursacht werden, sowie akustischer Geräusche,
die vom Eisenkern von Transformatoren aufgrund von Magnetostriktion und
Barkhausen-Effekt ausgehen, zu verhindern, wird üblicherweise der Ultraschall-
frequenzbereich, vorzugsweise zwischen 40 kHz und wenigen 100 kHz, gewählt,
um AE-Signale zu erfassen.
Die Ultraschall-PD- Detektion wurde ursprünglich eingesetzt, um akustische
Schallwellen in Luft aufgrund von Koronaentladungen zu lokalisieren, z. B. um
störende Entladungen an Abschirmungselektroden von HV-Prüfeinrichtungen
sowie schädliche Entladungen als Folge von Kappenisolatordurchschlägen zu
identifizieren. Ein Foto eines portablen, batteriebetriebenen Ultraschall-PD-
Detektors, der für diesen Zweck entwickelt wurde, ist in Abb. 4.79 dargestellt.

Ultraschall
Schmalbandverstärker mikrofon
Mittenfrequenz: 40 kHz
Bandbreite: 800 Hz parabolischer
Reflektor

Kopfhörer

Abb. 4.79 Foto eines Ultraschall-PD-Detektors. (Mit freundlicher Genehmigung von Doble
Lemke)
4.8 Akustische PD-Detektion 261

Ende der 1950er Jahre wurde die Ultraschall-PD-Detektionsmethode auch ein-


gesetzt, um strukturgebundene Schallwellen zu erfassen, die von PD-Defekten
in HV-Geräten, emittiert werden (Anderson 1956). Danach wurde diese Techno-
logie zu einem weit verbreiteten Werkzeug für die vorbeugende PD-Diagnostik
von gasisolierten Schaltanlagen (Graybill 1974; Lundgaard et al. 1990; Albiez und
Leijon 1991) und auch zur Lokalisierung von PD-Fehlern in großen Leistungs-
transformatoren (Harrold 1975; Nieschwitz und Stein 1976; Howels und Norton
1978; Lundgard et al. 1989; Fuhr et al. 1993). Neben der Amplitude kann auch die
Form des Ultraschallsignals sehr informativ sein, um potenzielle PD-Defekte zu
identifizieren und zu lokalisieren, da die Amplitude des empfangenen akustischen
Signals mit zunehmendem Abstand zur PD-Quelle deutlich abgeschwächt wird.
Wenn man jedoch nur einen einzigen Ultraschallsensor verwendet, ist das
Lokalisierungsverfahren äußerst zeitaufwändig, insbesondere bei intermittierenden
PD-Ereignissen. Als Alternative hat sich heutzutage die sogenannte Triangulation
als gängige Praxis etabliert. Zu diesem Zweck werden drei oder mehr Sensoren
verwendet, um „time-of-flight“-Messungen (Laufzeitmessungen) durchzu-
führen, wie in Abb. 4.80 dargestellt. Für ein homogenes Ausbreitungsmedium
sind die Abstände x1, x2 und x3 zwischen der PD-Quelle und den AE-Sensoren
proportional zur gemessenen Flugzeit, die als t1, t2 und t3 bezeichnet wird und
aus den Oszilloskop-Aufzeichnungen abgeleitet wird. Die in Abb. 4.80 gezeigten
Trajektorien kreuzen sich daher an dem Punkt, an dem sich die PD-Quelle befindet.
Um die Lokalisierungsunsicherheit zu minimieren, ist es üblich, die Ultra-
schalltechnik in Verbindung mit elektrischen PD-Messungen einzusetzen. Dies
bietet die Möglichkeit, das Oszilloskop durch ein elektrisches Signal zeitsynchron

Abb. 4.80 Prinzip AE-Wandler 1


der Triangulation zur
Lokalisierung der PD-Stelle

AE-Wandler 2

PD-Quelle

AE-Wandler 3
262 4 Teilentladungsmessung

elektrisches Auslösesignal

Abb. 4.81 Prinzip der „time-of-flight“-Messung, bei der das akustische Signal von drei Ultra-
schallsensoren empfangen wird, die am Tank eines 110-kV-Spannungswandlers befestigt sind.
Hier wurde das Oszilloskop durch ein elektrisches PD-Signal ausgelöst. a Einzelpulsauslösung. b
Mehrfachpulsauslösung und Averaging

auszulösen, wenn das PD-Ereignis zündet, siehe Abb. 4.81a. Da die Zeitver-
zögerung des erfassten elektrischen Signals weit unterhalb des μs-Bereichs liegt,
kann diese im Vergleich zur Flugzeit des akustischen Signals vernachlässigt
werden, da dieses in Öl nur 1,2 mm pro µs zurücklegt. Unter störbehafteten
Bedingungen kann das Nutz-Störsignal-Verhältnis durch die Verwendung des
sogenannten Averaging-Modus erheblich verbessert werden, wie in Abb. 4.81b
dargestellt. Die kombinierte akustisch-elektrische Methode bestätigt außerdem,
dass tatsächlich ein PD-Defekt erkannt wurde und nicht ein störendes akustisches
Geräusch.
Unter Laborbedingungen wird das elektrische Signal, das zum Auslösen des
Oszilloskops erforderlich ist, häufig über einen Koppelkondensator oder auch
über die C/tanδ-Klemme von Kondensatordurchführungen, falls verfügbar, aus-
gekoppelt. Unter stark gestörten Umgebungsbedingungen vor Ort ist es jedoch
vorteilhafter, die VHF/UHF-Technik zur Triggerung der akustischen Erfassungs-
einheit und damit zur Verbesserung des Nutz-Störsignal-Verhältnisses einzu-
setzen, wie in Abschn. 4.7 erläutert. In diesem Zusammenhang muss jedoch
betont werden, dass die Triangulation gemäß Abb. 4.80 nur vernünftige Ergebnisse
liefert, wenn sich die Schallwellen in einem Kontinuum ausbreiten, da dann die
Geschwindigkeit der akustischen Druckwellen konstant bleibt. Bei HV-Geräten
mit komplexem Design, wie z. B. Leistungstransformatoren, wird die Schall-
wellengeschwindigkeit stark durch die sehr unterschiedlichen Konstruktions-
materialien beeinflusst, wie z. B. Kupfer, Stahl, Holz, Pressspan und Isolieröl.
So müssen statt der direkten Schallwelle, die die kürzeste Entfernung zwischen
PD-Quelle und Ultraschallwandler zurücklegt, zwei Wellenfronten mit sehr unter-
schiedlichen Geschwindigkeiten berücksichtigt werden. Diese werden üblicher-
weise als longitudinale (Druck-) und transversale (Schub-) Welle bezeichnet.
Ohne weiter ins Detail zu gehen, sei erwähnt, dass der kürzeste Weg oft nicht der
schnellste ist, wie in Abb. 4.82 dargestellt. Dies liegt an den unterschiedlichen
Geschwindigkeiten der Schallwellen, die z. B. in Öl ca. 1,25 mm/μs und in Stahl
4.8 Akustische PD-Detektion 263

PD-Quelle

kürzester Weg

kritischer Winkel
für Druckwelle schnellster Weg

Öl
we
g
Stahlpfad
Behälterwand strukturgetragene Welle

AE-Wandler

Abb. 4.82 Kürzester und schnellster Weg zwischen einer PD-Quelle in Öl und einem
akustischen Sensor, der auf einem Leistungstransformator-Tank platziert ist

5,1 mm/μs erreichen. Um die sehr komplexen Gleichungen für die Schallwellen-
geschwindigkeit in realen HV-Geräten zu lösen, stehen heutzutage fortschrittliche
Computersysteme mit ausgeklügelten Softwarepaketen zur Verfügung.
Die für die akustische Erkennung und Lokalisierung von PD-Quellen in HV-
Geräten erforderliche Einrichtung umfasst neben einem Array von AE-Wandlern
eine Signalübertragungseinheit (Verkabelung oder Glasfaserverbindung) und ein
Erfassungssystem (digitales Oszilloskop oder computerbasiertes Messsystem)
zur Durchführung der Signalverarbeitung sowie zur Visualisierung und auch zur
Speicherung der erfassten Ultraschalldaten. Zur Erfassung der akustischen Signale
werden üblicherweise folgende Arten von Ultraschallwandlern eingesetzt:
• Piezoelektrische Wandler,
• Körperschallresonanzwandler,
• Beschleunigungsmesser,
• Kondensatormikrofone und
• Elektrooptische Wandler.
Da die akustische Impedanz der Wandler sehr unterschiedlich zu der des
metallischen Gehäuses des zu untersuchenden HV-Geräts ist, besteht die Auf-
nehmerseite des Wandlers in der Regel aus gehärtetem Epoxidharz, um eine
effiziente Signalübertragung zu gewährleisten. Dies bietet zusätzlich die erforder-
liche Isolierung zwischen metallischem Wandlergehäuse und metallischen Teilen
des Prüfobjekts. Darüber hinaus sollte der Kopplungsmethode besondere Auf-
merksamkeit geschenkt werden, da die abgegebene Schallwelle an der Schnitt-
stelle zwischen Wandler und Gehäuse des HV-Geräts reflektiert werden kann.
Daher sollte ein akustisches Kopplungsgel verwendet werden, um die Aus-
wirkungen von Reflexionen zu minimieren.
Im Allgemeinen scheint es vorteilhaft, einen Vorverstärker in den Ultraschall-
wandler zu integrieren, um das Nutz-Störsignal-Verhältnis zu verbessern. Wie
264 4 Teilentladungsmessung

elektrisches Signal

AC-Prüfspannungs
signal

akustisches Signal

Abb. 4.83 PD-Impulsantwort eines schmalbandigen Ultraschallmesssystems mit einer Mitten-


frequenz von 42 kHz und einer Bandbreite von 800 Hz. a Elektrisch gemessene PD-Impulfolge,
die zu einer Überlagerung des vom Schmalbandverstärker verarbeiteten akustischen Signals
führt. b Antwort des akustischen Messsystems auf einen einzelnen PD-Impuls

oben erwähnt, können störende mechanische Vibrationen, die durch Pumpen


und Ventilatoren verursacht werden, sowie Geräusche, die vom Eisenkern des
Transformators aufgrund von Magnetostriction und Barkhausen-Effekt aus-
gehen, effektiv unterdrückt werden, da diese akustischen Geräusche nicht mit
den akustischen Druckwellen korreliert sind, die von realen PD-Quellen aus-
gehen. Die Verwendung von Schmalbandverstärkern, die bei Mittenfrequenzen um
40 kHz arbeiten, kann ebenfalls zu vernünftigen Testergebnissen beitragen. Unter
dieser Bedingung ist die Impulsantwort durch Schwingungen gekennzeichnet, bei
denen die Einhüllende oft einen Zeitraum von mehr als hundert Mikrosekunden
abdeckt. So kann eine Überlagerung von nachfolgenden akustischen Signalen
auftreten, wie aus Abb. 4.83 ersichtlich. Unter anderem ist dies der Grund,
warum die akustische PD-Detektionsmethode nicht mit der elektrischen PD-
Kenngröße scheinbare Ladung korreliert ist. Ein weiterer Nachteil ist die starke
Dämpfung und Dispersion von Ultraschallsignalen, wenn sie verschiedene Isolier-
strukturen durchdringen, da diese eine Tiefpassfiltercharakteristik aufweisen,
bei der das übertragene akustische Signal fast proportional zum Quadrat der
charakteristischen Frequenz gedämpft wird (Beyer 1987).
Kapitel 5
Messung dielektrischer Eigenschaften

Zusammenfassung Das Altern der Isolierung von HV-Geräten wird nicht


nur durch die hohe elektrische Feldstärke, sondern auch durch thermische und
mechanische Spannungen verursacht, die während des normalen Betriebes auf-
treten. Dies kann zu chemischen Prozessen führen, die mit einer allmählichen Ver-
schlechterung der integralen Isolierungseigenschaften verbunden sind. Schließlich
können Schwachstellen und im Extremfall ein ultimativer Isolationsdurchschlag
auftreten, der nicht nur einen unerwarteten Ausfall von HV-Ausrüstungen, sondern
auch physische, umweltbedingte und finanzielle Schäden verursacht. Um einen
zuverlässigen Betrieb von HV-Assets zu gewährleisten, wurden hohe Qualitäts-
standards für Prüfungen nach der Herstellung erarbeitet sowie fortschrittliche
Tools für präventive Diagnostik im Service entwickelt. Wie bereits in Kap. 4
behandelt, sind PD-Messungen seit den 1960er Jahren zur Erkennung lokaler
dielektrischer Fehler unverzichtbar geworden, während die Messung integraler
dielektrischer Eigenschaften, wie Kapazitäts- und Verlustfaktormessungen, bereits
seit Beginn des letzten Jahrhunderts für die Bewertung des Isolationszustands
von HV-Ausrüstungen zunehmende Bedeutung erlangten, als die ersten HV-
Übertragungssysteme über 100 kV errichtet wurden. In diesem Zusammenhang
ist zu beachten, dass die dielektrischen Eigenschaften häufig bei Prüffrequenzen
bestimmt werden, die sich von der Servicefrequenz (50/60 Hz) unterscheiden.
So können auch wertvolle Informationen über den Isolationszustand gewonnen
werden durch Messung der dielektrischen Antwort nach dem Ein- und Ausschalten
einer Gleichspannung, wie im Folgenden behandelt wird.

5.1 Messung der dielektrischen Antwort

Betrachtet man eine Kapazität, bei der das Feststoff-Dielektrikum zwischen


ebenen plan-parallelen Elektroden angeordnet ist, die plötzlich einer Gleich-
spannungsrampe ausgesetzt sind, wird die Kapazität schnell aufgeladen. Unmittel-
bar danach ist jedoch ein vergleichsweise geringer Strom messbar, der nicht nur
durch die Volumenleitfähigkeit des dielektrischen Materials, sondern auch durch

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 265


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_5
266 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

Polarisationseffekte verursacht wird. Dies ist auf die Coulomb-Kraft (Coulomb


1785) zurückzuführen, die eine Verschiebung der immer vorhandenen positiven
und negativen Ladungen im Dielektrikum bewirkt, die sich im spannungslosen
Zustand gegenseitig neutralisieren. Das bedeutet, dass sich bei Spannungs-
belastung nach einer bestimmten Zeit ein Dipolmoment einstellt. Umgekehrt tritt
eine Depolarisation auf, sobald die Gleichspannung abgeschaltet wird und die
Elektroden des Prüflings kurzgeschlossen werden. Da die Rückkehr der Ladungs-
träger an ihren Ursprungsort wieder nach einer bestimmten Verzögerung erfolgt,
ist eine sogenannte Wiederkehrspannung (manchmal auch als „Relaxations-
spannung“ bezeichnet) über den Elektroden des Prüflings messbar, d. h. nach einer
bestimmten Relaxationszeit, vorausgesetzt, die Elektroden des zu untersuchenden
Prüflings sind nicht kurzgeschlossen. Dieses Phänomen wurde ursprünglich von
Maxwell 1888 entdeckt und von Wagner 1914 anhand des in Abb. 5.1 gezeigten
Ersatzschaltbildes detaillierter erklärt. Dieses Netzwerk besteht aus dem Basis-
Kondensator C0 und dem parallelen Widerstand R0, der den Gleichstromwider-
stand der Kapazität C0 darstellt. Zusätzlich wurden verschiedene R–C-Elemente
eingeführt, die verschiedene Relaxationszeitkonstanten τ1 = R1 C1, τ2 = R2
C2, … τn = Rn Cn darstellen, um Übergangsfrequenzen zu charakterisieren, die
mit typischen Polarisationseffekten verbunden sind, wie Grenzflächen- und
Orientierungspolarisation sowie Ionen- und Elektronenpolarisation,.
Heutzutage ist die Wiederkehrspannungsmessung (Return Voltage
Measurement – RVM) eines der etabliertesten Diagnosewerkzeuge zur
Beurteilung des globalen Isolationszustands von HV-Geräten und deren
Komponenten (Boening 1938; Nemeth 1966, 1972; Reynolds 1985; Csepes et al.
1994; Lemke und Schmiegel 1995; Gubanski et al. 2002). Der für die RVM-
Methode verwendete Grundschaltkreis sowie typische Spannungssignale sind
in Abb. 5.2 dargestellt. Hier wird das Prüfmuster zunächst durch eine konstante
Gleichspannung der Größe Ve angeregt. Zu diesem Zweck wird der Schalter S1
plötzlich geschlossen, während der Schalter S2 noch offen bleibt. Als Ergebnis der
kontinuierlichen Gleichspannungsbelastung wird die Grundkapazität C0 (Abb. 5.1)
schnell aufgeladen. Im Gegensatz dazu kann es zu einer gewissen Verzögerung
beim Laden der anderen Kapazitäten C1, C2, C3, … Cn kommen. Dies ist auf die

Abb. 5.1 Ersatzschaltbild


von Feststoffdielektrika
5.1 Messung der dielektrischen Antwort 267

S1
(a)

Prüfling Voltmeter
DC
Spannung- Ve S2 vr (t)
squelle

(b)
Ve
S r= dvr /dt @ t2
Spannung

Vr

vr (t)

t0 t1 t2 t3 Zeit

S1 eingeschaltet

S2 einge-
schaltet

Abb. 5.2 Prinzip der Wiederkehrspannungsmessung (RVM). a Grundschaltkreis. b Charakteristische


Spannungssignale

zuvor erwähnten Relaxationszeitkonstanten τ1, τ2, … τn zurückzuführen. Nach


einer bestimmten Gleichspannungsbelastungszeit t1, die oft mehrere zehn Minuten
oder sogar länger dauert, wird der Schalter S1 geöffnet (Abb. 5.2). Unmittelbar
danach wird das Prüfmuster kurzgeschlossen, indem der Schalter S2 zum Zeit-
punkt t1 für mehrere Minuten oder sogar länger geschlossen wird. Unter dieser
Bedingung wird die Grundkapazität C0 vollständig entladen, während die Kapazi-
täten C1, C2, C3, … Cn aufgrund der charakteristischen Relaxationszeitkonstanten
τ1, τ2, τ3, … τn nur teilweise entladen werden.
Im Moment t2, wenn der Schalter S2 wieder geöffnet wird, verursachen die in
den Kondensatoren C2, C3, … Cn gespeicherten Restladungen eine erneute Auf-
ladung des Grundkondensators C0. So ist eine sogenannte Rückkehrspannung
vr(t) über den Elektroden des Prüfobjekts messbar. C0 wird jedoch auch durch
den parallel geschalteten Widerstand R0 entladen, der den Volumenwider-
stand des zu untersuchenden dielektrischen Materials darstellt. Folglich sinkt
die Widerkehrspannung nach einem anfänglichen Spannungsanstieg, der durch
die anfängliche Steigung dvr(t)/dt und den maximalen Wert Vr zum Zeitpunkt t3
gekennzeichnet ist, wieder ab und nähert sich schließlich Null, siehe Abb. 5.2b.
Zusätzliche Informationen über den Isolationszustand erhält man durch die
Erstellung sogenannter Polarisationsspektren. Zu diesem Zweck wird eine Reihe
268 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

von Wiederkehrspannungsmessungen bei konstanter Gleichspannungstest-


spannung durchgeführt, während die Gleichspannungsbelastungszeit t1 sowie
die Kurzschlussdauer (t2–t1) schrittweise erhöht werden. Um reproduzierbare
Messungen zu gewährleisten, wird das Verhältnis (t2–t1)/t1 in der Regel konstant
gehalten und oft auf 50 % gewählt. Unter dieser Bedingung wird die anfäng-
liche Steigung dvr(t)/dt zum Zeitpunkt t2 und der Spitzenwert Vr der Wiederkehr-
spannung abhängig von der Ladezeit t1 für jede Prüfsequenz aufgezeichnet. Ein
praktisches Messbeispiel ist in Abb. 5.3 dargestellt, das für ölimprägnierte Papier-
isolierung mit dem Feuchtigkeitsgehalt als Parameter gewonnen wurde. Im All-
gemeinen kann festgestellt werden, dass jedes Maximum der Rückkehrspannung
zu einer dominanten Relaxationszeitkonstante gehört, die eindeutig mit einem
typischen Alterungsphänomen korreliert ist. Dies bietet die Möglichkeit, den
Zustand technischer Isolierung, wie z. B. den Feuchtigkeitsgehalt und die Depoly-
merisation von ölimprägniertem Papier, das für Leistungstransformatoren und
Starkstromkabel verwendet wird, zu beurteilen.
Ein anderer Ansatz ist die Analyse der Polarisation und des
Entpolarisierungsstroms mit Hilfe des in Abb. 5.4a skizzierten Grundschaltkreises.
In Übereinstimmung mit der oben vorgestellten Wiederkehrspannungsmessung
wird das Prüfmuster zunächst einer Gleichspannung Vc ausgesetzt, wobei der
Schalter S1 bis zum Zeitpunkt t2 geschlossen bleibt. Unter dieser Bedingung wird
die Hauptkapazität C0 vollständig aufgeladen, in der Regel innerhalb von weniger
als einer Sekunde.
Um eine Überlastung aufgrund der hohen Größe des Ladestroms und damit
eine mögliche Beschädigung des empfindlichen Amperemeters in der Erdungsver-
bindung des Prüflings zu vermeiden, wird dieses Instrument zunächst durch den
Schalter S2 kurzgeschlossen und, kurz verzögert, zum Zeitpunkt t1 geöffnet, um
den zeitabhängigen Polarisationsstrom ip(t) zu messen, der die Teilkapazitäten C1,
C2, C3, … Cn mit verschiedenen Zeitkonstanten auflädt, siehe Abb. 5.1. Dieser

140
1% 2%
120
Wiederkehrspannung [Vr ]

100
5%
80

60

40

20

0
1 10 100 1000
Ladezeit [s]

Abb. 5.3 Depolarisationsspektren, gemessen für ölimprägniertes Papier bei einem Feuchtigkeits-
gehalt von 1, 2 und 5 %
5.1 Messung der dielektrischen Antwort 269

(a) S1

Prüfling
DC S3
Spannung- Ve
squelle
Amperemeter
S2
ip (t) id (t)

(b)
Ve
Spannung; Strom

ip (t)

IDC Zeit
t0 t1 t2 t3

id (t)

S1 eingeschaltet

S2 eingeschaltet eingeschaltet

S3 eingeschaltet

Abb. 5.4 Prinzip der Polarisation- und Depolarisationsmessung. a Grundschaltkreis. b


Charakteristische Spannungs- und Strom-Signale

Strom nimmt mehr oder weniger exponentiell ab, bis er einen stationären Wert IDC
erreicht, der durch den Gleichstromwiderstand R0 bestimmt wird.
Der nächste Schritt beginnt im Augenblick t2, wenn der Schalter S2 wieder
kurzgeschlossen wird und der Schalter S1 geöffnet wird, um den Prüfling
von der Gleichstromquelle zu trennen. Unmittelbar danach wird der Schalter
S3 geschlossen, so dass die Hauptkapazität C0 fast vollständig entladen
wird. Wenige Sekunden später, d. h. im Augenblick t3, wird der Schalter S2
geöffnet, während S3 geschlossen bleibt. Unter dieser Bedingung wird der zeit-
abhängige Depolarisationsstrom id(t) gemessen. Auch wenn die Polarität dieses
Depolarisationstromes der des Polarisationsstroms entgegengesetzt ist, ist die
Zeitfunktion mehr oder weniger vergleichbar mit der exponentiellen Funktion
des Polarisationsstroms. Der einzige Unterschied besteht darin, dass eine resistive
270 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

Stromkomponente, die während der ersten Phase auftritt, aufgrund der kurz-
geschlossenen Anschlüsse des Prüfobjekts nicht nachweisbar ist.
In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass auch
andere Verfahren als die oben genannten zur Beurteilung des globalen Isolier-
zustands verwendet werden, wie z. B. die Messung von isothermen Relaxations-
strömen (Simmons et al. 1973; Beigert et al. 1991). Im Prinzip sind die für
diesen Zweck verwendeten Schaltungen mehr oder weniger Modifikationen
der oben vorgestellten Schaltungen. Als Beispiel soll im Folgenden kurz die
Messung der sogenannten Depolarisationsladung vorgestellt werden, die auf
einer elektronischen Integration des Depolarisationsstroms beruht (Lemke und
Schmiegel 1995). Ein Schema der für dieses Verfahren entwickelten Schaltung
sowie typische Spannungssignale sind in Abb. 5.5 dargestellt.
Wie üblich bei Messungen der Wiederkehrspannung und des Polarisations-/
Depolarisations-Stromes wird die Prüflingskapazität zunächst auf eine konstante
DC-Spannung Ve aufgeladen, in der Regel auf wenige kV. Basierend auf
praktischen Erfahrungen wird die Dauer der DC-Vorbeanspruchung vorzugsweise

(a) S1

S2 S3
Prüfling
DC Cr
Spannung Ve
Quelle
Cm
Vm vr (t)

(b)
Ve
Vr
Ve
Spannung

vr (t)

t0 t1 t2 Zeit t3

S1 eingeschaltet

S2 eingeschaltet

S3
eingeschaltet

Abb. 5.5 Grundschaltung für die Messungen der Depolarisationssladung (a) und charakteristische
Spannungssignale (b)
5.1 Messung der dielektrischen Antwort 271

zwischen 2 und 10 min gewählt. Während dieser Zeitspanne ist der Schalter S1
geschlossen, während alle anderen Schalter noch offen bleiben. Der zweite Schritt
beginnt zum Zeitpunkt t1, wenn der Schalter S1 geöffnet und unmittelbar danach
der Schalter S2 geschlossen wird. Vorausgesetzt, die Bedingung Cm >> C0 ist
erfüllt, wird die ursprünglich in der Basiskapazität C0 des Prüflings gespeicherte
Ladungsmenge fast vollständig auf den Messkondensator Cm übertragen. Somit
kann die Basiskapazität C0 des Prüflings einfach aus dem Verhältnis zwischen der
Spannung Vm, die über Cm im Zeitintervall t1–t2 auftritt, und der Erregerspannung
Ve, die über C0 im Zeitintervall t0–t1 auftritt, abgeleitet werden:
Vm
C0 ≈ Cm · . (5.1)
Ve
Der nächste Schritt beginnt im Augenblick t2, wenn der Schalter S2 geöffnet wird,
um den Messkondensator Cm vom Prüfobjekt zu trennen. Wenige Sekunden später
wird der Schalter S3 geschlossen, um die Restladung, die zuvor in der Kapazi-
tät des Prüfobjekts gespeichert war, auf den Integrationskondensator Cr zu über-
tragen. Grundlegende Untersuchungen haben gezeigt, dass beide Zeitintervalle
t1–t0 und t2–t1 vorzugsweise nahe bei 10 s gewählt werden sollten. Für eine
bekannte Kapazität Cr, die den entscheidenden Teil des aktiven Integrators liefert,
kann die in Cr gespeicherte Depolarisationsladung qr(t) einfach aus der Ausgangs-
spannung vr(t) mit der folgenden Beziehung abgeleitet werden:
qr (t) = Cr · vr (t). (5.2)
Die Messung wird üblicherweise zum Zeitpunkt t3 abgeschlossen, wenn sich
ein quasi-stationärer Zustand einstellt, d. h. die Ausgangsspannung vr(t) des
elektronischen Integrators nahezu konstant bleibt, was normalerweise nach ca.
10 min der Fall ist. Eine geeignete Größe zur Beurteilung des Isolierzustands
ist der Depolarisationsfaktor Fp, der das Verhältnis zwischen der gemessenen
maximalen Depolarisationsladung Qr und der Gesamtladung Qm angibt, die
während der Gleichspannungs-Vorbelastungsperiode in der Basistkapazität C0 des
Prüflings gespeichert wird. Durch Kombination der Gl. (5.1) und (5.2) kann der
Depolarisationsfaktor wie folgt ausgedrückt werden:
Qr Cr Vr
FP = = · . (5.3)
Qm Cm Vm
Das Verhältnis Cr /Cm liefert im Prinzip einen Skalenfaktor des Messsystems, so
dass der Depolarisationfaktor FP proportional zum Verhältnis der Spannungs-
magnituden Vr und Vm ist, die über Cr und Cm gemessen werden können.
Basierend auf praktischen Erfahrungen, die mit XLPE-isolierten Starkstromkabeln
gesammelt wurden, kann der Isolierzustand als „gut“ beurteilt werden, solange die
Bedingung Fp < 10−4 erfüllt ist.
Beispiel Abb. 5.6 zeigt typische Spannungssignale, die für ein betriebsgealtertes 20 kV
XLPE-Kabel aufgezeichnet wurden. Um geeignete Messwerte zu erhalten, wurden die
folgenden Einstellungen gewählt:
272 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

Abb. 5.6 Charakteristische


Spannungssignale,
Ve = 5.0 V
aufgezeichnet für ein
gealtertes MVXLPE-
V r= 0.64 V
Kabel zur Ermittlung
des Polarisationsfaktors V m = 2.3V Vr(t)
(Erklärung im Text)

Übersetzungsverhältnis des Spannungsteilers R2/R1 = 1:400


Kapazität des Messkondensators Cm = 100 μF
Kapazität des Integrierkondensators Cr = 1 μF

Mit Hilfe der Gl. (5.1) und (5.3) können die folgenden Werte aus der in Abb. 5.6
gezeigten Aufzeichnung abgeleitet werden:

Prüfspannung Ve = (5 V) ∙ 400 = 2000 V


Basiskapazität des Prüflings C0 = (100 μF) ∙ (2,3 V)/2000 V = 145 nF
Polarisationsfaktor Fp = [(1 μF)/(100 μF)] ∙ [(0,64 V)/(2,3 V)] = 28 × 10−4

Da dieser Wert die oben genannte kritische Grenze von Fp < 10−4 deutlich über-
schreitet, wurde eine starke Exposition durch sogen. Water Trees vermutet, was
aufgrund mikroskopischer Untersuchungen bestätigt werden konnte.

5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung

Da die Isolierung von HVAC-Geräten hauptsächlich durch Wechselspannungen


von 50/60 Hz belastet wird, ist das Wissen über die dielektrischen Eigenschaften
bei solchen niederfrequenten Wechselspannungen von vorrangigem Interesse.
Unter dieser Bedingung kann der äquivalente Schaltkreis gemäß Abb. 5.1 erheblich
vereinfacht werden, wie in Abb. 5.7 gezeigt. Hier kann die Kapazität Cs des Prüf-
objekts entweder als in Reihe mit dem hypothetischen Widerstand Rs (Abb. 5.7a)
angenommen werden (Serienschaltung), oder die Kapazität Cp des Prüfobjekts
wird durch einen parallelen Widerstand Rp (Abb. 5.7b) überbrückt (Parallel-
schaltung). Hier spiegeln Rs oder Rp im Prinzip die thermischen Verluste wider, die
im dielektrischen Material entstehen und durch Konvektion abgeführt werden.
Da die Leitfähigkeit technischer Isolierungen bei steigender Temperatur
abnimmt, kann die Stromdichte zunehmen, insbesondere in Regionen, in denen
die Konvektion der abgeführten Leistung eingeschränkt ist. Infolgedessen
können sogenannte Hotspots auftreten, die die lokale Isolationsverschlechterung
beschleunigen und schließlich zu einem endgültigen Isolationsdurchschlag
führen. Daher ist die Messung von dielektrischen Verlusten seit Beginn des letzten
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung 273

(a)

IS IS

VS
VR RS
VR 

VS

CS

VC

VC

(b)
VS
IP
Ip
IR 
IR IC
CP
UP
RP


IC

Abb. 5.7 Äquivalente Schaltkreise und zugehörige Vektordiagramme, die häufig zur Definition
des Verlustfaktors tanδ verwendet werden. a Serienschaltung. b Parallelschaltung

Jahrhunderts ein unverzichtbares Instrument für Qualitätssicherungstests von


HV-Geräten geworden, als hohe Wechselspannungen zunehmend für Fernüber-
tragungsverbindungen eingesetzt wurden.
Wenn man den in Abb. 5.7a gezeigten äquivalenten Schaltkreis betrachtet,
verursacht der Strom IS, der sowohl durch die Kapazität CS als auch durch den
in Reihe geschalteten Widerstand RS fließt, eine Phasenverschiebung δS zwischen
der angelegten Prüfspannung VS und den Spannungsvektoren VC und VR. Aus
praktischer Sicht scheint es zweckmäßig, den Tangens des sogen. Verlustwinkels
δ zu bewerten, der allgemein als Verlustfaktor bezeichnet wird und durch das Ver-
hältnis zwischen den beiden Spannungsvektoren VR und VC gegeben ist:
VR IS · RS
tan δS = / /=/ / = ω · CS · R S . (5.4)
VC IS /jω · CS
274 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

In Bezug auf Abb. 5.7b, wo CP und RP parallel geschaltet sind, gilt die folgende
Beziehung:
IR VP /jω · CP 1
tan δP = / /=/ /= . (5.5)
IC VP · RP ω · CP · RP
Wenn man Gl. (5.4) einerseits mit dem Strom IS, der durch CS und RS fließt, multi-
pliziert und andererseits Gl. (5.5) mit der Prüfspannung VP, die über CP und RP
abfällt, kann leicht gezeigt werden, dass der Verlustfaktor für beide in Abb. 5.7
gezeigten Schaltungen gleich wird und einfach durch das Verhältnis zwischen
resistiver Wirkleistung und reaktiver (kapazitiver) Blindleistung ausgedrückt
werden kann:
VR · IS VP · IR PR
tan δP = / /=/ /= (5.6)
Vc · IS VP · IC PC
Wie aus der klassischen Netzwerktheorie bekannt, kann jeder Serienschaltkreis
in einen Parallelschaltkreis umgewandelt werden und umgekehrt. Wenn man die
in Abb. 5.7a und b gezeigten äquivalenten Schaltkreise berücksichtigt, gelten die
folgenden Beziehungen (Küpfmüller 1990):
1 1
CP = CS · = Cs · . (5.7)
1 + (ω · CS · RS )2 1 + (tan δS )2

   
1 1
RP = RS · 1 + = RS · 1 + . (5.8)
(ω · CS · RS )2 (tan δS )2

 
1
= CP · 1 + (tan δP )2 .
 
CS = CP · 1 + 2 (5.9)
(ω · CP · RP )

1 (tan δP )2
RS = RP · 2
= . (5.10)
1 + (ω · CP · RP ) 1 + (tan δP )2
Diese Beziehungen ermöglichen die Bestimmung des Verlustfaktors auf der
Grundlage der Einstellungen der abgeglichenen Schering-Brücke , wie im
Folgenden behandelt wird.

5.2.1 Schering-Brücke

Um die relative Dielektrizitätskonstante εr von Isoliermaterialien sowie die


Kapazität und den Verlustfaktor unter Hochspannung zu messen, wird häufig die
Brückenschaltung nach Abb. 5.8 verwendet, die Schering 1919 vorgeschlagen
hat. Diese besteht im Prinzip aus zwei parallel geschalteten Spannungsteilern, die
im Folgenden als Mess- und Referenzzweig bezeichnet werden. Wie in Abb. 5.8
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung 275

Abb. 5.8 Schaltungselemente einer Schering-Brücke

skizziert, wird die hochspannungsseitige Impedanz des Messzweigs durch den


Prüfling gebildet, der durch die Reihenschaltung von CS und RS simuliert wird,
siehe Abb. 5.7a, während die hochspannungsseitige Impedanz des Referenzzweigs
durch den verlustfreien Standardkondensator CN gebildet wird.
Da die Spannungsvektoren VS und V3, die über die hoch- und
niederspannungsseitige Impedanz des Messzweigs erscheinen, proportional zu
diesen Impedanzen sind, kann geschrieben werden:
VS (1/jω · CS ) + RS 1 + jω · CS · RS
= = . (5.11)
V3 R3 jω · CS · R3
Bei Betrachtung des Referenzzweigs ergibt sich das Verhältnis zwischen den
Spannungsvektoren VN und V4 durch:
VN 1 R4 + (1/jω · C4 ) 1 + jω · C4 · R4
= · = . (5.12)
V4 jω · CN R4 /jω · C4 jω · CN · R4
Um den Brückenschaltkreis abzugleichen , werden die einstellbaren Elemente R3
und C4 so angepasst, dass die Anzeige des Messgeräts ZI in der Brückendiagonale
in Abb. 5.8 sich Null nähert. Offensichtlich wird dies erreicht, wenn die Spannung
über der niederspannungsseitigen Impedanz des Messzweigs in Amplitude und
Phase der Spannung über der niederspannungsseitigen Impedanz des Referenz-
zweigs entspricht. Basierend darauf kann das Abgleichkriterium wie folgt aus-
gedrückt werden:
VS VN
= . (5.13a)
V3 V4

1 + jω · CS · RS 1 + jω · C4 · R4
= , (5.13b)
jω · CS · R3 jω · CN · R4
276 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

1 RS 1 C4
+ = + . (5.13c)
jω · CS · R3 R3 jω · CN · R4 CN
Wenn man nur diejenigen Terme vergleicht, die durch jω geteilt werden, erhält
man die folgende Beziehung, die die Bestimmung der äquivalenten Serien-
kapazität CS aus den Einstellungen der Schering-Brücke unter abgeglichenen
Bedingungen ermöglicht:
CN · R4
CS = , (5.14)
R3
Vergleicht man die restlichen (frequenzunabhängigen) Ausdrücke in Gl. (5.14),
erhält man den folgenden hypothetischen Serienwiderstand RS, der aus den Ein-
stellungen von R3, R4 und C4 unter abgeglichenen Bedingungen abgeleitet werden
kann:
R3 · C4
RS = , (5.15)
CN
Durch Kombination dieser Gleichungen kann der Verlustfaktor mit der folgenden
Beziehung berechnet werden:
CN · R4 R3 C4
tan δS = ω · CS · RS = ω · · = ω · C4 · R4 . (5.16)
R3 CN
Kommerziell erhältliche Schering-Brücken sind oft mit einem festen LV-Wider-
stand R4 ausgestattet, über den das Prüfobjekt geerdet wird. Vorausgesetzt, die
Messung von CS und tan δS wird unter 50 Hz Wechselspannung durchgeführt,
wird dieser Widerstand genau auf R4 = 318,5 Ohm eingestellt. Setzt man dies in
Gl. (5.12) ein, erhält man
   
tan δS = 314s−1 · 318,5V · A−1 · C4 = C4 /(10 µF).

Offensichtlich vereinfacht dies die Bestimmung des Verlustfaktors erheblich.


Angenommen, zum Beispiel, dass der abgeglichene Zustand für C4 = 0,027 μF
erreicht wurde, erhält man
tan δS = (0,027 µF)/(10 µF) = 0,0027 = 2,7 · 10−3 .
In diesem Zusammenhang sollte beachtet werden, dass zusätzliche Informationen
über den Isolationszustand von HV-Geräten erhalten werden, wenn neben der
äquivalenten Kapazität CS gemäß Gl. (5.14) und dem Verlustfaktor tan δS gemäß
Gl. (5.16) auch der zeitabhängige Trend dieser Größen unter Betriebsbedingungen
bestimmt wird.
In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass die oben genannte
Abhandlung sich auf einen äquivalenten Schaltkreis bezieht, bei dem die Elemente
CS und RS in Reihe geschaltet sind, siehe Abb. 5.7a. Wie bereits zuvor erwähnt,
kann jeder Serienschaltkreis in einen Parallelschaltkreis umgewandelt werden.
Um also die Werte der parallel geschalteten Elemente in Abb. 5.7b zu bestimmen,
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung 277

müssen die Gl. (5.9) und (5.10) mit den Gl. (5.14) und (5.15) kombiniert werden.
Daraus folgt für die Parallelkapazität:
CS R4 1
CP = = CN · · (5.17a)
1 + (ω · CS · RS )2 R3 1 + (ω · C4 · R4 )2

d. h. die Bedingung tanδS = ω ⋅ C4 ⋅ R4 ≪ 1 gilt, kann Gl. (5.17a) wie folgt verein-
Da der Verlustfaktor bei technischer Isolierung in der Regel deutlich unter 1 liegt,

facht werden:
R4
CP ≈ CN · (5.17b)
R3
Basierend auf Gl. (5.8) kann der parallele Widerstand RP wie folgt ausgedrückt
werden:

1 + (ω · CS · RS )2 C4 1 + (ω · C4 · R4 )2
RP = RS = R 3 · · (5.18a)
(ω · CS · RS )2 CN (ω · C4 · R4 )2

Vorausgesetzt, die bereits oben genannte Bedingung tanδS = ω ⋅ C4 ⋅ R4 ≪ 1 ist


erfüllt, erhält man die folgende Vereinfachung:
C4 1 C4 1
RP ≈ R3 · · = R3 · · (5.18b)
CN (ω · C4 · R4 )2 CN (tan δS )2
Wenn man die obigen Ausdrücke in Gl. (5.5) einsetzt, kann der Verlustfaktor wie
folgt ausgedrückt werden:

1 (ω · CS · RS )2
tan δP = = = ω · CS · RS = ω · C4 · R4 = tan δS .
ω · CP · RP ω · CS · RS
(5.19)

Offensichtlich entspricht dies Gl. (5.16), wie zu erwarten war.


Bei hochkapazitiven Prüfobjekten wie Starkstromkabeln, Leistungstrans-
formatoren und rotierenden Maschinen, muss berücksichtigt werden, dass
der hohe kapazitive Strom durch das Prüfobjekt den Messwiderstand R3 stark
erwärmen kann. Um eine mögliche Beschädigung zu vermeiden, muss dieser
Widerstand durch einen bekannten Parallelwiderstand überbrückt werden, der
deutlich niedriger als R3 gewählt werden muss, um fast den gesamten Laststrom
durch das Prüfobjekt zu tragen.
Da der Verlustfaktor technischer Isolierungen, wie polyethylenisolierte Kabel,
oft unter 10−4 liegt, können die Impedanzen der Niederspannungselemente
der Schering-Brücke durch Streukapazitäten beeinflusst werden. Daher sollten
diese LV-Teile entsprechend abgeschirmt werden. Wenn man die metallische
Abschirmung jedoch auf das Erdpotential legt, wirkt dies wie eine parasitäre
Zusatzkapazität und verursacht somit eine unkontrollierte Phasenverschiebung der
Wechselspannung, die über die niederspannungsseitigen Impedanzen abfällt. Um
dieses entscheidende Problem zu lösen, wird die Abschirmung üblicherweise mit
278 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

einem Hilfszweig verbunden, der eine automatische Potentialsteuerung ermöglicht


(Wagner 1912). Diese kann vorteilhaft durch einen Impedanzwandler mit extrem
hoher Eingangsimpedanz und niedriger Ausgangsimpedanz realisiert werden,
siehe Abb. 5.9.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Verlustfaktor von
geerdeten HV-Geräten, wie Leistungstransformatoren, rotierende Maschinen
und Stromkabel, zu messen. Diese Methode, die allgemein als Grounded
Specimen Test (GST) bezeichnet wird, erfordert eine Trennung der HVAC-
Prüfspannungsversorgung vom Erdpotential (Poleck 1939). Unter dieser
Bedingung können die Prüfergebnisse jedoch stark durch unkontrollierbare Streu-
kapazitäten zwischen der HV-Prüfspannungsanlage und dem Brückenschaltkreis
beeinflusst werden. Um dieses entscheidende Problem zu überwinden, muss die
Schering-Brücke modifiziert werden, wie in Abb. 5.10 dargestellt. Unmittelbar vor
Beginn der eigentlichen Verlustfaktormessung wird ein Vorabgleich der Brücken-
schaltung durchgeführt, bei der das Prüfobjekt durch Öffnen des Schalters SX
und Schließen des Schalters S4 von der HV-Klemme getrennt wird, um die Hilfs-
elemente R5 und C5 entsprechend anzupassen. Danach wird S4 geöffnet und SX
geschlossen, um die eigentliche C-tanδ-Messung unter Hochspannung zu starten,
wobei nur die Elemente R3 und C4 variiert werden, um den Brückenschaltkreis
abzugleichen.
Für GST-Messungen von Dreiphasenanordnungen wie Leistungstrans-
formatoren wurden verschiedene Modifikationen des Brückenschaltkreises
vorgeschlagen, wie GST-Ground-Guard, GST-Ground-Ground und GST-Guard-
Guard. Weitere Informationen zu den grundlegenden Konfigurationen, die für
C-tanδ-Messungen von HV-Geräten empfohlen werden, finden Sie in den ein-
schlägigen Normen IEC 60250: 1969 und IEC 60505: 2011.

Abb. 5.9 Schering-Brücke


mit einem Hilfszweig nach
Wagner zur automatischen
Potentialsteuerung der
Abschirmungselektroden
CX
CN
RX

R3 ZI C4
R4
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung 279

Abb. 5.10 Schering-Brücke,


modifiziert für die C-tanδ-
Messung gerdeter Prüflinge
(Grounded Specimen Test SX
- GST)

CX
CN
RX
ZI
M1 M2

S4 R 4 C4

TR R3

R5 C5

5.2.2 Automatische C-tanδ-Brückenschaltungen

Klassische Schering-Brücken sind in der Lage, tanδ-Änderungenn bis zu 10−5


nachzuweisen sowie Kapazitäten von weniger als 1 pF zu messen. Die Mess-
unsicherheit liegt in der Größenordnung von 1 % für den Verlustfaktor und ca.
0,1 % für Kapazitäten. Der Hauptnachteil ist jedoch das zeitaufwändige Abgleich-
verfahren, so dass schnell veränderliche dielektrische Eigenschaften nicht
gemessen werden können. Um dieses Hindernis zu überwinden, wurden in den
1970er Jahren vollautomatische, computerbasierte C-tanδ-Messbrücken eingeführt
(Seitz und Osvath 1979).
Das grundlegende Konzept wird in Abb. 5.11 schematisch dargestellt. Hier
wird der Strom IX, der durch das Prüfobjekt fließt, mit dem Strom IN, der durch
den Standardkondensator CN fließt, verglichen. Zu diesem Zweck wird ein hoch-
präziser Differntialstromwandler verwendet, der von einem Mikrocomputer
gesteuert wird. Die Primärspulen mit den Wicklungen W1 und W2 bilden die
Niederspannungsimpedanzen der Brücke und induzieren entgegengesetzte
magnetische Flüsse im Magnetkern.
Der Restmagnetfluss wird von der Sekundärspule mit W3 Wicklungen erfasst.
Das Ausgangssignal steuert die weitere Datenverarbeitung durch einen Mikro-
computer. So kann der magnetische Fluss durch den Magnetkern des Differential-
transformators vollständig mittels Abgleich der Ströme durch die Hilfsspulen mit
den Wicklungen W4 und W5 kompensiert werden. Wenn die Brücke abgeglichen
ist, berechnet der Computer die tatsächlichen Werte von CX und tanδ in Abhängig-
keit von der angelegten Prüf-Wechselspannung.
280 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

Abb. 5.11 Konzept einer


automatischen C-tanδ-
Brückenschaltung

CX
IX IN
CN
RX

W1 W2 Differntial-
transformator

W4 W3 W5

Mikrocomputer

CX
CN
RX

PC

Lichtwellenleiterverbindung (FOL) DSP

CM CR
D D

M-sensor R-sensor

Abb. 5.12 Konzept eines computerisierten DSP-basierten C-tanδ-Messsystems

Durch Fortschritte in der digitalen Signalverarbeitung (DSP) sind heutzutage


computerbasierte C-tanδ-Messsysteme verfügbar, die keinen exakten Nullabgleich
der Brückenschaltung erfordern und somit die Prüflingskapazität und den Verlust-
faktor kontinuierlich aufzeichnen (Kaul et al. 1993; Strehl und Engelmann 2003).
Ein vereinfachtes Blockdiagramm eines solchen Messsystems ist in Abb. 5.12 dar-
gestellt. Im Wesentlichen besteht der Schaltkreis aus zwei kapazitiven Spannungs-
teilern. Der Messzweig enthält das Prüfobjekt, das durch die Reihenschaltung von
CX + RX symbolisiert wird und über den Messkondensator CM geerdet ist. Der
Referenzzweig enthält den verlustfreien HV-Standardkondensator CN, der über
den Referenzkondensator CR geerdet ist.
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung 281

Abb. 5.13 Digitalisierung


des Referenz- und
Messsignals, das vom DSP-

Spannung
Messsignal
basierten C-tanδ-Messsystem
verarbeitet wird

δ Zeit
Referenz
signal

Im Gegensatz zur automatischen C-tanδ-Brücke, bei der der Strom IX durch das
Prüfobjekt durch den Referenzstrom IN abgeglichen wird, ist ein genauer Abgleich
nicht erforderlich. Dies liegt daran, dass die Phasenverschiebung und damit der
Verlustfaktor unabhängig von den tatsächlichen Spannungsmagnituden ist, die
über den niederspannungsseitigen Kapazitäten CM und CR abfallen , so dass die
dielektrischen Eigenschaften auch durch eine direkte Messung der Spannungs-
vektoren ermittelt werden können, siehe Abb. 5.13. Es scheint daher ausreichend,
die Spannung über CM nur auf einen Scheitelwertwert abzugleichen, der sich
dem Scheitelwertwert der Spannung über CR nähert, wobei eine Abweichung von
mehreren zehn Prozent akzeptabel ist.
Die Hauptkomponenten eines computergestützten DSP-basierten C-tanδ-
Messsystems sind in Abb. 5.14 dargestellt. Die LV-Signale, die über CM und CR
abfallen, werden von den batteriebetriebenen, potentialfreien Sensoren erfasst.
Beide Sensoren sind mit einem rauscharmen Differenzverstärker mit extrem
hoher Eingangsimpedanz (>1 GΩ), einem schnellen A/D-Wandler (Auflösung
16 Bit bei 10 kHz Abtastrate) und einer elektro-optischen Schnittstelle aus-
gestattet. Die digitalisierten Signale werden über Glasfaserleitungen (FOL) an das
computergestützte C-tanδ-Messsystem übertragen, das auch die Steuersignale vom
Computer zu beiden Sensoren per FOL überträgt. Nach einer schnellen diskreten

FOL R-sensor M-sensor Host-Box Stromerweiterungseinheit computer

Abb. 5.14 Komponenten eines DSP-basierten computergestützten C-tanδ-Messsystems. (Mit


freundlicher Genehmigung von Doble-Lemke GmbH)
282 5 Messung dielektrischer Eigenschaften

Fourier-Transformation, die mit Hilfe eines digitalen Signalprozessors (DSP)


durchgeführt wird, werden die Daten erfasst, berechnet, gespeichert, visualisiert
und entsprechend numerisch angezeigt.
Eine Echtzeit-Multitasking-Software ermöglicht die Berechnung der
dielektrischen Größen für jeden Zyklus der angelegten HVAC-Prüfspannung.
Durch Verwendung des Averaging-Modus wird eine sehr hohe Messgenauigkeit
erreicht. Da das Messprinzip auf der Bestimmung des Phasenwinkels einer nicht
abgeglichenen Brücke in einem frequenzunabhängigen, aber frequenzselektiven
Modus beruht, kann die tatsächliche Prüffrequenz über einen weiten Bereich
variiert werden, typischerweise zwischen 0,01 und 500 Hz.
Alle gemessenen Größen können in Echtzeit numerisch angezeigt werden.
Darüber hinaus können die Daten, wie z. B. der Verlustfaktor, die Kapazität, der
Strom durch das Prüfobjekt, die Prüffrequenz und der Prüfspannungspegel in
Bezug auf Effektivwert und Scheitelwert, in ein Excel-kompatibles Datenformat
exportiert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die dielektrischen Größen auf
dem PC-Bildschirm in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern, wie z. B.
der angelegten Wechselspannung, wie beispielhaft in Abb. 5.15 gezeigt, und über
der Aufzeichnungszeit dargestellt werden, was für eine Trendbewertung von
besonderem Vorteil ist. Bei Prüfspannungen mit Netzsfrequenz (50/60 Hz) ist eine
„interne“ Messunsicherheit von weniger als 10−5 für den Verlustfaktor erreichbar.
Die „erweiterte“ Messunsicherheit wird jedoch hauptsächlich durch das Verhalten
des Standardkondensators CN (Schering und Vieweg 1928; Keller 1959) bestimmt.

0.08

0.06
loss factor tan

0.04

0.02

0
0 5 10 15 20 25 30 kV 35
test voltage

Abb. 5.15 Screenshot, der den Verlustfaktor abhängig von der Prüfspannung zeigt, die für eine
stark gealterte Generatorstabisolierung gemessen wurde
5.2 Verlustfaktor- und Kapazitätsmessung 283

HV-Elektrode

Feststoffdielektrikum

Messelekt- Schutzringe-
rode lektrode

zum
Messsystem

Abb. 5.16 Elektrodenkonfiguration eines Prüflings für die C-tanδ-Messung unter Verwendung
einer Schutzringelektrode

Es sei bemerkt, dass die Messunsicherheit nicht nur durch das computer-
gestützte Messsystem bestimmt wird, sondern auch durch die Konstruktion
des Prüflings beeinflusst wird. Um z.B. den Einfluss von Streukapazitäten und
parasitären Oberflächenströmen zu minimieren, wird die Verwendung sogenannter
Schutzringelektroden dringend empfohlen, wie in Abb. 5.16 dargestellt.
Kapitel 6
Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Zusammenfassung HVDC-Testspannungen stellen die Beanspruchung von


Isolierungen in HVDC-Übertragungssystemen dar. HVDC-Übertragungssysteme
sind heute lange Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zur Übertragung hoher Leistung.
Diese Verbindungen werden durch HVDC-Freileitungen und HVDC-Kabel, ins-
besondere Unterseekabel, realisiert. In naher Zukunft wird erwartet, dass die
Anwendungen der HVDC-Technologie zunehmen und auch HVDC-Netze ein-
gerichtet werden (Shu 2010). Daher werden auch Hochspannungsprüfungen sowie
PD- und Dielektrizitätsmessungen unter Gleichspannung immer wichtiger. Die
Konstruktion und Prüfung der HVDC-Isolierung muss unter einem schwierigen
Verständnis der wirkenden elektrischen Felder erfolgen. Der Grund sind Raum-
und Oberflächenladungen, die selbst unterhalb der PD-Anfangsspannungen ent-
stehen und stark von thermischen Effekten beeinflusst werden. Es gibt viele
Veröffentlichungen zu diesen Phänomenen, z. B. (Hering et al. 2017; Ghorbani
et al. 2017; Christen 2014). Dieses Kapitel beginnt mit den verschiedenen
Schaltungen für die Erzeugung von HVDC-Testspannungen. Dann werden die
Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen gemäß IEC 60060-1:2010 und die
Konsequenzen für die Komponenten von Prüfsystemen betrachtet. Die Wechsel-
wirkungen zwischen Prüfgenerator und Prüfobjekt werden für kapazitive Last –
z. B. von Seekabeln – und für resistive Last bei Regen-, Verschmutzungs- und
Kondensator-Tests untersucht. Es folgt eine kurze Beschreibung der Prüfverfahren
mit HVDC-Prüfspannungen. Schließlich wird beschrieben, wie Gleichspannungen
durch geeignete Messsysteme von Widerstands-Teilern und geeignete Mess-
instrumente gemessen und wie Messungen – z. B. PD-Messungen – bei Gleich-
spannung durchgeführt werden.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 285


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_6
286 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

6.1 Schaltungen zur Erzeugung von


HVDC-Prüfspannungen

Heutzutage werden HVDC-Prüfspannungen durch Gleichrichtung von HVAC-


Spannungen von Transformatoren erzeugt (siehe Abschn. 3.1.1). Moderne Halb-
leitergleichrichterelemente, im Folgenden „Dioden“ (Siliziumdioden) genannt,
ermöglichen die Erzeugung aller notwendigen Prüfspannungen und -ströme, aber
die Einschränkungen bei der Sperrspannung auf wenige 1000 V erfordern die
Reihenschaltung dieser Dioden für HV-Gleichrichter mit Sperrspannungen bis
zu mehreren 100 kV oder sogar MV. Bei der Betrachtung der Schaltungen zur
Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen sind alle erwähnten Gleichrichter HV-
Gleichrichter, die aus vielen Dioden zusammengesetzt sind (siehe Abschn. 6.2.2).

6.1.1 Halbwellengleichrichtung (Einphasen-,
Einpuls-Schaltung)

Wenn ein HV-Gleichrichter, ein Lastkondensator C (z. B. kapazitives Prüf-


objekt oder Glättungskondensator) und eine resistive Last R (z. B. resistiver
Spannungsteiler oder resistives Prüfobjekt) an den Ausgang eines einfachen
HVAC-Transformatorschaltkreises (Abb. 6.1a) angeschlossen sind, wird eine
HVDC-Spannung erzeugt. Der Gleichrichter öffnet sich für Halbwellen einer
Polarität und schließt sich für die entgegengesetzte Polarität. Er öffnet sich nur so

(a) AC-Prüftransformator Gleich


richter
Konden Lastwiderstand
sator R
C

(c)
Transformator Gleichrichter Glättung widerstand
sfähig
Kondensator Vorwiderstand Teiler

(b) Spannung
Vmax

Vmin

Zeit t

Abb. 6.1 Einphasige, einpulsige Halbwellengleichrichtung, a Äquivalentschaltbild, b Ein-


speisung von Wechselspannung und Gleichspannung mit Welligkeit, c modulares Prüfsystem für
HVDC 135 kV/10 mA und HVAC 100 kV/11 kVA
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen 287

lange, wie die HVAC-Spannung am „steifen“ Transformatorausgang höher ist als


die Spannung des geladenen Kondensators. Sobald der Kondensator eine Ladung
trägt, beginnt seine Entladung und wird signifikant, wenn der Gleichrichter nach
Erreichen der maximalen Spannung Vmax (Abb. 6.1b) schließt. Der Kondensator
wird auf eine minimale Spannung Vmin entladen, bis der Gleichrichter wieder für
eine kurze Zeit ΔT (auch ausgedrückt durch einen Phasenwinkel α) öffnet. Das
bedeutet, dass die Ausgangsspannung nicht konstant ist und eine sogenannte
„Welligkeit“ (Spannung δV = Ripple)) aufweist, die durch
Vmax − Vmin
∂V = . (6.1)
2
definiert wird.
Der Entladestrom iL(t) ist mit einer Ladung Q verbunden, die innerhalb der
kurzen Zeit ΔT durch einen Stromimpuls i(t) vom Transformator ersetzt werden
muss
ˆ ˆ
Q = iL (t)dt = I · T = 2 · ∂V · C = i(t)dt. (6.2)
T �T

Der Begriff „ein-phasig, ein-Impulsschaltung“ zeigt, dass die Speisespannung


einphasig ist und die Gleichstromladung durch einen Stromimpuls pro Periode
erfolgt. Mit dem mittleren Gleichstrom
Vmax + Vmin
I=
2·R
und der Beziehung zwischen der Dauer der Periode T und der Frequenz f der
Speisespannung erhält man eine wichtige Beziehung für die Welligkeit (Ripple)
I ·T I
∂V = = . (6.3)
2·C 2·f ·C
Je geringer die Welligkeit, desto glatter ist die HVDC-Prüfspannung. Die Wellig-
keit nimmt mit zunehmendem Lastwiderstand ab (das heißt mit abnehmender
Last!), zunehmender Lastkapazität und zunehmender Frequenz der Ladespannung.
Aber bei Halbwellengleichrichtung bleibt das Rauschen ziemlich groß. Gl. (6.2)
zeigt zusätzlich, dass der speisende HVAC-Transformator in der Lage sein muss,
einen ausreichenden Strom i(t) zu liefern.
Wenn das Testobjekt starke Vor-Entladungen mit relativ hohen Pulsströmen
zeigt, was bei Regen- und Verschmutzungsprüfungen passieren kann, sinkt die
Spannung ab, da die transiente Energieanforderung nicht über den Transformator
bereitgestellt werden kann. Sie muss vom Glättungskondensator C geliefert
werden. Um diesen Spannungsabfall dV zu begrenzen, sollte die Glättungskapazi-
tät groß genug sein.
288 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Hinweis Gemäß IEC 60060-1:2010 ist der Spannungsabfall die „momentane Reduzierung
der Prüfspannung für eine kurze Dauer von bis zu wenigen Sekunden“. Hier wird
er gemäß dieser Definition verwendet. In der Literatur, z. B. bei Kuffel et al. (2006)
oder Kind und Feser (1999), wird der Begriff Spannungsabfall für die kontinuier-
liche Spannungsreduzierung zwischen dem Leerlauf- und dem Lastfall verwendet, ins-
besondere bei mehrstufigen Kaskaden. Der Begriff „Spannungs Reduzierung“ wird für
dieses Phänomen im Folgenden verwendet. Die Spannungsreduzierung wird durch den
„Vorwärtsspannungsabfall“ und den Innenwiderstand der Gleichrichter verursacht.

HVDC-Quellen mit Halbwellengleichrichtung sind normalerweise nicht leistungs-


fähig genug. Sie werden als HVDC-Anhänge an HVAC-Testsysteme verwendet,
insbesondere für Demonstrationskreise und für die Ausbildung von Studenten
(Abb. 6.1c). Die Halbwellengleichrichtung führt zu einer asymmetrischen
Belastung der HVAC-Stromversorgung. Dies kann sogar zu Sättigungseffekten
im Transformator führen. Wenn ein Transformator mit symmetrischem Ausgang –
das heißt geerdeter Mittelpunkt – der Wicklung verfügbar ist (Abb. 6.2), trägt
die entgegengesetzte Polarität der Wechselspannung zum Laden des Glättungs-
kondensators C bei und vermeidet Sättigungseffekte, da jeder der Gleichrichter
für eine Halbwelle öffnet. Folglich erscheinen zwei Ladestromimpulse, und
dieser einphasiger Zwei-Pulse-Prüfkreis halbiert die Welligkeit. Die Zwei-
weg-Halbwellen-Gleichrichterschaltungen werden als Grundstufen für HVDC-
Kaskadengeneratoren eingesetzt.

6.1.2 Verdoppler- und Multiplikatorschaltungen


(Greinacher/Cockcroft-Walton-Kaskaden)

Mit der Schaltung nach Fig. 6.3a kann die Ausgangsspannung verdoppelt werden:
Der sogenannte Verdopplungskondensator C1 wird auf die Spannung VC1 auf-
geladen, und dann schwankt die Spannung über dem Gleichrichter D1 um diesen

Abb. 6.2 Einphasige Transformator Gleichrichter Kondensator Widerstand


Zwei-Impuls- T D1, D2 C R
Halbwellengleichrichtung

V
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen 289

Verdoppelun Glättungsko Belastungs


Transformator gskondensator Gleichrichter ndensator widerstand
T C1 D1 D2 C2 R

Spannungsabsenkung ∆V Welligkeit 2.δV


Zwischenspannung:
Spannung V ohne (R = ∞) / mit (R <∞) laden

Wert der
DC-Prüfs
pannung

Zeit t

Einspeisung der
Wechselspannung

Abb. 6.3 Einstufige, einpulsige Verdopplungsschaltung mit Halbwellengleichrichtung, a Äqui-


valentschaltbild, b AC-Zuführung, oszillierende Zwischen- und Gleichspannungen (R → ∞)

Wert VC1. Folglich wird der Glättungskondensator auf eine Spannung aufgeladen,
die den Scheitelwertwert der speisenden Wechselspannung verdoppelt (Abb. 6.3b),
wenn die Verluste in der Schaltung vernachlässigt werden (R → ∞). Bei Ver-
lusten – das heißt mit einem Lastwiderstand R – wird die Ausgangsspannung
unter den theoretischen Leerlaufwert reduziert. Für die übliche Konstruktion
eines HVDC-Anhangs mit Verdopplungsschaltung, die an einen HVAC-Generator
angeschlossen ist mit einem Nenn-Gleichstrom von wenigen 10 mA und einem
Ripple-Faktor δV/V = δ ≤ 3 %, kann diese Reduktion in der Größenordnung von
10 % liegen. Daher sollte die Glättungskapazität groß genug gewählt werden.
Die Verdopplungsschaltung soll als Grundstufe einer Multiplikatorschaltung
verstanden werden, die erstmals von Greinacher (1920) für die HVDC-
Stromversorgung für die Kernphysik vorgeschlagen und später von Cockcroft und
Walton 1932 verbessert wurde. Das Prinzip soll für eine Kaskade von drei Stufen
290 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

(Abb. 6.4) erläutert werden: Die linke Spalte der Kondensatoren enthält die Ver-
dopplungskondensatoren [manchmal auch als „Sperrkondensatoren“ bezeichnet
(Kind und Feser 1999)], und die rechte Spalte enthält die Glättungskondensatoren
(Abb. 6.4a). Wenn Spannungsabfall und Lastwiderstand vernachlässigt werden,
schwankt die Wechselspannung VAC(t) mit einem Spitzenwert von Vmax um
einen Gleichspannungsoffset von 1 · Vmax am ersten Verdopplerkondensator und
liefert einen Gleichstromwert von V1 = 2 · Vmax am Ausgang der ersten Stufe
der Glättungssäule (Abb. 6.4b). In der zweiten Stufe beträgt der Gleichstrom-
offset V12 = 3 · Vmax und die Spannung an der Glättungssäule ist V2 = 4 · Vmax.­

(a) Verdoppler
Glättungs-
konden- Messwider-
Kondensatoren Gleichrichter satoren stand Prüfobjekt
V3 = VDC

V13
Stufe 3

V2

V12
stage 2

V1

V11
stage 1

VAC

HVAC
Transformator

(b) (c)
Vorwiderstand steiler Glättungskondensator
Spannun HVDC-Ausgangsspannung VDC = V3 = 6 VACmax (R = )

V13
V2 = 4·VACmax
(R = )

V12
V1 = 2·VACmax
(R = )
V11
VACmax

VAC

Zeit t

Gleichrichter Säule Verdoppler Transformator


Kondensatoren

Abb. 6.4 Greinacher-Kaskade (einphasig, Einpuls-Multiplikatorschaltung), a Äquivalentschalt-


bild, b Potential an den drei Stufen, c Generator mit 500 kV pro Stufe für 1500 kV/30 mA
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen 291

Folglich ist der Gleichstromoffset am Eingang der dritten Stufe V13 = 5 · Vmax,
und der Ausgang des Generators ist eine Gleichspannung von V3 = 6 · Vmax.
Die Gleichspannung pro Stufe ist doppelt so hoch wie die Scheitelspannung
Vmax der speisenden Wechselspannung. Im stationären Betrieb und bei Nenn-
spannung ist die notwendige Sperrspannung der Gleichrichter 2 · Vmax.
Verdopplerkondensatoren (außer dem der untersten Stufe) müssen einer Gleich-
spannungsbelastung von 2 · Vmax plus der Wechselspannungsbelastung der
speisenden Spannung standhalten. Glättungskondensatoren müssen auch einer
Gleichspannung von 2 · Vmax standhalten. Der niedrigste Verdopplerkondensator
wird nur mit der Hälfte dieser Spannung belastet, trägt aber am meisten zur
Welligkeit bei. Daher sollte er die doppelte Kapazität haben, was zur Spannungs-
verteilung passt und die Welligkeit reduziert. Die 1500 kV-Kaskade mit einer
Stufenspannung von 500 kV – in Abb. 6.4c gezeigt – wird für ihre Nennspannung
mit einer Wechselspannung von 250 kV/√2 = 177 kV (rms) gespeist.
Die Welligkeit hängt für diese einphasige Ein-Puls-Multiplikatorschaltung
auch von der Anzahl der Stufen ab. Der kontinuierliche Strom I durch das Prüf-
objekt wird von den Glättungskondensatoren geliefert. Normalerweise haben alle
Kondensatoren in der Glättungssäule die gleiche Kapazität, was für eine lineare
Spannungsverteilung bei transienten Belastungen erforderlich ist, z. B. bei Durch-
schlag des Prüfobjekts. Die Welligkeit, die durch das Entladen jedes Glättungs-
kondensators verursacht wird, könnte mit Gl. (6.3) berechnet werden, wenn keine
Ladung durch die Gleichrichter zu den schwingenden Verdopplungskondensatoren
übertragen wird. Aber in Wirklichkeit verursacht die Ladungsübertragung eine
höhere Welligkeit δV und eine Spannungsreduzierung ΔV für Kaskaden mit n
Stufen, die geschätzt werden kann (Elstner et al. 1983) durch:

I n + n2
∂V = · , (6.4)
f ·C 4

I 2 · n3 + n
V = · . (6.5)
f ·C 3

Die Beziehung zwischen der tatsächlichen Ausgangsspannung (VΣ − ΔV) und der
kumulierten Leerlauf-Ladespannung VΣ = nV1 eines HVDC-Mehrstufengenerators
kann als Ausnutzungsgrad verstanden werden (wie üblich für Impulsspannungs-
generatoren)

V − �V
ηDC = . (6.6)
V

Für praktische Fälle kann die Spannungsreduzierung deutlich höher sein als durch
Gl. (6.5) ausgedrückt, die nur die Parameter des Generators berücksichtigt. Haupt-
sächlich verursachen Streukapazitäten im Speisekreis eine zusätzliche Spannungs-
reduzierung (Spiegelberg 1984).
292 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Greinacher-Kaskaden sind die am häufigsten verwendeten Generatoren bei


HVDC-Tests. Die Polarität kann durch manuelles oder motorbetriebenes Drehen
der Gleichrichter im Generator umgekehrt werden. Sie eignen sich gut für
kapazitive Prüfobjekte, haben aber Grenzen bei resistiven Lasten. Die Wellig-
keit kann reduziert und der Ausnutzungsgrad verbessert werden, wenn die
Glättungskapazitäten C und die Frequenz f der Speisespannung erhöht werden.
AC-Speisespannungen mit höheren Frequenzen werden traditionell durch Motor-
Generator-Sätze erzeugt, aber heutzutage sollten statische Frequenzumrichter
verwendet werden. Darüber hinaus sollte die Anzahl der Stufen begrenzt und die
Stufenspannung so weit wie möglich erhöht werden. Für Nennströme über 100
mA sollten effizientere Schaltungen verwendet werden.

6.1.3 Multiplikatorschaltungen für höhere Ströme

Ähnlich wie die einphasige Zweipulsschaltung (Abb. 6.2) können auch Verdoppler-
schaltungen entworfen werden. Sie sind Grundstufen der sogenannten sym­me­tr­i­
schen Greinacher-Kaskade, einer einphasigen Zweipuls­multi­pli­ka­tor­schaltung für
Ströme von einigen 100 mA (Abb. 6.5). Dieses Prinzip kann auch mit drei Phasen
angewendet werden. Abb. 6.6 zeigt eine dreiphasige Sechspulsmultiplikatorschaltung
mit sechs Ladeimpulsen innerhalb einer Periode der speisenden Dreiphasen-
spannung. Diese Schaltung eignet sich daher für hohe Prüfströme in der
Größenordnung von bis zu einigen Ampere.

Abb. 6.5 Symmetrische Verdoppler Glättung Verdoppler


Widerstandskondensator Gleichrichter Kondensator Gleichrichter Kondensator Teiler
Greinacher-Kaskade
(einphasige Zweipulsmultipli
katorschaltung)

HVAC-Transformator
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen 293

Abb. 6.6 Dreiphasige Sechsp für jede Phase eine Kombination aus gemeinsamer Ohmscher
Verdopplungskondensatoren und Gleichrichter Glättungskon- Spannungs-
ulsmultiplikatorschaltung densator teiler

dreiphasiger
HVAC-Transformator

Tab. 6.1 Vergleich der Spannungsreduktion und der Welligkeit für Multiplikatorschaltungen mit
n Stufen (Die Symbole „x“ und „y“ sind die Faktoren gemäß Zeilen 3 und 4 für die n = 5 Stufen.)
Art des Greinacher-Kaskade Symmetrische Dreiphasige, sechs-
Schaltungparameters (einphasige, ein- Greinacher-Kaskade impulsige Multi-
impulsige Multi- (einphasige, zwei- plikatorschaltung
plikatorschaltung) impulsige Multi- (Abb. 6.6)
(Abb. 6.4) plikatorschaltung)
(Abb. 6.5)
Spannungsreduktion I
· 2n3 +n I
· 2n3 −3n2 +4n I
· 2n3 −3n2 +4n
f·C 3 f·C 12 f·C 36
ΔV
Welligkeit δV I n I n
2
I
f·C
· (n 4+n) f·C
· 4 f·C
· 12
Beispiel n = 5: x = 85 (angenommen x = 16,25 (19 %) x = 5,4 (6,3 %)
I
V = f ·C ·x als 100 %)
Beispiel n = 5: y = 7,5 (angenommen y = 1,25 (16,7 %) y = 0,42 (5,6 %)
I
δ = f·C ·y als 100 %)

Tab. 6.1 vergleicht die Welligkeit und die Spannungsreduzierungen für die kon-
ventionelle und die symmetrische Greinacher-Kaskade sowie für die dreiphasige
Sechspulsmultiplikatorschaltung. Sie beziehen sich auf den Einfluss der Anzahl
der Stufen n auf die Spannungsreduzierung und auf die Welligkeit. Sie gelten
unter der Annahme, dass alle Kondensatoren die gleiche Kapazität C haben, nur
der unterste Verdopplungskondensator hat 2C. Darüber hinaus wird in allen Fällen
der Strom I benötigt, der von einer Last R gefordert wird und die Speisefrequenz f
sind identisch.
294 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Die Schlussfolgerungen werden aus dem Vergleich von Multiplikator-


schaltungen mit n = 5 Stufen gezogen. Sie zeigen, dass sowohl die Spannungs-
reduzierung als auch die Welligkeit etwa fünfmal geringer sind, wenn eine
symmetrische Greinacher-Kaskade anstelle einer konventionellen verwendet wird.
Bei Verwendung der Dreiphasen-Kaskade tritt eine weitere Verbesserung um den
Faktor drei auf. Wie bereits erwähnt, sollten die untersuchten Schaltungen wie
folgt angewendet werden:
• für Nennströme unter 100 mA, die konventionelle Greinacher-Kaskade
(Abb. 6.4),
• für Nennströme von leicht über 100 mA, die symmetrische Greinacher-Kaskade
(Abb. 6.5),
• für Nennströme über 500 mA, die Dreiphasen-Multiplikatorschaltung
(Abb. 6.6).

6.1.4 Multiplikatorschaltungen mit kaskadierten


Transformatoren (Delon-Schaltungen)

Wenn eine geeignete Transformator-Kaskade die Wechselspannung in jede Stufe


einer HVDC-Multiplikatorschaltung (manchmal „Delon-Schaltung“ genannt) ein-
speist, wird der Einfluss der Stufen ausgeglichen und Welligkeit und Spannungs-
reduzierung werden auf den Fall n = 1 gemäß Tab. 6.1 reduziert. Abb. 6.7 zeigt die
einfachste Schaltung mit n = 2 Stufen. Alle basieren auf einem einphasigen Zwei-
Puls-Gleichrichterschaltkreis (Abb. 6.2). Die Transformatoren der Kaskade sind
nicht geerdet und müssen gegen die HVDC-Belastung isoliert sein. Die Sekundär-
wicklung des untersten Transformators (Abb. 6.7) ist mit dem untersten Glättungs-
kondensator verbunden und muss mindestens für sein DC-Potential V1 isoliert
sein. Die Transformatorwicklung (ebenfalls auf V1) ist mit der Primärwicklung des
nächsten Transformators verbunden, der auf dem DC-Potential 3 · V1 liegt. Daher
müssen der zweite und alle weiteren Transformatoren für ein DC-Potential von
2 · V1 isoliert sein. Normalerweise sind alle Transformatoren von gleichem Design
mit einer DC-Isolierung von jeweils 2 · V1. Diese DC-Isolierung kann für die
Primär- und die Übertragungswicklung (Tertiärwicklung) unterteilt werden.
Die Multiplizierschaltungen mit kaskadierten Transformatoren ermöglichen die
Konstruktion von HVDC-Quellen mit mittleren Nennströmen, relativ geringem
Ripple und geringer Spannungsreduzierung. Dies kann auch durch Einspeisung
geändert werden, z. B. indem eine Greinacher-Kaskade nicht nur in die unterste
Stufe, sondern auch in eine der höheren Stufen eingespeist wird. Selbst das ein-
malige Laden in die oberen Stufen verbessert das Ripple und die Spannungs-
reduzierung. Als Beispiel zeigt Abb. 6.8 eine Kaskade für 2000 kV mit sieben
Stufen und Einspeisung in die erste und die fünfte Stufe.
6.1 Schaltungen zur Erzeugung von HVDC-Prüfspannungen 295

Gleichrichter Kaskadenglättung Ohmscher


Transformatoren Kondensator Teiler

4V1

3V1

2V1

V1

Abb. 6.7 Multiplikatorschaltung mit kaskadierten Transformatoren

Eine zweite Anwendung von HVDC-Quellen mit kaskadierten Transformatoren


ist die für modulare DC-Testsysteme. Ein 400-kV-Ölmodul kann zwei 200-kV-
Stufen eines Einphasen-Einpuls-Verdopplerschaltkreises (Abb. 6.9) enthalten, von
denen jede ausgestattet ist mit einer eigenen Stufe der Transformator-Kaskade
(siehe Abschn. 3.1.1.3), und den Elementen des Gleichrichterschaltkreises
einschließlich Glättungskondensator. Auch ein Spannungsteiler ist im Modul
angeordnet. Dann können mehrere Module übereinander angeordnet werden, um
ein sehr platzsparendes HVDC-Testsystem zu erhalten. Die Polaritätsumkehr wird
motorisch betrieben. Abb. 6.10a zeigt ein solches System einschließlich Sperr-
impedanz und Koppelkondensator für die PD-Messung. Nach dem Anschluss der
Stromversorgung und der Steuereinheit ist das System für Spannungstests bereit.
Solche HVDC-Testsysteme für Ströme bis zu wenigen 10 mA können leicht
zusammengebaut und auch für Vor-Ort-Tests verwendet werden. Für Generatoren
mit höheren Spannungen und vernünftigen Strömen können Module parallel
geschaltet werden. Ein stationärer 2200-kV-HVDC-Generator mit fünf Stufen und
parallelen Modulen der beiden unteren Stufen ist in Abb. 6.10b dargestellt.
296 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

(a)
Verdoppler
Kondensatorglei Glättungsdämpfung R-C gemischt
chrichter Kondensator Widerstand Teiler

(b) Capacitors for


smoothing Spannungsverdopplung

Einspeisung
HVAC-
Transformator

Trenntran
sformator

Transformatorensäule Gleichrichter

Abb. 6.8 Greinacher-Kaskade mit Einspeisung in die sechste Stufe, a vereinfachtes Schaltbild, b
Generator für 2000 kV und für sehr schnelle Polaritätswechsel bis zu 700 kV

6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen

Gemäß IEC 60060-1:2010 (Abb. 6.11) werden einige notwendige Merkmale von
HVDC-Testsystemen diskutiert. Es gibt eine starke Wechselwirkung zwischen
dem Prüfsystem und dem Prüfobjekt (Last). Daher wird die Rolle von kapazitiven
und resistiven Prüfobjekten für die Auswahl der Erzeugungsschaltung und seiner
Parameter beschrieben.
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 297

Kaskadierte schaltbare Glättungs HV-Arm-


HVAC-Transformatoren HV-Dioden kondensator Teiler

V DC +
400 kV

VDC
+/-
M

Abb. 6.9 Vereinfachtes Schaltbild eines HVDC-Moduls mit zwei internen Stufen

6.2.1 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen

Gemäß IEC 60060-1:2010 ist der HVDC Prüfspannungswert Wert nicht – wie
bei anderen Prüfspannungen – der Scheitelwert (Vmax), sondern der arithmetische
Mittelwert während eines Zeitraums T des Ladevorgangs (Abb. 6.11):


1 +T
1
Vm = · v(t) · dt. (6.7)
T
t1

Die Toleranz des Prüfspannungswertes beträgt 1 % für Prüfdauern bis zu 1 min,


aber für längere Dauern gelten 3 % als akzeptabel. Die Definition des Mittelwerts
Vm ergibt sich hauptsächlich aus der Spannungsmessung mit herkömmlichen Volt-
metern (Drehspulmessgeräten), die den Mittelwert messen. Man muss berück-
sichtigen, dass die Scheitelspannung Vmax die Entladungsprozesse bestimmt und
für Forschungsarbeiten angewendet werden muss.
298 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Abb. 6.10 Modulare HVDC-Generatoren, a 800 kV/30 mA aus zwei Modulen, b 2200 kV/10
mA aus 7 Modulen in Parallel-Serien-Schaltung. Beide Generatoren mit externer Sperrimpedanz
und PD-Koppelkondensator (Reale Größe der Module ist in beiden Bildern identisch!)

Abb. 6.11 Definitionen für Spannung V


Prüfgleichspannungen

Vmin Vm Vmax

T Zeit t

Mit der Welligkeit δV (Rippelspannung) (Gl. 6.1), erhält man den dimensions-
losen Welligkeits faktor δ als Beziehung zum Prüfspannungswert
Vmax − Vmin
δ= · 100 ≤ 3 %. (6.8)
2 · Vm
Die Anforderung δ ≤ 3 % akzeptiert, dass ein bemerkenswerter Unterschied
zwischen der Spitzen- und der Prüfspannung auftritt. Eine hohe Ripplespannung
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 299

reduziert auch die Zündspannung für Teilentladungen. Daher ist es für beide
Seiten eines Abnahmetests nützlich, einen möglichst niedrigen Welligkeitsfaktor
zu haben.
Schwere Vor-Entladungen, insbesondere bei Regen- und Fremdschicht-
prüfungen, verursachen bemerkenswerte Stromimpulse, die den Prüfspannungswert
Vm auf einen niedrigeren Wert Vm min reduzieren können. Das HVDC-Prüfsystem
sollte in der Lage sein, diese transienten Entladungsstromimpulse von bis zu
wenigen Sekunden ohne einen augenblicklichen Spannungsabfall von mehr als
10 % zu liefern:
Vm − Vm min
dv = ≤ 10 %. (6.9)
Vm
Leider gibt die IEC 60060-1:2010 nicht den Stromwert und seine Dauer an,
z. B. für einen angenommenen rechteckigen Impuls oder irgendeine Angabe der
erforderlichen Ladung. Einige Veröffentlichungen betrachten dV ≤ 10 % als einen
zu hohen Wert, (z. B. Hylten-Cavallius 1988; Köhler und Feser 1987). Siehe auch
Abschn. 6.2.3.2 unten.
Der Referenzwert der Parameter δ und dV ist immer der gemessene
Prüftspannungswert Vm. Daher ist die Spannungsreduzierung ΔV (Gl. 6.5) kein
Parameter der Prüfspannung, sondern des HVDC-Testsystems. Es charakterisiert
den Ausnutzungsfaktor des verwendeten Testsystems und muss berücksichtigt
werden, wenn ein neues Testsystem benötigt wird.

6.2.2 Allgemeine Anforderungen an Komponenten von


HVDC-Prüfsystemen

Die oben diskutierten Schaltungen sind vereinfacht, da sie ideale Elemente und
stationäre Bedingungen berücksichtigen. Zusätzlich muss ein HVDC-Generator
auch transienten Belastungen standhalten, z. B. bei einem Versagen des Prüflings
oder einer schnellen Polaritätsänderung. Wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen
werden, würden die Streuinduktivitäten und -kapazitäten die Verteilung der
Spannungen im Generator beeinflussen. Darüber hinaus müssen hohe Durchbruch-
ströme berücksichtigt werden.

6.2.2.1 Schutz vor transienten Belastungen

Der schnelle Zusammenbruch des Prüfobjekts kann Schwingungen des HV-


Prüfkreises auslösen, wobei Generator-Kapazitäten und/oder den unvermeid-
lichen Streukapazitäten und -induktivitäten eine Rolle spielen. Auch die Dioden
und der Speisetransformator sind keine idealen Elemente und haben bestimmte
Impedanzen. All dies bildet ein ziemlich kompliziertes äquivalentes Netzwerk,
300 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Widerstände für die stationäre Spannungsverteilung


Widerstände zur Strombegrenzung

Kondensatoren für transiente Spannungsverteilung

Abb. 6.12 Beispiel einer Schutzschaltung der Dioden in einem Gleichrichter

das hier nicht berücksichtigt werden sollte. Nur die wichtigsten praktischen
Konsequenzen der damit verbundenen Berechnungen werden zusammengefasst.
Die Schwingungen können nichtlineare Spannungsverteilungen im Generator und
Überlastungen der Komponenten verursachen. Der einzige Weg, um Schäden an
Komponenten zu vermeiden, ist ein Schutzschema des Generators. Dies beginnt
mit einem externen Dämpfungswiderstand zwischen dem Generator und dem
Spannungsteiler oder dem Testobjekt (Abb. 6.8a). Darüber hinaus sollte es in allen
Kondensatoren einen internen Dämpfungswiderstand geben. Auch die Gleich-
richter sollten mit Abstufungskondensatoren für eine lineare Spannungsverteilung
bei transienten Belastungen und mit internen Dämpfungswiderständen für Über-
strom- und Spannungsbegrenzung ausgestattet sein. Ein Gleichrichter besteht aus
vielen Dioden in Serie. Abb. 6.12 zeigt ein Beispiel für die Schutzschaltung von
Dioden für beide Fälle, stationäre und transiente Belastung des Gleichrichters
(Kind und Feser 1999). Das Schutzschema sollte durch Schutzfunkenstrecken
oder Überspannungs-Ableiter an besonders gefährdeten Teilen des Generators,
z. B. den obersten Gleichrichtern oder dem Ausgang des speisenden HVAC-
Transformators, vervollständigt werden.
Hinweis Das Schutzschema funktioniert nur, wenn ein Durchschlag am Prüfling auftritt,
der über den externen Dämpfungswiderstand verbunden ist. Ein Durchschlag zwischen
einem beliebigen Punkt des Generators und einem geerdeten oder unter Spannung
stehenden Objekt, z. B. aufgrund falscher Anordnungen im HV-Prüffeld, kann das Ver-
hältnis zwischen den einzelnen Komponenten des Schutzschemas so verändern, dass
Gleichrichter und/oder Kondensatoren des Generators gefährdet sind.

6.2.2.2 Polaritätsumkehr und Abschaltung

Eine Umkehrung der Spannung ist eine sehr starke Belastung für die HVDC-
Isolierung, hauptsächlich wegen der Raum- und/oder Oberflächenladungen,
die während des stationären Zustands vor der Umkehrung und auch nach der
Umkehrung der Polarität wirken. (z. B. Okubo 2012; Wang et al. 2017; Tanaka
et al. 2017; Azizian, A. et al.). Daher fordern mehrere Normen eine Polaritäts-
umkehr in Typprüfungen. Das verwendete HVDC-Prüfsystem muss eine motor-
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 301

Abb. 6.13 Polaritätsumkehr, (a)


a Schaltvorgang der
Gleichrichter, b Definition
der Umkehrzeit

(b)

Ausgangsspannung in % t rev

betriebene Polaritätsumkehr haben, wie z. B. in Abb. 6.9 angegeben. Das Prinzip


der Polaritätsumkehr für eine Säule von drei Gleichrichtern ist in Abb. 6.13a
dargestellt: Es wird angenommen, dass die Gleichrichter mit einer Säule von
Glättungskondensatoren und einem kapazitiven Prüfobjekt verbunden sind
(Frank et al. 1983; Schufft und Gotanda 1997). Der Umkehrzyklus beginnt bei
t1 mit dem Abschalten der zuführenden Wechselspannung und einer Drehung
der Gleichrichter. Die Kondensatoren werden langsam über den Widerstands-
teil des Spannungsteilers entladen (vergleiche Abb. 6.8a). Wenn die Gleich-
richter sich den gegenüberliegenden Elektroden bei t2 nähern, treten Überschläge
zwischen ihren Elektroden und den zugehörigen gegenüberliegenden festen
Elektroden auf. Innerhalb einer sehr kurzen Zeit von einigen Millisekunden
werden die Kapazitäten über die Gleichrichtersäule schnell auf Null entladen.
Nun wird die Wechselspannung wieder eingeschaltet und die Kapazitäten werden
in die entgegengesetzte Polarität geladen (t3). Die Ladezeit hängt von der Zeit-
konstante ab, die durch die zu ladenden Kapazitäten (Generator plus Prüfobjekt),
die Impedanzen des Ladekreises und die verfügbare Leistung des HVAC-
Zuführungskreises bestimmt wird. Sie kann von wenigen Sekunden bis zu einigen
10 s reichen, was für die meisten Testanwendungen ausreichend ist.
302 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Unter bestimmten Bedingungen ist eine viel schnellere Polaritätsumkehr


erforderlich, z. B. innerhalb von 200 ms. Dafür wird die Umkehrzeit als das Inter-
vall zwischen 90 % der ausgehenden Spannung und demselben 90 %-Wert der ent-
gegengesetzten Polarität definiert (Abb. 6.13); während die Entladephase schnell
genug ist, muss die Ladephase beschleunigt werden. Dies wird erreicht, indem
ein Nennwert für die Ladung gewählt wird, der viel höher ist als nötig, und die
Ladung unterbrochen wird, wenn 90 % der erforderlichen Spannung erreicht sind
(t4). Um ein Überschwingen der entgegengesetzten Polarität zu vermeiden, muss
die Einspeisung pulsweise auf den vorbestimmten Prüfspannungswert gesteuert
werden.
Eine HVDC-Spannung kann nicht einfach abgeschaltet werden; die geladene
Kapazität muss über einen Widerstand entladen werden, wenn die Spannung
reduziert werden soll. Sie wird reduziert, wenn die Zufuhr stoppt, da der resistive
Teiler und andere Widerstände gegen Erde einen Entladungsprozess ver-
ursachen. Die Zeitkonstanten liegen in einem Bereich von mehreren Sekunden
(siehe Abschn. 6.2.3.1). Die langsame Entladung kann durch eine Entladestange
beschleunigt werden, die aus einem Dämpfungswiderstand, einem Haken (der
über ein Metallseil mit der Prüffeld-Erde verbunden ist) und einer Isolierstange
besteht (Abb. 6.14). Nach der Entladung wird dieselbe Erdungsleiste zum Erden
verwendet, indem ihr Erdungshaken anstelle ihres Entladekontakts verwendet wird
(Abb. 6.14b).
Wenn das HVDC-Prüfsystem für Polaritätswechsel ausgelegt ist, wie oben
beschrieben, dann können die Kondensatoren über die Drehgleichrichter entladen
werden. Nachdem die zuführende Wechselspannung abgeschaltet ist, beginnt das
Erdungsverfahren mit der Entladung über den Teilerwiderstand bis auf etwa ein
Drittel der Nennspannung, bevor die Gleichrichter eingesetzt werden. Sie sollten
nicht für höhere Spannungen angewendet werden, um eine Überlastung der
Gleichrichter zu vermeiden. Die dauerhafte Erdung der Kondensatorsäulen sollte
nur verwendet werden, nachdem der Generator vollständig entladen ist. Dies kann

Entladungselektrode

Entladen permanente Erdung Entladewiderstand

Haken und Schnur für die


Erdung

Isolierstange

Schutz
Griff
Erdungsschiene Entladeelektrode

Abb. 6.14 Erdung kleiner HVDC-Generatoren


6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 303

durch Erdungsseile oder – für Generatoren mit Nennströmen bis zu mehreren


10 mA – durch Erdungsschalter erfolgen (siehe Abschn. 9.26 und Abb. 9.28). Zum
Entladen hoher Kapazitäten siehe Abschn. 6.2.3.1!
Ein neuer HVDC-Generator sollte mit einem etablierten Schutzschema
und einem zuverlässigen Entlade- und Erdungssystem ausgestattet sein. Wenn
der Generator nicht verwendet wird, sollte er sorgfältig geerdet werden. Aus
Sicherheitsgründen müssen alle Kondensatoren jeder Stufe eines mehrstufigen
Generators direkt durch ein Metallseil geerdet werden, das vorzugsweise durch
einen Motor durch den Generator bewegt werden kann. Wenn Schutzschema und
Erdungssystem eines älteren Generators diesen Anforderungen nicht entsprechen,
wird dringend ein Upgrade empfohlen.

6.2.2.3 Spannungskontrolle, Auswahl von Glättungskondensatoren


und Frequenz

Die vom HVDC-Generator abgegebene Gleichspannung wird über die speisende


Wechselspannung gesteuert. Das bedeutet, dass die Steuerung der einer HVAC-
Prüfanlage entspricht. Traditionell handelt es sich dabei um einen Regeltrans-
formator und heutzutage hauptsächlich um einen Thyristorsteuerung, der im
Pulsbreitenmodus arbeitet. Je breiter der Spannungsimpuls, desto höher ist die
Ausgangsspannung. Die Form der Wechselspannung ist für die Prüfgleich-
spannung nicht wichtig, da der HVDC-Generator als Filter verstanden werden
kann, der Harmonische der Wechselspannung zum Erdpotential ableitet. Die
erzeugte Gleichspannung wird daher kaum von leitungsgebundenen Störsignalen
beeinflusst. Der Thyristorsteller kann in weniger als einer Millisekunde geschaltet
werden, was für die erwähnten schnellen Polaritätswechsel notwendig ist. Wenn
eine sehr empfindliche PD-Messung bei Gleichspannung durchgeführt werden
soll, könnten die Schaltpulse des Thyristor-Controllers stören. In solchen Fällen
kann die Verwendung eines Stellstransformators anstelle oder zusätzlich zum
Thyristorsteller empfohlen werden.
In Bezug auf Spannungsreduzierung und Welligkeit sind Kapazität und
Frequenz austauschbar (Tab. 6.1). Das bedeutet, dass die Abgabespannung ent-
weder durch Erhöhung der Kapazitäten oder durch Erhöhung der Frequenz der
Speisespannung verbessert werden kann. Natürlich können auch beide zur Ver-
besserung eines Designs angewendet werden. Es muss berücksichtigt werden,
dass der Frequenzbereich von Kondensatoren begrenzt ist. Kondensatoren für
Frequenzen >300 Hz sind deutlich teurer als solche für die Netzspannung. Daher
sollte die Auswahl der Kapazitäten und der Frequenzen der Speisespannung die
wirtschaftliche Situation berücksichtigen. Es gibt jetzt keine allgemeine Regel für
ein Optimum. Jedes Design und jede Parameterkombination muss separat für eine
vernünftige wirtschaftliche Lösung betrachtet werden.
In der Vergangenheit wurden Motor-Generator-Sätze für die Erzeugung von
Wechselspannungen mit höheren Frequenzen als 50/60 Hz für HVDC-Testsysteme
304 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

eingesetzt. Heute sind statische Frequenzumrichter verfügbar (Abb. 3.26 und


3.35) und verbinden die wählbaren höheren Frequenzen mit den Vorteilen eines
Thyristorstellers. Es kann davon ausgegangen werden, dass in naher Zukunft
die Stromversorgung und Steuerung von HVDC-Testsystemen auf statischen
Frequenzumrichtern basieren wird.

6.2.3 Interaktion zwischen HVDC-Testsystem und


Testobjekt

Hochspannungsprüfungen erfordern die Berücksichtigung der einschlägigen


Normen. Die Normen für HVDC-Stromversorgungssysteme entwickeln sich
schnell, eine abschließende Übersicht kann derzeit nicht gegeben werden. Das
IEC Technical Committee 115 für HVDC-Stromübertragungssysteme bereitet die
notwendigen Grundnormen vor. Eine Übersicht über Komponenten der HVDC-
Stromübertragung – einschließlich ihrer Hochspannungsprüfung – ist z. B. in
dem IEC-Dokument 115/154/CD:2017 gegeben. Man sollte die Entwicklung von
Normen auf das Wissen über die physikalischen Prozesse bei Gleichspannungsent-
ladungen aufbauen, wie es im Folgenden auch versucht wird.

6.2.3.1 Kapazitive Testobjekte

Prüfung von HVDC-Kabel: Wenn eine Gleichspannung an ein extrudiertes Kabel


angelegt wird, kann die extern angelegte Spannung gesteuert werden, aber die
Feldstärkeverteilung in der Kabelisolierung hängt zusätzlich von Material, Zeit
und Temperatur, aufgrund der Bildung von Raumladungen (Maruyama et al. 2004;
Pietsch 2012) ab. Dies wird gut durch HVDC-Experimente mit Kabelproben
demonstriert (Abb. 6.15):
a) Für „AC XLPE“, wie es bei HVAC-Kabeln verwendet wird, beobachtet man
während und für eine gewisse Zeit nach dem HVDC-Laden der Kabelprobe
eine Feldstärkeverteilung mit dem Maximum an der inneren Elektrode, wie es
für ein koaxiales System zu erwarten ist (Abb. 6.15a: Laplace-Feld, blau). Nach
5 h verschiebt sich das Maximum aufgrund von Raumladungen zunächst zur
äußeren Elektrode (gestrichelt, grün), aber wenn sich schließlich ein stationärer
Zustand einstellt (z. B. nach 2180 h, rot), erzeugen Raumladungen entgegen-
gesetzter Polarität ein extremes Maximum der Feldstärke in der Nähe der
inneren Elektrode. Dies wäre für echte HVDC-Kabel nicht akzeptabel.
b) Deshalb wurde „DC XLPE“ entwickelt, bei dem spezielle Zusätze zum Poly-
ethylen verwendet werden, die ein hohes Raumladungsfeld in der Nähe der
inneren Elektrode (Leiter) verhindern (Abb. 6.15b). Dies garantiert einen recht
gleichmäßigen und sehr stabilen stationären Zustand der Isolierung (Feldstärke-
verteilung schon nach 5 h (gestrichelt, grün) wie bei 2180 h (rot) sind praktisch
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 305

(a) Isolierung: "AC XLPE"


Äußere halbleitende Schicht Innere halbleitende Schicht

(b) Isolierung: "DC XLPE"


Äußere halbleitende
2160 h nach Schicht Innere halbleitende Schicht
Elektrisches Feld (kV/mm)

2160 h nach
Laplacian- Laplacian-Feld
Feld
5 h nach
0h

5 h nach

0h

Posion (mm)

Abb. 6.15 Einfluss der Feldstärkeverteilung durch Raumladungen (Erläuterungen im Text), a


Probe aus „AC-Polyethylen“, b Probe aus „DC-Polyethylen“

identisch). Auch abhängig von der angelegten Gleichspannung ändert sich die
Charakteristik der Verteilung nicht. „DC XLPE“ eignet sich gut für HVDC-
Kabel.
Die Auswahl der Prüfdauer muss das Raumladungsverhalten der Isolierung
berücksichtigen und ist recht schwierig. Dies schließt auch verschiedene Lade-
und Entladevorgänge ein.
Bei Ladeströmen von üblicherweise 3–10 mA kann das Laden bis zu mehreren
Minuten dauern. Zum Beispiel würde das kontrollierte Laden eines 10 km langen
HVDC-Kabelsystems (ca. 2 μF) auf eine Prüfspannung von 250 kV mit einem
konstanten Strom von 5 mA fast 2 min dauern. Selbst während dieser kurzen
Zeit kann die Erzeugung von Raumladungen nicht ausgeschlossen werden. Nach
Erreichen des Prüfspannungswertes findet die Verschiebung der Feldstärkever-
teilung in den stationären Zustand (Abb. 6.15b) statt.
Bei einem Prüfobjekt mit sehr geringem Leckstrom kann der höchste
Spannungswert auch Stunden nach dem Abschalten der Speisespannung bestehen
bleiben. Um schwerwiegende Sicherheitsprobleme zu vermeiden, müssen alle
Kondensatoren sofort entladen und geerdet werden (siehe Abschn. 6.2.2.2 und
9.2.6.2). Der notwendige Entlade- und Erdungsschalter muss mit einem sorg-
fältig ausgelegten Dämpfungswiderstand Rd ausgestattet sein, der an verschiedene
Kapazitäten des Prüfobjekts angepasst werden kann. Er wandelt die Entlade-
energie in Wärme um. Bei einer Prüfspannung Vt sind der zeitabhängige Entlade-
strom, d. h. der maximale Entladestrom Ie max und die Entladezeitkonstante τe wie
folgt gegeben:
−t Vt
ie (t) = Iemax · e τe mit Iemax = und τe = Rd · Cc . (6.10)
Rd
Im erwähnten Beispiel des 10-km-Kabels und Vt = 250 kV beträgt die gespeicherte
Energie 62,5 kJ, die innerhalb weniger Sekunden entladen werden kann. Der
306 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Dämpfungswiderstand muss in der Lage sein, diese Energie aufzunehmen. Daher


benötigt ein Drahtwiderstand ein sorgfältiges thermisches Design. In Bezug auf
die Rückkehrspannung (siehe Kap. 5) ist es notwendig, eine dauerhafte Erdung des
Generators und des kapazitiven Prüfobjekts zu gewährleisten, wenn diese nicht im
eingeschalteten Zustand sind.
Die CIGRE-Arbeitsgruppe B1.32 fasste den Stand der Technik zum Ver-
halten der DC-XLPE-Isolierung zusammen und veröffentlichte den Technischen
Bericht 496 (2012) über die Prüfung von extrudierten HVDC-Kabeln, der als eine
Art Standard fungiert. Der Bericht umfasst die elektrischen Prüfungen für Über-
tragungskabel unter Verwendung der Phasen-Erdspannung V0 unter Betriebs-
bedingungen als Referenzspannung:
Präqualifikationsprüfung von Kabelsystemen sollen die zufriedenstellende
Langzeitperformance aller Komponenten an einem etwa 100 m langen Kabel-
system demonstrieren. Er wird nur einmal während der Entwicklung durchgeführt
und umfasst einen Langzeit-Spannungstest bei Vt = 1,45 V0 mit verschiedenen
Zyklen mit und ohne Laststrom, der von einer Kabelheizungs anlage erzeugt wird
(insgesamt 360 Tage). Er wird durch einen Polaritätswechsel bei (2 · 1,25 · V0 )
und zusammengesetzte Spannungstests (überlagerte Spannungstests: DC/LI und
DC/SI) vervollständigt. Schließlich soll eine detaillierte Inspektion durchgeführt
werden.
Typprüfung werden durchgeführt, bevor Kabelsysteme allgemein geliefert
werden, um zufriedenstellende Leistungsmerkmale nachzuweisen. Er wird bei
Vt = 1,85V0 für 30 Tage an Kabelschleifen durchgeführt, die typisch für das
Kabelsystem sind. Der Typentest umfasst Lastzyklen, einen Polaritätswechsel
(2 · 1,45 · V0 ) Test, DC/LI und DC/SI zusammengesetzte Spannungsprüfngen,
gefolgt von einem HVDC-Test.
Stückprüfung (Werksabnahmeprüfungen) werden an jedem hergestellten
Bauteil (Kabel oder Zubehör) durchgeführt, um zu überprüfen, ob sie korrekt
gefertigt sind und die spezifische Anforderung erfüllen. Jede Lieferlänge des
Kabels muss einer negativen Gleichspannung Vt = 1,45 · V0 für eine Stunde
unterzogen. Die CIGRE WG drückt aus, dass zusätzlich zur Gleichspannungs-
prüfung eine Wechselspannungsprüfung, die eine PD-Messung ermöglicht, in
Betracht gezogen werden kann, sofern das Kabeldesign die Anwendung von
Wechselspannung zulässt. Auch für die Kabelzubehörteile können PD-überwachte
Wechselspannungs prüfungen nützlich sein.
Vor-Ort-Abnahmeprüfung (Nach–Installationstests) soll die Integrität des
Kabelsystems nach der Installation nachweisen. Das installierte Kabelsystem
soll einem negativen HVDC-Test von Vt = 1,45 · V0 unterzogen werden, weitere
Details müssen zwischen Lieferant und Benutzer vereinbart werden.
HVDC super-lange Kabel: Das Laden und insbesondere das Entladen der
Kabelsysteme während der Vor-Ort_Prüfung ist wirklich schwierig, wenn z. B. ein
großes Unterseekabel (z. B. Vm = 550 kV, 200 km lang, entsprechend 70 µF, z. B.
siehe Abb. 1.3) vor der Inbetriebnahme getestet wird (Vt = 1,45 · Vm = 800 kV).
Die im Kabel gespeicherte Energie beträgt etwa 22 MJ. Das Entladen dieses Bei-
spiels wurde von Felk et al. (2017) untersucht:
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 307

Die Entladung aufgrund des Widerstands der Kabelisolierung selbst würde fast
10 h dauern. Das bedeutet, dass das Kabel viel länger belastet wird als bei einem
Test von z. B. 1 Stunde. Darüber hinaus hat kein Drahtwiderstand die notwendige
thermische Kapazität, um die Energie zu übernehmen. Daher wird ein HVDC
Entladegerät auf der Basis eines wassergefüllten vertikalen Widerstands vor-
geschlagen. Eine Wasseraufbereitungseinheit – wie sie für Wasserendverschlüsse
bei Kabelprüfungen verwendet wird (siehe Abb. 3.44) – steuert den Wert der Leit-
fähigkeit des Wassers: Die Aufbereitungseinheit erhöht die Wasserleitfähigkeit
durch Dosierung von Salz in das Wasser und reduziert sie durch ein spezielles
Harzbett zur Entionisierung. Da das Wasser durch seinen Widerstand erhitzt
wird, wird es auch in der Aufbereitungseinheit gekühlt. Das Wasser zirkuliert im
Widerstand, der aus einem inneren Rohr (wo das Wasser aufsteigt) und einem
äußeren Rohr (wo das Wasser absteigt) besteht. Das elektrische Feld zwischen den
beiden Rohren sowie in vertikaler Richtung muss sorgfältig ausgelegt sein. Das
thermische Design sollte Kondensation auf der Außenseite des Widerstandsrohres
vermeiden. Der Widerstand kann aus 400 kV-Modulen mit einem Wasservolumen
von jeweils etwa 70 Litern zusammengesetzt werden. Der 800 kV-Wasserwider-
stand würde beispielsweise aus zwei Modulen bestehen und kann immer parallel
zum geprüften Kabel geschaltet sein.
Der Wasserwiderstand wird so gesteuert, dass er während des Ladens und
Testens des Kabels sehr hoch ist (was bedeutet, dass er nur sehr geringen Einfluss
auf die HVDC-Spannungsquelle hat) und für die Entladung des Kabels niedrig
ist. Die thermische Kapazität des Wassers ist so hoch, dass die Entladeenergie von
22 MJ die Wassertemperatur nur um 40 K erhöht! Für einen neuen Test muss das
Wasser abgekühlt und entionisiert werden.
Flüssigkeits-imprägniertes, Papier-isoliertes (LIP-HVAC) Kabel: In gewisser
Hinsicht ist die HVDC-Prüfung von HVAC LIP Kabelsystemen das klassische
Beispiel für die Anwendung von Gleichspannung auf Wechselstromisolierung,
insbesondere für Prüfungen vor Ort (siehe Abschn. 10.4.2). Daher verursacht die
HVDC-Prüfung von HVDC-Kabelsystemen keine neuen Probleme. Ziemlich
kleine HVDC-Testsysteme können die hohe Kapazität eines LIP-Kabelsystems
aufladen. Es wurde auch ein gewisser Zusammenhang zwischen der Lebensdauer
bei Wechselstrombetrieb und den Ergebnissen geeigneter HVDC-Tests gefunden.
HVDC gas-isolierte Systeme: Für die Verbindung von HVDC-Kabeln
mit HVDC-Stromversorgungen sind gasisolierte Systeme (GIS) notwendig,
um sichere Trennstrecken zu schaffen, Spannungen und Ströme zu messen
und Überspannungsableiter anzuordnen (Hering et al. 2017). Die Kapazi-
tät solcher Systeme ist nicht sehr hoch, aber die Isolierung des Gases, vorzugs-
weise SF6, in Kombination mit festen Abstandshaltern ist ziemlich empfindlich.
Der Grund ist eine Änderung der Spannungsverteilung von einem kapazitiven
elektrostatischen Feld während des Ladevorgangs, Polarisationsumkehrungen
oder Überspannungen zu einem resistiven Strömungsfeld unter stationären
Gleichstrombedingungen. Dann wird das Feld zusätzlich durch die Ladungs-
akkumulation auf den festen Abstandshaltern sowie durch thermische Effekte
beeinflusst. Auch die Bewegung von Partikeln kann das PD-Phänomen des „Glüh-
308 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

würmchens“ zeigen, ein Schweben von scharfen, PD-erzeugenden Partikeln in


der Nähe einer der Elektroden. Teilentladungen unter HVDC-Bedingungen sind
sehr selten, stochastisch und schwer zu messen (siehe Abschn. 6.5). All diese
Phänomene müssen berücksichtigt werden, wenn Prüfspannungen ausgewählt und
Prüfverfahren vereinbart werden (CIGRE JWG D.1/B.3.57, 2017). Diese CIGRE
Joint Working Group empfiehlt einen sehr detaillierten elektrischen Typentest,
bestehend aus
• einer GleichspannungsStehspannungsprüfung,
• einer WechselspannungsStehspannungsprüfung,
• PD-Messung bei Gleich- und Wechselspannung,
• einem Gleichspannungsprüfung mit Polaritätswechsel (siehe Abschn. 6.2.2.2),
• einem Gleichspannungs-/LI-Mischspannungstest -Prüfung(siehe Abschn. 8.2.3),
• einem Gleichspannungs-/SI-Mischspannungs-Prüfung (siehe Abschn. 8.2.3),
• Stehspannungsprüfung bei Nennstrom,
• einem Isoliersystemtest an Einzelkomponenten (Festigkeit und PD ≤ 5 pC).
In Bezug auf den hohen Aufwand der Typprüfung sollen die Routine-Tests und
der Vor-Ort-Akzeptanz Prüfungen einfach und zeiteffizient sein. Dies kann nicht
mit Gleichspannungen erreicht werden. Als akzeptabler Kompromiss sollen diese
Tests mit Wechselspannungen durchgeführt und durch PD-Messung ergänzt
werden.
Schließlich wird ein Prototyp-Installationstest, ähnlich der Präqualifikations-
prüfung von Kabelsystemen (siehe oben), diskutiert (Neumann et al. 2017). Dieser
Test soll die Langzeit-Performance des kompletten gasisolierten HVDC-Systems
(erwartete Lebensdauer von 50 Jahren) demonstrieren. Es handelt sich um einen
Langzeittest über 30 Tage, der Lastzyklen und zusammengesetzte DC/LI- und
DC/SI-Spannungstests enthält (siehe Abschn. 8.2.3). Für die Lastzyklen soll ein
Gleichstrom entsprechend dem Nennstrom eingespeist werden. Dazu ist eine
spezielle Stromquelle erforderlich, die auf HVDC-Potenzial arbeitet (Neumann
et al. 2017).

6.2.3.2 Resistive Testobjekte (Regen- und Verschmutzungs


prüfungen)

Regen- und Fremdschichtprüfungen erfordern einen Wirkstrom aufgrund


eines niedrigen Oberflächenwiderstands und/oder starker Vorentladungen. Die
Begrenzung des erforderlichen Stroms durch das HVDC-Testsystem führt zu einer
Begrenzung der Prüfspannung (Spannung Reduktion ΔV) im Falle einer dauer-
haften Belastung im stationären Betrieb und zu einem momentanen Spannungs-
abfall (dV) bei transienter Belastung (PD-Stromimpuls). In beiden Fällen kann
die Prüfung nicht korrekt durchgeführt werden. Daher wurde viel Forschungs-
arbeit auf die Amplitude und Form des erforderlichen Stroms gerichtet (z. B.
Reichel 1977; Rizk 1981; Matsumoto et al. 1983; Kawamura und Nagai 1984;
Merkhalev und Vladimirsky 1985; Rizk und Nguyen 1987; Cigre TF 33.04.01,
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 309

2000). Als Ergebnis gibt der IEC-Standard 61245:2015 Hinweise für HVDC-
Verschmutzungstests und die notwendige Spezifikation von HVDC-Testsystemen
(Ripple-Faktor ≤3 %, Spannungsabfall ≤10 %, Spannungsüberschreitung
≤10 %, Spannungsmessung für beide, kontinuierliche und transiente Spannungs-
komponenten). Die Praxis der HVDC-Verschmutzungstests wird in mehreren Ver-
öffentlichungen beschrieben, z. B. Windmar et al. (2014).
Während die Spannungsreduktion nur akzeptabel wird, wenn ein HVDC-
Testsystem mit ausreichender Nennstromstärke angewendet wird, kann der
Spannungsabfall dV durch einen sehr großen Glättungskondensator auf einen
akzeptablen Wert reduziert werden, möglicherweise durch einen zusätzlichen
Kondensator (Reichel 1977; Spiegelberg 1984) oder durch eine Rückkopplungs-
steuerung mit einer höheren Einspeisespannung (Köhler und Feser 1987).
Gemäß den oben genannten Referenzen nimmt der Leckstromimpuls
(Abb. 6.17) mit der Oberflächenleitfähigkeit von etwa 10 mA bis in die
Größenordnung von 1–2 A zu, aber seine Dauer nimmt von etwa 10 s mit
zunehmender Stromamplitude auf wenige 100 ms ab. Die maximale Ladung
eines Impulses kann in der Größenordnung von 200–300 mC liegen. Der reale
Impuls wird für Berechnungen durch dreieckige oder rechteckige Stromimpulse
ersetzt (Abb. 6.16). Der akzeptable Spannungsabfall bei einem solchen Impuls
liegt zwischen 5 % (Hylten-Cavallius 1988) und 8 % (IEC 61245:1993; Köhler
und Feser 1987). Merkhalev und Vladimirski (1985) schätzten die Beziehung
der gemessenen Überschlagspannung (VFL) eines verschmutzten Isolators, wenn
ein Stromimpuls mit der Ladung qp erscheint und ein unregulierter Greinacher-
Generator mit einer begrenzten Glättungskapazität Csl, (Ladung QsL) verwendet
wurde, im Vergleich zu einem Generator mit Werten Cs0 (einer Ladung Qs0), die
die Überschlagspannung (VF0) nicht beeinflussen:
  
VFL −qp
= 1 + 0,5 1 − exp . (6.11)
VF0 QsL

Ableitstrom IFL
typischer
rechteckig aufgezeichneter Trapezförmiger Impuls
Impuls (2A / 100ms) Impuls (200 mC) (200 mC) mit einem
2000 abschließenden
Sprung (20A / 50µs)

mA
dreieckiger Impuls
1200 (max. 1A / 400 ms)

800 Rechteckimpuls
(500mA / 400 ms)
400
Zeit t
0
100 200 300 ms 400

Abb. 6.16 Leckstromimpuls (rot) und seine vereinfachten Ersatzformen für Berechnungen
310 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Ausgangsspannung VDC
nach Stromimpulsen
HVDC-Generator arbeitet mit
3 Stufen
1400

kV Spannungsabfall
0,5A
1A
2A
1000 2 Stufen

1A 0,5A
2A
200 mC =konst.
600
1 Stufen

1A 0,5A
2A
200

0 100 200 300 ms 400


Dauer des Stromimpulses

Abb. 6.17 Ausgangsspannung eines HVDC-Generators (Abb. 6.19) in Abhängigkeit von


Amplitude und Dauer eines rechteckigen Leckstromimpulses

Die Abweichung zwischen der gemessenen, zu hohen Durchschlagspannung VFL


(verursacht durch einen unzureichenden Generator) und dem korrekten Wert VF0
hängt von der Beziehung zwischen der Ladung des Stromimpulses (qp ≈ 200 mC)
und der des Glättungskondensators QsL ab. Wenn die im Glättungskondensator
gespeicherte Ladung die Ladung des Stromimpulses um einen Faktor 10 übersteigt
(das heißt QsL ≈ 10 · qp, = 2000 mC), erhält man die Begriffe „exp(−qp/QsL) ≈ 0,9“
und „VFL/VF0 ≈ 1,05“. Der Einfluss des Generators auf die Durchschlagspannung
liegt unter 5 %. Das bedeutet, dass für den oben betrachteten Generator von
Vr = 300 kV ein Glättungskondensator von
QsL 2 As
Cs = = ≈ 6 µF
Vr 0.3 MV
erforderlich wäre. Diese sehr hohe Kapazität ist zu pessimistisch (Hauschild
et al. 1987; Mosch et al. 1988), wenn eine leistungsfähige Einspeisung und ein
optimierter Multiplikatorschaltkreis (z. B. dreiphasig, sechspulsig) verwendet
werden. Dies zeigt, dass nur die Berücksichtigung der erforderlichen Ladung zu
stark vereinfacht ist. Eine detailliertere Berechnung zeigt, dass für qp = 200 mC
ein rechteckiger Leckstromimpuls mit hohem Spitzenwert und kurzer Dauer einen
höheren Spannungsabfall verursacht als ein niedrigerer Strom mit längerer Dauer
(Abb. 6.17). Dies hängt mit den internen Impedanzen des Prüfsystems zusammen.
Folglich nimmt der Spannungsabfall – wie auch die oben erwähnte Spannungs-
reduzierung – mit der Anzahl der Stufen zu. Die Form, der Maximalwert und die
Dauer der Leckstromimpulse hängen auch von der Höhe der Prüfspannung, der
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 311

Abb. 6.18 Spannungsabfall


Aktuell i i 20 A
für Stromimpulse
rechteckiger und 2A
trapezförmiger Form
1A

0 Tp 0 Tp Zeit t

Form des
Stromimpulses

Ausgangsspan- Spannungs-
nung Vm abfall dV

0
450
%

kV 3

425
6

400 12

0 20 40 60 80 100 120 ms

angewendeten Verschmutzungsprüfmethode und den Parametern des geprüften


Isolators ab.
Um die Eignung eines HVDC-Testsystems für Verschmutzungstests zu
überprüfen, wird eine Computersimulation des Verhaltens des gesamten Test-
kreises unter einem Leckstromimpuls von z. B. 200 mC empfohlen. Zusätzlich
muss die angenommene Form dieses Impulses ausgewählt werden (vergleiche
Abb. 6.16). Dies kann unter Verwendung der Ergebnisse früherer Schaltungs-
simulationen erfolgen, die in Abb. 6.18 gezeigt sind (Mosch et al. 1988): Sie ver-
gleicht den Spannungsabfall, der durch einen Trapezoid-Impuls verursacht wird,
der die aufgezeichneten Ströme – von 200 mC einschließlich eines sehr schnellen
Endimpulses gut beschreibt, mit dem eines kurzen rechteckigen Impulses (2 A,
100 ms). Es wurde gezeigt, dass ein rechteckiger Impuls einen noch größeren
Spannungsabfall liefert. Der Ladungsbedarf des Endimpulses beträgt nur wenige
Millicoulomb. Daher ist es für die Abschätzung des Spannungsabfalls ausreichend,
das Verhalten eines HVDC-Generators unter Annahme kurzer rechteckiger Strom-
impulse zu simulieren.
312 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Transformator Gleichrichter Glättung verschmutzter gemisch


T D1, D2 Kondensator Prüfling voltage divider
Spannungsteiler

Thyristors-
teller
shunt

Strom i(t) Spannung v(t)

AC-Netzteil
Kontroll-
und
Messsystem

Abb. 6.19 Schaltbild eines HVDC-Testsystems mit Rückkopplungssteuerung

Wenn der HVDC-Generator von einem Thyristor-Controller mit Rück-


kopplungssteuerung gespeist wird, kann der Spannungsabfall durch ein geeignetes
Reglerintervall auf einen vorgewählten Wert begrenzt werden, z. B. auf erforder-
liche dV ≤ 5 % (Entwurf IEC 61245:2013). Rückkopplungssteuerung bedeutet,
dass die Prüfspannung und der Leckstrom gemessen werden (Abb. 6.19) und
zur Steuerung der zuführenden HVAC-Spannung verwendet werden. Wenn ein
bestimmter Spannungsabfall aufgezeichnet wird, werden für die Dauer des Leck-
stromimpulses höhere AC-Speiseimpulse angewendet. Abb. 6.20 zeigt, dass mit
zunehmendem Leckstrom die erforderliche Frequenz der Speiseimpulse und
folglich die Ripple-Frequenz der Ausgangsspannung zunimmt. Das Reglerinter-
vall muss so gewählt werden, dass zu hohe Spannungsabfälle und auch Über-
schwingungen (Entwurf IEC 61245:2013 erfordert ≤ 10 %) vermieden werden.
Heutzutage werden die meisten HVDC-Verschmutzungstests häufig mit rück-
kopplungsgesteuerten HVDC-Testsystemen durchgeführt (Seifert et al. 2007; Jiang
et al. 2010, 2011; Zhang et al. 2010a, b).
HVDC-Verschmutzungstests brauchen nicht an vollständigen Isolatorketten
durchgeführt werden; es reicht aus, einen Isolator einer Kette zu testen, da
innerhalb einer Kette mit einheitlicher Verschmutzung eine lineare Spannungs-
verteilung angenommen werden kann. Daher sind leistungsfähige HVDC-
Testsysteme für Verschmutzungstests in der Regel auf Prüfspannungen bis zu
600 kV begrenzt.
Im Gegensatz dazu kann für Isolatoren unter künstlichem Regen Bedingungen
keine einheitliche Spannungsverteilung angenommen werden, daher müssen
Regenprüfungen bis zu den höchsten HVDC-Spannungen durchgeführt werden.
Dies bedeutet, dass HVDC-Testsysteme für Nennspannungen von 2000 kV in der
Lage sein müssen, Freiluftisolierungen für 1000 kV HVDC-Übertragungssysteme
6.2 Anforderungen an HVDC-Prüfspannungen 313

relative Ausgangsspannung Vout / Vmax Ableitstrom ip

100%

0.5 A
95%

100%
Regler
intervall 5%
95% 1.0 A

100%
Spannungsred
uzierung ∆V
95% 2.0 A

0 200 400 600 ms 800


Stromimpulsdauer Tp

Abb. 6.20 Berechnete Ausgangsspannung eines rückkopplungsgesteuerten Generators bei ver-


schiedenen Leckströmen, aber identischer Impulsladung Qp = 200 mC

unter Regen zu prüfen. Stromimpulse aufgrund starker Streamer-Entladungen im


Übergang zu Leader-Entladungen zeichnen sich durch Ladungen von bis zu 10
mC aus. Diese Ladungen können von Generatoren ohne Rückkopplungssteuerung
und Nennströmen von wenigen 100 mA geliefert werden. Wenn das Prüfsystem
auch für Regenprüfungen an verschmutzten Isolatoren verwendet werden soll,
können höhere Nennströme und Rückkopplungssteuerung nützlich sein (Su et al.
2005).

6.2.3.3 Korona-Käfige und HVDC-Testleitungen

Ein bemerkenswerter Teil der aktiven Verluste eines luftisolierten HVDC-


Übertragungssystems wird durch Teilentladungen verursacht, die normalerweise
als „Koronaentladungen“ bezeichnet werden. Das Design der Bündelleiter einer
HVDC-Übertragungsleitung wird normalerweise durch Tests in einem Korona-
käfig und/oder auf einer Testleitung überprüft. Ein Korona-Käfig ist ein koaxiales
Elektrodensystem mit einer Außenelektrode von bis zu wenigen Metern Durch-
messer, das durch Metallstäbe realisiert wird, und der zu untersuchende Bündel-
leiter bildet die Innenelektrode auf HVDC-Potenzial. Die Außenelektrode ist
über eine Impedanz geerdet, um Koronastromimpulse oder den durchschnitt-
314 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

lichen Koronastrom zu messen. Eine HVDC-Testleitung ist ein 1:1-Modell einer


zukünftigen HVDC-Freileitung. Sie soll die Leistungsfähigkeit aller Komponenten
unter Betriebsbedingungen demonstrieren. Sowohl Koronakäfige als auch Test-
leitungen sind Außenanordnungen und erfordern HVDC-Testsysteme im Freien
(Elstner et al. 1983; Spiegelberg 1984).
Solche Testsysteme müssen kontinuierliche Ströme von mehreren 100 mA
liefern, um eine Spannungsreduzierung aufgrund kontinuierlicher Koronaent-
ladungen zu vermeiden, und kurzfristige Ströme von bis zu einigen Ampere, um
auch Spannungsabfälle aufgrund von Leckstromimpulsen zu vermeiden. Für
eine Testleitung müssen beide Polaritäten bereitgestellt werden. Dies kann durch
zwei separate HVDC-Testsysteme oder durch ein System mit bipolarem Abgang
(Abb. 6.21) erfolgen. Das gezeigte System ist eine HVDC-Ergänzung für eine
600 kV-HVAC-Prüfanlage Es besteht aus zwei einphasigen Einpuls-Doppler-
Schaltungen, eine für jede Polarität.
Das Testsystem selbst muss seine Ausgangsspannung unter allen Umgebungs-
bedingungen aushalten, unter denen Tests durchgeführt werden sollen. Die Details
dieser Bedingungen (Temperaturbereich, Bereich des atmosphärischen Drucks,
Luftfeuchtigkeit bis 100 %, Regen, natürliche Verunreinigung) müssen sorgfältig
angegeben werden, ebenso wie eine mögliche Reduzierung der Nennspannung
für bestimmte Testbedingungen. Die Außenfläche aller Komponenten sollte mit
Silikonkautschuk-Schirmen ausgestattet sein (Abb. 6.21).

+ R-Teiler + Grundlastkondensator + Gleichrichter ± Verdopplungskondensator


r

Prüftransformator - Grundlastkondensator - Gleichrichter -R-Teiler

Abb. 6.21 Bipolares HVDC-Zubehör von ± 1000 kV/500 mA für ein 600 kV/3,3 A HVAC-
Testsystem. (Mit freundlicher Genehmigung von KEPRI Korea)
6.3 Verfahren und Bewertung von HVDC-Tests 315

6.3 Verfahren und Bewertung von HVDC-Tests

Die Verfahren und Bewertungen von HVAC-Tests (siehe Abschn. 3.3 basierend auf
Abschn. 2.4), die für alle kontinuierlichen Spannungen entwickelt wurden, können
auch für HVDC-Tests angewendet werden. Daher werden die beschriebenen
Methoden in diesem Abschnitt nicht wiederholt, nur einige Unterschiede sollen
erwähnt werden.
Der Spannungssteigerungsversuch mit kontinuierlich oder schrittweise
steigender Gleichspannung (Abb. 2.26) wird verwendet, um eine kumulative
Häufigkeit Verteilung zu bestimmen, die durch eine theoretische Verteilungs-
funktion approximiert werden kann. Die Approximation kann gemäß den
Empfehlungen der Tab. 3.7 durchgeführt werden. Auch für Lebensdauer-Tests
gelten die Bemerkungen von Abschn. 3.3.1.
Im Vergleich zu HVAC-Tests ist es schwieriger, die Unabhängigkeit bei
HVDC-Tests zu gewährleisten. Der Grund dafür beruht auf dem Phänomen, dass
Teilentladungen (und die Spur von Überschlägen) bei Gleichspannung Ober-
flächen- und Raumladungen mit langer Lebensdauer verursachen. Daher können
vorhergehende Belastungen das Ergebnis nachfolgender Belastungen viel stärker
beeinflussen. Es ist unbedingt notwendig, die Unabhängigkeit eines Testergeb-
nisses zu überprüfen, bevor eine weitere statistische Auswertung vorgenommen
wird. Die grafische Überprüfung (Abb. 2.28) sollte während der HVDC-
Prüfung durchgeführt werden, und die Prüfprozedur sollte geändert werden, bis
Unabhängigkeit erscheint. Änderungen sind z. B. die Änderung der Steigerungs-
rate der Spannung, die sorgfältige Reinigung von Testobjekten nach Überschlägen,
die Verwendung eines neuen Testobjekts für jeden Belastungszyklus oder die
Anwendung einer niedrigen Wechselspannung zwischen zwei Belastungszyklen
(„Reinigung“ durch ein wechselndes elektrisches Feld). Bei der Untersuchung
einer Feststoffisolierung ist für jeden Testzyklus in der Regel eine neuer Prüfling
erforderlich.
Bei der Qualitätssicherungsprüfung wird das in Abschn. 2.4.6 und Abb. 2.39a
beschriebene Verfahren auch für Gleichspannungen empfohlen (IEC 60060-
1:2010). Der Test sollte bei der Polarität durchgeführt werden, die die niedrigeren
Durchschlagspannungen liefert. Wenn dies nicht klar ist, ist ein Test bei beiden
Polaritäten erforderlich. Auch PD-überwachte Stehspannungsprüfungen
(Abschn. 3.3.2) sind anwendbar, aber die Zufälligkeit von relativ seltenen Teil-
entladungen bei Gleichspannung muss berücksichtigt werden (siehe Abschn. 6.5).
Dies kann längere Prüfdauern auf den verschiedenen Spannungsebenen erfordern
(Abb. 2.39b). Bei der diagnostischen Stehspannungsprüfung können auch andere
Messgrößen als Teilentladungen berücksichtigt werden, z. B. der Leckstrom oder
der Isolationswiderstand.
316 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

6.4 Messung der HVDC-Prüfspannung

Um hohe Gleichspannungen bis zu einigen hundert kV zu messen, wurden


ursprünglich Messkugelfunkenstrecken verwendet. Wie bereits in Abschn. 2.3.5
erwähnt, kann auf der Grundlage experimentell ermittelter Durchschlagskurven
von Kugel-Kugel-Anordnungen unter sauberen Laborbedingungen eine Mess-
unsicherheit von etwa 3 % für Spannungen zwischen 20 kV und etwa 2000 kV
erreicht werden (Schumann 1923; Weicker 1927; Weicker und Hoercher 1938;
IEC Publication 52:1960). Die Durchschlagspannung von Kugelfunkenstrecken
wird jedoch nicht nur von nahegelegenen geerdeten Objekten (Kuffel 1961)
beeinflusst, sondern auch von der Rauheit der Elektroden sowie von Staub und
Verschmutzung, die sich auf der Elektrodenoberfläche ablagern, und wie üblich
von der Luftfeuchtigkeit und -dichte. Da geladene Teilchen immer in Richtung
zunehmender elektrischer Feldstärke angezogen werden, was die Ablagerung
von Staubpartikeln auf der Elektrodenoberfläche erzwingt, wird die Verwendung
von Kugelfunkenstrecken zur Messung von Gleichspannungen über 200 kV nicht
empfohlen (siehe Tab. 2.7).
Basierend auf experimentellen Befunden (Peschke 1968; Feser und Hughes
1988) können Gleichspannungen auch mit angemessener Genauigkeit durch Stab-­
Stab-Funkenstrecken in atmosphärischer Luft gemessen werden. Unter Berück-
sichtigung der Korrekturfaktoren für die Luftfeuchtigkeit und -dichte ist eine
Messunsicherheit von etwa 2 % für Gleichspannungen zwischen ca. 20 und
1300 kV erreichbar, wie in der überarbeiteten Norm IEC 60052:2002 angegeben
(siehe Abschn. 2.3.5). Der Hauptnachteil von Luftfunkenstrecken, die zur
Messung hoher Spannungen verwendet werden, ist jedoch das diskontinuier-
liche Messverfahren, das sehr zeitaufwändig ist. Daher wurden seit den 1920er
Jahren Funkenstrecken zunehmend durch elektrostatische Voltmeter (Starke und
Schröder 1928) ersetzt, da diese in der Lage sind, hohe Spannungen kontinuier-
lich zu messen. In den 1930er Jahren wurden auch Messsysteme auf Basis hoch-
resistiver Umwandlungsvorrichtungen eingeführt, bei denen die Hochspannung
durch Strom- oder Spannungsmesser angezeigt wurde, siehe Abb. 6.22 (Kuhlman
und Mecklenburg 1935). Heutzutage stellt die Umwandlungsvorrichtung in der
Regel einen resistiven Spannungsteiler dar, der manchmal durch Kondensatoren
überbrückt wird, um zusätzliche Spannungsänderungen aufzuzeichnen, die der
stationären Gleichspannung überlagert sind, wie z. B. die Welligkeit von Gleich-
spannungen sowie die zeitabhängige Spannungsform beim Polaritätswechsel.
Ein wichtiger Entwurfsparameter für Ohmsche Spannungsteiler, die für
Gleichstrommessungen verwendet werden, ist der Gleichstrom, der durch das
Umwandlungsgerät fließt. Da Staub und Verschmutzung, die sich auf der Ober-
fläche der HV-Teilersäule ablagern, parasitäre Leckströme verursachen können,
die das Teilerverhältnis beeinflussen, insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit,
sollte der Gleichstrom durch das Umwandlungsgerät nicht niedriger als 0,5 mA
gewählt werden (IEC 60060-2:2010). Wie bereits oben erwähnt, werden geladene
Teilchen immer in Richtung steigender elektrischer Feldstärke angezogen, was
6.4 Messung der HVDC-Prüfspannung 317

Abb. 6.22 Grundprinzipien, (a) (b)


die häufig für indirekte
HVDC-Messungen
verwendet werden, a
Amperemeter in Reihe R16 R 16
mit einer resistiven
Umwandlungsvorrichtung
R15 R15
(HV-Widerstand), b
Spannungsmessung über
den LV-Widerstand eines
R14 R 14
resistiven Spannungsteilers

V1 R13 V1 R13

R12
R 12

R11 R 11

I2 R 2 V2

die Ablagerung von Staubpartikeln auf der Oberfläche der Teilersäule erzwingt.
Die Reduzierung des HV-Widerstandes , um den Einfluss von Staub und Ver-
schmutzung zu minimieren, ist jedoch nicht nur durch die zusätzliche Strom-
belastung begrenzt, die für die HVDC-Prüfspannungsquelle noch akzeptabel
ist, sondern auch durch die zulässige Betriebstemperatur, die bei abnehmendem
Widerstand der HV-Teilersäule drastisch ansteigen könnte.
Beispiel Betrachten Sie die HV-Säule eines 100-kV-Spannungsteilers mit einem Gesamt-
widerstand von 10 MΩ, die aus 100 Niederspannungswiderständen in Serie besteht, von
denen jeder 100 kΩ beträgt und für 1 kV bemessen ist. Bei Anwendung einer Gleich-
spannung von 100 kV würde der Strom durch die HV-Widerstandssäule10 mA erreichen,
so dass die erzeugte Leistung 1000 W erreicht. Dies führt nicht nur zu einer Erhöhung der
Betriebstemperatur, die das Teilerverhältnis ändern könnte, sondern könnte auch die HV-
Widerstandssäule beschädigen. Aus diesem Grund sollte der Strom so niedrig wie mög-
lich gehalten werden, aber nicht niedriger als 0,5 mA, um einen Einfluss von Staub und
Verschmutzung auf das Teilerverhältnis zu verhindern, wie oben erwähnt. Unter dieser
Bedingung beträgt der Spannungsabfall über jeden LV-Widerstand in der HV-Säule 0,5
kV, was einem spezifischen Wert von 0.5 kV / 0.5 mA = 1 MΩ entspricht.
Dieses Beispiel unterstreicht, dass ein Teilerstrom in der Größenordnung von etwa 0,5
mA eine vernünftige Wahl zu sein scheint, denn aus thermischer Sicht sollte der Strom so
niedrig wie möglich sein. Ein Strom unter 0,5 mA würde jedoch zu einem Einfluss von
parasitären Leckströmen auf die Messunsicherheit führen, wie oben erwähnt.

Um die radialen und tangentialen Feldgradienten entlang der resistiven HV-Säule


zu begrenzen, werden die in Reihe geschalteten LV-Widerstände häufig spiral-
förmig um einen isolierenden Zylinder gewickelt, wie aus Abb. 6.23 ersichtlich.
318 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Abb. 6.23 Foto


eines hochpräzisen
DC-Spannungsteilers, der von
Peier und Greatsch entworfen
wurde (Nennspannung 300
kV, HV-Widerstand 600 MΩ,
Gesamthöhe 2,1 m)

Das Foto zeigt einen 300 kV DC-Teiler, der von Peier und Greatsch (1979) ent-
worfen wurde. Die HV-Säule besteht aus 300 Stück LV-Widerständen, von denen
jeder einen Nennwert von 2 MΩ hat, wobei der Spannungsabgriff über dem
untersten 2- MΩ-Widerstand erfolgt, so dass das Teilverhältnis 1:300 beträgt. Um
eine Potentialverteilung entlang der HV-Widerstandssäule zu erreichen, die der
elektrostatischen Feldverteilung entspricht, die allein durch die obere Elektrode
verursacht wird, d. h. ohne resistive Teilersäule, wurde der Abstand der Wider-
standshelix entsprechend variiert, wie ursprünglich von Goosens und Provoost
(1946) vorgeschlagen, siehe Abschn. 7.4.2. Die HV-Widerstandssäule ist in einem
mit Öl gefüllten PMMA-Zylinder angeordnet, um die Konvektion der in der HV-
Säule erzeugten Leistung zu verbessern, die bei 300 kV nur 150 W beträgt. Das
bedeutet, dass der maximale Strom durch den HV-Widerstand 0,5 mA erreicht,
was den oben diskutierten Anforderungen entspricht, d. h. einerseits wird der
Einfluss von Staub und Verschmutzung auf den parasitären Leckstrom entlang
der HV-Teilersäule minimiert und andererseits verhindert die vom HV-Teiler-
widerstand abgegebene Leistung eine signifikante Widerstandsänderung. Durch
Verwendung von drahtgewickelten LV-Widerständen, die durch eine Temperatur-
behandlung künstlich gealtert wurden, kann eine Messunsicherheit von etwa
3 × 10−5 erreicht werden.
In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der oben beschriebene
resistive Spannungsteiler, der vom deutschen nationalen Institut für Metrologie
(PTB Braunschweig) für hochpräzise Referenzmessungen verwendet wird, nicht
für DC-Spannungsmessungen in industriellen Prüffeldern geeignet ist. Dies liegt
6.4 Messung der HVDC-Prüfspannung 319

daran, dass ein unerwarteter Durchschlag des Prüfobjekts mit sehr schnell ver-
änderlichen transienten Überspannungen aufgrund der vergleichsweise hohen
Selbstinduktivität der in Reihe geschalteten drahtgewickelten Widerstände ver-
bunden ist. Dies führt zu einer stark nichtlinearen Spannungsverteilung und würde
damit die HV-Teilersäule beschädigen. Um die Energiekapazität zu erhöhen,
könnten grundsätzlich Metalloxidfilm-Widerstände als Alternative verwendet
werden. Das Hauptproblem ist jedoch ihr vergleichsweise hoher Temperatur-
koeffizient, der die Messunsicherheit erhöhen würde, insbesondere bei längerer
Prüfdauer, die zu einem Temperaturanstieg in der HV-Säule führt. Selbst wenn
dieser Effekt durch eine künstliche Alterung minimiert werden könnte, die durch
eine langfristige Temperaturbehandlung erreicht wird, muss berücksichtigt
werden, dass eine solche Konditionierung extrem zeitaufwändig ist und daher nur
in sehr spezifischen Fällen angewendet wird.
Die beste Lösung, um mögliche Schäden an Widerstandsteilern bei
unerwarteten Durchschlägen zu vermeiden, ist die Verwendung von gemischten
Spannungsteilern, wie z. B. resistiv-kapazitive Teiler oder auchr kapazitiv-
gesteuerte Teiler. Eine optimale Lösung wird durch die Parallelschaltung von in
Reihe geschalteten HV-Kondensatoren erreicht, die an bestimmte Punkte der
Widerstandsteilersäule angeschlossen sind, wie aus dem Foto in Abb. 6.24 ersicht-

gemischter RC
-Spannungsteiler

Gleichrichtersäule

Glättungskondensator

Abb. 6.24 Gleichstromgenerator (links) und ein resistiv-kapazitiver Teiler (2 MV, 1 mA) für die
Messung von statischen und dynamischen Spannungen
320 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

lich ist. Als Faustregel sollte die Kapazität der HV-Säule solcher gemischten
Spannungsteiler in der Größenordnung von 200 pF gewählt werden. Darüber
hinaus sollten Abschirmungselektroden mit vergleichsweise großer Oberfläche
eingesetzt werden, um das Auftreten von Teilentladungen zu verhindern, die eben-
falls das Teilerverhältnis beeinflussen könnten.
Um die Ausgangsspannung von HVDC-Teilern zu messen, können grundsätz-
lich klassische analoge Instrumente verwendet werden, die den arithmetischen
Mittelwert anzeigen. Der bessere Ansatz ist jedoch die Verwendung von
Oszilloskopen oder Digitalrekordern, um Gleichspannungen unter realen Prüf-
bedingungen zu messen, d. h. neben der statischen Gleichspannung auch typische
dynamische Spannungen wie die Welligkeit und der dynamische Spannungs-
abfall sowie die Parameter, die die Polaritätsumkehr charakterisieren. Die
Anforderungen an zugelassene Gleichspannungsmesssysteme sind in der
IEC 60060-2:2010 festgelegt. So soll der arithmetische Mittelwert mit einer
erweiterten Unsicherheit UM ≤ 3 % gemessen werden, was einer Abdeckungs-
wahrscheinlichkeit von 95 % entspricht. Um das dynamische Verhalten des
Messsystems zu bestimmen, wird ihm eine sinusförmige Spannung am Eingang
zugeführt. Durch Änderung der Frequenz zwischen 0,5 und 7 mal der Grund-
frequenz der Welligkeit fr soll die Differenz der gemessenen Ausgangsspannungs-
magnitude innerhalb von 3 dB liegen.
Die oben angegebenen Unsicherheitsgrenzen dürfen bei Vorhandensein der
maximalen Welligkeit, der in der IEC 60060-1:2010 angegeben ist, nicht über-
schritten werden. Die Größe der Welligkeit soll mit einer erweiterten Unsicher-
heit ≤1 % des arithmetischen Mittelwerts der Gleichspannung oder ≤10 %
der Ripple-Magnitude gemessen werden, je nachdem, welcher Wert größer ist
(IEC 60060-2:2010). Um den Mittelwert der Gleichspannung und die Größe der
Welligkeite zu messen, können entweder separate Messsysteme oder das gleiche
Umwandlungsgerät in Verbindung mit zwei separaten Messmodi für Gleich- und
Wechselspannungen verwendet werden.
Der Skalenfaktor des Messsystems für die Welligkeit soll bei der Grund-
welligkeit fr mit einer erweiterten Unsicherheit ≤3 % bestimmt werden. Der
Skalenfaktor kann auch als Produkt der Skalenfaktoren der verschiedenen
Komponenten bestimmt werden. Bei Messung der Amplituden-/Frequenzantwort
des Welligkeitslmesssystems in einem Frequenzbereich zwischen 0,5 und 5 fr darf
die Amplitude nicht niedriger als 85 % des Wertes sein, der bei der Grundwellig-
keitsfrequenz fr auftritt.
Um steigende und fallende HVDC-Prüfspannungen sowie die Welligkeit und
die Spannungsform bei Polaritätswechsel zu messen, soll die charakteristische
Zeitkonstante des Gleichspannungsmesssystems ≤0,25 s betragen. Im Falle von
Verschmutzungsprüfungen soll die Zeitkonstante ≤1/3 der typischen Anstiegszeit
für die auftretenden Transienten (Spannungsabfall) betragen.
Die Ergebnisse der Typ- und Stückprüfungen von HVDC-Messsystemen
können dem Prüfprotokoll des Herstellers entnommen werden, wobei Stück-
prüfungen an jeder Komponente des Messsystems durchgeführt werden sollen.
Systemprüfung des gesamten Messsystems sowie Systemüberprüfungen müssen
6.5 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungenen 321

unter der Verantwortung des Benutzers selbst oder durch einen Kalibrierdienst
durchgeführt werden. Die Systemprüfung soll die Bestimmung des Skalenfaktors
bei der Kalibrierung sowie das dynamische Verhalten für die Welligkeit umfassen
und jährlich, aber mindestens alle 5 Jahre durchgeführt werden. Systemüber-
prüfungen umfassen Überprüfungen des Skalenfaktors und sollten mindestens
jährlich oder entsprechend der Stabilität des Messsystems durchgeführt werden.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in den Abschn. 2.3.3 und
2.3.4.

6.5 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungen

Die Physik von Gasentladungen unter Gleichspannung wurde insbesondere in den


späten 1930er Jahren interessant, als Hochspannungsgleichstrom zunehmend für
physikalische, medizinische und militärische Anwendungen eingesetzt wurde,
z. B. zur Erzeugung der Betriebsspannung von Röntgengeräten, Kathodenstrahl-
röhren, Elektronenbeschleunigern, Bildverstärkern und Radaranlagen. Zu dieser
Zeit wurden zahlreiche technische Artikel und Lehrbücher veröffentlicht, die sich
hauptsächlich mit den Grundlagen von Entladungen in verschiedenen Gasen und
auch im Vakuum beschäftigen (Trichel 1938; Loeb 1939; Raether 1939). Eine
ausgezeichnete Übersicht zu diesem Thema findet man im Lehrbuch von Meek
und Craggs (1978). In den 1960er Jahren, als die ersten Langstrecken-HVDC-
Übertragungsleitungen in Betrieb genommen wurden, gelangte auch die Messung
von Teilentladungen zunehmend an Bedeutung, insbesondere um die Isolations-
integrität von HVDC-Geräten nach der Herstellung zu beurteilen, wie z. B. Stark-
stromkabel und Leistungskondensatoren (Rogers und Skipper 1960; Salvage 1962;
Renne et al. 1963; Melville et al. 1965; Salvage und Sam 1967; Kutschinski 1968;
Kind und Shihab 1969; Müller 1976; Densley 1979; Meek und Craggs 1978;
Devins 1984).
Die PD-Phänomene, die in Luftfunkenstrecken unter Gleichspannung bei
beiden Polaritäten auftreten, sind mehr oder weniger vergleichbar mit denen, die
unter Wechselspannung mit Netzfrequenz. Dies gilt insbesondere für sogenannte
Trichel-Impulse (Trichel 1938), die unter bestimmten Bedingungen an scharf-
kantigen negativen Elektroden in Luft zünden, siehe Abb. 6.25. Aufgrund ihres
regelmäßigen Auftretens in Größe und Wiederholungsrate können Trichel-Impulse
vorteilhaft für Systemprüfungen von PD-Messseinrichtungen verwendet werden,
z. B. um die tatsächliche Impulspolarität zu bestimmen, die am Ausgang des PD-
Messgerätes oft invertiert zum Eingangssignal erscheint.
Um den Isolationszustand von HV-Geräten und ihrer Komponenten zu
beurteilen, ist der Mechanismus interner Entladungen, wie Hohlraum-, Grenz-
flächen- und Oberflächenentladungen, von besonderem Interesse. Um die
Ladungsübertragung an die Klemmen des Prüflings aufgrund von Hohlraum-
entladungen unter Gleichspannung zu erklären, wurde das klassische a-b-
c-Modell, das in Abb. 4.13 dargestellt ist (siehe Abschn. 4.2), entsprechend
322 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

(a) (b) (c)

50 pC/div; 4ms/div 20 pC/div; 4 ms/div 40 ns/div; 0.2 mA/div

Abb. 6.25 Trichel-Impulse, die in einer Spitze-Platte-Luftfunkenstrecke bei einer Prüfspannung


wenig oberhalb der Einsatzspannung aufgezeichnet wurden, a unter 50 Hz Wechselspannung, b
unter Gleichspannung c zeitlicher Verlauf eines einzelnen Stromimpulses

modifiziert (Fromm 1995). So wurden die drei charakteristischen Kapazi-


täten durch hochohmige Widerstände überbrückt, um die Spannungsver-
teilung zwischen den Elektroden unter konstanter Gleichspannungsbelastung
zu simulieren und um die Zeit zwischen aufeinanderfolgenden Entladungen
zu bewerten, die allgemein als Erholungszeit bezeichnet wird und von der Zeit-
konstante dominiert wird, die aus der intuitiv angenommenen Hohlraumkapazität
und der Leitfähigkeit des dielektrischen Materials abgeleitet wird (Fromm 1995;
Beyer 2002; Morshuis und Smit 2005).
Als Alternative kann das Dipolmodell nach Pedersen (1986) auch zur Erklärung
des PD-Ladungstransfers sowie der Erholungszeit (Lemke 2016) verwendet
werden, wie im Folgenden kurz erläutert wird. Zu diesem Zweck soll ein PD-
Ereignis in einem gasförmigen Einschluss betrachtet werden, das in ein Feststoff-
dielektrikum zwischen planparallelen Elektroden eingebettet ist. Im Wesentlichen
kann zwischen den folgenden drei Entwicklungsstufen unterschieden werden
(Abb. 6.26):

Anode Anode Anode

Ra1 Ra2 Ra3

Ca1 Ca2
Ra4 Rc Ra5

Ra6 Ra7 Ra8

Kathode Kathode Kathode


a) Stufe I b) Stufe II c) Stufe III

Abb. 6.26 Entwicklungsphasen, die für Hohlraumentladungen unter Gleichspannungsbelastung


typisch sind
6.5 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungenen 323

Stufe I: Initiierung der Ionisationsprozesse


Wenn die angelegte Gleichspannung sehr langsam erhöht wird, wird die Potential-
verteilung zwischen den Elektroden und insbesondere die Feldstärke in der gas-
förmigen Hohlraum durch die in Abb. 6.26a gezeigten Widerstandselemente
bestimmt. Die Ermittlung der PD-Einsetzspannung ist jedoch unmöglich auf-
grund der Tatsache, dass die Volumen- und Oberflächenleitfähigkeit von festen
Dielektrika bei steigender Feldstärke dramatisch abnimmt und zudem stark von
der Temperatur beeinflusst wird.

Stufe II: Etablierung des Dipolmoments


Unter der Annahme, dass eine selbständige Entladung bei der statischen Ein-
setzspannung im raumladungsfreien Feld zündet, entspricht die Anzahl der
von neutralen Gas-Molekülen freigesetzten Elektronen immer der Anzahl der
positiven Ionen, wie bereits in Abschn. 4.2 diskutiert wurde. Infolgedessen wird
ein Dipolmoment etabliert, da alle positiven Ionen an der kathodenseitigen Hohl-
raumwand abgelagert werden, während die Elektronen und negativen Ionen (die
durch die Anlagerung von Elektronen an neutrale Moleküle gebildet werden) an
der anodenseitigen Hohlraumwand abgelagert werden. Da das Dipolmoment dem
elektrostatischen Feld entgegenwirkt, das sich aus der angelegten Gleichspannung
ergibt, wird die Feldstärke in dem gasförmigen Einschluss verringert, so dass die
Entladungsprozesse plötzlich erlöschen.

Stufe III: Abbau des Dipolmoments


Selbst wenn die Leitfähigkeit von Isoliermaterialien extrem hoch ist, wird
angenommen, dass die positiven Ionen langsam durch die Anlagerung von
Elektronen, die aus dem festen Dielektrikum freigesetzt werden, neutralisiert
werden. Dies wird durch eine Feldverstärkung im Dielektrikum in unmittelbarer
Nähe zu der positiven Raumladung ermöglicht. Gleichzeitig werden die zuvor
an der dielektrischen Grenzschicht abgelagerten Elektronen in diese Grenze ein-
dringen und weiter durch das feste Dielektrikum in Anodenrichtung wandern . Da
die Driftgeschwindigkeit der Elektronen und damit der zugehörige Elektronen-
strom extrem niedrig ist, ist die Erholungszeit die erforderlich ist, um die anfäng-
lichen Feldbedingungen wiederherzustellen damit die nächste Entladung zünden
kann, ebenfalls extrem lang. Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass die
Zeit, die zwischen zwei aufeinanderfolgenden PD-Ereignissen vergeht, mehrere
Minuten betragen kann.
Beispiel Betrachten Sie eine Entladung in einem gasförmigen Einschluss in der XLPE-
Isolierung eines extrudierten Starkstromkabels. Angenommen sei eine Feldstärke von
Ep = 20 kV/mm, die in der XLPE-Isolierung an der Hohlraumgrenzfläche erscheint,
und eine Leitfähigkeit des festen Dielektrikums von κ = 10−17 (Ω · mm)−1, dann
würde die Dichte
 des Stroms, der ausschließlich von den Elektronen getragen wird,
Ge = Ep · κ = 2 · 104 × 10−17 A/mm2 = 0,2 pA/mm2 erreichen. Vorausgesetzt, ein
einzelnes PD-Ereignis führt zur Ionisierung von ng = 108 Gasmolekülen, dann würde
eine positive Raumladung von q+ = e · ng = 1.6 × 10−19 C · 108 = 16 pC an der

kathodenseitigen dielektrischen Grenzfläche abgelagert werden. Diese Ladung wird lang-
sam durch die Elektronen neutralisiert, die aus dem festen Dielektrikum in unmittelbarer
324 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Nähe zum Hohlraum freigesetzt werden. Angenommen, dies geschieht über eine Fläche
von Ac = 1 mm2, dann könnte der Elektronenstrom, der die dielektrische Grenzfläche
durchdringt und die positive Raumladung neutralisiert, wie folgt abgeschätzt werden:
Ie = Ge · Ac = 0,2 pA. Basierend darauf beträgt die Zeitspanne, die benötigt wird, um die
positive Raumladung, die an der kathodenseitigen dielektrischen Grenzfläche abgelagert
ist, zu neutralisieren, tr ≈ q+ /Ie = (16 pC)/(0,2 pA) = 80 s.
Wenn man nun die negative Raumladung berücksichtigt, die an der anodenseitigen
dielektrischen Grenzfläche abgelagert ist, kann der Strom, der durch die Elektronen ver-
ursacht wird, wenn sie den gasförmigen Hohlraum verlassen, ebenfalls als nahe bei 0,2 pA
eingeschätzt werden. Folglich werden alle Elektronen (einschließlich diejenigen, die an
neutrale Gasmoleküle angelagert werden und somit negative Ionen bilden) den Hohlraum
innerhalb einer Zeitspanne von etwa 80 s verlassen. Mit anderen Worten: Die anfänglichen
raumladungsfreien Feldbedingungen und damit die Zündbedingungen werden nach einer
Relaxationszeit von etwa 80 s wieder erreicht.

Bei der Durchführung von PD-Prüfungen unter Gleichspannung muss berück-


sichtigt werden, dass nur die folgenden zwei PD-Größen messbar sind:
(i) Die Impulsladung qi eines einzelnen PD-Ereignisses, das zum Zeitpunkt ti auf-
tritt.
(ii) Die Erholungszeit ∆ti, die umgekehrt proportional zur Wiederholungsrate der
PD-Impulse ist.
Um diese beiden PD-Kenngrößen zu messen, sind die grundlegenden Mess-
kreise einschließlich die Kopplungseinheiten (Abb. 4.23) und Messsysteme sowie
die Kalibrierungsverfahren, wie in der IEC 60270:2000 für PD-Prüfungen unter
Wechselspannung angegeben, anwendbar. In diesem Zusammenhang sollte daran
erinnert werden, dass die Wiederholrate der PD-Impulse unter konstanter Gleich-
spannungsbelastung extrem niedrig ist, wie oben bereits diskutiert wurde und aus
den Abb. 6.27 und 6.28 ersichtlich ist. Daher müssen entsprechend lange Prüf-
zeiten gewählt werden. Unter dieser Bedingung können jedoch einzelne Ladungs-

(a) (b)

CH2: 1 pC/div CH2: 1 pC/div

CH1: 2 pC/div CH1: 2 pC/div

Abb. 6.27 Ladungsimpulse (CH1 – rosa Spur) und kumulierte Impuls-Ladung (CH2 – grüne
Spur), aufgezeichnet bei Gleichspannung für Entladungen in einem gasförmigen Einschluss in
einem PE-Kabelprüfling, a Aufnahmezeit 20 s, Prüfpegel geringfügig oberhalb der PD-Zünd-
spannung, b Aufnahmezeit 100 s, Prüfpegel ca. 20 % oberhalb der PD-Zündspannung
6.5 PD-Messung bei HVDC-Prüfspannungenen 325

Abb. 6.28 Grafiken, die (a)


in der Änderung der IEC

Impulsladung [nC]
60270 empfohlen werden, 5
um PD-Testergebnisse 4
unter konstantem 3
Gleichspannungspegel 2
1
anzuzeigen, a
0
aufeinanderfolgende 0 5 10 15 20 25 30
Ladungsimpulse, die
Messzeit [min]
während einer 30-minütigen
Testperiode auftreten, b (b)
zugehörige kumulierte akkumulierte Ladung [nC] 60
Impuls-Ladung
50
40
30
20
10
0
0 5 10 15 20 25 30
Messzeit [min]

impulse, die am Ausgang konventioneller PD-Messsysteme erscheinen, aufgrund


ihrer kurzen Dauer, die normalerweise unter 100 µs liegt, kaum mit klassischen
Digitaloszilloskopen visualisiert werden. Dieses Signal muss daher entweder
erheblich gestreckt werden, normalerweise bis in den Sekundenbereich, oder auch
als „kumulierte Impuls-Ladung“ aufgezeichnet werden, wie in den Abb. 6.27 und
6.28b dargestellt. Ein weiterer Vorteil eines solchen Anzeigemodus ist, dass die
Steigung der kumulierten Impuls-Ladung proportional zum mittleren PD-Strom
ist, was als zusätzliche wertvolle Information angesehen werden kann (Lemke
1975). Um eine Übersteuerung des Messgeräts mit einer solchen Funktion zu ver-
hindern, muss ein Reset ausgelöst werden, kurz bevor eine Übersteuerung auftritt,
wie aus Abb. 6.27b ersichtlich ist.
Da die PD-Impulse oft über einen extrem weiten Bereich verstreut sind, was
sich sowohl auf die Amplitude als auch auf die Wiederholungsrate bezieht, wird
eine statistische Analyse der signifikanten PD-Größen dringend empfohlen. Zu
diesem Zweck sollte das PD-Messsystem auch mit einer Einheit ausgestattet
sein, die es ermöglicht, die Anzahl der PD-Impulse zu zählen, die voreingestellte
Schwellenwerte überschreiten (Abb. 6.29). Im Prinzip wurde ein solcher Puls-
höhenanalysator bereits früher von Bartnikas und Levi im Jahr 1969 eingesetzt.
Die praktische Erfahrung zeigt, dass PD-Tests von HVDC- Geräten und deren
Komponenten eine Mindestzeitdauer von 30 min abdecken sollten. In diesem
Zusammenhang sollten die folgenden Darstellungen bevorzugt verwendet werden,
wie in der Änderung zu IEC 60270 (Ed. 3):2000 angegeben, die 2013 veröffent-
licht wurde:
326 6 Prüfungen mit hohen Gleichspannungen

Abb. 6.29 Grafiken, (a)


die in der Änderung zu 25
IEC 60270:2000 für eine

PD-Impulsanzahl
20
statistische Analyse der
PD-Daten empfohlen werden. 15
a Anzahl der PD-Impulse,
die die Impulsladungen 10
0, 1, 2, 3, 4 und 5 nC
überschreiten. b Anzahl der 5
PD-Impulse, die innerhalb
0
der Impulsladungsklassen 0 1 2 3 4 5 6
(0–1) nC, (1–2) nC, (2–3)
Impulsladungsamplitude qm [nC]
nC, (3–4) nC und (4–5) nC
auftreten
(b)
10
PD-Impulsanzahl

0
0 1 2 3 4 5 6
Impulsladungsamplitude qm [nC]

• Akkumulierte scheinbare Ladung qa


Summe der scheinbaren Ladung q aller einzelnen PD-Impulse, die einen fest-
gelegten Schwellenwert überschreiten und während eines festgelegten Zeitinter-
valls ∆ti auftreten.
• Empirische PD-Impuls-Überschreitungshäufigkeit m
Gesamtzahl der PD-Impulse, die innerhalb eines festgelegten Zeitintervalls ∆ti
einen festgelegten Schwellwert überschreiten.

Darüber hinaus wird in der oben genannten Änderung empfohlen, die gemessenen
PD-Testergebnisse grafisch darzustellen, wie beispielhaft in den Abb. 6.28 und
6.29 gezeigt.
Kapitel 7
Prüfungen mit hohen Blitz- und
Schaltimpulsspannungen

Zusammenfassung Überspannungen in elektrischen Energieversorgungs-


systemen werden einerseits durch direkte oder indirekte Blitzschläge (LI-Über-
spannungen) und andererseits durch Schaltvorgänge (SI-Überspannungen)
verursacht. Da solche transienten Spannungsbeanspruchungen wesentlich höher
sind als die Betriebsspannungen, müssen die Isolierungen so ausgelegt sein, dass
sie LI- und SI-Überspannungen standhalten, und das Stehvermögen des korrekten
Designs muss durch Prüfungen mit LI-Prüfspannungen, bzw. SI-Prüfspannungen
nachgewiesen werden. Dieses Kapitel befasst sich mit der Erzeugung von
aperiodischen und schwingenden LI- und SI-Spannungen und den Anforderungen
für ihre Anwendung in HV-Prüfverfahren. Besondere Aufmerksamkeit wird den
Wechselwirkungen zwischen dem LI/SI-Generator und dem Prüfobjekt gewidmet.
Die Abweichungen von der standardisierten Impulsform, z. B. durch ein Über-
schwingen überlagert auf den LI-Scheitelnwert, werden analysiert, und die Aus-
wertung von aufgezeichneten Impulsen gemäß IEC 60060-1:2010 und IEEE
St. 4 (Entwurf 2013) wird beschrieben. Dies wird durch die Beschreibung von
Komponenten und Verfahren für die korrekte Messung von LI/SI-Prüfspannungen
ergänzt. Ebenfalls enthalten sind die Messung der Prüfströme bei LI-Spannungs-
prüfungen und die PD-Messung bei SI-, LI- und VFT-Prüfspannungen.

7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen

7.1.1 Klassifizierung von Impulsprüfspannungen

Ein Blitzeinschlag – z. B. auf einer Übertragungsleitung – kann eine Wander-


welle eines Stromimpulses mit einem Spitzenwert von wenigen Kiloampere bis
etwa 200 kA (in sehr seltenen Fällen sogar bis zu 300 kA) verursachen. Unter-
suchungen von Okabe und Takami an UHV-Übertragungssystemen (Takami
2007; Okabe und Takami 2009, 2011) betrachteten Spitzenströme bis zu 300 kA
und eine Frontdauer im Bereich zwischen 0,1 und 5 μs für die Berechnung von

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 327


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_7
328 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

LI-Überspannungen („externe (oder äußere) Überspannung“) auf Basis der


Stoßimpedanz der Freileitung, des Erdungswiderstands eines Mastes und der
Impedanzen der beteiligten Komponenten. Abb. 7.1 zeigt die resultierenden
Überspannungen für eine GIS und einen Leistungstransformator. Während bei
der GIS die Form und der Spitzenwert der Überspannung mit der Frontzeit des
Stromimpulses variieren, wird die Überspannung am Transformator nicht von
der Frontzeit des Stromimpulses beeinflusst. In beiden Fällen liegt die Frontzeit
der Überspannung in der Größenordnung von 1 μs, aber die Überspannung zeigt
Oszillationen. IEC 60071-1:2006 und IEC 60060-1:2010 definieren alle Impuls-
spannungen mit LI-Frontzeiten T1 < 20 μs als LI-Spannungen. Standard-LI-Prüf-
spannungen sind aperiodische Impulse, gekennzeichnet durch T1 = 1,2 μs und
eine LI Halbwertszeit von T2 = 50 μs, Abkürzung 1,2/50. Im Fall von Abb. 7.1
(Okabe und Takami 2011) sind die LI-Überspannungen recht gut durch Standard-
LI-Testspannungen 1,2/50 repräsentiert.
Ein Schaltvorgang „ein“ oder „aus“ in einem Stromversorgungssystem
verursacht eine „interne Überspannung“ aufgrund der Anregung interner

Abb. 7.1 LI-Überspannung, 3000


verursacht durch einen
kV
200 kA LI-Stromimpuls
unterschiedlicher Frontzeiten, 2000
überlagert auf den negativen
AC-Spannungsspitzenwert
bei einer GIS (oben) und bei 1000
einem Leistungstransformator
(unten)
0

-1000
0 1 2 3 4

Spannung V Zeit t
3000

kV

2000

1000

-1000
0 2 4 6 8
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 329

Oszillationsschaltkreis(e), die durch die Induktivitäten und Kapazitäten der


beteiligten Komponenten des Systems gebildet werden. Die SI-Überspannungen
schwingen mit einer oder mehreren Frequenzen, die deutlich niedriger sind
als die der LI-Überspannungen (Abb. 7.2). Alle Impulsspannungen mit einer
Anstiegszeit T1   >20 μs werden in der IEC 60060-1:2010 als SI-Spannungen
definiert. Form und Parameter der SI-Prüfspannungen sollen nicht nur SI-
Überspannungen repräsentieren, sondern sollten auch mit demselben Prüf-
generator, wie zur Erzeugung von LI-Prüfspannungen üblich, erzeugt werden
(siehe Abschn. 7.1.2). Die SI-Zeit bis zum Scheitelwert von Tp = 250 μs sollte
eine Mindest-Durchbruchspannung von stark inhomogenen Luftfunkenstrecken
mit Abständen von etwa 5 m erfüllen Bemerkenswert ist außerdem, dass die
Durchschlagspannung von Stab-Platte-Luftfunkenstrecken bei positiver SI-
Spannung ein Minimum erreicht, wenn die Frontzeit im Bereich von 250 µs liegt
(Abb. 7.3, gemittelte Werte der Durchschlagspannung nach Thione 1983). Daher
sind Standard-SI-Prüfspannungen aperiodische Impulse und charakterisiert durch
eine Frontzeit von Tp = 250 μs und eine Halbwertszeit von 2500 μs, Abkürzung
250/2500. Sie sollen alle Arten von SI-Überspannungen repräsentieren.
Für Vor-Ort-Prüfungen werden auch schwingende Impulsspannungen (OLI;
OSI) angewendet (IEC 60060-3:2006). OLI- und OSI-Prüfspannungen können
mit Generatoren erzeugt werden, deren Ausnutzungsfaktor etwa doppelt so hoch
ist wie der für die Erzeugung von LI- und SI-Spannungen (siehe Abschn. 7.1.3).
Dadurch vereinfacht sich der Transport und die Handhabung des Prüfsystems.
Außerdem repräsentieren die verwendeten OLI- und OSI-Prüfspannungen die
zugehörigen Überspannungen recht gut (vergleiche mit Abb. 7.1 und 7.2). Auch
die sogenannte „gedämpfte Wechselspannung“ (IEC 60060-3:2006; DAC), die
für die PD-Prüfung von Kabelsystemen im Feld verwendet wird, ist eine OSI-
Spannung. OSI-Spannungen können auch durch Prüftransformatoren erzeugt
werden (siehe Abschn. 7.1.4).
Zuletzt sollte erwähnt werden, dass im Falle des Schaltens von Trennschaltern
in SF6-isolierten Systemen (GIS) Überspannungen erzeugt werden, die steiler sind
als LI-Überspannungen. Sie werden durch steile Front-Prüfspannungen (FFV)
nachgebildet und durch Schalten des Trennschalters im zu prüfenden GIS erzeugt
(siehe Abschn. 7.1.5).
Zeit t/ms

Spannung V

Abb. 7.2 Beispiel für eine SI-Überspannung


330 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Durchschlagspannung Vb Tp - Vb Minimumkennlinie Elektrodenabstand d / m


2500

kV 13

11
2000
9

1500
5

3
1000

500 1

0
10 25 100 250 s 1000
Zeit bis zum Scheitelwert Tp

Abb. 7.3 Durchschlagspannung von langen Stab-Platte-Funkenstrecken in Luft bei positiver SI-
Prüfspannung in Abhängigkeit von der Zeit bis zum Scheitelwert (Frontzeit)

7.1.2 Grund- und Vervielfacherschaltungen zur Erzeugung


von Standard-LI/SI-Prüfspannungen

7.1.2.1 Grundlegender RC-Schaltkreis

Die Funktionsweise der Grundschaltung für Impulsspannungen soll durch ihre


Ersatzschaltung (Abb. 7.4a) erklärt werden: Wenn ein Impulskondensator Ci
über einen Ladewiderstand Rc bis zur Gleichspannungsdurchschlagspannung
V0 der Schaltstrecke SG aufgeladen wird, wird die Impulsspannung Vi durch
die angeschlossenen Elemente wie folgt erzeugt (Abb. 7.4b): Zunächst wird der
Lastkondensator Cl über den Frontwiderstand Rf aufgeladen, der die Front der
Impulsspannung bildet. Gleichzeitig wird der Impulskondensator Ci über den
Rückenwiderstand Rt entladen und bildet den Rücken der Impulsspannung. Die
Überlagerung beider Prozesse liefert eine Scheitelspannung Vip, die niedriger ist
als die Durchschlagspannung V0 der Schaltstrecke. Das Verhältnis zwischen den
beiden Spannungen liefert den Effizienzfaktor (oder: Ausnutzungsfaktor) des „ein-
stufigen“ (grundlegenden) Impulsgenerators:
Vip
η= < 1; η = ηs · ηc . (7.1)
V0
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 331

(a) Lade- Lade- Schaltfun- Front- Impuls


spannung widerstand Rc kenstrecke (V0) widerstand Rf Spannung

VDC VSG Vi

Impuls Rücken- Last


Kondensator Ci widerstand Rt kondensator
l CI

(b) Spannung V

VDCmax
VSG
= V0
Vip
Vi

t0 tp Zeit t
Beginn Zeit bis zum Scheitelwert (Frontzeit)

Abb. 7.4 Grundlegende Ersatzschaltung für die Erzeugung von Impulsspannungen. a Ersatz-
schaltbild. b Potenzialdiagramm

Der Ausnutzungsfaktor η kann als Produkt der Ausnutzung ηs abhängig von der
Impulsform und der Ausnutzung ηc abhängig von den Schaltungsparametern
(Hylten-Cavallius 1988) verstanden werden. Die Ausnutzung ηs steigt mit dem
Verhältnis von Rücken- und Frontzeit des zu erzeugenden Impulses. Wenn eine
LI-Impulsspannung (1,2/50) erzeugt werden soll, beträgt das Verhältnis z. B.
etwa 40, wenn eine SI-Spannung (250/2500) erzeugt wird, beträgt das Verhält-
nis z. B. nur 10. Die Schaltungsausnutzung ηc hängt hauptsächlich vom Verhält-
nis zwischen Impuls- und Lastkondensator ab. Je größer die Impulskapazität Ci im
Verhältnis zur Lastkapazität Cl, desto höher ist ηc. Der resultierende Ausnutzungs-
faktor der LI-Basisschaltung ist relativ hoch (η ≈ 0,85…0,95), während der Aus-
nutzungsfaktor der SI-Basisschaltung bemerkenswert niedrig ist (η ≈ 0,70…0,80).
Hinweis Zusätzlich zur Schaltung von Abb. 7.4a wird in Lehrbüchern manchmal eine
zweite Grundschaltung diskutiert, bei der der Rückenwiderstand nicht vor, sondern nach
dem Frontwiderstand liegt. Diese Schaltung hat einen niedrigeren Ausnutzungsfaktor.
Daher wird sie in der Praxis nicht verwendet und hier nicht diskutiert.

Die Frontzeit (auch als Stirnzeit bezeichnet) der Impulsspannung wird haupt-
sächlich durch die Zeitkonstante τf bestimmt und ihre Rückenzeit durch die Zeit-
konstante τt
τf = Rf · Cl ; τ t = Rt · C i . (7.2)
332 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Normalerweise ist ein Impulsspannungsgenerator mit einem Impulskondensator Ci


und einem Grundlastkondensator Cl mit festen Werten ausgestattet. Die Anstiegs-
zeit kann durch einen korrekt ausgewählten Frontwiderstand Rf und die Rücken-
Halbwertszeit durch einen geeigneten Rückenwiderstand Rt eingestellt werden.
Mit den festen Werten von Ci und Cl beträgt die maximale SI-Scheitelspannung
nur etwa 80 % der maximalen LI-Scheitelspannung.
Hinweis Die analytische Berechnung der Zeitparameter von Impulsspannungen und ihrer
Schaltungs-Effizienz ist in älteren Lehrbüchern zu finden. Heute wird die analytische
Berechnung durch gut anpassbare und kommerziell erhältliche Softwareprogramme
ersetzt. Dies ermöglicht auch die detailliertere Berücksichtigung der Eigenschaften des
Prüfobjekts und der Streukapazitäten im Prüfraum und liefert genauere Ergebnisse.

Die Auswahl des Impulskondensators Ci bestimmt – zusammen mit der


maximalen Ladespannung V0max- auch die Impulsenergie des Generators:
1
Wi = Ci · V02max . (7.3)
2
Während die maximale Ladespannung eines Generators von den erforderlichen

Gesamtlast (Grundgeneratorlast plus Prüfobjektlast) ausgewählt werden, um Ci ≫


Prüfspannungen abhängt, muss die Impulskapazität entsprechend der erwarteten

Cl zu gewährleisten.

7.1.2.2 Vervielfacher-RC-Schaltung

Die Grundschaltung (Abb. 7.4a) wird normalerweise für die Ausbildung von
Studenten und Demonstrationen mit Spannungen unter 200 kV verwendet. Für
höhere Spannungen werden Vervielfacherschaltungen angewendet, die von E.
Marx im Jahr 1923 vorgeschlagen wurden (Abb. 7.5a, ohne die roten Kurzschluss-
brücken).
Die Impulskondensatoren Ci aller n Stufen werden über die Ladewiderstände Rc
aufgeladen, die mittels der Schaltfunkenstrecken in Serie geschaltet werden. Wenn
die Ladewiderstände richtig dimensioniert sind, spielt es keine Rolle, dass der
Ladewiderstand der höchsten Stufe n-mal größer ist als der der niedrigsten, da die
Ladezeit lang genug gewählt wird, damit alle Impulskondensatoren gleichmäßig
geladen sind. Heutzutage wird eine thyristorgesteuerte Ladung mit konstantem
Strom bis zu einer vorgewählten Spannung V0 verwendet, bei der die Schalt-
funkenstrecke für den Durchbruch ausgelöst wird. Nun beginnen die Impuls-
kondensatoren, sich über die Rückenwiderstände auf jeder Stufe zu entladen
(Abb. 7.5a: blauer Pfad). Gleichzeitig wird die externe Lastkapazität Cl (Grundlast
eines kapazitiven Teilers plus Streukapazitäten des Generators gegen Erde plus
Kapazität des Prüfobjektes) aus der Reihenschaltung aller Impulskondensatoren
und Vorwiderstände geladen (grüner Pfad). Ein Impulsspannungsgenerator mit n
Stufen (Abb. 7.5b), geladen mit einer Gleichspannung V0, liefert mit dem Aus-
nutzungsfaktor η die Ausgangsimpulsspannung
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 333

(a)
Rf
SG

Rt

Ci SCB 3·C l
Rf
Rc SG

Rt

Ci
Rc Rf
SG

Rt

Ci SCB 3·C I
Rf
Rc SG
(b) Ladewiderstände Frontwiderstände
Rt

Ci
Rc Rf
SG

Rt

Ci SCB 3·C l
Rf
SG trigger
Rc generator
Rt

Ci
Rc
DC-Laden Cm>>C l zum Messgerät
Spannung

Schaltfunken- Rücken- Impulskon-


Erdungswiderstand strecken widerstände densatoren
und Erdungsschalter

Abb. 7.5 Mehrstufiger Impulsgenerator mit n = 6 Stufen. a Vervielfacherschaltung


(Erläuterungen im Text). b Impulsgenerator

Vin = n · η · V0 (7.4)
Der Begriff V0n max= n · V0max wird als kumulative Ladespannung des Generators
bezeichnet und üblicherweise als Nennspannung des Impulsprüfsystems ver-
wendet, da V0n max > Vin max bei der Bewertung von Nennspannungen für Impuls-
prüfsysteme Vorsicht geboten ist. Es ist immer notwendig, den Ausnutzungsfaktor
für alle Impulsspannungsformen zu kennen um die zugehörigen Ausgangs-
spannungen zu berechnen.
Zur Berechnung seiner Schaltungselemente wird ein mehrstufiger Generator (n
Stufen, Elemente Rf; Rt, Ci; Cl) üblicherweise in einen äquivalenten Grundschalt-
kreis mit folgenden Elementen überführt
334 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Rf∗ = n · Rf
Rt∗ = n · Rt
(7.5)
Ci∗ = Ci /n
Cl∗ = Cl .
Nach der Berechnung der Schaltungselemente der Grundschaltungen werden die
oben genannten Gl. (7.5) zur Dimensionierung des mehrstufigen Generators durch
Rücktransformation verwendet. Das thermische Design der Widerstände – ins-
besondere der Vorwiderstände – bestimmt die zulässige Impulsspannungswieder-
holungsrate. Die Widerstände werden durch den Impulsstrom erwärmt, der bei der

geerdete Elektrode Auslöseelektrode HV-Elektrode


(a) der Hauptfunken- mit Pilotfunkenstrecke der Hauptfunkenstrecke
strecke

Anschluss für den Elektrodenabstand der Hauptfunkenstrecke


Triggergenerator
(< 10 kV)
(b)
Ladespannung

Selbstzündung

Auslösebereich

keine Auslösung

Elektrodenabstand der
Hauptfunkenstrecke

Abb. 7.6 Auslösung von Impulsspannungsgeneratoren. a Trigatron-Funkenstrecke. b Prinzip des


Auslösebereichs
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 335

Erzeugung der Impulsspannung fließt, und sollten ausreichend abkühlen, bevor der
nächste Impuls erscheint. Eine definierte maximale Temperatur der Widerstände
darf nicht überschritten werden.
Die kontrollierte sichere Auslösung zeichnet einen Generator von hoher
Qualität aus. Üblicherweise ist nur die unterste Stufe mit einem sogenannten
„Trigatron“ ausgestattet, einer Dreielektrodenanordnung (Abb. 7.6a). Ein kleines,
batteriebetriebenes Auslösegerät erzeugt einen Spannungsimpuls von mehreren
Kilovolt, der eine kleine Auslöseentladung in einer Pilotfunkenstrecke verursacht.
Diese Entladung löst den Durchbruch der Haupfunkenstrecke der untersten Stufe
aus. Die Auslöseentladung liefert Ladungsträger und Photonen für den unmittel-
baren, schnellen Durchbruchprozess, wenn die Feldstärke in der Hauptfunken-
strecke hoch genug ist. Dies erfordert eine bestimmte Mindestspannung, die
sogenannte untere Auslösegrenze (Abb. 7.6b). Ist die Spannung an der Auslöse-
funkenstrecke zu hoch, wird ein ungewollter Durchbruch ohne Auslösung ver-
ursacht. Diese Selbstzündung liefert die obere Auslösegrenze der Ladespannung.
Der Auslösebereich zwischen den beiden Grenzen (Abb. 7.6b) sollte so breit wie
möglich sein. Üblicherweise liegt seine Breite zwischen 5 und 20 % der Durch-
schlagfestigkeit der nicht ausgelösten Funkenstrecke (obere Kurve). Er hängt von
der Konstruktion des Trigatrons, der Energie der Auslöseentladung und der Höhe
der Gleichspannung an der Hauptfunkenstrecke ab.
Die Ladespannung und der Auslösezeitpunkt müssen gut kontrolliert werden,
um eine sichere Auslösung des gesamten Generators zu gewährleisten und ein
„Nicht-Auslösen“ oder eine Selbstzündung ohne Triggerung zu vermeiden. Sobald
die unterste Schaltfunkenstrecke (Hauptfunkenstrecke) durchbricht, erscheint eine
Überspannung an der zweiten Stufe, die als Wanderwelle durch den Generator
läuft (Pedersen 1967) und verursacht die Durchbrüche aller weiteren Schalt-
funkenstrecken. Die Überspannungen müssen hoch genug sein, um das Durch-
zünden sämtlicher Schaltfunkenstrecken zu verursachen. Dies hängt von der zu
erzeugenden Impulsform ab (z. B. dämpfende Frontwiderstände) und von den
Streukapazitäten gegen Erde, die die Überspannungen erhöhen, während sie
durch longitudinale Streukapazitäten reduziert werden (Rodewald 1969a, b). Auf
der Grundlage solcher Untersuchungen wurden zusätzliche Auslösemaßnahmen
(z. B. unterstützende Zündfunkenstrecken und Zündkondensatoren) eingeführt,
um die Höhe der Überspannungen auch für sehr große Generatoren aufrechtzu-
erhalten (Rodewald 1971; Feser 1973, 1974). Generatoren mit symmetrischer
Ladung (Abschn. 7.1.2.4; Abb. 7.7) ermöglichen eine sichere Auslösung ohne
diese zusätzlichen Maßnahmen (Schrader 1971).
Das modulare Design von mehrstufigen Generatoren ist hilfreich für spätere
Erweiterungen auf höhere Spannungen durch zusätzliche Stufen. Es ermöglicht
auch die Parallelschaltung von Stufen für höhere Impulsenergie bei niedrigeren
Spannungen [Abb. 7.5a, rote Kurzschlussbrücken (SCB)], wie sie z. B. für die
Prüfung der Niederspannungswicklung von Leistungstransformatoren oder Mittel-
spannungskondensatoren erforderlich sind. Auch Impulsprüfströme können mit
Impulsspannungsgeneratoren mit parallelen Stufen erzeugt werden.
336 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) Impulsgenerator HV-Anschluss Prüfobjekt Abschneidefun-


Rc G Rf Li Le kenstrecke /
Spannungsteiler

V DC Ci Rt C lb C lt V LI

(b) stark gedämpft leicht gedämpft

VLI VLI

Zeit t

Abb. 7.7 LI-Spannungserzeugungsschaltung unter Berücksichtigung der Induktivität a


Äquivalentes Schaltbild mit Induktivitäten. b Überhöhung auf LI-Spannungen aufgeprägt
(schematisch)

7.1.2.3 Berücksichtigung der Induktivität im Prüfkreis

Bis zu diesem Unterabschnitt wurden die Induktivitäten im Impulsprüfkreis, die


nicht vermieden werden können, nicht berücksichtigt. Die Induktivität ist keine
Eigenschaft eines stromführenden Leiters, sondern des den Leiter umgebenden
Magnetfeldes: Es handelt sich um eine Eigenschaft des durch den elektrischen
Strom in einem geschlossenen Kreislauf erzeugten magnetischen Flusses, die
von den Geometrien der Leiter und der betrachteten Stromschleife sowie von
den Positionen der Schaltungselemente zueinander beeinflusst wird (Rodewald
2017). Für praktische Anwendungen wird die Induktivität durch einen „frequenz-
abhängigen Widerstand“ dargestellt, der üblicherweise einfach als „Induktivi-
tät“ (Symbol L) bezeichnet wird. In einem äquivalenten Schaltbild werden diese
Induktivitäten L in Reihe zu Elementen geschaltet, die den Strom führen und den
magnetischen Fluss entsprechend den Bedingungen der Stromschleife erzeugen
(z. B. die HV-Leitung von einem Generator zum Prüfobjekt und die Erdungsrück-
führung). Der stärkste Einfluss auf die Induktivität wird durch das Magnetfeld
in der Nähe des Leiters verursacht. Daher kann z. B. die Induktivität von HV-
Leitungen größerer Länge (l ≥ 1 m, Abstand zum Boden >1 m) aus ihren Quer-
schnitten und Längen abgeschätzt werden (Tab. 7.1).
Induktivitäten bilden mit den Kapazitäten schwingende Kreise und verursachen
gedämpfte Schwingungen, die auf den aperiodischen Impulsen überlagert sind.
Die Dämpfung hängt vom Vorwiderstand ab. Dieser beträgt für die Erzeugung von
SI-Spannungen mehrere 100 Ω und unterdrückt die Schwingungen vollständig.
Die mehr oder weniger gedämpften Schwingungen und der „Über-schuss“ (nur
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 337

Tab. 7.1 Annahme von Induktivitäten für HV-Leitungen


Länge der HV- Einzelner Draht, d Metallfolie, w = Metallrohr, d = Metallfolie,
Leitung (m) = 2 mm (μH/m) 10 cm (μH/m) 10 cm (μH/m) w = 50 cm oder
2 Folien mit
Abstandshalter
dazwischen (μH/m)
1 1,37 0,70 0,59 0,40
10 1,83 1,26 0,96 0,84

weniger als eine Periode der Schwingung) sind nur bei der Erzeugung von LI-
Spannungen relevant, da der LI-Generator mit Vorwiderständen von wenigen 10 Ω
ausgestattet ist (Abb. 7.7). Es gibt interne Induktivitäten des Generators und
externe des Prüfobjekts und seiner Verbindungen.
Interne Induktivitäten Li sind die der Kondensatoren, Widerstände und der
Verbindungen zwischen ihnen. Für Schätzungen beträgt die Induktivität für 1 m
der Schleife (z. B. grüner Pfad in Abb. 7.5a) etwa 1 μH. Die Verringerung der
internen Induktivität eines Generators erfordert ein kompaktes Design mit einer
möglichst kurzen Schleife. Ein diesbezüglich optimierter LI-Generator sollte
eine interne Induktivität von Li < 4 μH pro Stufe haben. Normalerweise kann der
Benutzer die interne Induktivität des Generators nicht leicht beeinflussen. Wenn
nur ein Teil der Stufen ausreicht, um die erforderliche Spannung zu erzeugen
(sogenannter „Teilbetrieb“), sollte die Schleife kurz sein und den nicht ver-
wendeten Teil des Generators sowie die Grundlast (Spannungsteiler) ausschließen.
Bei sehr alten Generatoren sollte man die Induktivität der Frontwiderstände über-
prüfen: Die Frontwiderstände müssen mit geringer Induktivität ausgelegt sein,
die durch eine bifilare Wicklung erreicht werden kann. Das bedeutet, dass zwei
isolierte, eng beieinander angeordnete Drähte in entgegengesetzten Richtungen
auf einem Glasfaserzylinder gewickelt werden. Die Magnetfelder der Drähte
haben entgegengesetzte Richtungen und kompensieren sich gegenseitig zu einer
verbleibenden Induktivität, die der Länge des Widerstandszylinders entspricht.
Eine zweite Möglichkeit ist ein Widerstandsband, bei dem der isolierte Wider-
standsdraht in ein Gewebe als Mäander eingewebt ist. Widerstandsbänder sind
kommerziell erhältlich. Die Induktivität von Widerständen kann auch reduziert
werden, wenn anstelle eines einzelnen Widerstands zwei oder mehr parallele
Widerstände verwendet werden, die den gleichen Widerstand ergeben.
Externe Induktivitäten Le sind die des Prüfobjekts (auch wenn dieser haupt-
sächlich eine Kapazität ist), der HV-Leitung zum Prüfobjekt und dem Spannungs-
teiler sowie der Erdungsrückführung. HV-Leitung und Erdungsrückführung sollen
besonders kurz sein und können oft beeinflusst werden. Mit zunehmender LI-
Prüfspannung werden die Abstände zwischen Generator und Prüfobjekt länger,
so daß Oszillationen und Überschwingen bei der Prüfung von UHV-Geräten
nicht kontrolliert werden können (siehe Abschn. 7.3). Bis zu einem gewissen
Grad kann auch die Induktivität des Stromkreises durch eine geeignete Auswahl
der Geometrie der HV-Leitung reduziert werden. Tab. 7.1 gibt einige Induktivi-
338 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

täten abhängig von der Form und der Länge der Verbindung an. Niemals sollte ein
dünner Draht für die HV-Leitung oder die Erdungsrückführung verwendet werden,
da dessen Induktivität höher ist als die von Kupferfolie mit einer Breite w ≥ 10 cm
oder einem metallischen Rohr mit einem Durchmesser d ≥ 10 cm. Eine weitere
Reduzierung kann mit einer breiteren Folie oder zwei parallelen Folien und
Abstandshaltern mit einem Abstand d dazwischen erreicht werden. Ebenfalls recht
nützlich ist die Verwendung der erwähnten Widerstandsbänder als HV-Leitung und
ein externer Dämpfungswiderstand zum Prüfobjekt. Um die Impulsform beizu-
behalten, muss der interne Frontwiderstand reduziert werden, während der externe
Widerstand die Dämpfungseffizienz und den Ausnutzungsfaktor erhöht.
Überschwingkompensationen können als Tiefpassfilter aus L/C/R-
Kombinationen (serielle oder parallele Kompensationseinheit) ausgelegt werden,
die im Generator oder außerhalb als separate Komponenten angeordnet sind:
Abb. 7.8 zeigt die Prinzipien der beiden Kompensationseinheiten.
Die Reihenkompensationseinheit (Abb. 7.8b; Wolf und Voigt 1997) verhindert
das Eindringen von höherfrequenten Beiträgen in die Lastkapazität, die das Prüf-
objekt mit einschließt. Die Reihenschaltung von Kompensationswiderstand Rc
und Kompensationsinduktivität Lc muss auf die des Vorwiderstands Rf und die der
internen Induktivität Li abgestimmt werden. Auch der Kompensationskondensator
Cc muss auf die Lastkapazität Cl abgestimmt werden. Die notwendige Einstellung
deckt einen bestimmten Bereich von Lastfällen ab, aber wenn eine Feinabstimmung
erforderlich ist, muss die Kompensationseinheit angepasst werden. Bei größeren
Impulsgeneratoren kann die Reihenkompensationseinheit auf die verschiedenen
Stufen des Generators verteilt werden (mit Elementen der Stufenspannung, z. B.
200 kV) und ohne Komponenten mit hoher Nennspannung (z. B. 3000 kV).

(a) Impulsgenerator HV- Überschwingungs- Testobjekt /


Anschlußleitung kompensations- Abschneidefun-
Rc G Rf Li Le einheit kenstrecke

VDC Ci Rt C lb C lt

(b) Rc G Rf Li Le

VDC Ci Rt Clb Clt

Überschwingungs-
kompensationseinheit

Abb. 7.8 Äquivalente Schaltbilder von Überschwing-Kompensationseinheiten. a Parallele


Kompensationseinheit. b Serielle Kompensationseinheit
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 339

angeschlossene HV-Elektroden

Parallel
Kompensation
(Abb. 7.8b)

Kondensatoren
für
Spannungssteuerung /
HV-Zweig des Teilers

angeschlossene
Erdungselektroden

Einstellbare LV-Zweig
Abschneidefun- des Teilers
kenstrecken

Abb. 7.9 Parallelkompensationseinheit in Kombination mit Spannungsteiler und Abschneide-


funkenstrecke

Die Parallelkompensationseinheit (Abb. 7.8a, Schrader 2000; Hinow und


Steiner 2009; Hinow 2011) ist immer eine separate Einheit, die möglicher-
weise mit einer Abschneidefunkenstrecke und einem Spannungsteiler zu einer
kompakten Einheit kombiniert werden kann (Abb. 7.9). Ihr Abgleich muss den
durch interne und externe Induktivitäten verursachten natürlichen Frequenz-
bereich berücksichtigen. Die Effizienz der beiden Prinzipien ist etwa gleich. Es
scheint, dass insbesondere bei LI-Prüfungen von UHV-Geräten die Handhabung
von Kompensationseinheiten zu zeitaufwändig ist und nicht zum Betrieb eines
industriellen Prüffeldes passt. Das Problem kann durch erhöhte Dämpfung auf-
grund größerer Vorwiderstände leicht gelöst werden, erfordert jedoch größere
Toleranzen für die Frontzeit von LI-Impulsen (siehe Einzelheiten in Abschn. 7.2.1)

7.1.2.4 Einige Details zur Auslegung von


Impulsspannungsprüfsystemen

Das LI/SI-Spannungsprüfsystem (Abb. 7.10) umfasst den HV-Kreis, bestehend


aus dem HV-Generator, der optional durch eine Überschwingerkompensations
340 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

HV-Leitung

LI/SI-
Generator
HV-Zweig
HVDC Prüf Überschwing- Schwin
Thyristor des
generator Spannung- objekt
Kompensation gungs
steller
steilers dämpfung

LV-Zweig Erdung
des Stroms Stromrückführung
Testbus Spannung- hunt
(Ethernet, Profibus, usw.) steilers

Haupt LAN- und


Industrie- Digital
steuerung Internetan
PC rekorder
PLC schluss

Kontroll- und Messsystem

Abb. 7.10 Komponenten eines LI/SI-Prüfspannungssystems

einheit ergänzt wird, einer HV-Abschneidefunkenstrecke und einem Messsystem,


einschließlich eines HV- LI/SI-Teilers (siehe Abschn. 7.5). Das Prüfobjekt ist
ebenfalls Teil des HV-Kreises, wird aber später unter Abschn. 7.3 betrachtet.
Darüber hinaus umfasst es die Steuerungs- und Messanlage, den Schaltschrank
mit Thyristorsteuerung und den Gleichspannungsgenerator. Im Folgenden werden
einige Merkmale der Hauptelemente angegeben. Für den Generator siehe die
obigen Erläuterungen.
Generator mit symmetrischer Aufladung: Bei größeren Impulsspannungs-
generatoren beträgt die Ladespannung pro Stufe normalerweise 200 kV. Auf-
grund der begrenzten Nennspannung von Kondensatoren werden normalerweise
zwei 100-kV-Kondensatoren in Serie geschaltet. Um eine identische Aufladung
beider Kondensatoren einer Stufe zu gewährleisten, müssen Potenzialwiderstände
Rp am Verbindungspunkt beider Kondensatoren angeordnet werden (Abb. 7.11a
und 7.12a). Mit einer von Schrader (1971) patentierten speziellen Schaltung ist
eine symmetrische Aufladung mit ±100 kV anwendbar (Abb. 7.11b und 7.12b).
Dies erfordert eine Ladeeinheit mit symmetrischem Ausgang ±100 kV.
Für jede Polarität ist eine separate Säule von Ladewiderständen Rc erforder-
lich, jedoch keine Potenzialwiderstände Rp. Die symmetrische Aufladung bietet
einige Vorteile für größere Impulsprüfsysteme mit zwei in Serie geschalteten
Kondensatoren pro Stufe: In erster Linie kann eine Stufe mit einer kurzen HV-
Schleife geringer Induktivität entworfen werden (Abb. 7.12d). Das sichere
Zünden großer Generatoren mit symmetrischer Aufladung erfordert nicht die
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 341

(a) (b)
Ladewiderstände Rückenwiderstände Rt 2 Ladewiderstandssäulen
Rc Frontwiderstände R f Rc1 und Rc2, kein
Impulskondensatoren Symmetrierwiderstände Symmetrierwiderstand
Ci1 und Ci2 R sym
Cl Rc2
Ci2
Rc Rc1
Ci2 Ci1
Rsym Rf
SG Rt

Cl
Rf
Rt Rc2
Ci1 Ci2
Rc1
Rc
Ci2 Ci1
Rt Rsym Ci1
SG

Rf
DC 200 kV Cl DC +100 kV DC -100 kV

Abb. 7.11 Typische Schaltungen für Impulsspannungsgeneratoren. a Unipolare Aufladung (z. B.


200 kV). b Symmetrische Aufladung (z. B. ±100 kV)

oben genannten zusätzlichen Maßnahmen. Da keine spannungsabhängigen


Schaltungselemente vorhanden sind, ist die Impulsform (beschrieben durch die
Zeitparameter) unabhängig von der Scheitelspannung (Abb. 7.13). Auch die
Parallelschaltung von Stufen zur Erzeugung von Impulsen mit höherer Energie ist
sehr einfach.
Abgeschnittene Blitzstoßspannung (LIC) Spannungen und Abschneide-
funkenstrecke: Eine externe Überspannung im Stromnetz wird durch einen Blitz-
ableiter auf das Schutzniveau begrenzt. Das bedeutet, dass die Überspannung
abgeschnitten wird und auf dieses Schutzniveau zusammenbricht. Die Dauer des
Spannungseinbruchs ist sehr kurz, die Steilheit sehr hoch. Eine solche Steilheit
verursacht sehr nichtlineare Belastungen in Geräten mit Wicklungen (Leistungs-,
Verteilungs- und Instrumententransformatoren, Drosseln, rotierende Maschinen).
Die hauptsächlich beanspruchte Isolierung an den HV-Anschlüssen der Geräte
muss entsprechend ausgelegt werden und durch Prüfungen mit abgeschnittenen
Blitzstoßspannungen (LIC; Abb. 7.14a) überprüft werden.
Die LIC-Prüfspannung wird zunächst als LI-Prüfspannung erzeugt, wie oben
beschrieben, und dann durch eine separate Funkenstrecke abgeschnitten. Für
LIC-Spannungen bis etwa 600 kV kann eine übliche Kugel-Kugel-Funken-
strecke verwendet werden; für höhere Spannungen werden die von Rodewald
(1972) vorgeschlagenen Mehrfach-Abschneidefunkenstrecken technisch zwingend
(Abb. 7.14b, c). Der Spannungszusammenbruch einer Mehrfach-Abschneide-
342 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

obere Abschirmelektrode für 1800 kV SI-Spannung

Isolierrohr
mit
Schaltfunkenstrecken

Ci aufgeladen Ci aufgeladen
auf 100 kV auf 100 kV
entgegengesetzter einer Polarität
Polarität

Thyristorsteuerung und DC-Stromversorgung ±100 kV

4 Stützisolierrohre Impulskondensator Ci
4 Stützisolierrohre
Frontwiderstand Isolierrohr mit
Schaltfunkenstrecken Ladewiderstände

Schaltfunkenstrecken
im Isolierrohr

Ladewiderstand

Leiter Lager für nicht Arbeitsbühne Front- und


benötigte Rückenwiderstände
Widerstände

Kondensator Rückenwiderstand Kondensator

Abb. 7.12 Impulsspannungsgeneratoren für unipolare und symmetrische Aufladung. a Generator


mit unipolarer Aufladung (mit freundlicher Genehmigung von Haefely, Basel). b Generator mit
symmetrischer Aufladung. c Eine Stufe eines mehrstufigen Generators (Innenansicht). d Quer-
schnitt eines Generators mit symmetrischer Aufladung

funkenstrecke erfolgt viel schneller als der einer einzelnen großen Kugelfunken-
strecke. Die Mehrfach-Abschneidefunkenstrecke besteht aus mehreren in Reihe
geschalteten Kugel-Kugel-Funkenstrecken, normalerweise eine Funkenstrecke
für eine Stufe des Generators. Die eine Kugel jeder Stufe ist unbeweglich und an
einer festen Isoliersäule angeordnet. Die andere – ebenfalls auf einer Isoliersäule
montiert – ist durch einen Motorantrieb beweglich, so dass der Abstand zwischen
beiden Kugeln auf die entsprechende Durchschlagspannung eingestellt werden
kann. Die parallele Kondensatorsäule steuert die Spannungsverteilung linear
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 343

Frontzeit (1.23± 0.08)μs Rückenhalbwertszeit (53,8±1,1)μs


0

-800

-1600

-kV
-2400
voltage V 0 0,5 1 1,5 2 2,5 0 20 40 60
Zeit

Abb. 7.13 Reproduzierbarkeit von LI-Spannungsformen unabhängig vom Scheitelwert der


Spannung

(Rodewald 1972). Diese Säule kann auch als gedämpfter kapazitiver Spannungs-
teiler verwendet werden, der normalerweise eine separate Komponente ist (siehe
Abschn. 7.5). Der Abschneide-Zeitpunkt kann, wie oben für den Generator
beschrieben, ausgelöst werden (Abb. 7.6). Auch die Kombination mit einer
Überschwingkompensationseinheit wird angewendet (Abb. 7.9).
Elektroden für die HV-Komponenten: Ein Impulsspannungsgenerator und
die anderen HV-Komponenten erfordern einen ausreichenden Abstand D von
geerdeten oder unter Spannung stehenden Objekten in einem HV-Prüflabor
(Abb. 7.15a), um Durchschläge der Luftstrecke zwischen dem HV-Kreis und der
Umgebung zu vermeiden. Der erforderliche Abstand hängt von der Art der Vor-
Entladungen ab, die den Durchschlagprozess bestimmen. Die optimale Gestaltung
der Elektroden der HV-Komponenten ermöglicht nicht nur den korrekten Betrieb
eines LI/SI-Prüfsystems, sondern gewährleistet auch deren minimalen Platzbedarf
im Prüflabor.
Hinweis Dieser Abstand sollte nicht mit den Abständen für das Prüfobjekt gemäß
Abb. 2.1 verwechselt werden. Die Abstände dort berücksichtigen, dass die Spannungsver-
teilung am Prüfobjekt nicht durch die Umgebung beeinflusst wird. Hier soll der Betrieb
des Generators nicht durch unerwünschte Entladungen oder sogar Durchschläge gestört
werden.

Bei LI-Prüfspannungen bestimmt die Streamer-Entladung die Durchschlags­


pannung eines inhomogenen elektrischen Feldes in Luft. Das elektrische
Feld eines LI-Generators in einem HV-Prüfraum ist ein solches inhomogenes
elektrisches Feld. Folglich ist die spezifische Durchschlagspannung gleich dem
Spannungbedarf von Streamer-Entladungen von etwa 5 kV/cm für positive und
etwa 10 kV/cm für negative Polarität der Elektrode mit der stärkeren Krümmung.
344 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) (c)
Reihenschaltung Kondensatoren zur
von Spannungssteuerung
Abschneidefunkenstrecken und -messung

(b)

Modul 2

Modul 1

Triggerung der Widerstände


untersten für
Trigger
generator Funkenstrecke Triggerbeschleunigung

Abb. 7.14 Erzeugung von abgeschnittenen Blitzstoßspannungen. a Abgeschnittene Blitzstoßs­


pannung (LIC) . b Schaltung von zwei Modulen einer Mehrfach-Abschneidefunkenstrecke. c
Mehrfach-Abschneidefunkenstrecke für 1200 kV (sechs einzelne Abschneidefunkenstrecken in
Reihe)

Das bedeutet, dass für einen 3 MV LI-Generator der Mindestabstand 6 m


betragen sollte (plus eine gewisse Sicherheitsmarge von – sagen wir −20 %). Die
Krümmung der Elektroden kann relativ gering sein (Abb. 7.15b), da es nicht not-
wendig ist, die Streamer-Entladungen zu vermeiden.
Hinweis Der starke Polaritätseffekt ist typisch für Streamer-Entladungen in Luft. Bei
interner Isolierung gibt es keinen bemerkenswerten Polaritätseffekt. Wenn die interne
Isolierung, z. B. eines Leistungstransformators, mit LI-Spannung geprüft werden soll,
wird ein Luftüberschlag der Durchführung vermieden, wenn die Prüfung bei negativer LI-
Spannung durchgeführt wird.

Bei SI-Spannungen bestimmt eine Kombination aus Streamer- und Leader-Ent-


ladungen die Durchschlagspannung zwischen dem Generator und der Umgebung.
Die Elektroden der HV-Komponenten des Prüfsystems sollen so gestaltet sein, dass
keine Leader-Entladung auftritt, das bedeutet mit größeren Radien (Abb. 7.15c).
Der Effekt der Vergrößerung des Abstands zur Umgebung ist sehr schwach auf-
grund des niedrigen Leader-Gradienten (etwa 1 kV/cm). Daher wird empfohlen,
die Elektroden der HV-Komponenten durch eine Feldberechnung mit den
realistischen Bedingungen des Prüfraums zu optimieren. Als grober Hinweis muss
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 345

(a) (b)

(c) (d)

Abb. 7.15 Elektroden für die HV-Komponenten von LI/SI-Spannungsprüfsystemen. a Erforder-


licher Abstand D um einen LI/SI-Generator. b Prüfsystem nur für LI-Spannungserzeugung
(2000 kV), c Prüfsystem 1800 kV für LI/SI-Spannungserzeugung bei begrenztem Abstand zur
Decke. d Freiluftprüfsystem 4200 kV für SI- und LI-Spannungserzeugung. (Mit freundlicher
Genehmigung von KEPRI, Korea)
346 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

der Abstand mindestens 20 % größer sein als für LI-Spannung, und die Ober-
flächenfeldstärke der Elektroden bei SI-Spannung sollte unter 20 kV/cm liegen.
Wenn ein Generator und zugehörige HV-Komponenten für LI- und SI-
Spannungserzeugung verwendet werden, werden die Elektroden durch die
maximalen SI-Prüfspannungen bestimmt, auch wenn sie etwa 25 % niedriger sind
als die maximalen LI-Prüfspannungen. Eine optimale Nutzung einer Prüffläche
kann erreicht werden, wenn ein Generator im Labor beweglich ist, z. B. durch
Luftkissen. Die Gestaltungsprinzipien für Freiluftgeneratoren (Abb. 7.15d) sind
identisch. Sie erfordern auch große Elektroden für die SI-Spannungserzeugung,
aber unter Regenbedingungen müssen die maximalen Ausgangsspannungen deut-
lich reduziert werden.
Steuerungs- und Messsystem: Dieses – heutzutage meist computergestützte –
Teilsystem eines LI/SI-Prüfsystems (Abb. 7.10; siehe auch Abschn. 2.2) eines
LI/SI-Spannungsprüfsystems ermöglicht die Einstellung des Generators für
den Prüfspannungswert und ein bestimmtes Prüfverfahren (siehe Abschn. 7.4),
die Messung von LI/SI-Spannungen und der zugehörigen Impulsströme (siehe
Abschn. 7.5 und 7.6). Es ist verfügbar für einen, zwei oder alle drei der folgenden
Modi:
1. Manueller Betrieb mit Messung und Auswertung von LI/SI-Parametern:
Der Bediener muss das Prüfsystem steuern, einschließlich der Einstellung
der Spannungen und der Dauer der Pausen zwischen den Impulsen, sowie
der Auswertung und Darstellung des Prüfergebnisses (Prüfprotokoll). Der
Lade- und Auslösevorgang muss kontrolliert werden. Wenn Steuerungs- und
Messkomponenten nicht an ein System angeschlossen sind, muss dies vom
Bediener durchgeführt werden. Dieser traditionelle Modus wird sehr selten für
industrielle Prüfungen und Forschungsarbeiten angewendet, aber zum Beispiel
für die Ausbildung von Studenten eingesetzt.
2. Computer-gestützter Betrieb und Prüfergebnisdarstellung: Die Prüfung wird
manuell durchgeführt, aber die genaue Einstellung der Prüfspannungen – das
bedeutet die Einstellung des Abstands der Schaltfunkenstrecken sowie der
Lade-Gleichspannung – und die Prüfdatendarstellung werden vom System
übernommen. Steuerungs- und Messkomponenten sind verbunden. Dieser
Modus wird für größere und teure Prüfobjekte in der industriellen Prüfung und
für Forschungsarbeiten angewendet.
3. Automatische Prüfung nach einem vorgegebenen Prüfverfahren durch eine
Computersteuerung: Die PC-Software für das Prüfverfahren wird vom
Bediener vorher konfiguriert, die HV-Prüfung selbst wird automatisch durch-
geführt, ausgewertet und präsentiert. Ein Eingreifen des Bedieners ist nicht
erforderlich, aber die Prüfung kann jederzeit vom Bediener unterbrochen
oder beendet werden. Dieser Modus ist anwendbar für die Prüfung von sehr
ähnlichen oder sogar identischen Prüfobjekten in größerem Umfang oder für
statistische Untersuchungen in Forschungsarbeiten.
Das Steuerungssystem gibt die Befehle zum Ein- und Ausschalten der Schalter,
zum Einstellen der Schaltfunkenstrecken des Generators für die vorgewählte
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 347

Spannung und für die entsprechende Ladespannung, die durch einen Thyristor-
regler eingestellt wird. Auf der Grundlage der Spannungsmessung überprüft die
Computersteuerung, ob die Spannungswerte innerhalb der vorgegebenen Sequenz
und Toleranzen liegen. Auf der Grundlage der Auswertung der Spannungsform
werden Prüflingsdurchschläge für die Auswertung der Prüfung aufgezeichnet.
Auch die Auswertung der zugehörigen Ströme kann darauf hinweisen, ob eine
Prüfung erfolgreich war oder fehlgeschlagen ist. Die Gestaltung des Prüf-
protokolls hängt vollständig von den Forderungen des Benutzers ab.
Schaltschrank und Gleichrichtereinheit: Ein LI/SI-Prüfsystem hat einen relativ
geringen Leistungsbedarf von einigen 10 kW. Der Schaltschrank enthält den Netz-
schalter und den Betriebsschalter, die Messwandler für die Versorgungsspannung
und Strommessung sowie Schutzeinrichtungen. Der eingebaute Thyristorregler
ermöglicht eine konstante Ladestromausgabe der angeschlossenen Gleichrichter-
einheit. Diese Gleichrichtereinheit ist in der Regel eine Verdopplerschaltung
(siehe Abschn. 6.1.2 und Abb. 6.3) oder für symmetrisches Laden ein Halbwellen-
gleichrichter mit symmetrischem Ausgang (Modifikation von Abb. 6.2). Abhängig
von der Nennleistung und Energie des Impulsgenerators entsprechen die Lade-
spannungen den Stufenspannungen (100–200 kV) und die Ladeströme liegen
zwischen wenigen 10 mA und einigen 100 mA. Die Dauer des Ladens, die die
Impulsspannungswiederholungsrate bestimmt, liegt in der Regel zwischen 10 und
60 s. Für spezielle Anwendungen können auch schnellere Ladevorgänge und
höhere Wiederholungsraten realisiert werden.

7.1.3 Schaltungen für oszillierende Impulsspannungen

Für Werksprüfungen mit aperiodischen LI-Spannungen gemäß IEC 60060-1:2010


oder IEEE St.4:1995 sind die Induktivitäten in der Schaltung störende Elemente,
aber eine definierte Induktivität Ls in der Schaltung bildet einen oszillierenden
Kreis, bestehend aus dieser Serieninduktivität und den Lastkapazitäten Cl.
Dieser Kreis wird durch das getriggerte Entladen der Impulskondensatoren des
Generators angeregt (Abb. 7.16a). Die Ausgangsspannung ist eine gedämpfte
Schwingung um die Entladekurve der Impulskapazitäten des Generators. Die
Schwingungsfrequenz ist die Eigenfrequenz
1
f0 = .
(7.6)

Cl ·Ci∗
2π · Ls · Cl +Ci∗

Für einen Generator mit n Stufen muss man Ci∗ = Ci /n und Rt∗ = n · Rt (Gl. 7.5)
anwenden. Die Gesamtlast Cl = Clb + Clt ist die Summe der Grundlast und
der Prüfobjektlast. Die feste Reiheninduktivität Ls ersetzt den (dämpfenden)
Frontwiderstand. Gemäß IEC 60060-3:2006 werden Impulsspannungen mit
Oszillationen f0 > 15 kHz als „oszillierende Blitz- Impuls (OLI) Spannungen“
(Abb. 7.16a) betrachtet, solche mit f0 < 15 kHz als „oszillierende Schalt- Impuls
348 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(b) Basis-/Testobjekt
(a) Impuls Entladewiderstand Induktivität Kondensator
kondensator

Spannung V

(c)

0
0 20 40 60 µs 80 time

0
0 20 40 60 s 80 Zeit

Abb. 7.16 Oszillierende Blitzimpulsspannungen (OLI). a OLI-Prüfspannunge. b Äquivalente


Schaltung zur Erzeugung von oszillierenden Impulsspannungen. c 900 kV Impulsprüfsystem für
850 kV LI und 1600 kV OLI Spannungen. (Mit freundlicher Genehmigung von Siemens Berlin)

(a) (b)
Spannung V

Tp /T2 = 20/1000; 15 kHz

0 500 1000 µs 1500

Tp /T2 = 400/4000; 1,25 kHz

0 1 2 3 4 ms 5 Zeit

Abb. 7.17 Oszillierende Schaltimpulsspannungen (OSI). a OSI-Prüfspannungen. b 1200 kV-


Impulsprüfsystem für 900 kV SI und 1600 kV OSI-Spannungen

(OSI) Spannungen“ (Abb. 7.17a). Die Dämpfung wird durch die Verluste im
Schaltkreis bestimmt, bei rein kapazitiven Prüfobjekten hauptsächlich durch die
Rückenwiderstände Rt des aperiodischen Impulses. Da diese bei OSI-Spannungen
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 349

größer sind als bei OLI-Spannungen, zeigen OSI-Spannungen nicht nur eine
niedrigere Frequenz, sondern auch eine größere Dämpfung (Abb. 7.17a).
Theoretisch kann die oszillierende Impulsspannung (OLI oder OSI) einen
Scheitelwert erreichen, der doppelt so hoch ist wie der Scheitelwert der ent-
sprechenden aperiodischen Impulsspannung (LI oder SI). In der Praxis erreicht sie
etwa 90 % dieses Wertes. Die Wirkungsgradfaktoren sind
VOLI VOSI
ηOLI = ≈ 1.7 . . . 1.8 und ηOSI = ≈ 1.3 . . . 1.4. (7.7)
V0Σ V0Σ
Als Beispiel zeigt Abb. 7.18 den bemerkenswerten Einfluss der Testobjektkapazi-
tät (Last) auf den Wirkungsgrad und die Zeit bis zum Spitzenwert. Die hohen
Wirkungsgradfaktoren im Vergleich zu denen der aperiodischen Stoßspannungen
sind besonders wichtig, wenn mobile Impulstestsysteme für die Prüfung im Feld
erforderlich sind. Daher wurden OLI- und OSI-Spannungen für die Vor-Ort-
Prüfung vorgeschlagen (Kind 1974; Feser 1981) und sind mittlerweile in der IEC
60060-3:2006 standardisiert. Weitere Details finden Sie in Abschn. 10.2.1.
Wenn der Generator für eine maximale kumulative Ladespannung V0Σmax aus-
gelegt werden muss, müssen die Grundlastkapazität und auch die Reiheninduktivi-
tät in der Lage sein, die maximale Oszillationsstoßspannung standzuhalten, die
viel höher ist als die V0Σmax (Gl. 7.7). Die Isolationsauslegung der Grundlast-
kapazität für OLI- und OSI-Spannungen ist praktisch identisch, während die der
Reiheninduktivität sehr unterschiedlich ist (vergleiche Abb. 7.16c mit 7.17b).
Für OLI-Spannungen ist eine geringe Induktivität erforderlich, die leicht her-
gestellt werden kann. Im Gegensatz dazu erfordert die OSI-Erzeugung eine viel
höhere Induktivität. Jetzt müssen Streukapazitäten berücksichtigt werden, die eine
nichtlineare Spannungsverteilung entlang der Spule verursachen würden. Um

Abb. 7.18 OLI- Time-to-Peak t p Effizienzfaktor η OLI


Charakteristik eines
Impulsspannungsprüfsystems 20 2,00
(250 kV/5 kJ)
µs

15 1,75

1,50
10

1,25
5

1,00
0
0 2 4 6 8 nF 10
Gesamtlastkapazität
350 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

dies zu vermeiden, ist eine Längsspannungsregelung durch toroidale Elektroden


erforderlich. Die Spule für OSI-Spannung ist viel länger, dicker und schwerer als
die für OLI-Spannung. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Nutzen von
OSI-Tests gering ist; daher wird hauptsächlich OLI-Prüfung angewendet (siehe
Abschn. 10.3.1).
Es sollte erwähnt werden, dass auch bipolare oszillierende Stoßspannungen auf
der Grundlage von Impulsspannungsschaltungen erzeugt werden können (Schuler
und Liptak 1980). Sie ordneten die Induktivität parallel zur Lastkapazität an und
wendeten die bipolare OLI-Spannung für die Prüfung von rotierenden Maschinen
an.
Ein Sonderfall der bipolaren OSI-Prüfung wird für Mittelspannungskabel
angewendet: Das Kabel wird mit einer Gleichspannung aufgeladen und dann
über einen geeigneten Schalter (Trigatron oder Halbleiter-HV-Schalter) in Reihe
mit einer Induktivität Ls und möglicherweise einem Widerstand Rd entladen.
Die Entladung verursacht eine gedämpfte Schwingung (Abb. 7.19). Unter dem
Begriff „gedämpfte Wechselspannung“ (DAC) (IEC 60060-3:2006) wird diese
bipolar schwingende Spannung erfolgreich für diagnostische PD-Messungen an
Mittelspannungskabelsystemen eingesetzt, aber die gesamte Prüfbelastung für
das Kabel ist eine lange Gleichspannungs-Rampe (Dauer in der Größenordnung
zwischen 1 und 100 s) gefolgt von der viel kürzeren DAC-Spannung (Dauer in
der Größenordnung von wenigen 100 ms). Die Dauer des Aufladens und die Prüf-

(a)
+1

v(t)/Vt

3s
-1
Zeit t (c)
(b) Spannung v(t) / Wert der Prüfspannung Vt Zeit t
+1 +1

v(t)/Vt

0 0

0,2 s
-1 -1

Abb. 7.19 Gedämpfte Wechselspannung (DAC). a Ein vollständiger DAC-Impuls (einschließlich


der Gleichspannungsramp zum Aufladen). b Der kurze schwingende Teil des DAC-Impulses. c
Eine Sequenz von DAC-Impulsen, wie sie gelegentlich für Durchschlagfestigkeitsprüfungen ver-
wendet werden
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 351

frequenz hängen von der Kapazität (Länge) des Kabels ab, während die Dämpfung
der Schwingung von den Verlusten im Stromkreis abhängt. Daher kann die
gesamte Belastung nicht von Kabelprüfung zu Kabelprüfung reproduziert werden.
Gelegentlich wird die Spannung für Durchschlagfestigkeitsprüfungen verwendet
(Abb. 7.19c), aber dies kann nicht empfohlen werden (für weitere Details zu DAC-
Spannungen siehe Abschn. 10.2.2.2).

7.1.4 OSI-Prüfspannungserzeugung durch
Transformatoren

Wenn ein HV-Prüftransformator durch kontrolliertes Entladen eines Kondensator-


bank auf seiner Niederspannungsseite (LV) erregt wird, verursacht dieser Impuls
eine Schwingung, die entsprechend dem Transformationsverhältnis auf die Hoch-
spannungsseite (HV) übertragen wird (Kind und Salge 1965; Mosch 1969). Das
schematische Schaltbild (Abb. 7.20a) wird mit dem Transformationsverhältnis in
eine äquivalente Schaltung (Abb. 7.20b) übertragen, die für die Berechnung der
Form und Frequenz der OSI-Spannung verwendet wird (Schrader et al. 1989).
Form und Frequenz werden durch die Streuinduktivität des Transformators (Lo)
und die Serienschaltung der Bankkapazität (CB) mit der übertragenen Lastkapazi-
tät (Ci∗ )
CB · Cl∗
C= . (7.8)
CB + Cl∗

(a) Kondensator Thyristor einstellbare


bank schalter Entladewiderstand Induktivität Prüftransformator Lastkapazität
CB Rp LR L0 Cl
(c)
OSI-Spannung VOSI

VDC V OSI

(b) LR L0

Zeit t

VDC C l* V OSI

Abb. 7.20 Erzeugung unipolarer OSI-Spannungen durch Transformatoren (Schrader et al. 1989).
a Schematisches Schaltbild. b Äquivalente Schaltung. c Unipolare OSI-Spannung
352 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Die Impulsparameter können durch einstellbare Elemente, eine Induktivität LR und


einen Dämpfungswiderstand Rp, beeinflusst werden. Mit der Gesamtkapazität C
und der Gesamtinduktivität L = Lo+ LR erhält man die Frequenz und die Zeit bis
zum Spitzenwert:
1 1 √
f = √ und Tp = π L · C. (7.9)
2π L · C 2f
Der Ausgang (Abb. 7.20c) ist eine unipolare OSI-Spannung mit Frequenzen von
100 bis 1000 Hz; das bedeutet, dass die Zeit bis zum Spitzenwert Tp > 500 μs
beträgt.
Bipolare OSI-Spannungen können mit einer modifizierten Schaltung
(Abb. 5.21a, b) (Schrader et al. 1989) erzeugt werden. Die Lastkapazität wird
auf die gleiche Weise wie bei unipolaren OSI-Spannungen aufgeladen, aber
wenn der erste Spitzenwert erreicht ist, bewirkt ein Kurzschlussschalten durch
einen Thyristor die bipolare OSI-Spannung am HV-Ausgang (Abb. 7.21c). Die
Kondensatorbank ist nicht mehr an der Schwingung beteiligt.
Selbst unter optimalen Bedingungen kann eine kürzere Zeit bis zum Erreichen
des Scheitelwertes der Prüfspannung, als oben erwähnt, nicht erzeugt werden,
aufgrund des Wertes der Streuinduktivitäten von Prüftransformatoren. In vielen
Fällen sind diese Zeiten bemerkenswert länger. Wenn eine Transformator-Kaskade
aus drei Stufen für die OSI-Erzeugung verwendet werden soll, hängt die Streu-
kapazität von der Art der Einspeisung ab (Abb. 7.22) (Schrader et al. 1989). Die
Einspeisung in die Primärseite des niedrigsten Transformators bedeutet höchste
Streuinduktivität und niedrigste Frequenz, etwa 100 Hz. Wenn die Einspeisung
in die Mitte der Kaskade (tertiäre Wicklung des zweiten Transformators) erfolgt,
erhöht sich die Frequenz um den Faktor zwei (200 Hz). Wenn die Einspeisung
in die tertiären Wicklungen aller drei Transformatoren erfolgt, verringert sich die

(a) Kondensator
bank
Thyristor Rücken einstellbare Prüf Last
schalter widerstand Induktivität transformator kapazität
CB Th1, Th 2 Rp LR L0 Cl
(c)
OSI-Spannung VOSI

VDC VOSI

Zeit t

(b) TH 2 Opedrate

RP LR L0 Zeit bis zum Scheitelwert


(Frontzeit)
VDC TH2 VOSI

Abb. 7.21 Erzeugung bipolarer OSI-Spannungen durch Transformatoren (Schrader et al. 1989).
a Schaltbild. b Ersatzschaltbild. c Bipolare OSI-Spannung
7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 353

Abb. 7.22 Einspeisungsmodi (a)


eines dreistufigen
Kaskadentransformators
für die OSI-
Spannungserzeugung. F
a Einzeleinspeisung in
(b)
die Primärwicklung des
niedrigsten Transformators.
b Einzeleinspeisung in
die tertiäre Wicklung des
mittleren Transformators. F
c Dreifacheinspeisung in
die tertiäre Wicklung jedes
(c)
Transformators

F F F

Kondensatorbatterien auf allen Stufen

Abb. 7.23 3-MV-Transformator-Kaskade mit OSI-Anschluss und dreifachem Einspeisungs-


modus

Streuinduktivität auf 1/40 im Vergleich zum Fall a) und folglich erhöht sich die
Frequenz auf mehr als 600 Hz. Dieses Prinzip wurde auf den erwähnten 3-MV-
Kaskadentransformator angewendet (Frank et al. 1991), (Abb. 3.15 und 7.23). Auf
jeder Stufe befindet sich eine Kondensatorbank mit einer Gleichrichtereinheit. Die
Gleichspannung wird auf den Stufen aus einer niederfrequenten Wechselspannung
erzeugt, die über die Wicklungen des Transformators in einem speziellen Modus
zugeführt wird. Die drei Kondensatorbänke werden gleichzeitig in die tertiäre
Wicklung eines Transformators entladen. Dies ermöglicht die Erzeugung von
OSI-Spannungen bis zu 4,2 MV. Die in Luft erzeugten Leader-Entladungen durch
354 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

diese extrem hohe OSI-Spannung ähneln sehr stark der natürlichen Blitzentladung
(Hauschild et al. 1991).

7.1.5 Prüfkreise für Impulsspannungen mit sehr steiler


Front (VFF) und Halbleitergeneratoren

VFF Über-Spannungen werden durch Schalten von GIS-Trennschaltern und


aufeinanderfolgenden Reflexionen in den GIS-Sammelschienen, durch steile
LI-Spannungsdurchbrüche der Isolierung von Freileitungen oder durch das
Ansprechen eines Blitzableiters erzeugt. Ähnliche Spannungen sind im Falle einer
Kernexplosion (EXO-EMP) zu erwarten. Sie können durch einen oszillierenden
Impuls mit einer ersten Front von einigen 10 ns bis zu wenigen 100 ns und über-
lagerten Beiträgen höherer Frequenzen (Feser 1997) charakterisiert werden.
Abb. 7.24 zeigt ein typisches Beispiel einer VFF-Spannung (CIGRE WG
33.03 1998). Die Entwicklung von UHV-AC- und insbesondere UHV-DC-
Übertragungssystemen verstärkt das Interesse an VFF-Prüfungen (Szewczyk et al.
2016; Rodrigues Filho et al. 2016).
VFF-Spannungsprüfung von GIS wird durch definiertes Schalten der Trenn-
schalter durchgeführt (IEC 61259:1994). Es gibt keine horizontale Norm in
Bezug auf die Anforderungen an VFF-Prüfspannungen. Für die Forschung und
Entwicklung von Komponenten, die im Betrieb durch VFF-Überspannungen
beansprucht werden könnten, werden VFF-Impulsspannungen in der Regel durch
einen Marx-Impulsspannungsgenerator mit angeschlossenem Versteilerungskreis
(Kind und Feser 1999) (Abb. 7.25) erzeugt. Dieser besteht hauptsächlich
aus einem Kondensator und einer schnellschaltenden Kugelentfunkenstrecke
mit Druckgasisolierung und hoher Durchbruchfeldstärke. Diese Entladungs-
strecke ist in Reihe mit dem Prüfobjekt geschaltet und ermöglicht Frontzeiten
in der Größenordnung von wenigen 10 ns. Ein Impulsspannungsgenerator ohne

Abb. 7.24 Zeitliche Spannung V


Charakteristik einer VFF-
Spannung 50 ns

0 500 1000 ns 1500 Zeit


7.1 Erzeugung von Impulsprüfspannungen 355

(a) (b)
Spannung V

VLI
LI
Spannungs
generator VLI VVFF
VVFF

Versteilerungskreis Zeit t

Abb. 7.25 Erzeugung von VFF-Prüfspannungen. a Äquivalenter Schaltkreis. b Potenzialdia-


gramm

LI-Spannungs
generator

HV-Durchführung
Versteilerungsfunkenstrecke zu prüfende Konfiguration
Kapazität gegen Erde gegen Gehäuse

Impedanz (L oder R) für Versteilerungs-


VFF Spannungsformung Funkenstrecke

Abb. 7.26 Prinzipschaltung für VFF-Untersuchungen von UHV-Gasisolierungen

Versteilerungskreis, der ohne Frontwiderstände arbeitet, kann Impulsspannungen


mit Frontzeiten bis zu etwa 100 ns erzeugen.
Die neueste Entwicklung von UHV-Geräten hat die Aufmerksamkeit auf das
Verhalten von Druckgasisolierung unter VFF-Belastung gelenkt (Ueta et al. 2011;
Wada et al. 2011). Für die Erzeugung von VFF-Spannungen wird ein metall-
gekapselter, druckgasisolierter Versteilerungskreis verwendet (Abb. 7.26). Im
Druckgasgehäuse ist vor der Reihenentladungsstrecke eine Impedanz (Widerstand
oder Induktivität) angeordnet, um verschiedene überlagerte Schwingungen zu
erzeugen. Wenn ihre Position in Bezug auf die Entladungsstrecke geändert wird,
treten unterschiedlich überlagerte Schwingungen auf (wenige MHz bis 20 MHz).
Das Prüfobjekt befindet sich innerhalb desselben Druckgasbehälters.
Halbleitergeneratoren: Für niedrige Ausgangsspannungen und spezielle
Anwendungen ermöglicht der Fortschritt der Leistungselektronik die Entwicklung
356 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

von Impulsgeneratoren auf Basis von Halbleiterschaltern anstelle von Schaltfunken-


strecken [z. B. Shi et al. (2015), Elserougi et al. (2015), Kluge et al. (2015)]. Sie
können auch für die Erzeugung von HV-Prüfspannungen für Niederspannungsgeräte
(IEC 61180) empfohlen werden. Dieser Trend sollte Beachtung finden, auch wenn
er noch nicht für die Prüfung von Hoch- und Mittelspannungsgeräten anwendbar ist.

7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl


von Impulsspannungsprüfsystemen

Die vorangegangenen Unterabschnitte haben gezeigt, dass eine Vielzahl von


Impulsspannungsformen erzeugt werden kann. Für Forschungsarbeiten, Ent-
wicklung und auch diagnostische Tests kann diese Vielfalt genutzt werden. Bei
Qualitätsprüfungen sollen jedoch Impulsspannungen angewendet werden, die
äußere (Blitz-) und innere (Schalt-) Überspannungen repräsentieren, die inner-
halb bestimmter Toleranzen reproduzierbar sind. Anforderungen an diese Prüf-
spannungen sind in Normen wie IEC 60060-1:2010 oder IEEE Std. 4 (Entwurf
2013) festgelegt und werden im Folgenden erläutert.

7.2.1 LI-Prüfspannung und das Phänomen des


Überschwingens

7.2.1.1 Anforderungen von IEC 60060-1 und IEEE Std. 4


an Standard-LI-Spannungen 1.2/50

Für eine stetig verlaufende LI-Impulsspannung kann die direkte Parameteraus-


wertung gemäß den Parameterdefinitionen erfolgen, wie unten beschrieben. Wenn
jedoch eine LI-Prüfspannung überlagerte Oszillationen oder ein Überschwingen auf-
weist, sollen die Parameter einer LI-Prüfspannung unter Verwendung der sogenannten
„k-Faktoren“ aus „Prüfspannungsfunktionen“ (Abb. 7.27) ausgewertet werden.
Die für Geräte bis Vm ≤ 800 kV (Gl. 7.10a; Abb. 7.27a) bzw. für die Prüfung
von UHV-Geräten (Gl. 7.10b; Abb. 7.27b) verwendeten k-Faktoren werden
empirisch aus dem Vergleich von LI-Spannungen mit und ohne Oszillationen
ermittelt:

k(f ) = 1/ 1 + 2.2 · f 2 /MHz f ür Pr üfung Vm  800 kV


 
(7.10a)

k(f ) = 1/ 1 + 7.5 · f 2 /MHz f ür UHV Pr üfung


 
(7.10b)

Die k-Faktoren drücken aus, dass ein Überschwingen von langer Dauer (niedrige
Frequenz) einen stärkeren Einfluss auf die Durchschlagspannung einer Isolierung
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 357

(a)
k-Faktor-Wert 500 kHz

Mittlere Kurve bestimmt


1 den Durchschlag

0,8

0,6

0,4
Scheitelwert bestimmt
den Durchschlag
0,2

1 10 100 1000 kHz 10000


Überschwingfrequenz

Überschwingdauer
(b)
k- Faktorwert

SF6
Öl

10 100 1000 kHz 10000

Abb. 7.27 Prüfspannungsfunktionen a nach IEC 60060-1:2010 mit empirischen Daten und
Grenzwert von IEC 60060-1:1989. b Vergleich mit dem Vorschlag von CIGRE WG D1.36 (2017)
für UHV-LI-Tests

hat als eines von kurzer Dauer (hohe Frequenz). Dies folgt aus der bekannten
Durchschlagspannung-Durchschlagzeit-Charakteristik von Isolierungen (Kind
et al. 2016). Als erster Schritt zur Einführung dieser neuen Art der Bewertung
empfiehlt die IEC 60060-1:2010 die Anwendung von Gl. 7.10a, b für alle Arten
von Isolierungen mit Vm ≤ 800 kV, für die notwendige Verbesserung der Methode
siehe Abschn. 7.2.1.2. Die Bestimmung der Prüfspannungskurve Vt(t) aus der auf-
gezeichneten Kurve Vr(t) soll in den folgenden Schritten erfolgen (Abb. 7.28, für
weitere Details siehe Anhang B der IEC 60060-1:2010):
1. Bestimmen Sie die Basiskurve Vb(t) als Schätzung der Exponentialfunktion mit
den Parametern V0, τ1 und τ2:

Vb (t) = V0 · e(t/τ1 ) − e−(t/τ2 ) .


 
(7.11)

Die Basiskurve (Gl. 7.11) stellt die aufgezeichnete Kurve ohne Überschwingen
dar und soll durch ihren Scheitelwert VB charakterisiert werden, während die
358 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) (b)
VU VE
1,1

Ue 1,0

β Aufgezeichnete Kurve 0,9 k-Faktor-Kurve


Ub 0,8
VB
0,7

0,6
Basiskurve Filterung der Restkurve

k(f)
0,5

0,4

Restkurve 0,3

0,2

0 0,1
t 0,0

Unterteilung der aufgezeichneten Kurve


-0,1
0,001 0,010 0,100 1,000 10,000 100,000
Frequenz (MHz)

(d) (c) Überlagerung


U
U
V VUEe Aufgezeichnete Kurve Ergebnis V
VUTt Kurve der Prüfspannung
VUBt
VUBb

Prüfspannung
Präsentation Basiskurve

Gefilterte Restkurve

0 0
t t
Prüfspannungskurve zur Parameter
bewertung ó mit Ausnahme des
Überschwingens β! Prüfspannungskurve

Abb. 7.28 Bestimmung und Darstellung der Prüfspannungskurve. a Aufgezeichnete Kurve,


Basiskurve und Restkurve. b Prüfspannungsfunktion. c Grundkurve, gefilterte Restkurve und
Prüfspannungskurve. d Darstellung der Prüfspannungskurve und aufgezeichneten Kurve

vollständig aufgezeichnete Kurve durch ihren Extremwert VE charakterisiert ist


(Abb. 7.28a).
2. Finden Sie die Restkurve als Differenz zwischen der aufgezeichneten Kurve
und der Basiskurve (Abb. 7.28a):
VR (t) = Vr (t) − Vb (t). (7.12)

3. Verwenden Sie ein digitales Filter mit einer Übertragungsfunktion


(Amplituden-Frequenz-Antwort) gleich der Prüfspannungsfunktion H(f)
= k(f) (7.10a, b, wie ausführlich in IEC 60060-1:2010, Anhänge B und C,
beschrieben) und verwenden Sie es zur Filterung des Frequenzspektrums VR(F)
der Restkurve. Das Ergebnis ist die gefilterte Restkurve im Frequenzbereich
VRF (f ) = k(f ) · VR (f ), (7.13)
und – nach der Rücktransformation in den Zeitbereich – die gefilterte Restkurve
VRF(t) (Abb. 7.28b).
4. Überlagern Sie die gefilterte Restkurve auf der Basiskurve, um die Prüf-
spannungskurve (Abb. 7.28c) zu erhalten:
Vt (t) = Vb (t) + VRF (t). (7.14)
5. In einer Darstellung des Ergebnisses sollen sowohl die aufgezeichnete Kurve
als auch die Prüfspannungskurve gezeigt werden (Abb. 7.28d).
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 359

Hinweis Es sollte erwähnt werden, dass die Behandlung des Nullniveau-Problems hier
nicht berücksichtigt wird. Für das Nullniveau und die Details zur Implementierung der
Auswertungssoftware siehe IEC 60060-1:2010, Anhänge B und C und IEC 61083-2:2013,
für die Filterkurve siehe auch Lewin et al. (2008).

Es sollte erwähnt werden, dass zusätzlich zur computergestützten Auswertung


auch eine manuelle Berechnung des Prüfspannungswerts VT in IEC 60060-
1:2010 (Anhang B.4) sowie von Berlijn et al. (2007) beschrieben wird. Dieses
Verfahren berücksichtigt nicht das gesamte Frequenzspektrum der Restkurve,
sondern seinen entsprechenden Wert k(fos) bei der einzelnen Hauptfrequenz fos
des Überschwingers, der einfach mit dem Maximum der Restspannung VRmax(t)
multipliziert wird. Das Ergebnis wird auf die geschätzte Basiskurve überlagert,
um den Prüfspannungswert VT zu erhalten. Im Gegensatz dazu funktioniert
die Filterung (Gl. 7.13) auch, wenn das Überschwingen das Ergebnis einer
Mischung von Frequenzen ist und wenn Rauschsignale höherer Frequenzen auf
der aufgezeichneten Kurve überlagert sind. Die manuelle Auswertung kann nicht
empfohlen werden.
Im Falle der Aufzeichnung einer stetig verlaufenden Kurve (Gl. 7.11) mit VE =
VB erhält man VR(t) = VRF(t) = 0, weil k(f) = 1. IEC 60060-1:2010 verlangt, dass
alle Parameter der LI-Prüfspannung aus der Prüfspannungskurve ermittelt werden.
Wenn eine LI-Prüfspannung die folgenden Anforderungen erfüllt, handelt es sich
um eine Standard-LI-Prüfspannung 1.2/50:
Der Prüfspannungswert VT ist der maximale Wert der Prüfspannungskurve
(Abb. 7.28c und 7.29). Bei einer LI-Spannungsprüfung muss der erforderliche
Prüfspannungswert mit einer Toleranz von ±3 % eingestellt werden.
Die Frontzeit T1 ist ein virtueller Parameter, der als 1,67-mal das Intervall
zwischen den Zeitpunkten definiert ist, an denen die Stoßspannung 30 und 90 %
des Prüfspannungswerts beträgt (A und B in Abb. 7.29). Die Frontzeit T1 = 1,2 μs

normierte Spannung V/Vt

1 Scheitelspannung Vp = Wert der Prüfspannung Vt

0,9

0,5

0,3

0
Zeit
Rückenhalbwertszeit T2
Frontzeit T1 = 1.67·TAB

TAB

virtueller Ursprung 01
nicht messbar wahrer Ursprung 0

Abb. 7.29 Parameterdefinition für vollständige LI-Prüfspannungen


360 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

hat eine Toleranz von ±30 %, das bedeutet, die tatsächliche Frontzeit muss inner-
halb von (0,84–1,56) μs liegen.
Hinweis Bei Prüfobjekten mit hoher Kapazität wie Kabeln oder Kondensatoren kann die
obere Toleranzgrenze auf 5 μs oder sogar mehr erweitert werden. Auch für UHV-Geräte
ist eine obere Toleranzgrenze in der Größenordnung von 2,5 μs im Gespräch.

Die Rückenhalbwertszeit T2 ist ein virtueller Parameter als das Zeitintervall


zwischen dem virtuellen Ursprung, der die Schnittstelle zwischen der Zeitachse
und der Geraden ist, die durch die Punkte A und B in Abb. 7.29 gezogen wird, und
dem Zeitpunkt, an dem die Spannung wieder auf die Hälfte des Prüfspannungs-
werts abgefallen ist (Abb. 7.29): Es ist erforderlich, dass T2 = 50 μs innerhalb
einer Toleranz von ±20 % liegt, das bedeutet, der tatsächliche Wert muss inner-
halb von (40–60) μs liegen.
Die relative Überschwingamplitude ß ist die Differenz zwischen dem Extrem-
wert der aufgezeichneten Kurve und dem Maximum der Basis-Kurve in Bezug auf
den Extremwert (IEC 60060-1:2010):
VE − VB
β= ≤ 10% (7.15)
VE
Die neueste Ausgabe von IEEE Std. 4 (2013) empfiehlt ein Überschwingen
von bis zu 5 %, erlaubt jedoch eine Erhöhung auf 10 % „um Wellenformen der
historischen“ stetig verlaufenden Kurve gemäß der „Überschwing-Methode“
(IEEE Std. 4-1995 und IEC 60060-1:1989) zu akzeptieren.
Qualitätssicherungsprüfungen erfordern zusätzlich zu vollständigen LI-
Prüfspannungen auch abgeschnittene LI-Prüfspannungen (LIC), die die
Beanspruchung der Isolierung beim Ansprechen eines Schutzgeräts (z. B. eines
Überspannungsableiters oder einer Schutzfunkenstrecke) nachbilden. Eine LIC-
Spannung wird auch durch einen ungewollten Durchbruch im HV-Kreis ver-
ursacht, im Folgenden werden jedoch nur kontrollierte Durchschläge, realisiert mit
einer Abschneide-Funkenstrecke, betrachtet (siehe Abschn. 7.1.2.4).
Die LI-Spannung kann in der Front (Abb. 7.30a) oder im Rücken (Abb. 7.30b)
abgeschnitten werden. Der Zeitpunkt des Abschneidens wird als Schnittpunkt der
Linie durch die Punkte C (0,7 VCH) und D (0,1 VCH) , bezogen auf das Spannungs-
niveau unmittelbar vor dem Zusammenbruch, definiert. Die Zeit bis zum
Abschneiden TC ist das Intervall zwischen dem virtuellen Ursprung O1 und dem
Zeitpunkt des Abschneidens. Die Dauer des Spannungszusammenbruchs TCO wird
als 1,67-fache des Zeitintervalls zwischen den Punkten C und D definiert. Die
virtuelle Steilheit SC des Abschneidens wird mit der Spannung VCH zum Zeitpunkt
des Abschneidens und der Dauer des Spannungszusammenbruchs TCO:
VCH
SC = . (7.16)
TCO
Während die IEC 60060-1:2010 nur eine im Rücken abgeschnittene LIC-
Spannung von TC = 2–5 μs (Abb. 7.30b) vorschreibt, gibt die IEEE Std. 4 auch
eine standardmäßige in der Front abgeschnittene LIC-Spannung von TC = 0,5–
1,0 μs (Abb. 7.30a) an.
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 361

(a) (b) (c)


normierte Spannung V/Vt

1
0,9 VCH B
B B

0,7 C
C Abweichung
0,7·VCH
≥ 0,05·T1

0,3 A A
A
D D0.1·VCH
0,1
0 T1 T1
TC TC

Unterschwingung TC - Zeit bis zum Abschneiden T1 - Frontzeit

Abb. 7.30 Abgeschnittene Blitzimpulsspannungen. a Front-abgeschnittene LIC-Spannung. b


Rücken-abgeschnittene LIC-Spannung. c Linear ansteigender Front-abgeschnittener Impuls

Hinweis Nach Auffassung der IEC ist eine in der Front abgeschnittene LIC-Spannung
für die Prüfung von Objekten mit Wicklungen nicht erforderlich, da die im Rücken
abgeschnittene LIC-Spannung eine höhere Steilheit und damit eine ungleichmäßigere
Spannungsverteilung im Prüfobjekt verursacht. Die traditionelle IEEE-Meinung berück-
sichtigt mehr die Darstellung von hohen Überspannungen, die durch Schutzvorrichtungen
begrenzt sind. Es scheint, dass in einer zukünftigen Version von IEEE Std. 4 auch die
IEC-Praxis angewendet wird.

Eine linear ansteigende in der Front abgeschnittene LIC-Spannung ist eine


Spannung, die mit einer annähernd konstanten Steilheit ansteigt, bis sie bei einer
Spannung VE abgeschnitten wird. Sie wird hauptsächlich in der Prüfpraxis gemäß
den IEEE-Normen angewendet. Sie ist definiert durch den Extremwert VE, die
Anstiegszeit T1 und die Steilheit
VE
SF = (7.17)
T1
Der Spannungsanstieg wird als annähernd linear von 30 % bis zum Zeitpunkt des
Abschneidens betrachtet. Die Toleranz der Steilheit ist durch eine Bandbreite von
±0,05 · T1 von der Mittellinie durch AB (Abb. 7.30c) gekennzeichnet. Die Para-
meter der linear ansteigenden LIC-Spannungen sind nicht in den horizontalen
Normen, sondern in den relevanten Gerätenormen festgelegt.
Spannungswert: Die Bewertung von im Rücken abgeschnittenen LIC-
Spannungen kann mit einer an die k-Faktor-Berechnung angepassten Methode
erfolgen. Dazu werden zwei Aufzeichnungen benötigt, eine im Rücken
abgeschnittene LIC-Spannung aus der durchgeführten Prüfung, und eine voll-
ständige Referenz-LI-Spannung bei niedrigerer Spannung ohne Änderung der Ein-
stellung des HV-Prüfschaltkreises (mit Ausnahme der Schaltfunkenstrecken und
der Ladespannung des Generators) und des Messsystems. Die Referenz-LI-Kurve
wird zur Bestimmung der Basis-Kurve verwendet. Die aufgezeichnete LIC-Kurve
wird mit dieser Basis-Kurve ähnlich wie oben beschrieben behandelt. Weitere
362 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Einzelheiten finden Sie in der IEC 60060-1:2010 (Anhang B.5). Das Problem
des Überschwingens tritt bei in der Front abgeschnittenen Impulsen nicht auf, sie
können wie in Abb. 7.30a gezeigt, ausgewertet werden.

7.2.1.2 Situation und zukünftige Behandlung des Überschwingens

Die Bewertungsmethode nach den IEC- und IEEE-Normen, wie sie oben
beschrieben ist, ist ein wichtiger erster Schritt in Richtung einer physikalisch
korrekten Bewertung von LI-Prüfspannungen mit Überschwingungen, aber sie ist
auch ein Kompromiss zwischen neuen Ideen und traditionellem Denken. Daher
soll im Folgenden versucht werden, die möglichen Richtungen für die weitere
Verbesserung der k-Faktor-Methode zu erläutern. Dazu betrachten wir die neue
Bewertungsmethode im Vergleich zu der von IEC 60-1:1989 (Abb. 7.27).
Wie in Abschn. 7.1.2.3 betrachtet, können die Induktivitäten und Kapazitäten
im Schaltkreis Schwingungen verursachen, die durch die ohmschen Verluste im
Schaltkreis gedämpft werden. Die Schwingungen haben einen bemerkenswerten
Einfluss auf das Durchbruchverhalten, wenn sie im Bereich des Scheitelpunktes
auftreten und daher den Scheitelwert der LI-Prüfspannung erhöhen. Im Falle einer
starken Dämpfung wird die Schwingung auf eine einzelne Halbwelle reduziert,
die als „Überschwingung“ bezeichnet wird. Im Folgenden soll der Begriff „Über-
schwingung“ auch Schwingungen mit geringerer Dämpfung einschließen.
Die vorherige Version von IEC 60-1:1989 tolerierte Oszillationen und Über-
schwingungen bis zu 5 % des Scheitelwerts beim stetigen Verlauf der Prüf-
spannung. Wenn ihre Frequenz „nicht weniger als 0,5 MHz beträgt oder die Dauer
des Überschwingens nicht mehr als 1 μs beträgt, sollte eine Mittelwertkurve
gezeichnet werden … zum Zwecke der Messung“. Der Prüfspannungswert war der
Scheitelwert der aufgezeichneten Kurve für Überschwingfrequenzen f < 0,5 MHz;
für f > 0,5 MHz ist es das Maximum der gezeichneten Mittelwertkurve. Es gab
keine Regel, wie die Mittelwertkurve abzuschätzen ist. Diese abrupte Änderung
der Bewertung bei 0,5 MHz (Abb. 7.27) ist physikalisch falsch, verursacht einen
Fehler von bis zu 5 % bei dieser Frequenz, eine gewisse Willkür für den Bediener
oder für Anbieter von Bewertungssoftware. Daher war eine Änderung dringend
erforderlich. Mitte der 1990er Jahre begann die CIGRE-Arbeitsgruppe 33.03 und
ein damit verbundenes europäisches Forschungsprojekt mit Experimenten zum
Einfluss des Überschwingens (z. B. Garnacho et al. 1997, 2002; Berlijn 2000;
Simon 2004). Eine kombinierte Spannung (siehe Abschn. 8.1.1), bestehend aus
einer stetig verlaufenden SI-Spannung und eines überlagerten oszillierenden
kurzen Impulses wurde auf Isolationsproben in Luft, SF6, sowie mit ölgetränktem
Papier und Polyethylen angewendet. Die Prüfspannungswerte von Testreihen
waren normalerweise auf 200 kV begrenzt. Die Experimente lieferten 50 % LI-
Durchschlagspannungen für Impulse mit Überschwingungenr (Extremwert VE)
sowie den stetig verlaufenden Standardimpuls (Scheitelwert VLI) und ermöglichen
die Bestimmung einer gut definierten Basis-Kurve (Gl. 7.11; Maximum VB). Für
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 363

jede Probe wurden die Ergebnisse bei verschiedenen Überschwingungsfrequenzen


als frequenzabhängiger Prüfspannungsfaktor (Prüfspannungsfunktion) kombiniert:
VLI (f ) − VB (f )
k(f ) = . (7.18)
VE (f ) − VB (f )
Es wurde ein deutlicher Rückgang des Prüfspannungsfaktors mit zunehmender
Frequenz festgestellt (Abb. 7.27, Messpunkte), aber die Streuung der Ergeb-
nisse war so groß, dass kein klarer Einfluss der verschiedenen Isolationstypen
identifiziert wurde. Daher wurde eine gemeinsame k-Faktor-Kurve ausgewertet
(Abb. 7.27 und Gl. 7.10a, b), die in die Normen übernommen wurde (siehe
Abschn. 7.1.2.1).
Die Ergebnisse der LI-Parameterbewertung nach der gültigen IEC 60060-
1:2010 unterscheiden sich von denen nach IEC 60-1:1989. Auch wenn die neue
Bewertung physikalisch bessere Ergebnisse liefert, können die Unterschiede
bestimmte Konsequenzen für die Gestaltung und Prüfung von Geräten haben.
Die Ergebnisse der Bewertung zahlreicher LI-Spannungen (z. B. von IEC
61083-2:2013) nach dem alten und dem neuen Verfahren (Tab. 7.2) zeigen die
Konsequenzen. Wenn es bei einer Überschwingfrequenz f < 0,5 MHz zu einem
Überschwingen kommt, wäre jetzt eine um bis zu 3 % höhere LI-Prüfspannung
erforderlich. Die Anstiegszeit würde kürzer und die Halbwertszeit länger. Für
f > 0,5 MHz kann jetzt eine um bis zu 6 % niedrigere LI-Prüfspannung angewendet
werden, die Anstiegszeit erhöht sich und die Halbwertszeit verringert sich. Diese
Ergebnisse zeigen die Tendenz, aber sie beinhalten nicht nur die Unterschiede in
den Verfahren, sondern auch die Unsicherheiten, die durch die Software verursacht
werden. Weitere Vergleiche der alten und der neuen Methode wurden von Pfeffer
und Tenbohlen (2009) veröffentlicht.
Ein unerwartetes Ergebnis wurde für die Werte des Überschwingens gefunden,
die nach IEC 60060-1:2010 normalerweise höher wurden als die nach der alten
Version. Der Grund dafür ist die fehlende Regel für die alten „mittleren Kurven“,
die bei der alten “benutzerfreundlichen“ Software höhere Maxima liefert als
die gut definierten „Basis Kurven“ (Gl. 7.11) im Ergebnis der neuen Software.

Tab. 7.2 Unterschiede der LI-Parameterbewertung nach IEC 60060-1:2010 und IEC 60-1:1989
Parameter Überschwingfrequenz Überschwingfrequenz
f < 0,5 MHz f > 0,5 MHz
Prüfspannungswert 0…−3 % +2 %…+6 %
(V2010 − V1989)/V1989
Frontzeit 0…−6 % 0…+15 %
(T1 2010 − T1 1989)/T1 1989
Rückenhalbwertszeit 0…+5 % −4 %…7 %
(T2 2010 −T2 1989)/T2 1989
Überschwingen Unabhängig von der Frequenz
(ß2010 − ß1989)/ß1989 −10 %…+40 %
364 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Auch die Definition des Überschwingens (Gl. 7.15) ist physikalisch nicht korrekt.
Sie berücksichtigt nicht die Dauer des Überschwingens (Hinow et al. 2010),
da der Extremwert VE der aufgezeichneten Kurve der Referenzwert ist. Eine
Überschwingdefinition, die die Dauer berücksichtigt, könnte einem deutschen
Vorschlag an TC 42 folgen, wenn die Überschwingamplitude auf der Grundlage
der Prüfspannungskurve definiert würde – wie auch die anderen Parameter der LI-
Spannung (Hinow et al. 2010):
VT − VB
β∗ = (7.19)
VT
Der Vergleich der beiden Definitionen (Abb. 7.31) zeigt, dass ß* immer niedrigere
Werte als ß liefert. Für eine Überschwingfrequenz von f < 0,5 MHz ist ß*
typischerweise höher als für den Fall f > 0,5 MHz. In Bezug auf die Dauer des
Überschwingens ist dies eine plausible Eigenschaft.
Ein weiterer Punkt ist die Abhängigkeit von der Frequenz. Die Frequenz
wird aus der Dauer des Überschwingens geschätzt (Garnacho et al. 1997), aber
der Durchschlagprozess wird durch die verfügbare Zeit gemäß der bekannten
Durchschlagspannung-Durchschlagzeit-Charakteristik beeinflusst (siehe
Abschn. 7.3). Diese Charakteristik kann durch eine statistische Zeitverzögerung
gefolgt von der formativen Zeitverzögerung beschrieben werden. Letztere
kann durch die formative Spannung – Zeitfläche (Kind 1957; Kind et al. 2016)
beschrieben werden, die möglicherweise auch für die Überschwingbehandlung
angewendet werden kann (Hauschild und Steiner 2009; Garnacho 2010; Ueta
et al. 2011c). Dann wird das Überschwingen durch die Spannung-Zeit-Fläche
oberhalb eines bestimmten Spannungswerts VX charakterisiert (Abb. 7.32). Dies
könnte ein bestimmter Prozentsatz des Extremwerts (Abb. 7.32a, b) oder der

Abb. 7.31 Vergleich der relatives Überschwingen β* (Gleichung 7.19)


Überschwinggrößen von β 25
(IEC-Definition Gl. 7.15) und %
ß* (Gl. 7.19) β*= β
20
β* für f < 500 kHz
längere Dauer

15
β* für
f ≈ 500 kHz

10
β* für f > 500 kHz
kürzere Dauer

0 5 10 15 20 % 25

relative Überschwingweite β (IEC 60060-1:2010)


7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 365

(a) (b) (c)


Spannung V V V
Tt = Tt1 + Tt2
VE VE VE

Vx Vx VT

Tt Tt1 Tt2 Tt

Zeit t t t

Abb. 7.32 Definition des Überschwingens in Verbindung mit dem formativen Zeitmodell. a Bei-
spiel für ein aperiodisches Überschwingen unter Verwendung eines Prozentsatzes des Extrem-
werts VE. b Beispiel für oszillierendes Überschwingen unter Verwendung von 0,9 · VE. c Beispiel
für oszillierendes Überschwingen unter Verwendung des Prüfspannungswerts VT

­Prüfspannungswert VT (Abb. 7.32c) sein. Dann könnte beispielsweise der relative


Überschwingwert berechnet werden durch:
ˆT
1
β =

· (Vt (t) − VT )dt, (7.20)
VT · Tt
mit der Überschwingdauer: Tt = ni=1 ti (Vi ≥ VT ).

Eine Begrenzung von ß° würde eine Begrenzung der formativen Spannung-
Zeit-Fläche bedeuten, die die tatsächlich wirkende Beanspruchung aus der
Kombination von Spannung und Zeit berücksichtigt.
Wenn eine Überschwing-Definition in Bezug auf die Dauer des Über-
schwingens angewendet wird, scheint es angemessen, auch die Prüfspannungs-
funktion in Abhängigkeit von der Dauer anzuwenden. Die Dauer eines
aperiodischen Überschwingens hängt mit der Frequenz zusammen durch Tt ≈
0,5/f, und man kann aus Gl. (7.10) die neue Prüfspannungsfunktion ableiten:

4Tt2 /µs2
k ∗ (Tt ) = . (7.21)
4Tt2 /µs2 + 2.2

Diese Funktion (Abb. 7.33) würde nicht nur das physikalische Verständnis ver-
bessern. Sie hat auch eine lineare Skala mit einer direkten Beziehung zu den Zeit-
parametern der LI-Spannung. Der Fall Tt = 0 bedeutet kein Überschwingen. Die
Bestimmung der Dauer ist sogar einfacher als die der Frequenz. Sie würde auch
den Fall berücksichtigen, dass die Schwingungen nur schwach gedämpft sind
(Abb. 7.32b) und der zweite Peak zur formativen Spannungs-Zeit-Fläche beiträgt.
Anstelle der Prüfspannungsfunktion von IEC 60060-1:2010 (Gl. 7.10a, b) kann
eine andere Definition der relativen Überschwingamplitude verwendet werden –
z. B. die von Gl. 7.20.
366 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

k-Faktor-Wert

Überschwingdauer Tt

µs
ungefähre Frequenz f
MHz

Abb. 7.33 Prüfspannungsfunktion abhängig von der Überschwingdauer (Gl. 7.21)

k-Faktor

1
IEC 60060-1:2010

0,8
geringere Isolierdicke
schnellerer
0,6
Durchschlagprozess

0,4 größere Isolierdicke


langsamerer
Durchschlagprozess
0,2

0
0,01 0,1 1 MHz 10
Überschwingfrequenz f

Abb. 7.34 Erwartete Modifikationen der Prüfspannungsfunktion

Die Prüfspannungsfunktion für höhere Spannungen und verschiedene Iso-


lationsproben wird bis heute untersucht, z. B. von Garnacho (2010), Garnacho
et al. (2014), Hinow mit TU Cottbus (2011), Ueta et al. (2010, 2011b), Diaz und
Segovia (2016) Die aktuelle Funktion (Gl. 7.10a, b) basiert auf Experimenten mit
kleinen Proben und Spannungen hauptsächlich VT < 200 kV. Daher erfolgt der
Durchbruch recht schnell und die Annahme, eine bestimmte durchschnittliche
Charakteristik zu haben, scheint nicht korrekt zu sein. Es muss verschoben werden
(Abb. 7.34) – nach links (niedrigere Frequenzen) für große Isolationen und/oder
relativ langsame Durchbruchprozesse, wie bei langen Luftstrecken oder größeren
Transformatorisolierungen, die für UHV-Übertragungen verwendet werden
(Tsuboi et al. 2011, 2013; Ueta et al. 2012b), und nur ein wenig nach rechts
(höhere Frequenzen) für kleine und kompakte Isolationen, gekennzeichnet durch
sehr schnelle Durchbruchprozesse (SF6; Feststoffe, Vakuum, etc.), aber bisher
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 367

hat IEC TC42 noch keine endgültige Schlussfolgerung aus dieser internationalen
Forschungsarbeit gezogen.
Es kann angenommen werden, dass für verschiedene elektrische Felder, ver-
schiedene Isolationsmaterialien und möglicherweise auch für verschiedene
Überschwingweiten unterschiedliche Charakteristiken gefunden werden. Auch
die Auswertungsalgorithmen und die bemerkenswerte Unsicherheit bei der
Bestimmung der Prüfspannungsfunktion (Okabe et al. 2015) müssen berück-
sichtigt werden. Möglicherweise sollte für eine zukünftige Norm IEC 60060-1
alle verfügbaren experimentellen Ergebnisse verwendet werden, um eine all-
gemeine Prüfspannungsfunktion zu finden, die innerhalb akzeptabler Toleranzen
für die Parameterbewertung aller Isolationen anwendbar ist.
Die Anpassungsmethode zur Extraktion der Basis-Kurve, wie oben beschrieben
(Gl. 7.11), ist ebenfalls Gegenstand laufender Untersuchungen (z. B. Satish und
Gururaj 2001; Kuan und Chen 2006; Ueta et al. 2011a, b, c, d, 2012a, b; Garnacho
et al. 2013; Pattanadesh und Yutthagowith 2015). Die Einführung einer neuen
Auswertungsmethode für die Basis-Kurve könnte Unterschiede in der LI-Para-
meterbewertung verursachen. Im Gegensatz zur Prüfspannungsfunktion scheint
es keine dringende Notwendigkeit für die Einführung einer neuen Methode zur
Bestimmung der Mittelwertkurve zu geben. Zuerst muss gezeigt werden, dass die
aktuelle Methode für praktische Fälle unzureichend ist.
In Bezug auf die Prüfung von UHV-Geräten hat die CIGRE-Arbeitsgruppe
D1.36 (2017) das derzeitige Wissen zusammengefasst: Es wurde gezeigt, dass
für UHV-Prüfobjekte die Anforderungen T1≤ 1,56 µs und ß ≤ 10 % nicht erfüllt
werden können, wenn die Kapazität der Prüfobjekte in die Größenordnung von
10 nF gelangt (siehe auch den folgenden Abschn. 7.2.1.3). Es wird empfohlen,
das obere Toleranzlimit auf T1 = 2,5 µs und das zulässige Überschwingen auf ß
≤ 15 % zu erhöhen, wenn UHV-Geräte mit Vm > 800 kV geprüft werden. Darüber
hinaus wird vorgeschlagen die Prüfspannungsfunktion für UHV- LI-Prüfungen
(Abb. 7.27b) auf die oben genannte Gl. (7.10b) zu ändern und ein verbessertes
Verfahren zur Schätzung der Basis-Kurve zu verwenden. Hoffentlich wird IEC
TC42 auf dieser Grundlage die nächste Ausgabe von IEC 60060-1 bereitstellen.
Last but not least gibt es Diskussionen, das Überschwingen bei LI-Prüfungen
durch Verwendung der Überschwingkompensation zu reduzieren (siehe
Abschn. 7.1.2.3).

7.2.1.3 Wechselwirkung zwischen HVLI-Prüfsystem und Prüfobjekt

Die meisten Prüfobjekte – wie Isolatoren, Durchführungen, GIS, Leistungstrans-


formatoren oder Kabelprüflinge – stellen für das Prüfsystem eine kapazitive Last
dar. In wenigen Fällen haben Prüfobjekte eine induktive Eigenschaft, wie die
Niederspannungswicklung von Leistungstransformatoren. Resistive Prüfobjekte
spielen keine Rolle, da Freiluftisolierungen nicht unter nassen oder verschmutzten
Bedingungen mit LI-Spannungen geprüft werden. Der Einfluss des Prüfobjekts
soll durch den äquivalenten Einstufenkreis (Abb. 7.4) erklärt werden.
368 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Kapazitive Prüfobjekte: Die Lastkapazität Cl = Cb + Ci (gewöhnlich bestehend


aus der Grundlast Cb des Generators plus Kapazität des Prüfobjekts Cto) bestimmt
die Front-Zeitkonstante τf (zusammen mit dem Frontwiderstand Rf, Gl. 7.2), die
Rücken-Zeitkonstante τt (zusammen mit dem Impulskondensator Ci und dem
Rückenwiderstand Rt) und den Ausnutzungsfaktor der Schaltung ηc (zusammen
mit dem Impulskondensator Ci des Generators, Gl. 7.1):
 
Ci · (Cb + Cto )
τf = Rf , (7.22a)
Cb + Cto + Ci

τt ≈ Rt (Ci + Cb + Cto ), (7.22b)

Ci
ηc ≈ . (7.23)
Ci + Cb + Cto

tät des Prüfobjekts ab, weil normalerweise Ci ≫ Cb + Cto und folglich τf ≈


Die Frontzeit T1 (gekennzeichnet durch τf, Gl. 7.22a) hängt stark von der Kapazi-

Rf · (Cb + Cto) mit oft Cto > Cb. In vielen Fällen wird die Frontzeit nahezu ver-
doppelt, wenn die Kapazität des Prüfobjekts verdoppelt wird. Wenn man bedenkt,
dass die zulässige Frontzeit-Toleranz (0,84–1,56 μs) weniger als das Doppelte
ihrer unteren Grenze beträgt (Abb. 7.35), müssen die Anstiegswiderstände Rf
eines Generators entsprechend angepasst werden. Für einen festen Wert von τf –
bzw. der Frontzeit T1 – kann der erforderliche Wert von Rf für die obere bzw.
die untere Toleranzgrenze der Frontzeit berechnet werden (Abb. 7.35a). Eine
horizontale Linie durch das resultierende Band, das einem bestimmten Bereich
der Lastkapazität entspricht, gibt den Bereich der Last an, für den ein Widerstand

(a) Begrenzung durch: (b) Begrenzung durch:


Grundlast C b, Grundlast C b,
Toleranz für die Frontzeit Tf Rückenhalbwertzeittoleranz Tt
Frontwiderstand Überschwingen
5 % Rückenwiderstand
Rf T 2 =60 s
T1 =1,56 s Rt
1000 800
R f1
T1 = 0,84 s

700 Rt
500

R f2 600 T1 = 40 s
200

500
100
0,1 0,5 1 5 nF 10 0,1 0,5 1 5 nF 10
Gesamtbelastungskapazität C b +C to Gesamtbelastungskapazität C b +C to

Abb. 7.35 Einfluss der Lastkapazität auf die Auswahl von Front- und Rückenwiderständen eines
Generators 2000 kV/400 kJ mit zehn Stufen. a Prinzip der Auswahl des Frontwiderstandes. b
Einfluß des Rückenwiderstandes (Kind und Feser 1999)
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 369

Rf1 angewendet werden kann, um standardgemäße LI-Spannungen zu erzeugen.


Für höhere Lastkapazitäten muss ein niedrigerer Widerstand Rf2 angewendet
werden und so weiter. Wenn der Frontwiderstand zu niedrig wird, entsteht ein
inakzeptables Überschwingen, das die Erzeugung von standardgemäßen LI-Prüf-
spannungen begrenzt. Für das Beispiel von Abb. 7.35a wird dies erreicht, wenn
der Frontwiderstand etwa 100 Ω beträgt (Das bedeutet z. B. 10 Ω pro Stufe für
einen 10-stufigen Generator).
Die vereinfachte Betrachtung von Abb. 7.35 vernachlässigt den wichtigen Ein-
fluss der Schaltungsinduktivität, die das Überschwingen verursacht (von Standards
bis zu ß = 10 % akzeptiert). Das Überschwingen wird durch den Vorwiderstand
gedämpft, der einen Mindestwert überschreiten muss. Nach CIGRE WG D1.36
(2017) kann dieser minimale akzeptable Vorwiderstand (in Ω) R∗fminfür T1 ≤
1,56 µs ungefähr aus der gesamten kapazitiven Last (in µF) (Cl = Cb + Cto) und
der gesamten Schaltungsinduktivität (in µH) (Ls = Lgenerator + LHV lead + Ltest object+
Lcurrent return) abgeschätzt werden durch

R∗f min = 1.45 Ls /Cl (7.24)

Mit den charakteristischen UHV-Lastkapazitäten (bis zu mehr als 10 µF) könnte


es schwierig sein, das Limit des Überschwingens β ≤ 10 % einzuhalten. Daher
sollten die Prüfnormen für UHV-Geräte (jetzt in Vorbereitung) ein höheres LI-
Überschwingen (bis zu β = 15 %) und/oder längere LI-Anstiegszeiten (höhere
Vorwiderstände) für eine ausreichende Dämpfung des Überschwingens zulassen.
Zur Anpassung des Vorwiderstandes verfügt jeder LI-Generator über mehrere
Widerstandssätze. Normalerweise sind diese Sätze so ausgelegt, dass Widerstände
auch parallel oder in Reihe geschaltet werden können, um die verfügbaren Werte
des Vorwiderstands durch Kombinationen für einen weiten Bereich kapazitiver
Lasten zu variieren. Für jeden einzelnen Widerstandswert wird ein bestimmter
Lastbereich abgedeckt. Üblicherweise ist ein LI-Prüfsystem mit drei Sätzen von
Vorwiderständen ausgestattet, die durch verschiedene Parallelschaltungen sieben
verschiedene Widerstandswerte ermöglichen. Für eine effiziente Handhabung
eines größeren LI-Prüfgenerators sollten die nicht verwendeten Widerstände auf
den Stufen gelagert werden, die leicht über interne feststehende Leitern erreicht
werden können (Abb. 7.12d). Jedes Impulsprüfsystem sollte mit einer Anweisung
ausgestattet sein, welche Widerstände für welche Prüfobjektkapazität angewendet
werden sollten, um einen bestimmten Bereich von Lastkapazitäten abzudecken
(Abb. 7.36).
Die Rückenhalbwertszeit T2 (charakterisiert durch τt, Gl. 7.22b) wird nicht
stark durch die Prüfobjektkapazität beeinflusst, da sie von der Impulskapazi-
tät Ci (Abb. 7.35b) dominiert wird. Ein Endwiderstand ist ausreichend, um den
gesamten Toleranzbereich der Zeit bis zum halben Wert ter Scheitelspannung
zwischen 40 und 60 μs abzudecken.
Der Schaltkreis Ausnutzungsfaktor kann leicht durch Gl. 7.23 abgeschätzt
werden. Der Generator mit seiner Grundlast erreicht in der Regel einen
370 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.36 Auswahl des Begrenzung durch C b


Frontwiderstandes in
Abhängigkeit von der R f5 > R f4 > Rf3 > R f2 >
Frontzeit Tf
Prüfobjektkapazität 1,6

1,4

R f1
1,2

1 inkrementeller
Frontwiderstand
Tf

0,8

0 0,4 0,8 1,2 1,6 nF 2,0


Gesamtlastkapazität C b + C to

­Ausnutzungsfaktor η ≈ 0,95 für Ci ≫ Cto. Er nimmt leicht ab mit zunehmender


Prüfobjektkapazität und Werte Cto > 0,2 Ci können nicht empfohlen werden.
Ein induktives Prüfobjekt in Kombination mit einer Kapazität findet sich
beispielsweise bei der Prüfung der Niederspannungsseite eines Leistungs-
transformators (Abb. 7.37a). Die Induktivität Lto bildet insbesondere mit der
Impulskapazität Ci einen Schwingkreis und verursacht einen Impulsabfall, der
durch eine Schwingung anstelle einer Exponentialfunktion gekennzeichnet ist.
Die Schwingung verkürzt die Rücken-Halbwertszeit T2, oft außerhalb der Toleranz
(T2 < 40 μs), verursacht ein Durchschwingen in die entgegengesetzten Polari-
tät und eine Verringerung des Ausnutzungsfaktors (Abb. 7.37c). Der Einfluss auf
T2 ist besonders gravierend und nimmt mit abnehmender Impulskapazität Ci des
Generators zu (Abb. 7.37c). Da die LI-Prüfspannungen der Niederspannungs-
seite des zu prüfenden Transformators relativ niedrig sind, werden mehrere Stufen
eines mehrstufigen Generators parallel geschaltet, um Ci zu erhöhen. Wenn dies
nicht ausreicht, kann das Problem durch einen sogenannten „Glanninger-Zusatz“
gelöst werden: Eine Induktivität Lg wird parallel zum Frontwiderstand Rf und
ein Widerstand Rg parallel zur Prüfobjektinduktivität Lto geschaltet (Abb. 7.37b).
Die Glanninger-Induktivität Lg < Lto ist richtig gewählt, wenn sie den Vorwider-
stand nur für niedrigere Frequenz (Rücken des Impulses) überbrückt und wenn die
Rücken-Halbwertszeit ausreichend verlängert wird, aber die Spannung zwischen
Lg//Rf und dem Prüfobjekt (Lto//Rg) aufgeteilt wird, was zu einer weiteren Ver-
ringerung des fAusnutzungsaktors führt. Die „Glanninger“ Induktivität sollte in
der Größenordnung von Lg = (0,01–0,1) Lto liegen, und der „Glanninger“ Wider-
stand wird als Rg ≈ Rf · Lto/Lg gewählt. Der Glanninger-sZuatz ist eine separate
Einheit, die parallel zu den Stufen des Generators geschaltet wird.
7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 371

(a) (c)

Rf Spannung Vt

Ci Rt (Cb+C to) L to Vt

Prüfkreis (b)

(b) Prüfkreis (a)


Lg

Rf Zeit t

Ci Rt (Cb+C to) Lto Rg Vt

Unterschwingung

Abb. 7.37 Prüfung von Objekten mit Induktivitäten. a Äquivalentschaltbild. b Äquivalentschalt-


bild mit „Glanninger“-Zusatz. c Vergleich der Impulsform

7.2.2 SI-Prüfspannungen

7.2.2.1 Anforderungen der IEC 60060-1 und IEEE Std. 4

Überschwingungen sind bei SI-Prüfspannungen kein Problem, da ein Vor-


widerstand mit recht hohem Widerstand erforderlich ist, um die Frontzeitpara-
meter zu realisieren. Die aufgezeichnete Kurve hat auch einen scharfen Anfang,
den sogenannten „wahren Ursprung“, und benötigt keinen virtuellen Ursprung
(Abb. 7.38). Daher werden die Parameter direkt aus der aufgezeichneten Kurve
ausgewertet.
Wenn eine SI-Spannung die folgenden Anforderungen erfüllt, handelt es sich
um eine Standard-SI-Prüfspannung:
Der Prüfspannungswert Vt ist der Maximalwert der aufgezeichneten
Spannungskurve (Abb. 5.39). Bei einem SI-Spannungstest muss der erforderliche
Prüfspannungswert mit einer Toleranz von ±3 % eingestellt werden.
Die Zeit-bis-zum-Scheitelwert Tp ist das Zeitintervall zwischen dem wahren
Ursprung und dem Scheitelwert einer SI-Spannung. Sie ersetzt die Frontzeit T1 bei
LI-Spannungen. Die Zeit-bis-zum-Scheitelwert wird auch aus der Zeit der Schnitt-
stelle TAB = t90 − t30(Abb. 7.39a) bestimmt nach

TP = K · TAB mit K = 2.42 − 3.08 · 10−3 TAB + 1.51 · T2 · 10−4


(7.25)
mit Tp , TAB und T2 in µs
372 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Zeit bis zum Scheitelwert Zeit bis zum Halbwert


Toleranz zulässiger Bereich
Spannung (272,5 ± 0,5) µs (2831 ± 22) µs erreichte Variation
2000

kV

1200

800

400

0
0 600 1200 1800 2400 3000 3600 µs 4800
Zeit

Abb. 7.38 Aufgezeichnete Kurven von SI-Prüfspannungen 250/2500 und deren Reproduzierbar-
keit für verschiedene werte

Abb. 7.39 Definitionen (a)


von SI-Prüfspannungen. a normierte Spannung V/Vp

Standardimpuls 250/2500. b 1 Scheitelwert Vp


SI-Prüfung von Geräten mit 0,9
Sättigungseffekten TT90
T
Zeit über 90%

0,5

0,3

0
Zeit t
TAB
Zeit bis zum Scheitelwert Tp = K·TAB

Zeit bis zum Halbwert T2

(b)
Spannung V/VP
100
% 90%
80
Zeit über 90%

60

40

20
Zeit
0

Zeit bis zum Nullpunkt Tz


7.2 Anforderungen an LI/SI-Prüfsysteme und Auswahl von ... 373

Eine Standard-SI-Prüfspannung erfordert Tp = 250 μs mit einer Toleranz von


±20 %. Das bedeutet, dass die tatsächliche Anstiegszeit innerhalb von (200–300)
μs liegen muss.
Hinweis Als SI-Spannungsprüfungen Ende der 1960er Jahre eingeführt wurden, wurde
die Bewertung der Zeit-bis-zum-Scheitelwert nach allen Erscheinungen durchgeführt.
Dieses Prinzip war nicht für die Computerauswertung geeignet, und daher wurde die
Bewertung auf der Grundlage der Schnittmenge mit IEC 60060-1:2010 eingeführt.
Die Definition der Frontzeit – die in der Größenordnung von T1 ≈ 170 μs liegen
würde – wurde nicht eingeführt, weil die äquivalente Zeit-bis-zum-ScheitelwertSpitze
von Tp= 250 μs seit Jahrzehnten verwendet wird und aus traditionellen Gründen nicht
geändert werden sollte.

Wie von Sato et al. (2015) gezeigt wurde, ist Gl. (7.25) nur für Standard-SI-
Spannungen gültig, ihre Anwendung auf nicht standardgemäße SI-Spannungen
(z. B. 20/4000 µs, wie für SI-Spannungsprüfungen vor Ort akzeptiert, siehe
Abschn. 10.2.1.3) könnte zu Ausfällen von bis zu 25 % führen. Sato et al. geben
eine Formel an, die besser an den gesamten Bereich der SI-Spannungen angepasst
ist.
Die Zeit- bis- zum-Halbwert T2 ist ein virtueller Parameter, da das Zeitinter-
vall zwischen dem wahren Ursprung und dem Zeitpunkt, an dem die Spannung die
Hälfte des Prüfpannungswerts überschreitet (Abb. 7.39a): Es wird gefordert T2 =
2500 μs mit einer Toleranz von ±60 %, das bedeutet, der tatsächliche Wert muss
innerhalb von (1000–4000 μs) liegen.
Hinweis Die enorme Toleranz von T2 hängt mit Spannungsprüfungen von Geräten mit
Sättigungsphänomenen zusammen, z. B. verursacht durch den Eisenkern von Trans-
formatoren und Reaktoren. Dort verursachen die SI-Spannungen eine Sättigung
des magnetischen Kerns, die zum schnellen Zusammenbruch der Spannung führt
(Abb. 5.39b). Für solche Prüfungen wurden zusätzliche Parameter, wie die Zeit über 90 %
und die Zeit bis Null, eingeführt (siehe unten). Das weite Toleranzintervall ist akzeptabel,
weil der Durchbruchprozess in Luft – Entwicklung von Leader-Entladungen (siehe
Abb. 7.3) – durch die Steilheit der Front der SI-Spannung und sehr wenig durch die Dauer
des Rückens bestimmt wird.

Die Zeit über 90 % T90 ist das Intervall, während dessen die SI-Spannung 90 %
ihres maximalen Wertes übersteigt (Abb. 7.39b).
Die Zeit bis Null TZ ist das Intervall zwischen dem wahren Ursprung und dem
Zeitpunkt des Null-Durchgangs (Abb. 7.39b).
Die Parameter sollten nicht vermischt werden, da eine Standard-SI-Test-
spannung 250/2500 durch das Set (Vt; Tp; T2) charakterisiert werden muss und für
Prüfungen an Geräten mit Sättigungseffekten das unterschiedliche SI-Set (Vt; Tp;
T90; TZ) verwendet werden kann.

7.2.2.2 Wechselwirkung zwischen HVSI-Testsystem und Testobjekt

Berücksichtigung von Polaritätseffekten: Sowohl LI- als auch SI-Spannungs-


prüfungen von internen Isolierungen sollen bei negativer Polarität durchgeführt
werden, um Überschläge der Luftgrenzflächen von Durchführungen und End-
verschlüssen zu vermeiden. Während inhomogene Luftisolierungen bei positiver
374 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Polarität wesentlich niedrigere Durchbruchspannungen aufweisen, gibt es für


die interne Isolierung praktisch keinen, manchmal sogar einen leicht entgegen-
gesetzten Polaritätseffekt. Auch das Design der Steuerelektroden und der Iso-
lationsstrukturen der HV-Komponenten eines LI/SI-Testsystems wird durch die
maximal zu erzeugende positive SI-Spannung bestimmt. Positive spezifische SI-
Durchbruchspannungen von stark inhomogenen Feldern in Luft können bis in den
Bereich von 1 kV/cm sinken, während bei LI-Spannung ein Wert von 5 kV/cm
angenommen werden kann.
Kapazitive Prüfobjekte: Es wurde in Abschn. 7.1.2 gezeigt, dass der Aus-
nutzungsfaktor als Produkt der Formeffizienz und der Schaltungseffizienz (Gl. 7.1)
verstanden werden kann. Die Formeffizienz ηs bei SI-Spannung ist wesentlich
niedriger als bei LI-Spannung. Die Schaltungseffizienz ηc kann gemäß Gl. 7.24
für LI-Spannungen abgeschätzt werden. Für eine Lastkapazität Cl = Cb + Cto =
0,2 · Ci wird die Schaltungseffizienz ηc = 0,83. Mit einer Formeffizienz von ηs
= 0,75 erhält man eine Gesamtausnutzungsfaktor von nur η = 0,62 (Gl. 7.3).
Die Zeit bis zum Scheitelwert ist weniger empfindlich gegenüber Änderungen
der Lastkapazität als die Frontzeit der LI-Spannung. Die Toleranz der Zeit bis
zum halben Wert ist so groß, dass Änderungen des Prüfobjekts für die Auswahl
der Rückenwiderstände keine Rolle spielen. Bei der Bestellung eines LI/SI-Test-
systems muss die maximal zu erwartende Prüfobjektkapazität für die Auswahl der
Impulsenergie pro Stufe (Gl. 7.3) berücksichtigt werden.
Resistive Prüfobjekte: Regen- und Verschmutzungsprüfungen von externer
Isolierung werden ebenfalls bei SI-Prüfspannungen durchgeführt, insbesondere für
EHV- und UHV-Geräte. Der Einfluss des Widerstands eines verschmutzten Prüf-
objekts auf den gesamten Frontwiderstand eines SI-Generators (bis zu einigen
10 kΩ) bleibt vernachlässigbar. Während der Prüfung können jedoch starke Ent-
ladungen mit Strömen von einigen Ampere bemerkenswerte Spannungsabfälle
verursachen. Dies ist nicht nur ein Problem bei Regen-und Verschmutzungs-
prüfungen, sondern auch bei der Untersuchung langer Luftfunkenstrecken bei
der Zündung von Leaderentladungen. Wie oben für AC- und DC-Spannung
beschrieben, kann der Spannungsabfall berechnet werden, wenn die Höhe und
Dauer des Stromimpulses bekannt ist oder abgeschätzt werden können. Impuls-
ströme mit Spitzenwerten über 10 A und einer Dauer von einigen 10 μs wurden
beobachtet (Les Renardieres Group 1977). Es gibt noch keine Norm für den
zulässigen Spannungsabfall bei einem vorgegebenen Stromimpuls. In jedem Fall
sollte für die genannten Prüfungen ein Impulsgenerator mit hoher Impulsenergie
verwendet werden.
Induktive Prüfobjekte mit Sättigungseffekten: Für die Prüfung von Leistungs-
transformatoren fordert die IEC 60076-3:2013 Tp > 100 μs; T90 > 200 μs und
TZ > 1000 μs. Zur Verlängerung der Zeit bis zum Nulldurchgang kann bei Bedarf
eine Vormagnetisierung des Kerns mit SI-Spannung entgegengesetzter Polari-
tät und niedrigerem Maximalwert (Ve > 0,7 · Vt) durchgeführt werden. Auch
nach einem SI-Prüfspannungsstoß sollte der Kern durch Anlegen niedrigerer SI-
Spannungen entgegengesetzter Polarität entmagnetisiert werden.
7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests 375

7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests

Durchschlag- und standardisierte Stehspannungsprüfungen sowie der statistische


Hintergrund sind bereits in Abschn. 2.4 beschrieben. Die folgenden Erläuterungen
beziehen sich auf spezielle LI/SI-Prüfverfahren und verweisen auf diesen
Abschnitt.

7.3.1 Durchschlagspannungstests für Forschung und


Entwicklung

Die Konstantspannungs-Methode (multiple-level method - MLM) ist die


wichtigste und hauptsächlich verwendete Prüfmethode zur Bestimmung der Ver-
haltensfunktion von Isolationsproben (siehe Abschn. 2.4.3 und Abb. 2.31). Die
Verhaltensfunktion beschreibt die Beziehung zwischen den beanspruchenden LI/
SI-Spannungen und den Durchschlagwahrscheinlichkeiten umfassend. Der MLM-
Test kann leicht an selbstgenerierender Isolation in Luft durchgeführt werden.
Die Unabhängigkeit kann durch Unabhängigkeitstests überprüft werden. Ein
Verfahren für diesen Test wird in Tab. 2.8 erklärt. Normalerweise sind die Prüf-
ergebnisse für Luftfunkenstrecken unabhängig, wenn die Pause zwischen zwei LI/
SI-Spannungen nicht kürzer als einige Sekunden ist.
Für Luft- oder SF6-Isolation mit Oberflächen zu fester Isolation (z. B. Iso-
latoren) ist vor der weiteren Auswertung des Tests eine Überprüfung der
Unabhängigkeit wichtiger als für diese Gase allein. Wenn Abhängigkeit angezeigt
wird, sollte das Prüfverfahren geändert werden, z. B. durch längere Pausen
zwischen zwei aufeinander folgenden Impulsen. Auch die kurze Anwendung einer
niedrigeren Impulsspannung entgegengesetzter Polarität oder einer niedrigeren
Wechselspannung während der Pause kann dazu beitragen, unabhängige Ergeb-
nisse zu erhalten.
Für flüssigkeitsgetränkte und feste Isolation erfordert die MLM-Anwendung
für jede LI/SI-Spannungsbelastung eine neue Testprobe. Dies ist ein bemerkens-
werter Aufwand und die begrenzte Reproduzierbarkeit der Prüflinge verursacht
einen zusätzlichen Beitrag zur Streuung der gemessenen Verhaltensfunktion. Für
solche Testobjekte sollte geprüft werden, ob die Spannungssteigerungs-Methode
(progressive stress method - PSM; Abb. 2.26c) anwendbar ist, bei der eine Probe
einer Reihe von Impulsen bis zum Durchbruch ausgesetzt wird. Eine einzelne
Testprobe liefert in einem PSM-Test mehr Informationen als in einem MLM-Test.
Die statistische Auswertung sollte mit einem leistungsfähigen Softwarepaket
auf Basis der Maximum-Likelihood-Methode (Speck et al. 2009) durchgeführt
werden. Dies liefert (Abb. 7.40) Schätzungen der Durchbruchswahrschein-
lichkeiten einschließlich der Vertrauensbereiche für die verwendeten sieben
Spannungsniveaus, Punktschätzungen der Verhaltensfunktion (rote Linie in der
Mitte), deren Vertrauensgrenzen (blaue Grenzlinien) und auch ­Vertrauensgrenzen
376 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

beste Schätzung
Durchschlagwahrscheinlichkeit Vertrauensbereich der Verhaltensfunktion
Wahrscheinlichkeit der Verteilungsfunktion des Quantils Leistungsfunktion
Quantile:
99
97,7% 50 +2
98
95
90
, 50 +
%
70

50 50
Punkt- und
30 Konfidenzschätzungen
der
20 Wahrscheinlichkeit
, 50
10
5
2
, 50
1
1110 1130 1150 1170 1190 Spannung / kV

Abb. 7.40 Verhaltensfunktion einer Luftfunkenstrecke, ausgewertet mit der Maximum-


Likelihood-Methode auf Basis einer Normalverteilung (Gauss)

der Quantile (rosa Linien). Abb. 7.40 zeigt die Auswertung auf Basis der
Normalverteilung (Gauss). Sie kann für eine andere Verteilungsfunktion wieder-
holt werden, um die optimale Anpassung zu finden. Alle möglichen Schluss-
folgerungen können aus einem Diagramm wie Abb. 7.40 gezogen werden.
Wenn statt der gesamten Verhaltensfunktion die Schätzung eines bestimmten
Quantils (z. B. V50 oder V10) ausreichend ist, kann die Auf-und-Ab-Methode
angewendet werden (Abschn. 2.4.4 und Abb. 2.38 und 2.39). Auch für dieses
Prüfverfahren ist eine Maximum-Likelihood-Auswertung möglich und kann
empfohlen werden.

7.3.2 LI/SI-Qualitätsabnahmetests

Eine bestandene LI/SI-Qualitätssicherungsprüfung verifiziert die Isolations-


koordination (Abschn. 1.2), wobei die Prüfungen nach einem standardisierten Ver-
fahren durchzuführen sind, siehe Abschn. 2.4.6; Abb. 2.43 und IEC 60060-1:2010.
Für externe, selbst-regenerierende Isolierung (hauptsächlich in atmosphärische
Luft) sind zwei Verfahren akzeptabel (siehe auch Abschn. 2.4.6):
A1. Die LI/SI-Prüfspannung ist niedriger als die 10 % – Durchschlagspannung:
Vt < V10.
7.3 Verfahren und Bewertung von LI/SI-Spannungstests 377

A2. Die LI/SI-Prüfspannung wird 15-mal angelegt und die Anzahl der Durch-
schläge beträgt k ≤ 2.
Für interne, nicht- selbst-generierende Isolierung (alle festen oder flüssigkeits-
getränkten Isolierungen) darf während der Qualitätssicherungsprüfung kein
Durchschlag auftreten; daher wird das folgende Verfahren angewendet:
B. Die LI/SI-Prüfspannung wird dreimal angelegt und es darf kein Durchbruch
auftreten (k = 0).

Für Isolierungen wie die einer GIS, bestehend aus einem selbst-regenerierenden
(SF6-Gas) und einem nicht- selbst-generierenden (feste Isolatoren) Teil, muss
nachgewiesen werden, dass der Durchschlag im selbst-regenerierenden Teil statt-
gefunden hat. Dies kann nachgewiesen werden durch eine bestimmte Anzahl von
Nicht-Durchschlägenbei der LI/SI-Prüfspannung nach einem Durchschlag . Ein
weiterer Nachweis kann eine PD-Messung sein, die kein erhöhtes PD-Niveau
zeigt. Das gültige Verfahren wird vom zuständigen Geräteausschuss der IEC oder
IEEE festgelegt. Im Folgenden werden einige Beispiele für LI/SI-Akzeptanzprüf-
verfahren vorgestellt:
Prüfung der externen Isolierung (IEC 60071-1): Das Verfahren A1 (Vt < V10)
erfordert die Schätzung von V10 aus einer Verhaltensfunktion, die bis zu dieser
niedrigen Durchschlagwahrscheinlichkeit gemessen wird, oder für bekannte
V50 und Standardabweichung σ aus V10= V50–1,7 σ oder für bekannte V50 und
Standardabweichung σ aus V10= V50–1,7 σ oder aus einer Prüfung basierend
auf der Auf-und-Ab-Methode mit sieben Impulsen pro Spannungsebene (siehe
Abschn. 2.4.4). Das Verfahren A2 (n = 15/k= 2) ist für alle anderen Fälle anwend-
bar, wenn die oben genannten notwendigen Parameter nicht verfügbar sind
und der Aufwand für deren Bestimmung als zu hoch angesehen wird. Es ist zu
erwähnen, dass die LI-Spannungsprüfungen für trockene Isolierungen angewendet
werden (siehe Abschn. 2.1.2), während die SI-Spannungsprüfungen für beregnete
Isolierungen angewendet werden (siehe Abschn. 2.1.3).
Prüfung von gas-isolierten Schaltanlagen (GIS) (IEC 62271-203:2003): Die
Isolierung der GIS ist gekennzeichnet durch einen selbs-regenerierenden Teil, das
SF6-Gas, und einen nicht selbst-generierenden Teil, die Oberfläche und das Epoxid-
harz der Abstandsisolatoren (Spacer). Die LI/SI-Spannungsprüfungen werden
mit zahlreichen dielektrischen, thermischen, elektrischen und mechanischen
Messungen und Prüfungen kombiniert. Die Standard-Wellenformen werden
angewendet und das Verfahren A2 (15/2) muss angewendet werden. Es muss
gewährleistet sein, dass im nicht selbst-generierendem Teil kein Durchschlag oder
Überschlag auftritt. Dies gilt als bestätigt, wenn bei den letzten fünf Impulse kein
Durchschlag erfolgt. Wenn der erste Durchschlag nach dem Impuls Nr. 10 auftritt,
muss die Anzahl der Gesamtimpulse entsprechend erhöht werden. Im schlimmsten
Fall eines Durchschlags bei Nr. 15 beträgt die Gesamtzahl der Prüfimpulse 20.
Hinweis Es ist wichtig zu erwähnen, dass die „horizontale“ IEC 60071-1:1993 nur
drei Prüfstöße fordert und im Falle eines Durchschlags neun zusätzliche Spannungs-
impulse, wobei kein weiterer Durchschlag toleriert wird. Dieses Verfahren ist mit einer
höheren Unsicherheit behaftet und wurde daher als nicht ausreichend angesehen, als der
„vertikale“ GIS-Standard im Jahr 2003 eingeführt wurde.
378 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Prüfung von Leistungstransformatoren (IEC 60076-3/FDIS:2013): Der ver-


wendete Impulsgenerator muss eine Mindestimpulsenergie überschreiten. Der
Standard empfiehlt eine Energie Wimin (in Joule) gemäß der empirischen Formel:

100 · 2πf · T22 Vt2 · Sr


 
Wi min > , (7.26)
Z · Vm2 · η2

mit den Parametern des zu prüfenden Transformators:


Vm Bemessungsphasenspannung in Volt;
f Bemessungsfrequenz in Hertz;
Z Kurzschlussimpedanz in % bezogen auf die Prüfklemmen;
Sr Dreiphasenleistung in Volt-Ampere;
und mit den Prüfparametern:
Vt LI-Prüfspannungswert in Volt;
T2 Zeit bis zum Halbwert der LI-Spannung in μs;
η Effizienzfaktor in per unit.
Die LI-Spannungsprüfung ist eine Routine-Prüfung für Leistungstransformatoren
Vm > 72,5 kV, und für niedrigere Nennspannungen eine Typ-Prüfung. Für Trans-
formatoren Vm > 170 kV umfasst die Prüfung auch abgeschnittene LI-Spannungen
(LIC). Eine SI-Spannungsprüfung ist eine Routine-Prüfung für Transformatoren
Vm > 170 kV und für niedrigere Nennspannungen eine Sonder-Prüfung. Der
Impuls soll die Standardform 1,2/50 innerhalb der üblichen Toleranzen haben. Die
Bewertung nach der k-Faktor-Methode ist erlaubt, aber alternativ definiert die IEC
60076-3:2013 einige seltsame Unterschiede zur IEC 60060-1:2010:
Solange der Überschwingwert nicht mehr als 5 % beträgt (ß ≤ 5 %),
kann der Extremwert als Prüfspannungspannungswert angenommen werden.
Wenn der Überschwingwert mehr als 5 % beträgt, kann die Anstiegszeit auf
T1 = 2,5 μs verlängert werden und eine Prüfung mit abgeschnittenen Blitz-
impulsen muss durchgeführt werden. Bleibt ß ≤ 5 % unter diesen Bedingungen,
ist der Prüfspannungswert der Extremwert. Nur in seltenen Fällen, wenn der
Überschwingwert ß > 5 % nicht vermieden werden kann, soll die Bewertung nach
IEC 60060-1:2010 für Transformatoren mit Nennspannung ≤800 kV angewendet
werden. Für UHV-Transformatoren können sogar längere Anstiegszeiten zwischen
den Parteien einer Abnahmeprüfung vereinbart werden. Auch die untere Toleranz-
grenze der Halbwertszeit kann auf T2 = 20 μs reduziert werden. Die Prüfung soll
in folgender Reihenfolge durchgeführt werden:
• eine volle LI-Referenzspannung von (0,5–0,6) · Vt,
• eine volle LI-Prüfspannung Vt,
• zwei abgeschnittene (LIC) Prüfspannungen von 1,1 Vt,
• zwei volle LI-Prüfspannungen Vt.
Wenn eine SI-Spannungsprüfung durchgeführt wird, folgt diese nach der LI/LIC-
Prüfung und vor der Prüfung mit Wechselspannungen (siehe Abschn. 3.2.5). Sie
besteht aus
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 379

• einer SI-Referenzspannung (0,5–0,7) Vt und


• drei SI-Prüfspannungen Vt.
Beide Prüfverfahren gelten als bestanden , wenn kein interner Durchschlag erfolgt
und die Prüfspannung zusammenbricht. Für die LI-Prüfung müssen zusätzlich
die normalisierten Spannungsformen der Referenz-LI-Spannung und der LI-Test-
spannung sowie die normalisierten Formen der gemessenen Impulsströme (siehe
Abschn. 7.5) bei den beiden Spannungsebenen identisch sein.
LI/SI-Prüfung von Kabeln (IEC 62067:2006): Die Routine-Prüfung von
Kabeln beinhaltet keine Beanspruchung mit LI/SI-Prüfspannung. Die AC-Prüf-
spannung und eine empfindliche PD-Messung gelten als ausreichend für die
Produktionsüberwachung, aber in definierten Abständen werden detailliertere
Prüfungen von Kabelmustern (die Teile der Typ-Prüfungen wiederholen) durch-
geführt, um Produktionsmängel auszuschließen.
Eine Kabeltyp-Prüfung umfasst eine lange Reihe von Einzelprüfungen,
einschließlich LI/SI-Prüfungen, die an erwärmten Kabelprüflingen nach einer
Heiz-Zyklus-Spannungsprüfungt durchgeführt werden, der 20 einzelne Zyklen
innerhalb eines Tages umfasst, sowie eine PD-Messung. Zuerst wird die SI-
Prüfung mit 10 positiven und 10 negativen SI-Spannungen durchgeführt. Wenn
kein Durchschlag auftritt, wurde die Prüfung bestanden und der Kabelprüfling
kann nach demselben Verfahren mit LI-Spannungen beansprucht werden. Die PD-
Prüfung wird nach dem LI/SI-Test wiederholt.
Zusätzlich gibt es Vor-Qualifikationsprüfungen für komplette Kabelsysteme
von etwa 100 m Länge mit Kabelmuffen und Endverschlüssen. Die gesamte Prüf-
dauer beträgt etwa ein Jahr mit mindestens 180 Heizzyklen. Die LI-Prüfspannung
soll auf die gesamte Prüfanordnung oder auf Prüflinge mit einer Länge von
mindestens 30 m nach jedem Heizzyklus angewendet werden. Die Prüftemperatur
soll in einem Intervall zwischen maximaler Leitertemperatur und 5 K darüber
liegen. Die Prüfung besteht aus 10 positiven und 10 negativen LI-Spannungs-
anwendungen. Sie ist bestanden, wenn kein Durchschlag auftritt.
Da die Kapazitäten der Kabelprüflinge zwischen 0,15 und 0,3 nF/m liegen,
kann die Prüfobjektkapazität für 30 m Proben bis zu 9 nF und für 100 m bis
zu 30 nF erreichen. Dies sind recht hohe Kapazitäten, und daher erlaubt die
Norm Frontzeiten T1 = 1…5 μs, während T2 innerhalb der Standardwerte T2
= 40…60 μs liegt. Für SI-Prüfspannungen sollen die üblichen Toleranzen
angewendet werden.

7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

Um den Scheitelwert von hohen Impulsspannungen zu messen, wurden ursprüng-


lich Kugelfunkenstrecken verwendet, wie bereits in Abschn. 2.3.5 vorgestellt.
Diese direkte Messmethode wird jedoch heutzutage nur noch für System-
prüfungen, einschließlich Linearitätsprüfungen, empfohlen. Gelegentlich sind
auch Feldsonden anwendbar, wie in Abschn. 2.3.6 beschrieben, insbesondere
für die Messung sehr schneller transienter Spannungen, die durch Zeitparameter
380 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

im Nanosekundenbereich gekennzeichnet sind (Feser und Pfaff 1984). Dieser


Abschnitt befasst sich mit indirekten Messmethoden, bestehend aus einem HV-
Wandlungsgerät, das über ein Übertragungssystem, wie ein BNC-Kabel oder auch
eine Glasfaser-Verbindung mit dem LV-Messgerät verbunden ist. Da das Design
des Wandlungsgeräts die anspruchsvollste Aufgabe ist, konzentriert sich die
folgende Behandlung hauptsächlich auf dieses Thema. Weitere Details dazu finden
Sie auch im Lehrbuch von Schon, das 2013 veröffentlicht wurde.

7.4.1 Dynamisches Verhalten von Spannungsteilern

Blitzimpulsspannungen, insbesondere wenn sie in der Front abgeschnitten sind,


umfassen ein Frequenzspektrum von bis zu 10 MHz und darüber hinaus. Um
zu überprüfen, ob der Skalenfaktor innerhalb eines so breiten Frequenzbands
konstant bleibt, muss das dynamische Verhalten des gesamten HV-Messsystems
bekannt sein. Da dies hauptsächlich durch den Spannungsteiler bestimmt wird,
der das Wandlungsgerät repräsentiert, wird im Folgenden nur diese Komponente
untersucht. Grundsätzlich kann die Übertragungsfunktion entweder im Frequenz-
oder im Zeitbereich bestimmt werden. Die für die zweite Methode üblicherweise
verwendete Anordnung ist in Abb. 7.41 skizziert.
Normalerweise wird eine Rechteckspannung der Amplitude von einigen 100 V
und einer Anstiegszeit im Nanosekundenbereich angelegt. Um eine so kurze
Anstiegszeit zu erreichen, wird häufig ein Quecksilber-benetztes Relais verwendet,
das oft als Reed-Relais bezeichnet wird. Bei Schaltwiederholraten von etwa
100 Hz können Hintergrundstörungen effektiv durch ein sogenanntes Averaging
(Mittelwertbildung) unterdrückt werden. Aufgrund des Näherungseffekts muss
darauf geachtet werden, dass der Spannungsteiler in Übereinstimmung mit den
realen HV-Prüfbedingungen angeordnet ist, bei denen weder die HV-Anschluss-
leitung noch das Messkabel nach der Systemprüfung ausgetauscht werden sollten.

Reed-Relais Dämpfungswiderstand HV-Anschlussleitung

HV-Wandlungsgerät
R1
HV-Widerstand
Ladewiderstand
Messgerät
Übertragungssystem
V1

Gleichspannungsquelle R2
LV-Widerstand
V2

Abb. 7.41 Anordnung zur Messung der Einheits-Spannungssprungantwort von LI-Spannungs-


teilern
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 381

Unter anderem wird das dynamische Verhalten hauptsächlich durch die Streu-
kapazitäten zwischen Teilersäule und Erde sowie anderen geerdeten Strukturen
beeinflusst. Für ein besseres Verständnis betrachten Sie den äquivalenten Schalt-
kreis eines resistiven Spannungsteilers, wie in Abb. 7.42a dargestellt. Hier ist der
HV-Zweig in n gleiche Elemente unterteilt, wobei die Teilwiderstände sowie die
zugehörigen Erdkapazitäten als linear verteilt entlang der gesamten HV-Teiler-
säule angenommen werden:

R11 = R12 = · · · = R1n = R1 /n Ce1 = Ce2 = · · · = Cen = Ce /n


Unter dieser Bedingung kann die Potentialverteilung entlang der HV-Teilersäule
durch eine hyperbolische Funktion angenähert werden, die einer langen Über-
tragungsleitung entspricht (Raske 1937; Elsner 1939; Asner 1960). Da der Wider-
stand R1, der den HV-Zweig repräsentiert, viel größer ist als der Widerstand R2,
der den LV-Zweig repräsentiert, kann die zeitabhängige Spannung v2 (t) über
R2 aus der Hochspannung v1 (t) abgeleitet werden, die an die obere Elektrode
angelegt wird, unter Verwendung der klassischen Laplace-Transformation. Für das
hier betrachtete Netzwerk, das aus verteilten Elementen gemäß Abb. 7.42a besteht,
gilt die folgende Näherung:
V2 (jω) R2 sin h(γ )
F(jω) = ≈ · , (7.27)
V1 (jω) R1 sin h(n · γ )

(a) (b) (c)

C16

R16
C15

R15 1/2 R1
C14

R14
2/3 Ce
C13
V1 V1 R1 V1
R13
C12

R12 1/2R1
C11

R11
R1

R2 V2 R2 V2 R2 1/6 Ce V2

Abb. 7.42 Äquivalente Schaltkreise von ungeschirmten resistiven Spannungsteilern. a Verteilte


Kapazitäten (Übertragungsleitung). b Konzentrierte Kapazität angeschlossen am HV-Zweig. c
Konzentrierte Kapazität integriert im LV-Zweig (Tiefpassfilter) mit Rs = R1 und Cp= Ce/6
382 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

mit
(n · γ )2 = jω · R1 · Ce . (7.28)

(n ∙ γ)2 ≪ 1 erfüllt sein. Unter dieser Bedingung kann Gl. (7.27) wie folgt verein-
Um die Messunsicherheit so gering wie möglich zu halten, muss die Ungleichung

facht werden:
R2 1 R2 1 R2 1
F(jω) ≈ · 2
= · ≈ · (7.29)
R1 1 + (n · γ ) /6 R1 1 + jω · R1 · Ce /6 R1 1 + jω · τf
Auf dieser Grundlage kann das Amplituden-Frequenzspektrum wie folgt aus-
gedrückt werden:
   
 F(jω)   F(jω)  1
Fr (ω) =  2 .
=  = 
F(0)   R2 R1   (7.30)
1 + ω · τf

1 1
Fr (f ) =   2 =    2 . (7.31)
1 + 2πf · τf 1 + f f2

Offensichtlich entspricht dies der Übertragungsfunktion eines Tiefpassfilters erster


Ordnung, bei dem die obere Grenzfrequenz gegeben ist durch
1 1
f2 = = . (7.32)
2π · τf 2π · R1 · Ce /6
In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass das Netzwerk
mit verteilten Elementen gemäß Abb. 7.42a durch eine äquivalente Schaltung
ersetzt werden kann, die nur eine einzige konzentrierte Kapazität enthält, die
gleich 2/3 Ce ist, wie in Abb. 7.42b dargestellt. Auch wenn dieser Ansatz in
der einschlägigen Literatur häufig verwendet wird, kann er weiter vereinfacht
werden, wie in Abb. 7.42c dargestellt. Hier ist der Serienwiderstand des Tiefpass-
filters gleich dem Widerstand R1 des HV-Zweiges, während die Parallelkapazität
1/6 der gesamten Erdkapazität Ce der HV-Teilersäule beträgt, die grob mit der
sogenannten Antennenformel abgeschätzt werden kann, wie im Folgenden noch
ausführlicher erläutert wird.
Die Amplituden-Frequenzantwort eines Tiefpassfilters erster Ordnung, gegeben
durch Gl. (7.31), ist in Abb. 7.43a dargestellt. Zum Vergleich ist die Einheits-
Sprungantwort im Zeitbereich in Abb. 7.43b gezeichnet, die lautet
 
g(t) = 1 − exp −t/τf . (7.33)

Beispiel Betrachten Sie den HV-Arm eines LI-Teilers mit einem HV-Widerstand
R1= 10 kΩ und einer Streukapazität gegen Erde von Ce = 30 pF, dann erhält man die
folgenden Werte, die einen äquivalenten Tiefpassfilter erster Ordnung entsprechen
(Abb. 7.42c): Rs = R1 = 10 kΩ und Cp = Ce/6 = 5 pF. Basierend darauf werden die
folgenden Werte der Schaltungselemente erhalten:
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 383

(a) 1 (b) 1

0,8 0,8

0,6 0,6

S(t)
A(f)

0,4 0,4

0,2 0,2 tr= 2,2 f

0 0
0,1 1 10 0 1 2 3 4
f/f 2 t/ f

Abb. 7.43 Dynamisches Verhalten eines Tiefpassfilters erster Ordnung. a Amplituden-Frequenz-


antwort. b Einheits-Sprungantwort

Abb. 7.44 Spannungsrampe


v1(t) abgeschnitten nach
2,0
LI-Prüfspannung [MV]

der Zeit Tc = 500 ns und V


Ausgangssignal v2(t)
1,5 v1
nach Durchlaufen eines
Tiefpassfilters erster
Ordnung, gekennzeichnet 1,0
f v2(t)
durch die Zeitkonstante τf
0,5

0
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
Zeit [µs]

• Antwortzeitkonstante τf= R1 · Ce/6= 50 ns


• Anstiegszeit tr= 2,2 · τf= 110 ns
• Obere Grenzfrequenz f2 =1/(2 · π · τf)= 3,2 MHz

Um die Abweichung von den realen Werten einer in der Front abgeschnittenen
LI-Spannung abzuschätzen, soll eine linear ansteigende Spannungsrampe gemäß
Abb. 7.44 (rote Kurve) betrachtet werden. Unter dieser Bedingung folgt die auf-
gezeichnete Spannung (blaue Kurve) fast der angelegten Spannung, jedoch ver-
zögert um die Zeitkonstante τf = 50 ns. Daher ist zum Zeitpunkt des Abschneidens
Tc der folgende Spitzenwert zu erwarten:
 
Vp = Vc 1 − τf /Tc .
Angenommen, die LI-Spannung wird zum Zeitpunkt Tc = 500 ns abgeschnitten,
erhält man die folgende relative Abweichung der Ausgangsspannung vom wahren
Wert der angelegten LI-Prüfspannung:
Vc − Vp �V τf 50 ns
= = = = 0.1 = 10%.
Vc Vc Tc 500 ns
384 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass unter realistischen


Bedingungen anstelle einer exponentiellen Sprungantwort häufig eine
schwingende Sprungantwort auftritt, wie beispielhaft in Abb. 7.45 gezeigt. Dies
ist hauptsächlich auf die Wechselwirkung zwischen der inhärenten Induktivi-
tät der Teilersäule und der Erdkapazität zurückzuführen. Daher wurde für Ver-
gleichszwecke die sogenannte Flächenzeitkonstante τa eingeführt. Dieser Ansatz
basiert auf der Tatsache, dass die Fläche zwischen der angelegten Einheitssprung-
spannung und der zugehörigen Antwortfunktion g(t) eines Tiefpassfilters gemäß
Gl. (7.33) direkt proportional zur charakteristischen Zeitkonstante τf des Tiefpass-
filters ist:
ˆ∞
  
τa = 1 − g(t) dt = τf . (7.34)
0

Die maßgeblichen Einheits-Sprungantwort-Parameter, empfohlen in der IEC


60060-2, sind in Abb. 7.46b dargestellt und wie folgt definiert:

• Experimentelle Ansprechzeit TN= Tα− Tβ+ Tγ− Tδ+ Tε


• Teilansprechzeit Tα
• Restansprechzeit TR= Tβ− Tγ+ Tδ− Tε…
• Überschwinger βrs
• Einschwingzeit ts(Definition siehe Text unten)
• Ursprung der Sprungantwort O1(Definition siehe Text unten)

Die Sprungantwort wird normalerweise für eine nominelle Epoche aufgezeichnet,


die als Bereich der Werte zwischen dem Minimum (tmin) und dem Maximum (tmax)
der relevanten Zeitparameter der Impulsspannung definiert ist, für die das Mess-
system zugelassen werden soll, wie zum Beispiel die Anstiegszeit T1 für voll-
ständige und abgeschnittene LI-Spannungen, die Zeit bis zum Abschneiden Tc
für front-abgeschnittene LI-Spannungen und die Zeit bis zum Spitzenwert Tp für
SI-Spannungen. Darüber hinaus muss die sogenannte Referenzebenen-Epoche

(a) (b)

Zeitskala: 20 ns/Div

Abb. 7.45 Experimentell bestimmte Antwort (rote Kurven) eines kapazitiven (a) und eines
resistiven (b) Teilers bei Anlegen einer Sprungspannung (blaue Spur)
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 385

(a) (b)
V/V0 V/V0
1,2 1,2 T
T T T
1,0 1,0
A0 = V0 T
0,8 0,8

0,6 0,6
S(t) S(t)
0,4 0,4

0,2 0,2

0
0 1 2 3 4 0 1 2 3 4

Abb. 7.46 Einheits-Sprungantwort-Parameter von Spannungsteilern. a RC-Schaltung (Tiefpass-


filter erster Ordnung). b RLC-Schaltung

berücksichtigt werden, die als Zeitintervall definiert ist, in dem die Referenzebene
der Sprungantwort mit ihrer unteren Grenze gleich 0,5-mal der unteren Grenze
der nominellen Epoche (0,5 tmin) und ihrer oberen Grenze gleich 2-mal der oberen
Grenze der nominellen Epoche (2 tmax) bestimmt wird. Die oben aufgeführten
Parameter werden für die Zeitspanne ermittelt, die zwischen dem Ursprung O1
der aufgezeichneten Sprungantwort und der Einschwingzeit ts verstreicht, wobei
O1 der Zeitpunkt ist, zu dem die aufgezeichnete Antwortkurve einen monotonen
Anstieg über die Amplitude des Grundstörpegels auf der Null-Ebene der Sprung-
antwort beginnt, und ts die kürzeste Zeit ist, für die der relative Beitrag der ver-
bleibenden Antwortzeit kleiner als 2 % von ts wird und bleibt, das bedeutet
/TN – TR/ ≤ 0,02 ts, was für t > ts erfüllt sein muss.
In der Vergangenheit war es üblich, die Messunsicherheit von Spannungs-
teilern mit der sogenannten Faltungs-Methode abzuschätzen, die auf den
charakteristischen Sprungantwort-Parametern basiert. Ergebnisse internationaler
Ringversuche zeigten jedoch, dass diese Methode nicht in der Lage ist, die Mess-
unsicherheit von technischen HV-Impulsspannungsteilern innerhalb der in den
relevanten IEC-Normen festgelegten Grenzen zu bestimmen. Unter anderem (z. B.
Annahme eines Tiefpassfilters) ist dies darauf zurückzuführen, dass der Ursprung
der aufgezeichneten Kurve, der in der IEC 60060-2010 als O1, bezeichnet wird,
mehr oder weniger verzögert auftritt, verglichen mit dem Zeitpunkt t = 0, wenn
die Spannungsstufe angelegt wird, siehe Abb. 7.45. Diese Signallaufzeit wird
hauptsächlich durch die Laufgeschwindigkeit der Wanderwelle bestimmt, die für
HV-Anschlussleitungen und die Teilersäule etwa 30 cm/ns und für Messkabel fast
20 cm/ns beträgt. Darüber hinaus könnten störende Oszillationen angeregt werden
(Abb. 7.45), zum Beispiel durch Reflexionen an den Enden der HV-Anschluss-
leitungen oder auch durch eine schlechte Auslegung der Erdungsrückleitungen.
Folglich kann der oben erwähnte Ursprung O1 der aufgezeichneten Antwort-
funktion nicht genau bestimmt werden und führt somit zwangsläufig zu einer
fehlerhaften Bestimmung der charakteristischen Ansprechzeitparameter.
386 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Trotz der oben dargestellten Probleme hat sich die Bestimmung der signi-
fikanten Parameter aus der Sprungantwort zu einer weit verbreiteten Methode
entwickelt, um das dynamische Verhalten von Spannungsteilern zu optimieren.
Darüber hinaus wird diese Methode als „Fingerabdruck“ für Systemprüfungen
empfohlen (siehe Abschn. 2.3.2). Um den Skalenfaktor zu kalibrieren sowie
das angemessene dynamische Verhalten nachzuweisen, empfiehlt die Norm
IEC 60060-2:2010 den Vergleich mit Referenzmesssystemen (RMS, siehe
Abschn. 2.3.3), die in der Lage sein sollen, die erweiterte Messunsicherheit inner-
halb der folgenden Grenzen zu bestimmen:
≤1 % für die Scheitelwerte der vollen LI- und SI-Spannungen sowie der im
Rücken abgeschnittenen LI-Spannungen
≤3 % für die Scheitelwerte der in der Front abgeschnittenen LI-Spannungen
≤5 % für die Zeitparameter von LI- und SI-Spannungen in ihrem Anwendungs-
bereich.
Um das angemessene Übertragungsverhalten eines HV-Messsystems nach-
zuweisen, soll die Kalibrierung auf einem Vergleich mit einem solchen RMS
basieren. Die Kalibrierung soll auf die Standards eines nationalen metro-
logischen Instituts zurückführbar sein. Zu diesem Zweck sollen LI-Spannungen
mit verschiedenen Anstiegszeiten im nominalen Epochenbereich angewendet
werden. Alternativ soll der Skalenfaktor des Referenzmesssystems für eine
Impulsspannungsform mittels eines höherklassigen Referenzmesssystems auf
dem relevanten Prüfspannungspegel festgelegt werden. Zusätzlich sollen die
gemessenen Einheits-Sprungantwortparameter eines RMS den in Tab. 7.3
zusammengefassten Empfehlungen entsprechen.
Aufgrund der Tatsache, dass die Messunsicherheit eines HV-Messsystems
hauptsächlich durch den Spannungsteiler selbst bestimmt wird, können die oben
genannten Empfehlungen im Prinzip auch für Referenzspannungsteiler allein
übernommen werden, wenn diese entweder von einem nationalen Metrologie-
institut oder auch von einem vom Nationalen Institut für Metrologie akkreditierten
Kalibrierlabor bestimmt wurden.

Tab. 7.3 Empfohlene Einheits-Sprungantwortparameter für LI- und SI-Spannungsreferenzmess-


systeme
Parameter Vollständige und Front-abgeschnittene SI-Spannungen (μs)
abgeschnittene LI- LI-Spannungen (ns)
Spannungen (ns)
Experimentelle ≤15 ≤10
Antwortzeit TN
Teil-An twortzeit Tα ≤30 ≤20
Einschwingzeit ts ≤200 ≤150 ≤10
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 387

7.4.2 Konstruktion von Spannungsteilern

Um hohe Impulsspannungen zu messen, sind grundsätzlich resistive, kapazitive


oder auch gemischte Spannungsteiler anwendbar, siehe Abb. 2.10. Da die
Gestaltung von LI-Spannungsteilern die anspruchsvollste Aufgabe ist, richtet sich
die folgende Behandlung hauptsächlich an dieses Thema. Im Allgemeinen muss
berücksichtigt werden, dass LI-Teiler immer „räumlich nach“ dem Prüfobjekt
angeordnet sein sollten, wie in Abb. 7.47 dargestellt, d. h. niemals „zwischen“
Impulsgenerator und Prüfobjekt. Bei der Verwendung der letzteren Anordnung
würde der Transientenstrom durch das Prüfobjekt eine zusätzliche induktive
Spannung über die HV-Anschlussleitung verursachen. Folglich würde eine höhere
Scheitelspannung gemessen als die, die am Prüfobjekt angelegt wurde.

7.4.2.1 Resistive Spannungsteiler

Um hohe LI-Spannungen zu messen, insbesondere wenn sie in der Front


abgeschnitten sind, sollten vorzugsweise resistive Spannungsteiler verwendet
werden. Solche Teiler werden seit Anfang des letzten Jahrhunderts verwendet
(Binder 1914; Peek 1915; Grünewald 1921; Marx 1926; Bellaschi 1933; Burawoy
1936; Finkelmann 1936; Hagenguth 1937; Raske 1937; Elsner 1939). Wie zuvor
besprochen, wird das dynamische Verhalten und damit die Messunsicherheit von
HV-Teilern hauptsächlich durch die Streukapazität Ce zwischen der HV-Teiler-
säule und der Erde bestimmt. Diese kann grob mit der sogenannten Antennen-
formel (Küpfmüller 1990) abgeschätzt werden, bei der die Teilersäule durch einen

Unter der allgemein erfüllten Bedingung d ≪ h erhält man die folgende Näherung:
vertikalen metallischen Zylinder der Höhe h und dem Durchmesser d ersetzt wird.

2π · ε0 · h h
Ce ≈ ≈ 56(pF/m) · . (7.35)
ln(h/d) ln(h/d)

Dämpfungswiderstand HV-Anschlussleitung

Wandlungsgerät
R1
LI-
Spannungs
generator Messgerät
Prüfobjekt Übertragungssystem
V1

R21 R22

V2

Abb. 7.47 Anordnung eines Messsystems für LI-Prüfspannungen


388 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Beispiel Betrachten Sie eine HV-Teilersäule mit h = 4 m Höhe und d = 0,1 m Durch-
messer. Setzt man diese Werte in Gl. (7.35) ein, so ergibt sich die Erdkapazität zu Ce ≈
58 pF. Angenommen, der Widerstand des HV-Zweiges beträgt R1 = 10 kΩ, erhält man die
folgende charakteristische Zeitkonstante des äquivalenten Schaltkreises gemäß Abb. 7.42:
τf = R1 · Ce/6 ≈ 100 ns. Wird eine LIC-Spannung gemessen, die zum Zeitpunkt Tc =
0,5 μs abgeschnitten ist, wäre der gemessene Scheitelwert etwa 20 % niedriger als der tat-
sächlich am Prüfobjekt angelegte Wert, siehe Abb. 7.44. Folglich ist der hier untersuchte
Spannungsteiler nicht in der Lage, front-abgeschnittene LI-Spannungen gemäß IEC
60060-2 zu messen.

Ein Foto eines Widerstandsteilers, der für die Messung von LI-Spannungen bis zu
2,2 MV ausgelegt ist, ist in Abb. 7.48 dargestellt. Trotz des vergleichsweise hohen
HV-Widerstandes von R1 = 10 kΩ wurde eine experimentelle Antwortzeit von nur
15 ns erreicht, die deutlich niedriger ist als die für den oben untersuchten Teiler
mit vergleichbaren geometrischen Abmessungen und gleichem Widerstandswet
des HV-Zweiges. Unter anderem wurde dies durch die Verwendung einer
großflächigen „Abschirm“-HV-Elektrode erreicht, wie sie ursprünglich von Davis
im Jahr 1928 und Bellaschi im Jahr 1933 vorgeschlagen wurde, da dies den Ein-
fluss der Erdkapazität auf die Zeitkonstante τf reduziert. So werden die Teilströme
Ie1, Ie2 … und Ie6 zwischen Teilersäule und Erde mehr oder weniger durch die Teil-
ströme Ih1, Ih2 … und Ih6 zwischen Teilersäule und HV-Elektrode kompensiert, wie
schematisch in Abb. 7.49 dargestellt.

Abb. 7.48 Fotografie


eines abgeschirmten
Widerstandsteilers für
2,2-MV-LI-Spannungen (mit
freundlicher Genehmigung
der TU Dresden)
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 389

Ih6 Ie6

Ih5 Ie5

Ih4 Ie4

Ih3 Ie3
V1
Ih2 Ie2

Ih1 Ie1

V2

Abb. 7.49 Prinzip der Kompensation der Teilströme zwischen Teilersäule und Erde durch die
Ströme zwischen HV-Elektrode und Teilersäule

Zusätzlich wurde die Feldabstufung entlang der HV-Teilersäule optimiert,


einerseits durch die erwähnte größere Fläche der oberen HV- Elektrode
(Abb. 7.50) und andererseits durch Modifikationen der Windungen des Wider-
standsdrahtes. Für diesen Zweck wurde die Steigung der Spirale, die durch den
Widerstandsdraht gebildet wird, der um einen Isolierzylinder gewickelt ist, ent-
sprechend variiert, wie ursprünglich von Goosens und Provoost im Jahr 1946
vorgeschlagen. Optimale Bedingungen werden erreicht, wenn die Feldverteilung
entlang der Teilersäule der Feldverteilung zwischen der oberen HV-Elektrode
und der unteren Erd-Elektrode allein entspricht, die in Abwesenheit der Teiler-
säule auftreten würde. Darüber hinaus wurde die Induktivität der Widerstands-
säule durch zwei bifilare Wicklungen minimiert, die in entgegengesetzter Richtung
um den Isolierzylinder gewickelt wurden (Spiegelberg 1966). Eine weitere früher
angewandte Option zur Minimierung der Induktivität der HV-Teilersäule ist die
Verwendung von mäanderförmigen Widerständen (Mahdjuri-Sabet 1977), die als
Schniewind-Band bekannt sind.
Auf der Grundlage praktischer Erfahrungen kann festgestellt werden, dass
abgeschirmte Widerstandsteiler mit einem HV-Widerstand in der Größenordnung
von 10 kΩ die einzigen sind, die für die Messung von frontabgeschnittenen LI-
Spannungen gemäß IEC 60060-2:2010 bis zu etwa 2 MV anwendbar sind. Für
die Messung höherer LI-Spannungen müssten die hohen Teiler mit übermäßig
großen und damit teuren Abschirmelektroden ausgestattet werden, was die
mechanische Stabilität verringern würde. Eine sorgfältig angepasste Abschirmung
und Potentialabstufung ist auch unter praktischen Bedingungen begrenzt, da der
390 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) (b)
80 %

60 %

40 % 80 %

60 %

20 %
40 %

20 %

Abb. 7.50 Verteilung der Äquipotentiallinien entlang der HV-Säule von Widerstands-LI-
Spannungsteilern. a Ohne Feldabstufung. b Mit Feldabstufung unter Verwendung einer
großflächigen Abschirmelektrode

Abstand zu geerdeten und auch spannungsführenden Strukturen so groß wie mög-


lich gewählt werden muss, um unerwünschte Beeinflussungen der optimierten
Feldabstufung zu vermeiden.
Um das dynamische Verhalten zu verbessern, könnte im Prinzip der Widerstand
des HV-Zweiges auch deutlich unter 10 kΩ reduziert werden. Dies würde jedoch
die Rückenhalbwertszeit erheblich verkürzen und auch die Ausgangsspannung
des LI-Generators verringern. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass
die Leistungsverluste in der HV-Teilersäule mit dem Quadrat der angelegten
Spannung zunehmen, was zu einem dramatischen Temperaturanstieg führt. Auf-
grund praktischer Erfahrungen kann festgestellt werden, dass eine experimentelle
Antwortzeit unter 15 ns nur erreicht werden kann, wenn der Widerstand des HV-
Arms auf wenige kΩ reduziert wird. Solche Spannungsteiler sind jedoch nur für
die Messung von LI-Spannungen unter 500 kV anwendbar.

7.4.2.2 Gedämpfte Kapazitive Teiler

Um die oben diskutierten Nachteile reiner resistiver Spannungsteiler zu über-


winden, erscheint der Einsatz von kapazitiven Teilern als eine vernünftige Alter-
native, da weder die Ausgangsspannung des LI-Generators noch die Zeitparameter
durch eine kapazitive Last negativ beeinflusst werden. Darüber hinaus wird die
Teilersäule auch bei Anwendung von LI-Spannungen bis zu mehreren MV niemals
erhitzt. Der Hauptnachteil reiner kapazitiver Teiler besteht jedoch darin, dass
starke Schwingungen angeregt werden könnten, wie beispielhaft in Abb. 7.51a
gezeigt.
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 391

Dies liegt daran, dass kapazitive Teiler im Hochfrequenzbereich wie ein


Schwingkreis wirken, da unter dieser Bedingung die Teilersäule aus übereinander
gestapelten HV-Kondensatoren durch einen metallischen Zylinder und somit durch
eine Induktivität simuliert werden kann, die mit den Erdkapazitäten interagiert.
Um solche Schwingungen zu verhindern, schlugen Zaengl (1964) und Spiegel-
berg (1964) vor, die in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren jeweils über einen
Serienwiderstand zu verbinden. Der Hauptvorteil dieses Ansatzes besteht nicht
nur darin, dass störende Schwingungen drastisch gedämpft werden können, wie
beispielhaft in Abb. 7.51b gezeigt, sondern auch darin, dass die experimentelle
Antwort-Zeitkonstante signifikant reduziert werden kann, was im Gegensatz zu
den Übertragungseigenschaften klassischer RC-Tiefpassfilter steht, bei denen
die experimentelle Antwort-Zeitkonstante proportional zum Serienwiderstand
zunimmt.
Zum besseren Verständnis soll die in Abb. 7.52b gezeigte Ersatzschaltung im
höheren Frequenzbereich analysiert werden. Unter dieser Bedingung wirken die
Serienkapazitäten als kurzgeschlossen, so dass nur die folgenden Schaltungs-
elemente berücksichtigt werden müssen:

Rd = R11 + R12 + · · · + R1n = n · R11 ,


Ld = L11 + L12 + · · · + L1n = n · L11 ,
Cp = Ce /6.

Um die folgende Behandlung zu vereinfachen, soll die Teilersäule durch einen


metallischen Zylinder der Höhe h und dem Durchmesser d ersetzt werden.
Basierend auf der klassischen Antennenformel (Küpfmüller 1990) kann die äqui-
valente Induktivität ungefähr abgeschätzt werden durch
µ0 · h · ln(h/d) h
Ld ≈ ≈ 0.2(µH/m) · . (7.36)
2π ln(h/d)
Kombiniert man dies mit Gl. (7.35), kann der Wellenwiderstand der hier
betrachteten Stabantenne wie folgt abgeschätzt werden:

(a) (b)

Zeitskala: 20 ns

Abb. 7.51 Einheits-Sprungantwort eines kapazitiven Teilers ohne und mit Dämpfungswiderstand
392 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) (b)
Cen HV Anschlusskabel Rs HV Anschlussleitung Rs

Ln

Rn
Cn
Cen-1

R1

Ce2 V1 V1

L11

R11

Ce1 C11 Rd Ld

L2

R2 Cp V2
R2 V2
C2

Abb. 7.52 Ersatzschaltung eines gedämpften kapazitiven Teilers. a Gedämpfter C-Teiler mit ver-
teilten Elementen. b Idealer R-Teiler kombiniert mit einem RLC-Netzwerk

     
Ld µ0 1 h Z0 h
Za ≈ ≈ · · ln = · ln . (7.37)
Cp ε0 2π d 2π d

Fügt √man die charakteristische Wellenimpedanz des „leeren Raumes“


Z0 = µ0 /ε0 ≈ 377 � ein, kann auch geschrieben werden:
   
377 � h h
Za ≈ · ln ≈ (60 �) · ln . (7.38)
2π d d

Für eine weitere Vereinfachung soll im Einklang mit der klassischen Netzwerk-
theorie angenommen werden, dass der Übergang von einer schwingenden Antwort
zu einer monotonen erfolgt, wenn für den Serienwiderstand gilt:

Ld
Rd > 2 . (7.39)
Cp

Ersetzt man Cp durch Ce/6 gemäß Abb. 7.42 und kombiniert Gl. (7.39) mit
Gl. (7.38), erhält man den folgenden Ansatz:
      
6 · Ld 5 · Z0 h h h
Rd > 2 ≈ · ln ≈ 0.8 · Z0 · ln ≈ (300 �) · ln . (7.40)
Ce 2π d d d
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 393

Auch wenn dieser Ansatz das Ergebnis starker Vereinfachungen ist, hat er sich
erfolgreich als grundlegendes Gestaltungskriterium für gedämpfte kapazitive
Spannungsteiler erwiesen. In diesem Zusammenhang muss jedoch berücksichtigt
werden, dass zusätzlich zum „internen“ Dämpfungswiderstand, der aus Gl. (7.40)
folgt, auch ein „externer“ HV-Widerstand von etwa 300 Ω zwischen Prüfobjekt
und oberer Elektrode des Teilers geschaltet werden muss, um das Auftreten von
Wanderwellen zu verhindern.
Beispiel Betrachten Sie einen 2-MV-Teiler, der aus fünf in Reihe geschalteten HV-
Kondensatoren besteht, wobei die Höhe der gesamten Teilersäule h = 5 m und der
Durchmesser d = 0,25 m beträgt, d. h. h/d = 20. Basierend auf Gl. (7.40) erhält man
Rd > (300 Ω) · ln (20) ≈ 900 Ω. Die fünf in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren sollten
daher mit vier Serienwiderständen verbunden werden, von denen jeder (900/4) Ω ≈
225 Ω beträgt. Unter Verwendung eines zusätzlichen externen Reihenwiderstands von
300 Ω erreicht der Gesamtserienwiderstand (900 + 300) Ω = 1200 Ω. Dieser Wert muss
bei der Auswahl des im LV-Zweig zu integrierenden Widerstands berücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang sollte betont werden, dass die Gestaltung des LV-
Zweiges gedämpfter kapazitiver Teiler eine Herausforderung darstellt, da das
Verhältnis zwischen den Induktivitäten des HV- und LV-Zweiges dem Teiler-Ver-
hältnis entsprechen muss, das auch dem Widerstandsverhältnis entspricht und
umgekehrt proportional zum Kapazitätsverhältnis ist:
  
L2 L1 = R2 R1 = C1 C2 .
Beispiel Unter Anwendung von Gl. (7.36) ergibt sich die effektive Induktivität des HV-
Zweiges der oben betrachteten 2-MV-Teilersäule von h = 5 m Höhe und d= 0,25 m
Durchmesser als L1 = 0,2 (µH/m) · 5 m · ln (20) ≈ 3 μH. Angenommen, das Teiler-Ver-
hältnis beträgt R2 /R1 = C1 /C2= 1/1000, dann muss die Induktivität L2 des LV-Zweiges so
niedrig wie 3 nH gewählt werden.

Der effektivste Weg, um die Induktivität des LV-Zweiges zu minimieren,


besteht darin, diesen wie eine Scheibe zu gestalten, d. h. eine große Anzahl von
Elementen parallel zu schalten, wie aus Abb. 7.53 ersichtlich ist. Hier besteht

Abb. 7.53 LV-Arm eines gedämpften kapazitiven Teilers, der aus 60 parallelen Elementen
besteht, von denen jedes aus einem in Serie geschalteten Widerstand und einem Kondensator
besteht
394 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

jedes parallel geschaltete Element aus einer Serienschaltung eines Kondensators


mit einem Widerstand.
Vergleicht man die verschiedenen Teilertypen, so lässt sich feststellen, dass
gedämpfte kapazitive Teiler ein hervorragendes dynamisches Verhalten auf-
weisen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Leistung, die in den Widerständen
zwischen den in Reihe geschalteten HV-Kondensatoren erzeugt wird, aufgrund
der kurzen Dauer des transienten Stroms durch den HV-Teilerzweig recht gering
ist. Darüber hinaus bietet die effektive Kapazität des HV-Zweiges eine Grundlast
für den LI-Generator. Da der Ladestrom umgekehrt proportional zur Frequenz
ist, eignen sich gedämpfte kapazitive Teiler auch gut für die Messung von SI-
und AC-Spannungen sowie von zusammengesetzten Spannungen. Wenn sie mit
einem hochohmigen Widerstand ausgestattet sind, der parallel zum HV-Zweig
geschaltet ist, kann ein solcher „universeller“ Teiler, wie in Abb. 2.10 dargestellt,
auch Gleichspannungen einschließlich überlagerte Spannungsripple messen, die
ein Frequenzspektrum von bis zu mehreren kHz abdecken. Aufgrund des breiten
Anwendungsbereichs wird der hier vorgestellte gedämpfte kapazitive Teiler oft
auch als Universalteiler bzw. „Multiple-Purpose Divider“ bezeichnet.
Aufgrund der oben genannten Vorteile sind die meisten Referenzmesssysteme
(RMS) heutzutage mit gedämpften kapazitiven Teilern ausgestattet. Im Folgenden
soll das allgemeine Konstruktionsprinzip eines 200 kV LIC-Teilers kurz
beschrieben werden. Der HV-Zweig besteht aus 10 keramischen Kondensatoren 2
nF / 25 kV in Serienschaltung. Die einzelnen Kondensatoren sind über 9 Wider-
standsblöcke in Serie geschaltet, wie in Abb. 7.54 dargestellt. Messungen der Ein-
heitssprung-Antwort ergaben, dass ein optimales dynamisches Verhalten erreicht
wurde, wenn der Widerstand jedes Widerstandsblocks etwa 70 Ω beträgt. Dies
wurde mit Hilfe von niederinduktiven Metalloxidwiderständen, Nennwert 68 Ω,

Abb. 7.54 Ausschnitt eines


gedämpften kapazitiven
Teilers, Nennspannung
200 kV HF-Kondensator
2,2 nF / 24 kV

68 Widerstandsblock
4 Stück in Serie, 68 jeweils
4 Stück parallel, 68 jeweils
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 395

realisiert. Vier davon sind in Serie und vier parallel geschaltet, so dass der
resultierende Widerstand jedes Widerstandsblocks ebenfalls 68 Ω beträgt. Mit der
klassischen Einheitssprung-Antwortmethode wurden die folgenden Zeitparameter
gemäß Tab. 7.3 ermittelt:
Experimentelle Antwortzeit: TN ≈ 2 ns
Teilantwortzeit: Tα ≈ 5 ns
Einschwingzeit: ts ≈ 120 ns.

7.4.3 Digitalrekorder

Um schnelle transiente Signale in der Hochspannungstechnik zu messen, wie


zum Beispiel LI-Prüfspannungen sowie durch Blitzüberspannungen angeregte
Wanderwellen, die sich entlang von Hochspannungsübertragungsleitungen aus-
breiten, wurden ursprünglich Kathodenstrahl-Oszilloskope (CRO) eingesetzt
(Binder1914; Gabor 1927; Krug 1927). Anfangs war die elektromagnetische
Verträglichkeit (EMV) kein Problem, da die ersten verfügbaren CRO speziell
für HV-Messungen entwickelt wurden und daher nicht mit empfindlichen
Verstärkern ausgestattet waren, die später für die vertikale und horizontale
Ablenkung des Elektronenstrahls eingesetzt wurden. In den 1940er Jahren wurden
Scheitelspannungsmeßgeräte eingesetzt, die die ersten verfügbaren Vakuumröhren
zur Gleichrichtung des schnellen LI-Signals verwendeten. Digitale Recorder,
ursprünglich auch als „Digitizer“ bezeichnet, wurden Anfang der 1980er Jahre
erstmalig in der HV-Messtechnik verwendet (Malewski et al. 1982). Nach-
dem die anfänglichen EMV-Probleme erfolgreich gelöst wurden (Strauss 1983
und 2003; Steiner 2011), werden Digitalrekorder heutzutage fast ausschließlich
zur Aufzeichnung und Verarbeitung von LI- und SI-Prüfspannungen eingesetzt
(Abb. 7.55). Aufgrund der jüngsten Fortschritte in der digitalen Signalver-
arbeitung (DSP) werden computergestützte Digitalrekorder nicht nur für LI- und
SI-Testspannungsmessungen, sondern auch zunehmend für Wechsel- und Gleich-
spannungsmessungen sowie für die Messung von zusammengesetzten und
kombinierten Prüfspannungen eingesetzt.
Ein Foto eines „stand-alone“-Gerätes in Verbindung mit einem Industrie-
PC ist in Abb. 7.56 dargestellt. Wie aus dem vereinfachten Blockdiagramm
in Abb. 7.57 ersichtlich, sind die Hauptkomponenten eines Digitalrekorders
das Dämpfungsglied am Eingang, gefolgt von einem rauscharmen Verstärker,
einem Analog-Digital-Wandler (ADC), einer Speichereinheit und einem
Industrie-PC (IPC). Ein Mikrocontroller dient zur Einstellung der Eingangs-
empfindlichkeit sowie zur Steuerung der verschiedenen Einheiten zur digitalen
Signalverarbeitung, Erfassung und Datenspeicherung. Der Industrie-PC arbeitet
mit einem speziellen Softwarepaket, das die Erfassung der gespeicherten Roh-
daten und die Visualisierung des zeitabhängigen Eingangssignals ermöglicht.
Gleichzeitig werden die relevanten Impulsparameter angezeigt, wie zum Beispiel
396 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.55 Aufzeichnung und Verarbeitung von LI-Prüfspannungen (Von oben: Aufzeichnungen
von 50 und 100 % Prüfspannungswerten; Vergleich der normalisierten Spannungen; Differenz
der normalisierten Spannungen)

der ­Scheitelwert der gemessenen LI/SI-Prüfspannung, die Front- und Rückenhalb-


wertszeit und gelegentlich die Abschneidezeit.
Die Messunsicherheit kann sowohl durch die Hardware als auch durch die Soft-
ware beeinflusst werden. Aufgrund der vergleichsweise hohen Quantisierungs-
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 397

Abb. 7.56 Fotografie


eines „stand-alone“
Digitalrekorders

A/D Industrie- Visualisierung


Dämpfungsglied Verstärker Speichereinheit Schnittstelle
Wandler computer

A
Eingabe AM MU IF IPC
D

Steuereinheit

Abb. 7.57 Vereinfachtes Blockdiagramm eines Digitalrekorders für HV-Messungen

rate der heutzutage verfügbaren Digitalrekorder, die normalerweise 12 oder 14 bit


und sogar mehr erreicht, sowie der hohen Abtastrate, die in der Größenordnung
von 100 MS/s und darüber liegt, ist der Beitrag der Hardware zur Messunsicher-
heit viel geringer als der von Spannungsteilern. Da der Quantisierungsfehler durch
50 % des least significant bit (LSB) gegeben ist, beträgt dieser etwa 0.012% bei
einem langsam ansteigenden Signal der Quantisierungsrate von 14 bit etwa
0,012 %. Die Abweichung vom wahren Wert erhöht sich jedoch erheblich, wenn
frontabgeschnittene LI-Spannungen gemäß Abb. 7.58 bei einer Abtastrate von
100 MS/s gemessen werden. Dies liegt daran, dass die Spannungsdifferenz Vs
zwischen jeder Abtastung umgekehrt proportional zur Abtastrate fs ist. Für eine
angenommene Abschneidezeit von beispielsweise Tc = 0,5 μs und einer Scheitel-
spannung Vc kann die Spannungsdifferenz zwischen jeder Abtastung näherungs-
weise durch Vs = Vc /(Tc · fs ) = Vc /50 = 0.02 · Vc . bestimmt werden. Unter
398 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

2,0
V

LI-Prüfspannung [MV]
1,5

1,0

0,5

0
0 0,2 0,4 0,6 0,8

Abb. 7.58 Quantisierungsfehler einer in der Front abgeschnittenen LI-Prüfspannung aufgrund


der Analog-Digital-Umsetzung

dieser Bedingung erreicht die maximale Abweichung des gemessenen Wertes vom
wahren Wert, die durch 0,5 LSB gegeben ist, 1 % des Scheitelwertes Vc.
Bei der Durchführung einer digitalen Signalverarbeitung muss im Allgemeinen
das klassische Shannon-Theorem berücksichtigt werden (Shannon 1949; Stan-
ley 1975; Robinson und Silvia 1978). Auf dieser Grundlage kann festgestellt
werden, dass die Abtastrate mehr als doppelt so hoch sein sollte wie der maximale
Frequenzumfang des zu messenden Signals, wobei die analoge Bandbreite diesen
maximalen Frequenzumfang wesentlich überschreiten muss. In Bezug auf die
IEC 61083-1:2001 sollte die analoge Bandbreite nicht weniger als das 6-fache der
Abtastrate betragen.
Um die Messunsicherheit zu validieren, werden in der IEC 61083-1:2001 ver-
schiedene Kalibrierungsverfahren empfohlen, die sich sowohl auf die Hardware
als auch auf die Software beziehen. Um die Messunsicherheit, die durch die
Hardware verursacht wird, zu validieren, müssen die differentielle Nicht-Lineari-
tät (DNL) sowie die integrale Nicht-Linearität (INL) unter Verwendung eines
„idealen“ ADC als Referenz bestimmt werden. Die Übertragungsfunktion eines
solchen Referenz-ADC ist durch einen stufenweise ansteigenden Ausgangs-
code k = 1, 2 … 2N gekennzeichnet, bei dem die Eingangsspannung stufen-
weise um w(r) = Vfsd /2N .erhöht wird. Das bedeutet, für einen Ausgangscode
k = 2N · Vin /Vfsd erhält man für die nächste Stufe k + 1 = 2N · (Vin + w(r))/Vfsd .
Hier sind Vin – die Eingangsspannung, Vfsd – die Vollaussteuerungsspannung und
N – die Auflösung in bit.
Gemäß Abb. 7.59 ist die DNL durch die Differenz w(k) − w(r) für jeden mög-
lichen Wert des Ausgangscodes k gegeben, und die INL stellt die Differenz s(k)
zwischen der Eingangsspannung des untersuchten ADC und des Referenz-ADC
dar. Da die Bestimmung der DNL und INL bei stufenweise ansteigender Gleich-
spannung äußerst zeitaufwändig ist, insbesondere für ADCs mit mehr als 8-Bit-
Auflösung, können die experimentellen Ergebnisse stark von der Langzeitstabilität
der Gleichspannungsquelle beeinflusst werden.
7.4 Messung von LI- und SI-Prüfspannungen 399

4
Ausgangscode

2
k +1
s(k)
0 2-N
k
-2 w(r) w(k)

-4

-6

-8
-10 -5 0 5 10
Eingangsspannung [V]

Abb. 7.59 Abschätzung der differentiellen Nicht-Linearität (DNL), die durch w(k) − w(r)
gegeben ist, und der integralen Nicht-Linearität (INL) s(k), die durch die Abweichung der tat-
sächlichen Eingangsspannung von der Referenzspannung eines „idealen“ ADC gegeben ist

10 8 8
Eingangsspannung [V]

6 6
Ausgangscode

5 4 4
Ausgangscode

2 2
0 0 0
-2 -2
-5 -4 -4
-6 -6
-10 -8 -8
0 5% 10%
0 5 10 15 20
Integrale Nichtlinearität
Zeit [ms]

Abb. 7.60 Vergleich einer sinusförmigen Eingangsspannung mit dem Ausgangscode eines nicht-
linearen 4-Bit-ADC

Daher wurde als Alternative die folgende Methode von Steiner im Jahr 2011
vorgeschlagen, siehe Abb. 7.60:
1. Wenden Sie eine präzise Sinuswelle niedriger Frequenz (z. B. 50 Hz) an und
stellen Sie die Amplitude nahe der vollen Aussteuerung ein (z. B. zwischen
−10 V und +10 V).
2. Nehmen Sie insgesamt zehn Perioden der angelegten Wechselspannung auf.
3. Vergleichen Sie die Häufigkeit des Auftretens jedes Codes (Code-Rate) mit der
idealen Anzahl .
400 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

4. Teilen Sie jede Code-Rate durch die Anzahl der aufgezeichneten Perioden, d. h.
durch n = 10 für den hier betrachteten Fall.
5. Berechnen Sie die differentielle Nichtlinearität (DNL) für jeden Code:
h(k)nonlin
d(k) = − 1.
h(k)lin
6. Berechnen Sie die integrale Nichtlinearität (INL) für jeden Code:
k

s(k) = d(i).
i=0

Der Test ist bestanden, wenn bei voller Aussteuerung die Anforderungen
d(k) = 10, 81% und s(k) = 10, 51% erfüllt sind.
Das Softwarepaket wird gemäß IEC 61083-2:2013 getestet. Es empfiehlt
neue Regeln für die Kalibrierung, einschließlich der Berechnung des k-Faktors,
der für LI-Prüfspannungen mit erheblichem Überschwingen relevant ist. Um
die Leistung von Digitalrekordern, die für LI-Spannungsmessungen vorgesehen
sind, zu überprüfen, wird empfohlen, insgesamt 52 Referenzkurven mit einem
computergestützten Testdatengenerator (TDG) zu erstellen. Diese künstlichen
Kurvenformen sind entweder auf einer Compact Disc (CD) oder auch auf einem
USB-Stick verfügbar. Grundsätzlich sollten die angewendeten Referenzimpuls-
wellenformen repräsentativ für die in IEC 60060-1:2010 und IEC 60060-3:2006
festgelegten Prüfspannungsformen sein, wie zum Beispiel:
• Volle Blitzimpulsspannung (LI)
• Front-abgeschnittene Blitzimpulsspannung (LIC)
• Rücken -abgeschnittene Blitzimpulsspannung (LIC)
• Oszillierende Blitzimpulsspannung (OLI)
• Schaltimpulsspannung (SI)
• Oszillierende Schaltimpulsspannungen (OSI).
Nach der digitalen Signalverarbeitung der vom TDG empfangenen Daten werden
die signifikanten Impulsparameter mittels der implementierten Software ermittelt.
Die Verfahren sollen den in IEC 60060-1:2010 gegebenen Bewertungsprinzipien
folgen. Diese beziehen sich auf die Messung des Scheitelwertes und des Über-
schwingens sowie auf die charakteristischen Zeitparameter, wie die Front- und
Rückenhalbwertszeit und die Abschneidezeit für LIC. Die Software gilt als
ordnungsgemäß funktionierend, wenn die erhaltenen Ergebnisse innerhalb eines
in IEC 61083-2:2013 festgelegten Toleranzbands liegen, wobei eine Manipulation
der Testdaten nicht akzeptiert werden kann.
Beispiel Tab. 7.4 zeigt den Vergleich zwischen den bewerteten Parametern von zwei
Referenz-LI-Wellenformen (Wellenformen Nr. LI-A4 und LI-M7 des Testdatengenerators
(TDG)) und den gemäß IEC 61083-2:2013 erforderlichen Parametern. Während die
Bewertung von Nr. LI-A4 Ergebnisse innerhalb des vom Standard geforderten Toleranz-
bands liefert, werden nicht alle Parameter von Nr. LI-M7 korrekt ermittelt. Das bedeutet,
7.4

Tab. 7.4 Test der Software mit dem Testdatengenerator (TDG) gemäß IEC 61083-2:2013
Referenznummer von IEC 61083- Parameter IEC-Referenzwert IEC-Akzeptanzgrenzen Beispiel: bewertete Bemerkungen
2 Werte
Prüfspannungs- −856,01 kV −(855,15…856,87) kV −856,4 kV Bewertung akzeptiert
wert Vt
Frontzeit T1 0,841 μs (0,824…0,858) μs 0,851 μs Bewertung akzeptiert
Zeit bis zum 47,80 μs (47,32…48,28) μs 47,88 μs Bewertung akzeptiert
halben Wert T2
Relatives Über- 7,9 % (6,9…8,9) % 7,2 % Bewertung akzeptiert
schwingen β
LI – A4a
Messung von LI- und SI-Prüfspannungen

Prüfspannungs- 1272,3 kV (1271,0…1273,5) kV 1272 kV Bewertung akzeptiert


wert Vt
Frontzeit T1 1,482 μs (1,452…1,512) μs 1,390 μs Bewertung abgelehnta
Zeit bis zum 50,03 μs (49,53…50,53) μs 50,10 μs Bewertung akzeptiert
halben Wert T2
Relatives Über- 11,2 % (10,2…12,2) % 9,9 % Bewertung abgelehnta
schwingen β
LI – M7
a Die getestete Software muss hinsichtlich der Bewertung von Referenz LI-M7 verbessert werden

Im Vergleich zu IEC 61083-2 ist die Polarität der Referenzimpulse invertiert


401
402 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

dass die Software verbessert werden muss, bevor sie für praktische Prüfungen eingesetzt
werden kann.

Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass die Messung des Scheitelwerts der
vollständigen LI-Prüfspannungen bei einer Messunsicherheit von 2 % erreicht
wird, wenn die Amplitudenauflösung 10 bit beträgt und die Abtastrate 100 MS/s
erreicht, wobei die analoge Bandbreite nicht niedriger als 100 MHz sein sollte.
Darüber hinaus sollte die integrale Nichtlinearität unter 0,5 % liegen, und der
interne Hintergrundrauschpegel sollte 0,4 % der Vollaussteuerung nicht über-
schreiten. Weitere Informationen diesbezüglich finden Sie in Hällström (2002),
Hällström et al. (2003), Wakimoto et al. (2007) und Schon (2013).

7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen

Bei der Durchführung von LI-Spannungsprüfungen können hohe Impulsströme


nicht nur als Folge eines Isolationsdurchschlages auftreten, sondern auch, obwohl
das Prüfobjekt den Spannungsfestigkeitstest besteht. Dies ist auf den kapazitiven
Laststrom zurückzuführen, der direkt proportional zur vergleichsweise hohen
Steilheit der angelegten LI-Spannung ist. Darüber hinaus sollte erwähnt werden,
dass die Größe und Form der Stromimpulse, die mit LI-Spannungsprüfungen
verbunden sind, die Identifizierung möglicher Isolationsfehler ermöglicht. Aus
diesem Grund sind Impulsstrommessungen für LI-Spannungsfestigkeitsprüfungen
von Leistungstransformatoren obligatorisch. Bei der Durchführung solcher Tests
wird kurz vor dem angegebenen (100 %) LI-Prüfspannungsniveau zunächst ein
Referenzspannungsniveau angewendet, das 50–70 % des angegebenen Prüfniveaus
beträgt, siehe Abb. 7.61. Um die Formen der LI-Spannung und des zugehörigen
Stromimpulses zu vergleichen, werden die Aufzeichnungen auf ihre jeweiligen
Extremwerte normalisiert.
Der LI-Spannungsfestigkeitstest ist bestanden, wenn keine signifikanten Unter-
schiede zwischen den normalisierten Referenzwerten und den normalisierten Prüf-
werten (IEC 60076-3:2013) erkannt werden.
Schaltungen, die für LI-Strommessungen verwendet werden, bestehen aus den
folgenden Komponenten (Abb. 7.62):
• Stromwandler, normalerweise ein resistiver Shunt oder ein schneller induktiver
Stromwandler, um den transienten Strom in eine bequem messbare Nieder-
spannung umzuwandeln,
• Übertragungssystem, normalerweise ein BNC-Messkabel oder eine Glasfaser-
strecke,
• Messgerät, normalerweise ein Digitalrekorder.
Die Anforderungen an Digitalrekorder entsprechen im Prinzip denen, die in IEC
61083-1:2006 für LI-Spannungsmessungen festgelegt sind (siehe Abschn. 7.4.3)
und sollen hier nicht berücksichtigt werden. Dieser Abschnitt befasst sich daher
7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen 403

Spannung aktuell

Referenzwert

Scheitelwert Scheitelwert
Prüfwert

Vergleich der
normierten Werte.
keine Unterschiede
sichtbar

Unterschiede

maximale Differenz 0,1%


maximale Differenz 0,5%

Abb. 7.61 Spannung und Strom während einer LI-Stehspannungsprüfung eines Verteiltrans-
formators aufgezeichnet

LI-Spannungs- Prüfobjekt
generator

Anpasswiderstand Digitalrekorder
Mess kabel
i(t)
Shunt

Rm1 v(t) Rm2

Abb. 7.62 Grundlegende Komponenten, die für ein LI-Strommesssystem erforderlich sind

nur mit den Gestaltungsprinzipien von Wandlungsgeräten. Weitere Informationen


zu diesem Thema finden Sie auch in den Lehrbüchern von Schon (2010, 2013).
Hinweis Die klassische Anwendung von Hochstrommessungen bezieht sich auf System-
prüfungen von Schutzeinrichtungen, wie Blitzableitern, bei denen Scheitelwerte von bis
404 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.63 Antwort eines Strommesssystems auf einen exponentiell ansteigenden Strom, bei dem
der resistive Shunt entweder über einen dünnen Draht (links) oder eine niederinduktive Cu-Folie
(rechts) geerdet war

zu mehreren hundert kA gemessen werden müssen. Die Messung solcher hohen Ströme
ist jedoch nicht Gegenstand dieses Buches. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie in IEC
62475:2012 und der Reihe der IEC 60099-Normen.

Um Hochstromimpulse, die mit LI-Spannungstests verbunden sind, zu messen,


werden verschiedene Arten von Wandlungsgeräten verwendet, wie resistive
Shunts, Rogowski-Spulen, Stromwandler, Hall-Sensoren und magneto-optische
Sensoren. Im Folgenden werden jedoch nur einige Besonderheiten von resistiven
und induktiven Wandlungsgeräten behandelt, die hauptsächlich zur Messung
hoher transienter Ströme bei LI-Stehspannungs- und Durchschlagtests verwendet
werden.

7.5.1 Resistiver Stromwandler (Shunt)

Auch wenn der physikalische Hintergrund von Strommessungen auf dem


Ohmschen Gesetz basiert, das daher leicht verständlich ist, muss berücksichtigt
werden, dass für die Messung von Impulsströmen im kA-Bereich der Wider-
stand des Shunts extrem niedrig gewählt werden muss, normalerweise im mΩ-
Bereich, um die messbare Spannung auf den Volt-Bereich zu begrenzen. Unter
dieser Bedingung kann jedoch die über dem Shunt abfallende Spannung erheb-
lich von parasitären Induktivitäten beeinflusst werden, wie aus Abb. 7.63 ersicht-
lich ist. Hier ist die linke oszilloskopische Aufzeichnung für einen resistiven
Shunt erhalten, der über einen dünnen Draht geerdet ist, während die rechte Auf-
zeichnung für einen Shunt erhalten ist, der über eine Cu-Folie geerdet ist. Da
die Induktivität des dünnen Drahtes viel größer ist als die der Cu-Folie, zeigt die
linke Aufzeichnung eine Signalüberhöhung im Frontbereich, die die Folge einer
induktiven Spannungskomponente vL (t) ist, die auf das resistive Spannungssignal
vR (t) überlagert ist, wie in Abb. 7.64 qualitativ dargestellt.
7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen 405

Abb. 7.64 Teilspannungen 1,5

Normierte Signalamplitude
vR(t) und vL(t) sowie
die messbare Spannung
vm(t) = vR(t) + vL(t) über
1
einem resistiven Shunt im vR(t) + vL(t)
Falle eines exponentiell
ansteigenden Stromimpulses vR(t)

0,5

vL(t)
0
0 1 2 3 4
Zeit p.u.

Abb. 7.65 Äquivalente resistiver Induktionsschleife


Schaltung zur Abschätzung Shunt Messkabel
der induktiven
Spannungskomponente vL(t)
i(t)
in der Messschleife zwischen
resistivem Shunt und BNC-
H-Linien
Messkabel
b

Im Allgemeinen ist das messbare Spannungssignal vm (t), das sich aus dem zeit-
abhängigen Strom im (t)ergibt, gegeben durch
dim (t)
vm (t) = vR (t) + vL (t) = Rm · im (t) + Lm · . (7.41)
dt
Um fehlerhafte Messungen zu vermeiden, müssen die induktive Spannungs-
komponente vL(t) und damit die parasitäre Induktivität Lm des Messkreises so
gering wie möglich gehalten werden. Zum besseren Verständnis betrachten Sie
Abb. 7.65, in der die induktive Messschleife durch den schattierten Bereich
gekennzeichnet ist. Für die hier gegebenen geometrischen Parameter a und b kann
die Induktivität Lc der Ankopplung einfach mit folgendem Ansatz abgeschätzt
werden (Küpfmüller 1990):
 
µ0 · b 2a + d
Lc = · ln (7.42)
2π d
406 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

mit µ0 = 0,4π (nH/mm) – die Permeabilität der Luft. Zusätzlich muss auch die
Selbstinduktivität des resistiven Shunts berücksichtigt werden. Ersetzt man diese
durch einen zylindrischen Leiter mit Durchmesser d und Länge b, kann folgender
Ansatz verwendet werden (Küpfmüller 1990):
 
µ0 · b b
Ls ≈ · ln (7.43)
2π 2d

Durch Kombination der Gl. (7.42) und (7.43) und Einfügen von µ0 = 0,4π (nH/
mm) , erhält man die folgende resultierende Induktivität des Messkreises:
   
µ0 · b a·b 0.4π · b · (1 nH) a·b
Lm = L c + Ls ≈ · ln = · ln (7.44)
2π d2 2π d2

Beispiel Betrachten Sie einen resistiven Shunt mit den folgenden Parametern:

Shunt-Widerstand Rs= 10 mΩ
Shunt-Durchmesser d = 10 mm
Messschleife a = b = 50 mm

Setzt man diese Werte in Gl. (7.44) ein, erhält man

110 · 50 mm2
 
Lm ≈ (0.2 nH/mm) · (50 mm) · ln = (10 nH) · ln(27.5) ≈ 33 nH.
200 mm2

Angenommen, ein exponentiell ansteigender Stromimpuls mit der Zeitkonstante τc


= 2 µs erreicht einen Spitzenwert von 1 kA zum Zeitpunkt tp ≈ 3 · τc = 6 µs, dann
kann die Spannung über einem „idealen“ Shunt von 10 mΩ durch die folgende
Zeitfunktion beschrieben werden:
vr (t) = [(1 kA) · (10 m�)] · [1 − exp(−t/τc )] = (10 V) · [1 − exp(−t/τc )]
Aufgrund der oben geschätzten Induktivität von Lm = 33 nH würde eine induktive
Spannungskomponente induziert werden (Abb. 7.64). Da die Steilheit zu Beginn
des Strompulses einen maximalen Wert von 1 kA/2 μs = 0,5 kA/μs erreicht,
würde sich die überlagerte induktive Spannungskomponente einem Spitzen-
wert von Vc = (33 nH) · (0,5 kA/μs) = 16,5 V annähern. Offensichtlich ist
dies fast 70 % größer als der maximale Wert, der einen Spitzenwert von Vp =
(1 kA) ∙ (10 mΩ) = 10 V über einen rein resistiven Shunt erreicht.
Um den Messfehler zu minimieren, müssen die parasitäre Induktivität und
damit der in Abb. 7.65 dargestellte schattierte Bereich so gering wie möglich
gehalten werden. In der Praxis wird dies durch koaxiale oder auch scheiben-
förmige Shunts realisiert, siehe Abb. 7.66.
7.5 Messung hoher Ströme bei LI-Spannungsprüfungen 407

Strom Widerstands-
leitungen Isolierring zylinder Stromleiter
0,5 i(t) 0,5 i(t) Widerstands-
scheibe
BNC
BNC-Buchse Jacke
i(t) i(t)

0,5 i(t) 0,5 i(t)

Abb. 7.66 Entwurfsprinzipien von niederinduktiven Shunts

(a) i(t) (b) i(t)

h(t) h(t)

a b
v(t)

v(t)

i(t) i(t)

Abb. 7.67 Prinzip der Impulsstrommessung mit induktiven Wandlungsgeräten. a Einzel-


windungs-Stromwandler. b Mehrfachwindungs-Stromwandler (Rogowski-Spule)

7.5.2 Induktiver Stromwandler (Rogowski-Spule)

Eine andere Möglichkeit, die störende induktive Spannungskomponente


zu eliminieren, besteht in der Verwendung von rein induktiven Wandlungs-
geräten, die entweder aus einer einzigen Windung (Abb. 7.67a) oder auch aus
mehreren Windungen (Abb. 7.67b) bestehen, wie von Rogowski im Jahr 1913
vorgeschlagen. Unter Bezugnahme auf die geometrischen Parameter, die aus
Abb. 7.67 ersichtlich sind, kann die Ausgangsspannung einer Rogowski-Spule
ohne Last mit folgendem Ansatz grob abgeschätzt werden (Küpfmüller 1990):
  
di µ0 · n · b 2a + b di
vl (t) = M · = · ln · , (7.45)
dt 8 2a − b dt
408 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Primärstrom Primärstrom

integriert Sekundärspannung integriert Sekundärspannung

Sekundärspannung Sekundärspannung

Zeitskala: 40 ns/Teilung Zeitskala: 400 ns/Teilung

Abb. 7.68 Übertragungseigenschaften einer Rogowski-Spule

mit n – der Windungszahl, a – dem Abstand zwischen der Achse des den
zeitabhängigen Strom i(t) führenden Leiters und der Achse der senkrecht
angeordneten Rogowski-Spule, und b – den Spulendurchmesser.
Da die Ausgangsspannung vl(t) proportional zur Ableitung des zeitabhängigen
Stroms ist, muss vl (t) integriert werden, um ein Signal zu erhalten, das direkt
proportional zum zeitabhängigen Strom ist (Abb. 7.68).
Im Prinzip ist das dynamische Verhalten von Rogowski-Spulen vergleichbar
mit dem eines Hochpassfilters, d. h. ein stationärer Gleichstrom ist nicht mess-
bar. Infolgedessen nimmt der Messfehler bei abnehmendem Frequenzgehalt und
damit bei zunehmender Länge des Strompulses zu (Abb. 7.68). Um die untere
Grenzfrequenz zu reduzieren, muss die Spuleninduktivität entsprechend erhöht
werden, was effektiv durch Wickeln der Windungen um einen hochpermeablen
Kern erreicht werden kann. Aufgrund praktischer Erfahrungen kann festgestellt
werden, dass Rogowski-Spulen in der Lage sind, Stromimpulse der Steilheit bis zu
100 kA/μs zu messen, wobei die Impulsdauer auf einige Zehntel von µs begrenzt
ist. Bei Verwendung klassischer Stromwandler können Impulslängen bis in den
ms-Bereich bei vertretbarer Messunsicherheit erfasst werden, während die Steil-
heit auf etwa 1 kA/μs begrenzt ist.
Wie bereits oben diskutiert, ist die Ausgangsspannung von induktiven
Wandlungsgeräten ohne Last proportional zur Ableitung des zu messenden
Primärstroms. Daher sind klassische Sprungantwortmessungen zur Untersuchung
des dynamischen Verhaltens nicht empfohlen, da unter dieser Bedingung das zur
Integration des Ausgangssignals des Wandlers erforderliche elektronische Gerät
überlastet sein könnte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Schwingungen
des Messsignals aufgrund der Wechselwirkung zwischen Induktivität und Streu-
kapazitäten der Spule angeregt werden könnten, was zu fehlerhaften Messungen
führt, wie in Abb. 7.69 dargestellt. Um das dynamische Verhalten zu untersuchen,
wird empfohlen, linear ansteigende und abfallende Stromrampen zu verwenden,
wie in Abb. 7.70 gezeigt, wobei die Anstiegs- und Abfallzeit mit denen unter tat-
sächlichen Messbedingungen vergleichbar sein sollte.
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 409

Primärstrom
Primärstrom

integrierte Sekundärspannung integrierte Sekundärspannung

Sekundärspannung Sekundärspannung

Zeitskala: 100 ns/Teilung Zeitskala: 100 ns/Teilung

Abb. 7.69 Dynamisches Verhalten eines Stromwandlers bei schnell ansteigendem (links) und
langsam ansteigendem (rechts) Primärstrom

Primärstrom Primärstrom

Sekundärspannung

Sekundärspannung

integrierte Sekundärspannung Integrierte Sekundärspannung

Zeitskala: 40 ns/Teilung Zeitskala: 400 ns/Teilung

Abb. 7.70 Dynamisches Verhalten eines Stromwandlers bei linear ansteigenden und abfallenden
Stromrampen mit Wiederholraten von 5,4 MHz (links) und 0,54 MHz (rechts)

7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen

Aus physikalischer Sicht sollten PD-Messungen von HV-Geräten unter Prüf-


spannungen durchgeführt werden, die für Betriebsbedingungen repräsentativ sind.
Dies ist der Grund, warum die einschlägige Norm IEC 60270:2000 hauptsächlich
auf die Messung von Teilentladungen unter Netzfrequenz-Wechselspannungen
abzielt, siehe Abschn. 4.3. Wie bekannt, wird die Isolierung von HV-Geräten
unter Betriebsbedingungen nicht nur durch die kontinuierlich angelegte Betriebs-
spannung, sondern auch durch verschiedene Arten von transienten Über-
spannungen, wie Schaltimpulsspannungen (SI), Blitzimpulsspannungen (LI)
sowie transiente Spannungen mit sehr steil ansteigender Front (VFF), beansprucht.
Im Folgenden werden spezifische Aspekte von PD-Messungen unter solchen
Spannungsbeanspruchungen kurz hervorgehoben.

7.6.1 SI-Prüfspannungen

In den späten 1980er Jahren, als papierisolierte bleiummantelte Kabel (PILC)


zunehmend durch vernetzte Polyethylen-isolierte (XLPE) Kabel ersetzt wurden,
410 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

wurde die Messung von Teilentladungen zu einem unvermeidlichen Instrument


für Qualitätssicherungstests von XLPE-Kabeln, die nicht nur im Labor nach der
Herstellung, sondern auch im Feld nach der Installation durchgeführt wurden. Der
Grund dafür war die Tatsache, dass die hochpolymere Isolierung sehr empfind-
lich gegenüber Teilentladungen ist, da eine PD-Aktivität im pC-Bereich bereits
irreversible Degradationsprozesse verursacht. Das zyklische Auf- und Entladen
der vergleichsweise hohen Kabelkapazität durch den Einsatz klassischer AC-
Prüftransformatoren benötigt jedoch eine hohe Leistung und erfordert daher sehr
teure Prüfanlagen, insbesondere wenn PD-Tests unter Einsatzbedingungen vor
Ort durchgeführt werden. Daher wurde zur Reduzierung des Prüfaufwands die
Eignung alternativer Prüfspannungen ausführlich untersucht (Dorison und Aucort
1984; Auclair et al. 1988; Lefèvre et al. 1989). Unter anderem wurde die Ver-
wendung von Schaltimpulsspannungen (SI) als vielversprechende Alternative
gefunden, da die PD-Signaturen von internen Entladungen mit denen unter Netz-
frequenz-AC-Spannung recht gut vergleichbar sind (Lemke et al. 1987).
Die Hauptkomponenten eines einstufigen SI-Generators, der ursprünglich für
Vor-Ort-PD-Prüfungens von Mittelspannungskabeln verwendet wurde, sind in
Abb. 7.71 dargestellt. Die kritischste Komponente ist die Funkenstrecke, da diese
infolge von Rückzündungen starke elektromagnetische Signale abstrahlt und
somit empfindliche PD-Messungen stört, weshalb sie durch einen störungsfreien
Halbleiterschalter ersetzt wurde. Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass
die gesamte Ladung, die in die Kabelkapazität bis zum gewünschten Prüfniveau
eingespeist wird, zuvor im Stoßkondensator,, der in Abb. 7.71 dargestellt ist,
gespeichert werden muß. Daher muss dieser für die Prüfung von Stromkabeln mit
Längen bis zu einigen km im µF-Bereich gewählt werden, um einen ausreichend
hohen Ausnutzungsgrad zu erreichen.
Beispiel Grundlegende PD-Studien unter SI-Spannungen ergaben, dass potenzielle PD-
Defekte in extrudierten Stromkabeln mit einer angemessenen Wahrscheinlichkeit erkannt
werden können, wenn der Scheitelwert der angelegten SI-Spannung das Doppelte der
Leiter-Erde-Spannung erreicht, wobei letztere in RMS-Werten ausgedrückt ist. Wird
beispielsweise ein 12/20 kV XLPE-Kabel von 1 km Länge geprüft, muss eine Kabel-
kapazität von fast 0,2 µF bis zu einem SI-Scheitelwert von 24 kV aufgeladen werden.
Bei Verwendung eines einstufigen SI-Generators gemäß Abb. 7.71, der mit einem 1 µF
Stoßkondensator und einem Vorwiderstand von 5,6 kΩ ausgestattet ist, erreicht der
Ausnutzungsgrad 0,8, wie aus dem Oszilloskop-Screenshot in Abb. 7.71b ersichtlich
ist. Folglich muss der 1 μF Stoßkondensator auf eine Gleichspannung von 31 kV auf-
geladen werden, um die gewünschte SI-Scheitelspannung von 24 kV zu erreichen. Wird
ein Kabel von 5 km Länge getestet, muss eine Kabelkapazität von ca. 1 μF sogar auf 53
kV aufgeladen werden, um eine SI-Prüfspannung von 24 kV zu erreichen, da unter dieser
Bedingung der der Ausnutzungsgrad nur 0,45 beträgt, siehe Abb. 7.71c.

Eine Erhöhung der Kabellängen führt nicht nur zu einer Verringerung des Aus-
nutzungsfaktors, wie zuvor besprochen, sondern auch zu einer Erhöhung der
Anstiegszeit der SI-Spannung, was ebenfalls aus den in Abb. 7.71b, c dargestellten
Oszilloskop-Aufzeichnungen hervorgeht. Experimentelle ­Untersuchungen haben
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 411

(a) Ladewider-
Halbleiter Vorwider-
stand stand
schalter

Stoß- Kabelkapazität
Entladewi-
DC von 0.22 μF
kondensator derstand
Quelle und 1 μF

(b) (c)

53kV

31kV
24 kV 24 kV

Abb. 7.71 Schaltkreis zur PD-Messung unter SI-Prüfspannung. a Vereinfachtes Blockdiagramm


eines einstufigen SI-Generators. b Aufzeichnung der charakteristischen Spannungen mit einem
1 μF Stoßkondensator und einer 0,22 μF Kabelkapazität. c Aufzeichnung für 1-μF Kabelkapazi-
tät

jedoch gezeigt, dass die charakteristischen PD-Signaturen typischer PD-Defekte


in extrudierten Stromkabeln und deren Garnituren (Muffen und E ­ ndverschlüsse)
nicht signifikant durch die Anstiegszeit beeinflusst werden, wenn diese von
einigen hundert auf einige tausend µs erhöht wird, wie beispielhaft in Abb. 7.72
gezeigt. Daher ist es nicht notwendig, den Frontwiderstand des SI-Generators
zu ändern, wenn Stromkabellängen zwischen einigen hundert und einigen
tausend Metern Länge PD-getestet werden. In diesem Zusammenhang sollte
auch erwähnt werden, dass zusätzliche Informationen über die PD-Aktivität ver-
fügbar sind, wenn neben der Haupt-PD-Größe „scheinbare Ladung“ zusätzlich
die „akkumulierte Impulsladung“ gemessen wird. Im Gegensatz zur scheinbaren
Ladung streut diese Größe oft nur geringfügig und scheint mit der Höhe der
angelegten SI-Prüfspannung korreliert zu sein, wie aus Abb. 7.73b–f ersichtlich.
412 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) (b)

CH1: 2 kV/div
CH1: 2 kV/div

CH2: 20 pC/div CH2: 20 pC/div

Abb. 7.72 PD-Signaturen, verursacht durch einen künstlichen Hohlraum in einem Kabelprüf-
ling bei SI-Spannungen unterschiedlicher Steilheit und nahezu identischen Scheitelwerten. a
Anstiegszeit 400 μs, Prüfspannungspegel 12 kV. b Anstiegszeit 1600 µs, Prüfspannungspegel
12,4 kV

(a) (b) (c)

(b) (e) (f)

Abb. 7.73 Reproduzierbarkeit der Messung von akkumulierten PD-Ladungen. a PD-Impulsfolge


während der Anstiegszeit einer SI-Spannung. b–f Akkumulierte Impulsladungen, aufgezeichnet
bei 5 nacheinander angelegten SI-Prüfspannungen mit identischer Frontszeit von 1,6 ms und
gleichbleibendem Prüfspannungspegel von 12,4 kV (Zeitskala: 200 μs/div, Spannungsskala:
4 kV/div)

7.6.2 DAC-Prüfspannungen

Wie oben diskutiert, besteht ein Hauptnachteil von SI-Prüfpannungen, die für
PD-Tests von Stromkabeln verwendet werden, in der starken Verringerung des
Ausnutzungsfaktors bei zunehmender Kabellänge (Abb. 7.71). Um dieses ent-
scheidende Problem zu überwinden, scheint es sehr vielversprechend, die Kabel-
kapazität selbst als Stoßkapazität zu verwenden, da unter dieser Bedingung der
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 413

Ausutzungsfaktor nahezu 100 % beträgt. Dieser Vorteil wurde ursprünglich für die
Vor-Ort-Prüfung von Höchstspannungs (EHV) XLPE-Kabeln nach der Verlegung
genutzt (Dorison und Aucort 1984; Auclair et al. 1988; Lefèvre et al. 1989). Dazu
wurde die Kabelkapazität zunächst langsam mittels einer Gleichspannungs-Prüf-
einrichtung bis zum gewünschten Prüfpegel aufgeladen und unmittelbar danach
über eine Induktivität in Reihe mit einer Funkenstrecke entladen (Abb. 7.74a).
Unter diesen Bedingungen wird die Kabelisolierung durch eine oszillierende
Schaltimpulsspannung (OSI-Spannung) belastet (siehe Abschn. 7.3.1), die später
als „gedämpfte Wechselspannung“ (DAC-Spannung) bezeichnet wurde (IEC
60060-3:2006). Die im kHz-Bereich auftretenden Schwingungen werden aufgrund
der dielektrischen Verluste, die in der Kabelisolierung auftreten, sowie durch
den Wicklungswiderstand und die Magnetisierungsverluste im Eisenkern der
Induktivität gedämpft. Der Grund für die Verwendung der oszillierende Entladung
der Kabelkapazität bestand darin, die Ansammlung von unipolaren Raumladungen
aufgrund der vorbeanspruchenden hohen Gleichspannung zu vermeiden und somit
lokale Feldverstärkungen in der polymeren Isolierung zu verhindern, die einen
unerwarteten Durchschlag auslösen könnten.

(a)
Belastungswiderstand

Kabelkapazität

Entladungsinduktivität
DC
Spannungs
quelle
Kugelfunkens-
trecke

(b)

Gleichspannungsrampe
gedämpfte oszillierende Spannung

Abb. 7.74 Blockdiagramm eines DAC-Prüfgenerators (a) und charakteristische Oszilloskop-


Aufzeichnung (b), die die kontinuierlich ansteigende Gleichstrombelastung und die gedämpfte
Wechselspannung zeigt, die auftritt, nachdem die Kugelfunkenstrecke ausgelöst wurde
414 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Anfänglich wurden Versuche unternommen, solche Durchschlagfestigkeits-


prüfungen mit PD-Messungen zu kombinieren. Diese scheiterten jedoch auf-
grund starker elektromagnetischer Störungen, die infolge von Rückzündungen von
der in Abb. 7.74a dargestellten Funkenstrecke abgestrahlt wurden. Ein weiteres
Hindernis bestand darin, dass die charakteristischen PD-Muster sowie die schein-
bare Ladung, die bei DAC-Spannung gemessen wurde, nicht mit den PD-Prüf-
ergebnissen vergleichbar waren, die bei netzfrequenter Wechselspannung erzielt
wurden. Ohne näher auf Details einzugehen, kann festgestellt werden, dass dies
auf eine Erhöhung der PD-Einsatzspannung deutlich über die statische Einsatz-
spannung zurückzuführen ist, als Folge der statistischen Zeitverzögerung, d. h. der
Zeitspanne, die zwischen dem Zeitpunkt, an dem die statische Einsatzspannung
erreicht wird, und dem Zeitpunkt, an dem ein Anfangs-Elektron zur Verfügung
steht, um eine selbständige Entladung zu initialisieren (Grey Morgan 1965).
Experimentelle Untersuchungen ergaben, dass der Einfluss der Zeitverzögerung
auf die PD-Einsatzspannung erheblich reduziert werden kann, wenn die natürliche
Frequenz der angelegten DAC-Spannung von dem ursprünglich verwendeten kHz-
Bereich auf die Netzfrequenz (Lemke und Schmiegel 1995a, b) verringert wird.
Zu diesem Zweck wurde das DAC-Prüfgerät mit einem 1 µF Ladekondensator und
einer 4 H Entladungsinduktivität ausgestattet, wie in Abb. 7.75 dargestellt. Unter
diesen Bedingungen erreichte die Prüffrequenz 80 Hz, wobei die PD-Signaturen
typischer Fehlstellen in extrudierten Energiekabeln recht gut mit denen vergleich-
bar wurden, die bei Netzfrequenz (50 Hz) Wechselspannung erzielt wurden, wie
beispielhaft in Abb. 7.76 gezeigt. Die hier dargestellten phasenaufgelösten PD-
Impulse, die sich auf einen defekten MV-Kabelendverschluß beziehen, wurden
in einer ersten Testreihe bei 50 Hz Wechselspannung aufgezeichnet, wobei
das Prüfniveau leicht über der PD-Einsatzspannung eingestellt wurde. Um das
charakteristische PD-Muster wie ein Wasserfalldiagramm darzustellen, wurden die
Ladungsimpulse, die in nur 18 Wechselspannungszyklen auftreten, in Abb. 7.76a

Sperrwiderstand
Ladewiderstand (10 mH)
(22 M )

PD-Koppelkon-
densator Prüfling
Entladungsin-
Ladekonden- (10 nF)
duktivität ohmscher
sator
Gleichspannung (4 H) Spannungsteiler
Quelle )
(60 kV, 10 mA)
Vakuum- Mess-
schalter impedanz
(100 kV) (50 )

Prüfspannung Signal PD Signal

Abb. 7.75 Blockdiagramm einer DAC-Prüfeinrichtung, die für grundlegende PD-Studien ver-
wendet wird
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 415

PD-Analysis Function PD-Analysis Function PD-Analysis Function


Impulsladung [pC]

Impulsladung [pC]

Impulsladung [pC]
Zeit[ms] Zeit[ms] Zeit[ms]

Abb. 7.76 Phasenaufgelöste PD-Muster von Hohlraumentladungen in einem Kabelprüfling. a


Kontinuierliche 50-Hz-Wechselspannung. b 80-Hz-DAC-Spannungsbelastung, aufgezeichnet für
die erste positive Spannungshalbwelle. c 80-Hz-DAC-Spannungsbelastung, aufgezeichnet für die
erste negative Spannungshalbwelle

Abb. 7.77 Gemessene Impulsladungsamplituden für einen defekten MV-Kabelendverschluß. a


Gedämpfte AC-Spannung von 80 Hz. b Kontinuierliche AC-Spannung von 50 Hz

aufgezeichnet. In einer zweiten Testreihe wurde der Kabelendverschluß zunächst


durch eine negative Gleichspannungsrampe vorbeansprucht, gefolgt von einer
DAC-Spannung, wobei nur die PD-Impulse angezeigt wurden, die während der
ersten positiven Spannungshalbwelle auftraten. Dieses Verfahren wurde 18-mal
wiederholt, um das in Abb. 7.76b gezeigte Wasserfalldiagramm zu erstellen.
In einer dritten Testreihe wurde eine positive Gleichspannungsrampe (siehe
Abb. 7.74b) angelegt und die PD-Impulse, die während des ersten negativen DAC-
Spannungshalbwelle auftraten, angezeigt, siehe Abb. 7.76c.
Die Vergleichbarkeit der charakteristischen PD-Muster, die für gedämpfte
und kontinuierliche AC-Spannung gefunden wurden, wurde auch durch die in
Abb. 7.77 gezeigten PC-Screenshots bestätigt, die ebenfalls für einen defekten
MV-Kabelendverschluß aufgezeichnet wurden. Hier wurde der PD-Test zunächst
unter gedämpfter AC-Spannung von 80 Hz Eigenfrequenz durchgeführt, wobei
das Prüfniveau wieder leicht über der PD-Einsatzspannung eingestellt wurde.
Die in Abb. 7.77a dargestellten PD-Impulse sind das Ergebnis von 180 DAC-
Spannungsanwendungen. In einer zweiten Testreihe wurde der Kabelendverschluß
einer kontinuierlichen AC-Spannung von 50 Hz unterzogen, wobei das Prüfniveau
ebenfalls leicht über der PD-Einsetzpannung eingestellt wurde. Zum Vergleich
wurden nur PD-Impulse angezeigt, die innerhalb von 180 positiven Halbzyklen
in Abb. 7.76b auftraten. Dies wurde mit Hilfe eines Meßfensters realisiert, das
416 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.78 PD-Signaturen eines defekten 20-kV-Kabelendverschlusses aufgezeichnet bei DAC-


Prüfspannung unter Verwendung von DC-Spannungsrampen mit 10, 50 und 250 μs Anstiegszeit
(von links nach rechts)

jeweils einmal pro 10 s ausgelöst wurde, so dass die gesamte Testdauer 1800 s
(90.000 AC-Zyklen) betrug. Trotz der großen Streuung der PD-Impulsmagnituden
(Abb. 7.77b) kann festgestellt werden, dass die PD-Testergebnisse, die unter
gedämpfter und kontinuierlicher AC-Spannung gewonnen wurden, miteinander
vernünftig vergleichbar sind.
Wie bereits oben diskutiert, wird bei der Anwendung von DAC-Spannungen
für PD-Diagnosetests von XLPE-Kabeln die hochpolymere Isolierung aufgrund
der langsam ansteigenden DC-Spannungsrampe (Abb. 7.74b) vorbeansprucht.
Abhängig von der Kabellänge und damit der zu ladenden Kapazität kann die Vor-
beanspruchungszeit zwischen dem Sekunden- und Minutenbereich variieren.
Experimentelle Untersuchungen ergaben jedoch, dass die PD-Signaturen von PD-
Defekten, die für extrudierte Mittelspannungs-Stromkabel repräsentativ sind, nicht
signifikant von der Dauer der DC-Vorspannung beeinflusst werden, wie beispiel-
haft in Abb. 7.78 gezeigt.

7.6.3 Steil ansteigende Impulsspannungen (LI und VFF-


Prüfspannungen)

Wie aus der Physik der Gasentladungen bekannt ist, kann die Einsatzfeldstärke
von impulsförmigen Prüfspannungen mit sehr kurzer Frontzeit, wie Blitzimpuls-
spannungen (LI) und sehr schnellen transienten (very fast transients - VFT)
Spannungen, aufgrund der sogenannten statistischen Zeitverzögerung erheblich
erhöht werden. Dies ist die Zeitspanne, die zwischen dem Zeitpunkt, an dem die
statische Anfangsfeldstärke erreicht wird, und dem Zeitpunkt, an dem Anfangs-
elektronen, die durch natürliche Prozesse freigesetzt werden, zur Ionisierung
von Gasmolekülen verfügbar sind (Grey Morgan 1965). Als typisches Beispiel
vergleiche man die Zündung von Streamer-Entladungen unter der vergleichs-
weise langsam ansteigenden SI-Spannung und der sehr schnell ansteigenden
Blitz-Impulsspannung gemäß Abb. 7.79, die sich auf einen Stab-Plane-Abstand
in Umgebungsluft von 20 cm bei Elektrodenabstand bezieht (Lemke 1967).
Hier wurde eine negative SI-spannung von etwa 150 µs Zeit-bis-zum-Scheitel-
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 417

(a) (b)
4

Streamer-Impuls
Streamer-Impuls
4 Prüfspannung Test voltage
180 nC
3 14 nC
2
92 kV
1 76 kV 50 kV
50 kV

Abb. 7.79 Lichtenberg-Figuren (Fotogramme) von Streamer-Filamenten, die sich in einer 20 cm


Kegel-Platte-Luftfunkenstrecke unter SI-Spannung (a) und steiler Blitz-Impulsspannung (b) ent-
wickeln, und zugehörige Oszilloskop-Aufzeichnungen (Lemke 1967), Erklärung im Text

wert an die Planelektrode angelegt, und es erschien die erste Streamer-Entladung


an der positiven Kegel-Elektrode bei der Einsatzspannung von etwa 10 kV. Bei
ansteigender Spannung wurden weitere aufeinanderfolgende Streamer-Ent-
ladungen mit zunehmender Länge und Impulsladung erkannt (Abb. 7.79a). Wird
jedoch eine schnell ansteigende Blitz-Impulsspannung angewendet, die innerhalb
von weniger als einer µs die Einsatzspannung von etwa 50 kV erreicht, wurde nur
eine einzige Streamer-Entladung beobachtet, d. h. die Einsatzspannung war bei
der steilen Blitz-Impulsspannung etwa 5-mal größer als die unter SI-Spannung
gemessene. Trotz der enormen Pulsladung von 180 nC, die unter der schnell
ansteigenden Spannung erzeugt wurde, trat kein endgültiger Durchbruch auf,
obwohl die Streamer-Filamente den gesamten Elektrodenabstand überbrückten
und die Prüfspannung weiter anstieg, schließlich bis auf 92 kV (Abb. 7.79b).
418 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

(a) (b)
CH1: 2 kV/div CH1: 2 kV/div

CH2: 20 pC/div CH2: 20 pC/div

Abb. 7.80 Auswirkung der Frontzeit von SI-Spannungen auf die PD-Signatur einer Hohlraum-
entladung. a 8 μs Frontzeit, 11,6 kV Testspannung. b 3 μs Frontzeit, 11 kV Testspannung

Ein weiteres Messbeispiel, das die Auswirkung der statistischen Zeitver-


zögerung auf die Einsatzspannung und damit auf den Entladungsmechanismus
unterstreicht, ist in Abb. 7.80 dargestellt, die sich auf Grenzflächenentladungen in
einem fehlerhaften MV-Kabelendverschluß bezieht. Wird zunächst eine Impuls-
spannung von etwa 8 µs Zeit-bis-zum-Scheitelwert angelegt (Abb. 7.80a), erreicht
die Anfangsspannung fast 3 kV, und danach treten zahlreiche PD-Impulse auf.
Wird jedoch die Steilheit der angelegten Impulsspannung erhöht, indem die Zeit-
bis-zum-Scheitelwert schrittweise verringert wird, schließlich bis auf etwa 3 µs
(Abb. 7.80b), steigt die Einsatzspannung erheblich an, und es wird nur ein ein-
ziger PD-Impuls mit vergleichsweise hoher Ladung gemessen, d. h. die zuvor
beobachtete PD-Impulsfolge verschwindet vollständig.
Die oben betrachtete Auswirkung der statistischen Zeitverzögerung auf die Ein-
satzspannung wird insbesondere bei Entladungen unter sehr schnellen transienten
(VFT) Spannungen dominant, die durch das Schalten der induktiven Last von
Leistungskonvertern mittels Halbleiterschalter angeregt werden können. Diese
fortschrittliche Technologie wurde ursprünglich eingeführt, zur Umwandlung
von Wechsel-oder Gleichspannung in rechteckförmige Betriebsspannung hoher
Schaltfrequenz um die Drehzahl von Industrieantrieben und elektrischen Bahnen
stufenlos zu regeln. Da das Prinzip solcher Leistungsumrichter auf der schnellen
Unterbrechung von induktiven Strömen basiert, können extrem hohe Über-
spannungen induziert werden, die mit einer starken PD-Aktivität einhergehen,
wie zum Beispiel in rotierenden Maschinen, und daher eine beschleunigte
Degradation der betroffenen Isolierung verursachen (Stone et al. 1992; Kaufhold
et al. 1996; IEC 61934:2006; IEC 60034-18-41:2014; IEC 60034-18-42:2008;
IEC 60034-25:2007; IEC 61934:2006). Heutzutage ist dieses Problem auch für
andere Industrienetzwerke und vor allem für Smart Grids relevant, aufgrund der
zunehmenden Verwendung von Leistungselektronik-basierten Systemen, zum
Beispiel zur Umwandlung der variablen Frequenz von Windkraftanlagen in Netz-
wechselspannung sowie zur Umwandlung der niedrigen Gleichspannung von
Photovoltaik-Anlagen in hohe Wechsel- oder Gleichspannung, die für Fernüber-
tragungsstrecken erforderlich ist.
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 419

Abb. 7.81 Spannungsspitzen (rosa Spur) induziert durch wiederholtes Unterbrechen von
induktiven Strömen (blaue Spur) aufgezeichnet bei Zeitskalen von 10 ms/div (a) und 1 ms/div
(b), Erklärung im Text

Wie aus der klassischen Netzwerktheorie bekannt ist, ist die Unterbrechung
eines induktiven Stroms mit einer Übertragung der „induktiven“ Energie in die
parallel geschaltete Last verbunden. Im Falle einer rein kapazitiven Last wird der
Scheitelnwert der induzierten Spannungs oft erheblich höher als die Betriebs-
spannung, wie beispielhaft in Abb. 7.81 gezeigt.
Beispiel Die in Abb. 7.81 dargestellten Oszilloskop-Screenshots beziehen sich auf einen
Stator eines Niederspannungsmotors mit einer Spuleninduktivität von Lc = 0,17 H. Ein
Spulenende wurde an eine konstante Gleichspannung von V1 = 210 V angeschlossen,
während das andere Spulenende periodisch (etwa 150-mal pro Sekunde, siehe Abb. 7.81a)
für eine Zeitspanne von Td = 2,2 ms auf Erdpotential geschaltet wurde. Unmittelbar
danach wurde der induktive Strom durch einen schnellen Halbleiterschalter, der durch
einen isolierten Gate-Bipolartransistor (IGTB) realisiert wurde, abgeschnitten. In der Zeit-
periode, in der die Statorspule auf Erdpotential geschaltet ist, steigt der induktive Strom
nahezu linear an und erreicht schließlich einen Spitzenwert von Ic = 2,7 A, der auch aus
dem Induktionsgesetz von Faraday folgt:

V1 = Lc · di/dt ≈ Lc · Ic /Td ,

IC = V1 · Td /Lc = (210 V) · (2.2 ms)/0.17 H ≈ 2.7 A


Im Augenblick Td = 2,3 ms, wenn der induktive Strom durch die Statorspule
unterbrochen wird, wird die gesamte induktive Energie auf die kapazitive Last
übertragen, die als Cp = 0,1 µF gewählt wurde. Unter dieser Bedingung kann der
Spitzenwert V2 der Spannung, die über die parallel geschalteten Elemente Lc und
Cp erscheint, mit der folgenden bekannten Beziehung berechnet werden:
1 1
· Lc · Ic2 = · Cp · V22 ;
2 2

 
V2 = Ic · Lc /Cp ≈ (2.7 A) · (0.17 H)/(0.1 µF) ≈ 3.52 kV.
420 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

Abb. 7.82 Ladungsimpulse (rosa Spur) von Entladungen zwischen zwei kreisförmigen Lack-
drähten unter wiederholten Kommutierungsspannungsspitzen (grüne Spur), aufgezeichnet im
Zeitraster von 100 µs/div (a) und 10 µs/div (b), (Erklärung im Text)

Dies übersteigt die angelegte Gleichspannung um mehr als eine Größenordnung


und stimmt gut mit der gemessenen Spitzenspannung überein, wie in Abb. 7.81b
angegeben.
Sehr schnelle transiente Spannungen, die durch das Schalten induktiver
Lasten mittels Leistungselektronik angeregt werden und manchmal auch als
Kommutierungsspannungsspitzen bezeichnet werden, zeichnen sich durch
Anstiegs- und Abklingzeiten im µs-Bereich sowie Wiederholfrequenzen von bis zu
einigen zehn kHz aus. Diese sind besonders schädlich für die Wicklungsisolierung
von rotierenden Maschinen, da unter diesen Bedingungen die Einsatzfeldstärke
erheblich erhöht sein kann und somit auch die PD-Aktivität, wie zuvor erörtert.
Dies wird durch das in Abb. 7.82 gezeigte Messbeispiel unterstrichen, das sich
auf Entladungen zwischen zwei kreisförmig angeordneten Lackdrähten bezieht,
die jeweils 1,2 mm im Durchmesser sind und von einem isolierenden Film von ca.
30 µm Dicke beschichtet sind.
Bei Anwendung wiederholter Kommutierungspannungen der Amplitude von
3,4 kV (grüne Spur), die mit Hilfe einer kapazitiven Feldsonde (Lemke 2016)
gemessen wurden, lag die maximale Impulsladung bei etwa 10 nC (rosa Spur).
Dieser vergleichsweise hohe Wert ist darauf zurückzuführen, dass die meisten
PD-Ereignisse im Scheitelbereich der angelegten Kommutierungspannungs
zünden, die weit oberhalb der statischen (minimalen) Zündspannung liegt. Weitere
experimentelle Untersuchungen ergaben, dass die Form der erfassten Strom-
impulse sowie deren Spitzenwerte über einen extrem weiten Bereich zufällig ver-
teilt waren, oft zwischen einigen zehn und einigen tausend mA, siehe Abb. 7.83.
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass üblicherweise sogenannte
verdrillte Paare von Lackdrähten verwendet werden, um das PD-Verhalten der
Wicklung/Wicklung-Isolierung von zufällig gewickelten rotierenden Maschinen
unter Kommutierungsspannungsspitzen zu qualifizieren. Zu diesem Zweck wird
ein Paar aus lackisolierten Magnetdrähten über eine Länge von etwa 120 mm
(IEEE Std. 522:2004) miteinander verdrillt. Bei der Verwendung solcher
7.6 PD-Messung bei Impulsspannungen 421

Abb. 7.83 Stromimpulse (rosa Spur) von Entladungen, die in Luft in der unmittelbaren
Umgebung von zwei sich berührenden Lackdrähten (Isolierdicke jeweils 30 µm, Drahtdurch-
messer 1.2 mm) unter Kommutierungsspannung (grüne Spur) zünden, aufgezeichnet im Zeit-
raster von 20 ns/div (a) und 4 ns/div (b), Erklärung im Text

Ladungsimpuls
,

Abb. 7.84 Ladungsimpulse (rosa Spur) überlagert auf dem kapazitiven Laststrom, der durch
die hochfrequenten Kommutierungsspannungsspitzen verursacht wird (grüne Spur). Test-
bedingungen: 60 µm Luftspalt zwischen verdrillten Paaren von Magnetdrähten; der Strom
wurde mittels eines Breitband-PD-Messsystems integriert, bei dem die untere Grenzfrequenz auf
20 kHz (a) und auf 1,8 MHz (b) eingestellt wurde, Erklärung im Text

­ estproben für die Messung der scheinbaren Ladung gemäß IEC 60270:2000
T
muss berücksichtigt werden, dass aufgrund der vergleichsweise hohen kapazitiven
Lastströme nur eine geringe Messempfindlichkeit erreichbar ist, wie beispielhaft
in Abb. 7.84a gezeigt. Um das Signal-Rausch-Verhältnis (S/N) zu erhöhen, wäre
eine Möglichkeit, die untere Grenzfrequenz des Messkreises zu erhöhen, die
deutlich oberhalb des Frequenzspektrums der Kommutierungsspannungsspitzen
liegen sollte. Dies wird durch das in Abb. 7.84b gezeigte Messbeispiel unter-
strichen, bei dem die untere Grenzfrequenz des Messsystems auf f1 ≈ 1,8 MHz
eingestellt wurde. Dies steht natürlich im Widerspruch zu der IEC 60270:2000,
die Messfrequenzen unter 1 MHz zur Messung der PD-Größe scheinbare
Ladung empfiehlt. Alternativ könnten auch nicht-konventionelle Methoden ver-
wendet werden, wie die PD-Erfassung im UHF-Bereich oder die Auswertung der
422 7 Prüfungen mit hohen Blitz- und Schaltimpulsspannungen

zugehörigen akustischen und optischen Signale. Unter dieser Bedingung kann die
PD-Aktivität jedoch nur qualitativ, nicht quantitativ bewertet werden, wie bereits
in den Abschn. 4.7 und 4.8 hervorgehoben wurde. Im Allgemeinen lässt sich
sagen, dass die PD-Prüfung von induktiven Bauteilen, die durch Kommutierungs-
spannungsspitzen beansprucht werden, neue Ansätze erfordert. Weitere
Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in der Technischen Broschüre TB
703, die 2017 von der Cigre WG D1.43 veröffentlicht wurde.
Kapitel 8
Prüfungen mit kombinierten und
zusammengesetzten Spannungen

Zusammenfassung In der Energieversorgung sind die Überspannungs-


beanspruchungen der Isolierungen oft Kombinationen der Betriebs- mit den Über-
spannungen. Dies kann vernachlässigt werden, solange der Überspannungswert
die Beiträge der Betriebsspannung enthält. Es kann nicht vernachlässigt werden,
wenn die Isolierung zwischen den Phasen oder die von Schaltgeräten betrachtet
wird. In diesem Fall ist die resultierende Spannung die Kombination von zwei
Spannungsbeanspruchungen an dreipoligen Prüfobjekten. In anderen Fällen besteht
die Beanspruchungsspannung aus zwei verschiedenen Spannungskomponenten,
z. B. in bestimmten HVDC-Isolierungen als zusammengesetzte Spannung aus AC-
und DC-Komponenten. Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition, Erzeugung
und Messung von kombinierten und zusammengesetzten Prüfspannungen auf der
Grundlage der IEC 60060-1:2010 und der IEEE Std. 4. Es werden auch einige Bei-
spiele für Tests mit kombinierten und komplexen Spannungen gegeben. Es sollte
erwähnt werden, dass diese Spannungen manchmal als „hybrid“ oder „überlagert“
bezeichnet werden, auch der zusammenfassende Begriff „gemischte“ Spannungen
ist in Gebrauch. Dieses Buch folgt der Terminologie der Norm IEC 60060-1 (2010).

8.1 Kombinierte Prüfspannung

Die Definitionen von kombinierten und zusammengesetzten Prüfspannungen


beziehen sich auf die Position des Prüflings zu den Prüfspannungsquellen. Wenn
das Prüfobjekt zwischen den beiden Prüfsystemen angeordnet ist, wird eine
kombinierte Spannung über zwei verschiedene HV-Anschlüsse und zu Masse
(Dreielektrodentestaufbau) auf das Prüfobjekt ausgeübt. Wenn die beiden Prüf-
systeme direkt verbunden sind, wird eine zusammengesetzte Spannung erzeugt,
die das Prüfobjekt von einem HV-Anschluss zum Erdpotential(Zweielektrodente
staufbau) beansprucht. In beiden Fällen muss jedes Prüfsystem durch ein Element
gegen die vom anderen System erzeugte Spannung geschützt werden, das seine
eigene Spannung durchlässt und die Spannung des anderen blockiert (Kopplungs-/
Schutzelement).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 423


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_8
424 8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

8.1.1 Erzeugung von kombinierten Prüfspannungen

Die kombinierte Spannung tritt zwischen den beiden HV-Anschlüssen eines


Prüfobjekts mit drei Anschlüssen mit dem dritten Terminal an Masse (Abb. 8.1a)
auf. Typische drei-terminale Prüfobjekte sind Trenner und Schalter. Auch die
Isolierung zwischen den Phasen in dreipoligen Systemen, z. B. metallgekapselte
Sammelschienen von GIS und dreipolige Kabel, bilden ein drei-terminales Prüf-
objekt. Für einen HV-Test eines GIS werden zwei Phasen jeweils an eine HV-
Quelle angeschlossen, die dritte Phase und das Gehäuse sind an Masse gelegt.
Das Prüfobjekt wird durch die Spannungsdifferenz der beiden Einzel-
spannungen (Abb. 8.1a: Vc = VAC − VSI) belastet. Abb. 8.1b zeigt als Beispiel die

VAC VSI
t

(a) VAC Vc VSI


Schutzele- Schutzele-
ment ment
1 2

HV Umwandlun 3- Umwandlun HV
Quelle gsgerät Klemmen- gsgerät Quelle
1 1 Prüfobjekt 2 2

2-Kanal-
Aufnahmege
rät

kombinierte Spannung Vc

Up (b)

Abb. 8.1 Erzeugung und Messung von kombinierten Spannungen. a Schematischer Schaltplan.
b Kombinierte Prüfspannung als Differenz von zwei Spannungen
8.1 Kombinierte Prüfspannung 425

kombinierte Prüfspannung einer AC- und einer SI-Spannung. Solange das Prüf-
objekt die kombinierte Spannungsbelastung Vc aushält, trennt es die beiden HV-
Quellen voneinander. Aber wenn es versagt, wird jedes Prüfsystem auch durch die
Spannung der gegenüberliegenden HV-Quelle belastet. Dann muss es durch ein
geeignetes Schutzelement geschützt werden, das die andere Spannung zumindest
auf eine akzeptable Spannungsbelastung reduziert. Aber dieses Element muss
auch die Spannung der geschützten HV-Quelle koppeln – und nicht blockieren.
Dies bedeutet, dass Elemente angewendet werden müssen, die für verschiedene
Spannungen unterschiedliche Impedanzen aufweisen. Zum Beispiel hat ein
Induktor keine Impedanz für Gleichspannung, aber eine hohe Impedanz, wenn
er mit LI-Spannungen belastet wird. Daher kann er zum Schutz eines Gleich-
spannungsgenerators verwendet werden. Es muss berücksichtigt werden, wie die
Kopplungs-/Sperrelemente die beiden Komponenten der kombinierten Spannung
beeinflussen. Daher müssen die Messung der beiden Spannungen nach den
Kopplungs-/Schutzelementen parallel zur Erdungsisolation des Prüfobjekts
(Abb. 8.1a) durchgeführt werden. Im Vergleich zur Impedanz des Prüfobjekts
sollten die Impedanzen der Kopplungs-/Schutzelemente niedrig sein.
In der Tab. 8.1 werden die Eigenschaften der Kopplungs-/Schutzelemente
zusammengefasst. Die bevorzugte Anwendung eines Elements wird in der ersten
Zeile angegeben, eine zweite Anwendung mit unterschiedlichen Parametern
des Elements wird in Klammern angegeben. Die Pfeile in Klammern geben
einen niedrigen (↓) oder hohen (↑) Wert des Parameters (L, R, C) an. Zum Bei-
spiel koppelt ein Kondensator mit großer Kapazität (niedrige Impedanz für
Wechselspannung) Wechselspannung von Netzfrequenz, aber einer mit geringer
Kapazität (hohe Impedanz) kann sie blockieren. Ausgelöste Schalter können
in die Positionen „geschlossen = gekoppelt“ oder „offen = getrennt“ geschaltet
werden und können daher weitgehend angewendet werden. Es muss berück-
sichtigt werden, dass ein – möglicherweise ausgelöster – Zündfunken eine
bestimmte Spannung für die Zündung erfordert (siehe Abb. 7.6b). Wenn sie
erreicht ist, springt die resultierende Spannung auf diesen Wert (Abb. 8.8). Nach

Tab. 8.1 Kopplungs-/Schutzelemente für Kombinations-/Composite-Prüfspannungskreise


Testspannungs- Gleichspannung Wechselspannung SI-Spannung LI-Spannung
elemente
Drosselspulen Kopplung Kopplung (L↓) Schutz (L↑) Schutz
(L) (Schutz, L↑) (Kopplung, L↓)
Widerstände (R) Kopplung (R↓) Kopplung (R↓) Schutz (R↑) Kopplung
(Schutz, R↑) (Schutz, R↑) (Kopplung, R↓) (nur geringe R↓)
Kondensatoren Schutz Kopplung (C↑) Kopplung (C↑) Kopplung
(Schutz, C↓) (Schutz, C↓)
Schalter als Kopplung oder Kopplung oder Kopplung oder Kopplung oder
getriggerte, Schutz Schutz Schutz Schutz
Halbleiter
426 8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

einer Impulsbelastung erlischt sie nicht leicht bei einer AC- oder DC-Spannung,
die kurzgeschlossen ist. Nicht ausgelöste Funkenstrecken haben den Nachteil der
Streuung ihrer Durchschlagspannung so dass es schwierig ist, Standard-LI- und
SI-Spannungsformen zu erreichen. Das alternative Kopplungselement zur Kugel
ist ein Kondensator, in der Superposition erhält er die beiden Spannungen, wie sie
sind (z. B. Abb. 8.5). Kondensatoren sind teuer, weil ihre Kapazitäten erheblich
höher sein sollten als die der Prüfobjekte (Felk et al. 2017).
Beispiel: Wenn eine DC/LI- kombinierte Spannung angewandt werden soll, ist das rechte
Element zwischen DC Prüfsysten und Prüfling eine Drosselspule, weil sie die Gleich-
spannung koppelt und gegen die Blitzspannung schützt. Zwischen dem LI Prüfsystem
und dem Püfling ist ein Kondensator, der die Blitzspannung koppelt und vor der Gleich-
spannung schützt. Auch eine getriggerte Funkenstrecke könnte hier angewandt werden.

Wie bereits erwähnt, beeinflussen die Kopplungs-/Schutzelemente die Spannungs-


erzeugung beider Spannungsquellen und die beiden Quellen weisen auch Wechsel-
wirkungen auf. Als Ergebnis hat die kombinierte Spannung nicht die erwartete
Form. Der Test eines Trenners soll betrachtet werden: Die AC/SI-Kombinierte-
Prüfspannung wird durch einen Prüftransformator und einen Impulsgenerator
erzeugt (Abb. 8.2a). Die AC-Spannung sinkt um etwa 20%, wenn die AC-Quelle

verfügbar ist, ein Stützkondensator Ca ≫ Ct, größer als die Prüfobjektkapazität Ct


nicht steif genug ist (Abb. 8.2b: 20 %). Wenn kein leistungsstarkes AC-Testsystem

parallel zur AC-Quelle und zum Prüfobjekt, reduziert den Spannunsabfall erheb-
lich (Abb. 8.2c: <5 %) (Cui et al. 2009). Wenn eine kombinierte (oder zusammen-
gesetzte) Spannungsprüfung geplant ist, wird empfohlen, den Prüfkreis durch
einen geeigneten Äquivalenzkreis zu analysieren.

(a) VSI VC VAC


(b)
Element Element
Spannung V

Schutz Schutz
Spannungsabfall!
Ct
Ca
Cs
SI Konvertierungs 3-Terminal Konvertierungs AC- Zeit t
Quelle gerät Prüfobjekt gerät Quelle ohne Ca: V = 20%
1 2

(c)
Spannung V

Spannungsabfall!

LI /SI AC
2-Kanal-
Ca>>Ct
Cs >>Ct Aufzeich-
nungsgerät
Zeit t

mit Ca: V < 5%

Abb. 8.2 Wechselwirkung zwischen den beiden Spannungsquellen. a Schematischer Schaltplan.


b Abfall der Wechselspannung ohne Stützkondensator. c Abfall der Wechselspannung mit Stütz-
kondensator Ca
8.1 Kombinierte Prüfspannung 427

8.1.2 Anforderungen an die kombinierten Prüfspannungen

Der Prüfspannungswert der kombinierten Spannung ist die maximale Potenzial-


differenz zwischen den beiden HV-Anschlüssen des Prüflings. Seine Toleranz, das
heißt der Unterschied zwischen dem angegebenen Wert und dem aufgezeichneten
Wert, muss innerhalb von ±5 % des angegebenen Wertes liegen. Dies schließt ein,
dass auch ein Spannungsabfall nicht mehr als 5 % beträgt. Für jede Spannungs-
komponente gelten die oben in den jeweils relevanten Kap. 3, 6 und 7 genannten
Anforderungen. Darüber hinaus ist die Zeitverzögerung, das ist die Zeitdifferenz
zwischen den beiden Maxima der Spannungskomponenten, zu berücksichtigen
(Abb. 8.3). Die Toleranz der Zeitverzögerung beträgt 0,05 Tp, wobei Tp als
längerer Frontparameter der beiden involvierten Spannungen zu verstehen ist (All-
gemein gilt: Tp ist die LI-Stirnzeit oder die SI-Scheitelzeit oder ein Viertel einer
AC-Periode ist).

8.1.3 Messung der kombinierten Prüfspannungen

Die zwei Hochspannungsprüfsysteme erfordern jeweils ein Hochspannungs-


messsystem für die Einstellung ihrer Ausgangsspannungen, die zur kombinierten
oder zusammengesetzten Spannung beitragen. Diese Messsysteme müssen auch
die Wechselwirkungen zwischen den beiden Hochspannungsprüfsystemen auf-
zeichnen können.
Die beanspruchende kombinierte Spannung wirkt zwischen den Hoch-
spannungsklemmen des Prüflings (Abb. 8.1). Eine übliche Messung dieser
Spannung ist schwierig, weil kein Erdpotential beteiligt ist. Die IEC 60060-
1:2010 erlaubt daher die Berechnung der kombinierten Prüfspannung aus der
Messung ihrer zwei Spannungskomponenten: Jeder der beiden Spannungsteiler

(a) Vip2 (b)


Vip
Spannung V Spannung
V

Zeit t Zeit t
t t

VACp

Vip1

Abb. 8.3 Zeitverzögerung von kombinierten und zusammengesetzten Spannungen. a Für zwei
Impulsspannungen. b Für eine Impulsspannung und eine Wechselspannung
428 8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

sollte so nah wie möglich an seinem relevanten Hochspannungsklemmen des Prüf-


lings angeordnet werden. Die beiden Spannungen werden aufgezeichnet, und die
kombinierte Spannung wird als deren Differenz berechnet. Die Unsicherheits-
abschätzung für die Messung der berechneten kombinierten Spannung muss die
Einflüsse des Prüflings und der Spannungsabfälle über die Verbindungs-/Blockier-
elemente berücksichtigen, die berechnete kombinierte Spannung(Abb. 8.1b) sollte
mit einer identischen Zeitachse angezeigt werden.

8.1.4 Beispiele für kombinierte Spannungsprüfungen

Trennschalterprüfung: Die Prüfung von EHV-AC-Trennschaltern und Phasen-


zu-Phasen-Luftisolierung mit einer kombinierten Spannung aus AC- und SI-
Komponenten ist das klassische Beispiel für eine kombinierte Spannungsprüfung.
Die Wechselwirkung zwischen den Prüfspannungsquellen kann einen Spannungs-
abfall verursachen, wie oben in Abschn. 8.1.1 (Abb. 8.2) betrachtet. Garbagnati
et al. (1991) fanden heraus, dass die atmosphärischen Korrekturen der IEC
60060-1 (siehe Abschn. 2.1.2) ausreichende Ergebnisse liefern, wenn sie sich auf
jene Komponente der Prüfspannung beziehen, die zwischen den Hochspannungs-
klemmen des Prüflings auftritt und die die maximale kombinierte Spannung ver-
ursacht.
Kombinierte SpannungTests mit Gleichspannungskomponente: Die breitere
Anwendung von HVDC-Übertragungssystemen wird Prüfspannungen erfordern,
die als kombinierte Spannungen verstanden werden können (Gockenbach 2010).
Es gab frühe Untersuchungen über die Kombination von Gleichspannung und
oszillierender SI-Spannung (Abb. 8.4) in Vorbereitung von Prüfsystemen für die
russische HVDC-Übertragung (Lämmel 1973). Mittlerweile werden LI/DC-
Spannungsuntersuchungen auf Gasisolierungen mit N2 und SF6 ausgedehnt (Wada
et al. 2011). Sie zeigen, dass eine Gleichspannungskomponente unter 50 % des
Prüfspannungswerts kaum Einfluss auf die Durchbruchspannung hat.

8.2 Zusammengesetzte Spannungen

8.2.1 Erzeugung und Anforderungen

Die Verbindung zweier unterschiedlicher Prüfspannungen zu einem Anschluss


führt aufgrund ihrer Überlagerung an diesem Punkt zu einer zusammengesetzten
Prüfspannung (Abb. 8.5a). Die Verbindung wird mit geeigneten Kopplungs-/
Schutzelementen (Tab. 8.1) realisiert. Im Gegensatz zu kombinierten Spannungen
ist die zusammengesetzte Spannung die Summe der beiden Komponenten
8.2 Zusammengesetzte Spannungen 429

(b) Vp

(a)
VDC VSI/LI
test
objekt VDC
0

Spannung Zeit

DC SI / LI
Quelle Quelle
VDC

Vp

Abb. 8.4 DC/SI kombinierte Spannung. a Schaltkreis mit Kopplungs-/Verbindungselementen. b


OLI-Spannung überlagert auf Gleichspannung

(Abb. 8.5b: Vco = V1 + V2). Wenn die beiden Spannungsquellen zusammen-


geschlossen sind, kann die Wechselwirkung zwischen den beiden Hochspannungs-
quellen einschließlich ihrer Kopplungs-/Schutzelemente eine Rolle spielen und
sollte analysiert werden.
Der Prüfspannungswert der komplexen Spannung ist der absolute Maximal-
wert am Prüfobjekt und soll innerhalb von ±5 % den angegebenen Wert erreichen.
Auch darf jeder Spannungsabfall 5 % nicht überschreiten. Die Zeitverzögerung
ist wie bei kombinierten Spannungen definiert (Abb. 8.3) und sollte wieder inner-
halb von ±0,05 Tp (Tp wie in Abschn. 8.1.1 definiert) liegen. Für die Einzel-
Spannungskomponenten gelten die Anforderungen in den zugehörigen Kapiteln
dieses Lehrbuchs.

8.2.2 Messung von zusammengesetzten Prüfspannungen

Die belastende zusammengesetzte Spannung wirkt zwischen dem Hoch-


spannungsanschluss des Prüfobjekts und der Erde (Abb. 8.5). Daher kann sie
direkt gemessen werden. Das verwendete Messsystem muss die Anforderungen
der IEC 60060-2:2010 für beide Komponenten erfüllen. Bei einer DC/LI-
zusammengesetzten-Spannung muss z. B. ein universeller Teiler angewendet
430 8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

V1 V2

(a)
Kupplung+ Vco = V1 + V2 Kupplung+ V2
V1
Sperrele- Sperrele-
ment 1 ment 2

HV Umwandlun Umwandlun 2- Umwandlun HV


Quelle gsgerät gsgerät Klemmen- gsgerät Quelle
1 V1 Vco Prüfobjekt V2 2

3-Kanal-
Aufnahmege
rät

zusammengesetzte
Spannung Vco

Up
(b)

Abb. 8.5 Erzeugung und Messung zusammengesetzter Spannungen. a Schematischer Schalt-


plan. b Zusammengesetzte Spannung als Summe der beiden Spannungen

werden (Abb. 2.10). Die separate Messung der beiden Spannungskomponenten


ist für die präzise Kontrolle der beiden Spannungsgeneratoren und für die Veri-
fizierung des korrekten Verhältnisses der beiden Spannungen erforderlich. Alle
drei Spannungen sollten synchron aufgezeichnet und mit einer identischen Zeit-
achse angezeigt werden (Abb. 8.5). Die Spannungsmesssysteme müssen für
die Messung der zugehörigen (Teil-) Prüfsysteme sowie für die zu messenden
zusammengesetzten Spannungen kalibriert werden. Auf der Grundlage dessen
wird die Unsicherheit der Messung der komplexen Spannungen geschätzt.
8.2 Zusammengesetzte Spannungen 431

8.2.3 Beispiele für Spannungstests mit zusammengesetzten


Spannungen

Eine zusammengesetzte DC/AC-Prüfspannung kann erzeugt werden, wenn der


Glättungskondensator des DC-Generators über die HV-Wicklung eines Prüf-
transformators (Abb. 8.6) an Masse geschalten wird. Der DC-Generator muss
über einen Isolier-transformator (Abb. 6.8) gespeist werden. Wenn der Prüftrans-
formator so konstruiert ist, dass er die DC-Spannung bei einem Durchbruch des
Testobjekts aushalten kann, sind keine zusätzlichen Kopplungs-/Schutzelemente
erforderlich. Das in Abb. 8.6 gezeigte Foto zeigt ein solches DC/AC-Test-
system am NIIPT in St. Petersburg, Russland, das für den Betrieb einer HVDC-
Testleitung, Korna-Untersuchungen und andere Grundlagenforschungsarbeiten
verwendet wird. Beide Spannungskomponenten können separat eingestellt
werden. Für die Anwendung von zusammengesetzten DC/LI bzw. DC/SI-Prüf-
spannungen ist der Grundschaltkreis (Abb. 8.5) mit Kopplungs-/Schutzelementen
gemäß Tab. 8.1 zu verwenden.
Hinsichtlich der Charakteristika der HVDC-Isolierung (siehe Kap. 6, ins-
besondere Abschn. 6.2.2.2, 6.2.3, 6.3), sind zusammengesetzte Spannungen für die
Prüfung der HVDC-Isolierung erforderlich. Dies sollte für HVDC Gas – Isolierte
Systeme (Cigre JWG D1/B3.57 (2017)) mit der sensiblen Feldstärke-Verteilung
im Umfeld der Abstandshalter in Betracht gezogen werden. Abb. 8.7 (Hering
et al. 2017) zeigt die Situation des elektrostatischen Feldes bei AC-Spannung
und des Strömungsfeldes bei DC-Spannung kurz vor einer transienten LI- oder
SI-Spannung. Für ein HVAC-Testobjekt – mit der niedrigsten Feldstärke an der
äußeren Elektrode – wird die transiente Spannung die Intensität der Feldverteilung
nur ändern. Im Fall der HVDC-Isolierung – mit der Raumladungs-dominierten
hohen Gleichspannungsfeldstärke am äußeren Teil des Abstandshalters (Spacer) –
ist der Übergang dieses Oberflächenladungs-Strömungsfeldes zu einem kapazitiv-

DC 1,3 MV DC
1,0 A cont.

Prüf
object

AC 400 kV AC
3,3 A cont.

Abb. 8.6 Testsystem für DC/AC-zusammengesetzte Spannung bis ±1300 kV DC und 400 kV
AC (Das Prinzip wird für eine einzige Polarität gezeigt)
432 8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

position in mm

normierte Feldstärke
Abb. 8.7 Feldbedingungen in einem HVAC- und einem HVDC-Gasisolierten System vor einer
transienten Beanspruchung (Hering et al. 2017). Beachten Sie die höhere Feldstärke auf der
Außenseite des Abstandshalters bei DC-Stress

dominierten quasi-elektrostatischen Feld zu berücksichtigen. Letzteres ist


mit Feldstärkenvergrößerungen verbunden, insbesondere wenn die Polarität
der transienten Spannung der vorherigen quasi-stationären Gleichspannungs-
beanspruchung entgegengesetzt ist (Abb. 8.8b, d).
NOTE Abb. 8.8 ist ein Vorschlag des CIGRE JWG D1/B3.57 für die vorliegende Ent-
wurfsfassung einer CIGRE-Broschüre. Sie verwendet Abb. 8.8 für Definitionen von LI-
Testspannungen und definiert separat eine DC-Spannungsvorbelastung. Sie unterstreicht
die hohe LI-Belastung, wenn die beiden Spannungskomponenten entgegengesetzter
Polarität sind. Aber es scheint besser zu sein, die zusammengesetzte Spannung zu berück-
sichtigen, weil die beiden Spannungen gemeinsam wirken.

Folglich werden für gasisoliertes HVDC-Isolierungen zusammengesetzte DC/AC,


DC/LI und DC/SI-Spannungsprüfungen (DC-Feld in Gleichstrombedingungen)
erforderlich. Während Prüfspannungen und -verfahren innerhalb der CIGRE JWG
diskutiert wurden, werden erste Werte der Prüfspannungen und Prüfdauern für
einen Prototyp-Installations-Test (siehe Abschn. 6.2.3.1) vorgeschlagen von Neu-
mann et al. (2017). Es soll erwähnt werden, dass diese Prototyp Stehspannungs-
prüfung auch eine kombinierte HVDC- und Wärmeprüfung umfasst, die eine
geeignete Stromquelle verwendet, die am HV-Potential angeschlossen werden
kann. Die Prüfung eines offenen Schalters eines gasisolierten HVDC-Systems
umfasst sowohl einen zusammengesetzten Spannungstest (Abb. 8.9a, b) als auch
für die Schaltstrecke selbst eine kombinierte Spannungs- Laststrom-Prüfung
(Abb. 8.9c).
8.2 Zusammengesetzte Spannungen 433

Spannung V Spannung V

Zeit t Zeit t

Spannung V Spannung V

Zeit t Zeit t

Abb. 8.8 Zusammengesetzte DC/LI-Spannungstests als Definition für die LI-Spannungstests


eines Gasisolierten Systems (schematisch) wie in CIGRE JWG D1/B3.57 2017 vorgeschlagen.
Das Sperr-/Verbindungselement ist eine getriggerte Funkenstrecke, die bei Triggerung einen
Spannungssprung verursacht (gestrichelte blaue Linien). a Spannung von positiver DC und
positiver LI-Komponente. b Spannung von positiver DC und negativer LI-Komponente. c
Spannung von negativer DC und negativer LI-Komponente. d Spannung von negativer DC und
positiver LI-Komponente
434 8 Prüfungen mit kombinierten und zusammengesetzten Spannungen

(a)

geerdet
DC/LI
Spannungen

(b)
geerdet
DC/LI
Spannungen

(c)

DC LI
Spannung Spannung

geerdetes Gehäuse

Abb. 8.9 Prüfung des Schalters eines SF6 -isolierten Systems (schematisch). a DC/LI- oder SI-
zusammengesetzter-Spannungstest, rechte Seite geerdet. b DC/LI- oder SI-zusammengesetzter-
Spannungstest, linke Seite geerdet. c DC/LI- oder SI-kombinierter Spannungstest
Kapitel 9
Hochspannungsprüflaboratorien

Zusammenfassung Effiziente Hochspannungsprüfungen, Forschungsarbeiten oder


die Ausbildung von Studenten erfordern gut konzipierte Hochspannungslabors.
Dieses Kapitel befasst sich mit der Planung von HV-Laboratorien. Grundlage ist
eine klare Analyse der Anforderungen an das Labor und die entsprechende Auswahl
der HV-Prüfsysteme. Dazu gehört ein allgemeines Prinzip der Steuerungs- und
Messsysteme, der internen Datenauswertung und der Kommunikationsstrukturen.
Die Planung von Prüfgebäuden oder Prüfräumen hängt stark von der Zielsetzung
des Labors und von den verfügbaren Mitteln ab. Es werden die allgemeinen Grund-
sätze für die Erdung und Abschirmung, für die Energieversorgung, den Transport
und die Hilfsmittel erläutert. Ein wichtiger Bestandteil der Planung ist ein Sicher-
heitssystem, das sowohl die Sicherheit für die Bediener als auch zuverlässige,
schnelle Prüfungen gewährleistet. Es werden einige Besonderheiten für Freiluft-
Testlabors und die Aktualisierung bestehender Testfelder vorgestellt.

9.1 Anforderungen und Auswahl von


Hochspannungsprüfsystemen

9.1.1 Zweck eines Prüflaboratoriums

Der Begriff „HV-Prüflabor“ reicht von einem kleinen Einzelraum mit Prüfgeräten
von wenigen Kilovolt Bemessungsspannung bis hin zu riesigen UHV-Laboratorien
mit mehreren Prüffeldern unterschiedlicher Prüfbereiche. Eine optimale Planung
eines an die Ziele eines Unternehmens oder einer Institution angepassten HV-
Laboratoriums ist die Grundlage für seinen späteren reibungslosen Betrieb. Die
Benutzer von HV-Testfeldern können in die folgenden Gruppen unterteilt werden:
• Hersteller und Reparaturbetriebe von Geräten und Anlagen für Energiever-
sorgungssysteme („Geräteanbieter“),
• Unternehmen der Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung („Versorger“),
• Forschungsinstitute und HV-Prüfdienstleister („Dienstleister“),

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 435


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_9
436 9 Hochspannungsprüflaboratorien

• Mess- und Kalibrierdienstinstitutionen, nationale Labore („Kalibrieranbieter“),


• Universitäten und technische Schulen, Bildung und Ausbildung („Ein-
richtungen“).
Die durchgeführten Hochspannungstests können wie folgt unterteilt werden:
• Stückprüfungen an neuen oder reparierten Hochspannungs geräten („Stück-
prüfung“),
• Typprüfungen an neu entwickelten Geräten („Typprüfung“);
• Prüfungen für Forschung und Entwicklung (F&E) neuer Hochspannungsgeräte
(„Entwicklungstests“),
• Prüfungen für die Entwicklung von Hochspannungsmesssystemen und
Kalibrierungen („Kalibrierung“),
• Prüfungen für praktisches Training und Demonstrationen („Tests für die Aus-
bildung“).
Die verschiedenen Arten von HV-Prüfungen sind in Bezug auf die verschiedenen
Benutzer von HV-Prüfungen in Tab. 9.1 aufgeführt. Die Dunkelheit eines
Feldes soll seine Bedeutung für den Benutzer anzeigen, dunkelblau bedeutet am
wichtigsten, hellblau bedeutet nützlich, aber nicht notwendig, und weiß bedeutet
normalerweise nicht notwendig. Es sollte auch erwähnt werden, dass einige
Benutzer in der Lage sein sollten, Kombinationen von Prüfungen durchzuführen.
Viele Universitäten mit gut ausgestatteten HV-Laboratorien führen HV-Forschung
oder sogar Typprüfungen durch. Nicht zuletzt sind HV-Laboratorien sehr attraktiv
und können das Image einer Institution erheblich unterstützen.
Die Kombination aus Bildung und Forschung passt gut zusammen, während
Routine-Tests und Forschungsarbeiten sich gegenseitig stören würden. Eine Stück-
prüfung ist ein Teil der Produktion und muss dem technologischen Fluss in der
Firma folgen. Eine kurze und reibungslose Beförderung von der Fertigungshalle
zum Routine-Testfeld und von dort zur nächsten Station ist genauso wichtig wie
ein einfacher und schneller Prüfprozess. Für einen Ausrüster kann es nützlich
sein, verschiedene Stückprüffelder in Bezug auf seine erheblich unterschiedlichen

Tab. 9.1 Ziele der HV-Tests (Erläuterungen im Test)


Stückprüfungen Typprüfungen Prüfungenfür Kalibrierungen Pädagogische
F&E Tests
Anbieter von
Ausrüstung

Versorgungs
unternehmen
Test-
Dienstleister

Anbieter von
Kalibrierungen

Einrichtungen
9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen 437

Produkte zu haben, aber in minimalem Abstand zwischen Stückprüfungen und


Typ-/Entwicklungstests.
Versorgungsunternehmen müssen sehr unterschiedliche, betriebsgealterte
Geräte untersuchen und nur in besonderen Fällen neue Geräte. Daher könnte ein
Labor für die Mehrzweckanwendung optimal sein. Der Serviceanbieter muss auch
sehr flexibel und spezialisiert auf Typentests und Forschungs-/Entwicklungstests
sein.

9.1.2 Auswahl von Prüfanlagen

Für die verschiedenen Arten von Tests sind unterschiedliche Testsysteme und
unterschiedliche spezielle Zubehörteile erforderlich. Tab. 9.2 und 9.3 geben einen
Überblick über die erforderlichen Prüfsysteme und Zubehörteile.
Wie in Tab. 9.1 angegeben, entspricht die dunkle blaue Farbe dem erforder-
lichen Gerät, die hellblaue Farbe dem nützlichen Gerät. Die in Tab. 9.2
angegebenen Spannungswerte geben die höchsten Bemessungsspannungen der
Prüfanlagen an, die gemäß dem in Abschn. 1.2 (Abb. 1.5 und 1.6) beschriebenen
Verfahren ausgewählt wurden. Sie sind nur für UHV-Stromgeräte erforderlich. In
den meisten anderen Fällen hängen die Bemessungsspannungen der Prüfanlagen
von den Prüfobjekten mit der höchsten Bemessungsspannung (Tab. 1.2 und 1.3)
oder den Zielen der HV-Forschung ab.
Für Stückprüfungen (Tab. 9.2), müssen die HV-Prüfsysteme ausreichend für die
zu prüfenden Produkte der kommenden 10 Jahre sein. Es wird empfohlen, eine
Überdimensionierung zu vermeiden. Die AC-Spannung der Netzfrequenz ist weit-
aus die wichtigste Spannung für Stückprüfungen. Sie wird immer mehr mit der
PD-Messung verbunden. Daher sollten die Prüfräume abgeschirmt sein oder eine
abgeschirmte Prüfkammer angewendet werden (Tab. 9.3; siehe auch Abb. 9.32).
Auch ein metallgekapseltes Prüfsystem (Abb. 3.47) ist nützlich für metall-

Tab. 9.2 Testsysteme für die verschiedenen Arten von HV-Tests


AC-Prüfsysteme DC-Prüfsysteme LI/LIC/SI- HV-Systeme für
Prüfsysteme kombinierte und
zusammengesetzte
Stückprüfungen

Typprüfungen Ergibt sich aus den Spalten


von AC-, DC- und
Impulsspannungen

Entwicklung- Was die Typprüfungen


sprüfungen betrifft

Kalibrierungen

Pädagogische Tests
438 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Tab. 9.3 Spezielle Zubehörteile für die verschiedenen Arten von HV-Tests
Schirmung für
Verschmutz Klimakam- Prüftanks für Corona-
PD-und dielektr. Regenanlage Öltank
ungskammer mer Isoliergase Käfig
Messungen
Stückprüfung

Typprüfung

Entwicklungs-
prüfungen

Kalibrierungen

Pädagogische
Tests

gekapselte Prüflinge (z. B. GIS). Wenn das HVAC Prüfsystem metallgekapselt ist,
ist der gesamte Schaltkreis gut abgeschirmt und erfordert keinen abgeschirmten
Prüfräume. Es kann in der Fertigungshalle selbst angeordnet werden. Impuls-
Spannungstests sind für Stückprüfungen nur bei wenigen Geräten erforderlich,
z. B. für Transformatoren. Dann gehören die zugehörigen LI/SI-Prüfsysteme zum
Lieferumfang für das Prüffeld. Routine-Tests mit Gleichspannung sind zur Zeit
sehr selten, werden aber mit der breiteren HVDC-Anwendung immer häufiger
erforderlich.
Für Typ- und Entwicklungstests und für HV-Forschungsarbeiten sind alle Arten
von Prüfspannungen und für die meisten Spezialzubehör erforderlich (Tab. 9.1, 9.2
und 9.3). Ihre Nennwerte müssen sorgfältig unter Berücksichtigung der möglichen
Entwicklung in den nächsten 2 Jahrzehnten ausgewählt werden.
Spannungskalibrierungen (Tab. 9.2) können bei reduzierten Spannungen
von >20 % der Nennspannung der zu kalibrierenden Messsysteme durchgeführt
werden. Daher sind die Nennspannungen für die Kalibrierung etwa 20 % der
Nennspannungen für Typ-Tests (Tab. 9.2) und kleine Testsysteme sind ausreichend
(Abb. 9.1, courtesy of TÜBITAK, Gebze, Turkey). Kalibrierung erfordert immer
einen geringen elektromagnetischen Grundstörpegel; daher sollten Prüfräume für
Kalibrierung abgeschirmt sein.
Tests für die Ausbildung (Tab. 9.2) können bei hohen Spannungen von einigen
hundert Kilovolt durchgeführt werden (Abb. 9.2, mit freundlicher Genehmigung
der FH Mittweida, Deutschland). Es wird empfohlen, für jeden HV-Test separate
kleine Räume oder Bereiche zu haben, um mehreren Trainingsgruppen zu ermög-
lichen, parallel zu arbeiten, ohne sich gegenseitig zu stören (Prinz 1965; Mosch
et al. 1974; Hauschild und Fahd 1978; Kind und Feser 1999; Schwarz et al. 1999).
Hinweis Für die Auswahl der Nenndaten von Prüfsystemen, Sonderausstattungen und
Prüfbereichen wird empfohlen, eine Liste der zu Prüfenden elektrischen Geräte mit
ihren elektrischen Nennparametern, ihren Prüfspannungswerten, Prüfbedingungen,
Abmessungen und Gewicht zu erstellen. Auch die Standards, die angewendet werden
sollen, sollten für die Gestaltung des Laboratoriums wie im Folgenden beschrieben
zusammengefasst werden.
9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen 439

AC-Prüfanlage 350 kV DC-Anlage 400 kV LI/SI-Prüfanlage 1000 kV

Transformator-Standardkondensatoren Gleichrichter Abschneide_ Generator


KoppelkondensatorSpannungsteiler Spannungsteiler Funkenstrecke DC-Versorgung

Abb. 9.1 Kleine HV-Prüfsysteme in einem Kalibrierlabor

AC-Prüfspannung bis zu 200 kV DC-Prüfspannung bis zu 270 kV LI/SI-Prüfspannung 400 kV

Abb. 9.2 Prüfboxen für die studentische Ausbildung

9.1.3 Abstände und Prüfbereiche

Die Größe eines Prüfraums kann definiert werden, nachdem die erforderlichen
HV-Testsysteme ausgewählt und die Größe des größten Prüfobjekts geschätzt
wurde. Die erforderlichen Abstände zwischen Prüfobjekten und jeder geerdeten
oder Hochspannung führenden Struktur wurden in Abschn. 2.1.2 besprochen und
sind in Abb. 2.1 dargestellt. Dieser Abstand ist erforderlich, um jeden Einfluss auf
die Spannungsverteilung am Testobjekt zu vermeiden. Im Gegensatz dazu muss
der Abstand in der Luft zwischen einem HV-Prüfsystem und seiner Umgebung so
gewählt werden, dass er mindestens etwa 120 % der Nennspannung Vr des Test-
systems aushält.
440 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Im Testspannungsbereich bis 600 kV (Scheitelwert) kann die einfache


Berechnung der Luftdistanz d auf der Grundlage des Spannungsbedarfs 5 kV/
cm der positiven Streamerentladung in Luft (Abb. 9.3, gestrichelt, blaue Kurve)
durchgeführt werden:
Beispiel Ein 400 kV AC Testkreis soll angeordnet werden. Welche Distanz d ist
erforderlich, um zwischen seinen Komponenten und den geerdeten metallischen Zäunen
und Wänden zu gewährleisten? Die Nennspannung ist ein Effektivwert; Daher ist der
Spannungsspitzenwert durch

Vpeak = 2 · 400 kV = 566 kV

und die Distanz folgt


d > (1.2 · 566 kV)/5 kV/cm = 136 cm.
Es wird beschlossen, dass der Abstand zum metallischen Zaun 140 cm betragen soll.

Bei höheren Spannungen wird die Zunahme der Durchbruchspannung (V50)


Abstandscharakteristik aufgrund der Leaderentladung (Abb. 9.3; Carrara und
Zafanella 1968) erheblich geringer. Gemäß der Durchschlagspannung (V01,
grüne Kurve) der positiven Stab-Plattee-Anordnung wäre für eine 2 MV SI- oder
AC- (Spitzen-) Prüfspannung ein Abstand von etwa 16 m zu anderen Objekten
erforderlich. Aufgrund der hohen Kosten für den Platz in einem HV-Labor
muss ein viel kürzerer Abstand durch die Anwendung geeigneter Abschirm- und
Kontrollelektroden erreicht werden. Daher wird der Eindruck eines UHV-Labors
durch riesige Elektroden (Abb. 9.4) bestimmt.

Abb. 9.3 Durchschlags­ Spannung V Durchschlagsspannungen:


pannungt einer positiven
Spitze-PlatteFunkentrecke
in Luft

geschätzter
mindest
Abstand für
Stehspannung

Spaltabstand
9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen 441

LI/SI-Generator 3200 kV AC-Prüfsystem 1200 kV mit UHV-Anschlüssen DC-Generator 1500 kV

Abb. 9.4 Toroid-Elektroden im UHV-Prüflabor von HSP Köln (Deutschland)

Es gibt viele Veröffentlichungen zum Design von HV-Elektroden, z. B. Moeller


et al. (1972), Feser (1975), Mosch et al. (1979), Lemke et al. (1983) und Hau-
schild (1995), und die elektrischen Felder können jetzt genau berechnet werden.
Das große Problem besteht darin, die akzeptable kritische Feldstärke auszu-
wählen. Für PD-freie Elektroden kann das Konzept des Streamer-Einsatzes
(Bürger 1976; Engelmann 1981; Dietrich 1982) verwendet werden; andernfalls
ist auch der Streamer-Leader-Übergang anwendbar. Für große Elektroden führt
der Streamer - einsatz über eine sehr heftige Streamer-entladung sofort zu einem
Leader. Die Größe der Elektrode beeinflusst – neben der Feldstärkeverteilung –
auch die Wahrscheinlichkeit von Oberflächendefekten. Dies verursacht eine Ver-
teilungsfunktion der Einsatzfeldstärke mit einem geringen Anstieg für geringe
Wahrscheinlichkeiten und einem steilen Anstieg für hohe Wahrscheinlichkeiten
(Abb. 9.5). Die Dimensionierung der Elektroden basiert auf den geringen Wahr-
scheinlichkeiten unter Berücksichtigung der Vergrößerungsgesetze (siehe Abschn.
2.4.7, Hauschild und Mosch 1992; Hauschild 1995). In der Regel werden die
Abmessungen der Elektroden in einem iterativen Prozess der Feldberechnung
und der Anwendung der Streamer- oder Leader-Einsatzkriterien bestimmt. Unter
Berücksichtigung der Vergrößerungseffekte des Elektrodenbereichs und der Ver-
längerung der Spannungsbeanspruchung kann die akzeptable maximale Feldstärke
für eine große Elektrode in einem Bereich von 10–15 kV/cm für AC- und DC-
Scheitelspannung und von 15–20 kV/cm für SI-Spannung angenommen werden.
Für Prüfspannungen unterhalb von 2000 kV (Scheitelwert) stehen glatte
Elektroden wie Kugeln und insbesondere Toroiden zur Verfügung. Der Doppel-
Toroid (Abb. 9.4) ermöglicht eine ideale Abschirmung, weil die notwendigen Ver-
bindungen im Feldschatten der beiden Ringe vorgenommen werden können.
442 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Abb. 9.5 Verhaltensfunktion Einsatz-Wahrscheinlichkeit AC-Spannung (Scheitelwert) gemessen / berechnet


98
der Streamer-
Einsatzfeldstärke in Luft % 3,5m Toroid
(Flächenelement von 80 (Rohr 1,1m)
100 cm2) gegen Ebene
(d=1m SI-
Spannung
50
gemessen

20
berechnet
5
1

Referenzwa
0.1 hrscheinlich
keit für
0.01 A 0 =100cm2
T 0 =100µs
0.0001
18 20 22 24 26 kV/cm 30
Streamer-Einsatzfeldstärke Eref

Für höhere Prüfspannungen werden zusammengesetzte Elektroden ver-


wendet. Riesige Toroide können durch Zylindersegmentelektroden (Abb. 3.15)
realisiert werden. Dies sind Zylinderelemente, die zu einem Toroid geschweißt
sind (Abb. 9.6). Wenn die Elektrode richtig entworfen wurde, ist die höhere Feld-
stärke an der geschweißten Verbindung auf eine kleine Fläche bezogen, und die
Gefahr eines Ausfalls wäre nicht höher als bei der größeren Fläche der Zylinder
mit geringerer Feldstärke.
Manchmal sind sogenannte Polycon-Elektroden riesige Kugeln, die aus vielen
Metallplatten bestehen, die auf einem kugelförmigen Gerüst befestigt sind
(Abb. 9.7). Die Konstruktion der Polycon-Elektroden ist gut entwickelt (Singer
1972; Hauschild et al. 1987; Schufft 1991).

9.1.4 Steuerung, Messung und Kommunikation

Die Steuerungen in einem HV-Labor sollten nicht nur einzeln mit einem ein-
zigen HV-Testsystem verbunden sein (Abb. 2.8), sondern auch untereinander und
mit Hilfseinrichtungen. Es wird empfohlen, dass alle Steuer- und Messgeräte mit
industriellen Personalcomputern (IPC) ausgestattet sind, die über ein gemeinsames
Bussystem miteinander verbunden sind. Dies kann sogar so gestaltet werden, dass
ein bestimmter HV-Kreis von jedem der IPCs im Kontrollraum gesteuert werden
kann (Abb. 9.8). Auch externe Testdaten, z. B. die atmosphärischen Bedingungen,
Daten von Regen- oder Fremdschichtprüfungen., sowie die korrekte Funktion
9.1 Anforderungen und Auswahl von Hochspannungsprüfsystemen 443

normalisierte Feldstärke E(x)/Ecyl


1 1.1 1.2
0

Hälfte der
2 Schwei
1m cm ßnaht

3.5m 4
Zylindrischer
Teil der
6 Elektrode

Abstand von der Mitte der Schweißnaht x

Beispiel:

Zylindersegmentelektrode für die oberste


Abschirmung eines 2,25-MV-Kaskaden
transformators für den Betrieb im Freien

Abb. 9.6 Zylindersegmentelektrode für einen 2.25-MV-Wechselspannungsprüfsystem

des Sicherheitssystems sollten aufgezeichnet werden. Der Prüfingenieur kann die


computergestützte Auswertung der Prüfung für den Prüf bericht nutzen.
Das IPC-Steuer- und Messsystem ermöglicht einen automatischen Betrieb
des HV-Prüfsystems, was eine bessere Reproduzierbarkeit der Prüfparameter,
die direkte Aufzeichnung und Auswertung der gemessenen Daten gewährleistet.
Daher kann es die Prüfdauer verkürzen und Arbeitskräfte einsparen. Dies ist ins-
besondere bei Prüfung von Massenerzeugnissen (ggf. in Kombination mit anderen,
nicht-hochspannungstechnischen Tests), bei Lebensdauerprüfungen und bei groß
angelegten Prüfungen für Forschung und Entwicklung wichtig. Ein vollständig
automatischer Testablauf kann für HV-Tests an wertvollen, einzelnen Geräten wie
Transformatoren oder GIS-Anlagen nicht empfohlen werden. In diesem Fall ist ein
computergestützter Ablauf mit Entscheidungen des Bedieners optimal.
444 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Abb. 9.7 Elektroden für UHV-AC-Spannungskomponenten. a Verschiedene Polycon-Elektroden


und eine konventionelle Kugelelektrode, bzw. toroidale Elektroden (EHV-Labor der Technischen
Universität Dresden). b Gerüst einer Polycon-Elektrode (Durchmesser 3 m)

Das Computer-System des Laboratoriums kann mit dem lokalen Netzwerk


(LAN) des Unternehmens oder der Institution verbunden werden. Am wichtigsten
ist die Verbindung zwischen dem HV-Prüffeld und prüffeldern für andere
Prüfungen und Messungen. Dies ermöglicht einen gemeinsamen Prüfbericht für
das Produkt. Darüber hinaus kann der aktuelle Prüstatus auch an einem anderen
Ort, z. B. einem Kundenraum während eines Abnahmetests oder einer Studenten-
galerie an einer Universität während einer HV-Demonstration, beobachtet
werden. Eine Verbindung zum Internet ermöglicht einen Fernwartungsservice des
Lieferanten des Prüfsystems (siehe Abschn. 2.2).

9.2 Planung von HV-Laboratorien

Es gibt viele Veröffentlichungen zum Design von HV-Prüfabors, und ihr Studium
ist immer nützlich für die Planung von HV-Labors. Es ist unmöglich, hier alle
zu erwähnen, aber im folgenden Abschnitt werden neben den Erfahrungen der
Autoren insbesondere die Bücher von Prinz et al. (1965), Hylten-Cavallius (1988)
und Schwarz et al. (1999) sowie Veröffentlichungen von Läpple (1966), Mosch
et al. (1974), Hauschild und Fahd (1978), Krump und Haumann (2011) und Hopke
und Schmidt (2011) berücksichtigt. Jedes HV-Labor muss gemäß den speziellen
Anforderungen des späteren Benutzers entworfen werden. Dieser Abschnitt
gibt Hinweise für Details, die bei der Planung neuer oder der Modernisierung
bestehender HV-Labors zu berücksichtigen sind.
9.2 Planung von HV-Laboratorien 445

(a)
HV-Testfeld: HV-Testfeld: HV-Testfeld:

Geräte für Prüfungen Geräte für Prüfungen Ausrüstung für


mit induzierten mit angelegten Prüfungen mit LI-
Wechselspannungen Wechselspannungen und SI-Spannungen

Messung: Messung:
Messung:
Spannung, Spannung, Strom
Spannung PD
Strom, PD über Digitizer

Leitstand: Manuelle und Leitstand: Manuelle


Steuerpult: Manuelle
computergestützte Bedienung, und computergestützte
und computergestützte
Schadensermittlung, Bedienung,
Bedienung
Datenverarbeitung Datenverarbeitung

Fernzugriff Fernzugriff Fernzugriff

LAN des
andere Testgebiete Management Firewall INTERNET
Unternehmens

Remote Service Center

(b)
Prüfungen mit
Prüfung der induzierten angelegter Spannung Spannung, LI/SI Spannungstests
Spannung, Verlust- und PD-Messung Strommessung Transientenrekorder für
TE-Messung

Abb. 9.8 Kontrollraum eines Transformatorenprüffeldes (mit freundlicher Genehmigung der


Siemens AG, TBD Dresden). a Prinzipschaltbild. b Steuerpult und Rack
446 9 Hochspannungsprüflaboratorien

9.2.1 Erforderliche Räume und Grunddesign

Kleine Details in einem HV-Labor erleichtern die Arbeit der Prüfingenieure


und sorgen für eine effiziente Abwicklung. Eine gute Planung ist daher die not-
wendige Voraussetzung für einen späteren reibungslosen Betrieb des Labors. Die
Anwendung bestimmt daher das Grunddesign des HV-Labors.
Für Stückprüfungen kann das HV-Prüffeld ein einzelner Prüfraum oder nur
ein Prüfbereich am Ende der Fertigungsstrecke sein. Dann bestimmen die aus-
gewählten HV-Prüfsysteme und die Abmessungen der Prüfobjekte die Größe des
Raums. Als Beispiel zeigt Abb. 9.9 ein recht kompaktes, gut abgeschirmtes Prüf-
feld für Stück- und Typprüfungen an Transformatoren mit einer Nennspannung
von bis zu 245 kV. Es umfasst die Einrichtungen für induzierte und angelegte
AC-Spannungstests sowie für LI/LIC/SI-Spannungstests in einem Raum von nur
L × W × H = 18,3 m × 13,3 m × 12,3 m (Hopke und Schmidt 2011). Ein solches
Prüffeld muss sich nicht nur den Anforderungen der HV-Tests, sondern auch den
Anforderungen der Produktion und des Produktflusses anpassen. Dazu gehören
die Art der Beförderung der Prüfobjekte (z. B. Luftkissen, Schienen, Kran), der
erforderliche Platz und die Freiräume für die HV-Prüfungen sowie die erforder-

Transformator unter
Test Stromversorgung für
Impulsprüfsystem 2 MV Prüfungen der induzierten
Teiler und Abschneidefunkenstrecke Spannung + HV-Filter

ACRF-Prüfsystem für Prüfungen mit angelegter Spannung, PD-Prüfkreis

Abb. 9.9 Testfeld für Stück- und Typprüfungen an Transformatoren. Courtesy Siemens AG,
TBD Dresden
9.2 Planung von HV-Laboratorien 447

lichen Messbedingungen (z. B. der PD) in einer industriellen Umgebung. Der


Prüfraum muss durch einen abgeschirmten Kontrollraum und einen Stromver-
sorgungsraum ergänzt werden.
Ein universelles HV-Labor für Forschung, Entwicklung und Ausbildung
erfordert viele Prüf- und Hilfsräume. Die Größe des größten Laborraums wird
durch die höchste erforderliche Prüfspannung bestimmt. Es ist nützlich, einen
zweiten universellen Prüfraum für Geräte mit deutlich niedrigerer Nennspannung
zu haben. Für die Ausbildung werden kleinere Prüfräume empfohlen, die jeweils
einen oder zwei Prüfbereiche enthalten. Darüber hinaus sind häufig spezielle
Labors für Kabelprüfungen, Schadensprüfungen, Kalibrierungen sowie für Öl-
und Feststoffisolierung erforderlich. Die Auswahl der Räume soll anhand des
folgenden Beispiels erläutert werden:
Beispiel (Abb. 9.10) Ein universelles Hochspannungslabor soll als nationales Hoch-
spannungslabor eines Landes errichtet werden. Es wurde beschlossen, das Labor in
der Nähe des Campus einer Universität zu errichten und es auch für die Ausbildung
von Studenten zu verwenden. Das größte zu testende Gerät ist für eine Nennspannung
von 550 kV ausgelegt. Daher sind die höchsten Prüfspannungen 1550 kV LI, 1705 kV
LIC, 1175 kV SI (Tab. 1.2) und 680 kV AC (IEC 60076-3:2012). Gemäß den in
Abschn. 1.3 beschriebenen Grundsätzen werden die folgenden Nennwerte der größten
HochspannungsPrüfsysteme ausgewählt: 3000 kV Impulsspannung (LI; LIC: SI) mit
einer höchsten SI-Ausgangsspannung von 1800 und 1000 kV (AC). Darüber hinaus wird
beschlossen, ein Gleichspannungstestsystem von 1000 kV (erweiterbar auf 2000 kV) zu
haben, um zukünftige Anforderungen an Gleichspannungstests zu erfüllen. Nach Berück-
sichtigung der erforderlichen Freiräume und des erforderlichen Raums für die Prüfobjekte
wurde ein Hochspannungslabor mit einer Länge von 40 m, einer Breite von 30 m und
einer Höhe von 25 m ausgewählt (Abb. 9.10). Die Prüfsysteme sind in drei Ecken des
Hochspannungshauses angeordnet. Der Kontrollraum (gelb) ist in der vierten Ecke.

Das Hochspannungslabor (HV) soll zum Testen von Ausrüstungen der Energiever-
sorgung mit einer Nennspannung bis zu 145 kV verwendet werden. Es ist daher mit
einem 800-kV-Impuls-Testsystem und einem 400-kV-AC-Testsystem ausgestattet.
Der zugehörige Kontrollraum (Abb. 9.10) ist in einer Ecke. Die drei MV-Labore sind
für die Ausbildung von Studenten geplant. Jedes von ihnen soll mit zwei kleinen
Hochspannungsprüfflächen für Spannungen im Bereich bis zu 100 kV ausgestattet sein.

Das Labor wird durch eine Reihe von Spezialprüfräumen abgeschlossen. Es gibt ein
spezielles HV-Kabelprüflabor mit einer großen Tür nach draußen für die Kabelrollen.
Wie die anderen beiden Labors ist auch dieses Labor einschließlich seines Kontrollraums
gut abgeschirmt. Das Kabelprüflabor wird durch ein Freiluftfeld für Präqualifikations-
prüfungen von Kabeln abgeschlossen. Der zugehörige Kontrollraum mit einem Fenster
nach draußen befindet sich im Zwischengeschoss. Der Bereich vor der EHV-Halle wird
für ein späteres Freiluft-EHV- oder UHV-Testfeld freigehalten. Auch ein zugehöriger
Kontrollraum im Zwischengeschoss ist für die Zukunft geplant. Ein Verschmutzungstest-
labor kann über eineDurchführung an das AC-Testsystem der EHV -Halle angeschlossen
werden (Alternativ ist der Raum groß genug für seinen eigenen leistungsstarken Prüf-
transformer. Auch ein klimatisiertes Kalibrierlabor ist Teil der Planung (links)).

Es gibt viele Nebenräume, die erforderlich sind, z. B. den Strom Versorgungsraum(s),


Lager, Werkstätten, Seminar- und Konferenzräume, Büros für den Direktor und sein
Personal. Zusätzliche Funktionsräume wie IT-Serverraum, Küchen, Waschräume usw.
448 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Direktor Sitzungen Verwaltung Besucher Galerie

Obergeschoss
Seminar
Sekretärin raum
Funktions
räume

Erdgeschoss
Büros oder kleine Laboratorien
Kalibrierlaboratorium Geschäfte

HV-Labor
EHV-Prüflabor

Kontrollraum

Hochspannung control room


skabellabor,
Kontrollraum

medium voltage labs

Stromversorgung für Verschmut-


(Raum für Freiluftprüffeld zungs-
(space for later
spätere Präqualifizierungs- Prüflabor
extension)
Erweiterung) prüfungen für Kabel

Abb. 9.10 Planung der Anordnung der Räume eines universellen Hochspannungslabors

sollten geplant werden. Die Anordnung dieser Räume wird mit der Fortsetzung des obigen
Beispiels erläutert:

Normalerweise kann ein HV-Labor nicht zu viele Lagerräume haben. Möglicherweise ist
der zwischen der EHV und dem HV-Labor vorgesehene Raum dafür nicht ausreichend.
Im Gegensatz dazu gibt es im Erdgeschoss eine mechanische Werkstatt und im Zwischen-
geschoss eine elektronische Werkstatt. Der Bereich unter dem Kalibrierlabor kann als
Konferenzraum genutzt werden. Im Obergeschoss (Abb. 9.10) ermöglicht ein Seminar-
raum die Unterrichtung von bis zu 60 Studenten. Der Unterrichtsraum ist mit einer
Besuchergalerie verbunden, die das Beobachten von Experimenten in der EHV-Halle
ermöglicht (ähnlich wie in Abb. 9.11). Darüber hinaus wird das Obergeschoss für alle
Büros, für Funktionsräume und für kleine Labors genutzt, z. B. für mechanische oder
chemische Untersuchungen von festen Isoliermaterialien und Isolieröl.
9.2 Planung von HV-Laboratorien 449

HV-Labor mit Prüfhalle 32m x 24m x 20m 1000 kV AC Spannung 2400 kV LI Spannung

Abb. 9.11 Gebäude und Studentengalerie im HV-Labor der Universität Damaskus

Rechteckige Prüfräume können als optimale (Abb. 9.11, 9.12 und 9.13) betrachtet
werden. Sie können durch Sicherheitszäune für parallele Tests gut in zwei separate
Testbereiche unterteilt werden. Das Verhältnis zwischen Breite W und Länge L
hängt von den erforderlichen Prüfspannungen ab. Wenn nur Wechsel- und Impuls-
Spannungen erforderlich sind, scheint das Verhältnis W/L ≈ 0,5 … 0,6 am besten
geeignet zu sein. Bei den drei Spannungsquellen (Wechselstrom; Gleichstrom
und Impuls) ist das Verhältnis W/L ≈ 0,7 … 0,8 besser angepasst. Große Prüf-
objekte werden zwischen den Prüfsystemen angeordnet. Heute können die Hoch-
spannungs-Generatoren auf Luftkissen (siehe Abschn. 9.2.5.3) platziert und an
die optimale Prüfposition oder in eine Ecke bei Nichtbenutzung bewegt werden.
Kleinere Komponenten des Hochspannungs-Prüfkreises können mit Rädern aus-
gestattet und ebenfalls an optimale Prüfpositionen oder auf einen leeren Bereich
abgestellt werden.
In der Regel sind an den oberen Enden der Prüfsysteme die größten Freiräume
(Abstände) an Wänden und Decke erforderlich. Daher kann eine Begrenzung des
Freiraums, die manchmal durch eine parabolische Querschnittsform (Abb. 9.14a)
angewendet wird, nicht empfohlen werden, sondern eine rechteckige Form
(Abb. 9.14b). Die geringere Nachfrage nach Freiraum in der Nähe seines Bodens
kann für zusätzliche kleine integrierte Testbereiche geringerer Prüfspannungen
oder für Lagerräume innerhalb einer rechteckigen Struktur verwendet werden.
HV-Laboratorien sind beeindruckende technische Räume. Daher sollte eine
ausgefeilte Planung nicht nur die technischen Aspekte, sondern auch eine gewisse
ästhetische Planung berücksichtigen. Die dreidimensionale Gestaltung bietet die
besten Möglichkeiten für die ästhetische Planung (Abb. 9.15, die mit Abb. 9.4
in Verbindung steht). Die ausgewogene Planung der Farben zwischen HV-Prüf-
systemen, Wand, Decke und Boden wird sehr empfohlen. Das Kontrollzimmer
ist oft der Ort, an dem auch Besucher auftauchen, die aus ihrem Eindruck auf die
Qualität der HV-Prüfung schließen. Daher sollte der Schreibtisch (oder Tisch oder
Rack) klar angeordnet, einheitlich gestaltet (auch für Prüfsysteme unterschied-
licher Hersteller) und gut im Raum platziert sein. Die Höhe eines Schreibtisches
sollte der unteren Rahmen des Fensters entsprechen (Abb. 9.8). Es sollte zusätz-
450 9 Hochspannungsprüflaboratorien

LI/SI-Generator 2400 kV Prüfobjekt:Isolatoren AC-Prüfanlage 1200 kV


1m Messkugel Pressgaskondensator 1200 kV

Abb. 9.12 EHV-Labor der Technischen Universität Dresden (Gebäude errichtet 1930)

licher Platz auf dem Schreibtisch für spätere Erweiterungen durch verschiedene
Instrumente vorhanden sein, um den schlechten Eindruck zusätzlicher Stand-
alone-Geräte auf einem Schreibtisch mit integrierten Instrumenten zu vermeiden.

9.2.2 Erdung und Abschirmung

Erdung und Abschirmung, Prüffelderdung, elektromagnetische Abschirmung


und Erdrückführung eines Prüfkreises werden oft miteinander verwechselt, nicht
nur theoretisch, sondern noch schlimmer in der Praxis. Zunächst sollen die ver-
schiedenen Begriffe durch ihre Beschreibungen definiert werden:
Gebäudeerderung: Jedes HV-Laborgebäude muss hauptsächlich wegen seines
Blitzschutzes geerdet werden. Die Gebäudeerderung besteht aus den Stahlbeton-
bewehrungen des Gebäudes, den Fundamenterdern und gegebenenfalls zusätz-
lichen Erdungsstangen. In einem Gebäudekomplex sind die verschiedenen
Gebäudeerderungen miteinander verbunden. Die Gebäudeerderung kümmert sich
nicht um die Reduzierung externer Störsignale.
9.2 Planung von HV-Laboratorien 451

Wechselspannungsprüfsystem 1200 kV LI/SI-Spannungsprüfsystem 2000 kV

Abb. 9.13 EHV-Labor der Technischen Universität Cottbus (errichtet 1998)

Freiraum zur Decke ausreichend, Freiraum zu Decke und


zu den Seiten zu geringer Abstand Wänden hinreichend

Platz für einen eingebauten Kontrollraum, kleine Testbereiche oder Lager

Abb. 9.14 Querschnitte von HV-Laboratorien


452 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Abb. 9.15 Dreidimensionale LI/SI-Prüfsystem 3000 kV mit Teiler und Abschneide-Funkenstrecke


Planung eines
HV-Laboratoriums

DC-Generator1500 kV, AC-Prüfsystem 1200 kV Stromversorgungsraum


Teiler, HV-Filter Teiler, Koppel- und Standardkondensator

Prüffelderdung: Die oberen Bodenschichten werden durch die Erdrück-


leitung von elektronisch angetriebenen Maschinen und Geräten in einer Fabrik
beeinflusst. Kurz gesagt, sie sind nicht frei von Störsignalen. Daher sollte ein
leitender Kontakt der Prüffelderdung mit den oberen Bodenschichten und der
Gebäudeerdung vermieden werden. Die Prüffelderdung soll durch Erdungs-
stangen realisiert werden, die einige Meter in das Grundwasser eintauchen und
entlang ihrer ersten Meter elektrisch isoliert sind. Der effektive Erdwiderstand der
parallelen Verbindung aller Erdungsstangen soll 2 Ω nicht überschreiten.
Elektromagnetische Abschirmung: Ein elektromagnetisches Feld, das durch
hochfrequente Störsignale verursacht wird, kann Messungen in einem HV-Schalt-
kreis stören (Kap. 4). Nach der berühmten Beobachtung von Faraday existiert
innerhalb eines geschlossenen metallischen Behälters kein elektrisches Feld.
Daher sind HV-Laboratorien durch eine geschlossene metallische Struktur vor
dem Eindringen elektromagnetischer Felder zu schützen, die sowohl von der Erde
als auch von der Gebäudeerdung getrennt ist und an einem Punkt nur mit der Prüf-
felderdung verbunden ist.
Erdrückleitung: Jeder HV-Prüfkreis muss an einem Punkt in der Nähe des
Spannungsteilers oder des Prüfspannungsgenerators mit der Prüffelderdung
verbunden sein. Er sollte seine eigene Erdrückleitung mit möglichst geringer
Induktivität haben (siehe Abschn. 7.1.2.3). Nur in besonderen Fällen kann
empfohlen werden, die Prüffelderdung als Erdrückleitung zu verwenden.
Gebäudeerdung, Prüffelderdung, elektromagnetische Abschirmung und die
Erdrückleitung(en) der einzelnen Prüfsysteme müssen nur an einem Punkt ver-
bunden werden, um ein gemeinsames stationäres Erdpotential sicherzustellen und
eine Erdschleife zu vermeiden, die als Antenne für externe Störsignale dienen
könnte. Für Stromkabel von den Reglern zum Prüfraum ist ein Kabelkanal entlang
9.2 Planung von HV-Laboratorien 453

der (geschirmten) Wände mit metallischen Rahmen und Abdeckungen erforder-


lich. Rahmen und Abdeckungen müssen mit der Abschirmung des Bodens ver-
bunden sein. Die Verbindung der Bodenabschirmung mit der der Wände muss
über den Kabelkanal erfolgen.
Wenn ein HV-Labor errichtet wird, ist die mechanische Gestaltung des Bodens
in Bezug auf die erforderliche maximale Last durch Prüfgeneratoren und Prüf-
objekte zu berücksichtigen. Auch die Art der Beförderung, z. B. durch Luft-
kissen, muss berücksichtigt werden. Die Stahlverstärkung des Betons bildet
einen Teil der Abschirmung des Bodens. Sie muss durch eine geeignete Kunst-
stofffolie vom Boden isoliert werden, die einzelnen Stahlstäbe der Armierung
müssen zusammengeschweißt werden. Auf derArmierung sollen breite Metall-
bänder kreuzweise verlegt in den Kreuzungspunkten verschweißt und ebenfalls
mit der Armierung (Bewehrung)verschweißt werden. Das vervollständigt die
Abschirmung des Bodens (Abb. 9.16a). Der Grundbeton wird in der Regel durch
eine Schicht Endbeton abgeschlossen, die eine spezielle Glasfaserverstärkung ent-
halten kann. Der Endbeton erfordert eine sehr glatte Oberfläche oder eine Epoxid-
beschichtung für die Beförderung mit Luftkissen (siehe Abschn. 9.2.5.3).
Die Oberfläche des Bodens wird durch Erdungskästen und Verbindungs-
kästen unterbrochen (Abb. 9.16b). Die metallischen Erdungskästen sind mit dem
Abschirmungsboden verbunden. Der innere Teil ist davon isoliert und durch
isolierte Kupferstangen mit den Erdungsstäben und/oder deren Verbindungen ver-
bunden. Außerdem sind im Stahlbetonboden metallische Rohre zwischen den HV-
Prüfsystemen und dem Kontrollraum für Steuer- und Messleitungen vorgesehen.
Sie sind über die Verbindungskästen zugänglich. Auch Messinstrumente können
in einem Verbindungskasten angeordnet werden, z. B. die PD-Mess impedanz und

Anschlüsse an die Wandabschirmung (a)


aus geschweißten Stahlbändern
und geschweißten Bewehrungen
des Betons

Dosen für Anschlüsse an die Erde


und für Messkabel

(b)

Abb. 9.16 Abschirmung des Bodens eines HV-Labors. a Vorbereitung der Abschirmung des
Bodens. b Erdungs- und Anschlusskästen
454 9 Hochspannungsprüflaboratorien

das PD-Messinstrument in einem Kasten in der Nähe des Kopplungskondensators


(Abb. 9.17).
Die Abschirmung der Wände soll mehrere Funktionen erfüllen: Neben der
elektromagnetischen Abschirmung soll sie auch eine Wärmeisolierung und ein
Schallabsorber sein. Eine perfekte Abschirmung von >100 dB bis 100 MHz – wie
üblich für die EMC-Abschirmung von Computerzentren und EMC-Testbereichen –
ist für einen HV-Testraum nicht erforderlich. Die PD-Messung nach IEC
60270 wird in der Regel bei Frequenzen bis zu 1 MHz durchgeführt, weshalb eine
Dämpfung ⪰100 dB bis 5 MHz für die meisten Labors ausreicht. Dies kann mit
Paneelen aus zwei Schichten verzinktem Stahl (Abb. 9.18) erreicht werden. Die
untere Schicht (Abb. 9.18a) trägt die Wärmeisolierung (schwarz, z. B. Steinwolle),
die gleichzeitig der Schallabsorber ist. Die obere Schicht besteht aus perforierten
Stahlplatten und ist an den unteren Platten befestigt (Abb. 9.18b, c). Die Platten
jeder Schicht untereinander sowie die beiden Schichten miteinander sollten über-
lappen und sorgfältig zusammengeschraubt werden, um einen zuverlässigen
elektrischen Kontakt herzustellen. Stattdessen können die Punkte alle 50–100 cm
geschweißt werden.
Die Abschirmung der Decke (Abb. 9.19) kann nach demselben Prinzip
wie die der Wände erfolgen. Die Decke enthält jedoch in der Regel Heizungs-,
Beleuchtungs- und Klimaanlagen . Die Heizungsmodule sind ebenfalls aus Stahl
und können als Teil der Abschirmung verwendet werden. Die Abschirmungspanele

Abb. 9.17 Verbindungskasten mit einem Messinstrument. Courtesy of HSP Cologne


9.2 Planung von HV-Laboratorien 455

Abb. 9.18 Abschirmung der Wände (Courtesy of HSP Cologne). a Untere Schicht, die die
Wärmeisolierung trägt (schwarz). b Obere Schicht aus perforierten Stahlplatten. c Überprüfung
des elektrischen Kontakts

Abb. 9.19 Abschirmung Kranschiene Heizungspanel Klimaanlage Lampe


der Decke einschließlich
Heizungs-, Beleuchtungs-
und Klimaanlagen. Courtesy
of Siemens AG, TBD
Dresden

ung
schirm
n dab
Wa

W
an
da
bs
ch
irm
un
g

können mit Schrauben oder durch Schweißen an den Heizungsmodulen befestigt


werden. Für Lampen und Klimaanlagen sind in der Decke Öffnungen erforderlich,
die mit einem Drahtgeflecht aus Stahldrähten mit geschweißten Kreuzungspunkten
(Mesh-Breite <30 mm) abgedeckt werden müssen. Ein solches Drahtgeflecht wird
auch für Fenster empfohlen, z. B. des Kontrollraums oder einer Besuchergalerie.
456 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Es kann empfohlen werden, auch für den Kontrollraum (Abb. 9.8b) eine
Abschirmung zu entwerfen. In diesem Fall kann die Abschirmung aus gebürstetem
Stahl unter der Putzschicht der Wände und der Decke bestehen. Die einzel-
nen Blätter aus gebürstetem Stahl müssen überlappen und zusammengeschweißt
werden. Für Fenster und Türen sollten die Blätter an ihren metallischen Rahmen
geschweißt werden. Die Öffnungen der Fenster sollten mit Glas und dem oben
erwähnten Drahtgeflecht abgedeckt werden, das an seinem Rahmen geschweißt
werden muss. Es ist nützlich, wenn auch der Stromversorgungsraum abgeschirmt
wird (siehe 9.2.3).
Die empfindlichsten und teuersten Teile einer Abschirmung sind die
geschirmten Türen. Für sehr empfindliche PD-Messungen, z. B. von extrudierten
Kabeln mit sehr wenigen Pikocoulomb, sind spezielle Türen mit metallischen
Federkontakten erhältlich, die an den Türrahmen gedrückt werden. In vielen
Fällen sind solche Türen nicht erforderlich. Dann sind Schiebetüren aus Stahl
oder Rolltore mit metallischen Lamellen – beides in überlappenden Rahmen –
wirtschaftliche Alternativen.
Man sollte nicht vergessen, dass alle Zuführungen (Wasser, Druckluft, Öl
usw.), die in den ereich eintreten und die mit der Gebäudeerde verbunden sind,
isoliert und innerhalb der Abschirmung des Prüfraums untereinander verbunden
sein müssen. Andernfalls könnten sie Störsignale in den abgeschirmten Test-
bereich tragen. Die elektrischen Zuführungen müssen gefiltert werden.

9.2.3 Stromversorgung und Hochfrequenz-Filterung

Die Stromversorgung für ein komplettes HV-Labor wird in der Regel von einem
Mittelspannungsnetz bereitgestellt (Abb. 9.20). Dafür sollten ein oder mehrere
Drehstromverteilungstransformatoren in einer nahegelegenen Unterstation
verwendet werden. Ihre Bewertungen hängen von der zu versorgenden Aus-
rüstung ab. Man muss die maximale benötigte Testleistung (aktive und reaktive
Komponenten), die Versorgungsleistung für Steuer- und Messsysteme, die
Leistung für alle Hilfseinrichtungen (siehe Abschn. 9.2.4) und eine zusätzliche
Reserve für spätere Erweiterungen berücksichtigen.
Stromkabel verbinden diese externe Stromversorgung mit dem Stromver-
sorgungsraum. Dieser Raum sollte in der Nähe des HV-Testlagers angeordnet sein
(z. B. Abb. 9.10) und sollte in Verbindung mit der Abschirmung des zugehörigen
Testraums abgeschirmt sein (Abb. 9.20 und 9.21). Die Verbindung der externen
Stromkabel mit der Ausrüstung zur Verteilung und Regelung im Stromver-
sorgungsraum erfolgt über HF-Stromfilter, die an die Abschirmung dieses Raums
angeschlossen sind (Abb. 9.22). Der Stromregelraum enthält die in Abschn. 2.2
(Abb. 2.5) beschriebene Ausrüstung für die „Stromversorgung“:
9.2 Planung von HV-Laboratorien 457

SUBSTATION
externe
Stromversorgung

STROMVER
SORGUNGS
RAUM

Abschirmung mit
Filtern

Schalts
chränke

Spannungs
regler

Hilfestellun-
Kompensationsd gen
rosseln

GESCHÜTZT
HV-PRÜF
LABOR AC-Anlage AC-System DC-System LI/SI-System Kleine Systeme
1 MVA 100 kVA 80 kVA 30 kVA

Abb. 9.20 Schematische Stromversorgung eines HV-Testlabors

Abb. 9.21 Geschirmter Prüftransformator (geerdeter Behälter,


Stromversorgungsraum. Durchführung zum Prüfraum auf Gegenseite)
Courtesy HSP Cologne

Schaltschränke Reglertransformator
458 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Abb. 9.22 HF-Filter für die (a)


Stromversorgung. a Prinzip- Eingang: verrauschte Wechselspannung Ausgang: gefilterte Wechselspannung
Schaltkreis von Nieder- und
Mittelspannungsfiltern.
b Anordnung von
HF-Filtern an der Wand
eines abgeschirmten
Stromversorgungsraums.
Courtesy HSP Cologne

(b)

Vers
orgu
ng a
us d
em N
iede
rspa
nnu
ngsn
etz

• Schaltanlagen mit Haupt- und Betriebschaltern, Messgeräten für Primär-


spannungen und -ströme, Schutzgeräte und Steuerungskomponenten (Abb. 2.8)
wie programmierbare Logiksteuerungen (PLC);
• Regler, einer für jedes HV-Prüfsystem und
• Kompensationsinduktivitäten und/oder Kondensatorbänke, um den Bedarf
zusätzlicher externer Stromversorgung zu reduzieren.
Die Größe des Stromversorgungsraums hängt von den genannten Einzel-
komponenten und deren Anordnung ab. Der HF-Filter besteht hauptsächlich
aus einem L-C-Netzwerk (Abb. 9.22a). Leitungsgebundene Stör signale von
9.2 Planung von HV-Laboratorien 459

Frequenzen, die deutlich höher sind als die Netzfrequenz 50/60 Hz, werden
durch die Induktivitäten blockiert und über die Kondensatoren zur Erde geführt.
Die Frequenzcharakteristik des HF-Filters sollte der des Schirms angepasst
werden.

Hinweis Wenn der Stromversorgungsraum nicht abgeschirmt ist, müssen die HF-Filter
zwischen den Reglern und dem Prüfgenerator am Schirm des Prüfraums angebracht
werden. Dann ist ein eigener Filter für jedes Prüfsystem und jedes der Hilfseinrichtungen
erforderlich. Für das AC-Prüfsystem ist sogar ein größerer Filter erforderlich, da die
Kompensationsinduktivitäten im – nicht abgeschirmten – Stromversorgungsraum sind.
Die Abschirmung des Stromversorgungsraums vereinfacht die Filterung und Verdrahtung.

Kommunikationsleitungen – solange sie nicht durch Lichtwellenleiter realisiert


werden – müssen ebenfalls gefiltert werden. HF-Filter für Stromanschlüsse sind
ebenfalls marktüblich.

9.2.4 Zusatzeinrichtungen für Hochspannungsprüfungen

Wenn Zubehör – wie in Tab. 9.3 erwähnt – verwendet wird, müssen Konsequenzen
für die Gebäudeplanung gezogen werden. Es könnte notwendig sein, Wasser-,
Druckluft- usw. Zuläufe in den abgeschirmten Bereich [Prüfraum (e), Kontroll-
raum (e), Stromversorgungsraum (e)] von einem Maschinenraum oder den
ungeschützten Außenbereichen in die abgeschirmten Bereiche zu führen; diese
Verbindungen müssen isoliert sein. Dies bedeutet, dass alle metallischen Rohre
an den Stellen, an denen sie in die Abschirmung eintreten, durch geeignete
isolierende Rohre unterbrochen werden müssen.
Die Größe der Künstlichen Regenanlage (siehe Abschn. 2.1.3) muss an die
Größe der größten HV-Ausrüstung angepasst werden, die getestet werden soll.
Dies bestimmt auch den Wasserbedarf des erforderlichen Leitungswassers, den
Wasseraufbereitungsbehälter und die Verbindung von dort zur Regenanlage.
Darüber hinaus muss der Boden im Bereich der Regenprüfungen mit einer Ent-
wässerung ausgestattet sein. Dies bedeutet, dass er über eine bestimmte Neigung
verfügen sollte, die im Widerspruch zum Luftkissentransportsystem stehen könnte.
Bei einer zu hohen Neigung können die Luftkissen mit ihrer Last von selbst weg-
laufen. Daher sollte in diesem Bereich kein Luftkissentransport erlaubt sein oder
die Neigung sehr gering sein. Eine Neigung unter 1 cm/m könnte wohlerforderlich
sein, doch sie sollte durch den Luftkissenlieferanten bestätigt werden.
DieVerschmutzungskammer muss mit einem Sprühsystem, Verbindungen
zu Wasser und Druckluft sowie einer Entwässerung im Boden ausgestattet sein.
Die Durchführung für die Verschmutzungskammer muss den schlimmsten Ver-
schmutzungsbedingungen innerhalb der Kammer standhalten und daher sorgfältig
ausgewählt werden. Da die Leitfähigkeit des Schadstoffes durch Salz und Wasser
eingestellt wird, müssen alle im Verschmutzungsraum verwendeten Materialien
korrosionsbeständig sein.
460 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Die Verwendung einer Grube in einem Hochspannungslabor: Tanks für


isolierende Flüssigkeiten, normalerweise für Mineralöle, sind für die Prüfung von
Transformatoren-Durchführungen und für Forschungs- und Entwicklungsexperi-
mente an flüssigkeitsgetränkten Isolierstrukturen erforderlich. Für eventuelle
Havariefälle sind sie mit geeigneten Reservoirs außerhalb des abgeschirmten
Bereichs verbunden. Es kann empfohlen werden, die Testtanks unter dem Boden
in einer Grube anzuordnen. Auch andere Hochspannungskomponenten können in
einer Grube angeordnet werden, insbesondere wenn sie Erdungsbehälter enthalten.
Dies kann sogar Testtransformatoren oder Standardkondensatoren umfassen
(Abb. 9.23). Abb. 9.23a zeigt eine solche Anordnung eines multifunktionalen
Kondensators, der sogar als Zentralelektrode für das Hochspannungslabor dienen
kann. Die Grube muss sorgfältig zusammen mit der Bodenschirmung und dem
Erdungssystem geplant werden (siehe Abschn. 9.2.2). Alle Wände und der Boden
der Grube sollten abgeschirmt sein. Der Tank sollte von der Abschirmung des
Bodens isoliert sein. Während einer Prüfung ist der Tank Teil des Prüfkreises und
muss in dessen Erdungsstromkreis einbezogen werden. Wenn er nicht verwendet
wird, sollte er direkt mit dem Erdungssystem verbunden werden, aber niemals mit
dem Schirmungssystem. Die Grube muss mit gut passenden Abdeckungen aus-

(a) Top-Elektrode für (b)


die Verteilung von
Prüfwechselsp-
annungen auf
verschiedene
Prüfobjekte

Durchführung als
HV-Zweig des Teilers
und PD-
Kopplungskondensator

Abdeckung des
Grabens

Metallbehälter mit
Standardkondensator
im Graben

Ölbehälter für die


Prüfung von Durchführungen

Abb. 9.23 Verwendung eines Grabens in einem HV-Labor. a Anordnung eines Multifunktions-
kondensators. b Behälter zur Prüfung von Durchführungen. Mit freundlicher Genehmigung von
HSP Köln
9.2 Planung von HV-Laboratorien 461

gestattet sein, die die Grube nicht nur mechanisch, sondern auch die Abschirmung
schließen.
Tanks für komprimierte Gase werden für die Prüfung von Durchführungen
mit Luft bis SF6 und für Forschungs- und Entwicklungsexperimente mit gas-
isolierten Strukturen verwendet. Sie sind mit Gasaufbereitungsseinheiten für
die Konditionierung der verwendeten Gase verbunden. Die Anordnung von gas-
gefüllten Testtanks ist identisch mit denen von Flüssigkeiten (Abb. 9.23).
Klimakammern sollten den hier beschriebenen Prinzipien für Hochspannungs-
testkreise, Erdung und Abschirmung angepasst werden. Die Tweck und
Gestaltung einer kommerziell erhältlichen Kammer bestimmen die erforderlichen
Maßnahmen.

9.2.5 Gebäudeausrüstung

9.2.5.1 Beleuchtung

In der Regel sind Hochspannungstestlabore ohne Fenster für natürliches Licht


konstruiert. Natürliches Licht kann in sehr speziellen Fällen nützlich sein, z. B.
wenn der Raum auch für die Produktion oder größere Montagearbeiten verwendet
wird. Dann müssen die Fenster mit einem metallischen Rahmen ausgestattet sein,
der mit der Schirmung verbunden ist und mit den oben genannten Drahtnetzenmit
geschweißten Überkeuzungspunkten ausgefüllt ist. Die Verdunkelung der Fenster
sollte möglich sein.
Die künstliche Beleuchtung – der Standardfall – sollte mit Glühlampen in allen
abgeschirmten Räumen realisiert werden – und nicht mit Leuchtstofflampen, die
während empfindlicher PD-Messungen Störsignale verursachen können. Für viele
Beobachtungen und Fotos wäre es hilfreich, wenn das Licht gedimmt werden
kann. Da dies mit einer elektronischen Leistungsregelung realisiert wird, ist das
eine weitere Quelle für Störsignale. Die Lampen sind außerhalb hinter Draht-
netzen (Abb. 9.19) anzuordnen. Vorzugsweise können die Lampen an der Decke
angeordnet werden. Eine separate Notbeleuchtung ist erforderlich. Die lokalen
Anforderungen und Sicherheitsbestimmungen müssen berücksichtigt werden.

9.2.5.2 Heizung, Lüftung und Klimaanlage

Hochspannungsprüfanlagen sollten für einen Temperaturbereich von nicht weniger


als 10 bis 35 °C spezifiziert werden; für die Steuer- und Messsysteme ist ein
Mindestbereich von 15 bis 30 °C erforderlich. Die Installation einer komfortablen
Heizungsanlage in einem großen Hochspannungs-Prüffeld scheint nur dann
erforderlich zu sein, wenn die Mindesttemperatur von 10 °C für einen längeren
Zeitraum als wenige Tage pro Jahr nicht garantiert werden kann. Im Gegensatz
dazu wird empfohlen, einen klimatisierten Kontrollraum mit einer Temperatur im
462 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Bereich von 20 °C zu haben. Der Stromversorgungsraum erfordert keine Heizung,


solange die Temperatur über 5 °C bleibt. Kleinere Hochspannungs-Testräume,
in denen sich Hochspannungstestgeräte und Steuer- und Messsysteme in einem
gemeinsamen Raum befinden, sollten für eine akzeptable Raumtemperatur geheizt
werden.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass eine optimale Heiz-
anlage für einen großen Hochspannungs-Testraum eine Strahlungsheizung an der
Decke ist, die als Teil der Schirmung wie oben beschrieben (Abschn. 9.2.2 und
Abb. 9.19) verwendet wird. Solche Strahlungsheizsysteme von ziemlich großen
Panels sind heute für industrielle Gebäude üblich.
Für Länder mit tropischen Bedingungen oder sehr hohen Sommer-
temperaturen kann ein Lüftungssystem für den Testraum ausreichen, das die
niedrigen Nachttemperaturen zum Kühlen des Hochspannungs-Testraums ver-
wendet. Kleinere Testräume sollten klimatisiert werden. Wenn während eines
Tests eine größere Menge an Wärme erzeugt wird, z. B. während der Wärme-
fahrt von Transformatoren, muss ein gut konstruiertes Lüftungssystem die Wärme
an die Umgebung übertragen (Abb. 9.19). Dies verhindert einen unannehmbaren
Temperaturanstieg im Prüfraum. Die erforderlichen Lüfter sind hinter Öffnungen
(bedeckt mit Drahtnetzen) der Schirmung der Decke angeordnet.

9.2.5.3 Transportmittel

Ein oder zwei Portalkräne, die den gesamten Bereich einer großen HV-Prüfhalle
abdecken, garantieren eine effiziente Nutzung (Abb. 9.24a). Dies kann im Wider-
spruch zu HV-Komponenten stehen, die z. B. an der Decke befestigt werden
können, z. B. Spannungsteiler, Zentralelektroden oder Gleichrichter. In einigen
Laboratorien wurde dies getan; Folglich musste ein Einzelbahnkran angewendet
werden (Abb. 9.24b; Prinz et al. 1965, mit freundlicher Genehmigung der TU
München). Der Vergleich der beiden Lösungen zeigt deutlich, dass mindestens
für industrielle HV-Prüflaboratorien der Portalkran dem Einzelbahnkran weit
überlegen ist. Mit zwei oder drei Portalkränen in einer HV-Prüfhalle wird ein
Kompromiss zwischen den beiden Lösungen erreicht. Abb. 9.25 (Krump und Hau-
mann 2011) zeigt einen Prüfraum mit drei Kränen; Der Kran in der Mitte trägt
die große, PD-freie Verbindungselektrode (1200 kV eff.), Zwischen dem zentralen
Anschlusspunkt und dem Prüfobjekt, während die Kräne auf beiden Seiten für den
Transport und die Befestigung von Prüfobjekten zur Verfügung stehen. Neben dem
Portalkran können Aufzüge mit einem einzigen Seil von einem Loch in der Decke
in Betracht gezogen werden. Sie sind nur während eines Tests zur Befestigung
eines Prüfobjekts gedacht. Hebebühnen und handbetriebene Kräne sind auch in
kleinen Prüfräumen nützlich.
Die maximale Last eines Krans hängt von der maximalen Last der künftigen
Prüfobjekte ab, in einigen Fällen auch von dem Gewicht des schwersten HV-
Komponente der Prüfanlagen, was auch immer schwerer ist. Für die kleinen
handbetriebenen Kräne und Hebebühnen sollte eine Last von bis zu 1000 kg aus-
9.2 Planung von HV-Laboratorien 463

Abb. 9.24 Krane in (a)


HV-Labors. a Portalkran (mit
freundlicher Genehmigung
von HSP Köln). b
Einschienenkran

Schiene Portalkran Schiene

(b)

Einzelschiene für den Kran

reichen. Es sollte erwähnt werden, dass verfügbare Transporte durch Luftkissen


die maximale erforderliche Last eines Krans reduzieren können.
Luftkissen sind ein sehr hilfreiches Werkzeug für die Bodenbeförderung in
einem HV-Labor. Einerseits können sie für die Generatoren und HV-Komponenten
verwendet werden (siehe Abschn. 9.2.1), andererseits für die Beförderung
schwerer Testobjekte wie z. B. Transformatoren oder GIS. Die Luftkissen ersetzen
die Beförderung auf Schienen, wie sie in der Vergangenheit häufig für Generatoren
oder Testobjekte angewendet wurde. Die Schienen unterbrechen den glatten
Boden und können sogar die optimale Errichtung von Prüfschaltungen beein-
flussen. Die Bodenbeförderung kleinerer HV-Komponenten kann auf Rädern
erfolgen. Auch die Beförderung durch den Kran wird häufig angewendet.
Gut ausgewählte Luftkissen, in der Regel unter dem Grundrahmen des
Generators angeordnet, können bis zu den höchsten Lasten tragen, die für HV-
464 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Kran 3 (nicht sichtbar)


zur Befestigung der2. Anschlusselektrode oder zum Transport

Kran 2 für den Transport

Kran 1 zur Befestigung der Anschlusselektrode

Abb. 9.25 UHV-Labor mit drei Kränen. Mit freundlicher Genehmigung von HSP Köln

Prüfschaltungen erforderlich sind. Anzahl und Größe der einzelnen Luftkissen-


module hängen von der Last und der Lastverteilung ab. Sie erfordern jedoch einen
gut ausgeglichenen, glatten und stabilen Boden. Die Oberfläche kann ein feiner
Beton sein, in den meisten Fällen mit einer speziellen Epoxidharzbeschichtung.
Luftkissen können den Boden beschädigen, wenn er Risse und Lücken aufweist
oder nicht glatt genug ist. Der Luftdruck ist in der Regel 0,2 MPa, in besonderen
Fällen bis zu 0,4 MPa. Es wird empfohlen, HV-Prüfgeräte mit Rahmen und der
erforderlichen Stabilität für die Luftkissenbeförderung (Abb. 9.26) zu bestellen.
Wenn die Bewegung der Luftkissen aufgrund eines Hindernisses plötzlich stoppt,
ist die mechanische Belastung der isolierenden Unterstützungen, z. B. eines
Impulsspannungsgenerators, beträchtlich.

9.2.5.4 Technische Medien

Die Stromversorgung wird in Abschn. 9.2.3 beschrieben. In den einzelnen Prüf-


und Kontrollräumen sollten ausreichend Steckdosen angeordnet werden. Dazu
gehören auch die Steckdosen in der Schalttafel oder im Rack für Instrumente.
Überall dort, wo elektrische Werkzeuge, Strahler oder zusätzliche Instrumente
9.2 Planung von HV-Laboratorien 465

ein Luftkissen an jedem der vier Ausleger

zwei Luftkissen direkt unter


dem Grundrahmen

Abb. 9.26 Rahmen eines LI-Prüfgenerators mit Luftkissen

benötigt werden, sind Steckdosen erforderlich. A lle elektrischen Leitungen, die in


abgeschirmte Räume führen, müssen gefiltert werden.
Datenkommunikation und Telefon-Leitungen sollten soweit wie möglich durch
Lichtwellenleiter realisiert werden. Sie erfordern keine Filterung. Alle Kabelver-
bindungen für die Kommunikation müssen gefiltert werden.
Druckluft ist für die Luftkissen (siehe Abschn. 9.2.5.3) erforderlich, aber auch
bestimmte Werkzeuge sowie Fremdschitprüfungen erfordern Druckluft. Der
erforderliche Druck hängt von der lokalen Nachfrage ab. Die metallischen Rohre
für Druckluft müssen isoliert sein, wenn sie in abgeschirmte Räume führen.
Eine Wasserversorgung ist für künstliche Regen- und Fremdschichtprüfungen
erforderlich (siehe Abschn. 7.2.4), für andere Sondertests und zur Reinigung.
Daher sind in großen Räumen wenige Wasserhähne und in kleineren Räumen nur
ein Wasserhahn anzuordnen.
Andere technische Medien wie Öl und andere Flüssigkeiten, SF6 und andere
Gase sollten über installierte, bezüglich der Prüferde isolierte Zuleitungen bereit-
gestellt werden, wenn eine dauerhafter Bedarf besteht sollte (siehe Abschn. 9.2.4).

9.2.5.5 Feuer- und Umweltschutz

Der Feuer- und Umweltschutz in einem HV-Labor muss sowohl den nationalen
Gesetzen als auch dem technischen Wissen über HV-Prüfungen folgen. Besondere
Beachtung erfordern Isolieröl und andere brennbare Flüssigkeiten. Dazu gehören
auch Öl-isolierte HV-Prüfkomponenten und -geräte der ­Stromversorgung, z. B.
466 9 Hochspannungsprüflaboratorien

die Mehrheit der Prüftransformatoren, Reaktoren, Regler usw. Man sollte berück-
sichtigen, dass ein Leck in einem Tank das Ökosystem, den Boden oder das
Wasser nicht verschmutzen sollte. Aber ein Leck in einem Tank einer modernen
HV-Prüfkomponente ist sehr selten. Wenn es auftritt, bleibt es sehr klein. Folg-
lich muss man ein Volumen berücksichtigen, das nach einem kleinen Leck
einen bestimmten Teil des Öls aufnehmen kann. In einigen Fällen werden
sogar Kabelkanäle dafür verwendet. Die Anwendung der harten Regeln für
Leistungstransformatoren, einen Sammler für das gesamte Öl des zugehörigen
Leistungstransformators vorzusehen, kann nicht empfohlen werden. Ein Leistungs-
transformer in einem Energiesystem kann bei Überspannungen infolge schwerer
interner Fehler dramatisch brennen und explodieren. Im Gegensatz dazu werden
Prüftransformatoren und andere Prüfgeräte in der Regel deutlich unter ihrer Nenn-
spannung belastet. Die HV- Prüfungensind mit sensiblen PD-Messungen ver-
bunden, die nicht nur die Fehler des Prüfobjekts, sondern auch alle Komponenten
des Prüfkreises anzeigen. Dies bedeutet, dass ein Fehler innerhalb von Öl
gefüllten Geräten sehr früh angezeigt wird, und die zugehörige Komponente recht-
zeitig aus dem Betrieb genommen werden muss. Es besteht praktisch keine Gefahr
eines leistungsstarken Fehlers in einem Öl-Prüftransformer oder – reaktor, gefolgt
von einer dramatischen Zerreißung des Tanks und einem Brand. Trotzdem muss
während der Planung eines HV-Labors ein realistisches Konzept für Feuer- und
Umweltschutz erstellt und auf der Grundlage des technischen Wissens und der
relevanten lokalen Vorschriften genehmigt werden.
Bei Tests der Isolation mit SF6-Gas muss berücksichtigt werden, dass SF6
ein Treibhausgas ist und ein völlig dicht verschlossenes Gas-Handling-System
geplant werden muss. Diemetallische GIS-Kapselung muss die technischen
Anforderungen an Hochdruckbehälter erfüllen.

9.2.6 Sicherheitsmaßnahmen

Hohe elektrische Felder, die durch hohe Spannungen zwischen angeschlossenen


Elektroden und allen geerdeten Objekten in den HV-Testräumen erzeugt
werden, sind sehr gefährlich: Wenn das elektrische Feld das Isoliervermögen der
umgebenden Luft überschreitet, treten elektrische Entladungen mit Strömen bis zu
Kiloampere auf. Aber die Unfallrate in HV-Labors ist gering, weil dort arbeitendes
Personal sich der hohen Gefahr bewusst sind, wenn das „Sicherheitskonzept“ nicht
sorgfältig eingehalten wird. Das Sicherheitskonzept umfasst alle technischen Fragen,
die das Labor als Ganzes, die einzelnen HV-Prüfsysteme sowie die entsprechenden
Arbeitsanweisungen für das Personal betreffen. Letzteres umfasst das allgemeine
Verhalten bei HV-Tests und die Anweisungen für den Betrieb von Prüfsystemen.
Es gibt kein spezielles IEC-Dokument über die Sicherheit in HV-Prüflabors;
die IEC-Veröffentlichung 62061:2005 ist teilweise auf die Steuerung- und
Energiesversorgung anwendbar. IEEE Guide 510 empfiehlt eine Praxis für die
Sicherheit bei Hochspannungs- und Hochleistungsprüfungen. Es gibt auch eine
9.2 Planung von HV-Laboratorien 467

Europäische Norm EN 50191 (2000) zum Aufbau und Betrieb von elektrischen
Prüf systemen. Die Hinweise in diesem Abschnitt können die Benutzer nicht
von der Anwendung dieser gelegentlich schwer zu handhabenden, international
anerkannten Dokumente, Standards und speziellen nationalen Regeln entbinden.
Auch die Anweisungen und Hinweise der Lieferanten von HV-Prüfsystemen
sollten berücksichtigt werden.

9.2.6.1 Sicherheit in HV-Prüffeldern und -bereichen

Ein HV-Prüffeld ist ein Raum mit einem oder mehreren eingezäunten HV-Prüf-
bereiche und zugehörigen Kontrollbereichen, die durch einen Stromversorgungs-
bereich ergänzt werden. Ein HV-Prüflabor kann mehrere HV-Prüffelder enthalten
(Abb. 9.10). Die Grundlage für die Sicherheit eines gesamten Testfelds ist seine
korrekte Erdung und Abschirmung, wie in Abschn. 9.2.2 beschrieben. Die
empfohlene Stromrückführung eines Testkreises ist nur an einem Punkt mit dem
Erdungssystem verbunden. In besonderen Fällen kann das Erdungssystem als
Stromrückführung verwendet werden. Die Abschirmung darf niemals als Strom-
rückführung verwendet werden.
In einem HV-Prüffeld sollen die sicheren Abstände (siehe Abschn. 9.1.3) von
HV-Komponenten zu den Wänden, den Zäunen oder der Decke sowie zu geerdeten
oder unter Spannung stehenden Objekten(auch in benachbarten eingezäunten Prüf-
feldern) werden gemäß den dort maximal erzeugbaren Prüfspannungen ausgewählt.
Liegen mehrere eingezäunte Prüffelder in einem Prüffeld, so sind metallische
Sicherheitszäune mit einer Mindesthöhe von 2 m und einer maximalen Maschen-
weite von 4 cm anzuwenden. Die einzelnen Zaunelemente sind elektrisch mit-
einander und nur an einem Punkt mit dem Erdungssystem verbunden. Eine
komplette Schleife von Zäunen ist zu vermeiden. Wenn die HV-Komponenten in
einem Prüffeld neu angeordnet werden, müssen Wechselwirkungen mit benach-
barten eingezäunten Prüffeldern berücksichtigt werden (Abb. 9.27).
Das HV-Prüffeld ist von außen durch ein Warnschild und durch Warnlampen zu
kennzeichnen, die die Bedingungen im Bereich anzeigen: Das „rote“ Licht zeigt
an, dass der HV-Prüfkreis enterdet und möglicherweise unter Spannung steht. Das
„grüne“ Licht bedeutet, dass der HV-Prüfkreis geerdet ist und der Bereich sicher
zum Betreten ist (siehe Abschn. 7.2.6.3). Warnschilder sind an allen Türen zum
Prüffeld anzuordnen. Zusätzlich zu den Schildern und Lampen muss das Prüffeld
mit einer Sicherheitsschleife und Not-Aus-Schaltern ausgestattet sein.
Eine Sicherheitsschleife ist eine Ringleitung, die in die Wände, Zäune und
Türen eines Prüfbereichs integriert ist. Die Schleife muss geschlossen sein, bevor
das Prüfsystem enterdet und energisiert wird. Kontakte an der Tür sollen sicher-
stellen, dass die Schleife geschlossen ist. Sobald die Schleife irgendwo geöffnet
wird, wird der Notausschalter automatisch betätigt und das Prüfsystem geerdet
(siehe Abschn. 9.2.6.2). Notausschalter sollten große, rote Schalter sein, die
vorzugsweise auf gelbem Hintergrund an der zugehörigen Schalttafel oder am
Schaltschrank, in der Nähe der Türen des Prüfbereichs und in den Beobachtungs-
468 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Mobilzäune mit Netzanschluss

Warn
Warnschilder und lampen
Anweisungen an den
Zäunen und Türen
des Testbereichs

mobiler Not-Aus-Schalter

Abb. 9.27 Sicherheitszäune mit Warnschildern und Lampen, Sicherheitsschleife und Not-Aus-
Schalter

bereichen angebracht sind. Die Betätigung eines Not-Ausschalters führt zu


Reaktionen des Hauptschalters und des Betriebschalters sowie der Erdungsein-
richtung des betreffenden HV-Prüfsystems. Es muss geprüft werden, ob auch alle
HV-Quellen des gesamten Prüffelds ausgeschaltet werden. Die Beleuchtungs-
anlage sollte nicht ausgeschalten werden (mindestens eine Notbeleuchtung muss
erhalten bleiben).
Steuer- und Beobachtungsbereiche befinden sich außerhalb des Prüfbereichs
und seiner Sicherheitsschleife. Beide sollten mit Warnschildern und -lampen sowie
Notfall-Ausschaltern ausgestattet sein. Für den Stromversorgungsraum gelten die
relevanten nationalen Vorschriften für die Errichtung von Umspannwerken.

9.2.6.2 Sicherheit von HV-Prüfsystemen

Zwischen dem Sicherheitssystem eines HV-Prüfbereichs und dem des zugehörigen


HV-Prüfsystems besteht eine enge Verbindung. Beide arbeiten zusammen, und
wenn das erste versagt, kann das zweite nicht arbeiten. Daher sollte vor jedem Test
eine Überprüfung der zugehörigen Sicherheitseinrichtungen erfolgen.
9.2 Planung von HV-Laboratorien 469

Ein HV-Prüfgenerator wird in zwei Schritten energisiert: Zuerst wird der


Strom (Hauptschalter) eingeschaltet, der die Energie vom Netz bis zur Strom-
versorgungseinheit liefert, und dann wird der Betriebschalter den Generator ver-
binden (siehe Abschn. 2.2). Die beiden Schalter sind Teil des Sicherheitskonzepts
eines HV-Prüfsystems (Abb. 3.1).
Die Erdung des Hochspannungstestkreises soll einen sicheren stationären
Betrieb gewährleisten, während die Leitung der Erdrückführung transiente
Phänomene, z. B. nach einem Durchbruch des Testobjekts (siehe Abschn. 9.2.2),
minimieren soll.. Dann müssen die HV-Komponenten entladen und dauerhaft
geerdet werden. Dafür sind sie mit Entladungsschaltern und Erdschaltern aus-
gestattet. Die Schalter (Abb. 9.28a) können durch geerdete Stäbe mit einem
elektrischen oder hydraulischen Antrieb realisiert werden. Sie öffnen die Erdung,
wenn der Hauptschalter eingeschaltet wird. Sie schließen die Erdung, z. B. durch
Schwerkraft oder durch eine Feder, wenn der Netzschalter geöffnet wird und die
Spannung nach einer Prüfung oder einem Notfall ausgeschaltet ist.
Erdungsseile (Abb. 9.28b) bestehen zur Hälfte aus einem flexiblen metallischen
Kabel und zur Hälfte aus einem isolierenden Seil. Im Fall der Erdung der HV-
Komponente verbindet das Metallseil die HV-Elektrode und alle Zwischen-
elektroden mit dem Erdsystem. Im Fall einer HV-Spannung an der Komponente
wird das Metallseil durch ein isolierendes Seil ersetzt. Beide Seile bewegen sich
durch einen Motorantrieb. Man sollte nach zuverlässig arbeitenden Erdungsseilen
suchen; andernfalls könnten sie der Schwachpunkt der Ausrüstung werden.
Erdungsstangen für den manuellen Betrieb (Abb. 6.14) werden häufig für
kleinere HV-Testsysteme verwendet. Sie sind aus isolierendem Material mit
einem Griff an einer Seite und einem Haken auf der gegenüberliegenden Seite.
Der Haken ist über ein flexibles Kabel mit dem Erdsystem verbunden. Es wird
empfohlen, Erdungs- und Entladungsstangen an der Tür zum Testbereich anzu-
ordnen, um ihre Anwendung nach einem HV- Prüfung nicht zu vergessen.
Kondensatoren werden während ihres Betriebs aufgeladen, behalten die
Ladung – zumindest teilweise – nach dem Ausschalten des Testsystems bei und
müssen entladen, kurzgeschlossen und geerdet werden, auch wenn sie nicht

Elektrode geerdet, Schalter geschlossen Elektrode für HV, Magnetbetrieb

Abb. 9.28 Erdungsausrüstung. a Erdungsschalter (Erdung durch Schwerkraft). b Erdungsseil


mit Motorantrieb
470 9 Hochspannungsprüflaboratorien

im Einsatz sind. Die Entladung erfolgt über Widerstände in Reihe mit Erdungs-
stangen, Erdungsschaltern und Erdungsseilen.
Die Steuerung eines HV-Testsystems realisiert nicht nur die HV-Testverfahren,
sondern aktiviert auch dieSicherheitsfunktionen. Dazu gehören die Interaktionen
zwischen der Position des Netzschalters und des Betriebschalters mit dem Status
der Sicherheits Schleife, der Signal Lampen und der Erdungsausrüstung. Darüber
hinaus soll das Steuerungssystem im Falle eines Ausfalls des Prüfobjekts, einer
Öffnung der Sicherheitsschleife oder einer Notfall-Anwendung reagieren. Alle
diese Funktionen müssen gemäß den relevanten Anweisungen des Herstellers der
Testsysteme periodisch überprüft werden. Tab. 9.4 zeigt einen Zeitplan für solche
Anweisungen als kurzes Beispiel.

9.2.6.3 Betrieb von HV-Prüfsystemen

Ein HV-Labor sollte ein „Sicherheitskonzept“ aufweisen, das die genannten


Sicherheitsmaßnahmen für Testfelder, Testbereiche und Testsysteme beschreibt.
Darüber hinaus sollte es die folgenden Sicherheitshinweise für den Betrieb von
HV-Prüfsystemen sowie die Liste der erforderlichen Prüfungen von sicherheits-
relevanten Geräten (Tab. 9.4) enthalten. Auf der Grundlage des Sicherheits-
konzepts sollten die Mitarbeiter gemäß nationaler Vorschriften, jedoch mindestens
einmal jährlich, über die Gefahr bei HVPrüfungen geschult werden.
Bevor ein HV-Test startet, sollte der Prüfingenieur die folgenden Aktionen
durchführen:
1. Abschließende Prüfung der Erdungsverbindungen und der Freiräume des Prüf-
aufbaus!
2. Prüfen, ob sich keine anderen Personen im Prüftbereich befinden, alle manuell
betätigten Erdungsgeräte entfernen!
3. Schließen Sie den Sicherheitsschleife!
4. Schalten Sie die Steuerstromversorgung für das Steuer- und Messsystem ein
(grüne Lampen „ein“)!
5. Schalten Sie den Netzschalter (Hauptschalter) ein (rote Lampen „ein“)!

Tab. 9.4 Überblick über Inspektionen der Sicherheitsausrüstung


Inspected equipment Inspected component Reference Interval of inspections
Erdungssystem des Erdungswiderstand; 9.2.2 <5 Jahre
Testbereichs Erdungsverbindungs- Messung des
kästen Erdwiderstands
Testsysteme Erdungsstangen, 9.2.6.1 <1 Jahr
Schalter und Seile Sichere Verbindungen Beobachtungen vor
jedem Test
Sicherheitsaus- Sicherheits-Schleife, 9.2.6.1 Vor jedem Test prüfen
rüstung einschließlich Signal-Lampen, Not-
Steuerung Aus-Schalter
9.3 Freiluft HV- Prüffelder 471

6. Warnen Sie durch Hupe und Lautsprecher „Achtung, Hochspannung ist ein-
geschaltet“ (automatische Erdung „aus“)!
7. Schalten Sie den Betriebschalter ein und starten Sie die Prüfung. Wenn eine
Prüfung beendet ist, sollten Sie Folgendes tun:

1. Reduzieren Sie die Spannung auf ein Niveau <50 % oder auf Null!
2. Schalten Sie den Betriebschalter aus (automatische Entladung von
Kondesatoren und Erdung bewegt sich auf „ein“, auch rote Lampe noch
„ein“)!
3. Schalten Sie den Netzschalter (Hauptschalter) aus (rote Lampe „aus“,
grüne Lampe „ein“)!
4. Öffnen Sie die Sicherheitsschleife und führen Sie die manuelle Entladung
und Erdung durch, falls erforderlich!
5. Schalten Sie die Steuerstromversorgung aus, das Prüfsystem ist außer
Betrieb (grüne Lampe „aus“)!
Die beschriebenen Schritte der Bedienung sollten auch Teil der Anweisungen für
das Personal sein, das im HV-Labor arbeitet. Die Anweisungen sollten alle inter-
nationalen und nationalen Regeln zur Sicherheit bei elektrischen Prüfungen, die
Informationen des Herstellers der Prüfsysteme und die eigenen Erfahrungen ent-
halten. Die Anweisungen können Demonstrationen im Labor enthalten. Sie sollten
mindestens einmal im Jahr durchgeführt und aktenkundig gemacht werden.

9.3 Freiluft HV- Prüffelder

Wenn ein outdoor test field ein traditionelles „indoor“ Labor (vergleiche Abb. 9.10)
vervollständigt, können die Prüfspannungen über Durchführungen oder große
Türen nach draußen übertragen werden. Sogar komplette HV-Prüfsysteme können
auf Luftkissen in das Freiluftprüffeld bewegt werden. Freiluftprüffelder sind in der
Regel für Forschung und Entwicklung von EHV- und UHV-Freileitungen mit den
zugehörigen Versuchsleitungen ausgestattet. In den meisten Fällen sind sie mit Prüf-
leitungen von einigen hundert Metern Länge verbunden, um die Konstruktion der
Masten, die Anordnung der Leiter oder die Messung der oronaverluste zu testen.
Die HV-Prüfsysteme befinden sich auf einer Betonfläche, die auch Platz für
die Prüfung von Stationsausrüstungen bietet. Dieser Bereich kann für Luftkissen
geeignet ausgeführt werden (siehe Abschn. 9.2.5.3). Freiluftprüffelder sollten
mit Straßen gut verbunden sein, um die Anlieferung von großen objekten zu
erleichtern. Die Montage der Prüfobjekte soll mit mobilen Kränen durchgeführt
werden. Die im Freien platzierten HV-Prüfsysteme haben ein spezielles Design für
die lokalen klimatischen Bedingungen. Manchmal sind die lokalen Bedingungen
der Grund, ein Outdoor-Testfeld zu haben, z. B. im Hochgebirge, um Tests unter
geringer Luftdichte durchzuführen. Die Verschmutzung der Prüfsysteme ist eine
Herausforderung, die sowohl ein gutes Design als auch eine dauerhafte Wartung
erfordert.
472 9 Hochspannungsprüflaboratorien

Für LI- und SI-Spannungstests sind Impulsgeneratoren indoor-fähig in einem


isolierenden Turm für Wetterschutz (Abb. 9.29) angeordnet. Die Luft in einem
solchen Turm wird konditioniert, um aufgrund zu niedriger Außentemperaturen
auf inneren Oberflächen Kondenswasser zu vermeiden. Auch zu hohe Innen-
temperaturen sollten vermieden werden. Die Nennspannung von Outdoor-Impuls-
generatoren überschreitet in der Regel 3 MV.
Für die AC-Spannungsprüfung eignen sich Metalltank-Transformator (siehe
Abschn. 3.1.1) sowohl für die Anwendung mit einem einzelnen Transformer als
auch für Transformatoren-Kaskaden (Abb. 9.30) gut. Sie haben sich für diese
Anwendung durch ihre hohe Zuverlässigkeit bewährt, da das Design auf die
Erfahrungen mit Leistungstransformatoren zurückgreift. Die Nennspannungen von
AC-Testsystemen liegen in der Regel über 1 MV.
Für die DC-Spannungsprüfung an Versuchsleitungen sind ziemlich leistungs-
starke Generatoren (mit Nennspannungen von bis zu 2 MV und Stromstärken von
mehreren 100 mA) erforderlich (Abb. 9.31). Es ist sehr schwierig, die Isolierungen
der HVDC-Hochspannungskomponenten für den Freiluftbedingungen zu
gestalten.
Die Sicherheitsvorkehrungen in Außenlabors können nach den in 9.2.6
beschriebenen Prinzipien erfolgen, müssen aber die breite Palette von
atmosphärischen Einflüssen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Regen, Schnee, Eis,
Sandsturm usw. berücksichtigen. Dies erfordert größere Freiräume. Das Erdungs-
system eines Außenlabors kann wie für Innenlabore gestaltet werden (siehe 9.2.2),
aber die Stahlverstärkung des Betons sollte geschweißt und – neben Erdungs-
stäben – als Flächenerdung verwendet werden. Isolierungen des Erdungssystems
gegenüber dem Erdreich sind nicht erforderlich. Es muss nur an einem Punkt mit
dem Erdungssystem des Innenlabors verbunden werden.

Abb. 9.29 Freiluft- UHV-Prüfleitung


Stoßspannungsgenerator
4000 kV/400 kJ. Mit
freundlicher Genehmigung Zylinder-Segment-
von KEPRI Korea Elektroden

Wetterschutzturm
mit LI/SI-Generator
im Inneren

Spannungsteiler

Platz für
Stromversorgung,
Gleichstrom-
Ladegerät,
Klimatisierung
9.4 Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder 473

Abb. 9.30 Freiluft –


Transformatorenkaskade
1800 kV/1,25 A. Courtesy of
Siemens AG, Berlin

Abb. 9.31 Freiluft- DC


Generator 1300 kV/1 A

9.4 Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder

Der Bau eines neuen HV-Labors ist eine große Investition. Die Aktualisierung
(manchmal auch als Upgrade oder Modernisierung bezeichnet) eines bestehenden
Testfelds ist oft eine wirtschaftlich und technisch akzeptable Alternative zu einem
neuen Prüflabor. Im einfachsten Fall handelt es sich um die Ersetzung kompletter
HV-Testsysteme, die Hinzufügung neuer oder der Austausch alter Komponenten.
Die Aktualisierung bestehender HV-TestPrüfräume ist oft schwieriger. Gesichts-
punkte für die Aktualisierung bestehender HV-Testfelder werden nachfolgend auf-
geführt. Generell sollte die Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder so weit wie
474 9 Hochspannungsprüflaboratorien

möglich nach den in diesem Kapitel für neue Prüffelder beschriebenen Prinzipien
erfolgen (siehe Abschn. 9.1, 9.2, 9.3).

9.4.1 Aktualisierung von HV-Prüfsystemen

Die Lebensdauer von HV- und Leistungskomponenten ist in der Regel länger
als die von Komponenten von Steuer- und Messsystemen. Manchmal haben
auch Regeltransformatoren oder Thyristorregler eine kürzere Lebensdauer als
Generatoren für hohe Wechsel-, Gleich- oder Impulsspannungen. Daher ist ein
Update häufig für Steuer- und Messgeräten erforderlich. Es kann nicht empfohlen
werden, nur einige dieser Komponenten zu ersetzen und mit einer Mischung
aus neuen und alten Steuer- und Messinstrumenten zu arbeiten. Das Steuer- und
Messsystem sollte eine einfache und zuverlässige Steuerung, eine sichere Daten-
erfassung und -auswertung, eine Kommunikation innerhalb lokaler Daten-
netze und einen Fernservice ermöglichen, wie in Abb. 2.8 und in Abschn. 9.1.4
beschrieben. Die erforderlichen Schnittstellen zwischen digitalen Steuer- und
Messsystemen und den Komponenten des Hochspannungskreises sollten je nach
Bauart und Alter der zu modernisierenden Ausrüstung individuell hergestellt
werden.
Wenn in einem bestehenden Labor ein neues HV-Prüfsystem – möglicherweise
mit höherer Nennspannung – angeordnet werden soll, müssen die erforderlichen
Freiräume berücksichtigt werden (siehe Abschn. 9.1.3). Bei begrenztem Freiraum
zwischen HV-Komponenten (Generator, Teiler, Anschlüsse usw.) und benach-
barten geerdeten oder energisierten Objekten kann die Anwendung größerer
Steuerelektroden in Betracht gezogen werden. Dies erfordert die Berechnung der
Bedingungen des elektrischen Feldes zwischen den HV-Komponenten und ihrer
Umgebung. Darüber hinaus muss der erforderliche Freiraum für Prüfobjekte
garantiert werden (Abb. 2.1). Um Platz in dem Prüfbereich zu sparen, können
tankförmige Prüftransformatoren und Reaktoren außerhalb, mit ihren HV-Durch-
führungen in den Prüfraum angeordnet werden (Abb. 9.21). Die Sicherheitsan-
forderungen finden Sie in Abschn. 9.2.6.2.

9.4.2 Verbesserung von HV-Prüfräumen

Das Sicherheitssystem muss die in Abschn. 9.2.6.1 erläuterten Grundsätze voll-


ständig befolgen. Jede Reduzierung der Sicherheitsanforderungen ist nicht
akzeptabel. Wenn Zusatzgeräte (Abschn. 9.2.5) modifiziert oder verbessert
werden, darf der zuverlässige Betrieb der Prüfsysteme einschließlich der erforder-
lichen Empfindlichkeit der PD- und Dielektrizitätsmessung nicht beeinflusst
werden: Die Abstände sollten ausreichend eingehalten und Abschirmwirkungen
nicht reduziert werden.
9.4 Aktualisierung bestehender HV-Prüffelder 475

Die meisten Ausgaben sind erforderlich, um die Erdung und Abschirmung


eines HV-Prüffeldes zu verbessern. Dies ist oft erforderlich, weil Dauerprüfungen
zunehmend durch empfindliche PD- und/oder Dielektrizitätsmessung ergänzt
werden. Oft ist ein ungeschützter Prüfraum für diese PD-monitored Dauer-
prüfungen nicht mehr ausreichend. Dann werden Konsequenzen für die Filterung
der Versorgungsspannung, für die Abschirmung und die verbesserte Erdung unver-
meidlich.
In der Regel sind alte Erdungsstäbe korrodiert und müssen ersetzt werden,
um einen effektiven Erdwiderstand von der Größenordnung 2 Ω zu erreichen.
Die Erdung sollte unabhängig von der Abschirmung (Abschn. 9.2.2) sein, aber in
älteren Prüffeldern wird die Erdung durch eine Kombination von Erdungsstäben
und einem Flächenerder realisiert, der die gesamte Prüffeldfläche abdeckt. Dies
bedeutet, dass Erdung und Abschirmung im Boden kombiniert sind. Es sollte
untersucht werden, ob es erforderlich ist, Erdung und Abschirmung im Boden
(Abschn. 9.2.2) zu trennen oder nicht. Die Abschirmung des Bodens ist nicht so
wichtig wie die der Wände und der Decke, die wie oben beschrieben (Abb. 9.18
und 9.18) durchgeführt werden soll. Wenn der Bodenerdung als erforderlich
angesehen wird, muss eine Isolationsfolie über den Flächenerder gelegt werden,
gefolgt von einem geeigneten Metallgitter oder Metallppanelen, die die Boden-
abschirmung bilden, und einer Schutzschicht, in der Regel aus Beton mit einer
oberen Schicht aus Epoxidharz für die Luftkissentransporte.
In einigen Fällen sollte überlegt werden, ob die Abschirmung des gesamten
Prüffeldes erforderlich ist oder ob die Anwendung einer abgeschirmten Kabine
(Abb. 9.32) ausreicht. Innerhalb einer solchen selbsttragenden Kabine können
die niedrigsten PD-Rauschpegel erreicht werden. Wenn der Platz einer solchen

Abb. 9.32 Abgeschirmte Kabine in einem Routine-Testfeld


476 9 Hochspannungsprüflaboratorien

kommerziell erhältlichen Kabine ausreicht, ist keine teure Abschirmung des


gesamten Prüffeldes erforderlich. Ein ähnlicher Effekt kann mit einem metall-
umhüllten Prüfsystem (Abb. 3.41) erreicht werden. Eine perfekte Abschirmung
muss mit einer perfekten Filterung aller Spannungen, die in den abgeschirmten
Bereich eindringen, abgeschlossen werden (Abschn. 9.2.3).
Kapitel 10
Hochspannungsprüfungen vor Ort

Zusammenfassung Hochspannungsprüfungen vor Ort werden aus zwei Gründen


durchgeführt: Zum einen, um die Zuverlässigkeit der Isolierungen nach dem
Zusammenbau neuer Geräte oder Systeme vor Ort sicherzustellen, und zum
anderen, um den Zustand von Betriebs-gealtertenGeräten zu bewerten, z. B. nach
Wartung und Reparatur. Die erste Kategorie umfasst Inbetriebnahmetests, bei
denen heutzutage klassische Stehspannungsprüfungen immer häufiger mit zer-
störungsfreien dielektrischen Tests wie C/tanδ und PD-Messungen kombiniert
werden, um die erforderliche Qualität und Zuverlässigkeit besser zu demonstrieren.
Solche Tests vervollständigen die Qualitätssicherungstests, die in der Fabrik
durchgeführt werden, und sollten deren Philosophie auf der Grundlage der Iso-
lationskoordination folgen. Das Ziel der zweiten Gruppe von Tests, die allgemein
als Diagnosetests bezeichnet werden, ist es, den Isolationszustand sowie die ver-
bleibende Lebensdauer von servicealterten Geräten zu bewerten. Für diagnostische
Zwecke wird in der Regel ein Satz von Prüfungen und Messungen durchgeführt.
HV-Tests nach der Reparatur befinden sich zwischen diesen beiden Kategorien, da
der reparierte Teil neu ist, aber die andere Isolierungen des Geräts oder der Anlage
Betriebs-gealtert sind. Nach einer Betrachtung der allgemeinen Anforderungen an
HV-Testsysteme, die vor Ort eingesetzt werden, werden die angewendeten Prüf-
spannungen gemäß IEC 60060-3:2006 vorgestellt. Darüber hinaus enthält das
Kapitel Beispiele für Qualitäts-Akzeptanzprüfungen und Diagnosetests vor Ort, die
üblicherweise für druckgasisolierte Systeme (GIS), Kabelanlagen, Transformatoren
und rotierende Hochspannungsmaschinen angewendet werden.

10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme

10.1.1 Prüfungen zur Qualitätsicherung

Hochspannungs- (HV) Prüfung sind nicht nur mit Prüfungen beim Hersteller ver-
bunden. Der gesamte Lebenszyklus der Isolierung wird durch HV-Tests begleitet

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 477


W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3_10
478 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

(Abb. 10.1). Die Qualität der Geräte und Systeme, die schließlich vor Ort montiert
werden, wird sorgfältig durch Qualitätsakzeptanztests ihrer Komponenten in der
Fabrik (Stückprüfung) überprüft. Diese HV-Stehspannungs prüfungen werden
durch Qualitätsakzeptanztests vor Ort ergänzt, die die ausreichende Qualität sowohl
des Transports als auch der vor Ort erfolgten Montage für einen zuverlässigen
Betrieb (Inbetrienahme-Vor-Ort-Prüfung) überprüfen. Alle Qualitätsakzeptanz
prüfungen müssen nach denselben Prinzipien durchgeführt werden, wonach die
Prüfspannungen Spannungen im Betrieb repräsentieren und gut reproduzierbar sein
müssen. Nach erfolgreichen Tests (Abb. 10.1, gelber Bereich) kann das Gerät in
Betrieb genommen und vom Lieferanten an den Benutzer übergeben werden.
Der Benutzer der Ausrüstung kann für das neue System in-service monitoring
der Isolierung (Cigre TF D1.02.08 (2005)) einsetzen, z. B. durch Online-
Messung mit nicht-konventionellen PD-Sensoren. Das monitoring erfasst den
Trend geeigneter Parameter (möglicherweise die Kombination verschiedener
PD-Messgrößen) für die Bewertung des Zustands. Wenn ein Indikatorwert
(Kombination von Parametern) eine Größe für eine Warnung erreicht, kann ein
offline Diagnostische Prüfung nützlich für die Identifizierung und Lokalisierung
des Fehlers sein. Der Diagnosetest sollte einige Prinzipien des Qualitätstests
wiederholen, aber dies ist nicht unbedingt erforderlich. Er sollte Messungen an
verschiedenen Messpositionen umfassen und in der Lage sein, Informationen über
die Gefährdung der Isolierung durch einen erkannten Fehler bereitzustellen. Der
offline Diagnosetest mit einer externen Spannungsquelle ermöglicht Messungen
bei verschiedenen Spannungsniveaus, einschließlich der Bestimmung der Einsetz-
und Aussetzspannungen von Entladungen. Daher liefert er mehr Informationen
als das In-Service- (Online-) Monitoring. Trotzdem ergänzen sich Monitoring

Grundlag
enforschung
Qualitätssicherungs-Prüfungen
HV-Grundprüf
Ende des Dienstes,
ungen Berechnung
abschließende
Datenauswertung Entwurf
Typprüfung

Produktion
Nachprüfung Lebenszyklus Stückprüfung
AC der Reparatur Eintrag
(vor Ort)
ACRF
VLF
DAC AC
Überwachung Transport Vor- LI
Warnung Ort-Montage
Ortung Betrieb / SI
Vor-Ort-
Betriebsdaten Prüfung ACRF
Wartung
Diagnostische Prüfungen Überwachung

Abb. 10.1 HV-Prüfungen und -Messungen im Lebenszyklus von Geräten


10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme 479

und Diagnosetests und spielen eine gemeinsame Rolle für die Zustandsbewertung
(Abb. 10.1, blauer Bereich).
Es ist sehr nützlich, alle Tests und Kontrollen z. B. für ein Kabel-System und
seine Komponenten in einem „life cycle record“ (Abb. 10.1) zusammenzufassen.
Dieser Datensatz liefert Informationen über die Entwicklung von diagnostischen
Indikatorwerten. Qualitätsakzeptanztests und Diagnosetests haben sich während
der letzten 20 Jahre relativ unabhängig voneinander entwickelt. Es scheint not-
wendig zu sein, diesen Unterschied zu überwinden und alle HV-Tests mit einer
allgemeinen Sicht auf die physikalischen Phänomene und die Anforderungen der
Praxis zu betrachten.
Die Isolationskoordination (siehe Abschn. 1.2) der Isolierung der Komponenten
eines Elektroenergiesystems soll seinen zuverlässigen Betrieb sowie den Schutz
des Bedienpersonals und wichtiger Ausrüstung gewährleisten. Dies wird durch
Schutzniveaus von Schutzeinrichtungen (Blitzableiter) und Prüfspannungsniveaus
für die Ausrüstung erreicht. Die Vielfalt der Fehler in der Isolierung verhindert
die Festlegung allgemeiner Äquivalenz zwischen verschiedenen Prüfspannungen.
Daher müssen die angewendeten Prüfspannungen typische Spannungen im
Betrieb darstellen (Hauschild 2013). Dieses Prinzip ist die Grundlage für die
Verifizierung der Isolierungskoordination durch Prüfspannungen. Folglich ist es
auch für Qualitätstests an neuer Ausrüstung einschließlich Qualitätsakzeptanz-
test vor Ort erforderlich (Abb. 10.1, gelber Bereich). Die typischen Spannungen
im Betrieb und die zugehörige Prüfspannung gemäß den horizontalen Standards
werden in Abschn. 1.1 und 1.2 erläutert. Prüfspannungen für Vor-Ort-Prüfungen-
tests haben größere Toleranzen als die für Laboruntersuchungen.
Die folgenden allgemeinen Anforderungen an Prüfspannungen für Qualitäts-
akzeptanztests werden seit vielen Jahren berücksichtigt:
a) Prüfspannungen sollten Betriebsbeanspruchungen repräsentieren.
b) Prüfspannungen sollten innerhalb definierter Toleranzgrenzen für ihre Para-
meter reproduzierbar sein. Die Toleranzen spiegeln sowohl die Erzeugbar-
keit der Prüfspannung als auch die Streuung der tatsächlichen Spannungen im
Betrieb wider.
c) Alle Qualitätsakzeptanz prüfungen sollten untereinander vergleichbar sein, da
die verschiedenen Prüfungen dem gemeinsamen System der Qualitätskontrolle
zugeordnet sind.
d) Qualitätsakzeptanztests erfordern ein klares Akzeptanz bzw. Fehler-Kriterium
und ein vergleichbares Prüfverfahren. Die Ergebnisse von „direkten“ Durch-
schlagprüfungen erfordern keine Erklärungen, und ein „indirekter“ Test auf der
Grundlage einer Messung erfordert eine Grenze, die in einem Standard oder
einem Vertrag vereinbart werden muss.
Tests an nicht – selbstheilenden Isolierungen erfordern eine detaillierte Überlegung:
Der Prüfspannungswert und die Prüfdauer sollten so gewählt werden, dass eine
gesunde Isolation (Abb. 10.2a, grüne Linie) nicht beeinflusst wird, während eine
mit einem schwerwiegenden Fehler zusammenbricht (orange Linie). Es scheint
480 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

falsch zu sein, einen Durchschlagstest als „zerstörerisch“ zu verunglimpfen.


Wenn es einen Fehler gibt, der für den Betrieb gefährlich ist, sollte das Prüf-
objekt ihn auch zeigen. Zum Beispiel ist es während eines Durchschlagstests sogar
erwünscht, dass ein Kabelsystem mit einem internen Fehler versagt, viel besser
als wenn das während des Betriebs passiert. Ein Durchschlagstest von betriebs-
altersbedingten Kabelanlagen kann die Lebensdauer des Potenzials verbrauchen.
Um anzuzeigen, dass ein Durchschlagstest die Isolation nicht beschädigt hat, sollte
er mit der Messung eines geeigneten Messgröße, z. B. PD oder tanδ, kombiniert
werden. Das Prinzip eines solchen PD-überwachten Stehspannungs-Prüfver-
fahrens ist in Abb. 10.2b (Cigre TF D1.33.05, 2012) dargestellt:
Das „aufsteigende Verfahren“ eines PD-überwachten Durchschlagstests
sollte bei einer Spannungsstufe V0 beginnen, die PD-frei (Betriebsspannung
oder leicht darüber) sein soll, und mit zwei weiteren Stufen auf das Durch-
schlagsspannungsniveau steigen. Auch bei diesem Niveau wird eine PD-
Messung empfohlen. Dann wiederholt das „absteigende Verfahren“ die gleichen
Spannungsstufen in umgekehrter Reihenfolge. Zusätzlich zum Durchschlags-
test und den PD-Akzeptanz/Fehler-Kriterien vergleicht die PD-Kennlinien bei
identischen Spannungsstufen vor und nach dem Durchschlagsspannungsniveau die
Informationen über den Zustand des Prüfobjekts. Es ist ein Hinweis darauf, dass
der Durchschlagstest die Prüfeinrichtung oder das Prüfsystem nicht beschädigt
hat, wenn die PD-Kennlinie des „absteigenden Verfahrens“ der „aufsteigenden
Verfahren“ sehr ähnlich ist.
Ein Qualitätstest ist immer mit wichtigen Entscheidungen verbunden. Zum Bei-
spiel ist ein erfolgreicher Typentest die technische Voraussetzung für den Start der
Produktion einer HV-Komponente. Eine neue Ausrüstung oder ein neues System
muss den Qualitätstest vor Ort bestehen, bevor es an den Benutzer übergeben

(a) (b)
Spannung Spannun
Testniveau

VT
gesunde
PD PD

mangelhafte Dienstl
eistung
VT
V0

tb Zeit t T (lg t) tT Zeit t

Abb. 10.2 Hintergrund und Ablauf einer PD-überwachten Stehspannungsprüfung. a Lebens-


dauerkennlinie (schematisch). b Beispiel für den Ablauf einer PD-überwachten Stehspannungs-
prüfung
10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme 481

werden kann. Dies bedeutet, dass auch der Qualitätstest die Erfüllung eines Ver-
trags rechtfertigt.

10.1.2 Diagnostische Tests

Diagnostische Tests werden zur Bewertung des Zustands durchgeführt, um


die verbleibende Lebensdauer der getesteten Ausrüstung oder des Systems zu
schätzen. Das Ergebnis eines solchen Tests ist die Einstufung des Testobjekts nach
seiner Bewertung, zum Beispiel in die Klassen
„sicher und zuverlässig“,
„beobachten“,
„unzureichend, reparieren oder ersetzen“.
Dies kann nicht mit einer einzigen Stehspannungsprüfung erreicht werden und
erfordert in der Regel eine Reihe von Tests und Messungen sowie die Berück-
sichtigung des Trends der zugehörigen Daten gemäß dem Lebenszyklus-Daten-
satz. Dazu gehören zum Beispiel PD-Messungen unterschiedlicher Charakteristika
bei unterschiedlichen Spannungsniveaus, z. B. Einsatz- und Aussetzspannungen,
scheinbare Ladung oder Wiederholungsrate (IEEE-Leitfaden P400™-2012). PD-
Messungen liefern Informationen über Schwachstellen in der Isolierung. Wenn
Methoden der dielektrischen Antwort (Response) angewendet werden, erhält man
eine Gesamt- oder Integralbewertung des Kabelsystems. Solche Methoden sind
Messungen des Verlustfaktors, der Polarisation/Depolarisation, des Durchgangs-
stroms oder der Erholungsspannung (IEEE-Leitfaden P400™-2012). Auch über-
wachte Stehspannungsprüfungen, wie oben beschrieben (Abb. 10.2b), können
wertvolle Informationen liefern. Die alterungsbeständige Isolierung sollte mit
Prüfspannungen belastet werden, die höher sind als die Betriebsspannung, aber
niedriger als die Prüfspannungen vor der Inbetriebnahme.
Im Gegensatz zu den genannten Qualitätsakzeptanzprüfungen gibt es keine
allgemeinen Regeln oder Standards, wann diagnostische Tests und Messungen
durchzuführen sind. Die zugehörigen Entscheidungen sind eine Angelegenheit
der Nutzer der Ausrüstung oder Systeme. Entscheidungen für diagnostische Tests
können getroffen werden
• gemäß festen Zeitplänen,
• nach einem bestimmten Anstieg der Fehlerrate,
• nach einer bestimmten Überlastung des Stromsystems,
• nach einer Warnung des Überwachungssystems (Monitoring).
Wenn ein System repariert oder Abschnitte oder Komponenten ausgetauscht
wurden, sollte die Qualität der Reparatur- oder Erweiterungsarbeiten gegeprüft
werden. Das Problem für die Prüfung ist der alterungsbeständige Teil des Systems,
der nicht einfach wie ein neuer belastet werden kann. In solchen Fällen können
auch Prinzipien der Diagnostik angewendet werden, um eine Überlastung des
482 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

alterungsbeständigen Teils zu vermeiden. Nur wenn das betrachtete Gerät relativ


neu ist, kann ein Qualitätsakzeptanztest empfohlen werden, wie oben beschrieben.

10.1.3 Gesamtgestaltung von mobilen HV-Prüfsystemen

Die Gesamtgestaltung eines mobilen HV-Testsystems muss die im Folgenden auf-


geführten Kriterien berücksichtigen:
Die Auswahl geeigneter Prüfspannungen hat die höchste Priorität. Die aus-
gewählte Prüfspannung beeinflusst die mechanische Gestaltung und die Leistungs-
aufnahme erheblich. Für Qualitätsakzeptanzprüfungen sollten sie mit den für
die Isolationskoordination erforderlichen Prüfspannungen in Beziehung gesetzt
werden. Für diagnostische Tests sollten sie in Verbindung mit Messungen aus-
gewählt werden, die für die Bewertung des Zustands effizient sind.
Gewicht und Kompaktheit des HV-Prüfsystems sind wichtig für die optimale
Masse-Prüfleistungs-Verhältnis des Systems, für die akzeptable Größe für den
Transport und für die Anordnung am Prüfort.
Beide Transportierbarkeit und Montage beeinflussen die Handhabung des
Prüfsystems. Es sollte mit Zubehör für den Transport ausgestattet sein, robust
gegen mechanische Stöße und gut gegen Umwelteinflüsse geschützt sein, die die
Funktion des Prüfsystems gefährden können (Regen, Schnee, Eis, sehr niedrige
und sehr hohe Temperaturen, Sandstürme usw.). Es sollten nur wenige Montage-
arbeiten am Prüfort erforderlich werden, bis das Prüfsystem für Prüfungen bereit
ist. Kleinere Prüfsysteme – mit vorbereiteter Verbindung des Prüfobjekts über ein
geschirmtes Kabel – können innerhalb eines Vans, Anhängers oder Containers
vollständig angeordnet werden (Abb. 10.3a; siehe Abschn. 10.2.1.1). Die HV-
Komponenten (Erregertransformator, Reaktor, Spannungsteiler) des gezeigten
ACRF-Prüfsystems sind metallgekapselt, um die Sicherheitsanforderungen zu
erfüllen (Abb. 10.3b). Schwere und große Systeme – wie z. B. für die Prüfung von
HV- und UHV-Kabelsystemen – sind auf einem Anhänger angeordnet (Abb. 10.4).
Das Gesamtgewicht von HV-Prüfsystem, Anhänger und Lastwagen darf das für
die Straßen zulässige Gewicht nicht überschreiten (z. B. in Europa 42 t), um zu
genehmigende Sondertransporte zu vermeiden. Eine zweite Möglichkeit ist die
Verwendung von Komponenten, die sich leicht am Prüfort montieren lassen. In
Abb. 10.3c ist ein ACRF-Prüfsystem mit drei modularen Reaktoren und einem
separaten Spannungsteiler dargestellt. In Abb. 10.3d ist ein Prüfkreis für OLI-
Spannungen (siehe Abschn. 10.2.1.3) dargestellt, der aus einer Gleichspannungs-
Aufladeeinheit, drei Generator-Modulen für jeweils 300 kV, der HV-Induktivität,
die den Generator mit dem Spannungsteiler/(Grundlastkondensator) verbindet,
und dem Prüfobjekt besteht.
Der Leistungsbedarf für die Prüfung muss ein optimales Verhältnis zwischen
der Prüfblindleistung und dem Wirkleistungsbedarf aus einer Spannungsquelle
sein. Unter Berücksichtigung der kapazitiven Belastung der Prüflinge kann die
10.1 Allgemeine Anforderungen an Vor-Ort-HV-Prüfsysteme 483

Abb. 10.3 Prinzipielles Design von Vor-Ort- Prüfsystemen. a und b Außen- und Innenansicht
eines ACRF Prüfsystems für Mittelspannungskabel c Montiertes ACRF Prüfsystem mit drei
modularen Drosselspulen d Montiertes Stoßspannungsprüfsystemfür 900 kV Summenlade-
spannung und 1600 kV OLI Abgabespannung (Courtesy of Siemens AG, Berlin)

Container mit Steuer- und Speiseeinheit Erregertransformator HV ractorHV Filter- und Schutzeinheit

Lkw mit Anhänger C L C

Abb. 10.4 Mobiles ACRF Prüfsystem für HV- und EHV-Kabelsysteme


484 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

erforderliche Wirkleistung durch die Anwendung von Schwingkreisen und dem


Prinzip der Resonanz minimiert werden. Wenn die Stromversorgung vor Ort
ein Dieselgenerator ist, muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht um eine
„starre“ Quelle handelt. Seine Nennleistung sollte die erforderliche Wirkleistung
deutlich übersteigen (empfohlen: Faktor 3).
Das Kontroll- und Messsystem soll einfach zu handhaben sein. Ein Computer-
system wird empfohlen. Bei unerwarteten Ereignissen, z. B. Ausfall des Prüflings,
Ausfall des Prüfsystems und Unterbrechung der Einspeisung, würde dieses alle
Daten der Prüfung und alle Messergebnisse speichern.
Zwischen den genannten technischen Anforderungen muss ein Kompromiss für
die Auswahl eines geeigneten HV-Prüfsystems gefunden werden. Es kann nicht
erwartet werden, dass ein System für alle Nennspannungen und alle Arten von
Offline-Prüfungen optimal ist, insbesondere wenn man auch die Kosten berück-
sichtigt.

10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen

Während sich die Prüfspannungen für Qualitätsabnahmeprüfungen auf die


Qualitätsprüfungen im Werk beziehen müssen, ist bei den Prüfspannungen für
Diagnoseprüfungen keine so strenge Auswahl erforderlich. Im Vordergrund steht
die Interpretation der Ergebnismenge auf der Grundlage von Wissensregeln für
die angelegte Spannung. Daher können zusätzliche Sonderspannungen verwendet
werden. Das folgende Kapitel befasst sich mit Prüfspannungen für Feldtests, wie
sie in der einschlägigen IEC-Norm 60060-3:2006 oder im IEEE-Guide P400™-
2012 beschrieben sind.

10.2.1 Spannungen für Stehspannungsprüfungen

10.2.1.1 Wechselspannung des Leistungsfrequenzbereichs (HVAC)

Wechselspannung der Netzfrequenz (siehe Kap. 3) gilt als die wichtigste Prüf-
spannung, insbesondere wenn die Stehspannungsprüfung PD-überwacht wird.
Daher dient sie als Referenz für viele im Feld angewendete Prüfspannungen. Die
Netzfrequenzprüfspannung für Laborprüfungen ist mit einem Frequenzbereich
von 45 bis 65 Hz (IEC 60060-1:2010) definiert. Für Feldprüfungen werden AC-
Spannungen oft durch mobile, Frequenz-gestelltes (ACRF) Prüfsystem Systeme
aufgrund ihrer deutlich besseren Gewichts-zu-Testleistungsrelation (siehe
Abschn. 3.1.2.4) erzeugt. Daher werden für Prüfungen vor Ort ein viel größerer
Frequenzbereich und größere Toleranzen durch die relevante IEC 60060-3:2006
akzeptiert:
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen 485

Testspannungswert Peak/√2
Testspannungsfrequenz 10–500 Hz
Toleranz des Testspannungswerts ±3 % bis 1 min
±5 % für >1 min
Verhältnis von Spitzen- zu Gleichstromwert Innerhalb √2 ± 15 %
Unsicherheit (k = 2) von
– Spitzenspannungsmessung 5%
– Frequenzmessung 10 %

Die einzelnen Ausschüsse für Apparate verwenden reduzierte Frequenzbereiche;


zum Beispiel wird für Vor-Ort-Prüfungen an (Land-) Kabelanlagen der Bereich
20–300 Hz (Abb. 10.5) empfohlen (IEC 62067:2011; IEC 60840:2011). Zahl-
reiche praktische Feldtests zeigen, dass die Testfrequenz sehr häufig im ganz
engen Bereich zwischen 30 und 100 Hz bleibt. Es soll gezeigt werden, dass die
Anwendung von Wechselspannungen im Bereich der Netzfrequenz sehr wichtig ist.
Als Beispiel zeigt die Abb. 10.6 (Schiller 1996; Gockenbach und Hauschild
2000) die Spannungsfestigkeit von Modellen der extrudierten Kabelisolierung
in Abhängigkeit von der Frequenz. Die rote Linie stellt die Spannungsfestigkeit
einer technisch perfekten Isolierung dar, während die blaue Linie eine schwere
künstliche Beschädigung charakterisiert. Reale Beschädigungen an extrudierten
Kabelisolierungen verursachen Spannungsfestigkeiten zwischen den beiden
Linien. Jeder Typ von Beschädigung beeinflusst den Durchschlagssprozess auf
eine andere Weise. Dies verhindert die Anwendung eines allgemeinen Äqui-
valenzfaktors zwischen zwei verschiedenen Prüffrequenzen. Die Abweichungen

V Spannung

20 Hz
t

50 Hz
t

t
300 Hz

Zeit

Abb. 10.5 Wechselspannungen für Vor-Ort-Prüfungen von extrudierten Kabelsystemen


486 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Durchbruchspannung Durchbruchfeldstärke (kV/mm)

Prüffrequenz

Abb. 10.6 Spannungsfestigkeit von XLPE-Kabelmodellen und Prüffrequenz (1) ohne künstliche
Beschädigungen und (2) mit künstlichen Beschädigungen

Abb. 10.7 PD-Muster


von XLPE-Modellen
bei verschiedenen
Prüffrequenzen
scheinbare Ladung (pC)

z)
(H
nz
ue
eq
Fr

Phase
nlage

zwischen den Durchbruchsspannungen bei 20–300 Hz und bei 50/60 Hz bleiben


in einem akzeptablen kleinen Bereich <10 % (Abb. 10.6, gestrichelter Bereich:
„AC“). Auch die PD-Muster werden im üblichen Frequenzbereich kaum von der
Frequenz beeinflusst (Abb. 10.7; Schreiter et al. 2003). Dies ist der Grund für
die weite und erfolgreiche Anwendung von Wechselspannungen mit variablem
Frequenz für Qualitätsannahmetests von HV- und EHV-Kabeln vor Ort seit mehr
als 20 Jahren.
Als zweites Beispiel soll die Vor-Ort-Prüfung von SF6-isolierten Schaltanlagen
(GIS) in Betracht gezogen werden. Ihre gefährlichsten Mängel sind frei-beweg-
liche Partikel. Abb. 10.8 (Mosch et al. 1979) zeigt die Bewegung solcher Partikel
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen 487

angelegte Prüfspannung charakteristisch


für
DC LI SI AC

Prüfspannung V
vs.
Zeit t

innere HV-Elektrode
Partikel
position x
äußere geerdete Elektrode vs. Zeit t

Abb. 10.8 Ort-Zeit-Diagramm für Kugelpartikel zwischen koaxialen Elektroden bei ver-
schiedenen Prüfspannungen

in einem horizontalen koaxialen Modell bei verschiedenen Spannungsarten: Bei


Gleichspannung hebt sich das Teilchen ab und erreicht sofort die innere Elektrode.
Dann wird eine fast regelmäßige Bewegung zwischen den Elektroden beobachtet,
die bei einer ausreichend hohen Spannung zum Durchschlag führt, wenn das
Teilchens in der Nähe der inneren Elektrode ist. Die LI-Spannung ist zu schnell,
um eine Bewegung des Teilchens zu verursachen. Selbst bei SI-Spannung ist die
mechanische Bewegung des Teilchens so langsam, dass es die innere Elektrode
erst erreicht, wenn die Spannung auf Null reduziert wurde. Eine realistische
Bewegung von Partikeln wird nur durch Wechselspannung im Bereich der Netz-
frequenz verursacht. Aufgrund der Änderung der Richtung des elektrischen Feldes
ändert sich auch die Richtung der Bewegung des Teilchens. Das Teilchen schwebt
und kann nur dann einen Durchbruch verursachen, wenn es die innere Elektrode
nahezu berührt. Während Partikel mit LI- und SI-Testspannungen nicht erkannt
werden können, würde ein DC-Test schon Partikel erkennen, die im Betrieb
nie gefährlich werden. Dies bestätigt das Prinzip, dass nur effiziente Tests mit
AC-Spannungen durchgeführt werden können, die die Netzfrequenzspannung
räpresentieren.
Für die Erzeugung von AC-Spannungen vor Ort können die in Abschn. 3.1
erläuterten Prinzipien angewendet werden (Abb. 10.9). Bei der Prüfung
kapazitiver Objekte <0,5 μF durch Prüfspannungen <20 kV sollte ein Prüfsystem
auf der Grundlage eines Prüftransformators die wirtschaftlichste Lösung sein.
Für höhere Prüfparameter muss ein resonantes Prüfsystem angewendet werden,
bei dem Frequenz-tuned circuits ein viel besseres Gewicht-zu-Prüfleistungs-Ver-
hältnis aufweisen als die induktiv gestellten Resonanzkreise (Tab. 3.2; Abb. 10.9).
Die Konstruktion der Transformatoren und Reaktoren hängt stark von den Prüf-
objekten ab und wird in Abschn. 10.3 besprochen.
488 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Abb. 10.9 Erzeugung (a) ACTC Teiler ist Grundlast,


von Wechselspannungen Prüfobjekt
und ungefähres Masse-zu-
Prüftransformator T
Prüfleistungs-Verhältnis: a
Kompensationsregler
Transformatoren -Prüfkreise Cb
(ca.15 kg/kVA) b Induktiv T
gestellte Resonanzkreise Cl
(ca.5 kg/kVA) c Frequenz-
gestellte Resonanzkreise (ca.
1,5 kg/kVA)

Teiler ist Grundlast


(b) ACRL Prüfobjekt

abstimmbare
Drossel L L Cb
Erreger-Transformator-
Cl

(c) ACRF Teiler ist Grundlast


Prüfobjekt

Festdrossel L
Erregertransformator
Frequenzumrichter
L Cb

AC Cl
f

10.2.1.2 Hohe Gleichspannung

Gleichspannung (siehe Kap. 6) kann für die Vor-Ort-Prüfung von HVDC-


Komponenten angewendet werden. Dies wird mit der weiteren Anwendung von
HVDC-Übertragungssystemen auf der Grundlage von HVDC-Freileitungen,
HVDC-Extrusionskabeln und gasisolierten Systemen wichtiger. Aus historischen
Gründen und aufgrund langjähriger Erfahrung (Abb. 10.10) wird die HVDC-
Prüfung auch weiterhin für Vor-Ort-Prüfungen an öl-papier-isolierten AC-Kabel-
systemen und für die Isolierung einiger Drehstrommaschinen angewendet. Die
DC-Prüfung anderer AC-Geräte kann nicht empfohlen werden. Ein DC-Generator
kann ein großes kapazitives Prüfobjekt auch mit sehr geringem Strom im Bereich
weniger Milliampere aufladen, wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht und
wenn diese Dauer für das Prüfobjekt nicht kritisch ist.
IEC 60060-3:2006 erfordert die folgenden DC-Spannungsparameter für orts-
nahe Prüfungen:
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen 489

Steuerung Generator

Abb. 10.10 Historisches, mobiles ACDC Prüfsystem für 250 kV für Öl-Papier-isolierte Kabe, l
Hersteller:Koch & Sterzel Dresden (1936)

Test voltage value Arithmetic mean value


Toleranz des Testspannungswerts ±3 % bis 1 min
±5 % für >1 min
Ripple-Faktor ≤3 %
Unsicherheit der Spannungsmessung ≤5 %
Unsicherheit der Ripple-Messung ≤10 %

Für die Erzeugung von Gleichspannung werden in der Regel modulare Hoch-
spannungstestsysteme angewendet. Sie können luftisoliert oder – bei höherer
Stromstärke – ölisoliert sein, siehe Abb. 6.1c, 6.9 und 6.10). Für Tests an interner
oder sauberer externer Isolierung ist ein Hochspannungsprüfsystem mit sehr
geringem Strom ausreichend, für diagnostische Prüfungen an gealterter oder ver-
schmutzter Isolierung müssen jedoch Prüfsysteme mit höherer Stromstärke wegen
höheren Wirkstrombedarfs in Betracht gezogen werden.

10.2.1.3 Impuls-Spannung (LI, OLI, SI, OSI)

Impuls-Spannungen (siehe Kap. 7) können Tests mit kontinuierlicher Spannung


vor Ort nicht ersetzen. Sie ergänzen Tests mit Wechsel- oder Gleichspannung.
Die IEC 60060-3:2006 erlaubt vor Ort nicht nur aperiodische Impuls-Spannungen
mit größeren Toleranzen der Zeitparameter, sondern auch oszillierende Impuls-
Spannungen (Abschn. 7.1.3, Abb. 7.16 und 7.17). Die folgenden Bereiche der
Parameter sollten erzeugt werden:

LI/OLI SI/OSI
Testspannungswert Spitze Spitze
Toleranz des Testspannungswerts ±5 % ±5 %
Frontzeit/Zeit bis zur Spitze 0,8–20 μs 20–400 μs
490 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

LI/OLI SI/OSI
Halbwertszeit 40–100 μs 1000–4000 μs
Frequenz 15–500 kHz 1–15 kHz
Unsicherheit (Spannungsmessung) ±5 % ±5 %
Unsicherheit (Zeit/Frequenzmessung) ±10 % ±10 %

Oscillating lightning impulse (OLI) und oszillierende Schaltimpuls- (OSI-)


Spannungen werden aufgrund ihres viel höheren Nutzungsfaktors (siehe
Abschn. 7.1.3) angewendet. Für die oszillierenden Impulse (OLI, OSI) werden die
Zeitparameter aus der einhüllenden Kureve bestimmt. Die Erzeugung erfolgt in
Abschn. 7.1.3 und für die mobile Anwendung in Abb. 10.3d.
LI- und OLI-Prüfspannungen sind nützlich für die Erkennung von ortsfesten
Fehlstellen in GIS. Für GIS wird bei nicht ausreichender Empfindlichkeit der
PD-Messung bei Wechselspannung vor Ort ein alternativer OLI-Abnahmetest
empfohlen. Bisher werden Transformatoren nach der Reparatur vor Ort mit
aperiodischen LI-Spannungen und nicht mit oszillierenden Impuls-Spannungen
geprüft.

10.2.2 Spannungen für Spezialtests und Messungen

Die IEC 60060-3:2006 unterscheidet zwischen den Prüfspannungen im


Zusammenhang mit der IEC 60060 und damit die Stehspannungsprüfungen zur
Qualitätssicherung (Abschn. 10.2.1) und die für die Spezialtests (= Diagnostik).
Letztere sind sehr-niedrige Frequenz (VLF)-Spannungen und gedämpfte Wechsel-
spannung (DAC). Zusätzliche Spannungen für Spezialtests können von relevanten
IEC-Technischen Ausschüssen festgelegt werden.

10.2.2.1 Sehr- niederfrequente (VLF) Prüfspannungen

Um den hohen Leistungsbedarf zu vermeiden, wenn Kabel mit 50/60 Hz-


Spannungen getestet werden, wurde Anfang der 1980er Jahre eine Prüfspannung
sehr niedriger Frequenz (VLF), vorzugsweise 0,1 Hz, eingeführt (Nelin et al.
1983; Boone et al. 1987). Dies reduziert den Leistungsbedarf auf 0,2 % im Ver-
gleich zu 50 Hz (Abb. 10.11a). Der Frequenzbereich der VLF-Prüfspannungen ist
durch die IEC 60060-3:2006 bzw. durch die IEEE Guide 400.2 auf 0,01–1 Hz fest-
gelegt. Die Standards akzeptieren sehr unterschiedliche Wellenformen zwischen
sinusförmig und rechteckig für die Prüfung vor Ort (Abb. 10.11b), wenn die
folgenden zusätzlichen Anforderungen an einen Test erfüllt sind:
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen 491

Abb. 10.11 VLF (a) 1 Halbperioden der VLF-Spannung 0,1 Hz


und netzfrequente
Prüfspannungen a Vergleich
0.1 Hz und 50 Hz b Sinus-
und rechteckförmige VLF
Spannungen mit identischen
rms Werten

250 Perioden der Wechselspannung 50Hz


Zeit t
(b)
normierte Spannung V/VR
sinusförmig
2 VLF-Spannung
1 rechteckig

Zeit t
0

-1
-2

Testspannungswert Spitzenwert (für einige Anwendungen der effektive


Wert)
Toleranz des Testspannungswerts ±5 %
Frequenzbereich 0,01–1 Hz
Unsicherheit der Spannungsmessung ≤5 %
Unsicherheit der Frequenzmessung ≤10 %

VLF-Testspannungen sind weit entfernt von den Spannungen in Betrieb, aber


VLF-Tests (Abb. 10.12) sind für Mittelspannungskabel gut eingeführt. Sie sind
kompakt und haben einen geringen Strombedarf.
Der Vergleich zwischen 0,1 und 50 Hz (Abb. 10.11a) vermittelt einen Ein-
druck davon, was es für den Entladungsprozess bedeutet, wenn die Netzfrequenz
im Betrieb 500-mal höher ist. Die deutlich geringere Wiederholfrequenz der
Spannungen mit Polarlitätsumkehrungen führt zu einem anderen Entladungs-
mechanismus, der zu höheren Durchbruchspannungen führt. Abb. 10.6 zeigt, dass
die Durchbruchspannung einer gesunden Isolierung bei 0,1 Hz etwa doppelt so
492 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Abb. 10.12 VLF-Prüfsystem für 60 kV. a Mobilsystem für Landkabel bis wenige μF. b Test-
system für Seekabel bis 25 μF. Courtesy of BAUR AG, Austria

hoch ist wie bei 50 Hz (rote Linie)! Folglich müssen die angewendeten VLF-Prüf-
spannungen 50 % höher sein als die bei Netzfrequenz.
Aufgrund ihrer Kompaktheit und des geringen Strombedarfs sind VLF-
Spannungen für Diagnosetests und sogar für Qualitätstests an Mittelspannungs-
kabeln (Abb. 10.12a) gut eingeführt. Nach der europäischen Norm EN HD 620
S (1996) ist der Prüfspannungswert der Effektivwert, mit der Folge, dass der
Scheitelwert einer sinusförmigen VLF-Testspannung um den Faktor √2 höher sein
sollte als der einer rechteckigen VLF-Spannung. Ihre Anwendung bei Qualitäts-
tests von extrudierten HV- und EHV-AC-Kabeln kann nicht empfohlen werden.
VLF-Spannung ist keine Spannung, die im Betrieb eines Kabels auftritt. In
Kombination mit der höheren Spannung in HV- und EHV-Kabeln kann das VLF-
Prüfergebnis nicht mit denen bei Netzfrequenzspannungen übereinstimmen.

10.2.2.2 Gedämpfte Wechselspannungen (DAC)

Wie bereits in Abschn. 7.6.2 behandelt, PD-Diagnosetests bei Impuls- und


gedämpfte Wechselspannungen wurden in den 1980er Jahren eingeführt, um die
Zuverlässigkeit der Isolierung von extrudierten Leistungskabeln sicherzustellen.
Zu diesem Zweck wurde die Kabelisolierung zunächst SI- und OSI-Spannungen
ausgesetzt (Lemke et al. 1987; Plath 1994). Die Haupthürde solcher Tests besteht
jedoch darin, dass der Ausnutzungsfaktor der Prüfanlage bei zunehmender
Kabel-Länge aufgrund der Tatsache abnimmt, dass die für die Aufladung der
Kabelkapazität erforderliche Energie zuvor im Impulskondensator des SI- oder
OSI-Generator gespeichert werden muss. (siehe Abschn. 7.1.3 und Abb. 7.19). Um
dieses entscheidende Problem zu lösen, wurde vorgeschlagen, die Kabelkapazi-
tät selbst als Impulskondensator zu verwenden (Lemke und Schmiegel 1995;
Gulski et al. 2000). Dies führt zu PD-Diagnose-Tests mit sogenannten gedämpften
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen 493

Wechselspannungen (DAC) (Abschn. 7.1.3) Unter dieser Bedingung nähert


sich der Ausnutzungsfaktor 100 %. Um jedoch die für die PD-Detektion ver-
wendete gedämpfte Wechselspannung zu erzeugen, muss berücksichtigt werden,
dass die Kabelisolierung durch eine langsam ansteigende Gleichspannungsrampe
vorgeladen wird, wobei die Zeit bis zum Scheitel zwischen einigen Sekunden
und mehr als einer Minute variiert. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt
werden, dass die Zeitparameter der vorbeanspruchenden Gleichspannungsrampe
(Abb. 10.13) nicht spezifiziert sind, d. h. der relevante Standard IEC 60060-3:2006
berücksichtigt nur die gedämpfte oszillierende Spannung, für die die folgenden
Anforderungen definiert sind:

Testspannungswert Spitzenwert
Toleranz des Testspannungswerts ±5 %
Frequenz 20–1000 Hz
Dämpfung der folgenden Spitzen ≤40 %
Unsicherheit (Spannungsmessung) ±5 %
Unsicherheit (Zeit/Frequenzmessung) ±10 %

Wie bereits erwähnt, wird die Kabelisolierung zunächst durch eine unipolare
DC-Spannungsanhebung und unmittelbar danach durch eine schnelle Polaritäts
umkehr belastet, bei der der Scheitelwert der Spannung von entgegengesetzter
Polarität im Vergleich zum vorhergehenden Spitzenwert nur geringfügig gedämpft
wird, wenn der DAC-Testgenerator ausgelöst wird. Die Frequenz der DAC-
Spannung hängt sowohl von der Kapazität des Prüfobjekts als auch von der
Induktivität des HV-Induktors ab, der zum Entladen dieser Kapazität verwendet
wird [siehe Gl. (7.6)]. Vorausgesetzt, die oszillierende Frequenz liegt zwischen
1000 und 20 Hz, würde die Polungsumkehr zwischen 0,5 und 25 ms variieren.

Abb. 10.13 DAC-


Spannu

20 Hz
Spannungen, die nach
dem Aufladen der Zeit
Prüfobjektkapazität durch
eine Gleichspannungsrampe
erscheinen
Spannu

500 Hz
Zeit

Spannung
200 Hz
DC Rampe

Zeit t
20 s 0.05 s (andere Skala)
494 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Die Dämpfung der oszillierenden Spannung wird nicht nur durch die
Dielektrizitätsverluste bestimmt, die in der Kabelkapazität auftreten, sondern
auch durch die ohmschen Widerstände der Prüfanlage, wie dem HV-Reaktor
und dem soliden HV-Schalter. Trotz der oben genannten Dämpfung verursacht
die DAC-Spannung für eine geringe Anzahl von Zyklen eine Spannungs-
belastung der Kabelisolierung, die der unter Netzspannungstestspannung ähnelt.
Aus diesem Grund ist die in IEC 60060-3:2006 angegebene DAC-Spannung für
PD-Messungen geeignet. Wie bereits erwähnt, ist der Scheitelwert der ersten
Spannungsschwingung fast identisch mit dem des DC-Spannungsanstiegs. Die
Dauer des vorbelastenden DC-Anstiegs, die unter praktischen Bedingungen
zwischen einigen Sekunden und mehr als einer Minute variieren kann, hängt
sowohl von der Nennstromversorgung der DC-Spannungsquelle als auch von der
Kapazität des Testobjekts ab und damit von der Länge einer zu prüfenden Kabel-
strecke (Abb. 10.14).

100m
t ch = 0.62 s
f = 368 Hz
Spannung V / / kV

1 km
t ch = 6.25 s
f= 119 Hz

10 km
t ch = 62.5 s
f = 38 Hz

Zeit t/s

Abb. 10.14 DC-Spannungsanstieg und DAC-Spannung für verschiedene Längen von Kabel-
strecken
10.2 Vor Ort eingesetzte Prüfspannungen 495

Die Erzeugung einer DAC-Spannung, selbst wenn sie zur PD-Prüfung


von großen Prüfobjektkapazitäten verwendet wird, erfordert nur wenige HV-
Komponenten (Abb. 10.15): einen Gleichspannungsgenerator, einen HV-Reaktor
(Induktivität) und eine grundlegende kapazitive Last, die als Spannungsteiler
und Kopplungseinheit verwendet werden kann, um die PD-Signale vom zu
prüfenden Stromkabel aufzufangen. Der Hauptvorteil von DAC-Prüfanlagen
ist das kompakte Design und das geringe Gewicht, das einen einfachen Trans-
port und eine schnelle Montage vor Ort ermöglicht. Praktische Erfahrungen
haben jedoch gezeigt, dass gedämpfte Wechselspannungen gut für on-site PD-
Diagnoseprüfungen geeignet sind, jedoch nicht für Stehspannungsprüfungen, die
als Inbetriebnahmeprüfungen nach der Installation (Abschn. 10.1.1) durchgeführt
werden, aufgrund der folgenden Hindernisse:
• Die DAC-Spannung ist mit einem DC-Aufladeverlauf verbunden, der für keine
Spannung unter Betriebsbedingungen repräsentativ ist.
• Die Dauer des Verlaufs hängt von der Prüfobjektkapazität ab und ist für unter-
schiedliche Kabelanlagen somit nicht reproduzierbar.
• Die Frequenz der DAC-Spannung hängt von der Prüfobjektkapazität ab und ist
für unterschiedliche Kabelanlagen somit ebenfalls nicht reproduzierbar.

Abb. 10.15 Erzeugung (a) Ladewiderstand HV-Schalter HV Drosselspule Testobjekt


von DAC-Spannung a Teiler/Koppel kondensator
Prinzipschaltbild b DAC
Prüfsystem für 30 kV
(1 PC für PD Ortung 2
DC
Prüfspannungssteuerung 3 Generator
Steuerung der Messung 4 30
kV DAC Erzeugung)
Strom
Kontrolle
zufuhr
Messspannung,
PD

(b)

1 3
496 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

• Die Dämpfungsrate der DAC-Spannung hängt von den Verlusten im Prüfkreis


ab und ist daher ebenfalls nicht reproduzierbar.
• Die Sequenz von DAC-Pulsen mit DC-Verläufen (Abb. 7.19c) – vorgeschlagen
zum Ersetzen von AC-Spannungsfestigkeitsprüfungen – kann kumulative
Raumladungseffekte verursachen und kann daher nicht die AC-Spannung von
Netzfrequenz repräsentieren.
Trotzdem betrachtet IEC 60060-3:2006 die DAC-Spannungen als eine vernünftige
Spannung für diagnostische Inbetriebnahmeprüfungen. In Kombination mit der
PD-Messung ist es ein interessantes Werkzeug für die Bewertung des Isolations-
zustandes, insbesondere für Mittelspannungskabel (Gulski et al. 2007; Cigre TF
D.1.33.05). Eine PD-überwachte Stehspannungsprüfung könnte für Qualitäts-
tests einiger Mittelspannungsgeräte anwendbar sein. Für HV- und EHV-Geräte
und Systeme höherer Betriebsbeanspruchung verursachen der Vorstress durch
die DC-Rampe gefolgt von der schnellen Polaritätsumkehr der DAC-Spannung
Testresultate, die kaum mit denen bei einer Wechselspannung der Netzfrequenz
vergleichbar sind. Da DAC im Prinzip eine Impulsspannung ist, darf DAC niemals
auf GIS angewendet werden (vergleiche Abb. 10.8).

10.3 PD-Messung und Diagnostik vor Ort

Die Phänomene der partiellen Entladungen und die angewandten Verfahren zu


ihrer Messung sind sowohl unter Labor- als auch unter Feldbedingungen identisch,
wie in Kap. 4 beschrieben und werden daher im Folgenden nicht wiederholt. Die
zufälligen Charakteristiken von partiellen Entladungen unter Gleichspannungs-
stress können insbesondere in Abschn. 6.5 gefunden werden, was die effiziente
Durchführung von PD-Tests vor Ort unter HVDC schwieriger, weniger sensibel
und zeitaufwändiger machen würde. Aus diesem Grund wird für HVDC-Geräte
häufig die Verwendung von Wechselspannung empfohlen, z. B. für Inbetrieb-
nahmetests von gasisolierten HVDC-Systemen (CIGRE JWG D1/B57 (2017)). Im
Folgenden werden einige spezifische Aspekte der PD-Diagnostiktests unter Feld-
bedingungen kurz betrachtet.
Wie bekannt, beansprucht die Isolierung von HV-Geräten nicht nur die dauer-
haft angelegte Betriebsspannung, sondern auch zeitweiligen und transienten Über-
spannungen sowie thermischen und mechanischen Belastungen. Als Folge davon
können Schwachstellen in der Isolierung identifiziert werden, wenn sie zur Quelle
von PD-Entladungen werden. Um einen unerwarteten Ausfall mit ernsthaften
Folgen nicht nur für den Lieferanten und Kunden, sondern auch für die Umwelt zu
vermeiden, gewinnt das Asset-Management auf der Grundlage der diagnostischen
PD-Messung zunehmend an Bedeutung.
Um eine progressive Isolationsverschlechterung so früh wie möglich zu
erkennen, wird die traditionelle zeitbasierte Wartung heutzutage zunehmend
durch die Zustands-basierte Wartung ersetzt. Die Zustandsbewertung der
10.3 PD-Messung und Diagnostik vor Ort 497

Isolierung ist insbesondere auf strategisch wichtige HV-Ausrüstung ausgerichtet.


Die zur Beurteilung der Isolationsintegrität verwendeten Diagnosewerk-
zeuge können in globale (integrale) und selektive (lokale) Methoden unterteilt
werden (Abb. 10.16). Da die globale Isolationsverschlechterung schließlich
auch Schwachstellen und damit PD-Ereignisse verursacht, die als Vorläufer für
einen ultimativen Ausfall betrachtet werden müssen, sind PD-überwachte Steh-
spannungsprüfung zu einem unverzichtbaren Werkzeug für die Wartungs- und
Austauschpolitik von Stromversorgungseinrichtungen geworden.
Bei PD-Messungen unter vor Ort Bedingungen werden die PD-Transienten, die
von dem Testobjekt abgestrahlt werden, allgemein über das elektromagnetische
Feld, mit kapazitiven oder induktiven PD-Koppler (auch bezeichnet als PD-
Sensoren oder sogar PD-Antennen) empfangen. Das erfasste Signal wird durch
die heutzutage verfügbaren, fortschrittlichen digitalen PD-Überwachungssysteme
erfasst, um dem Betreiber zuverlässige Informationen über den Isolationszustand
seiner Geräteisolierungen zur Verfügung zu stellend, um weitere Maßnahmen zur
Schadensverütung zu ergreifen (Abb. 10.17). In diesem Zusammenhang muss
betont werden, dass neben den technischen Aspekten auch die wirtschaftlichen
Konsequenzen berücksichtigt werden müssen. Daher wird ein holistischer Ansatz
für die kontinuierliche PD-Überwachung nur für strategisch wichtige und teure
EHV/UHV-Geräte gewünscht. Mittelspannungsgeräte müssen jedoch nicht dauer-
haft PD-überwacht werden, sondern nur von Zeit zu Zeit inspiziert werden.
Vorausgesetzt, HV-Geräte sind nach der Herstellung bereits mit PD-Sensoren
ausgestattet, können diese vorteilhaft für periodische oder dauerhafte PD-Über-
wachung unter Betriebs-Spannung und sogar für PD-überwachte Abnahme-
prüfungen nach dem Zusammenbau vor Ort verwendet werden.

Selektive

Messung von Messung von Messung des Messung des


elektromagnetischen akustischen emittierten Lichts im Temperaturprofils
PD-Transienten im RF/ Druckwellen ultravioletten und/oder zur Erkennung
VHF/UHF-Bereich im Ultraschallbereich infraroten Bereich von Hot Spots

Integrale

Messung der Spektralanalyse


Messung der
Übertragungsfunktion von in Messung von C/tan∂
Polarisation im
im Zeit- und Isolierflüssigkeiten im Frequenzbereich
Zeitbereich
Frequenzbereich gelöstem Gas

Abb. 10.16 Übersicht über Diagnosemessungen zur Beurteilung des Isolationszustands von
Hochspannungs Apparaten unter Vor-Ort-Bedingungen
498 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Leistungstransformatoren einschließlich Durchführungen


und Stufenschalter Messwandler
rotierende Maschinen
PD-Quelle gasisolierte Schaltanlagen
Stromkabel einschließlich Zubehör
(Endverschlüsse, Verbindungen)

Koppelkondensator und Messimpedanz


PD-Koppler Kapazitive und induktive TE-Koppler
Elektromagnetische TE-Koppler

analoge / digitale Signalverarbeitung / Rauschunterdrückung


Visualisierung von TE-Mustern
PD Mess- und
Datenerfassung / statistische Analyse Merkmalsextraktion
Erfassungssystem
/ Klassifizierung / Identifizierung
Lokalisierung

Entscheidungsprozess auf der Grundlage einer Schätzung der


Ausfallwahrscheinlichkeit und einer Bewertung des Ausfallrisikos:
Asset -Unterhalt im Betrieb ohne Aktionen
Management -Leistung beibehalten, aber Trendbewertung
-Wartung/Reparatur
-Ersatz

Abb. 10.17 Allgemeine Struktur der Vor-Ort-PD-Diagnose von Hochspannungsanlagen

Allgemein muss betont werden, dass empfindliche elektrische PD-Messungen


unter Bedingungen vor Ort eine Herausforderung darstellen, da immer elektro-
magnetische Störungen vorhanden sind. Daher werden neben der traditionellen
Messung der scheinbaren Ladung von PD-Pulsen gemäß IEC 60270:2000 (siehe
Abschn. 4.3) zunehmend alternative, nicht-konventionelle Prinzipien ver-
wendet, wie in IEC 62478:2015 vorgeschlagen, wie die UHV/VHF PD-
Messung und die akustische PD-Messung (siehe Abschn. 4.7 und 4.8). Die im
Folgenden beschriebenen Messbeispiele beziehen sich auf die Auskopplung
elektromagnetischer PD-Transienten sowie auf ihre Weiterverarbeitung und
Visualisierung (Abb. 10.18).
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 499

PD Fingerabdruck
& Geschichte
PD sensors
Sensoren
S1

S2
PD monitoring
PD-Überwachungs- PD-Daten Risikobewertung
&und
acquisition
Erfassun analyse und Entscheidung
Testobjekt, das eine gssystem
system & Diagnose
potenzielle PD-Quelle S3
enthält

S4
PD-Modell
und
experimentelle
Daten

Abb. 10.18 Hauptkomponenten eines TE-Überwachungssystems für periodische und kontinuier-


liche Messungen

10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort

Bevor eine HV-Ausrüstung in Betrieb genommen wird, müssen zahlreiche


elektrische, mechanische, thermische und funktionale Tests unter Bedingungen
vor Ort durchgeführt werden, wie in den relevanten IEC- und IEEE-Standards
sowie in zahlreichen technischen Aufsätzen verschiedener Cigre-Arbeitsgruppen
beschrieben (IEEE Draft P1861TH/D1 2011, Cigre WG 33 TF 04 2000;
Cigre WG D1.33 TF 05 2012). Neben den traditionellen Prüfungen unter ver-
schiedenen Spannungen, die allgemein als Qualitätsakzeptanzprüfung oder
sogar als Inbetriebnahmeprüfung bezeichnet werden, werden auch zerstörungs-
freie Diagnose tests häufig durchgeführt, wie z. B. C/tanδ-Messungen sowie PD-
Messungen, wobei im Folgenden einige spezifische Aspekte der letzteren Methode
hervorgehoben werden.

10.4.1 Prüfung von Gasisolierten Systemen (GIS, GIL)

10.4.1.1 Einige Grundlagen

Gasisoliertes Schaltgerät (GIS), das in den 1960er Jahren eingeführt wurde,


besteht aus leicht transportablen Einheiten, die vor Ort zu einer kompletten
Umspannanlage zusammengesetzt werden. Die Rückmeldung von Erfahrungen
(Cigre JW 33/23.12 1998) zeigt eine geringe Fehlerrate bei der Isolierung von
1 pro 100 Bay-Jahren Betriebszeit. Der Grund dafür ist die frühe Einführung
von Qualitätstests unter Bedingungen vor Ort, bei denen Spannungstests mit
präventiven PD-Messungen kombiniert wurden. Dennoch sind etwa 35 % der
in Betrieb beobachteten Isolationsfehler auf eine unzureichende Montagearbeit
zurückzuführen. Aus physikalischer Sicht (Mosch und Hauschild 1979; Mosch
500 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

et al. 2 1979; Cigre TF D1.33.05 (2012)) können die meisten der erkannten Fehler
nach folgenden Ursachen eingeteilt werden:
• frei bewegliche Partikel,
• scharfkantige Unebenheiten und feste Partikel an HV-Elektroden,
• Partikel, die an Abstandshaltern haften,
• Teile auf freiem Potentuial (z.B. vergessene Werkzeuge),
• kleine gasförmige Einschlüsse in Abstandshaltern (Hohlräume, Risse).
In der folgenden Tab. 10.1 wird eine Umfrage über die Effizienz der ver-
schiedenen Prüfspannungen dargestellt, die üblicherweise für die Qualitätstests
vor Ort angewendet werden.
HVDC Gas-isolierte Systeme werden mit den vorhandenen, kommenden
HVDC-Stromübertragungsverbindungen eingeführt. Aufgrund des sehr unter-
schiedlichen Verhaltens von Gasisolierungen in HVDC-Feldern im Vergleich
zu HVAC-Feldern (siehe Abschn. 6.2.3.1), ist die Testphilosophie und die damit
verbundenen Standards noch in Entwicklung. Es gibt einen Trend, die korrekte
Auslegung eines HVDC-GIS durch sehr detaillierte Typentests und Prototyp-
Installations tests (Neumann et al. 2017) zu bestätigen, aber nur Wechsel-
spannungstests für Qualitätsakzeptanztests, Stückprüfungen in der Fabrik und
Inbetriebnahmetests vor Ort (CIGRE JWG D1/B3.57 2017) anzuwenden. Hinter
dieser vorläufigen Entscheidung stehen die sehr zeitaufwändigen HVDC-Tests und
die Umstände, dass HVDC-Isolierungen auch transiente und Wechselspannungs-
belastungen (siehe z. B. Abschn. 8.2.3) aushalten müssen, sowie die langjährige
und sehr gute Erfahrung mit dem Testen von HVAC-GIS. Daher werden im
Folgenden vorzugsweise HVAC-Tests vor Ort betrachtet.

Tab. 10.1 Effizienz der Testmethoden für Qualitätstests vor Ort von HVAC GIS
Prüfverfahren/ Art AC-Stehspannung PD-überwachter LI/OLI- SI/OSI-­
des Defekts AC-Stehspannung Stehspannung Stehspannung
Frei bewegliches X X o o
Teilchen
Scharfkantige o X X x
Unebenheiten und
feste Partikel
Partikel auf Spacer o X X x
Schwimmende x X x o
Teile vergessene
Werkzeuge)
Fehler in den x X x x
Abstandshaltern
X sehr effizient, x weniger effizient, o nicht effizient
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 501

10.4.1.2 Akzeptanztests an HVAC GIS

Die für HVAC-GIS relevante Standard-IEC 62271-203: 2010 (siehe auch IEEE-
Standard C 37.122: 2ß010) empfiehlt entweder eine PD-überwachte AC-Steh-
spannungsprüfung (Verfahren B) oder – falls die Empfindlichkeit der PD-Messung
aufgrund eines vergleichsweise hohen Hintergrund-Störpegels (qN > 5 pC) nicht
ausreicht – die Kombination einer AC-Stehspannungsprüfung und eines LI/OLI-
Stehspannungsprüfung (Verfahren C), das für GIS von 245 kV und darüber gilt.
Für Spannungen <245 kV gilt ein AC-Stehspannungsprüfungt als ausreichend
(Verfahren A). Dieser Standard definiert die Prüfspannungen (leicht abweichend
von IEC 60060-3: 2006) und die Prüfverfahren wie folgt:

AC-Spannung Frequenz 10–300 Hz; Durchgang für 1 min (gefolgt von einer PD-
Messung bei 1,2 Ur mit Anforderungen q ≤ 10pC)
LI/OLI-Spannung Frontzeit T1 = 0,8–8 μs, für OLI-Spannung ≤15 μs, Durchgang zu drei
Impulsen jeder Polarität;
SI/OSI-Spannung Zeit zum Höhepunkt Tp = 0,15–10 ms, nur anwendbar, wenn keine
AC-Quelle verfügbar ist

Vor-Ort-Prüfungen von HVAC-Gasisolierten Systemen mit Gleichspannung


sind einfach falsch und können sogar zu Defekten führen, die durch sehr unter-
schiedliche PD-Phänomene verursacht werden. Beispielsweise werden bei HVDC
durch Partikel Raumladungen verursacht, die an Spacer abgelagert werden. Die
empfohlenen Prüfspannungswerte sind in Tab. 10.2 angegeben.
Während Mittelspannungs GIS durch Transformatoren getestet werden können,
werden alle GIS für Hoch- und Höchsts pannungen durch resonante Testsysteme
getestet. Mit Blick auf das geringere Gewicht werden Resonanzsysteme variabler
Frequenz (ACRF-Testsysteme) bevorzugt. Eine Frequenz, die höher als etwa zwei-

Tab. 10.2 Bevorzugte Prüfspannungswerte für HVAC-GIS-Ortstests (IEC 62271-203)


Nennspannung des AC-Stehspannung kV LI/OLI-Stehspannung SI/OSI-
GIS kV (rms) (Scheitelwert/√2) kV (Scheitelwertt) Durchstehspannung kV
(Scheitelwertwert)
72,5 120 260 –
123 200 440 –
170 270 600 –
245 380 840 –
362 425 940 760
420 515 1140 840
550 560 1240 940
800 760 1680 1140
1200 960* 2040* 1440*
Die Sternwerte (*) werden durch 0,8 mal die bewerteten Isolationsniveaus berechnet
502 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Abb. 10.19 GIS-Test


mit einem modularen
680-kV-ACRF-Testsystem.
Courtesy of Siemens AG,
Berlin

Reaktoren

Prüfbuchse Kondensator-Blockierimpedanz

mal die Netzfrequenz ist, ermöglichen, dass die induktiven Spannungswandler


während der Vor-Ort-Prüfung am GIS verbleiben können.
Es gibt zwei Grunddesigns von ACRF-Testsystemen:
Modulare ACRF-Systeme bestehen aus Zylinder-Reaktoren (Abb. 10.19, jeweils
230 kV, 3A, 200H), die für höhere Spannungen in Reihe, für höhere Stromstärken
parallel geschaltet werden können. Dadurch ändern sich auch die Induktivität und
die Eigenfrequenzen. In Abb. 10.20 sind die resultierenden Last-Frequenz-Kenn-
linien der drei Reaktoren dargestellt (Hauschild et al. 1997). Die parallelen (p)

Prüffrequenz
3·s 2 in Reihe, 1 2·p 3 parallel Kombinationvon
Drosseln
300
Hz
200

100

50

30
20
0.5 1 2 3 4 5 10 20 30 40 50 nF 100
Belastungskapazität

Abb. 10.20 Frequenz-Last-Kennlinien der Kombinationen von drei modularen Reaktoren


10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 503

oder seriellen (s) Verbindungen sind nicht nur nützlich für die Anpassung von
Spannung und Strom, sondern auch für die Anpassung der Testfrequenz.
Das luftisoliertes Prüfsystem erfordert eine Durchführung GIS-Prüfling zur
Einleitung der Prüfspannung. Der Kondensator stellt den Spannungsteiler, die
Grundlast und den Kopplungskondensator für die PD-Messung bereit (IEC
60270:2000). Falls das GIS nicht mit einer Durchführung ausgestattet ist, muss
eine Test-Durchführung oder ein Kabel-Adapter hinzugefügt werden. Die Ver-
bindung zwischen den Reaktoren und dem Kondensator wird durch einen Sperr-
widerstand realisiert. Aber der PD-Messkreis ist der Umgebung ausgesetzt. Daher
können elektromagnetische Störungssignale eindringen und die Empfindlichkeit
der PD-Messung verringern.
Ein metallgekapseltes ACRF Prüfsystem von leichten SF6-isolierten Reaktoren
verhindert das Eindringen von Störgesignalen: Es kann direkt an das zu testende
GIS gekoppelt werden (Abb. 10.21), wodurch ein abgeschirmter HV-Prüfkreis ent-
steht. Wenn die elektromagnetische UHF-PD-Messung angewendet wird, müssen
keine weiteren Komponenten an das GIS angeschlossen werden. Für die PD-
Messung enthält das System gemäß IEC 60270:2000 einen Kopplungskondensator
(Abb. 10.21). Das Arbeitsmerkmal eines solchen Systems ist in Abb. 3.25 und in
Abschn. 3.1.2.3 erläutert. Zwei SF6-isolierte Reaktoren können auch im Serien-
oder Parallelbetrieb (Abb. 10.22) verbunden werden, wenn geeignete Adapter der
Gehäuse vorhanden sind (Pietsch et al. 2005).
Example Ein 245-kV-GIS mit einer Kapazität von CGIS = 2,2 nF soll nach dem
Zusammenbau mit einem metallgekapselten ACRF-Testsystem Vr = 460 kV, Ir = 1,5 A
und L = 720 H geprüftt werden. Für den prüfkreis kann eine Güte Q = 50 angenommen
werden. Laut Tab. 10.2 beträgt die Prüfpannung 380 kV. Bestimmen Sie die Prüffrequenz,

TE- und
Spannung
smessung

Steuer- und PD-Kopplung


Fütterungseinheit skondensator
und Teiler

an das zu
prüfende GIS

exciter transformer HV reactor blocking impedance

Abb. 10.21 Metallgekapseltes ACRF-Prüfsystem für SF6-isolierte Komponenten


504 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

2 Drosseln mit Sperrimpedanz geprüftes GIS

Koppelkondensator Adapter Verbindungselement GIS

Abb. 10.22 ACRF-Test eines großen GIS mit zwei parallel geschalteten Reaktoren

den erforderlichen strom, die reaktive Prüfleistung und die erforderliche Speiseleistung!
Ist das Prüfsystem für die Prüfung geeignet? Kann ein Kopplungskondensator Ck = 1,2 nF
zur PD-Messung hinzugefügt werden? Können die induktiven Wandler während de r
Prüfung am GIS bleiben?

Test frequency ft = √1 = 126.5 Hz


2π L·CGIS

Test current It = 2π ft · CGIS · Ut = 0.66 A

Reactive test power St = It · Ut = 250 kVA

Active feeding power Pt = St /Q = 5 k W


Der zusätzliche Kopplungskondensator erhöht die Kapazität auf C = Ct + Ck = 3,4 nF,
was die Frequenz auf ft = 101,8 Hz und den Prüfstrom auf It = 0,83 A reduziert. In beiden
Fällen ist der Prüfstrom geringer als der Nennstrom des ACRF-Prüfsystems und die prüf-
frequenz liegt im akzeptierten Bereich. Da die Prüffrequenz mehr als die doppelte Netz-
frequenz ist, können die induktiven Spannungstransformatoren während des Tests am GIS
bleiben.

Abnahmetests mit Impuls-Spannung werden in der Regel mit oszillierenden


Spannungen durchgeführt (siehe Abschn. 7.1.3 und Abb. 7.16, 7.17 und 7.18).
Wie in Tab. 10.2 gezeigt, ist die Prüfung mit OLI-Spannungen von praktischer
Bedeutung, wenn keine empfindliche PD-Messung durchgeführt werden kann.
Die OLI-Anwendung ermöglicht es Generatoren mit niedrigerer Nennspannung,
geringerem Umfang und geringerem Gewicht einzusetzen. Die Verbindung
zwischen dem HV LOI-Ggenerator und dem zu prüfenden GIS erfordert immer
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 505

einen Durchführung am GIS, wie auch oben für das modulare ACRF-Testsystem
erwähnt.
Für die Abnahmetests von gas-isolierten Leitungen (GIL) (IEC 61640:1998;
Cigre JWG 23/21/33-2003; Cigre JWG B3/1.09-2008) mit erheblicher Kapazität
sollten die in Tab. 10.2 angegebenen AC-Testspannungen angewendet werden. Die
höheren Kapazitäten von GIL im Vergleich zu GIS erfordern ACRF-Testsysteme
mit höherer Leistung. Dies kann durch die Reihenschaltung von ACRF-
Testsystemen erreicht werden, wie in Abschn. 10.4.2 für die Prüfung von HV/
EHV-Kabelsystemen beschrieben. Neben einem Dauertest hängt die Abnahme von
den Ergebnissen einer empfindlichen PD-Messung ab (Okubo et al. 1998).

10.4.1.3 PD-Messung für Akzeptanzprüfungen und Diagnostik

PD-Diagnoseprüfungen von GIS und GIL sind nicht nur für Akzeptanzprüfungen
nach der Installation oder Reparatur wichtig, sondern auch zur Beurteilung des
Isolationszustands nach einer bestimmten Betriebsdauer (periodische PD-Über-
wachung) oder sogar kontinuierlich unter Netzspannung (permanente PD-Über-
wachung). Die allgemeine Anforderung ist eine „PD-freie“ Isolierung, die bei
hoher Messempfindlichkeit nachgewiesen werden muss. Um PD-Fehlstellen in
GIS oder GIL einschließlich Hohlraumentladungen in Abstandshaltern zu ent-
decken, wird eine Messempfindlichkeit im pC-Bereich gewünscht. Vor Ort ist
dies nur durch die Verwendung nicht-konventioneller Methoden möglich, wie
die Detektion von elektromagnetischen PD-Transienten im UHF-Bereich (IEC
62478:2015) oder die Messung der Schallemission wie bereits in den Abschn. 4.6
und 4.7 vorgestellt.
Um die sehr schnellen PD-Transienten aus dem Prüfobjekt zu erfassen, wurden
verschiedene Arten von UHF-Sensoren entwickelt, wie mobile Fenstersensoren und
feste Scheiben-/Konussensoren (Abb. 4.63), sowie Feldsteuerungssensoren (Boggs
et al. 1981). Wie auch in Abschn. 4.7 diskutiert wurde, kann aus physikalischer
Sicht das durch die nicht-konventionelle UHF-Methode detektierte TE-Signal nicht
in pC gemessen werden. Daher basiert das „Akzeptanz/Fehler“-Kriterium auf einer
Sensibilitätsprüfung, bei der das UHF-Signal, gemessen in mV, mit der scheinbaren
Ladung, gemessen in pC nach der IEC-60270-Methode, unter Laborbedingungen,
verglichen wird.. In diesem Zusammenhang ist es wert, darauf hinzuweisen, dass
die phasenaufgelösten PD-Muster häufig sehr ähnlich für die UHF- und die IEC-
Methode sind. Daher ist auch die klassische PD-Mustererkennung anwendbar,
um typische PD-Mängel zu erkennen und zu klassifizieren, die durch die UHF-
Methode erkannt werden, wie beispielsweise frei bewegliche Partikel, scharfkantige
Unebenheiten an den Elektroden,, metallische Teile auf freiem Potential sowie
Hohlräume in Abstandshaltern (Mosch und Hauschild 1979; Kranz 2000).
Nachdem ein potentieller PD-Fehler aufgetreten ist, muss der Ursprungs-
ort bekannt sein, um das Risiko für einen unerwarteten Ausfall zu bewerten.
Ein häufig verwendetes Verfahren hierfür ist die Laufzeitmessung. Da sich
das PD-Signal in beide Richtungen der GIS-Sektion ausbreitet, was mit einer
506 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Geschwindigkeit in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit (300 mm/ns) erfolgt,


sollte das verwendete Oszilloskop eine Anstiegszeit unterhalb des ns-Bereichs auf-
weisen, um eine angemessene zeitliche und räumliche Auflösung zu erhalten.
Mit Hilfe der in Abb. 10.23 dargestellten Prüfaufbauten, bei denen das PD-
Signal durch ein festes metallisches Partikel an der Stelle P verursacht wird, ergibt
sich die Zeitdifferenz zwischen beiden an den Sensoren S1 und S2 ankommenden
Impulsen aus
x1P − x2P
t12 = .
vg
Daraus folgt für die Entfernung der PD-Fehlerstelle P vom rechten Sensor S2
1 
x2p = x12 − vg · t12 .
2
Das in Abb. 10.23 dargestellte Messbeispiel bezieht sich auf eine Distanz
x12 = 100 cm zwischen den beiden Sensoren. Die Einsetzung der Werte ∆t12 ≈ 2 ns
und vg ≈ 30 cm/ns ergibt eine Distanz xP2 = 20 cm zwischen dem rechten Sensor
S2 und der PD-Quelle.
Da das entlang der GIS/GIL-Sektionen fortschreitende PD-Signal durch die
einzelnen Spacer (Abstandshalter) stark gedämpft wird, kann dieser Effekt auch
genutzt werden, um die PD-Fehlstelle zu lokalisieren, manchmal auch als PD
sectionalizing-Methode bezeichnet.

(a)

1 2

1P 2P

12

(b)

2 2

1 1

12

Abb. 10.23 Prinzip der TE-Fehlerortung auf der Grundlage der Laufzeitmessung. a Signifikante
geometrische Parameter. b Oszilloskopische Aufzeichnungen von einem GIS-Dummy
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 507

Ein weiteres vielversprechendes Werkzeug zur Lokalisierung der PD-Fehlstelle


ist die akustische PD-Detektion, insbesondere dann, wenn das Messsystem durch
das elektromagnetische Signal ausgelöst wird, das von der PD-Quelle ausgestrahlt
wird, siehe Abschn. 4.8. Ein praktisches Beispiel ist in Abb. 10.24 dargestellt, das
sich auf ein frei bewegliches metallisches Teil unter AC-Prüfspannung mit einer
Frequenz von 68 Hz bezieht. Typisch für solche Art von PD-Fehlern ist, dass die
Wiederholrate der detektierbaren Impulse im Vergleich zur Prüffrequenz relativ
niedrig ist so dass die Impulse nicht mit der Testfrequenz korrelieren (Abb. 10.24).
Die Verwendung eines Arrays von akustischen Transduktoren könnte auch hilf-
reich sein für die Lokalisierung von PD-Fehlern, weil das emittierte akustische
Signal auch stark gedämpft wird, wenn es sich entlang der GIS/GIL-Sektionen
ausbreitet.
Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass vor Ort durchgeführte PD-
Prüfungen von GIS/GIL mit einer separaten HV-Quelle nur nach dem Zusammen-
bau oder der Reparatur erforderlich sind. Die für die Inbetriebnahmeprüfungen
vorinstallierten Sensoren können daher auch für die periodischen Diagnose-
messungen verwendet werden, die von Zeit zu Zeit unter Betriebsspannung durch-
geführt werden. Eine kontinuierliche PD-Überwachung ist nur für wichtige GIS
erforderlich und wird sogar empfohlen, nachdem im Rahmen der periodischen
PD-Diagnose-Tests ein „geringes Risiko“ für einen PD-Ausfall identifiziert wurde.

10.4.1.4 On-Site-Tests von HVDC-GIS-Systemen

Für HVDC GIS ist die Erfahrung mit HVDC-Tests sehr begrenzt und wird daher
nicht empfohlen, aber erlaubt. Routine-Tests in der Fabrik und Inbetriebnahme-
tests vor Ort von HVDCgas-insulated systems sollten effizient und nicht zeit-
aufwändig sein. Stück- und Inbetriebnahmeprüfungen sind in der Diskussion,
aber weder eine CIGRE Brochure noch ein IEC Standard ist diesbezüglich ver-
fügbar. Die CIGRE JWG D1/B3.57 (2017) empfiehlt derzeit die Anwendung

4 ms/div 4 ms/div

Abb. 10.24 Akustisches PD-Signal, verursacht durch ein frei bewegliches Partikel in einer GIS,
bei einer ACRF-Prüfungspannung mit variabler Prüffrequenz (68 Hz)
508 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

von Wechselspannungen gemäß Tab. 10.2 (Gleiche Leiter-Erde-Spannungen


anwenden!). Diese HVAC-Tests sollten PD-überwacht werden.
Es könnten folgende Gründe dafür verantwortlich sein: PD-überwachte HVAC-
Prüfungen sind sehr empfindlich gegenüber den meisten typischen Fehlern (siehe
Abschn. 10.4.1.1), es gibt Jahrzehnte von Erfahrungen mit HVAC-Prüfungen in
Kombination mit PD-Messungen an gasisolierten Systemen und nicht zuletzt wird
für HVDC-gasisolierte Systeme eine sehr detaillierte Typprüfungt durchgeführt
(siehe Abschn. 6.2.3.1). Das Verhalten von Partikeln bei Gleich- und Wechsel-
spannung ist jedoch sehr unterschiedlich. Daher wird die zukünftige Erfahrung mit
Routine- und Inbetriebnahmetests zeigen, ob die HVAC-Tests ausreichend sind
oder doch durch HVDC-Stehspannungsrüfungen ergänzt werden müssen.

10.4.2 Prüfung von Kabelanlagen

Die Anwendung von Starkstromkabeln zur Übertragung und Verteilung von


elektrischer Energie hat eine lange Tradition. So wurden die ersten Kabel, isoliert
mit flüssigkeitsgetränktem Papier (LIP), vor mehr als 100 Jahren eingeführt.
Seit den 1960er Jahren wurden sie zunehmend durch extrudierte „cross-linked“-
Polyethylen-isolierte (XLPE) Kabel ersetzt. Mittlerweile sind beide Kabeltypen
mit einer Nennspannung über 550 kV erhältlich. Aus wirtschaftlichen und öko-
logischen Gründen werden extrudierte Kabel nicht nur für AC-, sondern auch
für DC-Übertragungsnetze immer dominanter (Abb. 1.2). Die folgenden Über-
legungen konzentrieren sich hauptsächlich auf XLPE-Kabelsysteme, die in AC-
Stromnetzen installiert sind.
Auch das vor-Ort-Prüfen von Starkstromkabeln nach der Verlegung hat eine
lange Geschichte. Tab. 10.3 gibt einen Überblick über die Charakteristik der
empfohlenen Prüfspannungen.

10.4.2.1 Geschichte der DC-Spannungsprüfung von AC-LIP-


Kabelsystemen

Wie bekannt, ist die Leitfähigkeit von Öl-Papierisolierung viel höher als die von
Hochpolymerisolierung. Daher ist die radiale Spannungsverteilung in koaxialen,
öl-papierisolierten Kabeln unter AC- und DC-Belastung qualitativ vergleich-
bar, was selbst in der Nähe von Dielektrikumsfehlern zutrifft. Darüber hinaus ist
LIP-Isolierung ziemlich beständig gegen partielle Entladungen. Zudem waren
vor Jahrzehnten nur mobile HVDC-Prüfsysteme verfügbar (siehe Abb. 10.10).
Wenn AC-Kabelsysteme getestet werden mussten, wurden ausschließlich
DC-Testspannungen angewendet. Die vergleichsweise hohen DC-Withstand-
Spannungstestwerte von bis zu 4 V0 und darüber sind mit der begrenzten Empfind-
lichkeit von Fehlern bei DC-Spannung verbunden. Weitere Informationen finden
Sie in IEEE Std. 400.1™-2007.
Tab. 10.3 Charakteristika der verschiedenen Prüfspannungen für Vor-Ort-Prüfungen von extrudierten Kabelsystemen
10.4

Prüfspannung IEC DC AC 50/60 Hz ACRF 10…300 Hz VLF 0,01…1 Hz DAC Gleichspannungsanstieg;


60060-3; IEEE 400 20…500 Hz; Dämpfung <40 %
Repräsentation der Identisch für Gleich- Identisch für Nahe der AC Sehr unterschiedlich Impuls-Spannung, sehr unter-
Spannungen im stromkabel, sehr Wechselstromkabel 50/60 Hz-Spannung von der AC 50/60 Hz- schiedlich von der AC 50/60 Hz-
Betrieb unterschiedlich für Spannung Spannung
Wechselstromkabel
Beschreibung der Unipolare und Wechselspannung Wechselspannung; Sehr langsam Gleich- Spannungsanstieg gefolgt
Spannung kontinuierliche (Referenz für alle im Bereich der wechselnd; weit von gedämpfter Schwingung
Spannung (Referenz Wechselstrom- Referenzfrequenz entfernt von der
für alle Gleichstrom- kabel) Referenzfrequenz
kabel)
Beispiele für den Einsatz vor Ort

Entladungs- und Langsam und durch Typisch für Sehr ähnlich zu Anders, höhere Anders, Ladungsaufbau während
Durchbruchvorgang Raumladungen Wechselstrom der Wechselstrom der Prüfspannungswerte der Steigung, dann Polarity-
bestimmt Netzfrequenz Netzfrequenz erforderlich Umkehr
Reproduzierbarkeit Perfekt Perfekt Akzeptabel, Gut Schlecht, Änderungen in
bei verschiedenen Frequenz hauptsäch- • Steigungsdauer,
Kabel-Systemen lich innerhalb von • Frequenz,
30…100 Hz
• Dämpfung
Generierung im Feld Einfach Für HV/EHV: Gut für MV-Kabel, Gut für MV-Kabel, Gut für MV-Kabel
unmöglich, MV: akzeptabel für HV/ fraglich für HV-Kabel
wenige Sekunden EHV-Kabel
Empfohlen für die Alle Gleichspannungs- Nur für Wechsel- Alle Wechsel- Teilweise angewendet Teilweise angewendet für MV-
Akzeptanzprüfung kabel; (Traditionell spannungskabel mit spannungskabel von für MV-Kabel, nicht Kabel, nicht für HV-Kabel
auch Wechsel- mittlerer Spannung MV bis EHV für HV-Kabel
spannungskabel mit
LIP-Isolierung)
Empfohlen für die Alle Gleich- MV AC-Kabel Alle Wechsel- MV-Kabel MV AC-Kabel
Diagnoseprüfung spannungskabel spannungskabel von
MV bis EHV
509
510 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Hinsichtlich der Bewertung des Isolationszustands werden LIP-isolierten


AC-Kabelsysteme heutzutage hauptsächlich mit AC-, VLF- oder sogar DAC-
Spannungen getestet, wie in den folgenden Abschnitten beschrieben. Um das
integrale Altern der LIP-Isolierung zu bewerten, werden häufig Dissipationsfaktor-
und/oder Dielektrizitätsantwortmessungen durchgeführt, während PD-Messungen
durchgeführt werden, um lokale Fehler zu identifizieren, die hauptsächlich in den
Kabelgarnituren, wie Muffen und Endverschlüsse, auftreten.

10.4.2.2 Prüfung von Mittelspannungs (MV) – AC-Kabelsystemen


mit extrudierten Isolierungen

Wie in der relevanten IEC-Norm 60502:1997 beschrieben, muss ein Abnahme-


prüfung von Kabelanlagen mit UR = 30 kV nur dann durchgeführt werden, wenn
es im Vertrag so vorgesehen ist und die folgenden drei Alternativen berücksichtigt
werden:
1. ein DC-Spannungstest bei 4 V0 für 15 min (was aufgrund der unterschied-
lichen Spannungsverteilungen bei DC im Vergleich zu AC sowie der zusätz-
lichen Ladungsträgerwirkungen in der Kabelisolierung nicht empfohlen werden
kann);
2. ein AC-Spannungsfestigkeitstest bei 1,7 V0 für 5 min;
3. die Anwendung der Nennspannung für 24 h an der nicht belasteten Leitung.
Sehr oft wird keine Prüfung angewendet, da sie im Gegensatz zu Alternative
2 kein separates HV-Testsystem erfordert. Der IEEE Guide 400™-2012
beschreibt PD-überwachte AC/ACRF- und VLF-Spannungsfestigkeitstests als
„nützlich“, die Anwendung eines jeden Akzeptanztests wird jedoch dem Ver-
trag zwischen Nutzer und Lieferanten überlassen. Laut praktischer Erfahrung
spielen Qualitätstests bei Medium-voltage cable systems keine wichtige
Rolle. Dies ist auf ihre relativ hohe Zuverlässigkeit aufgrund des Designs
der Kabel- und der zugehörigen Garnituren mit g im Vergleich zu HV/EHV-
Kabeln geringer Belastung durch das elektrische Feld zurückzuführen. Im
Gegensatz dazu waren die ersten Generationen von „cross-linked“ Polyethylen
(XLPE) MV-Kabeln nicht vor dem Eindringen von Wasser geschützt, was zum
Phänomen der „water trees“ führte und damit die verstärkte Entwicklung von
partiellen Entladungen im elektrischen Feld unter dem Einfluss von Wasser
bedeutete. Dies bedrohte in der Vergangenheit weltweit Tausende von Kilo-
metern an Kabelanlagen und förderte die Entwicklung weiterer Diagnosewerk-
zeuge.
Diagnostische Tests bleiben hinsichtlich der langfristigen Nutzung von Kabel-
anlagen und der zuvor erwähnten „water tree“-Probleme sehr wichtig. Als die
Forschungsarbeiten gezeigt haben, dass eine DC-Prüfspannung gefährliche Raum-
ladungen erzeugt (Montanari 2011; Choo et al. 2011) und somit kein akzeptables
Mittel zur Identifizierung von „water trees“ ist, wurden VLF-Test VLF-Prüfver-
fahren als Alternative entwickelt, aufgrund des geringen Strombedarfs und der
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 511

leichten Ausrüstung (Boone et al. 1987), siehe Abschn. 10.2.2.1 und Abb. 10.12.
Die Stehspannungsprüfung wurde später durch die Messung des Verlustfaktors
und auch durch die PD-Messung ergänzt. Die Messungen von Schiller (1996)
(Abb. 10.6) werden manchmal als Hinweis auf die hohe Empfindlichkeit von
VLF-Spannungsfestigkeiten gegenüber Fehlern genommen. Dies könnte für
die untersuchten großen Fehler richtig sein, aber nicht für die Vielzahl mög-
licher Fehler von klein bis groß, siehe Abschn. 10.2.1.1. Die große Anzahl an
diagnostischen VLF-Tests und die damit verbundenen Messungen, die in den
letzten 25 Jahren durchgeführt wurden, lieferten Erfahrungen für die Bewertung
des Zustands. Die neuesten Erfahrungen mit VLF-Tests an Kabelanlagen mit bis
zu 69 kV werden im IEEE Guide 400.2-2012 zusammengefasst.
Der große Unterschied zwischen der VLF-Prüffrequenz und der Netzfrequenz
führte zur Einführung gedämpfter Wechselspannungen (siehe Abschn. 10.2.2.2)
und deren Kombination mit der PD-Messung (Abb. 10.15). Die Dämpfung der
Schwingungen wird sogar zur Schätzung des Verlustfaktors (Houtepen et al. 2011)
verwendet.
DAC-Stehspannungsprüfungen mit einer Folge von DC-Spannungsanstiegen
gefolgt von gedämpften AC-Oszillationen (Abb. 10.25 siehe auch 10.14) –
wie in einer Entwurfsfassung von IEEE 400.4 (2013) in Betracht gezogen –
können nicht als qualitätssichernde Akzeptanzprüfungen empfohlen werden,
wie in Abschn. 10.2.2.2 erwähnt. DAC-Spannung ist ein eingeführtes Mittel zur
diagnostischen Prüfung von Mittelspannungskabelanlagen. Es gibt dagegen
gute Gründe für die alternative Anwendung von ACRF-Spannungen auch für
diagnostische Tests (Weck 2003).
Spannung / % der

Zeit

Abb. 10.25 Abfolge der DAC-Spannungen einschließlich der vorbeanspruchenden DAC-


Rampen
512 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

10.4.2.3 Prüfung von HV- und EHV-AC-Kabelsystemen mit


extrudierter Isolierung

Es gibt gute Gründe für eine sorgfältigere Auswahl der Prüfspannungswerte und
-verfahren für extrudierte HV- und EHV-Kabel: Ihr Design basiert auf vergleichs-
weise hohen Feldstärken von 15 bis mehr als 20 kV/mm und unterscheidet sich
damit erheblich von dem typischen Wert für MV-Kabel, der im Bereich von 5 kV/
mm liegt. Der Durchbruchsprozess wird durch Raumladungen bestimmt, die von
dem Spannungswert und der Testfrequenz abhängig sind (Cavallini und Montanari
2006; Nyamupangedengu und Jendrell 2012; Pietsch 2012). Folglich erfordern
die bei den Prüfungen stark beanspruchten Isolierungen von extrudierten HV-
und EHV-Kabeln eine strengere Auswahl der Prüfspannungswerte und der Prüf-
frequenz (Tab. 10.3: ACRF 10 bis 300 Hz)).
Für Qualitätsannahmetest qualitätssichernde Stehspannungsprüfungen vor
Ort empfehlen die Normen IEC 60840:2011 für HV-Kabel (Nennspannung
50–150 kV) und IEC 62067:2011 für EHV-Kabel (Nennspannung 150–500 kV)
Wechselspannungen im Frequenzbereich 20–300 Hz, (für Seekabel sogar 10 – 300
Hz) gemäß Tab. 10.4.
Alle Prüfspannungen sollen eine Stunde lang angewendet werden. Als
gewisse Alternative, wenn kein separates mobiles Prüfsystem zur Verfügung
steht, erlauben die Standards eine 24-Stunden-Prüfung mit der Netzspannung V0
(!). Dies sollte in einigen besonderen Fällen praktisch sein. Bei weitem wird für
wichtige Kabelanlagen ein ACRF-Test durchgeführt. Für Hochspannungskabel-
anlagen (Vm ≥ 245 kV) wird ein Bereich von Prüfspannungswerten Vtmin ≤ Vt ≤1,7
V0 vorgeschlagen. Es kann eine gewisse Tendenz zu höheren Prüfspannungen
innerhalb dieses Bereichs beobachtet werden. Der anzuwendende Prüfspannungs-
wert ist immer eine Frage des Einvernehmens zwischen dem Lieferanten und dem
Anwender der Kabelanlage. Es gibt eine starke Meinung für die Anwendung der
letzten Spalte in Tab. 10.4 in der Zukunft.

Tab. 10.4 AC-Stehspannungswerte für Akzeptanzprüfungen extrudierter Kabelanlagen (IEC


60840:2011 und IEC 62067:2011)
Höchste Spannungsbereich Referenz- Prüfspannungsswert Prüfspannungs-
Spannung für der Nenn- spannungsLeiter- gemäß IEC-Standard wert gemäß
Geräte Vm/kV spannung Vn/kV Erde V0/kV Vtmin/kV Vt = 1,7 V0/kV
52 45–47 26 52 –
72,5 60–69 36 72 –
123 110–115 64 128 –
145 132–138 76 132 –
170 150–161 87 150 –
245 220–230 127 180 216
300 275–287 160 210 272
362 330–345 190 250 323
420 380–400 220 260 374
550 500 290 320 493
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 513

Die HVAC-Akzeptanzprüfung einer extrudierten Kabelanlage kann nur mit


einem ACRF-Prüfsystem (Hauschild et al. 2002, 2005) durchgeführt werden,
und Alternativen können die erforderliche Prüfleistung vor Ort nicht liefern
oder ihre Prüfspannungsform erfüllt die Anforderungen eines Akzeptanztests
nicht (Tab. 10.3). Wenn sehr lange oder sogar überlange Kabelanlagen geprüftt
werden sollen, können mehrere ACRF-Prüfsysteme, wie im folgenden Beispiel,
kombiniert werden.
Beispiel Eine 400-kV-Kabelanlage einer Länge von 22 km und einer Kapazität von
Ct = 4,9 μF soll in einem arabischen Land getestet werden. Die Prüfspannung von
260 kV und 20 bis 300 Hz, die eine Stunde lang angewendet werden soll, wurde zwischen
Lieferant und Anwender vereinbart. Die Umgebungstemperatur am Ort des Tests kann
deutlich über 30 °C liegen. Die überlange Kabelanlage erfordert die Kombination einiger
einzelner ACRF-Prüfsysteme.

In der arabischen Regiont stehen mehrere Prüfsysteme zur Verfügung: drei Systeme für
260 kV mit insgesamt vier Reaktoren von L = 16,2H/83A und ein System für 160 kV
mit zwei Reaktoren von 23H/55A. Es muss eine geeignete Kombination der Reaktoren
gefunden werden, um die Anforderungen an Prüfspannung, Prüffrequenz und Prüfleistung
zu erfüllen. Aufgrund ihrer begrenzten Spannung müssen die beiden 160-kV-Reaktoren in
Serie geschaltet werden. Dann sollte der Prüfstrom – aus Gründen der Wärmeentwicklung
– so niedrig wie möglich sein, was bedeutet, dass die Prüffrequenz nur leicht über 20 Hz
liegen sollte. Die Seriellschaltung der 160-kV-Reaktoren deutet darauf hin, dass auch die
anderen Reaktoren entsprechend angeordnet werden sollten (Abb. 10.26a). Dann ist die
Gesamtinduktivität des Prüfsystems und die Frequenz

(16,2 + 16,2)H · (23 + 23)H


Lt = = 12H,
2 · (16,2 + 46)H

ft = 1/(2π Lt · Ct ) = 21 Hz.
Mit der bekannten Frequenz und der Prüfspannung können Prüfstrom und Prüfleistung r
berechnet werden

It = 2π · ft · Ct · Ut = 168 A,
St = It · Ut = 43,7 MVA.
Wenn die Prüfung bei 60 Hz durchgeführt würde, wäre eine äquivalente Prüfleistung
S60 = (60 Hz/21 Hz) · 43,7 MVA = 125 MVA erforderlich. Selbst wenn der Strom von
zwei Frequenzumrichtern bereitgestellt werden kann, werden alle Frequenzumrichter
verwendet, um die Last für jeden von ihnen niedrig zu halten. Die drei Reaktorkanäle
sind über ihre Frequenzumrichter geerdet und parallel geschaltet (Abb. 10.26a). Alle
Umrichter sind parallel zur Stromversorgung geschaltet. Die Steuerung eines Umrichters
arbeitet als Master und die der anderen Steuerungen als Slave. Für die Berechnung der
Speiseleistung Pt = St/Q = 550 kW, die für die Kompensation der Verluste im Testauf-
bau erforderlich ist, wird in der Regel ein Qualitätsfaktor von Q = 80 angenommen.
Der echte Test (Abb. 10.26b) hat die vorher berechneten Daten mit Ausnahme des
angenommenen Qualitätsfaktors bestätigt, weil der real mit Q = 141 bedeutend besser war
als vorher angenommen, was bedeutet, dass die erforderliche Speiseleistungleistung nur
Pt = 310 kW betrug. Der echte Test war ein PD-überwachter Dauertest. Die Überwachung
wurde durch eine nicht-konventionelle PD-Messung mit Sensoren in den Kabelver-
bindungen und Anschlüssen realisiert, wie in Abschn. 10.4.2.5 beschrieben.
514 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

(a)
61 A 260 kV
Steuer- und 165 A
Speiseeinheit 16.2 H, 260 kV,83 A 16.2 H, 260 kV, 83 A
(Master)

Erregertransformator Drossel Reaktor Schutz Teiler

61A
Steuer- und 4.9 µF
Speiseeinheit 16.2 H, 260 kV, 83 A 16.2 H, 260 kV, 83 A
(Slave)

Steuer- und 43A


Fütterungs
einheit 23 H, 160 kV, 55 A 23 H, 160 kV, 55 A
(Slave)

Prüfling

(b)

zum Kabelanschluss 3p-Sperrimpedanzen HV-Drosseln (3p2s-Verbindung)

Abb. 10.26 Qualitätsakzeptanztest eines 400-kV/22-km-Kabelsystems von 4,9 μF. a


vereifachtes Schaltbild. b Prüfarrangement. Courtesy of CEPCO, Saudi-Arabien

Wenn diagnostische „Prüfungen“ an HV/EHV-Kabelsystemen durchgeführt


werden, wird in der Regel der Ablauf des PD-überwachten AkzeptanzPrüfzyklus
mit einer reduzierten Stehspannung, aber identischen Vergleichsspannungen vor
und nach dem Maximalwert wiederholt angewendet (vergleiche Abb. 10.2b). Ins-
besondere die Isolierung der Verbindungen und Anschlüsse kann altern. Daher
ist die Tendenz des gemessenen PD-Niveaus durch Sensoren ein Hinweis auf den
Zustand der Verbindungen und Anschlüsse.
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 515

10.4.2.4 Prüfung von HVDC-Kabelsystemen mit extrudierter


Isolierung

Im Gegensatz zur kapazitiven Feldverteilung bei Wechselspannung ist ein Gleich-


spannungsfeld resistiv gesteuert. Gleichgewichtsbedingungen werden erst nach
sehr langen Zeiten, oft unter dem Einfluss von Raumladungen, erreicht. Dies muss
bei der Auswahl der Prüfspannungen berücksichtigt werden.
Die extrem hohe Resistivität des extrudierten Materials, vor allem XLPE,
ermöglicht die Erzeugung sehr stabiler Raumladungen, die die lokale Feld-
stärke (AC: elektrostatisches Feld; DC: Strömungsfeld) im Allgemeinen und
insbesondere in der Umgebung von Fehlern in der Isolierung bestimmen.
Die Resistivität hängt stark von der Temperatur ab, was zu unterschiedlichen
Feldstärkebedingungen an kalten Kabeln und belasteten Kabeln führt (Eine
kapazitive Spannungsverteilung wird wesentlich weniger von der Temperatur
beeinflusst.) Eine gefährliche Feldverstärkung tritt bei transienten Prozessen
(Aufladen, Überspannungen, insbesondere Polungsumkehrungen) auf. Ein
HVDC-Kabelsystem muss für stationäre DC-Spannungen und die oben genannten
transienten Spannungen ausgelegt sein. Um die Raumladungen besser steuern zu
können, hat das Material für HVDC-Kabel aufgrund von Zusatzstoffen im Ver-
gleich zu HVAC-Kabeln eine andere, angepasste Characteristik. Dies wurde in
Abschn. 6.2.3.1 mit Abb. 6.15 anhand der Feldstärkeverteilung von extrudierten
HVDC- und HVAC-Kabeln erläutert.
Während Präqualifikations- und Typprüfung nachweisen müssen, dass Kabel
und Systeme alle Arten von Spannungen standhalten, müssen Qualitätsakzeptanz-
prüfungen in der Fabrik (Stückprüfungen) und vor Ort (Inbetriebnahmeprüfungen)
den akzeptablen Aufwand für die Durchführung von Prüfungen berücksichtigen.
Das Routineprogramm umfasst eine HVDC-Prüfung mit Vt = 1,85 V0 für 60 min
und empfiehlt eine HVAC-Prüfung in Kombination mit PD-Messung (wenn gemäß
dem Kabeldesign zulässig; V0 ist die Leiter-Erde-Spannung). Nach der Installation
ist eine Prüfung mit Vt = 1,45 · V0 für 15 min erforderlich, aber eine zusätzlicher
HVAC-Prüfung kombiniert mit PD-Messung an den Kabelgarnituren (Muffen und
Endverschlüsse) (Abschn. 10.4.2.6) würde zusätzliches Vertrauen schaffen.

10.4.2.5 Prüfung von extrudierten AC- und DC-Seekabelsystemen

Unterseekabelanlagen sind durch ihre riesige Länge von vielen 10 km gekenn-


zeichnet. HVAC-Kabelanlagen werden für die Verbindung von Inseln, Windparks
oder Ölplattformen verwendet, ihre charakteristische Länge erreicht einige 10 km,
was einer Testobjektkapazität von bis zu 15 µF entspricht. Die erforderlichen sehr
langen Kabel werden in Fabriken in der Nähe der Küste hergestellt und – nach
Stückprüfung der Produktionslängen (und ggf. Verbindung mehrerer davon zu
einem Super-Langkabel) – direkt auf das Verlegeschiff gewickelt (Abb. 3.45
und 10.27). Die Cigre-Arbeitsgruppe B1.27 hat Bedingungen, Spannungen und
Verfahren zur Prüfung von HVAC-Unterseekabeln (Cigre WG B1.27 2012)
516 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

(a) (b)

Verdrilltes Drei-Phasen -Kabel ohne äußeren


Schirm, eine Phase wird geprüft (rot), die anderen
beiden (blau) sind geerdet.

(c)

Abb. 10.27 Tafelüberschrift ist nicht übersetzt, hier nachgeholt:Vor-Ort-Prüfung mit 174 kV
nach Verlegung des Seekabels (150kV; 62 km; 13,8 μF) a Verlegeschiff (Courtesy ABB Karls-
krona) b Kabelenden für Einphasenprüfung präperiert c ACRF-Prüfspannungserzeugung mit fünf
Prüfsystemen in Parallelschaltung

untersucht. Selbst für die AC-Routineprüfungen in der Fabrik werden AC-Test-


spannungen mit variabler Frequenz zwischen 10 und 500 Hz hinsichtlich der
hohen Kapazitäten der Testobjekte akzeptiert (Karlstrand et al. 2005). Der
erweiterte Frequenzbereich bis 10 Hz ermöglicht die Reduzierung der leistung im
Vergleich zu 20 Hz auf die Hälfte, aber der Durchschlagsmechanismus bleibt ähn-
lich dem bei Prüfspannung von Netzfrequenz.
Nach der Installation wird eine AC-Qualitätstest durchgeführt, die der von
Landkabeln entspricht, jedoch mit dem breiteren Frequenzbereich für Seekabel..
Die Prüfspannungen (Dauer 1 h) werden gemäß Tab. 10.4 ausgewählt. Wenn das
Kabelsystem zu lang ist, um mit den angegebenen Werten getestet zu werden,
kann eine reduzierte Prüfspannung mit längerer Dauer zwischen Lieferant und
Anwender vereinbart werden. Wenn keine geeignete Prüfspannungsquelle ver-
fügbar ist, kann auch eine Überprüfung mit der Nennspannung für 24 h vereinbart
werden. Spezialspannungen wie VLF und DAC können für Qualitätssicherungs-
prüfungen nach der Installation nicht empfohlen werden (Cigre WG B1.27 2012).
HVDC-Kabelsysteme können eine viel höhere Leistung als AC-Kabel über-
tragen. Daher werden sie für zukünftige Stromübertragungssysteme einschließlich
Unterwasseranwendungen sehr wichtig. HVDC-Kabelsysteme von mehreren
hundert Kilometern Länge sind in Planung (Abb. 1.3). Die neuesten Ent-
wicklungen der extrudierten DC-Isolierungen bieten sehr wirtschaftliche
Perspektiven. Die Prüfung von super-long-DC-Kabelsystemen, die einer Prüf-
lingskapazität von bis zu 100 µF entsprechen, ist eine Herausforderung für
die Prüftechniken (Pietsch et al. 2010). Da ein HVAC-Spannungstest schein-
bar unmöglich ist, könnte ein Test mit Gleichspannung, vielleicht ergänzt durch
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 517

eine Polaritätsumkehr (Wechselzeit im Bereich von 1 min), angewendet werden.


Eine PD-Messung des erforderlichen Empfindlichkeitsgrades ist jedoch auf-
grund der Dämpfung und Dispersion von PD-Signalen bei der Ausbreitung ent-
lang des langen Kabels nicht möglich (siehe unten Abschn. 10.4.2.6 und Cigre TF
D1.33.05 2012). Der Arbeitskreis 21.01 der Cigre (2003) schlägt vor, neben der
HVDC-Prüfung eine HVAC-Prüfung an Produktionslängen durchzuführen und
PD-Überwachung von Verbindungen und Terminals im System vorzunehmen.
Die HVAC-Prüfung an Produktionslängen (z. B. 30 km!) sollte mit einem
ACRF-Testsystem im erweiterten Frequenzbereich 10–500 Hz durchgeführt
werden. Der Widerstand der Abschirmung eines HVDC-Kabels ist erheblich höher
als der Leiterwiderstand und trägt erheblich zu den Verlusten im Testkreis bei.
Daher ist der Qualitätsfaktor des Prüfkreises bei der Prüfung eines HVDC-Kabels
geringer als bei einem HVAC-Kabel gleicher Länge. Letzterer wird nur durch die
Verluste des ACRF-Prüfanlage selbst (Hauschild et al. 2005) bestimmt.
Da die für Stückprüfungen in der Fabrik spezifizierten Parameter und Werte
noch nicht klar sind, sind Empfehlungen für die Qualitätsprüfung nach der
Installation von HVDC-Kabelsystemen noch schwieriger. Sogar Tests mit VLF-
und DAC-Spannungen werden diskutiert. Die Anwendbarkeit und Machbarkeit
von VLF- und DAC-Tests im EHV-Bereich ist jedoch weiterhin sehr fraglich
(Pietsch et al. 2010; Cigre WG B1.27 2012). Daher ist weitere Entwicklungsarbeit
für Qualitäts – und Diagnoseprüfung zu leisten.

10.4.2.6 PD-Tests von Kabelanlagen

On-site PD Messungen der Starkstromkabel wurden Ende der 1980er Jahre


interessant, als papierisolierte, Blei-ummantelte Mittelspannungskabel (PILC)
zunehmend durch vernetzte Polyethylen-isolierte (XLPE) Kabel ersetzt wurden.
Der Grund dafür ist die Tatsache, dass die hochpolymere Isolierung sehr empfind-
lich gegenüber Teilentladungen ist. Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass
PD-Magnituden von wenigen Pikocoulomb bereits einen sofortigen Durchbruch
verursachen können. Dies gilt insbesondere für extrudierte HV/EHV Kabel auf-
grund der vergleichsweise hohen Betriebsfeldstärke, die wesentlich höher als
10 kV/mm ist. Betrachtet man Mittelspannungskabel, sind diese jedoch weniger
empfindlich gegenüber PD-Magnituden im pC-Bereich aufgrund der deutlich
niedrigeren Betriebsfeldstärke. Folglich ist die Philosophie sehr unterschiedlich
für die vor-Ort-PD-Diagnose von extrudierten MV- und HV/EHV-Kabelstrecken,
wie im Folgenden näher betrachtet wird.
Mittelspannungskabelsysteme Die Länge der MV- Kabelsysteme überschreitet
selten 5 km, d. h. die maximale kapazitive Last der Prüfanlage ist gewöhnlich
unter 1 μF begrenzt. Der für periodische PD-Tests unter vor-Ort-Bedingungen
angewandte Prüfkreis ist gut mit dem unter Laborbedingungen angewandten
vergleichbar (IEC 60270:2000; IEC 60885-3:1988). Das bedeutet, nachdem die
518 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Betriebsspannung ausgeschaltet und die drei Phasen der Kabelstrecke vom Strom-
netz getrennt wurden, wird jede Phase einzeln PD-getestet. Zu diesem Zweck wird
ein Kopplungskondensator in Serie mit einem Messwiderstand an ein Kabelende
angeschlossen, um das PD-Signal aufzufangen und an das PD-Messsystem weiter-
zuleiten, um üblicherweise die phasenaufgelösten PD-Muster aufzuzeichnen,
siehe Abb. 4.17a. Nach der PD-Kalibrierung des kompletten Messkreises in
Bezug auf pC wird das Kabel bis zu der gewünschten Prüfspannung beansprucht.
Bei möglichen PD-Fehlern ist eine Lokalisierung des Ursprungsortes und das in
Abschn. 4.4 beschriebene PD-Mapping erforderlich für weitere Entscheidungen.
Diagnostische PD-Messungen von MV-Kabeln vor-Ort bekamen in den 1980er
Jahren auch deshalb zunehmend an Bedeutung, als XLPE-Verteilkabel – etwa ein
Jahrzehnt zuvor installiert – das Phänomen der „Wasser Bäume“ zeigten (Auclair
et al. 1988). Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt keine ACRF-Prüfsysteme ver-
fügbar und konventionelle AC-Prüfsysteme auf der Grundlage von herkömm-
lichen Prüftransformatoren (ACT) oder einstellbaren Reaktoren (ACRL) waren
zu schwer und zu teuer für die Anwendung vor Ort. Daher wurden alternative
Prüfspannungen eingeführt, wie sehr niedrige Frequenz (VLF) und gedämpfte
Wechselspannung (DAC) gemäß IEC 60060-3:2006. Die ursprünglich für
Diagnose-Stehspannungsprüfungen und Verlustfaktormessungen angewendete
VLF-Spannung ist jedoch aufgrund der langen Dauer einer einzelnen Periode
nicht so gut für die PD-Messung geeignet (siehe Abschn. 10.2.2.1; Abb. 10.11.
Der Hauptvorteil der DAC-Prüfspannung (siehe Abschn. 10.2.2.2; Abb. 10.13
sowie Abschn. 7.6) besteht darin, dass wesentliche PD-Größen, wie die Zünd-/
Aussetzspannung und die scheinbare Ladung mit den Werten bei Netzfrequenz
korrelieren. Weitere Vorteile sind der geringe Energiebedarf und die einfache
Mobilität aufgrund des geringen Gewichts der DAC-Prüfanlage (Abb. 10.15).
Daher wird die Verwendung von DAC-Spannungen zur PD-Diagnoseprüfung von
MV-Kabeln heutzutage weitgehend akzeptiert. Bei der Anwendung dieser Prüf-
spannungsform scheint es ausreichend zu sein, nur die PD-Pulse zu erfassen,
die während der ersten positiven und/oder negativen Halbwelle der DAC-
Prüfspannung zünden. Ein praktisches Messbeispiel zur Bereitstellung der sogen.
PD-Mappe ist in Abb. 10.28 dargestellt, die sich auf ein extrudiertes MV-Strom-
kabel von 1200 m Länge und 20 kV Nennspannung bezieht. Wie man sieht,
erschienen die PD-Ereignisse innerhalb des Zeitintervalls von 3 ms, das zwischen
dem positiven und negativen Scheitelwert liegt. Daher wurden nur die PD-Pulse
extrahiert, die während dieses Zeitintervalls auftraten, um die in Abb. 10.28c dar-
gestellte PD-Mappe zu erstellen. Diese zeigt drei typische Cluster, die die Position
von drei defekten Kabelmuffen anzeigen, bei denen die PD-Aktivität zwischen
etwa 100 pC und mehr als 1000 pC streute. Daher wurde beschlossen, die identi-
fizierten Muffen zu ersetzen. Danach wurde der PD-Diagnosetest wiederholt, und
es wurden keine erhöhten PD-Signale mehr erkannt.
Um die PD-Prüfparameter anzugeben, ist es eine gängige Praxis, die vor-
gespannte Gleichspannung und damit die Spitzenwertspannung der DAC-
Ladespannung in Bezug auf die Leiter-Erde-Spannung des Kabelnetzes (IEEE
Guide 400.4 2015) auszudrücken, die in Tab. 10.5 als V0 bezeichnet wird.
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 519

(a)

(b) 3 ms

(c)

Abb. 10.28 Ergebnis der Ortung von PD-Fehlstellen in einem 30-kV XLPE-Kabel (Länge
1200m) bei DAC-Prüfsapannung. a DAC Prüfspannung Scheitel-Scheitel-Wert 24 kV; b PD
Impuls-Folge während der ersten negativenHalbwelle; c PD Fehlerpositionen für die drei als
fehlerhaft identifizierten Muffen

Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass die Streuung der PD-Einsatzspannung


im Vergleich zu der bei kontinuierlicher Wechselspannung bei Netzfrequenz ver-
gleichsweise gering ist. Dies ist wahrscheinlich auf die DC-Vorspannung beim
Aufladen der Kabelkapazität zurückzuführen, die zu einer Minimierung der
statistischen Zeitverzögerung führt, die für die Verfügbarkeit eines initiierenden
520 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Tab. 10.5 Empfohlene Parameter für vor-Ort-PD-Diagnosetests von Mittelspannungskabeln bei


DAC-Prüfspannungen (Lemke et al. 2003)
Kabelisolierung Prüfspannungsniveau Spannungs- Akzeptierter PD-Pegel
(bezogen aufV0) anwendungen (pC)
XLPE, gealtert 0,7 5 <50
1,0 5 <50
1,5 5 <50
2,0 5 <50
XLPE, neu 3,0 20 <20
Öl-Papier, gealtert 1,0 10 <2000
1,5 10 <2000
2,0 10 <2000
Öl-Papier, neu 3,0 20 <500

Elektrons erforderlich ist. Aus statistischer Sicht sind daher nur wenige DAC-
Spannungsanwendungen für jeden Prüfspannungsniveau erforderlich. Eine Über-
sicht über die für PD-Diagnosetests von MV-Kabeln empfohlenen Prüfparameter
ist in Tab. 10.5 gegeben.
HV/EHV-Kabel-Systeme Wie bereits zuvor erwähnt, erfordert die PD-Prüfung
von extrudierten HV/EHV-Kabeln eine sehr hohe Messempfindlichkeit auf-
grund der Tatsache, dass PD-Ereignisse im pC-Bereich bereits einen sofortigen
Durchbruch von hochpolymerenDielektrika verursachen können. Dies ist auf die
sehr hohe Betriebsfeldstärke zurückzuführen, die deutlich größer ist als die von
MV-Kabeln. Folglich müssen vor Ort durchgeführte PD-Tests von HV/EHV-
Stromkabeln nach dem Verlegen oder Reparieren unter kontinuierlicher Wechsel-
spannung durchgeführt werden, die normalerweise von ACRF-Testsystemen
erzeugt wird.
Mit dem klassischen PD-Messkreis gemäß IEC 60270: 2000 wird jedoch die
für HV/EHV-Kabel erforderliche PD-Messempfindlichkeit in der Regel nicht
erreicht. Dies ist nicht nur auf die immer vorhandenen elektromagnetischen
Störungen zurückzuführen, sondern auch auf die starke Dämpfung und Dis-
persion der PD-Pulse, wenn sie sich von PD-Quellen zu den Kabelenden aus-
breiten. Als typisches Messbeispiel betrachten Sie Abb. 10.29a, die sich auf einen
2000-pC-Kalibrierimpuls bezieht, der am entfernten Ende eines 450 m langen
Kabels injiziert wird, wobei sowohl der direkte als auch der reflektierte impuls
angezeigt wird. Basierend auf solchen experimentellen Studien kann die PD-
Messempfindlichkeitt abhängig von der Kabel-länge abgeschätzt werden, wie
exemplarisch in Abb. 10.29b (Lemke 2003) dargestellt.
Angenommen, zum Beispiel, dass für ein Kabel von 1 km Länge unter starken
elektromagnetischen Umgebungsstörungen vor Ort ein minimales PD-Niveau
von 10 pC erfasst werden könnte, so würde der erreichbare Schwellwert für die
PD-Detektion in Kabelanlagen mit 5 und 10 km Länge auf ca. 50 bzw. 150 pC
ansteigen. Natürlich ist dies für extrudierte HV/EHV-Kabel, wie oben besprochen,
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 521

(b)
(a) 1000
450 m

Impulsladung (pC)
Impulswertigkeit

nachweisbare
100
(0.2 V/Div)

1350 m

2250 m 10
3150 m 4050 m
4950 m 5850 m

1
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Verfahrzeit (4 µs/Div) Länge des Stromkabels (km)

Abb. 10.29 Dämpfung von PD Impulsen bei der Auasbreitung entlang eines extrudierten Kabels
a Gedämpfte TE-Impulse b Messempfindlichkeit abhängig von Kabellänge

nicht akzeptabel. Daher werden vor Ort durchgeführte PD-Diagnose-Tests in der


Regel nur durchgeführt, um die Integrität der Kabelgarnituren nachzuweisen.
Dazu wird das PD-Signal im VHF/UHF-Bereich mit induktiven, kapazitiven
oder sogar elektromagnetischen PD-Kopplern erfasst, wie bereits in Abschn. 4.7
abgehandelt wurde. Die Testphilosophie basiert auf der Tatsache, dass HV/EHV-
Kabel sorgfältig in der Fabrik nach der Herstellung auf PD getestet werden, so
dass kritische PD-Ausfälle nur aufgrund einer unangemessenen Montage der
Kabelzubehörteile, wie Endverschlüsse und Muffen (Abb. 10.30), zu erwarten
sind. Das angewandte Konzept ist im Prinzip mit dem für die PD-Überwachung
von Transformatoren verwendeten vergleichbar, wie im Folgenden beschrieben.
Das bedeutet, dass die zunächst für Inbetriebnahmetests verwendeten PD-Koppler
installiert bleiben, um diese für eine periodische oder auch eine kontinuierliche
PD-Überwachung zu verwenden.

10.4.3 Prüfung von Leistungstransformatoren

Unterschiedlich zu GIS- und Kabelsystemen, die vor Ort endmontiert und geprüft
werden, werden Leistungstransformatoren im Werk fertiggestellt und sorgfältig
geprüft und in der Regel nicht unter Baustellenbedingungen (Vor-Ort-) geprüft.
Bis zu einer bestimmten Transformatorgröße werden nur die Teile demontiert, die
das Transportprofil überschreiten, wie z. B. die Durchführungen, der Konservator
und andere ähnliche Komponenten. Da die Montage vor Ort in der Vergangen-
heit recht begrenzt war, wurde kein Bedarf an Abnahmeprüfungen von Leistungs-
transformatoren vor Ort gesehen (Kachler et al. 1998). Inzwischen hat sich die
Situation geändert, und große Einheiten werden vor Ort montiert, insbesondere
in Gebieten mit unzureichenden Transportmöglichkeiten (Yamagata und Okabe
2009; Ohki 2010). Aufgrund der steigenden Transportkosten wird die verfügbare
Technologie für die Montage vor Ort auch für Reparaturen und Überholungen
genutzt. Transformatorenhersteller bieten auch den dazugehörigen Service
522 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Abb. 10.30 Durchschlaggefärdende PD-Fehlstelle in einem 380 kV Kabelenverschluss, identi-


fiziert während der Inbetriebnahmeprüfung kombiniert mit UHV-PD-Messung

einschließlich Hochspannungsprüfungen an (Siemens 2007; ABB 2006). Die Vor-


Ort-Prüfung zur Qualitätsabnahme und Diagnose von Leistungstransformatoren ist
gut eingeführt.

10.4.3.1 Qualitätsabnahmeprüfung

In IEC 60076-3:2012 heißt es für die Prüfung von Transformatoren, die in Betrieb
waren: „Jeder Transformator, der in gleicher Weise wie ein neuer Transformator
als mit dieser Norm übereinstimmend angesehen werden soll (z. B. nach einer
Garantiereparatur oder einer vollständigen Neuwicklung und Aufarbeitung, die
den Transformator in einen ‚neuwertigen‘ Zustand versetzen soll), muss nach
Abschluss der Reparatur oder Aufarbeitung allen in dieser Norm geforderten
Stückprüfungen bei 100 % der geforderten Prüfspannungen (Tab. 10.6) unter-
zogen werden“. Diese Aussage, die nicht zwischen einer Reparatur in einem Werk
und auf-Baustellenreparatur, unterscheidet, würde auch für vor Ort montierte
Leistungstransformatoren gelten. Im Falle einer Reparatur sollten reparierte
Teile mit einem Wert zwischen 80 und 100 % der ursprünglichen Prüfspannung
geprüft werden (Tab. 10.6). Neue Teile sollten mit 100 % geprüft werden. Die
Abnahmeprüfung der induzierten Spannung in Verbindung mit der TE-Messung
(AC-IVPD-Test, siehe Abschn. 3.2.5; Tab. 3.6 und Abb. 3.51) sollen bei derselben
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 523

Spannungsebene durchgeführt werden, wie für die Stückprüfung erforderlich.


Infolge dieser Anforderungen der IEC 60076-3 müssen Hochspannungs-On-
Site-Prüfsysteme Testspannungen mit Parametern erzeugen, wie sie für Routine-
prüfungen in der Fabrik spezifiziert sind.
Eine ausführliche Betrachtung zeigt, dass ACIT-Prüfsysteme von variabler
Frequenz auf der Grundlage von statischen Frequenzumrichtern anwendbar sind
(Tab.10.6, letzte Zeile) (Hauschild et al. 2006; Martin und Leibfried 2006; Werle
2007; Thiede et al. 2010). Wie zuvor gezeigt, haben diese Testsysteme nicht nur
für die Fertigungstests, sondern auch für die mobile Vor-Ort-Anwendung erheb-
liche Vorteile (siehe Tab. 3.2 und 3.3 und Abschn. 10.1.3). Sie genügen IEC
60060-3:2006 und ermöglichen optimale Bedingungen für HV-Tests vor Ort
(Abb. 10.31). Neben angelegten und induzierten Wechselspannungsprüfungen
müssen die Systeme auch Prüfspannungen für Leerlauf- und Verlustmessungen
(Kurzschlussimpedanz) geeignet sein. Das HVAC-Testsystem muss entsprechend
den Anforderungen des Tests und der Eigenschaften des Testobjekts, insbesondere
seiner erforderlichen Testleistung, ausgewählt werden:

Angelegte Spannungsfestigkeitstest Der zu testende Transformator ist eine kapazitive Last


(<50 nF), und der Test (f > 40 Hz) kann mit einem
ACRF-Testkreis mit einer bewerteten Stromstärke von
einigen Ampere durchgeführt werden
Induzierte Spannungsfestigkeitstest In den meisten Fällen ist der Transformator eine lineare,
gemischte resistive-kapazitive Last, und der Test kann
mit einem frequenzumrichterbasierten ACIT-Testsystem
(f > 100 Hz) und erfordert relativ geringe Testleistung
durchgeführt werden
Kein-Lastverlustmessung Der Transformator ist in den meisten Fällen eine nicht-
lineare, gemischte resistive-kapazitive Last, und der Test
kann mit einem frequenzumrichterbasierten ACIT-
Testsystem (f = 50/60 Hz) von relativ geringer Leistung,
aber ausreichender Stabilität gegenüber Harmonischen
durchgeführt werden
Last-Verlustmessung Der Transformator ist eine lineare resistive-induktive
Last, und der Test kann mit einem leistungsstarken
frequenzumrichterbasierten ACIT-Testsystem
(f = 50/60 Hz) durchgeführt werden, das eine feine,
sinusförmige Wellenform erzeugt

Der Last-Verlust-Prüfung (Bestimmung des Kurzschluss-Impedanz) bestimmt


die Leistungsauswahl des ACIT-systems. (Ein Wärmetest hat eine ähnliche Prüf-
leistungsaufnahme.) Die heute verfügbaren Frequenzumrichter können eine aktive
Leistung in der Größenordnung von 4000 kW oder sogar mehr und eine Blind-
leistung in der Größenordnung von 8000 kVA (Abb. 10.32) bereitstellen. Für
höhere aktive Leistungen können mehrere Systeme parallel geschaltet werden.
Wenn eine höhere Blindleistung erforderlich ist, muss eine Kondensatorbank
hinzugefügt werden. Dreiphasige Testsysteme können auch im Einzelphasen-
betrieb betrieben werden.
524 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Tab. 10.6 Ausgewählte Routine-Testspannungen von Leistungstransformatoren (IEC 60076-


3:2012)
Höchste Spannung Angelegte Induzierte Steh­ LI und LIC Steh- SI Steh-
Höchste Spannung Stehspannungprüfung spannungsprüfung spannungsprüfung spannungs-
für Gerät Vm/kV Va/kV für 1 min mit PD-Test VLI und VLIC/kV prüfung VSI/kV
(Abb. 10.31b) Vin und VPD/kV (3 Impulse jeder (3 Impulse jeder
(Abb. 10.31a) Polarität) Polarität))
123 230 128 und 112 550 und 605 460
145 360 151 und 132 650 und 715 540
245 460 255 und 224 1050 und 1150 850
420 630 437 und 382 1425 und 1570 1175
550 680 572 und 501 1675 und 1845 1390
800 – 832 und 728 2100 und 2310 1675
1200 – 1248 und 1092 2250 und 2475 1800
Empfohlenes HV- ACRF-Prüfsystem ACIT-Prüfsystem Impulsprüfsysteme für aperiodische
Prüfsystem von   f > 40 Hz mit Frequenz- LI- und SI-Spannungen gemäß IEC
(siehe 3.1.2.3 umrichter 60060-1
und 3.2.5) f > 100 Hz
(siehe 3.1.3
und 3.2.5)
Um ist der Phase-zu-Phase-Wert unter Betriebsbedingungen; alle Prüfspannungen sind Phase-zu-
Erde-Werte, AC-Spannungen sind rme-Werte, Impulsspannungen sind Scheitelwerte

(a)

Koppelkondensatoren Leistungstransformator im Prüfcontainer mit Frequenzumrichter, Kompensation, Aufwärtstransformator

(b)

zu prüfender HV-Drossel für ACRF-Spannung


Transformator

Koppelkondensator
Spannungsteiler
Blockier- und
Schutzimpedanz

Abb. 10.31 Vor-Ort-Transformatorenprüfung a Mobiles Prüfsystem mit Wechselrichter für die


induzierte Spannungsprüfung b Mobiles ACRF-Prüfsystem für die angelegte Spannungsprüfung
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 525

Abb. 10.32 Aktive und einphasig


reaktive Testleistung eines dreiphasig
Wirkleistung dreiphasig +
600-kW-Frequenzumrichters
12 MVA
ohne und mit einer 0.7 Kondensatorbank
Kondensatorbank
(schematisch) MW
0.4

0.2

-1 0 1 2 3 10 11 12
Blindleistung / MVA

Der angelegte Spannungsprüfung ist ein Einzelphasentest zwischen der kurz-


geschlossenen HV-Seite und der kurzgeschlossenen, geerdeten Niederspannungs-
seite. Die Anregungsspannung des Resonanzkreises kann für Tests mit induzierten
Spannungen durch den Frequenzumrichter erzeugt werden. Aber ein kleiner,
separater Konverter vervollständigt ein unabhängiges ACRF-Testsystem, das für
eine separate Anwendung möglicherweise sogar praktischer ist.
Die Komponenten eines stationären Frequenzumrichtersystems sind in
einem 40-Fuß-Container gut angeordnet, der den Abmessungen für den
Standardstraßentransport entspricht (Abb. 10.33). Es umfasst den Frequenz-
umrichter, den Hochspannungstransformator, den Schaltschrank, den Raum für
HVHF-Filter und Messgeräte für Spannung und Strom.
Zusätzlich zu den AC-Spannungstests fordert die IEC 60076-3:2012 auch
Impuls- -spannungsprüfungen mit LI und SI bei Vor-Ort-Prüfungen. Die
oszillierenden Impuls- (OLI; OSI) -Spannungen, die mit einem viel höheren Ver-
wendungsfaktor erzeugt werden können, werden für Transformatortests vor Ort
nicht akzeptiert. Dies bedeutet, dass ein Impulsgenerator für die vor Ort durch-
geführten Tests von UHV-Stromtransformatoren eine ziemlich große und nicht
leicht zu handhabende Einheit wäre (siehe Abschn. 7.1.2.4 und 7.2.1.3). Es
scheint fraglich zu sein, ob LI-Testspannungen über 2 MV vor Ort erzeugt werden
können. Es kann angenommen werden, dass in Zukunft reduzierte Prüfspannungs-
niveaus oder OLI-Spannungen angewendet werden.
In allen Anwendungen der sehr strengen Anforderungen der IEC 60076-3:2013
für die vor Ort durchgeführten Abnahmetests von Leistungstransformatoren gibt
es Grenzen ihrer Praxistauglichkeit. Daher sollten die tatsächlich erforderlichen
Prüfungen und die erforderlichen Parameter pragmatisch zwischen Lieferanten
und Anwendern definiert und vereinbart werden. Die wichtigste Prüfung der
Isolierungen dürfte die PD-überwachte, induzierte Spannungsprüfung sein,
dieauch für die Diagnostik wichtig ist. Wenn ein Prüfungs-Anbieter plant,
ein System für induzierte Spannungsprüfungen anzuschaffen, scheint es nicht
optimal zu sein, die Frequenzumrichter für Prüfungen der größten Leistungstrans-
formators zu bestellen. Vielmehr sollte bei seltenen Tests die Erweiterung durch
Kombination von zwei oder mehr Testsystemen in Betracht gezogen werden. Der
526 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Aufwärts
transformator

Filter, Messung, Zubehör Kontrollraum Transformatorraum Frequenzumformer

Abb. 10.33 Design eines mobilen Transformator-Prüfsystems

neue IEEE-Leitfaden zu den diagnostischen Feldtests an Leistungstransformatoren


(IEEE 62-PC 57.152-2012) empfiehlt Testsysteme auf der Basis von Frequenz-
umrichtern, die auch hilfreich sein können, wenn Akzeptanz- und Diagnosetests
vereinbart werden müssen.

10.4.3.2 Vor-Ort-PD-Messung und PD-Monitoring

Das sehr komplexe Isolationssystem eines Leistungstransformators und seiner


Komponenten ist Gegenstand zahlreicher elektrischer, chemischer, physikalischer
und thermischer Tests und Prüfungen zur Bewertung des Isolationszustands. Wert-
volle Informationen zu diesem Thema findet man im „ABB Service Handbook
for Transformers“ 2006 sowie in zahlreichen Publikationen (z. B. Leibfried et al.
1998; Singh et al. 2008; Zhang und Gockenbach 2008; Cigre WG D1.29 (2017).
Im Folgenden werden nur Vor-Ort-HV-Prüfungen in Kombination mit PD-
Messungen/-Überwachung betrachtet.
Die kontinuierliche PD-Überwachung liefert Messergebnisse zum Isolations-
zustand unter Betriebs-Wechselspannung. Darüber hinaus kann der Trend der
PD-Aktivität im Laufe der Zeit bewertet werden. Off-line induced voltage tests
Induzierte Spannungsprüfungen ermöglichen eine Änderung der Spannungs-
belastung und damit die Messung zusätzlicher PD-Größen, wie die PD-Einsetz-
und Aussetzspannung, die für die Bewertung des Isolationszustands informativ
sind.
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 527

Unmittelbar vor Beginn der HV-Prüfung eines betriebsgealterten Leistungs-


transformators müssen mehrere Niederspannungsprüfungen und chemische Ana-
lysen durchgeführt werden, um den aktuellen Isolierungszustand zu bewerten,
wie z.B. die Leitfähigkeit der Isolation, den Leistungsfaktor, das Übersetzungs-
verhältnis, den Feuchtigkeitsgehalt sowie die Gas-in-Öl-Analyse. Der HV-Test
kombiniert mit der PD-Messung wird nur empfohlen, wenn die gemessenen
Parameter innerhalb ihrer akzeptablen Toleranzgrenze liegen. Das Prüfver-
fahren sollte dem ähnlich sein, das für die PD- Abnahmetests verwendet wird
(Abb. 3.51). Wenn es für diagnostische Zwecke nützlich ist, kann dieses Ver-
fahren entsprechend geändert werden. Zum Zwecke der Bewertung des Isolations-
zustands werden Leistungstransformatoren in regelmäßigen Abständen und sogar
kontinuierlich PD-überwacht, vorausgesetzt, hinreichende technische Gründe
wurden festgestellt, z. B. angezeigt durch spektrale Gas-in-Öl-Analysen oder eine
erhöhte PD-Aktivität.
Für die periodische PD-Überwachung wird der Transformer häufig vom Strom-
netz getrennt und durch eine separate Stromversorgung (heute in der Regel durch
einen Frequenzumrichter, wie bereits in Abschn. 3.1.3 vorgestellt) erregt. Um die
PD-Transienten zu erfassen, kann die in Übereinstimmung mit IEC 60270:2000
als die bequemste Methode angesehene PD-Kopplung an Durchführungs-
anzapfung (Abb. 4.19 und Abb. 10.34) in Betracht gezogen werden. Praktische
Erfahrungen haben gezeigt, dass der Umgebungs-Grundstörpegel in der Regel
nicht höher als einige Hundert Pikocoulomb ist, was für PD-Tests von mit Isolier-
flüssigkeit-gefüllten Transformatoren in der Regel toleriert wird.
Der Hauptvorteil der traditionellen IEC-Methode besteht darin, dass der PD-
Messkreis in pC kalibriert werden kann, was gut reproduzierbare PD-Messungen
und damit einen Vergleich mit „PD- Fingerabdrücken“ sicherstellt, die während
der Qualitätsakzeptanztests in der Fabrik und während der Inbetriebnahmetests
vor Ort erstellt wurden. Ein weiterer Vorteil der Bushing-Tap-Kopplungsart ist die
Möglichkeit, mehrpolige, phasensynchrone Messungen durchzuführen, um PD-
Stern-Diagramme zu erstellen. Wie bereits in Abschn. 4.6 behandelt, sind solche
Graphen ein vielversprechendes Mittel zur Identifizierung typischer Isolations-
fehler sowie zur Erkennung von Störsignalen, die so eliminiert werden können.
Die Philosophie der regelmäßig vor Ort durchgeführten PD-Messungen
basiert auf der Annahme, dass die mit Isolierflüssigkeit gefüllten Transformatoren
während einer vergleichsweise langen Betriebsdauer nur geringfügig altert.
Trotzdem kann nicht immer ausgeschlossen werden, dass sich im Zeitraum
zwischen zwei periodischen Inspektionen Schwachstellen entwickeln, so dass
eine abnormale PD-Aktivität unentdeckt bleibt und damit einen potentiellen Iso-
lationsfehler auslösen könnte, der zu einem unerwarteten Ausfall führt. Aus
diesem Grund werden strategisch wichtige EHV/UHV-Transformatoren heutzu-
tage kontinuierlich PD-überwacht. Da dies unter Betriebsbedingungen geschieht,
ist die Messung oft stark durch Störsignale aus der Umgebungs gestört, die Zehn-
tausende von Nano-Coulomb erreichen können. Ein vielversprechendes Mittel, um
solche Störungen zu beseitigen, ist die Anwendung der UHF/VHF-Technologie,
siehe Abschn. 4.7. Zu diesem Zweck wurden in der Vergangenheit verschiedene
528 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Geprüfter
PD überwachter Leistungstran
Leistungstransformator sformator

Messimpedanzen
LDM-5/U

BNC-Kabel

PD-Überwachungssystem
PD GUARD Computer

Abb. 10.34 Aufbau für PD-Vor-Ort-Monitoring eines Leistungstransformators mit Ankopplung


an die Durchführungsanzapfungen nach IEC 60270:2000, Courtesy of Doble-Lemke

Arten von UHF-PD-Kopplern entwickelt, wie der Sensor im Ölablassrohr und der
„Plate-hatch“-Sensor, wie in Abb. 10.35 (Markalous 2006; Coenen et al. 2007)
dargestellt.
Aufgrund der starken Dämpfung von UHV-Signalen bei der Ausbreitung
von der PD-Quelle bis zum Sensor, wird die Verwendung mehrerer UHF-PD-
Koppler auch für die PD-Überwachung von Einphasentransformatoren sehr
empfohlen. Die Installation eines mehrsensoren Arrays bietet auch die Möglich-
keit für einen sogenannten dual-port performance check (Coenen et al. 2007).
Zu diesem Zweck wird ein UHF-Signal mit bekannten Parametern in einem der
installierten Sensoren injiziert, und das Amplituden-Frequenz-Spektrum, das von
allen anderen Sensoren erhalten wird, wird aufgezeichnet. Darüber hinaus sollte
die Messempfindlichkeit vorzugsweise unter Werkbedingungen überprüft werden.
Dies kann anhand vergleichender PD-Untersuchungen durchgeführt werden,
indem sowohl die traditionelle IEC 60270-Methode als auch die UHF-Methode
angewendet werden. Zu diesem Zweck wird das von einer künstlichen PD-Quelle
im Transformatorenkessel abgestrahlte Signal gleichzeitig mit beiden Methoden
gemessen. Die Aufzeichnung der Impulsladung in pC und des UHF-Signals in mV
ermöglicht es grob, die Anspechschwelle der UHF-methode in pC abzuschätzen,
und somit zu beurteilen,, ob zwischen den Messgrößen gemessen in pC und in mV
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 529

Eingangskalibrierungssignal HF-Filter-Box Ausgang PD-Signal

Ausgang PD-Signal Flansch PD-Sensor PD-Sensor Flansch

Abb. 10.35 „Drain-valve“ Sensor (a) und „Plate-hatch“ Sensor (b), die für die kontinuierliche
PD-Überwachung von Transformatoren im UHF-Bereich entwickelt wurden. Courtesy of Doble
Lemke

eine ausreichende Korrelation besteht, selbst wenn die Größen beider Signale über
einen extrem weiten Bereich streuen.
Bei der permanenten PD-Überwachung ist zu berücksichtigen, dass aufgrund
der begrenzten Speicherkapazität des PD-Überwachungssystems der komplette
PD-Datenstrom nicht für einen sehr langen Zeitraum gespeichert werden kann.
Daher ist es üblich, in der Nähe jedes zu überwachenden Transformators ein ein-
faches „PD-System“ zu installieren, wie in Abb. 10.36 dargestellt. Darüber hinaus
wird der Roh-PD-Datenstrom üblicherweise nicht dauerhaft, sondern von Zeit zu
Zeit gespeichert, da die Isolierung des Transformators vergleichsweise langsam
altert, wie oben erwähnt. Nur bei einer plötzlich hohen PD-Aktivität wird diese
dauerhaft aufgezeichnet – um einen gefährlichen Trend sofort zu erkennen -,
während die phasenaufgelösten und zeitabhängigen PD-Impulsfolgen nur für
wiederholte vorab ausgewählte Zeitintervalle gespeichert werden, z. B. während
einer 5-minütigen Messdauer, die sich stündlich wiederholt.
Wenn gewünscht, können die charakteristischen PD-Muster im Kontroll-
raum des Umspannwerks, wie üblicherweise bei Qualitätssicherungstests beim
Hersteller, beobachtet werden. Bei erkennbar steigenden Trends können die Daten
jedoch über das Internet an Experten zur weiteren Untersuchung übermittelt
werden. Die heutigen PD-Überwachungssysteme sind auch mit Funktionen aus-
gestattet, um eine Warnung oder sogar einen Alarm auszulösen (siehe Abb. 10.18).
Basierend auf praktischen Erfahrungen sollte ein geeigneter Satz an Parametern
ausgewählt werden, um eine Alarmauslösung aufgrund sporadischer PD-Ereig-
nisse oder stochastisch auftretender Störsignale zu vermeiden. Geeignete Para-
meter für die Auslösung eines Alarmrelais sind z. B.
• Schwellenwert für kritische PD-Pulsamplituden, z. B. 10 mV,
• Durchschnittliche Anzahl der PD-Pulse, die den kritischen Schwellenwert über-
schreiten, z. B. 10 pro Minute,
530 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Transformator A

LAN/WAN
Internet

PD-
Überwachu
ngscomputer
Ferngesteuerte
Computer-PD-
Datenanalyse
Fernsteuerung

PD-Überwachung
Systeme
PD-GUARD/UHF
Ethernet-Hub

Transformator B Transformator C Transformator D

Abb. 10.36 Anordnung eines kontinuierlichen PD Monitoringsystems. Courtesy Doble Lemke

• Zeitintervall, das für das Überschreiten des kritischen Schwellenwerts akzeptiert


wird, z. B. 10 min.
Wenn ein Alarm ausgelöst wird, sind weitere Maßnahmen erforderlich, zum Bei-
spiel die Durchführung eines induzierten Spannungstests im Offline-Modus, um
potentielle PD-Quellen zu identifizieren und zu lokalisieren. Die Kombination der
PD-Detektion mit der akustischen Emissionsmethode (AE), wie in Abschn. 4.8
(Abb. 4.70, 4.71 und 4.72) ist ebenfalls ein vielversprechendes Mittel für diese
Aufgabe.

10.4.4 Prüfung von rotierenden, elektrischen Maschinen

Rotierende Maschinen werden in der Regel in der Fabrik montiert und geprüftt
(IEC 60034-1:2010), während die vor Ort durchgeführten Akzeptanzprüfungen
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 531

nur in seltenen Fällen vereinbart werden., Die vor Ort durchzuführende Prüfung
sollte im Allgemeinen unter Wechselspannung erfolgen, die Verwendung einer
VLF-Prüfspannung oder von Gleichspannung ist jedoch nicht ausgeschlossen.
Die Degradation von isolierenden Materialien, die für rotierende Maschinen
wie Hydro- und Turbogeneratoren sowie Hochspannungsmotoren verwendet
werden, ist nicht nur das Ergebnis eines hohen lokalen elektrischen Feldes,
sondern auch die Folge von thermischen und mechanischen Beanspruchungen, die
insbesondere durch zahlreiche wiederholte Starts und Stopps sowie durch starke
Lastschwankungen während des langfristigen Betriebs entstehen. Daher sind
neben Verlustfaktor und Rückkehrspannungsmesseung Wiederkehrspannungs-
messungen auch präventive PD-Tests zu einem wichtigen Diagnosewerkzeug
für die Beurteilung des Isolationszustands von rotierenden Maschinen geworden
(IEC 60034-27: 2006; Cigre TF D1.33.05 2012). Die Testphilosophie und das
Layout, die für die periodische und kontinuierliche Überwachung von rotierenden
Maschinen verwendet werden, sind denen bereits oben für die vor-Ort-Prüfung
von Transformatoren erwähnten sehr ähnlich. Als Beispiel zeigt Abb. 10.37 schäd-
liche PD-Defekte im Überhangbereich einer Drehstrommaschine, die im Zuge der
periodischen PD-Überwachung unter Betriebsspannung ermittelt wurden.
Bei der Verwendung der nicht-konventionellen PD-Detektion im UHF/VHF-
Bereich ist zu berücksichtigen, dass das PD-Signal bei der Ausbreitung von der
PD-Quelle bis zu den PD-Kopplern stark gedämpft wird. Dies wird nicht nur
durch die hohe Wicklunginduktivität, sondern auch durch die enge elektro-
magnetische Kopplung zwischen den einzelnen Statorstäben verursacht.
Bei der Durchführung von Vor-Ort-prüfungen von rotierenden Maschinen sind
verschiedene HVAC-Quellen anwendbar. Wenn die angewendete maximale Prüf-
spannung 20 kV und die erforderliche Prüfleistung 150 kVA nicht überschreitet,
kann ein herkömmlicher Prüftransformator verwendet werden. Wenn höhere
Prüfspannungen und Prüfleistungen erforderlich sind, wird die Verwendung von

Abb. 10.37 Nutaustritt der Stabwicklung einer rotierenden elektrischen Maschine nach der
Herstellung (links) und Isolationsschädigung identifiziert durch periodische PD-Überwachung
(rechts). Mit freundlicher Genehmigung der Doble Lemke GmbH
532 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Resonanz-Prüfkreisen empfohlen. Da der Verlustfaktor per Definition von der


Frequenz abhängt, eignen sich ACRL-Prüfsysteme mit Induktivitätsabstimmung
(Abb. 10.38) sowohl für die Messung des Verlustfaktors als auch für die PD-
Detektion.
Neben dem Verlustfaktor selbst liefert auch die Änderung dieser Größe bei
zunehmender Prüfspannung (Δtanδ/Δv) ein nützliches Mittel, um den Isolations-
zustand zu bewerten. Messungen bei verschiedenen Prüffrequenzen haben gezeigt,
dass dieser Parameter nahezu frequenzunabhängig ist (Abb. 10.39a). Daher
können ACRF-Prüfsysteme (Abb. 10.3a) auch für offline-Prüfungen vor Ort ein-
gesetzt werden, insbesondere wenn sie mit tanδ und PD-Messungen kombiniert
werden, die als die informativsten für die Bewertung des Isolationszustands gelten
(IEC 60034-27: 2006; IEEE 1434-2000), (Abb. 10.39b). Wie aus dem Messbei-
spiel in Abb. 10.39c ersichtlich, zeigt die gemessene PD-Impulsladung abhängig
von der Prüfspannung eine für die Isolierung typische Hysterese und unterschied-
liche PD-Ladungsmagnituden bei zunehmender bzw. abnehmender Prüfspannung.
In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass das PD-Monitoring von
Turbo- und Hydro-Generatoren in den 1980er Jahren zu einem unverzichtbaren
Werkzeug für die Bewertung des Isolationszustands wurde, als neben der PD-
resistenten Epoxid-Mica-Isolierung auch die Vakuum-Druck-impregnierte (VPI)
Epoxidharz-Isolierung eingeführt wurde, da diese schnell altert, wenn sie dauer-
haft PD’s im nC-Bereich ausgesetzt ist (Henriksen et al. 1986; Kemp 1987; Fruth
et al. 1989; Grünewald und Weidner 1994). Zu dieser Zeit wurde das PD-Signal

42-MVA-Hydro-Generator

Pelton-Turbine in Revision

350kVA-30/50-kV mobile
Prüfkabine

Abb. 10.38 Mobile ACRL-Prüfeinheit (30–50 kV, 350 kVA) zur Prüfung eines Generators.
Courtesy of TU Graz, Austria
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 533

(a)
tan  ·10-3
18 50 Hz berechnet aus 26 Hz
50 Hz berechnet aus 42 Hz

14 50 Hz direkt gemessen
42 Hz

10
(b)
26 Hz

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4


bezogene Spannung V/V0
(c)
PD-Ladung Generator 1: 20 MVA, 6,3 kV Generator 2: 42 MVA, 10,5 kV
6
nC

3
Ionisierungs-
Hysterese
2

0 2 4 6 8 kV 11
Prüfspannung

Abb. 10.39 Gemessene Isolations-Eigenschaften von zwei Generatoren (Cigre TF D1.33.05


2012). a Verlustfaktor in Abhängigkeit von der Prüfspannung. b TE-Muster (aufgenommen
bei 42 Hz, vergleichbar mit 50 Hz). c TE-Impulsladung gemessen für zwei verschiedenen
Generatoren in Abhängigkeit von der Prüfspannung

entweder über sogenannte Nut-Richtkoppler oder auch über kapazitive Koppler


vergleichsweise geringer Kapazität, üblicherweise unter 100 pF, entkoppelt.
Da ein Frequenzspektrum unter etwa 10 MHz mit Hilfe dieser Art von PD-
Kopplern nicht erfasst werden kann, werden die Entladungen in gasförmigen Ein-
schlüssen, bedingt durch Delamination der Stabisolierung sowie Nut-Entladungen
in größerem Abstand von solchen PD-Kopplern oft nicht erkannt. Dies liegt an
ihrer starken Dämpfung, wenn sie sich von der PD-Quelle zu den PD-Kopplern
ausbreiten, was den Frequenzinhalt des PD-Signals erheblich verringert. Offen-
sichtlich war dies der Grund, warum in der Vergangenheit zahlreiche rotierende
Maschinen mit VPI-Isolierung versagten, selbst wenn eine permanente PD-Über-
wachung im Dauerbetrieb erfolgte, wobei zur PD-Signal-Auskopplung Nut-Richt-
koppler oder niedrigkapazitive Kopplern eingesetzt wurden, die beide nur ein
Frequenzspektrum oberhalb von 10 MHz empfingen.
534 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Die Fähigkeit und Grenzen verschiedener Arten von PD-Kopplern können ein-
fach durch Injektion von Kalibrierungssignalen in die Sternpunkte der rotierenden
Maschinen und Messen der Signalantwort an den Anschlüssen, die die drei Phasen
L1, L2 und L3 bereitstellen, die mit dem Stromnetz verbunden sind, nachgewiesen
werden. Dies wird durch das in Abb. 10.40 dargestellte Messbeispiel unterstrichen,
das sich auf einen 300-MVA-Motor/Generator in einem Pumpspeicherkraft-
werk bezieht. Hier wurden wiederholte Kalibrierimpulse von 10 nC in den Stern-
punkt injiziert. Mit einem 100-pF-PD-Koppler lag die empfangene Signalstärke
unterhalb des Hintergrundrauschens, das etwa 1 mV betrug. Durch Erhöhen der
Kopplungskapazität von ursprünglich 100 pF auf 2 nF stieg das Signal jedoch
auf etwa 20 mV an (Abb. 10.40), was mittels herkömmlicher PD-Überwachungs-
systeme, die gemäß IEC 60270:2000 entwickelt wurden, gut detektierbar war.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu beachten, dass der PD-Pegel von
rotierenden elektrischen Maschinen unter Betriebsbedingungen in der Regel nicht
unter einigen nC liegt.Das bedeutet, dass eine PD-Detektionsempfindlichkeit im
nC-Bereich vollständig akzeptabel ist.
Bei der durchgeführten periodischen PD-Diagnose vor Ort wird die zu
testende rotierende elektrische Maschine in der Regel durch eine mobile Test-
spannungsquelle erregt (Abb. 10.38), wobei die einzelnen Phasen nacheinander
geprüft werden, während die beiden anderen Phasen an den geerdeten Stator
angeschlossen sind. Eine weitere Option ist in Abb. 10.41 dargestellt, die sich auf
einen PD-Test unter Betriebsbedingungen bezieht. Das bedeutet, die drei Phasen
werden gleichzeitig durch die dreiphasige Betriebsspannung erregt und daher der
tatsächlichen Betriebsbeanspruchung ausgesetzt.
Unter dieser Bedingung wird die Messung jedoch in der Regel durch hohe
Kommutierungspulse sehr gestört, wie exemplarisch in Abb. 10.42a gezeigt. Dies
bezieht sich auf einen 300-MVA-Motor/Generator, Nennspannung 21 kV, wo
die störenden Kommutierungsimppulse in den sechs-Pulse-Wandlern der Hilfs-
stromversorgung, die die statische Erregung des Rotors bereitstellt, entstanden.
Wie aus Abb. 10.42a ersichtlich, nähern sich die störenden Impulse einem äqui-
valenten Ladungswert von etwa 10 nC an. Aufgrund ihrer festen Phasenposition
können diese jedoch deutlich von echten PD-Ereignissen unterschieden werden,

L1 Phase: 20 mV/Div, 0,4 µs/Div,L1 Phase: 20 mV/Div, 0,4 µs/Div,L1 Phase: 20 mV/Div, 0,4 µs/Div,

Abb. 10.40 PD-Koppler mit einem 2-nF/24-kV-Kondensator (links) und gemessene Pulsantwort
(rechts), die durch Injektion von 10-nC-Kalibrierimpulsen in den lSternpunkt einer 300-MVA-
Motor-/Generatoranlage gewonnen wurde. Courtesy of Doble Lemke
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 535

L1 L2 L3

L-Sensor
PD-überwachte
rotierende Ferncomputer für
Maschine Überwachungs die Analyse und
system Kontrolle der PD-Daten
NP
PD-GUARD

PD-Koppler
10 nF / 24 kV

Abb. 10.41 Aufbau für diagnostische online-PD-Tests von rotierenden elektrischen Maschinen
unter Service-Spannung

die sich um 5 nC herum verteilen. Daher ist eine Störsignalunterdrückung, z. B.


durch sogen. Gating, beim Betrachten der PD-Muster auf dem Computerbild-
schirm nicht erforderlich. Bei der Auswertung des PD-Trends scheint jedoch eine
Sörsignalunterdrückung eine vernünftige Lösung zu sein. Daher wird für eine
kontinuierliche PD-Überwachung ein automatisches Gating empfohlen, wie in
Abschn. 4.5 beschrieben. Zu diesem Zweck können die störenden Kommutier-
pulse selbst verwendet werden, die durch einen induktiven Sensor des Rahmen-
antennentyps erfasst werden können, wenn dieser neben den Kommutierringen
des Motors/Generators installiert ist. Die Machbarkeit dieser Option wurde erfolg-
reich in zahlreichen vorbeugenden PD-Messungen in Pumpspeicher- und Wasser-
kraftwerken nachgewiesen. Ein typisches Messbeispiel hierfür ist in Abb. 10.42
gezeigt. Wie man sieht, ist die Phasenverschiebung zwischen den aufeinander-
folgenden PD-Clustern weder um 90 Grad noch um 180 Grad verteilt, wie bei den
häufig vorkommenden Phase-zu-Erde-Entladungen zu erwarten ist, sondern um
120 bzw. 240 Grad, was typisch ist für Entladungen in der Isolierung zwischen
zwei Phasen . Dies lässt sich leicht aus dem Spannungsdiagramm eines Dreh-
stromnetzes ableiten und wurde auch durch eine Lokalisierung der PD-Quelles
und eine anschließende visuelle Überprüfung bestätigt.
Bei der Reparatur von großen Hydro- und Turbogeneratoren wird der Rotor
häufig aus dem Stator entfernt. Dies bietet die Möglichkeit, potentielle PD-
Defekte bequem zu lokalisieren. Zu diesem Zweck können neben der elektrischen
PD-Detektion auch die akustische Emissions- (AE-)Technik sowie die Messung
der Lichtemission im UV-Bereich verwendet werden. Eine weitere Option ist das
sogenannte PD-Probing (Lemke 1991). Die für die letztere Methode verwendete
Prüfanordnung und ein typisches Testresultat sind in Abb. 10.43 dargestellt.
Zunächst wurde ein kapazitiver oder ein induktiver Sensor, der mit der PD-Sonde
verbunden war, entlang des zu untersuchenden Statorstabes bewegt, um den
kritischen Bereich mit der höchsten PD-Aktivität zu lokalisieren. Anschließend
536 10 Hochspannungsprüfungen vor Ort

Abb. 10.42 PD-Phasen-Diagramme-, die für einen 300-MVA-Motor/Generator unter Betriebs-


bedingungen aufgezeichnet wurden. a Phase L1 mit PD-Clustern und überlagerten Störsignalen,
die in einem 6-Puls-AC/DC-Wandler der Hilfsstromversorgung entstanden sind. b Phase L1,
Störsignalunterdrückung aktiviert. c Phase L2, Störsignalunterdrückung aktiviert. d Phase L3,
Störsignalunterdrückung aktiviert
10.4 Beispiele für den Einsatz vor Ort 537

wurden zwei kapazitive Sensoren an den invertierenden und nicht invertierenden


Eingang der potentialfrei arbeitenden Differential -PD-Sonde angeschlossen.
Wenn das Sensorenarray langsam entlang des Statorstabes innerhalb des zuvor
lokalisierten kritischen Bereichs bewegt wurde, konnte die tatsächliche PD-Quelle
innerhalb des cm-Bereichs lokalisiert werden. Eine solche hohe räumliche Auf-
lösung ist möglich, weil die Polarität der aufgezeichneten PD-Pulse plötzlich
invertiert wird, wenn das Sensorenarray die PD-Quelle überquert (Abb. 10.43).

halbleitende Corona-
Schicht Schutzbeschichtung

geerdeter
Schutzleiter

PD Ebene vs.
Sensorposition

Abb. 10.43 Anordnung zur Lokalisierung von TE-Quellen in der Isolierung eines Statorstabes
mittels Differential-TE-Sonde (Lemke 1991)
Biography of W. Hauschild

Wolfgang Hauschild

Wolfgang Hauschild erhielt das Diplom 1965, den


Ph.D. 1970 und die Habilitation (Universitäts-Dozen-
tur) 1976 von der Technischen Universität (TU) Dres-
den. 2007 wurde er doctor honoris causa der
Technischen Universität Graz, Österreich. Von 1966
bis 1979 war er Forscher der TU Dresden und leitete
eine Forschungsgruppe zur SF6-Isolierung. 1976/1977
war Dr. Hauschild Gastprofessor an der Universität
Damascus, Syrien, und für den Aufbau eines großen
Hochspannungslabors dort verantwortlich. 1980 wech-
selte er in die Industrie und war in leitenden Positionen
der Hochspannungsprüftechnikproduktion in Dresden
tätig, von 1990 bis 2007 als technischer Direktor der
HIGHVOLT Prüftechnik Dresden GmbH. Nach sei-
nem Ruhestand ist er weiterhin als Berater tätig. Dr.
Hauschild war deutscher Sprecher Technischen Com-
mitteeTC 42 (Hochspannungsprüftechnik) der IEC von
1995 bis 2009 und Mitglied der IEEE, VDE und
CIGRE. Er veröffentlichte drei Bücher und zahlreiche
Aufsätze zur Hochspannungstechnik, insbesondere zur
Hochspannungsprüfung.
Dr. Wolfgang Hauschild
DRESDEN
Deutschland
E-Mail: whauschild@t-online.de

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer


Nature Switzerland AG 2023 539
W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3
Biographie von E. Lemke

Eberhard Lemke

Eberhard Lemke graduierte 1962 an der Technischen


Universität (TU) Dresden, wo er mehr als drei Jahr-
zehnte in Forschung und Bildung im Bereich der
Hochspannungstechnik tätig war. 1967 erhielt er den
Ph.D. und 1975 den Dr.sc. techn. Grad. 2010 wurde
ihm ein Ehrendoktorat (Dr.h.c.) der Technischen Uni-
versität Graz, Österreich, verliehen. 1978 bis 1981 war
er in einer Hochspannungskabelfabrik in Deutschland
tätig. Während dieser Zeit entwickelte er die soge-
nannte Lemke-Sonde mit dem nicht-konventionellen
Feldkopplungsmodus zur PD-Diagnose von HV-Gerä-
ten im Einsatz. 1987 wurde er Professor an der TU
Dresden und gründete 1990 die Firma Lemke Diagno-
stics GmbH, die unter anderem Instrumente zur
PD-Diagnose von Hochspannungsgeräten herstellt.
Eberhard Lemke ist Autor und Co-Autor mehrerer
Lehrbücher. Er veröffentlichte zahlreiche technische
Aufsätze, hält verschiedene Patente und ist in verschie-
denen nationalen und internationalen Organisationen
wie VDE, CIGRE, IEC und IEEE aktiv.
Prof. Dr. Eberhard Lemke
DRESDEN
Deutschland
E-Mail: elemke.37@gmail.com

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer


Nature Switzerland AG 2023 541
W. Hauschild und E. Lemke, Hochspannungsprüf- und Messtechnik,
https://doi.org/10.1007/978-3-031-33600-3
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