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Ein starkes Stück Bautechnik ...

NachträglichesVerstärken
von Stahlbeton • für Nutzlasterhöhungen
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Laumer Bautechnik GmbH


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Handbuch für Bauingenieure
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
K. Zilch · C. J. Diederichs · R. Katzenbach (Hrsg.)

Handbuch für Bauingenieure


Technik, Organisation und Wirtschaftlichkeit -
Fachwissen in einer Hand

Springer
Univ.-Prof. Dr.-lng. Konrad Zilch
Lehrstuhl für Massivbau
Institut für Baustoffe und Konstruktion
Technische Universität München
Theresienstr. 90
80333 München

Univ.-Prof. Dr.-lng. C. J. Diederichs


Lehr- und Forschungsgebiet Bauwirtschaft
Bergische Universität GH Wuppertel
Pauluskirchstr. 7
42285 Wuppertal

Univ.-Prof. Dr.-lng. Rolf Katzenbach


Direktor des Instituts und
der Versuchsanstalt für Geotechnik
Technische Universität Darmstadt
Petersenstr. 13
64287 Darmstadt

ISBN 978-3-662-07714-6 ISBN 978-3-662-07713-9 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-07713-9

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme


Handbuch für Bauingenieure : Technik, Organisation und Wirtschaftlichkeit- Fachwissen in einer Hand I Konrad Zilch ... (Hrsg.).
- Berlin; Heidelberg; NewYork; Barcelona; Hongkong; London; Mailand; Paris; Singapur; Tokio: Springer,2001

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks,
des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfaltigung auf an-
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stimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung
zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsge-
setzes.

http://www.springer.de

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002


Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelbetg New York 2002.
Softcoverreprint of the bardeover 1st edition 2002

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besonde-
re Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder
aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es
empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fas-
sung hinzuzuziehen.

Einbandgestaltung: Struve & Partner


Satz und Bilder: medio Tecbnologies AG, Berlin
SP.IN 10574158 68/3020 Gedruckt auf säurefreiem Papier-54 3 2 1 0
Vorwort

Ingenieurtätigkeit ist einmal als Kunst bezeich-


net worden, einerseits die Menschen zu organi-
sieren und zu leiten, andererseits Naturkräfte
und Material nutzbar zu machen.

Dieses Zitat eines Aufsatzes von Probst, erschienen in Bauingenieur 1, Berlin 1920, ist auch heute noch
eine zutreffende Beschreibung der sehr komplexen Aufgaben der Bauingenieure. Der Versuch, diese
umfassend zu behandeln, folgt einer Tradition im Springer-Verlag, die durch das von Schleicher her-
ausgegebene Taschenbuch für Bauingenieure (zuletzt aufgelegt 1954) begründet wurde. Die Vollstän-
digkeit und Präzision dieses Werkes machten es für lange Zeit zum Standardwerk des Bauingenieur-
wesens, das eine Generation von Studenten begleitet hat.
Die Komplexität der Aufgabe, das notwendige Fachwissen in ein einbändiges Handbuch zu kom-
primieren, sowie der durch die Qualität des Vorgängers gesetzte Standard erschwerteil die Schaffung
eines Nachfolgers. Aufgrund der gegenwärtigenüberarbeitungder Normen und Richtlinien erscheint
jedoch eine zusammenfassende Darstellung der Grundlagen geboten, die der zu befürchtenden Ten-
denz einer kritiklosen Anwendung normativer Regelungen entgegensteht. Das Buch richtet sich in
erster Linie an den Studenten, ist jedoch auch für den erfahrenen Praktiker von Nutzen, der zur Neu-
orientierung gezwungen wird.
Das Aufgabengebiet des Bauingenieurs hat sich seit der letzten Ausgabe des Handbuchs erweitert.
Neben den klassischen Kerngebieten des Konstruktiven Ingenieurbaus ist heute auch die Beherr-
schung baurechtlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Grundlagen Voraussetzung für erfolg-
reiche Ingenieurtätigkeit, die zunehmend interdisziplinär erfolgen muß. Der Aufbau des Buches trägt
dem durch die Aufnahme der Kapitel Bauinformatik, Bauwirtschaft, Baubetrieb, Privates und Öffent-
liches Baurecht sowie Raumordnung und Städtebau Rechnung. Daneben liegt aber auch starkes Ge-
wicht auf den klassischen Fächern, die dem gewachsenen Stand des Wissens angepaßt wurden. Als
Autoren konnten führende Experten der jeweiligen Fachgebiete gewonnen werden, die durch ihre Er-
fahrungen in Wissenschaft und Praxis beide Bereiche angemessen vertreten.
Der Umfang des Vorgängers wurde im Wesentlichen beibehalten. Die Veröffentlichung als einbän-
diges Werk machte aber eine Beschränkung auf wesentliche Grundlagen erforderlich. Das vorliegen-
de Handbuch kann daher nicht den gesamten Stand des Wissens wiedergeben oder ein vollständiges
Arbeitsmittel sein. Es versteht sich vielmehr als Lehrbuch und Nachschlagewerk der Grundlagen, als
Leitfaden beim Studium der immer komplexeren Teilgebiete des Bauingenieurwesens anhand der er-
gänzenden Literaturhinweise. Auf eine Wiedergabe von Tabellen, Diagrammen und Bemessungs-
hilfsmitteln wurde weitgehend verzichtet. Hierfür steht bereits eine ausreichende Anzahl von Tafel-
werken zur Verfügung, die in der konkreten Anwendung zunehmend durch elektronische Hilfsmit-
tel ersetzt werden.
Die Herausgeber hoffen, daß mit der vorliegenden Neuauflage des Handbuchs für Bauingenieure
ein ähnlich langlebiges Werk entstanden ist, wie es der Schleicher war. Für ihre Mühen bei der Errei-
chung dieses Ziels und die oft schwierige Einhaltung der vorgegebenen Umfangsbeschränkung sei
den Autoren an dieser Stelle herzlich gedankt. Der mit der Entstehung eines so umfangreichen Wer-
kes verbundene Aufwand und die mehrfach notwendige, sehr zeitaufwendige Anpassung an die lau-
fende Diskussion zur Formulierung der Normen nach EUROCODE machten eine Verschiebung des
ursprünglich geplanten Veröffentlichungstermins nötig. Allen Beteiligten danken die Herausgeber

V
deshalb für ihr Verständnis und ihre Geduld. Auch dem Springer-Verlag und seinen Mitarbeitern sei
gedankt für die kompetente und geduldige Unterstützung und für den sehr leserfreundlichen Ver-
kaufspreis. Nicht zuletzt gebührt auch den Mitarbeitern Frau Dipl.-Ing. Stefanie Streck (BU Wupper-
tal), Frau Dipl.-Ing. SandraStrüber (TU Darmstadt) und Herrn Dipl.-Ing. Ralf Schneider (TU Mün-
chen) Dank für die tatkräftige Mithilfe bei der Herausgebertätigkeit

K.Zilch C.J. Diederichs R. Katzenbach

VI
Autoren

Adam, Gerhard, Obering., Lehrstuhl für Bau- Böttcher, Peter, Prof. Dr.-Ing., HTW Saarland,
stoffe und Werkstoffprüfung, Technische Uni- FB Bauingenieurwesen, Baubetrieb und
versität München, Baumbachstr. 7, 81245 Baumanagement, Goebenstr. 40, 66117 Saar-
München 3.1 brücken 2.5.3

Arslan, Ulvi, Univ.-Prof. Dr.-Ing.,Institut für Geo- Brandes, Christian, Dipl.-Ing., Lehrstuhl für
technik, FB Bauingenieurwesen und Geodä- Massivbau, Institut für Baustoffe und Kon-
sie, Technische Universität Darmstadt, Peter- struktion, Technische Universität München,
senstr.l3,64287 Darmstadt 4.1 80290 München 3.10

Bachmann, Hugo, Univ.-Prof. Dr. sc. techn., In- Büsing, Michael, Dipl.-Ing., Flughafen Hanno-
stitut für Baustatik und Konstruktion, Eid- ver-Langenhagen GmbH, Postfach 420280,
genössische Technische Hochschule (ETH) 30662 Hannover 7.5
Zürich, CH-8093 Zürich 3.2
Dicht!, Norbert, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institut für
Bandmann, Manfred, Prof. Dipl.-Ing., Tiefbau- Siedlungswasserwirtschaft, Technische Uni-
Berufsgenossenschaft, Landsberger Str. 309, versität Braunschweig, Pockelsstr. 2a, 38106
80687 München 2.5.4 Braunschweig 5.5

Bauer, Konrad,Bundesanstalt für Straßenwesen, Diederichs, Claus Jürgen, Univ.-Prof. Dr.-Ing.,


Postfach 100150, 51427 Bergisch-Gladbach Institut für Baumanagement (IQ-Bau), FB 11
6.5 - Bauingenieurwesen, Lehr- und Forschungs-
gebiet Bauwirtschaft, Bergische Universität
Beckedahl, Hartmut, Univ.-Prof. Dr.-Ing., FB 11 Wuppertal, Pauluskirchstr. 7, 42285 Wuppertal
- Straßenentwurf und Straßenbau, Bergische 2.1., 2.2., 2.3, 2.4
Universität GH Wuppertal, Pauluskirchstr. 7,
42285 Wuppertal 7.3.2 Eligehausen, Rolf, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institut
für Werkstoffe im Bauwesen, Universität Stutt-
Beckmann, Klaus J., Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institut gart, Pfaffenwaldring 4, 70550 Stuttgart 3.9
für Stadtbauwesen, RWTH Aachen, 52056
Aachen 7.1, 7.3.1 Fuchs, Werner, Dr.-Ing., Institut für Werkstoffe
im Bauwesen, Universität Stuttgart, Pfaffen-
Bock, Thomas, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl für waldring 4, 70550 Stuttgart 3.9
Baurealisierung und Bauinformatik, Techni-
sche Universität München, Arcisstr. 21,80333 Franke, Horst, Prof., Kanzlei Heiermann, Franke,
München 2.5.5 Knipp,Kettenhofweg 126,60325 Frankfurt 2.4

Bockreis, Anke, Dipl.-Ing., Institut WAR, FB Giere, Johannes, Dipl.-Ing., Institut und Versuchs-
Bauingenieurwesen und Geodäsie, Technische anstalt für Geotechnik, FB Bauingenieurwesen
Universität Darmstadt, Petersenstr. 13, 64287 und Geodäsie, Technische Universität Darm-
Darmstadt 5.6 stadt, Petersenstr. 13,64287 Darmstadt 4.4

Autoren VII
Grebe, Wilhelm, Prof. Dr.-Ing., Flughafen Han- Knöfel, Dietbert, Univ.-Prof. Dr. rer. nat. habil.,
nover-Langenhagen GmbH, Postfach 420280, Institut für Bau- und Werkstoffchemie, Uni-
30662 Hannover 7.5 versität GH Siegen, Paul-Bonatz-Str. 9-11,
57068 Siegen 1.4
Hager, Martin, Prof. Dr.-Ing., Merler Allee 99,
53125,Bonn 7.4 Köhl, Werner W., Univ.-Prof. Dr.-Ing., Universität
Karlsruhe (TH), Kaiserstr. 12,76128 Karlsru-
Hanswille, Gerhard, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Fach- he 6.1, 6.2
gebiet Stahlbau und Verbundkonstruktionen,
Bergische Universität GH Wuppertal, Paulus- Krautzberger, Michael, MDir Prof. Dr., Bundes-
kirchstr. 7, 42285 Wuppertal 3.5 ministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen, Invalidenstr. 44, 10115 Berlin
Helmus, Manfred, Univ.-Prof. Dr.-Ing., FB 11 - 6.3
Baubetrieb, Bergische Universität GH Wup-
pertal, Pauluskirchstr. 7, 42285 Wuppertal Krätzig, Wilfried B., em. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-
2.5.1, 2.5.2 Ing. E.h., Lehrstuhl für Statik und Dynamik,
Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstr.
Hoffmann, Friedrich H., Prof. Dipl.-Ing., Ingeni- 150,44780 Bochum 1.5
eurbüro-Baubetrieb, Knickeisdorf 42, 47877
Willich 2.6.4 Kreuzinger, Heinrich, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Fach-
gebiet Holzbau, Technische Universität Mün-
Hohnecker, Eberhard, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Insti- chen, 80290 München 3.7
tut für Straßen- und Eisenbahnwesen, Univer-
sität (TH) Karlsruhe, Kaiserstr.12, 76128 Kar- Maidl, Bernhard, Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.
lsruhe 7.2 h.c. mult, Lehrstuhl für Bauverfahrenstechnik,
Tunnelbau und Baubetrieb, Ruhr-Universität
Jager, Johannes, Univ.-Prof. Dr. rer. nat., Institut Bochum, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum
WAR, FB Bauingenieurwesen und Geodäsie, 4.6
Technische Universität Darmstadt, Petersen-
str. 13, 64287 Darmstadt 5.6 Maidl, Ulrich, Dr.-Ing., IMM Ingenieurbüro, Uni-
versitätsstr. 142, 44799 Bochum 4.5
Jessberger, Hans-Ludwig, em. Univ.-Prof. Dr.-
Ing., Lehrstuhl für Grundbau und Bodenme- Meißner, Udo F., Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil., In-
. chanik, Ruhr-Universität Bochum, Univer- stitut für Numerische Methoden und Infor-
sitätsstr. 150, 44780 Bochum 4.4 matik im Bauwesen, FB Bauingenieurwesen
und Geodäsie, Technische Universität Darm-
Kahmen, Heribert, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Ange- stadt, Petersenstr. 13,64287 Darmstadt 1.1
wandte Geodäsie und Ingenieurgeodäsie,
Technische Universität Wien, Gußhausstr. 25- Meng, Birgit, Dr. rer. nat., Verein Deutscher Ze-
29, 1040 Wien 1.2 mentwerke e.V., Forschungsinstitut der Ze-
mentindustrie, Tannenstr. 2,40476 Düsseldorf
Katzenbach, Rolf, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institut 3.1
und Versuchsanstalt für Geotechnik, FB
Bauingenieurwesen und Geodäsie, Technische Meskouris, Konstantin, Univ.-Prof. Dr.-Ing.,
Universität Darmstadt, Petersenstr. 13, 64287 Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik,
Darmstadt 3.10, 4.4, 4.5 RWTH Aachen, Mies-van-der-Rohe-Str. 1,
52074 Aachen 1.5
Kinzel, Julia, Dipl.-Ing., Institut und Versuchs-
anstalt für für Geotechnik, FB Bauingenieur- Moormann, Christian, Dipl.-Ing., Institut und
wesen und Geodäsie, Technische Universität Versuchsanstalt für Geotechnik, FB Bauinge-
Darmstadt, Petersenstr. 13, 64287 Darmstadt nieurwesen und Geodäsie, Technische Uni-
4.1 versität Darmstadt, Petersenstr. 13, 64287
Darmstadt 3.10

VIII Autoren
Petzschmann, Eberhard, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Fa- Schröder, Petra, Dipl.-Ing., Institut für Baufor-
kultät für Architektur, Bauingenieurwesen schung, RWTH Aachen, Schinkelstr. 3, 52062
und Stadtplanung, Lehrstuhl für Baubetrieb Aachen 3.1
und Bauwirtschaft, BTU Cottbus, Univer-
sitätsplatz 3/4, 03044 Cottbus 2.6.1-2.6.3, Schubert, Peter, Dr.-Ing., Institut für Baufor-
2.6.5, 2.6.6 schung, RWTH Aachen, Schinkelstr. 3, 52062
Aachen 3.6
Rackwitz, Rüdiger, apl. Prof. Dr.-Ing. habil., In-
stitut für Baustoffe und Konstruktion, Techni- Schultz, Gert A., Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl
sche Universität München, 80290 München für Hydrologie, Wasserwirtschaft und Um-
1.6 welttechnik, Fakultät für Bauingenieurwesen,
Ruhr-Universität Bochum, Universtitätsstr.
Rank, Ernst, Univ.-Prof. Dr. rer. nat., Lehrstuhl 150, 44780 Bochum 5.2
für Bauinformatik, Technische Universität
München, 80290 München 1.1 Schumann, Andreas, PD Prof. Dr. rer. nat. habil.,
Lehrstuhl für Hydrologie, Wasserwirtschaft
Rodatz, Walter, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institut für und Umwelttechnik, Fakultät für Bauinge-
Grundbau und Bodenmechanik, Technische nieurwesen, Ruhr-Universität Bochum, Uni-
Universität Braunschweig, Gaußstr. 2, 38106 verstitätsstr. 150, 44780 Bochum 5.2
Braunschweig 4.3
Schwamborn, Bernd, Dr.-Ing., Institut für Bau-
Rößler, Günther, Dipl.-Ing., Institut für Baufor- forschung, RWTH Aachen, Schinkelstr. 3,
schung, RWTH Aachen, Schinkelstr. 3, 52062 52062 Aachen 3.1
Aachen 3.1
Sedlacek, Gerhard, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehr-
Savidis, Stavros, Univ.-Prof. Dr.-Ing., FG Grund- stuhl für Stahlbau, RWTH Aachen, Mies-van-
bau und Bodenmechanik, Technische Univer- der-Rohe-Str. 1, 52074 Aachen 3.4
sität Berlin,Gustav-Meyer-Allee 25,13355 Ber-
lin 4.2 Setzer, Max J., Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. ha-
bil., Institut für Bauphysik und Materialwis-
Schießl, Peter, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl für senschaft, Universität GH Essen, Universitäts-
Baustoffe und Werkstoffprüfung, Technische str. 15,45141 Essen 1.3
Universität München, Baumbachstr. 7, 81245
München 3.1 Sonnenburg, Alexander, Dipl.-Ing., Institut
WAR, FB Bauingenieurwesen und Geodäsie,
Schlotterbeck, Karlheinz, Prof., Rue Etzelwald, Technische Universität Darmstadt, Petersen-
67470 Wintzenbach (Bas Rhin), Frankreich str. 13, 64287 Darmstadt 5.4
6.4
Stein, Dietrich, Univ.-Prof. Dr.-Ing., AG Lei-
Schneider, Jens, Dr., Institut für Statik, FB Bauin- tungsban und Leitungsinstandhaltung, Fakul-
genieurwesen und Geodäsie, Technische Uni- tät für Bauingenieurwesen, Ruhr-Universität
versität Darmstadt, Petersenstr. 13, 64287 Bochum, Universitätsstr. 150,44780 Bochum
Darmstadt 3.8 2.6.7, 7.6

Schneider,Ralf, Dipl.-Ing.,Lehrstuhl für Massiv- Straube, Edeltraut, Univ.-Prof. Dr.-Ing., FB 10-


bau, Institut für Baustoffe und Konstruktion, Straßenbau, Universität GH Essen, Univer-
Technische Universität München, 80290 Mün- sitätsstr. 15, 45141 Essen 7.3.2
chen 3.3
Steinberg, Iris, Dipl.-Ing., Institut WAR, FB
Scholbeck, Rudolf, Univ.-Prof. Dipl.-Ing., Tief- Bauingenieurwesen und Geodäsie, Technische
bau-Berufsgenossenschaft, Landsherger Str. Universität Darmstadt, Petersenstr. 13,64287
309, 80687 München 2.5.4 Darmstadt 5.6

Autoren IX
Strobl, Theodor, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl versität München, Baumbachstr. 7, 81245
für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Techni- München 3.1
sche Universität München, Arcisstr. 21, 80333
München 5.3 Wiegrink, Karl-Heinz, Dipl.-Ing., Lehrstuhl für
Baustoffe und Werkstoffprüfung, Technische
Strüber, Sandra, Dipl.-Ing., Institut und Ver- Universität München, Baumbachstr. 7, 81245
suchsanstalt für Geotechnik, FB Bauinge- München 3.1
nieurwesen und Geodäsie, Technische Uni-
versität Darmstadt, Petersenstr. 13, 64287 Winnefeld, Frank, Dr. rer. nat., EMPA Eidg. Ma-
Darmstadt 4.4 terialprüfungs- und Forschungsanstalt, Abt.
135: Beton/Bauchemie, Überlandstr. 129, CH-
Urban, Wilhelm, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. rer. 8600 Dübendorf 1.4
nat., Institut WAR, FB Bauingenieurwesen und
Geodäsie, Technische Universität Darmstadt, Wörner, Johann-Dietrich, Prof. Dr.-Ing., Institut
Petersenstr. 13,64287 Darmstadt 5.4 für Statik, FB Bauingenieurwesen und Geodä-
sie, Technische Universität Darmstadt, Peter-
Valentin, Pranz, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl senstr. 13, 64287 Darmstadt 3.8
und Prüfamt für Hydraulik und Gewässer-
kunde, Technische Universität München, Ar- Zilch, Konrad, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl für
cisstr. 21,80333 München 5.1 Massivbau, Institut für Baustoffe und Kon-
struktion, Technische Universität München,
Vrettos, Christos, Privatdozent Dr.-Ing., GuD 80290 München 1.6, 3.3, 3.10
Geotechnik und Dynamik Consult GmbH,Du-
denstr. 78, 10965 Berlin 4.2 Zunic, Pranz, Dr.-Ing. Lehrstuhl für Wasserbau
und Wasserwirtschaft, Technische Universität
Wallner, Bernd, Dipl.-Ing., Lehrstuhl für Bau- München,Arcisstr. 21,80333 München 5.3
stoffe und Werkstoffprüfung, Technische Uni-

X Autoren
Inhalt

1 Allgemeine Grundlagen 00 00 00 0 00 00 00••••••• ••••••• ••• ••• ••• • •••• • ••• 1-3

1.1 Bauinformatik • 00• 0• .•. • . 0..• • 0•• 0• . 0• 0•••• 0• •• 0000000000000• 00000• 00000 1-3
1.1.1 Einleitung 00000000000000000000• 00000000000000000• 00000000000000000000000 1-3
1.1.2 Der vernetzte Rechnerarbeitsplatz des Ingenieurs 0000000000000000• 0000000000. 1-4
1.1.201 Multifunktionale Arbeitsumgebung ooo0oo0o0• 0oo0• 00o00• 00oo• 0000000• 00o0• 0 1-4
1.1.2o2 Rechneraufbau und Betriebssystem 00o0000• 0• 00• 0• 0000•• 0000• 0• 00• 0000o00• 0 1-4
1.1.2.3 Speicherung und Verarbeitung von Informationen in Digitalrechnern •• 0000• 000 1-7
1.1.2.4 Internet 0000. 00. 00000•• 0ooo000o00. 00oo000. 0000. 00. 0. 0000. 00000. 0000. 0000 1-9
1.1.3 Mengen und Abbildungen als Grundlagen der Informatik 00000• 000000000000000 1-11
l.l.3o1 Mengen, Relationen und relationale Datenbanken o•• 00. 0000• 0000• 00o00• 00o00• 1-11
1.1.3o2 Transformationen 00000000o0000o000•. o000• 0000• 0000• 00. 0o00• 00000• 0000• 0• 1-13
1.1.3.3 Tabellenkalkulation 0000• 0o00o0000oo0ooooo0o0oooo00o0oo0• ooo000ooo0o0oooo0 1-14
1.1.3.4 Computeralgebra 00000000000000• 00000• 000000• 00000000000000000• • 0000• 0000 1-17
1.1.3.5 Elementare Algorithmen und Datenstrukturen • 00• 00• o0000• 0000• 0ooo00• o0o0o 1-20
1.1.4 Geometrische Modelle 0000000000000000. 00000000000000000. 000• 00000000• 0• 0 1-23
1.1.4o1 Geometrische Modelle in 2D 000ooooooooooooooooooooo0ooooo0ooooo0o00o0oo0o 1-23
1.1.4o2 Geometrische Modelle in 3D 00000000000000000000000000000• 0000000• 0000000• 1-24
1.1.403 Geometrische Transformation 0• 000o000ooo00ooo0ooo0o00ooo• 0• o000• • 0o0•• 0• 0 1-26
1.1.4.4 Projektionen 0000000000000000000000• 00o00000ooo0000oo0o0000oo000000o00000 1-27
1.1.5 CAD (Computer Aided Design). 0oo000000ooo. 000o0o0o00ooo00. 00o0•• 0. 0000. 0 1-28
1.1.5o1 Grundbegriffe 0000000000000000000• 000000000• o0o0000oo0oo0o0oo0• 000oo00. 0• 1-28
1.1.5o2 Graphisch-interaktive Systeme 00• 0000000• 0000000• 0• 00000000000000000000000 1-28
1.1.5.3 2D-Konstruktionssysteme 000000000000000000000000000. 00. 0oo0. 0ooooooo0ooo 1-29
1.1.5.4 3D-Modelliersysteme 0000•• 0000o00• 0• 00o0000oo0o0oo0oo0o00o0oo0• 000000000 1-33
1.1.6 Softwareentwicklung 00000• 0000•• 0• 0• 0000•• 0• 00• 000000000000000• 00• 0• 0•• 0• 1-34
1.1.601 Ziele des Softwareengineering o0o000o0o00. 00000000• 0o00o00ooo0o000o0000• 0• 0 1-34
1.1.6o2 Softwareentwicklung 00• 00• 00• 00• 0• 00000• 0•• 00000000000000000000• 000000000 1-34
1.1.603 Objektorientierte Analyse und Entwurf 0• 0000000• 00• 0oo0• o0ooo• o0oooo00• 0• 0• 1-35
1.1.6.4 Objektorientierte Programmierung 000000000000000000000000• 0000000• 0000000 1-37
1.1.7 Integration 00• 00. 0000000• 00• 00o0• 000000000• 0000000000000• 00• 0o00o0• 00000 1-38
1.1.701 Datenaustausch 000000000000000000000000• 0000000000000000000000000• 000000 1-38
1.1.702 Produktmodeliierung 000000• 0000• 00• 0• 0000000000000• 0• 00•• 0• 00ooo00000000 1-39
1.1.7.3 Verteilte Objektverwaltung 0000000000• 0000• 00. 0000000000000• 0• 00oooo0000000 1-40
1.1.8 Informationssysteme im Bauwesen • oooo•• 0•• 0••••••• oooooo•• o• oo•• o• 0• 0ooo. 1-43
1.1.801 Definition und Grundlage Geographischer Informationssysteme (GIS) o00000000 1-44

Inhalt XI
1.1.8.2 Einsatzbereiche und Systemarchitektur Geographischer
Informationssysteme (GIS) im Bauwesen . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . 1-44
1.1.8.3 Strukturen und Modelle räumlicher Daten . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . .. . . . 1-45
1.1.8.4 Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-45
1.1.8.5 Kopplung von Sach- und Lageinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-46
1.1.8.6 Datenschnittstellen und Standardisierungen
in Geographischen Informationssystemen (GIS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-48
1.1.9 Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-48

1.2 Ingenieurgeodäsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-49


1.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-49
1.2.2 Bezugsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-49
1.2.3 Koordinatensysteme, Koordinatentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-50
1.2.3.1 Koordinatensysteme in ihrer hierarchischen Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-50
1.2.3.2 Koordinatentransformationen............................................. 1-52
1.2.4 Höhen und Höhensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-53
1.2.4.1 Grundlagen............................................................. 1-53
1.2.4.2 Höhenfestpunktfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-54
1.2.5 Richtungs-, Distanz- und Höhenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-55
1.2.5.1 Richtungsmessung mit dem Theodolit . . .. . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . 1-55
1.2.5.2 Distanzmessung mit Stahlmaßstäben, Meßbändern
und elektronischen Distanzmessern........................................ 1-56
1.2.5.3 Höhenmessung durch Nivellieren und trigonometrische Höhenübertragung . . . . 1-58
1.2.5.4 Gerätekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-61
1.2.6 2D-Positionsbestimmung mit Theodolit und Distanzmesser................... 1-61
1.2.6.1 Punktbestimmung durch Distanzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-62
1.2.6.2 Punktbestimmung durch Richtungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-63
1.2.6.3 Punktbestimmung durch kombinierte Richtungs- und Distanzmessung . . . . . . . . . 1-64
1.2.7 Optische 3D-Meßverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-65
1.2.7.1 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen mit Theodoliten . . . . . . . . . . . . . . . 1-65
1.2.7.2 Punktbestimmung durch Richtungsmessungen
mit photogrammetrischen Verfahren . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . 1-66
1.2.7.3 Punktbestimmung mit polaren Vermessungssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-67
1.2.8 3D-Positionsbestimmung mit Satellitenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-68
1.2.9 Grundprinzip der Ausgleichungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-71
1.2.10 Absteckung von Bauwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-71
1.2.11 Deformationsmessungen an Bauwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-74
1.2.12 Navigation von Fahrzeugen und Baumaschinen.............................. 1-75

1.3 ~auphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-75


1.3.1 Wärme................................................................. 1-75
1.3.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-76
1.3.1.2 Baupraktische Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-79
1.3.2 Feuchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-84
1.3.3 Schall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-87
1.3.3.1 Grundlagen............................................................. 1-87
1.3.3.2 Pegelminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-89
1.3.3.3 Schalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-90

1.4 Bauchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-92


1.4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-92
1.4.2 Chemie der anorganischen Bindemittel . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. 1-93
1.4.2.1 Portlandzement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-93
1.4.2.2 Zemente mit Zumahlstoffen............................................... 1-100

XII Inhalt
1.4.2.3 Sonderzemente ......................................................... . 1-101
1.4.2.4 Baukalke .............................................................. . 1-102
1.4.2.5 Baugipse .............................................................. . 1-103
1.4.2.6 Sonstige Bindemittel .................................................... . 1-105
1.4.2.7 Zusatzmittel ...............................•............................ 1-106
1.4.3 Einwirkungen auf die Baustoffe ........................................... . 1-107
1.4.3.1 Korrosion von Mörtel und Beton ......................................... . 1-107
1.4.3.2 Korrosionsschutz von Beton und Instandsetzung ........................... . 1-113
1.4.4 Auswirkungen aus den Baustoffen ........................................ . 1-113

1.5 Theorie der Tragwerke .................................................. . 1-113


1.5.1 Festigkeitslehre ......................................................... . 1-113
1.5.1.1 Spannungen ........................................................... . 1-113
1.5.1.2 Verzerrungen .......................................................... . 1-116
1.5.1.3 Elastisches Stoffgesetz ................................................... . 1-117
1.5.1.4 Festigkeitshypothesen ................................................... . 1-118
1.5.2 Statik der Stabtragwerke ................................................. . 1-119
1.5.2.1 Grundlagen ............................................................ . 1-119
1.5.2.2 Statisch bestimmte Tragwerke ............................................ . 1-134
1.5.2.3 Formänderungsarbeit und Tragwerksdeformationen ........................ . 1-147
1.5.2.4 Statisch unbestimmte Tragwerke ......................................... . 1-159
1.5.3 Die Methode der Finiten Elemente ........................................ . 1-170
1.5.3.1 Die klassischen Tragwerksmodelle ........................................ . 1-170
1.5.3.2 Diskrete Tragwerksmodelle .............................................. . 1-176
1.5.3.3 Einführung in finite Weggrößenelemente .................................. . 1-183
1.5.3.4 Tragwerksanalysetechniken .............................................. . 1-196
1.5.4 Dynamik der Tragwerke ................................................. . 1-207
1.5.4.1 Der Einmassenschwinger ................................................ . 1-207
1.5.4.2 Diskrete Mehrmassenschwinger, Modale Analyse und Direkte Integration ...... . 1-212

1.6 Zuverlässigkeit von Tragwerken .......................................... . 1-217


1.6.1 Das Sicherheitsproblem im konstruktiven Ingenieurbau ..................... . 1-217
1.6.2 Grundlagen der stochastischen Modeliierung von Unsicherheiten ............. . 1-220
1.6.3 Zeitinvariante Zuverlässigkeitsaufgaben ................................... . 1-225
1.6.3.1 Zuverlässigkeitstheorie 1. und 2. Ordnung ................................. . 1-225
1.6.3.2 Verteilungstransformationen ............................................. . 1-226
1.6.3.3 Sensitivitäten .......................................................... . 1-227
1.6.3.4 Beispiel ............................................................... . 1-227
1.6.3.5 Monte-Carlo-Verfahren zur Zuverlässigkeitsberechnung ..................... . 1-228
1.6.4 Zuverlässigkeit von Systemen ............................................ . 1-230
1.6.4.1 Logische Analyse von Systemen ........................................... . 1-230
1.6.4.2 Wahrscheinlichkeitsschranken für Systeme ................................ . 1-230
1.6.4.3 Berechnung der Wahrscheinlichkeiten von Vereinigungs-
und Schnittmengen ..................................................... . 1-232
1.6.4.4 Anwendung auf Tragsysteme ............................................. . 1-232
1.6.5 Berechnung von bedingten Wahrscheinlichkeiten ........................... . 1-236
1.6.5.1 Allgemeines ........................................................... . 1-236
1.6.5.2 Versagenswahrscheinlichkeit bei existierenden Bauwerken ................... . 1-236
1.6.5.3 Zuverlässigkeit und Qualitätskontrolle .................................... . 1-237
1.6.6 Zeitvariante Zuverlässigkeit .............................................. . 1-238
1.6.6.1 Schranken für die Versagenswahrscheinlichkeit ............................. . 1-238
1.6.6.2 Ein wichtiges asymptotisches Ergebnis .................................... . 1-238
1.6.6.3 Austrittsraten bei vektoriellen Rechteckwellenprozessen ..................... . 1-240
1.6.6.4 Austrittsraten bei differenzierbaren Prozessen .............................. . 1-240

Inhalt XIII
1.6.6.5 Kumulative Versagenserscheinungen ...................................... . 1-242
1.6.6.6 Monte-Carlo-Verfahren in der zeitvarianten Zuverlässigkeit ... ·............... . 1-243
1.6.7 Optimierung als Ziel eines Tragwerkentwurfs im Hinblick auf Zuverlässigkeit .. . 1-244
1.6.7.1 Allgemeine Zielfunktion ................................................. . 1-244
1.6.7.2 Versagen bei Errichtung oder Inbetriebnahme durch zeitinvariante Lasten ..... . 1-245
1.6.7.3 Versagen durch extreme Belastungen ...................................... . 1-245
1.6.7.4 Kosten-Nutzen-Ansatz aus Sicht der Beteiligten ............................. . 1-246
1.6.8 Anwendung in der Normung ............................................. . 1-248
1.6.8.1 Teilsicherheitsfaktoren .................................................. . 1-248
1.6.8.2 Vorgesehene Lebensdauern und Zielzuverlässigkeit ......................... . 1-252
1.6.8.3 Größe der Teilsicherheitsfaktoren in Euronormen ........................... . 1-252

2 Bauwirtschaft und Baubetrieb ...................................... . 2-3


2.1 Bauwirtschaftslehre .................................................... . 2-3
2.1.1 Volkswirtschaftliche Grundlagen für die Bauwirtschaft ...................... . 2-3
2.1.1.1 Markt ................................................................. . 2-4
2.1.1.2 Nachfrage ............................................................. . 2-4
2.1.1.3 Angebot ............................................................... . 2-5
2.1.1.4 Preiselastizitäten ....................................................... . 2-7
2.1.1.5 Marktformenschema und Preisbildung .................................... . 2-8
2.1.1.6 Marktwirtschaft und Planwirtschaft ....................................... . 2-10
2.1.1.7 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) .................... . 2-12
2.1.1.8 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ..................................... . 2-14
2.1.1.9 Wirtschaftspolitik ...................................................... . 2-18
2.1.2 Betriebswirtschaftliche Grundlagen für die Bauwirtschaft .................... . 2-29
2.1.2.1 Ausgewählte Begriffe der Betriebswirtschaftslehre .......................... . 2-31
2.1.2.2 Koordinatensystem der Bauwirtschaftslehre ................................ . 2-32
2.1.2.3 Bauwirtschaftliche Produktionsfaktoren ................................... . 2-33
2.1.2.4 Rechtsformen von Unternehmen ......................................... . 2-38
2.1.3 Arbeits- und Tarifrecht in der Bauwirtschaft ............................... . 2-44
2.1.4 Unternehmensrechnung ................................................. . 2-45
2.1.4.1 Aufbau des betrieblichen Rechnungswesens ................................ . 2-45
2.1.4.2 Anhang und Lagebericht ................................................ . 2-55
2.1.4.3 Jahresabschluß ......................................................... . 2-55
2.1.4.4 Bilanzansatz- und Bewertungsvorschriften ................................. . 2-56
2.1.4.5 Bewertung der Bauaufträge mit den Zahlen der Kosten-, Leistungs-
und Ergebnisrechnung (KLER) eines Jahres ................................ . 2-56
2.1.4.6 Bilanzanalyse und Bilanzvergleich ........................................ . 2-57
2.1.5 Baubetriebsrechnung ............ .' ...................................... . 2-57
2.1.5.1 Bauauftragsrechnung (Kalkulation) ....................................... . 2-58
2.1.5.2 Elemente und Ablauf der Kalkulation ..................................... . 2-61
2.1.5.3 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung (KLER) .......................... . 2-75
2.1.5.4 Abgrenzungsrechnung als Bindeglied zwischen
Unternehmensrechnung und KLER ....................................... . 2-77
2.1.5.5 SolVIst-Vergleichsrechnung .............................................. . 2-79
2.1.5.6 Kennzahlenrechnung ................................................... . 2-80
2.1.6 Nachtragsprophylaxe und Claim-Management ............................. . 2-81
2.1.6.1 Nachtragsprophylaxe und Nachtragsprüfung des Auftraggebers (AG) .......... . 2-82
2.1.6.2 Nachtragsvorbereitung und Nachtragsdurchsetzung
durch den Auftragnehmer (AN) .......................................... . 2-83
2.1.6.3 Vergütungsänderungen aus Leistungsänderungen
und Zusatzleistungen gemäß § 2 Nr. 3ffVOB/B ............................. . 2-84
2.1.6.4 Schadensersatzanspruch aus Behinderung(§ 6 Nr. 6 VOB/B) ................. . 2-84

XIV Inhalt
2.1.7 Wirtschaftlichkeitsberechnungen (WB) und Nutzen-Kosten-
Untersuchungen (NKU) ................................................. . 2-85
2.1.7.1 Wirtschaftlichkeitsberechnungen (WB) .................................... . 2-87
2.1.7.2 Nutzen-Kosten-Untersuchungen (NKU) ................................... . 2-93
2.1.8 Finanzierung und Liquiditätssicherung .................................... . 2-94
2.1.8.1 Finanzierungsziele ...................................................... . 2-94
2.1.8.2 Einflußfaktoren auf die Finanzierungs- und Liquiditätssituation .............. . 2-96
2.1.8.3 Innenfinanzierung ...................................................... . 2-97
2.1.8.4 Außenfinanzierung ..................................................... . 2-98
2.1.8.5 Leasing ................................................................ . 2-100
2.1.8.6 Factoring .............................................................. . 2-100
2.1.8.7 Liquiditätsplanung und -sicherung ........................................ . 2-100
2.1.8.8 Investitions- und Finanzierungsplanung ................................... . 2-100
2.1.8.9 Ausblick ............................................................... . 2-102

2.2 Unternehmensführung .................................................. . 2-103


2.2.1 Unternehmensziele und -philosophien .................................... . 2-103
2.2.1.1 Unternehmensziele, Visionen, Leitbilder ................................... . 2-104
2.2.1.2 Unternehmensphilosophien und -konzeptionen zur Verfolgung
der Unternehmensziele .................................................. . 2-106
2.2.1.3 Messung der Unternehmensziele-Erfüllung und Bewertung
der Zielerreichung ...................................................... . 2-108
2.2.1.4 Zusammenfassung ...................................................... . 2-108
2.2.2 Grundlagen der strategischen Unternehmensführung ....................... . 2-109
2.2.2.1 Strategische Planung .................................................... . 2-109
2.2.2.2 Einstufung der strategischen Geschäftsfelder in der Portfoliomatrix ........... . 2-111
2.2.2.3 Strategische Maßnahmen ................................................ . 2-114
2.2.2.4 Zusammenfassung ............................... ·....................... . 2-117
2.2.3 Personalmanagement und Organisationsentwicklung ....................... . 2-118
2.2.3.1 Personalmanagement ................................................... . 2-120
2.2.3.2 Organisationsentwicklung ................................................ . 2-126
2.2.3.3 Zusammenfassung ...................................................... . 2-130
2.2.4 Managementsysteme für Qualität, Arbeitssicherheit und Umweltschutz ........ . 2-130
2.2.4.1 Ziele integrierter Managementsysteme .................................... . 2-131
2.2.4.2 Regelwerke ............................................................ . 2-131
2.2.4.3 Gemeinsamkeiten und Integrationsansätze ................................. . 2-132
2.2.4.4 Einführung prozeßorientierter Managementsysteme ........................ . 2-134
2.2.4.5 Ökonomie von Managementsystemen ..................................... . 2-136
2.2.4.6 Zusammenfassung ...................................................... . 2-136
2.2.5 Controlling ............................................................ . 2-137
2.2.5.1 Merkmale von Controllingsystemen und -konzepten ........................ . 2-137
2.2.5.2 Controlling in der Bauwirtschaft .......................................... . 2-138
2.2.5.3 Baustellencontrolling ................................................... . 2-138
2.2.5.4 Unternehmenscontrolling ............................................... . 2-138
2.2.5.5 Zusammenfassung ...................................................... . 2-140
2.2.6 Risikomanagement ..................................................... . 2-141
2.2.6.1 Wissenschaftliche Ansätze ............................................... . 2-142
2.2.6.2 Einführung eines Risikomanagementsystems (RMS) ........................ . 2-142
2.2.6.3 Zusammenfassung .................................................•..... 2-144
2.2.7 Unternehmensbewertung ................................................ . 2-144
2.2.7.1 Anlässe für die Unternehmensbewertung .................................. . 2-145
2.2.7.2 Wertbegriffe der Unternehmensbewertung ................................. . 2-145
2.2.7.3 Methoden der Unternehmensbewertung ................................... . 2-147
2.2.7.4 Zusammenfassung ...................................................... . 2-149

Inhalt XV
2.3 Immobilien- und Infrastrukturmanagement ............................... . 2-150
2.3.1 Projektentwicklung ..................................................... . 2-152
2.3.2 Projektmanagement .................................................... . 2-152
2.3.3 Facility-Management ................................................... . 2-152
2.3.4 Immobilienbewertung .................................................. . 2-153

2.4 Privates Baurecht ....................................................... . 2-153


2.4.1 Das BGB und verwandte Rechtsgebiete als Grundlagen
für Privatrechtsverhältnisse im Bauwesen .................................. . 2-154
2.4.1.1 Struktur des BGB ....................................................... . 2-154
2.4.1.2 Sachenrecht ............................................................. . 2-155
2.4.1.3 Das AGBG als "Sittenwächter" ............................................ . 2-156
2.4.1.4 AGBG und VOB/B ...................................................... . 2-156
2.4.1.5 Das HGB als Sonderrecht der Kaufleute .................................... . 2-157
2.4.2 Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber in der Bauwirtschaft ............... . 2-158
2.4.2.1 Gegenstand und Struktur des Vergaberechts ................................ . 2-158
2.4.2.2 Rechtsschutz ........................................................... . 2-159
2.4.2.3 Grundprinzipien des Vergaberechts ....................................... . 2-160
2.4.2.4 "Öffentliche" Auftraggeber ............................................... . 2-160
2.4.2.5 Auftragsarten und Schwellenwerte ........................................ . 2-160
2.4.2.6 Verfahrensarten ........................................................ . 2-162
2.4.2.7 Vergabegrundsätze und -verfahren ........................................ . 2-163
2.4.3 Verdingungsordung für Bauleistungen (VOB) .............................. . 2-164
2.4.3.1 VOB Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe
von Bauleistungen ...................................................... . 2-164
2.4.3.2 VOB Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung
von Bauleistungen ...................................................... . 2-175
2.4.3.3 VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen
für Bauleistungen ...................................................... . 2-191
2.4.4 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) .................... . 2-193
2.4.4.1 Auswahl der Teilnehmer für das Verhandlungsverfahren ..................... . 2-196
2.4.4.2 Entscheidung im Verhandlungsverfahren .................................. . 2-198
2.4.4.3 Weitere Verfahrensfragen ................................................ . 2-199
2.4.5 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) .................... . 2-199
2.4.5.1 Rechtsgrundlage der HOAI .............................................. . 2-199
2.4.5.2 Rechtsnatur und Anwendungsbereich der HOAI ............................ . 2-199
2.4.5.3 Preisrechtlich geregelte Planungsleistungen ................................ . 2-201
2.4.5.4 Honorarrelevante allgemeine Vorschriften der HOAI ........................ . 2-202
2.4.5.5 Honorarrelevante planungsspezifische Vorschriften der HOAI ................ . 2-204
2.4.5.6 Strukturnovelle der HOAI ............................................... . 2-205
2.4.6 Vertrags- und Unternehmereinsatzformen ................................. . 2-207

2.5 Baubetrieb ............................................................ . 2-209


2.5.1 Baustellenorganisation, Baustellenmanagement ............................. . 2-209
2.5.1.1 Allgemeines ........................................................... . 2-209
2.5.1.2 Aufbauorganisation der Baustelle ......................................... . 2-209
2.5.1.3 Berichtswesen .......................................................... . 2-211
2.5.1.4 Lohndifferenzierung ..................................................... . 2-212
2.5.1.5 Mitarbeiterführung ..................................................... . 2-212
2.5.2 Bauarbeitsvorbereitung ................................................. . 2-212
2.5.2.1 Definition und Bedeutung der Arbeitsvorbereitung ......................... . 2-212
2.5.2.2 Aufgaben der Bauarbeitsvorbereitung ..................................... . 2-213
2.5.2.3 Stellung der Bauarbeitsvorbereitung im Bauunternehmen .................... . 2-213
2.5.2.4 Fertigungsplanung ...................................................... . 2-214

XVI Inhalt
2.5.2.5 Fertigungssteuerung .................................................... . 2-217
2.5.3 Baustelleneinrichtung ................................................... . 2-217
2.5.3.1 Planung der Baustelle ................................................... . 2-218
2.5.3.2 Erstellen eines Arbeitsverzeichnisses ...................................... . 2-218
2.5.3.3 Betrieb der Baustelle .................................................... . 2-222
2.5.4 Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitsschutz) ............. . 2-224
2.5.4.1 Einführung ............................................................ . 2-224
2.5.4.2 Staatliche Arbeitsschutzbehörden und Berufsgenossenschaften ............... . 2-225
2.5.4.3 Planung und Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb
und auf Baustellen . ~ .................................................... . 2-226
2.5.4.4 Zusammenfassung ....................................................... . 2-228
2.5.5 Automatisierung und Robotik im Bauunternehmen ......................... . 2-229
2.5.5.1 Einführung ............................................................ . 2-229
2.5.5.2 Automatisierung der Baustoffproduktion .................................. . 2-229
2.5.5.3 Automatisierung und Robotik in der Betonfertigteilindustrie ................. . 2-229
2.5.5.4 Automatisierung und Robotik in der Mauerwerkfertigung ................... . 2-230
2.5.5.5 Automatisierung und Robotik in der Holzteilefertigung ..................... . 2-233
2.5.5.6 Automatisierung und Robotik in der Raumzellenfertigung
in Stahlbauweise ........................................................ . 2-233
2.5.5.7 Automatisierung und Robotik in der Gebäudefertigung vor Ort ............... . 2-234
2.5.5.8 Integrierte Automatisierung und Robotik in
der Gebäudefertigung vor Ort ............................................ . 2-234
2.5.5.9 Voraussetzungen für die Einführung von Baurobotern ....................... . 2-236

2.6 Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz ........................... . 2-236


2.6.1 Bauverfahren und Maschineneinsatz im Erdbau ............................ . 2-236
2.6.1.1 Allgemeine Grundlagen des Erdbaus ...................................... . 2-236
2.6.1.2 Lösen und Laden von Bodenmaterial ...................................... . 2-239
2.6.1.3 Fördern von Bodenmaterial .............................................. . 2-244
2.6.2 Bauverfahren und Maschineneinsatz für Baugrubenumschließungen .......... . 2-249
2.6.2.1 Wahl der Verbauart ..................................................... . 2-249
2.6.2.2 Verfahren der Baugrubensicherung ....................................... . 2-249
2.6.2.3 Rückverankerung und Aussteifungen von Baugrubenwänden ................. . 2-257
2.6.3 Auswahl und Einsatz von Hebezeugen ..................................... . 2-259
2.6.3.1 Bauarten von Hebezeugen ............................................... . 2-259
2.6.3.2 Bestimmen der erforderlichen Krankapazität ............................... . 2-264
2.6.4 Betonschalungen und Gerüste im Hochbau ................................ . 2-266
2.6.4.1 Einleitung ............................................................. . 2-266
2.6.4.2 Schalungsnormen, Bezugsnormen, Richtlinien ............................. . 2-266
2.6.4.3 Schalungssysteme und -methoden ........................................ . 2-267
2.6.4.4 Kostengliederung der Rohbaukosten ...................................... . 2-268
2.6.4.5 Gliederung der Lohnleistung ............................................. . 2-268
2.6.4.6 Geräte, Materialien, Stoffe ................................................ . 2-269
2.6.4.7 Zusammenfassung und Ausblick .......................................... . 2-269
2.6.5 Bauverfahren und Maschineneinsatz im Beton- und Stahlbetonbau ............ . 2-270
2.6.5.1 Vorbereitende Arbeiten im Beton- und Stahlbetonbau ....................... . 2-270
2.6.5.2 Bewehrungsarbeiten im Betonbau ........................................ . 2-273
2.6.5.3 Betonarbeiten .......................................................... . 2-281
2.6.5.4 Baubetriebliche Leistungswerte und Kennzahlen im Beton- und Stahlbetonbau .. 2-293
2.6.6 Bauverfahren und Maschineneinsatz im Fertigteilbau ....................... . 2-300
2.6.6.1 Vorbereitende Arbeiten im Fertigteilbau ................................... . 2-300
2.6.6.2 Herstellung von Fertigteilen .............................................. . 2-301
2.6.6.3 Transport von Fertigteilen ............................................... . 2-305
2.6.6.4 Montage von Fertigteilen ................................................ . 2-309

Inhalt XVII
2.6.7 Leitungsbau ............................................................ . 2-313
2.6.7.1 Allgemeines ........................................................... . 2-313
2.6.7.2 Offene Bauweise ........................................................ . 2-313
2.6.7.3 Geschlossene Bauweise .................................................. . 2-314
2.6.7.4 Halboffene Bauweise .................................................... . 2-317

3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau ............................. . 3-3


3.1 Baustoffe .............................................................. . 3-3
3.1.1 Holz und Holzwerkstoffe für tragende Bauteile ............................. . 3-3
3.1.1.1 Holzstruktur ........................................................... . 3-3
3.1.1.2 Holzarten ................................................. ·............ . 3-5
3.1.1.3 Holzqualitäten ......................................................... . 3-6
3.1.1.4 Holzeigenschaften ...................................................... . 3-6
3.1.1.5 Holzwerkstoffe ......................................................... . 3-12
3.1.1.6 Holzschädlinge, Holzschutz .............................................. . 3-14
3.1.1.7 Regelwerke für Holz, Holzwerkstoffe und Holzkonstruktionen ................ . 3-16
3.1.2 Bindemittel ............................................................ . 3-16
3.1.2.1 Allgemeines ........................................................... . 3-16
3.1.2.2 Gipse ................................................................. . 3-17
3.1.2.3 Kalke ................................................................. . 3-18
3.1.2.4 Zemente ............................................................... . 3-19
3.1.2.5 Latent-hydraulische Stoffe und Puzzolane .................................. . 3-21
3.1.3 Beton ................................................................. . 3-22
3.1.3.1 Allgemeines ........................................................... . 3-22
3.1.3.2 Zusammensetzung und Klassifizierung .................................... . 3-23
3.1.3.3 Betonausgangsstoffe .................................................... . 3-23
3.1.3.4 Betonzusammensetzung ................................................. . 3-27
3.1.3.5 Betonherstellung ....................................................... . 3-27
3.1.3.6 Frischbetoneigenschaften ................................................ . 3-29
3.1.3.7 Festbetoneigenschaften .................................................. . 3-30
3.1.3.8 Recycling .............................................................. . 3-39
3.1.3.9 Sonderbetone .......................................................... . 3-40
3.1.4 Stahl •.................................................................. 3-42
3.1.4.1 Allgemeines _. .......................................................... . 3-42
3.1.4.2 Erschmelzen und Vergießen des Stahls .................................... . 3-42
3.1.4.3 Gefüge, Härten, Anlassen, Glühen ......................................... . 3-43
3.1.4.4 Mechanische Eigenschaften .............................................. . 3-45
3.1.4.5 Schweißen ............................................................. . 3-49
3.1.4.6 Genormte Baustähle .................................................... . 3-50
3.1.4.7 Korrosionsbeständige Stähle ............................................. . 3-51
3.1.4.8 Betonstähle ............................................................ . 3-52
3.1.4.9 Korrosion und Korrosionsschutz ......................................... . 3-52
3.1.5 Nichteisenmetalle ...................................................... . 3-53
3.1.5.1 Blei ................................................................... . 3-53
3.1.5.2 Kupfer ................................................................ . 3-53
3.1.5.3 Nickel ................................................................. . 3-53
3.1.5.4 Zinn .................................................................. . 3-53
3.1.5.5 Zink .................................................................. . 3-54
3.1.5.6 Aluminium ............................................................ . 3-54
3.1.6 Bauglas ............................................................... . 3-55
3.1.6.1 Zusammensetzung, Beständigkeit, Eigenschaften ........................... . 3-55
3.1.6.2 Glasarten .............................................................. . 3-55
3.1.6.3 Bauen mit Glas ......................................................... . 3-55

XVIII Inhalt
3.1.6.4 Schaumglas ............................................................ . 3-56
3.1.6.5 Glasfasern ............................................................. . 3-56
3.1.7 Bitumen, Asphalt ....................................................... . 3-56
3.1.8 Kunststoffe ............................................................ . 3-57
3.1.8.1 Allgemeines, Bildungsreaktionen, Klassierung .............................. . 3-57
3.1.8.2 Kunststoffe als Konstruktionswerkstoffe ................................... . 3-58
3.1.8.3 Kunststoffe für Schutz und Instandsetzung von Baustoffen und Bauteilen ...... . 3-58

3.2 Hochbaukonstruktionen ................................................ . 3-60


3.2.1 Problemstellung für den Bauingenieur ..................................... . 3-60
3.2.2 Zur Bauphysik ......................................................... . 3-61
3.2.2.1 Wärmeschutz .......................................................... . 3-61
3.2.2.2 Feuchtigkeitsschutz ..................................................... . 3-63
3.2.2.3 Schallschutz ........................................................... . 3-64
3.2.3 Gebäudehülle und Ausbau ............................................... . 3-66
3.2.3.1 Außenwände ........................................................... . 3-66
3.2.3.2 Innenwände ........................................................... . 3-72
3.2.3.3 Dächer .................................•............................... 3-76
3.2.3.4 Fenster ................................................................ . 3-80
3.2.3.5 Ausbau der Geschoßdecken .............................................. : 3-81
3.2.3.6 Sockelbereich .......................................................... . 3-83
3.2.3.7 Treppen ............................................................... . 3-84
3.2.3.8 Haustechnische Anlagen ................................................. . 3-85
3.2.4 Tragendes Mauerwerk .................................................... . 3-87
3.2.4.1 Konzeptioneller Entwurf von Mauerwerksbauten ........................... . 3-87
3.2.4.2 Laufmeterlast von Mauerwerkswänden .................................... . 3-87
3.2.5 Tragwerke von Skelettbauten ............................................. . 3-88
3.2.5.1 Merkmale von Skelettbauten ............................................. . 3-89
3.2.5.2 Entwurfsgrundsätze .................................................... . 3-90
3.2.5.3 Einwirkungen .......................................................... . 3-91
3.2.5.4 Abtragung von Lasten und Kräften ....................................... : . 3-96
3.2.5.5 Tragwandsysteme ....................................................... . 3-99
3.2.5.6 Rahmensysteme ........................................................ . 3-111
3.2.5.7 Gemischte Systeme ..................................................... . 3-114
3.2.5.8 Gebäudetrennfugen ..................................................... . 3-116
3.2.5.9" Die Gebäudehülle durchdringende Tragelemente ........................... . 3-120

3.3. Massivbau ....................................................... ······· 3-127


3.3.1 Einführung ............................................................ . 3-127
3.3.2 Beton ................................................................. . 3-129
3.3.2.1 Mechanische Eigenschaften der Mesostruktur .............................. . 3-129
3.3.2.2 Mechanische Eigenschaften der Makrostruktur ............................. . 3-131
3.3.2.3 Zeitabhängiges Verhalten ................................................ . 3-136
3.3.3 Betonstahl ............................................................. . 3-138
3.3.3.1 Bemessungskennwerte .................................................. . 3-138
3.3.3.2 Arten und Formen ...................................................... . 3-139
3.3.4 Spannstahl ............................................................. . 3-140
3.3.4.1 Arten und Formen ...................................................... . 3-140
3.3.4.2 Mechanische Eigenschaften .............................................. . 3-140
3.3.5 Verbundbaustoff Stahlbeton ............................................. . 3-141
3.3.5.1 Verbundverhalten des Stahls ............................................. . 3-141
3.3.5.2 Rißbildung in Stahlbetonbauteilen ........................................ . 3-143
3.3.6 Statisch bestimmte Balken ............................................... . 3-147
3.3.6.1 Beobachtungen im Versuch .............................................. . 3-147

Inhalt XIX
3.3.6.2 Biegebeanspruchung .................................................... . 3-149
3.3.6.3 Querkraft .............................................................. . 3-159
3.3.6.4 Torsion ......................................................... : ...... . 3-164
3.3.6.5 Verhalten an Lasteinleitungsstellen ....................................... . 3-168
3.3.6.6 Profilierte Querschnitte ................................................. . 3-170
3.3.6.7 Verformungen ......................................................... . 3-172
3.3.7 Statisch unbestimmte Balken ............................................. . 3-174
3.3.7.1 Bauteilverhalten ........................................................ . 3-174
3.3.7.2 Schnittgrößenermittlung ................................................ . 3-177
3.3.7.3 Nachweiskonzepte ...................................................... . 3-177
3.3.7.4 Membraneffekte ........................................................ . 3-181
3.3.7.5 Torsion in statisch unbestimmten Tragwerken .............................. . 3-182
3.3.8 Scheiben .............................................................. . 3-183
3.3.8.1 Differentielles Scheibenelement .......................................... . 3-183
3.3.8.2 Tragfähigkeit im GZT ................................................... . 3-183
3.3.8.3 Schnittgrößenermittlung ................................................ . 3-184
3.3.9 Platten ................................................................ . 3-186
3.3.9.1 Biegung und Normalkraft ............................................... . 3-186
3.3.9.2 Querkraft .............................................................. . 3-188
3.3.9.3 Schnittgrößenermittlung ................................................ . 3-189
3.3.9.4 Punktförmig gestützte Platten ............................................ . 3-191
3.3.9.5 Durchbiegungen ........................................................ . 3-193
3.3.10 Einfluß zeitabhängiger Verformungen ..................................... . 3-193
3.3.10.1 Grundlagen ............................................................ . 3-193
3.3.10.2 Querschnitt ............................................................ . 3-193
3.3.10.3 Systemumlagerung ..................................................•... 3-194
3.3.10.4 Systemwechsel ......................................................... . 3-196
3.3.11 Spannbeton ............................................................ . 3-196
3.3.11.1 Prinzip der Vorspannung ................................................ . 3-196
3.3.11.2 Vorspannen im Spannbett ............................................... . 3-197
3.3.11.3 Vorspannen gegen den erhärteten Beton ................................... . 3-198
3.3.11.4 Statisch unbestimmte Wirkung ........................................... . 3-201
3.3.11.5 Zeitabhängige Verluste .................................................. . 3-202
3.3.11.6 Verankerung der Spannglieder ........................................... . 3-203
3.3.11.7 Nachweise ............................................................. . 3-203
3.3.11.8 Robustheit ............................................................. . 3-206
3.3.12 Stabilität und Theorie II. Ordnung ........................................ . 3-208
3.3.12.1 Einzelstützen .......................................................... . 3-208
3.3.12.2 Rahmen ............................................................... . 3-212
3.3.12.3 Kippen ................................................................ . 3-213
3.3.13 Brandschutz ........................................................... . 3-215
3.3.13.1 Anforderungen ......................................................... . 3-215
3.3.13.2 Verhalten und Bemessung im Brandfall .................................... . 3-215
3.3.14 Ermüdung ............................................................. . 3-217
3.3.14.1 Baustoffverhalten ....................................................... . 3-217
3.3.14.2 Bauteilverhalten .................. ·....................................... 3-218
3.3.14.3 Nachweis der Betriebsfestigkeit............................................ 3-219

3.4 Stahlbau .............................................................. . 3-220


3.4.1 Allgemeines, Normen und Genehmigungsverfahren ......................... . 3-220
3.4.1.1 Allgemeines ........................................................... . 3-220
3.4.1.2 Technische Baubestimmungen ......... , ................................. . 3-222
3.4.1.3 Künftige europäische Normen zur Bemessung und
Ausführung im Stahlbau ...... ~ .......................................... . 3-223

XX Inhalt
3.4.2 Werkstoffeigenschaften und Grenzzustände ................................ . 3-223
3.4.2.1 Herstellungsmethoden, Erzeugnisse, Bezeichnungen ........................ . 3-223
3.4.2.2 Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften als Funktion der Temperatur ......... . 3-227
3.4.2.3 Grenzzustände und Anforderungen ....................................... . 3-232
3.4.3 Grundlagen der Bemessungsregeln ....................................... . 3-235
3.4.3.1 Anforderungen und Sicherheit .......................................... .. 3-235
3.4.3.2 Tragsicherheit im Temperaturübergangsbereich ............................ . 3-236
3.4.3.3 Tragsicherheit bei Normaltemperatur ..................................... . 3-237
3.4.3.4 Tragsicherheit bei höherer Betriebstemperatur ............................. . 3-238
3.4.3.5 Tragsicherheit im Brandfall .............................................. . 3-239
3.4.4 Tragfähigkeitsnachweise ................................................. . 3-240
3.4.4.1 Tragfähigkeit von Tragwerken ............................................ . 3-240
3.4.4.2 Behandlung der geometrischen Nichtlinearität ............................. . 3-242
3.4.4.3 Behandlung der Imperfektionen .......................................... . 3-245
3.4.4.4 Nachweise für Bauteile und Verbindungen ................................. . 3-246
3.4.4.5 Verbindungsmittel und Anschlüsse ....................................... . 3-254
3.4.5 Ermüdungsnachweise ................................................... . 3-268
3.4.5.1 Historisches ........................................................... . 3-268
3.4.5.2 Grundlagen der Ermüdungsfestigkeit in EN 1993-1-9 ........................ . 3-269
3.4.5.3 Behandlung von o-t- Verläufen ........................................... . 3-270
3.4.5.4 Schädigungsverhalten und Schadensäquivalenz ............................. . 3-270
3.4.5.5 Ermüdungsnachweis .................................................... . 3-272
3.4.5.6 Ermüdungsbelastung ................................................... . 3-274
3.4.5.7 Sicherheitskonzept für Ermüdungsnachweise .............................. . 3-275
3.4.5.8 Ermüdungssicherheit bei plastischen Verformungen ........................ . 3-276
3.4.6 Fertigung und Montage ................................................. . 3-277
3.4.6.1 Auftragsabwicklung in der Einzelfertigung ................................ .. 3-277
3.4.6.2 Rationalisierung von Fertigung und Montage .............................. . 3-277
3.4.6.3 Fertigungsmethoden .................................................... . 3-277
3.4.6.4 Montagemethoden ...................................................... . 3-278
3.4.6.5 Konstruktionsentwurf ................................................... . 3-278

3.5 Verbundbau ........................................................... . 3-279


3.5.1 Einleitung, Regelwerke .................................................. . 3-279
3.5.2 Grundlagen der Bemessung .............................................. . 3-280
3.5.2.1 Allgemeines, Sicherheitskonzept .......................................... . 3-280
3.5.2.2 Grenzzustand der Tragfähigkeit .......................................... . 3-282
3.5.2.3 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit .................................. . 3-283
3.5.2.4 Werkstoffe ............................................................. . 3-283
3.5.3 Verbundträger ......................................................... . 3-285
3.5.3.1 Allgemeines ........................................................... . 3-285
3.5.3.2 Tragverhalten von Verbundträgern - Grundlagen ........................... . 3-286
3.5.3.3 Grenzzustand der Tragfähigkeit .......................................... . 3-301
3.5.3.4 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit .................................. . 3-319
3.5.4 Verbunddecken ........................................................ . 3-322
3.5.4.1 Allgemeines ........................................................... . 3-322
3.5.4.2 Grenzzustand der Tragfähigkeit .......................................... . 3-323
3.5.4.3 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit .................................. . 3-326
3.5.5 Verbundstützen und Rahmentragwerke ................................... . 3-327
3.5.5.1 Einleitung, Nachweisverfahren ........................................... . 3-327
3.5.5.2 Vereinfachtes Bemessungsverfahren ....................................... . 3-328
3.5.5.3 Krafteinleitung und Verbundsicherung .................................... . 3-337
3.5.6 Brandschutztechnische Bemessung von Verbundbauteilen ................... . 3-340
3.5.6.1 Allgemeines, Nachweisverfahren .......................................... . 3-340

Inhalt XXI
3.5.6.2 Nachweisverfahren der Stufe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 3-340
3.5.6.3 Nachweisverfahren der Stufe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-342

3.6 Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-342


3.6.1 Mauersteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-342
3.6.1.1 Arten, Ausbildung ......................... ; . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-342
3.6.1.2 Herstellung, Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-344
3.6.1.3 Eigenschaften, Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-346
3.6.1.4 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-347
3.6.2 Mauermörtel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-348
3.6.2.1 Definition, Arten, Lieferform . . . . .. . .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . .. .. . .. . . .. . . . . . 3-348
3.6.2.2 Herstellung, Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . 3-349
3.6.2.3 Eigenschaften, Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-349
3.6.2.4 Anwendung............................................................. 3-351
3.6.3 Putze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-352
3.6.3.1 Definition, Arten, Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-352
3.6.3.2 Herstellung, Zusammensetzung, Putzaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-353
3.6.3.3 Eigenschaften, Anforderungen . . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. . .. . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . 3-355
3.6.3.4 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-356
3.6.4 Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-356
3.6.4.1 Definition, Normung, Sicherheitskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-356
3.6.4.2 Herstellung; Mauerwerkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-357
3.6.4.3 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-358
3.6.5 Bewehrtes Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-377
3.6.5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-377
3.6.5.2 Baustoffe für bewehrtes Mauerwerk .. . .. . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. 3-377
3.6.5.3 Korrosionsschutz der Bewehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-377
3.6.5.4 Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-377

3.7 Holzbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-380


3.7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-380
3.7.2 Bautechnische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-382
3.7.2.1 Festigkeiten und Steifigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-382
3.7.2.2 Verhalten bei Feuchteänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-382
3.7.2.3 Weitere Holzeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-385
3.7.3 Normen, Zulassungen und Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-387
3.7.3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-387
3.7.3.2 Nachweis nach DIN 1052 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-387
3.7.3.3 Nachweis nach E DIN 1052 und EC5-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-387
3.7.3.4 Beispiel für die überlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-387
3.7.4 Holzschutz, Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-389
3.7.4.1 Ursachen von Holzschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-389
3.7.4.2 Vermeidung von Holzschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-389
3.7.5 Systeme aus Holz- bzw. Holzwerkstoffen . . . . .. . .. . .. . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . 3-390
3.7.5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-390
3.7.5.2 Stabförmige Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-390
3.7.5.3 Flächenförmige Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-392
3.7.6 Nachweise für Holz- und Holzwerkstoff-Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-394
3.7.6.1 Allgemeines ............... ; . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-394
3.7.6.2 Tragsicherheitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-395
3.7.7 Verbindungen .............. .- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-402
3.7.7.1 Allgemeines . , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-402
3.7.7.2 Geklebte Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-402
3.7.7.3 Mechanische Verbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-402

XXII Inhalt
3.7.8 Träger aus nachgiebig miteinander verbundenen Teilen ...................... . 3-407
3.7.8.1 Allgemeines ........................................................... . 3-407
3.7.8.2 Analytische Lösung für den Einfeldträger mit konstanten
Querschnittswerten und sinusförmig verteilter Belastung .................... . 3-408
3.7.8.3 Schubanalogie ......................................................... . 3-409
3.7.8.4 Holz-Beton-Verbundbauweise ............................................ . 3-409
3.7.8.5 Querschnitte aus mehreren miteinander nachgiebig
verbundenen Schichten .................................................. . 3-412
3.7.9 Beanspruchung rechtwinklig zur Faser .................................... . 3-413
3.7.9.1 Einleitung ............................................................. . 3-413
3.7.9.2 Beispiele .............................................................. . 3-415
3.7.10 Platten aus Schichten .................................................... . 3-417
3.7.10.1 Allgemeines ........................................................... . 3-417
3.7.10.2 Platten aus nachgiebig miteinander verbundenen Schichten .................. . 3-417
3.7.10.3 Platten aus schubstarr miteinander verbundenen Schichten .................. . 3-419
3.7.10.4 Hinweis ............................................................... . 3-419

3.8 Glasbau ............................................................... . 3-419


3.8.1 Allgemeine Werkstoffeigenschaften ....................................... . 3-419
3.8.2 Gläser im Bauwesen ..................................................... . 3-421
3.8.2.1 Grundprodukte ........................................................ . 3-421
3.8.2.2 Veredelungsprodukte ................................................... . 3-424
3.8.2.3 Mechanische Eigenschaften von Gläsern ................................... . 3-427
3.8.3 Bemessungskonzepte für Glas ............................................ . 3-427
3.8.3.1 Bemessungskonzept mit globalen Sicherheitsbeiwerten ...................... . 3-427
3.8.3.2 Bemessungskonzept mit Teilsicherheitsbeiwerten ........................... . 3-428
3.8.3.3 Grenzwerte der Durchbiegung ............................................ . 3-429
3.8.4 Besonderheiten der Bemessung .......................................... . 3-430
3.8.4.1 Stabilitätsnachweise ..................................................... . 3-430
3.8.4.2 Zwängungsbeanspruchungen ............................................ . 3-430
3.8.4.3 Stoßlasten ............................................................. . 3-431
3.8.4.4 Koppeleffekt bei Isolierglaseinheiten ...................................... . 3-431
3.8.4.5 Schubverbund bei Verbundgläsern (VSG/VG) .............................. . 3-431
3.8.4.6 Spontanbruch von thermisch vorgespanntem Glas .......................... . 3-432
3.8.4.7 Resttragfähigkeit ....................................................... . 3-432
3.8.4.8 Punktförmig gelagerte Scheiben .......................................... . 3-433
3.8.5 Verbindungen .......................................................... . 3-436
3.8.5.1 Allgemeines ........................................................... . 3-436
3.8.5.2 Klebeverbindungen ..................................................... . 3-436
3.8.5.3 Lochleibungsverbindungen .............................................. . 3-436
3.8.5.4 Reibverbindungen ...................................................... . 3-437
3.8.6 Konstruktive Durchbildung von Glasbauteilen .............................. . 3-437
3.8.6.1 Allgemeines ........................................................... . 3-437
3.8.6.2 Fenster, Glasfassaden .................................................... . 3-438
3.8.6.3 überkopfverglasungen .................................................. . 3-438
3.8.6.4 Begehbares Glas ........................................................ . 3-438
3.8.6.5 Glas als Absturzsicherung ............................................... . 3-440
3.8.6.6 Weitere tragende Glasbauteile ............................................ . 3-441
3.8.7 Prüfung/überwachung .................................................. . 3-441

3.9 Befestigungstechnik .................................................... . 3-442


3.9.1 Einleitung ............................................................. . 3-442
3.9.2 Befestigungssysteme - konstruktive Ausbildung,
Wirkungsprinzipien und Montage ........................................ . 3-442

Inhalt XXIII
3.9.2.1 Einlegeteile ............................................................ . 3-442
3.9.2.2 Mechanische Dübel ..................................................... . 3-444
3.9.2.3 Chemische Dübel ....................................................... . 3-448
3.9.2.4 Dübel für spezielle Anwendungen ......................................... . 3-451
3.9.2.5 Setzbolzen ............................................................. . 3-451
3.9.3 Tragverhalten .......................................................... . 3-452
3.9.3.1 Mechanische Befestigungsmittel .......................................... . 3-452
3.9.3.2 Chemische Befestigungsmittel ............................................ . 3-456
3.9.3.3 Setzbolzen ............................................................. . 3-457
3.9.4 Definition von gerissenem und ungerissenem Beton ........................ . 3-458
3.9.5 Dauerhaftigkeit ........................................................ . 3-458
3.9.6 Baurechtliche Vorschriften und Anwendungsbedingungen ................... . 3-459
3.9.6.1 Allgemeines ........................................................... . 3-459
3.9.6.2 Mechanische Befestigungen .............................................. . 3-459
3.9.6.3 Chemische Befestigungen ................................................ . 3-461
3.9.6.4 Setzbolzen ............................................................. . 3-461
3.9.6.5 Weitere Entwicklung der Zulassungen ..................................... . 3-461
3.9.7 Zusammenfassung ...................................................... . 3-462

3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion ......................................... . 3-462


3.10.1 Einführung ............................................................ . 3-462
3.10.2 Grundlagen zum Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · 3-463
3.10.2.1 Idealisierung des realen Tragverhaltens .................................... . 3-463
3.10.2.2 Zeitabhängige Effekte ................................................... . 3-464
3.10.2.3 Streuung der Materialeigenschaften ....................................... . 3-464
3.10.3 Gründungen und Stützbauwerke .......................................... . 3-466
3.10.3.1 Flachgründung mit Einzelfundamenten ................................... . 3-466
3.10.3.2 Pfahlgründung und Kombinierte Pfahl-Plattengründung (KPP) ............... . 3-467
3.10.3.3 Stützbauwerke ......................................................... . 3-471
3.10.4 Modeliierung der Baugrund-Tragwerk-Interaktion .......................... . 3-472
3.10.4.1 Mechanische Modeliierung .............................................. . 3-472
3.10.4.2 Modeliierung des Baugrunds ............................................. . 3-473
3.10.4.3 Sicherheitstheoretische Aspekte .......................................... . 3-474
3.10.4.4 Vereinfachtes Vorgehen in der Praxis am Beispiel der Flachgründung .......... . 3-474
3.10.4.5 Verformungsgrenzen des Tragwerks ...................................... . 3-476
3.10.5 Beispiele .............. : . .............................................. . 3-479
3.10.5.1 Vergleichsrechnung einer Tiefgarage mit und ohne Berücksichtigung
der Baugrund-Tragwerk-Interaktion ...................................... . 3-479
3.10.5.2 Schadensfall einer Tiefgarage eines Bürogebäudes ........................... . 3-479

4 Geotechnik ...................................................... . 4-3


4.1 Boden- und Felsmechanik ............................................... . 4-3
4.1.1 Einführung ........................................ , ................... . 4-3
4.1.2 Bodenphysik ........................................................... . 4-4
4.1.2.1 Größe und Form der Bodenteilchen, Wasserhüllen .......................... . 4-4
4.1.2.2 Wassergehalt, Atterbergsche Zustandsgrenzen .............................. . 4-6
4.1.2.3 Zustands- und Strukturbeschreibung von Böden ............................ . 4-8
4.1.2.4 Klassifikation der Böden ................................................ . 4-11
4.1.3 Boden als mehrphasiges Medium ......................................... . 4-11
4.1.3.1 Zur kontinuumsmechanischen Beschreibung des mehrphasigen Mediums ..... . 4-11
4.1.3.2 Kapillareffekte im Boden ................................................ . 4-12
4.1.3.3 Porenwasser ........................................................... . 4-14
4.1.3.4 Prinzip der wirksamen Spannungen ...................................... . 4-16

XXIV Inhalt
4.1.3.5 Spannungen in Erdkörpern infolge Eigengewicht ........................... . 4-17
4.1.4 Grundwasserbewegung im Boden ......................................... . 4-19
4.1.4.1 Filterströmung und spezifische Strömungskraft ............................. . 4-19
4.1.4.2 Spannungen in Erdkörpern mit strömendem Grundwasser ................... . 4-20
4.1.4.3 Gesetz von Darcy ............ ; .......................................... . 4-20
4.1.4.4 Laborversuche zur Durchlässigkeit ........................................ . 4-21
4.1.4.5 Theorie der ebenen Filterströmung ....................................... . 4-22
4.1.4.6 Strömung zu einem Sickerschlitz oder Brunnen ............................. . 4-25
4.1.4.7 Mehrbrunnenanlagen ................................................... . 4-26
4.1.5 Setzungsermittlung ..................................................... . 4-27
4.1.5.1 Zusammendrückbarkeit der Böden ....................................... . 4-27
4.1.5.2 Spannungsverteilung im Baugrund infolge Auflast .......................... . 4-33
4.1.5.3 Setzungen infolge Zusammendrückung, Setzungsberechnung ................ . 4-36
4.1.6 Grenzzustände im Boden ................................................ . 4-41
4.1.6.1 Festigkeitseigenschaften der Böden ....................................... . 4-41
4.1.6.2 Erddruck .............................................................. . 4-45
4.1.6.3 Standsicherheit von Böschungen ......................................... . 4-51
4.1.6.4 Tragfähigkeit von Flachgründungen ................ : ...................... . 4-54

4.2 Baugrunddynamik ..................................................... . 4-56


4.2.1 Einleitung ............................................................. . 4-56
4.2.2 Schwingungen einfacher Systeme ......................................... . 4-57
4.2.2.1 Allgemeines ........................................................... . 4-57
4.2.2.2 Freie ungedämpfte Schwingungen ........................................ . 4-58
4.2.2.3 Freie gedämpfte Schwingungen ........................................... . 4-58
4.2.2.4 Erzwungene gedämpfte Schwingungen .................................... . 4-59
4.2.2.5 Dämpfung ............................................................. . 4-61
4.2.3 Bodenverhalten bei dynamischer Belastung ................................ . 4-62
4.2.4 Wellenausbreitung im Boden ............................................. . 4-65
4.2.4.1 Allgemeines ........................................................... . 4-65
4.2.4.2 Eindimensionale Wellenausbreitung ...................................... . 4-65
4.2.4.3 Oberflächenwellen ...................................................... . 4-67
4.2.4.4 Verhalten von Wellen an Schichtgrenzen ................................... . 4-69
4.2.5 Messung von dynamischen Bodenkennwerten .............................. . 4-70
4.2.5.1 Feldversuche ........................................................... . 4-70
4.2.5.2 Laborversuche ......................................................... . 4-72
4.2.6 Schwingungen von Fundamenten ......................................... . 4-73

4.3 Grundbau, Baugruben und Gründungen .................................. . 4-76


4.3.1 Baugrunderkundung .................................................... . 4-76
4.3.1.1 Art und Umfang ........................................................ . 4-76
4.3.1.2 überblick über geotechnische Untersuchungen ............................. . 4-77
4.3.1.3 Direkte Aufschlüsse ..................................................... . 4-78
4.3.1.4 Indirekte Aufschlüsse ................................................... . 4-79
4.3.1.5 Feldversuche ........................................................... . 4-79
4.3.1.6 Laborversuche ......................................................... . 4-79
4.3.1.7 Abschätzung von Bodenkennwerten aus Tabellen ........................... . 4-84
4.3.2 Baugrundverbesserung .................................................. . 4-84
4.3.2.1 Bodenaustausch ........................................................ . 4-84
4.3.2.2 Verdichtung ........................................................... . 4-85
4.3.2.3 Verfestigung ........................................................... . 4-89
4.3.2.4 Bewehrung ............................................................ . 4-92
4.3.3 Flächengründungen .................................................... . 4-93
4.3.3.1 Begriffe und Gründungsarten ............................................ . 4-93

Inhalt XXV
4.3.3.2 Zulässige Bodenpressung ................................................ . 4-93
4.3.3.3 Berechnungsverfahren für Sohldruckverteilung ............................. . 4-97
4.3.4 Pfahlgründungen ....................................................... . 4-97
4.3.4.1 Pfahlarten ............................................................. . 4-97
4.3.4.2 Pfahltragfähigkeitsabschätzung ........................................... . 4-100
4.3.4.3 Pfahlprüfungen ........................................................ . 4-104
4.3.4.4 Tragverhalten von axial belasteten Pfählen ............ ·..................... . 4-105
4.3.4.5 Kombinierte Pfahl-Plattengründung ...................................... . 4-108
4.3.4.6 Tragverhalten von horizontal belasteten Pfählen ............................ . 4-108
4.3.4.7 Pfahlroste ............................................................. . 4-111
4.3.5 Senkkästen ............................................................ . 4-113
4.3.5.1 Konstruktive Ausbildung ................................................ . 4-113
4.3.5.2 Absenkvorgang ......................................................... . 4-118
4.3.5.3 Berechnung der Absenkung .............................................. . 4-119
4.3.6 Baugruben ............................................................. . 4-120
4.3.6.1 Allgemeines ........................................................... . 4-120
4.3.6.2 Baugrubenumschließungen .............................................. . 4-120.
4.3.6.3 Stützung der Wände .................................................... . 4-128
4.3.6.4 Baugrubensohlen ....................................................... . 4-129
4.3.6.5 Bemessung ............................................................ . 4-131
4.3.7 Stützkonstruktionen aus bewehrter Erde ................................... . 4-133

4.4 Umweltgeotechnik ...................................................... . 4-134


4.4.1 Einführung, Grundlagen und Begriffsdefinitionen .......................... . 4-134
4.4.1.1 Begriffsdefinitionen .................................................... . 4-135
4.4.1.2 Schadstoffe ............................................................ . 4-141
4.4.1.3 Strömung in porösen Medien, Mehrphasenströmung ........................ . 4-142
4.4.1.4 Ausbreitung von Schadstoffen ............................................ . 4-143
4.4.1.5 Mineralölschadensfalle .................................................. . 4-146
4.4.2 Altlasten, Altstandorte und Altablagerungen ............................... . 4-148
4.4.2.1 Altlastenerkundung ..................................................... . 4-148
4.4.2.2 Gefahrdungsabschätzung und Bewertung von Altlasten ...................... . 4-152
4.4.2.3 Sanierung von Altlasten ................................................. . 4-153
4.4.2.4 überwachung von Altlastensanierungen ................................... . 4-158
4.4.3 Deponiebau, Geotechnik der Deponien .................................... . 4-159
4.4.3.1 Grundlagen der Abfallmechanik .......................................... . 4-159
4.4.3.2 Deponien .............................................................. . 4-159
4.4.3.3 Deponie als Reaktor ..................................................... . 4-160
4.4.3.4 Entwurf von oberirdischen Deponiebauwerken, Multibarrierenkonzept ........ . 4-161
4.4.3.5 Geotechnische Nachweise bei Deponiebauwerken ........................... . 4-172

4.5 Maschineller Tunnelbau mit Tunnelvortriebsmaschinen .................... . 4-176


4.5.1 Einteilung der Tunnelvortriebsmaschinen ................................. . 4-176
4.5.2 Tunnelbohrmaschinen .................................................. . 4-176
4.5.3 Schildmaschinen ....................................................... . 4-178
4.5.3.1 Grundprinzip des Schildvortriebs ......................................... . 4-178
4.5.3.2 Möglichkeiten zur Stützung der Ortsbrust ................................. . 4-178
4.5.3.3 Möglichkeiten des Bodenabbaus und der Bodenförderung ................... . 4-178
4.5.3.4 Ortsbrust ohne Stützung ................................................ . 4-181
4.5.3.5 Ortsbrust mit Druckluftbeaufschlagung ................................... . 4-182
4.5.3.6 Ortsbrust mit Flüssigkeitsstützung ....... , ................................ . 4-182
4.5.3.7 Ortsbrust mit Erddruckstützung .......................................... . 4-189
4.5.4 Tunnelsicherung beim Schildvortrieb ..................................... . 4-194
4.5.4.1 Ein- und zweischalige Konstruktionen .................................... . 4-194

XXVI Inhalt
4o5.4o2 Tübbingsysteme 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-195
4o5.4o3 Einbau der Tübbingauskleidung 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-198
4o5.4.4 Extrudierbeton oooo o ooooo o
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-198
4o5o5 Bodenseparation beim Schildvortrieb mit hydraulischer Bodenförderung 0 0 0 0 0 0 0 4-199
4o5o6 Die wichtigsten rechnerischen Nachweise 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-203
4o5o6o1 Berechnung der Ortsbruststabilität bei Flüssigkeits-
und Erddruckstützung ooooo oo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-203
4o5o6o2 Berechnung der Aufbruch- und Ausbläsersicherheit 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 0 0 0 0 4-204
4o5o6o3 Berechnung der Vortriebspressenkraft 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-205
4o5o6.4 Ermittlung des Luftbedarfs bei Druckluftstützung 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4-207

s Wasserbau, Siedlungswasserwirtschaft, Abfalltechnik .. 0 • 0 0 0 • 0 • 0 •• 0 0 0 0 0 0 • 0 5-3


5.1 Technische Hydraulik ooo oooooooo oo 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-3
Sol.l Allgemeine Einführung oo o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-3
5ol.l.l Anmerkungen zur Darstellung o o o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-3
5ol.l.2 Physikalische Eigenschaften von Wasser 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 0 0 0 5-3
5ol.2 Hydrostatik 0 0 0 oo o o
0 0 0 0oo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-4
5ol.2o1 Allgemeine Angaben zum Begriff des Druckes 0 0 0 0 0 0 0 o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-4
5ol.2o2 Gleichgewichtsbedingungen in einer ruhenden Flüssigkeit 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-5
5ol.2o3 Druckkraft oooooooo ooo ooooooooo ooooo 0 0 ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-6
5ol.2.4 Spiegellagen in bewegten Gefäßen o ooo ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-10
5ol.3 Kinematik der Flüssigkeiten ooo oo oo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-10
5ol.3.1 Beschreibung der Bewegung innerhalb des Strömungsfeldes . 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 0 • 0 0 5-10
5ol.3o2 Geschwindigkeit und Beschleunigung oo ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-11
5ol.3o3 Ausgezeichnete Linien eines Strömungsfeldes ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-12
5ol.3.4 Volumenstrom und Durchfluß 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-13
501.4 Grundgleichungen der Hydromechanik o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-14
5ol.4o1 Erhaltungssätze der Hydromechanik o o ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-14
5ol.4o2 Erfassung der Oberflächenkräfte 0 0 0 0 0 o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-19
5ol.4o3 Bewegungsgleichungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-22
5ol.5 Berücksichtigung der Randbedingungen 0 0 0 0 0 0 0 0 •• 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 0 0 0 0 5-26
5ol.5o1 Berandungen des Strömungsfeldes oo ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-26
5ol.5o2 Widerstand umströmter Körper 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-31
5ol.6 Potentialströmung ooooo ooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo oooooo
0 0 0 5-33
5ol.6o1 Potentialtheorie 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 o • 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-33
5ol.6o2 Einfache Potentialströmungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-34
5ol.6o3 Strömungsbilder für vorgegebene Randbedingungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-36
5ol.6.4 Grenzen der Anwendbarkeit der Potentialtheorie ooo oo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-37
5ol.7 Grundwasserströmung o 0 ooo
0 0 0 0 0oo o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-38
5ol.8 Ausfluß und überfall ooo ooooo o oooooooooooooooooooooooooooooooooooooo
0 0 0 0 0 0 5-43
5ol.8o1 Ausfluß aus Öffnungen o 0 ooo
0 0 0 0 0oo ooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-43
5ol.8o2 Abfluß über Wehre und Überfälle o ooo oo ooooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-46
5ol.8o3 Unter- und überströmte Wehrverschlüsse o• ooooooo o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-48
5ol.9 Rohrhydraulik 0 0 0 0 0 0 0 0 ooo
0 0 0 0 oo ooo o
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-49
5ol.9o1 Allgemeine Angaben 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-49
5ol.9o2 Widerstandsverhalten des geraden Kreisrohres bei stationärer Strömung o o 0 0 0 0 0 5-50
5ol.9o3 Sonstige Verluste 0 0 o0 0 0 0 0 0 oo oo
0 0 0 oo
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-55
5ol.9.4 Instationäre Rohrströmung o 0 0oo o o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-57
5ol.l0 Gerinneströmung 0 0 o0 0 0 0 ooo
0 0 0ooooooooooooooo
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 • 5-59
5ol.l0o1 Besonderheiten der Gerinneströmung oo o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-59
5ol.l0o2 Fließzustand und Grenzverhältnisse o oooooooooo• o ooooo oooooo o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-60
5ol.l0o3 Stationär gleichförmige Bewegung ooooooo. oo. ooooooo•• oooooo•• oooooooo. o. o. 5-62
5ol.l0.4 Stationär ungleichförmige Bewegung ooo ooooo. o. o. oo. oo. oooooooooo 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5-66

Inhalt XXVII
5.1.10.5 Zusätzliche Einflüsse auf die Wasserspiegellage ............................. . 5-70
5.1.10.6 Diskontinuierliche Strömung ............................................. . 5-71
5.1.10.7 Instationäre Gerinneströmung ........................................... . 5-72
5.1.11 Physikalische und Numerische Modelle .................................... . 5-73

5.2 Hydrologie und Wasserwirtschaft ........................................ . 5-74


5.2.1 Hydrologie ............................................................ . 5-74
5.2.1.1 Einleitung ............................................................. . 5-74
5.2.1.2 Komponenten des Wasserhaushalts und ihre Messung ....................... . 5-75
5.2.1.3 Datenverarbeitung, GIS, Fernerkundung, digitale Geländemodelle ............ . 5-81
5.2.1.4 Hochwasserberechnungsverfahren ........................................ . 5-82
5.2.1.5 Niedrigwasserstatistik ................................................... . 5-89
5.2.1.6 Berechnung und Simulation des Wasserhaushalts ........................... . 5-90
5.2.1.7 Stochastische Generierung von Abflüssen .................................. . 5-91
5.2.2 Wasserwirtschaft ....................................................... . 5-92
5.2.2.1 Einführung ............................................................ . 5-92
5.2.2.2 Wasserwirtschaftliche Projektbewertung .................................. . 5-92
5.2.2.3 Bewirtschaftung von Oberflächenwasser-Ressourcen ........................ . 5-93
5.2.2.4 Hochwasserschutz ................................................. ·..... . 5-101
5.2.2.5 Wasserwirtschaftliche Pläne ............................................. . 5-107
5.2.2.6 Künftige Entwicklungen ................................................. . 5-107

5.3 Wasserbau ............................................................. . 5-110


5.3.1 Stauanlagen ............................................................ . 5-110
5.3.1.1 Flußsperren (Staustufen) ................................................ . 5-110
5.3.1.2 Talsperren ............................................................. . 5-125
5.3.2 Flußbau ............................................................... . 5-134
5.3.2.1 Zielsetzungen und Aufgaben des modernen Flußbaus ....................... . 5-134
5.3.2.2 Flußmorphologie ....................................................... . 5-134
5.3.2.3 Flußlauf im Grundriß ................................................... . 5-135
5.3.2.4 Flußsohle .............................................................. . 5-136
5.3.2.5 Ermittlung des Geschiebetriebes und der Geschiebefracht ................... . 5-137
5.3.2.6 Flußbauliche Maßnahmen ............................................... . 5-139
5.3.3 Wasserkraftanlagen ..................................................... . 5-139
5.3.3.1 Ausbauleistung und Energieermittlung .................................... . 5-140
5.3.3.2 Nieder- und Hochdruckanlagen .......................................... . 5-140
5.3.3.3 Turbine und Generator ........................... ·· ...................... . 5-145
5.3.3.4 Ökologie und Wasserkraft ............................................... . 5-147

5.4 Wasserversorgung ...................................................... . 5-148


5.4.1 Rechtliche Grundlagen ................................................... . 5-148
5.4.1.1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ........................................... . 5-148
5.4.1.2 Bundesseuchengesetz .................................................... . 5-148
5.4.1.3 EG-Vertrag ............................................................ . 5-148
5.4.1.4 Trinkwasserverordnung ................................................. . 5-148
5.4.1.5 DIN 2000 .............................................................. . 5-148
5.4.2 Wasserbeschaffenheit, Wassergüte ........................................ . 5-148
5.4.2.1 Beschaffenheit natürlicher Wässer ......................................... . 5-148
5.4.2.2 Trinkwasseruntersuchungen ............................................. . 5-149
5.4.3 Wasserdargebot, Wassergewinnung ....................................... . 5-151
5.4.3.1 Allgemeines ........................................................... . 5-151
5.4.3.2 Oberflächenwasser ...................................................... . 5-152
5.4.3.3 Grundwasser ........................................................... . 5-154
5.4.3.4 Quellwasser ............................................................ . 5-157

XXVIII Inhalt
5.4.3.5 Trinkwasserschutzgebiete ................................................ . 5-158
5.4.3.6 überwachungvon Grund- und Oberflächenwasser .......................... . 5-159
5.4.4 Wasseraufbereitung ..................................................... . 5-159
5.4.4.1 Physikalische Verfahren ................................................. . 5-159
5.4.4.2 Chemische Verfahren ................................................... . 5-161
5.4.4.3 Technische Durchführung der Wasseraufbereitung .......................... . 5-162
5.4.4.4 Verfahrenskombinationen ............................................... . 5-164
5.4.4.5 Beseitigung von Abfällen ................................................ . 5-164
5.4.5 Wasserbedarf, Wasserverbrauch .......................................... . 5-164
5.4.5.1 Haushaltsbedarf ........................................................ . 5-166
5.4.5.2 Bedarf von Industrie, Gewerbe und Einzelverbrauchern ..................... . 5-166
5.4.5.3 Löschwasserbedarf ..................................................... . 5-166
5.4.5.4 Eigenverbrauch der Wasserwerke ......................................... . 5-167
5.4.5.5 Wasserverluste ........•................................................. 5-167
5.4.5.6 Bedarfsberechnung ..................................................... . 5-167
5.4.6 Wasserförderung ....................................................... . 5-168
5.4.6.1 Aufgabe ...............................•................................ 5-168
5.4.6.2 Pumpenarten .......................................................... . 5-168
5.4.6.3 Pumpenbetrieb ......................................................... . 5-169
5.4.6.4 Kavitation und Haltedruckhöhe (NPSH-Wert) .............................. . 5-170
5.4.7 Wasserspeicherung ..................................................... . 5-171
5.4.7.1 Aufgabe ............................................................... . 5-171
5.4.7.2 Arten der Wasserspeicherung ............................................ . 5-171
5.4.7.3 Druckregelung ......................................................... . 5-171
5.4.7.4 Lage zum Versorgungsgebiet ............................................. . 5-172
5.4.8 Wassertransport, Wasserverteilung ........................................ . 5-174
5.4.8.1 Rohre in der Wasserverteilung ............................................ . 5-175
5.4.8.2 Armaturen in der Wasserverteilung .......•................................ 5-175
5.4.8.3 Wasserdurchflußmessung und Wasserzählung ............................... . 5-176
5.4.9 Energieoptimierung und Kosteneinsparpotentiale .......................... . 5-176
5.4.9.1 Allgemeines ........................................................... . 5-176
5.4.9.2 Wasserförderung ....................................................... . 5-176
5.4.9.3 Wasseraufbereitung ..................................................... . 5-177
5.4.10 Automatisierungstechnik ................................................ . 5-177
5.4.11 Trinkwasserinstallation .................................................. . 5-178
5.4.11.1 Zuständigkeit ...........................•............................... 5-178
5.4.11.2 Anschluß .............................................................. . 5-178
5.4.11.3 Schutz des Trinkwassers, Erhaltung der Trinkwassergüte ..................... . 5-179
5.4.11.4 Druckerhöhungsanlagen ................................................ . 5-179
5.4.11.5 Korrosion, Steinbildung, Nachbehandlung ................................. . 5-179
5.4.11.6 Feuerlösch- und Brandschutzanlagen ..................................... . 5-180

5.5 Abwassertechnik ....................................................... . 5-180


5.5.1 Grundlagen ............................................................ . 5-180
5.5.1.1 Definition Abwasser (DIN 4045) .......................................... . 5-180
5.5.1.2 Abwassermenge .......•................•................................ 5-180
5.5.1.3 Abwasserbelastung ..................................................... . 5-180
5.5.1.4 Reinigungsanforderungen ............................................... . 5-181
5.5.2 Naturnahe Abwasserbehandlung ......................................... . 5-181
5.5.2.1 Landbehandlung ....................................................... . 5-181
5.5.2.2 Abwasserteichanlagen ..•................................................. 5-183
5.5.2.3 Pflanzenbeete .......................................................... . 5-183
5.5.3 Mechanische Reinigung ................................................. . 5-184
5.5.3.1 Rechen ................................................................ . 5-184

Inhalt XXIX
5.5.3.2 Sandfang .............................................................. . 5-184
5.5.3.3 Absetzbecken .......................................................... . 5-186
5.5.4 Biologische Reinigungsanlagen ........................................... . 5-190
5.5.4.1 Festbettanlagen ........................................................ . 5-190
5.5.4.2 Belebungsverfahren ..................................................... . 5-193
5.5.5 Abwasserfiltration ...................................................... . 5-200
5.5.6 Gemeinsame Behandlung von gewerblichem bzw. industriellem
mit häuslichem Abwasser ................................................ . 5-202
5.5.6.1 Rechtliche Grundlagen .............................. ~ ................... . 5-202
5.5.6.2 Abwasservorbehandlung ................................................ . 5-202
5.5.7 Bemessungsbeispiel ..................................................... . 5-204
5.5.7.1 Grundlagen ............................................................ . 5-204
5.5.7.2 Belüfteter Sandfang ..................................................... . 5-204
5.5.7.3 Vorklärung ............................................................ . 5-204
5.5.7.4 Nachklärung ........................................................... . 5-204
5.5.7.5 Belebungsbecken ....................................................... . 5-205
5.5.8 Entwässerungsverfahren ................................................. . 5-205
5.5.8.1 Mischkanalisation ...................................................... . 5-205
5.5.8.2 Trennkanalisation ...................................................... . 5-206
5.5.8.3 Sonderverfahren ....................................................... . 5-206
5.5.8.4 Wahl des Entwässerungsverfahrens ....................................... . 5-206
5.5.9 Abwasseranfall und Kanalnetzberechnung ................................. . 5-206
5.5.9.1 Trockenwetterabfluß .................................................... . 5-206
5.5.9.2 Ermittlung des Regenabflusses ........................................... . 5-208
5.5.9.3 Kanalnetzberechnung ................................................... . 5-209
5.5.10 Kanaldimensionierung .................................................. . 5-213
5.5.10.1 Hydraulische Grundlagen und Rohrhydraulik .............................. . 5-213
5.5.10.2 Querschnittsformen ................................ ·.................... . 5-214
5.5.10.3 Bestimmung der Kanalquerschnitte ....................................... . 5-214
5.5.10.4 Bauliche Ausführung .................................................... . 5-216
5.5.11 Sonderbauwerke der Ortsentwässerung .................................... . 5-218
5.5.11.1 Regenentlastung in Mischwasserkanälen ................................... . 5-218
5.5.11.2 Regenklärbecken ....................................................... . 5-224
5.5.11.3 Düker ................................................................. . 5-225
5.5.11.4 Regenrückhaltebecken (RRB) ............................................ . 5-225
5.5.11.5 Dezentrale Versickerung von Niederschlagswasser .......................... . 5-225

5.6 Abfalltechnik .......................................................... . 5-230


5.6.1 Abfallrechtliche Grundlagen ............................................. . 5-230
5.6.1.1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) ........................ . 5-230
5.6.1.2 Verpackungsverordnung und Duales System ............................... . 5-232
5.6.1.3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BimSchG) ................................ . 5-232
5.6.1.4 Technische Anleitung Abfall .............................................. . 5-233
5.6.1.5 Technische Anleitung Siedlungsabfall ..................................... . 5-233
5.6.2 Abfallwirtschaftliche Grundlagen ......................................... . 5-233
5.6.2.1 Arten von Abfällen ...................................................... . 5-233
5.6.2.2 Abfallmengen und Abfallzusammensetzung ....·............................ . 5-233
5.6.2.3 Vermeidung und Verwertung von Abfällen ................................. . 5-235
5.6.2.4 Recycling .............................................................. . 5-235
5.6.3 Biologische Abfallbehandlungsverfahren .................................. . 5-236
5.6.3.1 Behandlung von Bioabfällen ............................................. . 5-236
5.6.3.2 Mechanisch-biologische Restabfallbehandlung ............................. . 5-241
5.6.4 Thermische Abfallbehandlung ............................................ . 5-242
5.6.4.1 Aufbau einer herkömmlichen Müllverbrennungsanlage ...................... . 5-242

XXX Inhalt
5.6.4.2 Abfallannahme und -Iagerung ............................................ . 5-242
5.6.4.3 Verbrennungsvorgänge .................................................. . 5-242
5.6.4.4 Feuerung .............................................................. . 5-244
5.6.4.5 Rauchgasreinigung ..................................................... . 5-246
5.6.4.6 Behandlung der Rückstände bei der Müllverbrennung ....................... . 5-247
5.6.4.7 Alternative Verfahren zur thermischen Behandlung ......................... . 5-248
5.6.5 Deponierung von Abfällen ............................................... . 5-249
5.6.5.1 Grundprinzip einer Deponie ............................................. . 5-249
5.6.5.2 Biologisch-chemisch-physikalischer Reaktor Deponie ....................... . 5-250
5.6.5.3 Deponie als Bauwerk .................................................... . 5-254
5.6.5.4 Emissionen durch Deponiebetrieb ........................................ . 5-256
5.6.6 Behandlung von Bauabfällen ............................................. . 5-256
5.6.6.1 Anfall von Bauabfällen .................................................. . 5-256
5.6.6.2 Aufbereitung von Bauabfällen ............................................ . 5-259
5.6.6.3 Anforderungen an Recyclingbaustoffe ..................................... . 5-259
5.6.6.4 Bauabfälle während des Lebenszyklus eines Gebäudes ....................... . 5-259

6 · Raumordnung und Städtebau, Öffentliches Baurecht .................... . 6-3


6.1 Raumordnung, Landes- und Regionalplanung .............................. . 6-3
6.1.1 Entstehung .............·............................................... . 6-3
6.1.2 Aufgaben .............................................................. . 6-4
6.1.3 Methoden und Instrumente .............................................. . 6-4
6.1.3.1 Grundsätze und Ziele der Raumordnung ................................... . 6-4
6.1.3.2 Inhalt der Raumordnungspläne ........................................... . 6-5
6.1.3.3 Theoretische Vorstellungen .............................................. . 6-5
6.1.3.4 Instrumente und Verfahren .............................................. . 6-6
6.1.4 Beteiligte ...................................· ............ : .............. . 6-7
6.1.5 Rechtliche und organisatorische Grundlagen ............................... . 6-8
6.1.5.1 Raumordnung des Bundes ................ ~ .............................. . 6-8
6.1.5.2 Landes- und Regionalplanung der Länder .................................. . 6-9
6.1.5.3 Europäische Raumordnung .............................................. . 6-9
6.1.5.4 Gegenstromprinzip ..................................................... . 6-9
6.1.6 Fachplanungen und Raumordnung ....................................... . 6-10

6.2 Städtebau ............................................................. . 6-10


6.2.1 Aufgaben ...... ·........................................................ . 6-10
6.2.2 überblick über die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen ............ . 6-11
6.2.2.1 Vorläufer des Baugesetzbuches ........................................... . 6-11
6.2.2.2 Baugesetzbuch ......................................................... . 6-11
6.2.2.3 Landesbauordnungen ................................................... . 6-11
6.2.2.4 Baunutzungsverordnung ................................................ . 6-12
6.2.2.5 Ausführende der Stadtplanung ........................................... . 6-12
6.2.3 Stadtentwicklungsplanung ............................................... . 6-13
6.2.3.1 Aufgaben .............................................................. . 6-13
6.2.3.2 Inhalte ................................................................ . 6-13
6.2.3.3 übergreifende oder sektorale Bearbeitung ................................. . 6-14
6.2.4 Bauleitplanung ......................................................... . 6-14
6.2.4.1 Ziel und Zweck ......................................................... . 6-14
6.2.4.2 Flächennutzungsplan ................................................... . 6-14
6.2.4.3 Städtebauliche Rahmenpläne ............................................. . 6-15
6.2.4.4 Bebauungspläne ........................................................ . 6-15
6.2.4.5 Vorhaben- und Erschließungsplan ........................................ . 6-16
6.2.5 Erschließung und Bodenordnung ......................................... . 6-16

Inhalt XXXI
6.2.5.1 Städtebauliche Erschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-16
6.2.5.2 Bodenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-18
6.2.6 Stadtsanierung und städtebauliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-18
6.2.6.1 Stadtsanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-18
6.2.6.2 Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen................................... 6-19
6.2.6.3 Städtebauliche Erhaltung ............................................... ·. . 6-19
6.2.7 Fach- und Sektoralplanungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-19
6.2.7.1 Landschaftsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-19
6.2.7.2 Verkehrsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-19
6.2.8 Aufstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-20
6.2.8.1 Aufstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-20
6.2.8.2 Genehmigung und Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-20
6.2.8.3 Aktuellerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-20

6.3 Städtebaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-21


6.3.1 Städtebaurecht des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-21
6.3.2 Bauleitplanung und ihre Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-21
6.3.2.1 Aufgaben und Grundsätze der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-21
6.3.2.2 Verhältnis zu anderen Planungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-21
6.3.2.3 Verfahren zur Aufstellung der Bauleitpläne.................................. 6-22
6.3.2.4 Kooperative Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-22
6.3.2.5 Sicherung der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-22
6.3.2.6 Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . 6-23
6.3.3 Zulässigkeit von Bauvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-23
6.3.4 Bodenordnung, Enteignung, Erschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-24
6.3.4.1 Bodenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-24
6.3.4.2 Enteignung .... ·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-24
6.3.4.3 Erschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-24
6.3.5 Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen.................... 6-24
6.3.5.1 Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-24
6.3.5.2 Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-25
6.3.5.3 Städtebauförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-25
6.3.6 Erhaltungsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-25

6.4 Bauordnungsrecht....................................................... 6-26


6.4.1 Materielles Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-26
6.4.1.1 Sitz der Rechtsmaterie ................................... ·. . . . . . . . . . . . . . . . . 6-26
6.4.1.2 Gegenstände des Bauordnungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-26
6.4.1.3 Baupolizeirecht ............................. ·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-26
6.4.1.4 Baugestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-29
6.4.1.5 Bausozialrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-30
6.4.1.6 Bauökologierecht ................... ·:................................... 6-30
6.4.2 Besonderes Bauverwaltungsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-31
6.4.2.1 Behördenautbau, Zuständigkeiten, Aufgaben, Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-31
6.4.2.2 Präventive Bauverwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-31
6.4.2.3 Repressive Bauverwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-32
6.4.3 Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-32
6.4.3.1 Bauordnungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-32
6.4.3.2 Bauordnungsrechtliches Abweichungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-32
6.4.3.3 Öffentliche Baulasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-32

6.5 Planungsrechtfür Verkehrsanlagen . .. . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . . .. . . . . 6-34


6.5.1 Straßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-34
6.5.1.1 Zuständigkeit für Verwaltung und Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-34

XXXII tinhalt
6.5.1.2 Bedarfsplanung, Bundesverkehrswegeplan ................................. . 6-35
6.5.1.3 Linienbestimmung, Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP} ................... . 6-35
6.5.1.4 Planungsgebiet ......................................................... . 6-37
6.5.1.5 Planfeststellung ........................................................ . 6-37
6.5.1.6 Plangenehmigung ...................................................... . 6-39
6.5.1.7 Absehen von einem Verwaltungsakt (§ 17 Abs. 2 FStrG) ...................... . 6-39
6.5.2 Eisenbahnen ........................................................... . 6-39
6.5.2.1 Öffentliche Eisenbahn, Bedarfsplan Schiene ................................ . 6-39
6.5.2.2 Planfeststellung, Plangenehmigung ....................................... . 6-40
6.5.3 Binnenwasserstraßen ................................................... . 6-40
6.5.4 Flughäfen ............................................................. . 6-40
6.5.5 Straßenbahnen, U-Bahnen ............................................... . 6-40

7 Verkehrssysteme und Verkehrsanlagen ................................ . 7-3


7.1 überblick über Verkehrssysteme und ihre Integration ....................... . 7-3
7.1.1 Aufgaben des Verkehrs - Systemfunktionen ................................ . 7-3
7.1.2 Verkehr als Teilsystem - Systemumgebung ................................. . 7-3
7.1.3 Struktur von Verkehrssystemen - Systemelemente, Systemrelationen .......... . 7-4
7.1.4 Integration im Systembereich Verkehr ..................................... . 7-5
7.1.5 Teilsysteme des Verkehrsangebots ......................................... . 7-5

7.2 Öffentliche Verkehrssysteme ............................................. . 7-13


7.2.1 Einleitung ............................................................. . 7-13
7.2.2 Einflußnahme der EU auf den ÖV ......................................... . 7-13
7.2.2.1 Verordnungen und Richtlinien ........................................... . 7-13
7.2.2.2 Umsetzung und Auswirkungen der EU-Vorgaben
auf die Verkehrsunternehmen ............................................ . 7-14
7.2.3 Gesetzliche Grundlagen und Organisationsformen des ÖV in Deutschland ..... . 7-15
7.2.3.1 Allgemeines- Gesetze; Rechtsverordnungen (VO) und autonome Satzungen;
Erlasse, Normen, Richtlinien und Vorschriften .............................. . 7-15
7.2.3.2 Planungsrecht, Genehmigung, Technische Aufsicht .......................... . 7-16
7.2.3.3 Organisationsformen von ÖV-Unternehmen ............................... . 7-17
7.2.3.4 Nationale und internationale Organisationen ............................... . 7-17
7.2.3.5 Haftung der ÖV-Unternehmen ........................................... . 7-17
7.2.3.6 Unterschiede zwischen Fertigungsbetrieb und Verkehrs-/Transport-/
Dienstleistungsunternehmen ............................................. . 7-18
7.2.4 Grundlagen der Schienenbahnen ......................................... . 7-18
7.2.4.1 Merkmale der Schienenbahnen ........................................... . 7-18
7.2.4.2 Fahrzeuge ............................................................. . 7-19
7.2.4.3 Verkehrsnetze .......................................................... . 7-25
7.2.4.4 Fahrgastinformations- und Wegeleitsysteme, Verkaufssysteme ................ . 7-28
7.2.4.5 Einteilung der Strecken .................................................. . 7-29
7.2.4.6 Bahnkörper, Gleisverbindungen, Querschnittgestaltung des Bahnkörpers ...... . 7-32
7.2.5 Fahrdynamik .......................................................... . 7-42
7.2.5.1 Rad-Schiene-Wechselwirkungen ......................................... .. 7-42
7.2.5.2 Fahrt im Gleisbogen .................................................... . 7-43
7.2.5.3 Widerstände ........................................................... . 7-47
7.2.5.4 Zugkraft, Leistung, Fahrzeitgewinne ...................................... . 7-48
7.2.5.5 Bremsen ............................................................... . 7-50
7.2.6 Linienführung und Trassierung ........................................... . 7-50
7.2.6.1 Lageplan .............................................................. . 7-51
7.2.6.2 Höhenplan ............................................................ . 7-54
7.2.6.3 Fahrzeitoptimierung .................................................... . 7-54

Inhalt XXXIII
7.2.6.4 Weitere Überlegungen zur Linienführung................................... 7-55
7.2.7 Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-55
7.2.7.1 Dienst auf den Betriebsstellen . . . . .. . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . 7-57
7.2.7.2 Betriebsplanung und Betriebsleitung....................................... 7-58
7.2.7.3 Fahrplankonstruktion........................................... ... . . . . . . . 7-60
7.2.8 Leistungsfähigkeit und Qualität . . . .. . .. . . . .. . .. . .. . .. . . .. .. . . . .. . . . . .. . . .. 7-60
7.2.9 Leit- und Sicherungseinrichtungen von ÖV-Anlagen und Fahrzeugen........... 7-62
7.2.9.1 Leit- und Sicherungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-62
7.2.9.2 Fahrwegsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-63
7.2.9.3 Sicherungstechnik im Fahrzeug . . .. . . .. . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . .. . . 7-65
7.2.9.4 Funk................................................................... 7-65
7.2.9.5 Europäische Vereinheitlichung der Zugbeeinflussungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-66

7.3 Individualverkehr - Straßenentwurf und Straßenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-68


7.3.1 Individualverkehrssysteme . . .. . .. . .. . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . 7-68
7.3.1.1 Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-68
7.3.1.2 Netzplanung im Individualverkehr . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. .. . . . . . . . . . 7-71
7.3.1.3 Anlagen des motorisierten Individualverkehrs im Stadtverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 7-77
7.3.1.4 Anlagen des nichtmotorisierten Verkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-84
7.3.1.5 Betrieb des Individualverkehrs . .. . .. . .. . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . .. .. . . .. . . . . .. 7-88
7.3.1.6 Verkehrsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-90
7.3.1.7 Zukunft der Individualverkehrssysteme . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . 7-91
7.3.2 Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-92
7.3.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-92
7.3.2.2 Untergrund bzw. Unterbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-93
7.3.2.3 Oberbau ...................................... ,......................... 7-94
7.3.2.4 Standardisierte Bemessung . . . . .. . .. . . .. .. . .. . .. . . . . . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . 7-100
7.3.2.5 Straßenerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-101

7.4 Verkehrswasserbau-Wasserstraßen und Hinweise zu Häfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-108


7.4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-108
7.4.1.1 Inhaltliche und begriffliche Zuordnung..................................... 7-108
7.4.1.2 Verkehrsdaten und Verkehrsbedeutung der Schiffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-109
7.4.1.3 Entwicklung der Schiffsgrößen . .. . . . . . .. . . . .. . .. . .. . .. . . .. . . . . . . .. . .. . . . .. 7-112
7.4.2 Wasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-113
7.4.2.1 Wasserstraßennetz....................................................... 7-113
7.4.2.2 Standardisierung nach Wasserstraßenklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-114
7.4.2.3 Wechselwirkungen Schiff/Wasserstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-114
7.4.2.4 Regelabmessungen der Wasserstraßen . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . 7-118
7.4.3 Flußregelung............................................................ 7-118
7.4.3.1 Gewässerquer-und -Iängsschnitt . . .. . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. . .. .. . .. . . . . . . . . . . 7-118
7.4.3.2 Regelungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-119
7.4.3.3 Flußregelung in Mündungsgebieten, Ästuaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-121
7.4.4 Stauregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-124
7.4.5 Schiffahrtskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-125
7.4.5.1 Binnenschiffahrtskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-125
7.4.5.2 Seekanäle............................................................... 7-133
7.4.6 Abstiegsbauwerke (Schiffsschleusen und Schiffshebewerke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-133
7.4.6.1 Arten und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-133
7.4.6.2 Abmessungen und Ausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-134
7.4.7 Häfen- Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-138
7.4.7.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-138
7.4.7.2 Seehäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-139
7.4.7.3 Binnenhäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-144

XXXIV Inhalt
7.4.7.4 Schwimmende Landeanlagen ............................................ . 7-146
7.4.7.5 Werftanlagen .......................................................... . 7-146
7.4.8 Anlagen für die Sport- und Freizeitschiffahrt ............................... . 7-146
7.4.9 Schiffahrtszeichen ...................................................... . 7-146

7.5 Flughafenplanung, -bau und -betrieb ..................................... . 7-147


7.5.1 Luftverkehr ............................................................ . 7-147
7.5.1.1 Systemelemente des Luftverkehrs ......................................... . 7-147
7.5.1.2 Historische Entwicklung ................................................. . 7-148
7.5.1.3 Bedeutung des Luftverkehrs .............................................. . 7-150
7.5.1.4 Luftfahrtgesetzgebung, Behörden und Organisationen ....................... . 7-151
7.5.2 Flughäfen ............................................................. . 7-153
7.5.2.1 Definition, Rechtsform und Organisation .................................. . 7-153
7.5.2.2 Planung, Bau und Betrieb ................................................ . 7-156
7.5.2.3 Luftverkehrsprognose ................................................... . 7-158
7.5.2.4 Systemelemente eines internationalen Flughafens/Flughafenbau und -betrieb .. . 7-159
7.5.3 Auswirkungen auf die Umwelt ............................................ . 7-169

7.6 Leitungsnetze .......................................................... . 7-171


7.6.1 Unterbringung von Leitungen in öffentlichen Flächen ....................... . 7-172
7.6.2 Gasrohrnetze .......................................................... . 7-173
7.6.3 Fernwärmerohrnetze .................................................... . 7-173
7.6.4 Starkstromnetze ........................................................ . 7-174
7.6.5 Informations- und Kommunikationsnetze 7-175

A Anhang
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A-3

Inhalt XXXV
Übersicht: Beiträge und ihre Autoren

1.1 Bauinformatik E. Rank; U. Meißner


1.2 Ingenieurgeodäsie H.Kahmen
1.3 Bauphysik M.J.Setzer
1.4 Bauchemie D. Knöfel; F. Winnefeld
1.5 Theorie der Tragwerke W.B. Krätzig; K. Meskouris
1.6 Zuverlässigkeit von Tragwerken R. Rackwitz; K. Zilch
2.1 Bauwirtschaftslehre C.J. Diederichs
2.2 Unternehmensführung C.J. Diederichs
2.3 Immobilienmanagement C.J. Diederichs
2.4 Privates Baurecht C.J. Diederichs; H. Franke
2.5-1 Baustellenorganisation, Baustellenmana- M.Helmus ·
gement
2.5.2 Arbeitsvorbereitung M.Helmus
2.5.3 Baustelleneinrichtung P.Böttcher
2.5.4 Arbeitsschutz und Unfallverhütung R. Scholbeck; M. Bandmann
2.5.5 Automatisierung und Robotik im Bau- Th.Bock
unternehmen
2.6.1 Bauverfahren und Maschineneinsatz im Erdbau E. Petzschmann
2.6.2 Bauverfahren und Maschineneinsatz für
Baugrubenumschließungen und Gründungen E. Petzschmann
2.6.3 Auswahl und Einsatz von Hebezeugen E. Petzschmann
2.6.4 Schalungs- und Rüstungsarbeiten im Hochbau F.H. Hoffmann
2.6.5 Bauverfahren und Maschineneinsatz im Beton- E. Petzschmann
und Stahlbetonbau
2.6.6 Bauverfahren und Maschineneinsatz im E.Petzschmann
Fertigteilbau
2.6.7 Leitungsbau D. Stein
3.1 Baustoffe P. Schieß!; G. Adam; B. Meng; G. Rößler;
P. Schröder; B. Schwamborn; B. Wallner;
K.-H. Wiegrink
3.2 Hochbaukonstruktionen H.Bachmann
3-3 Massivbau K. Zilch; R. Schneider
3.4 Stahlbau G. Sedlacek
3.5 Verbundbau G. Hanswille
3.6 Mauerwerk P. Schubert
3·7 Holzbau H. Kreuzinger
3.8 Glasbau J.-D. Wörner; J. Schneider
3·9 Befestigungstechnik R. Eligehausen; W. Fuchs
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion R. Katzenbach; K. Zilch; Chr. Brandes;
Chr. Moormann
4.1 Boden- und Felsmechanik U. Arslan; J. Kinzel
4.2 Baugrunddynamik St. Savidis; Chr. Vrettos
4·3 Grundbau, Baugruben und Gründungen W.Rodatz
4·4 Umweltgeotechnik H.L. Jessberger; R. Katzenbach; S. Strüber;
J. Giere
4.5 Maschineller Tunnelbau mit Tunnelvor- B. Maidl; U.Maidl
triebsmaschinen
5-1 Technische Hydraulik F. Valentin
5.2 Hydrologie und Wasserwirtschaft G.A. Schultz; A. Schumann
5·3 Wasserbau Th. Strobl; F. Zunic
5.4 Wasserversorgung W. Urban; A. Sonnenburg
5·5 Abwassertechnik N. Dichtl
5.6 Abfalltechnik J. Jager; A. Bockreis; I. Steinberg
6.1 Raumordnung und Landesplanung W.W.Köhl
6.2 Städtebau, Raumplanung W.W.Köhl
6.3 Städtebaurecht M. Krautzberger
6.4 Bauordnungsrecht K. Schiotterheck
6.5 Planungsrecht für Verkehrsanlagen und K.Bauer
Verkehrswege
7-1 Überblick über Verkehrssysteme und ihre K.J. Beckmann
Integration
7-2 Öffentliche Verkehrssysteme E. Hohnecker
7-3-1 Individualverkehrssysteme K.J. Beckmann
7·3·2 Anlagen für den Individualverkehr H. Beckedahl; E. Straube
7·4 Verkehrswasserbau - Häfen und Wasserstraßen M.Hager
7·5 Flughafenbau, -planung und -betrieb W. Grebe; M. Büsing
7·6 Leitungsnetze D.Stein
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Kapitell 1
Allgemeine Grundlagen

• •• Inhalt
1.1 Bauinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-3
1.2 Ingenieurgeodäsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-49
1.3 Bauphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-75
1.4 Bauchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-92
1.5 Theorie der Tragwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-113
1.6 Zuverlässigkeit von Tragwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-217

K. Zilch et al. (eds.), Handbuch für Bauingenieure


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
Allgemeine Grundlagen 1

1.1 Unter Ingenieuranforderungen der Planung


Bauinformatik und des Bauens, der Arbeitsplanung und der
Bauorganisation, der Baubetriebswirtschaft und
1.1.1 des Baurechts, der Nutzung und der Bestands-
Einleitung verwaltung sind dabei besonders die Bereiche
- der Büroorganisation und -kommunikation,
Die Entwicklung und Erforschung der Rechen- - der lokalen und standortübergreifenden Rech-
technik sowie der Informationsverarbeitung ge- nervernetzung,
hen zurück auf den Bauingenieur Konrad Zuse. - der interaktiven Graphik und Animation,
Er konstruierte 1936 bis 1938 in Berlin die ersten - des rechnerunterstützten Entwerfensund Kon-
funktionsfähigen digitalen Rechenautomaten: struierens (CAD},
die rein mechanisch arbeitende "Z1" und die mit - des Informations- und Modellaustausches,
Relais arbeitende "Z2". 1941 stellte er die erste - der Telekommunikation und -kooperation in
funktionsfähige programmgesteuerte Rechen- Rechnernetzen,
anlage "Z3" vor, den weltweit ersten Computer, - der numerischen Berechnung und des Höchst-
mit dem mathematische Bauingenieuraufgaben leistungsrechnens,
numerisch gelöst werden konnten. Dieser genia- - der objektorientierten Modeliierung und Mo-
le Erfinder, der 1995 in Hünfeld im Alter von 85 dellverwaltung sowie
Jahren starb, entwickelte über lange Zeit funda- - der Wissensaquisition und Wissensverarbei-
mentale Grundlagen für die moderne Informa- tung
tionsverarbeitung. Über Zuse-Schüler und Zuse- hervorzuheben.
Rechner wurden die neuen Techniken und Me- Alte zentralistische Konzepte der Rechner-
thoden in Deutschland seit den 50er-Jahren in hierarchie und traditionelle Werkzeuge des In-
die Ingenieurpraxis umgesetzt. genieurwesens wurden durch das dezentrale Kon-
Inzwischen wurde mit dem Computer als Mas- zept der multifunktionalen Arbeitsplatzrechner
senware eine neue vernetzte Welt des "erweiter- ersetzt. Digitale Kommunikationstechniken und
ten Rechnens", wie es Zuse nannte, erschlossen. Telekommunikationsverbindungen, die den Glo-
Zwar basieren diese Systeme nach wie vor auf bus umspannen, ermöglichen heute zuverlässig
dem dualen Zahlensystem mit den Zahlenwer- die umfassende Informationsbeschaffung und
ten 0 und 1, wie es schon Leibniz 1679 beschrie- den weltweiten Informationsaustausch. Völlig
ben hatte, und den Methoden der mathemati- neue Kooperationsmöglichkeiten und Organisa-
schen Logik mit den Wahrheitswerten "wahr" tionsformen für Ingenieure und Unternehmun-
und"falsch" sowie den Operatoren"und", "oder" gen bilden sich gegenwärtig in Rechnernetzen
und "nicht" der Booteschen Algebra, die Zuse in zur Auftragsaquisition, für die Objektplanung,
seine technischen Systeme und 1945 in die erste die Projektabwicklung und das Management
algorithmische Programmiersprache- das"Plan- heraus.
kalkül" - umgesetzt hat, doch bieten die jetzt Vernetzte Rechnersysteme und globale Kom-
verfügbaren nutzungsfreundlichen Hard- und munikationsmittel, nutzungsfreundliche Be-
Software-Betriebsmittel eine multifunktionale triebssoftware und fachspezifische Anwendungs-
Arbeitsumgebung für vielfältige Aufgaben. software, Softwareagenten in Netzen und Midd-

Bauinformatik 1-3
leware für die Kommunikation von Objekten sowie zum Austausch und zur Sicherung von
verändern nachhaltig die Arbeitsmittel und die Software,
Arbeitsorganisation des Bauingenieurwesens. - leistungsfähige Bürokommunikation (Telefon,
Wissenschaft und Industrie sind aufgerufen, zu- Fax, Bildtelefon über ISDN und Rechnernetz)
kunftsweisende Anforderungen an die neuen zur Abwicklung aller technischen, kaufmänni-
Technologien zu stellen, diese durch Forschung schen und organisatorischen Ingenieuraufga-
und Entwicklung zu beherrschen und das Be- ben durch Nutzung integrierter lokaler und
rufsfeld durch Aus- und Weiterbildung zu unter- standortübergreifender Informationsdienste,
stützen. - Einbindung in Nah- und Weitverkehrsrech-
nernetze (z.B. Intranet, Internet, Deutsches
1.1.2 Forschungsnetz (DFN)) zum Austausch von
Der vernetzte Rechnerarbeitsplatz Ingenieurmodellen und -dokumenten, für die
des Ingenieurs Nutzung verteilter Ressourcen der Informati-
onsverarbeitung, zur Beschaffung und Ver-
1.1.2.1 breitung von Informationen aller Art sowie
Multifunktionale Arbeitsumgebung zur Zusammenarbeit von Ingenieurorganisa-
tionen, z.B. bei der Planung und Bearbeitung
Mit der weltweiten Einführung der PC-Techno- technischer Projekte, der Steuerung und Über-
logie (PC Personal Computer) seit Anfang der wachung von Baumaßnahmen, beim techni-
80er Jahre hat das Konzept der dezentral aufge- schen und kaufmännischen Management.
stellten und vernetzten Arbeitsplatzrechner wei-
te Verbreitung gefunden. Neben hoher Rechen- 1.1.2.2
leistung und großer Speicherkapazität stehen Rechneraufbau und Betriebssystem
dem Ingenieur dadurch unmittelbar am Arbeits-
platz zweckmäßige Peripheriegeräte zur Verfü- Digitalrechner
gung, über die der Rechner für verschiedene An-
wendungen multifunktional genutzt werden Arbeitsplatzrechner sind programmierbare,
kann [Meißner/von Mitschke-Collande/Nitsche elektronische Rechenanlagen, die digital gespei-
1992]. cherte Befehle und Daten i.d.R. in sequentieller
Typische Anforderungen an derartige Systeme Folge verarbeiten. Abbildung 1.1-1 zeigt den
für die Durchführung von Ingenieuraufgaben prinzipiellen Aufbau.
sind Die Rechenanlage besteht i.allg. aus dem ei-
- hohe Rechenleistung der Prozessoren und gentlichen Rechner, der Zentraleinheit (CPU
große Speicherkapazitäten von Haupt- und Central Processing Unit), und den über Ein-/
Magnetplattenspeichern für numerische Si- Ausgabe-Einheiten (engl.: I/0-controller) ange-
mutationen von technischen Modellen, schlossenen peripheren Geräten wie Tastatur,
- hochauflösende Rastergraphik von Bild- Bildschirm, Drucker und Plattenspeicher. Die
schirm, Plotter und Drucker zur Darstellung Zentraleinheit ist aus den Komponenten des Re-
komplexer technischer Systeme, chenwerkes (ALU Arithmetic and Logical Unit),
- ergonomische Bedienungsgeräte (Tastatur, des Leit- oder Steuerwerks (engl.: control unit)
Maus, Tablett, Digitalisierer, Scanner) zur ma- und des Haupt- oder Arbeitsspeichers (engl.:
nuellen und automatisierten Erfassung und main memory) aufgebaut.
Verarbeitung von textlichen, digitalen und Im Hauptspeicher sind sowohl die zu verar-
graphischen Informationen, beitenden Daten als auch die Verarbeitungsbe-
- audio-visuelle Peripheriegeräte (Videokame- fehle in einer linearen Anordnung von Spei-
ra bzw.-Rekorder, CD-ROM -Geräte, Lautspre- cherzellen, die mit ·Adressen durchnumeriert
cher, Mikrophon, Bildschirm) zur Erfassung, sind, abgespeichert. Auf diese Speicherzellen
Verarbeitung, Speicherung und Ausgabe mul- kann wahlfrei zugegriffen werden (RAM Ran-
timedialer Informationen über Natur, Technik dom Access Memory). über die Kanäle des Bus-
und Gesellschaft in Form von Schrift, Bild, systems, das die elektrischen Verbindungslei-
Film und Ton, tungen für die Ansteuerung, die Adressierung
- periphere Massenspeicher (magnetische, op- und den Transport bildet, werden die digitalen
tische und magneto-optische Speichermedi- Informationen als endliche Impulsfolgen nahe-
en) zur Archivierung technischer Dokumente zu mit Lichtgeschwindigkeit transportiert.

1-4 Allgemeine Grundlagen


Ein-/Ausgabe-Einheit II Hauptspeicher
I (Peripherieanschluß) (Befehle, Daten)
I
Rechenwerk
Leitwerk
iI'/-.
t t t t t t t-.
Steuerbus
(Operanden) ...
I I I I
V

Befehlszähler Adreßbus

Register- / t t t-.

"...
speieher Datenbus
V

Abb. 1.1-1 Blockschaltbild der Zentraleinheit

Das Leitwerk veranlaßt das Lesen, die Inter- Betriebssystem


pretation und die Steuerung ihrer Ausführung
im Rechenwerk. Dabei wird die Adresse des ak- Die Programme des Betriebssystems (engl.: ope-
tuell zu verarbeitenden Befehls im Befehlszähler rating system),das auch die Peripheriegeräte des
notiert. Darüber hinaus übernimmt das Leit- Rechners für den Anwender in einen benutzba-
werk die gesamte Steuerung der Zentraleinheit ren Zustand bringt, übernehmen die Nutzung,
sowie die Ansteuerung des Hauptspeichers und Verwaltung und Überwachung aller Hardware-
der Ein-/ Ausgabe-Einheiten. komponenten eines Rechners sowie der darauf
Die zu verarbeitenden Operanden werden aus ablaufenden Rechen- und Organisationspro-
dem Hauptspeicher in das Rechenwerk gelesen, gramme. Das Betriebssystem wird nach dem
die arithmetischen oder logischen Befehle des Einschalten des Rechners automatisch gestartet.
Grundbefehlssatzes dort ausgeführt und die Re- Das Betriebssystem ist eine Ansammlung von
sultate anschließend in den Hauptspeicher ge- Organisations-, Verwaltungs- und Dienstpro-
schrieben. Das Rechenwerk übernimmt dabei grammen, die zum Betrieb eines Rechners er-
mit seinen sehr schnellen Registern die Funkti- forderlich sind. Diese Programme werden ent-
on eines Zwischenspeichers. weder dauernd (engl.: resident) im Arbeitsspei-
Das Funktionsprinzip eines solchen Rechen- cher gehalten und/oder auf einem externen Da-
automaten, der in sequentieller Reihenfolge einen tenträger gespeichert, bei Bedarf in den Arbeits-
Befehl nach dem anderen mit den zugehörigen speicher geladen und dort ausgeführt. Das
Daten verarbeitet, geht auf von Neumann [Bau- Betriebssystem bildet somit die Schnittstelle
er 1998] zurück und wird auch als "SISD-Prin- zwischen der Hardware und dem Benutzer bzw.
zip" (SISD Single Instruction, Single Data) be- der Anwendersoftware; es dient zur Kommuni-
zeichnet. kation zwischen Mensch und Maschine auf un-
Bei der Programmierung werden sowohl die terster Ebene [Hartmann 1991].
Daten als auch die Befehle des Programms im Der Kern eines Betriebssystems besteht aus ei-
Hauptspeicher abgelegt. Die Befehle liegen dabei ner Menge von Programmen, welche auf die Pro-
in maschinenspezifischer Form vor. Die Pro- zessor- und Rechnerarchitektur abgestimmt
grammierung auf dieser untersten Ebene kann sind. Diese dienen als Grundlage für alle ande-
mit Hilfe eines sog. "Assembler" vorgenommen ren Betriebssystembausteine. Der Kern bietet ei-
werden. ne Menge von standardisierten Schnittstellen, an
Bezüglich der Klassifizierung von Digital- die sich die übrigen Betriebssystem- und An-
rechnern hat man hinsichtlich der mit einem Be- wenderprogramme koppeln. Er übernimmt die
fehl verarbeitbaren Länge der Informationsein- Organisation der ablaufenden Prozesse, weist
heiten (8 ,16, 32 bzw. 64 bit) zwischen den tech- diesen Betriebsmittel zu und stellt die Verbin-
nischen Gegebenheiten von Rechenwerk (engl.: dung zu Dateisystem und Peripheriegeräten her.
central processor), Bussystem und Hauptspei- Bei Verwendung eines anderen Prozessors sind
cher zu unterscheiden. deshalb grundsätzlich nur Änderungen am Kern
notwendig.

Bauinformatik 1-5
Die Benutzungsschnittstelle umgibt den Kern Rechnernetze
und erlaubt dem Benutzer durch Eingabe von
Kommandos oder unter Verwendung der Fen- Die Einsatzmöglichkeiten von Arbeitsplatzrech-
stertechnik das Arbeiten mit dem Rechner. Mit nern werden in zunehmendem Maße von ihrer
der Benutzungsschnittstelle wird die Benut- Eingliederung in eine vernetzte Kommunikati-
zungsoberfläche definiert, über die der Nutzer onsumgebung bestimmt. Die Rechner müssen
auf standardisierte Weise auf die Funktionalitä- dabei mit einer Netzwerkkomponente ausge-
ten des Betriebssystems zugreifen kann. stattet sein, welche die Netzwerkfähigkeit für das
Bei komplexeren Betriebssystemen ist es nicht spezielle Netz herstellt.
sinnvoll, die Betriebssoftware komplett im Ar- Bei Netzen unterscheidet man zwischen Nah-
beitsspeicher verfügbar zu halten. Es reicht aus, und Weitverkehrsnetzen. Ein Nahverkehrsnetz
nur die wichtigsten Programme im ROM (Read (LAN LocalArea Network) ist auf ein kleines Ge-
Only Memory) oder RAM abzulegen und selte- biet der näheren Umgebung begrenzt. Weitver-
ner benötigte Teile bei Bedarf von Permanent- kehrsnetze (WAN Wide Area Network) hingegen
speichern in den Arbeitsspeicher zu laden und umspannen große Entfernungen, können sich
auszuführen. aus heterogenen Teilsystemen mit Knotenrech-
Die Aufgaben des Betriebssystems umfassen nern zusammensetzen und sind mit Hilfe von
im wesentlichen: Überseekabeln und Satellitenverbindungen zu
- Verwaltung des Prozessors: Steuerung der Pro- weltumspannenden Netzen ausgebaut. Das am
grammausführung, Ausnahme- und Fehler- weitesten verbreitete WAN ist das Internet, mit
behandlung, Unterbrechung, Synchronisation dessen Diensten man weltweit Informationen
verschiedener Prozesse, austauschen oder ferne Ressourcen nutzen kann
- physikalische Verwaltung der Betriebsmittel (s. 1.1.2.4}.
des Rechners: Bereitstellung und Steuerung Für die Verbindungen in einem LAN werden
von Arbeitsspeicher und Peripheriegeräten, als übertragungsmedien Koaxialkabel (engl.:
- Interaktion mit dem Nutzer: Organisation von coaxial cable}, verdrillte Kupferkabel (engl.: twi-
Ein- und Ausgabe über Tastatur und Maus auf stedpair) oder Lichtwellenleiter (engl.: fibre op-
den Bildschirm oder über Schnittstellen usw. tic cable) verwendet. Hinsichtlich der räumli-
(z.B. auf den Drucker). chen Anordnung und Verbindung der Rechner-
knoten unterscheidet man zwischen verschiede-
Moderne Betriebssysteme (Windows NT, Unix nen Netztopolögien: Bus, Ring und Stern.
usw.) haben die Hinwendung von Befehlskom- Bei der Bustopologie wird jeder Rechner an ei-
mandos zur fensterorientierten Benutzungs- nem linienförmigen Kabelsegment angeschlos-
oberfläche vollzogen. Sie sind in der Lage, sen. Bei einem Ring sind alle Rechner ringförmig
mehrere Anwendungsprozesse (Multi-Tasking) verbunden; die Nachrichten laufen alle in eine
scheinbar gleichzeitig auf dem Rechner ablaufen einzige Richtung. Bei einem Stern sind alle Rech-
zu lassen. Mehrbenutzersysteme (engl.: multi- ner über eine zentrale Verteilereinheit (engl.:
user) wie UNIX oder Windows NT haben eine switch oder hub (Zentrum)) miteinander stern-
Verwaltung, die den Nutzern als Mißbrauchs- förmig gekoppelt.
schutz differenzierte Zugriffsrechte (Lesen, Die Kommunikation innerhalb der Netze fin-
Schreiben, Ausführen) auf Daten und Ressour- det nachrichtentechnisch über standardisierte
cen zuweist und in Rechnernetzen die gleichzei- Kommunikationsprotokolle statt, die in Schich-
tige Nutzung der Rechnerressourcen durch vie- ten aufgebaut sind wie z.B. im OSI-Schichten-
le Benutzer gestattet. Gegenüber Einbenutzersy- Referenzmodell (OSI Open Systems Intercon-
stemen (engl.: single-user) wird dabei allerdings nection) der ISO (International Standardization
die Person eines Systemadministrators für den Organisation) festgelegt.
Betrieb und die Verwaltung erforderlich; er'un- Zur Verbindung der Systemteile, Verstärkung
terstützt die anderen Benutzer durch zentrale der Signale, Vermittlung der Nachrichten und Um-
Dienstleistungen wie Systemkonfiguration, Da- setzung verschiedener übertragungsprotokolle
tensicherung und Beratung. dienen Bauteile wie Bridge, Hub, Switch, Repea-
ter, Router und Gateway, welche die Verbindung
von Teil- und auch Fremdnetzen ermöglichen.
Für die Kooperation der Rechnerknoten un-
tereinander hat sich die Client-Server-Architek-

1-6 Allgemeine Grundlagen


tur bewährt. Sie ermöglicht beispielsweise den mationsobjekte aufgebaut werden. Dabei ergibt
Betrieb eines gemeinsamen Druckers an nur ei- sich aus dem semantischen Zusammenhang der
nem Rechner oder die Nutzung von Software, Verwendung die jeweilige Bedeutung des Infor-
die nur auf einem Rechner installiert ist. Der mationsinhaltes, wie Abb. 1.1-2 erläutert. In Pro-
Rechner, der den Dienst im Netzwerk zur Verfü- grammiersprachen wird die Bedeutung und
gung stellt, hat die Rolle des Dienstaubieters Länge des Informationsobjekts durch eine Typ-
(engl.: server); die anderen Rechner bedienen deklaration für die zu erzeugenden Objekte fest-
sich dieses Dienstes und spielen dementspre- gelegt.
chend die Rolle von anfragenden und abholen- Beim Lesen und Schreiben der digitalen In-
den Kunden (engl.: dient). formation von und auf Speichermedien können
die beiden Dualwerte eines Bit in idealer Weise
1.1.2.3 in die Zustände 0 =AUS und 1 =EIN von physi-
Speicherung und Verarbeitung von Informationen kalischen Schaltern abgebildet werden. Entspre-
in Digitalrechnern chend kann die Verarbeitung der digitalen In-
formationen (z.B. arithmetische, logische, gra-
Zur maschinellen Verarbeitung werden ver- phische oder akustische Operationen) in Re-
schiedenartige Informationen wie Texte, Zahlen, chenanlagen durch den Ablauf elementarer
Bilder und Töne nach einem einheitlichen Prin- Schaltvorgänge (Programmablauf) erfolgen.
zip in digitale Informationsobjekte zerlegt, in Zahlen werden rechnerintern im Dualsystem
binärer Form codiert und elektronisch, elektro- der Zahlenbasis 2 dargestellt, z. B. für eine ganze
magnetisch oder optisch gespeichert. Das dabei Zahl durch
benutzte Dualsystem wurde bereits von Gott- n
fried Wilhelm Freiherr von Leibniz ( 1649-1716) z= 2A ·2i'
entwickeltund von KonradZuse (1910-1995) bei i=O
der Entwicklung der modernen Rechentechnik wobei di der duale Zahlenwert 0 oder 1 zum Stel-
angewendet. lenwert 2i ist. Zum Beispiel bedeutet
11012 = 1· 23 + 1· 22 +0. 21 + 1· 2°.
Informationseinheiten
Die Dualzahl z = 1101 2 entspricht der Dezimal-
Die beiden Binärzeichen 0 und 1 bilden den ele- zahl z = 13 10 .Jeweils vier Ziffern des Dualsystems
mentaren Zeichenvorrat, aus dem digitale Infor- lassen sich zu einer

Informationsobjekt Typ des Inhalts Wertebereich


Bit
00 binäre Ziffern 0,1

00 logische Wahrheitswerte wahr, falsch

00 Helligkeitstufen normal, intensiv

Byte (8 Bit)
I76543210
I III I I I I Zeichen Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen,
unsichtbare Steuerzeichen
(ASCII-Code) Graphiksymbole

Wort (2/4/8 Byte)


EJ::::::::::::ITIJ
n 2 1 0
ganze Zahl i -2":<>i:<>2"-1

Wort (4/8/16 Byte)


EJ::::::::::::r::IIEI::::IJ
...............
Gleitkommazahl r r= m· Basis•
z.B. - 3.4 ·1038 ,.;; r,.;; 3.4 ·1038
Mantissem Exponente (compilerabhängig)

Abb. 1.1-2 Elementare Informationsobjekte verschiedener Länge

Bauinformatik 1-7
Hexadezimalziffer z 16 = CIIIJ (engl.: offset) angesprochen. Die physikalische
3 2 I 0 Adresse einer Speichereinheit besteht daher aus
(Ziffern 0-9,A-F) den beiden Teilen Segment: Relativadresse (engl.:
segment:offset), die u.a. im Hexadezimalsystem
zusammenfassen, um die Inhalte von Dualzah- angegeben werden. Da man in einem 16-Bit-
len kompakter anzugeben. WortAdressen zwischen0und2 16-l =65535 10 =
Gegenüber analogen Informationen haben so FFFF 16 speichern kann, haben die Segmente
aufgebaute digitale Informationsobjekte den üblicherweise eine Größe von 64 kByte =
großen Vorteil, daß sich aus dem Inhalt der In- 65536 Byte. Für einen 32-Bit-PC, auf dem die
formationen vor der Übertragung eine Prüf- größte physikalische Adresse FFFF: FFFF betra-
summe erzeugen läßt, so daß Übertragungsfeh- gen kann, ist die Speicheradressierung und da-
ler nach der Übertragung weitgehend selbstän- mit auch der Speicherausbau deshalb auf eine
dig erkannt und ggf. korrigiert werden können. Größe von maximal4 GByte beschränkt.
Dies macht die hohe Zuverlässigkeit und das ge-
ringe Rauschen digitaler Kommunikationssy- Dateisystem
steme aus.
Für die dauerhafte Speicherung von Informati-
Speicherung und Zugriff onsobjekten auf Massenspeichern wie Magnet-
platten, Disketten und Bändern werden die In-
Für die Verarbeitung der Informationen im Rech- formationen i.allg. in größeren Organisations-
ner werden die Informationsobjekte im Haupt- einheiten strukturiert, die man "Dateien" nennt.
speicher gespeichert. Er besteht aus einer linea- Die über alle Geräte einheitliche Organisation
ren Folge von Speichereinheiten, auf die über des Dateisystems hat große Ähnlichkeit mit dem
Adressen wahlfrei zugegriffen werden kann Aufbau von Akten oder Büchern. Als Begriffe
(RAM). sind entlehnt: Inhaltsverzeichnisse (engl.: direc-
Entsprechend der Breite der adressierbaren tory),Akten oder Dateien (engl.: file) und Sätze
Speichereinheit unterscheidet man zwischen (engl.: records).
Wort-Maschinen (hauptsächlich für den tech- Jede Datei hat einen eindeutigen Namen, un-
nisch-wissenschaftlichen Bereich) und Byte- ter dem sie geöffnet, umbenannt, kopiert, ge-
Maschinen (früher hauptsächlich für den kauf- schlossen oder gelöscht werden kann. Als Schutz
männischen Bereich), wobei letztere inzwischen vor unerlaubten Zugriffen dienen Lese- und
als Industriestandard universal genutzt werden. Schreibrechte für einzelne Benutzer oder Benut-
Um Speichereinheiten in größeren Paketen zergruppen. Die physikalische Speicherung auf
durch das Betriebssystem effizient auf periphe- magnetischen Datenträgern hat auch die Orga-
re Massenspeicher ein- und auslagern zu können nisation verschiedener Dateiarten geprägt. Bei
(engl.: paging), ist der Hauptspeicher i.allg. in allen Lese- und Schreibvorgängen werden die In-
Segmente (engl.: segment) oder Seiten (engl.: formationsobjekte in größeren Datenpaketen
page) unterteilt, die über eine Segmentnummer zusammengefaßt, die man "logische Sätze"
adressiert werden (Abb. 1.1-3). nennt und die in einem Strom (engl.: stream) zu-
Innerhalb der Segmente werden die einzelnen sammenhängend gelesen und geschrieben wer-
Speichereinheiten über eine Relativadresse den.

physikalische Adresse
0 Offset n (segment: offset) 0 Offset n
I I -
I I
Speichereinheiten
-------------o-~2l--------- Speichereinheiten

------------- _j________ _-
--------- - - -- - - ----
SegmentO I
Speichereinheit Segment N

Abb. 1.1·3 Hauptspeicher

1-8 Allgemeine Grundlagen


Da es auf Magnetbändern wegen der mecha- und Hauptspeicher. Für den Benutzer werden
nischen Toleranz nicht erlaubt ist, neue Sätze entsprechende Dienstprogramme mit graphi-
zwischen alte zu schreiben, kann man neue Sät- scher Benutzungsoberfläche (Datei-Browser,
ze nur ans Ende einer Datei schreiben. Zum Auf- z. B, Explorer für Windows-Betriebsysteme)
finden der Satzanfänge muß das Magnetband bereitgestellt, damit er durch das baumartige
vorwärts und rückwärts gespult werden. Die da- Dateisystem navigieren, nach Dateiobjekten su-
bei zu findenden EOR-Marken (EOR End OfRe- chen, Dateien kreieren, bearbeiten oder löschen
cord) kennzeichnen die Satzenden. Die Dateizu- kann.
griffe erfolgen deshalb bei einer solchen Datei
(engl.: sequential file) streng sequentiell. Mit der 1.1 .2.4
Einführung des Magnetplattenspeichers entfie- Internet
len diese Restriktionen. Diese Medien gestatten
das Dazwischenschreiben von Sätzen. Die wahl- Als Reaktion auf die Raumfahrterfolge der So-
freien Dateien (engl.: random file) ermöglichen wjetunion in den SOer Jahren wurden in den USA
Lese- und Schreibzugriffe auf einzelne Sätze an die Tätigkeiten der ARPA (Advanced Research
beliebiger Stelle. Bei wechselnder Satzlänge wird Project Agency) zur Entwicklung des ARPANet
allerdings ein Inhaltsverzeichnis erforderlich. vom amerikanischen Verteidigungsministerium
Auf der Basis wahlfreier Dateien sind DOS- forciert und bereits Mitte der 60er Jahre erste
Betriebssysteme (DOS Disk Operating System) Rechnernetze aufgebaut und betrieben. ARPA-
aufgebaut, die ihre Betriebssoftware in Dateien Net diente zur Erforschung eines katastrophen-
auf Permanentspeichern verwalten. Auf jedem sicheren Computernetzes. Dabei wurde das fle-
Speichermedium befindet sich dabei ein ent- xible und fehlertolerante Netzwerkprotokoll IP
sprechendes Dateisystem, das alle Dateien und (Internet Protocol) zum Datenaustausch zwi-
Dateiinhaltsverzeichnisse, auch "Ordner" (engl.: schen Rechnern entwickelt.
directory) genannt, in einer Baumstruktur hier- Auf Basis des ARPANet entstand schließlich
archisch verwaltet (Abb. 1.1-4). Diese Struktur das heutige Internet als"das Netz der Netze". Das
darf von der Größe der Dateien und Verzeich- Internet ist technisch sowie organisatorisch
nisse her in ihrer Tiefe grundsätzlich nicht be- durch den Zusammenschluß vieler Teilnetze ge-
schränkt sein. wachsen. Diesbezüglich existiert keine zentrale
Das Betriebssystem muß die notwendige Verwaltung des Internet, sondern die Teilnetze
Funktionalität bereitstellen, um dieses komple- werden unabhängig voneinander verwaltet und
xe Dateisystem möglichst effizient zu verwalten. gliedern sich in Netzkomponenten, an die ver-
Dazu gehört u.a. die Bereitstellung von freien schiedene Rechnertypen angeschlossen sein
Hauptspeicherbereichen, die Verwaltung der können. Diese Dezentralisierung erstreckt sich
Speicherpuffer, der schnellstmögliche Zugriff auch auf die Finanzierung, indem alle lokalen,
auf die gespeicherten Daten und die Sicherung regionalen oder nationalen Institutionen die Ko-
einer optimalen Transferrate zwischen Massen- sten für den zugehörigen Teil des Netzes tragen.
Für einen Zugang zum Internet bieten sich je
nach gewünschter Funktionalität unterschiedli-
che Möglichkeiten der technischen Realisierung
an. Grundvoraussetzung ist die Kommunikati-
onsfähigkeit des Rechners. Bei Nutzung einer
analogen Telefonleitung wird ein Modem (Mo-
dulator/Demodulator) benötigt. Das Modem
wandelt die digitalen Informationen (Bytes) bei
der Übertragung vom Rechner zur Telefonlei-
tung in analoge akustische Signale. Diese werden
über die Telefonleitung übertragen und auf der
Seite des Empfängers wieder in digitale Daten
zurückgewandelt.
Eine schnellere Kommunikation mit hoher
Qualität läßt sich über einen digitalen ISDN-An-
Abb. 1.1-4 Datei1ystem schluß (ISDN Integrated Services Digital Net-
work) realisieren. Hierbei entfällt die Analog-

Bauinformatik 1-9
umwandJung digitaler Informationen. Über den auf dem fernen Rechner. Auf vielen FTP-Ser-
Telefonanschluß wird ein nächstgelegener Ein- vern besteht die Möglichkeit des "anonymous
wahlknoten (PoP Point of Presence) eines lnter- ftp", d.h. der Zugriff auf öffentliche Dateien
net-Dienstleisters (Provider) angewählt, der die erfolgt mit der Zugriffsberechtigung des Be-
Weiterleitung der digitalen Informationen vom nutzernamens "anonymous" oder "ftp" und
Telefonnetz in das Internet übernimmt. Die Ko- der eigenen E-Mail-Adresse als Kennwort. Im
sten fürdie Internet-Nutzung setzen sich aus den Gegensatz zur E-Mail erfolgt der Datenaus-
Gebühren des Provider und den Telefonkosten tausch mit FTP aktiv, d.h., der Nutzer ent-
(ggf. Ortstarif) zum Einwahlknoten zusammen. scheidet, welche Daten er über das Netz holen
Das Internet bietet eine große Zahl von Dien- will. Da die Übertragung online erfolgt, kann
sten, die für Ingenieurzwecke genutzt werden er z.B. bei fehlerhafter Übermittlung direkt
können. Im folgenden wird eine Auswahl der reagieren. FTP ist für die Übermittlung großer
wichtigsten Dienste sowie deren Nutzen be- Datenmengen vorteilhaft.
schrieben: - WWW (World Wide Web). Mit WWW können
- Elektronische Post (E-Mail). Sie ermöglicht das auf der Basis der zuvor genannten Internet-
Verschicken von Nachrichten, Graphiken und Dienste zusätzlich multimediale Infor natio-
Programmen. Im Vergleich zum Postversand nen in einer hypermedialen Benutzerumge-
besteht ein erheblicher Geschwindigkeitsvor- bung verarbeitet werden. Die multimediale In-
teil der elektronischen Übertragung, da die In- formationsverarbeitung schafft eine einheitli-
formationen zwischen den Rechnerknoten che Umgebung für die vormals getrennten
mit Lichtgeschwindigkeit übertragen werden Medienbereiche Video (Fernseher), Audio
und damit die Übertragungszeit nur von der (Hörfunk) und Text/Graphik (Bücher) auf der
Vermittlungskapazität bzw. von der Sende- Basis digitaler Informationen. Als Hyperme-
und Empfangsbereitschaft bestimmt wird. dia wird die Verknüpfung multimedialer In-
Voraussetzung zum Empfangen von E-Mai! ist formationen über spezielle Verknüpfungsele-
der Besitz einer E-Mail-Adresse. Sie setzt sich mente (Knoten und Verweise) bezeichnet. Mit
aus Namen und Anschrift, verbunden mit dem WWW erfolgt die Verknüpfung von Hyper-
Sonderzeichen @ (gesprochen wie eng!.: at) media-Dokumenten aufbeliebigen Rechnern
zusammen (z.B. Name@Anschrift: bauinf@ im Netz (Abb. 1.1-5).
inf.bauwesen. tu-muenchen.de). Die Codierung der Hypermedia-Dokumente
Mit E-Mail können Dokumente in digitaler wird im Format HTML (Hypertext Markup
Form verschickt werden. Der Kommunikati- Language) vorgenommen. Die Wiedergabe
onspartner muß nicht permanent zum Emp- und Navigation auf dem Bildschirm erfolgt
fang bereit sein, da die Post in seinem "elek- mit den Standard-Softwarewerkzeugen der
tronischen Briefkasten" gesammelt wird und Browser (z.B. Netscape oder Internet Explo-
bei Bedarf geleert werden kann. Gerade beim rer). Die Kommunikation zwischen einem
häufigen Verschicken in ferne Länder sind WWW-Server, der die Hypermediadaten zur
i. d. R. die Kosten der E-Mai! auch unter Be- Verfügung stellt, und einem WWW -Client, der
rücksichtigung der Kosten für den E-Mail-An- die Daten auf den eigenen Rechner holt und
schluß und der anfallenden Telefonkosten ge- auf dem Bildschirm darstellt sowie Benutzer-
ringer als das Briefporto. Neben technischen interaktionen an den Server weiterleitet, er-
Dokumenten können auch Programme und folgt im WAN Internet mit dem Protokoll
Datenbanken verschickt werden. Viele Proble- HTTP (Hypertext Transfer Protocol) über
me des Datenaustauschs lassen sich dadurch weltweit verteilte Rechner. Dafür werden die
elegant lösen, daß die übertragenen Daten je- WWW-Adressen allgemein in der Form
weils mit einem mitgeschickten Programm http://<Pfad> (z.B. http://www.iib.bauing.tu-
bearbeitet werden können. darmstadt.de) angegeben.
- Dateitransfer mit FTP (File Transfer Protocol). Die Ingenieurtätigkeit kann mit dem Medium
FTP basiert auf dem Client-Server-Konzept, des WWW nach Inhalt und Form sachlich und
d.h., der lokale Rechner dient als Client und adäquat unterstützt werden (Rüppel 1996].
der ferne Rechner, auf dem die zu übermit- Bauwerkbeschreibungen und Bauprojekte las-
telnden Dateien liegen, als Server. Zur Datei- sen sich deshalb besonders gut wegen der Ver-
übertragung benötigt der Nutzer die Zugriffs- knüpfung der textlichen Projekt- und Tätig-
berechtigung sowohl auf dem lokalen als auch keitsbeschreibung mit ergänzenden Photos,

1-10 Allgemeine Grundlagen


TECHN ISCHE
UN IVERS ITAT

Schaltfläche
Knoten _,.

Abb. 1.1 ·5 lntemet-Browser

Plänen, Bildern, Graphiken sowie sprachli- matik ebenfalls von grundlegender Bedeutung
chen Erläuterungen und Filmaufnahmen auf- sind. Während die Darstellung, Speicherung und
bereiten und präsentieren. Grundsätzlich ist Verarbeitung von Zahlen bereits in 1.1.2 ange-
die Internet-Technologie ein hervorragendes sprochen wurde, wird hier die Bedeutung von
Medium zum schnellen und ortsunabhängi- Mengen und Abbildungen als Grundlage für Da-
gen Informationsaustausch, zur fachspezifi- tenstrukturen und Algorithmen beschrieben.
schen Informationsrecherche sowie zur mul- Als Beispiele werden relationale Datenbanken,
timedialen Projektpräsentation. Insbesondere die Tabellenkalkulation und Computeralgebra-
der WWW-Dienst ist eine ideale Plattform, systeme vorgestellt, die als grundlegende Werk-
um Kooperationsbeziehungen zwischen Inge- zeuge für vielfältige Anwendungs- hereiche im
nieuren ohne räumliche und zeitliche Schran- Bauwesen Anwendung finden können.
ken effizient zu gestalten (engl.: net based en- Elementare Kenntnisse der Mengenlehre wer-
gineering) [Rank/Rücker 1996]. den als bekannt vorausgesetzt. Für eine weiter-
- inf6t mationsrecherchen. Zu ihrer Unterstüt- gehende Betrachtung der hier vorgestellten Kon-
zung existi~ren im Internet zahlreiche öffent- zepte sei z.B. auf [Ebbinghaus 1994; Karnke 1962]
lieh zugängliche Softwarewerkzeuge, sog. verwiesen.
"Suchmil~c~inen". ~t~:.g~rchsucheit ~1;1~ernet­
Dokumente: nach Info.nnationen Zl.L-<lingege- 1.1.3.1
benen Stichwöl'tern und stellen .dem .Nutzer Mengen, Relationen und relationale Datenbanken
die zugehörigen Adressen zur Verfügung.
Hiermit lassen sich lokale oder weltweite Re- Man betrachte zwei (der Einfachheit halber end-
cher~hen effizient durchführen. liebe) Mengen PG als Profilgruppennamen und
.NH als Nennhöhen für Stahlbauprofile:
-p(;'~ {IPE,HEA,HEB,HEM},
1.1,3 ,;;;,,,,.;xn~>ll : ;,))<~.• <: . sni ;o N1P-!'~:voo,120,l40,7oo,soo,9oo, looo}.
Mengen und]AbbHdunge,nrals Grundl~n -- - ,- --- -----.--- --- --

der; Informatik -·~ Dann ist 4~S't,artesische Produkt P= PG x NH die


• c' · Me?ge alJi.~ ~\IS PG und NH gebildeten Paare,
Die wohl ~J.shtigste the&,~etische Gr~p,dlag~ der ~'~; also •. ~ ; ,, ,
Informatik> ~ die Math#.m atikJDeshldb ka~n es on;
nicht verwildern(daß clt'(!i zentrale Begrifft! der OC?
.fbPG ~~ft;:: {(IPE~g), (IPE,100), (IPE,120),
(IPE,l 40), {IPE,700);, (IPE,800), (IPE,900),
Mathematik~ . Meng(:!n, Zahlen.und.Abbildun-
(IPE,löOd). .. }.
gen - für nahezu jede Fragestellung der Irifor-

Bauinformatik 1-11
Nun können die zwei Mengen PG und NH zu- seien Profilname, Querschnittsfläche und ly ge-
einander in Beziehung gesetzt werden. Es läßt wählt.
sich eine Relation'? als Teilmenge der Produkt- Eine mögliche Belegung zu diesem Schema ist
menge P definieren, also z. B. die Menge der in dann durch Tabelle 1.1-2 gegeben. Die zwei Ta-
einem Lager verfügbaren Profile. bellen stellen ein einfaches Beispiel für eine re-
lationale Datenbank dar. Entscheidend ist, daß
\)={ (IPE,80), (IPE,lOO), (IPE,l40), (HEA,l20),
die für die Definition der Tabellen verwendeten
(HEB,700), (HEB,SOO)}.
Mengen zueinander in Beziehung gesetzt wer-
Diese zweistellige oder binäre Relation zwischen den. Zusammengefaßt (und etwas verkürzt dar-
zwei Mengen läßt sich leicht auf eine n-stellige gestellt) ist damit eine relationale Datenbank
Relation erweitern. Als weitere Mengen seien nichts anderes als eine Menge von zueinander in
z. B. die Menge PN der Profilnamen, die Menge Beziehung stehenden Mengen.
H der Profilhöhen, die Menge B der Profilbrei- Datenbankmanagementsysteme sind Benut-
ten, die Menge S der Stegdicken und die Menge zungsoberflächen (engl.: user interface, kurz:
T der Flanschdicken hinzugenommen. Eine UI) für Datenbanken, die es erlauben, Daten-
"Profllkartei" wird dann durch eine Relation bankschemata zu definieren und Mengenopera-
tionen auf den Relationen der Datenbank aus-
\)~PGxNHxPNxHxBxSxT
zuführen. Die beiden elementarsten Operatio-
definiert. nen sind die Projektion und die Restriktion, die
Es ist naheliegend, diese n -stellige Relation als jeweils für eine Relation (d. h. eine Tabelle) einer
Tabelle zu schreiben (Tabelle 1.1-1), wobei nun Datenbank definiert sind. Dabei wählt die Pro-
zusätzlich zur eigentlichen Relation '? Attribut- jektion bestimmte Spalten der Tabelle aus. So
namen für die Mengen PG, NH, PN, H, B, S und stellt die an die im Beispiel definierte Datenbank
T (im Beispiel die Oberschriften der Spalten) gestellte Anfrage "Gib die Profilhöhen aller ver-
vergeben werden. Die Attribute zusammen mit fügbaren Profile" eine Projektion dar. Eine Re-
den Wertebereichen der Spalten, also den jewei- striktion selektiert dagegen Zeilen der Tabelle,
ligen Mengen, bilden das relationale Schema die einer bestimmten Bedingung genügen. Ein
A(\)) der Relation'? und definieren damit den Beispiel ist die Datenbankanfrage "Gib die ge-
Aufbau der Tabelle "Profilmaße". speicherten Daten der Tabelle "Profilmaße" für
Betrachtet man nun nicht nur ein Schema,
sondern eine endliche Menge von relationalen
Schemata, so entsteht ein Datenbankschema. Ei- Tabelle 1.1-2 StatischeWene
ne konkrete Belegung aller zum Datenbank-
schema gehörenden Tabellen mit Daten heißt Profilname Querschnittsfläche ly
"(relationale) Datenbank". Zur Vervollständi- IPE80 7,64 80,1
gung des Beispiels soll dazu eine zweite Tabelle IPE100 10,30 171,0
IPE140 16,40 541 ,0
angelegt werden, die den Profilnamen mit der
HEA 120 25,30 606,0
Querschnittsfläche A und dem Flächenmoment HEB700 306,00 256900,0
2. Grades ly in Beziehung setzt. Die dazu notwen- HEB800 334,00 359100,0
digen Grundmengen seien mit A und IYbezeich-
net. Als Attribute dieses relationalen Schemas

Tabelle 1. H Profilmaße

Profilgruppe Nennhöhe Profilname Höhe Breite Stegdicke Flanschdicke

IPE 80 IPE80 80 46 3,8 5,2


IPE 100 IPE100 100 55 4,1 5.7
IPE 140 IPE140 140 73 4,7 6,9
HEA 120 HEA120 120 120 5,0 8,0
HEB 700 HEB700 700 300 17,0 32,0
HEB 800 HEB800 800 300 17,5 33,0

1-12 Allgemeine Grundlagen


alle verfügbaren Profile, deren Höhe kleiner als reich der Realität gelten, entspricht. Hierbei wird
140 mm ist". unterschieden zwischen logischer und physika-
Die dritte elementare Datenbankoperation, lischer Konsistenz. Die logische Konsistenz einer
der Verbund,faßt zwei Relationen zusammen, die Datenmenge ist immer dann gegeben, wenn al-
bezüglich eines Attributs die gleichen Grund- le Daten definierten Integritätsbedingungen ge-
mengen besitzen, die also jeweils eine Spalte nügen. Diese dienen dem Schutz der Datenmen-
gleichartigen Inhalts aufweisen. Dazu müssen ge vor unplausiblen Werten und definieren Re-
zunächst zwei Tabellen über die jeweilige Spalte geln der gegenseitigen Abhängigkeit der Daten.
zueinander in Beziehung gesetzt werden. Im Bei- Ziel der physikalischen Konsistenz ist es, die feh-
spiel bietet die Spalte "Profilname" die Möglich- lerfreie Speicherung und Erhaltung einer Da-
keit, einen Verbund zwischen der Tabelle "Pro- tenmenge zu garantieren. Hierbei werden Me-
filmaße" und der Tabelle "Statische Werte" her- chanismen zur fehlerfreien Datenübertragung
zustellen. Anschaulich gesprochen, hängt die und zum Wiederherstellen (engl.: recovery) zer-
Operation Verbund die Tabelle "Statische Werte" störter Datenmengen benötigt.
an die Tabelle "Profilmaße" an, wobei die Zu- Die Gewährleistung der Konsistenz einer Da-
ordnung der jeweiligen Zeilen über den Profil- tenmenge ist ebenso Aufgabe eines Datenbank-
namen hergestellt wird. Formal wird dieser Ver- Managementsystems wie die Verwaltung kon-
bund geschrieben als kurrierender Zugriffe. Diese entstehen, wenn
mehrere Benutzer gleichzeitig auf dieselben Da-
Profilmaße ['Profilname'] Statische Werte.
ten zugreifen wollen. Hierbei können sich (trotz
Aus den drei beschriebenen Grundoperationen einzeln korrekten Verhaltens) gegenseitige Stö-
lassen sich nun komplexere Datenbankanfragen rungen ergeben. Um diese zu vermeiden, ist es
zusammensetzen. Eine häufig genutzte Operati- erforderlich, durch geeignete Mechanismen den
on ist die assoziative Anfrage, die für das Beispiel konkurrierenden Datenzugriff zu sequentiali-
folgendermaßen lauten könnte: sieren. Dies bedeutet, daß sich das System bei
"Gib die Namen und die Querschnittswerte Iy gleichzeitigem Zugriff so verhält, als würde ein
aller verfügbaren Profile, deren Stegdicke größer Benutzer nach dem anderen auf die Daten zu-
als 4,2 mm ist." Zur Beantwortung dieser Anfra- greifen. Moderne Datenbanksysteme verwenden
ge sind offenbar die beiden Tabellen zu verbin- dazu das Prinzip des transaktionierten Zugriffs
den, die entstehenden Zeilen hinsichtlich der Be- [Vossen 1995).
dingung s>4,2 mm zu restringieren und aus den
verbleibenden Zeilen die Spalten "Profilname" 1.1.3.2
und "Iy" zu projizieren. Transformationen
Die meisten Datenbanksysteme (z.B. dBase,
MS-Access und Oracle) erlauben eine graphisch- Transformationen, auch "Abbildungen" oder
interaktive Definition des Datenbankschemas, "Funktionen" genannt, sollen nun an einigen
die Festlegung der Beziehungen zwischen den Beispielen erläutert werden. Allgemein ist eine
einzelnen Tabellen sowie vom Nutzer konfigu- Transformation eine Vorschrift, die aus gegebe-
rierbare Formulare zur Erfassung bzw. Ausgabe nen Eingabedaten Ausgabedaten erzeugt (Abb.
von Datensätzen. Anfragen an die Datenbank 1.1-6).
können entweder interaktiv oder von anderen Ein einfaches Beispiel ist die Rechenvorschrift
Programmen über eine Programmierschnitt-
y=xz,
stelle, meist SQL (Structured Query Language)
erfolgen. die für jede Eingabe einer (reellen) Zahl x ein Er-
Werden Daten nur kurzfristig benötigt, ge- gebnis, nämlich das Quadrat von x, liefert.
nügt eine zeitlich begrenzte (transiente) Spei-
cherung. In Datenbanksystemen werden jedoch
meist Informationen gesammelt, die dauerhaft,
d.h. persistent auf geeigneten Datenspeichern lEingabedaten I Transformations- lAusgabedaten I
(z.B. Festplatten, Disketten oder Bändern), abzu- vorschrift
legen sind, wodurch sich das Problem der Kon-
sistenzerhaltung der Daten ergibt. Eine Daten-
menge heißt "konsistent", wenn sie den Regeln Abb. 1.1-6 Transformationen
und Restriktionen, die im modellierten Teilbe-

Bauinformatik 1-13
Offensichtlich kann man nicht jedes beliebige 1.1.3.3
Eingabedatum für diese Abbildung verwenden: Tabellenkalkulation
Eine Belegung von x mit dem Wert "November"
würde z.B. kein sinnvolles Ergebnis liefern kön- Tabellenkalkulationsprogramme ermöglichen
nen. An diesem simplen Beispiel wird deutlich, es, in Formularen oder Tabellen zu rechnen. Das
daß eine Transformation immer nur für einen zentrale Merkmal ist dabei ein Raster aus n Zei-
bestimmten Datentyp erklärt sein kann und len und k Spalten. Ein derart aufgebautes Raster
selbst immer ein Ergebnis eines wohldefinierten wird im weiteren Verlauf "Tabellenblatt" oder
Datentyps liefert. auch "Arbeitsblatt" (eng!.: worksheet) genannt.
Transformationen können sehr komplex sein. Ein Beispiel eines Arbeitsblattes ist in Abb. 1.1-7
So kann man z.B. eine Finite-Element-Berech- dargestellt (es kann von http://www.infbv.tum.
nung, die aus geometrischen und physikalischen deischleieher geladen werden).
Eingabedaten Verschiebungen und Spannungen Folgende allgemeine Merkmale finden sich in
berechnet, ebenfalls als Transformation im Sin- jedem Tabellenkalkulationsprogramm:
ne von "Abbildung" verstehen. Prinzipielllassen - Jede Zelle hat eine eindeutige Adresse, den sog.
sich alle im weiteren betrachteten Transforma- "Zellbezug". Beispielsweise bedeutet "B4"
tionen in elementare Grundstrukturen zerlegen. Spalte B, Zeile 4.
Eine Folge dieser Grundstrukturen, die einen - Jede Zelle kann mit Wertzuweisungen belegt
konstruktiven Lösungsweg für ein gegebenes werden. Diese können Texte oder Zahlen sein,
Problem darstellt, wird dann Algorithmus ge- den Wert anderer Zellen als Variable (z. B. über
nannt. Dabei ist nicht nur die Art der Anweisun- den Zellbezug B4) oder Ausdrücke in Form
gen, sondern ebenso deren Ausführungsbedin- von Formeln (=Al *B2/C3) oder Funktionen
gung von entscheidender Bedeutung für den Ab- (= SUMME(A 1:A 10)) darstellen. Jeder Eintrag
lauf eines Algorithmus. einer Wertzuweisung in eine Zelle ist die De-
Bevor hierauf in 1.1.3.5 näher eingegangen finition einer elementaren Transformation im
wird, sollen zwei Werkzeuge - die Tabellenkal- Sinne von 1.1.3.2. Weiterhin ist auch die Ver-
kulation und die Computeralgebra- besprochen wendung von Kontrollstrukturen (Wenn-
werden. Sie ermöglichen eine Lösung zahlrei- Dann-Bedingungen) oder von selbst erstellten
cher Probleme der Bauinformatik ohne die Ver- Unterprogrammen oder Funktionen möglich.
wendung klassischer Programmiersprachen
oder komplexer Werkzeuge zur Softwareentwick- Das folgende Beispiel zeigt einige Möglichkeiten
Jung, lassen aber allgemeine Prinzipien der Mo- der Entwicklung einfacher Tabellenkalkulati-
dellbildung deutlich werden. onsanwendungen. Für einen Zweifeldträger mit
feldweiser Gleichlast soll dazu der Momenten-

MenUleiste

Eingabefeld

aktives Tabellenblatt aktive Zelle

Abb. 1.1-7 Arbeitsblatt im Tabellenkalkulationsprogramm MS-Excel

1-14 Allgemeine Grundlagen


verlaufbestimmt und graphisch dargestellt wer- M(x) in den beiden Feldern wird dann mit dem
den. Verfahren der w-Funktionen bestimmt [Pflüger
Die Eingabedaten sind vom Anwender in der 1978]. Der Verlauf von M(x) wird dazu ab-
Spalte B von Zeile 5 bis Zeile 11 einzugeben. Die schnittsweise für jedes Feld berechnet:
Aktualisierung aller anderen Zellen und der
Darstellung im Diagramm erfolgt automatisch,
X ql·1f
für x:o;;11 M(x)=Mb---- · wR~
wenn nur einer der Eingabeparameter verändert 11 2
wird.
Das Arbeitsblatt kann in zwei verschiedenen
Ansichten dargestellt werden. Abbildung 1.1-8
zeigt die Resultatansicht, in der die Ergebnisse 2
der Berechnungsformeln zu sehen sind. Einige
-
fÜrX~ 1I M( X) -1- M x-11 q2 ·(x-11)
b--- ·WR,2
der in den jeweiligen Zellen eingetragenen For- 12 2
meln sind Abb. 1.1-12 zu entnehmen.
Für die Berechnung des hier gesuchten Biege- x2 (x2)2
. WR,2=---
mit
momentenverlaufs My(x) werden als Hilfswerte 12 12
das Steifigkeitsverhältnis j und das Stützmoment
Mb über dem Mittelauflager benötigt: Für das gewählte Beispiel sollen die Werte für
M(x) jeweils in den 1/10-Punkten der einzelnen
- ql ·1{ +q2·1i -j
Mb- Felder ermittelt werden. In den Spalten B und C
8 . (11 +12 -j) der Zeilen 22 bis 42 können damit grundsätzlich
. . I I die gleichen Formeln eingetragen werden. Sinn-
m1t ;=L . vollerweise werden hierfür Kopierfunktionen des
Iy2
Tabellenkalkulationsprogramms genutzt, was je-

I
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A I B I c I D E F G H I 1-:
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Lange)m)

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0.00
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0,09
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t<] •l•l •tf\I!ben!!iT.obelo21 T -
..1...{ T~TabeleS_ti_
obelo&
_I ~ J •Jf'
Abb. 1.1·8 Arbeitsblatt in Resultatssicht (Arbeitsblan kann von http://www.inf.bv.tum.delschleichergeladen werden)

Bauinformatik 1-15
doch sofort die Frage aufwirft, ob und wie sich Im hier gewählten Beispiel wird das Arbeitsblatt
Zellbezüge in Formeln ändern, wenn diese in an- wie folgt weiterentwickelt: In der Spalte B soll
dere Zellen übertragen werden. Hierbei spielen von Zelle B22 bis Zelle B42 eine über beide Fel-
zwei Adressierungsarten eine Rolle, die relative der durchlaufende X-Koordinate eingetragen
und die absolute Adressierung von Zellen: werden. Der Startwert in der Zelle B22 ist Null.
- Kopieren von relativen Zellbezügen. Beim Ko- In der Zelle B23 wird die X-Koordinate für den
pieren der Zellinhalte werden alle Adressen re- ersten 1/10-Punkt des ersten Feldes berechnet.
lativ zur Zieladresse des Kopiervorgangs ver-
ändert (Abb.l.l-9). lk
X·=x-
, l-1
+-
10
- Kopieren von absoluten Zellbezügen. Durch
Voranstellen eines Absolutbezugssymbols mit k=1 für x~l1> k=2 für x>l1•
(hier $-Zeichen) wird der Zellbezug festge-
schrieben und beim Kopieren, Verschieben In Abb. 1.1-12 sind die Kopiervorgänge für das
oder Einfügen von Leerzellen nicht angepaßt Beispiel dargestellt.
(Abb. 1.1-10). Nur in den hellgrau hinterlegten Zellen sind
- Kopieren von gemischten Zellbezügen. Es ist Formeln von Hand einzugeben. Diese können
möglich, relative und absolute Adressierung dann durch Kopieren in die darunterliegenden
für den Zeilen- bzw. Spaltenindex zu mischen Zellen übertragen werden, wobei die richtige
(Abb.l.l-11). Verwendung von absoluten und relativen Zell-

3
4
5
6
7
ll
{l
~4
5
6
7

Abb. 1.1-9 Kopieren von relativen Zellbezügen

2
3
4
5
6
7

Abb. 1.1-10 Kopieren von absoluten Zellbezügen

A B c D
=SA1+BS1 =SA1+CS1
=SA2tBS1 =SA2+CS1
=SA3+BS1 =SA3+CS1
4 =SA4+BS1 =SA4+CS1
5 =SA5+8$1 =SA5+CS1
=SA6+8S1 I=SAG+CS1

Abb. 1.1-11 Kopieren von gemischten Zellbezügen

1-16 Allgemeine Grundlagen


A B c
21 x [m] Omega(x) My(x) [kNm]
22 =0 =8231$8$6 ·(8231$8$6)'2 =SBS16"8231$B$6-SBS11 "$8$6'2"C2312

23 =823+$8$611 0

... J
t l Kopieren l r Kopieren I I Kopieren 1
...
32 =832+$8$611 0 =8331$8$6 -(8331$8$6)•2 =SB$ 16"8331$8$6-$8$11"$8$6'2"C3312

33 =833+$8$7/10 =(834-SB$6)1$8$7 -((834-$8$6)1$8$7)'2 :Sß$16"(1-(B34-$8$6)1$B$7)-$B$12"$8$7'2"C3412

... I
t l Kopieren ~ Kopieren t • Kop ieren I
... T
42 =842+$8$7110 =(843-$8$6)1$8$7 ·((843-SB$6)1$8$7)'2 =SBS16"(1-(843-S8$6)1$8$7)-$8$ 12"$8$7•2"C43J2

Abb. 1.1 ·12 Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt in Fennelansicht

bezügen zu beachten ist. Für die Visualisierung Bereichs bestimmt und lassen sich wie folgt for-
des Momentenverlaufs wird schließlich ein in mulieren:
vielen gängigen Tabellenkalkulationsprogram- wl(x)""=~ für x<l1-bl2,
men verfügbares Diagramm zur Funktionsdar- EI
stellung genutzt (die dargestellte Systemskizze
ist mit einem vom Tabellenkalkulationspro- w2(x)""+~w2(x)= q1 +qz
gramm unabhängigen Zeichenprogramm er- EI 2EI
zeugt). für x >11-b I 2 und x <11 +b I 2,

1.1.3.4 w3(x)""=~ fürx>l1+bl2.


EI
Computeralgebra
Rand- und übergangsbedingungen:
Waren Transformationen in den bisher vorge-
w1(0)=0 w1(0)" =0
stellten Anwendungen auf die Abbildung einfa-
w3(ll+l2) =0 w3(ll+l2)" =0,
cher Objekte wie Zahlen oder Zeichenketten be-
schränkt, so erlauben die von Ingenieuren noch wl(ll-b/2) =w2(ll-b/2)
relativ wenig genutzten Computeralgebrasyste- w2(ll+b/2) = w3(ll+b/2),
me die Manipulation komplexer mathemati-
scher Ausdrücke und damit z.B. formales Diffe-
w 1 (ll -b/2)' = w2(ll-b!2)'
renzieren oder Integrieren von Funktionen. Da-
w2(ll+b/2)' =w3(ll+b!2)',
mit eröffnen sich neuartige und häufig sehr ef- w 1(ll -b/2)" = w2(ll-b!2)"
fiziente Möglichkeiten der Modellbildung, die an w2(ll +b/2)" = w3(ll+b/2)",
einem einfachen Beispiel erläutert werden sol-
len. Man betrachte dazu wieder den in 1.1.3.3
w 1(ll -b/2)"' = w2(l1-bl2)"'
w2(ll +b/2)"' = w3(ll+b!2)"'.
untersuchten Zweifeldträger. Das mittlere Aufla-
ger soll nun jedoch durch eine elastische Bet-
tung mit einer Bettungsziffer c und einer Aufla- Die Lösung dieser Differentialgleichung kann
gerbreite b modelliert werden (Abb.l.l-13). analytisch mit elementaren Integrationsmetho-
Die Durchbiegung und der Schnittgrößenver- den gefunden werden, die jedoch bei der Durch-
lauf des Zweifeldträgers sind durch eine Diffe- führung"von Hand" mühsam, fehleranfällig und
rentialgleichung mit Rand- und Übergangsbe- zeitraubend sein können. Computeralgebrapro-
dingungen an den beiden Kanten des gebetteten gramme (z. B. MAPLE, Mathematica, Macsyma)

Bauinformatik 1-17
40,0 kN/m

I I I I I I I I I I I !p
System

,-,----.--J,.:..:.:.,:J
30kNn
•' m
-"----T--1----r--rl-.J--1
20,0kN/m
1
ilc
:J
EI EI
-~- b = 0,3m
12=6,0m
11 = 4,0m
A B

Abb. 1.1-13 Zweifeldträger

>restart: with(plots):
># Einlesen der Bibliotheksfunktion
>read(' dsolve_pcc.prc· ):
>
># Belegen der Parameter
>E:=210.10"9: 1:=0.0000425: q1 :=20.10"3: q2:=40.10"3: 11 :=4:
12:=6: c:=1 ·1o•a: b:=0.3:
># Hllfsgrößen
> x1 :=11-b/2: x2:=11+b/2: 1:=11-+-12:
>
> # Definieren der DGLs
> dgl1 := E.l.dlff(w1(x),x$4)=q1 :
> dgl2 := E.l.diff(w2(x).x$4)+c·w2(x)=(q1+q2)12:
> dgl3 := E.l.diff(w3(x),x$4)=-q2:
>
> # Definieren der Randbedingungen
> rb:= w1(0)=0 . (D@@2)(w1)(0)=0 , w3(1)=0 , (D@@2)(w3)(1)=0:
>
> # Definieren der Uebergangsbedingungen
, ueb1 := w1(x1)=w2(x1), D(w1)(x1)=D(w2)(x1),
(D@@2)(w1 )(x1 )=(D@@2)(w2)(x1 ).
(D@@3)(w1)(x1)=(D@@3)(w2)(x1):
, ueb2:= w2(x2)=w3(x2). D(w2)(x2)=D(w3)(x2).
(D@@2)(w2)(x2)=(D@@2)(w3)(x2),
(D@@3)(w2)(x2)=(D@@3)(w3)(x2):
> # Leesen der 3 DGLs mit Rand- und Uebergangsbedingungen
> w_erg:=dsolve_pcc((dgl1 ,dgl2,dgl3).(w1 (x).w2(x),w3(x)],(x1 .x2],
{rb,ueb1.ueb2});
w_erg := {
.00009337 x•4 - .00021163 x•3 -.00086488 x, x < 3.85
.00030000 + .14016217 exp(-1.293698117 x)
cos(1.293698117 x)+ .00003602 exp(1.293698117 x)
cos(1.293698117 x)
.06647063 exp(-1.293698117 x) sln{1.293698117 x)
.00001939 exp(1.293698117 x) sin(1.293698117 x), x < 4.15
.00018674 x•4 - .00559534 x •3 + .05581548 x•2
- .2129611815 x+ .27599327, otherwlse

Abb. 1.1 -14 Arbeitsblatt zum Computeralgebraprogramm MAPLE (das Arbeitsblatt kann von hNp://www.inf.bv.tum.del
schleieher geladen werden)

[Fuchssteiner et al. 1994; Mongan et al. 1996; Kra- dargestellten Aufbau (es kann von http://www.
wietz 1997; Braun/Hüser 1994; Westermann inf.bv.tum.de!schleicher geladen werden).
1996; Wolfram 1996] unterstützen das analyti- Nach der Belegung der Materialparameter mit
sche Lösen der Gleichung und bieten zudem die den entsprechenden Zahlenwerten werden die
Möglichkeit, durch Parametervariationen die drei Differentialgleichungen sowie die Rand- und
Leistungsfähigkeit des gewählten Modells zu Übergangsbedingungen als Objekte definiert,
studieren. Ein entsprechendes Arbeitsblatt für mit denen das Computeralgebrasystem Trans-
das Programm MAPLE hat den in Abb. 1.1-14 formationen im Sinne algebraischer Manipula-

1-18 Allgemeine Grundlagen


tionen vornehmen kann. Diese Gleichungen wer- Maximalwert von -108,7 kNm zu erkennen (s.
den dann einer Bibliotheksfunktion"dsolve_pcc" Abb.l.l-15). Im Vergleich dazu ergibt sich nach
übergeben, in der die analytische Lösung einer der in 1.1.3.3 gezeigten ro-Methode, der ein
abschnittsweise definierten linearen Differen- punktförmiges, festes Auflager zugrunde liegt,
tialgleichung bestimmt wird. Das Ergebnis ein Stützmoment von -124,0 kNm.
w_erg ist im Arbeitsblatt angegeben und als Wird stattdessen die Federsteifigkeit c mit
Durchbiegungs- und Momentenverlauf gra- dem Wert 210·106 kN/m 2 belegt und damit der
phisch darstellbar (Abb. l.l-15). Balken im gebetteten Bereich nahezu starr ein-
.Das nun aufgebaute Modell ist die Grundlage gespannt, so tritt das maximale Moment mit
für eine einfache Computersimulation des Zwei- -161,1 kN m nun nicht mehr in der Mitte des Trä-
feldträgers. Ausgehend von einer mathemati- gers, sondern am Anschnitt der Bettung auf
schen Beschreibung des physikalischen Objekts (Abb.l.l-16).
"Zweifeldträger", wurde die Lösung der Diffe- Wie dieses Beispiel zeigt, kann ein Computer-
rentialgleichung algorithmisiert, d.h. ein kon- algebrasystem weder die Beherrschung der Me-
struktiver Lösungsweg gefunden. Damit ist nun chanik noch der Mathematik ersetzen, sie er-
ein Experimentieren am Computer möglich, al- möglicht jedoch eine effiziente rechnergestütz-
so eine Veränderung der beschreibenden Para- te Modellbildung und v.a. auch das Studium der
meter (z. B. Bettungszahl oder Stützenbreite ). Die Gültigkeit verschiedener Modellannahmen. So
Visualisierung der Ergebnisse erlaubt es schließ- treten beim ersten hier gewählten Parametersatz
lich, das mechanischen Verhalten des Modellsy- im linken Teil des gebetteten Bereichs abheben-
stems zu beurteilen. de Kräfte auf. Das Modell kann einen realen
Im ersten Beispiel wurde mit c=10 5 kN/m 2 ei- Zweifeldträger damit nur dann sinnvoll be-
ne recht geringe Federsteifigkeit gewählt. Als schreiben, wenn diese Kräfte von der realen
Folge ist neben einer Stützensenkung eine deut- Struktur auch aufgenommen werden können.
liche Ausrundung des Stützmoments mit einem

I>plot(·w_erg,x= O..l,title ='Durchbiegung -w')


Durchbiegung - w
2 4 6 8 10
o~c===~~~=-~-L~~~~~~~~~~~~

-0,01
- 0.02

- 0.03
- 0.04
- 0.05

I >plot(EI· diff(w_erg,x,x)/1 000, x= O.. l,title ='Moment - M') I


Moment-M
100

-SO

-1 00

Abb. 1.1-1 S Durchbiegung und Momentenverlauf für weiche Bettung

Bauinformatik 1-19
Durchbiegung - w
2 4 6 8 10
0
- 0,005
- 0,01
- 0,015

-0,02
-0,025
-0,03
Moment-M
150

100

50
6 8 10
0

- 50

- 100

Abb. 1.1-16 Durchbiegung und Momentenverlauf für sehr harte Bettung

1.1.3.5
Elementare Algorithmen und Datenstrukturen
Für k =2 bis Nin Schritten von 1
Hier werden am Beispiel zweier Sortierverfah-
ren elementare Programm- und Datenstrukturen Für j =Nbis k in Schritten von - 1
und der Begriff "Zeitkomplexität" eines Algo-

;~~~
rithmus behandelt.
Ausgangspunkt sei die Sortierung einer Zah- Nein
lenfolge. Die folgenden Überlegungen lassen
sich aber auch unmittelbar auf verwandte Pro- Vertausche
bleme wie die Sortierung von Adreßkarteien a1_1 und a;
bzw. Stücklisten oder Ergebnisdaten bei Finite-
Element-Berechnungen übertragen. Man be-
trachte dazu eine Liste von n ganzen Zahlen, z. B.
(17, 3, 30, 41, 24, 35, 50, 12), die in eine aufstei- Abb. 1.1-17 Struktogramm für Algorithmus .Sortieren
durch Austauschen"
gende Reihenfolge gebracht werden sollen. Der
wohl einfachste Algorithmus "Bubble-Sort"
(Sortieren durch Austauschen) wird schema- Ein Modulblock (hier: Vertausche aj-l und aj)
tisch als sog. "Struktogramm" [Schwarzenberg faßt eine oder mehrere nacheinander auszu-
1990) dargestellt (Abb. 1.1-17): führende elementare Anweisungen zusammen,
in diesem Beispiel etwa
SeiN: Anzahl der zu sortierenden Zahlen,
ah .. . , aw. zu sortierende Zahlen. Speichere aj-l auf Hilfsvariable b,
Kopiere aj nach aj-I>
Dieser Algorithmus verwendet elementare Grund-
Kopiere b nach aj.
strukturen, aus denen auch jedes komplexe Pro-
gramm aufgebaut ist, nämlich Modul-, Selekti- Oft werden Modulblöcke zu Prozeduren, Unter-
ons- und lterationsblöcke. programmen oder Funktionen zusammengefaßt,

1-20 Allgemeine Grundlagen


die in Abhängigkeit von bestimmten Übergabe- Mischen". Zur Erläuterung gehe man von zwei
parametern wohldefinierte Aufgaben erledigen Listen aus, die bereits für sich gesehen sortiert
und selbst wieder aus elementaren Grundstruk- sind und aus denen eine sortierte Gesamtliste
turen zusammengesetzt sein können. erzeugt werden soll. Die beiden Listen seien z.B.
Unter einem Iterationsblock oder einer Schlei-
(3, 17,30,41) und (12,24,35,50).
fe versteht man eine Folge von Anweisungen, die
so oft auszuführen sind, bis eine Abbruchbedin- Man stelle sich nun unter beiden Listen jeweils
gung erfüllt ist. Im Beispiel bedeutet die (äuße- einen Kartenstapel vor, bei dem jeweils das erste
re) Schleife (für k=2 ... Nin Schritten von l), daß Element (also 3 und 12) oben liegt. Eine neue
alle im zugehörigen Block eingeschlossenen An- sortierte Liste aus allen Elementen erhält man
weisungen für die entsprechenden Werte von k dadurch, daß man das jeweils kleinere zuoberst
durchzuführen sind. Die innere Schleife ver- liegende Element der beiden Stapel wegnimmt
wendet die Zählvariable j, deren erster Wert N ist und an die neue Liste anfügt.
und die dann in jedem Durchlauf um 1 erniedrigt Dieser simple Mischalgorithmus kann nun,
wird, bis sie den Wert k erreicht. Der (innerste) wie Abb. 1.1-18 zeigt, rekursiv angewandt wer-
Selektionsblock führt bestimmte Anweisungen den. Zunächst wird aus je zwei aufeinanderfol-
nur aus, wenn eine Bedingung (hier aj-l > aj) er- genden Elementen der Ausgangsmenge ein Paar
füllt ist. gebildet (unterste Zeile), das durch "Mischen" in
Am Zahlenbeispiel in Tabelle 1.1-3 sieht man, die richtige Reihenfolge gebracht und dann
wie die jeweils kleineren Zahlen durch Vertau- durch den Mischvorgang mit dem benachbarten
schen mit dem linken Nachbarelement an den Paar zu einer sortierten Vierergruppe zusam-
Anfang der Liste geschoben werden. mengefaßt wird. Fortlaufendes Zusammenfas-
Der Rechenaufwand und damit die Effizienz sen benachbarter Gruppen führt schließlich zur
des Algorithmus läßt sich quantifizieren, indem sortierten Gesamtliste. Dieser Algorithmus läßt
man die Anzahl der Austauschoperationen ab-
schätzt. Die Maximalzahl der Austauschopera-
tionen ist gegeben durch 3 12 17 24 30 35 41 so
(n - 1)+(n-2)+ .. . + 2+ 1 = n(n-1)/2.
/
17 30 41 12 24 35 50
Da im Mittel nur jedes zweite Paar zu vertauschen
ist, läßt sich die Zahl der Austauschoperationen
zu n(n-1 )/4 schätzen. Der Algorithmus hat damit 3 17
/ 30 41
I
24 35 12 50
eine Zeitkomplexität von der Ordnung O(n 2 ),
d.h., bei einer Verdoppelung der Anzahl der Ele-
I I I I
17 30 41 24 35 50 12
mente vervierfacht sich der Rechenaufwand.
Ein völlig andersartiges Verfahren zur Sortie- Abb. 1.1-18 Sortieren durch Mischen
rung einer Zahlenfolge ist das "Sortieren durch

Tabelle 1.1-3 Sortieren einer Zahlenfolge

Anfangsfolge: 17 3 30 41 24 35 50 12
k=2,j=8 17 3 30 41 24 35 12 50
k=2,j=7 17 3 30 41 24 12 35 50
k=2,j=6 17 3 30 41 12 24 3S 50
k=2,j=5 17 3 30 12 41 24 35 50
k=2,j=4 17 3 12 30 41 24 35 so
k=2,j=3 --
k=2,j=2 17 12 30 41 24 3S so
k=3,j=8

k=3,j=3 3 12 17 24 30 41 35 50

Bauinformatik 1-21
sich ohne weiteres auf Mengen erweitern, deren letzte) genau ein Nachfolgeobjekt besitzt. Jede
Elementezahl nicht wie im angeführten Beispiel Zeile der Datenbelegung in Tabelle 1.1-3 oder je-
eine Zweierpotenz ist. de sortierte Teilliste in Abb. 1.1-18 ist eine linea-
Beim Sortieren durch Mischen werden i. allg. re Liste. Die Elemente können entweder so ge-
die "Knoten" in Abb. 1.1-18, also die sortierten speichert werden, daß alle Elemente in ihrer Rei-
Teillisten, nicht explizit gebildet. Vielmehr wird henfolge, d.h. sequentiell, abgelegt werden oder
bei der Umsetzung des Algorithmus in eine Pro- daß zusätzlich zu jedem Element ein Zeiger auf
grammiersprache meist eine rekursive Funktion die Adresse des Nachfolgeelements gespeichert
verwendet. wird. Im zweiten Fall spricht man von einer "ver-
Betrachtet man nun die Zeitkomplexität die- ketteten Liste".
ses Verfahrens, so ist zunächst festzustellen, daß Als Beispiel sei ein Feld F aus N Werten be-
bei n=2m zu sortierenden Elementen m=log2 n trachtet, wobei jedes Feldelement eine Gleitkom-
Schichten in der baumartigen Struktur (s. mazahl aufnehmen kann. In der sequentiellen
Abb. 1.1-18) des Algorithmus entstehen. Weiter- Speicherung (Abb. 1.1-19) stehen an einer i.allg.
hin sind für das Mischen auf jeder Schicht höch- durch das Betriebssystem vergebenen Adresse
stens n-1=n Vergleichs- und Austauschopera- im Speicher der Wert F(l) und dann unmittel-
tionen vorzunehmen. Insgesamt ergibt sich da- bar aufeinanderfolgend die weiteren Werte von
mit ein Aufwand von 0( n*m) = 0( n* log2 n) Ope- F. Im Gegensatz dazu wird bei der verketteten Li-
rationen zur Sortierung von n Elementen. ste (Abb.l.l-20) zusätzlich zum Wert von F(i) die
Vergleicht man die beiden vorgestellten Algo- Adresse N(i) des nächsten Wertes F(i + 1) ge-
rithmen, so ist für kleinen kein wesentlicher Un- speichert. Der Vorteil der erstgenannten Spei-
terschied festzustellen. Wählt man jedoch bei- chertechnik ist neben ihrer Kompaktheit die
spielsweise n=1000000, so ist n2/4=2,5·10ll, Möglichkeit, durch einfache Adreßrechnung di-
während n ·log2 n =2 ·1 08 ergibt. Der erste Algo- rekt auf das i-te Element F(i) zuzugreifen. Der
rithmus beansprucht also mehr als 1000 mal so- Vorteil der verketteten Liste hingegen liegt in der
viel Rechenzeit wie der zweite. Möglichkeit einer sehr einfachen Änderung der
Die beiden vorgestellten Algorithmen ver- Daten. So kann ein neues Feldelement z. B. nach
wenden zwei Datenstrukturen, die in vielfälti- einem Element i einfach dadurch eingefügt wer-
gen Anwendungen eine Rolle spielen, lineare Li- den, daß sein Wert an eine beliebige Stelle im
sten und Bäume. Ein Baum - in der Darstellung Speicher geschrieben wird und lediglich der Da-
meist mit der "Wurzel" nach oben gezeichnet - tenzeiger des Elements i angepaßt wird. Diese
besteht aus einer Menge von Knoten. Er ist da- Operationen können mit konstantem Zeitauf-
durch gekennzeichnet, daß es genau einen aus- wand, also unabhängig von der Anzahl der Feld-
gezeichneten Knoten - die Wurzel- gibt und daß elemente von F, durchgeführt werden.
jeder andere Knoten genau ein Vorgängerele-
ment hat. Ein Baum ist damit eine spezielle Re-
lation. Eine mögliche definierende Beziehung
lautet: "Elemente haben gleiches Vorgängerele- l·. F(l ) F(2) F(3) F(n)
ment".
Eine noch elementarere Datenstruktur ist Abb. 1.1-19 Speicherbelegung einer sequentiellen line-
durch eine lineare Liste gegeben, die dadurch ge- aren Liste
kennzeichnet ist, daß jedes Objekt (bis auf das

Listena nfang

1 ... I F(l) IN(l) 1 ... I F(l) I N(l) 1 ... IF(4) I N(4) I .. . I F(3) !N(3) 1 ... I

Abb. 1.1·20 SpeicherbelegunQ einerver11eneten linearen Liste

1-22 Allgemeine Grundlagen


1.1.4 geometrischen Objekts kann in drei miteinander
Geometrische Modelle verknüpften Tabellen gespeichert werden (Ta-
belle 1.1-4).
Der Bauingenieur erstellt, bewertet und bear- Dabei ist KNR die Nummer eines Knotens mit
beitet räumliche Strukturen. Deshalb nehmen den Koordinaten X und Y, ENR die Nummer ei-
geometrische Objekte in der Bauinformatik eine ner Kante vom Anfangsknoten K1 zum Endkno-
zentrale Rolle ein. Hier werden Datenmodelle ten K2 und RNR die Nummer einer Region, die
zur Speicherung und Methoden zur Verände- von den Kanten ENR1 bis ENRn gegen den Uhr-
rung bzw. Darstellung von geometrischen Ob- zeigersinn umlaufen wird. Die Vergabe von "Na-
jekten beschrieben. Dabei ist für die Beschrei- men" oder Adressen für die einzelnen Objekte
bung eines geometrischen Modells gleicher- ermöglicht es, die Tabellen zueinander in Bezie-
maßen die Topologie - das ist das Beziehungs- hung zu setzen, also eine relationale Datenbank
geflecht zwischen Punkten, Kanten, Flächen und in dem in 1.1.3.1 beschriebenen Sinn aufzubau-
Körpern- und die Geometrie, also die Beschrei- en. Dieses Polygonmodell ist nur ein erster Schritt
bung der Lage, des Verlaufs und der Gestalt der zur Beschreibung allgemeinerer geometrischer
topalogischen Objekte von Bedeutung. Das Be- Strukturen. So kann z. B. jede "Kante" mit einem
ziehungsgeflecht der Topologie eines geometri- weiteren Attribut versehen werden, das ihre Ge-
schen Modells wird im einfachsten Fall durch stalt als Kurve vom Anfangs- zum Endpunkt be-
Relationen (s. 1.1.3) dargestellt. Dies soll zunächst
an einem ebenen Beispiel erläutert und dann auf
den räumlichen Fall verallgemeinert werden.
(0/ 1) 6
(·1/1) ® (J) (1/1)
1.1.4.1 ®
Geometrische Modelle in 2D y

Man betrachte ebene Strukturen, die sich aus ei-


(0/0)
ner Menge von nicht überlappenden Polygonen (-110) ® (1/0)
Q) <D
zusammensetzen und einander nur an Knoten
oder an ganzen Kanten berühren dürfen. Die ele- 10
mentaren Objekte zur Beschreibung dieser
Strukturen sind Knoten, Kanten und (geschlos- ® 9 @ 8
(-1/- 1) ® (1/- 1)
sene) Kantenfolgen,die im folgenden als"Regio- (0/· 1)
nen" bezeichnet werden. Sind alle Kanten gerad-
linig, so ist eine Region ein Polygon. Abb. 1.1-21 Beispiel filr ein zweidimensionales geome-
Als Beispiel sei die in Abb. 1.1-21 dargestellte trisches Modell
Struktur betrachtet. Eine Beschreibung dieses

Tabelle 1.1-4 Schema für ein zweidimensionales geometrisches Modell

Knoten Kanten
KNR X y ENR K1 K2
1 0 0 1 2 1
2 -1 0 2 1 3
3 0 -1 3 2 4
4 -1 1 4 g 7
5 1 -1 5 g 5
6 0 1 6 7 6
7 1 1 7 6 4
8 1 0 8 3 5
9 -1 -1 9 3 9
10 9 2
Regionen
RNR ENR1 ENR2 ENR3 ENR4 ENRS ENR6 ENR7 ENR8
2 8 5 4 6 7 3
10 9 2

Bauinformatik 1-23
schreibt. Weiterhin können "Löcher" als Regio- elementaren Grundbausteinen zusammenge-
nen eingeführt werden, die ganz innerhalb einer setzt.
anderen Region liegen.
Es sei darauf hingewiesen, daß mit dem vor- Oberflächenmodell (Boundary representation, 8-rep)
gestellten Datenmodell zwar eine (fast) daten-
minimale Menge von strukturbeschreibenden Dieses Modell verallgemeinert wie das bereits
Relationen gegeben ist, daß in der Praxis aber oft skizzierte Flächenmodell die einfache zweidi-
zusätzliche Relationen (z.B. zu jeder Kante die mensionale Datenstruktur aus 1.1.4.1. Es verbin-
davon begrenzten Regionen) gespeichert wer- det Punkte durch geradlinige Kanten, verwendet
den. Dadurch wird zwar die Datenmenge erhöht, Kantenzüge zur Umschreibung von Regionen
die Zeitkomplexität für verschiedene Algorith- und erschließt den Körper über die begrenzen-
men kann aber wesentlich verringert werden den Regionen. Neben einer dritten Koordinate in
(z.B. [Bungartz/Griebel/Zenger 1996]). der Knotentabelle wird das Datenmodell aus
1.1.4.1 also um eine Relation zur Volumenbe-
1.1.4.2 schreibung erweitert.
Geometrische Modelle in 30 Als Attributnamen für das Schema der Relati-
on "Körper", welche die Relationen "Knoten",
Bei 3D-Modellen unterscheidet man zwischen "Kanten" und "Regionen" aus 1.1.4.1 ergänzt,
Datenstrukturen für Kanten-, Flächen- und Vo- wähleman
lumenmodelle. Im ersten Fall werden lediglich
VNR N FNR1 FNR2 · · · FNRn .
Knoten mit ihren räumlichen Koordinaten und
(geradlinige) Kanten zwischen je zwei Knoten VNR ist die Nummer des (Teil-) Körpers, FNR1
gespeichert. Damit entsteht ein "Drahtmodell", bis FNRn sind die Nummern seiner Ober-
das z.B. als Grundlage für die Speicherung von flächen-Regionen. Die GrößeN dient zur Festle-
räumlichen Stabwerken dienen kann. Zur Be- gung, auf welcher Seite der Oberfläche der Kör-
schreibung von Faltwerken oder anderen Struk- per liegt. Als Konvention kann z.B. bestimmt
turen, die sich aus ebenen Flächen im Raum zu- werden, daß N =1, wenn der Normalenvektor auf
sammensetzen, kann die in 1.1.4.1 beschriebene der Region FNR1 aus dem Körper herauszeigt,
Datenstruktur dahingehend verallgemeinert und N =-1 zu setzen ist, wenn dieser Normalen-
werden, daß alle eine Region definierenden Kan- vektor in den Körper gerichtet ist. Als Beispiel ist
ten (und damit ebenfalls die entsprechenden die Datenstruktur in den· Tabellen 1.1-5 für die
Knoten) zwar nach wie vor in einer Ebene liegen, in Abb. 1.1-22 dargestellte Pyramide gegeben.
die aber nicht mehr notwendigerweise die x-y- Einerseits läßt sich zwar jeder Körper unter
Ebene zu sein braucht. Dieses Flächenmodell er- den genannten Restriktionen mit dem angege-
fordert also lediglich die zusätzliche Speiche- benen Datenbankschema beschreiben, anderer-
rung der z-Koordinaten für jeden Knoten. Ge- seits sind wesentliche topalogische und geome-
krümmte Schalenstrukturen werden oft durch trische Bedingungen an die Daten zu stellen, um
Attributierung der Regionen eines Flächenmo- zu gewährleisten, daß damit auch ein "vernünf-
dells gespeichert. Die jeweilige Region wird da- tiger" Körper definiert wird.
zu zunächst topalogisch in einer Parameterebe- Unter anderem ist zu fordern, daß alle Knoten,
ne definiert und dann mittels einer geometri- die eine Fläche beschreiben, in einer Ebene lie-
schen Transformation auf die tatsächliche ge- gen, daß die beteiligten Flächen eine geschlos-
krümmte Fläche abgebildet. sene Hülle bilden und daß es nur zweiseitige
Flächenmodelle reichen zur Speicherung von Flächen mit einer dem Körper zugewandten und
Volumeninformationen noch nicht aus, da damit einer dem Körper abgewandten Seite gibt.
nicht festgestellt werden kann, ob ein Punkt in- Die Forderung nach einer konsistenten topa-
nerhalb oder außerhalb des Körpers liegt. Zu ei- logischen Beschreibung kann dadurch erfüllt
ner vollständigen Volumenbeschreibung sind werden, daß ein Körper ausgehend von wohlde-
zwei grundsätzlich unterschiedliche Modellty- finierten Grundelementen durch sog. "Ewer-
pen gebräuchlich, die im folgenden besprochen Operatoren" aus einfacheren Körpern aufgebaut
werden sollen. Im ersten Fall wird ein Körper wird. Etwas verkürzt dargestellt, stellen diese
durch die ihn umschließenden Oberflächen be- Operatoren sicher, daß ein zulässiger Körper, al-
schrieben und damit das Flächenmodell verall- so eine konsistente Beschreibung im Daten-
gemeinert, im zweiten Fall wird ein Körper aus bankschema, immer in einen zulässigen Körper

1-24 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.1-5 Schema für ein räumliches geometrisches Modell

Knoten Regionen
KNR X y z RNR ENR1 ENR2 ENR3 ENR4
1 -1 -1 0 1 1 2 3 4
2 1 -1 0 2 7 8 3
3 1 1 0 3 2 7 6
4 -1 1 0 4 4 8 5
5 0 0 1 5 1 6 5
Kanten
ENR K1 K2
1 1 2
2 2 3 Volumina
3 3 4 VNR N FNR1 FNR2 FNR3 FNR4 FNR5
4 4 1
1 5 -1 2 3 4
5
6 2 5
7 3 5
8 4 5

Abb. 1.1-22 Beispiel für ein räumliches geometrisches


Modell Abb.1 .1-23 CSG-Baum

transformiert wird. Für Details sei auf vertiefen- komplexeren Baugliedern entwickelt werden.
de Literatur verwiesen (z.B. [Bungartz/Grie- Das rechnerinterne Modell enthält die Beschrei-
bel/Zenger 1996]). bung der Grundkörper mit den jeweiligen Trans-
formationen und die baumartigen CSG-Anwei-
CSG-Mode/1 (CSG Constructive Solid Geometry) sungen. Ein Beispiel ist in Abb. 1.1-23 dargestellt,
bei dem aus den Grundkörpern Quader, Kugel
Einen vollkommen anderen Zugang zu Volu- und Zylinder durch Positionierung im Raum und
menmodellen bietet die Constructive Solid Geo- durch Boolesche Operationen ein Bauteil zu-
metry. Das CSG-Modell geht von einfachen, vor- sammengesetzt ist, wobei durch die abschließen-
definierten Grundkörpern aus (Quader, Kugel, de Durchschnittbildung mit einem Quader ein
Kegel, Zylinder, Torus, Keil). Diese Grundkör- Schnitt durch das Innere des Körpers gelegt wird.
per können geometrischen Transformationen Für die graphische Darstellung werden häufig
(Translation, Rotation, Skalierung und Spiege- die CSG-Anweisungen zur Laufzeit eines Pro-
lung) unterworfen werden, aber auch durch Boo- gramms ausgewertet, und der entstehende
tesche Mengenoperationen (Vereinigung U, Baukörper wird in ein Oberflächenmodell um-
Durchschnitt n und Differenz \) zu fortlaufend gewandelt.

Bauinformatik 1-25
Extrusionsmodelle
x=-
X
y=-
y z
z=- '
w w w
Im Bauwesen lassen sich viele typische Körper
(z.B. Wände oder Träger) durch ein Extrusions- wobei im folgenden immer w= 1 gesetzt wird.
modell (eng!.: swept area model) beschreiben. Mit der Einführung der vierten Koordinate
Dazu wird zunächst eine Grundfläche beschrie- scheint zunächst noch nichts gewonnen zu sein;
ben (z.B. Grundriß,Schnitt),aus der dann durch der Vorteilliegt jedoch darin, daß sich alle affi-
Verschieben längs einer Leitkurve (eng!.: nen Transformationen durch eine Multiplikati-
sweeping) ein Körper mit parallelen Kanten er- on einer Transformationsmatrix mit einem Vek-
zeugt wird (Abb. 1.1-24). Mit dieser Methode ist tor darstellen lassen und damit eine einheitliche,
es häufig leicht möglich, eine Bibliothek aus sehr effiziente Möglichkeit der Implementierung
fachspezifischen Grundkörpern aufzubauen, die in ein Computerprogramm gegeben ist.
dann in einem CSG-Modell zu komplexeren Kör-
Für die Translation gilt
pern zusammengesetzt werden können.
v'=v · T
1.1.4.3
mit der Translationsmatrix

l:1}
Geometrische Transformation

Geometrische Transformationen spielen sowohl


bei der Erzeugung von Volumenmodellen als
auch bei ihrer Visualisierung eine entscheiden-
de Rolle. Diesen Transformationen werden z. B.
T=[i
alle Knotenkoordinaten eines elementaren also
Grundkörpers unterworfen, wenn ein verscho-
(x',y',z',l) =(x,y,z,l)T
bener, gedrehter oder skalierter Körper erzeugt
werden soll. Mathematisch lassen sich diese oder ausmultipliziert
Operationen als affine Transformationen be-
x'=x+ Tx,y'=y+T1 , z'=z+Tz.
schreiben. Damit können aber auch Projektio-
nen eines Körpers dargestellt werden, z. B. eine Eine Skalierung wird beschrieben durch
perspektivische Abbildung eines räumlichen
v'=v·S
Modells auf dem (ebenen) Bildschirm.
Affine Transformationen in ~ 3 lassen sich sehr mit der Skalierungsmatrix
einfach durch homogene Koordinaten darstellen.
Sei dazu in einem rechtshändigen Koordinaten- 0
system in ~ 3 zunächst ein Punkt v(x,y,z) be- 0
trachtet. Seine Darstellung in homogenen Koor- sz
dinaten v(X, Y,Z, w) ist mit einem Skalierungs-
0
faktor w*O gegeben durch

a Leitkurve ist Gerade b leitkurve ist Kreisbogen

Abb. 1.1-24 Extrusionsmodelle

1-26 Allgemeine Grundlagen


Rotationen um die x-,y- bzw. z-Achse erhält man In Abb. l.l-25 ist ein Beispiel für die Zerlegung
schließlich durch einer Rotation eines Rechtecks um den Punkt p
dargestellt. Die Eckpunktkoordinaten des Recht-
v' =v ·Rx, v'=v · Ry, v'=v ·Rz
ecks werden zunächst durch eine Translation so
mit verschoben, daß das Bild von p im Ursprung

·{
0 0 liegt, dann erfolgt eine Rotation um den Winkel

~J
e und schließlich eine Translation zurück in p.
cose sine
X 0 ...,sine cose 1.1.4.4
0 0 0 Projektionen

Soll ein räumliches geometrische~ Modell auf ei-


cose 0 -sine
nem Bildschirm oder auf Papier dargestellt wer-
R =[ 0 1 0 den, so ist dazu eine Projektion aller räumlichen
Koordinaten auf eine Projektionsebene, also eine
Y si~e ~ co;e
Abbildung von 3D-Koordinaten (xv, Jv, Zv, 1) auf
2D-Koordinaten (x5 , y 5 ), nötig. Als Beispiel wird
hier eine geeignete Transformation für eine Zen-
cose sine o 0] tralprojektion hergeleitet. Der Einfachheit halber
R = [ -sine cose 0 0 . sei eine Situation wie in Abb. l.l-26 angenom-
z 0 0 1 0 men, bei der sich das Projektionszentrum im Ur-
sprung eines Augpunktkoordinatensystems (xv,
0 0 0 1
Jv, Zv) befindet und die Projektionsebene im Ab-
Allgemeinere Transformationen lassen sich nun stand d parallel zur (xv, Yv)-Ebene liegt. Stellt man
als Hintereinanderausführung dieser elementa- sich als Betrachter in den Ursprung und blickt
ren affinen Transformationen realisieren. Da bei durch die Projektionsebene auf das geometrische
vielen praktischen Anwendungen der geometri- Modell dahinter, so findet man die Koordinaten
schen Modeliierung sehr viele Vektoren (z. B. alle eines Punktes P(xv, Yv, zv) auf der Projektions-
Koordinaten der Knoten eines Körpermodells)
zu transformieren sind, rechnet man sinnvoller-
weise erst durch Matrizenmultiplikation die Ma-
Y,
trix der Nettotransformation aus und unterwirft
dann alle Koordinaten v der Multiplikation mit
dieser Gesamtmatrix.
v'=v·M1· Mz · M3· ... ·Mn =vM
Mist die Nettotransformation und hat die allge-

L
meineForm
al3

[~'
al2

a21 azz az3


M=
a31 a32 a33
Abb. 1.1-26 Zentralperspektive
fx !y fz

Q.
p

Abb. 1.1·25 Zusammengesetzteaffine Transformation

Bauinformatik 1-27
ebene im Durchstoßpunkt P'(x5 , y 5 ). Zur Bestim- 1.1.5
mung von (x5 , y 5 ) betrachte man die Situation aus CAD (Computer Aided Design)
der Sicht der yv- und der Xv-Achse.
Nach dem Strahlensatz kann man nun aus 1.1.5.1
Abb. 1.1-27 ablesen, daß Grundbegriffe
Xs Xv
-=-; Der Begriff "Computer Aided Design (CAD)"
d Zv wurde bereits 1957 von D.T. Ross bei der Ent-
Für die homogenen Koordinaten gilt also wicklung eines NC-Systems (NC Numerical

__11:_, d, 1)
Control) als Methodik für Problemlösungen ver-
(X 5 ,y5 ,d,1) = (_.5c._,
Zv / d Zv / d
schiedener Komplexität in Verbindung mit elek-
tronischen Datenverarbeitungsanlagen geprägt.
= (xv>Yv>Zv,Zvl d) Nach [Eigner/Maier 1986] versteht man darun-
oder ter einen"Sammelbegriff für alle Aktivitäten, bei
denen die EDV direkt oder indirekt im Rahmen
(xs•Ys• d, 1) = (xv, Yv• Zv, 1) · Tpersp
von Konstruktions- und Entwicklungstätigkeiten
mit eingesetzt wird".

Il
Dagegen stand im Bauwesen bis vor wenigen
Jahren noch die Unterstützung und Rationali-
sierung von reinen Zeichentätigkeiten im Mit-
telpunkt. Es zeigen sich in letzter Zeit jedoch er-
heblich erweiterte Möglichkeiten, wenn (räum-
liche) Bauwerke virtuell als dreidimensionale
Auf ähnliche Weise kann für eine Parallelpro- Objekte im Computer abgebildet werden. Sie kön-
jektion die Transformationsmatrix nen dann als Kern eines Bauwerkmodells die-
nen, in dem neben topologisch-geometrischen
1 0 0 0]
Daten Informationen gespeichert und verändert
0 1 0 0 werden, die vom statischen Modell bis zu Daten
[
Tpar = 0 0 0 0 über die aktuelle Nutzung des Objekts reichen
0 0 0 1 können.
Voraussetzung für die Verwendung von CAD
hergeleitet werden. in diesem erweiterten Sinn ist es also, Computer
Aided Design nicht lediglich als isoliertes Werk-
zeug zur Erstellung von Plänen zu sehen, son-
dern als Kern einer Computergestützen Model-
Iierung räumlicher Objekte in Zusammenhang
mit Planungs-, Berechnungs- und Informations-
systemen zu begreifen.

1.1.5.2
P(X.,,Y.,Z.,l
Graphisch-interaktive Systeme
a aus Sicht der Yv-Achse
x.
CAD-Programme sind graphisch-interaktive
P(X.,Y.,Z.,l Softwaresysteme; sie werden meist unter Ver-
wendung von ineinanderliegenden Schalen auf-
gebaut. Damit wird ein Prinzip genutzt, das als
sehr allgemeines Architekturmodell für kom-
plexe Software Anwendung findet.
d
Der innerste Kern dieses Schalenmodells
b aus Sicht der x.-Achse (Abb.l.l-28) ist dabei ein Baustein, der elemen-
tare Graphikbefehle in Befehle für die Ein-/ Aus-
Abb. 1.1-27 Zentralperspektive aus verschiedenen gabe-Geräte (z.B. Bildschirm und Plotter) um-
Blickrichtungen
setzt. Dieser sog. "Gerätetreiber" ist unabhängig
vom speziellen Anwendungsbereich des Gesamt-

1-28 Allgemeine Grundlagen


I Fachspezifische
c
I ------------
I Fachunabhängige I
I
I
I

I Graphiksystem I
I
I
I

I Graphische I
I

Grund-
funktionen

I (Kernsystem) I
~-
I (Standard)-CAO-Systeme
- -
I
I CAO-Systeme I

Abb. 1.1 -28 Software-Schalenmodell

programms und kann damit unverändert für Grundlegende Funktionalitäten von CAO-Systemen
verschiedenste Anwendungen eingesetzt werden.
Ähnlich verhält es sich mit den umliegenden CAD-Systeme bieten die Möglichkeit, durch ei-
Schalen. So können die Funktionen eines graphi- ne interaktive Benutzungsoberfläche Zeichnungs-
schen Kernsystems gleichermaßen von einem elemente zu definieren, zu modifizieren und zu
CAD-Programm wie von einem Postprozessor organisieren. Zur Definition eines Graphikpri-
für ein Berechnungsprogramm genutzt werden. mitivs ist dieses aus einem Katalog auszuwählen,
Erst die äußere Schale stellt die fachspezifische mit Attributen zu versehen und auf der Zeich-
Anwendung dar, die ihrerseits wieder auf ein nung zu positionieren. Die Veränderung oder
fachunabhängiges CAD-System aufsetzen kann. das Löschen eines Objekts erfordert seine Iden-
tifikation im Datenmodell des CAD-Systems.
1.1.5.3 Das "Anklicken" eines Zeichnungselements löst
20-Konstruktionssysteme dazu die Suche nach allen Datenelementen aus,
die sich innerhalb eines Suchkreises mit einem
Zeichnungselemente definierten Fangradius um die Fadenkreuz-
position befinden. Weitere häufig verwendete
Grundsätzlich setzen sich alle zweidimensiona- Möglichkeiten der Identifikation bieten Lasso-
len Zeichnungen aus 0-, 1-, oder 2-dimensiona- funktionen, mit denen alle z.B. innerhalb eines
len Graphikprimitiven zusammen. Diese sind Rechtecks befindlichen Elemente ausgewählt
punktförmig (z. B. Markierungen, Eckpunkte ei- werden.
nes Polygonzugs oder einer Fläche), linienför- Zur grundlegenden Funktionalität eines CAD-
mig (z. B. Kanten, Polygonzüge, Kurven), flächen- Systems gehört weiterhin die Möglichkeit, geo-
förmig (z.B. Rechtecke, Polygone, Kreisflächen) metrische Operationen auszuführen. Dazu ge-
oder Textbausteine. hört z.B. die Bildung des Schnittpunkts zweier
Zeichnungselemente können mit elementbe- Strecken, das Errichten des Lotes auf einer Ge-
zogenen Attributen versehen werden. Für Punk- raden oder die Definition einer Tangente an ei-
te sind dies Punktsymbole und Farben, für Lini- nen Kreis.
en Strichstärke, Strichfarbe und Linientyp, für Konstruktionsfunktionen manipulieren vor-
Flächen Schraffuren, die Farbe und die Füllart her erstellte Zeichnungselemente. Sie verändern
Texte erhalten die Schrifthöhe, den Zeichensatz, sowohl die rechnerinterne Datenstruktur als auch
die Farbe und die Richtung als Attribute. ihre Darstellung am Bildschirm. Mit Konstruk-
tionsfunktionen können Objekte verschoben,
verdreht, gespiegelt, verzerrt, kopiert oder Boo-

Bauinformatik 1-29
!eschen Mengenoperationen (s. 1.1.4.2) unter- verwendung bereits modellierter Objekte er-
worfen werden. reicht werden.
Schließlich erlauben Hilfsfunktionen die De- CAD-Systeme unterstützen dies mit ihren
finition von Rasterlinien, stellen Linealfunktio- Werkzeugen zum Zusammenfassen, Verändern
nen zur Übernahme derx- bzw. y-Koordinate ei- und Verwalten von komplexen Bausteinen in der
nes identifizierten Punktes bereit oder ermögli- Variantentechnik bzw. durch die Verwendung
chen die Messung von Abständen, Winkeln und von Komplexteilen. Die effiziente Nutzung die-
Flächenwerten. ser Werkzeuge verlangt jedoch, das endgültige
Modell in seinem Aufbau bereits vor der Ausar-
Planstruktur und Folientechnik beitung zu gliedern und dabei identische oder
ähnliche Elemente zu erkennen.
Ein Plan wird aus Bildern ("Ansichtsfenstern"; Symbole als Zusammenfassung von Graphik-
eng!.: viewports), die im CAD-System getrennt primitiven bilden die elementarste Gruppe von
verwaltet werden, zusammengesetzt (Abb.l.l-29 ). Komplexteilen. Beispielsweise können alle zur
Bilder können sich selbst wieder aus "Folien" Darstellung eines Auflagers nötigen Zeichnungs-
aufbauen, die jeweils eine Menge von Zeich- elemente zu einem Symbol zusammengefaßt
nungselementen enthalten und "übereinander- werden. Gleiches gilt für alle Graphikprimitive
gelegt" angeordnet sind. Durch Selektieren und zur Kennzeichnung eines Fensters oder für Ein-
Deselektieren von Folien können Inhalte (Zeich- richtungsgegenstände, für einen Plankopf oder
nungselemente) gleichzeitig sichtbar gemacht ein Firmenzeichen. Symbole sind eigenständige
werden. Dabei kann eine Folie "aktiv" gesetzt graphische Objekte; sie lassen sich wie ein Gra-
werden, was bedeutet, daß alle neu konstruier- phikprimitiv in einer Zeichnung positionieren
ten Zeichnungselemente in diese Folie eingetra- (Abb. 1.1-30).
gen werden. So läßt sich z. B. ein Bild aus drei Fo- Im Bauwesen werden bestimmte Bauteile oder
lien, in denen der Grundriß, die Vermaßung und Einrichtungen oft abhängig vom Maßstab unter-
die Beschriftung getrennt gespeichert werden, schiedlich dargestellt. Entsprechend kann auch
zusammensetzen. die graphische Darstellung von Symbolen vom
Plantyp bzw. Planmaßstab abhängig sein.
Rationalisierung durch Wiederverwendbarkeit Eine erste Verallgemeinerung von Symbolen
bilden parametrisierte Makros. Hierbei liegen
Ein wichtiges Ziel der Anwendung von CAD ist nur die Konstruktionsvorschrift, die Topologie
die Steigerung der Produktivität. Rationalisie- und evtl. einzelne geometrische Abmessungen
rung kann dabei in erster Linie durch Wieder- fest. Die fehlenden Daten werden durch freie Pa-

Graphikprimitive

Abb. 1.1 ·29 Plan5truktur

1-30 Allgemeine Grundlagen


Abb. 1.1-30 Beispiele für Symbole

sieren lassen, wird die Bemaßung meist interak-


tiv vorgenommen. Der Benutzer gibt dazu an,
welche Zeichnungselemente vermaßt werden
sollen und wo die Maßketten anzuordnen sind.
l I Maßketten können durch die Identifikation von
Knoten des geometrischen Modells (s. 1.1.4.1)
T oder die Angabe von Schnittlinien und die da-
mit festgelegten Schnittpunkte mit Zeichnungs-
elementen definiert werden (Abb. l.l-33).
I J Verknüpfungen von Zeichnungselementen, Assoziation

Wenn Strukturelemente einer Zeichnung modi-


fiziert werden sollen, so ist es wünschenswert,
Abb. 1.1·31 Parametrisienes Makro daß sich z.B. Maßketten und Schraffuren auto-
matisch den neuen Abmessungen anpassen. Da-
zu dürfen die Zeichnungsobjekte nicht autonom
rameter definiert, die nach dem Aufruf mit ak- verwaltet werden, sondern müssen über geeig-
tuellen Werten gefüllt werden (Abb. 1.1-31). nete Datenstrukturen miteinander verknüpft
Eine WeitereVerallgemeinerung stellen Makro- sein. Allgemein spricht man von einer "Assozia-
befehle (in manchen CAD-Systemen auch "Seg- tion" von Konstruktionselementen oder von "as-
mente" genannt) dar, in denen häufig auftreten- soziativer Geometrie", wenn die Veränderung ei-
de Folgen von Konstruktionsbefehlen zusam- nes Elements automatisch die Änderung der as-
mengefaßt werden (Abb. 1.1-32). soziierten Elemente nach sich zieht.
Als Beispiel zeigt Abb. 1.1-34 das Ergebnis der
Bemaßung Modifikation eines Rechtecks auf die Bemaßung
und Schraffur bei assoziativer und nichtassozia-
Die Bemaßung eines Planes macht oft 35% bis tiver Geometrieverwaltung.
40% der Zeichentätigkeit aus und ist bei manu- In Abb. l.l-35 ist ein Installationsmakro zu ei-
eller Anfertigung von Zeichnungen zudem feh- ner Wand assoziiert. Die Position des Makros
leranfällig. Da jedoch die Grundlage für die Be- wird dazu relativ zum Wandanfang über einen
maßung durch Geometrie und Topologie des in Ankerpunkt definiert und ändert damit seine La-
einem Plan dargestellten geometrischen Modells ge, wenn das geometrische Objekt, das die Wand
gegeben ist, stehen einem CAD-System die für darstellt, verschoben oder verdreht wird.
die Bemaßung notwendigen Daten zur Verfü-
gung. Problematisch ist aber immer das Layout
von Maßketten, die übersichtlich, klar zuzuord-
nen und ohne Überschreibung anderer Zeich-
nungselemente anzubringen sind. Da sich diese
Forderungen nur schwer vollautomatisch reali-

Bauinformatik 1-31
Einzelbefehle }
- Konstruiere Rechteck für Wandöffnung Makrobefehl
- Entferne Schraffur - Füge Fenster ein
- Positioniere Fenstermakro

Abb. 1.1-32 Makrobefehl

~::::::::::~
Punktbemaßung
l _ _ A_ _ J_,,""'"""'·
! l l
'
Schnittbemaßung

Abb. 1.1-33 Bemaßungsarten

40


40


nicht-
30
assoziativ
30

80

Abb. 1.1-34 Assoziative Bemaßung und Schraffur

Abb. 1.1-35 Assoziation über Ankerpunkt

1-3 2 Allgemeine Grundlagen


1.1.5.4 ne exzellente Grundlage für einen Soll-Ist-
30-Modelliersysteme Vergleich auf der Baustelle ist.

3D-Konstruktions- und Modelliersysteme er- Ein Beispiel ist in Abb.l.l-36 mit einem komple-
möglichen die interaktive Erstellung, Verände- xen Knotenpunkt einer räumlich modellierten
rung und Verwaltung von räumlichen geometri- Stahlkuppel gegeben. Die Werkstattpläne in
schen Modellen. Sie erlauben deren Visualisie- Abb. 1.1-37 wurden nicht unabhängig von die-
rung sowie die Verknüpfung mit zweidimensio- sem 3D-Modell konstruiert, sondern daraus
nalen, zeichnungsorientierten Teilsystemen. durch Schnittbildungen abgeleitet und dann
3D-Modelle erfordern wesentlich größeren Spei- vervollständigt. Maße wie Raumwinkel und Pro-
cher- und Rechenaufwand als ebene Modelle und fillängen brauchen nun nicht berechnet zu wer-
verlangen vom Benutzer ein Umdenken durch den, vielmehr werden sie am virtuellen geome-
die Loslösung vom traditionell zeichnungsori- trischen Modell gemessen und sind damit auto-
entierten Plan. matisch konsistent zur Gesamtkonstruktion.
Die ungleich größeren Möglichkeiten von 3D-
Systemen lassen jedoch erwarten, daß diese Sy-
steme, ähnlich wie im Maschinenbau in den letz-
ten zehn Jahren zu beobachten, auch im Bauwe-
sen immer stärker in den Vordergrund treten
werden.
Entscheidene Vorteile sind u.a., daß
- 3D-Modelle die Speicherung von volumenbe-
zogenen Daten erlauben (z.B. Massen und
daraus abgeleitete Kosten},
- die räumliche Konsistenz des Modells und da-
mit aller daraus ableitbarer Schnittzeichnun-
gen gewährleistet ist,
- Kollisionsprüfungen durchgeführt und Fra-
gen der Montage von Bauteilen geklärt werden
können, Abb. 1.1-36 30-CAD-Modell eines Knotenpunktes
- eine Visualisierung des Computermodells ei-

Abb.1.1 ·37 Auszug aus einer Konstruktionszeichnung

Bauinformatik 1-33
Assoziative Geometrie bei räumlichen Modellen Hingegen zeigt die Bildreihe in Abb.l.l-39 das
Ergebnis, wenn die Konstruktionsvorschrift des
Besondere Bedeutung kommt der Assoziation Pultdachgebäudes als Grundlage der Verände-
von geometrischen Objekten bei 3D-Modellen rung genommen wird. Ausgangspunkt ist ein
zu. Hier reichen die in 1.1.5.3 beschriebenen Me- quaderförmiger Hilfskörper, der von der Dach-
thoden meist nicht aus. Wegen der oft sehr kom- fläche geschnitten wird. Das Gebäude ergibt sich
plexen Zusammenhänge muß die Konstrukti- dann durch Subtraktion des über der Schnitt-
onsvorschrift eines Objekts als Grundlage für ei- fläche liegenden Teilkörpers. Diese Konstrukti-
ne Assoziation verwendet werden. onsvorschrift ist unabhängig von der Neigung
Ein Beispiel ist in den Abb. 1.1-38 und 1.1-39 der Dachfläche gültig und garantiert damit die
gegeben. Ohne Assoziation tritt bei Veränderung Assoziation des Gebäudekörpers an die Dach-
der Dachneigung des Pultdachs eine Klaffung fläche.
auf. Der Gebäudekörper muß neu konstruiert
werden. 1.1.6
Softwareentwicklung

le
1.1.6.1
Ziele des Softwareengineering

Die Erstellung anspruchsvoller Softwaresysteme


erfordert die Bereitschaft, immer wieder neue

l " '" " '" ' "' " '


Sachverhalte im Team zu durchdringen und in-
telligent zu strukturieren. Betrachtet man die Er-
stellungs- und Weiterentwicklungszeiten, so
wird deutlich, daß ein Großteil der Anstrengun-
--------'
gen innerhalb des Softwareentwicklungsprozes-
Abb. 1.1 -38 Klaffung bei Veränderung der Dachneigung
ses auf die Weiterentwicklungsphase fällt. Dabei
führen die zahlreichen Veränderungen oft dazu,
daß sich die Software immer mehr vom ur-
sprünglichen Konzept entfernt.
Aus diesem Grund ist es notwendig, für große
Softwareprojekte nach Methoden zu suchen,
welche die Komplexität beherrschbar machen,
den Zerfallsprozeß verhindern und trotz struk-
turzersetzender Änderungsanforderungen hel-
fen, die Qualität und Struktur der Software auf-
rechtzuerhalten. Eine geeignete Methode zur
Verfolgung dieser Ziele stellt die Objektorientie-
rung zur Verfügung [Oestereich 1997).

1.1.6.2
Softwareentwicklung

Softwareentwicklung besteht aus verschiedenen


aufeinanderfolgenden Phasen. Das in Abb. 1.1-40
dargestellte Spiralmodell unterteilt den Ent-
wicklungsprozeß zu diesem Zweck in die Phasen
Analyse, Entwurf, Programmierung und Einsatz
assoziative Veränderung
im Testbetrieb.
Durch mehrmaliges Durchlaufen der vier Pha-
sen entlang der Spirale entsteht in wohldefinier-
Abb. 1.1-39 Assoziation durch Speicherung der Kon-
struktionsvorschrift ten Abschnitten ein komplexes Softwaresystem.
Grundsätzlich sollte dabei am Ende eines Durch-
Iaufs ein definiertes Teilziel erreicht werden, wel-

1-34 Allgemeine Grundlagen


ches im nächsten Durchlauf als Basis eines wei- Programmiersprache (z.B. C++, Java und Eiffel)
teren Entwicklungszyklus dienen kann. Wesent- unterstützt werden. Einige der genannten Kon-
lich für diese Vorgehensweise ist dabei die Glie- zepte werden im folgenden am Beispiel der Ent-
derung der Entwicklungsaktivitäten in kleine wicklung von Software zur Berechnung eines
Einheiten sowie die koordinierte Verzahnung Mehrfeldträgers erläutert (Abb. 1.1-41).
von Aktivitäten auf Basis unterschiedlicher Spe-
zialisierungsgrade. 1.1.6.3
Zur Strukturierung und Spezifikation des Soft- Objektorientierte Analyse und Entwurf
waresystems in den Phasen Analyse und Entwurf
können objektorientierte Modellierungsmetho- Ziel der Analysephase ist es, eine Problemstel-
den verwendet werden ([Booch 1994], Object lung aus der realen Welt zu verstehen und ge-
Modeling Technique (OMT) [Rumbaugh 1993], eignet zu modellieren. Zu diesem Zweck werden
Unified Modeling Language (UML) [RSC 1997]). mit Hilfe von Szenarien relevante Abläufe und
Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Notati- Strukturen analysiert und mit potentiellen Nut-
on und der zur Abbildung des Problemraumes zern der zu entwickelnden Software diskutiert.
zu erstellenden Teilmodelle.Alle Modellierungs- Die hierbei erarbeiteten Ergebnisse werden in
methoden versuchen dabei durch sukzessive Er- einem Fachkonzept festgehalten. Dieses spezifi-
höhung des Spezialisierungsgrades eine durch- ziert auf fachlicher Ebene, also aus Anwender-
gängige Lösung - von der Analyse bis zur Pro- sicht, den Anforderungs- und Aufgabenkatalog
grammierung - anzubieten. Speziell für die für das zu erstellende Softwaresystem.
Implementierung des Softwaresystems ist es er- Für das als Beispiel gewählte Tragwerk be-
forderlich, daß die innerhalb der Modellie- deutet dieser Analyseprozeß, daß zunächst ein
rungsmethode gewählten Ansätze durch geeig- mechanisches Modell zu wählen ist, das eine Ab-
nete Programmkonstrukte der verwendeten straktion der realen Struktur - z.B. als Mehr-
feldträger - erlaubt. Weiterhin sind Annahmen
zur Geometrie des Trägerquerschnitts und zu
möglichen Lasten zu treffen. Der Analyseprozeß
legt bei diesem Beispiel weiterhin die Art der ge-
wünschten Ergebnisse und insbesondere die zur
Berechnung zu verwendenden mathematischen
und numerischen Methoden fest, ohne sich je-
doch bereits um eine konkrete softwaretechni-
sche Umsetzung zu kümmern.
Aufbauend auf diesem Fachkonzept wird ein
Softwarekonzept entwickelt, dessen Aufgabe es
ist, einen ersten Lösungsentwurf für das zu er-
stellende System anzubieten. Von zentraler Be-
deutung ist dabei das Objektmodell (Abb.l.l-42),
das die Objekte und ihre Beziehungen erfaßt. Die
Objekte selbst werden durch ihre Attribute und
Abb. 1.1-40 Spiralmodell Verarbeitungsmethoden beschrieben. Die Attri-
bute kann man mit Hilfe der verfügbaren Me-

Einzellast Streckenlast Temperaturdifferenz Trägersehn in

·----
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Abb. 1.1-41 Mehrfeldträger mit beliebigem Ouerschnin

Bauinformatik 1-35
Abb. 1.1-42 Objektmodell eines Mehrfeldträgers

thoden verändern (s. dazu die nähere Beschrei- - Die Aggregation stellt eine besondere Form
bung zum Objektknoten in 1.1.6.4). der Assoziation dar. Eine Aggregation ist die
Für die Strukturierung des Objektmodells ste- Zusammensetzung eines Objekts aus einer
hen drei Beziehungstypen zur Verfügung: Menge von anderen Objekten. Umgangs-
- Die Generalisierung bzw. Spezialisierung er- sprachlich läßt sich Aggregation durch die
möglicht es, Gemeinsamkeiten bzw. Unter- Formulierung "besteht aus" ausdrücken. Im
schiede zwischen verschiedenen Objekten aus- Beispiel besteht also ein Feld des Mehrfeldträ-
zudrücken. Hierbei werden generelle Eigen- gers aus einem Querschnitt und einer Bela-
schaften in Form von Attributen und Metho- stung und weiteren im Beispiel nicht näher
den einem übergeordneten Objekt (z. B."Quer- ausgeführten Objekten.
schnitt") zugeordnet. Durch Vererbung kön-
nen nun diese generellen Eigenschaften an an- Neben dem Objektmodell, welches die statische
dere untergeordnete Objekte (z.B."Standard- Struktur beschreibt, lassen sich mit Hilfe weite-
profll" oder "Freidefiniertes Profil") weiterge- rer Modelle andere Aspekte des Softwaresystems
geben werden. Innerhalb dieser Objekte findet ausdrücken. Wichtige Gesichtspunkte sind dabei
dann durch Erweiterung der vererbten Eigen- Zustandsänderungen, die mit Hilfe des dynami-
schaften um objektspezifische Eigenschaften schen Modells wiedergegeben werden, und Da-
(wie eine Listenstruktur zur Aufnahme der tenflüsse, die mit Hilfe des funktionalen Modells
Eckpunkte des polygonal berandeten Quer- in der Notation nach OMT modelliert werden
schnitts für das Objekt "Freidefiniertes Pro- können. Welche Modelle zur Beschreibung der
fil") die Spezialisierung statt. verschiedenen Blickwinkel auf ein Softwaresy-
- Assoziationen drücken Beziehungen zwischen stem letztlich zur Verfügung stehen, hängt von
verschiedenen Objekten aus. Das Objekt"Frei- der verwendeten Modellierungsmethode ab.
definiertes Profil" unterhält z.B. eine Bezie- Während die Phase der objektorientierten
hung zum Objekt "Geometriemodell2D", d. h. Analyse dazu dient, den Problemraum zu erfas-
zur Beschreibung eines freidefinierten Profils sen und zu strukturieren, ist es Aufgabe des ob-
ist ein zweidimensionales Geometriemodell jektorientierten Entwurfs, die in der Analyse-
nötig. Diese Assoziation wird verwendet, um phase erzeugten Modelle zu einem Softwareent-
die benötigte geometrische Beschreibung des wurf weiterzuentwickeln. Hierzu sind ·neben
Profilquerschnitts in die zum Objekt"Geome- Konzepten für implementationstechnische De-
triemodell 2D" zugehörige Objektstruktur tails (wie die Umsetzung der Objektbeziehun-
auszulagern. gen) v. a. der Entwurf der Benutzungsschnittstel-

1-36 Allgemeine Grundlagen


Je, der Entwurf der Anhindung an eine Daten- 1.1 .6.4
bank und der Entwurf für die Einbindung der Objektorientierte Programmierung
Softwarekomponenten in bestehende Software-
systeme erforderlich. Ergebnisall dieser Arbeits- Nachdem das Softwaresystem vollständig be-
schritte ist ein durch die Modelle der gewählten schrieben wurde, ist es die Aufgabe der Program-
Modellierungsmethode vollständig beschriebe- mierung, das Ergebnis des Softwareentwurfs in
nes Softwaresystem. ein ablauffähiges Programmsystem umzusetzen.
Zur Unterstützung des Entwurfsprozesses bie- Hierzu eignen sich besonders objektorientierte
tet sich die Nutzung bereits existierender Teillö- Programmiersprachen (z.B. Smalltalk, Eiffel,
sungen an. Hierzu gibt es eine große Auswahl an C++, Java), da diese spezielle Sprachkonzepte
Standardbibliotheken, z.B. für die Datenstruktu- zur Verfügung stellen, durch welche die in den
rierung die Standard Template Library (STL) vorangegangenen Phasen entwickelte komplexe
(Josuttis 1996], für die Entwicklung von Anwen- Objekt- und Beziehungsstruktur effizient umge-
dungen unter Windows die Microsoft Foundati- setzt werden kann. Abbildung 1.1-43 zeigt ex-
on Classes (MFC) [Kruglinski 1997] oder für emplarisch einen Programmausschnitt für einen
numerische Berechnungen der linearen Algebra Knoten der Querschnittsbeschreibung des Mehr-
(z.B. LAPACK 3.0). Diese bieten jeweils für be- feldträgersbei der Umsetzung in eine C++-Klas-
stimmte Anwendungsfelder fertige und wohlde- se [Breymann 1993; Stroustrup 1998].
finierte Lösungsansätze, die in geeigneter Weise Im folgenden werden einige zentrale objekto-
in den eigenen Entwurf integriert werden kön- rientierte Programmierkonzepte am Beispiel
nen. von C++ vorgestellt.
Wichtigstes Merkmal einer objektorientierten
Programmiersprache wie C++ ist das Klassen-
konzept. Dabei können elementare Datentypen

class knoten II Deklaration der Klasse knoten


{
private: II Daten sind gekapselt
double x, y; II Daten der Klasse knocen
public:
int id; II Öffentliche Daten der Klasse knoten
knoten ( int l ; II Konstruktor der Klasse knoten
void wertesetzen(double, double); II Methode zur Datenmanipulation
void verschieben(double, double); II Methode der Klasse knoten
void info(); II Methode zur Datenausgabe
};

knoten::knoten(int nrl II Konstruktor der Klasse knoten


{
id • nr; II Zuweisung einer eindeutigen
II Identifikationsnummer
x•O.;Y•O.; II Koordinaten werden initial mit null
II belegt

void knoten::wertesetzen(double xneu, double yneu)


{ 11 Definition der Methode wertesetzen
x = xneu; y • yneu; II Werte übernehmen

void knoten::verschieben(double vx, double vyl


{ II Definition der Methode verschieben
x • x + vx; y = y + vy; II Die Koordinaten werden verändert

void knoten: : info ( l II Ausgabe der Daten der Klasse knoten


( II auf dem Bildschirm
cout ~Informationen für Knoten Nr. " << id << ft:" << endl;
cout << MKoordinaten: ~ << x << und " << y << endl;
M

Abb. 1.1-43 C++-Quelltext der Klasse knoten

Bauinformatik 1-37
(oder bereits bestehende Klassen) zu sog."Klas- 1.1.7
sen" zusammengefaßt werden. Im Beispiel wer- Integration
den die Koordinaten x und y sowie die Identifi-
kationsnummer id als Attribute oder Daten der 1.1.7.1
Klasse knoten zusammengefaßt. Die Klasse ver- Datenaustausch
fügt zusätzlich über Methoden (wertesetzen (... ),
verschieben(. .. ) und info()) zur Manipulation Die an Planung, Konstruktion und Ausführung
und Bearbeitung der Attribute. Durch das Zu- beteiligten Fachplaner nutzen für die Bearbei-
sammenfassen von Attributen und Methoden zu tung ihrer Aufgaben i. d. R. verschiedene Pro-
Klassen läßt sich eine bessere Abbildung der rea- gramme, so daß für die durchgängig DV-ge-
len Welt bei der Umsetzung in die Program- stützte Planung dem Datenaustausch größte Be-
miersprache erreichen. Eine Klasse ist also die deutung zukommt. Ein verlustfreier Datenaus-
allgemeine Beschreibung eines Objekts, nach der tausch ist jedoch meist nur dann möglich, wenn
konkrete Objekte der Klasse (sog. "Instanzen") die gleichen Programme verwendet werden. Ein
erzeugt werden können. Im Beispiel sind das Datenaustausch zwischen verschiedenen Pro-
Knoten mit konkreten Koordinaten und je einer grammen hingegen ist nur über vereinbarte
Identifikationsnummer. Schnittstellen möglich und in der Praxis häufig
Für jede Klasse kann zwischen öffentlichen mit einem Verlust an Information verbunden. Je-
(eng!.: public) und privaten (eng!.: private) Da- der Datenaustausch setzt eine Absprache bezüg-
ten und Methoden unterschieden werden. Pri- lich des Übertragungsmediums und des Über-
vate Daten und Methoden können dabei nur von tragungsformats voraus. Als Medium setzt sich
Methoden der Klasse selbst manipuliert werden. neben herkömmlichen Datenträgern immer
Zugriffe von anderen Klassen geschehen kon- mehr die Datenfernübertragung per Telekom-
trolliert über Methoden, die im öffentlichen Be- munikations- oder Rechnernetz durch.
reich der Klasse zur Verfügung gestellt werden, Als Basis zahlreicher darauf aufbauender über-
also die Schnittstelle der Klasse nach außen de- tragungsformate dient die ASCII-Norm (ASCII
finieren. Dieses Konzept des kontrollierten Zu- American Standard Code for Information Inter-
griffs auf Attribute und Methoden wird als "Kap- change), die ein allgemeines Austauschformat
selung" bezeichnet. Im Beispiel der Klasse kno- für nichtgraphische Daten definiert. ASCII selbst
ten kann also nur über die öffentlichen Metho- legt lediglich die Darstellung einzelner Zeichen
den wertesetzen (. .. ) und verschieben (... ) auf ohne weitere Strukturierung fest. (vgl.Abb.l.l-2).
die privaten Datenspeicher x und y zugegriffen
werden. Schnittstellen für den Austausch von CAD-Daten
Klassen lassen sich, wie in der Analyse gezeigt,
zu Klassenhierarchien anordnen. Ein wichtiger Mit der Definition neutraler Schnittstellen für
Mechanismus dabei ist die Vererbung. Abgelei- dieübertragungvon CAD-Daten wird der Ver-
tete Klassen (z.B."Standardprofil" oder "Freide- such unternommen, einen produktübergreifen-
finiertes Profil" aus Abb.l.l-42) erben dabei Da- den Datenaustausch zu ermöglichen (Tabelle
ten und Methoden der übergeordneten Klasse 1.1-6). In der Praxis sind herstellerspezifische
("Querschnitt"). Zusätzlich dazu enthalten sie Schnittstellen weit verbreitet, da hiermit zumin-
jedoch i.d.R. weitere Daten und Methoden. Die
Möglichkeit der Vererbung in einer objektorien- Tabelle 1.1 -6 Neutrale Schnittstellen
tierten Programmiersprache erlaubt es damit,
das im Objektmodell verwendete Konzept der IGES Initial Graphics Exchange Specification;
Generalisierung bzw. Spezialisierung direkt ab- Internationale Norm, IGES Version 5.3,
U.S. Product Data Assodalion (US PRO)/
zubilden. IGES/PDES Organization (I PO)
Als sehr nützliches Merkmal der objektorien- SET Specifications du standard d'echange et de
tierten Modeliierung und Programmierung er- transfert (SEn; Französische Norm, NF Z68-
300, Dezember 1993, Association Fran~aise
weist sich weiterhin der Polymorphismus. Er ge- de Normalisation (AFNOR)
stattet die unterschiedliche Implementierung ei- STEP Standard for the Exchange of Product Model
ner Methode gleichen Namens mehrmals. Erst Data; IS0-10303-Norm, Application Protocol
201, 202 und 225
im Kontext des aufrufenden Objekts wird dann
zur Laufzeit die entsprechende Methode aus der
zugehörigen Klasse ausgewählt.

1-38 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.1-7 Herstellerspezifische Schnittstellen Tabelle 1.1-8 Sehninsteilen für den Austausch von
AVA-Daten
DXF Austauschformat des CAD-Systems
AutoCAD der Fa. Autodesk Regelungen für die elektronische Bau-
IGDS Austauschformat der Fa. INTERGRAPH abrechnung; Sehninsteile für den Aus-
UNIASO Austauschformat des CAD-Systems tausch von Abrechnungs- und Aufmaß-
Unicad der Fa. Hochtief, Frankfurt/Main daten (Datenart 11 nach GAEB)
RIF Austauschformat des Systems RIBCON GAEB Gemeinsamer Ausschuß Elektronik im
der Fa. RIB/RZD, Stungart Bauwesen•; Weiterentwicklung der
REB, erlaubt auch die Übermittlung von
Ausschreibungs-, Angebots- und Auf-
tragsunterlagen; erlaubt auch au~ eini·
gen CAD-Systemen eine direkte Über-
dest ein verlustfreier Datenaustausch zwischen nahme von Informationen für die An-
den Produkten eines Herstellers möglich wird gebotserstellung
(Tabelle 1.1-7). DATANORM Datenaustauschverfahren im Baune-
bengewerbe; Schnittstelle, die von
mehreren Hersteilem entwickelt wurde,
Schnittstellen für den Austausch von um Informationen zwischen Architek-
Finite-Element-Daten ten und Fachingenieuren (bes. HKLS,
also Heizungs-, Klima-. LGftungs- und
Sanitänechnik) austauschen zu können
Die meisten am Markt befindlichen Finite-Ele- (DATANORM 1998)
ment-Programme für das Bauwesen erlauben le- EDIFACT Electronic Data Interchange For Admi-
nistration, Commerce and Transport;
diglich eine Übernahme von einfachen Bauteil- internationales Austauschformat
geometrien aus CAD-Programmen, die dann EDI/EDIFACT (ISO 9735), das die Über-
tragung von Kosten- und Termindaten,
dem Präprozessor und der Diskretisierung zu- von Daten des Beschaffungs- und Rech -
geführt werden. Der Austausch von diskretisier- nungswesens sowie von administrati-
ten Systemen mit allen zugehörigen Elementen, ven Daten ermöglicht
Randbedingungen, Belastungen usw. ist meist • GAEB-AuSlChuß, O.lchmannsAue J1-J7. SJ 179 Sonn
nicht realisiert.
Es existiert jedoch ein Standard für den Aus-
tausch diskretisierter Systeme, der in der ISO
10303-STEP normiert wurde (vgl. 1.1.7.2). Dar- mentsystems Microsoft Project. Dieses auf dem
in erlaubt der Teil ISO 10303-104"Integrated ap- ASCII-Standard aufbauende Dateiformat er-
plication resources: Finite Element Analysis" die laubt die Übertragung von Daten für komplexe
Modeliierung und Übertragung komplexer Da- Abläufe und Vorgänge, für die Kostenverfolgung
ten für die Finite-Element-Analyse. sowie für Verknüpfungen zwischen einzelnen
Vorgängen mit ihren Anordnungsbeziehungen
Schnittstellen für den Austausch von Daten für AVA und Meilensteinen.
(Ausschreibung, Vergabe, Angebot)
1.1.7.2
Im Projektmanagement kommt der elektroni- Produktmodeliierung
schen Datenübertragung besonders im Hinblick
auf eine konsistente Erstellung von Angebots- Während die bisher betrachteten Schnittstellen
unterlagen große Bedeutung zu. In Tabelle 1.1-8 nur Teilausschnitte erfassen, versucht die Pro-
werden dafür einige Schnittstellen aufgeführt duktmodellierung, eine umfassende Abbildung
[Kretzschmar et al. 1994]. komplexer ingenieurtechnischer Systeme zu er-
möglichen [Grabowski/ Anderl!Polly 1994).
Schnittstellen für den Austausch von Die Produktmodeliierung ist ein Ansatz, um
Projektmanagementdaten eine Übertragung von Modellinformationen für
eine durchgängig DV-gestützte Planung, Kon-
Für Projektmanagementsoftware gibt es z. Z. kei- struktion und Ausführung verlustfrei vorneh-
ne allgemein vereinbarten Schnittstellen. In der men zu können. Dazu ist es notwendig, alle für
Regel sind jedoch Austauschmöglichkeiten zu eine spezielle Aufgabe notwendigen Informatio-
Standardapplikationen (dBase, Excel usw.) vor- nen zu definieren und in geeigneter Weise zu
handen. Weit verbreitet ist darüber hinaus das strukturieren [Rüppel!Meißner 1996; Kowalczyk
MPX-Austauschformat des Projektmanage- 1997).

Bauinformatik 1-39
STEP (Standard for the Exchange elements using explicit shape representation".
of Product Model Data) Grundsätzlich können Bauwerke mit Hilfe des
AP 225 ganzheitlich beschrieben werden, da die
Ein Produktmodell im Bauwesen ist i. allg. die Spezifikation von Geometrie, Topologie, Funk-
Spezifikation von beschreibenden Informationen tionalität und allen Eigenschaften von Bauteilen
zu allen Entwicklungsphasen eines Bauwerks in und Räumen sowie sonstiger Strukturen in dem
einer strukturierten, digital verarbeitbaren Dar- Datenmodell möglich ist.
stellung. Im Bauwesen erfolgt die Bildung von
Teilproduktmodellen unter den spezifischen An- IFC (lndustry Foundation (Jasses)
forderungen der beteiligten Fachplaner und ge-
mäß den vorgegebenen Leistungsphasen der Die Internationale Allianz für Interoperabilität
HOAI. Die Vereinigung aller Teilmodelle soll (lAI}, ein Zusammenschluß verschiedener Or-
demnach alle Informationen enthalten, die zur ganisationen der Bauindustrie, der Softwarean-
Planung, zum Entwurf, zur Fertigung und zur bieterunter der Leitung der Firma Autodeskund
Nutzung eines Bauwerks erforderlich sind. der Wissenschaft, hat sich zum Ziel gesetzt, ein
Produktmodelle werden seit 1984 mit der neutrales objektorientiertes Datenaustauschmo-
Norm ISO 10303-STEP semantisch und syntak- dell zu entwickeln, bei dem die Objektinforma-
tisch spezifiziert [Haas 1993]. Grundlage für den tionen und Objektbeziehungen von Bauteilen im
Austausch von komplexen Produktmodellen ist semantischen Zusammenhang übergeben wer-
eine klare Gliederung des Aufbaus dieser Mo- den, so daß ein Zugriff aller am Bauplanungs-
delle. Produktmodelle werden mit Hilfe der Spe- prozeß beteiligten Fachplaner auf ein zentrales
zifikationssprache EXPRESS, die Bestandteil von Informationsmodell möglich wird.
STEP ist, genormt. Nach der EXPRESS-Spezifi- Dabei wird sowohl für die Spezifikation der
kation, die das Produktmodell auf einer logi- Produktmodelle (EXPRESS) als auch für den Da-
schen Ebene beschreibt, richtet sich der Aufbau tenaustausch und die Schnittstellen (STEP-Aus-
der physikalischen STEP-Austauschdatei. Die tauschdatei und STEP Data Access Interface
STEP-Datei ist ein ASCII-File, in dem in sequen- (SDAI)) auf die Konzepte der ISO 10303 zurück-
tieller Reihenfolge einzelne Datensätze mit ihren gegriffen. Für die Implementation der Schnitt-
Attributen und Verweisen auf andere Datensät- stellen werden die Industry Foundation Classes
ze stehen. (IFC) entwickelt, die die komplexen Beziehun-
Abbildung 1.1-44 zeigt beispielhaft die Spezi- gen zwischen den auszutauschenden Informa-
fikation eines Polygons in EXPRESS sowie die tionen in hierarchische Objektstrukturen abbil-
mögliche Umsetzung in eine konkrete ASCII- den [IFC 1998].
Austauschdatei.
Die Norm ISO 10303-STEP umfaßt Produkt- 1.1.7.3
modelle für nahezu alle Bereiche der Technik. Verteilte Objektverwaltung
Sie ist in einzelne Applikationsprotokolle (AP
Application Protocol) unterteilt. Die für das Bau- Neue Ansätze in der computergestützten Pla-
wesen relevanten Applikationsprotokolle sind nung erlauben das gleichzeitige Bearbeiten von
insbesondere AP 201 "Explicit draughting",AP 202 Informationsbeständen durch mehrere Fach-
"Associative draughting" und AP 225 "Building planer. Die Informationen werden von einem

E TITY cane,ian_poinr
S BTYPE OF (point):
Coordinare': LIST [3:3] OF lengrh_metl\ure:
END_E T!TY:

ENTITY poly_loop:
polygon : LIST (3:'!1 OF canc>ian_poinl:
END_EN ITY:

Abb. 1.144 Spezifikation eines Polygons in EXPRESS sowie Umsetzung in Austauschdatei

1-40 Allgemeine Grundlagen


Dienstaubieter (Server) zentral verwaltet und zusätzlich eine hohe Verfügbarkeit sichergestellt,
können von verschiedenen Dienstnutzern (Cli- auch wenn einzelne Informationsquellen tem-
ents) manipuliert werden. Unter verteilten An- porär nicht nutzbar sind.
wendungssystemen versteht man demnach Ap- Unter Middleware [Tresch 1996] versteht man
plikationen, die in einer räumlich und u. U. or- Kommunikationssoftware, die Clients und Ser-
ganisatorisch verteilten Client-Server-Umge- ver verbindet. Typische Middleware-Dienste
bung laufen. Die Clients übernehmen dabei die sind u.a.
Rolle der Schnittstellen, die Anfragen an den Ser- - Kommunikationsdienste: elektronischer Da-
ver senden und Ergebnisse, die vom Server be- tenaustausch, elektronische Post (E-Mail),
reitgestellt werden, empfangen und weiterverar- World Wide Web (WWW), Nachrichtenverar-
beiten. beitung;
Verteilte Anwendungssysteme sind die Grund- - Systemdienste: Konfigurationsmanagement,
lage für kooperatives Arbeiten (Telekooperati- Softwareinstallation, Fehlererkennung, Au-
on). Vorteile dieser Architektur sind: thentifizierung, Verschlüsselung, Zugriffskon-
- effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen trolle;
durch Arbeitsteilung zwischen Client und Ser- - Informationsdienste: relationale und objekt-
ver, orientierte Datenbankmanagementsysteme
- gute Erweiterbarkeit des Systems durch Ein- (DBMS), Dateiserver;
bindung weiterer Clients und Bereitstellung - Präsentationsdienste: Multimedia- und Hy-
neuer Ressourcen auf der Serverseite, permediasysteme, Graphikverarbeitung, Ani-
- leichte Wartung des Informationsbestands mationen;
durch zentrale, redundanzfreie Datenhaltung, - Berechnungsdienste: mathematische Simula-
- automatische Mehrfachspeicherung (Replika- tionen, Datenkonvertierungen bzgl. Interna-
tion) des zentralen Datenbestands an ver- tionalisierung (Zeit-, Währungs- und Einhei-
schiedenen Orten, teneinstellungen).
- große Nutzerfreundlichkeit durch Verwen-
dung bereits vorhandener Schnittstellen und Ein Hauptprinzip der verteilten Objektverwal-
Standardsoftware. tung ist, daß Informationen auf einer semantisch
hohen Ebene so ausgetauscht werden können,
Nachteile sind: daß sie vollständig, verlustfrei und konsistent
- höhere Komplexität bei der Entwicklung von bleiben.
Anwendungen, Ein sehr einfaches Beispiel für den konsisten-
- höherer Administrationsaufwand für das Ge- ten Objektdatenaustausch ist in Abb. 1.1-45 dar-
samtsystem, gestellt. Dabei wurde in Microsoft Excel eine gra-
- verschärfte Sicherheitsprobleme bei der Kom- phische Darstellung des Momentenverlaufs für
munikation in Netzwerken. einen Zweifeldträger als eigenständiges Objekt
erstellt (vgl. 1.1.3.3). Dieses Objekt wurde mit
Das Konzept des Data Warehousing beschäftigt Hilfe des OLE-Mechanismus (OLE Object Lin-
sich vorrangig mit Architekturen, Werkzeugen king and Embedding) in ein Dokument in
und Methoden, um eine große Anzahl verteilter Microsoft Word integriert. Ein wichtiger Vorteil
und heterogener Informationsquellen zu ver- dieser Vorgehensweise ist, daß das Ward-Doku-
walten und relevante Information bei Anfragen ment automatisch aktualisiert werden kann, falls
effizient zur Verfügung zu stellen. Um dieses Ziel Änderungen am Objekt in Excel vorgenommen
zu erreichen, werden vergleichbare Informatio- werden.
nen an unterschiedlichen Orten vorgehalten (ge- OLE baut auf das Component Object Model
spiegelt). Dies erfordert eine permanente Reak- (COM), seit 1997 weiterentwickelt zum Distri-
tion auf Änderungen der zentralen Datenquelle buted Component Object Model (DCOM), auf.
sowie eine im Hintergrund laufende Filterung COM ist ein eigener Middleware-Standard von
und Integration der Informationen. Das Prinzip Microsoft zum Objektdatenaustausch. Dabei ist
dieser Vorgehensweise ermöglicht eine konse- ein Informationsaustausch auch zwischen ver-
quente Nutzung verteilter Informationsbestän- teilten Applikationen, die auf verschiedenen
de durch Softwarewerkzeuge, die beliebig im Rechnern laufen, möglich. Die Objektinforma-
Rechnernetz verteilt sein können. Bei konsisten- tionen werden von einer Applikation als Objekt-
ter Replikation des Informationsbestands wird server im Netzwerk bereitgestellt. Die Verbin-

Bauinformatik 1-41
SlaUscher B orlehr mr ZWeifeldirtiger

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Abb.1.1-4S Integration mitOLE

dung zur anderen Applikation, die als Client auf - Die Common Object Services definieren die
das Objekt zugreift, erfolgt über eine Schnitt- allgemeinen und anwendungsunabhängigen
stellenfestlegung (Interface). Systemgrundoperationen zur Verwaltung
Im Gegensatz zum herstellerspezifischen Stan- (Modellierung und Speicherung) von Objek-
dard COM wird die Kommunikations-Middle- ten.
ware CORBA seit 1989 als Rahmensystem für die - Die Common Facilities definieren spezialisier-
Erstellung verteilter Informationssysteme von te und anwendungsspezifische Funktionalitä-
der Object Management Group (OMG), einem ten, z.B. Schnittstellen (eng!.: user interfaces).
unabhängigen Konsortium, entwickelt. Kern- - Die Sprache IDL (Interface Definition Langu-
stück von CORBA ist die Object Management Ar- age) wird zur programmiersprachen-und be-
chitecture (OMA), bestehend aus den folgenden triebssystemunabhängigen Definition der
Komponenten (Abb. 1.1-46): Objektschnittstellen verwendet (Syntax ähn-
- Der Object Request Broker (0 RB) liegt als Korn- lich C++ ), die in die Programmiersprache der
munikationskern zwischen Server und Client. Implementierung eingebunden wird.
Der ORBisteine Komponente, die von Objek- - Application Objects definieren die Implemen-
ten zur Kommunikation mit anderen Objek- tierung der Anwendungsobjekte.
ten in heterogenen Rechnernetzen genutzt
werden kann. Er ermöglicht das Weiterleiten Eine bidirektionale Kommunikation für den Ob-
einer Anfrage (eng!.: request) zu einem Ziel- jektdatenaustausch zwischen den beiden Stan-
rechner und dem dort befindlichen Objekt, dards DCOM/OLE und CORBA ist möglich.
unabhängig davon, welches Betriebssystem Als dritter Middleware-Standard ist RMI (Re-
verwendet wird und in welcher Programmier- mote Method Invocation) zu nennen. RMI wur-
sprache das aufgerufene Objekt implemen- de von SUN Microsystems zur Ausführung von
tiert ist. Der ORB verwaltet die Anfragen eines Java-Applikationen auf entfernten Rechnern
Client und die Antworten (eng!.: answer) eines entworfen. Java ist eine objektorientierte Pro-
Server. grammiersprache, die im Konzept C++ ähnelt,

1-42 Allgemeine Grundlagen


Client 1 Client 2

CORBAAPI CORBAAPI

l Answer
Request
Answer
Request

- - - -- - - - - - ORB - - - - - - - - --

t Answer
Request
Answer
Request

CORBA Object Adapter CORBA Object Adapter


--~-- -~--

Abb.l.l-46 CORBA-Systemarchitektur

sich jedoch durch ihre Plattformunabhängigkeit ner, Personal),der Einarbeitung der Anwender
auszeichnet und sich somit in den letzten Jahren und der Beschaffung von Informationen, wo-
als Netzwerkprogrammiersprache durchgesetzt mit oft die höchsten Kosten verbunden sind.
hat. RMI ähnelt in seinem grundsätzlichen Auf- - Die soziale Sicht ist die der Endanwenderund
bau den bereits erwähnten Konzepten COM/ derer, über die Daten gehalten werden. Diese
DCOM und CORBA, ist jedoch an die Program- Sicht spielt im Ingenieurwesen meist eine un-
miersprache Java gebunden. Es ist Bestandteil tergeordnete Rolle, da Informationssysteme
des Java Development Kit 1.1 und dient zur im Bauwesen technische und nicht sozio-öko-
netzweiten Verteilung von Objekten. Wesentli- nomische Informationen verwalten.
che Bedeutung kommt diesem Konzept in Ver-
bindung mit dem Internet zu [Merkle 1997]. Im folgenden wird am Beispiel Geographischer
Informationssysteme (GIS) der Aufbau und die
1.1.8 Anwendung von Informationssystemen im Bau-
Informationssysteme im Bauwesen wesen erläutert.
Im Rahmen bauspezifischer Planungen wer-
Das Interesse an einem Informationssystem (IS) den klein- und großmaßstäbliche Informatio-
ergibt sich meist aus konkreten Bedürfnissen ei- nen (Planungsgrundlagen für die Bau- und Um-
ner Organisation und dem Wunsch nach einem weltplanung) benötigt. Grundlage dafür bilden
integrierten Informationsmanagement Unter heute meist zweidimensionale,grundrißbezoge-
Informationssystemen versteht man Software, ne Darstellungen, d.h. digitale Karten von flä-
die zur Informationsverwaltung z.B. eines Bau- chen- und objektbezogenen Sachverhalten so-
unternehmens oder einer Baubehörde verwen- wie ihre Auswertung und Beurteilung. Die Er-
det werden kann. IS bestehen aus einer Daten- fassung, Erstellung und Verarbeitung digitaler
bank und einem auf den gespeicherten Infor- Karten und zugrundeliegender Geländemodel-
mationen operierenden Programmsystem, das le ist die Voraussetzung für eine DV-gestützte
zur Erfassung, Verwaltung, Analyse und Ausga- raumbezogene Entscheidungsfindung.
be der Informationen dient. Der Bedarf an digitalen Karten und deren Wei-
Das Informationssystem einer Organisation terverarbeitung ist in den letzten Jahren stark
kann aus drei Sichten betrachtet werden: gestiegen, so daß mittlerweile fast alle topogra-
- Die technische Sicht betrachtet Punkte wie Ef- phischen Aufnahmen in datenverarbeitungsge-
fizienz, Stabilität, Sicherheit und Integrität rechter Form von Behörden oder sonstigen Or-
(s. 1.1.3.1). ganisationen vorgehalten werden. Auf der Basis
- Die wirtschaftliche Sicht ist von der Kosten/ digitaler geographischer Informationen kann ei-
Nutzen-Analyse geprägt. Die Kosten ergeben ne effektive Aufgabenbewältigung im Hinblick
sich aus dem Unterhalt der Ressourcen (Rech- auf die Informationsbeschaffung und die an-

Bauinformatik 1-43
schließende transparente Verarbeitung eigener re Kommunale Informationssysteme, benötigt.
fachspezifischer Informationen erfolgen. Dabei sind die Anwendungsbereiche Kartogra-
phie (z.B. Flächennutzung), Objektverwaltung
1.1.8.1 (z.B. Eigentumsfragen) und Geländemodeliie-
Definition und Grundlage Geographischer rung für Infrastrukturen (z.B. Trassenplanung)
Informationssysteme (GIS) von zentraler Bedeutung. In Abb. 1.1-47 ist die
Nutzung eines Kommunalen Informationssy-
Die Grundlage digitaler Karten ist das Digitale stems dargestellt.
Geländemodell, das sich aus flächenbildenden
Polygonen zusammensetzt und die Geometrie 1.1.8.2
der Erdoberfläche approximiert. Hinzu kommen Einsatzbereiche und Systemarchitektur
Flächenobjekte (z.B. Altlastenstandorte oder Geographischer Informationssysteme (GIS)
Mülldeponien) sowie Einzelobjekte (z.B. Brun- im Bauwesen
nen oder Bohrlöcher) innerhalb von Flächen
und Flächenbegrenzungen. Alle Objekte besit- Die Nutzung von GIS hängt sehr stark von der
zen eine geometrische Repräsentation bzw. einen verfügbaren Hard- und Software ab. Der über-
direkten geometrischen Bezug. Entsprechend wiegende Teil der Anwender nutzt den PC als Ba-
werden alle Systeme zur Erfassung, Verwaltung, sistechnologie. Neben den reinen GIS existieren
Fortführung, Analyse, Generierung neuer Infor- Softwarekombinationen aus CAD und Daten-
mationen und Ausgabe raumbezogener, kom- bank, wie MM-GEO (Zusatzmodule zu Auto-
plexer und logisch-inhaltlich zusammenhän- CAD), MicroStation usw., die mit Datenbanken
gender Sach- und Geometriedaten (der realen (z. B. Oracle oder Informix) oder Statistikpaketen
Welt) als Geographische Informationssysteme (z.B. SPSS und SAS) verknüpft werden. Zu be-
bezeichnet [Diaz 1998]. merken ist, daß abhängig vom Fachgebiet ent-
Je nach Anwendung werden GIS unterschie- weder größerer Wert auf die Visualisierung oder
den in Netzinformationssysteme (NIS) zur Pla- die Datenhaltung gelegt wird [Bill/Fritsch 1991].
nung von Versorgungsnetzen (Strom, Wasser, Ein GIS kann sehr vielseitig verwendet wer-
Gas usw.), in Kommunale Informationssysteme den. Im Rahmen der Bau- und Umweltplanung
(KIS) für die Stadtplanung sowie Umweltinfor- dienen GIS als grundlegende Werkzeuge zur Pla-
mationssysteme (UIS) zur Unterstützung um- nung, Prognose, Beurteilung und Entschei-
weltrelevanter Problemstellungen. Zur Unter- dungsfindung bei Bauprojekten oder Raumpla-
stützung bautechnischer Ingenieuraufgaben nungsverfahren; sie werden häufig mit CAD und
werden GIS, im städtischen Bereich insbesonde- auch mit fachspezifischen Planungstechniken

BASIS-IS I Fachplaner
Kataster
Stadt-, Landesvermessung

Leitungsbelreiber
Gas, Strom, Wasser
""
c
2
o;
I Architekt
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c

- I Kommune
Bauverwaltung "'
E
E
Hoch·, Tiefbau
s
~

IStädtebau .g
c
Leitungsbelreiber
Planung
I §"'
IÖkonomische, Sozionomische Daten I .E
.!: I Fachbehörde
Andere Fachdaten
Deponie IMull-, Altlasten), Bahn, Fors~ Agrar I Bürger

Abb. 1.1·47 Komm unales Informationssystem als Spezialisierung eines GIS

1-44 Allgemeine Grundlagen


gekoppelt. GIS sind v.a. in den folgenden Teilbe- zeugten Vektorelemente können die geometri-
reichen der Bau- und Umweltplanung zu finden schen Grundfunktionen (Verschieben, Rotieren,
[Ebbinghaus/Günther u.a. 1992]: Spiegeln usw.) angewendet werden. Vektorgra-
- Bodenkunde, Hydrogeologie (z.B.Fernerkun- phiken sind unabhängig von der verfügbaren
dung zur Bodenfeuchtesimulation), Auflösung der Hardware, d.h., sie können belie-
- Ver- und Entsorgung, big skaliert werden. Mit geeigneten Gerätetrei-
- Bebauungsplanung, bern lassen sich Vektorgraphiken der jeweiligen
- Umweltqualitätsmanagement, digitalen Auflösung der Ausgabegeräte (Bild-
- Landschafts- und Umweltplanung sowie schirm, Drucker, Plotter) anpassen.
- Umweltüberwachung (z. B. Grundwasserüber- Sachdaten sind nichtgraphische, d.h. alpha-
wachung). numerische Daten wie Zahlen und Texte.
In Tabelle 1.1-9 werden Vektor- und Rastersy-
1.1 .8.3 steme hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile, ge-
Strukturen und Modelle räumlicher Daten speicherten Grundelemente, Verknüpfung mit
Sachdaten und Eignung für Planungsaufgaben
Die Datentypen eines GIS gliedern sich in Raster- einander gegenübergestellt.
daten, Vektordaten und Sachdaten. Die gleich-
zeitige Verarbeitung dieser Datentypen wird als 1.1.8.4
"hybride Datenverarbeitung" bezeichnet. Datenerfassung
Rasterdaten bestehen aus einzelnen Bildpunk-
ten (Pixel; Abb. 1.1-48). Die Qualität von Raster- Die verwendete Art der Daten ist abhängig vom
daten ist vorgegeben durch die Feinheit des ein- Erfassungsverfahren. Bei der Digitalisierung von
gestellten Bildpunktrasters. Pixelelemente sind Papiervorlagen mit Scannern werden mittels
durch Löschen und Neuzeichnen beliebig verän- elektro-optischer Verfahren Rasterdaten erzeugt,
derbar. Eine Skalierung von Pixelgraphiken ist die z. T. mit geeigneter Software und manueller
i.d.R. mit Qualitätsverlusten behaftet. Zum Bei- Nachbearbeitung in Vektordaten umgewandelt
spiel kann bei einer Vergrößerung der Pixelgra- werden können. Des weiteren läßt sich die Digi-
phik die Anzahl der Bildpunkte nicht erhöht wer- talisierung auch per Hand durch Abtasten einer
den. Der Speicheraufwand von Pixelgraphiken ist maßstäblichen Vorlage mit einem Zeigegerät
wesentlich größer als der von Vektorgraphiken, (z. B. Digitalisiertablett) durchführen. Bei der Er-
da jeder Bildpunkt in einer Informationseinheit fassung mittels photogrammetrischer Verfahren
mit Attributen gespeichert werden muß. werden Luftbildaufnahmen mit Scannern digi-
Vektordaten bestehen aus graphischen Ele- talisiert, oder die Rasterdaten werden direkt er-
menten, die durch mathematische Kurven be- zeugt. Im Rahmen der manuellen Erfassung
schrieben werden (Abb. 1.1-49). Auf die so er- werden die Koordinaten der Vektordaten einge-

Abb. 1.1-48 Pixelgraphik Abb. 1.1-49 Vektorgraphik

Bauinformatik 1-45
Tabelle 1.1·9 Rastersysteme ver5us Vektorsysteme

[ Rastersysteme Vektorsysteme
Vorteile - einfache Datengewinnung, z.B. - geringer Speicherbedarf
durch Scannen analoger Vorlagen - Attribute können für Punkte, Linien
- einfache Algorithmen der Bildbearbeitung und Flächen vergeben werden
anwendbar - einfache Bearbeitung und Erstellung in CAD
- detaillierte Daßteilung einer Information möglich, - hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit
da jedem Bildpunkt ein Farbwert zugeordnet werden
kann (z.B. Meereshöhen in einer Kartel - gute graphische Selektionsmöglichkeiten
- freie Skalierbarkeit
Nachteile - Attribute können nur für Punkte vergeben werden - analoge Vorlagen müssen zunächst
- durch Vergrößerung (Zoomen) keine Steigerung aufwendig digitalisiert werden
des Informationsgehaltes - komplizierte Algorithmen zur
- langsame Verarbeitungsgeschwindigkeit Bearbeitung erforderlich
gespeicherte - nurPunkte - Punkte, Linien, Flächen
Grundelemente
Verküpfung mit - nur für einzelne Bildpunkte möglich - einfach, da Objekte gebildet werden
Sachdaten - keine Objektbildung möglich können

Eignung - Visualisierung von Karten - Kataster, Vermessung


- Ausbreitungssimulation - Netzinformationssysteme
- Standortsuche - Simulation der Ausbreitung von
Schadstoffen

geben. Generell haben Vektordaten zwar die

l
höhere Aussagekraft und bieten reichhaltigere
Möglichkeiten der Verarbeitung und Auswer-
tung, sie erfordern aber bei der Erzeugung einen
größeren Ressourceneinsatz als Rasterdaten Generalisierung
[Bartelme 1995]. Objektbildung

~m
Der Aufbau eines GIS-Datenbestands beginnt
bei der topographischen Datenaufnahme [Pill-
mann 1992]. Dies kann durch Messungen in si-
tu oder in Form von digitalisierten Karten und Signatur·
Luftbildern geschehen [Stahl1995] . Als Ergebnis zuordnung
entsteht das Digitale Geländemodell (DGM), das
durch Objektbildung und Generalisierung ge-
prägt wird. Danach folgt die kartographische Be-
arbeitung, in der die graphischen Objekte des
DGM mittels einer Signatur klassifiziert werden.
Dieses Modell dient als Basis, um weitere benut-
zerspezifische. Informationen einzufügen. Das
hieraus resultierende, benutzerspezifische Ge-
ländemodell kann zur strukturierten Verwal-
tung der benötigten Informationen benutzt wer- Abb. 1.1·50 Datenfluß beim Aufbau eines GIS-Daten·
den. In Abb. 1.1-50 ist der Datenfluß zur Erstel- bestands
lung eines GIS-Datenbestands dargestellt.

1.1.8.5 sein können und die sowohl quantitative (geo-


Kopplung von Sach- und Lageinformationen metrische) als auch qualitative (thematische)
Komponenten aufweisen, werden als "raumbe-
Die in einem GIS enthaltenen Informationskom- zogene Objekte" bezeichnet [Göpfert 1987]. In
ponenten, die elementar oder zusammengesetzt Abhängigkeit vom räumlichen Bezug der Daten

1-46 Allgemeine Grundlagen


haben sie unterschiedliche Dimensionen für die thematischen Ebenen werden in den aus 1.1.5
Aspekte Geometrie und Thematik. bekannten Ebenen (auch "Folien" oder "Layer"
Bei geometrisch zweidimensionalen Syste- genannt) gespeichert und können in Abhängig-
men werden die Koordinaten mit x-und y-Wer- keit der benötigten Informationsdichte darge-
ten in der Ebene gespeichert. Wird zu dieser La- stellt werden.
ge die Höhe z als Attribut zusätzlich gespeichert,
so spricht man von "geometrisch zweieinhalb-
dimensionalen Systemen".
Werden x-, y- und z-Koordinaten in hinrei-
chender Dichte vollständig für Gebiete abge-
speichert, ist das GIS geometrisch dreidimen-
sional [Bill 1996]. Dabei ist zu unterscheiden
zwischen einem 3D-Linienmodell, z.B. einem
Grundriß mit überlagerten Höhenlinien, einem
3D-Flächenmodell, das i.d.R. in der einfachsten
Form aus Dreiecken im Raum zusammengesetzt
ist, und einem 3D-Volumenmodell, bei dem ein
komplexer Geländekörper aus Grundkörpern
(Quader, Kegel usw.) mit Booleschen Operatio-
nen (Addition, Subtraktion usw.) zusammenge-
setzt wird. Zusammenfassend sind die Dimen-
sionen von Geometriedaten in Abb. 1.1-51 dar-
gestellt (s. auch 1.1.4.2).
Die thematische Dimensionalität wird durch
die Anzahl der unterstützten thematischen Ebe-
nen charakterisiert. So besitzt z.B. ein GIS mit In-
formationen über Versorgungsleitungen, Nut-
zungs- und Bodeninformationen, Bebauung und
Verkehrswege sowie Grundwasser- und Gewäs-
Abb. 1.1-51 Dimension von Geometriedaten
serinformationen eine thematische Vierdimen-
sionalität (Abb. 1.1-52). Die unterschiedlichen

Gelände in der realen Weit


Versorgungsleitungen

Nutzungs- und
Bodeninformation

Darstellung im GIS

r
, /
Y
/
~ Bebauung und
Verkehrswege

Gewässerinformation

Abb. 1.1-52 Thematische Dimensionalität im GIS

Bauinformatik 1-47
1.1.8.6 den Möglichkeiten der Informations- und Korn-
Datenschnittstellen und Standardisierungen in munikationstechniken im Bauwesen auseinan-
Geographischen Informationssystemen (GIS) der zu setzen.

Zur Vereinheitlichung von GIS existieren zahl- Abkürzungen


reiche Standardisierungen für den Bereich der
Beschaffung, Speicherung, Verarbeitung und ALB Automatisiertes Liegenschaftsbuch
Übermittlung geographischer Informationen. ALK Automatisierte Liegenschaftskarte
Von der Vereinigung der kommunalen Spitzen- ALU Arithmetic and Logical Unit
verbände der Bundesländer wurde die Automati- AP Application Protocol
sierte Liegenschaftskarte (ALK) mit Richtlinien ARPA Advanced Research Project Agency
für den digitalen, kleinmaßstäblichen Karten- ASCII American Standard Code for Infor-
bereich auf der Grundlage von Punkt-, Grund- mation Interchange
riß- und Meßelementdateien entwickelt. Hinzu ATKIS Amtliches Topographisches Karto-
kommen Methoden der Erfassung und der inte- graphisches Informationssystem
grierten Vorgangsbearbeitung. Innerhalb der AVA Ausschreibung, Vergabe, Angebot
ALK wird zum Datenaustausch eine Einheitliche B-rep Boundary Representation
Datenbankschnittstelle (EDBS) definiert. Basie- CAD Computer Aided Design
rend auf der kleinmaßstäblichen ALK, setzt das CD-ROM Compact Disk - Read Only Memory
großmaßstäbliche Informationssystem, das Amt- COM Component Object Model
liche Topographische Kartographische Informa- CPU Central Processing Unit
tionssystem (ATKIS), auf. Zur gesonderten Ver- DBMS Datenbankmanagementsystem
waltung alphanumerischer Grundstücksdaten DCOM Distributed Component Object Model
existiert das Automatisierte Liegenschaftsbuch DFN Deutsches Forschungsnetz
(ALB), das von den Katasterämtern bearbeitet DGM Digitales Geländemodell
wird. Aufgrund dieser Standardisierungen ha- DOS Disk Operating System
ben Geoinformationssysteme inzwischen eine EDBS Einheitliche Datenbankschnittstelle
große Verbreitung in öffentlichen Institutionen EDV Elektronische Datenverarbeitung
gefunden. EOR End Of Record
FTP File Transfer Protocol
1.1.9 GAEB Gemeinsamer Ausschuß Elektronik
Schlußwort im Bauweseen
GIS Geographisches Informationssystem
Kaum ein anderes Wissensgebiet entwickelt sich HOAI Honorarordnung für Architekten und
derart schnell wie die Informations- und Kom- Ingenieure
munikationstechnologien sowie Methoden zur HTML Hypertext Markup Language
Simulation technisch-wissenschaftlicher und HTTP Hypertext Transfer Protocol
planerischer Prozesse. Mit Sicherheit kann des- lAI Internationale Allianz für Interopera-
halb davon ausgegangen werden, daß der Ein- bilität
fluß dieser Methoden auf das Bauwesen und da- IDL Interface Definition Language
mit die Bedeutung der Bauinformatik ·in den IFC Industry Foundation Classes
nächsten Jahren noch weiter steigen werden. Die IP Internet Protocol
extrem kurzen Innovationszyklen und das stän- IS Informationssystem
dige Auftauchen neuer Basistechnologien mit ISDN Integrated Services Digital Network
kaum absehbaren Implikationen auf mögliche ISO International Standardization Orga-
Anwendungen im Bauwesen machen es natur- nisation
gemäß überaus schwer, mehr als eine Moment- KIS Kommunales Informationssystem
aufnahme des Lehr- und Forschungsgebiets LAN Local Area Network
Bauinformatik - wie hier geschehen - darzu- MFC Microsoft Foundation Classes
stellen. NC Numerical Control
Wir haben deshalb versucht, aus der heutigen NIS Netzinformationssystem
konkreten Anwendung heraus einige grundle- OLE Object Linking and Embedding
gende, 'langlebige' Prinzipien aufzuzeigen. Dies OMA Object Management Architecture
sollte eine Basis dafür sein, sich ständig neu mit OMG Object Management Group

1-48 Allgemeine Grundlagen


OMT Object Modeling Technique systeme und amtliche topographische Karten
ORB Object Request Broker befaßt,
OSI Open Systems Interconnection - der Katastervermessung die örtliche Feststel-
PC Personal Computer lung, Abgrenzung und Sicherung des Eigen-
PoP Point of Presence tums an Grund und Boden durch Vermessung
RAM Random Access Memory der Flurstücke obliegt und
RMI Remote Method Invocation - die Ingenieurvermessung (häufig auch Ingeni-
ROM Read Only Memory eurgeodäsie genannt) sich mit der Anwen-
SDAI STEP Data Access Interface dung der Methoden der Geodäsie in anderen
SISD Single Instruction, Single Data Ingenieurdisziplinen (Bauingenieurwesen,
SQL Structured Query Language Maschinenbau, Flugzeugbau, Fahrzeugbau
STEP Standard for the Exchange of Product usw.) auseinandersetzt
ModelData
STL Standard Template Library 1.2.2
UI User Interface Bezugsflächen
UIS Umweltinformationssystem
UML Unified Modeling Language Zur Bestimmung der Position feststehender
WAN Wide Area Network oder beweglicher Objekte sind zunächst Aussa-
gen über Bezugsflächen zu treffen. Letztere sol-
len sich der Figur der Erde möglichst gut anpas-
sen. Eine sehr einfache Bezugsfläche ist die
1.2
Kugel mit einem Radius von 6371,0 km. Für vie-
Ingenieurgeodäsie
le Aufgabenstellungen ist diese Approximati-
onsfläche bereits genau genug. Eine genauere
1.2.1
Anpassung ist jedoch gegeben, wenn man die
Einführung
Erdfigur durch ein Rotationsellipsoid annähert.
Das Vermessungswesen befaßt sich mit der Ver- Die Definition eines solchen mittleren Erdellip-
messung und Berechnung größerer oder kleine- soids für die gesamte Erdoberfläche ist erst mit
rer Teile der Erdoberfläche und ihrer Darstel- Hilfe von Messungen zu künstlichen Erdsatelli-
lung: digital in räumlichen Informationssyste- ten möglich geworden. In der Vergangenheit ha-
men bzw. analog in Karten und Plänen. Wenn die ben aus praktischen Gründen einzelne Staaten
Bestimmung der Figur und des Schwerefeldes ihre Landesvermessung auf einem eigenen soge-
der Erde sowie die Erdrotation von besonderer nannten Referenz- oder Bezugsellipsoid berech-
Bedeutung sind, verwendet man den Begriff net, welches jeweils andere Dimensionen und
"Geodäsie". eine spezielle Lagerung zum Erdkörper hat. Die
Im allgemeinen beschreibt man die Objekte Länder haben dabei stets versucht, ihr Referenz-
in erdgebundenen Koordinatensystemen. Dies ellipsoid dem jeweiligen Vermessungsgebiet
schließt auch Aufgaben der Navigation ein. Die möglichst gut anzupassen.
Definition und Realisierung von Koordinaten- Im Vermessungswesen sind Niveauflächen -
systemen sowie die Herstellung von Beziehun- Flächen gleichen Schwerepotentials - von be-
gen zwischen ihnen ist folglich eine der wichtig- sonderer Bedeutung. Laut physikalischer Defi-
sten Grundaufgaben der Geodäsie. Bei hohen nition wird bei Bewegungen entlang einer Nive-
Genauigkeitsanforderungen und bewegten Ob- aufläche keine Arbeit verrichtet, d.h., es kann
jekten kommt noch die Zeit als vierter Parame- auch kein Wasser fließen. In der unendlichen
ter hinzu. Schar der Niveauflächen gibt es eine ausgezeich-
Das Vermessungswesen läßt sich in vier Teil- nete, die etwa in mittlerer Höhe der ruhend ge-
gebiete untergliedern, wobei dachten Meeresoberfläche verläuft; diese be-
- die Erdmessung sich mit der Bestimmung der zeichnet man als Geoid. Abbildung 1.2-1 zeigt die
Erdrotation sowie der Form und Größe der Anpassung eines Geoids und Ellipsoids an die
Erde und ihres Schwerefeldes auseinander- feste sichtbare Erdoberfläche (Lithosphäre) und
setzt, Meeresoberfläche (Hydrosphäre).
- die Landesvermessung sich mit der großräu- Die Abstände zwischen dem Geoid und dem
migen Erfassung der Landesoberfläche durch mittleren Erdellipsoid bezeichnet man als abso-
Festpunktfelder, geographische Informations- lute Undulation (Geoidundulation N); sie kön-

Ingenieurgeodäsie 1-49
1.2.3
Koordinatensysteme, Koordinaten-
transformationen

Je nach dem Zweck der gestellten Aufgabe arbei-


tet man im Vermessungswesen mit unterschied-
lichen Koordinatensystemen, wobei orthogona-
le kartesische und orthogonale Flächenkoordi-
naten bevorzugt werden. Die Definition von Ko-
ordinatensystemen beruht je nach der Zielset-
Abb. 1.2·1 Geoid, Ellipsoid
zung der gestellten Aufgabe auf Vereinbarungen
der Nutzer. In der Geodäsie sind die Koordina-
tensysteme ausgehend vom globalen Bereich bis
in den lokalen hinein hierarchisch gegliedert.
Zcts Allgemein unterscheidet man noch zwischen
dem ideellen Konzept und der Realisierung ei-
nes Koordinatensystems; das erste nennt man
international "Coordinate System", das zweite
"Coordinate Frame".

1.2.3.1
Koordinatensysteme in ihrer hierarchischen Folge

Das moderne Vermessungswesen stützt sich


heute wesentlich auf ein globales, geozentri-
Abb. 1.2·2 Referenzellipsoid mit ellipsoidischenund sches, mit der Erde fest verbundenes kartesi-
kartesischen Koordinaten sches System: das Conventional Terrestrial Sy-
stem (CTS). Dies ist in einem Inertialsystem -
Conventional lnertial System (CIS) - gelagert
nen Werte bis ±100m annehmen. Bei Referenz- (Abb.1.2-2). Laut Vereinbarung weist die Z-Ach-
ellipsoiden betragen die Abweichungen nur we- se des CTS zum mittleren Pol der Jahre 1900 bis
nige Meter. Hier spricht man von relativen Un- 1905, bezeichnet als Conventional International
dulationen. Origin (CIO); die XZ-Ebene liegt im mittleren
In der Vergangenheit wurden geodätische Meridian von Greenwich.
Lagenetze auf einem Ellipsoid berechnet. Dabei Der International Terrestrial Reference Frame
wurden die Lage- und die Höhenbestimmung (ITRF) ist eine Realisierung des CTS. Dieser Re-
getrennt, da man technisch brauchbare Höhen ferenzrahmen stützt sich erdumspannend auf
nur erhält, wenn man sie auf eine vom Schwere- etwa 150 Beobachtungsstationen. Die innere Ge-
feld beeinflußte Fläche wie das Geoid bezieht. nauigkeit des ITRF wird mit wenigen Zentime-
Ellipsoidische Koordinaten dienen als Ausgangs- tern angegeben. Da Bewegungen innerhalb der
produkt für die Herleitung ebener Kartensyste- Erdkruste vergleichsweise größere Beträge pro
me. Für die Höhen entstand ein eigenes Höhen- Jahr annehmen, gelten die Realisierungen nur
netz mit der Bezugsfläche Geoid. Aufgrund die- für einen bestimmten Zeitpunkt, was durch ei-
ser Aufteilung sprach man in der Vergangenheit ne angehängte zweistellige Jahreszahl ausge-
häufig von einer "zweidimensionalen Geodäsie". drückt wird (z.B. ITRF 89).
Mit Hilfe der Satellitenpositionierungsverfahren Das World Geodetic System 84 (WGS 84) ist ein
ist heute die gleichzeitige und gleichberechtigte weiteres globales Koordinatensystem, welches
Bestimmung der drei kartesischen Raumkoor- ebenfalls mit dem CTS übereinstimmt. Dieses
dinaten möglich. Diese lassen sich in ellipsoidi- System wurde durch fünf weltweit verteilte Kon-
sche Koordinaten (ellipsoidische Länge L, ellip- trollstationen realisiert.
soidische Breite B, ellipsoidische Höhe h) um- Das WGS 84 und der ITRF sind beide mit dem
rechnen (Abb. 1.2-2). Die Verbindung zwischen Satellitensystem Global Positioning System
den Geoidhöhen und den ellipsoidischenHöhen (GPS) verknüpft, so daß im Zusammenhang mit
ist über die Geoidundulationen gegeben. Messungen zu Satelliten auch von beiden Satel-

1-50 Allgemeine Grundlagen


litenbahndaten zur Verfügung gestellt werden
können.
Um in Europa ein noch dichteres Netz aufzu-
bauen, hat man sich I990 entschlossen, mit I989-
ITRF-Koordinaten von 35 europäischen Statio-
nen den Europäischen Terrestrischen Referenz-
rahmen (ETRF 89) zu definieren. Aufbauend auf
diesem Rahmen entstanden inzwischen natio-
nale Netze, wie ein Deutscher Referenzrahmen
(DREF).Auf diese Weise liegen inzwischen ITRF-
Koordinaten in einer hohen Verdichtungsstufe Abb. 1.2-3 Abbildung ellipsoidischer Koordinaten in
rechtwinklige Koordinaten
vor. GPS-Messungen in Verbindung mit perma-
nenten Referenzstationen (s. 1.2.8) stützen sich
auf diese Netze. lieh sind, von besonders praktischer Bedeutung
In den vergangenen Jahrhunderten entwik- ist jedoch, daß sie von der Richtung unabhängig
kelten die einzelnen Länder aus politischen und sind.
praktischen Gründen eigene Landesvermes- In der Praxis hat sich heute die Meridianstrei-
sungssysteme (LS). Basis ist ein orthogonales fenabbildung- vielfach auch Gauß-Krüger-Ab-
(rechtwinkliges) kartesisches System, dem ein bildung genannt - weltweit durchgesetzt. Ein
Ellipsoid zugeordnet ist. (Ein geeignetes karte- schmaler Streifen östlich und westlich ausge-
sisches System (X, Y,Z)Ls für das Referenzellip- wählter Mittelmeridiane wird so konform in die
soid ist gegeben, wenn man den Ursprung in den Ebene abgebildet, daß im Mittelmeridian Strek-
Mittelpunkt legt und die Zrs-Achse mit der klei- kentreue vorliegt (Abb. 1.2-3).
nen Halbachse zusammenfallen läßt.) Die LS Die x-Achse in der Abbildungsebene ist das
weisen gegenüber dem CTS leichte Verschie- Bild des Mittelmeridians des Referenzellipsoids
bungen und Verdrehungen auf. Beide Systeme und die y-Achse das Bild des Äquators. Die el-
lassen sich über Koordinatentransformationen lipsoidischen Koordinaten und die rechtwinkli-
miteinander verknüpfen: gen Koordinaten (XGK, Y GK) lassen sich über
Transformationsformeln ineinander umrech-
nen:
(1.2.I)
(1.2.3)

wobei"~" für Hin- und Rücktransformation Die Verzerrung der Strecken nimmt mit dem Ab-
steht. stand der Strecke vom Mittelmeridian zu. Eine
über weitere Transformationen lassen sich die I-km-Strecke wird bei einem mittleren Abstand
kartesischen und ellipsoidischen Koordinaten von 50 km (100 km) um 3,I cm (12,3 cm) durch
ineinander umrechnen: die Abbildung verlängert. Man begrenzt daher
die Meridianstreifen in der seitlichen Ausdeh-
nung so, daß die Verzerrungen gering gehalten
(1.2.2)
werden. In Deutschland z.B. wurden Systeme mit
den Hauptmeridianen 6°, 9°, 12°, I 5° östlich von
Für viele technische Aufgaben in der angewand- Greenwich als Abszissenachsen eingerichtet
ten Geodäsie benötigt man eine ebene Abbil- (Abb. 1.2-4). Jedes System hat nach beiden Sei-
dung des Ellipsoids, d. h. ein ebenes rechtwinkli- ten eine Ausdehnung von I 0 40' in Länge (etwa
ges Koordinatensystem. Man bevorzugt hierfür IOO km), so daß zwei benachbarte Systeme sich
isotherme Koordinaten, da sie eine konforme, mit 20 Längenminuten, d.h. einem im Mittel
d.h. winkeltreue Abbildung ermöglichen. "Iso- rund 23 km breiten Streifen überdecken.
therm" bedeutet, daß die Parameterlinien (Me- Auf Baustellen benötigt man spezielle Bau-
ridiane, Parallelkreise) orthogonal sind und auf stellenkoordinatensysteme (BKS) zur optimalen
ihnen ein gleicher Maßstab gegeben ist; d.h., es Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten
wird ein Netz aus infinitesimalen Quadraten ge- (s.l.2.IO und 1.2.II). Die Definition eines spezi-
bildet. Eine konforme Abbildung hat zwar den ellen Systems ist auch dann immer notwendig,
Nachteil, daß Längenverzerrungen unvermeid- wenn die Genauigkeitsanforderungen der Bau-

Ingenieurgeodäsie 1-51
Abb. 1.2·5 Ähnlichkeitstransformation
Abb. 1.2-4 Gauß-Krüger-Koordinatensysteme in
Deutschland (Ausschnitt)

stelle nicht vom übergeordneten System erfüllt


werden können.

1.2.3.2
Koordinatentransformationen
y
X (WGS84)
Bei Transformationen kartesischer Systeme voll-
zieht man i.allg. eine Verschiebung des Koordi-
natenursprungs, eine oder mehrere Drehungen
.G"
um die Koordinatenachsen und Maßstabsände- (X, Y, Z) => (8, L, h)
rungen (Abb. 1.2-5). Im Vermessungswesen .G"
wendet man vorwiegend die 7-Parameter-Ähn- (B,l) => (x, y)
lichkeitstransformation an; hier benutzt man
nur einen Maßstabsfaktor; sie ist damit kon-
form. Eine 7-Parameter-Transformation hat die
Form A"
3T ranslationen x, y, h
3 Rotationen um X·, y·, h·Achse

[:] =
Z 1
[:~] +qR[:]
ÖZ Zn
(1.2.4)
~
~
bzw. Ergebnis (x; y; H)LS

(1.2.5)
Abb. 1.2·6 Transformation eines Baustellennetzes in
Dabei beschreiben die Indizes I und II die bei- das landesnetz
den Systeme, ÖX die Translationen, q den Maß-
stabsfaktor und die Matrix R die Rotationen um
die X-, Y- und Z-Achse. Bei kleinen Drehungen Rotationswinkel i. d. R. sehr klein (einige Bogen-
hat R die Form sekunden). Der Maßstabsfaktor hat die Form
q =1 + m, wobeiminder Einheit ppm (mm/km)
Wz
-Wyl .
Wx (1.2.6)
angegeben wird.
Auf die Transformationen, Gin. (1.2.2) und
1 (1.2.3),kann hier nicht weiter eingegangen wer-
den; ausführliche Beschreibungen aller Trans-
Bei Transformationen eines Landessystems in formationen findet man u.a. in [Heck 1995) und
ein globales geozentrisches System sind z. B. die [Torge 2000].

1-52 AllgemeineGrundlagen
Wie bei Vermessungsaufgaben auf Baustellen Aufgaben am besten eignet. Ellipsoidische Hö-
vielfach alle diese Systeme ineinandergreifen, hen (Abb. 1.2-2) sind rein geometrisch definier-
soll das folgende Beispiel zeigen, bei .dem ein te Höhen und daher nur für Spezialaufgaben von
Baustellennetz mit hoher Genauigkeit durch das Bedeutung. Um die physikalischen Vorgänge auf
satellitengestützte GPS-Verfahren vermessen der Erde besser zu erfassen, werden Höhen in
wird und in ein weniger genaues Landesnetz ein- der Geodäsie nicht in Metern, sondern in Poten-
zupassen ist (Abb. 1.2-6). tialdifferenzen gemessen. Wie Wasser fließt oder
Aufgrund der GPS-Messungen liegen dann welche Arbeit ein Fahrzeug zu leisten hat, wenn
Koordinaten (X, Y,Z) in dem globalen Bezugssy- es einen Berg überquert, läßt sich mit Potential-
stem WGS 84 (oder ITRF) vor. Für einen Teil die- differenzen, nicht jedoch mit ellipsoidischen
ser Punkte sollen auch Gaußsehe Koordinaten Höhen, beschreiben.
(x,y)Ls und geoidbezogene Höhen (Hhs im Lan- Wie die einführenden Bemerkungen zeigen,
dessystem gegeben sein; bei ihnen handelt es ist es sinnvoll, Höhen im allgemeinen auf Nive-
sich somit um identische Punkte. Die Koordina- auflächen - Flächen gleichen Schwerepotentials
ten der Neupunkte sollen optimal in das Landes- -zu beziehen (Abb. 1.2-7)
system eingepaßt werden. Zunächst sind die
geozentrischen kartesischen Koordinaten
W = Wp =konst . ( 1.2.7)
(X, Y,Z)wGs84 in ellipsoidische Koordinaten (B,L) Wegen der Abplattung der Erde, der Erdrotation
und ellipsoidischeHöhen (h) umzurechnen. Es und der ungleichen Verteilung der Massen in-
erfolgt eine weitere Transformation, durch wel- nerhalb der Erde verlaufen die Niveauflächen
che die ellipsoidischen Koordinaten (B,L) in nicht parallel und die Lotlinien, welche die Ni-
Gaußsehe (x,y) umgewandelt werden, wonach veauflächen senkrecht schneiden, sind Raum-
schließlich das Koordinatentripel (x,y,h)wGs 84 kurven. Bewegt man sich auf einer Niveaufläche,
vorliegt. so folgt dW=O. Erfolgt die Bewegung in Rich-
Im Landessystem seien für die identischen tung der äußeren Flächennormalen h, so beträgt
Punkte die Koordinaten (x,y,H)Ls gegeben. Mit die Potentialdifferenz
einer Höhentransformation sind dann zunächst
dW=-g·dh, (1.2.8)
mit Hilfe der Geoidundulationen N (s.l.2.2) die
geoidbezogenen Höhen (Hhs in ellipsoidische wobei g die Schwere beschreibt, die senkrecht
(h)Ls umzuwandeln. auf W =Wp steht. Die Beziehung (1.2.8) be-
Erst nach diesen vorbereitenden Berechnun- schreibt den fundamentalen Zusammenhang
gen kann man jetzt mit den Koordinatentripein zwischen der Potentialdifferenz (physikalische
(x,y,h)Ls und (x,y,h)wGs 84 die Transformations- Größe) und dem Höhenunterschied (geometri-
parameter in einem Teilsystem berechnen und sche Größe). Verändert sich g auf der Niveauf-
anschließend mit diesen die Neupunkte trans- läche, so muß sich entsprechend GI. ( 1.2.8) auch
formieren. Bei technischen Netzen läßt man der Abstand dh zur benachbarten Niveaufläche
häufig den Maßstabsfaktor unberücksichtigt, ändern. Da die dh in der Lotlinie liegen, ist d W
wenn das neu vermessene Netz eine höhere Ge- wegunabhängig.
nauigkeit aufweist als das übergeordnete. Die Idealisiert kann man das Wassei der Meere als
Höhen sind schließlich noch einer inversen frei bewegliche, homogene Masse betrachten, auf
Höhentransformation zu unterwerfen, um die welche nur die Schwerkraft wirkt. Die Ober-
ellipsoidischen Höhen in geoidbezogene (H)Ls
umzuwandeln. Für jeden Neupunkt gibt es dann
das Koordinatentripel (x,y,H)LS·

1.2.4
Höhen und Höhensysteme

1.2.4.1
Grundlagen

In der Wissenschaft hat man sich bis heute nicht


einigen können, welche Definition der Höhe Abb.1.2-7 Definition von Höhen
bzw. welches Höhensystem sich für praktische

Ingenieurgeodäsie 1-53
fläche bildet dann eine Niveaufläche des Schwe- funktion U gemacht werden. In bezugauf die Ni-
refeldes, welche man sich unter den Kontinenten veaufläche U=U0 sind in einem solchen Schwe-
fortgesetzt denken kann (Abb. 1.2-1). Diese Ni- refeld die Normalhöhen definiert. Für die Trans-
veaufläche wird als Geoid bezeichnet (s. 1.2.2); formation berechnet man jetzt als Schwerewert
sie folgt der Gleichung einen Normalschwerewert hypothesenfrei im
definierten Normalschwerefeld.
W= W0 =konst .
. In der Vergangenheit haben viele Länder (z.B.
Sie ist eine geeignete Bezugsfläche für Potential- Deutschland und Österreich) mit orthornetri-
differenzen, welche das geometrische Nivelle- sehen Höhen gearbeitet. In den Staaten Osteu-
ment zusammen mit Schweremessungen liefert. ropas hatte man jedoch Normalhöhen einge-
Ein Punkt auf der Erdoberfläche läßt sich im Sy- führt. Auch Deutschland hat sich nach der Wie-
stem der Niveauflächen durch eine negative Po- dervereinigung für diese Höhen entschieden. Es
tentialdifferenz zum Geoid festlegen (Abb. 1.2-7). ist geplant, künftig in ganzEuropadie Normal-
Ist P0 ein Punkt auf dem Geoid mit dem Poten- höhen zu verwenden.
tial W0 , so beschreibt das wegunabhängige Lini-
enintegral 1.2.4.2
p p
Höhenfestpunktfelder
c = W0 - WP =- JdW = Jg ·dh (1.2.9)
P0 P0
Die Ausgangspunkte nationaler und internatio-
naler Höhensysteme sind auf das Mittelwasser
die Potentialdifferenz gegenüber dem Geoid. C bestimmter Küsten bezogen; die Mittelwasser-
wird geopotentielle Kote genannt. Geopotentiel- marke wird mit Hilfe von Registrierungen an
le Koten lassen sich durch Nivellieren (s.l.2.5.3) Gezeitenpegeln festgelegt. In Europa ist künftig
und Messen der Schwere an der Erdoberfläche der sog. "Europahorizont" maßgeblich, welcher
hypothesenfrei bestimmen. sich auf das Mittelwasser der Nordsee der Jahre
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Er- 1940 bis 1958 bezieht und aus Beobachtungen
gebnis eines Nivellements (Summe der bei jeder am "Neuen Amsterdamer Pegel" abgeleitet ist.
Einzelaufstellung ermittelten Höhenunterschie-
de dh) wegabhängig ist. Um eindeutige Ergeb-
nisse zu erzielen, müssen die Ergebnisse des
Nivellements transformiert werden. Ausgehend
von GI. (1.2.9),gibt es hierfür mehrere Wege, wo-
bei für die Praxis von Bedeutung ist, daß man die
Höhen in Metern angeben kann. Beispielsweise
lassen sich die geopotentiellen Koten in metri-
sche Höhen transformieren, indem man durch
einen Schwerewert dividiert [Torge 2000].
Nimmt man als Schwerewert eine mittlere
Schwere, die sich durch Mittelbildung von a Mauerbolzen
Schwerewerten längs der Lotlinie ergibt, so er-
hält man orthornefrische Höhen H. Diese Schwe-
rewerte können nur durch die Annahme von Hy-
pothesen über den Dichteverlauf in der Erdkru-
ste bestimmt werden.
Nachteilig bei dieser Transformation ist, daß
Punkte auf ein und derselben Niveaufläche un-
terschiedliche orthometrische Höhen haben, da
unberücksichtigt bleibt, daß die Niveauflächen
nicht parallel verlaufen. In vielen praktischen
Fällen - insbesondere im Flachland - kann die-
ser Effekt jedoch vernachlässigt werden. b Pfeilerbolzen
Ein Rotationsellipsoid kann mit einem künst-
lichen sog. "normalen" Schwerefeld ausgestattet Abb. 1.2·8 Höhenmarken
und zur Niveaufläche U0 -konst einer Potential-

1-54 Allgemeine Grundlagen


Die einzelnen Länder unterhalten nationale Theodolits. Er besteht aus einem festen und ei-
Höhennetze; für Deutschland z.B. ist dies das nem um die Vertikalachse (Stehachse) drehba-
Deutsche Haupthöhennetz (DHHN). Es besteht ren Teil. Der bewegliche Teil ist die Stütze, wel-
aus Nivellementschleifen mit einem Durchmes- che die Steh- und Kippachse miteinander ver-
ser von 20 bis 80 km. Die im DHHN berechne- bindet. Die Kippachse ist in der Stütze drehbar
ten Höhen stellen den in Meter ausgedrückten gelagert und trägt fest verbunden mit ihr das
Abstand von einer Bezugsfläche (s. 1.2.4.1) dar. Fernrohr und den Vertikalkreis. Die Stehachse,
Dieses Netz 1. Ordnung wurde durch weitere ein Teil der Stütze, kann sich in der Stehachs-
Netze 2., 3. und 4. Ordnung so verdichtet, daß buchse drehen. Die Stehachsbuchse trägt den
nun Höhenmarken landesweit in einem Abstand Horizontalkreis und verbindet den drehbaren
von 1 bis 2 km zur Verfügung stehen. Die Punk- Teil des Theodoliten mit dem festen Unterbau,
te werden normalerweise durch Mauerbolzen einem Dreifuß. über Indexmarken können am
(Abb. 1.2-Sa) oder Pfeilerbolzen (Abb. 1.2-Sb) Horizontal- und Vertikalkreis Horizontalrich-
vermarkt. tungen rund Vertikalrichtungen (Zenitwinkel) z
abgelesen werden. Die Vertikalrichtungen bezie-
1.2.5 hen sich auf die Richtung zum Zenit, die Hori-
Richtungs-, Distanz- und Höhenmessung zontalrichtungen auf die Nullmarke des Teil-
kreises (Abb. 1.2-10).
Um Punkte in der Ebene oder im Raum mit Die gemessenen Richtungen sollen sich auf
Koordinaten festlegen zu können, mißt man die Koordinatenachsen der Koordinatensysteme
Richtungen, Distanzen und Höhenunterschiede. beziehen. Man läßt daher normalerweise die
Richtungen mißt man mit einem Theodolit, Stehachse mit der Richtung zum Zenit (häufig
Distanzen mit Stahlmaßstäben, Meßbändern, als z-Achse bezeichnet) zusammenfallen. Prak-
Meßdrähten oder elektronischen Distanzmes- tisch erfolgt dies über das Einstellen von Drei-
sern, Höhenunterschiede mit Nivelliergeräten, fußschrauben und das Beobachten einer zwei-
hydrostatischen Meßsystemen oder trigonome- achsigen Libelle. Die durch das Fernrohr defi-
trischen Verfahren. nierte Zielachse läßt sich desto genauerauf eine
Zielmarke einstellen, je höher die Qualität des
1.2.5.1 Fernrohres ist.
Richtungsmessung mit dem Theodolit Die zuvor beschriebenen Richtungen lassen
sich nur dann fehlerfrei messen, wenn folgende
Der Theodolit ist ein Instrument, mit dem sich Bedingungen erfüllt sind:
Horizontal- und Vertikalrichtungen messen las- - Die Stehachse muß streng lotrecht ausgerich-
sen. Abbildung 1.2-9 zeigt den Aufbau eines tet sein.

P'1
Zielachse
I
z j Stehachse
~i
Kippachse
_.,
. / · / Kippachse
Stütze
Horizontierlibelle
Kugellager
Horizontalkreis
Stehachsbuchse
Dreifuß
Dreifußschraube

Abb. 1.2-9 Theodolit Abb. 1.2-10 Horizontal· und Vertikalrichtungen

Ingenieurgeodäsie 1-55
- Die Kippachse muß senkrecht auf der Steh- Standpunktes und (X& Yi) die Koordinaten des
achse stehen. Zielpunktes beschreiben.
- Die Zielachse soll die Kippachse senkrecht Die Meßvorgänge sind heute weitgehend
schneiden. automatisiert: Die Richtungen werden elektro-
- Die Stehachse soll den Horizontalkreis senk- nisch abgetastet, die Achsen lassen sich über
recht in seinem Mittelpunkt und die Kippach- Stellknöpfe oder vom Computer gesteuert mit
se den Vertikalkreis senkrecht in seinem Mit- Servomotoren bewegen, und auch der Zielvor-
telpunkt durchstoßen. gang läßt sich in einigen Instrumenten automa-
tisch ausführen. Für das Horizontieren nutzt
Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so lassen man elektronische Libellen, über die sich ge-
sich die hieraus resultierenden Richtungsfehler ringfügige Fehlausrichtungen automatisch kor-
nahezu vollständig mit Hilfe spezieller Meßan- rigieren lassen.
ordnungen beseitigen [Kahmen 1997]. Auf der Gegenstation verwendet man speziel-
Die gemessenen Horizontalrichtungen sind nur le Zielmarken. Bei hochgenauen Messungen kann
dann für Koordinatenberechnungen zu verwen- der Theodolit samt Stehachsbuchse aus dem
den, wenn sie sich auch auf die horizontalen Ko- Dreifuß gelöst bzw. herausgehoben und gegen ei-
ordinatenachsen beziehen,d.h., sie müssen noch ne Zieltafel ausgetauscht werden. Der Fuß der
orientiert werden. Man macht dies rechnerisch, Stehachsbuchse und der Zieltafel müssen dann
indem die Nullrichtung des Teilkreises so lange identisch sein. Diese Art der austauschbaren Zen-
verdreht wird, bis sie mit der x-Richtung des Ko- trierung bezeichnet man als Zwangszentrierung.
ordinatensystems zusammenfällt. Hierfür muß Für die Beurteilung der Qualität der Theodo-
aber zumindest ein Festpunkt angezielt werden. lite wird nach DIN 18723 angegeben, mit wel-
Den Drehwinkel bezeichnet man als Orientie- cher Standardabweichung sich Richtungen mes-
rungsunbekannte <p. sen lassen. Man unterscheidet
Koppelt man den Theodolit mit einem Ver- - Theodolite niederer Genauigkeit 0,5 ... 1 cgon,
messungskreisel, so lassen sich die Horizontal- - Theodolite mittlerer Genauigkeit 1 mgon,
richtungen ohne Anzielen eines Festpunktes ori- - Theodolite hoher Genauigkeit 0,1 ... 0,2 mgon.
entieren. Dieses Verfahren wendet man jedoch
nur bei Spezialaufgaben an (z.B. beim Tunnel- 1.2.5.2
bau), da die Instrumente sehr kostspielig sind. Distanzmessung mit Stahlmaßstäben, Meßbändern
In einem ebenen Koordinatensystem (Abb. und elektronischen Distanzmessern
1.2-ll) läßt sich für jede gemessene Richtung ri
eine Beobachtungsgleichung Stahlmaßstäbe verwendet man insbesondere,
Yk-Y wenn Messungen auf engem Raum und mit ge-
Li=ri =arctan---1 -<pi (1.2.10) ringem Aufwand auszuführen sind. Zweckmäßig
xk -xi
verwendet man 1 m lange Stäbe mit schneiden-
aufstellen, wobei (XJo Jk) die Koordinaten des förmigen Enden, deren Länge mit Hilfe der Glei-
chung des Längenmaßstabs
(1.2.11)

ermittelt werden kann. Dabei bedeutet L0 die


Sollänge des Maßstabs in Meter unter Normal-
N(x,, y,) bedingungen (z.B. 20°C), kK die Kalibrierkorrek-
; (j>, I
tion und k1 die Temperaturkorrektion. Die Kor-
:---...-· rektionen berechnet man aus den Beziehungen
: /
:_~ ö
kK =I-; k 1 =l·a 51 (t-20°C)
Lo
mit der zu korrigierenden Länge I, dem durch
~----------------. y
Kalibrieren des Maßstabs bei Normaltemperatur
(20°C) erhaltenen Überschuß ö über L 0 , dem
Abb. 1.2-11 Richtungen und Strecken in einem recht· linearen Temperaturausdehnungskoeffizienten
winkligen Koordinatensystem a 5 r von Stahl und der Temperatur t während der
Messung.

1-56 Allgemeine Grundlagen


Diese Normalmeter sind gewöhnlich nicht mit de, Mikrowellendistanzmesser für Distanzmes-
einer Teilung versehen; die Reststrecken werden sungen zu Satelliten ein. Die Meßprinzipien sind
daher mit einem kurzen Stahlmeßband oder, in Abb. 1.2-12a bis d wiedergegeben.
wenn es sich um geringe Abweichungen von ei- Bei Laserentfernungsmessern (Abb. 1.2-12a)
nem vollen Meter handelt, mit einem Meßkeil befinden sich der Sender S und der Empfänger
bestimmt. E auf einer Station, auf der Gegenstation baut
Prüfmeterstäbe werden mit einem Prüfschein man einen Reflektor R (ein Prisma) auf. Der Sen-
satzweise geliefert. Sie sind i.d.R. mit A und B der sendet durch Modulationsverfahren erzeug-
bezeichnet und haben eine Länge von te Impulse aus, welche die zu messende Strecke
1000 ± 0,02 mm. Typisches Anwendungsgebiet durchlaufen, am Reflektor reflektieren und
ist z.B. die stichprobenweise Überprüfung von schließlich vom Empfänger empfangen werden.
Fertigteilen bei Fertigteilbauprojekten [Kahmen Zum Empfänger gelangt außerdem ein geringer
1997]. Anteil des ausgesendeten Impulses unmittelbar.
Nutzt man ein Meßband, so läßt sich seine Ein hochgenauer Laufzeitmesser L bestimmt die
tatsächliche Länge ebenfalls mit GI. ( 1.2.11) be- Differenz der Laufzeit beider Impulse; sie ent-
rechnen. Bei hohen Genauigkeitsanforderungen spricht der Zeit 2t, die der externe Impuls für das
sind allerdings noch weitere Korrekturen zu zweimalige Durchlaufen der Distanz D benötigt
berücksichtigen [Kahmen 1997]: und muß daher noch halbiert werden.
- eine Durchhangkorrektur, wenn das Band Bei Mikrowellengeräten befinden sich Sender
nicht aufliegend benutzt wird, und Empfänger auf verschiedenen Stationen
- eine Spannkraftkorrektur, wenn die Zugspan- (Abb. 1.2-12b ). Für das Aussenden und Empfan-
nung für das geradlinige Ausrichten des Ban- gen der Meßsignale benötigt man Antennen A.
des nicht der Zugspannung bei der Eichung
entspricht.
Distanz
Heute setzt man vorwiegend elektronische Ent-
fernungsmesser ein. Sie messen die Laufzeit t,
welche ein Meßsignal benötigt, um die auszu-
messende Distanz D zu durchlaufen. Die Distanz a
berechnet sich dann aus
D=c· t (1.2.12) ___________ o!~p~uls

mit A A E
c =Co (1.2.13)
n u
Dabei beschreibt c die aktuelle Ausbreitungsge- b

schwindigkeit der elektromagnetischen Wellen,


c0 die Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vakuum
und n den Brechungsindex des Ausbreitungs-
mediums.
Die Geräte arbeiten entweder mit dem Im-
puls- oder Phasenvergleichsverfahren. Als Trä-
gerwellen nutzen sie vorwiegend Laser oder Mi-
krowellen. Für die Laufzeitmessung werden die
Meßsignale den Trägerwellen aufgeprägt; einige
Geräte messen die Laufzeit auch unmittelbar mit
den Trägerwellen. Für Geräte, die mit Laser d
arbeiten, ist die Reichweite durch die Witterung
begrenzt; sie entspricht etwa der Sichtweite,d.h., a Laserentfernungsmessung
b Mikrowellengerät
bei dunstigem Wetter kann sie auf weniger als c, d Phasenvergleichsverfahren
100 m eingeschränkt sein. Mikrowellengeräte
arbeiten unabhängig von der Witterung. Elektro-
Abb. 1.2-12 Prinzipien der Distanzmessung
optische Distanzmesser setzt man für Distanz-
messungen zwischen zwei Stationen auf der Er-

Ingenieurgeodäsie 1-57
Sender und Empfänger müssen bei diesem Ver- - Längenverzerrung rL wegen der ebenen Ab-
fahren mit einer hochgenauen Uhr U gekoppelt bildung des Ellipsoids (z.B. Gauß-Krüger-Ab-
sein. Die Uhr im Sender bestimmt, wann der Im- bildung).
puls gesendet wird, die Uhr im Empfänger die
Empfangszeit Die Laufzeit ermittelt der Emp- Je nach ihrer Genauigkeit (Standardabweichung
fänger mit einem Korrelator. d5 einer gemessenen Distanz) kann man die Di-
Geräte, die mit dem Phasenvergleichsverfah- stanzmesser in zwei Gruppen aufteilen:
ren arbeiten (Abb. 1.2-12c,d), sind ähnlich auf- - Distanzmesser hoher Genauigkeit
gebaut wie lmpulsentfernungsmesser. Hier wird 1.. .5 mm + 1. .. 3 ppm,
mit einem Phasenmesser Ph die Differenz der - Distanzmesser mittlerer Genauigkeit
Phasen gemessen, die das Meßsignal im Sender 0,1...3 m.
und Empfänger hat. Für den einfachen Weg zwi-
schen Sender und Empfänger soll diese tP be- Die Strecke s berechnet sich aus der am Gerät ab-
tragen. Die Laufzeit erhält man dann nach Divi- gelesenen Distanz D nach
sion durch die Frequenz <1> des Meßsignals zu
s = D + ko + kn + rs + rL . (1.2.15a)
tP
t=-j" (1.2.14) Sie läßt sich in einem ebenen Koordinatensy-
stem (Abb. 1.2-11) durch die Beobachtungsglei-
Ähnlich wie bei der mechanischen Längenmes- chung
sung müssen für die gemessene Distanz noch
Verbesserungen durchgeführt werden, bevor mit L; =s; =q~(xk -X; )2 +(yk- Yi )2 (1.2.15b)
ihr in einem ebenen Koordinatensystem Koor-
dinatenberechnungen ausgeführt werden kön- darstellen. Ein Maßstabsfaktor q ist dann zu be-
nen [Kahmen 1997] . Man unterscheidet physi- rücksichtigen, wenn die Maßeinheit des Fest-
kalische Korrektionen punktfeldes sich von der des Meßgeräts unter-
- Nullpunktkorrektur k0 , (wenn der Anfang und scheidet.
das Ende der gemessenen Strecke nicht mit
den Stehachsen der Geräte zusammenfällt), 1.2.5.3
- Korrektur wegen Brechungsindex kn, (wenn Höhenmessung durch Nivellieren und trigono-
der tatsächliche Brechungsindex des Ausbrei- metrische Höhenübertragung
tungsmediums nicht mit dem zusammenfällt,
für welchen das Meßverfahren konzipiert Der Höhenunterschied zweier Punkte A und B
wurde), wird ermittelt, indem man ihren lotrechten Ab-
stand in bezug auf eine horizontale Linie oder
und geometrische Reduktionen (Abb.1.2-13) Ebene mißt (Abb.l.2-14a bis c). Die Bezugslinie
- Reduktion r 5 der schräg im Raum gemessenen bzw. Bezugsebene stellt man mit einer Nivellier-
Distanz D auf die entsprechende Länge S in einrichtung her, und zum Ausmessen der lot-
der Bezugsfläche (Ellipsoid oder näherungs- rechten Abstände dienen Nivellierlatten oder an-
weise Kugel bzw. Ebene), dere Maßstäbe.
Das am häufigsten verwendete Nivelliergerät
besteht aus einem Fernrohr, mit dem eine Ziel-
linie definiert wird, und einer Zusatzeinrich-
tung, mit der sich die Ziellinie horizontieren läßt
(Abb. 1.2-14a). Die Ziellinie ist durch den Mit-
telpunkt des Objektivs und ein Strichkreuz in
der Abbildungsebene des Objektivs gegeben. Das
Fernrohr ist über einen festen Unterbau mit dem
Dreifuß verbunden. Der Dreifuß wird mit einer
Klemmschraube auf dem Teller eines Stativs be-
festigt. Über Dreifußschrauben kann der Drei-
fuß relativ zum Stativ bewegt und mit einer Li-
belle in Zielachsenrichtung horizontiert werden.
Abb.1.2-13 Geometrische Reduktion derStrecken Die zuvor beschriebenen Nivelliergeräte be-
zeichnet man als Libellennivelliere.

1-58 Allgemeine Grundlagen


Maßstab

Horizont
R V Okular

Abb. 1.2·15 Prinzip des Kompensatomivelliers


a Mit Fernrohr
Meßgefaß 8
Beobachter mit Hilfe der Strichmarke im Fern-
A Horizont
rohr den Meßwert an der Nivellierlatte ab. Digi-

"·ß:=;::r
tale Nivelliere arbeiten mit Latten, bei denen Tei-
lung und Ziffern durch einen Code ersetzt sind.
In den optischen Strahlengang dieser Nivelliere
:---- ist eine digitale Kamera eingebaut, die Bilder des
Bezugsfläche Codes dort aufnimmt, wo die horizontale Zielli-
b mittels Schlauchwaage
nie die Latte trifft. Der Code der gesamten Latte
ist auch in einem Computer des Nivelliers ge-
speichert. Die Ablesung erhält man mit Metho-
den der digitalen Bildverarbeitung, indem der
Codeausschnitt so lange längs des gespeicherten
Codes verschoben wird, bis dieserdetektiert ist.
Der Meßwert entspricht dem Betrag der Ver-
Hr:.:.···J·p u . . _ - - - - schiebung.
r ...________ ----'0_ ___.

Die Ablesung der vorderen Latte bezeichnet


c trigonometrische Höhenmessung
man als Vorblick V, die an der zurückliegenden
Latte als Rückblick R. Der gemessene Höhenun-
Abb. 1.2·14 Meßprinzipien fi.Jr Höhenmessungen terschied beträgt dann (Abb. 1.2-14a)
h=R-V. (1.2.16)
Heute werden vorwiegend Kompensatornivel- Höhere Genauigkeiten erzielt man mit Nivel-
liere verwendet. Der äußere Aufbau entspricht lierverfahren nur dann, wenn die Zielweite be-
dem der Abb. 1.2-15. Um Zeit beim Einstellen grenzt wird; je nach Anforderung beträgt sie et-
einzusparen,horizontiert man diese Instrumen- wa 20 bis 100m. Bei größeren Punktabständen
te nur noch näherungsweise mit einer Dosenli- muß man daher die Nivellementslinie durch
belle. Wie Abb. 1.2-15 zeigt, verläuft dann der Wechselpunkte W; in einzelne Meßabschnitte
durch den Mittelpunkt des Objektivsystems ge- unterteilen (Abb. 1.2-16). Der gemessene Höhen-
hende horizontale Zielstrahl nicht mehr durch unterschied berechnet sich dann aus
das Strichkreuz. Er muß daher an der Stelle K
durch ein optisches Bauelement entsprechend (1.2.17)
umgelenkt werden. Die Steuerung der Strahl-
umlenkung erfolgt mit Hilfe der Schwerkraft, Für die Beurteilung der Meßgenauigkeit von
und zwar i.d.R. durch Pendel, die mit bewegli- Nivellieren und Meßausrüstung wird nach DIN
chen Umlenkprismen gekoppelt sind. Im Ver- 18723 die Standardabweichung für 1 km Doppel-
gleich zu Libellennivellieren erhöht sich die nivellement angegeben. Man unterscheidet
Meßgeschwindigkeit um 30% bis 40%. - Nivelliere mittlerer Genauigkeit~ 10 mm/km,
Nivellierlatten sind normalerweise 3m lang - Nivelliere hoher Genauigkeit ~ 3 mm/km,
und haben eine Teilung auf der Vorderfläche; der - Nivelliere höchster Genauigkeit~ 0,5 mm/km.
Teilungsnullpunkt liegt in der Ebene der Auf-
satzfläche. Präzisionslatten haben genauere Tei- Neben der Qualität der Nivellierausrüstung ist
lungen. Bei analogen Nivelliergeräten liest der die Wahl der Meßanordnung für die Genauig-

Ingenieurgeodäsie 1-59
Bezugsfläche

Abb. 1.2-16 Nivellierenlangseiner Nivellementslinie

keit von großer Bedeutung. Um den Einfluß von h =i + sR cos z - t (1.2.18)


Erdkrümmung und Refraktion zu eliminieren,
sollte das Nivellier möglichst in der Mitte zwi- mit der Höhe i der Kippachse des Theodolits
schen den Latten aufgestellt werden. Bei höhe- über dem Punkt A und der Höhe t der Zielmar-
ren Genauigkeiten macht man Doppelablesun- ke über dem Punkt B. Vergleicht man das Ver-
gen in der Reihenfolge R1> VI> Vz, Rz und bildet fahren mit dem der Abb. 1.2-14a, so ist jetzt der
schließlich den Vor- und Rückblick aus Rückblick R durch i und der Vorblick V durch
( V1+Vz)/2 und (R 1+ R2)!2. t- sR cos z gegeben. Genauigkeiten besser als
Ein Spezialnivellier ist die Schlauchwaage 1 mm sind möglich. Bei hohen Genauigkeiten
(Abb. 1.2-14b). Sie besteht aus Meßgefäßen - müssen allerdings eine Korrektion TE wegen der
i.d.R. Glaszylinder mit einer Teilung- und ei- Erdkrümmung und eine Korrektion TRef wegen
nem Schlauch, der die Meßgefäße miteinander Zielstrahlverbiegungen aufgrund von Refrakti-
verbindet. Die Meßeinrichtung wird mit einer onserscheinungen berücksichtigt werden. Beide
Flüssigkeit gefüllt; die Flüssigkeitsoberfläche bil- Einflüsse nehmen mit dem Quadrat des Ab-
det dann den Bezugshorizont Den Höhenunter- stands der Meßpunkte zu. Der Einfluß der Erd-
schied zweier Meßmarken erhält man aus den krümmung beträgt bei einem Punktabstand von
Skalenablesungen der Meßgefäße in bezug auf 200 m 3,2 mm. Für alle Höhenmeßverfahren
den Horizont. Die Meßeinrichtungen können (Abb. 1.2-14) gilt die Beobachtungsgleichung
auch mehrere Meßgefäße umfassen.
h = HB- HA+ Korrektionen, (1.2.19)
Die Messungen lassen sich automatisieren,
wenn die Änderungen der Flüssigkeitspegel in die jetzt neben der Meßgröße h und den Kor-
den Gefäßen mit einem elektrischen Sensor (Ex- rektionen die Höhen (HA, HB) der Punkte A und
tensometer) beobachtet werden. Ein Computer B über dem Bezugshorizont enthält.
kann dann den Zeitpunkt der Messungen steu- Die Höhenaufnahme läßt sich mit den Meß-
ern und eine Auswertung in Echtzeit vornehmen. einrichtungen der Abb. 1.2-14 auch flächenhaft
Genauigkeiten von 0,5 bis 0,1 mm bei Gefäßab- ausführen. Die horizontale Bezugslinie muß dann
ständen von mehreren hundert Metern sind um eine vertikale Achse geschwenkt werden. Bei
möglich. Wichtige Einsatzgebiete sind Deforma- einem Nivelliergerät mit Fernrohr und Theodo-
tionsmessungen zur Überwachung von Bauwer- lit ist dies aufgrundder Gerätekonstruktion im-
ken und Maschinenanlagen. mer möglich.
Bei der trigonometrischen Höhenmessung Insbesondere auf Baustellen verwendet man
(Abb.l.2-14c) mißt man mit Theodolit und Ent- auch Lasernivelliere, bei denen ein durch Pris-
fernungsmesser vom Punkt A aus den Zenit- men und einen Kompensator horizontal ausge-
winkel z und die Schrägdistanz SR zu einer Ziel- richteter Laserstrahl um eine Vertikalachse ro-
marke, die sich über dem Punkt B befindet. Den tiert. Die vom Laser auf Nivellierlatten erzeug-
Horizont erhält man hier durch trigonometri- ten "Laserstriche" können von einem Beobach-
sche Berechnungen. Der gemessene Höhenun- ter abgelesen oder von einer elektrooptischen
terschied berechnet sich aus Abtasteinrichtung automatisch registriert wer-

1-60 Allgemeine Grundlagen


Beispiel für ein Tachymeter zeigt Abb. 1.2-18a.
Heute stehen Theodolite und Tachymeter zur
Verfügung, die vom Anzielen der Zielmarken
über das Registrieren der Meßwerte bis zur Aus-
wertung der Ergebnisse alle Arbeitsgänge - ge-
steuert durch einen Computer - automatisch
ausführen. Diese Gerätesysteme bezeichnet man
auch als Meßroboter.
Bei den Nivelliergeräten setzen sich zuneh-
mend digitale Nivelliere durch (Abb. 1.2-18b).
Abb. 1.2-17 Lasernivellier mit rotierendem Laser "Digital" kennzeichnet hier, daß die Daten digi-
tal ausgegeben werden.

den (Abb. 1.2-17). Bei Schlauchwaagen läßt sich 1.2.6


eine flächenhafte Überwachung von Höhen- 20-Positionsbestimmung mit Theodolit
punkten in bezugauf einen konstanten Horizont und Distanzmesser
ausführen, wenn eines der Gefäße - das Refe-
renzgefäß- als Überlaufgefäß gebaut ist. Von ei- Wenn einige Punkte mit Koordinaten in einem
ner Pumpe müssen dann kontinuierlich geringe ebenen rechtwinkligen Koordinatensystem ge-
Mengen Flüssigkeit nachgefüllt werden. geben sind, so kann man von ihnen ausgehend
die Koordinaten weiterer Punkte bestimmen.
1.2.5.4 Die gegebenen, bereits durch Koordinaten fest-
Gerätekonzepte gelegten Punkte bezeichnet man als Festpunkte,
die neu zu bestimmenden Punkte heißen Neu-
Theodolit und elektronischer Distanzmesser punkte. Die meßtechnische Bestimmung von
bilden normalerweise eine Geräteeinheit In die- Neupunkten erfolgt durch Messen von Richtun-
sem Fall spricht man auch von einem Tachyme- gen (bzw. Winkeln) und Distanzen.
ter. Als besonders vorteilhaft erweist es sich, Mißt man zur Berechnung von Neupunkten
wenn die optischen Achsen des Theodolits und nur so viele Größen, wie zu ihrer im geometri-
des Entfernungsmessers zusammenfallen. Ein schen Sinne eindeutigen Festlegung notwendig

a Digitales Tachymeter b Digitaler Nivellier

Abb. 1.2-18 Meßgeräte

Ingenieurgeodäsie 1-61
sind, so liegt eine eindeutige Punktbestimmung achtungsgleichungdes Typs ( 1.2.15b) aufstellen.
vor. Werden zusätzlich Größen gemessen, so Sie lautet in allgemeiner Form
spricht man von einer überbestimmten Punkt-
L; = s; =f(xN,yN, q) · (1.2.21)
bestimmung. Die Lösung ist in diesem Fall über
ein Ausgleichungsverfahren - z. B. unter Anwen- Es treten drei Unbekannte auf: die Koordinaten
dung der Methode der kleinsten Quadrate - gege- des Neupunktes (xN, YN) und der Maßstabsfak-
ben. Überbestimmte Lösungen haben den Vor- tor q. Eine eindeutige Lösung des Bogenschlags
teil, daß Genauigkeits- und Zuverlässigkeitsun- ist demnach gegeben, wenn mindestens drei aus
tersuchungen angestellt werden können. Messungen abgeleitete Strecken s; vorliegen. Im
Ausgangsbasis für Koordinatenberechnungen Beispiel der Abb. 1.2-19 sind dies die Strecken SJ,
sind die Beobachtungsgln. ( 1.2.10) und ( 1.2.15b ), s2,s3; sie wurden vorbereitend mit der Beziehung
die vielfach in ihrer linearisierten Form ver- (1.2.15a) aus den gemessenen Distanzen D; ab-
wendet werden. Für das Linearisieren nutzt man geleitet.
die Taylorsche Reihe Die Linearisierung ergibt sich aus der Taylor-
schen Reihe mit x=xo+dx, y=yo+dy und
L;=/;(xo,Yo•·· ·)+(o/;) dx+(o/;) dy+. q =qo + dq , wobei xo, yo Näherungskoordinaten
ax o ay o des Neupunktes N sind und q0 = I ein Nähe-
(1.2.20) rungswert des Maßstabsfaktors ist. Mit den
mitx=xo+ dx,y= y 0 + dy, .... Wieaus Gl.(1.2.20) Gin. (1.2.20) und (l.2.15b} folgt
zu erkennen ist, benötigt man in diesem Fall für
die neu zu bestimmenden Parameter Nähe- s; = s? + Xo ~x; dx+ Yo ~Yi dy+s?dq, (1.2.22)
rungskoordinaten xo, yo. Stehen diese nicht zur S; S;
Verfügung, so kann man die Berechnungen mit
trigonometrischen Ansätzen durchführen; dies
ist z. B. bei der topographischen Geländeaufnah-
me mit Hilfe des Polarverfahrens der Fall. In verkürzter Schreibweise läßt sich GI. (1.2.22)
Das Berechnen geodätischer Netze ist sehr darstellen durch
komplex und benötigt viel Erfahrung. Hier soll
(1.2.23}
die Vorgehensweise nur anhand einfacher Bei-
spiele deutlich werden. Im folgenden wird zu- Faßt man nun noch die Absolutglieder s; und s?
nächst vorbereitend auf die eindeutige Punktbe- zu l; = s;- s? zusammen, so gilt für das System der
stimmung eingegangen. Der Übergang zu Aus- Beobachtungsgleichungen
gleichungsverfahren folgt in 1.2.9.
l=Ax , (1.2.24)
1.2.6.1
Punktbestimmung durch Distanzmessung Yo- Y1 soI
s?
Die Punktbestimmung durch Distanzmessung Yo- Yz so2 und
bezeichnet man auch als Bogenschlag. Zur Be- s~
stimmung eines Neupunktes N; werden zwi-
Yo- Y3 so3
schen ihm und mehreren Festpunkten P; Strek-
ken s; bestimmt (Abb. 1.2-19). Für jede aus Mes- s~
sungen abgeleitete Strecke kann man eine Beob-

Der Lösungsvektor lautet


X= A- 11. (1.2.25}
Schließlich berechnen sich die Koordinaten des
Neupunktes aus

Abb. 1.2-19 Bogenschlag XN=Xo + dx (1.2.26}


YN":YO + dy

1-62 Allgemeine Grundlagen


1.2.6.2 punktkoordinaten berechnen. Mit Hilfe der Tay-
Punktbestimmung durch Richtungsmessung lorschen Reihe erhält man

Beim Vorwärtseinschneiden mißt man auf zwei r;~ =t? _Yo- Y2 i Qdx+ xo -x2; Qdy (1.2.29)
oder zusätzlichen Festpunkten P; Richtungen r; (s?) (s?)
zu einem Neupunkt N; und zu weiteren Fest-
punkten (Abb.1.2-20). Für jede gemessene Rich- 2
tung kann man dann eine Beobachtungsglei- mit. ( s;0 ) = (x 0 -x;) 2 +(y0 - J;) 2 und
chung des Typs (1.2.10) aufstellen. Diese lauten
in allgemeiner Form
t? = arctan Yo - Y; .
Xo -X;
L; = r; =f(cp;), (1.2.27a)
Die xo und yo sind die Näherungskoodinaten des
wenn ein Festpunkt bzw. Neupunktes und Q = 200gon/n.
In verkürzter Schreibweise läßt sich Gl. ( 1.2.29)
L; =r; =f(xN,JN,cp;), (1.2.27b)
auch darstellen durch ,qN = t P- a;1 dx + ai2dy.
wenn ein Neupunkt mit den Koordinaten (xN, Faßt man nun noch die Absolutglieder ,qNund
JN) angezielt wird. t Pzusammen zu I;= ,qN- t P, so gilt in Matri-
In dem Fall Gl. ( 1.2.27b) treten vier Unbe- zenschreibweise
kannte auf. Sie sind bei jeder Aufstellung des
l=Ax, (1.2.30)
Theodolits die Orientierungsunbekannten (cp;)
und die Koordinaten (xN, JN). Eine eindeutige
Lösung ist gegeben, wenn von zwei Festpunkten
(PI> P2) aus die Richtungen zu den Festpunkten
(P3, P4) und einem Neupunkt N; gemessen wer-
den.
Man kann die Lösung der Aufgabe in zwei Die Neupunktkoordinaten ergeben sich schließ-
Operationen aufteilen: Im ersten Schritt berech- lich wieder aus
net man zunächst aus den Richtungen ( r3, r4), die
x= A- 11
zwischen Festpunkten gemessen wurden, mit
Gl. (1.2.10) auf P 1 und P2 die Orientierungsun- mit XN=Xo + dx undyN= yo + dy.
bekannten. Die zwei verbleibenden Beobach-
tungsgleichungen haben dann die vereinfachte Eine weitere Lösung ist gegeben, wenn man von
Form P1 aus den Punkt P2 und von P2 aus den Punkt
P 1 anzielt (Abb. 1.2-20b). Der trigonometrische
(1.2.28) Ansatz lautet dann
sinßcost1N sinßsint!N
wobei rfN = r;N+ cp als orientierte Richtung be- x =s12 , y=sl2
sin(a+ß) sin(a+ß)
zeichnet wird.
(1.2.31)
Im zweiten Schritt lassen sich dann mit der
linearisierten Form von Gl. (1.2.28) die Neu- mit (J, = TJ2 - TJN> ß= T2N- T21> t!N = TJN + (J, •

..···'
.·· r~

a b

Abb. 1.2-20 Vorwärneinschneiden mit a vier und b zwei Festpunkten

Ingenieurgeodäsie 1-63
1.2.6.3 Dieses Verfahren nennt man dann polare Punkt-
Punktbestimmung durch kombinierte bestimmung bei freier Stationierung(Abb.l.2-22).
Richtungs- und Distanzmessung Von dem frei gewählten Standpunkt S aus wer-
den die Distanzen und Richtungen zu den Fest-
Bei der polaren Punktbestimmungstellt man sich punkten P; und Neupunkten N; gemessen. Es tre-
mit einem Tachymeter auf einem Festpunkt P1 ten sechs Unbekannte auf: eine Orientierungs-
auf und mißt Richtungen und Distanzen zu min- unbekannte q>, ein Maßstabsfaktor q, zwei Koor-
destens einem Festpunkt Pi und den Neupunk- dinaten (x 5, Ys) des frei gewählten Standpunktes
ten N (Abb. 1.2-21). Bei der Bestimmung eines und zwei Koordinaten (xN, YN) des Neupunktes.
Neupunktes treten vier Unbekannte auf: die Ori- Man benötigt also sechs Beobachtungen, um die
entierungsunbekannte q> bei der Aufstellung des Unbekannten mit sechs Beobachtungsgleichun-
Theodolits, ein Maßstabsfaktor q und die zwei gen eindeutig bestimmen zu können. Eine Lö-
Koordinaten (xN, YN) des Neupunktes. Mit der sung ist gegeben, wenn die Richtungen zu zwei
gemessenen Richtung zwischen den Festpunk- Festpunkten und dem Neupunkt sowie die Di-
ten berechnet man zunächst die Orientierungs- stanzen zu den Festpunkten und dem Neupunkt
unbekannte nach GI. (1.2.10). Die Neupunktko- gemessen werden.
ordinaten erhält man dann aus dem trigonome- Zunächst vergegenwärtige man sich, daß durch
trischen Ansatz das Tachymeter, mit dem die Richtungen r; und
0
die Strecken s; ermittelt werden, ein ebenes kar-
xN =x1 +qsNcosrN tesisches Koordinatensystem definiert wird. Es
( 1.2.32)
YN =y1 +qsNsmrN
. 0
liegt in der Ebene des Teilkreises, Ursprung ist der
Mittelpunkt des Kreises, und eine Koordinaten-
mit r~ = rN + q> und q = s0/s0 • s0ist die aus Ko- achse fällt mit "Teilkreis Null" zusammen. In die-
ordinaten berechnete und so die aus Messungen sem Koordinatensystem sind die Punkte P1 und
nach GI. ( 1.2.15a) abgeleitete Strecke zwischen P1 P2 durch ihre Polarkoordinaten r" r2 und s"s2 ge-
und Po. geben. Da P1 und P2 außerdem Festpunkte im x-
Häufig muß man sich bei der Polaraufnahme y-Koordinatensystem des Festpunktfeldes sind,
auf einem frei gewählten Standpunkt aufstellen . . können sie in beiden Systemen als identische
Punkte betrachtet werden. Die Koordinaten des
Neupunktes lassen sich daher durch eine Ähn-
lichkeitstransformation (s. 1.2.3.2) berechnen:
- Im ersten Schritt berechnet man die Transla-
tionsparameter x" Ys sowie den Drehwinkel q>
und den Maßstabsfaktor q.
- Im zweiten Schritt folgt dann die Transforma-
tion der Neupunkte. Hierfür können die
Gin. (1.2.32) herangezogen werden, wenn man
XJ= Xs und Y1= Ys betrachtet (vgl. beispiels-
Abb. 1.2-21 Polare Punktbestimmung auf einem Fest- weise [Kahmen 1997)).
punkt
Mit einem Polygonzug lassen sich längs einer
Linie angeordnete Neupunkte berechnen
(Abb. 1.2-23). Als Beispiel sei zunächst der Zug
P0 , P" N" N 2, N 3 betrachtet. Gegeben seien die
Koordinaten der Festpunkte P0 , P" gesucht die
Koordinaten der Neupunkte N" N2, N 3• Auf P"
N, und Nz seien jeweils die Richtungen zu be-
X nachbarten Punkten gemessen. Damit sind auch
die Winkel ß1 bis ß3bekannt, die sich jeweils aus
der Differenz der Richtungen ergeben. Außer-
dem sollen aus Distanzmessungen die Strecken
Abb. 1.2-22 Polare Punktbestimmung auf einerfrei sNI bis sN3 abgeleitet sein.
gewahlten Station
In einem ersten Schritt berechnet man zu-
nächst mit GI. (1.2.10) die orientierte Richtung

1-64 Allgemeine Grundlagen


~ pl
I
I
I
I
I
I

---- ....p
I
I

Nl
l

Abb. 1.2-23 Polygonzug

r01 °der Seite P0 P1• Mit Hilfe der Winkel ßi erhält


man dann in einem zweiten Schritt die orien-
tierten Richtungen r~-Ji fÜr die Seiten SNi :
I
r~l =rgl +ßl ±200gon' I
I
I

I
X
r~z =r~i + ßz ± 200gon '
I
(1.2.33) I
z I
r~ 3 = r~ 2 +ß 3± 200gon . •z /IN/ rNI

Mit diesen orientierten Richtungen und den Sei-


ten Si lassen sich dann von Punkt zu Punkt fort-
schreitend die Koordinaten von N1 bis N3 durch
polare Punktbestimmung nach GI. (1.2.32) be-
rechnen.
In der Regel führt man bei den zuvor be-
schriebenen Aufgaben mehr Messungen aus, als
zur eindeutigen Lösung notwendig sind. Die Be- Abb. 1.2-24 Räumliches Vorwänseinschneiden
rechnungen erfolgen dann mit Hilfe eines Aus-
gleichungsverfahrens. Dies hat den Vorteil, daß
dann die Genauigkeit und die Zuverlässigkeit Horizontalebene ist dann das Koordinatensy-
der Messungen sowie der berechneten Parame- stem des Theodolitmeßsystems festgelegt: Die y-
ter bewertet werden können. Ein Beispiel hier- Achse verläuft durch P'1 und P'2 , die x-Achse steht
für sei der in Abb. 1.2-23 dargestellte erweiterte senkrecht auf ihr und verläuft durch P'1• P1 hat
Polygonzug. Bei linearen Netzen dieser Art führt als Koordinatenursprung die Lagekoordinaten
man normalerweise noch die Strecke N3P2 =SN4 (0,0), und die Koordinaten von P2 sind festgelegt,
und die Winkel ß4 und ßs auf N3 und Pz in die wenn die Strecke s12 = P 1 Pz zuvor bestimmt
Berechnungen ein. wurde. Die z-Achse steht senkrecht auf der x-
und y-Achse. H 1 und Hz seien die Höhen über
1.2.7 der Bezugsfläche. Bei dieser Meßanordnung tre-
Optische 30-Meßverfahren ten fünfUnbekannte auf: zwei Orientierungsun-
bekannte q>i auf den Stationen P1 und P2 sowie
1.2.7.1 die drei Koordinaten XN, yN, ZN. Eine einfache Lö-
Punktbestimmung durch Richtungsmessungen sung ergibt sich, wenn man drei nacheinander
mit Theodoliten ablaufende Lösungsschritte vorsieht:
- Bestimmung der beiden Orientierungsunbe-
Bei einer einfachen Meßanordnung mit zwei kannten mit GI. (1.2.10), nachdem zuvor mit
Theodoliten spricht man auch von räumlichem den Theodoliten die Richtungen r 12 und r21
Vorwärtseinschneiden (Abb. 1.2-24). Man denke gemessen wurden. Bei hohen Genauigkeitsan-
sich durch den Schnittpunkt P'1 der Achsen des forderungen wendet man spezielle Verfahren
über dem Punkt P1 aufgebauten Theodolits eine wie die gegenseitige Kollimation an.
Horizontalebene gelegt. Diese schneidet die - Bestimmung von XN und YN durch Vorwärts-
Stehachse des zweiten Theodolits in P'2• In der einschneiden (s. 1.2.6.2).

Ingenieurgeodäsie 1-65
- Bestimmung von ZN von P1 oder Pz aus mit Mit einer 6- Parameter- Transformation wird
zunächst ein Punkt (x 0 ,y0,z0 ) des Objektkoordi-
sinßcot z1N
H I +II. +sl2-. natensystems in einen Punkt (XK, YK> ZK) des Ka-
ZN= ..!--....!.!!..
sm(a+ß) merakoordinatensystems transformiert. Die
. sinacot z2 N Transformation folgt Gl. (1.2.5) (drei Translatio-
= H 2 +zz +sl2--.-----"~
sm(a+ß) nen, drei Rotationen), allerdings bleibt der Maß-
stabsfaktor mit m = 0 unberücksichtigt:
Die Transformation in das Objektkoordinaten-
system (z.B. Baustellensystem) erfolgt mit
Gl. (1.2.5). Zuvor müssen jedoch die sieben (1.2.34)
Transformationsparameter bestimmt werden;
hierfür benötigt man mindestens zwei 3D-Fest-
punkte in beiden Systemen und eine Höhen- Es folgt eine perspektiveAbbildungdieses Punk-
marke. tes in·das Bild bzw. Sensorkoordinatensystem
Theodolitmeßsysteme bestehen aus zwei oder
mehreren Theodoliten und einem Computer,
der die Steuerung des Meßsystems, die Auswer-
Xs =f · C;} Ys =f ·(;;} (1.2.35)

tung der Daten sowie die Speicherung und Vi- dabei bezeichnetf die Kammerkonstante der Ka-
sualisierung der Ergebnisse übernimmt (Abb. mera, welche näherungsweise der Bildweite des
1.2-24). Heute stehen automatisierte Systeme zur Objektivsystems entspricht.
Verfügung. Typische Anwendungsgebiete dieses Die Kombination der Gln. (1.2.34) und ( 1.2.35)
Meßverfahrens sind führt zu der Beobachtungsgleichung (Kollinea-
- die Qualitätskontrolle von Fertigteilen bei Fer- ritätsgleichung)
tigteilbauwerken,
- Deformationsmesstingen an Bauwerken und
x =-J ru(x0 -öx)+r12 (y0 -öy)+r13 (z0 -öz)
5 r31 (x 0 -öx)+r32 (y0 -öy)+r33 (z0 -öz)
Maschinenanlagen,
- die Erfassung der Geometrie von Bauwerken. _f
r21 (x 0 -öx)+r22 (y0 -öy)+ r23 (z 0 -öz)
Ys -- r31(xo -öx)+r3z(Yo -öy)+r33(zo -öz)
1.2.7.2
(1.2.36)
Punktbestimmung durch Richtungsmessungen
mit photogrammetrischen Verfahren Die Koeffizienten r 11 .•• r33 sind Funktionen, wel-
che die räumliche Orientierung der optischen
Bei photogrammetrischen Verfahren werden Objekt-Achseinbezug auf das Objektkoordina-
Raumrichtungen mit analogen oder digitalen tensystem beschreiben. Sind sie nicht bekannt,
Kameras bestimmt. Die Abbildung eines Objekt- so werden sie in Gl. ( 1.2.36) neben den öx, öy und
punktes P auf den Film oder einen elektrischen öz als weitere Unbekannte betrachtet. Für ihre
Sensor (CCD-Array) der Kamera ist in Abb. l.2-25 Berechnung benötigt man einige Festpunkte
wiedergegeben. (sog. "Paßpunkte") im Objektkoordinatensy-

Yo Objekt

Abb. 1.2-25 Abbildungsvorgang bei photogrammetrischer Punktbestimmung

1-66 Allgemeine Grundlagen


Abb. 1.2·26 Analytischer Stereoplotter

stem. Meßwerte (bzw. Beobachtungen) sind die Sonst entsprechen die Einsatzgebiete denen des
Bildkoordinaten (xs, Ys). Abschnitts 1.2.7.1, wobei nicht immer leicht zu
Ein Punkt ist im Raum jedoch erst durch den entscheiden ist, ob es sinnvoller ist, Kameras
Schnittzweier im Raum festgelegter Richtungen oder Theodolite für die Meßwerterfassung zu
eindeutig bestimmt. Für die 3D-Punktbestim- verwenden.
mung benötigt man daher mindestens zwei Auf-
nahmekameras. Vielfach wählt man jedoch eine 1.2.7.3
"Multi-Stations-Lösung", bei der mehrere Ka- Punktbestimmung mit polaren
meras benutzt werden. Die Auswertung erfolgt Vermessungssystemen
dann über ein Ausgleichungsverfahren.
Für das Ausmessen der Bildkoordinaten, die Bei diesen Meßeinrichtungen (elektronischen
Auswertung des Modells GI. ( 1.2.36) und die Dar- Tachymetern und Meßrobotern) ist das Basisko-
stellung der Ergebnisse in numerischer oder gra- ordinatensystem (Abb. 1.2-27) durch den Schnitt-
phischer Form stehen analytische Auswertege- punkt der Achsen des Theodolits und den Hori-
räte - analytische Stereoplotter (Abb. 1.2-26) - zontalkreis vorgegeben. Die h-Achse ist durch
zur Verfügung. Das Meßsystem besteht im we- die Stehachse, die x-Achse durch eine Parallele
sentlichen aus dem Komparator für die Meßauf- zur Richtung "Teilkreis Null" und der Ursprung
gaben, einem Computer für die Steuerung und durch den Schnittpunkt Po von Steh-, Kipp- und
Auswertung sowie einem Zeichentisch und ei- Zielachse vorgegeben.
nem Drucker. Heute stehen weitgehend automa- Eine einfache Lösung für die Berechnung der
tisierte Systeme zur Verfügung. Pi im Objektkoordinatensystem ergibt sich, wenn
Die Bilder werden entweder mit Kameras auf man zwei aufeinanderfolgende Rechenschritte
der Erde oder von Flugzeugen aus aufgenom- vorsieht:
men. Typische Anwendungsbereiche sind - Bestimmung der rechtwinkligen Koordinaten
- die Herstellung von Planungsunterlagen für der Objektpunkte aus den gemessenen Polar-
Großbaustellen und koordinaten (r, z, sR):
- die Fassadenvermessung bei der Altbausanie-
rung.

Ingenieurgeodäsie 1-67
h

P0 ---+--r-:-r--'-1--:,.-----
' I I
-----~~.._;,' y
X

I y

Abb. 1.2-27 Konzept eines polaren Vermessungs-


systems

Abb. 1.2-28 GPS-24-Satellitenkonstellation

[xly =[sRsinzcosrl
sRsinzsinr . ( 1.2.37)
Tabelle 1.2-1 Meßsignale der Satellitenpositionierung
h SRCOSZ

- Transformation dieser Koordinaten mit Signal MHz A Genauigkeit


GI. (1.2.5) in das Objektkoordinatensystem. Träger L1 1575,42 20cm 2mm
L2 1227,60 2Scm 2mm
Codes p 10,23 30m 0,03...0,3m
Die Meß- und Auswertevorgänge laufen nahezu C/A 1,023 300m 0,3 ... 3,0 m
oder vollständig automatisch ab, wenn Meßro-
boter (s. 1.2.5.4) verwendet werden. Typische Ein-
satzgebiete sind die Absteckung und Aufmessung sammelt die von den Kontrollstationen zu den
von Bauwerken, Deformationsmessungen, die Satelliten ausgeführten Distanzmessungen und
Navigation von Baumaschinen sowie die Quali- berechnet daraus Uhrenparameter für die Satel-
tätskontrolle von Fertigteilen. litenuhren sowie die Parameter (Ephemeriden)
der zukünftigen Satellitenbahnen. Diese werden
1.2.8 über Bodenantennen an die Satelliten und von
30-Positionsbestimmung dort als Datensignal an die Empfänger gesendet.
mit Satellitenverfahren Das Nutzersegment besteht aus der Gesamt-
heit der Empfänger. Ihre Hauptaufgabe ist es, die
Seit 1960 werden Satellitensysteme für Positions- über dem Horizont vorhandenen Satelliten zu
bestimmungen und weltweite Navigation ent- identifizieren, die von ihnen gesendeten Signale
wickelt. Die Betreiber haben sich beim Aufbau zu empfangen und mit den Träger- bzw. Codesi-
des Systems GPS folgende Ziele gesetzt: Weltweit gnalen die Distanzen zu den Satelliten zu be-
soll es an jedem Ort, zu jeder Zeit und bei jedem stimmen. Das Datensignal wird für die Positi-
Wetter eine Meßgenauigkeit (2a) der Position ons- und Navigationsberechnungen benötigt.
von 16 m, der Geschwindigkeit von rund 0,2 m/ s Das Prinzip der Distanzmessung ist für Codesi-
und der Zeit von <100 ns ermöglichen. gnale in Abb. l.2-12b und für Trägersignale in
Im Gesamtkonzept unterscheidet man zwi- Abb. l.2-12d dargestellt. Die Bezeichnungen der
schen dem Raum-, Kontroll- und Nutzerseg- Meßsignale, ihre Frequenzen, ihre Wellenlängen
ment Das Raumsegment besteht aus 24 Satelli- und das Potential für die Genauigkeit der Di-
ten, deren Bahnen in sechs verschiedenen Bahn- stanzmessungen sind in Tabelle 1.2-1 wiederge-
ebenen liegen. Ihre Höhe beträgt 20000 km bei geben.
einer Umlaufzeit von 12 h (Abb. 1.2-28). Man unterscheidet zwischen absoluter und re-
Das Kontrollsegment besteht aus der Master lativer Positionierung. Das Prinzip der absoluten
Control Station (MCS), die sich in Colorado Positionierung ist in Abb. 1.2-29 dargestellt. Mißt
Springs (USA) befindet, und vier weiteren Moni- man drei Distanzen r;i zu Satelliten, so ist durch
torstationen, die weltweit verteilt sind. Die MCS jede Distanz eine Kugel bestimmt, in deren Zen-

1-68 Allgemeine Grundlagen


Abb. 1.2·30 Relative Positionierung

eindeutige Lösung der Positionierungsaufgaben


müssen also mindestens vier Satelliten sichtbar
sein, damit man zu ihnen Distanzen messen
kann. Die Positionskoordinaten der Satelliten
werden mit dem Datensignal der Satelliten oder
von einem anderen Service zur Verfügung ge-
stellt.
In Wirklichkeit sind noch weitere Korrektur-
glieder zu berücksichtigen. In vereinfachter Form
Abb. 1.2-29 Prinzip der absoluten Positionierung
lassen sie sich alle in der Beobachtungsgleichung
(1.2.40)
trum sich der entsprechende Satellit befindet.
Drei Distanzen definieren drei Kugeln, mit de- darstellen. Dabei erfassen die Beiwerte
nen sich die Position des Empfängers durch ei- - a, empfängerspezifische Einflüsse, wie Fehler
nen räumlichen Bogenschlag bestimmen läßt. der Empfängeruhr, Beeinträchtigungen des
Die Station liegt nämlich dort, wo die drei Ku- Signals im Empfänger und in seiner Umge-
geln einander in einem Punkt schneiden. Mit bung, bedingt durch die Atmosphäre;
Abb. 1.2-29 kann man jetzt die Beobachtungs- - ß' satellitenspezifische Einflüsse, wie Fehler
gleichung der Satellitenuhr, Satellitenbahnfehler, Beein-
trächtigungen des Signals im Satelliten und in
1/ =I~ -R;j seiner weiteren Umgebung, bedingt durch die
Ionosphäre;
=~(X'-X;)
·
+(Y'-Y;)2
2. . )2
+(Z'-Z; (1.2.38) - y/ Satelliten-Empfänger-Paar-spezifische Ein-
flüsse, wie Beeinträchtigungen des Signals im
aufstellen, wobeipi mit den Komponenten Jd, yj, Ausbreitungsmedium.
zi den Positionsvektor des Satelliten und R; mit
den Komponenten X;, Y;, Z; den Positionsvektor Bei der Positionierung begrenzen die in
des Empfängers wiedergibt. GI. (1.2.40) zusammengefaßten Fehlereinflüsse
Das bisher beschriebene Modell setzt voraus, die Genauigkeit normalerweise auf etwa 16m.
daß sich im Satelliten und im Empfänger hoch- Alle Fehlereinflüsse lassen sich weitgehend
genaue Uhren befinden, die streng synchron lau- eliminieren, wenn man das Verfahren in ein
fen. In Wirklichkeit verwendet man jedoch im Differenzmeßverfahren umfunktioniert. Man
Empfänger aus Kostengründen eine weniger ge- spricht dann von relativer Positionierung. Bei ihr
naue Uhr. Da diese Uhren driften, weisen sie ge- bestimmt man im einfachsten Fall die Koordina-
genüber dem GPS-Zeitsystem ständig einen Zeit- ten eines Neupunktes in bezug auf einen Refe-
fehler Öt; auf, der zusätzlich in der Beobachtungs- renzpunkt, d.h., man bestimmt einen Vektor a,
gleichung zu berücksichtigen ist: mit dem sich durch polares Anhängen an einen
Referenzpunkt P1 ein Neupunkt N;festlegen läßt
(1.2.39) (Abb. 1.2-30):
XN=X 1 +a. (1.2.41)
Dabei beschreiben die Qij die geometrische Weg-
länge. Insgesamt sind somit vier Unbekannte x 1 und XN sind Positionsvektoren.
vorhanden: die drei Koordinaten (X;, Y;, Z;) der In den Auswertealgorithmus führt man jetzt
Bodenstation und die Zeitkorrektur Öti. Für eine nicht mehr die ursprünglichen Beobachtungs-

Ingenieurgeodäsie 1-69
gleichungenvom Typ (1.2.40) ein, sondern Glei- In vielen Ländern werden von staatlichen oder
chungen von Beobachtungsdifferenzen. Abbil- privaten Organisationen flächendeckend in Ab-
dung 1.2-31 zeigt, wie aus den Distanzen D1 und ständen von etwa 40 km permanent arbeitende
D2, die von zwei Empfängern zu einem Satelli- Referenzstationen betrieben. Die Daten werden
ten j gemessen werden, die Einfachdifferenz von Rundfunkanstalten über UKW, Kurzwelle
llrY =Dz- D1 gebildet wird. Eine weitere Ein- (2-m-Band) oder Langwelle an die Nutzer über-
fachdifferenz llDk erhält man, wenn von den tragen. So werden in Deutschland z. B. vom
beiden Empfängern aus zu einem zweiten Satel- Satellitenpositionierungsdienst der deutschen
liten k zusätzliche zwei Distanzen gemessen wer- Landesvermessung SAPOS folgende Dienste an-
den. Aus der Differenz der Einfachdifferenzen geboten:
erhält man dann eine Doppeldifferenz: llrY k = - SAPOS EPS: Echtzeitpositionierung mit 1 bis
llrY -llDk. Vorwiegend arbeiten die Auswerte- 3m Genauigkeit.Anwendungsbeispiele: Fahr-
programme heute mit solchen Doppeldifferen- zeugnavigation, Verkehrsleitsysteme, Telema-
zen. Für den Referenzpunkt benötigt man Koor- tik im Verkehr, Flottenmanagement, Polizei,
dinaten im ITRF-, ETRF- oder WGS-84-Koordi- Rettungsdienste, Feuerwehr und Hydrogra-
natensystem. Wie GI. (1.2.41) zeigt, werden dann phie.
auch alle Neupunkte in diesem System bestimmt. - SAPOS HEPS: Echtzeitpositionierung mit 1
Bei der relativen Positionierung benötigt man bis 5 cm Genauigkeit. Anwendungsbeispiele:
folglich immer mindestens zwei Empfänger: Bau- und Ingenieurvermessung, Katasterwe-
einen auf der Referenzstation und weitere auf sen, Geoinformationssysteme, Hydrographie
den Neupunkten. Die Instrumente sind leicht und Navigation von Baumaschinen.
transportierbar und können entweder auf einem - SAPOS GPPS: 1 cm Genauigkeit"near online"
Stativ oder einem Lotstock befestigt werden. Der oder im Postprocessing. Der Datenaustausch
Rest der Meßeinrichtung wird in einem Ruck- erfolgt über Mobiltelefon oder auf Datenträ-
sack getragen (Abb. 1.2-32). gern. Anwendungsbeispiele: Ingenieurver-
Bei Echtzeitmessungen benötigt man die Da- messung und Katastervermessung.
ten beider Stationen auf der Station, wo die Aus- - SAPOS GHPS: Positionierung im Millimeter-
wertungen unmittelbar vorgenommen werden bereich. Anwendungsbeispiele: Referenzsyste-
sollen. Für den Datenaustausch dient dann eine me für Landesvermessung und Ingenieurver-
zusätzliche Telemetrieausrüstung. messung (Tunnelnetze, Brückennetze, Defor-
Orientiert an der Genauigkeit, kann man die mationsmessungen, Gleisvermessungen).
Meßsysteme in zwei Gerätegruppen aufteilen:
- Gruppe 1: Genauigkeiten der Basislinien
2... 20 mm + 0,01...1 ppm,
- Gruppe II: Genauigkeiten der Basislinien
0,1. .. 5 m.

Abb. 1.2·31 Beoba<htungen für das Bilden von Doppel-


differenzen Abb.1.2·32 GPS-Meßausrüstung

1-70 Allgemeine Grundlagen


1.2.9 1.2.10
Grundprinzip der Ausgleichungsverfahren Absteckung von Bauwerken

Ausgleichungsverfahren wendet man an, wenn Bei der Absteckung von Objekten handelt es sich
die Anzahl der Beobachtungen größer ist als die um eine Umkehrung der Ansätze, die für die
Anzahl der Unbekannten. Wesentliche Vorteile Punktbestimmung zur Verfügung stehen (s. 1.2.6
sind: bis 1.2.8). Die Objekte sind durch einzelne Ob-
- Die Genauigkeiten der neu berechneten Para- jektpunkte,deren Koordinaten bekannt sind, ab-
meter lassen sich beurteilen. strahiert. Die Objektpunkte sind dabei so zu
- Die Zuverlässigkeit der Messungen läßt sich wählen, daß sie das Objekt vollständig beschrei-
überprüfen, indem man feststellt, inwieweit ben.
grobe Fehler vorliegen und wie sie sich auf das Bei vektoriellen Meßinstrumenten berechnet
Auswerteergebnis auswirken. man jetzt aus den Koordinaten der Objektpunk-
te die Werte, die bei der Punktbestimmung ab-
Die Beobachtungsgleichungen - z.B. die Gin. gelesen werden. Es sind dies die aufTeilkreis Null
(1.2.10), (1.2.1Sb), (1.2.19), (1.2.36) und (1.2.39) bezogenen Richtungen, die Zenitwinkel und die
- sind in Verbesserungsgleichungen umzuwan- Distanzen. Diese Werte stellt man am Gerät ein,
deln, indem an die Beobachtungen L;, welche um die Punkte im Gelände aufzusuchen. Bei
stets kleinere Fehler aufweisen, Verbesserungen Meßeinrichtungen, die unmittelbar rechtwinkli-
v;angebrachtwerden: ge Koordinaten erzeugen, stellt man den Ziel-
punktsensor in der Nähe des gesuchten Objekt-
L; + v; = f(x,y, z). (1.2.42)
punktes auf und erzeugt sich dort die Nähe-
Falls kein linearer Zusammenhang gegeben ist, rungskoordinaten. Aus den Differenzen zwi-
sind diese Gleichungen zunächst mit der Taylor- schen den Soll- und Istkoordinaten kann man
schen Reihe (vgl. 1.2.6) zu linearisieren. Man er- dann Suchhilfen für das endgültige Aufsuchen
hält dann folgendes System von Gleichungen: des Zielpunktes ableiten.
In der Regel benötigt man für jede Baustelle
(1.2.43)
ein eigenes Baustellennetz, das sich dem abzu-
In Matrizenschreibweise hat GI. ( 1.2.43) die Form steckenden Objekt optimal anpaßt. Die Punkte
des Netzes sollen so liegen, daß sich von ihnen
L+v=Ax (1.2.44)
ausgehend die Detailabsteckungen mit möglichst
mit x = xo +dx, y = Yo + dy, z = zo + dz; xo,yo,zo geringem Aufwand ausführen lassen. So haben
sind Näherungskoordinaten. z.B. die Baustellennetze beim Verkehrswegebau,
Das Gleichungssystem läßt sich lösen, wenn Tunnelbau und Brückenbau sehr unterschiedli-
man z. B. die von Gauß entwickelte Methode der che Geometrien.
kleinsten Quadrate anwendet. Man erhält dann Bei der Absteckung von Verkehrswegen schafft
zunächst die Normalgleichungen man sich i.d.R. ein Grundnetz (Abb. 1.2-33), das
ATAx-ATL=O (1.2.45)
und daraus den Vektor der Unbekannten
a Grundnetz
(1.2.46)
Bei den x handelt es sich jetzt um Schätzwerte.
Von besonderem Interesse ist noch der Faktor
(ATAt 1• Er enthält die Varianzen der neu be- .........
rechneten Parameter und ermöglicht eine Beur- lkm
teilung ihrer Genauigkeit. b Verdichtungsnetz

:><:
Die Ausgleichungsverfahren können hier nur
in ihrer einfachsten Form beschrieben werden. ~ ~
In Wirklichkeit sind sie sehr komplex. Es sei da- 200m
her auf weitere Literatur wie [Caspary/Wich- 6 Festpunkt o 1-lun·Punkt c Polygonpunkt
mann 1994] und [Koch 1987] verwiesen.
Abb. 1.2-33 BausteUennetz für defl Vedlellrwtegebail

Ingenieurgeodäsie 1-71
eine linienförmige Gestalt hat. Normalerweise die Verbindung zwischen den Portalen herstellt
besteht es aus Punkten, die sich in einem Ab- (Abb. 1.2-34a), und einem unterirdischen Netz,
stand von etwa 1 km längs der Trasse erstrecken. das den Absteckungsarbeiten und der Kontrolle
Für die Verknüpfung mit dem Landeskoordina- des Bauwerkes dient (Abb. 1.2-34b).
tensystem müssen einige Festpunkte des Lan- Das Hauptnetz besteht aus Hauptpunkten,
desnetzes einbezogen werden. Dieses Grundnetz von denen je einer in der Nähe der Tunnelmün-
läßt sich am wirtschaftlichsten mit Satellitenpo- der vermarkt wird. Für den Richtungsanschluß
sitionierungsverfahren vermessen. müssen außerdem in der Nähe der Hauptpunk-
Als Grundlage für die Detailabsteckungen te je zwei bis drei Nebenpunkte vermarkt sein.
schafft man sich durch parallel verlaufende Poly- Ihr Abstand von den Hauptpunkten soll 1 bis
gonzüge am Rande der Baustelle in einer zwei- 2 km nicht überschreiten, damit auch bei ungün-
ten Stufe ein Verdichtungsnetz. Diese Polygon- stiger Witterung noch Beobachtungen möglich
punkte sollen längs der Trasse einen Abstand sind. Zur Verknüpfung mit dem Landesnetz
von etwa 200m haben. Das Polygonnetz kann müssen Festpunkte in das Hauptnetz einbezogen
man sehr wirtschaftlich mit elektronischen werden. Für die Lagemessungen nutzt man Sa-
Tachymetern vermessen. Ausgehend von diesen tellitenpositionierungsverfahren, für die Höhen-
Punkten erfolgt dann über Polarverfahren (mit bestimmungen Feinnivellements. In dem unter-
Tachymetern, Meßrobotern oder GPS) die De- irdischen Netz wählt man die Form eines Poly-
tailabsteckung. Die Höhen des Grundnetzes be- gonzuges oder Polygonnetzes. Ein Polygonnetz
stimmt man durch ein Feinnivellement, die des wird praktisch immer bevorzugt, da es in sich
Verdichtungsnetzes durch trigonometrische Hö- kontrolliert werden kann. Für die Festlegung der
henmessungen. Die relative Genauigkeit zwi- Punkte werden normalerweise an den seitlichen-
schen benachbarten Punkten soll in der Lage Tunnelwänden spezielle Konsolen montiert.
normalerweise kleiner als 1 cm und in der Höhe Die Qualität des Gesamtnetzes muß so beschaf-
kleiner als 2 bis 3 mm sein. fen sein, daß eine vorgeschlagene Durchschlags-
Ziel der Absteckung von Tunneln ist es, die genauigkeit eingehalten wird. Sie ist abhängig
Tunnelachse und das Tunnelbauwerk abzu- von der Vortriebslänge und wird allgemein als
stecken. Man benötigt hierfür ein spezielles Tun- Werts (in ern/km Tunnellänge) vorgegeben.
ne/netz. Die für die Absteckung notwendigen Be- Für die Absteckung von Brücken benötigt man
rechnungen werden normalerweise nicht in ei- spezielle Brückennetze. Häufig wird eine An-
nem räumlichen System, sondern getrennt nach ordnung der Punkte symmetrisch zur Brücken-
Lage und Höhe ausgeführt. Ein Tunnelnetz be- achse gewählt (Abb. 1.2-35). Das Grundnetz
steht aus zwei Teilnetzen mit jeweils unterschied- (Stufe 1) besteht dann aus aneinandergereihten
lichen Zwecken: einem Hauptnetz (Stufe 1), das Rechtecken mit Hauptpunkten. Für die Verknüp-

a Hauptnetz
Tunnelschacht

!:h.~~~~t--
b unterirdisches Netz

/';. Festpunkte
o Hauptpunkte
• Nebenpunkte
0 Polygonpunkte

Abb. 1.2-34 Baustellennetz für den Tunnelbau

1-72 Allgemeine Grundlagen


A Festpunkte
-} -----0 ---- -o- ----[-- !A 0 Hauptpunkte
Achse • Nebenpunkte

Abb. 1.2-35 Baustellenneu für den Brückenbau

Meßlatte

lotungssystem -fl!:-==~
Standpunktlinie
Standpunktkreis
Beckensohle

Abb. 1.2-36 Prinzip der Absteckung beim Hochbau

fung mit dem Landesnetz sind auch Festpunkte auf das Koordinatensystem des Bauwerkes. Das
in das Grundnetz einzubeziehen. Die Lagekoor- Prinzip soll hier am Beispiel eines Kühlturms
dinaten bestimmt man durch Satellitenpositio- beschrieben werden. Man abstrahiert die Schale
nierung, die Höhen durch ein Feinnivellement des Kühlturms durch gleichabständige Meridi-
Die relative Genauigkeit zwischen den Festpunk- ane und bildet diese orthogonal auf der Becken-
ten soll kleiner als 5 mm in der Lage und kleiner sohle ab (Abb. 1.2-36). Das Zentrum des entste-
als 1 bis 2 mm in der Höhe sein. Ausgehend von henden Strahlenbüschels ist Ursprung des Ko-
den Hauptpunkten, schafft man sich über Polar- ordinatensystems und die Projektion eines aus-
verfahren Nebenpunkte (Stufe 2), von denen aus gewählten Meridians die x-Achse. Auf dem
die Detailabsteckung der Brückenpfeiler und Strahlenbüschel werden in konstanten Abstän-
Widerlager ausgeführt wird. Die Montage der den Meßmarken eingelassen. Ausgehend von
Fahrbahntragwerke kontrolliert man mittels Po- diesen Marken, lassen sich Radien der Schale für
larverfahren von den Haupt- und Nebenpunkten beliebige Bauhöhen markieren. Während des
aus. Fertigungsprozesses werden die Radien mit ei-
Die Absteckung von Hochbauten (Bürohäuser, nem Lot hochgelotet Da die Zielpunkte i.d.R.
Kühltürme, Brückenpfeiler, Silos) erfolgt häufig durch ein Klettergerüst verdeckt werden, erfolgt
mit einem optischen Lot oder Laserlot in bezug die radiale Absteckung indirekt über eineradial

Ingenieurgeodäsie 1-73
ausgerichtete horizontale Meßlatte. Die Abstek-
kung zwischen den Meridianen wird durch In-
terpolation vorgenommen.
Für die Höhenübertragung gibt es unter-
schiedliche Verfahren: Zunächst ist die Höhe von
vornherein durch das Schalungsverfahren gege-
ben, da man Schalungstafeln konstanter Höhe
verwendet. Die Höhen können aber auch mit ei-
nem Nivelliergerät, das sich auf der Bühne des
Klettergerüstes befindet, auf die Betonwand
übertragen werden, nachdem man den Betrag o Objektpunkte
b,. Festpunkte
der Höhe über der Beckensohle mit dem Nivel-
liergerät an einem Maßstab abgelesen hat, der
am zentralen Kran befestigt ist. Die Aufmessung Abb. 1.2-37 Absolute und relative Deformationsmes-
sungen
erfolgt mit dem gleichen Verfahren wie die Ab-
steckung. Eine ausführliche Beschreibung der
Methoden kann man z.B. in [Kahmen 1997] fin-
den.

1.2.11
Deformationsmessungen an Bauwerken

Deformationsmessungen (Überwachungsmes-
sungen) haben die Aufgabe, Lage- und Höhen-
änderungen eines Untersuchungsobjekts gegen-
über seiner Umgebung und/oder dessen Verfor-
mung als Funktion der Zeit zu ermitteln. Ursa-
chen können innere oder äußere Einflüsse sein,
wie Veränderungen des Untergrunds, Lastauf-
t:. Festpunkte o Objektpunkte
tragung, Lastabtragung, Materialveränderun- o Kontrollpunkte • Alignementspunkte
gen, Temperatur, Winddruck, Feuchtigkeit usw.
Grundsätzlich unterscheidet man bei der Art der
Deformationen zwischen Verformungen (Deh- Abb. 1.2-38 Überwachung eines Staudamms
nung, Scherung, Durchbiegung, Torsion) und
Festkörperbewegungen (Senkung, Hebung,
Schiefstellung) des gesamten Objekts. den: die Oberwachung eines Staudammes (Abb.
Um den Aufwand der Überwachungsmessun- 1.2-38). Für die absoluteüberwachungerrichtet
gen wirtschaftlich zu gestalten, abstrahiert man man auf der Landseite ein Netz von Kontroll-
das Bauwerk durch eine Anzahl von Objekt- punkten, die nach außen durch Messungen zu
punkten, welche das Objekt eindeutig beschrei- Festpunkten gesichert werden. Die Überwa-
ben. Als Meß- und Auswerteverfahren eignen chung kann in bezug auf die Kontrollpunkte
sich alle in 1.2.5 bis 1.2.9 beschriebenen Verfah- über Vorwärtseinschneiden (s. 1.2.6.2) erfolgen.
ren sowie Alignements und Lotungsverfahren. Die Messungen führt man i.d.R. ein- bis zweimal
Bei der Planung der Überwachungsmessungen pro Jahr durch. In der Zwischenzeit überwacht
unterscheidet man noch zwischen relativen über- man den Damm durch relative Messungen. Hier-
wachungsmessungen, bei denen nur die Relativ- für eignen sich Alignements und Lotungsver-
lage der Objektpunkte zueinander kontrolliert fahren.
wird, und absoluten überwachungsmessungen, Beim Alignement beobachtet man Verfor-
bei denen die Bewegung der Objektpunkte ge- mungen des Bauwerkes relativ zu einer Bezugs-
genüber äußeren Festpunkten kontrolliert wird linie oder Bezugsebene. Eine Bezugslinie kann
(Abb. 1.2-37). Häufig wendet man beide Verfah- z. B. durch einen gespannten Draht, einen Laser-
ren zusammen an. strahl oder die Visurlinie eines Theodolitfern-
Von den vielen denkbaren Anwendungsbei- rohres realisiert werden. Die Verformungen in
spielen soll hier nur eines kurz beschrieben wer- der Umgebung der Bezugslinie lassen sich dann

1-74 Allgemeine Grundlagen


mit Hilfe eines Maßstabs oder mit einem elek-
trischen Sensor, einem Extensometer, bestim-
men. Der Maßstab wird dabei am Bauwerk be-
festigt; am Draht befindet sich ein Zeiger, mit
dem abgelesen werden kann. Bei einem häufig
verwendeten Extensometertyp mißt man Induk-
tionsänderungen einer Spule. Am Bauwerk sind
dann Spulenkörper befestigt und am Draht An-
ker, die sich bei Verformungen relativ zur Spule
bewegen. Diese rufen die Induktionsänderun-
gen hervor. Mit der Kennlinie des Gebers lassen Abb. 1.2-39 Navigation einer Baumaschine
sich die Induktionsänderungen in Wegänderun-
gen umrechnen. ist dies z. B. bei Gradem, Planierraupen, Straßen-
Bei Lotungsverfahren erzeugt man sich die fertigem und Bohrausrüstungen. Die Maschine
Bezugslinie durch den Draht eines Hänge- oder wird bei diesen Verfahren durch ein Maschinen-
Schwimmlotes. Bezugslinien oder Bezugsebe- koordinatensystem abstrahiert (Abb. 1.2-39}.
nen können u.a. auch mittels eines hydrostati- Mit einem automatischen 3D-Positionierungs-
schen Schlauchwaagensystems erzeugt werden. system - es eignen sich GPS-Empfänger oder
Meßroboter - werden ständig drei Zielpunkte
1.2.12 auf der Maschine in bezugauf das Koordinaten-
Navigation von Fahrzeugen und Baumaschinen system der Baustelle bestimmt. Damit ist auch
fortlaufend das Koordinatensystem der Bauma-
Bei der Navigation verschafft man sich Merk- schine in bezug auf das Baustellennetz festge-
male oder Hilfsmittel, mit denen sich ein Stand- legt. Ist außerdem die Geometrie der rotatori-
ort bestimmen läßt oder mit deren Hilfe man je- schen und translatorischen Bewegungen der
derzeit zu einem gewünschten Ort findet. Ein ty- Mechanik der Maschine bekannt, so läßt sich das
pisches Beispiel im Bauingenieurwesen ist die Muster der Bewegungen der Bearbeitungsgerä-
Steuerung (Navigation) von Tunnelvortriebsma- te vorab berechnen und in einem Computer
schinen. Von den vielen bisher entwickelten Ver- speichern. Nach diesem Muster können dann die
fahren soll eines kurz beschrieben werden. Im Werkzeuge (Bohrer, Planierschaufeln usw.) mit
Prinzip handelt es sich darum, die Richtung der hoher Genauigkeit computergesteuert geführt
Achse einer Maschine relativ zur theoretisch ge- werden.
rechneten Tunnelachse zu überwachen. Die Ist- Von besonderem Interesse ist die Navigation
Iage der Maschine in bezugauf das Koordina- der Fahrzeugflotte eines Bauunternehmens. Die
tensystem der Baustelle erhält man, indem fort- Position aller im Einsatz befindlichen Fahrzeu-
laufend im Anschluß an das unterirdische Netz ge läßt sich z. B. mit dem System SAPOS EPS
des Tunnels (Abb. 1.2-34) zwei Punkte seiner (s. 1.2.8} jederzeit mit hoher Genauigkeit festle-
Achse mittels Polarverfahren bestimmt werden. gen. Von einer Zentrale aus kann dann ein opti-
Die Sollage ist aufgrund theoretischer Berech- maler Einsatz der Fahrzeuge überwacht werden.
nungen bekannt. Aus dem Soll/Ist-Vergleich er-
hält der Operateur der Maschine alle Daten für 1.3
die Steuerung (Navigation) längs der Sollachse.
Bauphysik
Häufig werden in die Vortriebsmaschinen noch
elektronische Libellen eingebaut, um zusätzlich
1.3.1
das Verrollen um die Längsachse und ein Ver-
Wärme
kippen in Vortriebsrichtung zu überwachen.
Verwendet man für die Bestimmung der Ach- Der Wärmeaustausch eines Gebäudes mit seiner
senpunkte Meßroboter, so läßt sich der gesamte Umgebung ist in der Bauphysik v. a. aus drei
Navigationsvorgang gesteuert durch einen Com- Gründen wichtig: Zum einen soll der Energie-
puter weitgehend automatisch betreiben. verbrauch eines Gebäudes minimiert werden,
Sensoren für die 3D-Punktbestimmung er- indem man die Transmissionswärmeverluste re-
möglichen es inzwischen, auch Baumaschinen duziert, die Lüftungswärmeverluste minimiert
im Erd- und Straßenbau weitgehend automa- und die Sonneneinstrahlung nutzt (Regelwerk:
tisch zu steuern bzw. zu navigieren. Vorteilhaft Wärmeschutzverordnung). Zum zweiten muß

Bauphysik 1-7 5
aus hygienischen Gründen eine Taupunktsun- Die Wärmestromlinien bezeichnet man als Adia-
terschreitung vermieden werden, die v. a. bei baten. Sie stehen senkrecht auf den Flächen kon-
Wärmebrücken auftreten kann. Zum dritten stanter Temperatur - den Isothermen. Die Wär-
sind instationäre Vorgänge v.a. im Sommer zu mestromdichte ist dem Temperaturgradienten
beachten, um ein akzeptables Raumklima zu er- entgegengerichtet und proportional, d. h. der Ab-
zielen. Die letzten beiden Aspekte betreffen leitung der Temperatur nach der Normalen n zur
nicht zuletzt auch die hygienischen Anforde- Isothermen. Sie ist proportional zur Wärmeleit-
rungen an ein Gebäude. Vor diesem Hintergrund fähigkeit.\. Das negative Vorzeichen in GI.( 1.3.4)
werden zuerst die physikalischen Grundbegrif- besagt, daß der Wärmefluß von höheren zu nied-
fe und Mechanismen beschrieben und dann die rigeren Temperaturen erfolgt:
im Bauwesen üblichen Berechnungsmethoden. (}{}
Die Wärmemenge Q ist eine Energie und hat q=-.\-=-.\grad(-8-). ( 1.3.4)
die SI-Einheit Joule (J). Die thermodynamische on
Temperaturwird in Kelvin (K) gemessen und üb- Die Wärmeleitfähigkeit der Stoffe variiert er-
licherweise mit dem Buchstaben T bezeichnet. heblich mit der Stoffgruppe (z.B. Metall, Poly-
Außer in der SI-Einheit Kelvin können Tempe- mer, Gas). Sie ist besonders gering bei Gasen
raturen auch als Celsius-Temperaturen in °C an- ohne Konvektion.
gegeben werden. Die Celsius-Skala ist um In Abb.l.3-1 ist die Energiebilanz eines klei-
273,15 K gegenüber der Kelvin-Skala versetzt: nen Volumenelements dargestellt. Das Koordi-
na:tensystem ist so ausgerichtet, daß die isother-
-8-= T- 273,15 K. (1.3.1)
men Flächen in den y-z-Ebenen liegen, die Nor-
Temperaturdifferenzen werden nur in der SI- male n dazu folglich in die x- Richtung zeigt. Die
Einheit Kelvin angegeben. Differenz zwischen zufließendem und abflie-
Die Wärmemenge Q, die für eine Temperatur- ßendem Wärmestrom ist gleich der zeitbezogen
erhöhung !J.T erforderlich ist, ist abhängig vom in das Volumenelement eingespeicherten Wär-
Stoff und zu seiner Masse m proportional. Da- me !J.Q. Sie führt gemäß GI. (1.3.2) zu einer Tem-
mit läßt sich die spezifische Wärmekapazität c peraturerhöhung:
definieren durch die Beziehung
(q0 -qru:)·M=(-.\ o-8-1 +A o-8-1 )M
!J.Q= mc!J.T= mc!J.-8-. (1.3.2) ox 0 ox Ax
Man unterscheidet zwischen der spezifischen =otJ.Q=~ctJ.Va-8-_ (1.3.5)
Wärmekapazität bei konstantem Volumen, Cv, at at
und der bei konstantem Druck, cp. Bei Gasen ist Teilt man GI. (1.3.5) durch das Volumenelement
der Unterschied wesentlich. !1 V= M · !J.x sowie durch ~c und führt den
Wärme wird auf folgende drei Arten trans- Grenzübergang !J.x~O durch, dann erhält man
portiert: die Fourier-Gleichung für die Wärmeleitung im
- Wärmeleitung oder Transmission, das ist Wär- einachsigen Fall:
metransport in einem Stoff,
- Wärmeaustausch durch elektromagnetische
Strahlung,
- Wärmetransport in Verbindung mit einem
Stofftransport Konvektion bzw. Lüftung.

1.3.1.1
Grundlagen

Wärmeleitung

Wie jeder Wärmestrom <P setzt die Wärmeleitung


eine Temperaturdifferenz voraus. Der auf die
Fläche bezogene Wärmestrom ist die Wärme-
stromdichte Abb. 1.3-1 Wärmefluß und Warmespeicherung in
cp einem finiten Volumen
q = "A" (1.3.3)

1-76 Allgemeine Grundlagen


Wellenlänge und der Temperatur absorbiert
a& -~(A a&)-aa2& . A
mit a=- wird. Der Begriff "schwarz" wurde von dem
ot - QC·OX ox - ox 2 QC
schmalen Bereich der sichtbaren Strahlung mit
(1.3.6) Wellenlängen A zwischen etwa 380 nm (Violett)
bzw. im mehrachsigen Fall: und etwa 780nm (Rot) auf das gesamte elektro-
magnetische Spektrum übertragen. Beim schwar-
o& =-1-div(Agrad&)"'adivgrad&, zen Körper gilt a= 1, Q=t=O.
at QC Der EmissionsgradE ist definiert als der Quo-
(1.3.7) tient aus der emittierten thermischen Strahlung
wobei a die Temperaturleitfähigkeit des Materi- eines "grauen" Körpers zu der eines schwarzen
als ist. Diese Beziehung kann auch als Basis für Körpers. Der zweite Hauptsatz der Thermody-
FE-Berechnungen (FE: finite Elemente) genutzt namik (Entropiegesetz) besagt, daß zwischen
werden. zwei Körpern mit derselben Temperatur kein
Wärmetransport von selbst stattfindet. Damit
Wärmestrahlung dies auch für Wärmestrahlung erfüllt ist, muß
gelten (Kirchhoffsches Gesetz):
Wärmeübertragung durch Wärmestrahlung be-
a(A, T) = E(A, T). (1.3.10)
ruht auf Emission und Absorption elektroma-
gnetischer Wellen. Wenn auf einen Körper insge- Das Plancksche Strahlungsgesetz beschreibt die
samt der Strahlungsfluß (die Strahlungslei- Emission eines schwarzen Körpers als Funkti-
stung) 41 0 auftrifft, und davon 41r reflektiert, 41a on der Wellenlänge A der elektromagnetischen
absorbiert und 41 1 transmittiert wird, dann sind Strahlung. Die spezifische Ausstrahlung Me ist
der Reflexionsgrad Q, der Absorptionsgrad a und der gesamte Strahlungsfluß, geteilt durch die ab-
der Transmissionsgrad t wie folgt definiert: strahlende Fläche.
41 41 Aus der Abb.l.3-2 erkennt man, daß sich bei
a--a t=-t ( 1.3.8) der emittierten Strahlung die Wellenlänge des
- 41o, 41o
Maximums mit der Temperatur verschiebt. Dies
Wegen der Erhaltung der Energie gilt beschreibt das Wiensehe Verschiebungsgesetz:

Q+a+t=l. (1.3.9) Amax · T=2,898mm ·K. (1.3.11)


Ein charakteristisches Bezugssystem ist der sog. Bei der Oberflächentemperatur der Sonne (ca.
schwarze Körper. "Schwarz" bedeutet hier, daß 5800 K) liegt dieses Maximum mitAmax= 500 nm
jede einfallende Strahlung unabhängig von der nahe dem Maximum der Augenempfindlichkeit

lg Me,\
sichtbareslicht
Wfm3 14
6000 K(Sonnenoberfläche)
12
~
10

6 /
,./~··· · · ····-···· ···-· ······· : .:.~=-=--~=-·· ·==--······-····
.....____300 K,. 21 •c
-~.
I
I
4

!
I
0
i
0 5 10 15 20 25 )lm 35

Abb. 1.3·2 Plancksches Strahlungsgesetz für ideal schwarze Körper bei 6000 K. 2000 K, 1000 Kund 300 K. Die spektrale spezifi-
sche Ausstrahlung M0;. ist in einem logarithmischen Maßstab in der Einheit Wfm3dargestellt. Das schmale Band des sichtbaren
Lichts zwischen 0,38 und 0.781-lm ist eingetragen.

Bauphysik 1-77
(555 nm), bei den bauphysikalisch relevanten
Temperaturen zwischen 100°C und -40 °C im In- Tabelle 1.3-1 Absorptionsgrade verschiedener Stoffe
fraroten (7,7 bis 12 J.lm). Man erkennt, daß die für eine Wännestrahlung von ca. 20 "C und filr sichtba-
wesentliche thermische Strahlung nicht sichtbar reslicht
ist. Folglich sind visuelle Eindrücke für die Be-
urteilung thermischen Strahlungsverhaltens un- Stoff Absorptionsgrad a
zureichend. Wärmestrahlung Sonnen-
Die auf die ausstrahlende Fläche A bezogene "' 20 oc licht
Metalle
Strahlungsleistung 4> ., die spezifische Ausstrah- Kupfer, poliert 0,03
lung M., nimmt mit der vierten Potenz der Tem- Aluminium, walzblank 0,04
peratur T zu: Stahl, geschmirgelt 0,25
Stahl, verrostet 0,61
4> 4 Anstriche
Me = --!.=E·O· T . (1.3.12) Emaillelack, schwarz 0,95 0,90
A Emaillelack, weiß 0,93 0,30
Ölfa rbe usw., dunkel 0,90 0,87
a = 5,67040 · 10·8 W/(m 2 • K4) ist die Stefan-Boltz-
verschiedene Stoffe
mann-Konstante. In der technischen Thermody- Dachpappe 0,90 0,90
namik und Bauphysik wird an ihrer Stelle auch Holz 0,94 0,40
Beton 0,96 0,55
die Strahlungskonstante Putz, weiß 0,97 0,36
Putz, grau 0,97 0,65
Cs=108 ·a=5,67 W/ (m 2 ·K4 ) Floatglas (6 mm) 0,91 0,12
benutzt. Beim schwarzen Körper ist E = a = 1.
Der Wärmestrom durch Strahlung zwischen
zwei Körpern mit unterschiedlicher Temperatur in der Nähe von eins liegt - auch für weiße Far-
ergibt sich aus ben, Eis, Schnee und Glas. Diese Stoffe sind im
Infraroten "schwarz". Darauf beruht auch der
sog. Glashauseffekt Glas läßt sichtbares Licht
durch. Dieses Licht wird im Raum zum Teil ab-
sorbiert und heizt die Körper im Raum auf. Für
wobei C12 von C5 , der Geometrie und dem Emis- die Wärmestrahlung ist Glas aber undurchlässig
sionsverhalten der beiden Flächen abhängt. C12 "schwarz". Die Wärme bleibt daher im Raum
ist einfach zu berechnen, wenn zwei gleich große "gefangen". Folglich steigt bei Sonneneinstrah-
Flächen A parallel angeordnet sind und der Ab- lung hinter den Glasflächen die Raumtempera-
stand zwischen ihnen im Vergleich zur Fläche so tur an. Durch dünne Eisschichten auf Metall-
klein ist, daß die seitliche Abstrahlung vernach- oberflächen ändert sich ebenfalls das Absorpti-
lässigbar ist: ons- und damit auch das Emissionsverhalten im
infraroten Bereich. Ferner ist es für die Wärme-
es
cl2 =-~'---- (1.3.14) strahlung unerheblich, ob ein Heizkörper z. B.
1 1
- + - -1 weiß oder schwarz lackiert ist.
E1 Ez
Für weitere Fälle gibt es tabellierte Werte [Lutz Wärmetransport durch Stofftransport
u.a. 1997]. (Lüftung, Konvektion)
Für den Wärmestrom durch Strahlung gilt:
- Er hängt bei parallelen, hinreichend großen Stofftransport ist mit einem Wärmetransport
Flächen nicht vom Abstand ab. gekoppelt. In der Bauphysik sind zwei Transport-
- Er nimmt mit der vierten Potenz der Tempe- medien besonders wichtig: Das Wasser als flüs-
ratur zu. siges Wasser und als Wasserdampf sowie Luft. In
der Regel wird das transportierte (Gas- )Volu-
Im infraroten Bereich, der für die Bauphysik be- men bestimmt. Wird der Volumenstrom Veines
sonders wichtig ist, weicht das Materialverhalten Stoffes von einem Ort mit der Temperatur l't 1 zu
wesentlich von dem im sichtbaren Bereich des einem Ort mit der Temperatur l't2 transportiert,
Lichts ab. Das zeigen insbesondere die Absorp- dann ist damit der Wärmefluß
tionsgrade einiger Stoffe in Tabelle 1.3-1. Im In-
fraroten haben lediglich Metalle einen niedrigen
4>cv =cp . ""n · ~it . v (1.3.15)

Absorptionsgrad, während er für andere Stoffe gekoppelt.

1-78 Allgemeine Grundlagen


Für Luft mit cp::::l,OOSkJ/(kg·K) und \>::::: Die Transmissionswärmestromdichten q,d sind
1,20kg/m3 (20°C} erhält man als Näherung für i.d.R. vernachlässigbar klein- außer bei metal-
die Lüftung: lischen Oberflächen und bei fehlender Luftbe-
wegung. Bei vernachlässigbarer Luftbewegung
Wh .
<I>L::::: 0,34--.M· ·V (z.B. unter Decken) dominiert die Strahlung. Der
m 3 ·K Wärmeübergangskoeffizient beträgt hier ca.
Wh 5,9W/(m2 ·K) bzw. der Wärmeübergangswider-
=0,34--~~·V·n. (1.3.16) stand 0,17 m 2 • K/W. Bei Konvektion z.B. an Wän-
m 3 ·K
den erniedrigt sich der Wäremübergangswider-
Der Volumenstrom ist hier in m 3/h einzusetzen. stand auf 0,13 m 2 • K/W und bei bewegter Luft im
n ist die Luftwechselrate. Sie gibt an, wie oft das Außenbereich auf Werte zwischen 0,04 und
Volumen pro Stunde ausgetauscht wird. 0,08 m 2 • K/W.
Beim Feuchtetransport ist in den Fällen der Durch die Wärmeübergangswiderstände (in-
Kondensation und der Verdunstung die hohe nen und außen) entstehen Temperaturdifferen-
Kondensationsenthalpie des Wassers zu berück- zen zwischen den Bauteiloberflächen und der
sichtigen. Dies ist v.a. wichtig, wenn sich in ei- Luft. Sie sind für die Wasserdampfkondensation
nem porösen Werkstoff der Wärmeleitung ein wichtig. Je größer im Innenraum der Wärme-
Feuchtetransport überlagert und sich dadurch übergangswiderstand und damit die Tempera-
die Wärmeleitfähigkeit eines - feuchten - Stof- turdifferenz wird, desto höher ist die Gefahr ei-
fes erhöht. ner Kondensation. Bei bauphysikalischer Be-
Auch Konvektion in Luft (<l>cv) ist Wärme- messung ist stets der ungünstigere Wert für den
transport durch Stofftransport Die Konvektion Wärmeübergangswiderstand einzusetzen, d. h.
wird dadurch ausgelöst, daß in einer warmen beim Abschätzen der Kondensationsgefahr der
Umgebung die Lufttemperatur steigt und die größere Wert und bei der Berechnung des Wär-
Dichte abnimmt. Infolgedessen entsteht ein Auf- medurchgangskoeffizienten U einer Konstruk-
trieb. In einem kälteren Bereich stellt sich der tion der kleinere Wert.
umgekehrte Vorgang ein, und es entsteht eine
zirkuläre Strömung. 1.3.1.2
Baupraktische Berechnungen
Wärmeübergangswiderstände
Vereinfachte Transmissionswärmeberechnung
An Oberflächen muß die Wärmemenge, die
durch das Bauteil fließt, mit der angrenzenden Bei den Standardaufgaben der Bauphysik be-
Luft ausgetauscht werden. Dabei addieren sich schränkt man sich auf
die Wärmeströme aus Transmission, qcd, aus - ebene Probleme, d. h., die Isothermen sind eben
Strahlung, q" und aus dem Stofftransport, qcv· und parallel, wobei Randeinflüsse vernach-
Bezeichnet man die Temperatur an der Bauten- lässigbar sind, und
oberfläche mit ~s und in der Umgebung- in aus- - stationäre Situationen,d.h., die Vorgänge sind
reichendem Abstand - mit ~a• dann kann man zeitlich konstant.
die Wärmestromdichten der einzelnen Anteile Mit dieser nicht unerheblichen Vereinfachung
ausdrücken durch wird die Wärmestromdichte q in einem Quer-
qcv =hcv(~s -~a}, schnitt konstant. Die Temperaturgradienten in-
nerhalb einer Schicht sind ebenfalls konstant
qr =~(~s-~a}, (1.3.17}
(Abb.1.3-3). Die Differenzen llx können durch
qcd = hcd(~s -~ a} · die Bauteildicke d=llx=x2-x 1 und die Tempe-
Hierin sind h die Wärmeübergangskoeffizienten raturdifferenzen durch ~~=-(~2 -~1 ) ersetzt
und ihre Kehrwerte die Wärmeübergangswider- werden. Wenn man noch den Wärmedurchlaß-
stände R5• Da sich die gesamte Wärmestrom- widerstand R bzw. seinen reziproken Wert, den
dichte als die Summe der Komponenten ergibt, Wärmedurchlaßkoeffizienten A einführt,
findet man den Wärmeübergangskoeffizienten
d 1 .\
für die gesamte Wärmeübertragung an der Bau- R=-, A=-=-, (1.3.19}
teiloberfläche: .\ R d
ergeben sich die in den Normen der Bauphysik
q=qcv+qcd+qr, h=hcv+hcd+~. (1.3.18)
üblichen Formeln:

Bauphysik 1-79
z

A A

a einschichtiges Bauteil b mehrschichtiges Bauteil

Abb. 1.3-3 Stationärer und einachsiger Wärmeßuß. Die Isothermen liegen in den y-z·Ebenen. Durch die Wärmeübergangswi-
derstände entstehen überdies Temperaturdifferenzen zwischen der Luft und den Oberflachen

Q
q=-=
{} ai- {} ae
At R5 ; +R1 +Rse
(einschichtig), {} ai -{} ae = q· (Rsi + i
k=l
Rk +Rse) =q/U ·

Q {} ai- {} ae (1.3.22)
q= At= n Abbildung 1.3-4 zeigt diese graphische Darstel-
Rs;+ LRk+Rse lung im Vergleich zu einer maßstäblichen.
k=l Nachdem im ebenen Fall angenommen wur-
= U · ({} ai- {} ae) (n- schichtig). de, daß ein seitlicher Wärmestrom vernachläs-
(1.3.20) sigbar sei, kann man den gesamten Wärmestrom
Hierin ist R5; der Wärmeübergangswiderstand über mehrere nebeneinanderliegende Bauteile
innen, Rse der Wärmeübergangswiderstand aufsummieren:
außen, Rk der Wärmedurchlaßwiderstand der
Q
Schicht k, {}ai die Lufttemperatur innen und {}ae 4>=-=q!AI +q2A2 + ... +qnAn. (1.3.23)
die Lufttemperatur außen. Die Wärmeüber- t
gangs- bzw. -durchlaßwiderstände berechnet Gleichung (1.3.23) ist die Basis für die Berech-
man nach nung des Transmissionswärmeverlusts nach der
Wärmeschutzverordnung.
R5 ; =Ilh 5 ;, R5e =Ilhse• Rk =dk!A.k . (1.3.20a)
Zur Berechnung eines mittleren U-Wertes (in
Man erkennt, daß sich bei hintereinanderliegen- der Wärmeschutzverordnung noch k) geht man
den Bauteilen die Wärmewiderstände addieren. von Standardtemperaturen aus. In der Regel
Für sie bzw. den Wärmedurchgangskoeffizien- wird eine Innentemperatur von {}a;=20°C und
ten U gilt: eine Außentemperatur von {}ae=-20°C einge-
-I setzt. Bei Kellerräumen, Dächern usw. sind die
U=(R 5 ,+ IRk+Rse) (1.3.21) Außentemperaturen {},,k naturgemäß verschie-
k=l den. Man benutzt hierfür Reduktionsfaktoren
(Bisher wurde für den Wärmedurchgangskoef-
fizienten U- auch bekannt als "k-Wert" -das (1.3.24)
Formelzeichen k benutzt.)
Die Temperaturen lassen sich zeichnerisch
oder rechnerisch ermitteln, wenn man beachtet, n

daß unter stationären und ebenen Bedingungen 4>= LUkAkrk ·({}ai-{}ae>· (1.3.25)
die Wärmestromdichte q konstant ist. k=l
Der mittlere U-Wert ist dann

1-80 Allgemeine Grundlagen


a maßstäblich b als Temperatur-Wärmewiderstands-Diagramm

Abb. 1.3-4 Temperaturverteilung in einem Bauteil

Tabelle 1.3-2 Kennzeichnungen und Reduktionsfakto-


ren der Wärmeschutzverordnung

I Index Lage des Bauteils r

W Wandflächen über Terrain, die an


Außenluft grenzen
Flächen von Fenstern, Fenstertüren
und Dachfenstern
0 Flächen wärmegedämmter Dächer 0,8
und Dachdecken
G Bauteile gegen Erdreich oder nicht 0,5
beheizte Kellerräume
DL Bauteile, die Gebäude nach unten
gegen Außenluft abgrenzen
{} = const
AB Bauteile zu Gebäudeteilen mit wesent- 0,5 1
lieh niedrigeren Innentemperaturen _j
Abb. 1.3-5 Ecke als geometrische Wärmebrücke

Geometrische Wärmebrücken entstehen, wenn


Um = (UIAI'i +UzAzrz + ... +UnAnrn) . ( 1. 3.26) bei einem Bauteil keine ebenen Verhältnisse vor-
Al +Az+ .. .+An liegen und die Außenfläche größer ist als die ent-
Die Wärmeschutzverordnung unterscheidet die sprechende Innenfläche. Beispiele sind Kühl-
in Tabelle 1.3-2 dargestellten Fälle bzw. Indizes. flächen, Ecken, Balkone. Die Dichte der Wärme-
stromlinien (Adiabaten) nimmt nach außen hin
Wärmebrücken ab, (Abb.l.3-5). Dadurch verlagern sich auch die
Isothermen zum Raum hin, und die innere
Als Wärmebrücken bezeichnet man Bereiche im Oberflächentemperatur ist erniedrigt. Details
Gebäude, in denen die Temperaturverteilung findet man in [Hauser/ Stiegell992].
signifikant von der im angrenzenden Bauteil ab- Einen vergleichbaren Effekt haben material-
weicht, das in der Bemessung als eben angesetzt bedingte Wärmebrücken. Hier ist die Wärme-
worden ist. In der Regel ist v.a. die Oberflächen- leitfähigkeit des Materials im gestörten Bereich
temperatur innen geringer. Man unterscheidet größer als in der angrenzenden Konstruktion.
zwischen geometrischen und materialbedingten
Wärmebrücken.

Bauphysik 1-81
Berücksichtigung der Strahlung bei Fenstern Die Energieflußdichte in den Raum, die durch
die Sonneneinstrahlung entsteht, setzt sich zu-
Da Glas im sichtbaren Licht durchlässig und ab sammen aus der transmittierten Strahlungsin-
einer Wellenlänge von ca. 3 pm praktisch tensität I 1 und der Wärmestromdichte q; in den
"schwarz" ist, muß bei der Energiebilanz der Raum, die dadurch entsteht, daß sich die innere
Fenster die Sonneneinstrahlung besonders be- Scheibe durch absorbierte Sonnenstrahlung auf-
rücksichtigt werden. heizt. Bezieht man diese beiden Terme auf die
Abbildung 1.3-6 zeigt die Energiebilanz der eingestrahlte Strahlungsintensität I, so läßt sich
einfallenden elektromagnetischen Strahlung. Im der sog. Gesamtenergiedurchlaßgrad g definie-
sichtbaren Bereich wird ein erheblicher Teil ren:
transmittiert, im Infraroten der überwiegende g=t+ q;. (1.3.27)
Teil absorbiert. Der Reflexionsgrad steigt mit zu- I
nehmendem Einfallswinkel an. Durch absor- Er dient dazu, die Minderung der erforderlichen
bierte Strahlung erhöht sich die Temperatur der Heizenergie im Winter zu berechnen. Bei der
Scheibe. Dadurch entsteht eine Wärmestrom- Bemessung des sommerlichen Wärmeschutzes
dichte sowohl in den Raum als auch in den Au- ist dieser Koeffizient zu groß für eine Begren-
ßenraum bzw. in den Raum zwischen den Schei- zung der Raumerwärmung. In diesem Fall sind
ben. Der Wärmestrom wiederum setzt sich aus auch Verschaltungsmaßnahmen u.ä. zu treffen.
Wärmestrahlung und Konvektion zusammen.
Die Konvektion im Scheibenzwischenraum ei- Wärmeschutzverordnung
ner Mehrfachverglasung kann durch eine Edel-
gasfüllungvermindert werden, die Abstrahlung Die Wärmeschutzverordnung hat zum Ziel, den
in den Scheibenzwischenraum durch eine dün- Heizenergiebedarf einzuschränken und damit
ne Metallbeschichtung auf der Innenseite, die den C02-Ausstoß zu reduzieren. Dazu wird der
sichtbares Licht kaum absorbiert, im Infraroten Jahres-Heizwärmebedarf OB ermittelt. Er ergibt
aber stark reflektiert. sich aus den Wärmeverlusten durch Transmissi-

innen

II =tl ) g.)= tf + ql

sichtbares Licht
• •• •••• • •••••• • •••••• • • • ••••••• • • 000 • • • ••••••••• • • • •••• •• ••••••••••••••• • •••••••• •

Infrarot (Temperaturstrahlung}

t
Abb. 1.3·6 Schematische Energiebilanz einer 2-Scheiben-lsolierverglasung bei einfallender elektromagnetischer Strahlung:
oben sichtbares Sonnenlicht, unten infrarote Temperaturstrahlung. Von der einfallenden Intensität I der Sonnenrnahlung wird
ein Teil/1 transmittiert, ein Teil/, reßektiert und ein Teil Ia absorbiert. (Reßexionen im Scheibenzwischenraum und sekundäre
Effekte sind nicht gezeichnet.} Entsprechendes gilt für die auffallende Wärmestrahlung /1Raus dem Raum, wobei hier der über·
wiegende Teil absorbiert wird. q sind die Wärmestromdichten, die von der Scheibe zusätzlich durch Wärmestrahlung und Luft·
bewegungabgeführt werden, nachdem die Strahlung sie erwärmt hat. q1 ist die Wärmestromdichte, die von der Innenscheibe
in den Innenraum abgegeben wird.

1-82 Allgemeine Grundlagen


on Qr und Lüftung (h_ sowie den Wärmegewirr- Ueq,w = Uw- gSw' (1.3.32)
nen aus solarer Einstrahlung Qs und internen
Wärmequellen OJ: wobei Uw der Wärmedurchgangskoeffizient des
Fensters ist, g der Gesamtenergiedurchlaßgrad
(1.3.28)
und Sw der Koeffizient fur solare Energiegewin-
Der Faktor 0,9 berücksichtigt, daß die Gebäude ne. In diesem Fall ist Qs gleich null.
weder zeitlich noch räumlich konstant beheizt Alternativ kann in der Transmissionswärme
werden, während für die Berechnung konstante der Uw- Wert eingesetzt werden und der Strah-
mittlere Werte benutzt werden. lungsgewinn nach
Anstatt auf die obengenannte Standardtem-
peraturdifferenz von 40 K zwischen +20°C und Qs =L(0,46I;gjAw,i,j) (1.3.33)
-20°C bezieht sich die Wärmeschutzverordnung j,i
auf die sog. Heizgradtagzahl Gt. Sie ist die über berechnet werden. Der Faktor 0,46 berücksich-
alle Tage k der Heizperiode eines Jahres erstreck- tigt den mittleren Nutzungsgrad und die Ab-
te Summe der mittleren Temperaturdifferenzen minderung durch Rahmen und Teilverschat-
multipliziert mit der Einheit d/a: tung. Im Strahlungsangebot I; ist die Einstrah-
d lung je nach Himmelsrichtung i enthalten. Aw,j
Gt = L{,'Jo ai -,'!- ae,k)·- (1.3.29) ist die Fensterfläche und Ki der Gesamtenergie-
k a durchlaßgrad des Fensters j.
In der Wärmeschutzverordnung wird mit Gt = Der jährlich maximal nutzbare Energiege-
3500 K· d/a eine mittlere Heizgradtagzahl einge- winn wird derzeit im wesentlichen pauschaliert
setzt. Da der Heizwärmebedarf in kWh/a ermit- erfaßt.
telt wird, muß man die Heizgradtagzahl mit Dem nach Gl. (1.3.28) berechneten Jahres-Heiz-
24h/d sowie mit 1 kW/(1000W) erweitern. Man wärmebedarf wird ein Sollwert gegenüberge-
erhält damit für die mittlere Heizgradtagzahl stellt, der sich aus dem Verhältnis aus der Außen-
den Ausdruck 84 kWh/a·(K/W), mit dem der fläche A und dem beheizten Gebäudevolumen V
Heizenergiebedarf ermittelt werden kann. Der errechnet. Entsprechend der lichten Geschoß-
Transmissionswärmebedarf Qr ist dann ent- höhe werden zuerst zwei Fälle unterschieden:
sprechend Gl. (1.3.25): Unter 2,60 m lichter Geschoßhöhe muß Qß~
kWh K n Qß,max gelten und über 2,60 m Q'H~ Q'h,max; da-
Qy =84--·- LUkAkrk. (1.3.30) bei ist QH~ QHIV, Q'H= OHIAN> AN= (0,32/m) V;
a W k=I Vbeheiztes Gebäudevolumen undANGebäude-
Da der Heizwärmebedarf die Dimension einer nutzfläche. Der maximale Jahres-Heizwärmebe-
Energie pro Zeit (kWh/a) hat, ist die Verwen- darf läßt sich mit
dung des Formelzeichens Q strenggenommen Q~ = [13,82+ 17,32(AN)] kWh/(m 3·a),
eine "Vereinfachung".
Für den Lüftungswärmebedarf QL ergibt sich {1.3.34)
entsprechend Gl. (1.3.16)
berechnen, wobei A und V die Zahlenwerte in m 2
kWh K Wh V
QL = 84-- · - · 0,34-- · n · VL = 18,28- bzw. m 3 sind.
a W m3·K m3 Die Wärmeschutzverordnung nennt neben
mitVL =0,8V, n=0,8h- 1• {1.3.31) diesen prinzipiellen Methoden, noch weitere zu
berücksichtigende Punkte für Wärmerückge-
Hier wurde eine Luftwechselrate von 0,8 h - 1 und winnungsanlagen, vereinfachte Nachweise für
ein Luftvolumen VL von 80% des beheizten Ge- kleine Wohngebäude, Reihenhäuser, Anforde-
bäudevolumens V angesetzt. Von diesem Aus- rungen bezüglich des sommerlichen Wärme-
gangspunkt können - v. a. auch in Zukunft - schutzes, Flächenheizungen, Heizkörperni-
künstliche Lüftung und Wärmerückgewinnungs- schen, Heizkörper vor Fenstern, Rolladenkästen
anlagen berücksichtigt werden. und der Begrenzung der Wärmeverluste durch
Die solaren Wärmegewinne kann man auf Undichtigkeit sowie Methoden für Gebäude mit
zwei Arten berücksichtigen. Zum einen kann niedrigen Innentemperaturen und bauliche Ver-
man für die Fenster einen äquivalenten U-Wert änderungen bestehender Gebäude.
berechnen,

Bauphysik 1-83
Hygienische Forderungen Dann entsteht auch im Wasser gegen den äuße-
ren Druck Dampf. Allerdings verdunstet Wasser
Während es bezüglich der Wärmeschutzverord- an freien Oberflächen auch unterhalb von 100°C.
nung ausreicht, wenn der Energieverlust eines Im Gleichgewicht verdunsten gleich viele Was-
Gebäudes im Mittel gering ist, genügt dies nicht sermolekille wie kondensieren. In der Gasphase
in bezug auf die hygienischen Verhältnisse. Um bildet sich dadurch ein partieller Wasserdampf-
Kondensation und Schimmelbildung zu vermei- druck aus, der dem Druck an der Grenzkurve
den, muß sichergestellt sein, daß auch lokal die des Phasendiagramms entspricht. Der Wasser-
Temperatur nicht unter der Taupunkttemperatur dampfpartialdruck überlagert sich den Parti-
liegen. Diese Anforderungen enthält DIN 4108-3. aldrücken der anderen Komponenten der Luft,
Sie stellt Forderungen in bezugauf die minima- insbesondere dem Stickstoff- und dem Sauer-
len Wärmedurchlaßwiderstände R der Außen- stoffpartialdruck.
bauteile. Die Anforderungen steigen, wenn die Die Komponenten der Luft können in guter
Flächenmasse der Innenbauteile unter 300 kg/ Näherung als ideale Gase betrachtet werden. Für
m 2 liegt, da dann das Wärmespeichervermögen sie gilt die allgemeine Gasgleichung zwischen
reduziert ist, mit dem nichtstationäre Effekte (Partial-)Druck p, Volumen V, Temperatur T und
aufgefangen werden sollen. Details hierzu in Stoffmenge n bzw. der Masse m:
[Keller 1997].
( 1.3.35)
1.3.2 R=8,314472 J/(mol· K) ist die universelle (mola-
Feuchte re) Gaskonstante und RB=RIMB die spezifische
(stoffbezogene ), wobei MB= m/ n die molare Mas-
Wasser tritt bei bauphysikalisch relevanten Tem- se des Stoffes Bist. In Tabelle 1.3-4 sind die Da-
peraturen in drei Phasen auf: als Flüssigkeit, ten der wesentlichen Komponenten der Luft auf-
Wasserdampf und Eis. Die Phasenübergänge geführt.
sind mit erheblichen Umwandlungsenthalpien Mit der Definition der Partialdichte (Massen-
verbunden, vgl. Tabelle 1.3-3. Welche Phasen sta- konzentration) QB=mBIV läßt sich damit der
bil sind, hängt von dem Druck und der Tempe-
ratur ab. In weiten Bereichen können beide geän-
dert werden, wobei nur eine Phase stabil ist
Abb.l.3-7. Wenn zwei Phasen eines reinen Stof-
fes gleichzeitig im Gleichgewicht stehen sollen,
dann kann man eine Größe - Druck oder Tem-
peratur - frei wählen. Die andere ist dann durch
die Grenzkurve des Phasendiagramms festge-
legt. Das Phasendiagramm gilt für reines Wasser.
Bei gelösten Stoffen, gekrümmten Oberflächen
und in hochporösen Stoffen gelten abweichende
Zusammenhänge.
Wichtig ist der Phasenübergang in die und aus
der Gasphase (Verdunsten und Sublimieren bzw.
Kondensieren). Wasser siedet, wenn unter atmo-
sphärischen Bedingungen - Luftdruck 1013 hPa Abb. 1.3·7 Phasendiagramm des reinen Wassers
- die Temperatur von 100 °C überschritten wird.

Tabelle 1.3·3 Phasen des Wassers

Phase 1 Phase2 Übergang 1 ~ 2 Übergang 2 ~ 1 spez. Umwandlungsenthalpie


kJ/kg
Wasser Eis Gefrieren Schmelzen 334
Wasserdampf Wasser Kondensieren Verdunsten 2256
Wasserdampf Eis Sublimation

1-84 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.3·4 Komponenten der Luft

Stoff moi.Masse M8 spez. Gaskonstante R8 VoL-Anteil Massenanteil Partialdichte


g/mol J/(kg · K) % % kg/m3
Wasserdampf 18.02 461,53 0,989 0,887 0,0074
Stickstoff 28,01 296.79 78,030 75,600 0,9072
Sauerstoff 32.00 259,84 20,930 23,100 0,2772
Kohlendioxid 44,01 188,93 0,036 0,055 0.0007
Luft 28,96 287,05
Summe________________________
L___ 99,985 99,642

Partialdruck PB einer Stoffkomponente B be-


rechnen: Tabelle 1.3-5 Werte für GI. (1.3.37)

(1.3.36)

Wenn die Temperatur und die Stoffkonzentra- 0 4,689 Pa 288,680 Pa

l
tionen im Gasraum konstant sind, dann addie- b 1.486 1,098

J
ren sich die Partialdrücke unabhängig vonein- n 12,30 8.02
ander, da sich Volumen und Gaskonstante nicht
verändern und die Massen sich aufsummieren.
Man kann daher den Wasserdampfpartialdruck
Pv gesondert wie einen "normalen" Druck be- und ändert sich z.B. mit der Tageszeit. Übersät-
handeln, der sich wie andere Drücke auch aus- tigung und Kondensation tritt ein, wenn v~ Vsat
gleicht. über freien Wasseroberflächen stellt sich oder q> ~ 1. Entsprechend dem Phasendiagramm
im Gleichgewicht ein Wasserdampfsättigungs- in Abb.l.3-7 nimmt die Wasseraufnahmefähig-
partialdruck Pv,sat ein, der dem Druck im Pha- keit der Luft mit der Temperatur überpropor-
sendiagramm entspricht und von der Tempera- tional zu, und daher sind auch die kondensie-
tur t'tsat abhängt. Entsprechend findet man eine renden Massen bei Temperaturänderungen im
Sättigungsluftfeuchte Vsat· Für den bauphysika- oberen Bereich größer.
lisch relevanten Wertebereich wird die Formel Der zweite wichtige Prozeß ist der Wasser-
dampftransport durch einen Baustoff. In Wirk-
Psat =a(b+t'tsat)n
100
(1.3.37) lichkeit wird Wasser im Porensystem eines
Werkstoffs als Wasserdampf und als konden-
mit den Werten nach Tabelle 1.3-5 benutzt. siertes Porenwasser befördert. Für die bauphysi-
Die Umkehrfunktion ergibt die Taupunkt- kalische Bemessung genügt in erster grober
temperatur t'tsat> bei welcher für eine gegebene Nährung eine integrale Betrachtung, bei der
Luftfeuchte bzw. einen gegebenen Partialdruck Kondensationen und Verdunstungsprozesse mit
Kondensation einsetzt. dazwischengeschaltetem Wassertransport wie
Das Verhältnis von tatsächlicher absoluter Wasserdampftransport behandelt werden. Wie
Luftfeuchte v zu Sättigungsluftfeuchte Vsat be- die Linien der Wärmestromdichte senkrecht auf
zeichnet man als relative Luftfeuchte den Flächen konstanter Temperatur stehen, so
V Pv
stehen die Stromlinien der Feuchtestromdichte
q>=-=---. (1.3.38) g senkrecht auf den Flächen konstanter Luft-
Vsat Pv,sat
feuchte v. Für Luft gilt
Während die Luftfeuchte v durch die tatsächlich
in der Luft vorhandenen Masse an Wasser be- g = -Dgrad v = -60 grad Pv
stimmt ist, verändert sich die Sättigungsluft- av
g=-D-=-6 0 -
opv (1.3.39)
feuchte mit der Temperatur. Wenn weder Kon- on on
densation noch Verdunstung stattfindet, bleibt . u" 0 = -D
die Luftfeuchte konstant. Die relative Luftfeuch- mit --.
RH,oT
te dagegen nimmt mit fallender Temperatur zu

Bauphysik 1-85
Hierin ist D der Wasserdampf-Diffusionskoeffi- Gleichung ( 1.3.39b) wird damit zu
zient in Luft und n die Normale der Fläche mit
konstanter Konzentration bzw. konstantem Parti- g=D~v =Öo ~Pv. ( 1.3.41)
aldruck. Dieses Diffusionsgesetz gilt nur, wenn die J.ld J.ld
Feuchteverteilung stationär und ohne Quellen ist. Wenn das Problem eben und stationär ist und
Geht man vom Differential- zum Differenzen- keine Kondensation auftritt, ist die Feuchte-
quotienten über (o~M und ersetzt man die stromdichte g konstant. In der Bauphysik wird
Schrittgröße in der Normalenrichtung durch die außerdem 60 als konstant angenommen {1/Öo=
Dicke der Luftschicht (an=sd),dann erhält man 5,4·109 m ·s· Pa/kg). Damit ist die Partialdampf-
~v ~Pv druckänderung ~Pv proportional zur äquivalen-
g"'-D-=-6 0 - . (1.3.39a) ten Luftschichtdicke Sd. Wie bei der Tempera-
sd sd
turänderung kann man auch den Wasserdampf-
In Baustoffen ist die Wasserdampfdiffusion ge- partialdruck Pv als Funktion der äquivalenten
ringer als in Luft. Die DIN EN ISO 9346 ersetzt Luftschichtdicke Sd auftragen (Abb.l.3-8). Die
hier GI. (1.3.39) durch Steigung der Geraden entspricht der Größe g.
g = -övgrad v=-Öpgrad Pv
Wenn Kondensation eintritt, nimmt die Steigung
der Kurve (Geraden) ab.
~v ~Pv Im Gegensatz zum Wärmetransport sind beim
g "'-Öv d=-Öpd (1.3.39b)
Wasserdampftransport die übergangswiderstän-
Hierin sind: Öv der Feuchteleitkoeffizient in ei- de an den Oberflächen vernachlässigbar klein, so
nem Stoff, bezogen auf das Wasserdampfkon- daß der Partialdampfdruck an einer Oberfläche
zentrationsgefälle, und Öp, bezogen auf das Par- und im angrenzenden Raum gleich sind.
tialdruckgefälle, d ist die Dicke der Stoffschicht Aufgabe der Bauphysik ist es, schädliche Kon-
Man kann nun eine Wasserdampf-Diffusions- densation an Bauteiloberflächen oder in ihrem
widerstandszahl J.l einführen, die definiert ist Inneren zu verhindern. Da sich die Wasser-
durch das Verhältnis der Diffusionskonstanten dampfkonzentration nur durch Kondensation
bzw. der Feuchteleitkoeffizienten. Äquivalent da- bzw. Verdunstung ändern kann, darf die Tau-
zu ist die Definition über das Verhältnis einer punkttemperatur nicht unzulässig lange unter-
äquivalenten Luftschichtdicke Sd zur Bauteil- schritten werden. Die Temperaturverteilung in
dicke d: einem Bauteil kann abgeschätzt werden, wenn
D 6 0 sd ebene und stationäre Verhältnisse vorliegen. Die
J.l=-=-=-. (1.3.40) rechnerischen Methoden sind 1.3.1.2 dargestellt,
Öy Öp d
und das graphische Verfahren ist in Abb.l.3-4

p & Kondensation p
.... ....

a mit Kondensation b ohne Kondensation

Abb. 1.3·8 Wasserdampfpartialdruck p. und Sättigungsdampfdruck p,., als Funktion der äquivalenten Luftschichtdicken
(Glaser-Diagramm) bei ebenen und stationären Verhältnissen

1-86 Allgemeine Grundlagen


a2
gezeigt. Damit und mit Gl. ( 1.3.36) kann man die
Sättigungsdampfdrücke Psat berechnen. Sie sind --f
at
= c div grad p,
2

in Abb.1.3-8 eingetragen. Wenn die Sättigungs-


dampfdrücke so niedrig sind, daß sie die linea- (1.3.43)
re Verbindung zwischen den Wasserdampfpar- Die Schallgeschwindigkeit c in der Luft hängt
tialdrücken Pvi innen und Pve außen unterschrei- vom KompressionsmodulKund von der Dichte
ten, tritt Kondensation ein. Man konstruiert \'ab bzw. über die Gasgesetze von der Tempera-
dann jeweils die Tangenten des Wasserdampf- tur {)- in °C:
partialdrucks an die Kurve des Sättigungs-
dampfdrucks. Damit erhält man die Ebenen bzw. (1.3.44)
die Zone, inder-entsprechend dieser Vereinfa-
chung - Kondensation einsetzt. Die Steigungs- Bei der Schallausbreitung wird Energie trans-
änderung entspricht der Änderung der Feuchte- portiert. Die Schallintensität (Schalleistungs-
stromdichte. Deren Wert wiederum ist die auf dichte) I ist der Quotient Schalleistung durch
die Zeit bezogene ausfallende Wassermenge. durchströmte Fläche. Sie läßt sich aus Schall-
Bauphysikalisch entscheidend ist nicht, daß druck und Schnelle berechnen:
kein Wasser im Bauteil kondensiert, sondern daß
I= p·v. (1.3.45)
- in der Tauperiode (Winter) die kondensierte
Wassermenge Wr einen kritischen Wert Schalldruck und Schnelle wiederum sind über
(i.d.R. 1 kg!m2) nicht überschreitet und daß die Feldimpedanz Z, den Schallwellenwider-
- eventuell kondensiertes Wasser in der Ver- stand, gekoppelt, der sich bei den meisten homo-
dunstungsperiode wieder austrocknet. genen Medien aus der Dichte \' und der Schall-
geschwindigkeit c ergibt:
Dagegen muß eine Taupunktunterschreitung an
Z=Q·C, p=Z·v. (1.3.46)
Bauteiloberflächen in Räumen vermieden wer-
den. Schon relative Luftfeuchten von über 80 o/o Die Schallintensität kann damit auf jede der bei-
können zu Schimmelbildung führen. Lediglich den Größen Schalldruck und Schnelle zurückge-
kurzzeitige Taupunktunterschreitungen können führt werden:
u. U. toleriert werden, wenn die angrenzenden
Bauteile eine ausreichende Speicherfähigkeit be- (1.3.47)
sitzen.
Die Schalleistung P einer Schallquelle ist gleich
1.3.3 dem Integral der Schallintensität über die um-
Schall schließende Fläche S:

1.3.3.1 P=fl·dS. (1.3.48)


Grundlagen s
Bei einem diffusen Schallfeld in einem Raum, wo
Beim Luftschall schwingen Gasmoleküle gegen- wegen der Reflexionen der Schall gleichmäßig
einander. Die dabei auftretende Teilchenge- aus allen Raumrichtungen einfällt, ist die Schall-
schwindigkeit bezeichnet man als Schnelle v. Sie energiedichte w gegeben durch
ist gekoppelt mit Druckschwankungen, die sich
I
dem Luftdruck überlagern und als Schalldruck w=-. (1.3.49)
p bezeichnet werden. Entsprechende Erschei- c
nungen treten beim Körperschall auf [Cremer/ Das menschliche Ohr kann Schallintensitäten in
Heckl1996]. einem außerordentlich großen Bereich wahrneh-
Die Schwingungen breiten sich als Welle mit men, vgl. Abb. 1.3-9. Die Hörschwelle liegt für
der Geschwindigkeit c aus. Für sie gilt im eindi- 1000Hz beiio= 10-12 w= 1 pW,einenormale Un-
mensionalen Fall terhaltung bei 0,1 bis 1 }lW und eine Kessel-
schmiede bei 1 W. Um diese zwölf Zehnerpoten-
a2p-
--c-, -=c-
2 a2p o2v 2 o2v (1.3.42) zen einfacher darstellen zu können, verwendet
ot 2 ox2 ot2 ox2 man Pegel, das sind logarithmierte Größenver-
und im mehrdimensionalen Fall hältnisse, die in Dezibel (dB) angegeben werden.
Man unterscheidet hauptsächlich zwischen

Bauphysik 1-87
phon
120 20
<XI
100
"-~ 90 "'
0..
Qj
80 0,2 .5
g' -""

~
0.
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:::> 60 60 0,02 :!2
--;;;
:i2
--;;; ..c:.
..c:. 40 0,002 .X
.X
30 20
0 0,0002

0 0,00002

16 32 125 250 500 1k 2k 4k Bk 16k


Frequenz in Hz

Abb. 1.3-9 Kurven gleichen Lautstärkepegels nach Robinson und Dadson

Schallintensitätspegel LI> Schalldruckpegel Lp, der gesamte Schallpegel dabei um mindestens


Schnellepegel Lv und Schalleistungspegel Lw: etwa I dB erhöht. Für Leistungsgrößen entspricht
I dB einem Verhältnis von etwa 1,26 : I. Die zu-
sätzliche Schalleistung muß demnach minde-
L1 = 10 lg(:JdB, I0 = 1pW/m2 ;
stens 26% der bisherigen betragen, um wahr-
2 nehmbar zu sein, oder: Pegel darf den vorhan-
LP = 10 lg(%o) dB= 20lg(%o )dB, Po= 20~Pa ; denen Schallpegel höchstens um 5,9 dB unter-
schreiten. Erzeugt z.B. eine Kapelle einen Pegel
2
von 80 dB, dann erfordert ein Gespräch einen
Lv=lOlg(~) dB=20lg(~)dB, v0 =50nm/s; Sprachpegel von mindestens 74dB. Zum Ver-
gleich: Bei einem üblichen Gespräch herrscht ein
Lw= 10 lg(~ )dB, P0 = 1pW Pegel zwischen 50 und 60 dB.
Das menschliche Ohr nimmt Schallvorgänge
(1.3.50) nicht als zeitliche Druckschwankung wahr, son-
Die Feldimpedanz der Luft beträgt etwa 408 dern es hört frequenzspezifisch. Die Frequenz f
Pa·s/m, d.h., 400Pa·s/m ist eine akzeptable gibt die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde
Näherung. Wegen GI. (1.3.47) und wegen der an. Ihre SI-Einheit ist das Hertz (1Hz= 1/s). Der
Wahl der Bezugsgrößen gemäß GI. (1.3.50) ha- menschliche Hörbereich reicht von ca. 16 Hz bis
ben die Pegel des Schalldrucks, der Schnelle und zu ca. 20000 Hz=20 kHz. Dieser Frequenzbe-
der Intensität in guter Näherung denselben Zah- reich wird durch geometrische Reihen in Oktav-
lenwert. Von diesen punktbezogenen Größen ist und Terzbänder geteilt. Für diese gelten die Bil-
der "systemgrenzenbezogene" Schalleistungs- dungsgesetze in Tabelle 1.3-6, wobei der Index i
pegel streng zu unterscheiden. die fortlaufende Nummer des Bandes,f0 die obe-
Bei allen Pegelrechnungen muß man beach- re Eckfrequenz, fu die untere Eckfrequenz und
ten, daß die physikalische Erhaltungsgröße die fm die Mittenfrequenz ist.
Energie ist, Pegel dagegen nur besonders hand- Die Frequenzbänder werden durch ihre Mit-
liche Darstellungsformen sind. Für Mittelungen tenfrequenz bezeichnet. Das wichtigste Terz- so-
ist es daher erforderlich, auf die jeweiligen Schal- wie Oktavband ist jeweils das 1000-Hz-Band. Da
leistungen bzw. Schalldrücke zurückzurechnen, die Hörempfindlichkeit frequenzabhängig ist,
dann erst zu mitteln und daraus ggf. wieder den beziehen sich Vergleiche stets auf IOOO Hz (Abb.
Pegel zu bestimmen. 1.3-9).
Ein neues, zusätzliches Schallereignis kann Bei anderen Frequenzen ist das Ohr i. d. R. we-
der Mensch nur dann wahrnehmen, wenn sich niger empfindlich. Um diese Unterschiede zu be-

1-88 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.3·6 Bildungsgesetze für Oktav- und Terzbänder

Oktavbänder Terzbänder

'•+1=2f; f,+l= 2f,


f0 = 2fu; fm= 2fu = f0 / 2 V2
'· = fu; fm = V2 '" r./V2
=
( 0 :d,26fu; fm:: 1,12fu:: 0,9(0

rücksichtigen, werden bei Messungen von den


Pegeln frequenz- und pegelabhängige Korrek-
turwerte abgezogen (bzw. hinzugefügt), damit
wird die empfundene Lautstärke nachgebildet.
Die zugehörigen Bewertungskurven werden als
A, B, C bzw. D bezeichnet, ein der Kurve A ent-
sprechend bewerteter Gesamtpegel mit dB(A)
(DIN EN 60651).

1.3.3.2
Pegelminderung Abb. 1.3-10 Einfallende Schallintensitätl., reflekiierte
Schallintensitat /1, dissipierte Schallintensität /d und
Breitet sich der Schall von einer Punktschall- transmittierte Senallintensität /1; absorbierte Schallin-
tensität /• = /d + /1
quelle in alle Raumrichtungen gleichmäßig aus,
dann nimmt wegen GI. ( 1.3.48) die Schallintensi-
tät mit dem Quadrat der Entfernung r ab: onsgrad '?• Transmissionsgrad t, Dissipations-
grad 6 und Absorptionsgrad a:
I=...!.___ (1.3.51)
4nr 2 Ie=I,+I1 +Id=I,+Ia mit Ia=I1 +Id,
Wird der Abstand von r 1 auf rz erhöht, dann ver- 1=Q+t+Ö=Q+~ a=t+&
mindert sich der Schallintensitätspegel L1: (1.3.54)
Für einen Raum ist seine äquivalente Absorpti-
L12 -Ln= 10 lg(~: )dB= 20 lg(~)dB. onsfläche A charakteristisch. Sie ergibt sich aus
der geometrischen Fläche S durch
(1.3.52)
A =aS. (1.3.55)
Wenn bei einer Linienschallquelle der Abstand r
klein gegen deren Länge l ist, gilt Wird in einem Raum die Schallerzeugung plötz-
P' lich unterbrochen, klingt die Schallenergiedichte
I=--, wund damit wegen GI. (1.3.49) die Schallinten-
2nlr
sität exponentiell mit der Zeit ab. Der Schallin-
Ln -Ln= 10 lgG:) dB= 10 lg(~ )dB. tensitätspegel nimmt linear ab. Man definiert
nun die Nachhallzeit Tals die Zeit, in der der Pe-
(1.3.53) gel um 60 dB abnimmt. Bei bekanntem Raumvo-
In Räumen wird der Schallpegel v. a. durch ab- lumen V läßt sich mit nach der Sabineschen For-
sorbierende Bauteile und Raumbegrenzungen mel die Absorptionsfläche A eines Raumes nach-
vermindert. Die Energiebilanz einer Wand (Abb. folgender Zahlenwertgleichung berechnen:
1.3-10) setzt sich zusammen aus auftreffender
Schallintensität Ie, reflektierter Schallintensität A=0,163~ (1.3.56)
In transmittierter Schallintensität I 1 und dissi- T
pierter- d.h. in Wärme umgewandelter- Schall- (A im m 2, V in m 3, Tins).
intensität Id bzw. absorbierter Schallintensität Der Absorptionsgrad ist frequenzabhängig.
Ia = I 1+Id Daraus ergeben sich die auf die auf- "Normale" Bauwerkswände sind schallhart,
treffende Intensität normierten Werte Reflexi- d. h., sie absorbieren nur wenige Prozent der ein-

Bauphysik 1-89
fallenden Schallintensität und reflektieren bei- sonders zwei Arten zu unterscheiden: Eigen-
nahe alles. Um den Pegel wirksam zu mindern, schwingungen mehrschaliger Bauteile und das
sind zahlreiche Reflexionen erforderlich. Nur Auftreten der sog. Koinzidenzfrequenz.
durch absorbierende Medien erzielt man eine Das Koinzidenzphänomen beruht darauf, daß
akzeptable Raumakustik. die Schallgeschwindigkeit c8 einer Biegewelle in
einer Platte von der Frequenz f abhängt, während
1.3.3.3 sie in Luft frequenzunabhängig ist. (m' Flächen-
Schalldämmung masse,d Plattendicke, Jl Querdehnzahl (Poisson-
Zahl), Edyn dynamischer Elastizitätsmodul):
Man unterscheidet zwischen der Schallaussen-
dung - der Emission - und dem Schalleinfall - E d3
der Immission. Ziel des Schallschutzes ist es, die 's =4 dyn ~2nf. (1.3.58)
Immission so gering wie möglich zu halten, ent- 12(1-p 2 )m'
weder durch Vermindern der Emission oder Bei hinreichend dicken Platten gibt es eine Fre-
durch Schalldämmung. Innerhalb eines Raumes quenz und einen Einfallswinkel q>, bei dem die
kann der Schallpegel durch absorbierende Me- Projektion .Asp=.Adsinq> der Wellenlänge in der
dien gesenkt werden (Schalldämpfung). Luft und die Wellenlänge .A8 der Biegewelle
Zwischen zwei Räumen ist das Schalldämm- gleich sind (Abb.l.3-13). Dies führt zu einer re-
Maß R der Raumtrennwand entscheidend. Wenn sonanten Anregung. Die niedrigste Frequenz, bei
man Nebenwegübertragung vernachlässigt, ist der diese Bedingung erfüllt ist, findet man bei
es gegeben durch streifendem Einfall unter q>=90°. Sie wird als
Grenzfrequenz [g bezeichnet:
R = 10 lg~dB= L5 -Le + 10 lg(~)dB, (1.3.57)
f. = cl 12(1-l)m' 60 Ql(kg!m 3 ) _
---'---'-Hz.
wobei L 5 der Pegel im Senderaum, Le der Pegel g 2n Ed d 3 :::: dlm EdyniMPa
im Empfangsraum,S die geometrische Fläche yn
der trennenden Wand und A die äquivalente Ab- ( 1.3.59)
sorptionsfläche im Empfangsraum ist (Abb. 1.3- Ein Bauteil gilt als ausreichend biegesteif, wenn
11). die Grenzfrequenz unter 100Hz - besser unter
Das Schalldämm-Maß ist frequenzabhängig 60Hz - liegt, und als ausreichend biegeweich,
(Abb. 1.3-12). Eine im Bauwesen sinnvolle Ein- wenn sie über2000Hz liegt. Dazwischen liegt ein
zahlangabe läßt sich durch eine geeignete Be- bauakustisch kritischer Bereich. Da die kritische
wertung erreichen. Dabei werden nur ungünsti- Dicke je nach Baustoff zwischen 15 cm und eini-
ge Werte berücksichtigt, d.h. zu kleine Dämm- gen Millimetern liegt, gibt es eine Reihe von
Maße. Damit werden v.a. Einbrüche bei be- Konstruktionen, deren Verhalten bedenklich
stimmten Frequenzen korrekt berücksichtigt. sein kann (Abb. l.3-14).
Bei einer genaueren Analyse sind auch Schall-
nebenwege über angrenzende Bauteile zu berück-
sichtigen.
Einbrüche des Schalldämm-Maßesentstehen
R
besonders bei Resonanzen der Wand. Es sind be-

--·

f0 500Hz

Abb. 1.3-12 Charakteristisches Frequenzverhalten des


Schalldämm-Maßeseiner zweischaligen Wand mit ver-
Abb. 1.3·11 Schalldämmung einer Wand schobener Bezugskurve

1-90 Allgemeine Grundlagen


Abb. 1.3·13 Koinzidenz von Luftschallwellenlänge und Biegewellenlänge

bauakustisch
kritischer Bereich
100
I
I
cm I
I
I
I
20 1
I
I
10 ~~,....,...,.--+--i- ausreichend
""'~ 5
biegeweich
'i5
c:
"'
r:
2
"'
0::

I
I
0,5 - 1
Glas, Stahl,
Aluminium 1 1
0,2 ~--1

I I
I I
0,1
100 103 Hz
Koinzidenzfrequenz f9

Abb. 1.3-14 Dickenbereiche für ausreichend biegeweiche, biegesteife sowie für gefährdete Wande unterschiedlicher Mate-
rialien

Ausreichend biegeweiche Bauteile sind so- Bei einschaligen Wänden gilt für das Schall-
wohl im Empfangs- als auch im Senderaum un- dämm-Maß in grober Näherung das Bergersehe
kritisch, da Körperschall in ihnen durch Luft we- Massegesetz, in der üblichen Schreibweise:
der nennenswert angeregt noch abgestrahlt wer-
R = (20 lgf + 20 lg m'+ const) dB, (1.3.60)
den kann. Schallbrücken für Körperschall wir-
ken sich daher in diesem Fall nur wenig aus. Da- d. h., das Schalldämm-Maß nimmt bei einer Fre-
gegen kann eine an sich gute Dämmung quenz- oder Flächenmassenverdopplung um
zwischen zwei biegesteifen Bauteilen unwirksam 6 dB zu.
werden, wenn auch nur vereinzelt über Schall- Resonanzen können auch bei mehrschaligen
brücken Körperschall übertragen wird. Solche Bauteilen auftreten, indem die beiden Schalen
Baumängel findet man v.a. bei schwimmenden mit den Flächenmassen m' gegeneinander
Estrichen (Decke und Estrich sind biegesteif) schwingen, wobei als Feder entweder die einge-
und bei doppelschaligen Haustrennwänden. schlossene Luft oder eine elastische Zwischen-

Bauphysik 1-91
Tabelle 1.3-7 Resonanzfrequenz f0 zweischaliger Konstruktionen

Ausfüllung des Doppelwand aus zwei gleich schweren leichte biegeweiche Vorsatzschale
Zwischenraums biegeweichen Schalen biegesteifen Schalen vor schwerem Bauteil

gwww@
m' r -rt--m_' - --.
a at pwwwww~
Luftschicht mit schall- 85 340 60
schluckender Einlage
fo=--;-- fo= ~ fo =-r===="'
"'o/m'· a "Vm'· a "'o/m' · a
Dämmschicht mit (7 (7 {7
beiden Schalen voll-
flächig verbunden
f0 = 225 ·1J-;;;; f0 =900·'/-;;;; t0 =160·v-;;;;

m' Flächenmasse in kgfm2 s' dynamische Steifigkeit der Dammschicht in MNfml


o Schalenabstand in m f0 ergibt sich in Hz

schichtmit der dynamischen Steifigkeit s' dient. tiven Belags abzieht, dieses Spektrum bewertet
Es gelten die in Tabelle 1.3-7 angegebenen Nähe- und dann die fiktive Auflage wieder hinzufügt.
rungsformein für die Resonanzfrequenz fo. Beim bewerteten Verbesserungsmaß werden die
Unterhalb der Resonanzfrequenz gilt das Ber- Meßdaten ermittelt und von denen einer fiktiven
gersehe Massegesetz. Beide Bauteile schwingen Rohdecke abgezogen, diese Konstruktion be-
gleichphasig. Das Bauteil wirkt näherungsweise wertet und wieder rückkorrigiert Das genaue
wie eine monolithische Wand mit der Gesamt- Verfahren ist DIN 4109 zu entnehmen. Aufgrund
flächenmasse m'1+m;. Bei fo bricht das Schall- der Systematilc ist es nicht zulässig, mehrere Ver-
dämm-Maß ein. Oberhalb von fo nimmt das besserungsmaßevon Auflagen von einem äqui-
Schalldämm-Maß um ca. 18 dB pro Oktave zu, valenten Norm-Trittschallpegel abzuziehen.
d.h. dreimal so stark als bei einer einschaligen
Wand. Der Grund dafür ist, daß nun die beiden
1.4
Schalen gegenphasig und entkoppelt schwingen.
Bauchemie
Zu erwähnen ist noch der Trittschallschutz.
Hier wird Körperschall angeregt und dann in ei-
1.4.1
nem anderen Raum abgestrahlt. Maßgebend ist
Einführung
der Trittschallpegel Lr (Li) im Empfangsraum.
Der Norm-Trittschallpegel Ln wird mit einem Die Bauchemie läßt sich in drei Bereiche eintei-
speziellen Hammerwerk erzeugt. Sein Fre- len [Knöfel1996):
quenzverlauf ist daher vom Meßsystem abhän- Baustoffchemie
gig. Auch hier muß die äquivalente Schallab- - Herstellung, Zusammensetzung und Eigen-
sorptionsfläche im Empfangsraum berücksich- schaften der Baustoffe,
tigt werden. Maßgeblich ist, wie beim Luft- - Reaktionen, die zu ihrer Gebrauchsfähigkeit
schalldämm-Maß, ein bewerteter Pegel Ln,w bei führen;
500 Hz. Ein ausreichend geringer Trittschallpe- Einwirkungen auf die Baustoffe
gel ist mit einschaligen Bauteilen nicht erzielbar. - Korrosion der Baustoffe,
Der Trittschallpegel einer Konstruktion setzt - Schutzmaßnahmen gegen Baustoffangriff,
sich daher aus zwei Teilen zusammen: einem - Instandsetzungsmaßnahmen nach Bau-
äquivalenten Norm-Trittschallpegel Ln,w,eq der stoffschädigungen;
Rohdecke und einem Trittschallverbesserungs- Auswirkungen aus den Baustoffen
maß llLw der Auflage: - Umweltverträglichkeit der Baustoffe,
(1.3.61) - Wiederverwertbarkeit der Baustoffe.

Der äquivalente Norm-Trittschallpegel wird er- Die mineralischen (nichtmetallisch anorgani-


mittelt, indem man von den gemessenen Aus- schen), die metallischen und die organischen
gangswerten der Rohdecke die Werte eines fik- Baustoffe sind Thema der Baustoffchemie, eben-

1-92 Allgemeine Grundlagen


so ihre Reaktionen (z.B.Erhärtungsreaktionen) hydraulische Bindemittel, die nach dem Vermi-
und die Reaktionen, die bei der Kombination schen mit Wasser ("Anmachen") sowohl an der
von Baustoffen und Bauhilfsstoffen ablaufen (s. Luft als auch unter Wasser erhärten (s. auch
auch [Henning!Knöfel 1997], [Karsten 1992], [Czernin 1977], [Keil 1971], [Kühl 1967] und
[Knoblauch 1995], [Wesche 1993] und [Scholz [Taylor 1990 ]). Der Begriff"hydraulisch" umfaßt
1995]). Das Hauptkapitel "1.4 Bauchemie" be- die Eigenschaften "wasserbindend'~"wasserfest"
schränkt sich auf die Chemie der anorganischen und "unter Wasser erhärtend".
Bindemittel und ihrer Bauhilfsstoffe (s. auch
"3.1 Baustoffe"). Herstellung und Zusammensetzung
Die beiden anderen Bereiche beschäftigen
sich mit den Einwirkungen auf die Baustoffe Zur Herstellung von Portlandzement werden
(z.B. Korrosionsreaktionen und Oberflächenän- Mischungen - sog. "Rohmehle" - aus Kalkstein
derungen durch Umwelteinflüsse) und mit den und Ton (oder Ausgangsstoffe ähnlicher Zusam-
Auswirkungen aus den Baustoffen (z.B.Auslau- mensetzung wie Mergel) sowie Korrekturstoffe
gungsreaktionen). (z. B. Quarzsand, Eisenerz) bis zur Sinterung er-
hitzt, d.h. bis auf Temperaturen (1400°C bis
1.4.2 1500°C), bei denen partielles Schmelzen eintritt
Chemie der anorganischen Bindemittel (Schmelzanteil20o/o bis 30o/o).
Zur Erzielung optimaler Eigenschaften ist ei-
Die Aufgabe von Bindemitteln besteht darin, ne optimale chemische Zusammensetzung des
körnige Materialien (Zuschlag) z~ binden, d.h. Rohmehls und damit des Portlandzementklin-
die einzelnen Körner fest miteinander zu einem kers, des erkalteten Sinterprodukts, neben ande-
Festkörper zu verkitten (im Gegensatz zu Bin- ren Eigenschaften erforderlich. Der Spielraum
demitteln dienen Klebstoffe und Leime zur Ver- für die Zusammensetzung eines Rohmehls ist
bindung von Flächen). Beim Zusammentreffen gering; er ist aus der Lage des Portlandzement-
der meisten anorganischen Bindemittel mit Was- feldes im Dreistoffsystem CaO/MgO - Ah0 3/
ser oder wäßrigen Lösungen treten chemische Fe20 3- Si02,das auch als Rankin-Diagramm be-
Reaktionen ein, deren Reaktionsprodukte mehr zeichnet wird, abzulesen (Abb. 1.4-1). Entschei-
oder weniger gut kristallisieren. Diese Reaktio- dend ist der Kalkgehalt des Zements, da zu nied-
nen bewirken Verfestigungsprozesse. riger Kalkgehalt einen Abfall der Festigkeit und
Als Verfestigung im Sinne der Baustoffbildung zu hoher Kalkgehalt Kalktreiben verursacht.
können Prozesse bezeichnet werden, bei denen Zur Berechnung des optimalen Kalkgehalts
ein fluides Ausgangssystem in ein festes End- werden folgende Kennwerte verwendet:
produkt übergeht oder bei denen sich ein weni-
Hydraulischer Modul
ger festes System in ein solches von höherer Fest-
igkeit umwandelt. Neben chemischen Reaktio-
nen spielen dabei Lösungs- und Kristallisations-
prozesse sowie Vorgänge an Grenzflächen eine
Grenzwerte: HM = 2,0 ... 2,4; (1.4.1)
Rolle.
Die Verfestigung eines nach Zugabe von Was- Kalkstandard KSt I
ser erhärtenden Baustoffs (z.B. Frischmörtel
oder -beton) erfolgt in zwei nicht scharf trenn-
baren Etappen: Die zunächst erfolgende Erstar-
rung ist der Übergang eines breiig-plastischen Grenzwerte: KSt I= 90 ... 100. (1.4.2)
Zustands in ein Gebilde von zunächst noch ge-
ringer Festigkeit. Die sich anschließende Erhär- Die sauren Oxide Si02,Ah03 und Fe203 werden
tung ist der Vorgang, bei dem das erstarrte Sy- auch als Hydraulefaktoren bezeichnet. In die
stem sich weiter verfestigt. Gleichungen sind die bei der chemischen Ana-
lyse eines Zements bzw. des Rohmehls ermittel-
1.4.2.1 ten Massenprozente einzusetzen. Bei KSt I (nach
Portlandzement Kühl) wird der Berechnung die mögliche Bil-
dung der Phasen C3S, C12A7 und C4AF zugrun-
Zemente, welche die größte Gruppe der anorga- de gelegt. Bei KSt II wurden die Faktoren für
nischen Bindemittel bilden, sind feingemahlene Si0 2,Al203 und Fe203 verbessert (praxisnäher).

Bauchemie 1-93
Si0 2

Abb. 1.4-1 System Kalk - Tonerde - Kieselsäure (Rankin·Diagramm), aus [Henning/Knöfel1997]

Unter zusätzlicher Berücksichtigung des MgO Tonerdemodul TM


ergibt sich der KSt III (nach Spohn, Woermann
und Knöfel) zu: TM= Alz03
Fe 20 3
Kalkstandard KSt III bei::; 2M.-% MgO
Grenzwerte: TM= 1,5 ... 2,9. (1.4.6)
KStiii= IOO(Ca0+0,75Mg0)
2,80Si0 2 +1,18Al 20 3 +0,65Fe 2 0 3 Mit steigendem Silicatmodul nimmt die Festig-
keit zu, das Sinterverhalten verschlechtert sich.
(1.4.3)
Der Tonerdemodul hat auf die Festigkeitsent-
wicklung keinen wesentlichen Einfluß; mit sin-
Kalkstandard KSt III bei~ 2M.-% MgO
kendem Tonerdemodul nimmt der C3A-Gehalt
KSt III = _ _ _ _1_00_(_C_a0_+_1,_5_)_ __ ab, die Schmelze wird niedriger viskos.
2,80Si0 2 +1,18Al 2 0 3 +0,65Fe 20 3 Die chemischen Umsetzungen, die bei der ther-
mischen Behandlung eines Zementrohmehls
(1.4.4)
mit steigender Temperatur stattfinden, sind in
Ein PZ-Klinker mit KSt = 100 enthält den höch- Tabelle 1.4-1 dargestellt. Die in der Zementche-
sten CaO-Gehalt, der unter technischen Bedin- mie verwendete Kurzschreibweise für die ein-
gungen an seine Hydraulefaktoren g~bunden zelnen Oxide ist in Tabelle 1.4-2 angegeben. Bei
werden kann (optimaler CaO-Gehalt). der maximalen Brenntemperatur liegen die Sili-
Neben den Kalkkennwerten HM und KSt gibt cate in fester Form vor, der Rest ist geschmolzen.
es weitere Quotienten, die einen schnellen über- Bei der Abkühlung kristallisieren die Aluminat-
blick über die chemische Charakteristik eines und die Ferratphase. Die Kühlung muß rasch er-
Zementrohmehls gestatten: folgen, da das C3S sonst unter Bildung von C2S
und CaO wieder zerfällt.
Silicatmodul SM
Die in Tabelle 1.4-1 angegebenen Reaktionen
SM= _ _ Si_0-=-2_ _ werden bei der Bildung technischer Klinkerpha-
Al 20 3 +Fe 20 3 sen durch Nebenreaktionen überlagert, die z.B.
unter Mitwirkung von Alkalien ablaufen und
Grenzwerte: SM= 1,8... 3,9; (1.4.5)
den Einbau von Fremd-Ionen bewirken. In den

1-94 Allgemeine Grundlagen


r
Tabelle 1.4-1 Chemische Umsetzungen bei der thermischen Behandlung von Portlandzement-Rohmehl (Hauptreaktionen
beim Kli nkerbrand)

mperatur 0 ( Vorgang Chemische Umsetzung


20 ... 200 Abgabe von freiem Wasser (T rocknung)
00 ... 450 Abgabe von adsorbiertem Wasser
so ... 600 Tonzersetzung, dabei Bildung von Metakaolinit AI4(0HJ 8Si40 10 ~ 2 (AI 203 • 2Si0 2) + 4 H20
600 ... 950 Metakaolinitzersetlung, dabei Bildung einer
reaktionsfähigen Oxidmischung
800 ... 1000 Kalksteinzersetzung, dabei Bildung von CaC03~ CaO + C0 2
CS und CA 3Ca0 + 25i0 2 + Al 203~ 2 (Ca0·5i0 2) + Ca0·AI 203
1000 ... 1300 Kalkaufnahme durch CS und CA, Bildung (5+(~(25
von C4 AF 2C+S~C25
CA+2C ~C 3 A
CA + 3 C+ F~ C4AF
1300 ... 1450 weitere Kalkaufnahme durch C25 c2s+ c~ c35

kristalJe enthalten z.B. >0,2 M.-% Alkalioxide,


Tabelle 1.4-2 Formelkurzschreibweise der Oxide in welche die ß-Form stabilisieren, die allein hy-
der Zementchemie
draulische Aktivität zeigt.
Oxid Kurzschreibweise
Aluminat (Tricalciumaluminat, 3Ca0 · Alz03,
C3A) ist zu etwa 5 bis 15 M.-o/o im Klinker ent- ·
CaO c
5i0 2 5 halten.
A1 203 A Im Ferrat (Tetracalciumaluminatferrat,
Fe 203 F 4CaO·Alz03·Fez03,C4AF),zuetwa 5 bis 15M.-%
MgO M im Klinker enthalten, ist das Verhältnis
Na 20 N Alz03:Fez03 nicht immer genau 1, was auch
K20 K
H
durch die Schreibweise als Mischkristallreihe
H20
Cz(A,F) ausgedrückt werden kann.
503
(02 Nicht gebundenes CaO ("freier Kalk'') und
MgO (Periklas) sind in den meisten Klinkern
enthalten. Ihre Gehalte sollen jeweils unter etwa
2 M.-% liegen, da sonst Treiberscheinungen in
im Portlandzement vorkommenden Alitkri- einem mit diesen Zementen hergestellten Beton
stallen können z. B. bis zu 2M.-% Calcium durch zu erwarten sind.
Magnesium, bis zu 0,45 M.-% Silicium durch Wichtig für die Untersuchung des Verlaufs des
Aluminium und bis zu 1 M.-% Calcium durch Al- Klinkerbrands und der Erhärtungsprozesse ist
uminium substituiert sein. die Kenntnis der Phasenzusammensetzung des
Alit (Tricalciumsilicat, 3Ca0 · SiOz, C3S) ist der Klinkers bzw. des Portlandzements. Zur Berech-
Hauptbestandteil des Zementklinkers mit einem nung wird häufig die Phasenberechnung nach
Anteil von etwa 50 bis 75 M.-%. Dieser kann bei Bogue angewendet, bei der von der chemischen
langsamer Abkühlung unterhalb von 1250°C Analyse ausgegangen wird und als Ergebnis ein
zerfallen, so daß für eine schnelle Abkühlung des potentieller Phasenbestand erhalten wird. Der
Klinkers gesorgt werden muß. Dabei wird ein Phasengehalt kann am besten auflichtmikrosko-
energiereicher, reaktionsfähiger, sog. "metasta- pisch mittels Punktzählmethode bestimmt wer-
biler'' Zustand (hoher Gehalt an innerer Ener- den. Das Ergebnis ist der "aktuelle" Phasenge-
gie) eingefroren, der zu einer hohen hydrauli- halt, der aufgrund des Einbaus von Fremdato-
schen Aktivität des Zements führt. men vom theoretischen Wert etwas abweicht.
Belit (Dicalciumsilicat, 2Ca0 · Si0 2, C2 S) ist die Spezialzemente haben z. T. eine abweichende
ß-Modifikation des Dicalciumsilicats, die zu et- Phasenzusammensetzung: HS-Zemente (Ze-
wa 5 bis 15M.-% im Klinker enthalten ist. Belit- mente mit hohem Sulfatwiderstand) sind CEM I

Bauchemie 1-95
mit <3 M.-% C3A und <5 M.-% Alz03 oder Hydratation von Portlandzement
CEM III/B mit :2:70 M.-% Hüttensand. Weißze-
ment enthält kein C2(A,F). NW-Zemente (Ze- Unter der Zementhydratation wird der gesamte
mente mit niedriger Hydratationswärme: nach 7 komplexe Prozeß der Reaktionen eines Zements
Tagen <270 J/g) sind entweder hüttensandrei- mit Wasser (Erstarren und Erhärten) verstanden.
che CEM III/B oder belitreiche CEM I. NA-Ze- Bei der Hydratation der Klinkerphasen Alit
mente (Zemente mit niedrigem wirksamem Al- und Belit, die zusammen etwa 80 M.-% des Pha-
kaligehalt) sind CEM I mit :>; 0,60 M.-% NazO- senbestands eines Portlandzements ausmachen,
Äquivalent oder hüttensandreiche CEM III/B werden schlecht kristallisierte Calciumsilicathy-
(:2:50 M.-% Hüttensand) mit:>; 1,10 M.-% Na 20- drate (C-S-H-Phasen, s.Abb. 1.4-2) gebildet.Alit
Äquivalent. und Belit können z.B. nach folgenden Reakti-
Zur Herstellung von Zement werden die Klin- onsgleichungen hydratisieren:
ker feingemahlen (spezifische Oberfläche 2500
Alit: 2C3S+6H-1C3S2H3+3CH, ( 1.4.7)
bis 6000 cm 2/g), wobei durch die Anwendung
Belit: C2S+2H-1CSH+CH. (1.4.8)
von Mahlhilfsmitteln (z.B. Triethanolamin) der
Mühlendurchsatz gesteigert wird. Stets müssen Die Bildung von Calciumhydroxid ist von großer
etwa 5 bis 8 M.-% Gips und/oder Anhydrit als Er- Bedeutung für den Korrosionsschutz des Stahles
starrungsverzögerer zugegeben werden. Nach im Stahlbeton, da Eisen in einem derartig ba-
DIN 1164 Teil1 darfder Sulfatgehalt (als S03) für sischen Milieu (pH-Wert 12 bis 13) nicht ange-
CEM I maximal 3,5 M.-% (Festigkeitsklassen griffen wird.
32,5; 42,5) bzw. 4,0 M.-% (Festigkeitsklassen Die Reaktion der Aluminatphase mit Wasser
42,5 R; 55) betragen. Zu hohe Halbhydrat-Ge- liefert das stabile kubische Hexahydrat
halte im Zement sind ungünstig, da sie zum
(1.4.9)
Frühansteifen des Zementleims führen können.
Der optimale Sulfatzusatz hängt insbesondere Im Unterschied zu Alit und Belit wird hier kein
vom C3A-Gehalt und der Feinheit des Zements Calciumhydroxid gebildet. In Gegenwart von
ab. Calciumhydroxid entstehen hexagonale Calciu-
maluminathydrate, z.B.
(1.4.10)

Abb. 1.4-2 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Erhärtungsprodukte von Tricalciumsilicat nach 28 Tagen Hydrata-
tionsdauer. Rechter Bildteil: AufC 3S·Körnern aufgewachsene C-5-H-Phasen,linker Bildteil: Calciumhydroxid

1-96 Allgemeine Grundlagen


In Gegenwart von Calciumsulfat entstehen kom- (Abb. 1.4-3}. Durch die Bildung eines karten-
plexe Calciumaluminiumsulfathydrate: hausähnlichen Gefüges überbrücken sie sofort
den wassergefüllten Porenraum, verknüpfen die
C3A+Cs+ 12H-1C3A·Cs·H12
Zementpartikel und verursachen damit unmit-
(Monosulfat), (1.4.11)
telbar nach der Zugabe des Wassers eine erste
C3A + 3Cs+32H-1C3A· (Csh· H32 Verfestigung. Die Erstarrungsverzögerung wird
(Trisulfat). (1.4.12) also durch unterschiedliche Gefügeentwicklung
im Zementleim erreicht.
Trisulfatkristalle (Ettringit, AFt) sind (meist) Hydratisieren Calciumaluminate in Gegen-
stäbchenförmig (Abb. 1.4-4}, Monosulfatkristal- wart von Calciumsilicaten, so können quaternä-
le (AFm) sind blättchenförmig. Bei Übergängen re Hydrate der Hydrogranatreihe entstehen:
zwischen beiden treten Volumenänderungen ein
(C3AH6)- C3ASH4- C3AS2H2- (C3AS3).
(Dichten: Monosulfat 2,03 g/cm3, Trisulfat
1,78 g/cm 3). Je 2 Mol Wasser sind durch 1 Mol Si0 2 ersetzt.
Die erstarrungsverzögernde Wirkung des Daneben kann auch GehZenithydrat C2ASH 8 ent-
Gipszusatzes beruht darauf, daß sich in Gegen- stehen.
wart von Sulfat bereits in den ersten Minuten der Bei der Reaktion der Ferratphase mit Wasser
Reaktion auf den C3A-Oberflächen ein feinkri- bilden sich Calciumaluminatferrathydrate, in
stalliner Belag von Trisulfat bildet, der aber das Gegenwart von Sulfat auch Calciumaluminatfer-
Gefüge des Zementleims nicht deutlich verän- ratsulfathydrate.
dert und ein gegenseitiges Bewegen der Körner Die unterschiedliche Hydratationsgeschwindig-
weiterhin ermöglicht [Locher/Richartz/Sprung keit und die Festigkeitsentwicklung der einzelnen
1976 u. 1980 ]. Erst nach Stunden entstehen durch Klinkerphasen gehen aus den in Abb. 1.4-5 dar-
Sammel- oder Rekristallisation aus den kleinen, gestellten Festigkeiten in Abhängigkeit von der
dicht auf den Oberflächen liegenden Kristallen Hydratationsdauer hervor.Alit sorgt wegen seiner
größere langprismatische, stäbchenförmige Tri- hohen Reaktionsfähigkeit für die Frühfestigkeit
sulfatkristalle, die eine gegenseitige Vernetzung des Zements. Der reaktionsträgere Belit erreicht
und damit eine erste Verfestigung hervorrufen. letztlich bei langen Hydratationsdauern dieselbe
Ist kein Sulfat anwesend, so hydratisiert C3A Druckfestigkeit. Aluminat und Ferratphase tra-
zu dünntafeligen Calciumaluminathydraten gen nur wenig zur Festigkeitsentwicklung bei.

Abb. 1.4-3 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Calciumaluminathydraten

Bauchemie 1-97
Abb. 1.4-4 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von nadelförmigem Ettringit neben taleiförmigen Kristallen von
Calciumhydroxid

Kristallen, Borsten u.ä. sind im letzten Fall mo-


dellmäßig feststellbar, wenn zwei ineinander-
steckende Bürsten (vergleichbar mit Kristallfil-
80
zen aus Hydratationsprodukten) gegeneinander

~60
V V~ verschoben werden.
Es existieren zwei klassische Theorien der Ze-
/
/
0..

~
19 menterhärtung:
·;;;
~40 2 ~-(25 - Die Kristalltheorie von LeChatelier (1882) un-

I
"€; 3 C3A terscheidet zwischen zwei Perioden:
~ 4 C4AF
- Die Klinkerbestandteile gehen in Lösung, wo-
~ 20 bei Hydrolyse und Hydratation stattfinden.
I 4 3 Das Resultat ist eine an Hydraten übersättigte
0 Lösung.
728 90 180 360 - Ausscheidung sich verfilzender, nadelförmi-
Erhärtungszeit [Tage) ger Kristalle.

Abb. 1.4-S Druckfestigkeit der Portlandzement-Klinker- Die Kolloidtheorie von Michaelis (1892) unter-
phasen nach unterschiedlichen Hydratationszeiten,
WIZ = 0,5 (nach Bogue), aus [Henning/Knöfel 1997] scheidet ebenfalls zwischen zwei Teilprozessen:
- Bildung einer kolloiden Grundmasse aus Cal-
ciumsilicathydraten, -aluminathydraten und -
Nach der Hydratation liegen im Zementstein ferrathydraten (Gel-Bildung);
mehr als 70% Calciumsilicathydrate neben Cal- - Schrumpfung dieser kolloiden Grundmasse
ciumhydroxid und komplexen Hydraten vor. Die- (Hydrogel) infolge "innerer Absaugung" des
se Neubildungen haben eine größenordnungs- Wassers durch noch nicht hydratisierten Ze-
mäßig 1000mal größere Oberfläche als der Aus- ment (Gel-Schrumpfung).
gangsstoff Zement: Zementstein etwa 300 m 2/g,
Zement etwa 0,3 m 2/g. Für die Festigkeit ist die Weitere Vorstellungen entwickelten z. B. Rehbin-
sehr große Oberfläche von Bedeutung, da sie Ad- der (Strukturbildungstheorie, 1960), Keil (Fest-
häsion und Adsorption in starkem Maße ermög- wassertheorie, 1961), Powers (1961), Mtsched-
licht. Kräfte zwischen Nadeln, nadelförmigen low-Petrossian ( Strukturumwandlungstheorie,

1-98 Allgemeine Grundlagen


1967), Kondo (Hydratationstheorie, 70er Jahre) Bezüglich der Volumenänderungen des Mör-
und Wittmann (Münchener Modell, 1977). tels bzw. Betons im frischen und erhärteten Zu-
Abbildung 1.4-6 zeigt die Hydratphasen- und stand unterscheidet man
Gefügeentwicklung im Zementleim und -stein, - Inneres Schwinden: Volumenverringerung des
Tabelle 1.4-3 gibt die Reaktionsfolge bei der Hy- ganz jungen, noch nicht völlig erstarrten Be-
dratation von Portlandzement wieder. tons infolge Wasserentzugs (z.B. Austrock-
Die Festigkeit eines Zementsteins oder Betons nung).
ist um so größer, je kleiner der Wasserzement- - Schrumpfen: Volumenverringerung infolge
wert ist. Für eine vollständige Hydratation ist ein der chemischen Wasserbindung bei der Hy-
W/Z-Wert von etwa 0,40 erforderlich. In der Pra- dratation, da das Volumen der Neubildungen
xis ergeben derartig geringe W/Z-Werte eine immer kleiner ist als die Summe der Volumi-
schlechte Verarbeitung. Es wird deshalb mit na von Bindemittel und Wasser (Abnahme um
höheren W/Z-Werten gearbeitet (oder es wer- 2 bis 8 cm 3 bei 100 cm 3 Frischbeton). Das
den Betonzusatzmittel eingesetzt). Höhere WtZ- Schrumpfen ist irreversibel.
Werte führen jedoch zu geringeren Festigkeiten, - Schwinden und Quellen: meist reversible Vo-
was auf die zunehmende Porosität zurückzufüh- lumenänderung im erhärteten Zustand infol-
ren ist. Da für die Festigkeit nur die Kräfte zwi- ge Abgabe oder Aufnahme von Wasser. In Ab-
schen Feststoffen maßgeblich sind, bedeutet hängigkeit von der Luftfeuchtigkeit, der Tem-
steigende Porosität abnehmende Festigkeit. Das peratur u.s.w. treten "Endschwindmaße" von
zugegebene Wasser, das nicht chemisch oder 0,2bis1,0mm/m und Quellmaße von 0,1 bis
physikalisch gebunden wird, hinterläßt nach der 0,3 mm/m auf.
Trocknung Kapillarporen im Beton.

Porenraum
--- ...... ... ....,
''
'\\
\
'\ \
-~

~
c:
"'c:
"'
"'
:::0

_....._._ C4!A.FlH 13
__,_.....-- Monosulfat

~~~~~~~~~~~~Joiii!~~~~~~~ Trisulfat
0 5 30 1 2 6
'--y-------J '-----y---J
Minuten Stunden Tage
Hydrationszeit
---1-n.-1-.-111.- -
Hydrationsstufen
Labiles Gefüge Grundgefüge Stabiles Gefüge
plastisch erstarrt

~-~--~~
=
: ___ .=::- _
o-::.
_,_ -
-:
- ~ n

Abb. 1.4-6 Schematische Darstellung der Bildung der Hydratphasen und der Gefügeentwicklung bei der Hydratation des
Zements, aus (Locher/Richartz/Sprung 1976)

Bauchemie 1-99
Tabelle 1.4-3 Reaktionsfolge bei der Hydratation von Portlandzement

Reaktions· Bezeichnung Zeitraum Vorgang Strukturbildung


periode der Periode* der Periode
Nr.
Induktionsperiode <15min Hydratation von C3A und C4 AF, Ausbildung der Grundstruktur
(initial reaction) Bildung von AFm· und AFt·Phasen (Primärstruktur)
II dormate Periode 15 ... 60min• Topochemische Reaktion von C3S Erstarrungsbeginn
(induction reaction) mit Wasser, C·S·H·Keimbildung
111 Akzelerationsperiode 1.. . 5 hb Hydratation von C3S, Beginn der Ausbildung der Sekun·
(acceleratory period) C-S-H-Bildung därstruktur, Erstarrungsende und
Erhärtungsbeginn
IV Retardationsperiode 5... 24h Weitere C3S·Hydratation, Beginn Verdichtung der Sekundär·
(deceleratory period) der C2S-Hydratation Struktur, Frühfestigkeit
V Finalperiode > 24h C3S· und C2S·Hydratation weitere Verdichtung der Sekun·
(period of slow, därstruktur, Spätfestigkeit
continued reaction)
a blszu3h
b von 1·2h bis 5-8 h
• IHeoning/ Koöfel19971 u. [Taylor 1990)

Folgende Einflußgrößen werden während des basische (oder auch sulfatische wie im Sulfat-
Verfestigungsprozesses u. a. wirksam und beein- hüttenzement) Stoffe (= Anreger) erforderlich
flussen dadurch die Geschwindigkeit der Festig- sind. Dieser Anreger wird bei der Portlandze-
keitsbildung und des Schwindens: ment-Erhärtung in Form des Kalkhydrats
- äußere Einflüsse (Temperatur, Umgebungs- Ca(OHh geliefert, das die Reaktion der Schlak-
feuchte, Druck) und ke oder Asche mit Wasser auslöst.
- innere Ursachen (chemische Zusammenset- Hüttensand wird durch schnelle Abkühlung
zung, Mahlfeinheit, Wassergehalt). von flüssiger Hochofenschlacke durch einen
Wasser- oder Luftstrahl hergestellt. Während die
Bei erhöhter Temperatur ist die Festigkeit zu in Hochofenschlacken vorliegenden kristallinen
frühen Prüfterminen höher, jedoch die Festig- Phasen Akermanit C2MS, Gehlenit C2AS und die
keit zu späten Prüfterminen etwas niedriger als Melilithe (Mischkristalle aus Akermanit und
bei normaler Temperatur. Die Ursache liegt dar- Gehlenit) keine Erhärtungsfähigkeit haben, zei-
in, daß sich die Zementkörner bei höherer Tem- gen die Glasphasen gleicher Zusammensetzung
peratur mit dichteren Zonen (Schichten) von gute hydraulische Eigenschaften. Daher sollte
Hydratationsprodukten umgeben, welche die der Glasgehalt eines Hüttensandes mindestens
weitere Hydratation verlangsamen. Bei tiefen 90o/o betragen. Die Hüttensande müssen "ba-
Temperaturen (z.B. 5°C} bilden sich langfaseri- sisch" sein, d.h., die Summe der CaO-, Al 20 3-
ge C-S-H-Phasen, die zu höheren Festigkeiten und MgO-Gehalte muß größer sein als der Si0 2-
führen. Gehalt. Neben Portlandzement führen z.B. auch
Ca(OH)z, Gips, Natronlauge und andere Stoffe
1.4.2.2 zur hydraulischen Anregung von Schlacken. Als
Zemente mit Zumahlstoffen Hydratationsprodukte entstehen C-S-H-Phasen.
Gemahlene basische Schlacken (Hüttensand)
Die Zumabistoffe für Portlandzement können in sind in folgenden Zementen enthalten:
zwei Gruppen eingeteilt werden: - Portlandhüttenzement CEM 11-S:
- latent hydraulische Stoffe (basische Schlacken <35 M.-o/o,
und Aschen) sowie - Hochofenzement CEM III: 35 bis 85 M.-o/o.
- nichthydraulische Stoffe (Puzzolane).
Im Portlandölschieferzement CEM II-T ist bis zu
Die latent hydraulischen Stoffe haben Erhär- 35 M.-o/o des hydraulisch aktiven, selbsterhär-
tungseigenschaften, zu deren Anregung jedoch tenden Ölschiefers enthalten.

1-100 Allgemeine Grundlagen


Die nichthydraulischen Stoffe, die allein keine det. Mit Normalkorund als Zuschlag betragen
hydraulischen Eigenschaften haben, jedoch in die Maximaltemperaturen bis 1700°C.
der Lage sind, mit Ca{OH)z hydraulisch zu rea- Da die beiden Hauptklinkerphasen Monocal-
gieren, werden als Puzzolane bezeichnet. Dazu ciumaluminat (CaO·Alz0 3, CA) und unterge-
gehören Stoffe wie Traß, kieselsäurereiche Flug- ordnet Calciumdialuminat (CaO · 2Alz03, CAz)
aschen, Silicastaub, Kieselgur, getemperte Tone sehr schnell hydratisieren, sind hohe Anfangsfe-
und Ziegelmehl. Portlandpuzzolanzement stigkeiteri von 20 bis 60 N/mm2 nach einem Tag
CEM II-P enthält <35M.-% Traß als Zumahl- die Folge (bei normalen Erstarrungszeiten). Die
stoff. Erhärtung verläuft unter hoher Wärmeentwick-
Auch die Filteraschen aus Steinkohlekraft- lung: TZ 550 bis 670 J/g, CEM I 380 bis 525 J/g,
werken können mit Ca( OH)z reagieren. Sie sind CEM III 250 bis 350 J/g). Die Hydratationswär-
in Portlandflugaschezement CEM II/A-V mit 6 me des TZ wird im wesentlichen innerhalb des
bis 20 M.-% enthalten. ersten Tages entwickelt, dagegen entwickeln
Das weitgehend inerte Kalksteinmehl ist zu CEM I und erst recht CEM III ihre Hydratati-
6 bis 20 M.-% im Portlandkalksteinzement onswärme über einen wesentlich längeren Zeit-
CEM II/A-L enthalten. raum (Wochen!).
Zemente mit latent hydraulischen oder puz- Im Gegensatz zum Portlandzement bilden
zolanischen Zumabistoffen erhärten langsamer sich bei der Hydratation der Tonerdezemente
als reiner Portlandzement und entwickeln rela- Calciumaluminathydrate ohne Abspaltung von
tiv niedrige Hydratationswärmen. Sie sind be- Calciumhydroxid. Art und Zusammensetzung
sonders zur Herstellung von Massenbeton für der entstehenden Hydrate hängen stark von der
Grund- und Wasserbauten sowie für Gründungs- Hydratationstemperatur ab:
arbeiten des Hoch- und Tiefbaus sowie Indu-
< 20°C: CA+ 1OH---+ CAH JO, {1.4.13)
striebauten geeignet. Für Spannbeton sind
CEM III (mit mehr als 50 M.-% Hüttensand) und 22 °C bis 30°C: 2CA + 11H---+ CzAHs + AH3,
CEM II/P nicht zugelassen, da sie der Bewehrung {1.4.14)
nur einen verringerten Korrosionsschutz bieten.
>30°C: 3CA + 12H---+C3AH6+2AH3. {1.4.15)
Hochfeste und hochdichte Betone können durch
den Einsatz von 5 bis 15 M.-% Silicatstaub bei Die Hydratation des CA2 verläuft analog, jedoch
gleichzeitiger Verwendung von Fließmitteln her- langsamer.
gestellt werden. Oberhalb 30°C geht bereits gebildetes hexago-
Der Einsatz von latent hydraulischen und puz- nales Dekahydrat in kubisches Hexahydrat über:
zolanischen Zusatzstoffen ist nicht auf Normze-
{1.4.16)
mente beschränkt. So kann z.B. ein gemischter
hydraulischer Kalk (s. 1.4.2.4 Baukalke) durch Die festen Reaktionsprodukte (C3AH6 und AH3)
Mischung eines Luftkalkes mit Traß (=Traßkalk) nehmen nur etwa 50% des Volumens des Aus-
hergestellt werden. gangsstoffes CAH 10 ein. Diese Tatsache sowie der
Austritt des abgespaltenen Wassers bewirken ei-
1.4.2.3 ne hohe Porosität des Betons, Risse usw. und da-
Sonderzemente mit einen Festigkeitsabfall.
Mit Luft-C0 2 reagiert das Dekahydrat wie
Tonerdezement folgt:
3CAH 10+ 3C02---+3CaC03+ 3AH3+21 H.
Tonerdezemente (TZ), die bei entsprechender
{1.4.17)
Herstellung auch als Tonerdeschmelzzemente
bezeichnet werden, sind hydraulische Bindemit- Bei diesen beiden Umwandlungen sinkt der pH-
tel, die im wesentlichen aus Calciumaluminaten Wertvon zunächst 11,5 bis 11,7 aufWerte unter
(Aluminatzemente) bestehen. Diese Bindemittel 9, bei denen der Korrosionsschutz von eingebet-
werden fast ausschließlich zur Herstellung von tetem Baustahl aufgehoben ist.
Beton für hohe Temperaturen (feuerfestes Mate- Beisehrniedrigen W/Z-Werten (z.B.0,3) kön-
rial für Ortbetonierung und Fertigteilbau im In- nen stabile Verbindungen entstehen.
dustrieofenbau) sowie für Arbeiten, die eirie be- Tonerdezement ist in Deutschland nicht für
sonders rasche Erhärtung erfordern (z.B. Ein- tragende Beton- und Stahlbetonbauteile zuge-
setzen von Pfosten, Wassereinbrüche), verwen- lassen.

Bauchemie 1-101
Schnellzement mering 1992]). Die Lage der hydraulischen Kal-
ke im Rankin-Diagrammist aus Abb. 1.4-1 er-
Schnellzement wird in Deutschland durch Ver- sichtlich.
mischen von Portlandzement, Tonerdezement
und Zusätzen hergestellt. Er zeichnet sich durch Weißkalke
eine nicht zu kurze Erstarrungszeit und eine ho-
he Anfangsfestigkeit aus und wird z. B. für Repa- Beim Brennen von reinem Kalkstein (Brenntem-
raturarbeiten an Betonbauteilen und für das peratur etwa 1000°C) entsteht ab ca. 900 °C
Einsetzen von Ankern verwendet. Branntkalk:
(1.4.18)
Sulfathüttenzement
Die Zersetzung, auch als Calcinierung oder Ent-
Sulfathüttenzement (SHZ) enthält mindestens säuerung bezeichnet, verläuft nur so lange, wie
75 M.-o/o Hüttensand mit hohem Ah0 3-Gehalt Wärme zugeführt wird, da es sich um einen endo-
(mind. 13 M.-o/o), der mit 10 bis 15 M.-o/o Calci- thermen Prozeß handelt. Mit steigenden Brenn-
umsulfat angeregt wird. Diese Zementart wird temperaturen, die ein schnelleres Brennen er-
derzeit in Deutschland mangels geeigneter möglichen, wächst jedoch die Größe der entste-
Schlacken mit ausreichend hohem Ah03-Gehalt henden CaO-Kristalle, wodurch die Löschreak-
nicht mehr hergestellt. tion mit Wasser immer langsamer und träger
Sulfathüttenzement hydratisiert einerseits wird. Bei der Herstellung von Branntkalk wird
durch Calciumsilicathydratbildung, andererseits nur so hoch erhitzt, daß noch keine Sinterung
auch durch Ettringitbildung, die zu einem der- eintritt. Branntkalk darf also nicht"überbrannt"
artig frühen Zeitpunkt unschädlich ist. werden; andererseits darf er aber auch nicht
Das HGZ-Bindemittel (Hüttensand-Gips-Ze- "schwach gebrannt" sein, da er in diesem Fall
ment) stellt eine Weiterentwicklung des Sulfat- noch CaC03 als unwirksamen Bestandteil ent-
hüttenzements unter Verwendung von Ah0 3-är- hält.
meren Schlacken (etwa 10 M.-o/o Ah03) dar. Calciumoxid wird wegen seines hohen
Sulfathüttenzement bzw. HGZ ist besonders Schmelzpunktes (2580°C} für Ofenfutter und
für stark sulfatbelastete Bauteile geeignet, da dort Spezialtiegel verwendet. Die Hauptanwendung
selbst bei Verwendung von HS-Zementen Schä- im Bauwesen erfolgt aber in Form von Brannt-
digungen infolge von Ettringit- oder Thaumasit- kalk für Mörtelzwecke. Dazu wird er zunächst
treiben auftreten können. mit Wasser behandelt (gelöscht):
CaO+H 2 0~Ca(OHh. (1.4.19)
Quellzement
Da es sich hierbei um einen stark exothermen
Quellzemente oder schwindarme Zemente ent- Prozeß handelt, erhitzt sich die Mischung bei
halten meist Klinker mit hohem C3A-Gehalt dieser Reaktion. Dabei können Temperaturen
oder Tonerdezement, die unter Reaktion mit Cal- von über 100°C auftreten, die ein Verspritzen der
ciumsulfat zu einem gesteuerten Ettringittrei- heißen ätzenden Masse verursachen können. Da
ben führen. Auch die Quellfähigkeit von CaO das Calciumhydroxid ein größeres Volumen be-
kann ausgenutzt werden (Kalktreiben). Quellze- sitzt als das Oxid, tritt beim Löschen das sog.
mente sind insbesondere in den USA, Japan und "Kalktreiben" auf, wodurch der Kalk zu einem
in der ehemaligen UdSSR von Bedeutung. feinen Pulver zerkleinert wird. Wird mit Wasser-
überschuß gelöscht (Baustelle), so resultiert ein
1.4.2.4 Kalkbrei (= Naßlöschen), wird nur die stöchio-
Baukalke metrisch erforderliche plus die verdampfende
Wassermenge zugegeben (Kalkwerk), so entsteht
Die zu Bauzwecken verwendeten Kalke sind Kalkpulver (=Trockenlöschen). Das entstehen-
Kalkstein, Branntkalk und Kalkhydrat. Nach dem de Calciumhydroxid wird technisch auch als ge-
zunehmenden Gehalt an Hydraulefaktoren un- löschter Kalk, Kalkhydrat oder Löschkalk be-
terscheidet man nach DIN 1060 Teil1 Luftkalke zeichnet. Es zeigt eine schwache Löslichkeit in
(mindestens 70 M.-o/o CaO+MgO), hydraulische Wasser, die Lösung (= Kalkwasser) ist eine rela-
Kalke und Dolomitkalke (s. auch [Schiele/Beh- tiv starke Base; der pH-Wert einer gesättigten
rens 1972], [StrübeVKraus/KuhVGödicke-Dett- Ca(OH}z-Lösung liegt bei etwa 12,5.

1-102 Allgemeine Grundlagen


Die Erhärtung eines Luftkalkmörtels erfolgt calciumaluminat (Aluminat) und Tetracalcium-
durch Bindung von Kohlendioxid, das in der Luft aluminatferrat (Ferrat). Tricalciumsilicat (Alit)
enthalten ist. Diese Erhärtungsart, die für Luft- wird bei den im Vergleich zum Portlandzement-
mörtel charakteristisch ist, wird als Carbonater- klinker niedrigeren Brenntemperaturen nicht
härtung bezeichnet, da als Endprodukt Calcium- gebildet, es ist daher eine typische Zementphase.
carbonat (in Form von spindelformigen Kristal- Beim Löschen dieser Kalke wird soviel Wasser
len) entsteht. Die Reaktion kann nur ablaufen, zugegeben, daß nur das reaktivere Calciumoxid
wenn etwas Feuchtigkeit anwesend ist, wie fol- gelöscht wird, während die hydraulischen Pha-
gende Reaktionsgleichung zeigt: sen nicht hydratisieren. Hydraulische Kalke kön-
nen auch durch Mischen und Vermahlen von
Ca( OHh+ H20+C02~CaC03+2H20.
Kalk und Hüttensand oder Puzzolanen (meist
(1.4.20)
Traß) hergestellt werden (gemischte hydrauli-
Die Carbonaterhärtung verläuft relativ langsam, sche Kalke).
da die Luft nur etwa 0,035 Vol.-o/o C02 enthält. Bei der Erhärtung von Kalken mit hydrauli-
Sie kann durch die Erhöhung der C0 2-Konzen- schen Anteilen tritt neben der Carbonaterhär-
tration in der Luft beschleunigt werden (z.B. of- tung auch- wie beim Portlandzement- hydrau-
fene Koksöfen, Propangasbrenner). lische Erhärtung ein, wobei höhere Festigkeiten
Als Nebenprodukt tritt bei der Erhärtung von als bei reinen Luftkalken erhalten werden.
Kalkmörtel Wasser auf, das als Baufeuchtigkeit in
Neubauten in Erscheinung tritt und durch gute 1.4.2.5
Durchlüftung abgeführt werden muß. Luftkalk- Baugipse
mörtel dürfen daher nicht frühzeitig gegen Luft
abgesperrt werden (z.B. durch Spachtelmassen, Baugipse bestehen zu mindestens 50 M.-o/o aus
Lacktapeten, dichte Oberputze, Fliesen), da ei- Dehydratationsprodukten des Calciumsulfat-Di-
nerseits die Carbonatisierung verhindert, ande- hydrats. Sie werden aus Rohgips (Gipsgestein
rerseits die Haftung von z.B. Fliesen durch die oder Nebenprodukte der Industrie) durch Auf-
allmähliche Wasserbildung beeinträchtigt wird. bereitungs- und Brennverfahren mit anschlie-
ßender Mahlung hergestellt. Man verwendet sie
Dolomitkalke ohne werkseitig zugegebene Zusätze (Stuckgips,
Putzgips) oder mit werkseitig zugegebenen Zu-
Dolomitkalk wird durch Brennen von Dolomit sätzen (z.B. Haftputz-, Fertigputz-, Maschinen-
oder dolomithaitigern Kalkstein hergestellt. Der putz- und Fugengips). Die Zusätze sollen die Ei-
Brennvorgang läuft in zwei Schritten ab: genschaften (z.B. die Haftung, Konsistenz, An-
steifungszeit) günstig beeinflussen. Die Anfor-
ab 600°C: CaC03·MgC03~CaC03
derungen an Baugipse sind in DIN 1168 bzw.
+ MgO+C02, (1.4.21)
DIN 4208 (Anhydritbinder) genormt.
ab 900°C: CaC03+ MgO~CaO + MgO+ 02. über die wichtigsten wasserhaltigen und was-
(1.4.22) serfreien Formen von Calciumsulfat gibt Tabel-
le 1.4-4 eine übersieht.
Die Löschreaktion ist analog zu der des Brannt- Es existieren beim Halbhydrat zwei Formen,
kalkes; es entstehen Ca( OHh und Mg( OHh. Die die als a- bzw. ß-Halbhydrat bezeichnet werden.
Löschreaktion erfolgt mit zunehmendem MgO- Das zu höherer Festigkeit führende a-Halbhy-
Gehalt langsamer. drat (Hartform- oder Modellgips) besteht aus
Bei der Erhärtung eines Dolomitkalkmörtels großen, gut ausgebildeten Kristallen und findet
entstehen neben Calcit zusätzlich hydratwasser- z.B.Anwendung für Modelle und Formen in In-
haltige basische Magnesiumcarbonate. dustrie, Chirurgie und Zahntechnik, zunehmend
auch für spezielle Fälle im Bauwesen (z.B. Estri-
Hydraulische Kalke che). ß-Halbhydrat (z.B.im Stuckgips) bildet bei
der Hydratation kleine nadelige Kristalle
Kalke mit hydraulischen Anteilen entstehen, (Abb.1.4-7) und wird z.B. für Stuck- und Form-
wenn Mergel (tonhaltiger Kalkstein) bei 1000°C arbeiten und zur Herstellung von Gipsbauplat-
bis 1200°C gebrannt wird. Neben Branntkalk ten verwendet.
entstehen dabei vergleichbare Verbindungen wie Bei der Hydratation (Erhärtung) von Halbhy-
im PZ-Klinker, d.h. Dicalciumsilicat (Belit), Tri- drat und Anhydrit entsteht Dihydrat (Abb.1.4-7):

Bauchemie 1-103
Tabelle 1.4·4 Wasserfreie und wasserhaltige Phasen von Calciumsulfat

Formel Bezeichnung Bildung aus Umwandlung in


CaS04 Anhydrit Al All>ll%0 ( Ca0+S0 3 > 1214°(
Hochtemperaturanhydrit
CaS04 Anhydrit All Alll >240°( Al >1196°(
totgebrannter Gips,enthalten DH "' 300 ... 700°( (im Rostbrandofen)
im Estrichgips; Mineral: Anhydrit DH >500°( (im Drehrofen)
CaS04 Anhydrit Al II a ·HH >180°( DH bei Hydratation
a·Anhydrit 111
CaS04 AnhydritAll I P-HH >180°( All >240°(
p-Anhydrit 111 DH (schnelle Hydratation)
HH (durch luftfeuchte)
CaS04 • I/1H 10 a -Halbhydrat DH bei 160 ... 180°((im Selbstdämpfer) DH bei Hydratation
a-HH oder bei 110 ... 140°( (im Autoklaven)
Hartformgips
CaS04 · 1hH10 a-Halbhydrat DH bei 130 ... 180°( (im Drehrohr) DH bei Hydratation
P·Halbhydrat DH bei 150°C(im Gipskocher)
P-HH
Stuckgips, auch in Puttgips
Mineral: Bassanil
Ca504 • 2H 10 Dihydrat HH und Al II bei HH bei no ... 1so• c
DH Hydratation
Gipsstein; Mineralien: Gips,

l Alabaster, Marienglas

Abb. 1.4-7 Erhärtungsprodukte von P·Halbhydrat (Stuckgips) nach 7 Tagen

1-104 Allgemeine Grundlagen


CaS04· Y2H20+ 1% H20--?CaS0 4· 2H20, Weitere spezifische Eigenschaften der Gipsbau-
(1.4.23) stoffe, die bei ihrer Anwendung beachtet werden
müssen, sind:
(1.4.24) - bei Durchfeuchtung starker Festigkeitsrück-
gang;
In Gegenwart von Anregern läuft auch die Hy- - Lösungserscheinungen bei· Berührung mit
dratation von Anhydrit II rasch ab. Es werden fließendem Wasser (relativ hohe Wasserlös-
drei Arten der Anregung unterschieden: lichkeit von 2 gineinem Liter Wasser bei 18 °C},
- Sulfatische Anregung durch Alkalisulfate wie daher dürfen Gipsbaustoffe derzeit nur im In-
(NH4hS04 oder K2S04, FeS04, ZnS0 4, CuS04. nenbereich verwendet werden;
Dabei unterscheidet sich die Wirksamkeit der - fehlender Korrosionsschutz für Bewehrungs-
Kationen in der Reihenfolge K+ ~ Na+> NHt stahl (Gips ist pB-neutral, Sulfat-Ionen sind
> Cu2+ > Fe2+ ~ Zn2+. korrosionsfördernd);
- Basische Anregung durch Alkalihydroxide, - bei Berührung von Gips mit hydraulischen
Ca(OHh, Portlandzement. Bindebaustoffen kann Sulfattreiben auftreten.
- Saure Anregung durch H2S04, KHS04,
NaHS04,Ah(S04h, Fe2(S04h. 1.4.2.6
Sonstige Bindemittel
Natürlicher Anhydrit All lagert im Laufe der Zeit
allmählich Wasser an. Da hierbei eine Volumen- Putz- und Mauerbinder
zunahme von etwa 60% eintritt, kommt es inAn-
hydritgebieten oft zu Verfaltungen und Rut- Putz- und Mauerbinder (PM-Binder, DIN 4211)
schungen (Gefahr bei Kanal- und Tunnelbau- ist ein hydraulisches Bindemittel, welches aus
ten). Zement (ggf. auch Kalkhydrat), Gesteinsmehl
Stuckgips erstarrt bereits 10 bis 15 Minuten und Zusatzmitteln besteht. Verwendet wird er
nach der Berührung mit Wasser. Zusätze wie Zi- für Putz- und Mauermörtel der Mörtelgruppen
tronensäure, Alaun, Zucker u.ä. verzögern den I undii.
Verfestigungsprozeß, Zusätze wie feingemahle-
ner Rohgipsstein, NaCl, K2S04 oder KOH be- Magnesiabinder
schleunigen ihn.
Stuckgips wird bei Wasser-Gips- Werten von Magnesiabinder ist ein nichthydraulisches Bin-
etwa 0,6 verarbeitet, Hartformgips bei 0,3 bis demittel, welches aus trockenem Magnesium-
0,35. Die Druckfestigkeiten (nach Trocknung) oxid und einer Magnesiumsalzlösung (Chlorid
liegen beim ß- Halbhydrat, z.B. Stuckgips, bei oder Sulfat) besteht. Die Erhärtung beruht auf
maximallON/mm2undbeima-Halbhydrat,z.B. der Bildung schwerlöslicher basischer Magnesi-
Hartformgips, bei maximal 50 N/mm2. umsalzhydrate, z.B.
Gips weist im erhärteten und ausgetrockneten
MgCh+3Mg0+11H20
Zustand ein feinporiges Gefüge auf, was ein ho-
--7 MgCh · 3Mg( OHh · 8H20. (1.4.25)
hes Wassersaugvermögen (Wasseraufnahme bis
zu 50%) bewirkt. Da Wasseraufnahme und Mit entsprechenden Füllstoffen werden mit die-
-abgabe schnell erfolgen, haben Gipsflächen sehr sem Bindemittel künstliche Steine, Estriche, Holz-
gute bauphysikalische Eigenschaften bezüglich wolle-Leichtbauplatten u. ä. hergestellt. Nachteilig
der Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe. Das ist die Unbeständigkeit gegen heißes Wasser und
hohe Wasserspeichervermögen führt zu Behag- die korrosionsfördernde Wirkung für Stahl.
lichkeit in Wohnräumen.
Darüber hinaus haben Gipsbaustoffe weitere Phosphatbinder
Vorteile:
- schalldämmende und wärmeisolierende Ei- Mischungen aus Aluminiumhydroxid und Phos-
genschaften, phorsäure reagieren unter Bildung von schwer-
- feuerhemmende Wirkung, löslichem Aluminiumphosphat:
- ästhetische Wirkung (weiß, beliebig färbbar),
Al(OHh+H3P04--7AlP04+3H20. (1.4.26)
- gute Haftfähigkeit an Putzträgern.
Aluminiumphosphatbinder werden zur Herstel-
lung feuerfester Betone verwendet.

Bauchemie 1-105
1.4.2.7 -nitrate oder Calciumacetat und -formiat be-
Zusatzmittel schleunigend. Auch ein Zusatz von 5 o/o bis 20 o/o
Tonerdezement, Aluminatsulfatphase C4 A3Sder
Durch anorganische oder organische Zusatz- Aluminatfluoridphase CuA7' CaF2, die beson-
mittel können gezielt Eigenschaften von Mörteln ders schnell erhärten, oder eine feinere Mahlung
und Betonen verbessert werden (vgl. [Knöfel des Portlandzements ermöglichen es, die Verfe-
1979] und [Reul 1993]). Es sind jedoch keine stigung zu beschleunigen.
Korrekturmittel, die eine mangelhafte Zusam- Die Wirkungsweise der Verzögerer ist che-
mensetzung oder fehlerhafte Mischung eines misch und beruht auf einer Umhüllung der Ze-
Mörtels oder Betons ausgleichen. mentpartikel durch Adsorptionsfllme oder Re-
Betonzusatzmittel dienen der Beeinflussung aktionsschichten. Dadurch wird der Wasserzu-
des Hydratationsprozesses und der Frisch- bzw. tritt zeitweise gehemmt. Wirkstoffe sind u.a.
Festbetoneigenschaften. Sie dürfen nach DIN 1045 Phosphate, Hydroxycarbonsäuren und deren
nur mit gültigem Prüfzeichen und nur unter den Salze oder Kohlehydrate wie Zucker.
im Prüfbescheid angegebenen Bedingungen an- Verflüssiger sind oberflächenaktive Stoffe,
gewendet werden. Die Betonzusatzmittel sind welche die Oberflächenspannung des Wassers
nach den "Richtlinien für die Zuteilung von Prüf- herabsetzen und dadurch das Benetzungsver-
zeichen für Betonzusatzmittel" gemäß Tabel- mögen steigern. Bei gleicher Verarbeitbarkeit
le 1.4-5 in Wirkungsgruppen eingeteilt. wird der W/Z-Wert verringert, wodurch die Fest-
Neben der Beschleunigung oder Verzögerung igkeit und Dichtigkeit des Betons steigt. Wirk-
kann ihre Wirkung in der Verflüssigung des Frisch- stoffe sind z.B. Ligninsulfonat und andere Sul-
betons (Verbesserung des rheologischen Verhal- fonate. Fließmittel sind besonders wirksame Ver-
tens), der Bildung von Luftporen und der Abdich- flüssiger, deren Wirkungsweise den Verflüssi-
tung bestehen. gern ähnlich, jedoch häufig nur zeitlich begrenzt
Beschleuniger bewirken ein schnelleres Inlö- ist. Im Gegensatz zu allen anderen Betonzusatz-
sunggehen der Bestandteile des Zements und mitteln werden sie deshalb erst unmittelbar vor
damit eine beschleunigte Hydratation. Sie wir- der Verarbeitung zugesetzt. Sie werden zur Her-
ken v. a. auf chemischem Wege. Man unterschei- stellung von Fließbeton (z.B. für selbstnivellie-
det nach ihrer Wirkungsweise zwei Gruppen: die rende flächige Bauteile wie Decken oder Estri-
Erstarrungsbeschleuniger und die Erhärtungs- che) eingesetzt. Wirkstoffe sind z. B. sulfoniertes
beschleuniger. Unter den zahlreichen Produkten, Melamin-Formaldehyd-Polykondensat, Lignin-
die zur Beschleunigung der Portlandzement- sulfonat und Acrylate.
Hydratation geeignet sind, wurde Calciumchlo- Die Wirkungsweise der Luftporenbildner ist
rid aufgrund seiner guten Wirksamkeit, seiner physikalisch Es wird eine gleichmäßige Vertei-
leichten Verfügbarkeit und der geringen Kosten lung von stabilen, isoliert vorliegenden kleinen
am meisten eingesetzt. Für Stahl- und Spannbe- kugeligen Mikroluftblasen angestrebt. Bei ge-
ton sind CaCh-haltige Zusätze nicht zugelassen, eigneter Porenzahl und-größewird die kapilla-
da durch sie Stahlkorrosion eintreten kann. re Saugwirkung (Kugelporen unterbrechen Ka-
Außer Chloriden wirken z. B. Alkalialuminate, pillaren) gemindert, und das eingedrungene

Tabelle 1.4-5 Wirkungsgruppen und Hauptanwendungsgebiete der Betonzusatzmittel

Wirkungsgruppe Kurzzeichen Hauptanwendungsbereiche


Beschleuniger BE kurze Verarbeitungszeit Erhöhung der Festigkeit zu frühen Terminen
Betonverflüssiger BV Plastifizierung, Erhöhung von Druckfestigkeit und Dichtigkeit, Verbesserung
der Betonoberfläche
Chromatreduzierer CR Reduzierung des Chromalgehalts in zementgebundenen Werkstoffen
Dichtungsmittel DM Erhöhung der Dichtigkeit
Einpreßhilfen EH Quellen im plastischen Zustand, Plastifizierung
Fließmittel FM Fließfähigkeit, Frühfestigkeitserhöhung
Luftporenbildner LP Plastifizierung, Stabilisierung, Erhöhung des Frost-Tau-Wechsel-Widerstands
Recyclinghilfen RH Wiederverwendung von Frischbeton nach mehrtägiger Lagerung
Stabilisierer ST Stabilisierung, Verbesserung der Betonoberfläche
Verzögerer VZ lange Verarbeitungszeit, Erhöhung von Druckfestigkeit und Dichtigkeit

1-106 Allgemeine Grundlagen


Wasser kann beim Gefrieren (Volumenausdeh- den oder Zusätze zur Verbesserung des Was-
nung etwa 10%) in diese meist nicht voll gefüll- serrückhaltevermögens (z. B. Methylcellulosen).
ten Poren eindringen. Ihr Anteil sollte minde-
stens 1,5% bis 3,0% betragen, um wirksam zu 1.4.3
werden. Ihr Abstand sollte statistisch 0,2 mm Einwirkungen auf die Baustoffe
nicht übersteigen. Wirkstoffe der Luftporenbild-
ner sind Harzseifen (z. B. Resine aus Kiefernholz- Baustoffschädigende Prozesse können chemi-
extrakt) oder andere organische Stoffe wie scher Natur (Lösungen von Säuren, Laugen und
Arylalkylsulfonate, Polyamine, Polyglykolether Salzen, organische Stoffe, Abgase), physikali-
und Polyalkohole. Bei hohen Luftporengehalten scher Natur (Wärme, Temperaturwechsel, v.a.
können die Festigkeiten stark sinken (1 o/o zu- Frost-Tau-Wechsel, Wind, Staub) und/oder bio-
sätzliche Luftporen erniedrigen die Festigkeit logischer Natur (Mikroorganismen, Pilze, Algen
um etwa 5%). usw.) sein; s.auch [Knöfel1985), [Stark/Stürmer
Stabilisierer verbessern die PumpHihigkeit 1996) und [Stark/Wicht 1995).
und die Standfestigkeit von Spritzbeton und ver-
hindern das Aufschwimmen grober Leichtzu- 1.4.3.1
schlagkörner. Verwendet werden z.B. wasser- Korrosion von Mörtel und Beton
lösliche Kunststoffe (Propylenoxid) oder Methyl-
cellulosen. Im wesentlichen wird hier die Betonkorrosion
Die Wirkungsweise echter Dichtungsmittel behandelt. Die Korrosionsmechanismen gelten
wird durch hydrophobierende (z.B. Silicone), aber i.d.R. auch für Mörtel mit anderen Binde-
porenverengende oder quellende Stoffe, z.B. mitteln wie Kalk oder Gips. Diese Bindemittel
Silicate (Wasserglas, Bentonit) oder Phosphate, sind wegen ihrer vergleichsweise geringeren
hervorgerufen. Da Beton nach DIN 1045 Abschn. Festigkeit und größeren Löslichkeit (besonders
6.5.7.2 ohne Zusatzmittel"wasserundurchlässig" Gips) weniger dauerhaft als zementgebundene
hergestellt werden kann, ist der Einsatz von Baustoffe.
Dichtungsmitteln umstritten. Beton ist unter normalen Umweltbedingun-
Einpreßhilfen werden für Mauerwerkinjek- gen dauerhaft. Besondere angreifende Bedin-
tionen oder für Spannkanäle verwendet. Sie sol- gungen können jedoch zu Schädigungen führen.
len den Wasseranspruch herabsetzen und Dies gilt für Zementbeton ebenso wie für Ze-
gleichzeitig die Fließfähigkeit verbessern. Zu- mentmörtel. Die Schädigungsreaktionen kön-
sätzlich bewirken sie ein geringeres Absetzen nen von außen (meist schädigender Angriff durch
und Wasserabsondern und sollen durch ein ge- Flüssigkeiten) oder von den Ausgangsstoffen des
ringes Treiben (< 10 o/o) im noch plastischen Zu- Mörtels bzw. Betons herrühren.
stand infolge Gasbildung das Schwinden kom- Der i.allg.leichter angreifbare Bestandteil ist
pensieren, um eine hohlraumfreie Füllung des der Zement- bzw. Bindemittelstein. Wie bereits
Spannkanals zu erreichen. Wirkstoffe sind meist erwähnt, benötigt der Zement etwa 40 M.-o/o
eine verflüssigende, benetzende und verzögern- Wasser (W/Z:::: 0,40) zur vollständigen Hydrata-
de Komponente (vgl. BV und VZ) sowie eine trei- tion. Das darüber hinaus zugesetzte, nur der Ver-
hendlquellend wirkende Komponente, z. B. Alu- arbeitbarkeit dienende Zugabewasser verur-
miniumpulver (reagiert mit Calciumhydroxid sacht nach der Erhärtung Poren. Je poröser der
bei der Zementhydratation unter Abspaltung Zementstein ist, desto größer wird die innere an-
von Wasserstoffgas und Bildung von Calcium- greifbare Oberfläche und desto leichter können
aluminathydraten). angreifende Lösungen und Gase in den Beton
1997 wurden vom Deutschen Institut für Bau- eindringen. Eine hohe Widerstandsfähigkeit des
technik zwei weitere Zusatzmittelgruppen ein- Betons/Mörtels ist somit verbunden mit einem
geführt (Chromatreduzierer und Recyclinghil- niedrigen W/Z-Wert (ggf. durch Zusatzmittel:
fen, s. Tabelle 1.4-5). BV) und einem hohen Hydratationsgrad (lange
Im Bereich der Werktrockenmörtel (z.B. Put- feuchte Nachbehandlung), was zu geringer Ka-
ze, Mauermörtel, Fliesenkleber) kommen zu- pillarporosität und somit zu niedrigerer Was-
sätzlich zu den beschriebenen weitere Zusatz- serdurchlässigkeit führt.
mittel zum Einsatz. Hierzu gehören u.a. Kunst- Nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und
stoffredispersionspulver zur Verbesserung der ihren Auswirkungen können zwei Arten der
Klebkraft auf den verschiedensten Untergrün- Schädigung unterschieden werden:

Bauchemie 1-107
- lösend: durch Neubildung löslicher Reak- die Widerstandsfähigkeit bei der Einwirkung
tionsprodukte an der Oberfläche (z.B. Säure- starker Laugen (z.B. >10%ige Natronlauge).
angriff),
- treibend: durch Bildung schwerlöslicher volu- Angriff durch austauschfähige Salze. Bestimm-
minöser Reaktionsprodukte im Betoninneren te Magnesium- und Ammoniumsalze (z.B. die
(z.B. Sulfatangriff). Chloride) reagieren mit dem Zementstein (kei-
ne Reaktion z. B. mit Ammoniumcarbonat,
Lösende Betonkorrosion -oxalat und -fluorid). Sie wirken lösend, weil das
Chlorid insbesondere mit dem Calciumhydro-
Eine lösende Korrosion tritt auf, wenn sich an xid des Zementsteins leicht wasserlösliche Ver-
der Mörtel- bzw. Betonoberfläche infolge chemi- bindungen bildet, die weggeführt werden kön-
scher Reaktionen aus schwerlöslichen Verbin- nen. Magnesium kann sich als Hydroxid (weiche,
dungen leicht lösliche Reaktionsprodukte bil- gallertartige Masse) außen oder innen abschei-
den. Diese werden abgetragen. Es entsteht zu- den und dabei u. U. auch zu Treiberscheinungen
nächst eine "waschbetonartige" Oberfläche, aus führen. Ammoniak entweicht gasförmig. Im hier
der danach auch die Zuschläge ausbrechen. Lö- angegebenen Beispiel für eine Austauschreakti-
sender Angriff wirkt fast ausschließlich auf den on reagiert das Calciumcarbonat eines Kalk-
Zementstein bzw. die Bindemittelmatrix, der Zu- mörtels mit Ammoniumchlorid zum leicht lös-
schlag (Ausnahmen: Kalkstein und Dolomit, die lichen Calciumchlorid, welches einfach durch
durch Säuren angegriffen werden) ist i.d. R. dau- Wasser weggeführt werden kann:
erhaft.
CaC03 + 2 NH 4Cl ~ CaCh + (NH4)zC03.
(1.4.29)
Angriffdurch Säuren. Der Angriffsgrad der Säu-
ren ist von ihrer Stärke und Konzentration ab- Angriff durch weiches Wasser. Je weicher das
hängig. Starke Säuren, v. a. Mineralsäuren wie Wasser ist, desto weniger Calcium- und Magne-
Salzsäure, Schwefelsäure und Salpetersäure siumsalze enthält es gelöst, desto mehr dieser
(Ausnahmen: Flußsäure und Phosphorsäure) lö- Salze kann es also noch lösen (z.B. aus Beton).
sen alle Bestandteile des Zementsteins bzw. der So kann sehr weiches Wasser die Oberfläche von
Bindemittelmatrix unter Bildung von Calcium-, Beton angreifen; dabei wird das bei der Erhär-
Aluminium- und Eisensalzen sowie Kieselgel tung entstandene Ca(OH)z ausgelaugt und der
auf. Schwache Säuren wie Kohlensäure und vie- Porenraum des Betons vermehrt. Sachgemäß
le organische Säuren wie Humussäure (im Erd- hergestellter Beton ist aber auch gegen sehr wei-
boden) und Milchsäure bilden nur mit einigen ches Wasser praktisch beständig
Calciumverbindungen wasserlösliche Salze. Stär-
kere Schäden sind hier erst bei längerer Einwir- Angriffdurch Fette und Öle. Organische (pflanz-
kung zu erwarten. liche und tierische) Fette sowie Öle enthalten
Eine besondere Rolle spielt die Auslaugung kleinere oder größere Anteile freier Fettsäuren,
durch kalklösende Kohlensäure, wobei es nach die wie andere schwache Säuren den Beton an-
anfänglicher Verfestigung durch Bildung des greifen. Außerdem können auch die Fettsäure-
schwerlöslichen Calciumcarbonats Glyceride mit den Calciumverbindungen des Ze-
mentsteins unter Bildung von Calciumsalzen der
Ca( OH)z + C02 + H20 ~CaC03 + 2H20
Fettsäuren (Calciumseifen) und Glycerin rea-
(1.4.27)
gieren. Diese Spaltung (Verseifung) der Fette be-
bei weiterer Einwirkung C0 2-haltigen Wassers wirkt ein Aufweichen und Auflockern des Betons
zur Bildung des leichtlöslichen Calciumhydro- bzw. Mörtels. Mineralöle und -fette (i.allg. Koh-
gencarbonats kommt: lenwasserstoffe) sind nicht betonangreifend, es
sei denn, sie enthalten schädliche Verunreini-
CaC03+C02+H 2 0~Ca(HC0 3 h. (1.4.28)
gungen (z.B. Säuren). Bei völliger Durchträn-
Dieses wird vom Sickerwasser aufgenommen kung eines Betonteils mit Fetten oder Ölen tritt
und fortgeführt, wobei der W/Z- Wert des Betons eine Festigkeitsminderung von etwa 25% sowie
für die Abtragung wesentlich ist. eine Schwächung des Verbunds mit der Stahlbe-
wehrung auf.
Angriff durch Laugen. Während Beton gegen
nicht zu starke Laugen relativ beständig ist, sinkt

1-108 Allgemeine Grundlagen


Treibende Betonkorrosion

Umsetzungen, die zu voluminösen Neubildun-


gen im noch plastischen Stadium führen, sind
i.d. R. unbedenklich, da ein Ausweichen möglich
ist (vgl. Ettringitbildung beim Sulfathüttenze-
ment, Unterkapitel1.4.2.3 ). Im festen Zustand ist
dagegen kein unbehindertes Ausweichen gegen-
über voluminösen Neubildungen im Inneren ei- a CaO (z.B. Freikalk) im erhärteten Mörtel oder
nes Bauteils möglich; schädliche Treiberschei- Beton;
b Sprengwirkung bei allmählicher Hydratation
nungen können auftreten. zu Ca(OH) 2
Die Voraussetzungen für eine Rißbildung in-
folge von Treibreaktionen sind: Abb. 1.4-8 Kalktreiben, aus [Henning/Knöfel1997)
- chemische Reaktionen im Inneren des Bauteils,
- Volumen der Neubildungen größer als Volu-
men der festen Ausgangsstoffe (flüssige und

~
gasförmige Ausgangsstoffe sind nicht zu be-
rücksichtigen, da sie durch das Porensystem
zugeführt werden),
- entstehende Spannungen größer als die Fe-
stigkeit des Baustoffs. ~--
Treibvorgänge wirken i.allg. stärker zerstörend a MgO (Periklas) im erhärteten Mörtel oder Beton;
b Sprengwirkung bei allmählicher Hydratation zu
als Lösungserscheinungen. Sie können durch Re- Mg(OH) 2
aktionen des Zementsteins (bzw. des erhärteten
Bindemittelleims), des Zuschlags und (beim Abb. 1.4-9 Magnesia treiben, aus [Henning/Knöfel!
Stahlbeton) der Bewehrung verursacht werden.

Ursache Zementstein. Bei zu hohen Gehalten an Ähnlich wie beim Kalktreiben beruht die
freiem Calciumoxid (>2M.-%) kann Kalktrei- Sprengwirkung auf einer 2,2fachen Volumenzu-
ben auftreten nahme beim Übergang vom Oxid zum Hydroxid.
Die Reaktionsfähigkeit des Calciumoxids Beim Eindringen magnesiumsalzhaltiger Wäs-
nimmt mit steigender Brenntemperatur ab. Ent- ser (z. B. MgCh- und MgS04 - Lösungen) in Beton
hält bei 1400°C bis 1500°C hergestellter Port- - z. B. bei der Verwendung von "Magnesiumlau-
landzement freien Kalk (Freikalk), so hydrati- ge" zur Schnee- und Eisbeseitigung auf Beton-
siert dieser bei der Erstarrung nicht schnell ge- straßendecken - kommt es unter Volumenver-
nug. Die nicht hydratisierten Kalkanteile liegen größerung zur Bildung von Mg(OH)z, welches
damit im festen Mörtel oder Beton noch vor. schwerer löslich ist als Ca(OH)z:
Beim Eindringen von Feuchtigkeit findet eine
MgS0 4 +Ca(OH)z+2 H 2 0~
allmähliche Hydratation des Calciumoxids statt:
CaS04 · 2H 20+ Mg(OH)z. (1.4.32)
CaO+ H 2 0~Ca(OH)z. (1.4.30)
Da bei dieser Reaktion aus einem Mol Ca(OH)z
Dabei tritt eine Volumenzunahme auf das Dop- im Betongefüge je ein Mol CaS0 4 · 2H 20 und
pelte ein, die zu Sprengwirkungen und damit zu Mg( 0 H)z entstehen, tritt eine Volumenzunahme
Gefügeschäden führt (Abb. 1.4-8). ein, die Sprengwirkungen zur Folge hat. In die-
Magnesiatreiben tritt ein, wenn der Zement- sem Fallliegt eine Treiberscheinung vor, die we-
klinker mehr als 5 M.-% Magnesiumoxid ent- gen der Gipsbildung auch als Sulfattreiben be-
hältEtwa 2,5 M.-% MgO können die Klinkerpha- zeichnet werden kann. Bei der Einwirkung von
sen in fester Lösung aufnehmen, der Rest liegt als MgClz bildet sich voluminöses Magnesiumhy-
Periklas vor. Bei Einwirkung von Wasser reagie- droxidchloridhydrat Mg 2(0HhC1·4H 20 und
ren Periklaskristalle nur sehr langsam unter Bil- Mg(OH)z.
dung von Magnesiumhydroxid (Abb. 1.4-9): Wirken auf erhärteten Beton oder Mörtel sul-
fathaltige Lösungen ein, so kommt es in Gegen-
MgO + H20 ~Mg( OH)z. (1.4.31)
wart von Calciumaluminat bzw. Calciumalumi-

Bauchemie 1-109
nathydraten zum Sulfattreiben. Dabei bildet sich Ursache Zuschlag. Enthalten die Betonzuschläge
der sehr kristallwasserreiche Ettringit (Trisul- amorphe oder schlecht kristallisierte Kiesel-
fat), z.B. säure und die Zemente erhebliche Alkaligehalte,
so kommt es zu Treiberscheinungen, die als Al-
3Ca0 ·Ah0 3+ 3( CaS0 4·2H 20) + 26H 20 ~
kalitreiben oder Alkali-Kieselsäure-Reaktion be-
3Ca0 ·Ah0 3· 3CaS04· 32H 20. ( 1.4.33)
zeichnet werden. Dabei bilden sich Alkali-Sili-
Beim Übergang von C3A zu Ettringit (s. auch cat-Gele, die unter Wasseraufnahme quellen.
Abb. l.4.-3) vergrößert sich das Volumen auf das Diese Gele vermindern die Festigkeit und kön-
Sieben- bis Achtfache. Bei sehr hohen Sulfatkon- nen zur vollständigen Zerstörung des Betons
zentrationen (etwa> 1200 mg S04 2-!l) kann sich führen (Abb. 1.4-ll).
auch aus einer Calciumhydroxidlösung des er- Erkennungszeichen der Alkalireaktion sind
härteten Betons Gips ausscheiden, der ebenfalls ringförmige weiße Ausblühungen, besonders an
treibend wirkt, z. B. Abplatzungsstellen, sowie weiße Geltropfen und
netzartige Risse.
Ca( OH)z + NazS04 + 2Hz0
Als alkaliempfindliche Zuschläge (amorphes
~CaS0 4 ·2Hz0+2NaOH. (1.4.34)
oder feinkristallines Si02) sind v.a. zu nennen:
Infolge der Dichteabnahme während der Um- Opal, Flint (Feuerstein) und Chalcedon. Auch
setzung tritt eine Volumenvergrößerung ein, die mit kieseligen Kalksteinen und Dolomiten, glas-
zum Sulfattreiben oder Gipstreiben führt (Abb. haltigen vulkanischen Gesteinen und sogar mit
1.4-1 0). Starkes Treiben tritt auf, wenn gips- oder manchen Graniten, Basalten und Schiefern wur-
anhydrithaltiger Zuschlag verwendet wird. Schä- den Reaktionen beobachtet. Der Zement oder
digende Sulfate stammen vorwiegend aus wäßri- allgemein das Bindemittel sollte einen geringen
gen Lösungen (Grundwasser, Abwasser, Moor- Alkaligehalt haben. Für eine schädigende Alka-
wasser u.ä.). Als weitere Sulfatquellen sind u.a. lireaktion ist ein Mindestalkaligehalt von > 3 kg
Ziegel (können lösliche Sulfate enthalten) oder NazO-Äquivalente pro m 3Beton Voraussetzung.
Sulfidgehalte im Zuschlag- z.B. Pyrit FeS 2, wel- Verhindern läßt sich das Alkalisilicattreiben bei
cher durch allmähliche Oxidation in Sulfat über- Betonen durch entsprechende Wahl der Aus-
geht - zu nennen. gangsstoffe, d.h. NA-Zement mit niedrigem
Sulfatlösungen dringen infolge ihres hohen wirksamen Alkaligehalt und Zuschläge, welche
Benetzungsvermögens schnell und tief in den möglichst wenige der genannten Bestandteile
Beton ein. Bei erwartetem Sulfatangriff auf Mör- enthalten (vgl. hierzu auch DIN 4226 Teil3).
tel oder Beton sollten HS-Zemente verwendet Eine andere Alkalireaktion, die zu Treiber-
werden. Allerdings kann bei einem Kontakt die- scheinungen führen kann, tritt bei der Einwir-
ser Mörtel mit Gips Thaumasit CaO · Si0 2 • kung von Alkalien auf dolomitische Zuschläge
CaS0 4· CaC03 · 14,5 HzO gebildet werden. Auch ein. Diese Reaktion wird auch als Entdolomiti-
Kalke mit hydraulischen Anteilen können infol- sierung oder als Alkali-Dolomit-Reaktion be-
ge ihres C3A-Gehalts durch Sulfattreiben ge- zeichnet. Es kommt dabei zu folgender Umset-
schädigt werden. zung:

a Betonzuschlag, der amorphe Kieselsäure enthält,


a C3Aoder Calciumaluminathydrat-Phase wird von eindringenden oder im Zement enthal-
(z.B. C4AH 13 ) in Mönel oder Beton; tenden Alkalien angegriffen;
b Sprengwirkung bei der Bildung von Gips oder b Sprengwirkung infolge Bildung und Quellung von
Trisulfat (Ettringit) Alkalisilicat-Gel

Abb. 1.4-11 Alkalitreiben mit kieselsäurehaitigern


Abb. 1.4-10 Sulfattreiben, aus [Henning/Knöfel1997] Zuschlag, aus [Henning/Knöfel1997]

1- 110 Allgemeine Grundlagen


CaMg( C03h + 2NaOH ~ CaC03 Dabei sinkt der pH-Wert auf etwa 9. Rostet nun
+Na2C03+Mg(OH}z. (1.4.35) die Bewehrung, so tritt neben dem Festigkeitsver-
lust eine Volumenzunahme um das 2,Sfache ein:
Nicht nur Alkalihydroxide, sondern auch Alkali-
(1.4.38)
salze können zum Alkalitreiben führen, da sich
letztere mit Ca(OHh zu Alkalihydroxiden um- Diese Volumenzunahme kann ein Absprengen
setzen, z. B. des Betons vor der Bewehrung verursachen.
Die Carbonatisierung des Betons hängt von
Ca( OHh + NazC03 ~CaC03+ 2NaOH.( 1.4.36)
verschiedenen Einflußfaktoren ab:
Alkalihydroxide können auch durch Basenaus- Schnellster Carbonatisierungsfortschritt tritt
tausch mit zeolithischen Zuschlägen entstehen. bei 50% bis 70% relativer Luftfeuchtigkeit auf;
In Beton oder Mörtel eindringende Sulfatlö- erhöhte COz-Konzentration und erhöhte Tem-
sung kann in den Spaltrissen der Glimmer zur peratur beschleunigen die Carbonatisierung.
Kristallisation von Gips unter Auftreiben führen. Verzögernd wirken eine Herabsetzung des Was-
Diese Schädigungsreaktion bezeichnet man als ser-Zement-Wertes, eine Erhöhung des Zement-
Gips-Glimmerschiefer-Treiben. Die Gipskristalli- gehalts, eine Erhöhung der Zementqualität (z.B.
sation erfolgt nur in Gegenwart von Ca(OHh, Portlandzement CEM I 52,5 statt Hochofenze-
welches die Sulfatlösung im Mörtel und Beton ment CEM III/B 32,5) sowie eine höhere Beton-
zur Obersättigung bringt. Gipskristallisation im dichtigkeit. Eine gute Verdichtung und eine lan-
Zementstein ist kaum zu beobachten, da durch ge feuchte Nachbehandlung (bedeutet hohen Hy-
Oberflächenkräfte in den feinen Kapillaren die dratationsgrad) wirken ebenfalls verzögernd auf
Kristallkeimbildung gehemmt wird. Dies ist in die Carbonatisierung. Der Carbonatisierungs-
genügend großen Hohlräumen nicht der Fall; fortschritt in die Betontiefe verläuft unter gleich-
hier erfolgt spontane Kristallisation. Stärker ver- bleibenden Umweltbedingungen etwa propor-
witterter Glimmer bzw. Glimmerschiefer ist an- tional zur Quadratwurzel aus der Zeit.
fälliger. Deshalb dürfen hochsulfatwiderstands- Halogenide - von besonderer Bedeutung sind
fähige Betone und Mörtel weder C3A-haltigen hier die Chloride -heben die Passivierung an der
Zement noch Glimmer bzw. Glimmerschiefer Stahloberfläche auf. Ihre Wirkung ist Lochfraß
enthalten. im nichtcarbonatisierten Bereich bzw. Flächen-
abtrag dort, wo der Beton bereits carbonatisieri
Ursache Bewehrung. Stahl im Beton (schlaffe ist. Chlorid wird vom Portlandzementstein z. T.
oder gespannte Bewehrung) unterliegt i. allg. kei- gebunden, dabei bildet sich Friedelsches Salz
ner Korrosion, da er einer Porenflüssigkeit aus- (3Ca0 Al2 03 CaClz 10H20); auch in andere Pha-
gesetzt ist, deren pH-Wert bei 12,6 bis etwa 13 sen wird Chlorid eingebaut. Der Zerfall dieser
liegt (gesättigtes Kalkwasser: pH =12,6, durch Phasen durch Carbonatisierung ist nicht auszu-
Alkaligehalt wird der pH-Wert auf etwa 13 er- schließen. Ein Beton aus Hochofenzement bin-
höht). In diesem pH-Bereich ist Eisen passiviert, det mehr Chlorid als einer aus Portlandzement.
d.h., es ist keine Korrosion möglich. Die Passi- Nur das ungebundene Chlorid ist für die Be-
vierung oder Immunisierung des Eisens wird wehrung gefährlich.
aufgehoben durch Erniedrigung der OB--Kon- Chloride können zusätzlich auch durch PVC-
zentration im Porenwasser (pH <9,5) z.B. irrfol- Brände, Schwimmbadwasser, Streusalz, Meer-
ge Carbonatisierung des Betons, durch Erhöhung wasser usw. zugeführt werden. Schutzmaßnah-
der OB--Konzentration (pH >13) und durch die men sind z. B. sperrende Beschichtungen wie
Anwesenheit spezifisch wirkender Ionen (insbe- Epoxidharz. Die Auswahl eines geeigneteren Ze-
sondere Chlorid) in der wäßrigen Phase. Die ments (z.B. Hochofenzement statt Portlandze-
Korrosionsgefahr erhöht sich bei Spannstählen ment) und ein dichterer Beton (z.B. wie bei"star-
(Spannungsrißkorrosion). kem Angriff" nach DIN 4030) verzögern den An-
Bei der Carbonatisierung reagiert das bei der griff der Bewehrung.
Hydratation der Calciumsilicate neben den C-S-
H-Phasen gebildete CalCiumhydroxid in Gegen- Weitere Korrosionsmechanismen
wart von Feuchtigkeit mit dem COz der Luft zu
Calciumcarbonat: Schäden durch Frost-Tau- WechseL Ist der Mör-
tel oder Beton im durchfeuchteten Zustand Frost
Ca(OHh+C0 2 + HzO~CaC03+2HzO. (1.4.37)
ausgesetzt, so können durch die Volumenzurrah-

Bauchemie 1-111
me bei der Eiskristallisation (Zunahme 9,1 Vol.- die Umgebung ausgeübt. Voraussetzung für die
o/o) Spannungen entstehen. Das heißt, wenn das Schädigung ist eine weitgehend gefüllte Pore,
Porensystem des Baustoffs zu mindestens 91 Vol.- flüssige oder gasfcirmige Stoffzufuhr durch fei-
o/o mit Wasser gefüllt ist, so reicht der vorhande- ne Kapillaren und ein Kristallisationsdruck, der
ne Porenraum nicht aus, um das beim Gefrieren größer als die Druckfestigkeit des Mörtels bzw.
entstehende größere Eisvolumen aufzunehmen. Betons ist.
Je nach Art und Menge der gelösten Bestandtei- Kristallisationsdrücke entstehen auch, wenn
le gefriert das Wasser jedoch nicht bei 0 °C, son- meist unlösliche bzw. schwer lösliche feste in vo-
dem erst bei tieferen Temperaturen (z.B. eine ge- luminösere (meist leichter lösliche) feste Be-
sättigte NaCl-Lösung erst bei -21°C). standteile umgesetzt werden. Beispiel ist die fol-
Gefriert das Wasser in den Poren, so ist der gende Reaktion, die unter einer Volumenver-
auskristallisierende Eisanteil temperaturabhän- dopplung abläuft:
gig. Die Eisbildung hat die genannte Volumen-
CaC03+S04 2 -+2HzO~CaS0 4 ·2H2 0+C0 3 2 -.
. vergrößerung zur Folge und bewirkt, daß im
(1.4.39)
noch flüssigen Wasser des Porensystems ein hy-
drostatischer Druck entsteht. Dieser hydrostati- Besonders große Auswirkungen verursachen
sche Druck kann sich in einem nicht mit Wasser solche Salze, die unter Wasseraufnahme umkri-
gefüllten Raum (z.B. einer Pore) entspannen. Ist stallisieren, d.h. unter den Temperatur- und
ein solcher Raum nicht vorhanden, so kann der Feuchtigkeitsbedingungen normaler Klimaver-
hydrostatische Druck die Festigkeit des Bau- hältnisse verschiedene Hydratstufen ausbilden.
stoffs überschreiten, und es kommt zu Rißbil- Typisches Beispiel ist das Natriumsulfat, das un-
dungen oder Abplatzungen. Bei plötzlicher Ab- terhalb von 32,4 °C vom wasserfreien Thenardit
kühlung verlaufen diese Vorgänge schneller. Da zum Dekahydrat (Glaubersalz) übergeht und da-
aber der Druckausgleich in einer wasserfreien bei eine Volumenvergrößerung auf das Vierfache
Pore nicht so schnell erreicht werden kann, sind erfährt:
solche Abkühlungen kritischer. In der Praxis tre-
NazS04 + lOHzO ~ NazS04 ·10Hz0. ( 1.4.40)
ten sie beim Aufstreuen von Taumitteln auf ver-
eiste Baustoffe auf. Die Umwandlung erfolgt in der Praxis im Be-
Der Frost-Tau-Wechsel-Widerstand eines reich von 0°C bis 30°C und relativen Luftfeuch-
Mörtels läßt sich durch Einführung von Luftpo- ten von etwa 60o/o bis 80o/o.Die zerstörende Wir-
ren verbessern. Da bei der Wasseraufnahme die kung tritt ein, sobald sich das wasserfreie Salz in
Kapillarkräfte eine wesentliche Rolle spielen, den Poren derart angereichert hat, daß die Hy-
sind Baustoffe mit großen Poren weniger frost- dratstufe keinen Platz mehr in der Pore findet.
gefährdet als solche, die das gleiche Gesamtpo- Es entstehen Spannungen (Hydratationsdruck),
renvolumen in Form von kleineren Poren haben. die zu Rissen,Absprengungen, Zermürbung und
Luftporen (Durchmesser etwa 0,2 mm) unter- Absandungen führen kann.
brechen die Kapillarporen, saugen sich nicht mit
Wasser voll und wirken somit als Druckaus- Biologische Korrosion. Die Möglichkeit der zer-
gleichsporen. Ihre Einführung gelingt durch Zu- störenden Einwirkung besteht durch Mikro- und
satzmittel wie Luftporenbildner, Mikrohohlku- Makroorganismen. Das Ausmaß der Schädigung
geln oder aber auch spezielle Kunststoffdisper- ist sowohl von den Arten der Organismen als
sionen. auch den von ihnen ausgeschiedenen Stoffwech-
selprodukten abhängig. Zu den beeinflussenden
Schäden durch Salzkristallisation. Schädliche Makroorganismen gehören z.B. Tiere (Exkre-
Salze sind weit verbreitet und eine häufige Scha- mente),Bäume (Wurzelsprengungen) und Moo-
denursache. Sie sind nicht selten als weiße Aus- se. Günstige Besiedlungsbedingungen für Mi-
blühungen sichtbar. kroorganismen sind neben einer ausreichenden
Diese Salze können die hygroskopische und Nährstoffbasis eine konstante Feuchtigkeit und
osmotische Wasseraufnahme fördern sowie Temperatur sowie die Abfuhr der z.T. schädli-
sprengend wirken. Die sprengende Wirkung chen Stoffwechselprodukte.
kann zwei Ursachen haben:
Bei der Kristallisation aus einer übersättigten
Lösung wird durch den wachsenden Kristall
bzw. die komprimierte Flüssigkeit ein Druck auf

1-112 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.4-6 Angreifende Bestandteile in Wässern (nach DIN 4030)

angreifende Bestandteile Angriffsgrad


schwach stark sehr stark
Säuren, pH·Wert 6,5 ... 5,5 5,5 ... 4,4 < 4,5
Kalklösende Kohlensaure in mg/1 (Marmorversuch nach Heyer) 15 ... 40 40 ... 100 > 100
Ammonium NH; in mg/1 15 ... .30 30 ... 60 >60
Magnesium Mg2+ in mg/1 300 ... 1000 1000 ... 3000 >3000
~fat sol·
in mg/1 200 ... 600 600 ... 3000 >3000

1.4.3.2 ein ständiger Schutz des Betons gegen den un-


Korrosionsschutz von Beton und Instandsetzung mittelbaren Zutritt des angreifenden Mediums
erforderlich.
Beurteilung der Korrosionsmedien
Instandsetzung
DIN 4030 unterscheidet nach Art und Konzen-
tration der angreifenden Stoffe drei Angriffs- An dieser Stelle wird auf die weiterführende Li-
grade: schwach, stark und sehr stark angreifend teratur (u.a. Bicz6k 1968], [Bisle 1988], [Knö-
(Tabelle 1.4-6). Die Grenzwerte gelten für ste- fel/Schubert 1993] und [Schönburg 1993]) ver-
hendes und schwach fließendes, in großen Men- wiesen.
gen vorhandenes, unmittelbar angreifendes
Wasser vorwiegend natürlicher Zusammen- 1.4.4
setzung (Normalfall). Das jeweils größte An- Auswirkungen aus den Baustoffen
griffsvermögen nach Tabelle 1.4-6 ist entschei-
dend, auch wenn es nur von einem der angrei- Zu diesem Bereich der Bauchemie zählen be-
fenden Korrosionsmedien erreicht wird. sonders folgende Punkte:
Meerwasser bildet eine Ausnahme und ist als - Auslaugungen aus den Baustoffen (vgl. auch
stark angreifend einzustufen. DIN 38414 Teil 4), z.B. Bildung von Ausblü-
Auch für angreifende Bestandteile in Böden hungen, Auslaugung von Zusatzmitteln aus
sind in DIN 4030 Grenzwerte enthalten. Mörteln und Betonen oder auch die Auslau-
gung von Schwermetallen aus Zeroenten (vgl.
Korrosionsschutz des Betons "Maurerkrätze" durch im Zement enthaltenes
Chromat)- s. hierzu [Stark/Wicht 1996];
Die wesentlichen Möglichkeiten des Korrosions- - Wiederverwertbarkeit von Baustoffen, z.B.
schutzes von Beton sind: Recyclingzuschläge auf Altbetonbasis;
- Einsatz einwandfreier Ausgangsstoffe als - Ökobilanzen von Baustoffen.
Komponenten des Betons oder Mörtels sowie
entsprechende Rezeptierung, Verarbeitung 1.5
und Nachbehandlung;
Theorie der Tragwerke
- Anwendung besonderer Korrosionsschutz-
maßnahmen für "sehr starken" Angriff. Hier-
1.5.1
zugehören Beschichtungen (z.B.Bitumen und
Festigkeitslehre
Kunststoffe), keramische Beläge oder Beklei-
dungen mit Kunststoffolien und -bahnen;
1.5.1.1
- Vermeidung korrosionsfördernder konstruk-
Spannungen
tiver Details bei der Gestaltung und Aus-
führung der Bauwerke. Man definiert den Spannungsvektor t im Punkt
P eines durch den Normalenvektor n definierten
DIN 1045 enthält Angaben zum Schutz von Be- ebenen Schnitts durch einen Körper (Abb.1.5-1)
tonen gegen "schwachen" und "starken" Angriff. als
Bei "sehr starkem" Angriff ist außer den für dF
t= dA. ( 1.5.1)
"starken" Angriff erforderlichen Maßnahmen

Theorie der Tragwerke 1-113


dE

Abb. 1.5·1 Zur Definition der Spannung

Abb. 1.5-3 Ursprüngliches und gedrehtes kartesisches


Koordinatensystem

x2 erhält man den zugehörigen Spannungsvektor t


aus
(1.5.3)

Der Normalenvektor n wird üblicherweise in


Abb. 1.5·2 Spannungskomponenten im kartesischen Form eines Einheitsvektors angegeben:
Koordinatensystem

A'] [cosa1]
Der Spannungsvektor läßt sich in die beiden n= [ A2 = cosa 2 (1.5.4)
Komponenten er und t zerlegen, wobei er als Nor- A3 cosa 3
malspannung senkrecht zur Schnittfläche steht,
während t als Tangentialkomponente in der Hierbei sind ai die Winkel zwischen dem Nor-
Fläche selbst liegt (Schubspannung). Der Span- malenvektor und den Achsen XJ>X2 und X3 (bzw.
nungszustand in P wird für jeden beliebigen x, y und z) des zugrunde liegenden kartesischen
Schnitt durch den Cauchyschen Spannungsten- Koordinatensystems. Für das nach Abb.l.5-3 be-
sor er (1.5.2) beschrieben; er gibt die Spannungs- züglich (x"x 2,x3) gedrehte Koordinatensystem
komponenten in drei zueinander senkrecht ste- (x '" x'2, x'3) läßt sich der Spannungstensor er'
henden Ebenen durch Pan (Abb. 1.5-2): mittels einer Ähnlichkeitstransformation errech-
nen:

o=[:: :; ::]=[::: ::: :::]


Tzx Tzy Ozz 031 032 033
Die Koeffizienten Aik der Transformationsmatrix
(1.5.5)

L sind Richtungskosinusse der Winkel zwischen


(1.5.2)
den Achsen x" x2, x3 und x'" x2, x3:
Sonderfälle dieses allgemeinen Spannungszu-
stands sind der einachsige Spannungszustand Au Au A13]
(etwa bei einem Zug- oder Druckstab) sowie der LT = [ A21 A22 A23 (1.5.6)
ebene Spannungszustand (siehe unter 1.5.1.3).
A31 A32 A33
Der Spannungstensor er ist nach dem Boltz-
mann-Axiom symmetrisch, wie die Betrachtung So gilt z.B.mit a,ß und yals Winkel zwischen der
des Momentengleichgewichts um die drei Ach- Achse x', und (jeweils) XI> x2 und X3 A.u=cosa,
sen zeigt. Damit sind auch die Schubspannungen A12=cos ß, A13 = cos y. Die Matrix L ist orthogo-
in aufeinander senkrecht stehenden Schnitt- nal, womit ihre Transponierte gleich ihrer In-
flächen paarweise gleich. versen ist, Lr = L· 1.
Für eine beliebige Schnittebene durch P, defi- Als Beispiel sei der Fall der Rotation des ge-
niert durch den zugehörigen Normalenvektor n, drehten Koordinatensystems um den Winkel a

1-114 Allgemeine Grundlagen


t

Abb. 1.5·5 Mohr5che Spannungskreise für den


dreidimensionalen Fall
J
Abb. 1.5-4 Transformation des Koordinatensystems
durch Drehung um die x3-Achse durch Einsetzen der jeweiligen Hauptspannung
und Lösung des folgenden Gleichungssystems,
um die x3-Achse (Abb. 1.5-4) betrachtet. Die das hier für die Hauptspannung cr 1 und die ent-
Transformationsmatrix lautet hier: sprechende Achse angeschrieben ist:
cosa - sina 0] (ou -o1)Au +o12 A12 +o13A13 = 0
L = [ sina COS<X 0 (1.5.7) o 12 Au +(o 22 -o1)A12 +o23 A13 =0 (1.5.11)
0 0 1 2 2 2
Au + A12 + A13 =1
Das als Hauptachsensystem bezeichnete beson-
dere Koordinatensystem zeichnet sich dadurch Sind die Hauptachsen und die Hauptspannun-
aus, daß in den Ebenen senkrecht zu den drei Ko- gen bekannt, ergeben sich die maximalen Schub-
ordinatenachsen (=Hauptachsen) nur Normal- spannungen (Hauptschubspannungen) zu
spannungen auftreten, mit Schubspannungen

l
gleich Null. Der Spannungstensor für das Haupt-
achsensystem ist eine Diagonalform: (1.5.12)
o 1 -o2
t3=±---
2
o1 0 0
o= [ 0 o2 0 ( 1.5.8) Diese Hauptschubspannungen wirken in Ebe-
0 0 03 nen, deren Normale senkrecht auf einer Haupt-
achse steht und mit den beiden anderen Haupt-
Die Hauptspannungen cr"cri,0"3 ergeben sich als achsen Winkel von 45° bildet. In diesen Ebenen
reelle Lösungen der kubischen Gleichung sind die Normalspannungen nicht Null; zur
Hauptschubspannung t 1 gehört z. B. eine Nor-
( 1.5.9)
malspannung cr = 0,5 · (0"2+0"3). Für cr,~ 0"2 ~ 0"3
mit den Invarianten des Spannungstensors: beträgt die maximale Schubspannung max t =
0,5 (cr,- cr3).
I, =ou +o22 +o33 =o, +o2 +o3 Der dreiachsige Spannungszustand läßt sich
2 2 2
I2 = ou +o23 + 0 31 graphisch durch drei Mohrsehe Spannungs-
-(ouo22 +o22033 +o33ou) kreise darstellen (Abb. 1.5-5), die den Ebenen
senkrecht zu den Hauptachsen entsprechen.
= -(o1o 2 +o 2o 3 +o 3o 1)
Normalspannung cr und Schubspannung t in
ou ou ol3 einer beliebigen Ebene definieren einen Punkt,
(1.5.10)
I 3 = 021 022 023 =o,o2o 3 der im gerasterten Bereich des Diagramms lie-
gen muß.
Im allgemeinsten zweidimensionalen Fall mit
Die Richtung einer Hauptachse wird durch die den Spannungen O"xx = O"x, O"yy = O"y und txy lau-
Kosinusse der Winkel, die sie mit den Koordina- ten die Ausdrücke für die Normalspannung O"a
y,
tenachsen x, z bildet, definiert. Sie ergeben sich und die Schubspannung ta in einem Schnitt, des-

Theorie der Tragwerke 1-115


Abb. 1.S-7 Unverformte und verformte Konfiguration

Abb. 1.5·6 Allgemeiner zweidimensionaler


Spannungszustand
aul aul aul
ax1 ax2 ax3

lE:J=·
senNormale mit der x-Achse den Winkel a bil-
auz auz auz
det (Abb. 1.5-6): du=
ax1 ax2 ax 3 d.
Dx +oy Dx-Dy
Da =---+---cos2a+txysin2a au3 au3 au3
2 2 ax1 ax2 ax 3
0 -0 (1.5.18)
ta =-x__
Y sin2a-txycos2a
2 mit dem Verschiebungsgradienten F,dessen Ko-
(1.5.13) effizienten für hinreichend kleine Verschiebun-
Die Hauptnormalspannungen ergeben sich für gen die Form Fik=Ui,k annehmen [Gross et al.
1 2t 1993], mit
a = -arctan--xy- (1.5.14) au- au-
2 Ox -Oy U· ---' - - ' (1.5.19)
z,k - axk - axk .
zu
Eine Aufspaltung des Verschiebungsgradienten
in zwei additive Terme gemäß
(1.5.15) 1 1
f.. . =-(U· · +u .. )+-(U· · -U· ·)
I) 2 1,} j.l 2 I,) }~ (1.5.20)
=Eij+wij
und die maximale Schubspannung erreicht den liefert den infinitesimalen Verzerrungstensor tij
Wert: und den infinitesimalen Drehtensor <Oij· Letzte-
rer beschreibt Drehungen, die keine Spannungen
maxt= (1.5.16) hervorrufen und braucht hier nicht weiter be-
trachtet zu werden. Der infinitesimale Verzer-
rungstensor tij lautet in matrizieller Form für
das (x,y,z)-Koordinatensystem
1.5.1.2
Verzerrungen 1 1
Exx lYxy

['" '"]
2Yxz
EI2
Die Punkte P und Q eines Kontinuums verschie- 1 1
E= lYyx Eyy lYyz = Ez1 Ezz Ez3
ben sich im Zuge der Verformung in die Positio-
nen P' und Q' (Abb. 1.5-7), mit den Ortsvekto- 1 1 E31 E32 E33
lYzx lYzy Ezz
ren:
(1.5.21)
(1.5.17)
Darin treten Dehnungen e und Gleitungen y auf,
Die Änderung des Linienelements PQ beträgt gemäß
du=dr'-dr, und es gilt

1-116 Allgemeine Grundlagen


1
(1.5.22) Exx =E[oxx -v(oyy +ozz)]+ar!lT

1
Eyy =E[oyy-v(ozz+oxx)]+ar!lT
- aux + auy - auy + auz
Yxy- ay ax •Yyz- az ay' 1
(1.5.23) Ezz =E[ozz -v(oxx +oyy)]+ar!lT
auz aux
Yzx=~+ Clz • T
y =~
Der Verzerrungstensor (1.5.21) ist ebenso wie xy G
der Spannungstensor (1.5.2) symmetrisch, und
Tyz
er läßt sich wie der Spannungstensor auf ein
Yyz =G (1.5.28)
Hauptachsensystem mit den Hauptdehnungen
E1> E2, E3 analog zu (1.5.8) transformieren. Tzx
Yzx=G
1.5.1.3 Diese Gleichungen lassen sich auch nach den
Elastisches Stoffgesetz Spannungskomponenten auflösen; man erhält:
2G
Der einfachste Zusammenhang zwischen Span- Oxx = --[(1-V)Exx +V(EY.'v +Ezz)
1-2v '
nungs- und Verzerrungsgrößen wird durch das
- (1 +v)ar!l T]
lineare Hookesche Gesetz gegeben, das beim ein-
achsigen Spannungszustand O"xx=t!=O, O"yy= O"zz=O 2G
Oyy =--[(1-v)Eyy +v(Ezz +Exx)
eines Zug- oder Druckversuchs in der Form 1-2v
-(1 +v)ar!lT]
(1.5.24)
angegeben werden kann. Darin ist E der Elastizi-
tätsmodul (Hookesche Konstante). Für die Deh-
nungen quer zur Stabachse ergibt sich
Txy =GYxy
(1.5.29)
(1.5.25) Tyz =Gyyz

mit der dimensionlosen Konstanten v, die als Tzx =GYzx


Querdehnungszahl (Poissonsche Zahl) bezeich- Von besonderem Interesse sind die Sonderfalle
net wird und für übliche Werkstoffe im Bereich des ebenen Spannungszustands und des ebenen
um 0,3 liegt. Die Querdehnungszahl ist immer Verzerrungszustands. Der ebene Spannungszu-
kleiner als 0,5; ein Wert gleich 0,5 ist physikalisch stand wird definiert durch:
unmöglich, wie ein Blick in den Nennerausdruck (1.5.30)
von (1.5.29) lehrt.
Ein Torsions- oder Scherversuch liefert den Er kommt z. B. in einer dünnen Platte vor und
Zusammenhang zeichnet sich dadurch aus, daß alle Spannungs-
komponenten senkrecht zu der (x,y )- Plattenebe-
t=G·y (1.5.26)
ne verschwinden. Das zugehörige Elastizitätsge-
zwischen der Schubspannung t und der Gleitung setz lautet:
y, mit G als Schubmodul. Schließlich führt eine
1
Temperaturänderung um den Betrag !lT zu ei- Exx =E(oxx-VOyy)+ar!lT
ner Dehnung
1
E =IXr · tlT (1.5.27) Eyy =E(oyy -voxx)+ar!lT

mit ar als linearem Wärmeausdehnungskoeffi- V


Ezz =-E(oxx+oyy)+ar!lT
zienten. Die Betrachtung beschränkt sich hier
auf isotropes Material, dessen elastische Eigen- Txy
schaften in allen Richtungen gleich sind. Für Yxy=G (1.5.31)
den allgemeinen dreidimensionalen Beanspru-
chungszustand lautet das Hookesche Gesetz (Pe- Yxz =Yyz =0
stel/Wittenburg 1992):

Theorie der Tragwerke 1-117


Wie man sieht, tritt wohl eine Querdehnung fzz onsmodul K. Sie hängen wie folgt mit den bereits
auf, die jedoch als Funktion von fxx und fyy dar- eingeführten Parametern zusammen:
stellbar ist. vE E
Der ebene Verzerrungszustand wird definiert G=J.l, .\= , K = - - (1.5.37)
(1+v)(1-2v) 3(1-2v)
durch
(1.5.32) In Tabelle 1.5-1 sind Elastizitätsmodul, Schub-
modul, Querdehnungszahl sowie Wärmeaus-
Damit sind die Verzerrungen und Verschiebun- dehnungskoeffizient einiger Werkstoffe zusam-
gen in z-Richtung überall Null; das ist z.B. der mengestellt.
Fall bei Bauteilen oder Baukörpern mit in z-Rich-
tung konstanter Form und Belastung, deren z- 1.5.1.4
Verschiebung verhindert ist. Es entstehen folgen- Festigkeitshypothesen
de Verzerrungen:
1 Um die Sicherheit eines (statisch) beanspruch-
Exx = ZG [(1-v)axx -va yy]+(1 +v)ayßT ten Bauteils gegenüber einem durch Sprödbruch
1 oder durch plastische Verformungen eingeleite-
Eyy = ZG [(1-v)a yy -vaxx]+(1 +v)ayßT ten Versagen zu beurteilen, muß der im allgemei-
nen mehraxiale Spannungszustand im Bauteil in
Beziehung gebracht werden zu den experimen-
tell bestimmten Festigkeitskennwerten des Werk-
(1.5.33) stoffs; letztere sind in der Regel seine Zug- und
Die in z-Richtung wirkende Spannung hängt nur seine Druckfestigkeit mit den entsprechenden
von Oxx und Oyy ab; sie beträgt Dehnungen. Gängige Festigkeitshypothesen
[Young 1989) sind
CJ 22 =v(axx+ayy)-EayßT. (1.5.34)
- die Hauptspannungshypothese,
Formalläßt sich der ebene Verzerrungszustand - die Hauptdehnungshypothese,
auf den ebenen Spannungszustand zurückfüh- - die Gestaltänderungsarbeit-Hypothese und
ren, wenn modifizierte Werkstoffkonstanten E' - die Schubspannungshypothese.
und v' anstelle von E und v verwendet werden,
gemäß Die nur für spröde Werkstoffe brauchbare Haupt-
spannungshypothese besagt, daß Versagen ein-
E
E' =--,v ' = V- . (1.5.35) tritt, wenn die (absolut betrachtet) größte Haupt-
1-v2 1-v
normalspannungje nach Belastungsrichtung die
Die Werkstoffkonstanten E, G und v sind nicht Zug- oder die Druckfestigkeit überschreitet.
voneinander unabhängig; es gilt Nach der Hauptdehnungshypothese, die kaum
praktische Bedeutung hat, tritt bei Erreichen ei-
E=2G(l+v). (1.5.36)
ner maximalen Dehnung durch die Hauptdeh-
Weitere Elastizitätskennwerte sind die Lame- nung Versagen ein. Für duktile Werkstoffe gut
schen Konstanten 'A und Jl und der Kompressi- geeignet ist die mit den Namen Huber, v. Mises

Tabelle 1.5-1 Kennwerte einiger Werkstoffe

Werkstoff E G V cxr
kNJmZ kNfm2 1/ K

Beton 2-5107 =1,5107 0,2 1,010-S


Gußeisen 11()8 0,4108 0,3 1,010-S
Baustahl 2,1108 0,8108 0,3 1.0 10-5
Aluminium 0,7108 0,27108 0,3 2,4 10-S
Kupfer 1,25108 0,46108 0,3 1,710-S
Bauglas =0.7108 =0,2108 0,2 0,910-5
Nadelholz, in Faserrichtung =1.2107 - - "5,0 l0-5
Nadelholz, quer zur Faser ::0,1107 - - :: 0,4 10-5

1-118 Allgemeine Grundlagen


und Hencky verknüpfte Gestaltänderungsarbeit- chanik, unterteilt sich in die Kinematik und die
Hypothese. Sie postuliert Versagen, wenn die Ver- Dynamik. Erstere beschreibt Bewegungs- und
gleichsspannung Verformungszustände ohne Wechselwirkung zu
Kräften, letztere verknüpft die Kinematik mit
av = .!..[(ai-a2)2 +(a2 -a3)2 +(a3 -ali] den einwirkenden und hervorgerufenen Kräfte-
2 feldern. Einen Sonderfall der Dynamik bilden
(1.5.38) Ruhezustände, Gleichgewichtszustände, eben
die Zugfestigkeit erreicht. Hierin und auch in das Aufgabengebiet der Statik. Hiervon grenzt
(1.5.39) sind CJ; Hauptspannungen. Die Schub- sich die Kinetik ab, die feste Körper unter zeit-
spannungshypothese schließlich, die ebenfalls abhängigen Einwirkungsprozessen behandelt.
für duktile Werkstoffe geeignet ist, behauptet, In der modernen Technik wird die Kinetik (von
daß Versagen eintritt, wenn die maximale Schub- kinesis, griech. für Bewegung) heute als Dyna-
spannung die Hälfte der Zugfestigkeit erreicht. mik (von dynamis,griech. für Kraft) bezeichnet.
Damit beträgt die Vergleichsspannung, die der Wegen der Dominanz ruhender oder schwach-
Zugfestigkeit gegenüberzustellen ist beweglicher Lasten im konstruktiven Ingenieur-
bau spielt dort zur Tragwerksanalyse die Statik
( 1.5.39)
als Statik der Tragwerke die bekannt wichtige
Rolle. Je nach Anwendungszweck existieren ge-
mäß Abb. 1.5-9 sehr unterschiedliche Varianten.
Das Fundament bildet die lineare Statik. Wegen
1.5.2 der Annahmen linear-elastischen Werkstoffver-
Statik der Stabtragwerke haltens und infinitesimal kleiner Tragwerksde-
formationen - als Folge darf das Gleichgewicht
1.5.2.1 an der unverformten Konfiguration formuliert
Grundlagen werden - entstehen lineare Beziehungen zwi-
schen Ein- und Auswirkungen. Konsequenter-
Einführung weise gilt das Superpositionsgesetz. Größere Trag-
werksdeformationen müssen bei der Gleichge-
Was ist Statik der Tragwerke? Die Statik ist als wichtsformulierung Berücksichtigung finden.
Wissenschaftsdisziplin Teil der Physik. Inner- Es entstehen geometrisch-nichtlineare Theorien,
halb dieser beschreibt die Mechanik Kräfte- und beispielsweise die Theorie 2. Ordnung. Eine Zwi-
Bewegungszustände von Materie, eingeteilt in sehenstufe bilden statische Stabilitätstheorien,
feste, flüssige oder gasförmige Stoffe (Abb.l.5-8). welche Instabilitätslasten ohne zugehörige Ver-
Die Mechanik fester Körper, die Festkörperme- formungen festlegen.

Mechanik

Mechanik fester Körper Fluidmechanik Aero· und Gasdynamik

Bewegungs- und Beschreibung von Bewegungs- und


Verformungszustände Verformungszuständen in Wechselwirkung
ohne Wechselwirkung zu einwirkenden und hervorgerufenen
zu Kräftefeldern Kräftefeldern

Zeitunabhängige Kräfte· Zeitabhängige Kräfte-


und Verformungs- und Verformungs-
prozesse: Gleichgewicht prozesse

Abb. 1.5·8 Die Statik als Teilgebiet der Mechanik

Theorie der Tragwerke 1-119


Lineare Statik Geometrisch-nichtlineare Statik Physikalisch-nichtlineare Statik
Äußere Einwirkung zeitunabhängig zeitunabhängig zeitunabhängig
Verformung infinitesmal klein endlich infinitesmal klein
Werkstoffverhalten linear-elastisch linear-elastisch nichtlinear-elastisch/inelastisch
Näherungstheorie: Stabilitätstheorie Fließgelenktheorie
Theorie 2. Ordnung 1. Ordnung
Fließli niem heorie
Fließgelenktheorie 2. Ordnung

Abb. 1.5-9 Untergliederung der Statik der Tragwerke

Während bisher das Stoffgesetz linear-ela- In diesem Abschnitt werden nur Tragwerke aus
stisch blieb, müssen für alle Traglastuntersu- Stabelementen behandelt.
chungen realistischere Werkstoffmodeliierungen
zur Anwendung kommen, beispielsweise elasto- Kräfte, Kräftesysteme und Gleichgewicht. Zur
plastische wie bei den Fließgelenktheorien. Heu- Einführung seien die wichtigsten Grundlagen
te entstehen zunehmend computerorientierte über Kräfte und Kräftesysteme aus der Mechanik
Analysekonzepte, die hochgenaue geometrisch- wiederholt. Jede Ursache einer Bewegung oder
und physikalisch-nichtlineare Tragwerksanaly- Deformation bezeichnet man als Kraft oder
sen anstreben, sog. Simulationstheorien. Kraftgröße und beschreibt damit eine Erfah-
rung, die durch das Trägheitsaxiom ausgedrückt
Tragelemente. Geometrisch stellen Tragwerke wird: Jeder Körper verharrt im Zustand der Ru-
mit Materie gefüllte Teilräume des 3-dimensio- he (Gleichgewicht) oder der gleichförmigen Be-
nalen Erfahrungsraumes E3 dar. Tragwerksana- wegung, solange er nicht durch Krafteinwirkun-
lysen jedoch stets durch Lösung 3-dimensiona- gen zur Änderung seines Zustandes gezwungen
ler Randwertprobleme gewinnen zu wollen, wird.
wäre nicht zu bewältigen. Zur Aufwandsreduzie- Jede Krafteinwirkung ist durch Angabe ihres
rung verwendet man daher Tragelemente mit Betrages, ihres Angriffspunktes und ihrer Wir-
niedrigerer Dimensionszahl typischer Abmes- kungsrichtung eindeutig bestimmt. Die durch
sungen. Viele Tragelemente füllen nämlich ge- Angriffspunkt und Kraftrichtung definierte Ge-
mäß Abb. 1.5-10 Teilräume des E3 aus, welche rade heißt Wirkungslinie. Kräfte sind somit als
näherungsweise flächenhaft (2-dimensional) Vektoren im Anschauungsraum E3 definierbar.
oder gar Iinienhaft (I-dimensional) gestaltet Unsere Erfahrungen mit Kräften sind in den fol-
sind. genden vier Axiomen zusammengefaßt (Abb.
Als Flächentragwerke bezeichnet man daher 1.5-ll).
alle Strukturen, deren Dicken h klein sind ge- - Verschiebungsaxiom: Kräfte sind linienflüch-
genüber ihren Längen und Breiten; sie werden tige Vektoren.
durch ihre Mittelflächen repräsentiert. Je nach - Äquivalenzaxiom: Kräfte sind äquivalent
Lasteintragung unterscheidet man Scheiben (gleichwertig) bei gleicher Wirkung auf einen
oder Platten; gekrümmte Flächentragwerke hei- Körper.
ßen Schalen. Bei Linienträgern bzw. Stäben über- - Reaktionsaxiom: Wird von einem Körper 1 ei-
trifft die Elementlänge I deren Höhe und Breite ne Kraft F12 auf einen Körper 2 ausgeübt, so
um ein Vielfaches. Gemäß Abb.l.5-10 lassen sich gilt dies auch umgekehrt. .
Tragelemente somit wie folgt systematisieren: - Parallelogrammaxiom: Die Wirkung zweier
- 3-dimensionale Tragelemente (0(11) "" 0(12) "" Kräfte ist ihrer vektoriellen Summe äquiva-
0(13)) lent.
- 2-dimensionale Tragelemente (0(11> 12 ) >>
O(h)): Flächenträger (eben: Scheiben, Platten; Nach diesen axiomatischen Grundlagen wird in
gekrümmt: Schalen) Abb. 1.5-12 ein zentrales Kräftesystem im E3 be-
- I-dimensionale Tragelemente (O(I) >> O(b, trachtet, dessen Einzelkräfte F; alle einen ge-
h)): Linienträger, Stäbe (gerade: Fachwerkstä- meinsamen Angriffspunkt besitzen. Zusammen-
be, Balken, Stützen; gekrümmt: Seile, Bogen) fassung aller Einzelkräfte F; auf der Basis des

1-120 Allgemeine Grundlagen


Eindimensionale Strukturmodelle: Zweidimensionale Strukturmodelle:
Linienträger, Stäbe Flächenträger
O(h, b) « 0 (I) 0 (h) « 0 (1 1, 12)

Dreidimensionale Strukturmodelle:
Kontinua
0 (II) =: 0 (ll) =: 0 (13)

Abb. 1.5-10 Tragelemente in der Statik

'
' ''

cp =~
~ ..
:' ' Aqu1valenzax1om

=~
I Reaktionsaxiom --
' FR//
'v/ Parallelogrammaxiom J
Abb. 1.5-11 Zur Axiomatik von Kräften

Theorie der Tragwerke 1-121


Parallelogrammaxioms zur Resultierenden FR Abbildung 1.5-13 verdeutlicht, daß die Definiti-
beweist, daß Gleichgewicht gerade eine weitere on des statischen Momentes
Kraft -FR gleicher Größe und Wirkungslinie,
M=rxF ( 1.5.40)
aber umgekehrter Wirkungsrichtung erfordert:
Ein zentrales Kräftesystem befindet sich im als (äußeres) Vektorprodukt aus Ortsvektor r
Gleichgewicht, wenn die Summe aller Kräfte ver- und Kraft F deren Parallelverschiebung in einen
schwindet: :EF = 0. beliebigen Punkt außerhalb ihrer Wirkungslinie
Ein zentrales Kräftesystem stellt den Sonder- ermöglicht. M steht als Vektor orthogonal auf r
fall eines allgemeinen Kräftesystems dar; bei letz- und F, er ist im Sinne einer Rechtsdrehung posi-
terem existiert kein gemeinsamer Schnittpunkt. tiv definiert.
Führt man mit Hilfe von Parallelverschiebun-
gen alle Kräfte F; eines allgemeinen Kräftesy-

#··
stems gemäß Abb. 1.5-12 auf eine gemeinsame
Resultierende FR zurück, so baut sich in dem ge-
wählten Zentralpunkt gleichzeitig ein resultie-
rendes statisches Moment MR auf, und man er-
kennt: Ein allgemeines Kräftesystem ist im
X y y Gleichgewicht, wenn die Summen aller seiner
Zentrales Kräftesystem im E3 Kraftgrößen, d.h. aller Kräfte und Momente ver-
F schwinden: :EF =0 und :EM =0. Durch Kompo-
z _/ ' nentenzerlegung in die 3 Koordinatenrichtun-
gen {x, y, z} des E3 entstehen hieraus die Gleich-
F2 gewichtsbedingungen
'
X y y :EFx=:EFy=LFz=LMx= LMy=LMz=O (1.5.41)
Fl
oder in die Richtungen einer x, z-Ebene
z
(1.5.42)
als grundlegendes Werkzeug der Statik der Trag-
werke.

X Das Stabkontinuum
Allgemeines Kräftesystem im E3
Lasten, Schnittgrößen und Gleichgewicht. Ein
Abb. 1.5·12 Kräftesystem im E3
Teilstab (Stabkontinuum) eines beliebigen, bela-
steten Stabtragwerks im E3 wird betrachtet
(Abb. 1.5" 14 ), das durch die rechtshändige karte-

Drehachse
~1M = r · F

aF= rFCa~
Definition eines statischen Moments ~

~~b;
Parallelverschiebungeiner Kraft ~ ~ ~ = =

Abb. 1.5-13 Statisches Moment und Kräftepaar

1-122 Allgemeine Grundlagen


Fiktiver Schnitt im Tragwerkspunkt i mit Schnittgrößenresultierenden R, M =e x R

Positives Schnittufer i
/ Punkt i: lokale
kartesische Basis
Negatives Schnittufer i
....
/ /
A_x
y- t - ..
y
e

-R

Komponentenzerlegung vonRund M hinsichtlich der lokalen Basis

Abb. 1.5·14 Definition räumlicher Stabschnittgrößen

sische globale Basis {X, Y,Z} beschrieben werde.


Durch einen fiktiven Schnitt im Tragwerkspunkt
i legt man nun die dortigen inneren Kraftgrö-
ßen, sog. Schnittgrößen, frei, die am freigeschnit-
tenen Stabteil das ursprüngliche Gleichgewicht
aufrecht erhalten. Schnittgrößen (Abb. 1.5-14)
sind stets Doppelwirkungen; sie sind paarweise
gleich groß, auf gleicher Wirkungslinie wirkend,
aber entgegengesetzt gerichtet, da sie sich beim I:F, = 0 :N+ dN - N+ q,dx = 0
Schließen des fiktiven Schnittes wieder aufhe- I:F, = O:Q+ dQ - Q+ q1dx = O
I:M1 = 0 :M + dM - M- ~dx
ben müssen. (dx)2
Man führt im fiktiven Schnittpunkt i eine +m,dx + q, - 2- = 0
rechtshändige kartesische lokale Basis {x,y,z} '-T""
von höherer Ordnung klein:,. 0
ein. Deren x-Achse soll stets mit der Stabachse
zusammenfallen, die beiden anderen Achsen mit Abb. 1.5·15 Element eines ebenen, geraden Stabes
den Querschnittshauptachsen. Damit erhalten
die beiden fiktiven Schnittufer in i folgende Ori-
entierung: moment Mr und die Biegemomente My, Mz, im
- beim positiven Schnittufer bildet die positive ebenen Fall die Normalkraft N, die Querkraft Q
x-Achse die Normale, und das Biegemoment M. Dieses sind die für
- beim negativen Schnittufer die negative X- Tragwerksdimensionierungen maßgebenden
Achse. Größen. Sie sind positiv, wenn ihre Vektorkom-
ponente am positiven Schnittufer in Richtung
Die inneren vektoriellen Schnittgrößen R, M = der positiven, lokalen Basis zeigt.
e x R der Abb. 1.5-14 können bezüglich der lo- Abbildung 1.5-15 zeigt zwei um dx benachbar-
kalen Basis {x,y,z} in Komponenten zerlegt wer- te fiktive Schnitte, die ein differentiell kleines, ge-
den. Das Ergebnis sind im E3 die Normalkraft N rades Stabelement aus einem ebenen Stabtrag-
und die Querkräfte Qy. Qz sowie das Torsions- werk heraustrennen. Als äußere Kraftgrößen, i. a.

Theorie der Tragwerke 1-123


Lasten genannt, wurden eine Streckenachsiallast -p=De ·(J
qx, eine Streckenquerlast qz sowie ein Strecken-
Lastmoment my eingeführt. Als Schnittgrößen
(1.5.45)
treten die Normalkraft N, die Querkraft Q und
das Biegemoment M am (linken) negativen
Schnittufer auf, am (rechten) positiven mit dif-
ferentiellen Zuwächsen. Wegen des ebenen Pro- Erstere dient zu analytischen und numerischen
blems entfallen die Indizes der Schnittgrößen. Integrationen [Krätzig/Wittek 1995].
Abbildung 1.5-15 enthält die 3 folgenden
Gleichgewichtsbedingungen: Kinematik. Tragwerke verformen sich unter ein-

I
dN geprägten Kraftfeldern um i. a. kleine, aber meß-
dx =-qx, bare Beträge. Die sich ausbildenden Deforma-
tionen werden in äußere und innere Weggrößen
dx =-qz d2M dm unterteilt. Zur Definition äußerer Weggrößen
dQ - q y (1.5.43)
dM dx2 -- z-~ (Kinematen) betrachtet man (Abb. 1.5-16) er-
-=Q-m neut den Punkt i eines beliebigen Stabtragwerks,
dx y
nun in seiner unverformten und verformten
Diese kann man in eine matrizielle DGL 1. Ord- Konfiguration. Aus den unterschiedlichen Raum-
nung lagen von i sowie Orientierungen seiner lokalen
Basis {x,y,z} bzw. {x*,y*,z*} wird erkennbar, daß
d jede Deformation durch einen Verschiebungs-
-a=A·a -p
dx vektor u und einen Verdrehungsvektor <p in i be-

![~]=[~ ~ ~JE]-[!:l
schreib bar ist. Die Komponentenzerlegungen
(1.5.44)
dieser beiden Vektorkinematen hinsichtlich der
unverformten lokalen Basis liefert je 3 Verschie-
bungsfreiheitsgrade UnUy>Uz und Verdrehungs-
oder in die folgende matrizielle Operatorbezie- freiheitsgrade <Px,<py,<pz in i, die eigentlichen äu-
hung transformieren (dx = d/dx): ßeren Weggrößen. Diese werden im ebenen Fall

unverformtes Tragwerk

x•

z• z*
verformter Punkt i mit verformter
lokaler kartesischer Basis ( x* y* z*l

Abb. 1.5· 16 Definition äußerer Weggrößen

1-124 Allgemeine Grundlagen


auf die 3 Kinematen u, w, c:p reduziert. Sie werden Zwischen inneren und äußeren Weggrößen exi-
i. a. in Richtung positiver globaler oder lokaler stieren die folgenden kinematischen Beziehun-
Bezugssysteme als positiv vereinbart. Äußere gen eines ebenen, geraden Stabelementes:
Weggrößen leisten mit Lastkomponenten in de- du
ren Richtungen äußere Formänderungsarbeit. -=E
dx
Für ein ebenes Stabkontinuum existieren ge-
mäß Abb. 1.5-17 folgende innere Weggrößen: Die dw
dx +c:p=y ) dzw =-K+ dy (1.5.47)
Stabachsendehnung r, die Verkrümmung K, die
(konstant über den Querschnitt wirkende) Schub-
dc:p dx 2 dx
-=K
verzerrung y und im Falle von Torsion die Stab- dx
achsenverdrillung l'J. Im räumlichen Fall erge- Sie finden in der Statik als skalare oder matrizi-
ben sich die Längsdehnung f, die Schubverzer- elle Differentialgleichungen
rungen Yy·Yz• die Verdrillung l'} und die Verkrüm- d
-u=A·u +E
mungen Ky,Kz. Innere Weggrößen, auch Verzer- dx
rungsgrößen genannt, sind den Schnittgrößen
über die Formänderungsarbeit zugeordnet. Ei-
ne Verzerrung ist positiv, wenn sie mit ihrer kor-
respondierenden Schnittgröße, aufgefaßt als
~[:]=[~ ~ ~~][}[~] (1.5.48)

äußere Kraftgröße an einem Stabelement wir- oder als matrizielle Operatorbeziehungen


kend, einen positiven Beitrag zur Formände- E=Dk ·U
rungsarbeit leistet. Die einzelnen Beiträge zur
inneren Formänderungsarbeit im ebenen Fall
enthält Abb. 1.5-17; im Fall räumlicher Stabwer-
ke lauten diese:
[~]{f ~ JJ[:J (1.5.49)

f
I
Verwendung (Krätzig/Wittek 1995).
-- (NE+Qyy y +QzYz
W (i)- Oftmals werden in der Stabtragwerkstheorie
0
+My&+MyKy +M2 K 2 )dx
( 1.5.46)
Schubverformungen vernachlässigt: y 0. Dies =
beschreibt die Normalenhypothese (Bernoulli-

r;
z
[] -~

ydx "' n)dx =rdq>


du
[ o= - K =d<p -~
Y- dx
0 ;: dq>
dx dx dx
l~ngsdehnung, Verkrümmung Schubverzerrung, Verdrillung
Achsialdehnung Gleitung
Betrag dW zur inneren Formänderungsarbeit des Elementes
- NE dx - M K dx - Qy dx - M1 0 dx

Abb. 1.5·17 Definition innerer Kinematen

Theorie der Tragwerke 1-125


Hypothese) durch die Forderung, daß vor einer Hieraus entstehen die folgenden Werkstoffge-
Deformation normal (orthogonal) zur Stabach- setze ebener Stabtragwerke:

llEl
se stehende Querschnitte diese Eigenschaft auch
nach der Deformation noch (näherungsweise)
besitzen. Mit y =0 transformieren sich die kine-
matischen Beziehungen (1.5-47) zu
o~E "[~]~[! G;
(1.5.56)
du dw d 2w
E=-, y=O=>q>=--, K=--. (1.5.50) nun als Elastizitätsgesetz bezeichnet. DurchAna-
dx dx ~
logieschluß können hieraus die entsprechenden
Werkstoffgesetze. Zur einer vollständigen Be- Beziehungen für räumliche Stabtragwerke ge-
schreibung des mechanischen Verhaltens von wonnen werden.
Stabkontinua gehören Werkstoffgesetze, welche
die Schnitt- und Verzerrungsgrößen von Stab- Zustandsgrößen. Durch die Forderung eines
querschnitten miteinander verbinden. Betrach- Gleichgewichtszustandes werden den einwirken-
tet man das Werkstoffverhalten von Baumate- den äußeren Kraftgrößen sog. innere Kraftgrößen
rialien auf Spannungs-Dehnungs-Ebene (vgl. Ka- zugeordnet. Durch Beschränkung auf kinema-
pitel3.3 bis 3.8), so erweist sich das mechanische tisch kompatibel deformierte Kontinua kann aus
Geschehen als für Tragwerksanalysen vereinfa- den äußeren Weggrößen auf zugeordnete innere
chungsbedürftig. Weggrößen geschlossen werden. Der Arbeitsbe-
Folgerichtig verwendet man in der Statik der griff ordnet jeder Kraftgröße eine Weggröße zur
Tragwerke fast überwiegend Linearisierungen gemeinsamen Leistung von Formänderungsar-
des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens für E ~ 0, beit zu.
die man als Hookesches Gesetz bezeichnet. Für Alle definierten Variablen finden in der Statik
die Normalspannungen O'xx oder für die Schub- der Tragwerke Verwendung und besitzen nach
spannungen 'txz eines beliebigen Tragwerks- DIN 1080, Teil 2 feststehende Bezeichnungen.
punktes P(x,z) bedeutet dies Abbildung 1.5-18 stellt sie in formänderungsar-
beitsfähiger Zuordnung zusammen.
O'xx (x,z) = E Exx (x,z),
(1.5.51)
'txz (x,z) =G Yxz (x,z) ,
Stabtheorie nach Timoshenko. Einen Überblick
vgl. 1.5.1.3. über alle bisher definierten Variablen und her-
Durch Substitution der Grundbeziehungen geleiteten Transformationen gestattet das Sche-
(1.5.51) in die Schnittgrößendefinitionen erhält ma [Tonti 1975] inAbb.l.5-19.Sein Gerippe bil-
man: den die durch Ellipsen eingerahmten matriziel-
- Reine Dehnung: Exx =E len Variablen - Kraftgrößen links, Weggrößen
rechts, äußere Variablen oben, innere unten - so-
N= f axxdA= f BExxdA=EEf dA=EAE wie die durch Rechtecke umrahmten Transfor-
A A A mationen: Der Differential-Gleichgewichtsope-
(1.5.52) rator Denach (1.5.45), der Differential-Kinema-
tikoperator Dk nach (1.5.49) und der algebrai-
-Reine Biegung: Exx(z)= dq> z=KZ
dx sche Elastizitätsoperator E nach (1.5.56). Ge-

=JO"xx(z)zdA =JBExx(z)zdA
genüber den Herleitungen ist das Schema durch
M mögliche Randvorgaben ergänzt.
A A
(1.5.53) Das Grundschema (Abb.l.5-19) besitzt allge-
J
=BK z2dA = EIK meine Gültigkeit in der Theorie der Tragwerke,
A siehe (Krätzig Basar 1997). In seiner speziellen
- Reine Querkraft (Krätzig/Wittek 1995): Form enthält es sämtliche die Statik ebener, ge-
2 rader und schubweicher Stäbe ( Timoshenko-Stä-
AGy=Q~J(Az) dA be) beschreibenden Variablen und Transforma-
[2 A b
tionen. Kondensiert man die Beziehungen des
~
(1.5.54)
1/aQ Schemas durch Ineinandersetzen von

- Reine Torsion: Yx<p = ri}


Mr =Glr-8- (1.5.55)

1-126 Allgemeine Grundlagen


Kraftgrößen Weggrößen

äußere Kraftgrößen: innere Kraftgrößen: äußere Weggrößen:


Lastgrößen S<hnittgrößen Verschiebungsgrößen

Ver-
schiebungen

~~
~ :l'tl
: ~.;:
...
J:!
'!!!
~
...c;E
.;
...
Ea;
0 E
-
c:; ...
- c;
c;.,
"'""
O>c;
C:::~
:>c;
...c
c;
0>
...c;
""
c:
::1
<=- c..,
"'<»
<»c
c::>
c:"" E _a."
... .=
.><- 0
E 0
"'"'
""E
~
...E C:..§ """'
"'-c ·o; E
~-~
c
..."" ......
"C-
"'"' ~...
c; - ::1
:." 0 c:n ·v:; G
-'Z
0
öö ·~~ C:.J::: >>
.....
0 U0 V
-'< >

Abb. 1.5-18 Zustandsgrößen der Statik der Tragwerke

Äußere Rand- Äußere


Kraftgrößen Weggrößen Weggrößen
r= R,u

[100]
r= 0 1 0 · u
001

- p =o.g:
d. 00
~0-1
- p = 0 d, 0 ·0
d,
]
uElastizitätsgesetz
Abschnitt 2.3.4
t =RQ:
1

100]
t = [0 1 0 · Q
001
Rand- Innere d, =d/dx Innere
Kraftgrößen Kraftgrößen D=EA, S= GAo, B=EI Weggrößen

Abb. 1.5·19 Strukturschema der Timoshenko-Theorie ebener, gerader Stabkontinua

Gleichgewicht: -p = De cr sowie Ausführung der Matrizenmultiplikatio-


Elastizitätsgesetz: cr= E f
nen in (1.5.57) liefert die spezielle Form der Na-
Kinematik: f=Dku vierschen Dgl. für die Timoshenko-Stabtheorie.

-p = De E Dk u = D u Energiesatz der Mechanik. Das Tonti-Schema


(1.5.57) gilt ist universell anwendbar. Betrachtet man ei-
auf die äußeren Variablen p, u, so entsteht die Na- nen im Gleichgewicht befindlichen Kraftgrößen-
viersche Dgl. in allgemeingültiger Form, die als zustand (1)
Randwertproblem zu lösen ist. Substitution der
beteiligten Matrizenvariablen und -operatoren

Theorie der Tragwerke 1-12 7


sowie einen kompatibel deformierten Weg- Offenbar werden in dieser Theorie die Querkraft
größenzustand (2) (Q = M') und die Stabachsentangente (<p = -w')
zu abhängigen Variablen. Transformiert man
Ez =Dk uz, rz =R, uz, auch die Randvorgaben in diesem Sinn, so ent-
so entsteht aus der Formänderungsarbeit beider steht das Schema der Theorie schubstarrer Stab-
Zustände kontinua (Abb. 1.5-20).
b Durch Ausführung der Matrizenmultiplikati-
"'i.z = Jp[u 2dx+[t[r2]: onen in (1.5.57) gemäß
a
(1.5.58) E u

p D,[EA 0]
0 EI
[:]
der Energiesatz der Mechanik in allgemeiner
Form. Er enthält die Arbeitsanteile der äußeren,
Rand- und inneren Variablen; die Integrale sind
0
J'
l [EAd
0 '
0
EIJ'
l [EA J'
0 '
0 ] [ EAu"
-Eid ' - Elw" "
l
' ' '
über das gesamte Tragwerk zu erstrecken. Durch
Substitution der Matrizenvariablen (Abb.I.5-19) werden schließlich die beiden bekannten Dgln.
entsteht die spezielle Form der Timoshenko- ((EA)' =(EI)'= 0)
Stabtheorie.
-qx = EA u", qz =EI w"" (1.5.60)
Normalentheorie ebener, gerader Stabkontinua. als Naviersche Dgln. dieser Theorie gewonnen.
Wird die Schubverzerrung y durch die Norma- In [Ramm Hofmann 1995] finden sich Grund-
lenhypothese unterdrückt (Schubstarrheit), so beziehungen für weitere Stabtheorien.
entstehen die kinematischen Gin. (1.5.50). Ana-
log hierzu transformieren sich aus (1.5.43) die Tragwerksmodelle
Gleichgewichtsbedingungen
Stäbe, Lager und Anschlüsse. Das Tragwerk trägt
dN dM d2M die einwirkenden Lasten in die Gründung ab.
-qx = dx , my =0: Q=~, -qz = dx2
Tragwerke können für Analysezwecke in sehr
(1.5.59) vielfältiger Weise modelliert werden. Ein abge-

Außere Rand· Äußere


Kraftgrößen Weggrößen Weggrößen
r = R,u

r=[~0 - d,~ ]· u

t=R,cr
- p=
- p= D•Q

[d0, d01]·
X
(J

u
Elastizitätsgesetz
~= Dku

t=[~·-~2J u

t=[~1·l~
Rand- Innere d, =dldx, d1, =dlfdxl Innere
Kraftgrößen Kraftgrößen 0 = EA, B= EI Weggrößen

Abb. 1.5-20 Strukturschema der Normalentheorie ebener, gerader Stabkontinua

1-128 Allgemeine Grundlagen


spannter Funkmast kann als Biegestab mit Hal- SeiPein Lagerpunkt des Tragwerks mit starren,
teseilen modelliert werden, der Mast selbst aber reibungsfreien Stützungselementen, so kann in
auch als Raumfachwerk und jeder Fachwerkstab jedem der 3 korrespondierenden Zustandsgrö-
schließlich als Struktur von Einzelprofilen nebst ßenpaare von w<al ein Faktor zu Null vorgege-
Bindeblechen. ben werden. Der jeweils verbleibende Faktor ist
Alle Bauwerkskomponenten mit Tragfunktion dann als unbekannte Lagergröße zu bestimmen.
bilden das Tragwerk. Dessen Modell - auf ver- So verschwindet in einem festen Gelenklager das
schiedenen Abstraktionsstufen entwickelbar - Moment My mit den beiden Verschiebungen u
bezeichnet man als Tragstruktur, strukturme- und w; die Lagerdrehung <p sowie Auflagerkräf-
chanisches Modell oder einfach Struktur. te F:o Fz sind zu bestimmen.
Hierwerden Tragwerke behandelt, deren Trag- Abbildung 1.5-21liefert eine Systematik star-
strukturen ausschließlich durch Stäbe gebildet rer, reibungsfreier Stützungen im ebenen Fall.
werden (Stabtragwerke). Diese bestehen aus Diese dienen zur Ausschaltung einzelner äuße-
- Stabelementen, rer Weg- bzw. Kraftgrößen. Die jeweils korres-
- Stützungen bzw. Lagern sowie pondierenden äußeren Kraft- bzw. Weggrößen
- Knotenpunkten und Anschlüssen. werden in den Stützungen als Lagerreaktionen
oder Lagerverschiebungsgrößen wirksam. Ähn-
Bei ersteren unterscheidet man achsiale (N),ebe- liche Systematiken existieren für Anschlüsse, die
ne (N, Q, M) oder räumliche (N, QY> Qz, Mr, My, zur Ausschaltung innerer Kraft- bzw. Weggrößen
M2 ) Stabelemente, alle können gerade oder ge- dienen [Krätzig Wittek 1995].
krümmt sein, letztere auch verwunden.
Zur Systematisierungvon Stützungen und La- Typen von Stabtragwerken. Bauwerke sind Kon-
gern betrachtet man den beliebigen Punkt P ei- struktionen im Raum. Daher weisen auch Trag-
nes ebenen Tragwerks mit Einzellastgrößen F:o strukturen i.a. eine räumliche Erstreckung auf.
Fv My sowie Verschiebungsgrößen u, w, <p, bei- Viele Tragstrukturen sind jedoch vollständig
dein Richtung der lokalen Basis. Somit lautet die oder teilweise in ebene Teilstrukturen zerlegbar,
äußere Formänderungsarbeit einer der Gründe für die bedeutende Rolle von
ebenen Tragwerken im Ingenieurbau.
w<a) =Fx·U + F · W + My ·<p.
2 (1.5.61)

feste verschieb!. festes verschieb!. freies


Einspannung Einspannung Gelenklager Gelenklager Ende

Symbol: X 1---- I~ .&= .&= IP>= f=


Gelenkstab·
äquivalent:

vorgegeben: u =0
~
u =0
Ir:
u =0
r
F, = 0
P--o=
u =0 F, = 0
w=O F, = 0 w =0 w =0 F, = 0 F, = 0
<p = 0 <p = 0 My= O M1 = 0 M1 = 0 M1 =0
unbekannt: F, F, F, u F, u
F, w F, F, w w
My My <p <p <p <p
wirkende F, My F, My F, F,
Reaktionen:
F, F, F, t
Wertigkeit: 3 2 2 0
Freiheitsgrad- 0 2 2
anzahl:
Freiheitsgrade: <p w <p U, <p w, <p u, w, <p

Abb. 1.5·21 Systematik ebener Stützungen

Theorie der Tragwerke 1-129


Ebene Tragwerke lassen sich nach ihrer äuße- Eine Typenübersicht gibt Abb. 1.5-22 über einfa-
ren Form, nach ihrer statischen Wirkungsweise, che Tragstrukturen des konstruktiven Ingenieur-
nach ihrem Verwendungszweck klassifizieren. baus. Dabei findet sich stets links eine Stab-
Eine weitere Unterteilung bietet sich nach der werkslösung, rechts eine Fachwerkkonstruktion
statischen Funktion ihrer Stabelemente an und und in der Mitte ein Mischsystem.
zwar in
- Stabwerke, die nur aus Balkenelementen (N, Q, Tragwerkstopologie: Abzählkriterien. Es werden
M) bestehen, beliebige Stabstrukturen betrachtet, die in eine
- Fachwerke, die nur aus geraden Fachwerkstä- willkürliche Anzahl von Knotenpunkten und da-
ben (N) mit reibungsfreien Gelenken zusam- zwischenliegenden Stabelementen zerlegt wer-
mengesetzt sind, den. Stützungs- und Anschlußpunkte sollen im-
- Mischsysteme aus beiden (und weiteren) Ele- mer Knotenpunkte bilden. Die Informations-
menttypen. menge der Knotenpunktsanzahl, deren Wertig-

Stabwerke Mischsysteme Fachwerke

JVV\~
~~
Einfeldträger, Kragarme und Balken milKragarm

~
Gelenkträger (Gerberträger)

Durchlaufträger

~ ~- '"'· ""dZw•ig•l•okbög•o

Rahmentragwerke

Abb. 1.5·22 Typen ebener Stabtragwerke

1-130 Allgemeine Grundlagen


keiten und die Zahl der Stäbe bilden die Elemen- gungen (Abb. 1.5-23) werden zu einem System
te der Tragwerkstopologie. Diese beschreibt algebraischer Gleichungen zusammengebaut:
grundlegende Tragwerkseigenschaften aus An-
zahl,Anordnung und gegenseitigen Beziehungen (1.5.62)
der Konstruktionselemente, dabei klammert sie
alle Abmessungen, Lasten und Steifigkeiten aus. Im oberen Teil werden sämtliche Gleichge-
Weiter wird das einfache Rahmentragwerk wichtsbedingungen in Richtung der aktiven
der Abb. 1.5-23 betrachtet, worin alle Auflager- Knotenfreiheitsgrade (= Knotenlasten) einge-
reaktionen H1> VI> H3, V3 und die möglichen baut, die somit links den Vektor P der Knotenla-
Knotenlasten Mi> Fxz, Fzz, Mz, M3 (in Richtung sten entstehen lassen. Im unteren Teil stehen r
der globalen Basis) eingetragen werden. Sodann mögliche Nebenbedingungen sowie alle Gleich-
werden alle drei Knotenpunkte 1, 2 und 3 durch gewichtsbedingungen in Richtung der Auflager-
fiktive Rundschnitte aus dem Tragwerk heraus- bindungen,die die Spalte C aller Auflagergrößen
getrennt. Drückt man die je 6 in den beiden mit der Spalte s aller unabhängigen Stabend-
Schnittuferpaaren freigelegten Stabendkraft- kraftgrößen koppeln.
größen Nf, Qf, Mf, N,P, Q,P, M,P der beiden Auf der rechten Seite von Gl. (1.5.62) stehen
Stabelemente p = a, b allein durch deren unab- neben g* sämtliche Unbekannten: s und C. Zur
hängige Untermenge N,P, Mf, M,P aus, so wird Lösung von (1.5.62) ist somit eine Inversion er-
das Tragwerksgleichgewicht allein durch die forderlich:
Knotengleichgewichtsbedingungen (in Richtung
der Knotenlasten) beschreibbar. Diese Bedin- p* = g*· s* ~ s* = (g*t 1 ·P* =b*.p*, (1.5.63)

Baustatische Skizze: Stabendkraftgrößen:


a
MPI
,_I - ____r , 1 NIP

or ®
IP
p
Q,

unabhängige: N~. Mr. M~


vl
z Knoten 3 abhängige: Nf = N~. Of = or = MP+MP
- 1 1- p
- 1

Knotengleichgewichtsbedingungen:
' M'
, M: - M~ Q' - ~
M 0,=-a- ,- a
~& 7'l,:1 , ,__
I
®_,r N:Mr t=:i9)-
--l[ Knoten 2:
, M~ - M~
V, N, =NI b M~ - M~ ;--- Fx2- N, - - b - = 0
01 =-b- M 1 ~b = Nb
Knoten 1:
H1 + N: =o r-hJ I Fa+ Nb -
I
M' M' =0
_1_-_1
a
M' - M~ M 1 - M:+M~ = O
- V1+-'-a-=O
M1 +M: = O
@~I Nebenbedingung: M: =0
~r
Mb N1
't"b Knoten 3:
M~-M~
b b 1
Hl+ - b- = 0
b_M 1 -M 1 ~
Q,- b M H -V3 -N~ = O
3
M3 - M~ =0

Abb. 1.5-23 Beispiel zur Herleitung von Knotengleichgewichtsbedingungen

Theorie der Tragwerke 1-131


wofür aus der linearen Algebra zwei an g* zu stel- barkeit von GI. (1.5.62) stellen sie im Fall n ~ 0
lende Bedingungen bekannt sind: g* muß qua- notwendige, jedoch keine hinreichenden Bedin-
dratisch und regulär sein, zwei Schlüsselkondi- gungen dar. Abbildung 1.5-25 enthält Beispiele
tionen in der Theorie der Tragwerke. zu den Abzählkriterien.
Zur Prüfung der quadratischen Form von g*
führt man die auf beliebige Tragwerke verallge- Statisch bestimmte und unbestimmte Tragwer-
meinerten Bezeichnungen der Abb. 1.5-24 ein ke. Beide Begriffe grenzen wichtige Tragwerks-
und bildet sodann die Differenz ihrer Spalten- eigenschaften voneinander ab. Bei statisch be-
zahl s ·p + a (Unbekannte) und der Zeilenzahl stimmten Tragwerken hängen die Schnitt- und
g·k + r (Bestimmungsgleichungen) Auflagergrößen allein von den einwirkenden
Lasten ab; sie sind unabhängig von den Stabstei-
n=(a+s·p)-(g·k+r). (1.5.64)
figkeiten. Eingeprägte Temperatureinwirkungen
Mit diesem Abzählkriterium kann man die fol- oder Verformungen führen zu Tragwerksdefor-
genden 3 Fälle unterscheiden: mationen ohne Änderung der Schnitt- und Auf-
- n = 0: Zeilen- und Spaltenzahl sind gleich; g* lagergrößen. Im Versagenszustand existieren
ist quadratisch und somit i. a. invertierbar. Die keine Möglichkeiten zu Kraftumlagerungen
vorliegende Tragstruktur heißt statisch be- (Redundanzen), da das Versagen bereits einer
stimmt. Bindung zur kinematischen Verschieblichkeit
- n > 0: Die Zahl der Unbekannten (Spalten) führt.
übersteigt diejenige der Bestimmungsglei- Bei statisch unbestimmten Tragwerken sind
chungen (Zeilen) gerade um n. Die Inversion die Schnitt- und Auflagergrößen sowohl von den
in (1.5.63) erfordert n Zusatzgleichungen. Ei- Lasten als auch von den Stabsteifigkeiteil ab-
ne derartige Tragstruktur heißt statisch unbe- hängig. Eingeprägte Temperatureinwirkungen
stimmt. und Verformungen führen zu Tragwerksdefor-
- n < 0: In diesem Fall fehlen n Kraftgrößen in mationen sowie zu innerem Zwang. Im Versa-
s, C, um alle Gleichgewichtsaussagen zu be- genszustand einer Bindung verfügt ein n-fach
friedigen. Die vorliegende Tragstruktur ist so- statisch unbestimmtes Tragwerk noch über n-1
mit unfähig zum Gleichgewicht, sie ist kine- redundante Möglichkeiten zur Kraftumlage-
matisch verschieblich. rung.
Zwischen beiden Topologietypen existieren
Abzählkriterien (Abb. 1.5-24, dort auf Stabwer- übergänge, beispielsweise lediglich innerlich
ke und Fachwerke spezialisiert) geben den Grad statisch unbestimmte Tragwerke. Diese gestat-
n der statischen Unbestimmtheit an. Für die Lös- ten die statisch bestimmte Ermittlung ihrer Auf-

Allgemeine Form des Abzählkriteriums:


1 n= (a+ s. p) - (g . k +r) 1

mit a + s · p: Spaltenzahl von g* gleich Anzahl der Unbekannten


a Summe der möglichen AuRagerreaktionen
s Unabhängige Stabendkraftgrößen je Stabelement
p Summe aller Stabelemente zwischen k Knotenpunkten
g · k + r: Zeilenzahl von g• gleich Anzahl der Bestimmungsgleichungen
g Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen je Knoten
k Summe aller Knotenpunkte einschließlich Auflagerreaktionen
r Summe aller Nebenbedingungen (ohne AuRagerknoten)
Sonderformen des Abzählkriteriums:
Allgemeine Stabwerke
ebene: s = 3, g = 3 n = a + 3 (p - k) - r
räumliche: s = 6, g = 6 n = a + 6 (p - k) - r

ebene: s= 1, g = 2
raumliche: s = 1, g = 3
I"
Ideale Fachwerke ohne Nebenbedingungern'-----:::;----,
= a + p - 2k
n = a + p - 3k

Abb. 1.5·24 Abzählkriterien

1-13 2 Allgemeine Grundlagen


Ebene Fachwerke: n = a + p - 2k

-+~
t tn = 3 + 17 - 2· 10 = 0 _. +-

-+f'[!Yt+- t n = 4 + 3 (9 - 8)- 0 = 7 t
n = 4 + 11 - 2· 8= - 1

t n =6 + 3 (5- 5)- 1 =5 t

t n =4 + 3 (5- 5)- 3 = 1 t
Abb. 1.5·25 Beispiele zu den Abzählkriterien

r=2

-+~

tn = 4 + 2 - 2· 3 = t0

n =4 + 3 (9 - 7) - 5 = 5
t
n = 4 + 34 - 2 · 18 = 2

Abb. 1.5-26 Beispiele zum Ausnahmefall der Statik

lager- oder Zwischenscheibenkräfte und erfor- Ausnahmefall der Statik. Abbildung 1.5-26 zeigt
dern eine statisch unbestimmte Berechnung nur Tragwerke, die nach den Abzählkriterien statisch
zur Schnittgrößenbestimmung. Kinematisch bestimmt oder sogar unbestimmt sind, in Wirk-
verschiebliehe Strukturen finden im Bauwesen lichkeit jedoch ganz offensichtlich kinematisch
wegen ihrer Unfähigkeit zur Lastabtragung i. a. verschiebliehe Strukturen darstellen. So bildet
keine Verwendung. die rechte Seite des Dreigelenkrahmens ein ver-

Theorie der Tragwerke 1-133


schiebliches Gelenkviereck, ebenso die gesamte gekennzeichnet. Verfahren zu seiner Identifika-
dortige Fachwerkkonstruktion. Gleichwohllie- tion werden noch erörtert.
fern die Abzählkriterien 5- bzw. 2-fach statisch
unbestimmte Strukturen. Dieses Verhalten be- 1.5.2.2
zeichnet den Ausnahmefall der Statik, welcher Statisch bestimmte Tragwerke
ein nach den Abzählkriterien statisch (un-)be-
stimmtes, tatsächlich jedoch kinematisch ver- Methoden der Kraftgrößenermittlung
schiebliches Tragwerk charakterisiert.
Der Ausnahmefall der Statik ist stets durch die Grundsätzliches. Bei statisch bestimmten Trags-
Bedingung trukturen sind alle Schnitt- und Auflagergrößen
allein aus den Gleichgewichtsbedingungen ein-
detg' =O (1.5.65)
deutig bestimmbar. Als Werkzeuge stehen somit

Baustatische Skizze: Auflagergrößenbestimmung:


rF. = 0: HA-Pl = 0 HA= pl = 5,00 kN
X
:EMA = 0: B· 8,00 - P1 • 2,00 + P1 · 1,00 - q · 4,00 · 6,00 = 0
z B= 19•20 =2 40 kN
8,00 •

:EMd = 0: A· 8,00 - P1 • 6,00 - P1 · 1,00 - q · 4,00 · 2,00 = 0


A-+ 2,00 f 2.00 A= 26•20 =3 30 kN
8,00 •
1 4,00
--r-
Abmessungen in m, Lasten in kN Kontrolle:
LF,= O: A+B - P1 - q · 4,00 = 0
3.30 + 2,40 - 2,50 - 3,20 = 0
Schnittgrößenbestimmung:
Punkt 1 (links von P1):

HA M N+ HA = O ergibt: N= - HA= - 5,00 kN


Q- A= O Q= A= 3,30 kN
~j-N M- A· 2,00=0 M= 3.30 · 2,00 = 6,60 kNm

At 2,00

Punkt 1 (rechts von P1):

M Q= 0,80kN
HA~t N N und M wie vor

A
Punkt 2 (links vom Knick):

t~ M N+ HA = O N=-HA = - 5,00 kN
H-44 ................... j-N O+ P1 - A= O Q= 3,30 - 2,50 = 0,80 kN
M- A· 4,00+ P1 • 2,00=0 M= 3.30 · 4,00 - 2,50 · 2,00 = 8,20 kNm
A
4,00 I
Punkt 2 (oberhalb vom Knick):
N N+A-P 1 = 0 N= - 3,30 + 2,50 = - 0,80 kN
Q+ HA=O Q= - 5,00 kN
Mwievor

Abb. 1.5-27 Schnitt- und Auflagergrößenbestimmung eines ebenen Rahmens durch Gleichgewicht an Teilsystemen

1-134 Allgemeine Grundlagen


die 6 Komponentengleichgewichtsbedingungen Die vorliegende Tragstruktur wird zunächst
nach (1.5.41) für Raumtragwerke und 3 Kompo- durch fiktives Heraustrennen sämtlicher Kno-
nentengleichgewichtsbedingungen nach ( 1.5.42) ten in ihre Stabelemente und Knotenpunkte un-
für ebene Tragwerke zur Verfügung. terteilt. Dabei dürfen Knotenpunkte willkürlich
gewählt werden. An beiden Schnittufern jedes
Gleichgewicht an Teilsystemen. Das erste Verfah- Trennschnitts werden Schnittgrößen als Doppel-
ren unter Anwendung von Komponentengleich- wirkungen freigesetzt. Separiert man ·nun alle
gewichtsbedingungen erfordert zur Schnittgrö- Stabelemente von den Knoten, so werden die ele-
ßenermittlung die Kenntnis der Auflagergrößen mentseitigen Teile der Schnittgrößen zu Stab-
und von Zwischenreaktionen. Es besteht aus den endkraftgrößen, die knotenseitigen zu inneren
folgenden Bearbeitungsschritten: Knotenkraftgrößen. Von den 6 vollständigen
- Ermittlung der Auflagergrößen aus den Gleich- Stabendkraftgrößen (Abb. 1.5-23) Nlp> Q/p, M1p,
gewichts- und Nebenbedingungen. Nrp> Orp> Mrp sind die folgenden 3: Nrp>M[p, Mrp
- Bestimmung der Schnittgrößen durch fiktives unabhängig vorgehbar und die restlichen 3: Nlp>
Abtrennen geeigneter Teilsysteme (Freischnei- Oip> Orp als abhängige Größen berechenbar.
den der Schnittgrößen und Anwendung der Die aufgestellten Knotengleichungen (Abb.
Gleichgewichtsbedingungen). 1.5-23) nebst Nebenbedingungen werden in den
unabhängigen Kraftvariablen formuliert und in
Durch überlegte Schnittführungen und Formu- das Schema der Gl. (1.5.62) eingebaut (Abb.
lierung des Gleichgewichts in den Richtungen 1.5-29). Bei diesem Verfahren ist somit stets das
der lokalen Schnittuferbasen entstehen nur Ein- dortige algebraische Gleichungssystem zu lösen.
zelgleichungen der unbekannten Schnittgrößen Wegen der hierin stets auftretenden oberen
(Abb.l.5-27 und Abb. l.5-28, wobei dort nur we- rechten Nullmatrix hat man dabei 2 Alternativen:
nige freigeschnittene Teilsysteme wiedergege- - Lösung im Gesamtschritt:
ben wurden).
p* =g*· s* --? s* ={s C}. (1.5.66)
Gleichgewicht an Tragwerksknoten. Das zweite - Vorgezogene Lösung des oberen Teilsystems
Verfahren unter Anwendungvon Komponenten- sowie nachfolgende Ermittlung der Auflager-
gleichgewichtsbedingungen schließt aus dem größen:
Gleichgewicht aller Tragwerksknoten auf dasje-
P =g·s + O·C =g ·s--? s,
nige der Gesamtstruktur. Bereits der Aufstellung (1.5.67)
Pc =8sc· s + I ·C--? C =-g,c s + Pc.
der Abzählkriterien lag eine solche Betrachtung
zugrunde, und das in Abb. 1.5-23 behandelte Das obere Teilsystem (Abb. 1.5-29) enthält nur
Rahmensystem soll nun aufgegriffen werden. die Gleichgewichtsbedingungen in Richtung der

+3,20

- 0,80

N-Linie [kN)
!
- 5,00 I
I
__", 11 M-Linie [kNm]

- 2.40 +8,20

+3,30
0 TS,OO
o,8___J!
0,80

5,0 0 - ......... 2
4

0,80
r· 10,80

Rechenkontrollen

Abb. 1.5-28 Schnittgrößen-Zustandslinien ~u Abb.1.5-27

Theorie der Tragwerke 1-135


My1= 0: M1 -1 ''
F, 2 = 0: F, 2
Fz~ = 0: Fz2 - 11· ,~. _, -~b 1/b I
My2 = 0: M2
My1 = 0: M1
Nobenbed1ngun!r
F, 1= 0:
0
0
.,. . . . . . . . . -.. . ---.. -.. . -.. --.. ---.. -------l·,- ----.. ---.. --..
- F, 1 = 0: 0 1/ a -1 / a -·· f

F, 1 =0: 0 -1 / b 1/ b f
- F, 1 = 0: 0 t vl
leere Positionen sind mit Null besetzt
Allgemeine Form:

p· =g··s·K-]=rg·)·m=t9~-1-~]·ti]
Abb. 1.5-29 Knotengleichgewichts- und Nebenbedingungen des Beispiels von Abb.1.5·23

aktiven Knotenfreiheitsgrade. Sind allein die


Stabendkraftgrößen gefragt, so braucht nur die-
111 IV
ser Teil aufgestellt und gelöst zu werden. Mittels
der links unten in Abb. 1.5-23 angegebenen Be-
ziehungen werden aus den unabhängigen Sta-
bendkraftgrößen s elementweise die abhängigen
berechnet.
Stabwerksscheiben
Kinematische Methode. Gleichgewichtsproble-
me lassen sich mittels kinematischer Vorge-
hensweisen lösen. Hierzu vergegenwärtigt man
sich (Abb. 1.5-30), daß sich Tragwerke aus ein-
zelnen Stab- oder Fachwerkscheiben aufbauen
lassen. Als Scheiben faßt man dabei Teilstruktu-
ren zusammen, deren Knotenpunkte und Trag-
elemente sich zueinander kinematisch starr ver-
halten, die also höchstens in sich elastisch de- Fachwerksscheiben
formierbar sind.
Tragwerksscheiben können somit als ganzes
Abb.1 .5·30 Tragstrukturen und Tragwerksscheiben
kinematische Verrückungen erfahren, sofern de-
ren Rand- und Übergangsbedingungen dies ge-
statten. Durch Herausnahme einer Bindung aus - vom einwirkenden Kräftezustand unabhängi-
einem statisch bestimmten Tragwerk entsteht ge
ein I-fach kinematisch verschiebliches System, - sonst jedoch beliebige Verschiebungszustände.
eine zwangsläufige kinematische Kette als En-
semble von Tragwerksscheiben mit 1 kinemati- Nun werden zunächst einzelne starre Scheiben
schen Freiheitsgrad. An derartigen Systemen unter virtuellen Verrückungen betrachtet. Jede
sollen nun virtuelle Verschiebungszustände un- infinitesimal kleine Bewegung läßt sich, wenn
tersucht werden; dieses sind man Translationen als Rotationen um einen im
- infinitesimal kleine, Unendlichen liegenden Drehpol interpretiert, als
- gedachte, also nicht wirklich existierende, infinitesimale Drehung um einen Momentanpol
- kinematisch verträgliche, deuten. Abbildung 1.5-31 zeigt eine solche star-

1-136 Allgemeine Grundlagen


re Einzelscheibe unter einer virtuellen Drehung schreiben zu können, benötigt man die Pollagen
Ö<p um den Momentanpol 0. Zu den 3 willkürlich aller beteiligten Scheiben. Hierzu unterscheidet
gewählten Punkten a, b und c sind die jeweiligen man zwischen dem
Polstrahlen r"' Tb und Tc eingetragen. Ohne wei- - Hauptpol einer Scheibe, ihrem absoluten Dreh-
tere Erläuterungen verifiziert man: ruhepunkt (Momentanpol) und dem
- Die virtuelle Verschiebung eines beliebigen - Nebenpol zwei er Scheiben, dem gemeinsamen
Scheibenpunktes steht rechtwinklig auf ihrem relativen DrehpoL
PolstrahL
- Die virtuellen Verschiebungen mehrerer Schei- Beide Polarten werden in sog. Polplänen als Ba-
benpunkte sind ihren Polstrahllängen pro- sis späterer kinematischer Verschiebungsanaly-
portional. sen eingetragen. Die grundlegenden Regeln für
Polplankonstruktionen [Hirschfeld 1996, Krät-
Aus Abb. 1.5-31 liest man weiter mögliche Be- zig/Wittek 1995) oder [Pflüger 1978) faßt Abb.
stimmungsstücke des virtuellen Verrückungs- 1.5-32 zusammen. Darin ist der Hauptpol der
zustandes einer Scheibe ab: Scheibe K mit (k),der Nebenpol der beiden Schei-
- Lage des Momentanpols und virtuelle Verdre- benKund L mit (k, I) bezeichnet.
hung, Um die Brücke zu kinematischen Kraftgrö-
- Lage des Momentanpols und eine virtuelle ßenermittlungen zu schlagen, betrachtet man
Verschiebung, (Abb.l.5-33) eine beliebige Scheibe unter einem
- eine virtuelle Verschiebung und ein weiterer im Gleichgewicht befindlichen Kraftgrößensy-
Polstrahl, stem. Unterwirft man diese Scheibe einer virtu-
- eine virtuelle Verschiebung und der virtuelle ellen Translation Öu, so lautet die dabei geleiste-
DrehwinkeL · te virtuelle Formänderungsarbeit ÖWy:
ÖWy=F1·Öu+Fz·Öu+ ... Fn·Öu
Die 3 virtuellen Verschiebungsvektoren Öua, Öub, (1.5.68)
Öuc in Abb. 1.5-31 werden gleichsinnig um 90° auf
= (FJ + Fz + ... Fn) · Öu.
die jeweiligen Polstrahlen gedreht, wodurch das Analog wird bei einer virtuellen Rotation Ö<p um
gestrichelte Dreieck mit den Eckpunkten a', b', c' den Momentanpol 0 die virtuelle Formände-
entsteht. Innerhalb jeder starren Scheibe ist die rungsarbeit ÖWR geleistet:
sog. F'- Figur der um 90° gedrehten virtuellen Ver-
ÖWR = r1 x F1· Ö<p + r2 x Fz· Ö<p + .. .
schiebungsvektoreil ähnlich zur Ausgangsfigur F
+ rn X Fn · Ö<p + Ma· Ö<p + Mb· Ö<p + ... Mm· Ö<p
und liegt ähnlich zu ihr in Bezug zum Momen-
= (rJ X F1 + r2 X Fz + ... rn X Fn + Ma + Mb
tanpoL Jede F'- Figur läßt sich somit auf Grundla-
+ ... Mm) · Ö<p (1.5.69)
ge der oben aufgeführten je 2 Bestimmungsstücke
konstruieren, womit die Verschiebungsvektoren
aller Punkte einer Scheibe angehbar sind. Da sowohl öu als auch Ö<p beliebig wählbar sind,
Um für zwangsläufige kinematische Ketten verschwindet in Übereinstimmung mit den
(Scheibensystemen mit einem Freiheitsgrad) Gleichgewichtsbedingungen (Abb. 1.5-33) die
eindeutig virtuelle Verschiebungszustände be- Summe der virtuellen Arbeiten einer Gleichge-
wichtsgruppe für jede beliebige virtuelle Ver-
rückung.
Mit diesem Prinzip der virtuellen Verrückun-
gen, angewandt auf zwangsläufige kinematische
Ketten, gewinnt man folgendes Konzept zur
Kraftgrößenermittlung statisch bestimmter Trag-
werke, das in Abb. 1.5-34 auf die Ermittlung der
Stützkraft S der dortigen Struktur angewendet
wird:
- Die gesuchte Kraftgröße wird durch einen fik-
F-Figur
tiven Schnitt freigelegt; (S in Abb. 1.5-34).
- Bestimmung der Pollagen aller Scheiben der
durch den fiktiven Schnitt entstandenen
Abb. 1.5-31 Starre Scheibe unter virtueller Drehung
zwangsläufigen Kette, im Beispiel ist dies der
Hauptpol (1).

Theorie der Tragwerke 1-13 7


1. Jedes feste Gelenklager ist Hauptpol der angeschlossenen Scheibe.
2. Jedes Biegemomentgelenk bildet den Nebenpol dervon diesen
verbundenen Scheiben.
3. Oie Senkrechte zur Bewegungsrichtung eines verschiebliehen
Gelenklagers bildet den geometrischen Ort des Hauptpols der
angeschlossenen Scheibe.
4. Der Nebenpol zweier, durch einen verschiebliehen Anschluß
(Normalkraft· oder Querkraftgelenk) verbundenen Scheiben
liegt auf der Senkrechten zur Bewegungsrichtung im
Unendlichen.
~(1,2) 5. Die Hauptpole zweier Scheiben und ihr gemeinsamer Nebenpol
II liegen auf einer Geraden: (i) - (i ,j)- UJ, z.B.: (1) - (1,2)- (2).

6. Die Nebenpole (i,j), ij,k), (i,k) dreier Scheiben I, J, Kliegen auf


___
- . - ·- -~(3.4)
..-
einer Geraden: (i,j) -ij,k)- (i,k), z.B.: (1,3)- (1.4)- (3,4).
7. Fallen die Nebenpole (i,j) und (j,k) in einem Punkt zusammen, so
liegt der Nebenpol (i,k) im gleichen Punkt, sofern alle drei Haupt-
pole (i), (j), (k) in endlichem Abstand auf einer Geraden liegen.

Abb. 1.5·32 Regeln fur Polplankonstruktionen

Virtuelle Form-
änderungsarbeit

VFI
Momenten·
bezugspunkt 0 tal/(
öW11 = F1 ·ÖU
=F1 cos a 1öu
mit F1 =IF11
öu=löul

Abb. 1.5-33 Gleichgewichtsgruppe auf starrer Scheibe

(1)

öW =F1r; Ö<p+F2 r;&p-F0 r~&p+M,ö<p - Mb&p - Mm&p+Sr;&p=(F1 r; +F2 r; -F0 r~ +M,-Mb-Mm+Sr; )ö<p=O
S =-(F1r; +F2 r; - F0 r~ +M,-Mb-Mm):r;

Abb. 1.5-34 Bestimmung der Stabkraft 5 nach der kinematischen Methode

1-138 Allgemeine Grundlagen


- infolge einer vorgegebenen, feststehenden Be-
lastung.
(1,2)
(1~ 0>-----~2) Schnittgrößen-Zustandslinien werden in der In-
genieurpraxis aus Werten einzelner Tragwerks-
n = 4+2 - 2 · 3=0
punkte verlaufsgemäß interpoliert. Für Strek-
kenlasten q"' qz und gerade Stäbe kann man die
Verläufe von N, Q und M längs x der matriziel-
len Gleichgewichtsbedingung (1.5.44) entneh-
men.
Sind Einzellasten {Fx Fz My} auf dem Tragwerk
vorhanden, so leiten sich aus den Gleichgewichts-

l [N]
bedingungen am Lasteinleitungspunkt i

(3.4) [Nl
Q [
- Fx
Fz = Q (1.5.70)
M ilinks My i M irechts

die an Sprungstellen existierenden Eigenschaf-


ten her. Insgesamt erkennt man so folgende Ei-
genschaften von Schnittgrößen-Zustandslinien:
- In lastfreien Bereichen verlaufen N und Q kon-
stant, während sich M linear verändert, sofern
Q :;t 0 ist.
Abb. 1.5-35 Beispiele zum Ausnahmefall der Statik - In Bereichen mit konstanten Lasten qx bzw. qz
ändern sich Nbzw. Q linear. Einer linearen Q-
Linie entspricht ein quadratischer Biegemo-
- Ermittlung der gesuchten Kraftgröße durch mentenverlauf.
Formulierung und Nullsetzen der virtuellen - Linear veränderliche Lasten qx bzw. qz führen
Arbeit unter einer geeigneten virtuellen Ver- zu quadratischen N- bzw. Q-Verläufen sowie
rückung; (eine Verdrehung Öq> um (1) in Abb. einem kubischen M-Verlauf.
1.5-34). - Extremwerte von M sind durch Nullstellen
von Q gekennzeichnet: Q = 0.
Die entstehende Arbeitsgleichung enthält stets
die gesuchte Kraftgröße als einzige Unbekannte.
p
Ausnahmefall der Statik. Ohne besonderen
Nachweis wird folgender Satz deutlich: Der Aus-
nahmefall der Statik liegt vor, wenn sich bei n 2:0
widerspruchsfrei ein Polplan oder eine F'- Figur
zeichnen läßt (Abb. 1.5-35). A

Schnittgrößen-Zustandslinien B

Allgemeine Eigenschaften. Zur Tragwerksbe-


messung benötigt man Schnittgrößen nicht nur
an einzelnen Tragwerkspunkten, sondern konti-
nuierlich entlang des gesamten Tragwerks. Den
M·Zustandslinie
funktionalen Verlauf einer Schnittgröße S(x),
z.B.N(x), Q(x) oder M(x),längs der lokalen Stab-
L.-_ _ _ + _ _...Jj N-Zustandslinie
koordinate x bezeichnet man als Schnittgrößen-
Zustandslinie. Eine solche beschreibt somit
- den Verlauf einer bestimmten Schnittgröße Abb. 1.5-36 Zustandslinien für einen Einfeldträger
- längs des gesamten Tragwerks

Theorie der Tragwerke 1-139


- In Bereichen mit positivem qx bzw. qz nimmt - Ein zwischen 2 Biegemomentengelenken ge-
Nbzw.Qab. legener Stab ohne Querlasten überträgt nur
- In Bereichen mit positivem Q wächst Man. Längskräfte.
- Im Angriffspunkt einer Einzellast Fx besitzt
dieN-Linieeinen Sprung der Größe -Fx. Abbildung 1.5-36 erläutert diese Eigenschaften,
- Im Angriffspunkt einer Einzellast F2 besitzt ebenfalls die übersieht über Standardlastfälle ei-
die Q-Linie eine Sprung der Größe -Fz und die nes einfachen Balkens in Abb. 1.5-37.
M-Linie einen Knick.
- Im Angriffspunkt eines Einzelmomentes My Gelenkträger. Gelenk- oder Gerberträger stellen
besitzt die M-Linie einen Sprung der Größe mehrfeldrige Balkentragwerke mit Einzelgelen-
-M1 , ihre Neigung sowie dieN- und Q-Linie ken dar, in denen keine Biegemomente, wohl
bleiben unbeeinflußt. aber Quer- und Normalkräfte übertragen wer-

....---
System und lastbild
4 I
~
777
Q-linie M·Linie
J • ~

~p
I
.l 1/2 L 1/2
.L
P/21 +
L:::=:::J p/2 ~
• 4

~p
j, a J b
J
Pb [+]
I c::::::=::::::J -
Pa
I
~b
I

~p ~p
pf+l
L=J p ~
"
LaL
71
b
,.LaL"
t 111111111 t p .E!_~
2 ~il ~~8
A~ max Mbei Xo= Np
mnp
J
N2 Xo ~o:::r:::::::=:: B
Ja •L
b •L pa2
pal ~
8 X
A=B-pa 8=-
21

AITJ\ Aa Bb
! ll ll p "'l:J B
JaJbJ.c~ A= prb(%+c) B=pb-A
~1 8

tsD
x0 =rt..f3 pll
~p pl~
6 .J._.&.___). _ ~I 9../3
Ml
Ml
~ I + 13 ~ Ml
,r)Ml b
MLT [>.....__
L a •l b •l I + I ~
I
~I
"

Abb. 1.5-37 Standardlastfälle am Einfeldträger

1-140 Allgemeine Grundlagen


den. Die Gelenkanzahl ist gerade so gewählt, daß folgt die Schnittgrößenermittlung durch Gleich-
das System statisch bestimmt wird. Die Abzähl- gewichtsbetrachtungen an Teilsystemen mit In-
kriterien zeigen, daß ein statisch bestimmter Ge- terpolation der Einzelwerte zu Zustandslinien.
lenkträger überm-Feldergerade m-1 Gelenke Beim Verfahren der Gelenkkräfte werden ge-
aufweisen muß. mäß der Funktionsskizzen in Abb. 1.5-38 alle
Um kinematische Verschieblichkeit im Sinne Zwischengelenke durch fiktive Schnitte durch-
des Ausnahmefalls der Statik auszuschließen, trennt und so die dort wirkenden Gelenkkräfte
sind folgende Gelenklageregeln zu beachten: als Doppelwirkungen freigelegt. Diese sind mit-
- Endfelder dürfen höchstens ein Gelenk auf- tels der Gleichgewichtsbedingungen bestimm-
weisen. bar, beginnend mit der obersten Funktionsebe-
- Innenfelder dürfen höchstens 2 Gelenke be- ne. Sind die Gelenk- und Auflagerkräfte für alle
sitzen. Funktionsebenen bekannt, so können die Schnitt-
- Innenfelder mit 2 Gelenken dürfen nicht be- größen-Zustandslinien für jedes Teilsystem an
nachbart sein. einfachen Balken mit und ohne Kragarme er-
- Endfelder, deren benachbarte Innenfelder 2 Ge- mittelt werden.
lenke aufweisen, müssen selbst gelenkfrei sein.
Gelenkrahmen und Gelenkbogen. Rahmentrag-
Abbildung 1.5-38 illustriert diese Konstruktions- werke sind geknickte Stabsysteme mit biegestei-
regeln. fen Ecken, Voll- oder Halbgelenken an den Knick-
Zur Ermittlung der Auflagerkräfte und Schnitt- stellen, ihre Stabelemente werden als Riegel oder
größen von Gelenkträgern sind 2 Verfahren ge- Stiele bezeichnet. Rahmentragwerke sind i.a.
bräuchlich. Beim Verfahren der Gleichgewichts- vielfach statisch unbestimmt. Stabend- oder
und Nebenbedingungen werden zunächst alle Zwischengelenke können jedoch Nebenbedin-
Auflagerkräfte aus den Gleichgewichtsbedin- gungen schaffen, die zu statisch bestimmten
gungen und den Momenten-Nebenbedingungen Strukturen führen. Nur solche GelenkrahiDen-
L.Mgi = 0 um die Gelenke bestimmt. Sodann er- tragwerke werden hier behandelt.

2 4 5
Zulässige Anordnung der ~~------]Lr-o~--~
--~--]Lr-o~----]L~o~----]L.-~
Zwischengelenke 0 2 3 4 5
Funkti~skizze: K 0 K " \ K" K ~
Koppelträger Schleppträger

-
~]L -------- ]( 0
-
Funktionsskizze:

Einhängeträger Kragarmträger
~r----~]L~~~]Lr-----~](~
0--~0~]Lr-----~~

Funktionsskizze:
4

Unzulässige Anordnung der ... ](

...
Zwischengelenke mit
virtuellen Verschiebungsfiguren
](

" _ ,,.4> - ...


~JLo~.--~.-<O~]Lr------](r------r----~ ](

... ]L :

Abb. 1.5-38 S·feldrige Gelenkträger

Theorie der Tragwerke 1-141


Ähnliche Topologieregeln gelten für Bogen- - Alle Stabachsen sind gerade.
tragwerke. Dreigelenkbogen besitzen i.a. 2 Fuß- - Alle Stäbe sind in den Knotenpunkten zen-
gelenke und ein Scheitelgelenk. Ist die Unver- trisch,
schieblichkeit der Kämpfergelenke nicht sicher- - durch reibungsfreie Gelenke miteinander ver-
gestellt, so werden Dreigelenkbogen mit Zug- bunden.
band als Konstruktionslösungen vorgesehen. - Es treten nur Knotenlasten auf.
Abbildung 1.5-39 gibt einen Überblick über sta-
tisch bestimmte Bauformen. Durch diese Annahmen bilden die Knotenpunk-
Alle Berechnungskonzepte verfolgen zunächst te zentrale Kräftesysteme, denn in den Stäben tre-
die Ermittlung der Auflagergrößen durch An- ten nur Normalkräfte auf. Im Gegensatz hierzu
wendung der Gleichgewichts- und Momenten- treten bei den realen Fachwerken der Baupraxis,
gelenk-Nebenbedingungen 'I.Mg;=O. Die an- deren Stabachsen vorverformt, Knotenanschlüs-
schließende Schnittgrößenermittlung verwen- se biegesteif und Stäbe querbelastet sind, auch
det bei gekrümmten Stabachsen zweckmäßiger- Biege- und Schubbeanspruchungen in den Stä-
weise zunächst globale innere Kraftgrößen N;', ben auf, die jedoch i.a. als vernachlässigbar klei-
Q;',M;* in fiktiven Tragwerksschnitten i und zer- ne Nebenspannungszustände angesehen werden.
legt diese danach in Schnittgrößen hinsichtlich Eine ebene, einfache Fachwerkscheibe entsteht
der lokalen Basis (Abb. 1.5-40). aus einem Stabdreieck, wenn jeder neue Knoten
durch 2 unterschiedliche Stäbe angeschlossen
Fachwerke. Fachwerkkonstruktionen sind in der wird. Einfache Fachwerkscheiben sind stets in-
Technik weit verbreitete klassische Konstrukti- nerlich statisch bestimmt. Daneben existieren
onsformen. Zur ihrer Berechnung werden fol- komplexe oder nicht-einfache Fachwerkschei-
gende Annahmen getroffen, die ideale Fachwer- ben, die i. a. innerlich statisch unbestimmt sind.
ke auszeichnen: Abbildung 1.5-41 zeigt eine Auswahl von Ausfa-

Gelenkrahmentragwerke

"" Dreigelenkrahmen Dreigelenkrahmen


mitlugband
Mehrfeldriger
Gelenkrahmen

Fahrbahnträger
Gelenkbogentragwerke
Scheitelgelenk

Dreigelenkbogen mit
aufgeständerter Fahrbahn

Mehrfaches Dreigelenkbogentragwerk

Abb. 1.5·39 Bauformen statisch bestimmter Gelenkrahmen und Gelenkbogen

1- 142 Allgemeine Grundlagen


Scheibeil Scheibe II

rx z
I:M 8 "' 0 am Gesamttragwerk } H A I:Mg =0 am Gesamttragwerk } H A
I:M9 = 0 an Scheibe I A• I:M 9 "'0 an Scheibe I A•
Lfx = 0 am Gesamttragwerk: H8 I:MA = 0 am Gesamttragwerk: 8
I:M 9 "' 0 an Scheibe II: 8 I:M 9 = 0 an Scheibe Ioder II: Z
I:Fz = 0 am Gesamttragwerk: Kontrolle LF2 = 0 am Gesamttragwerk: Kontrolle
M··I

;;
~l N";
0.I
>

rz
'
X

Abb. 1.5-40 Ermittlu ng von Auflagerkräften, Zugbandkraft und Schnittgrößen von Bogen

Konstruktion aus dem Brückenbau

~~,Q"
/V\7\/\ ~
Astrebenfachwerk ,g, ~ ~~
ohne Pfosten Sekundärnetz A~,Q" Fischbauchträger

~XXXX4,_ ~
Rhombenfachwerk ~ I<Ta<I1Wefk ~~
Linsenträger Schwedlerträger

p<rXC><~~ ~
Konstruktion aus dem Hallenbau

~~
Kreuzfachwerk
Ständerfachwerk

~ (Satteldachbinder)

Netzwerk
A~~
Abb. 1.5-41 Ausfachungssysteme nach (Hirschfeld 1969)
Konstruktion echter Raumfachwerke

chungssystemen der Bautechnik,Abb.l.S-42 ver-


schiedene Konstruktionsformen.
Die oft historisch gewachsenen Konzepte zur
Schnittkraftermittlung werden wie folgt unter-
teilt:
Gleichgewicht an Tragwerksknoten:
- analytische Stabkraftermittlung: Knoten- Abb. 1.5·42 Konstruktionsformen statisch bestimmter
schnittverfahren Fachwerke
- grafische Stabkraftermittlung: Cremonaplan

Theorie der Tragwerke 1- 143


Gleichgewicht an Teilsystemen: Gleichungssystem, das erneut die Form der Abb.
- analytische Stabkraftermittlung: Ritterschnitt- 1.5-29 aufweist, sowie dessen Lösung.
verfahren Beim Stabkraftermittlungsverfahren nach Rit-
- grafische Stabkraftermittlung: Culmannsches ter werden die gesuchten Stabkräfte aus einzel-
Verfahren nen Gleichgewichtsbedingungen bestimmt, die
an fiktiv abgetrennten Tragwerksteilen aufge-
Diese Verfahren sind in vielen Lehrbüchern der stellt werden. Diese Ritter-Schnitte werden so ge-
Baustatik (Hirschfeld 1969, Krätzig/Wittek 1995, führt, daß nicht mehr als 3 unbekannte Schnitt-
Rothe 1984, Sattler 1974) erläutert. Folgend wer- kräfte freigeschnitten werden. Die Momenten-
den das 1. und 3. skizziert, die beide heute noch gleichgewichtsbedingung LMR =0 um den
von Bedeutung sind. Schnittpunkt R zweier durchtrennter Stabach-
Abbildung 1.5-43 zeigt die Behandlung einer sen (Ritter-Punkt) liefert (Abb. 1.5-44) eine ein-
kleinen kranartigen Fachwerkstruktur nach dem zige Bedingung für die dritte unbekannte Stab-
Knotenschnittverfahren. Die Formulierung des kraft. Sind 2 Stabachsen parallel, so verwendet
Knotengleichgewichts erfolgt für die Knoten 1 man die Kräftegleichgewichtsbedingung senk-
und 2, nachdem beide Knoten durch Rund- recht zur betroffenen Richtung.
schnitte aus der Struktur herausgelöst würden. Beim Ritter-Schnittverfahren sind die Aufla-
Im unteren Bildteil erfolgt der Zusammenbau al- gerkräfte vor Rechnungsbeginn zu bestimmen.
ler Knotengleichgewichtsbedingungen in ein Das Verfahren ist besonders für die Ermittlung

--
Baustatische Skiue: Knotengleichgewicht:
Knoten 1 ß
1
10,00kN -~lt.oo
SI
/ 20,00

IF, =0: - 51cos ß - Slcosa + 10,00 = 0


a:45° LF, = O: +51sin ß + Slsin a + 20,00 =0
sin a:0,707 0,981 51+ 0,707 Sl: 10,00
cos a: 0,707 - 0,196 S1- 0,707 52 = 20,00

N''
ß :ll,W
sin ß=0,196 Knoten 2
(05 ß =0,981

3,60 5,40 I ~ Sl
t s•
0,981 51+ 0,707 Sl; 0
-0,1%51 + 0.707 51+ s• = o
System der Knotengleichgewichtsbedingungen: Lösung:
s1 s1 s3 54 55 56 57 A H8 B
-0,981 -0,707 51 - 10,00 51 +38,22
0,196 0,707 51 -20,00 51 -38,89
0,981 0,707 51 0 sl -53,05
2
-0,196 0,707 1,00 5• 0 5• +45,00
0,707 -0,707 - 0,707 55 0 55 +14,14
kN
- 0,707 - 0,707 0,707 1,00 56 0 56 - 75,00
0 0,00
-·-·-------
57 57
A -·- -·-·- -·-·-·-·- -·-·-·-·- ·- ---·-·- -·-·- -·-·--- -·- ~~-L-
1,00 : 1,00 A 0 A +75,00
0,707 1,00 :' 1,00 Hs 0 Hs - 10,00
B
1,00 0,707 1,00 B 0 B - 55,oo
Knoten

Abb. 1.5-43 Stabkraftermittlung nach dem Verfahren der Knotengleichgewichtsbedingungen

1-144 Allgemeine Grundlagen


Baustatische Skiue: Schnittbedingungen:

'~~
I:M 3 = 0:5 4 • 3,60 - (10,0 + 20,0) · 5,40 = 0
S4 = 162,0/3,60 = +45,0 kN

y, ~ I:M 8 =0:56 · 3,60 + (10.0 + 20.0). 9,00 = o

kki'
S4r 56= -170,0/3,60 = - 75,0 kN
I:M 2 =0 (56 bekannt):
ss. 3,60\2-75,0' 3,60 + 20,0' 9,0 + 10,0 ·1,80 = 0
B -A ss = +72.0/5,09 = +14,14 kN
3.60 5,40

I:M 1 = O:Sl· 3,60 · .J2 + 20,0 · 9,0 + 10,0 · 1,80 =0


S1 =- 198,0/5,09 = - 38,89 kN
I:M 8 = 0: S3 · 3.60 · 2 + (10.0 + 20,0) · 9,0 = 0
S3 = -270.0/5,09 = - 53,05 kN

10,0 kN
~~-
sy 20.0 kN ß = 11 ,W,cos ß = 0,981
a = 7,20 · 0,981 = 7,06
0

I:M 8=0:51.7,06 - (10,0 + 20,0) · 9,0 =0


N
....:
51= +270,0/7,06 = +38,22 kN

Abb. 1.5·44 Stabkraftermittlung nach Ritter fur das Fachwerk der Abb.l.5-43

weniger Stabkräfte geeignet. Beide dargestellten


Vorgehensweisen sind auf Raumfachwerke über-
tragbar (Krätzig/Wittek 1995). Baustatische Skiue:

Kraftgrößen-Einflußlinien

Definition von Einflußlinien. Kraftgrößen-lu-


standslinien dienen zur Darstellung von Schnitt-
größenverläufen für ortsfeste Lasten. Einflußli-
nien dagegen werden zur übersichtlichen Erfas-
sung des Einflusses ortsveränderlicher Einwir-
kungen auf einzelne Zustandsgrößen eingesetzt.
Der Begriff der Einflußlinie wird anhand der
Auflagerkraftbestimmung des durch einen Pen-
delstab gestützten Trägers mit Kragarm (Abb.
1.5-45) erläutert. Der Träger werde zunächst
durch eine feststehende Einzellast Pm im Punkt
m, der momentanen Laststellung, beansprucht.
Die Momentengleichgewichtsbedingung um Abb. 1.5-45 Zur Definition von Einnußlinien
den Lagerpunkt A liefert:

Theorie der Tragwerke 1-145


LMA =0: VBm ·l-Pm ·Xm =0
Kinematische Ermittlung von Einflußlinien.
Kraftgrößen-Einflußlinien statisch bestimmter
(1.5.71)
X Tragwerke können auf analytischem Wege aus
VBm =Pm ·f=Pm "TlBm
Gleichgewichtsbetrachtungen wie in GI. (1.5.71)
oder durch kinematische Konzepte mit dem
Die Funktion 11Bm (1. Index: Ort, 2. Index: Last- Prinzip der virtuellen Verrückungen gewonnen
ursache) beschreibt den Einfluß der Last Pm auf werden.
V8 . Interpretiert man nun Pm als ortsveränder- Bei der kinematischen Ermittlung der Ein-
lich und 11Bm als Funktion der Laststellungsor- flußlinie llim einer beliebigen Kraftgröße Zi wird
dinate Xm des Lastgurtes und stellt llBm zeichne- zunächst die zu Zi korrespondierende Trag-
risch dar, so entsteht in Abb. 1.5-45 eine Gerade werksbindung in i gelöst, wodurch eine zwangs-
mit Nullpunkt in A und Wert +1 in B: die Ein- läufige kinematische Kette entsteht. Aus Grün-
jlußlinie oder Einflußfunktion der Zustands- den des Gleichgewichts zur Last Pm muß die
größe VB. Da GI. (1.5.71) eine lineare Funktion Kraftgröße Zi in i in wirklicher, allerdings noch
von Pm ist, werden Einflußlinien stets für die unbekannter Größe an der kinematischen Ket-
Normlast Pm = 1 ermittelt. te angebracht werden. Erteilt man dieser Kette
Die in Abb. 1.5-45 gewonnenen Erkenntnisse nun eine virtuelle Verrückung öu, so leisten nur
können auf beliebige Zustandsgrößen Zi über- Pm entlang Öum und Zi entlang Öui virtuelle Ar-
tragen werden. Demgemäß ist die in m aufge- beit:
tragene Ordinate llim der Einflußlinie einer Zu-
6W=Zim ·6ui+Pm ·6um =0
standsgröße Zi im Tragwerkspunkt i gleich dem (1.5.74)
Wert Zirn> wenn das Tragwerk durch die Last =>Zirn ·(-6ui)=Pm ·OUm
Pm= 1 in m beansprucht wird. Eine Einflußlinie Wählt man nun die virtuelle Verrückung dui in
him beschreibt somit den funktionalen Verlauf der in i gelösten Bindung gerade gleich"-1 ", d.h.
des Einflusses als Einheitsverrückung entgegen der positiven
- einer Einzelkraft Pm= 1 von festgelegter Wir- Wirkungsrichtung von Zi> so wird aus (1.5.74)
kungsrichtung,
(1.5.75)
- an Positionen m des Tragwerks-Lastgurtes
wirkend, eine zu (1.5.71) identische Aussage. Setzt man
- auf die Zustandsgröße Zi im Bezugspunkt i. erneut Pm= 1, so erkennt man: Die Einflußlinie
llim einer Kraftgröße Zi im Bezugspunkt i ent-
Auswertungvon Einjlußlinien. Tragwerke unter- steht als virtuelle Verschiebungsfigur Öu(xm) =
liegen vielfältigeren Einwirkungen als nur Eins- Öum des Lastgurtes derjenigen kinematischen
lasten. Beanspruchen 4 beliebige Einzellasten Pi> Kette, die sich ausbildet, wenn die zu Zi korre-
P2, P3, P4 an den unterschiedlichen Positionen spondierende Weggröße, die virtuelle Klaffung,
m =1, 2, 3, 4 das Tragwerk, so folgt aus der linea- Öui = -1 gesetzt wird.
ren Verknüpfung von Pm in GI. (1.5.71) Erläutert wird diese Erkenntnis in Abb. 1.5-46.
4 Zur Ermittlung der Qi-Einflußlinie führt man
zi =llrtil + ~Tti2 + P3Tti3 + P4Tti4 = LPmTtim. dort im Tragwerkspunkt i ein Querkraftgelenk
m=I ein und ermittelt den Polplan der entstandenen
(1.5.72)
zwangsläufigen kinematischen Kette. Nun erteilt
Für Streckenlasten q(x) ergibt sich Zi durch man der Kette eine solche virtuelle Verrückung,
übertragungvon GI. (1.5.72) auf das differenti- daß im Querkraftgelenk entgegen der positiven
elle Lastelement q(x) dx, wodurch das dortige Querkraft ein virtueller Verschiebungssprung
Summenzeic~en zum Integral wird. Öu; = 1 auftritt. Die mit den Pollagen verträgli-
che virtuelle Verschiebungsfigur des Lastgurtes
xb
stellt die gesuchte Q;-Einflußlinie dar. Dieses Vor-
Zi = Jq(X)flimdx für q(x) in (Xa,Xb] gehen läßt sich auf computerorientierte Trag-
werksanalysen übertragen, da viele Programm-
(1.5.73)
systeme heute die Möglichkeit zur Einführung
Einflußlinien setzen die Gültigkeit des Superpo- virtueller Klaffungen besitzen.
sitionsgesetzes voraus und sind typische Werk-
zeuge der linearen Statik. Eigenschaften von Kraftgrößen-Einjlußlinien.
Aus Abb. 1.5-46 leitet man wichtige Eigenschaf-

1-146 Allgemeine Grundlagen


~astgun !p m B'
HA- ----- Baustatis<he Skizze:
m

X,

~ /3
1 1
1 T
I
Auflagerkraft-Einflußlinie VAM Querkraft-Einflußlinie O;m
I I (1•2) II
~-=-""'0'':"""""""'~
(1,2) (2) (2) (2,3)
(1)(1,3)
111

Auflagerkraft-Einflußlinie V8". Biegemomenten-Einflußlinie M;m

Abb. 1.5-46 Zur kinematischen Ermittlung von Kraftgrößen-Einflußlinien

ten von Kraftgrößen-Einflußlinien statisch be- 1.5.2.3


stimmter Tragwerke her: Formänderungsarbeit und Tragwerksdeformationen
- Im Bereich jeder Lastgurtscheibe verläuft die
Einflußlinie geradlinig, sie setzt sich daher aus Energieaussagen
stückweise geraden Linienzügen zusammen.
- Einflußlinien besitzen unter den Hauptpolen Herleitung der Formänderungsarbeit. Bereits
Nullstellen und unter den Nebenpolen Knicke. mehrfach wurde bisher Formänderungsarbeit
- An den Bezugspunkten i, an welchen die je- verwendet: Bei der Definition korrespondieren-
weilige Kraftgröße Zi definiert ist, treten ge- der Variablen und als virtuelle Arbeit in der
mäß Abb. 1.5-47 folgende virtuelle Einheits- kinematischen Methode. Dies soll nun vertieft
klaffungen Öu; auf: werden.
- Auflagerkraft: Verschiebung entgegen +A Die mechanische Arbeit einer Einzelkraft F
- Normalkraft: Sprung entgegen +N; (eines Einzelmomentes M) entlang eines Ver-
- Querkraft: Sprung entgegen +Q; schiebungsdifferentials du (Verdrehungsdiffe-
- Biegemoment: Knick entgegen +M; rentials d<p) wird durch die inneren Produkte der
Formänderungsarbeitsdifferentiale
Es ist zu beachten, daß virtuelle Verschiebungen
d W = F ; du =F du coso: ,
infinitesimal klein sind. Daher ist der Darstel- (1.5.76)
dW = M · d<p = M d<p cos o:
lungsmaßstab der Einflußlinie beliebig, sofern
nur die Grundregeln der Infinitesimalität (Ö<p = beschrieben. Hierin bezeichnen F, M, du, d<p die
sin Ö<p = tan Ö<p, cos Ö<p = 1) beachtet werden. jeweiligen Vektorbeträge; o: sind Winkel zwi-

Theorie der Tragwerke 1-147


Auflagerkraft-Einflußlinie:

Z,W

Norrnalkraft-Einflußlinie:
~··~- ~
I +N1 II
ößu, = öu 11 - öu 111 = - 1

0 W; = 0W 11 - ÖW;n = - 1

~)o:f-(~,, CJJTlT1J'
Biegemomentenkraft-Einflußlinie:

+M, ~~-1

Abb. 1.5-47 Virtuelle Klaffungen zur kinematischen Ermittlung von Kraftgrößen-Einflußlinien

sehen den Vektoren. Durch Integration über die


Deformationswege gewinnt man die Arbeiten:
(1.5.79)
u u
W = J F ·du= J F · cosa ·du
0 0
(1.5.77)
'I' 'I' mit Schnittgrößen cr, Randkraftgrößen t
W = JM ·d<p= J M · cosa ·d<p

[N(x)l [N]
0 0
Sind nun F bzw. M beliebige äußere (innere) cr= Q(x) , t= Q (1.5.80)
Kraftgrößen eines Tragwerks und u bzw. <p die M(x) M
korrespondierenden äußeren (inneren) Weg-
größen, so nennt man W Formänderungsarbeit sowie mit äußeren Weggrößen u, Randweg-
der äußeren (inneren) Zustandsgrößen oder ab- größen r und Verzerrungsgrößen e
gekürzt: äußere (innere) Formänderungsarbeit.
Für Streckenlasten q(x) entlang des Stabinter-
valls Xk- x; lautet die Formänderungsarbeit (1.5.81)
xk
dW= J q(x)·du·dx,
X; so lautet die Gesamtheit der hierdurch geleiste-
xk u
ten äußeren und inneren Formänderungsarbei-
(1.5.78)
W= J Jq(x)·du·dx ten:
X; 0

Betrachtet man weiter auf Abb. 1.5-48 ein ebenes,


gerades Stabelement Xa -Xb mit Lastgrößen p, P;

1-148 Allgemeine Grundlagen


P;
_I H; Ob M
~~~~(3~·-~_",......, I~ Nb
M1 t Im Gleichgewicht
befindlicher Kraft·
größenzustand:
xb p, P,, g, t

Wb
Kinematisch
kompatibler Weg·
größenzustand:
u, u1,,L r

Abb. 1.5·48 Tragwerk5abschnitt mit Zustandsgrößen

W=W(a)+W(i)= Tragwerk ein. Durch Ausführung der Arbeitsin-


tegrale in ( 1.5.83) unter diesen Voraussetzungen
(Krätzig/Wittek 1995) entsteht die folgende Ei-
genarbeit (aktive Arbeit)
U; Wj <Jli W=w<a>+w<il=
+ J Hidui + J F}dwi + J Midq>i (1.5.84)
0
u b
0
w b
0
<p b
HPtu+! pr udx+WrJ: ]-~! oTEdx

+J[Ndu]a + J[Qdw]a + J[Mdq>]a


0 0 0 als Formänderungsarbeit Weines Kraftgrößen-

1M(x)dK]dx
zustandes längs der eigenen Verformungswege.
-J[J N(x)dE + JQ(x)dy + Kennzeichnend für Eigenarbeit ist der Faktor 1/2 .
a 0 0 0 Wird dagegen der Kraftgrößenzustand (Index: i)
( 1.5.82) als in keinem ursächlichen Zusammenhang mit
Durch Substitution der obigen Abkürzungen dem Weggrößenzustand (Index: k) stehend vor-
entsteht die matrizielle Form ausgesetzt, so wirkt während der Integration von
bu (1.5.83) der Kraftgrößenzustand mit gleichblei-
W=W(a) +W(i) = Jfprdudx bender Intensität:
aO
u r b b
(1.5.83) w* =w*<al + w*Ul =
ffordE dx,
E

+JPtdu+ f[tr drL- b b


0 0 aO Pt uk + J pf ukdx+[tT rk]:- JoTEkdx (1.5.85)
worin die eckigen Klammern den Arbeitsanteil a a
der Randvariablen abkürzen. In der Formände-
rungsarbeit leisten positive äußere Zustands- Formänderungsarbeit w* längs fremdverur-
größen stets positive, positive innere Zustands- sachter Deformationen heißt Verschiebungsar-
größen dagegen negative Arbeitsanteile. beit (passive Arbeit). Annahmen über das Werk-
stoffverhalten können hier entfallen.
Eigenarbeit und Verschiebungsarbeit. Seien die In Abb. 1.5-49 sind beide Arbeitsarten durch
in der Formänderungsarbeitsgleichung (1.5.83) Substitution der Zustandsgrößenspalten (1.5.79
auftretenden Deformationen {u,r,e} durch den bis 81) sowie der Werkstoffgesetze ( 1.5.52 bis 54)
im Gleichgewicht befindlichen Kraftgrößenzu- und Ausmultiplikation für ein Rahmentragwerk
stand {p,P,t,cr} hervorgerufen. Das Werkstoff- ausgeschrieben. Für räumliche Stabtragwerke
verhalten sei linear elastisch, und die Belastung erhält man analog:
wirke durch proportionales Anwachsen auf das

TheoriederTragwerke 1-149
.-X o"

-JIolIN.,N,k
Verschiebungsarbeit
w· =F0 + Mtn + o"o,k + M.,M,kl dx
' 'k Bn·Bk EA GAo EI :J

Abb. 1.S-49 Eigenarbeit und Verschiebungsarbeit eines Rahmentragwerks

1 N;
W (i) ---
_ JI[ 2
r>2
- + -Q-
- + -'-l.yi 2;
+ My;
--
2 2 im Gleichgewicht befindlichen Kraftgrößensyste-
men entlang kinematisch verträglicher Deforma-
2 0 EA GAqy GAQz Gly
tionen verschwinden. Die Eigenarbeitsformulie-
rung gilt für linear elastisches Werkstoffverhal-
ten. Aus W =0 schließt man, daß die zur Verfor-
mung geleistete Eigenarbeit bei Entlastung voll-
ständig zurückgewonnen wird.
Der Energiesatz ist von fundamentaler Bedeu-
tung für die Tragwerkstheorie und Grundlage
der beiden folgenden Prinzipe.

Prinzip der virtuellen Arbeiten. Man definiert


nun einen virtuellen Verschiebungszustand, un-
Bei idealen Fachwerken vereinfacht sich dies zu: ter welchem man einen
- infinitesimal kleinen,
w<il =_.!. L Nf s, - gedachten, also nicht wirklich existierenden,
2 alle Stäbe BA - kinematisch verträglichen,
(1.5.87)
w*U> =- L N;Nk s
- vom einwirkenden Kraftgrößenzustand unab-
hängigen,
alle Stäbe BA

sonst jedoch willkürlichen Deformationszustand


Arbeitssatz oder Energiesatz der Mechanik. Bei versteht. Fordert man gemäß GI. (1.5.88) das Ver-
quasistatischen Last-Verformungsprozessen schwinden der mit einem beliebigen Kraftgrö-
lautet der Arbeitssatz (Energiesatz der Mecha- ßenzustand gebildeten virtuellen Arbeit
nik) für beide Arbeitsarten: b
W= + w<il = 0 bzw.
w<a)
( 1.5.88)
öW' = PTÖu+ pTÖudx J
w* = w<a) + w*Ul = 0 , a
(1.5.89)
J
b b
nach welchem die jeweiligen Summen aus äuße- +[trörL- aT6Edx= 0
ren und inneren Formänderungsarbeiten von a

1-150 Allgemeine Grundlagen


so besagt dieses Prinzip der virtuellen Verrük- Ein Deformationszustand {u,r,€} ist kinematisch
kungen: Ein Kraftgrößenzustand {p,P,t,cr} be- verträglich, wenn für einen beliebigen, virtuel-
findet sich im Gleichgewicht, wenn die Summe len, im Gleichgewicht befindlichen Kraftgrö-
der virtuellen Arbeiten für einen beliebig ge- ßenzustand {Öp,ÖP,Öt,öcr} die Summe der virtu-
wählten, virtuellen Verschiebungszustand {cSu, ellen, konjugierten Arbeiten verschwindet.
cSr,ÖE} verschwindet.
Um die hierzu duale Aussage zu gewinnen, defi- Die Sätze von Castigliano. Abbildung 1.5-50
niert man nun einen virtuellen Kraftgrößenzu- zeigt ein elastisches Tragwerk unter einer belie-
stand als einen bigen Gruppe von Einzellasten F1> Fz .. . F; ... Fm.
- gedachten, nicht wirklich existierenden, Diese Gruppe werde um differentielle Zuwächse
- im Gleichgewicht befindlichen, dFI> dFz ... dF; ... dFm erhöht: Läßt man zu-
- vom vorhandenen Deformationszustand un- nächst die differentielle Gruppe und danach die
abhängigen, ursprüngliche Lastgruppe auf das Tragwerk ein-
wirken, so entsteht aus der gesamt geleisteten
sonst jedoch willkürlichen Kraftgrößenzustand. Arbeit auf Abb. 1.5-50 für deren Zuwachs d w<a>
Aus dem Verschwinden der mit einem beliebigen (unter Streichung quadratisch differentieller
Deformationszustand gebildeten virtuellen kon- Glieder) die Verschiebungsarbeit
jugierten Arbeit gemäß GI. (1.5.88) entsteht das
dw<a) = dF1Ö1 + dFzÖz
Prinzip der virtuellen Kraftgrößen: (1.5.91)
+ .. . dF;Ö; + ... dFmÖm.
b
ow* = urcSP+ I urcSpdx Bei umgekehrter Belastungsreihenfolge entsteht
a analog:
(1.5.90)
b b
dw<a) = F1döl + FFzdÖz
+VötL- JEröadx=o (1.5.92)
a
+ .. . F;dÖ; + .. . FmdÖm .

1. Differentielles Kraftgrößensystem: 1. Ursprüngliches Kraftgrößensystem:

~~~!--:~ Fll Fll F; I Fm


df1! dfl! t_ +_ ._..~":P
2. Ursprüngliches Kraftgrößensystem: 2. Differentielles Kraftgrößensystem:

-~~!··~

W<•l+ dWI•l W<•l +dW!•I


=WI•I
=21 (dF 1do 1+ dF 2do2+ ... dF,dö, + ... dFmdöml 1
+ 2(dF,dö, +dF2dli2 + ... dF;dli,+ ... dFmdÖml
+WI•l
+df 1S1+ dF 2o2+ ... dF,ö, + ... dFmöm + F,dö 1 + F2dli2 + ... F;dli, + ... Fmdlim

Abb. 1.5·50 Zum Satz von Castigliano

Theorie der Tragwerke 1- 151


Beide Aussagen führen auf die Sätze von Castig- ( 1.5.95)
liano, wonach die partielle Ableitung der äuße-
ren oder negativen inneren Eigenarbeit nach ei- ( 1. Index: Ort, 2. Index: Ursache). Setzt man noch
ner Kraftgröße (Weggröße) die korrespondie- die beiden Lastgrößen gleich "I", so gewinnt
rende Weggröße (Kraftgröße) liefert: man aus Gl. (1.5.95) den Satz von Maxwell, wo-
nach elastische Verformungen von Kraftgrößen
aw<a) aw<il "I" in den Indizes vertauschbar sind:
--=---=0·
ofi ofi " (1.5.93) (1.5.96)
aw<a) aw(il
--=---=F:
aoj aoj ' Einflußlinien für Weggrößen. Eine besonders
anschauliche Anwendung des Satzes von Max-
Die Sätze von Betti und Maxwell. Auf das gleiche well ist die Berechnung von Weggrößen-Ein-
elastische Tragwerk bringt man nun in Abb. 1.5- flußlinien beliebiger Stabtragwerke. In Gl.
5I nacheinander zwei unterschiedliche Kraft- ( 1.5.75) war die Einflußlinie llim einer beliebigen
größengruppen I und 2 auf. Die dabei geleistete Zustandsgröße Zirn durch
Gesamtarbeit w<a> besteht aus den Eigenarbei-
(1.5.97)
ten W1<•> und w2<•> der beiden Lastgruppen
sowie den Verschiebungsarbeiten W1,2*(a) der eingeführt worden, eine natürlich Weggrößen
Gruppe I auf den Wegen der Gruppe 2 oder einschließende Definition:
W2,t<aJ der Gruppe 2 auf den Wegen der Grup-
(1.5.98)
pe I, je nach der Belastungsreihenfolge. Aus der
Gleichheit beider gesamten Formänderungsar- Zur Bestimmung der Einflußlinie llim substitu-
beiten ieren wie hierin erneut Pm= I und erhalten
w,(a) + w<a) + w,*(a) - w<a) + w,(a) + w*(a)
I 2 1,2 - 2 I 2,1 (1.5.99)
w,*(a) - w*(a)
1,2 - 2J bereits unter Anwendung des Satzes von Max-
(1.5.94)
well. Vergegenwärtigt man sich, daß Öm die Ver-
entsteht der Satz von Betti, wonach die äußeren formungsfiguraller Lastgurtpunkte Xm darstellt,
(inneren) Verschiebungsarbeiten zweier Kraft- d.h. dessen Biegelinie, so lautet (1.5.99) zusam-
größengruppen wechselseitig gleich sind. menfassend: Die Einflußlinie llim einer Weg-
Spezialisiert man nun die beiden Kraftgrö- größe Öi entsteht als Biegelinie Ömi des Lastgur-
ßengruppen auf je eine Einzelgröße Fi bzw. Fk> tes, wenn im Punkt 53
so vereinfacht sich Gl. (1.5.94) zu die zu Öi korrespondierende Kraftgröße "I"
wirkt (Abb. 1.5-52).

Kraftgrößensystem 1: Kraftgrößensystem 2:

fn+ ~~~-~... +~fm1 Fl2 1 IF22 I Fk2


-
f21
p ---'-----'-'-- t t "l" ~ Fn2
Kraftgrößensystem 2: Kraftgrößensystem 1:
F12 1 1F22 I Fu
··r:
t t ~ F"2
I __
'"I ~~
~~
wt•l = w~·1 + w\•l+ w;'~ 1

Abb. 1.5·51 Belastungsreihenfolge beim Satz von Betti

1-152 Allgemeine Grundlagen


können diese den Gin. (1.5.52 bis 55) entnom-
men werden. In Tabelle 1.5-2 finden sich diese
elastischen Verzerrungen für räumliche und ebe-
ne Stabtragwerke in den beiden oberen Zeilen.
Kriechdeformationen werden in Tabelle 1.5-2
lim,= lljm gemäß DIN 4227 durch die Kriechzahl <p1 auf die
Einflußlinie fur die vertikale
elastischen Verzerrungen bezogen. Dort finden
Durchbiegung in j: llJm sich ebenfalls Verzerrungen infolge von
Schwindverkürzungen € 5 und Schwindverkrüm-
m mungen K5 der Stabachse, deren Grundwerte
wieder DIN 4227 entnommen werden können.
Schließlich wurden in den unteren Tabellenzei-
len der Tabelle 1.5-2 Temperaturdehnungen und
A Einflußlinie für den
-Verkrümmungen aufgenommen, wobei a.r die
Auflagerdrehwinkel in IPA: Tl Am lineare Wärmedehnzahl abkürzt.
Substituiert man nun die Verzerrungen der
Tabelle 1.5-2 gemeinsam mit den Schnittgrößen
Abb. 1.5·52 Ermittlung von Weggrößen-Einflußlinien
Oxi = {Ni Qyi Ozi M Ti Myi Mzil des virtuellen Hilfs-
zustandes i in das Integral der GI. (1.5.100), so
entstehen die Einzelintegrale der Tabelle 1.5-3
Ermittlung von Tragwerksverformungen für räumliche Stabtragwerke. Die Anteile für
ebene Tragwerke finden sich in den Spalten 1, 3
Prinzip der virtuellen Kraftgrößen. Zur Ermitt- und 5. Darüber hinaus bezeichnen in Tabelle
Jung der Verformungen einzelner Tragwerks- 1.5-3 Nnb Mni Federkräfte und Federmomente in
punkte eines Deformationszustandes {ubrbExk}, den n Federelementen des Tragwerks und CNm
hervorgerufen beispielsweise durch Lasteinwir- CMn die zugehörigen elastischen Federkonstan-
kungen, greift man auf das Prinzip der virtuel- ten. Cu stellen I Auflagerkräfte,Mwi w Einspann-
len Kraftgrößen GI. (1.5.90) zurück. Diesem momente des Hilfszustandes dar, Cfk und <f>wk ver-
Prinzip gemäß werde das Tragwerk zur Bestim- körpern zugeordnete eingeprägte Lagerver-
mung einer willkürlichen äußeren Weggröße Öik schiebungen und Widerlagerverdrehungen. In
im Punkt i infolge der realen Beanspruchungs- Tabelle 1.5-3 wurde übrigens das Variations-
ursache k durch die zu Oik korrespondierende, symbol ö fortgelassen, wie in der Statik der Trag-
virtuelle Einzelkraftgröße der Intensität "1" be- werke allgemein für den virtuellen Hilfszustand
lastet. Oik bestimmt sich dann zu: i üblich.
-• T I I
cSW =Öik ·1+[cSti rk]o- JöaxiExkdx=O: Arbeitsintegrale für Einzelverformungen. Für
0 ebene Stabtragwerke gewinnt man aus GI.
I I (1.5.100) und Tabelle 1.5-3 folgenden Ausdruck:
J
cSik = cSoxiExkdx-[cSt!rk]o (1.5.100)
0
Öik = JN;[Nk (l+<p1 )+arT+E 5 Jdx
Hierin repräsentiert {ÖPi=1,Öti>Ö<Jxi} den virtu- 0 EA
ellen, im Gleichgewicht befindlichen Hilfszu- I
stand der Ursache ÖPi = 1, einer energetisch zu
Öik korrespondierende Einzelwirkung. Hinweise
+J Q; _!k_(1
GAQ
+<pt )dx
0
zu derartigen Einzelwirkungen für gesuchte De-
formationen enthält Abb. 1.5-53. Der in Ö<Jxi• Exk +J Mi[Mk (1 +<pt )+ar t,.T +Ks]dx
verwendete Ortsindex x bezeichnet Funktionen 0 EI h
der Stabachsenkoordinate. '\' NniNnk '\' MniMnk
+L..---+ L..
n CNn n 'Mn (1.5.101)
Beanspruchungsursachen. Der Zustand {ubrb
Exk) mit Oik E Uk verkörpert die vorhandene Be- -LCuclk- LMwi<f>wk
I w
anspruchungsursache des Tragwerks. Sind die
Verzerrungsgrößen Exk elastische Folgen eines Die hierin auftretenden Integrale werden i.a.
lastverursachten Kraftgrößenzustandes k, so mittels Integraltafeln gelöst, wobei die Lösung

Theorie der Tragwerke 1-153


Zu untersuchender Virtueller Kraftgrößen-
Verformungszustand: k Hilfszustand: i
. 1·

1. Verschiebungs-
komponente eines
Tragwerkspunktes

1"

2. Tangentendrehung
eines
Tragwerkspunktes

3. Abstandsänderung
zweier
Tragwerkspunkte
. 1"
~ il il
-
. 1"

. 1·

4. Relativdrehungzweier
Tangenten eines
Tragwerkspunktes

5. Drehung einer
il j lil il

- La

-
Tragwerkssekante
1"
iz T

a b
·!"t ·!· ++ ·~· t?
6. Relativdrehung
zwei er
Tragwerkssekanten

Abb. 1.5-53 Grundfalle fOr Verformungsberechnungen

1-154 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.5·2 Verzerru ngsg rößen räumlicher und ebener Stabelemente

Beanspruchungsursachen k Verzerrungsgrößen ~ k der Querschnitte


räumlich E Yy Yz ß Ky Kz
eben E y K

Lasten, elastisches !i Oytc ~ Mn Mytc M,k


Werkstoffverhalten EA GA0y GAaz Gl 1 Ely EI,

!i _§___ ~
EA GA 0 EI

Lasten, kriechfahiges Nk Qylt Qzk Mn Mn M,k


Werkstoffverhalten q>, EA WGA. q> ,~ q>, Gi;"" q>,Gi;"" q>,EI
Oy Qz
'
Nk _§___ Mk
q>, EA GA 0 q>,EI
Schwinden E, K,y' Ksza

E, K'
'
t.T,
Temperatureinwirkung a 1T a,h

liT My
a 1T a,h a,-b-

•zur Erminlung der Schwindverkrummung siehe Kapitel Massivbau und Verbundbau

Tabelle 1.5·3 Fonmänderungsarbeitsanteile räumlicher Stabtragwerke

Beanspruchungsursachen k
Lasten, Lasten, Schwinden Temperatur· Federelastische Eingeprägte
elastisches kriechfähiges einwirkung Lager Lagerver·
Werkstoffverhalten Werkstoffverhalten schiebungen

Ja,,a,k dx
I

o GAaz
I

q>, J
0
MTiMTk dx
GI
T

JM~Mzk dx
I 1 liT
JM"a 1 - Y dx
0 EI, 0 b

Theorie der Tragwerke 1-155


mit den charakteristischen Funktionswerten F;,
Fk folgende Form annimmt: Ö· =fl[NiNk + Q;Qk + M;Mk]dx (1.5.103)
'k
0
EA GAQ EI
Integral= Faktor· F; · Fk · Stablänge l .
(1.5.102)
durch Multiplikation mit einer Vergleichsstei-
Dabei sind die auftretenden Zustandsgrößen- figkeit Eie
flächen so zu zerlegen, daß die Standardfälle in
Abb. 1.5-54 anwendbar werden. Umfangreichere
Integraltafeln finden sich in [Duddeck/ Ahrens
1998,Haße 1996,Hirschfeld 1969,Krätzig/Wittek
1995, Rubin/Schneider 1998].
Bei Anwendung der Integraltafeln empfiehlt
es sich, die unterschiedlichen Steifigkeiten eines
Arbeitsausdruckes durch reduzierte Stablängen
zu erfassen. Beispielsweise gewinnt man aus (1.5.104)

I IFl ~FI ~
I
1 1
I
1
IFk 2 2

1 1 1
~Fk 2 T 4

1 1 1
Fk~ T 6 4

1 1 1
~ T 4 3

Fkf+--. 0
1
0
~Fk 6
2 1 5
~ T 3 12

c: 2 5 17
~
.0 "'---JF; 3 12 48
~

..."'
0..
2 1 17
~~
s~ 3 4 48
"0

"'<7
::I so~ Fk 1 1 7
T 4 48

os 1 1 7
Fkv-- 3 iT 48

~
.0
c:
So --~,::::}k 1 1 3
~ 4 5 32
"'...
0..

~
::0: os 1 1 3
...

::I
Fkv=-=- 4 20 32

Abb. 1.5-54 Integraltafel

1-156 Allgemeine Grundlagen


worin sich die einzelnen Integrale nun über un- fälle enthalten viele Bautaschenbücher [Dud-
terschiedlich reduzierte Längen erstrecken, die deck/Ahrens 1998, Haße 1996, Rubin/Schneider
nicht mehr unbedingt Längendimension besit- 1998] Standardlösungen für Einzelverformun-
zen: gen. Abbildung 1.5-55 gibt eine Auswahl wieder.
Normalkraftintegral I'= I IciA
Querkraftintegral I"= I EicfGAQ Biegelinien nach dem Verfahren derw-Funktio-
Biegemomentenintegral l"'=llcll nen. Sind Einzelverformungen an einer ausrei-
chenden Anzahl von Tragwerkspunkten bekannt
Tabellarische Ermittlung von Einzelverformun- oder ermittelt, so können die Biegelinien der
gen. Für einfache Tragwerke und Standardlast- zwischen diesen liegenden Stababschnitte mit-

System Belastung Formänderung + w + cp


)

V
Pf P/2
d B Ws =m <f>a=m
I l
pl •
Ir
" '
I I I I I llp
pll
Ws = w <f>a =w

pf • pfl
p fli-r-r.__ Ws = 30EI <f>a = 24EI

__,.-,-,-n p 11 pr 4
Ws= 12o·EI <f>s
pfl
=w
ML J ML·f2
Ws=m
Mt f
<f>a= - EI-

A
~
m
I =
:6..
B
mV PF
wm =48EI
-
3 pr2
<f>A =-q>a =- 16EI

"
I I I I I I*p
5 p/4 pfl
wm =384- ·EI- <f>A = - q>B =- 24EI

p fli-r-r.__ wm =768
5 p/4
- ·-
pr 3 7 pr3
<f>A =- 45EI;q>a = 360 .El
EI

ML) wm =ML·I2
--
16EI
_ MLI . _ MLI
68
<f>A - - ,<f>s- 3Ei'

A~
m
I :6..
'777
E m tp 7 Pt
wm =768
-·-
EI
3 pfl
<f>s = 32EI
I
J '"
I I I I I I* p Pl 3
4
w =~-~ <f>a = 48EI
m 384 EI

ML) wm =ML·f2
--
32EI
Mlf
<f>a =4EI

m 1 Pl 3
~ ~ wm =192
-·-
I mr EI

I I I I I I +p 1 p14
W= - · -
m 384 EI

Abb. 1.5-SS Verformungswerte von Krag- und Einfeldträgern

Theorie der Tragwerke 1-157


tels ro-Funktionen bestimmt werden. Zur Her- w(x=O) = 0, w(x=l) = 0, (1.5.107)
leitung liest man aus Abb. 1.5-20 die bekannte
Differentialbeziehung so heißt die rechteckige Klammer in GI. (1.5.106)
ro-Funktion. Diese vom Momentenverlauf M(x)
Eiw" =-M(x): Eicw" =_lLM(x) (1.5.105) abhängigen Funktionen werden über die di-
I mensionslose Stabkoordinate ~ = x/1 tabelliert,
ab, aus der durch zweifache Integration die Bie- so daß die Biegelinienlösung lautet:
gelinie w(x) eines geraden Stabes konstanter Bie-
I
gesteifigkeit entsteht: Eicw(x) =.....f.. ·Faktor· w(c;) (1.5.108)
I
Eiw(x) = IL[-JJ
I oo
M(x)dxdx+C1x+C2 ]. Abbildung 1.5-56 enthält die jeweiligen Faktoren
und ro-Funktionen in analytischer Form. Um-
(1.5.106) fangreichere Tabellen findet der Leser in [Hirsch-
Bestimmt man die freien Konstanten Ci> Cz aus feld 1969, Krätzig/Wittek 1995). Ein Beispiel zur
der Bedingung der Durchbiegungsfreiheit an Anwendung dieser ro-Funktionen zeigt Abb.
beiden Stabenden 1.5-57.

Nr. M-Verlauf Elw(x) ro{~) EHp

M1 2 Mll
1
I IM -2-·Wß WR =~-~~ -
12
M!l Mll
2 ~M -6- wo wo=~-~3 -
24
Mll M1 3
3 M~ -·w'o w'o=2~-3t}+~3 -
6 24

-Mr--.. M1 2 M1 1
4 ~M -6--w"o w"0 = -~ +3~ 2 -2~ 1 --
192

M/2 5·MI 1
5 ~ Uw-1 w =3~-4~ 3 - %
-
M/2 Mtl
6
~ --w"p
3
w"p=~-2~3 +~4 -
15

M1 2 M/3
7 ~M ---u-·wp Wp=~-~4 -40
' Mtl Mll
8 Mv---- --w'p
12
w'p= 3~ -6~ 2 +4~ 3 -~ 4 -40
-M M/2 M1 1
9 -~
2 -------.J M --w w,=~~-~3 -
4 T 48
-M Mll 1
10 M c::::::="'
.c::::J
2 -·w'
4 t
w',=~-21/+; 1 -M148
Abb. 1.5-56 Grundgleichungen der (t)--funktionen

1-158 Allgemeine Grundlagen


Bilustatische Skizze:

M(x)-Zustandlinie:

1
Biegelinie: Feld 1:
2
Elw(x 1)='6M 8 t 1 w 0 +31.. -pt/ 2 "
8- t 1 w P'
1 2 1 Pl 2
Feld2: Elw(x 2)="6M 8 f 2 w' 0 +12·42 '2 W:.·

Abb. 1.5·57 Beispiel zur Biegelinienermittung

1.5.2.4 seinem Tragverhalten so wenig wie möglich vom


Statisch unbestimmte Tragwerke gegebenen System abweicht.
Durch die Bedingung, daß die Summe der un-
Das klassische Kraftgrößenverfahren verträglichen Verformungen an jedem der n Me-
chanismen infolge der äußeren Lasten und der
Bei einem statisch unbestimmten System rei- X; verschwinden muß, werden n Bestimmungs-
chen die zur Verfügung stehenden Gleichge- gleichungen für die unbekannten Kraftgrößen
wichtsbedingungen nicht aus, um sämtliche un- X; gewonnen. Diese Gleichungen werden als
bekannten Auflagerreaktionen und Schnittgrö- Formänderungsbedingungen oder Elastizitäts-
ßen zu berechnen. Dazu müssen zusätzlich Ver- gleichungen bezeichnet. Sie lauten allgemein
formungsbedingungen herangezogen werden,
deren Anzahl den Grad n der statischen Unbe-
Ö;=Ö;o +X1 · Ö;1 +X2 · Ö; 2 + ... +Xn · Ö;n =0
stimmtheit angibt. Beim Kraftgrößenverfahren für i = 1.. . n bzw.
wird das n-fach statisch unbestimmte System n
durch Einfügen von n Mechanismen in ein sta- Ö;o + 2: xk . Ö;k = 0. (1.5.109)
tisch bestimmtes System verwandelt; an diesem k=i

statisch bestimmten Grundsystem entstehen Damit stehen den n Unbekannten X; genau n


Verformungen, die am ursprünglichen Tragwerk Gleichungen gegenüber.
nicht möglich waren. Um diese rückgängig zu Die allgemeine Formel zur Bestimmung einer
machen, werden an den n Mechanismen die dort Formänderung O;k ist in (1.5.101) gegeben. Bei
in Wirklichkeit vorhandenen inneren Kraft- den Formänderungswerten Oik deutet der zwei-
größen als äußere Wirkungen X; mit i= l...n, te Index auf die Ursache der Verformung hin: O;o
d. h. als "statisch Unbestimmte", angesetzt. Die ist die lastabhängige Verformung, O;k für k =
Wahl des statisch bestimmten Grundsystems ist 1. .. n die Verformung infolge Xk = 1. Der erste In-
beliebig, vorausgesetzt, daß beim Einfügen der n dex hat drei Bedeutungen: Er gibt die Art, den
Mechanismen keine kinematische Verschieb- Ort und die positive Richtung der Formände-
lichkeit entsteht, auch nicht bei einem Teil des rungsgröße an. Ist X; eine Kraft (ein Moment),
Systems. Es ist zu empfehlen, die statisch Unbe- so stellt O;k die Verschiebung (Verdrehung) an
stimmten so zu wählen, daß sich ihr Einfluß auf der Stelle i in Richtung von X; dar. Für ein Kräf-
möglichst kleine Bereiche des Systems erstreckt tepaar (Momentenpaar) X; ergibt sich Ö;k als ge-
und daß das statisch bestimmte Grundsystem in genseitige Verschiebung (Verdrehung) der

Theorie der Tragwerke 1-159


Schnittufer an der Stelle i in Richtung von X;. Da-
EIcEJ.I =fNNI'dx+fM·MI'dx
A I
mit lauten die Formeln für die Formänderungs- I I

werte eines ebenen Tragwerks bei Vernachlässi-


gung von Kriechen, Schwinden und Querkraft- +EI,f(NiaTT+MiaT ~hT}dx
verformungen:
+EI,_L(NniNn + MniMn)
Eiö-
c I0
=fN-N
I
0 I,
A
dx+fM·Mo
I
I,I dx
n 'Nn 'Mn
-EI,_LCuc,-EI,_LMwi'Pw (1.5.113)
+EI,f(N;ayT+M;ay ~hT)dx I w

+EI,_L(NniNno + Mn;Mno) Darin sind N, M, Nn und Mn die endgültigen


n CNn CMn (1.5.110) Schnittgrößen des gegebenen Systems.
-EI, LCuczo- EI, LMwi'Pwo Entsprechend dem Grad n der statischen Un-
I w bestimmtheit gibt es n unabhängige Formände-
rungsproben, die alle durchzuführen sind, wenn
die Richtigkeit der Berechnung vollständig Über-
prüft werden soll. Verformungskontrollen wer-
den unter Verwendung des Reduktionssatzes (s.
weiter unten) an einem beliebigen statisch be-
stimmten System durchgeführt, das aus dem vor-
Nach Lösung des Gleichungssystems (1.5.109) liegenden statisch unbestimmten System durch
werden dem statisch bestimmtem Lastzustand Schnitte oder Einfügen von Mechanismen her-
die Wirkungen der statisch Unbestimmten über- vorgegangen ist. Als virtuelle Lastfälle werden
lagert. Die endgültigen Zustandsgrößen Z erge- Kräfte oder Momente an den Schnittstellen bzw.
ben sich dann aus an den eingefügten Bewegungsmechanismen
z =Zo +XI . ZI + x2 .z2 + ... + Xn . Zn angesetzt.
Formel (1.5.109) gilt in gleicherWeise für sta-
bzw. tisch bestimmte und unbestimmte Systeme, bei
n statisch unbestimmten Systemen enthalten je-
z =Z0 + .L xk ·zk (1.5.112) doch die Zustandsgrößen M, Q, N etc. einen sta-
k=I tisch bestimmten Anteil und einen Anteil aus
Die Schnittgrößen statisch bestimmter Tragwer- dem Einfluß der statisch überzähligen. Nach dem
ke werden allein mit Hilfe von Gleichgewichts- Arbeitssatz werden Einzelverformungen durch
kontrollen überprüft. Zur überprüfung der Integration über Produkte je zweier Schnitt-
Schnittgrößen statisch unbestimmter Systeme kraftflächen berechnet. Die Zustandslinien Z des
sind zusätzliche Verformungskontrollen erfor- Systems unter der gegebenen Beanspruchung
derlich; sie dienen dem Nachweis, daß Form- werden dabei mit den Schnittgrößenflächen in-
änderungsbedingungen eingehalten werden. So- folge der zur gesuchten Verformung korrespon-
mit besteht die Durchführung einer Formände- dierenden virtuellen Einheitslast überlagert. Der
rungsprobe in der Berechnung einer Verformung, Reduktionssatz besagt, daß sich bei einem sta-
die aus Kontinuitätsgründen Null sein muß. tisch unbestimmten System jeweils immer nur
Gleichgewichtsproben lli =~V=~= 0 kön- eine der beiden Zustandsflächen auf dieses Sy-
nen stem zu beziehen braucht, während für die an-
- am Gesamtsystem zur Kontrolle der Auflager- dere ein beliebiges, kinematisch unverschiebli-
reaktionen, ches Grundsystem herangezogen werden darf,
- am Teilsystem zur Kontrolle beliebiger Schnitt- das aus dem statisch unbestimmten System
größen und durch Wegnahme von Bindungen hervorgegan-
- am Tragwerksknoten zur Kontrolle der Stab- gen ist; zweckmäßig wird für den virtuellen
endschnittgrößen Lastfall ein statisch bestimmtes Grundsystem
gewählt. Es gilt
durchgeführt werden.
Zu Formänderungsproben dienen dieselben Öm
MM
=f -dx+ ... = fMoM
--dx+ .. (1.5.114)
Beziehungen wie zur Berechnung von Einzelver- EI EI
formungen:

1-160 Allgemeine Grundlagen


Darin bedeuten beruht auf der Benutzung eines statisch be-
stimmten Grundsystems: Am statisch bestimm-
M,M die virtuellen bzw. wirklichen Mo- ten Grundsystem läßt sich die der gesuchten Ein-
mente am gegebenen, statisch unbe- flußgröße entsprechende Einheitsverformung
stimmten System zwanglos vornehmen, wobei Formänderungs-
werte O;o auftreten, die aus geometrischen Be-
Mo,Mo die virtuellen bzw. wirklichen Mo- ziehungen bestimmbar sind. Nach Ermittlung
mente am reduzierten, zweckmäßig der X; durch Lösung des Gleichungssystems ist
statisch bestimmt gewählten Grund- die Biegelinie zu berechnen, die sich aus einem
system. kinematischen und einem durch Schnittgrößen
bedingten Anteil zusammensetzt und identisch
GI. (1.5.114) gilt sinngemäß auch für alle ande- ist mit der gesuchten Einflußlinie. In Abb. 1.5-58
ren Zustandsgrößen, so daß in den Formeln für ist das Vorgehen anhand der Bestimmung der
die Einzelverformung entweder die wirklichen Einflußlinie des Biegemoments im Querschnitt
oder die virtuellen Zustandsgrößen von einem reines Zweifeldträgers illustriert.
beliebigen reduzierten Grundsystem stammen Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung von
dürfen. Kraftgrößen-Einflußlinien statisch unbestimm-
ter Systeme geht vom (n-1)-fach statisch unbe-
Einflußlinien für Schnittgrößen und Verformungen stimmten System aus, das aus dem Originaltrag-
statisch unbestimmter Systeme werk durch Herauslösen der Bindung, die zur ge-
suchten Kraftgröße Sr korrespondiert, entsteht.
Die Einflußlinie für eine Kraftgröße S, infolge ei- Das (n-1)-fach statisch unbestimmte System
ner Wanderlast Pm= 1 ist identisch mit der Biege- wird dann durchS, =1 belastet und die Biegeli-
linie w(x) des Lastgurtes, die durch eine zu S, kom- nie des Lastgurtes ermittelt. Wird diese Biegeli-
plementäre, aufgezwungene Weggröße = -1 o, nie anschließend derart skaliert, daß die zu S,
hervorgerufen wird. Dies gilt unabhängig vom korrespondierende Verformung (-1) beträgt, ist
Grad der statischen Unbestimmtheit. Eine erste sie mit der gesuchten Einflußlinie identisch.
Möglichkeit zur Ermittlung von Einflußlinien Wenn an einem n-fach statisch unbestimmten
für Kraftgrößen statisch unbestimmter Systeme System mehr als n Einflußlinien zu ermitteln

A,f;>; s:zs:
r=l
......
::0..( Tragwerk mit Wanderlast
=:

4 )..~(
777
::0..
7:7.
Grundsystem

mit Hilfe von w-Zahlen

~ ..----=--==->-
kem Kmck
®
Abb. 1.5·58 Erminlung der EinHuBlinie für ein Feldmoment

Theorie der Tragwerke 1-161


sind, kann es vorteilhaft sein, zunächst die Ein- Verformung wirkt. Das gilt in gleicher Weise für
flußlinien der statisch Unbestimmten X; zu be- statisch bestimmte und für statisch unbestimm-
rechnen und aus diesen dann sämtliche anderen te Systeme; das allgemeine Vorgehen lautet im
Einflußlinien durch Superposition abzuleiten. einzelnen wie folgt:
Bekanntlich beträgt die Zustandsgröße Z, an der - Das vorgegebene System wird am Ort und in
Stelle r eines n-fach statisch unbestimmten Sy- Richtung der gesuchten Verschiebung (Ver-
stems drehung) mit P= 1 (M = 1) belastet, bei gegen-
n seitigen Verformungen mit dem entsprechen-
z, = Z,o + L xk .z,k (1.5.115) den Kraftgrößenpaar.
k=l - Die zugehörigen Schnittgrößen werden be-
Darin geben Zra und Zrk die Größe von Z, im sta- rechnet.
tisch bestimmten Grundsystem infolge der - Die Biegelinie des Lastgurts (dessen Verschie-
äußeren Lasten bzw. infolge von Xk=l an. Wirkt bungen in Richtung der Wanderlast) werden
auf das System die Wanderlast Pm= 1 ein, so tre- ermittelt; die berechnete Biegelinie ist iden-
ten in {1.5.115) an die Stelle der lastabhängigen tisch mit der gesuchten Einflußlinie.
Größen Z,, Zra und Xk die entsprechenden Ein-
flußlinien. Die lastunabhängigen Werte Zrk blei- Matrizielle Verfahren
ben unverändert und man erhält
n Diskrete Modelle von Stabtragwerken. Ebene
"Zr"="ZrO "+~"X
L k"·Zrk · (1.5.116} Stabtragwerke bestehen aus geraden oder ge-
k=l krümmten Stäben, die an Knotenpunkten mit-
Demnach setzt sich"Zr'' aus (n+l) Einflußlini- einander und (mittels geeigneter Lagerkon-
en zusammen. struktionen) mit der Erdscheibe verbunden sind
"Zra" kann analytisch oder kinematisch be- (Abb.1.5-59a). Hier werden nur gerade Stäbe be-
stimmt werden, die Ermittlung der Einflußlini- trachtet; jeder Stab kann beliebig durch Knoten-
en,,Xk" wird im folgenden gezeigt. Für ein n- fach punkte unterteilt werden, wobei jeder hinzuge-
statisch unbestimmtes System, auf das die Wan- fügte Knoten die Anzahl der Stäbe um Eins er-
derlast Pm=! einwirkt, ergibt sich aus (1.5.109} höht. Die Numerierung der Stabelemente und
Knoten muß fortlaufend erfolgen, ist ansonsten
n
Ö;m + L "Xk" ·Ö;k =0. (1.5.117} jedoch beliebig. Zur Unterscheidung des An-
fangsknotens (i oder l) vom Endknoten (k oder
k=l
r) wird der Stab mit einer Pfeilspitze orientiert
Darin ist Ö;m = Ömi die Biegelinie des Lastgurts (Abb. 1.5-60).
infolgeX;= !.Mit ß = -ö- 1 lauten die Einflußlini- An jedem Knoten werden die kinematisch
en der statisch überzähligen möglichen und für die Diskretisierung des Sy-
stems als wesentlich betrachteten äußeren Weg-
"X"=ß·Öm (1.5.118)
größen (Verschiebungen und Verdrehungen) in
oder in ausgeschriebener Form Richtung des globalen (x,z)-Koordinatensystems
"Xt" eingeführt. Diese insgesamt m aktiven kinema-
13n lli2 ßJ; l3Jn Öml
tischen Freiheitsgrade lassen sich für das Ge-
"X2" 1321 1322 l32i 132n Öm2 samtsystem in dem Spaltenvektor V zusammen-
fassen:
"Xi" l3i1 l3i2 l3ii l3in Ömi (1.5.120)
Die zugehörigen Knotenlasten (Kräfte und Mo-
"Xn" l3nl 13n2 l3ni l3nn Ömn
mente) werden im Vektor P zusammengefaßt:
(1.5.119}
pT = (hh ...... Pm) (1.5.121}
Jede Einflußlinie ,,)(''stellt somit die Summe von
n, mit ß;k gewichteten Biegelinien Ömk dar. Im Beispiel (Tragwerk Abb. 1.5-59a) werden 15
Bezüglich der Einflußlinien für Verformungs- kinematische Freiheitsgrade (Abb. 1.5-59b) ein-
größen ist festzuhalten, daß die Einflußlinie für geführt und durchnumeriert. Das System ist
eine Einzelverformung identisch ist mit der Bie- auch mit weniger kinematischen Freiheitsgra-
gelinie w(x) des Lastgurtes infolge einer Ein- den sinnvoll diskretisierbar, etwa indem die Län-
heitskraftgröße, die in Richtung der gesuchten genänderung der Pendelstütze (Element 5) ver-

1-162 Allgemeine Grundlagen


5

7 6

7 Knoten
6Stabe
a System b Diskretisierung, Freiheitsgrade

Abb. 1.5-5!1 Ebenes Stabtragwerk

(1.5.123)
Der Vektor der Knotenlasten P wird mit dem
Vektors der Stabendschnittkräfte durch die Ma-
trix g verknüpft, die sich durch Anschreiben der
Gleichgewichtsbedingungen in Richtung der ak-
tiven kinematischen Freiheitsgrade an allen zu-
vor durch Rundschnitte freigeschnittenen Kno-
Abb. 1.5-60 Balkenelement mit unabhängigen Stab-
endkraftgrößen N,, M1und M, ten ergibt. Es ist
p = g. s; s = g-l. p = b. p (1.5.124)
nachlässigt wird oder die Horizontalverschie- Hier wurde die Inverse von g als Gleichgewichts-
bungen der Knoten 3, 4 und 5 gleichgesetzt wer- matrix b eingeführt. Die Lösung des Gleichungs-
den (Vernachlässigung der Längenänderung des systems P =g s nach s (die Ermittlung des Schnitt-
Riegels). Die Numerierung muß fortlaufend, kraftverlaufs im Tragwerk mit Hilfe der Gleich-
sonst jedoch in beliebiger Weise erfolgen. gewichtsbedingungen) gelingt nur bei quadrati-
Der Schnittkraftverlauf im Tragwerk ist be- scher g-Matrix, also bei statisch bestimmten Sy-
kannt, sobald für jedes Stabelement die Stabend- stemen.
schnittkräfte ermittelt wurden. Bei dem in Abb. Nun zur Kinematik des ebenen Stabelementes
1.5-60 skizzierten, unbelasteten, ebenen, gera- (Abb.l.5-6l), das zunächst lediglich durch Kno-
den Balkenelement p lassen sich die unabhängi- tenlasten beansprucht wird. Zu den vollständi-
gen Stabendschnittgrößen N" und M, in dem gen Stabendschnittkräften (NI> Qi> Mi> N" Q" M,)
Spaltenvektor sP zusammenfassen: korrespondieren die Verschiebungskomponen-
ten (u1, Wf> <Jlh Un w" q>,), das sind Knotenver-
schiebungen u, w (positiv jeweils in Richtung der
sP - [ : ]P (1.5.122) (x,z)-Koordinatenachsen) und Knotenverdre-
- M: (3,1) hungen (Knotendrehwinkel) q>, letztere positiv
im Gegenuhrzeigersinn. Dazu werden stabbezo-
Die abhängigen Stabendschnittkräfte NI> Q1 und gene Verformungsgrößen wie folgt eingeführt:
Q, können daraus mit Hilfe der drei Gleich- - Stablängung Ut, = u, - Ui ,
gewichtsbedingungen ermittelt werden; es ist
M -MI ta re WI.nkl
- Sbdh e 'I'= -w,-w · · ·1m
-1-1, positiv u hr-
N1=N" Q, = r 0! . Für das Gesamttrag-
I zeigersinn,
werk werden die inneren Kraftgrößen aller p - Stabendtangentenwinkel (Sehnentangenten-
Stabelemente in der Reihenfolge der Stabnume- winkel) t[, t" positiv in Richtung positiver M1>
rierung in einem Spaltenvektor s zusammenge- M,.
faßt:

Theorie der Tragwerke 1-163


.ff;_ _..:....
EI, EA _=konstant
___ ~

N
"'*Jr-------:s.-.a~
w
'777'777

Abb. 1.5-61 Vrdormung~namStabelement

Abb. 1.5-62 Einze!Yerformungen beim geraden Stab-


element
Nach Abb. 1.5-61 gilt
tl =-q>~-ljl=-(q>l+\jl)
(1.5.125) positiv definit. Für das Gesamttragwerk können
r, = q>, +\jl die Flexibilitätsmatrizen aller Stäbe auf die Dia-
Die den unabhängigen Stabendkraftgrößen sT = gonale einer Hypermatrix f abgelegt werden, wo-
(N., MI> M,) des Stabelements p arbeitsmäßigzu- bei die Lagerbedingungen keine Rolle spielen.
geordneten (korrespondierenden) inneren Weg- Die Matrix f ist ebenfalls quadratisch, symme-
größen sind die in dem Vektor trisch und positiv definit mit der Kantenlänge 3p
bei p Stäben im Tragwerk. Sie verknüpft die un-

vp =[:~]P (1.5.126)
abhängigen Stabendweggrößen v aller Stäbe mit
den zugehörigen Schnittkräften s gemäß
r, (3,1) v= fs (1.5.128)
zusammengefaßten stabbezogenen Verfor- Sind außer Knotenlasten auch Belastungen zwi-
mungsgrößen (neben der Stablängung Uß die schen den Knoten (Elementlasten) vorhanden,
Sehnentangentenwinkel 't1und 't,). so führen sie zu zusätzlichen Stabendverfor-
Der Zusammenhang zwischen den Stabend- mungen
weggrößen v und den Stabendkraftgrößen s 0
wird durch das Werkstoffgesetz hergestellt. Da- U6.
zu wird der gerade Stab der Länge l mit kon- 0 0
stanter Biegesteifigkeit EI und Dehnsteifigkeit vP= tl
0 (1.5.129)
BA in Abb. 1.5-62 nacheinander durch die unab-
tr
hängigen Stabendschnittkräfte N,., M1 und M,
beansprucht, die die inneren Weggrößen Uß, 't!
und 'tr hervorrufen. Uß, 't! und 'tr werden mit Hil- mit
o
fe des Arbeitssatzes bestimmt: 0
U6. = J NBA· N dx
I -
tl- -J M · Ml dx
I
--
-

0 0 EI
0 0

EJ'=f',
0
JM·Mr dx.
I -
tr =
EI
3EI 6EI 0
l l Dabei sind N und M die Schnittkraftverläufe der
6EI 3EI Normalkraft und des Biegemoments am ge-
(1.5.127)
dachten Einfeldträg~ infolge aller vorhandenen
Die dabei entstandene Elementnachgiebigkeits- Elementlasten und N, M1 und M, die Schnitt-
matrix (Elementflexibilitätsmatrix) fP des Stab- kraftverläufe infolge der entsprechenden virtu-
elementes p ist quadratisch, symmetrisch und ellen "1 "-Belastungen (Abb. 1.5-63).

1-164 Allgemeine Grundlagen


M1 M,
c~;---ft;~ N,

~MI
0:::::::::::::: M,
Abb. 1.5-63 Zur Bestimmung der Einzelverformungen

Tabelle 1.5--4 Elementnachgiebigkeitsmatrizen

Belastung Elementnachgieblgkeitsmatrlx
EA Nr UA
4 Ob.. (u 6 )=[~l(N,)
. '777

[" "]
L ....
M~T] M,,t,
Ci EA,GA
iJ
'777
[tr]= 31] + GA0t 6EI GA0t {Mt]
t, ..!.... __,_ ..!_+_1_ M,
..L ~
61] GA 0t 3EI GA0t
'
G~ My,. 'PA
4 ::a..- {<p6]=[G~T }(My,)
.L
'777
L
'

Die erweiterte Beziehung (1.5.128) lautet nun: verfahrens (WGV) sinnvoll, die positiven Wir-
0 kungsrichtungen der Stabendkraftgrößen und
vP =fP ·sP +vP (1.5.130) Stabendweggrößen an beiden Stabenden gleich-
sinnig zu vereinbaren. Das führt zur Vorzei-
bzw. ausführlich: chenkonvention II, bei der Stabendkraftgrößen
p 0 p und -weggrößen positiv sind, wenn sie in Rich-
0 0 tung positiver lokaler Koordinaten wirken (Abb.

["'r
u!!.

r::r+
EA 1.5-65); die bislang übliche Vorzeichenkonventi-
0
0 Tl
on I des Kraftgrößenverfahrens (KGV) ist zum
:: = 3El 6El 0 Vergleich in Abb. 1.5-64 zu sehen.
I I Aus der Elementnachgiebigkeitsbeziehung
0 Tr
6El 3El vP = fP · sP folgt durch Inversion
(1.5.131)
sP =(fP)·l . vP =kP · vP (1.5.132)
In Tabelle 1.5-4 sind Elementnachgiebigkeits-
matrizen einiger häufig vorkommender gerader mit ( Vorzeichenkonvention II):
unbelasteter Stäbe zusammengestellt.

Das Weggrößenverfahren in unabhängigen Stab-


endvariablen. Es ist im Rahmen des Weggrößen-

Theorie der Tragwerke 1-165


M, M,
G-..........;..:.;..;___-----:lil:-++ N, rz

777

I+ u<l. l
Abb. 1.5-64 Vorzeichenkonvention I Abb. 1.S-65 Vorzeichenkonvention II

hbftle 1.5-S Elementsteifigkeitsmatrizen

Belastung Elemenutelfigkeltsmatrix
EA ~N,,,u<l.
~ [N,l=[E: }Iu<~.]
l L
• h

[<+$EI
4+cll_~ tJ
2-$
l+<Jl .l"]
M~t1 M,, T, [Mt]= 1+4l .t Tt

0J
EA,GAo M, 2-<ll .~
~
L
l+cll t l+cll l
• oll=--
12 EI
GA 0t 2
Glr ~Mr:•!P<~.
~ !Mr,l= [ 7
GI1 ] ·[<p<l.]
L L
" h

0 0 0
p
BA mit den Festhaltekräften (N, MI' M,) am beid-
- 0 0
l seitig eingespannten Stabelement infolge der
4BI 2BI äußeren Belastung. Ihre Größe kann durch eine
kP= 0 -
l l statisch unbestimmte Rechnung ermittelt oder,
2BI 4BI (1.5.133)
für einige oft benötigte Fälle, Tabelle 1.5-6 ent-
0 -- -
l l nommen werden.
Die Spaltenmatrix v der unabhängigen Stab-
In Tabelle 1.5-5 sind einige Elementsteifigkeits- endverformungen (ut,, 'tz, -r:,) aller p Stabelemen-
matrizen (in der VK II) zusammengestellt. teeines Tragwerks wurde durch Gl.(1.5.128} ein-
Für ein zwischen den Knoten belastetes Stab- geführt. Die Verschiebungen in allen m Frei-
element gilt heitsgraden des Gesamtsystems wurden bereits
p (Gl.1.5.120} in der Spaltenmatrix V zusammen-
BA 0 p

{}
- 0 0 gefaßt; die Vektoren V und v hängen über folgen-
N,

[2]''
l de kinematische Transformationsmatrix a zu-
0
4BI 2BI
0 - -- Mz sammen:
l l 0
2BI 4BI v=a·V (1.5.135}
0 -- - M,
l l bzw. ausführlich:
(1.5.134)

1-166 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.5-6 Volleinspannmomente von Stabelementen (a = a/1, ß= b/f)

0 0
Lastbild M, M,

lllllllq ~ -~
12 12
r2 ,z
ql r T r n T l q l 60 (3q.+2qz) - 60 (2q• + 3qz)

ADz ~0
,z
(1+ß+ß 1- 1,5ß 3 )
q r2
--(1+a+a -1 Sa )
2 }

J a JbJ 30 •

qo
0 - qs [3f 2- 3(b+s) 2- s21 -qs
- [3f 2 - 3(b+s)2- s21
"'
l a ls
7, "
l b l s La L
7'" ~ ~
12f 12f

~ ~ -~
20 30

~ ....9....[t 3 - a2(2f -al] _....9....[t 3 -a 2(2l-al]


w w 12f 121

II! ! qa2
-[2f -(3l -4a)+3i]
12f1
qal
--[4f-3a)
j.._.!__,J, 121 2

q~ qi qa}
-[10bf +3a1] --[Sb+2a)
a 6011 6012
~ ~ b ~
jP
Paß2 -Pba 1
J. a ,l b
J
lp lp
w w Pa(1-a) - Pa(l - a)

M
Mß(2 - 3ßl Ma(2-3a)
l
.... a? b)., ~

J=:
f1t" t -t t -t
Ela ...!!........2. - Eia 1 ...!!........2.
T h h

Theorie der Tragwerke 1-167


Nach Lösung des Gleichungssystems nach den
v' a'Ia~ a~ a'm Vj

[~:
Verschiebungen gemäß
vz a,2a~ az3 im Vz
= v3 a{ ai a~ a3m v3 V=K- 1 -(P-aT· ~)=F{P-aT. ~) (1.5.142)

I werden die Stabendweggrößen nach GI. (1.5.135)


VI
a! a~ a~ am vm
bestimmt und damit die Stabendkraftgrößen
(1.5.136) 0
Wird Gleichung (1.5.124) in den Arbeitssatz s=k · v+s . (1.5.143)
ermittelt. Zum Schluß erfolgt die Transformati-
pT ·V= sT · v (1.5.137)
on von s in die Vorzeichenkonvention I sowie die
eingeführt, ergibt sich Ermittlung der Schnittgrößenverläufe zwischen
den Knoten durch stabweise Gleichgewichtsbe-
P = aT · s (1.5.138)
trachtungen.
und ein Vergleich mit (1.5.124) zeigt daß die Ma-
trix g identisch ist mit der transponierten kine- Das Weggrößenverfahren in vollständigen Stab-
matischen Transformationsmatrix. Die Zusam- endvariablen. Besonders einfach gestaltet sich
menfassung der Gleichgewichtsbeziehung, der die Anwendung des Weggrößenverfahrens bei
Elementsteifigkeitsbeziehung und der Verträg- Verwendung von vollständigen Stabendvaria-
lichkeitsbeziehung liefert die Gesamtsteifig- blen; dies führt zu der leistungsfähigen "Direk-
keitsbeziehung: ten Steifigkeitsmethode".
Nach Abb. 1.5-67 besitzt das ebene Balkenele-
P=aT · k·a · V=K·V (1.5.139)
ment p die vollständigen Stabendkraftgrößen
Die mit K bezeichnete Gesamtsteifigkeitsmatrix
ist quadratisch, symmetrisch und regulär. Sind
Elementlasten zu berücksichtigen, so gilt (1.5.144)
0 0
mit den korrespondierenden vollständigen Stab-
P=aT·k ·a ·V +aT ·s= K · V +aT·s . (1.5.140) endweggrößen

Hier sind die Ersatzknotenlasten einer Element- (vr)P =(u, WJ'PJ Uz Wz!pz)
belastung diejenigen des statisch bestimmten (1.5.145)
0 Die Element-Steifigkeitsbeziehung lautet auch
Stabelementes. Der Term aT· s kann entfallen, hier
wenn statt des frei aufliegenden Trägers ein beid-
seitig fest eingespannter Träger nach Abb. 1.5-66 (1.5.146)
als Sekundärkonstruktion verwendet wird. mit den vollständigen Festhaltekraftgrößen
Es sind in diesem Fall die statisch unbestimm- 0

ten Auflagerreaktionen des Sekundärträgers in sP; diese sind die Kraftgrößenwiderstände in-
dem Lastvektor P zu berücksichtigen, und die
Beziehung (1.5.140) lautet einfach
P=KV. (1.5.141)

j
_____J

Abb. 1.5·66 Eingespannter Träger als Sekundärkon·


struktion Abb. 1.5-67 Ebenes Stabelement mit vollständigen
Stabendvariablen

1-168 Allgemeine Grundlagen


folge von Stabeinwirkungen bei homogenen I I I I

Stabenddeformationen, Vi = 0. --- - - L_-


I I
~z~ ~~s~k~_:_-
I I
------_I_---
I
- - .1_-
I
Kraft- und Weggrößen an den Elementenden :_C~k~~~~~ ~v::_s~k!ll~ ~ ~v~ ~ _ _ symm I I
- - - - - - - 1 - - - - - - .J. - -
werden auf ein globales Koordinatensystem -skvm
I
I -ck vm
I
I k mm
1
I
I
I

transformiert (Abb. 1.5-68): 2 2 I I 2 2 I I


- c k 1111 - S kvv l cs k 1111 -cs k vv l s k vm C k a<I +S kvv I I
- - - - - - - 1 - - - - - - - ~-- - - - - - - - 1 - - - - - - - t - -
I 2 2 I 12 2 I
cs k 1111 - cs k H 1-s k 0a - C k ..., 1ckvm -csku0 +cskvvi S k 111l + c k vv l
-------~-------r-- ------~------,--

- skvm : - ckvm : kmc s k vm : ckvm :k mm


(1.5.147)
(1.5.150)

mit folgenden Bezeichnungen und Abkürzun-


gen:
(1.5.148) . k BA k 4EI
C = COSCt, S = Slnet, aa = - - , mm /
1
VG = CT VL kmc
2EI 12EI
=-~-, kvv =[3, kvm
6EI
z2
Die zugehörige Elementsteifigkeitsmatrix im
globalen Koordinatensystem lautet Bei der Diskretisierung von Elementbelastun-
o
kG = crkL c. (1.5.149)
genwerden die Vektoren sP folgendermaßen in
Für das ebene Balkenelement der Abb. 1.5-69 das globale Koordinatensystem transformiert:
lautet sie 0 0
(sP)G = CT· (sP)L (1.5.151)

Die auf das globale Koordinatensystem bezoge-


o
nen Knotenlasten aus Elementbelastung (sP)G
können dann unmittelbar in den Vektor P der
äußeren Knotenlasten in Richtung der globalen
Systemfreiheitsgrade aufaddiert werden.
Durch die erfolgte Einführung von auf ein glo-
bales Koordinatensystem bezogenen "System-
freiheitsgraden" erhält die kinematische Trans-
formationsmatrix a eine besonders einfache
Form (nur Nullen und Einsen als Koeffizienten)
und die Ähnlichkeitstransformation K =ar k a
kann durch einen "Einmischalgorithmus" er-
setzt werden. Dabei werden die "lnzidenzen"
Abb. 1.5·68 Lokale und globale Stabendkraftgrößen
zwischen Element- und Systemfreiheitsgraden
mittels einer Inzidenzmatrix beschrieben, die
das positionsgerechte Aufaddieren der Koeffizi-

I
enten der Elementsteifigkeitsmatrix k direkt auf
die richtigen Stellen von K erlaubt. Die Auflager-
4 bedingungen können über die Freiheitsgradnu-
merierung leicht berücksichtigt werden, indem
~'t\
\:•
X
nicht vorhandene Freiheitsgrade (z.B. die Ver-
3 \

V
drehung an einem eingespannten Querschnitt
oder die Durchbiegung an einem festen Aufla-
2 ger) gar nicht erst eingeführt werden. Die hier-
nach aufgestellte Gesamtsteifigkeitsmatrix K ist
Abb. 1.5-69 Ebenes Balkenelement im globalen Koordi - regulär (det K ::F 0), während K ohne Einarbei-
natensystem tung der Auflagerbedingungen singulär ist, da
Starrkörperverschiebungen möglich sind.

Theorie der Tragwerke 1-169


- Zweidimensionale Tragmodelle:Flächenträger
oder Schalenelemente, im ebenen Fall zerfal-
4 lend in Scheiben- und Plattenelemente.
- Dreidimensionale Tragmodelle: dreidimensio-
nale Kontinua.

Für Stäbe, Schalen und Platten existieren schub-


starre und schubweiche Theorievarianten.
Schubweiche Theorien basieren auf der Norma-
lenhypothese, nach welcher alle orthogonal zur
Stabachse bzw. zur Mittelfläche gerichteten Nor-
malen ihre Orthogonalitätseigenschaft während
Abb. 1.5·70 Tragwerk aus zwei Stabelementen der Verformung bewahren. Schubweiche Theo-
rievarianten berücksichtigen eine über die Mo-
Im Beispiel (Tragwerk in Abb. 1.5-70) enthält delldicke konstante Schubverzerrung. Auf die-
die Inzidenzmatrix zwei Zeilen entsprechend sen Grundtypen bauen verfeinerte Modelle auf,
der beiden Stabelemente, und die den lokalen beispielsweise Stabtheorien mit Wölbbehinde-
Freiheitsgraden I bis 6 entsprechenden Frei- rung [Ramm/Hofmann 1995].
heitsgrade lauten jeweils Alle genannten Tragmodelle setzen kontinu-
ierliche Strukturen voraus: Stabachsen,Schalen-
1 0 2 3 4 5)
( mittelflächen und dreidimensionale Volumina
345000
werden als kontinuierlich mit Masse, Festigkeits-
Allgemein geben die Komponenten jeder Zeile sowie Steifigkeitseigenschaften belegt ideali-
der Inzidenzmatrix (Element-Inzidenzvektor) siert. Alle so entstehenden festkörpermechani-
die Nummern der Systemfreiheitsgrade an, die schen Modelltheorien besitzen eine identische
dem jeweiligen Element-Freiheitsgrad entspre- Struktur von Variablen und Operatoren (Abb.
chen. Ist der betreffende Freiheitsgrad behin- 1.5-71). Zur Herleitung eines einheitlichen Kon-
dert, wird eine Null eingetragen. Damit geben zeptes der Finiten Elemente ist diese identische
die Komponenten des Inzidenzvektors die Num- Darstellung von fundamentaler Bedeutung.
mern der Zeilen und Spalten der Gesamtsteifig- Auf dem äußeren, physikalischen Meßtechni-
keitsmatrix K an, in die die Koeffizienten der (auf ken problemlos zugänglichen Modellniveau
das globale Koordinatensystem bezogenen) (Abb. 1.5-71, Tonti 1975) findet man als äußere,
Elementsteifigkeitsmatrix aufzuaddieren sind. festkörpermechanische Variablen die Lastgrö-
Dieser Algorithmus der "Direkten Steifigkeits- ßen p und die Verschiebungsgrößen u. Man legt
methode" läßt sich sehr einfach programmieren durch fiktive Schnitte die im Tragwerksinneren
und bildet die Grundlage der meisten Statik-Re- wirkenden Schnittgrößen er frei. Deren Plazierung
chenprogramme. auf dem Niveau der inneren Variablen ordnet
diesen inneren Kraftgrößen die Verzerrungsgrö-
1.5.3 ßen E als innere Weggrößen zu. Schließlich wir-
Die Methode der Finiten Elemente ken auf den Oberflächen oder entlang der Trag-
werksränder Randkraftgrößen t nebst Randweg-
1.5.3.1 größen r als mögliche Randvorgaben.
Die klassischen Tragwerksmodelle Innere und äußere Variablen sind gemäß Abb.
1.5-71 durch zwei grundlegende Gesetze der
Grundlagen Festkörpermechanik verknüpft, nämlich
- p und er durch die Gleichgewichtsbedingun-
Formale Modellstruktur. In der Theorie der Trag- gen:
werke werden die bereits auf Abb. 1.5-10 aufge-
-p = De · er, (p, er) E V . (1.5.152a)
führten klassischen Tragelemente verwendet,
um Gesamttragwerke zu modellieren. Diese Ele- - u und E durch die kinematischen Beziehungen:
mente sind:
(1.5.152b)
- Eindimensionale Tragmodelle: Linienträger
oder Stäbe, bestehend aus Fachwerk-, Seil- Gleichgewichtsoperator De und Kinematikopera-
und Rahmenelementen. tor Dk sind Differentialoperatoren, im hier be-

1-170 Allgemeine Grundlagen


Kraftgrößen Weggrößen
äußere Kraftgrößen r }------< äußere Weggrößen
Randweggrößen

innere Kraftgrößen
innere Weggrößen
Randkraftgrößen Variablen

äußere Kraftgrößen

Gleichgewichtsbedingungen kinematische Beziehungen


'----,.-'-____J '----,,--____J

innere Weggrößen

nebst inneren Transformationen

Vorschreibbare und Randtransformationen


Randweggrößen

Abb. 1.5·71 Variablen und Transformationen beliebiger Strukturmodelle

handelten Sonderfall der linearen Statik lineare mit der Elastizitätsmatrix E als symmetrischem
Differentialoperatoren. Randkraftgrößen t sind algebraischem Operator, den Eigenspannungen
stets mit inneren Kraftgrößen o verknüpft 0 0
o und den Anfangsdehnungen E, letztere bei-
t = Rt . 0, t E s )0 E V) (1.5.153a)
spielsweise infolge Schwinden, Quellen oder
Randweggrößen r mit äußeren Weggrößen u: Temperaturwirkungen.
r = Rr · u , r E S , u E V. (1.5.153b)
Energieaussagen. Variablen des gleichen Niveaus
R1 und Rr bilden für Fragestellungen der linea- in Abb. 1.5-71 leisten bekanntlich miteinander
ren Statik (im wesentlichen) algebraische Ope- Formänderungsarbeit Im Sinne von Verschie-
ratoren. V kürzt in den angegebenen Beziehun- bungsarbeit (Wechselwirkungsenergie) existie-
gen das Modellinnere, S das Modelläußere ab. ren daher stets folgende Beiträge der
w<a) =f PT' u. d V
Alle bisher aufgeführten Transformationen
äußeren Variablen:
sind materialunabhängig, sie werden als Feld-
V
gleichungen bzw. als Randaussagen bezeichnet.
Werkstoffspezifische Eigenschaften werden in inneren Variablen: w<il =- aT· E. d Vf
die Modelle durch das Werkstoffgesetz einge- V

führt, das stets die inneren Variablen o und E Randvariablen: w<r) =ftr· r · dS (1.5.155)
verknüpft. Im linear elastischen Falllautet die- s
ses Somit lautet die gesamte Formänderungsenergie
als Wechselwirkungsenergie des Kraftgrößen-
a=~+E{E-~) oder zustands {p,o,t} und des Weggrößenzustands
{u,E,r} eines beliebigen Strukturmodells:
(1.5.154)
E=~+E- 1 -(a-~)

Theorie der Tragwerke 1-171


Theorie ebener Stabtragwerke
W= fpT·u·dV+JtTr ·dS
V S
Eben und räumlich beanspruchte Stäbe. Kenn-
-f <TT·E ·dV=O (1.5.156) zeichen jeden Linienträgers ist die Schlankheits-
V
forderung
Eine derartige Aussage wurde bereits in GI.
max {b/1, h!l} « 1 , (1.5.159)
(1.5.88) als Arbeitssatz oder Energiesatz der Me-
chanik für Stabtragwerke hergeleitet; er wird nun wonach die beiden Hauptabmessungen b, h des
auf allgemeine Tragmodelle verallgemeinert: Die Querschnitts sehr viel kleiner sein müssen als
Summe der Formänderungsenergien verschwin- die Längserstreckung l. Bei Erfüllung dieser Be-
det für jeden im Gleichgewicht befindlichen dingung herrscht im Träger näherungsweise ein
Kraftgrößenzustand längs jedes kinematisch ver- einachsiger Normalspannungszustand (Krätzig/
trägliehen Deformationszustands. Wittek 1995) nebst zugeordnetem Schubspan-
Wählt man nach GI. (1.5.89, 1.5.156) mit nungszustand. Ein eben beanspruchter Stab liegt
{Öu,öe,Ör} einen beliebigen virtuellen Verfor- vor, wenn sich alle Spannungen nur in Richtung
mungszustand, so beschreibt einer Hauptachse verändern. Räumlich bean-
spruchte Stäbe weisen Schnittgrößenvektoren in
6w* = fpr·6u·dV+ Richtung beider Hauptachsen auf (Abb. 1.5-72).
V (1.5.157)
Räumlich beanspruchte Stäbe bilden die Super-
f
JtT·Öf.dS - <JT·ÖE·dV=O position zweier orthogonaler, ebener Stabpro-
S V bleme, ergänzt durch die Torsionsbeanspru-
das Prinzip der virtuellen Verrückungen für all- chung. Die Theorie ebener Linienträger wurde
gemeine Tragmodelle, das den hierzu auftreten- bereits in 1.5.2 behandelt.
den Kraftgrößenzustand {p,t,a} als im Gleichge-
wicht befindlich ausweist. Analog beschreibt Theorie der Scheibentragwerke

6W* = f UT·Öp·dV Grundlagen und Feldgleichungen. Scheibentrag-


V ( 1.5.158)
werke stellen ebene Flächentragwerke dar, die
f
+JrT·Öt·dS- eTÖ<J·dV=O sich (Abb. 1.5-73) durch eine Ebene als Mittel-
S V fläche idealisieren lassen. Diese halbiert die rea-
im Hinblick auf GI. (1.5.90, 1.5.156) das Prinzip le Tragwerksdicke h, gemessen in Richtung x 3, an
der virtuellen Kraftgrößen: Es weist {u,r,e} als ki- jeder Stelle. Die beiden die Mittelfläche auf-
nematisch kompatibel deformiert aus, sofern spannenden Koordinaten XI>Xz und x 3 seien kar-
{Öp,Öt,Öa} einen virtuellen Kraftgrößenzustand tesisch, d. h. geradlinig und zueinander orthogo-
verkörpert. nal.

Abb. 1.5·72 Abschnitte eines eben (links) und eines räumlich (rechts) beanspruchten Stabes

1-172 Allgemeine Grundlagen


kinematischen Beziehungen in [Eschenauer/

h• Scheibenlaibung x3 = +h/2
Scheibenmittelfläche
I Schnell 1993, Girkmann 1976, Krätzig/Basar
1997, Mang 1996]. Hier sind in das Struktursche-
ma (Abb. 1.5-74) nur die Ergebnisse der Herlei-
Scheibenlaibung x3 = - h/2 tungen eingetragen; dabei kürzen die Symbole
al =a.. .taxl, a2 =a.. .tax2 (1.5.163)
partielle Differentiationen ab.

Werkstoffgesetz und Strukturschema. Unter An-


nahme homogen-isotropen, linear-elastischen
Scheibenmaterials gilt das Werkstoffgesetz für
den ebenen Spannungszustand nach (1.5.31).
Beispielsweise liefert nun die Dickenintegra-
tion der Dehnung eu gemäß Gl. (1.5.162):
h/2
J Eudx3 =Euh
Abb. 1.5·73 Scheibentragwerk, Spannungen und -h/2
Schnittgrößen
=E Joudx3- v h/2J o22 . dx3 )
1 ( h/2

-h/2 -h/2

Es gilt die Dünne-Hypothese, welche die Trag- (1.5.164)


werksdicke h als sehr klein im Vergleich zu den
beiden Scheibenabmessungen II> 12 voraussetzt: Zusammenfassend entsteht so das auf Abb. 1.5-
74 ausgeschriebene Werkstoffgesetz, worin D die
(1.5.160)
Scheibendehnsteifigkeit abkürzt:
Da beide Schalenlaibungen h/2, -h/2 als span-
D =Eh/(1-v 2). (1.5.165)
nungsfrei angesehen werden, gilt somit in der
Scheibe ein ebener Spannungszustand: Damit läßt sich das vollständige Strukturschema
der Scheibentheorie angeben (Abb. 1.5-74). Die
(1.5.161)
im weiteren nicht benötigten Randtransforma-
Die folglich in der Scheibentheorie verbleiben- tionen fehlen [Krätzig/Basar 1997]. Ziel der Her-
den Spannungen <Ju, <Ju = <J21> <J22 werden als leitungen ist die Begründung von FE-Lösungs-

l l
über die Dicke konstant verlaufend angesehen techniken, für klassische Lösungsmethoden der
und zu Schnittgrößen zusammengefaßt: Scheibentheorie sei auf [Girkmann 1976, Mang
1996] verwiesen.
nu h/2 [ <Ju
[ n12 =nz1 =-l/2 =

l
<J12 <J21 dx3 Theorie Kirchhoffscher Plattentragwerke
n22 <J22
Grundlagen und Feldgleichungen. Plattentrag-
werke stellen genau wie Scheiben ebene Flächen-
=[ <Ju =o2I
<Ju
.h (1.5.162)
tragwerke dar, allerdings sind sie nicht durch
<J22 Dehnungskrä.fte in ihrer Ebene beansprucht,
Scheibenschnittgrößen {n 1l>n 12 ,nzz} besitzen als sondern auf Biegung und Torsion. Gemäß Abb.
Dickenintegrale von Spannungen somit die Di- 1.5-75 werden auch Platten durch eine ebene
mension Kraft/Länge; erst ihre Integration über Mittelfläche idealisiert, welche die reale Trag-
eine Schnittlänge der Mittelfläche liefert physi- werksdicke h an jeder Stelle halbiert. Die beiden
kalische Kräfte. Im Rahmen der Scheibentheo- die Mittelfläche aufspannenden Koordinaten XI>
rie werden alle Deformationen als infinitesimal x 2 und x 3 seien erneut kartesisch, d.h. geradlinig
klein angesehen, so daß Gleichgewichtsbedin- und zueinander orthogonal. Als typisches
gungen im Sinne einer Theorie 1. Ordnung nähe- Flächentragwerk gilt auch für Platten die Dün-
rungsweise an der unverformten Konfiguration ne-Hypothese:
formuliert werden (Herleitung der Gleichge-
wichtsbedingungen ebenso wie diejenige der max {h/11> hl/z} « 1 . (1.5.166)

Theorie der Tragwerke 1-173


Kraftgrößen Weggrößenrandbedingungen Weggrößen

o = DE·E

..!..e·•·o = t
D
Kraftgrößenrandbedingungen Werkstoffgesetz

Gleichgewicht: - p = o. · a Werkstoffgesetz: a = OE· E Kinematik: e: =Dk · u

[~:~ ]=o[~ l~v :]·[2~~: 2 ]


" 22 v 0 1 tn
Eh
D= -
1- v2

Abb. l .S-74 Strukturschema und Transformationen der Scheibentheorie

Planenrand x1 = 11
Planenmittelfläche A
Plattenrand x1 =0

Plattenlaibung x3 = - h/2
Plattenlaibung x3 = +h/2

Abb. l.S-75 Plattentragwerk, Spannungen und Schnittgrößen

Plattentragwerke werden durch die Kräfte or- der beiden Laibungen dort aufNull abfällt. Sämt-
thogonal zur Mittelfläche oder durch Momen- liche Spannungen werden wieder zu Schnittgrö-
tenangriffe längs des Randes belastet, was zu Bie- ßen über die Dicke h integriert:
ge- und Torsionsbeanspruchungen führt. In ein-
zelnen gedachten Schichten des Tragwerks wer-
den hierdurch näherungsweise linear über h ver-
[qzql]-- hf [crl3]dx
- h/2 °23 3

laufende, ebene Spannungszustände cr 1 " cr 12 =


O"zi> Ozz hervorgerufen. Ergänzend wirkt ein
transversaler Schubspannungszustand 0"13 = 0"31>
0"23 =0"3z, der wegen der Scherspannungsfreiheit
["''~"'']=I[o.,:::o,.]x,dx, (1.5.167)

1-174 Allgemeine Grundlagen


Dadurch entstehen die Querkräfte q" q2 der Di- gestatten die nachlaufende Ermittlung der bei-
mension Kraft/Länge sowie die Biegemomente den Querkräfte aus den Momenten.
mu, m 22 und die Torsionsmomente m 12 = m 2" Eine zur Normalenhypothese der Bernoulli-
alle von der Dimension einer Kraft. Deren posi- Navier-Stäbe analoge Annahme, die Kirchhoff-
tive Wirkungsrichtungen zeigt Abb. 1.5-75. Love-Hypothese, unterdrückt beide Schubver-
Ähnlich wie im Fall der Linienträger existie- zerrungen 1'1> y2 und führt damit zu folgenden ki-
ren Theorien für schubsteife und schubweiche nematischen Beziehungen
Platten. Die folgende Darstellung beschränkt
sich auf die erstere, die klassische Kirchhoffsche
Plattentheorie; für letztere wird auf (Krätzig/Ba-
sar 1997) verwiesen. Ziel ist eine Plattentheorie
1. Ordnung, weshalb Deformationen als infinite-
simal klein vorausgesetzt werden und das (1.5.170)
Gleichgewicht daher an der unverformten Kon-
figuration aufgestellt werden darf. Einzelheiten mit der transversalen Verschiebung w der Mit-
der Herleitungsschritte von Gleichgewicht und telfläche als äußerer kinematischer Zustands-
Kinematik findet man in [Girkmann 1976, Krät- größe und den beiden Mittelflächenverkrüm-
zig/Basar 1997, Mang 1996] . Die transversale mungen Ku, K22 sowie der Mittelflächenverwin-
Gleichgewichtsbedingung dung K 12 als inneren Kinematen. Die Verdre-
hungen ro" ro2 der Mittelfläche lauten:
-p = mll.II +2ml2,12 +m22,22,
)'1 = 0: ffiJ = -W,J, )'2 = 0: ffi2 = -W,2 .(1.5.171)

-p=De ·a=[3u 2312 322 ]·[=:~] (1.5.168) Werkstoffgesetz und Strukturschema. Wegen der
m22 Unterdrückung der beiden transversalen Schub-
geht in ihrer Operatorform ins Strukturschema verzerrungen )'" )'2 entfallen Werkstoffgesetze
der Abb. 1.5-76 ein; die beiden in ihr bereits für die beiden Querkräfte. Ein zu den Scheiben-
verwendeten tangentialen Momentengleichge- tragwerken analoges Vorgehen läßt aus den Ma-
wichtsbedingungen terialgleichungen des ebenen Spannungszu-
standes (1.5.31) durch Dickenintegration folgen-
des Werkstoffgesetz für die Momente entstehen

Kraftgrößen Weggrößenrandbedingungen Weggroßen

a=BE·t
B
- a=c
..!.E 1

Kraftgrößenrandbedingungen
Werkstoftgesetz

=
Gleichgewicht: - p 00 • a Werkstoffgesetz: a BE·
= E Kinematik: E= Dk • u

[mnl
-[p[=[cll[ lcl2[c221· mll
m22
[::;]=B[~ 1 ~v :]· [2:•.~] B=--
mzz v 0 1
12(1-v2)
Ku
Eh 1

Abb. 1.5·76 Strukturschema und Transformationen der Theorie schubstarrer Planen

Theorie der Tragwerke 1-175


Ungleich vorteilhafter sind diskrete Tragwerks-
modelle, auch Diskontinua genannt, deren Zu-
standsvariablen als algebraische Mengen nur in
3 12 diskreten Punkten, den Knotenpunkten, existie-
"22h =-(m22 -vmu)' (1.5.172)
E ren.
das in Operatorform das Strukturschema der Hierzu überzieht man gemäß Abb. 1.5-77 das
Abb. 1.5-76 vervollständigt. B kürzt hierin die zu analysierende Tragwerk mit einem geeigne-
Plattenbiegesteifigkeit ab: ten, beliebigen Netz von Knotenpunkten, das
Eh 3 dieses vollständig in eine endliche Anzahl fini-
B= (1.5.173) ter Tragwerkselemente e (e =I, 2, ... p) aufteilt.
12(1-v2 ) Die den Einbettungsraum E3 aufspannende glo-
Im Strukturschema (Abb.1.5-76) fehlen die Rand- bale kartesische Basis (Xk>ek; k =1,2,3) dient zur
transformationen, da sie hier folgend unbedeu- Festlegung der Knotenkoordinaten und zur Be-
tend sind. Die schubstarre Kirchhoffiche Platten- schreibung des äußeren mechanischen Gesche-
theorie kann an Kraftgrößenrändern zwar ein hens.
Randbiegemoment berücksichtigen, Randtorsi-
onsmomente und Randquerkräfte müssen je- Äußere Zustandsvariablen. Alle Zustandsvaria-
doch zu einer Variablen, den Randscherkräften blen eines Diskontinuums sind ausschließlich in
if~>i'h vereinigtwerden [Girkmann 1976,Krätzig/ dessen Knotenpunkten definiert, die äußeren
Basar 1997]. Einen Überblick über die klassi- wie folgt: Als äußere Weggrößen V; (I :Si :Sm)
schen Lösungskonzepte dieser wichtigen Inge- des diskreten Tragwerksmodells dienen sämtli-
nieurtheorie liefern [Girkmann 1976,Mang 1996, che wesentlichen Knotenfreiheitsgrade, einge-
Timoshenko/Woinowsky-Krieger 1959]. führt und positiv wirkend in Richtung der posi-
tiven globalen Basisachsen. Äußere Kraftgrößen
1.5.3.2 P; sind die den V; energetisch zugeordneten
Diskrete Tragwerksmodelle (korrespondierenden) Knotenlasten.
Im 3-dimensionalen Diskontinuum der Abb.
Modellierungsgrundlagen 1.5-77 bilden 3 Verschiebungen u" u2, U3 und 3
Verdrehungen <1>1> <p2, <p3 jedes Knotens seine
Diskontinua. Digitale Computer sind algebra- äußeren Weggrößen, 3 korrespondierende Ein-
isch arbeitende Maschinen. Zur Analyse der bis- zellasten FI> F2, F3 und Einzelmomente M" M2 ,
herigen kontinuierlichen Tragwerksmodelle M3 seine Knotenkraftgrößen. Im Gegensatz zu
sind sie denkbar ungeeignet, da deren Zustands- Kontinua unterscheiden Diskontinua nicht zwi-
variablen p, u,cr,E,r, t als Funktionen des Modell- schen Tragwerksinnerem und Tragwerksrand.
raums Lösungsmethoden der Analysis erfordern. Die V; können daher sowohl sämtliche mögli-

< lokale Basis des e-ten Elementes

Abb. 1.5·77 Diskretes Tragwerksmodell mit Einzelelement

1-176 Allgemeine Grundlagen


chen Knotenfreiheitsgrade einer Struktur oder Für das e-te finite Element lautet damit die in-
auch nur deren aktive Teilmenge umfassen. Im nere Wechselwirkungsenergie der beiden Varia-
ersten Fall bilden die zu den gefesselten Auflager- blenfelder st, vt:
freiheitsgraden korrespondierenden Kraftgrö-
-wU> = seT.ye = yer.se = s1v1 + SzVz
ßen die Auflagerreaktionen. {1.5.177)
Alle äußeren Zustandsvariablen eines diskre-
+ ... SiVi + ... SkVk.
tisierten Tragwerkmodells werden stets in belie- Für das sich aus allen p finiten Einzelelementen
biger, jedoch korrespondierender gleichlauten- aufbauenden Gesamttragwerk erhält man hier-
der Reihenfolge in je einer Spaltenmatrix wie aus:
folgt abgelegt: sa va
~ VI
1l Vi Sb Sz vb
Vz
Pz Vz Se= 53 , ve = v3
=
Se 54 ve v4
P= , V= (1.5.178)
P; v; (1.5.174)
sz Vz
Pm Vm
Damit lautet die äußere Wechselwirkungsener- -w<i> = sT·v=vT·s =s 1v1 + szvz
gie beider Variablenfelder {P, V}: + S3V3 + S4V4 +... SJ.Vl· (1.5.179)

w<a> = pr.v = vr.p =PI VI+ Pz Vz


Strukturmechanische Transformationen
+ ... P; V;+ ... Pm Vm. (1.5.175)

Gleichgewicht. Zur Gleichgewichtsformulierung


Innere Zustandsvariablen. Im rechten Teil der eines diskretisierten Tragwerks wird die folgen-
Abb. 1.5-77 wird nun durch geeignete fiktive de Gleichgewichtstransformation eingeführt:
Schnitte das e-te finite Element aus dem Gesamt-

·="' r~1J~: ~ ~=1r~1


tragwerk herausgetrennt und so dessen innere
Zustandsvariablen freigelegt. Da äußere Zu-
standsgrößen nur in den Knoten definiert sind, :
können innere auch nur in diesen wirken, denn
zwischen beiden müssen Gleichgewicht und ki-
lsl lbl! bz2 bzm lpm
nematische Verträglichkeit erfüllt sein. (1.5.180}
Als innere Weggrößen vt (1 $ i $ k) des e-ten Offensichtlich existiert die Gleichgewichts-Trans-
Elementes dienen modellgerechte, elementbe- formationsmatrix b nur für gleichgewichtsfähi-
zogene Knotenfreiheitsgrade, ausgerichtet und ge Systeme, für welche P die den aktiven Kno-
positiv wirkend hinsichtlich der lokalen Ele- tenfreiheitsgraden zugeordneten Knotenlasten
mentbasis {xk, ek; k = 1, 2, 3). Innere Kraftgrößen zusammenfaßt. Die j-te Spalte hj von b enthält
st sind die den v;e energetisch zugeordneten sämtliche Element-Knotenkraftgrößen s; (1 $ i
(korrespondierenden) elementbezogenen Kno- $ I) infolge der Knotenlastgröße Pj = 1 des an-
tenkraftgrößen. sonsten lastfreien Tragwerks P1= Pz =... Pm= 0.
Innere Kraftgrößen Sie und innere Weggrößen Die Gleichgewichtsmatrix b ist ein hervorra-
vt werden elementweise (se, r; 1 $ e $ p) belie- gender Ergebnisspeicher sämtlicher Element-
big, jedoch gleichlautend korrespondierend Knotenkraftgrößen als Folge aller globalen Last-
durchnumeriert und in je einer Spalte zusam- möglichkeiten. Bedauerlicherweise enthält GI.
mengefaßt: (1.5.180} keine Handlungsanweisung zum Auf-
bau von b. Eine solche kann nur aus den Knoten-
~ VI gleichgewichtsbedingungen
Sz Vz
Se=
S;
, ve
V; (1.5.176}
P=g·s: r~1=r::: ::: K111 rs11
Kzl . Sz

Pm Km! Km2 Km! Sz


sk vk (1.5.181}

Theorie der Tragwerke 1-177


gewonnen werden, in welchen die Spalte s nur ein ebenes Rahmensystem. Das Beispiel eines
die unabhängigen Element-Knotenkraftgrößen ebenen Fachwerks zeigt Abb. 1.5-78.
enthalten darf. Dieses sind gerade diejenigen s/,
in welchen die linearen Abhängigkeiten infolge Kinematische Verträglichkeit. Die zum Gleich-
der Element-Gleichgewichtsbedingungen elimi- gewicht konjugierte mechanische Transformati-
niert wurden [Krätzig/Basar 1997]. on, die der kinematischen Verträglichkeit, ver-
Baut man die Knotengleichgewichtsbedin- knüpft äußere und innere Weggrößen auf Trag-
gungen (1.5.181) für ein vorliegendes Diskonti- werksebene:
nuum auf, so läßt sich die hierzu reziproke Be-
ziehung (1.5.180) nur für statisch bestimmte
Tragwerke durch Inversion von g gewinnen:
b =g· 1• Natürlich existiertbauchfür statisch un-
v=a·V: [::1=[::: ::: . ~=1· [~1
bestimmte Tragwerke. In diesem Fall muß b über v, all a/2 alm vm
das Kraftgrößenverfahren bestimmt werden. (1.5.182)
In Abb. 1.5-23 und 1.5-29 findet der Leser den Im Gegensatz zur Gleichgewichtsmatrix b exi-
Aufbau der Knotengleichgewichtsmatrix g für stiert die kinematische Transformationsmatrix a

~·~ LJ~
112
9 0. =600

Fachwerk mit den aktiven Freiheitsgraden zugeordneten Knotenlasten:


I P1
k-~ N1
Nl/ \ N4
lpl
2t_P4
N1
-7\----
N2

NS/ \ N6
Matrizielle Knotengleichgewichtsbedingungen: P= g • s
1 2 3 4 s 6 7 8 9

0 0 -.Ji/2 -.Ji/2 0 0 0 0 0
-1 0 1/2 -1/2 0 0 0 0 0
0 0 0 0 -.Ji/2 _.[3/2 0 0 0
1 -1 0 0 1/2 - 1/2 0 0 0
0 0 0 ../3/2 ../3/2 0 0 0 0
0 0 0 1/2 -1/2 0 0 1 -1
0 0 0 0 0 1/2 -1/2 0 1

Abb. 1.5-78 Knotengleichgewicht eines Fachwerks

1-178 Allgemeine Grundlagen


sowohl für gleichgewichtsfähige Systeme, in de- s=b·PundV=bT·v,
nen die Spalte V nur die aktiven Knotenfreiheits- v=a·VundP=aT·s. (1.5.185}
grade enthält, als auch für solche, in denen Val-
le aktiven und passiven (= auflagergefesselten) Werkstoffgesetz. Alle bisherigen Herleitungen
Freiheitsgrade umfaßt. Die Spalte v der Element- sind materialunabhängig. Betrachtet man nun
Freiheitsgrade kann sowohl alle vollständigen als ein einzelnes finitesElementemit seinen dyna-
auch nur die unabhängigen Größen aufnehmen. mischen und kinematischen Knotenvariablen
Die j-te Spalte aj von a listet gemäß Gl. (1.5.182} {se, v"}, so sind diese beiden Variablenfelder
sämtliche Element-Knotenfreiheitsgrade v; in- durch das Werkstoffgesetzver knüpft. In Form ei-
folge der Zwangsverformung Vj = 1 des anson- ner Element-Nachgiebigkeitsbeziehung lautet
sten knotendeformationsfreien Tragwerks auf, dieses:
des kinematisch bestimmten Hauptsystems VI =

nrf"
V2 = ... = Vm = 0. Damit liefert Gl. (1.5.182) im
Gegensatz zur Gleichgewichtstransformation ei-
0
ne hervorragende Handlungsweisung zum Auf-
fl2 VI
bau vona.

f"WJ
0
Ausgehend vom kinematisch bestimmten V2 = f21 f22 f~k . 5~ + V2
Hauptsystem gewinnt man a durch sukzessives . .
Einprägen der Knotendeformation Vj = 1, Iden- vk fki fk2 fkk sk 0
tifikation der dabei sich einstellenden Element- Vk
Freiheitsgrade v; sowie deren positionsgerech- (1.5.186)
ten Einbau in die zugeordnete Spalte aj. Dieses
Vorgehen ist völlig unabhängig von der Trag- worin fe die Element-Nachgiebigkeitsmatrix und
werkstopologie, d.h. vom Grad n der statischen 0

Unbestimmtheit. ve den Vektor der Knotendeformationen infolge


Abbildung 1.5-79 zeigt dieses Vorgehen für ein von Elementeinwirkungen bezeichnet. Die Spal-
ebenes Fachwerk. Die Kinematiktransformation te ~e von fe enthält die Elementdeformationen vt
wird für alle aktiven und passiven äußeren Frei- infolge der Einheitsknotenkräfte Sj = 1. Da Gl.
heitsgrade sowie für vollständige Elementdefor- (1.5.186} Deformationen an einem gleichge-
mationen v" = {uf u/} aufgestellt. wichtsfahigen Element beschreibt, kann diese
Beziehung nur für unabhängige innere Variablen
Kontragredienz der Feldtransformationen. angegeben werden. feist stets quadratisch, infol-
Durch Gl. ( 1.5.180} war die Gleichgewichtstrans- ge des Satzes von Betti-Maxwell symmetrisch
formation sowie durch Gl. (1.5.181) die hierzu und regulär (det te 1= 0). Für alle stabilen Werk-
reziproke Knotengleichgewichtsbedingung ein- stoffe ist fe positiv definit.
geführt worden: Die zu Gl. (1.5.186) reziproke Formulierung
wird als Element-Steifigkeitsbeziehung bezeich-
s=b·P, P=g·s. (1.5.183)
net:
Unabhängig hiervon war durch Gl. (1.5.182} die
kinematische Transformation definiert worden:

nl" n·
v=a·V, (1.5.184) 0
ki2 SI

."1
Aus dem noch zu behandelnden Energiesatz 0
wird erkennbar (Krätzig/Basar 1997}, daß diese 52 - k21 k22 ~k
. V2 + 52
Transformationen nicht unabhängig voneinan- . .
der vorgehbar sind, sich vielmehr zueinander sk kki kk2 kkk vk 0

kontragredient verhalten. Sk
Die beiden Kraftgrößenfelder {P, s} eines be- (1.5.187)
liebigen diskreten Tragwerksmodells sind näm-
lich nur dann im Gleichgewicht und die beiden Hierin heißt ke Element-Steifigkeitsmatrix und
Weggrößenfelder {V, v} nur dann kinematisch 0
kompatibel deformiert, falls die folgenden kon- se Spalte der Volleinspannkraftgrößen infolge
tragredienten Transformationen bestehen: von Elementeinwirkungen. Eine einzelne Spalte
k/ von ke enthält gerade diejenigen Knoten-

Theorie der Tragwerke 1-179


Fachwerk mit aktiven und passiven Knoten-Freiheitsgraden:

1/2
0.=600

Einheitsverformungszustände v, = 1:
1
u/ =1
®~'•"'
u/=0
u~= - 3/2 u~ = 1/2
u~ = 3/2 u~ = 1/2

®

@ ~ u; = 3/2 u; =1/2
u1 =- 3/2 u~ = 1/2
u~ = 1 u~= 1
Yg= 1
s· ur= 1 ur= 1
Matrizielle kinematische Vertraglichkeitsbedingung: v = a · V
2 3 6 10 11 12
0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
,J3/2 1/2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 .;3/2 1/2 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 --~3/2 1/2 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 ..[3/2 1/2 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 .;3/2 1/2
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0
0 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0 ~I 0
0
II 01 I

Abb. 1.5-79 Kinematische Verträglichkeitstransformation eines Fachwerks

1-180 Allgemeine Grundlagen


kraftgrößen s/ des Elements, die sich bei Null- ist. Der obere Teil dieser Darstellung, der das all-
setzen aller Elementfreiheitsgrade aus einer gemeine Kraftgrößenverfahren beschreibt, ist
Zwangsdeformation vf = 1 als Widerstände ein- von rechts nach links zu lesen, während der un-
stellen. Für diese Zwängung ist ähnlich den Ein- tere Teil, das allgemeine Weggrößenverfahren,
heitsdeformationszuständen Vj = 1 am kinema- der umgekehrten Richtung folgt.
tisch bestimmten Hauptsystem keine Gleichge- Aus diesem Schema lassen sich verfahrens-
wichtsfähigkeit erforderlich: Gl. (1.5.187) kann gemäß zwei unterschiedliche Verknüpfungen
daher sowohl für unabhängige als auch für voll- der äußeren Zustandsvariablen {P, V} herleiten,
ständige innere Variablen angegeben werden. nämlich die Gesamt-Nachgiebigkeitsbeziehung
Element-Steifigkeitsmatrizen ke sind stets 0
quadratisch und symmetrisch. Enthalten die {se, V=bT·v ~ v=f·s+ v ~ s=b·P:
ve} ausschließlich unabhängige Elementvaria- 0
blen, so ist ke regulär (det ke =t 0), positiv definit V= bT· f · b·P + bT·v (1.5.190)
0
(yeJ'keye > 0) und es gilt: ke = (fe) -I. Enthalten die
=F·P+bT·v mit F=bT·f· b
{se, ve} dagegen die vollständigen Elementvaria-
blen, so ist ke wegen der linearen Abhängigkei- und die Gesamt-Steifigkeitsbeziehung
ten in se singulär und positiv semi-definit. Der 0
Rangabfall von ke entspricht in diesem Fall der P=aT·s ~ s=k·v+ s~ v=a·V:
Anzahl verfügbarer Element-Gleichgewichtsbe- 0
dingungen. Ein Beispiel hierfür sind die in 1.5.2.4 P = aT· k·a· V+ aT. s (1.5.191)
abgeleiteten Steifigkeitsmatrizen in unabhängi- 0

gen und vollständigen Stabendvariablen. =K·V+aT. s mit K=aT· k·a.


Abschließend sollen nun gemäß Gl. (1.5.177)
sämtliche Einzelelemente zum Gesamttragwerk Gesamt-Nachgiebigkeitsmatrix F und Gesamt-
vereinigt werden. Man erhält als Nachgiebig- Steifigkeitsmatrix K sind quadratisch und sym-
keitsbeziehung aller Elemente metrisch. F ist stets regulär und positiv definit,
0 K nur dann, wenn das zu behandelnde Tragwerk
v=f ·s+v:
0

r ~1=r~ ;,
vP 0 0
: 1-r::1+ ::
fP sP o
vP
(1.5.188)
Zustandsvariablen des Gesamttragwerks:

(m,1)
Is I
(1, 1) (1,1)
IV I
(m,l)

Einzelelement
als Steifigkeitsbeziehung aller Elemente:
0
s=k · v+s:
0
SI
0

. '1["1:~
0

r:Jr:
k2 sz Gesamttragwerk (1,1)

(1.5.189) ·[I]= bT. a = I


ko' +
0 (m,l)
0
sP
Nachgiebigkeitsmatrix f und Steifigkeitsmatrix
k aller Elemente sind Bandmatrizen und be-
schreiben das Werkstoffverhalten des Gesamt-
tragwerks. aT.b=l 1.;1
~-----=~ · ------~
(I, I)
Transformationsschema. Sämtliche bisher defi-
nierten Variablen und hergeleiteten Transfor- Abb. 1.5·80 Variablen- und Transformationsschema für
mationen sind im Schema der Abb. 1.5-80 zu- Diskontinua
sammengefaßt, das weitgehend selbsterläuternd

TheoriederTragwerke 1-181
mindestens starrkörperdeformationsfrei gela- (1.5.196)
gert ist.
Aus diesem Ausdruck für die Variation der
Konzepte zur Tragwerksanalyse Wechselwirkungsenergie gewinnt man durch
Substitution der Nebenbedingungen
Energiesatz. Energieaussagen stellen leistungs-
Öv=a·ÖV
fähige Instrumente zur Tragwerksanalyse bereit
und sollen daher, wie im Abschnitt 1.5.3.1 für gerade die Gleichgewichtsaussage des Gesamt-
Kontinua, auch für diskrete Tragwerksmodelle sytems:
behandelt werden. Im Rückgriff auf die Aus-
ÖVT.p- ÖVT.aT·s = ÖVT. (P- aT· s) = 0.
drücke (1.5.175, 1.5.177) der äußeren und inne-
(1.5.197)
ren Wechselwirkungsenergien lautet der Ener-
giesatz wie folgt: Für einen im Gleichgewicht be- Gl. (1.5.197) stellt das Prinzip der virtuellen Ver-
findlichen Kraftgrößenzustand 1 rückungen dar: Die Summe der virtuellen äuße-
ren und inneren Arbeiten eines wirklichen
P1 = aT · S}, s1 = b · P1
Kraftgrößenzustandes {P, s} verschwindet für je-
und einen kompatibel deformierten Weggrö- de kinematisch zulässige Weggrößenvariation
ßenzustand 2 {ÖV, öv}:
V2=br·v2, v2=a·V2 ÖW= ovr.p- övT·s = 0 für Öv= a·ÖV.
(1.5.198)
verschwindet die Summe der äußeren und inne-
ren Wechselwirkungsenergien: Hierdurch wird das Knotengleichgewicht der
Gesamtstruktur beschrieben.
W1,2 = Pl· V2- s1r. v2 (1.5.192) Die zu Gl. (1.5.198) duale Aussage stellt das
=V/·P1-v2T.s1=0.
Prinzip der virtuellen Kraftgrößen dar: Die Sum-
Substituiert man in den Energiesatz ( 1.5.192) die me der virtuellen äußeren und inneren konju-
Gleichgewichts- und Kinematiktransformatio- gierten Arbeiten eines wirklichen Deformati-
nen onszustandes {V, v} verschwindet für jede sta-
tisch zulässige, d.h. im Gleichgewicht befindli-
W1,2= Pl·V2- sl·v2 =V2r. P1-v2r. s1 che Kraftgrößenvariation {ÖP, Ös}:
=P1r'V2-P1TbT·aV2
ÖW =ÖPT· V-ÖsT·v=O
=V2T.p1-V2TaT·bP1=0, (1.5.193) (1.5.199)
für Os = b · ÖP .
so gewinnt man hieraus eine wichtige, stets gül- Hierdurch wird die kinematische Verträglichkeit
tige Verknüpfung der beiden (nur für statisch des Gesamttragwerks beschrieben.
bestimmte Strukturen quadratischen) Transfor-
mationsmatrizen a, b: Minimum des Gesamtpotentials und Weggrö-
ßenverfahren. Das für elastische Werkstoffe gül-
(1.5.194)
tige Prinzip vom Minimum des Gesamtpotentials
bildet die Grundlage fast aller heutigen FE-Be-
Die Variationsprinzipe. Der Energiesatz der Me- rechnungskonzepte. Zur Herleitung dieses Zu-
chanik (1.5.192) gilt für im Gleichgewicht be- sammenhanges wird mittels der Steifigkeitsbe-
findliche Kraftgrößenzustände {P, s} sowie kom- ziehung (1.5.189) aller Elemente eines Tragwerks
patibel deformierte Weggrößenzustände {V, v}. das folgende Gesamtpotential definiert:
Schreibt man ihn nun für einen wirklichen
Kraftgrößenzustand und den um seine 1. Varia- 1 T T 0 T
II=-v ·k·v+v · s- V ·P (1.5.200)
tion ergänzten Deformationszustand {V+ ÖV, v 2
+ Öv) bei Streichung quadratisch kleiner Glieder Mit Hilfe der Kinematiktransformation sowie
an der Gesamt-Steifigkeitsmatrix Gl. (1.5.191)
W+ÖW= vr.p- vT·s+ ovr.p- övT·s = 0, v=a·V,K=ar·k·a
(1.5.195)
wird dieses in die Form
so verbleibt nach Berücksichtigung von Gl.
(1.5.192):

1-182 Allgemeine Grundlagen


1 T T T 0 T
1.5.3.3
II=-V ·K·V+V ·a · s-V ·P (1.5.201) Einführung in finite Weggrößenelemente
2

überführt. Dessen erste Variation Das Elementkonzept

ÖIT=ÖVT-( K· V+aT·~-P)=0 (1.5.202) Vorbemerkungen. Gemäß Abschnitt 1.5.3.1 basie-


ren alle klassischen Strukturmodelle der Trag-
entspricht wegen der Willkürlichkeit von oV of- werksmechanik auf Kontinuumsvorstellungen,
fenbar gerade der Gesamt-Steifigkeitsbeziehung deren Lösungsmethoden der Analysis entstam-
(1.5.191) als Grundgleichung des Weggrößenver- men. Für computerorientierte Tragwerksanaly-
fahrens. Die Definitheitseigenschaften der 2. Va- sen bilden dagegen diskrete Strukturmodelle nach
riation von oTI Abschnitt 1.5.3.2 das vorteilhaftere Konzept.
Beide grundverschiedenen Modellvorstellungen
(1.5.203)
werden über Energieaussagen miteinander ver-
bestätigen, daß die Gesamt-Steifigkeitsbezie- knüpft. Hierzu greift man auf das Prinzip der Vir-
hung gerade das Minimum des Gesamtpotenti- tuellen Verrückungen in seiner allgemeinen, für
als ( 1.5.201) einstellt. Kontinuumsmodelle geltenden Form (1.5.157)
Das diesem Minimum zugeordnete Berech-
nungsverfahren ist das Weggrößenverfahren (Gl. f
ÖW = Öu T · p · dV +
V (1.5.204)
1.5.202), heute- mit weiteren Modifikationen-
Grundlage jedes professionellen FE-Softwaresy- f Ör T · t · dS- fÖE T · cr · dV =0
stems zur Tragwerksanalyse. Abbildung 1.5-81 S, V
erläutert seine prinzipiellen Einzelschritte. zurück, das bekanntlich in jedem Modellraum V
mit Kraftgrößenvorgaben-Berandung St eine
schwache Gleichgewichtsaussage darstellt. Vor-
aussetzung seiner Gültigkeit ist, daß die Weg-
Aufbau der Spalten Pder vorgebbaren Knoten-
s
lasten und der aus den Elementeinwirkungen
größenvariationen {ou, or, OE} einen kompa-
tiblen Deformationszustand beschreiben, d.h.
berechenbaren Volleinspannkraftgrößen.
die kinematischen Feldgleichungen nebst den
Spaltenweiser Aufbau der kinematischen Trans-
Weggrößen-Randbedingungen erfüllen:
formationsmatrix a durch die Anwendung von
Knotendeformationen V1= 1, j = 1.2.... m (1.5.205)
am kinematisch bestimmten Hauptsystem:
v = a·V . In finiten Teilräumen des Gesamttragwerks wer-
den im folgenden die Deformationsfelder derart
Ermittlung der Steifigkeitsmatrix k aller Elemen-
interpoliert, daß die Interpolationsparameter
te. Berechnung der Gesamt-Steifigkeitsmatrix K
durch Kongruenztransformation: ausschließlich in den Knotenpunkten definiert
K= aT. k · a .
sind. Interpretiert man das mittels Gl. (1.5.204)
erhaltene Ergebnis im Sinne eines Diskontinu-
Aufbau der Gesamt-Steifigkeitsbeziehung und ums, so lassen sich auf diesem Wege Elementma-
Außösung nach V: trizen für Weggrößenelemente herleiten. Diese
P =K· V+ aT-~ ~ V = K-I ·(P - al ·s) . bilden sodann die eigentliche Grundlage der an-
Ermittlung der Element-Knotendeformationen
schließenden diskreten (FE-) Tragwerksanalyse.
v nach der kinematischen Transformation: Selbstverständlich kann in diesem Rahmen
v = a·V . nur eine erste Einführung in finite Weggrößen-
elemente erfolgen. Insbesondere werden die an-
Ermittlung der Element-Knotenkraftgrößen saus
wendungstechnisch bedeutsamen isoparametri-
der Steifigkeitsbeziehung aller p Elemente:
schen Elemente nicht behandelt. Zu finiten Weg-
s=k· v +t
J größenelementen existiert heute eine nur noch
schwer überschaubare Fachliteratur. Einen Über-
Abb. 1.5-81 Standard-Weggrößenalgorithmus blick liefern die Monographien [Argyris/Mlej-
nek 1986, Krätzig/Basar 1997, Thieme 1996, Zien-
kiewicz 1985, Zienkiewicz/Taylor 1989); weitere
Informationen findet der Leser in [Hahn 1975,
Schwarz 1980, Wunderlich/Redanz 1995].

Theorie der Tragwerke 1-183


Herleitung von Elementmatrizen. Bei der Her- ten auf, d.h. jede ihrer Funktionen besitzt den
leitung von Elementmatrizen soll vor allem Wert 1 im Bezugsknoten und Nullwerte in an-
deutlich werden, daß das Herleitungskonzept deren Elementknoten. Begänne man mit einem
völlig unabhängig vom speziellen Tragwerks- Satz mathematischer Interpolationsfunktionen
modell der Abschnitte 1.5.3.1 gilt. Gemäß Abb. [Schwarz 1993], so wäre GI. (1.5.208) der Start-
1.5-82 trennt man aus dem Inneren des zu un- punkt.
tersuchenden Tragwerks ein geeignetes finites Mit Hilfe dieses Ansatzes lassen sich sämtliche
Element e heraus, das somit ein Volumen, ein in GI. ( 1.5.204) auftretenden kinematischen Feld-
Flächen- oder ein Stababschnitt sein kann. Der funktionen in Abhängigkeit der in den Element-
Einfachheit halber soll dieses Element vollstän- knoten definierten Freiheitsgrade v" approxi-
dig von anderen Elementen umgeben sein. mieren
Innerhalb dieses Elementes herrsche ein be-
liebiger, das Strukturmodell kennzeichnender
e• =Dk·(n•.v•)=He. ve, re =Rt"n•.ve
Verschiebungszustand u•, welcher durch den cre =E · Ee =(E ·He) · v• (1.5.209)
Näherungsansatz
und sodann in das Funktional einsetzen. Die
u• =eil·· u• (1.5.206)
Operatoren Dk> R1 und E entstammen der jewei-
approximiert werden soll. Hierin bezeichnet <t>• ligen Modelltheorie der Abschnitte 1.5.3.1. W ist
die Matrix der Ansatzfunktionen und den Vek- u• die Matrix der Verzerrungsformfunktionen und
tor der freien Parameter. Um diesen durch an- die R1 • ge sowie die E · W lassen sich als Form-
schaulich interpretierbare Größen zu ersetzen, funktionen der Randweggrößen re und der ela-
führt man in GI. ( 1.5.206) nacheinander die Kno- stischen Schnittgrößen cr• interpretieren:
tenkoordinaten ein und definieren so die Kno-
tenfreiheitsgrade v": ÖWe =ÖVeT[-[ geT;·dV-
(1.5.207)
f R'[· geT. t ·dS+ fHer. E·H·· dV· ve]=O
Quadratische Form von <I>• voraussetzend ist GI. S, V
(1.5.207) invertierbar und das Ergebnis in (1.5.210)
(1.5.206) substituierbar: GI. (1.5.210) verkörpert einen virtuellen Ar-
beitsausdruck, der nun im Sinne diskreter Trag-
u• =(<i>•(v• (1.5.208) werksmodelle interpretiert werden soll. Wegen
u• =q,•.(q,•)
' -1
. v• =n•.v• des virtuellen Knotenfreiheitsgradvektors ov"T
verkörpert die eckige Klammer eine wirkliche
Die so entstandene Approximation des Ver- Knotenkraftspalte. Die die vorgegebenen Lasten
schiebungsfeldes u• mit der Matrix der Form- ~und die Randkraftgrößen t enthaltenden Teil-
funktionen Q• weist Interpolationseigenschaf- integrale sind somit Knotenkraftgrößen infolge

Knoten 1

Knoten 2
4
Gesamt-Eiementberandung: s•= Is,
i=l
Knoten 4 Gesamt-Eiementvolumen: v•

LAbb. 1.5·82 Finites Element e


Elementrand 1

1-184 Allgemeine Grundlagen


äußerer Elementlasten sowie infolge der Gleich- weise konstant approximiert werden. Starrkör-
gewichtsgrößen zur Elementumgebung: perdeformationen müssen korrekt wiedergege-
ben werden und dürfen keine Knotenkräfte her-
0 0 vorrufen.Abbildung 1.5-83 veranschaulicht die-
se=-JneT·p·dV, se= JR~·QeT·t·dS se Forderung für Scheibentragwerke.
V S, Bei der Approximation des Verschiebungsfel-
(1.5.211) des ue darf keine Koordinatenrichtung bevor-
Das letzte Knotenkraftintegral in Gl. (1.5.210) zugt werden, was durch Isotropie- und Drehin-
stellt als Produkt mit dem Vektor der Freiheits- varianzforderungen ausgedrückt werden kann.
grade v" gerade die Steifigkeitsmatrix ke dar: Für flächenhafte Elemente beispielsweise ist die
Ansatzisotropie erfüllt, wenn alle symmetri-
ke =JHeT·E· H'-dV (1.5.212) schen Glieder des Pascalsehen Dreiecks gemäß
V Abb. 1.5-84 im Ansatz enthalten sind, und die
Mit diesen Abkürzungen nimmt das Funktional Drehinvarianz, wenn alle Ansatzfunktionen mit
(1.5.210) folgende Gestalt an: unterschiedlichen Freiwerten gekoppelt sind.
Das Kompatibilitätskriterium schließlich re-
=
öWe -över.[; -se +ke· ve ]= 0 (1.5.213)
gelt den stetigen Übergang der kinematischen
Feldapproximationen zu den Nachbarelemen-
ten. Treten in Dk n-fache Ableitungen auf, so
Da dieses für beliebige Variationen Öv" erfüllt müssen die Ansatzfunktionen in q,e im Element
sein muß, folgt hieraus gemäß Gl. (1.5.187) die cn-stetig sein und cn- 1-stetig längs der Ränder.
Element-Steifigkeitsbeziehung: Jedes Element, deren Ansatzfunktionen dieses
0 0 Kriterium erfüllt, heißt voll-kompatibel oder
Se -Se +ke· ve = o: Se= ke· ve +se (1.5.214) konform.

Hierin müssen somit nur die Element-Steifig- Patchtests und Benchmarks. Die eben dargeleg-
o ten Anforderungen beschreiben Grundvoraus-
keitsmatrix ke und der Vektor se der Vallein- setzungen für Konvergenz von Weggrößenele-
spannkraftgrößen berechnet werden. menten und wenden sich an den Programmer-
steller. Für den ProgrammanwendeT stellen sich
Konvergenzanforderungen. FE-Tragwerksanaly- Konvergenzfragen anders: Er arbeitet mit einem
sen besitzen stets Näherungscharakter: Mit zu- Programmsystem, in welchem ein bestimmtes
nehmender Netzverfeinerung sollen die Nähe-
rungslösungenmöglichst monoton (einseitig) ge-
gen die genaue Lösung konvergieren. Um dies zu
erreichen, müssen die verwendeten finiten Ele-
unverformt
mente gewissen Grundanforderungen genügen.
Es gelten folgende Voraussetzungen: Alle Zei-
len der Ansatzfunktionsmatrix q,e müssen zeilen-
regulär sein. Zur eventuellen Definition von Frei-
heitsgraden aus Ableitungen (Beispiel: <p =-w' in
der Theorie schuhsteifer Stäbe) müssen die All-
satzfunktionen in q,e hinreichend oft differen-
zierbar sein. Ferner müssen die in den Form- Starrkörperdefonnationen:
funktionen He verwendeten Kinematikoperato-
ren konsistenten Theorievarianten nach Abb. II
U1
II [d
U2
c:;J IPJ
1.5-71 entstammen.
Die Herleitung finiter Weggrößenelemente Konstante Elementverzerrungen:
entspricht mathematisch einer Rayleigh-Ritz-
Approximation des Energiefunktionals ( 1.5.156) ~110d
mittels elementweiser Ansatzfunktionen (Braess 2E12

1992). Hieraus folgt die Vollständigkeitsanforde-


rung: Durch die Ansatzfunktionen in q,e müssen Abb. 1.5-83 Zum Vollständigkeilskriterium
die Verzerrungsfelder mindestens als element-

TheoriederTragwerke 1-185
Vollständige Bipolynome Vollständige Polynomansä:::-1
(abzu lesen in den Quadranten) (abzulesen in Diagonalrichtung)
0/~ ····....
······· ...v"'o.:~ - ··...··..
• •••. '{,-('..< • 1. Ordnung
····... 4.;:; · .•• '/
·······...~~i0 ·..
3. Ordnung

Abb. 1.5·84 Paswisches Dreieck im R2

Standard-Testmakros für Scheibenelemente:

Makroelement für
den Patch-Test:

Standard-Testmakros für Plattenelemente:

Abb. 1.5-85 Testmakros mit Patch

finites Element verfügbar ist. Ohne Einflußmög- des Patches, welcher ähnliche Netzverzerrungen
licheil auf dessen Eigenschaften soll er vorgege- wie das zu analysierende Problem aufweist, er-
bene Genauigkeitsschranken seiner Tragwerks- zeugten Schnittgrößen stellen direkte Genauig-
analyse einhalten. Daher steht er vor der Aufga- keitsschranken dieses Problems dar.
be,sich ein Bild von der Approximationsgüte des Die zu verwendenden Testmakros lassen sich
Elementes für die vorliegende Problemstellung vielfältigen Fragestellungen anpassen, sofern die
zumachen. klassische Festigkeitslehre geeignete Standard-
Ein wertvolles Instrument für diesen Zweck lösungen bereithält. Hinweise auf den erforderli-
stellen Patchtests aus Ensembles von finiten Ele- chen Verdichtungsgrad der Diskretisierung kön-
menten dar, die von (Irons/Razzaque 1972, nen derartige Patchtests ebenfalls liefern, leich-
Strang/Fix 1973) zum Austesten nicht-konfor- ter erfolgt dies jedoch mittels sog. Benchmarks,
mer Elemente entwickelt wurden. Abbildung analysierter Beispiele einfacher Tragstrukturen.
1.5-85 zeigt ihren Einsatz zur empirischen Lei- Abbildung 1.5-86 zeigt das Beispiel einer ge-
stungskontrolle beim Austesten von durch Netz- kerbten Scheibe, für welches eine sehr genaue
verzerrungen entstehenden Ungenauigkeiten: Lösung vorliegt.
Die in den jeweiligen Testmakros wirkenden Von besonderer Bedeutung ist der Nachweis
Einheitszustände .der Scheiben- bzw. Platten- der Kraftgrößenfreiheit von Elementen unter
schnittgrößen sind exakt bekannt. Die mittels Starrkörperdeformation.en. Auch hierzu kann

1-186 Allgemeine Grundlagen


Baustatische Skizze:

N
N
p

"
Abme<;sungen in mm--i~~---'2"'0--~f-------'2"'0--+

Ausgangsdiskretisierung: Verfeinerungsstufe:
220 Freiheitsgrade 1610 Freiheitsgrade

Relativer Energiefehler: 6,28% Relativer Energiefehler: 2,37%

Abb. 1.5-86 Benchmark einer gekerbten Scheibe

man den Patchtest einsetzen, indem man bei- Hiermit lassen sich auf Abb. 1.5-88 die Fürrn-
spielsweise alle Außenknoten sukzessive transla- funktionsmatrizen ne der Verschiebungsfelder
torisch um einen gleichen Betrag verschiebt. und He der Verzerrungsfelder aufstellen. Erwar-
Fortgeschrittene Programmanwender führen tungsgemäß wird die Achsialverschiebung u li-
diesen Nachweis über das Eigenschwingverhal- near, die Transversalverschiebung w kubisch ap-
ten des Testmakros, welches für jede Starrkör- proximiert. Die Formfunktionen ro3 bis ro6 stel-
perbewegung den Eigenwert Null ergeben muß len Hermitesche Interpolationspolynome dar,
(Bathe 1986). die Bauingenieuren als Einflußfunktionen der
Randkraftgrößen eines beidseitig eingespann-
Beispiele für finite Weggrößenelemente ten Stabes bekannt sind [Krätzig 1998]. Mit dem
aus Abb. 1.5-20 bekannten kinematischen Feld-
Gerades schubsteifes Stabelement. Im folgenden operator Dk entsteht die Abb. 1.5-88 abschlie-
wird gemäß der Standard-Vorgehensweise auf ßende Verzerrungsapproximation.
Abb. 1.5-81 die Element-Steifigkeitsbeziehung Als letztes bildet man auf Abb. 1.5-89 die Inte-
eines geraden, ebenen und schubsteifen Stabele- grandenmatrix HeT, E ·He mit E erneut gemäß
mentes nach der Bernoulli-Navier- Theorie ge- Abb. 1.5-20. Durch Ausführung der Integratio-
mäß Abb. 1.5-20 hergeleitet. nen über die Stablänge l gewinnt man schließ-
Zunächst wählt man in Abb. 1.5-87 als Stab- lich die Element-Steifigkeitsmatrix k•. In völlig
endvariabien die vollständigen Größen. Im mitt- 0

leren Teil enthält diese Abbildung so dann die ge- analoger Weise kann man den Vektor s• der
wählten Ansätze für das achsiale und trans- Volleinspannkraftgrößen bestimmen, der für kon-
versale Verschiebungsfeld. Um hieraus sämtliche stante Lasten {q.x>qzl folgende Form annimmt:
Knotenfreiheitsgrade definieren zu können, muß
noch aus w die Approximation für das Drehwin-
kelfeld <p berechnet werden:
(1.5.215)
Durch Substitution der Knotenkoordinaten in
die Gesamtapproximationen für {u,<p,w} werden CST-Scheibenelement. Als zweites Beispiel wird
in Abb. 1.5-87 sodann die Knotenfreiheitsgrade ein dreieckiges Scheibenelement mit Eckknoten
definiert. Die Inversion dieser Beziehung liefert behandelt. Dieses Constant-Strain- Triangle oder
die Matrix (<f>e) -l. CST-Element entstammt der Frühzeit finiter Be-

Theorie der Tragwerke 1-187


Bernoulli-Navier-Stabelement mit vollständigen Stabendvariablen:
MI
N1 --E~o E X,U
z,w
o~~N, s.r =[NI 01 MI N, 0, M,)
l
Knoten 1: x = 0
I l
Knoten 2: x= I
v.r =[u 1 wl cpl u, w, cp,)

,..._ ~

ui..J" T u,

~~ w,
~
<p,v
Ansatz für Verschiebungsfeld -al
I
a2
-
u• -~ • -u• 0 - [u] - [a 1 +a2x ] - [1 X 0 0 0 ~
- - 0 0 1 X x2 :3]- a4
- w - a3+a~x +a 5x2 +a6 x3
as
-
a6
-
Definition der Knotenfreiheitsgrade aus dem Verschiebungsfeld

ul 1 0 0 00 al 0
- -
wl 0 0 0 01 a2 0
-
cpl 0 0 0 -1 0 0
v• =~· -u• = - ~
u, 1 I 0 0 0 0 a4
- 12 13 -
w, 0 0 1 I as
- -
<p, 0 0 0 -1 -21 -312 a6

Inversion: 1 0 0 0 0 0
~ ~
-1 /1 0 111 0 0
-wl
0
~
-·=c· f' . = -=
U fl> ·V
a3
~
0
0
1
0 -1
0 0
0
0
0
0
0
·-
'PI
_!i_
~ 0 -3d 2/1 0 3/1 2 1/ 1 w,
a6 0 211 3 -1/1 2 0 - 211 3 - 1/12
-cp,

Abb. 1.5·87 Grundlagen der Verschiebungsfeldapproximation eines schubsteifen Stabelementes

1-188 Allgemeine Grundlagen


Approximation (Fonmfunktionen) des Verschiebungsfeldes u•:

• -1
u• =q,• (q,•) -v• =n• -v• w1 I o I o I w 2 I o I o ] v•
0 I w 3 I w 4·11 0 I Ws I w6·1 .
ul

wl

[
u ]• [.1-~ I o I o I~ I o I o ]• cpl
=-; =L o 11- 3~ 2 +2~ 3 1H+2~ 2 - ~ 3 ) ·1 1 o 13~2 -2~ 3 1(~ 2 -~ 3 ) · 1 . ur
Wr

Darstellung der lnterpolationsfunktionen:


1,0

l
Approximation (Formfunktionen) des Verzerrungsfeldes e•:

. . . . . [T* I .[Ho I1 1 -~l +2~J II H+2~2 - ~3) ·11I o~ II ~2-2~J II (~2 -~3) ·1 . -;,-
E =(Dk -n )· v = H ·v = o I ~~
0
0 0 0 0 ]. ::

11 d~l Wr

'Pr
ul
wl

[EJ. 1[-11 0 I 0 I 1 I 0 I 0 ]. "'CP;'


=-; =I 0 I (6- 12~)~ 1-(4 -6~) 1 0 1-(6 - 12~)~ 1-(2-6~) . ~
I I _
Wr

'Pr

Abb. 1.5·88 Approximationen der Verschiebungs· und Verzerrungsfelder eines schubsteifen Stabelementes

Theorie der Tragwerke 1- 189


EA EA
0
12 12
EI 2 EI EI 2 EI
0 -(6-12~) --(6-12~)(4-6~) 0 -(6-12~) - -(6 - 12~)(2 - 6;)
14 13 13 13
EI EI 2 EI EI
0 --(4-6;)(6-12;) -(4-6;} 0 -(4-6;)(6 - 12;) -(4 - 6;}(2- 6;)
13 12 13 ll
EA EA
--
ll
0 0 -
ll
0 0

EI 2 EI EI 2 EI
0 --(6-12;) -(6-12;)(4-6~) 0 -(6-12;) -(6-12;)(2-6~)
14 13 14 13
EI EI EI EI 2
0 --(2- 6;)(6- 12;) -(2-6;)(4-6;) 0 -(2-6;)(6-12;) -(2-6;)
13 ll 13 ll
Integrationen:
r1EA ·ld; = EA . f1d; = EA ;t~= EA
Jo 12 I Jo I I

11-(6-12;l
EI 2 EI ·62· 11(1- 4;+4;2) d~=-
·ld;=- EI · 6 2· ( ~ - 2;2 +-;
4 3) / 1 =
0
12EI
-
o 14 13 0 13 3 13

11--(6-12;)(4-6;Hd;=--
EI EI ·6·2·11(2-7~+6;2)d; = --
EI ·6·2· ( 2;--;
7 2+2; 11 =--6EI
0
3)
o 13 12 0 12 2 12

11--(6-
EI 12;)(2- 6;Hd;= --·EI 6·2·11( 1 - 5;+6~2) d;=--
EI ·6·2·( ;--;
5 2+2; 11=--6EI
0
3)
o 13 12 0 ll 2 12
1EI 2 EI 2 1 EI 4EI
f -(4-6;) ·ld;=- ·2 · f (4-12;+9;2 )d~=- · 22 ·(4~-6;2 +~ 3 )/~ = -
Jo12 1 Jo I I

11-(2
EI - 6;l(4- 6;l·ld;= -·
EI 2211( EI · 22·( 2;- -~
· 2- 9;+9;2) d~=- 9 2 +~ 11=-
0
2EI 3)
o12 I o I 2 I
r1EI 2 EI 2 f1( 2) EI 2 ( 2 3) 1 4EI
J,o-(2-6;) ·ld;=- ·2 ·J,o 1-6;+9; d;=-2 ·2 · ~ - ~ +3; 10 = -
12 12 1 I

Vollständige Form der Element-Steifigkeitsmatrix (Vorzeichenkonvention II):


EA/1 0 0 -EA/1 0 0
0 12EI/1 3 -6EI/1 2 0 -12EI/1 3 -6Eid
0 -6EI/1 2 4EI!I 0 6Eid 2EIII
k· =
-EA/1 0 0 EA/1 0 0
0 -12EI/1 3 6EI/1 2 0 12EI/13 6Eid
0 -6EI!1 2 2EI/I 0 6EI/12 4EIII

Abb. 1.5-89 Element-Steifigkeitsmatrix eines schubsteifen Stabelementes

rechnungstechniken [Turner et al. 1956]; die zi- wiedergegebene lineare Verknüpfung mit den 6
tierte Arbeit führte den Begriff Finite Elemente freien Konstanten a1 bis a6, die im unteren Teil
ein. durch die Knotenfreiheitsgrade
Abbildung 1.5-90 beginnt mit einem derarti-
gen Element mit seinen 6 Knotenfreiheitsgra- v" = {Ul(!) U!(2) U!(3) U2(1) U2(2) U2(3)} (1.5.217)
den. Hier und im folgenden beziehen sich die in gemäß der Standardvorgehensweise von Abb.
Klammern gesetzten Indizes auf die Knoten- 1.5-81 abgelöst werden.
punkte 1, 2 oder 3. Man approximiert das Ver- Die sich ergebende Approximation des Ver-
schiebungsfeld ue = {u 1u2} des Elementes in bei- schiebungsfeldes mittels der Matrix ne der
den Koordinaten x"x2 durch die in Abb. 1.5-90 Formfunktionen leitet Abb. 1.5-91 ein. Deutlich

1-190 Allgemeine Grundlagen


Dreieckiges Scheibenelement mit Knotenfreiheitsgraden:
x2, U2 um>

linearer Approximationsansatz für das Verschiebungsfeld: a1


az
Xz 0 0 al
0 x, x~l a4
as
a6
Definition der Knotenfreiheitsgrade:
Ul(l)
1 xlCll Xz(l) I a,
1 xl(Zl xm>
U112l I 0 az

=[~ <p0]• -u.•


u,u> _ 1 x1m x 2 c~ al
v•=o$•-ü•= - --- ----
um> I
1 xl(ll x201 a4
um> o 1 x1C2> Xzm as
uzm 1 x101 xzm I a6
det<j> =x1( 21 x201 - xl(J)Xzm- x101 x201 +x 101 x2m +x 101 x2m- x1m x2(1) = 2A •,
2
det<p• =(2A•) , A•:FiächedesDreieckelementes
Inversion:

ü• =Wr 1 ·v·j<P-
L0 ~
10 -J··v'
I '-P- l
x,mxzm- xKn Xzm x1CJ>Xzm -x11nXzm xKnxzm -xl(zJXzml
. • -1 1
m1t<p = -[ Xzcm Xzun x2Cm
2A•
X1(32l x1(13l X1c21>
sowieden Abkürzungen: xKkl> = x1ckl -x 1m. Xz<kll = Xzck> - xw>

Abb. 1.5-90 CST-Element: Verschiebungsfeldapproximation

erkennt man in der dortigen Teilmatrix ro die in terpolationseigenschaften auf. Durch Anwen-
xi>x2 lineare Verschiebungsapproximation. Sub- dung des kinematischen Differentialoperators
stituiert man in diese Matrix nacheinander die Dk gemäß Abb. l.5-74 bestimmt man aus ne so-
Koordinaten der Knotenpunkte, so erhält man dann die Formfunktionsmatrix der Verzerrun-
nach einigen Umrechnungen in den jeweiligen gen, wiedergegeben im mittleren Teil von Abb.
Bezugsknoten die Werte 1, in den jeweils ande- 1.5-91. Wie erkennbar wird jede Verzerrungs-
ren Knoten die Werte 0: Wie in Abb. 1.5-91 dar- komponente als konstanter Wert approximiert,
gestellt, weisen die Formfunktionen lineare In- woraus sich der Name des Elementes herleitet.

Theorie der Tragwerke 1-191


Formfunktionen Q• des Verschiebungsfeldes u•:
ul(l)

u =~. ~
• ("•)_, •
V =0
• • fu
·V =L~
1] [w I
=[of;;; 0]
u~n
. ulO)

l
um>
ulO)

x1m x201 - x1m xm> +xl(lll" x1 +xl(3l)" x1] 1 [w


mit:w1 = 2~. [ x m x1m- x m x101
1 1 +x 10 u· x1 +x 103rx 1 = w 2
xKuxm 1- xl( 1)x101 +x 101 r x1 +xl(11 r x1 w3
sowieden Abkürzungen: xKI<ll = xKkl - x,<n •xl(kll = Xz<k> -xzm

Darstellung der Formfunktionen:

Formfunktionen HO des Verschiebungsfeldes e•:

t 1
= Dk·0°·v'=H'·v =0
['" l ['""'
~:~ = ~. x 1~ 1 l
xmu
x,ml
0
Xzozl
Xl(lll
0
I0
I
Xz<m
x,m>
0
X1on
Xl(l3)

Abb. 1.5·91 CST-Eiement: Formfunktionen der Verschiebungs-, Verzerrungs- und Schnittgrößenfelder

Aus der Formfunktionsmatrix W der Verzer- Anders als in der Stabtheorie besitzen die aus
rungsfelder e• berechnet man sodann die Ele- der Element-Steifigkeitsbeziehung
ment-Steifigkeitsmatrix k• gemäß der in Abb.
s• = k• · v" (1.5.218)
1.5-92 wiedergegebenen Integration unter Ver-
wendung der Elastizitätsmatrix E und der Schei- nunmehr bestimmbaren Knotenkraftgrößen s•
bendehnsteifigkeit aus Abb. l.S-7 4. Das Ergebnis keine mechanisch einfach interpretierbare Ver-
ist die in geschlossener Form wiedergegebene bindung zu den Scheibenschnittkräften cr•. Um
quadratische Matrix 6. Ordnung. letztere in gleicher Güte wie die Verzerrungen zu

1- 192 Allgemeine Grundlagen


Integrationsvorschrift und Element-Steifigkeitsmatrix k<:

mit
1- v 1- v
x2mlx2C31l +-2-xt02lxtml x2ml x1(12l +-2-x tcmXt(ltl
2 1- v 2 1-v
xmn +-2-xt<m X2cmXl(12) + - 2- x1cmXK21)
l 1- v l
symmetrisch x2Ct2l + -2-x1(21l
1-v 2 1- v 1-v
-2- xtm>x2m> -2-x l(mxmn +vxl(mxm3> - 2-x tc32l x2<t2l +vX tc 2nXmn
1-v 1- v 1- v
k12 = - 2-x l(mXmn +vx 102,x20 n -2-x1(13lx1C31l - 2-x tcmX2(12l +vx tc2n Xmn
1-v 1- v 1-v
-2-x 1(21lx2m> + vx1(32lx2C12l -2-x1(21lx201l + vx1(13lx2C12l - 2- xt<21lx2<12l

2 1-v 2 1- v 1- v
x20ll + - 2- x1(23) x1C32lx1(13l +- 2- xmn xm3l xKmx1C21l +-2-x 2c23l x2Ct 2l
2 1-v 2 1- v
xtm> +-2- x2C31l X1(13)xt(21l + - 2- x201lx202l
2 1- v 2
symmetrisch xt<21l + -2-x2C12l

Abb. 1.5-92 CST-Eiement: Bement-Steifigkeitsmatrix k•

approximieren, substituiert man die Verzer- Das Element mit den Seitenlängen a, b werde
rungsapproximation in das Element-Stoffgesetz durch die kartesischen Koordinatensysteme XI>
x2 bzw. ~~ = x 1/a, ~2 = x2/b aufgespannt.
te u · V e) = He·Ve , r e = Rt' ~~·V
= Dk' (n.e n.e e Die insgesamt 12 Knotenfreiheitsgrade gestat-
ten einen 12-parametrigen Polynomansatz, als
cr• =E ·Ee =(E·H•)-v•
welcher das unvollständige,symmetrische quar-
(1.5.219) tische Polynom der Abb. 1.5-93 in dimensions-
und erhält damit die Abb. 1.5-91 abschließende losen Koordinaten gewählt wird. Der Ansatz be-
Formmatrix s•: Offensichtlich werden die schreibt offensichtlich alle 3 Starrkörperdefor-
Schnittgrößen cr• ebenso wie die Verzerrungen mationen sowie konstante Verkrümmungen
als elementweise konstant approximiert. nebst Verwindungen. Allerdings ist er nichtkon-
Dieses einfachste Scheibenelement besitzt form, wie in [Krätzig/Basar 1997] gezeigt wird.
äußerst schwache Konvergenzeigenschaften ge- Durchbiegungen werden je Richtung kubisch
gen die exakte Lösung. Es gibt heute vielfach bes- approximiert.
sere, d.h. komplizierte Scheibenelemente [Zien- Aus dem Ansatz und dessen partiellen Ablei-
kiewicz/Taylor 1989, Krätzig/Basar 1997]. tungen nach den ~a• abgekürzt durch ein Semi-
kolon, gewinnt man im unteren Teil der Abb. l.5-
4-Knoten-Rechteckplattenelement. Abschlie- 93 die Matrix c~>•, wobei dort zunächst mathe-
ßend wird, wieder nach der in Abb. 1.5-81 nie- matische Drehfreiheitsgrade ye• = {w;I>W;2} Ver-
dergelegten Standard-Vorgehensweise, das ein- wendung finden. Das Ergebnis der Ablösung der
fachste, auf [Adini 1961] zurückgehende recht- Freiwerte a 1 bis a12 gemäß der Standard-Vorge-
eckige schubstarre Plattenelement hergeleitet. In hensweise leitet Abb. 1.5-94 ein. Dort sind sämt-
seinen 4 Eckknoten sind gemäß Abb. 1.5-93 die liehe Formfunktionen n,•bis !112*des Verschie-
transversale Durchbiegung w und die beiden bungsfeldes aufgeführt und die beiden ersten ex-
Drehvektoren q>I> q>2 als Freiheitsgrade definiert. emplarisch dargestellt.

Theorie der Tragwerke 1-193


Element, Knotenpunkte und Freiheitsgrade:

Näherungsansatz des Verschiebungsfeldes:

u• =~··u· =w<;,.;z>=[1 ;, ;2 ;: ; ,;z ;~ ;: ;:;2 ;,;~ ;~ ;:;z ;,;i]· a3


a~

Partielle Ableitungen:
w;t =az + 2a4;1 +as;z + 3a7;: + 2as;1;2 +ag;~ + 3an;~;z +a,z;~
w;z =al + as; , + 2a6;2 +as;: + 2ag; ,;2 + 3a,o;~ + 3an;: + 3a,2;,;~

W;n =2a~ +6a1;1 + 2as;z +6an;1;2


w;12 =as +2as;, +2a9;2 + 3an;: + 3a12;~
w;22 =2a6 + 2ag; , +6a10;2 + 6a12;1;2

Definition mathematischer Freiheitsgrade:


Wm a,
w:1(1l az
w:2m al
Ww a4

.. =
w:,(z> 3 as

y
W:zm a6
=~·.n· -tu• =W) 1·v··
w(J, 1 a7
w:ul> 2 as
w;2(J> 2 2 3 ag
w(4) a, o
w:l( ~> a,,
w;2(4) 2 3 au

Abb. 1.5-93 Rechteckplattenelement Verschiebungsfeldapproximation 1

Löst man nun noch die mathematischen Frei- (1.5.221}


heitsgrade v"* durch die bekannten Drehfrei-
heitsgrade ab erfolgt, so gewinnt man im unteren Teil von Abb.
1.5-94 die endgültige kinematische Feldapproxi-
cpl = W,2 = W;2/b, cp2 = -W,J = W; 1/a, (1.5.220)
mation.
was über die Umordnungsmatrix Die aus diesen Formfunktionen herzuleiten-
den Approximationen der Verzerrungsfelder Ee

1-194 Allgemeine Grundlagen


Formfunktionen des Verschiebungsfeldes:
wol
ue =4>e-ue =4>e. (~ef ve• =ne•_ ve· W;1(1)
= w(~1 .~ 2 ) = [n; n; n; n; n; n~ n; n; n; n;0 n;, n;2J· W
;2(1)
W(2)

n; =1-3~?-~1 ~ 2 -3~~ +2~f +3~h 2 +3~,~~ +2~~ - 2~f~ 2 - 2~1 ~i W:H2l


W;2(2)
n; =~,-2~?-~1~2 +~f +2~f~2 - ~f~2 w(3)
ni =~2-~1~2-2~~ +2~1~~ +~~-~~~i W:10)
n~ =3~? +~1~r 2~f- 3~fs2- 3~,~~ +2~f ~2- 2~1~i W;2(3)
n5 =-~? +~f +~f~2-~?~2 W(4)
W;1(4)
n~ =~1 ~ 2 - 2~1~~ +~~~i
W;2(4)
n; =-~~~2 +3~fs2 +3~,~~-2~h2-2~1d
n;= -~fs2 +~f~2
n; = -~~~~ + ~~~i
n;0 =~1 ~ 2 +3~~ - 3~?~ 2 - 3~1 ~~ - 2~i + 2~?~ 2 +2~,~~
n1,• =~1~2 - 2~,2~2 +~13~2
n;2 = -~~ + ~1~~ +~i- ~1~i
Darstellung der Formfunktionen:

Formfunktion n~ Formfunktion Oj

Ablösung der mathematischen durch mechanische Freiheitsgrade:

v•' =J; -v•· mit: v•T =lWm <p 10 ,


1
J, 0

J,
J,*=

0 J,

J,

Abb. 1.5-94 Rechteckplanenelement Verschiebungsfeldapproximation 2

Theorie der Tragwerke 1-195


folgt den bereits aufgezählten Transformations- figkeitselemente ab. Trotz der Nichtkonformität
schritten. Beachtet man dabei die im Kinematik- dieses Elementes ist dieses vielfach im Einsatz
koperator Dk gemäß Abb. 1.5-76 verwendeten und liefert gute Ergebnisse.
Umformungen
1.5.3.4
w ,u = W;ula 2 , w,12 = W;12!ab, (1.5.222) Tragwerksanalysetechniken
w.22 =W;22/b2 ,
so entsteht das auf Abb. 1.5-95 wiedergegebene Direkte Steifigkeitsmethode
Ergebnis. Aus den in der Formfunktionsmatrix
H" durch Zahlen abgekürzten Formfunktionen Allgemeines Weggrößenverfahren. Der allgemei-
wird erkennbar, daß dieses Plattenelement die ne Weggrößenalgorithmus der Abb. 1.5-81 be-
Verkrümmungen Ku, K22 bilinear approximiert, steht aus folgenden Hauptschritten:
die Verwindungen K12 quadratisch. - Aufbau der kinematischen Transformations-
Mittels der Formfunktionsmatrizen Q•, H" matrix a.
lassen sich erneut Element-Steifigkeitsmatrix k", - Ermittlung der Steifigkeitsmatrix k aller Trag-
0 werkselemente.
Lastvektoren s" und Schnittgrößenapproxima- - Erstellung der Gesamt-Steifigkeitsmatrix K
tionen gemäß Abb. 1.5-81 ermitteln. Die mit ei- und des Lastvektors P.
nem Formelmanipulator aus H" sowie E gemäß - Lösung der Gesamt -Steifigkeitsbeziehung V=
Abb. l.5-76 integrierte Steifigkeitsmatrix enthält K-I .p.
Abb. 1.5-96; darin kürzen die Zahlen die als - Ermittlung der Element-Freiheitsgrade v aus
Funktionen der Seitenverhältnisse a/b, b!a und V mittels der kinematischen Transformation
der Querdehnungszahl v wiedergegebenen Stei- v=a·V.

E
e
[""]
= 2K 12 = Dk·U = Dk·O · V
K22
t t e• e•
= Dk·O ·J, · V
• e• e
= H ·V
e

w(l) Cjl l(l) Cjl2(1) Wm Cjll(2) Cjl2(2) w(l) Cjll(l) Cjll(l)

.r"·''
w4 Cjll(4) Cjl2(4)
0 2 -1 0 3 4 0 5 -4 0
H"= [ ; 8 9 -7 -8 10 11 - 10 -7 - 11 - 9 ·(- 2/abl
12 13 0 14 15 0 - 14 16 0 -12 17 0 ·( - 1tb1)
·b ·(-al b ·(-a) ·b ·(- a) ·b ·(- a)
Spaltenfaktor Zeilenenfaktor t
Abkürzungen:
Nr. Formfunktion Nr. Formfunktion

1 -6+ 12~1 +(~1-12~1~1 10 2~, - ~;


2 -4+6t;l + ~l-6t;1~2 11 -21;2 + ~~
3 - 2+6t;l+2~1-6t;l~2 12 -6+6t;l + 12~1 - 12~ 1~1
4 fil;1 -12E;IE;l 13 -4+~1+6t;l- 12~ 1~2
5 - 2E;I +fil;IE;l 14 -fit; I+ 12~1E;1
6 -4E;l +6t;~2 15 -~I +6t;,~1
7 - 1+6E;1+fil;1-fil;: -fit;~ 16 -21;1 +6t;,~1
8 -1+~1-~~ 17 -2+2f;I+6E;l-fil;IE;l
9 -1+~,-~;

Abb. 1.5·95 Rechteckplattenelement Formmatrix der Verzerrungen

1-196 Allgemeine Grundlagen


Element und Knotenfreiheitsgrade:
XI ~ Wl2l <l>l(l) <Pl(ll w(l) <P1 131 <Pm1
3 ----<
a
(X = b '
b
ß= -=u-1
a
----<
4
o--------------------o
w(41 <P1(41 <Pl(41
b

Elementsteifigkeitsmatrix:
!1 I2 I l I 4 I s I 6 I 7 I 8 I9 10 ln I 12 I
112 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1
IB 14 -5 15 0 8 16 0 -11 17 0 2
18 19 0 20 -9 0 21 -1 2 0 22 3
-2 3 10 -11 12 7 -8 9 4

13 - 14 11 17 0 -8 23 0 s
22
k ·=-1- .~ 18 -1 2 0 -9 0 21
-
6

30ab 12(1 -v 2 ) 1 -3 4 5 -6 7
symmetrisch 13 - 14 -5 15 0 8

18 -6 0 -20 9
-2 -3
-1110
13 14
18 12

Steifigkeitselemente:
Nr. Nr. Nr.

0 0
1 3(10a 2 + 10ß 1 -2v+ 7) 9 3a(10ß 1 -v+ 1) 17 2b 2(Sa 2 -v+1)
2 l>(-10a 2 -4v-1) 10 3(-Sa 2 -5ß 2 -4v+7) 18 8a2(5ß2-v+1)

3 3a(10ß 2 + 4v - 1) 11 l>(-Sa 2 -v+ 1) 19 Sa(5ß 2 -4v - 1)


4 3(- 10a 1 + Sß 2 + 2v -7) 12 3a(5ß 2 +V- 1) 20 4a 2(Sa 2 +2v - 2)
5 l>(- 10a 2 + v-1) 13 8b 1 (Sa 2 - v+1) 21 2i(10ß 1 + v-1)
6 3a(5ß 2 -4v-1) 14 30abv 22 2i(5ß 1 -v+ 1)
7 3(Sa 1 - 10ß 2 +2v-7) 15 2b 2(10a 2 + v+ 1) 23 4b 2(Sa 2 +2v-2)
8 l>(-Sa 2 + 4v - 1) 16 4b 2(Sa 2 +2v-2)

Abb. 1.5·96 Rechteckplattenelement Steifigkeitsmatrix

Dieser Algorithmus zur Tragwerksanalyse soll einen besonders zeitintensiven und speieher-
nun durch Modifikationen noch merkbar ge- platzbeanspruchenden Rechenschritt. Dieser
strafft werden. wird sich ganz erheblich vereinfachen, wenn die
Abgesehen von der Lösung der Gesamt-Stei- Element-Freiheitsgrade wie die Knotenfreiheits-
figkeitsbeziehung bildet der Autbau von K mit- grade nach der globalen Basis ausgerichtet wer-
tels der Kongruenztransformation den. Außerdem läßt sich die Leistung des Algo-
rithmus erhöhen, wenn Tragwerke zunächst oh-
K = aT · k · a (1.5.223)
ne ihre Auflagerbindungen behandelt werden.

Theorie der Tragwerke 1-197


Globale Elementmatrizen. Jeder Satz allgemei- Leser leicht nachvollziehbar, ebenso wie die Ve-
ner Freiheitsgrade {u 1 Uz u3} bzw. {<p 1 <pz <p3} bil- rifikation ihrer Eigenschaften (1.5.225).
det ein orthogonales Vektordreibein und kann Mit den in Abb. 1.5-97 enthaltenen Matrizen
wie dieses drehtransformiert werden. Bezeich- können z.B. die (lokal ausgerichteten) Stabend-
net beispielsweise e = {e 1 e2 e3} eine lokale kar- kinematen v" eines ebenen Stabelementes durch
tesische Vektorbasis und eg ={egl egz eg3} ihr glo-
ul ul
bales Gegenstück, so beschreiben
Wl c 0 Wl
(1.5.224)
ve::: <pl <Pi =ce·Ve
die gegenseitigen Drehtransformationen. Die
-------,..-------
I

I
g
ur ur
quadratischen Drehmatrizen 3. Ordnung c, cT 0 c
wr wr
enthalten die sog. Winkelkosinus, sie sind stets
orthogonale Matrizen mit folgenden Eigen- <pr <pr
(1.5.226)
schaften:
aus den zugehörigen globalen Stabendkinema-
c · cT = cT · c = I, d.h. c- 1 =cT, det c = 1 .
ten vg' drehtransformiert werden. Die hierdurch
(1.5.225)
definierte Element-Drehmatrix ce besitzt irrfol-
Besonders einfach sind diese Drehmatrizen für ge ihrer Struktur identische Eigenschaften
den Sonderfall ebener Tragwerke (ebene Stab- (2.5.225) wie c, und es gilt allgemein:
tragwerke, Scheiben) aufzustellen. Hierzu wur-
Se::: Ce·Sge, Sge::: Cer, 5e,
de im oberen Teil von Abb. 1.5-97 ein Element- (1.5.227)
knoten mit seiner lokalen {x, z: el>e 3} und glo- v"::: Ce·Vge , Vge = ceT.ye.
balen {X, Z: egl>eg2 } Basis dargestellt. Die jeweils
3. Achsen weisen wie üblich aus der Zeichene- Damit kann für jedes finite Element eines Trag-
bene heraus. Die Herleitung der beiden zuein- werks folgende Drehtransformation indie Rich-
ander transponierten Drehmatrizen ist für den tung der globalen Basis aufgestellt werden:

Ebene lokale und globale Basen:

z
Aufstellung der Transformationen:
e 1 = cosa- e91 +0- eg2-sina- e93 e 1 = cosa -e 1 +0-e 1 +sina -e 3
e2 = O·e91 +1· e91 +0 ·e93 e1 = O·e 1 +1-e 1 +0 -e 3
e 3 = sina -e91 +0 ·e91 +cosa -e93 e 3 =-sina -e 1 +0-e 1 +cosa -e 3

e 1] [cos a -sin a 0] [ e91 ]


e = [ e 3 = sina cosa 0 · e93 = c-e9
e2 0 0 1 e 91

Abb. 1.5·97 Drehtransformationen lokaler und globaler Basen

1-198 Allgemeine Grundlagen


heitsgraden zuordnet (s. Abb. 1.5-99}. Eine sol-
0
che Tabelle bildet die wichtigste topologische In-
formation jedes FE-Programmsrstems.
Gesamt -Steifigkeitsmatrizen Klassen sich so-
mit rechenzeit- und speicherplatzsparend durch
0 0 positionsgerechten Einbau der Element-Steifig-
keitswerte bestimmen, ausgehend von einer
quadratischen Nullmatrix K=0. Dieser Vorgang
(1.5.228) wird als direktes Einmischen der Steifigkeitszah-
len in Kbezeichnet, er erspart die 2-fache Mul-
tiplikation der Kongruenztransformation
Durch (1.5.223} undgab der Gesamtmethode ihren Na-
0 0
men: direkte Steifigkeitsmethode. Ein gleicharti-
(1.5.229)
ges positionsgerechtes Einmischen, nunmehr in
werden somit die ursprünglich auf die lokale eine Nullspalte S0 = 0, kann auf den Aufbau der
0 Beiträge der globalen Festhaltekraftgrößen sagk>
Elementbasis bezogenen k" und s" in die globa- sbgl übertragen werden. Zur Veranschaulichung
len Richtungen gedreht und man erhält die glo- dieses direkten Einmischprozesses dient das in
bale Element-Steifigkeitsmatrix kg" sowie die Abb. 1.5-99 wiedergegebene Beispiel.
0
globalen Volleinspannkraftgrößen s~ . Der Gesamtalgorithmus. In Abb. 1.5-99 wurden
Kund S0 zunächst für die Gesamtheit der mög-
Die zu (1.5.228} inverse Transformation besitzt lichen Knotenfreiheitsgrade des Tragwerks auf-
einen analogen Aufbau. Selbstverständlich er- gebaut, d. h. für die Summe der aktiven und pas-
folgen diese Drehtransformationen stets com- siven, durch Auflagerbindungen eigentlich ge-
puterintern. Zur Veranschaulichung für den Le- fesselten Freiheitsgrade. Auflagerbindungen
ser ist sie in Abb. 1.5-98 für ein ebenes Stabele- blieben somit zunächst völlig unberücksichtigt,
ment analytisch ausgeführt worden. eine heute übliche Vorgehensweise von FE-Pro-
grammen. Damit werden zwar die Ordnungen
Gesamtmatrizen K und P durch Einmischen. von K und S0 aufgebläht, aber auch erhebliche
Würde man nun mit den in die globale Richtung Vorteile gewonnen.
gedrehten Element-Freiheitsgrade vg" die kine- Die ersten 4 Schritte des in Abb. 1.5-100 zu-
matische Transformationsmatrix a aufbauen, so sammengestellten Algorithmus der direkten
bestände diese offensichtlich nur aus den Wer- Steifigkeitsmethode folgen aus den bisherigen
ten 0 und 1. Die zur globalen Steifigkeitsmatrix Ausführungen. Hieran anschließend erfolgt im
K führende Kongruenztransformation (1.5.223) Schritt 5 die Separation der aktiven Knotenfrei-
würde die einzelnen Steifigkeitszahlen in k da- heitsgrade V von den passiven Auflagerfreiheits-
her unverändert lassen, diese aber an bestimm- graden V, in V, zum späteren Einbau der Lage-
te Positionen von K befördern (Krätzig/Basar rungsbedingungen. Wegen der korrespondie-
1997}. Diese Positionen bestimmen sich aus der renden Anordnung der Elemente in Vund Pist
Zuordnung der gedrehten Element-Freiheits- diese Umordnung natürlich für alle Zeilen und
grade vgk zu den ursprünglichen Knotenfrei- Spalten der Gesamt-Steifigkeitsbeziehung ge-
heitsgraden V; des Gesamttragwerks in folgen- mäß Abb. 1.5-100 vorzunehmen.
der Weise: Entsprechen den globalen Knoten- Aus der nunmehr entstandenen oberen Ma-
freiheitsgraden V; und Vj die Element-Freiheits- trizenzeile wird die in Schritt 6 aufgeführte re-
grade v'lgk> vhglo ••• und v'lgr, V~so ••• ,so baut sich duzierte Gesamt -Steifigkeitsbeziehung
~as Element Kij der Gesamt-Steifigkeitsmatrix
K · V + K/· V, + S =P : (1.5.231)
K durch folgende Superpositionsregel auf:
V= K- 1 • (P- S0 - K/· V,) ,
K;j =kakr + kbls + ... , 'tf i,j =1, ... m. gewonnen, aus der durch Lösung die aktiven
(1.5.230)
Knotenfreiheitsgrade V bestimmt werden. Im
Grundlage dieses Einmischprozesses ist die Zu- allgemeinen werden die Auflager als undefor-
ordnungs- oder Inzidenztabelle, welche die glo- miert, V, =0, angenommen, wodurch das Glied
balen Element-Freiheitsgrade den Knotenfrei- Kl· Vc entfällt.

Theorie der Tragwerke 1-199


Element-Steifigkeitsbeziehung bezüglich
der lokalen Elementbasis x, z:

12EJ 24(1+ v)l 2


$= -
GAol1 al
Schubstarrheit cp = 0

NI EA
I 0
12EJ
0 -, EA
0 0
• ul
6EJ 12EJ 6EJ
Ql --- 0 -3- - wl
1311+dll 11(1+$) 1 11+dll 11 11+ dll
EJ(4+$) 6EJ EJ(2+$)
MI 0 91
l(l+cp) 1(1+$)
s• = 12(1+$)
= k0 ·v·
EA
N,
I
0 0 u,

Q, symmetrisch - -
12EJ
13(1+$)
6EJ
12(1+$)
w,
EJ(4+$)
M, 1(1+$) $,

Element-Steifigkeitsbeziehung bezüglich der


globalen Elementbasis X, Z:

r ~~~~
z

~Cl+~~l EA 12EJ
- -a+--cs ---s
6EJ
-~cl+~~l EA 12EJ
-a - --cs ---s
6EJ
.
I 13(1+<:>1 I 11(1+<)) 12(1+<:>1 I 13 (1+<:>1 I 13(1+<)) 11(1+<))
-~sl+~cl 6EJ EA 12EJ
-~sl- ~c l 6EJ
---( --cs+ - - c s ---(
I ll(l+<l>l ll(l+Q) I 13(1+()) I 13!1+41>) 11(1+())
EJ(4+q,l 6EJ 6EJ EJC2+ q,l
--s --c
.l+q,) 12(1+41>) 11(1+<)) . 1+<))

~c~+~sl EA 12EJ 6EJ


--es---es --s u,
I 11!1+4>) I 13(1+()) 11(1+())
6EJ
Q, symmetriS<h ~~l-~Cl --( w,
I 13(1+41>) 11(1+4>)
EJC4+q,l
.l+Q)

Abb. 1.5-98 Element-Steifigkeitsbeziehung eines ebenen, schubweichen Stabes hinsichtlich lokaler und globaler Basen

1-200 Allgemeine Grundlagen


BaustatiKhe Skizze: Globale Knotenfreiheitsgrade:

rrmm _l ~~1~--~~-=~---r-

lnzidenztabelle: Globale Element-


VI 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Freih0?e
itsgrade:
Element 1 1 2 3 4 5 6 -4
2 1 2 3 4 5 6 2
1
3 1 2 4 5 6

Einmischvorgang:

r-n-r-r-rn 6
1G 11111111~4
~3 CD 3
+


1LI:~--~4
~3 CD ~
+

1~~ 3 2

CD~
~ 4
6

Abb. 1.5-99 Aufbau von Kund P durch Einmischen

Theorie der Tragwerke 1-201


1. Diskretisierung des Tragwerks in Knotenpunkte und p geeignete Elemente.

2. Definition und Bezeichnungen aller wesentlichen äußeren Knotenfreiheitsgrade Vy j = 1, ... m des ungefesselten,
diskretisierten Tragwerkmodells in Richtungen der globalen Basis.

3. Aufbau der lnzidenztabelle zur Verknüpfung sämtlicher äußeren Knotenfreiheitsgrade v1mit den globalen Knoten-
freiheitsgraden v~ aller p Elemente, e =1, ... p:

Knotenfreiheitsgrade Vi 1 2 3 4 s 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Elementfeiheitsgrade v~ 1
Elementa: 1 2 3 4 5 6
Elementb: 1 2 3 4 5 6
Elemente: 1 2 3 4 5 6

Elementk: 1 2 5 6 3 4
Element I: 1 2 3 4 4 5
Elementm: 1 2 3 4 4 5

4. Bereitstellung der Leermatrix K der Ordnung (m, m) sowie zwei er Leerspalten s•. P (m, 1).
Positionsgerechtes Einmischen der in die globalen Richtungen dreh-
tran~formierten Steifigkeitselemente nebst Volleinspannkraftgrößen
sowre der vorgegebenen Knotenlasten:
K=
[ l [l [l
'
S=
'
p. = .

5. Einbau der kinematischen Tragwerksrandbedingugnen durch Separation der aktiven


Freiheitsgrade V von den durch Auflagerbindungen
gefesselten, passiven Freiheitsgraden Vc in der Gesamt-
Steifigkeitsbeziehung:

6. Lösung der reduzierten Gesamt-Steifigkeitsbeziehung (obere Zeile):


K·V+ KT V +S = P: V= K- 1·(P- KJ ·V<- S ).
Anteil vorgegebener AuflagerverS<hiebungen und ·Verdrehungen

7. Ermittlung der Auflagergrößen (untere Zei le):

8. Elementweise Ermittlung der globalen Element-Freiheitsgrade '1 aus dem Lösungsvektor V mittels der lnzidenz-
tabelle und Rücktransformation der in die lokale Basis.

9. Elementweise Ermittlung der Approximation der Element-Verzerrungsfelder E• sowie der zugeordneten


Schnittgrößenfelder o<.
r• = H• ·v•, o• =(EH0 )· v•, e=l, ... p
aller p verwendeten finiten Elemente.lm Sonderfall von Stabelementen erfolgt zunächst die Bestimmung der
Knotenkraftgrößen aus der Element-Steifigkeitsbeziehung.
s• = k0 · v• +~·, e= l, ... p
sowie eine nachlaufende Ermittlung der Schnittgrößen o< in den Elementen.

Abb. 1.5-100 Algorithmus der direkten Steitigkeitsmethode

1-202 Allgemeine Grundlagen


Die untere Matrizenzeile des Schrittes 5 aktiv arbeitende Programmteile dar, welche die
generierten Daten über Schnittstellen (E =Ein-
Kc · V + Kcc · Vc + S/ = Pc : (1.5.232) gabe,A =Ausgabe) einer im Hintergrund arbei-
C = Pc= Kc · V+ Kcc · Vc + S/
tenden Datenbank zuführen. Dort bereitgehal-
liefert, nach Substitution von V, die den passiven ten sind sie Basis der eigentlichen Analyse. Auf-
Freiheitsgraden Vc zugeordneten Kraftgrößen bauend auf den aus Eingabe- und Berechnungs-
P0 d.h. die Aujlagergrößen. Die vorgeschlagene phase gespeicherten Daten stellt das Postpro-
Vorgehensweise des Aufbaus der Gesamt-Stei- cessing die Ergebnisse computer-graphisch dar.
figkeitsbeziehung zunächst für die Gesamtheit Der eigentliche Programmkern unterteilt sich
der aktiven und passiven Knotenfreiheitsgrade in die Vorlaufphase, die Berechnungsphase und
und der erst spätere Einbau der Auflagerbin- die Nachlaufphase, über welche Abb.l.5-102 und
dungen stellt somit vorteilhafterweise auch die 1.5-103 einen überblick geben. Im Programm-
Auflagergrößen bereit. kern wird der Leser unschwer den im letzten Ab-
Die abschließenden Schritte 8 und 9 der Abb. schnitt behandelten Algorithmus der direkten
1.5-100 sind aus dem bisherigen Gesamtzusam- Steifigkeitsmethode in seinen datentechnischen
menhang heraus selbsterläuternd. Einzelschritten wiedererkennen.

Finite-Eiement-Programmsysteme Bandbreiten- Minimierung. Finite-Element-Pro-


grammsysteme werden von der Entwurfspraxis
Programmstruktur. Programmsysteme zur Fi- häufig als Black-Box-Instrumente eingesetzt, ob-
nite-Element-Analyse von Tragwerken arbeiten wohl auch der AnwenderKenntnisse der wich-
heute fast ausschließlich nach der direkten Stei- tigsten Programmkomponenten besitzen sollte.
figkeitsmethode. Sie stellen komplexe Stoft- Zur Gleichungsauflösung werden in FE-Pro-
wareprodukte dar, deren Herstellungsaufwand grammsystemen heute überwiegend direkte und
durchaus mehrere hundert Mannjahre umfassen nur noch selten iterative Verfahren eingesetzt.
kann. Dem eigentlichen Programmkern ist das Eine Kurzübersicht über Lösungsverfahren ent-
Preprocessing vor- und das Postprocessing nach- hält [Wunderlich/Redanz 1995], Detailbeschrei-
geschaltet , wie dies für die Programmstruktur bungen sind in [Bronstein/Semendjajew 1991,
in Abb. 1.5-101 dargestellt ist. Beide Programm- Engeln/Reutter 1988,Zurmühl/Falk 1984] zu fin-
phasen stellen autarke, zumeist graphisch-inter- den.

Preprozessor Programmkern Postprozessor

1-----1 POSTPRO I
1------1 Schnittgrößen

~ ~ Schni~Wößen -
~ grenzl1n1en

Abb.1.5-101 FE-Programmstruktur

Theorie der Tragwerke 1-203


Vorlaufphase
Di.skreti.sierung:
Anzahl der Knotenpunkte
Anzahl der äußeren Freiheitsgrade je Knoten
Gesamtanzahl der Knotenfreiheitsgrade
Anzahl und Art der Elemente
Gesamtanzahl der Elemente
Anzahl der Freiheitsgradfesselungen durch Lager

Topologie:
Element-Knotenbeziehungen
lnzidenztabelle
Unterscheidung aktive/passive Freiheitsgrade

Tragwerksgeometrie und -Steifigkeit:


Knotenpunktkoordinaten
Physikalische Elementdaten

Tragwerkseinwirkungen je Lastfall:
Anzahl der Lastfälle
Knotenlast P
Vorgegebene Knotenweggrößen Vc
Vorgegebene Elementeinwirkungen
Elementlasten, Temperatur, ...
Datenspeicher

Abb. 1.5-102 FE-Programmkern, Vorlaufphase

Gesamt-Steifigkeitsmatrizen K sind quadra- darunter dargestellten, durch den Einmischpro-


tisch,symmetrisch und von bandartiger bis gleich- zeß gewonnenen Belegung von K mit b =30 führ-
mäßig dünner Belegung. Bei der Gleichungsauf- te. Dabei wurden die Elementsteifigkeitsmatri-
lösung der reduzierten Gesamt-Steifigkeitsbe- zen der Ordnung 8 x 8 als voll belegt angenom-
ziehung (1.5.231) ist eine geringe Bandbreite b men. Numeriert man dagegen die Knotenfrei-
von K stets äußerst vorteilhaft, weil mit der heitsgrade wellenfrontartig von links nach
Bandbreite Speicherplatzbelegung, Anzahl der rechts, so resultiert hieraus eine Bandbreite von
auszuführenden Maschinenoperationen und da- b= 12. Verallgemeinernd kann man feststellen,
mit Lösungsungenauigkeiten ansteigen. Eine daß sich die geringste Bandbreite für diejenige
kleine Bandbreite ist immer anzustreben, weil Knotenpunkts- oder Freiheitsgrad-Numerie-
ein möglicherweise schlecht konditioniertes rung einstellt, bei welcher die größte Differenz
Gleichungssystem [Krätzig/Basar 1997) mitklei- benachbarter Nummern minimal wird. Daher
ner Bandbreite hardwaremäßig gerade noch lös- sind in Abb. 1.5-104 die Knotennummerndiffe-
bar sein könnte, mit größerer Bandbreite dage- renzen d in die jeweilige Knotennumerierung
gen nicht mehr. eingetragen.
Die Bandbreite einer Gesamtsteifigkeitsma- Auf dieser Basis existieren algorithmische
trix K hängt allein von der Numerierungsrei- Konzepte zur Bandbreitenminimierung; einen
henfolge der Knotenpunkte ab, wie das in Abb. Überblick gibt (Krätzig/Basar 1997). Wird ein
1.5-104 dargestellte Beispiel bei Skyline-Abspei- kompliziertes Tragwerk diskretisiert, so be-
cherung belegt. Das dortige rechteckige Schei- stimmt der Generierungsalgorithmus des Pre-
bentragwerk wurde durch 12 ebenfalls recht- prozessors die Knotennumerierung, zumeist
eckige Scheibenelemente mit jeweils 8 Verschie- nach der Generierungsreihenfolge. Verdichtet
bungsfreiheitsgraden in den Eckpunkten dis- man beispielsweise eine frühere Diskretisierung
kretisiert. Im oberen Teil der Abbildung wurde nachträglich, so werden in Umgehungen mit nie-
die Knotenpunkts- und konform dazu die Kno- drigen Knotennummern oft sehr hohe eingefügt
tenfreiheitsgrad-Numerierung schneckenförmig mit der Folge einesAnwachsens von b.Daher set-
von außen nach innen vorgenommen, was zu der zen moderne FE-Programme grundsätzlich und

1-204 Allgemeine Grundlagen


Datenspeicher Berechnunggsphase

Systemmanagement
INTEGER
Festlegung des Arbeitsspeichers: K,S ~ P ,
REAL
Speicherverwaltung: Adreßberechnungen
Modul-Ablaufsteuerung
Schleife e= 1 (1) p
r---
Gesamt-Steifigkeitsmatrix K:
I- -
Assern blieru ng von K,durch positonsgerechtes
Einmischen der globalen Elementsteifigkeiten ~
- -
Einarbeitung der Randbedingungen:

Umordnung: K= -[Hf] - [sJ -


K, K,, S,
-
' , S = - , P= [PJ
P,

Knotenlasten P:
Positionsgerechter Einbau je Lastfall

Vorgegebene Knotenweggrößen Vc:


Positionsgerechter Einbau je Lastfall

J= ..
Schleifee = 1 (1) p
.:0:
Ql
_I Volleinspannkraftgrößen S( , 5°: t-- .s:::
I Berechnung und positionsgerechter Einbau je Lastfall !----" .!:!

_I Lösung der Gesamt-Steifigkeitsbeziehung:


..
::;:;
:D
c
Ql
E
V = K-1o (P - ~o Vc- S 0 ) je Lastfall Ql
;:;:;
l

- I Ermittlung der Auflagergrößen:


0

c = Pc= Kc · V+ Kcc Vc + Sc je Lastfall


0

Nachlaufphase Schleife e= 1 (1) p

Identifikation der globalen Elementsfreiheits-


grade v~ aus V, Vc und Rücktransformation: I- t--
t-- !----"
v = c! 0
v~ je Lastfall

Schleife e= 1 (l)p

~~
Berechnung der Schnittgrößenfelder:
ae = (EH•) je Lastfall
0

~
Abbo 1.5-103 FE-Programmkem, Berechnungsphase

Theorie der Tragwerke 1-205


Freiheitsgradnummerierung Nr. 1: Zugehörige Gesamt-Steifigkeitsmatrix:
1 11 21 31

K=
Knotennummerierung Nr. 1: 21
1 2 3 4
I 1 I
3
~ 151 I
13 16
1
13 17
II
13
6
113 5 20 3 19 I 18 I 31
1 1 1 11
I 12 9 II 9 10 99 1
1 1
Kleine Zahlen:
Knotennummerndifferenzen d, rnax d = 14 Bandbreite: b =30

Freiheitsgradnummerierung Nr. 2: Zugehörige Gesamt-Steifigkeitsmatrix:


3 5 7 9 1 11 21 31

Knotennummerierung Nr. 2: K=
21
1 5 9 13 17

1
0t 4
6
4

4
1 10
4

4
I
14
4

4
I
18
13 I 7 I
111 I 15 31
19
I4 I 8 I 12 I 16 1
20
4 4
Kleine Zahlen:
=
L ___
Knotennummerndifferenzen d, rnax d 5

Abb. 1.5·1 04 Beispiel zur Bandbreitenminimierung

automatisch Bandbreitenminimierer ein, um die Netzadaptionen und vieles mehr, für die auf die
Effektivität der Gleichungsauflösung zu er- Literatur verwiesen werden muß.
höhen.
Noch viele wichtige Techniken zur FE-Analy- Fehlerquellen und Kontrollmöglichkeiten. Es ist
se wären anzusprechen, beispielsweise die Ver- erstaunlich, wie kritiklos viele Ingenieure den
wendung von Makroelementen, die Substruktur- von ihnen mittels Computern erzeugten Ergeb-
technik, das Arbeiten mit Grob- und Feindiskre- nissen gegenüberstehen. Offensichtlich sugge-
tisierungen gemäß Abb. 1.5-105, automatische riert die Hardware, daß die Zuverlässigkeit von

1-206 Allgemeine Grundlagen


ger auf als kritiklose Benutzer vermuten. Auch
wenn sich ein Programm immer als ausführbar
sowie terminiert erwies und bisher stets korrek-
te Ergebnisse produzierte, ist dies kein Beweis
seiner generellen Korrektheit. Ein interessanter
Aspekt ist die Programmalterung, die durch Ein-
stellung der Systempflege hinsichtlich bestimm-
ter Betriebssystem- und Compilerversionen ent-
steht. Sicherheit gegen beide Fehlerquellen bie-
ten neueste, weil fehlerärmste Programmversio-
nen.

Fehler im numerischen Prozeß. Einfache FoRT-


RAN-Genauigkeit REAL *4 ist für FE-Analysen i. a.
nicht ausreichend, während REAL *8 übliche Lö-
sungsinstabilitäten durch Rundungsfehler zu-
Abb. 1.5-105 Grob- und Feindiskretisierung eines meist vermeidet. Bei allen iterativen Verfahren
Rohrteils
treten Abbruchfehler auf. Fehlerakkumulation
kann bei bestimmten Algorithmen entstehen,
Computeranalysen diejenige manuellen Ur- die Rundungsfehler akkumulieren. Abhilfe fin-
sprungs automatisch übertrifft. Dies ist natür- det der Anwenderinder Wahl einer höheren Ge-
lich nicht der Fall, da Computeranalysen eben- nauigkeit.
falls vielen Fehlerquellen unterliegen, die er- Nur die souveräne Beherrschung dieser viel-
kannt werden müssen und für welche Verifikati- fältigen Unschärfen und Fehlerquellen führt zu
onsstrategien beherrscht werden sollten. Die fol- einer professionellen Ergebniszuverlässigkeit!
gende Übersicht geht auf Hardwarefehler nicht
ein. 1.5.4
Dynamik der Tragwerke
Fehler des strukturmechanischen Modells. Die in
der Theorie der Tragwerke zu analysierenden 1.5.4.1
Strukturen sind vereinfachte, idealisierte Model- Der Einmassenschwinger
le der technischen Realität. Modell und Realität
können bei unscharfer Modellbildung beträcht- Viele Lasteinwirkungen auf Bauwerke sind
lich voneinander abweichen. Abhilfen bilden ihrem Wesen nach "dynamisch", etwa die Wind-
Sensitivitätsanalysen. Beim Verknüpfen unter- last oder die Beanspruchung einer Eisenbahn-
schiedlicher finiter Elemente treten häufig Kopp- brücke während einer Zugüberfahrt. Wenn die -
lungsinkompatibilitäten auf, beispielsweise bei im Rahmen der Statik stillschweigend getroffe-
der Kopplung drehfreiheitsgradfreier Scheiben- ne - Übereinkunft fallen gelassen wird, wonach
mit Balkenelementen. Abhilfe: Kenntnisse der die wirkenden Lasten derart langsam aufge-
Strukturmechanik. bracht werden, daß Massenkräfte (als Produkt
Masse mal Beschleunigung) keine Rolle spielen,
Fehler in der Eingabe. Generelle Eingabefehler betritt man das Gebiet der Baudynamik, mit der
entstehen durch systematisch oder zufällig feh- Statik als Sonderfall. Entscheidend für die Not-
lerbehaftete Programmeingaben. Vermeidbar wendigkeit einer dynamischen Untersuchung ist
sind sie durch gewissenhafte, systematische Ein- das Auftreten nennenswerter Massenkräfte; dies
gabekontrollen auf der Grundlage sorgfältiger ist dann der Fall, wenn das Tragwerk dem Last-
Eingabedokumentationen. Auch auf CAD-Basis prozeß nennenswerte Energiebeträge entziehen
erstellte Netzgenerierungen können Eingabe- und sie in kinetische Energie umwandeln kann.
fehler aufweisen, beispielsweise aus Fehlver- Die wesentlichen Methoden und Beziehungen
knüpfungen infolge einer zu groß eingestellten der Baudynamik lassen sich am "Einmassen-
Toleranz des Fangalgorithmus. schwinger" als einfachstem baudynamischen
Modell anschaulich demonstrieren, dessen Ver-
Fehler im numerischen Modell. Programmfehler, formungszustand durch die Angabe einer einzi-
d.h. Fehler im Programmcode, treten viel häufi- gen Koordinate, u(t), beschrieben werden kann

Theorie der Tragwerke 1-207


Die homogene Lösung lautet
u = c1 · e»rt +c2 · e»,·t (1.5.238)
mit den Wurzeln der charakteristischen Glei-
chung:

=-~±~( 2mc )2 -w/


m
A.I,z (1.5.239)
2m

Das Verhalten der Lösung hängt davon ab, ob der


Radikand kleiner, gleich oder größer Null ist
Abb. 1.5-106 Einmassenschwinger, System und wirken- (unterkritisch, kritisch, überkritisch gedämpfter
de Kräfte Fall). Im letzten Fall sind A.1 und A.z reell und ei-
ne Schwingung findet nicht statt. Der Grenzfall
(Abb.l.5-106). Systemparameter sind die Masse zwischen oszillatorischem und nichtoszillatori-
m, die Steifigkeit k der linearen Feder und die schem Lösungsverhalten ist durch die kritische
Dämpfungskonstante c des viskosen Dämpfers. Dämpfung gegeben:
Nach dem d'Alembertschen Prinzip tritt neben
der äußeren Last F(t), der Rückstellkraft FR(t) 2~ = Wc~'krit =2m wl = 2~ (1.5.240)
und der Dämpfungskraft Fv(t) die Trägheits-
kraft Fr(t) auf, die gleich dem Produkt Masse mal Das Verhältnis der vorhandenen zur kritischen
Beschleunigung ist und der Bewegungsrichtung Dämpfung ist ein viel verwendetes dimensions-
(positive Richtung von u) entgegengesetzt wirkt. loses Dämpfungsmaß (Lehrsches Dämpfungs-
Das Kräftegleichgewicht der freigeschnittenen maß D, Prozentsatz der kritischen Dämpfung~).
Masse m liefert Es gilt:
Fr+Fv +FR =F (1.5.233) c c c
D=~=-=--;-=2·~·w1 (1.5.241)
'krit 2m W1 m
oder
Ein weiteres gebräuchliches Dämpfungsmaß ist
mÜ+ciHku==F(t) (1.5.234)
das logarithmische Dämpfungsdekrement A, de-
bzw. finiert als der natürliche Logarithmus des Quo-
tienten zweier aufeinanderfolgender Schwin-
.. c . k F(t) f( )
u+-u+-u=--= t (1.5.235) gungsmaxima. Es gilt:
m m m
u- e-~w,t, coswvt·
mit der Masse m (z.B. in Tonnen), dem viskosen A=ln-' =ln 1

(geschwindigkeitsproportionalen) Dämpfungs- ui+I e-~w,r,+l coswvti+I


koeffizienten c (z.B. in kN s/m) und der elasti- =lne-~"'' (t,-r,+,l =~~ (ti+I-ti)
schen Steifigkeit (Federkonstante) k in kN/m.
Wichtig ist die Wahl konsistenter Einheiten für 2n
=~w1 -=~w1 Tv
Masse, Kraft, Zeit und Länge, um Umrechnungs- wv
fehler zu vermeiden. Die ausschließliche Benut-
zung der Einheiten 1 Tonne für Massen, 1 kN für
Kräfte, 1 m für Längen und 1 s für die Zeit beugt
=~w1
wi 1-~2
b ~~
'.Jl-~2
(1.5.242)

solchen Fehlern vor und wird dringend emp- Für gering gedämpfte Systeme, wie sie in der
fohlen! Baudynamik üblicherweise vorkommen, gilt:
Mit dem Lösungsansatz
A
~=D::::- (1.5.243)
(1.5.236) 2n
ergibt sich für den homogenen Anteil der Dif- Damit ist auch die Möglichkeit gegeben, den
ferentialgleichung die charakteristische Glei- Dämpfungswert aus Messungen der abklingen-
chung: den Amplituden einer freien Schwingung zu be-
2 c 2 2 k stimmen. Werden, wie praktisch üblich, nicht
A: +-·.\+~ =0; w1 =- (1.5.237) zwei aufeinanderfolgende Maxima sondern die
m m
Maximalamplituden u1 und Un+J zum Zeitpunkt

1-208 Allgemeine Grundlagen


t1 und tn+I (also nach n Schwingungszyklen) ge- durch die Wahl der beiden Parameter ß und y
messen, so ergibt sich: beeinflußt werden können. Das Verschiebungs-
inkrementßu= u(t2)- u(t1 ),t2 -t1 =tlt,ergibt sich
A=_!_ ln__!i_ (1.5.244) nach Newmark [Newmark 1959] zu
n Un+l

Der homogene Teil von (1.5.235) lautet llu=( (1.5.251)


k*
Ü+2;WjÜ+Wj 2U=0 (1.5.245)
mit
mit der Lösung: • 1 y
k =m--+c-+k (1.5.252)
u(t) = e-;oo1 t[c; cos(~1-;2 oo1t) ßM2 ß/lt
(1.5.246)
+C2 sin(~1-;2 Wjt)] ( =F(t2 )-F(t1 )+m(__!i__+!i.)
ßllt 2ß (1.5.253)
Für den allgemeinen Fall mit Anfangsbedingun-
gen u(O) = u0, Ü(O) =Üo erhält man: +c( Y:I +ü1M(~ -1))
u(t) = e-;oo1t[u0 cos( ~1-;2 Wjt) Die Inkremente ß Ü, ßÜ der Beschleunigung und
der Geschwindigkeit ergeben sich als Funktio-
sin(~1-;2oolt)]
(1.5.247)
nen des Verschiebungsinkrements und des Sy-
+ Üo+;OOJuo
stemzustands zum Zeitpunkt t1 zu:
Wj~1-;2
Die Kreisfrequenz (Anzahl der Schwingungen in ßü = ß~t ßu-jü1 -M(~ -1)ü1 (1.5.254)
21t Sekunden), bzw. die Periode (Dauer eines
Schwingungszyklus in Sekunden) der gedämpf-
ten Schwingung betragen: .. 1 1 . 1 ..
ßu=--ßu--u1 --u1 (1.5.255)
Wv
~
=WjV1-;~
2Tt
;TD = - (1.5.248)
ßM2 ßM 2ß
Wv
Bei der erzwungenen Schwingung mit der Erre- Für ß = 1/4 und y= 1/2liegt ein unbedingt stabi-
gerfunktion fit) auf der rechten Seite ergibt sich ler Integrator vor, der eine konstante Beschleu-
die allgemeine Lösung als Summe der homoge- nigung innerhalb des Zeitschrittes unterstellt.
nen Lösung und der partikulären Lösung (Du- Für ß = 1/6 und y= 1/2liegt ein nur bedingt sta-
hamel-Integral, Faltungsintegral) up(t): biler Integrator vor, der einen linearen Verlauf
der Beschleunigung im Zeitschritt voraussetzt.
Jj(t) e-;oo (t-t) sinoov(t-t) dt
t
up(t) = - 1- 1 Als Anwendungsbeispiel wird der Rahmen
00D 0 von Abb. 1.5-107 betrachtet, der durch die dar-
(1.5.249) gestellte Stoßlast F(t) auf Riegelhöhe belastet
bzw. wird. Gesucht ist der Zeitverlauf u(t) der hori-
zontalen Riegelverschiebung für eine Dämpfung
D=2o/o.
Das Tragwerk kann wegen des sehr steifen
Riegels in guter Näherung als Einmassenschwin-
ger idealisiert werden. Die Masse m beträgt 5 to
(worin ein Anteil zur Berücksichtigung der Mas-
Anstelle einer Auswertung dieser Integrale emp- se der Stützen enthalten ist), die Federkonstante
fiehlt sich in der Regel die schrittweise Lösung k ergibt sich als Kehrwert der Horizontalver-
der Differentialgleichung (1.5.234) mit Hilfe der schiebung 0 des Riegels infolge einer horizonta-
Direkten Integration. Hierbei hängt die Genau- len Einheitslast auf Riegelhöhe. Hier beträgt sie
igkeit des Integrationsalgorithmus vor allem
vom Verhältnis der gewählten Zeitschrittweite
k= 2 3El1 +3EI2 = 3292 kN.
llt zur Periode TD ab. Ein weit verbreiteter Algo- 4,5 3 4,5 3 m
rithmus ist der Newmark ß-y-Integrator, dessen Damit ergibt sich die Eigenkreisfrequenz des
Stabilitäts- und Genauigkeitseigenschaften Einmassenschwingers zu

Theorie der Tragwerke 1-209


(1.5.256)
m =S,OTonnen;EI~oo
F(t)-- - Die Lösung ergibt sich zu
u(t)=e-~ 0011 (~ sinwvt+C2sinwvt)
p0 ( 1- ß2}sinnt- 2sßcosfU ( 1.5.257)
+ 2 ,
k (1-ß2) +<2sß)2
wobei ß= Qfro 1 als Abstimmungsverhältnis be-

L
F(t)lzß_ zeichnet wird. Der von den Anfangsbedingun-
75 kN El 1= 25000 kNml gen abhängige Teil der Lösung wird nach einiger
t E1 2=50000kNml
Zeit durch Dämpfung eliminiert, so daß nur die
partikuläre Lösung verbleibt. Die Gesamtver-
0,1 s 0,2 s
schiebung ergibt sich als geometrische Summe
Abb. 1.5·1 07 Einstöckiger Rahmen mit Belastung
der Sinus- und Kosinusanteile zu

(1.5.258)

Es gilt weiter
u(t) =uR sin(Qt-9) (1.5.259)
l 0,02 +--+-+---11-1--H+--+-A~ mit der Phasenverschiebung
0>
c

'"'*
~
0,00 f.L--+t--JH-+--+-+-+f--+1
9 = arctan 2sß
1-ß2
(1.5.260)

"'
-.;
0> Der sog. Vergrößerungsfaktor V, definiert als
~ -0,02 t---Hr+-t--+tt---\-1'----i Verhältnis der maximalen dynamischen Auslen-
kung zu ihrem statischen Wert Polk, ergibt sich
-0.D4+--+--+--+--+-.,......j zu
0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00
Zeit (s) (1.5.261)

Abb. 1.5·1 08 Zeitverlauf der Auslenkung des Riegels Abbildung 1.5-109 zeigt den Verlauf von V als
Funktion des Abstimmungsverhältnisses ß für
einige Dämpfungsniveaus.
Betrachtet sei nun eine Maschine, die über ei-
ne Feder- und eine Dämpferkonstruktion mit der
w1 =
v;;/k = ~ 32925 = 25,66 rads Unterlage verbunden ist und eine harmonische
Last in vertikaler Richtung erzeugt. Nach dem
Die zugehörige Periode ist T = 2rc/ro 1 = 0,245s; in Schnittprinzip ist die Fundamentkraft gleich der
Abb. 1.5-108 ist der Zeitverlauf der Verschiebung Summe der Federkraft fR = k u(t) und der Dämp-
u(t) dargestellt. fungskraftfv= c Ü(t). Mit u(t) nach (1.5.259) er-
hält man
Schwingungsisolierung
fR =kV~ sin(Qt-9) ( 1.5.262)
Eine weitere Anwendung der Theorie des Ein-
massenschwingers betrifft die Beanspruchung R
von Maschinenlagern durch harmonisch pulsie- fv =cVQ: cos(Ot-9) (1.5.263)
rende Lasten. Dazu wird der Einmassenschwin-
= 2sß VP0 cos(nt- 9)
ger unter einer harmonischen Erregung mit der
Amplitude P0 betrachtet. Die zugehörige Diffe- Rückstell- und Dämpfungskraft haben einen
rentialgleichung lautet Phasenunterschied von 90°; ihre Resultierende
beträgt

1-210 Allgemeine Grundlagen


10,00

D= 0,05
8,00

>
0
.:;;: 6,00
~

.
"'
c:
2
:e
cQ
4,00

>
!:?'
CU h
2,00 I \
__. VD = 0,10\
0,00
o-o:so-t- ~

0,00 1,00 2,00 3,00


Abstimmungsverhältnis

Abb. 1.5-109 Vergrößerungsfaktor für verschiedene Dämpfungswerte

12,00

0=0,05

J\
~0 = 0, 10\
r-
0,00
D 0,80 ""'--=
0,00 1,00 2,00 3,00
Abstimmungsverhältnis

Abb. 1.5·1 10 Übertragungsfaktor für verschiedene Dämpfungswerte

Funktion des Abstimmungsverhältnisses für ei-


(1.5.264)
nige Dämpfungsprozentsätze; es ist zu beachten,
Das ist die maximale Beanspruchung des Fun- daß alle Kurven für ß=-./2 den Wert Vp =1 haben.
daments. Der Quotient dieser Kraft durch die Man bezeichnet das Gebiet ß<1 als "unter-
Amplitude F0 der harmonischen Belastung wird kritisch", das Gebiet ß> 1 als "überkritisch". Im
als Übertragungsfaktor VF bezeichnet. Es gilt ersten Fall ist die Störfrequenz kleiner als die Ei-
genfrequenz des abgefederten Systems (tiefe Ab-
Vp =V~1+(2f,ß)2 (1.5.265) stimmung), im zweiten Fall größer (hohe Ab-
mit dem Vergrößerungsfaktor V nach ( 1.5.261 ). stimmung).
Abbildung 1.5-110 zeigt den Verlauf von Vp als

TheoriederTragwerke 1-211
1.5.4.2 die Unterscheidung in wesentliche (unabhängi-
Diskrete Mehrmassenschwinger, Modale ge, beizubehaltende) Freiheitsgrade Vu und in
Analyse und Direkte Integration unwesentliche (abhängige, zu eliminierende)
Freiheitsgrade Vcp dadurch getroffen, daß die Sy-
Das statische Gleichgewicht eines Systems wird stemmatrizen in entsprechend partitionierter
durch Form dargestellt werden:

(::: ::} (~:)+


P==KV (1.5.266)

ausgedrückt, mit dem Lastvektor P, der Steifig-


(1.5.269)
keitsmatrix Kund dem Verschiebungsvektor V.
Analog zum Einmassenschwinger liefert das
Gleichgewicht zwischen Trägheits-, Dämp-
(::: ::) .G:)==(!;)
fungs-, Rückstellkräften und der äußeren Bela- Es wird zunächst von einer Berücksichtigung
stung die Beziehung der Dämpfung abgesehen, die im einfachsten
Fall anschließend als"proportionale" Dämpfung
F1 + FD + FR == P (1.5.267)
berücksichtigt werden kann.
bzw. Der Ersatz der unwesentlichen Freiheitsgrade
durch die wesentlichen läßt sich als lineare
MV +CV +KV==P (1.5.268)
Transformation
mit den Vektoren der Trägheitskräfte Fr. der (1.5.270)
Vcp==a Vu, Vcp==a Vu, Vcp==a Vu
Dämpfungskräfte Fv. der Rückstellkräfte FR und
der äußeren Lasten P. Die Vektoren haben n auffassen. Damit gilt
Komponenten entsprechend den n Freiheitsgra-
den des diskreten Systems, und die Matrizen M,
(1.5.271)
C und K sind quadratische (n, n)-Matrizen.
Wenn es sich bei diesen n Freiheitsgraden um die
"wesentlichen" Systemfreiheitsgrade (s. u.) han- mit entsprechenden Gleichungen für die Ge-
delt ist es üblich, die zugehörigen Massen, bzw. schwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren
Massenträgheitsmomente, auf die Hauptdiago- V, V. Das ursprüngliche Problem (noch ohne
nale von M zu setzen (lumped-mass-Modell). Dämpfung) wird reduziert auf
Damit ist M ebenso wie K eine reelle, positiv de-
finite Matrix. Die (viskose) Dämpfungsmatrix C MAVu +KAVu ==P
hängt u.a. von der Systemumgebung ab, ist also (1.5.272)
ATMAVu+ATKAVu ==ATP
im Gegensatz zu M und K nicht allein von den
Systemeigenschaften abhängig. bzw.
MVu+KVu ==P (1.5.273)
Kondensation
mit
Für die Lösung des Eigenwertproblems im Lauf
M==ATMA
einer modalanalytischen Untersuchung, aber
auch bei einer Direkten Integration des Differen- K==ATKA (1.5.274)
tialgleichungssystems ( 1.5.268) ist es wichtig, die
P==ATP
Problemgröße, also die Anzahl der Freiheitsgra-
de n, möglichst klein zu halten, damit sich der Die Matrix K wird als kondensierte oder redu-
numerische Aufwand in Grenzen hält. Das ge- zierte Steifigkeitsmatrix bezeichnet, der Last-
schieht in der Regel, indem relativ wenige Frei- vektor P ist der zugehörige reduzierte Lastvek-
heitsgrade als "wesentliche" Freiheitsgrade, die tor. Sind die Unbekannten vu,Vu,Vu ermittelt
mit maßgebenden Massenträgheitskräften ein- worden, so lassen sich die übrigen Zustandsva-
hergehen, identifiziert und alle anderen Frei- riablen in den abhängigen Freiheitsgraden mit
heitsgrade durch diese ausgedrückt werden. Das Hilfe von (1.5.270) bestimmen.
bedeutet natürlich nicht, daß die Verschiebun- Bei der "statischen Kondensation" (Guyan
gen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen 1965, Irons 1965), einer der einfachsten Techni-
in den restlichen, "unwesentlichen" Freiheits- ken einer großen Gruppe von "Reduktionsalgo-
graden vernachlässigbar klein sind. Formal wird rithmen ",sind die Bedingungen zur Elimination

1-212 Allgemeine Grundlagen


der abhängigen Freiheitsgrade statische Bezie- Die (n,r)-Matrix II>, deren Koeffizienten von der
hungen. Dazu wird die zweite Zeile der Beziehung Zeit unabhängig sind, wird als Modalmatrix be-
(1.5.269) explizit angeschrieben. Mit Ku/=K.pu zeichnet. Ihrer Spalten (wobei r in der Regel we-
gilt: sentlich kleiner ist als die Zeilenanzahl n von V)
•• •• T sind Eigenvektoren des Systems. Es gilt
P'P = M<pu Vu +M'P'PV'P + Ku<pVu +K'P'PV'P
(1.5.275) M«l>ij+C«l>'li+K«l>TJ= P(t) (1.5.283)
Voraussetzungsgemäß sind die Massenkräfte in und weiter:
den abhängigen Freiheitsgradeil klein, so daß es «l>TM «l>ij+«l>TC«l>il
zulässig ist, in diesem Ausdruck nur den "stati- (1.5.284)
schen Anteil" beizubehalten: +«l>TK «l>TJ =«l>TP(t)
T
Um zu einem entkoppelten System zu gelangen
P'P = Ku<pVu + K'P'PV'P muß die Steifigkeitsmatrix durch die Transfor-
(1.5.276)
mation ( 1.5.282) diagonalisiert werden. Darüber
V'P = K~(P'P -K~'PVu)
hinaus wird der Einfachheit halber gefordert,
In den abhängigen Freiheitsgraden sollen keine daß die Massenmatrix nach der Ähnlichkeit-
äußeren Kraftgrößen angreifen, P'P=O, so daß die stransformation mit der Modalmatrix zu einer
folgende Transformationsgleichung entsteht: Einheitsmatrix wird, womit alle "modalen Mas-
sen" der r "Modalbeiträge" den Betrag Eins er-
V'P = -K~K~'PVu (1.5.277)
halten:
Weiter gilt
«l>T M «l> =I (1.5.285)
V =[Vu]= [_
V'P
-~T ] Vu =A Vu •
Kq>q>Kuq>
(1.5.278)
(1.5.286)
Die reduzierte Massenmatrix und die reduzier- Die Dämpfungsmatrix C in (1.5.268) wird später
te Steifigkeitsmatrix betragen damit behandelt. Die Bedingungen (1.5.285) und
(1.5.286) lassen sich umformulieren,indem Glei-
chung ( 1.5.286) von links mit der Einheitsmatrix
multipliziert wird, wobei rechts vom Gleich-
heitszeichen anstelle der Einheitsmatrix die
ähnlichkeitstransformierte Massenmatrix nach
(1.5.280) Gleichung (1.5.285) als Faktor Verwendung fin-
det:
und der Lastvektor ist voraussetzungsgemäß
(1.5.287)
(1.5.281)
Das ist gleichbedeutend mit dem .allgemeinen
Die rechnerische Durchführung der statischen Eigenwertproblem
Kondensation für ebene Rahmentragwerke er-
folgt am besten elektronisch.
K«l>= M «l> oi (1.5.288)
dessen Lösungsmatrix wie gezeigt eine Diago-
Modale Analyse nalisierung der Matrix K bewirkt. Dabei ist
- weine Diagonalmatrix mit den rEigenwerten
Grundgedanke ist die Einführung neuer, "gene- ro?, das sind die Quadrate der Eigenkreis-
ralisierter" Koordinaten Tl anstelle von V, die als frequenzen, auf der Hauptdiagonale, und
Amplituden zueinander orthogonal stehender - «l> die (n,r)-Modalmatrix, deren Spalten r Ei-
Systemverschiebungskonfigurationen gedeutet genvektoren darstellen.
werden können. Als solche "Biegelinien" werden
üblicherweise die Eigenschwingungsformen des Nun wird die Dämpfung berücksichtigt, indem
Tragwerks verwendet, die sich durch Lösung des zunächst unterstellt wird, daß sich die Dämp-
zugehörigen Eigenwertproblems (EWP) ergeben. fungsmatrix C ebenfalls durch die Modalmatrix
Im Differentialgleichungssystem (1.5.268) «l> diagonalisieren läßt ("Bequemlichkeitshypo-
werden Modalkoordinaten Tl eingeführt: these"):
(1.5.282) C=«l>T c «<>=diag[cul (1.5.289)

Theorie der Tragwerke 1-213


Analog zum Einmassenschwinger wird das Dia-
gonalelement Cii wie folgt angenommen:
m4 ~

cii =2D; W; (1.5.290) 0


"1.
mJ :.',
Hier sind D; der Dämpfungsgrad und w; die Ei- 0

genkreisfrequenz der i-ten Modalform. Damit ml


"'
,.;
~

0
ergibt sich das entkoppelte Differentialglei- ...,·
"'
chungssystem m1 ~

...,
0
"'
ii+Cl)+ohl= cl>r P (1.5.291)
l l
. ~

mit r Differentialgleichungen 2. Ordnung der


l 6,00m 8,00m 6,00m

Form
•. . 2 _.....rp Abb. 1.5-111 Tragwerk mit Abmessungen
'li + 2D; W; 'li + W; 'li =-v; , (1.5.292)
i=1,2, ... r
Jede einzelne dieser Gleichungen kann mit Hil-
fe der bekannten Verfahren gelöst werden, wozu f(t)
allerdings noch die Verschiebungs- und Ge- 30,00
schwindigkeitsanfangsbedingungen in den Mo-
dalkoordinaten benötigt werden. Durch Multi-
plikation von (1.5.282) mit cpTM erhält man un- 20,00
ter Berücksichtigung von (1.5.285):
TJ(O)=TJo =cl>r M V0 (1.5.293)
30,00
1)(0)=1) 0 =cl>r M V0 (1.5.294)
Der besondere Vorteil der Modalanalyse liegt
darin, daß gute (=genaue) Lösungen i.d.R. be- 0,00 +--.--.---.--.---.--r--r"""T-.---,
reits bei Verwendung von nur einigen wenigen 0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00
Modalformen möglich sind. Die relative Bedeu- Zeit (s)
tung eines Modalbeitrags kann durch die Größe
der "generalisierten Last" cprp abgeschätzt wer- Abb. 1.5-112 Zeitfunktion f(t) der Tragwerksbelastung
den, bzw. durch die in der Zeitfunktion enthalte-
nen Frequenzanteile in Relation zur Eigenfre-
quenz der jeweiligen Eigenform. Nachteil der
Modalanalyse ist der bei größeren Systemen be- 11,0,61
trächtliche Aufwand für die Lösung des Eigen- P(t) =[ 1,0
· f(t).
wertproblems, dazu die Tatsache, daß wegen der
Oberlagerung der Ergebnisse der einzelnen 0,5
Modalbeiträge nur lineare Systeme, für die das Die Kräfte wirken horizontal auf Höhe der ein-
Superpositionsgesetz gilt, behandelt werden zelnen Stockwerke, und ihre Zeitfunktion f( t) ist
können. Sind die zeitlichen Verläufe der Modal- in Abb. 1.5-112 dargestellt.
koordinaten (bzw. der entsprechenden Ableitun- Abbildung 1.5-113 zeigt die Zeitverläufe der
gen rl;(t), ii; (t)) bekannt, so ergeben sich die Ver- Dachauslenkung bei Mitnahme allein der
schiebungen (bzw. Geschwindigkeiten und Be- Grundmodalform und aller vier Modalbeiträge,
schleunigungen) aus GI. (1.5.282), wobei, wie er- die allesamt mit 2% Dämpfung versehen wur-
wähnt, die Anzahl r der berücksichtigten Modal- den; in diesem Fall beträgt die maximale Dach-
beiträge i.d.R. wesentlich kleiner ist als die auslenkung 6,15mm und tritt zum Zeitpunkt
Anzahl der wesentlichen Systemfreiheitsgrade. t = 0,40 s auf. Auch der statische Wert der Aus-
Für das in Abb. 1.5-111 dargestellte Rahmen- lenkung von 2,82 mm ist in Abb. 1.5-113 zum
tragwerk sei bereits die kondensierte Steifig- Vergleich eingezeichnet. In Abb. 1.5-114 sind die
keitsmatrix ermittelt [Meskouris 1999] . Zeitverläufe des Biegemomentsam Fuß der lin-
Untersucht wird jetzt das Verhalten des Rah- ken Erdgeschoßstütze skizziert, und zwar eben-
mens infolge einer dynamischen Belastung falls bei Berücksichtigung nur der Grundmo-

1-214 Allgemeine Grundlagen


S,OOE- 3 --,---...----.------,-----.----,
Nur Grundmodalfor
berücksichtigt

- Statischer Wert

Alle 4 Modalformen
berücksichtigt
-2,00E-3 -t---,-+----,-+----,-+---.--+----r--l
0,00 0,40 0,80 1,20 1,60 2,00
Zeit (s)

Abb. 1.5·113 Zeitverläufe der Dachauslenkung

120,00 -.---...,---,..----.----.------,
Alle 4 Modalformen
berücksichtigt
E
~ 80,00 +----/t-""";----t----:1:::::::~-+-----l
~

QQ

~ - Statischer Wert
~ 40,00 +--++--+---+--t----f+-t-- --\\-+-----ft-l
"'c
"'0
E
E
.~ 0,00 -+"''-------+---1>.....:.--t----+-----l
CO

-40,00 +----..-+----,-+----.--+----r-+---r--1
0,00 0,40 0,80 1,20 1,60 2,00
Zeit (s)

Abb. 1.S-114 Zeitverläufe des Biegemoments, Erdgeschoßstütze links

dalform einerseits und aller vier Modalbeiträge Ableitung der Biegelinie proportional ist, sofort
andererseits; auch hier wurde der statische Wert einleuchtet.
von 48,6kNm zum Vergleich mit eingezeichnet.
Offensichtlich macht sich die Vernachlässigung Direkte Integration
höherer Modalbeiträge bei der Schnittkrafter-
mittlung stärker bemerkbar als bei den Verfor- Direkte Integrationsverfahren benötigen keine
mungen, was im Hinblick auf die Tatsache, daß Modalzerlegung und sind auch bei nichtlinearen
das Biegemoment der Verkrümmung als zweiter Systemen anwendbar; sie liefern Näherungslö-

Theorie der Tragwerke 1-215


sungen für den Antwortprozeß {V, V, V} in dis-
kreten Zeitpunkten t = 1 · M, 1 · M, ... , n · M. Es (1.5.299)
wird bei Einschrittverfahren vorausgesetzt, daß
- bei vollständig vorgegebener Erregung P - der
gesamte Antwortprozeß zu einem bestimmten Im Sonderfall der steifigkeitsproportionalen
Zeitpunkt t (üblicherweise wird t = 0 gesetzt) be- Dämpfung ist a 1 = 0, und a 2 ergibt sich zu
kannt ist. Aus diesen Anfangswerten wird die Sy-
stemantwort zu einem späteren Zeitpunkt t + M DI'Ij
a2 = - (1.5.300)
berechnet, wobei besonderer Wert auf die Ver- TI

wendung eines unbedingt stabilen Integrations- Bei der massenproportionalen Dämpfung


schemas gelegt werden muß, da die Zeitschritt- (a2 =0) gilt entsprechend
weite im Normalfall ein Mehrfaches der höheren
4nD1
Eigenperioden des Systems beträgt und die zu- a1= - - (1.5.301)
gehörigen Lösungsanteile bei Instabilität die ei- Ti
gentlich interessante niederfrequente Lösung Für reine steifigkeits- oder massenproportiona-
stark verfälschen würden. Bei baudynamischen le Dämpfung kann nur ein Dämpfungswert D1
Anwendungen besonders beliebt sind implizite bei einer Periode T1 vorgegeben werden; der
Einschritt-Integratoren wie die Newmark-Me- steifigkeitsproportionale Ansatz ist dabei i.a.
thode [Newmark 1959]. Bei dieser ergeben sich realistischer als der massenproportionale An-
die Geschwindigkeits- und Verschiebungsvekto- satz, weilletzterer für höhere Eigenformen (klei-
ren zum Zeitpunkt t +Mals nere Perioden) geringere Dämpfungswerte lie-
fert als für die Grundperiode. Wenn mehrere
VtMt =Vt + M ·(1-y)Vt +M · y·Vt+At (1.5.295)
modale Dämpfungsgrade D; vorgegeben sind,
empfiehlt sich die Aufstellung der Matrix C mit
vt+M = V1 +V1 M +(M)2 · G-ß) ·V (1.5.296)
1
Hilfe des sogenannten vollständigen modalen
Ansatzes [Clough/Penzien 1993] als
Die Parameter ß und y betragen bei dem unbe-
dingt stabilen "Konstante-Beschleunigungs- C = M <I> diag(2 D; w;) <I>T M ( 1.5.302)
Schema" ß=0,25; y=0,50. Auf Einzelheiten der Einige grobe Anhaltspunkte für Dämpfungs-
Berechnung wird hier nicht näher eingegangen; werteD können Tabelle 1.5-7 entnommen wer-
interessant ist vor allem die Ermittlung der qua- den; detailliertere Tabellen mit getrennter
dratischen viskosen Dämpfungsmatrix C, die bei Berücksichtigung des Einflusses der Bauwerks-
der modalen Analyse wegen der Möglichkeit der umgebung findet der Leser z.B. in [Petersen,
direkten Vorgabe einer modalen Dämpfung 1996].
nicht benötigt wurde. Besonders einfach und be-
liebt ist die Gewinnung von C als Linearkombi-
nation der Steifigkeits- und Massenmatrix des Tabelle 1.S-7 Typische Dä mpfungswerte
Systems (Rayleigh- Dämpfung):
Konstruktion Lehrsches
(1.5.297) Dämpfungsmaß D

Mit den zwei zur Verfügung stehenden Parame- Stahlkonstruktion, 0,2 - 0,3%
geschweißt
tern a 1 und a2 können für zwei frei gewählten Stahlkonstruktion, 0,5-0,6%
Perioden T1 und T2, die nicht unbedingt Eigen- geschraubt
perioden des Tragwerks sein müssen, vorgege- Stahlbetontragwerk 1,0 - 1,5%
bene Dämpfungsgrade D1 und D2 erreicht wer- Mauerwerkskonstruktion 1,5- 2%
den. Liegen diese Perioden nicht allzu weit von-
einander entfernt, wird bei Angabe des gleichen
Dämpfungsgrades für beide Perioden dieser in
erster Näherung auch für den gesamten dazwi-
schenliegenden Periodenbereich gelten. Die Pa-
rameter a 1 und a 2 ergeben sich zu:
TjDI- TzD2
a 1 = 4n 2 2 (1.5.298)
Ti -Tz

1-216 Allgemeine Grundlagen


1.6 Die Sicherheit und Zuverlässigkeit gewährlei-
Zuverlässigkeit von Tragwerken stenden Maßnahmen lassen sich einteilen in
- protektive Maßnahmen gegenüber potentiel-
1.6.1 len Gefährdungen,
Das Sicherheitsproblem im konstruktiven - Tragwerksentwurf und -bemessung,
Ingenieurbau - überprüfung des Tragwerksentwurfs und der
Bemessung,
Sicherheit, Zuverlässigkeit, Gebrauchstauglich- - Kontrolle der Baustoff- bzw. Bauteilqualität
keit und Verfügbarkeit gehören zu den wichtig- und ggf. der Nutzlasten sowie der Überein-
sten Eigenschaften von baulichen Anlagen. Im stimmung von TragwerksentWurf und Bau-
allgemeinen werden sie durch vielerlei Unsi- ausführung,
cherheiten bedroht. Unter Sicherheit wird dabei - Unterhaltung und ggf. Reparatur.
die Abwesenheit von Gefährdungen für Leib und
Leben bei Gebrauch und für die Umwelt ver- Moderne Sicherheitskonzepte für Tragwerke be-
standen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ge- ruhen auf der Theorie der Strukturzuverlässig-
währleistet werden muß. Das gilt auch, wenn we- keit, die die Unsicherheiten und auch den Grad
der die Kenntnis von der natürlichen und künst- der Zuverlässigkeit mit Hilfe wahrscheinlich-
liehen Umwelt perfekt ist noch diese vollkom- keitstheoretischer Methoden und der Statistik
men kontrolliert werden kann. erfaßt. In dieser Theorie werden i. allg. drei aus-
Unter Zuverlässigkeit soll die Eigenschaft ver- gesuchte Zustände eines Tragwerks stellvertre-
standen werden, die vorgesehene Funktion für tend für das kontinuierliche Spektrum aller
die beabsichtigte Zeit des Gebrauchs mit ausrei- Tragzustände untersucht. Man unterscheidet im
chend großer Wahrscheinlichkeit zu erfüllen. wesentlichen drei verschiedene Grenzzustände:
Unter Verfügbarkeit sei die Eigenschaft ver- - Grenzzustand der Tragfähigkeit,
standen, bei Gebrauch in nutzungsfähigem Zu- - Grenzzustand der Reversibilität,
stand zu sein, d.h. nicht etwa wegen Inspektions- - Grenzzustand der Gebrauchsfähigkeit
oder Wartungsarbeiten oder auch wegen den
uneingeschränkten Gebrauch verhindernder Sy- Der Grenzzustand der Tragfähigkeit bezeichnet
stemzustände (z.B. zu starke Schwingungen) den Kollapszustand bei Bruch, Mechanismusbil-
nicht zur Verfügung zu stehen. dung, Verlust der Standsicherheit oder Instabilität
Gebrauchsfähigkeit (Gebrauchstauglichkeit) mit hohen Versagensfolgen. Nachüberschreitung
ist schließlich die Eigenschaft eines Bauwerks, dieses Grenzzustands ist i.allg. ein Wiederaufbau
die uneingeschränkte Nutzung für den vorgese- notwendig. Der Grenzzustand der Reversibilität
henen Zweck zu gewährleisten. ist ein Tragzustand, bei dem geringfügige blei-
Für bauliche Anlagen sind hohe Anforderun- bende Verformungen eintreten, die Gebrauchs-
gen an die genannten Eigenschaften charakteri- fähigkeit aber schon stark eingeschränkt ist. Nach
stisch. Die Anforderungen werden seit dem En- erstmaliger überschreitung dieses Grenzzu-
de des letzten Jahrhunderts durch bauaufsicht- stands, z. B. nach einer außergewöhnlichen Bean-
lieh eingeführte Regelwerke wie die Normen des spruchung, ist i.allg. eine Reparatur notwendig.
DIN, bauaufsichtliche Zulassungen usw. festge- Grenzzustände der Gebrauchsfähigkeit sind Zu-
legt. In den für die Sicherheit und Zuverlässig- stände, bei denen uneingeschränkte Gebrauchs-
keit maßgebenden Teilen werden etwa Qualitäts- fähigkeit nicht mehr vorhanden ist. Jeder dieser
anforderungen für die Produktion von Baustof- Grenzzustände kann durch zufällige extreme Be-
fen spezifiziert, Nennwerte für Materialkenngrö- anspruchungen, durch Alterungsvorgänge oder
ßen definiert, Sicherheitsbeiwerte für die Be- Ermüdung, aber auch durch Fehler, Unterlassun-
messung der Bauteile festgelegt sowie Verfahren gen und Nachlässigkeit bei Tragwerksentwurf,
zum Nachweis der Standsicherheit beschrieben Bauausführung und Nutzung, allein oder im Ver-
und die dabei üblicherweise anzunehmenden ein mit den anderen genannten Versagensursa-
Lasten angegeben. Die Regelwerke unterliegen chen, erreicht werden. Die Grenzzustände kön-
ständiger überarbeitung durch Anpassung an nen schließlich schon bei der Bauausführung, bei
den gewachsenen Stand der Kenntnis, veränder- Inbetriebnahme oder erst während der Lebens-
te Anforderungen an Sicherheit und Gebrauchs- zeit eines Bauwerks eintreten.
fähigkeit der Bauwerke und an die Erfahrung Die Bestimmung der Tragwerkszuverlässig-
mit diesen Regeln. keit erfordert nach der Formulierung des be-

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-217


treffenden Grenzzustands zunächst die Model- V={R-s:::;;o}
Iierung der Unsicherheiten durch geeignete sto-
chastische Modelle, die statistisch abgesichert
sein müssen - auch im Hinblick auf ihre Para-
meter. Dann muß die Versagenswahrscheinlich-
keit berechnet werden. Sie ist dann einer zuläs-
sigen Versagenswahrscheinlichkeit gegenüber-
zustellen, die quantitativ ausdrückt, was sicher
genug ist.
Der Zustand eines Tragwerks hänge von einer Daher ist
Reihe unsichere Größen ab, die in einem Vektor
X= (XI>X2, •• • ,Xn)T von Zufallsvariablen zusam- P(V)=IIl(-ß)=lll( mR-ms) (1.6.2)
mengefaßt werden. Die unsicheren Variablen ~ai +o~ ,
werden als Basisvariablen bezeichnet. Daneben
gibt es i.d.R. noch einen deterministischen Pa- weil Summen von normalverteilten Variablen
rametervektor q. In Abänderung der gewöhnli- wieder normalverteilt sind. Man sieht, daß durch
chen Notation im Ingenieurwesen werden die Umformung der Versagensgleichung die soge-
zufälligen Variablen durchgängig mit großen nannte Hessesehe Normalform einer Geraden-
Buchstaben gekennzeichnet, ihre Werte und die gleichung erreicht wird. ßist der Abstand der Ge-
Parameter jedoch mit kleinen Buchstaben. rade vom Ursprung und die a entsprechen den
h(x, q) nennt man Zustandsfunktion, h(x,q) > Richtungscosinus. Mit dem "zentralen Sicher-
0 bezeichnet die intakten Zustände, h(x,q) = 0 heitsfaktor" yo=mRims, der das Verhältnis der
den sog. Grenzzustand und h(x,q) S 0 die unge- Mittelwerte von R und S angibt, und den Varia-
wollten Versagenszustände. Wenn weder der tionskoeffizienten Vi =aifmi (i =R, S) erhält man
Vektor X noch der Vektor q von einem weiteren für ß in Gl. (1.6.2):
Parameter abhängt, etwa der Zeit, ist F= {Xe V} Yo-1
das Versagensereignis, und eine Hauptaufgabe ß-~===== (1.6.3)
der Zuverlässigkeitstheorie besteht darin, die - ~y~Vl+Vf
Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis zu be- Daraus folgt, daß P(V) mit wachsendem y0, d.h.
rechnen, wenn X nach Fx(x) verteilt ist. Hier und dem Abstand der beiden Mittelwerte, sinkt, aber
im folgenden sei angenommen, daß X auch eine mit den Streuungen vonRund S wächst. Bei gro-
Dichte fx(x) hat: ßem V ist diese Beziehung nichtgut brauchbar,
weil die Versagenswahrscheinlichkeit fast aus-
P1 =P(F)= J dFx(x)= J fx(x)dx. (1.6.1)
schließlich von negativen R bestimmt wird, die
Vx Vx
für Festigkeiten definitionsgemäß nicht existie-
Das Tragwerk versagt somit bei Erstbelastung ren.
mit Wahrscheinlichkeit Pt oder nie. Pt heißt Ver- Man kann einen Sicherheitsfaktor auch auf an-
sagenswahrscheinlichkeit (engl.: probability of dere Werte in den Verteilungen für R und S be-
failure ). Die Gegenwahrscheinlichkeit zur Versa- ziehen. Beispielsweise definiert die Beziehung
genswahrscheinlichkeit ist die Oberlebenswahr-
scheinlichkeit (engl.: survival probability) oder Yk,i=rrlj+Up,iai="4(1+up,i\'i) ( )
1.6.4
Zuverlässigkeit (engl.: reliability) Pr= 1-Pt. Die die charakteristischen Werte der i-ten Variable
Versagenswahrscheinlichkeit ist als n-dimensio- als Fraktilen, wenn Up der Merkmalswert der
nales Volumenintegral i. allg. nur sehr aufwendig Standardnormalverteilung zur Wahrscheinlich-
zu berechnen. keit Pi ist. Für dieGrößeR nimmt man einen Wert
Der zweidimensionale Fall, bei dem V={RS S}, im unteren Bereich der Verteilung. Up wird ne-
wobei R eine (verallgemeinerte) Widerstandsva- gativ. Für p=O,OS ist z.B. up=-1,645. Für die Ein-
riable undSeine (verallgemeinerte) Einwirkung wirkungsgröße S wählt man einen hohen Wert,
ist, läßt sich in manchen Fällen analytisch be- z.B. up=2,054, dem eine überschreitungswahr-
rechnen. Ein System habe den normalverteil- scheinlichkeit von 0,02 entspricht. Der entspre-
ten Widerstand R-N(mR; UR) und sei der nor- chende (dezentrale oder periphere) Sicherheits-
malverteilten Einwirkung S-N(ms; as) ausge- faktor ist dann durch
setzt. R und S seien unkorreliert. Dann ist mit
Xi = Uiai + mi

1-218 Allgemeine Grundlagen


--
10
h
8
1.
pen~ -
(1.6.5)
6
~ .....-/ ...-:--:-:
definiert. 4 ....... global -
Ein anderes nützliches analytisches Resultat
V V
erhält man, wenn die Größen unabhängig log- 0 V
normalverteilt sind. Man sagt, daß eine Variable 0 2 3 4 6
Y lognormal verteilt ist, wenn ihr Logarithmus Yo-Yk
X= In Y normalverteilt ist. Dabei hängen Mittel-
Abb. 1.6-1 Abhängigkeit des Zuverlässigkeitsindexes
wert und Varianz mit den Parametern !; und 6 vom globalen bzw. peripheren Sicherheitsbeiwen
der Lognormalverteilung nach {up.R= - 1,645, VR=O,lS; up,s= 2,054, V5=0,3)
1 2
mx =E[X]= Ins= In my --6y ::::In my und
2
aJnY = 6} = ln(l +Vf ):::: Vf zusammen. stischer Prozeß. Eine zeitabhängige Versagens-
wahrscheinlichkeit ist offensichtlich:
DaPf =P(R-S:SO) =P(R/S:S1)=
P1 (t)= P(X(t) eV(t))= fv(./x(x,t)dx.
P(ln(R/S) :SO)= P(lnR -lnS:SO),
(1.6.7)
ermittelt man durch elementare Rechnung
Sie stellt eine Art Nichtverfügbarkeit der Kom-
mit y 0 = mR I m 5 ponente zum Zeitpunkt t dar. Bei Stationarität
hängt die Nichtverfügbarkeit nicht von t ab, d.h.
Pt= Pt (t). Sie kann für die Untersuchung von
Grenzzuständen der Gebrauchsfähigkeit von In-
teresse sein, da tG= t5Pf gerade der mittlere An-
teil der beabsichtigten Nutzungsdauer ts ist, der
bei eingeschränkter Gebrauchsfähigkeit ver-
bracht wird.
Von größerer Bedeutung ist die Wahrschein-
lichkeit, daß der Versagenszustand zum ersten
Mal in einem vorgegebenen Zeitintervall er-
reicht wird. Als Beispiel sei der Kollaps eines
(1.6.6) Tragwerks unter zufällig in der Zeit streuenden
Lasten S(t) betrachtet. Der Einfachheit halber
sind Widerstand und Einwirkung skalare Grö-
Diese Formel ist für jedes Y, die Näherung nur ßen, und es gilt für die physikalische Beschrei-
für kleine V;(i=R,S), gültig und kann für Ab- bung der jeweiligen Versagenszustände
schätzungen verwendet werden. Allerdings weist
V(t) = {h(X(t))::; 0} = {R -S(t)::; 0}. (1.6.8)
die Lognormalverteilung hohen Werten von S
bei großem Vs i.d.R. zu große Wahrscheinlich- t5 sei die beabsichtigte Nutzungsdauer des Ob-
keiten zu. In diesem Fall ist außerdem mit den jekts. Die Zeit, den Versagenszustand zum ersten
vorstehenden Bezeichnungen Yk=y 0 exp(up,R Mal zu erreichen, ist eine Zufallsvariable T und
6R- up,s 6s). Der Zusammenhang zwischen den das Versagensereignis ist F = {r::; ts} (Abb.l.6-2).
Sicherheitsfaktoren und ß ist in Abb. 1.6-1 dar- Die Versagenswahrscheinlichkeit kann wie folgt
gestellt. geschrieben werden:
Im allgemeinen hängen sowohl X als auch ge- P(F) =P( T:S t,) =Fy( t,)
wisse Parameter q von der Zeit t ab. Das erfor- ( 1.6.9)
dert eine genauere Beschreibung der Kriterien = 1- P(h(X(t),q) > 0\lt in [O,t 5 ]).
für das Verhalten der Tragwerke und der Versa- Sie ist eine Funktion der Zeit. Entsprechend de-
gensereignisse. Wie sonst bezeichnet h(X(t); t) finiert man die Versagenswahrscheinlichkeits-
:SO den Versagenszustand und h(X(t); t) = 0 den funktion F(t) = 1-R(t) = P(T:S t) bzw. die Zuver-
Grenzzustand. X(t) ist ein vektorieller stocha- lässigkeitsfunktion R(t) = P(T> t), worin T die

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-219


S(tl
R = r~--------------~~--------~~~~r-----

Tl
t------------- 12-------------+
+----------------- Tl --------------+

Abb. 1.6-2 Erstüberschreitungen durch Trajektorien eines Zufallsprozesses

Zeit bis zum ersten Eintritt des Ereignisses behandeln. Mechanische Modelle sollen erwar-
V(t)={h(X(t);t):;::;o} im Zeitraum [0, t] ist. Die tungstreue Modelle sein. Sie können durch Ex-
Aufgabe, die Wahrscheinlichkeit dieses Ereig- perimente auf ihre Richtigkeit (im Mittel) ge-
nisses zu berechnen, wird im folgenden als Erst- prüft werden. Der dabei zu beobachtende Fehler
überschreitungsproblern bezeichnet. wird meist "randomisiert", d.h. bei der weiteren
Behandlung als eine zusätzliche Zufallsvariable
1.6.2 eingeführt.
Grundlagen der stochastischen Modeliierung Jede wahrscheinlichkeitstheoretische Aussage
von Unsicherheiten beruht auf einem stochastischen Modell des je-
weiligen Sachverhalts. Wie in der Mechanik han-
In Anwendungen muß größte Sorgfalt auf die delt es sich nicht um die Wirklichkeit selbst, son-
realistische Modeliierung der Unsicherheiten dern um ein Modell, welches die wahren Sach-
gerichtet werden. Man unterscheidet: verhalte mehr oder weniger gut erfaßt. Von sol-
- Epistemische Unsicherheiten oder Modellun- chen Modellen wird verlangt, daß sie ingenieur-
sicherheiten im physikalischen Modell. In die- mäßige Fragestellungen ausreichend gut erklä-
se Klasse lassen sich auch die Unsicherheiten ren und voraussagen können. Vor allem aber
einordnen, die durch Vereinfachungen und wird einfache Handhabbarkeit gefordert.
Idealisierungen entstehen. Es gibt meist eine ganze Reihe von alternati-
- Unsicherheiten über das "wahre" stochasti- ven stochastischen Modellen. Und man muß un-
sche Modell. terstellen, daß manche besser und manche
- Räumliche und/oder zeitliche zufallige Schwan- schlechter den jeweiligen Sachverhalt wiederge-
kungen. ben. Die Wahrheit wird aber i. d. R. durch keines
- Parameterunsicherheiten der stochastischen der Modelle beschrieben. Es liegt im Wesen der
Modelle, entweder weil nur Stichproben be- wahrscheinlichkeitstheoretischen Betrachtung,
grenzten Umfangs zur Bestimmung der Para- daß Modelle strenggenommen nicht verifiziert,
meter zur Verfügung stehen (statistische Un- sondern nur falsifiziert werden können. Es ist al-
sicherheiten) oder weil das Modell selbst so notwendig, sich auf einen ausreichend rei-
streuende Parameter enthält. chen Satz von Modellen zu beschränken, der er-
fahrungsgemäß zu "vernünftigen" Aussagen
Weitaus am schwierigsten sind die epistemi- führt und ausreichend einfach zu handhaben ist.
schen Unsicherheiten zu erfassen. Sie rühren In diesem Sinne sind alle Aussagen, z. B. die Aus-
rein aus der Unkenntnis der Zusammenhänge sagen über das Tragverhalten von Strukturen bei
und der Einflußparameter. Eine wahrscheinlich- deterministischer Kenntnis der Parameter eben-
keilstheoretische Betrachtung kann hier kaum so wie Wahrscheinlichkeitsaussagen über ge-
weiterhelfen. Man benötigt Erfahrung und Ex- wisse Tragzustände, bedingte Aussagen.
perimente. Unsicherheiten, die durch Vereinfa- Ob ein Modell geeignet ist, kann durch stati-
chungen der mechanischen Zusammenhänge stische Anpassungstests festgestellt werden. Wer-
erzeugt werden, kann man in gewissem Umfang den Parameterunsicherheiten im stochastischen

1-220 Allgemeine Grundlagen


Modell zugelassen, so ist jede Aussage, z. B. zur heit (Makromodell) und ein oft ganz anderes für
Versagenswahrscheinlichkeit, zunächst ebenfalls die zufälligen Fluktuationen innerhalb der Be-
eine bedingte Aussage. Die totale Versagens- trachtungseinheit (Mikromodell). Diese Hierar-
wahrscheinlichkeit ergibt sich aus chie mag noch je nach Erfordernis und Zweck-

Pf = J
Jfx(x I e)fe(e IErfahrung
_ vx
Daten und)dxde
mäßigkeit weiter aufgesplittet werden.
So besteht ein Modell für Windlasten aus ei-
nem Makromodell für das Windklima, d.h. den
= Ee[fvx fx(x I e)dx]
Verteilungsfunktionen für die 10-min-Windge-
(1.6.10:
schwindigkeiten und den zugehörigen Wind-
mit e dem Vektor der Verteilungsparameter. Die richtungen, und aus einem Mikromodell, wel-
Verteilungsfunktion und die Parameter des Vek- ches die Turbulenz und lokale Strömungseigen-
tors e können mit Hilfe des Bayesschen Satzes heiten erfaßt. Die 10-min-Windgeschwindigkei-
aus ten mögen schon die auf ein Jahr bezogenen Ex-
trema sein. Sie folgen in guter Näherung einer
/8 (9 I DatenundErfahrung)= Gumbel-Verteilung. Die turbulenten Geschwin-
I
L(e Daten )j8 (e I Erfahrung) digkeitsschwankungen sind von den Parametern
des Windklimas abhängig. Sie sind näherungs-
J:)<e I Daten )j8 (e I Erfahrung )de
weise normalverteilt und besitzen ein bestimm-
(1.6.11) tes (Varianz-)Spektrum.
entwickelt werden. Hierin ist L (91Daten) die Li- Ein Modell für die Kohäsion und die Reibung
kelihood-Funktion: in Böden umfaßt auf dem Makroniveau Unsicher-
heiten in der Klassifizierung und ggf. den Ein-
L( e I Daten )de = P(Daten I e ) (1.6.12)
fluß von Sondierungsergebnissen auf die Para-
Unter "Daten" versteht man aktuelle Daten, (z.B. meter. Auf dem Mikroniveau sind beide Größen
eine unabhängige Stichprobe vom Umfang n), z.B. als voneinander abhängige lognormale Zu-
unter "Erfahrung" die a-priori-Annahmen über fallsfelder zu modellieren.
die Verteilung von e. Diese können subjektiv Es ist nicht leicht, allgemeine Vorschläge für
festgelegt sein oder aber, z.B. im Fall der Beton- eine Wahl der Modelle zu machen. In der Praxis
festigkeit wie in Abb. 1.6-3, durch historische, werden im wesentlichen nur folgende Modelle
umfangreiche Beobachtungsserien belegt sein. für einfache Zufallsvariable angewandt:
Das führt auf eine hierarchische Struktur der - Normalverteilung: ständige Lasten, Festig-
Modelle. Es gibt immer ein Modell für die Para- keitsgrößen, wenn sie das Resultat von Mitte-
meterunsicherheiten auf der Ebene des Bauwerks lungsvorgängen wie bei Plastizität sind, und
oder einer anderen größeren Betrachtungsein- Abmessungen.

Vorhaltemaß
5 = 4,67 / V= 1,65s
10 s, = 1,86
N/mml /.' • Bn 550
/ .! o Bn450
~

cn 8 0

• Bn 350
"
:::1
-€·;;;
/.:I
. !. i n~. Entscheidung
6
~-.

~
.&>
1 / 1 • ·•··
-
"'
....... 0/. :·~ ··~.: '
)"' • \ ···•.- 0

"E 4 I
"'
"0
ij =12.77
""'
v; s, =4,19
2
/ n = 130 Betonsorten
v
4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 N/mml
Vorhaltemaß

Abb. 1.6-3 Ergebnisse der Fremdüberwachung in Südbayern. Pfeile bezeichnen lose, bei denen wenigstens eine Ablehnungs-
entscheidung gefällt worden ist.

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-221


- Lognormalverteilung: Festigkeitsgrößen. Bei - Exponentialverteilung: Verteilung der Zeiten
größeren Variationskoeffizienten ist die Log- zwischen außergewöhnlichen Lastereignis-
normalverteilungals Modell für Einwirkungs- sen, Lebensdauern bei Ermüdung.
größen nicht geeignet.
- Weibull- Verteilung: Festigkeitsgrößen bei sprö- Daneben kommt aber auch die große Zahl der
dem Verhalten, Lebensdauern bei Ermüdung. anderen mathematischen Modelle in Betracht,
- Gumbel- Verteilung: Extremwerte für Lasten, wenn sie sich durch entsprechende statistische
wenn die Einzelwerte, aus denen die Extrem- Untersuchungen als realistisch erwiesen haben.
werte gewonnen werden, großen Umfang ha- Tabelle 1.6-1 enthält einige der wichtigsten Mo-
ben. delle für eindimensionale unsichere Variablen.
- Gammaverteilung: augenblickliche Verkehrs- Die Exponentialverteilung entsteht aus der Gam-
lasten und Straßenverkehrslasten, Schneela- maverteilung für k= 1. Die Rayleigh-Verteilung
sten. entsteht aus der Weibull-Verteilung für k=2.

Tabelle 1.6-1 Ausgewählte eindimensionale Verteilungsfunktionen

Name Verteilungsdichte Def.-bereich Mittelwert Standardabweichung


Verteilungsfunktion Par.·bereich

Rechteck 1 b-a
fx(x)=-
b-a
a~x~b -a+b
a~b
2 .[]2
x-a
~(x)=-
b-a
Normal
1 exp[ --l(x-mYJ
fx(x)=-- -- --oo<x<oo m 0
2no 2 ° o>O
- 1 c-m)
- -< p-
0 0

Fx(x)=4> (x-m)
~

' 1 (y-m)
= -~ ~<p - 0 - dy

~exp[ 62 J)exp[ 62 ]-1


Lognormal
fx(x)= _1_<p('n(x/~))
6x 6
OSx<oo ~ exp[ 622] 2 2

t;.6>0
Fx(X}=<JI('n(~/~))

Gamma 1
-),.k -;.k
k-1
fx(x)= r(k) A(Al<) exp[-J.xl O!>x<oo;
k,J.>O
F (x)= r(J.x,k)
X f(k)

Gumbel fx(x)= a exp[-a(x-u)-exp[-a(x-u)]] --oo<x<oo


0,577
u+--
a
--
1
a 6
TI

r n
fx (x)= exp(-exp(-a(x -u)]] a >O

Weibull
fx(x)=;(; exp[-(; OSx<oo wr(1+n wJr(1+f)-r 2 (l+n
w,k>O
Fx<x>= 1-exp[-(;) k]

1-222 Allgemeine Grundlagen


Modelle, die Zufallsprozesse oder sogar Zu- Ereignis zu Ereignis ganz unterschiedliche Aus-
fallsfelder erfordern, sind fast durchwegs bei zeit- wirkungen auf Bauwerke haben kann (Abb.
veränderlichen Einwirkungen auf dem Mikro- 1.6-5). Ein anderes Beispiel sind Stürme, deren
niveau, aber auch bei kontinuierlich sich ändern- Marken die Windgeschwindigkeit, Windrich-
den Bauwerkseigenschaften und beim Boden tung und Dauer sind.
einzusetzen. Rechteckwellenprozesse eignen sich Viele Lasten wie die Verkehrslasten des Hoch-
gut, um Mieterwechsel im Hochbau zu erfassen, baus ändern sich über längere Zeiten gar nicht
aber auch um den über eine Brücke rollenden oder nur wenig. Zu bestimmten Zeitpunkten er-
Straßenverkehr zu modellieren. Gaußsehe Pro- folgen dann aber sprunghafte Änderungen, z. B.
zesse werden verwendet, um die turbulenten Ge- bei Mieterwechseln. Da die Zeiten zwischen die-
schwindigkeitsschwankungen des natürlichen sen sprunghaften Änderungen nicht notwendi-
Windes und um Windwellen zu modellieren. gerweise exponentialverteilt sind, kann man die
Auch die Bodenbeschleunigungen bei einem Theorie der Erneuerungsprozesse heranziehen,
Erdbeben lassen sich gut mit instationären um das Auftreten der besagten sprunghaften
Gauß-Prozessen modellieren, wobei der Poisson- Änderungen zu beschreiben. Man kann die Er-
Prozeß für das Auftreten angesetzt wird. Bei Bö- neuerungen mit Marken versehen, insbesonde-
den werden normale oder lognormale Zufalls- re mit sog. "Rechteckwellen" wie in Abb. 1.6-6
felder eingesetzt. gezeigt. Für die Zeiten zwischen den Erneue-
Viele extreme Lastereignisse lassen sich gut rungen gilt Unabhängigkeit. Gleiches gilt für die
durch einen markierten Punktprozeß modellie- möglicherweise mehrdimensionalen Marken in
ren. Der Punktprozeß selbst bestimmt das zeit- verschiedenen Erneuerungszeiträumen. Die
liche Eintreten der Lastereignisse. Die zufälligen Marken innerhalb eines Erneuerungszeitraumes
Marken sind z.B. Amplituden, Frequenzinhalt, können jedoch voneinander abhängig sein.
Dauer des Impulses, Impulsform usw. (Abb. Ein besonders wichtiger Prozeß für die Model-
1.6-4). Beispiele sind Stürme, Erdbeben, Explo- Iierung von Lasten ist der Gaußsehe Prozeß und
sionen, Lasten infolge Fahrzeuganprall etc. Im hier v. a. die stationären Gaußsehen Prozesse mit
allgemeinen ist der Poisson-Prozeß für den Auf- differenzierbaren Pfaden. Seine Bedeutung er-
trittsprozeß eine sehr gute Annahme. Der stati- hält er v.a. durch die Möglichkeit, die sog. KoT-
onäre Poisson-Prozeß ist gegeben durch relationstheorie für Zufallsprozesse strikt anzu-
wenden. Beispiele für Lasten, die gut durch
(At/
P(N(t)= k)= ki exp(-At) (1.6.13) Gauß-Prozesse beschrieben werden können,
sind der Seegang, die turbulenten Geschwindig-
für die Anzahl N(t)=k der Ereignisse im Inter- keitsschwankungen des natürlichen Windes,
vall [O,t] und.\ der Intensität des Prozesses. Erdbebenbeschleunigungen und Außentempe-
Die Zeiten zwischen den Auftritten sind ex- raturen.
ponentialverteilt. Die Marken sind häufig mehr- Die Mittelwertsfunktion des Gauß-Prozesses
dimensional, bei einem Erdbeben etwa die In- X(t) ist
tensität der Erdbeschleunigungen in horizonta- =
ler und vertikaler Richtung, der Frequenzgehalt E[X(t)]= mx(t) = Jxfx(x;t)dx. (1.6.14)
und die Dauer, deren (zufällige) Änderung von

S(t)

I
11.A

Abb. 1.6-4 Markierte Poisson-Folge Abb. 1.6-5 Mehrdimensional markierte Poisson -Folge

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-223


X(t)

-
-
1-- -

T t+ß

Abb. 1.6-6 Rechteckwellen-Erneuerungsprozeß

Die (Auto-) Kovarianzfunktion ist definiert durch und


Cxx:(tpt2) = Cov[X(t1),X(t2)) = Cov[X(t),X(t +t)] = oCov[X(t),X(t+t)]
OT
J J(xi-mX(ti))(x2 -mx(t2)) (1.6.15) oCxx:(r)

x fx(xpx 2 ; tpt2)dx1 dx2, (1.6-22)


und es gilt Cxx(t,t):2!0,Cxx(t1h) = Cxx(t2,t1) und
ICxx(ti>t2)1 ::;; (Cxx:(ti>t2)Cxx:(t2,t1)) 112 . Die Ver- Cov[X(t),X(t +t)] = oCov[X(t),X(t +t)]
teilungsdichte für den Gauß-Prozeß ist bivariat- OT
normal. 32Cov[X(t),X(t +t)]
Bei Stetigkeit und Differenzierbarkeit der Pfa- or 2
de ist für den Ableitungsprozeß X(t) 2
o Cxx:(r)
E[X(t)]= dmx(t). (1.6.16)
dt (1.6-23}
Für die Kreuzkovarianzfunktion ist und es ist wegen Symmetrie, d.h. Cxx(t)=
Cxx(-r}, CxX:(O)=O. Also ist der Ableitungspro-
Cov[X(tl),X(t2)]= 3Cov[X(tl),X(t2)] (1.6.17) zeß für r=O unabhängig vom Prozeß selbst.
Cov[X(t}, X(t+r)] ist i.allg. jedoch nicht Null.
ot2
und die (Auto-) Kovarianzfunktion X(t) ist ebenfalls stationär. Die Existenz der
zweiten Ableitung der Autokovarianzfunktion
Cov[X(tl),X(t2)] = 3Cov[X(tl),X(t2)] ist auch eine Bedingung für die Differenzierbar-
ot1 keit von X(t).
= 32 Cov[X(t1),X(t2)] Für ergodisehe Prozesse gilt darüber hinaus für
ot1ot2 T-7oo

(1.6.18) lim 1 Jr
E[X(t)]=mx = - X(t)dt (1.6.24)
Für stationäre Prozesse ist T-7ooT 0
und
E[X(t)] =mx (1.6.19)
lim 1 Jr
und mit t= t2-t1 C(r)= - X(t+r)X(t)dt. (1.6.25)
T-7ooT 0
Cov[X(tJ),X(t1+t)] = Cxx:(t), (1.6.20)
Im Rahmen der Korrelationstheorie ist eine der
da t 1 beliebig gewählt werden kann. In diesem Darstellung der Abhängigkeitsstruktur durch
Falle ist die Kovarianzfunktion äquivalente Darstellung
durch die spektrale Dichte möglich. Insbeson-
E[X(t)]=O (1.6-21)
dere läßt sich für den zentrierten Prozeß X( t) mit

I-224 Allgemeine Grundlagen


E[X(t)] =0 die Kovarianzfunktion durch das fe der Zuverlässigkeitstheorie 1. oder 2. Ordnung
Fourierintegral erfolgen. Hierzu sind erforderlich:
C(t) = f-=+=S(oo)exp (ioot)doo - Definition des Versagenskriteriums als
V={h(X)~O}. h(X) ist eine ein- bis zweimal
(1.6.26)
=2 s:=S(oo)cos (oot)doo stetig differenzierbare Funktion.
- Definition der Basisvariablen als Vektor X
mit der inversen Beziehung =(XJ, ... ,Xn)T.
- Definition des stochastischen Modells als
S(oo) =1- r+=C(t)exp (-ioot)dt Fx= (XI> ••• , Xn). Fx= (XI> ••• , Xn) ist eine stetig
21t -=
(1.6.27) differenzierbare gemeinsame Verteilungs-
1r+=
=-J, C(t)cos(oot)dt funktion des Vektors X.
1t 0

darstellen. S( oo) heißt Leistungsspektraldichte Des Weiteren wird angenommen, daß eine ein-
oder kurz Spektraldichte. Häufig benutzt man eindeutige Transformation x = T( u) und ihre Um-
anstelle der Spektraldichte S(oo) die physika- kehrung u=1 1(x) vom Raum der ursprüngli-
lisch sinnvolle halbseitige Spektraldichte G( oo) = chen Variablen in den sog."Standardraum" un-
2 S(oo). Spektrale Momente werden nach abhängiger standardnormalverteilter Variablen
>..k = r: ookS(oo)doo (1.6.28)
existiert, derart daß
Pt= P(XEVx)=P(h(X)~O)
ermittelt. Sie sind wichtige Kenngrößen für die
=P(U EVu)=P(h(T(U))~O) (1.6.32)
spektrale Zusammensetzung des Prozesses. Die
zentrale (mittlere) Frequenz ist = P(g(U) ~0).
Dann ist:
(1.6.29)
Zwei Irregularitätsmaße (Bandbreitenparame- Pt= fv.fx(x)dx= fv" <pu(u)du
ter) sind (1.6.33)
2 )1/2
(1-l
n-I
- <t»(-ß>TI (1-ßK;)
-112
== <t»(-ß)
6= '
>..2>..o
(1.6.30) i=l
mit
ß = llu *II = min {llull} für{u:g(u)~ 0}. (1.6.34)
(1.6.31) Hierin ist
ß der geometrische Zuverlässigkeitsindex,
Dabei variieren beide Parameter zwischen 0 und <1»(.) die Standardnormalverteilung,
1. 6 und E wachsen mit wachsender Bandbreite. llull die Euklidische Norm des Vektors u,
Reichhaltige zusätzliche Ergebnisse über Gauß- K; die Hauptkrümmungen vong(u)=O in u*,
sehe Prozesse findet man z.B. in [Cramer/Lead- u* der ß-Punkt (wahrscheinlichster Versagens-
better 1967]. Vektorprozesse sind eine Verallge- punkt).
meinerung eindimensionaler Prozesse. Man
muß jedoch auch Kreuzkorrelationen bzw. Das erste Resultat ist asymptotisch, d. h. für ß ~oo
Kreuzspektren definieren. Bei Zufallsfeldern gel- exakt, und wird mit SORM (Second-Order Re-
ten die vorstehenden Beziehungen analog. Im liability Method) bezeichnet [Breitung 1984].
Unterschied zu einfachen Prozessen ist nunmehr Das zweite Resultat ist eine Näherung erster
der Parameter vektorwertig, d.h. er enthält z.B. Ordnung und wird FORM (First-Order ReHabi-
die Koordinaten des Raumes. lity Method) genannt. Es wurde in [Hasofer/Lind
1974] für normalverteilte Variablen angegeben
1.6.3 und in [Rackwitz/Fiessler 1978] für beliebigver-
Zeitinvariante Zuverlässigkeitsaufgaben teilte Variablen verallgemeinert.
Um die Näherung zweiter Ordnung (SORM)
1.6.3.1 zu berechnen, muß die Grenzzustandsfunktion
Zuverlässigkeitstheorie 1. und 2. Ordnung mindestens zweimal stetig differenzierbar sein,
für FORM genügt einfache Differenzierbarkeit.
Die praktische Berechnung von Versagenswahr- SORM verlangt die Lösung eines Eigenwert-
scheinlichkeiten kann näherungsweise mit Hil~ problems, um die Krümmungen aus der Matrix

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-225


der zweiten Ableitungen zu berechnen. Der Lö-
an= Qn = 1,
sungspunkt u* des Optimierungsproblems in
Gl. (1.6.34) muß eindeutig sein. Ein einfacher Al- a;1 =Qil; 2::;i::;n,
gorithmus zur Bestimmung des Bemessungs-
punktes u* ist [Rackwitz/Fiessler 1978] a;; =(Q;;- Ia~k)112 ; 2::;i::;n,
k=l

I
V ( (kl) (1.6.38)
u(k+l) = gu 2 [(u<k>( vg(u(k))- g(u(k))].
aij = (Qij- a;kajk)_!__; 1< j < i::; n
llvg(u<kl)ll k=l a;;
(1.6.35) undsomit
Dieser Algorithmus konvergiert nicht immer.
Z=AU. (1.6.39)
Man kann ihn durch kleine Änderungen aber si-
cher konvergent machen und außerdem durch Die entsprechende Transformation besteht aus
einige zusätzliche Maßnahmen so modifizieren, einer Verschiebung des Koordinatenursprungs,
daß er sog. "überlineare Konvergenz" zeigt. In einer Skalierung der Achsen und einer Koordi-
der Regel muß Vg(u<~<l) als Vorwärts-, Rück- natendrehung so, daß im transformierten Raum
wärts- oder sogar als zentraler Differenzenquo- alle Variablen unkorreliert und standardnormal
tient numerisch berechnet werden. In der Praxis werden. Unkorrelierte normalverteilte Variablen
werden höherkonvergente Algorithmen, die auf sind auch unabhängig.
der sequentiellen quadratischen Programmie- Bei lognormalverteilten Variablen gilt
rung aufbauen, verwendet [Gill et al. 1981, Schitt-
_ [ Cov[X;,Xj]]
kowski 1983]. Cov[lnX;,lnXj]-ln 1+ E[X;]E[Xj] .
(1.6.40)
1.6.3.2
Verteilungstransformationen Wenn X; normalverteilt und Xj lognormal ver-
teilt ist, gilt
Transformation nichtnormaler unabhängiger Variablen Cov[X;,Xj]
Cov[X;, lnXj] = [ ] . (1.6.41)
Für einen unabhängigen Vektor X mit den Rand- E xj
verteilungen F;(I.) gilt die Identität F;(x) = ~ (u;)
[Rackwitz/Fiessler 1978] und daher: Nichtnormale abhängige Basisvariablen
X;= r 1 [~(U;)]. (1.6.36)
Wenn X die Verteilungsfunktion F(x) = P(X::; x) =
P(n7 =I {X;::; x;}) hat, ist es immer möglich, diese
Korrelierte normalverteilte Variablen durch ein Produkt bedingter Verteilungen dar-
zustellen, d.h. durch F(x)=F1(x1)F2(x2lxJ) ...
Es ist immer möglich, korrelierte normalver- Fn(XniXh ••• ,Xn-1).
teilte Variablen durch unkorrelierte standard- Die bedingten Verteilungen können nachein-
normalverteilte Variablen darzustellen. War ur- ander transformiert werden [Hohenbichler/
sprünglich eine mehrdimensionale Variable X Rackwitz 1981]. Die Transformation wird als Ro-
- N n(m; L) gegeben, so stellt man X wie folgt dar: senblatt-Transformation bezeichnet.
X=CU+m. (1.6.37) =11 (x1)
~(u 1 )

Man bestimmt die Matrix C so, daß die linke und ~(u2 ) =Fz(x1lx2 )
rechte Seite von Gl. (1.6.37) die gleiche Kovari-
anzmatrix I.= {oij; 1::; i,j::; n} hat. Da jede Kova- (1.6.42)
rianzmatrix symmetrisch und positiv definit ist,
kann C als untere Dreiecksmatrix gewählt wer- oder
den, d.h. C;j= 0 für j > i. Führt man zusätzlich
noch die Normierung Z; =(X;- m;)/o;; ein und
XI =11-I[~(UI)]
daher Oij=QijOii Ojj mit R={Qij} der Matrix der x2 = Fz-~[~(U2)1ri[~(UI)l]
Korrelationskoeffizienten, so findet man die
x3 = p3-~[~<u3>1ri[~(U2)1ri[~(UI)J]].
Choleskysche Dreieckszerlegung
(1.6.43)

1-226 Allgemeine Grundlagen


Es gibt noch einige andere mehrdimensionale (1.6.49)
Modelle und die zugehörigen Transformationen
[Der Kiureghian/Liu 1986, Winterstein/Bjerager a 0 ; ist offensichtlich ein Maß für die Empfind-
1987]. lichkeit von ß bei Änderung der Streuung der
Variablen U;. Schließlich kann man parametri-
1.6.3.3 sche Sensitivitäten nach
Sensitivitäten
(1.6.50)
Zunächst wird der sog. äquivalente Zuverlässig-
keitsindex definiert durch durch numerische Differentiation im ß-Punkt
bestimmen. Diese Sensitivitätsmaße sind wich-
P(UeV)=P(a~U +ßE:=:;o) tige Kenngrößen für die Bedeutung von Varia-
(1.6.44)
= P(Z +ßE:=:;O) = <P(-ßE) · blen und der Parameter.

IXE und ßE sind offensichtlich die Bestimmungs- 1.6.3.4


elemente einer Hyperebene mit gleichem Wahr- Beispiel
scheinlichkeitsinhaltwie das ursprüngliche Pro-
blem P(Ue V). Man erkennt, daß Cov[Z,U;]= Als Beispiel sei die Versagenswahrscheinlichkeit
~;= IXE,i·Also ist IXE,i der Korrelationskoeffizient eines Zugstabes mit kreisförmigem Querschnitt
zwischen U; und der Zustandsvariablen Z. Die unter Last berechnet (Abb.l.6-7). Eine der mög-
anderen Bedeutungen von IXE,i als normalisier- lichen Zustandsfunktionen ist
ter Gradient und als Richtungskosinus der äqui-
valenten Hyperebene sind bereits bekannt. Ver- n 2
M=g(X)=-X2 X 3 -X1 . (1.6.51)
schiebt man nun den Koordinatenursprung um 4
eine kleine Größe E(oder ersetzt U durch U + E), Sie ist, wie man sieht,nichtlinear. X 1 sei Gumbel-
so ergibt sich verteilt, und X 2 und X 3 seien lognormalverteilt
Sie haben die Mittelwerte m= (6, 2, 3)T und die
ßE(E) = -<P- 1(P((U+E)eV)) Varianzen o 2 = (1,8 2, 0,42, 0,3 2 )T. Die Variablen
seien unabhängig. Die Verteilungsfunktionen
= -<P- 1 (P(a~(U+E)+ßE :::;o)}
sind
= -<P- 1 (P(a~ u:=:;-ßra~E}}
1) (x1) = exp[-exp[-a(x1 -u)]], (1.6.52)
= -<P-I(<P(-ßra~E)} = ßE +a~E (1.6.45)
undsomit
F
2,3
(x
2,3
)=<P(ln(x2,3/~2,3))·
6 (1.6.53)
2,3
(1.6.46)
Daher ist die Rosenblatt-Transformation
bzw. 1
X1 =u--ln[-ln(<P(U1))], (1.6.54)
oPf(E) o<P(-ßE(E)) a
--IE;~O = IE;~O
OE; OE;
= -<p(-ßE)aE,i · (1.6.47)

Offensichtlich ist IXEi ein Maß für die Empfind-


lichkeit von ßE gegenüber (Mittelwerts-)Ände-
rungen der Variablen U;. Mit asymptotischen
Argumenten kann man zeigen, daß tatsächlich
für ß ~ oo gilt:

(1.6.48)

Diese Größe ist bekannt, sobald man den ß-


Abb. 1.6-7 Beispiel Zugstab
Punkt bestimmt hat. Auf ähnlichem Wege zeigt
man, daß

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-227


nen (z. B. Potenzieren) aus und erhält durch den
Tabelle 1.6-2 Beispiel: Iteration zur Bestimmung des Nachkommaanteil der entstandenen Zahl wie-
Bemessungspunktes derum eine Zufallszahl, und so fort. Der jeweili-
ge Algorithmus ist sorgfältig auf Unabhängig-
u. u2 UJ g(u) ß keit und Gleichverteilung zu testen. In den mei-
0 0 0 8,020 - sten Rechnern sind solche "Zufallsgeneratoren"
0.74 - 1,25 - 1,26 1,270 2,18 implementiert. Ist nun eine Serie von gleichver-
1.48 - 1,16 - 1,17 - 0,235 2,21 teilten Zufallszahlen gi, i = 1, 2, ... , erzeugt, erhält
1,61 -0,99 -0,99 -0,010 2,13 man analog zu GI. ( 1.6.36) aus
1,60 - 1,00 - 1,01 10-4 2,14
(1.6.58)
die zur Verteilung Fx(x) gehörige Zufallszahl.
Zufallszahlen für Zufallsvektoren erzeugt man
(1.6.55) analog zum Vorgehen bei der Rosenblatt-Trans-
formation. Man muß dort nur ct>(ui) durch
(1.6.56) gi = F(gi) ersetzen. Weiterführende Literatur fin-
det man in [Rubinstein 1981).
Die entsprechenden Parameter sind a = 1,283/ol>
u=m,-0,450'!> 6i=ln(l+(oi/mi) 2) 112 , ~i= Monte-Cario-Integration
mi exp [-6( /2 )(i = 2,3 ). Die Zustandsfunktion im
Standardraum heißt damit: In 1.6.3.1 wurden Näherungen für Wahrschein-
n 2 lichkeitsintegrale angestrebt, die aber nicht nur
Z = -~2 exp[U2 62 ](S3 exp[U3 63]) einen gewissen gedanklichen Aufwand erfor-
4
(1.6.57) dern, sondern auch in der Realisierung in Re-
-( u-~ ln(-ln(ct>(U1)))). chenprogrammen nicht trivial sind. Hierbei ging
es im wesentlichen darum, hochdimensionale
Mit der Anfangslösung u0 =0 ergibt der Algo- numerische Integration zu vermeiden. Beson-
rithmus (1.6.35) die in Tabelle 1.6-2 dargestell- ders naheliegend ist natürlich auch, Methoden
ten Ergebnisse. Der Suchalgorithmus konver- der stochastischen Simulation für Berechnun-
giert in vier Schritten. Die a- Werte entsprechend gen der Versagenswahrscheinlichkeit anzuwen-
GI. (1.6.48) sind a =- 1/Jiu* = (-0,748; 0,467; den. Die einfachste Art der Berechnung eines
0,471)T. Die Schätzung erster Ordnung für die Wahrscheinlichkeitsintegrals ist
Versagenswahrscheinlichkeit ist Pr=
4>( -llu*l I)=
1,62 · 1o- 2• Die Versagenswahrscheinlichkeit zwei- P(V) =Jvfx(x)dx =J91 nlv(x)fx(x)dx
ter Ordnung berechnet man zu 1,67 ·10-2, was auf = E[P(Xe V)]. (1.6.59)
kleine Krümmungen der Grenzzustandsfläche
hinweist. Das ist auch das exakte, durch numeri- Hierin ist Iv(x) die sogenannte Indikatorfunkti-
sche Integration gewonnene Resultat. on für den interessierenden Bereich mit den fol-
genden Eigenschaften:
1.6.3.5
1fürxeV,
Monte-Carlo-Verfahren zur I (x)- {
v - Ofürx~V.
Zuverlässigkeitsberechnung
Kann man Realisierungen des Vektors X in effi-
Erzeugung von Zufallszahlen zienter Weise zufällig erzeugen, gilt
• 1 N
Stochastische Simulation erfordert die Erzeu- P(V)::::- Llv(xi), (1.6.60)
gung langer Reihen von Zufallszahlen mit gege- Ni=I
bener Verteilung. Solche erzeugt man am besten wobei P(.) den Wahrscheinlichkeitsschätzer be-
mit einem digitalen Rechner als sog. "Pseudo- zeichnet. Das ist ein erwartungstreuer Schätzer
Zufallszahlen". Der erste Schritt ist die Erzeu- für den wahren Wert von P(V). Seine Varianz ist
gung von Zufallszahlen im Intervall [0, 1) im Fall unabhängiger Realisationen des Vek-
Die Grundidee ist folgende: Man geht von dem tors X
Nachkommaanteil einer irrationalen Zahl, z.B.
n , aus. Mit diesem führt man gewisse Operatio-

1-228 Allgemeine Grundlagen


N 1 riationskoeffizient der Schätzung entsteht. Wählt
Var[P(V)]= _L-
A

2 Var[lv(x;)] manz.B.
i=tN
(1.6.61) hx(x) = Iv(X)fx(x)dx ' (1.6.66)
1
=-Var(Iv(x)].
N
f
91 .Iv(X)fx(x)dx

so zeigt man leicht, daß, da im Nenner genau die


Die Varianz wird durch Größe P(V) steht, die Varianz der Schätzung zu
Null wird. Das ist wenig hilfreich, da man gera-
1{1 N 2 de P( V) schätzen möchte. Jede Näherung für
Var(Iv(x)]:::- - _Liv(x;)
N Ni=t P( V) sollte eine Schätzungjedoch effizienter ma-
chen. Kennt man beispielsweise den ß-Punkt im
(1.6.62)
Standardraum, so liegt es nahe, für hx(x) wie-
derum eine Normalverteilung mit unabhängi-
gen Komponenten und Mittelwert im ß-Punkt
geschätzt. zu wählen,d.h.N(u*,cl) (Abb.l.6-8).Mitc"'1 hat
Leider ist ein solches Vorgehen für die Be- man gute Erfahrungen gemacht. In diesem Fall
stimmung von Versagenswahrscheinlichkeiten, ergibt sich eine Trefferwahrscheinlichkeit von
d.h. von i.allg. kleinen Größen, sehr unzweck- ungefähr 0,5. Man braucht den ß-Punkt nicht ge-
mäßig, da ein sehr hoher Berechnungsaufwand nau zu kennen.
erforderlich ist, um ausreichend genaue Ergeb- Dieses Verfahren wird oft adaptiv angewandt,
nisse zu erzielen. Man vergegenwärtige sich, daß d.h. man verändert während der Simulation die
es sich hierbei um ein Bernoulli-Experiment Importanzstichprobendichte. Bei einfachen
handelt. Komponenten startet man die Simulation am
Es sei p die nach GI. (1.6.60) zu schätzende Mittelwertsvektor. Wird g(x;) zufällig kleiner,
Wahrscheinlichkeit. Dann ist die mittlere Anzahl verwendet man diesen Punkt als nächstes Zen-
von "Treffern" gleich Np und die Varianz gleich trum der lmportanzstichprobendichte. Wenn
Np ( 1-p ). Der Variationskoeffizient ist also für ein x; g(x;) :::; 0, verwendet man diesen Punkt
als Zentrum der Importanzstichprobendichte
V[P]= ~Np(1-p) ::::-1-. (1.6.63)
und ändert das Zentrum nur noch, wenn lg(x;)l
Np .JNP kleiner und die Dichte fx(x;) größer wird als für
ein früher gefundenes x;. Das Verfahren ist also
Daraus sieht man, daß man gute Ergebnisse nur ein stochastisches Suchverfahren nach dem ß-
bei großem N, d.h. für N» 1/p, erhalten kann. Punkt. Dann beginnt man mit der Schätzung der
Versagenswahrscheinlichkeit nach GI. (1.6.65).
Monte-Cario-Methoden mit lmportanz- Dieses Verfahren benötigt keine Ableitungen
stichprobenwahl von g(x) und auch keine Wahrscheinlichkeits-

Wesentlich effizienter sind Schemata mit Im-


portanzstichprobenwahl, bei denen man P( V)
durch
P(V) =E(Iv(X)]
(1.6.64)
=J. .Iv(x/x(x) hx(x)dx
91 hx(x)
berechnet mit h(x), der sog. "lmportanzstich-
probendichte". Dann ist

(1.6.65)

Abb. 1.6-8 Monte-Carlo-Verfahren mit lmportanzstich-


Die wesentliche Frage ist, wie man die Stichpro- probenwahl
bendichte so wählt, daß ein möglichst kleiner Va-

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-229


transformation, obwohl es im transformierten Für ein Parallelsystem ("und"- Verbindung) ist
Raum wegen der dann gegebenen Rotations- das Versagensereignis der Schnitt der Einzeler-
symmetrie am besten funktioniert. Man kann es eignisse
im Hinblick auf verschiedene Kriterien noch
Fp=!lFi. (1.6.68)
verbessern. Beispielsweise kann man ein "besse-
res" Zentrum nur mit allmählich kleiner wer- Entsprechend haben Parallelsysteme in Serie
dender Wahrscheinlichkeit akzeptieren. Außer- (Vereinigungen von Schnittmengen) die Darstel-
dem kann man die Schrittweite, mit der ein be- lung
stehendes Zentrum in Richtung "besseres" Zen-
Fsp = u n Fij (1.6.69)
trum verändert wird, allmählich verkleinern.
Dann besteht eine gewisse Möglichkeit, nicht in und parallelgeschaltete Seriensysteme (Schnitt-
lokalen Zentren, d. h.lokalen Maxima, von fx(x) mengen von Vereinigungen) die Darstellung
"hängen" zu bleiben. Das Verfahren ist leider
Fps =n U Fst. (1.6.70)
ziemlich aufwendig.
Diese Systeme sind für ein Beispiel durch ihre
1.6.4 Versagensbereiche und ihr Blockdiagramm in
Zuverlässigkeit von Systemen Abb. 1.6-9 dargestellt.
Von großer Bedeutung ist, daß jedes System
1.6.4.1 durch eine der beiden letzten Darstellungen be-
Logische Analyse von Systemen schrieben werden kann, indem man von den dis-
tributiven Gesetzen der Mengenalgebra Ge-
Es ist nützlich, die verschiedenen Arten von Sy- brauch macht.
stemen aus der Sicht der Zuverlässigkeitstheorie
Fin(FjUFk)=(Fi!lFj)U(FiUFk), (1.6.71)
zu klassifizieren. Ein Seriensystem versagt, wenn
auch nur eine seiner Komponenten versagt. Ein Fiu(Fj!lFk)=(FiUFj)n(FiUFk). (1.6.72)
typisches Beispiel ist die Kette, bei der das Ver-
sagen jedes einzelnen Gliedes dem Kettenversa- Ferner werden wesentliche Reduktionen durch
gen entspricht. Ein Parallelsystem versagt, wenn die Absorptionsregeln, d.h. durch
auch die letzte Komponente versagt. Solche Sy-
F:uF·1 =F·}
steme nennt man auch "redundant". Damit soll ' 1 für F: c F· (1.6.73)
zum Ausdruck gebracht werden, daß das Versa- F;nF; =F; •- J'
gen einer oder auch mehrerer Komponenten
noch nicht das Versagen des Systems bedeuten (F;uJi)cFj} für F;cFj
muß. Beispiele sind Versorgungsanlagen für (1.6.74)
(F;nFk)c Fj und & c Fj '
Wasser oder Elektrizität.
Diesen Systemen kommen wegen der zwei- möglich. Hierdurch kann man die Menge "mini-
wertigen Beschreibung ihrer Zustände ganz be- mal" machen.
stimmte Mengenoperationen zu. In der Zuver- Minimale Schnittmengen, GI. (1.6.69), sind
lässigkeitstheorie spricht man daher auch schon solche, die keine andere Schnittmenge als echte
dann von einem System, wenn solche Operatio- Teilmenge enthalten. Analog wird die Darstel-
nen für eine Beschreibung des Systemzustands lung ( 1.6. 70) als Pfadmenge bezeichnet. Diese ist
notwendig sind. Im allgemeinen sind Systeme minimal, wenn sie keine andere Pfadmenge als
aus vielen Komponenten in komplexer logischer echte Teilmenge enthält. Sie ist für Zuverlässig-
Anordnung von seriellen und parallelen Unter- keitsbetrachtungen weniger geeignet.
systemen zusammengesetzt. Im folgenden wer-
den zunächst einige formale Regeln für die Ana- 1.6.4.2
lyse derartiger Systeme aufgestellt. Wahrscheinlichkeitsschranken für Systeme
Es sei Pi= {Xe V;} das Versagensereignis der
i-ten Systemkomponente und F das Versagens- Einfache Schranken für die Versagenswahr-
ereignis des Systems. Für ein Seriensystem scheinlichkeit von Systemen werden unter den
("oder"-Verbindung) ist das Versagensereignis vereinfachenden Annahmen erhalten, daß die
die Vereinigung der Einzelereignisse Komponentenereignisse entweder voll vonein-
ander abhängig oder voneinander unabhängig
F5 =UFi. (1.6.67) sind.

1-230 Allgemeine Grundlagen


(i)

Fl V F2 V F3 V F4 Fl n F2 n F3 n F4

(Fl n F2) v (F3 n F4) (Fl v F2) n (F3 v F4)

~ M
~
Abb. 1.6-9 Typen von Systemen

Für ein Seriensystem ("oder"-Verknüpfung) Bei beliebiger Abhängigkeit der Ereignisse gel-
hat man für unabhängige Ereignisse nach Über- ten die Schranken 1. Ordnung:
gang zu den komplementären Ereignissen m
max {P(fi)} ~ PJ,s ~ LP(fi), (1.6.79)
Pf,s =P(Ufi) =
1=1
1-P(n~) =1-fi P(~)
1=1 1=1
i=1

0 ~ Pf,P ~ min {P(F; )} . (1.6.80)


m
=1- no-P(fi}). (1.6.75) Einfache Schranken für Vereinigungsmengen
i=1
wachsender Ordnung und Schärfe können wie
Analog erhält man für Parallelsysteme ("und"- folgt konstruiert werden. Die grundlegende Idee
Verknüpfung) unter den gleichen Bedingungen ist leicht aus Abb.l.6-10 zu ersehen. Für die er-
sten beiden Ereignisse hat man
Pf,P =P(nfi)= fiP(fi). (1.6.76}
1=1 1=1

Im voll abhängigen Fall ist Für das dritte Ereignis in einer Vereinigung er-
hält man eine obere Schranke, wenn die größe-
Pf,S =P(Qfi )= max {P(fi}}, (1.6.77} re Schnittwahrscheinlichkeit, d.h. P (F1nF3) oder
P (F2 nF3 ), von dem zusätzlichen Term P(F3 ) ab-
gezogen wird. Eine untere Schranke gewinnt
Pf,P =P(rlfl)=min{P(fi)}. (1.6.78} man, wenn man die Summe dieser Schnittwahr-
1=1

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-231


Pf =P(n:1 {Zi~-ßd)=~m(-ß;R). (1.6.82)
~m ist das mehrdimensionale Normalvertei-
lungsintegral. Für Vereinigungen V=u'['= 1Vi ist
entsprechend

Pf =P(U:~{Zi~-ßd)=1-P(n:~{Zi >-ßd)
= 1-P(n:1{Zi~ ßd) = 1-~m(ß;R) ·
(1.6.83)
Die Berechnung des mehrdimensionalen Nor-
malverteilungsintegrals ist i. allg. schwierig (s. je-
Abb. 1.6-10 Zur Ableitung von verbesserten Schranken doch [Ruhen 1964; Gollwitzer/Rackwitz 1988]).
für Vereinigungswahrscheinlichkeilen Bei Schnittmengen ergibt sich ein besseres Re-
sultat, wenn die Linearisierung nicht in den in-
scheinlichkeiten abzieht unter der Bedingung, dividuellen ß-Punkten, sondern im gemeinsa-
daß diese Summe nicht größer sein kann als men ß-Punkt u *, definiert durch
P(P3). Wiederholte Anwendung dieses Schemas
auf alle n Ereignisse in der Vereinigung ergibt ß = llu *II = min {llull} (1.6.84)
[Ditlevsen 1979] für {u :n:1 gi(u)~o},
m
~ P(Fj)+ L(P(fi) erfolgt, womit dann ßi=-aT u*.
i=2 Schließlich wurde auch für Schnittwahr-
scheinlichkeiten eine asymptotische Korrektur
p(Or;)=
I=I
m
~P(Fj)+ Lmax{O,
2. Ordnung erarbeitet [Hohenbichler et a1.1987].
Für Vereinigungsmengen gilt asymptotisch
i=2 P(u '['=I Pi) - L.% 1 P(Pi). Die Berechnung der
(1.6.81)
(P(r; >- LPir; nfJ
]<I
n}. Wahrscheinlichkeit von Schnittmengen kann
auch mit dem Monte-Carlo-Verfahren erfolgen,
leider nur mit großem Aufwand.
Diese Schranken werden als Schranken 2. Ord-
nung bezeichnet. Die Güte der Schranken hängt 1.6.4.4
geringfügig von der Ordnung der Pi ab. Gute Anwendung aufTragsysteme
Schranken werden gewonnen, wenn die Pi nach
der Größe von P(Pi) geordnet werden. Die Anwendung auf Tragsysteme wird an einem
starr-plastischen Rahmen mit verschiedenen Ver-
1.6.4.3 sagensmodi illustriert. Ein Portalrahmen kann
Berechnung der Wahrscheinlichkeiten von auf die in Abb. 1.6-11 gezeigten Arten (Versagens-
Vereinigungs- und Schnittmengen modi) versagen. Mithilfe des Arbeitssatzes erhält
man drei Zustandsfunktionen:
Das Versagensereignis (Versagensbereich) kann
M1=X1+X2+X4+Xs-X6h, (1.6.85)
auch als Vereinigung oder Durchschnitt von ein-
zelnen Versagensbereichen gegeben sein. Es sei M2=X1 +ZX3+ZX4+Xs-X6h -X7h, (1.6.86)
V=r.f=i Vi mit Vi=Hi={aiU+ßi~O}={Zi~ ßi}.
M3=X2+ZX3+X4-X7h. (1.6.87)
Waren ursprünglich die einzelnen Bereiche
durch nichtlineare Funktionen begrenzt, so kann Die einzelnen Versagensmodi sind an sich Paral-
man annehmen, daß diese, wie im vorigen Ab- lelsysteme, da alle für einen Modus erforderli-
schnitt beschrieben, durch Halbräume ersetzt chen kritischen Punkte im Tragwerk ins Fließen
werden können. Die Kovarianzmatrix des Vek- kommen müssen. Bei voller Plastizität reduziert
tors Z ist dann durch L.= {at aj; i,j= 1. .. , m} ge- sich die Berechnung von Schnittmengen. Die
geben, welche gleich der Korrelationskoeffizien- Konstante ist h =Sm. Für die unsicheren Varia-
tenmatrix Rist, da Zein Vektor mit Mittelwert 0 blen gilt Tabelle 1.6-3.
und Varianz 1 ist [Hohenbichler/Rackwitz 1983, Die Durchführung der in diesem Fall sehr ein-
Hohenbichler et al. 1987]: fachen Transformation und die Bestimmung des

1-232 Allgemeine Grundlagen


r-n +- 2h ----+
Abb. 1.6-11 Versagensmodi bei Portalrahmen

3,36 ·10-3 ~4,67 ·10-3 ~Pt


Tabelle 1.6-3 Unsichere Variablen im Beispiel (1.6.89)
~4,67 ·10"3 ~5,64 ·10-3 •
Variable Vert.-Typ m, o,
Die verbesserten Schranken (1.6.81) sind in die-
x .... xs LN 134,9 kNm 13.49 kNm
sem Fall bis auf zwei Stellen nach dem Komma
x6 LN SOkN 15 kN
exakt. Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn
x7 LN 40kN 12kN
man nach GI. (1.6.83) vorgeht.
Diese Vorgehensweise kann nicht immer an-
gewandt werden, wie nachfolgend veranschau-
licht wird. Abbildung 1.6-12 zeigt ein Daniels-
jeweiligen ß-Punktes liefern die in Tabelle 1.6-4 System, bei dem allen Fasern bei Belastung die
dargestellten Ergebnisse. Die Korrelationsma- gleiche Dehnung aufgeprägt wird. Die Fasern ha-
trix der Sicherheitszonen lautet ben zufällige Festigkeiten bei ideal sprödem Ver-
halten. Bei Belastung dieses Systems versagt
1,000 0,841 0,014] zunächst die schwächste Faser, dann die zweit-
. R = [ 0,841 1,000 0,536 . schwächste Faser, usw. Beim Bruch einer Faser
0,014 0,536 1,000 muß sich die Last auf die verbliebenen intakten
Fasern gleichmäßig verteilen. Bei weiterer Stei-
Geht man nach GI. (1.6.81) vor, so errechnet sich gerung der Last muß man bei einer gewissen
folgende Matrix der Schnittwahrscheinlichkei- Last erwarten, daß die Festigkeit der verbliebe-
ten bei Berechnung nach FORM: nen Fasern nicht mehr ausreicht, um die auf sie
umgelagerte Last aufzunehmen. Das System ver-
3,36 10-3 symm.l sagt. Dabei sind dynamische Effekte vernachläs-
p = [ 9,20 10-4 1,99 10-3 sigt.
1,14 10-6 4,25 10-s 2,9110- 4 Die Fasern haben die identisch und unabhän-
giß ver! eilten Fes~igkeiten Xk. Bei Ordnung nach
Die nach Gl. (1.6.81) erforderlichen Schnitt- (XI :5, Xz ~ ... ~ Xn) erkennt man, daß die Fest-
wahrscheinlichkeiten werden nach Standardi- igkeit des Systems durch [Daniels 1945; Hohen-
M·-m· bkhier et al. 1987]
sierung der Sicherheitszonen mit Z; = -'--'
n
am besten aus o;
R=max{(n-k+1)Xd (1.6.90)
k=l
<I>z (-ß;, ßj; Qij) = <I>(-ß; )<I>( -ßj)
gegeben ist. Also ist

+ Jo 2n~1-u2
l'ij 1
exp
[ 1 (ßf-2uß;ß·+ß~)]
2
1
1-u2
1 du P1(s) = P(ö {(n- k+ 1)Xk -s~o}). (1.6.91)

(1.6.88) und damit ist ein Parallelsystem (Schnittmen-


mit numerischer Integration und Qij = a? CXj be- gensystem) zu berechnen.
rechnet. Damit sind die Schranken nach GI. Die Abhängigkeit der Komponenten des ~y­
( 1.6. 79) bzw. ( 1.6.81) stems ergibt sich aus der Abh.ängigkeit der Xk.
Die Verteilungsfunktion von X 1 ist

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-233


Tabelle 1.6-4 Ergebnis für die einzelnen Versagensmodi

Modus ß P, 0:1 <Xz Cl3 0:4 o:s 0:6 (X7

1 2.71 3,36 -1o-3 0,084 0,084 - 0,084 0,084 -0,986 -


2 2,88 1,99 ·10-3 0,077 - 0,150 0,150 0,077 -0,827 -0,509
3 3,44 2,90 ·10-4 - 0,084 0,164 0,084 - -0,979

Tabelle 1.6·5 Sicherheitsindizes von Daniels-Systemen


bei ideal elastisch sprödem und bei ideal plastischem
Faserverhalten

n ideal spröd ideal plastisch


1 2,00 2,00
3 1,82 3,46
1,87 4,47
10 2,03 6,33
I
15 2,19 7,75
I t:J
I 20 2,32 8,94
so 2,27 14,14
100 3,05 20,00
200 4,16 28,28
00 00 00

Abb. 1.6-12 Ideales Parallelsystem (Daniels-System)

( 1.6.92) In Tabelle 1.6-5 sind die Zuverlässigkeitsindi-


zes für Daniels-Systeme mit wachsender Fa-
Die Verteilungsfunktionen der X; sind die Ver- seranzahl für ideal sprödes und ideal duktiles
teilungsfunkHonen der ursprünglichen Varia- Verhalten angegeben. Für die numerischen Be-
blen, aber gestutzt bei X;= x 1• rechnungen wurde die Last deterministisch zu
s=n(m-a a) mit a=2 angenommen sowie ein
P(X;SxiX; =xt)= Fx(x)-Fx(xl)
Variationskoeffizient von V=alm=0,2 für die
l- Fx(xl) ( 1.6.93)
unabhängig normal verteilten Faserfestigkeiten.
für x > x1, i = 2, ..., n . Bei sprödem Faserverhalten ist die Lastabtra-
Entsprechend ist die Verteilungsfunktion von gung durch kleine Daniels-Systeme zunächst
XziXt =xt unsicherer, als wenn die Last nur durch eine ein-
zige starke Komponente abtragen würde. Mit zu-
nehmender Anzahl der Fasern nimmt aber auch
die Zuverlässigkeit wieder zu, allerdings recht
langsam. Dieser Tatbestand hat erhebliche prak-
und allgemein tische Bedeutung.
Bei ideal plastischem Material werden die ex-
F;(x;lxp .. ., X;_1) = 1-
akten Wahrscheinlichkeiten wie folgt berechnet:
[
1- Fx(x;)-Fx(x;_l)]n-i-1
1-Fx(X;_1 )
(1.6.95)
P1 (s)=<I>(- ~n:l (1.6.96)
für X; > X;.1 >.. . > x1 •
In diesem Fall wachsen die Zuverlässigkeitsin-
Damit kann die Rosenblatt-Transformation dizes monoton mit n. Auch dieser Tatbestand hat
durchgeführt werden. Die Systemversagenswahr- große praktische Bedeutung.
scheinlichkeit ermittelt man nach Gl. (1.6.91) Allgemeine, mechanisch und/oder geome-
oder nach [Daniels 1945]. trisch nichtlineare Tragsysteme sind sehr schwie-

1-234 Allgemeine Grundlagen


rig zu behandeln, und es kann hier nur versucht
werden, die Problematik zu veranschaulichen.
Das geschehe im Rahmen einer FE-Modellie-
rung eines Stockwerkrahmens ohne aussteifen- ~p(~1 :~) .\~(R,S11 )~0)
den Kern. Der stabile Zustand eines Tragwerks
kann bei quasistatischer Belastung durch ~ L P(>..~(R,S11 )~o)~1, (1.6.101)
jl,n
[KE(R,S11,vu)1 vv+ 1=P(S11)u (1.6.97)
beschrieben werden. Hierin ist die, wenn nötig, mit GI. ( 1.6.81) noch verbessert
KE(R,S 11,vv) die (bei vu linearisierte) Steifig- werden können.
keitsmatrix des Systems, Die Anzahl N(}l)der Versagensmoden ist hier
R die (zufälligen) Tragwerkseigen- maximal gleich der Anzahl der FreiheitsgradeN
schaften des Systems, des Systems. N(}l) hängt aber auch maßgeblich
S11 die (zufälligen) Belastungen des Sy- von der betrachteten Belastungskonfiguration
stems auf dem }1-ten Lastpfad, und dem zugehörigen Lastpfad ab. In der Regel
P(S11) die Knotenkräfte am System. kann ohne wesentlichen Verlust an Genauigkeit
N(}l) <N genommen werden, da der der Bela-
Der Kopfzeiger v soll anzeigen, daß iteriert wer- stungskonfiguration zugehörige Lastpfad das
den muß. Das Tragwerk versagt, wenn Entstehen gewisser Versagensmoden mit großer
Wahrscheinlichkeit ausschließt.M hängt von der
[KE(R,S11,vu)1 vv+ 1 =0 (1.6.98)
Art und der Zeitveränderlichkeit der beteiligten
oder Lasten ab.
Hervorgehoben werden soll, daß der Lastpfad
(1.6.99)
i.d.R. keine proportionale Belastung ist. Bei-
Dieses Kriterium schließt globale Instabilität, lo- spielsweise wirken zunächst das Eigengewicht,
kales Knicken und Mechanismusbildung ein. dann die im wesentlichen ruhenden Verkehrsla-
Jede symmetrische Matrix läßt sich diagona- sten beide vertikal, und die Lasten aus klimati-
lisieren. Dann wird die Determinante Null, wenn schen Einwirkungen wie Wind und dieser hori-
irgendeines oder auch mehrere Diagonalele- zontal. Eine Lastpfadabhängigkeit ist immer ge-
mente, das sind bekanntlich die Eigenwerte geben, wenn im Tragwerk irreversible plastische
.\~ (R, S11 ) der Steifigkeitsmatrix, zu Null werden. Verformungen auftreten.
Der kleinste Eigenwert entspricht meist, aber Im Prinzip gibt es unendlich viele verschiede-
nicht immer, der globalen Instabilität in der er- ne Lastpfade, schon weil die Eigengewichtsbe-
sten, kritischsten Verformungsfigur. anspruchung eine stetig verteilte Größe ist und
In der praktischen Berechnung muß die Ei- somit jede zusätzliche Belastung durch Ver-
genwertbedingung durch lokale Verformungs- kehrslasten und andere Lasten von einem zufäl-
bzw. Dehnungsbedingungen ersetzt werden. Of- ligen Punkt im Raum der Lasten ausgeht. Hier
fensichtlich muß dann die Versagenswahr- muß man sich durch entsprechende Modeliie-
scheinlichkeit des Systems nach rung der Belastungsereignisse behelfen und sich
auf wenige charakteristische Lastpfade be-
schränken. Damit ist aber GI. (1.6.101) nur eine
(1.6.100)
untere Schranke, deren Güte nur schwierig zu
beurteilen ist.
berechnet werden, wenn R und S11 als Zufallsva-
riable genommen werden. Sowohl R als auch S11
sind i. allg. hochdimensionale und innerhalb des
betrachteten Systems hochkorrelierte Zufalls-
vektoren.
Die Vereinigungsoperation kennzeichnet die
Formulierung als Seriensystemproblem. Die sog.
Trivialschranken sind

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-235


1.6.5 2
Berechnung von bedingten
Wahrscheinlichkeiten a(n)=ja:;m + 2~m Knml2nE[ASmr-m
1.6.5.1 (1.6.105)
Allgemeines wobei s(n) als Zufallsbelastung eingeführt wur-
de und das Zeitintegral auf der rechten Seite
Bedingte Versagenswahrscheinlichkeiten nach dem Ergodensatz (Gesetz der großen Zah-
len für Zufallsprozesse) durch den Ensemble-
Pf(FIAnBnc.. .) = P(FnAnBnc.. .) mittelwert ersetzt wurde (vgl. auch 1.6.6.5).
P(AnBnc... ) Wenn S(n) eine Gaußsehe Folge ist mit Mittel-
(1.6.102) wert 0 und Standardabweichung o, so kann man
werden durch getrennte Berechnung des Zählers zeigen, daß E[Asm]=(2..J2o)m f(l+m/2) [Miles
und des Nenners in GI. (1.6.102) ermittelt. Be- 1954]. a 0 ist die Anfangsrißlänge. Als einfaches
dingende Ereignisse können z. B. aktuelle Beob- Versagenskriterium wird die überschreitung ei-
achtungen von Schädigungen sein, die Ergebnis- ner gewissen Rißlänge acr genommen. Also ist
se von Probebelastungen und ähnliches. Wenn
V={acr-a(n) ::> 0}. (1.6.106)
das bedingende Ereignis als Gleichheitsbedin-
gung formuliert werden muß, ergeben sich eini- Für Berechnungen der Versagenswahrschein-
ge Besonderheiten. Dann sind Oberflächeninte- lichkeit führt man zweckmäßigerweise minde-
grale (erster Art) des Typs stens die Anfangsrißlänge und den Parameter K
I(D) = fv 'Pn(x)ds(x) (1.6.103)
als Zufallsvariable ein. Wenn nun nach t 1 Jahren
inspiziert und kein Riß beobachtet wird, kann
man die Beobachtung durch
mitD= EnF =n:=1{Ei}nn:I+I{l'i} =
(1.6.107)
n:=1{ei(X) = omn:1+1{gi(X)::>O} zu berechnen. beschreiben. Dabei ist ath eine Rißlänge, die ge-
Auf die konkrete Berechnung von GI. (1.6.103) rade noch entdeckt werden kann. E ist ein Meß-
kann nicht eingegangen werden (s. [Schall et al. fehler. Nach der Beobachtung kann die Versa-
1988]). genswahrscheinlichkeit für den Zeitraum bis zur
nächsten Inspektion t2 berechnet werden.
1.6.5.2
Versagenswahrscheinlichkeit P <t +t IB<t n = P<v<t1 +t2)nB(t1>>
f 1 2 1 P(B(t1))
bei existierenden Bauwerken
(1.6.108)
Die Berechnung der Versagenswahrscheinlich- Es sei nun noch angenommen, daß zum Zeit-
keit von bestehenden Bauwerken ist ein typi- punkt t 1+ t2 ein Riß der Größe a2 beobachtet wird
scher Anwendungsfall für bedingte Wahrschein- und zu entscheiden ist, ob man mit seiner Re-
lichkeiten. Die Vorgehensweise wird an zwei Bei- paratur noch bis zum Inspektionszeitpunkt
spielen erläutert. t1+t2+t3 warten kann. Die letzte Beobachtung
Für das Rißwachstum bei metallischen Werk- wirddurch
stoffen gilt die Formel von Paris/Erdogan

da(n) = K(Y(a)AS(n))m(n a(n))m 12 , (1.6.104) beschrieben. oist wiederum ein Meßfehler. Nun-
dn mehr hat man also
worin a( n) die Rißlänge, Kund m Materialpara-
meter und s(n) die Fernfeldspannung. Y(a) ist P1<t1 +t2 +t31B(t1>nc<t1 +t2)) =
ein Geometriefaktor, der bei Randrissen in gro- P(V(t1 +t2 +t3)nB<t1>nc(t1 +t2))
ßen Stahlplatten gleich Y(a)= 1 gesetzt werden (1.6.110)
P(B(t1)nC(t1 +t2))
kann. Integration von GI. (1.6.104) ergibt für
m>2 zu berechnen, wobei man beachte, daß GI.
(1.6.109) nun eine Gleichheitsbedingung ist.
Als zweites Beispiel sei die Versagenswahr-
scheinlichkeit eines existierenden Bauwerks be-

1-236 Allgemeine Grundlagen


rechnet, welches einem neuen Verwendungs- Kontrolle eingerichtet ist. Diese entnehme dem
zweck mit höherer Last zugeführt werden soll. Herstellungsprozeß zufällig Proben, die anband
Die Zustandsfunktion einer wichtigen Kompo- einer bestimmten Abnahmevorschrift über Ab-
nente des Bauwerks laute nahme und Ablehnung der entsprechenden Be-
trachtungseinheit entscheiden. Erfolgt Ableh-
V(t)={R-(D+L(t)) $;0}. (1.6.111)
nung, so wird die Betrachtungseinheit entweder
Darin ist R der Komponentenwiderstand, D die zurückgewiesen oder einer i. d. R. sorgfältigeren
Lastwirkung aus Eigengewicht und L(t) die in Nachprüfung unterzogen. Diese Betrachtungs-
der Zeit veränderliche Nutzlastwirkung. Zum einheiten seien hier nicht weiter von Interesse.
Zeitpunkt t 1 habe man neben der Feststellung, Statistische Qualitätskontrolle kann jedoch "un-
daß die Komponente bisher nicht versagt hat, genügende" Betrachtungseinheiten aufgrund
noch die Information, daß die höchste während der begrenzten Probennahme nur mit gewisser
der Nutzung aufgetretene Nutzlastwirkung ma- Wahrscheinlichkeit entdecken. Eine Versagens-
ximal gleich f war. Außerdem hat man für den wahrscheinlichkeit muß also bestimmt werden
Tragwerkswiderstand zerstörungsfreie Prüfun- unter der Annahme, daß eine Qualitätskontrolle
gen mit dem Ergebnis Bli' durchgeführt. L1(t) sei vorhanden ist, die "ungenügende" Betrachtungs-
durch eine Zufallsfolge modellierbar. Also ist einheiten (Lose) mit gewisser Wahrscheinlich-
keit ausfiltert. Es seife(8) das sog. Qualitätsan-
V(t1) ={R-(D+max{~(t1 )}) > 0}. (1.6.112) gebot Die Qualität ist durch den Vektor e, z.B.
Mittelwert und Standardabweichung, beschrie-
B1 = {max{~ (t1)}::>R}. (1.6.113) ben wie in Abb. 1.6-3. Weiter sei eine Abnahme-
vorschrift, z.B. A={xn;:: Xa}, gegeben, worin
Bli' ={R =~?+E} (1.6.114)
Xn= llnLf=I x; der aus der unabhängigen Stich-
mit E einem Meßfehler und für die neue Nutzung probe vom Umfang n ermittelte Mittelwert und
durch die unabhängige L2(t): Xa eine vorgegeben Abnahmegrenze sei. Die Ope-
rationscharakteristik (Annahmewahrschein-
V(t)= {R-(D+max {L2 (t)}) $; 0}. (1.6.115)
lichkeit) des Abnahmetests sei L(Aje) =
Somit wird die Versagenswahrscheinlichkeit für P(in;::: Xa J 8). Dann ist
den Zeitraum [0, t]
p =P(VIA) = P(VnA) (1.6.117)
P1 (VCt>JB,nB~~'nvctl>) = f P(A) '
P(V(t)nB1nBii' nv(t,)) (1.6.116) worin
P(B1 nB~~'nvct,)) (1.6.118)
die man natürlich beschränken muß. V(t1) be- also die Wahrscheinlichkeit für alle angenomme-
zeichnet das Ereignis, daß das Bauwerk bis zum nen Betrachtungseinheiten. Wenn für das Ab-
Zeitpunkt t 1 überlebte. Die einzelnen Ereignisse
in Gl. (1.6.116) sind z. T. hoch abhängig. Bei- nahmeereignis A ={xa - ~ ~?=1 x; ::> 0} geschrie-
spielsweise sind die VariablenRund D in den Er-
eignissen V(t) und V(t1) enthalten. Die Möglich- ben wird, hat man die gewünschte Formulierung
keit, die Zuverlässigkeit von existierenden Bau- P(VnA) = E9 [P({g(X,e):o>O}
werken nach Schädigungen oder für zukünftige
(1.6.119)
Nutzungsänderungen auf diesem Wege zu be-
werten, hat in der Praxis große Bedeutung.
n{xa-;l;=1 X;:o>o~})J.
Diese Formulierung gilt für beliebige Vertei-
1.6.5.3 lungsfunktionen von X und kann natürlich für
Zuverlässigkeit und Qualitätskontrolle kompliziertere Abnahmevorschriften verallge-
meinert werden.
Ein wichtiges Instrument, Zuverlässigkeit zu er- Das ist jedoch nur ein Aspekt der Qualitäts-
zielen, ist die Qualitätskontrolle. Der Zusam- kontrolle. Ihre Wirksamkeit hängt neben den
menhang von Zuverlässigkeit und Qualitätskon- Details der Abnahmevorschrift ganz wesentlich
trolle kann ebenfalls auf der Grundlage von be- von der Stabilität des Qualitätsangebots ab. Die-
dingten Versagenswahrscheinlichkeiten ent- se Stabilität erreicht man z.B. durch ein System
wickelt werden. Es sei angenommen, daß eine von Eigen- und Fremdüberwachung. Die Eigen-

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-237


überwachungund ihre Wirkung auf die Versa- Die Schwierigkeiten dieser Methode liegen
genswahrscheinlichkeit wurde schon beschrie- zum einen in der Konstruktion des neuen Pro-
ben. Eigenüberwachung aber ist mehr. Sie ist zesses Y(t),deraufz.T. komplexeWeiseüber die
vielmehr die bewußte Steuerung der Produkti- Funktion g(.) von allen Komponenten von X(t)
on im Hinblick auf ein durch den Wert von E> abhängt. Zum anderen muß die Verteilung von
festgelegtes Qualitätsniveau. E> ist aus der Sicht { Y( t)} bestimmt werden. Beides kann erhebliche
des Entwurfsverfassers eine Zufallsvariable, da Schwierigkeiten bereiten.
die Produktionsstrategien der Hersteller unter- Aus Gl. (1.6.9) läßt sich eine untere Schranke
schiedlich sind und der Produzent i. d. R. im vor- für die Versagenswahrscheinlichkeit herleiten,
hinein nicht bekannt ist. Die Aufgabe der Fremd- ist doch I-7= 1 P_t;i(ti) ~ Pj(t) ~ max7=dP_t;i(ti)}
überwachung ist die Sicherung des langfristigen unddeshalb
Qualitätsniveaus, also der Verteilung von E>. Sie n
überprüft nicht nur das Qualitätsniveau, son- Pf(t) ~ IlJ~{Pf,i(ti)} (1.6.121)
dern auch die Funktionsfähigkeit der Elemente
der Produktionssteuerung. mit geeigneter Teilung der Zeitachse.
Wesentlich breitere Anwendung erfährt die
1.6.6 dritte Methode der Schwellenwertkreuzungen
Zeitvariante Zuverlässigkeit oder der Austritte von X(t) aus dem zulässigen
Bereich. Hierzu formuliert man den zum ur-
1.6.6.1 sprünglichen Prozeß gehörigen Zählprozeß N( t)
Schranken für die Versagenswahrscheinlichkeit der Austritte aus dem sicheren Bereich. Man
kann eine wichtige obere Wahrscheinlichkeits-
Zurück zu der mit Gl. ( 1.6.9) gestellten Aufgabe: schranke angeben. Versagen erfolgt, wenn ent-
Im Gegensatz zu 1.6.3 bis 1.6.5 sei nun die Ver- weder X(O) in V oder N(t)>O. Dann kann man
teilung der Zeit bis zum Versagen einer Kompo- zeigen, daß gilt:
nente weder aus einem mathematischen Modell
Pj(t)~P(X(O)eV)+E[N(t)]. (1.6.122)
der in Abschnitt 1.6.2 vorgeführten Art noch
durch Beobachtungen direkt bestimmbar.
Eine erste Methode führt die allgemeine Fra- 1.6.6.2
gestellung auf ein skalares Problem zurück, für Ein wichtiges asymptotisches Ergebnis
das eine Lösung existiert. Das ist aber nur für sta-
tionäre, eindimensionale Folgen oder skalare Wenn der Zufallsprozeß Y(t) asymptotisch un-
Zufallsprozesse, für die eine Maximumvertei- abhängig wird - man sagt "stark mischend" -,
lung angegeben werden kann, möglich. In 1.6.2 d.h.wenn
ist eine Reihe solcher Maximumverteilungen an- P({Y(t) $. O}n{Y(t+9) $. O})
gegeben. Im mehrdimensionalen Fall hat der Be-
griff eines Maximums keinen Sinn mehr. Eine -P(Y(t) $. O)P(Y(t+9) $. 0)~0
Möglichkeit ist aber, einen neuen skalaren Pro- für 9~oo und außerdem Versagen "selten" ist,
zeß Y(t) =g(X(t); t) zu konstruieren. Versagen gilt unter sehr allgemeinen Bedingungen für das
nach der in Gl. (1.6.9) benutzten Definition er- Intervall [0, t] [Cramer/Leadbetter 1967]
folgt, wenn zum ersten Mal Y(t) ~ 0 in [0, t].
Pj(t)•-1-exp[-E[N(t)]], (1.6.123)
Offensichtlich ist
und das bedeutet, daß der Versagensprozeß
Pf(t) = Fr(t) = P(T$.t)
asymptotisch ein Poisson-Prozeß wird.
=1-P(Y(t) > 0 für alle t E [O,t]) Desweiteren werden einige wichtige Bedin-
(1.6.120)
( ) gungen und Definitionen eingeführt. Mit N(t)
~P Q{Y(ti)}$.0 , wird nunmehr der Zählprozeß der Austritte be-
zeichnet (vgl. Abb. 1.6-13). Ein Punktprozeß
wobei die Zeitachse in eine geeignete Anzahl n heißt "regulär", wenn
von kleinen Teilintervallen zerlegt wird. Also
. P(N(t,t+M>1)
IIm
wird die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit 0, (1.6.124)
der Zeit bis zum ersten Nulldurchgang des Pro- .1~0 /!
zesses Y(t) von oben durch eine skalare Extrem- d.h. in einem genügend kleinen Zeitintervall!!
wertbetrachtung ersetzt. ist die Wahrscheinlichkeit von mehr als einem

1-238 Allgemeine Grundlagen


X(t)

1
2
3
N(t)

Abb. 1.6-13 Trajektorie eines Zufallsprozesses und Zählprozeß der Oberschreilungen

Ereignis vernachlässigbar klein. Die Wahr- zeichneRdiesen (nicht-ergodischen) Vektor. R


scheinlichkeit für ein Ereignis in L'1 nennt man im beschreibe z.B. die Festigkeitseigenschaften der
vorliegenden Zusammenhang Austrittsrate Komponente. Dann gilt Gl. (1.6.128) nur noch
bedingt, d.h. unter der Bedingung R=r. Die to-
u+(t)= lim_!_P(N(t,t+L'1)=1), (1.6.125) tale Versagenswahrscheinlichkeit erhält man aus
Ll.--40!1
wenn für den ursprünglichen Prozeß Pf(t)= JR,Pf(tir)~(r)
1 - :::::1- JR, exp[-E[N+(O,t)lr]j~(r)
u+(t)= lim-FJ.({X(t)eV(t)}n
Ll.--40 L'1 (1.6.126)
{X(T +!1) E V(t+L'1)}), ~ER[E[N+(O,t)IR]j. (1.6.129)

wobei der Index 1 für die Wahrscheinlichkeit auf Das ist eine spürbare Verkomplizierung. Falls je-
die Gültigkeit von Gl. (1.6.124) hinweist. Erneu- doch die bedingende Größe, zur Unterscheidung
erungsprozesse sind reguläre Prozesse. Q genannt, ihrerseits ein ergodiseher Prozeß
Regularität bedeutet weiter die Additivität der oder eine ergodisehe Folge ist, z. B. die Parame-
Kreuzungswahrscheinlichkeiten in sich nicht ter von Seezuständen oder die 10-min-Mittel der
überlappenden Zeitintervallen, d. h. für den Mit- Windgeschwindigkeiten, gilt im stationären Fall
telwert der Austritte gilt
P1 (t)::::: 1-exp[-EQ[u+(V(Q))jt] (1.6.130)
E[N(t)] = J~ u+(t)dt . (1.6.127)
und damit allgemein [Schall et al. 1991]
Regularität des Austrittsprozesses ist insbeson-
Pf(t)::::: 1- ER[exp[-EQ[u+(V(R,Q))jt]]
dere eine der Voraussetzungen für die Anwen-
(1.6.131)
dung der Methode der Austritte oder Schwellen-
wertkreuzungen, denn nur dann ist die Aus- mit den allgemeinen Schranken
trittsrate definiert. Offensichtlich darf der Aus-
p (t) = {~ Pf(O)+ ER[EQ[N+(t)IR,Q]j
gangsprozeß X(t) nicht zu stark"zittern".Also ist
f :?: max{P1 (T)} für 0 ~ T~ t.
[Cramer/Leadbetter 1967]
(1.6.132)

P1(t)::::: 1-exp[- J~ u +(t)dt]. (1.6.128) Näherungsweise gilt Gl. (1.6.131) auch für den
instationären Fall
Derart ideale Voraussetzungen sind jedoch
P1 (t):::::1-ER[exp[-EQ[J; u+(V(t,R,Q))dt]]].
meist nicht gegeben. Die Mischungsbedingung
ist insbesondere nicht erfüllt, wenn gewisse Korn- (1.6.133)
ponenten von X( T) nicht von der Zeit abhängen,
sondern einfache Zufallsvariable sind. Es be-

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-239


1.6.6.3 Klammern ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß
Austrittsraten bei vektoriellen Xi und xt vor und nac~ dem Sprun~ in V sind.
Rechteckwellenprozessen Die Ereignisse {XiE V} und {Xi e V} bzw.
r
{X i E V)} n {X E V} sind abhängige Ereignisse,
Für einen skalaren stationären Rechteckwellen- da sich nur eine Komponente im Zeitintervall
erneuerungsprozeß mit Erneuerungsrate A und änderte, alle anderen jedoch nicht. Nimmt man
unabhängigen nach F(x), x ~0, verteilten Ampli- zunächst an, daß der Versagensbereich nach
tuden (vgl.Abb.1.6-6) ist Transformation in den Standardraum durch
V={aTu+ß S 0} gegeben ist, so berechnet man
u+(a)l\ = P({Sprungin [t, t+L\]}n [Breitung!Rackwitz 1982]
{X(t)$a}n{X(t+L\)>a}) (1.6.134) n
= 1L\Fx(a)(1- Fx(a)), u+(V)= L Ai[<l>(-ß)-<l>z(-ß,-ß;~?i)]
i=l
E[N(O,t)] = t 1Fx(a)(1-Fx(a)). (1.6.135) =Ii=l
Ai<l>(-ß)[1 <l>z(-ß,-ß;~?i)J
<1>(-ß)
Danach ist der Mittelwert der Austritte direkt
proportional zur Länge des betrachteten Zeitin- n

tervalls [0, t] und der Erneuerungsrate 1. Der ::;;L Aj<l>(-ß), (1.6.137)


i=l
Term Fx(a)(l- Fx(a)) ist klein für kleines a, hat
für ein bestimmtes a ein Maximum (bei stetigem wobei man den letzten F~tor oft vernachlässi-
und unimodalem F(x)) und geht für große a ge- gen kann, da meist <l>z( -ß,-ß; l?i) «<I>( -ß). In
gen Null. diesen Formeln ist l?i= 1- ar
die Kovarianz zwi-
Die Vorgehensweise läßt sich leicht auf Vek- schen dem Zustand des Prozesses vor und nach
torprozesse übertragen. Der stationäre Prozeß dem Sprung.Asymptotisch kann man sogar zei-
X(t) habe nunabhängige Komponenten Xi (t) gen, daß [Breitung 1993]
mit Erneuerungsrate Ai und Verteilungsfunkti- +
L Aj<l>(-ß)TI(l-ßKj)
n n-I _112
on Pi( X). Es gilt Regularität, d.h. in einem kleinen \} (V)= (1.6.138)
Zeitintervall "springt" nur jeweils eine Kompo- i=l i=l
nente mit Wahrscheinlichkeit Ai l\. Die Sprung- in Analogie zu GI. (1.6.33). Die mittlere Anzahl
ereignisse sind unabhängig. Die Rate der Aus- der Austritte gewinnt man durch Zeitinteg~ati­
tritte in den Bereich V ist dann (der Bezug auf on- auch im nichtstationären Fall. F~ stationä-
die Zeit t wird im vorliegenden stationären Fall re Prozesse ist
weggelassen)
{1.6.139)
u+(V)l\ = P(Q{sprungin [O,L\]}n Bei nichtlinearen Grenzzustandsflächen ist im
ß-Punkt zu linearisieren bzw. quadratisch zu
{Xi E V}n{Xt E V}) entwickeln.
n
= Ll\ AjP({Xj E vm{xt E v}) 1.6.6.4
i=l Austrittsraten bei differenzierbaren Prozessen
n
= LL\1i[P(xtev)- Ricesche Formel
i=l
Ein fundamentales Ergebnis für Prozesse mit
n differenzierbaren Pfaden ist die Ricesche Formel
: ; Ll\1iP(xtev). (1.6.136) [Rice 1944]. Zunächst sei der skalare und stati-
i=l onäre Fall betrachtet. Die gemeinsame Dichte
Hierin bezeichnet Xi den Prozeß vor und xr den von X(t) und X(t) sei !x,x(x, x). Die Kreuzungs-
Prozeß nach einem Sprung der i-ten Kompo- wahrscheinlichkeit für das Niveau a in [t,t +L\]
nente. Regularität des mehrdimensionalen Er- für genügend kleines l\ ist
neuerungsprozesses bedeutet Disjunktivität der
Sprungereignisse. Daher gilt die Summe der
Wahrscheinlichkeiten für die Austrittsereignis-
se. Die zweite Wahrscheinlichkeit in runden

1-240 Allgemeine Grundlagen


u+(a)il = P(N+(t, t+il) = 1) onsfunktionen Cx,x(th t 2) auch die Matrix der
Funktionen Cx,x(th t 2) und die Matrix der Kar-
=P({x~o}n{a-ßk~x~a}) relationsfunktionen der Ableitungen Cx,X: (ti> t 2).
=J; J:_ßJx,x(x,x)dxdX Außerdem muß Gl. ( 1.6.140) modifiziert werden.
Im stationären Fall findet man
=Nx(a) J; x fx(x!a)dx u+(aV)= la r XN<p(x,xN)dXNds(x) (1.6.145)
V 0
= Nx(a)E0[X!X = a]. (1.6.140) =J3vE[XNIX=x]<p(x)ds(x),

Streichung von L1 ergibt die Austrittsrate. In der wobei XN=nT(x)X die Projektion von X auf die
vierten Zeile wurde der Mittelwertssatz der In- Normale n(x)=-a(x) von CJV im Punkt x ist.
tegralrechnung verwendet. Dieses Ergebnis gilt ds(x) bedeutet Oberflächenintegration. Es ist
für beliebige differenzierbare Prozesse. klar, daß die Oberflächenintegration und die
Bei einem stationären Gaußsehen Prozeß mit kompliziertere Struktur von X und X Lösungen
Autokovarianzfunktion C( t) sind X(t) und X(t) sehr erschweren.
unabhängig. Daher ist WenninE[XNIX=x] dieBedingungX=xent-
1 1 1 a-mx
fx(a)=-·-exp - - ( - - ) [ 2] fallen kann, ist

& ox 2 ox
(1.6.141)
und
. . ox Dabei ist j{CJV), multipliziert mit einem kleinen
E0[XIX=a]=E0[X]= r-. (1.6.142) Zeitintervall, die Wahrscheinlichkeit, daß sich
'V2n der Prozeß zu einem beliebigen Zeitpunkt auf
Also ist der Versagensfläche ()V befindet.
Es ist zweckmäßig, den Vektorprozeß zu stan-
u+(a)- 1 (a-mx)
--<p - - -ox
-. (1.6.143) dardisieren. Die Matrix der Autokorrelations-
ox ox & funktionen kann immer diagonalisiert werden
Die benötigte Standardabweichung der Ge- und wird mit R(.) bezeichnet. Die Matrix der
schwindigkeit des Prozesses wird nach Gl. Korrelationsfunktionen der Ableitungsprozesse
( 1.6.23) ermittelt, z. B. für C(t) = oi exp [-bt2] R(.) ist dann ebenfalls diagonal. Die Matrix der
Korrelationsfunktionen von X(.) und X(.) wird
dC( t) = -2o~ bt exp[-bt2], mit R(.) bezeichnet. Diese ist i.allg. voll besetzt
dt und schiefsymmetrisch.
d 2C(t) =-2o~bexp[-bt2 ](1-2bt2 ) Bei linearen Grenzzustandsflächen ist die Ver-
dt2 sagensfläche gegeben durch [Veneziano 1977]
unddaher
av={~aixi +~=o}. (1.6.147)
0:. =- d2C(O) = 2o~b. •=1
X dt2 Man kann durch eine geeignete Transformation
Der Ausdruck immer erreichen, daß die Prozesse unkorreliert
und standardisiert werden. Damit werden auch
+ + 1 ox
vM=v (mx)= r - - (1.6.144) die Ableitungsprozesse unkorreliert und haben
'V2n ox
als Korrelationsmatrix eine Diagonalmatrix
•• 2
heißt "Rate der Mittelwertskreuzungen". R(O)={Ki, i=1, ... , n}. Der Normalenvektor ist
Für instationäre Prozesse gibt es ebenfalls ein n = -a. Der skalare Ableitungsprozeß senkrecht
analytisches Resultat [Madsen et al. 1987]. zur Versagensfläche ist XN(t) =I-7= 1 ni Xi(t) und
hat Mittelwert Null und die Varianz
Austrittsrate von Vektorprozessen Kk = I-7= 1 n?Kl und damit
2
Die Berechnung von Austrittsraten für stationäre u+(aV)='=E[XN]f(aV)= ~ <p(~). (1.6.148)
Vektorprozesse ist i.allg. schwierig und nur für "2n
Sonderfälle analytisch. Bei Vektorprozessen exi- Bei nichtlinearen Grenzzustandsflächen ist im
stieren neben der Matrix der Kreuzkorrelati- ~-Punkt zu linearisieren. Resultate 2. Ordnung

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-241


gibt es ebenfalls [Breitung 1993], ebenso wie Re- W(x(t))-W(x(t 0 )) =x(to,t), (1.6.153)
sultate für gewisse nichtnormale Prozesse [Gri-
goriu 1995]. woraus
(1.6.154)
1.6.6.5
Kumulative Versagenserscheinungen Die Funktion 'P(.) hängt, abgesehen von nicht
aufgeführten Konstanten, von der Funktionf(.)
Im Vorstehenden war eine wesentliche Voraus- ab. Beispielsweise kann manj{x(t))=x(t)n wäh-
setzung, daß es zum Versagen kommt, wenn der len. Dann ist W(x(t)) durch
Lastwirkungsprozeß zum ersten Mal innerhalb
eines gewissen Zeitintervalls den Grenzzustand n=O :'P(x(t)) = x(t),
erreicht. Dabei konnten der Grenzzustand bzw. n= 1: 'P(x(t)) =In x(t),
die Widerstandsvariablen Funktionen der Zeit xn+!
sein. Es wurde jedoch angenommen, daß keine n>1:'P(x(t))=-
n+1
gegenseitige Beeinflussung erfolgt. Eine Alte-
rung der Komponente geschah z.B. vollkommen gegeben.
unabhängig von der Lastgeschichte, der die Der Fall n =0 ist ein Modell für Abnützungs-
Komponente ausgesetzt war. Das ist eher der vorgänge, so etwa für die Dicke des durch dar-
Sonderfall. über rollenden Verkehr aufgezehrten Straßen-
Häufig sind es gerade die wiederholt auftre- belags oder den flächigen Korrosionsabtrag in
tenden Beanspruchungen, die sich akkumulie- der Spritzwasserzone von Schiffen oder Spund-
rende Schädigungen erzeugen, so daß die Kom- wänden. Die Fälle n >1 entsprechen den Geset-
ponente den Beanspruchungen nach einer ge- zen für die Rißfortpflanzung in metallischen
wissen Zeit nur noch verminderten Widerstand Werkstoffen. x(t) wird dort explizit als Rißlänge
leistet. Versagen erfolgt, wenn entweder die Schä- interpretiert (vgl. 1.6.5;2 ). Nimmt man n =-1, so
digungen einen Grenzwert erreichen oder wenn bestimmt man
eine extreme Beanspruchung auf eine geschä-
n =-1: W(x(t)) =x(t) 212
digte Komponente einwirkt. Zunächst wird der
erste Fall beobachtet. Die einfachste Formulie- und kann die entsprechende Gleichung als das
rung für einen kumulativen Vorgang ist Ficksehe Gesetz für den Karbonatisierungsfort-
schritt in Beton interpretieren.
dx(t)
- = f(x(t), z(t}}, (1.6.149) Offensichtlich ist x(to,t) eine Zufallsvariable,
dt wenn Z(t) ein Zufallsprozeß ist. Wenn h(Z(t}}
worin X ein bestimmter Schadensindikator und strikt nichtnegativ ist, ist der Schadensindikator
Z(t) der Beanspruchungsprozeß ist. Das Scha- monoton wachsend. Wenn Z(t) kein Zufallspro-
densinkrement pro Zeiteinheit ist damit eine zeß, sondern eine Zufallsfolge ist, muß man die
Funktion des zum Zeitpunkt bereits eingetrete- Integrale durch Summen ersetzen.
nen Schadens und der zum Zeitpunkt t auftre- Von entscheidender Bedeutung ist der additi-
tenden Beanspruchung. Ist insbesondere ve Charakter der rechten Seite, da er unter be-
stimmten Bedingungen die Anwendung des Ge-
dx(t) =f(x(t))h(z(t)); h(z(t)) > 0, (1.6.150) setzes der großen Zahlen (hier in der Form des
dt Ergodensatzes) erlaubt. Setzt man voraus, daß
so kann man die Differentialgleichung separie- Z(t) ein stationärer, ausreichend mischender
ren und integrieren. Wenn die Beanspruchung Prozeß und h(Z( t)) eine monotone Funktion von
ein Zufallsprozeß Z(t) ist, ist natürlich auch der Z( t) ist, ist nach dem Ergodensatz in der Form
Schadensindikator X(t) ein Zufallsprozeß. Der
Versagenszustand sei lim __!_
2T -
T-'>oo
rrrh(Z(t)}dt = E[h(Z(t))]

V(t)={Xcr-X(t):::; 0}. (1.6.151) das Zeitintegral


Darin ist Xcr ein ggf. zufälliger Grenzschaden. x(t0 , t)zE[h(Z(t})](t -t0 ). (1.6.155)
Integration ergibt Obwohl darin der Zufallsprozeß Z(t) bzw.

r(t)
x(to)
r
dx(t) = h(Z(t)}dt.
j(x(t)} to
(1.6.152)
h(Z(t)) nur noch mit seinem Mittelwert eingeht,
reicht dieser Ansatz in vielen Anwendungen be-
reits aus, da die einzelnen durch die Beanspru-

1-242 Allgemeine Grundlagen


chung verursachten Schädigungen sehr klein Die Austrittsrate ist demnach
sind, deren Anzahl, d.h. ( t- t0 ), aber sehr groß ist.
v+(t)=A. (1-Fz(r(t))). (1.6.161)
Wenn er eine streng monoton wachsende Funk-
tion ist, kann man also den Versagensbereich In der Regel wird der Anfangsschaden X(O), die
durch GI. (1.6.151) definieren und mit einem Festigkeit R(O) und die Konstante C als Zufalls-
Verfahren für zeitinvariante Aufgaben die Zu- variable zu modellieren sein. Die Versagens-
verlässigkeit berechnen. wahrscheinlichkeit im Intervall [O,t] ist dann
Schwierig sind Zuverlässigkeitsprobleme, bei nach GI. (1.6.133)
denen kumulative Erscheinungen zusammen
P1 (t)-1-exp[-N+(t)j
mit extremen Beanspruchungen auftreten. In
diesem Fall ist es notwendig, das Versagenskrite- = 1- Ex(o),R(O),c[exp[- J~ A.{l- Fz(R(t))}d-r]]
rium im Raum der Lastwirkungen zu formulie-
ren. Im Augenblick des Versagens ist der Grenz- (1.6.162)
zustand strenggenommen nicht nur von der gan-
zen Beanspruchungsgeschichte abhängig, die 1.6.6.6
augenblickliche Schädigung hängt darüber hin- Monte-Carlo-Verfahren in der zeitvarianten
aus von der augenblicklichen Beanspruchung Zuverlässigkeit
ab. Selbst wenn man Regularität des Versagens-
prozesses und damit auch eine gewisse Glattheit Die vorstehenden Betrachtungen waren weitge-
des Beanspruchungs- und des Schädigungspro- hend auf semi-analytische Berechnungsverfah-
zesses voraussetzt, ergibt sich eine außerordent- ren und spezielle stochastische Prozesse zuge-
lieh komplizierte Abhängigkeitsstruktur. Eine schnitten - und das mit gutem Grund. Wenn ele-
Lösung mit Hilfe der Methode der Austrittsraten mentare Monte-Carlo-Verfahren eingesetzt wer-
wird möglich, wenn man für den Schädigungs- den, wird der rechnerische Aufwand sehr hoch.
prozeß die Gültigkeit des ergodiseben Resultats Es müssen nämlich die gesamten Trajektorien
in GI. (1.6.155) annehmen kann und der Bean- der stochastischen Prozesse simuliert werden
spruchungsprozeß die erforderlichen Regula- und dies so oft, daß der errechneten Erstüber-
ritätseigenschaften besitzt. schreitungswahrscheinlichkeit ein gewisses nu-
Als Beispiel wird ein Sonderfall der GI. ( 1.6.149) merisches Vertrauen zugemessen werden kann.
verwendet. Auf der anderen Seite kann man mit Monte-Car-
lo-Verfahren sehr viel kompliziertere als die vor-
dx(t)
- = c x(t)z(t). (1.6.156) gestellten Modelle, auch nichtlineare dynami-
dt sche Probleme, behandeln, sofern deren mathe-
z(t) bezeichne einen stationären impulsförmi- matische Struktur beschrieben werden kann.
gen Prozeß mit Erneuerungsrate A. und Vertei- Als Beispiel für die Simulation eines stocha-
lungsfunktion F(z) für die unabhängigen Ampli- stischen Prozesses wird ein amplitudenmodu-
tuden. x(t) kann als Rißlänge interpretiert wer- lierter skalarer Gaußscher Prozeß angegeben,
den. c ist eine Konstante. Integration nach Sepa- d.h. für den mittelwertsbereinigten Prozeß
ration ergibt
X(t) =l(t) Y(t) (1.6.163)
In x(t)-ln x(O) = ct E[Z(t)] (1.6.157)
mit Y(t), einem stationären und ergodiseben
bzw. nach Auflösung nach x(t) Prozeß mit Spektraldichte Gy(w) gilt
x(t) = x(O) exp[c t E[Z]]. (1.6.158) x(t) = I(t) 2::~1 (2Gy(ißw)ßwrcos(ißwt +<!>i),

Hierbei ist x(O) der "Anfangsschaden". (1.6.164)


Ein Objekt mit der Anfangsfestigkeit R(O) hat
x(t) = I(t) 2::~1 (~ cos(ißwt)+ Bi sin(ißwt)).
also zum Zeitpunkt t <:: 0 die "Restfestigkeit"
(1.6.165)
R(t) = R(O) (1- X(O) exp[C t E[z]]). (1.6.159) Hierin sind <l>i unabhängige, gleichverteilte Pha-
R(O) senwinkel in [0, 2n], die mit einem geeigneten
Der Versagensbereich ist offensichtlich Pseudozufallszahlengenerator erzeugt werden
können, und m = W 0 / ßw ""1 000 mit W 0 einer obe-
V(t)={R(t)-Z(t) :S:O}. (1.6.160)
ren Frequenzgrenze von mindestens 150 rad!s.
Ai und Bi sind unabhängige normalverteilte Va-

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-243


riable mit Mittelwert Null und Standardabwei- i. allg. nicht direkt von den Bemessungsparame-
chung (2 Gy(ißw)) 112 • Der erste Prozeß ist mit tern abhängig sein oder allenfalls mit p gering-
I( t) = 1 ergodisch und asymptotisch normal, d. h. fügig abnehmen. Für die Erstellungskosten macht
für große m. Der zweite Prozeß ist mit I(t) = 1 man häufig den Ansatz C(p)""Co+L.7= 1c;p;. Co
nicht ergodisch, aber für jedes m strikt normal- sind die nicht von p abhängigen Kosten. Die er-
verteilt. warteten Schadenskosten D(p) ergeben sich als
Produkt der Schadenskosten H und der von p
1.6.7 abhängigen Versagenswahrscheinlichkeit Die-
Optimierung als Ziel eines Tragwerksentwurfs sen Sachverhalt veranschaulicht Abb. 1.6-14.
im Hinblick auf Zuverlässigkeit Die Kostenansätze werden für die Beteiligten,
also z. B. den Bauherrn, die Entwurfsverfasser,
1.6.7.1 die Bauausführenden, den Nutzer und die Ge-
Allgemeine Zielfunktion sellschaft verschieden sein. Ein Bauwerk ist wirt-
schaftlieh nur sinnvoll, wenn für alle Beteiligten
Zweck jeder Ingenieurtätigkeit ist, den Nutzen, Z(p) für gewisse Parameterbereiche positiv ist.
der aus Entwurf, Errichtung und Unterhaltung Der sinnvolle Parameterbereich ist der Durch-
des Tragwerks bei vorgesehener Nutzung entste- schnitt aller mit verschiedenen Kostenansätzen
hen kann, zu maximieren - eine Optimierungs- enthaltenen positiven Zielfunktionen.
aufgabe. Ohne Verlust an Allgemeinheit kann Eine Optimierung muß für den Zeitpunkt der
unter Nutzen eine skalare Größe verstanden Entscheidung über die die Zuverlässigkeit kon-
werden, die in monetären Einheiten meßbar ist. trollierenden Parameter, d. h. für t = 0, angestellt
Sie kann durchaus Prestige oder allgemeinen ge- werden. Alle Kosten müssen daher abgezinst
sellschaftlichen Nutzen enthalten, die dann, in werden. Für das Weitere gilt die stetige Zins-
allerdings subjektiver Weise, monetär bewertet funktion
werden müssen.
6(t)=exp[-yt], (1.6.167)
Eine geeignete Zielfunktion ist [Rosenblueth/
Mendoza 1971]: die die übliche jährliche Verzinsung nach
6(t) = (1 +y')-t mit y=ln(l +y') in hervorragen-
Z(p)=B(p )-C(p )-D(p) (1.6.166)
der Weise nähert. Der Zinssatz y ist von In- bzw.
B(p) ist der aus der Existenz einer baulichen An- Deflationstendenzen bereinigt und ein langfri-
lage erwachsende Nutzen, C(p) sind die Errich- stiges Mittel. Diese Bereinigung gilt zweckmäßi-
tungskosten und D(p) die Kosten bei einem Ver- gerweise auch für alle anderen monetär bewer-
sagen der Anlage. p ist ein Vektor von Parame- teten Größen wie Nutzen, Errichtungskosten,
tern, der die Zuverlässigkeit oder Gebrauchsfä- Schadenskosten usw.
higkeit kontrolliert. Bei Unsicherheiten sind im Es ist zweckmäßig, zumindest gedanklich zwi-
Sinne der statistischen Entscheidungstheorie je- schen Bauwerken zu unterscheiden, die nach
weils die Erwartungswerte zu nehmen. B(p) wird dem Versagen aufgegeben werden, und solchen,

Kosten

Bemessungs-
parameter p

Abb. 1.6-14 Erwanete Kostenanteile (Rosenblueth/Esteva 19721

1-244 Allgemeine Grundlagen


bei denen systematischer Wiederaufbau erfolgt. schlagten Bauwerken, deren Tragwerkswider-
Außerdem sei zwischen Bauwerken unterschie- stand zeitunveränderlich ist.
den, die bei Inbetriebnahme oder nie versagen,
und solchen, die durch zeitabhängige Lasten 1.6.7.3
oder Ermüdung später zu zufälligen Zeitpunk- Versagen durch extreme Belastungen
ten versagen. Dabei gilt die Annahme, daß die
Bauzeiten vernachlässigbar klein gegenüber den Ein Bauwerk kann durch extreme Belastungen
Nutzungszeiten sind. oder durch Alterung bzw. Ermüdung zu zufälli-
gen Zeitpunkten lange nach seiner Errichtung
1.6.7.2 versagen. Meist ist anzunehmen, daß das Bau-
Versagen bei Errichtung oder Inbetriebnahme werk nach seinem Versagen wieder errichtet
durch zeitinvariante lasten wird. Die Lebensdauern seien zumindest nähe-
rungsweise unabhängige, identisch verteilte Zei-
Die Zielfunktion für Versagen bei Inbetriebnah- ten mit Verteilungsfunktion F( t) und Dichte j( t).
me und Aufgabe des Bauwerks nach dem Versa- Identische Verteilungen sind gegeben, wenn die
gen ist Entwurfsregeln bei jeder Erneuerung beibehal-
ten werden, auch wenn jeder Neuentwurf sich
Z(p)=B Rt(P)-C(p)-H Pf{p)
{1.6.168) von den Vorgängern nach Konstruktion, Topo-
=B-C(p)-(B+H)PJ(P).
logie und Ästhetik unterscheidet. Wenn das Trag-
Hierin sind Rt(P) die Zuverlässigkeit (überle- werk nach dem ersten Versagen aufgegeben wird,
benswahrscheinlichkeit) und Pt(P) die Versa- ist bei konstantem Nutzen pro Zeiteinheit der
genswahrscheinlichkeit verzinste Nutzen [Hasofer/Rackwitz 1999]
Bei Versagen bei Inbetriebnahme und syste-
matischem Wiederaufbau nach dem Versagen ist B= ~ r(1-e-Y 1 )f(t)dt
y 0
jedoch (1.6.172)
=~[1- ((y)j
y
Z(p)=B-C(p)-(C(p)+H) IiPt(P)i Rt(P)
mit
J;e-yt f(t)dt
i=l

=B-C(p)-(C(p)+ H)-p"'-f(_p)--:- ( = (1.6.173)


1-Pt(P) der Laplace-Transformierten der Dichte der Zeit
{1.6.169) bis zum Versagen. Analog ist der verzinste Scha-
Nach einem Versagen wird man natürlich die Ur- den
sachen für das Versagen erforschen und den Ent-
{1.6.174)
wurf ggf. ändern. War der Entwurf im Hinblick
auf die Entwurfsregeln und die Parameter p be- Für einen stationären Poissonschen Prozeß der
reits optimal, besteht keine Veranlassung, die Be- Versagensereignisse mit Intensität A.(p, R), d.h.
messungsregeln zu ändern. Es gilt weiter die An- mit einer Dichte der Versagenszeiten von
nahme, daß jede neue Realisation des Bauwerks f(t,p,R)=A.(p,R) exp(-A.(r, R)t), wobei R einen
im Hinblick auf die Unsicherheiten statistisch beliebigen Zufallsvektor bezeichnet, ist
identisch mit früheren Realisationen ist.
Für eine beabsichtigte Nutzungsdauer t5 ist Z( )=E [b-A.(p,R)H]-C( ). (1.6.175)
p R y+A.(p,R) p
rt b
B(t5 ) =J, 'b(t)ö(t)dt =-[1-exp[-yt5 ]] Für den wichtigeren Fall des systematischen Wie-
0 y deraufbaus nach einem Versagen ist
(1.6.170)
mit b dem konstant angenommenen Nutzen pro B=bre-Y
0
1 dt=~.
y
(1.6.176)
Zeiteinheit. Für t5 ~ oo gilt
Die Dichte zum n-ten Versagen wird durch Re-
b
B=-. (1.6.171) kursion erhalten:
y
J
00

Der Fall, daß Versagen bei Inbetriebnahme oder fn(t)= fn-r(t-t)f(t)dr, n=2,3, •.. (1.6.177)
schon während des Baues erfolgt, ist denkbar bei 0

ausschließlich durch ständige Lasten beauf- oder mit Hilfe der Laplace-Transformation

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-245


j*(y)= J;" e-Ytj{t)dtundj;(y)=J;'e-yt fn{t)dt aus 1.6.7.4
Kosten-Nutzen-Ansatz aus der Sicht der Beteiligten
t:<v>= fn.-l<v>t*<v>= t<v>[t*<v>r (1.6.178} Die Festlegung der AnteileBund C(p) ist i.d.R.
undsomit unkritisch. Der Ansatz von b oder von b(t) ist al-

LJ; e-ytfn(t)dt
~ lein Sache des Benutzers, von C(p) allein Sache
D = (H +C) des Bauherrn. Die Quantifizierung von H erfor-
n=l dert eine Versagensfolgenrechnung. Diese ist für
=(H+C) (~y) (H+C)h*(y). {1.6.179)
alle und insbesondere für die Gesellschaft be-
treffende Folgen, auch die Spätfolgen eines Ver-
1- f (y)
sagens, durchzuführen. Auf die Ermittlung der
h*(y) ist die Laplace-Transformierte der sog. Anzahl und des Umfangs wahrscheinlicher Per-
"Erneuerungsintensität". Die Erneuerungsin- sonenschäden ist besonderer Wert zu legen.
tensität h(t) kann auch als (unbedingte) Versa- Am Ergebnis (1.6.173} wird deutlich, daß bei
gensrate interpretiert werden. zeitvarianten Problemen grundsätzlich ein Zins-
Für den wichtigen Poisson-Prozeß, dessen Ver- satz y > 0 zu wählen ist. Andernfalls würden die
teilungsfunktionder Zeiten zwischen den Ereig- Schadenskosten unendlich groß.
nissen die Exponentialverteilung ist, ist Erwarteter Nutzen und Schaden können, wie
schon erwähnt, für jeden der Beteiligten anders
J
~

( (y, p, R) = exp[-yt].A{p, R)exp[-.A(p, R)t]dt verzinst werden. Für den Bauherrn und den Be-
0 nutzer ist es sicher richtig, sich an den gängigen
= A.(p,R) (langfristigen) Zinssätzen zu orientieren. Hier-
(1.6.180) bei muß aber beachtet werden, daß der Zeitho-
y+.A(p,R)
rizont bei Bauwerken i.d.R. viel weiter gesteckt
unddaher ist als bei anderen Investitionen. Für die Öffent-
lichkeit müßte ein (langfristiger) Zinssatz ge-
Z(p) = B-C(p)-(C(p)+H) ER[.A{p,R)]. nommen werden, der ungefahr dem jährlichen
y Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts ent-
(1.6.181) spricht, das sind gegenwärtig etwa 2o/o bis 3%.
Für anders verteilte Zeiten zwischen den Ereig- Die Gesellschaft muß ihre Belange zumindest
nissen kann man in einigen anderen Fällen die immer dann schützen, wenn Menschen an Leib
Laplace-Transformationen analytisch angeben. und Leben gefahrdet sind, v.a. auch, weil die Nut-
Darüber hinaus gilt ein asymptotisches Resultat, zung von Bauwerken durch den Menschen eine
welches für alle praktisch vorkommenden Fälle notwendige und unfreiwillige Tätigkeit ist. Dafür
ausreichend genau ist. Es ist nämlich gibt es im wesentlichen drei Ansätze. Die Gesell-
schaft kann ein bestimmtes Risiko für Leib und
lim h(t) = lim yh *(y) = _!_. (1.6.182} Leben in und um Bauwerke herum festsetzen,
t--+~ y--+O m
wobei sie sich an statistischen Zahlen, soweit sie
m=E[T] ist der Mittelwert der Versagenszeiten. vorliegen und für unfreiwillige Tätigkeiten tole-
Wenn also die Verteilungsfunktion der Versa- riert werden, orientieren kann. Bei Tragwerks-
genszeiten wenigstens punktweise bekannt ist, versagen wurde hierfür ein Lebensrisiko von 1o- 6
ist unter Verwendung von pro betroffene Person und Jahr diskutiert. Dem
steht ein Risiko von >10-4 pro Jahr und Person
E[T(R)] =f;'(1-F(tjR))dt
durch sämtliche Unfälle aller Art einschließlich
~ min {1;1- Pj{O)-fo+ ER[E[N'"(O,t)jR]]dt}
des Risikos im Straßenverkehr gegenüber.
Die Gesellschaft kann desweiteren unterstel-
Z(P)-B C( ) C(p)+H {1.6.183} len, daß die Gesamtheit des für Bauwerke gülti-
- - p - yER[E[T(R)]]
gen Regelwerkes bereits optimale Bauwerke er-
Das ist ein weitreichendes Ergebnis. Es bedeutet, zielt, und hieraus Rückschlüsse auf das tolerier-
daß zulässige Versagenswahrscheinlichkeiten als te Risiko ziehen. Nachrechnungen haben erge-
auf eine Zeiteinheit bezogene Versagensrate ben, daß das derzeitige Bauen mit einer (rechne-
oder als mittlere Zeiten zwischen dem Versagen rischen) jährlichen Wahrscheinlichkeit für
vorzugeben sind. Tragwerksversagen von 10-3 (vorwiegend bei
außergewöhnlichen Situationen wie Erdbeben,

1-246 Allgemeine Grundlagen


Fahrzeuganprall, Gasexplosion) bis weit unter
w-7 (für normale Beanspruchungen) ohne aJ aJ aJ
df =-da+-b db+ ... +-de+ ... (1.6.185)
Berücksichtigung von mensc~ichen Fehlern als
aa a ae
Versagensursache verbunden ist. Das Lebensri- Wenn nur die genannten zwei Indikatoren, also
siko ist dabei mindestens um eine Größenord- g und e, betrachtet werden, verschwindet df für
nung niedriger.
df
Schließlich kann im Namen der und in der dg _ de
Verantwortung für die Gesellschaft eine Kosten- (1.6.186)
de -- df ·
Nutzen-Rechnung durchgeführt werden. Zwei
Fragen sind hierbei zu beantworten: dg
- Darf auch bei möglichem Verlust von Leib und Anders ausgedrückt: jede Tätigkeit, die die Er-
Leben eine Kosten-Nutzen-Rechnung durch- höhung der Lebenserwartung zum Ziel hat, muß
geführt werden ? auch durch einen entsprechenden Zuwachs im
- Dürfen ggf."Kosten" für Menschenleben ver- Bruttosozialprodukt aufgefangen werden.
zinst werden? Konkret ist der hier als Beispiel verwendete
zusammengesetzte Sozialindikator (Life Quality
In der neueren Forschung auf diesem Gebiet hat Index- LQI) durch [Nathwani et al. 1997]
sich die Auffassung durchgesetzt, daß es nicht
(1.6.187)
die "Kosten" eines verlorenen Menschenlebens
bzw. der versagensbedingten Behinderung der definiert. Dieser Indikator ist offensichtlich
Menschen sind, die zur Diskussion stehen, son- gleich der Lebenserwartung gewichtet mit dem
dern jener Aufwand, den die Gesellschaft fähig . mittleren jährlichen Beitrag zum Bruttosozial-
und bereit ist, zur Rettung bzw. qualitätvollen produkt als Maß für die Qualität des Lebens. Der
Lebensverlängerung eines Menschenlebens auf- Parameter wwichtet Lebensqualität und Lebens-
zubringen. Das Problem der Bauwerkssicherheit erwartung und ist gleich dem mittleren Lebens-
durch Bauvorschriften ist damit nicht anders ge- anteil, der den rein ökonomischen Tätigkeiten
lagert als das Problem der Sicherheit auf Straßen gewidmet ist. Er beträgt 10% bis 15% von e.
oder der Gesundheitsfürsorge für die Öffent- Eine so bewertete Tätigkeit ist also sinnvoll,
lichkeit. Ein einfaches, sicher noch verbesserba- w
wenn dele+--dglg>O. Das gilt für alle le-
res Kriterium geht von der Vorstellung aus, daß 1-w
der mittlere Beitrag eines Mitglieds der Gesell- bensverlängernden bzw. lebensrettenden Maß-
schaft zum realen Bruttosozialprodukt pro Jahr nahmen der Öffentlichkeit. Einsetzen in GI.
g zu seiner "qualitätvollen" Lebenserwartung bei (1.6.186) ergibt:
Geburt e ins Verhältnis gesetzt wird. Da Bau-
df
werkssicherheit im Sinne der Abwesenheit von
dg =- de =-g(l-w)
Gefahr für Leib und Leben durch Bauvorschrif- (1.6.188)
de df we
ten eine solche Tätigkeit ist, kann, volkswirt-
schaftlich gesehen, nur ein bestimmter Aufwand dg
für Bauwerkssicherheit getrieben werden. Ein Auf Bauwerksversagen mit Todesopfern ange-
bestimmter Aufwand ist jedoch notwendig und wandt, bezeichne nun F die erwartete Anzahl der
sinnvoll, zumal es sich bei der Benutzung von bei einem Bauwerksversagen Getöteten und
Bauwerken um eine unerläßliche und unfreiwil- e"'40 Jahre die verbleibende mittlere Lebenser-
lige Tätigkeit handelt. Man geht davon aus, daß wartung der Betroffenen im Bauwerk. N ist die
eine hohe Lebenserwartung der Individuen ein BevölkerungsanzahL Sie fällt in der weiteren Be-
wichtiges Ziel der Gesellschaft ist. trachtung heraus. Bei inkrementeHer Verände-
Als Maß für die Qualität des Lebens wird das rung der Versagenswahrscheinlichkeit ist dann
reale Bruttosozialprodukt genommen. Nach ei- die Anzahl der "verlorenen" Lebensjahre gleich
nem Vorschlag von Lind [Lind 1994] geht man eFdPtund deshalb
von einem zweckmäßig definierten zusammen-
gesetzten Sozialindikator aus: de=-e ~dPf. (1.6.189)

f= f(a,b, ... ,e, ... ). (1.6.184) Für die Bauwerkskosten ergibt sich analog
Dieser sei differenzierbar. In differentieller dC
dg =--. (1.6.190)
Schreibweise ist dann N

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-247


Also ist Der Zinssatz kommt nicht mehr vor. Es zeigt
sich, daß diese Bedingung häufig maßgebend ist.
dC
dg =- N _g(1-w)
(1.6.191) 1.6.8
de _ Fd.P we
-e N f Anwendung in der Normung

unddamit 1.6.8.1
Teilsicherheitsfaktoren
~= g(1-w)e F. (1.6.192)
d.Pf we Zeitinvarianter Fall
Einsetzen des mittleren Beitrags zum realen
Bruttosozialproduktvon 35000,- bis 40000,- DM Es liegt nahe, die in der Bemessungspraxis ver-
pro Jahr und Person (38750,- DM für Deutsch- wendeten Sicherheitsbeiwerte auf den sog. "Be-
land im Jahre 1997 bei 2,2% realem Wachstum) messungswert" zu beziehen. Ist Xc,i ein charak-
e..
und der Zahlen für e"" 80 Jahre, 40 Jahre und teristischer Wert der Größe i (vgl. 1.6.1), so gilt
w=0,125 sowie F= 1 ergibt einen "vernünfti- generell
gen" Aufwand für Bauwerkssicherheit von rund
Xc,i
Yi=-. · (1.6.195)
g(1-w)e F=140000,-DM pro Jahrundpoten- xi
we
tiell betroffener Person. Umgerechnet auf den für Widerstandsvariable (positive Ableitung der
einzelnen Betroffenen mit der mittleren Lebens-
e
erwartung sind das rund 5500000,- DM. Das .
Grenzzustandsfunktion) und

(1.6.196)
ist weit mehr als gewöhnlicherweise angesetzt Yi=-' ·
wird. Es ist wichtig, daß die rechte Seite von Gl. Xc,i
(1.6.192) nicht mehr von Bauwerksparametern für Lastvariable (negative Ableitung der Grenz-
abhängt. zustandsfunktion). Dabei ist
Auch die Frage nach der Verzinsung eines sol-
xi• = F -1(II>(ui*)) =F -1 (11>(-aiß)). (1.6.197)
chen Betrags wurde auf verschiedenen Ebenen,
der moralischen und ethischen Ebene, der öko- Diese Definitionen sind gültig bei unabhängi-
nomischen Ebene und dem von der Gesellschaft gen Variablen. IXi entspricht exakt dem Rich-
ausgedrückten Wollen, beantwortet [Lind 1994]. tungskosinus des ß-Punktes im Standardraum.
Wenn auch in Zukunft und für künftige Genera- Bei abhängigen Variablen muß man ein neues
tionen die gleichen Werte und Zielvorstellungen repräsentatives IXr,i aus
der Gesellschaft wie heute Gültigkeit haben und
für die Zukunft die gleichen finanziellen Mög- (1.6.198)
lichkeiten erhalten werden sollen, muß jede In-
vestition, auch die zur Rettung von Menschenle- bilden, welches nur bei unabhängigen Variablen
ben, über die Bauvorschriften jetzt (und in Zu- mit IXi übereinstimmt. Hierzu muß u* in x* zu-
kunft) wie jeder andere Kostenfaktor verzinst rücktransformiert werden. Damit kann festge-
werden - und zwar mit dem gleichen Zinssatz stellt werden, daß zwischen einer rigorosen pro-.
wie rein ökonomische Größen [Pate-Cornell babilistischen Betrachtung und einer determi-
1984]. nistischen Bemessung eindeutige Korrespon-
Damit ist eine Optimierung unter Einschluß denz hergestellt werden kann.
der Kosten für die Vermeidung des Verlustes von Als Beispiel sei eine Last mit Mittelwert f.1 und
Menschenleben, also von Standardabweichung o normalverteilt Bei gege-
benem as und ß sowie charakteristischem Wert
HM = g(1-w)e2 F (1.6.193) als Ps%-Quantil s, ist
we
durchzuführen. Das Kriterium Gl. (1.6.192) ist
als zusätzliche Restriktion zu berücksichtigen,
~~>( s*:p) =~~>(u;)= 11>(-asß),
(1.6.199)
d.h. bei vektoriellem Parameter p
s'=-asßo+p.
Man beachte, daß as für eine "Lastvariable" ne-
gativ ist. Also ist

1-248 Allgemeine Grundlagen


/ -asßo+Jl ist er als po/o-Quantil in der prädiktiven Vertei-
Ys=-= · (1.6.200) lung (oder Bayesschen Verteilung), d.h. in
Sc <1>-I(Ps)O+J.l
Wenn eine Widerstandsgröße unter sonst glei-
chen Umständen lognormalverteilt ist, berech-
Fx(x) = J.: Fx(xl9)f~(9)d9 (1.6.205)

netman definiert. Hierin ist nach Bayes die a-posteriori-


Dichte

tc" (9) = f(xl9)f~(9)


=-------------r~c _____________ 8
J.: R(xl9)f~(9)d9 (1.6.206)

Jlexp[-~ ln(l + V2 )-aRß[ln(l + V2 }t'2 ] mit f (xl9) der Likelihood-Funktion der Stich-
probe x und Je' (9) der a-priori-Dichte des Para-
(1.6.201)
metervektors e (vgl.auch Gl.(1.6.10) bis (1.6.12)).
Für eine Normalverteilung mit bekannter
mit V=o/11. Standardabweichung o bzw. ohne jede Vorinfor-
Die WiderstandsgrößeR sei entsprechend ei- mation (v = n -I) ist beispielsweise
ner Weibull-Verteilung verteilt:
=Xn + k"sn (1.6.207)
Yl
Xe

FR(r)=l-exp[-(: mit:

Bei gegebenem aR und ß sowie charakteristi-


schem Wert als PRo/o-Quantil ist k"= j r- 1 (p,u)~n;l. o unbekannt,

(1.6.202) <l>- 1 (p)~n;l o unbekannt.


(1.6.208)
undsomit Hierin ist r- 1(p,v) die Inverse der zentralen t-
• llk Verteilung mit Freiheitsgrad v. Bei bekannter
r = w[-ln(<l>(aRß))] (1.6.203) Standardabweichung ist Sn durch o zu ersetzen.
und Bei einer Lognormalverteilung bildet man Xn
und Sn für die Logarithmen der Einzelwerte, und
(1.6.204) der charakteristische Wert ist Xe= exp [xn+knsnl·
In diesen Formeln ist nur die aktuelle Stichpro-
be, gekennzeichnet durch Xm Sn und n, berück-
In neueren Vorschriften wird bei unabhängigen sichtigt. Wenn Vorinformationen vorliegen, als<;~
Variablen folgende Näherung zugelassen: in Form von x~. s~ und n', kann man sich neue
Werte
aR = 0,8 für die dominante Widerstandsvariable,
''
aR "' 0,4 für alle anderen Widerstandsvariablen, " ' -· xn+xn
n =n+n, x = , (1.6.209)
as = 0,7 für die dominante Lastvariable. n+n
as "' 0,4 für alle anderen Lastvariablen.
sowie bei unbekannter Standardabweichung
Damit ist die Bedingung 'Li= I a/ >1 und daher
mit Ausnahme des Falles, daß jeweils nur eine s" 2 u" =[u's'2+n'x'2 ]+[us2+nx2]-n"x"2,
Zufallsvariable gegenwärtig ist, übererfüllt. Die
u" =u'+ö(n')+v+Ö(n)-ö(n")
Näherungen für die a gelten nur für unabhängi-
(1.6.210)
ge Zufallsvariable. Die Teilsicherheitsbeiwerte
können damit ohne genaue Rechnung und ohne errechnen. Man beachte, daß die Stichproben für
genaue Kenntnis des mechanischen Zusammen- :X" und s"
unterschiedlich groß sein können,
hangs für jedes Sicherheitsniveau, jede Vertei- nämlich ii .. bzw. ü". Ähnliche Formeln gibt es für
lungsfunktion und Parameterkombination ab- eine Reihe von anderen Modellen.
geschätzt werden.
Wenn der charakteristische Wert direkt aus
Versuchen oder Beobachtungen gewonnen wird,

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-249


Zeitvarianter Fall
(1.6.214)
Ein erster Vorschlag zur Ableitung von Teilsi-
cherheitsfaktoren bei Gegenwart von stationä-
52 -exp[-exp[-a:z(s2 -u2 )]]. (1.6.215)
ren Lasten stammt von Turkstra [Turkstra 1970 ].
Er nahm an, daß die Lasten unabhängig sind und Die zu S1 und Sz gehörigen Extremwertvertei-
berechnete eine untere Schranke für die Versa- lungen im Zeitraum [O,t] sind
genswahrscheinlichkeit, indem er unterstellte,
daß zu einem beliebigen Zeitpunkt jeweils eine max{~} -exp[-Atexp[-_!_(j_)
O:!>t:S:t 2
2
]], (1.6.216)
~
Last ihr Extremum annimmt, während alle an-
deren Lasten einen Wert aus ihrer Augenblicks-
verteilung realisieren. Also ist ~;;{Sz} -exp[-exp[-a2(s2 -u2 - l~n))]J.
Pf;:>:max7=1{P(g(R,~ (t),Sz(t), ... , (1.6.217)

max{S;(t)}, ... , Sn(t)) :o:; 0}} (1.6.211) Die Bemessungswertex i lassen sich bei gegebe-
nem a; und ßanalytisch bestimmen (Tabelle 1.6-
O:!>t9

Das ist eine untere, i.d.R. unter den genannten 6). Natürlich ist r'= mR- aR ß CJR.
Voraussetzungen gar nicht so unkonservative Die Bemessungswerte der Lasten kann man
Schranke, weil die größte Wahrscheinlichkeit nun durch den jeweiligen charakteristischen
auch zu anderen Zeitpunkten erreicht werden Wert teilen. Für jede Kombination erhält man ei-
kann. Wegen ihrer Einfachheit ist die "Turkstra- nen Teilsicherheitsbeiwert für das extremale Ni-
sche Regel" in der Praxis sehr beliebt. Das zeit- veau und aus der Augenblicksverteilung. Diese
variante Zuverlässigkeitsproblem oder Last- sind natürlich verschieden, und man kann
kombinationsproblern wird auf ein zeitinvari- Yaugenbl. =Yextr.'l' setzen (Tabelle 1.6-7). 'I' hängt
antes Zuverlässigkeitsproblem zurückgeführt. im einzelnen von den stochastischen Charakte-
Man muß nur die jeweiligen Augenblicksvertei- ristiken der betreffenden Last ab. Einige der mo-
lungen und die zugehörigen Extremwertvertei- dernen Bemessungsvorschriften gehen so vor.
lungen kennen. Die Tuckstrasche Regel ist an einschneidende
Es sei ein einfaches Beispiel mit der Zustands- Annahmen gebunden. Man kann mit ihr keine
funktion intermittierenden Lasten behandeln. Die einzel-
nen Lasten müssen unabhängig sein. Daher müs-
M=R-S1-S2 (1.6.212)
sen abhängige Einzellasten entsprechend zu-
betrachtet. R sei normalverteilt, S1sei ein Sprung- sammengefaßt werden. Weiter macht sie nur im
prozeß mit Rate.\, dessen Amplituden Rayleigh- stationären Fall Sinn. Außerdem liefert sie, wie
verteilt sind, und Sz sei eine Gumbel-verteilte Zu- erwähnt, nur eine untere Schranke für die Ver-
fallsfolge mit n=SO "Wiederholungen", d.h. sagenswahrscheinlichkeit.

R-~(r~:R), (1.6.213)

Tabelle 1.6-6 Bemessungswerte der Lasten

Kombination 1

Kombination 2

1-250 Allgemeine Grundlagen


Tabelle 1.6-7 Kombinationsbeiwerte (ohne mögliche algebraische Vereinfachungen)

'Psi

Kombination 1
1 1
-- ln(-ln(ct>(-a, 2ß}))+u 2 + - ln(n)
az a2

Kombination 2

Nachweise bei Verlust der Dauerhaftigkeit sicheren Größen, z.B. C,t:.Seq und ggf. n5ul> er-
durch Materialermüdung, Korrosion mittelt man nach Schema in GI. ( 1.6.195) oder GI.
( 1.6.196). Analog wird bei anderen Dauerhaftig-
Derartige Nachweise können dann wie Nach- keitsaufgaben vorgegangen.
weise gegen Verlust der Tragfähigkeit geführt Bei Wähler-Linien wird meist von den cha-
werden, wenn eine Dauerfestigkeit oder derglei- rakteristischen Werten ausgegangen. Bei Bayes-
chen existiert. Sonst muß eine Nachweisgleichung scher Betrachtungsweise sind die Werte dann
im Raum der Lebensdauern formuliert werden. mit Hilfe Bayesscher Regression zu berechnen.
Bei Ermüdungsnachweisen geht man meist von Hier werden zunächst die Formeln für normal-
Wähler-Linien aus, d. h. von N = Ct:.Seq mit N der verteilte Residuen angegeben. Nunmehr ist für
ertragbaren Lastspielzahl für eine äquivalente einen vorgegebenen Wert xo
Einstufenbelastung tlSeq,die mit Hilfe der Palm-
Yc=ao+a,xo+ knsn. (1.6.219)
gren-Minerschen Hypothese zur Akkumulation
von Schädigungen ermittelt wird. C und m sind Hierin ist:
experimentell für jeden Baustoff, jedes Bauteil a0 = y-a1x,
und jedes Konstruktionsdetail ermittelte Mate-
rialkennwerte. Gelegentlich muß der Einfluß der a _ Ln_,
1-
X·Y·-
I I
nxy
1- n 2 -2 '
Mittelspannung mitberücksichtigt werden. L;=1 x; -nx
Manchmal werden zwei Neigungen der Wähler- - 1 n
Linie, z.B. m=3 für große t:.Seq und m=S für x=- 2:x1 ,
kleine t:.Seq> angegeben. tlSeq enthält ggf. Span- ni=l

nungskonzentrationsfaktoren (Kerbfaktoren) - 1 n
und ist aus der Überlagerung aller ermüdungs- y=-
ni=l
LYI>
wirksamen Beanspruchungen zu bilden. Man
unterstellt also, daß die Beanspruchungszyklen
jeweils nur kleine Schädigungen hervorrufen.
Um die Streuungen der Lebensdauern bei glei-
cher vorgegebener Einstufenbelastung und glei-
chen sonstigen Parametern zu berücksichtigen,
setzt man für C eine Verteilung, z.B.die Weibull-
Verteilung, an und hat eine Grenzzustandsglei-
chung der Form
mit Freiheitsgrad u=n-2.Angewandt aufWöh-
ct:.s;; -nsul ~0. (1.6.218)
ler-Linien bedeutet das, daß ln(N) =
n5 ist die beabsichtigte Nutzungsdauer in Jahren ln(C)-mln(t:.S) und daher y=ln(N), x=ln(t:.S),
und u 1 die mittlere Anzahl der Spannungszyklen a 0 =ln(C), a 1 =-m. Der charakteristische Wert
pro Jahr. Die Teilsicherheitsbeiwerte für die un- von N ist bei gegebenem xo=ln(tlseq) gleich

Zuverlässigkeit von Tragwerken I-251


Nc=exp[ycl· Wird der Parameter m bzw. a1 ge- wenn Systeme viele verschiedene, im Hinblick
setzt, ist der Freiheitsgrad u=n-1. Diese Be- auf die Zuverlässigkeit ausgewogene und wenig
trachtungsweise impliziert eine Lognormalver- hochkorrelierte Versagensmodi besitzen, sollte
teilung für die Lebensdauern. Die charakteristi- man die erforderlichen Sicherheitsindizes er-
schen Wöhler-Linien entsprechen oft dem 2%- höhen.
Quantil.
1.6.8.3
1.6.8.2 Größe der Teilsicherheitsfaktoren in Euronormen
Vorgesehene Lebensdauern und Zielzuverlässigkeit
Die neue, auf europäischer Ebene entwickelte
Für die Erarbeitung von Vorschriften sind eini- Normung geht von dem sog. "Teilsicherheits-
ge Vereinbarungen zu treffen. Es ist festzulegen, konzept" aus. Es gilt die Nachweisgleichung
auf welchen Zeitraum eine Zuverlässigkeitsvor-
gabe zu beziehen ist und ob sich die Zuverlässig- gu,s,{ ··• ~·: ··· ··Yj'Pjsc,j:·};o (1.6.220)
keitsvorgabe auf Systemkomponenten oder auf
das System selbst bezieht. Im Rahmen der Arbei- mit
ten für die EUROCODES sind die in den Tabel- rc,i charakteristischer Wert der Basisvariable
len 1.6-8 bis 1.6-10 wiedergegebenen Festlegun- der Widerstandsseite,
gen getroffen worden. Bei den Referenzzeiträu- Yi Teilsicherheitsbeiwert für diese Basisvaria-
men wird unterstellt, daß in diesen Zeiträumen ble,
nur unwesentliche Reparaturen bei angemesse- Sc,j charakteristischer Wert der Basisvariable
ner Unterhaltung notwendig sind. der Einwirkungsseite,
Nicht sehr klar sind die Festlegungen über den Yj Teilsicherheitsbeiwert für diese Basisvaria-
Systembezug. Man sollte die Zahlen in den Ta- ble,
bellen 1.6-8 und 1.6-9 aber so interpretieren, daß \Pj Kombinationsbeiwert für diese Basisvaria-
die jeweiligen Zuverlässigkeitsindizes sich auf ble.
den einzelnen Versagensmodus beziehen. Diese
sind i.d.R. hochkorreliert, so daß das Vorgehen Die Indizes in der Grenzzustandsfunktion U, S
bei einem einzigen dominanten Versagensmo- und A beziehen sich jeweils auf Grenzzustände
dus nicht über Gebühr unkonservativ ist. Immer der Tragfähigkeit bei normalen Bemessungssi-

Tabelle 1.6·8 Zuverlässigkeitsindizes p[n,) fürden Tabelle 1.6-9 Zuverlässigkeitsindizes p[n,) für den
Grenzzustand der Tragfähigkeit Grenzzustand der Gerbrauchsfahigkeit

Relativer Aufwand Versagensfolgen Relativer Aufwand Grenzzustand der


der Maßnahmen klein normal groß der Maßnahmen Gebrauchsfähigkeit
hoch 2,8 3.3 3,8 hoch 1,0
normal 3.3 3,8 4,3 normal 1,5
gering 3,8 4,3 4,8 gering 2,0

Tabelle 1.6-10 Empfoh lene Referenzzeiträume n, in Jahren

Klasse Beabsichtigte Nutzungs- Anwendungsbereich Bermerkung


dauern, in Jahren
<5 temporäre Bauwerke Bauzustände
10 ... 25 ersetzbare Tragwerkteile, z.B. Lager, Bauteile mit starker Korrosion,
landwirtschaftliche Bauwerl<e Ermüdung, Alterung
3 50 normale Bauwerke
4 ;:: 100 Monumentalbauten, Brücken,
Ingenieurbauwerke

1-25 2 Allgemeine Grundlagen


tuationen, auf Grenzzustände der Gebrauchs- Lasten ( Ok) sind als Werte mit SOjähriger mitt-
tauglichkeit und auf Grenzzustände der Trag- lerer Wiederkehrdauer definiert.
fähigkeit bei Gegenwart außergewöhnlicher Ein- - Charakteristische Werte von außergewöhnli-
wirkungen. chen Beanspruchungen (Ak) sind als Werte
Hierbei gelten folgende Vereinbarungen: mit rund SOOjähriger mittlerer Wiederkehr-
- Alle Teilsicherheitsbeiwerte sind größer Null. dauer definiert.
Sie werden durch äquivalente additive Sicher- - Die Teilsicherheitsbeiwerte bei außergewöhn-
heitseierneute ersetzt, wenn der charakteristi- lichen Situationen sind normalerweise gleich
sche Wert gleich Null oder nahe Null ist. Eins.
- Die Teilsicherheitsbeiwerte für den Gebrauchs- - Für Kombinationsbeiwerte gilt grundsätzlich
fähigkeitsnachweis sind gleich Eins. 0::; \j!j::; 1. Der Kombinationsbeiwert der vor-
- Variablen, die Modellunsicherheiten erfassen, herrschenden Einwirkung ist gleich Eins.
erhalten normalerweise keinen Sicherheits- - Die Teilsicherheitsbeiwerte und Kombinati-
beiwert. Diese Unsicherheiten sind durch die onsbeiwerte auf der Einwirkungsseite nach
Teilsicherheitsbeiwerte der anderen Basisva- EN 1990 sind den Tabellen 1.6-11 und 1.6-12
riablen abzudecken. zu entnehmen. Sie sind für alle Bauweisen und
- Charakteristische Werte der Basisvariablen Bauarten gleich.
der Widerstandsseite sind normalerweise als
5%-Quantil der Verteilung definiert, die bei ei-
Tabelle 1.6-11 Kombinationsbeiwerte
ner Schätzung mit Stichprobenumfang n ~ oo
entstehen würde.
Einwirkung ll'o 11'1 11'2
- Charakteristische Werte der Vorspannung
(Pk) sind als Mittelwerte definiert. Verkehrslasten in Hochbauten 0,7 0,5 0,3
lasten infolge Lagergütern 1,0 0,9 0,8
- Charakteristische Werte geometrischer Grö- lasten auf Hofkellerdecken 0,7 0,5 0,3
ßen sind normalerweise als Nominalwerte, Schnee 0,6 0,2 0
Wind 0,6 0,2 0
d.h. als Mittelwerte, definiert. Temperatur (keine Brände) 0,6 0,5 0
- Charakteristische Werte von ständigen Lasten Baugrundsetzungen 1,0 1,0 1,0
( Gk) sind als Mittelwerte definiert.
- Charakteristische Werte von veränderlichen

Tabelle 1.6·12 Beispiele für Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen

Versagen Einwirkung Charakteristische Außergewöhliche


Situation Situation
Verlust der Lagesicherheit ungünstig 1,1
ständig günstig 0,9
1,0

vorherrschend 1,5 11' 2


veränderlich begleitend 1.5wo 11'2
außergewöh nlich 1,0

Verlust der Tragfähigkeit ungünstig 1,35


ständig gunstig 1,0
1,0

Vorspannung ungünstig 1,1


1,0
günstig 0,9

Erdruhedruck 1,2 1,0


vorherrschend 1,5 11'2
verimderlich begleitend 1,5w o 11'2
außergewöhnlich 1,0

Verlust der Gebrauchsfähigkeit


ständig 1.0 0

vorherrschend 11' 1
veränderlich begleitend
0
'1' 2

Zuverlässigkeit von Tragwerken 1-253


- Wenn der Grenzzustand der Tragfähigkeit
durch Traglastnachweise für redundante, aus-
reichend duktile Strukturen geführt wird,
dürfen die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Wi- EB '"o ,l·YQ,z·Qk ,z·}s
.. T
'*1
derstandsseite, wenn sie direkt die rechneri-
sche Bauteilsteifigkeit beeinflussen, abgemin-
dert werden. Werte zwischen den Bemessungs-
werten und den charakteristischen Werten
(1.6.222)
sind angemessen.

Der Beiwert \j) 1 soll so festgelegt werden, daß sei- wobei T(.) die von der jeweiligen Kombination
ne Überschreitungshäufigkeit So/o, bezogen auf abhängige Traglast und Yr,; die für den Traglast-
die Referenzzeit, beträgt. Der Beiwert \j)2 ent- nachweis geltenden Teilsicherheitsbeiwerte für
spricht dem langfristigen Mittelwert. die Tragwerkseigenschaften bezeichnet. Man be-
Die Lastkombinationen werden wie bei Turk- achte, daß damit immer auch ein Lastpfad vor-
stra angesetzt, d. h. beispielsweise bei einem Ver- gegeben ist, d.h., es werden die Längen von Vek-
gleich von (vektoriellen) Schnittgrößen symbo- toren in einer bestimmten Richtung verglichen.
lisch("®" als Operationszeichen für "in Kombi- Die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Wider-
nation mit") für alle j = 1, ... , n standsseHe berücksichtigen die Streuungen so-
wie die mechanische Bedeutung der jeweiligen
Ec~YG,iGk,;EBypPkm{YQ,jQk,j EB Basisvariablen. Für Tragfähigkeitsnachweise auf
der Ebene der Schnittgrößen gilt beispielsweise
(1.6.221)
Tabelle 1.6-13.
EB\j)o;YQ;Qki})sw(... , rk,i , ••• ).
Die angegebenen Teilsicherheitsbeiwerte gel-
io"j ' ' ' Ym,i
ten nicht für kumulative Vorgänge wie bei Mate-
Hierin bezeichnetE(.) die Lastwirkung und W (.) rialermüdung. Geometrische Unsicherheiten
den Widerstand. Bei Traglastnachweisen ist werden i.d.R. durch gewisse Erhöhungen der
Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandseite
berücksichtigt, bei großer Empfindlichkeit ge-
genüber diesen Unsicherheiten( z.B. bei Stabi-
litätsaufgaben) durch gesonderte Angaben über
Imperfektionen. Sowohl Kombinationsbeiwerte
als auch Teilsicherheitsbeiwerte sind wenigstens
z.T. zuverlässigkeitstheoretisch begründbar.

Tabelle 1.6-13 Beispiele fur Teilsicherheitsbeiwerte fur Widerstände bei nachweisen des Grenuustands der Tragflihigkeit

Bauweise Baustoff Charakt. Situation Außergew. Situation


Stahl-und Span nbetonbau Beton-, Spannstahl 1,15 1,0
EN 1992 (0611992) Beton 1,5 1,3
unbewehrter Beton 1,8 1,56

Stahlbau Baustahl 1,1 1,0


EN 1993 (0411993) Verbindungsmittel 1,25 1,0
Holzbau Holz 1,3 1,0
EN 1995 (06/1994) Stahl, Verbindungsmirtel 1,1 1,0

Verbundbau/Stahl-Betan Baustahl 1,1 1,0


EN 1994 (02/1994) Beton 1.5 1,3
Betonstahl 1,15 1,0
Mauerwerksbau Mauerwerk 1.7 1,2
EN 1996 (1211996) Wandanker, Bänder 2.5 2,5
Stahl 1,15 1,0

1-254 Allgemeine Grundlagen


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1-260 Allgemeine Grundlagen


Kapite12 2
Bauwirtschaft und Baubetrieb

• Inhalt

2.1 Bauwirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2-3


2.2 Unternehmensführung. ....... .. . .......... .. . .... 2-103
2.3 Immobilien- und Inf~astrukturmanagement . . . . . . . . . 2-150
2.4 Privates Baurecht.. .. .. ... . ... . .. .. . ....... . ... . .. 2-153
2.5 Baubetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2-209
2.6 Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz . . . . . 2-236

K. Zilch et al. (eds.), Handbuch für Bauingenieure


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
Bauwirtschaft und Baubetrieb 2

2.1 wirtschaftspolitische Bedeutung für die Volks-


Bauwirtschaftslehre wirtschaften der Industrieländer.
Für die Bauwirtschaft gelten einerseits viele
Die Betriebswirtschaftslehre für die Bauwirt- Regeln der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre
schaft, kurz: Bauwirtschaftslehre, zählt zu den und der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre,
speziellen Betriebswirtschaftslehren einzelner andererseits jedoch zahlreiche Besonderheiten,
Wirtschaftszweige wie die Industrie-, Handels- die Beachtung verdienen.
und Bankbetriebswirtschaftslehre. Besonderes
Merkmal ist jedoch, daß sich die Bauwirtschafts- 2.1.1
lehre bisher nicht an den Fakultäten für Be- Volkswirtschaftliche Grundlagen
triebswirtschaftslehre der wissenschaftlichen für die Bauwirtschaft
Hochschulen etabliert hat (Ausnahmen: TU
Freiberg/Sachsen und TU Darmstadt), sondern Die Volkswirtschaftslehre untersucht das makro-
stattdessen Lehr- und Forschungsgebiete für ökonomische Zusammenwirken aller Sektoren
Bauwirtschaft und Baubetrieb in den Bauinge- (Unternehmen, Staat, Haushalte, Ausland), die
nieurfakultäten der technischen Universitäten über den Markt innerhalb eines i.d.R. durch
bzw. Hochschulen angesiedelt sind. Die Fachver- Staatsgrenzen abgegrenzten Gebiets mit einheit-
treter sind daher i.d.R. auch keine Betriebswir- licher Währung miteinander verbunden sind.
te, sondern Bauingenieure, z. T. mit Zusatzaus- Die Volkswirtschaftstheorie beruht auf der
bildung zum Wirtschaftsingenieur oder Diplom- Annahme, daß über knappe Mittel bei alternativ
Kaufmann. möglichen Verwendungen durch ökonomisch
Die Begründung für dieses Phänomen liegt of- motivierte Handlungsweisen disponiert wird.
fenbar darin, daß die Besonderheiten der Bau- Dabei ist nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip
wirtschaft mit ihrer Einzelfertigung von Unika- entweder mit gegebenen Mitteln ein maximal
ten, ihren von Baustelle zu Baustelle wandernden mögliches Resultat (Maximalprinzip) oder ein
Werkstätten, dem Absatz durch Ausschreibung vorgegebenes Resultat mit einem Minimum an
und Zuschlagsecteilung vor der eigentlichen Mitteln (Minimalprinzip) zu erwirtschaften.
Produktion mit der starken Verflechtung zwi- Im Zentrum der Volkswirtschaftstheorie ste-
schen technischen, wirtschaftlichen und rechtli- hen Antworten auf die Frage: Was soll wann, wie,
chen Einflußfaktoren für Betriebswirte außer- für wen und wo produziert werden? In markt-
ordentlich diffus und komplex erscheinen [Die- wirtschaftlichen Systemen werden diese Fragen
derichs 1992]. nach Produktionsziel,-methode,-verteilungund
Dabei hat die Bruttowertschöpfung in der -Standorten mit Hilfe von Angebots- und Nach-
Bauwirtschaft traditionell einen Anteil von etwa fragemechanismenüber die Preis- und Mengen-
6 o/o am Bruttoinlandsprodukt Etwa jeder 12. Be- bewegungen, d. h. über freie Entscheidungen der
schäftigte ist in der Bauwirtschaft tätig oder in Nachfrager und Anbieter innerhalb eines adä-
den vor- und nachgelagerten Bereichen Pla- quaten rechtlichen Rahmens beantwortet. In
nung, Baustoffuandel, Möbelindustrie, Makler- Planwirtschaften treffen Planungsbehörden die-
tätigkeit und Facility Management eng mit ihr se Entscheidungen.
verbunden. Die Bauwirtschaft hat daher hohe

Bauwirtschaftslehre 2-3
2.1.1 .1 nisbefriedigung erreicht, wenn die Grenznutzen
Markt der zuletzt beschafften Teilmengen der Güter
gleich groß sind (optimaler Verbrauchsplan).
Wirtschaften zielt ab auf die Befriedigung von Nach dem Gesetz der Nachfrage sinkt diese mit
Bedürfnissen nach knappen Gütern oder Dienst- steigendem Preis und nimmt zu mit sinkendem
leistungen. Zielsetzung allen wirtschaftlichen Preis des angebotenen Gutes bzw. der Dienstlei-
Handelns ist der Ausgleich zwischen Angebot stung. Die so entstehende Kurve wird als Nach-
und Nachfrage und somit die möglichst weitge- fragekurve bezeichnet (Abb. 2.1-1).
hende Befriedigung der Bedürfnisse der Wirt- Ändert sich der Preis unter sonst gleichen Be-
schaftssubjekte. Der Markt ist der ökonomische dingungen (z.B. unveränderte Bedürfnisstruk-
Ort des Tausches, auf dem sich in marktwirt- tur und Einkommen), so findet eine Bewegung
schaftliehen Systemen durch den Ausgleich von auf der Kurve statt. Ändern sich hingegen die zu-
Angebot und Nachfrage die Preisbildung voll-
zieht.

2.1.1 .2 p = Stück- oder Einheitspreis


Nachfrage
steigende Preise,
Nutzen ist die Eignung eines Gutes oder einer sinkende Nachfrage
Dienstleistung, Bedürfnisse befriedigen zu kön-
nen.
Sehr bekannt sind in diesem Zusammenhang
auch heute noch die nach H.H. Gossen (1810-
1858) benannten Regeln. Nach dem 1. "Gesetz"
der Bedürfnissättigung nimmt der Grenznutzen
eines Gutes mit wachsender verfügbarer Menge fallende Preise,
wachsende Nachfrage
dieses Gutes ab. Der Verbraucher richtet seine
Wertvorstellungen über ein Gut nach der letzten 0 x=Menge
ihm zur Verfügung stehenden Einheit dieses
Gutes aus. Nach dem 2. "Gesetz" vom Ausgleich Abb. 2.1-1 Nachfragekurve
der Grenznutzen ist das Maximum an Bedürf-

p abnehmendes Angebot
zunehmende Nachfrage (z.B. aufgrundverringerter Nachfrage)
(z.B. durch Einkommens-
steigerung) A,

zunehmendes Angebot
(z.B. aufgrunderhöhter Nachfrage)

PGP
abnehmende
Nachfrage
(z.B. durch
Einkommensminderung)

Abb. 2.1·2 Angebots- und Nachfragekurvenscharen

2-4 Bauwirtschaft und Baubetrieb


grunde gelegten Bedingungen (z.B. Einkom- Die Nachfrage nach Bauleistungen im Zeit-
mensänderung), so ist eine Verschiebung des raum 1960-1996 zeigt Abb. 2.1-4 in laufenden
Nachfrageniveaus festzustellen (Abb. 2.1-2). Preisen (Nominalwerte) und in Preisen des Jah-
Die Umsatzkurve wird aus der Nachfragekur- res 1996 (Realwerte). In den Bautätigkeitsstati-
ve, d.h. dem Produkt von Menge und Preis, ab- stiken der Statistischen Landesämter und des
geleitet. Bei linearem Verlauf ergibt sich eine Pa- Statistischen Bundesamtes wird das gesamte
rabel (Abb. 2.1-3). Bauvolumen jeweils weiter differenziert nach
den Bauwerksarten Wohnungsbau, Gewerbebau
und Öffentlicher Bau. Letzterer wird weiter un-
terteilt in Öffentlicher Hochbau, Öffentlicher
p = Stück- oder Einheitspreis Tiefbau und Verkehrswegebau.

2.1.1.3
lineare Angebot
Nachfragekurve
Nach dem Gesetz des Angebots nimmt dieses zu
mit steigendem Preis und nimmt ab mit sinken-
dem Preis des a11gebotenen Gutes bzw. der
Dienstleistung. Die so entstehende Kurve wird
0 x=Menge als Angebotskurve bezeichnet (Abb. 2.1-2). Jeder
Anbieter versucht nun, die Kosten der von ihm
Umsatz= p · x erzeugten und am Markt auch absetzbaren Gü-
Umsatz bei linearer ter und Dienstleistungen unterhalb des am
Nachfragekurve Markt erzielbaren Preises zu halten.
Die dem Anbieter (Betriebe und Beschäftigte
des Bauhauptgewerbes in Abb. 2.1-5) unabhän-
gig vom Produktionsumfang v.a. für die Auf-
rechterhaltung der Betriebsbereitschaft entste-
henden Kosten werden als fixe Kosten bezeich-
net. Die von der Ausbringungsmenge abhängi-
0 x= Menge gen Kosten werden variable Kosten genannt
(Abb. 2.1-6). Der sich aus dem Produkt von Men-
Abb. 2.1·3 Nachfrage- und Umsatzkurve ge und Einheitspreis ergebende Erlös ist be-
stimmend für die Gewinnschwelle (eng!.: break-

~--------------------------------------------------~~
Mrd.DM /,,, ··'
500 +------il ---- nominal
1 - reali.P. v. 1996 1
11--------------------------+.:------t
j/
~+------------~------~---------~-----~~/·~·----~
300 +-----~~~~~--~~~--~~~~~~.-~-------l

200 ~ --·
............. --- --·
-.. -.. .. -...... ... -....
100

..... .,. ...,


0
g .... .... gg .... .,.
~ ~
$
~ ~ ~
~
.....
0

~ ~
.....
~
"'.....~ .....
00

~
~
~ ~
;;!;
~
"'
00
~ ~ ~ ~ ~ "'
~

Abb. 2.1·4 Bauvolumen von 1960 bis 1996 in Nominalwerten und in Preisen von 1996 (ab 1991 mit den neuen Bundesländern)

Bauwirtschaftslehre 2-5
Beschäftigte in 1000 Betriebe in 1000
1700 90
,- .. J ---- Beschäftigte in 1000 I
1600 ..
..•,• ' ' ' ' ' . .. 1-- Betriebein 1000 J 85

1500 . ' ·.
.. .11.
!lL.
80

1400 ... - .. (/ V, 75

1300
: .. -·· ..
70
/\. ""--...... /!
~- .,..._... I!.
1200 65
'.·
1100 .~ _d_ "-./
~ "-....,/
. 60

1000
: '. . :
... ' 55
--
900 so

Bt>chältigte: ab 1967 neue Systematik der Wirtschaftszweige (SYPRO). ab 1991neue Systematik der Wir1..:haftszweige (NACERev.l)
B<>triebe: ab 1976 neue Synematik derWii1S<:haftszweige (SYPRO), ab 1996 neiJe Systematik derWi11S<:haftszweige (NACE Rev. 1)
ab 1989 höhere We11e infolge einer Komplenierung d"' ß<orichtskreises auf Basis der Albeits!3nenzählung von 1987
ab 1995 ne1Jer Gebietsstand nach dem 3. 10.1990 (mit den ne1Jen Bund..ländern)

Abb. 2.1-5 Beschäftigte und Betriebe im Bauhauptgewerbe von 1950 bis 1997

E= Erlös
K= Kosten

variable Kosten

K. =variable
Kosten Fixkostenblock

Gewinnzone
0 Xkrit x =Menge
Gewinnschwelle

Abb. 2.1 ·6 Erlös, Deckungsbeitrag, fixe und variable Kosten

even point) im Schnittpunkt mit der Gesamtko- dient zunächst bis zum Erreichen der Gewinn-
stenkurve. Unterhalb dieser Menge Xkrit wird mit schwelle der Deckung der Fixkosten und kenn-
Verlust produziert, oberhalb dieser Menge wer- zeichnet danach die Höhe des erwirtschafteten
den Gewinne erwirtschaftet. Gewinns.Werden die Gesamtkosten auf die Men-
Der Deckungsbeitrag ergibt sich aus der Dif- ge der erzeugten und abgesetzten Güter und
ferenz zwischen Erlös und variablen Kosten. Er Dienstleistungen bezogen und Marktpreise ein-

2-6 Bauwirtschaft und Baubetrieb


gesetzt, so ergibt sich die Gewinnschwelle aus
analogen Stückkosten- und Stückpreisbetrach-
tungen (Abb. 2.1-7).
Die Gewinnschwelle grenzt die Verlustzone
unterhalb der kritischen Menge Xkrit von der Ge-
winnzone oberhalb von Xkrit ab. An der Gewinn-
I
I
I
schwelle entspricht der Stückdeckungsbeitrag d
I
\
\
exakt den fixen Stückkosten kt·
\

--~~ - ---------------- kv 2.1.1.4


',, variable Stückkosten
Preiselastizitäten
fixe Stüc~;~~e"O--------- __ k,
Die direkte Preiselastizität der Nachfrage bzw.
0 X
des Angebots stellt das Verhältnis einer prozen-
p = Stückpreis tualen Mengenänderung für ein bestimmtes Gut
k = gesamte Stückkosten zu einer prozentualen Preisänderung dieses Gut-
es dar (Abb. 2.1-8).
Lixx100
Ax(o/oj - -X- ~X p
p
Edir = ~p[%] = ~px100 = ~p x-;.
Verlustzone Gewinnzone p
0
xkrit Sind die Änderungen der nachgefragten Men-
Gewinnschwelle
gen relativ (prozentual) größer als die Preisän-
derungen (IE I> l),so spricht man von einem ela-
Abb . 2.1 -7 Stückkosten und Stückpreis stischen Verhältnis. Ist die Mengenänderung
kleiner, so handelt es sich um ein unelastisches

p
EA.dir

Überproduktion
subventionierte t---
landwirtschaftliche :
Erzeugnisse

1 limitierte Mieten

Wohnraum-
unterversorgung

~------------------------------------------~x

Abb. 2.1·8 Direkte Preiselastizitätendes Angebots und der Nachfrage

Bauwirtschaftslehre 2-7
Verhältnis (ltl < 1). Im Extremfall nehmen die Bei der indirekten Preiselastizität der Nachfrage
Angebots- bzw. Nachfragefunktionen einen zur ist E < 0, wenn es sich um Komplementärgüter
Abszisse (t=O; vollkommen elastisch) oder zur handelt, und E > 0 bei Substitutionsgütern.
Ordinate Cl EI= oo; vollkommen unelastisch) par- Die Einkommenselastizität der Nachfrage kenn-
allelen Verlauf an. zeichnet das Verhältnis der prozentualen Nach-
Die indirekte Preiselastizität (Kreuzpreisela- frageänderung für ein bestimmtes Gut zu einer
stizität) der Nachfrage stellt das Verhältnis einer prozentualen Änderung des Volkseinkommens.
prozentualen Mengenänderung für ein be- Für Güter, die der Befriedigung der Grundbe-
stimmtes Gut (A) bei einer prozentualen Preis- dürfnisse dienen, ist sie unelastisch, für Luxus-
änderungeines anderen Gutes (B) dar (Abb.2.1-9). güter elastisch und für inferiore Güter negativ,
AxAX100 da diese bei Einkommenssteigerungen durch
höherwertige Güter ersetzt werden (Abb. 2.1-1 0).
L1xA(%] XA AxA PB
E;nd = öpB(%) = öpBX100 = öpB X XA .
2.1.1.5
PB Marktformenschema und Preisbildung

Das Zusammentreffen von Angebot und Nach-


frage vollzieht sich für die Bauwirtschaft auf dem
EN,ind EN,ind Baumarkt. Die Nachfrage ist die Gesamtheit al-
für Komple- für Substitu· ler mit Kaufkraft ausgestatteten Bauabsichten
mentärgüter tionsgüter
der öffentlichen, gewerblichen und privaten
Bauherren. Das Angebot ist die Gesamtheit aller
p
mit entsprechenden Kapazitäten ausgestatteten
Leistungsversprechen von Planern und Bauun-
ternehmern.
Je nach Ausprägung dieses Zusammentreffens
werden verschiedene Marktformen unterschie-
den (Abb. 2.1-11):
- polypolistische Märkte bewirken vollständige
Konkurrenz, d.h., vieleAnbieterund Nachfra-
ger treten auf dem jeweiligen Markt auf;
- oligopolistische Märkte weisen auf einer oder
auf beiden Marktseiten jeweils nur wenige
Konkurrenten auf;
Abb. 2.1-9 Indirekte Preiselastizitäten der Nachfrage - monopolistische Märkte sind durch jeweils ei-
nen einzigen Anbieter bzw. Nachfrager ge-
kennzeichnet.

Der Preis ist der in Geldeinheiten ausgedrückte


E= Einkommen
Tauschwert eines Gutes oder einer Dienstleistung.
Jedes knappe Gut hat einen Preis. Die Preisbil-
dung vollzieht sich in einem Abstimmungsprozeß
zwischenAnbieterund Nachfrager.
Für das Modell der polypolistischen Preisbil-
dung wird vollständige Konkurrenz auf einem
vollkommenen und offenen Markt vorausgesetzt
(Abb. 2.1-12).
Die Anbieter für Güter und Dienstleistungen
fordern zunächst einen vorher kalkulierten
Preis. Die Nachfrager sind bestrebt, einen mög-
lichst geringen Preis zu zahlen. In der Regel un-
terliegen die Preisvorstellungen mehrerer An-
Abb. 2.1-10 Einkommenselastizitäten der Nachfrage bieter und Nachfrager einer gewissen Bandbrei-
te. Theoretisch kommen diejenigen Anbieter, die

2-8 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Nachfrager
Anbieter viele wenige einer
Polypol Nachfrageoligopol Nachfragemonopol
viele (Bau von Ein- und Zwei- (Straßenbau) (ISDN-Verkabelung)
fami lienhäuser)

beschränktes
Angebotsoligopol zweiseitiges Oligopol
wenige Nachfragemonopol
(Aitlastensanierung) (Raffi neriebau)
(Fernsehturmbau)

Angebotsmonopol beschränktes Angebotsmonopol zweiseitiges Monopol


einer {früher. Telekom) (Hydrojetschild im Tunnelvortrieb) (Mag netschnellbahnbau)

Abb. 2.1·11 Marktformenschema mit Beispielen aus dem Baumarkt

Vollkommener Markt Offener Markt


Homogene Güter, AlleAnbieterund Nachfrager
keine Präferenzen räumlicher, haben jederzeit Zutritt zum Markt.
persönlicher oder sonstiger Art,
vollkommene Markttransparenz,
unendliche Anpassungsgesschwindigkeit

Vollständige Konkurrenz Preisbildung bei


(Polypol) vollst.ändiger Konkurrenz
VieleAnbieterund viele Nachfrager Es gibt stets nur einen Preis für jedes Gut
treffen auf einem vollkommenen (Gieichgewichtspreis im Schnittpunkt von
offenen Markt zusammen. Gesamtnachfrage-und Gesamtangebotskurve).
Daher wird stets diejenige Menge angeboten,
bei derder Preis den Grenzkosten entspricht.

Abb. 2.1-12 Preisbildung bei vollkommener Konkurrenz auf einem vollkommenen und offenen Markt

den geringsten Preis verlangen, und diejenigen gewichtspreis kann den Markt räumen. Ein un-
Nachfrager, die den höchsten Preis zahlen, zuerst terhalb des Gleichgewichtspreises liegender
am Markt zum Zuge. Wenn die Anbieter bzw. Preis kann die Angebotslücke und den Nachfra-
Nachfrager, die mit ihren Preisvorstellungen den geüberhang nicht zum Ausgleich bringen. Ist
zuerst agierenden Marktteilnehmern folgen, umgekehrt bei gegebenem Preis das Angebot
nacheinander in dieser Reihenfolge ebenfalls größer als die Nachfrage, so wird der Preis sin-
zum Zug kommen, so nähern sie sich von zwei ken, um für einen Ausgleich zu sorgen.
Seiten einem bestimmten Preis aA, bei dem der Ein Verkäufermarkt ist gegeben, wenn entwe-
größtmögliche Umsatz erzielt wird. Bei diesem der bei gleichbleibendem Angebot die Nachfra-
größtmöglichen Umsatz ist ein weiteres Auswei- ge steigt (No ~ N 1) oder bei gleichbleibender
chen auf andere Anbieter bzw. Nachfrager nicht Nachfrage das Angebot zurückgenommen wird
mehr möglich ("geräumter Markt"). (Ao ~ A1). Ein Käufermarkt ist gegeben, wenn
In der Realität wird sich im Schnittpunkt der bei gleichbleibender Nachfrage das Angebot zu-
aggregierten Nachfragefunktionen N und der nimmt (A 0 ~ A2 ) bzw. bei gleichbleibendem An-
aggregierten Angebotsfunktionen A ein einheil- gebot die Nachfrage schrumpft (No~ Nz).
licher Gleichgewichtspreis PeP mit der Menge Als Konsumentenrente wird derjenige Preis-
XGP herausbilden (Abb. 2.1-2). Nur dieser Gleich- vorteil bezeichnet, den diejenigen Nachfrager er-

Bauwirtschaftslehre 2-9
zielen, die bereit gewesen wären, auch oberhalb - bei Preiserhöhung aus einer elastischen Men-
des Gleichgewichtspreises liegende Angebote zu genreduzierung,da der Oligopolist Kunden an
akzeptieren. Die Produzentenrente bezeichnet Konkurrenten verliert.
hingegen denjenigen Preisvorteil, den diejeni-
gen Anbieter erzielen, die bereit gewesen wären, Auf den realen Märkten ist es durchaus üblich,
auch unterhalb des Gleichgewichtspreises ihre daß konkurrierende Oligopolisten gewisse
Güter und Dienstleistungen anzubieten. Preisabstände zueinander einhalten. Preiser-
Ein Angebotsmonopolliegt vor, wenn einem höhungen erfolgen erst dann, wenn ein Oligo-
einzigenAnbietereine große Zahl von Nachfra- polist mit Preisheraufsetzungen beginnt. Dieses
gern gegenübersteht. In einer freien Marktwirt- "abgestimmte Verhalten" vollzieht sich häufig
schaft können solche Monopole v.a. durch Ver- stillschweigend, wie bei den Benzinpreisen zu
drängung anderer Konkurrenten vom Markt beobachten ist.
oder Unternehmenszusammenschlüsse entste- Die Preisbildung am Baumarkt wird vorran-
hen. gig durch polypolistische Merkmale geprägt, da
Im Gegensatz zum polypolistischen Anbieter, z.B. im Wohnungsbau viele Nachfrager vielen
der den Gleichgewichtspreis aufgrundseines ge- Anbietern gegenüberstehen. Oligopole und Mo-
ringen Marktanteils als gegeben hinnehmen muß, nopole sind sowohl bei den Nachfragern als auch
kann der Angebotsmonopolist entweder diesen bei den Anbietern nicht besonders häufig anzu-
Preis autonom bestimmen (Preispolitik), muß treffen.
dann aber die bei diesem Preis nachgefragte Für die Preisbildung von Leistungen der Ar-
Menge akzeptieren, oder die Angebotsmenge chitekten und Ingenieure haben nicht nur öf-
festlegen, muß dann aber den sich auf dem fentliche, sondern auch gewerbliche und private
Markt bildenden Preis hinnehmen. Auf einem Auftraggeber das Preisrecht der HOAI (1995) zu
vollkommenen Markt erreicht der Monopolist beachten (vgl. 2.4.6).
seinen höchsten Gewinn dann, wenn die Diffe- Die dem öffentlichen Auftragswesen zuzuord-
renz zwischen Gesamterlös (bei einheitlichem nenden Auftraggeber haben bei der Ausschrei-
Stückerlös) und Gesamtkosten am größten ist. bung und Vergabe von Bauleistungen die preis-
Beim Angebotsoligopol bringen wenige Anbie- rechtsrelevanten Vorschriften der Verdingungs-
terein Produkt auf den Markt (z.B. in der Mine- ordnung für Bauleistungen, Teil A: Allgemeine
ralöl-, Stahl- und chemischen Industrie). Die ge- Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistun-
knickte Nachfragekurve des Oligopolisten (Abb. gen (DIN 1960 von 2000), zu beachten.
2.1-13) resultiert
. - bei Preissenkung aus einer unelastischen An- 2.1.1 .6
gebotsmengenerhöhung, da Konkurrenten des Marktwirtschaft und Planwirtschaft
Oligopolisten ebenfalls den Preis senken, und
Im Rahmen realer Wirtschaftsordnungen stel-
len die Freie Verkehrswirtschaft und die Zentra-
le Verwaltungswirtschaft theoretische Extrem-
p fälle dar, die in der Realität nicht aufrechterhal-
Kunden wechseln
zur Konkurrenz ten werden könnten. Der Grund hierfür ist die
---------l vollständige Ausrichtung der Freien Verkehrs-
wirtschaft auf ausschließlich ökonomische und
Po
individuelle Belange unter vollständiger Ver-
nachlässigung sozialer und kollektiver Belange,
bei der Zentralen Verwaltungswirtschaft umge-
L_ __
kehrt auf ausschließlich soziale und kollektive
Konkurrenten senken
ebenfalls den Preis Belange unter vollständiger Vernachlässigung
ökonomischer und individueller Belange.
Bei der Freien Verkehrswirtschaft stellen vie-
0 le einzelne Wirtschaftseinheiten selbständig ih-
re Wirtschaftspläne auf, die ausschließlich mit
Abb. 2.1-13 Oligopolpreisbildung bei geknickter Nach- Hilfe des Marktmechanismus' koordiniert wer-
fragekurve
den. Dazu bedarf es einer Verrechnungseinheit
(Geld). Die Zentrale Verwaltungswirtschaft ist

2-10 Bauwirtschaft und Baubetrieb


dagegen durch eine wirtschaftliche und politi- Armack ( 1901-1978) als Soziale Marktwirtschaft
sche Machtkonzentration an einer Stelle mit um- bezeichnet und nach dem 2. Weltkrieg besonders
fassendem Zuteilungssystem anstelle des Mark- von L. Erhard (1897-1977) durchgesetzt. In der
tes gekennzeichnet. Sozialen Marktwirtschaft wird vom Staat aktive
Aufgrund der extremen Ausprägung dieser Wirtschaftspolitik stets dann gefordert, wenn
theoretischen Grenzfälle bestehen innerhalb der der freie Markt und damit der Konsument in Ge-
realen Wirtschaftsordnungen Mischformen. fahr sind. Aufgabe des Staates ist es,
Hier sind in erster Linie die Marktwirtschaft und - den Wettbewerb zu sichern,
die Planwirtschaft zu nennen. Einen verglei- - Privatinitiative zu mobilisieren,
chenden Überblick bietet Tabelle 2.1-1. - sozialen Fortschritt zu fördern sowie
Die Marktwirtschaft als Sonderform der Frei- - den Mißbrauch der Vertragsfreiheit und des
en Verkehrswirtschaft verlangt folgende Voraus- Privateigentums zu verhindern.
setzungen:
- dezentrale Koordination der individuellen Die entsprechenden Steuerungsmittel müssen
Wirtschaftspläne, marktkonform sein, d.h., sie sollen den Preis-
- freien Wettbewerb auf den Märkten, mechanismus nicht außer Kraft setzen. Der Staat
- Produktionsfaktoren im Privatbesitz und auf tritt dabei als wichtiger Marktteilnehmer in Er-
Privatinitiative beruhende Produktionspro- scheinung und kann das eigene Angebot bzw. die
zesse, eigene Nachfrage je nach Zielsetzung erhöhen
- freie Konsum- und Arbeitsplatzwahl, oder verringern.
- freie Spar- und Investitionsentscheidungen, Marktkonträre Eingriffe des Staates setzen da-
- Leistungs- und Marktabhängigkeit des indivi- gegen den Preismechanismus außer Kraft. Dabei
duellen Einkommens sowie werden Mengen (Produktions- oder Verbrauchs-
- Befriedigung lediglich von Kollektivbedürf- mengen) und/oder Preise (Höchst- oder Mindest-
nissen durch den Staat. · preise) staatlich festgelegt. Derartige Eingriffe
widersprechen dem Wesen einer Marktwirtschaft,
Grundlage der Entscheidungsfreiheit des Wirt- sind aber in einer Sozialen Marktwirtschaft je
schaftssubjekts ist das Privateigentum an den nach den äußeren Umständen nicht immer ganz
Produktionsmitteln. vermeidbar.
Der Versuch, die Vorteile der marktwirt- In der Planwirtschaft hingegen basiert das
schaftliehen Ordnung wahrzunehmen und dabei wirtschaftliche Handeln des Wirtschaftssubjekts
Systemschwächen wie wirtschaftliche und poli- auf dem Kollektiveigentum an den Produkti-
tische Machtkonzentration sowie soziale Un- onsmitteln. Eine zentrale Planungsbehörde stellt
gleichgewichte durch lenkende Eingriffe und nach politischen und wirtschaftlichen Zielset-
Korrekturen zu mildern, wurde von A. Müller- zungen Volkswirtschaftspläne auf, ordnet deren

Tabelle 2.1-1 Unterschiede zwischen Markt- und Planwirtschaft

Fragen Antwort bei Markwirtschaft Antwort bei Planwirtschaft


1. Was soll produziert werden? Information über den Preis Vorgabe der zentralen staatlichen
Vorgabebehörde
2. Wievielsoll produz.iert werden? Information über den Preis Vorgabe der zentralen staatlichen
Vorgabebehörde
3. Von wem soll produziert werden? Private Staatsbeauftragte
4. Wie, auf wessen Rechnung und auf in eigener Vera ntwortung, auf eigene auf Weisung des Staates und ohne
wessen Gefahr soll produziert werden? Rechnung und auf eigene Gefahr eigenes Risiko
5. Wie soll der Ertrag verteilt werden? nach freiwilligem Leistungsbeitrag des nach Festlegung der zentralen
einzelnen, der sich nach dem erzielten staatlichen Planungsbehörde
Ergebnis richtet (.Die Marktwirtschaft
zählt keine Schweißperlen.")
6. Soll der Staat bei Versorgungsstörun· nein, aber er soll den Ordnungsrahmen ja
geneingreifen dürfen? schaffen und die Spielregeln festlegen

Bauwirtschaftslehre 2-11
Durchführung an und kontrolliert den Erfolg. verkehr (Europäischer Binnenmarkt). Sie um-
Gegenstand der Planung sind faßt ferner eine gemeinsame Wettbewerbspoli-
- die Verteilung der Produktionsfaktoren auf tik und sonstige Maßnahmen zur Stärkung der
die Produktionseinheiten, Marktmechanismen, eine gemeinsame Politik
- die Festsetzung von Verrechnungspreisen so- zur Strukturanpassung und Regionalentwick-
wie lung sowie die Koordination zentraler wirt-
- die Bestimmung der Sollwerte der Produkti- schaftspolitischer Bereiche einschließlich ver-
onsergebnisse. bindlicher Regeln für die Haushaltspolitik
[Brockhaus 1998, Bd. 6, S. 706].
Entscheidender Nachteil der Planwirtschaft ist, Eine Währungsunion ist gekennzeichnet durch
daß eine eingeschränkte, irreversible Kompatibilität
- eine zentrale Planungsbehörde mit der Koor- der Währungen, eine vollständige Liberalisie-
dination und Lenkung der ökonomischen Ak- rung des Kapitalverkehrs, die Integration der
tivitäten überfordert ist, Banken- und Finanzmärkte, eine Beseitigung
- die Unternehmen nur geringen Anreiz haben, der Wechselkursbandbreiten und die unwiderruf-
ihre Produktionskapazitäten transparent dar- liche Fixierung der Wechselkursparitäten.
zustellen, Innovationen vorzunehmen und Im Mittelpunkt der ersten Stufe der Europäische
Strukturen zu verändern, Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU),die
- es zur Ausdehnung einer unproduktiven am 01.01.1990 begann, standen die Aufhebung
Bürokratie kommt, die nur schwer auf verän- der Kapitalverkehrskontrollen innerhalb der EG
derte Marktbedingungen reagieren kann. sowie eine engere Kooperation in der Wirt-
schaftspolitik der Mitgliedsländer.
Unzureichende Konsumgüterversorgung und Am 01.01.1994 begann die zweite Stufe, zu de-
daraus resultierende Kaufkraftüberhänge füh- ren wichtigsten Maßnahmen die Gründung des
ren damit zunehmend zur Inflation. Europäischen Währungsinstituts (EWI) als Vor-
Nach dem Zusammenbruch der sozialisti- läufer der Europäischen Zentralbank (EZB) in
schen Planwirtschaft in Mittel- und Osteuropa Frankfurt/Main zählt. Das EWI war mit der un-
erfolgt dort in Transformationsgesellschaften mittelbaren technischen und prozeduralen Vor-
ein Übergang zu marktwirtschaftliehen Struk- bereitung der Währungsunion befaßt. Während
turen. Diese erfordern vielfältige und durch- dieser zweiten Stufe wurde die wirtschaftliche,
greifende Reformen, die sich vorrangig auf vier fiskalische und monetäre Konvergenz der Mit-
Hauptbereiche erstrecken [Brockhaus 1998, Bd. gliedsstaaten verstärkt. So ist es grundsätzlich
17, s. 215]: verboten, öffentliche Defizite über die nationa-
- makroökonomische Stabilisierung durch len Notenbanken zu finanzieren. Dem Gebot der
Haushaltssanierung, Inflationsbekämpfung Autonomie der nationalen Notenbanken ge-
und Beschäftigungssicherung, genüber staatlichen Eingriffen haben bisher al-
- Preis- und Marktreform, le EU-Länder mit Ausnahme Großbritanniens
- Privatisierung und Abbau staatlicher Mono- und Griechenlands entsprochen.
pole sowie Die Teilnahme an der EWWU ist laut Maa-
- Neubestimmung der Staatsaufgaben. strichter Vertrag von der Erfüllung folgender
Konvergenzkriterien abhängig:
2.1.1.7 - Preisniveaustabilität, d.h., die durchschnittli-
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion che Inflationsrate darf im Jahr vor der Ein-
(EWWU) trittsprüfung max. 1,5% über derjenigen der
drei preisstabilsten Länder liegen (1997 Ober-
Im Maastrichter Vertrag vom 07.02.1992, der am grenze 2,7 o/o );
01.11.1993 in Kraft trat, wurde eine in drei Stu- - mindestens zweijährige Teilnahme am Wech-
fen zu realisierende enge Form der Integration selkursmechanismus des Europäischen Wäh-
der europäischen Staaten im Rahmen der EU rungssystems (EWS) unter Einhaltung der
vereinbart. Abbildung 2.1-14 zeigt die Organe normalen Bandbreite und ohne Abwertung
der EU. auf Initiative des Beitrittskandidaten;
Eine Wirtschaftsunion ist gekennzeichnet - Zinsniveau, d.h., die durchschnittliche Rendi-
durch einen einheitlichen Markt mit freiem Per- te langfristiger Staatsanleihen darf im Verlauf
sonen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapital- eines Jahres vor dem Konvergenztest nicht

2-12 Bauwirtschaft und Baubetrieb


>
Kommission Die wichtigsten Organe Ministerrat
. Kabinett" der EU (ausführendes Organ) .Gesetzgeber· der EU

<
20 Mitglieder Vorschläge 15 Mitglieder
CDCDCD@CD je2Sitze CDCDCD®CD
(D@@(D@ je 1 Sitz Entscheidungen I CD@@ CD@ je 1 Sitz
®CD®®@ ®CD®®@

0
Anhörung
Wirtschafts- und Sozialausschüsse
Beratung
_) 0
Haushaltsbeschlüsse
Anfragen Anhörung

0
Gerichtshof
0 •Wächter über die Verträge·

Europäisches Palament - . Berater, Kritiker, Kontrolleure·, 626 Abgeordnete

Finnland 16
Deutschland 99 Schweden 22
Portugal25

Frankreich 87 ~=:;::::~::::::::~~~~:::=~==~~ Österreich 21


Großbritannien 87

Luxemburg 6 Irland 15
Niederlande 31

Abb. 2.1·14 FunktionsweisederEU

mehr als 2 o/o über der Durchschnittsrendite (außer Großbritannien, Dänemark und Schwe-
der drei Länder mit dem stabilsten Preisni- den, die aus politischen Gründen vorläufig nicht
veau liegen (1997 Obergrenze 7,9o/o); teilnehmen wollten, und Griechenland, das noch
- Budgetdefizit,d.h.,das jährliche Haushaltsde- erhebliche Probleme mit der Einhaltung der
fizit darf 3 o/o des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Konvergenzkriterien hatte).
nicht überschreiten, es sei denn, die Quote ist Mit dem Eintritt in die dritte Stufe am
erheblich und laufend zurückgegangen und 01.01.1999 ging die Verantwortung für die ge-
liegt in der Nähe des Referenzwertes; meinsame Geldpolitik auf das Europäische Sy-
- Staatsverschuldung,d.h.,die Schulden der Öf- stem der Zentralbanken (ESZB) über, das sich
fentlichen Hand dürfen 60 o/o des BIP nicht aus der EZB und den nationalen Notenbanken
überschreiten, es sei denn, die Quote ist hin- zusammensetzt. Zudem kam es zur Beseitigung
reichend rückläufig und nähert sich dem Re- der Bandbreiten und zur unwiderruflichen Fi-
ferenzwert. xierung der Wechselkurse der beteiligten Länder
untereinander sowie zur Festlegung der Um-
Bei überschreitung der Konvergenzrichtwerte rechnungskurse der nationalen Währungen ge-
steht dem Europäischen Rat eine Reihe abge- genüber der neuen europäischen Währung
stufter Instrumente zur Verfügung, wie die Ein- "Euro".
wirkung auf die Haushaltspolitik des betreffen- Die Umstellung von den nationalen Währun-
den Mitgliedsstaates sowie die Verhängung von gen auf die Einheitswährung Euro ist schritt-
Geldbußen in angemessener Höhe. weise bis spätestens 2002 zu vollziehen. Im Zah-
Im Mai 1998 entschied der Europäische Rat lungsverkehr zwischen Banken und Nichtban-
über den Eintritt von elf der 15 Mitgliedsländer ken werden die Landeswährungen bereits seit
der EU in die Endstufe der EWWU ab 01.01.1999 dem 01.01.1999 durch den Euro ersetzt. BisEn-

Bauwirtschaftslehre 2-13
de 2001 folgt ein Zeitabschnitt zur Einführung 2.1.1.8
des Euro als einheitliche Währung mit einem Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Leitkurs von 1,95583 DM, wobei ein ECU einem
Euro entsprechen soll. Damit erfolgt auch der Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist ei-
Übergang der geldpolitischen Verantwortung ne zahlenmäßige Darstellung der makroökono-
und die unwiderrufliche Festsetzung der Um- misch-relevanten Transaktionen zwischen den
rechnungskurse. Die Ausgabe von auf Euro lau- wirtschaftenden Einheiten eines Landes sowie
tenden Banknoten und Münzen ist ab 01.01.2002 zwischen ihnen und dem Ausland. Diese Trans-
vorgesehen. Zum 30.06.2002 werden die natio- aktionen beziehen sich auf die Entstehung, Ver-
nalen Banknoten und Münzen ihre Eigenschaft teilung, Verwendung und Finanzierung des So-
als gesetzliches Zahlungsmittel verlieren. Damit zialprodukts bzw. des Volkseinkommens.
ist dann der Übergang zur einheitlichen Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen wer-
Währung abgeschlossen. den im Rahmen geschlossener Kontensysteme
Hauptaufgaben der EZB in Frankfurt/Main aufgestellt. Sie beziehen sich i.d.R. auf vergan-
sind die Festlegung und die Ausführung der gene Perioden (ex-Post-Betrachtungen). Ihre
Geldpolitik der Gemeinschaft, die Durchfüh- Aufgaben bestehen
rung der Devisenmarkttransaktionen, die Hal- - für die Wirtschaftspolitik in der Möglichkeit,
tung und Verwaltung der Währungsreserven so- Wirkungen und Grenzen der jeweils beab-
wie die Unterstützung des reibungslosen Funk- sichtigten Maßnahmen zu erkennen;
tionierens des Zahlungsverkehrs. - für die Wirtschaftsforschung in der Gewin-
Seit dem Übergang zur dritten Stufe ist das No- nung von für den Wirtschaftsprozeß wichti-
tenemissionsrecht von den nationalen Zentral- gen Daten und Erkenntnissen über deren
banken faktisch auf den Rat der EZB übergegan- funktionales Zusammenwirken;
gen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken - für Unternehmer in der Beobachtung von
sind zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Strukturentwicklungen und -Veränderungen
Da als vorrangiges Ziel der EZB die Wahrung innerhalb und zwischen den Branchen;
der Preisstabilität angesehen wird, ist die EZB in - für die gesamte Volkswirtschaft in der ver-
ihren geldpolitischen Entscheidungen unabhän- gleichenden Betrachtung des wirtschaftsstati-
gig von Weisungen sonstiger Träger der Wirt- stischen Gesamtbildes.
schaftspolitik auf nationaler und Gemein-
schaftsebene. Sie ist jedoch nicht jeglicher Kon- Bereits an einem sehr einfachen Kreislaufmodell
trolle entzogen. Die Organmitglieder werden mit lediglich drei Konten (private Haushalte, Un-
durch demokratisch legitimierte Institutionen ternehmen, Vermögensänderung) kann erkannt
bestellt. Ferner besteht Berichtspflicht gegenü- werden, daß für jeden Sektor die Summe der ein-
ber dem Europäischen Parlament und seinen gehenden Ströme der Summe der ausgehenden
Ausschüssen. Ströme entspricht (Abb. 2.1-15). Daraus lassen
Als Vorteile der EWWU gelten v.a. die erhöh- sich bereits folgende Gleichungen ableiten:
te Planungssicherheit für Investitionen und der
Volkseinkommen =
Wegfall von Wechselkursrisiken, wechselkursbe-
privater Verbrauch + Ersparnis,
dingten Wechselkursverzerrungen sowie wäh-
rungsbedingter Transaktions- und Sicherungs- Volkseinkommen =privater Verbrauch +
kosten. Die Bedeutung dieser Vorteile für Deutsch- Bruttoinvestitionen ./. Abschreibungen,
land ist daran zu erkennen, daß etwa 25% des
Bruttoinvestitionen = Neu- + Reinvesti-
BIP im Export und 15% des BIP allein im Außen-
tionen =Ersparnis + Abschreibungen.
handel mit den Nachbarn der EU erwirtschaftet
werden. Dieses einfache Modell ist in der Realität um die
Die vorrangige Kritik an der bisherigen Kon- beiden Sektoren Staat und Ausland zu erweitern.
zeption der EWWU besteht darin, daß die Maß- In einer solchen offenen Volkswirtschaft werden
nahmen zur Einhaltung der Konvergenzkriteri- dann auch Ungleichgewichte aufgehoben:
en die Ziele, die Arbeitslosigkeit abzubauen und
Wenn Neuinvestitionen >Ersparnis, dann
ein hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen,
Kapitalimport aus dem Ausland,
nicht unterstützen. Hier werden seitens der Mit-
wenn Neuinvestitionen < Ersparnis, dann
gliedsstaaten zunehmend dringender deutliche
Kapitalexport ins Ausland.
Anpassungsmaßnahmen gefordert.

2-14 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Aktiva Passiva
Realvermögen der Verbind lieh keiten
Sektoren gegenüber dem Ausland
Volkseinkommen '-----.--.---' • Private Haushalte
100 • Unternehmungen
• Staat
Abschreibungen
Ersparnis 20 Saldo:
15 Forderungen gegen- Volksvermögen
über dem Ausland

Abb. 2.1-16 Bilanz einer Volkswirtschaft

Abb. 2.1 -1 5 Einfaches volkswirtschaftliches Kreislauf-


schema

Aufwand Gegenkonten Ertrag


Bruttolöhne und -gehälter H Verkäufe von Konsumgütern für
H • private Haushalte
Steuern St
St ·Staat
• direkte
• indirekte Verkäufe von Investitionsgütern für
Abschreibungen w w • Unternehmungen H Haushalte
w · Staat St Staat
Käufe aus dem Ausland AL AL Ausland
W Vermögens-
Saldo: Veränderungen
Ausgeschüttete Gewinne Verkäufe von Exportgütern an
• an private Haushalte H AL • Ausland
• an den Staat (Staatsunternehmen) St
Nicht ausgeschüttete Gewinne = St Subventionen der öffentlichen Hand
Ersparnisse der Unternehmen w

Abb. 2.1-17 Aufwands- und Ertragskonto der Unternehmen

Eine im Vergleich zum Kreislaufmodell genau- Steuern zu Ersparnissen der Unternehmen


ere Darstellungsweise erlauben entsprechend (Abb. 2.1-17).
angelegte Kontensysteme. Mit Hilfe einer Stich- Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im
tagsbetrachtung, i.d.R. zum Quartals- und Jah- engeren Sinne umfaßt die Entstehung, Verteilung
resende, werden z.B. in der Bilanz einer Volks- und Verwendung des Bruttosozialprodukts. Das
wirtschaft die Realvermögen der Teilsektoren Bruttosozialprodukt ist ein Maß für die wirt-
und die Forderungen gegenüber dem Ausland schaftliehe Leistung einer Volkswirtschaft in
mit den Verbindlichkeiten gegenüber dem Aus- einer Periode. Es entspricht dem Wert aller in der
land aufgerechnet. Der Saldo ergibt das Volks- Periode produzierten Güter (Waren und Dienst-
vermögen (Abb. 2.1-16). leistungen), jedoch ohne die Güter, die als Vorlei-
Um die Entwicklung der Sektoren während ei- stungen bei der Produktion verbraucht wurden,
ner Rechnungsperiode zwischen zwei Stichtagen einschließlich des Saldos der Erwerbs- und Ver-
beobachten zu können, müssen Aufwands- und mögenseinkommen zwischen In- und Ausland.
Ertragskonten eingerichtet werden. Das Ein- In Abb. 2.1-18 ist der Zusammenhang zwi-
kommen aus Unternehmertätigkeit ergibt sich schen Entstehungs-, Verteilungs- und Verwen-
als Saldo aus dem Aufwands- und Ertragskonto dungsrechnung des Bruttosozialprodukts (BSP)
der Unternehmen. Dieses Einkommen wird ent- dargestellt. Die Entstehungsrechnung gibt Aus-
weder ausgeschüttet oder aber nach Abzug der kunft über die im Inland entstandene Einzel-

Bauwirtschaftslehre 2-15
Entstehung Verteilung - - - - -• Verwendung

Beiträge inländischer Bereiche Bruttoeinkommen aus Privater Verbrauch


unselbständiger Arbeit
=Bruttoinlandsprodukt
!;< • Land·/Forstwinschaft
.......
:oc • Warenproduzierendes Gewerbe
• Handel und Verkehr 1.907
2·~
... • Dienstleitungen 2.095
......
~

~s- Bruttoeinkommen aus Unter-


o~

"'"'
0~
nehmenätigkeit und Vermögen Staatsverbrauch
t:::s
2'"' Saldo der Erwerbs- und
c:a 829 703
Vermögenseinkommen
zwischen in- und Ausland
Indirekte Steuern abzgl. I
Investitionen
771
Subventionen

3.600 3.624
Abschreibungen
888 I
Außenbeitrag
55 1

Abb. 2.1 -18 Zusammenhang zwischen Entstehungs-, Veneilungs- und Verwendungsrechnung des Bruttosozialprodukts;
Nominalwene 1997 für Deutschland in Mrd. DM [Deutsche Bundesbank 1998, Monatsbericht Okt., S. 61)

Mrd. DM in Preisen von 1991 Anteil Baugewerbe(%)


3000 ab 1991 einschl. NBL- 15,0
2930,8

2500 - - I- - 12,5

2000 - r- I- - - I- - - r- - 10

1500
~ - r- I- - - I- - - I- - 7.5
~"- 6,2
1000 I-- I-- - - I- - - I- - r- - r- 5,0

500 - I-- I-- r- - - - 1--- 1--- r- r- - r- 2.5

0 •
60

70
II
80
• I I I II II I I I
•• 181,0
0

0 Gesamtwinschaft • Anteil Baugewerbe -+-Anteil in %

Abb. 2.1-19 Bruttosozialprodukt und Anteil des Baugewerbes von 1960 bis 1995 in Preisen von 1991 [Baustatistisches Jahr-
buch 1997, S. 86]

wertschöpfung der verschiedenen Wirtschafts- keit und Vermögen wird als Volkseinkommen be-
bereiche (Bruttoinlandsprodukt BIP}, bereinigt zeichnet (Nettosozialprodukt zu Faktorkosten).
um den Saldo der Erwerbs- und Vermögensein- Die Verwendungsrechnung gibt Auskunft dar-
kommen zwischen In- und Ausländern. über, für welche Zwecke das BSP verwendet wird.
Die Verteilungsrechnung gibt Auskunft auf die Abbildung 2.1-19 zeigt das Bruttosozialpro-
Frage, wie das Bruttosozialprodukt verteilt wird. dukt im Zeitraum 1960- 1995 unddarin den An-
Die Summe der Bruttoeinkommen aus unselb- teil des Baugewerbes für die Bundesrepublik
ständiger Arbeit sowie aus Unternehmertätig- Deutschland in Preisen des Jahres 1991.

2-16 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Die Finanzierungsrechnung beantwortet die Jahre 1995 mit einer Bevölkerung von insgesamt
Frage, durch wessen Ersparnisse die Nettoinve- 380 Mio. Einwohnern (EW) und zum Vergleich
stitionen finanziert werden. Tabelle 2.1-2 bietet in den USA und Japan mit 220 bzw. 110 Mio. EW
einen Überblick über die Zahlen des Jahres 1996 sowie den jeweiligen Anteil am EU-Gesamt-
in Deutschland. Daraus ist ersichtlich, daß einer bauinvestitionsvolumen.
Sachvermögensbildung von 9,8% der gesamten Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen ha-
verfügbaren Einkommen in Deutschland eine ben sich für die Beschreibung des Wirtschafts-
Ersparnis in Höhe von nur 8,9% gegenübersteht, ablaufs und des Marktgeschehens gut bewährt,
d.h.,dasAusland hat 1996 mit 30,0 Mrd.DM zur insbesondere für die Analyse konjunktureller
Finanzierung der Nettoinvestitionen in Deutsch- und struktureller Entwicklungen sowie für ge-
land beigetragen. samtwirtschaftliche Vorausschätzungen. Den-
Abbildung 2.1-20 gibt einen Überblick über noch sind sie mit Ungenauigkeiten behaftet. Das
die Verteilung der Bauinvestitionen in der EU im Bruttosozialprodukt ist einerseits zu hoch ange-

Tabelle 2.1·2 Sachvermögensbildung und Er5pamis 1996 in Deutschland (finanzierungsrechnung) [Deutsche Bundesbank
1998, Monatsbericht Mai, 5.19]

Sektoren Nettoinvestitionen in Sachanlagen und Vorräte Ersparnis


inMrd.DM inMrd.DM
Unternehmen 240.7 111,6
private Haushalte 0,0 233,1
öffentliche Haushalte 55,1 - 78,9
Sachvermögensbildung 295.8
Nettokreditgewährung - 30,0
an das Ausland
Summe 265,8 265,8
Sachvermögensbildung bzw. Ersparnis 9,8% 8,9%
in % der verfügbaren Einkommen

Deutschland 411 ,8
Frankreich 188,5
Italien :::::=::1 18i '7
Großbritannien ~131,2
Spanien :::=1 102,7
Niederlande ::::::J 61 ,6
Belgien 0 44.7
Dänemark p 29,3
Portugal 0 21,1
Irland 14,0
Griechenland 11,0
Luxernburg 2,2
Summe EU 1318,0
zum Vergleich
Japan 1166,1
USA 1172,4
0 20 40 60 80 100 120
Anteil am EU-Gesamtbauinvestitionsvolumen (in %)

Abb. 2.1 -20 Bauinvestitionen 1996 in Mrd. DM [BaustatistischesJahrbuch 1997, S. 110]

Bauwirtschaftslehre 2-17
setzt, weil es bestimmte wohlfahrtsmindernde sumpläne der Haushalte und der Produktions-
Sozialkosten nicht erfaßt. Hierunter fällt der Ver- pläne der Unternehmen, der Rechts- und Sozial-
brauch von Produktionsfaktoren, der nicht vom staatlichkeit, der Wirtschaftsverfassung und des
jeweiligen Verursacher, sondern von der Allge- uneingeschränkten Wettbewerbs.
meinheit getragen werden muß: Natur- und In der Bundesrepublik Deutschland wurden
Landschaftsverbrauch, Abbau von Bodenschät- durch die in § 1 des Stabilitätsgesetzes (StabG)
zen und gesundheitliche Folgewirkungen von vom 08.06.1967 (BGBl I S. 582) formulierten Zie-
Umweltbelastungen. le den staatlichen Institutionen in Bund und
Andererseits ist das BSP unterdimensioniert Ländern zur Förderung der Wirtschaftspolitik
wegen der Nichtberücksichtigung unbezahlter Verhaltensweisen vorgegeben:
Produktionsleistungen im eigenen Haushalt, der Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts-
Auswirkungen der Schattenwirtschaft, des um- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfor-
welterhaltenden Nutzens der Landwirtschaft, dernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-
des Erholungswertes landschaftspflegerischer wichts zu beachten.
Maßnahmen, der Aus- und Fortbildungsleistun- Die Maßnahmen sind so zu treffen, daß sie im
gen und der Infrastrukturnutzungen (Verkehrs- Rahmen der marktwirtschaftliehen Ordnung
netze und öffentliche Einrichtungen). Weiterhin gleichzeitig
sind die Leistungen des Staates, für die es keine - zur Stabilität des Preisniveaus,
Marktpreise gibt (Verwaltung, Schulen, Univer- - zu einem hohen Beschäftigungsstand und
sitäten, Justiz usw.) verzerrt oder nicht enthalten. - zu außenwirtschaftlichem Gleichgewicht
Das Sozialprodukt ist daher als eindimensio- - bei stetigem und angemessenem Wirtschafts-
naler und mit Ungenauigkeiten behafteter Wohl- wachstum
fahrtsmaßstab anzusehen. Zur Beurteilung der beitragen.
Lebens- und Umweltqualität müssen weitere In-
dikatoren wie demographische Daten (Gebur- Die gleichzeitige Verfolgung sämtlicher Ziele ist
tensterblichkeit, Lebenserwartung), Infrastruk- schwierig und teilweise sogar widersprüchlich.
turdaten (Verkehrs- und Versorgungsnetz), die Hohe Oberschüsse der Handelsbilanz, die zu
medizinische Versorgung und Umweltdaten außenwirtschaftlichem Ungleichgewicht führen,
(Ressourcenproduktivität, Umweltverschmut- können z.B. einen hohen Beschäftigungsstand
zung) hinzugezogen werden. Seitens des Stati- auslösen. Unternehmen werden häufig erst
stischen Bundesamtes liegen erste Entwürfe für durch Erwartung steigender Preise (und damit
ein Umweltrechnungswesen vor, das sich jedoch steigender Gewinne) dazu veranlaßt, Investitio-
noch nicht durchgesetzt hat [Statistisches Bun- nen vorzunehmen und Arbeitskräfte nachzufra-
desamt 1998]. gen. Steigende Preise und steigende Löhne ver-
Internationale Sozialproduktvergleiche sind ringern dann jedoch die Exportchancen für in-
wegen der variierenden Berechnungsverfahren ländische Güter. Dies wiederum führt zu ver-
und der Wechselkursungenauigkeiten schwierig minderter Beschäftigung und damit zu gerin-
durchzuführen. gem Wachstum.
Im Zusammenhang mit den komplexen Wech-
2.1.1.9 selwirkungen der nach dem Stabilitätsgesetz ge-
Wirtschaftspolitik forderten Maßnahmen wird daher häufig vom
Magischen Viereck der Wirtschafts- und Fiskal-
Die Wirtschaftspolitik staatlicher Institutionen politik des Staates gesprochen.
ist darauf gerichtet, die Wirtschaftsordnung Neben der Bundesregierung sind davon un-
nach politisch bestimmten Zielen zu gestalten abhängig die Deutsche Bundesbank gemeinsam
und zu sichern (Ordnungspolitik) sowie im Fall mit der Europäischen Zentralbank (EZB) als Hü-
einer marktwirtschaftliehen Ordnung auf die terinnen der deutschen und europäischen Wirt-
Struktur (Strukturpolitik), den Ablauf und die schafts- und Konjunkturpolitik anzusehen.
Ergebnisse des arbeitsteiligen Wirtschaftspro-
zesses Einfluß zu nehmen (Allokations-, Stabili- Preise
sierungs- und Verteilungspolitik).
In einer marktwirschaftlichen Ordnung zäh- In einer Marktwirtschaft werden die Preise der
len zu den Elementen der Ordnungspolitik Prin- erzeugten Waren und Dienstleistungen vom
zipien der marktmäßigen Koordination der Kon- Markt, in Ausnahmefällen auch vom Staat, be-

2-18 Bauwirtschaft und Baubetrieb


stimmt. Das Geld erfüllt in einer modernen auch andere Sektoren der Volkswirtschaft (z.B.
Volkswirtschaft v.a. zwei Funktionen: den Staatshaushalt, die private Ersparnis, die
- Es ist einerseits Zahlungs- oder Tauschmittel, Kreditwirtschaft). Der hierdurch ausgelöste Geld-
um den Kauf oder Verkauf von Gütern zu er- umlauf vollzieht sich in einer bestimmten Ge-
leichtern, und schwindigkeit. Die Umlaufgeschwindigkeit gibt
- es ist andererseits Recheneinheit, um Güter Auskunft darüber, wie oft die verfügbare Geld-
unterschiedlicher Qualität und Dimension auf menge während der Rechnungsperiode nachfra-
einen einheitlichen Wertmaßstab (General- gewirksam den Markt durchläuft. Die Entwick-
nenner) zu bringen. lung des inländischen Preisniveaus hängt damit
weitgehend von der Entwicklung der nachfrage-
Das Preisniveau kennzeichnet den durch Index- wirksamen Geldmenge ab.
zahlen gemessenen Durchschnittsstand aller Die Preisniveauentwicklung läßt ohne Hinzu-
wichtigen Preise in der Volkswirtschaft. Der Re- ziehung weiterer Indikatoren nur eingeschränk-
ziprokwert des Preisniveaus drückt die Kauf- te Rückschlüsse zu. So ist die Beurteilung des Le-
kraft des Geldes aus. Die Beweglichkeit der Ein- bensstandards der Arbeitnehmer im Zusammen-
zelpreise bewirkt die Lenkung von Ressourcen in hang mit der Lohnentwicklung zu sehen. Neben
die rentablen Bereiche zum Ausgleich von Ange- der qualitativen Entwicklung der angebotenen
bot und Nachfrage (optimale Allokation). Ist die Güter ist die Nominallohnentwicklung ein ent-
beidseitige Flexibilität der Einzelpreise derart scheidendes Beurteilungskriterium. Die den Ar-
gestört, daß lediglich Preiserhöhungen auftreten, beitnehmern zur Verfügung stehende effektive
ohne daß genügend andere Einzelpreise sinken, Kaufkraft nimmt real nur dann zu, wenn die No-
führt dies zu einem Anstieg des Preisniveaus. minallöhne schneller steigen als das Preisniveau.
Die Summe aller während einer Rechnungs- Sinkende Reallöhne liegen dagegen dann vor,
periode umgesetzten und zu ihren jeweiligen wenn die Preisniveausteigerung das Nominal-
Preisen bewerteten Güter bezeichnet man als lohnwachsturn übersteigt. Einen Vergleich zwi-
Handelsvolumen. Das Handelsvolumen der Bau- schen verschiedenen Preisindexentwicklungen
wirtschaft ist das Bauvolumen. Zum Kauf der der Lebenshaltung des 4-Personen-Arbeitneh-
Güter ist theoretisch die mit dem Handelsvolu- merhaushaltes, der Baupreise im Wohnungsbau
men definierte Geldmenge erforderlich. Die ent- sowie der Tariflöhne des Spezialbaufacharbei-
sprechende Geldmenge durchläuft gleichzeitig ters zwischen 1950 und 1997 zeigt Abb. 2.1-21.

900 %

800
700
600
500

- -
400
300
200
100 ~---;:~--·.•"--'l;-~--·

0
v
c:>
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...... Baupreise Wohnungsbau - - 4-Personen-Haushalt - · - Bundesecklohn


Baupreise Wohnungsbau (Rohbau und Ausbau) inkl. Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer;
4-Personen-Haushalt von Arbeitern und Angestellten mit minlerem Einkommen;
Sundese<klohn: ab 1.7.1955 einS<hl. Beitrage zur LAK; vom 1.1.1958 bis 1.1.1960 einS<hl. der Beiträge zur ZVK,
ab 1.6.1961 ohne Beiträge zu den Sozialkassen

Abb. 2.1 ·21 Preisindexentwicklung des 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts, der Baupreise im Wohnungsbau und des Tarif-
lohnes für den Spezialbaufacharbeiter von 1950 bis 1997 [Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie e.V., NRW 1998, S. 44,48 u. 50)

Bauwirtschaftslehre 2-19
Kreditnehmer profitieren von steigender Infla- tionsneutral nicht abgebaut werden kann ("na-
tionsrate während der Kreditlaufzeit, da sie das türliche Arbeitslosenquote"). Dies bedeutet, daß
als Kredit empfangene Geld bestimmter Kauf- es immer größere Schwierigkeiten bereitet, offe-
kraft durch Tilgungsraten mit geringerer Kauf- ne Stellen mit Arbeitslosen zu besetzen. Abbil-
kraft zurückzahlen, während die mit dem Kre- dung 2.1-23 macht deutlich, daß in der Bundes-
dit erworbenen Vermögenswerte steigen. republik Deutschland offensichtlich selbst eine
Sparer leiden unter dem Kaufkraftschwund, annähernde Vollauslastung der Kapazitäten den
da ihre Realverzinsung sinkt. So ergibt sich z.B. Sockel an Arbeitslosigkeit nur geringfügig redu-
bei einem Nominalzins für eine Festgeldanlage ziert und dieser Sockel im Verlauf der Jahrzehn-
von 3,0% p. a., einer Inflationsrate von 2,0% p. a. te ständig wächst.
und einem Einkommensteuersatz von 40% ein Zwecks Stabilisierung der Beschäftigung in
Realzinssatz von der Bauwirtschaft sind zahlreiche Maßnahmen
eingeleitet worden wie die tarifvertragliche Ein-
Preal =100X(100+3,0X0,6)/102-100 =-0,2% führung von zeitlich befristeten Mindestlöhnen,
Öffnungsklauseln zur Unterschreitung der Ta-
Beschäftigung riflöhne bei wirtschaftlich schwieriger Lage so-
wie die Einleitung von Initiativprogrammen
Unter dem Beschäftigungsgrad ist die Kapa- (z.B. Zukunftsinitiative Bau des Landes Nord-
zitätsausnutzung einer Volkswirtschaft zu ver- rhein-Westfalen und EU-ADAPT des Landes
stehen. Ihre Messung ist wegen zahlreicher Ein- Nordrhein-Westfalen sowie der Europäischen
flußfaktoren schwierig. So kann bei Vollausla- Union). Dabei darf nicht übersehen werden, daß
stung der Produktionsanlagen die Wirtschaft die Kosten des Produktionsfaktors Arbeit in der
voll beschäftigt sein, obwohl es Arbeitslose gibt. deutschen Bauwirtschaft im internationalen Ver-
Im umgekehrten Fall können alle Arbeitskräfte gleich an der Spitze liegen und insbesondere
beschäftigt sein, jedoch nicht ausreichen, um die auch die Lohnzusatzkosten (Soziallöhne und So-
Produktionsanlagen auszulasten. In diesem Fall zialkosten) eine hohe Belastung für die Bauun-
ist eine vollständige Auslastung nur durch Ein- ternehmen darstellen (Abb. 2.1-24 und -25), so
stellung ausländischer Arbeitskräfte möglich. daß ein weiterer Abbau der 1,2 Mio. (1998) ge-
Die Beschäftigungslage einer Volkswirtschaft werblichen Arbeitskräfte im Bauhauptgewerbe
wird allgemein durch die Arbeitslosenzahl und nicht zu vermeiden sein wird. Je nach dem Er-
die Zahl der offenen Stellen definiert: folg der gegensteuernden Maßnahmen wird die
- Vollbeschäftigung ist gegeben, wenn die Ar- Auffanglinie jedoch aufhöherem (z.B. 0,8 Mio.)
beitslosenzahl der Zahl der offenen Stellen oder nur niedrigem Niveau (z.B. 0,6 Mio.) ge-
entspricht, d.h., wenn die eine Beschäftigung halten werden können.
zum herrschenden Lohnsatz suchenden und Die mit diesem vorhersehbaren Abbau der
für diese Beschäftigung geeigneten Personen baugewerblich Beschäftigten in der Bauwirt-
ohne längeres Warten entsprechende Arbeit schaft verbundene weitere Steigerung der Ar-
finden können. beitslosigkeit führt zu einer wiederum steigen-
- Unterbeschäftigung ist gegeben, wenn die Ar- den Belastung der Volkswirtschaft, der durch
beitslosenzahl die Zahl der offenen Stellen konzertierte Aktionen der Tarifvertragspartei-
deutlich übersteigt. en, der Wirtschaftspolitik und der Deutschen
- Überbeschäftigung ist gegeben, wenn die Zahl Bundesbank begegnet werden muß.
der offenen Stellen größer ist als die Arbeits-
losenzahl. Wachstum

Abbildung 2.1-22 zeigt die Entwicklung der Ar- Wirtschaftliches Wachstum wird kurzfristig als
beitslosenquote in der Gesamtwirtschaft und in Zunahme des realen Sozialprodukts gegenüber
der Bauwirtschaft der Bundesrepublik Deutsch- dem Vorjahresergebnis, mittel- und langfristig
land von 1950 bis 1997. am Zuwachs des Produktionspotentials einer
Nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Volkswirtschaft gemessen und auf den vermehr-
Arbeit in Nürnberg und des Instituts für Wirt- ten Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Ka-
schaftsforschung (Ifo) in München gibt es einen pital und technischer Fortschritt zurückgeführt.
gesamtwirtschaftlichen Sockel an Arbeitslosig- Die Stetigkeit des Wachstumsprozesses ist u.a.
keit, der durch expansive Maßnahmen infla- beeinträchtigt durch Beschleunigungs- und Ver-

2-20 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Gesamtwirtschaft
Arbeitslose in 1.000 offene Stellen in 1.000
5.000 -r---------------------...,...-----~ 5.000

0
...... ...
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-+- Arbeitslose in 1.000 ---- offene Stellen in 1.000

Bauwirtschaft
Arbeitslose offene Stellen
300.000 300000

250.000 250.000

200.000 200.000

150.000 150.000

100.000 100.000

50.000 50.000

0
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00

"' "' "' "' "' ~ "'

-+- Arbeitslose ...... offene Stellen

Abb. 2.1 -22 Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und der offenen Stellen in der Gesamtwirtschaft und in der Bauwirtschaft von
1950 bis 1997 (ab 1995 mit den neuen Bundesländern) [Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie e.V., NRW 1998, S. 9]

Bauwirtschaftslehre 2-21
Arbeitslosenquote
in %der Erwerbstätigen
~------------------------~----------------------~14

12

10

90 95

Abb. 2.1·23 Kapazitätsauslastung und Arbeitslosigkeit in Deutschland [Sachverständigenrat- Wirtschaft 1998)

Japan~ ®USA
Schweiz~ @ Griechenland
Portugal~ ~Irland
Luxemburg~ ~ Spanien
Großbritannien ~ @i) Frankreich

Schweden@ @Italien
Norwegen @ @) Ostdeutschland
Finnland~ ~ Niederlande
Österreich @D ~Belgien
Dänemark~ @) Westdeutschland

Abb. 2.1-24 Internationaler Vergleich der tariflichen Jahressollarbeitszeiten 1997 für Arbeiter in der Industrie (in Stunden)
[Süddeutsche Zeitung v. 12.05.1998, Institut der deutschen Wirtschaft)

2-22 Bauwirtschaft und Baubetrieb


60

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D- N CH DK A FIN NL L 0- f USA I CDN UK AUS IRL GR p
West Ost
D Stundenlohn D Lohnzusatzkosten

Abb. 2.1 -25 Internationaler Vergleich der Löhne und Lohnzusatzkosten 1997 in DM in der verarbeitenden Industrie (Zahlen
z.T. vorläufig; Umrechnung: Jahresdurchschnitt der amtlichen Devisenkurse) [Institut der deutschen Wirtschaft 1998, iwd Nr. 28)

zögerungswirkungen von Konjunkturzyklen so- duktionsfaktoren, insbesondere der Arbeits-


wie Schwankungen in der relativen Bedeutung kräfte, und aufgrundvon Neuinvestitionen.
des Wachstumszieles im Zielsystem der Wirt-
schaftspolitik. Der Staat kann hierbei unterstützend mitwirken
Das Wachstum des BSP muß in Abhängigkeit über Anreize für Neuinvestitionen durch z.B.
von der Preisniveauänderung nominal oder real günstige Abschreibungsmöglichkeiten, Kredit-
angegeben werden. Eine nominale Wachstums- erleichterungen oder direkte Subventionierung.
rate kann durch eine höhere Preissteigerungsra- In der Diskussion um die Wachstumspolitik
te aufgezehrt werden und damit reales Negativ- ist angesichts der Grenzen des Wachstums um-
wachstum bedeuten. Andererseits kann das stritten, welches Wachstum angemessen ist, da
Wachstum in Absolut- oder Relativwerten aus- die negativen Auswirkungen eines exponentiel-
gedrückt werden, dann meist in Abhängigkeit len Wachstums in Anbetracht der raschen Zu-
von der Bevölkerungsentwicklung als Pro-Kopf- nahme der Weltbevölkerung und des zunehmen-
Wachstum. Wenn das absolute Wirtschafts- den Naturverbrauchs immer häufiger in den
wachstum mit einem relativen Wirtschaftsrück- Blickpunkt der öffentlichen Diskussion über die
gang einhergeht, wächst die Bevölkerung schnel- Zielsetzungen angemessenen Wirtschaftswachs-
ler als die Wirtschaft (Entwicklungsländer). tums rücken. Impulsgeber für diese Diskussion
Nimmt in einer Volkswirtschaft das Sozial- war zu Beginn der 70er Jahre der Bericht des
produkt zu, so wächst gleichermaßen das Volks- Club of Rome über die Grenzen des Wachstums
einkommen, da der Gegenwert jedes zusätzlich [Meadows et al.1972].Angesichts der notwendi-
auf dem Markt nachgefragten und abgesetzten gen Initiativen zur Bekämpfung der steigenden
Gutes auf der Angebotsseite zum Einkommens- Arbeitslosigkeit sind Überlegungen zur Begren-
zuwachs wird. Voraussetzungen für das Wachs- zung des Wachstums in der öffentlichen Diskus-
tum einer Volkswirtschaft sind: sion am Ende des 20. Jahrhunderts wieder zweit-
- Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage muß zu- rangig geworden (Abb. 2.1-26).
nehmen.
- Die gesamtwirtschaftliche Produktion muß
steigen infolge der Mobilisierung aller Pro-

Bauwirtschaftslehre 2-23
18

16
----i D Bauvolumen
Brunosozialprodukt 1
I
14
~
·c- Wiedervereinigungsboom
g 12
E
i'l
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1. Rezession "J 4
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2. Rezession 3. Rezession 4. Rezession
(ÖI.kri~e) (Öikri~e)
-4
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..... .....
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Abb. 2.1 -26 Reale Veränderungen des BIP und des Bauvolumens zum jeweiligen Vorjahr (ab 1991 mit den neuen Bundes-
ländern) [Baustatistische Jahrbuch 1997, S. 85, 90]

Außenwirtschaft und Zahlungsbilanz schieden nach Direktinvestitionen, Wertpapier-


anlagen und Krediten.
Der Begriff "Außenwirtschaft" umfaßt einerseits Die Zahlungsbilanz setzt sich damit zusam-
die Gesamtheit der wirtschaftlichen Transaktio- men aus
nen zwischen In- und Ausländern sowie ande- - der Leistungsbilanz mit
rerseits die Schnittstelle zwischen Binnenwirt- - der Waren- oder Handelsbilanz und
schaft (Transaktionen der Inländer untereinan- - der Dienstleistungsbilanz,
der) und anderen Volkswirtschaften bzw. Wirt~ - der Bilanz der Erwerbs- und Vermögens-
schaftsgemeinschaften. einkommensübertragungen sowie laufen-
Abbildung 2.1-27 zeigt, daß die Auslandsauf- den Übertragungen an internationale Orga-
träge deutscher Baufirmen mit weniger als nisationen, Entwicklungsländer, Überwei-
20 Mrd. DM p.a. einen Anteil von <4% am Bau- sungen ausländischer Arbeitnehmer sowie
volumen haben. sonstigen laufenden Übertragungen,
Gemäß Abb. 2.1-28 verteilten sich die Aus- - der Bilanz der Vermögensübertragungen öf-
landsaufträgedeutscher Baufirmen 1997 schwer- fentlicher und privater Institutionen, insbe-
punktmäßig auf Europa, Amerika und Austra- sondere auch aus Schuldenerlaß (Insolven-
lien. zen),
Der Außenhandel wird als Teil der Außen- - der Kapitalbilanz sowie
wirtschaft definiert und umfaßt den Warenver- - dem Saldo der statistisch nicht aufgliederba-
kehr zwischen In- und Ausländern (Aus- bzw. ren Transaktionen.
Einfuhr). Darüber hinaus werden der Dienstlei-
stungsverkehr wie Urlaubsreisen und Messen im Sofern sich aus diesen Positionenper Saldo kein
Ausland ("unsichtbare Ein- bzw. Ausfuhr") so- Ausgleich ergibt, liegt außenwirtschaftliches Un-
wie Übertragungen von Erwerbs- und Vermö- gleichgewicht vor. Dieser Saldo wird auf der Ge-
genseinkommen, auch aus gesetzlichen oder ver- genposition gedeckt durch die Veränderung der
traglichen Verpflichtungen (z.B. Transferzah- Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank (Trans-
lungen der EU), zur Außenwirtschaft gezählt. aktionswerte), wobei nachrichtlich noch die Ver-
Der Kapitalverkehr mit dem Ausland wird unter- änderung zu Bilanzkursen angegeben wird.

2-24 Bauwirtschaftund Baubetrieb


25
r-
I0Direktaufträge I
20 0 Beteiligungen
r-
r-

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r-
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Abb. 2.1·27 Auslandsaufträge deutscher Bauunternehmen 1980 bis 1997 in Mrd. DM [Baustatistisches Jahrbuch 1998, S. 62)

12 -
IGesamtvolumen 1997: 18,532 Mrd. DM (Direktaufträge und Beteiligungen) I
10 r---

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EU
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4 - ,....----

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0
-
Europa
Rest
Nord-/
Hongkong
Rest
Austrahen
I Afnka
Nigeria
r::::::::::fRest

Lateinamerika

Abb. 2.1-28 Herkunft der Auslandsaufträge deutscher Bauunternehmen [Baustatistisches Jahrbuch 1997, S. 61)

Tabelle 2.1-3 zeigt die Salden der Zahlungs- vom Außenwert der eigenen Währung und somit
bilanz für das Jahr 1997. Danach wurden vom System der Wechselkurse abhängig. Devi-
8,4 Mrd. DM mehr ins Ausland transferiert als sen sind Ansprüche auf Zahlungen in fremder
von dort nach Deutschland flossen. Währung an einem ausländischen Platz, d.h.
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht ist im- meist bei ausländischen Banken gehaltene Gut-
mer dann gegeben, wenn die wertmäßige Ge- haben. Der Devisen- oder auch Wechselkurs be-
genüberstellung aller außenwirtschaftliehen ziffert den Preis einer ausländischen Währungs-
Transaktionen eines Landes für einen bestimm- einheit, bewertet in der eigenen Währung. Eine
ten Zeitraum ausgeglichen ist. zunehmende Devisennachfrage bewirkt nach
Deutschland ist ein rohstoffabhängiges und dem Gesetz der Nachfrage steigende Devisen-
exportorientiertes Land. Sein Außenhandel ist preise, d.h. der Außenwert der Eigenwährung

Bauwirtschaftslehre 2-25
Tabelle 2.1-3 Deutsche Zahlungsbilanzsalden 1997 in Mrd. DM [Deutsche Bundesbank 1998, Monatsbericht Okt., S. 681

Leistungsbilanz - 6,9
1.1 Handel, Warenverkehr +110,0
1.2 Dienstleistungen -56,3
1.3 Erwerbs- und Vermögenseinkommen - 4,2
1.4 laufende Übertragungen -56,4
Vermögensübertragungen +3,6
Kapitalbilanz - 12,6
4 statistisch nicht aufgliederbare Transaktionen +7,5
S Veränderung der Neueauslandsaktiva der Bundesbank (Transaktionswerte) -8,4

nimmt ab. Gründe für eine steigende Devisen- meinsamen Währung durch Bewahrung der
nachfrage können sein (mit analogem Umkehr- Preisstabilität des Euro und damit des Außen-
schluß für sinkende Devisennachfrage): wertes gegenüber allen anderen Währungen auf
- Ausländische Güter werden im Vergleich zu der Welt erhalten bleiben. Dieses ehrgeizige Ziel
inländischen Gütern aufgrund einer inlän- wird sehr hohe Preisdisziplin in allen Mitglieds-
disch höheren Preissteigerungsrate immer ländern der EWWU erfordern. Im Zeitraum vom
billiger. 02.01.1999 bis zum 12.05.2000 hat sich der Wech-
- Die Einkommen steigen bei aufstrebender sell<urs des Euro von 1,1827 US-$ auf0,9044 US-
Binnenwirtschaft Diese Einkommen fragen $ verringert (-23,53%).
zunehmend ausländische Güter nach.
- Spekulanten rechnen mit steigenden Kursen Gleichgewichtshypothesen
einer Auslandswährung und fragen diese nach
("Kapitalflucht"). Dies geschieht auch in Er- In Abb. 2.1-29 wird der Versuch unternommen,
wartung fallender Kurse der Inlandswährung qualitative Gleichgewichtshypothesen zum Sta-
oder aufgrund des höheren Zinsniveaus der bilitätsgesetz aufzustellen. Die dabei verwende-
Auslandswährung. ten volkswirtschaftlichen Kennziffern sind in ih-
rer relativen Veränderung und nicht als absolu-
Eine Abwertung der Inlandswährung hat für die te Größen zu betrachten. Mit den folgenden
im Außenhandel tätige Binnenwirtschaft fol- "Gleichungen" werden somit die prozentualen
gende Konsequenzen (wiederum analoger Um- Änderungen der Variablen, jedoch keine Abso-
kehrschluß möglich): lutwerte zueinander in Beziehung gesetzt. Dabei
- Inländische Güter werden auf dem Weltmarkt wird nach internen und externen Einflüssen un-
billiger. Nach dem Gesetz der Nachfrage wird terschieden.
die Menge der ins Ausland exportierten Güter Für die internen Einflüsse gilt:
steigen, d.h., die exportorientierten Wirt- - Jede Produktivitätssteigerung, der nicht ein
schaftszweige verfügen über eine bessere Po- entsprechend hohes Wirtschaftswachstum ge-
sition im internationalen Wettbewerb. genübersteht, wird durch eine Steigerung der
- Ausländische Waren und Dienstleistungen Arbeitslosenquote ausgeglichen. Umgekehrt
werden auf dem Binnenmarkt teurer, d. h., die führt nur ein über der Produktivitätssteige-
importorientierten Wirtschaftszweige verfü- rung liegendes Wirtschaftswachstum zur Re-
gen über eine schlechtere Position im inter- duzierung der Arbeitslosenquote.
nationalen Wettbewerb. - Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzun-
gen bei vollem Lohnausgleich, die über die
Mit Einführung des Euro ab 01.01.1999 wurden Produktivitätssteigerung hinausgehen, führen
wirtschaftspolitische Konsequenzen aus Wech- unweigerlich zu einer internen Inflation. Um-
selkursänderungen von den Grenzen Deutsch- gekehrt können stabile Preise nur bei Lohner-
lands an die Grenzen der an der Europäischen höhungen und Arbeitszeitverkürzungen bei
Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen- vollem Lohnausgleich gewährleistet werden,
den Mitgliedsstaaten verschoben. Wichtig ist, wenn diese die Produktivitätssteigerung nicht
daß die Vorteile aus der Einführung der ge- überschreiten.

2-26 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der
Bundesbank = 0!

Konjunkturpolitik

Konjunktur ist der zyklische, durch gesamtwirt-


schaftliehe Ungleichgewichte gekennzeichnete
Ablauf des gesamtwirtschaftlichen Geschehens.
Die staatliche Wirtschaftspolitik unternimmt
i.d.R. den Versuch, durch bewußtes Gegensteu-
ern (antizyklische Politik) den Ausschlag der
Konjunkturzyklen zu dämpfen und das stetige
AlV Arbeitszei!\'erkilrzung bei vollem Lohnausgleich und angemessene Wirtschaftswachstum zu för-
LE Lohnerhöhung
Prodst Produktivitätssteigerung dern. In der volkswirtschaftlichen Theorie wer-
WW Winschaftswachstum den wirtschaftliche Auf- und Abwärtsbewegun-
ALQ Erhöhung der Arbeitslosenquote
lnfl Inflation gen je nach ihrer Länge in saisonale (kurzfristi-
ge), konjunkturelle (mittelfristige) und struktu-
Abb. 2.1-29 Qualitative Gleichgewichtshypothesen relle (langfristige) Schwankungen kategorisiert.
zwischen volkswirtschaftlichen Kennziffern
Strukturelle Schwankungen beruhen auf tief-
greifenden Wandlungen der Wirtschaft, welche
Über dieses lohnkostenorientierte Denkmodell in erster Linie durch technische Neuerungen
der internen Einflüsse hinaus sind jedoch auch (z.B. Informations-und Kommunikationstech-
externe Einflüsse auf die Arbeitslosenquote und nologien) oder starke Faktorpreisunterschiede
die Inflationsrate zu beachten: (z.B. zwischen in- und ausländischen Arbeits-
- Die Arbeitslosenquote kann auch ohne Stel- kräften in der Bauwirtschaft) hervorgerufen
lenabbau aufgrundder demographischen Al- werden. Konjunkturellen Schwankungen unter-
tersstruktur, von Migrationsveränderungen, liegen sämtliche Wirtschaftsbereiche in nur
eines veränderten Erwerbsverhaltens in der schwierig vorhersehbaren Konjunkturzyklen.
Bevölkerung und Veränderungen des durch- Konjunkturelles Gleichgewicht tritt in der Reali-
schnittlichen Rentenalters variieren. tät stets nur zufällig und für kurze Zeitperioden
- Die Preisstabilität und damit die Inflationsra- ein. Jahreszeitlich wiederkehrende Saison-
te werden auch von Veränderungen der nach- schwankungen folgen dem klimatischen Rhyth-
fragewirksamen Geldmenge, z. B. durch Erhö- mus (z.B. in der Bauwirtschaft und der Touri-
hung der Umlaufgeschwindigkeit oder aber stikbranche).
geldmengenwirksame Eingriffe der Bundes- Die Expansion (Erholung, Aufschwung) ist
bank bzw. der Europäischen Zentralbank (EZB) durch zunehmende Kapazitätsauslastung und
sowie bei Veränderung der Netto-Auslands- abnehmende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet.
aktiva der Bundesbank, berührt. Das Preisniveau bleibttrotzsteigender Konsum-
und Investitionsgüternachfrage relativ stabil, da
Geschlossene Gleichungssysteme zwischen den die Unternehmen mit sinkenden Stückkosten ar-
Faktoren Veränderung der Arbeitslosenquote, beiten können. Die Aktienkurse steigen ange-
der Löhne und Gehälter, der Preissteigerungsra- sichts steigender Unternehmensgewinnerwar-
te, der Produktivitätssteigerung und des Wachs- tungen der Anleger. Die Kreditwirtschaft kann
tums der Wirtschaft, der Arbeitszeiten bei vol- den Markt in ausreichendem Maße versorgen, so
lem oder teilweise vorgenommenem Lohnaus- daß auch das Zinsniveau stabil bleibt.
gleich, der Geldmenge und der Netto-Auslands- Während des Booms (Hochkonjunktur) stei-
aktiva der Bundesbank sind wegen der Preisau- gen Preise und Löhne, da Güter und Arbeits-
tonomie der Marktteilnehmer nicht möglich. kräfte knapper werden. Die Investitionsgüter-
Qualitative Auswertungen sind jedoch notwen- nachfrage geht im Gegensatz zur weiter wache
dig, um die Zielfunktionen des Stabilitätsgeset- senden Konsumgüternachfrage bereits zurück.
zes zu erfüllen: Die Kreditmittel verknappen, die Zinsen steigen
- Inflationsrate = mini und Aktien verlieren an Attraktivität aufgrund
- Arbeitslosenquote =mint erhöhter Unternehmenskosten und sinkender
- Wirtschaftswachstum =stetig und angemessen! Gewinne.

Bauwirtschaftslehre 2-27
In der Rezession führt die pessimistische Grundlage von Zwangsbeiträgen besonders der
Grundhaltung der Verbraucher und Unterneh- in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden
mer zu Konsum- und zu weiterer Investitionszu- Bürger Rechnung zu tragen versucht.
rückhaltung. Die Arbeitslosenzahl steigt auf- Vorherrschender Anlaß für die Stabilisie-
grundder schlechteren Auftragslage. Die abneh- rungspolitik sind die Folgen zeitlicher Schwan-
mende Kreditnachfrage erzeugt sinkende Zinsen. kungen im Auslastungsgrad des gesamtwirt-
Gewerkschaften fordern wegen des gestiegenen schaftliehen Produktionspotentials (Konjunk-
Preisniveaus Reallohnanpassungen oder häufig turschwankungen) in Form von Veränderungen
auch mehr. Die Lohnkosten verschlechtern dem- des Preisniveaus, des Beschäftigungsstandes, der
entsprechend die Lage der Unternehmen. Außenwirtschaftsbeziehungen und des Wirt-
Während der Depression mit hoher Arbeitslo- schaftswachstums. Aufgabe der Stabilisierungs-
sigkeit, geringer Kapazitätsauslastung, wenigen politik ist die Erreichung der im Stabilitätsge-
Neuinvestitionen und hoher Bankenliquidität setz (1967} definierten Ziele. Träger der Stabili-
kommt der konjunkturelle Abschwung zum sierungspolitik sind der Staat und die Deutsche
Stillstand und geht wieder in die Erholungspha- Bundesbank in Verbindung mit der Europäi-
se über. schen Zentralbank (EZB).
Die Konjunkturdiagnose ist der Versuch, aus Der Staat hat die Öffentlichen Haushalte so zu
statistischen Zeitreihen den Stand der konjunk- gestalten, daß je nach Konjunkturlage zusätzli-
turellen Entwicklung zu bestimmen, z.B. hin- che Nachfrage entfaltet und auch bei privaten
sichtlich des Bruttosozialprodukts und Volks- Haushalten stimuliert bzw. Nachfrage zurückge-
einkommens, der Beschäftigung, der Investitio- halten und privaten Haushalten Kaufkraft als
nen und des Konsums. potentielle Nachfrage entzogen wird. Diese anti-
Die Konjunkturprognose versucht, die künfti- zyklische Fiskalpolitik muß von einer entspre-
ge konjunkturelle Entwicklung vorherzusagen. chenden Geldpolitik der Deutschen Bundesbank
Dabei wird aus der Entwicklung von Konjunk- und der EZB flankiert werden. Sie sind daher zur
turindikatoren der Vergangenheit mit Hilfe von Unterstützung der Fiskalpolitik verpflichtet, so-
Trend- und Korrelationsrechnungen auf die· Zu- fern sie damit nicht das ihnen vorgegebene Ziel
kunft geschlossen. der Geldwertsicherung gefährden (Streit 1995).
Die Aufgaben der Wirtschaftspolitik konzen- Im Rahmen der Fiskalpolitik beeinflußt der
trieren sich in marktwirtschaftliehen Ordnungen Staat die Investitionstätigkeit durch Gewährung
auf den Ablauf und die Ergebnisse des arbeits- von Steuervorteilen und eine dadurch bewirkte
teiligen Wirtschaftsprozesses durch die Alloka- Konjunkturanregung aus der Erhöhung der
tions-, Verteilungs- und Stabilisierungspolitik. Eigenkapitalverzinsung aus Investitionen. Fer-
Schwerpunkt der Allokationspolitik ist die Ver- ner regt der Staat die Konjunktur an mit Steuer-
sorgung mit einer materiellen Infrastruktur, zu senkungen oder Einkommensumverteilungen
der Kollektivgüter wie die äußere und innere Si- zwecks Erhöhung des Konsums, da die privaten
cherheit, Verkehrs-, Kommunikations- und Ver- Haushalte dadurch ein höheres frei verfügbares
sorgungsnetze, Gesundheitsvorsorge, Schuldien- Einkommen erlangen.
ste und Grundlagenforschung gehören. Ein wei- Bei der Konjunkturanregung des Staates
terer Schwerpunkt ist die Regulierung der Um- durch Erhöhung der Staatsausgaben (engl.: defi-
weltnutzung, da es wirksame Anreize zu einer Be- cit spending) handelt es sich nicht um eine fis-
wirtschaftung und damit auch zur Schonung der kalpolitische Maßnahme. Vielmehr tritt der Staat
Umwelt ohne staatliches Zutun nicht gibt. marktkonform als gewöhnlicher Marktteilneh-
Grundlage der Verteilungspolitik ist das Prin- mer auf und trägt zur Erhöhung der gesamt-
zip der Sozialstaatlichkeit, wonach die Verteilung wirtschaftlichen Nachfrage bei. Diesem Verhal-
von Einkommenserzielungschancen möglichst ten liegt die Multiplikatorwirkung zugrunde.
gerecht vorgenommen werden soll. Neben der Der Multiplikator ist der Vervielfacher für das
personellen Einkommensverteilung gilt das In- Einkommen, der durch Ausgabenerhöhungen
teresse staatlicher Politik v.a. der Verteilung der hervorgerufen wird. In Abhängigkeit von der
personellen Einkommen in den unterschiedli- Sparquote s ergibt sich der Multiplikator M als
chen Lebensphasen. Den damit verbundenen Summe einer unendlichen geometrischen Reihe
Versorgungsrisiken (aus Krankheit, Alter, Ar- zu
beitslosigkeit) wird mit einer kollektiven Da-
M=1/s.
seinsvorsorge (sozialen Sicherung) auf der

2-28 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Beispiel: s =15 o/o ~ M =1/0,15 =6,67, d. h., bei gen (Mindestreserven) bei der Bundesbank
einer Sparquote s =15 o/o bewirkt eine Ausgaben- bzw. EZB hinterlegt werden müssen, variiert.
erhöhungvon 1 DM einen Einkommenszuwachs Der Kreditgewährungsspielraum und die Gi-
in der Gesamtwirtschaft von 6,67 DM. ralgeldmenge werden dadurch entsprechend
Das Instrumentarium, mit dem die Bundes- erhöht oder gesenkt.
bank und die EZB je nach stabilitätspolitischer - Bei der Offenmarktpolitik kauft die Bundes-
Zielsetzung dämpfend bzw. fördernd in den bank bzw. EZB von den Geschäftsbanken be-
Geld- und damit Wirtschaftskreislauf eingreifen stimmte Wertpapiere (Offenmarktpapiere)
können, läßt sich einteilen in das geld- und das an, um das Geldmengenvolumen und damit
devisenpolitische Instrumentarium sowie die die Liquidität der Kreditinstitute zu erhöhen.
Politik der moralischen Beeinflussung. Umgekehrt kann sie auch die Liquidität her-
Bei der Geldpolitik reicht der Handlungsspiel- absetzen, indem sie an die Banken verkauft.
raum der Bundesbank bzw. der EZB weit über - Bei der Restriktions- oder auch Zangenpolitik
rein währungspolitische Fragen hinaus. Er um- erschwert die Bundesbank bzw. EZB die Kre-
faßt folgende Maßnahmen: ditaufnahme durch Reduzierung der Redis-
- Mit der Diskontpolitik wurde der Zinssatz be- kontkontingente und Anordnung von Kredit-
stimmt, zu dem die Bundesbank Handels- restriktionen. Der Aufschwung (die Konjunk-
wechsel vor deren Fälligkeit mit einer maxi- tur) wird gedämpft und die Inflation gebremst.
malen Restlaufzeit von 3 Monaten von Ge- - Im Rahmen der Devisenpolitik konnte die
schäftsbanken ankaufte und somit die Refi- Bundesbank als Anbieterin oder Nachfragerin
nanzierungskosten der Banken variierte. Die am Devisenmarkt in Erscheinung treten und
Konjunkturanregung resultiert bei einer Her- durch marktdominante Aktionen den Devi-
absetzung des Diskontsatzes aus dem wach- senkurs und damit den Außenwert der DM
senden Kreditgewährungsspielraum der Kre- signifikant beeinflussen. Innerhalb des Gel-
ditwirtschaft. Eine Heraufsetzung dämpft hin- tungsbereiches des Euro ist dieses wirt-
gegen die Konjunktur durch Einengung des schaftspolitische Instrument nunmehr von
Kreditgewährungsspielraumes. Der Diskont- der EZB im Hinblick auf den Außenwert des
satz variierte in der Vergangenheit zwischen Euro (z.B. gegenüber dem US-$ oder dem ja-
dem vom 19.04.1996 bis zum 31.12.1998 gel- panischen Yen) anzuwenden.
tenden Tiefststand von 2,5 o/o und dem vom - Letztlich können die Deutsche Bundesbank
17.07. bis zum 14.09.1992 geltenden Höchst- und die EZB durch eine sog. Politik der mora-
stand von 8,75 o/o. Diskontkredite wurden mit lische Beeinflussung (engl.: moral suasion) auf
Einführung des Europäischen Systems der die Geschäftsbanken einwirken, um ein von
Zentralbanken (ESZB) am 01.01.1999 abge- diesen gewünschtes Verhalten durchzusetzen.
schafft [Otte/Heinrich 1998, S. 15].
- Die Lombardpolitik hatte analoge Wirkungen Die Aufgabenverteilung zwischen den elf natio-
wie die Diskontpolitik Der Lombardsatz war nalen Zentralbanken, darunter die Deutsche
derjenige Zinssatz, den die Bundesbank bzw. Bundesbank, den neun Landeszentralbanken
EZB berechnete, wenn sie einer Geschäftsbank (LZB) sowie 160 Zweigstellen mit etwa 15000
einen Kredit gewährte, der durch Beleihung Mitarbeitern in Deutschland sowie der für das
von Waren oder Wertpapieren gesichert war. Währungsgebiet der elf Mitgliedsstaaten ver-
Er betrug vom 19.04.1996 bis zum 31.12.1998 antwortlichen Europäischen Zentralbank, die
4,5 o/o und erreichte einen Tiefststand von 3,5 o/o mit einem Stab von 500 Mitarbeitern gestartet
zuletzt vom 16.12.1977 bis zum 18.01.1979 ist, wird sich ab 1999 weiter konkretisieren.
sowie einen Höchststand von 9,75% zuletzt
vom 20.12.1991 bis zum 14.09.1992. Der Lom- 2.1.2
bardkredit wurde am 01.01.1999 durch die Betriebswirtschaftliche Grundlagen
analoge Spitzenrefinanzierungsfazilität ab- für die Bauwirtschaft
gelöst [Otte/Heinrich 1998, S.14].
- Im Rahmen der Mindestreservepolitik werden Die Betriebswirtschaftslehre untersucht das mi-
die Prozentsätze (Mindestreservesätze) der kroökonomische Zusammenwirken der Aufga-
verschiedenen Arten von Kunden einlagen, die benträger in Unternehmen und Betrieben, die
von den Kreditinstituten aufgrund gesetzli- durch diese Aufgabenträger verrichteten Prozes-
cher Verpflichtung als unverzinste Giroeinla- se und Prozeßabläufe einschließlich der Schnitt-

Bauwirtschaftslehre 2-29
stellen zwischen den einzelnen Aufgabenträgern - spezielle Betriebswirtschaftslehren der ein-
innerhalb des Unternehmens sowie zu Kunden, zelnen Wirtschaftszweigewie Industrie-, Ban-
Lieferanten, Behörden und Dritten außerhalb des ken-, Versicherungs-, Handels- und Bauwirt-
Unternehmens. Dabei ist eine Entwicklung der schaftslehre.
zunehmenden Verflechtung betriebswirtschaftli-
eher, rechtlicher, technischer und organisatori- Die Bauwirtschaftslehre ist ein spezieller Zweig
scher Fragen zu beobachten. Darüber hinaus ge- der Branchenbetriebswirtschaftslehren für sich
winnen verhaltenstheoretische Betrachtungen am Baumarkt beteiligende Institutionen wie
soziologischer, psychologischer und ethischer Bauherren, Bauplaner und Bauunternehmer so-
Fragestellungen an Bedeutung. wie die angrenzenden Wirtschafts- und Gesell-
Grundsätzlich hat jedes Unternehmen exi- schaftsbereiche. Auch die Bauwirtschaftslehre
stentielle Prinzipien zu beachten, die nur teil- findet ihre Grundlage in der Allgemeinen Be-
weise vom jeweiligen Wirtschaftssystem abhän- triebswirtschaftslehre, da auch sie darauf ge-
gig sind (Abb. 2.1-30). richtet ist, als interdisziplinäre Managementwis-
Die Grenzen zwischen der häufig vorgenom- senschaft Unternehmerische Entscheidungen
menen Dreiteilung der Betriebswirtschaftslehre v.a. in wirtschaftlicher Hinsicht, zunehmend
sind fließend und häufig noch Ausdruck der ver- aber auch in organisatorischer, rechtlicher und
fügbaren Planstellen an den Fakultäten für Be- technischer Hinsicht mit sozialer und ethischer
triebswirtschaftslehre und Wirtschaftswissen- Verantwortung vorzubereiten.
schaften: Die Planung und Errichtung von Bauten und
- Allgemeine Betriebswirtschaftslehre zur all- Anlagen ist i.d.R. gekennzeichnet durch Merk-
gemeinen Erkenntnis und Gestaltung der Un- male der Einmaligkeit (Unikatfertigung), der in-
ternehmens- und Betriebsprozesse wie Mar- dividuellen Standorte und der dadurch beding-
keting und Akquisition, Beschaffung ein- ten"wandernden Werkstätten der Bauunterneh-
schließlich Personalwirtschaft, Lagerhaltung, mer unter freiem Himmel", der Bestellung durch
Investition und Finanzierung, Produktion, Ausschreibung, Vertragsverhandlung und Zu-
Absatz und Vertrieb; schlag vor Beginn der Produktion und der star-
- Betriebswirtschaftslehren der Verfahrenstech- ken Reglementierung durch die für öffentliche
nik für Rechnungswesen, Steuern, Organisa- Auftraggeber geltenden Vergaberechtsvorschrif-
tion, Controlling, Operations Research und ten (vgl. 2.4.3).
Wirtschaftsinformatik sowie

Vom Wirtschaftssystem Vom Wirtschaftssystem


unabhängige Prinzipien abhängige Prinzipien

Prinzip der Kombination Autonomieprinzip (Selbstbe-


von Produktfaktoren A. stimmung des Wirtschaftsplanes)
Marktwirtschaft erwerbswirtschaftliches Prinzip
(Unternehmen = (Gewinnmaximierung)
polypolistischer
Marktteilnehmer)
""'E Prinzip des Privateigentums
Prinzip der .t::
Wirtschaftlichkeit ""'
~ Organprinzip (Zentraler
=" B. Volkswirtschaftsplan)

Planwirtschaft
(Unternehmen = Prinzip der Planerfüllung
Organder
Prinzip des finanziellen Gesamtwirtschaft)
Gleichgewichts Prinzip des Gemeineigentums

Abb. 2.1-30 Existentielle Prinzipien von Unternehmen

2-30 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.1.2.1 - Kosten werden definiert als bewerteter Ver-
Ausgewählte Begriffe der Betriebswirtschaftslehre zehr von materiellen und inmateriellen Gü-
tern und Dienstleistungen zur Erstellung und
Ein Unternehmen ist ein wirtschaftlich-rechtlich zum Absatz von Sach- oder Dienstleistungen
organisiertes Gebilde, in dem nachhaltig ertrag- sowie zur Schaffung und Aufrechterhaltung
bringende Leistungen und eine angemessene der dafür notwendigen Kapazitäten. Sie er-
Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals rechnen sich aus dem Produkt der jeweils ver-
angestrebt werden. Ein Unternehmen kann ei- brauchten Produktionsfaktormenge und dem
nen, mehrere oder keinen Betrieb (z. B. Holding) Produktionsfaktorpreis.
haben. Das Unternehmen stellt damit eine ört- - Kalkulatorische Kosten umfassen kalkulatori-
lich nicht gebundene Einheit dar. sche Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen
Der Betrieb hingegen wird definiert als plan- und kalkulatorischen Unternehmerlohn. Ih-
mäßige örtliche, technische und organisatorische nen stehen im Berichtszeitraum keine unmit-
Einheit zum Zwecke der Erstellung von Gütern telbaren Ausgaben gegenüber.
und Dienstleistungen durch die Kombination - Die Tilgung von Fremdkapital verursacht Aus-
von Produktionsfaktoren. Niederlassungen eines gaben, die keine Kosten verursachen.
Bauunternehmens sind selbständige Betriebe. - Leistung bezeichnet die Menge (output) oder
Baustellen gelten dann als selbständige Betriebe, den Wert (zu Verkaufspreisen) der im be-
wenn sie eigene Bau- oder Lohnbüros haben. trieblichen Erzeugungsprozeß erstellten Gü-
Einzahlungen und Auszahlungen sind Zah- ter, die nicht notwendigerweise auch abgesetzt
lungsmittelbeträge in Bar- oder Giralgeld, die als werden und damit zu Erlösen führen müssen.
Strömungsgrößen zwischen Wirtschaftssubjek- - Ergebnis ist die Differenz zwischen perioden-
ten fließen. Zugehörige Bestandsgrößen sind die abgegrenzten Leistungen und dadurch verur-
Zahlungsmittelbestände an Kasse und Sichtgut- sachten Kosten, d.h. zwischen Ertrag und Auf-
haben bei Banken (z.B. Überweisungvom Bank- wand. Diese Betrachtung ist u.a. Gegenstand
konto des X auf das Bankkonto des Y). der baustellenbezogenen Kosten-Leistungs-
Einnahmen und Ausgaben sind Strömungs- Ergebnisrechnug (KLER Bau, vgl. 2.1.5.3}.
größen des Geldvermögens, d.h. des Zu- oder
Abflusses von Zahlungsmitteln und/oder des Er- Die Rentabilität stellt das Verhältnis einer Er-
werbs von Forderungen bzw. des Eingehens von folgsgröße zum eingesetzten Kapital einer Rech-
Verbindlichkeiten. Zugehörige Bestandsgrößen nungsperiode dar:
sind der Zahlungsmittelbestand zzgl. des Be- - Die Gesamtkapitalrentabilität mißt den Erfolg
stands an Forderungen abzgl. des Bestands an vor oder nach Zinsen und Steuern, bezogen
Verbindlichkeiten (z.B. Übermittlung einer auf das Gesamtkapital.
Rechnung des X an den Adressaten Y). - Die Eigenkapitalrentabilität mißt den Erfolg
Ertrag und Aufwand sind die von einem Un- nach Zinsen vor oder nach Steuern, bezogen
ternehmen in einer Wirtschaftsperiode durch auf das Eigenkapital.
Erstellung von Gütern und Dienstleistungen er- - Die Umsatzrendite mißt den Erfolg vor oder
wirtschafteten Einnahmen bzw. die von einem nach Zinsen und Steuern, bezogen auf dieNet-
Unternehmen während einer Abrechnungsperi- toumsätze.
ode für den Verbrauch an Gütern und Dienstlei- - Die Betriebsrendite mißt den Betriebsgewinn,
stungen getätigten Ausgaben. Betriebsertrag bezogen auf das betriebsnotwendige Kapital.
und Betriebsaufwand entstehen in Erfüllung des
eigentlichen Betriebszweckes. Betriebsfremder Das betriebsnotwendige Kapital ist das im Un-
oder neutraler Ertrag und Aufwand entstehen ternehmen eingesetzte Fremd- und Eigenkapi-
aufgrund betriebsfremder oder außerordentli- tal, soweit es zur Erfüllung des Betriebszweckes
cher Geschäftsvorfälle. notwendig ist (Aktivwerte der Bilanz ./. nichtbe-
Der Umsatz oder auch Erlös umfaßt die Sum- triebsnotwendige Vermögenswerte ./.stille Rück-
me der in einer Periode veräußerten und mit lagen). Vom betriebsnotwendigen Kapital ist das
ihren jeweiligen Verkaufspreisen bewerteten Gü- dafür benötigte Fremdkapital abzuziehen. Die
ter und Dienstleistungen. Restsumme stellt das betriebsnotwendige Ei-
Kosten, Leistungen und Ergebnisse sind Be- genkapital dar als Bemessungsgröße für die Er-
griffe aus der Kosten-, Leistungs- und Ergebnis- rechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalzin-
rechnung: sen.

Bauwirtschaftslehre 2-31
Liquidität stellt die Fähigkeit und Bereitschaft graphisch, geometrisch, qualitäts- und men-
eines Unternehmens dar, seinen bestehenden genmäßig eindeutig zu definierenden System
Zahlungsverpflichtungen termingerecht und be- Bauobjekt.
tragsgenau nachzukommen. Der Liquiditätsgrad Die Entfaltung des Systems Bauwirtschaft
bezeichnet das Verhältnis von flüssigen Mitteln durch Bauobjekte ist zahlreichen exogenen Ein-
zu kurzfristigen Verbindlichkeiten unter Einbe- flußfaktoren aus gesetzlichen und behördlichen
ziehung nur der Geldwerte (1. Grades) zzgl. der Vorgaben, aus Belangen der Öffentlichkeit und
kurzfristigen Forderungen (2. Grades) sowie der des Umweltschutzes sowie endogenen Randbe-
Warenbestände (3. Grades). Die ständige Wah- dingungen aus der Nutzerpartizipation und der
rung der Liquidität ist eine der wichtigsten un- Kreditfähigkeit bzw. -würdigkeit des Investors
ternehmerischen Hauptpflichten. bzw. der Investition unterworfen.
Das Zusammenwirken der zahlreichen Pro-
2.1.2.2 jektbeteiligten bei der Planung, Errichtung und
Koordinatensystem der Bauwirtschaftslehre dem Betrieb von Bauwerken wird damit be-
stimmt durch die bei den unmittelbar beteilig-
Das Koordinatensystem der Bauwirtschafts- ten Institutionen ablaufenden Prozesse. Diese
lehre wird nach K. H. Pfarr (1984) gebildet aus wiederum sind abhängig von Art, Umfang und
den Institutionen-, Prozeß- und Objektachsen Schwierigkeitsgrad der zu bearbeitenden Ob-
(Abb. 2.1-31). . jekte. Nach der Bautätigkeitsstatistik [Baustati-
Die Institutionenlehre untersucht die Auf- stisches Jahrbuch 1999] werden diese in die Bau-
gaben der am Entstehungsprozeß von Bauten werksarten Wohnungsbau, Gewerbebau, öffent-
und Anlagen beteiligten Institutionen wie Auf- licher Hoch- und Tiefbau sowie Verkehrswege-
traggeber, Planer und Bauunternehmer. Die- bau eingeteilt.
se treten über ihre Prozesse der Formulierung Im Sinne einer Typologie der Bauherren sind
von Nutzerbedarfsprogrammen, der Erzeu- diese damit analog
gung von Planungs-, Bau-, Betriebs- und Un- - Privatpersonen bzw. Institutionen oder Un-
terhaltungsleistungen in Beziehung zum geo- ternehmen ohne Erwerbscharakter,

Projekte/Objekte

Marketing }
Energiewirtschaftsbauten Beratung
Angebotserstellung Kernprozesse
Umweltschuttbauten Bauausführung und
Abrechnung
Öffentlicher Tiefbau Kundendienst
Verkehrswegebau Personal bereitstellen }
Liquidität sicherstellen Dienstleistungs-
Öffentlicher Hochbau
Ressourcen bereitstellen prozesse
Informations-
versorgung sichern
Kern- und Dienst-
leistungsprozesse
Nutter~~~~~~~~----------------~
Bauherr Investorenprozesse
Finanzier Facilitiy Management
Planer Projektmanagement
Bauunternehmer Projektentwicklung
Behörden
TöB
Öffentlichkeit

Institutionen

Abb. 2.1-31 Koordinatensystem der Bauwirtschaftslehre

2-32 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- erwerbswirtschaftlich orientierte Unterneh- vorgesehenen zusätzlichen Leistungen, beim Er-
menoder kennen von vertraglich nicht vereinbarten, je-
- öffentlich-rechtliche Institutionen. doch zur Ausführung erforderlichen Leistungen,
bei Behinderungen durch den Auftraggeber
Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre geht oder seiner Erfüllungsgehilfen und bei eigenen
generell davon aus, daß die Anbieter von Waren Verzögerungen sind Verhandlungen zu führen,
und Dienstleistungen die Produkt- bzw. Dienst- Nachtragsangebote zu formulieren, Behinde-
leistungsplanung, d. h. die Planung des Produkt- rungsschreiben zu übergeben, ohne dabei die
programms und der Produktionsverfahren ein- partnerschaftliehen Beziehungen zum Auftrag-
schließlich Beschaffung und Lagerhaltung, in ei- geber und seinem Beauftragten zu gefährden.
gener Zuständigkeit und Verantwortung selbst Die dazu erforderliche Kenntnis bezieht der Bau-
vornehmen. Zur in der Bauwirtschaft typischen unternehmer nicht aus der Allgemeinen Be-
Einzel- oder Auftragsfertigung heißt es dagegen triebswirtschaftslehre, sondern aus der Prozeß-
bei [Wöhe 1996], daß die Bedarfsplanung bei lehre für Bauunternehmen der Bauwirtschafts-
Einzelfertigung gegenüber der Massen-, Sorten- lehre in Verbindung mit der Unterweisung im
und Serienfertigung erheblich größere Schwie- Vertragsrecht nach VOB/B, BGB und AGB.
rigkeiten bereite, da der Absatz nur grob ge- In der stationären Industrie, z. B. bei einem
schätzt werden könne, der Betrieb aber bei plötz- Autokauf, wird der Kaufvertrag i.d.R. vom Pro-
lich eingehenden Aufträgen in der Lage sein duzenten bzw. seinen Verkäufern vorgegeben.
müsse, diese Aufträge kurzfristig auszuführen. Hier muß daher der Käufer als Kunde auf Über-
Das Risiko werde noch größer, wenn Kunden- einstimmung mit dem AGB-Gesetz achten. Bei
aufträge eingingen, die zu Neukonstruktionen Bauverträgen stammen die Verdingungsunter-
führten, für die der Material- und Werkzeugbe- lagen jedoch i.d.R. vom Auftraggeber. Daher
darf vorher nicht bekannt sei. muß hier der Bauunternehmer als Produzent
Vom Bauunternehmer wird stets verlangt, zu und Auftragnehmer die Einhaltung des AGB-Ge-
Verdingungsunterlagen - sehr unterschiedlich setzes überprüfen.
hinsichtlich Herkunft, Qualität und Umfang - in Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre hat
Nichtkenntnis seiner potentiellen Mitbewerber somit dem Bauunternehmer in den Prozessen
Vorentscheidungen über die Teilnahme am Wett- der Beschaffung von Aufträgen und Produkti-
bewerb zu treffen. Sofern er sich dann zu einer onsfaktoren, der Planung des Fertigungspro-
Teilnahme entschließt, muß er die Angebotsun- gramms und der Fertigungsverfahren sowie der
terlagen durcharbeiten, Erkundigungen einho- Auftragsabwicklung unter Berücksichtigung
len, Ortsbesichtigungen vornehmen, Überle- von dabei eintretenden Leistungsänderungen,
gungen hinsichtlich der Verfügbarkeit des ggf. Zusatzleistungen und Leistungsstörungen wenig
einzusetzenden Personals und Geräts anstellen, zu bieten. Er ist daher auf die Vermittlung und
dabei Abgrenzungen zwischen Eigen- und Aneignung von Kenntnissen der Bauwirtschafts-
Fremdleistungen vornehmen, Nachuntern eh- und Baubetriebslehre (einschließlich Bauver-
meranfragen starten und deren Ergebnisse ein- fahrenstechnik), des Vergabe- und Bauvertrags-
holen, die Eigenleistungen im Zusammenwirken rechtes sowie des baubetrieblichen Rechnungs-
von Kalkulation und Arbeitsvorbereitung vor- wesens angewiesen.
kalkulatorisch bewerten, die zu erwartenden
Risiken einschätzen sowie schließlich die Ange- 2.1.2.3
botsunterlagen zusammenstellen und rechtzei- Bauwirtschaftliche Produktionsfaktoren
tig einreichen.
Nach Auftragserteilung ist die Arbeitsvorberei- Unter Produktionsfaktoren werden alle Güter
tung durch Baustelleneinrichtungs- und Baua- und Dienstleistungen materieller und immate-
blaufpläne zu konkretisieren, sind Nachunterneh- rieller Art verstanden, deren Einsatz für das Her-
mer in der "zweiten Runde" vertraglich zu bin- vorbringen anderer wirtschaftlicher Güter und
den, alternative Bauverfahren zu bewerten, Aus- Dienstleistungen aus technischen oder wirt-
wahlentscheidungen zu treffen und die baustel- schaftlichen Gründen notwendig ist.
lenbezogene Betriebsabrechnung zu installieren. Die Volkswirtschaftslehre unterscheidet die
Bei nachträglichen Änderungen des Bauent- Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital,
wurfs oder anderen Anordnungen des Auftrag- denen die Einkommensarten Lohn, Bodenrente
gebers, bei Forderung von im Bauvertrag nicht und Zins entsprechen. Die Betriebswirtschafts-

Bauwirtschaftslehre 2-33
lehre unterscheidet nach den Elementarfaktoren bei die Mitarbeiter im Rahmen des mit dem
Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe sowie dem Vorgesetzten abgegrenzten Aufgabenbereichs
dispositiven Faktor der Geschäftsführung. Die selbst entscheiden können. Nicht diese Ent-
Information und Kommunikation hat als zweck- scheidungen, sondern die Ergebnisse werden
bezogenes Wissen über Zustände und Ereignis- kontrolliert. Voraussetzungen sind detaillier-
se und deren Austausch zum Zweck der aufga- te Planung aller Teilziele und eine umfassen-
benbezogenen Verständigung die Bedeutung ei- de Erfolgskontrolle nach dem Smart-Prinzip
nes eigenständigen Produktionsfaktors erlangt. (Spezifisch, meßbar, aktuell, realistisch, termi-
Damit sind Arbeit, dispositiver Faktor, Betriebs- niert).
mittel, Werkstoffe, Boden sowie Information und - Management by Exception: Ein Eingriff der
Kommunikation als bauwirtschaftliche Produk- Vorgesetzten findet nur bei Abweichungen
tionsfaktoren zu bezeichnen. von angestrebten Zielen und bei wichtigen
Entscheidungen statt, die z.B. den Umsatz, den
Arbeit Gewinn oder den Planungs- und Baufort-
schritt betreffen. Aus diesen Eingriffen erge-
Arbeit umfaßt alle zielgerichteten, planmäßigen ben sich ggf. negative Auswirkungen auf das
und bewußten körperlichen und geistigen Verantwortungsbewußtsein der Mitarbeiter.
menschlichen Tätigkeiten zur Erreichung be-
stimmter Ziele. Das Ergebnis des wertbildenden Führungsentscheidungen haben ein hohes Maß
Prozesses stellt die Arbeitsleistung dar. Diese ist an Bedeutung, sind auf das Unternehmen als
abhängig von den körperlichen und geistigen Ganzes gerichtet und nicht auf untergeordnete
Anlagen, der Ausbildung, dem Leistungspoten- Stellen übertragbar. Der Führungsprozeß läßt
tial und der Leistungsbereitschaft sowie den Ar- sich als Management-Regelkreis interpretieren
beitsbedingungen. Die Leistungsfähigkeit und (Abb. 2.1-32).
der menschliche Leistungswille hängen im we- Die Leitungsfunktionen der Bauunternehmer
sentlichen von der richtigen Personalauswahl umfassen folgende Aufgaben:
und -Zuordnung, dem Betriebsklima und der - technische Leitung mit Marketing, Akquisiti-
Angemessenheit des Arbeitsentgeltes ab. Als we- on, Kalkulation,Arbeitsvorbereitung, Bauaus-
sentliche Kriterien der Zufriedenheit mit der Ar- führung und Abrechnung;
beit gelten angemessener Verdienst einschließ- - kaufmännische Leitung mit Beschaffung bzw.
lich Sozialleistungen, sicherer Arbeitsplatz, gute Einkauf, Rechnungswesen, Lohn- und Betriebs-
Aufstiegsmöglichkeiten, gutes Betriebsklima so- buchhaltung, Finanz- und Anlagenbuchhal-
wie soziale Anerkennung. tung sowie Bankenverkehr;
Das Arbeits- und Tarifrecht in der Bauwirt- - administrative Leitung mit Organisation, Per-
schaft wird gesondert unter 2.1.3 behandelt. sonalbetreuung, EDV-Information und-Kom-
munikation, Recht, Steuern und Versicherun-
Dispositiver Faktor gen;

Aufgaben der Geschäftsführung eines Unterneh-


mens oder eines Betriebs sind die Planung, Or-
ganisation und überwachung der Kombination
der Produktionsfaktoren zur Erreichung der Un-
ternehmensziele (vgl. 2.2.1).
Führungskräfte sind solche Personen, die an-
deren Personen Weisungen erteilen dürfen. Lei-
tende Angestellte sind solche Mitarbeiter, die ei-
genverantwortlich Personal einstellen und kün-
digen dürfen. Dieser Personenkreis wird häufig
auch als Managementpersonal bezeichnet und
unterliegt nicht dem Kündigungsschutzgesetz.
Organisation
Grundsätzlich sind zwei elementare Führungs- und aktuelle Einwirkung
stile zu unterscheiden:
- Management by Objectives: Es werden ge- Abb. 2.1 ·32 Management-Regelkreis
meinsame Zielvereinbarungen getroffen, wo-

2-34 Bauwirtschaftund Baubetrieb


- Leitung von Forschung + Entwicklung, Inno- gestimmt mit gleichbleibender Kapazität bzw.
vation, Aus- und Weiterbildung. unter Vollauslastung abgewickelt werden kön-
nen.
Die Entscheidungen der Geschäftsführung be-
stimmen den künftigen Ablauf des Betriebsge- Betriebsmittel
schehens und werden letztlich durch den Unter-
nehmenserfolg bestätigt. Planung bedeutet ge- Im industriellen Bereich ist die Bedeutung der
dankliche Vorwegnahme zukünftigen Gesche- menschlichen Arbeitsleistung schon seit vielen
hens, um aus alternativen Vorgehensweisen die- Jahren in den Hintergrund getreten. In immer
jenige zu ermitteln, die aller Wahrscheinlichkeit größerem Umfang beeinflußt die Ausstattung
nach die optimale Zielerreichung gewährleistet. des Betriebs mit maschinellen Anlagen, die zu-
Das Ergebnis der Planung ist eine konkrete Dar- nehmend bedienungsfrei produzieren (Automa-
stellung der anzustrebenden Ziele sowie der Mit- tion), den wirtschaftlichen Erfolg der Unterneh-
tel und Wege, wie diese Ziele erreicht werden sol- men. Dabei übersteigen die Betriebsmittelko-
len. Wichtig ist dabei die Vorgabe operationaler, sten die Kosten für Arbeitsleistungen häufig um
d.h. meßbarer Zielvorgaben, damit Abweichun- ein Vielfaches. Auch in der Bauwirtschaft ist die-
gen quantitativ erfaßt werden können. se Entwicklung u.a. aufgrunddes wachsenden
Ein besonderes Problem besteht für Füh- Kostendruckes zu beobachten.
rungskräfte allgemein in dem Informations- und Zu den Betriebsmitteln zählt das komplette
Entscheidungsdilemma: je höher die Stellung des technische Inventar, das zum betrieblichen Lei-
Entscheidungsträgers in der Unternehmenshier- stungsprozeß beiträgt und nicht Bestandteil der
archie und je größer sein Entscheidungsspiel- erzeugten Güter wird:
raum ist, desto weniger verfügt er vielfach über - Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen,
die für seine Entscheidung benötigten unmittel- - Betriebsgrundstücke und -gebäude,
baren Informationen. - Transport-, Förder- und Verkehrsmittel,
Gefahren ergeben sich auch aus einem Routi- - Büroeinrichtungen sowie Informations- und
neverhalten von Führungskräften, bei dem die Kommunikationsanlagen.
Besonderheiten des einzelnen Falles nicht mehr
ausreichend bedacht werden, Prüfungen und Betriebsmittel - mit Ausnahme von Betriebs-
Plausibilitätskontrollen unterbleiben und da- grundstücken - lassen sich nur über einen be-
durch Fehler eintreten. grenzten Zeitraum technisch einwandfrei nut-
Geschäftsführende Gesellschafter von Unter- zen. Sorgfaltige und sachgemäße Pflege und
nehmen sind ferner stets einer Konfliktsituation Wartung können die technische Nutzungsdauer
ausgesetzt. Als Manager sind sie einerseits an steigern.
einer Sicherung der wirtschaftlichen Position Mit dem Erwerb von Betriebsmitteln, z.B. ei-
des Unternehmens sowie ihrer eigenen gesell- nem Turmdrehkran, verschafft sich ein Betrieb
schaftlichen Position und der Ausübung und Er- Anlagennutzungen für mehrere Jahre im voraus.
weiterung der ihnen zuwachsenden wirtschaft- Die Investition in eine solche Anlage bindet so-
lichen Macht interessiert. Als Kapitalgeber sind mit Finanzmittel für eine Reihe von Rechnungs-
sie dagegen an einer möglichst hohen Verzin- perioden. Diese Mittel müssen über den Absatz
sung des in das Unternehmen investierten Eigen- der Güter und Dienstleistungen wieder erwirt-
kapitals interessiert. schaftet (abgeschrieben) und verzinst werden.
Die Realisierung der Planung erfordert eine Die Anlage ist zu warten und bei Bedarf zu repa-
Organisation, die eindeutig regelt, wer im Be- rieren.
trieb für welche Aufgaben zuständig ist und auf Für den Betrieb stellt sich die Frage, nach wel-
welche Weise die Erledigung dieser Aufgaben er- chem Zeitraum ein Betriebsmittel ersetzt wer-
folgen soll. Entsprechend der Aufbauorganisati- den soll, da der Endzeitpunkt der technischen
on werden die zu erfüllenden Aufgaben auf Or- Nutzungsdauer i.d.R. nicht exakt vorhersehbar
ganisationseinheiten und die diesen angehören- und lediglich auf der Grundlage von Erfahrungs-
den Mitarbeiter verteilt. werten abschätzbar ist. Die wirtschaftliche Nut-
Im Rahmen der Ablauforganisation werden zungsdauer umfaßt die Zeitspanne, in der es
die Aufgaben hinsichtlich des zeitlichen und wirtschaftlich sinnvoll ist, eine Anlage zu nut-
räumlichen Ablaufs so gestaltet, daß alle Arbeits- zen. Sie ist i.d.R. kürzer als die technische Nut-
gänge möglichst lückenlos und aufeinander ab- zungsdauer.

Bauwirtschaftslehre 2-35
Über Abschreibungen werden die jährlichen qualitativ und quantitativ definierte Leistungs-
Wertminderungen der Betriebsmittel in Abhän- menge zu erbringen. Dabei wird zwischen tech-
gigkeit von der Nutzungsdauer und der techni- nischer Maximal- und wirtschaftlicher Dauerlei-
schen Beschaffenheit betragsmäßig erfaßt. In stung unterschieden.
den ersten Jahren der Nutzungszeit nimmt der Das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Dau-
Gebrauchswert nur langsam, später jedoch erleistung und effektiver Ausnutzung wird als
schneller ab. Der kaufmännische Zeit-/Markt- Beschäftigungs- bzw. Kapazitätsausnutzungs-
wert sinkt jedoch sofort nach Inbetriebnahme grad bezeichnet.
stark. Eine Wertminderung tritt darüber hinaus Beschäftigungsgrad= Kapazitätsnutzungsgrad=
auch durch Witterungseinflüsse (z.B. bei Bau-
stelleneinrichtungen) und den technischen Ist-Menge
---;::_pro Periode x 100[%]
Fortschritt (z.B. Informations- und Kommuni- Soll-Menge
kationsanlagen) auf. Die Gefahr der technischen
und wirtschaftlichen Überalterung wächst mit Werkstoffe
der Lebensdauer des Betriebsmittels. Die kauf-
männische Vorsicht zwingt deshalb bei der Zu den Werkstoffen werden alle Roh-, Hilfs-und
Schätzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer Betriebsstoffe sowie Halb- und Zwischenfabri-
und des Abschreibungsverlaufs zur Einbezie- kate gezählt, die für die Herstellung oder Ver-
hung des technischen Fortschritts. Aufgrund der edelung neuer Erzeugnisse benötigt werden:
Gefahr einer schnellen Entwertung der Anlage- - Rohstoffe gehen als Hauptbestandteile in die
güter ist es notwendig, das in den Anlagen ge- Fertigfabrikate ein.
bundene Kapital möglichst rasch wieder zu er- - Hilfsstoffe werden ebenfalls zu Bestandteilen
wirtschaften. der Fertigfabrikate. Sie sind jedoch aufgrund
Die Erfassung der gesamten Wertminderung ihres wert- und mengenmäßigen Gewichts
vollzieht sich im Unternehmen auf zwei Ebenen: von untergeordneter Bedeutung (z.B. Beton-
- Bilanzielle Abschreibungen gehen als Aufwand verflüssiger).
über die Gewinn- und Verlustrechnung in die - Betriebsstoffe werden bei der Produktion ver-
Unternehmensbilanz ein und beeinflussen je braucht (z.B. Treibstoffe).
nach Höhe den Periodenerfolg. Das Unter-
nehmensergebnis und somit auch der steuer- Bei der Beschaffung von Werkstoffen ist jeweils
liche Gewinn können damit über die Art der das Problem der optimalen Bestellmenge zu lö-
Abschreibung (linear, degressiv) verändert sen. Darunter versteht man die Minimierung der
werden. Die Steuergesetzgebung gibt daher Zeitspanne zwischen der Beschaffung der Werk-
für die Steuerbilanz in AfA-Tabellen (AfA Ab- stoffe, der Erstellung und dem Verkauf der End-
setzung für Abnutzung) normierte Abschrei- produkte, also die Minimierung der irrfolge der
bungsdauern vor. In der Steuerbilanz ist nur Kapitalbindung bedingten Zinskosten bei gleich-
eine Abschreibung auf den Anschaffungswert zeitiger Sicherung der Betriebsbereitschaft. Die
zulässig. optimale Bestellmenge ist diejenige Einkaufs-
- Kalkulatorische Abschreibungen werden hin- menge, bei der die Summe aus Beschaffungs-,
gegen auf den Wiederbeschaffungswert vor- Fehlmengen- und Lagerkosten minimiert wird.
genommen. Die über den Umsatzprozeß dem Je größer die Bestellmenge, desto günstiger sind
Unternehmen wieder zufließenden "verdien- die Preise des Großeinkaufs und desto geringer
ten" Abschreibungen sind ein wesentlicher die Beschaffungs- und Fehlmengenkosten, desto
Bestandteil der Innenfinanzierung, da die größer sind jedoch die Zins- und Lagerraumko-
durch den Umsatz erlösten Abschreibungsge- sten sowie die Risiken der Veraltung und des
genwerte zur zwischenzeitliehen Finanzie- Schwundes. Im Rahmen der Optimierung der Be-
rung anderer Betriebsmittel zwecks Kapazi- schaffung von Werkstoffen gewinnt auch das
tätserweiterung herangezogen werden kön- ]ust-in-time-Prinzip durch Schaffung durchgän-
nen, allerdings bis zur späteren Ersatzbe- giger Material- und Informationsflüsse entlang
schaffung des Ausgangsbetriebsmittels wieder der gesamten Wertschöpfungskette in der Bau-
zur Verfügung stehen müssen (vgl. 2.1.8.3). wirtschaft zunehmend an Bedeutung nach dem
Motto: "Das beste Lager ist kein Lager!"
Betriebsmittel sind aufgrund ihrer technischen Werkstoffverluste aufgrund von Material-
Beschaffenheit in der Lage, je Zeiteinheit eine oder Bearbeitungsfehlern sowie irrfolge von Ver-

2-36 Bauwirtschaft und Baubetrieb


schnitt oder Schwund sind durch Warenein- - hohe Arbeitslosigkeit als Ausdruck der Ar-
gangskontrollen und sorgfältige Behandlung auf beitsmarktstrukturprobleme,
ein Mindestmaß zu reduzieren. - höchste Unternehmens- und Arbeitnehmer-
besteuerung,
Boden bzw. Standort - sehr starke Bürokratisierung und Reform-
staus sowie
Der Boden ist für die Bauwirtschaft Produkti- - eine nach dem Eindruck des Verfassers nör-
onsfaktor in dreifacher Hinsicht: gelnde, verdrießliche und unternehmerfeind-
- als Gegenstand der Bebauung (Standort von liche Grundeinstellung großer Teile der Be-
Bauten und Anlagen), völkerung
- als Gegenstand des Standortes von Unterneh-
men (mit Niederlassungen und Geschäftsstel- stehen als Vorteile
len), - relativ stabile politische Verhältnisse,
- als Gegenstand des Abbaus zur Stoffgewin- - eine gute Infrastruktur,
nung (Zuschlagsstoffe für Baustoffe). - ein angenehmes Klima,
- hoher Freizeitwert und
Der Wert eines zu bebauenden Grundstücks er- - die zentrale Lage in Buropa
gibt sich vorrangig aus seiner Lage sowie aus Art gegenüber.
und Maß der baulichen Nutzung gemäß gelten-
dem oder zukünftigem Bauplanungsrecht Zur Es gilt, die Nachteile abzubauen und die Vortei-
diesbezüglichen Standortanalyse und -progno- le zu nutzen. Sofern Deutschland ein Höchst-
se sowie der Grundstückssicherung wird auf lohnland mit gleichzeitig maximalen Urlaubs-
2.3.1.2 verwiesen. und Freizeiten bleibt, wird es im internationalen
Die Frage der Wahl eines Unternehmensstand- Wettbewerb zunehmend krisenanfällig werden.
ortes stellt sich bei Gründung, Erweiterung oder Daher wird das Anspruchsdenken deutlich ver-
Verlagerung. Bei der Gründung von Bauunter- mindert und die Leistungsorientierung wieder
nehmen und auch Planungsunternehmen rich- erheblich gesteigert werden müssen.
tet sich die Standortwahl vorrangig nach den
Präferenzen der Gründer und ihrem geplanten Information und Kommunikation
Aktionsradius in Abhängigkeit von der Kunden-
zielgruppe. Darüber hinaus spielen gegenwärti- Information und Kommunikation gewinnen als
ge und zu erwartende Nachfragetrends für die Bestandteile des organisatorischen Instrumen-
Bautätigkeit ein wichtige Rolle, z.B. im Groß- tariums im betrieblichen Wertschöpfungspro-
raum Berlin sowie in weiteren Ballungszentren zeß zunehmend an Bedeutung. Sie werden daher
Deutschlands. in der Betriebswirtschaftslehre mittlerweile auch
Weiteren Einfluß haben regional unterschied- als eigenständiger Produktionsfaktor anerkannt
liche Resteuerungen und Steuervergünstigun- (Informations- und Kommunikationssystem-
gen, u. a. durch unterschiedliche Hebesätze der technologien).
Gemeinden für die Gewerbe- und Grundsteuer Fehlende Informationen führen zu einem Ver-
sowie Sonderabschreibungen oder Zulagen für zehr anderer betrieblicher Produktionsfaktoren
Investitionen. Die Verfügbarkeit von ortsansäs- ohne Nutzenstiftung und damit zu Verlusten.
sigen Arbeitskräften hat wegen der branchen- Zu viele widersprüchliche oder den Empfänger
üblichen Mobilität und des zunehmenden An- überfordernde Informationen führen zu Unsi-
teils ausländischer Arbeitskräfte im Baugewerbe cherheit und Verwirrung. Daher haben die In-
nur geringe Bedeutung. formationspolitik sowie die Informations- und
Eine Material- bzw. Rohstofforientierung ist Kommunikationssysteme hohe Bedeutung im
bei Fertigteilwerken und teilweise bei Baustoff- Rahmen der Unternehmens- und Betriebsfüh-
herstellern zu beachten. rung sowie der Zufriedenheit von Kunden und
Allgemein ist der Standort Deutschland in- Mitarbeitern.
nerhalb Europas gegenwärtig gekennzeichnet In der Bauwirtschaft werden die Informati-
durch folgende Merkmale: Den Nachteilen ons- und Kommunikationstechnologien immer
- höchste Lohnkosten, wichtiger aufgrund ·der dislozierten Planungs-,
- kürzeste Jahresarbeitszeit und damit auch Koordinierungs- und Managementtätigkeit, z. B.
höchste Lohnstückkosten, Architekturbüro aus New York, Tragwerkspla-

Bauwirtschaftslehre 2-37
nungsbüro aus Frankfurt/Main, Fachingenieur- Die Wahl der Rechtsform zählt damit zu den
büro für Technische Gebäudeausrüstung aus langfristig wirksamen Unternehmerischen Ent-
München für ein Bauvorhaben mit örtlicher Pro- scheidungen. Sie ist nicht nur bei der Gründung
jektleitung in Berlin. Derartige Projekte erfor- eines Unternehmens zu treffen, sondern muß bei
dern eine Vernetzung für den elektronischen Änderung unternehmensrelevanter Faktoren
Austausch von Zeichnungen, Berechnungen, stets überprüft werden. Die Überführung eines
Berichten und sonstigen Projektunterlagen zwi- Unternehmens von einer Rechtsform in eine
schen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen andere bezeichnet man als Umwandlung. Einen
Unternehmen mit der entsprechenden zwi- über:blick über die in der Praxis vorkommen-
schenbetrieblichen EDV-technischen und orga- den Rechtsformen von Unternehmen bietet
nisatorischen Integration. Dazu wurden von der Abb.2.1 -33.
internationalen Normungsorganisation (ISO) Wird ein Unternehmen gegründet oder soll
Standards des,,Electronic Data Interchange" (EDI) ein bestehendes Unternehmen in eine andere
geschaffen, deren Anwendung jedoch bran- Rechtsform umgewandelt werden, z.B. zur Er-
chenspezifische Differenzierungen erfordert weiterung der Kapitalbeschaffungsmöglichkei-
[Monse 1995; Mittmann 1997]. ten oder wegen der Übertragung des Unterneh-
mens auf mehrere Erben, so sind mindestens die
2.1.2.4 folgenden Merkmale der in Frage kommenden
Rechtsformen von Unternehmen Rechtsformen miteinander zu vergleichen [Steh-
le/Stehle 1992]:
Die Wahl der Rechtsform von Unternehmen ist - Rechtsgrundlagen,
einerseits Gegenstand der Rechtswissenschaften - allgemeine Eignung,
wegen der juristischen Ausgestaltung, anderer- -Gründung,
seits Gegenstand der Betriebswissenschaften we- - Rechtsfähigkeit,
gen der betriebswirtschaftliehen Entscheidungs- - Gesellschaftsvertrag,
probleme der Kapitalbeschaffung, Geschäftsfüh- - Eintragung ins Handelsregister,
rung, des Stimmrechts, der Haftung, der Gewinn- - Gesellschafter,
und Verlustverteilung und der steuerlichen Be- - Kapital- und Mindesteinzahlung,
handlung. - Firmenname,

Unternehmensrechtsformen

Formen des privaten Rechts Formen des öffentlichen Rechts


Körperschaften des öffentl. Rechts
Einzelunternehmen Gesellschaften i.w.S. Anstalten des öffentl. Rechts
Stiftungen des öffentl. Rechts
Ist-Kaufmann Eingetragene Gesellschaften (e.G.) Eigenbetriebe
Kann-Kaufmann Vereine
Form -Kaufmann Stiftungen
Kaufmannkraft Eintragung Europ. Wirtschaft!. Interessen-
Nicht-Kaufmann vereinigung (EWIV)
Sonderformen
Gesellschaften i.e.S.

Personengesellschaften Kapitalgesellschaften

OHG GmbH
KG AG
Stille Gesellschaft KGaA
GbR
GbR mbH

Abb. 2.1-33 Oberblick über die Rechtsformen von Unternehmen

2-38 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1-4 Rechtsformen der Unternehmen des Baugewerbesam 25.05.1987 [Statistisches Bundesamt, Statistisches
Jahrbuch 1997]

Nr. Rechtsform Anzahl Unternehmen Anzahl Beschäftigte


absolut (Tsd.) % absolut (Mio.) %
1 Einzelunternehmen, Personengesellschaften 139,000 76,5 0.76 40,9
2 GmbH 33,000 18,0 0.52 28,0
3 GmbH & Co. KG, KG 10,000 5,5 0,36 19,3
4 AG 0,009 0,0 0,21 11 ,3
5 Sonstige 0,100 0,0 0,00 0,5
6 Summe 182,109 100,0 1,85 100,0

- Gesellschaftsvermögen, - führt die Unternehmung selbständig,


-Haftung, - trägt das Unternehmerrisiko allein und
- Organe, - haftet allein für die Geschäftsverbindlichkei-
- Geschäftsführung (Innenverhältnis), ten unmittelbar und unbeschränkt, d.h. mit
- Vertretung (Außenverhältnis), dem Geschäfts- und dem Privatvermögen.
- Gewinn- und Verlustverteilung,
- Offenlegung und Publizitätspflicht von Jah- Die Vorteile dieser Unternehmensform liegen in
resabschluß und Lagebericht, der individuellen Entscheidungsfreiheit und
- steuerliche Wesensmerkmale. Elastizität des Einzelunternehmers.Als Nachtei-
le sind dagegen zu nennen:
Nach der Arbeitsstättenzählung vom 25.05.1987 - die Abhängigkeit von der Arbeitsfähigkeit des
wurden etwa 182100 Unternehmen des Bau- Einzelunternehmers,
haupt- und des Ausbaugewerbes mit rund - die Gefährdung der Kontinuität der Unter-
1,85 Mio. Beschäftigten gezählt [Statistisches nehmensleitung,
Bundesamt 1997]. Sie verteilten sich auf die ein- - die begrenzte Kapitalkraft des Einzelunter-
zelnen Rechtsformen gemäß Tabelle 2.1-4. nehmers und
Planungsunternehmen werden ebenfalls über- - die schmale Kreditbasis.
wiegend als Einzelunternehmen oder Personen-
gesellschaften geführt. Größere Planungsunter- Personengesellschaften
nehmen wählen die Rechtsform der GmbH und
zunehmend auch der AG. Personengesellschaften besitzen keine eigene
Rechtspersönlichkeit,jedoch eine relative Rechts-
Einzelunternehmen fähigkeit, d.h., sie können unter ihrer Firma
Rechte erwerben und Verbindlichkeiten einge-
Die Firma des Einzelunternehmens umfaßt ge- hen, jedoch nicht klagen und verklagt werden.
mäߧ 18 HGB den Familiennamen des Inhabers Im Vordergrund steht die persönliche Mitglied-
und mindestens einen ausgeschriebenen Vorna- schaft der Gesellschafter, die wiederum natürli-
men. Die Gründung geschieht formlos. Sofern che, juristische oder auch Personengesellschaf-
das Gewerbe einen nach Art und Umfang in ten sein können.
kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäfts- Für die Bauwirtschaft hat die Gesellschaft bür-
betrieb erfordert, ist eine Eintragung im Han- gerlichen Rechts (GbR) besondere Bedeutung als
delsregister erforderlich. Dies ist bei Bauunter- häufige Rechtsform zur Verwirklichung von Ge-
nehmen regelmäßig der Fall, nicht jedoch für meinschaftsinteressen von
Angehörige der freien Berufe wie Architekten - Architekten und Ingenieuren sowie
und Ingenieure(§ 18 Abs.l Nr.1 EStG).Angehö- - Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) aus mehre-
rige der freien Berufe betreiben kein Gewerbe, ren Bauunternehmen.
sind daher keine Kaufleute und unterliegen da-
mit, anders als die Bauunternehmen, (bisher) Rechtsgrundlagen sind die§§ 705-7 40 BGB. Die
nicht der Gewerbesteuerpflicht Vorschriften des HGB sind unanwendbar.
Der Inhaber einer Einzelunternehmung Die Gründung geschieht durch Gesellschafts-
- bringt das Geschäftskapital allein auf, vertrag, mit dem sich die Gesellschafter gegen-

Bauwirtschaftslehre 2-39
seitig verpflichten, die Erreichung eines be- - Kommanditisten, deren Haftung auf die im
stimmten Zweckes in der im Vertrag bestimm- Handelsregister eingetragene Kapitaleinlage
ten Weise zu fördern. Die Gesellschafter haben beschränkt ist. Auch juristische Personen (Ka-
ihre Gesellschaftsbeiträge zu leisten und unter- pitalgesellschaften) können Komplementäre
einander zu haften mit der in eigenen Angele- oder Kommanditisten sein.
genheiten wahrgenommenen Sorgfalt. Das Ge-
sellschaftsvermögen steht allen Gesellschaftern Rechtsgrundlage der KG sind die §§ 161-177
in Gemeinschaft zur gesamten Hand zu. Die Ver- HGB, ergänzend die Vorschriften über die OHG
tretung nach außen wird durch einen oder meh- (§§ 105-160 HGB) und über die Gesellschaft
rere geschäftsführende Gesellschafter wahrge- bürgerlichen Rechts(§§ 705-740 BGB). Die Fir-
nommen. Die Gewinn- oder Verlustverteilung ma muß den Familiennamen mindestens eines
richtet sich nach Köpfen, sofern im Gesell- Komplementärs mit einem auf das Bestehen
schaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist. einer Gesellschaft hinweisenden Zusatz enthal-
Die Gesellschafter haften als Gesamtschuld- ten {§ 19 HGB).
ner, d.h. unmittelbar und unbeschränkt mit In der Bauwirtschaft ist die Kommanditge-
ihrem Geschäfts- und Privatvermögen sowie so- sellschaft als Rechtsform geschlossener Immobi-
lidarisch für die Schulden der Gesellschaft (§ 421 lienfonds (KG-Fonds, aber auch GbR-Fonds)
BGB). Durch Vereinbarung mit den Gläubigern weit verbreitet. Die Zeichner des Zertifikatkapi-
kann die Haftung jedoch auf das Gesellschafts- tals zur Finanzierung jeweils vorher definierter
vermögen oder in anderer Weise beschränkt Liegenschaften erwerben als Kommanditisten
werden. Dann handelt es sich um die Rechtsform einen Teil des üblicherweise von einem Kredit-
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit be- institut treuhänderisch gehaltenen Komman-
schränkter Haftung (GbR mbH). Die beschränk- ditanteils.
te Haftung muß jedoch jedem einzelnen Gläubi- Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditge-
ger gegenüber stets ausdrücklich zum Ausdruck sellschaft, bei der eine GmbH persönlich haf-
gebracht werden, um wirksam zu sein. tender Gesellschafter (Komplementär) und an-
Die Offene Handelsgesellschaft (OHG) ist eine dere Rechtspersonen (meist die Gesellschafter
Personengesellschaft, deren Zweck auf den Be- der GmbH) Kommanditisten sind. Durch die Be-
trieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaft- teiligung der GmbH wird deren Haftung als
licher Firma gerichtet ist und deren Gesellschaf- Komplementär auf deren Vermögen beschränkt.
ter den Gläubigern unmittelbar und unbeschränkt In der Firmenbezeichnung muß die GmbH er-
mit ihrem Gesellschafts- und Privatvermögen für scheinen, da sonst Durchgriffshaftung in Be-
die Gesellschaftsschulden gesamtschuldnerisch tracht kommt. Die auf die beteiligten natürlichen
haften. Rechtsgrundlage sind die§§ 105-160 HGB Personen (Kommanditisten) entfallenden Ge-
sowie ergänzend die §§ 705ff BGB. winnanteile unterliegen bei diesen der Einkom-
Die Firma der OHG hat den Namen (mit oder mensteuer, die Anteile der GmbH als Komple-
ohne Vornamen) wenigstens eines Gesellschaf- mentärin bei dieser der Körperschaftsteuer, die
ters mit dem Zusatz "OHG" oder"& Co." oder auf die Einkommensteuer der Gesellschafter der
die Namen aller Gesellschafter zu enthalten. Die GmbH angerechnet wird. Die GmbH & Co. KG
OHG ist die angesehenste, jedoch im Baugewer- unterliegt mit dem einheitlich und gesondert
be nur wenig verbreitete Rechtsform einer Han- festgestellten Gewinn grundsätzlich der Gewer-
delsgesellschaft. Sofern kein persönlich haften- beertragsteuer.
der Gesellschafter eine natürliche Person ist, Die seit 1974 zulässige Anrechnung der Kör-
muß die Firma eine Bezeichnung erhalten, wel- perschaftsteuer auf die Einkommensteuer der
che die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Gesellschafter hat die Steuernachteile der GmbH
Die Kommanditgesellschaft (KG) ist eine Per- gegenüber der GmbH & Co. KG beseitigt, so daß
sonengesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb seither ein maßgebliches Motiv zur Wahl der
eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftli- Rechtsform GmbH & Co. KG entfallen ist. Durch
cher Firma gerichtet ist, mit zwei Arten von Ge- die Kombination der Haftungsbeschränkungen
sellschaftern: der GmbH mit den steuerlichen Vorteilen der
- Komplementären, d.h. mit ihrem ganzen Ver- KG (z.B. des Gewerbesteuerfreibetrags von
mögen persönlich haftende Gesellschafter 48000 DM gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) wird
und im wesentlichen gleicher Rechtsstellung diese Rechtsform dennoch teilweise gern ge-
wie OHG-Gesellschafter, sowie wählt.

2-40 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Kapitalgesellschaften men mindestens 25000 DM erreichen müssen.
Dabei besteht eine kollektive Deckungspflicht al-
Kapitalgesellschaften sind Handelsgesellschaf- ler Gesellschafter für die Einzahlung des Stamm-
ten, bei denen die kapitalmäßige Beteiligung der kapitals. Gerät ein Gesellschafter mit der Ein-
Gesellschafter im Vordergrund steht. Es ist je- zahlung seines Kapitalanteils in Verzug, so wird
weils ein bestimmtes Mindestkapital vorge- ein Kaduzierungsverfahren (Ausschlußverfah-
schrieben. Eine Beteiligung ohne Kapitaleinlage ren) gegen ihn eingeleitet. Eine Nachschuß-
ist nicht möglich, eine persönliche Mitarbeit der ptlicht besteht über den Betrag der Stammeinla-
Gesellschafter nicht zwingend erforderlich. Zu ge hinaus, sofern dies in der Satzung vereinbart
den Kapitalgesellschaften zählen die Gesell- ist. Dafür existiert jedoch keine kollektive Dek-
schaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die kungspflicht.
Aktiengesellschaft (AG) und die Kommandit- Bei unbeschränkter Nachschußpflicht haben
gesellschaft auf Aktien (KGaA). Sie zählen zur die Gesellschafter ein Abandonrecht, d.h., sie
Rechtsform der juristischen Personen, die ihnen können ihren Geschäftsanteil der Gesellschaft
Rechtsfähigkeit verleiht und für Vertretung und zur Verfügung stellen, um dadurch von einer Ver-
Geschäftsführung besondere Organe erfordert, pflichtung zur Zahlung entbunden zu werden.
die nicht notwendigerweise mit den Gesell- Die GmbH entsteht mit der Eintragung ins
schafterpersonen identisch sein müssen. Handelsregister. Der Gesellschaftsvertrag muß
Kapitalgesellschaften unterliegen der Gewer- Angaben enthalten über die Firma, den Sitz der
besteuer und der Körperschaftsteuer. Die Ge- Gesellschaft, den Gegenstand des Unterneh-
sellschafter zahlen Einkommensteuer unter An- mens, die Höhe des Stammkapitals und die
rechnung der gezahlten Körperschaftsteuer. Stammeinlagen der Gesellschafter. Änderun-
Es bestehen strenge Formvorschriften für die gen sind nur mit einer Mehrheit von drei Viertel
Gründung, die u.a. die notarielle Beurkundung der abgegebenen Stimmen möglich (§53 Abs. 2
der Gesellschaftsverträge erfordern. Die Gesell- GmbHG).
schaftsteuer von 1 o/o des Stammkapitals wurde Organe der Gesellschaft sind der oder die Ge-
mit Wirkung vom 01.01.1992 abgeschafft. schäftsführer, die Gesellschafterversammlung
und ggf. der Aufsichtsrat, Beirat oder Verwal-
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). tungsrat.
Die GmbH ist eine Kapitalgesellschaft mit eige- Der Geschäftsführerwird gemäß Gesellschafts-
ner Rechtspersönlichkeit, an der die Gesell- vertrag oder Beschluß der Gesellschafter be-
schafter mit Einlagen an dem in Stammeinlagen stellt. Im Innenverhältnis wird er durch den An-
zerlegten Stammkapital beteiligt sind und deren stellungsvertrag verpflichtet, wonach die Vor-
Haftung auf die Erbringung der Einlagen und nahme bestimmter Geschäfte nur mit Genehmi-
etwaige Nachschüsse begrenzt ist, ohne persön- gung der Gesellschafterversammlung oder des
lich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu Aufsichtsrats möglich ist. Nach außen hat er je-
haften. doch unbeschränkbare Vertretungsmacht. Häu-
Der Firmenname der GmbH kann eine Sach- fig werden Geschäftsführer vom Verbot des
oder Personenfirma sein. Die Sachfirma muß Selbstkontrahierens nach§ 181 BGB befreit.
vom Gesellschaftszweck abgeleitet sein. Die Per- Die Gesellschafterversammlung hat u.a. zu
sonenfirma muß mindestens den Namen eines bestimmen über die Feststellung des Jahresab-
Gesellschafters enthalten. In beiden Fällen ist der schlusses und die Verwendung des Ergebnisses,
Zusatz "Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Einziehung und Teilung von Geschäftsantei-
(GmbH)" erforderlich. len, die Bestellung, Abberufung, Prüfung und
Rechtsgrundlage ist das GmbH-Gesetz Entlastung von Geschäftsführern sowie die Be-
[GmbHG 1899, 1999].Das Stammkapital beträgt stellung von Prokuristen. Beschlüsse der Gesell-
mindestens 50000 DM, je Stammeinlage minde- schafterversammlung werden mit einfacher
stens 500 DM. Die Beteiligung kann für die ein- Stimmenmehrheit gefaßt (100 DM= eine Stim-
zelnen Gesellschafter verschieden hoch sein. Die me, sofern in der Satzung nichts anderes be-
Errichtung einer GmbH erfolgt durch eine oder stimmt ist) bis auf die Satzungsänderung und
mehrere Personen mit Abschluß eines Gesell- die Auflösung, die nach § 53 und § 60 GmbHG
schaftsvertrags in notarieller Form. Mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen erfordern.
25 o/o jeder Stammeinlage müssen eingezahlt Aufsichtsrat, Beirat und Verwaltungsrat sind
sein, wobei die Bar- und Sacheinlagen zusam- fakultative Organe, die in der Satzung vorgese-

Bauwirtschaftslehre 2-41
hen werden können. Bei mehr als 500 Arbeit- siko höher eingestuft wird als das Interesse der
nehmern muß die GmbH jedoch einen Auf- Kunden und Lieferanten, Arbeitnehmer, Gläubi-
sichtsrat bilden, für den die aktienrechtlichen ger und der Öffentlichkeit.
Vorschriften Anwendung finden (§ 77 BetrVG Die GmbH ist wegen ihrer eindeutigen Kapi-
1952; § 6 MitBestG 1976]. talstruktur und der Haftungsbeschränkung so-
Nach §§ 325-329 HGB sind Kapitalgesell- wie der gesetzlichen Grundlage durch das
schaften verpflichtet, die Öffentlichkeit über das GmbHG die angemessene Rechtsform für Bau-
Betriebsgeschehen, die Lage und Erfolge ihrer unternehmen und auch für große Planungsge-
Unternehmung sowie über die Ursachen ihrer sellschaften.
geschäftlichen Entwicklung zu informieren (Pu-
blikationspflicht). Der Veröffentlichungsumfang Aktiengesellschaft (AG). Die AG ist eine Han-
richtet sich nach der Größenklasse gemäß § 267 delsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlich-
HGB. Danach ist zu unterscheiden zwischen keit,deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in
kleinen, mittleren und großen Kapitalgesell- Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind, oh-
schaften, sofern mindestens zwei der drei Krite- ne persönlich für die Verbindlichkeiten der Ge-
rien in Tabelle 2.1-5 erfüllt werden. sellschaft zu haften. Für die Verbindlichkeiten
Kleine Kapitalgesellschaften haben die Jahres- der AG haftet den Gläubigern nur das Gesell-
bilanz mit verkürztem Anhang, den Ergebnis- schaftsvermögen.
verwendungsvorschlag und -beschluß zum Han- Rechtsgrundlagen sind das Aktiengesetz (AktG
delsregister einzureichen und die Einreichung 1965, 1998) und das Gesetz für kleine Aktienge-
im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Mittel- sellschaften zur Deregulierung des Aktienrechts
große und große Kapitalgesellschaften haben die ( 1994), das Gesetz zur Bereinigung des Umwand-
Jahresbilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, lungsrechts (UmWBerG 1994), das Gesetz zur
den Anhang, den Lagebericht, den Prüfungsver- weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes
merk, den Bericht des Aufsichtsrates sowie den Deutschland (3. FinanzmarktförderungsG 1998).
Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluß Die AG unterliegt der Mitbestimmung der Ar-
zu veröffentlichen, wobei mittelgroße Unterneh- beitnehmer auf Unternehmensebene nach dem
men die Unterlagen zum Handelsregister einzu- Montan-Mitbestimmungsgesetz (MoMitBestG),
reichen und die Einreichung im Bundesanzeiger dem Mitbestimmungsgesetz (MitBestG) und dem
bekanntzumachen haben, während große Ge- Betriebsverfassungsgesetz 1952 (BetrVG 1952).
sellschaften die Unterlagen im Bundesanzeiger Die Gründung erfordert mindestens fünf
zu veröffentlichen und zum Handelsregister ein- Gründer. Bei kleineren (nicht börsennotierten
zureichen haben. Die Offenlegungsfrist beträgt AGs) genügt ein Gründer (S. 2 AktG,s.u.). Diese
bei großen und mittelgroßen Kapitalgesell- sind verantwortlich für die Aufstellung und die
schaften bis zu 9 Monate nach dem Bilanzstich- notarielle Beurkundung der Satzung, die Anga-
tag, bei kleinen bis zu 12 Monate. ben enthalten muß über die Firma, den Sitz, den
Die Publikationspflicht wird von kleinen und Gegenstand des Unternehmens, das Grundkapi-
mittleren Kapitalgesellschaften bisher nur un- tal, den Nennwert der Aktien, die Art der Zu-
zureichend erfüllt, da das Bekanntwerden von sammensetzung des Vorstands sowie die Form
Betriebsgeheimnissen befürchtet und dieses Ri- für die Bekanntmachungen der AG. Die Firma ist
i.d.R. dem Gegenstand des Unternehmens zu
entnehmen und muß den Zusatz"AG" enthalten.
Tabelle 2.1-5 Größenklassen von Kapitalgesellschaften Das in Aktien zerlegte Grundkapital beträgt
nach § 267 HGB
mindestens 100000 DM, der Mindestnennbetrag
Kapitalgesellschaften
einer Aktie 5 DM, künftig mit Einführung des
Kriterien
kleine mittlere große Euro 1 Euro (etwa 2 DM). Neben Stammaktien
Bilanzsumme (Normalfall) existieren in bestimmten Unter-
inMio.DM !> 5,31 !> 21,24 > 21 ,24 nehmen auch Vorzugsaktien (Gewährung von
Jahresumsatz Vorzugsrechten z.B. bei der Gewinnverteilung
inMio.DM ::-;; 10,62 ::-;; 42,48 > 42,48 oder beim Stimmrecht).
Anzahl Eine Aktienemission wird zum Kurswert nicht
Arbeitnehmer ~ 50 ~ 250 > 250
unter dem Nennwert vorgenommen, also i.d.R.
über pari. Das Agio (Aufgeld) ist der gesetzlichen
Rücklage zuzuführen.

2-42 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Zu unterscheiden ist ferner zwischen brauchen nicht Aktionäre der Gesellschaft zu
- Inhaberaktien (Normalform; Übertragung sein, dürfen aber nicht dem Vorstand angehören.
durch Einigung und Übergabe), Eine natürliche Person darf maximal zehn Auf-
- Namensaktien (Eintrag der Erwerber im Ak- sichtsratssitze inne haben. Ferner besteht ein
tienbuch; ggf. Übertragung an Zustimmung Verbot der Überkreuzverflechtung, d.h., sofern
der Gesellschaft gebunden) und ein Vorstandsmitglied in der AG 1 gleichzeitig
- Belegschaftsaktien (Angebot von Aktien an Aufsichtsrat in der AG 2 ist, darf ein Vorstands-
die Arbeitnehmer zwecks Kapitalerhöhung, mitglied aus der AG 2 nicht Aufsichtsratsmitglied
d.h. Umwandlung von Rücklagen in Nennka- in der AG 1 sein(§ 100 Abs. 2 AktG).
pital oder Verkauf eigener Aktien zum Vor- Der Aufsichtsrat muß mindestens halbjährlich
zugskurs). einberufen werden. Die Aufgaben des Aufsichts-
rates bestehen in
Organe der Gesellschaft sind die Hauptver- - der Bestellung und Abberufung des Vorstands,
sammlung, der Aufsichtsrat und der Vorstand. - der Überwachung der Geschäftsführung so-
Die Gründer bestellen den ersten Aufsichtsrat, wie
dieser bestellt den Vorstand. Später wird der Auf- - der Prüfung des Jahresabschlusses, des Ge-
sichtsrat durch die Hauptversammlung gewählt. schäftsberichts und des Gewinnverwendungs-
In der Hauptversammlung nehmen die Aktio- vorschlags.
näre ihre Rechte in Angelegenheiten der AG
wahr. Sie beschließt in allen von Gesetz oder Sat- Der Aufsichtsrat hat in einem schriftlichen Be-
zung bestimmten Fällen, insbesondere richt der Hauptversammlung das Ergebnis sei-
- Bestellung der Aktionärsvertreter für den Auf- ner Prüfung des Jahresabschlusses, des Lagebe-
sichtsrat, richts, des Vorschlags der Geschäftsführung über
- Verwendung des Bilanzgewinns, die Gewinnverwendung und des vom Abschluß-
- Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, prüfer erstellten Prüfungsberichts mitzuteilen.
- Bestellung der Abschlußprüfer, Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat für maxi-
- Beschluß über Satzungsänderungen, mal fünfJahre bestellt, jedoch ist wiederholte Be-
- Beschluß über Maßnahmen der Kapitalbe- stellung zulässig(§ 84 AktG). Bei den unter das
schaffung und -herabsetzung, MitBestG 1976 fallenden AG und GmbH ist als
- Beschluß über Auflösung der AG. gleichberechtigtes Mitglied neben den anderen
Vorstandsmitgliedern ein Arbeitsdirektor zu be-
Der Aufsichtsrat besteht nach BetrVG 1952 bei stellen.
weniger als 2000 Beschäftigten aus mindestens Aufgaben des Vorstands sind:
drei und je nach Höhe des Grundkapitals bis - eigenverantwortliche Leitung(§ 76 AktG),
3 Mio. DM höchstens neun und über 20 Mio. DM - gerichtliche und außergerichtliche Vertretung
höchstens 21 Mitgliedern, nach MitBestG 1976 der AG(§ 78 AktG),
bei mehr als 2000 Beschäftigten aus mindestens - Vorbereitung und Ausführung von Hauptver-
zwölf bis mindestens 20 Mitgliedern bei über sammlungsbeschlüssen (§ 83 AktG),
20000 Beschäftigten. Nach dem MitBestG 1976 - Berichterstattung an den Aufsichtsrat minde-
besteht der Aufsichtsrat bei bis zu 10000 Arbeit- stens vierteljährlich(§ 90 AktG),
nehmern aus je sechs Vertretern der Anteilseig- - Sorgepflicht für Buchführung(§ 91 AktG),
ner und der Arbeitnehmer einschließlich der - Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht bei der Ge-
Leitenden Angestellten und der Vertreter der Ge- schäftsführung(§ 93 AktG),
werkschaften. - Einberufung der Hauptversammlung (§ 121
Der Aufsichtsrat- mit Ausnahme der Arbeit- AktG),
nehmervertreter- wird von der Hauptversamm- - Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses
lung gewählt. Die Aufsichtsratsmitglieder der und Lageberichts an den Abschlußprüfer
Arbeitnehmer und der Gewerkschaften nach § 7 (§§ 264,290,320 HGB),
Abs.2MitBestGwerdengemäߧ 15und§ 16von - Offenlegung des Jahresabschlusses und Lage-
den Delegierten der Arbeitnehmer gemäߧ 10 berichts(§§ 325ffHGB).
MitBestG gewählt. Die Amtsdauer beträgt maxi-
mal vier Bilanzjahre. Der Aufsichtsrat wählt aus Der Arbeitsdirektor kann nicht gegen die Stim-
seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens men der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat
einen Stellvertreter. Die Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden. Er ist somit Vertrauensperson

Bauwirtschaftslehre 2-43
der Arbeitnehmer und Gewerkschaften und ver- tionäre der Gesellschaft namentlich bekannt
tritt i.d.R. das Ressort Personal und Soziales. sind(§ 121 Abs. 4 AktG)
über die Verwendung des Bilanzgewinns be- - Verzicht auf notarielle Beurkundung der Be-
schließt die Hauptversammlung auf Vorschlag schlüsse der Hauptversammlung,"soweit kei-
des Vorstands und Nachprüfung durch den Auf- ne Beschlüsse gefaßt werden, für die das Ge-
sichtsrat. 5 v. H. des Jahresüberschusses sind setz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit
gemäߧ 150 AktG der gesetzlichen Rücklage zu- bestimmt"(§ 130 Abs.1 AktG)
zuführen, bis diese und weitere Kapitalrücklagen - Verzicht auf Mitbestimmung der Arbeitneh-
~ 10o/o oder den in der Satzung bestimmten mer im Aufsichtsrat, sofern in kleinen (nicht
höheren Teil des Grundkapitals erreichen. Der börsennotierten) Aktiengesellschaften weni-
auf die einzelne Aktie entfallende Anteil vom ger als 500 Arbeitnehmer beschäftigt werden
Bilanzgewinn verbleibt als Dividende, i.d.R. in und die AG nicht vor dem 10. August 1994 in
DM pro Mindestnennwert oder in o/o des Nenn- das Handelsregister eingetragen wurde (§ 76
wertes ausgedrückt. Sie wird aufgrund des Jah- Abs. 6 BetrVG 1952)
resabschlusses vom Vorstand vorgeschlagen,
vom Aufsichtsrat geprüft und von der Hauptver- Mit der Reform des Aktiengesetzes und dessen
sammlung beschlossen. Anlehnung an das GmbH-Recht soll somit mit-
Die Aktiengesellschaft ist eine in der Bauwirt- telständischen Unternehmen durch eine "Auf-
schaft bisher v.a. bei den großen Bau-AGs vor- wärmphase" der Gang an die Börse erleichtert
kommende Rechtsform, wobei zunehmend werden durch die Vorschaltung einer "kleinen
"Kleine AGs" in Bauunternehmen und auch Pla- AG", die die Ein-Mann-Gründung, die Einberu-
nungsbüros Verbreitung finden, deren Aktien fung der Hauptversammlung mittels einge-
noch nicht zum börsenmäßigen Handel nach schriebenen Briefes, den Abbau von Formerfor-
§§ 36-49 BörsG (1896, 1998) zugelassen sind. dernissen bei der Beschlussfassung in der Haupt-
Die "Kleine AG" wurde ermöglicht durch das versammlung und die Befreiung von der Mitbe-
Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur stimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Deregulierung des Aktienrechts vom 02.08.1994 zuläßt.
(BGBl I, 1961). Dessen Zielsetzungen bestehen
darin, 2.1.3
- die Aktiengesellschaft auch für den Mittel- Arbeits- und Tarifrecht in der Bauwirtschaft
stand nutzbar zu machen,
- dem Eigenkapitalmangel mittelständischer Das Arbeitsrecht wird definiert als das Sonder-
Unternehmen zu begegnen, recht der Arbeitnehmer. Es umfaßt die Gesamt-
- durch eine kleine, nicht börsennotierte AG heit aller Rechtsregeln, die sich mit der unselb-
den Börsengang (going public) vorzubereiten ständigen, abhängigen Arbeit der in einem Un-
und ternehmen beschäftigten Personen befassen, die
- ein Entbürokratisierungsbeispiel für die EU fremdbestimmte Arbeit leisten und dabei an
zu liefern ("Es geht nicht an, dass Brüssel im- Weisungen hinsichtlich Art, Ausführung, Ort
mer als Vorbild das perfekte deutsche Aktien- und Zeit der Arbeit gebunden sind [Richardi
recht, das sich am Niveau von Siemens, Bayer 1998).
oder Höchst orientiert, auch gemeinschafts- Das individuelle Arbeitsrecht beinhaltet die
weit für alle kleinen und mittleren europäi- rechtliche Regelung der Beziehungen zwischen
schen Unternehmen einführt" (Haan 1995, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das kollekti-
S.17)). ve Arbeitsrecht dagegen die Beziehungen zwi-
schen den Zusammenschlüssen, d. h. von Arbeit-
Die Deregulierung für kleine, nicht börsenno- geberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern
tierte AGs wird im wesentlichen durch folgende einerseits sowie Gewerkschaften oder Betriebs-
Vereinfachung erreicht: räten andererseits.
- Zulassung der Einpersonengründung (§§ 2 Das Arbeitsrecht ist bisher in viele Einzelge-
und42AktG) setze zersplittert, z. B. Betriebsverfassungs-, Kün-
- Verzicht auf Hinterlegung des Gründungsbe- digungsschutz- und Jugendarbeitsschutzgesetz,
richts bei der IHK (§§ 34, 37,40,183 AktG) Arbeitszeitordnung sowie §§6llff BGB und
- Einberufung der Hauptversammlung nur §§ 105ff GewO. Es gibt bisher in Deutschiarid
durch eingeschriebenen Brief, sofern die Ak- kein einheitliches und zusammenfassendes Ar-

2-44 Bauwirtschaft und Baubetrieb


beitsgesetzbuch. Daher ist das Arbeitsrecht zu - Lieferanten,
einem erheblichen Teil Richterrecht. Die Arbeits- -Kunden und
gerichte sehen sich zur Schließung von Geset- - interessierter Öffentlichkeit.
zeslücken und zur Rechtsfortbildung veranlaßt.
Arbeitsrecht ist einerseits zwingendes Recht, Die unternehmensinterne Aufgabe besteht in der
andererseits sind abweichende Vereinbarungen Bereitstellung von Unterlagen für die wirtschaft-
möglich, wenn diese den Arbeitnehmer günsti- liehe Steuerung des betrieblichen Geschehens
ger stellen (Günstigkeitsprinzip ). sowie für die Preisermittlung. Das Rechnungs-
Ferner gilt für die Rangfolge arbeitsrechtli- wesen hat damit insbesondere Zahlen zu liefern
cher Regelungen der Vorrang des Kollektivrechts über
vor dem Individualrecht und nach dem Grund- - Vermögen und Kapital,
satz des Art. 31 GG Bundesrecht vor Landesrecht, - Aufwendungen, Erträge und Erfolg sowie
d.h. folgende Rangreihe: - Kosten, Leistungen und Ergebnisse.
- Grundgesetz,
- Bundesgesetze, Dabei sind die Grundsätze ordnungsgemäßer
- Länderverfassung, Buchführung und Bilanzierung sowie darüber
- Ländergesetze, hinausgehende handels-, steuer- und preisrecht-
- Tarifverträge, liehe sowie sonstige einschlägige gesetzliche
- Betriebsvereinbarung, Vorschriften zu beachten.
- Arbeitsvertrag.
2.1.4.1
Ferner gilt jedoch auch das Ordnungsprinzip für Aufbau des betrieblichen Rechnungswesens
das Verhältnis einander ablösender kollektiver
Ordnungen. Danach gelten der spätere Tarifver- Aus der Verschiedenartigkeit der Aufgaben hat
trag oder die spätere Betriebsvereinbarung vor sich eine Zweiteilung des Rechnungswesens er-
den jeweils früheren, auch wenn die neuen Ver- geben in
einbarungen zu schlechteren Arbeitsbedingun- - die Unternehmensrechnung (Finanz- oder
gen für die Arbeitnehmer führen. Insoweit gilt Geschäftsbuchhaltung), die den außerbetrieb-
das Günstigkeitsprinzip nicht. lichen Werteverkehr einer Unternehmung
Vertiefende Informationen zu ausgewählten (den äußeren Kreis) aus Geschäftsbeziehun-
Rechtsgrundlagen des Arbeitsrechtes, zum Be- gen zur Umwelt und die dadurch bedingten
triebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetz Veränderungen der Vermögens- und.Kapital-
sowie zum Tarifrecht in der Bauwirtschaft ent- verhältnisse erfaßt durch Aufstellung von Bi-
halten [Diederichs 1999] und weiter die einschlä- lanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen
gigen Titel im Literaturverzeichnis. einschließlich ihrer Auswertung, und
- die Baubetriebsrechnung (Betriebsbuchhal-
2.1.4 tung), die - auf den Werten ·der Finanzbuch-
Unternehmensrechnung haltung aufbauend - der innerbetrieblichen
Abrechnung dient (innerer Kreis) zur zahlen-
Ganz allgemein ist das Rechnungswesen ein zah- mäßigen Erfassung und Darstellung der Pro-
lenmäßiges Spiegelbild aller wirtschaftlichen . dUktionstätigkeit des Betriebs. Tabelle 2.1-6
Unternehmens- und Betriebsvorgänge. Es dient zeigt die Systembereiche des baubetrieblichen
dazu, alle in Zahlen ausdrückbaren wirtschaftli- Rechnungswesens.
chen Tatbestände und Vorgänge mengen- und
wertmäßig zu erfassen, zu verarbeiten und in Er- Kontenrahmen
füllung unternehmensexterner und unterneh-
mensinterner Aufgaben auszuwerten. Zur aufschlußreichen Buchführung innerhalb
Zu den unternehmensexternen Aufgaben eines Wirtschaftszweiges gehört der Kontenrah-
gehört in erster Linie die Rechenschaftslegung men, der für eine systematische Anordnung und
gegenüber Gliederung der Konten und damit auch des Bu-
- Gesellschaftern, chungsstoffes sorgt. Sachlich gleichartige Kon-
- Gläubigern, ten werden nach Kontengruppen geordnet, die
- Finanzbehörden, wiederum in Kontenklassen gegliedert sind. Die
- Arbeitnehmern, Anzahl der Konten und Unterkonten richtet sich

Bauwirtschaftslehre 2-45
Tabelle 2.1·6 Systembereiche des baubetrieblichen Rechnungswesens

Unternehmensrechnung Baubetriebsrechnung
Bilanz Gewinn- und Bauauftrags- Kosten-, Soll/Ist- Kennzahlen-
Verlustrechnung rechnung Leistungs-, Vergleichs· rechnung
Ergebnis- rechnung
rechnung
Aktiva Erlöse und Erträge aus Vorkalkulation Abgrenzungs- von Mengen für Bauauftrags-
- Anlage- - Umsatz rechnung rechnung
vermögen - anderen Leistungen Auftrags- Kosten- von Werten aus Kosten-,
- Umlauf- - Gewinngemeinschaften kalkulation rechnung Leistungs-,
vermögen -Beteiligungen Ergebnis
- Verlust - Finanzanlagen Arbeits- Leistungs· rechnung
- Zinsen usw. kalkulation rechnung
-Sonstigem aus Soll/Ist-
Nachtrags- Ergebnis-
Passiva Aufwendungen für Vergleichs·
kalkulation rechnung
- Eigenkapital rechnung
- Roh·/Hilfs-/Betriebsstoffe
- Fremdkapital - bezogene Waren Nach-
-Gewinn -Löhne kalkulation
- Sozialabgaben
- Abschreibungen
-Zinsen usw.
- Sonstiges
Jahresüberschuß/-fehlbetrag
Gewinn-Nerlustvortrag aus
dem Vorjahr
Entnahmen aus offenen Rücklagen
Einstellungen aus Jahresüber-
schuß in offene Rücklagen
Reingewinn/·verlust

nach den einzelbetrieblichen Bedürfnissen und Für die Bauwirtschaft wurde 1973 der Baukon-
Wünschen. Für Gliederung und Kodierung der tenrahmen von den beiden Spitzenverbänden
Konten wird allgemein das Zehnersystem ange- der Deutschen Bauwirtschaft (Hauptverband
wandt: der Deutschen Bauindustrie und Zentralver-
1. Stelle = Kontenklasse, band des Deutschen Baugewerbes) auf der Basis
2. Stelle = Kontengruppe, des Industriekontenrahmens 1971 (BKR 73 auf
3. Stelle = Konto, der Basis des IKR 1971} veröffentlicht und mit
4. Stelle = Unterkonto. Einführung des Bilanzrichtliniengesetzes zum
BKR 87 fortgeschrieben (Tabelle 2.1-7).
Der Kontenrahmen soll nicht nur ein systemati- Der BKR 87 ist gegliedert in Bilanz- und Er-
sches Kontenverzeichnis zwecks einheitlicher folgskonten, in Eröffnung und Abschluß sowie in
Buchung der Geschäftsvorfälle sein, sondern Konten für die Kosten- und Leistungsrechnung:
auch einen Organisationsplan der betrieblichen - die Klassen 0 bis 2 enthalten die aktiven, die
Rechnungslegung bilden. Er muß daher einen Klassen 3 bis 4 die passiven Bestandskonten,
einwandfreien Einblick in die Rechnungslegung - Klasse 5 nimmt die Ertragskonten auf, die
hinsichtlich Vermögensstand und -änderung, Klassen 6 und 7 enthalten die Aufwandskonten,
Eigen- und Fremdkapital sowie Aufwendungen - Klasse 8 ist den Eröffnungs- und Abschluß-
und Erträge in ihrem zeitlichen Ablauf gewähren. konten vorbehalten, Klasse 9 der Kosten- und
Nach allgemeinen betriebswirtschaftliehen Leistungsrechnung.
Grundsätzen dient ein branchenbezogener Kon-
tenrahmen dem systematischen Aufbau der Das Bilanzrechtwird im wesentlichen im 3. Buch
Buchführung dieses Wirtschaftszweiges. Er bildet des HGB (§§ 238-339) geregelt. Der LAbschnitt
somit die Grundlage für den Kontenplan jedes enthält diejenigen Vorschriften über die Buch-
einzelnen Unternehmens. führung und Bilanzierung, die von allen Kauf-

2-46 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1 -7 Baukontenrahmen 1987 (BRK87)

Bilanzkonten Erfo Igskonten Eröffnun~ und Abschluß


Aktiva Passiva
Kontenklasse o Kontenklasse 3 Kontenklasse S Kontenklasse 8
Sachanlagen und Eigenkapital, Erträge Abgrenzungen und
immaterielle Vermögens· Wertberichtigungen und so Umsatzerlöse aus Abschluß
gegenstände Rückstellungen Bauleistungen 80 Betriebsergebnis-
00 Ausstehende Einlagen; 30 Kapitalkonten/Gezeich - 51 Umsatzerlöse aus rechnung
Aufwendungen für die netes Kapital Lieferungen u. Leistungen 81 Periodische Ergebnis-
Ingangsetzung u. Erweite· 31 Kapitalrücklagen u. Ergebnisanteile von abgrenzungen
rung des Geschäftsbetriebs; 32 Gewinnrücklagen Arbeits- u. Beteiligungs- 82 Kalkulatorische
immaterielle Vermögens- 33 Ergebnisverwendung gemeinschatten Ergebnisabgrenzungen
gegenstände 34 Ausgleichsposten 52 Sonstige Umsatzerlöse 83 Umwertungs-
01 Grundstücke u.grund· 35 Sonderposten mit Rück- 53 Erhöhung od. Verminde- abgrenzungen
stücksgleiche Rechte mit Iageanteii rung des Bestands an ferti· 84 Sonstige Ergebnis-
Geschäfts-, Fabrik· u. 36 Wertberichtigungen gen u. unfertigen Erzeugnis- rechnung
anderen Bauten 37 ROckstellungen für Pen- sen u. Bauleistungen 85 Kurzfristige Erfolgs·
02 Grundstücke u.grund- sionen und ähnl. Verpflich· 54 Andere aktivierte rechnung (KER)
stücksgleiche Rechte mit tungen Eigenleistungen 86 Gewinn- und
Wohnbauten 38 Steuerrückstellungen SS Erträge aus Beteili· Verlustrechnung
03 Grundstücke u.grund- 39 Sonstige Rückstellungen gungen u.sonstigen 87 Bilanzrechnung
stücksgleiche Rechte Finanzanlagen 88Frei
04 Bauten auf fremden Kontenklasse 4 56 Sonstige Zinsen u. 89Frei
Grundstücken Verbindlichkeiten und ähnliche Erträge
05 Baugeräte passive Rechnungs· 57 Erträge aus Abgang Kontenklasse 9
06 Techn.Anlagen u. abgrenzung von/aus Zuschreibungen 90 Aus der Unternehmens-
stationäre Maschinen 40 Anleihen u.Verbindlich· zu Gegenständen des rechnung übernommene
07 Betriebs· und Geschäfts- keilen gegenüber Kredit- Anlagevermögens Aufwendungen und Erträge
ausstanung instituten 58 Erträge aus Auflösungen 91 Unternehmensbezogene
08 Anlagen im Bau u. 41 Erhaltene Anzahlungen von Wertberichtigungen, Abgrenzungen
geleistete Anzahlungen auf Bestellungen Rückstellungen u. Sonder- 92 Betriebsbezogene
09Frei 42 Verbindlichkeiten aus posten mit Rücklageanteil Abgrenzungen
Lieferungen u. Leistungen 59 Sonstige Erträge; Erträge 93 Kosten- und
Kontenklasse 1 43 Verbind lieh keilen aus Verlustübernahme u. Leistungsarten
Finanzvermögen gegenüber Arbeitsgemein- außerordentliche Erträge 94 Schlüsselkosten
10 Anteile an verbundenen schatten 95 Verwaltung
Unternehmen 44 Verbindlichkeiten aus Kontenklasse 6 96 Hilfsbetriebe und
11 Ausleihungen an ver- Annahme gezogener Betriebliche Aufwen- Verrechnungskostenstellen
bundene Unternehmen Wechsel u. Ausstellung dungen - Kostenarten 97 Baustellen
12 Beteiligungen eigener Wechsel 60 Personalaufwendungen 98 Übergangskostenstellen
13 Ausleihungen an Unter- 45 Verbindlichkeiten für gewerbl. Arbeitnehmer. zu Gemeinschaftsbaustellen
nehmen, mit denen ein Be- gegenüber verbundenen Poliere u. Meister sowie (z. B. Argen)
teiligungsverhältnis besteht Unternehmen u. Beteili- Auszubildende 99 Ergebnisrechnung
14 Wertpapiere des gungsgesellschaften 61 Personalaufwendungen
Anlagevermögens 46 Verbindlichkeiten aus für techn./kaufrn. Ange-
15 Sonstige Ausleihungen Steuern stelle sowie Auszubildende
16 Anteile an verbundenen 47 Verbindlichkeiten im 62 Aufwendungen für Roh-,
Unternehmen Rahmen der sozialen Hilfs- u. Betriebsstoffe,
17Eigene Anteile Sicherheit Ersatzteile sowie für
18 Sonstige Wertpapiere u. 48 Andere sonstige bezogene Waren
Schuldscheindarlehen Verbindlichkeiten 63 Aufwendungen für
19 Schecks; Kassenbestand; 49 Passive Rechnungs- Rüst- u. Schalmaterial
Guthaben bei Bundesbank abgrenzungsposten 64 Aufwendungen für
u. Kreditinstituten Baugeräte
65 Aufwendungen für
Kontenklasse 2 Baustellen·, Betriebs· u.
Vorräte, Forderungen Geschäftsausstattung
und aktive Rechnungsab- 66 Aufwendungen für
grenzung bezogene Leistungen
20 Roh-,Hilfs- u.Betriebs- 67 Versch. Aufwendungen
stoffe; Ersatzteile 68 Aufwendungen aus Zu-
21 Nicht abgerechnete führung zu Rückstellungen
(unfertige) Bauleistungen; 69 Frei (für innerbetriebl.
unfertige Erzeugnisse Leistungsverrechnung)
22 Fertige Erzeugnisse u.
Waren

Bauwirtschaftslehre 2-4 7
Tabelle 2.1·7 Fortsetzung

Bilanzkonten Erfolgskonten
Aktiva
Kontenklasse 2 (Forts.) Kontenklasse 7
Vorräte, Forderungen Sonstige Aufwendungen
und aktive Rechnungsab· 70 Abschreibungen auf akti-
grenzung vierte Aufwendungen für
23 Geleistete Anzahlungen Ingangsetzung u. Erweite-
aufVorräte rung des Geschäftsbetriebs
24 Forderungen aus Liefe- 71 Abschreibungen auf
rungen u. Leistungen ein- Finanzanlagen u. Wertpa-
schl. Wechselforderungen piere des Umlaufvermögens
25 Forderungen gegen 72 Verluste aus Wertminde-
Arbeitsgemeinschaften rungen od. Abgang von
26 Frei für interne Vorräten
Verrechnungskonten 73 Verluste aus Wertminde-
27 Forderungen gegen ver- rungen von Gegenständen
bundene Unternehmen u. des Umlaufvermögens
Beteiligungsgesellschaften außer Vorräten u. Wertpa-
28 Sonstige Vermögens- pieren sowie aus Erhöhung
gegenstände der Pauschalwertberichti-
29 Aktive Rechnungs· gung zu Forderungen
abgrenzungsposten; 74 Verluste aus Abgang von
Steuerabgrenzung Gegenständen des Umlauf-
vermögens außer Vorräten
75 Verluste aus Abgang von
Gegenständen des Anlage-
vermögens
76 Zinsen u.ähnl.
Aufwendungen
77 Steuern vom Einkom-
men, vom Ertrag u. sonst.
Steuern
78 Einstellungen in Sonder-
posten mit Rücklageanteil
79 Andere Aufwendungen;
Aufwendungen aus Verlust-
übernahme; außerordentl.
Aufwendungen

leuten zu beachten sind (Grundsätze ordnungs- Buchführungsvorschriften


mäßiger Buchführung und Bilanzierung (GoB)).
Der 2.Abschnitt enthält ergänzende Vorschriften Nach§ 238 Abs. l HGB ist jeder Kaufmann ver-
für Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH) pflichtet, Bücher zu führen und in ihnen seine
und der 3.Abschnitt solche für eingetragene Ge- Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens
nossenschaften. nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buch-
Die Unternehmensrechnung dient der Aufstel- führung ersichtlich zu machen. Statt des in Geset-
lung von Jahresabschlüssen (zur Darstellung des zestexten noch vorhandenen Begriffs"Buchfüh-
Vermögens und der Schulden zum Jahresab- rung" hat sich in der Praxis der Begriff "Rech-
schluß) sowie von Gewinn- und Verlustrechnun- nungswesen" durchgesetzt.
gen (zur Gegenüberstellung der Aufwendungen Jeder Kaufmann hat gemäß § 240 HGB zu Be-
und Erträge des Geschäftsjahres) und ihrer Aus- ginn seines Handelsgewerbes und danach für den
wertung. Die Hauptaufgabe der Unternehmens- Schluß eines jeden Geschäftsjahres ein Inventar
rechnung ist darin zu sehen, die finanzwirt- (Verzeichnis der Vermögensgegenstände und
schaftliche Rechnungslegung nach Vermögens- Schulden) aufzustellen. Dazu hat er gemäß § 242
und Kapitalbeständen sowie nach Aufwendun- HGB zu Beginn seines Handelsgewerbes und für
gen und Erträgen ordnungsgemäß vornehmen den Schluß eines jeden Geschäftsjahres einen das
und insbesondere den Jahresabschluß mühelos Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden
erstellen zu können. darstellenden Abschluß (Eröffnungsbilanz, Bi-

2-48 Bauwirtschaft und Baubetrieb


lanz) aufzustellen. Dazu hat er für den Schluß ei- Die Grundregeln für Buchungen auf den Be-
nes jeden Geschäftsjahres eine Gegenüberstel- standskonten der Bilanz und Erfolgskonten der
lung der Aufwendungen und Erträge des Ge- Gewinn- und Verlustrechnung werden in Abb.
schäftsjahres aufzustellen (Gewinn- und Verlust- 2.1-34 deutlich:
rechnung).Die Bilanz sowie die Gewinn- und Ver- - Jedes Konto hat eine linke Seite (Soll) und ei-
lustrechnung bilden den Jahresabschluß. ne rechte Seite (Haben).
Gemäߧ 243 HGB ist der Jahresabschluß nach - Auf den Aktivkonten der Bilanz werden die
den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung Zugänge auf der linken Seite (Soll}, auf den
aufzustellen. Er muß klar und übersichtlich sein Passivkonten auf der rechten Seite (Haben)
sowie gemäß § 245 HGB vom Kaufmann unter gebucht.
Angabe des Datums unterzeichnet werden. - Aufwendungen werden immer auf der linken
Unternehmen, denen handelsrechtliche Ver- Seite (Soll) gebucht, Erträge immer auf der
pflichtungen auf dem Gebiet der Buchführung rechten Seite (Haben).
obliegen, haben diese gemäß Abgabenordnung
auch für die Besteuerung zu erfüllen (§ 140 AO ). Aufwands- und Ertragskonten sind Unterkonten
Bei einem Jahresumsatz >500.000 DM, einem (Vorkonten) ·des Kapitalkontos zum Abschluß
Betriebsvermögen > 125.000 DM oder einem Ge- der Gewinn- und Verlustrechnung.
winn aus einem Gewerbebetrieb >48.000 DM Der Unternehmenserfolg (Gewinn oder Ver-
jährlich ist jedes Unternehmen nach§ 141 Abs.1 lust) ergibt sich sowohl aus der Differenz zwi-
AO verpflichtet, Bücher zu führen und aufgrund schen Aktiv- und Passivkonten zum Stichtag so-
jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu wie aus der Differenz zwischen den Ertrags- und
machen. Unternehmen, die weder nach Han- Aufwandskonten zum Stichtag. Nach dem Bu-
delsrecht noch nach § 141 AO bilanzpflichtig chungssatz werden die von einem Geschäftsvor-
sind, können den steuerpflichtigen Gewinn als fall betroffenen Konten in der Weise angespro-
überschuß der Betriebseinnahmen über die Be- chen, daß die auf der linken Seite (im Soll) be-
triebsausgaben nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln troffenen Konten zuerst und die auf der rechten
(Istversteuerung). Sie haben aber aufgrund des Seite (im Haben) betroffenen Konten zuletzt ge-
§ 5 Abs. 1 EStG auch das Recht, ihrer Steuerer- nannt werden, verbunden durch das Wörtchen
klärung einen den handelsrechtliehen Grund- "an" oder durch Schrägstrich.
sätzen und Vorschriften entsprechenden Jahres- Werden lediglich zwei Konten bei einer Bu-
abschluß zugrunde zu legen. chung benötigt, so wird dies durch den einfa-
§ 238 HGB verlangt eine Buchführung, die so chen Buchungssatz ausgedrückt, z. B. "Waren an
beschaffen ist, daß sie einem sachverständigen Bank". Sobald auf mehr als zwei Konten zu bu-
Dritten innerhalb angemessener Zeit einen chen ist, erfolgt die Buchungsanweisung durch
Überblick über die Geschäftsvorfälle und die La- einen zusammengesetzten Buchungssatz.
ge des Unternehmens vermitteln kann. Die Ge- Die in der Bilanz enthaltenen Werte werden
schäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung durch die laufenden Geschäftsvorfälle ständig
und Abwicklung verfolgen lassen. Gemäß § 239 verändert. Dabei können vier "Veränderungsty-
Abs. 2 HGB müssen die Eintragungen und Auf- pen" auftreten:
zeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und - Aktivtausch: Es wird lediglich die Aktivseite
geordnet vorgenommen werden. der Bilanz berührt. Die Bilanzsumme bleibt
Bei dem inzwischen fast ausschließlich ver- unverändert (z. B. Abhebung vom Bankkonto
wendeten System der "doppelten Buchführung" für die Bürokasse; Kasse an Bank).
wird jede durch einen Geschäftsvorfall ausgelö- - Passivtausch: Es wird lediglich die Passivseite
ste und aufgrund eines Belegs vorgenommene der Bilanz berührt. Die Bilanzsumme bleibt
Buchung auf mindestens zwei Konten festgehal- unverändert (z.B. Ausgleich einer Lieferan-
ten, die im Buchungssatz benannt werden. Die tenrechnung durch einen Bankkredit; Ver-
Ermittlung des Periodenerfolgs geschieht eben- bindlichkeiten aus Lieferungen an Verbind-
falls zweifach durch lichkeiten gegenüber Kreditinstituten).
- die Bilanz sowie - Aktiv-/Passiv-Mehrung (Bilanzverlängerung):
- die Gewinn- und Verlustrechnung. Aktiv- und Passivseite nehmen um den glei-
Damit ist stets auch die Kontrolle für die Rich- chen Betrag zu (z.B. Kauf eines Grundstücks
tigkeit des ausgewiesenen Gewinns (oder Ver- mittels Bankkredit; Grundstücke an Verbind-
lusts) gegeben. lichkeiten gegenüber Kreditinstituten).

Bauwirtschaftslehre 2-49
I Konten
I
I Bestandskonten I I Erfolgskonten I
Aktivkonto Passivkonto Aufwandskonto Ertragskonto
s H s H s H s H

Anfangs· Anfangs- Aufwand Korrektur= Korrektur= Ertrag


bestand bestand Auswands- Ertrags-
minderung minderung

G) 8 8 0 G) G)
Zugänge Abgänge Abgänge Zugänge

Saldo = Saldo = Saldo = Saldo =


Endbestand Endbestand Endbestand Endbestand

Ertrag - Aufwand = Erfolg


Anfangsbestand + Zugänge = Endbestand + Abgänge Ertrag > Aufwand = Gewinn
Ertrag < Aufwand= Verlust

Abb. 2.1·34 Buchungen auf Bestands- und Erfolgskonten

- Aktiv-/Passiv-Minderung (Bilanzverkürzung): satzder Unternehmensfinanzierung, der Fristen-


Aktiv- und Passivseite nehmen um den glei- kongruenz.
chen Betrag ab (z. B. Ausgleich einer Lieferan- Der Unternehmenserfolg (Gewinn oder Ver-
tenrechnung durch Überweisung vom Bank- lust) einer Abrechnungsperiode ergibt sich in
konto; Verbindlichkeiten aus Lieferungen an der Bilanz als Differenz (Saldo) zwischen den
Bank). Aktiv- und Passivpositionen zum Stichtag.
Überwiegen die Aktivpositionen, so wurde ein
Die Gliederungsvorschriften für die Bilanzen der Gewinn erwirtschaftet. Überwiegen dagegen die
Einzelfirmen und der Personengesellschaften Passivpositionen, so ist ein Verlust zu verzeich-
sind relativ einfach. Nach§ 247 Abs. 1 HGB sind nen.
das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Ei- Nach den handels- und steuerrechtliehen Be-
genkapital, die Schulden sowie die Rechnungs- stimmungen sind im Sinne ordnungsmäßiger
abgrenzungspasten gesondert auszuweisen und Bilanzierung folgende Grundsätze zu beachten:
hinreichend aufzugliedern. Die Bilanz muß das - Bilanzwahrheit durch Richtigkeit und Voll-
gesamte Haftungskapital und die Ertragslage ständigkeit der Bilanzansätze.
der Gesellschaft deutlich offenlegen und bei Ka- - Bilanzklarheit durch ein äußerlich einwand-
pitalgesellschaften gemäߧ 266 HGB gegliedert freies Bilanzbild.
werden. - Bilanzkontinuität durch Bilanzidentität von
Die Bilanz ist eine stichtagsbezogene Gegen- Schlußbilanz des abgeschlossenen sowie Eröff-
überstellung des Vermögens (der Aktiva) und nungsbilanz des folgenden Geschäftsjahres
des Kapitals (der Passiva). Auf der Aktivseite und Anwendung gleicher Bewertungsgrund-
werden die Vermögenswerte (Anlage- und Um- sätze unter Wahrung des Zusammenhangs
laufvermögen) dargestellt. Die Passivseite gibt durch Wertfortführung.
Auskunft über die Vermögensquellen (Eigen- - Bilanzvorsicht durch eher zu niedrigen als zu
und Fremdkapital). Durch Gegenüberstellung hohen Ausweis des Vermögens und keine Aus-
von Anlagevermögen und Eigenkapital, Umlauf- weisung noch nicht realisierter Gewinne, je-
vermögen und Fremdkapital ordnet die Bilanz doch zu befürchtender Verluste.
Vermögen und Kapital nach dem ersten Grund-

2-50 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1-8 Beispiel einer Schlußbilanz [Leimböck 1997, S. 52f)

Aktiva Berichtsjahr Vorjahr Pusiva Berichtsjahr Vorjahr


TDM TDM TDM TDM
Immaterielle Vermögensgegenstände 1.029 1.200 Gezeichnetes Kapital 1.500 1.000
Sachanlagen: Grundstücke und Kapitalrücklage 1.263 950
Bauten einschl. der Bauten auf Gewinnrücklage 909 750
fremden Grundstücken 2.842 2.264 Gewinn 410 290
technische Anlagen und Maschinen 3.434 2.104
Eigenkapital gesamt 4.082 2.990
and. An lagen, Betriebs- u. Geschäfts-
ausstattung 2.841 1.725 Sonderposten mit Rücklageanteil
Geleistete Anzahlungen u. Anlagen (§6b EStG) 31 1 73
im Bau 41 16 Pensionsrückstellungen 1.744 890
Finanzanlagen 389 207 Steuerrückstellungen 364 190
Anlagevermögen gesamt 10.576 6.316
Sonstige Rückstellungen 9.948 4.904
Vorräte: Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 543 664 Rückstellungen gesamt 11.914 7.477
..... ..... . . ........ ....... ....................... ..... ....................
Zum Verkauf bestimmte Grundstücke 996 996
Verbindlichkeiten gegenüber
Geleistete Anzah lungen 106 52
Kreditinstituten 6.572 6.156
Nicht abgerechnete Bauten 46.943 23.230
Erhaltene Anzahlungen 3.017 2.766
.{:~!~-~~~~~~-~-~~~~-~~-~~~~-~~~~-~ ~~---· ·--:?.~:~~-~ ----=~-~ ·-~~~-- Verbindlichkeiten aus Lieferungen
Vorratsvermögen gesamt 9.733 6.058 und Leistungen 12.409 9.780
Verbindlichkeiten gegenüber
Forderungen und sonstige Vermögens-
Arbeitsgemeinschaften 13.465 12.940
gegenstände
Verbindlichkeiten gegenüber
- aus Lieferungen und Leistungen 12.729 12.307
verbundenen Unternehmen und
- gegen Arbeitsgemeinschaften 5.383 5.365 Unternehmen, mit denen ein Beteili-
- gegen verbundene Unternehmen u.
gungsverhältnis besteht 1.287 863
Unternehmen, mit denen ein
Sonstige Verbindlichkeiten 5.241 3.965
Beteiligungsverhältnis besteht 355 169
davon im Rahmen der
Sonstige Vermögensgegenstände 2.713 2.413
sozialen Sicherheit (964) (450)
Flüssige Minel 16.778 13.161
Umlaufvermögen gesamt 47.691 39.473 Verbindlichkeiten gesamt 41 .991 36.470
Rechnungsabgrenzungsposten 34 23 Rechnungsabgrenzungsposten 3 2
Aktiva gesamt 58.301 45.812 Passiva gesamt 58.301 45.812
Verb(~dl ichkeiten aus der Begebung
und Ubertragung von Wechseln 32 8
Verbindlichkeiten aus Bürgschaften 3.202 2.337
Verbindlichkeiten aus
Gewährleistungen 6.258 6.018
Haftungsverhältnisse gesamt 9.492 8.363

Zur Veranschaulichung der folgenden Erläute- bis 30% der Bilanzsumme [Leimböck 1997,
rungen dient die Schlußbilanz gemäß Tabelle S. 22] . Es setzt sich aus immateriellen Anlagen
2.1-8. sowie Sach- und Finanzanlagen zusammen. Sach-
anlagen bilden regelmäßig den Schwerpunkt des
Aktiva Anlagevermögens. Zu den Immobilien zählen
die Geschäfts- und Bauhofgebäude, zum beweg-
Die Aktivseite der Bilanz unterscheidet zwischen lichen Anlagevermögen die mobilen Baugeräte
Anlage- und Umlaufvermögen. Das Anlagever- sowie Gerüst- und Schalungsmaterial. Finanz-
mögen dient dem Betrieb des Unternehmens anlagen sind langfristige Investitionen aus Kapi-
dauerhaft (z.B. Grundstücke und Gebäude talanlagen.
zwecks Vermietung), das Umlaufvermögen da-
gegen unmittelbar dem Umsatz bzw. entsteht aus Umlaufvermögen. Das Umlaufvermögen in Hö-
dem Umsatz (z.B. zum Verkauf bestimmte he von etwa 70% bis 80% der Bilanzsumme be-
Grundstücke und Gebäude). steht aus dem Vorrats- und dem monetären Um-
laufvermögen.
Anlagevermögen. Das Anlagevermögen eines Das zum Umsatz bestimmte Vorratsvermögen
Bauunternehmens beträgt regelmäßig etwa 20% besteht aus Produktionsmitteln (Roh-, Hilfs-

Bauwirtschaftslehre 2-51
und Betriebsstoffe sowie Ersatzteile) und aus rungsprämien. Im neuen Geschäftsjahr wird das
Produkten (unfertige und fertige Erzeugnisse aktive Rechnungsabgrenzungskonto zu Lasten
sowie zum Verkauf bestimmte Immobilien). des Aufwandskontos (z. B. Mieten) aufgelöst. Der
Kern des Vorratsvermögens sind die am Bilanz- vorausbezahlte Aufwand wird damit dem neuen
stichtag noch in der Ausführung befindlichen, Geschäftsjahr aufwandmäßig zugerechnet.
nicht abgerechneten Bauleistungen. Die erhalte-
nen Abschlagszahlungen werden in einer Vor- Passiva
spalte abgesetzt. Erhaltene Vorauszahlungen
sind dagegen als Verbindlichkeiten auf der Pas- Die Passiva (Vermögensquellen) werden in Ei-
sivseite auszuweisen. Soweit Bauaufträge auf gen- und Fremdkapital eingeteilt.
fremdem Grund und Boden (des Auftraggebers)
ausgeführt werden, sind sie rechtlich fÜr das aus- Eigenkapital. Eigenkapital (EK) unterscheidet
führende Unternehmen nicht Sachgegenstände, sich vom Fremdkapital dadurch, daß es dem Un-
sondern Forderungen, die als erbrachte Baulei- ternehmen i.d. R. zeitlich unbegrenzt zur Verfü-
stungen ebenso wie Fertigerzeugnisse oder zum gung steht. Bei Personengesellschaften ist die
Verkaufbestimmte Immobilien zum Vorratsver- dauerhafte Verfügbarkeit rechtsformbedingt
mögen rechnen. Im Gegensatz dazu gehören die nicht gesichert.
Forderungen aus abgerechneten Aufträgen zum Eigenkapital hat im Gegensatz zum Fremdka-
monetären Umlaufvermögen. pital keinen AnspruchaufVerzinsung und Rück-
Das monetäre Umlaufvermögen wird in For- zahlung bestimmter Beträge zu bestimmten Ter-
derungen, sonstige Vermögensgegenstände und minen. Es ist dagegen gewinnberechtigt. Gewinn
flüssige Mittel eingeteilt: kann allerdings erst entstehen, wenn alle Kosten
- Forderungen aus abgerechneten eigenen Auf- des Unternehmens gedeckt sind. Verbleibt bei
trägen, ergänzt um Forderungen aus dem Ab- Auflösung eines Unternehmens nach Erfüllung
satz fertiger Erzeugnisse und von Immobilien der Verpflichtungen aus Fremdfinanzierung ein
stellen im wesentlichen ausstehende Schluß- Erlös, steht dieser Betrag als Rückvergütung für
zahlungen für abgerechnete Aufträge dar. das Eigenkapital zur Verfügung. Solche Auflö-
- Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegenü- sungen sind bei ARGEN der Bauwirtschaft re-
ber Arbeitsgemeinschaften entstehen aus Bar- gelmäßige Geschäftsvorfälle.
einlagen (z.B. für die Anfangsfinanzierung der Eigenkapital gibt das Recht zur alleinigen oder
ARGE oder zur anteiligen Verlustabrech- anteiligen Geschäftsführung. Dieses Recht ist so-
nung), aus Gerätevermietung an die ARGE wohl nach dem anteiligen Umfang des Eigenka-
und andere Lieferungen und Leistungen sowie pitals als auch nach der Rechtsform des Unter-
aus dem Anspruch auf anteilige Ergebnisse nehmens unterschiedlich. Dem Recht zur Ge-
nach Abschluß der Arbeitsgemeinschaften. schäftsführung steht die Haftung für die Ver-
- Sonstige Vermögensgegenstände erfassen als bindlichkeiten des Unternehmens gegenüber.
Sammetposten alle Gegenstände, die nicht un- Persönlich haftende Gesellschafter müssen mit
ter anderen konkret bezeichneten Titeln aus- ihrem gesamten Vermögen haften.
zuweisen sind (z.B. Steuererstattungsan- Gemäß § 266 Abs. 3 HGB setzt sich das Eigen-
sprüche und Reisekostenvorschüsse). kapital einer Kapitalgesellschaft aus folgenden
- Flüssige Mittel sind Vermögensgegenstände Posten zusammen:
wie Bankguthaben, Schecks, Barmittel und - gezeichnetes Kapital,
kurzfristig liquidierbare Wertpapiere. - Kapitalrücklage,
- Gewinnrücklagen,
Aktive Rechnungsabgrenzungsposten. Zur peri- - Gewinnvortrag bzw. Verlustvortrag,
odengerechten Erfolgsabgrenzung müssen Auf- - Jahresüberschuß bzw. Jahresfehlbetrag.
wendungen und Erträge korrigiert werden, die
nicht das laufende, sondern das folgende Ge- Nach§ 272 Abs.l HGB ist gezeichnetes Kapital das
schäftsjahr betreffen. Als aktive Rechnungsab- Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für
grenzungsposten kommen i. d. R. nur Ausgaben die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft ge-
in Betracht, die vor dem Bilanzstichtag angefal- genüber den Gläubigern beschränkt ist. Bei der
len sind, als Aufwand aber der Zeit nach dem GmbH ist es das satzungsmäßige Stammkapital.
Stichtag zuzurechnen sind. Hierzu ·zählen z.B. Kapitalrücklagen sind gemäߧ 272Abs. 2 HGB
Vorauszahlungen für Mieten und Versiehe- die Beträge, die bei der Ausgabe von Anteilen

2-52 Bauwirtschaft und Baubetrieb


(Aktien, GmbH-Anteile) über den Nennbetrag lieh vereinbarte Verpflichtungen des Kreditneh-
hinaus erzieltwerden (Aufgeld oder Agio), sowie mers über Zins- und Tilgungszahlungen oder
Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewäh- die Erbringung von Bauleistungen bei erhaltenen
rung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten. Vorauszahlungen. Die Zahlungsverpflichtungen
Als Gewinnrücklagen dürfen gemäß § 272 des Kreditnehmers bestehen unabhängig von
Abs. 3 HGB nur Beträge ausgewiesen werden, seiner Zahlungsfähigkeit.
die im Geschäftsjahr oder in einem früheren Ge-
schäftsjahr aus erzielten und bilanzierten, aber Rückstellungen. Gemäߧ 249 HGB sind Rück-
nicht ausgeschütteten Gewinnen des Unterneh- stellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und
mens gebildet wurden. Dazu gehören u.a. aus für drohende Verluste aus schwebenden Geschäf-
dem Ergebnis zu bildende gesetzliche Rückla- ten zu bilden, die zwar dem Grunde nach be-
gen. Gemäß § 150 Abs. 2 AktG sind in die gesetz- kannt, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeit-
liche Rücklage 5 o/o des um einen Verlustvortrag punkts ihres Eintritts unbestimmt sind.
aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschus- Sie führen damit vermutlich erst in späteren
ses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und Rechnungsperioden zu Ausgaben, sind wirt-
die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 HGB schaftlich betrachtet aber schon in der abgelau-
~ 10% des Grundkapitals erreichen (gemäß Sat- fenen Periode entstanden und als Aufwand zu
zung ggf. mehr). berücksichtigen. Sie dienen damit der perioden-
gerechten Verrechnung. Solche Rückstellungen
Sonderposten mit Rücklageanteil. Wenn Unter- müssen daher z.B. für Gewährleistungsver-
nehmen Grundstücke, Gebäude oder Finanzbe- pflichtungen, für drohende Verluste bei Bauauf-
teiligungen gegen andere Vermögensgegenstän- trägen und für in späteren Perioden anfallende
de austauschen wollen, stehen diese Anlagege- Steuerbelastungen gebildet werden, aber auch
genstände mit Buchwerten weit unter den Ver- für unterlassene Aufwendungen für Instandhal-
kehrswerten in der Bilanz. Gemäߧ 6 b EStG kann tung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb
der Gewinn dem Sonderposten mit Rücklagean- von drei Monaten nachgeholt werden, und für
teil zugeführt werden, wenn dieser zur Beschaf- nach dem 31.12.1986 zugesagte unmittelbare
fung von Nachfolgeanlagen in den folgenden Pensionszusagen.
Wirtschaftsjahren verwendet wird. Durch diese
"Sonderabschreibung" wird bei der Nachfolge- Verbindlichkeiten. Verbindlichkeiten sind Ver-
anlage eine Bewertungsreserve in Höhe des Ver- pflichtungen des Unternehmens, die in ihrer
äußerungsgewinns geschaffen. Jedoch werden in Höhe feststehen und i.d.R. Zahlungsverpflich-
den Folgejahren die Abschreibungen auf die tungen sind. Nur bei erhaltenen Anzahlungen
Nachfolgeanlagen entsprechend reduziert und (Vorauszahlungen) bestehen Verpflichtungen
die Gewinne damit erhöht. Der Vorteil der Wahr- des Unternehmens zu Lieferungen oder Lei-
nehmung der Sonderabschreibung besteht da- stungen. Sie stehen mit dem Auszahlungsbetrag
her nicht in endgültigen ersparten, sondern nur in der Bilanz. Bei verzinslichen Zahlungsver-
in hinausgeschobenen Steuerzahlungen. pflichtungen ist die Summe aus Zinszahlungen
und Kreditrückzahlungsbeträgen auszuweisen.
Wertberichtigungen. Durch Wertberichtigungen
werden Wertkorrekturen als Posten auf der Pas- Passive Rechnungsabgrenzungsposten. Gemäß
sivseite einer Bilanz für zu hoch angesetzte Akti- § 250 Abs. 2 HGB sind als passive Rechnungsab-
va vorgenommen. Nach Einführung des Bilanz- grenzungsposten Einnahmen vor dem Bilanz-
richtliniengesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.1985 stichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine
(BGBI. I S. 2355) dürfen Wertberichtigungen bei bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen (z. B.
Kapitalgesellschaften nicht mehr in der Bilanz erhaltene Mietvorauszahlungen).
ausgewiesen werden, so daß nur noch die direk-
te Abschreibung (aktivische Absetzung für Ab- Haftungsverhältnisse. Gemäߧ 251 HGB sind
nutzung (AfA)) zulässig ist. Im Anlagespiegel Haftungsverhältnisse, sofern sie nicht auf der
entsprechen die kumulierten Abschreibungen Passivseite auszuweisen sind, unter der Bilanz
den Wertberichtigungen. als Verbindlichkeiten "unter dem Strich" aus der
Begebung und Übertragung von Wechseln, aus
FremdkapitaL Kennzeichen des Fremdkapitals Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften
(FK) sind vertragliche und damit rechtsverbind- und aus Gewährleistungsverträgen sowie Haf-

Bauwirtschaftslehre 2-53
tungsverhältnisse aus der Bestellung von Si- Geschäftsjahr begonnen und beendet wurden,
cherheiten für fremde Verbindlichkeiten zu ver- sind beide Rechnungsgrößen identisch. Die Posi -.
merken. tion "Erhöhung (oder Minderung) des Bestands
an nicht abgerechneten Bauten" gibt die jeweili-
Erfolgskonten der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ge Veränderung in bezugauf das Vorjahr an.
Aus der Beteiligung des Unternehmens an
Die Bilanz als Zeitpunktdarstellung wird ergänzt ARGEN ergeben sich Umsatzerlöse durch Lei-
um eine Zeitraumdarstellung: die Gewinn- und stungen des Unternehmens für ARGEN sowie
Verlustrechnung (GuV). Für die Gliederung der anteilige ARGE-Ergebnisse. Die dadurch bewirk-
GuV der Kaufleute, die keine Kapitalgesellschaf- ten Aufwendungen werden in der jeweiligen Auf-
ten sind, gibt es keine Vorschriften. Die Gliede- wandsartder Gu V verbucht. Wegen der geringen
rung gemäß Gesamtkostenverfahren nach§ 275 Aussagekraft der Erlöse ist daher stets eine ge-
Abs. 2 HGB entspricht im wesentlichen der Glie- sonderte Aufstellung der Jahresleistung erfor-
derung der Kontenklassen 5 bis 7 des BKR 87. Zu derlich.
den folgenden Erläuterungen wird auf Tabelle Bestandsveränderungen an nicht abgerechne-
2.1-9 verwiesen. ten Bauten werden mit Herstellkosten, die Um-
satzerlöse dagegen mit ihren vertraglichen Wer-
Erträge. Die ausgewiesenen Umsatzerlöse wei- ten angesetzt. Bei "anderen aktivierten Eigenlei-
sen nicht alle Bauleistungen des Berichtsjahres, stungen" handelt es sich um selbst erstellte An-
sondern nur die im Geschäftsjahr schlußabge- lagengegenstände, die mit Herstellkosten zu
rechneten Bauaufträge aus, jedoch mit vollen bewerten sind. Erträge aus der Auflösung von
Auftragswerten, auch soweit sie aus Bauleistun- Rückstellungen sind in der Bauwirtschaft v.a.
gen von Vorjahren stammen. Falls Aufträge im solche aus Gewährleistungsverpflichtungen.

Tabelle 2.1·9 Beispiel einer Gewinn- und Verlustrechnung [Leimböck/Schönnenbeck 1992, S. 38)

Berichtsjahr Vorjahr
Umsatzerlöse abgerechneter Bauten 74.183 66.630
Erhöhung (Vorjahr Minderung) des Bestands an nicht abgerechneten Bauten 23.713 - 637
Andere aktivierte Eigenleistungen 170 99
Gesamtleistung 98.066 66.092
Sonstige betriebliche Erträge
Erträge aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens 2.291 301
Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen 646 901
Übrige Erträge 356 273
3.293 1.475
Betriebliche Erträge gesamt 101 .359 67.657
Materialaufwand
- Aufwendungen für Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren 29.355 22.827
- Aufwendungen für bezogene Leistungen 18.372 9.901
47.727 32.728
Personalaufwand
- löhne und Gehälter 34.924 20.748
- Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung 9.063 6.369
43.987 27.117
Abschreibungen auf immaterielle Anlagen und Sachanlagen 4.974 4.162
Sonstige betriebliche Aufwendungen 4.031 3.039
9.005 7.201
Betriebliche Aufwendungen gesamt 100.719 67.046
Betriebliches Ergebnis 640 521
Ergebnis Finanzlagen 302 422
Zinsergebnis (Erträge J. Aufwendungen) 50 -180
Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 992 763
Außerordentliches Ergebnis (Erträge J. Aufwendung) 51 100
Steuern -474 -373
Jahresüberschuß 569 490
Einstellungen in Gewinnrücklagen -159 -200
Gewinn 410 290

2-54 Bauwirtschaftund Baubetrieb


Aufwendungen. Zu den maßgeblichen Aufwen- dem Schluß des Geschäftsjahres eingetreten
dungen gehören: sind,
- Personalaufwendungen für Löhne und Gehäl- - voraussichtliche Entwicklung der Kapitalge-
ter einschließlich Lohnzusatzkosten, sellschaft und
- Materialaufwendungen für Roh-, Hilfs- und - Aktivitäten im Bereich Forschung und Ent-
Betriebsstoffe, bezogene Waren sowie Auf- wicklung.
wendungen für Rüst- und Schalmaterial,
- Abschreibungen auf immaterielle Anlagen 2.1.4.3
und Sachanlagen, Jahresabschluß
- sonstige betriebliche Aufwendungen aus dem
Abgang von Gegenständen des Anlage- und Die Kontenklasse 8 des BKR 87 dient zunächst
Umlaufvermögens, der Zuführung zu Rück- der periodischen kalkulatorischen Ergebnisab-
stellungen und des Bürobetriebs, grenzung zwecks Abgleich des sich aus der Ko-
- Steuern vom Einkommen und vom Ertrag so- sten- und Leistungsrechnung ergebenden Be-
wie sonstige Steuern. triebsergebnisses mit dem Gesamtergebnis (Un-
ternehmenserfolg).
Die außerordentlichen Erträge und außerordent- Um die rechnerische und buchungstechnische
liehen Aufwendungen gemäß § 277 Abs. 4 HGB Richtigkeit der Buchführung festzustellen, ist für
haben mit dem neuen Bilanzrecht nach dem Bi- den Jahresabschluß zunächst eine Rohbilanz
lanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12.1985 den Cha- aufzustellen. Nach dem System der doppelten
rakter seltener Ausnahmeposten bekommen. Buchführung muß die Summe aller Sollseiten
auch der Summe der Habenseiten entsprechen.
2.1.4.2 Gemäß § 240 HGB hat jeder Kaufmann zu Be-
Anhang und Lagebericht ginn seines Handelsgewerbes und für den
Schluß eines jeden Geschäftsjahres ein Inventar
Zum Jahresabschluß der Kapitalgesellschaften seiner Vermögenswerte und seiner Verbindlich-
gehören nach § 264 Abs. 1 HGB ein Anhang so- keiten aufzustellen. Dabei ist für die realen Ver-
wie ein Lagebericht Jahresabschluß, Anhang mögensgegenstände i.d.R. alle 3 Jahre eine kör-
und Lagebericht bilden die jährliche Rech- perliche Bestandsaufnahme durchzuführen, so-
nungslegung. weit nicht durch Anwendung eines den Grund-
Der Anhang besteht gemäߧ 284 HGB aus der sätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspre-
Erläuterung der Bilanz, der Gewinn- und Ver- chenden anderen Verfahrens gesichert ist, daß
lustrechnung sowie der augewandten Bilanzie- der Bestand der Vermögensgegenstände nach
rungs- und Bewertungsmethoden. Nach § 285 Art, Menge und Wert auch ohne die körperliche
HGB sind im Anhang ferner umfangreiche son- Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festge-
stige Pflichtangaben zu machen, wobei für klei- stellt werden kann.
ne und mittelgroße Kapitalgesellschaften gemäß Aufgrund des Inventurergebnisses sind so-
§ 288 HGB Einschränkungen vorgesehen sind. dann die vorbereitenden Abschlußbuchungen
Im Lagebericht sind gemäß § 289 HGB "zu- zur Rechnungsabgrenzung und zum internen
mindest der Geschäftsverlauf und die Lage der Kontenausgleich vorzunehmen, die folgende Be-
Kapitalgesellschaft so darzustellen, daß ein den reiche betreffen:
tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild - Beständeerfassung,
vermittelt wird." Dazu gehören u. a. - Aktivierung unfertiger Bauleistungen und Be-
- Entwicklung der Bauleistungen und des Auf- standsveränderungen,
tragseingangs und damit der Wettbewerbspo- - Abschreibungen,
sition, - Rückstellungen sowie
- Entwicklung der Mitarbeiterzahlen, der Al- - aktive und passive Rechnurtgsabgrenzungen.
tersstruktur, des Krankenstands, der Ausbil-
dung, Nach diesen Nachtragsbuchungen kann die
- Entwicklung von Investitionen, Liquidität und Schlußbilanz erstellt werden. Die Differenz zwi-
Finanzierung, schen der Summe der Aktiva und der Summe
- Rentabilitätsverhältnisse mit Gewinn- und der Passiva entspricht dem Bilanzgewinn.
Cash-flow-Größen, Die Salden der Erfolgskonten werden eben-
- Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach falls zur GuV-Rechnung abgeschlossen. Der Un-

Bauwirtschaftslehre 2-55
terschied zwischen Aufwendungen und Erträ- wenn sie dem Grund und der Höhe nach er-
gen stellt wiederum Gewinn oder Verlust dar. kennbar sind.
Dem Wesen der doppelten Buchführung ent- - Prinzip der Aufwands- und Ertragsperiodi-
sprechend wird der Jahresgewinn damit in dop- sierung: Aufwendungen und Erträge des Ge-
pelter Weise nachgewiesen. schäftsjahres sind unabhängig von den Zeit-
punkten der entsprechenden Zahlungen im
2.1.4.4 Jahresabschluß zu berücksichtigen (§ 252
Bilanzansatz- und Bewertungsvorschriften Abs. 1 Nr. 5).
- Stetigkeitsprinzip: Die auf den vorhergehen-
Die§§ 246-251 HGB enthalten die Ansatzvor- den Jahresabschluß angewandten Bewer-
schriften für die Bilanz: tungsmethoden sollen beibehalten werden
- § 246 fordert die Vollständigkeit des Jahresab- (§ 252 Abs. 1 Nr. 6).
schlusses und verbietet die Verrechnung von
Posten der Aktivseite mit Posten der Passiv- Die §§ 253-255 HGB enthalten Bewertungs-
seite. pflichten und -Wahlrechte für Wertansätze der
- § 247 stellt Anforderungen an die Mindest- Vermögensgegenstände und Schulden, der steu-
gliederung der Bilanz. errechtliehen Abschreibungen sowie der An-
- § 248 verbietet u.a. den Ansatz von Aufwen- schaffungs- und Herstellungskosten.
dungen für die Gründung des Unternehmens
und für die Beschaffung des Eigenkapitals als 2.1.4.5
Aktivposten. Bewertung der Bauaufträge mit den Zahlen
- § 249 fordert den Ansatz von Rückstellungen der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung (KLER)
explizit u. a. für unterlassene Aufwendung für eines Jahres
Instandhaltung und Gewährleistungen, die
ohne rechtliche Verpflichtung erbracht wer- Grundsatz für die Bewertung von Bauaufträgen
den (Kulanzleistungen). ist das Imparitätsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4
- § 250 fordert den Ausweis aktiver und passi- HGB. Bis zur Abnahme wird der Bauauftrag als
ver Rechnungsabgrenzungsposten und gibt unabgerechneter Bau bei der Position "Er-
dafür auch Ansatzwahlrechte. höhung oder Minderung des Bestandes an nicht
abgerechneten Bauten" verbucht, bei Gewinn-
Die Bewertungsvorschriften für die Bilanz sind aufträgen zu Herstellungskosten und bei Verlust-
in den§§ 252-256 HGB enthalten. Danach gelten aufträgen zu dem niedrigeren beizulegenden
folgende Grundsätze: Wert. Erst nach der Abnahme darf der Auftrags-
- Grundsatz der Einzelbewertung: Die Vermö- wert als Umsatzerlös in die Gewinn- und Ver-
gensgegenstände und Schulden sind zum Ab- lustrechnung übernommen werden. Droht eine
schlußstichtag einzeln zu bewerten (§ 252 Schlußrechnungskürzung durch den Auftragge-
Abs. 1 Nr. 3). ber aus Minderung wegen Mängeln, ist diese bei
- Vorsichtsprinzip: Es ist vorsichtig zu bewerten; den Umsatzerlösen als Erlösminderung abzu-
alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die setzen. Ein vom Bauleiter als "sicher" beurteilter
bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, Nachtrag kann in der GuV nur dann als Umsatz-
müssen berücksichtigt werden; Gewinne sind erlös verbucht werden, wenn vom Auftraggeber
nur zu berücksichtigen, wenn sie am Ab- eine schriftliche Bestätigung der gestellten
schlußstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nachtragsrechnung vorliegt.
Nr. 4}. Nach dem Anschaffungswertprinzip Außerdem ist das Unternehmen verpflichtet,
muß der Anschaffungswert beibehalten wer- bei Verbuchung eines Gewinnauftrags Rückstel-
den, wenn Marktwert> Anschaffungswert. lungen für die noch zu erwartenden Kosten wie
Nach dem Niederstwertprinzip ist ein Wert- Baustellenräumung und Gewährleistungsrisi-
verlust in Form einer Abschreibung zu bilan- ken zu bilden.
zieren, wenn er als nachhaltig zu bezeichnen Beispiel eines abgerechneten Gewinnauftrags,
ist. Nach dem Imparitätsprinzip dürfen Ge- der im Bilanzjahr begonnen, beendet und abge-
winne erst dann in der Bilanz ausgewiesen rechnet wurde [Leimböck 1997, S. 40f]:
werden, wenn sie tatsächlich durch Umsatzer-
löse realisiert sind. Verluste hingegen müssen
bereits in der Bilanz berücksichtigt werden,

2-56 Bauwirtschaftund Baubetrieb


Zahlen der Kosten- und Leistungsrechnung Zeitablauf und Beziehungszahlen zwischen den
(KLR): einzelnen Bilanzgrößen gebildet.
Bauleistung 4800TDM Beim Bilanzvergleich unterscheidet man zwi-
Kosten 4484TDM schen internem Periodenvergleich und exter-
Gewinn +316TDM nem Branchenvergleich. Er setzt voraus, daß in
Zahlen des Jahresabschlusses: den verglichenen Bilanzen gleiche Bewertungs-
aktivierungspflichtige grundsätze angewandt wurden. Mit Hilfe des Pe-
Herstellkosten 4100TDM riodenvergleichs sollen die von Periode zu Peri-
aktivierungsfähige Kosten 384TDM ode sich ergebenden Veränderungen erkannt
Summe der Aufwendungen 4484TDM und ihre Ursachen analysiert werden.
Mit Hilfe des Vergleichs mehrerer Bilanzen
Bilanzwerte: verschiedener Unternehmen der gleichen Bran-
Forderungen an den Bauherrn 4800TDM che mit ungefähr gleicher Größenordnung aus
Rückstellungen 2o/o v. 4800 TDM 96TDM dem gleichen Zeitraum sollen Erkenntnisse ge-
Gewinn- und Verlustrechnung: wonnen werden über den Marktanteil des eige-
Umsatzerlöse 4800 TDM nen Unternehmens, die Kapitalstruktur der Un-
Aufwendungen 4484 TDM ternehmen, den Umsatz, die Löhne und die Ge-
Rückstellungen 96 TDM hälter im Verhältnis zur Kapazität und zum Um-
Gewinn +220 TDM satz. Zielsetzung ist das Erkennen der eigenen
Stellung im Hinblick auf Umsatz, Kosten, Renta-
bilität und technische Weiterentwicklung. Eine
2.1.4.6 Problematik des externen Branchenvergleichs
Bilanzanalyse und Bilanzvergleich liegt darin, daß die veröffentlichten Bilanzen der
Konkurrenzunternehmen nach den gesetzlichen
Unter Bilanzanalyse versteht man die Bilanzzer- Bestimmungen weit weniger aussagefähig sind
legung, d.h. die formale und materielle Untersu- als interne Betriebsbilanzen.
chung der einzelnen Positionen der Bilanz zur
Durchführung der Bilanzkritik und des Bilanz- 2.1.5
vergleichs. Gegenstand der Bilanzanalyse kön- Baubetriebsrechnung
nen sein:
- Untersuchung der Passiva nach dem Verhält- Die Baubetriebsrechnung hat unternehmensin-
nis der einzelnen Positionen zum Gesamtka- terne und -externe Aufgaben. Zu den unterneh-
pital sowie zwischen Eigen- und Fremdkapi- mensinternen Aufgaben gehören die Bereitstel-
tal und nach der Zusammensetzung des lung von Unterlagen für
Fremdkapitals nach den Kreditfristen, - die Preisermittlung und -beurteilung (Bau-
- Untersuchung der Aktiva nach dem Verhältnis auftragsrechnung/Kalkulation),
von Anlage- zu Umlaufvermögen, etwaigen - die Steuerung und Überwachung der betrieb-
Abweichungen gegenüber anderen Unterneh- lichen Leistungserstellung (Kosten-, Lei-
men der gleichen Branche oder gegenüber stungs- und Ergebnisrechnung sowie Kenn-
zurückliegenden Jahresabschlüssen, Zusam- zahlenrechnung),
mensetzung des Anlage- und des Umlaufver- - das innerbetriebliche Berichtswesen sowie
mögens und ihrer strukturellen Veränderun- Sonderrechnungen (Soll/Ist-Vergleichsrech-
gen, nung)und
- Untersuchung der Positionen der GuV und ih- - die Bewertung von Beständen an unfertigen
rer Strukturveränderungen. Bauleistungen für die kurzfristige Ergebnis-
rechnung.
Die Bilanzkritik soll die wirtschaftliche Struktur,
Betätigung, finanzielle Lage, Wirtschaftlichkeit, Zu den unternehmensexternen Aufgaben gehört
Rentabilität und Liquidität einer Unternehmung das Bereitstellen von Unterlagen für die Bewer-
erkennbar machen und kritisch durchleuchten. tung von Beständen zum Jahresabschluß sowie
Im Rahmen der Aufbereitung werden Gliede- für andere unternehmensexterne Zwecke (Anfra-
rungszahlen (Bilanzstrukturzahlen), Indexzah- gen statistischer Ämter, Verbände und Institute).
len zur Verdeutlichung der größenmäßigen Ver- Die drei "klassischen" Elemente der Kosten-
änderung der einzelnen Bilanzpositionen im rechnung:

Bauwirtschaftslehre 2-57
- Die Kostenartenrechnung hat zu zeigen, wel- Vorkalkulation. Die Vorkalkulation ist der Ober-
che Kosten entstehen oder entstanden sind begriff für alle Arten der Kostenermittlung vor
(Lohn-, Stoff-, Geräte-, Nachunternehmerko- und während der Bauausführung.
sten).
- Die Kostenstellenrechnung hat Aufschluß dar- Angebotskalkulation. Aufgabe der Angebotskal-
über zu geben, wo die Kosten entstanden sind kulation ist die Kostenermittlung von Baulei-
(eigene Baustellen und Gemeinschaftsbau- stungen zur Erstellung eines Angebots. Grund-
stellen, Verwaltung, Hilfsbetriebe und Ver- lage sind die Verdingungsunterlagen des Aus-
rechnungskostenstellen). lobers. Gemäß §9 VOB/A ist die Leistung ein-
- In der Kostenträgerrechnung werden die Ko- deutig und so erschöpfend zu beschreiben, daß
sten dem einzelnen Produkt bzw. den Produkt- alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sin-
gruppen zugeordnet. In der Bauwirtschaft ne verstehen müssen und ihre Preise sicher und
sind normalerweise die Bauleistungen, die ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen kön-
i.d.R. nach Positionen im Leistungsverzeich- nen (vgl. 2.4.4.1).
nis beschrieben sind, die eigentlichen Kosten-
träger. Auftrags- bzw. Vertragskalkulation. Vor Auf-
tragserteilung finden vielfach Verhandlungen
Für Zwecke der Kalkulation interessieren v.a. die zwischen dem Auftraggeber und dem potentiel-
Kostenarten für die einzelnen Bauleistungen, len Auftragnehmer statt. Sie können sich auf zu-
während für Zwecke der Kosten-,Leistungs- und sätzliche oder Teilleistungen, die Auswahl von
Ergebnisrechnung die Kostenarten und Kosten- Alternativ- oder Eventualpositionen sowie auf
stellen von Interesse sind. Standardänderungen beziehen. Die Abweichun-
gen gegenüber den Verdingungsunterlagen müs-
2.1.5.1 sen in ihren Kostenauswirkungen geprüft und
Bauauftragsrechnung (Kalkulation) mit der Angebotskalkulation verglichen werden.
Daraus entsteht die zum Zeitpunkt des Ver-
Die Hauptaufgaben der Bauauftragsrechnung tragsabschlusses gültige Auftragskalkulation.
bestehen in der Kostenermittlung für Baulei-
stungen vor, während und nach der Leistungs- Arbeitskalkulation. Bei der Erstellung der An-
erstellung. Ermittelt werden die Kosten der für gebotskalkulation ist der Kalkulator vielfach auf
die Erstellung der Bauleistungen erforderlichen vorläufige Ablaufplanungen angewiesen. Mate-
Güter und Dienstleistungen. rial- und Nachunternehmerpreise basieren auf
früheren Angeboten bzw. Erfahrungswerten
Kalkulationsarten und Auftragsphasen oder auf unvollständigen Preisanfragen während
der Angebotsphase.
In Abhängigkeit von dem jeweiligen Abwick- Nach der Auftragserteilung beginnt die de-
lungsstadium werden die in Abb. 2.1-35 darge- taillierte Planung des Bauablaufs und der erfor-
stellten Kalkulationsarten unterschieden. derlichen Kapazitäten in der Arbeitsvorberei-

Angebots· Auftrags-/ Arbeits-


kalkulation Vertrags- kalkulation
kalkulation

Abb. 2.1-35 Kalkulationsarten und Auftragsphase

2-58 Bauwirtschaft und Baubetrieb


tung, deren Ziel die wirtschaftliche Abwicklung überprüft werden können. Darüber hinaus soll
des Auftrags unter den vorgegebenen Bedingun- die Nachkalkulation Richtwerte für künftige An-
gen ist. Dabei stellt sich häufig heraus, daß an- gebotskalkulationen ähnlicher Bauvorhaben lie-
dere als in der Angebotskalkulation angenom- fern.
mene Ausführungsmaßnahmen und Bauverfah-
ren zweckmäßiger sind. Ferner werden auf- Kostenbegriffe
grundvon Vergaben die Material- und Nachun-
ternehmerpreise endgültig festgelegt. Damit hat Kosten entstehen aus dem bewerteten Verbrauch
die Arbeitskalkulation folgende Aufgaben zu er- von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistun-
füllen: gen materieller und immaterieller Art zur
- Überprüfung der Spanne für Allgemeine Ge- - Herstellung und Verwertung der betrieblichen
schäftskosten, Wagnis und Gewinn aus der Leistung,
Angebotssumme ./. Herstellkosten, - Aufrechterhaltung der hierfür notwendigen
- Richtlinie für die Bauleitung zur wirtschaftli- Betriebsbereitschaft und
chen Abwicklung des Bauauftrags, - Vorhaltung der hierfür notwendigen Kapa-
- Lieferung von Vorgabewerten für die monat- zitäten.
liche Kosten-, Leistungs- und Ergebniskon-
trolle mit Soll/Ist-Vergleichen. Kosten = Produktionsfaktormenge x
Produktionsfaktorpreis.
Dazu wird in vielen Unternehmen bei komple-
xen Bauaufträgen eine Zuordnung der LV-Lei- Zu den bauwirtschaftlichen Produktionsfakto-
stungspositionen zu Arbeitspositionen gemäß ren wird auf 2.1.2.3 verwiesen.
einem betriebsspezifischen Bauarbeitsschlüssel Für Zwecke der Kalkulation empfiehlt es sich,
(BAS) zur Ermittlung und Kontrolle der ent- Kosten nach weiteren Kriterien einzuteilen.
sprechenden Sollkosten vorgenommen.
Variable und fixe Kosten. Variable und fixe Ko-
Nachtragskalkulation. Für Bauleistungen, deren sten beschreiben das Kostenverhalten bei Ände-
Grundlagen der Preisermittlung sich geändert rungen der Ausbringungsmenge bzw. des Be-
haben (Änderung des Bauentwurfs oder andere schäftigungsgrades. Variable Kosten verändern
Anordnungen des Auftraggebers nach§ 2 Nr. 5 sich dabei entweder
VOB/B) oder die im Vertrag nicht vorgesehen - im gleichen Verhältnis (proportionale Kosten),
sind (Zusatzleistungen nach§ 2 Nr. 6 VOB/B), - schneller (progressive Kosten) oder
müssen im Rahmen von Nachtragskalkulatio- - langsamer (degressive Kosten).
nen, -angeboten und -Verhandlungen Preise
festgelegt werden. Hierzu gehört ein entspre- Fixe Kosten ändern sich bei Veränderung der
chendes Nachtragsmanagement (vgl. 2.1.6). Ausbringungsmenge bzw. des Beschäftigungs-
grades nicht (Bereitschaftskosten).
Zwischen- und Nachkalkulation. Während der
Bauausführung in bestimmten Intervallen durch- Zeitabhängige und zeitunabhängige Kosten. Zeit-
geführte Vergleiche zwischen den Soll- und Ist- abhängige Kosten verändern sich mit der Bau-
daten der Arbeitskalkulation ermöglichen dem zeit, d.h. erhöhen sich bei einer Verlängerung
Bauleiter erforderliche Korrekturen der Bauab- bzw. vermindern sich bei einer Verkürzung (z. B.
wicklung. Ziel solcher Zwischenkalkulationen Vorhaltekosten der Geräte). Zeitunabhängige
ist es, durch rechtzeitiges Erkennen von Abwei- Kosten entstehen dagegen unabhängig von der
chungen und Einleiten von Anpassungsmaß- Bauzeit (z.B. Materialkosten).
nahmen wirtschaftliche Baustellenergebnisse zu
erreichen. Dazu ist es unerläßlich, daß auch die Einzel- und Gemeinkosten. Einzel- und Gemein-
Arbeitskalkulation laufend auf den neuesten kosten werden nach der Kostenzurechenbarkeit
Stand gebracht wird, d.h., es müssen sämtliche unterschieden.
Nachtragsaufträge bei der Sollzahlenermittlung Einzelkosten oder auch direkte Kosten können
per Stichtag berücksichtigt werden. einem Erzeugnis verursachungsgemäß unmit-
Im Rahmen der Nachkalkulation werden die telbar zugerechnet werden; sie sind meistens va-
bei der Ausführung entstandenen Istkosten er- riable Kosten (z.B. bauleistungsbezogene Ar-
mittelt, so daß die Ansätze der Vorkalkulation beitslöhne und Stoffkosten).

Bauwirtschaftslehre 2-59
Gemeinkosten sind solche Kosten, die einem Istkosten der Istmengen bewerten die effektiv
Erzeugnis nicht direkt, sondern nur mit Hilfe erreichten Mengen zu einem Stichtag mit effek-
von Umlageschlüsseln zugerechnet werden kön- tiv entstandenen Faktorpreisen. Die Trendkosten
nen. Für die Kalkulation bedeutet dies, daß sie der Sollmengen, bewertet zum Kontrollzeit-
nicht bei den einzelnen Teilleistungen erfaßt, punkt,lassen den Trend der Abweichungen zwi-
sondern getrennt kalkuliert und als Zuschlag schen Soll- und Istkosten erkennen, sofern kei-
(Umlage) zugerechnet werden müssen. ne Anpassungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Diese Unterscheidungen werden in Abb. 2.1-36
Ausgabewirksame und nichtausgabewirksame veranschaulicht.
Kosten. Ausgabewirksame Kosten sind solche,
die innerhalb der Abrechnungsperiode zu Aus- Aufwands- und Leistungswerte
gaben führen (z. B. Löhne und Gehälter, Baustoff-
und Betriebsstoffkosten). Aufwandswerte benennen die erforderlichen
Nichtausgabewirksame Kosten sind solche, (Soll) oder tatsächlichen (Ist) Arbeits- bzw. Lohn-
die außerhalb der Abrechnungsperiode oder auch stunden, die für die Herstellung einer Mengen-
niemals zu Ausgaben führen (z. B. die kalkulato- einheit einer bestimmten Bauleistung benötigt
rischen Kostenarten für Abschreibung, Verzin- werden. Für Zwecke der Kalkulation interessie-
sung, Wagnis, Unternehmerlohn sowie Rückstel- rcin nur die zu bezahlenden Lohnstunden, ggf.
lungen). einschließlich aller Oberverdienste aus Leistungs-
Tilgungszahlungen sind Ausgaben, die keine lohn- oder Prämienvereinbarungen. Für die Ar-
Kosten darstellen, sondern lediglich den Ersatz beitsvorbereitung und Kapazitätseinsatzpla-
von Fremdkapital durch Eigenkapital. nung interessieren dagegen die zu leistenden Ar-
beitsstunden vor Ort in der Vorfertigung, beim
Ist- und Sollkosten. Hierbei handelt es sich um Transport und auf der Baustelle.
die Unterscheidung nach dem Genauigkeitsgrad
der Kostenfaktoren. Bei den Sollkosten der Soll- Au fwan d swert= Lohnstunden [ -Lh J
Mengeneinheit ME
mengen werden die bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt geplanten Faktormengen (gemäß Soll- Je nach Art des Bauwerks, der Teilleistungen
baufortschritt) mitgeplanten (kalkulierten) Fak- und der Ausführungsbedingungen können Auf-
torpreisen bewertet. wandswerte erheblich streuen.
Bei den Sollkosten der Istmengen werden die Maßgebliche Einflußfaktoren sind z. B. für
Istmengen mit geplanten Preisen bewertet. Die Schalarbeiten:
- das Bauteil und seine architektonische Gestal-
tung (Stützen, Wände, Decken, Balken und
Unterzüge, Brüstungen, Überzüge und Atti-
ken, Rand- und Seitenschalung),
- Betonoberflächenqualität in Normalausfüh-
rung oder als Sichtbeton,
- Schalsystem (Bretter-, Schaltafel-, System-
oder Großflächenschalungen),
- Einsatzhäufigkeit (Einarbeitungs- und Wie-
derholungseffekt, Kostenanteil für das Her-
stellen und Zerlegen der Schalung),
- Höhe der Schalung (::>3m,::; 5 m, > 5 m).
0 Istmenge Sollmenge Gesamt-
; t, menge t0 Leistungswerte benennen die je Kolonnen- oder
1 Sollkosten der Istmenge t, Gerätestunde zu erbringenden (Soll) oder
2 Istkosten der Istmenge t1 tatsächlich erbrachten (Ist) Mengeneinheiten.
3 Sollkosten der Sollmenge t,.
4 Trendkosten der Sollmenge t, . Mengeneinheiten [ ME ]
5 Sollkosten der Gesamtmenge t0 Leistungswert = --- .
6 Trendkosten der Gesamtmenge t0 Kolonnen- o. Gerätestd. Kho.Gh

Auch Leistungswerte weisen in Abhängigkeit von


Abb. 2.1 -36 Kostenkontrolle zu einem Stichtag x der Art des Bauwerks, der Teilleistungen und der
Ausführungsbedingungen sowie der Motivation

2-60 Bauwirtschaft und Baubetrieb


der gewerblichen Arbeitnehmer starke Streuun- und der Entgelttarifverträge (TV Lohn) sowie
gen auf. Bei der übernahme von Aufwands- und die Entgelte der Werkpoliere und Meister, die un-
Leistungswerten aus der Fachliteratur ist stets zu mittelbar an den einzelnen Teilleistungen arbei-
prüfen, ob und inwieweit die jeweils angenom- ten. Hierzu gehören die Tariflöhne einschließ-
menen Voraussetzungen und Randbedingungen lich Bauzuschlag, Leistungs- und Prämienlöhne,
gegeben sind. Aufwands- und Leistungswerte übertarifliche Bezahlung, Zuschläge für Über-
sind ein wichtiger Erfahrungsschatz der bauaus- stunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit so-
führenden Unternehmen. Sie unterscheiden sich wie Erschwerniszuschläge und die Arbeitgeber-
jedoch zwischen Firmen gleicher Personalstruk- zulage für vermögenswirksame Leistungen.
tur und gleichen Mechanisierungsgrades nicht
wesentlich, sondern unterliegen vielmehr einer
dynamischen Veränderung im Zeitablauf durch
den Produktivitätsfortschritt I Einzelkosten der
Teilleistungen
I
2.1.5.2
Elemente und Ablauf der Kalkulation
Lohnkosten II Sonstige Kosten I
Mittellöhne ASL
Aufwands·/
~ Sonstige Kosten I
Zur Erläuterung der Elemente der Kalkulation Leistungswerte Abschreibungssätze
dient Abb. 2.1-37. Personalstärke Verzinsungssätze
Reparatursätze
Anzahl
Einzelkosten der Teilleistungen (EkdT) Einsatzdauern

Nach der Kosten- und Leistungsrechnung Bau


"\ßau·/Betriebsstoffkosten I
(KLR-Bau) werden acht Kostenarten unterschie- t ~in kaufspreise
Mengen
den, die in der Praxis und auch in Abb. 2.1-38 zu
vier Kostenarten (Lohn-, Stoff-, Geräte- und
Nachunternehmerkosten) bzw. auch in nur zwei
1Kosten d. NU-Leistungen
und der Fremdarbeit
I
Kostenarten (Lohnkosten und Sonstige Kosten) t~U-Preise
verdichtet werden. Mengen

Lohnkosten. Die Lohnkosten umfassen die Löh- Abb. 2.1-38 Einzelkosten der Teilleistungen und Preis-
ne der gewerblichen Arbeitnehmer im Sinne des erminlungsgrundlagen
Manteltarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV)

c:
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ß"' <11
"'
E
zeitunabhängige zeitabhängige E E
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Baustellen-
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Vl gerneinkosten
Baustellen-
gemeinkosten c
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Lohn· Stoff- Geräte- Leistungen z


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~~§ kosten kosten kosten und der
Fremd-
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Ieistungen
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Abb. 2.1 -37 Elemente der Kalkulation nach KLR-Bau (1995)

Bauwirtschaftslehre 2-61
Die Lohnkosten ergeben sich aus dem Zeitauf- Bauwerks. Bestandteile der Baustoffkosten sind
wand für die einzelne Teilleistung sowie dem - Einkaufspreise nach Abzug aller Rabatte,
Lohn, der den für die Teilleistung beschäftigten - Frachtkosten für das Anliefern zur Baustelle
Arbeitern zu zahlen ist. Der Zeitaufwand wird und Abladen sowie
vom Kalkulator entsprechend den in seinem Be- - Schnitt-, Streu-, Material- und Bruchverluste.
trieb aus gleichen oder ähnlichen Arbeiten ge-
sammelten Aufwandswerten angesetzt. Dabei ist Für genormte Rüst-, Schal- und Verbaustoffe so-
das Bestehen von regionalen Akkordtarifverträ- wie Schal-, Kant- und Rundholz werden den
gen und Leistungsrichtwerten auf der Grundla- Baustellen meist monatliche Mietsätze in Rech-
ge des Rahmentarifvertrags für Leistungslohn nung gestellt. Anstelle der Bildung von Verrech-
im Baugewerbe (RTV Leilo) zu beachten. nungssätzen besteht die Möglichkeit, Kalkulati-
Der Lohn richtet sich nach den im Betrieb onswerte über die Einsatzhäufigkeit zu ermit-
tatsächlich gezahlten Löhnen. Da bei der Aus- teln. Dabei wird der Baustelle ein Anteil am Neu-
führung von Teilleistungen häufig Arbeitskräfte wert der Stoffe belastet, welcher der Anzahl der
verschiedener Lohngruppen tätig sind, deren Einsätze im Verhältnis zu den insgesamt mögli"
Verteilung auf die einzelnen Teilleistungen sich chen Einsätzen entspricht. Hilfsstoffe wie Klein-
im voraus jedoch nicht genau ermitteln läßt, ist eisenzeug und Nägel werden i.d.R. nicht den
es zweckmäßig und üblich, mit einem Mittellohn Einzelkosten der Teilleistungen, sondern den
zu rechnen. Darunter versteht man das arithme- Gemeinkosten der Baustelle zugeordnet.
tische Mittel sämtlicher auf einer Baustelle oder Die Kosten der Betriebsstoffe werden i.allg.
in Teilbereichen einer Baustelle voraussichtlich ebenfalls bei den Gemeinkosten berücksichtigt.
entstehenden Lohnkosten je Arbeitsstunde in Nur bei geräteintensiven Arbeiten (z.B. Straßen-
Abhängigkeit vom durchschnittlich eingesetzten bau) werden sie als Einzelkostenart erfaßt. Da-
Personal. Zu unterscheiden sind bei werden häufig Verrechnungssätze gebildet,
A Arbeiterlöhne (Grundlöhne), in denen die Betriebsstoffe zusammen mit den
AS Arbeiterlöhne inkl. Lohnzusatzkosten, Gerätekosten kalkuliert werden.
ASL Arbeiterlöhne inkl. Lohnzusatzkosten und
Lohnnebenkosten, Gerätekosten. Unter Gerätekosten sind allgemein
AP Arbeiterlöhne mit anteiligen Kosten der alle diejenigen Kosten zu verstehen, die sich aus
aufsichtsführenden Poliere. der Bereitstellung und dem Betrieb des Geräts
ergeben. üblicherweise werden darunter nur die
Die Arbeiterlöhne umfassen die Tariflöhne der Kosten der Gerätevorhaltung ermittelt, d.h.
gewerblichen Arbeitnehmer einschließlich aller - die Kosten für kalkulatorische Abschreibung
Zulagen und Zuschläge. und Verzinsung (A +V), auch als Kapitaldienst
Unter Lohnzusatzkosten sind Soziallöhne und bezeichnet, und
Sozialkosten zu verstehen, die sich aufgrundvon - die Kosten der Reparaturen (R) im Sinne der
Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebs- und Einzel- BGL 1991, d.h. die auf die Reparaturen anfal-
vereinbarungen ergeben. Sie werden als Zu- lenden Lohn- und Materialkosten, nicht je-
schlagssatz erfaßt, der auf die Grundlöhne an doch die Lohnzusatzkosten.
den tatsächlichen Arbeitstagen (produktive Löh-
ne) bezogen ist. Er schwankt in der Praxis je nach Die weiteren Kosten der Geräte werden meist
Krankenstand und sonstigen Ausfallzeiten zwi- folgenden Kostenarten zugerechnet:
schen 85 o/o und 95 o/o der Grundlöhne. - die Kosten für Bedienung, Wartung und Pfle-
Lohnnebenkosten erhalten solche Arbeitneh- ge den Lohn- und Gehaltskosten,
mer, die auf Bau- oder Arbeitsstellen mit oder - die Kosten für Betriebs- und Schmierstoffe
ohne tägliche Heimfahrt beschäftigt sind. Dar- den Kosten für Hilfs- und Betriebsstoffe,
unter fallen gemäß § 7 BRTV Fahrtkostenabgel- - die Kosten für Verladungen, Transporte, Auf-,
tung, Verpflegungszuschuß und Auslösung. Um- und Abbau den Gemeinkosten für Ein-
richten und Räumen der Baustelle, sofern sie
Stoffkosten. Zu den Stoffen gehören Baustoffe, nicht in gesonderten Positionen ausgewiesen
Rüst-, Schal- und Verbaumaterial sowie Hilfs- und dann den Einzelkosten der Teilleistungen
und Betriebsstoffe. Baustoffe wie Zuschlagsstof- zurechenbar sind,
fe, Zement, Bewehrungsstahl, Profilstahl, Mau- - die Kosten für Geräteversicherungen und Kfz-
ersteine und Fertigteile werden Bestandteil des Steuern den Allgemeinen Geschäftskosten.

2-62 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Für die Gerätebedienung wird für die Wartungs- Es wurde bewußt darauf verzichtet, bestimmte
und Pflegearbeiten außerhalb der baustellenüb- Erzeugnisse, Fabrikate oder Typenbezeichnun-
lichen Arbeitszeit ein Überstundenanteil von et- gen einzeln aufzuführen, um die erforderliche
wa 10% der baustellenüblichen Arbeitszeit ange- Neutralität zu wahren. Die jeweiligen Kenngrö-
nommen. ßen ermöglichen jederzeit die Zuordnung be-
Für die Gerätekosten bestehen je nach Art der stimmter Fabrikate wie
Ausschreibung im Leistungsverzeichnis drei Zu- - für Turmkrane das Nennlastmoment oder
ordungsmöglichkeiten: - für Bagger die Motorleistung und der Löffel-
- in den Einzelkosten der Teilleistungen als ei- inhalt.
gene Positionen, z.B. Einrichten, Vorhalten
und Räumen der Baustelle, In der BGL 1991 sind auch die Konstruktionsge-
- als Bestandteil der Einzelkosten der Teillei- wichte zur Ermittlung von Transport- und Ver-
stungen, z.B. Baggerkosten im Einheitspreis ladekosten enthalten. Die BGL 1991 dientder Ar-
für den Erdaushub, beitsvorbereitung zur Auswahl von Geräten und
- in den Gemeinkosten der Baustelle wegen feh- der Betriebsplanung im Baubetrieb zur Ermitt-
Jender direkter Zurechnungsmöglichkeit, z.B. lung von Gerätevorhaltekosten und zu Wirt-
Turmdrehkrane für die gesamten Rohbauar- schaftlichkeitsberechnungen. Die in ihr angege-
beiten. benen Nutzungsjahre stimmen überein mit den
Nutzungsdauern der amtlichen steuerlichen
Die Baugeräteliste 1991 (BGL 1991) ist ein Tabel- AfA-Tabellen für den Wirtschaftszweig Bauge-
lenwerk, dem maßgebliche Kostendaten für die werbe.
im Bauhauptgewerbe eingesetzten Geräte ent- Von der Nutzungsdauer gelangt man über die
nommen werden können (Hoch- und Tiefbau, Vorhaltezeit auf der Baustelle und die Einsatzzeit
Straßen- und Wasserbau) wie am Bauteil zur Betriebszeit für den jeweiligen
- Nutzungsjahre und Vorhaltemonate, Arbeitsvorgang (vgl. Abb. 2.1-39).
- monatliche Sätze für Abschreibung und Ver- Folgende Kostenbegriffe werden zur Geräte-
zinsung sowie Reparaturkosten, kostenermittlung benötigt:
- Gerätekosten zur Beschreibung der verschie- - mittlerer Neuwert als Mittelwert der Ab-Werk-
denen Gerätetypen und mittlere Neuwerte Preise der gebräuchlichsten Fabrikate auf der
(Mittelwerte der Ab-Werk-Preise der gebräuch- Preisbasis 1990 einschließlich Bezugskosten
liehen Fabrikate auf der Preisbasis 1990 ein- ohne Mehrwertsteuer;
schließlich Bezugskosten wie Frachten, Ver- - seine Hochrechnung auf künftige Wiederbe-
packung und Zölle ohne Mehrwertsteuer). schaffungsjahre durch Extrapolation des amt-

Nutzungsdauer

+
l
~ t
I I I
Stilliegezeit auf
Vorhaltezeit auf der Baustelle dem Bauhof
t +
t + t J. j t + + t

I I
An- und Wartung
Auf- und Einsatz- Still-
ROck- Umsetzen und Reparatur Lagerung Reparatur
Abbau zeit Iiegezeit
transpolt Pflege
+
+ + + +
Vorberei- betrieblich
tung und Betriebs- Verteil- und
bedingte
Abschluß zeit Verlustzeit
Wartezeit
d. Arbeit

Abb. 2.1-39 Gliederung der Nutzungsdauervon Baugeräten

Bauwirtschaftslehre 2-63
liehen "Erzeugerpreisindexes für Baumaschi- wandt, die während längerer Zeit auf der Bau-
nen" des Statistischen Bundesamtes; stelle vorgehalten werden müssen, ohne jedoch
- die Abschreibung a, die in der BGL 1991line- immer in Betrieb zu sein (Hebezeuge und Bau-
ar vorgenommen wird, stellenausstattungen im Hoch- und Ingenieur-
bau).
a (% p. M.) = 100/v,
Gerätekostenermittlungen über die Einsatz-
a monatlicher Anteil vom mittleren Neuwert oder Betriebszeit werden v. a. für Leistungsgerä-
für Abschreibung, v Anzahl der Vorhaltemo- te durchgeführt, die bestimmten Teilleistungen
nate; zugeordnet werden können (Erdbaugeräte,
- Verzinsung z des in das Gerät investierten und Geräte für Straßen- und Gleisoberbau).
noch nicht abgeschriebenen Kapitals; in der Bei Stilliegezeiten innerhalb einer Vorhaltezeit
BGL 1991 wird eine einfache Zinsrechnung von mehr als 10 aufeinanderfolgenden Arbeits-
mit einem kalkulatorischen Zinssatz p von tagen gelten
6,5% p.a. unabhängig vom tatsächlichen Ka- - für die ersten 10 Kalendertage die volle Ab-
pitalmarktzins angesetzt, schreibung und Verzinsung sowie die vollen
Reparaturkosten,
p x n 6;5% x n
z (o/op.M. ) = - - = ' - vom 11. Kalendertag an 75% + 8% (für War-
2xv 2xv tung und Pflege) der Abschreibungs- und Ver-
n Anzahl der Nutzungsjahre; zinsungssätze; Reparaturkosten entfallen.
- Kapitaldienst k (Abschreibung und Verzin-
sung) Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, daß für
die Höhe der Gerätekosten der Ausnutzungs-
k (% p. M.) = a + z,
oder Beschäftigungsgrad von entscheidender
z durchschnittlicher monatlicher Anteil vom Bedeutung ist, d.h. das Verhältnis zwischen Vor-
mittleren Neuwert für Verzinsung, k monatli- haltemonaten und Nutzungsjahren.
cher Anteil vom mittleren Neuwert für Ab-
schreibung und Verzinsung, Kosten der Nachunternehmerleistungen und der
Fremdarbeit. Der Nachunternehmer unterschei-
K(DMp.M.)=kxA,
det sich vom Fremdunternehmer dadurch, daß
A mittlerer Neuwert in DM, K monatlicher Ka- der Nachunternehmer Gewährleistungspflich-
pitaldienst; ten für die übertragenen Leistungen übernimmt,
- die zur Erhaltung und Wiederherstellung der während dies bei einem Fremdunternehmer
Betriebsbereitschaft insgesamt erforderlichen nicht der Fall ist (z. B. beim Werklohnunterneh-
Reparaturkosten, mer ). In die Angebotskalkulation werden die Ko-
sten der Nachunternehmer und der Fremdarbeit
R (DM p.M.) = rxA, als Einzelkosten der Teilleistungen aus der An-
r monatlicher Anteil vom mittleren Neuwert frage des Hauptunternehmers an potentielle
für Reparatur in %, R monatlicher Reparatur- Nachunternehmer "in der ersten Runde" einge-
kostenbetrag. setzt. Erhält dann der Hauptunternehmer den
Auftrag, so wird i.d.R. "in der zweiten Runde"
Die Reparaturkosten R gliedern sich in 30% In- nachverhandelt.
standhaltung und 70% Instandsetzung. Bei der
Aufteilung nach Kostenarten werden 40% für Gemeinkosten (GKJ der Baustelle
Lohnkosten (ohne Lohnzusatzkosten) und 60%
für Stoffkosten angenommen. Gemeinkosten (GK) der Baustelle sind solche
Da Gerätekosten zeitabhängig sind, kommen Kosten, die durch das Betreiben der Baustelle als
für ihre Ermittlung die Vorhalte-, Einsatz-, Be- Ganzes entstehen und sich keiner Teilleistung di-
triebs- und Stilliegezeit in Betracht. Nach rekt zuordnen lassen. Sie werden gesondert be-
BGL 1991 entspricht ein Vorhaltetag 8 Vorhalte- rechnet und bei der Bildung der Einheitspreise
stunden und ein Vorhaltemonat 30 Kalenderta- den Teilleistungen als Bestandteil der Kalkulati-
gen bzw. 175 Vorhaltestunden bzw. 175/8 Vor- onszuschläge zugerechnet.
haltetagen. Sind im Leistungsverzeichnis für Teile der Ge-
Gerätekostenermittlungen für die Vorhaltezeit meinkosten besondere Positionen vorhanden,
werden überwiegend für solche Geräte ange- z.B. für das Einrichten und Räumen der Bau-

2-64 Bauwirtschaft und Baubetrieb


stelle sowie das Vorhalten der Baustellenein- Zeitunabhängige Gemeinkosten der Baustelle.
richtung, so sind die Kosten hierfür wie Einzel- Darunter versteht man
kosten der Teilleistungen zu behandeln. - Kosten der Baustelleneinrichtung und -räu-
Voraussetzung für die Ermittlung der Gemein- mung: Ladekosten umfassen die Kosten für
kosten der Baustelle ist ein genaues Durchden- das Auf- und Abladen auf der Baustelle und
ken des gesamten Bauauftrags. Die zeitliche Ab- dem Bauhof. Sie sind abhängig von Gewicht
folge der verschiedenen Teilleistungen ist mit und Art der Ladegüter. Frachtkosten entste-
Hilfe eines Bauzeitenplanes zu ermitteln, der hen aus dem Transport zwischen Bauhof und
auch als Grundlage zur Bestimmung der Kapa- Baustelle bzw. verschiedenen Baustellen.
zitäten dient (Belegschaftsstärke und Gerä- - Kosten der Baustellenausstattung: Hilfsstoffe
teausstattung). Die Auswirkungen von Bauzeit- werden nicht Bestandteil des Bauwerks; ihre
veränderungen auf die Gemeinkosten werden Kosten können meist nur über Verrechnungs-
deutlich sichtbar, wenn man eine Trennung in sätze ermittelt werden (Schalungsöl, Scha-
zeitabhängige und zeitunabhängige Anteile vor- lungsanker, Schrauben, Nägel). Werkzeuge
nimmt (Abb. 2.1-40). und Kleingeräte sind Handwerkszeuge (Häm-
mer, Zangen, Schraubschlüssel) oder Hand-

I Baustellengemeinkosten I
Zeitunabhängige Kosten I I Zeitabhängige Kosten I
4 I n.,_______ I
t
Kosten der Baustelleneinrichtung II Vorhaltekosten ~

ladekosten r- Geräte
Frachtkosten r- Besondere Anlagen
Auf-/Um-/ Abbau kosten r- Baracken, Container, Bauwagen
r- Fahrzeuge

~ ~!;!~~en
r- Einrichtungsgegenstände, Büroausstattung
'- Rüst-/Schai-Nerbrauchsstoffe
Wasser, Elektrizität, Telefon
Zufahrten, Wege, Zäune, Lager-/Werkplätze
Sicherungseinrichtungen n.,_______
II Betriebskosten I ~

1 I r-Geräte

t
Kosten der Baustellenausstattung f- besondere Anlagen
f- Baracken, Unterkünfte
Hilfsstoffe .... Fahrzeuge
Werkzeuge und Kleingerät
Ausstattung für Büros und Unterkünfte
(soweit nicht unter zeitabhängige Vorhaltekosten) H Kosten der örtlichen Bauleitung I
I r-Gehälter

t
-jTechnische Bearbeitung und Kontrolle r- Telefon, Porto, Büromaterial
r- Pkw-/Reisekosten
Konstruktive Bearbeitung
.... Werbung
Arbeitsvorbereitung
Baustoffprüfung, Bodenuntersuchung
Allgemeine
U1'-r--__:_ __ Baukosten
_____J I
1,_______B_a_uw_a_g_n_iss_e______~l r- Hilfslöhne
r- lnstandhaltung der Wege, Plätze und Zäune
~ Sonderwagnisse der Bauausführung r- sonstige zeitabhängige Kosten
L Versicherungen
f- Pachten und Mieten

n.,_____
_j Sonderkosten ____j
I '- Kosten zur Versorgung der Baustelle
(soweit nicht unter Vorhalte- oder Betrie~kosten)
r- ungewöhnliche Bauzinsen
r- Lizenzgebühren
r- Lohnsummensteuer
f- ARGE-Kosten
r- Winterbaumaßnahmen
'- sonstige einmalige Kosten

Abb. 2.1-40 Zeitunabhängige und zeitabhängige Baustellengemeinkosten

Bauwirtschaftslehre 2-65
maschinen (Bohrmaschinen, Handkreissä- portarbeiten, Ausbesserung und Reinigung
gen), die in der Kalkulation mit 2% bis 5% der nicht in den Einzelkosten der Teilleistungen
Lohnkosten angesetzt werden. Zur Ausstat- erfaßt sind.
tung für Büros, Unterkünfte und Sanitäranla-
gen zählen Schreibtische, Schränke, Stühle, Ti- Allgemeine Geschäftskosten (AGK)
sche, Beleuchtungskörper und EDV-Anlagen.
- Technische Bearbeitung und Kontrolle: Die Während Gemeinkosten der Baustelle auftrags-
Kosten der konstruktiven Bearbeitung durch bedingt anfallen, werden die Allgemeinen Ge-
Tragwerksplaner werden nach Zeitaufwand schäftskosten (AGK) vom Unternehmen als
oder HOAI ermittelt; ggf. sind auch die Kosten Ganzem verursacht. Sie können den einzelnen
des Prüfingingenieurs zu berücksichtigen. Aufträgen daher nur mit Hilfe von Zuschlags-
sätzen, die zwischen 6% und 8% der Auftrags-
Eine gesonderte Erfassung der Arbeitsvorberei- summe schwanken, zugerechnet werden. Dazu
tung kommt für Großbaustellen und Arbeitsge- zählen u.a.
meinschaften in Betracht; bei kleineren Aufträ- - Kosten der Unternehmensleitung und -ver-
gen werden sie den Allgemeinen Geschäftsko- waltung wie Gehälter und Löhne, kalkulatori-
sten zugeordnet. scher Unternehmerlohn (nur bei Einzelunter-
Der Umfang von Baustoffprüfungen und Bo- nehmen und Personengesellschaften}, Sozial-
denuntersuchungen richtet sich nach den Ver- kosten, Büromiete oder Abschreibung, Verzin-
dingungsunterlagen und den allgemein aner- sung und Instandhaltung eigener Gebäude,
kannten Regeln der Technik. Heizung, Beleuchtung und Reinigung sowie
- Bauwagnisse: Sonderwagnisse der Bauaus- Reisekosten,
führung sind z.B. noch nicht erprobte Bau- - Kosten des Bauhofes (Lagerplatz, Magazin,
verfahren, drohende Vertragsstrafen aus Ter- Werkstatt, Fuhrpark),
minüberschreitung und Gefährdung durch - freiwillige soziale Aufwendungen für die Ge-
Hochwasser. Versicherungsprämien sind zu samtbelegschaft,
berücksichtigen, soweit sie speziell für den - nicht gewinnabhängige Steuern und öffentli-
Bauauftrag abgeschlossen werden (z.B. Bau- che Abgaben (z.B. Grundsteuer),
wesenversicherung). - Verbandsbeiträge (z.B. Arbeitgeberverband,
- Sonderkosten: Dazu zählen ungewöhnliche Industrie- und Handelskammer, Betonver-
Bauzinsen, die infolge außergewöhnlich lan- ein),
ger Zahlungsfristen des Auftraggebers entste- - Versicherungen, soweit sie nicht ausschließ-
hen, Lizenzgebühren, sofern patentrechtlich lich einzelne Aufträge betreffen, d.h. insbe-
geschützte Bauverfahren angewandt werden, sondere Berufs- und Betriebshaftpflicht-, Un-
ARGE-Kosten aufgrundder Gebühren für die fall-, Baugeräte-, Feuer~, Einbruch-, Diebstahl-,
technische und kaufmännische Federführung Leitungswasserschaden-und Sturmschaden-
sowie die Tätigkeit der Aufsichtsstelle und Ko- versicherung,
sten für besondere Winterbaumaßnahmen. - kalkulatorische Verzinsung des betriebsnot-
wendigen Kapitals (Bilanzsumme ./. betriebs-
Zeitabhängige Gemeinkosten der Baustelle. Da- fremdes Vermögen),
zuzählen - sonstige Allgemeine Geschäftskosten wie
- Vorhaltekosten mit den Beträgen für die kal- Rechts- und Steuerberatungskosten, Patent-
kulatorische Abschreibung und Verzinsung und Lizenzgebühren.
sowie die Reparaturkosten, soweit nicht in-
nerhalb der Einzelkosten der Teilleistungen In der Praxis wird der Zuschlagssatz für die All-
aufgeführt, gemeinen Geschäftskosten (AGK) sowie für
- Betriebskosten für flüssige, gasförmige oder Wagnis und Gewinn (W+G) in Prozent der An-
feste Betriebsstoffe, Heizöl, Schmierstoffe und gebotssumme den Herstellkosten (HK) zuge-
elektrische Energie, schlagen. Da aus der Summe der Einzelkosten
- Kosten der örtlichen Bauleitung für Bauleiter, der Teilleistungen (EkdT) und der Gemeinko-
Baukaufmann und Poliere, sten (GK) nur die Herstellkosten bekannt sind,
- allgemeine Baukosten, insbesondere durch muß der Zuschlagssatz auf die Herstellkosten
Hilfstöhne für Hilfskräfte, soweit die erforder- nach folgender Formel berechnet werden:
lichen Randstunden für z. B.Ablade- und Trans-

2-66 Bauwirtschaft und Baubetrieb


weiligen Kapitalmarktverhältnissen. Der Ge-
,100x p
winnzuschlag soll aber auch eine angemessene
p = 100- p'
Vergütung für die Leistung des Unternehmens in
p Prozentsatz der Angebotsendsumme für AGK wirtschaftlicher, technischer und organisatori-
und W +G; p' Prozentsatz, bezogen auf HK. scher Hinsicht sein. In einer Marktwirtschaft mit
, 100X(6+4) Wettbewerbspreisen entscheidet jedoch der
Beispiel: p = 100 _( 6 + 4) ll,llo/ovonHK. Markt und damit die Intensität der Nachfrage
und des Angebots über den möglichen Gewinn-
zuschlag. Der Markt interessiert sich nicht für die
Wagnis und Gewinn (W+G) Selbstkosten des Unternehmers.
Kurzfristig ist auch ein Gewinnzuschlag :;;; 0
Der Zuschlag für Wagnis und Gewinn (W+G) denkbar, wenn es im Rahmen der Deckungsbei-
wird i. d. R. in einem Prozentsatz, bezogen auf den tragsrechnung um einen kurzfristigen Bauauf-
Umsatz (Nettoangebotspreis), ausgedrückt. Der trag am Jahresende mit scharfer Konkurrenz
Wagnisanteil soll das allgemeine Unternehmer- geht.
wagnis, die allgemeinen Bauwagnisse und die üb-
lichen Gewährleistungswagnisse abdekken. Die Umsatzsteuer
besonderen Bauwagnisse sind dagegen in den
Gemeinkosten der Baustelle als spezielle Einzel- Die Umsatzsteuer ist eine Mehrwertsteuer. Sie
wagnisse anzusetzen. Der vorkalkulatorische beträgt seit dem 01.04.1998 16% auf die Netto-
Wagniszuschlag sollte im Normalfall2% des An- abrechnungswerte. Sie gilt auch für Abschlags-
gebotspreises nicht unterschreiten. Als mögliche rechnungen(§ 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B).
Kalkulationsrisiken sind u.a. zu beachten:
- unklare oder nicht ausreichend detailliert for- Kalkulationsverfahren
mulierte Leistungsbeschreibungen, z.B. im
Hinblick auf Boden- und Grundwasserver- Im Baugewerbe werden wegen der Unikat- und
hältnisse, Nebenleistungen, funktionales Lei- Einzelfertigung auf immer wieder neuen Bau-
stungsprogramm ohne Mengen, stellen mit jeweils auftragsspezifischen Produk-
- Wahl der Aufwands- und Leistungswerte so- tionsbedingungen Verfahren der Zuschlagskal-
wie Mittellöhne, kulation angewandt im Gegensatz zu in der sta-
- örtliche Verhältnisse auf der Baustelle und tionären Industrie üblichen anderen Verfahren
Einflüsse aus den angrenzenden Baugrund- wie der Divisionskalkulation. Dazu ist allerdings
stücken, festzustellen, daß sich die "Kalkulation" bei klei-
- Mengenrisiko, nen, aber auch mittleren Bauunternehmen viel-
- Wahl des Bauverfahrens und angebotstech- fach noch darauf beschränkt, Einheitspreise in
nisch noch nicht ausgereifter Sondervor- die Blankette der Leistungsverzeichnisse aus der
schläge, Erfahrung hineinzuschreiben, ohne sie durch
- Abweichungen zwischen geplantem und tat- vorkalkulatorische Kostenermittlungen zu un-
sächlichem Ablauf aus Leistungsänderung, termauern. Größere Bauunternehmen neigen
Zusatzleistungen sowie Leistungsstörungen andererseits vermehrt dazu, die Kalkulation auf
bzw. Behinderungen. das Einholen von Nachunternehmerangeboten
zu beschränken, da der Eigenleistungsanteil zu-
Aus der Summe der Einzelkosten der Teilleistun- nehmend reduziert wird. Beide Vorgehenswei-
gen (EkdT), der Baustellengemeinkosten (GK), sen sind abzulehnen, da die Fähigkeit zu eigen-
der Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) sowie ständiger Kalkulation fehlt oder verlorengeht
dem Wagnis (W) ergeben sich die Selbstkosten Bei der Zuschlagskalkulation ist das Verfahren
des Unternehmers. Der übergang von den mit vorbestimmten Zuschlägen vom Verfahren
Selbstkosten des Unternehmers zu den Preisen über die Angebotsendsumme, d.h. mit auftrags-
des Marktes vollzieht sich durch den Gewinnzu- spezifischer Gemeinkostenermittlung, zu unter-
schlag (G). Dieser muß mittel- und langfristig> 0 scheiden.
sein, damit für die Anteilseigner ein Anreiz be-
steht, Kapital in das Unternehmen zu investieren Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen. Sie
und eine angemessene Kapitalverzinsung zu er- kommt nur für solche Aufträge in Betracht, de-
halten. Seine Höhe ist daher abhängig von den je- ren Kostenartenstruktur im wesentlichen mit

Bauwirtschaftslehre 2-67
Abb. 2.1·41 Ablauf der Kalkulation mit vorbestimmten
Zuschlägen
Ermittlung der
Einzelkostenzuschlage
der anderer Aufträge vergleichbar ist. Dabei wer-
Ermittlung der
den die aus der Baubetriebsrechnung oder aus :... ......
E1nhe1tspreise
vergleichbaren Aufträgen ermittelten Zuschläge
für die Kalkulation verwendet (Abb. 2.1-41).
Abb. 2.1·42 Ab lauf der Kalkulation über die Angebots·
Dieses Verfahren wird überwiegend für Roh- endsumme
bauangebote einfachen und mittleren Schwie-
rigkeitsgrades sowie für sämtliche Technik- und
Ausbauangebote angewandt, sofern die Einheits- Vorarbeiten. Zunächst ist anhand der vorliegen-
preise nicht aus dem Gedächtnis heraus einge- den Ausschreibungsunterlagen zu entscheiden,
setzt werden. ob die anzubietende Leistung fachlich, kapazitiv
und von der Konkurrenzsituation her so attrak-
Kalkulation über die Angebotsendsumme. Bei tiv ist, daß der mit der Angebotsbearbeitung
der Kalkulation über die Endsumme werden die verbundene Arbeitsaufwand gerechtfertigt ist
Gemeinkosten der Baustelle für jeden Bauauf- (Prozeßhürde Start Angebotsbearbeitung -
trag gesondert ermittelt. Daher ergeben sich je- vgl. 2.2.6).
weils unterschiedlich hohe Zuschläge auf die Ein- Sodann sind die in den Verdingungsunterla-
zelkosten der Teilleistungen. Die Allgemeinen gen enthaltenen kostenwirksamen Vorgaben zu
Geschäftskosten sowie der Zuschlag für Wagnis ermitteln, z.B.
und Gewinn werden auch hier mit vorberechne- - Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten,
ten Zuschlagssätzen den Herstellkosten zuge- - Vertragsstrafen,
schlagen. Infolge der auftragsspezifischen Ermitt· - Sicherheitseinbehalte,
Jung der Gemeinkosten der Baustelle engt dieses - Aufhebung von Bedingungen der VOB/B,
Kalkulationsverfahren das Risiko von Kalkulati- - Einschluß von Besonderen Leistungen gemäß
onsfehlern erheblich ein. Daher sollte es für alle VOB/C in die vertraglichen Leistungen,
größeren Rohbauaufträge gewählt werden, ins- - Lieferung von Ausführungsunterlagen,
besondere für solche des konstruktiven Ingeni- - örtliche Verhältnisse.
eurhoch-und -tiefbaus (Abb. 2.1-42).
Anschließend ist die Angebotsbearbeitung zeit-
Ablaufder Kalkulation lich und personell einzuplanen und zu prüfen,
ob Änderungsvorschläge oder Nebenangebote
Die Maßnahmen zur Bearbeitung einer Ange- in Betracht kommen. Bei Unklarheiten oder
botskalkulation gliedern sich in Vorarbeiten, die Lücken in den Verdingungsunterlagen sind in
eigentliche Angebotsbearbeitung und firmen- Wahrnehmung der Prüfungspflicht des Bieters
politische Abschlußarbeiten. Auskünfte beim Auslober einzuholen.

2-68 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Leistungspositionen, für die Pauschalpreise Einzelkosten der Teilleistungen (EkdT)
angegeben werden sollen, erfordern die Ermitt- - Löhne 1,50 Lhx55,00 DM/Lh 82,50 DM/m3
lung der fehlenden Mengenangaben. Einzelne - Stoffe 110,00 DM/m 3
Bauteile sind ggf. konstruktiv zu bearbeiten wie 192,50 DM/m3,
die Bemessung von Leergerüsten oder von Bau-
Schlüsselkosten (Slk)
grubenverbaukonstruktionen. - aufLöhne 1,50 Lh x
Sodann sind seitens der Arbeitsvorbereitung
24,75 DM/Lh 37,13DM/m3,
Angaben zu liefern über Art, Anzahl und Einsatz-
- aufStoffe 110DM/m3 x10o/o 11.00DM/m3
dauer der benötigten Arbeitskräfte, Betriebs-
48.13DM/m3
mittel und Geräte. Gemeinsam mit der Arbeits-
Einheitspreis 240,63 DM/m3•
vorbereitung sind Bauablaufpläne mit zeitlicher
Abfolge der Arbeiten aufgrund der vorgegebe- In der Pos. 2.04 Wandbeton sind in die Ermittlung
nen Vertragstermine unter Berücksichtigung der Einzelkosten das Einrichten, Vorhalten und
wirtschaftlicher Arbeitsverfahren sowie der Räumen der Baustelleneinrichtung, der Betrieb
technologischen, betrieblichen und äußeren Ab- und die Bedienung der Geräte sowie Allgemeine
hängigkeiten zu entwickeln. Ferner ist ein Bau- Baukosten hinzugerechnet worden. Infolgedes-
stelleneinrichtungsplan für den Einsatz der er- sen ergibt sich hier der gegenüber dem Funda-
forderlichen Großgeräte zu entwerfen. mentbeton mehr als doppelt so hohe Einheits-
Für Leistungen, die nicht vom eigenen Unter- preis von 547,40 DM/m3 • Würden diese Anteile
nehmen erbracht werden sollen oder können, den Gemeinkosten der Baustelle zugerechnet, so
sind Subunternehmerangebote einzuholen. müßte der Kalkulationslohn und der Zuschlag
auf Sonstige Kosten entsprechend erhöht werden.
Ermittlung der Einheitspreise für die LV-Posi- Beim Verfahren über die Angebotsendsumme
tionen. Das Kalkulationsverfahren soll zunächst sind folgende Schritte durchzuführen:
am Beispiel einer Kalkulation mit vorbestimm- - Ermittlung der Einzelkosten je Einheit der LV-
ten Zuschlägen für eine Stützmauer gezeigt wer- Position ohne Zuschlag, getrennt nach den ge-
den (Tabelle 2.1-10 ). Die Kalkulation wird in fol- wählten vier Kostenarten Löhne, Stoffe, Gerä-
genden Schritten durchgeführt: te und Nachunternehmer, und Summierung je
- Ermittlung der Einzelkosten je Einheit der LV- Kostenart (Tabelle 2.1-11 mit Summenzeile in
Position ohne Zuschlag, getrennt nach den den Spalten 7 bis 12);
Kostenartengruppen "Lohnstunden" und - Ermittlung der Gemeinkosten der Baustelle
"Sonstige Kosten" sowie ihrer Summierung; (Tabelle 2.1-12);
- Ermittlung der Einheitspreise durch Multipli- - Ermittlung der Herstellkosten, der Angebots-
kation der Lohnstunden je Einheit mit dem summe und des Angebotslohnes (Kalkulati-
Kalkulationslohn von im Beispiel79,75 DM/Lh, onslohn) im Kalkulationsschlußblatt (Tabelle
der sich z.B. aufgliedert in den Mittellohn ASL 2.1-13).
von 55,00 M/Lh und einen Zuschlag Z zur
Deckung der Schlüsselkosten aus Gemeinko- Darin werden in Zeile 1 die Einzelkosten der
sten sowie Allgemeinen Geschäftskosten und Teilleistungen aus der Summenzeile von Tabelle
Wagnis+Gewinn von 24,75 DM/Lh. Für Son- 2.1-11 übernommen. In Zeile 2 werden die Ge-
stige Kosten wird ein Zuschlag von 10o/o ge- meinkosten der Baustelle als Summenzeile aus
wählt. Diese Werte ergeben sich aus der Bau- Tabelle 2.1-12 eingetragen. Die Addition von Zei-
betriebsrechnungund werden i.d.R. jährlich le 1 und Zeile 2 ergibt in Zeile 3 die Herstellko-
aktualisiert. sten. In den Zeilen 4 bis 6 werden die vorbe-
stimmten Zuschläge für AGK sowie W +Gin Pro-
Durch Multiplikation der Einheitspreise mit den zent der Angebotssumme (von oben) aufgeführt.
Mengen ergeben sich die Positionspreise; deren Zeile 7 enthält nach Umrechnung den Gesamt-
Addition ergibt die Nettoangebotssumme von zuschlag in Prozent auf die Herstellkosten (von
247168,12 DM. Der Einheitspreis des Funda- unten), Zeile 8 die Multiplikation und Zeile 9 die
mentbetons (Pos. 2.02) von 240,63 DM/m 3 setzt Angebotssumme ohne Umsatzsteuer durch Ad-
sich damit wie folgt zusammen: dition von Herstellkosten sowie AGK und W +G.
Zur Ermittlung der Zuschlagssätze und des
Angebotslohnes werden zunächst in Zeile 10 die
EKdT von der Angebotssumme in Zeile 9 abge-

Bauwirtschaftslehre 2-69
Tabelle 2.1-10 Ermittlung der Einheitspreise durch Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen für eine Stützmauer [KLR-Bau
1995,5.51]

Pos. Beschreibung der Position Kosten je Einheit Kosten je Position Kosten je Einheit Angebotspreise
Nr. ohne Zuschlag ohne Zuschlag mit Zuschlag
.,
.."'
c:
:::.;;
·~
...-E
Std. Sonstige

Lh
Kosten
DM
Std.

Lh
Sonstige Löhne Sonst. Ko.
Kosten Lh 79.75 +10%
DM DM DM
E.P.

DM
Positions-
preise
DM
1.00 Erdarbeiten
1.01 900 cbm Aushub und seitliches Lagern
Laderaupe SO kW leistet 20 cbm/h
Betrieb: 10,16 DM/20 cbm 0,51
+Vorhaltung 63,98 DM/20 cbm 3,20
Bedienung 2 Mann: 2h/20 cbm 0,10
0,10 3,71 90,00 3 339,00 7,98 3,90 11,88 10692,00
1.02 150 cbm Abfuhr
2 Fahrzeuge: 2x100,· DM/20 cbm
als Nachunternehmer 10,00
1 10.00 1 soo,oo 10,50 10,50 1 575,00
1.03 750 cbm Hinterfullu ng
Laderaupe 50 kW leistet 20 cbmlh
Set rieb: 10,16 DM/20 cbm 0,51
+Vorhaltung 63,98 DM/20 cbm 3,20
AT 2000: Setrieb : 1,65 DM/20cbm 0,08
+Vorhaltung: 11,61 DM/20cbm 0,58
Bedienung 3 Mann: 3h/20 cbm 0,15
0,15 4,37 112,50 3 277.50 11,96 4,59 16,55 12 412,50
2.00 Beton- und Stahlbetonarbeiten
2.01 280 qm Sauberkeitsschicht 8 cm
B100,08cbm(2 h/100.- DM) 0,16 8,00
Abziehen o, 1 html 0,10
0,26 8,00 72.80 2 240,00 20,74 8,40 29,1 4 8159,20
2.02 112 cbm Fundamentbeton 8151,5 h/110.- DM 1,50 110,00
1.50 110,00 168,00 12320,00 119,63 121 24Q,63 26.950,56
2.03 190 qm Fundamentschalung 1,5 h/12 DM 1.50 12,00
1.50 12,00 285,00 2 280,00 119,63 12,60 132,23 25 123.70
2.04 118 cbm Wandbeton 825 2,2h/120,· DM 2,20 120,00
Einrichten und Räumen
(52h/3 460/1 260): 118 cbm 0,441 40,00
Vorhalten Einrichtung 2400:118 cbm 20,34
Setrieb und Bedienung
(61 h/3 820): 118 cbm 0,517 33,37
Allgemeine Baukosten
(101 h/324): 118 cbm 0,856 2,75
4,014 216,46 437,65 25 542,28 320,1 2 227,78 547,40 64 593,20
2.05 787 qm Wandschalung als Nachunternehmer 61,60 48479,20 64,68 64,68 50903,16

2.06 12 t Betonstahl42/50
r--mo
11000,00
Schneiden und Biegen
als Nachunternehmer 265,00
Liefern und Verlegen 18,00
18,00 1265,00 216,00 15 180,00 1 435,50 1 328,25 2 763,75 33 165,00
2.07 60 lfm Dehnfugenband 0,95 27,30
0,95 27,30 57,00 1 638,00 75,76 28,67 104,43 6265,80
2.08 550 qm Dichtungsanstrich als 11,50
Nachunternehmer
11.50 6325,00 12,08 12,08 6644,00
2.09 20 h Betonfacharbeiter 65,00 1 300,00
(Stundenlohnarbeiten)
Nettoangebotssumme 1474,95 122120,98 247 168,12

2-70 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Kosten ohne ZuKhlag je Einheit Kosten ohne ZuKhlag insgesamt Kosten mit ZuKhlag je Einheit Angebotspreise ~
1 2 3 4 Kosten 4 Kosten 1 2 3 4 1Kosten Einheits· Preis je ![
Pos. Men· Ein· 8eKhreibung der Position 1 2 3 NU ohne löhne Stoffe Ger. NU 1 ohne preise Teilleistung ;;-
Std. löhne Stoffe Geräte NU ohne I Std. löhne
I I Stoffe Geräte
I I
Nr. ge heit ZUKhl. hxS8,28 ZUKhl. X 107,33 x 1,15 xÜ51x 1,193 ZuKhl. DM
h DM DM DM DM DM h DM DM DM DM DM DM DM DM DM DM DM !...
1.00 Erdarbeiten l
1.01 900 cbm Aushub und seitlich~ lagern "'
laderaupe 50 KW leistet 20 cbmlh
I 3
Betrieb: 10,t6DM/20cbm 0,51 I I I I a-
c:
1 :::>
+Vorhaltung 63,98 DM/20 cbm 3,20
Bedienung 2 Mann: 2h/20 cbm I "'0..
~0 '3.rr 90,00 3.339,00 10,98 4,27 15,25 13.725,00 ~
1.02 150 cbm Abfuhr ::;·
"'
2 Fahrzeuge: 2x 100 DM/20 cbm :T
als Na<hunternthmer
~
10,00 1.500,00 11 ,93 11 ,93 1.789,50
"'Cf
'C
1.03 750 cbm HinterfUilung ;;;
laderaupe 50 kW leistet 20 cbmlh ~-
Betrieb: 10,16 DM/20bm 0.51 c:.
er
+Vorhaltung 63,98 DM/20 cbm 3.20 ~
AT 2000: Betrieb: 1,65 DM/20 cbm 0,08 I I 0..
+Vorhaltung: 11.61 DM/20 cbm 0.58 ;;;·
Bedienung 3 Mann: 3h/20 cbm >
:::>
~
0,15 f--w 112,50 3.277,50 11.47 5,03 21,50 16.125,00
2.00 Beton- und Stahlbetonarbeiten ""er
"'
0
2.01 280 qm SauberkeitsKhkht 8 cm 0,16 8,00
B10 0,08 cbm (2h/100,· DM) ~
:::>
Abziehen 0,1 h ~
6 ~ 72.80 2.240,00 28.S5 9,20 37,75 10570,00 c::
2.02 112
~ 3
cbm Fundamentbeton BIS 1,5 h/110 DM ~ ~ 126,50 291,23 32.617.76
3
1,50 110,00 168,00 12.320,00 164,73
2.03 190 qm FundamentsChalung 1.5 h/12 DM "'~
~
1,50 ~
12,00 285,00 2.280,00 164.73 13,80 178,53 33.920.70
2.04 118 cbm Wandbeton B25 2,2h/120 DM I 120.00 "'::;·
~
2,20 120,00 259,60 14.160,00 241,60 138,00 379,60 44.792,80
2:
"'"'
2.05 787 qm WandKhalung
~. 48.479,20 73,49 73.49 57835,69
2.06 12 t Betonstahl42/50 I ...c::~
Schneiden und Biegen als
~
Nachunternehmer 26S,OO
liefern und Verlegen 11.000,00 ?
~
18,00 1.100,00 126S,OO 216,00 12.000,00 3.180,00 1.976.76 1.150,00 316,15 3.442,91 41.314,86 ~
2.07 60 lfm Dehnfugenband ~
~
0,05 27,30 57,00 1.638,00 104.33 31,40 135,73 8.143,80 g.c::""
2.08 550 qm Dichtungsanstrich
"'
"'<= ~
11 ,50 13,72 7.545,73
:E 1 6325,00 13,72 1 :8
2.09 20 Std. Betonfacharbeiter (Std.-lohnarb.) I 65.oo Y'
I 65,00 1.300,00 I 65,00 65,00 1.300,00
,...ä" Y'
::r 1.260,90 73.485,25 44.638,00 6.616,50 59.484,20 1.300,00 Angebotssumme (neno): 266.674.74
"'a- + 16% Umsatzsteuer. 43.148,93 "'
~
(0 Anqebots!umme(bruno): 312.829 77 ~
::r
;;;

N
I
-....]
Tabl!lll! 2.1·12 Ermittlung der Gemeinkosten der Baustelle für eine StOtzmauer (KLR·Bau 199S, S. S5)

Gl!ml!inkostl!n dl!r Baustl!lll! 1 2 3 4


Stunden Gehälter Stoffe Geräte NU-leist.
h DM DM DM DM
Zl!itunabhängigl! Kosten für das Einrichten und Räumen der Bau- 52 4720,-
Baukostl!n stelle (für Umformer, lnnenrüttler, sonstige
Geräte sowie Schalung und Rüstung)
Kosten der technischen Bearbeitung,
Konstruktion und Kontrolle 4800,-
Zwischensumme 52 4800,- 4720,-
Vorhaltekosten 2x 1200,- 2400,-
Zl!itabhängigl!
Kosten der örtlichen Bauleitung
Baukostl!n - 0,5 Bauleiter 2 Monate 0,5 x1 2000,- x 2 12000,-
- Vermesser anteilig 1200,-
- 0,3 Baukfm. 2 Monate 0,3 x 8000,- x 2 4800,-
Betriebs- und Bedienungskosten 162 3820,- 324,-
Zwischensumme 162 21820,- 324,- 2400,-
Summ I! 214 26620,- 5044,- 2400,-
Löhne= Std. x Mittelohn A.Sl
214 X 58,28

Tabl!lll! 2.1 ·13 Ermittlung der Herstellkosten, der Angebotssumme und des Kalkulationslohnes (Kalkulationschlußblatt) für
eine Stützmauer (KlR·Bau 1995, S. 57)

Mittellohn APSl: 58,28 Stunden 1 2 3 4 5 Summe


Kostenarten löhne Stoffe Geräte NU Kosten oh.
Gehälter Zuschlag
Ermittlung der Herstl!llkosten
(1) Einzelkosten der Teilleistungen 1260,00 73485,25 44638,00 6616,50 59484,20 1300,00 185523,95
(2) Gemeinkosten der Baustelle 214,00 12471,92 5044,00 2400,00 46535,92
26620,00
(3) Herstellkosten - 112577,17 49682,00 9016,50 59484,20 1300,00 232059,87
II Ermittlung der Angebotssumme
(4) Allgemeine Geschäftskosten in % 8 8 8 8
der Angebotssumme
(5) Gewinn und Wagnis in % 5
der Angebotssumme
(6) Gesamtzuschlag in % 13 13 13 13
der Angebotssumme
(7) Gesamtzuschlag in% auf 14,94 14,94 14,94 14,94
Herstellkosten (%x100)/(100%)
(8) Gesamtzuschlag in DM auf Herstellkost 16819,03 7422,48 1347,07 8886,94 34475,53
(9) Angebotssumme ohne Umsatzsteuer 266535,40
111 Ermittlung der Zuschlagsätze und des Angebotslohnl!s
(10) Abzügl. Einzelkosten d. Teilleistungen (1) -1 85523,95
(1 1) Umzulegende Kosten =81011,45
(Schlüsselkosten) (9)-(10)
(1 2) Gewählte Zuschläge(%) auf
Einzelkosten der Teilleistungen 15 15 19,3
(13) Summe der Vorabumlage (DM)
(1 4) Restumlage 6695,70 992,48 11480,45 - 191 68,63
(15) Zuschlag auf lohnkosten (%) 84,16 =(Restumlage x 100)/löhne d. Einzelkosten d. Teilleist =61842,82
=(61842, 82 x 1oo)m485,2s
(1 6) Angebotslohn in DM/h 107,33 Mittellohn ASPl (DM/h) x (100% + Zuschlag auflohn (1 5))

2-72 Bauwirtschaft und Baubetrieb


zogen. Damit ergeben sich in Zeile 11 die umzu- bauleitern, Niederlassungsleitern bzw. Ge-
legenden Schlüsselkosten. In Zeile 12 werden die schäftsführern wahrgenommen werden.
für die Vorabumlage auf alle Kostenarten außer
Löhne gewählten Zuschläge aufgeführt Daraus Die firmenindividuellen Einflüsse werden i. d. R.
ergeben sich die Vorabumlagen in Zeile 13, die in Form einer Kalkulationsbesprechung von der
als Quersumme von den Schlüsselkosten abge- Geschäftsleitung eingebracht. Gegenstand die-
zogen werden. Damit verbleibt in Zeile 14 eine ser Besprechung sind
Restumlage für die Einzelkosten der Teilleistun- - die Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten,
gen Löhne, dadurch in Zeile 15 ein Zuschlag auf Wagnis und Gewinn,
Lohnkosten von 84,16% und damit in Zeile 16 - die Bewertung schwierig einzuschätzender
ein Kalkulationslohn von 107,33 DM/Lh. Gemeinkostenanteile,
Anschließend werden die gewählten Vorab- - die Oberprüfung der Aufwands- und Lei-
umlagen aus Zeile 12 und die Restumlage aus stungswerte wesentlicher Leitpositionen (die-
Zeile 15 als Zuschlagsfaktoren in die Kopfzeile jenigen etwa 20% aller Positionen, die etwa
der Spalten 1 bis 5 von Tabelle 2.1-11 übernom- 80% der Angebotssumme ausmachen),
men. Damit ergeben sieh in der vorletzten Spal- - die Oberprüfung der Endergebnisse durch
te die Einheitspreise und durch Multiplikation Plausibilitätskontrollen mit Hilfe von Kosten-
mit den Mengen in der letzten Spalte die Ge- kennwerten und Verhältniszahlen,
samtpreise sowie in der Summe eine Angebots- - die Bewertung von risikobeeinflussenden
summe netto von 266.674,74 DM. Festlegungen in den Verdingungsunterlagen
Für die Wahl der Zuschlagssätze, nach denen sowie von äußeren Bedingungen,
die Schlüsselkosten auf die Einzelkosten der Teil- - die Einschätzung der jeweiligen Marktlage
leistungen umgelegt werden, besteht die Mög- und
lichkeit der Vorabumlagen und Restumlagen - die Frage, ob das Risiko der Angebotsabgabe
oder aber eines einheitlichen Zuschlagssatzes mit der daraus entstehenden Bindungswir-
für alle Kostenarten. Diese Art der gleichmäßi- kung im Auftragsfall beherrschbar ist (Pro-
gen Verteilung der Schlüsselkosten ist bei Aus- zeßhürde der Angebotsabgabe, vgl. 2.2.6}.
landsaufträgen wegen des hohen Schlüsselko-
stenanteils durchaus gebräuchlich, in Deutsch- Voll- und Teilkostenrechnung (Oeckungs-
land jedoch nicht üblich. Sie hat den Vorteil, daß beitragsrechnung)
Mengenminderungen in den Einzelpositionen
keine Minderung der Schlüsselkosten bewirken, Bei der Vollkostenrechnung werden sämtliche
solange die Angebotssumme durch Mengeu- Kosten der Leistungserstellung den einzelnen
mehrungen in anderen Positionen oder Zusatz- Kostenträgern zugerechnet.
leistungen per Saldo nicht unterschritten wird. Bei der Teilkostenrechnung werden den Ko-
Dieser einheitliche Zuschlagssatz für alle Kosten- stenträgern lediglich die durch die Leistungser-
arten ist auf Stoffe, Geräte und Nachunternehmer- stellung verursachten variablen Kosten zuge-
leistungen deutlich höher und aufLöhne deutlich rechnet, während die beschäftigungsunabhän-
niedriger als bei den in Deutschland gewohnten gigen fixen Kosten der Betriebsbereitschaft ge-
Vorabumlagen und den sich danach einstellen- sondert erfaßt werden.
den Restumlagen auf Löhne. Anstelle des Begriffs "Teilkostenrechnung"
wird vielfach auch der Begriff "Deckungsbei-
Firmenpolitische Abschlußarbeiten. Die für eine tragsrechnung" verwendet. Werden nur noch die
Angebotsbearbeitung erforderlichen Arbeiten variablen Kosten berücksichtigt, so geht die Teil-
lassen sich grundsätzlich in zwei Bereiche zerle- kostenrechnung über in die Grenzkostenrech-
gen: nung.
- Tätigkeiten, die von allen fachkundigen und Bei der Deckungsbeitragsrechnung werden die
erfahrenen Kalkulatoren übernommen wer- Gesamtkosten einer Abrechnungsperiode in va-
den können, soweit sie die Kostenauswirkun- riable (leistungsabhängige) und ftxe (der Dek-
gen der jeweils zu wählenden Bauverfahren kung der Betriebsbereitschaft dienende Kosten)
und die Prinzipien wirtschaftlicher Bauab- unterschieden. Den Kostenträgern werden ledig-
wicklung kennen, und lich die durch die Leistungserstellung verursach-
- Tätigkeiten, die den firmenpolitischen Spiel- ten variablen Kosten zugerechnet, während die
raum darstellen und üblicherweise von Ober- beschäftigungsunabhängigen ftxen Kosten der

Bauwirtschaftslehre 2-73
Betriebsbereitschaft gesondert erfaßt werden. - Hat das Unternehmen jedoch bereits seine Ge-
Auf eine AufschlüsseJung und Umlage der fixen winnschwelle erreicht und die Fixkosten ge-
Kosten auf die variablen Kosten der Kostenstel- deckt, so kann es zusätzliche Aufträge mit kur-
len wird verzichtet. zen Durchführungszeiten unter teilweisem
oder völligem Verzicht auf Deckung weiterer
Deckungsbeitrag = Erlöse ./. variable Kosten.
Fixkosten hereinnehmen, um seine Beschäfti-
Die Summe aller Deckungsbeiträge während des gungslage zu stabilisieren. Dies gilt jedoch nur
Geschäftsjahres dient zunächst zur Deckung al- für solche Bauaufträge, die nach Erreichen der
ler bei den einzelnen Kostenstellen anfallenden Gewinnschwelle (z.B. im September oder Ok-
fixen Kosten und nach dem Erreichen der Ge- tober eines Geschäftsjahres) noch bis zum Jah-
winnschwelle zur Erzielung eines Gewinns. Im resende abgewickelt werden können, da sonst
Rahmen dieses Gewinns liegt der preispolitische das neue Geschäftsjahr mit Aufträgen belastet
Spielraum. Die Gewinnschwelle in der Deckungs- wird, die keine Fixkosten erwirtschaften.
beitragsrechnung und die Abhängigkeit der Ge-
winn- und Verlustentwicklung von der Menge Die Gefahr bei Anwendung der Deckungsbei-
bzw. dem Beschäftigungsgrad zeigt Abb. 2.1-43. tragsrechnung besteht darin, daß man sich über
Die Deckungsbeitragsrechnung findet Anwen- eine nicht erreichte Fixkostendeckung hinweg-
dung bei der Preisflndung, der Erfolgskontrolle setzt und diese von einer unbestimmten Zukunft
und -Steuerung sowie der Kostenkontrolle der erhofft.
Bereitschaftskosten. Vielfach wird die Deckungs- Die Ermittlung der Preisuntergrenze bei Auf-
beitragsrechnung als Allheilmittel gegen zurück- rechterhaltung der Liquidität bietet sich u. U.
gehende Auftragsbestände angesehen. Dies ist dann an, wenn man die Liquidität des Unter-
jedoch nur sehr bedingt richtig. Es gilt: nehmens kurzfristig nicht verschlechtern will.
- Bei der Vollkostenkalkulation wird der Ange- Es kann dann für bis zum Jahresende abge-
botspreis mit voller Deckung der variablen schlossene Aufträge auf
und fixen Kosten ermittelt. Bei sinkender Be- - Wagnis und Gewinn sowie
schäftigung bzw. rückläuftgern Umsatz führt - Abschreibung und Verzinsung der Maschinen
dies zur Notwendigkeit einer Erhöhung der und Geräte
Schlüsselkostenumlage. Hierdurch erhöhen verzichtet werden.
sich entsprechend die Angebotspreise des Un-
ternehmens und verringern sich in markt- Zur Ermittlung der Preisuntergrenze bei voll-
wirtschaftlichen Systemen seine Auftrags- ständigem Verzicht auf Deckung der Fixkosten
chancen. werden dagegen von der auf Vollkostenbasis er-

Kosten/Erlöse Gewinnschwelle

Abb. 2.1-43 Deckungsbeitrag und Kostenverlauf

2-7 4 Bauwirtschaft und Baubetrieb


rechneten Angebotssumme zusätzlich abgezo- weiter differenzierten Gliederung werden die
gen: Kostenarten in der Bauauftrags-, der Baube-
- Allgemeine Geschäftskosten sowie triebsrechnung und im Soll/Ist-Vergleich ein-
- Baustellengehaltskosten (örtliche Bauleitung, heitlich gruppiert:
Poliere und technische Bearbeitung). - Lohn- und Gehaltskosten für Arbeiter und Po-
liere,
2.1.5.3 - Kosten der Baustoffe und der Fertigungsstoffe,
Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung (KLER) - Kosten des Rüst-, Schal- und Verbaumaterials
einschließlich der Hilfsstoffe,
Die KLER hat folgende Aufgaben: - Kosten der Geräte einschließlich der Betriebs-
- kostenstellenbezogene Ermittlungen für eige- stoffe,
ne Baustellen und Gemeinschaftsbaustellen, - Kosten der Geschäfts-, Betriebs- und Baustel-
für Verwaltungsstellen sowie für Hilfsbetrie- lenausstattung,
be und Verrechnungskostenstellen mit der - Allgemeine Kosten,
Zielsetzung der Abgrenzung und Kontrolle - Fremdarbeitskosten,
von Verantwortungsbereichen, der Ermittlung - Kosten der Nachunternehmerleistungen.
der Kostenartenstruktur je Kostenstelle, der
Analyse der Ergebnisse nach Bausparten und Kostenstellenrechnung. Während die Kostenar-
der Bildung innerbetrieblicher Verrechnungs- tenrechnung zeigt, welche Kosten angefallen
sätze und Kalkulationsvorgabewerte, sind, hat die Kostenstellenrechnung Aufschluß
- bereichsbezogene Ermittlungen für zusam- darüber zu geben, wo diese Kosten entstanden
mengefaßte Kostenstellen, sind. Den Kostenstellen sind entstehende Kosten
- gesamtbetriebliche Ermittlungen zur Darstel- möglichst verursachungsgerecht zuzuordnen.
lung der Kostenarten-, Leistungsarten- und Ihre Bildung kann nach verschiedenen, kombi-
Ergebnisstruktur, nierbaren Kriterien erfolgen (nach Regionen,
- Ermittlung innerbetrieblicher Verrechnungs- Funktionen, Verantwortungsbereichen und re-
sätze für innerbetriebliche Leistungen, chentechnischen Erwägungen). Da auf den Ko-
- Ermittlung von Kalkulationsvorgabewerten stenstellen i. d. R. Leistungen erbracht werden,
und Zuschlagssätzen, können sie auch als Leistungsstellen bezeichnet
- Ermittlung der Herstellkosten nach Handels- werden (Abb. 2.1-44).
und Steuerrecht, insbesondere für die Bewer- Hauptkostenstellen sind üblicherweise die
tung unfertiger Bauleistungen, Baustellen. Als Hilfskostenstellen werden Ver-
- Bereitstellung von Zahlen für die Soll/Ist-Ver- waltungskostenstellen sowie Hilfsbetriebe und
gleichsrechnung. Verrechnungskostenstellen bezeichnet.
Bei der direkten Verrechnung werden die Ko-
Der Aufbau der Baubetriebsrechnung hat den sten den Kostenstellen dem Verursacherprinzip
Erfordernissen des baubetrieblichen Produk- entsprechend unmittelbar zugeordnet. Bei der
tionsprozesses durch eine Kosten-, Leistungs- indirekten Verrechnung werden die Kosten den
und Ergebnisrechnung zu entsprechen. Um die Kostenstellen entweder mit Hilfe von Schlüsseln
Baubetriebsrechnung von der Unternehmens- oder im Umlageverfahren zugeordnet.
rechnung abgrenzen zu können, ist zusätzlich ei-
ne Abgrenzungsrechnung erforderlich. Kostenträgerrechnung. Sie ordnet die Kosten
dem einzelnen Produkt zu. In der Bauauftrags-
Kostenrechnung rechnung sind Bauleistungen die eigentlichen
Kostenträger, die nach Positionen im Leistungs-
Die Kostenrechnung besteht aus der Kostenar- verzeichnis beschrieben sind. In der Baubetriebs-
ten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung rechnung werden dagegen die Kosten den Bau-
sowie der Verrechnung der innerbetrieblichen stellen zugeordnet, die damit zugleich den Cha-
Kosten. rakter eines Kostenträgers erhalten, so daß eine
zusätzliche Kostenträgerrechnung nicht erfor-
Kostenartenrechnung. Die Kostenartenrechnung derlich ist.
dient der Erfassung sämtlicher Kostenarten in
einem bestimmten Zeitabschnitt. Mit der im fol-
genden angeführten und in der KLR Bau (1995)

Bauwirtschaftslehre 2-75
Kostenstellen

1. 2. 3.
Verwaltung Hilßbetriebe und Baustellen
Verrechnungskostenstellen

Bei einer Erfassung auf mehreren Kosten· Hilßbetriebe Eigene Baustellen


stellen empfiehlt sich eine Untergliederung
nach Verantwortungsbereichen. Ein Hilfsbetrieb ist ein eigenständiger Für jede eigene Baustelle wird eine
LFür Bauunternehmen mit zentraler Betriebsteil, der sowohl für andere
Hilfsbetriebe als auch für Baustellen
Kostenstelle eingerichtet. die zur
Erfassung der Kosten dient, die
Verwaltung sind z.B. folgende Verwal- tätig werden kann. Die Summe aller dur<h den baubetrieblichen
tungskostenstellen denkbar: Hilkbetriebe wird unter dem Begriff Leistungsprozeß dieser Baustelle
.Bauhof" zusammengeraßt entstehen.
Gesellaltsleitung
-1 Magazin I Gemeinschaftsbaustellen

,
Personalabteilung

Buchhaltung -i Werkstätten I Gemeinschaftsbaustellen werden in


Form von Arbeitsgemeinschaften 1
Steuern und Ve~icherungen
Fuhrpark I (ARGE) oder Beihilfegemeinschaften
abgewickelt
i Gerätepark I

,
Rechtsabteilung
Kostenstellen fllr
Rechenzentrum -i Ladebetrieb I Beihilfegemeinschaften

Einkauf
Biegebetrieb I für aktive Beteiligung

Geräteverwaltung i Schalungsbetrieb I für passive Beteiligung

Kalkulation Verrechnungskostenstellen
Kostenstellen ftir
Technisches Büro VK·Stellen sind keine eigenständigen Arbeitsgemeinschaften
Betriebsteile und unterscheiden sich von
Bei dezentraler Verwaltung den Hilfsbetrieben dadurch, daß sie ledig·
kommen noch hinzu: lieh der Verrechnung von Kosten und
Leistungen dienen, z.B. für
1 Arbei1sgemeinschaften sind Zusammen·
Schalung und Rüstung schlüsse. die als 8GB-Gesellschaften ihre
Ergebnisse selbs ndig errnineln.ln der
Geräte Baubetriebsrechnung jedes Gesellschaf-
ters mOssen sog. ,interne ARGE-Kosten·
Kleingeräte und Werkzeuge stellen• gelührt werden.

Abb. 2.1·44 Kostenstellenkatalog nach KLR-Bau

Leistungsrechnung pro Position des Leistungsverzeichnisses aus


Ausführungsplänen oder durch Aufmaß die zum
Die Leistungsrechnung gliedert sich in die Lei- Stichtag erbrachten Mengen ermittelt. Diese
stungsarten- und Leistungsstellenrechnung so- werden mit den im Einheitspreisvertrag festge-
wie die Verrechnung der innerbetrieblichen Lei- legten Einheitspreisen multipliziert. Anschlie-
stungen. ßend werden die Nachtragsarbeiten und evtl.
Stundenlohnarbeiten in gleicher Weise bewer-
Leistungsartenrechnung. Die Leistungsarten- tet. Gegebenenfalls sind Leistungsberichtigun-
rechnung dient der Erfassung sämtlicher Lei- gen aus Minderungen wegen Preisnachlässen
stungsarten in einem bestimmten Zeitabschnitt. oder aus Mängeln zu berücksichtigen. Nur teil-
Die Gliederung entspricht im wesentlichen der weise ausgeführte Positionen sind entsprechend
Kontenklasse 5 des BKR 87 in der Unternehmens- ihrem Fertigstellungsgrad zu bewerten. Angelie-
rechnung (vgl.Tabelle 2.1-7). Die wesentliche ferte, aber noch nicht eingebaute Stoffe sind mit
Leistungsart sind Bauleistungen, bestehend aus den um das Einbauen reduzierten Preisen in die
Hauptauftrag, Zusatz- und Nachtragsaufträgen. Leistungsmeldung aufzunehmen.
Um zu einem bestimmten Stichtag eine Ab-
schlagsrechnung an den Auftraggeber stellen zu Leistungsstellenrechnung. In der Baubetriebs-
können, müssen alle Leistungen, die bis zum rechnung sind Leistungsstellen identisch mit
Stichtag erbracht wurden, in einer Leistungs- Kostenstellen und deren Gliederung.
meldung erfaßt werden. Dazu werden zunächst

2-76 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen. Die 2.1.5.4
innerbetriebliche Leistungsverrechnung bewer- Abgrenzungsrechnung als Bindeglied zwischen
tet den Tatbestand, daß zwischen den verschie- Unternehmensrechnung und KLER
denen Stellen des Baubetriebs ein ständiger Lei-
stungsaustausch stattfindet. Diese Leistungen Die Ermittlung des Ergebnisses für das gesamte
müssen zunächst ermittelt und dann der emp- Unternehmen kann entweder mittels eines Be-
fangenden Kostenstelle mit Hilfe von Verrech- triebsabrechnungsbogens (BAB) oder mit Hilfe
nungssätzen belastet und der abgebenden Stelle von zwei Abstimmkreisen vorgenommen wer-
als innerbetriebliche Leistung anhand interner den.
Verrechnungssätze gutgeschrieben werden. Bei Verwendung eines Betriebsabrechnungs-
bogens werden zunächst die Kosten und Lei-
Ergebnisrechnung stungen der Kostenstellen ermittelt und direkt
oder indirekt den empfangenden und abgeben-
Ergebnis im Rahmen der KLER ist die Differenz den Stellen zugeordnet. Anschließend werden
zwischen den erbrachten Bauleistungen und den die innerbetrieblichen Kosten und Leistungen
dadurch verursachten Kosten. Dabei ist zu unter- entweder mit festgelegten Verrechnungssätzen
scheiden zwischen Einzel- und Gesamtergebnis- oder durch Umlage der Istkosten verrechnet.
sen für einzelne Aufträge (kostenstellen- und Nach Verrechnung der Verwaltungskosten auf
periodenbezogene Ergebnisse}, für einzelne Be- die Baustellen lassen sich die Selbstkosten der
reiche (z.B.Abteilung Hochbau) oder für das ge- Baustellen ermitteln. Die Subtraktion der Selbst-
samte Unternehmen. kosten von den Leistungen ergibt die Baustel-
·Die Objekte, auf die Kosten und Leistungen lenergebnisse.
bezogen und für die damit Ergebnisse ermittelt Das Betriebsergebnis erhält man dann durch
werden, können sein: Addition der summierten Baustellenergebnisse
- die Teilleistungen eines Bauauftrags als Kosten- unter Berücksichtigung der im Bereich Verwal-
träger, tung, Hilfsbetriebe und Verrechnungskosten-
- die einzelnen Baustellen oder alle Baustellen stellen entstandenen Über- und Unterdeckun-
einer Sparte als Kostenstellen sowie gen.
- das Bauunternehmen als Ganzes als Kosten- Wird eine mit der Unternehmensrechnung
stelle. verbundene KLER mit zwei Abstimmkreisen
aufgebaut, so sind drei Gruppen von Geschäfts-
Bei den Perioden, auf die Ergebnisse bezogen vorfällen zu unterscheiden:
werden können, unterscheidet man - nur die Unternehmensrechnung betreffend
- Abrechnungsperioden (z.B. Monat), - bilanzielle Abschreibungen"
- Zeit vom Beginn der Baustelle bis zum jewei- - Erhöhung oder Verminderung des Bestands
ligen Stichtag und an nicht abgerechneten Bauleistungen;
- Zeit vom Beginn des Geschäftsjahres bis zum - nur die KLER betreffend
jeweiligen Stichtag. - kalkulatorische Abschreibungen entspre-
chend dem Werteverzehr des baubetriebli-
Tabelle 2.1-14 zeigt eine monatliche Kosten-, Lei- chen Leistungsprozesses,
stungs- und Ergebnisrechnung einer Baustelle - kalkulatorische Zinsen auf das betriebsnot-
beispielhaft (s. nächste Seite). wendige Kapital,
Wichtig ist, das Ergebnis vom Stichtag bis zum - nicht abgerechnete Bauleistungen;
Auftragsende in der Prognose fortzuschreiben, - sowohl die Unternehmensrechnung als auch
dann monatlich mit dem Istergebnis zu verglei- die KLER betreffend
chen und die Abweichungen zu begründen. Da- - periodengerechte Abgrenzung und Zuord-
durch können rechtzeitig ggf. erforderliche er- nung sowie vollständige Erfassung aller Ko-
gebnisverbessernde Anpassungsmaßnahmen sten und Leistungen des Baubetriebs,
eingeleitet werden. - Abgrenzung der Bestände am Schluß eines
Geschäftsjahres aufgrund der Inventur.

Es entspricht den Anforderungen an eine lei-


stungsfahige KLER, jederzeit und unabhängig
von der handels- und steuerrechtliehen Bilan-

Bauwirtschaftslehre 2-77
Tabelle 2.1-14 Monatliche Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung einer Baustelle [KLR-Bau 1995, S. 98]

KLR Kostenarten von Baubeginn Berichts- von Baubeginn Anteilan


Bau bis Vormonat monat bis Stichtag Hemell·
kosten
Nr. Bezeichnung von Beginn des Gesch!fu· von Beginn des Geschl!fu·
Jahres bis Vormonat Jahres bis Stichtag
DM DM DM %
1 2 3 4 s 6 7
1. Lohn· und Gehaltskosten AP 216.072 46.800 262.872 40,7
einschl. geschiOsselte Solialkosten 110.000 156.800 47,8

:? 2. Kosten der Baustoffe und 186.162 47.000 233.162 36,1


-~~ " des Fertigungsmaterials 89.900 139.900 41 ,7
H 3. Kosten des Rüst·, Schal· und 5.065 3.000 8.065 1,2
~~
"i:E
~ .
1ö"S 4.
Verbaumaterials
Kosten der Geräte
4.000
12.482 2.500
7.000
14.982
2.1
2.3
~f 5.500 8.000 2.5

.
~~
""
~~
."
5. Kosten der Betriebs· und
Baustellenaumanung
14.145
4.200
1.800 15.945
6.000
2,5
1,8

~ .~ 6. Allgemeine Kosten 3.277 490 3.767 0,6


1.610 2.100 0,6
~.i
"'"
g~ 7. Fremdarbeitskosten 2.400 2.100 4500 0.7
c"'
-";;;! 2.400 4500 1,4
t"'
~ -~
....
8. Kosten der Nachuntemehmer· 99.059 3.000 102.059 15,8
~~ Ieistungen 3.300 6.300 1.9
,'::; ~
11~ +/1. Noch nicht in der Abgrenzung 280 500 780 0,1
~~ erfaßte Korrekturen 100 600 0,2

.....
""'
"~
~'2
~-~
1 bisS
+IJ. Korrekrur
Herstellkosten 538.942
221.010
107.190 646.132
328.200
100
100

..,.
0~
Herstellkosten + Allg. Verrechnete Allgemeine 80.841 16.079 96.920 15
Geschäftskosten = Geschäftskosten 33.151 49.230 1S
Gesamtkosten
Gesamtkosten 619.783 123.269 743.052 115
254.161 377.430 115
KLR Leistungsarten' von Baubeginn Berichts- von Baubeginn Anteil an
Bau bis Vormonat1 mon.at bis Stichtag' Gesamt·
leisrung
Nr. Bezeichnung von Beginn des Gesch!fu· von Beginn des Geschäfts·
Jahres bis Vormonat Jahres bis Stichtag
DM DM DM %
8 9 10 11 12 13 14
010 Bau Iei· Erbrachte und abgerechnete 16.300 6.000 22.300 2.9
stungen Bauleisrung laut LV 9.800 15.800 3,6
Erbrachte u. abgeschlossene, aber noch 505.900 68.100 574.000 75,2
nichtabgere<hnete Bauleistungen 245.400 313.500 71.8
014 Teilfertige Bauleisrungen laut LV 89.500 20.500 110.000 14.4
44.000 64.500 14,8
015 Nachtrags· Erbrachte und abgerechnete 6.068 2.000 8.068 1,1
arbeiten Nachtragsarbeiten 4.500 6.500 l.S
Erbrachte, aber noch nicht ab· 15.100 -- 1S.100 2.0
"'
c gert<hnete Nachtragsarbeiten 12.000 12.000 2,7
"
~ 016 Stunden· uhrachte und abgerechnete - - - -
~ Iohnarbeiten Stundenlohnarbeiten - - - -
"'
"" Elb!i!chte,aber noch nicht ab- 14.600 4.300 18.900 2,5
"'"~ gerechnete Stundenlohnarbeiten 10.000 14.300 3,3
~ 019 Sonst. Bau- Sonst. Bau Ieist. a~ert<hner' 2.100 - 2.100 0,2
Ieisrungen nicht abgerechne - - - -

Von~errech· Abgerechne~ aber noch zu 5.959 6.300 12.259 1,6


nungen erbringende Bauleisrungen 3.000 - 9.300 2.1
+ Leisrungsbe· Elhöhungen 800 100 900 0,1
richtigungen 800 - 900 0,2
J. Minderungen - - - -
- - - -
Gesamtleistung 656.317 763.627 100
329.500 107.300 436.800 100

2-78 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1 -14 Fortsetzung

KLR Bau Leistung von Baubeginn 656.327 DM Leistung von Beginn d~ 329.500DM Leistung/Monat 107.JOODM
bis Vormonat G~chäftsjahr~ bisVormonat

Kosten von Baubeginn 619.783 DM Kosten von Beginn d~ 254.t61 DM Ko<ten/Monat 123.269DM
bis Vormonat Geschäftsjahr~ bis Vormonat

Ergebnis von Baubeginn 36.544 DM 5,9' Ergebnis von Beginn d~ 75.J39DM 29,66 Ergebnis/Monat J.I 5.969DM
bis Vormonat Geschäftsjahr~ bis Vormonat

Leistung von Baubeginn 763.627DM Leistung von Beginn d~ 436.800DM


bis Stichtag G&häftsjahres bis Stichtag

Kosten von Baubeginn 743.052 DM Kosten von Beginn d~ 377.430DM


bis Stichtag G~chäftsjahr~ bis Stichtag

Ergebnis von Baubeginn 20.S750M 2.S6 Ergebnis von Beginn des 59.370DM 15,76
bis Stichtag Geschäftsjahres bis Stichtag

%gegenüber Vormonat /.43,7 %gegenOber Vormonat J. ll.l

1 Die in di~ Kosrenstellenbian eingehenden Kosten und Leistungen bzw.Venechnungen sind grundsät<lich abge<J~nzt
2 Auf die Auffllhrung der einzelnen Leistungsarten kann verzichtet werden
3 Werte aus Leistungsmeldungen
4 Korrekturen gegebenenfalls bei der einzelnen Kostenart vornehmen
5 Nicht<utreffend~ streichen
6 Jeweiliges Ergebnis ln% der entspre<henden Kosten. Es ist auch möglich, das jeweilige Ergebnis in% der Leistung auszudrOcken

zierung die Kosten, Leistungen und Ergebnisse ablauf sowie von Abweichungen zwischen aus-
der Baustellen ermitteln zu können. Vorausset- geführten Mengen und ausgeschriebenen LV-
zung hierfür ist eine Trennung der Unterneh- Mengen.
mensrechnung von der KLER. Diese Trennung Soll/Ist-Vergleiche können sich auf die Ge-
läßt sich mit einem sog."Übernahmekonto" er- samtbaustelle, einzelne Bauabschnitte, Arbeits-
reichen. vorgänge gemäß BAS (Bauarbeitsschlüssel) oder
Die Buchhaltung beider Abrechnungskreise einzelne LV-Positionen beziehen. Als Mengen
läßt sich mit Hilfe von Zuordnungsziffern steu- sind Arbeits- und Gerätestunden, -tage bzw.
ern, die angeben, ob nur die Unternehmens- -monate sowie Stoffe zu erfassen. Als Werte sind
rechnung, nur die KLER oder beide betroffen Kosten, Leistungen und Ergebnisse zu messen.
sind. Die Vergleiche sind zweckmäßigerweise peri-
odisch während der Leistungserstellung anzu-
2.1.5.5 stellen, um bei Abweichungen noch steuernd
Solllist-Vergleichsrechnung eingreifen zu können. Nach abgeschlossener Lei-
stung dienen sie lediglich zur Gewinnung von
Im Rahmen von Soll/Ist-Vergleichen werden Kennzahlen.
Soll- und Istzahlen einander gegenübergestellt, Die Ermittlung von Istzahlen setzt ein ent-
um ihre Abweichungen zu ermitteln und zu ana- sprechendes Berichtswesen voraus. Dazu gehö-
lysieren. Sie dienen ren
- der Kontrolle der Aufwands- und Leistungs- - Lohnberichte für die tägliche Berichterstat-
werte sowie der Faktorpreise der Vorkalkula- tung der Arbeitsstunden, ggf. nach BAS,
tion mittels Nachkalkulation zur Verbesse- - Baugeräteberichte für die Berichterstattung
rung künftiger Vorkalkulationen, der Gerätestunden und der vom Gerät er-
- der Kontrolle und Steuerung des baubetrieb- brachten Bauleistungen,
lichen Geschehens sowie - Lieferscheine bzw. Rechnungen für die Stoffe
- der Bildung von Kennzahlen. sowie
- Leistungsmeldungen mit den tatsächlich er-
Ferner werden im Rahmen der Projektsteuerung brachten Leistungsmengen.
Soll/Ist-Vergleiche durchgeführt wie z. B. zur Er-
mittlung von Zeitabweichungen zwischen der Abbildung 2.1-45 zeigt einen Kostenvergleich für
Bauablaufplanung und dem tatsächlichen Bau- Schalarbeiten mit Ursachenanalyse.

Bauwirtschaftslehre 2-79
Vergleichsrechnung. Kennzahlen der KLER sind
nach Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
SOLL IST
ISTJ. zu unterscheiden.
SOLL Im Rahmen der Kostenrechnung-ergeben sich
Menge m2 1000 600 -400 - Kennzahlen der Kostenarten des Gesamtbe-
Aufwandswert Lh/m2 0,5 (0,8) (+0,3) triebs aus der Relation der in der KLER ermit-
Zeitaufwand Lh 500 480 - 20
Kalkulationslohn DM/Lh 30 35 +5
telten Kosten zueinander (z. B. Anteil der Löh-
Kosten DM 15000 16800 +1800 ne und Gehälter an den Gesamtkosten),
- Kennzahlen der Kosten der Verwaltung (z.B.
Kostendifferenzen DM Anteil der Gehaltskosten an den gesamten
1 aus Mengenunter5uchungen Verwaltungskosten},
-400 X 0,5 X 30 - 6000 - Kennzahlen der Kosten der Hilfsbetriebe (z. B.
2 aus Aufwandswertüber5chreitung
600 x 0,3 x 30 +5400 Entwicklung des Geräteausnutzungsgrades
3 aus Kalkulationslohnüber5chreitung zwischen Berichtsjahr und Vorjahr},
600 x 0,8 x 5 +2400 - Kennzahlen der Kosten der Baustellen (z.B.
Löhne und Gehälter/ Arbeitsstunden).

--
Kosten (TOM)
20 1---.----,-- IST -----r-~-
16.8TOM SOLL Im Rahmen der Leistungsrechnung sind Kenn-
151--+----1 3:+2.4
---
~
lS,OTDM
zahlen zu bilden für
- die Leistungsarten des Gesamtbetriebs aus den
2:+54 / l :-6.0 anteiligen Relationen und in Relation zur Ge-
10 1--t----'-" ·- - ,
samtleistung (z.B. Anteil der Leistungen ein-
zelner Bausparten an den gesamten Baulei-
stungen},
0 oL--2-00~-400--600--~800~-,-000-­ - die Leistungen der Verwaltung und der Hilfs-
S<halung (ml) betriebe (z.B. innerbetrieblich verrechnete
Leistungen/Gesamtkasten der Verwaltung und
Abb. 2.1-45 Soll/Ist-Vergleich der Kosten für Schal- der Hilfsbetriebe),
arbeiten mit Ursachenanalyse - die Leistungsstruktur der Baustellen (z.B.An-
teil der Nachunternehmerleistungen an der
gesamten Bauleistung) sowie für die Arbeits-
produktivität (z.B. Leistung je Beschäftigten/
2.1.5.6 Jahr).
Kennzahlenrechnung
Kennzahlen der Ergebnisrechnung erstrecken
Jedes Bauunternehmen muß für sich entschei- sich auf
den, welche Kennzahlen es benötigt. Dies gilt - die Betriebsergebnisrechnung (z.B. Gesamt-
auch für diejenigen, die anhand der Daten der ergebnis der eigenen Baustellen in Prozent der
KLR Bau ( 1995} ausgewählt und gebildet werden Gesamtleistung der eigenen Baustellen),
können. Dabei ist jeweils der Verwendungs- - die Ergebnisrechnung der Verwaltung und der
zweck zu berücksichtigen, der in der betriebs- Hilfsbetriebe (z.B. Ergebnis eines Hilfsbe-
internen Vorgabe, im Zeitreihenvergleich oder triebs in Prozent der Leistungen eines Hilsbe-
im zwischenbetrieblichen Branchenvergleich triebes),
(Benchmarktest) liegen kann. Es empfiehlt sich, - die Ergebnisrechnung der Baustellen (z.B. Er-
Kennzahlen der KLR Bau (1995) zunächst nach gebnis in Prozent der Gesamtleistung vom Jah-
den Bereichen Bauauftragsrechnung, KLER und resbeginn bis zum Stichtag).
Soll/Ist-Vergleichsrechnung zu gliedern.
Kennzahlen im Rahmen der Bauauftragsrech- Kennzahlen der Soll/Ist-Vergleichsrechnung be-
nung sind im wesentlichen Aufwands- und Lei- treffen i.d.R. nur den Baustellenbereich. Dabei
stungswerte, Mittellöhne und Lohnkosten, be- geht es vorrangig um die Ermittlung von Soll/Ist-
zogen auf die Herstellkosten. Durch die Bauauf- Abweichungen für
tragsrechnung werden keine neuen Kennzahlen - den Mittellohn im Berichtszeitraum,
gebildet. Vielmehr arbeitet sie mit Kennzahlen - die Arbeitsstunden im Berichtszeitraum sowie
aus der KLER und insbesondere aus der Solllist- - die Aufwands- und Leistungswerte.

2-80 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.1.6 - für den Auftragnehmer (AN) aus den Teilflä-
Nachtragsprophylaxe und Claim-Management chen 3, 7 und 11 sowie
- für Auftraggeber und Auftragnehmer aus den
Für Bauverträge ist es typisch, daß die von Auf- Teilflächen 2 und 6.
traggebern ausgeschriebenen Leistungen und
die nach Auftragserteilung tatsächlich von den Um diese Konflikte zu vermeiden, ist es notwen-
Unternehmern geforderten Leistungen wesent- dig, daß seitens der Auftraggeber rechtzeitig
liche Abweichungen aufweisen, sei es aus Men- Maßnahmen zur Nachtragsprophylaxe und sei-
genänderungen, Teilkündigungen, geänderten tens der Auftragnehmer rechtzeitig Maßnahmen
oder zusätzlichen Leistungen. Hinzu kommen für das Nachtrags- oder Claim-Management ein-
häufig Behinderungen, v.a. wegen nicht recht- geleitet werden.
zeitiger Planlieferungen. Diese für Bauaufträge Zielsetzung der AG und der AN sollte stets
typischen Fälle werden erweitert durch Abb. sein, Meinungsverschiedenheiten über die Ver-
2.1-46 mit vier nicht deckungsgleichen Ellipsen gütung von Leistungsänderungen, Zusatzlei-
aus erforderlichen, beauftragten, ausgeführten stungen und Behinderungsfolgen auf dem Ver-
und bezahlten Leistungen. handlungswege außergerichtlich beizulegen.
Daraus ist ersichtlich, daß lediglich die Teil- Bauprozesse sind langwierig (Prozeßdauer in
fläche 13 konfliktfrei ist. Konflikte ergeben sich der 1. Instanz selten unter 2 Jahren), aufwendig
- für den Auftraggeber (AG) aus den Teilflächen und i.d.R. für jede Partei unbefriedigend. So-
1, 4, 5, 8, 9, 10 und 12, wohl bei Vergleichen als auch bei Urteilen liegen
die Ergebnisse i.allg. zwischen 30 o/o und 70 o/o des
Streitwertes mit einer Häufung bei SOo/o.
Aufgrund der zunehmend funktionalen und
nur pauschalen Beschreibung sowie Vergabe von
erforderliche beauftragte

\ --------I
Leistung Leistung Bauleistungen im Globalpauschalvertrag entste-
hen zwischen Auftraggebern (AG) und Auftrag-
nehmern (AN) immer häufiger unterschiedliche
Auffassungen über die vertraglich zu erbringen-
de Leistung. Ausgangspunkt ist das Bau-Soll, d. h.
die vertraglich geforderte Leistung. Davon ab-
zugrenzen sind Leistungen, die aufVeranlassung
des Auftraggebers nach Vertragsabschluß vom
I '\
AN zu ändern oder zusätzlich zu erbringen sind,
bezahlte ausgeführte
Leistung Leistung sowie Schadensersatzansprüche des AN, die vom
AG durch Leistungsstörungen bewirkt werden.
-€
"'
t:
:.e ..c Die vom AN zu erbringenden Leistungen und
."'"'"'
~ <2
"'
"E ~
::> "'::>s;>
:E
problematisch die seitens des AG dafür zu entrichtende Vergü-
.g "'"'
Nr. für tung werden im Vertrag festgelegt. Bei geänder-
• •
"' "'
.&J .&J

1 0 0 0 AG ten oder zusätzlichen Leistungen kann der AN


0 0 0
• •
2 AG/ AN unter bestimmten Voraussetzungen eine geän-
3 0 0 0 AN derte oder zusätzliche Vergütung (Nachtrag) for-

•• • •
4 0 0 0 AG
dern bzw. bei vom AG zu vertretenden Leistungs-
5 0 0 AG
störungen Ersatz des dadurch bewirkten nach-
6 0 0 AG/AN
7 0
0
• •• •
0
0 AN gewiesenen Schadens verlangen.
Daraus ergeben sich für beide Vertragspartner

••• •• •• ••
8 AG
9 0 AG unterschiedliche Interessen. Der AG versucht,
10 0 AG durch Nachtragsprophylaxe Nachträge des AN

• •• •• ••
11 0 AN zu vermeiden bzw. eingegangene Nachträge
12 0 AG
durch sorgfältige Prüfung abzuwehren. Der AN
13
kann als Bieter vor Auftragserteilung durch ent-
sprechende Vorbereitungen seine nachtrags-
Abb. 2.1-46 Schnittmengenmodell auserforderlichen, strategische Ausgangsposition verbessern. Nach
beauftragten, ausgeführten und bezahlten Leistungen
Auftragserteilung wird er dann versuchen, bei
Eintritt entsprechender nachtrags- oder scha-

Bauwirtschaftslehre 2-81
densersatzrelevanter Ereignisse Nachträge und liehe und verkehrspolizeiliche Genehmigungs-
Schadensersatzansprüche zu stellen und durch- verfahren;
zusetzen. Daraus ergeben sich vier Untersu- - Grundstückssicherung im rechtlichen, wirt-
chungsbereiche: schaftliehen und technischen Sinne hinsicht-
- für den Auftraggeber lich Vermessung, Grundbucheintrag, Werter-
- vor dem Nachtragseingang die Nachtrags- mittlung, Grenzsicherung, Erschließung und
prophylaxe und Altbebauung;
- nach dem Nachtragseingang die Nachtrags- - präzise Bestimmung des Bau-Solls durch Lei-
prüfung, stungsbeschreibung, Ausschreibungspläne,
- für den Auftragnehmer Probestücke sowie sorgfältige Leistungs- bzw.
- vor der Nachtragsstellung die Nachtrags- Schnittstellenabgrenzung zu den Leistungen
strategie und -Vorbereitung sowie anderer Unternehmer (und Planer);
- bei Eintritt einer Leistungsänderung, Zu- - sorgfältige Ausarbeitung der Vertragsbedin-
satzleistung oder Leistungsstörung die gungen, insbesondere der BVB, aber auch der
Nachtrags- bzw. Schadensersatzanspruch- ZVB und der ZTV unter besonderer Beach-
geltendmachung und -durchsetzung. tung AGBG-konformer Vollständigkeitsklau-
seln;
2.1.6.1 - Gleichbehandlung aller Bieter während der
Nachtragsprophylaxe und Nachtragsprüfung Ausschreibungsphase (§ 17Nr. 7 Abs.2VOB/A)
des Auftraggebers (AG) zur Vermeidung von Streitigkeiten aus c.i.c.;
- Überprüfung der Fachkunde, Erfahrung, Lei-
Die Nachtragsprophylaxe und die Nachtrags- stungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bie-
prüfung des Auftraggebers (AG) sind zeitlich ter;
aufeinanderfolgende Aufgaben. - Sorge für eine sorgfältige Überprüfung der
Ausführungspläne vor Übergabe an den Auf-
Nachtragsprophylaxe des AG tragnehmer (AN);
- Sorgefür möglichst vollständige Übergabe ge-
Der Leitsatz für die Nachtragsprophylaxe des AG prüfter und vom AN bei der Bildung seines
lautet: "Der Auftraggeber hat Leistungsände- Angebotspreises berücksichtigter Ausfüh-
rungen und Leistungsstörungen vom Versand rungspläne vor Vertragsunterzeichnung;
der Verdingungsunterlagen an zwingend zu ver- - Sorge für eindeutig abgestimmte Planliefe-
meiden!" rungstermine und deren Einhaltung sowie
Dazu dienen folgende Maßnahmen: Dokumentation des Planlaufes durch Planlie-
- Sicherung der Finanzierung für das Auftrags- ferlisten;
budget; - baustellenbezogene Sicherung der Infrastruk-
- Sorge für die Einschaltung einer fachkundi- tur für Wasser, Abwasser, Strom, Telekommu-
gen, erfahrenen, leistungsfähigen und zuver- nikation, Zufahrtswege, Parkplätze, Lagerplät-
lässigen Projektleitung und Projektsteuerung; ze, Wohnlager, Sanitäranlagen, Verkehrssiche-
- Sorge für die Einschaltung fachkundiger, er- rungsmaßnahmen unter Wahrung von Nut-
fahrener, leistungsfähiger und zuverlässiger zerbetangen zur möglichst geringen Beein-
Planer mit ausreichender verfügbarer Kapa- trächtigung der Betriebsbedingungen;
zität, bei öffentlichen AG unter Beachtung der - Beschaffung der vollständigen erforderlichen
Vorschriften der VOF; Unterlagen zur Vorbereitung der Nachtrags-
- Ausschalten von Projektrisiken, u. a. aus dem abwehr:
Grundstück (Tragfähigkeit, Altlasten, Kriegs- - Verdingungsunterlagen,
bomben, Bodendenkmäler), der Nachbarbe- - Terminplan der Ausführung im Soll und im
bauung, der infrastrukturellen Voraussetzun- Ist mit Planlieferungsterminen im Soll und
gen sowie der Produktionsbedingungen; im Ist,
- rechtzeitige Beibringung der baurechtliehen - Urkalkulation des AN,
und ggf. haushaltsrechtlichen Genehmigun- - Besprechungsprotokolle der Baubespre-
gen, u.a. aus Bebauungsplan-, Baugenehmi- chungen und relevanter Schriftwechsel,
gungs- oder Planfeststellungsverfahren, er- - Bautagesberichte und Stundennachweise
gänzt um umweltrechtliche, denkmalschutz- des AN,
rechtliche, wasserrechtliche, gewerbeaufsieht- - Bautagebuch des AG,

2-82 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- regelmäßige Leistungsmeldungen, differen- 2.1.6.2
ziert nach Gewerken, Bauteilen und Ebenen Nachtragsvorbereitung und Nachtragsdurchsetzung
(möglichst monatlich), durch den Auftragnehmer (AN)
- Analyse abgeschlossener Projekte im Hin-
blick auf das Schnittmengenmodell der Auch für den Auftragnehmer (AN) sind die Pha-
Abb. 2.1-46; sen vor und nach der Nachtragseimeichung zu
- Abwehr von mündlichen oder schriftlichen unterscheiden.
Nachtragsankündigungen des AN, indem der
AG die Beantwortung schriftlich vornimmt; Nachtragsstrategie und -Vorbereitung durch den AN
- Schulung der Mitarbeiter mit Erfolgskontrol-
le durch Testaufgaben. Leitsatz der Nachtragsstrategie des AN muß sein:
"Grundlage erfolgreicher Nachforderungen ist
Nachtragsprüfung des AG die Analyse und Bewertung der Abweichungen
zwischen den vorausgesetzten, aus den Verdin-
Dazu gilt folgender Leitsatz: "Der Maßstab für gungsunterlagen erkennbaren, vorkalkulatori-
die Qualität der Nachtragsprophylaxe und der schen Produktionsbedingungen und den tat-
Nachtragsprüfung des AG ist das deutliche Ab- sächlich vorgefundenen bzw. zu beachtenden
nehmen des Prozentsatzes genehmigter Nachträ- und einzuhaltenden Produktionsbedingungen!"
ge im Verhältnis zur Auftragssumme (<5%)!" Daraus ergeben sich folgende Aufgaben:
Im Rahmen der Nachtragsprüfung sind folgen- - Abschätzen der Risiken aus wesentlichen Men-
de Aufgaben wahrzunehmen: genänderungen, differenziert nach erkennba-
- Reaktion auf den Nachtragseingang in forma- rer erheblicher Mengenüberschreitung oder
ler, inhaltlicher und strategischer Hinsicht, -unterschreitung bei kostenbestimmenden
- Beschaffung bzw. Anforderung erforderlicher Teilleistungen oder Leitpositionen unter Ein-
Unterlagen, beziehung von Grund-, Alternativ-, Eventual-
- Kompensationsmaßnahmen für nicht be- und Zulagepositionen;
schaffbare Unterlagen, z.B. bei fehlender Ur- - Abschätzen der Risiken und AGBG-Konfor-
kalkulation Ansatz von Regelwerten für AGK mität von Vollständigkeitsklauseln;
6%, W 2% und G je nach Konjunkturlage z. B. - Analyse der Verdingungsunterlagen, u.a. im
2% bis4%, Hinblick auf Konformität zwischen Leistungs-
- Prüfung des Anspruchs dem Grunde nach im beschreibung und Ausschreibungsplänen,
Hinblick auf die Rechtsgrundlagen (§ 2 oder 6 Geltungsreihenfolge der Vertragsbestandteile,
VOB/B, § 242 BGB,AGBG, Ziff. 4.1 und 4.2 der Eingriff in VOB/B als Ganzes;
VOB/C); bei strittiger Anspruchsgrundlage - Identifikation und Behandlung AGBG-widri-
Einschaltung eines Baujuristen; eindeutige ger Klauseln (durch Unterschrift, Vermeidung
Abgrenzung von Nachtragsforderung, rele- von Individualvereinbarungen und Eliminie-
vantem Bau-Soll und nachträglich geforder- rung nach Auftragserteilung);
ter Leistungsabweichung bzw. vom AG zu ver- - Formulierung des Angebotsschreibens (Wett-
tretender Leistungsstörung, bewerbsvorteile darstellen, vorausgesetzte
- Prüfung des Anspruchs der Höhe nach, ggf. Produktionsbedingungen beschreiben, ggf.
unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, Öffnungsklauseln einbauen);
- Prüfung der Möglichkeit von Gegenforderun- - Ausarbeitung von Änderungsvorschlägen und
gen, Verhandlungsmanagement mit Vorbe- Nebenangeboten nach§ 21 Nr. 3 VOB/A unter
reitung von Ort, Zeit und Ablauf, Eröffnung, Beachtung der Vorteile und Risiken;
These - Gegenthese - Synthese, Abschluß mit - Gestaltung der beim AG zu hinterlegenden Ur-
"Siegern auf beiden Seiten" und Protokollie- kalkulation;
rung, - Dokumentation durch Bautagesberichte, Plan-
- Oberprüfung der Vertragsbeziehung zum AN, eingangsliste, Protokolle und Korrespondenz;
- Ziehen der Konsequenzen aus abgelehnten, - Prüfung von nach Vertragsabschluß überge-
anerkannten und strittig bleibenden N;tchträ- benen Ausführungsunterlagen auf Vertrags-
gen, konformität;
- Schulung der Mitarbeiter. - Sorge für die Erstellung eines Basisablauf-
pians mit Planlieferliste und Bemusterungs-
terminen;

Bauwirtschaftslehre 2-83
- Analyse und Bewertung der Vertragspartner den Terminverlängerung, es sei denn, daß der
des AG (Projektsteuerer, baubegleitender AG eine Beschleunigungsanordnung nach § 2
Rechtsberater, Architekt, Fachplaner, Gutach- Nr. 5 VOB/B trifft, deren Auswirkung er jedoch
ter, Vorunternehmer); in die Nachtragsvereinbarung eingebunden
- Abwägung von Chancen (Ergebnisverbesse- sehen will;
rung) und Risiken (Belastung der Geschäfts- - interne Kritik am Nachtragsmanagementsy-
beziehungen zum AG) aus potentiellen Nach- stem des AN zur Einleitung von Verbesse-
trägen; rungsmaßnahmen;
- Auswertung bereits abgeschlossener Aufträge - Schulung der Mitarbeiter.
auf Nachtragsrelevanz;
- Schulung der Mitarbeiter. 2.1.6.3
Vergütungsänderungen aus Leistungsänderungen
Nachtragsstellung und -durchsetzung durch den AN und Zusatzleistungen gemäߧ 2 Nr. 3ffVOB/B

Der Leitsatz hierfür lautet: "Der Maßstab für die Der§ 2 "Vergütung" der VOB/B ist in den Nrn. 1
Qualität der Nachtragsoffensive ist die nachweis- und 2 nicht relevant für Vergütungsänderungen
liche Steigerung der Erfolgsquote eingereichter aus Leistungsänderungen und Zusatzleistungen,
Nachträge (> 80%)!" Testnachträge nach dem da diese lediglich regeln, welcher Leistungsum-
Motto "Ein Drittel ist zu streichen, ein Drittel ist fang durch die vereinbarten Preise abgegolten ist
zu verhandeln und ein Drittel brauchen wir (Nr. 1) und daß sich die Vergütung beim Ein-
wirklich!" sind unklug und in hohem Maße ima- heitspreisvertragaus den vertraglich vereinbar-
geschädigend.Auftragnehmer sollten Nachträge ten Einheitspreisen und den tatsächlich ausge-
derart vorbereiten und nur dann einreichen, führten Mengen der Positionen ergibt (Nr. 2).
wenn sie als Auftraggeber diese sowohl dem Die Nrn. 3 bis 7 sind jedoch relevant für Vergü-
Grunde und der Höhe nach auch zu 100% aner- tungsänderungen.
kennen könnten. Die Vorschriften der §§ 2 und Für vertiefende Informationen wird verwie-
6 VOB/B sind eindeutig und bieten keine Hand- sen auf [Diederichs 1999] sowie auf die weiteren
habe für "Glücksspiele". Im einzelnen sind sei- einschlägigen Titel im Literaturverzeichnis.
tens des AN folgende Aufgaben zu erfüllen:
- Beachten von Ankündigungserfordernissen 2.1.6.4
(§ 2 Nr. 6 und§ 6 Nr. 1 VOB/B); Schadensersatzanspruch aus Behinderung
- Aufbereiten des Nachtrags mit allen Unterla- (§ 6 Nr.6 VOB/8)
gen dem Grunde nach, ggf. unter Hinzuzie-
hung eines Baujuristen und Einholung des An- Die Ermittlung von Schadensersatzansprüchen
erkenntnisses des AG; der Aufwand für die aus Behinderungen zählt zu einem der meistbe-
Vorbereitung von Nachträgen der Höhe nach, handelten Themen der VOB/B sowohl aus juristi-
die dann wegen fehlenden Anspruchs dem scher als auch aus bauwirtschaftlicher bzw. bau-
Grunde nach vom AG abgelehnt werden, ist betrieblicher Sicht [Plum 1997]. Der in Nr. 6 ge-
voll als Verlust beim AN zu verbuchen; regelte SchadensersatZanspruch gilt für alle Fälle
- Aufbereiten des Nachtrags mit allen Unterla- der Behinderung und Unterbrechung nicht nur
gen der Höhe nach, ggf. unter Einschaltung ei- aus§ 6 VOB/B, sondern auch dann, wenn dem AN
nes Sachverständigen; der Auftrag nach § 8 Nr. 3 Abs. 2 in Verbindung
- Nachtragsanmeldung und-präsentationnach mit § 4 Nr. 7 und § 5 Nr. 4 VOB/B entzogen wor-
vorheriger Terminvereinbarung (Timing) den ist. §6 Nr.6 ist danach Anspruchsgrund-
durch persönliche übergabe und qualifizierte lage für alle Fälle der Leistungsverzögerung, die
Erläuterung auf Basis hervorragend aufberei- sowohl vom AG als auch vom AN sowie von bei-
teter Unterlagen; den herbeigeführt worden sein können.
- Stellungnahme zu Gegenargumenten des AG Die Folgen einer Bauverzögerung können bei
zur Prozeßvermeidung; Aufrechterhaltung des Vertrags entweder dem
- Ziehen der Konsequenzen aus genehmigten, AG oder dem AN oder beiden allerdings nur
abgelehnten oder strittig bleibenden Nachträ- dann als Verpflichtung zum Ersatz des dem an-
gen im Hinblick auf Kosten, Termine, Qualität deren Vertragsteil entstandenen Schadens ange-
und Organisation; jeder berechtigte Nachtrag lastet werden, wenn Schuldhaftes Verhalten des
berechtigt den AN auch zu einer entsprechen- Verpflichteten vorliegt.

2-84 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Nach Nr. 6 müssen die hindernden Umstände sten für nicht ausgenutztes Produktionsfak-
von einem Vertragsteil zu vertreten sein. Gemäß torpotential in Behinderungsperioden infolge
BGB ist der Begriff "Vertretenmüssen" ein Syno- Intensitätsanpassung und Desorganisation
nym für "Verschulden". Nach§ 6 Nr. 2 Abs. 1a ist sowie
das Vertretenmüssen jedoch dahingehend abzu- - Mehrkosten aus Verlängerung der Ausfüh-
schwächen, daß der vom AG zu vertretende Um- rungsfristen, im wesentlichen zeitabhängige
stand, aufgrund dessen Ausführungsfristen ver- Gemeinkosten der Baustelle.
längert werden, nicht stets Verschulden im Sinne
einer Vertragspflichtverletzung des AG voraus- Fordert der AG, behinderungsbedingte Bauzeit-
setzt,sondern grundsätzlich alle Ereignisse erfaßt, verlängerungen durch geeignete Anpassungs-
die aus der "Sphäre" des AG kommen, auch wenn maßnahmen zu reduzieren oder zu vermeiden,
sie vom AG weder pflichtwidrig noch rechtswid- so handelt es sich um eine Beschleunigungsan-
rig noch schuldhaft herbeigeführt wurden. ordnung nach § 2 Nr. 5 VOB/B, für die ein ent-
Ein Schadensersatzanspruch nach Nr. 6 ver- sprechender Nachtrag gerechtfertigt ist für
langt jedoch stets das Vorliegen eines Verschul- Mehrkosten der Kapazitätserhöhung sowie ggf.
dens des Vertragsteiles, der die hindernden Um- aus Überstunden und Nachtarbeit.
stände zu vertreten hat, als zusätzliche An- Der Schaden ist grundsätzlich konkret zu be-
spruchsvoraussetzung. Voraussetzung des An- zeichnen. Maßgebend ist die tatsächlich einge-
spruchs auf Fristverlängerung nach Nr. 2 als tretene Vermögensminderung und die ausblei-
auch auf Schadensersatz ist in beiden Fällen das bende Vermögensmehrung. Zu ersetzen ist das
Vorliegen einer unverzüglichen schriftlichen Be- volle wirtschaftliche Interesse des Geschädigten.
hinderungsanzeige des sich behindert glauben- Nach der Differenzhypothese besteht ein Ver-
den Vertragsteiles. mögensschaden in der Differenz zwischen zwei
Schadensersatzansprüche aus Behinderungen Güterlagen, der tatsächlich durch das Schadens-
setzen äquivalente und adäquate Kausalität vor- ereignis geschaffenen und der unter Ausschal-
aus, d.h., der Schaden muß durch das zum Scha- tung dieses Ereignisses gedachten. Die Schadens-
denersatz verpflichtende Ereignis verursacht ermittlung erfordert somit den Vergleich zwi-
worden sein. Nach der Äquivalenztheorie ist je- schen der konkreten Vermögenslage nach und
des Ereignis kausal, das nicht weggedacht wer- einer abstrakt-hypothetischen Vermögenslage
den kann, ohne daß der Erfolg entfiele (conditio vor dem Schadenseintritt. Daher ist es für den
sine qua non). möglichst konkreten Schadensnachweis erfor-
Die adäquate Kausalität fordert zusätzlich, derlich, daß der behinderte Vertragspartner die
daß das Schadensereignis i.allg. und nicht nur angeblich durch die Behinderung entstandenen
unter besonders eigenartigen, unwahrscheinli- Mehrkosten bereits während der Bauabwicklung
chen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der mittels sorgfaltiger Dokumentation im einzel-
Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen nen festhält.
geeignet sein muß, einen Schaden der eingetre- Die Vorgehensweise bei der Schadensermitt-
tenen Art und des ermittelten Umfangs herbei- lung durch Gesamtbetrachtung mit Abgren-
zuführen. zungsrechnung nach § 287 ZPO vermitteln in
Der Grad der Konkretisierung von Schaden konzentrierter Form [Diederichs 1999] und
und Kausalität ist maßgeblich abhängig von der [Diederichs 1998].
Qualität der Dokumentation des AN. Diese soll-
te so strukturiert werden, daß sie 2.1.7
- den Störungsfall möglichst unstrittig ausweist, Wirtschaftlichkeitsberechnungen (WB) und
- die Ursachen benennt, · Nutzen-Kosten-Untersuchungen (NKU)
- Hilfestellung für Anpassungsmaßnahmen bie-
tet und Öffentliche, gewerbliche und private Bauinvesti-
- die Mehrkostenberechnung nach Kausalität tionen haben stets einen besonderen Stellenwert
und Höhe ermöglicht. für den Initiator, da sie mit hohen Investitions-
ausgaben verbunden sind, Investitionsentschei-
Als Behinderungsfolgen kommen im wesentli- dungen nach Baubeginn kaum mehr rückgängig
chen folgende Schadensarten in Betracht: gemacht werden können und mit der übergabe
- Mehrkosten aus Produktivitätsminderung und Inbetriebnahme Folgekosten in häufig be-
bzw. Leeraufwand durch Lohn- und Geräteko- achtlicher Größenordnung entstehen.

Bauwirtschaftslehre 2-85
In den Haushaltsordnungen des Bundes, der ren gleichartigen Maßnahmen, d. h. Lösung
Länder und der Kommunen wird daher bereits des Wahlproblems)?
seit Anfang der 70er Jahre gefordert, für geeig- - Welche unter mehreren sich gegenseitig aus-
nete Maßnahmen von erheblicher finanzieller schließenden Alternativen ist zu bevorzugen
Bedeutung Wirtschaftlichkeitsberechnungen (Auswahl der besten Alternative)?
(WB) oder Nutzen-Kosten-Untersuchungen - Welches ist die optimale Größe einer vorgese-
(NKU) anzustellen. Zielsetzungen von WB und henen Investitionsmaßnahme (Bestimmung
NKU bestehen allgemein darin, bei Beurteilung der optimalen Größe)?
einer Einzelmaßnahme ihre Vorteilhaftigkeit zu - Wann soll eine vorhandene Anlage durch eine
prüfen oder aber bei Beurteilung mehrerer moderne Anlage ersetzt werden (Lösung des
gleichartiger oder sich gegenseitig ausschlie- Ersatzproblems)?
ßender Alternativen die Frage der Vorziehens-
würdigkeit zu beantworten, die optimale Nut- Darüber hinaus bestehen zahlreiche weitere Fra-
zungsdauer einer Investition zu bestimmen oder gestellungen zu bauwirtschaftlichen Investiti-
aber für ein vorhandenes Objekt bzw. eine vor- onsentscheidungen [Diederichs 1985].
handene Anlage den günstigsten Ersatzzeit- Die zahlreichen Verfahren der Investitions-
punkt zu bestimmen. rechnung lassen sich zunächst in drei Unter-
Der Gegenstand von WB oder NKU kann sich gruppen einteilen (vgl. Abb. 2.1-47):
auch auf die Überprüfung alternativer Erwerbs- - monovariable Wirtschaftlichkeitsberechnun-
oder Finanzierungsformen erstrecken, z.B. den gen,
Vergleich zwischen Eigenbau, Kauf, Leasing oder - multivariable Nutzen-Kosten-Untersuchun-
Miete bzw. zwischen Eigen-, Fremd- oder Misch- gen und
finanzierung. Ein besonderes Untersuchungs- - programmierte Verfahren.
feld ist der Vergleich zwischen Eigen- oder
Fremdleistung. Monovariable Wirtschaftlichkeitsberechnungen
Die Zielsetzungen von WB und NKU bestehen (WB) sind Methoden, mit deren Hilfe die Vor-
allgemein darin, Fragestellungen folgender Art teilhaftigkeit einzelwirtschaftlicher Investiti-
zu beantworten: onsmaßnahmen geprüft und im Hinblick auf die
- Ist ein bestimmtes Investitionsvorhaben unter betrieblichen Zielsetzungen des jeweiligen Inve-
den verschiedenen einzel- und gesamtwirt- stors bewertet werden kann. Die zu untersuchen-
schaftlichen Gesichtspunkten und auch unter den Nutzen-Kosten-Faktoren sind als Einnah-
Berücksichtigung des damit verbundenen Ri- men und Ausgaben stets monetär zu bewerten.
sikos für den Investor vorteilhaft (Beurteilung Nicht in Zeiteinheiten bewertbare Faktoren las-
einer Einzelmaßnahme bzw. Entscheidung sen sich ergänzend nur verbal diskutieren.
zwischen Mit-Fall und Ohne-Fall)? Multivariable Nutzen-Kosten-Untersuchun-
- Welche von mehreren gleichartigen Investiti- gen (NKU) ermöglichen dagegen auch die Ein-
onen ist die für den Investor günstigste (Fest- beziehung nicht monetär bewertbarer Nutzen-
legung einer Rangordnung zwischen mehre- Kosten-Faktoren. Die Meßgrößen unterschied-

I Wirtschaftlichkeitsberechnungen I
I
I
Statische Verfahren I IDynamische Verfahren I Kosten-Nutzen-
Analyse (KNA)
Kostenwirksam-
keitsanalyse (KWA)
Kostenvergleich Kapitalwertmethode
Erlösvergleich Methode des internen
Gewinnvergleich Zinsfußes
Rentabilitätsrechnung Annuitätenmethode
Amortisationsrechnung Programmierte Verfahren

Abb. 2.1-47 Verfahren der Investitionsrechnung

2-86 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1 -15 Begriffe und Anwendungsbereiche der Verfahren fUr WB und NKU [Diederichs 1985, S. 12f]

lfd. Verfahren Art der Teilziele Artder Anwendungsbereiche und Ergebnisse


Nr. Bewertung
Statische Verfahren der WB Betrachtung von Durchschnittswerten einer Zeit-
periode; für Investitionen geringen Umfangs mit
betrieblicher Wirkung
1.1 Kostenvergleich betriebliche Kosten inWEl einzelwirtschaftlicher Vergleich der Kosten
1.2 Gewinnvergleich betrieblicher Aufwand inWEl einzelwirtschaftlicher Gewinn
und Ertrag
1.3 Rentabilitäts- betriebliche Verzinsung %-Satz der einzelwirtschaftlicher Rentabilitätsvergleich
rechnung des durchschnittlichen WEl -Wene
Kapitaleinsatzes
1.4 Amortisations- betriebliche Wiederge- Anzahlder einzelwirtschaftlicher Vergleich der Wieder-
rechnung winnungszeit aus dem Jahre gewinnungsdauern
Quotienten des Kapital- Quotienten
einsatzesund des jähr- der WE 1-Wene
Iichen Rückflusses
2 Dynamische Verfahren der WB Verwendung von Zeitreihen für Ein - und Auszah-
Iungen und Barwertbetrachtungen durch kalku-
latorischen Zinssatz
2.1 Kapitalwert- betriebliche Ein- und inWEl einzelwirtschaftlicher Verg leich der Kapitalwerte
methode Auszahlungsreihen
2.2 Methodedes dto. inWEl einzelwirtschaftlicher Vergleich der internen
internen Zinsfußes Zinsfüße
2.3 Annuitätsmethode dto. inWEl einzelwirtschaftlicher Verg leich der Annuitäten
des Kapitalwertes
3 Nutzen-Kosten-Untersuchungen Betrachtung einzel- und gesamtwirtschaftlicher
Nutzen- und Kostenfaktoren; für Investitionen
großen Umfanges mit betrieblicher und vor allem
auch gesellschaftlicher/sozialer Wirkung
3.1 Kosten-Nutzen- betriebliche und gesell- inWE• Nutzen- und Kostenfaktoren sind überwiegend
Analyse (KNA) schaftliehe Nutzen- monetär bewenbar; gesamtwirtschaftlicher
und Kostenfaktoren Nutzen-Kosten-Vergleich
3.2 Nutzwenanalyse betriebliche und gesell- ingewich- Nutzen- und Kostenfaktoren sind überwiegend
(NWA) schaftliehe Nutzen- teten Nutzen· nicht monetär bewenbar; gesamtwirtschaftlicher
foktoren (Kosten = punkten Vergleich der Nutzenpunkte
Teilnutzen)
3.3 Kostenwirksam- betriebliche und gesell- Kostenfaktoren Kostenfaktoren sind überwiegend monetär
keitsanalyse schaftliehe Nutzen- inWE 1 bewenbar; Nutzenfaktoren sind überwiegend
(KWA) und Kostentokioren Nutzenfoktoren nicht monetär bewertbar; gesamtwirtschaftlicher
in gewichteten Vergleich der Kostenwerte und Nutzenpunkte
Nutzenpunkten sowie des Nutzen/Kosten-Verhältnisses
1 WE = Währungseinheiten

Iiehster Dimension werden mit Hilfe von Nut- mulation von Nutzungs-, Finanzierungs-, Inve-
zenpunkten gleichnamig gemacht, wobei die stitions- und Betreibermodellen. Sie erfordern
Bedeutung der einzelnen Faktoren durch ent- einen wesentlich höheren Rechenaufwand als
sprechende Gewichtung berücksichtigt wird. die traditionellen Methoden. Tabelle 2.1-15 zeigt
NKU finden daher v.a. Anwendung, wenn durch die weitere Untergliederung der traditionellen
Investitionsmaßnahmen nicht nur monetäre Verfahren und ihrer Anwendungsbereiche in ta-
einzelwirtschaftliche, sondern auch multivaria- bellarischer Übersicht.
ble gesellschaftliche Faktoren berührt werden.
Programmierte Verfahren finden Anwendung 2.1.7.1
bei komplexen Optimierungsrechnungen unter Wirtschaftlichkeitsberechnungen (WB)
Vorgabe von Nebenbedingungen, die auch in
Form von Ungleichungen gegeben sein dürfen, Bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen (WB) ist
z.B. der linearen Programmierung und der Si- zu unterscheiden zwischen den statischen (ein-

Bauwirtschaftslehre 2-87
periodigen) und dynamischen (mehrperiodi- der Praxis eine kombinierte Anwendung zu
gen) Verfahren. empfehlen. Erst dann können die betriebswirt-
Statische Verfahren vernachlässigen den zeit- schaftlich relevanten Kriterien der Kostener-
lich unterschiedlichen Anfall der durch eine In- sparnis, des Gewinns, der Verzinsung des durch-
vestitionsmaßnahme verursachten Einnahmen schnittlieh eingesetzten Kapitals, des Vergleichs
und Ausgaben. Statt dessen werden Durch- mit anderweitiger Kapitalverwendung und des
schnittswerte einer charakteristischen Zeitperi- Risikos sowie der Auswirkungen auf die Liqui-
ode verwendet. Sie eignen sich für Investitionen dität gemeinsam berücksichtigt werden.
geringen Umfangs mit nur einzelwirtschaftli- In Tabelle 2.1-16 wird anhand eines Beispiels
cher Wirkung und sind immer dann zu bevor- mit drei Investitionsalternativen zugleich ein
zugen, wenn Kostenvergleich, ein Gewinnvergleich, eine Ren-
- keine differenzierten Daten für die gesamte tabilitätsrechnung und eine Amortisationsrech-
Nutzungsdauer vorliegen bzw. der Aufwand nung vorgeführt [Kretschmer 1981, S. 1410].
für ihre Beschaffung nicht gerechtfertigt ist Da die Nutzungsdauer und der Kapitaleinsatz
(Wirtschaftlichkeit der WB), unterschiedlich sind, hängt die Auswahl einer
- eine einfache WB schnell durchgeführt wer- Alternative auch von den Annahmen über die
den soll und mit der Differenzinvestition zu erzielenden Er-
- über Investitionsmaßnahmen oder Teile da- folge ab. Führt die nach Ablauf der Nutzungs-
von mit geringer Bedeutung bzw. niedrigen dauer der Investitionsalternative III mögliche
Kosten zu entscheiden ist. Kapitalanlage nicht mehr zu einem Jahresge-
winn von 15000 DM, kann man nur den Gesamt-
Verfahren der statischen Wirtschaftlichkeitsbe- gewinn aller Perioden heranziehen (90000 DM
rechnungen sind die Kostenvergleichs-, die Erlös- zzgl. 4 x Gewinn der zukünftigen Differenzinve-
vergleichs-, die Gewinnvergleichs-, die Rentabi- stitionen) im Vergleich zu 130000 DM und
litäts- und die Amortisationsrechnung. Sie die- 80000 DM der Alternativen I und II.
nen in erster Linie zur Beurteilung kleinerer Er- Da hier auch der Kapitaleinsatz unterschied-
weiterungs-, Rationalisierungs- oder Ersatzin- lich und das Kapital i.d.R. Engpaßfaktor ist, so
vestitionen. Mit ihrer Hilfe läßt sich nur eine ist die Rechnung um die Rentabilitätsziffer zu
Aussage bezüglich der relativen Vorteilhaftigkeit ergänzen. Beträgt das Gesamtbudget z.B.
von sich gegenseitig ausschließenden Alternati- 150000 DM, so wären drei Anlagen des Typs II
ven gewinnen. Die absolute Vorteilhaftigkeit ei- zu wählen. Kommt allerdings nur die Beschaf-
ner Einzelmaßnahme ist wegen der dann fehlen- fung von einer Einheit des Typs II in Frage und
den Vergleichsmöglichkeit nicht überprüfbar. schließen sich die Alternativen nicht gegenseitig
Da die vorgenannten Verfahren jeweils nur ein aus, so würde sich das Investitionsprogramm aus
Wirtschaftlichkeitskriterium untersuchen, ist in den Objekten I und II zusammensetzen. Dieses

Tabelle 2.1 -16 Lösung des Auswahlproblems mit statischen Wirtschaftlichkeitsberechnungen bei der Bestimmung eines
Investitionsprogramms [Diederichs 1985, S. 50)

lnvestitonsalternativen
Zeile Kriterien II 111
1 Anschaffungspreis 100000 50000 150000
2 Durchschnittskapitaleinsatz 50000 25000 75000
3 Lebensdauer in Jahren 10 10 6
4 LeistungsmengetJahr 20000 10000 20000
5 Kosten /Jahr 24200 22000 39400
6 Kosten/Stück (ZS: Z4) 1,21 2,20 1,97
7 Erträge/Stück 1,86 3,00 2,72
8 Gewinn/Jahr (Z7 - Z6) · Z4 13000 8000 15000
9 Totalgewinn über Nutzungsdauer 130000 80000 90000
10 Rentabilität pro Periode (Z8 : Z2) · 100 26 % 32 % 20 %
11 Amortisationsdauer (Z1 : (Z8 + Abschreibung)) 4,3 3,8 3,75
12 Rückflußanzahl (Z3: Z11) 2,32 2,63 1,60

2-88 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Programm ist jedoch nur dann optimal, wenn einem kalkulatorischen Zinssatz vorgenommen,
entweder die Nutzungsdauern der Objekte der der Zeitpräferenz und den Finanzierungs-
gleich lang sind oder aber man die betreffende möglichkeiten Rechnung tragen muß. Er hat drei
Investition beliebig oft wiederholen kann. Sind Funktionen zu erfüllen:
diese Bedingungen nicht erfüllt, so muß man die - Er ist Ausdruck der vom Investor geforderten
in Zukunft zu erwartenden Renditen der Diffe- Mindestverzinsung des in der Investition ge-
renzinvestitionen miteinbeziehen. bundenen Kapitals.
Als Grundlage für die Schätzung des Risikos - Er ist Maßstab für die Finanzierungskosten
ist die Amortisationsdauer zusätzlich heranzu- des Eigen- und Fremdkapitals.
ziehen. Alternative III hat zwar die kürzeste - Er macht als Diskontierungsfaktor die Ein-
Amortisationsdauer, aber auch die geringste nahmen- und Ausgabenströme vergleichbar.
Rückflußanzahl (Verhältnis zwischen Nutzungs-
und Amortisationsdauer). Die Art der Ermittlung und damit seiner Höhe
Es zeigt sich, daß erst eine gemeinsame Be- hängen von den jeweiligen betrieblichen Anla-
trachtung der jährlichen Kosten, Gewinne und ge- und Finanzierungsmöglichkeiten ab. Bei fi-
Rentabilitäten sowie zusätzlich der Amortisati- xem Eigenkapitalbestand, der in jedem Fall be-
onsdauern zur Beurteilung des Risikos eine um- nötigt wird, und bei Fremdkapitalaufnahme-
fassende Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von möglichkeit zu konstantem Zins entspricht der
Investitionen mit Hilfe statischer Wirtschaft- Kalkulationszinsfuß dem Fremdkapitalzinsfuß.
lichkeitsberechnungen zuläßt. Dabei ist ferner zu unterscheiden, ob bei den
Den dynamischen Wirtschaftlichkeitsberech- Einnahmen- und Ausgabenreihen mit konstan-
nungen ist gemeinsam, daß sie im Gegensatz zu ten Preisen oder mit laufenden Preisen unter
den statischen Verfahren nicht mit Durch- Einbeziehung von Indexsteigerungen gerechnet
schnittswerten arbeiten, sondern durch Berück- wird. Bei konstanten Preisen ist der reale Zins-
sichtigung von Zeitreihen für die Zahlungsströ- satz (Nominalzins ./. Indexsteigerung) anzuset-
me der Ein- und Ausgaben sowie Ab- oder Auf- zen. Bei laufenden Preisen ergibt sich eine Nähe-
zinsung auf einen festen Bezugszeitpunkt die Vor- rungslösung, wenn die Preissteigerung (z. B. 2%)
teilhaftigkeit von Investitionen für die gesamte vom kalkulatorischen Zinssatz abgezogen wird,
Nutzungsdauer bzw. bis zu einem bestimmten d.h. 6%-2%=4%. Eine gerraue Lösung erhält
Planungshorizont untersuchen. Kriterien der man durch Aufzinsung mit 2% und Abzinsung
Vorteilhaftigkeit sind die Höhe der Kapitalwerte, mit6%.
der internen Zinsfüße oder der Annuitäten. Da der Soll- und Habenzins (Aufnahme- und
Mit allen Verfahren können sowohl einzelne Anlagezins) üblicherweise voneinander abwei-
Investitionen beurteilt als auch Auswahlproble- chen, ist zu empfehlen, anstelle eines gespaltenen
me zwischen verschiedenen Alternativen gelöst Zinssatzes den höheren Zins (i. d. R. den Sollzins)
werden. Die Ausgaben setzen sich zusammen als einheitlichen kalkulatorischen Zins zu
aus den Anschaffungsausgaben, den variablen wählen.
Ausgaben für Löhne, Stoffe, Geräte und Fremd- Sorgfältig zu unterscheiden ist auch, ob der
leistungen sowie den laufenden fixen Ausgaben geforderte Mindestzinssatz brutto vor Steuern
zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft. oder netto nach Steuern zu verstehen ist. Bei Ka-
Die Einnahmen sind das Ergebnis der Bewer- pitalgesellschaften ergibt sich z.B. bei einer ge-
tung der mit der Investitionsmaßnahme erziel- forderten Nettoverzinsung von 6% eine erfor-
ten Leistungen. derliche Bruttoverzinsung von etwa 12% bei ei-
nem durchschnittlichen Einkommensteuersatz
Kapitalwertmethode von 40% sowohl der Fremd- als auch der Eigen-
kapitalgeber.
Ziel der Kapitalwertmethode ist die Ermittlung Die Errechnung des Kapitalwertes einer Ein-
des Kapitalwertes einer Einzelinvestition oder zelinvestition setzt voraus, daß ihre Einnahmen
alternativer Investitionen. und Ausgaben bzw. Saldi isoliert und bis zum
Der Kapitalwert ist definiert als Differenz der Planungshorizont sowohl der Höhe als auch der
Barwerte von Einnahmen- und Ausgabenreihen. zeitlichen Verteilung nach prognostiziert wer-
Barwerte sind die auf einen gemeinsamen Be- den können.
zugszeitpunkt ab- oder aufgezinsten Einnahmen Beim Alternativenvergleich einschließlich Er-
und Ausgaben. Die Ab- bzw. Aufzinsung wird zu satzproblem ist sicherzustellen, daß die Alterna-

Bauwirtschaftslehre 2-89
tiven vollständig sind, d.h., daß das jeweils ge- KW Kapitalwert,Et Einzahlungen in der Periode
bundene Kapital jeweils gleich hoch und der Be- t, At Auszahlungen in der Periode t, d.h.laufen-
trachtungszeitraum gleich lang ist. Dies wird de Kosten ohne Abschreibung und Zins (kalku-
beim Ersatzproblem dadurch gewährleistet, daß latorische Abschreibung und kalkulatorische
die Betrachtung nach einem für alle Alternativen Zinsen sind nicht anzusetzen, da der Anschafc
gleichen Zeitraum abgebrochen und für dann fungspreis (der Kapitaleinsatz) zum Zeitpunkt
noch funktionsfähige Anlagen mit Restwerten seines Anfalls (seiner Ausgabewirksamkeit) be-
gearbeitet wird. Investitionsalternativen mit un- reits in voller Höhe und die gewünschte Min-
terschiedlicher Kapitalbindung (im Anschaf- destverzinsung durch Ab- oder Aufzinsung mit
fungspreis, in der Nutzungsdauer und derzeit- dem kalkulatorischen Zinssatz berücksichtigt
lichen Verteilung der Einnahmen und Ausga- werden).
ben) werden durch Differenzinvestitionen ver- t 1 1 1
V =-=--=----
gleichbar gemacht. Führt man die Differenzin-
vestitionen nicht in den rechnerischen Vergleich rt (1+i{ (
1+-
p )t
ein, so wird davon ausgegangen, daß die Diffe- 100
renzinvestition einen Kapitalwert von Null er- vt Abzinsungsfaktor, t jeweilige Zinsperiode, n
bringt. Anzahl der betrachteten Zinsperioden bzw. Nut-
Nach der Kapitalwertmethode ist die absolute zungsdauer der Investition (letztes Jahr von t),
Vorteilhaftigkeif einer Einzelinvestition wie folgt RW Restwert = Restverkaufserlös (nicht Rest-
zu beurteilen: buchwert), AP Anschaffungspreis.
- Ist der Kapitalwert positiv, so wird durch die Bei der praktischen Anwendung empfiehlt es
Investition eine höhere Verzinsung des einge- sich, die Einnahmenüberschüsse (Et-At) ge-
setzten Kapitals erzielt als mit dem kalkulato- trennt zu betrachten, damit die Unterschiede im
rischen Zinsfuß vorausgesetzt, d.h., es wird zeitmäßigen und wertmäßigen Anfall von Ein-
darüber hinaus ein Vermögenszuwachs er- nahmen und Ausgaben deutlich werden.
wirtschaftet. Für die Barwertermittlung wird als gemeinsa-
- Ist der Kapitalwert negativ, so erreicht die In- mer Bezugszeitpunkt i.d.R. der Gegenwartszeit-
vestition die geforderte kalkulatorische Ver- punkt oder das Jahr der Investitionen gewählt.
zinsung des Kapitaleinsatzes nicht. Bei konstanten jährlichen Einnahmen oder Aus-
- Ist der Kapitalwert gleich Null, wird die Min- gaben können Barwerte auch durch Multiplika-
destverzinsung zum kalkulatorischen Zins- tion der konstanten Jahresraten mit dem Ren-
satz genau erreicht. tenbarwertfaktor an ermittelt werden:
BW =konstante Jahresrate (der Einnahmen
Für die Beurteilung der relativen Vorteilhaftig-
oder Ausgaben) x an,
keif von alternativen Investitionsmaßnahmen
gilt, daß eine Investition A vorteilhafter ist als ei- BW Barwert = Gegenwartswert, an Rentenbar-
ne Investition B, wenn der Kapitalwert von A wertfaktor (Vervielfliltiger),
höher ist als der von B. Die Realisierung von A 1-vn rn-1 (1+i)n -1
ist dann zu befürworten, wenn A außerdem dem an=-.-=--=
Kriterium der absoluten Vorteilhaftigkeit genügt, 1 rnx i (1+i)nx i
d.h. einen positiven Kapitalwert besitzt. Der wesentliche Vorteil der Kapitalwertmetho-
Soll eine im Betrieb befindliche alte Anlage de liegt in der angemessenen Berücksichtigung
darauf überprüft werden, wann sie durch eine des Zeitfaktors mit langfristiger Betrachtungs-
neue Anlage ersetzt werden sollte, so handelt es weise anstelle der Verwendung von Durch-
sich um das Ersatzproblem. Ein sofortiger Er- schnittswerten bei der statischen Investitions-
satz der alten Anlage ist dann vorteilhafter als rechnung. Nachteilig ist die aufwendigere Da-
erst nach Ablauf ihrer Restnutzungsdauer, wenn tenbeschaffung gegenüber den statischen Ver-
der Kapitalwert einerneuen Anlage zzgl. des Li- fahren. Weiterhin bleiben wie bei allen monova-
quidationserlöses der alten Anlage größer ist als riablen Wirtschaftlichkeitsberechnungen die
der Kapitalwert der alten Anlage. Die Formel zur Wirkungen nicht monetär bewertbarer Ein-
Berechnung des Kapitalwertes lautet: flußfaktoren von der Methode her unberück-
n sichtigt.
KW= L (Et-At)·vt +RW·vn-AP Im folgenden Beispiel wird die relative Vor-
t=l
teilhaftigkeit von zwei Alternativprojekten I und

2-90 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1-17 Vergleich der Kapitalwerte von zwei Projekten I und II [Oiederichs 1985, S. 56)

Projekt I Projekt II
Zahlungs- Abzinsungsfaktoren Nettozahlungen I Nettozahlungen 1 Nettozahlungen I Nettozahlungen I
zeitpunkt vtfür i = 0,10 (Zeitwert) (Barwert) (Zeitwert) (Barwert)
0 1,0 -100000 -100000 -60000 -60000
1 0,9091 30000 27273 25000 22728
2 0,8264 40000 33056 25000 20660
3 0,7513 30000 22539 25000 18782
4 0,6830 20000 13660
5 0,6209 20000 12418
Kapitalwerte = Summe der Barwerte der Nettozahlungen + 8946 + 2170
1 Nettozahlungen =Einzahlung~- oder Au~zahlungsüberschiisse

Tabelle 2.1 -18 Vergleich der Kapitalwerte unter Berücksichtigung einer Nachfolgeinvestition bei Projekt II
(Diederichs 1985, S. 57)

Projekt I Projekt II
Zahlungs- Abzinsungsfaktoren Nettozahlungen Nettozahlungen Nachfolgeinvestition Nachfolgeinvestition
Zeitpunkt vtfüri=0,10 (Barwert) (Barwert) Nettozahlungen Nettozahlungen
(Zeitwert) (Barwert)
0 1,0 - 100000 - 60000
1 0,9091 27273 22728
2 0,8264 33056 20660
3 0,7513 22539 18782 - 70000 - 52591
4 0,6830 13660 30000 20490
5 0,6209 12418 70000 43463
Kapitalwerte +8946 + 2170 + 11362
Kapitalwert Projekt II inkl. Nachfolgeinvestition + 2170
+ 13532

II anhand ihrer Kapitalwerte untersucht. Der in Methode des internen Zinsfußes


Tabelle 2.1-17 dargestellte Vergleich zeigt, daß
Projekt I gegenüber Projekt II wegen eines um Bei dieser Methode geht man nicht von der
(8946 DM -2170 DM)= 6776 DM höheren Kapi- durch den kalkulatorischen Zinssatz p bestimm-
talwertes vorzuziehen ist. Beide Projekte sind ab- ten Mindestverzinsung aus, mit deren Hilfe man
solut vorteilhaft, da siebeideeinen positiven Ka- den Kapitalwert ermittelt. Statt dessen sucht
pitalwert aufweisen. Wird beim Projekt II im 3. man den internen Zinsfuß p; (Diskontierungs-
Jahr eine Nachfolgeinvestition vorgenommen, so zinssatz), der zu einem Kapitalwert von Null
erhöht sich bei einem Betrachtungszeitraum von führt, d.h., bei dem die Barwerte der Einnah-
5 Jahren der Kapitalwert von Projekt II von men- und Ausgabenreihen gleich groß sind.
2170 DM um 11362 DM auf 13532 DM. Im Saldo Nach der Methode des internen Zinsfußes ist
der Einnahmen und Ausgaben des Projekts II in eine Einzelinvestition absolut vorteilhaft, wenn
Höhe von -70000 DM (Zeitwert) im 5. Jahr ist der der interne Zinsfuß p; einen bestimmten Wert
Liquidationserlös der Nachfolgeinvestition be- erreicht, z.B. 5% über dem aktuellen Kapital-
reits enthalten. Nunmehr zeigt sich gemäß Tabel- marktanlagezins.
le 2.1-18, daß Projekt II gegenüber Projekt I we- Eine Investition A ist relativvorteilhaft im Ver-
gen eines um (13532 DM- 8946 DM)= 4586 DM gleich zu einer Investition B, wenn sie einen hö-
höheren Kapitalwertes vorzuziehen ist. heren internen Zinsfuß aufweist als B. Zusätzlich
muß der interne Zinsfuß von A einen vorgege-

Bauwirtschaftslehre 2-91
benen Mindestwert erreichen, damit die Maß- meüberschüssen pro Jahr (Et-At) dem nicht ab-
nahme auch für sich allein empfohlen werden gezinsten Wert (Et-At), der in die Kapitalwert-
kann. rechnung einging.
Beim Ersatzproblem ist ein sofortiger Ersatz Ist zusätzlich - wie meistens - eine Anschaf-
der alten Anlage dem Ersatz erst nach Ablauf der fungsinvestition erforderlich und ein Restwert
Restnutzungsdauer dann vorzuziehen, wenn anzusetzen, so braucht man nur noch für diese
sich beim sofortigen Ersatz ein höherer interner die Annuitäten zu ermitteln und von dem
Zinsfuß errechnet. Durchschnittsüberschuß bzw. -verlust abzuzie-
Die Methode des internen Zinsfußes erfordert hen bzw. ihm hinzuzufügen. Für den Restwert
die gleichen Voraussetzungen wie die Kapital- und auch für jährlich schwankende Einnahmen
wertmethode, da sie auf diesem Verfahren ba- und Ausgaben sind vorher die Barwerte mit Hil-
siert. Sie ist immer dann vorzuziehen, wenn fe der Abzinsungsfaktoren zu ermitteln.
nicht von vornherein ein bestimmter kalkulato- Die absolute Vorteilhaftigkeil einer Investiti-
rischer Zinssatz in die Berechnung eingeführt on ist immer dann gegeben, wenn ihre Annuität
werden soll, sondern die Verzinsung des gebun- nicht negativ ist. Dies ist definitionsgemäß im-
denen Kapitals gefragt ist. mer dann der Fall, wenn auch der Kapitalwert
Der interne Zinsfuß Pi wird ermittelt, indem nicht negativ ist.
man die Kapitalwertfunktion gleich Null setzt. Die relative Vorteilhaftigkeil einer Investition
Bei schwankenden jährlichen Einnahmen und/ A ist gegeben, wenn sie eine höhere Annuität be-
oder Ausgaben Et und At gilt die Beziehung sitzt als die zu vergleichende Investition B. Wei-
tere Voraussetzung ist, daß die Annuität von A
KW=O
positiv ist, es sei denn, daß im Alternativenver-
n n gleich die Rangreihe der Vorteilhaftigkeil auf-
mitKW= LEt ·vt- L At ·vt +RW·vn-AP. grund negativer Annuitäten ermittelt werden
t=l t=l
soll, z.B. der Baunutzungskosten.
Bei konstanten jährlichen Einnahmen E und Die Formel für die Anwendung der Annuitä-
Ausgaben A kann mit Hilfe des Rentenbarwert- tenmethode lautet
faktors vereinfacht werden zu
A=KW!an =KW·ll~,
KW=(E-A)·an +RW ·vn-AP=O.
A Annuität (jährlich gleichbleibende Einnahme
Die Auflösung der Gleichungen nach dem inter- oder Ausgabe), KW Kapitalwert aus jährlichen
nen Zinsfuß Pi erfordert in beiden Fällen einen Einnahmen Et und Ausgaben At> dem Anschaf-
erheblichen Rechenaufwand (Lösung von Glei- fungspreis AP und dem Restwert RWn, an Ren-
chungen n-ten Grades). Daher werden in der tenbarwertfaktor (Vervielfältiger),
Praxis meist Näherungslösungen angewandt, bei 1-vn rn-1 (1+i)n -1
denen man sich durch Einsetzen von Nähe- ~=-=--=

rungswerten für den internen Zinssatz Pi einem i rn X i (1 +i)nx i'


Kapitalwert von Null nähert (Newtonsches Nä- 11an Wiedergewinnungsfaktor,
herungsverfahren und lineare Interpolation (re- (l+i)n ·i
gula falsi)). -=--
~ 1-vn (I+it -1
Annuitätenmethode
In Tabelle 2.1-19 wird die ökonomische Vorteil-
Die Annuitätenmethode weist als Erfolgskriteri- haftigkeit von drei ausgewählten Bodenbelags-
um die Annuität, d.h. den finanzmathemati- alternativen - Betonwerkstein, Naturwerkstein
schen Durchschnittsgewinn bzw. -verlust der In- und Keramik - anhand ihrer Baunutzungsko-
vestition pro Jahr aus. Sie baut auf der Kapital- sten miteinander verglichen. Kapitalkosten und
wertmethode auf. Die Annuität errechnet sich kalkulatorische Abschreibung sind mit Hilfe der
durch Umwandlung des Kapitalwertes der Inve- Annuität zu ermitteln. Als kalkulatorischer Zins-
stition in eine uniforme Rente von n Jahren satz p werden So/o p.a. zugrunde gelegt. Zusätz-
durch Multiplikation des Kapitalwertes mit dem lich sind die jährlichen Kosten aus Reinigung
reziproken Rentenbarwertfaktor bzw. Wiederge- und Bauunterhalt zu berücksichtigen. Keramik
winnungsfaktor. Dieser Durchschnittsgewinn und Betonwerkstein liegen mit 3 o/o Unterschied
bzw. -verlust entspricht bei gleichen Einnah- auf den Rängen 1 und 2. Der Naturstein aufRang

2-92 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1-19 Vergleich der Annuitäten (Baunutzungskosten) von drei Bodenbelägen [Diederichs 1985, S. 62)

Bodenbelag
lfd. Kriterien Einheit 1 2 3
Nr. Betonwerkstein Naturwerkstein Keramik
Investitionsausgaben KIndex 03/98 DMfm2 105,- 265,- 140,-
Nutzungsdauern Jahre 25 40 20
Wiedergewinnungsfaktoren I 0,07095 0,05828 0,08024
1/an für p =5% p.a.
4 Annuität für Zins und Absch reibung DM/(m2xa) 7,45 15,44 11,23
5 Reinigungsleistung m2JLh 160 140 180
6 Reinigungskosten 1 DM/(m2xa) 54,69 62,50 48,60
7 Bauunterhalt 2% von K DM/(m2xa) 2,1 5,3 2,8
8 Baunutzungskosten Zeilen 4 + 6 + 7 DM!(m2xa) 64,24 83,24 62,63
9 Rangfolge %·- 102,6;2 132,9; 3 100; 1
1 Bei 250 Reinigungen p.a. und einem Lohn"undenverre<hnungssatz von 35 DM/lh

3 erfordert um 33 o/o höhere Baunutzungskosten - die Nutzen-Kosten-Analyse (KNA),


gegenüber dem Keramikbelag. - die Nutzwertanalyse (NWA) und
Eine reine Ermittlung der jährlichen Baunut- - die Kostenwirksamkeitsanalyse (KWA).
zungskasten reicht aber vielfach für eine Ent-
scheidung nicht aus. In die Beurteilung sind da- Die beiden letztgenannten Verfahren erlauben
her weitere nicht monetär bewertbare Faktoren auch die Einbeziehung nicht monetär bewertba-
einzubeziehen. Im vorliegenden Fall zählen da- rer Faktoren in die Wirtschaftlichkeitsbetrach-
zuz.B. tungen. Sie kommen daher durchaus auch zur
- die gestalterisch ästhetische Materialwirkung, Beurteilung von nur einzelwirtschaftlich rele-
- das Nutzungsverhalten (Abrieb- und Rutsch- vanten Alternativen in Betracht, bei denen nicht
festigkeit, elektrische Leitfähigkeit, Resistenz monetär bewertbare Zielkriterien eine besonde-
gegen Kaugummi, Zigarettenglut und Streu- re Rolle spielen.
salz), NKU verursachen einen erheblich höheren
- das bauphysikalische Verhalten (Feuerwider- Aufwand als Wirtschaftlichkeitsberechnungen
stand, Schall- und Wärmedämmung, hei- (WB). Sie erlangen erst aufgrundder Bedeutung
zungsenergetische Speicherfähigkeit). des jeweiligen Investitionsvorhabens ihre Recht-
fertigung. Bei komplexen Entscheidungsproble-
Instrument zur Einbeziehung dieser Kriterien ist men empfiehlt sich eine systematische Anwen-
die Nutzwertanalyse (vgl. 2.1.7.2). Das Entschei- dung mit der Aufteilung in Verfahrensstufen, der
dungsgremium kann dann anhand von vorge- Lösung der Teilprobleme auf jeder Stufe und der
legten Mustern und den Ergebnissen der An- anschließenden Zusammenfassung der gewon-
nuitätenmethode sowie der Nutzwertanalyse für nenen Teilergebnisse. Dies sollte so geschehen,
die nicht monetär bewertbaren Kriterien seine daß das Gesamtergebnis dann das Treffen von
Entscheidung fällen. Entscheidungen bzw. die Wahl von Verhaltens-
weisen erlaubt.
2.1.7.2 Im folgenden werden zwölf Verfahrensstufen
Nutzen-Kosten-Untersuchungen (NKU) genannt, die je nach Komplexität der Investitions-
entscheidung im Einzelfall zu durchlaufen sind:
Die Anwendung von Nutzen-Kosten-Untersu- - Problemdefinition, Klären der Aufgabenstel-
chungen (NKU) empfiehlt sich für Investitionen lung, Festlegen des Untersuchungsgegenstands
größeren Umfangs, die nicht nur einzelwirt- und des Untersuchungszieles,
schaftliche (betriebliche), sondern auch gesamt- - Aufstellen des Zielsystems mit kosten- und
wirtschaftliche (gesellschaftliche bzw. soziale) nutzenrelevanten Teilzielen,
Nutzen- und Kostenwirkungen haben. Im we- - Gewichten der Teilziele nach ihrer Bedeutung
sentlichen haben sich drei Verfahren durchge- für das Gesamtziel mittels Intervall- oder Ver-
setzt: hältnisskalierung,

Bauwirtschaftslehre 2-93
- Aufzeigen der K.O.-Kriterien, der Randbedin- bei der Untersuchung der ausschließlich mo-
gungen und Bestimmen des Entscheidungs- netär bewerteten Nutzen und Kosten unbe-
feldes durch die objektiv gegebenen Umwelt- rücksichtigt geblieben sind,
einflüsse, - kritische Gesamtbeurteilung des Untersu-
- Vorauswahl der in der weiteren Analyse zu un- chungsergebnisses als Grundlage der Aus-
tersuchenden möglichen Alternativen, die wahlentscheidung, Vorgabe von Empfehlun-
nicht aufgrund der K.O.-Kriterien auszu- gen für das weitere Vorgehen.
schließen sind,
- Erfassen und Beschreiben der entscheidungs- Vertiefende Informationen enthalten [Diede-
relevanten Vorteile (Nutzen) und Nachteile richs 1999] und [Diederichs 1985].
(Kosten) der Alternativen, Prognose der Aus-
wirkungen von Maßnahmen während der an- 2.1.8
genommenen ökonomischen Nutzungsdau- Finanzierung und Liquiditätssicherung
ern,
- Messen der Zielerreichungsgrade der Teilzie- Wirtschaftlicher Zweck jedes Unternehmens ist
le, Erarbeiten von Meßergebnissen mit mög- die Beschaffung von Produktionsfaktoren, ihre
lichst kardinaler, ggf. auch ordinaler oder no- Kombination zu Gütern oder Dienstleistungen
minaler Skalierung, und deren gewinnbringende Verwertung im
- Bewerten der Zielerreichungsgrade der Teil- Markt. Den Ausgaben für die Beschaffung der
ziele, bei kardinalen Meßergebnissen in Geld- Produktionsfaktoren stehen Einnahmen aus der
einheiten, soweit möglich, sowie aller übrigen Leistungsverwertung gegenüber. Da die Ausga-
Meßergebnisse mit Nutzenpunkten unter An- ben i.d.R. vor den Einnahmen anfallen, ist im
wendungvon Transformations- oder Normie- Unternehmen ständig eine Geldmenge gebun-
rungsfunktionen, den, die von der Kapitalbindungsdauer (Zeit-
- Auswahlvorschlag für die beste Alternative spanne zwischenAusgaben und Einnahmen) ab-
durch Gegenüberstellen der quantifizierten hängt. Bei Gründung eines Unternehmens muß
Nutzen- und Kostenalternativen, Zusammen- diesem zunächst von außen Kapital zur Verfü-
fassen der Einzelbewertungen zu einer Ge- gung gestellt werden, um die Unternehmens-
samtbewertung prozesse in Gang zu setzen.
- durch ein Verfahren der statischen oder dy- Aus den Einnahmeüberschüssen läßt sich das
namischen WB, sofern nur betriebliche Selbstfinanzierungspotential des Unternehmens
Teilziele relevant, die alle monetär bewert- im Rahmen der Innenfinanzierung ableiten. Ein-
bar sind, nahmen durch Außenfinanzierung werden durch
- durch eine KNA, sofern betriebliche und ge- Erhöhung des Eigenkapitals, Aufnahme von
sellschaftliche Kriterien relevant, die alle Fremdkapital oder Gewährung öffentlicher Sub-
mit Geldeinheiten bewertbar sind, ventionen realisiert [Schulte/Väth 1996, S. 463ff].
- durch eine NWA, sofern betriebliche und
ggf. auch gesellschaftliche Kriterien rele- 2.1.8.1
vant, die jedoch überwiegend nur mit Nut- Finanzierungsziele
zenpunkten bewertbar sind, oder
- durch eine KWA, sofern betriebliche und Der Begriff Finanzierung umfaßt alle Maßnah-
ggf. auch gesellschaftliche Kriterien rele- men der Mittelbeschaffung und -rückzahlung
vant, wobei die Kostenkriterien in Geldein- und damit der Gestaltung der Zahlungs-, Infor-
heiten und die Nutzenkriterien mit Nut- mations-, Kontroll- und Sicherungsbeziehungen
zenpunkten bewertbar sind, zwischen Unternehmen und Kapitalgebern
- Sensitivitätsanalyse durch Bestimmen der Un- [Drukaczyk 1993, S. 3]. Die operativen und tak-
sicherheitsfaktoren und ihrer Auswirkungen tischen Finanzierungsziele bestehen in der Be-
auf die Analyseergebnisse, Verfahren der kri- wahrung der Liquidität, Rentabilität und Sicher-
tischen Werte, Verfahren zur Ermittlung der heit, während die strategischen Finanzierungs-
Output-Änderung bei vorgegebener Input- ziele auf die Bewahrung der Flexibilität und Un-
Änderung, abhängigkeit ausgerichtet sind.
- Diskussion der nicht quantifizierten Nutzen Liquidität bezeichnet die Fähigkeit eines Un-
und Kosten, verbales Beschreiben der mögli- ternehmens, an jedem Tag der Zukunft in der
chen Auswirkungen intangibler Effekte, die Lage zu sein, den Zahlungsverpflichtungen im

2-94 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs frist- Fremdkapitalzins. Ein hoher Verschuldungsgrad
gerecht und betragsgenau nachzukommen steigert aber das Liquiditätsrisiko, daher werden
[Hauschildt/Schewe 1995, S. 766]. Fremdkapitalgeber darauf achten, daß das Un-
Rentabilitätwird ermittelt aus dem Verhältnis ternehmensrisiko durch das Eigenkapital abge-
von erzieltem Jahresergebnis und eingesetztem deckt wird. Die Geschäftsführung wiederum
Kapital. Dabei lassen sich unterscheiden: muß auf Sicherheit der Kreditkonditionen be-
- Eigenkapitalrentabilität = 100 x Jahresüber- dacht sein, die durch Laufzeit, Zinshöhe, Disagio
schuß/Eigenkapital, und zu leistende Darlehenssicherheiten be-
- Gesamtkapitalrentabilität = 100 x (Jahresüber- stimmt werden.
schuß + Fremdkapitalzinsen)/Gesamtkapital, Das Ziel der Flexibilität und Unabhängigkeit
- Betriebskapitalrentabilität = 100 x Betriebs- wird dadurch bestimmt, daß jede Aufnahme ex-
ergebnis I betriebsnotwendiges Kapital, ternen Kapitals neue oder verstärkte Abhängig-
- Umsatzrentabilität = 100 x Jahresüberschuß/ keitsverhältnisse von den jeweiligen Kapitalge-
Jahresumsatz. bern schafft, z.B. zu den finanzierenden Banken.
Bei Eigenkapitalgebern entsteht ein unmittelba-
Die von der Deutschen Bundesbank [Deutsche rer Einfluß auf die Unternehmensführung.
Bundesbank 1998, S.46ff] für das Jahr 1996 fest- Strategische und taktische Aufgabe der Unter-
gestellten Rentabilitätskennziffern für das Bau- nehmensführung im Bereich der Finanzierung
gewerbe machen deutlich, daß die Gesamtkapi- und Liquiditätssicherung ist die Erhaltung der
talrentabilität vor Gewinnsteuern mit 1,34% Kredit- und Beteiligungswürdigkeit zur Siche-
deutlich niedriger ist als diejenige aller Unter- rung von Finanzierungspotentialen. Operative
nehmen mit 4,15%. Dies gilt auch für die Um- Aufgabe ist die Koordination von Einnahmen
satzrentabilität mit 1,2 o/o gegenüber 2,5 o/o für den und Ausgaben zur kurz- und mittelfristigen Li-
Durchschnitt aller Unternehmen. quiditätssicherung. Die Bedeutung dieser Auf-
Das Verhältnis zwischen Rentabilitäts- und Li- gaben läßt sich an der überdurchschnittlich ho-
quiditätsziel wird dadurch gekennzeichnet, daß hen Insolvenzanfälligkeit von Unternehmen des
die Rentabilität als maßgebliches Oberziel und Bauhauptgewerbes erkennen (Abb. 2.1-48).
die Liquidität als existenzielle Nebenbedingung Gemäß § 13 lnsO wird ein Insolvenzverfahren
jeder Unternehmerischen Tätigkeit anzusehen ist. nur auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuld-
Das Finanzierungsziel der Sicherheit ist eng ners selbst eröffnet. Die Eröffnung des Insol-
verwandt mit dem Ziel der Liquiditätssicherung venzverfahrens setzt gemäß § 16 InsO voraus,
und steht in komplementärer Beziehung zum daß ein Eröffnungsgrund gegeben ist. Eröff-
RentabilitätszieL Zwar steigt die Eigenkapital- nungsgründe sind gemäߧ§ 17-19 lnsO die Zah-
rendite linear mit dem Verschuldungsgrad, so- lungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfä-
lange die Gesamtkapitalrendite größer ist als der higkeit oder die Überschuldung.

300
DBauhauptgewerbe
250 ,-- • verarbeitend~ Gewerbe -
0 alle Unternehmen und
freien Berufe
200 t-- t-- t - - - -
150 t-- - - - t-- t-- t - - - -
100 1-- - - - 1-- 1-- - - t-- 1-- t - - - - - 1-- 1-- 1-

[ rr. [ F~ [ t ~ 1I. ~ ~ t ~ [ [ t.
50 t--

0
IT.
1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992

Abb. 2.1-48 Insolvenzhäufigkeit von Bauunternehmen, bezogen auf 10000 Unternehmen [Statistisches Bundesamt 1997)

Bauwirtschaftslehre 2-95
Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn - die Konjunkturabhängigkeit und die beson-
es nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsver- dere Wettbewerbssituation der Baubranche mit
pflichtungen zu erfüllen und seine Zahlungen - Rivalität unter den Bauunternehmen,
eingestellt hat. - Verhandlungsmacht der Auftraggeberseite,
Ein Unternehmen droht zahlungsunfähig zu - Verhandlungsmacht der Angebotsseite (Ar-
werden, wenn es voraussichtlich nicht in der La- beitnehmer, Baustoffhändler, Nachunter-
ge sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten nehmer und Baumaschinenhändler),
im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. - Bedrohung durch neue Konkurrenten,
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen - Bedrohung durch Ersatzprodukte,
des Unternehmens die bestehenden Verbind- - die Saisonabhängigkeit der Bau unternehmen,
lichkeiten nicht mehr deckt (Fremdkapitalantei- die zu einem saisonalen Produktionszyklus
le der Passiva > Aktiva). mit höheren Ausgaben als Einnahmen in den
Gemäß §21 Abs.1 InsO hat das Insolvenzge- Sommermonaten und entsprechender Liqui-
richt "alle Maßnahmen zu treffen, die erforder- ditätsanspannung führt, die erst gegen Jahres-
lich erscheinen, um bis zur Entscheidung über ende nachläßt,
den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Ver- - die Abhängigkeit der Bauunternehmen von
änderung in der Vermögenslage des Schildners vielfach nur wenigen zeitparallelen Einzelauf-
zu verhüten". trägen, bei denen sich Probleme bei der Ab-
Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann nahme und dadurch verzögerte Zahlungen
das Gericht gemäß §21 Abs.3 InsO "den Schuld- oder auch Insolvenzen der Auftraggeber un-
ner zwangsweise vorführen und nach Anhörung mittelbar auf die Finanzierungs- und Liquidi-
in Haft nehmen lassen" (Führungswissen,S. 182). tätssituation auswirken.
Das Statistische Bundesamt [Statistisches Bun-
desamt 1997] weist für 1997 7788 Insolvenzen im Als unternehmensspezifische Einflußfaktoren sind
Baugewerbe aus, das sind 28,3% von 305896 Un- zu nennen:
ternehmen (1996). Deren Anteil an allen Unter- - die Rechtsform und Größe des Bauunterneh-
nehmen beträgt dagegen nur 11,1 %. Entspre- mens mit dem für die Bauwirtschaft typischen
chend hoch ist auch die Insolvenzhäufigkeit mit Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen,
255, bezogen auf 10000 Unternehmen, gegenü- - der Unternehmensstandort und Spezialisie-
ber 99 im Durchschnitt aller Unternehmen. rungsgrad, da der Markt der meisten kleinen
und mittelständischen Unternehmen auf ei-
2.1.8.2 nen Aktionsradius von max. 50 km räumlich
Einflußfaktoren auf die Finanzierungs- begrenzt ist und eine Spezialisierung auf
und Liquiditätssituation Marktnischen mit zu finanzierenden Investi-
tionen verbunden ist, sowie
Nach [Schulte/Väth 1996, S. 479ff] und [Porter - mangelnde Geschäftsfeldflexibilität bei Nach-
1992] sind insbesondere folgende branchenspe- frageschwankungen.
zifischen Einflußfaktoren zu nennen:

I Finanzierung I
I Außenfinanzierung I I Innenfinanzierung I
Beteiligungs- Kredit- Subventions- Selbst- Finanzierung Finanzierung Finanzierung Finanzierung
finanzierung finanzierung finanzierung finanzierung aus Abschrei· aus Rück- durch Kapital- d. Rationalis.
bungen Stellungen freisetzung & Cash-Mgmt.

emissionsfähige ~ ~a ngtristig offene Selbst· iüberhöhre iüberhöhre planmäßige Working


Unternehmen
nicht emis-
minellristig
kurzfristig ~~~;~l~s~? !Ansärze
finanzierung • -•------------•
!Ansärze Desinvestition
außerplan-
Capital
Management
sionsfähige Kreditsubstitute mäßige Des· Cash Manage·
Unternehmen investiton ment

Abb. 2.1 -49 Finanzierungsalternativen für Unternehmen

2-96 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Auftragsspezifische Einflußfaktoren ergeben sich Abrechnungsreserven entstehen in den Akti-
aus va durch nicht abgerechnete (unfertige) Baulei-
- dem Auslastungsrisiko durch erteilte Aufträ- stungen. Bei den Passiva wird durch Bildung
ge zur optimalen Auslastung der Kapazitäten, überhöhter Rückstellungen für Vertragsstrafen,
- dem Kalkulations- und Ausführungsrisiko drohende Schadensersatz- oder Gewährlei-
durch Abweichungen zwischen der vorkalku- stungsansprüche sowie potentielle Verlustauf-
latorischen Aufwandserwartung und den auf- träge eine stille Selbstfinanzierung bewirkt. Mit
grund der tatsächlichen Produktionsbedin- den Ermessens- und Gestaltungsspielräumen
gungen erforderlichen Aufwänden mit der für die Bilanzierung dieser Risiken kann durch
Schwierigkeit der Durchsetzung von Vergü- Bildung und Auflösung stiller Reserven der Ge-
tungsänderungen aus Leistungsänderungen winnausweis des Bauunternehmens verstetigt
und Zusatzleistungen oder Schadensersatzan- werden. Vorteile der Selbstfinanzierung im Hin-
sprüchen aus Behinderungen sowie blick auf die strategische Unternehmensführung
- dem Liquiditätsrisiko aus der Vorfinanzierung liegen darin, daß weder neue Mitspracherechte
der erbrachten, aber noch nicht vergüteten noch weitere Ausschüttungsverpflichtungen ge-
Bauleistung. schaffen werden.

Finanzierungsformen lassen sich nach der Her- Finanzierung aus Abschreibungen


kunft des Kapitals, der Rechtsstellung der Kapi-
talgeber, der Dauer der Kapitalbereitstellung Die wirtschaftliche Aufgabe der Abschreibungen
oder dem Finanzierungsanlaß unterscheiden. besteht darin, Wertminderungen des Anlagever-
Die Alternativen der Innen- und Außenfinan- m~gens periodenbezogen als Aufwand zu erfas-
zierung zeigt Abb. 2.1-49. sen und damit den Werteverzehr über die Nut-
zungsphase zu verteilen. Abschreibungen des
2.1.8.3 Anlagevermögens führen in der Bilanz zur Min-
Innenfinanzierung derung der Aktiva. Sie sind in der Gewinn- und
Verlustrechnung als Kosten auf der Aufwands-
Die Innenfinanzierung ist überwiegend eine seite zu verbuchen. Überhöhte Abschreibungen
Überschußfinanzierung aus erwirtschaftetem führen zur stillen Selbstfinanzierung, während
Cash-flow (Gewinn+ Abschreibungen+ Rück- die konkrete Finanzierung aus Abschreibungen
stellungen). nur aus dem dem wirklichen Werteverzehr ent-
sprechenden Abschreibungsvolumen erzielt
Selbstfinanzierung wird. Diese Abschreibungsgegenwerte stehen
dem Bauunternehmen als aus dem Umsatzpro-
Selbstfinanzierung liegt dann vor, wenn ent- zeß resultierende Forderungen nach Zahlungs-
standene Gewinne durchThesaurierung im Un- eingang zur Verfügung. Da diese liquiden Mittel
ternehmen verbleiben. Bei der offenen Selbstfi- bis zum Ersatzzeitpunkt des betroffenen Anla-
nanzierung wird der Gewinn bei Einzelunter- gegegenstands anstelle der Erhöhung des Bank-
nehmen und Personengesellschaften auf das Ka- guthabens auch anderweitig reinvestiert werden
pitalkonto gebucht, bei Kapitalgesellschaften in können, entsteht auf diese Weise ein Kapazität-
die offenen Rücklagen gestellt. serweiterungseffekt (Lohmann-Ruchti-Effekt).
Bei der stille~?- Selbstfinanzierung werden Je nach gewähltem Abschreibungsverfahren hat
durch bilanzpolitische Maßnahmen Gewinne die Unternehmensführung daher die Möglich-
nicht ausgewiesen und dadurch"stille Reserven" keit, einerseits stille Reserven zu bilden oder
gebildet, deren Besteuerung und ggf. Ausschüt- aufzulösen, andererseits das Unternehmens-
tung erst zum Zeitpunkt ihrer Auflösung statt- wachstum aus laufend zufließenden Abschrei-
findet. Rechtliche Basis für die Bildung stiller Re- bungsgegenwerten zu finanzieren, sofern eine
serven sind die nach HGB möglichen Bilanzie- entsprechende Nachfragesteigerung dieses sinn-
rungs- und Bewertungwahlrechte durch Nicht- voll erscheinen läßt.
wahrnehmung von Aktivierungs- und Aus-
schöpfung von Passivierungswahlrechten bzw. Finanzierung aus Rückstellungen
Bewertung von Vermögensgegenständen zu den
zulässigen Wertuntergrenzen und von Verbind- Rückstellungen sind dem Grunde und der Höhe
lichkeiten zu den zulässigen Obergrenzen. nach sowie hinsichtlich des Zeitpunkts ihrer Fäl-

Bauwirtschaftslehre 2-97
ligkeit ungewisse Verbindlichkeiten aus Rechts- ventionsfinanzierungen der Öffentlichen Hand
beziehungen mit Dritten (Pensions-, Gewährlei- sind nur in Sonderfällen von Bedeutung und in
stungs-, Prozeß- und Nachtragsrückstellungen). marktwirtschaftliehen Ordnungen als nicht sy-
Wesentlich für den Finanzierungseffekt der stemkonform möglichst ganz zu vermeiden. Sie
Rückstellungen ist ihre Fristigkeit, da diese Mit- werden daher hier nicht weiter behandelt.
tel dem Unternehmen nur bis zum Auflösungs-
zeitpunkt zur Verfügung stehen. Die Unsicher- Beteiligungsfinanzierung
heit über die Höhe der Rückstellungen schafft
einen großen Bewertungsspielraum. Überhöhte Die meisten deutschen Bauunternehmen haben
Ansätze führen daher auch zur stillen Selbst- aufgrund ihres mittelständischen Charakters
finanzierung. Der Finanzierungseffekt kurzfri- keinen Zugang zum organisierten Kapitalmarkt
stiger Rückstellungen, die zum Ende des Ge- (Börse). Zudem wird das Beteiligungspotential
schäftsjahres wieder aufgelöst bzw. wieder neu aufgrund der Rechtsform weiter eingegrenzt.
bewertet werden müssen, besteht in der Bau- Der Einzelunternehmer kann dem Unterneh-
wirtschaft v.a. in Instandhaltungs-, Gewährlei- men aus seinem Privatvermögen jederzeit Kapi-
stungs- und Verlustrückstellungen. Vorausset- tal zuführen oder auch entziehen.
zung ist jedoch auch hier, daß bei den angesetz- Bei der OHG können die bisherigen Gesell-
ten Rückstellungen dennoch ein zumindest aus- schafter ihre Einlagen erhöhen, oder es können
geglichenes Ergebnis erwirtschaftet wird. neue Gesellschafter aufgenommen werden. Bei
der KG können analog die Kommanditisten ih-
Finanzierung aus Kapitalfreisetzung re Einlage erhöhen, oder aber es werden neue
Kommanditisten in die KG aufgenommen.
Kapitalfreisetzungen entstehen aus der planmä- Bei einer GmbH können die Gesellschafteran-
ßigen oder außerplanmäßigen Desinvestition teile erhöht oder aber neue Gesellschafter auf-
von Vermögensgegenständen, z.B. dem Verkauf genommen werden. Dies gilt analog für die
von Grundstücken, der Reduzierung der Lager- GmbH & Co. KG. Stille Gesellschafter bringen ei-
haltung oder Auflösung von Finanzanlagen. Au- ne Einlage ein, ohne nach außen in Erscheinung
ßerplanmäßige Desinvestitionen stellen bei Auf- zu treten. Sie erhalten üblicherweise eine Ge-
zehrung sämtlicher anderen Liquiditätsreserven winnbeteiligung durch den Gesellschaftsver-
eine letzte Alternative dar, wobei es wegen des er- trag. In der Regel wird eine Beteiligung am Ver-
heblichen Zeitdrucks häufig zu Verkäufen unter lust ausgeschlossen und ihre Haftung auf die
Wert kommt. Mit Hilfe des "Sale-and-lease-back- Höhe ihrer Einlage beschränkt.
Verfahrens" kann in derartigen Situationen die Die GbR bietet sich bei einer häufig zeitlich be-
Weiternutzung betriebsnotwendiger Vermö- grenzten Interessenverfolgung als gleichberech-
gensgegenstände unter Aufrechterhaltung des tigter Partner an. Sie ist in der Bauwirtschaft in
Geschäftsbetriebs gesichert werden. der Form von Arbeitsgemeinschaften (ARGEN)
zur Abwicklung größerer Bauaufträge zwecks
Finanzierung durch Rationalisierung Bündelung der Kapazitäten und Risikovertei-
und Cash-Management lung weit verbreitet.
Die Möglichkeit der Beteiligungsfinanzierung
Darunter lassen sich alle Maßnahmen zusam- nicht emissionsfähiger Unternehmen besteht
menfassen,die auf die Verringerung der Kapital- damit vorrangig in der Aufnahme neuer Gesell-
bindung durch Erhöhung des Kapitalumschlags schafter auf der Basis existierender Vertrauens-
abzielen. Koordiniert man die Einnahmen von verhältnisse. Solche Vertrauensverhältnisse ent-
Debitoren und die Ausgaben an Kreditoren durch stehen vielfach zu bewährten Führungskräften
Cash-Management, so wird zusätzlich eine opti- und leistungsstarken Mitarbeitern des Unter-
male Steuerung der liquiden Mittel erreicht. nehmens, wenn eine Mitarbeiterkapitalbeteili-
gung die Mitarbeitermotivation und die Identi-
2.1.8.4 fikation mit dem Unternehmen steigert.
Außenfinanzierung Die Eigenfinanzierung von Bauaktiengesell-
schaften erfolgt durch Ausgabe von Aktien, den
Bei der Außenfinanzierung ist nach der Rechts- verbrieften Anteilsscheinen der Eigentümer am
stellung der Kapitalgeber zwischen Beteiligungs- Grundkapital des Unternehmens. Die breite
und Kreditfinanzierung zu unterscheiden. Sub- Streuung des Kapitals ermöglicht den problem-

2-98 Bauwirtschaft und Baubetrieb


losen und kurzfristigen Verkauf der Aktien im Neben den kommerziellen Krediten stehen
BörsenhandeL Aufgrund der ausgeprägten Fun- den Bauunternehmen auch kurz-, mittel- und
gibilität und der geringen Höhe der Mindestbe- langfristige Bankkredite zur Verfügung.
teiligung (künftig ist der Mindestnennwert einer Kontokorrentkredite der Banken gelten als
Aktie 1 Euro) sind Kapitalerhöhungen relativ klassische kurzfristige Kreditfinarizierung. Sie
einfach durchzuführen. Die strengen Publizitäts- sind jedoch der Höhe nach durch eine Kontokor-
erfordernisse und Gläubigerschutzbestimmun- rentkreditlinie je nach Bonität des Kreditneh-
gen tragen zu einer Erhöhung des Kreditfinan- mers und gestellten Sicherheiten begrenzt. Mit
zierungspotentials bei. Bauaktiengesellschaften einem Durchschnittszinssatz von etwa 4% über
haben daher bedeutende Finanzierungsvorteile dem der Spitzenrefinanzierungsfazilität sind sie
gegenüber ihren nicht emissionsfcihigen Konkur- zudem relativ teuer.
renten. Bei Avalkrediten übernimmt die Bank gegen-
über Dritten eine Selbstschuldnerische Bürg-
Kreditfinanzierung schaft,daß ihr Kunde von ihm eingegangene Ver-
pflichtungen erfüllen wird. Der Avalkreditneh-
Kreditfinanzierung bedeutet Aufnahme von mer (Bauunternehmer) bleibt Hauptschnuldner
Fremdmitteln. Zur Prüfung der Bonität und Kre- seines Gläubigers (Auftraggebers), der nur dann
ditwürdigkeit des potentiellen Schuldners prüft bei der Bank Ansprüche erheben kann, wenn der
der Darlehensgeber i.d.R. mittels einer Bilanz- Bauunternehmer nicht leistet. Avalkredite wer-
analyse die Vermögens- und Finanzierungs- den vielfach anstelle von Sicherheitseinbehalten
struktur sowie über eine Unternehmens- und für Gewährleistungsverpflichtungen in Anspruch
Branchenanalyse die aktuelle und zukünftige genommen. Die dadurch frei werdenden Mittel
Ertragslage des Unternehmens. Die Vergabe von stehen dem Unternehmen im Rahmen der Innen-
Krediten ist regelmäßig an konkrete Sicherhei- finanzierung zur Verfügung.
ten gebunden, die das Kreditrisiko der Gläubi- Kreditbanken gewähren überwiegend kurz-
ger abdecken sollen. Dabei lassen sich Realsi- und mittelfristige Kredite, während langfristige
cherheiten (Grundschuld und Hypothek), Sach- Kredite von den Sparkassen und Hypotheken-
sicherheiten (Eigentumsvorbehalt, Sicherungs- banken gegeben werden, die sich über Sparein-
übereignung und Pfandrechte) sowie Personal- lagen bzw. Pfandbriefe günstig refinanzieren.
sicherheiten (Bürgschaften und Garantien) DieBesicherung langfristiger Kredite ist stets an
unterscheiden [Perridon/Steiner 1993, S. 30lff]. dingliche Sicherheiten geknüpft. Die Zinskondi-
Der geforderte Zinssatz ist abhängig vom Boni- tionen sind wiederum abhängig von der Bonität
tätsrisiko, der Art der Sicherheit, der Gestaltung und Kreditwürdigkeit des Unternehmers, den
der Aus- und Rückzahlungsbeträge, der Laufzeit Aus- und Rückzahlungsbeträgen sowie der Lauf-
sowie den allgemeinen Marktbedingungen. zeit. Bei Krediten zur Immobilienfinanzierung
Im Rahmen der kurzfristigen Kreditfinanzie- wird auch die Bonität der Immobilie geprüft, da
rung haben Lieferantenkredite eine wichtige Fi- der Kapitaldienst aus den Erträgen der Immo-
nanzierungsfunktion, da durch Kaufpreisstun- bilie und dieBesicherungaus dem Wert der Im-
dungen Auszahlungen ohne Kreditwürdigkeits- mobilie möglich sein sollen.
prüfung und Sicherheitsleistung verzögert wer- Große Bauunternehmen mit hervorragender
den können. Allerdings ist die Nichtausnutzung Bonität können sich bei Banken und institutio-
eines Skontoabzugs extrem teuer. 3% Skonto bei nellen Kapitalsammelstellen wie Versicherungen
Zahlung innerhalb von 10 Tagen anstatt 30 Ta- und Pensionskassen auch über Schuldschein-
gen ergeben einen Jahreszinssatz von darlehen oder Schuldverschreibungen (Anlei-
hen, Obligationen) langfristig finanzieren.
3% X 360/(30-10) =54%.
Neben herkömmlichen Anleihen mit fester
Vorauszahlungen von Bauherren sind aufgrund laufender Verzinsung (Straight Bonds) erfreuen
der geforderten Sicherheit in Form von Voraus- sich Zero-Bonds (Zinsen werden bei Auslaufen
zahlungsbürgschaften relativ selten. Wichtig ist der Anleihe kumuliert zurückbezahlt), Floating
es daher für Bauunternehmen, über zeitnahe Rate Notes (variable Verzinsung) oder Misch-
Abschlagsrechnungen die Vorfinanzierung aus formen zunehmender Beliebtheit.
der Zeitdifferenz zwischen Leistungserbrin-
gung und Abschlagszahlungseingang kurz zu
halten.

Bauwirtschaftslehre 2-99
2.1.8.5 2.1.8.7
Leasing Liquiditätsplanung und -Sicherung

Leasing bedeutet gewerbsmäßige Vermietung Mit der systematischen Erfassung möglichst al-
von Anlagegegenständen durch Finanzierungs- ler liquiditätswirksamen Geschäftsvorfalle der
institute. Im Leasingvertrag werden gleichblei- jeweiligen Prognoseperiode und ihrer Kontrolle
bende periodische Mietzahlungen des Leasing- durch die Analyse von Soll/Ist-Abweichungen ist
nehmers an den Leasinggeber vereinbart. Lea- die Sicherung der Liquidität vorzunehmen. We-
sing entspricht daher einer lOOo/oigen Fremdfi- gen der steigenden Unsicherheit der Prognosen
nanzierung. Der Leasingnehmer zahlt die Lea- mit zunehmender Länge der Betrachtungsperi-
singraten anstelle von Zins und Tilgung und bei ode empfiehlt sich die Erstellung von Liquidi-
Vertragsabschluß eine Leasinggebühr. tätsplänen in Form von rollierenden Wochen-,
Beim Operating Leasing handelt es sich um Monats- oder Quartalsplänen (vgl. Tabelle
Mietverträge, bei denen der Leasinggeber das 2.1-20).
Investitionsrisiko trägt, da dem Leasingnehmer Die Analyse der Soll/Ist-Abweichungen frühe-
ein vertragliches Kündigungsrecht eingeräumt rer Liquiditätspläne ermöglicht die Präzisierung
wird. Damit können Bauunternehmen bei stei- künftiger Prognosewerte, auch unter Einbezie-
gender Nachfrage ihre Kapazitäten mittelfristig hung saisonaler Schwankungen. Bei sich andeu-
erhöhen, ohne dauerhaft Kapital zu binden. tenden Liquiditätsengpässen sind liquiditätsbil-
Beim Financial Leasing werden die Verträge dende Maßnahmen einzuleiten, indem Einzah-
i. d. R. über einen Zeitraum von 40 o/o bis 90 o/o der lungen beschleunigt und erhöht sowie Auszah-
Nutzungsdauer geschlossen. Das Investitionsri- lungen gestreckt und gesenkt werden (Tabelle
siko liegt daher beim Leasingnehmer. Die Raten- 2.1-21).
zahlungen übersteigen i.allg. die Kosten einer Flankierende Maßnahmen der Liquiditätssi-
lOOo/oigen Fremdfinanzierung, wobei jedoch cherung müssen bereits im Angebotsstadium
keine zusätzlichen Sicherheiten geboten werden mit der Prüfung der Bonität des potentiellen
müssen. Das Zinsänderungsrisiko liegt beim Auftraggebers und der Möglichkeit zur Durch-
Leasinggeber.Am Ende der Vertragslaufzeit kann setzung einer Sicherheitsleistung nach § 648a
der Leasingnehmer Kauf- oder Mietoptionen BGB beginnen.
wahrnehmen. Für Bauunternehmen ist Leasing
sowohl für Mobilien als auch für Immobilien zur 2.1.8.8
Entlastung des Investitionsbudgets erwägens- Investitions- und Finanzierungsplanung
wert. In die Prüfung und Bewertung dieser Alter-
native sind die steuerlichen Aspekte einzubezie- Ergänzend zur kurzfristigen Liquiditätsplanung
hen [Büschgen 1993, S. 504ff]. sind mittel- und langfristige Kapitalbedarfs-
und Kapitaldeckungspläne zu erarbeiten. Grund-
2.1.8.6 lage dazu sind einerseits die im Rahmen der
Factoring strategischen Unternehmensführung erarbeite-
ten Bauleistungs- und Investitionspläne und an-
Factoring bedeutet den Ankauf von Forderun- dererseits das Innen- bzw. das Außenfinanzie-
gen aus Lieferungen und Leistungen mit einem rungspotential der Unternehmung.
Zahlungsziel von max. 90 bis 120 Tagen durch ei- Im Zusammenhang mit den Finanzierungs-
ne Factoringgesellschaft Diese kauft die Forde- zielen der Unabhängigkeit und der Sicherheit
rungen an und übernimmt i.d.R. auch die Ver- haben sich Finanzierungsregeln herausgebildet,
waltung des Forderungsbestands des Verkäufers. deren Einhaltung durch Bilanzkennziffern auf
Das Unternehmen erhält einen Vorschuß von et- Basis horizontaler und vertikaler Kapitalstruk-
wa 80 o/o bis 90 o/o der Forderung. Der Einbehalt turregeln zu überprüfen ist.
wird ausgezahlt, wenn die Höhe des tatsächlichen Zu den horizontalen Kapitalstrukturregeln
Rechnungsbetrags feststeht. Beim echten Facto- gehören die "Goldene Finanzierungsregel" und
ring trägt die Gesellschaft das Bonitätsrisiko der die "Goldene Bilanzregel". Erstere verlangt, daß
Schuldner, beim unechten Factoring verbleibt die Fristen zwischen Kapitalbeschaffung zur Fi-
dieses beim Unternehmer. Der Hauptvorteil des nanzierung von Investitionen und -rückzahlung
Factoring besteht in der schnellen Umwandlung einerseits und Kapitalverwendung andererseits
von Forderungen in liquide Mittel. einander entsprechen. Letztere fordert ebenfalls

2-100 I Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.1·20 Beispiel einer Liquiditätsplanstruktur

Januar Februar März


1. zahlungsmittelanfangsbestand {Überschuß/Fehlbetrag) 1 2 3 4
2. Cash·Fiow aus laufenden Operationen
+ Einzahlungen auf:
Schluß- und Abschlagsrechnungen
An- und Vorauszahlungen
Arbeitsgemeinschaften
Sonstige Forderungen
.!. Auszahlungen für:
Personal
Material
Nachunternehmer
Arbeitsgemeinschaften
Steuern
Sonstige Verbindlichkeiten
Saldo I
3. Cash-Fiow aus Investitionsvorgängen
+ Einzahlungen aus:
Desinvestitionen
Finanzanlagen u. sonstige Beteiligungen
./. Auszahlungen für:
Investitionen
Finanzanlagen + sonstige Beteiligungen
Saldo II
4. Cash-Fiow aus Finanzierungsvorgängen
+ Einzahlungen durch:
Beteiligungsfinanzierung
Kreditfinanzierung
./. Auszahlungen für:
Entnahmen und Dividenden
Kredinilgung und Zinsen
Saldolll
5. zahlungsmittelendbestand {Überschuß/Fehlbetrag)

Tabelle 2.1·21 Liquiditätsbildende Maßnahmen

Einzahlungsseite Auszahlungsseite
Maßnahmen zur Beschleunigung von Einzahlungen: Maßnahmen zur Streckung von Auszahlungen:
• Anstreben von Anzahlungen, • Ausschöpfen der Abnahmefristen bei
• zeitnahe Leistungserminlung und -dokumentation, Nachunternehmern,
• zügige Rechnungsstellung, • Sicherheitseinbehalte bei Nachunternehmern,
• Verkürzung der Prüfzeiträume durch übersichtliche • Verhandlungen über die Verlängerung von
Rechnungen, Lieferantenzielen,
• Einsatz von Factoring zur Minimierung des • Verzögerung von Lieferantenzahlungen,
Forderungsbestands, • Begleichung von Lieferantenrechnungen im
• Controlling der Einzahlungen, Wechselverfahren,
• Einsatz eines professionellen Mahnwesens, • Verzögerung von Lohn- und Gehaltszahlungen,
• Berechnung von Verzugszinsen und -schäden, • kurzfristiges Unterlassen von Instandhaltung,
• Ersatz von Sicherheitseinbehalten durch • Verhandlungen über Steuerstundung,
Bankbürgschaften. • Verhandlungen über Kreditstundung.

Maßnahmen zur Erhöhung des Einzahlungsvolumens: Maßnahmen zur Senkung des


• Kreditfinanzierung, Auszahlungsvolumens:
• Beteiligungsfinanzierung, • Reduktion der fixen Kosten durch Desinvestitionen,
• effizientes Cash-Management, • Personalabbau.
• Desinvestitionen. • Reduktion der Privatentnahmen/Dividenden,
· Umfinanzierung in längerfristige Kredite.

Bauwirtschaftslehre 2-101
in Anwendung der Fristenkongruenzregel die 2.1.8.9
Deckung des Anlagevermögens durch die Sum- Ausblick
me aus Eigen- und langfristigem FremdkapitaL
Obwohl diese beiden horizontalen Kapital- In den letzten Jahren haben in der deutschen
strukturregeln die Sicherung der Liquidität al- Bauwirtschaft sowohl die Expansion in die neu-
lein nicht sichern, stützen Fremdkapitalgeber ih- en Bundesländer als auch die Diversifikation in
re Bonitätsprüfung u.a. auf die Analyse dieser neue Geschäftsfelder Vorrang gehabt. Mit der
Kennziffern im Perioden- oder Branchenver- Vorwärtsintegration vom Baumarkt in den Im-
gleich. mobilienmarkt und optimistischen Projektent-
Die vertikale Kapitalstrukturregel bezieht sich wicklungen bei anschließend notwendigen Wert-
auf das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital, korrekturen sowohl bei Vorratsgrundstücken als
um den Verschuldungsgrad zu messen. Kennzif- auch bei zum Verkauf und zur Vermietung be-
fern sind die Eigenkapitalquote (Eigenkapi- stimmten Objekten gehen die deutschen Bauun-
tal/Gesamtkapital) und der Verschuldungskoef- ternehmen vor dem Hintergrund einer sich ab-
fizient (Fremdkapital/Eigenkapital). Der früher schwächenden Baukonjunktur schwierigen Zei-
geforderte Verschuldungskoeffizient von < 2: I ten entgegen. Dadurch wird die Bedeutung der
(FK/EK) ist aufgrund des Wachstums und der Bereiche Finanzierung und Liquiditätssicherung
mangelnden Eigenfinanzierungsmöglichkeiten in den nächsten Jahren voraussichtlich deutlich
in allen Unternehmen auf> 4,5: I gewachsen und zunehmen. Die Führungskräfte in den Bau- und
liegt für Bauunternehmen bei > I5,5: I (1996). Immobilienunternehmen werden sich intensiv
Die Bilanzstrukturkennzahlen deutscher Bau- mit diesen Themen beschäftigen müssen.
unternehmen im Jahr I996liefern dazu weiter-
gehende Orientierung für die Investitions- und Abkürzungen zu 2.1
Finanzplanung (Tabelle 2.I-22).
AfA Absetzung für Abnutzung
AG Aktiengesellschaft
Tabelle 2.1-22 Bilanzstrukturkennzahlen deutscher AG Auftraggeber
Bauunternehmen im Jahr 1996 (Deutsche Bundesbank
1998, Monatsbericht Okt., S. 46ff) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen
AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts
alle Unter- alle Bau- der Allgemeinen Geschäftsbedin-
nehmen unternehmen gungen
Aktiva in% der Bilanzsumme AGK Allgemeine Geschäftskosten
Sachanlagen 24,3 13,9 AktG Aktiengesetz
Vorräte 23,9 44,1 AN Auftragnehmer
Kassenmine I 5,2 6,7
Forderungen AO Abgabenordnung
(wenberichtigt) 32,1 29,4 ARGE Arbeitsgemeinschaft
kurzfristige 29,5 27.7 BAB Betriebsabrechnungsbogen
langfristige 2,6 1.7
BAS Bauarbeitsschlüssel
Wenpapiere 2:9 7s BetrVG
Beteiligungen 11,3 2,3 Betriebsv~rfasssungsgesetz
Nachrichtlich: Umsatz 166.0 117,9 BGB Bürgerliches Gesetzbuch
Passiva in% der Bilanzsumme BGBl Bundesgesetzblatt
Eigenminel (berichtigt) 17,9 5,9 BGL Baugeräteliste
Verbindlichkeiten 60,0 83,2 BIP Bruttoinlandsprodukt
kurzfristige 45,2 71,3 BiRiLiG
langfristige 14,8 11,9
Bilanzrichtliniengesetz
Rückstellungen 21,8 10,8 BKR Baukontenrahmen
darunter Pensions- 8,9 2.7 BörsG Börsengesetz
rOckstellungen BRTV Bundesrahmentarifvertrag
BSP Bruttosozialprodukt
BVB Besondere Vertragsbedingungen
BW Barwert
DIN Deutsches Institut für Normung
EDI Electronic Data Interchange
EK Eigenkapital
EkdT Einzelkosten der Teilleistungen

2-102 Bauwirtschaft und Baubetrieb


EStG Einkommensteuergesetz VOB Verdingungsordnung für Baulei-
ESZB Europäisches System der Zentral- stungen
banken VOF Verdingungsordnung für freibe-
EW Einwohner rufliche Leistungen
EWI Europäisches Währungsinstitut W+G Wagnis und Gewinn
EWS Europäisches Währungssystem WB Wirtschaftlichkeitsberechnung
EWWU Europäische Wirtschafts- und ZPO Zivilprozeßordnung
Währungsunion ZTV Zusätzliche Technische Vertrags-
EZB Europäische Zentralbank bedingungen
FK Fremdkapital ZVB Zusätzliche Vertragsbedingungen
GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts ZVK Zusatzversorgungskasse
GbRmbH Gesellschaft bürgerlichen Rechts
mit beschränkter Haftung
2.2
GewO Gewerbeordnung
Unternehmensführung
GewStG Gewerbesteuergesetz
GG Grundgesetz der Bundesrepublik Unternehmensführung umfaßt den Planungs-,
Deutschland Entscheidungs-, Kontroll- und Steuerungspro-
GK Gemeinkosten zeß zur Ausrichtung des lang-, mittel- und kurz-
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haf- fristigen Handeins der Mitarbeiter im Unter-
tung nehmen sowie nach Möglichkeit auch der mit
GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaf~ dem Unternehmen kommunizierenden Perso-
ten mit beschränkter Haftung nen und Institutionen außerhalb des Unte.rneh-
GoB Grundsätze ordnungsgemäßer mens, stets verbunden mit einem spezifischen
Buchführung Führungsverhalten. Damit handelt es sich um
GuV Gewinn- und Verlustrechnung einen multipersonalen, mehrstufigen und z. T.
HGB Handelsgesetzbuch nach dem Regelkreisprinzip ablaufenden Prozeß
HK Herstellkosten der Informationsverarbeitung, Willensbildung
HOAI Honorarordnung für Architekten und -durchsetzung von Führungskräften gegen-
und Ingenieure über anderen Personen sowie der Übernahme
Ifo Institut für Wirtschaftsforschung der hiermit verbundenen Verantwortung.
IKR Industriekontenrahmen Gegenstände der langfristig ausgerichteten
InsO Insolvenzordnung strategischen Unternehmensführung sind [Hahn
ISO International Standards Organisa- 1993]:
tion - die Unternehmensphilosophie als gemeinsa-
KG Kommanditgesellschaft me Wertvorstellung der Führungskräfte und
KGaA Kommanditgesellschaft auf Mitarbeiter einer Unternehmung,
Aktien - die unternehmenspolitischen Ziele,
KLER Kosten-, Leistungs- und Ergebnis- - die Geschäftsfeld-, Funktionsbereichs- und
rechnung Regionalstrategieplanung,
KLR Kosten- und Leistungsrechnung - die Organisations-, Informationssystem-,
KNA Kosten-Nutzen-Analyse Rechtsform- und Wirtschaftsplanung,
KWA Kostenwirksamkeitsanalyse - die Führungskräfte- und Personalmanage-
Lh Lohnstunde mentplanung sowie die Planung der .zur Um-
LV Leistungsverzeichnis setzung erforderlichen Kontroll- und Steue-
LZB Landeszentralbank rungsprozesse.
MitBestG Mitbestimmungsgesetz
MoMitBestG Montan-Mitbestimmungsgesetz 2.2.1
NKU Nutzen-Kosten-Untersuchung Unternehmensziele und -philosophien
NWA Nutzwertanalyse
OHG Offene Handelsgesellschaft Unternehmensziele beschreiben die der unter-
RTV Rahmentarifvertrag nehmerischen Betätigung zugrunde liegenden
Slk Schlüsselkosten Zielsetzungen zur Erklärung unternehmerischer
StabG Stabilitätsgesetz Verhaltensweisen [Heinen 1988]. In Systemen
TV Tarifvertrag mit sozialer Marktwirtschaft sind Eigentümer,

Unternehmensführung 2-103
Vorstand bzw. Geschäftsführer und deren Kon- - strategische langfristige Ziele, die dafür sor-
trollorgane Träger der Zielbildung. Als weitere gen, daß die richtigen Dinge getan werden,
an der Willensbildung beteiligte Gruppen sind taktische mittelfristige Ziele, um in naher Zu-
v. a. die Belegschaft, aber auch Lieferanten, Kun- kunft zu erfüllende Aufgaben sorgfältig und
den, Kreditgeber und staatliche Organe zu nen- rechtzeitig vorzubereiten, und operative kurz-
nen. Die vielfältigen Gruppierungen mit ihren fristige Ziele, die sicherstellen, daß die laufen-
unterschiedlichen Interessen und Machtbezie- den Dinge richtig getan werden;
hungen erschweren die Ableitung allgemeingül- - Ziele interner Interessengruppen wie Manager,
tiger Aussagen über das Zielsystem einer Unter- Arbeitnehmer und Eigenkapitalgeber mit
nehmung. dem vorrangigen Sicherheitsziel der Existenz-
Die Unternehmensphilosophie soll die Unter- sicherung und des Einkommenserwerbs so-
nehmensgrundsätzeund-politikexplizit formu- wie Interesse an guten Arbeitsbedingungen
lieren. Ihr Ergebnis ist das nach innen und außen und ökologisch unbedenklichen Arbeitsplät-
kommunizierte Erscheinungsbild, dem Selbst- zen;
darstellung und Verhaltensweisen der Untern eh- - Ziele externer Interessengruppen wie Kunden,
mung (Corporate Identity) zugrunde liegen. Die Lieferanten und regulatorische Gruppen (Be-
Unternehmensphilosophie dient der Orientie- hörden und andere staatliche, wirtschaftliche
rung durch Darstellung der Sollidentität des Un- und gesellschaftliche Institutionen) mit der
ternehmens, der Motivation durch Identifikati- Erwartung eines guten Preis-Leistungsver-
on der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und hältnisses und häufig umfangreicher Neben-
der Legitimation durch Aufklärung der verschie- leistungen bzw. günstiger Lieferkonditionen
denen Interessenten über die handlungsleiten- und rascher Zahlung der Rechnungen;
den Grundsätze. Das Ausmaß der Erfüllung die- - Beziehungen zwischen den Elementen des Ziel-
ser Funktionen ist davon abhängig, auf welche systems, wobei für das Verhältnis zwischen je-
Weise und in welchem Umfang die Mitarbeiter weils zwei Teilzielen zu unterscheiden ist zwi-
in den Prozeß der Unternehmensphilosophiege- schen Zielidentität, -komplementarität, -neu-
staltung integriert werden und die Unterneh- tralität, -konkurrenz und -antinomie.
mensphilosophie das gesamte Unternehmen
durchdringt. Bei Zielkonflikten sind Methoden der Konflikt-
Die folgenden Ausführungen konzentrieren lösung anzuwenden, die versuchen, für konkur-
sich auf die Unternehmensführung in Bauun- rierende oder einander ausschließende Ziele
ternehmen, da in ihnen die meisten Mitarbeiter Prioritäten zu finden und damit den Zielkatalog
der Branche Bauwirtschaft beschäftigt sind. Die zu bereinigen.
allgemein geltenden Grundsätze lassen sich je- Bei der Suche nach einem Oberziel für die Un-
doch analog auch auf die anderen Institutionen ternehmensführung und nach einem System
der Bauwirtschaft übertragen, d. h. Organisatio- von Teilzielen zeigt sich, daß ein dreifaktorielles
nen der Bauherren- und Investorenseite sowie Zielsystem mit Markt-, Leistungs- und Ertrags-
der Bauplanungsbüros. zielen nicht ausreicht, um den künftigen gesell-
schaftlichen, ökonomischen und ökologischen
2.2.1.1 Herausforderungen gewachsen zu sein [Diede-
Unternehmensziele, Visionen, Leitbilder richs 1996b]. Aus Umfrageergebnissen wurde
deutlich, daß die Wettbewerbsfähigkeit eine zen-
Unternehmensführung beginnt mit der Festle- trale Stellung im Zielsystem der Unternehmen
gung der Unternehmensziele. Visionen sollen die einnimmt [Jaeger 1998]. Ferner werden ökolo-
Anstrengungen der Mitarbeiter in einem Unter- gisch orientierte Unternehmen, zti denen auf-
nehmen bündeln und ihre Tatkraft langfristig grunddes geltenden Abfall- und Kreislaufwirt-
auf gemeinsame Ziele verpflichten. schaftsgesetzes vom 27.09.1997 zunehmend Bau-
Bei dem Versuch der Klassifizierung von Un- unternehmen zählen werden, verstärkt auf um-
ternehmenszielen gelangt man zu mindestens weltfreundliche Produkte und Stoffkreisläufe
folgender Einteilung: achten.
- ökonomische Ziele wie Gewinn, Rentabilität Daraus ergibt sich das in Abb. 2.2-1 darge-
oder Cash-flow sowie nichtökonomische Ziele stellte Pentagon der Teilziele, das im Sinne stra-
wie Prestige, Unabhängigkeit und Selbstver- tegischer Unternehmensziele auch für Bauun-
wirklichung; ternehmen gilt. Als Oberziel ist die marktorien-

2-104 Bauwirtschaft und Baubetrieb


tierte Unternehmensentwicklung herauszustel-
len.
Hinter jedem der fünf Teilziele steckt ein Ka-
talog von Unterzielen in einer oder mehreren
Ebenen, die erst aufgrund ihrer Konkretisierung
eine Messung des jeweiligen Erfüllungsgrades
durch die untersuchten Unternehmen und eine
Bewertung der Meßergebnisse erlauben. Einen
vereinfachten Zielkatalog zeigt Tabelle 2.2-1.
Wettbewerbsziele sollen die Kundenzufrie-
denheit und die relative Wettbewerbsfähigkeit
gegenüber derzeitigen und künftigen Konkur-
renten wahren. Dazu eignen sich vielfältige Stra-
tegien der Produkt- bzw. Verfahrens-, Mitarbei-
ter- und Preis-Leistungsorientierung. Die lang-
fristige Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit er-
Abb. 2.2·1 Pentagon derTeilziele gibt vorrangig eine Nutzenstiftung für Kunden,
Mitarbeiter und Eigenkapitalgeber,aber auch für

Tabelle 2.2·1 Zielkatalog und Gewichtung der Teil· und Unterziele

Nr. Elemente des Zielkatalogs Gewicht


1 Wettbewerbsziele 19
1.1 Kundenzufriedenheit 6 6
1.2 Wettbewerbsfähigkeit durch Bauverfahren und Bauprodukte 4 4
1.3 Wettbewerbsfähigkeit durch qualifizierte u. motivierte Mitarbeiter 5 5
1.4 Wettbewerbsfähigkeit durch Preis-leistungsverhältnis 4 4
2 Marktziele 18
2.1 Bauleistung p.a. (differe nziert nach Bauwerksarten/Gewerken) 5 5
2.2 Marktanteile in% der Branche/der Region 5 5
2.3 Bewahrung der Unabhängigkeit 4 4
2.4 Ansehen in der Öffentlichkeit, Corporate ldentity 4 4
3 Ertragsziele 39
3.1 Gewinn in% der Bauleistung 15
3.1.1 lohnkosten in% Bauleistung 10
3.1.2 Gerätekosten in %der Bauleistung 2
3.1.3 Allgemeine Geschäftskosten in% der Bauleistung 3
3.2 Cash-fiow in% der Bauleistung 10
3.2.1 Abschreibungen 6
3.2.2 Rückstellungen 2
3.2.3 Gewinn nach Steuern 2
3.3 Rendite in % des eingesetzten Kapitals (Eigen· u. Fremdkapita l) 9 9
3.4 Liquidität in %des betriebsnotwendigen Kapitals 5 5
4 leistungsziele 15
4.1 leistungsangebotl·breite 4 4
4.2 leistungstiefe (E igen- u. Fremdleistungen) 4 4
4.3 Förderung der Mitarbeiter und Sicherung der Arbeitsplätze 4 4
4.4 leistu ng sq ua lität/·spezialität 3 3
5 Umweltziele 9
5.1 Bauwerke für den Umweltschutz 3 3
5.2 Umweltfreundliche Baustoffe 2 2
5.3 Umweltfreundliche Bauweisen 2 2
5.4 Bau· und Reststoffrecycling 2 2
Summen 100 100 100

Unternehmensführung 2-1 OS
die Gesellschaft durch Sicherung der wirtschaft- S. 84ff] im Rahmen der Messung und Bewertung
liehen Stabilität. der Zielerreichung.
Marktziele erstrecken sich sowohl auf ökono- Jedes bewußte, zielgerichtete menschliche
mische Größen wie jährliche Bauleistung und Handeln vollzieht sich in einem Regelkreis der
angestrebten Marktanteil in der Branche oder Planung, Entscheidung, Durchführung und Kon-
der Region, aber auch auf nichtökonomische As- trolle, der dann in weiteren Durchläufen wiede-
pekte wie Wahrung oder Förderung des Anse- rum die Anpassungsplanung zur Minimierung
hens in der Öffentlichkeit und Schaffung einer aufgetretener Soll/Ist-Abweichungen mit der
Corporate Identity. Eine Nutzenstiftung ist vor- Entscheidung über entsprechende Maßnahmen
rangig für interne Interessengruppen gegeben, folgt. Hilfsmittel dazu sind die Methoden des
wobei auch Nachunternehmer davon profitie- Operations Research [Müller-Merbach 1973].
ren, bei Monopolbildung jedoch Nachteile für
die Gesellschaft entstehen können. 2.2.1.2
Die ökonomischen Ertragsziele angemessener Unternehmensphilosophien und-konzeptionenzur
Gewinne in Prozent der Bauleistung und Rendite Verfolgung der Unternehmensziele
in Prozent des eingesetzten Eigen- und Fremd-
kapitals sowie Cash-flows in Prozent der Bilanz- Zur Unternehmenspolitik gehört außer der Ver-
summe zur Sicherstellung einer kontinuierli- folgung von Unternehmenszielen auch die Art
chen Innenfinanzierung dienen v.a. den inter- des Umgangs mit den Mitarbeitern, Auftragge-
nen Interessengruppen, aber auch der Gesell- bern, Nachunternehmern und Mitbewerbern,
schaft durch entsprechendes Steueraufkommen. d.h. die ethische Basis, die den Unternehmeri-
Die Leistungsziele ergeben sich aus dem Lei- schen Entscheidungen und Handlungen zu-
stungsangebot an Bauwerksarten und Gewerken, grunde liegt. Sie wird als Unternehmensphilo-
d.h. der Leistungsbreite und der Leistungstiefe sophie bezeichnet und findet z. B. Ausdruck in
für die Bauausführung hinsichtlich der Eigen- folgenden Leitsätzen:
und Fremdleistungen sowie auch den vor der - Wir wollen mit der Erfüllung der Kundenbe-
eigentlichen Bauausführung liegenden Projekt- dürfnisse zufriedene Auftraggeber erhalten
entwicklungs- und Planungsleistungen, ggf. und bewahren.
auch der Finanzierung, und dem nach Baufer- - Wir achten sorgfältig auf die Erfüllung der
tigstellung folgenden Betrieb bzw. der Bewirt- Qualitätsanforderungen.
schaftung der baulichen Anlagen (Facility Mana- - Die Förderung unserer Mitarbeiter und die Si-
gement). Leistungsziele bestehen ferner in Vor- cherung ihrer Arbeitsplätze sind gleichrangi-
gaben für die Leistungsqualität, die Beratung, ge Ziele neben dem wirtschaftlichen Erfolg.
den Kundendienst, die Termineinhaltung und in - Wir wollen unsere Unabhängigkeit bewahren.
der Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtun- - Wir fördern den Umweltschutz durch um-
gen sowie in der Qualifikation und dem Ausbil- weltfreundliche Bauweisen und Baustoffe so-
dungsniveau der Mitarbeiter. Die Nutzenstiftung wie den Einsatz von Recyclingmaterial.
ist vorrangig kunden-, aber zunehmend auch - Wir sind auf ein hohes Ansehen in der Öffent-
mitarbeiterorientiert lichkeit bedacht, u.a. durch Corporate Identity.
Bauunternehmen haben erkannt, daß sie bei
derVerfolgungvon Umweltzielen auch Unterneh- Wenn eine solche Unternehmensphilosophie ver-
mensziele fördern können, z.B. mit Bauwerken öffentlicht wird, dient sie der Stärkung des An-
für den Umweltschutz, die Verwendungumwelt- sehens nach innen und nach außen, sofern die
freundlicher Baustoffe und die Anwendung um- Unternehmensführung ihre Handlungen ziel-
weltfreundlicher Bauweisen sowie durch Bau- konform darauf abstimmt.
und Reststoffrecycling. Damit ist eine Nutzen- Unternehmen sind Interessenszentren ver-
stiftung sowohl für die Unternehmen als auch schiedenster Aktivitäten von Eigen- und Fremd-
für die Umwelt und damit für die Gesellschaft ge- kapitalgebern, Unternehmensleitern, Arbeit-
geben. nehmern, Kunden, Lieferanten, Staat und Ge-
Mit der Gewichtung der einzelnen Unterziele werkschaften. Der wirksame Einfluß auf Zielset-
eines Zielkatalogs soll ihre Bedeutung im Hin- zungen und Strategien der Zielerreichung ist
blick auf das Oberziel relativiert werden. Dies ist nach Maßgabe der Rechtsordnung und der fak-
notwendig zur Anwendung einer Nutzwert- oder tischen Einflußmöglichkeiten bestimmten Per-
Kostenwirksamkeitsanalyse [Diederichs 1985, sonen oder Personengruppen vorbehalten. über

2-106 Bauwirtschaft und Baubetrieb


diese können ethische Werte zum Tragen ge- - Vertragsphilosophie heißt hingegen, daß der
bracht werden, die wiederum gruppenspezifi- durchaus leistungsbereite Privatmensch auf
schen Wertungen unterliegen. tarifierter, den Stellenbeschreibungen genü-
Der Sinn einer Unternehmensphilosophie be- gender Entlohnung nebst gebührenden Sozi-
steht nun darin, die Konkretisierung von Werten alleistungen besteht.
zu offerieren, z. B. in Organisationsmodellen - Solidaritätsphilosophie kommt dem extrem
oder Erfolgsverwendungsmaßnahmen. Eine Un- freiheitsorientierten Leistungsmenschen ent-
ternehmensphilosophie ist dann als effizient zu gegen, der jeglichen organisatorischen Zwang
bezeichnen, wenn sich ein ethisches Gleichge- als Fessel seiner Persönlichkeitsentfaltung
wicht zwischen Wertofferte der Unternehmens- empfindet.
führung und Wertakzeptanz bei den Interessen-
gruppen einstellt. Ob der einzelne Mitarbeiter die gewählte Philo-
Bei jedem Unternehmen handelt es sich um ei- sophie fördernd bejaht, nur akzeptiert oder gar
ne Wirtschaftseinheit, die nach Maßgabe selb- ablehnt, ist eine Frage seiner persönlichen Wer-
ständiger und auf Erfolg bedachter Entschei- tung der mit der Unternehmensphilosophie of-
dungen Marktbedarf zu decken sucht und die ferierten Werte, da der Mensch im Mittelpunkt
damit verbundenen Risiken eingeht. Sie muß des von ihm zu wertenden Geschehens steht.
ihren Bestand wahren, stets liquide sein und mit Die Unternehmenskonzeption ist die schriftli-
den Innovationen der Technik und der Märkte che Fixierung der mittel- und langfristigen Un-
Schritt halten. Von den wirtschaftenden Men- ternehmensziele sowie der Gestaltungs- und
schen wird sie nicht nur als Einkommensquelle Entscheidungsgrundsätze. Sie dient als Grund-
empfunden. Sicherheit des Arbeitsplatzes, Sta- lage für eine zielorientierte Unternehmenspoli-
tus und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Selbst- tik [Dressel1983]. Die Unternehmenskonzepti-
verwirklichungsfreiräume genießen einen ho- on soll die tatsächlichen individuellen Ziele des
hen Stellenwert. Unternehmens enthalten. An ihrer Gestaltung
Die Gestaltungsbereiche der Unternehmens- sind nicht nur der Unternehmer, sondern auch
philosophien bewegen sich somit im Spannungs- die Gesellschafter und die leitenden Mitarbeiter
feld der Wertkonkretisierung durch Ziele und unter Einbeziehung ihrer individuellen Lebens-
Zielerreichungsmaßnahmen der Entscheidungs- und Berufsziele zu beteiligen, um Zielkomple-
träger sowie deren Wertung durch die beteilig- mentaritäten oder-konkurrenzenerkennen zu
ten Interessengruppen. Daraus ergibt sich die können.
Forderung nach einer Philosophie der gegensei- Aus der Unternehmenskonzeption können die
tigen Akzeptanz. Regeln der Geschäftspolitik abgeleitet und Mit-
Jede Unternehmensphilosophie hat verschie- arbeitern und Kunden zugänglich gemacht wer-
dene Menschenbilder zu unterscheiden. Cha- den. Sie dienen dann der Stärkung des Ansehens
rakteristische Exponenten sind des Unternehmens nach innen und nach außen.
- der Leistungsmensch, der in einer Unterneh- Die Unternehmenskonzeption soll dazu dienen,
mung Karriere machen will, und Übereinstimmung, Sicherheit und Vertrauen in-
- der Privatmensch, der infolge der Dominanz nerhalb des Unternehmens und nach außen zu
seiner persönlichen Lebensinteressen sowohl festigen und damit das Unternehmen frei von
an langfristig hohem Einkommen als auch an inneren Spannungen und Reibungen zu einer
der Sicherheit des Arbeitsplatzes interessiert möglichst hohen Leistungsfähigkeit zu ent-
ist. wickeln.
Die Unternehmenskonzeption ist dainit Basis
Nach [Schmidt 1985, S. 403ff] sind drei Muster einer zielorientierten Unternehmenspolitik. Sie
von Unternehmensphilosophien zu unterschei- gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen sich alle
den: Entscheidungen, Handlungen und Maßnahmen
- Die Führungsphilosophie spricht in erster Li- des Managements vollziehen, und macht da den
nie den unternehmungsbewußten und ein- Mitarbeitern auch die Freiräume deutlich, in-
kommensorientierten Leistungsmenschen an, nerhalb derer sie selbständig agieren können
der bereit ist, straffe Linienorganisation, Pro- und sollen. Hierin zeigt sich die Verwandtschaft
fit-Center und autoritären Führungsstil nicht mit den Zielen des Qualitätsmanagements und
nur zu akzeptieren, sondern daran infolge sei- der Qualitätspolitik, die durch die Regelwerke
nes Karrierebewußtseins auch mitzuwirken. der Normenreihe DIN EN ISO 9000ff eine bran-

Unternehmensführung 2-107
ehenneutrale formale Ausgestaltung erfahren bei linearer Abhängigkeit geschaffen. Für die
haben [Masing 1994, S. 3ff]. Meßergebnisse der übrigen Unterziele sind eben-
falls Transformationsfunktionen zwischen Nut-
2.2.1.3 zenpunkten und Meßskalen zu schaffen, damit
Messung der Unternehmensziele-Erfüllung und eine durchgängige Bewertung möglich wird. So-
Bewertung der Zielerreichung mit ist die Voraussetzung zur Anwendung der
Nutzwertanalyse unter Einbeziehung der Zielge-
Bei der Messung, inwieweit die Unternehmens- wichte gegeben.
ziele .erfüllt worden sind, ist darauf zu achten, Nach Multiplikation der Zielgewichte mit den
daß die multidimensionalen Elemente des Ziel- jeweils erreichten Nutzenpunkten und deren
katalogs hinsichtlich ihrer Erfüllung quantifi- Addition erhält man eine Summe gewichteter
ziert werden. In Abhängigkeit von der Art des je- Nutzenpunkte, die für sich allein noch keine Ent-
weiligen Teilziels bieten sich die kardinale, ordi- Scheidungshilfe bietet. Erst mittels Zeitreihen-
nale oder nominale Skalierung zur Quantifizie- vergleich oder Vergleich mit konkurrierenden
rung der Zielerreichungsgrade an [Diederichs Unternehmen ist eine Interpretation des Ergeb-
1985, S. 77ff]. Die auszuwählende Meßskala rich- nisses hinsichtlich der Erfüllung des Zielkata-
tet sich insbesondere nach der Operationalität logs möglich. Dabei bietet auch die Betrachtung
des jeweiligen Teilziels und der Qualität der vor- der Abweichungen zwischen erreichten und den
handenen Daten. Daher sind allgemein formu- Normwerten entsprechenden Nutzenpunkten
lierte Teilziele weiter in konkret meßbare Unter- der einzelnen Unterziele Hinweise auf Entschei-
ziele aufzuspalten. dungs- und Handlungserfordernisse.
So ist die Veränderung der Bauleistung, des Bei Sortierung nach der Größe der gewichte-
Auftragseingangs oder der Mitarbeiterzahl ge- ten Abweichungen können dann Prioritäten für
genüber dem Vorjahr sehr einfach den Daten der Entscheidungen und Maßnahmenkataloge oder
Buchhaltung, der Akquisition und der Personal- Aktionspläne abgeleitet werden, die wiederum
statistik zu entnehmen. Dagegen ist das Ansehen zu Veränderungen der Unternehmenskonzepti-
in der Öffentlichkeit und seine Veränderung ge- on führen können. Damit wird der Regelkreis
genüber dem Vorjahr bzw. der Vergleich mit der der Unternehmerischen Zielplanung, -verfol-
Konkurrenz schon erheblich schwieriger festzu- gung und -umsetzung geschlossen.
stellen. Hier sind geeignete Vergleichsmaßstäbe
z. B. durch Kundenumfragen oder das Zählen 2.2.1.4
der Bewerberanfragen von Nachwuchskräften zu Zusammenfassung
schaffen. Zielsetzung der regelmäßigen Messung,
inwieweit die Unternehmensziele erfüllt sind, ist Die Unternehmensziele werden allgemein klas-
der Zeitreihen- und Branchenvergleich bzw. der sifiziert. Als Oberziel der Unternehmensführung
Vergleich mit den schärfsten Konkurrenten. wird die marktorientierte Unternehmensent-
Nach Messung der Erfüllung der Unterneh- wicklung herausgestellt. Ferner wird das Penta-
mensziele ist die Bedeutung der jeweiligen Meß- gon der Teilziele der Unternehmenspolitik defi-
größen zu bewerten. Dazu ist es erforderlich, niert durch Wettbewerbs-, Markt-, Ertrags-, Lei-
Vergleichsmaßstäbe mit Norm- oder Sollwerten stungs- und Umweltziele, für die eine Gewich-
sowie oberen und unteren Schwellenwerten fest- tung vorgeschlagen wird.
zulegen. Aus empirischen Erhebungen hat Aus dem Spannungsverhältnis zwischen den
Malkwitz (1994, S. 73ff} für 88 ergebnisrelevan- bei der Verfolgung der Unternehmensziele an-
te Einflußfaktoren Normwerte sowie kritische gebotenen Werten und deren Wertung durch die
und positive Schwellenwerte bei Führungskräf- internen und externen Interessengruppen wer-
ten in den Niederlassungen einer großen deut- denAlternativen für Unternehmensphilosophien
schen Bauaktiengesellschaft erfragt und damit entwickelt, welche die unterschiedlichen Wert-
Bezugsgrößen für die Bewertung der Meßergeb- vorstellungen der Organisationsmitglieder zum
nisse ergebnisorientierter Teilziele geschaffen. Ausdruck bringen.
Damit ist bereits für einige Elemente des Unternehmensziele und-philosophiendienen
mehrdimensionalen Zielsystems die Basis für ei- zur Fixierung der Unternehmenskonzeption mit
ne gleichnamige Bewertung mit Nutzenpunkten Gestaltungs- und Entscheidungsgrundsätzen
z. B. zwischen 1 für die kritische Schwelle, 10 für sowie als Grundlage für eine zielorientierte Un-
die positive Schwelle und 5 für den Normalwert ternehmenspolitik.

2-108 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Für die regelmäßige Messung der Erfüllung Unternehmung bzw. ihrer verschiedenen Ge-
der Unternehmensziele und die Bewertung der schäftsfelder im Vergleich zu den Konkurrenten
Zielerreichung wird die Anwendung der Nutz- bestimmen. Die Aufgabenbereiche der strategi-
wertanalyse vorgeschlagen, um einerseits die schen Unternehmensführung werden im fol-
Präferenzen für die Teilziele durch Zielgewich- genden vertiefend dargestellt für die strategische
tung zum Ausdruck bringen zu können, ande- Planung; die Auswahl strategischer Alternativen
rerseits das multidimensionale Zielsystem auf und die Durchführung strategischer Maßnah-
die einheitliche Dimension gewichteter Nutzen- men.
punkte zurückführen und aus dem Ergebnis im
Zeitreihen- und Konkurrenzvergleich Schluß- 2.2.2.1
folgerungen für notwendige Entscheidungen Strategische Planung
und Maßnahmen ziehen zu können.
Zielsetzung dieses Beitrags ist sowohl eine Be- Aufgabe der strategischen Planung ist die For-
wußtseinsstärkung für die Bedeutung der syste- mulierung von Wettbewerbsstrategien, die die
matischen Zielplanung und -verfolgung sowie Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens sichern.
gleichzeitig eine Hilfestellung zur Definition der Voraussetzung dazu ist zunächst die Bestim-
Unternehmensziele im Rahmen der Einführung mung der Unternehmensziele (vgl. Abschn.
von integrierten Managementsystemen. 2.2.1). Der Unternehmenserfolg wird stets mit
im Zeitablauf schwankender Intensität durch
2.2.2 äußere Wettbewerbskräfte bedroht, denen sich
Grundlagen der strategischen die Unternehmensführung stellen muß (Abb.
Unternehmensführung 2.2-2). Das Ziel der strategischen Planung be-
steht darin, Art und Richtung der Unterneh-
Im System der freien und sozialen Marktwirt- mensentwicklung in einer mittel- bis langfristi-
schaft sind die Erlangung und die Bewahrung gen Perspektive festzulegen. Die Vorgehenswei-
von Wettbewerbsvorteilen der Kern der eigent- se dazu zeigt Abb. 2.2-3.
lichen Unternehmensleistung [Porter 1990]. Wesentliche Voraussetzung für den dauerhaf-
Wettbewerbsstrategie ist dabei allgemein das ten Erfolg eines Unternehmens ist eine zentral
Streben, sich innerhalb der Branche günstig zu kontrollierte dezentralisierte Führung ihrer stra-
plazieren. Dabei stellt sich die Frage nach der At- tegischen Geschäftseinheiten und Funktionsbe-
traktivität der jeweiligen Branche und ihren Be- reiche, die auf vereinbarten Zielen und opera-
stimmungsfaktoren sowie die Frage; welche Fak- tionalen Beurteilungskriterien beruht. Je höher
toren die relativen Wettbewerbsvorteile einer der Grad selbständigen Denkens und Handeins

Bestehende und
neue Wettbewerber/
Konkurrenzdruck
Marktsättigung,
Verhandlungsstärke
Substitutionsprodukte,
der Lieferanten und
Verkürzung der
Nachunternehmer
Produktlebenszyklen

Verhandlungsstärke, Forschungs- und


Wertewandel technologische
bei Kunden Entwicklungsschübe
Verhandlungsstärke,
Wertewandel
bei Mitarbeitern

Abb. 2.2-2 Wettbewerbskräfte für Unternehmen

Unternehmensführung 2-l 09
Marktattraktivität der Geschäftsfelder einer
Branche und den relativen Wettbewerbsvortei-
len der ausgewählten Geschäftsfelder des Unter-
Zielgrößen
nehmens in bezug auf ihre Konkurrenten.
• Unternehmensziele
· Spartenziele
• Geschäftsziele Marktattraktivität
• Produkt-/Marktziele
• Marketingmixziele
Die Markt- oder auch Geschäftsfeldattraktivität
ist eine in der Portfolio-Analyse verwendete Di-
~
mension mit Kriterien zu deren Beurteilung. Das
Umweltanalyse Unternehmens-
und -prognose analyseund ·prognose Marktwachstum, die Marktgröße und -qualität,
• Rahmendaten • Produktprogramm
die Versorgungslage bezüglich der benötigten
· Märkte • Engpaßbereiche Produktionsfaktoren sowie die Umweltsituation
·Abnehmer • Definition strategischer bestimmen den Grad der Marktattraktivität
• Konkurrenten Geschäftsfelder
Das Marktwachstum als Steigerungspotential
der mengenmäßigen Nachfrage ist der am häu-
! figsten verwendete Maßstab der Marktattrakti-
Stärken- u. Schwächen-
analyse u. -prognose vität,der stets im Zusammenhang mit der Markt-
• strategische Lücken
größe zu sehen ist.
• Wettbewerbsvorteile Die Marktqualität fragt nach der Struktur von
mengenmäßiger und zeitlicher Nachfrage- und
! Angebotsentwicklung, nach den verschiedenen
Strategieplanung
und -abstimmung Produktions- und Dienstleistungen, nach der
· Gesamt- und Teilstrategien durchschnittlichen Rentabilität der einzelnen
• strategienbezogenes Geschäftsfelder sowie nach den Reaktionen der
Finanzierungspotential
• Produkt-Markt-Strategien
Wettbewerber auf Eigenstrategien.
Die Verfügbarkeil der benötigten Produkti-
! onsfaktoren ist von hoher Bedeutung für die Be-
Umsetzung der
strategischen Planung
urteilung der Attraktivität einzelner Geschäfts-
felder. Die maßgeblichen Produktionsfaktoren
• Ableitung von taktischen
und operativen Plänen in der Bauwirtschaft sind Grundstücke,Arbeits-
• strategisches Controlling kräfte und Führungspersonal, Baustoffe und Be-
'-- triebsmittel, Kapital zur Finanzierung der Bau-
investitionen, Informationen über Investitions-
Abb. 2.2·3 Grundstruktur der strategischen Planung
nachfrage und -angebot sowie das eigene Lei-
stungspotential.
Schließlich wird die Geschäftsfeldattraktivität
der Führungskräfte ist und je besser sie ihre stets von der Umweltsituation beeinflußt, d.h.
Handlungsfreiheit im Interesse des Unterneh- der Wirtschaftsordnung, dem Ausmaß staatli-
mens nutzen, desto größer ist die Elastizität des cher Eingriffe in Planungs-, Produktions-, Dis-
Unternehmens, sich den im Zeitablauf ändern- tributions- und Einkommensverteilungsprozes-
den praktischen Erfordernissen des Marktes an- se, der Stabilität des Kapitalmarkts und der öf-
zupassen. Die Kunst der strategischen Führung fentlichen Meinung.
liegt in der Verbindungvon Planmäßigkeiten der
Zielvorstellungen für die Unternehmensent- Relative Wettbewerbsvorteile
wicklung mit dem Wagemut des Daraufankom-
menlassens in der Umsetzungjenseits der Gren- Die relative Wettbewerbsposition der Geschäfts-
zen der Berechenbarkeit. Strategische Führungs- felder eines Unternehmens innerhalb der Ge-
kräfte stellen zum richtigen Zeitpunkt die rich- schäftsfelder einer Branche ist zu messen und zu
tigen Fragen. Oder sie werden ihnen gestellt, bewerten im Hinblick auf die Relation zu den je-
aber dann ist der Zeitpunkt der Fragestellung weiligen Konkurrenten. Maßgebliche Kompo-
häufig schon überfällig. nenten sind die Marktposition, das Produkti-
Die strategischen Stoßrichtungen eines Un- onspotential, die Qualifikation des Personals
ternehmens sind abhängig von der jeweiligen und das Akquisitionsniveau.

2-110 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Die relative Martkposition zeigt sich an dem - SGF 1 Industriehallenbauten für gewerbliche
jeweiligen Marktanteil und dem finanziellen Er- Investoren, 25 Mio. DM;
gebnis. Das relative Produktionspotential zeigt - SGF 2 Stahlskelettbauten für Verwaltungsge-
sich in Kosten- und Standortvorteilen, Innova- bäude, 10 Mio. DM;
tionen und technischem Know-how durch For- - SGF 3 Verbundbauten für gemischt genutzte
schung und Entwicklung. Gebäude, 5 Mio. DM.
Zur relativen Qualifikation des Personals, dem
wichtigsten "Kapital" jeder Unternehmung, Ferner wird als künftig geplantes Geschäftsfeld
zählen die Professionalität der Führungskräfte, aufgenommen:
die Mitarbeiterqualifikation (einschl. Schulung - SGF 4 Fassadenbau, 0 Mio. DM.
und berufsbegleitender Weiterbildung) sowie
das relative Lohn- und Gehaltsniveau. Bei stei- Das Ergebnis der durchgeführten Nutzwertana-
gender horizontaler Integration der der eigent- lysen für die vier Geschäftsfelder in gewichteten
lichen Produktion vor- und nachgelagerten Be- Nutzenpunkten von max. jeweils 1000 zeigt der
reiche haben die Vor- und Nachunternehmerbe- obere Teil von Abb. 2.2-4. Bei SGF 4 Fassadenbau
ziehungen zunehmendes Gewicht. kann es sich naturgemäß nur um vermutete rela-
Relative Wettbewerbsvorteile durch Akquisiti- tive Wettbewerbsvorteile handeln, da dessen
on entstehen einerseits bei Kunden- und Ge- Einführung noch bevorsteht.
schäftsfelddifferenzierung, andererseits durch Die Schwerpunktbestimmung aus den drei
die Organisation des Zugangs zu den für die Auf- Geschäftsfeldern SGF 1 bis 3 in Abb. 2.2-4 er-
tragsbeschaffung wichtigen Entscheidungsträ- möglicht die Positionierung des Gesamtunter-
gern wie Investoren, Projektentwicklern und Ar- nehmens. Es ergibt sich eine relative Marktat-
chitekten. Kernfrage ist in diesem Zusammen- traktivität von 556 bei einem relativen Wettbe-
hang immer wieder die Sicherstellung einer werbsvorteil von 705 Punkten.
möglichst weitgehenden flächendeckenden Prä-
senz mit Hilfe eines entsprechenden Niederlas- Strategische Alternativen
sungsnetzes. Die Abwägung zwischen zentraler
Lenkung und dezentraler Akquisition ist eine In der Zusammenfassung zahlreicher Versuche,
der Kernfragen der strategischen Unternehmens- Strategiealternativen zu strukturieren, werden
führung. im folgenden die Normstrategien des Portfo-
liomanagements und Marketingstrategien zu-
2.2.2.2 sammengeführt.
Einstufung der strategischen Geschäftsfelder In Abhängigkeit von der Marktattraktivität
in der Portfoliomatrix der Geschäftsfelder der Branche und den relati-
ven Wettbewerbsvorteilen der Geschäftsfelder
Die vorgestellten Komponenten beeinflussen die des Unternehmens in bezug auf seine Konkur-
Marktattraktivität bzw. die relativen Wettbewerbs- renten werden i. allg. drei Normstrategien unter-
vorteile unterschiedlich stark. Um dies bei der Po- schieden (Abb. 2.2-5):
sitionsbestimmung der strategischen Geschäfts- - die Investitions- und Wachstumsstrategie,
felder in einer Portfoliomatrix berücksichtigen - die Abschöpfungs- und Desinvestitionsstrate-
zu können, werden die einzelnen Komponenten gie sowie
wie bei einer Nutzwertanalyse zunächst gewich- - die selektive Strategie der Offensive, des Ober-
tet, sodann hinsichtlich ihrer Erfüllung gemes- gangs oder der Defensive.
sen und anschließend mit Hilfe von Transfor-
mationsfunktionen bewertet [Diederichs 1985]. Für Geschäftsfelder mit hoher Marktattrakti-
Die Einstufung der strategischen Geschäfts- vität und auch großen relativen Wettbewerbs-
felder in einer Portfoliomatrix soll am Beispiel vorteilen kommen Investitions- und Wachs-
eines Stahlbauunternehmens und unter Einbe- tumsstrategien in Betracht. In der Regel handelt
ziehung der Ergebnisse einer empirischen Un- es sich um expandierende Marktsegmente, in de-
tersuchung gezeigt werden [Bäumler 1996]. Das nen die herausragende Wettbewerbsposition
Stahlbauunternehmen habe 1998 eine Jahres- mittels autonomer Innovationsstrategien errun-
bauleistung von 50 Mio. DM erzielt. Davon seien gen wurde (Matrixfelder der Mittelbindung). Die
80 % auf die drei umsatzstärksten strategischen strategischen Maßnahmen müssen darauf aus-
Geschäftsfelder (SGF) entfallen: gerichtet sein, die solide Wettbewerbsposition

Unternehmensführung 2-111
Nr. Strategische Geschäftsfelder Bauleistung 1998 Gewichtete Attraktivitäts-/
{SGF) {Mio.DM) Vorteilspunkte
Markt- relative Wett-
attraktivität bewerbsvorteile
1 Industriehallen 25 504 734
2 Stahlskelettbauten, Verwaltungsgebäude 10 695 720
3 Verbundbau für gemischt genutzte Gebäude 5 540 528
4 Fassadenbau 0 785 164
5 Gesamtunternehmen 40 556 705
(= 80 %derges.
Bauleistung 1998)

100
..c:
~
..c:
4X
:'fä
67
:~
.SC
g ·e:::
~

~
;;; 33
:;:

..."'
c::
·c
"'0
0 gering 33 mittel 67 hoch 100
Relative Wettbewerbsvorteile

Abb. 2.2-4 Positionierung der strategischen Geschäftsfelder SGF 1 bis 4 in der Portfoliomatrix (Hinweis: Kreisflächen entspre-
chen Umsatzanteilen)

Portfoliomatrix
1 Investitions- und Wachstumsstrategie 100
· Expansion Offenslvstr.
-5
2 Abschöpfungs- und Desinvestionsstrategie 0
..c:
· Abschöpfung, Rückzug, Desinvestition
3 Selektive Strategien 67
3.1 Offensive Strategien
· Wachstum ~
3.2 Übergangsstrategien ·e
· Expansion
· Konsolidierung 33
3.3 Defensivstrategien
• Kostenführerschaft
• Konzentration auf Schwerpunkte
• Preispolitik
..."'
c::
'<::

"'
0 Abschöpfstr.
Desinveststr.
· Rückzug 0
0 gering 33 mittel 67 hoch 100
Relative Wettbewerbsvorteile

Abb. 2.2-5 Normstrategien der Portfoliomatrix

weiter zu stärken und auszubauen, um Konkur- Jen erfordern Abschöpfungs- und Desinvestiti-
renten davon abzuhalten, den erzielten Markt- onsstrategien, da sie keine hohen Gewinnchan-
vorsprung zu mindern. cen haben. Sie sind daher so rasch wie möglich
Geschäftsfelder mit niedriger Marktattrakti- abzustoßen (Matrixfelder der Mittelfreisetzung)
vität und geringen relativen Wettbewerbsvortei- und die freigesetzten finanziellen, personellen

2-112 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Wahl der Strategischen Geschäftsfelder (Was?).
Jedes Unternehmen muß immer wieder ent-
scheiden, welche Produkte oder Dienstleistun-
1001----
gen es welchen Kunden bzw. Nachfragegruppen
-5 Umwelt-
_g schutz anbieten will. Dies ist Aufgabe des Portfolioma-
nagements.
~ 67f----
:g_
...,." Schlüssel-
(!!t:: Marktstimulierung (Wie?). Der strategische An-
:;; ·e fenigbau
satz zur Steigerung der relativen Wettbewerbs-
~331----+----
:< öffentl . vorteile des Unternehmens für die ausgewählten
.§ Kultur· und strategischen Geschäftsfelder besteht in den Al-
~ Freizeitein-
ternativen der Preisführerschaft oder der Kon-
0 I
0 gering 33 mittel 67 hoch 100 zentration auf Schwerpunkte. Mit der Preisfüh-
Relative Wettbewerbsvoneile rerschaft verfolgt ein Unternehmen das Ziel, der
preiswürdigste Hersteller auf seinem Gebiet in-
Abb. 2.2·6 Positionierung der SGF eines Hochbauunter- nerhalb der Branche zu werden. Bei der Kon-
nehmens in der Ponfoliomatrix zentration auf Schwerpunkte bedient das Unter-
nehmen seine Kunden im ausgewählten Ge-
und materiellen Ressourcen in neuen Geschäfts- schäftsfeld mit einem von anderen Konkurren-
feldern mit hoher Marktattraktivität und großen ten nicht erreichten Kundennutzen, z.B. Pro-
relativen Wettbewerbsvorteilen gewinnbringen- dukt- oder Servicequalität
der einzusetzen.
Geschäftsfelder, die in der Portfoliomatrix auf Timing des Marktein- und -austritts (Wann?).
der Diagonale von links oben nach rechts unten Portfoliomanagement erfordert stets ·Überle-
einzuordnen sind, erfordern selektive Strategi- gungen zur Errichtung neuer, zur Veränderung
en. Bei hoher Marktattraktivität und geringen bestehender oder zur Einstellung bestehender
relativen Wettbewerbsvorteilen müssen mit Hil- strategischer Geschäftsfelder bzw. der zugehöri-
fe einer Offensivstrategie Wettbewerbsvorteile gen Produkte und Dienstleistungen. Die Ein-
gegenüber den wichtigsten Konkurrenzunter- führung neuer Produkte und Dienstleistungen
nehmen aufgebaut werden, z.B. durch Preisfüh- birgt erhebliche Risiken, aber auch große Chan-
rerschaft oder Konzentration auf Schwerpunkte. cen, wenn die erwartete Marktentwicklung be-
Eine mittlere Position von Geschäftsfeldern stätigt wird.
sowohl hinsichtlich der Marktattraktivität als
auch der relativen Wettbewerbsvorteile ist auf Marktareal (Wo?). Die Frage, in welcher regio-
Märkten mit vielen Nachfragern und Anbietern nalen Ausdehnung ein Unternehmen seine Pro-
typisch. Sie erfordert i. d. R. eine Übergangsstra- dukte oder Dienstleistungen anbieten will, muß
tegie mit dem Ziel der Cash-flow-Maximierung. im Spannungsfeld des Wunsches nach flächen-
Unternehmen werden stets bestrebt sein, viele deckender Präsenz einerseits und begrenzten fi-
strategische Geschäftsfelder in solchen Matrix- nanziellen Möglichkeiten andererseits, der je-
Feldern anzuordnen, die eine Investitions- und weiligen Marktattraktivität sowie der vorhande-
Wachstumsstrategie rechtfertigen. Diese haben nen bzw. zu erwartenden Markteintrittsbarrie-
jedoch einen hohen Finanzbedarf, der über ren beantwortet werden.
Cash-flow-generierende Geschäftseinheiten zu
decken ist. Ferner ist darauf zu achten, daß in Zu- Strategische Allianzen (Mit wem?). Die Frage der
kunft potentiell erfolgreiche Nachwuchsge- Auswahl von Kooperationspartnern ist von ho-
schäftsfelder (Abb. 2.2-6) vorbereitet werden. her Bedeutung für die Wahl der Geschäftsfelder,
die horizontale Integration bei angestrebter
Marketingstrategien Marktausweitung in bestehenden Geschäftsfel-
dern und bei vertikaler Integration durch Hin-
Nach der Bestandsaufnahme und vor Auswahl zunahme neuer Geschäftsfelder aus vor- und
geeigneter Strategien sind zur offensiven Markt- nachgelagerten Bereichen der bisherigen Pro-
beeinflussung mittels Marketing folgende Mar- dukt- oder Dienstleistungspalette.
ketingstrategien in fünf Fragenkomplexen zu
erörtern:

Unternehmensführung 2-113
2.2.2.3 und potentielle Märkte zu verstehen [Meffert
Strategische Maßnahmen 1988]. Der Marketingmix aus Produkt-, Kommu-
nikations-,Distributions- sowie Preis- und Kon-
Auf der Basis der strategischen Planung sind für ditionspolitik hat die Aufgabe, die gesetzten Zie-
die ausgewählten strategischen Alternativen spe- le durch Umsetzung der gewählten Strategien in
zifische strategische Maßnahmen und Direkti- operative Maßnahmen sicherzustellen (Tabelle
ven für die Funktionsbereiche des Unterneh- 2.2-2).
mens zu veranlassen und durchzusetzen. Ziel Seine Notwendigkeit ist leicht vermittelbar.
des Abstimmungsprozesses zwischen der Unter- Um ein Produkt absetzen zu können, muß es zu-
nehmensführungund den Leitern innerhalb der nächst bekannt sein (Kommunikation), sich au-
Funktionsbereiche muß es sein, ein Gleichge- ßerdem von anderen Produkten unterscheiden
wicht herzustellen zwischen (Produkt, Preis) und letztlich auch verfügbar
- der vollen Entfaltung des Handlungsspiel- sein (Distribution). Die Umsetzung des Marke-
raums der Führungskräfte, die das Recht und tingmix hat daher nicht nur Auswirkungen auf
die Pflicht haben, innerhalb ihres Verantwor- die Teilfunktion Auftragsbeschaffung, sondern
tungsbereichs Entscheidungen zu treffen, und auch auf die Produkteigenschaften, Preis- und
- der Koordination zwischen den Führungs- Lieferkonditionen sowie die Kommunikations-
kräften im Hinblick auf die zu erreichenden politik [Arnold 1997; Marhold 1992; Weng
Unternehmensziele. 1995].

Den Zusammenhang zwischen Teilzielen des Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen


Unternehmens, Normstrategien der Portfolio-
matrix. für die einzelnen Geschäftsfelder und Technische Innovationen können eine Quelle
strategischen Maßnahmen in den einzelnen großer Möglichkeiten, aber auch starke Bedro-
Funktionsbereichen zeigt Abb. 2.2-7. hungen für ein Unternehmen sein. Sie sind da-
her mit Augenmaß in die Strategienentwicklung
Marketingmaßnahmen auf Unternehmensebene einzubeziehen. Fragen
z.B. nach dem Nutzen der F+E-Programme, der
Unter Marketing ist die konsequente Ausrich- Höhe des F+ E-Budgets, der internen oder exter-
tung der Unternehmensaktivitäten auf aktuelle nen Abwicklung von F+E-Projekten, der Zen-

I
Teilziele des Unternehmens
Offensiv- lnvest- u. Wachstums-
lnvest- u.
Wettbewerbs-, Markt- und Ertragsziele
strategien Wachstums-
strategien Strategien
"" Schaffung zukünftiger Abschöpfungs vorh. Freisetzu ng von
-~
li Gewinnpotentiale Gewinnpotentiale Finanzmitteln
~ Abschöpf· Obergangs- lnvest- u. und Marktanteile und Marktanteile
::: Strategien Strategien Wachstums-
~ Strategien
Norm-Strategien
"'
:::;:
Oesinvest.- Abschöpf- Defensiv· • Offensivstr. • Abschöpfungsstr. • Desinvestitionsstr.
strategien Strategien strategien • lnvestions- und • Defensivstr.
Wachstumsstr. • Übergangsstr.
Relative Wettbewerbsvorteile - • Übergangsstr.

Funktionsbereiche Strategische Maßnahmen


Marketing
f+E
Produktion und Beschaffung
Personal
Finanzen und Rechnungswesen
Kooperation/ Fusion/Akquisition

Abb. 2.2-7 Teilziele des Unternehmens, Normstrategien und relevante Funktionsbereiche

2-114 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.2-2 Marketingmaßnahmen

Normstrategien
Investitions- und Selektive Strategien Abschöpfungs- und
Wachstumsstrategien Desinvestitionsstrategien
Vergrößern Wachstum in Teilmärktenl Rückzug
Marketingmix Erweitern Position sichern
1 Produktpolitik • Diversifikation • Schwerpunktbildung · Produktbegrenzung
• Innovation • Bereinigung · Aufgabe von Produkten
2 Preis- und Konditionen· • Preisführerschaft • Selektive Preisbildung • Abschöpfungspreis
politik · BOT • Preisstabilität
3 Kommunikationspolitik • Prod uktwerbung • Selektive Produktwerbung • Unterstützung der Abschöp-
• Firmenwerbung · Selektive Firmenwerbung fungspreispolitik
• Corporate ldentity • Reduzierung d. Kommunikation

I 4 Distributionspolitik · Gründung Nl. ZNL. Fil. • Straffung d. NL·Struktur • Schließung von NL

Tabelle 2.2-3 Maßnahmen im Produktionsbereich

Nr. Fragen Alternative Maßnahmen

Ausmaß der vertikalen • Produktion im eigenen Unternehmen (Eigenfertigung)


Integration • Kauf von außen (Fremdbezug)
2 Ausmaß der horizontalen • Ausführung von Komplettleistungen (SF-Bau u. Finanzierung u. Vermarktung/
Integration Verwaltung/Betrieb)
• Konzentration auf Schwerpunkte (einzelne Gewerkelleistungsbereiche)
3 Produktionsverfahren, • hoher Mechanisierungs- und Automatisierungsgrad
Technologien • handwerkliche Fertigung
4 Größe und Standorte • Kapazitätserweiterung im Vorlauf zur Nachfragesteigerung
der Fertigungsbetriebe • Kapazitätsanpassung auf konstantem Niveau
• Kapazitätsdrosselung im Vorlauf zur Nachfragesättigung
· Dezentralisation durch Niederlassungen und Filialen
• Konzentration auf zentralen Standort
5 Ersatzbeschaffung u. • Planung von Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen
Instandhaltung · vorbeugende Instandhaltung
• Ausmusterung/Reparatur bei Ausfall/Störungen

tralisierung oder Dezentralisierung von F+E- Fachkunde, Erfahrung, Leistungsfähigkeit und


Maßnahmen sowie nach dem zweckmäßigsten Zuverlässigkeit bewiesenen LeistungspotentiaL
Verhältnis zwischen Innovation und Imitation Strategische Fragestellungen für alternative
lassen sich nur dann beantworten, wenn zuvor Maßnahmen im Produktionsbereich enthält
die strategischen Stoßrichtungen festgelegt wur- auszugsweise Tabelle 2.2-3.
den. F+ E-Tätigkeit gewinnt in dem Maß an Be-
deutung, in dem sie zu strategisch gewollten Ak- Maßnahmen im Beschaffungsbereich
tionsleistungen führt. Die Prioritäten der F+ E-
Felder lassen sich ebenfalls in einer Portfolio- Die Beschaffung und der Einkauf gewinnen ins-
matrix ordnen [Hirschfeld 1996; Diederichs 1988; besondere bei Bauunternehmen zunehmend an
Diederichs 1989]. Bedeutung. Dies gilt nicht nur für die traditio-
nelle Beschaffungvon Lieferleistungen wie Bau-
Maßnahmen im Produktionsbereich und Betriebsstoffen, Baumaschinen und Bau-
geräten, sondern auch für die Beschaffung von
Der Wert eines Unternehmens besteht maßgeb- Planungs- und Bauleistungen infolge der zuneh-
lich in der Gesamtheit seiner Produktions- menden Projektentwickler- und Generalunter-
kenntnisse und -fähigkeiten, d.h. dem durch nehmertätigkeiten.

Unternehmensführung 2-115
Bei der Beschaffung von Produkten und Lei- der steuerrechtlich zulässigen Möglichkeiten zur
stungen sind Planung, Lenkung und Überwa- Förderung der verfolgten Unternehmensstrate-
chungsfunktionen eindeutig zu regeln und zu gien. Rechtfertigen Cash-flow-Erwartungen lang-
dokumentieren. Firmeninterne Kriterien, nach fristige Investitions- und Wachstumsstrategien
denen Lieferanten und Nachunternehmer aus- eines oder mehrerer Geschäftsfelder, so wird das
gewählt werden, sind festzulegen. Ansprüche Unternehmen tendenziell versuchen, seine Bi-
und Forderungen an die Lieferanten sind ein- lanzierungswahlrechte zu einem Vorziehen von
deutig in den Beschaffungsunterlagen festzule- Liquidität zwecks Finanzierung dieser Strategi-
gen. Maßnahmen zur Nachweisführung sind zu en zu nutzen.
vereinbaren. Mit der strategischen Geschäftsfeldplanung sind
In den Leitlinien "Qualitätsmanagement im sorgfaltige Abschätzungen des Kapitalbedarfs,
Bauwesen" (Hauptverband der Deutschen Bau- die überprüfungvon Alternativen zur Finanzie-
industrie 1995,S.l5) heißt es dazu u.a.:"Zur Um- rung und Liquiditätssicherung sowie zur Absi-
setzung dieser Anforderungen sind die Methoden cherung von Liquiditätsrisiken eng verknüpft.
und vertraglichen Regelungen für die Zertifizie-
rung von Produkten darzulegen und ist ein Infor- Maßnahmen zur Kooperation, Fusion und Akquisition
mations- und Rückmeldesystem einzurichten."
In allen industriellen Unternehmen, deren Grö-
Maßnahmen im Personalbereich ße eine bestimmte Schwelle übersteigt, besteht
die Notwendigkeit der internationalen Ausdeh-
Das Personal ist das wichtigste Kapital jedes Un- nung. Internationalisierung bedeutet nicht nur
ternehmens. Viele Mitarbeiter erwarten ihre För- Aufbau von Produktionsstandorten und Ver-
derung und ihren Aufstieg innerhalb eines und triebssystemen im In- und Ausland, sondern
nur eines Unternehmens. Unternehmensleitun- auch Joint-ventures, Kooperationsabkommen
gen beschränken sich dagegen häufig darauf, die und die Bildung von internationalen Konsorti-
Förderung ihrer Mitarbeiter am akuten Bedarf en. Das Ziel der Internationalisierung ist nicht
zu orientieren. Wenn es gelingt, die strategische vorrangig der Absatz von Gütern und Dienstlei-
Unternehmensplanung mit der individuellen stungen im Ausland, für die der Inlandsmarkt zu
Karriereplanung der Mitarbeiter in Einklang zu klein geworden ist, sondern v.a. der Zugang zu
bringen, gewinnt ein Unternehmen allein dar- neuen herausfordernden Aufgabenstellungen,
aus einen wichtigen Wettbewerbsvorsprung ge- technologischen und organisatorischen Gestal-
genüber den Konkurrenten, die nicht auf diese tungsmöglichkeiten sowie die Einbindung in ein
übereinstimmung achten. Das aus dieser These flexibleres Kooperations- und Informationssy-
abzuleitende Ziel setzt ein konsequentes Perso- stem [Bollinger 1996].
nalmanagement und darin eine sorgfaltige Per-
sonalentwicklung auf allen hierarchischen Ebe- Strategische Maßnahmen bei Investitions-,
nen voraus (vgl. Abschn. 2.2.3). Wachstums- und Offensivstrategien
Bei gleichem Entgeltniveau ist die Effektivität
und Effizienz der menschlichen Arbeitsleistung Das Spektrum möglicher Verhaltensweisen der
dennoch sehr verschieden. Eine dem Prinzip der Unternehmensführungwird von der Lage derbe-
Lohn- und Gehaltsgerechtigkeit folgende Lohn- stimmten Geschäftsfelder einer Unternehmung
und Gehaltspolitik des Unternehmens ist maß- in der Portfoliomatrix, den gezeigten Stoßrich-
gebliches Kriterium seiner Attraktivität für die tungen der Normstrategien und dem strategi-
besten Fach- und Führungskräfte. Der Spiel- schen Maßnahmenkatalog in den einzelnen
raum für die Unternehmensführung ist jedoch Funktionsbereichen bestimmt.
eng begrenzt durch die Ertragssituation sowie Die in Verfolgung dieser strategischen Alter-
die Bindung an Lohn- und Gehaltstarife einer- nativen zu planenden und in Abstimmung mit
seits sowie die Konkurrenz aus Niedriglohnlän- den einzelnen Funktionsbereichen durchzuset-
dern der EU und Osteuropas andererseits. zenden Aktionsprogramme sind entsprechend
zu differenzieren, wobei sich sowohl bei der In-
Maßnahmen zum Finanz- und Rechnungswesen vestitions- und Wachstumsstrategie als auch bei
der Offensivstrategie nur graduelle Unterschie-
Zu den Aufgaben des Rechnungswesens gehört de ergeben (Tabelle 2.2-4).
die Gestaltung des Jahresabschlusses im Rahmen

2-116 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.2-4 Strategische Maßnahmen der Funktionsbereiche bei Investitions-, Wachstums· und Offensivstrategien

Nr. Funktionsbereich Strategische Maßnahmen

Marketing · Diversifizieren, horiz. und vert. lntegration


1.1 Produktpolitik • Preis- und Konditionendifferenzierung
1.2 Kontrahierungspolitik • Produkt· und Firmenwerbung
1.3 Kommunikationspolitik • Gründung von Niederlassungen, Filialen
1.4 Distributionspolitik
2 Forschung und Entwicklung • F+ E·Aktivitäten intern und extern ausbauen
• Lösungen für Marktnischen entwic.keln
Produktion • Erhöhung der Mechanisierung + Automation
• Steigerung der Ressourcenverfügbarkelt
4 Beschaffung • Ausweitung und Steigerung des Wettbewerbs im Lieferantenkreis
• Verbesserung der Logistikorganisation
5 Personal • Personalentwicklung, Nachwuchsvorsorge
• Verstärkung der Aus- und Weiterbildung
• leistungsorientierte Mitarbeitervergütung
6 Finanzierung und Rechnungswesen • Investition in Personal, Maschinen und Geräte, Innovationen, Aus-
und Weiterbildung
• Verwendung aktueller Gewinne zur Finanzierung der Wachstums-
und Offensiv-Strategien
7 Kooperation, Fusion, Akquisition • Erwerb fehlender kritischer Ressourcen durch Knüpfung strategischer
Netzwerke (U.-erwerb, -fusion, -beteiligung, Arbeitsgemeinschaften)

Strategische Maßnahmen bei Konsolidierung oder Vertragsverhältnisse aufzulösen, wobei in


oder Rückzug beiden Fällen eine Einigung über ausstehende
Gewährleistungsverpflichtungen bzw. etwa ent-
Bei sorgfältiger Geschäftsfeldanalyse ist recht- stehende Schadenersatzansprüche erzielt wer-
zeitig zu erkennen, daß für einige Geschäftsfel- den muß. Die für die Kunden konfliktfreieste Lö-
der- oder auch für das gesamte Unternehmen - sung wird die Übernahme bestehender Verträge
eine Phase der Konsolidierung oder gar der Rück- durch eine Nachfolgeorganisation sein.
zug angezeigt ist. Sachanlagen, Patente und Lizenzen, laufende
Die Konsolidierung dient der Wahrung und Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, beste-
Festigung der gegenwärtigen Position. Dazu hende Kontakte und qualifizierte Mitarbeiter
empfiehlt es sich, eine Konzentration auf Schwer- stellen Potentiale dar, die keineswegs verschleu-
punkte vorzunehmen, Kostensenkungspro- dert werden dürfen, sondern unter den markt-
gramme einzuleiten und das Distributionsnetz wirtschaftlichen Gesetzen des Ausgleichs von
zu straffen. Innovative Anstrengungen werden Angebot und Nachfrage ihren Marktwert haben.
vorrangig zur Produktivitätssteigerung genutzt. Ziel muß es daher stets sein, das ganze Unter-
Zur Kostensenkung kann eine Ausweitung des nehmen oder zusammenhängende Unterneh-
Wettbewerbs im Lieferantenkreis beitragen. Per- mensteile in solche Organisationen einzubin-
sonalpolitik wird sich v. a. der Förderung der den, deren Geschäftsfeldpositionierung in der
Mitarbeiterqualifikationen, der Ergänzung feh- Portfoliomatrix Investitions- und Wachstums-
lender Kenntnisse und der Leistungsorientie- strategien rechtfertigt.
rung der Mitarbeiter widmen. Mit der Konsoli-
dierung wird auch der Versuch einhergehen, die 2.2.2.4
Fremdkapitalquote zu reduzieren. Die Knüpfung Zusammenfassung
strategischer Netzwerke durch Kooperations-
möglichkeiten liefert einen weiteren Beitrag. Zunächst werden die Möglichkeiten der strate-
Wird jedoch für einzelne Geschäftsfelder oder gischen Planung durch Positionierung der stra-
das ganze Unternehmen der Rückzug beschlos- tegischen Geschäftsfelder eines Unternehmens
sen, so sind bestehende Aufträge abzuwickeln in der Portfoliomatrix eines zweidimensionalen

Unternehmensführung 2-117
Untersuchungsraumes aus Marktattraktivität 2.2.3
des jeweiligen Geschäftsfeldes und den relativen Personalmanagement und
Wettbewerbsvorteilen des jeweiligen Unterneh- Organisationsentwicklung
mens in diesem Geschäftsfeld im Vergleich zu
den konkurrierenden Anbietern beschrieben. Motiv jeglicher Unternehmerischen Tätigkeit ist
Sodann werden strategische Alternativen in eic die Verfolgung von Unternehmenszielen. In der
nem zweidimensionalen Strategienraum erör- Kongruenz der Unternehmensziele und der In-
tert. Dieser wird einerseits gebildet durch die dividualziele der Mitarbeiter liegen die Chancen
Normstrategien des Portfoliomanagements mit der Unternehmen. Es gilt jedoch auch der Um-
Investitions- und Wachstumsstrategien, Ab- kehrschluß, daß in der Divergenz zwischen den
schöpfungs- und Desinvestitionsstrategien so- Unternehmens- und Individualzielen Ursachen
wie den selektiven Strategien der Offensive, des für Mißerfolge von Unternehmen zu suchen sind.
übergangsund der Defensive. Die zweite Dimen- Um die Unternehmensziele nach innen und
sion bilden Marketingstrategien der Geschäfts- nach außen deutlich zu machen, werden Unter-
feldauswahl, der Marktstimulierung, der Auswahl nehmensleitbilderentwickelt und veröffentlicht,
von Markt-Timing und Marktareal sowie ver- die eine Differenzierung in einzel-und gesamt-
schiedener Kooperationsformen. wirtschaftliche Teilziele für Mitarbeiter und Ge-
Bei der Diskussion der Ansätze für strategi- sellschaft, die Region sowie die Umwelt und ethi-
sche Maßnahmen wird einerseits differenziert sche Werte erkennen lassen. Dabei ist unver-
nach den wichtigsten Funktionsbereichen der zichtbar, daß die Menschen im Unternehmen
Unternehmensführung wie Marketing, For- eng in die Unternehmensleitbilder einbezogen
schung und Entwicklung, Produktion, Beschaf- werden. Dies wird aus folgendem Beispiel deut-
fung, Personal, Finanz- und Rechnungswesen lich [Diederichs 1996d]:
sowie Bildung strategischer Netzwerke. Im An- - Unsere Kunden sind für uns das A und 0.
schluß daran werden strategische Maßnahmen - Kundenzufriedenheit erlangen wir dadurch,
bei Investitions-, Wachstums- und Offensivstra- daß wir Qualität bieten.
tegien einerseits sowie bei Konsolidierung und - Grundlage unserer führenden Position ist die
Rückzug andererseits beleuchtet. technische Innovation.
Zusammenfassendes Ergebnis der Grundla- - Grundlage unserer Dynamik ist der Unter-
gen der strategischen Unternehmensführung ist, nehmergeist aller Mitarbeiter.
daß Führungskräfte stets vor neuen Herausfor- - Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes
derungen stehen, denen sie sich rechtzeitig stel- Kapital.
len und nach Möglichkeit mit eigenen Initiati- - Unsere jungen Mitarbeiter sind das Unter-
ven zuvorkommen müssen. Das Unternehmen nehmen von morgen.
als Ganzes, von der Unternehmensführung bis - Ausbildung dient der Entwicklung und Ver-
zum jüngsten Mitarbeiter, benötigt ein höchst vollkommnung unserer Fähigkeiten.
differenziertes Sensorium für seine Umwelt und - Kreativität ist die Grundlage großer Vorhaben.
dessen rapide Veränderungen. Eine fortschritts- - Aufstieg gründet sich auf Verdienst.
fähige Organisation zeichnet sich aus durch die - Herausforderungen erzeugen Fortschritt.
Sensibilisierung für Neues sowie die Fähigkeit
und Bereitschaft, dieses Neue produktiv zu ver- Nach Berth (1993) strebt modernes Führen Vi-
arbeiten. Diese Eigenschaften erfordern Emp- sionen, Freude und Erlebnisse der Gemeinsam-
findsamkeit für äußerst vielfältige Wünsche, Be- keit anstelle des Gehorsams und der Disziplin
dürfnisse, Fähigkeiten und Möglichkeiten all de- an. Die größten Erfolge werden seiner Meinung
rer, die mit dem Unternehmen zu tun haben. nach dann erzielt, wenn
Dies sind die Kunden, Konkurrenten und Liefe- - der Kunde Einmaligkeit durch Harmonie von
ranten einerseits, die Partner und Kapitalgeber Produkt und Persönlichkeit, gepaart mit
andererseits, aber auch die Öffentlichkeit und schöpferischer Vision, stärker und intensiver
v. a. die Mitarbeiter. erlebt als bei den drei wichtigsten Konkur-
renten,
- diese Einmaligkeit als Erlebnis über die Cor-
porate Identity kommuniziert wird,
- die interne Organisationseffizienz durch star-
kes Sicheinbringen und Sachkompetenz der

2-118 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Mitarbeiter zusammen mit konzentrierter 7. Es entsteht weniger überwachungs-und Kon-
Planung besser ist als die der Konkurrenz und trollbedarf durch Empowerment statt Kon-
- die Preise weniger Preiswiderstand hervorru- trolle, die nur noch in dem Maße stattfindet,
fen als diejenigen der Wettbewerber und die in dem dies wirtschaftlich sinnvoll ist.
Selbstkosten diese Preise rechtfertigen. 8. Eine Mischung aus Dezentralisierung und
Zentralisierung entsteht durch autonom ar-
Hammer/Champy (1994) fordern, daß im post- beitende Geschäftseinheiten und deren lau-
industriellen Zeitalter Aufgaben wieder zu kohä- fende Verbindung zur Zentrale mit Hilfe der
renten Unternehmensprozessen zusammenge- Informationstechnologie.
führt werden müssen. Nach ihrer Meinung be- 9. Die Vergütungsgrundlage richtet sich nach
drohen drei Kräfte maßgeblich den Bestand der Ergebnissen, nicht nach Tätigkeiten. Es wird
Unternehmen: nach Leistung bezahlt und nach Fähigkeiten
- die Kunden, die eine individuelle Behandlung befördert. Prämien richten sich nach Kun-
verlangen, denzufriedenheit
- der Wettbewerb, der maßgeblich von neuen 10. Manager wandeln sich vom Aufseher zum
Wettbewerbern, die sich nicht an traditionel- Coach, d.h., sie bereiten für ihre Mitarbeiter
le Spielregeln halten, und technologischen In- den Weg, fördern deren Fähigkeiten und
novationen bestimmt wird, sowie schaffen das richtige Umfeld, damit diese
- der permanente Wandel, der zur Konstante wertschöpfende Prozesse eigenverantwort-
wird und sich außerdem beschleunigt, da die lieh führen können.
Produktzyklen immer kürzer werden. 11. Hierarchische Organisationsstrukturen wei-
chen der flachen Organisation. Teams aus
Sie definieren daher Business Reengineering als gleichberechtigten Kollegen mit hohem Au-
fundamentales Überdenken und radikales Re- tonomiegrad werden mit Unterstützung we-
design von wesentlichen Unternehmensprozes- niger Manager tätig. Im traditionellen Sinn
sen und leiten daraus folgende Thesen ab: kann ein Manager nur etwa sieben Mitarbei-
1. Unternehmensprozesse werden von Prozeß- ter führen, dagegen kann er etwa 30 Beschäf-
teams unter Eliminierung von Schnittstellen tigten als Coach dienen.
und Obergabeprozeduren zusammengefaßt. 12. Induktives Denken ist erforderlich, um die
Prozeßmanager sind einzige Anlaufstellen Möglichkeiten der Informationstechnologie
für die Kunden. nutzen und überzeugende Lösungen erken-
2. Organisatorische Einheiten verändern sich nen zu können.
von Fachabteilungen zu Prozeßteams. Mit- 13. Den Mitarbeitern muß das Ziel vermittelt
arbeiter werden zu Entscheidungen bevoll- werden, daß alle nicht härter, sondern intel-
mächtigt, die Bestandteil ihrer Arbeit wer- ligenter arbeiten werden.
den (Empowerment). 14. Business Reengineering kann nur von oben
3. Einfache Aufgaben werden zu Wertschöp- nach unten erreicht werden (top down), da
fungsprozessen ausgestaltet; anstelle des An- nur starke Führung von oben die Menschen
lernens stehen die Aus- und Weiterbildung. bewegen kann, die aufgrund des Business
4. Prozeßabläufe werden durch "Entlinearisie- Reengineering ausgelösten Veränderungen
rung" und Ausnutzung von möglichen Ka- zu akzeptieren.
pazitäten in eine natürliche Reihenfolge ge-
bracht. Das Konzept der grundlegenden Veränderung
5. Es gibt mehrere Prozeßvarianten; durch von Unternehmensstrukturen durch Reenginee-
"Triage" (Auslese) werden die für eine be- ring wird ergänzt um eine auf fünf Pfeilern ba-
stimmte Situation bestgeeigneten Varianten sierende Reformidee, genannt "Genesis" [Holz-
ausgewählt (einfache, durchschnittliche und amer 1996]:
schwierige Fälle). 1. erfolgreiche Marketingstrategie, gerichtet auf
6. Die Arbeit wird dort erledigt, wo es am sinn- Preise und Kosten, Qualität und Service;
vollsten ist. Durch eine die Organisations- 2. Fähigkeit und Bereitschaft zu permanentem
grenzen überschreitende Neuverteilung der Wandel;
Arbeit wird Integrationsaufwand abgebaut. 3. Fähigkeit, in betrieblichen Prozessen mit
Abstimmungen werden auf das erforderli- Netzwerken, Mergers and Acquisitions sowie
che Minimum reduziert. mit Outsourcing zu operieren;

Unternehmensführung 2-119
4. Änderungen interner und externer Beziehun- schafdieher und strategischer Überlegun-
gen durch Nutzung neuer Kommunikations- gen sowie
technologien; - Personalinformationsmanagement, indem
5. Wandlung der Unternehmensführer von Be- auf gemeinsame Daten zur management-
fehlsgebern zu Beratern und Betreuern. orientiertenAusgestaltung der EDV im Per-
sonalwesen abgestimmt zugegriffen wird.
Fazit aus der Summe dieser Leitsätze, Thesen
und Anforderungen ist die Erkenntnis, daß er- Die zweite Dimension des personalwirtschaftli-
folgreiche Unternehmensführung maßgeblich chen Grundansatzes ist eine Differenzierung
vom Personalmanagement und der Organisati- nach den Managementebenen
onsentwicklung bestimmt wird. - operativ, d.h. mit einem kurzfristigen Pla-
nungshorizont überwiegend auf unterer Hie-
2.2.3.1 rarchieebene, mitarbeiter- und stellenorien-
Personalmanagement tiert;
- taktisch, d. h. mit mittelfristigem Planungsho-
Nach Scholz (1993) umfaßt Personalmanagement rizont, mittlerer organisatorischer Einbin-
die Summe aller betrieblichen Maßnahmen, die dung, gruppenorientiert in Vermittlerfunkti-
darauf abzielt, alle in einem Unternehmen an- on zwischen operativer und strategischer Ebe-
fallenden Aufgaben mit dem nach Qualifikation, ne;
Anzahl, Ort, Zeit und Motivation benötigten Per- - strategisch, d.h. mit langfristigem Planungs-
sonal zu verbinden. Aufgabe des Personalmana- horizont, hoher hierarchischer Einbindung,
gements ist daher, den Produktionsfaktor Arbeit unternehmensorientiert mit deutlichem Be-
(kreativ, dispositiv und ausführend) bedarfsge- zug zu den Erfolgspotentialen des Unterneh-
recht bereitzustellen. Dazu gehören als erste Di- mens.
mension:
1. Personalbestandsanalyse als informatorische Die dritte Dimension beschreibt zwei Ausgestal-
Basis für die Personalarbeit; tungsformen:
2. Personalbedarfsbestimmung zur Ermittlung - das informationsorientierte Personalmanage-
des im Zeitablauf erforderlichen Sollperso- ment, das Aussagen zur qualitativen und
nalbedarfs; quantitativen Personalplanung aus Anforde-
3. Personalveränderung mit rungs- und Fähigkeitsproflien sowie aus In-
- Personalbeschaffung über die Anpassung formationen der Personaleinsatzsteuerung
des Personalbestands an den aktuellen Be- liefert, und
darf durch Neueinstellung oder interne Re- - das verhaltensorientierte Personalmanage-
krutierung, ment, das sich an den Bedürfnissen, Motiven
- Personalentwicklung, indem die Qualifika- und Werten orientiert, die das Verhalten der
tion der Mitarbeiter gefördert wird, und Mitarbeiter steuern, v.a. im Feld der Personal-
- Personalfreisetzung durch Nichtwiederbe- führung.
setzung freigewordenerStellen oder Entlas-
sungen; Ausprägung des Personalmanagements
4. Personaleinsatzmanagement über die Zuord- in Bauunternehmen
nung vorhandener Mitarbeiter zu definierten
Positionen; Möller ( 1998) charakterisiert das Personalmana-
5. Personalführung durch Integration von Un- gement in Bauunternehmen mittels folgender
ternehmens- und Individualzielen; Thesen:
6. Personalkostenmanagement, indem das Per- - Bauunternehmen leiden an einer Rekrutie-
sonalmanagement mit den übrigen Teilen der rungslücke bei gewerblich Auszubildenden,
Unternehmensplanung, insbesondere der Fi- Facharbeitern und Polieren sowie Bauinge-
nanz- und Budgetplanung, verbunden wird; nieuren.
7. Integrationsfelder: - Die höher qualifizierten Personalkapazitäten
- Personalmarketing durch kundenorientier- sind überaltert.
te Zusammenführung von Personalbe- - Dem Lohntarifvertrag unterliegende Bauwer-
schaffung, -entwicklung und -freisetzung, ker (ungelernte Bauarbeiter) werden zuneh-
- Personalcontrolling mit Hilfe betriebswirt- mend von gewerblichen Arbeitnehmern aus

2-120 Bauwirtschaft und Baubetrieb


den EU-Staaten und Werkvertragsarbeitneh- An der Altersstruktur des Polierstands läßt sich
mern aus Osteuropa verdrängt. das Ergebnis versäumten Personalmanagements
- Das Personalmanagement beschränkt sich im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmer des
überwiegend auf das operative Tagesgeschäft Bauhauptgewerbes ablesen. Abbildung 2.2-10
der "Personalverwaltung" (Einstellungen, Ent- zeigt, daß im Jahr 1993 60% der Poliere 50 Jah-
lassungen nach kurzfristigen Bedarfsdisposi- re oder älter waren.
tionen und -meldungen; reaktives statt pro- Ein Vergleich mit Ansätzen anderer Branchen
aktives Handeln). zur Restrukturierung von Produktionsprozes-
- In Bauunternehmen besteht überwiegend ein sen zeigt, daß der Baubereich organisatorisch
Methodendefizit und mangelnde Professiona- gute Voraussetzungen für schlanke Formen der
lität im Personalmanagement sowie mangeln- Leistungserstellung bietet, da z. B.
de Orientierung an der Unternehmens- und - die Segmentierung durch die baustellenbezo-
Geschäftsfeldstrategie. gene Bauauftragsfertigung bereits gegeben ist,
- Gruppenarbeit in der Kolonnenorganisation
Die Thesen Möllers stützen sich auf eine Erhe- gewachsene Tradition ist und
bung bei 35 deutschen Bauunternehmen durch - geeignete Entlohnungsformen aufgrund der
mündliche halbstandardisierte Interviews mit Entgelt- und Rahmentarifverträge sowie ma-
Trägern des betrieblichen Personalmanagements terielle Sozialkassen- und Verfahrenstarifver-
(Vorstände, Geschäftsführer, Niederlassungslei- träge für die Bauwirtschaft seit mehr als drei
ter, Personalleiter). Befragungsergebnisse zeigen Jahrzehnten eingeführt und z. T. allgemein-
auszugsweise Abb. 2.2-8 und Abb. 2.2-9. verbindlich sind.

Die Initiierung und Umsetzung kontinuierlicher


Verbesserungsprozesse ist dagegen im Baube-
Existieren einheitliche unternehmensweit reich vielfach noch zu eng ausgeprägt.
geltende Grundsätze für die Mitarbeiterführung? Da der Anteil schlüsselfertiger Bauaufträge zu-
nimmt, gewinnt die Vergabe von Nachunterneh-
nicht beantwortet
3% merleistungen durch Werkverträge zunehmend
an Bedeutung. Der Werkvertrag hat in den ver-
gangenen Jahren auch in dem klassischen Kern-
geschäft der Bau unternehmen, dem Rohbau, ei-
.ne bedeutende Rolle erhalten. Rohbauarbeiten
oder Teile davon (z.B. die Schal- und Beweh-
ja rungsarbeiten) können oft kostengünstiger ex-
(schriftlich fixiert) tern über einen oder mehrere Werkverträge ein-
12 %
gekauft als mit unternehmenseigenen Beschäf-
Abb. 2.2-8 Existenz von Grundsätzen zur Mitarbeiter- tigten produziert werden.
führung Die höhere Produktivität der Nachunterneh-
mer hat ihre Ursache im höheren Spezialisie-

ln Ihrem Unternehmen wird im Personalbereich oft improvisiert!


50 %
47 %
40 %
30 %
r::-::-:-:-
20 % 1- 26 % 1 -
10 % 1-- t--- rls%1
0% I
f6%l I I 0%
I
3%
,------,
I
st1mme voll zu st1mme zu neutral lehne ab lehne ganz ab mcht
beantwortet

Abb. 2.2-9 Improvisation im Personalbereich

Unternehmensführung 2-121
1.600
1.400

1.200
~
.!!! 1.000
0
0..
:;; 800
-o
..c
:3
c: 600
<C

400
200
0
15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 >70 Jahre

Abb. 2.2-10 Altersstruktur des Polierstands (Poliere und Schachtmeister)

rungsgrad und in z. T. niedrigeren Lohn- und denden Bauaufgaben verlangen eine Ausbildung
Lohnzusatzkosten. Dies gilt v.a. für Nachunter- von mehr Generalisten. Dies erfordert die Ein-
nehmer aus Niedriglohnländern der EU und beziehung wirtschaftlicher, rechtlicher, organi-
Osteuropas. In der Bauproduktion wird es nur satorischer sowie gebäude- und anlagentechni-
dann auch weiterhin unter deutschen Arbeits- scher Fächer mit Fallstudien in die vorrangig
verträgen stehende gewerbliche Mitarbeiter ge- noch rein bautechnisch und naturwissenschaft-
ben, wenn diese das Lohngefälle durch eine ent- lich geprägten Studienpläne, um für Aufgaben
sprechend höhere Produktivität ausgleichen des ganzheitlichen Immobilien- und Infrastruk-
können. Die Wettbewerbskräfte werden protek- turmanagements mit Projektentwicklung, Pro-
tionistischen nationalen Regelungen wie dem jektmanagement und Facility Management ge-
vorläufig bis zum 30.08.99 befristeten Arbeit- rüstet zu sein.
nehmer-Entsendegesetz (AEG vom 26.02.96,
l.Ä. 16.12.97) sowie dem Tarifvertrag zur Rege- Personalstrategien
lung eines Mindestlohnes im Baugewerbe (TV
Mindestlohn vom 17.07.97) nur vorübergehen- Unter der Zielsetzung einer branchenweiten
de Geltung verschaffen. Professionalisierung der Unternehmerischen
Im Bereich der technischen und kaufmänni- Personalarbeit wurden von Möller (1998) zwei
schen Angestellten sowie der Führungskräfte der Personalstrategien entwickelt, die einander er-
Bauwirtschaft gibt es ebenfalls Personalstruktur- gänzen:
und Bedarfsdeckungsprobleme. Nach Angabe - die Personalentwicklungsstrategie, bei der der
des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie Aspekt der Personalqualität im Vordergrund
(HVBi) beim Fakultätentag für Bauingenieur- steht, und
und Vermessungswesen am 06./07.10.1998 in - die Personalkapazitätsstrategie, die auf Dek-
Graz werden jährlich ca. 5500 neue offene Stellen kung des qualitativen und quantitativen Per-
für Bauingenieure erwartet, denen 1999 und in sonalbedarfs abzielt.
den Jahren danach etwa 5400 Absolventen von
Universitäten und Fachhochschulen (mit fallen- Die Personalentwicklungsstrategie will den Per-
der Tendenz) gegenüberstehen werden. sonalbedarf durch Steuerung der Personalqua-
In der Ausbildung wird neben der Vermittlung lität bei gegebener Personalkapazität realisieren.
bautechnischer Fachkompetenz die Vermittlung Damit soll der Personalbedarf mittels unterneh-
von Führungseigenschaften wie Kreativität, Ver- mensinterner Mitarbeiterpotentiale gedeckt
antwortungs- und Problembewußtsein sowie und die externe Personalbeschaffung minimiert
Teamfähigkeit und soziale Kompetenz, Feemd- werden.
sprachenkenntnisse und rhetorische Fähigkei- Unter Beachtung der zu gewährleistenden
ten erwartet. Die zunehmend komplexer wer- Kongruenz zwischen Unternehmenszielen und

2-122 Bauwirtschaft und Baubetrieb


individuellen Mitarbeiterzielen bekommen die qualifizierte Nachwuchskräfte zu anderen Un-
Festigung sowie das Erlangen jener Qualifika- ternehmen abwandern.
tionen oberste Priorität, die die Mitarbeiter be- Die prozeßorientierten Aufgabenschritte der
nötigen, um gegenwärtige und zukünftige Lei- Personalentwicklung zeigt Abb. 2.2-11. Die übli-
stungsanforderungen zu bewältigen. che Methode zur Ermittlung des Entwicklungs-
Der Zusammenhang zwischen Personal- und potentials ist das Expertenurteil der Vorgesetzten
Organisationsentwicklung ist zunächst dadurch oder aber auch das Assessment -Center, ein kom-
gegeben, daß die Personalentwicklung vorrangig plexes, standardisiertes, eintägiges oder mehrtä-
individuelle Faktoren wie Qualifikation und Mit- giges Verfahren zur Ermittlung und Feststellung
arbeiterverhalten fördern will, während die Or- von Verhaltensleistungen, meist in Gruppen von
ganisationsentwicklung Unternehmerische und sechs bis acht Personen.
betriebliche Strukturen der Aufbau- und Ablau- Bei den einzelfallspezifischen Maßnahmen
forganisation verbessern will. Personalentwick- wird unterschieden zwischen Personalentwick-
lungsergebnisse lösen jedoch Impulse für die Jung into the job als Hinführung zu einer neuen
Weiterentwicklungvon Organisationen und um- Tägigkeit, on the job als direkte Maßnahme am
gekehrt Organisationsänderungen Verhaltens- Arbeitsplatz, near the job als arbeitsplatznahes
änderungen der betroffenen Mitarbeiter aus. Die Training und off the jobals Weiterbildung, along
optimale Synergie von Personal- und Organisa- the job als laufbahnbezogene Entwicklung und
tionsentwicklung führt zum Idealzustand der out of the job als Ruhestandsvorbereitung.
lernenden Organisation, die eigenständig orga- In Anlehnung an Portfolios zur Einordnung
nisatorische Konsequenzen aus personellen Ent- von Geschäftsfeldern werden auch Personalport-
wicklungen und personelle Konsequenzen aus folios in einer zweidimensionalen Matrix der ge-
organisatorischen Verbesserungen zieht. genwärtigen Leistung sowie des Leistungs- und
Voraussetzung für die Anwendung einer Per- Entwicklungspotentials als Grundlage für grup-
sonalentwicklungsstrategie ist das Vorhanden- penspezifische Personalentwicklung angewandt
sein eines ausreichenden Entwicklungspotenti- (Abb. 2.2-12).
als bei der Belegschaft. Herausragende und sinn- Wichtiger Bestandteil der Personalentwick-
voll aufeinander aufbauende Maßnahmen der lung ist die laufbahnbezogene Weiterbildung in-
Personalentwicklung sind die Mitarbeiterbeur- to und along the job. Hierzu werden seitens der
teilung, die berufsbegleitende Weiterbildung so- größeren Bauunternehmen Traineeprogramme
wie die motivationsstärkende Förderung, Vergü- angeboten, mittels derer z.B. Absolventen des
tung und Mitarbeiterbeteiligung, um aus Mitar-
beitern Mitunternehmer zu machen.
Die strategische Personalentwicklung ist auf
längerfristigen Personalbedarf aus Unterneh- 1. Bestimmen der Fähigkeitslücken
menssicht zu orientieren. Gleichzeitig sind die
Karrierewünsche und die Interessen der Mitar- 2. Ermitteln des Entwicklungspotentials
beiter angemessen zu berücksichtigen. Die Kar-
riereplanung ist ein wichtiger Bestandteil der
strategischen Personalentwicklung. 3. Ermitteln des Entwicklungsvolumens
Zur taktischen Personalentwicklung gehört
die Planung von Führungsseminaren und ande- 4. Festlegen des einzelfallspezifischen
ren Förderungsmaßnahmen unter Berücksich- Adressatenkreises
tigung der Selbstentwicklungsmöglichkeiten.
Im Rahmen der operativen Personalentwick- 5. Festlegen der einzelfallspezifischen
lungwerden stellenbezogene Kenntnisse und Fä- Maßnahmen
higkeiten über kurzfristig angelegte externe oder
interne Schulungsprogramme sowie die Ausbil- 6. Durchführen der Entwicklungsmaßnahme
dung am Arbeitsplatz vermittelt.
Grundlage der Mitarbeiterbeurteilung ist das 7. Kontrolle der Personalentwicklung
regelmäßige Mitarbeitergespräch über das Eig-
nungsprofil und die Entwicklungsbedürfnisse.
Bei Unternehmen, die keine Laufbahnpläne mit Abb. 2.2·11 Arbeitsschritte der Personalentwicklung
Mitarbeitern besprechen, besteht die Gefahr, daß

Unternehmensführung 2-123
Leistungs- und MA-Kategorie Normstrategien
Entwi<klungspotential
Nachwuchskraft Aufbauen: systematische Einführung in die
Unternehmenspraxis und gezielte
Schulung durch Job Enlargement
Nachwuchskraft Spitzenkraft
(Fragezeichen) (Star) Spitzenkraft Ausbauen: Beförderung einplanen und Erfah-
rungshintergrund verbreitern durch
. Unkraft" Job Rotation
01
c: Fachkraft
'<:: (Problem- Fachkraft Ernten: Vorhandene Fähigkeiten voll aus-
(Routinier)
"'
01 mitarbeiter) nutzen und überlegen, ob Führungs-
schulung angebracht ist
genng hoch Gegen-
wärtige •Unkraft" Abbauen: Arbeitsplatzwechsel einleiten, ggf.
Leistung Kündigung veranlassen

Abb. 2.2-12 Personalportfolio

Bauingenieurstudiums auf spätere Führungs- gatorischem Seminarunterricht" von 18 Mona-


aufgaben vorbereitet werden. ten Dauer angeboten [Refisch 1988]. Diese Kom-
In einem Zeitraum von 18 bis 24 Monaten bination von Arbeit und Lernen verlagert über
durchlaufen die Trainees alle wichtigen Statio- den Fernunterricht Lernphasen in die Freizeit
nen wie Technisches Büro, Kalkulation, Arbeits- des Teilnehmers und vertieft in der beruflichen
vorbereitung, Vertragswesen, Projekt-/Baulei- Praxis gewonnene Erfahrungen systematisch.
tung und Abrechnung. Sie werden als Führungs- Die Lehrinformationen werden direkt am Ar-
nachwuchskraft so mit täglicher Arbeit betraut, beitsplatz "getestet".
daß sie selbständig jeden Teil bearbeiten und Ein wesentliches Element der Personalent-
durch die Korrektur ihrer eigenen Arbeit lernen. wicklung ist die Mitarbeitermotivation. Scholz
Dabei werden sie aktiv in die Entscheidungs- (1993) hat in seinem Grundlagenwerk u.a. auch
prozesse mit einbezogen, um durch das Entschei- die Inhalts- und Prozeßtheorien der Motivation
denlassen zu lernen, richtige Entscheidungen zu untersucht. Bei einer Gegenüberstellung der Be-
treffen. dürfnishierarchie von Maslo, der Satisfaktoren
Das Traineeprogramm in den einzelnen Aus- (Motivatoren) und Dissatisfaktoren (Hygienfak-
bildungsstationen wird ergänzt um Seminare, toren) von Herzberg sowie der vier Grundmoti-
u. a. über Grundlagenwissen für Projekt-/Baulei- ve von McCielland gelangt Scholz (1993) zu der
ter,Abwicklung von Rohbau- und schlüsselferti- Bewertung (Abb. 2.2-13), daß die Bedürfnisse
gen Bauvorhaben, Mitarbeiterführung und nach Maslo sukzessive von der Basis der Bedürf-
Kommunikations-/ Argumentationstraining so- nispyramide zur Pyramidenspitze abgearbeitet,
wie EDV-Anwendung in der Bauunternehmung. nach Herzberg gleichzeitig berücksichtigt und
Weitere Formen der Personalentwicklung bie- nach McCielland als ständig wechselndes Zu-
ten Aufbaustudiengänge an Universitäten, Fach- sammenspiel der vier Grundbedürfnisse zu in-
hochschulen und Instituten, z.B. an der Privatu- terpretieren sind.
niversität in Witten-Herdecke mit dem einjähri- Stellvertretend für die zahlreichen Methoden
gen Studienkurs "Technik und Management in und Instrumente zur Förderung der Motivati-
der Bau- und Anlagenbauindustrie", an der Bau- onsfaktoren wird verwiesen auf die anforde-
akademie Biberach mit der Ausbildung zum Di- rungs- und leistungabhängige Entgeltdifferen-
plom-Wirtschaftsingenieur (FH), am Betriebs- zierung und die allseits zu beobachtende Förde-
wirtschaftlichen Institut der Bauindustrie (BWI- rung der Leistungsentlohnung anstelle der Ver-
Bau) in Düsseldorf mit der Vorbereitung auf die gütung nach Zeitaufwand.
IHK-Prüfung zum Baufachwirt sowie an der Im- In Ergänzung zur Personalentwicklungsstra-
mobilienakademie in Oestrich-Winkel die ein- tegie verfolgt die Personalkapazitätsstrategie das
jährige Zusatzausbildung zum Immobilienöko- Ziel, Erfolge aus hoher Kapazitätsauslastung bei
nom. gegebener Personalqualität zu realisieren, indem
Die Lehrgänge des BWI-Bau werden in Form Personalbedarf und -bestand zu möglichst gro-
eines Kombistudiums "Fernunterricht mit obli- ßer dauerhafter Deckungsgleichheit gebracht

2-124 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Maslow II Herzberg II McCielland

I ~~
wirk-
ung Arbeit selbst, Leistungsstreben
.g Verantwortung, ""0
c:
Anerkennungs- \ ·~ Beförderung 5:
..c: Machtstreben
bedürfnis -€·o:; ~
c;, ~
Beziehungen zu Vorgesetzten,
/ soz.iale Bedürfnisse \ Zugehörigkeitsstreben
Untergebenen u. Mitarbeitern

I Sicherheitsbedürfnisse \ Sicherheit
Vermeidungsstreben
I physiologische Bedürfnisse \ Arbeitsbedingungen, Gehalt

Abb. 2.2-13 Gegenüberstellung der Motivationsfaktoren

werden. Dabei sind drei Alternativen zu unter- Produktionskapazitäten aufNull (Extremfall der
scheiden: Strategie der Mindestkapazitäten) wird der Bau-
- die Auslastungsstrategie, unternehmer zum Generalübernehmer, da er
- die Arbeitszeitstrategie und keine eigenen Bauleistungen mehr erbringt. Da-
- die Strategie der Mindestkapazitäten. mit geht jedoch auch die Möglichkeit der Perso-
nalentwicklung auf den Gebieten verloren, die
Bei der Auslastungsstrategie ist es Aufgabe der Kernkompetenzen der Bauunternehmen dar-
Auftragsakquisition, den vorhandenen Perso- stellen.
nalbestand bestmöglich auszulasten. Dies ist die Möller (1998) hat ein Modell für bedarfsdek-
im Baugewerbe "klassische" Strategie der Perso- kendes Personalmanagement in Bauunterneh-
nalarbeit men entwickelt, indem er ein dreidimensionales
Bei der Arbeitszeitstrategie werden Bedarfs- Koordinatensystem definierte mit einer Prozeß-
schwankungen durch kurz-, mittel- oder lang- achse für die Planungs- und Bauabwicklung, ei-
fristige Anpassung der individuellen Arbeitszei- ner Institutionenachse für die Leitungsebenen
ten der Mitarbeiter ausgeglichen. In der statio- der Unternehmung und einer Funktionenachse
nären Industrie entwickelte Arbeitszeitmodelle für die Personalmanagementaufgaben, die er
haben einen mehrjährigen Zeithorizont mit ei- weiter nach operativen, taktischen und strategi-
ner Durchschnittsdauer von 40 bzw. 37 Std./Wo- schen Maßnahmen differenzierte (Abb. 2.2-14).
che, wobei je nach Bedarf z.B. 30 Wochenstun- Dieses Koordinatensystem bildet den Rahmen
den nicht unterschritten und 50 Wochenstunden zur Behandlung aller Personalmanagementfunk-
nicht überschritten werden dürfen. Die Ausge- tionen der Personalbestandsanalyse, -bedarfs-
staltung derartiger Modelle muß die Unterneh- bestimmung, -beschaffung, -entwicklung, -frei-
mensbedürfnisse nach Kapazitätsflexibilität mit setzung, des Personaleinsatzes, der Personal-
den Mitarbeiterbedürfnissen nach mittelfristi- führung und der Integrationsfelder. Die Summe
ger Arbeitszeitdisposition miteinander kombi- der abzuwickelnden Projekte erzeugt den Perso-
nieren. Modelle der langfristigen Arbeitszeitfle- nalbedarf zum Zeitpunkt t. Hier wird das Perso-
xibilisierung können nur zwischen den Ver- nalziel definiert. Die Personalmanagementfunk-
tragspartnern vereinbart werden. tionen decken den geweckten Bedarf durch die
Die Strategie der Mindestkapazitäten dient jeweiligen Leitungsebenen des Unternehmens.
der Konsolidierung bei minimiertem Personal- Je nach Unternehmensgröße und Geschäftsfeld
bestand. Mit der eigenen Mindestkapazität sol- sind die Zeiträume über die kurz-, mittel- und
len die Grundleistungen abgedeckt werden, die langfristige Planung individuell zu definieren.
als Auftragseingänge sicher prognostiziert wer- Die eigenen personellen Kapazitäten bilden den
den können. Bedarfsspitzen werden durch Zu- Schwerpunkt der Modellanwendung. Ziel ist ei-
kauf von externen Leistungen über Werkverträ- ne prozeßorientierte Personalstruktur.
ge abgedeckt. Bei einer Reduzierung der eigenen

Unternehmensführung 2-125
I. Prozesse (t) .erzeugen" den Bedarf

1 Personalbestandsanalyse
2 Personalbedarfsbestimmung
3 PersonalbeS<halfung
4 Personalentwicklung
S Personalfreisetzung
6 Personaleinsanmanagement
Betrachtungs· 7 Personalführung
8 Personalkostenmanagement
zeitpunkt
t=~,_--r----r-r-.--70~

A GeS<häftsführung
c 8 Projekt-/Oberbauleitung
C Bauleitung
B 0 Polier
E Vor-/Facharbeiter

Abb. 2.2-14 Modell für bedarfsgerechtes Personalmanagement in Bauunternehmen

2.2.3.2 rung nach dem Verrichtungsprinzip auf (Tren-


Organisationsentwicklung nung von kaufmännischen und technischen Tä-
tigkeiten). Die Unternehmerischen Aufgaben
Die Organisationsentwicklung von Unterneh- werden unterteilt in die Auftragsbeschaffung
men dient der Verbesserung der organisatori- und Kalkulation, die Arbeitsvorbereitung, Bau-
schen Leistungsfähigkeit zur Erreichung der leitung und Abrechnung, den Einkauf und die
strategischen Ziele des Unternehmens und der Maschinen-/Geräteverwaltung sowie die Admi-
Verbesserung der Qualität des Arbeitslebens für nistration.
die Mitarbeiter. Dieses Ziel wird mit einer Stra- Abbildung 2.2-15 zeigt beispielhaft das Orga-
tegie des geplanten und systematischen Wandels nigramm eines Bauunternehmens mit ca. 25 ge-
erreicht, der durch die Beeinflussung der Orga- werblichen und 3 angestellten Mitarbeitern, das
nisationsstruktur, der Unternehmenskultur und von einem Bauunternehmer geführt wird. Sie er-
des individuellen Verhaltens zustande kommt im brachten im Jahr 1998 eine Bauleistung von ca.
Sinne einer selbstlernenden Organisation. 5 Mio. DM im Bereich des Hoch- und Stahlbe-
tonbaus (vorwiegend im Bereich des Umbaus
Traditionelle Organisationsstrukturen und der Modernisierung). Der Aktionsradius
der Bauunternehmen des Unternehmens beträgt 50 km. Die Aufgaben
der Unternehmensführung sind auf den Inha-
Die folgenden Ausführungen konzentrieren ber als technischen Leiter und einen kaufmän-
sich auf die Aufbauorganisationen von Bauun- nischen Angestellten als kaufmännischen Leiter
ternehmen, die nach Kleinunternehmen (bis 49 verteilt. Die kaufmännische Leitung ist Stabs-
Mitarbeiter), mittelständischen Unternehmen stelle für die Geschäftsführung, da sie keine Ent-
(SO bis 499 Mitarbeiter) und Großunternehmen scheidungs- oder Weisungsbefugnis hat. Neben
(500 und mehr Mitarbeiter) unterschieden wer- dem Inhaber übernimmt ein Bautechniker tech-
den. nische Leitungsaufgaben. Beide sorgen für die
Die traditionelle Aufbauorganisation der etwa Akquisition, Kalkulation, Abrechnung und weit-
70000 Kleinunternehmen des Bauhauptgewerbes gehend auch für die Bauleitung der im Durch-
in Deutschland weist überwiegend eine Gliede- schnitt laufenden zehn Bauaufträge.

2-126 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Geschäftsführung
Technische Leitung 1

Abb. 2.2-1 S Aufbauorganisation eines Kleinunternehmens

Kompetenzüberschneidungen werden da- Mittelständische Unternehmen haben daher


durch vermieden, daß jeder seine Baustelle vom häufig den Nachteil, daß sie für die einfache und
Angebot bis zur Abnahme selbst betreut. Tradi- betriebssichere Organisation des Kleinunterneh-
tionell ist damit die Geschäftsführung nach dem mens schon zu groß und für die systematisch
Verrichtungsprinzip gegliedert. Die technischen eindeutige und detaillierte Gliederung der Auf-
Aufgaben werden weiter nach dem Objektprin- gaben und deren Übertragung auf einzelne Stel-
zip gegliedert, d.h., die Mitarbeiter werden den leninhaber der Großunternehmen noch zu klein
jeweiligen Aufträgen zugewiesen. Je nach Größe sind.
des Auftrags übernimmt entweder ein Polier oder Abbildung 2.2-16 zeigt das Organigramm ei-
ein Vorarbeiter die Bauführung. Überschreitet nes mittelständischen Bauunternehmens mit
der Auftragseingang die vorhandenen personel- 250 Mitarbeitern, davon 190 Gewerblichen und
len Stammkapazitäten, so werden im gewerbli- 60 Angestellten. 1998 wurde eine Bauleistung
chen Bereich zusätzliche Saisonkräfte eingestellt. von 95 Mio. DM erbracht, davon ca. 80 o/o im Be-
Der zusätzliche Bedarf an Baustellenaufsichten reich des Hoch-, Gewerbe- und Ingenieurbaus
wird dann mit Hilfe von Stammvorarbeitern ab- und etwa 20% im Wohnungsbau. Der Aktionsra-
gedeckt. dius um den Stammsitz sowie eine Niederlas-
Die geringe Tiefe und Breite der Aufbauorga- sung West und eine Niederlassung Ost beträgt je-
nisation ermöglicht eine schnelle Weitergabe der weils rund 80 km.
Anordnungen der Unternehmensleitung an die Die Aufbauorganisation ist streng nach dem
Mitarbeiter. Die Aufgaben, Kompetenzen und Liniensystem organisiert. Jede Stelle innerhalb
Verantwortungen werden ohne besondere orga- der Unternehmung erhält nur von jeweils einem
nisatorische Maßnahmen gut verteilt. Vorgesetzten Anweisungen. Entscheidungen wer-
Die traditionelle Aufbauorganisation der gut den nur von einer Person getroffen, nachdem
5000 mittelständischen Unternehmen des Bau- man vorher im Team darüber diskutiert hat.
hauptgewerbesmit 50 bis zu 499 Mitarbeitern ist Die Geschäftsführung besteht aus einem Bau-
i.d.R. geprägt durch gleichrangige Anwendung ingenieur und einem Baukaufmann mit entspre-
des Verrichtungs- und Objektprinzips. Die Auf- chender direkter Weisungsbefugnis an die tech-
tragsbeschaffung ist organisatorisch häufig ein nischen Leiter und den kaufmännischen Leiter.
Gebilde eigener Art, da neben der Unternehmens- Die Geschäftsführung richtet Anweisungen aus-
leitung und dem Kalkulator häufig die Baulei- schließlich an die Abteilungsleiter, um den Weg
tung und die Arbeitsvorbereitung mitwirken. der Linienorganisation strikt einzuhalten.
Die Leitung von Großaufträgen wird vielfach In erster Instanz ist die Unternehmung nach
Führungskräften gleichrangig neben technischen dem Verrichtungsprinzip (technische und kauf-
und kaufmännischen Leitungsaufgaben zuge- männische Seite) und weiter nach dem Raum-
ordnet. Dies kann zu komplizierten und unü- prinzip (Stammsitz und zwei Niederlassungen)
bersichtlichen Organisationsstrukturen führen gegliedert. Die Arbeitsergebnisse z. B. der Arbeits-
mit Aufgaben- und Kompetenzüberschneidun- vorbereitung werden nur über die Oberbaulei-
gen wegen der fließenden Abgrenzung der Ver- ter an die Bauleiter übermittelt, um auch hier die
antwortungsbereiche. Linienorganisation zu wahren. Die Vertretungs-

Unternehmensführung 2-127
1----------1 Niederlassung Ost

Abb. 2.2-16 Aufbauorganisation eines mittelständis<hen Unternehmens

frage ist im firmenspezifischen Organigramm Ebene nach dem Raumprinzip in Niederlassun-


festgelegt. Der Vorteil eindeutiger Zuständigkei- gen, Zweigniederlassungen und z. T. auch Ge-
ten für den Regelfall muß um Sonderregelungen schäftsstellen und nach dem Spartenprinzip
für den Ausnahmefall ergänzt werden, um die auch in Sparten-Niederlassungen (z.B. Projekt-
notwendige Flexibilität zur Wahrnehmung der entwicklung, Spezialtiefbau) gegliedert. Verschie-
Chancen zur Weiterentwicklung zu schaffen. dene Funktionen sind aus den Zweigniederlas-
Die gleichrangige Anwendung des Verrich- sungen und Niederlassungen ausgegliedert und
tungs-, Raum- und Objektprinzips kennzeichnet als Stabsstellen bei den Hauptniederlassungen
die traditionelle Organisationsstruktur der etwa oder auch in der Zentrale zusammengefaßt.
90 Großunternehmen des Bauhauptgewerbes in Wachsenden Märkten in einzelnen Regionen
Deutschland. Nach dem Verrichtungsprinzip paßt sich das Unternehmen an, indem es sein
stehen technische und kaufmännische Aufga- Niederlassungsnetz verdichtet. Die Spartennie-
ben, das Technische Büro und die Kalkulation, derlassungen haben für die Gesamtregion der
nach dem Objektprinzip Großaufträge und Fer- Hauptniederlassung volle Kompetenz und Ver-
tigteilbau sowie nach dem Raumprinzip Nieder- antwortung im Rahmen der übertragenen Auf-
lassungen und Auslandstätigkeiten rangmäßig gaben. Sie müssen aber bei der Verfolgung ihrer
auf einer Ebene. Dabei kann es Aufgaben-, Kom- Ziele die Hilfe der regionalen Zweigniederlas-
petenz- und Verantwortungsbereichsüberschnei- sung in Anspruch nehmen, die am Ergebnis be-
dungen geben, wenn z.B. der Bauleiter eines teiligt wird, sofern sie akquisitorisch oder durch
Großauftrags sowohl von der Unternehmens- als Personalbereitstellung zur erfolgreichen Auf-
auch der Niederlassungsleitung, der Projektlei- tragsbeschaffung oder Baudurchführung bei-
tung des Großauftrags und der Oberbauleitung trägt. Der operative Bereich des Unternehmens
Weisungen erhält. hat wieder die klassische hierarchische Ordnung
Die Hauptniederlassungen der großen deut- über den Oberbauleiter, der mehrere Baustellen
schen Bauaktiengesellschaften werden in der 2. betreut, zum Bauleiter, der je nach Auftragsgröße

2-128 Bauwirtschaft und Baubetrieb


eine oder mehrere Baustellen leitet, bis zum Po- Projekt- bzw. Bauleitern gegenüber weisungsbe-
lier und Vorarbeiter. rechtigt sind.
Innerhalb der Sparten eines Unternehmens Als formale Organisationsstruktur empfiehlt
kann es im Zusammenwirken mit den regiona- sich die Linienorganisation mit informalen In-
len Niederlassungen zu Bereichsegoismen mit formationswegen zur Abkürzung der Hierar-
heftiger Konkurrenz um personelle und materi- chiewege. Diese informale Struktur wird mitbe-
elle Ressourcen kommen. Die Unternehmenslei- stimmt vom Netzwerk zwischenmenschlicher
tung sowie in den Unternehmen eingerichtete Beziehungen der Mitarbeiter und entsteht meist
Lenkungskreise müssen diesen Egoismusten- spontan, so daß seitens der Geschäftsführung
denzen entgegenwirken. vorrangig nur auf das zielkonforme Funktionie-
ren geachtet werden muß. Je nach Größe des Un-
Organisationsentwicklung ternehmens empfiehlt sich auch die Einrichtung
von Koordinations- oder Projektgruppen.
In der Realität sind Sollstrukturen für die Auf- Für die Großunternehmen ist eine Organisati-
bauorganisation von Bauunternehmen nicht onsstruktur zu empfehlen, die zunächst nach
auffindbar, sondern lediglich Handlungssyste- dem Raumprinzip in Niederlassungen gliedert,
me als Resultat aus konzipierten Sollstrukturen auf der nächsten Ebene in Sparten aufteilt- z.B.
und realem menschlichen Verhalten. Daher kön- Hochbau, Schlüsselfertigbau, Ingenieurbau,
nen keineswegs Patentrezepte empfohlen wer- Straßenbau und Umwelttechnik (divisionale
den, sondern nur ausbaufähige organisatorische Gliederung) - mit dem entsprechenden Zentrie-
Konzepte, die modellhaft die wesentlichen Ele- rungsprozeß der jeweils erforderlichen Ressour-
mente beinhalten. cen. Unterhalb der Raum- und Spartengliede-
Kleinunternehmen lassen sich organisatorisch rung werden die verrichtungsorientierten und
nach dem Verrichtungsprinzip gliedern, wobei an dem Stablinienprinzip orientierten Gliede-
die Führungsaufgaben auf ein bis zwei Personen rungsformen als Subsysteme integriert. Dadurch
konzentriert werden. Diese übernehmen i.d.R. entsteht auch in größeren Bauunternehmen ei-
auch die Leitung der Bauausführung, indem sie ne obere, mittlere und untere Leitungsebene.
mit den Bauführern direkt zusammenarbeiten. Die formale Gliederung nach Niederlassun-
Die Inhaber bzw. Geschäftsführer kleiner Bau- gen und Sparten mit der Gefahr überzogenen
unternehmen sind grundsätzlich als "Universal- Profit-Center-Denkens reicht allerdings nicht
managergenies" zu bezeichnen, da sie die Aufga- aus, um alle gesamtunternehmerischen Zusam-
ben der Unternehmensführung (planen, ent- menhänge ganzheitlich einzuordnen und die
scheiden, kontrollieren, anpassen) für alle Ver- Existenz der einzelnen Bereiche angemessen zu
richtungen (technische und kaufmännische Lei- fördern. So läßt sich eine Aufbauorganisation
tung, Auftragsbeschaffung, Kalkulation, Arbei- mit Koordinationsgruppen als neuem Typus ei-
tsvorbereitung, Oberbauleitung, Abrechnung, nes Leitungsstabes entwickeln. Diese Stabsstel-
Personalführung und Administration) in Perso- len haben i.allg. informierende und beratende
nalunion von ein bis max. zwei Inhabern bzw. Funktion. Aufgrund ihrer Fachkompetenz erhal-
Geschäftsführern vereinen. In der Flexibilität ten sie jedoch häufig eine ihnen von den Linien-
dieses Unternehmerischen Einsatzes liegen ei- positionen zugesprochene Leitungsautorität, die
nerseits die Chancen, in der großen Lücke bei sich aus der personal-räumlichen Nähe zur Un-
Ausfall durch Krankheit oder sonstige Umstän- ternehmensleitung ableiten läßt. Damit treten
de die großen Risiken. Leitungsstäbe zwischen Unternehmensleitung
Für mittelständische Unternehmen ist eine und nachgeordnete Instanzen.
funktionsorientierte Organisationsstruktur mit Koordinationsgruppen, die für übergeordne-
Einführung einer mittleren Leitungsebene ange- te Projekte zuständig sind, können auch als rei-
bracht, um damit die oberste Leitungsebene von ne Projektorganisation agieren. Sie werden auch
unnötig vielen Einzelfällen zu entlasten. Um den als "Task Force" bezeichnet. Dabei werden die
Projekt- bzw. Bauleitern an Ort und Stelle einen Mitarbeiter für die Dauer des Projekts aus den
direkten Ansprechpartner zu bieten, kann je weiterhin innerhalb der Sparte bestehenden
nach Unternehmensgröße der technische Leiter Funktionsabteilungen vollkommen herausge-
die Oberbauleitung mit übernehmen, oder aber löst und in einem Projektteam zusammengefaßt,
es werden Oberbauleiterstellen besetzt, die der wobei die bisherige disziplinarische Unterstel-
technischen Leitung direkt unterstellt und den lung erhalten bleibt. Die bisherigen Rangunter-

Unternehmensführung 2-129
schiede der Mitarbeiter sind während der Projekt- zur Erreichung ihrer strategischen Ziele und zur
dauer aufgehoben. Nach dem Projektabschluß Verbesserung der Arbeitsqualität erhöhen. Bei
wird den Mitarbeitern im Unternehmen wiede- der vergleichenden Darstellung der traditionel-
rum ein anderes Aufgabengebiet übertragen. len Organisationsstrukturen der Unternehmen
Der Projektleiter besitzt außerordentliche Kom- des Bauhauptgewerbes zeigen sich gravierende
petenz und die alleinige Verantwortung für das Unterschiede: Die etwa 70000 Kleinunternehmen
Projekt und dessen Durchführung. Alle am Pro- mit bis zu 49 Mitarbeitern sind überwiegend
jekt beteiligten Mitarbeiter werden unter seiner nach dem Verrichtungsprinzip strukturiert. Die
Leitung zu einer Projektgruppe als Subsystem Aufbauorganisation der gut 5000 mittelständi-
zusammengefaßt. schen Unternehmen mit 50 bis 499 Mitarbeitern
Personalstrategien und Organisationsent- ist gekennzeichnet von der gleichrangigen An-
wicklungen rütteln in erheblichem Maße an tra- wendung des Verrichtungs- und Objektprinzips.
ditionellen Unternehmensstrukturen und be- Traditionelle Organisationsstruktur der 90 Groß-
rühren den Führungsstil v.a. auf taktischer und unternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern ist
strategischer Managementebene. Daher emp- die Verknüpfung von Verrichtungs-, Raum-,
fiehlt sich eine laufende Überprüfung der Füh- Sparten- und Objektprinzip.
rungskonzeption im Hinblick auf eine stärkere In der Organisationsentwicklung haben die
Eigenständigkeit der Mitarbeiter durch Zielver- Inhaber bzw. Geschäftsführer von Kleinunter-
einbarung, Erweiterung der Entscheidungsbe- nehmen darauf zu achten, daß sie ihrer Anforde-
fugnisse und Übertragung ganzheitlicher Auf- rung als "Universalmanagergenie" gerecht wer-
gaben. den. Für mittelständische Unternehmen ist eine
Linienorganisation mit mittlerer Leitungsebene
2.2.3.3 zu empfehlen unter Bildung zeitlich begrenzter
Zusammenfassung Koordinations- oder Projektgruppen. Bei den
sich ausbildenden informalen Informationswe-
Personalmanagement umfaßt die Summe aller g~n zur Abkürzung der Hierarchiewege durch das
betrieblichen Maßnahmen mit der Zielsetzung, Netzwerk zwischenmenschlicher Beziehungen
alle in einem Unternehmen anfallenden Aufga- ist seitens der Geschäftsführung darauf zu ach-
ben mit dem nach Qualifikation, Anzahl, Ort, ten, daß diese Vereinfachungen die Grundprin-
Zeit und Motivation benötigten Personal zu ver- zipien der system-, entscheidungs-und verhal-
binden. Dabei ist zu beachten, daß in der Kon- tensorientierten Unternehmensführung nicht
gruenz der Unternehmensziele und der Indivi- verletzen bzw. in Frage stellen.
dualziele der Mitarbeiter die Chancen der Unter- Für Großunternehmen ist eine Gliederung
nehmen liegen. nach Niederlassungen und Sparten zu empfeh-
In diesem Beitrag wird zur Ausprägung des len und weiter nach verrichtungsorientierten
Personalmanagements in Bauunternehmen auf- und an dem Stablinienprinzip orientierten Sub-
grundvon Interviews festgestellt, daß es sich viel- systemen mit oberer, mittlerer und unterer Lei-
fach noch auf das operative Tagesgeschäft der tungsebene. Große Bedeutung haben auch in
Personalverwaltung beschränkt. Möller (1998) Großunternehmen ziel- und zweckorientierte
schlägt statt dessen im Sinne einer Professionali- Koordinationsgruppen von zeitlich begrenzter
sierung der Personalarbeit die Anwendung ein- Dauer.
ander ergänzender Personalentwicklungs- und
Personalkapazitätsstrategien vor. Nach der Per- 2.2.4
sonalentwicklungsstrategie soll der Personalbe- Managementsysteme für Qualität,
darf durch Steuerung der Personalqualität aus Arbeitssicherheit und Umweltschutz
unternehmensinternen Mitarbeiterpotentialen
gedeckt werden. Ergänzend verfolgt die Perso- Die kontinuierliche Verbesserung der Prozeßab-
nalkapazitätsstrategie das Ziel, den Personalbe- läufe im Unternehmen und auf den Baustellen ist
darf und den Personalbestand zu möglichst gro- eine ständige Herausforderung für die Untern eh-
ßer dauerhafter Deckungsgleichheit zu bringen. mensführung. Die Qualität, mit der ein Unter-
Zum Einsatz gelangen dabei die Auslastungs-, nehmen Leistungen erbringt, wird maßgeblich
Arbeitszeit- und Mindeskapazitätsstrategie. von den Kunden und zusätzlich von den Mitar-
Die Organisationsentwicklung soll die organi- beitern, Nachunternehmern, Mitbewerbern und
satorische Leistungsfähigkeit der Unternehmen Behörden bestimmt.

2-130 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.2.4.1 management, d.h. die auf die Mitwirkung aller
Ziele integrierter Managementsysteme ihrer Mitglieder gestützte QM-Methode einer
Organisation, die die Qualität in den Mittelpunkt
Managementsysteme haben zum Ziel, die Pro- stellt und über die Zufriedenheit der Kunden auf
zeßabläufe im Unternehmen so zu strukturieren, langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen
daß sie die Unternehmensziele fördern, u. a. durch für die Mitglieder der Organisation und für die
- Erwirtschaften einer angemessenen Rendite, Gesellschaft zielt. In dieser Definition ist bereits
- Erfüllen von Kundenwünschen, der Brückenschlag zur Arbeitssicherheit und
- Sicherstellen von Wettbewerbsvorteilen und zum Umweltschutz enthalten.
- Einhalten gesetzlicher Bestimmungen.
Umweltschutz
Teilziele, die die Qualität, die Arbeitssicherheit
und den Umweltschutz fördern sollen, sind v.a. Analog zur 9000er-Serie sind für das Umwelt-
- Schutz der Mitarbeiter vor Gefahren, management im Jahre 1996 Teile der DIN EN
- attraktive Arbeitsplätze und ISO 1400 lff verabschiedet worden. Der Schwer-
- Vermeidung von schädlichen Umwelteinflüs- punkt der ISO 14001liegt in der Erfassung, Be-
sen. wertung und Vermeidung der Umweltauswir- .
kungen einer Organisation durch vorsorgenden
Das Einleiten von Maßnahmen zur Förderung Umweltschutz.
der Unternehmensziele, die regelmäßige Kon- Dieses Ziel verfolgt auch die Verordnung
trolle der Zielerreichung und das Realisieren von (EWG) Nr. 1836/93, die auch EG-Öko-Audit-Ver-
Verbesserungsmaßnahmen sind die wesentli- ordnung oder EMAS-VO (Environmental Mana-
chen Inhalte von Managementsystemen. Um die gement Audit Scheme) genannt wird. Die Ver-
Wirksamkeit des Systems nach außen darstellen ordnung EMAS-VO ist für die Bauindustrie nur
zu können, kann sich ein Unternehmen externen bedingt anwendbar. Nach Artikel 3 der Verord-
Prüfungen (Audits) unterziehen. nung gilt diese nur standortbezogen für statio-
näre Betriebe. Bauunternehmen können deshalb
2.2.4.2 Umweltmanagementsysteme nach EMAS bei-
Regelwerke spielsweise für ihre Fertigteilwerke oder Beton-
mischanlagen, nicht aber für das gesamte Unter-
Der Aufbau von Managementsystemen orien- nehmen einführen. Die Teilnahme am Umwelt-
tiert sich an Standardisierungen. Diese können managementsystem (UMS) ist zunächst freiwil-
den Status von Verordnungen, Normen oder lig. Entscheidet sich ein Unternehmen jedoch
Checklisten haben. Ziel dieser Standardisierun- dafür, gilt die EMAS-VO als Gesetz. Mit dem Um-
gen ist es, Managementsysteme über ein Zertifi- weltauditgesetz (UAG) vom 07.12.1995 wird die
kat bzw. eine Teilnahmeerklärung prüfbar und EMAS-VO in deutsches Recht umgesetzt. Die
somit transparent zu machen. Erweiterungsverordnung UAG-ErwV vom
03.02.1998 dehnt den Geltungsbereich auf wei-
Qualität tere Wirtschaftsbereiche und die öffentliche Ver-
waltung aus. Die baugewerbliche Tätigkeit ist je-
1994 wurde die Normenreihe DIN EN ISO 9000ff doch nach wie vor nicht erfaßt.
verabschiedet. Sie ist auf Qualitätsmanagement Inhaltlich ist eine Orientierung an EMAS
(QM) und Qualitätssicherung (QS) ausgerichtet. durchaus möglich. Nach Artikel 2e der Verord-
Für das QM bedeutet dies, daß ein Unternehmen nung (EWG) Nr.1836/93 wird mit Umweltmana-
darzulegen hat, welche Regeln zur Planung, Ar- gement der Teil des gesamten übergreifenden
beitsvorbereitung, Beschaffung und Bauaus- Managements erfaßt,der die Organisationsstruk-
führung existieren. tur, Zuständigkeiten, Verhaltensweisen, förmli-
Das QM-System befaßt sich u.a.mit den Kun- chen Verfahren, Abläufe und Mittel für die Fest-
den- bzw. Lieferantenbeziehungen und ist damit legung und Durchführung der Umweltpolitik
wesentlicher Teil des Gesamtmanagementsy- einschließt. In dieser Definition zeigt sich, daß
stems. Die Erweiterung des Qualitätsbegriffs auf die Ansätze zum Umweltmanagement weit über
das ganze Unternehmen ist Voraussetzung für die Produkte im Sinne des QM hinausgehen und
Total Quality Management (TQM). Nach DIN EN eher im Sinne eines TQM zu verstehen sind, das
ISO 8402 bedeutet TQM umfassendes Qualitäts- sich auf das gesamte Unternehmen bezieht.

Unternehmensführung 2-131
Für die Anpassung der gesetzlichen Vorgaben und die petrachemische Industrie zunehmend
und der Normungsvorgaben wurde in der Ent- ein sog. "Sicherheits-, Gesundheits- und Um-
scheidung 97/264/EG die DIN EN ISO 14001 als weltschutz-Managementsystem" (SGU-Mana-
geeignetes Zertifizierungsverfahren gemäß Ar- gementsystem). Die Anforderungen sind in je-
tikel12 der EMAS-VO anerkannt. nem SCC-Fragenkatalog definiert. Unterneh-
Bezogen auf die Abläufe im Unternehmen, er- men, die ein SGU-Managementsystem einge-
faßt das Umweltmanagement die Belange des führt haben, können sich dieses von einer akkre-
Umweltschutzes im wesentlichen durch eine In- ditierten Zertifizierungsgesellschaft zertifizie-
put-Output-Analyse in jedem Prozeßschritt. ren lassen.
Hierbei sind auf der Input-Seite v.a. Rohstoffe, Die SCC-Zertifizierung ist keine Konkurrenz
Energie und Wasser zu untersuchen und deren zu den berufsgenossenschaftliehen Vorschrif-
Einsatz zu minimieren (präventiver Umwelt- ten. Sie soll vielmehr helfen, die Umsetzung der
schutz). Auf der Output-Seite sind im Sinne des Vorschriften und das Prüfen der Umsetzung zu
nachgeschalteten Umweltschutzes die Abfälle erleichtern. Unternehmen, die die Forderungen
und Abwässer optimal zu entsorgen und Immis- der Berufsgenossenschaften einhalten und dies
sionen aufgrund der im Prozeß entstehenden dokumentieren können, erfüllen bereits wesent-
Emissionen zu vermeiden. liehe Voraussetzungen für eine Zertifizierung
nach dem SCC-Fragenkatalog.
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Derartige sektorale Zertifikate bergen die Ge-
fahr in sich, daß andere Wirtschaftsbereiche, die
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind als Auftraggeber auftreten, wiederum andere An-
Elemente des Managementsystems, deren Nor- forderungen an ein Arbeitsschutzmanagement-
mierung erst z.T. angestrebt wird. Standardisie- system stellen und damit die Unternehmen ei-
rungen im beschriebenen Sinn existieren bisher nem regelrechten Zertifizierungsdruck ausge-
nicht und sind auf internationaler Ebene zu- setzt werden. Dies kann zur Folge haben, daß die
nächst auch nicht vorgesehen. Vorstöße der spa- Anforderungen unübersichtlich werden und da-
nischen und britischen Normungsorganisatio- mit die Akzeptanz bei den Mitarbeitern infolge
nen hatten bisher keine Auswirkungen auf die immer neuer Regeln sinkt.
europäische Normung.
Bereits 1989 wurde die Richtlinie zur Verbes- 2.2.4.3
serung der Sicherheit und des Gesundheitsschut- Gemeinsamkeiten und Integrationsansätze
zes für Arbeitnehmer bei der Arbeit (89/391/
EWG) erlassen. Sie wurde für Deutschland durch Die Standardisierungen von Managementsyste-
das 1996 verabschiedete Arbeitsschutzgesetz men orientieren sich an Elementen, die in den
(ArbSchG vom 07.08.1996, l.Ä. 16.12.1997, BGBl Bereichen Qualität, Umweltschutz und Arbeits-
I S.1246) in nationales Recht umgesetzt. Zusam- sicherheit Gemeinsamkeiten aufweisen. Bei der
men mit der sog. "Baustellenrichtlinie" (92/57/ Einführung eines Systems sind die Forderungen
EWG),die mit der Baustellenverordnung 1998 in der Normen zu beachten. Es hat sich aber als al-
nationales Recht umgesetzt wurde (BaustellV lein praktikabel erwiesen, diese den im Unter-
vom 10.06.1998, BGBl I S. 1283), regelt das Ar- nehmen tatsächlich ablaufenden Prozessen an-
beitsschutzgesetz die Arbeitssicherheit und den zupassen (HVBi 1999).
Gesundheitsschutz in der Bauwirtschaft Diese Das Einrichten eines Managementsystems er-
Gesetze haben für die Einrichtung eines Mana- fordert i. allg. folgende Schritte:
gementsystems jedoch nicht den Praxisbezug - Festlegen einer Unternehmenspolitik durch
wie die zuvor beschriebenen Normen für Quali- die Geschäftsführung,
täts- und Umweltmanagement - Auswahl der wesentlichen Abläufe im Unter-
Ausgelöst durch die Mineralölindustrie, be- nehmen,
gann in den Niederlanden die Entwicklung eines - Vereinbaren von Regeln für die wesentlichen
Zertifzierungssystems nach SCC (Sicherheits- Abläufe,
Certifikat-Contraktoren), das 1993 durch den - Dokumentieren der Regeln in einem Organi-
dortigen Akkreditierungsrat zugelassen wurde. sationshandbuch oder im Intranet,
Nach der Übertragung und Anpassung an die - Schulen der Mitarbeiter,
deutschen Verhältnisse in Form eines SCC-Fra- - Prüfen der Wirksamkeit der Regeln und ggf.
genkatalogs fordern die deutsche .Mineralöl- Einleiten von Korrekturmaßnahmen,

2-132 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.2-5 Synopse von Prozessen und Managementelementen (Auszug)

Kap. Prozeß/ Namedes Kapitel Kapitel Namedes Kapitel Inhaltedes sec-


Element Elements 9001 9004 Elements 1400 sec- Ziffer
nach DIN Teil1 nach DIN Teil1 Fragen·
EN IS09001 EN ISO 14001 katalogs

1 Grundsatzerklärung Qualitäts- 4.1 .1 Umweltpolitik 4.2 Grundsatz- 1.1•


und Aufgaben politik erklärung
der Geschäfts-
Ieitung Verantwortung 4.1 4 Organisations- 4.4.1 Einbindung 1.3.,.
der Leitung strukturund desoberen 1.4
Verantwort- und mittleren
Iiehkeii Managements

... - Ziele, 4.3.3 SGU-Programm 1.5.1'


Aufgaben, Aktionsplan
Programme

2 Organisation des Organisation 4.1 4 Organisations- 4.4.1 SGU-Struktur 1.2.1'


Management- strukturund
systems Verantwort-
Iiehkeil
Qualitäts- 4.2 5 Allgemeine 4.1 Arbeitsschutz- 5.1
management- Forderungen, 4.4.4 ausschuß
system Dokumentation 4.4.6
des UMS,
Ablauflenkung

3 Akquisition und Vertragsprüfung 4.3 8 Ablauflenkung 4.4.6


Vertragsprüfung

4 Planungs- Designlenkung 4.4 10 Ablauflenkung 4.4.6 Projektplan 6.2


Ieistungen 11

6 Beschaffung von Beschaffung, 4.6 9 Ablauflenkung 4.4.6 Einkaufvon 9.1


Material und Kennzeich- 4.8 - Material und 9.2
Fremdleistungen nung und Leistung, ...
Rückverfolg- SGU-Anforde- 3.2'
barkeil rungenbei 6.3.3'
NU-Auswahl
8 Arbeitsvorbereitung Prozeßlenkung 4.9 10 Ablauflenkung 4.4.6 Bereitstellung 2.1 '
und 11 (umweltgerech- von geschultem 2.3.1•
Projektleitung te Produktions- Personal und 3.2'
prozesse) Sicherheits- ...
technischen
Einrichtungen

12 Logistik, Handhabung, 4.15 10.4 Ablauflenkung 4.4.6 Abnahmevon 9.3•


Wartung und Lagerung, 16.1 Betriebsmitteln
Reparatur Verpackung, u. 2
Konservierung,
Versand

15 Schulung, Schulung 4.18 18.1 Schulung, 4.4.2 Information, 4.,.


Motivation, Bewußtsein, Schulung, 4.2•
Kommunikation Kompetenz Kommunikation 4.3'
(spezifische ...
Ausbildung, ... )

16 Leistungen nach Kundendienst 4.19 11 Ablauflenkung 4.4.6


der Abnahme
(durch den AG)

• Mußbestimmungen

Unternehmensführung 2-133
- Bericht an die Geschäftsführung und ggf. an transparent zu machen und sie verbindlich im
die Öffentlichkeit. Unternehmen einzuführen, ist die Grundlage für
eine Leistungssteigerung des gesamten Unter-
Wegen des vergleichbaren Aufbaus der Regel- nehmens geschaffen.
werke für Qualität, Arbeitssicherheit und Um- Die Kundenorientierung ist ein weiterer be-
weltschutz ist das Erfüllen ihrer Anforderungen deutender Grundsatz in der Theorie prozeßori-
mit Hilfe eines integrierten Managementsystems entierter Managementsysteme. Jeder Prozeß hat
möglich. Darüber hinaus haben viele Zertifizie- einen Lieferanten und einen Kunden. Der Liefe-
rungsgesellschaften Auditoren bzw. Gutachter rant erzeugt eine Leistung, die ein Kunde für sei-
für die unterschiedlichen Teilbereiche, so daß ei- ne Arbeit benötigt. Der Begriff "Kunde" wird al-
ne Kombination von Zertifizierungen durchaus lerdings um eine innerbetriebliche Dimension
möglich ist. erweitert: Kunden sind nicht nur externe, son-
Um die Akzeptanz der Mitarbeiter für die ver- dern auch interne Abnehmer von Prozeßleistun-
schiedenen Zertifikate zu gewinnen, ist eine sen- gen. In einem prozeßorientierten Management-
sible Vorgehensweise zu empfehlen. Ohne eine system betrachtet jeder den Mitarbeiter, der die
Mitarbeiterbeteiligung ist das erfolgreiche Über- Arbeitsergebnisse für den folgenden Prozeß-
setzen der Norm in die Unternehmensabläufe schritt benötigt, als seinen Kunden, den er zufrie-
nicht möglich. Um die Zertifizierung zu erleich- denzustellen hat mit allen relevanten Parame-
tern, empfiehlt sich eine Zuordnung der Prozes- tern, der richtigen Materie und Information zum
se bzw. der Kapitel des Managementhandbuches richtigen Zeitpunkt in der gewünschten Qua-
zu den Elementen der Normen, wie es beispiel- lität.
haft in Tabelle 2.2-5 für einige Prozesse darge- Es gibt mehrere Möglichkeiten, relevante Pro-
stellt ist. zesse für den Aufbau des Managementsystems
im eigenen Bauunternehmen auszusuchen. Die
2.2.4.4 Normen zum Qualitätsmanagement (DIN EN
Einführung prozeßorientierter Managementsysteme ISO 9000ff) und Umweltmanagement (DIN EN
ISO 14001ff) enthalten Elemente, die von vielen
Managementsysteme sollen sich an den betrieb- Bauunternehmen zum Aufbau ihrer Manage-
lichen Erfordernissen orientieren. Für ein Unter- mentsystemegenutzt werden. Nachteilig an die-
nehmen ist eine prozeßorientierte Vorgehens- ser elementbezogenen Vorgehensweise sind al-
weise sinnvoll. Prozesse sind abteilungsüber- lerdings die Bezeichnungen, die durch diese Nor-
greifende Abläufe, die einen wesentlichen Bei- menreihen für die Prozesse eingeführt werden.
trag zum Erreichen der Unternehmensziele lei- Designlenkung, Prozeßlenkung, interne Audits
sten. Sie lassen sich mit Hilfe von Regeln be- und Verantwortung der Leitung sind Begriffe,
schreiben. Das alleinige Beschreiben der Ablauf- mit denen sich viele Mitarbeiter nicht identifi-
organisation in einem Organisationshandbuch zieren können. Jedes Bauunternehmen hat je-
ergibt allerdings noch kein Managementsystem. doch die Möglichkeit, eigene Bezeichnungen für
Erst wenn alle Prozesse auf die Unternehmens- diese Prozesse zu verwenden.
ziele ausgerichtet sind, kann von einem Manage- Alternativ können Prozesse mit Hilfe der Un-
mentsystem gesprochen werden. ternehmensziele ausgesucht und gewichtet wer-
Die Festlegung, was als eigenständiger Prozeß den. Ein Prozeß ist umso bedeutender für ein
gilt, ist subjektiv und von den Unternehmens- Unternehmen, je mehr er zum Erreichen der
zielen abhängig. Bauunternehmen, die für öf- Unternehmensziele beiträgt. Ausgehend von die-
fentliche Auftraggeber arbeiten, werden z. B. dem ser Definition, lassen sich die wichtigen Prozes-
Marketing und auch der Beratung vor Auftrags- se im Unternehmen identifizieren, indem die Ge-
erteilung nur geringe Aufmerksamkeit schen- schäftsleitung den Beitrag jedes einzelnen Pro-
ken. In Bauunternehmen, die hauptsächlich für zesses zur Verwirklichung der Unternehmens-
Kunden aus der Industrie tätig sind, haben da- ziele analysiert. Um diese Analyse zu erleichtern,
gegen beide Prozesse große Bedeutung. wird ein prozeßorientiertes Modell eines Bauun-
Grundlage eines prozeßorientierten Manage- ternehmens vorgestellt (Abb. 2.2-17).
mentsystemsist der Gedanke, daß standardisier- Prozesse in Bauunternehmen gliedern sich in
te Prozesse zu wiederholbaren Ergebnissen füh- Kern- und Dienstleistungsprozesse. Kernprozes-
ren. Wenn es gelingt, Ziele und Regeln von erfah- se sind einerseits auf externe Kunden (Bauher-
renen Mitarbeitern für die wichtigen Prozesse ren oder potentielle Auftraggeber), andererseits

2-134 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Unternehmensziele definieren und umsetzen

GI
"'
"'
GI

...a.
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0 Liquidität Ressourcen
sicherstellen bereitstellen
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Q.

Abb. 2.2-1 7 Prozenorientiertes Modell eines Bauunternehmens (nach [Gaitanides u.a. 1994])

auf interne Kunden, das sind die Abnehmer der Die Dienstleistungsprozesse versorgen die Kern-
Prozeßergebnisse, ausgerichtet. Dienstleistungs- prozesse mit den vier Produktionsfaktoren Per-
prozesse stehen wiederum im Kundenverhältnis sonal, Information, Betriebs- und FinanzmitteL
zu den Kernprozessen, d. h., Dienstleistungspro- Zu den Dienstleistungsprozessen gehören
zesse dienen im Sinne von Kundenaufträgen den - Persona/bereitstellung: Bereitstellen von Mit-
Kernprozessen. Die Dienstleistungsprozesse ge- arbeitern durch Personalmanagement (s. Ab-
währleisten damit die Funktionsfähigkeit der sehn. 2.2.3),
Kernprozesse und haben ausschließlich interne - Liquiditätssicherung: Sicherung der Zahlungs-
Stellen als Kunden. Für die Steuerung der Kern- fähigkeit des Unternehmens (s.Abschn. 2.1.8),
und Dienstleistungsprozesse ist ein Zielfin- - Ressourcenbereitstellung: Bereitstellen von Be-
dungs- und Umsetzungsprozeß notwendig. In- triebsmitteln, Werkstoffen und Fremdleistun-
nerhalb dieses Prozesses wird die strategische gen durch das Beschaffungsmanagement,
Bauunternehmensplanung vorgenommen. - Informationsversorgung: Aufbau und Pflege
Ein Bauunternehmen im Hochbau besitzt z.B. von Informations- und Kommunikationssy-
fünf Kernprozesse mit direktem Kundenkon- stemen.
takt:
- Marketing: Ankündigung und Anbieten von Je nach Bedarf können Prozesse in Teilprozesse
Dienstleistungen und Produkten des Bauun- gegliedert werden. Der Prozeß "Bauausführung"
ternehmens potentiellen Kunden gegenüber, kann z.B. in Bauvorbereitung, Bauproduktion
- Beratung: Beratung von Kunden mit dem Ziel sowie Prüfungen und Abnahmen aufgeteilt wer-
der Akquisition und Spezifikation von Kun- den. Beim Prozeß "Ressourcen bereitstellen" las-
denwünschen, sen sich die Teilprozesse Einkauf, Vergabe von
- Angebotserstellung: Abgabe eines kundenspe- Fremdleistungen und Logistik bilden. Bei die-
zifischen Angebots und Darstellen des Kun- sem Modell werden Qualität, Arbeitssicherheit
dennutzens, und Umweltschutz nicht additiv als eigenständi-
- Bauausführung: Bauwerkserstellung in der ge Prozesse erfaßt, sondern als Leitlinie in alle
vom Kunden gewünschten Qualität, Prozesse integriert.
- Kundendienst: laufende Kundenbetreuung
und Mängelbeseitigung während und nach
der Gewährleistungsfrist

Unternehmensführung 2-135
2.2.4.5 punkt von Managementsystemen. Während die
Ökonomie von Managementsystemen Wirtschaftlichkeit eine weitgehend berechenba-
re Größe ist, die den unternehmensinternen Pro-
Die Wirtschaftlichkeit von Managementsyste- zessen zugeordnet werden kann, wird der Aspekt
men ist nur schwer zu ermitteln, weil den Kosten der Wettbewerbsfähigkeit von der strategischen
nur selten ein quantifizierbarer und den Maßnah- Unternehmensführung aufgegriffen. Hier wird
men direkt zurechenbarer Nutzen gegenüberge- über Maßnahmen entschieden, die langfristige
stellt werden kann. Entwicklungen bei Mitbewerbern und besonde-
re Wünsche bei Kunden berücksichtigen, ohne
Wirtschaftlichkeit kurzfristig kostendeckend sein zu müssen.
Der Nutzen von Managementsystemen ist
Managementsysteme sind v.a. dann einzufüh- schwierig zu prognostizieren - ähnlich dem
ren, wenn ihr Nutzen die mit der Einführung ent- ständigen Installieren und Kontrollieren von Ab-
stehenden Kosten übersteigt. In Tabelle 2.2-6 wer- sturzsicherungen: Sie verhindern zwar Unfälle,
den einige Nutzen- und Kostenfaktoren von Ma- aber inwieweit sich dies kostensparend auswirkt,
nagementsystemen aufgeführt. Zur Quantifizie- ist nicht exakt quantifizierbar. Eine fehlende Ab-
rung der Wirtschaftlichkeit ist ein betriebliches sturzsicherung führt nicht zwangsläufig zu Un-
Informationssystem aufzubauen, in dem die re- fällen. Die Folgen eines eingetretenen Unfalls ha-
levanten Daten erfaßt werden. Mit fortschrei- ben jedoch nicht nur Kostenauswirkungen. Un-
tender gesetzlicher Entwicklung werden Unter- fälle zeugen von mangelhafter sozialer Mitar-
nehmen ohnehin Informationen abverlangt, die beiterverantwortung und lösen damit auch Ima-
auch innerbetrieblich von Nutzen sein können geschäden für das Unternehmen aus.
(z. B. Abfallbilanzen). Diese betrieblichen Infor-
mationen sind von besonderer Bedeutung 2.2.4.6
- als Grundlage für die Definition von Prozeß- Zusammenfassung
zielen,
- für die Überprüfung der Wirksamkeit von Die Zunahme von Aufgaben, die durch zertifi-
Maßnahmen, zierbare Managementsysteme auf die Unterneh-
- für die Bewertung des Nutzens eines Manage- men zukommen, darf nicht dazu führen, daß
mentsystems und sich Unmut und Resignation breitmachen. Viel-
- für den Vergleich mit anderen Unternehmen mehr ist darauf hinzuarbeiten, neue Anforde-
durch Benchmarking. rungen, die der Zielerreichung des Unterneh-
mens dienen, den Mitarbeitern in geeigneter
Ziel ist eine kontinuierliche Optimierung der Form zu übermitteln und somit gleichzeitig In-
Unternehmensprozesse. novationen und die Wettbewerbsfähigkeit zu för-
dern. Die z. Z. aktuellen Anforderungen aus Qua-
Wettbewerbsfähigkeit litätssicherung, Arbeitssicherheit und Umwelt-
schutz können v.a. dann intelligent erfüllt wer-
Neben der Wirtschaftlichkeit ist die Wettbewerbs- den, wenn man sie gemeinsam in die Prozesse
fähigkeit ein weiterer ökonomischer Gesichts- des Unternehmens integriert.

Tabelle 2.2-6 Nutzen und Kosten eines integrierten Managementsystems

Voraussichtlicher Nutzen Voraussichtliche Kosten


• Sicherung der Wenbewerbsfahigkeit · Aufbau des Systems
• Verbesserung der Produktionabläufe • Beratungsleistungen
• Schonung der Umwelt • Investitionen in Umstrukturierung
• Vermeidung von Unfällen • Personalweiterbildung
• Vermeidung von Gesundheitsrisiken • Auditierung
• Verringerung von Entsorgungkosten • Systempßege und ·prüfung
· Vermeidung von Gewährleistungsansprüchen
• behördliche Deregulierung
• Verringerung von Versicherungsprämien

2-136 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.2.5 Bei dezentraler Unternehmensführung mit um-
Controlling fassender Kompetenz der Führungskräfte über-
nehmen diese zunehmend die Verantwortung
Obwohl der Begriff "Controlling" seit etwa 1970 dafür, daß systematisch geplant und ein Con-
auch im deutschsprachigen Raum verbreitet ist, trollingsystem im Sinne des Regelkreises gemäß
erzeugt er bei vielen Mitarbeitern in den Unter- Abb. 2.1-32 realisiert wird. Die Controller haben
nehmen immer noch Mißverständnisse. Con- dann lediglich die Verantwortung dafür zu über-
trolling bedeutet nicht "Kontrolle". Es handelt nehmen, daß diese Verpflichtung auch erfüllt
sich nach Horvath (1996) vielmehr um die wirt- wird. In diesem Fall sind auch in Großunterneh-
schaftlich zielgerichtete Beherrschung, Lenkung, men nur wenige Controllerstellen erforderlich.
Steuerung und Regelung von Prozessen innerhalb Controlling muß sicherstellen, daß
eines Unternehmens. Damit ist Controlling Ma- - die Organisation zu der Strategie des Unter-
nagementaufgabe. Jede Führungskraft eines Un- nehmens paßt (structure follows strategy),
ternehmens übt Teilfunktionen des Controlling - das Personalführungssystem der Organisati-
aus. on entspricht (Zelte statt Burgen zur Veran-
Wichtiges Ziel jedes Unternehmens ist es, sei- schaulichung der häufigen Veränderung der
ne Existenz und damit die Existenz aller am Un- Aufbauorganisation) und
ternehmen Beteiligten dauerhaft zu sichern. Da- - das Informationssystem auf die Organisation
zu muß es zumindest mittel- und langfristig Ge- ausgerichtet ist.
winne erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, müs-
sen zu Controllingzwecken zahlreiche Informa- Ein vollständiges Controllinginformationssy-
tionen systematisch gesammelt, ausgewertet, . stem umfaßt sämtliche Unternehmensbereiche:
verdichtet und den Führungskräften des Unter- - die Auftragsbeschaffung (s.Abschn. 2.1.5.1),
nehmens in der für sie jeweils geeigneten Form - die Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
fristgerecht zur Verfügung gestellt werden. Die während der Auftragsabwicklung (Baustel-
Informationssammlung und Auswertung ist lencontrolling; s. Abschn. 2.1.5.3 und 2.2.5.3),
i.d.R. Aufgabe des unternehmensinternen Be- - die Beschaffung und Investition (s. Abschn.
richtswesens. Das Controlling hat für das zur Pro- 2.1.7) sowie
zeßsteuerung erforderliche Informations- .und - die Finanzierung und Liquiditätssicherung (s.
Kommunikationssystem nach Art, Inhalt, Um- Abschn. 2.1.8).
fang, Periodizität, Vernetzung und Wirkungs-
mechanismen bei Soll/Ist-Abweichungen zu sor- Von Führungskräften und Controllern wird eng-
gen. paß-, ziel-, nutzen- und zukunftsorientiertes
Denken und Handeln erwartet. Diese müssen
2.2.5.1 sich erstrecken auf
Merkmale von Controllingsystemen und -konzepten - strategische Wachstums- und operative Er-
folgsengpässe,
Controlling ist als Führungskonzept für eine er- - die Zielvereinbarung, -steuerung und -erfül-
folgreiche Unternehmenssteuerung und nach- lung im Sinne eines biokybernetisch arbei-
haltige Existenzsicherung zu verstehen [Mayer tenden Regelkreises zur Gewinn-, Liquiditäts-
1995,S. 697]. Ein Controller wird daher stets dar- und langfristigen Existenzsicherung des Un-
auf drängen [Weber 1995, S. 689], daß ternehmens, ·
- die Unternehmensziele explizit und meßbar - das markt- und kundenorientierte Kommu-
formuliert vorliegen, nizieren zur Nutzenstiftung aller Unterneh-
- für alle Bereiche im Unternehmen anhand der mensaktivitäten und
angestrebten Ziele Handlungsalternativen ent- - die strategischen, taktischen und operativen
wickelt und ausgewählt sowie deren erwarte- Aktivitäten und Maßnahmen mit Sensoren
te Ergebnisse geplant werden, für Früherkennungssignale, um rechtzeitig
- im laufenden Betrieb überwacht wird, ob die Anpassungsprozesse einleiten zu können
Planungen tatsächlich eingehalten werden, [Wirth 1995; Malkwitz 1995].
und
- im Abweichungsfall Maßnahmen ergriffen ·
werden, um entweder gegenzusteuern oder zu
neuen realistischen Planwerten zu gelangen.

Unternehmensführung 2-13 7
2.2.5.2 der Buchhaltung. Dies gilt insbesondere für die
Controlling in der Bauwirtschaft Kostenarten Löhne, Stoffe, Geräte und Nachun-
ternehmer- bzw. Fremdleistungen sowie die zu
Die betriebswirtschaftliehen Ausschüsse des verrechnenden Allgemeinen Geschäftskosten.
Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie und In tabellarischen und grafischen Auswertun-
des Zentralverbands des Deutschen Baugewer- gen sind dann jeweils die Leistungen, Kosten und
bes haben frühzeitig die Bedeutung des Con- Ergebnisse darzustellen
trolling für die Bauwirtschaft erkannt und be- - von Baubeginn bis Vormonat,
reits 1978 in 1. Auflage und 1995 in 6. Auflage die - von Beginn des Geschäftsjahres bis Vormonat,
KLR Bau Kosten- und Leistungsrechnung der - im Berichtsmonat,
Bauunternehmen veröffentlicht (HVBi und ZDB - von Baubeginn bis Stichtag und
1978 und 1995). Inhalte der einzelnen Teile sind - von Beginn des Geschäftsjahres bis Stichtag.
A Grundzüge der baubetrieblichen Kosten-
und Leistungsrechnung, Ferner ist seitens des Bauleiters bereits bei Bau-
B Bauauftragsrechnung, beginn eine Prognose für die Entwicklung von
C Baubetriebsrechnung, Kosten, Leistungen und Ergebnissen bis zum
D Soll/Ist-Vergleichsrechnung, Auftragsende anzugeben, um daran die jeweili-
E Kennzahlenrechnung, gen monatlichen Meldungen messen zu können.
F Beitrag der KLR zur Planungsrechnung. Den Verlauf einer typischen qualitativen Ergeb-
nissummenkurve für einen Gewinnauftrag zeigt
Damit liegt seit über 20 Jahren ein geschlossenes Abb. 2.2-18.
Grundlagenwerk vor,das die Philosophie und die Anhand der monatlichen Berichte ist dann zu
Methoden des Baustellencontrolling in allgemei- prüfen, ob und inwieweit dieser Ergebnisverlauf
ner Form und anband von Beispielen erläutert. erreicht wird. Bei Abweichungen nach unten
Die Darstellung der Struktur und der Gliede- . sind Anpassungsmaßnahmen zur Ergebnisver-
rung des Baukontenrahmens 87, der die Anfor- besserung durch Kostensenkung und Leistungs-
derungen aus dem 1987 in Kraft getretenen Bi- erhöhung, ggf. auch durch Nutzung von Nach-
lanzrichtliniengesetz und der damit erfolgten tragspotentialen aus Leistungsänderungen, Zu-
Neufassung des HGB berücksichtigt, erlaubt es, satzleistungen und Leistungsstörungen, einzu-
der KLR Bau auch die notwendigen Strukturen leiten. Bei wesentlichen Abweichungen nach
für das Unternehmenscontrolling und die dabei oben ist zu prüfen, ob und inwieweit zu optimi-
vorrangig interessierende Verdichtung nach Er- stische Leistungseinschätzungen vorliegen und
gebnisarten zu entnehmen. ob die angefallenen Kosten vollständig erfaßt
In der Praxis sind jedoch nach wie vor erheb- wurden. Dabei ist jedoch auch zu beachten, daß
liche Defizite in der konsequenten Durchfüh- ein Oszillieren der Ist-Ergebnissummenkurve
rung sowohl des Baustellen- als auch des Unter- um die Sollkurve systemimmanent und normal
nehmenscontrolling festzustellen. Dies gilt nicht ist und nur bei sich öffnender Schere die "rote
nur für kleine und mittlere Unternehmen, son- Lampe" zu setzen ist.
dern überraschenderweise auch immer wieder Seitens der Oberbauleiter sind die Kosten-,
für Großunternehmen. Leistungs- und Ergebnisrechnungen aller von
ihnen betreuten Baustellen zusammenzufassen,
2.2.5.3 ggf. sortiert nach Regionen und Sparten, auszu-
Baustellencontrolling werten und im Hinblick auf Risikopotentiale so-
wie ggf. erforderliche Maßnahmen zu prüfen
Das Baustellencontrolling umfaßt die monatli- und an die Niederlassungsleiter zu übermitteln.
che Berichterstattung über Kosten, Leistungen Die Niederlassungsleiter wiederuni fassen die
und Ergebnisse jeder einzelnen Baustelle (s. Ta- Berichte der Oberbauleiter zusammen, werten
belle 2.1-14 bzw. KLR Bau 1995, S. 98). diese aus, leiten die erforderlichen Anpassungs-
Verantwortlich für die Berichterstattung ist maßnahmen in Abstimmung mit den Oberbau-
sowohl in kleinen, mittleren als auch Großun- leitern ein und übermitteln der Hauptverwal-
ternehmen der jeweilige verantwortliche Baulei- tung diese zusammengefaßten Ergebnisse mit
ter. Ihm obliegt v. a. die Leistungsermittlung bzw. einem Erläuterungsbericht
-abschätzung für den Berichtsmonat sowie die Mit einer entsprechenden Organisation des
Abstimmung der Kosten im Berichtsmonat mit Berichtswesens ist sicherzustellen, daß die Bau-

2-138 Bauwirtschaft und Baubetrieb


10

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.0 100 % Bauzeit
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-5

Abb. 2.2·18 Ergebnissummenkurve eines Gewinnauftrags

stellenberichte der Bauleiter bis zum 10. des Fol- hat die Unternehmensleitung darüber zu wa-
gemonats, der Oberbauleiter bis zum 15. des Fol- chen, daß die von ihr aufgestellten Wirtschafts-
gemonats und der Niederlassungsleiter bis zum pläne für die verschiedenen Bereiche (z.B. Inve-
20. des Folgemonats vorliegen. stitionen, Finanzierung, Personalmanagement,
Sofern jede Baustelle durch ein entsprechendes strategische Maßnahmen zur Geschäftsfeldent-
EDV-Netzwerk mit der Niederlassung und jede wicklung, Marketing, Forschung und Entwick-
Niederlassung wiederum mit der Hauptverwal- lung sowie Kooperation und Fusion) eingehalten
tung verbunden ist, ist es der Geschäftsführung bzw. aufgrund von in der Vergangenheit noch
bzw. dem Vorstand möglich, die jeweils verdich- nicht vorhersehbaren Einflüssen angepaßt wer-
teten Ergebnisse in beliebiger Gliederungstiefe den.
nachzuvollziehen. Eine täglich wahrzunehmende Aufgabe des
Unternehmenscontrolling ist die Liquiditätspla-
2.2.5.4 nung und -sicherung (vgl. Abschn. 2.1.8).
Unternehmenscontrolling Zur Steuerung des Gesamtunternehmens be-
nötigt die Unternehmensleitung v.a. zusammen-
Das Unternehmenscontrolling von Bauunter- gefaßte Informationen über die Kapazitätsaus-
nehmen stützt sich maßgeblich auf die Ergeb- lastung und das Ergebnis in den einzelnen Nie-
nisse des Baustellencontrolling. Bei wesentlichen derlassungen bzw. Sparten sowie über die Finanz-
Abweichungen zwischen Soll- und Istergebnis- situation des Unternehmens. Heitkamp (1978),
Summenkurven sind die notwendigen Anpas- Termühlen (1982) und Malkwitz (1995) haben
sungsmaßnahmen mit den Führungskräften in für die Bauwirtschaft gezeigt, daß mit einer Er-
der Hauptverwaltung und in den Niederlassun- gebnisrechnung sowie einer Finanz- bzw. Liqui-
gen abzustimmen. ditätsrechnung alle wesentlichen Führungsda-
Darüber hinaus hat die Unternehmensleitung ten für die Ergebnissteuerung des Gesamtunter-
dafür zu sorgen, daß die unternehmensinternen nehmens gewonnen werden können.
Kostenstellen ein dem Baustellencontrolling ver- Oft werden die benötigten Führungsdaten an-
gleichbares monatliches Berichtswesen anwen- hand von Kennzahlensystemen dargestellt [Malk-
den. Dies gilt für die Verwaltung, die Hilfsbe- witz 1995]. Die ständig wiederkehrende Form
triebe (Magazin, Werkstätten, Fuhrpark, Geräte- der Information ermöglicht es, frühere, gegen-
park, Lade-, Biege- und Schalungsbetrieb) sowie wärtige und künftige Daten miteinander zu ver-
für Verrechnungskostenstellen, die z. B. für Scha- gleichen. Außerdem erkennen die Führungs-
lung und Rüstung, Geräte, Kleingeräte und kräfte mit einem ihnen vertrauten Kennzahlen-
Werkzeuge gebildet werden können. Außerdem system schnell die wesentlichen Sachverhalte aus

Unternehmensführung 2-139
Controlling in
Bauunternehmen

auftragsbezogene
Aufgaben

Akquisition, Angebot

Umsatzplanung Personalabruf

Kostenplanung Personaldisposition Baudurchführung

Liquiditätsplanung Gerätedisposition Baustellenkontrolle

Investitionsplanung Bauabrechnung

Abb. 2.2-19 Unternehmensgebundene und auftragsgebundene Aufgaben der Planung und Kontrolle im Bauunternehmen

dem vorliegenden Bericht. Diese Tatsache be- zum Bauende zu messen und bei wesentlichen
schleunigt die Umsetzung notwendiger Steue- Abweichungen geeignete Anpassungsmaßnah-
rungsmaßnahmen (Abb. 2.2-19). men vorzuschlagen. Die Oberbauleiter, Sparten-
Die Bedeutung betriebswirtschaftlicher und Niederlassungsleiter sind zu verpflichten,
Kennzahlen als wichtiges Instrument der Unter- die dazu notwendige Unterstützung zu bieten
nehmensführung wird auch im Teil E der KLR und die verdichteten Ergebnisse mit ihrer Kom-
Bau (1995, S. 105 ff) ausdrücklich hervorgeho- mentierung jeweils bis zum 15. bzw. 20. des Fol-
ben und durch Erläuterungen zu den Kennzah- gemonats an die Geschäftsführung bzw. Haupt-
len der Baubetriebsrechnung sowie der Solllist- verwaltung weiterzuleiten.
Vergleichsrechnung unterstrichen (vgl. Abschn. Die Geschäftsführung wiederum ist ver-
2.1.5.6). pflichtet, die verdichteten Baustellenberichte in
ein ganzheitliches Unternehmenscontrolling ein-
2.2.5.5 zubeziehen und dafür zu sorgen, daß darin auch
Zusammenfassung das Berichtswesen aus den Verwaltungs-, Hilfs-
betriebs- und Verrechnungskostenstellen einge-
Controlling bedeutet wirtschaftlich zielgerichte- bunden wird. Ferner sind die Wirtschaftspläne
te Beherrschung, Lenkung, Steuerung und Rege- für die unternehmensüqergreifenden Aktivitä-
lung von Prozessen innerhalb eines Unterneh- ten regelmäßig zu überprüfen und ggf. aufgrund
mens. Für die Bauwirtschaft ist festzustellen, daß von in der Vergangenheit nicht vorhersehbaren
sowohl bei kleinen und mittleren als auch bei Ereignissen anzupassen.
Großunternehmen hohe Defizite in der syste- Wichtigste Daueraufgabe im Rahmen des Un-
matischen Wahrnehmung von Controllingauf- ternehmenscontrolling ist die Sicherung der Li-
gaben bestehen, obwohl die I. Auflage der KLR quidität, um stets die laufenden Zahlungsver-
Bau bereits 1978 erschienen ist (6. Aufl.1995). pflichtungen erfüllen zu können. Eine Mißach-
Jeder Bauleiter ist zu verpflichten, für seine tung dieser Unternehmerischen Verpflichtung
Baustellen monatliche Kosten-, Leistungs- und kann rasch zur Existenzbedrohung bis hin zur
Ergebnisberichte bis zum 10. des Folgemonats Insolvenz führen.
vorzulegen und dabei die Istzahlen an den am
Baubeginn zu prognostizierenden Summenkur-
ven für Kosten, Leistungen und Ergebnisse bis

2-140 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.2.6 - Vertragsprüfung unter Hinzuziehung von
Risikomanagement Fachanwälten für Baurecht
- Vorgabe von Vergabegrenzwerten auf der Ba-
Durch Erweiterung des §91 AktG durch einen sis von Arbeitskalkulationen
neuenAbs.2wurdemitWirkungvom01.05.1998 - monatliche Überprüfung der Terminpläne
ein "Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im sämtlicher Baustellen mit Soll-/Ist-Vergleich,
Unternehmensbereich" (KonTraG) geschaffen. Abweichungsanalyse und ggf. Einleitung von
§ 91 AktG lautet nunmehr: Anpassungsmaßnahmen.
"§ 91. Organisation; Buchführung - Debitoren- und Kreditorenüberwachung.
( 1) Der Vorstand hat dafür zu sorgen, daß die er-
forderlichen Handelsbücher geführt werden. Allerdings wird dem Druck von Auftraggeber-
(2) Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu seite, klassische Auftraggeberrisiken zu über-
treffen, insbesondere ein Überwachungssy- nehmen, von den Bauunternehmen zunehmend
stem einzurichten, damit den Fortbestand nachgegeben. Die Begründung dafür ist einer-
der Gesellschaft gefahrdende Entwicklun- seits in einer geziehen Erweiterung des Dienst-
gen früh erkannt werden." leistungsangebots der Bauunternehmen, ande-
rerseits aber in einer verstärkten Konkurrenzsi-
Damit werden nicht nur Aktiengesellschaften tuation zu sehen, wenn sich die Nachfrage auf
verpflichtet, Risikomanagementsysteme einzu- dem Bausektor abschwächt [Kirchesch 1988].
führen im Sinne von Risikofrüherkennungssy- Der Generalunternehmer (GU) - und mehr
stemen. noch der Totalunternehmer (TU) - ist für die
Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Be- Planung, Steuerung und Ausführung der über-
gründung geben Aufschluß darüber, wie die ge- tragenen Pauschalvertragsleistungen verant-
forderten Risiko-Erkennungsmaßnahmen kon- wortlich. Bauunternehmen wagen sich dabei in
kret auszugestalten sind. Lück (1998) schlägt da- Leistungsbereiche vor, die nicht zu ihrem origi-
her vor, das Risikomanagementsystem aus ei- nären Leistungsspektrum gehören und in denen
nem Internen Überwachungssystem, einem sie daher nur auf wenige eigene Erfahrungen
Controlling und einem Frühwarnsystem zusam- zurückgreifen können. Die Komplexität der Auf-
menzusetzen. gaben birgt erhebliche Risiken und erfordert de-
Das Interne Überwachungssystem soll aus or- ren systematische Analyse vor Vertragsunter-
ganisatorischen Sicherungsmaßnahmen, inter- zeichnung. Viele Unternehmen haben dies er-
nen Kontrollen und der internen Revision be- kannt und mit der Einführung von Risikomana-
stehen, um die Zuverlässigkeit der betriebliche gementsystemen (RMS) reagiert.
Prozesse zu gewährleisten. Risiken stehen jedoch stets auch Chancen
Controlling soll die zielorientierte Koordinati- (z.B. mögliche Vergabegewinne) gegenüber, die
on von Planung, Informationsversorgung, Kon- der GU und der TU zu verwirklichen suchen.
trolle und Steuerung umfassen. Kapellmann (1997) stellt heraus, " ... daß er (der
Mit Hilfe von Frühwarnsystemen sollen Risi- GU) bei entsprechender unternehmerischer Ma-
ken so rechtzeitig erkannt werden, daß Reaktio- nagementqualität und baubetrieblicher Füh-
nen des Unternehmens zur Abwehr der Risiken rung diese Problematik (erhöhte Risiken) lösen
möglich sind. Die Frühwarnsysteme sollen da- kann ... ".
her neben der Erkennung von Risiken auch ge- Aufgabe des Risikomanagements (RM) ist es,
eignete Maßnahmen zur Risikobewältigung be- die Effizienz der Aufbau- und Ablauforganisati-
reitstellen. on zu durchleuchten und auf etwaige Defizite hin
In gut geführten Bauunternehmen werden die zu untersuchen. Eine projekt- bzw. auftragsspe-
Anforderungen des neu eingeführten § 91 Abs. 2 zifische Risikobegrenzung verlangt Methoden,
AktG seit langem erfüllt, u.a. durch die eine rechtzeitige Erkennung und Vermei-
- monatliche Kosten-, Leistungs- und Ergebnis- dung drohender bzw. eine Behandlung aufgetre-
rechnung (KLER) tener Risiken ermöglicht. Da zwischen dem Qua-
- 12-monatige Ergebnisvorausschau litätsmanagement (QM) und dem Risikomana-
- Bonitätsprüfung der Auftraggeber gement (RM) enge Verzahnungen bestehen, emp-
- Prüfung der Fachkunde, Erfahrung, Lei- fiehlt sich eine integrative Implementierung.
stungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Nach-
unternehmer (PELZ)

Unternehmensführung 2-141
2.2.6.1 nisch), der Bonität des Auftraggebers (wirt-
Wissenschaftliche Ansätze schaftlich), Verpflichtungen des Auftragnehmers
aus Vertragsklauseln (rechtlich) und der Be-
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit schaffenheit des Baugrunds (übertragene bzw.
Risiken im Bauwesen geschah bisher eher spo- übernommene Auftraggeberrisiken).
radisch. Dabei ist schon eine klare Definition Im Mittelpunkt bisheriger einschlägiger Un-
und Abgrenzung des Begriffs "Risiko" nicht ein- tersuchungen im Bauwesen stehen projekt- bzw.
fach. Für die Problemstellungen des Baugewer- auftragsbezogene Risiken und Möglichkeiten ih-
bes definiert Schubert (1983) das Risiko allge- rer rechtzeitigen Entdeckung, Quantifizierung,
mein" ... als die Gefahr, daß ... eine wirtschaftli- Vermeidung, Begrenzung oder Verteilung [Schu-
che Tätigkeit mißlingt oder zumindest nicht den bert 1971 und 1983; Herold 1987; Bauch 1995;
erwarteten Erfolg bringt". Derks 1996 und 1997).
Im Fall des Eintritts hat ein Risiko negative
Folgen. Positive Folgen ergeben sich dagegen aus 2.2.6.2
dem Eintritt von Chancen. Auch sie sind von ei- Einführung eines Risikomanagementsystems (RMS)
nem Risikomanagementsystem (RMS) zu be-
rücksichtigen. Mit Hilfe des RMS sind einerseits Grundsätzlich wird ein ganzheitlicher Ansatz
Risiken rechtzeitig zu entdecken, zu verfolgen zur Einführung eines RMS empfohlen. "Ganz-
und möglichst abzuwehren, andererseits aber heitlich" bedeutet, daß dabei einerseits den indi-
auch Wege zur rechtzeitigen Identifikation und viduellen Anforderungen des Unternehmens mit
Verwirklichung von Chancen aufzuzeigen. seiner Personalsituation und andererseits den
Die bisher detaillierteste Klassifizierung von Anforderungen des jeweiligen Auftrags Rech-
Risiken für das Bauwesen unternahm Derks nung getragen wird. Mit der Einführung eines
( 1997, S. 4- 40ff). Er unterscheidet in Anlehnung RMS sind Bedingungen zu schaffen, die das
an Bussmann (1955) nach internen und exter- rechtzeitige Erkennen und den Umgang mit den
nen, technischen, wirtschaftlichen und rechtli- Risiken ermöglichen. Gegenstand des RMS sind
chen sowie quantifizierbaren und nicht quanti- vorrangig die Aufbau- und Ablauforganisation
fizierbaren Risiken. mit ihren Schnittstellen sowie das Informations-
Für die Einführung eines RMS in Bauunter- und Kommunikationssystem.
nehmen ist es zweckmäßig, zwischen unterneh- Erster Schritt der Einführung eines RMS ist
mens- und projektbezogenen Risiken zu unter- die Durchführung einer unternehmensinternen
scheiden. Unternehmensbezogene Risiken erge- Risikoanalyse, ggf. unter Einbeziehung externer
ben sich aus der Aufbau- und Ablauforganisati- Berater. Je transparenter und nachvollziehbarer
on, dem Informationsfluß, dem Personal und die innerbetriebliche Aufbau- und Ablauforgani-
dem Einsatz von Betriebsmitteln. Die übernah- sation allgemein zugänglich installiert und von
me von Auftraggeberrisiken, technischen, wirt- den Mitarbeitern "gelebt" werden, desto besser
schaftliehen und rechtlichen Risiken des Auf- können sowohl Unternehmens- als auch pro-
trags sowie des Witterungsrisikos sind der Pro- jektspezifische Risiken rechtzeitig erkannt und
jekt- bzw. Auftragssphäre zuzuordnen (Tabelle in angemessener Weise behandelt werden.
2.2-7). Derartige projektbezogene Risiken entste- Die Aufbau- und Ablauforganisation, d.h. die
hen z.B. aus der Wahl des Bauverfahrens (tech- Unternehmensstruktur und die Prozesse zum Er-

Tabelle 2.2-7 Unternehmensinterne und projektbezogene Risiken

Unternehmensinterne Risiken Projektbezogene Risiken


• Management • technische Risiken
• Aufbauorganisation • winschaftliche Risiken
• Ablauforganisation • rechtliche Risiken
• Personal • Auftraggeberrisiken
• Betriebsmittel • Witterungsrisiken
• Informations- und Kommunikationssystem
• Liquidität

2-142 Bauwirtschaft und Baubetrieb


reichen der Unternehmensziele, sind in vielen aufzustellen. Für die einzelnen Dokumentatio-
Bauunternehmen durch ein Qualitätsmanage- nen werden i. allg. Formblätter und Checklisten
mentsystem (QMS) geregelt und dokumentiert. zur Arbeitserleichterung und zur Sicherstellung
Handlungsbedarf ist in diesen Fällen besonders der Weitergabe von Informationen verwendet.
dann gegeben, wenn wesentliche Abweichungen Im zweiten Schritt der Einführung eines RMS
zwischen der Dokumentation im QMS und der ist ein zuverlässiges Informations- und Kommu-
tatsächlich vorhandenen Aufbau- und Ablaufor- nikationssystem zu schaffen. Es muß den Aus-
ganisation bestehen und dadurch die Qualität tausch und die Weitergabe von Informationen an
der Prozeßergebnisse und das Erreichen der Un- allen Schnittstellen gewährleisten. Diese Schnitt-
ternehmensziele gefährdet sind. In Abstimmung stellen sind in enger Zusammenarbeit mit den
mit dem QM-Beauftragten sind dann Maßnah- prozeßverantwortlichen Mitarbeitern abzustim-
men zu veranlassen, um die Einhaltung und ggf. men.
Verbesserung der QM-Regeln zu gewährleisten. Im dritten Schritt sind im Rahmen der Ver-
In Abb. 2.2-20 sind die Prozesse einer Projekt- tragsverhandlungen erkannte Risiken zu bewer-
bzw. Auftragsabwicklung dargestellt. Darin sind ten und als "Resume" zu dokumentieren (Abb.
die für das RMS signifikanten Dokumentationen 2.2-20). Je nach Bedeutung der einzelnen Risiken
den relevanten Prozessen zugeordnet. Diese sind ist der Auftrag ggf. nachzuverhandeln oder aber
Grundlage der Risikominimierung, z.B. durch auch abzulehnen. Im Fall der Auftragsannahme
Einführung von "Prozeßhürden". Diese dürfen sind die bewußt eingegangenen Risiken deutlich
erst dann als überwunden gelten, wenn gezielte darzustellen und in geeigneter Form den für die
Fragen zu den möglichen Risiken und Chancen Auftragsabwicklung verantwortlichen Stellen un-
so beantwortet werden können, daß die Chancen mißverständlich und mit Vorgaben für die Risi-
höher als die Risiken eingestuft werden. Solche kobehandlung mitzuteilen. Projektbezogene An-
Prozeßhürden sind mindestens vor Angebotsbe- forderungen sind festzuhalten und den prozeß-
arbeitung, vor Vertragsunterzeichnung, vor Ab- verantwortlichen Führungskräften zu vermitteln.
schluß der Arbeitsvorbereitung und vor dem En- Im vierten Schritt ist im Rahmen der Arbeits-
de des Projektabschlußgesprächs zur Sicherung vorbereitung ein "Risikoplan" (Abb. 2.2-20) zu
der Erkenntnisse aus abgeschlossenen Aufträgen erarbeiten, um die eingegangenen Risiken be-
herrschbar zu machen. Dieser muß für die je-
weils risikorelevanten Vorgänge oder Ereignisse
des Ablaufplans der Ausführung Handlungsvor-
schläge oder -anweisungen zur Risikovermei-
dung bzw. -begrenzung beinhalten. Ein derart
gekoppelter Risikoplan ermöglicht damit ein Ri-
sikocontrolling während der Auftragsabwick-
lung, u.a. im Rahmen der Baubesprechungen.
Im fünften Schritt ist am Ende der Auftrags-
abwicklung ein Abschlußgespräch über die ein-
getretenen Risiken und deren Folgen sowie die
vermiedenen Risiken und die daraus gewonne-
nen Einsichten zu führen. Diese Erkenntnisse
sind systematisch aufzubereiten und für eine
Verwertung in später folgenden Projekten bzw.
Aufträgen zu dokumentieren.
Erkenntnisse aus Gewährleistungsrisiken sind
ggf. anschließend einzubeziehen. Diese Rück-
führung von Erfahrungen und deren Nutzung
Gewährleistung bei künftigen Aufträgen sind wichtige Bestand-
r Resume teile eines RMS im Rahmen einer "lernenden Or-
EI Risikoplan ganisation". Damit sind die Erfahrungen und Er-
~ ~~ ROckfilhrung
kenntnisse aus Fehlern durchgeführter Projekte
für künftige Aufträge nutzenstiftend. Darüber
Abb. 2.2-20 Dokumentationen zum Risikomanagement hinaus erlaubt die durchgängige Dokumentati-
on die Analyse von Bauaufträgen auch zu einem

Unternehmensführung 2-143
späteren Zeitpunkt, z.B. im Rahmen der Erstel- 2.2.7
lung einer Erfahrungsdatenbank. Die Dokumen- Unternehmensbewertung
tation ist ferner Grundlage für kontinuierliche
Prozeßverbesserungen (Kontinuierlicher Ver- Das Ziel der Unternehmensbewertung ist die Er-
besserungsprozeß KVP). mittlung des Wertes eines "Unternehmens als
Ganzes", d. h. die Bewertung der wirtschaftlichen
2.2.6.3 Unternehmenseinheit als Zusammenfassung von
Zusammenfassung Personen, Sachen und Rechten mit der wirtschaft-
liehen Zielsetzung, Gewinne zu erzielen. Bei der
Mit Einführung von§ 91 Abs. 2 AktG haben seit Definition des Begriffs"Unternehmenswert" geht
dem 01.05.1998 nicht nur die Vorstände von Ak- die Theorie von der entscheidungsorientierten
tiengesellschaften "geeignete Maßnahmen zu Preisbildung aus, wobei die subjektiven Interes-
treffen, insbesondere ein überwachungssystem sen der an einer Unternehmenstransaktion inte-
einzurichten, damit den Fortbestand der Gesell- ressierten Parteien (Käufer und Verkäufer) die
schaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt Wertargumentation für die Entscheidung liefern
werden." Die Geschäftsführungen werden ver- [Dörner 1981, S. 124Sff].
pflichtet, ein Risikomanagementsystem mit in- Der objektivierte Unternehmenswert drückt
ternem überwachungssystem, Controlling und den Wert des im Rahmen des vorhandenen Un-
Frühwarnsystem einzurichten. Dies ist in gut ge- ternehmenskonzeptes fortgeführten Unterneh-
führten Unternehmen bereits vor vielen Jahren mens aus und ist i.d.R. der Verkäuferwert. Er will
geschehen. einen möglichst hohen Preis erzielen, damit er
Risiken im Sinne der Gefährdung des erwar- das Kapital, das er im Unternehmen meist für
teten Erfolgs Unternehmerischen Handeins be- viele Jahre investiert hat, nach dem Verkauf in
stehen für Bauunternehmen jedoch zunehmend andere Anlageformen einbringen kann.
darin, daß ehemals klassische Auftraggeberrisi- Der subjektive Entscheidungswert des Käufers
ken auf die Auftragnehmer überwälzt werden erfaßt das zu bewertende Unternehmen in ei-
(z.B. Planungs-, Vollständigkeits-und Baugrund- nem mehr oder weniger veränderten Fortfüh-
risiken). rungskonzept Der Käufer eines Unternehmens
Um diesen Risiken zu begegnen, ist es erfor- bzw. einer Beteiligung legt seine Kaufpreisvor-
derlich,Risikomanagementsysteme (RMS) einzu- stellung im Rahmen seiner mittel- bzw.langfri-
führen und strikt anzuwenden, die sinnvoller- stigen Unternehmensstrategie jeweils nach per-
weise in bestehende Qualitätsmanagementsyste- sönlicher Einschätzung fest [Leimböck 1997,
me (QMS) integriert werden. Dabei sind in die S.139ff].
Prozeßabwicklung von der Auftragsanbahnung Der Unternehmenswert liegt dann im Eini-
bis zum Ende der Gewährleistungsfristen sog. gungsbereich, der von den Preisvorstellungen
"Prozeßhürden" einzubauen, deren überwin- des Verkäufers und des Käufers bestimmt wird
dung im Rahmen geregelter Prozeßabläufe die und der für beide Verhandlungspartner den Ar-
BeantwortunggezielterFragen zu den möglichen gumentationsspielraum im Rahmen der Preis-
Risiken und Chancen und damit zu der Auftrags- verhandlung darstellt.
attraktivität erfordert. Solche Prozeßhürden sind Beim Schiedswert wird der Unternehmens-
insbesondere im Rahmen der Vertragsverhand- wert dagegen durch einen Schiedsgutachter in
lungen, der Arbeitsvorbereitung und nach Bau- Anlehnung an die subjektiven Wertvorstellungen
ende im Abschlußgespräch zu thematisieren und der Parteien unter Beachtung des Gerechtigkeits-
zu dokumentieren, um dadurch bei den Prozeß- postulats festgelegt.
verantwortlichen und allen Prozeßbeteiligten Die im Verhandlungswege festgelegten Unter-
- das notwendige Risikobewußtsein zu schaffen, nehmenswerte (Einigungswerte) sind einerseits
- durch Risikopläne das Risikocontrolling zu er- von den subjektiven Werteinschätzungen der ver-
möglichen und handelnden Parteien (Verkäufer, Käufer) abhän-
- in Projektabschlußgesprächen das Lernen aus gig, andererseits von den Verhandlungspositionen
vermiedenen bzw. aufgetretenen und mit dem wie Finanzkraft und Liquiditätsdruck.Damit wird
Ziel ihrer Minimierung behandelten Risiken deutlich, daß die Methoden der Unternehmens-
zu nutzen im Sinne einer "lernenden Organi- bewertung allenfalls Richtwerte bzw. Entschei-
sation" und kontinuierlicher Verbesserungs- dungsspielräume liefern können, innerhalb derer
prozesse (KVP). eine Einigung zwischen den Parteien erzielbar ist.

2-144 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.2.7.1 Substanz- und Firmenwert
Anlässe für die Unternehmensbewertung
Der Substanz- oder auch Reproduktionswert er-
Die Anlässe für Unternehmensbewertungen las- gibt sich aus der Addition der einzelnen bilan-
sen sich grundsätzlich danach unterscheiden, ob zierungsfähigen Vermögensteile nach Abzug der
sie Schulden, bewertet zu Tageswerten.
- die Grundlage für individuelle Investitions- Der Gesamtwert eines Unternehmens wird
entscheidungen bilden oder nicht allein durch den Substanzwert dargestellt,
- aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen weil außer den bilanzmäßigerfaßten Werten auch
oder gesetzlicher Vorschriften vorgenommen die Werte aus der Kombination von einzelnen
werden. Vermögensgegenständen oder nicht aktivierba-
ren Fähigkeiten, z.B. des Personals, zum Unter-
Um individuelle Investitionsentscheidungen han- nehmenswert gehören, die den über den Sub-
delt es sich z.B. bei der Gründung, der Übertra- stanzwert hinausgehenden Firmenwert ausma-
gung von Gesellschafteranteilen, der Kapitalauf- chen.
stockung durch Ausgabe neuer Gesellschafter- Der Firmenwert ist damit der Betrag, den ein
anteile und beim Unternehmenskauf. Anlässe Käufer bei Übernahme eines Unternehmens als
für die Bewertung aufgrund privatrechtlicher Ganzes unter Berücksichtigung künftiger Er-
Vereinbarungen oder gesetzlicher Vorschriften tragserwartungen über den Substanzwert hinaus
sind u. a. Gesellschafteranteilsverkäufe aufgrund zu zahlen bereit ist (Unternehmensmehrwert).
vertraglicher Schiedsklausel, Erbauseinander- Damit entspricht der Firmenwert der Differenz
setzungen, Kreditwürdigkeitsprüfungen, Um- von Ertrags- und Substanzwert Firmenwertbil-
wandlungen, Sanierungen, Fusionen, Abfindun- dende Faktoren sind u. a. hoher Auftragsbestand,
gen, Liquidationen und Insolvenzverfahren. gutes Management, qualifizierter Mitarbeiter-
Beim Kauf oder Verkauf von Anteilen spielt stab, gute Betriebsorganisation und rationelle
die Frage der Einflußmöglichkeit insbesondere Produktionsverfahren.
bei Anteilsquoten von 26%,51% oder 76% ent- Bei der Ermittlung des Substanzwertes geht
sprechend dem deutschen Gesellschaftsrecht ei- man davon aus, daß das Unternehmen weiterge-
ne besondere Rolle. Diese Grenzen haben daher führt werden soll. Diese Annahme impliziert, daß
auch besonderen Einfluß auf die Wertermittlung. der Substanzwert auch als Zeit- oder Verkehrs-
Bei der Anteilsbewertung ist auch zu berück- wert im Sinne des steuerlichen Teilwertes ver-
sichtigen, welcher Einfluß auf die Geschäfts- und standen wird.
Gewinnverteilungspolitik der Gesellschaft ge- Nach§ 10 Satz 2 BewG ist der Teilwert der Be-
nommen werden kann. trag, den einErwerberdes ganzen Unterneh-
mens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das
2.2.7.2 einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde unter
Wertbegriffe der Unternehmensbewertung der Voraussetzung, daß der Erwerb er das Unter-
nehmen fortführt.
Die Wertbegriffe in der Bandbreite zwischen ob- Bei der Ermittlung des Substanzwertes sind
jektiviertem Wert, Schiedswert und Entschei- gegenüber den bilanziellen Vermögenswerten
dungswert stützen sich auf die zwischenzeitlich folgende Korrekturen vorzunehmen:
gefestigte Erkenntnis, daß der Ertragswert seit - Es sind auch diejenigen Werte aufzunehmen,
vielen Jahren als der einzige und endgültige Wert die z. B. aufgrund eines Aktivierungsverbots
des Unternehmens anerkannt wird. Der Käufer (wie selbst hergestellte immaterielle Wirt-
eines Unternehmens will nicht die einzelnen Ver- schaftsgüter) oder eines Aktivierungswahl-
mögensgegenstände, sondern das Unternehmen rechts (wie entgeltlich erworbene immateriel-
als wirtschaftliche Einheit erwerben, um v. a. Ge- le Wirtschaftsgüter) nicht in der Bilanz aufge-
winne zu erzielen. Der Substanzwert kann dage- führt sind.
gen nur als der Ausgabenumfang definiert wer- - In den Substanzwert sind auch die stillen Re-
den, der dem Erwerber des Unternehmens er- serven aufzunehmen, die in den bilanziellen
spart bleibt, wenn er dieses kauft anstatt ein Vermögenswerten nicht enthalten sind. Dies
gleichartiges Unternehmen aufzubauen. gilt analog mit umgekehrtem Vorzeichen auch
für überhöht angesetzte Positionen mit Wert-
berichtigungsbedarf.

Unternehmensführung 2-145
Die Hilfswertfunktionen des Substanzwertes Schwierigkeitskomplex I. Er beinhaltet das prak-
sind wie folgt definiert [Dörner 1981]: tische Problem, ob und inwieweit aus dem Rech-
- den Zeitwert des eingesetzten Kapitals zu be- nungswesen des Unternehmens die für die Errech-
stimmen, nung des Unternehmenswertes relevanten EiD-
- den Finanzbedarf für die Zukunftsertrags- nahmenüberschüsse ermittelt werden können.
rechnung zu liefern, Dazu sind bei Bauunternehmen folgende Korrek-
- den Rentabilitätsmaßstab für den Ertragswert turposten zu beachten [Leimböck 1997, S.155]:
zu liefern, - Gewinnreserven in unabgerechneten eigenen
- die Konkurrenzrisiken erkennen zu helfen Bauten,
und - künftige Verluste im Auftragsbestand,
- die rechnerischen Grundlagen für die Daten - Abgrenzung anteiliger ARGE-Ergebnisse,
der Ertragswertrechnung zu liefern, die vom - Gewinnreserven bei unabgerechneten ARGE-
Substanzwert abhängen wie Abschreibungen Baustellen,
und Zinsen. - Abgrenzung der Erträge aus dem Abgang von
Gegenständen des Anlagevermögens,
Bei Schlußfolgerungen aus dem Verhältnis zwi- - Abgrenzung der Erträge aus Auflösungen von
schen Substanz- und Ertragswert muß beachtet Rückstellungen,
werden, daß der Substanzwert stichtagsbezogen - Berichtigung der Rückstellungen für Gewähr-
ist und im Anlagevermögen Vermögensteile mit leistungen,
unterschiedlicher Abnutzungsdauer enthält, wäh- - steueraufschiebende Gewinnzuweisung in den
rend der Ertragswert eine zeitraumbezogene dy- Sonderposten gemäß § 6b EstG,
namische Größe ist. - Bildung oder Auflösung von Bewertungsre-
serven,
Ertragswert - Abgrenzung des außerordentlichen Ergebnis-
ses.
Der Ertragswert wird bei der Bewertung einer
Unternehmung als Ganzes in der Fachwelt seit Schwierigkeitskomplex II. Er umfaßt das Prog-
vielen Jahren als alleiniger Wertmaßstab aner- noseproblem bei unsicheren Erwartungen über
kannt. Vom Hauptfachausschuß des Instituts der die Einnahmen- und Ausgabenströme. Dieses
Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. wurden Problem ist für Bauunternehmen aus folgenden
1983 als Stellungnahmen Grundsätze zur Durch- Gründen besonders gravierend:
führung von Unternehmensbewertungen veröf- - Der Baumarkt ist in hohem Maße konjunk-
fentlicht [St/HFA 1983]. Danach sind folgende turempfindlich und steht an der Jahrtausend-
vier Grundsätze zu beachten: wende vor außerordentlichen Strukturanpas-
- Das Unternehmen ist als wirtschaftliche Ein- sungsproblemen.
heit zu betrachten. - Bauleistungen sind im Gegensatz zu Leistun-
- Es sind die nachhaltig erzielbaren, frei zur Ver- gen der stationären Industrie nach wie vor
fügung stehenden Einnahmenüberschüsse zu personalintensiv. Die Personalkosten sind da-
bewerten. mit maßgeblicher Bestimmungsfaktor für die
- Es ist die dem Käufer bzw. Verkäufer plausibel Einnahmenüberschüsse. Bei Unterbeschäfti-
erscheinende vorhandene Ertragskraft zu be- gung entstehen durch hohe Personalfixkosten
werten. rasch hohe Verluste.
- Es ist von der Fortführung des Unternehmens - Der Umsatz eines Bauunternehmens setzt sich
auszugehen. aus einer begrenzten Anzahl parallel zu bear-
beitender Aufträge zusammen. Bei jedem ein-
Bei der Ermittlung des Ertragswertes eines Un- zelnen Auftrag können die Gewinnsituation
ternehmens ist zu unterscheiden, ob die jährli- und das Risiko von Verlusten nicht eindeutig
chen Einnahmenüberschüsse für einen endli- prognostiziert werden.
chen oder unendlichen Prognosezeitraum mit - Jede Baustelle ist eine neu zu installierende
wechselnden oder konstanten Werten angesetzt "Fabrik'~ deren Wirtschaftlichkeit maßgeblich
werden. Ferner ist der für die Renditeerwartun- abhängig ist von der Qualifikation des Bau-
gen maßgebliche Zinssatz festzulegen. Daraus managers.
ergeben sich drei sog."Schwierigkeitskomplexe" - Die Globalisierung des Baumarktes im zusam-
[St/HFA 1983]: menwachsenden Europa hat für das einzelne

2-146 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Bauunternehmen z.T. unvorhersehbare Fol- Ein Käufer wird als Ausgangsbasis sicherlich
gen für die Gewinn- bzw. Verlustentwicklung. zunächst die Rendite einer entsprechenden al-
ternativen Investition heranziehen, z. B. die Ren-
Die Prognoseunsicherheit erstreckt sich auch dite festverzinslicher Wertpapiere. Er wird dann
auf den Planungshorizont Bei begrenztem Be- eine Risikoprämie als Zuschlag zum Basiszins
trachtungszeitraum sind die Einnahmenüber- geltend machen, die sich z.B. an dem allgemei-
schüsse nur für die betrachteten Jahre abzuschät- nen Unternehmenswagnis orientiert (z. B. 2,0 % ).
zen. Am Ende des Betrachtungszeitraums hat Ein Verhandlungsspielraum ergibt sich darü-
das Unternehmen jedoch mindestens noch einen ber hinaus aus dem Verkäufer- bzw. Käuferin-
Liquidationswert, der als Barwert in die Rech- teresse. Wenn ein Verkäufer unbedingt verkau-
nung einbezogen werden muß. Berücksichtigt fen will, z.B. um die Unternehmensnachfolge zu
man die Veräußerbarkeit nicht betriebsnotwen- regeln, wird er einer weiteren Erhöhung des Ka-
diger Vermögensteile, so ergibt sich der Unter- pitalisierungszinssatzes um z.B. weitere 2,5% zu-
nehmenswert bei begrenztem Betrachtungszeit- neigen. Wenn der Käufer das Unternehmen un-
raum zu bedingt erwerben will, um z.B. durch Fusion ei-
ne bessere relative Wettbewerbsposition am
Unternehmenswert = Barwert der zukünfti-
Baumarkt zu erreichen, wird er geneigt sein, den
gen Einnahmenüberschüsse aus laufendem
Zinssatz aus auch um z.B. 1,5% zu senken. Da-
Betrieb
nach setzt sich der Zinssatz aus folgenden An-
+ Barwert der Nettoveräußerungserlöse des
teilen zusammen:
nicht betriebsnotwendigen Vermögens
+ Barwert der Liquidationserlöse Kapitalisierungszinssatz
./. Barwert der Liquidationsausgaben. = Kapitalmarktzins (z.B. für festverzinsliche
Wertpapiere)
Gemäß St/HFA (1983) wird vorgeschlagen, die-
+ Risikozuschlag zur Abdeckung des allge-
se Prognoseunsicherheit durch eine Phasenme-
meinen Unternehmenswagnisses
thode einzuengen, d.h. den Planungszeitraum in
+ Zuschlagfür das Verkäuferinteresse
mehrere Phasen zu zerlegen, z.B.:
./. Abschlag für das Käuferinteresse.
1. Phase: noch detailliert planbare Zukunft mit
Einzelplanansätzen (z.B. 3 Jahre),
2. Phase: Trenderwartungen und Ableitungen 2.2.7.3
aus den Plänen der l.Phase (z.B. weitere 5 Jah- Methoden der Unternehmensbewertung
re),
3. Phase: fernliegende Phase, für die i.d.R. eine Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis sind
Entwicklung des Erfolgs auf konstantem Ni- zahlreiche Methoden zur Ermittlung des Unter-
veau angenommen wird (weitere Zukunft). nehmenswertes bekannt, wobei die Tendenz zur
Anwendung der Ertragswertmethode unüber-
Da aber in der Bauwirtschaft die Prognose von sehbar ist. Nachfolgend werden die Grundzüge
Einnahmenüberschüssen mit großen Unsicher- der in der Praxis angewendeten Methoden vor-
heiten behaftet ist, schlägt Leimböck (1997, gestellt.
S. 145) die Errechnung des Ertragswertes nach
dem Prinzip der ewigen Rente vor. Die Ertrags- Praktikermethode
wertformel lautet dann
·Bei der sog. "Praktikermethode" ergibt sich der
EW=EO!i
Unternehmenswert als Mittelwert aus Substanz-
(EW Ertragswert des Unternehmens,
EO nachhaltiger und gleichbleibender Ein- und Ertragswert. Die zugehörige Formellautet
nahmenüberschuß, i =p/1 00, p Kapitalisie- UW=0,5 x (EO!i+SW)
rungszinssatz). (UW Unternehmenswert, EO nachhaltiger
gleichbleibender Einnahmenüberschuß,
Schwierigkeitskomplex III. Darunter wird die
SW Substanzwert, i = p/100, p Kapitalisie-
Bemessung des Kapitalisierungszinssatzes bei
rungszinssatz).
Anwendung der Barwertmethode bezeichnet.
Aus obiger Formel ist ersichtlich, daß bei stei- Dem Ansatz für den Ertragswert =EÜ/i liegt der
gendem Kapitalisierungszinssatz der Unterneh- Ansatz der "ewigen Rente" zugrunde.
menswert sinkt und umgekehrt.

Unternehmensführung 2-147
Stuttgarter Verfahren "Jahresertrag" als Durchschnitt
der Betriebsergebnisse der
Das sog. "Stuttgarter Verfahren" dient zur Be- letzten drei Jahre 80000 DM
wertung nicht notierter Aktien und Anteile an Abschlag 30 %, damit gekürzter
Kapitalgesellschaften durch Schätzung. Es findet Jahresertrag 0,7x80000 56000 DM
seine gesetzliche Grundlage in § 11 Abs. 2 Satz 2 Ertragshundertsatz =
BewG: "Läßt sich der gemeine Wert nicht aus 100X56000/100000 =56 v.H.
Verkäufen ableiten, die weniger als ein Jahr zu-
rückliegen, so ist er unter Berücksichtigung des Der gemeine Wert im Sinne des Unternehmens-
Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapi- wertes nach dem Stuttgarter Verfahren ergibt
talgesellschaft zu schätzen". sich dann als Summe aus dem Vermögenswert
Gemäß § 9 Abs. 2 BewG gilt: "Der gemeine und dem für fünf Jahre als erzielbar angesehe-
Wert wird durch den Preis bestimmt, der im ge- nen übergewinn (Differenz aus Ertragshundert-
wöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaf- satz und einer Vergleichsverzinsung in Höhe von
fenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräuße- 9% des gemeinen Wertes). Nach Umformung er-
rung zu erzielen wäre". gibt sich aus
Nach dem Stuttgarter Verfahren wird der ge-
GW=Vw+5xEh./.(GWx5x9/100)
meine Wert unter Berücksichtigung des Vermö-
GW=0,68(Vw+5xEh),
genswertes und der Ertragsaussichten ermittelt.
GW=UW
Der Vermögenswert wird durch mengen- und
(GW Gemeiner Wert = Unternehmenswert
wertmäßige Hinzurechnungen sowie Kürzungen
nach dem Stuttgarter Verfahren, Vw Vermö-
aus dem Betriebsvermögen nach § 97 BewG ab-
genswert in v.H. des Stammkapitals, Eh Er-
geleitet. Nach § 98a BewG wird der Wert des Be-
tragshundertsatz als Betriebsergebnis der letz-
triebsvermögens "in der Weise ermittelt, daß die
ten drei Jahre in v.H. des Stammkapitals).
Summe der Werte, die für die zu dem Gewerbe-
betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter und son- Für das obige Beispiel ist
stigen aktiven Ansätze (Rohbetriebsvermögen)
GW=UW=0,68(245+5X56)=357
ermittelt worden sind, um die Summe der Schul-
v. H. des Stammkapitals,
den und sonstigen Abzüge (§ 103) gekürzt wird".
GW=3,57x100000=357000 DM.
Das korrigierte Betriebsvermögen wird dann
um einen pauschalen Abschlag zum Ausgleich Obwohl die Unternehmensbewertung nach dem
individueller Bewertungsdifferenzen in Höhe Stuttgarter Verfahren durch die Praxis von
von 15 % gekürzt. Aus dem korrigierten und ge- Rechtsprechung und Verwaltung quasi gesetzli-
kürzten Vermögen und dem Nennkapital des chen Charakter erhalten hat, ist es aus betriebs-
Unternehmens wird eine Relation berechnet, die wirtschaftlicher Sicht wegen des als überholt gel-
den Vermögenswert in v.H. darstellt. tenden Verfahrens der Übergewinnabgeltung
und der Betonung des Substanzwertes sowie aus
Beispiel
steuerrechtlicher Sicht wegen Verstoßes gegen
Bereinigtes und um 15%
das Leistungsfahigkeitsprinzip abzulehnen [Ga-
gekürztes Betriebsvermögen 245000 DM
bler 1992, S. 3200).
Stammkapital 100000 DM
Vermögenswert =
Ertragswertmethode nach DVFNSG
100X245000/1 00000 =245v.H.
Der Ertragshundertsatz ergibt sich durch Schät- Dieses von der Deutschen Vereinigung für Fi-
zung der künftigen Ertragslage, wobei der künf- nanzanalyse und Anlageberatung sowie der
tige Jahresertrag i.d.R. mit dem Durchschnitt Deutschen Gesellschaft für Betriebswirtschaft
der Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre vor (SchmaJenbach-Gesellschaft) entwickelte Ver-
dem Stichtag gleichgesetzt wird (aus dem zu ver- fahren ist unter dem Namen "Ergebnis nach
steuernden Einkommen im Sinne des KStG ab- DVFX' bekannt [Leimböck 1997, S. 947ff]. Da der
geleitet). Zur Absicherung von Unwägbarkeiten im Jahresabschluß ausgewiesene Bilanzgewinn
ist von dem so ermittelten Jahresertrag noch ein nur in Ausnahmefällen zugleich auch das erziel-
Abschlag von 30 % vorzunehmen. Der Ertrags- te Jahresergebnis ist- die Unternehmen sind im
hundertsatz ergibt sich dann aus dem Quotien- Rahmen steuerrechtlicher Möglichkeiten in der
ten aus Jahresertrag und Stammkapital. Lage, den Bilanzgewinn zu steuern -, bedeutet

2-148 Bauwirtschaft und Baubetrieb


dies, daß sie im Jahresabschluß i.d.R. einenge- flows, die auf den Bewertungsstichtag abgezinst
ringeren als den erzielten Gewinn ausweisen. werden. Der Brutto-Cash-flow ergibt sich aus
Bei Bauunternehmen wird ein unmittelbarer
Jahresüberschuß gemäß §175 HGB
Vergleich zwischen dem im Jahresabschluß aus-
+ planmäßige Abschreibungen auf sach- und
gewiesenen und dem tatsächlich erwirtschafte-
immaterielle Anlagen
ten Gewinn durch folgende Punkte erschwert:
- Der Jahresabschluß weist nur einen Gewinn
+ Erhöhung der langfristigen Rückstellungen
+ außerordentliche Abschreibungen
aus abgerechneten Bauleistungen aus. Es gilt
+ sonstige außerordentliche Aufwendungen
das Imparitätsprinzip aus unabgerechneten
./. außerordentliche Erträge.
Bauleistungen.
- Im Gewinn des Jahresabschlusses sind aperi- Der zur Verfügung stehende Finanzmittelüber-
odisch anfallende und aus bilanzpolitischen schuß errechnet sich dann aus dem Brutto-Cash-
Gründen gewählte Positionen enthalten wie flow nach Abzug der Gewinnverwendung, d.h.
die Bildung bzw. Auflösung von Rückstellun-
Netto-Cash-flow =
gen und passiven Rechnungsabgrenzungen
Brutto-Cash-flow
sowie Erträge aus dem Abgang von Gegen-
./. Einstellung in Sonderposten mit Rücklage-
ständen des Anlagevermögens.
anteil
- Es bestehen zahlreiche Wahlrechte bei der Be-
./. Einstellung in Gewinnrücklagen
wertung von Bilanzposten.
./. Gewinnausschüttungen.
Daher sind die unter Abschn. 2.2.7.2 genannten Dieser Netto-Cash-flow ist Maßstab für die
Korrekturposten in den Jahresabschlüssen der Selbstfinanzierungskraft, für die Finanzautono-
letzten drei Jahre zu berücksichtigen, um zu ei- mie, für die finanzielle Stabilität und damit für
nem sachgerechten "Ergebnis nach DVFA'' zu ge- die Regenerations- und Wachstumskraft eines
langen. Unternehmens.
Leimböck (1997) stellt in einem Beispiel die Leimböck (1997, S. 149) schlägt vor, die Unter-
Ertragswertmethode nach DVFA/SG vergleichs- nehmensbewertungnach der DCFA in zwei Zeit-
weise auf der Grundlage des Jahresabschlusses räume zu trennen, eine als planbar angesehene
und auf der Grundlage des gesamten Rechnungs- Zukunft von beispielsweise 5 Jahren, in der die
wesens (Jahresabschluß, Steuerbilanz und KLR) Auswirkungen bereits vorgenommener bzw. ge-
vor und kommt dann zu folgender Bewertung planter Investitionen Berücksichtigung finden
(S. 166): "Die verhältnismäßig geringe Differenz können, und einen sich anschließenden Zeit-
zwischen dem geschätzten Ergebnis aus den Un- raum mit jährlich gleichen Cash-flows, die als
terlagen des Jahresabschlusses und dem errech- "ewige Rente" auf den Bewertungszeitraum ab-
neten Ergebnis aus dem gesamten betrieblichen gezinst werden. Der Kapitalisierungszinsfuß er-
Rechnungswesen zeigt, daß ein branchenkundi- gibt sich bei dieser Methode ebenfalls aus dem
ger Beurteiler sehr wohl aus dem Jahresabschluß Kapitalmarktzins, einer Risikoprämie sowie ei-
eine brauchbare Richtgröße für die Ermittlung nem Zuschlag aus Verkäuferinteressen bzw. ei-
des Unternehmenswertes errechnen bzw. schät- nem Abschlag aus Käuferinteressen.
zen kann. Diese Richtgröße wird in aller Regel
zunächst auch ausreichen, um die Grundsatz- 2.2.7.4
entscheidung treffen zu können, ob man sich z. B. Zusammenfassung
an dem Unternehmen beteiligen wird oder ob
man z.B. das Unternehmen evtl. sogar käuflich In der Theorie und Praxis gibt es mehrere Me-
erwirbt". thoden zur Ermittlung des Unternehmenswertes.
Dieser ist Verhandlungsgrundlage aus verschie-
Discounted-Cash-F/ow-Methode (DCFA) denen Anlässen. Dazu gehören der Kauf oder
Verkauf von Unternehmen oder Unternehmens-
Bei dieser aus den USA kommenden Methode anteilen sowie die Zuführung von Kapital auf-
(DCFA Discounted Cash Flow Analysis) wird zur grundprivatrechtlich vereinbarter Verträge oder
Ermittlung des Barwertes der Cash-flow anstel- einseitiger Verfügungen sowie Abfindungen, Ver-
le der Einnahmenüberschüsse herangezogen. schmelzungen, Vermögensübertragungen oder
Der Unternehmenswert nach der DCFA errech- Umwandlungen aufgrundgesetzlicher Vorschrif-
net sich damit aufgrundvon zukünftigen Cash- ten oder bei gerichtlichen Nachprüfungen.

Unternehmensführung 2-149
Jede Unternehmensbewertung ist zweckorien- GU Generalunternehmer
tiert. Es gibt daher nicht den objektiven Unter- HFA Hauptfachausschuß des Instituts
nehmenswert, sondern lediglich Einigungswer- der Wirtschaftsprüfer in Deutsch-
te als Mittel- oder Schlichtungswerte zwischen land e.V.
den jeweiligen Grenzwerten von Käufer und Ver- HGB Handelsgesetzbuch
käufer. In der Praxis wird bei Unternehmens- HVBi Hauptverband der Deutschen
käufen mittelständischer und nicht börsenno- Bauindustrie
tierter Unternehmen nahezu ausschließlich das KLR Kosten- und Leistungsrechnung
Ertragswertverfahren angewandt. Bei börsenno- KStG Körperschaftssteuergesetz
tierten Unternehmen wird vorwiegend mit der KVP Kontinuierlicher Verbesserungspro-
DVFA/SG-Methode gearbeitet. Bei internationa- zeß
len Unternehmensbewertungen stehen Cash- QM Qualitätsmanagement
flow-Betrachtungen im Vordergrund. QMS Qualitätsmanagementsystem
Zu beachten ist, daß es sich bei der Unterneh- . QS Qualitätssicherung
mensbewertung nicht allein um Shareholder- RM Risikomanagement
value-Betrachtungen handelt. Jeder Erwerb er ei- RMS Risikomanagementsystem
nes Unternehmens ist rechtlich und wirtschaft- sec Sicherheits-Certifikat-Gontraktoren
lieh für einen längeren Zeitraum an die bestehen- SGF strategische Geschäftsfelder
den Arbeitsverträge gebunden, und er wird be- SGU Sicherheits-, Gesundheits- und Um-
strebt sein, mit dem bestehenden Mitarbeiter- weltschutz
stamm den Kundenstamm zu erhalten und wei- TQM Total Quality Management
ter auszubauen. Letztlich finden die Vermögens- TU Totalunternehmer
werte, die Organisation sowie der Mitarbeiter- TV Tarifvertrag
und Kundenstamm ihren wirtschaftlichen Nie- UAG Umweltauditgesetz
derschlag in Erträgen und Aufwendungen und ZDB Zentralverband des Deutschen Bau-
damit im wirtschaftlichen Ergebnis. Die künftig gewerbes
nachhaltig erzielbaren Ergebnisse sind damit
maßgeblicher Bestimmungsfaktor der Unterneh- 2.3
mensbewertung. Immobilien- und Infrastrukturmanagement

Abkürzungen zu 2.2 Bei ganzheitlicher Betrachtungsweise umfaßt


das Immobilien- und Infrastrukturmanagement
Ä. Änderung drei eigenständige und durch markante Ereig-
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz nisse voneinander abgrenzbare Phasen im Le-
ARGE Arbeitsgemeinschaft benszyklus von Immobilienprojekten, die sich
BaustellV
Baustellenverordnung im Zeitablauf abwechseln, dabei jedoch auch ge-
BewG Bewertungsgesetz genseitig überlagern (Abb. 2.3-1):
BGBl Bundesgesetzblatt - die Projektentwicklung (im engeren Sinne),
BWI-Bau Betriebswirtscahftliches Institut der - das Projektmanagement und
Bauindustrie - das Facility-Management.
DCFA Discounted-Cash-Flow-Methode
DVFA/SG Deutsche Gesellschaft für Betriebs- Nach DIN 69901 ist ein Projekt ein Vorhaben, das
wirtschaft (Schmalenbach-Gesell- im wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedin-
schaft) gungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist
EDV Elektronische Datenverarbeitung (z.B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personel-
EG Europäische Gemeinschaft le oder andere Begrenzung, Abgrenzung gegen-
EMAS-VO Environmental Management Audit über anderen Vorhaben und projektspezifische
Scheme-Verordnung Organisation).
ErwV Erweiterungsverordnung Das ganzheitliche Immobilien- und Infrastruk-
EStG Einkommenssteuergesetz turmanagement ist gleichzusetzen mit dem weit-
EU Europäische Union verbreiteten Begriff "Projektentwicklung" im
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft weiteren Sinne, die in den englischsprachigen
F+E Forschung und Entwicklung Ländern mit "real estate management" bezeich-
FH Fachhochschule netwird.

2-150 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Immobilien- und Infrastrukturmanagement
--~~--------------~

Projektentwicklung Projektmanagement filr Facility-Mangement


im engeren Sinne Planung und Ausführung lmmoblienbewirtschattung
vom Projektanstoß/ vom Planungsauttrag bis vom Nutzungsbeginn bis zur
derUmwidmung bis zur Abnahme/Übergabe Umwidmung/zum Abriß
zum Planungsauttrag

neuer Zyklus
~----------------------
Abb. 2.3-1 Ganzheitlicher Immobilienmanagementzyklus

Die ganzheitlich systematisierende Definition gemäß der Honorarordnung für Architekten und
der Projektentwicklung im weiteren Sinne lau- Ingenieure (HOAI) beginnt das Projektmanage-
tet: ment, das die Phasen der Planung und Ausfüh-
"Durch Projektentwicklungen (i. w. S.) sind die rung der Immobilie bis zur Abnahme bzw. über-
Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so mit- gabe umfaßt.
einander zu kombinieren, daß einzelwirtschaft- Projektmanagement ist nach DIN 69901 die
lich wettbewerbsfähige, arbeitsplatzschaffende Gesamtheit von Führungsaufgaben, Organisati-
und -sichernde sowie gesamtwirtschaftlich sozi- onen sowie Organisationstechniken und -mit-
al- und umweltverträgliche Immobilienobjekte teln für die Abwicklung eines Projekts. Es umfaßt
geschaffen und dauerhaft rentabel genutzt wer- sowohl Projektleitungs- als auch Projektsteue-
den können." [Diederichs 1989]. rungsaufgaben. Projektleitung beinhaltet den
Mit diesem Begriffsverständnis wird sowohl häufig nicht delegierten Teil der Auftraggeber-
die gesamtwirtschaftliche als auch die einzelwirt- funktionen mit Entscheidungs- und Durchset-
schaftliche Wirkungsebene angesprochen. Ge- zungskompetenz in Linienfunktion. Projektsteu-
samtwirtschaftlich wird gefordert, daß die Im- erung ist dagegen die neutrale und unabhängi-
mobilie als Ergebnis der Projektentwicklung im ge Wahrnehmung von Auftraggeberfunktionen
weiteren Sinne öffentlichen Belangen entgegen- in organisatorischer, technischer, wirtschaftli-
kommt. Einzelwirtschaftliches Effizienzkriteri- cher und rechtlicher Hinsicht im Sinne von§ 31
um ist die Wettbewerbsfähigkeit der Immobilie HOAI in Stabsfunktion.
und deren dauerhafte rentable Nutzung. Teilweise noch überlappend mit der Planung
Dabei umfaßt die Projektentwicklung im wei- und in höherem Maße mit der Bauausführung
teren Sinne den gesamten Lebenszyklus der Im- setzt für die Betreuung des Gebäudebestands ein
mobilie vom Projektanstoß bis zur Umwidmung komplexes Aufgabenfeld ein: die Gebäudebewirt-
oder zum Abriß am Ende der wirtschaftlich ver- schaftung. Sie wird auch als "Facility-Manage-
tretbaren Nutzungsdauer. ment" bezeichnet und bedeutet ganzheitliches
Projektentwicklung (im engeren Sinne) um- Betreiben von Gebäuden und Anlagen mit dem
faßt die Phase vom Projektanstoß bis zur Ent- Ziel der optimalen Wertschöpfung durch die Im-
scheidung entweder über die weitere Verfolgung mobilie.
der Projektidee durch Erteilung von Planungs- Hier kann nur ein kurzer Einblick in das Im-
aufträgen oder über die Einstellung aller weite- mobilien- und Infrastrukturmanagement gege-
ren Aktivitäten aufgrund zu hoher Projektrisi- ben werden. Für umfassendere Informationen
ken. Nach der Projektentwicklung (im engeren wird auf das Literaturverzeichnis und für kom-
Sinne) und der Entscheidung über die Fortfüh- primierte Informationen besonders auf [Diede-
rung des Projekts durch einen Planungsauftrag richs 1999] verwiesen.
für mindestens die Leistungsphase 2 Vorplanung

Immobilien- und Infrastrukturmanagement 2-151


2.3.1 stufen). Die Basis für die anrechenbaren Kosten
Projektentwicklung und damit für eine frühzeitige Pauschalierung
des Projektsteuerungshonorars bilden die geneh-
Für die Projektentwicklung sind zunächst die migte Kostenberechnung oder der genehmigte
Bestimmungsmerkmale des Projektentwickler- Kostenanschlag.
marktes für Immobilieninvestitionen mit Nach- Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Projekt-
fragern und Anbietern bedeutsam. Wichtig ist steuerungsvertrags ist es notwendig, im Einzel-
weiterhin die Beschreibung der Aufgabenfelder fall den dienst- oder werkvertragliehen Charak-
einer Projektentwicklung. Sie bestehen schwer- ter der übertragenen Projektsteuerungsleistun-
punktmäßig in der Markt- und Standortanalyse gen zu untersuchen. Diese Frage ist für die Haf-
sowie -prognose, der Entwicklung der Nutzungs- tungskonsequenzen von erheblicher Bedeutung.
konzeption und des Nutzerbedarfsprogramms, Besondere Aufmerksamkeit verlangt auch die Ab-
der Ableitung der Rentabilitätsanalyse und -pro- bedingung (Rücknahme, Aufhebung) der Aus-
gnose aus dem Kosten-, Ertrags- und Terminrah- schlüsse in den Versicherungsbedingungen der
men, der Sicherstellung der Finanzierung, der Haftpflichtversicherungen der Projektsteuerer
Gewährleistung der Vermarktung und der Be- für Schäden aus fehlerhafter Terminkoordinati-
handlung steuerlicher Aspekte. Da alle Aufgaben on, fehlerhaften Mengen- und Kostenermittlun-
der Projektentwicklung in die Zukunft gerichtet gen sowie aus Termin-, Mengen- und Kosten-
sind, müssen sorgfältige Risiko- und Sensitivi- überschreitungen.
tätsanalysen durchgeführt werden. Beiträge zur Der Nutzen des Projektmanagements ist v.a.
Projektentwicklung sind abzurunden durch die darin zu sehen, daß seine effektive und effizien-
Beschreibung der Aufbau- und Ablauforganisa- te Wahrnehmung der Verwirklichung der Pro-
tion sowie die Motive und Risiken der Projekt- jektziele des Auftraggebers und damit den einzel-
entwickler. wirtschaftlichen Interessen des Investors dient,
Zusammenfassend ist festzustellen, daß Pro- aber auch der Optimierung des Mitteleinsatzes
jektentwicklungen aus einzelwirtschaftlicher der Projektbeteiligten und der späteren Nutzer.
Sicht auf operativer Ebene den Unternehmens- Projektmanagement stiftet damit auch gesamt-
erfolg stabilisieren und erhöhen sowie auf stra- wirtschaftlichen Nutzen.
tegischer Ebene Wettbewerbsvorteile für wichti-
ge Geschäftsfelder des Unternehmens schaffen 2.3.3
können. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht trägt Facility-Management
Projektentwicklung zur Wirtschaftsförderung
und zur Lageverbesserung durch Steigerung der Facility-Management (FM) wurde in Deutsch-
regionalen Standortqualität bei. land erst seit Anfang der 90er Jahre als profes-
sionelle Gebäudebewirtschaftung oder auch
2.3.2 ganzheitliches Betreiben von Gebäuden undAn-
Projektmanagement lagen mit dem Ziel der optimalen Wertschöpfung
durch die Immobilie eingeführt. Untersuchungs-
Für das Projektmanagement ist die Regelungs- gegenstände des FM sind seine Ziele, seine histo-
notwendigkeit und-fähigkeitder Projektsteue- rische Entwicklung, die Aufgaben und Teillei-
rung anstelle des bestehenden §31 HOAI mitt- stungen des strategischen FM und des operati-
lerweile allgemein anerkannt. Nach dem von der ven Gebäudemanagements (GM).
AH 0- Fachkommission Projektsteuerung vorge- Strategisches FM zielt darauf ab, bereits wäh-
schlagenen Leistungsbild [AHO 1998) können rend der Projektentwicklung sowie der Planung
die in der Literatur heftig diskutierten Schnitt- von Gebäuden und Anlagen die Voraussetzungen
stellen der Projektsteuerung zu anderen Lei- für eine effektive und effiziente operative Gebäu-
stungsbildern der HOAI und zur Rechtsbesor- debewirtschaftung zu schaffen und für deren Be-
gung sachbezogen herausgestellt und konflikt- achtung im Planungs- und Bauprozeß zu sorgen.
frei definiert werden. Das operative GM umfaßt dagegen vom Nut-
In den Vorschlägen zur Honorarermittlung zungsbeginn bis zur Umwidmung bzw. bis zum
werden die auch bei den übrigen Leistungsbil- Abriß die Gesamtheit aller technischen, infra-
dern der HOAI benötigten Parameter herange- strukturellen und kaufmännischen Dienstlei-
zogen (anrechenbare Kosten des Projekts, Hono- stungen zur Bewirtschaftungvon Gebäuden und
rarzonen,-tafel und -anteile in den fünf Projekt- Liegenschaften mit dem Ziel der Aufrechterhal-

2-152 Bauwirtschaft und Baubetrieb


tung und Optimierung aller Funktionen unter verordnung (WertV; Vergleichs-, Ertrags- und
Wahrung der Kostentransparenz und der per- Sachwertverfahren) beherrscht werden.
manenten Wahrnehmung von Chancen zur Ko- Ergänzend sollte auf im Ausland gebräuchli-
stenreduzierung und Werterhaltung bzw. -Ver- che Verfahren der Verkehrswertermittlung nach
besserung. nicht normierten Verfahren geachtet 'werden, die
Das technische GM umfaßt alle Teilleistungen v.a. bei Renditeüberlegungen von Investoren in
des Betriebs und der Bauunterhaltung techni- Großobjekte zur Beratung des Investors zur An-
scher Anlagen und Einrichtungen sowie alle zu- wendung gelangen. Bedeutung haben dabei be-
gehörigen Maßnahmen, die überwiegend tech- sonders - ggf. auch zur Plausibilitätsuntersu-
nisches Wissen erfordern. chung von Verkehrswertermittlungen nach nor-
Das infrastrukturelle GM erstreckt sich auf al- mierten Verfahren - das Residualverfahren, das
le Teilleistungen, die weder eindeutig techni- vereinfachte Ertragswertverfahren sowie die
schen noch eindeutig kaufmännischen Charak- Discounted-Cash-Flow-(DCF)Methode.
ter haben, die jedoch als eindeutig und erschöp-
fend beschreibbare Leistungen vorteilhaft auch Abkürzungen zu 2.3
an externe Dienstleister vergeben werden kön-
nen. AHO Ausschuß der Ingenieurverbände und
Zum kaufmännischen GM zählen sämtliche Ingenieurkammern für die Honorar-
Teilleistungen, die traditionell der kaufmänni- ordnung e.V.
schen Hausverwaltung zugerechnet werden. CAFM Computer-Aided Facility Management
Diese ist zuständig für die Vermietung und Ver- DCFA Discounted-Cash-Flow-Methode
marktung unter Vermeidung von Leerständen, EDV Elektronische Datenverarbeitung
für den Abschluß und Vollzug der zugehörigen FM Facility Management
Miet- und Kaufverträge, die laufende Mieterbe- GEFMA German Facility ManagementAssocia-
treuung, die Beschaffung von Lieferungen und tion
Leistungen im Rahmen der Gebäudebewirtschaf- GM Gebäudemanagement
tung, die Kostenrechnung und Objektbuchhal- HOAI Honorarordnung für Architekten und
tung sowie das Controlling. Ingenieure
Besondere Bedeutung im Rahmen des opera- WertV Wertermittlungsverordnung
tiven GM hat das Informationsmanagement, das
eine entsprechende EDV-Unterstützung voraus-
setzt (Computer Aided Facility Management
2.4
CAFM). Eine wertvolle Hilfe bei der Entwicklung
Privates Baurecht
von Informationsmanagementsystemen für das
Facility-Management sowie bei der Auswahl von Jede Form sozialen Zusammenlebens wird durch
Anbietern von FM-Systemen und EDV-Dienst- die Notwendigkeit geprägt, in den verschieden-
leistungen bieten die GEFMA-Richtlinien {1998}. artigsten Situationen einen für alle Seiten ange-
Als Organisationsformen für das Facility-Ma- messenen Umgang miteinander zu entwickeln,
nagement bieten sich die Wahrnehmung aus- d.h. einen Interessenausgleich zwischen den Be-
schließlich mit eigenem Personal, die Vergabe an teiligten zu finden. Dieser soziale Ausgleich fin-
einen Generalübernehmer oder aber an verschie- det zu einem großen Teil informell statt. Sobald
dene Fachunternehmer für das FM an. Die jewei- aber die Wirkungen und Folgen menschlichen
ligen Vor- und Nachteile sind nutzerindividuell Handeins über den Herrschaftsbereich des ein-
und gebäude- bzw.liegenschaftsspezifisch abzu- zelnen hinausgehen, ist zur Steuerung des Inter-
wägen. essenausgleichs die Bildung und Aufrechterhal-
tung eines Rechtssystems erforderlich. Dessen
2.3.4 Aufgabe besteht erstens darin, dem einzelnen ein
Immobilienbewertung Instrumentarium zum Schutz und zur Durch-
setzung seiner Rechte gegenüber anderen - auch
Wegen der herausragenden Bedeutung der Im- dem Staat- zu verschaffen (subjektives Recht).
mobilienbewertung im Rahmen v. a. der Projekt- Zweitens soll dem Schwächeren soweit wie mög-
entwicklung und des Facility-Managements müs- lieh ein Schutz vor übervorteilung verschafft
sen einerseits die normierten Verfahren der Ver- werden. Drittens müssen allgemein die Ordnung
kehrswertermittlungnach der Wertermittlungs- und das Funktionieren des Gemeinwesens si-

Privates Baurecht 2-153


ehergestellt werden. Diesem Zweck dient die Ge- kes rechtlich wirksam handeln, also Rechtsge-
samtheit der Rechtsnormen als solche (objekti- schäfte tätigen können (Willenserklärung, Be-
ves Recht). dingung, Vertretung und Vollmacht, Kosten und
Neben die Normen, die inhaltlich Recht setzen Termine, Verjährung).
und gestalten (materielles Recht), treten Nor- Das Recht der Schuldverhältnisse (Zweites Buch,
men, die der Durchsetzung des materiellen Rechts §§ 241-853} enthält die allgemeinen und beson-
dienen (formelles Recht}, insbesondere das Ver- deren Regelungen über die Entstehung, Abwick-
fahrensrecht (Zivil-, Straf- und Verwaltungspro- lung und Beendigung von Schuldverhältnissen,
zeßrecht). Zwischen diesen Rechtsnormen muß d.h. Beziehungen zwischen Personen, die sich
schließlich ein Ausgleich gefunden werden, so einseitig oder wechselseitig etwas schulden. Im
daß sich für alle Beteiligten- Privatpersonen, Un- allgemeinen Schuldrecht (§§ 241-432} sind die
ternehmen, Institutionen, Staat- ein berechen- Grundregeln formuliert, die für alle Arten von
bares und an gemeinsamen Grundprinzipien Schuldverhältnissen gelten. Der besondere Teil
ausgerichtetes Rechtssystem ergibt (Einheit der des Schuldrechts (§§ 433-853) regelt einige typi-
Rechtsordnung). sche vertraglich begründete Schuldverhältnisse
Die folgenden Ausführungen beziehen sich wie Kauf, Miete, Dienstvertrag und Werkvertrag
auf das Zivilrecht in Bauangelegenheiten, d.h. die sowie gesetzliche Schuldverhältnisse aus unge-
Anbahnung, den Abschluß und den Vollzug von rechtfertigter Bereicherung (§§ 812ff}, unerlaub-
Planer- und Bauwerkverträgen (Privates Bau- ter Handlung (§§ 823ff) oder Geschäftsführung
recht; Öffentliches Baurechts. Kap. 6). ohne Auftrag (§§ 677ff). Die im Rahmen eines
Für vertiefende Informationen wird auf das Schuldverhältnisses wirkenden Rechte sind rela-
Literaturverzeichnis und für eine ergänzende tive Rechte, d. h., sie wirken nur zwischen den be-
allgemeine Einführung in ausgewählte Rechtsbe- teiligten Personen. So kann z.B. ein Bauunter-
griffe für das Bauwesen auf [Diederichs 1999] nehmer, der für einen Auftraggeber ein Bauwerk
verwiesen. errichtet hat, nur von diesem die Entrichtung der
Vergütung verlangen.
2.4.1 Das Sachenrecht (Drittes Buch, §§ 854-1296}
Das BGB und verwandte Rechtsgebiete als regelt die privatrechtliehen Rechtsverhältnisse
Grundlagen für Privatrechtsverhältnisse zwischen Personen und Sachen, die sog. Sachen-
im Bauwesen oder dinglichen Rechte. Anders als im Schuld-
recht gibt es hier nicht die Möglichkeit der frei-
Die wesentlichen Materien des Bürgerlichen en Gestaltung der rechtlichen Beziehungen, son-
Rechts sind - trotz der steigenden Zahl von Ne- dern der Kreis der Sachenrechte ist abschließend
bengesetzen - immer noch im Bürgerlichen Ge- geregelt. Es herrscht ein Numerus clausus der
setzbuch (BGB) enthalten, das am 01.01.1900 Sachenrechte. Neben dem umfassendsten Recht
nach fast 15jähriger Vorarbeit in Kraft trat. Es re- an einer Sache, dem Eigentum, gibt es noch eine
gelt die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts Anzahl beschränkter dinglicher Rechte, d. h. Nut-
und besteht aus fünf Büchern. zungs- und Verwertungsrechteam Eigentum ei-
nes anderen wie Hypothek, Grundschuld, Erb-
2.4.1.1 baurecht, Dienstbarkeiten, Vorkaufsrecht, Real-
Struktur des BGB lasten und Pfandrecht. Dingliche Rechte sind ab-
solute Rechte, d.h., sie wirken nicht nur gegenü-
Der Allgemeine Teil (Erstes Buch,§§ 1-240) ent- ber Vertragspartnern, sondern auch gegenüber
hält grundsätzliche Vorschriften, die für alle fol- anderen Personen. So kann z. B. der Eigentümer
genden Bücher gelten. Sie sind gewissermaßen eines Grundstücks grundsätzlich jedem nach ei-
"vor die Klammer" gezogen. Hier ist u. a. geregelt, genem Belieben das Betreten des Grundstücks
wer Träger von Rechten und Pflichten im Privat- verbieten. Es bedarf hierzu keiner besonderen
recht sein kann, d.h. das Recht der natürlichen Rechtsbeziehung.
und juristischen Personen (Rechtsfahigkeit, Ge- Das Familienrecht (Viertes Buch, §§ 1297-
schäftsfähigkeit, Vertrag). Ferner befaßt sich der 1921) regelt die familienrechtlichen Verhältnis-
Allgemeine Teil mit den Sachen als möglichen se einzelner Personen. Hierzu gehören die Ver-
Rechtsobjekten dieser Rechte und Pflichten. wandtschaft und daraus entstehende Unterhalts-
Schließlich enthält er Grundregeln dafür, wie Per- pflichten und -ansprüche, die Ehe (außer Einge-
sonen zur Erreichung eines bestimmten Zwek- hung der Ehe) mit ehelichem Güterrecht und

2-154 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Ehescheidung sowie elterliche Sorge und Vor- während das Eigentum die Rechtsherrschaft aus-
mundschaft. drückt. Die Rechtsverhältnisse an Liegenschaf-
Das Erbrecht (Fünftes Buch,§§ 1922-2385} re- ten sind im Grundbuch verzeichnet, einem vom
gelt die rechtlichen Verhältnisse nach dem Tod (beim Amtsgericht angesiedelten) Grundbuch-
einer Person, insbesondere Erbfolge, Rechte und amt geführten Register, in dem alle Rechtsver-
Pflichten der Erben, Testamentserrichtung und hältnisse an Grundstücken und ihre jeweiligen
Pflichtteilsrecht. Veränderungen eingetragen werden müssen,
Das BGB bildet den Kernbereich des Bürgerli- wenn sie Rechtswirkung erlangen sollen. Das
chen Rechts. Hinzu treten Ergänzungsgesetze, Verfahren hierbei ist im einzelnen in der Grund-
die die Regelungen des BGB in bezug auf be- buchordnung (GBO) geregelt.
stimmte Rechtsmaterien präzisieren (z.B. AGB- Das umfassendste und zugleich einzige unbe-
Gesetz, Gesetz zur Regelung der Miethöhe, Pro- schränkte dingliche Recht an einer Sache ist das
dukthaftungsgesetz, Wohnungseigentumsge- Eigentum (§§903-1011 BGB). Seine Bedeutung
setz). für die geltende Wirtschafts-,Rechts- und Sozial-
ordnung wird durch seinen grundrechtliehen
2.4.1.2 Schutz durch Art.14 des Grundgesetzes (GG) un-
Sachenrecht terstrichen, der allerdings im Dienste der Allge-
meinheit auch die Sozialbindung des Eigentums
Das Sachenrecht(§§ 854-1296 BGB) ist wie das formuliert. Auf dieser Grundlage ist unter be-
Schuldrecht Teil des Allgemeinen Vermögens- stimmten Umständen die Enteignung gegen Ent-
rechtes. Im Gegensatz zu diesem regelt es jedoch schädigung möglich.
nicht die Rechtsbeziehungen zwischen Personen, Die Übertragung des Eigentums erfolgt wie
sondern geht von den Vermögensgegenständen die aller dinglichen Rechte durch Einigung und
aus. Schuldrechtliche Verträge können Personen Übergabe. Bei beweglichen Sachen geschieht die
nur zur Änderung der Rechtsbeziehung zu einer Übergabe im allgemeinen durch Besitzwechsel.
Sache verpflichten, die Änderung selbst muß Bei Liegenschaften wird die Einigung als Auflas-
durch ein eigenes dingliches Rechtsgeschäft er- sung bezeichnet (§ 925 BGB). Die Übergabe ge-
folgen. Die dinglichen, auf eine Sache bezogenen schieht durch die Eintragung ins Grundbuch.
Rechte gelten nicht nur - wie im Schuldrecht - Ferner sind im Sachenrecht die sich aus dem
gegenüber dem Vertragspartner, sondern gegen- Eigentum ergebenden Ansprüche gegenüber dem
über allen anderen Personen. Wichtiges Prinzip Besitzer und Dritten, das Recht des Miteigentums
innerhalb des Sachenrechts ist daher die Publizi- sowie verschiedene Arten des Eigentumerwerbs
tät, d.h. die Erkennbarkeit der Rechte nach außen. geregelt.
Gemäß BGB gibt es nur einen beschränkten Neben dem Eigentum als unbeschränktem
Katalog von Sachenrechten. Es sind nicht - wie dinglichem Recht gibt es auch beschränkte ding-
im Schuldrecht - durch freie Vereinbarung neue liche Rechte an Sachen. Auch sie werden durch
Typen zu schaffen bzw. vorhandene zu modifi- Einigung und Übergabe (Verlautbarung der
zieren. Neben dem unbeschränkten dinglichen Rechtsänderung) übertragen. Hierzu gehören
Recht, dem Eigentum (§§903-1011 BGB}, beste- u.a.:
hen mehrere beschränkte dingliche Rechte, die - Erbbaurecht: das Recht, ein Bauwerk auf frem-
regelmäßig in Belastungen des Eigentums be- dem Grund und Boden zu errichten und zu
stehen. Sowohl das Eigentum als auch die be- unterhalten (ErbbauVO vom 15.01.1919}.
schränkten dinglichen Rechte werden durch ei- - Dienstbarkeiten: dingliche Rechte an einer Sa-
nen sachenrechtliehen Vertrag übertragen. Zu ehe, wonach der Berechtigte eine fremde Sa-
ihm gehören Einigung (bei Grundstücken nach che in einem nach dem Inhalt der Dienstbar-
§ 873 Abs. 1 BGB) und Übergabe, d. h.in erster Li- keit zu bestimmenden Umfang nutzen darf.
nie die Bekanntmachung der Rechtsänderung Zu unterscheiden sind:
im Interesse der Publizität. - Grunddienstbarkeiten (§§ 1018-1029 BGB},
Zu unterscheiden ist zwischen beweglichen d.h. Rechte an einem Grundstück, die dem
Sachen (Fahrnis) und Grundstücken (Liegen- Eigentümer eines anderen Grundstücks zu-
schaften). Die Rechtsverhältnisse an bewegli- stehen (z.B. Durchgangs- und Durchfahrts-
chen Sachen werden i.allg. durch den Eigenbe- recht, Verbot einer bestimmten Bebauung
sitz der Sache ausgedrückt. Der Besitz bezeich- oder der Ausübung eines bestimmten Ge-
net die tatsächliche Herrschaft über eine Sache, werbes);

Privates Baurecht 2-155


- Nießbrauch (§§ 1030-1089 BGB), d.h. das haltlieh um die Leistungsbeschreibung, die Höhe
Recht, aus dem belasteten Gegenstand Nut- der Vergütung, den Leistungsort, Sicherheitslei-
zen zu ziehen (z.B. Miete eines Hauses, Zin- stungen, Gewährleistungsfristen usw. ergänzt
sen eines Wertpapiers). oder aber in unveränderter Form als Vertragsbe-
- Pfandrecht(§§ 1113-1296BGB):dasdingliche standteil zu individuell ausgehandelten Vertrag-
Recht an einem fremden Gegenstand zwecks steilen hinzugefügt.
dinglicher Sicherung einer Geldforderung Im Interesse des Verwenders von AGB sollen
oder einer anderen Forderung. Neben dem diese global Vertragsinhalt werden, d.h. ohne
Pfandrecht an beweglichen Sachen sind im daß ihre Klauseln im einzelnen ausgehandelt
Baubereich v.a. die Grundpfandrechte von Be- und vom Vertragspartner gebilligt werden müs-
deutung(§§ 1113-1203 BGB): sen. Da der Verwender jedoch bei der Formulie-
- Hypothek(§§ 1113-1190 BGB), d.h. das an rung seine eigenen wirtschaftlichen Interessen
einem Grundstück zur Sicherung einer For- und die Minderung seines eigenen Vertragsrisi-
derung bestellte Pfandrecht, wonach an den- kos im Auge hat, besteht die Gefahr der übervor-
jenigen, zu dessen Gunsten die Belastung teilung des Vertragspartners. Aus diesem Grund
erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Be- müssen AGB für schuld- und sachenrechtliche
friedigung einer ihm zustehenden Forde- Verträge den Anforderungen des Gesetzes zur
rung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Das Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäfts-
Bestehen einer persönlichen Forderung ist bedingungen (AGB-Gesetz) vom 09.12.1976,letz-
Voraussetzung für die Entstehung der Hypo- te Änderung 19.07.1996, genügen, in dem gere-
thek (akzessorische Natur der Hypothek). gelt ist,
- Grundschuld(§§ 1191-1198 BGB), d.h. Bela- - wann überhaupt AGB vorliegen;
stung eines Grundstücks in der Weise, daß - unter welchen Voraussetzungen sie Vertrags-
an den Begünstigten eine bestimmte Geld- bestandteil werden;
summe aus dem Grundstück zu zahlen ist. - wie AGB auszulegen sind, d.h. ihr Erklärungs-
Das Bestehen einer Forderung ist im Gegen- inhalt festzustellen ist;
satz zur Hypothek nicht Voraussetzung zur - unter welchen Bedingungen AGB inhaltlich
Entstehung einer Grundschuld; sie ist in ih- zulässig sind und
rem Bestand von der persönlichen Forde- - welche rechtlichen Folgen eine nach den Maß-
rung ganz unabhängig. stäben des AGBG festgestellte Unwirksamkeit
-Rentenschuld(§§ 1199-1203 BGB), d.h. Son- vonAGBhat.
derform der Grundschuld, bei der im Ge-
gensatz zu dieser kein Kapital, sondern eine 2.4.1.4
Rente in regelmäßig wiederkehrenden Ter- AGBG und VOB/B
minen aus dem Grundstück zu zahlen ist.
Die VOB/B hat den Rechtscharakter von AGB. Sie
2.4.1.3 muß daher gemäß § 1 AGBG als Vertragsbe-
Das AGBG als "Sittenwächter" standteil ausdrücklich in den Vertrag eingebun-
den werden. Nach der Rechtsprechung des BGH
Im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs ist ist die VOB/B im ganzen ein Vertragswerk, das
es den Vertragsparteien kaum möglich, jeden den Bedürfnissen des Baugewerbes angemessen
Vertrag als Individualvertrag abzuschließen, d. h. ist und die Interessen der Vertragspartner hin-
alle Vertragsbedingungen jeweils neu zu formu- reichend gleichmäßig berücksichtigt. Wird da-
lieren und auszuhandeln. Zum einen bestehen her die Einbeziehung der gesamten VOB/B in
große Ähnlichkeiten zwischen häufig wiederkeh- den Vertrag vereinbart, so muß keine Inhalts-
renden Geschäftsvorfällen, zum anderen ergibt kontrolle einzelner Bestimmungen mehr erfol-
sich bei Individualverträgen stets die Gefahr, daß gen. Bezieht der Verwender jedoch nur einzelne,
wichtige Punkte ungeregelt bleiben. Als Mittel für ihn günstige Teile der VOB/B in den Vertrag
zur Rationalisierung haben deshalb Allgemeine ein, so ist die Wirksamkeit der so modifizierten
Geschäftsbedingungen (AGB) hohe Bedeutung AGB anhand des AGBG zu beurteilen. Zu prüfen
erlangt. In ihnen werden Vertragsbedingungen ist dann, ob die VOB/B "im Kern" noch Ver-
für viele künftig abzuschließende Verträge vor- tragsgrundlage geblieben ist, so daß eine hinrei-
formuliert. Sie werden dann entweder nur formal chend gleichmäßige Interessenwahrung gesi-
um die Bezeichnung der Vertragspartner und in- chert ist. ·

2-156 Bauwirtschaft und Baubetrieb


§ 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG schließt die Anwend- i.allg. auch Unternehmen des Baugewerbes,
barkeit der§§ 10 Nr. 5 (fingierte Erklärung) und sofern sie nicht Formkaufmann kraft Rechts-
11 Nr. 10 lit. f AGBG (Verkürzung von Gewährlei- form geworden sind(§ 6 HGB).
stungsfristen) für Verträge aus, bei denen VOB/B - Betreib er von land- und forstwirtschaftliehen
Vertragsgrundlage ist. Danach sind in solchen Betrieben und ihnen angeschlossenen Neben-
Verträgen fingierte Erklärungen erlaubt, d.h. die betrieben können ebenfalls kraft Eintragung
Abgabe einer tatsächlich nicht vorgenommenen Kaufmann werden, sind dazu aber nicht ver-
Erklärung kann unterstellt werden. Bedeutung pflichtet (Kann-Kaufmann, §3 HGB).
hat dies für die nach§ 12 Nr. 5 Abs.1 VOB/B mög- - Kaufmann kraft Rechtsform sind Handelsge-
liche fiktive Abnahme, nach der abweichend vom sellschaften wie die Offene Handelsgesellschaft
BGB eine Leistung ohne ausdrückliche Abnahme (§§ 105-160 HGB),die Kommanditgesellschaft
mit Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher (§§ 161-177a HGB),dieAktiengesellschaft ge-
Mitteilung des Unternehmers über die Fertig- mäß AktG und die Gesellschaft mit beschränk-
stellung als abgenommen gilt. ter Haftung gemäß GmbHG.Auch sie erhalten
Ferner können in Abweichung vom AGBG die mit ihrer zwingenden Eintragung ins Handels-
Gewährleistungsfristen nach BGB gemäß § 13 register die Kaufmannseigenschaft (Form-
Nr. 4 VOB/B verkürzt werden. kaufmann,§ 6 HGB).
- Wer als Vollkaufmann auftritt und handelt
2.4.1.5 und im Handelsregister eingetragen ist, also
Das HGB als Sonderrecht der Kaufleute den Rechtsschein der Kaufmannseigenschaft
erzeugt, ohne Kaufmann zu sein, muß sich im
Das hauptsächlich im Handelsgesetzbuch (HGB) Interesse des Vertrauensschutzes im Rechts-
geregelte Handelsrecht ist das Sonderrecht der verkehr ebenfalls den meist strengeren Regeln
Kaufleute und ihrer Hilfspersonen. Seine Rege- des HGB unterwerfen (Kaufmann kraft Ein-
lungen ersetzen daher z.T. die Vorschriften des tragung,§ 5 HGB).
BGB, z.T. modifizieren sie sie nach den spezifi-
schen Bedingungen des Handelsverkehrs. Ist-, Kann- und Formkaufmann sind Vollkauf-
Der dem Handelsrecht unterworfene Kauf- leute, d.h., das HGB gilt für sie uneingeschränkt.
mannsstand gliedert sich in mehrere Kategorien: Es regelt im einzelnen u.a. das Recht der Firma
- Kaufmann im Sinne des HGB ist grundsätz- (§§ 17-37ff HGB), die Vorschriften für die Füh-
lich, wer ein Handelsgewerbe betreibt (Ist- rung der Handelsbücher für alle Kaufleute
Kaufmann,§ 1 Abs. 1 HGB). Für diesen Perso- {§§238-263 HGB),das Recht der Vertretung des
nenkreis gilt kraft Gewerbebetriebs in jedem Vollkaufmanns durch Prokura, Handlungsvoll-
Fall das Handelsrecht, unabhängig von der macht, Handlungsgehilfen, Handelsvertreter
Eintragung ins Handelsregister (diese hat nur und Handelsmakler (§§ 48-104 HGB ), das Recht
deklaratorischen, also bestätigenden Charak- der Handelsgesellschaften (§§ 105-237 HGB),
ter). der Handelsgeschäfte (§§ 343-475h HGB) und
- Betreibt ein Kaufmann zwar ein Grundhan- des Seehandels (§§476-905 HGB).
delsgewerbe, das jedoch nach Art oder Umfang Im Handelsrecht ist das Vertrauen auf den
einen in kaufmännischer Weise eingerichte- Rechtsschein besonders geschützt. So sind z.B.
ten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, so han- zahlreiche Formvorschriften des BGB im HGB
delt es sich um einen Kann-Kaufmann, wenn gelockert oder aufgehoben. Diese Lockerung
die Firma des Unternehmens in das Handels- dient der schnellen Abwicklung des Handelsver-
register eingetragen ist(§ 2 HGB). kehrs und ist dadurch gerechtfertigt, daß Kauf-
- Handwerks- und sonstige Gewerbebetriebe, leute i.allg. mit Rechtsgeschäften vertrauter sind
die zwar nicht zu den Grundhandelsgeschäf- als sonstige Privatpersonen und i.d.R. auch nur
ten gehören, die jedoch nach Art und Umfang gegen Entgelt handeln.
einen in kaufmännischer Weise eingerichte- In Abweichung vom BGB, nach dem die An-
ten Geschäftsbetrieb erfordern, gelten eben- nahme eines Angebots ausdrücklich oder zu-
falls als Handelsgewerbe und sind zur Eintra- mindest konkludent (eine Schlußfolgerung zu-
gung ins Handelsregister verpflichtet. Diese lassend) erklärtwerden muß(§§ 146-151 BGB),
Eintragung ist konstitutiv, da sie die Kauf- gilt bei Kaufleuten nach vorausgegangenen Ver-
mannseigenschaft kraft Eintragung begrün- tragsverhandlungendas Schweigen auf ein kauf-
det (Ist-Kaufmann,§ 1 HGB). Hierzu gehören männisches Bestätigungsschreiben als Annah-

Privates Baurecht 2-157


me, auch wenn der Inhalt des Bestätigungsschrei- - Verdingungsordnung für freiberufliche Lei-
bens vom zuvor Vereinbarten abweicht. Der Ver- stungen (VOF).
trag gilt dann mit den Abweichungen als ge-
schlossen {§362Abs.1 HGB). In ihnen sind die Regeln enthalten, die öffentli-
Anders als den privaten Käufer trifft den Kauf- che Auftraggeber bei der Anbahnung und dem
mann eine Untersuchungspflicht beim Erwerb ei- Abschluß eines Auftrags zu beachten haben hin-
ner Sache oder der Bestellung eines Werkes im sichtlich der Publizität, der einzuhaltenden Fri-
Rahmen seines Handelsgeschäfts (§§ 377 u. 378 sten, der Zulassung und Wertung von Angeboten,
BGB ). Er muß unverzüglich eine Mängelrüge aus- des Zuschlags und der nach dem Zuschlag her-
sprechen, wenn die gelieferte Ware oder das her- zustellenden Transparenz. VOB, VOL und VOF
gestellte Werk falsch oder fehlerhaft ist. Anson- sind mit Wirkung vom 01.01.1999 einklagbare ge-
sten gilt der vorhandene Mangel, soweit er er- setzliche Vorschriften, die von öffentlichen Auf-
kennbar war, als genehmigt, und der Kaufmann traggebern bei der Vertragsanbahnung ·mit Ver-
verliert seine Gewährleistungsansprüche. tretern der anbietenden Wirtschaft zu beachten
sind.
2.4.2 In den Teilen A der Verdingungsordnungen
Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber enthalten sie Regeln über das bei der Vergabe ein-
in der Bauwirtschaft zuhaltende Verfahren und in den Teilen B Allge-
meine Vertragsbedingungen, die beim Abschluß
Das Vergaberecht umfaßt die Gesamtheit der Re- eines Vertrags Vertragsbestandteil werden. Die
geln und Vorschriften, die dem Staat, seinen Be- VOB enthält zusätzlich einen Teil C mitAllgemei-
hörden und Institutionen eine bestimmte Vor- nen Technischen Vertragsbedingungen für Bau-
geheusweise beim Einkauf vorschreiben, d.h. bei leistungen. Die VOF vom 12.05.1997 besteht bis-
der Inanspruchnahme einer Leistung am Markt her lediglich aus einem Teil A.
gegen Entgelt [J asper/Marx 1997]. Dazu gehören Die zur Marktöffnung zunächst erlassenen
z. B. Regeln, wie eine Gemeinde zum Bau eines Richtlinien der EG zur Koordinierung der natio-
neuen Rathauses Architekten, Fachplaner und nalen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher
Baufirmen zu beauftragen hat. Teil des Vergabe- Aufträge (Liefer- und Baukoordinierungsricht-
rechts sind auch die Regelungen, welche die Ver- linie) führten zu einer Zweiteilung des deutschen
sorgungswirtschaftvon der Telekommunikati- Vergaberechts: Für Aufträge mit Auftragswerten
on bis zur Verkehrsversorgung bei ihren Einkäu- unterhalb der in den Richtlinien bestimmten
fen zu beachten hat. Schwellenwerte gelten die traditionellen deut-
schen Vergaberegeln; für Aufträge oberhalb die-
2.4.2.1 ser Schwellenwerte gilt eine Mischung aus deut-
Gegenstand und Struktur des Vergaberechts schem und europäischem Vergaberecht.
Um die Anwendung der Verdingungsordnun-
Das deutsche Vergaberecht ist traditionell spezi- gen zu vereinfachen, wurden sie in vier Ab-
eller Teil des Haushaltsrechtes, das die Aufstel- schnitte eingeteilt (dies gilt nicht für die VOF).
lung und Abwicklung des Etats einer öffentlich- VOL und VOB gliedern sich somit in folgende
rechtlichen Körperschaft regelt. Diese Regeln ha- Teile und Abschnitte:
ben das Ziel, die ökonomische Verwendung der - Teil A Allgemeine Bestimmungen über die Ver-
Haushaltsmittel zu sichern. gabe,
Die gesetzlichen haushaltsrechtlichen Vor~ - Abschnitt 1 mit Basisparagraphen (nationa-
schriftenwie das Haushaltsgrundsätzegesetz, die les Vergaberecht),
Bundes- und Landeshaushaltsordnungen (§55 - Abschnitt 2 mit Basisparagraphen und EG-
BH0, LHO ), die Haushaltsordnungen der öffent- Regeln aus den Baukoordinierungs- (BKR),
lieh-rechtlichen Körperschaften sowie die Ge- Lieferkoordinierungs-(LKR) und Dienstlei-
meindehaushaltsverordnungen der Länder, wel- stungsrichtlinien (DLR),
che die Verwaltung ganz allgemein verpflichten, - Abschnitt 3 mit Basisparagraphen und Re-
im Wettbewerb zu beschaffen, werden ergänzt geln der Sektorenrichtlinie (SKR) für Auf-
um bisher drei Verdingungsordnungen: träge auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder
- Verdingungsordnungfür Bauleistungen (VOB), Energieversorgung sowie des Fernmelde-
- Verdingungsordnung für Leistungen außer wesens, des Schienen- und Flugverkehrs,
Bauleistungen (VOL) und - Abschnitt 4 mit Regeln nur der SKR;

2-158 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- Teil B Allgemeine Vertragsbedingungen für Im 2. Abschnitt werden das Nachprüfungs-
die Ausführung der Leistungen; verfahren durch Vergabeprüfstellen und Verga-
- Teil C Allgemeine Technische Vertragsbedin- bekammern des Bundes und der Länder sowie
gungen (nur VOB). das Verfahren vor der Vergabekammer geregelt.
Nach§ 114 Abs. 2 GWB kann ein bereits erteil-
2.4.2.2 ter Zuschlag nicht aufgehoben werden. Gemäß
Rechtsschutz § 115 Abs. 1 darf der Auftraggeber nach Zustel-
lung eines Antrags auf Nachprüfung vor einer
Am 26.08.1998 wurde das Vergaberechtsände- Entscheidung der Vergabekammer und dem
rungsgesetz (V gRÄG) im Bundesgesetzblatt ver- Ablauf der Beschwerdefrist nach § 117 Abs. 1
öffentlicht (BGBl I S.2512).Es trat am 01.01.1999 (2 Wochen + weitere 2 Wochen aufschiebende
in Kraft. Die § 57a-c des Haushaltsgrundsätze- Wirkung gemäß § 118 Abs.l) den Zuschlag
gesetzes und die Nachprüfungsverordnung wur- nicht erteilen.
den gleichzeitig aufgehoben. Anstelle der beste- Gegen Entscheidungen der Vergabekammern
henden Vergabeverordnung vom 22.02.1994 ist ist gemäߧ 116 Abs. 1 die sofortige Beschwerde
eine gemeinsame Vergabe- und Nachprüfungs- zulässig, über die bei den Oberlandesgerichten
verordnung geplant. Das VgRÄG wurde als vier- (0 LG) gebildete Vergabesenate entscheiden. Wird
ter Teil in das novellierte Gesetz gegen Wettbe- wegen eines Verstoßes gegen Vergabevorschrif-
werbsbeschränkungen (GWB) integriert (BGBII ten Schadensersatz begehrt und hat ein Verfah-
S. 2546 V. 26.08.1998). ren vor der Vergabekammer stattgefunden, so ist
Im 1. Abschnitt des 4. Teiles des GWB wird das das ordentliche Gericht an die bestandskräftige
Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber Entscheidung der Vergabekammer und die Ent-
durch allgemeine Grundsätze, die Definition der scheidung des 0 LG gebunden (§ 124 Abs. 1). Will
Begriffe"Öffentliche Auftraggeber" und"Öffent- ein OLG von einer Entscheidung eines anderen
liche Aufträge", den Anwendungsbereich ober- OLG oder des Bundesgerichtshofes (BGH) abwei-
halb der Schwellenwerte sowie die Arten der Ver- chen, so entscheidet der BGH anstelle des OLG
gabe (offene, nichtoffene Verfahren und Ver- (§ 124 Abs. 2).
handlungsverfahren) beschrieben (§§ 97-10 1 In einem 3. Abschnitt werden in §128 u.a. die
GWB). Kosten des Verfahrens oder der Vergabekammer

EG-Ebene

Vergaberechtsänderungsgesetz (VgRÄG), veröffentlicht am


26.08.1998, lokrafttreten am 01 .01.1999 Gesetzesebene

Vergabe- und Nachprüfungsverordnung (VNpV); geplant Verordnungsebene

Verweis auf einzelne


Abschnitte von
Verdingungsordnungen

~
Nachprüfungsbehörden
Unstanz

Beschwerdebehörden
2.1nstanz

Abb. 2.4-1 Struktur des Vergaberechts oberhalb der EG-Schwellenwerte nach VgRÄG (nach [Jasper/Marx 1997])

Privates Baurecht 2-159


geregelt (min. 5000 DM, max. 50000 DM, ggf. Nachfragemacht des einzelnen öffentlichen
100000DM). Auftraggebers),
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die - Konsensprinzip (durch Erarbeitung der ein-
Vergabekammern ein Nachprüfungsverfahren zuhaltenden Regeln in Verdingungsausschüs-
nur auf Antrag einleiten (§ 107 Abs. 1), dieses sen wie dem Deutschen Verdingungsausschuß
dann zu erheblichen Verzögerungen bei der Ver- für Bauleistungen (DVA) für die VOB, in de-
gabe führt (min. 4 Wochen) und außerdem Ko- nen ausgewogen alle Beteiligten und Interes-
stenfolgen nach sich zieht. Zu hoffen ist den- sierten mitwirken),
noch, daß durch die Revision des Vergaberechts - Haushaltsrechtsprinzip (durch Verankerung
erhöhte Rechtssicherheit eintreten wird. Die im Haushaltsrecht der jeweiligen staatlichen
Struktur des Vergaberechts oberhalb der EG- Instanzen bzw. im GWB für Aufträge oberhalb
Schwellenwerte zeigt Abb. 2.4-1. der EG-Schwellenwerte).

2.4.2.3 2.4.2.4
Grundprinzipien des Vergaberechts .,Öffentliche" Auftraggeber

Oberstes Ziel der Regeln des sich gerade erst zu Beim zweigeteilten deutschen Vergaberecht ist
einer eigenständigen Rechtsmaterie entwickeln- nach den Vorschriften für Aufträge unterhalb und
den Vergaberechts für das öffentliche Auftrags- oberhalb der EG-Schwellenwerte zu unterschei-
wesen ist die Verpflichtung der Auftraggeber zu den. Öffentliche Auftraggeber nach nationalem
einem wirtschaftlichen Einkauf, um Verschwen- Vergaberecht (unterhalb der EG-Schwellenwer-
dung oder unkontrollierte Verwendung von te) sind alle staatlichen Institutionen, die öffent-
Steuermitteln für beliebige politische Zwecke zu liches Haushaltsrecht anwenden und damit an
verhindern. Die Nachfragemacht des Staates die Vergaberegeln gebunden sind(§ 55 BHO/LHO
muß reguliert und für alle Marktbeteiligten kal- sowie die Gemeindehaushaltsverordnungen der
kulierbar sein, und zwar mit funktionierendem Länder).
Wettbewerb ohne vergabefremde Einflußfak- öffentliche Auftraggeber nach § 98 GWB sind
toren. v.a. die Gebietskörperschaften (Bund, Länder,
Ein weiteres Ziel ist die Öffnung der öffentli- Kommunen) sowie deren Sondervermögen, an-
chen Beschaffungsmärkte in der EU zu einem dere juristische Personen des öffentlichen und des
großen Binnenmarkt. Dazu sollen die Transpa- privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck
renz der Regeln und die Pflicht zur nichtdiskri- gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegen-
minierenden Vergabe nach rationalen Kriterien de Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen,
in der gesamten EU durchgesetzt werden. Um je- die überwiegend öffentlich finanziert, geleitet
weils zu einer bestmöglichen Relation von Preis oder beaufsichtigt werden, sowie natürliche oder
und Leistung zu gelangen, enthalten die Regeln juristische Personen des privaten Rechts, die zu
einen Vorrang des offenen Verfahrens vor dem mehr als 50% öffentlich finanzierte Bauvorha-
nichtoffenen Verfahren sowie einen Vorrang des ben oder Anlagen der Trinkwasser- bzw. Energie-
nichtoffenen Verfahrens vor dem Verhandlungs- versorgung sowie des Verkehrs oder der Tele-
verfahren. Sie verlangen internationalen Wettbe- kommunikation errichten lassen.
werb mit Marktöffnung auch für ausländische
Bieter. Zur Umsetzung der Ziele dienen folgende 2.4.2.5
Prinzipien [Jasper/Marx 1997]: Auftragsarten und Schwellenwerte
- Privatrechtsprinzip (Verhalten des Staates wie
ein privater Auftraggeber), Die EG-Vergaberichtlinien gehen mit drei Richt-
- Wettbewerbsprinzip (Beschaffung im Wettbe- Iinien von drei Auftragsarten aus, d.h. von Auf-
werb mit Rangfolge der Vergabearten), trägen für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen ge-
- Prinzip der langfristigen Wirtschaftlichkeit mäß Baukoordinierungs- (BKR), Lieferkoordi-
(Erhalt mittelständischer Angebotsstrukturen nierungs- (LKR) und Dienstleistungsrichtlinie
zur Sicherung langfristig wirtschaftlicher Ein- (DLR).Die Sektorenrichtlinie (SKR) bezieht sich
kaufsmöglichkeiten), nicht auf eine vierte Auftragsart, sondern regelt
- Prinzip der dezentralen Beschaffung (Vertei- die Vergaben der öffentlichen und privaten Sek-
lung der Nachfrage auf etwa 35000 deutsche torenauftraggeber für die Vergabe von Bau- und
öffentliche Auftraggeber zur Begrenzung der Lieferleistungen auf den Gebieten der Trinkwas-

2-160 Bauwirtschaft und Baubetrieb


ser-oder Energieversorgung sowie des Verkehrs- Immer häufiger werden komplexe Gesamtlei-
oder Fernmeldewesens. stungen ausgeschrieben, bei denen mehrere Lei-
Das deutsche Recht hat inzwischen die Dienst- stungsarten gleichzeitig zu erbringen sind (z.B.
leistungsrichtlinie in die VOL/A und die VOF Planung, Bau sowie ggf. Betrieb und Finanzie-
umgesetzt. Da die VOF nur die Vergabe solcher rung von Rathäusern, Kläranlagen, Müllverbren-
freiberuflichen Leistungen regelt, die nicht ein- nungsanlagen, Brücken- oder Tunnelbauwerken).
deutig und erschöpend beschreibbar sind, ist die Die einheitliche Vergabe umfaßt in solchen Fäl-
Dreiteilung der EG-Vergaberichtlinien nicht di- len verschiedene Auftragsarten. Der Auftragge-
rekt übernommen worden. ber muß dann den Schwerpunkt der Leistungen
Die verschiedenen Auftragsarten sind ober- nach der Höhe der Vergütung feststellen. Dieser
halb der EG-Schwellenwerte nach den Regeln ge- Schwerpunkt bestimmt dann die anzuwenden-
mäß Abb. 2.4-2 abzugrenzen und zu vergeben. de Verdingungsordnung, nach der die Gesamt-
Aufträge für Bau- und Lieferleistungen unter- leistung auszuschreiben und zu vergeben ist.
halb der EG-Schwellenwerte sind nach den Basis- Zur Ermittlung der insgesamt wirtschaftlich-
paragraphen der VOB/A bzw. VOLl A zu vergeben. sten Lösung läßt das Vergaberecht auch verschie-
Freiberufliche Leistungen werden unterhalb der dene Auftragsarten in einem Vergabeverfahren
Schwellenwerte nicht von der VOF, sondern nur zu, um z.B. durch eine Parallelausschreibung
von den Bestimmungen der Haushaltsordnun- Einzellos- und Generalunternehmerangebote
gen erfaßt. miteinander vergleichen zu können. Private oder
Sämtliche Leistungen, die weder der VOB/A gemischtwirtschaftliche Betreibermodelle sowie
noch der VO F unterfallen, sind nach der VO LI A die Finanzierung können auch im Rahmen von
zu vergeben (mit Ausnahme der freiberuflichen Bauvergaben abgefragt werden, indem der Auf-
Leistungen unterhalb der Schwellenwerte). Die traggeber die Ausschreibungsunterlagen entspre-
VOL/ Ahatinsoweit eine Auffangfunktion für die chend gestaltet und sich alternativ Vorschläge für
Dienstleistungsrichtlinie für sämtliche im deut- diese Leistungen anbieten läßt.
schen Recht sonst nicht zuzuordnenden Lei- Buropaweite Ausschreibungen sind nur für
stungsarten. Aufträge oberhalb bestimmter Schwellenwerte

Bauleistungen Lieferleistungen Dienstleistungen Leistungsarten

Trinkwasser-, Energieversorgung
Verkehrs-, Fernmeldewesen

BKR LKR DLR


Baukoordinierungs- Lieferkoordinierungs- Dienstleistungs- EG-Ri<htlinien
Rili 93/37/EWG Rili 93136/EWG Rili 92/50/EWG
vom 14.03.1993 vom 14.06.1993 vom 18.06.1992

~
l ~
SKR Sektoren
Rili 93/38/EWG .
vom 14.06.1993
ja .
n
VOB/A 1992 VOUA 1997
Abschn . 2: Basis-§§+ BKR Abschn. 2: Basis-§§+ LKR VOF 1997 Verdingungsordnungen
Abschn. 3: Basis-§§+ SKR Abschn. 3: Basis·§§ + SKR (~ EG·Schwellenwerte)
Abs. 4: SKR Abs. 4: SKR

Haushaltsordnungen des
VOB/A 1992 VOUA 1997 Bundes, der Länder und
Abschn. 1: Basis-§§ Abschn. 1: Basis-§§ BGB derKommunen
P-: EG-Schwellenwerte)

Abb. 2.4-2 Struktur des Vergaberechts für Bau·, liefer- und Dienstleistungen

Privates Baurecht 2-161


vorgeschrieben. Nur bei Überschreitung dieser 4. Abschnitte der VOB/ A und der VOLlA gelten.
Werte sind die Vorschriften der VOF sowie der Die VOF sieht ausschließlich Vergaben in Ver-
2. bis 4. Abschnitt der VOB/A und der VOL/A handlungsverfahren vor. Die neuen Bezeich-
anzuwenden. Die Schwellenwerte betragen für nungen lauten:
Bauaufträge 5 Mio. ECU (bzw. Euro), für Liefer- - offenes Verfahren= öffentliche Ausschreibung,
und Dienstleistungsaufträge grundsätzlich - nichtoffenes Verfahren = beschränkte Aus-
200 000 ECU (bzw. Euro). Ausnahmen gelten für schreibung,
Liefer-und Dienstleistungsaufträge der obersten - Verhandlungsverfahren =freihändige Vergabe.
Bundesbehörden sowie der Sektorenauftragge-
ber. Grundsätzlich gilt für die VOLlA und die VOB/A
Der jeweilige Gegenwert der in ECU vorgege- eine Hierarchie der Vergabeverfahren (einge-
benen Schwellenwerte ist nicht nach dem jeweils schränkt in den Abschnitten 4): Das offene Ver-
aktuellen Umrechnungskurs zu ermitteln, son- fahren hat Vorrang vor dem nichtoffenen Verfah-
dern nach dem vom Bundesminister für Wirt- ren; dieses wiederum hat Vorrang vor dem Ver-
schaft jeweils für 2 Jahre angegebenen Gegen- handlungsverfahren. Ein nichtoffenes Verfahren
wert in DM, der derzeit bis zum 31.12.1999 ge- oder ein Verhandlungsverfahren ohne Bekannt-
mäß Bekanntmachung des Bundesministers für machung mit Aufforderung an die Unternehmer,
Wirtschaft (BMWi) vom 18.12.1997- veröffent- ihre Teilnahme am Wettbewerb zu beantragen,
licht im Bundesanzeiger (BAnz) vom 07.01.1998 ist nur im Ausnahmefall zulässig.
- 9606331 DM für 5 Mio. ECU und 384253 DM Die Bekanntmachungen sind in Tageszeitun-
für 200000 ECU beträgt. Ob Schwellenwerte gen, amtlichen Veröffentlichungsblättern oder
überschritten werden, richtet sich nach dem im Fachzeitschriften bzw. oberhalb der Schwellen-
voraus geschätzten Gesamtauftragswert ohne werte im Amtsblatt der Europäischen Gemein-
Umsatzsteuer. Das Umgehungsverbot der Auf- schaft zu veröffentlichen. Aus dem Kreis der Be-
tragsteilung verpflichtet auch dazu, Teilaufträge werber wählt der Auftraggeber in einer ersten
z.B. bei Losvergaben grundsätzlich zusammen- Stufe den Kreis der möglichen Bieter aus, die er
zurechnen. auffordern will, ein Angebot abzugeben. Dazu
werden von den Bewerbern Nachweise für die Be-
2.4.2.6 urteilung der Eignung (Fachkunde, Erfahrung,
Verfahrensarten Leistungsfahigkeit, Zuverlässigkeit) verlangt. Die
Bewerber haben daher Angaben über ihre Quali-
Das bisher in den ersten Abschnitten von VOB/A fikation, ihren Umsatz in den letzten drei abge-
und VOL/A durch die Basisparagraphen geregel- schlossenen Geschäftsjahren, über die Ausfüh-
te deutsche Vergaberecht unterscheidet drei Ar- rung von Leistungen, die mit der zu vergeben-
ten von Vergabeverfahren: die öffentliche und die den Leistung vergleichbar sind, über die Zahl der
beschränkte Ausschreibung sowie die "freihän- jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeits-
dige" Vergabe. Diese unterhalb der Schwellen- kräfte, über die für die Ausführung der zu verge-
werte nach wie vor geltenden Verfahren unter- benden Leistung zur Verfügung stehende techni-
scheiden sich in der Auswahl der Bieter und der sche Ausrüstung zu machen sowie Auskünfte von
Bindung an einen vorgegebenen Verfahrensab- Referenzpersonen über bereits abgewickelte Auf-
lauf. Die öffentliche Ausschreibung wendet sich träge vorzulegen.
an einen unbeschränkten Bieterkreis, die be- Beim offenen Verfahren sind die Unterlagen an
schränkte Ausschreibung sowie die freihändige alle Bewerber abzugeben, die sich gewerbsmäßig
Vergabe sind - z.T. durch vorgeschaltete Teil- mit der Ausführung von Leistungen der ausge-
nahmewettbewerbe - auf einen beschränkten, schriebenen Art befassen. Beim nichtoffenen Ver-
zuvor ausgewählten Bieterkreis ausgerichtet. fahren müssen mindestens fünf (VOB/A) bzw.
Bei öffentlicher und beschränkter Ausschrei- drei (VOLlA), beim Verhandlungsverfahren min-
bung sind Form und Ablauf des Verfahrens in destens drei Bewerber (VOB/A) aufgefordert wer-
zahlreichen Einzelbestimmungen der Verdin- den.
gungsordnung genau festgelegt. Bei der freihän- Bei den öffentlichen und privaten Sektoren-
digen Vergabe bestehen gelockerte Regelungen. auftraggebern werden die drei Verhandlungs-
Durch die EG-Vergaberichtlinien wurden für die verfahren um das Präqualifikationsverfahren er-
Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte gänzt. Dazu muß der Auftraggeber ein System
neue Bezeichnungen eingeführt, die für die 2. bis zur Prüfung von Unternehmern einrichten, be-

2-162 Bauwirtschaft und Baubetrieb


kanntmachen und die grundsätzliche Eignung Auftraggeber die Aufklärungsgespräche nicht da-
von Unternehmern für einen begrenzten Zeit- zu nutzen, die Bieter zu Ausführungsvarianten
raum (z.B. 3 Jahre) prüfen. Bei der Eignungsprü- zu veranlassen, die von der Ausschreibung und
fung werden die Bewerber in Listen aufgenom- dem Angebot abweichen.
men. Bei konkreten nichtoffenen Verfahren oder Nach dem Grundsatz der Losvergabe sollen
Verhandlungsverfahren kann der Auftraggeber gemäߧ 4 Nr. 2 und 3 VOB/ A bzw. § 5 Nr.l VOLl A
dann einzelne Unternehmen aus den Listen her- umfangreiche Bauleistungen bzw. Lieferungen
ausgreifen und diese auffordern, ein spezielles und Leistungen nach Teillosen sowie Leistungen
Angebot abzugeben. verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige
nach Fachlosen vergeben werden. Auswirtschaft-
2.4.2.7 liehen oder technischen Gründen ist jedoch die
Vergabegrundsätze und -verfahren Zusammenfassung mehrerer Fachlose sowie die
Generalunternehmerausschreibung parallel zur
Für alle vorgenannten Vergabeverfahren gelten Fachlosausschreibung zulässig, um die wirt-
einheitliche Verfahrensgrundsätze. schaftlichste Lösung zu ermitteln.
Nach dem Wettbewerbsgrundsatz sind Lei- Die Vergabeverfahren beginnen i. d. R. mit der
stungen grundsätzlich im Wettbewerb zu verge- Veröffentlichung der Vorinformation und der an-
ben. Es soll möglichst vielen Bietern die Gelegen- schließenden Bekanntmachung, oberhalb der
heit gegeben werden, ihre Leistungen anzubie- Schwellenwerte zwingend auch im Amtsblatt der
ten. Nach§ 4 Abs. 3 VOF sind unlautere und wett- Europäischen Gemeinschaft. Dazu sind europa-
bewerbsbeschränkende Verhaltensweisen unzu- weit geltende Muster zu verwenden, die aus den
lässig.Nach §2Nr.l VOB/A und §2Abs.2VOL/A EG-Richtlinien in die Anhänge der Verdingungs-
sind wettbewerbsbeschränkende und unlautere ordnungen übernommen wurden. Es folgt dann
Verhaltensweisen durch die Auftraggeber zu be- der Teilnahmewettbewerb, für den die in den Ver-
kämpfen. dingungsordnungen genannten Mindestfristen,
Nach dem Diskriminierungsverbot bzw. dem die in Fällen besonderer Dringlichkeit verkürzt
Gleichbehandlungsgebot sind alle Bieter gleich werden können, einzuhalten sind.
zu behandeln. So dürfen z. B. ortsansässige Unter- Bis zum Ablauf der Angebotsfrist müssen dem
nehmen nicht bevorzugt werden. Erhält ein Bie- Auftraggeber die Angebote zugehen. Verspätet
ter auf Nachfrage Auskünfte, die über die Infor- eingehende Angebote sind auszuschließen. Wei-
mationen aus den Vergabeunterlagen hinausge- tere Ausschlußkriterien sind u.a. fehlende Unter-
hen, so sind diese allen Mitbietern mitzuteilen. schriften bzw. fehlende Unterschriftsvollmacht,
Ferner darf kein Bieter nach Ablauf der Ange- Änderungen an den Verdingungsunterlagen so-
botsfrist sein Angebot nachbessern bzw. für den wie bei offenen Verfahren Bieter, deren Eignung
öffentlichen Auftraggeber günstiger gestalten. für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtun-
Dieser darf dann auch nicht die Ausschreibung gen nicht die notwendige Sicherheit bietet, d.h.,
aufheben, um dem Bieter in einem neuen Verga- daß sie nicht die erforderliche Fachkunde, Er-
beverfahren Gelegenheit für die ordnungsgemä- fahrung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
ße Abgabe des nachgebesserten Angebots zu ge- besitzen oder nicht über ausreichende technische
ben. Das Gebot der sparsamen Haushaltsführung und wirtschaftliche Mittel verfügen.
tritt hier hinter das Diskriminierungsverbot Änderungsvorschläge und Nebenangebote müs-
zurück. sen ebenfalls die Anforderungen an das Haupt-
Nach dem Verhandlungsverbot ist es öffentli- angebot erfüllen, damit sie mit den Hauptange-
chen Auftraggebern gemäß §24 Nr. 3 VOB/A boten vergleichbar sind. Auf ein Angebot mit ei-
bzw. § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOLl A nicht gestattet, über nem unangemessen hohen oder niedrigen Preis
Änderungen der Angebote oder Preise zu verhan- darf der Zuschlag nicht erteilt werden.
deln. Beim offenen bzw. nichtoffenen Verfahren In die engere Wahl kommen damit nur solche
dürfen Verhandlungen mit den Bietern nur über Angebote, die unter Berücksichtigung rationeller
das Angebot selbst, etwaige Änderungsvorschlä- Wirtschaftsführung des Unternehmers eine ein-
ge und Nebenangebote, die geplante Art der wandfreie Ausführung einschließlich Gewährlei-
Durchführung usw. geführt werden, um sich über stung erwarten lassen. Unter diesen Angeboten
die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung
Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen aller in der Bekanntmachung oder den Ausschrei-
(Kalkulationen), zu unterrichten. So darf auch der bungsunterlagen angegebenen Bewertungskri-

Privates Baurecht 2-163


terien annehmbarste Angebot zu erteilen. Der bindlichkeit, so ist durch die Umsetzung der EG-
niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entschei- Vorgaben seit 1994 sowie die Einführung des Ver-
dend. gaberechtsänderungsgesetzes mit Wirkung vom
Nur ausnahmsweise kann eine Ausschreibung 01.01.1999 und die vorher geltenden § 57a-c
aufgehoben werden, wenn dafür schwerwiegen- HGrG (Haushaltsgrundsätzegesetz) eine Rechts-
de Gründe vorliegen, z. B. kein Angebot einge- normqualität des Teiles A geschaffen worden
gangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen . [Werner/Pastor 1997]. Privaten und gewerbli-
entspricht. Die Rechtsprechung stellt hier an die chen Bauherren ist es freigestellt, jedoch anzu-
Begründungen sehr strenge Anforderungen. raten, sich an die wesentlichen Grundsätze der
VOB/A zu halten, um mit Vertragsabschluß kla-
2.4.3 re und eindeutige Vereinbarungen über die zu
Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) erbringenden Leistungen von fachkundigen, er-
fahrenen, leistungsfähigen und zuverlässigen
Die VOB wurde in der Zeit von 1921 bis 1926 vom Unternehmern zu angemessenen Preisen zu er-
Reichsverdingungsausschuß geschaffen mit dem halten.
Ziel," ... für die Vergebung von Leistungen und Seit der Ausgabe 1992 derVOB/A besteht die-
Lieferungen einheitliche Grundsätze für Reich se aus vier Abschnitten:
und Länder zu schaffen" [Ingenstau/Korbion - Die Regelungen des Abschnitts 1 Basisparagra-
1996, Einleitung, Rdn (Randnummer) 6]. Am phen gelten für die Vergabe von Bauaufträgen
06.05.1926 wurde die Erstfassung der VOB be- unterhalb des Schwellenwertes der EG-Bauko-
schlossen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die VOB ordinierungsrichtlinie (§ 1a) und der EG-Sek-
durch den 1947 gegründeten Deutschen Verdin- torenrichtlinie (§ 1b) durch Auftraggeber, die
gungsausschuß für Bauleistungen (DVA) neu be- über die Bundes-, Landes- und Gemeinde-
arbeitet. haushaltsordnungen zur Anwendung der
Durch die Einführung der EG-Baukoordinie- VOB/A verpflichtet sind.
rungs- und Sektorenrichtlinien wurde die Ände- - Die Regelungen des Abschnitts 2 Basisparagra-
rung des Teiles A der VOB erforderlich zur der- phen mit zusätzlichen Bestimmungen nach der
zeit gültigen Fassung von 1992 (BAnz v. EG-Baukoordinierungsrichtlinie gelten für die
27.11.1992). Für die TeileBund C gilt der Ergän- Vergabe von Bauaufträgen, die den Schwellen-
zungsband 1998 zur Ausgabe 1992. wert der EG-Baukoordinierungsrichtlinie er-
Die VOB gliedert sich in drei Teile: reichen oder übersteigen (§ la), durch Auftrag-
- Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Ver- geber, die zur Anwendung der EG-Baukoordi-
gabe von Bauleistungen, nierungsrichtlinie verpflichtet sind. Sie finden
- Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für keine Anwendung für Bauaufträge auf dem
die Ausführung von Bauleistungen, Gebiet der Trinkwasser- oder Energieversor-
- Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedin- gung sowie des Verkehrs- oder Fernmeldewe-
gungen für die Ausführung von Bauleistun- sens.
·gen. - Die Regelungen des Abschnitts 3 Basisparagra-
phen mit zusätzlichen Bestimmungen nach der
Wird im Bauvertrag die VOB zum Vertragsbe- EG-Sektorenrichtlinie gelten für Bauaufträge
standteil erklärt, so bezieht sich dies nur auf die auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Ener-
Vorschriften der Teile B und C, wobei Teil C gieversorgung sowie des Verkehrs- oder Fern-
durch die in§ 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/B enthaltene meldewesens oberhalb des Schwellenwertes
Verweisung zum Vertragsbestandteil wird. der EG-Sektorenrichtlinie für Auftraggeber
gemäß §57aAbs.1 Nr.1-3 HGrG (Gebietskör-
2.4.3.1 perschaften ... ,andere juristische Personen
VOB Teil A: Allgemeine Bestimmungen des öffentlichen und des privaten Rechts zur
für die Vergabe von Bauleistungen Erfüllung im Allgemeininteresse liegender
Aufgaben nichtgewerblicher Art ... , Verbände
Teil A enthält für die öffentlichen Auftraggeber mit Mitgliedern aus vorstehenden Institutio-
Vorschriften darüber, wie Bauleistungen zu ver- nen).
geben sind. Hatte die VOB/A für die öffentlichen - Die Regelungen des Abschnitts 4 Vergabestim-
Auftraggeber nach den Vergabehandbüchern als mungen nach der EG-Sektorenrichtlinie gelten
Verwaltungsvorschrift nur innerdienstliche Ver- für Bauaufträge auf dem Gebiet der Trinkwas-

2-164 Bauwirtschaft und Baubetrieb


ser- oder Energieversorgung sowie des Ver- zögerungen und Preissteigerungen infolge In-
kehrs- oder Fernmeldewesens oberhalb der solvenz des Auftragnehmers teuer werden kann.
Schwellenwerte der EG-Sektorenrichtlinie
durch Auftraggeber gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 4 Ausschreibungsgrundsätze (A § 76)
und 5 HGrG (Unternehmen in privater Rechts-
form mit Sektorentätigkeit, auf die die vorste- Nach A § 16 Nr. 1 soll der Auftraggeber erst dann
henden Institutionen einen beherrschenden ausschreiben, wenn alle Verdingungsunterlagen
Einfluß ausüben können, sowie andere natür- fertiggestellt sind und innerhalb der angegebe-
liche oder juristische Personen des privaten nen Fristen mit der Ausführung begonnen wer-
Rechts, die ihre Sektorentätigkeiten auf der den kann. Ausschreibungen für vergabefremde
Basis von Rechten ausüben, die von einer zu- Zwecke (z.B. Ertragsberechnungen) sind un-
ständigen Behörde gewährt wurden). zulässig.
Wichtigste Bestandteile der Verdingungsun-
Die folgenden Ausführungen erstrecken sich auf terlagen (A § 10) sind die Leistungsbeschreibung
Abschnitt 1 der VOB/ A. (A § 9) und die Ausschreibungspläne. Der Auf-
traggeber hat ferner dafür zu sorgen, daß alle
Bauleistungen und Vergabegrundsätze (A §§ 7u. 2) Voraussetzungen für den Ausführungsbeginn
wie Finanzierung, Baugenehmigung und weite-
Nach A § 1 sind Bauleistungen Arbeiten jeder re behördliche Genehmigungen, zugangsfreies
Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, Baugrundstück, Zufahrten zur Baustelle, geneh-
instandgehalten, geändert oder beseitigt wird. migte Ausführungspläne und abgeschlossene
Nicht unter A § 1 fallen Einrichtungen, die von Vorleistungen anderer Unternehmer vorhanden
der baulichen Anlage ohne Beeinträchtigung der sind.
Vollständigkeit oder Benutzbarkeit abgetrennt Unternehmer sollen nur dann zur Angebots-
werden können und einem selbständigen Nut- abgabe aufgefordert werden, wenn sie eine reali-
zungszweck dienen (z.B. maschinelle und elek- stische Chance haben, mit der angebotenen Bau-
trotechnische Anlagen für die Energieerzeugung leistung beauftragt zu werden. Ausschreibungen
und -Verteilung, EDV-Anlagen und Geräte sowie für Zwecke der Kostenermittlung des Investors,
medizintechnische Anlagen). um z.B.auf deren Basis Wirtschaftlichkeitsbe-
In A § 2 Nr. 1 wird gefordert, Bauleistungen an rechnungen anzustellen, erhöhen die allgemei-
fachkundige, erfahrene, leistungsfähige und zu- nen Geschäftskosten der Bieter, wodurch letzt-
verlässige Unternehmer zu angemessenen Prei- lich die Baupreise erhöht werden. Aus derartigen
sen zu vergeben. Der Wettbewerb soll die Regel Testausschreibungen können sich Schadenser-
sein. Ungesunde Begleiterscheinungen wie wett- satzansprüche der Bieter aus Verschulden bei Ver-
bewerbsbeschränkende Verhaltensweisen sind tragsabschluß ergeben (culpa in contrahendo).
zu bekämpfen.
Die Prüfung der Eignungskriterien der Bewer- Vertragsarten (A § 5)
ber obliegt dem Auftraggeber im Fall einer öffent-
liehen Ausschreibung nach der Submission (Zeit- Mit dieser Bestimmung werden drei Vertragsar-
punkt der Öffnung der Angebote), im Fall einer ten unterschieden und hinsichtlich ihrer Anwen-
beschränkten Ausschreibung vor der Auffor- dung bewertet: der Leistungs-, Stundenlohn-
derung von interessierten Teilnehmern am Wett- und Selbstkostenerstattungsvertrag. Nach A § 5
bewerb zur Angebotsabgabe. Damit scheidet bei Nr. 1 sollen Bauleistungen so vergeben werden,
beschränkter Ausschreibung der Ausschluß ei- daß die Vergütung nach Leistung bemessen wird
nes Bieters nach der Submission wegen vom Auf- (Leistungsvertrag). Dabei wird weiter unter-
traggeber behaupteter mangelnder Eignung aus. schieden zwischen Einheitspreis- und Pauschal-
Zu einem funktionierenden Wettbewerb gehören vertrag.
angemessene Preise. Der niedrigste Angebots- Beim Einheitspreisvertrag sollen die Baulei-
preis darf nicht entscheidend sein, ist es jedoch stungen zu Einheitspreisen für technisch und
im Bereich des öffentlichen Auftragswesens in wirtschaftlich einheitliche Teilleistungen verge-
etwa 95% aller Fälle. Angebote mit unangemes- ben werden, deren Menge nach Maß, Gewicht
sen niedrigem Preis können nur bei potenten oder Stückzahl vom Auftraggeber in den Verdin-
Bietern angenommen werden, da sonst die Ge- gungsunterlagen anzugeben ist. Ändern sich die
fahr besteht, daß es nachträglich durch Zeitver- Einheitspreise während der Laufzeit des Vertrags

Privates Baurecht 2-165


nicht, so handelt es sich um Festpreise. Lohn- verträgen vergeben, sind es selbständige, andern-
gleitklauseln werden i.d.R. erst bei einer Ver- falls in Verbindung mit Leistungsverträgen ange-
tragsdauer von >24 Monaten vereinbart. hängte Stundenlohnarbeiten.Auch sie sollen dem
Aus dem Einheitspreis, multipliziert mit der Wettbewerb unterstellt werden.
im Leistungsverzeichnis (LV) angegebenen Men- Bauleistungen größeren Umfangs dürfen aus-
ge (Vordersatz), errechnet sich der Positions- nahmsweise nach Selbstkosten vergeben werden,
preis. Die Summe der Positionspreise bildet den wenn sie vor der Vergabe nicht eindeutig und so
Gesamtpreis des Angebots.Abgerechnet wird nach erschöpfend bestimmt werden können, daß eine
vertraglich vereinbarten Einheitspreisen und einwandfreie Preisermittlung möglich ist. Die
tatsächlich ausgeführten Mengen (ermittelt aus Vergütung bestimmt sich dann nach dem Ge-
Plänen oder durch Aufmaß), nicht nach den im samtaufwand des Auftragnehmers, der vorkal-
LV angegebenen Vordersätzen, da diese oft zu kulatorisch nicht abschätzbar ist. Daher ist diese
ungenau und häufig mit Sicherheiten behaftet Vertragsart für den Auftraggeber sehr riskant. Sie
sind (Massenreserve). sollte darum grundsätzlich vermieden werden.
Bauleistungen sollen in geeigneten Fällen für
eine Pauschalsumme vergeben werden, wenn die Beschreibung der Leistung (A § 9)
Leistung nach Ausführungsart und Umfang ge-
nau bestimmt ist und mit einer Änderung bei Nach A § 9 Nr.1 ist die Leistung eindeutig und so
der Ausführung nicht zu rechnen ist. Ein derar- erschöpfend zu beschreiben, daß alle Bewerber
tiger Pauschalvertrag hat für beide Parteien Vor- die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen
und Nachteile. Sofern der Leistungsumfang hin- müssen und ihre Preise sicher und ohne umfang-
sichtlich Art und Menge nicht genau bestimmt reiche Vorarbeiten berechnen können. Eine ord-
wird, ist dieser Vertragstyp für den Auftraggeber nungsgemäße, auftragsbezogene Leistungsbe-
mit großem Risiko behaftet, da die Rechtspre- schreibung ist Voraussetzung für
chung Unklarheiten hinsichtlich des Vertrags- - die zuverlässige Bearbeitung der Angebote
umfangs und daraus resultierender Vergütungs- durch die Bieter,
ansprüche des Auftragnehmers häufig zu Ungun- - die zutreffende Wertung der Angebote und die
sten des Auftraggebers entscheidet. Diejenigen richtige Vergabeentscheidung,
Teile der Leistungen, deren Art oder Umfang sich - die reibungslose und technisch einwandfreie
im Zeitpunkt der Vergabe noch nicht genau be- Ausführung der Leistung sowie
stimmen lassen (z. B. Wasserhaltungs-, Erd- und - die vertragsgemäße und regelgerechte Abrech-
Gründungsarbeiten),sind daher neben dem Pau- nung.
schalvertrag vorteilhafter im Einheitspreisver-
trag zu vergeben. Fehler in der Leistungsbeschreibung haben nicht
Beim Pauschalvertrag müssen mit der Auffor- nur Auswirkungen auf die Qualität der Leistung,
derung zur Angebotsabgabe die erforderlichen sie führen zu Nachtragsforderungen des Auftrag-
Ausführungs- und Detailpläne vollständig vor- nehmers sowie zu Unstimmigkeiten bei der spä-
liegen. Sollen während der Laufzeit des Pauschal- teren Abrechnung und auch bei der Gewährlei-
vertrags keine Gleitklauseln zur Anwendung stung.
kommen, so handelt es sich um einen Pauschal- Die Regelungen in A § 9 sind dreistufig auf-
festpreisvertrag. gebaut. Neben den allgemeinen Bestimmungen
Da auch beim Pauschalvertrag vom Auftrag- über die Beschreibung der Leistung der Num-
geber häufig nachträgliche Leistungsänderun- mern 1 bis 5 betreffen die Nummern 6 bis 9 die
gen gefordert werden, empfiehlt es sich, für sol- Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeich-
che Änderungen eine Einheitspreisliste zum Pau- nis und die Nummern 10 bis 12 die Leistungs-
schalvertrag zu vereinbaren und die Verände- beschreibung mit Leistungsprogramm, sofern
rungen der Pauschalsumme vertraglich durch zusammen mit der Bauausführung auch der
eine fortzuschreibende Mehr-/Minderkostenli- Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb un-
ste ohne langwierige Nachtragsverhandlungen terstellt werden soll, um die technisch, wirt-
zu regeln. schaftlich und gestalterisch beste sowie funk-
Bauleistungen geringeren Umfangs, die über- tionsge- rechte Lösung der Bauaufgabe zu er-
wiegend Lohnkosten verursachen, dürfen im mitteln.
Stundenlohn vergeben werden. Werden Stunden- Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn
lohnarbeiten ohne Verbindung mit Leistungs- sie Art und Umfang der geforderten Leistungen

2-166 Bauwirtschaft und Baubetrieb


mit allen dafür maßgebenden Bedingungen, u. a. Teilleistungen und alle für die Herstellung des
hinsichtlich Qualität, Beanspruchungsgrad, Tech- Werkes spezifischen Bedingungen und Anforde-
nik und Bauphysik, der Ausführung und zu er- rungen enthält.
wartenden Erschwernissen zweifelsfrei erken- Sie ist technisch richtig, wenn sie Art, Qualität
nen läßt und keine Widersprüche in sich, zu den und Modalitäten der Ausführung der geforder-
Plänen oder zu anderen vertraglichen Regelun- ten Leistung entsprechend den anerkannten Re-
gen enthält. geln der Technik, den allgemeinen technischen
Sie ist vollständig, wenn sie Art und Zweck des Vertragsbedingungen oder etwaigen leistungs-
Bauwerkes bzw. der Leistung, Art und Umfang und produktspezifischen Vorgaben zutreffend
aller zur Herstellung des Werkes erforderlichen festlegt.

Tabelle 2.4-1 Lieferbare Standardleistungsbücher (StlB) des GAEB (Quelle: Beuth Verlagskatalog, Berlin; Stand 1999), Teil1

LB-Nr. Standardleistungsbuch Ausgabe Seiten Einzelpreis


DM
000 Baustelleneinrichtungen 03/95 116 33.40
001 Gerüstarbeiten 11/90 60 17,00
002 Erdarbeiten 11/93 90 26,50
003 landschaftsbauarbeiten 04/97 444 127,70
004 landschaftsbauarbeiten, Pflanzen 11/96 179 51,50
005 Brunnenarbeiten und Aufschlußbohrungen 11/93 48 13,80
006 Bohr-, Verbau-, Ramm- und Einpreßarbeiten 04/96 76 21,90
vorläufig zurückgezogen,
007 Untertagebauarbeiten Neuauflage inVorbereitung
008 Wasserhaltungsarbeiten 11/93 44 12.70
009 Entwässerungskanalarbeiten 03/95 116 33,40
010 Dränarbeiten 05/95 48 13,00
011 Abscheideanlagen, Kleinkläranlagen 11/96 77 22,20
012 Mauerarbeiten 10/92 118 38,00
013 Beton- und Stahlbetonarbeiten 11/94 104 29,90
014 Naturwerksteinarbeiten, Betonwerksteinarbeiten 04/95 88 25,30
016 Zimmer- und Holzbauarbeiten 11/93 112 32,20
017 Stahlbauarbeiten 11/93 54 16,10
018 Abdichtungsarbeiten 08/97 72 20,70
020 Dachdeckungsarbeiten 02/96 104 39,10
021 Dachabdichtungsarbeiten 08/94 76 21,90
022 Klempnerarbeiten 07/97 104 29,90
023 Putz- und Stuckarbeiten 12/95 72 20.70
024 Fliesen- und Plattenarbeiten 08/97 128 36,80
025 Estricharbeiten 12/95 60 17,30
027 Tischlerarbeiten 04/95 64 18,40
028 Parkettarbeiten, Holzpflasterarbeiten 10/91 60 17,30
029 Beschlagarbeiten 04/97 116 33,40
030 Rolladenarbeiten 11/94 96 27,60
031 Metallbauarbeiten, Schlosserarbeiten 04/97 116 33.40
032 Verglasungsarbeiten 05/93 58 17,30
033 Baureinigungsarbeiten 08/97 76 21,90
034 Maler- und lackierarbeiten 11/96 111 32,00
035 Korrossionsschutzarbeiten an Stahl- und Aluminiumbaukonstruktionen 11/93 80 23,00
036 Bodenbelagarbeiten 10/9S 72 20,70
037 Tapezierarbeiten 03/92 52 14,10
039 Trockenbauarbeiten 10/97 188 54,10
040 Heizungs- und zentrale Brauchwassererwärmungsanlagen 02/95 226 65,50
042 Gas- und Wasserinstallationsarbeiten, Leitungen und Armaturen 05/94 200 57,50
043 Druckrohrleitungen für Gas, Wasser und Abwasser 03/96 192 55,20

Privates Baurecht 2-167


Tabelle 2.4-2 Lieferbare Standardleistungsbücher (StLB) des GAEB (Quelle: Beuth Verlagskatalog, Berlin; Stand 1999), Teil2

LB-Nr. Standardleistungsbuch Ausgabe Seiten Einzelpreis


DM
044 Abwasser -I nstallationsarbeiten. Leitungen, Abläufe 01/94 100 28,80
04S Gas-, Wasser- und Abwasserinstallationsarbeiten; 05/94 340 96,60
Einrichtungsgegenstände, Sanitärausstattungen
046 Gas-, Wasser- und Abwasserinstallationsarbeiten. Betriebseinrichtungen 11 /93 184 S1,80
047 Dämmarbeiten an betriebstechnischen Anlagen. Wärme-, Kälte·, Brandschutz 03/98 134 38,00
048 Sanitärausstattung fLir den medizinischen Bereich in Vorbereitung
049 Feuerlöschan lagen, Feuerlöschgeräte 11 /81 190 54,60
050 Blitzschutz- und Erdungsanlagen 03/85 50 14,10
051 Bauleistungen für Kabelanlagen 05/82 92 26,50
052 Mittelspannungsanlagen 05/87 50 14,10
053 Niederspannungsanlagen 04/85 192 55,00
055 Ersatzstromversorgungsan lagen 09/97 88 25,30
wurde zurückgezogen; sind in
Batterien LB OSS und LB 059 beschrieben
058 Leuchten und Lampen 03/91 68 19.60
059 Notbeleuchtung 11/93 44 12.70
060 Elektro-akustische An lagen; Sprechanalagen, Personenrufanlagen 10/92 92 26,50
061 Fernmeldeleitungsanlagen 05/95 126 36,80
063 Meldeanlagen 10/89 92 26,50
069 Aufzüge 10/89 108 31,10
071 Gebäudeautomation. Einrichtungen und Funktionen 08/98 52 15,00
072 Gebäudeautomation. Schaltschränke, Feldgeräte, Verbindungen 11/96 124 35,70
074 Raumlufttechnische Anlagen. Zentralgeräte und deren Bauelemente 05/94 180 51,80
075 Raumlufttechnische Anlagen; Luftverteilungsgeräte und deren Bauelemente 05/98 280 80.50
076 Raumlufttechnische Anlagen; Einzelgeräte 11/90 88 25,10
077 Raumlufttechnische An lagen; Schutzräume 02/81 110 31,60
078 Raumlufttechnische An lagen; Kälteanlagen 04/89 84 23,90
080 Straßen, Wege, Plätze 05/98 156 44,90
081 Betonerhaltungsarbeiten 01/94 132 38,00
085 Rohrvortrieb 03/97 76 21,90
098 Winterbau-Schutzmaßnahmen 02/99 76 21,90
099 Allgemeine Standardbeschreibungen 11 /96 27 9,20
998 Testdiskette 20.00
999 Testdiskette Volltext 20,00
482 Bauarbeiten an Bahnübergängen 1983 5,31
486 Bauarbeiten an Gleisen und Weichen 1996 33,00
Gesamtpreis aller Standardleistungsbücher 2.228,21

Gemäß A § 9 Nr. 2 darf dem Auftragnehmer er den Auftraggeber hiervon unterrichten. Der
kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet wer- Umfang der vertraglichen Prüfungspflichten des
den für Umstände und Ereignisse, auf die er kei- Bieters ist jedoch im Vergleich zu derjenigen des
nen Einfluß hat und deren Einwirkung auf die Auftragnehmers nach Vertragsabschluß (B §§ 3
Preise und Fristen er nicht im voraus schätzen u. 4) geringer. Zu Hinweisen auf wirtschaftliche-
kann. Werden solche Regelungen einem Auftrag- re Lösungsmöglichkeiten ist der Bieter nicht ver-
nehmer in Form allgemeiner Geschäftsbedingun- pflichtet.
gen aufgebürdet, so sind sie nach §§ 9ff AGBG Für Leistungsbeschreibungen mit Leistungs-
unwirksam. verzeichnis ist die Leistung nach A § 9 Nr. 9 der-
Stellt der Bieter Fehler im Leistungsverzeich- art zu gliedern, daß unter einer Ordnungszahl
nis oder Widersprüche fest bzw. vermißt er Posi- (Position) nur solche Leistungen aufgenommen
tionen, die üblicherweise erforderlich sind, muß werden, die nach ihrer technischen Beschaffen-

2-168 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.4-3 Lieferbare Standardleistungskataloge (StLK) fOr den Straßen- und Brückenbau (Quelle: FSGV Verlagskatalog,
Köln; Stand 1998)

LB-Nr. Leistungsbereich Ausgabe Einzelpreis


DM
101 Einrichtung, Hilfsleistung, Stundenlohn 06/86 9,80
103 Bodenerkundung 04/85 9,80
105 Verkehrssicherung 01/74 4,80
106 Erdbau 11/93 16,20
107 landschaftsbau 06/86 32,10
108 Baugruben, Leitungsgräben 11/93 12,00
109 Wasserhaltung 08/81 10,00
110 Entwässerung für Straßen 05/89 16,30
11 1 Entwässerung für Kunstbauten 05/89 8,20
112 Tragschichten 09/95 12,80
113 Asphaltdecken 09/95 21,60
114 Betondecken 09/95 8,80
115 Pflaster. Planen, Borde, Rinnen 09/95 20.40
116 Gerüste, Behelfsbrücken 05/87 9,80
117 Tief-Gründungen 05/89 15,90
118 Kunstbauten aus Beton und Stahlbeton 11/93 11,50
119 Mauerwerk für Kunstbauten 02179 16,10
120 Kunstbauten und Stahl 12176 10,30
121 Lager, Übergänge, Geländer für Kunstbauten 04/85 21,00
122 Korrosionsschutz von Stahl 04/85 14,60
123 Dichtungsschichten und Fugen für Kunstbauten 11 /93 9,30
124 Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen 11/93 11,50
127 Lärmschutzkonstruktionen 04/85 13,20
128 Zäune 07175 10,00
129 Schutz- und Leiteinrichtungen 02/79 13,30
130 Verkehrsschilder 12/80 14,70
131 Fahrbahnmarkierungen 02179 11,40
132 Lichtzeichenanlagen 05/89 13,80
133 Straßenbeleuchtung 10/82 12,30
134 Kabelverlegung 02/79 10,90
135 Streckenfemmeldekabelmontage 11/93 11 ,50
180 Richtlinien für das Anwenden des STLK und des Programmsystems ASTRAIPCASTRA 36,00
(24,00)
Gesamtpreis aller Standardleistungskataloge 449,90

heit und für die Preisbildung als in sich gleich- dem angegebenen Einheitspreis abgerechnet.
artig anzusehen sind. - Alternativpositionen kommen alternativ zu ei-
Für · Leistungsbeschreibungen im Hochbau ner Grundposition zur Ausführung, wenn der
wird vielfach das Standardleistungsbuch (StLB) Auftraggeber dies- möglichst vor Auftragser-
des Gemeinsamen Ausschusses der Elektronik teilung - fordert. Daher ist während der Auf-
im Bauwesen (GAEB) herangezogen (Tabellen tragsverhandlungen darauf zu achten, daß
2.4-1 u.2.4-2).Für den Straßen- und Brückenbau hierzu eindeutige Entscheidungen getroffen
sowie für den Wasserbau existieren Standardlei- werden.
stungskataloge (StLK; Tabellen 2.4-3 u, 2.4-4). - Eventualpositionen enthalten Leistungen, die
Aus dem Leistungsverzeichnis muß für den evtl. zur Ausführung der vertraglichen Lei-
Bieter klar erkennbar sein, wie die einzelnen Po- stung erforderlich werden können, deren Not-
sitionen zu verstehen sind: wendigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsab-
- Grund- oder Ausführungspositionen kommen schlusses jedoch noch nicht vorhersehbar ist
in jedem Fall zur Ausführung und werden mit (z,B. Wasserhaltung). Der Begriff "Bedarfspo-

Privates Baurecht 2-169


Tabelle 2.4-4 Lieferbare Standardleistungskataloge {StlK) filr den Wasserbau (Quelle: Wasser- und Schiffahrtsverwaltung
des Bundes, Hannover; Stand 1998)

LB-Nr. Leistungsbereich Ausgabe Einzelpreis


DM
202 Technische Beratung 01/92 4,00
203 Baugrunderschließung 11/87 11,00
204 Baustelleneinrichtung und -räumung 11/87 6,00
205 Erdarbeiten 07/92 11,00
206 Naßbaggerarbeiten 01/87 12,00
207 Landschaftsbau 07/83 29,00
208 Wasserhaltung 04/89 12,00
209 Baugruben und Baugrundverbesserung 06/89 9,00
210 Böschungs- und Sohlensicherungen 08/90 9,00
211 Lebendbau 07/83 16,00
212 Drainarbeiten in der Landwirtschaft 08/82 11,00
213 Wasserbereitstellung filr Feldbegrenzung 12183 11,00
214 Spundwände, Pfahle, Verankerungen 05/90 21.00
215 Wasserbauwerke aus Beton und Stahlbeton 08/90 18,00
216 Stahlwasserbau 08/90 17,00
217 Ausrüstung von Wasserbauwerken 11 /87 10,00
218 Korrosionsschut2 im Stahlwasserbau 01/94 10,00
220 Kathodischer Korrosionsschutz im Stahlwasserbau 11/95 6,00
230 Stundenlohnarbeiten 08/90 3,00
Richtlinien - Teil I: Erstellung des STLK - Anwendungshilfen 04/93 6,00
Gesamtpreis aller Standardleistungskataloge 232,00

sitionen" ist wegen schwieriger juristischer Besondere Leistungen im Sinne des Abschnitts
Auslegung zu vermeiden! 4.2 der ATV DIN 18299 und 18300ffhat der Auf-
- Zuschlagspositionen kommen als Zulage zu tragnehmer nur zu erbringen, soweit sie in der
einer "normalen" Grundposition hinzu, so- Leistungsbeschreibung ausdrücklich erwähnt
fern der Auftraggeber dies während der Aus- sind. Er hat hierfür Anspruch auf Vergütung. Sie
führung fordert. Abgerechnet werden die Men- müssen deshalb in die Leistungsbeschreibung
gen und Einheitspreise der Ausführungsposi- aufgenommen werden, da anderenfalls berech-
tionen sowie die Teilmengen und Einheits- tigte Nachtragsforderungen des Auftragnehmers
preise der Zuschlagspositionen. entstehen.
- Nebenleistungen i.S.d. Abschnitte 4.1 der All- Bei der Leistungsbeschreibung mit Leistungs-
gemeinen Technischen Vertragsbedingungen programm wird gemäß A § 9 Nr. 12 von den Bie-
(ATV) DIN 18299 und 18300 ff (VOB/C} sind tern ein Angebot verlangt, "das außer der Aus-
solche Teilleistungen, die auch ohne Erwäh- führung der Leistung den Entwurf nebst einge-
nung im Vertrag zur vertraglichen Leistung hender Erläuterung und eine Darstellung der
gehören. Sie werden deshalb von der Leistungs- Bauausführung sowie eine eingehende und
pflicht des Auftragnehmers er faßt und mit der zweckmäßig gegliederte Beschreibung der Lei-
für die Leistung vereinbarten Vergütung ab- stung- ggf. mit Mengen- und Preisangaben für
gegolten. Sie sind nur dann in die Leistungs- Teile der Leistung - umfaßt".
beschreibung gesondert aufzunehmen, wenn Die Leistungsbeschreibung mit Leistungspro-
ihre Kosten von erheblicher Bedeutung für die gramm kann zweckmäßig sein, wenn
Preisbildung sind und deshalb eine selbstän- - den Bietern die Möglichkeit gegeben werden
dige Vergütung - anstelle der Abgeltung mit soll, die Gesamtleistungen nach ihren firmen-
den Einheitspreisen - zur Erleichterung einer spezifischen Systemen anzubieten (z.B. Fer-
ordnungsgemäßen Preisermittlung und Ab- tigteilbauten, Industriehallen),
rechnung geboten ist. Hierzu gehören das Ein- - mehrere technische Lösungsmöglichkeiten
richten, Vorhalten und Räumen der Baustelle. denkbar sind und der Auftraggeber seine Ent-

2-170 Bauwirtschaft und Baubetrieb


scheidung erst aufgrund von Firmenangebo- Auftraggeber, die häufig Bauleistungen verge-
ten treffen will. ben, fassen die Erfordernisse, die die Bewerber
bei der Bearbeitung ihrer Angebote beachten
Dabei ist sorgfältig zu prüfen, ob die zusätzli- müssen, zweckmäßigerweise in Bewerbungsbe-
chen Kosten der Bieter durch die notwendigen dingungen zusammen und fügen diese der Auf-
Planungsaufgaben im Rahmen der Angebotsbe- forderung zur Angebotsabgabe bei. Zielsetzung
arbeitung in angemessenem Verhältnis zum Nut- ist es, dadurch sowohl auf Seiten des Auftragge-
zen stehen. Wegen des hohen Bearbeitungsauf- bers als auch der Bieter das Ausschreibungsver-
wands für die Angebotserstellung kommen Lei- fahren zu rationalisieren und transparent zu ge-
stungsbeschreibungen mit Leistungsprogramm stalten.
in der Praxis vorrangig für Schlüsselfertigbau- Die Verdingungsunterlagen umfassen die Be-
aufträge an Generalunternehmer vor. standteile gemäßAbb.2.4-3.Die inB § 1 Nr.2 fest-
gelegte Geltungsreihenfolge beachtet das Prin-
Vergabeunterlagen (A § 10) zip des "vom Speziellen zum Allgemeinen". Das
Vergabeprotokoll hat z.B. Vorrang vor dem An-
Die Vergabeunterlagen bestehen aus dem An- gebot des Auftragnehmers, die Leistungsbe-
schreiben, den Bewerbungsbedingungen und schreibung Vorrang vor den Ausschreibungsplä-
den Verdingungsunterlagen. Mit der Aufforde- nen. Erst nach Vertragsabschluß vorgelegte Aus-
rung zur Angebotsabgabe sollen den Bietern al- führungsplänehaben allerdings Vorrang vor der
le notwendigen Informationen vermittelt wer- Leistungsbeschreibung. Bei dann festgestellten
den, die für ihren Entschluß zur Abgabe eines Widersprüchen hat der Auftragnehmer ggf. An-
Angebots notwendig sind (A § 10 Nr. 5). Öffent- sprüche aus Leistungsänderungen oder Zusatz-
liche Auftraggeber haben bei der Ausschreibung leistungen nach B § 2 Nr. 5 oder 6.
und Vergabe die Einheitlichen Verdingungsmu- Da die Vertragsbedingungen - besondere
ster des Vergabehandbuchs (EVM des VHB) zu (BVB) und zusätzliche (ZVB) - Ergänzungen
verwenden. bzw. Abweichungen zu den Allgemeinen Ver-

1. AuftragsschreibenNergabeprotokoll

2. Angebotsschreiben

3. Ausführungspläne (nach Auftragserteilung)

4. Leistungsbeschreibung (LB)

S. Ausschreibungpläne

6. Besondere Vertragsbedingungen (BVB)

7. Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB)

8. Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen (ZlV)


(Vorbemerkungen vor LV-Titeln)
9. Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen ATV =VOB/C
Basis: Allgemeine Regeln für Bauleistungen jeder Art - DIN 18 299

10. Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen = VOB/B

11 . Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Abb. 2.4-3 Vertragsbestandteile des Bauvertrags und Geltungsreihenfolge gemäß B§ 1 Nr. 2

Privates Baurecht 2-171


tragsbedingungen (VOB/B) darstellen, werden Die Formalisierung der Vorinformation, die
diese erst im Zusammenhang mit B § 1 behandelt. Bekanntmachung sowie der Versand der Verga-
In den Allgemeinen Vertragsbedingungen beunterlagen stellen sicher, daß jeder Bieter in
(AVB) des VOB/B sind ebenfalls Regelungen zu der EU die gleichen Chancen hat, sich um die Er-
A §§ 10-15 enthalten. Daher wird auf Abschn. teilungvon öffentlichen Bauaufträgen zu bewer-
2.4.3.2 verwiesen: ben.
A § 11 Ausführungsfristen ~ B § 5 Ausführungs-
fristen, Angebots-, Bewerbungs-, Zuschlags- und
A § 12 Vertragsstrafen und Beschleunigungs- Bindefrist (A §§ 78 u. 79)
vergütungen~ B §11 Vertragsstrafe,
A § 13 Gewährleistung~ B § 13 Gewährleistung, A § 1B regelt die Bewerbungsfristen für die Ein-
A § 14 Sicherheitsleistung ~ B § 17 Sicherheits- reichung von Teilnahmeanträgen bei beschränk-
leistung, ter Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahme-
A § 15 Änderung der Vergütung~ B § 2 Vergü- wettbewerb und die Angebotsfristen für die Be-
tung. arbeitung der Angebote. Die Angebotsfrist ist ei-
ne Ausschlußfrist, d.h., nach Fristablauf einge-
Vorinformation, Bekanntmachung, Versand der reichte Angebote dürfen nicht mehr berücksich-
Vergabeunterlagen (A § 77, 7la) tigt werden. Die Beweislast für den fristgerech-
ten Zugang der Angebote trägt der Bieter.
Je nach Art des Ausschreibungs- bzw. Vergabe- Bis zum Ablauf der Angebotsfrist kann der Bie-
verfahrens ist im A § 17 (Abschnitt 1 der VOB/A) ter sein Angebot jederzeit zurückziehen und auch
bzw.A § 17a (Abschnitt 2) festgelegt, welche An- erneut einreichen. Nach Ablauf der Angebots-
gaben die Vorinformation und die Bekanntma- frist ist eine Rücknahme nicht mehr möglich.
chungen enthalten müssen und wie die Bewer- Mit der Abgabe seines Angebots und dem Ablauf
ber die Vergabeunterlagen erhalten. der Angebotsfrist ist der Bieter bis zum Ablauf
Nach A § 17a Nr. 1 sind Bauleistungen mit ei- der Zuschlagsfrist gemäß A § 19 Nr. 3 an sein An-
nem Gesamtauftragswert oberhalb der EG- gebot gebunden (Bindefrist).
Schwellenwerte sobald wie möglich nach Geneh- Die Zuschlagsfrist beginnt mit dem Eröffnungs-
migung der Planung dem Amt für amtliche Ver- termin (derSubmission).SiesollnachA § 19 Nr.2
öffentlichungen der Europäischen Gemeinschaf- nicht mehr als 30 Kalendertage betragen. Mit Be-
ten (2, Rue Mercier, L-29B5 Luxemburg 1) mit ginn der Zuschlagsfrist kann ein Bieter nur im
den wesentlichen Merkmalen als Vorinformati- Rahmen der gesetzlichen Regelungen über die
on nach dem im Anhang A zu VOB/A Abschnitt Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täu-
2 enthaltenen Muster zu übermitteln. Nach schung (§§ 119ff u. 123 BGB) sein Angebot zu-
A § 17a Nr. 2 sind die Unternehmer durch Be- rückziehen.
kanntmachungen aufzufordern, ihre Teilnahme Einen zusammenfassenden überblick über
am Wettbewerb zu beantragen, sofern gemäß die Fristen im Verfahrensablaufbietet Abb. 2.4-4.
A § 16 alle Verdingungsunterlagen fertiggestellt
sind und innerhalb der angegebenen Fristen mit Eröffnungstermin (A § 22)
der Ausführung begonnen werden kann. Für die
Bekanntmachungen sind beim offenen Verfah- Bei Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber
ren das Muster gemäß Anhang B, beim nichtof- ist für die Öffnung und Verlesung (Submission)
fenen Verfahren das Muster gemäß Anhang C der Angebote gemäß A § 22 ein Eröffnungster-
und beim Verhandlungsverfahren das Muster min abzuhalten, in dem nur die Bieter und ihre
gemäß Anhang D zu verwenden. Bevollmächtigten zugegen sein dürfen. über den
Im offenen Verfahren müssen angeforderte Eröffnungstermin ist eine Niederschrift zu ferti-
Vergabeunterlagen den Bewerbern innerhalb gen. Die beteiligten Bieter haben das Recht, Ein-
von sechs Kalendertagen nach Eingang des An- sicht in die Niederschrift und ihre Ergänzungen
trags zugesandt werden (A § 17a Nr. 5). Beim (z.B. Nachprüfung der festgestellten Angebots-
nichtoffenen Verfahren müssen mindestens fünf summen) zu nehmen.
geeignete Bewerber aufgefordert werden (A §Ba Sofort nach der Eröffnung werden die Ange-
Nr. 2). Beim Verhandlungsverfahren sollen min- bote vom Auftraggeber mit allen Angaben durch
destens drei geeignete Bewerber aufgefordert Lochen oder auf andere geeignete Weise so ge-
werden (A §Ba Nr. 3). kennzeichnet, daß nachträgliche Änderungen

2-172 Bauwirtschaft und Baubetrieb


1. Vorinformation nach
genehmigter Planung
~
2. Bekanntmachung
~
3. Bewerbungsfrist
1<:15 I bis37

4. Angebotsfrist I* ;:: 36 I 2:s2


- offenes Verfahren
- nichtoffenes Verfahren l> 1ol >26 l::::4ol
- Verhandlungsverfahren 1:: : 101 ::::26 1:2:401
5. Angebotsabgabe
~
6. Bindefrist
- Rücktritt möglich
I
-Rücktritt nicht möglich

7. Eröffnungstermin
~
8. Zuschlagsfrist lsoll<3ol

---------------L~----~'~·'----+-~-+--+-~-+--r-~~-++--r-~-
9. Auftragsetteilung

11
$ 60 0 50 100
Kaiendenage

Abb. 2.4-4 Verfahrensablauf und zu beachtende Fristen bei der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen nach
VOB/A §§ 18a u. 19

und Ergänzungen verhindert werden. Die Ge- Für die technische Prüfung muß der Auftrag-
heimhaltung der Angebote und ihrer Anlagen geber ggf. Sachverständige gemäß A § 7 hinzu-
dient dem Schutz des Wettbewerbs. Der Auftrag- ziehen, um zu klären, ob die Angebote den tech-
geber muß die Unterlagen so sichern, daß unbe- nischen Anforderungen entsprechen. Dies ist v. a.
fugte Dritte keine Zugriffsmöglichkeiten haben. wichtig bei Änderungsvorschlägen oder Neben-
angeboten.
Prüfung und Wertung der Angebote (A §§ 23-25) Die wirtschaftliche Prüfung erstreckt sich ins-
besondere auf die Frage, ob die Bieter in der La-
Die Prüfung der Angebote bezieht sich auf die ge sind, den Auftrag innerhalb der Vertragsdau-
formellen und sachlichen Voraussetzungen als er mit erforderlichem Personal und Gerät sowie
Grundlage für die Wertung. Sie erfolgt im An- Nachunternehmern und Lieferanten zu realisie-
schluß an den Eröffnungstermin. Im Rahmen ren, ob sie wirtschaftlich zuverlässig und lei-
der formellen Prüfung ist festzustellen, ob das stungsfähig sind und ob ein Verdacht auf Ab-
Angebot rechtzeitig eingegangen ist, lediglich sprachen besteht.
Preise und die geforderten Erklärungen enthält, Verhandlungen mit Bietern nach Öffnung der
unterschrieben ist, keine Änderungen an den Ver- Angebote sollen lediglich Unklarheiten beseiti-
dingungsunterlagen vorgenommen wurden und gen. Gespräche über eine Änderung der Ange-
Kurzfassungen einwandfrei sind. bote oder Preise sind gemäß A § 24 Nr. 3 bei öf-
Im Rahmen der rechnerischen Prüfung sind die fentlichen Auftraggebern unstatthaft, bei gewerb-
Regeln gemäß A § 23 Nr. 3 zu beachten, wonach lichen und privaten Auftraggebern jedoch die
bei Rechenfehlern der Einheitspreis vor dem Ge- Regel. Dies ist der maßgebliche Unterschied zwi-
samtpreis gilt. Die Gründe für das Auseinander- schen den Vergabeverfahren öffentlicher und ge-
fallen von Einheitspreis und Gesamtpreis sind werblicher bzw. privater Auftraggeber.
aufzuklären, um festzustellen, ob die Abwei- Der Aufklärung dienen auch Erörterungen mit
chung dazu dienen sollte, das Wettbewerbser- den Bietern über die Angaben in den Einheitli-
gebnis zu verfälschen. chen Formblättern (EFB-Preis). Bei Zweifeln an

Privates Baurecht 2-173


deren Schlüssigkeit soll der Auftraggeber Klä- sein auch der Änderungssatz (in v. T. je Pfennig
rung herbeiführen. Die ausgefüllten Formblätter Tariflohnänderung) zu bewerten, um beurteilen
werden allerdings nicht Vertragsbestandteil, da zu können, wie sich der Änderungssatz auswirkt.
sonst der Auftraggeber eine Verantwortung für Unter Berücksichtigung der voraussichtlich wäh-
deren inhaltliche Richtigkeit übernähme. Diese rend der Laufzeit des Vertrags zu erwartenden.
ist jedoch mit Ausnahme der Angebotssumme Lohnerhöhungen ist die Summe der Lohnmehr-
häufig gerade nicht gegeben. Daher werden die kosten zu ermitteln und diese nach Abzug des
EFB-Preis in der Baubranche auch allgemein als Bagatell- und Selbstbeteiligungsbetrags der An-
"Lügenblätter" bezeichnet. gebotssumme zuzuschlagen (vgl.A § 15).
Sobald sich der Auftraggeber einen überblick Für Bauleistungen bei öffentlichen Aufträgen
über die vorliegenden Angebote durch Prüfung sowie mit öffentlichen Mitteln finanzierten Auf-
und Aufklärung verschafft hat, müssen die An- trägen bestehen Preisvorschriften hinsichtlich
gebote bewertet werden. Dazu sind zunächst die der Höchstpreise durch die Baupreisverordnung
Ausschlußkriterien nach A § 25 Nr. 1 zu prüfen. VO PR Nr.l/72, geändert durch VO PR Nr. 1/1984
Im Anschluß daran wird bei öffentlicher Aus- vom 23.02.1984 und VO PR Nr. 1/1986 vom
schreibung die Eignung der Bieter gemäß A § 25 15.04.1986. §I bestimmt, daß "höhere Preise, als
Nr. 2 Abs. 1 u.a. im Hinblick auf Fachkunde, Er- sie nach dieser Verordnung zulässig sind, nicht
fahrung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gefordert, versprochen, vereinbart, angenom-
geprüft. Fachkundig ist ein Bieter, der über die men oder gewährt werden" dürfen.
für die Vorbereitung und Ausführung der jewei- Die Baupreisverordnung findet ihren fakti-
ligen Leistung notwendigen technischen Kennt- schen Anwendungsbereich bei Listen-, Selbstko-
nisse verfügt. Leistungsfähig ist ein Bieter, der stenfest-, Selbstkostenerstattungs- und Stunden-
über das für die fach- und fristgerechte Aus- lohnabrechnungspreisen. Preise, die bei einer
führung notwendige Personal und Gerät verfügt Ausschreibung im Wettbewerb zustande gekom-
und die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten er- men sind, untediegen keinen preisrechtlichen
warten läßt. Zuverlässigund erfahren ist ein Bie- Begrenzungen nach dieser Verordnung. Eine ge-
ter, der seinen gesetzlichen Verpflichtungen - mäß § 5 Abs. 2 Satz 2 der VO PR Nr. 1/72 früher
auch zur Entrichtung von Steuern und sonstigen wirksame Einschränkung dieses Grundsatzes
Abgaben - nachgekommen ist und aufgrundder wurde durch die 1. VO zur Änderung der VO PR
Erfüllung früherer Verträge eine einwandfreie Nr. 1/72 vom 16.04.1984 aufgehoben. Dies gilt
Ausführung einschließlich Gewährleistung er- auch für Preise von zusätzlichen Leistungen, die
warten läßt. im Bauvertrag ursprünglich nicht vorgesehen
Grundsätzlich wird gefordert, daß der Bieter waren und als Nachträge gegenüber dem Auf-
bereits jeweils nach Art und Umfang vergleich- traggeber nach B § 2 Nr. 6 geltend gemacht wer-
bare Leistungen ausgeführt hat. Für die Beurtei- den. Damit ist seither der Anwendungsbereich
lung sind die nach A § 8 Nr. 3 geforderten Nach- der Baupreisverordnung erheblich einge-
weise heranzuziehen. schränkt worden.
Auf ein Angebot mit einem unangemessen ho- Als Ergebnis der Prüfungen bleiben nur solche
hen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag ge- Angebote übrig, die in die eigentliche Wertung
mäß A § 25 Nr. 3 Abs. 1 nicht erteilt werden. Ein kommen. In die engere Wahl kommen daraus
offenbares Mißverhältnis von Leistung und Preis nach A § 25 Nr. 3 "nur solche Angebote, die unter
ist gegeben, wenn das grobe Abweichen vom an- Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und
gemessenen Preis sofort ins Auge fallt. Niedrige sparsamer Wirtschaftsführung eine einwand-
Ansätze begründen nicht ohne weiteres die Ver- freie Ausführung einschließlich Gewährleistung
mutung eines zu geringen Preises, da der Bieter erwarten lassen. Unter diesen Angeboten soll der
Anlaß haben kann, in der zweiten Jahreshälfte Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das un-
nach Erreichen der Gewinnschwelle, dem Prin- ter Berücksichtigung aller technischen und wirt-
zip der Teilkostenrechnung entsprechend, auf die schaftliehen sowie ggf. auch gestalterischen und
Deckung eines Teiles von nicht ausgabewirksa- funktionsbedingten Gesichtspunkte als das an-
men Fixkosten bei solchen Aufträgen zu verzieh- nehmbarste erscheint. Der niedrigste Angebots-
ten, die noch bis zum Jahresende abgewickelt preis allein ist nicht entscheidend". In der Praxis
werden können. ist er jedoch zu 90% maßgebliches Auswahlkri-
Bei allen Angeboten, die in der Wertung ver- terium aus den in die Wertung einbezogenen An-
blieben sind, ist bei vorgesehenen Lohngleitklau- geboten.

2-174 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Zuschlag (A § 28) 2.4.3.2
VOB Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für
Nach der Zuschlagserteilung des Auftraggebers die Ausführung von Bauleistungen
kommt ein Vertrag zustande, wenn das Angebot
des Bieters in allen Teilen unverändert innerhalb Die VOB Teil B behandelt die Allgemeinen Ver-
der vorgesehenen Zuschlagsfrist angenommen tragsbedingungen für die Ausführung von Bau-
wird. Eine verspätete Zuschlagserteilung oder ei- leistungen und damit die Rechte und Pflichten
ne Zuschlagserteilung mit Änderung auch nur der Vertragsparteien nach Vertragsabschluß. Da-
einzelner Teile des Angebots (z.B. der Ausfüh- bei sind insbesondere auch solche Fälle geregelt
rungsfristen oder einzelner Leistungen) gilt nach worden, die bei Bauverträgen häufig wiederkeh-
§ 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots des rende Abweichungen vom vorauszusetzenden
Bieters und zugleich als neues Angebot des Auf- normalen Geschehensablauf beinhalten und
traggebers, das wiederum der Annahme durch Handlungen oder Unterlassungen darstellen, die
den Bieter bedarf. Diese Annahme kann auch still- grundsätzlich als Verletzung auferlegter Pflich-
schweigend durch konkludentes Verhalten (z.B. ten oder eingeräumter Rechte aufgefaßt werden
Aufnahme der Arbeiten) geschehen. müssen. Teil B enthält damit in seinen Einzelre-
Eines Bestätigungsschreibens des Auftragneh- gelungen die auf Bauverträge abgestellten Er-
mers bedarf es zusätzlich nicht. Diesem kommt gänzungen der hierfür ungenügenden gesetzli-
lediglich eine Beweiswirkung zu. Ein Bestäti- chen Rahmenvorschriften [Ingenstau/Korbion
gungsschreiben mit Änderungen ist rechtlich als 1996, Einleitung, Rdn 14].
ein Angebot zur Vertragsänderung zu bewerten.
Weigert sich ein Bieter, den Zuschlag innerhalb VOB/8 im Verhältnis zu VOB/A, 8GB, AGBG, VOB/C
der Zuschlagsfrist anzunehmen, so hat dies auf und anderen Verträgen
die Wirksamkeit des Vertragsabschlusses keine
Auswirkung. Innerhalb der Zuschlagsfrist ist der Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, bei
Bieter an sein Angebot gebunden. Führt er den ihren Vergabeverfahren die Regelungen der
Auftrag nicht aus, macht er sich schadenersatz- VOB/A anzuwenden und für den Bauvertrag
pflichtig. Dem Auftraggeber stehen in diesem Fall selbst VOB/B zuni Vertragsbestandteil zu machen.
Ansprüche gemäß B § 8 Nr. 3 sowie die allgemei- Gewerbliche bzw. private Auftraggeber richten
nen Rechte nach dem BGB zu. sich bei der Vergabe von Bauleistungen nicht voll-
ständig nach VOB/A. Sie halten sich v. a. nicht an
Aufhebung der Ausschreibung (A § 26) das Verbot der Preisverhandlungen nach A § 24
Nr.3.
Eine Rechtfertigung für die Aufhebung einer Ferner machen sie die VOB/B vielfach nur in
Ausschreibung ergibt sich nach A § 26 Nr. 1 nur Teilen zum VertragsbestandteiL Diese Vorge-
dann, wenn kein Angebot eingegangen ist, das hensweise birgt jedoch die Gefahr, daß dann
den Ausschreibungsbedingungen entspricht, die diese z.T. nicht mehr AGBG-konform und infol-
Verdingungsunterlagen grundlegend geändert gedessen nichtig sind.
werden müssen oder andere schwerwiegende Sofern die VOB/B"als Ganzes" vereinbart wor-
Gründe bestehen. Dabei sind strenge Maßstäbe den ist, sind ihre einzelnen Vorschriften gemäß
anzulegen. Änderungen sind nur dann grundle- § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG der speziellen Inhaltskon-
gend, wenn sie erst nach der Ausschreibung not- trolle nach§§ 10 u.)1 AGBG entzogen. Da die
wendig geworden sind und damit eine nicht vor- VOB/B insgesamt eine ausgewogene Regelung
hersehbare Änderung der Verhältnisse bewir- darstellt, benachteiligen einzelne ihrer Vorschrif-
ken, auf denen die Ausschreibung basierte (z.B. ten den Vertragspartner auch nicht unangemes-
Änderung der Planung wegen geänderter An- sen im Sinne von § 9 AGBG. Sofern jedoch die
forderungen). Ein schwerwiegender Grund ist VOB/B "ausgehöhlt" wird und statt dessen zu-
auch in unangemessen hohen Preisen zu sehen, sätzliche Vertragsbedingungen vereinbart wer-
die eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel den, findet das AGB-Gesetz Anwendung auf jede
des Auftraggebers vereiteln würden. einzelne der verbliebenen VOB/B-Vertragsbe-
dingungen.
Ein Bauvertrag, zu dessen Vertragsbestandtei-
len die VOB/B gehört, ist Werkvertrag im Sinne
der §§631ff BGB. Das BGB findet im Rahmen

Privates Baurecht 2-17 5


der VOB/B Anwendung, soweit die VOB/B nicht Art und Umfang der Leistung (8 § 7)
abweichende Regelungen enthält.
Die VOB/B hat den Charakter Allgemeiner Ge- Nach B § 1 Nr.1 Satz 1 bestimmt der Vertrag die
schäftsbedingungen und wird daher nach dem vom Auftragnehmer auszuführende Leistung
AGBG beurteilt. Sie ist jedoch weder Gesetz noch nach Art und Umfang. B § 1 Nr. 2 regelt die Gel-
Rechtsverordnung, weder Gewohnheitsrecht tungsreihenfolge der Vertragsbestandteile, um
noch Handelsbrauch. Mit der VOB/B werden die bei Widersprüchen die jeweils vorrangige Be-
Interessen der Vertragsparteien ausgewogen be- stimmung erkennen zu können. Regelungsprin-
rücksichtigt, sofern sie unverändert und voll- zip ist der Vorrang der spezielleren vor der all-
ständig vereinbart wird. Soll die VOB/B auch in gemeineren Regelung (vom Speziellen zum All-
Nachtragsvereinbarungen eines Bauvertrags gemeinen).
einbezogen werden, so ist dies klarstellend zu re- Besondere Vertragsbedingungen (BVB), Zu-
geln. sätzliche Vertragsbedingungen (ZVB) sowie Zu-
Ist VOB/B vereinbart, so gelten gemäß B § 1 sätzliche Technische Vertragsbedingungen (ZTV)
Nr. 1 Satz 2 als Bestandteil des Vertrags auch die müssen gesondert vereinbart werden. Durch
Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen bloße Beifügung zu den Vertragsunterlagen
(VOB/C). Jedoch auch dann, wenn VOB/B nicht werden sie nicht rechtsverbindlich.
vereinbart wurde, gelten die DIN-Normen der - BVB sind jeweils speziell auf die Besonderhei-
VOB/C als Bestandteil der "allgemein anerkann- ten des jeweiligen Bauauftrags zugeschnitten
ten Regeln der Bautechnik". Auch VOB/C unter- und daher stets durch individuelle Eintragun-
liegt dem AGBG. gen zu vervollständigen (z.B.Angaben zur Ob-
Werden die DIN-Normen derVOB/C nach Ver- jektüberwachung, zu den dem Auftragnehmer
tragsabschluß, aber vor Beginn der Ausführung, unentgeltlich zur Benutzung überlassenen La-
geändert, muß der Auftragnehmer den Auftrag- gerplätzen und Medienanschlüssen, zu Aus-
geber auf die Änderung und die möglicherweise führungsfristen, zu etwaigen Vertragsstrafen,
entstehenden Mehrkosten hinweisen und dessen zur Rechnungsanzahl und zum Rechnungsa-
Entscheidung herbeiführen (B § 4 Nr. 3 und § 2 dressaten sowie zur Sicherheitsleistung).
Nr. 6). War die Änderung schon vor Abgabe des - ZVB werden in Ergänzung zu VOB/B von sol-
Angebots bekannt oder sicher zu erwarten, muß chen Auftraggebern vorgegeben, die regelmä-
dies der Auftragnehmer schon bei seiner Kalku- ßig Bauleistungen vergeben und Bauverträge
lation berücksichtigen (A § 15). einheitlich regeln wollen. ZVB stellen Ergän-
Zusammen mit Bauleistungen werden häufig zungen oder Modifizierungen der VOB/B in
auch andere Leistungen übertragen. Ein General- der Reihenfolge ihrer 18 Paragraphen dar.
übernehmer übernimmt z. B. sämtliche Planungs- - ZTV stellen in Ergänzung zu VOB/C Vorbe-
und Bauleistungen, ein Bauträger die Projekt- merkungen zu den einzelnen gewerkeorien-
entwicklung, Planung, Bauausführung sowie die tierten Leistungsverzeichnissen dar, in denen
sich anschließende Vermietung und Vermark- technische Entwicklungen über den Stand der
tung. In allen diesen Fällen gilt VOB/B nur für die Normung hinaus erfaßt und vereinbart wer-
reinen Bauarbeiten. Für die anderen Leistungen den. Auch sie unterliegen dem AGBG.
gelten die gesetzlichen Vorschriften des BGB (Pla-
nervertrag als Werkvertrag nach §§ 631 ff BGB, Die ZVB und BVB öffentlicher Auftraggeber sind
Kaufvertrag nach §§433ff BGB, Maklervertrag in den Einheitlichen Verdingungsmustern
nach §§652ff BGB, Mietvertrag nach §§535ff (EVM) der Vergabehandbücher (VHB) des Bun-
BGB). Für die Herstellung von Nicht-Baulei- des und der Länder enthalten.
stungen wie Maschinen oder auch die reine Lie-
ferung von beweglichen Sachen gilt VOL/B. Bei Ausführungsunterlagen und Ausführung (8 §§ 3 u. 4)
Mischleistungen, die sowohl Bauarbeiten als auch
reine Lieferungen zum Gegenstand haben, fin- Zu den Ausführungsunterlagen gehören alle für
det VOB/B dann Anwendung, wenn der Auftrags- die Ausführung des Bauauftrags erforderlichen
wert der Bauleistung höher ist als der Auftrags- planerischen und rechnerischen Unterlagen, die
wert der Lieferung (z. B. Lieferung und Einbau ei- der Auftragnehmer nicht selbst beibringen muß.
ner Aufzugsanlage in ein Hochhaus). Die Anforderungen an die Ausführungensunter-
lagen ergeben sich aus A § 9. Deren rechtzeitige
übergabe heißt, daß der Auftragnehmer ausrei-

2-176 Bauwirtschaft und Baubetrieb


eh end Gelegenheit haben muß, die Ausführungs- Bei der Ausführung der Vertragsleistungen
arbeiten vorzubereiten einschließlich der erfor- hat der Auftragnehmer die anerkannten Regeln
derlichen Vorlaufzeiten für Lieferung und Vor- der Technik sowie die gesetzlichen und behördli-
montage. Ist der Auftragnehmer der Auffassung, chen Bestimmungen zu beachten. Erstere werden
daß die Lieferung der Ausführungsunterlagen definiert als"diejenigen bautechnischen Regeln,
nicht rechtzeitig erfolge, muß er gemäß B § 6 die in der Wissenschaft als theoretisch richtig
Nr. 1 darauf hinweisen (Behinderungsanzeige) anerkannt worden sind und sich in der Praxis
und ggf. eine Anpassung der Ausführungsfristen dadurch bewährt haben, daß sie von den für die
gemäß B § 5 verlangen. Falls der Auftragnehmer Anwendung der Regeln in Betracht kommenden
seiner Pflicht zur Prüfung der Unterlagen und Ab- Technikern, die die für die Beurteilung der Re-
steckungen auf etwaige Unstimmigkeiten gemäß geln erforderliche Vorbildung besitzen, aner-
B §3 Nr. 3 nicht nachkommt, kann er sich auf kannt und mit Erfolg praktisch angewandt wer-
Mängel, Erschwernisse und Bedenken nicht be- den" [Heiermann/Riedl/Rusam 1997; B §4.2
rufen. Rdn 37). Neuere Entwicklungen gehen den Re-
Aus B § 4 ergeben sich wechselseitige Pflich- gelungen der VOB/C vor.
ten des Auftraggebers und des Auftragnehmers. Entscheidender Zeitpunkt für die Einhaltung
Nach Nr. 1 Abs. 1 hat der Auftraggeber für die der aktuellen anerkannten Regeln der Bautech-
Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf nik ist der Zeitpunkt der Abnahme. Es reicht nicht
der Baustelle zu sorgen und das Zusammenwir- aus, daß die Bauleistung im Zeitpunkt ihrer Er-
ken der verschiedenen Unternehmer zu regeln. bringung den Regeln der Technik entsprochen
Die Verpflichtung des Auftraggebers, die öffent- hat, wenn sich diese zwischen Vertragsabschluß
lieh-rechtlichen Genehmigungen und Erlaub- und Abnahme der Bauleistung durch neue tech-
nisse herbeizuführen, gibt dem Auftragnehmer nische Erkenntnisse geändert haben (z.B. Blas-
keinen Anspruch gegen den Auftraggeber auf bachtalbrücke, OLG Frankfurt/Main, NJW 83,
Herbeiführung dieser Genehmigungen. Werden 456). Der BGH hat hierzu ergänzend festgestellt,
diese rechtskräftig versagt, so wird die Baulei- daß der Auftragnehmer für den Leistungserfolg
stung nachträglich unmöglich. einzustehen habe, weil er ein mängelfreies und
Der Auftraggeber hat nach Nr. 1 Abs. 2 das zweckgerechtes Werk schulde [BauR 85, S. 567f].
Recht, jedoch nicht die Pflicht, die vertragsge- Sollte sich seine Leistung bei der Abnahme als
mäße Ausführung der Leistung zu überwachen. fehlerhaft herausstellen, obwohl die anerkannten
Hält der Auftragnehmer Anordnungen des Auf- Regeln der Technik eingehalten wurden, enthebe
traggebers für unberechtigt oder unzweckmä- ihn dies nicht von seiner Gewährleistungsver-
ßig, so hat er nach Nr. 1 Abs. 4 seine Bedenken pflichtung.
geltend zu machen. Unberechtigt ist die Anord- B § 4 Nr. 3 verpflichtet den Auftragnehmer als
nung des Auftraggebers, wenn für diese keine Fachmann aufbautechnischem Gebiet, den Auf-
vertragliche oder gesetzliche Grundlage besteht. traggeber vor erkennbaren Schäden zu schützen
Unzweckmäßigist die Anordnung, wenn sie fach- (subjektiver Prüfungsumfang). Die Prüfungs-
lich ungeeignet ist oder die vertraglich geforder- pflicht des Auftragnehmers bestimmt sich einer-
te Leistung beeinträchtigt. Wird durch die Anord- seits nach.dem für die Ausführung der vertrag-
nung des Auftraggebers eine ungerechtfertigte lichen Leistungen notwendigen Wissen des Auf-
Erschwerung verursacht, gegen die der Auftrag- tragnehmers, andererseits nach den fachtechni-
nehmer seine Bedenken geltend gemacht hat, so schen Kenntnissen des Auftraggebers und sei-
hat der Auftraggeber die daraus entstehenden ner Erfüllungsgehilfen.
Mehrkosten zu tragen. In objektiver Hinsicht beschränkt sich die Prü-
Nach B §4 Nr. 2 hat der Auftragnehmer die fungspflicht des Auftragnehmers auf Bedenken
Leistung unter eigener Verantwortung nach dem gegen die vorgesehene Art der Ausführung we-
Vertrag auszuführen. Mit jeder Einmischung in gen der Sicherung gegen Unfallgefahren, gegen
die Dispositionsbefugnis des Auftragnehmers die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe
übernimmt der Auftraggeber auch einen entspre- oder Bauteile und gegen die Leistungen anderer
chenden Teil der Verantwortung und Haftung Unternehmer, sofern diese mit seiner eigenen
für die vertragsgerechte Leistungserfüllung. Es Leistung in ursächlichem technischem Zusam-
ist Sache des Auftragnehmers, die Ausführung menhang stehen.
seiner vertraglichen Leistungen zu leiten und für In der Praxis kommt es häufig zu Abgrenzungs-
Ordnung auf seiner Arbeitsstelle zu sorgen. schwierigkeiten und Streitigkeiten zwischen Auf-

Privates Baurecht 2-177


traggeberund Auftragnehmer über die Ursachen wenn ein unverhältnismäßig hoherAufwand ent-
von auftretenden Schäden. Nach Auffassung des steht (analog B § 13 Nr. 6). Der Auftraggeber hat
Auftraggebers sind sie z.B. auf mangelhafte Lei- dann das Recht zur Minderung der Vergütung
stungen des Auftragnehmers, nach Auffassung des Auftragnehmers.
des Auftragnehmers dagegen auf Mißachtung Der Auftraggeber muß den Auftragnehmer zur
der Bedenken des Auftragnehmers zurückzufüh- Mängelbeseitigung auffordern. Er braucht hier-
ren. Abhilfe kann hier nur geschaffen werden, in- zu keine Frist zu setzen, da der Auftragnehmer
dem der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung zur mangelfreien Leistung verpflichtet ist. Setzt
ausführungsreife Verdingungsunterlagen erstel- er eine Frist und kündigt er gleichzeitig an, daß
len läßt und den Auftragnehmer vor Auftragsun- er nach fruchtlosem Ablauf den Auftrag entzie-
terzeichnung verpflichtet, Bedenken schriftlich hen werde, so kann er dies tun nach Abwägung
mitzuteilen. Diese sind dann noch vor Auftrags- aller damit verbundenen Vor- und Nachteile. Die
unterzeichnung einvernehmlich auszuräumen. Kündigung muß schriftlich erklärt werden. Hat
Nach B § 4 Nr. 5 hat der Auftragnehmer die von der Auftraggeber den Vertrag gekündigt, ist er an
ihm ausgeführten Leistungen und die ihm für die die ausgesprochene Kündigung gebunden, der
Ausführung übergebenen Gegenstände vor Be- Auftragnehmer ist dann von der Erstellung der
schädigung und Diebstahl zu schützen. Im Ver- noch nicht ausgeführten Bauleistung entbun-
trag wird daher regelmäßig der Abschluß einer den. Die Rechtsfolgen bestimmen sich nach B § 8
Bauwesenversicherung durch den Auftraggeber Nr.3Abs.2.
oder den Auftragnehmer vereinbart. Die Ver-
pflichtung des Auftragnehmers, die gesamte ver- Ausführungsfristen (A § 11 u. 8 § 5)
tragliche Leistung auch vor Winterschäden und
Grundwasser zu schützen sowie Schnee und Eis In A § 11 sind ausführliche Regelungen über die
zu beseitigen, wird zweckmäßigerweise bereits Festlegung von Vertragsterminen und -fristen
im Vertrag vereinbart, da anderenfalls ein Ver- enthalten. B § 5 regelt die rechtlichen Auswirkun-
gütungsanspruch des Auftragnehmers für zu- gen bei Nichteinhaltung dieser Vertragstermine
sätzliche Leistungen gemäß B §2 Nr. 6 entsteht, und -fristen, die allerdings nur dann als solche
falls der Anspruch angekündigt wurde. gelten, wenn sie ausdrücklich im Vertragverein-
Nach B § 4 Nr. 7 hat der Auftragnehmer Lei- bart sind. In A § 11 und B § 5 ist nur von Ausfüh-
stungen, die schon während der Ausführung als rungsfristen die Rede, d.h. von Zeiträumen. Es
mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, ist jedoch sinnvoll, in Bauverträgen auch Termi-
auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen, ne als Vertragstermine zu vereinbaren, d.h. Zeit-
unabhängig davon, ob der Auftragnehmer den punkte, die durch Kalenderdaten definiert wer-
Mangel zu vertreten hat. Es entscheidet der ob- den. Dies hat den Vorteil, daß im Fall einer über-
jektive Sachverhalt. Hat der Auftragnehmer den schreitung eines durch ein Kalenderdatum fi-
Mangel oder die Vertragswidrigkeit zu vertreten, xierten Vertragstermins der Auftragnehmer oh-
so hat er auch den daraus entstehenden Schaden ne weitere Mahnung durch den Auftraggeber in
zu ersetzen. Einen seitens des Auftraggebers be- Verzuggerät (§ 284Abs.2 BGB),sofern er die Ver-
haupteten Mangel vor der Abnahme muß der Auf- zögerung seiner Leistungen zu vertreten hat. In
tragnehmer beseitigen, solange er nicht bewei- Bauverträgen sind Vertragstermine und -fristen
sen kann, daß ausschließlich ein anderer dafür nur in dem nötigen Umfang zu vereinbaren, wie
verantwortlich ist, es sei denn, der Auftraggeber Vertragsbeginn und -ende sowie ggf. Zwischen-
hat eine Anordnung getroffen, gegen die der Auf- termine als Voraussetzung für den Einsatz wei-
tragnehmer ordnungsgemäß Bedenken geltend terer Unternehmer.
gemacht hat. In der Praxis hat sich für die Vorgabe von Ver-
Macht ein Vorunternehmer Fehler, entlastet tragsterminenund -fristen ein zweistufiges Fest-
dies den Nachunternehmer im Verhältnis zum legungsverfahren bewährt:
Auftraggeber grundsätzlich nicht [BGH BauR 85, - In den Verdingungsunterlagen werden zu-
S.561]. nächst voraussichtliche Vertragstermine, je-
Der Umfang der Mängelbeseitigung kann bis doch die für die Zwecke der Angebotskalkula-
zu einer kompletten Neuerstellung führen, wenn tion erforderlichen endgültigen Vertragsfri-
der Mangel sonst nicht zu beseitigen ist. sten genannt.
Die Nachbesserung kann ausnahmsweise sei- - Ferner enthalten die Besonderen Vertragsbe-
tens des Auftragnehmers verweigert werden, dingungen (BVB) die Verpflichtung des Auf-

2-178 Bauwirtschaft und Baubetrieb


traggebers, dem Auftragnehmer spätestens x kündigt bei ergebnislosem Fristablauf den
Wochen vor dem erstgenannten voraussieht- Vertrag (B § 8 Nr. 3).
liehen Vertragstermin (i.d.R. x=4) die end-
gültigen Vertragstermine zu nennen. Eine angemessene Nachfrist zur Vertragserfül-
lung und die gleichzeitige Erklärung, daß dem
Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, daß bei Auftragnehmer nach fruchtlosem Ablauf dieser
größeren Zeiträumen zwischen der Vergabe bzw. Nachfrist der Auftrag entzogen werde, sind Kün-
Zuschlagserteilung und dem Baubeginn Ver- digungsvoraussetzungen. Beiüberschreitung ei-
schiebungen im Bauablauf noch ohne nachteili- nes Kalenderdatums liegt bereits unmittelbar
ge Wirkungen für Auftraggeber und Auftragneh- Verzug des Auftragnehmers und damit eine Ver-
mer aufgefangen werden können. tragsverletzung vor. Bei Angabe einer Vertrags-
Verzögerungen sind entweder Verlängerungen frist auf andere Weise müssen die Verzugswir-
der in einem Bauzeitenplan (Basisablaufplan) kungen erst durch Mahnung und angemessene
enthaltenen und nicht vertraglich vereinbarten Nachfrist herbeigeführt werden. Ein Schreiben
Ausführungsfristen oder Verschiebungen von mit Nachfristsetzung und dem Hinweis darauf,
ebenfalls nicht vertraglich vereinbarten Anfangs- daß das Ausbleiben der Leistung bei fruchtlo-
oder Endterminen einzelner Vorgänge. sem Verstreichen der Frist Folgen habe werde, ist
Verzug dagegen bedeutet die Überschreitung in jedem Fall erforderlich.
von vertraglich vereinbarten Anfangs-, Zwischen-
oder Endterminen bzw. -fristen. Verzugsvoraus- Vergütung und Änderung der Vergütung (8 § 2 u. A§ 75)
setzungen sind
- die Fälligkeit der Leistungen des Auftragneh- Die Vergütung für die vertragliche Leistung und
mers, Vergütungsänderungen aus bauspezifischen Lei-
- das Vertretenmüssen der Vertragstermin- stungsänderungen werden nach B § 2 geregelt.
oder Vertragsfristenüberschreitung durch den Irrt sich der Auftragnehmer bei der Erstellung
Auftragnehmer und der Kalkulation, so ist dies unbeachtlich und be-
- die Mahnung und Nachfristsetzung durch den rechtigt nicht zur Anfechtung [BGH BauR 72,
Auftraggeber, sofern für den Vertragstermin S. 381]. Für die Verjährung der Vergütung gelten
kein Kalenderdatum vereinbart wurde. die§§ 195ff BGB, da die VOB/B keine Regelung
dazu enthält.
Fehlt im Vertrag eine Vereinbarung für den Ver- Eine Sicherung der Vergütung des Auftragneh-
tragsbeginn, so hat der Auftraggeber nach B § 5 mers ist möglich durch Eintragung einer Siche-
Nr. 2 die Möglichkeit, den Auftragnehmer aufzu- rungshypothek nach § 648 BGB oder durch eine
fordern, innerhalb von 12 Werktagen mit der Aus- Sicherheitsleistung des Bestellers nach § 648a
führung zu beginnen. Sind überhaupt keine Fri- BGB. Sicherheit kann bis zur Höhe des voraus-
sten vereinbart, muß der Auftragnehmer in an- sichtlichen Vergütungsanspruchs verlangt wer-
gemessener Frist leisten. Der Auftraggeber hat den, wie er sich aus dem Vertrag und evtl. Zusatz-
dann gemäß §315 BGB das Recht, den Vertrags- aufträgen ergibt.
beginn nach billigem Ermessen festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Ermittlung von Ver-
Ausführungsfristen können dann "offenbar" gütungsänderungen aus Leistungsänderungen
nicht eingehalten werden im Sinne von B § 5 Nr. 3 ist B § 2 Nrn. 3-7. Damit der Auftraggeber solche
und 4, wenn dies mit an Sicherheit grenzender vom Auftragnehmer geforderten Vergütungsän-
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Eine Verzö- derungen prüfen kann, ist zu empfehlen, daß der
gerung allein ist noch kein Mangel der Leistung Auftraggeber auf die bei ihm bei Auftragsertei-
gemäß B §4 Nr. 7. Im Verzugsfall hat der Auf- lung versiegelt hinterlegte Urkalkulation des Auf-
traggeber drei Möglichkeiten: tragnehmers zurückgreift, aus der die Grundla-
- Er macht eine ggf. vereinbarte Vertragsstrafe gen der Preise~mittlung für die vertragliche Lei-
bei der Abnahme geltend (B § 11); der Vertrag stung und die Zusammensetzung der Einheits-
bleibt bestehen. preise hervorgehen. Andernfalls sind die Grund-
- Er verlangt bei Aufrechterhaltung des Vertrags lagen der Preisermittlung für die vertragliche
Ersatz für den nachweislich entstandenen Leistung nur näherungsweise nachzuvollziehen.
Schaden nach B § 6 Nr. 6. Die Einheitlichen Formblätter (EFB-Preis) bie-
- Er setzt unter Androhung der Auftragsentzie- ten bei berechtigter Skepsis - "Lügenblätter!" -
hung eine Frist zur Vertragserfüllung und dazu nur einige Anhaltspunkte.

Privates Baurecht 2-179


Mit der vereinbarten Vergütung sind nach - Fall 3: Bei Mengenminderung < 90% der aus-
B §2 Nr. 1 alle aufgrundder vereinbarten Ver- geschriebenen Menge ist aufVerlangen (i. d.R.
tragsbestandteileund der gewerblichen Verkehrs- des Auftragnehmers) für die verbleibende Lei-
sitte geschuldeten Leistungen abgegolten. Die stung im Normalfall der Einheitspreis zu er-
Regelung ist abschließend. Andere Leistungen höhen, da die "Schlüsselkosten" für die ausge-
müssen vergütet werden. schriebene Menge auf die verbleibende Men-
Beim Einheitspreisvertrag ergibt sich die Ver- ge umgelegt werden können.
gütung nach den vertraglichen Einheitspreisen - Fall 4: Bei einem Ausgleich von Mengenmin-
und den tatsächlich ausgeführten Mengen der derungen ( <90%) durch Mengenmehrungen
. Ordnungszahlen (Positionen), nicht den im Lei- (> 110%) der ausgeschriebenen Menge oder in
stungsverzeichnis des Auftraggebers vorgegebe- anderer Weise ist eine Saldierung aus "Schlüs-
nen Mengen (Vordersätzen). Die tatsächlich aus- selkostenunterdeckung" und "Schlüsselko-
geführten Leistungen werden anhand der Aus- stenüberdeckung" vorzunehmen.
führungsplärre oder durch Aufmaß auf der Bau-
stelle festgestellt. Der Auftraggeber hat nach B § 2 Nr. 4 jederzeit
In VOB/C sind unter Ziffer 5 für die einzelnen das Recht, nach Vertragsabschluß dem Auftrag-
Gewerke der DIN 18299ff Abrechnungs- bzw. nehmer übertragene Leistungen selbst zu über-
Aufmaßvorschriften enthalten, da die Leistungs- nehmen. Dies entspricht einer Teilkündigung
feststellungen noch keine abschließende Aus- aus Gründen, die der Auftraggeber zu vertreten
kunft darüber geben, ob und inwieweit der Auf- hat. Dieser Fall ist in B § 8 Nr. 1 geregelt.
traggeber diese Leistungen auch bezahlen muß Gemäß B § 1 Nr. 3 kann der Auftraggeber Än-
(z.B. Mehraushub bei kleinerem Böschungswin- derungen des Bauentwurfs anordnen. Gemäß
kel als vertraglich vereinbart). B § 4 Nr.1 Abs. 3 ist der Auftraggeber befugt, An-
Bei Pauschalpreisverträgen ist ein Aufmaß ordnungen zu treffen, die zur vertragsgemäßen
nicht erforderlich, da Abweichungen zwischen Ausführung der Leistungen notwendig sind.
ausgeschriebenen und tatsächlich ausgeführten Wird dadurch eine Leistungsänderung oder eine
Mengen ohne Eingriff des Auftraggebers nach Änderung der vertraglich vorausgesetzten Pro-
Vertragsabschluß den Pauschalpreis nicht ver- duktionsbedingungen ausgelöst, so ist nach B § 2
ändern. Das Mengenrisiko liegt im Hinblick auf Nr. 5 zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer
Unterschreitungen voll beim Auftraggeber, im ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr-
Hinblick auf überschreitungen voll beim Auf- oder Minderkosten zu vereinbaren, wobei diese
tragnehmer. Vereinbarung vor Beginn der Leistungsänderung
Vergütungsänderungen aus Abweichungen getroffen werden soll, jedoch nicht muß, da Lei-
zwischen ausgeführten und ausgeschriebenen stungsunterbrechungen infolge sich hinziehen-
Mengen beim Einheitspreisvertrag sind in B § 2 der Nachtragsverhandlungen den Bauablauf
Nr. 3 geregelt. Dabei sind vier Fälle zu unterschei- empfindlich stören und zu erheblichen Mehrko-
den: sten führen können.
- Fall1: Bei einer Mengenabweichung :::;10%, Auch die Anordnung einer Beschleunigung
d. h. zwischen 90% und 110% der ausgeschrie- durch den Auftraggeber stellt eine gegenüber der
benen Menge, gilt der vertragliche Einheits- Vertragsvereinbarung geänderte Ausführung dar
preis. und rechtfertigt eine neue Preisvereinbarung.
- Fall2: Bei Mengenmehrung > 10% der ausge- Wurde der vertragliche Einheitspreis mit Ver-
schriebenen Menge bleibt es bis zu 110% der lust gebildet, so setzt sich dieser auch im neuen
ausgeschriebenen Menge beim vertraglichen Einheitspreis grundsätzlich fort. Für "satt" kal-
Einheitspreis. Für die darüber hinausgehen- kulierte Preise gilt diese Fortschreibung eben-
den Mengen ist aufVerlangen (i.d.R. des Auf- falls.
traggebers) ein neuer Einheitspreis zu verein- Die Vorschrift gemäß B § 2 Nr. 6 korrespon-
baren, der im Normalfall niedriger sein wird diert mit B § 1 Nr. 4. Eine Leistung ist dann Zu-
als der vertragliche Einheitspreis, da sonst ei- satzleistung, wenn es sich um eine im Bauvertrag
ne "Schlüsselkostenüberdeckung" aus Ge- nicht vorgesehene und damit nicht geschuldete
meinkosten der Baustelle, allgemeinen Ge- Leistung handelt, die der Auftraggeber anord-
schäftskosten sowie Wagnis und Gewinn über net, die in technischer Hinsicht oder von derbe-
den vorkalkulatorisch angesetzten Umfang absichtigten Nutzung her jedoch zur Ausfüh-
hinaus eintritt. rung der vertraglichen Leistung erforderlich ist.

2-180 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Kalkulatorisch läßt sich die Zusatzleistung nicht einem Globalpauschalvertrag nur das Mengen-
vollständig aus den vorliegenden Preisermitt- risiko von den Parteien übernommen. Bei Ände-
lungsgrundlagen ermitteln (sonst §2 Nr. 5). rungen des Bauentwurfs oder zusätzlichen Lei-
Die Unterscheidung zwischen Nr. 5 und Nr. 6 stungen ergibt sich eine Anpassung der Vergü-
ist wichtig, weil Nr. 6 voraussetzt, daß der zu- tung gemäߧ 2 Nrn. 4, 5 und 6 auch bei nur ge-
sätzliche Vergütungsanspruch dem Auftragge- ringfügigen Änderungen bzw. Ergänzungen.
ber vor Leistungsbeginn angekündigt wird. Tut Im wesentlichen wird in § 2 Nr. 7 Abs. 1 der
der Auftragnehmer dies nicht, so kann der Auf- "Wegfall der Geschäftsgrundlage" nach § 242
traggeber davon ausgehen, daß auch der Auf- BGB geregelt. Die Chance zur Durchsetzung von
tragnehmer der Auffassung ist, diese Leistung Ansprüchen auf dieser Grundlage ist jedoch sehr
gehöre noch zu seinem Vertragsumfang. Der gering.
Auftragnehmer kann sich nicht darauf berufen, Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auf-
er habe seine Ankündigungspflicht nicht ge- trag oder unter eigener Abweichung vom Ver-
kannt. trag ausführt, werden gemäß Nr. 8 nicht vergü-
Die für Vergütungsänderungen beim Pau- tet. Der Auftragnehmer hat sie im Gegenteil auf
schalvertragwichtigste Regelung enthält§ 2 Nr. 7 Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist
Abs. 1 letzter Satz: "Die Nrn. 4, 5 und 6 bleiben zu beseitigen. Allerdings steht ihm nach Nr. 8
unberührt." Dies bedeutet, daß die Pauschalver- Abs. 2 eine Vergütung dann zu, wenn der Auf-
tragssumme unverändert bleibt, solange sich die traggeber solche Leistungen nachträglich aner-
Vertragsleistungen aus nachträglichen Eingrif- kennt oder diese für die Erfüllung des Vertrags
fen des Auftraggebers nicht ändern. notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen
In der Literatur wird unterschieden zwischen des Auftraggebers entsprachen und ihm unver-
Detail- und Globalpauschalvertrag [Kapellmann/ züglich angezeigt wurden.
Schiffers 1997]. Der Detailpauschalvertrag ist Nach Nr. 9 hat der Auftragnehmer zudem ei-
aufgebaut wie ein Einheitspreisvertrag, d.h. mit nen Anspruch auf gesonderte Vergütung, wenn
differenzierten Leistungsverzeichnissen mit Po- der Auftraggeber Zeichnungen, Berechnungen
sitionsbeschreibungen, Mengen, Einheits- und oder andere Unterlagen verlangt, die der Auf-
Gesamtpreisen,die jedoch vor Vertragsabschluß tragnehmer nach dem Vertrag, besonders den
zu einer Pauschalsumme nach vorgezogener technischen Vertragsbedingungen oder der ge-
Mengenprüfung durch den Auftragnehmer im werblichen Verkehrssitte, nicht zu beschaffen
Sinne einer Schlußabrechnung zusammengefaßt hat.
werden. Beim Detailpauschalvertrag sind nach Sind wesentliche Änderungen der Preisermitt-
Literaturmeinung Änderungen der Pauschal- lungsgrundlagen zu erwarten, deren Eintritt
summe auch bei nur geringfügigen Änderungen oder Ausmaß ungewiß ist, so kann nach A § 15
nach § 2 Nrn. 4, 5 und 6 durchzusetzen. eine angemessene Änderung der Vergütung in
Der Globalpauschalvertrag basiert auf einer den Verdingungsunterlagen vorgesehen werden.
Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm Dies geschieht in der Praxis gelegentlich durch
nach A § 9 Nr. 1Off, bei der die Bieter im Rahmen Lohngleitklauseln bei Vertragsdauern > 24 Mo-
der Angebotserstellung eigene Mengenermitt- nate und nur selten durch Stoffpreis- und Trans-
lungen für die einzelnen Teilleistungen vorneh- portkostengleitklauseln.
men und nach deren Bewertung zu ihrer Pau-
schalangebotssumme gelangen. Behinderung und Unterbrechung
Daher sei beim Globalpauschalvertrag die Lei- der Ausführung (8 § 6)
stung auch nur "pauschal",also global, bestimmt
[Vygen 1991, Rdn 834]. Nach bestrittener Auf- Diese Vorschrift regelt die Rechtsansprüche der
fassung sei daher Voraussetzung einer Vergü- Vertragsparteien aus Behinderung im Hinblick
tungsänderung, daß sich die Leistung nach Ver- auf die Verlängerung der Ausführungsfristen für
tragsabschluß in wesentlichem Umfang verän- den Auftragnehmer {Nr. 2}, auf Schadensersatz
dere und es dadurch zu erheblichen Veränderun- des jeweils behinderten Vertragspartners (Auf-
gen des Leistungsinhalts komme. Aus der Unter- tragnehmer oder Auftraggeber; Nr. 6) und auf
scheidung zwischen wesentlichen und unwesent- Kündigung und Abrechnung durch jede Ver-
liehen Leistungsänderungen entstehen beim tragspartei (Nr. 7}.
Globalpauschalvertrag häufig Streitigkeiten. § 6 Nr. 1 verpflichtet den Auftragnehmer zur
Nach zutreffender Ansicht wird deshalb auch bei unverzüglichen schriftlichen Anzeige persönlich

Privates Baurecht 2-181


an den Auftraggeber, sofern er sich in der ord- (z.B. Baustelleneinrichtung und -vorhaltung).
nungsgemäßen Ausführung der Leistung behin- Bei einer Unterbrechung > 3 Monate kann jeder
dert glaubt. Dabei muß der Auftragnehmer i. d. R. Vertragspartner gemäß Nr. 7 den Vertragschrift-
davon ausgehen, daß dem Auftraggeber die Tat- lieh kündigen.
sache und deren hindernde Wirkung offenkun- Der Schadenersatzanspruch nach Nr. 6 setzt
dig nicht bekannt sind, zumal eine Behinderung Verschulden voraus. Ist eine Behinderung von
auch nur selten zu einem völligen Stillstand der beiden Vertragsteilen zu vertreten, so müssen
Bauarbeiten in allen Baustellenbereichen führt, beide Vertragspartner den Schaden im Rahmen
sondern lediglich zu einer Minderung des Bau- ihres jeweiligen Verschuldensanteiles tragen
fortschritts durch Unterschreitung der Leistungs- (§254 Abs. 1 BGB). Die Schadenersatzregelung
werte und überschreitung der Aufwandswerte nach Nr. 6 gilt nicht nur bei Behinderungen
im behinderten und den angrenzenden Berei- durch den Auftraggeber nach B § 6, sondern um-
chen. gekehrt auch bei Verzug des Auftragnehmers ge-
Die Ausführungsfristen werden nach Nr. 2 ei- mäß B § 5 Nr. 4 und für die Kündigung des Auf-
nerseits dann verlängert, wenn der Auftraggeber tragnehmers durch den Auftraggeber wegen
den Umstand der Behinderung zu vertreten hat. mangelhafter Leistungen (B §4 Nr. 7 und B §8
Dabei kommt es nach herrschender Meinung Nr. 3 Abs. 2). Gemäß heftig umstrittener Ent-
nicht auf das Verschulden an, sondern lediglich scheidung des BGH haftet der Auftraggeber für
darauf, ob das die Behinderung verursachende Behinderungen durch Vorunternehmer nur,
Ereignis in die Risikosphäre des Auftraggebers wenn er seine Koordinationspflicht verletzt hat
fallt und er dieses Ereignis hätte verhindern kön- [BauR 1985, S. 561].
nen. Der Umfang des Schadensersatzes umfaßt den
Andererseits werden Ausführungsfristen aber vollen Ersatz aller Kosten einschließlich der All-
auch verlängert durch vom Auftraggeber nicht gemeinen Geschäftskosten, jedoch nicht den An-
zu vertretende Umstände wie Streik, höhere Ge- spruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, so-
walt oder andere für den Auftragnehmer unab- fern nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des
wendbare Umstände; dazu gehören auch Witte- Auftraggebers vorliegen, die ein Auftragnehmer
rungseinflüsse während der Ausführungszeit, sicherlich nur in seltenen Fällen geltend machen
mit denen bei Abgabe des Angebots normaler- wird. Der Schaden darf nicht abstrakt berechnet
weise nicht gerechnet werden konnte. werden. Jedoch sind, sofern sorgfältig doku-
Nach Nr. 3 muß der Auftragnehmer alle wirt- mentierte Anhaltspunkte festgestellt sind, Schät-
schaftlich vertretbaren Anstrengungen unter- zungen gemäß § 287 ZPO (Zivilprozeßordnung)
nehmen, um die Weiterführung der Arbeiten zu möglich [BGH BauR 1986, S. 347). Hierzu wurde
ermöglichen. Läßt sich die Dauer einer Behin~ vom Verfasser ein Verfahren zur Schadensab-
derung zeitlich nicht abschätzen, so ist der Auf- schätzung nach der Differenzhypothese gemäß
tragnehmer verpflichtet, im Rahmen seiner Scha- § 287 ZPO entwickelt, das durch Abgrenzungs-
densminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB betrachtungen der Sollwerte (Annäherung von
Anpassungsmaßnahmen einzuleiten (z.B. nicht unten) und der Istwerte (Annäherungvon oben)
ausgelastetes Personal auf anderen Baustellen Schäden aus Behinderungen von sonstigen Ein-
einsetzen). flüssen wie Unter-Wert-Kalkulationen, strittigen
Die Fristverlängerung setzt sich nach Nr. 4 zu- Nachträgen, Leistungen für Dritte und unterlas-
sammen aus der Dauer der Behinderung in den sene Schadensminderungspflicht abgrenzt [Die-
gestörten Baustellenbereichen, einem Zuschlag derichs 1998]. In allen Fällen ist gesondert zu
für die Wiederaufnahme der Arbeiten und einer prüfen, ob nicht etwa Verzögerungen auf aus-
etwaigen Verschiebung der Leistungen in eine drücklichen oder konkludenten Anordnungen
ungünstigere Jahreszeit. des Auftraggebers beruhen. In diesem Fall be-
Wird die Ausführungfür voraussichtlich län- stehen auch Ansprüche nach B § 2 Nr. 5, die kei-
gere Dauer unterbrochen, ohne daß die Leistung nen konkreten Schadensnachweis erfordern,
dauernd unmöglich wird, so sind nach Nr. 5 die sondern die Übereinstimmung mit den Grund-
ausgeführten Leistungen nach den Vertragsprei- lagen der Preisermittlung für die vertragliche
sen abzurechnen und außerdem die dem Auf- Leistung unter Berücksichtigung der Mehrko-
tragnehmer bereits entstandenen Kosten zu ver- sten einschließlich kalkulatorischem Gewinn.
güten, die in den Vertragspreisen des nicht aus-
geführten Teiles der Leistung enthalten sind

2-182 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Verteilung der Gefahr (8 § 7) Einholung mehrerer Angebote oder Verhandtun-
gen mit anderen am Wettbewerb beteiligt gewe-
Wird die ganz oder teilweise ausgeführte Lei- senen Bietern, darauf zu achten, daß die vom bis-
stung vor der Abnahme durch höhere Gewalt, herigen Auftragnehmer zu erstattenden Mehr-
Krieg, Aufruhr oder andere unabwendbare, vom kosten so niedrig wie möglich gehalten werden.
Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände Die Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz des
beschädigt oder zerstört, so hat der Auftragneh- etwa entstehenden weiteren Schadens bleiben
mer gemäß B § 7 Nr.1 für die ausgeführten Teile bestehen. Er kann auch auf die weitere Ausfüh-
der Leistung die Ansprüche nach B § 6 Nr. 5. Die- rung verzichten und Schadenersatz wegen Nich-
se Regelung weicht von § 644 BGB ab, wonach terfüllung verlangen, wenn die Ausführung aus
der Auftragnehmer keine Vergütung erhält, so- den Gründen, die zur Entziehung des Auftrags
fern ausgeführte Leistungsteile vor der Abnahme geführt haben, für ihn kein Interesse mehr hat.
zerstört oder beschädigt werden. Um das nach Der vierte Kündigungsfall ist gemäß Nr. 3 ge-
B § 7 nicht gedeckte Schadensrisiko zu mindern, geben bei Verzug der Bauausführungund frucht-
ist dem Auftragnehmer der Abschluß einer Bau- losem Ablauf der nach B § 5 Nr. 4 gesetzten Frist.
wesenversicherung anzuraten. Im übrigen gelten die Ausführungen wie vor.
Der fünfte Kündigungsfall ist in Nr. 4 geregelt,
Kündigung durch den Auftraggeber (8 § 8) wonach der Auftraggeber den Auftrag entziehen
kann, wenn der Auftragnehmer aus Anlaß der
B § 8 regelt fünfKündigungsfälle seitens des Auf- Vergabe eine Abrede getroffen hatte, die eine un-
traggebers. Nach Nr. 1 Abs. 1 kann der Auftrag- zulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt.
geber den Vertrag bis zur Vollendung der Lei- Dem Auftraggeber muß kein Schaden entstanden
stung jederzeit ohne wichtigen Grund kündigen sein. Die Kündigung ist innerhalb von 12 Werk-
bzw. auf Teilleistungen begrenzen. Er trägt dann tagen nach Bekanntwerden des Kündigungs-
jedoch auch das finanzielle Risiko, da nach Nr. 1 grundes auszusprechen.
Abs. 2 dem Auftragnehmer die vereinbarte Ver- über B § 8 hinaus bestehen zwei weitere Kün-
gütung zusteht, so daß er durch die Kündigung digungsmöglichkeiten des Auftraggebers. Im Fall
wirtschaftlich genauso dasteht wie ohne Kündi- der positiven Vertragsverletzungist der Auftrag-
gung. Der Auftragnehmer muß sich jedoch an- geber berechtigt, den Vertrag zu kündigen, wenn
rechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des ihm ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet
Vertrags an Kosten erspart oder durch anderwei- werden kann. Die gesetzlich nicht geregelte posi-
tige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines tive Vertragsverletzung ist bei einem schuldhaf-
Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig un- ten Verhalten des Auftragnehmers oder seiner
terläßt (§ 649 BGB). Von einer Kündigung ohne Erfüllungsgehilfen gegeben, das nicht durch Ver-
wichtigen Grund ist deshalb dem Auftraggeber zug oder Unmöglichkeit begründet ist und die
dringend abzuraten. Erfüllung des Vertragszwecks entscheidend ge-
Der zweite Kündigungsfall wegen Vermögens- fahrdet.
verfalls des Auftragnehmers gemäß Nr. 2 stellt ei- Eine weitere Kündigungsmöglichkeit besteht
ne Kündigung aus wichtigem Grund dar. Der Auf- dann, wenn sich die Geschäftsgrundlage erheb-
tragnehmer hat in diesen Fällen nur Anspruch lich ändert oder wegfällt. Die Berufung auf den
aufVergütungder bis zum Zeitpunkt der Kündi- Fortfall der Geschäftsgrundlage nach§ 242 BGB
gung ausgeführten Leistungen, die er gemäß B § 6 ist der letzte "Rettungsanker", wenn sonst keine
Nr. 5 prüfbar abzurechnen hat. Der Auftraggeber anderen Vertragsbedingungen einschlägig sind
kann ferner Schadenersatz wegen Nichterfül- und kein anderes Kündigungsrecht besteht. Laut
lung der Restleistung verlangen. BGH wird die Geschäftsgrundlage "gebildet
Der dritte Kündigungsfall ist die Kündigung durch die beim Abschluß zutage getretenen, dem
wegen nicht fristgerecht beseitigter Mängel und Geschäftspartner erkennbaren und von ihm nicht
die daraufhin vom Auftraggeber vorgenomme- beanstandeten Vorstellungen des einen Vertrags-
ne Entziehung des Auftrags gemäß Nr. 3 in Ver- teiles oder durch die gemeinsamen Vorstellun-
bindung mit B § 4 Nr. 7. Wird die Weiterführung gen beider Teile vom Vorhandensein oder künf-
der Arbeiten gemäß Nr. 3 Abs. 2 nach der Kündi- tigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Ge-
gung einem Dritten übertragen, so hat der Auf- schäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut"
traggeber im Rahmen seiner Schadensminde- [BGHZ (Amtliche Sammlung der Entscheidun-
rungspflicht nach §254 Abs. 2 BGB, z.B. durch gen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen) 25,

Privates Baurecht 2-183


S. 390]. Bei Vereinbarung der VOB/B sind die Vor- von A § 12 Nr. 2 dagegen selten. Aber auch der
aussetzungen zur Anwendungvon § 242 BGB sehr Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe kann
streng, da durch B § 2 viele Anpassungsmöglich- trotz Vereinbarung nur selten durchgesetzt wer-
keiten bei Leistungsänderungen gegeben sind. den, da sich der Auftraggeber häufig Verzögerun-
Nach§ 8 Nr. 5 ist die Kündigung schriftlich zu gen bei dem ihm obliegenden Handlungen ent-
erklären. Bei Weiterführung des Auftrags können gegenhalten lassen muß.
die Mehrkosten, die dem Auftraggeber bei Voll- Zur Höhe der Vertragsstrafe ist § 343 BGB zu
endung der Bauleistung durch einen Dritten ent- beachten, wonach eine verwirkte Strafe, die un-
stehen, gegenüber dem bisherigen Auftragneh- verhältnismäßig hoch ist, auf Antrag des Auftrag-
mer geltend gemacht werden, ebenso ein etwa nehmers durch gerichtliches Urteil auf den ange-
entstandener weiterer Schaden (Nr. 3 Abs. 2). messenen Betrag herabgesetzt werden kann. Ge-
mäߧ 348 HGB findet diese Regelungjedoch kei-
Kündigung durch den Auftragnehmer (8 § 9) ne Anwendung bei Vollkaufleuten nach§ 1 HGB.
Die Verwirkung der Vertragsstrafe tritt nach
Dem Auftragnehmer steht anders als dem Auf- § 339 BGB beim Verzug durch schuldhaftes Han-
traggeber nur bei Vorliegen besonderer Gründe deln des Auftragnehmers ein. Gemäß § 340 BGB
ein Kündigungsrecht zu, kann der Auftraggeber eine Vertragsstrafe für
- wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende die Nichterfüllung statt der Erfüllung verlangen.
Handlung unterläßt und dadurch den Auftrag- Dann ist der Anspruch auf weitere Erfüllung aus-
nehmer außerstande setzt, die Leistung auszu- geschlossen. Da die Vertragsstrafe regelmäßig die
führen (Nr. 1a) in Verbindung mit §§ 293ff untere Grenze des Schadenersatzanspruches dar-
BGB); stellt, muß sich der Auftraggeber die verwirkte
- wenn der Auftraggeber eine fällige Zahlung Strafe auf seinen Schadenersatzanspruch wegen
nicht leistet oder sonst in Schuldnerverzug ge- Nichterfüllung anrechnen lassen. Diese Anrech-
rät (Nr.1b) oder nungspflicht kann durch die Allgemeinen Ge-
- wenn die Baustelle mehr als 3 Monate unter- schäftsbedingungen (AGB) nicht ausgeschlossen
brochen ist (B §6 Nr. 7). werden.
Anordnungen des Auftraggebers auf Lei-
Ein Verschulden des Auftraggebers ist jeweils stungsänderung oder Zusatzleistung können die
nicht erforderlich. Dem Auftragnehmer muß die Vertragsstrafe völlig entfallen lassen. Wenn der
Ausführung der Leistungen objektiv unmöglich Auftragnehmer durch die Änderung an der frist-
oder unzumutbar sein. Die schriftlich zu erklä- gerechten Fertigstellung gehindert ist, muß er al-
rende Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit lerdings nach B § 6 Nr. 1 darauf hinweisen.
gemäß Nr. 2 der Aufforderung an den Auftrag- Vertragsstrafen müssen der Höhe nach be-
geber zur Vertragserfüllung innerhalb angemes- grenzt werden. Angemessen sind 5% bis 10% der
sener Frist und der Androhung der Kündigung. Auftragssumme und 0,1 %bis 0,3% der Auftrags-
Der Auftragnehmer hat gemäß Nr. 3 Anspruch summe je Werktag der überschreitung.
auf Abrechnung nach den Vertragspreisen sowie Gemäß B § 11 Nr. 4 muß sich der Auftraggeber
angemessene Entschädigung nach§ 642 BGB und die Vertragsstrafe bei der Abnahme vorbehalten.
etwaige weitergehende Ansprüche (z. B. auf Scha- Hat ein Auftraggeber schon vorher mit der Ver-
denersatz). tragsstrafe aufgerechnet, sich diese bei der Ab-
nahme aber nicht mehr vorbehalten, so erlischt
Vertragsstrafe (A §§ 72 u. 77) rückwirkend der Anspruch auf Vertragsstrafe.

Der Zweck einer vertraglich vereinbarten Ver- Abnahme (8 § 72)


tragsstrafe besteht darin, den Auftragnehmer vor
Vertragsverletzungen (Terminüberschreitungen, Nach der Auftragserteilung ist die Abnahme das
mangelhafte Erfüllung) abzuschrecken und dem zweite zentrale Ereignis in der Abwicklung von
Auftraggeber die Schadloshaltung zu erleich- Bauwerkverträgen.Als drittes zentrales Ereignis
tern, d.h. ihm den Nachweis des ihm entstande- ist das Ende der Gewährleistungsfristen unter
nen Schadens im Fall der Vertragsverletzung bis Berücksichtigung sämtlicher Hemmungen und
zur Höhe der Vertragsstrafe zu ersparen. Unterbrechungen zu nennen.
Vertragsstrafen werden in der Praxis häufig Abnahme nach§ 640 BGB bzw. B § 12 bedeutet
vereinbart, Beschleunigungsklauseln im Sinne Billigung des Werkes des Auftragnehmers durch

2-184 Bauwirtschaft und Baubetrieb


den Auftraggeber als vertragsgemäße Leistungs- der Auftraggeber nicht, so kann die Abnahme
erfüllung derart, daß das Werk "die zugesicher- nicht durchgeführt werden. Der Auftraggeber
ten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern be- gerät dann jedoch in Annahmeverzug, sofern
haftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu er die Abnahme nicht zu Recht verweigert.
dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage Häufig findet sich in Nachunternehmerver-
vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder min- trägen eine Klausel, wonach der Nachunterneh-
dern"(§ 633 Abs. 1 BGB). mer die Abnahme erst verlangen kann, wenn
Die hier relevante privatrechtliche Abnahme das Gesamtobjekt fertiggestellt ist oder der
des Auftraggebers hat mit der öffentlich-rechtli- Nachunternehmer Mängelfreiheitsbescheini-
chen Rohbau- oder Schlußabnahme durch das gungen der Mieter beibringt. Beide Klauseln
Bauordnungsamt nichts zu tun. Letztere hat da- sind unwirksam [BGH BauR 1989, S. 322; OLG
her auch keinerlei Auswirkungen auf die Rechts- Hamm, IBR 1992, S. 148]. Erkennbare Mängel
folgen der Abnahme im Vertragsverhältnis zwi- und der Vorbehalt der Vertragsstrafe müssen
schen Auftraggeber und Auftragnehmer. bei der förmlichen Abnahme nach Nr. 4 Abs. 1
Voraussetzungen der Abnahme durch den Auf- aufgenommen und dem Protokoll beigeheftet
traggeber sind, daß die Vertragsleistungen fertig- werden. Ob die Vertragsstrafe berechtigt ist,
stellt sind, keine wesentlichen Mängel enthalten wird dadurch nicht entschieden. Das Abnah-
und durch einseitige Willenserklärung des Auf- meprotokoll ist von beiden Vertragsparteien
traggebers gebilligt werden. Diese Billigung kann zu unterzeichnen.
schriftlich, mündlich oder durch eindeutige - Bei der fiktiven Abnahme nach Nr. 5 bleibt der
Handlung geschehen (z.B. Benutzung), sofern Abnahmewille des Auftraggebers außer Be-
diese nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt tracht. Die Abnahme tritt dabei nach Frist-
der Abnahme steht. Nach Nr. 3 kann die Abnah- ablauf ein
me wegen wesentlicher Mängel bis zur Beseiti- - entweder 12 Werktage nach schriftlicher Mit-
gung verweigert werden. Zu unterscheiden sind teilung über die Fertigstellung der Leistung
vier Formen der Abnahme: (Nr.5Abs.1) oder
- Nach Nr.1 hat der Auftraggeber nach der Fer- - 6 Werktage nach Beginn der Benutzung
tigstellung aufVerlangen des Auftragnehmers der Leistung durch den Auftraggeber (Nr. 5
binnen 12 Werktagen die Abnahme durchzu- Abs. 2).
führen. Kommt er dieser Hauptpflicht des Auf-
traggebers nicht nach, so gerät er in Gläubiger- Will nun der Auftraggeber Mängel oder Vertrags-
verzug. Gemäߧ 644 Abs. 1 BGB führt dies da- strafen geltend machen, so hat er dies gemäß Nr. 5
zu, daß die Gefahr des zufälligen Untergangs Abs. 3 innerhalb der vorgenannten Fristen zu tun.
oder der zufälligen Verschlechterung des Wer- Anstelle einer Mitteilung über die Fertigstel-
kes auf den Auftraggeber übergeht. Außerdem lung genügt die Mitteilung des Auftragnehmers
haftet der Auftragnehmer jetzt nur noch für über die Räumung der Baustelle oder die Zu-
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gemäß § 300 sendung der Schlußrechnung (konkludente Mit-
Abs.1 BGB. teilung).
- Gemäß Nr. 2 sind aufVerlangen (i. d. R. des Auf- Nach §640 BGB ist der Auftraggeber berech-
tragnehmers) in sich abgeschlossene Teile der tigt, die Abnahme grundsätzlich wegen jedes
Leistung (echte Teilabnahme) oder solche, die Mangels zu verweigern, bei Vereinbarung von
durch die weitere Ausführung der Prüfung und VOB/B als Vertragsbestandteil sind nach § 12
Feststellung entzogen werden (unechte Teilab- Nr. 3 jedoch wesentliche Mängel erforderlich, die
nahme ), abzunehmen. die Abnahme für den Auftraggeber unzumutbar
- Nach Nr. 4 Abs. 1 hat eine förmliche Abnahme machen, z. B. wenn
stattzufinden, wenn eine der Vertragsparteien - zugesicherte Eigenschaften des Werkes fehlen,
es verlangt. Diese Form ist den Vertragspar- - das Werk nicht den anerkannten Regeln der
teien grundsätzlich zu empfehlen. Dazu muß Technik entspricht,
unter Einhaltung einer angemessenen Frist ein - die Gebrauchstauglichkeit erheblich einge-
Abnahmetermin vereinbart werden. Bestimmt schränkt oder aufgehoben ist und
diesen der Auftraggeber und erscheint der Auf- - das Werk nicht fertiggestellt ist.
tragnehmer nicht, so kann die Abnahme den-
noch gemäß Nr. 4 Abs. 2 stattfinden. Bestimmt Zu beachten ist dabei, daß viele kleine Mängelei-
der Auftragnehmer den Termin und erscheint nem wesentlichen Mangel entsprechen können.

Privates Baurecht 2-185


Verweigert der Auftraggeber zu Unrecht die Ab- entspricht. Anderenfalls ist die Leistung - i. d. R.
nahme wegen nur unwesentlicher Mängel, dann gemeinsam mit dem Auftraggeber - aufzumes-
treten die Abnahmewirkungen gleichwohl ein. sen und ggf. zeichnerisch festzulegen. Das ge-
Rechtswirkungen der Abnahme sind: meinsame Aufmaß stellt jedoch lediglich den
- Die vereinbarte Vergütung wird erst mit dem Leistungsumfang fest. Damit ist noch nicht aus-
Zeitpunkt der Abnahme fallig (§ 641 BGB). gesagt, ob der Auftragnehmer auch einen An-
- Die bis zur Abnahme bestehende Vorleistungs- spruch darauf hat, daß ihm diese Leistung ver-
pflicht des Auftragnehmers entfallt mit der Ab- gütet wird. Nach§ 14 Nr. 2 hat der Auftragneh-
nahme. mer für Leistungen, die bei Weiterführung der
- Mit der Abnahme geht die Leistungsgefahr der Arbeiten nur schwer feststellbar sind, rechtzei-
unverschuldeten Beschädigung oder Zerstö- tig gemeinsame Feststellungen zu beantragen.
rung auf den Auftraggeber über; nach der Ab- Nach Nr. 3 muß die Schlußrechnung bei Lei-
nahme trägt der Auftraggeber die Vergütungs- stungen mit einer Vertragsdauer bis zu 3 Mona-
gefahr. ten spätestens 12 Werktage nach Fertigstellung
- Es tritt eine Umkehr der Beweislast bei Män- eingereicht werden, wenn nichts anderes verein-
geln ein. Bis zur Abnahme muß der Auftrag- hart ist. Diese Frist wird um je 6 Werktage für je
nehmer bei Mängeln gemäß B § 4 Nr. 7 bewei- weitere 3 Monate Ausführungsfrist verlängert.
sen, daß seine Leistungen mängelfrei sind. Wird die Frist vom Auftragnehmer nicht einge-
Nach der Abnahme muß der Auftraggeber zur halten, braucht der Auftraggeber grundsätzlich
Geltendmachung von Gewährleistungsver- nichts zu unternehmen. Seine Zahlungspflicht
pflichtungen des Auftragnehmers nach B § 13 und auch der Beginn der Verjährung des Zah-
Nr. 4 das Vorhandensein von Mängeln bewei- lungsanspruches beginnen entsprechend später.
sen. Hat der Auftraggeber ein berechtigtes Interes-
- Der Auftraggeber verliert Ansprüche aus bei se an einer schnellen Schlußrechnung, so kann
der Abnahme nicht vorbehaltenen Rechten auf er diese gemäß § 14 Nr. 4 nach Fristsetzung selbst
Nachbesserung oder Minderung wegen Män- erstellen oder erstellen lassen. Diese Abrechnung
geln oder aus Vertragsstrafe. muß prinzipiell den gleichen Anforderungen
- Mit der Abnahme beginnt die Verjährung des genügen wie die Abrechnung durch den Auftrag-
Vergütungsanspruchsam 01.01. des dem Fäl- nehmer.
ligkeitsjahr folgenden Jahres sowie des Verjäh- Stundenlohnarbeiten dürfen gemäß A § 5 Nr. 2
rungsanspruchs mit dem Zeitpunkt der Ab- nur für Bauleistungen geringeren Umfangs, die
nahme. überwiegend Lohnkosten verursachen, verein-
- Nach der Abnahme beschränkt sich der Erfül- bart werden. In der Praxis findet sich in jedem
lungsanspruch des Auftraggebers auf Gewähr- Einheitspreisvertrag ein Titel Regiearbeiten, in
leistungsansprüche. Vor der Abnahme hat der dem der Bieter Stundenverrechnungssätze für
Auftraggeber Anspruch auf ein mängelfreies unterschiedliche Vergütungsgruppen zu benen-
Werk. nen hat.
NachB § 15 Nr.3 istdemAuftraggeberdieAus-
Abrechnung und Stundenlohnarbeiten (8 §§ 74 u. 75) führung von Stundenlohnarbeiten vor Beginn
anzuzeigen, um dem Auftraggeber die Kontrolle
Gemäߧ 14 Nr. 1 hat der Auftragnehmer seine über die Arbeitsleistung des Auftragnehmers zu
Leistungen prüfbar abzurechnen. Daher werden ermöglichen. Verletzt er die Anzeigepflicht, so
Zahlungen nicht fällig, solange keine prüfbare trägt der Auftragnehmer die Beweislast für den
Abrechnung vorliegt. "Prüfbar" heißt: Aufstel- tatsächlichen StundenanfalL
lung der Leistungen entsprechend Vertrag. Die Reicht der Auftragnehmer prüfbare Stunden-
Rechnungspositionen müssen eindeutig bezeich- lohnzettel ein, so muß sie der Auftraggeber inner-
net und die Abrechnung muß in der Reihenfol- halb von 6 Werktagen nach Zugang prüfen, etwa-
ge des Leistungsverzeichnisses vorgenommen ige Einwendungen schriftlich geltend machen
werden. Bei nicht im Vertrag enthaltenen Lei- und die Zettel dem Auftragnehmer zurückgeben.
stungen ist der Grund für die verlangte Leistung Nicht fristgemäß zurückgegebene Stundenlohn-
anzugeben, sonst fehlt es an der Prüfbarkeit. zettel gelten als anerkannt.
Nach Nr. 5 der DIN 18299 der VOB/C ist die
Leistung aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit
die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen

2-186 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Zahlung (B § 76) Im Fall einer echten Teilabnahme nach B § 12
Nr. 2 lit. a können auch Teilschlußrechnungen
Der BGB-Werkvertrag kennt keine Abschlags- mit den gleichen Voraussetzungen und Folgen
zahlung. Hier muß der Auftragnehmer die volle gestellt werden (Nr. 4).
Werkleistung erbracht haben und Abnahme vor- Zahlt der Auftraggeber bei Fälligkeit nicht, so
liegen, bevor Zahlung verlangt werden kann. kann ihm der Auftragnehmer eine angemessene
Nach Nr. 1 sind jedoch Abschlagszahlungen auf Nachfrist (i.d.R. 10 Kalendertage) setzen. Zahlt
Antrag des Auftragnehmers zu gewähren.§ 16 er auch innerhalb der Nachfrist nicht, so hat der
sucht einen Ausgleich zwischen den berechtigten Auftragnehmer vom Ende der Nachfrist an An-
Interessen des Auftragnehmers nach schneller spruch auf Zinsen in Höhe von 1 v. H. über dem
Zahlung und dem Sicherheitsbedürfnis des Auf- Lombardsatz der Deutschen Bundesbank, seit
traggebers. Da der Auftragnehmer vorleistungs- 01.01.1999 ersetzt durch die Spitzenrefinanzie-
pflichtig ist, hat die VOB/B mit dem Instrument rungsfazilität der Europäischen Zentralbank,
der Abschlagszahlung eine dem Auftragnehmer wenn er nicht einen höheren Verzugsschaden
entgegenkommende Regelung geschaffen, da er nachweist. Außerdem darf er die Arbeiten bis zur
von der Verpflichtung zur Vorfinanzierung sei- Zahlung einstellen (Nr. 5).
ner Leistungen spürbar entlastet wird.Abschlags- Nr. 6 dient dem Schutz der Nachunternehmer,
zahlungen sind gemäß Nr.1 Abs. 3 binnen 18 wonach der Auftraggeber nach vorheriger Unter-
Werktagen nach Zugang der Aufstellung zu lei- richtung des Auftragnehmers an dessen Nach-
sten. unternehmer mit schuldbefreiender Wirkung
Nach Nr. 2 mögliche Vorauszahlungen müssen leisten kann.
ausdrücklich vereinbart werden. AufVerlangen Werklohnansprüche aus Bauleistungen ver-
des Auftraggebers ist dafür ausreichende Sicher- jähren gemäߧ 196 BGB grundsätzlich in zwei
heit zu leisten. Sie sind zu verzinsen und auf die Jahren, Leistungen für den Gewerbebetrieb des
nächstfälligen Zahlungen für die Vertragsleistun- Auftraggebers in vier Jahren. Die Verjährungs-
gen anzurechnen. frist beginnt am 1. Januar des auf den Fälligkeits-
Voraussetzungen des Anspruchs des Auftrag- zeitpunkt folgenden Jahres. Eine Unterbrechung
nehmers auf Schlußzahlung sind die Abnahme ge- der Verjährung tritt nicht durch bloße Mahnung,
mäß B § 12, die Vorlage einer prüfbaren Schluß- sondern nur durch gerichtlichen Mahnbescheid
rechnung durch den Auftragnehmer sowie die oder Klageerhebung mit konkreter Begründung
Prüfung und Feststellung durch den Auftragge- ein.
ber spätestens innerhalb von 2 Monaten nach Zu-
gang (Nr. 3 Abs.l). Verzögert sich die Prüfung, Haftung (B § 70)
so ist das unbestrittene Guthaben als Abschlags-
zahlung sofort zu zahlen. § 10 enthält keine eigenen Haftungsansprüche,
Sofern der Auftragnehmer über die Schlußzah- sondern setzt voraus, daß eine Haftung nach an-
lung schriftlich unterrichtet und auf die Aus- deren Vorschriften entstanden ist. Auch Nach-
schlußwirkung hingewiesen wurde, schließt die besserungs- oder Gewährleistungsansprüche
vorbehaltlose Annahme der Schlußzahlung ge- sind ein Haftungsfall nach Nr. 1. Diese sind je-
mäß Nr. 3 Abs. 2 Nachforderungen aus. Gemäß doch gesondert und abschließend in B §4 Nr. 7
Nr. 3 Abs. 5 ist ein Vorbehalt innerhalb von 24 und § 13 geregelt.
Werktagen nach Zugang der Mitteilung über die Nr. 1 regelt die Haftung der Vertragsparteien
Schlußzahlung zu erklären. Innerhalb von wei- untereinander aus Verletzungvertraglicher Pflich-
teren 24 Werktagen ist eine prüfbare Rechnung ten, z.B. aus Unmöglichkeit, Verzug, positiver Ver-
über die vorbehaltenen Forderungen einzurei- tragsverletzung, Verletzung von Fürsorgepflich-
chen oder der Vorbehalt seitens des Auftragneh- ten nach § 618 BGB oder Eigentumsverletzung
mers eingehend zu begründen. Dieser sollte stets nach § 823 BGB.
schriftlich und durch Einschreiben mit Rück- Die gesetzliche Haftung ergibt sich aus dem
schein erklärt werden. Handeln der Vertragspartei selbst oder ihrer Er-
Von der Ausschlußwirkung erfaßt sind auch in füllungsgehilfen.
der Abrechnung vergessene Positionen des Lei- - Vorsätzlich handelt, wer durch aktives Han-
stungsverzeichnisses. Wird die VOB/B nicht als deln oder Unterlassen gegen den Vertrag ver-
Ganzes vereinbart, ist die Regelung der Nr. 3 stößt und voraussieht, daß dadurch dem an-
Abs. 2 auf AGBG-Konformität zu prüfen. deren ein Nachteil entsteht, auch, wenn er die-

Privates Baurecht 2-187


sen Nachteil erkennt und billigend in Kauf den soll, ist praxisfremd und findet keine An-
nimmt (bedingter Vorsatz). wendung. Im Unterschied zur Gewährleistung
- Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erfor- bedeutet Garantie eine weitergehende Verpflich-
derliche Sorgfalt außer acht läßt. Grob fahrläs- tung des Auftragnehmers, die entweder die ge-
sig handelt, wer die im Verkehr erforderliche wöhnliche Zusicherung einer Eigenschaft be-
Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße ver- deutet oder die Übernahme einer Verpflichtung,
letzt. Der Ausschluß der Haftung für grobe Schadenersatz auch ohne Verschulden zu leisten.
Fahrlässigkeit verstößt gegen§ 11 Nr. 7 AGBG. Die Gewährleistungsverpflichtung des Auftrag-
nehmers besteht nach B § 13 Nr.1 darin, daß sei-
Erfüllungsgehilfen sind alle Beteiligten, die dem ne Leistung z. Z. der Abnahme und auch während
Auftraggeber bei der Verwirklichung seines Pro- der Gewährleistungsfrist
jekts helfen und in den Pflichtenkreis gegenüber - die vertraglich zugesicherten Eigenschaften
dem Auftragnehmer mit einbezogen sind. Der hat,
Vorunternehmer ist gemäß strittiger BGH-Ent- - den anerkannten Regeln der Technik ent-
scheidung kein Erfüllungsgehilfe im Verhältnis spricht und
des Auftraggebers zum Auftragnehmer [BauR - nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert
1985, s. 561). oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen
Die Haftung setzt voraus, daß der Erfüllungs- oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten
gehilfe nach § 278 BGB in Erfüllung seiner Ver- Gebrauch aufheben oder mindern.
pflichtungen dem Auftraggeber gegenüber ge-
handelt hat, nicht bloß bei Gelegenheit der Er- An die gebrauchsfähige Beschaffenheit werden
füllung als Verrichtungsgehilfe nach § 831 BGB. strenge Anforderungen gestellt. Im berühmten
In Nr. 2 werden Ausgleichsansprüche der einen "Blasbachtalbrücken-Fall" errichtete der Auftrag-
Partei gegenüber der anderen geregelt, wenn ei- nehmer gemäß Bauvertrag eine Autobahnbrük-
ne Partei von einem Dritten in Anspruchgenom- ke in Spannbetonweise nach einem bestimmten
men wird aus Eigentumsverletzung nach § 823 Spannverfahren. Die Herstellung der Brücke er-
BGB, aus Störung des Eigentums nach§ 1004 BGB folgte entsprechend den Regeln der Technik. Ein
oder aus der Haftung des Eigentümers, Besit- Jahr nach der Abnahme zeigten sich an vielen
zers oder Unterhalters eines Grundstücks nach Stellen der Brücke Risse, insbesondere an den
§§ 836ff BGB. Koppelfugen. Im Rahmen der Untersuchungen
Den Auftragnehmer trifft im Innenverhältnis stellte sich heraus, daß die anerkannten Regeln
nach Nr. 2 Abs. 2 die alleinige Haftung, soweit der der Technik offensichtlich nicht ausreichten, da
Schaden durch eine Versicherung seiner gesetzli- es sonst nicht zu den Rissen hätte kommen dür-
chen Haftpflicht gedeckt ist oder hätte abgedeckt fen. Nach dem Urteil des OLG Frankfurt [NJW
werden können. Wegen Schadenersatzes bei un- 1983, S. 456; Revision vom BGH nicht angenom-
erlaubter Handlung (Nr. 3) oder Verletzung ge- men] ist eine Autobahnbrücke mit Rissen man-
werblicher Schutzrechte (Nr. 4) haftet der Auf- gelhaft, auch wenn die Regeln der Technik einge-
tragnehmer allein. halten sind. Dieses Risiko trägt der Auftragneh-
mer. An diesem Beispiel zeigt sich besonders
Gewährleistung (8 § 73 u.A § 73) deutlich, daß die Gewährleistungsverpflichtung
unabhängig vom Verschulden ist.
Da Bauleistungen Einzelanfertigungen sind und Nach Nr. 3 wird der Auftragnehmer von der Ge-
Mängel an der Bauleistungregelmäßig vorkom- währleistung dann befreit, wenn der Leistungs-
men, ist § 13 diejenige Kernvorschrift, die in der mangel aufUmstände aus der Sphäre des Auftrag-
Praxis am meisten Anwendung findet. gebers zurückzuführen ist. Dies gilt zunächst für
Die Verpflichtung des Auftragnehmers gegen- die vom Auftraggeber vorgegebene Leistungsbe-
über dem Auftraggeber zur Erstellung eines män- schreibung, für vom Auftraggeber gelieferte Stof-
gelfreien Werkes besteht nicht nur im Zeitpunkt fe oder Bauteile oder für die Beschaffenheit der
der Abnahme, sondern darüber hinaus für die Vorleistung eines anderen Unternehmers, sofern
gesamte Gewährleistungsfrist. Sie beginnt mit der Auftragnehmer nicht die ihm nach §4 Nr. 3
der Abnahme der Bauleistung und endet mit Ab- obliegende Mitteilung über die zu befürchten-
lauf der Verjährungsfrist. den Mängel unterlassen hat.
Die Forderung nach A § 13 Nr. 1, wonach auf Nach Nr. 4 beträgt die Gewährleistungsfrist für
Gewährleistung nach Abnahme verzichtet wer- Bauwerke und Holzerkrankungen 2 Jahre, für

2-188 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Arbeiten an einem Grundstück und für die vom sich, sondern alle Leistungen, die im Zusammen-
Feuer berührten Teile von Feuerungsanlagen 1 hang mit der Mängelbeseitigung notwendiger-
Jahr, sofern keine andere vertragliche Vereinba- weise anfallen, bis hin zu Planungsleistungen
rung getroffen wurde. Die Vereinbarung von Ge- und Reinigungsarbeiten.
währleistungsfristen, die diejenigen der Nr. 4 Für die Ersatzvornahme durch den Auftragge-
überschreiten, ist dann unwirksam, wenn hier- ber gemäß Nr. 5 Abs. 2 ist im Gegensatz zu den Be-
durch die Ausgewogenheit der VOB/B beein- stimmungen des Werkvertragsrechtes eine Ab-
trächtigt wird (vgl. auch§ 11 Nr. 10 lit. f AGBG). lehnungsandrohung als eindringlicher Hinweis
Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn auf die Folgen nicht fristgerechter Mängelbesei-
in den AGB die Gewährleistungsfrist auf 5 Jahre tigung nicht erforderlich, um das Beseitigungs-
festgelegt wird, sonst aber keine Änderungen der recht des Auftraggebers zu begründen. Der Auf-
VOB/B vorgenommen werden. Die Verjährungs- traggeber kann dann eine Drittfirma mit der Be-
fristen gelten für alle Arten von Gewährlei- seitigung des Mangels beauftragen. Die hierfür
stungsansprüchen (Nachbesserung, Minderung aufgewendeten Kosten, die prüfbar abzurechnen
und Schadensersatz). sind, muß der Auftragnehmer dem Auftraggeber
Bei einem arglistigen Verschweigen des Man- erstatten.
gels durch den Auftragnehmer beträgt die Ge- Nach Nr. 6 kann der Auftraggeber eine Min-
währleistungsfrist nach § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB derung der Vergütung verlangen, wenn dieBesei-
in Verbindung mit§ 195 BGB 30 Jahre. tigung des Mangels objektiv unmöglich ist oder
Stehen dem Auftraggeber gegenüber dem Auf- subjektiv einen unverhältnismäßig hohen Auf-
tragnehmer außer Gewährleistungsansprüchen wand erfordern würde und deshalb vom Auftrag-
auch solche aus positiver Vertragsverletzung oder nehmer verweigert wird.
unerlaubter Handlung zu, verjähren diese nach Im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung des
den allgemeinen Regeln in 30 Jahren bzw. in 3 § 634 Abs. 1 BGB kennt die VOB/B kein Wande-
Jahren nach Kenntnisnahme gemäß § 852 BGB. lungsrecht. Da die Wandelung zur Rückgängig-
Bei unwirksamer Vereinbarung der Gewährlei- machung des Vertrags führt, müssen die bereits
stungsfristen gelten die Fristen des § 638 BGB, gewährten Leistungen zurückgegeben werden,
d.h. bei Arbeiten an einem Grundstück 1 Jahr, so daß bei einem Bauvertrag das z.B. teilweise er-
bei Bauwerken 5 Jahre. stellte Bauwerk abgerissen werden müßte. Die
Mit der Abnahme beginnt der Lauf der Ge- VOB/B hat daher die Möglichkeit zur Wandelung
währleistungsfrist. Sie endet mit Ablauf des ver- bewußt ausgeschlossen. Ihre Regelungen nach
einbarten Zeitraums. Nr. 6 sind insofern als abschließend anzusehen.
Auch für Mängelbeseitigungsleistungen ist der Auf das gesetzliche Werkvertragsrecht darf nicht
Auftragnehmer gewährleistungspflichtig. Mit zurückgegriffen werden.
Abnahme der Mängelbeseitigungsleistung be- Nr. 7 gewährt dem Auftraggeber zusätzlich
ginnt der Lauf der Gewährleistungsfrist erneut, einen "kleinen" und ggf. "großen" Schadener-
wobei sich diese nach der vertraglichen Abma- satzanspruch über den Mangelbeseitigungsan-
chung richtet, sofern solche fehlt, nach den Re- spruch hinaus, wenn ein wesentlicher Mangel
gelfristen der Nr. 4, jedoch nicht vor Ablauf der vorliegt, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich be-
vertraglichen Gewährleistungsfrist für die Ge- einträchtigt und der auf ein Verschulden des Auf-
samtleistungen (Nr. 5 Abs.1 Satz 3). tragnehmers oder seiner Erfüllungsgehilfen zu-
Der Auftraggeber kann gemäß Nr. 5 Abs.1 vom rückzuführen ist.
Auftragnehmer die Nachbesserung mangelhaf- Der Anspruch nach Nr. 7 Abs.1 ist auf die bau-
ter Leistungen auf dessen Kosten verlangen, die liche Anlage begrenzt. Der "kleine" Schadener-
auf vertragswidrige Leistung zurückzuführen satzanspruch umfaßt damit den Schaden an der
sind. Dieses Recht des Auftraggebers korrespon- Bauleistung selbst sowie den mit der Bauleistung
diert mit dem Recht des Auftragnehmers, seine in engem Zusammenhang stehenden Schaden
mangelhafte Leistung nachbessern zu dürfen. (z.B. Nutzungs- und Verdienstausfall, Gutach-
Bei nicht fristgerechter Nachbesserung hat der terkosten und zusätzlicher Erhaltungsaufwand).
Auftraggeber das Recht, den Mangel zu beseiti- Nr. 7 Abs. 2 regelt jeden darüber hinausgehen-
gen oder beseitigen zu lassen (Nr. 5 Abs. 2). den Schaden, sofern er adäquat ursächlich ist und
Die Mängelbeseitigung aufgrund schriftlichen die Voraussetzungen nach lit. a-d erfüllt sind.
Nachbesserungsverlangens des Auftraggebers Verschulden bedeutet, daß der Mangel dem Auf-
umfaßt nicht nur die Behebung des Mangels an tragnehmer zuzurechnen ist.

Privates Baurecht 2-189


1. Abnahme der Gesamtbauleistung
vertragliche Gewährleistungsfrist
2. Vertraglich vereinbarte Gewäh~eistungsfrist 4 Jahre
(z.B. 4 Jahre)
3. Hemmung der Gewährleistungsfrist fOr Teilleistung 1
(Ruhend. Gewährleistungsfrist) wegen Prufung eines
Mangels durch Auftragnehmer (§ 639 (2)868)
4. Unterbrechung der Gewährleistungsfrist
(mit Neubeginn der Gewährleistongsfrist)
4.1 filr Teilleistung 2 durch schriftliche Nachbesserungs-
verlangen, Mängelbeseitigung und Abnahme

4.2 flirTeilleistung 3 analog Teilleistung 2

4.3 flir Teilleistung 4 durch selbständiges Beweissiche-


rungsverfahren (§ 638 (2) i.V. mit 477 (2) 8GB)

4.4 für Teilleistung 4 durch Klageerhebung und rechts-


kräftige Entscheidung(§ 638 (2) i.V. mit§§ 477 (2),
211 (2) 8GB)

-2 -1 0 3 4 6 7
Jahre

Abb. 2.4-5 Hemmung und Unterbrechung der Gewährleistungsfristen

Ein "großer" Schadenersatzanspruch erfordert - Durchführung eines selbständigen Beweisver-


zusätzlich, daß der Mangel auf Vorsatz oder gro- fahrens nach der Zivilprozeßordnung (ZPO)
ber Fahrlässigkeit oder einem Verstoß gegen die gemäß § 477 Abs. 2 BGB, bei dem die Unter-
anerkannten Regeln der Technik beruht oder in brechungswirkung mit Einreichung des An-
dem Fehlen einer vertraglich zugesicherten Ei- trags bei Gericht eintritt,
genschaft besteht oder es sich um eine versicher- - Klageerhebung oder Mahnbescheidsverfah-
te oder versicherbare Leistung handelt. ren nach §§ 209 u. 211 BGB, bei denen der maß-
Im Zusammenhang mit der Verjährung von gebliche Zeitpunkt für die Herbeiführung der
Gewährleistungsansprüchen sind die Hemmung Unterbrechung die Zustellung an den Prozeß-
und Unterbrechung nach BGB zu beachten. Nach gegner ist. Sie endet mit der letzten Prozeß-
§ 639 Abs. 2 BGB tritt eine Hemmung der Gewähr- handlung der Parteien oder des Gerichts.
leistungsansprüche des Auftraggebers ein, so-
lange der Auftragnehmer mit Einverständnis des Im Ergebnis können die Gewährleistungsfristen
Auftraggebers das Vorhandensein eines Mangels nach B § 13 Nr. 4 oder§ 638 BGB durch Mängel-
oder dessen Beseitigung prüft. Die Hemmung beseitigung an einzelnen Teilleistungen sowie
beginnt mit dem Einverständnis zwischen Auf- Hemmung und Unterbrechung somit erheblich
traggeber und Auftragnehmer und endet mit der und mehrfach verlängert werden. Die Fallunter-
Mitteilung des Auftragnehmers an den Auftrag- scheidungen werden deutlich aus Abb. 2.4-5.
geber bzw. mit der Erklärung über die Mängel-
beseitigung. Nach §205 BGB wird der Zeitraum, Sicherheitsleistung (8 § 77 u.A § 74)
währenddessen die Verjährung gehemmt ist, in
die Gewährleistungsfrist nicht eingerechnet. Die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung dient
Unterbrechung bedeutet nach§ 217 BGB, daß dazu, den Auftragnehmer zu einer ordnungsge-
nach dem Ende der Unterbrechung die volle Ge- mäßen Leistungserfüllung anzuhalten und den
währleistungsfrist erneut läuft. Sie kann herbei- Auftraggeber im Hinblick aufVorauszahlungs-,
geführt werden durch Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsan-
- Anerkenntnis der Mängelbeseitigungsver- sprüche gegenüber dem Auftragnehmer abzusi-
pflichtung durch den Auftragnehmer, chern. Nach A § 14 Nr. 1 soll auf Sicherheitslei-

2-190 Bauwirtschaft und Baubetrieb


stungen möglichst verzichtet werden. In der Pra- hebt der Auftragnehmer keinen Einspruch ge-
xis geschieht dies jedoch nur seitens privater gen diesen Bescheid, so handelt es sich um ein
Auftraggeber für Bauaufträge kleineren Um- Anerkenntnis.
fangs oder auch aus Unwissenheit. Das Verbot der Arbeitseinstellung nach § 18
In der Baupraxis werden Sicherheitsleistun- Nr. 4 kommt ausnahmsweise dann nicht in Be-
gen vornehmlich in Form von selbstschuldneri- tracht, wenn die Leistung für den Auftragnehmer
schen unbefristeten Bürgschaften geleistet und nach Treu und Glauben unzumutbar geworden
nur selten als Einbehalt aus der Vergütung. ist.
Nach A § 14 soll die Vertragserfüllungssicher- In A § 10 Nr. 6 ist das schiedsrichterliche Ver-
heit 5 v. H. der Auftragssumme und die Sicher- fahren nach den §§ 1025-1048 ZPO erwähnt.
heit für Gewährleistung 3 v. H. der Abrechnungs- Voraussetzung ist, daß der Schiedsvertrag in ei-
summe nicht überschreiten. ner gesonderten Urkunde zwischen den Partei-
Die Auftragnehmer übersehen meist die Mög- en festgelegt und unterschrieben wird, anderen-
lichkeit, vom Auftraggeber zu verlangen, daß ein falls ist er unwirksam (§ 1027 Abs. 1 ZPO). Der
verlangter Sicherheitseinbehalt gemäß B § 17 Schriftform bedarf es nicht, wenn beide Partei-
Nr. 5 u. 6 auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist und en Vollkaufleute sind(§ 1027 Abs. 2 ZPO).
die Zinsen dem Auftragnehmer zustehen. Der Vorteil des Schiedsverfahrens besteht dar-
Nicht geregelt ist in der VOB/B das Sicher- in, daß die Parteien ihre Schiedsrichter selbst
heitsinteressedes Auftragnehmers an vollstän- wählen können. Sie sind nicht auf möglicher-
diger Bezahlung seiner Leistung. Bei Aufträgen weise fachunkundige Juristen angewiesen, son-
der öffentlichen Hand wird die Zahlungsfähig- dern können Fachleute aus der Baubetriebs-
keit und -Willigkeit als gegeben angesehen. Bei wirtschaft und dem Baurecht aussuchen. Das
Beauftragung durch private und gewerbliche Auf- Schiedsverfahren ist meist schneller und im Er-
traggeber ist als gesetzliches Sicherungsmittel gebnis nicht teurer als ein Gerichtsverfahren, das
die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungs- mehrere Instanzen durchläuft. Es gleicht im
hypothek nach§ 648 BGB oder das Verlangen ei- übrigen den Verfahren vor den ordentlichen Ge-
ner Sicherheit vom Auftraggeber gemäß § 648a richten weitgehend, da jede Partei ihren Schieds-
BGB vorgesehen. richter selbst nennen kann, die sich beide wie-
derum auf einen Obmann einigen, der über die
Streitigkeiten (8 § 18) Befähigung zum Richteramt verfügen muß.

Nach der gesetzlichen Regelung des§ 12 ZPO ist . 2.4.3.3


dasjenige Gericht für alle Klagen gegen eine Per- VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertrags-
son zuständig, bei dem diese Person ihren allge- bedingungen für Bauleistungen
meinen Gerichtsstand hat. Bei gewerblichen Nie-
derlassungen können nach§ 21 ZPO Klagen bei VOB TeilCerfaßt die Allgemeinen Technischen
dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo sich Vertragsbedingungen (ATV) für die Ausführung
die Niederlassung befindet. Nach§ 29 ZPO kann von Bauleistungen. Nach B § 1 Nr. 1 Satz 2 sind
auch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes zur sie Bestandteil eines Bauvertrags, für den die
Anwendung kommen, soweit es sich um Ansprü- VOB/B als Vertragsbestandteil gilt.
che handelt, die aus dem Bauvertrag resultieren. Einzelheiten der ATV können auch dann eine
Dem Kläger steht insoweit ein Wahlrecht zu. Rolle spielen, wenn sie und auch die VOB/B im
Bei Verträgen mit Behörden soll der Auftrag- Bauvertrag nicht ausdrücklich vereinbart wor-
nehmer nach B § 18 Nr. 2 zunächst die der auf- den sind, da sie in ihrer Grundlage die sog."Nor-
traggebenden Stelle unmittelbar vorgesetzte malausführung" festlegen [Ingenstau/Korbion
Stelle anrufen. Damit soll durch ein Abhilfever- 1996, Einleitung, Rdn 15f]. Abweichungen davon
fahren versucht werden, bei Meinungsverschie- müssen grundsätzlich ausdrücklich festgelegt
denheiten zwischen den Parteien auf der Ebene werden, um verbindlich zu sein, wobei die für den
der Gleichordnung eine friedliche Lösung her- konkreten Fall aufgestellte Leistungsbeschrei-
beizuführen. Es handelt sich aber um eine Soll- bung stets Vorrang hat.
vorschrift, wobei Form und Frist für die Anru- Die anerkannten Regeln der Bautechnik sind
fung nicht vorgeschrieben sin<;l. Die dem Auf- im Rahmen der VOB nicht ohne weiteres iden-
traggeber unmittelbar vorgesetzte Stelle soll in- tisch mit den ATV der VOB/C, sondern gehen
nerhalb von 2 Monaten schriftlich antworten. Er- über diese hinaus, da letztere den ersteren un-

Privates Baurecht 2-191


Tabelle 2.4-5 Liste der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bau leistu ngen (VOB/C, VOR-Ausgabe 1992,
Ergänzungsband 1998)

Ausgabe
(U) DIN 18299 Allgemeine Regeln für Bauarbeiten jeder An Juni 1996
(U) DIN 18300 Erdarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18301 Bohrarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18302 Brunnenbauarbeiten Juni 1996
(F) DIN 18303 Verbauarbeiten Mai 1998
(F) DIN 18304 Ramm-, Rüttel- und Preßarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18305 Wasserhaltungsarbeiten Juni 1998
(R) DIN 18306 Entwässerungskanalarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18307 Druckrohrleitungsarbeiten im Erdreich Mai 1998
(U) DIN 18308 Dränarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18309 Einpreßarbeiten Dez. 1992
(U) DIN 18310 Sicherungsarbeiten an Gewässern, Deichen und Küstendünen Sept. 1988
(U) DIN 18311 Naßbaggerarbeiten Dez. 1992
(F) DIN 18312 Untenagebauarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18313 Schlitzwandarbeiten mit stützenden Flüssigkeiten Juni 1996
(U) DIN 18314 Spritzbetonarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18315 Verkehrswegebauarbeiten, Oberbauschichten ohne Bindemittel Juni 1996
(U) DIN 18316 Verkehrswegebauarbeiten, Oberbauschichten mit hydraulischen Bindemitteln Juni 1996
(U) DIN 18317 Verkehrswegebauarbeiten, Oberbauschichten aus Asphalt Juni 1996
(UJ DIN 18318 Verkehrswegebauarbeiten, Pflasterdecken, Plattenbeläge, Einfassungen Juni 1996
lU) DIN 18319 Rohrvonriebsarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18320 Landschaftsbauarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18325 Gleisbauarbeiten Dez. 1992
(R) DIN 18330 Mauerarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18331 Beton- und Stahlbetonarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18332 Naturwerksteinarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18333 Betonwerksteinarbeiten Juni 1996
(R) DIN 18334 Zimmer- und Holzbauarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18335 Stahlbauarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18336 Abdichtungsarbeiten Juni 1996
(R) DIN 18338 Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18339 Klempnerarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18349 Betonerhaltungsarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18350 Putz- und Stuckarbeiten Mai 1998
(N) DIN 18351 Fassadenarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18352 Fliesen- und Plattenarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18353 Estricharbeiten Mai 1998
(f) DIN 18354 Gußasphaltarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18355 Tischlerarbeiten Mai 1998
(F) DIN 18356 Parkettarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18357 Beschlagarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18358 Rolladenarbeiten Sept. 1998
(RJ DIN 18360 Metallbauarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18361 Verglasungsarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18363 Maler- und lacklerarbeiten Juni 1996
(U) DIN 18364 Korrosionsschutzarbeiten an Stahl- und Aluminiumbauten Juni 1996
(F) DIN 18365 Sodenbelagsarbeiten Mai 1998
(U) DIN 18366 Tapezierarbeiten Dez. 1992
(F) DIN 18367 Holzpßasterarbeiten Mai 1998
(R) DIN 18379 Raumlufttechnische Anlagen Mai 1998
(R) DIN 18380 Heizanlagen und zentrale Wasserwarmungsanlagen Mai 1998
(R) DIN 18381 Gas-, Wasser- und Abwasser-lnstallationsanlagen innerhalb von Gebäuden Mai 1998
(f) DIN 18382 Nieder- und Mittelspannungsanlagen mit Nennspannungen bis 36 kV Mai 1998
(U) DIN 18384 Blitzschutzanlagen Dez. 1992
(R) DIN 18385 Förderan lagen, Aufzugsan lagen, fahnreppen und fahrsteige Mai 1998
(U) DIN 18386 Gebäudeautomation Juni 1996
(R) DIN 18421 Dämmarbeiten an technischen Anlagen Mai 1998
(F) DIN 18451 Gerüstarbeiten Mai 1998
Die Kennbuchstabefl für den Status bedeuten:
(U) Unverl!nden. Diese AlV wurden ollne Änderungen aus dem (F) Fachtechnisch Oberarbeitet Diese AlV wurden !ur Anpassung
Ergänzungsband 1996 zur VOB. Ausgabe 1992, übernommen. an die Entwicklung des Baugeschehens fa<htechnisch überarbeitet.
(R) Redaktionell Oberarbeitet Diese AlV wurden unter Berticksich· (N) Neu aufgestellt. Diese ATV wurden neu aufgestellt und erst-
tigung der Änderungen im DIN·Normenwer1< und in den damit malig in die VOB aufgenommen.
!usammenhängenden Festlegungen redaktionell geändert.

2-192 Bauwirtschaft und Baubetrieb


terzuordnen sind [Ingenstau/Korbion 1996, B § 4 Aufgrund des Ersatzes der in der VOB/C enthal-
Nr.2,Rdn 145]. tenen Normen durch harmonisierte EG-Normen
Bei den allgemein anerkannten Regeln der Bau- DIN EN werden sich insbesondere Auswirkun-
technik handelt es sich um technische Regeln für gen auf die jeweiligenAbschnitte 3 (Ausführung)
den Entwurf und die Ausführung baulicher An- ergeben. Dies ist eine Zukunftsaufgabe des Deut-
lagen, "die in der technischen Wissenschaft als sehen Verdingungsausschusses im Bauwesen
theoretisch richtig anerkannt sind und festste- (DVA).
hen sowie insbesondere in dem Kreise der für die
Anwendung der betreffenden Regeln maßgebli- 2.4.4
chen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vor- Verdingungsordnung für freiberufliche
gebildeten Techniker durchweg bekannt und auf- Leistungen (VOF)
grund fortdauernder praktischer Erfahrung als
technisch geeignet, angemessen und notwendig Die am 03.09.1997 im Bundesanzeiger (BAnz)
anerkannt sind" [Ingenstau/Korbion 1997, B § 4 Nr.164a vom 12.05.1997 bekannt gemachte Ver-
Nr.2,Rdn 151]. dingungsordnung für freiberufliche Leistungen
Besonders zu beachten ist DIN 18299 aus (VOF) dient der Umsetzung der Dienstleistungs-
VOB/C, die mit Allgemeine Regelungen für Bau- richtlinie DLR 92/50/EWG vom 18.06.1992 in
arbeiten jeder Art überschrieben ist. Inhaltlich deutsches Recht. Öffentliche und ihnen gleich-
erfaßt sie diejenigen ATV, die für alle oder den gestellte private Auftraggeber sind bei der Ver-
überwiegenden Teil der bauvertragliehen Lei- gabe von Dienstleistungsaufträgen mit einem
stungsbereiche gelten. Auftragswert :2:200000 ECU seit dem 01.11.1997
Die weiteren Normen - DIN 18300 Erdarbei- zu ihrer Anwendung verpflichtet.
ten bis DIN 18451 Gerüstarbeiten-enthalten die Für die Vergabe von Architekten- und Ingeni-
leistungsspezifischen Regelungen für die einzel- eurleistungen unterhalb der EG-Schwellenwerte
nen Leistungsbereiche (Gewerke) entsprechend gelten die Haushaltsordnungen des Bundes, der
ihren allgemeinen technischen Erfordernissen. Länder und der Kommunen. Dabei wird i.d.R.
Sofern diese abweichende Regelungen gegenüber wie folgt verfahren:
DIN 18299 haben, gehen sie dieser entsprechend - Für die Planung größerer Hochbauten,jedoch
dem rechtlichen Grundsatz vor, daß die speziel- mit einem Honorarvolumen unterhalb der
le gegenüber der allgemeinen Regelung Vorrang EG-Schwellenwerte, ist der Realisierungswett-
hat. bewerb nach GRW 1995 ein geeignetes Verfah-
Tabelle 2.4-5 enthält die Liste der ATV gemäß ren zur Erlangung optimaler architektonischer
VOB-Ergänzungsband 1998. und funktioneller Lösungen (GRW Grundsät-
Die DIN 18299ff-Vorschriften der VOB/C ent- ze und Richtlinien für Wettbewerbe auf den
halten stets identische Gliederungen: Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus
0 Hinweise für das Aufstellen der Leistungs- und des Bauwesens).
beschreibung (die Hinweise werden nicht - Für die Planung von kleineren Hochbauten
Vertragsbestandteil) sowie von Ingenieurbauwerken und Verkehrs-
0.1 Angaben zur Baustelle anlagen ist die Direktvergabe unter Beachtung
0.2 Angaben zur Ausführung der Kriterien Fachkunde, Erfahrung, Lei-
0.3 Einzelangaben bei Abweichungen von den stungsfähigkeit und Zuverlässigkeit sowie des
ATV Gebots der Auftragsstreuung die Regel.
0.4 Einzelangaben zu Nebenleistungen und Be- - Honoraranfragen bzw. -gespräche vor der Be-
sonderen Leistungen auftragung sind nach wie vor ausgeschlossen,
Geltungsbereich da die Honorarordnung für Architekten und
2 Stoffe, Bauteile Ingenieure (HOAI) als geltendes Preisrecht
2.1 Allgemeines dem entgegensteht. Es gilt daher der Leistungs-
2.2 Vorhalten wettbewerb anstelle des Preiswettbewerbs.
2.3 Liefern - Oberhalb der EG-Schwellenwerte ist die VOF
3. Ausführung anzuwenden. Sie gliedert sich in
4. Nebenleistungen, Besondere Leistungen Kapitell: Allgemeine Vorschriften mit den
4.1 Nebenleistungen §§ 1-21 und
4.2 Besondere Leistungen Kapitel 2: Besondere Vorschriften zur Ver-
5 Abrechnung gabe von Architekten- und Inge-

Privates Baurecht 2-193


nieurleistungen mit den §§22-26 bekanntmachungvorgeschrieben. Gemäß Abs. 2
sowie können in sechs näher definierten Fällen Aufträ-
Anhang TS: Technische Spezifikationen, ge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige
Anhang I A: Leistungskategorien 1-16, Vergabebekanntmachung vergeben werden, z. B.
Anhang I B: Leistungskategorien 17-27, wenn der Gegenstand des Auftrags eine beson-
Anhang II: Bekanntmachungsmuster für dere Geheimhaltung erfordert.
A. Vorinformationsverfahren, Der Auftraggeber kann gemäß § 6 in jedem
B. Verhandlungsverfahren, Stadium des Vergabeverfahrens Sachverständige
C. Auftragsvergabe, einschalten. Diese dürfen weder unmittelbar noch
D. Bekanntmachung über Wett- mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt
bewerbe, sein und auch nicht beteiligt werden.
E. Ergebnisse von Wettbewerben. Teilnehmer am Vergabeverfahren können ein-
zelne oder mehrere natürliche bzw. juristische
Nach Anhang I A gelten für Architekten- und In- Personen sein, die freiberufliche Leistungen an-
genieurleistungen die Kategorien: bieten und sich verpflichten, auftragsbezogene
11 Unternehmensberatung und verbundene Auskünfte zu geben. Gemäß § 8 Abs. 1 hat der
Tätigkeiten sowie Auftraggeber die nicht eindeutig und erschöp-
12 Architektur, technische Beratung und Pla- fend beschreibbaren freiberuflichen Leistungen
nung; integrierte technische Leistungen; Stadt- dennoch so zu beschreiben, daß alle Bewerber die
und Landschaftsplanung; zugehörige wissen- Beschreibung im gleichen Sinne verstehen kön-
schaftliche und technische Beratung; techni- nen.
sche Versuche und Analysen. Die Forderung gemäß § 8 Abs. 2, bei der Be-
schreibung der Aufgabenstellung die technischen
Nach§§ 1 u. 2 findet die VOF Anwendung auf die Anforderungen unter Bezugnahme auf europäi-
Vergabe von Leistungen, die im Rahmen einer sche Spezifikationen festzulegen, hat im Rahmen
freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wett- eines Vergabeverfahrens zur Erbringung von Ar-
bewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten wer- chitekten- oder Ingenieurleistungen noch keine
den, sofern der Auftragswert 200000 ECU ohne besondere Bedeutung. In den Mitgliedsländern
Umsatzsteuer oder mehr beträgt. Eindeutig und der EU existieren zahlreiche Regelwerke mit Lei-
erschöpfend beschreibbare freiberufliche Lei- stungsbeschreibungen ähnlich den Leistungs-
stungen sind jedoch nach der VOL/A zu verge- bildern der HOAI, die sich jedoch in der Anzahl
ben. der Leistungsbilder und der Detaillierung der ein-
Nach§ 3 Abs. 1 ist bei der Berechnung des Auf zelnen Teilleistungen stark unterscheiden [AHO
tragswertes von der geschätzten Gesamtvergü- 1996 c]. Ansätze zu einer Vereinheitlichung der
tung für die vorgesehene Auftragsleistung ge- Leistungsbilder für Architekten- und Ingenieur-
mäß HOAI auszugehen. Ist das Honorar frei ver- leistungen auf europäischer Ebene sind bisher
einbar wie bei Leistungen nach § 31 HOAI (Pro- nicht zu erkennen. Die Bedeutung des Anhangs
jektsteuerung),so ist bei der Berechnung des Auf- TS der VOF ist damit vorrangig in der Leistungs-
tragswertes von üblichen Vergütungen auszuge- phase 6 der HOAI (Vorbereiten der Vergabe) im
hen [AHO 1998 a]. Rahmen der Erstellung von Leistungsbeschrei-
Gemäß § 4 sind Aufträge unter ausschließli- bungen gemäß § 9 VOB/A zu sehen.
eher Verantwortung des Auftraggebers im lei- Nach§ 8 Abs. 3 sind alle die Erfüllung der Auf-
stungsbezogenen Wettbewerb an fachkundige, gabenstellungbeeinflussenden Umstände anzu-
erfahrene, leistungsfähige und zuverlässige Be- geben, insbesondere solche, die dem Auftrag-
werber unter Beachtung des Gleichheitsgrund- nehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufbürden
satzes sowie unter Vermeidung unlauterer und oder auf die er keinen Einfluß hat und deren Ein-
wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen wirkung auf di.e Honorare oder Preise und Fri-
zu vergeben. Freiberufliche Leistungen sollen un- sten er nicht im voraus abschätzen kann.
abhängig von Ausführungs- und Lieferinteres- Der erste Halbsatz hat große Ähnlichkeit mit
sen erbracht und kleinere Büroorganisationen der Forderung in §9 Nr.3Abs.1 VOB/A:"Um ei-
und Berufsanfänger angemessen beteiligt wer- ne einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen,
den. sind alle sie beeinflussenden Umstände festzu-
Als Vergabeverfahren ist gemäß § 5 Abs. 1 das stellen und in den Verdingungsunterlagen anzu-
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabe- geben." Der Hinweis auf die Ermöglichung einer

2-194 Bauwirtschaft und Baubetrieb


einwandfreien Honorarermittlung fehlt in der gabenbeschreibung oder der Vergabebekannt-
VOF,ist jedoch gedanklich analog hinzuzufügen. machung alle Auftragskriterien anzugeben, de-
Welches sind nun "alle die Erfüllung der Aufga- ren Anwendung vorgesehen ist, möglichst in der
benstellung beeinflussenden Umstände"? Das Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung.
Organisationshandbuch und das Nutzerbedarfs- Hierzu ist zunächst festzustellen, daß in der Ver-
programm [AHO 1998 a, S. 25ff u. S. 30ff] geben gabebekanntmachungnach Ziff.12 des Bekannt-
hierüber Auskunft für Architekten- und Ingeni- machungsmusters gemäß Anhang II B (Verhand-
eurleistungen bei sorgfältiger Projektentwick- lungsverfahren) die gemäߧ 16 Abs. 3 geforder-
lung durch den Auftraggeber. tenAuftragskriterien im wesentlichen aus Nach-
Da gemäߧ 9 Abs. 4 VOF die Bekanntmachun- weisen über die finanzielle und wirtschaftliche
gen nach den Mustern des Anhangs II eine Seite Leistungsfähigkeit gemäߧ 12 VOF und über die
des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaft, fachliche Eignung gemäߧ 13 VOF bestehen.
d. h. etwa 650 Wörter, nicht überschreiten dürfen, § 9 enthält die formalen Hinweise für Bekannt-
wird deutlich, daß die vollständige Aufgabenbe- machungen, die an das Amt für amtliche Veröf-
schreibung nicht in die Bekanntmachung aufge- fentlichungen der Europäischen Gemeinschaft
nommen werden kann, sondern erst in die Auf- zu richten sind, 2 Rue Mercier, L-2985 Luxem-
gabenstellung für die in das Verhandlungsver- burg 1, Tel. (00352) 2929-1, Fax (00352)2929-
fahren einbezogenen Bewerber. 42758.
Im zweiten Halbsatz des § 8 Abs 3 Satz 1 VOF § 10 regelt das Verfahren für die Auswahl der
wird gefordert, die Umstände anzugeben, die dem Bewerber, die in das Verhandlungsverfahren ein-
Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis auf- bezogen werden.
bürden. Danach geht die VOF davon aus, daß es Ausgeschlossen werden können zunächst dieje-
durchaus zulässig ist, dem Auftragnehmer ein nigen,
ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Dies ist - auf die die in § 11 genannten Ausschlußkrite-
nach § 9 Nr. 2 VOB/ A nicht zulässig ("darf kein rien zutreffen wie Insolvenz, schwere Verfeh-
ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden") lung, Steuer- und Abgabenschulden oder fal-
und soll durch eine eindeutige und erschöpfen- sche Angaben;
de Leistungsbeschreibung vermieden werden. - die ihre finanzielle und wirtschaftliche Lei-
Als ungewöhnliche Wagnisse sind solche Ver- stungsfähigkeit gemäß § 12 nicht nachgewie-
tragsbedingungen zu bezeichnen, die nach dem sen haben, z.B. keinen Nachweis einer ent-
AGBG nur deshalb nicht zur Unwirksamkeit füh- sprechenden Berufshaftpflichtversicherungs-
ren, da die an die Wirksamkeit des AGBG ge- deckung oder keine Erklärung über den Ge-
knüpften Voraussetzungen im Einzelfall nicht samtumsatz und den Umsatz für entsprechen-
erfüllt sind, weil z.B. der Auftraggeber die fragli- de Dienstleistungen in den letzten drei Ge-
che Klausel nicht in einer Vielzahl von Verträgen schäftsjahren vorgelegt haben;
verwendet(§ 1 Abs.1 AGBG) oder es sich um ei- - die gemäß § 13 keine ausreichende fachliche
ne Individualvereinbarung handelt(§ 4 AGBG). Eignung hinsichtlich Fachkunde, Erfahrung,
Umstände, auf die der Auftragnehmer keinen Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nach-
Einfluß hat und deren Einwirkung auf die Hono- weisen.
rare oder Preise und Fristen er nicht im voraus
abschätzen kann, sind nach§ 8 Abs. 3 VOF ledig- Aus den verbleibenden Bewerbern sind dann
lich anzugeben. Das daraus resultierende Wag- unter Beachtung des Gebots der Gleichbehand-
nis wird dem Auftragnehmer zugemutet. Nach lung und Nichtdiskriminierung mindestens drei
§ 9 Nr. 2 VOB/A zählen solche Umstände zu den geeignete Bewerber zur Verhandlung aufzufor-
ungewöhnlichen Wagnissen, die dem Auftrag- dern, um einen echten Wettbewerb zu ermögli-
nehmer nicht aufgebürdet werden dürfen. chen.
Bei Verträgen mit freiberuflich Tätigen kann Auftraggeber und Bewerber haben damit zu
es sich wiederum nur um solche Vertragsbedin- beachten, daß es sich bei einem Vergabeverfah-
gungen handeln, die mangels Vielzahl der Ver- ren mit vorheriger Vergabebekanntmachung
wendung durch den Auftraggeber oder Indivi- nach VO F um ein zweistufiges Auswahlverfahren
dualvereinbarung nicht der Inhaltskontrolle des handelt, das die Beantwortung der folgenden Fra-
AGBG unterliegen. gen erfordert:
Gemäߧ 8 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit§ 16 - Wie gelangt ein Auftraggeber bei einer großen
Abs. 3 VOF haben die Auftraggeber in der Auf- Zahl von Bewerbern auf eine Vergabebekannt-

Privates Baurecht 2-195


machung {häufig mehr als 100) zu der zur Ver- ternehmens (lit. a), insbesondere der für die zu
handlung aufzufordernden Zahl der Bewer- vergebende Dienstleistung verantwortlichen
ber, die nach§ 10 Abs. 2 VOF nicht unter 3lie- Personen, werden entweder durch Berufszulas-
gen darf, in Anlehnung an § 8 Nr. 2 Abs. 2 sungen wie Mitgliedschaften in Architekten- und
VOB/A jedoch auch nicht höher als 8, d.h. im Ingenieurkammern oder Studiennachweise er-
Mittel 5 betragen sollte? bracht. Hinsichtlich des Nachweises der Qualifi-
- Wie wählt der Auftraggeber aus den z. B. 5 zur kation von Architekten und Ingenieuren ist § 23
Verhandlung aufgeforderten Bewerbern den als Spezialvorschrift zu beachten.
Bewerber aus, der gemäß § 16 Abs. 1 aufgrund Durch den Nachweis der in den letzten 3 Jah-
der ausgehandelten Auftragsbedingungen die ren erbrachten Leistungen (lit. b) soll festgestellt
bestmögliche Leistung erwarten läßt? werden, ob seitens des Bewerbers bereits Lei-
stungen ausgeführt wurden, die mit der zu ver-
2.4.4.1 gebenden Leistung vergleichbar sind. Bei öffent-
Auswahl der Teilnehmer für das liehen Auftraggebern ist zusätzlich eine Referenz-
Verhandlungsverfahren auskunft durch eine von der zuständigen Behör-
de ausgestellte oder beglaubigte Bescheinigung
Zur Beantwortung der ersten Frage sind zu- beizufügen.
nächst die Ausschlußkriterien nach § 11 VOF zu Es ist zu beachten, daß aus der Angabe der Rech-
beachten. Der Nachweis der finanziellen und wirt- nungswerte der letzten 3 Jahre (lit. b) und dem
schaftliehen Leistungsfähigkeit nach§ 12 VOF ist anzugebenden jährlichen Mittel der vom Bewer-
ebenfalls als Ausschlußkriterium heranzuziehen ber in den letzten 3 Jahren Beschäftigten (lit. d)
vor Beurteilung der fachlichen Eignung der Be- Rückschlüsse auf den Anteil der durch die Liste
werber, d.h. ihrer Fachkunde, Erfahrung, Lei- offengelegten Teilhonorare am Gesamtvolumen
stungsfähigkeit und Zuverlässigkeit [FELZ nach möglich sind.
§ 13 VOF]. Es können dann gemäß § 13 VOF die Mit lit. c werden vor allem Angaben über die be-
Nachweise gemäß lit. a-h verlangt werden. Die rufliche Befähigung und die zeitliche Verfügbar-
Auswahl der Bewerber, die in das Verhandlungs- keit des im Auftragsfall für die technische Leitung
verfahren einbezogen werden, wird sich somit vorgesehenen Personals erwartet. Die Erklärung
im wesentlichen aus der Beurteilung der fachli- über die Ausstattung, die Geräte und die techni-
chen Eignung derjenigen Bewerber ergeben, die sche Ausrüstung des Bewerbers (lit. e) verlangt
nicht vorher nach den §§ 11 u. 12 VOF ausge- Angaben zur vorhandenen Hard~ und Software
schlossen wurden. sowie ihrer internen und externen Vernetzung.
Zur Verdichtung der Anzahl von z.B. 100 Be- Als geeignete Maßnahmen des Bewerbers zur
werbern auf 5 zur Verhandlung aufzufordernde Gewährleistung der Qualität und seiner Unter-
Bewerber wird zweckmäßigerweise eine Nutz- suchungs- und Forschungsmöglichkeiten (lit. f)
wertanalyse vorgenommen. Diese hat sich als sind die Einrichtung und Aufrechterhaltung ei-
Hilfsmittel zur vergleichenden internen und im nes Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN
Bedarfsfall auch externen Analyse mehrerer Be- ISO 9001, die auftragsspezifische Entwicklung
werber bewährt. Sie eignet sich immer dann, und Anwendung eines Qualitätsmanagement-
wenn eine Alternativenauswahl anhand eines plans und dessen Umsetzung in der Auftragsbe-
multifaktoriellen Zielsystems vorzunehmen ist arbeitung sowie die Bearbeitungvon Forschungs-
(vgl. 2.1.7.2). aufträgen im Auftrag öffentlicher und privater
Für den Nachweis der fachlichen Eignung ge- Forschungsförderer in Zusammenarbeit mit
mäߧ 13 hat es sich bewährt, nach allgemeiner Universitäten und Fachhochschulen anzusehen.
und auftragsbezogener fachlicher Eignung zu un- Bei Leistungen komplexer oder besonderer Art
terscheiden. Damit ist dieser Nachweis sowohl hat der Bewerber seine Bereitschaft zu einer Kon-
allgemein als auch spezifisch für die im Auftrags- trolle durch den Auftraggeber zu erklären (lit. g).
fall vorgesehenen Mitarbeiter zu führen. So ist Eine solche Kontrolle hinsichtlich der auftrags-
einerseits ein getrennter Vergleich der allgemei- spezifischen fachlichen Eignung des Bewerbers
nen und der auftragsspezifischen Eignung und kann z. B. nach den Zertifizierungsrichtlinien ex-
andererseits aus deren Summe der Gesamtver- terner Auditoren im Rahmen von Zertifizierungs-
gleich möglich. audits vorgenommen werden.
Nachweise über die berufliche Befähigung des Die Angabe des Auftragsanteils im Unterauf-
Bewerbers und/oder der Führungskräfte des Un- trag (lit. h) soll den Eigenleistungsanteil des Be-

2-196 Bauwirtschaft und Baubetrieb


werbers deutlich machen. Für die vorgesehenen Bei der allgemeinen fachlichen Eignung hat
Unterauftragnehmer sind dann die analogen all- Bewerber 2 Rang 1, bei der spezifischen fachli-
gemeinen und speziellen fachlichen Eignungs- chen Eignungjedoch Bewerber 1. In der Zusam-
nachweise nach § 13 Abs. 2 zu führen wie für den menfassung liegt ebenfalls Bewerber 1 vor Be-
Bewerber selbst. werber 2.
Tabelle 2.4-6 zeigt beispielhaft eine Nutzwert- In der Praxis werden i.d.R. nicht 3, sondern
analyse (NWA) zur allgemeinen und spezifischen teilweise über 100 Bewerber in die Bewertung ein-
fachlichen Eignung von 3 Bewerbern für ein Ver- zubeziehen sein nach Prüfung der Ausschluß-
handlungsverfahren. Darin ist der Unterschei- kriterien der§§ 11 u. 12. Die Auswahl der in das
dung zwischen allgemeiner und spezifischer fach- Verhandlungsverfahren einzubeziehenden Be-
licher Eignung dadurch Rechnung getragen, daß werber ergibt sich dann aus den 3 bis 8 Kandida-
die Gewichtung von 100 Prozentpunkten sowohl ten mit der höchsten Punktzahl, wobei ggf. auch
auf die allgemeinen als auch auf die auftragsspe- eine bestimmte Mindestpunktzahl gesamt oder
zifischen Eignungskriterien im Verhältnis 35 zu differenziert als zusätzliches Abschneidekriteri-
65 verteilt wird. um eingeführt werden kann.

Tabelle 2.4-6 Nutzwertanalyse zur allgemeinen und spezifischen fachlichen Eignung von Bewerbern filr ein Verhandlungs-
verfahren nach§ 13 Abs. 2 VOF

t5
>
Eignungskriterien Gewicht Bewertung der Erfüllung Gewichtete Punkte
von 1- S
!3:
1 2 3 1 2 3
""
~

"" allg. spez. allg. spez. allg. spez. allg. spez. allg. spez. allg. spez. allg. spez.
a) Nachweis über die berufliche Befähigung
- der Führungskräfte des Unternehmens 10 4 s 3 40 so 30
- der speziellen Oberleitung 10 s 3 2 so 30 20
b) Erbrachte Leistungen der letzten drei Jahre
- wesentliche Leistungen allgemein 10 3 s 2 30 so 20
-wesentliche spezifische Leistungen 10 4 2 1 40 20 10
c) Technische Leitung, Verfügbarkeil
des Personals
- spezifisch 1S s 3 3 7S 4S 4S
d) Beschäftigte der letzten drei Jahre des
Unternehmens
- allgemein 8 3 4 1 24 32 8
- spezifisch 10 s 3 1 so 30 10
e) EDV-Ausstattung, Hard- und Software
des Unternhemens
- allgemein 4 4 s 3 16 20 12
- spezifisch s 4 s 3 20 2S 1S
0 Gewährleistung der Qualität sowie der
Untersuchungs· und Forschungsmöglich·
keiten
-allgemein 3 4 s 3 12 1S 9
-spezifisch s s 4 2 2S 20 10

g) Kontrollen durch den Auftraggeber


- spezifisch s 4 3 2 20 1S 10
h) Auftragsanteil im Unterauftrag
- spezifisch s 5 4 3 25 20 15
Summen 35 65 122 305 167 205 79 135
7
Einzelränge 2 1 1 2 3 3
Gesamtränge 1 2 3

Privates Baurecht 2-197


ausgehandelten Auftragsbedingungen die best-
2.4.4.2 mögliche Leistung erwarten läßt.
Entscheidung im Verhandlungsverfahren Tabelle 2.4-7 zeigt beispielhaft eine Nutzwert-
analyse zur Auswahl desjenigen Bewerbers, der
aufgrundvon 10 vorgegebenen und gewichteten
Zur Beantwortung der zweiten Frage, d.h. der Auftragskriterien die höchste Punktzahl aus 3 in
Auswahl desjenigen Bewerbers, dem der Auftrag- das Verhandlungsverfahren einbezogenen Be-
geber nach Abschluß der Verhandlungen mit den werbern erhalten hat. Die darin gewählten Auf-
aufgeforderten Bewerbern den Auftrag erteilt, tragskriterien und die vorgenommene Gewich-
sind gemäߧ 16 Abs. 3 VOF alle Auftragskriteri- tung sind im Einzelfall je nach Aufgabenstellung
en heranzuziehen, die über die bereits geprüfte anzupassen. Gemäß Tabelle 2.4-7 hat Bewerber
fachliche Eignung nach§ 13 Abs. 2 VOF hinaus- B mit471 von 100x 5 =500 gewichteten Punkten
gehen. vor den Bewerbern C und A Rang 1 erzielt. We-
Dabei sind nach § 16 Abs. 2 Kriterien zu be- gen des deutlichen Abstands ist dem Auftragge-
rücksichtigen, die für Architekten- und Ingeni- ber daher zu empfehlen, den Vertrag mit dem Be-
eurleistungen z.T. nur schwer faßbar sind (z.B. werber B abzuschließen.
Qualität, fachlicher oder technischer Wert, Ästhe- Die Auftragskriterien sind durch die Bewerber
tik, Zweckmäßigkeit, Kundendienst und techni- nur teilweise bereits im Zusammenhang mit den
sche Hilfe). Nachweisen zum Teilnahmeantrag darstellbar.
Aufgrund der Aufgabenbeschreibung und der Teilweise wird sich der Auftraggeber einen per-
die Aufgabenstellung beeinflussenden Umstän- sönlichen Eindruck im Rahmen der Präsentatio-
de gemäߧ 8 VOF sind jedoch weitere Auftrags- nen während des Verhandlungsverfahrens ver-
kriterien heranzuziehen, die eine nachprüfbare schaffen wollen und anschließend seine Beurtei-
Entscheidung für denjenigen Bewerber ermög- lung und Bewertung vornehmen.
lichen, der gemäߧ 16 Abs. 1 VOF aufgrundder

Tabelle 2.4-7 Nutzwertanalyse zur Rangbildung im Verhandlungsverfahrenmittels Auftragskriterien nach§ 16 Abs. 3 VOF

Nr. Auftragskriterien nach § 16 (3) VOF Bewertung der Gewichtete Punkte


-5
'j Erfüllung von 1- 5 der Bewerber
GI
0,:, A B c A B c
1 Qualität und Strukturierung der Lösungsvorschläge für die 25 3 5 4 75 125 100
Aufgabenstellung gemäß Aufgabenbeschreibung
2 Qualität und Strukturieru~g der Lösungsvorschläge für die 15 2 4 4 30 60 60
Aufgabenstellung durch Änderungsvorschläge und Nebenangebote
3 Nachgewiesene Erfahrung auf dem Gebiet des ökologischen Bauens 10 3 5 3 30 50 30
4 Nachweis der Kosten- und Terminsicherheit 10 4 5 4 40 so 40
5 Kommunikationsfahigkeit, Kooperationsbereitschaft und Durch- 8 5 4 3 40 32 24
setzungsvermögen des Projektleiters des Bewerbers gemäß
Referenzauskünften und Eindruck bei persönlicher Präsentation
6 Verfügbarkeil und örtliche Präsenz der für die Dienstleistungen ver· 8 2 5 3 16 40 24
antwortliehen Personen durch Büro vor Ort seit mehr alsdrei Jahren
7 Nachweis der Erfahrungen im Zusammenwirken mit Genehmigungs- 8 3 5 2 24 40 16
behörden
8 Kompatibilität der EDV-Programme (CAD, AVA, Kosten- und Termin- 6 4 5 3 24 30 18
planung, Ra umbuch) zum Auftraggeber
9 Honorar/Preis 6 4 4 4 24 24 24
10 Nachweis der Einstellung von Arbeitslosen und von Auszubildenden 4 1 5 2 4 20 8
in den letzten drei Jahren
Summen 100 307 471 344
Ränge 3 1 2

2- 198 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.4.4.3 wie zur Regelung von Ingenieur- und Architek-
Weitere Verfahrensfragen tenleistungen (MRVG) vom 04.11.1971 (BGBl I
S. 1745). Nach den§§ 1 u. 2 des Artikelgesetzes
§ 14 Fristen, § 15 Kosten, § 16 Auftragserteilung, wird die Bundesregierung "ermächtigt, durch
§ 17 Vergebene Aufträge,§ 18 Vergabevermerk, Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bun-
§ 19 Melde- und Berichtspflichten sowie§ 21 Ver- desrates eine Honorarordnung für Leistungen
gabeprüfsteile enthalten formale Verfahrensan- der Ingenieure (bzw. der Architekten) zu erlas-
weisungen. In§ 16 Abs. 2 Satz 2 ist das geltende sen. In der Honorarordnung sind Honorare für
Preisrecht nach HOAI verankert: "Ist die zu er- Leistungen bei der Beratung des Auftraggebers,
bringende Leistung nach einer gesetzlichen Ge- bei der Planung und Ausführung von Bauwerken
bühren- oder Honorarordnung zu vergüten, ist und technischen Anlagen, bei der Ausschreibung
der Preis nur im dort vorgeschriebenen Rahmen und Vergabe von Bauleistungen sowie bei der
zu berücksichtigen." Vorbereitung, Planung und Durchführung von
Nach § 20 sind für die Durchführung von städtebaulichen und verkehrstechnischen Maß-
Wettbewerben, die zu Dienstleistungsaufträgen nahmen zu regeln".
: : : 200000 ECU führen, die in den Abs. 3 ff ge- Artikel 10 § 3 MRVG enthält auch das sog.
nannten Regeln zu beachten. "Kopplungsverbot". Es besagt: "Eine Vereinba-
In den Besonderen Vorschriften zur Vergabe von rung, durch die der Erwerb er eines Grundstücks
Architekten- und Ingenieurleistungen des Kapi- sich im Zusammenhang mit dem Erwerb ver-
tels 2 der VOF werden in § 22 der Anwendungs- pflichtet, bei der Planung oder Ausführung eines
bereich, § 23 die Qualiftkation des Auftragneh- Bauwerks auf dem Grundstück die Leistungen
mers, § 24 die Auftragserteilung, § 25 Planungs- eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten
wettbewerbe und § 26 Unteraufträge geregelt. in Anspruch zu nehmen, ist unwirksam". Über
Verlangt der Auftraggeber außerhalb eines Pla- dieses Kopplungsverbot wird derzeit zwischen
nungswettbewerbs Lösungsvorschläge für die Architekten und Ingenieuren diskutiert. Seit 1977
Planungsaufgabe, so sind diese gemäߧ 24 Abs. 3 wurde die HOAI mehrfach geändert. Seit dem
nach den Bestimmungen der HOAI zu vergüten. 01.01.1996 gilt die 5. ÄndVO vom 21.09.1995
Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 darf die Auswahl eines (BGBl I S.ll74).
Bewerbers nicht dadurch beeinflußt werden, daß
von Bewerbern zusätzlich unaufgefordert Lö- 2.4.5.2
sungsvorschläge eingereicht wurden. Rechtsnatur und Anwendungsbereiche der HOAI
§ 25 enthält ergänzende Regeln zu § 20 zur
Durchführung von Planungswettbewerben. Die Bestimmungen der HOAI sind ausschließ-
lich Preisrecht [Locher u.a.1996, §1 Rdn 6]. Dies
2.4.5 wurde nochmals durch BGH-Urteil vom
Honorarordnung für Architekten 24.10.1996 bestätigt (VII ZR 285/95 ), wonach die
und Ingenieure (HOAI) Leistungsbilder der HOAI allein zur Ermittlung
der Honorare als Gebührentatbestände dienen
Die Honorarordnung für Architekten und Inge- und nicht als normative Leitbilder. Ergänzend zu
nieure trat nach Veröffentlichung im Bundes- §§ 631 ff BGB werden durch § 8 HOAI Fälligkeits-
gesetzblatt am 17.09.76 (BGBl I S. 2805) am voraussetzungen für das Honorar geschaffen. Ge-
01.01.1977 in Kraft. Dennoch führen viele Vor- mäß Abs. 1 ist dies erst fallig, wenn der Architekt
schriften der HOAI bis heute zu zahlreichen oder Ingenieur
Streitigkeiten. Dies zeigt sich in der Fülle der da- - seine Leistung vertragsgemäß erbracht,
zu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. - eine prüfbare Honorarschlußrechnung erstellt
und
2.4.5.1 - diese dem Auftraggeber überreicht hat.
Rechtsgrundlage der HOAI
§ 8 gilt gemäß BGH-Urteil von 1981 [BauR 1981,
Rechtsgrundlage der H OAI ist Art. 10 Gesetz zur S. 582] automatisch, auch bei einem mündlichen
Regelung von Ingenieur- und Architektenleistun- Vertrag ohne Verweis auf die HOAI. Damit geht
gen (GIA) i.d.F. vom 12.11.1984 (BGBl I S.l337) § 8 der Fälligkeitsvorschrift des§ 641 BGB vor, die
des Artikelgesetzes zur Verbesserung des Miet- nur die Abnahme der Leistung und keine Schluß-
rechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs so- rechnung verlangt.

Privates Baurecht 2-199


Die HOAI ist auch nicht abdingbar. Ein Verstoß ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen
. gegen die HOAI zieht allerdings keine straf- oder dem vereinbarten Honorar und den Mindestsät-
bußgeldrechtlichen Konsequenzen nach sich. Be- zen nach Treu und Glauben nicht zugemutet
ruft sich jedoch eine der Parteien im Zivilprozeß werden könne.
auf die HOAI, so muß das Gericht diese zugrun- Die Höchstsätze dürfen gemäß § 4 Abs. 3 HO-
de legen. Stellen die Parteien eine nach dem Sy- AI nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhn-
stem der HOAI unwirksame Honorarvereinba- lich lange dauernden Leistungen durch schrift-
rung im Prozeß unstreitig, so kann das Gericht liche Vereinbarung überschritten werden.
wegen des Verhandlungsgrundsatzes nicht von Der Anwendungsbereich der HOAI ist in§ 1 ge-
sich aus die Wirksamkeit der Vereinbarung nach regelt. Danach gelten die Bestimmungen der
HOAI überprüfen. HOAI "für die Berechnung der Entgelte für die
Wegen ihres Höchst- und Mindestpreischa- Leistungen der Architekten und der Ingenieure
rakters regelt die HOAI nicht schuldrechtliche (Auftragnehmer), soweit sie durch Leistungsbil-
Fragen, sondern zwingendes öffentliches Recht der oder andere Bestimmungen dieser Verord-
[Locher 1996, § 1 Rdn 26].Als Preisrecht legt die nung erfaßt werden".
HOAI verbindlich sowohl den nach den Anfor- Der sachliche Anwendungsbereich der HOAI
derungen der HOAI berechneten Mindestsatz als betrifft die Regelung der Honorare für alle Archi-
auch den Höchstsatz fest. tekten- und Ingenieurleistungen, die Bauwerke
Nach§ 4 Abs. 1 HOAI richtet sich das Honorar aller Art betreffen. Sofern weder ein Leistungs-
nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Ver- bild noch eine andere Bestimmung der HOAI die
tragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen konkreten Leistungen erfaßt, ist die HOAI nicht
der in der HOAI festgesetzten Mindest- und anwendbar und damit eine freie Honorarver-
Höchstsätze treffen. Sofern nicht bei Auftragser- einbarung erforderlich. Dies gilt z.B. für Pla-
teilungetwas anderes schriftlich vereinbart wor- nungsleistungen der Architekten und Ingenieu-
den ist, gelten die jeweiligen Mindestsätze als ver- re zur Sanierung von Altlasten und den Abbruch
einbart (§ 4 Abs.4 HOAI). Damit stellen die Min- von Gebäuden, für Projektsteuerungsleistungen
destsätze der HOAI gleichzeitig die "taxmäßige" und für Gutachten.
Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB dar. Der persönliche Anwendungsbereich der
Nach§ 4 Abs. 2 HOAI können die Mindestsät- HOAI erstreckt sich auf Leistungen der Archi-
ze nur "in Ausnahmefällen" durch schriftliche tekten und Ingenieure, unabhängig davon, ob
Vereinbarung unterschritten werden. Hierzu hat diese von freiberuflichen oder baugewerblich
der BGH mit Urteil vom 22.05.1997 u. a. entschie- tätigen, angestellten oder beamteten Personen
den (VII ZR 290/95): "Ein Ausnahmefall, in dem erbracht werden. Auf das Angestellten- oder
die Unterschreitung der Mindestsätze zulässig arbeitnehmerähnlich ausgestattete freie Mitar-
ist, liegt vor, wenn aufgrundder besonderen Um- beiter- und Beamtenverhältnis ist die HOAI je-
stände des Einzelfalles unter Berücksichtigung doch nicht anwendbar.
des Zwecks der Mindestsatzregelung ein unter Gemäß vorstehendem BGH-Urteil ist sie auch
den Mindestsätzen liegendes Honorar angemes- nicht anwendbar auf Anbieter, die neben oder
sen ist". Ein solcher Ausnahmefall könne z. B. bei zusammen mit Bauleistungen auch Architekten-
engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, oder Ingenieurleistungen erbringen, wie Bau-
sozialer oder persönlicher Art oder sonstigen be- träger und andere Anbieter kompletter Baulei-
sonderen Umständen gegeben sein, die etwa in stungen, welche die dazu erforderlichen Inge-
der mehrfachen Verwendung einer Planung lie- nieur- und Architektenleistungen einschließen.
gen könnten. Darüber hinaus ist durch dieses BGH-Urteil
Vereinbare ein Architekt zunächst ein Hono- entschieden, daß die HOAI auch für Nicht-Ar-
rar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise chitekten und Nicht-Ingenieure gilt. Nach herr-
unterschreite, so verhalte er sich widersprüch- schender Meinung und nunmehr auch BGH-
lich, wenn er später nach den Mindestsätzen ab- Entscheidung ist die HOAI nicht berufsbezogen,
rechnen wolle. Dieses widersprüchliche Verhal- sondern leistungsbezogen ausgestaltet, so daß
ten stehe nach Treu und Glauben einem Geltend- sie auch für die von der HOAI erfaßten Leistun-
machen der Mindestsätze entgegen, sofern der gen gilt, die von Personen oder Institutionen er-
Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinba- bracht werden, die nicht zur Führung der Be-
rung vertraut habe und vertrauen durfte und er rufsbezeichnungen"Architekt" oder "Ingenieur"
sich darauf in einer Weise eingerichtet habe, daß berechtigt sind (z.B. Geowissenschaftler).

2-200 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Nach dem Prinzip der Leistungsorientierung § 46 Grünordnungsplan,
steht einem Architekten oder Ingenieur auch § 47 Landschaftsrahmenplan,
dann ein Honorar nach HOAI zu, wenn er in ei- § 48a Umweltverträglichkeitsstudie,
nem anderen Leistungsbereich aus der HOAI § 49a Landschaftspflegerischer Begleitplan,
tätig wird (z.B.: Bauingenieur erbringt Leistun- § 49c Pflege- und Entwicklungsplan,
gen der Objektplanung). §55 Objektplanung für Ingenieurbauwerke
Der räumliche Anwendungsbereich ist in der und Verkehrsanlagen,
HOAI nicht ausdrücklich geregelt. Strittig ist die §57 Örtliche Bauüberwachung,
Honorierung von ausländischen Architekten § 61 a Verkehrsplanerische Leistungen,
und Ingenieuren durch inländische Auftragge- § 64 Tragwerksplanung,
ber bei Bauvorhaben im Inland. Nach den § 73 Technische Ausrüstung,
schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen spricht §§77u. 78
eine Vermutung für die Anwendbarkeit des aus- Leistungen für thermische Bauphysik
ländischen Rechts (Art. 28 (2) Satz 2 EUBGB). (Wärme- und Kondensatfeuchteschutz),
Wegen des Mindest- und Höchstpreischarakters §§ 80, 81,85 u. 86
der HOAI im Sinne zwingenden öffentlichen Leistungen für Schallschutz (Bauakustik
Rechts findet bei Architekten- und Ingenieurlei- und Raumakustik),
stungen die HOAI für Architekten und Ingeni- §§91 u.92
eure aus dem EU-Ausland jedoch im Inland in Leistungen für Bodenmechanik, Erd- und
vollem Umfang Anwendung, da nach Art. 34 Grundbau,
EUBGB die Vorschrift des Art. 28 EUBGB nicht §§ 96, 97b, 98b u. 100
anwendbar ist [Locher 1996, §1 Rdn 26].AufLei- Vermessungstechnische Leistungen (Ent-
stungen deutscher Architekten und Ingenieure wurfs-, Bauvermessung und sonstige ver-
für Bauvorhaben im Ausland ist die HOAI nicht messungstechnische Leistungen).
anzuwenden [Wenner 1998].
Zusammenfassend gilt, daß das Preisrecht der Für die in§ 31 HOAI nur unzureichend beschrie-
HOAI anzuwenden ist, wenn Leistungen für ein benen Leistungen der Projektsteuerung (fehlen-
inländisches Bauvorhaben erbracht werden, un- de Einteilung in Grund- und Besondere Leistun-
abhängig davon, wo der Auftraggeber sowie die gen, fehlende Differenzierung nach Leistungs-
Architekten und Ingenieure ihren Sitz haben. phasen, fehlende Gliederung nach Handlungs-
Nach Ablauf einer im Einigungsvertrag [BT bereichen bzw. Tätigkeitsschwerpunkten) wurde
Drucks.ll/7760 -Anl.I,Kap.V,Abschn.IIINr.3] mit den §§ 204 u. 205 von der Fachkommission
vorgesehenenübergangszeitbis zum 31.12.1992 "Projektsteuerung" des Ausschusses der Ingeni-
gilt die HOAI seither in vollem Umfang in den eurverbände und Ingenieurkammern für die Ho-
alten wie den neuen Bundesländern. norarordnung e.V. [AHO 1998 a] eine zwischen-
zeitlich weit verbreitete Leistungsbeschreibung
2.4.5.3 für die Projektsteuerung und auch die Projekt-
Preisrechtlich geregelte Planungsleistungen leitung geschaffen, die für die konkrete Anwen-
dung im Einzelfall geeignet ist.
Die HOAI enthält in Teil I allgemeine Vorschrif- Für bisher in der HOAI ebenfalls unzureichend
ten,§§ 1-9, in den Teilen II-XIII preisrechtliche beschriebene Leistungen der Sanierung von Alt-
Vorschriften zu verschiedenen Planungsleistun- lasten wurde durch die Fachkommission "Altla-
gen (§§ 10-100) und im Teil XIV Schluß- und sten" unter Ziff. 2 in Nr. 8 der Schriftenreihe des
überleitungsvorschriften (§§101-103). AHO (1996 b) ein in sechs Leistungsstufen ge-
Für folgende Planungsbereiche werden durch gliedertes Leistungsbild Altlastensanierung ge-
die Preisrechtsvorschriften der HOAI die Ho- schaffen, das auch eine Beschreibung der Aufga-
norare innerhalb vorgegebener Mindest- und benstellung. nach der Anforderung gemäß § 8
Höchstsätze geregelt: VOF erlaubt und stufenweise dem jeweiligen
§ 15 Objektplanung für Gebäude, Freianlagen Einzelfall angepaßt werden kann.
und raumbildende Ausbauten, Von verschiedenen Fachkommissionen des
§ 34 Wertermittlung, AHO werden derzeit weitere Leistungsbilder für
§ 37 Flächennutzungsplan, in der HOAI unzureichend beschriebene Lei-
§ 40 Bebauungsplan, stungen erarbeitet, so z. B. zu Leistungen für die
§ 45a Landschaftsplan, Fassaden- und die Instandsetzungsplanung.

Privates Baurecht 2-201


2.4.5.4 § 5 enthält Vorschriften für die Berechnung
Honorarrelevante allgemeine Vorschriften der HOAI des Honorars in besonderen Fällen, wenn
- nicht alle Leistungsphasen eines Leistungsbil-
Gemäß § 2 Abs. 1 gliedern sich die in Leistungs- des übertragen werden (Abs.1),
bildern erfaßten Leistungen in Grundleistungen - nicht alle Grundleistungen einer Leistungs-
und Besondere Leistungen. Grundleistungen phase übertragen werden (Abs. 2),
umfassen gemäß Abs. 2 die Leistungen, die zur - Grundleistungen von anderen an der Planung
ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im und überwachung fachlich Beteiligten er-
allgemeinen erforderlich sind. Sachlich zusam- bracht werden (Abs. 3),
mengehörende Grundleistungen sind zu jeweils - Besondere Leistungen zu den Grundleistun-
in sich abgeschlossenen Leistungsphasen zusam- gen hinzutreten (Abs. 4) oder
mengefaßt. Die nach HOAI zu berechnenden - Besondere Leistungen ganz oder teilweise an
Honorare gelten für die Grundleistungen. die Stelle von Grundleistungen treten (Abs. 5).
Nach Abs. 3 können Besondere Leistungen zu
den Grundleistungen hinzu oder an deren Stelle Ein wesentlicher Streitpunkt hinsichtlich der
treten, wenn besondere Anforderungen an die Höhe des Honorars ergibt sich immer wieder
Ausführung des Auftrags gestellt werden, die daraus, daß vom Auftragnehmer ganze Teillei-
über die allgemeinen Leistungen hinausgehen stungen oder eine ganze Leistungsphase nicht
oder diese ändern. oder nicht vollständig erbracht werden, obwohl
Gemäß § 4 Abs. 1 richtet sich das Honorar nach sie ihm übertragen waren. Hier wird von den
der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertrags- Kommentatoren der HOAI - u. a. [Locher/Koeb-
parteien bei Auftragserteilung im Rahmen der le/Frik 1996]- empfohlen, wegen der Ergebnis-
durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- orientierung des Werkvertrags i. d. R. keinen Ho-
und Höchstsätze treffen. Die Mindestsätze kön- norarabzug vorzunehmen, jedoch das Honorar
nen gemäß Abs. 2 durch schriftliche Vereinba- dann zu kürzen, wenn der Auftragnehmer zen-
rung in Ausnahmefällen unterschritten werden. trale Leistungen aus den einzelnen Leistungs-
Die festgesetzten Höchstsätze dürfen gemäß phasen nicht erbringt. Dies sind solche Leistun-
Abs. 3 nur bei außergewöhnlichen oder unge- gen, die einen selbständigen Arbeitserfolg dar-
wöhnlich lange dauernden Leistungen durch stellen. Charakteristisch ist, daß sie entweder
schriftliche Vereinbarung überschritten werden. notwendig sind, weil spätere Leistungen auf ih-
Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas ande- nen aufbauen, oder aber gesonderte Arbeitser-
res schriftlich vereinbart worden ist, gelten ge- folge darstellen, von denen eine Entscheidung
mäß Abs. 4 die jeweiligen Mindestsätze als ver- des Auftraggebers abhängig ist.
einbart. Locher/Koeble/Frik (1996) stellen in § 5,
Mit der 5. Änderungsverordnung (5. ÄndVO) Rdn 21 die zentralen Leistungen des§ 15 Abs. 2
sind durch §4a Kann-Vorschriften für abwei- HOAI heraus und führen unter Rdn 22 Beispie-
chende Honorarermittlungen vorgegeben wor- le für im Einzelfall hinzukommende spezielle
den. Die Parteien können entgegen den Hono- zentrale Leistungen an.
rarregelungen in den planungsspezifischen Tei- Zur Vermeidung von Auslegungsschwierig-
len der HOAI schriftlich bei Auftragserteilung keiten und daraus resultierenden Streitigkeiten
vereinbaren, daß das Honorar auf der Grundla- sind allgemeine und spezielle zentrale Leistun-
ge einer nachprüfbaren Ermittlung der voraus- gen besonders zu kennzeichnen. Dabei ist jedoch
sichtlichen Herstellungskosten nach Kostenbe- der Gefahr zu begegnen, daß seitens der Auftrag-
rechnung oder nach Kostenanschlag für alle Lei- nehmer nur diese Leistungen erfüllt werden.
stungsphasen berechnet wird. Ferner ist nun- Durch die 5. Änderungsverordnung (ÄndVO)
mehr zwingend vorgeschrieben, daß, soweit auf ist in § 5 ein neuer Abs. 4a eingeführt worden,
Veranlassung des Auftraggebers Mehrleistungen wonach für Besondere Leistungen, die unter Aus-
des Auftragnehmers erforderlich werden, diese schöpfung der technisch-wirtschaftlichen Lö-
zusätzlich zu honorieren sind. Verlängert sich sungsmöglichkeiten zu einer wesentlichen Ko-
die Planungs- und Bauzeit wesentlich durch Um- stensenkung ohne Verminderung des Standards
stände, die der Auftragnehmer nicht zu vertre- führen, ein Erfolgshonorar zuvor schriftlich ver-
ten hat, so kann für die dadurch verursachten einbart werden kann, das bis zu 20 v.H. der vom
Mehraufwendungen ein zusätzliches Honorar Auftragnehmer durch seine Leistungen einge-
vereinbart werden. sparten Kosten betragen kann.

2-202 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Dieser Passus ist schnellstmöglich wieder zu den§§ 10-27 finden sich ebenfalls honorarrele-
streichen, da er nur zu Streitigkeiten über die Ur- vante allgemeine Vorschriften der HOAI, auf die
sachen der Kostensenkung, den Änderungsauf- in den weiteren Teilen, insbesondere VII, VIII
wand und die Erfolgshonorarverteilung führen und IX, immer wieder Bezug genommen wird.
wird. Von Architekten und Ingenieuren muß er- Sie gehören daher von der systematischen Struk-
wartet werden, daß sie im Rahmen der Erfüllung tur in den Teil I (Allgemeine Vorschriften). Da-
der Grundleistungen bereits im ersten Ansatz bei handelt es sich um folgende Sachverhalte:
die technisch-wirtschaftlichen Lösungsmöglich- - § 20 Mehrere Vor- oder Entwurfsplanungen:
keiten ausschöpfen. Werden für dasselbe GebäudeaufVeranlassung
Ist eine Besondere Leistung nicht mit einer des Auftraggebers mehrere Vor- oder Entwurfs-
Grundleistung vergleichbar, so ist das Honorar planungen nach grundsätzlich verschiedenen
gemäß § 5 Abs. 4 als Zeithonorar nach § 6 zu be- Anforderungen gefertigt, so erhält der Auftrag-
rechnen. Zeithonorare sind gemäß § 6 Abs. 1 auf nehmer für die umfassendste Planung die vol-
der Grundlage der Stundensätze nach Abs. 2 len Vom-Hundert-Sätze dieser Leistungspha-
durch Vorausschätzung des Zeitbedarfs als Fest- sen nach§ 15, für jede andere Vor- oder Ent-
oder Höchstbetrag zu berechnen. Die gemäß wurfsplanung die Hälfte.
Abs. 2 zulässigen Stundensätze bewegen sich - § 21 Zeitliche Trennung der Ausführung: Wird
zwischen Mindest- und Höchstsätzen: ein Auftrag abschnittsweise in größeren Zeit-
- für den Auftragnehmer 75 bis 160 DM, abständen ausgeführt, so ist für die das ganze
- für Mitarbeiter, die technische oder wirtschaft- Bauvorhaben betreffenden, zusammenhän-
liehe Aufgaben erfüllen, 70 bis 115 DM, gend durchgeführten Leistungen das anteilige
- für technische Zeichner und sonstige Mitar- Honorar zu berechnen, das sich nach den ge-
beiter 60 bis 85 DM. samten anrechenbaren Kosten ergibt. Das Ho-
nonir für die restlichen Leistungen ist jeweils
Zu diesen Stundensätzen ist festzustellen, daß nach den anrechenbaren Kosten der einzelnen
insbesondere der Bereich zwischen 70 und Bauabschnitte zu berechnen. Als größere Zeit-
115 DM/h für technische und wirtschaftliche abstände gelten mehr als 6 Monate.
Mitarbeiter völlig unzureichend ist, da mit ei- - § 22 Auftrag für mehrere Gebäude: Umfaßt ein
nem Mittelsatz von 92,50 DM je vergütungsfähi- Auftrag mehrere gleiche, spiegelgleiche oder
ger projektbezogener Arbeitstunde die vollen im wesentlichen gleichartige Gebäude, so sind
Personal- und Sachkosten des Bürobetriebs kei- für die 1. bis 4. Wiederholung die Vom-Hun-
neswegs gedeckt werden können, sondern statt dert-Sätze der Leistungsphasen 1 bis 7 in§ 15
dessen bereits für Mitarbeiter in den ersten fünf um 50 o/o, von der 5. Wiederholung an um 60 o/o
Berufsjahren min. 125 DM/h zzgl. gesetzlicher zu mindern.
Mehrwertsteuer erwirtschaftet werden müssen - § 23 Verschiedene Leistungen an einem Ge-
(Preisstand 1998). bäude: Werden Leistungen bei Wiederaufbau-
Nebenkosten wie Post- und Fernmeldegebüh- ten, Erweiterungs-, Um- oder raumbildenden
ren, Kosten für Vervielfältigungen sowie für ein Ausbauten gleichzeitig durchgeführt, so sind
Baustellenbüro, Fahrtkosten und Spesen sowie die anrechenbaren Kosten für jede einzelne
Kosten für Meßfahrzeuge und Geräte können ge- Leistung festzustellen und das Honorar da-
mäߧ 7 Abs. 3 pauschal oder nach Einzelnach- nach getrennt zu berechnen, sofern diese Lei-
weis abgerechnet werden. Zur Vereinfachung der stungen nicht einem Auftragnehmer übertra-
Abrechnung empfiehlt sich in jedem Fall eine gen werden.
Pauschalvereinbarung als Prozentsatz des Hono- - § 24 Umbauten und Modernisierung von Ge-
rars, die aber bereits beiAuftragserteilung schrift- bäuden: Bei durchschnittlichem Schwierig-
lieh vorgenommen werden muß. keitsgrad kann ein Honorarzuschlag von 20 o/o
In § 9 ist der Anspruch auf gesetzliche Umsatz- bis 33 o/o schriftlich vereinbart werden. Sofern
steuer geregelt. In Abs. 2 ist ferner geregelt, daß die nicht etwas anderes schriftlich vereinbart ist,
anrechenbaren Kosten für die Honorarbemes- gilt ab durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad
sung ohne Umsatzsteuer anzusetzen sind. Dies ist ein Zuschlag von 20o/o als vereinbart.
wegen der Degression der Honorartabellen eine - § 27 Insfandhaltungen und Instandsetzungen:
für die Auftragnehmer günstige Vorschrift. Es kann eine Erhöhung des Honorars für die
Im Teil II der HOAI (Leistungen bei Gebäuden, Bauüberwachung (Leistungsphase 8 des § 15)
Freianlagen und raumbildenden Ausbauten) mit um bis zu 50 o/o vereinbart werden.

Privates Baurecht 2-203


2.4.5.5 eine Einheit bilden, als ein Objekt anzusehen ...
Honorarrelevante planungsspezifische Werden einem Auftragnehmer die Planung einer
Vorschriften der HOAI Abwasserbehandlungsanlage und eines Abwas-
serkanalnetzes in einem Auftrag übertragen, so
Die preisrechtlich relevanten Honorarbemes- handelt es sich hier um dieübertragungder Lei-
sungsvorschriften finden sich in den Teilen Ilff stungen nach Teil VII für zwei Objekte mit jeweils
der HOAI. Es gelten grundsätzlich folgende Ho- einer eigenen funktionalen Einheit. Das Abwas-
norarbemessungsparameter: serkanalsystem erfüllt die Transportfunktion ... ,
- die anrechenbaren Kosten des zu planenden die Abwasserbehandlungsanlage erfüllt die Rei-
Objekts, nigungsfunktion für das Abwasser".
- die Honorarzone, der das Objekt angehört, Aus der Praxis sind dagegen Honorarstreitig-
- die zugehörige Honorartafel für die jeweilige keiten bekannt, weil seitens eines Auftragneh-
Planungsleistung und mers z.B. versucht wurde, mit der Schlußrech-
- der Honoraranteil zur Bewertung der Grund- nung für die Planung einer solchen Anlage statt-
leistungen der einzelnen Leistungsphasen in dessen mehr als 50 Objekte geltend zu machen.
v. H. des sich aus der Honorartafel ergebenden Nach§ 10 Abs. 3a ist vorhandene Bausubstanz,
Gesamthonorars. die technisch oder gestalterisch mitverarbeitet
wird, bei den anrechenbaren Kosten angemessen
Die anrechenbaren Kosten erstrecken sich grund- zu berücksichtigen; der Umfang der Anrechnung
sätzlich nur auf diejenigen Kostengruppen der bedarf der schriftlichen Vereinbarung. Auch aus
DIN 276 (1981), die der Auftragnehmer auch dieser Vorschrift resultieren zahlreiche Hono-
plant und dessen Ausführung er überwacht. So rarstreitigkeiten, da es häufig an einer präzisen
sind regelmäßig die Kosten des Baugrundstücks Bemessungsvorschrift für den Umfang der An-
einschließlich der Kosten des Erwerbs U:nd des rechnung fehlt.
Freimachens sowie die Kosten der Außenanla- Die Honorarzonen (i.d.R. fünf z.B. nach§ 11,
gen und die Baunebenkosten nicht anrechenbar teilweise drei z.B. nach§ 71) kennzeichnen das
(Kostengruppe 7 der DIN 276). Maß der Schwierigkeit der jeweiligen Planungs-
Nach§ 10 Abs. 4 sind für Grundleistungen bei aufgabe, die sich aus im einzelnen aufgeführten
Gebäuden und raumbildenden Ausbauten die Bewertungsmerkmalen ergibt. Zu einzelnen Tei-
Kosten für Installationen, die zentrale Betriebs- len der HOAI existieren ergänzend Objektlisten,
technik und betriebliche Einbauten (DIN 276, die eine Zuordnung zur jeweiligen Honorarzone
Kostengruppen 3.2 bis 3.4 und 3.5.2. bis 3.5.4), erleichtern. Den Parteien steht es frei, das Hono-
die der Auftragnehmer fachlich nicht plant und rar im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze
deren Ausführung er fachlich auch nicht über- der jeweils zutreffenden Honorarzone zu verein-
wacht, teilweise anrechenbar, um das Integrieren baren. Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas
der Leistungen der Fachplaner und das Zusam- anderes schriftlich vereinbart wurde, gelten die
menstellen der Planungsergebnisse in den ein- jeweiligen Mindestsätze als vereinbart (§ 4 Abs.4).
zelnen Leistungsphasen in angemessener Weise Die Matrixwerte der Honorartafeln enthalten
zu honorieren, und zwar in Abhängigkeit von den anrechenbaren Kosten
- vollständig bis zu 25 o/o der sonstigen anre- des Objekts (ohne Umsatzsteuer) einerseits und
chenbaren Kosten und den Honorarzonen andererseits die Mindest-
- zur Hälfte mit dem 25 o/o der sonstigen anre- und Höchstwerte des gesamten Honorars bei Er-
chenbaren Kosten übersteigenden Betrag. füllung sämtlicher Grundleistungen in allen Lei-
stungsphasen. Die Höchstsätze einer Honorar-
Für die Einteilung einer Baumaßnahme in ein- zone sind jeweils identisch mit den Mindestsät-
zelne Objekte enthält die HOAI keinerlei Vor- zen der nächsthöheren Honorarzone.
schriften. Daher ergeben sich hieraus auch die Die Honorartafeln sind stark degressiv. So gilt
meisten Honorarstreitigkeiten, wenn dazu im für das Honorar gemäß Honorarzone III Min-
Vertrag keine eindeutige Regelung getroffen wur- destsatz,jeweils bezogen auf die anrechenbaren
de, da das Honorar wegen der Degression der Ho- Kosten, gemäß Honorartafel zu§ 56 Abs. 1 für In-
no rartafeln mit jeder Teilung der Baumaßnahme genieurbauwerke bei
beträchtlich steigt. In der amtlichen Begründung 100000 DM => 12,1 o/o,
zu§ 51 heißt es dazu erläuternd: "Dabei sind je- 1 Mio.DM => 7,2o/o,
weils die Bauwerke oder Anlagen, die funktional 10Mio.DM => 4,4o/o.

2-204 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Die Honoraranteile am Gesamthonorar bei Er- 2.4.5.6
füllung der Grundleistungen der jeweiligen Lei- Strukturnovelle der HOAI
stungsphasen sollen eine möglichst hohe verur-
sachungsgerechte Verteilung darstellen. Nach all- Bei der Beratung und Verabschiedung der 5. HO-
gemeiner Erfahrung sind jedoch die Leistungs- Al-Novelle hat der Bundesrat am 14.07.1995 die
phasen bis zur Genehmigungsplanung eher zu Bundesregierung aufgefordert, für künftige H 0-
hoch und die anschließenden Leistungsphasen AI-Novellierungen folgende Punkte prüfen zu
eher zu niedrig bemessen. lassen [AHO 1998 c]:
Die HOAI unterscheidet i.allg. neun Leistungs- - stärkere Anreize zum kostensparenden Bauen,
phasen. Diese werden für das Leistungsbild"Ob- - Bonus-/Malus-System bei Unter- bzw. Über-
jektplanung für Ingenieurbauwerke und Ver- schreitung der Baukosten,
kehrsanlagen" nach§ 55 Abs. 1 wie in Tabelle 2.4-8 - Vereinfachung der HOAI und einfach zu hand-
angegeben bewertet. habende Honorarregelungen,
Das Honorar für die örtliche Bauüberwachung - weitere Entkopplung der Honorare von den
kann gemäߧ 57 Abs.2 mit 2,1 o/o bis 3,2 o/o der an- Baukosten und
rechenbaren Kosten vereinbart werden. Eine sol- - Spreizung der Honorartafeln durch Anhebung
che Unterscheidung zwischen Bauoberleitung der Höchstsätze und Beibehaltung der Min-
und örtlicher Bauüberwachung ist in den ande- destsätze bei künftigen HOAI -Novellierungen.
ren Teilen der HOAI nicht vorgesehen. Dort um-
faßt die Leistungsphase 8 die Objektüberwachung Seitens des Ausschusses der Ingenieurverbände
(Bauüberwachung). und Ingenieurkammern für die Honorarordnung
Die anrechenbaren Kosten sind gemäß §52 e.V. (AHO) wurden die Forderungen des Bun-
Abs. 2 zu ermitteln für die desrates durch Einrichtung eines Arbeitskreises
- Leistungsphasen 1 bis 4 nach der Kostenbe- "Strukturnovelle" im Februar 1994 bereits früh-
rechnung und zeitig aufgenommen. In vier Arbeitskreisen wur-
- Leistungsphasen 5 bis 9 nach der Kostenfest- den die Themen Entkopplung, Anreize, Verein-
stellung. fachung und DIN 276 aufbereitet.
Zur Entkopplung des Honorars von den Bau-
Eine auch mögliche Vereinbarung nach § 4a kosten wurden das vom AH 0 favorisierte Bauko-
(vgl. 2.4.5.4) trägt wesentlich zur Beschleunigung stenberechnungsmodell und zwei weitere von
einer prüfbaren Honorarschlußrechnung bei, da den Architekten eingebrachte Modelle, das Ko-
die Daten der Kostenfeststellung nicht mehr ab- stenkennziffern- und das Nettonutzflächenmo-
gewartet werden müssen. dell, untersucht. Das Baukostenberechnungsmo-
dell verlangt die Vorschaltung einer strategischen
Beratung oder Machbarkeitsstudie im Rahmen
Tabelle 2.4-8 Leistungsphasen für das Leistungsbild der Projektentwicklung zur Nutzung der in die-
.Objektplanung für Ingenieurbauwerke und Verkehrsan·
lagen• und ihre Bewenung (nach § 55 Abs. 1 HOAI)
ser Projektphase bestehenden größten Projekt-
beeinflussungspotentiale und die anschließende
Nr. Leistungsphase v.H.
möglichst frühzeitige Honorarermittlung auf der
1 Grundlagenermittlung 2
Basis einer Kostenberechnung, spätestens nach
2 Vorplanung 15 Abschluß der Leistungsphase 3 (Entwurfspla-
3 Entwurfsplanung 30 nung). Beim Kostenkennziffern- oder Referenz-
4 Genehmigungsplanung 5 kostenmodell der Bundesarchitektenkammer
5 Ausführungsplanung 15
Vorbereitung der Vergabe
(BAK) wird das Objekt zunächst in einen Kenn-
6 10
7 Mitwirkung bei der Vergabe 5 ziffernkatalog eingestuft und anschließend eine
8 Bauoberleitung 15 Referenzkostenermittlung unter Heranziehung
9 Objektbetreuung und Dokumentation 3 einer autorisierten zentralen Datenbank vorge-
Summe 100 nommen. Das Honorar wird dann mit Hilfe von
Äquivalenzfaktoren zur Anpassung an den Ein-
. zelfall ermittelt.
Beim Nettonutzflächenmodell des Bundes
Deutscher Architekten (BDA) werden die Netto-
nutzflächen des Gebäudes anstelle der anrechen-
baren Kosten als Honorarbemessungsgrundlage

Privates Baurecht 2-205


herangezogen. Dieses Modell stellt die konse- Fachkommission "Strukturnovelle" mit folgen-
quenteste Abkopplung des Honorars von den den Argumenten zurückgewiesen:
Baukosten dar, setzt jedoch eine regelmäßige An- - Es wird darin ein Verstoß gegen§ 1 Abs. 2 und
passung der Honorartafeln durch Indexierung § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von In-
voraus. Die Anwendbarkeit der beiden von den genieur- und Architektenleistungen (GIA) ge-
Architekten eingebrachten Modelle ist auf den sehen, wonach der Gesetzgeber für auskömm-
Hochbau beschränkt und setzt entsprechende liche Honorare der Planer zu sorgen habe.
Datenbanken mit zahlreichen Ausgleichspara- - Ferner wird darin ein Eingriff in die Berufs-
metern voraus. freiheit nachArt.12 GG Grundgesetz) gesehen,
Motiv der Arbeitsgruppe "Vereinfachung" des da die mit einer Einfrierung der Mindestsätze
AHO war die Kritik an der unübersichtlichen einhergehenden Honorarverluste nicht ver-
und komplizierten Handhabung der HOAI. Da- fassungskonform seien und eine derartige Re-
her wurden Vereinfachungsmöglichkeiten durch gelung ausschließlich Auftraggeberinteressen
grundsätzliche Neustrukturierung der HOAI vertreten würde.
vorgeschlagen wie - Es sei ferner ein Verstoß gegen das Gleich-
- Aufnahme sämtlicher Vorschriften, die für die heitsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gegeben
folgenden Teile gelten, in den Allgemeinen durch unangemessene Benachteiligung der
Teil I, Architekten und Ingenieure gegenüber ande-
- Reduzierung, Vereinheitlichung und Zusam- ren freien Berufen, durch deren Gebühren-
menfassung der Grundleistungen zu "Lei- ordnungen derartige Sonderopfer nicht auf-
stungspaketen", abgestimmt auf die RBBau- erlegt würden.
Vertragsmuster (RBBau Richtlinien des Bun-
desministeriums für Raumordnung, Bauwesen Da es bei der 5. Novelle der HOAI nicht gelungen
und Städtebau für die Durchführung von Bau- war, von der DIN 276 (1981) auf die DIN 276
aufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbe- (1993) umzustellen, wurden seitens der Arbeits-
reich der Finanzbauverwaltungen der Länder), gruppe "DIN 276" drei Lösungsvorschläge ent-
- Schaffung einer einheitlichen Bemessungs- wickelt:
grundlage zur Honorarberechnung für alle - Umstellung der DIN 276 (1981) auf die
Leistungsbilder und DIN 276 (1993),
- Zusammenfassung der Objektlisten in einem - Umstellung ohne Benennung der DIN 276 und
Anhang. - weitere Vereinfachung des zweiten Vorschlags.

Seitens der Arbeitsgruppe "Honoraranreize" Ein weiteres Thema der Strukturnovelle stellt die
wurde bestätigt, daß die berechtigte Forderung Tafelfortschreibung oberhalb der bisherigen
nach Anreizen zum kostensparenden Bauen in Grenzen der anrechenbaren Kosten in den Ho-
Form von Erfolgshonoraren nur dann umsetz- norartafeln wegen der zunehmenden Anzahl
bar ist, wenn zweifelsfreie und objektiv prüfba- von Großprojekten dar. Zur Diskussion stehen
re Ausgangswerte zur Definition des Projekter- degressive, lineare und ggf. auch progressive
folgs vor Projektbeginn vereinbar sind. Dies ist Fortschreibungen der jeweils letzten Tafelwerte.
jedoch nur in wenigen Einzelfällen möglich. Der Hierzu existieren Vorschläge seitens der Länder
in die 5. Novelle der HOAI neu aufgenommene (Oberfinanzdirektion Stuttgart, Richtlinien für
§ 5 Abs. 4a wirft wegen seiner unklaren Formu- freiberuflich Tätige (RifT),Aug.1991; Ministeri-
lierungen mehr Fragen als angemessene und um für Bauen und Wohnen des Landes Nord-
vertretbare Lösungsvorschläge auf und hat nach rhein-Westfalen).
Erhebungen des Bundesministers für Wirtschaft Zur Vermeidung häufiger Honorarstreitigkei-
(BMWi) in der Praxis bisher keine Anwendung ten sind darüber hinaus folgende Punkte zu re-
gefunden. Die Arbeitsgruppe wiederholt daher geln:
die Forderung nach Machbarkeitsstudien vor - die Objektanzahl der jeweiligen baulichen
Planungsbeginn und befürwortet ferner eine er- Anlage, die wegen der Degression der Hono-
hebliche Verstärkung von Nutzen/Kosten-Un- rartafeln die Honorarhöhe maßgeblich be-
tersuchungen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen stimmt,
und Controllingleistungen. - die Streichung der Forderung nach schriftli-
Die Forderung des Bundesrates nach Sprei- cher Vereinbarung des Honorars bei Auftrags-
zung der Honorartafeln wird seitens der AHO- erteilung in§ 4 Abs. 1 u. 4 HOAI,

2-206 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- die Reduzierung der Leistungsphasen durch Vergabe von Fremdleistungen an Nachunterneh-
Zusammenfassung mindestens der Leistungs- mer vergeben. Hierbei entsteht jeweils ein neu es
phasen 1 u. 2 sowie 6 u. 7. Vertragsverhältn~s zwischen Haupt- und Nach-
unternehmer. Zwischen Nachunternehmer und
Ob und wann es im Rahmen der europäischen Auftraggeber besteht keine vertragliche Bezie-
Harmonisierung des Vergaberechts zu einer wei- hung.
teren Novellierung der HOAI kommt, ist derzeit Bauaufgaben sehr großen Umfangs, die einen
nicht abzusehen. Seit Mitte 1995 werden regel- hohen Personal-, Geräte- und auch Kapitalein-
mäßig Gespräche zwischen den Spitzenorgani- satz erfordern und außerdem mit Risiken behaf-
sationen der Verbände und Kammern der Archi- tet sind, die ein Einzelunternehmer allein nicht
tekten und Ingenieure geführt, in denen die tragen kann, werden dann von Arbeitsgemein-
Strukturüberlegungen zur HOAI abgestimmt schaften (ARGEn), i.d.R. als Gesellschaft bür-
werden, um sie gegenüber Ministerien von Bund gerlichen Rechts nach §§70Sff BGB, übernom-
und Ländern, in den kommunalen Spitzenver- men. Die ARGE wird dem Auftraggeber gegenü-
bänden und in der Wohnungswirtschaft gemein- ber durch die von einem ARGE-Mitglied wahr-
sam zu vertreten. Ein Gutachten über die HOAI- genommene technische Geschäftsführung und
Strukturnovelle ist von der Bundesregierung die von einem anderen ARGE-Mitglied wahrge-
bisher noch nicht in Auftrag gegeben worden nommene kaufmännische Geschäftsführung ver-
(Stand 01.06.1999). treten. Da die ARGE keine juristische Person ist
und als solche weder klagen noch verklagt wer-
2.4.6 den kann, haften die ARGE-Mitglieder dem Auf-
Vertrags- und Unternehmereinsatzformen traggeber gegenüber gesamtschuldnerisch. Das
Verhältnis der ARGE-Mitglieder untereinander
Die Planung und Errichtung von Bauten und An- wird durch den ARGE-Vertrag geregelt.
lagen erfordert den Einsatz von Planern und Un- Will ein Auftraggeber Planungs- und/oder Alls-
ternehmern, der durch sehr verschiedenartige führungsleistungen bündeln, so wird er General-
Vertragsverhältnisse geregelt werden kann. Der planer und/oder Generalunternehmer beauftra-
Unterschied besteht im wesentlichen darin, ob gen. Diese übernehmen jeweils die Gesamtpla-
die Planungs- und Ausführungsleistungen einem nungsleistung und/oder die schlüsselfertige Er-
oder mehreren Planern und Unternehmern, ge- richtung der baulichen Anlage. Mit Generalun-
bündelt oder aufgeteilt in einzelne Leistungspa- ternehmern werden i.d.R. Pauschalfestpreisver-
kete, übertragen werden. träge und eine Vergütung nach vertraglich ver-
Einem Einzelplaner und Einzelunternehmer einbarten, an das Erreichen definierter Bauzu-
werden jeweils nur Fachplanungsleistungen oder stände gekoppelten Zahlungsplänen vereinbart.
einzelne Gewerke bzw. Fachlose übertragen. Der Vom Generalplaner bzw. Generalunternehmer
Auftraggeber hat dann viele derartige Verträge werden wesentliche Teile der Planungs- bzw. Alls-
abzuschließen und abzuwickeln. Er hat das Zu- führungsleistungen mit dem eigenen Unterneh-
sammenwirken der verschiedenen Planer und men erbracht. Diejenigen Leistungen, auf die das
Unternehmer zu koordinieren. Als Hauptunter- jeweilige Unternehmen fachtechnisch oder ka-
nehmer wird der vom Auftraggeber mit der Aus- pazitiv nicht eingerichtet ist, werden an Subpla-
führung eines Bauauftrags betraute Unterneh- ner bzw. Nach- (Sub-) Unternehmer vergeben.
mer bezeichnet, der sich verpflichtet, einen Teil Dem Vorteil der Bündelung von Leistungen, Haf-
des Auftrags im Namen des Auftraggebers an an- tung und Verantwortung stehen Einschränkun-
dere Nebenunternehmer weiterzugeben. Es ent- gen der Einflußmöglichkeiten des Auftraggebers
stehen unmittelbare Rechtsbeziehungen zwi- bei der Auswahl und Verhandlung mit Fachpla-
schen dem Auftraggeber mit dem Hauptunter- nern und Fachunternehmern gegenüber.
nehmer und auch mit den einzelnen Nebenun- Will ein Auftraggeber sowohl die Planungs-
ternehmern. Diese übernehmen damit auch dem als auch die Ausführungsleistungen einem Ver-
Auftraggeber gegenüber die Gewähr für die ver- tragspartner übertragen, so muß er einen Total-
tragsgemäße Erfüllung der ihnen übertragenen unternehmer einschalten, der neben der schlüs-
Teilleistungen. selfertigen Bauausführung auch wesentliche Tei-
Bauleistungen größeren Umfangs werden von le der Planungsleistungen übernimmt, z. B. bei
Einzelunternehmern i. d. R. nicht vollständig in Übernahme der Entwurfs- und Ausführungspla-
Eigenleistung erbracht, sondern teilweise durch nung auf der Basis einer Leistungsbeschreibung

Privates Baurecht 2-207


mit Leistungsprogrammen nach §9 Nr. lOff AHO Ausschuß der Ingenieurverbände
VOB/A [AHO 1997;AHO 1998 b].In diesem Fall und Ingenieurkammern für die
werden die Einflußmöglichkeiten des Auftrag- Honorarordnung e.V.
gebers entsprechend weiter eingeschränkt. AktG Aktiengesetz
General- oder Totalübernehmer unterschei- ÄndVO Änderungsverordnung
den sich von General- oder Totalunternehmern ARGE Arbeitsgemeinschaft
dadurch, daß erstere gegenüber letzteren keiner- Art. Artikel
lei Eigenleistungen mit ihren eigenen Untern eh- ATV Allgemeine Technische Vertragsbe-
men erbringen, sondern lediglich Management- dingungen
aufgaben zur Koordination der an Nachunterneh- AVB Allgemeine Vertragsbedingungen
mer bzw. Subplaner vergebenen Fremdleistungen BAK Bundesarchitektenkammer
wahrnehmen. Die technische und wirtschaftli- BAnz Bundesanzeiger
che Leistungsfähigkeit der" übernehmer" ist da- BDA Bund Deutscher Architekten
her regelmäßig deutlich geringer als bei den"Un- BGB Bürgerliches Gesetzbuch
ternehmern". Öffentliche Auftraggeber schalten BGBl Bundesgesetzblatt
daher regelmäßig keine "übernehmer" ein. BGH Bundesgerichtshof
Dieübernahme eines General- oder Totalun- BHO Bundeshaushaltsordnung
ternehmerauftrags zu einem Guaranteed Maxi- BKR Baukoordinierungsrichtlinien
mum Price (GMP) bedeutet, daß sich der Unter- BOT Build-Operate-Transfer
nehmer verpflichtet, eine bauliche Anlage mit BVB Besondere Vertragsbedingungen
nachgewiesenen Selbstkosten unterhalb eines c.i.c. culpa in contrahendo
garantierten Höchstpreises zu errichten mit der DLR Dienstleistungsrichtlinie
Maßgabe, daß die Differenz zwischen Höchst- DVA Deutscher Verdingungsausschuß für
preis und Selbstkosten zwischen Auftraggeber Bauleistungen
und Auftragnehmer in dem vertraglich fixierten EDV Elektronische Datenverarbeitung
Verhältnis (z.B. 50:50) aufgeteilt wird. Dieses EFB Einheitliche Formblätter
Modell trägt maßgeblich zur Förderung des ko- EG Europäische Gemeinschaft
stengünstigen und wirtschaftlichen Bauens bei. ErbbauVO Verordnung über das Erbbaurecht
Bei einem Build-Operate-Transfer-Vertrag EU Europäische Union
(BOT) hat der Auftragnehmer das Bauwerk nicht EVM Einheitliche Verdingungsmuster
nur schlüsselfertig zu errichten, sondern es auch FELZ Fachkunde, Erfahrung, Leistungsfä-
zu betreiben und zu vermieten (bzw. zu verkau- higkeit, Zuverlässigkeit
fen), d.h. das Facility-Management zu überneh- GAEB Gemeinsamer Ausschuß der Elektro-
men (vgl. Abschn. 2.3). nik im Bauwesen
Im Rahmen von Betreibermodellen werden GBO Grundbuchordnung
von Auftragnehmern gebündelt Leistungen des GG Grundgesetz der Bundesrepublik
Design, Build, Finance, Own, Operate und Trans- Deutschland
fer übernommen (Rudolph, 1996). GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften
Unter dem Begriff "Public Private Partner- mit beschränkter Haftung
ship" (PPP) wird die organisierte Zusammen- GMP Guaranteed Maximum Price
arbeit von Personen und Institutionen aus dem GRW Grundsätze und Richtlinien für Wett-
öffentlichen und dem privaten Sektor zur ge- bewerbe auf den Gebieten der Raum-
meinsamen Bewältigung komplexer Aufgaben planung, des Städtebaus und des Bau-
der Stadt- und Regionalentwicklung verstanden wesens
(Erbach, 1996). GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän-
kungen
HGB Handelsgesetzbuch
Abkürzungen zu 2.4 HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz
HOAI Honorarordnung für Architekten und
Ä Änderung Ingenieure
Abs. Absatz LHO Landeshaushaltsordnung
AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen lit. litera
AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der LKR Lieferkoordinierungsrichtlinie
Allgemeinen Geschäftsbedingungen LV Leistungsverzeichnis

2-208 Bauwirtschaft und Baubetrieb


MRVG Gesetz zur Verbesserung des Miet- geprägt, sie werden im folgenden beispielhaft
rechts und zur Begrenzung des beschrieben.
Mietanstiegs Eine besondere Situation entsteht auf vielen
NWA Nutzwertanalyse Baustellen dadurch, daß es nicht nur das eine
OLG Oberlandesgericht Bauunternehmen gibt mit einer in sich geschlos-
RB Bau Richtlinien für die Durchführung senen, konsequenten Aufbauorganisation, son-
von Bauaufgaben des Bundes im dern häufig mehrere Subunternehmer, Neben-
Zuständigkeitsbereich der Finanz- unternehmer oder ARGE-Partner. Diese zusätz-
bauverwaltungen der Länder lichen Unternehmen mit ihren eigenen spezifi-
Rdn Randnummer schen Interessenlagen bringen auch ihre eigenen
SKR Sektorenrichtlinie Aufbauorganisationen mit ein. Hierdurch ent-
StLB Standardleistungbuch steht ein erhebliches Potential an Verlustquellen
StLK Standardleistungskatalog durch gegenseitige Behinderungen. Um aus
VHB Vergabehandbuch Sicht der gesamten Baustelle positive Ergebnis-
VOPR Baupreisverordnung se zu erzielen, müssen die Aufbau- und die Ab-
VOB Verdingungsordnung für Bau- lauforganisation so gestaltet sein, daß eine ganz-
leistungen heitliche Betrachtungsweise möglich ist.
VOF Verdingungsordnung für freiberufli-
che Leistungen 2.5.1.2
VOL Verdingungsordnung für Leistungen Aufbauorganisation der Baustelle
außer Bauleistungen
Ziff. Ziffer Die Aufbauorganisation auf Baustellen variiert
ZPO Zivilprozeßordnung v. a. in Abhängigkeit von der Unternehmens- und
ZTV Zusätzliche Technische Vertragsbe- der Baustellengröße. Im allgemeinen wird der
dingungen theoretische Aufbau der Organisation hierar-
ZVB Zusätzliche Vertragsbedingungen chisch nach dem Liniensystem oder dem Stabli-
niensystem vorgenommen (Abb. 2.5-1). Bei bei-
den Systemen gibt es von oben nach unten ge-
2.5 richtete Weisungsbefugnisse. Beim Stabliniensy-
Baubetrieb stem existieren neben den linienförmig ange-
ordneten Stellen auch noch sog. "Stabsstellen",
2.5.1 die einen beratenden Charakter im Hinblick auf
Baustellenorganisation, Baustellenmanagement Spezialfragen haben und i.d.R. nicht mit Wei-
sungsbefugnissen ausgestattet sind.
2.5.1.1
Allgemeines Oberbauleitung

Um die von der Unternehmensleitung gesteck- Die Oberbauleitung ist i.d.R. direkt der Ge-
ten Ziele auf den Baustellen in die Tat umzuset- schäftsleitung oder bei größeren Unternehmen
zen, bedarf es einer entsprechenden Organisati- mit Niederlassungen den Niederlassungsleitun-
on dieser vorübergehenden Fertigungsstätten. gen unterstellt. Ein Oberbauleiter betreut meist
Eine derartige Organisation besteht aus der Auf- mehrere Baustellen gleichzeitig. Die betreuten
bauorganisation und der Ablauforganisation. Baustellen verfügen jeweils über eine eigene ört-
Die Aufbauorganisation gibt im wesentlichen liehe Bauleitung, welche der Oberbauleitung un-
an, welche Stellen es in der Organisation gibt, wel- terstellt ist. Die Oberbauleitung ist für den tech-
che Aufgaben diese Stellen zu erfüllen haben und nischen und wirtschaftlichen Erfolg der betreu-
wie diese Stellen mit den anderen Stellen inner- ten Baustellen verantwortlich. Oberbauleiter und
halb der Organisation zusammenarbeiten. Da- örtliche Bauleitung müssen eine Zusammenar-
gegen gibt die Ablauforganisation an, nach wel- beit anstreben, bei der sie einander möglichst
chem Schema Prozesse innerhalb der beschrie- gut ergänzen. Die Hauptaufgaben der Oberbau-
benen Organisation abzulaufen haben, d.h. wann leitung sind u.a.
und wie bestimmte Aufgaben zu verrichten sind. - detailliertes Studium der Pläne, des Leistungs-
Die Aufbau- und die Ablauforganisation der ty- verzeichnisses (LV), der Verträge und der son-
pischen Baustelle sind nach wie vor hierarchisch stigen Unterlagen,

Baubetrieb 2-209
Weisungs·
befugnis

a Liniensysten b Stabliniensysten

Abb. 2.5·1 Aufbauorganisation der Baustelle alsLinien· oder Stabliniensystem

- regelmäßige Kontrolle der Kosten- und Lei- - Gewährleisten des sicheren Betriebs der Bau-
stungssituation auf den betreuten Baustellen, stelle sowohl nach innen als auch nach außen,
- bei Abweichungen Erarbeiten von Steuerungs- - Klären von Personalangelegenheiten auf der
maßnahmen gemeinsam mit der örtlichen Baustelle,
Bauleitung, - Feststellen und kostenmäßiges Erfassen von
- Durchführen von Nachkalkulationen, Behinderungen sowie Nachträgen,
- Kontrolle des Bauablaufs im Hinblick auf die - Erstellen von Abrechnungsunterlagen und Lei-
Einhaltung relevanter Termine, stungsmeldungen, Durchführen von Aufmaß
- bei Sonderproblemen ggf. Mitwirkung an der und Abnahmen sowie Teilabnahmen,
Erstellung von Feinablaufplanungen, - Lösen von Problemen z.B. mit Subunterneh-
- Verhandlungen mit dem Bauherrn und seinen mern, Nachbarn und Behörden.
Vertretern,
- Vergabeverhandlungen mit Subunternehmern, Polier
- Schriftverkehr von besonderer Relevanz,
- Vertretung des Unternehmens in einer ARGE Die Poliere sind auf den Baustellen häufig die
(Arbeitsgemeinschaft). Beteiligten mit dem höchsten Maß an prakti-
schen Fähigkeiten und Erfahrungen. Zusätzlich
Bauleitung fungieren sie im Regelfall als unmittelbares Bin-
deglied zwischen den gewerblichen Mitarbei-
Die Bauleitung ist normalerweise nur für eine tern und der Bauleitung. Obwohl sie der Baulei-
Baustelle oder bei sehr großen Baustellen nur für tung faktisch als Linienstelle nachgeordnet sind,
Teilbereiche von Baustellen verantwortlich. Sie ist es unerläßlich für die Bauleitung, ein koope-
ist als Linienstelle der Oberbauleitung unter- ratives, kommunikatives Verhältnis zu den Polie-
stellt. In Unternehmen ohne Oberbauleitung ist ren zu pflegen. Besonders jüngere Bauleiter oder
die Bauleitung unmittelbar unter der Geschäfts- Bauleiter mit geringer Berufspraxis müssen das
leitung angeordnet. Der moderne Bauleiter muß Wissen und die Erfahrungen der Poliere für sich
sich vom Selbstverständnis her als Bauunterneh- erschließen und nutzen. Der Berufsstand der Po-
mer im Bauunternehmen verstehen. Er kann den liere leidet schon längere Zeit an Nachwuchs-
wirtschaftlichen Erfolg oder Mißerfolg einer Bau- schwierigkeiten, die größtenteils aus vermeint-
stelle ganz wesentlich beeinflussen. Die Haupt- lich schlechten Arbeits- und Arbeitsumfeldbe-
aufgaben der Bauleiter entsprechen bis auf den dingungen herrühren. Wie der Bauleiter dem
Detaillierungsgrad denen der Oberbauleiter oder Oberbauleiter,so arbeitet der Polier dem Baulei-
sie arbeiten diesen zu. Die Aufgaben, die darüber ter zu oder ergänzt dessen Tätigkeiten. Zusätz-
hinausgehen, sind u.a. lich hat er u.a. noch folgende Aufgaben:
- Führen eines Bautagebuches und des gesam- - Einteilung des Personals, Zuweisung der je"
ten Berichtswesens, weiligen Arbeiten und ggf. Unterweisung in
- Betriebsleitung der Baustelle, der Arbeit,
- Überwachen der Qualität der Bauausführung, - u. U. praktische Mitarbeit,

2-210 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- Überwachen der Tätigkeit der Subunterneh- sein bei der Anerkennung von gestellten Nach-
mer und Einweisen neuer Subunternehmer, trägen oder zum Nachvollziehen eines Arbeits-
- Einmessen und Maßkontrolle bei Bauteilen, unfalls.
- Führen und Kontrollieren der Tages- und Wo- Das Bautagebuch wird täglich geführt und soll-
chenstundenberichte. te entsprechend EDV-mäßig formalisiert wer-
den. Es muß Angaben enthalten zu
Kolonne - Wetter, Außentemperaturen, sonstigen äuße-
ren Einwirkungen,
Unter einer Kolonne versteht man eine Gruppe - durchgeführten Arbeiten sowie evtl. Behinde-
von gewerblichen Mitarbeitern, die nach be- rungen oder Qualitätsproblemen,
stimmten Kriterien zusammengestellt ist. Sie - Besuchen und Anordnungen des Bauherrn,sei-
realisiert also eine Form von Gruppenarbeit. Die ner Vertreter oder sonstiger Stellen,
Kolonnen sind dem Polier unterstellt und verfü- - Planeingängen,Planungsänderungen und Aus-
gen meist über einen Vorarbeiter oder einen führung außervertraglicher Leistungen,
Sprecher. Die Kolonnen führen die eigentlichen - Anzahl der Arbeitskräfte, Krankenstand und
Bauarbeiten aus. In der Regel sind die Kolonnen Einsatz von Leistungsgeräten.
auf bestimmte Tätigkeiten spezialisiert (z.B.
Schalarbeiten, Bewehrungsarbeiten). Die Lei- Das Bautagebuch wird vielfach dem Bauherrn
stungsfähigkeit der Kolonnen hängt von dem oder der Bauherrnbauleitung zur Kontrolle vor-
Können, der Motivation und der Erfahrung der gelegt.
einzelnen Kolonnenmitglieder ab, aber auch sehr Die Tages- und Wochenstundenberichte die-
stark von deren Zusammenspiel. Die geschickte nen als Grundlage für die Lohnabrechnung, Lei-
Zusammenstellung der Kolonnen ist das lei- stungslohnabrechnungen und für Nachkalkula-
stungsprägende Element. tionen. Sie müssen besonders korrekt geführt
und von den Polieren geprüft werden. Notwen-
Arbeitsvorbereitung, Baukaufmann, dige Angaben sind:
Geräteverwaltung und Kalkulation - Name der beschäftigten Personen und, falls
vorl!anden, deren Personalnummer,
Die Funktionen Arbeitsvorbereitung, Baukauf- - für jeden einzelnen Beschäftigten die am je-
mann, Geräteverwaltung, Kalkulation und an- weiligen Tag geleisteten Gesamtarbeitsstun-
dere Stellen im Unternehmen sind oft als Stabs- den sowie
stellen ausgebildet und sollen die Bauleitung bei - eine Aufschlüsselung der im einzelnen durch-
den planmäßigen Aufgaben, aber auch bei be- geführten Arbeiten (auf 0,5 h gerundet).
sonderen Schwierigkeiten unterstützen. Diese
Stellen sind meist nicht auf den Baustellen, son- Die Berichte werden vom Aufsteller abgezeich-
dern zentral in der Niederlassung oder der Ver- net.
waltung zu finden. Die Aufgaben v.a. der Ar- Der Maschinentagesbericht unterliegt der glei-
beitsvorbereitung werden in 2.5.2.2 beschrieben. chen Systematik, jedoch beziehen sich die An-
gaben auf den Einsatz von Leistungsmaschinen.
2.5.1.3 Die Gesamtstunden werden nach der Art der Ar-
Berichtswesen beit unterteilt, zudem werden die Stunden nach
Betriebs-, Wartungs- und Stillstandsstunden
Das Berichtswesen sorgt für die Dokumentation aufgeschlüsselt.
der anfallenden Daten der Baustelle. Nur wenn Der Materialbericht hält Zugang und Abgang
das Berichtswesen sorgfältig und korrekt ge- von Baumaterialien und Bauproduktionsmitteln
führt wird und keinen Manipulationen unter- auf der Baustelle täglich fest. Es werden sowohl
liegt, ergeben sich zuverlässige Daten, die einer die Zu- und Abgänge von betriebsfremden Fir-
aussagekräftigen Auswertung zugeführt werden men als auch des eigenen Unternehmens doku-
können. Die gebräuchlichsten Elemente des Be- mentiert. Festgehalten werden bei Zugängen der
richtswesens sind das Bautagebuch, die Tages- Lieferant und bei Abgängen der Empfänger des
und Wochenstunden-,Maschinentages- undMa- Materials, die Lieferscheinnummer, die Bezeich-
terialberichte. Diese Berichte ermöglichen es, die nung des Materials, die genaue Mengenangabe
z. T. sehr komplexen Vorgänge auf der Baustelle und die Einheit zur Mengenangabe.
bei Bedarf zu rekonstruieren. Das kann z. B. nötig

Baubetrieb 2-211
2.5.1.4 - Betriebsmittelnutzungsprämien für das Unter-
Lohndifferenzierung schreiten bestimmter Stillstandszeiten,
- Terminprämien für das Einhalten vorgegebe-
Die Gestaltung der Entlohnung ist für die Siche- ner Zwischen- oder Endtermine.
rung eines - möglichst gleichbleibend - hohen
Leistungsniveaus auf der Baustelle von beson- Beide Leistungslohnarten - Akkord- und Prä-
derer Bedeutung. Grundsätze der Entlohnung mienlohn - lassen sich bei Einzelpersonen,
müssen immer sein: Gruppen und ganzen Baustellenbelegschaften
- gerechte Entlohnung, die vom Entlohnten gut anwenden. Beim Leistungslohn müssen alle Vor-
nachvollzogen und verstanden werden kann, gaben und Randbedingungen vor Ausführung
- den Leistungsstand widerspiegelnde Entloh- der Arbeiten exakt definiert, von beiden Seiten
nung. anerkannt und schriftlich dokumentiert werden.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Lei- 2.5.1.5


stungs- und Zeitlohn. Beim Leistungslohn ist die Mitarbeiterführung
Vergütung abhängig von der erbrachten Lei-
stung, während beim Zeitlohn die Leistung kei- Eine moderne Mitarbeiterführung setzt auf die
nen unmittelbaren Einfluß auf die Lohnhöhe Motivation der Mitarbeiter durch Einbeziehung
hat. Hier wird die Anwesenheitszeit auf der Bau- der Betroffenen in die Entscheidungsfindung.
stelle vergütet. Nur indirekt über außertarifliche Diese kann auch ein Vorschlagswesen beinhal-
Zulagen und die Eingruppierung in bestimmte ten.
Lohngruppen kann beim Zeitlohn ein be- Dabei ist allerdings zu bedenken, daß heute
schränkter Zusammenhang zur durchschnitt- auf den Baustellen ein überdurchschnittlich ho-
lich erbrachten Leistung hergestellt werden. her Anteil der Baustellenbelegschaft aus auslän-
Beim Leistungslohn unterscheidet man zu- dischen Mitarbeitern besteht. Diese verfügen oft
sätzlich zwischen Akkord- und Prämienlohn. nur über mangelhafte deutsche Sprachkenntnis-
Beim Akkordlohn besteht eine unmittelbare Pro- se. Diese Tatsache erschwert die Einführung ei-
portionalität zwischen der erbrachten Leistung, nes übergreifenden und konsequenten Mitar-
erfaßt z.B. über die Menge, und dem erzielten beiterführungsstiles erheblich. Hinzu kommt,
Lohn. Grundvoraussetzung für Akkordlohn ist daß viele der Beschäftigten auf einer Baustelle
eine ausreichend große Menge gleichgearteter organisatorisch den Subunternehmern zuzuord-
Arbeiten. Beim Akkordlohn besteht die Gefahr, nen sind und sich daher den eigenen direkten
- daß die Qualität der ausgeführten Arbeiten Befugnissen entziehen. Insofern wird der Bau-
nicht ausreichend beachtet wird, leiter um ein hohes Maß an Improvisation bei
- daß nur die eigene Arbeit forciert wird und die der Mitarbeiterführung nicht herumkommen.
ganzheitliche Betrachtung des Baustellenge-
schehens verlorengeht und 2.5.2
- daß die Bauproduktionsmittel übermäßig be- Bauarbeitsvorbereitung
ansprucht werden.
2.5.2.1
Ein weiteres Problem des Akkordlohns ist die Definition und Bedeutung der Arbeitsvorbereitung
wesentlich aufwendigere Lohnabrechnung und
die schwierige und personalpolitisch delikate Das anhaltend hohe Lohnkostenniveau sowie die
Ermittlung der Vorgabewerte. hohe Geräteintensität moderner Baustellen ma-
Daneben ist die Prämienentlohnung entschie- chen ein möglichst präzise vorbereitetes und gut
den einfacher in ihrer Anwendung. Bei Erreichen geplantes Arbeiten zwingend erforderlich. Was
eines vorgegebenen Zieles fällt eine Prämie an, so einleuchtend und selbstverständlich klingt,
die sowohl fix als auch variabel in Abhängigkeit hat sich abar noch nicht in allen Bereichen der
vom Zielerreichungsgrad sein kann. Denkbare Bauindustrie und des Baugewerbes durchgesetzt.
Prämienformen sind: Besonders in eher handwerklich orientierten
- Mengenprämie für das Erreichen bestimmter kleineren, aber auch in mittelständisch gepräg-
Mengenleistungen, ten Bauunternehmen sind häufig Defizite be-
- Qualitätsprämien für das Einhalten von Qua- züglich eines vorbereiteten Baugeschehens auf
litätsstandards, Baustellen festzustellen. Im Gegensatz zu ande-

2-212 Bauwirtschaft und Baubetrieb


ren Industriezweigen, in denen die Arbeitsvor- Fertigungssteuerung
bereitung schon lange ein fester Bestandteil der
Betriebsorganisation und der betrieblichen Pro- Der zweite Hauptbereich der Bauarbeitsvorbe-
zesse ist, ist die Bauarbeitsvorbereitung insge- reitung ist die Fertigungssteuerung. Sie soll mit
samt noch nicht so ausgeprägt. möglichst einfachen Mitteln die Umsetzung der
Man unterscheidet grundsätzlich die Arbeits- Fertigungsplanung sicherstellen. Bei Abweichun-
vorbereitung des Bauherrn und die des Bauun- gen vom Planungssoll (z. B. durch unvorherseh-
ternehmens. Die Arbeitsvorbereitung des Bau- bare Ereignisse oder Planungsänderungen) muß
herrn beschäftigt sich damit, alle Randbedin- die vorhandene Fertigungsplanung den neuen
gungen für ein geplantes Bauvorhaben so zu ge- Randbedingungen und Verhältnissen so ange-
stalten, daß die Bauausführung ohne Störungen paßt werden, daß in dieserneuen Situation wie-
beginnen kann. Innerbetriebliche Abläufe blei- derum das erreichbare Leistungsmaximum so-
ben hierbei unberücksichtigt, während die Ar- wie das Kostenminimum angestrebt wird.
beitsvorbereitung des Bauunternehmens sich in-
tensiv mit diesen innerbetrieblichen Prozessen 2.5.2.3
befaßt. Im folgenden wird die Bauarbeitsvorbe- Stellung der Bauarbeitsvorbereitung
reitung des Bauunternehmens behandelt. im Bauunternehmen
Eine systematische Arbeitsvorbereitung kann
in die beiden Hauptbereiche Fertigungsplanung Im allgemeinen ist die Bauarbeitsvorbereitung
und Fertigungssteuerung aufgegliedert werden. eine Stabsstelle, die- wie z. B. auch die Qualitäts-
sicherung - der Geschäftsleitung direkt unter-
2.5.2.2 stellt ist. Bei größeren Bauunternehmen mit Nie-
Aufgaben der Bauarbeitsvorbereitung derlassungen wird die jeweilige Niederlassung
eine Bauarbeitsvorbereitung haben, und u. U.
Fertigungsplanung wird die Hauptverwaltung über eine zusätzliche
Bauarbeitsvorbereitung verfügen, die bei Son-
Der Hauptbereich Fertigungsplanung befaßt derfällen oder bei Engpässen der Niederlassun-
sich im wesentlichen mit der Bauablaufplanung, gen eingesetzt wird. Für das Funktionieren einer
der Mittelplanung, der Baustelleneinrichtungs- Bauarbeitsvorbereitung ist es wichtig, daß die
planung und der Dokumentation der Fertigungs- sachliche Unabhängigkeit innerhalb des Unter-
planung (Abb.2.5-2).Ziel der Fertigungsplanung nehmens gewahrt bleibt.
ist es, das Baugeschehen mit ausreichendem Vor- Die Bauarbeitsvorbereitung muß zu einem
lauf so zu planen, daß unter Berücksichtigung möglichst frühen Zeitpunkt vor der Bauaus-
der jeweils speziellen Randbedingungen führung zu folgenden Stellen im Unternehmen
- ein Leistungsmaximum der Baustellenbeleg- engen Kontakt haben:
schaft und der eingesetzten Bauproduktions- - der Baustellenleitung,
mittel sowie - der Kalkulationsabteilung,
- ein Minimum aller auf der Baustelle und in - der Maschinen- und Geräteverwaltung,
vor- bzw. nachgelagerten Bereichen entste- - den eingebundenen technischen Abteilungen.
henden Kosten erreicht wird.
Die Bauarbeitsvorbereitung muß nicht notwen-
Es ist also ein möglichst reibungsloser, wirtschaft- digerweise eine eigenständige Abteilung sein. Sie
licher und termingerechter Bauablauf durch eine sollte in größeren Unternehmen mit schlanker
vorbereitende Planung der Bauausführung an- Struktur aufgebaut sein und kann in einem klei-
zustreben. Die Bauarbeitsvorbereitung muß für nen Bauunternehmen in Personalunion mit ei-
jede Baustelle aufs neue durchgeführt werden. ner anderen Stelle, z.B. der Bauleitung, ausge-
Bei sorgfältiger Dokumentation der Planungs- führt werden. Wichtig ist, daß die Prozesse der
ergebnisse sowie einer optimalen Aufbereitung Bauarbeitsvorbereitung klar definiert sind und
der gesammelten Daten lassen sich Erfahrungen daß auf deren Einhaltung stringent geachtet
aus vorhergehenden Bauausführungen auf ge- wird.
plante Objekte übertragen.

Baubetrieb 2-213
Aufgaben der
Fertigungsplanung

H
• Vertragsanalyse
Informations- • Baustellenbegehung
beschaffung • Aktenstudium

H
• Genaue Ermittlung und Beschreibung

~
Bauablauf- Arbeitsvorgänge
planung planen der Arbeitsvorgänge
• Vorgangsdauer planen

• Reihenfolge der Arbeitsvorgänge planen


• Abhängigkeiten der Arbeitsvorgänge planen
• Bauzeit planen
• Alternativen untersuchen

1 Baustellenbelegschafts- • Personalbedarf planen

1
~ planung • Personaleinsatz planen
Kapazitätsplanung
~ Bauproduktionsmittel- • BPM-Bedarf planen
planung • BPM-Einsatz planen

H Mittelplanung
~
H Baustoffbereitstellungs-
planung
• Baustoffbedarf planen
• Baustoffbestand planen
• Baustoffbeschaffung planen

• EDV planen
Y Informationsplanung
• Informationsfluß planen
• Bedarf und Fluß der
Zeichnungen planen

• Standorte von BPM planen


~ Baustelleneinrich- 1- • Lagerflächen planen
tungs planung • Baustelleninfrastruktur planen
• Baustellensicherung planen

y Dokumentation der
Fertigungsplanung
~
• Baustellenablaufplan erstellen
• Baustelleneinrichtungsplan
erstellen
• Geräteliste erstellen

Abb. 2.5·2 Aufgaben der Fertigungsplanung (modifiziert nach REFA 1991)

2.5.2.4 Zunächst sollte sich die Arbeitsvorbereitung


Fertigungsplanung sorgfältig mit dem Studium der Zeichnungen,
des Leistungsverzeichnisses, der Vertragsbedin-
Informationsbeschaffung gungen, der Kalkulation sowie des Schriftver-
kehrs und sonstiger Unterlagen beschäftigen.
Der Initialschritt bei der Bauarbeitsvorberei- Diese ersten Schritte können übersichtlich mit
tung ist das Einholen von Informationen, die für Checklisten, Fragebögen oder anderen Form-
die geplante Bauausführung von Interesse sind. blättern systematisch durchgeführt und aufbe-
Versäumnisse oder Mängel bei diesem Schritt reitet werden. Gleichzeitig sollte eine Baustellen-
können u. U. zu nicht mehr kordgierbaren Fehl- begehung mit entsprechender Dokumentation
entwicklungen auf der Baustelle führen, und (z.B. Bilddokumentation, Protokoll) erfolgen. In
zwar mit gravierenden wirtschaftlichen Auswir- einem weiteren Schritt werden alle Beteiligten,
kungen. ihre Adressen sowie Telekommunikationsver-

2-214 Bauwirtschaft und Baubetrieb


bindungen ermittelt und dokumentiert (vom - Bestimmen des Gesamtlohnaufwandswertes
Bauherrn bis zum Unfallarzt). Wichtig für die aller einzelner Arbeitsvorgänge auf der Grund-
weitere Fertigungsplanung ist es, den Stand und Iage der auszuführenden Leistungsmengen
die Vollständigkeit der Ausführungs- und Ge- mit aus der Vergangenheit bekannten Erfah-
nehmigungsplanung festzustellen. rungswerten oder mit systematisch ermittel-
ten Arbeitszeitrichtwerten,
Bauablaufplanung - Festlegen der Reihenfolge der Arbeitsvorgänge,
- ggf. Festhalten der Ergebnisse der vorangegan-
Die Bauablaufplanung ist einer der wichtigsten genen Schritte in einem Arbeitsverzeichnis,
Schritte in der Bauarbeitsvorbereitung einer Bau- - Festlegen der Abhängigkeiten der Arbeitsvor-
stelle. Sie umfaßt folgende wesentlichen Aufga- gänge untereinander,
ben: - Errechnen der Vorgangsdauern mit einer sinn-
- Recherche aller den Bauablauf und die Ter- vollen Annahme der Personal- und Geräteka-
minsituation betreffenden Randbedingun- pazitäten sowie Entwickeln des Gesamtbauab-
gen, z.B. vom Bauherrn geforderte Anfangs-, laufs.
Zwischen- und Endtermine,
- genaue Ermittlung der auszuführenden Lei- An diesem Gesamtablauf wird überprüft, ob al-
stungsmengen, le Randbedingungen eingehalten werden und ob
- Auswahl der wirtschaftlichsten Bauverfahren, der Kapazitätsverlauf über die Bauzeit sinnvoll
ggf. mit Hilfe eines kalkulatorischen Verfah- ist. Bei Abweichungen muß mit geänderten Vor-
rensvergleiches, gaben iteriert werden. Der endgültige Bauablauf
- Festlegen und hinreichend genaues Beschrei- kann mit verschiedenen Darstellungsformen op-
ben der auftretenden Arbeitsvorgänge, tisch aufbereitet werden (Tabelle 2.5-1). Je nach

Tabelle 2.5·1 Darstellungstonnen des geplanten Bauablaufs

Planungs- Merkmal Darstellung Vorteil Nachteil


technik
Bauphasen- Der Baufortschritt wird Sehr anschaulich und für Nur Stichpunktbetrach-
plan zu bestimmten Stich- I I I 1.
nicht Vorgebildete leicht tung, daher wenig lnfor-
Zeitpunkten zeichnerisch verständlich mationsgehalt. Für kom-
dargestellt Tl I 2.
plizierte Bauabläufenich
I I I l. geeignet, Kontrollmög-
liehkeilen schlecht
Tabellen Vorgänge, Dauern sowie Vorgongslilie Sehr hoher Detaillie- Unübersichtlich, Kontroll e
Anfangs- und Endzeitpunkte rungsgrad nur eingeschränkt
werden in Tabellenform I I I möglich
aufgearbeitet I I I
Balkenplan Es gibt eine horizontale Zeit- Anschaulich, gut ablesbar. Bei sehr komplexen Ab-

~v
achseund eine vertika le Auch komp lexe Bauab- Iäufen mit vielen Abhän-
Vorgangsachse. Vorgänge Iäufe sind übersichtlich gigkeilen stößt er an
werden als Balken aufge- darstellbar, Stichpunkt- Grenzen
tragen kontrollensind möglich

Netzplan Vorgänge werden in Käst- Für komplexe Bauabläufe Anschaulichkeit ist teil -
chen unter Angabe der Dauer geeignet. Kontrollen und weise eingeschränkt

~
und Anfangs- sowie Endzeit- Anpassungen gut möglich
punkt dargestellt. Die Vor-
gängewerden miteinander
unter Berücksichtigung der
Abhängigkeiten verknüpft

Linienzyklo- Es gibt eine horizontale Weg- Weg Für linienförmige, orts- Bei großer Komplexität
gramm achseund eine vertikale Zeit- veränderliche Baustellen nur eingeschränkt ein-
achse. Die Vorgänge werden
als Linien über Weg und Zeit
~~ - gut geeignet und sehr
anschaulich
setzbar

auftragen Ztit

Baubetrieb 2-215
Planungshorizont werden Grob-, Mittel- und griffen. Hierbei werden die erforderlichen Bau-
Feinplanung unterschieden. materialien in der geforderten Güte und Menge
zu einem Zeitpunkt auf der Baustelle angeliefert,
Kapazitätsplanung der mehr oder weniger unmittelbar vor dem Ein-
bauzeitpunkt der Materialien in das Bauwerk
Bei der Planung der erforderlichen Kapazitäten liegt. Dieses Vorgehen setzt ein entsprechendes
unterscheidet man im wesentlichen die Baupro- logistisches System bei den Baustoffzulieferun-
duktionsmittelplanung und die Baustellenbeleg- ternehmen voraus. Verzögerungen bei der Ma-
schaftsplanung. terialversorgung oder Qualitätsmängel bezüg-
lich der geforderten Baustoffgüten führen näm-
Bauproduktionsmittelplanung lich auf der Baustelle sofort zu Stillstandszeiten.
Die Auswahl der Baustofflieferanten darf also
Nach Auswahl der Bauverfahren werden die An- keineswegs nur unter Preisgesichtspunkten ge-
zahl, die Art, die Leistungsfähigkeit, die Dauer schehen. Die Qualitätseinhaltung und die Ter-
des Einsatzes sowie die Einsatzzeitpunkte der mintreue müssen als weitere Auswahlkriterien
Bauproduktionsmittel festgelegt. Hierbei müs- einfließen. Sie werden von den Qualitätsmanage-
sen die im Bauzeitenplan vorhandenen Randbe- mentsystemen genauso gefordert und lassen
dingungen, die Wirtschaftlichkeit und die im sich über systematisch dokumentierte Lieferan-
Unternehmen zu den jeweiligen Zeitpunkten zur tenbewertungen festhalten.
Verfügung stehenden Bauproduktionsmittel be-
rücksichtigt werden. Gegebenenfalls ist zu prü- Informationsplanung
fen, ob und inwieweit eine Anmietung von Bau-
produktionsmitteln wirtschaftlicher oder aus Ein wesentlicher Gesichtspunkt der Fertigungs-
anderen Gründen sinnvoller ist. plaung, der zunehmend an Bedeutung gewinnt,
ist die Informationsplanung. Hierzu muß zu-
Baustellenbelegschaftsplanung nächst eine umfassende, gesamtheitliehe EDV-
Lösung zur Erfassung und Verarbeitung des um-
Ebenso wird die Belegschaftsstärke in Überein- fangreichen Datenmaterials gefunden werden.
stimmung mit dem Bauzeitenplan bestimmt. Die Anstreben sollte man hierbei zumindest eine
Belegschaftsstärke muß einen über die gesamte Vernetzung der am Baugeschehen beteiligten
Bauzeit gesehen sinnvollen Verlauf haben. Im innerbetrieblichen Stellen. Als Konsequenz er-
Hinblick auf die verfügbare Baustelleninfra- gibt sich die Notwendigkeit, den Informations-
struktur sollten Belegschaftsspitzen vermieden fluß möglichst effizient und umfassend zu pla-
werden. Hierdurch können gegenseitige Behin- nen. Dies beinhaltet die Planung des Bedarfs an
derungen auf ein Mindestmaß beschränkt blei- Zeichnungen und deren Fluß zwischen den Be-
ben. Die gleichen überlegungen gelten für den teiligten.
Einsatz von Subunternehmen. Die gegenseitige Jedoch sollte bei allen Informationssystemen
Behinderung der Subunternehmer und Ein- als wichtiger Grundsatz gelten, gerade soviel In-
schränkungen z. B. infolge einer zu geringen An- formation wie nötig in Umlauf zu bringen und
zahl Krane lassen sich schon im Vorfeld vermei- auch nur an die Beteiligten zu verteilen, die die-
den. Die Belegschaftsstärke über die Bauzeit se sinnvoll einsetzen können.
kann beispielsweise im Balkenplan sehr an-
schaulich mit dargestellt werden. Baustelleneinrichtungsplanung

Baustoffbereitstellungsplanung Die Baustelleneinrichtungsplanung ist auch


eine der wesentlichen Säulen der Bauarbeitsvor-
Die Baustoffmengen lassen sich aus den genau bereitung. Im Gegensatz zu anderen Industrie-
ermittelten Leistungsmengen und den techni- zweigen gibt es in der Bauindustrie kaum stati-
schen Unterlagen zusammenstellen. Die Bereit- onäre Fertigung ihrer Produkte. Bei jeder neuen
stellungstermine ergeben sich aus den Bauab- Baustelle muß also die Frage nach der Einrich-
laufplänen.Bedingt durch die geringen Lager- tung dieser vorübergehenden Fertigungsstätte
flächen auf den meisten Baustellen, wird bei der gestellt werden. Der wirtschaftliche Erfolg einer
Versorgung von Baustellen mit Baumaterialien Baustelle hängt in hohem Maße von einer effizi-
häufig auf das Just-in-time-System zurückge- enten Baustelleneinrichtung ab.

2-216 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Dokumentation der Fertigungsplanung falsch dimensionierte Bauproduktionsmittel,
äußere Einwirkungen (extreme Wetterlagen)
Die Dokumentation der Ergebnisse der Ferti- oder Behinderungen durch andere Kolonnen
gungsplanung verfolgt zwei Ziele: Zum einen sein.
sollen die Planungsergebnisse allen Beteiligten Das Sichern der Fertigung schließt den Kreis,
in möglichst überschaubarer Form zugänglich indem durch Eingreifen in die Fertigung die Ist-
gemacht werden, und zum anderen sollen die Er- Ieistungen wieder auf die Sollvorgaben gebracht
kenntnisse und Erfahrungen aus der Bauausfüh- werden. Bei unerreichbaren Sollvorgaben oder
rung unabhängig vom zu diesem Zeitpunkt ein- sonstigen gravierenden Abweichungen muß die
gesetzten Personal für künftige Projekte nutzbar Fertigungsplanung der aktuellen Situation an-
gemacht werden. Die wichtigsten Dokumentati- gepaßt werden.
onshilfen und ihre jeweilige Bedeutung sind Der oberste Grundsatz der Steuerung ist, so
- Protokolle, Aktennotizen, Schriftverkehr, In- rechtzeitig Daten zu erfassen und bei Abweichun-
formationsbeschaffungs-Checklisten,Bilddo- gen in die Fertigung einzugreifen, daß die Pro-
kumentationen, zesse noch beeinflußbar sind. Wird hiermit zu
- Bauablaufpläne, Arbeitsverzeichnisse, lange gezögert, sind die kostenrelevanten Vor-
- Bereitstellungs- und Mittelpläne, gänge u. U. bereits abgeschlossen, wenn die Ab-
- Personalkapazitätsverlauf (in Bauablaufpla- weichungen erkannt sind.
nung integriert) und Zahlungsplan (Liquidi- Ebenso wie bei der Fertigungsplanung ist es
tätsplanung), bei der Fertigungssteuerung von hohem Wert,
- Geräteliste, die Ergebnisse der Steuerung zu dokumentieren
- Baustelleneinrichtungsplan. und für zukünftige Bauausführungen auszuwer-
ten. So kann man z. B. die Kalkulationssicherheit
Diese Unterlagen sowie die Ergebnisse der Ferti- durch Einbringen von verifizierten Kosten- und
gungssteuerung (z.B. Soll/Ist-Vergleiche, Nach- Leistungsansätzen wesentlich verbessern.
kalkulationen, Arbeitssystemstudien) müssen
gesammelt und über einen bestimmten Zeit- 2.5.3
raum aufbewahrt bleiben. Baustelleneinrichtung

2.5.2.5 Die Baustelle ist der Ort, an dem das geplante


Fertigungssteuerung Bauwerk gefertigt wird. Hier werden alle geplan-
ten Arbeitsverfahren mit Hilfe von Maschinen-
Die Fertigungssteuerung verwendet die Ergeb- technik oder manueller Handwerksarbeit aus-
nisse der Fertigungsplanung und setzt sie wäh- geführt. Damit diese Produktion im Rahmen der
rend der Bauausführung um. Die Aufgaben der wirtschaftlichen, terminliehen und qualitativen
Fertigungssteuerung werden i. allg. von der Bau- Vorgaben durchgeführt werden kann, muß eine
leitung, der Oberbauleitung und der Bauarbeits- optimal eingerichtete Fertigungsstätte zur Ver-
vorbereitung gemeinsam erfüllt. Dabei folgt man fügung stehen.
der Logik des einfachen Regelkreismodells. In Das Problem jeder Baustelleneinrichtung ist,
diesem Modell werden die Aufgaben der Ferti- daß sie nur während der Ausführung vorgehal-
gungssteuerung aufgeteilt in Fertigung veran- ten wird; somit läßt sich die Einrichtung i.allg.
lassen, überwachen und sichern. nicht durch Erfahrungen der laufenden Ferti-
Die Fertigung veranlassen bedeutet, daß der gung verbessern. Die Einrichtung muß sich im
Anstoß für die Bereitstellung des Materials, des Laufe des Bauens ggf. den neuen Anforderungen
Personals und der Bauproduktionsmittel gege- des Bauwerks anpassen; sie kann sich somit stark
ben wird und daß die Bauausführung beginnt. ändern. So werden z. B. zu Beginn einer Baumaß-
Während der Bauausführung wird die Istmen- nahme Spezialgeräte im Tiefbau für den Baugru-
genleistung erfaßt. benaushub oder die Pfahlgründung benötigt, im
Die Fertigung überwachen beinhaltet ein re- weiteren Verlauf aber Geräte wie Krane, Scha-
gelmäßiges Vergleichen der Istleistung mit der lung oder Mauerwerkhilfe.
Solleistung. Bei Abweichungen müssen die Ur- Entsprechend dieser Problematik unterteilt
sachen analysiert werden. Ursachen für Abwei- man den Themenkreis "Baustelleneinrichtung"
chungen können z.B. unrealistische Sollvorga- in einen Abschnitt "Planung der Baustelle" mit
ben, unqualifiziertes Personal, mangelhafte oder der Darstellung der ggf. verschiedenen Einrich-

Baubetrieb 2-217
tungen für ein Bauvorhaben in einem Einrich- schnitte (Bauabschnitte), können für die einzel-
tungsplan und in einen Abschnitt "Betrieb der nen Ablaufabschnitte die Anforderungen an die
Baustelle" mit den überlegungen, die Betriebs- Baustelleneinrichtung erfaßt werden. Die Glie-
mittel optimal auf der Baustelle einzusetzen. derung des Arbeitsverzeichnisses legt somit die
ggf. unterschiedlichen Baustelleneinrichtungs-
2.5.3.1 phasen für ein Bauvorhaben fest.
Planung der Baustelle Für die einzelne Einrichtungsphase ist im
nächsten Planungsschritt die Maschine oder das
Da Baustellen ortsveränderlich sind und mit je- Gerät zu wählen, welches den Fertigungsablauf
dem neuen Bauvorhaben neue Anforderungen maßgeblich bestimmt. In der Regel werden dies
an ihre Einrichtung gestellt werden, sind die Ein- der Kran oder eine Erdbaumaschine (z.B. ein
flüsse auf die Baustelle immer wieder neu zu be- Bagger) sein. Die Auswahl der weiteren Einrich-
achten. Die Baustelleneinrichtung ist ein Puzzle, tungselemente folgt anschließend und richtet
das aus mehreren Teilen besteht: Wird ein Teil sich z. T. nach den Anforderungen des gewählten
nicht beachtet, ist eine wirtschaftliche und ra- Geräts. In einer Einrichtungszeichnung werden
tionelle Fertigung nicht möglich. alle Elemente erfaßt und so optimal wie möglich
Das Ziel der Planung einer Baustelleneinrich- zueinander ausgerichtet.
tung ist der optimale Betrieb der Produktions-
faktoren Mensch, Betriebsmittel und Arbeits- 2.5.3.2
gegenstand. Neben der Witterung hat der Bau- Erstellen eines Arbeitsverzeichnisses
herr mit seinen Vorstellungen über Termine,
Kosten und Qualität, die im Vertrag und im Lei- Für die Planung, Steuerung und Gestaltung ei-
stungsverzeichnis dokumentiert sind, Einfluß nes Bauvorhabens ist es sinnvoll, dieses in über-
auf diese Produktionsfaktoren. Die Natur mit sehaubare Abschnitte zu gliedern. Es macht je-
ihrem Bestand an Bäumen und Sträuchern, die doch keinen Sinn, ein Bauvorhaben vor Arbeits-
Art des Bodens, aber auch die Umgebung müs- beginn bis ins Detail nach fertigungstechnischen
sen beachtet werden. Die Öffentlichkeit, ihr Gesichtspunkten zu planen, da die Änderungen
Schutz vor Lärm und Schmutz sowie die gesetz- während der Bauausführung vielfältig sein kön-
lichen Regelungen für die öffentliche und bau- nen. Entsprechend wird das Arbeitsverzeichnis
stelleninterne Sicherheit sind zu beachten. Ein- in die drei Planungsebenen Grobplanung, Ab-
fluß hat auch die Art des Bauwerks: Wird ein laufplanung und Arbeitsstudium unterteilt. Die
Wohnhaus, ein Hochhaus, eine Straße, eine Bildung von arbeitstechnisch sinnvollen Ablauf-
Brücke oder eine Kanalisation gebaut? Mit wel- abschnitten und die Festlegung der Reihenfolge
chem Bauverfahren wird das Bauwerk erstellt? dieser Ablaufabschnitte in einem Terminstruk-
Mit Ortsbeton, Fertigteilen, Stahlteilen oder ei- turplan ist Aufgabe der Grobplanung. Die Unter-
nem Taktschiebeverfahren? Die Vorgaben für die teilung der Ablaufabschnitte in Bauteile oder be-
Baustelle werden schließlich von der Baufirma stimmte Arbeitsfolgen, die Erfassung des Stun-
gemacht; auch hier sind Termine, Kosten und die denaufwands und die Zahl der Arbeitskräfte so-
Qualität zu beachten. wie eine detaillierte Terminplanung werden in
Entsprechend wichtig ist es, die vertraglichen der Ablaufplanung durchgeführt. Detaillierte
Regelungen und die Anforderungen im Leistungs- Handlungsanweisungen für bestimmte Arbeits-
verzeichnis zu kennen und in der Baustellenein- folgen werden im Arbeitsstudium erstellt.
richtung zu beachten. Des weiteren muß eine ge- Bevor der eigentliche Schritt, die Vorbereitung
naue Ortskenntnis vorliegen, damit die Einflüs- des Arbeitsverzeichnisses, im weiteren erläutert
se der Umgebung beachtet werden können. wird, soll die wesentliche Grundlage, die Bildung
Damit die unterschiedlichen Anforderungen von Ablaufabschnitten, näher beschrieben wer-
der einzelnen Arbeitsverfahren, die innerhalb den: Für die Gliederung eines Bauvorhabens in
des Bauwerks Anwendung finden, erfüllt werden Ablaufabschnitte kann die Methode nach REFA
können, ist es erforderlich, ein Fertigungskonzept (1991) gewählt werden (Abb. 2.5-3). Hierbei ist
(Arbeitsverzeichnis) mit der Unterteilung des eine Unterteilung vom Herstellen einer Indu-
Bauvorhabens in Bauabschnitte (Ablaufabschnit- striehalle bis zum Greifen von einzelnen Werk-
te) zu erstellen. zeugen möglich.
Aufbauend auf dem Arbeitsverzeichnis mit ei- REFA unterscheidet sieben Stufen der Gliede-
ner ersten groben Gliederung der Ablaufab- rung: den Gesamtablauf, den Teilablauf, die Ab-

2-218 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Ablaufabschnitt Arbeitsverzeichnis

Gesamtablauf Häuserblock A, B, C
I
I I I
Tei lablauf Erdgeschtß A, B, C Obergeschoß Dachgeschoß
I I I
Ablaufstufe Mauerwerk Stahlbetondecke Treppen

Vorgang
1.
Wand 36.5
!
Wand 11,5

Abb. 2.5·3 Gliederung eines Bauvorhabens in Ablaufabschnitte

Arbeitsverzeichnis (erste Phase)


Skizze:

Teill Teil2 ~ Obergeschoß

c:JO Erdgeschoß
Teilablauf Ablaufstufe
Erdbau Oberfläche, Fundamente
Sohle Entwässerung, Fundamente, Bodenplane
Erdgeschoß Teil l Mauerwerk,Treppe
Erdgeschoß Teil 2 Mauerwerk
Erdgeschoß Tei l l Stahlbetondecke, -unterzüge
Erdgeschoß Teil 2 Stahlbetondecke, -unterzüge
Obergeschoß Teil1 Mauerwerk
Obergeschoß Teil2 Mauerwerk, Ringanker
Gerüst

Abb. 2.5-4 Arbeitsverzeichnis für Werkhalle in der Planungsphase Rohba u

laufstufe, den Vorgang, den Teilvorgang, die Vor- Welche Arbeiten müssen ausgeführt werden und
gangsstufe und das Vorgangselement. In der in welcher Reihenfolge?
Grobplanung wird das Bauvorhaben in Teilab- Damit diese Frage beantwortet werden kann,
läufe und Ablaufstufen unterteilt. Dabei sollte die wird die Grobplanung in drei Aufgaben unter-
Gliederung nach technologischen und zeitlichen teilt:
Gesichtspunkten erfolgen. "Technologisch" be- - Gewerke festlegen heißt, die wesentlichen Ar-
deutet, daß man das Objekt in einzelne Bauwer- ten (Gewerke) von Arbeiten auf der Baustelle
ke oder bestimmte Bauteile oder bestimmte Ab- zu erfassen und die zugehörigen Bauteile zu
schnitte unterteilt, die technisch einen Zusam- bestimmen, z.B. Stahlbetonarbeiten, Mauer-
menhang bilden und sich von anderen Bauab- werkarbeiten oder Erdbauarbeiten.
schnitten unterscheiden. "Zeitlich" bedeutet, - Das Bauwerk in Ablaufabschnitte gliedern be-
sich nach bestimmten Terminvorgaben zu rich- deutet, den Gesamtablauf entsprechend REFA
ten oder eine vorgegebene Reihenfolge der Be- in Teilabläufe und Ablaufstufen zu unterteilen.
arbeitung einzuhalten. Die Unterteilung ist nach technologischen und
Bei der Erstellung eines Arbeitsverzeichnisses zeitlichen Gesichtspunkten vorzunehmen.
in der Grobplanung muß man sich folgende Fra- - Die Reihenfolge der Ablaufabschnitte festlegen
ge stellen: heißt, einen groben Terminstrukturplan auf

Baubetrieb 2-219
der Grundlage eines Balkenplans zu erstellen. Nachdem die Anforderungen für die Geräte er-
Im Balkenplan sollen nur die Ablaufabschnit- faßt sind, müssen die maximalen Forderungen
te dargestellt werden. Dabei spielt die Dauer zusammengestellt und in einer Auswahl der
der einzelnen Abschnitte zu diesem Zeitpunkt wichtigsten Geräte erfaßt werden. Aus der Glie-
der Planung noch keine Rolle, sondern ledig- derung in Ablaufabschnitte und der Auswahl der
lich die Reihenfolge, in der die einzelnen Teil- Großgeräte werden die Arbeitsfelder der Bau-
abläufe gefertigt werden sollen (Abb. 2.5-4). stelle gebildet. In diese Arbeitsfelder sind die
weiteren Einrichtungselemente einzuplanen.
Planen und Zeichnen der Baustelleneinrichtung Die Arbeitsfelder beschreiben auch die ggf. un-
terschiedlichen Einrichtungsphasen für das
Bevor Geräte und Materialien auf der Baustelle Bauvorhaben. Für diesen Planungsschritt sollte
eingesetzt werden, ist zu klären, welche Geräte man sich folgende Frage stellen:
und sonstigen Elemente benötigt und welche
Anforderungen an sie gestellt werden. Dazu ist Wie muß die Baustelle räumlich in Arbeitsfelder
es erforderlich, die einzelnen Teilabläufe nach gegliedert werden, damit eine optimale Nutzung
ihrem Bedarf an Geräten, Maschinen und Mate- der Geräte möglich ist?
rial zu untersuchen. - Bestimmung der fertigungstechnisch wichti-
Bei der Erfassung sind nur die fertigungs- gen Geräte: festlegen, welches Gerät den Ar-
technisch wichtigen Geräte und Materialien zu- beitsablauf auf der Baustelle maßgeblich be-
sammenzustellen (z. B. Kran, Erdbaumaschinen, einflußt. Bei Hochbaumaßnahmen ist es i.d.R.
Straßenfertiger oder Schalung). Kleingeräte wie der Kran, bei Kanalisationsarbeiten der Bag-
Rüttler oder Kreissäge können in dieser Phase ger.
vernachlässigt werden und führen nur zu Un- - Anzahl und Lage der Arbeitsfelder bestimmen:
übersichtlichkeit der Planungstätigkeit Für die Bereits in der Grobplanung kann ein großflä-
Ausführung dieser Aufgabe muß somit folgende chiges Bauvorhaben bei seiner Gliederung in
Frage gestellt werden: Teilabläufe eine Arbeitsfeldstruktur erhalten;
insbesondere im Tiefbau kann man die ge-
Welches Gerät und Material wird pro Ablaufab- wählten Ablaufabschnitte auch als Arbeitsfel-
schnitt benötigt? der übernehmen. Soweit dies nicht geschehen
- Notwendige Geräte und Materialien pro Ab- ist, muß für die Baustelle die Anzahl, Lage und
laufabschnitt benennen: Für jeden Teilablauf Größe der Arbeitsfelder bestimmt werden.
ist das notwendige Gerät und Material, das für Das Arbeitsfeld richtet sich nach der Art des
die Ausführung dieses Teilablaufs benötigt fertigungstechnisch wichtigsten Geräts.
wird, aufzuzählen. Hierzu sollte bei den ein- - Leistungswerte der gewählten Großgeräte für
zelnen Ablaufstufen geprüft werden, was für jedes Arbeitsfeld ermitteln: Damit ein Gerät
ihre Ausführung erforderlich ist. Bei der Aus- für ein Arbeitsfeld ausgewählt und vom Bau-
wahl der Geräte sollten nur die wesentlichen hofbereitgestellt werden kann, sind die erfor-
Geräte erfaßt werden. Eine genaue Abgren- derlichen Leistungskennwerte zu ermitteln.
zung, was wesentliche Geräte sind, ist nicht
immer eindeutig möglich. Neben den ausgewählten Großgeräten werden
- Anforderungen von Seiten der Baustelle an für den Betrieb einer Baustelle weitere Elemente
Material und Gerät zusammenstellen: Für je- wie Werkplätze, Lägerflächen, Verkehrseinrich-
den Teilablauf ist zu prüfen, welche Anforde- tungen, Sozialeinrichtungen, Strom- und Was-
rungen in Form von Menge, Höhe, Weite, Ge- serversorgung, Sicherung der Baustelle und die
wicht der Geräte bzw. des Materials gestellt Abfallentsorgung benötigt. Diese Elemente kön-
werden. nen in jedem Arbeitsfeld vorhanden sein, im
- Leistungen der Geräte und des Materials er- Schnittbereich von Arbeitsfeldern liegen oder
fassen: Für jeden Teilablauf sind aus den An- allgemeine zentrale Einrichtungen sein. Die Fra-
forderungen Leistungswerte zusammenzu- ge zu diesem Planungsschritt lautet:
stellen. Bei Geräten beziehen sie sich beispiels-
weise auf Angaben des Lastmoments, der Welche sonstigen Elemente werden benötigt?
Schaufelgröße oder des Leistungswertes, bei Das Hilfsmittel zur Beantwortung dieser Frage
Materialien auf die erforderliche Menge oder ist die Anforderungsliste aus der Aufgabe "An-
den Flächenbedarf (Tabelle 2.5-2). forderungen der Ablaufabschnitte erfassen".

2-220 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.5-2 Zusammenfass ung der Anforderungen der einzelnen Ablaufabschnitte (Auszug)

Nr. Ablaufabschnitt notwendige Anforderungen an Leistung Platzbedarf


der des
Geräte Materials
Teilablauf Ablaufstufe Geräte Materialien Geräte Materialien
1 2 3 4 s 6 7 8 9
1 Erdbau Oberfläche Erde 100m3 Deponie
Asphalt 20m2 Entsorgung
Fundamente Bagger Tieflöffel
b = 0.8
2 Sohle Entwässerung Bagger Rohre PVC 200m S,Ox 2,0m
Verbaueinheit Rohre Stzg 18m
Sand/Kiese 45m 3
Schachtteile
Fundamente Kran Beton A: 30m, 65m3
H:15m
Schalung Stahl 250m2 Flechtplatz
Sohle Pumpe Beton A: 40m 120m3

Hier wurden bereits für die einzelnen Teilabläu- sondere ist zu beachten, daß nicht jede Baustel-
fe die Merkmale der notwendigen sonstigen Ele- le alle sonstigen Elemente benötigt.
mente erfaßt. Ziel des Planungsschrittes "Son- Im letzten Schritt zur Vorbereitung einer Bau-
stige Elemente wählen" ist somit deren Zusam- stelle sind die einzelnen Einrichtungselemente
menfassung und Festlegung. um die geplante Baumaßnahme anzuordnen.
Für die erforderlichen Werkplätze (z.B. Scha- Zielsetzung dieser Anordnung ist es, einen
lung oder Fertigteile) sind die Abmessungen zu gleichmäßigen Arbeitsfluß auf der Baustelle zu
ermitteln, und es ist festzulegen, welche beson- ermöglichen. Entsprechend dieser Vorgehens-
deren Maßnahmen (z. B. überwachungoder Um- weise sind die Beziehungen der einzelnen Bau-
zäunung) angeordnet werden sollen. Bei Lager- stellenelemente untereinander, zur Baustraße,
flächen ist zu bestimmen, was im einzelnen ge- zum Arbeitsfeld und zum Massenschwerpunkt
lagert werden soll; zudem sind die Lagerfläche des Bauwerks zu prüfen. Die entsprechende Fra-
und das Lagervolumen zu bestimmen. Die Ver- ge zum Schritt"Elemente der Baustelleneinrich-
kehrsführunginnerhalb der Baustelle ist festzu- tung zuordnen und zeichnen" muß somit lauten:
legen. Wo liegt die Einfahrt, wo die Ausfahrt? Wie
wird der Untergrund befestigt? Des weiteren ist Wie können die Elemente den einzelnen Arbeits-
auch festzulegen, wie die Verkehrsführung im öf- feldern zugeordnet werden?
fentlichen Bereich erfolgen soll. Die sozialen Damit die vorgenannten Grundsätze einfacher
Einrichtungen (z.B. Tagesunterkünfte und WC- erfaßt werden können, empfiehlt sich folgende
Anlagen) sind entsprechend den gesetzlichen Vorgehensweise:
Rahmenbedingungen zu wählen, und es ist fest- - Feste Bauwerke: In den Einrichtungsplan alle
zulegen, welche Büroeinrichtungen für die Bau- Teile einzeichnen, auf die man während der
leitung benötigt werden. Für die Wasserversor- Bauphase keinen oder nur geringen Einfluß
gung sind die erforderlichen Wassermengen, hat. Dies sind das zukünftige Bauwerk, feste
Leitungsquerschnitte und der Leitungsverlauf Bereiche wie Bäume, Sträucher oder Straßen
innerhalb des Baugeländes zu bestimmen. Aus und die Baugrube.
der Zusammenstellung der Großgeräte ergibt - Großgeräte mit Arbeitsfeld: Die einzelnen Ar-
sich der elektrische Energieverbrauch, der bei beitsfelder eintragen und den Bewegungs-
Ermittlung der Ampereleistung und der Quer- raum der Großgeräte einzeichnen (beim Kran
schnittswerte des Stromkabels zu beachten ist. die Auslegerlänge und den Kreisumfang, beim
Die Auswahl der sonstigen Elemente wird für Bagger die Fahrstraße 11nd den Schwenkbe-
jede Baustelle unterschiedlich ausfallen. Insbe- reich).

Baubetrieb 2-221
- Verkehrswege, Werk- und Lagerplätze: Ver- Zusammenhang als ein Iterationsverfahren zu
kehrswege festlegen, die Werk- und Lager- betrachten, d. h., es wird immer wieder zu Ände-
plätze einzeichnen. rungen und Erweiterungen in der Dokumenta-
- Sozialeinrichtungen und Versorgungsleitun- tion der einzelnen Schritte kommen. Eine strik-
gen: Tagesunterkünfte, WC-Anlagen und Bü- te Trennung der einzelnen Planungsschritte ist
roeinrichtungen einzeichnen. Beim Büro der nicht möglich und sollte von der planenden Per-
Bauaufsicht sollte darauf geachtet werden, daß son auch nicht vorgenommen werden (Abb.
es einen Standort hat, von dem aus die Bau- 2.5-5 und Tabelle 2.5-4).
stelle gut einsehbar ist. Die Versorgungslei-
tungen und die Standorte der Elektroschränke 2.5.3:3
sind ebenfalls einzuzeichnen und die Schutz- Betrieb der Baustelle
maßnahmen gegen Beschädigungen zu be-
nennen. Beim Betrieb einer Baustelle sind der Massen-
- Geräteliste: Nachdem alle Elemente festgelegt schwerpunkt des Bauwerks, das Arbeitsfeld und
sind, ist eine Geräteliste zu erstellen, damit von die Baustraße die wesentlichen Elemente. Die
Seiten des Bauhofs die erforderlichen Betriebs- Anordnung dieser drei Elemente zueinander und
mittel zur Verfügung gestellt werden können die Zuordnung der weiteren Baustelleneinrich-
(Tabelle 2.5-3 ). tungselemente kann den Baustellenbetrieb ver-
einfachen oder behindern.
Der Einrichtungsplan ist i.d.R. eine Skizze im Die Unfallverhütungsvorschriften der Berufs-
Maßstab 1:250 oder 1:500. Die wesentlichen Bau- genossenschaften für die einzelnen Betriebs-
stelleneinrichtungselemente wie Arbeitsfeld, mittel und die besonderen Betriebsbedingungen
Baustraße, Werkplätze, Lagerflächen sollten ver- der Betriebsmittel sind zu beachten.
maßt und soweit wie möglich maßstäblich in
den Lageplan eingetragen werden. Eine farbliehe Krane
Hinterlegung der verschiedenen Einrichtungs-
elemente ist sinnvoll. Die vier Schritte zur Pla- Problem jeder Baustelle ist der Transport von
nung der Baustelleneinrichtung sind in ihrem Gütern. Es muß ein waagerechter und senkrech-

Tabelle 2.5·3 Zusammenfassung der sonstigen Einrichtungselemente [Böttcher 1997]

Anforderungsliste Sonstiges
Werkplätze Schalungsbau mit Kreissäge
Flechtplatz mit Mattenbügelmaschine und
Mattenständer
Lagerplätze allg. Werkzeugmagazin mit eingezäunter Fläche für Kleinmaterial
Steine40 m l
Stahlmatten 5 x 5 = 25 m l
Fertigteile S,S x 4,4 = 25 m2
Schalung 5 x 4 = 20 ml
Verkehrsführung keine Erfordernisse
Sozialeinrichtungen 1Bauwagen für 6 AK
1 Bauwagen für 6 AK - Subunternehmer
1 WC-Wagen
1 Bürowagen für Polier
Wasser Standrohr der Stadtwerke, Hydrant direkt bei der GrundstOckseinfahrt
Strom Ober Stromverteiler der Stadtwerke, Entfernung200m Kabel Sx 35 mm2
1 Anschlußschrank 100 A, 1Verteilerschrank 100 A
Sicherung keine
Abfall 6 ml Bauschutt
1,5 ml Holz
1,5 t Baustahl

2-222 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Su<henwaße

I "
,---'Tf-----,
Pumpe :: :Geräte u.i: Decken- :
II tMagazin :1 Fertigteile 1
1 II I 11 8X8 I
:1 Mönel II I 1l I
--~--~
rr=-li----~
I
I
I
- - - - - -e
~

17.00

Abb. 2.5-5 Baustelleneinrichtungsplan für die Baustelle einer Werkhalle [Böttcher]

Tabelle 2.5-4 Vorgehensweise bei der Planung der Baustelleneinrichtung

1 Arbeitsverzeichnis Welche Arbeiten müssen a) Gewerke fest legen


vorbereiten ausgeführt werden und b) Bauwerk in Abschnitte gliedern
in welcher Reihenfolge c) Reihenfolge der Ablaufabschnitte festlegen

2 Anforderungen der Welche Geräte und Materialien a) notwendige Geräte und Materialien
Ablaufabschnitte werden pro Ablaufabschnitt b) Anforderungen
erfassen benötigt? c) Leistungen erfassen

3 Großgeräte Welche Geräte bestimmen den a) produktionsbestimmende Großgeräte bestimmen


bestimmen und Arbeitsablauf und wie muß die b) Anzahl und Lage der Arbeitsfelder bestimmen
wählen Baustelle räumlich in Arbeits- c) leistungswert des Hauptgeräts pro Arbeitsfeld
feldergegliedert werden? ermitteln

4 sonstige Elemente Welche sonstigen Elemente Werk- und Lagerplätze. Verkehrswege. Sozialein-
wählen werden benötigt? richtungen, Wasser, Strom, Sicherung und Abfall

5 Einrichtung Wie können die Elemente den a) feste Bauwerke


zuordnen und einzelnen Arbeitsfeldern b) Hauptgerät mit Arbeitsfeld
zeichnen zugeordnet werden? c) Verkehrswege, Werk- und Lagerplätze
d) Sozialeinrichtungen und Versorgungsleitungen
e) Geräteliste erstellen

Baubetrieb 2-223
ter Transport möglich gemacht werden. Dies er- das Material selber auf den Lagerflächen abladen?
folgt i. d. R. mit dem Kran. Die Merkmale zur Aus- Wird der baustelleninterne Transport durch die
wahl eines Kranes sind seine Auslegerlänge und Verkehrsführung behindert? Die Verkehrswege
die Tragfähigkeit an der Spitze des Auslegers. sind so anzulegen, daß alle Lagerflächen mit ei-
Das Arbeitsfeld eines Kranes wird durch die Aus- nem Lkw-Kran erreicht werden können und die
legerweite und die Kranbahnlänge bestimmt. Es Fahrzeuge das Gelände wieder einfach verlassen
sollte darauf geachtet werden, daß dieses Ar- können. Den wichtigsten Lieferanten sollte eine
beitsfeld mit der Gliederung des Bauwerks in Anfahrtsskizze zur Baustelle zur Verfügung ge-
Teilabläufe oder Ablaufstufen übereinstimmt. stellt werden.

Bagger Sozial- und Büroeinrichtungen

Im Tief- und Straßenbau ist der Einsatz eines Für die Mannschaften sind Tagesunterkünfte
Kranes als Transportmittel nicht sinnvoll. Hier und WC-Anlagen bereitzustellen. Die Anforde-
ist der Bagger das wesentliche Gerät zur Bear- rungen sind in den Bestimmungen der Arbeits-
beitung des Bauwerks. Die Auswahl eines Bag- stättenverordnung geregelt. Im Sinne einer gut-
gers richtet sich nach seiner Löffelgröße, der en Arbeitsmoral sollte auf Sauberkeit und aus-
Reichweite des Baggerarmes, dem Fahrwerk reichenden Platz geachtet werden. Auch das Bild
(Raupe oder Reifen) und der Tragfähigkeit des einer Bauunternehmung nach außen und zum
Baggerarms. Das Arbeitsfeld eines Baggers wird Kunden wird oft über die Sozialeinrichtungen
bestimmt von der Reichweite des Baggerarms der Baustelle geprägt. Beim Aufbau der Sozial-
und der Fahrweglänge. einrichtungen ist darauf zu achten, daß diese
nicht im Einfahrtsbereich der Baustelle stehen
Werkplätze und Lagerflächen und somit die Zufahrt zur Baustelle behindern.
Für die Bauleitung und die Poliere sollten ent-
Der wesentliche Arbeitsplatz ist das Bauwerk. sprechende Büroräume vorgesehen werden.
Hier werden die Arbeiten an den Bauteilen direkt Hier ist es wichtig, aus dem Büro einen guten
durchgeführt. Trotzdem kann es erforderlich Überblick über die Baustelle und die Einfahrt
sein, daß eine Vormontage von Schalungsteilen zur Baustelle zu haben.
oder Bewehrungskörben erforderlich ist. In die-
sem Fall sind Werkplätze einzurichten. Dabei ist 2.5.4
darauf zu achten, daß die Werkplätze in der Ab- Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit
schätzung der Größe und der Lage zum Bauwerk (Arbeitsschutz)
optimal angeordnet werden.
Die Lagerung von Schalung, Steinen sowie 2.5.4.1
sonstigen Geräten und Verbrauchsmaterialien Einführung
ist auf der Baustelle notwendig. Bei der Wahl der
Lagerfläche müssen die Größe der Fläche und der Die Verhütung von ArbeitsunHillen, Berufskrank-
Zeitraum der Nutzung beachtet werden. Beim heiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefah-
Betrieb der Baustelle ist es wichtig, das einmal ren soll die Beschäftigten vor schädigenden Ein-
gewählte Ordnungsschema auch einzuhalten. wirkungen bei der Arbeit schützen. Versagt die-
Für eine kurzfristige Zwischenlagerung (zwei bis ser Schutz, entstehen neben dem Leid des Betrof-
fünf Stunden) sollte eine gesonderte Fläche im- fenen auch Opfer für seine Familienangehörigen
mer vorgehalten werden, damit Störungen im sowie Schäden für die Volkswirtschaft. Dement-
Betriebsablauf durch Zwischenlagerungen ab- sprechend macht Arbeitsschutz in vielerlei Hin-
gefangen werden können. sicht Sinn und wurde bereits im 19. Jahrhundert
in Deutschland gesetzlich verankert. Seitdem
Baustellenverkehr werden die Anforderungen des Arbeitsschutzes
im Zusammenwirken aller Beteiligten immer
Wie soll die Anlieferung von Material zur Bau- wieder der sich laufend ändernden Arbeitswelt
stelle erfolgen? Die Art, wie der Verkehr über die angepaßt. Auch die Europäische Union hat den
Baustelle geführt wird, kann dazu beitragen, daß Arbeitsschutz zu einem Ziel ihrer Politik erklärt
Behinderungen im Produktionsablauf verhin- und hierzu entsprechende Richtlinien erlassen,
dert werden. Inwieweit können die Fahrzeuge die in nationales Recht umzusetzen sind.

2-224 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Für die Beachtung, Anwendung und Durch- arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren mehr Be-
setzung des aktuellen Regelwerks trägt der Unter- achtung zu schenken.
nehmer die originäre Verantwortung in seinem Die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen
Betrieb. Die staatlichen Arbeitsschutzbehörden des Staates wird von den staatlichen Arbeits-
und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger schutzbehörden der Bundesländer überwacht.
beraten und beaufsichtigen den Unternehmer Vor allem durch Besichtigungen, Unfalluntersu-
bei dieser verantwortungsvollen Tätigkeit. chungen, aber auch durch Prüfung der gesetzlich
vorgeschriebenen Anzeigen nimmt die Gewer-
2.5.4.2 beaufsicht ihre Überwachungs- und Kontroll-
Staatliche Arbeitsschutzbehörden und aufgaben wahr. Dabei verfügen die Gewerbeauf-
Berufsgenossenschaften sichtsbeamten über alle amtlichen Befugnisse
der Ortspolizeibehörden zur Durchsetzung der
In Deutschland prägt der Dualismus von Staat Vorschriften. So haben sie das Recht, unangemel-
und Unfallversicherung das außerbetriebliche det und jederzeit Betriebsbesichtigungen und
Arbeitsschutzsystem; er bezieht sich sowohl auf -prüfungen vorzunehmen sowie Einsicht in Be-
die Rechtsetzung als auch auf die Aufsichtstätig- triebsunterlagen zu nehmen. Bei Verstößen ge-
keit So haben die Unternehmen der Bauwirt- gen Arbeitsschutzbestimmungen haben sie An-
schaft nicht nur die Gesetze und Verordnungen ordnungs-, Untersagungs- und Stillegungsbe-
des Staates zu beachten, sondern auch das von fugnisse. Sind bußgeldbewehrte Tatbestände be-
den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern er- troffen, können diese mit entsprechendem Buß-
lassene und vom Bundesministerium für Arbeit geld geahndet werden.
und Soziales genehmigte Regelwerk zum Arbeits-
schutz. In der Ausübung der Aufsichtstätigkeiten Berufsgenossenschaften
arbeiten die staatlichen Aufsichtsbehörden eng
mit den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern Die gesetzliche Unfallversicherung ist ein Zweig
zusammen, stimmen sich ab und ergänzen ein- der Sozialversicherung. Wie bei den anderen So-
ander. zialversicherungen, der Kranken-, Renten-, Ar-
beitslosen- und Pflegeversicherung handelt es
Staatliche Arbeitsschutzbehörden sich um eine Pflichtversicherung, d.h. kraft Ge-
setzes sind die Beschäftigten eines jeden Unter-
Gemäß Artikel 74 des Grundgesetzes liegt die nehmens gegen die Folgen von Arbeitsunfällen
Rechtsetzungskompetenz für den Arbeitsschutz und Berufskrankheiten versichert.
beim Bund. Aus Sicht des betrieblichen Arbeits- Träger der Unfallversicherung für die gewerb-
schutzes im Bauwesen finden v. a. folgende Geset- liche Wirtschaft sind die nach Branchen geglie-
ze und Verordnungen Anwendung: derten 35 gewerblichen Berufsgenossenschaften
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), (BG). Als Körperschaften des öffentlichen Rechts
- Baustellenverordnung (BaustellV), führen sie die ihnen durch Gesetz übertragenen
- Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), Aufgaben in eigener Verantwortung und unter
- Gerätesicherheitsgesetz (GSG), staatlicher Aufsicht durch. Die Verwaltung ob-
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), liegt den paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeit-
- Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), nehmervertretern besetzten Selbstverwaltungs-
- Gefahrguttransportverordnungen. organen.
Gesetzliche Grundlage der Unfallversicherung
Mit dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vom ist das Sozialgesetzbuch (SGB). Zur effektiven
20.08.1996 und den daraufbasierenden Rechts- Koordination ihrer Tätigkeiten haben sich die
verordnungen wurde die EG-Arbeitsschutzrah- gewerblichen BG im Hauptverband der gewerb-
menrichtlinie 89/391 EWG in nationales Recht lichen Berufsgenossenschaften e.V. zusammen-
umgesetzt; damit wurden zusätzliche Arbeits- geschlossen.
schutzmaßnahmen gesetzlich verankert. So wer- Die im SGB VII aufgeführten Aufgaben der Be-
den die Arbeitgeber zur frühzeitigen Gefähr- rufsgenossenschaften lassen sich in die zwei
dungsbeurteilung der Arbeitsplätze genauso Hauptaufgaben Prävention sowie Rehabilitation
verpflichtet wie zur Sicherstellung einer geeig- und Entschädigung einteilen. Prävention bein-
neten innerbetrieblichen Arbeitsschutzorgani- haltet die Verhütung von Arbeitsunfällen und
sation (s. 2.5.4.3). Darüber hinaus ist künftig den Berufskrankheiten sowie von arbeitsbedingten

Baubetrieb 2-225
Gesundheitsgefahren. Rehabilitation und Ent- sen werden. Bei gravierenden oder wiederholten
schädigung erfordern nach Eintritt von Arbeits- Verstößen gegen UVV oder erteilte Anordnun-
unfällen oder Berufskrankheiten die Wiederher- gen können Bußgelder bis zu 20000 DM gegen
stellung der Gesundheit und der Leistungsfähig- Unternehmer oder Versicherte verhängt werden.
keit der Versicherten sowie die Entschädigung
durch Geldleistungen. 2.5.4.3
Erfolgreiche Präventionsarbeit beeinflußt den Planung und Organisation des Arbeitsschutzes
Leistungsumfang der Rehabilitation und Ent- im Betrieb und auf Baustellen
schädigung entscheidend und wird von den Be-
rufsgenossenschaften intensiv gepflegt. Die in Linienverantwortung
der Prävention zu leistenden vielfältigen Aufga-
ben obliegen in erster Linie dem Technischen Auf- Der Unternehmer bestimmt die Produktions-
sichtsdienst der Berufsgenossenschaften und hier ziele, er verfügt über die Mittel und die betrieb-
besonders den Aufsichtspersonen (TAB Techni- lichen Einrichtungen und er legt die Geschäfts-
sche Aufsichtsbeamte) der BG: politik fest. Infolge dieses weitreichenden Ein-
- Überwachung der Einhaltung von Regeln für flusses trägt er vor allen anderen die Verantwor-
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz auf tung für den Arbeitsschutz im Betrieb. Dies ist
den Baustellen und Werkhöfen; ihm durch die Rechtsordnung verbindlich auf-
- Beratung der am Bau Beteiligten in Fragen des erlegt (z.B. in § 618 BGB und in § 3 ArbSchG).
Arbeitsschutzes; Demnach hat er die Pflicht, die Arbeitsplätze und
- Unfalluntersuchungen, um aus Unfällen für die Arbeitsabläufe so zu gestalten, daß die Be-
die Zukunft zu lernen; schäftigten gegen Gefahren für Leben und Ge-
- Aus- und Fortbildung, Vorträge, Veranstaltung sundheit geschützt sind.
von Fachtagungen; Hierzu gehört eine geeignete Organisation mit
- Messung von Belastungen, um arbeitsbeding- eindeutigen Regelungen der Aufgaben, Zustän-
te Erkrankungen zu verhindern; digkeiten und Verantwortungen auf allen Hier-
- Unterstützung bei Prüfungen von Baumaschi- archieebenen des Unternehmens. Sollen Aufga-
nen und Geräten sowie Beratung der Herstel- ben des Arbeitsschutzes auf Beschäftigte über-
ler; tragen werden, so hat sich der Unternehmer von
- ErarbeitungundAktualisierungvon Unfallver- der Eignung und der Befähigung des ausgewähl-
hütungsvorschriften (UVV) und BG-Regeln ten Mitarbeiters für diese Aufgabe zu überzeu-
für den Arbeitsschutz; gen. Die Pflichtenübertragung ist schriftlich vor-
- Mitwirkung bei der Erarbeitung von arbeits- zunehmen. Davon abgesehen sind Vorgesetzte
schutzrelevanten Normen auf nationaler und und Aufsichtführende schon aufgrundihres Ar-
internationaler Ebene; beitsvertrags verpflichtet, im Rahmen ihrer Be-
- enge Zusammenarbeit mit Arbeitsmedizinern; fugnisse erforderliche Anordnungen und Maß-
- Initiierung und Betreuung von Forschungs- nahmen zum Arbeitsschutz zu treffen und dafür
vorhaben; zu sorgen, daß sie befolgt werden.
- Erarbeitung und Bereitstellung von Informa- Auch die nicht in Führungsverantwortung ste-
tionsmateriaL henden Beschäftigten haben alle dem Arbeits-
schutz dienenden Maßnahmen zu unterstützen.
Grundlage für die Überwachung und Beratung Sie sind z.B. verpflichtet, Weisungen des Unter-
durch die Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) nehmers zum Zwecke des Arbeitsschutzes zu be-
sind die branchenbezogenen und praxisnahen folgen und haben die zur Verfügung gestellten
Unfallverhütungsvorschriften (UVV), die für die persönlichen Schutzausrüstungen zu benutzen.
Betriebe verbindliches Recht darstellen. Wie die Auf erkannte sicherheitstechnische Mängel von
Gewerbeaufsichtsbeamten haben auch die Auf- Maschinen, Geräten oder sonstigen Einrichtun-
sichtspersonen der BG hoheitliche Befugnisse, gen haben sie hinzuweisen.
um die erforderlichen Maßnahmen des Arbeits-
schutzes durchzusetzen. Bei Betriebsbesichtigun- Betriebliche Arbeitsschutzexperten
gen werden die Unternehmer und Versicherten
in erster Linie beraten und unterstützt, es kön- Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) fordert vom
nen aber auch Auflagen erteilt oder im Ausnah- Arbeitgeber die Bestellung von Betriebsärzten
mefall sofort vollziehbare Anordnungen erlas- und Fachkräften für Arbeitssicherheit. Diese Ar-

2-226 Bauwirtschaft und Baubetrieb


beitsschutzexperten sollen den Unternehmer in Sicherheitsgesetz (ASiG) ebenfalls vom Arbeitge-
allen Fragen der Arbeitssicherheit und des Ge- ber zu bestellen ist.
sundheitsschutzes sowie der menschengerechten
Gestaltung der Arbeit unterstützen und beraten. Koordination des Arbeitsschutzes
Sie haben keine Entscheidungsbefugnisse zur
Anordnung von Arbeitsschutzmaßnahmen und Auf Baustellen kommen oft mehrere Gewerke
tragen keine Führungsverantwortung. Es han- gleichzeitig zum Einsatz. Um gegenseitige Ge-
delt sich vom Ansatz her also um klassische fährdungen der Beschäftigten unterschiedlicher
Stabsstellen mit gesetzlich vorgegebenen Anfor- Unternehmen auszuschließen, müssen die jewei-
derungs- und Qualifikationsprofilen. Auch die ligenArbeitgeber gemäߧ 8ArbSchG und§ 6 (2)
Mindesteinsatzzeiten dieser Arbeitsschutzex- der Unfallverhütungsvorschrift VBG 1 zusam-
perten sind in den Unfallverhütungsvorschrif- menarbeiten und Maßnahmen zur Verhütung
ten VBG 122 und VBG 123 vorgegeben. Sie hän- dieser Gefahren abstimmen. Vergibt ein Unter-
gen ab von der Unternehmensgröße und der Ge- nehmer Arbeiten an andere Unternehmen, dann
fährlichkeit der im Betrieb zu verrichtenden Ar- hat er gemäß VBG 1 § 6 ( 1) einen Koordinator zu
beiten. bestimmen, der die Arbeiten aufeinander ab-
Die Unternehmen haben die Wahl, ob sie einen stimmt. Der Unternehmer hat außerdem dafür
geeigneten Mitarbeiter zur Fachkraft für Arbeits- zu sorgen, daß diese Person Weisungsbefugnis
sicherheit ausbilden lassen oder ob sie eine ex- gegenüber seinen Subauftragnehmern und de-
terne FaSi mit der entsprechenden Dienstleistung ren Beschäftigten hat.
beauftragen. In kleinen Unternehmen k;mn sich Die Baustellenverordnung (BaustellV) vom
unter bestimmten Voraussetzungen, die in der 10.06.1998 fordert darüber hinaus unter be-
Unfallverhütungsvorschrift VBG 122 genannt stimmten Bedingungen bereits in der frühen
sind, der Unternehmer soweit schulen lassen, Planungsphase die Bestellung eines Koordinators
daß er eventuellen Beratungsbedarf selbst recht- durch den Bauherrn. Dieser Sicherheits- und Ge-
zeitig erkennt und auf eine Regelbetreuung ver- sundheitsschutzkoordinator, der auch in der Aus-
zichtet werden kann. führungsphase tätig sein soll, entbindet die Bau-
Zur arbeitsmedizinischen Betreuung der Be- unternehmen jedoch nicht von ihren vorge-
triebe haben die Berufsgenossenschaften der nannten und allen anderen Arbeitsschutzver-
Bauwirtschaft den arbeitsmedizinischen Dienst pflichtungen.
(AMD) eingerichtet. Das Leistungsspektrum des
AMD reicht von der Untersuchung der Arbeitneh- Gefährdungsbeurteilung
mer über Schulungsangebote bis hin zur Bera-
tung und deckt damit das Anforderungsprofil Um vorbeugende Maßnahmen zum Arbeits-
des Arbeitssicherheitsgesetzes ab. Die meisten schutz der Beschäftigten ergreifen zu können,
Mitgliedsunternehmen sind dem AMD ange- bedarf es einer frühzeitigen und regelmäßigen
schlossen, nur wenige haben einen eigenen Be- Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz. Die-
triebsarzt bestellt. sem grundlegenden Gedanken folgend, verpflich-
Neben der Fachkraft für Arbeitssicherheit und tet das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vom
dem Betriebsarzt sind gemäß § 22 Sozialgesetz- 20.08.1996 alle Arbeitgeber, Gefährdungsbeur-
buch VII (SGB VII) in Unternehmen mit regel- teilungen nach folgendem Schema durchzufüh-
mäßig mehr als 20 Beschäftigten Sicherheitsbe- ren:
auftragte auszubilden und zu bestellen. Sie wer- - Ermittlung von arbeitsbedingten Gefährdun-
den in ihrem unmittelbaren Arbeitsbereich tätig gen der Beschäftigten,
und unterstützen den Unternehmer, indem sie - Beurteilung der ermittelten Gefährdungen,
z. B. auf die ordnungsgemäße Benutzung der - Einleitung von Maßnahmen zur Gewährlei-
vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen achten stung des Arbeitsschutzes,
sowie auf Unfall- und Gesundheitsgefahren auf- - Überprüfung der eingeleiteten Maßnahmen
merksam machen. und eventuell Veranlassung von Korrekturm-
Die genannten Arbeitsschutzexperten beraten aßnahmen,
mindestens einmal vierteljährlich gemeinsam - Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
mit dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat die ak- in Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftig-
tue11en Anliegen des betrieblichen Arbeitsschut- ten, wobei gleichartige Gefährdungen zusam-
zes im Arbeitsschutzausschuß, der gemäß Arbeits- mengefaßt werden können.

Baubetrieb 2-227
Zur Unterstützung der Bauunternehmen haben - frühzeitige Fehlererkennung und -beseitigung
die Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft (Audits, Gefährdungsbeurteilung, Toolbox
leicht handhabbare Unterlagen zur Gefährdungs- Meetings},
beurteilung entwickelt. Für kleine und meist spe- - rasch greifende Korrekturmaßnahmen (Fol-
zialisierte Betriebe werden komplette, gewerke- low up, Unfallanalyse),
bezogene Gefährdungskataloge angeboten, wäh- - Einbeziehung und Qualifikation aller Mitar-
rend für mittlere und große Bauunternehmen beiter (Unterweisung, Schulung, Mitarbeiter-
modular aufgebaute Kataloge bereitliegen. Hier beteiligung).
können die Unternehmen die für sie zutreffenden
Arbeitsblätter entsprechend ihrem Angebots- Die genannten Parallelen zeigen, daß es Sinn
spektrum auswählen und bearbeiten. macht, das Arbeitsschutzmanagement in das be-
Projektabhängig kann eine frühzeitige Gefähr- triebliche Gesamtsystem zu integrieren und un-
dungsbeurteilung entscheidende Erkenntnisse effektive Insellösungen zu vermeiden. Die Vor-
für die Angebotskalkulation ergeben. Meist wird teile des ganzheitlichen Ansatzes liegen auf der
es aber ausreichen, die Gefährdungsbeurteilun- Hand: Das Regelwerk zum Arbeitsschutz wird
gen im Rahmen der Arbeitsvorbereitung bau- nicht mehr isoliert betrachtet, sondern findet
stellenbezogen vorzunehmen und die entspre- Eingang in die entsprechenden Passagen des Qua-
chenden Sicherheitseinrichtungen und persön- litätsmanagementhandbuchs sowie in Verfah-
lichen Schutzausrüstungen vor Baubeginn zu rens- und Arbeitsanweisungen. Die Chancen für
planen und bereitzustellen. Der in der Ausfüh- eine intensivere Anwendung der UVV in der täg-
rungsphase tätige Bauleiter muß dann für die lichen Baupraxis und damit für eine Minderung
Anwendung sorgen und bei unvorhergesehenen der Unfallzahlen am Bau verbessern sich mit die-
Änderungen der Arbeitsbedingungen eine er- sem integralen Ansatz.
neute Gefährdungsbeurteilung durchführen. Neben den gesetzlichen Forderungen zum Ar-
beitsschutz verlangen inzwischen einige Indu-
Integriertes Arbeitsschutzmanagement striezweige von Anbietern einen Qualitätsnach-
weis für ihren innerbetrieblichen Arbeitsschutz
Sowohl im gesetzlich geregelten Bereich als auch in Form eines Zertifikats. So wurde in Deutsch-
im freien Wirtschaftsmarkt müssen sich die Bau- land ein Arbeitsschutzmanagementsystem
unternehmen mit neuen Managementforderun- (AMS) unter der Bezeichnung"Sicherheits-Cer-
gen befassen. Das Arbeitsschutzgesetz bezeich- tifikat-Contraktoren" (SCC) eingeführt. Da an-
net es in§ 3 als eine Grundpflicht des Arbeitgebers, dererseits in nächster Zeit weder auf ISO- noch
für eine geeignete Organisation zur Planung und auf CEN-Ebene mit einer Normung von AMS zu
Durchführung des Arbeitsschutzes zu sorgen so- rechnen ist, scheint sich SCC als Standard in
wie die erforderlichen Mittel hierfür zur Verfü- Deutschland zu etablieren.
gung zu stellen. Damit sollen die Grundlagen für Die für den Arbeitsschutz zuständigen Behör-
funktionierenden Arbeitsschutz geschaffen wer- den, die Unfallversicherungsträger und die So-
den. Gleichlautende Forderungen enthalten die zialpartner bevorzugen allerdings die freiwillige
ISO 9000ff für das Qualitätsmanagement und EinführungvonAMS ohne Zertifizierungszwän-
ISO 14000 ff für das Umweltmanagement: ge.Auch eine Selbstprüfung mit einer Konformi-
- klare Organisationsstrukturen mit eindeuti- tätserklärung der Unternehmensleitung findet
gen Weisungsbefugnissen sowie geregelten Zu- Unterstützung.
ständigkeits- und Verantwortungsbereichen,
- geregelte Informationswege von der Leitung 2.5.4.4
zu den Mitarbeitern und umgekehrt, Zusammenfassung
- strenge Dokumentations- und Nachweispflich-
ten. Baustellen sind europaweit die gefährlichsten
Arbeitsbereiche mit einem hohen Anteil von Un-
In einem funktionierenden Unternehmen sind fallursachen, die bis in die Planungsphase zu-
diese grundlegenden Forderungen erfüllt, wenn rückverfolgt werden können. Dies ist leider fest-
auch nicht immer systematisch dokumentiert. zustellen, obwohl das Regelwerk zum Arbeits-
Das eigentlich Neue an den genannten Manage- schutz geschrieben und in Kraft gesetzt ist und
mentmodellen ist aber die besondere Betonung laufend dem technologischen Fortschritt sowie
der Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen: neuen sicherheitstechnischen und arbeitsmedi-

2-228 Bauwirtschaft und Baubetrieb


zinischen Erkenntnissen angepaßt wird. Doch 2.5.5.3
die Anwendung der in den Vorschriften gesam- Automatisierung und Robotik in
melten Erfahrungswerte ist nur sichergestellt, der Betonfertigteilindustrie
wenn dem Arbeitsschutz ein angemessener Stel-
lenwert im Unternehmen zugebilligt wird. Ar- Nach einer allmählichen Zunahme des Automa-
beitsschutz ist Führungsaufgabe! tisierungsgrades bis in die frühen 70er Jahre be-
wirkte die damals einsetzende Konjunkturflau-
2.5.5 te eine weitgehende Rückkehr zum konventio-
Automatisierung und Robotik nellen Bauen. Zahlreiche Fertigteilwerke mit hö-
im Bauunternehmen herem Automatisierungsgrad mußten jenerzeit
stillgelegt werden.
2.5.5.1 Inzwischen hat ein neuer Entwicklungsschub
Einführung in einzelnen Fällen zum computerunterstützten
Fertigen (CAM Computer Aided Manufacturing)
Für ein wettbewerbsfähiges, marktgerechtes und und in Ansätzen auch schon zum computerinte-
rationelles Bauen sind automatisierte Baupro- grierten Fertigen (CIM Computer Integrated
duktionssysteme zu entwickeln. Dies betrifft so- Manufacturing) von Betonfertigteilen für Dek-
wohl die industrielle Vorfertigung von Bauteilen ken, Wände und Dächer geführt.
als auch die teilautomatische Bauausführung auf Das automatische Betonwerk ist eine Entwick-
der Baustelle. lung zur individuellen, vollautomatischen Vor-
Der zunehmende Planungs-, Qualitäts-, Ter- fertigungvon Beton- und Wandsteinbauelemen-
min- und Kostendruck läßt sich mittels flexibler ten. Das Anwendungsspektrum der gefertigten
Automatisierung mit rechnerintegrierter Pla- Produkte reicht vom Einfamilienhaus mit kom-
nung, Konstruktion, Berechnung, Arbeitsvorbe- plizierter Geometrie bis zur gerasterten Indu-
reitung und Ausführung der Bauprojekte z. T. striehalle.
kompensieren. Die Computertechnik integriert CAD-Pro-
Die Anforderungen an das Bauwesen eines gramme (CAD Computer Aided Design), Pro-
Hochlohnlandes lassen sich nur mit der Anwen- duktionsplanung und -Steuerung (CAM) sowie
dung von Automatisierungstechnologien erfül- Transport- und Verlegeplanung. Der eigentliche
len. Dabei werden Baurobotersysteme als eine Produktionsablauf des Systems ist weitgehend
Schlüsseltechnologie der Automatisierung des roboterisiert. Das Komplettsystem senkt die Per-
Bauens betrachtet. Die aufgrund der Automati- sonalkosten drastisch, optimiert den Material-
sierung zu erwartende Produktivitätszunahme einsatz, verringert die Lieferzeiten und steigert
könnte den hohen Lohnkostenanteil von etwa die Qualität.
40% bis 60% bei Bau- und Sanierungsarbeiten Die Softwarefamilie verfügt über eine einheit-
reduzieren und zu geregelten Arbeitszeiten wäh- liehe Benutzeroberfläche mit Menüsteuerung.
rend des ganzen Jahres führen. Die Einführung CAD-Programme für die Konstruktion von Fer-
der Robotertechnologie würde auch den Arbeits- tigteilen und die statische Berechnung bilden die
und Gesundheitsschutz sowie die Arbeitsbedin- Basis. Die Nutzung der Software beginnt entwe-
gungen verbessern. Die Verkürzung der Bauzei- der mit dem überspielen der Grundrißdaten
ten würde die Kosten-Nutzen-Analysen von oder mit dem manuellen übertragen aus dem
Bauprojekten positiv beeinflussen. Architektenplan, wobei in zahlreichen Logik-
prüfungen Planungsfehler selbsttätig erkannt
2.5.5.2 werden.
Automatisierung der Baustoffproduktion So werden einzelne Deckenelemente unter
Berücksichtigung aller relevanten Optimierungs-
Ein hoher Automatisierungsgrad ist seit Jahren kriterien am Bildschirm auf Schalungspaletten
bei stationären Anlagen zum Herstellen (Zement, positioniert. Dabei werden ungenutzte Scha-
Holz, Stahl usw.) und Mischen von Baustoffen lungsflächen minimiert; die Plattenreihenfolge
(Beton und Asphalt) sowie bei der Serienferti- für den Transport und das Verlegen auf der Bau-
gung standardisierter Betonwaren (Pflasterstei- stelle werden ebenfalls berücksichtigt. Das Pro-
ne, Rohre usw.) erreicht. gramm bietet auch Zusatzmodule für Hohlkör-
per-, Ziegelelement- und Rippendecken. Es er-
möglicht die CAD-Bearbeitung sowohl ein- und

Baubetrieb 2-229
zweischaliger Betonwände als auch von Ziegel-, tete Bewehrungen und Gitterträger automatisch
Liapor- und Kalksteinwänden. eingelegt.
Der Grundriß wird vom Deckenprogramm Der Beton wird unter Erkennung von Ausspa-
übernommen. Die Wandelemente können auf rungen mit einer Maßgenauigkeit der Platten-
Basis desArchitektenplanes in allen Details kon- dicke von 5% eingebracht (Abb. 2.5-7). Die fertig-
struiert und mit den erforderlichen Einbauteilen gerüttelten und aufgeraubten Platten werden
versehen werden. Geschoßpläne lassen sich zur vom Palettenkran automatisch in die Härtekam-
Überprüfung dreidimensional darstellen. Bei mer transportiert. Die Lkw werden derart bela-
Ziegelwänden werden die Produktionsdaten für den, daß die Platten von der Ladefläche direkt
den Mauerwerkroboter zur Verfügung gestellt. versetzt werden können.
Danach werden die Produktionsdaten sämtli- Komplettlösungen sind mit sehr hohen Inve-
cher CAD-Programme der CAM-Komponente stitionskosten verbunden. Die Hersteller solcher
übergeben. Sie steuert und überwacht die Pro- Anlagen müssen deshalb Lösungen für unter-
duktion auf Einzelstationen oder den gesamten schiedliche Anwendungen und Betriebsgrößen
Ablauf. Für die kaufmännische Betriebsleitung konzipieren.
stellt das Programm zahlreiche Kenndaten und
statistische Auswertungen sowie Fehlerproto- 2.5.5.4
kolle zur Verfügung. Eine Lagerverwaltung ist Automatisierung und Robotik in
ebenfalls integriert. der Mauerwerkfertigung
Die automatische Produktion beginnt mit
dem Schalungsroboter MRP (Magazinieren, Rei- Wettbewerbsfähigkeit wird nur noch durch Ver-
nigen, Plotten). Die geometrischen Daten der zu mauern von großformatigen Steinen mit einem
betonierenden Platten werden mit einer Genau- Gewicht bis zu 40 kg und rationelles Arbeiten
igkeit von ±2 mm auf die Palette übertragen, bei der Herstellung von Mauerwerkscheiben er-
diese wird gleichzeitig geölt und anschließend reicht.
mit Schalenelementen versehen (Abb. 2.5-6). Mit Die Produktuntersuchung einer Mauerwerk-
Hilfe eines weiteren Roboters werden vorgerich- scheibe, die aus Ziegel-, Bims- oder Kalksand-
steinen in unterschiedlicher Wanddicke herge-
stellt ist, zeigt bezüglich Maßgenauigkeit, räum-
licher Größe undAusbaumöglichkeiten ähnliche
Kriterien wie die eines Betonfertigteiles. Die
Mauerwerkscheibe ist nach denselben Kriterien
auf der Baustelle zu versetzen und kann im Werk
mit Elektroinstallationen, Fenstern, Rolladenkä-
sten, Rolladen und Innenputz versehen werden.
Ein Großteil der Mauerwerkscheiben findet
im Wohnungsbau Verwendung. Ein Einfamilien-
Abb. 2.5-6 Schalungsroboter beim Setzen der Magne- haus mit100m2 Wohnfläche und Vollunterkel-
te auf dem Schaltisch (Weckenmann)
lerung verfügt über ein Gesamtvolumen von et-
wa 80 m 3 Fertigteile. Davon bestehen 25% aus
Mauerwerkscheiben, wobei im Geschoßbau die-
ser Anteil abnimmt. Die Konkurrenzfähigkeit
wird aber wesentlich von diesen 25% bestimmt,
wenn der kostenintensive Wertschöpfungsanteil
des technischen Ausbaus zum richtigen Zeit-
punkt in die Fertigteilproduktion integriert wird.

Entwicklung

In den Produktionsstätten werden mit halbau-


tomatischen Produktionsanlagen oder vollauto-
Abb. 2.5-7 Fahrergefuhrtes Betonverteilersystem matischen Mauerwerkrobotern unter industri-
(Weckenmann) ellen Betriebsbedingungen individuell geplante
Mauerwerkscheiben hergestellt. Die Kapazität

2-230 Bauwirtschaft und Baubetrieb


einer Einrichtung liegt zwischen 3,5 und 50 m 2
vorgefertigtes Mauerwerk pro Person und Stunde.
Die automatisierten und roboterisierten An-
lagen haben gegenüber der Baustellenfertigung
folgende Vorteile:
- witterungsunabhängiges und kontinuierliches
Arbeiten,
- konstante Arbeitsbedingungen,
- angenehme Arbeitsplätze,
- höhere Produktivität,
- variable Produktion,
- maschinelle Maßkontrolle,
- konstante Qualität, höhere Termin-, Kosten- Abb. 2.5-9 Mauerhilfe mit Mönelauftragschlitten
und Planungssicherheit, (Steinherr)
- Einsparung von Nacharbeiten usw.

Halbautomatisierte Mauerwerkanlagen büros und die Nutzung von CAD/CAM-Syste-


men ermöglichten die Verwirklichung von tech-
An erster Stelle bei der Entwicklung industriel- nisch verfeinerten vollautomatischen Produkti-
ler Produktionssysteme standen teil- bzw. halb- onsanlagen.
automatisierte Produktionsanlagen wie
- stationäre Maurerstände mit Senkbühne, Mauerwerk-Roboteranlage
- stationäre Maurerstände mit Hubbühne,
- fahrbarer Bodenfertiger mit Hubbühne, Der Konstruktion vollautomatischer Mauer-
- fahrbare Paletten mit Hub- und Senkbühnen, werkmaschinell gingen entscheidende techni-
- diverse Hilfseinrichtungen zum Versetzen der sche Entwicklungen voraus. Ein Prototyp wurde
Steine. von der SüBA, Hockenheim, und der Windhoff
AG, Rheine, Anfang der 90er Jahre gemeinsam
Nach auftragsgebundenen und meist handge- entwickelt. Die Mauerwerkscheibenproduktion
fertigten Zeichnungen wurde bei diesen Ar- ist für eine Kapazität von 300 m 2 Mauerwerk-
beitsverfahren darauf geachtet, daß die Arbeits- scheiben-Nettofläche (ohne Fenster und Türaus-
kraft beim Versetzvorgang der Steine die ergo- sparungen) in einer Schicht von acht Stunden
nomisch beste Arbeitsstellung einnehmen kann ausgelegt.
(Abb. 2.5-8). Desweiteren wurden Hilfsmittel wie Die Nutzung von CAD in den Architektur-
Steinsäge, Meßeinrichtungen, Steinversetzgrei- büros ermöglichte die dir~kte Übernahme gro-
fer, Mörtelauftragseinrichtungen (Abb. 2.5-9) ßer Datenmengen zur Erstellung von Mauer-
und Materialtransportwagen zur Arbeitserleich- werkscheibenohne manuelle Eingabe über CAM
terung und Produktionssteigerung eingesetzt. in den Mauerwerkroboter. Bei durchschnittlich
Die Weiterentwicklung in den Konstruktions- 2000 Vorgabedaten für den Automaten, die für
die Herstellung einer Mauerwerkscheibe not-
wendig sind, ist dies eine der wichtigsten Vor-
aussetzungen für die Automatisierung des Mau-
erns.

Mauerwerk-Roboteranlage (Beispiel Lissmac)

Der von Lissmac entwickelte Schwerlastroboter


kann im Vergleich zu Portalrobotern die dop-
pelte Versetzleistung erreichen. Er erlaubt die
Verarbeitung beliebiger Steine, v. a. großforma-
tiger Steine mit hohem Eigengewicht. Die Wand-
Abb. 2.5-8 Stationäre Hubbühne mit Verset2hilfe fläche kann in einem Arbeitszyklus von 20 s her-
(Rimatem) gestellt werden (ggf. auch mehrere Steine auf
einmal, um die Produktivität zu erhöhen).

Baubetrieb 2-231
Aufreihbänder und Sägen der Steine. Um unter- Mauerwerk-Roboteranlage (Beispiel Lingl)
schiedliche Steine in den Greifbereich des Ro-
boters zu führen, werden drei Aufreihbänder in- Die in der rechnergestützten Bauplanung (CAD)
stalliert. Sie sind nebeneinander aufgereiht, so erarbeiteten Daten werden online für die Steue-
daß jeweils ganze und halbe Schnittsteine einem rung der automatisierten Produktionsanlagen
Band zugeordnet werden können. Der Anlagen- übernommen. Während die Systempaletten, auf
bediener erhält Arbeitspapiere, entsprechend denen die Wandelemente aufgebaut und durch
denen er die Steine in der jeweiligen Lage und die Anlage transportiert werden, am Wandteil-
Reihenfolge auf die Bänder gibt. automatenbereitgestellt werden, werden Ziegel-
Das Sägen in der Wandvorfertigungshalle läßt pakete mit entsprechenden Formaten einer
sich weitgehend reduzieren, wenn vorwiegend Transportbahn übergeben und programmge-
konfektionierte Schnittware vom Baustoffhänd- steuert auf verschiedenen Zuführbahnen bereit-
ler bezogen wird. Die Schnittware kann aber gestellt.
auch im eigenen Sägeraum hergestellt werden. Hauptformatziegel werden der Gruppierstrek-
ke direkt, End- und Sägeziegel über Nebenlinien
Mörtelauftrag. Der Roboter holt die Steine von dem Robotergreifbereich zugeführt. Die Neben-
den Aufreihbändern und setzt sie direkt nach der formate werden einer absenkbaren Einschleus-
vorgegebenen Mauerstrategie auf die Ferti- station in der Gruppenstrecke lage- und reihen-
gungspaletten. Je nach Steinsorte wird wahlwei- folgerichtig übergeben bzw. auf einer Steinsäge
se mit Dickbett- oder Dünnbettmörtel gearbei- abgelegt, wenn gesägte Formate benötigt wer-
tet. Der Roboter mauert jeweils eine Lage. Da- den. Die gesägten Ziegel werden ebenfalls der
nach fährt der Mörtelschlitten über die gesamte Einschleusstation übergeben.
Lage und trägt den Dickbettmörtel auf. Beim Auf der Gruppierstrecke werden die Ziegel
Auftrag von Dünnbettmörtel streift der Roboter entsprechend der nächsten Steinlage im Wand-
den gegriffenen Stein mit seiner Unterseite über element exakt positioniert und für den Umsetz-
eine rotierende Rolle, die sich in einem Mörtel- greifer des Wandteilautomaten bereitgestellt.
bad befindet. Während die nächste Steinlage gruppiert und
von einem Hubgerät mit Verfahreinheit auf die
Palettenumlauf Mauertafeln werden auf Ferti- vorhergehende Mauerlage aufgetragen wird,
gungspaletten produziert. Diese Stahlschweiß- übernimmt der Umsetzgreifer die angehobene
konstruktionen sind als Träger ausgeführt, die Steinlage und setzt sie als nächste Mauerlage ex-
mit Ketten und Rollbahnen transportiert wer- akt gesteuert auf das Mörtelbett Dabei wird die
den. In der Position des Roboters wird die Ferti- auf Federelementen angehobene Steinlage so ge-
gungspalette mit hydraulischen Stempeln arre- gen einen Richtbalken des Umsetzgreifers ge-
tiert, so daß die Oberfläche plan zum Aufmau- preßt, daß die Oberseite jeder Steinlage absolut
ern der Wände bereitsteht. Nach jedem Durch- eben ist. Das Vorbereiten spezieller Ausgleichs-
lauf wird die Oberfläche der Palette gesäubert lagen und das Einbringen von Armierungen er-
und geölt. folgen manuell.
Das fertiggemauerte Wandelement wird aus
Nachbearbeitung. Nach dem Mauern verläßt die dem Bereich des Wandteilautomaten in eine Be-
Fertigungspalette den Roboterbereich.An Nach- arbeitungsstation transportiert, in der Rolla-
bearbeitungsplätzen können manuelle Arbeiten denkästen sowie Tür- und Fensterstürze einge-
wie das Einbringen vertikaler Armierungsstäbe bracht werden können. Nach dem Finishing ge-
einschließlich Vergießen, das Zusägen und Ein- langen die fertigen Wandelemente über ein Rol-
setzen von Brüstungssteinen, das Anbringen der lenbahnsystem und einen Automatikkran in den
Deckenrandabschalung sowie Ausbesserungsar- Aushärte- und Lagerbereich. Nach dem Aushär-
beiten durchgeführt werden. Die Arbeitsplätze ten werden die Wandelemente kommissioniert
sind so gestaltet, daß auf beiden Seiten Werker und auf spezielle Transportpaletten für den
auf Hebebühnen stehen und gleichzeitig an der Transport zur Baustelle umgesetzt.
Wandtafel arbeiten können. Auf der Baustelle werden die nach Baufort-
schritt planmäßig angelieferten Wandelemente
mit einem Kran aufgenommen, versetzt und ex-
akt fixiert. Auf diese Weise können die Wände
und die Fertigdecke für ein Stockwerk eines Ein-

2-232 Bauwirtschaft und Baubetrieb


familienhauses innerhalb eines Tages positio-
niert werden.

Alternativen

Je nach Marktbedingungen, Kapitalkraft und


Unternehmungsstrategie gibt es drei Möglich-
keiten automatisierter Mauerwerkfertigung:
- Verstärkter Einsatz mechanischer Versetz-
werkzeuge und entsprechende Bauablaufpla-
nung. Diese Methode ist geeignet für kleine
Betriebe, die nicht mehr als 100 TDM inve- Abb. 2.S-10 Multifunktionsbearbeitungsbrücke
stieren können. (Weinmann)
- Baustellenfertigung mit einem mobilen Ro-
boter. Diese Version ist geeignet für kleinere
und mittlere Baufirmen, die etwa 300 bis sie direkt aus EDV-Programmen heraus ange-
500 TDM investieren können und ortsunab- steuert werden.
hängig aktiv werden wollen. Die Bearbeitungsfreiheit ist jedoch einge-
- Vorfertigung von Mauerwerktafeln in einer schränkt: Es können nur Konstruktionsholz für
Halle oder Feldfabrik Dieser Ansatz ist geeig- Dachkonstruktionen, Balkenlagen oder Riegel-
net für mittlere und größere Betriebe, die zwi- wände bearbeitet werden. Nachbearbeitungen
schen einer halben und mehreren Millionen von Hand sind oft unumgänglich; zudem sind
DM investieren können. die Dimension und die Form der herzustellen-
den Teile meist auf gerade Balken beschränkt.
2.5.5.5 Die technische Evolution im Fertigungsbereich
Automatisierung und Robotik in wird CNC-Anlagen mit bis zu fünf Achsen in we-
der Holzteilefertigung nigen Jahren zum Stand der Technik machen.
Vor allem bei CAD/CAM -Lösungen scheint noch
Die Bearbeitungstechnologie im Holzbau wech- viel Entwicklungspotential vorhanden zu sein.
selt immer mehr von der Handbearbeitung mit Maschinen mit mehreren Freiheitsgraden
Kleinmaschinen zur kompletten Bearbeitung werden für die Betriebe neue Arbeitsfelder auch
auf CNC-Maschinen. Die Ansprüche an die Fle- außerhalb des Konstruktionsholzes eröffnen, so
xibilität bei der Bearbeitung werden dadurch daß neue Absatzmöglichkeiten und eine größe-
deutlich höher. Die Trennung zwischen Rohbau re Produktvielfalt entstehen (Abb. 2.5-10).
und Innenausbau entfällt, Holzkonstruktionen Die Weiterentwicklung der erforderlichen
werden zu Möbelstücken. Die Ansprüche an die Software wird ein wichtiges Aufgabenfeld sein,
Präzision der Fertigung übersteigen das übliche um die Leistungsfähigkeit der Maschinen aus-
Maß des Zimmermanns deutlich. schöpfen zu können. Die direkte Steuerung der
Bei der Fertigung besteht ein gewaltiger Un- Maschinen auf Grundlage der Architektenpläne
terschied, ob rohe Holzkonstruktionen, Bauteile ohne Konvertierungsaufwand wird ein immer
für Fertighäuser, Treppen, Wintergärten oder gar größerer Kostenfaktor. Die Aufspannvorrich-
alle zusammen auf einer Maschine bearbeitet tungen müssen ebenfalls weiterentwickelt wer-
werden sollen. Bei einer Serienproduktion geht den, um die Flexibilität der Bearbeitungszentren
es darum, möglichst viele gleiche oder ähnliche ausnutzen zu können. Hier erscheinen Vakuum-
Teile wirtschaftlich herzustellen. Für den Holz- spanner und genaue Laserpositionierung als ge-
bauer steht hier traditionsgemäß der Abbund eignete Techniken.
von Konstruktionsholz im Vordergrund.
Dies können konventionelle Dach- und Wand- 2.5.5.6
konstruktionen oder tragende Teile für den Ele- Automatisierung und Robotik in der Raumzellen-
mentbau sein. Für diese Arbeiten stehen seit Jah- fertigung in Stahlbauweise
ren gut funktionierende und bewährte Abbund-
anlagen zur Verfügung. Sie zeichnen sich durch Die Misawa Hornes Corp. (Japan) wendet das
hohe Leistungsfähigkeit und relativ geringen Toyota-Produktionssystem für die Vorfertigung
Programmieraufwand aus. In der Regel können von Raumeinheiten an. Ein Haus wird aus zwölf

Baubetrieb 2-233
Abb. 2.5-11 Lager für Stahlrahmenelemente eines Fer-
tighausherstellers

Abb. 2.5-12 Modulartig aufgebauter Betonglätter


(Hazama)
Raumzellengrößen in vier bis sechs Stunden zu-
sammengebaut. Im Werk wird eine Raumzelle
im 3- bis 6-Minuten-Takt vorgefertigt. Der Kun- Grenzen. Nur einige wenige sind z. Z. im wirt-
de kann sich sein Traumhaus aus etwa 35000 Ein- schaftlichen Einsatz. Zu den wenigen am Markt
zelteilen zusammenstellen. Die rechnergestütz- angebotenen Robotern gehört der Betonglättro-
te Planung und Ausführung fertigt aus rund boter von Hazama (Abb. 2.5-12).
2500 Bauteilen ca. 200 Bauteilgruppen, woraus Da die Bedingungen auf Baustellen von Pro-
etwa 30 Baugruppen als funktionale Einheiten jekt zu Projekt variieren, müssen zumindest die-
entstehen (Abb. 2.5-11). jenigen Baustellenroboter, die nicht für in die
Die Herstellungsqualität ist bei Misawa Ho- Vorfertigung verlagerbare Arbeiten bestimmt
rnes so groß, daß Garantien von zehn bis 20 Jah- sind, leichtgewichtig, einfach transportierbar,
ren gegeben werden können. Die Fertighäuser kompakt, robust, flexibel sowie ggf. mobil und
sind qualitativ hochwertige Produkte, gefertigt autonom sein.
nach industriellen Erkenntnissen. Die Zulieferer
arbeiten im 4-Tage-Takt, wobei ein Tag für den 2.5.5.8
Auftragseingang und die Arbeitsvorbereitung, Integrierte Automatisierung und Robotik
zwei Tage für die Fertigung und ein Tag für die in der Gebäudefertigung vor Ort
Auslieferung eingeplant sind. Der Vorfertigungs-
grad kann durch Automatisierung und Robotik Die Shimizu Corp. (Japan) war eine der ersten
je nach Markterfordernissen auf bis zu 90% er- Baufirmen, die damit begann, ihre Erfahrungen
höht werden. in das Konzept einer durchgängig automatisier-
ten Hochbaustelle einzubringen. 1990 und 1991
2.5.5.7 dienten zwei Prototypen des SMART-Systems
Automatisierung und Robotik in (SMART Shimizu Manufacturing System by Ad-
der Gebäudefertigung vor Ort vanced Robotics Technology) für den Bau klei-
nerer Gebäude.
Bis heute wurden über 500 verschiedene Proto- Bei der Erstellung des 20stöckigen Juroku-
typen entwickelt und auf Baustellen getestet. Ge- Bankgebäudes in Nagoya City wurde SMART
fordert wird, daß sie für bestimmte Aufgaben 1992 zum erstenmal bei einer Stahkonstruktion
unter Baustellenbedingungen arbeiten und die eingesetzt, 1995 zum zweitenmal auf einer ähn-
Tätigkeit der Bauarbeiter nicht wesentlich be- lichen Baustelle. 1997 errichtete das modifizier-
einträchtigen. Die Tests ergaben, daß die wenig- te System einen Betonbau. Der Maschinenwie-
sten Roboter wirtschaftlich einsetzbar sind. Ein- derverwendungsgrad betrug etwa 95%.
schränkungen für die Arbeiter, Sicherheitsvor- Unter dem SMART-System versteht man bei
schriften sowie nicht vorhersehbare Einflüsse Shimizu die Gesamtheit der halb- und vollauto-
auf der Baustelle setzen dem Betrieb der Robo- matischen Lager-, Transport- und Montageein-
ter parallel zum normalen Baustellenablauf richtungen bzw. -roboter, die ein Gebäude weit-

2-234 Bauwirtschaft und Baubetrieb


gehend automatisch erstellen. Es ist der Versuch, automatischen Kranwinden ausgestattete Robo-
die Bauablaufplanung sowie das Baustellenma- ter bringen die Stützen und Träger sowie die Bo-
nagement unter Zuhilfenahme einer Echtzeit- den-, Decken-, Wand- und Installationselemen-
Computersteuerung zu verbessern. Dies umfaßt te in die jeweilige Etage des Stahlskelettgebäu-
einen durchgängigen Informationsfluß vom Ent- des. Die anschließende Positionierung und Fi-
wurf und der Planung des Bauwerkes über die xierung geschieht ebenfalls größtenteils auto-
Programmierung von Baurobotern mit Hilfe matisch. Die Stahlstützen und Stahlträger
dieser Daten bis hin zur Kontrolle und Überwa- werden nach der Positionierung von automati-
chung des Baugeschehens vor Ort über Compu- schen Schweißrobotern (Abb. 2.5-14) miteinan-
ter. der verbunden. Die Positionierung und die Iden-
Die in Zusammenarbeit mit der Mitsubishi tifikation bzw. die Kontrolle der Schweißnaht
Heavy Industries Ltd. entwickelte Stahlkonstruk- werden laserüberwacht
tion trägt an der Unterseite Schienen für Mon- Nach Fertigstellung eines Stockwerkes wird
tage- und Transportroboter. Das Gesamtgewicht das gesamte auf vier Säulen ruhende Tragwerk
dieser Konstruktion beträgt 800, 1200 bzw.1600 t
auf einer Gesamtfläche von etwa 800 bis 2000 m 2
(Abb. 2.5-13).
Nach Erstellung des Fundaments werden die
vier Säulen und auf diesen die Stahlkonstrukti-
on mit den Montage- und Transportrobotern in-
stalliert und komplett mit einer Kunststoffolie
überdacht. Dies dauert etwa sechs Wochen. Da-
nach treten die Roboter in Aktion. Zwei Stahl-
und zehn Fertigteilwerke liefern Just-in-time im
10-Minuten-Takt die zu verarbeitenden Fertig-
teile an.
Die Fertigteile werden kontrolliert und ansch-
ließend in bestimmten Depots am Fuß des Ge-
bäudes oder im Gebäude selbst den Robotern Abb. 2.5-14 Simulation eines Schweißroboters
zur Verfügung gestellt. Von hier aus beginnt der (Obayashi)
eigentliche automatische Bauablauf. Neun mit

-
Plattformtragwerk

~ Abdeckung

i> Ki 1
.lil lil
Baubetriebsebene
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7i
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Kranl~ufkatze ri ~ jlr .
i. !!"i!! !
j lil j j i!! i Vertikaler

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I I :-ti~
iY=~=:j======lt===*===l=i!~t\~~ i
!; I ........._ Hebevorrichtung

Abb. 2.5· 13 Systemschnitt SMART

Baubetrieb 2-235
von zwölf Hydraulikstempeln ein Stockwerk rientierten Bauwesen möglich, das bestimmte
weiter nach oben gedrückt. Dazu sind jeweils Merkmale aufweist: flexible industrielle Vorfer-
drei 132- bzw. 150-t-Hydraulikstempel in jeder tigung, flexible Herstellung unterschiedlicher
Säule notwendig; die Verschiebung nach oben Gebäudeteile vor Ort und ein Projektmanage-
dauert 1,5 Stunden. Zur Zeit benötigt man etwa ment, das die Nutzung von CAD in dezentralen
neun Tage für die Fertigstellung eines Stockwer- Ingenieurbüros und den Einsatz von Baurobo-
kes; Ziel sind fünf Tage, also der Wochentakt Voll tern in dezentralen Werkstätten durch Compu-
ausgefahren erreicht das Tragwerk eine Höhe ter Supported Cooperative Work ermöglicht.
von 25 m, zusammengefahren ist es etwa 4,5 m
hoch. 2.6
Für Installationen, die noch nicht in den Fer- Bauverfahrenstechnik und
tigteilen integriert sind, wird im bereits fertig- Baumaschineneinsatz
gestellten Teil des Gebäudes eine Feldfabrik ein-
gerichtet. Interessant ist auch die Vorgehenswei- 2.6.1
se, daß Arbeiten unterhalb und oberhalb des Bauverfahren und Maschineneinsatz im Erdbau
Fundaments zeitlich parallel ausgeführt werden:
Während die Roboter die ersten Etagen errich- 2.6.1.1
ten, werden unterirdisch zwei weitere Unterge- Allgemeine Grundlagen des Erdbaus
schosse ausgebaut.
Die Ausbildung des obersten Stockwerkes als Der Erdbau umfaßt alle bei der Schaffung von
Dach des Hochhauses zu Beginn des Bauprozes- Bauwerken erforderlichen Vorgänge des Bewe-
ses sorgt für den Abschluß der Baustelle in alle gens von Bodenmassen und der damit verbun-
Richtungen, was Beeinträchtigungen und even- denen Veränderung von Teilen der Erdober-
tuelle Schäden durch Witterungseinflüsse er- fläche. Dabei handelt es sich i. allg. um den Aus-
heblich vermindert. hub von Baugruben für Gebäude und Ingeni-
Der Prototyp des SMART-Systems reduzierte eurbauwerke, aber darüber hinaus auch um Bo-
den Arbeitskräftebedarf um etwa 30%; erreich- denabtrag (Einschnitte) und Bodenauftrag
bar erscheinen ca. 50% bis maximal 70%. (Dämme) beim Bau von Verkehrswegen und
Augenblicklich liegen die Kosten eines Gebäu- -anlagen.
des bei Erstellung mit Hilfe des SMART-Systems Die im Erdbau auszuführenden Arbeiten um-
noch deutlich über denen bei herkömmlicher fassen die Teilvorgänge Lösen, Laden, Transpor-
Ausführung; man rechnet jedoch mit einer merk- tieren, Einbringen und Verdichten von Boden-
liehen Kostenreduzierung. massen. Die zur Verfügung stehenden Erdbau-
Die Problematik des Bauablaufs liegt weniger maschinen können je nach Bauart für einzelne
im rechtzeitigen Bereitstellen von Material, in oder mehrere dieser Teilvorgänge verwendet
der Wahl der Bauverfahren bzw. -maschinen werden.
oder ähnlichen auf herkömmlichen Baustellen Der hohe Maschinisierungsgrad von Erdbau-
anzutreffenden Schwierigkeiten, sondern mehr stellen zwingt zu einem besonders wirtschaftli-
in der akkuraten Planung, der Programmierung chen Einsatz des Gerätepotentials. Hierfür sollte
der Roboter und der Just-in-time-Anlieferung im Rahmen der Arbeitsvorbereitung die Maschi-
der Teile. neneinsatz- und Betriebsplanung auf der Grund-
lage guter Kenntnisse über Geräteleistungen,
2.5.5.9 Gerätekosten und Einsatzbedingungen vor Be-
Voraussetzungen für die Einführung von Baurobotern ginn der Arbeiten bereits vorliegen.

Die zu automatisierenden und zu roboterisie- Boden und Bodenzustände


renden Bauprozesse und -systeme müssen neu
entwickelt werden. Die vorhandenen Entwurfs- Wichtige Voraussetzung für die Maschinenein-
, Konstruktions- und Managementmethoden satzplanung im Erdbau sind genaue Kenntnisse
sind zu überarbeiten und die Arbeitskräfte ent- der Bodeneigenschaften, die für die Art des Lö-
sprechend den Anforderungen neuer Informati- sens, Ladens, Einbauensund Verdichtens, für die
ons- und Kommunikationstechnologien zu qua- Befahrbarkeit des Geländes und auch für die
lifizieren. Eine erfolgreiche Einführung der Ro- vorübergehende Standfestigkeit von Böschun-
botertechnologie erscheint mit einem robotero- gen entscheidend sind.

2-236 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Für die Beschreibung und Einstufung von Bo- Verdichtungsfaktor
den und Fels sowie für die Ausführung von Bau- Volumen der verdichteten
gruben sind die Normen ATV DIN 18300, ATV Masse (m3 verd.)
DIN 18320, DIN 1054, DIN 4124, DIN 18196 und fv = <1.
Volumen der unverdichteten
ZTVE-StB 94 zu berücksichtigen.
Masse (m3 unverd.)
Den Bauverträgen wird i. allg. die ATV
DIN 18300 mit insgesamt sieben Boden- und
Felsklassen zugrunde gelegt. Sie geht von der Leistung und Leistungseinheit
Lösbarkeit des Bodens aus. Der Oberboden wird
unabhängig von seinem Zustand beim Lösen im Die Einheit der Leistung im Erdbau umfaßt 1 m 3
Hinblick auf eine besondere Behandlung als ei- Boden mit vorgegebenen Eigenschaften in natür-
gene Klasse aufgeführt (s. Tabelle 2.6-1). licher Lagerung (fest) planmäßig lösen, in För-
Bei den Bodenzuständen wird unterschieden dergeräte laden, über eine bestimmte Entfer-
zwischen natürlicher Lagerung (gewachsener nung transportieren und planmäßig wieder ab-
Boden), aufgelockerter Lagerung (gelöster Bo- lagern bzw. planmäßig einbauen und verdichten.
den) und verdichtetem Boden. Begriffe, die zur Nach DIN ISO 9245 (1995-01) Erdbaumaschi-
Leistungsermittlung von Erdbaumaschinen er- nen; Leistung der Maschinen (Ersatz für
forderlich sind, sind in DIN ISO 9245 (1995-01) DIN 24095 (1983-01)) ist die Leistung Qdefiniert
festgelegt: als das pro Zeiteinheit bewegte Materialvolu-
Auflockerungsfaktor men. Sie wird in unterschiedlicher Form ange-
geben, häufig in m 3/h, aber auch in m 3/Tag, t!h
Volumen der losen Masse bzw. t/Tag. Die Leistung Q wird in zwei Stufen er-
(nach dem Lösen)
fs = - - - - - - - - - ~ 1. mittelt: zunächst die Grundleistung QB und
Volumen der festen Masse anschließend die Nutzleistung CJA.
(vor dem Lösen)
Grundleistung (theoretische Leistung) QB. Dies
Die Auflockerungsfaktoren fs in Tabelle 2.6-1 ist die Leistung in Kubikmeter pro Stunde, die
sind mittlere Richtwerte. Die tatsächlichen Wer- mit der jeweiligen Arbeitseinrichtung bei einer
te hängen vom Feuchtigkeitsgehalt, der Korn- bestimmten Einsatz- und Materialart kurzzeitig
größe und der Verdichtung ab. Zur Bestimmung erreichbar ist. Unberücksichtigt bleiben lei-
genauerer Werte sind Versuche erforderlich. stungsmindernde Einflüsse aus Gerätezustand,
Füllungsfaktor Baustellenorganisation und Witterung. Voraus-
gesetzt wird ein eingearbeiteter Baumaschinen-
Volumen je Arbeitsspiel führer.
(nach dem Lösen)
fp = Nenninhalt VR der Arbeitsausrüstung

oder
Neben dem Füllungsfaktor fp ist auch der Begriff
VR. fr ·60 · 3
"Ladefaktor" gebräuchlich. Er bezeichnet das Ver- QB = lll mfest fh
t
hältnis des Füllungsfaktors fp zum Auflockerungs-
faktor fs. Dieses Verhältnis ist identisch mit dem mit VR Fassungsvermögen der Arbeitsausrü-
Verhältnis des Volumens vor dem Lösen bzw.Auf- stung in m 3,fs Auflockerungsfaktor,fp Füllungs-
nehmen zum Nenninhalt der Arbeitsausrüstung. faktor,fr Ladefaktor und t Spielzeit (Zeit für die
Ausführung eines Arbeitsspiels) in min.
Ladefaktor
Volumen der festen Masse Nutzleistung bzw. Dauerleistung QA. Dies ist die
(vor dem Lösen) Leistung in Kubikmeter pro Stunde, die mit der
fr= Nenmn
"hlVd
a t R er Ab" ··tung
r eltsausrus jeweiligen Arbeitseinrichtung bei einer be-
stimmten Einsatz- und Materialart auf Dauer er-
Verdichteter Boden hat nach der mechanischen reicht wird. Hierbei werden alle leistungsbeein-
oder sonstigen Bearbeitung gegenüber der flussenden Größen wie Gerätezustand und -be-
natürlichen Lagerung i.d.R. ein geringeres Vo- dienung, Baustellenorganisation und Witterung
lumen. Damit ergibt sich der berücksichtigt.

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-237


N
I
N
V.l
00

g'j'
c ;}
:e ...
!!.
~· Hydraulik- Radlager Planier- Transportfahrzeuge Lagerungs- Auflockerungs- ;;-
Boden· und Felsklasse ....
:::1" bagger raupe dichte p• faktorf,e
nach ATV DIN 18300
~ !:
c Bodenarten trocken erdfeucht naß trocken erdfeucht naß [I/rn)
:I ~
Q.
nach DIN 18196 "'~
=
...c c::
1,00 1,10 1,10 0,95/1,1311 ,37 1,00/1,19/1,45 :::1
17 1 Oberboden 1,20 0,90 1,00 1,00 1,00 c..
~ (Mutterboden)
::!. ~
ID ,..
17
2 Fließende Bodenarten: ~
)S
flüssige bis breiige Beschaffenheit ::>
::>
!!(
3 Leicht lösbare Bodenarten: ~

Sand, Kiessand (nicht bindig), 1,13 0,73 0,86 0,86 1,00 0,92 1,08 1,10 1,51 / 1,72/1.86 1,00/ 1,14/1,23
Kies, Schotter (nicht bindig), 1,13 0,77 0,87 0,87 1,00 0,95 1,05 1,03 ~
0
Sand. Kies (schwach bindig), 1,13 0,91 0,97 0,95 1,00 0,98 1,12 1,10 0,95/ 1,13/1,37 1,00/ 1,19/ 1,45 z
Torf, Mudden (schnittfest), - - - - - - - - 00
g
4 Mittelschwer lösbare Bodenarten:
Sand-Kies-Gemisch (bindig) mit kleinen Steinen•, 1,20 0,90 0,98 1,02 0,95 1,02 1,12 1,10 1,34/1.70/ 1,92 1,00/1 ,26/ 1.43
Mergel, Schutt,
Iehm- und tonhaltige Böden mit kleinen Steinen• 1,20 - 0,93 0,99 0,95 - 1,08 1,05 1,47/1,75/ 1,84 1,00/1,19/1 ,25

S Schwer lösbare Bodenarten:


Gesteinsschotter, Gerölfb, 1,15 0,87 0,87 - 0,85 0,89 1,00 1,00 1,45/ 1.73/2,11 1,00/1,19/ 1,45
fest zusammenhängende Böden mit Geröll und 1,15 - 0,89 0,89 0,85 1,00 1,05 1,02 1,66/1 ,87/2,02 1,00/ 1,12/1 ,22
großen Steinen'

6 Leicht lösbarer Fels und verg leichbare Bodenarten:


Gesprengter oder gerissener feinstückiger Felsd, 0,95 0,80 0,80 0,80 0,80 1,00 1,06 1,06 1,55/-/2,60 1,00/-/1,67
grobstückiger Felsd 0,92 0.72 0,72 0,72 0,60 0,95 0,95 0,95 1,70/-/2,26 1,00/-/1,33

7 Schwer lösbarer Fels:


Felsarten, die nur wenig klüftig oder verwittert sindd 1,33/-/2,00

• höchstens 30,Gew.%Steine bis 0,01 ml nach ATV DIN,18300


b mehr als 30,Gew.%Steine bis 0,01 ml nach ATV DIN,18300
' höchstens 30,Gew.%Steine zwischen 0,01 m' und 0,1 ml nach ATV OIN,18300
d Steine mit mehr als 0, I m' nach ATV DIN.18300 (0.01 ml entspricht etwa 25 cm Kanten länge; 0,1 m1 ca. 50cml
• jeweils für lockere. mitteldichte und dichte Lagerung
Die im Rahmen der Betriebsplanung auf Auf-
QA=Qs·fE inm1est/h.
tragnehmerseite zu erbringenden Vorleistungen
Der Nutzleistungsfaktor /E ergibt sich als Ver- bestehen im wesentlichen aus der Leistungser-
hältnis von Nutzleistung zu Grundleistung mittlung der als Einzelgeräte oder in Arbeitsket-
(theoretischer Leistung) zu ten einsetzbaren Baumaschinen, der Ermittlung
der Gerätevor halte- und Betriebskosten einschl.
j - QA Wirtschaftlichkeitsvergleichen und der Auswahl
E- QB.
der wirtschaftlichsten Einsatzvariante.

Kosten von Baumaschinen 2.6.1.2


Lösen und Laden von Bodenmaterial
Die Kosten für Bauleistungen werden im Rah-
men der Kosten- und Leistungsrechnung einer Je nach Festigkeit des anstehenden Bodens er-
Bauunternehmung über eine Kalkulation er mit- folgt das Lösen und Laden i.allg. mit Baggern
telt. Unter Gerätekosten werden diejenigen Ko- oder Ladegeräten (Schaufellader). Reichen die
sten verstanden, die sich aus Vorhaltung und Be- Reißkräfte z. B. eines Hydraulikbaggers für schwer
trieb der Geräte ergeben. Grundlage für die Er- lösbare Bodenarten oder Fels nicht aus, muß der
mittlung der Vorhaltekosten ist die Baugeräteli- Boden durch Sprengen, Reißen oder Meißelein-
ste [BGL 1991]. Die Vorhaltekosten gliedern sich satz vor dem eigentlichen Ladeprozeß gelöst
in Kosten für kalkulatorische Abschreibung und werden. Die Unterschiede zwischen Bagger und
Verzinsung sowie in Reparaturkosten. Schaufellader bestehen neben der Gerätebauart
Grundlage für die Ermittlung der Vorhalteko- v.a. darin, daß der Bagger (Abb.2.6-1) den Löse-
sten ist der mittlere Neuwert, der über den amt- und Ladeprozeß als Standgerät, der Schaufella-
Iichen Erzeugerpreisindex für Baumaschinen der (Abb. 2.6-2) als Fahrbagger das Lösen und
des Statistischen Bundesamtes zeitlich angepaßt Laden im wesentlichen durch Fahrbewegungen
wird, so daß am Ende der Nutzungsdauer ein vollzieht.
technisch und leistungsmäßig gleichwertiges
Gerät beschafft werden kann. Ladeleistung von Baggern
Die Abschreibungs-, Verzinsungs- und Repa-
raturkosten werden als monatliche Prozentsätze Ladeleistung von Hydraulikbaggern
des Neuwerts in Abhängigkeit von den Vorhalte-
VR · fp ·60
Grundleistung Q8 = ---"---"--":....__-
monaten angegeben. Die Reparaturkosten glie-
dern sich in 40% Lohn- und 60% Stoffkosten und fs-t
sind angegeben als Durchschnittswerte über die
oder
gesamte Nutzungsdauer, wobei der Lohnanteil
noch mit Lohnzusatzkosten zu beaufschlagen wobei VR der Nenninhalt des Grabgefäßes in m 3
ist. ist. Für Tieflöffelausrüstung wird der Inhalt nach
In der Angebotskalkulation werden die Werte DIN ISO 7451 (1985-11), für Hochlöffelausrü-
der BGL den Bedingungen des Wettbewerbs ent- stung (Ladeschaufel) nach DIN ISO 7546 (1983-
sprechend angepaßt. 11) oder SAE/CECE berechnet (Abb. 2.6-3).
Spielzeit (Abb. 2.6-4) t= 60/n in min,
Vorbereitende Arbeiten
wobein Spielzahl in h- 1 (s. Tabelle 2.6-13).
Zu den vorbereitenden Arbeiten auf Auftragge-
berseite zum Aufstellen der Ausschreibungsun-
Nutzleistung 0A = Qs fEin mtes/h,
terlagen (Leistungsbeschreibung und Vertrags- wobei
bedingungen) gehören neben Geländeaufnah-
Nutzleistungsfaktor /E = fm fH2 /H3 /H4 fs
men sowie allen geologischen boden- und fels-
mechanischen Untersuchungen zur Beurteilung mit
und Klassifizierung der anstehenden Böden v. a. fm Schwenkfaktor (s. Tabelle 2.6-3),
die Entwurfspläne einschließlich Längs- und /HZ Grabfaktor (s. Tabelle 2.6-4),
Querproflien, die Mengenberechnung einschließ- /H3 Entladefaktor (s. Tabelle 2.6-5),
lieil der Angabe von Seitenentnahmen und -kip- /H4 Einsatzartfaktor (s. Tabelle 2.6-6),
pen sowie die Förderwege und -weiten. fs Betriebsfaktor (s. Tabelle 2.6-7).

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-239


o Tieflöffel
b Löffelstiel
c Hydraulikzylinder
d Verstellausleger
e Hydraulikleitung
f Fahrerkabine
g Motor- und Hydraulikpumpe h
h Oberwagen
Drehkranz
j Unterwagen
k Antriebturas
I Laufrollen
m Umlenkturas

Abb. 2.6-1 Bagger zum Lösen und Laden

o Lenkhydraulik c Hubstellung
b Rahmen-Kni<kgelenk d Auswurfstellung
e Aushub- oder Schürfstellung
f Umlenkturas
g Antriebturas

a Radlader 0 b b Raupen lader

Abb. 2.6-2 Ladegeräte (Radlader/Raupenlader) [Rosenheinrich/Pietzsch 1993]

B
b
bl
2 A Öffnungsweite, gemessen von der
~1 Schneidlippe zur Löffelrückwand
B Schnittbreite, gemessen über Außen-
kante Zahnspitze oder Seitenschneide
b Löffelbreite, gemessen über Außen-
kante der Schneidlippe
ll J. b1 Innenbreite vom, Schneidlippenbreite
gemessen zwischen den Innenwandseiten
I. b2 Innenbreite hinten, gemessen am
verjüngten Löffelrücken
Löffelquerschnittsfläche, planimetriert
biszur Strecke A, wobei die Krümmung
des Seitenbleches unberücksichtigt bleibt

Abb. 2.6-3 Angaben zur Berechnung des Grabgefäßinhalts (Beispiel Tieflöffelausrüstung) (Liebherr 1992]

2-240 Bauwirtschaft und Baubetrieb


t1 ze·tI für das Füllen des Grabwerkzeugs (lösen des Bodens)
t2 Zeit für das Heben des Hauptauslegers

- I
t3
t4
ts
Zeit für das Schwenken
Zeit für das Entleeren
Zeit für das Rückschwen ken (leer)
~ Zeit für das Senken des Hauptauslegers
I
----l to1 Qberlappung t 2- t3
to2
to3
Uberlappung t 3 - t4
Oberlappung ts- ~

- ~1
- ~~
- t- ~3

I t
'

Abb. 2.6·4 Spielzeit t (in min): Dauer eines Arbeitsspieles

Tabelle 2.6-2 Spielzahl n [h·l ]

V Bodenklasse nach DIN 18300


3 4 s 6
inml TL LS KS TL LS KS TL LS KS TL LS KS
0,5 238 - - 212 - - 212 -
0,75 225 217 - 198 217 - 198 -
1,0 215 209 - 192 205 - 192 ~0
w> - ~0
w> 157

....
1,25 205 200 200 184 193 200 184 200 155 160
....
L; .. L; ..
·"'t ·"'
.J:l t..
1,5 196 194 194 177 183 191 177 .J:l ..
c3:: 191 c3:: 152 155
1,75 190 188 188 172 175 182 172 182 150 151
g',~ g'_~
2,0 185 183 183 165 168 175 165 ==~ 175 ==li 148 150
2,25 - 178 178 159 162 168 159 168 145 148
2,5 - 174 172 154 155 162 154 162 142 148
n Tieflöffel L5 Lades<haufel KS Klappschaufel

Beispiel fs = 1,34 (vgl. Tabelle 2.6-1),


Gegeben: n = 175 h- 1 (vgl. Tabelle 2.6-2),
24000 m 3 Aushub der Bodenklasse 4 (ATV -H = 0,34 min,
DIN 18300), Grabtiefe 2,5 m; Qs = 251 m~estfh.
Hydraulikbagger auf Raupenfahrwerk, Motor-
leistung 125 kW; Nutzleistung:
Tieflöffelausrüstung mit VR= 1,6 m 3; /HI = 0,96 (vgl. Tabelle 2.6-3),
gute Baustellen- und Betriebsbedingungen; /HZ= 1,00 (VR >1,0 m 3 ~ 1,6 m::; Ugünst =
Entladung: Muldenkipper mit ca. 10 m 3 Nutzvo- 2,50 m)::;3,2 m; vgl. Tabelle 2.6-4),
lumen auf Planum, /H3= 0,83 (10 m 3/1,6 m 3 >6; vgl. Tabelle 2.6-5),
Schwenkwinkel120°. /H4= 1,00 (vgl. Tabelle 2.6-6),
fs = 0,75 (vgl. Tabelle 2.6-7),
Gesucht:
1. Nutzleistung des Hydraulikbaggers,
OA = 150 mfestfh.
2. Arbeitsdauer.
Arbeitsdauer:
Grundleistung: bei 8 h/Arbeitstag ~ 8·150= 1200 mfestfArbeits-
VR = 1,6m 3, tag,
f p = 1,20 (vgl. Tabelle 2.6-1), =
24000/1200 20 Arbeitstage.

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-241


Tabelle 2.6-3 Schwenkwinkel fH 1

Schwenkwinkel

Tabelle 2..6·4 Grabfaktor fH 1: Berücksichtigung der Grabtiefe bzw. -höhe [Hoffmann/Kremer 1996)

Grabtiefe in m 3 4 5
Bodenklasse nach DIN 18300
3 bis4 1,00 0,93 0,87 0,84 0,82
5 bis 6 1,00 0,95 0,91 0,87 0,85

Wenegehen nur filr Grabgef.iße mit V0 ~ 0,5 ... 1,0 m1. Bei Grabgefäßen > 1,0 m1 leistung nur mindern, wenn dievorhandene
Grabtiefe bzw. -höhe die giinstige Grabtiefe bzw. ·höhe unter- oder Oberschreitet
Giinstige Grabtiefe bzw. -höhe in m: (1 bis 2) · V0

Tabelle 2.6·5 Entladefaktor fHJ' Berücksichtigung der Entleerung [Hoffmann/Kremer 1996)

ungezieltes Entleeren (z.B. Halde) fH3 =1,00


gezieltes Entleeren in Lkw auf Baggerplanum
Volumenverhältnis
Lkw/Grabgefaß 2 >6
fH3 0,69 0,83

Tabelle 2.6-6 Einsatzfaktor f114: Berücksichtigung der Einsatzart [Hoffmann/Kremer 1996)

behinderungsfreies Arbeiten fH4 =1,00


Aushub mit häufigem Umsetzen des Gerätes fH 4 =0,73
Grabenaushub, unverbauter Graben fH 4 =0,90
Grabenaushub, verbauter Graben (ohne Verbauarbeiten) ffl4:
Grabentiefe in m
Boden kurzfristig standfest
Boden nicht standfest

Tabelle 2.6·7 Betriebsfaktor f8 [Hoffmann/Kremer 1996)

Baustellenbedingungen Betriebsbedingungen
sehrgut gut mittelmäßig schlecht
sehr gut 0,83 0,81 0,76 0,70
gut 0,78 0,75 0,71 0,65
mittelmäßig 0.72 0,69 0,65 0,60
schlecht 0.63 0,60 0,57 0,52

2-242 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Ladeleistung von Seilbaggern gen zwischen 0,8 und 3,8 m 3 bei Antriebslei-
Die Entwicklung der Hydraulikbagger hat dazu stungen von 37 bis 205 kW.
geführt, daß sich die Einsatzbereiche der Seil-
bagger auf spezielle Greifer- und Schleppschau- Radlader (s. Abb. 2.6-2a). Grundgerät des Rad-
felarbeiten beschränken. Die Nutzleistung von laders ist ein Radfahrwerk, mit dem Fahrge-
Seilbaggern läßt sich analog der von Hydraulik- schwindigkeiten über 60 km/h erreicht werden.
baggern unter Berücksichtigung spezieller Ein- Wegen der höheren Beweglichkeit sind Radla-
flußfaktoren ermitteln. der nicht nur auf Baustellen zu finden, sondern
auch in Mischwerken, Kiesgruben und Stein-
Ladeleistung von Ladegeräten (Schaufelladern) brüchen. Wesentliches Merkmal heutiger Radla-
der ist die Knicklenkung, die sich v.a. bei großen
Ladegeräte arbeiten als Fahrbagger und zeichnen Geräten durchgesetzt hat. Die Schaufelinhalte
sich deshalb gegenüber Standbaggern durch ho- liegen zwischen 0,35 und 9,6 m 3 bei Antriebslei-
he Beweglichkeit aus; sie verfügen jedoch über stungen von 10 bis 500 kW.
geringere Reißkräfte für das Lösen des Bodens.
Leistungsermittlung von Radladern mit Lade-
Ladegeräte werden nach der Bauart ihres Fahr-
schaufel:
werks als Raupen- oder Radlader (s. Abb. 2.6-2)
eingesetzt. Sie arbeiten als Front- oder Schwenk- VR · fp · 60
Grundleistung Q8 = ~-...!....!::.........:..:..
Iader und können mit Ladeschaufel, Klapp- fs-t
schaufel, Staplergabel und weiterem Sonderzu-
VR · fc 60 3
behör ausgerüstet werden. Als Sonderbauart ver- oder QB = in mfest lh ,
t
fügt der Baggerlader am Heck über eine
schwenkbare Tieflöffelausrüstung. wobei VR der Nenninhalt des Grabgefäßes in m 3
ist.
Raupenlader (s. Abb. 2.6-2b). Das Grundgerät . Izelt
Sp!e . t = tp+tE+tp··n m
.
min
des Raupenladers entspricht dem der Planier- 60
raupe. Sie erreichen Fahrgeschwindigkeiten bis mit
12 km/h und füllen die Schaufel bei Vorwärts-
tp Füllzeitins (s.Tabelle 2.6-8),
fahrt. Die erforderlichen Drehungen für den Be-
tE Entleerzeit ins (s. Tabelle 2.6-9),
ladevorgang eines Förderfahrzeugs wirken sich
tpA Fahrzeitins (s. Tabelle 2.6-10).
besonders auf den Verschleiß der Ketten aus. Die
Schaufelinhalte der gängigen Raupenlader lie- Nutzleistung 01\ =QB -/Ein mfe51/h ,

Tabelle 2.6-8 Füllzeiten tF, [Hoffmann/Kremer 19961

Bodenklasse nach ATV DIN 18300 Ladeschaufel-Nen ninhalt VR in m3 bis


1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0
1 und3 dicht 7,1 8,4 9,7 11,0 12,3 13,6
mitteldicht 5,3 6,2 7,1 8,0 8,9 9,8
locker 4,2 4,5 4,8 5,1 5,4 5,7
4 dicht 9,6 10,3 11,0 11 ,7 12,4 13,1
mitteldicht 7,0 7,5 8,0 8,5 9,0 9,5
locker 5,1 5,4 5,7 6,0 6,3 6,6
5 dicht 14,1 14,8 15,5 16,2 16,9 17,6
mitteldicht 7,0 7,5 8,0 8,5 9,0 9,5
locker 5,1 5,4 5,7 6,0 6,3 6,6
6 gelöst. feinstückig LS und FS 8,5 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0
7 gelöst, grobstückig LS 18,9 17,9 16,9 15,9 14,9 13,9
FS 16,3 15,3 14,3 13,3 12,3 11 ,3
gelöst, feinstückig LS 14,3 13,3 12,3 11 ,3 10,3 9,3
FS 11,7 10,9 10,1 9,3 8,5 7,7
LS Lad es< hautel mit Zähnen FS Felss,haufel

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-243


Tabelle 2.6-9 Entleerzeiten tE ins (Hoffmann/Kremer 1996)

Bodenklasse n. Entleerungsstelle Ladeschaufel-Nenninhalt VR in ml bis


ATV DIN 18300 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0
1 und3 Halde 1,2 1.4 1,6 1,8 2,0 2,2
Muldenkipper 10 bis 15 ml 2,0 2,7 3,4 4,1 4,8 5,5
Lkw (6 bis 8 ml) 2,7 4,1 5,5 6,9 8,3 9,7
4 und5 Halde 1,3 1,5 1,7 1,9 2,1 2.3
Muldenkipper 10 bis 15 ml 1,8 2,5 3,2 3.9 4,6 5,3
Lkw (6 bis 8 ml) 2.5 4,0 5,5 7,0 8,5 10,0
6und7 Halde 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3
Muldenkipper 10 bis1 5m3 3,0 3,6 4,2 4,8 5,4

Tabelle 2.6-10 Fahrzeiten tFA ins (für Rad Iader) [Hoffmann/Kremer 1996]

Mittlere Transport- Beschaffenheit des Fahrwegs


entfernung in m wellig, weich wellig, mittelfest leicht wellig, fest glatt, fest
5 12 10 9 8
10 18 16 14 12
20 27 23 20 17
40 41 35 31 27
60 55 44 39 34
80 69 54 48 42
100 84 63 56 50

wobei
Tabelle 2.6·1 1 Entleerungsfaktor fu: Berücksichtigung
der Entleerungsart [Hoffmann/Kremer 1996) Nutzleistungsfaktor /E =!LI /Lzfs

Halde oder Übergabetrichter 1,00 mit


Fahrzeug 0,93 /LI Entleerungsartfaktor (s. Tabelle 2.6-11),
fL 2 Einsatzartfaktor,
fs Betriebsfaktor (s. Tabelle 2.6-7);
tFA

Tabelle 2.6-12 Zeitzuschlag L\t ins (für Radlader):


fu = tFA +M
Berücksichtigung der Eins.atzart: Baustellenbetrieb, mit
Sand- und Kiesgrube [Hoffmann/Kremer 1996]
tpA Fahrzeitins (s. Tabelle 2.6-10),

Entleerung
M Zeitzuschlagins (s. Tabelle 2.6-12).
auf Halde oder in Fahrzeuge
Beschaffenheit in Übergabe- 2.6.1.3
des Fahrwegs trichter
Fördern von Bodenmaterial
wellig, weich 3 6,0
wellig, mittelfest 3 6,5
leicht wellig, fest 3 7,0 Bodenmaterial wird heute i. d. R. gleislos mit nor-
glatt, fest 3 7,5 malen oder geländegängigen Lastkraftwagen
(Lkw), Schwerlastkraftwagen (Skw) bzw. Mul-
denkippern sowie Bodenentleerern und Durn-
pern transportiert. Nach der Art des Entleerens
unterscheidet man 2- bzw. 3-Seiten-Kipper sowie
Hinter- und Vorderkipper (Abb. 2.6-5).
Für flächenhafte Bodenabträge können je nach
Transportentfernung Fahr- und Flachbagger wie

2-244 Bauwirtschaft und Baubetrieb


a Schutzdach für Fahrerhaus
b Verstärkungsrippen mit Heizmöglichkeit
c Allradantrieb
d Hydraulik

a Skw alsMuldenkipper

e Mulde des Hinterkippers


f Einachsschlepper
9 Lenkhydraulik

b Gelenk-Hinterkipper

Lkw als 3-Seiten-Kipper, dreiachsig

Abb. 2.6-5 Kipper (Rosenheinrich/Pietzsch 1993]

Planierraupen, Schürtkübelraupen, Rad- und Fördedeistunq von Transportfahrzeugen


Raupenlader sowie Motorschürfwagen (Sera-
per) wirtschaftlich dienen. Diese Geräte über- _ VR · fL · 60 3
nehmen neben dem Lösen und Laden auch den Grundleistung QB- in mfes1 /h,
tu
Transport des Bodenmaterials. Für die Einsatz-
planung und Gerätewahl sind folgende Kriteri- wobei
en von Bedeutung: VR Nenninhalt des Transportfahrzeugs (z. B.
- Tragfähigkeit und Beschaffenheit der Förder- Mulde) in m 3,
strecke, /L Ladefaktor,
- Rollwiderstände der Förderstrecke, tu Umlaufzeit in min.
- Witterungsempfindlichkeit der Förderstrecke,
- Förderweite zwischen den Betriebspunkten Umlaufzeit tu=tB+tF,voll+tE+tF,leer+tw in min
Entnahme (Beladen) und Kippe (Entladen), mit
- Förderstreckenprofil hinsichtlich Steigung tB Beladezeit in min,
bzw. Gefälle. tF,voll Fahrzeit für Lastfahrt in min,
tE Entladezeit in min,
Da der Transportbetrieb i. d. R. den höchsten Ko- tF,leer Fahrzeit für Leerfahrt in min,
stenanteil im Erdbau verursacht (Leitbetrieb), tw Wagenwechselzeit am Ladegerät in min.
kommt dem Aufbau und der Unterhaltung der
Förderstrecke durch Einbau ausreichend starker Die Fahrzeiten ergeben sich aus der Länge der
Tragschichten und der Pflege durch Planieren Transportstrecke und den durchschnittlichen
und Abziehen der Fahrspuren besondere Be- Geschwindigkeiten für die Lastfahrt bzw. Leer-
deutung zu. fahrt. Die Geschwindigkeiten können geschätzt

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-245


(Erfahrungswerte) oder auf der Grundlage fahr- bau aller Boden- und Felsarten geeignet sind
dynamischer Ansätze berechnet werden. (Abb. 2.6-6). Für spezielle Einbauaufgaben kom-
men auch Raddozer wegen ihrer hohen Beweg-
Nutzleistung QA = QB"/E in miestfh,
lichkeit und Grader zur Feinplanierung in Be-
wobei tracht.
/E Nutzleistungsfaktor, Bei gut organisiertem Schüttbetrieb und groß-
/E= fs, flächigem Einbau ist i.allg. nur noch ein gerin-
/B Betriebsfaktor (s. Tabelle 2.6-7). ger Teil (30% bis 40%) des abgeschütteten Bo-
denmaterials zu bewegen, so daß für das Vertei-
Anzahl der erforderlichen Transportfahrzeuge len kleinere Planierraupen genutzt werden kön-
nen und die Planierraupe wechselweise auch als
Aus den Nutzleistungen des Ladegeräts und des Zugmaschine für ein Verdichtungsgerät (Anhän-
Förderfahrzeugs ergibt sich die Anzahl der er- gewalze) dienen kann. Bei kurzen Entfernungen
forderlichen Transportfahrzeuge zu zwischen Entnahme- und Kippstelle arbeitet die
Planierraupe als Mehrzweckgerät und über-
QA,L
z=-- nimmt die Teilprozesse Lösen, Laden, Trans-
QA,F portieren und Einbauen.
mit Das vorgesehene Einbaumaterial muß auf Eig-
z erforderliche Anzahl von Fahrzeugen, nung geprüft und zum Verdichten geeignet sein,
OA,L Nutzleistung des Ladegeräts in miestfh, damit eine möglichst große Lagerungsdichte er-
OA,F Nutzleistung eines Fahrzeugs in miestfh. reicht wird. Alle Bodenarten sind in Lagen ein-
zubauen und zu verdichten. Bindige Böden sind
Einbauen und Verdichten von Bodenmaterial unmittelbar nach dem Schütten zu verdichten
und dürfen in aufgeweichtem Zustand nicht von
Der Prozeß des Einbauens von Bodenmaterial einer neuen Lage überschüttet werden.
zur Herstellung tragfähiger, standfester Erdkör- Beim Einsatz von Schürfkübelraupen oder Mo-
per umfaßt das Schütten, Verteilen und Planie- torschürfwagen (Scrapern) entfällt der Verteil-
ren in Verbindung mit der Verdichtung. Nach vorgang mittels Planierraupe. Ein Sonderfall im
dem Abkippen des Bodenmaterials vom Trans- Erdbau ist der maschinelle Transport und Ein-
portfahrzeug übernehmen Planiergeräte das bau von Bodenmaterial mit Spülrohren (hy-
Verteilen und das lagenweise Einbauen zur Her- draulische Rohrförderung), der bei der Gewin-
stellung eines profilgerechten Erdkörpers. nung von Sand und Kies unter Wasser mit Hilfe
von Saug- oder Schneidkopfbaggern Anwen-
Einbauleistung von Planierraupen dung findet.

Der lagenweise Einbau des Schüttgutes erfolgt


im Regelfall mit Planierraupen, die für den Ein-

---

Abb. 2.6-6 Planierraupe mit Brustschild undTilteinrichtung (nach [Liebherr 1992))

2-246 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Leistungsermittlung von Planierraupen Verdichtungsleistung von Walzen und Walzenzügen
VR · fp ·60
Grundleistung Q8 = --"--"--'--- Nach dem planmäßigen Einbau des lockeren Bo-
fs ·t
denmaterials ist für einen standsicheren und
VR. fL · 60 3 hohlraumfreien Erdbaukörper eine möglichst
oder QB = in mfest !h ,
t hohe Lagerungsdichte durch Verdichtungsarbeit
wobei die Schildkapazität VR nach SAE-Norm mit Hilfe von Verdichtungsgeräten zu gewähr-
(Standard of Automotive Engineers) berechnet leisten.
wird: Die Auswahl des Verdichtungsgerätes hängt ab
von der Bodenart und -beschaffenheit, der An-
für Brustschild und Schwenkschild (Abb.2.6-7a)
forderung an den Verdichtungsgrad, der Schütt-
VR=0,8·B·H 2 in m\
höhe, der Art und Größe der zu verdichtenden
für Universalschild (Abb. 2.6-7b) Fläche und der Gesamteinbaumenge.
VR= 0,8 · B · H 2 + H · C(B-B') in m 3• Das Verdichten führt zu einer Erhöhung der
Lagerungsdichte in der Kornstruktur des Bodens.
Spielzeit t = 60/n in min
Bei rolligen Böden (Sande und Kiese) geschieht
mit dies durch Umlagerung mittels dynamischer
n Spielzahl in h- 1 (s. Tabelle 2.6-13). Rüttelverdichtung, bei bindigen Böden (Lehm,
Mergel, Ton) durch Reduzierung der Porenräu-
Nutzleistung 0A =OB ·/Ein m~es/h,
me bzw. Hohlräume als Folge statischer Druck-
wobei Knet-Verdichtung. Wassergesättigte, stark pla-
Nutzleistungsfaktor /E =/PI · fPZ · /B stische Böden sind verdichtungsunwillig ge-
genüber statischer oder dynamischer Verdich-
mit tung. Diese Böden müssen durch verdichtungs-
/PI Schildformfaktor, willige Böden ersetzt werden oder der Boden
/PZ Neigungsfaktor, muß - z. B. mit hydraulischen Bindemitteln -
/B Betriebsfaktor (s. Tabelle 2.6-7). verbessert, d. h. stabilisiert werden.

a Brust- und Schwenkschild b Universal- (U-) Schild, Semi-U-Schild

Abb. 2.6-7 Berechnung der Schildkapazität nach SAE-Norm [König 1996)

Tabelle 2.6-13 Spielzahl n in h- 1[Hoffmann!Kremer 1996)

miniere Förderweite in m 100


Spielzahl n in h-1 24

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-247


Das gebräuchlichste Verdichtungsverfahren Bestimmung der Verdichtungsleistung
für den Einbau großer Bodenmengen ist das ma- für eine Vibrationswalze
schinelle Verdichten mit Walzen, die als statische Grundleistung
Walzen, Vibrationswalzen, Walzenzüge oder - Flächenleistung Qs,A = b' · v/z in m 2!h,
schwere Anhängerwalzen die Verdichtungsar- - Mengenleistung Qs,v =Qs,A · h -fv in m~es/h
beit übernehmen (Abb. 2.6-8).
Für geringe Bodenmengen bei Baugruben- mit
und Arbeitsraumverfüllungen sind leichte Gerä- b' wirksame Arbeitsbreite in m (etwa 0,8· Wal-
te wie Rüttelstampfer und Rüttelplatten ausrei- zenbreite),
chend (Abb. 2.6-9). v Arbeitsgeschwindigkeit in m/h,

~~ ~
o Bandage
b Grundrahmen
c Antriebsmotor für die Vibration
d Anhängevorrichtung
d 0 ( b
a Anhänge-Vibrationswalze, Walzenzug

--<Z:ll>.
L=
II e vibrierende Bandagen
f luftbereifte Antriebsräder
I~ ~I g Vorderwagen
I h Hinterwagen
i Pendel-Knicklenkung
j Antriebsmotor
g e j h

b Kombi-Walzenzug

Abb. 2.6-8 Walzen und Walzenzüge

a Bedienungshebel
b Kraftstofftank
c Führungsstange
d Schwingungserreger
e Plane
f Motor

Abb. 2.6-9 Vibrationsplane [Rosenheinrich/Pietzsch 1993)

2-248 Bauwirtschaft und Baubetrieb


z Anzahl der Übergänge über die gleiche Fläche, nutzten Bauelemente die am häufigsten verwen-
h Schütthöhe des unverdichteten Bodens in m, dete Baugrubensicherung. Trägerhohlwände
fv Verdichtungsfaktor. eignen sich für alle Bodenarten und lassen sich
den unterschiedlichsten Grundrissen und auch
Nutzleistung Hindernissen im Boden wie Leitungstrassen,
- Flächenleistung OA,A =OB,A -/Ein m 2/h, Fundamente und Schächte anpassen. Da sie
- Mengenleistung OA, v= Qs,v JE in m 3testlh. nicht wasserdicht sind, können sie nur oberhalb
des natürlichen oder abgesenkten Grundwas-
Nutzleistungsfaktor /E = fB,
serspiegels eingesetzt werden. Die Verfahren un-
wobei terscheiden sich hinsichtlich der Art des Träger-
/B Betriebsfaktor (s. Tabelle 2.6-7). einbaus und der Ausfachung sowie der Größe
des Arbeitsraumes.
Als Prüfmaßstab für die erreichte Verdichtung
dient die Bestimmung der Proctor-Dichte mit- Art des Trägereinbaus. Die vertikalen Tragglie-
tels Proctor-Versuch und des Verformungsmo- der (Stahlträger) werden vor Beginn des Bau-
duls durch Plattendruck-Versuch. grubenaushubs i. allg. im Abstand von 2 bis 3,5 m
eingebracht durch
2.6.2 - Rammen (wirtschaftliches Verfahren bei
Bauverfahren und Maschineneinsatz rammfähigem Baugrund, jedoch verbunden
für Baugrubenumschließungen mit hoher Lärmentwicklung),
- Rütteln (anwendbar bei verdrängungsfähi-
Der Bau von Verkehrswegen, Ver- und Entsor- gem Baugrund wie Sand und Kies) oder
gungsleitungen sowie Tiefgaragen erfordert be- - Versetzen der Träger in vorgebohrte Löcher
sonders im innerstädtischen Bereich mitunter eingebracht.
bis in große Tiefen die Ausführung von Baugru-
ben mit senkrechter Baugrubenumschließung. Art der Ausfachung. Die häufigste Art der Ausfa-
chung besteht aus einem verkeilten Holzverbau,
2.6.2.1 der waagerecht von oben nach unten im Zuge
Wahl der Verbauart der Aushubarbeiten eingebaut wird. Als Mate-
rialien dienen Kanthölzer mit 12 bis 16 cm Dicke,
Die Entscheidung über die geeignete Verbauart z. T. auch Holzbohlen und Rundhölzer (Abb.
hängt ab von den Boden- und Grundwasserver- 2.6-10). Weitere Bauelemente sind Kanaldielen,
hältnissen, der Nachbarbebauung,den Verkehrs- Stahlbetonfertigteile, vorgehängte Bohlen sowie
lasten und Platzverhältnissen sowie möglicher- eine Ausfachung mit Ortbeton oder Spritzbeton.
weise Auflagen aus dem Umweltschutz. Neben Kanaldielen werden bei nicht standfesten Bö-
den gängigen vertikalen Baugrubenumschlie- den verwendet, mit Schnellschlaghämmern hin-
ßungen Trägerbohlwände, Spundwände, Bohr- ter oder zwischen den Stahlträgern in einer oder
pfahlwände und Schlitzwände gibt es einige mehreren Staffeln eingebracht und mit einer
Sonderverfahren wie Bodenvernagelung, Ele- Gurtungaus Stahlprofilen oder Kanthölzern ver-
ment-, Injektions- und Frostwände. Dabei ist sehen (Abb. 2.6-11 ). Seltener ist eine Ausfachung
entsprechend den auftretenden Verformungen mit Stahlbetonfertigteilen. Dem schnelleren Ein-
der Baugrubenwand zwischen biegeweichen bau einer Ortbetonausfachung steht das hohe
(Trägerbohlwand, Spundwand) und biegestei- Gewicht der Fertigteile nachteilig gegenüber.
fen, deformationsarmen Verbauarten (Bohrp- Standfeste Böden erlauben auch einen Verbau
fahlwand, Schlitzwand) zu unterscheiden. aus Ortbeton zur Vermeidung von Setzungen aus
Verkehrslasten und Nachbarbebauung (Abb.
2.6.2.2 2.6-12). Der Ortbetonverbau wird zur Baugru-
Verfahren der Baugrubensicherung benseite hin bewehrt, ist hohlraumfrei und hat
den Vorteil geringer Durchbiegung. Die Ausfüh-
Trägerbohlwände rung der bis zu 40 cm dicken Ortbetonwände er-
folgt feldweise mit an den Stahlträgern befestig-
Trägerhohlwände gehören zu den biegeweichen ten Schalelementen. Für die einfache Wiederge-
Verbauarten; sie sind wegen ihrer Wirtschaft- winnung der Stahlträger wird zwischen Stahl-
lichkeit und auch Wiedergewinnbarkeit der ge- träger und Ortbeton eine Trennlage angeordnet.

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-249


Abb. 2.6-10 Trägerhohlwand

0 b

o Sohlträger IPB
b Kanaldielen
c Keile und Futterhölzer
d Gurtung IPB
e ggf. Verkleidung der Dielen
f Holzverkleidung

Abb. 2.6-11 Wandausfachung mit Kanaldielen [Merkblatt 161 (1979)]

-rl;
+r/7.//.Z«Z/f+ ~
1,50 bis 3,00 m ~

Spritzbeton B25 Bewehrung

Abb. 2.6-12 Ausfachung mit Ortbeton bzw. Spritzbeton [Buja 1998]

Bei der Ausfachung mit Spritzbeton wird der Stahlklammern befestigten Bohlen nicht ausrei-
Boden wegen der besseren Tragwirkung in Ge- chend hohlraumarm am Erdreich anliegen und
wölbeform abgetragen und der Spritzbeton in so Gefährdungen durch Setzungen auftreten
einer Dicke von 5 bis 8 cm hohlraumfrei aufge- können. Außerdem kann durch die horizontalen
tragen. Die Spritzbetonschale ist i.allg. mit Bau- Schlitze feinkörniger oder fließfähiger Boden
stahlmatten bewehrt. austreten, was ebenfalls Setzungen nach sich
Seltener kommen für die Ausfachung vorge- ziehen kann.
hängte Holzbohlen zum Einsatz, weil die mit

2-250 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Bauweisen. Die verschiedenen Böden, die v.a. de, Mergel) nicht oder nur schwer möglich. Die
beim U-Bahnbau in den deutschen Großstädten Verbauträger werden deshalb in vorgebohrte
angetroffen werden, haben zu unterschiedlichen Löcher eingebracht oder eingerüttelt, letzteres
Verfahrenstechniken geführt. Das betrifft das häufig unterstützt durch den Einsatz von Spül-
Einbringen der Stahlträger und den Arbeits- lanzen.
raum. Für den Stuttgarter Verbau wird eine bewehr-
Beim Berliner Verbau werden die Stahlträger te Ortbetonausfachung gewählt. Trennlagen zwi-
im leicht rammbaren Berliner Sand- und Kies- sehen Ortbeton und Träger dienen der Wieder-
boden weitgehend unproblematisch ohne Ab- gewinnung der Stahlträger.
weichungen von der Soll-Lage in den Boden ge-
rammt. Die Baugrubenwand wird als äußere ver- Arbeitsablauf und Geräteeinsatz. Die verfah-
lorene Schalung für eine Ausgleichsschicht ver- renstechnische Arbeitsfolge stellt sich bei allen
wendet, auf die die bituminöse Außendichtung Bauweisen wie folgt dar:
für das Bauwerk aufgebracht wird, das direkt oh- - Sondierung nach vorhandenen Ver- und Ent-
ne Arbeitsraum gegen den Verbau bzw. die Aus- sorgungsleitungen,
gleichsschichtbetoniert wird (Abb. 2.6-13). Die - Absenken des Grundwasserspiegels unter Bau-
Verbauträger werden wiedergewonnen, der grubensohle (kann dem Baufortschritt auge-
Holzverbau bleibt im Boden. Ziehbleche zwi- paßt werden),
schen Rammträger und Ausgleichsschicht ver- - Stahlträger rammen, einrütteln oder in vorge-
hindern ein Beschädigen der Außendichtung bohrte Löcher setzen,
beim Ziehen der Stahlträger. - Ausheben der Baugrube in einzelnen Lagen,
Im Gegensatz hierzu wird beim Hamburger - Wandverbau einbringen,
Verbau wegen des inhomogenen Bodenaufbaus - Aussteifungen oder Anker, soweit erforder-
(Sand und Kies mit Ton- und Mergeleinlagen lich, in Lagen einbauen.
und Steinen), der häufig ein maßgenaues Ram-
men der Träger und damit eine ebene Baugru- Geräteeinsatz. Für die Herstellung einer ge-
benwand verhindert, generell ein Arbeitsraum rammten Trägerhohlwand benötigt man eine
von etwa 1,00 m vorgesehen. Die Verbauträger Rammeinheit, bestehend aus Hydraulikbagger
und auch die Bohlen werden wiedergewonnen. mit Zubehör, Hydraulikmäkler mit Zubehör und
Der Arbeitsraum wird nach Aufbringen der bi- Rammbär, sowie eine Zieheinheit, bestehend aus
tuminösen Außendichtung lagenweise verfüllt Hydraulikbagger mit Vibrationsbär, Hydrauli-
und verdichtet. kaggregat und Klemmeinrichtungen. Die Aus-
Beim Münchner Verbau ist ebenfalls ein maß- wahl der richtigen Ramme richtet sich nach dem
gerechtes Einrammen der Träger wegen der an- Gewicht und der Länge des Stahlträgers, den
stehenden Böden (quartiäre Kiese, tertiäre San- Einsatzbedingungen und Bodenverhältnissen

a Ausgleichsschicht
b Isolierung
c Decke
d Wand
e Sohle
f Stahlträger
g g Arbeitsraum

Berliner Bauweise Hamburger Bauweise

Abb. 2.6-13 Berliner und Hamburger Bauweise [Schnell1990)

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-251


sowie den Anforderungen an Ausführung und werden. Die heute verwendeten U- und Z-Profi-
Umfang der Arbeiten. le unterscheiden sich nach Lage der Schlösser in
ihren statischen und rammtechnischen Eigen-
Spundwände schaften (Abb. 2.6-14 und 2.6-15).

Spundwände gehören zu den biegeweichen Ver-


bauarten. Sie sind weitgehend wasserdicht

~
(Schloßwasser) und werden für die Ausführung
trockener Baugruben im Grundwasser verwen-
det. Mit Hilfe von statisch oder dynamisch wir-
kenden Kräften werden die Profile als Einzel-
(selten), Doppel- oder Dreifachbohle in den Bo-
den gerammt, gerüttelt oder eingepreßt. Die
Rammbarkeit des Bodens begrenzt ihre Ver- • UPmfil• " '
wendbarkeit.
Die Wahl des Einbringverfahrens hängt v.a. ab
von den Bodenverhältnissen, der Nachbarbe-
bauung und den verwendeten Spundwandprofi-
len, wobei eine optimale Abstimmung zwischen
Rammgerät, Rammverfahren, Rammgut (Boh- --......<•»
b Z·Profile
len) und Boden Voraussetzung für die wirt-
schaftliche Ausführung der Rammarbeiten ist.
Abb. 2.6-14 Profile (nach Fa. Zeppelin)
Neben der geeigneten Stahlsorte muß das ge-
eignete Profil für die Spundbohlen festgelegt

-+-

'

Draufsicht

Ankerkopfplane

2 Konsolbleche

Schnitt A- A

Abb. 2.6-15 Spundwandverbau [Voth 1995]

2-252 Bauwirtschaft und Baubetrieb


In nicht bindigen Böden ist schnell schlagen- und speziellen Pfahlzieher zum Einsatz. Die er-
des Rammen oder Einvibrieren die wirtschaft- forderliche Zugkraft wird von einem Hydraulik-
lichste Art der Bauausführung, in bindigen Bö- bagger oder auch von Mobilkranen aufgebracht.
den langsam schlagende Rammbären mit hoher
Schlagenergie oder Einpreßverfahren. Bohrpfahlwände

Verfahren und Geräteeinsatz. Beim schlagenden Zur Sicherung tiefer Baugruben und zur Auf-
Rammen wirkt ein Schlag- bzw. Fallgewicht auf nahme hoher Lasten aus Nachbarbebauungen
den Bohlenkopf, das je nach Antriebsart über eignen sich Bohrpfahlwände, die wegen ihrer
Seilzug (Freifallramme) oder durch Dampf, massiven Konstruktion aus Stahlbeton und da-
Druckluft, Hydraulik bzw. Dieselverbrennung mit hohen Steifigkeit zu den verformungsarmen
angehoben wird. Zu unterscheiden ist zwischen Verbauarten gehören. Sie werden in überschnit-
langsamschlagenden Rammen (Dieselrammen tener, tangierender oder aufgelöster Bauweise
mit Schlagzahl40 bis 60 pro Minute) und schnell- ausgeführt (Abb. 2.6-18). Bei Überschneidung
schlagenden Rammen (Schlagzahl 100 bis 300 der Pfähle ist die Bohrpfahlwand wasserdicht
pro Minute). Das Schlaggewicht richtet sich nach und kann auch im Grundwasserbereich einge-
dem Gewicht des Rammgutes. baut werden.
Beim Rütteln (Vibrieren) verringern elek- Wegen der deutlich höheren Kosten der Bohr-
trisch oder hydraulisch angetriebene Vibrati- pfahlwand gegenüber Trägerhohlwand und
onsbären bei geringerer Lärmentwicklung die Spundwand wird sie häufig als tragendes Bauteil
Reibung zwischen Rammgut und Boden um in das spätere Bauwerk einbezogen. Die maßge-
75% bis 90% des Ruhewertes (Abb. 2.6-16). rechte Herstellung, die in allen Bodenarten mög-
Eine Weiterentwicklung in der Rammtechnik lich ist, und die nur geringen Abweichungen von
ist die hydraulisch angetriebene Impulsramme, der Lotrechten erleichtern derartige Entschei-
die durch Entfall des Schiagens weitgehend dungen.
lärmfrei arbeitet.
Mit dem Einpreßverfahren, das die Mantelrei- Bauweisen. Für die Herstellung einer wasser-
bung eingebrachter Spundbohlen für die hy- dichten und schubfesten Baugrubenumschlie-
draulische Preßeinrichtung nutzt, können Spund- ßungwird die Bohrpfahlwand in überschnittener
bohlen ohne wesentliche Lärmentwicklung auch Bauweise ausgeführt. Die Bohrpfähle entstehen
unmittelbar neben erschütterungsempfindli- in zwei Arbeitsgängen im Pilgerschrittverfahren:
cher Nachbarbebauung eingebracht werden Herstellen der unbewehrten Primärpfähle mit
(Abb. 2.6-17). Beim Ziehen kommen die auch langsam zunehmender Betonfestigkeit und ei-
zum Einrütteln verwendeten Vibrationsbären nem Pfahlabstand von 0,75·d sowie Herstellen

a Kraftstation (dieselelektrisch,-hydraulisch)
b Schaltpult
c Energietr~nsport (elektrische Kabel, Hydraulikschläuehel
d elastische Aufhängung der Kabel oder Schläuche
e Vibrationsbär
f Schwingungsisolator
g Motor
h Unwucht
i Erregerzelle
j hydrau lische Spannzange
k Rammgut
a b

Abb. 2.6-16 Typischer Aufbau eines Vibrationsbären (nach Fa. Zeppelin)

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-253


Preßjoch

Hydraulik-
zylinder

Preßkraft Preßkraft
ca.2000 kN ca.lSOO kN
Klemm- Klemm-
verbindung verbindung
Rammgut Rammgut

Spundwandpresse Wirkpegel Spundwandpresse Wirkpegel


{freireitend) ca.75 dB {A) (frei reitend) ca.60 dB (A)

Mäkler

Mäklerführer

Preßzylinder
- Zylinderhub 450 mm
- Druckkraft 600 kN
- Zugkraft 380 kN

Spannzangen

Rammgut

Wirkpegel
mäklerführende Presse ca. 70 dB {A) Anbaupresse

Abb. 2.6-17 Anbauvarianten für Einpreßgeräte [Buja 1990)

a b

horizontale Gewölbe

~
(
2,00 2,00 2,00

Abtrag in 2 Phasen für


Straße, Parkplatz o.ä.
a überschninene Bohrpfahlwand d
b tangierende Bohrpfahlwand Ueder Pfahl bewehrt)
c aufgelöste Bohrpfahlwand (mit Ourchschrinsmöglichkeiten für Hang- und Sickerwasser
d Pfahlwand aus Großbohrpfählen zur Abstützung eines Geländsprungs

Abb. 2.6-18 Beispiele fUrGrundrisse von Bohrpfahlwänden [Voth 1995)

2-254 Bauwirtschaft und Baubetrieb


der bewehrten Sekundärpfähle unter Verwen- nitmehl und Wasser hergestellt wird. Die wäh-
dung von Bohrrohren mit Schneidschuhen). rend des Aushubs durch Bodenmaterial verun-
Oberhalb des natürlichen oder gesenkten Grund- reinigte Stützflüssigkeit wird während des Beto-.
wasserspiegels können die Bohrpfahlwände als niervorgangs abgepumpt und in speziellen Re-
nicht wasserfester Verbau in tangierender Bau- generierungsanlagen zur Wiederverwendung
weise oder bei entsprechend guten Bodenver- aufbereitet.
hältnissen und geringen Horizontalkräften in
aufgelöster Bauweise (Pfahlabstand 2 bis 3m, Si- Bauweisen. Die Schlitzwände werden in einzel-
cherung der Zwischenräume durch Spritzbeton- nen Lamellen (Länge 2 bis 5 m) hergestellt, wo-
gewölbe) hergestellt werden. bei zwischen alternierender (Pilgerschritt-
verfahren) und kontinuierlicher Bauweise un-
Arbeitsablauf und Geräteeinsatz. Die Herstel- terschieden wird (Abb. 2.6-20). Die einzelne
lung der Bohrpfähle, die für schwierige Gebäu- Lamelle ist stirnseitig für die Herstellung (Be-
deabfangungen auch geneigt bis zu 15° gegenü- wehrungskorb einbringen, betonieren) durch
ber der Lotrechten erfolgen kann, besteht in An- Ab- schalrohre begrenzt, wodurch eine vertika-
lehnung an [Schnell 1990] aus folgenden Ar- le halbkreisförmige Trennfuge mit guter Ver-
beitsvorgängen: zahnung der einzelnen Wandabschnitte ent-
- Herstellen der unbewehrten Bohrschablone steht.
(zur maßgenauen Herstellung der Einzelpfäh-
le und Fixierung der Ansatzpunkte für das Arbeitsablauf und Geräteeinsatz. Der verfah-
Bohrrohr), renstechnische Ablauf der Schlitzwandherstel-
- Abteufen des Bohrrohres und Bodenaushub lung besteht aus folgenden Einzelvorgängen:
mit Greifer oder innenlaufender Schnecke, - Voraushub einschließlich Sondierung dervor-
- Einsetzen des in ganzer Länge vorgefertigten, handenen Leitungen,
ausreichend steifen Bewehrungskorbes (nur - Herstellen von standsicheren und abgesteif-
bei Sekundärpfählen), ten Leitwänden aus Ortbeton, Stahlbetonfer-
- Betonieren des Bohrpfahles bei gleichzeiti- tigteilen oder Stahlsegmenten im Abstand der
gem Ziehen des Mantelrohres. Schlitzwanddicke zur Führung des Aushub-
werkzeugs (Schlitzwandgreifer) und Siche-
Der anstehende Baugrund und die speziellen rung von Bodeneinbruch im Bereich der Spie-
Baustellenbedingungen entscheiden über die gelschwankung der Stützflüssigkeit,
Wahl des Bohrverfahrens. Unterschieden wird - Erdaushub der Lamelle mit Schlitzwandgrei-
zwischen Greiferbohrung, Drehbohrung und fer oder Schlitzfräse bei gleichzeitiger Siche-
Spülbohrung. Die Sicherung der Bohrlochwand rung der Schlitzwände durch Stützflüssigkeit,
erfolgt durch Verrohrung oder Stützflüssigkeit - Einbau der Abschalrohre bzw. alternativer Fu-
Zum Einsatz kommen Kompaktbohranlagen, genkonstruktionen aus Fertigteilen,
bei denen Verrohrungs- und Aushubgerät eine - Einhängen des vorgefertigten, ausreichend
Einheit bilden (z. B. Benotoverfahren), oder Bag- ausgesteiften Bewehrungskorbes, Sicherung
ger mit Drehbohrgeräten bzw. Verrohrungsma- des Bewehrungskorbes durch Aufhängen an
schinen als Spezialausrüstungen (Abb. 2.6-19). den Leitwänden,
- Betonieren der Lamellen mit Betonierrohren
Schlitzwände im Kontraktorverfahren,
- Ziehen der Abschalrohre nach Ansteifen des
Schlitzwände gehören zu den verformungsar- Betons.
men Verbauarten und können als belastete Bau-
werkwand Bestandteil einer bleibenden Kon- Geräteeinsatz. Für die Herstellung einer Schlitz-
struktion werden. Sie sind wegen ihres geringe- wand dienen folgende Gerätekomponenten:
ren Fugenanteils druckwasserdicht und damit - Trägergerät (schwerer Seilbagger),
besonders geeignet für Bauvorhaben im Grund- - Schlitzwandwerkzeuge als seilgeführte me-
wasserbereich. chanische oder hydraulische Schlitzwandgrei-
Schlitzwände werden in flüssigkeitsgestützten fer, ggf. unterstützt durch Meißel (seltener Te-
Erdschlitzen aus Beton oder Stahlbeton herge- leskopschlitzwandsysteme),
steJJt. AJs Stützflüssigkeit dient i.allg. eine Ben- - Abschalrohre einschließlich Zieheinrichtung
tonitsuspension, die auf der Baustelle aus Bento- (Rohrziehmaschinen),

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-255


Abteufen des Bohr-
rohres durch hin- und
herdrehende, gleichzeitig Fertigstellung
gleichzeitiges des Pfahles
nach unten drückende Fördern des Bohr-
Bewegungen gutes mit Greifer Einsetzen des Betonieren des Pfahles
Bewehrung- bei gleichzeitigem Ziehen
a Schlagbohren mit Kompaktanlagen korbes der Rohre durch hin- und
herdrehende Bewegung

."
Abteufen des Bohr-
rohres durch hin- und gleichzeitiges
herdrehende, gleichzeitig Fördern des Bohr-
nach unten drückende gutes mit Greifer Einsetzen des Betonieren des Pfahles
Bewegungen Bewehrung- bei gleichzeitigem Ziehen
korbes der Rohre durch hin- und
b Schlagbohren mit Baggeranbaugeräten herdrehende Bewegung

Abteufen der Bohrung


durch Schnecke und Säubern der
Kelly-Stange Pfahlsohle mit Einbringen des Betonieren des Pfahles
Bohreimer Bewehrung- mit Schüttrohren
korbes
c Drehbohren mit Drehbohrgeräten

Abb. 2.6-19 Verfahren zur Herstellung von Bohrpfählen [Schnell1990]

- Betoniereinrichtung (mit Trichter, Schüttrohr, fräse wird kontinuierlich Bodenmaterial an der


Hebeklappe und Kupplungsseil), Schlitzsohle gelöst, zerkleinert und der Bento-
- Bentonitaufbereitungsanlage (mit Entsan- nitsuspension beigemischt Die mit Bodenmate-
dungsanlage, Silo, Förder- und Umwälzpum- rial angereicherte Stützflüssigkeit wird über ei-
pen, Waagen und Mischer). ne Ringleitung zur Regenerierungsanlage ge-
pumpt, gereinigt und zurückgeleitet (Abb.
Für die Arbeit mit Schlitzwandfräsen zum Her- 2.6-21).
stellen tiefer Bodenschlitze und gegenüber Grei- Mit Schlitzwandfräsen können Bodenschlitze
fern verbesserter Leistung wurden spezielle zwischen 50 und 150 cm Breite bis zu etwa100m
Kompaktgeräte entwickelt Mit der Schlitzwand- Tiefe hergestellt werden. Der Einbau der Beweh-

2-256 Bauwirtschaft und Baubetrieb


1,9 1,9 1
I .,rr Primärlamellen ~
1 o'l. )ZU -Zi J./"-/"//-<%'f ~

~ (0Z2-2<2<1:):q e,Z0ZiZZ:> 1
I j 3,1 ,l Sekundärlamellen I
a
1,9

a Pilgerschrittverfahren
b kontinuierliches Verfahren

b
2.Lamelle
ez-z-z-z,t o'4.,
Harneile
"!'~"

Abb. 2.6-20 Form und Abmessungen von Lamellen bei einer Greiferbreite von 2,50 mundeiner Wanddicke von 0,60 m
[Schnell 1990]

h a Fräse
b Fräsenpumpe
c Entsandungspumpe
d Vorratstank
e Kreiselpumpe
f Bodenmaterial
g Kreiselpumpe
h Betonirrniseher
i Betonsilo
j Wasserzugabe

Abb. 2.6·21 Fräsereinrichtung [Buja 1998]

rung und das Betonieren erfolgen in ähnlicher


Weise wie bei der Greifermethode. I'
a (I
2.6.2.3 ll:====ll:
Rückverankerung und Aussteifungen
von Baugrubenwänden II
II
11 b
Um Verschiebungen der Verbauwände gering zu
halten, werden vertikale Baugrubenwände, die II
über 4 m tief sind, abgestützt. Die Aussteifungen
a Steife
oder Rückverankerungen (Abb. 2.6-22) werden b Baugrubensohle
dabei je nach Aushubtiefe in einer oder mehre- c Injektionsanker
ren Lagen mit fortschreitendem Aushub einge-
bracht. Aussteifungen wählt man i. allg. für Abb. 2.6-22 Abstützungen von Baugrubenwänden
schmale Baugruben, Anker für breite. Während [Schnell 1990)
Aussteifungen den Bauablauf beeinträchtigen,

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-257


Schnitt A- A Schnitt B- B

Gurt

Steife

Grundriß

a ohne Knickhaltung b mit Knickhaltung

Abb. 2.6-23 Aussteifungssysteme [Schnell1990]

a Grundriß b Schnitt A-A

Abb. 2.6-24 Aussteifu ng mit Stahlbetonrahmen [Schnell1990]

weil der Einsatz von Großgerät oder Großflä- steifungen ergeben sich zum einen aus den sta-
chenschalung nicht möglich ist, bleibt die Bau- tisch konstruktiven, zum anderen aus den bau-
grube bei Verankerungen frei von Einbauten. betrieblichen und verfahrenstechnischen Be-
dingungen (Abb. 2.6-23 und 2.6-24).
Aussteifungen
Rückverankerungen
Die Steifenlagen werden i.allg. mit den auf der
Baustelle vorhandenen Turmdrehkranen oder Anker werden nach DIN 4125. unterschieden.
Autokranen eingebaut. Die Höhenlagen der Aus- Nach ihrem Tragverhalten lassen sie sich in zwei

2-258 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Gruppen einteilen: in Verbundanker und Druck- Verankerungslängen mit Zementmörtel bei
rohranker. Bei ersteren (Abb.2.6-25) besteht zwi- gleichzeitigem Sicherstellen des Bohrgestänges
schen dem Ankerstahl und dem Verpreßkörper sowie das Anspannen des Ankers nach Erhärten
ein Verbund auf der gesamten Länge der Kraft- der Injektion.
eintragungsstrecke. Da der Verpreßkörper beim
Anspannen auf Zug beansprucht wird, entstehen 2.6.3
Risse, die die Korrosion des Stahles begünstigen. Auswahl und Einsatz von Hebezeugen
Dieser Ankertyp wird daher vorwiegend für
temporäre Zwecke verwendet [Schnell 1990]. 2.6.3.1
Aufwendiger ist die Kraftübertragung beim Bauarten von Hebezeugen
Druckrohranker (Abb. 2.6-26), bei dem die An-
kerkraft in das hintere Ende des Verpreßkörpers Die aufBausteilen zu bewegenden Lasten unter-
eingeleitet wird. Das Stahlzugglied hat keinen scheiden sich erheblich hinsichtlich Art, Gewicht
Verbund mit dem Verpreßkörper. Zur Kraftü- und Abmessungen. Für Transportaufgaben, die
bertragung dient ein Druckrohr (Duplex-Rohr). für Schalungs- und Rüstungsarbeiten, Beweh-
Der Verpreßkörper wird aufDruck beansprucht, rungs- und Betonierarbeiten, Mauerwerkarbei-
so daß eine Rißbildung nicht zu befürchten ist. ten, Fertigteil- oder Stahlmontagen zu erbringen
Dieser Typ dient vorwiegend als Daueranker sind, werden auf den meisten Baustellen des
[Schnell1990]. Hoch- und Ingenieurbaus Turmdrehkrane ver-
Die Arbeitsfolge bei der Herstellung von In- wendet. Daneben werden für besondere Aufga-
jektionsankern beginnt mit der Herstellung des ben oder Transport- und Montagebedingungen
Bohrloches (Durchmesser 70 bis 150 mm durch v. a. Fahrzeugkrane, Portalkrane, seltener Der-
Schlag-, Dreh-, Spül- oder Schneckenbohren). rick- und Kabelkrane eingesetzt.
Hierfür kommen selbstfahrende, druckluftbe-
triebene Bohrgeräte mit Bohrlafetten zum Ein- Turmdrehkrane
satz, die aufbeliebige Neigungen eingestellt wer-
den können. Darauf folgen der Einbau der vor- Turmdrehkrane werden nach Anordnung des
bereiteten Stahlzugglieder, das Verpressen der Drehwerks in Unten- und Obendreher unter-
schieden. Weitere Unterscheidungsmerkmale
sind die
- Bauart des Auslegers (Abb. 2.6-27): Nadelaus-
leger, Wipp- oder Waagebalkenausleger, Lauf-
katzausleger, Knickausleger;
- Bauart des Turmes: Gitterbauweise, Vollwand-
bauweise, Teleskopbauweise;
a Kunststoff-Hüllrohr - Aufstellungsart: stationär (freistehend oder
b Korrosionsschutzmaterial als Etagen- bzw. Außenkletterkran), fahrbar
c Stahlzugglied (auf Schienen- oder Raupenfahrwerk);
d Zementverpreßkörper
- Aufbauart: selbstaufrichtend,Auf- undAbbau
Abb. 2.6-25 Verbundanker(Fa. Bauer) (Schnell 1990]
mit Fahrzeugkran.

Bei Kranen mit Wipp- und Nadelausleger und


den leichten Schnellmontagekranen ist der Turm
i. d. R. auf dem Drehkranz eines Unterwagens
b montiert (Abb. 2.6-28), so daß sich der Turm zu-
sammen mit dem Ausleger dreht (Untendreher).
Zu den Oberdrehern gehören die schweren Lauf-
katz- und Knickausleger, bei denen der Dreh-
a Kunststoff-Hüllrohr kranz auf dem feststehenden Turm angeordnet
b Korrosionsschutzmaterial
c Zementverpreßkörper ist und sich nur der Ausleger dreht (Abb. 2.6-29).
d Druckrohr Obendreher sind i. allg. selbstkletternd; ihre Auf-
stellung erfolgt auf einem Fundamentkreuz mit
Abb. 2.6-26 Druckrohranker (Fa. Bauer) [Schnell 1990] Spindeln oder auf einem Unterwagen mit Ab-
stützplatten bzw. Schienenfahrwerk

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-259


b

a Laufkatzenausleger
b Nadelausleger
c Teleskopausleger
d Knickausleger

Abb. 2.6-27 Auslegertypen bei Turmdrehkranen (nach [Liebherr 1995])

a Kran mit Plattenahstützung


b Kran mit Gleisfahrwerk

a
3,8m 3,8x 3,8 m

Abb. 2.6·28 Schnelleinsatzkran (Untendreher) mit Lastmomentenverlauf (Pekazett Baumaschinen GmbH, Heilbronn)
(nach [Liebherr 1995])

2-260 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Auslegerlänge 55,4 m

I
Ausladung 55,0m
:._ ::.r_-_-...r:: ~ 1550kg

50,0m
2150 kg
±--_-_L: I~ "'
..c
•O
..c
45,0m -.j ..0
:::>
:X:
2550 kg
_- :=t_~--...r:: ~
- - 40,0m - -.j
3050 kg

Lastmomentkurve
I
8+----~
6

15 20 30 40 50 55 m
- -- - Ausladung

Abb. 2.6-29 Kletterkran (Obendreher) mit laufkatz-Knickausleger (nach [Liebherr 1995))

Die wesentliche Kenngröße von Turmdrehkra- Fahrzeugkrane


nen ist das Lastmoment in tm, das häufig auch
als Typbezeichnung verwendet wird. Weitere Fahrzeugkrane haben den Vorteil großer Be-
Kenndaten sind die größte Ausladung, die maxi- weglichkeit und dienen deshalb häufig für Mon-
male Hubhöhe, die höchste Tragkraft, die Ar- tageaufgaben, als Ergänzung zu stationären He-
beitsgeschwindigkeiten für Heben, Senken, Katz- bezeugen, zur Bedienung isolierter Bauabschnit-
fahren und Drehen sowie die Fahrgeschwin- te und Bauteile sowie zum Ausgleichen von Be-
digkeit bei Gleisbetrieb. lastungsspitzen. Sie werden auf der Baustelle
Wegen der Vielfalt der baubetrieblichen Auf- ausschließlich als Drehkrane verwendet, die ei-
gaben eines Turmdrehkrans, die zur optimalen nen auf dem Unterwagen drehbaren Oberwagen
Versorgung einer Baustelle erforderlich sind, haben. Als Kenngröße wird die maximale Trag-
kann der Turmdrehkran wirtschaftlich nicht als kraft in t verwendet. Für die genaue Beurteilung
Leistungsgerät, sondern nur als Bereitstellungs- eines Fahrzeugkrans benötigt man die Lastdia-
gerät mit ablauf- und baustellenbedingten War- gramme bzw. Traglasttabellen der Hersteller.
tezeiten von etwa 50% eingesetzt werden. Die Bei den Fahrzeugkranen, die als Drehkran ei-
Leistungszeit verteilt sich bei Beton- und Mau- nen auf dem Unterwagen drehbaren Oberwagen
erarbeiten wie folgt: Betonieren 20%, Mauerar- haben, unterscheidet man zwischen Mobilkra-
beiten 15%, Schalen und Bewehren 10%, Sonsti- nen, Autokranen und Raupenkranen.
ges 5%. Mobilkrane sind selbstfahrend bis 40 km/h; ih-
re Motorleistung ist für den Kranbetrieb bemes-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-261


Tabelle 2.6-14 Mobilkran-Baureihe 15-80 t max. Traglast (nach Liebherr [1994))

max.Traglast max. max. max. Fahrge- Motorleistung


t Hubhöhe Ausladung schwindigkeit kW
3m Ausladung ca.m ca.m km/h Fahr- und Kranmotor

~f;7 15 16 15 25 80

<~ 30 30 25 40 120

C::;t;. 40 40 35 40 160

e::;;w;v 50 50 40 35 160

~ 80 50 40 30 190

Tabelle 2.6-1 S Autokran ·Ba urei he 25-400 t max. Trag last (nach Liebherr I1994))

max.Traglast t max. max. max. Fahrge- Motorleistung


3m Hubhöhe Ausladung schwindigkeit kW
Ausladung ca.m ca .m km/h Fahrmotor Kranmotor

25 40 30 70 170

40 45 35 70 220

50 55 40 70 260

~ 70 60 45 70 260 115

:a 90 65 50 70 320 115

120 70 50 70 320 120

140 75 55 70 320 130

200 95 70 70 390 150

300 110 85 70 390 210

400 130 100 70 390 260

sen (s. Tabelle 2.6-14). Sie sind meist mit Gitter- rerhaus für Fahrbetrieb bis über 60 km/h. Die
ausleger ausgerüstet. Größere Mobilkrane dienen Motorleistung ist für den Fahrbetrieb bemessen.
als Montagekrane im Fertigteilbau. Sie sind meist mit Teleskopausleger ausgerüstet,
Autokrane haben als straßentaugliche Unter- größere Geräte für den Schwerlastbetrieb auch
wagen ein Lkw-Fahrgestell mit separatem Füh- mit Gitterausleger (Abb.2.6-30 u. Tabelle 2.6-15).

2-262 Bauwirtschaft und Baubetrieb


48

~r1-t~~-r1-9+-t-r-~~-t-r-r~~T-t-t-r1-l8
~r1-+-\+!'-rß-r~+-t-r-~~-t-r-r~;-T-t-t-r1-16
·~~-r-r-r-r-t-t-t-t-+-+-+-+~_,-1-1-1~r-r-r-r-~·
~~tiiL~-~~~~~~~~~~_,_,_,-i-t-t-t-t-t-t-t--1 2
"'l~ll 0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 JO 32 34 36 38 40 42 •• 46 46

Abb. 2.6-30 Diagramm für den Arbeitsbereich eines Autokrans mit 70 t Traglast (nach [liebherr 1994])

Raupenkrane entsprechen Raupenbaggern Portalkrane


und werden als Seilbagger bzw. Seilträgergeräte
mit Gitterausleger ausgebildet. Auf Baustellen Portalkrane kommen bei der Ausführung von
werden Raupenkrane wegen des großen Trans- Schleusen, U-Bahn-Tunneln, Stützmauern oder
portaufwands v.a. bei schwierigem Gelände und für ähnlich langgestreckte Bauvorhaben zum
im Rohrleitungsbau eingesetzt. Einsatz. Sie dienen außerdem zum Umschlagen
Tabelle 2.6-16 gibt die Gerätevorhaltekosten schwerer Lasten auf Lagerplätzen und in statio-
einiger Autokrane mit dieselhydraulischem nären Werk- oder Fabrikationsstätten. Die Por-
Kranantrieb und Teleskopausleger laut Baugerä- talkonstruktion aus Rohr- und Profilstählen hat
teliste (BGL) von 1991 an. i.d.R. zwei schienenfahrbare Stützen (Fest- und
Pendelstütze), auf denen eine Brücke in Fach-
werkbauweise aufgebaut ist; auf der Brücke läuft
eine Laufkatze (Abb. 2.6-31).

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-263


Tabelle 2.6-16 Vorhaltekosten Autokrane (nach [BGL 1991))

Nutzungsjahre: 8 Vorhaltemonate: 65 bis 60


monatl. Satz für Abschreibung und Verzinsung: 1,9 bis 2.1 % monatl. für Reparaturkosten: 1,3 %

Nr. max.Last- max.Trag- Aus- Grundaus- max. Ausleger- Anzahl der


moment last Iadung legerlänge länge Achsen
tm t m m m
2177- 0135 135 45 3,0 10.0 32 4
270 270 90 3,0 12,5 42 5
600 600 200 3,0 14,0 48 7

Motorleistung Gewicht mittlerer monatl. monatlicher


Kran- Fahrge- Neuwert Reparatur- Abschreibungs- und
Oberweite stell kosten Verzinsungsbetrag
kw kw DM DM von DM bis
210 34 620.000 8.060.- 11.780,- 13.020,-
115 310 62 1.220.000 15.860,- 23.180,- 25.620,-
160 390 82 2.100.000 27.300,- 39.900,- 44.100,-

Brückenlänge
Ausleger Spannweite Ausleger
Feststütze Pendelstütze
a Kranbrücke d Hubwerk
b Feststütze e Kranfahrantrieb
c Pendelstütze f Kabeltrommel

Abb.2.6-31 Bauteile eines Portalkrans (nach [Aumund 1995))

Sonderbauarten 2.6.3.2
Bestimmen der erforderlichen Krankapazität
Weitere Bauarten von Kranen, die für spezielle
Aufgaben im Bauwesen Verwendung finden, Im Rahmen der Arbeitsvorbereitung und Ein-
sind Derrick-Krane- v.a. bei Stahlbaumontage- richtungsplanung sind Anzahl, Größe, Einsatz-
arbeiten für das Bewegen schwerer Lasten - und dauer und Standorte der Krane nach baube-
geländeunabhängige Kabelkrane für breite, lang- trieblichen und bauwirtschaftlichen Kriterien
gestreckte Baustellen (Flußkraftwerke, Staumau- festzulegen. Einfluß auf diese Entscheidung neh-
ern usw.). Im Hochbau kommen darüber hinaus men vorgegebene Randbedingungen wie Bau-
häufig Lasten- und Personenaufzüge zur Versor- zeit, Massenschwerpunkt, maximale Gewichte
gung der Ausbaugewerke hinzu. und Abmessungen der zu bewegenden Trans-
portgüter, Bauwerkhöhen sowie die Notwendig-

2-264 Bauwirtschaft und Baubetrieb


keit, alle Arbeits-, Lager- und erforderlichen werden. Als Kennzahlen sind hierfür erforder-
überlappungsbereiche (Lastübernahmeberei- lich:
che) mit dem Kran zu überstreichen. - die Kranaufwandswerte je m 3 Bruttoraumin-
halt (BRI),
Kranförderleistung nach Spielzeit - die Kranaufwandswerte je t Bau- und Bau-
hilfsstoffe,
Die Berechnung der Kranförderleistung nach - die Baustoff-Einbaugewichte je m 3 BRI.
Spielzeit ist zur Kranbemessung kompletter
Baustellen weniger geeignet, da die Krane unter- Die erforderliche Krankapazität GKr wird rech-
schiedliche Kenndaten haben und unterschied- nerisch über die durchschnittliche Nutzleistung
liche Materialien wie Schalung, Bewehrungs- von Kranen ermittelt:
stahl, Beton und Fertigteile zu bewegen sind. Die
Spielzeitberechnung ist aber sinnvoll, wenn es
darum geht, Zeitansätze zu ermitteln oder kriti-
sche Transportvorgänge zu überprüfen (t Fertig- mit
teile pro Schicht, m 3 Beton pro Zeiteinheit).
Nutzleistung ON für Krane G Gewicht der zu transportierenden
Baustoffe, G = BRI I YM•
60
QN =l·T fz ·fB wobei BRI Bruttorauminhalt in m 3 u. R,fFest-
stoffanteil pro m 3 BRI, /J = (0,30 ... 0,035) · hM
mit QN Nutzleistung in t/h, m 3/h usw.; I gehobe- (Geschosse im Erdreich),/z=(0,25 ... 0,035)·hM
ne Menge je Arbeitsspiel in t, m 3 usw.; T Kran- (Geschosse über dem Erdreich), hM mittlere Ge-
spielzeit in min; fz Zeitfaktor für Dauerbetrieb schoßhöhe in m, YM mittlere Dichte der Baustof-
0,80 oder Kurzzeitbetrieb 0,90;/B Betriebsfaktor fe (Yw"2,0 bei Mauerwerk, YM "'2,4 bei Stahlbe-
(s. Tabelle 2.6-17). ton);
Die durchschnittliche Kranleistung für die 'I' Potentialfaktor (1,0:<=;'1':<=; 2,0);
Montage von Fertigteilen beläuft sich auf 50 bis D Bauzeit in Monaten;
80 t pro 8-h-Schicht. Die durchschnittliche Kran- L~r durchschnittliche Nutzleistung eines Kranes
spielzeit für die Betonförderung mit Kübel sowie (2000 bis 4000 m 3 BRI!Monat oder 800 bis
die Förderung von Bewehrungsstahl im mono- 1200 t/Monat);
lithischen Betonbau beträgt in Abhängigkeit von TM durchschnittliche monatliche Arbeitszeit.
der Förderhöhe 150 bis 300 s.
Krankapazität nach der Beschäftigtenanzahl
Krankapazität nach Materialgewicht
Die Anzahl der für ein Bauvorhaben erforderli-
Die erforderliche Krananzahl einer Baustelle für chen Krane GKr läßt sich überschlägig aus der
die Ablaufplanung und Kalkulation kann über- Zahl der produktiv eingesetzten Arbeitskräfte
schlägig über das Materialgewicht nach Kenn- ableiten, die von Kranen mit Material zu versor-
zahlen für das Gebäudevolumen (BRI-Baulei- gen sind (s. Tabelle 2.6-18).
stung in m 3 umbauten Raum je Monat) und das
Gewicht der Bau- und Bauhilfsstoffe ermittelt 'I'·A
GKr=--e
n
mit A Anzahl der insgesamt zu bedienenden
Tabelle 2.6-17 Betriebsfaktor f8 [Hoffmann/Kremer
1996] gewerblichen Arbeitskräfte (AK), n maximal
sinnvoller Arbeitskräfteeinsatz pro Kran
Betriebsbedingungen (n= 15 ... 25 AK für Ortbeton- und Mischbau-
Einsatzbedingungen weise, n = 8... 12 AK bei Fertigteilbau), \jf Poten-
mittel-
sehr gut gut mäßig schlecht tialfaktor (Amax= \jf ·A0= 1,3 ... 1,5).
sehrgut 0,85 0,81 0.76 0.70
gut 0,78 0.75 0,71 0,65 Krankapazität nach der Geometrie des Bauvorhabens
mittelmäßig 0,72 0,69 0,65 0,60
schlecht 0,63 0,61 0,57 0,52 Bei der Festlegung der Standorte der Hebezeu-
ge ist zu beachten, daß sich aus der Art der Bau-
stelle (Punkt-, Flächen-, Linienbaustelle) unter-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-265


Tabelle 2.6-18 Richtwerte flir die Zahl der Arbeiter/Kran [Hoffmann/Kremer 1996)

Belegschaft (gewerblich)
Bauweise produktive Arbeiter mit Aufsicht und mit Urlaub und
Kranführer Krankenanteil
Ortbeton (Krankübel) 14 18 20
Ortbeton (Pumpe) 10 13 15
Ortbeton und Mauerwerk 16 19 22
Fertigteilmontage 3 5 6

schiedliche Transportbedingungen ergeben. 2.6.4.2


Grundsätzlich gilt, daß die Flächen für die Aus- Schalungsnormen, Bezugsnormen, Richtlinien
führung der Leistung (Bauwerkstandort) und
für die vorübergehende Lagerung von Bau- und Schalungsnormen (Schalhaut)
Bauhilfsstoffen von den stationär oder fahrbar DIN 18215 Schalungsplatten
angeforderten Hebezeugen erreicht werden muß. DIN 18216 Schalungsanker
Hieraus ergeben sich weitere wichtige Anforde- DIN 18217 Betonflächen und Schalungshaut
rungen an die Krankapazität hinsichtlich erfor- DIN 68791 GF-Schalungsplatten aus Stab- und
derlicher Ausladung, benötigter Hakenhöhe so- Stäbchensperrholz
wie Materialvolumen bzw. Montagemasse. DIN 68792 GF-Schalungsplatten aus Furnier-
sperrholz
2.6.4
Betonschalungen und Gerüste im Hochbau Gerüstnormen
DIN 4420 Arbeits- und Schutzgerüste (Teil1-4;
2.6.4.1 Entwürfe EN 12810 u. EN 12811)
Einleitung DIN 4421 Traggerüste (Entwürfe EN 12812 u.
EN 12813)
Als "Schalungen" werden alle Hilfsmittel be- DIN 4424 Baustützen aus Stahl
zeichnet, die zur Herstellung der (Negativ)-Form DIN 18451 Gerüstarbeiten (VOB, Teil C)
(eng!.: formwork) von Betonbauteilen jeglicher
Art dienen. Klare Unterscheidungsmerkmale Bezugsnormen
zwischen den Begriffen "Schalung" und "Trag- DIN 18299 VOB, Teil C: Allgemeine Regelungen
gerüst", also der lastaufnehmenden Tragkon- für Bauarbeiten jeder Art
struktion, sind weder möglich noch eindeutig DIN 18331 VOB, Teil C: Beton- und Stahlbeton-
festgeschrieben. Deutschland ist in der Scha- arbeiten
lungstechnik führend in der Welt. DIN 18202 Toleranzen im Hochbau (Bauwerke)
Zu den Schalungen im Hochbau zählen alle DIN 18203 Toleranzen im Hochbau (Bauteile)
Arten und Systeme: manuell oder mittels Hebe- DIN 18218 Frischbetondruck auflotrechte Scha-
Verfahr-Geräten versetzbare oder automatisch lungen
arbeitende. Zur Ausführung von Schalungsar-
beiten nach DIN 18331 gehören zwangsläufig DIN 18217 und DIN 18202 haben für die Aus-
Arbeits- und Schutzgerüste (DIN 4420 und schreibung und die Ausführung bezüglich der
DIN 18451 ), die entweder als Nebenleistung ein- Oberflächenqualität und Architektur absolute
zukalkulieren oder als Besondere Leistung zu Priorität. DIN 18217 unterscheidet nach
vergüten sind. - Betonfläche ohne Anforderungen an das Aus-
Die gewählte oder verlangte Schalhautqualität sehen,
bestimmt letztlich und vorrangig die erzielbaren - Betonfläche mit Anforderungen an das Ausse-
Betonflächen. Betonflächen sind das Spiegelbild hen,
der Schalung, insbesondere der Schalhaut. - Betonfläche mit technischen Anforderungen
an das Aussehen,

2-266 Bauwirtschaft und Baubetrieb


wobei für sichtbar bleibende Betonflächen eine zelteile auf das Gesamtprogramm lückenlos
eindeutige und praktisch ausführbare Beschrei- abgestimmt sind,
bung vorliegen muß. - industriell gefertigte Trägerschalungselemen-
te, die ein in sich schlüssiges Programm dar-
2.6.4.3 stellen,
Schalungssysteme und -methoden - Kletter- und Selbstkletterschalungen,
- Gleitschalungen, die vorwiegend mit be-
Schalungssysteme sind Formen, die "in sich stimmten, aber nicht ausschließlich dafür
komplett" und nach Plan logisch geordnet sind. konstruierten Geräten und Einzelteilen aus-
Dazu gehören z. B. gestattet sind, sowie
- Rahmen- und Rastertafelsysteme,die nach be- - Raumschalungen.
stimmten Modulen konzipiert und deren Ein-

a b

Abb. 2.6·32 Spezial.schalungen im Hochbau;a Stützen, P{eiler; b Wände; cTische; d Halb- und Volltunnel

a Decken
b Stützen
c Fundamente
d Wände

Abb. 2.6-33 Manuelle kranunabhängige Schalungen im Hochbau lEinzeigewicht" 30 kg)

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-267


schwere Rahmenschalung vorgefenigte Trägerschalung

Stützen

r.::=-
"'= r=:::
r-
Wände

Abb. 2.6-34 Kranabhängige Standardschalungen im Hochbau

Schalungssysteme sind häufig herstellerseits ori- -systeme u. dgl., ohne Gewichtslimitierung,


entiert und werden unter entsprechenden Be- z. B. Großflächenschalungen (Abb. 2.6-34).
zeichnungen (auch Phantasienamen) gehandelt.
"Schalungsart" (Verwendungsart) nennt man Eine eindeutige Terminologie darüber hinaus
die Art und Weise, in der bestimmte Systeme, gibt es nicht.
Methoden und Konstruktionen Anwendung fin- Unter der "Schalungsmethode" wird häufig
den. Nach der Art des Bauvorhabens sind dies auch die Anwendungsart auf der Baustelle ver-
z.B. standen. So werden beispielsweise die traditio-
- objektunabhängige Regel-,Standard- und Uni- nelle Art und Weise als herkömmliche oder kon-
versalschalungenwie Raster- und Rahmensy- ventionelle"Methode", die modernere als "Groß-
steme sowie flächen- (GF-) Methode" bezeichnet.
- objektabhängige Schalungen, d. h. auf das Bau-
vorhaben bezogene Sonder- bzw. Spezialscha- 2.6.4.4
lungen wie Tunnel-, Gleit-, Kletter-, Fahr- und Kostengliederung der Rohbaukosten
Tischschalungen (Abb. 2.6-32);
Die Schalungskosten, insbesondere lohnseitig,
nach der Art einzelner Baukonstruktionen und haben im Hochbau den höchsten Anteil an den
Bauteilglieder Rohbaugewerken. Nachkalkulierte Objekte in
- Wand-, Stützen- und Fundamentschalungen den Jahren 1983 bis 1985 belegen diese Aussage.
(für vertikale Bauteile) sowie Auch die fortschreitende Schalungstechnik än-
- Decken-, UZ- und Plattenschalungen (für ho- dert wenig an diesem Zahlenverhältnis (Tabelle
rizontale Bauteile ); 2.6-19).

nach der Art der Bewegung bzw. der Versetzart 2.6.4.5


- kranunabhängig handhabbare (manuelle ),ge- Gliederung der Lohnleistung
wichtslimitierte Schalungsteile, die von einer
Person bewegt werden können (~25 kg/Stck) üblicherweise gliedern sich Lohnleistungen bzw.
(Abb. 6-33), sowie Stundenanteile bei Schalungsarbeiten in Haupt-,
- kranabhängige Schalungskonstruktionen, Neben- und Besondere Leistungen entsprechend

2-268 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.6-19 Gliederung der Rohbaukosten bei Hochbauten ausBeton

Prozesse Anteil an davon davon Kostenanteil Kostenanteil


Gesamtkosten Lohnkosten Stoffkosten Gesamtlöhne Gesamtstoffe
% % % % %
Schalung 35 28 7 56 14
Bewehrung 25 8 17 16 34
Beton 15 5 10 lOh 20
div. 25 9 16 18 32
Summe 100 so 50 100 100
hausgenommen Nachbehandlung

Tabelle 2.6-20 Gliederung der Lohnleistung

Pos. Gegenstand Einzelanteil Anteile je


der Pos.1 Pos.1 bis4
% %
1 Hauptleistungen Ge m2 abrechenbare Betonfläche):
Einschalen, Trennmittel aufbringen 50 ... 60
Ausscha len, Zwisc hentransporte 30 ... 25
Reinigen, Entnageln, Grobreinigung 20 ... 15 ca. 50 .. . 70

2 Nebenleistungen (h/m2):
Auf-/Abladen
Schal- und Rüstmateria l
Montage/Demontage ca. 10 ... 20
Schlußreinigung

3 Besondere Leistungen Ge m2 abrechenbare Betonfläche):


Betonnachbehandlung
Aussparungen, Nischen
Arbeits- und Schutzgerüste, Traggerüste außerhalb der Nebenleistungen
Abdeckungen
Fugenbänder
Einbauteile (Ankerschienen, Anschlußeisen usw.) ca. 15 .. .25
4 Randstunden, Leistungen im Rahmen der Baustelleneinrichtung und Gemeinkosten
Alles nicht unter 1 bis 3 Erfaßte ca. 15 .. .20

DIN 18331 (Gliederung der Lohnleistung nach bungs- und Stoffkostenanteil betragen i. allg.
Tabelle 2.6-20 ). Dabei ist zu berücksichtigen, daß zwischen 25% und 35% der Gesamtkosten (Lohn
max. 70% als direkte Ausführungsleistung ge- und Material).
mäß Arbeitszeitrichtwerten im Hochbau (ARH)
davon betroffen sind - und dies nur bei häufiger 2.6.4.7
Verwendung der Elemente. I>er Rest- 30% und Zusammenfassung und Ausblick
mehr - fällt für alle möglichen Neben-, Beson-
deren Leistungen und Randleistungen an. Ohne präzise Beschreibung der Anforderungen
an die zu erwartenden Betonflächen durch den
2.6.4.6 Auftraggeber bleiben Leistungsbeschreibungen
Geräte, Materialien, Stoffe unvollständig. Lohnleistungen innerhalb des
Schalungsgewerkes beschränken sich nicht auf
Der Abschreibungs- bzw. Stoffkostenanteil der die unmittelbaren Leistungen an Ort und Stelle,
Schalungsformen und Gerüste (Negativform) Neben-, Besondere Leistungen und Randleistun-
richtet sich grundsätzlich nach der geforderten gen nehmen einen beachtlichen Anteil ein.
Qualität, mehr jedoch noch nach der möglichen Schalungen und Gerüste werden auch in Zu-
Zahl der Einsätze und der Standzeit Abschrei- kunft den größten Aufwand innerhalb der Roh-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-269


baugewerke erfordern. Technische Verbesserun- Verfahrenswahl, Baustelleneinrichtung und Bau-
gen wird es weiterhin geben, entscheidend neue ablaufplanungfolgende Arbeitsschritte:
Systeme zumindest vorerst nicht. Nationale Nor- - Wahl eines wirtschaftlichen Schalungssystems
men werden noch viele Jahre Bestand haben, bis unter Berücksichtigung minimaler Lohn- und
sie durch ISO- und EN-Standards abgelöst wer- Materialkosten und der erforderlichen Kran-
den. kapazität,
- Festlegen der Ablauffolge der Bauteile, d.h.
2.6.5 Montageplanung der Schalung unter Beach-
Bauverfahren und Maschineneinsatz tung der Arbeitstakte und sonstiger Randbe-
im Beton- und Stahlbetonbau dingungen der Baustelle wie Bau- und Arbeits-
fugen,
2.6.5.1 - realistische Zeitvorgaben für Schalungsbau
Vorbereitende Arbeiten im Beton- und Stahlbetonbau und -montage,
- Ermittlung der Einsatzhäufigkeit der Schal-
Maßnahmen der Arbeitsvorbereitung sätze und Bestimmen der Vorhaltemenge der
Schalung,
Die Realisierung eines Bauvorhabens ist ein kom- - Festlegen der günstigsten Bewehrungsart und
plexer Vorgang, bei dem sich ein wirtschaftliches -führung (Betonstabstahl, Baustahlmatten)
Ergebnis nur dann einstellen wird, wenn im Rah- mit realistischen Zeitvorgaben für die Verle-
men der Arbeitsvorbereitung alle Teilvorgänge gearbeiten,
der Planung und Ausführung ganzheitlich be- - Wahl des optimalen Betoneinbringverfahrens
trachtet und behandelt werden. mit realistischen Zeitvorgaben für das Beto-
Der Ablauf der Beton- und Stahlbetonarbeiten nieren unter Berücksichtigung der erforderli-
hängt von der Art des Bauvorhabens, d. h. vom chen Krankapazität,
Entwurf und der Konstruktion des herzustel- - Ausarbeitung von Sondervorschlägen für Ne-
lenden Bauwerks bzw. Bauteils, ab. Deshalb ist ei- benangebote.
ne enge Zusammenarbeit zwischen Entwurf,
Tragwerk- und Herstellungsplanung für eine fer- Die Bereiche der Arbeitsvorbereitung mit den
tigungsgerechte Konstruktion zwingend. Die erforderlichen Unterlagen und Arbeitsergebnis-
Arbeitsvorbereitung im Betonbau umfaßt neben sen sind in Abb. 2.6-35 dargestellt.

Arbeitsvorbereitung
im Betonbau
41~
erforderliche Unterlagen:

/
Leistungsverzeichnis,

~
Ausschreibu ngsp lä ne,
Technische Auszüge,
Terminablaufusw.

I \
Arbeitsschritte:
Mengenkontrolle, Schalungs- und Sondervorschläge, Bauablauf- und Personal- und Baustellenein-
Materialauszüge, Rüstungspläne Nebenangebote Bauzeitplanung Geräteeinsatz- richtungsplanung
NU-Angebote, planung

Ergebnisse:
Mengenauszug n. Schalungspläne, techn. Konzepte, Planvorlauf:l:eiten Personal bedarf, BE-Plan,
Bauabschnitten, Schalungsbedarf, baubetriebliche u. Bauablaufplan, Gerätebedarf, Gerätestandorte,
Materialbedarf, Gerüstpläne, Konzepte, Plan Iieferungs- Leistungsverlaut Lagerflächen,
NU-Liste Rüstungsbedarf, Ablaufvorschläge termine Kostenverlauf Ver- und Entsor-
Arbeitstakte Einsparungen gungspläne

Abb. 2.6-3S Arbeitsvorbereitung mit erforderlichen Unterlagen und Arbeitsergebnissen [Petzschmann 1998)

2-270 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Planung und erforderliche Planungsunterlagen Kopfplatten von Stahlstützen sowie tragende
Einbauteile, die in die Schalung verlegt wer-
Ausgangspunkt der Angebotsbearbeitung und den,
Arbeitsvorbereitung ist die Ausschreibung der - Arten und Festigkeitsklassen der Baustoffe,
Bauleistung, in der die Art der auszuführenden ggf. besondere Zuschläge, Zusatzmittel und
Arbeiten und die geforderten Qualitätsmerkma- Zusatzstoffe.
le im Vordergrund stehen. Nach VOB TeilA § 9.1
[VO B 1992] ist die geforderte Leistung eindeutig Bewehrungspläne. In ihnen werden alle für die
und so erschöpfend zu beschreiben, daß alle Be- Standsicherheit und die Dauerhaftigkeit (Risse-
werber die Beschreibung im gleichen Sinne ver- sicherung) erforderlichen Bewehrungen sowie
stehen müssen und ihre Preise sicher und ohne die für die Durchführung der Bewehrungsarbei-
umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. ten (Biegen und Verlegen der Bewehrung) auf
Aufbesondere bausehige Anforderungen wie der Baustelle erforderlichen Angaben dargestellt.
Oberflächenstruktur,Sichtbeton,Ebenheitstole- Die Vermaßung der Bewehrung erfolgt im Plan
ranzen, Fugenbild und Kantenausbildung ist in oder in der Stahlliste. Bewehrungspläne sollen
der Ausschreibung hinzuweisen, da die üblichen folgende Informationen enthalten:
Aufwandswerte bei derartigen Anforderungen - Hauptmaße der Stahlbetonbauteile,
deutlich überschritten werden. Um Mißverständ- - Betonstahlsorten und Betonfestigkeitsklassen,
nissen und späteren Auseinandersetzungen vor- - Anzahl, Durchmesser, Form und Lage der Be-
zubeugen,ist nach VOB TeilA § 9.9 im Leistungs- wehrungsstäbe sowie Baustellenschweißun-
verzeichnis die Leistung derart zu gliedern, daß gen (z. B. gegenseitiger Abstand, Rüttellücken,
unter einer Ordnungszahl (Position) nur solche Übergreifungslängen von Stäben und Veran-
Leistungen aufgenommen werden, die nach ih- kerungslängen),
rer technischen Beschaffenheit und für die Preis- - die Betondeckung der Bewehrung und die Un-
bildung als in sich gleichartig anzusehen sind. terstützung der obenliegenden Bewehrungen,
Von besonderer Bedeutung für die termingemä- - die Mindestdurchmesser der Biegerollen,
ße Ausführung der Beton- und Stahlbetonarbei- - zum Tragwerk gehörende Bauteile.
ten auf der Baustelle ist die rechtzeitige überga-
beder geprüften und freigegebenen Schal- und Planvorlaut Freigaben und Prüfungen
Bewehrungspläne.
Um das Vorliegen von Schal- und Bewehrungs-
Schalpläne. Dies sind Bauzeichnungen des Be- plänen für die Ausführung von fristgebundenen
tonbaus im Maßstab 1:50 mit Darstellung der Stahlbetonarbeiten auf der Baustelle zu sichern,
einzuschalenden Bauteile. Sie werden auf der ist es wichtig, die Dauer der Vorlauffristen für die
Grundlage der Ausführungszeichnungen des Ob- Schal- und Bewehrungspläne zu bestimmen und
jektplaners als Grundrisse und Schnitte unter vertraglich zu vereinbaren. Für Hochbauten in
Berücksichtigung der Schlitz- und Durchbruchs- Ortbeton muß für einen ungestörten Bauablauf
pläne, der technischen Ausrüstung der Gebäude von folgenden baubetrieblich erforderlichen
und der Ergebnisse der statischen Berechnung und in der Praxis bestätigten Mindestvorlauf-
angefertigt. Im Hochbau sind für die Anferti- dauern ausgegangen werden:
gung der Schalpläne z. B. für das 1. OG bereits die - Schalpläne Vorabzüge: 6 Wochen,
vollständigen Ausführungspläne auch für das - Schalpläne freigegeben: 4 Wochen,
2. OG und alle erforderlichen Schnitte und De- - Bewehrungspläne freigegeben und geprüft: 3
tails unter Berücksichtigung der technischen Wochen.
Ausrüstungen, soweit sie das Tragwerk betref-
fen, erforderlich. Schalpläne sollen folgende In- Die Vorlaufdauer von sechs Wochen wird be-
formationen enthalten: nötigt, um nach Vorlage der Schalplanvorabzü-
- Maße des Bauwerks und der Bauteile, auch ge bis zum Beginn der Ausführung einen ange-
Höhenkoten und ggf. Bauwerkachsen, messenen Zeitraum für die Arbeitsvorbereitung
- Aussparungen innerhalb dieser Bauteile, so- des Schalungsprojekts zu haben sowie mehrfach
weit sie für das Tragverhalten von Bedeutung einsetzbare Schalungseinheiten zu planen und
sind, vorzumontieren. Nach Vorlage der freigegebe-
- Auflager der einzuschalenden Bauteile wie Um- nen Schalpläne werden innerhalb der verblei-
risse der tragenden Mauerwerkwände oder benden vier Wochen die Schalungen den ent-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-271


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1:1111
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Architekt 0 Architekt 3 Architekt 7 Architekt
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111 ... Ausführungspläne ---------------------- ·~ ~~;~~~~chpläne --------------------- ~~ ~~~~~0zug ---------------------- ~~ ~~~~~~~:ne
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3Wo. 1Wo.
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ID "'3
... "'
> Fachingenieur 1 Fachingenieur 2 Fachingenieur 8
~ Abstimmung f-..1 Durchbruchpläne Prüfen der
2'? t - - - - -.. 1 Schalpläne
~ Ausführungspläne Geschoß n
2 1 Wo. 3Wo. 1Wo.
'5"1
~
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Stat.iker 4 I I Statiker 6 Statiker 9 Statiker 10
5T
~ endgültige Statik 1-.J Scha lpläne Schalpläne Bewehrungspläne
"3 ~
Vorabzug endgültig f-
""':::l 4Wo. 3Wo. 2Wo. 3Wo.
;;;
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"'

Prüfingenieur S Prüfingenieur 12
Prüfen Statik 1--------------' Prüfen
~------------- ---------- ~ Bewehrungspläne
2Wo. 2Wo.

Fachingenieur Auftragnehmer 13 Auftragnehmer 14


Durchbruchpläne Liefern Start der Ba uleistung
Geschoß n + 1 Bewehru ng im Fertigungs-
3Wo. 3 Wo. abschnitt
L------
sprechenden Fertigungsabschnitten angepaßt Abstimmung der Fertigungsabschnitte mit der
sowie Aussparungen und Einbauteile vorbereitet. Ausführungsplanung zur Festlegung der Vor-
Drei Wochen Vorlaufdauer für die geprüften lauffristen zwingend erforderlich.
Bewehrungspläne ergeben sich aus der Liefer-
zeit von Bewehrung und Einbauteilen sowie 2.6.5.2
Zeitanteilen für Schneiden, Biegen und Herstel- Bewehrungsarbeiten im Betonbau
len von Bewehrungskörben. Für Bewehrungs-
pläne, die Einbauteile mit längeren Lieferfristen Verbundwirkung von Stahl und Beton
beinhalten (Anker, Ankerschienen, Dübelleisten
usw.), ist die Vorlaufdauer entsprechend zu ver- Stahlbeton ist ein Verbundbaus toff, bei dem der
längern. Beton die Druckkräfte und die Stahleinlagen (Be-
wehrungen) die Zugkräfte aufnehmen. Reicht
Zeitlicher Ablaufder Ausführungsplanung der Betonquerschnitt nicht aus, um die auftre-
tenden Druckkräfte abzutragen, kann die Be-
Die Dauer der einzelnen Planbearbeitungen be- wehrung auch in der Druckzone angeordnet
stimmt den zeitlichen Ablauf der Ausführungs- werden. Dazu ist es notwendig, daß die Beweh-
planung (Abb. 2.6-36 und 2.6-37). Maßgebend rung exakt nach den aus der statischen Berech-
für den erforderlichen Zeitbedarf des Planungs- nung abgeleiteten Bewehrungsplänen verlegt
vorlaufs insgesamt sind die Bearbeitungsdauern wird und die Stahleinlagen die den Bewehrungs-
der Ausführungspläne 1:50 durch den Architek- zeichnungen entsprechende Form nach Länge
ten, der Durchbruchspläne durch die Fachinge- und Lage (auch Krümmungsdurchmesser) er-
nieure der Technischen Ausrüstung, der Trag- halten.
werkplanung sowie der Schal- und Beweh- Eine hinreichende Betonüberdeckung muß
rungspläne. den Korrosionsschutz der Bewehrung gewähr-
Um an der Schnittstelle zwischen Planung und leisten.Außerdem ist die Bewehrung vor der Ver-
Ausführung die rechtzeitige Lieferung der Schal- wendung von Bestandteilen wie Schmutz, Fett,
und Bewehrungspläne sicherzustellen, ist eine Eis und losem Rost zu befreien.

Vorgangsbeschreibung Wochen
1 12 I 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
0 Ausführungspläne Ml:SO
Vorabzug
1 Ausführungspläne M1:50 r-
Abstimmung
r-
2 Durchbruchs- (Schlitz)pläne
-
3 Freigabe Durchbruchspläne ---,
4 endgültige statische
Bemessung
5 Prüfen statische Bemessung
6 Schaltpläne Vorabzug
~
7 Prüfen Schalplan Vorlauffrist
- Schalplan Vorabzug
---
Vorabzug Architekt
6Wo.
8 Vorabzug Fachingenieur
9 Schalpläne endgültig -'-- J Schalplan
4Wo.
10 Freigabe Schalpläne
11 Herstellen Bewehrungspläne
T~ l J Bewehrungsplan
3Wo.
12 Prüfen Bewehrungspläne r--r--; ,J I I
13 Biegen und Liefern
Bewehrung
18 Wochen r-:-J
14 Start Fertigungsabschnitt
I I I I I T

Abb. 2.6-37 Balkenplan des zeitlichen Ablaufs der Ausführungsplanung [Petzschmann 1998]

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-273


Die Bewehrungspläne und Stahllisten sind zenund balkenartige Querschnittewie Unterzü-
auch Grundlage für das Vorbereiten der Beweh- ge, Brüstungen und Überzüge sowie komplette
rung, d. h. für das Ab längen, Biegen und Verbin- Bewehrungskörbe für Fundamente, Bohrpfähle
den der Bewehrung zu Bewehrungskörben. Die und Schlitzwandlamellen.
Maße der Bauteile und die Abmessungen aller
Bewehrungseinlagen und Einbauteile sind in Betonstahlmatten. Sie bestehen aus kreuzweise
den Bewehrungsplänen vollständig und über- übereinanderliegenden Stäben, die in einem or-
sichtlich darzustellen (s. 2.6.5.1). thogonalen Raster durch Punktschweißen ver-
Die Lohnentwicklung in der Bauwirtschaft hat bunden sind. Der Durchmesser der Stäbe liegt
dazu geführt, daß die Bewehrungsarbeiten heu- zwischen 4 und 12 mm.
te i. d. R. von auf diese Arbeiten besonders spe- Mit ungebogenen Betonstahlmatten werden
zialisierten Betrieben als Nachunternehmerlei- v. a. flächenartige Bauteile wie Decken und Wän-
stung ausgeführt werden. Diese Betriebe können de bewehrt. Sie können aber auch in gebogener
mit ihren leistungsfähigen, rechnergesteuerten Form zur Bewehrung von stabförmigen Bautei-
Anlagen für das Schneiden und Biegen des Be- len wie Balken und Stützen verwendet werden.
tonstahls diese Arbeiten einschließlich der Ver- Man unterscheidet zwischen Lagermatten, die
legearbeiten auf der Baustelle besonders ratio- bestellerunabhängig vorgefertigt direkt beim
nell durchführen. Aus diesem Grund befinden Händler abgerufen werden können, und Nicht-
sich auf den Baustellen heute lediglich kleinere lagermatten, die paßgerecht nach den Angaben
Schneide- und Biegemaschinen für die Bearbei- des Bestellers angefertigt werden.
tung der noch vor Ort anfallenden Bewehrungs-
bearbeitung. Schneiden, Biegen und Verlegen von Betonstabstählen

Betonstähle (Einteilung und Eigenschaften) Schneiden von Betonstahl (Ablängen). Es wird


mit elektrisch angetriebenen Schneidemaschi-
Die Betonstähle werden nach DIN 488 unterteilt nen oder in seltenen Fällen (Vorbereitung vor
nach Betonstabstahl (BstS) und Betonstahlmat- Ort) mit Handhebelmaschinen ausgeführt (Abb.
ten (BstM) (Tabelle 2.6-21). 2.6-38).
Nach DIN 1045 ist von der Baustelle bei jeder
Betonstabstahl. Er besteht aus einzelnen Stäben Lieferung von Betonstahl zu prüfen, ob der Stahl
mit einem Nenndurchmesser von 6 bis 28 mm entsprechend DIN 488 Teil 1 das Kennzeichen
und ist i. d. R. in Längen von 12,0 und 14,0 m lie- der Stahlgruppe und das Werkkennzeichen trägt
ferbar. Bei der Verwendung größerer Durch- (Abb. 2.6-39).Ein Verzeichnis der gültigen Werk-
messer sind sowohl für die Stäbe als auch für die kennzeichen wird vom Institut für Bautechnik
Bewehrungsstöße Sonderzulassungen erforder- Berlin geführt.
lich. Die Stäbe werden einzeln oder in Bündeln Die Lieferscheine der auf die Baustelle gelie-
(zwei oder drei unmittelbar neben- bzw. über- ferten Betonstähle müssen nach DIN 1045 Anga-
einanderliegende Einzelstäbe) verlegt und zur ben über das Herstellerwerk (ggf. mit Angabe
Minimierung des Verlegeaufwands z. T. vor dem der fremdüberwachenden Stelle oder des Über-
Verlegen zu Bewehrungskörben verbunden. Bei- wachungs- bzw. Gütezeichens), den Tag der Lie-
spiele hierfür sind Bewehrungskörbe für Stüt- ferung und den Empfänger der Lieferung ent-

Tabelle 2.6-21 Soltiereinteilung und Eigenschaften von Betonstahl nach DIN488 Teil1

Erzeugnisform Betonstabstahl Betonstahlmatten

Betonstahlsorte
Kurzname Bst 420 S Bst 500 S Bst500M
Kurzzeichen 111 s IVS IVM
Nenndurchmesser d, in mm 6.. .28 6 ... 28 4.. . 12
Streckgrenze f k in N/mml 420 500 500
Zugfestigkeit ftlc in N/mm2 500 550 550
Gleichmaßdehnung Euk in % 10 10 8

2-27 4 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2 3
Niederhalter

I Biegedorn
2 Mitnehmer
3 Haltedorn

Abb. 2.6-38 Darstellung eines Schneidvorgangs


[Simons/Kolbe 1987). Der Verkantung des Werkstücks Abb. 2.6-40 Prinzipieller Ablauf eines Biegevorgangs
wirkt ein Niederhalter entgegen [Simons/Kolbe 1987)

Biegen von Betonstabstählen. Beim Biegen von


Betonstahl treten im Werkstoff an der Außen-
seite der Biegestelle Zugspannungen und an der
Innenseite Druckspannungen auf, die auch eine
Änderung des Querschnitts zur Folge haben. Je
kleiner der Biegeradius, desto größer ist diese
Querschnittsverformung. Für das Biegen von
Betonstahl schreibt DIN I 045 deshalb Mindest-
werte für zulässige Biegerollendurchmesser von
Haken, Winkelhaken, Schlaufen, Bügeln sowie
Aufbiegungen und anderen gekrümmten Stäben
a Beispiel: Land Nr. 1, Werknr. 8 1 Anfang vor (Abb. 2.6-40; Tabelle 2.6-22).
b Beispiel: Land Nr. 5, Werknr. 16 2 Land
3 Werk
Verlegen von Betonstabstählen. Das Verlegen des
Abb. 2.6-39 Beispiel für Werkkennzeichen bei Beton- Stabstahls muß auf der Grundlage von geprüf-
stabstählen DIN 488 Teil1 ten und freigegebenen Bewehrungsplänen er-
folgen. Die Stahleinlagen sind dabei zu einem
steifen Gerippe zu verbinden und durch Ab-
halten. Die Lieferscheine sind vom Hersteller standhalter, die den Korrosionsschutz nicht be-
und Abnehmer zu unterzeichnen und für Doku- einträchtigen, in ihrer vorgesehenen Lage so
mentationszwecke fünf Jahre lang aufzubewah- festzulegen, daß sie sich beim Einbringen und
ren. Verdichten des Betons nicht verschieben. Dazu
Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf wird die Hauptbewehrung mit den Quer- und
der Arbeiten auf der Baustelle ist ein nach Durch- Verteilerstäben oder Bügeln mittels Bindedraht
messern sortiertes, übersichtliches Betonstahl- an den Kreuzungspunkten möglichst steif mit-
lager (Boxensystem), von dem aus der Stahl mit einander verbunden. Bei vorwiegend ruhender
geringem Aufwand zum Schneidegerät gelangen Belastung dürfen Schweißungen die Verbindun-
kann. Die Leistung für das Schneiden ist im we- gen ersetzen, soweit dies nach DIN 4099 zulässig
sentlichen abhängig von den Stabdurchmessern. ist. Vor allem ist die obere Bewehrung in der vor-
Angaben über Aufwandswerte finden sich in gesehenen Höhenlage unverschieblich einzu-
2.6.5.4. bauen und gegen Herunterdrücken zu sichern.

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-275


Tabelle 2.6-22 Mindestwerte für Biegerollendurchmesser nach DIN 1045

Haken, Winkelhaken, Schlaufen Schrägstäbe oder andere gekrümmte Stäbe


Stabdurchmesser Mindestwerte der Betondeckung senkrecht
zur Krümmungsebene
0<20mm 0 ;;:: 2omm > 100mm > 50mm > 50mm
> 70 > 30 30
40 70 10 0 13 0 20 0

Schweißung außerhalb des Biegebereichs Schweißung innerhalb des Biegebereichs


fürd < 4 0 20 0 20 0
für d ;;:: 4 0 s. oberer Tabellenteil 20 0
d Abstand zwischen Krii mmungs~inn und S<hweißstelle

Vor dem Rückbiegen Bewertung Nach dem Rückbiegen

verfestigt durch

a
Kaltbiegen
j richtig

b
;;:: 3cm
) richtig

) falsch

zu großer Hebelarm
~
d falsch

verfestigt

e richtig
aussteifender)
Verwahrkasten

Abb. 2.6-41 Rückbiegen mit einem Rohr [Russwurm 1993)

In Auflagerbereichen, bei auskragenden Platten laufenden Bewehrungsstäben außerhalb von


und bei geringen Konstruktionshöhen wirken Stoßbereichen mindestens 2 cm beträgt und nicht
sich Ungenauigkeiten bei den Bewehrungseinla- kleiner ist als der Stabdurchmesser und das Zu-
gen besonders nachteilig aus. schlagsgrößtkorn. Dies ist auch die Vorausset-
Beim Einbau auf der Baustelle ist darauf zu zung für einen ausreichenden Verbund zwischen
achten, daß der lichte Stababstand von gleich- Beton und Stahleinlagen.

2-276 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Bei Verwendung von Innenrüttlern für das Merkblatt "Rückbiegen von Betonstahl und An-
Verdichten des Betons ist die Bewehrung so an- forderungen an Verwahrkästen" sind weitere
zuordnen, daß die Innenrüttler an allen erfor- Voraussetzungen und Empfehlungen für Planer,
derlichen Stellen eingetaucht werden können. Hersteller und Ausführende zusammengestellt.
Hierfür notwendige Rüttellücken sind bereits in Nach dem Verlegen ist der Schutz der Beweh-
den Bewehrungsplänen anzugeben. Ergänzende rung zu gewährleisten. Bei Platten ist die obere
Informationen zu Rüttellücken, Betonieröffnun- Bewehrung gegen Herunterdrücken durch Mon-
gen und Mindestabständen der Bewehrung kön- tageböcke zu sichern. Beim Betonieren sind
nen dem DBV-Merkblatt "Betonierbarkeit von Laufbohlen zu verwenden, damit die Bewehrung
Bauteilen aus Beton und Stahlbeton" [DBV- im Arbeitsbetrieb nicht aus ihrer Lage verscho-
Merkblatt 1997] entnommen werden. ben werden kann. Auch Betonkübel, Abstützun-
Wird ein Bauteil mit Stahleinlagen auf der Un- gen für Pumpleitungen und andere Geräte dür-
terseite unmittelbar auf dem Baugrund herge- fen aus diesem Grund nicht auf der Bewehrung
stellt (z. B. Fundamente und Bodenplatten), so ist abgestellt werden. Mögliche baubetriebliche
eine mindestens 5 cm dicke Beton- oder Sauber- Fehler bei der Vorbereitung und dem Einbau der
keitsschicht vorzusehen. Bewehrung sowie die empfohlenen Vorbeuge-
Beim nachträglichen Biegen an Arbeitsfugen bzw. Abhilfemaßnahmen sind in Tabelle 2.6-23
und bei vorgefertigten Bauteilen wird häufig zur zusammengestellt.
Vereinfachung des Bauablaufs bzw. des Trans- Bei der Abnahme der Bewehrungsarbeiten vor
ports die Anschlußbewehrung abgebogen und dem Betonieren hat der Bauleiter des ausführen-
später in die ursprüngliche Lage zurückgebogen. den Unternehmens dafür zu sorgen, daß die Be-
Unsachgemäßes Rückbiegen kann zu Anrissen tonstahlsorte, der Durchmesser, die Lage der Be-
und Brüchen führen (Abb. 2.6-41). In dem DBV- wehrung und die Ausführung der Schweißver-

Tabelle 2.6-23 Fehlerquellen bei Vorbereitung und Einbau der Bewehrung und Gegenmaßnahmen

Fehler Ursache Auswirkung Maßnahmen zur


Vorbeugung oder Abhilfe
Bewehrungsstäbe liegen Querschnitt zu schmal, Entmischung des Betons, mehr Bindestellen, mehr
zu dicht zu wenig Bindestellen, Fehlstellen, Verbund be- Montagebewehrung,
Taleranzen ni<ht berück- einträchtig! Stabbündelung
sichtigt
Rünelgassen fehlen oder Querschnitt zu schmal, Beton ist schwer einzu- Änderung der Bewehrungs-
zu klein Bewehrungsanhäufung bringen, Verdichtung nicht führung, Stabbündelung,
möglich, Dauerfestigkeit Verringerung des Größt-
beeinträchtigt korns, Fließbeton
Biegerollendurchmesser Biegerolle wurde nicht Brechen des Stahls, Über- beschädigte Stäbe aus-
zu klein gewechselt, Angabe in beanspruchungdes Betons, wechseln, bei gering-
Zeichnung wurde nicht Rißbildung, fehlende Trag- fügiger Unterschreitung
beachtet fähigkeit mehr Querbewehrung
Bewehrungsgeflecht Geflecht ist nicht stabil Bewehrung liegt auf der mehr Bindestellen, mehr
verschiebt sich genug, Abstützungen Schalung, Korrosions- Montagebewehrung, mehr
fehlen schutzfehlt Abstützungen und Ab-
Standhalter
Bügel in Stützen ver- beim Betonieren kein Fall- Tragfähigkeit der Stütze Fallrohr beim Betonieren
schieben sich oder fehlen rohr benutzt, Bügel wurden beeinträchtigt, Risse im verwenden, Bügel nach
ganz nicht nach Bewehrungs- Lasteintragungsbereich Zeichnung einflechten,
zeichnungeingeflochten u.U. Steckbügel anordnen
Betondeckung zu klein zu wenig Abstandhalter an- dauerhafter Korrosions- Nennmaß der Beton-
geordnet, Bewehrung beim schutzfehlt (Rostfahnen), deckung vergrößern, Ab-
Ve~egen oder Betonieren Zugkräfte können nicht im Standhalter in ausreichender
verschoben, Unterschied Beton verankert werden, Zahl einbauen, Beton-
zwischen Nenn- u. Mindest- Rißbildung, Tragfähigkeit deckung kontrollieren
maß nicht beachtet herabgesetzt

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-277


bindungenmit den bauaufsichtlich genehmigten - min c Mindestmaß der Betondeckung, das mit
Zeichnungen übereinstimmen. Um der bauüber- ausreichender Zuverlässigkeit einzuhalten ist;
wachenden Behörde bzw. dem von ihr mit der - Llc Vorhaltemaß der Betondeckung, das die
Bauüberwachung beauftragten Prüfingenieur unvermeidlichen Maßabweichungen aus Bie-
die Abnahme der Bewehrung zu ermöglichen, gen und Verlegen der Bewehrung,Art und Ein-
sind möglichst 48 Stunden vor Beginn der be- bau der Abstandhalter, Herstellen der Schalung
treffenden Arbeiten anzuzeigen: sowie Einbringen und Verdichten des Betons
- der beabsichtigte Beginn des erstmaligen Be- berücksichtigen soll;
tonierens, - nom c Nennmaß der Betondeckung,
- auf Verlangen auch das Betonieren einzelner nom c=min c+Llc;
Bauabschnitte, - nom Cv Verlegemaß der Bewehrung bzw. "Ab-
- der Wiederbeginn des Betonierens nach län- standhaltermaß" der Betondeckung. Es wird
gerer Unterbrechung, aus den Nennmaßen nom CJ der Längsstäbe
- der Beginn von wesentlichen Schweißarbeiten und nom Cbü der Bügel (bzw. nom cq der Quer-
auf der Baustelle. stäbe) sowie aus den Achsabständen u für den
Brandschutz abgeleitet. Das Verlegemaß ist im
Aufwandswerte für Bewehrungsarbeiten sind in Regelfall der Sollabstand zwischen den äuße-
2.6.5.4 zusammengestellt. ren Bewehrungsstäben und der Betonober-
fläche. Nach diesem Sollabstand wird die
Betondeckung und Abstandhalter Dicke bzw. Höhe der Abstandhalter bemessen.
Eine Veranschaulichung der Verlegemaße gibt
Betondeckung. Die Dicke und Dichtheit der Be- Abb. 2.6-42.
tondeckung einer Bewehrung ist für die Dauer-
haftigkeit und den Brandschutz von Bauwerken Forderungen zum Vorhaltemaß Llc sind:
aus Stahlbeton und Spannbeton von entschei- - Llc =1,0 cm gilt für Bauteile nach DIN 1045 Ta-
dender Bedeutung. Maßnahmen zur Gewährlei- belle 10, Zeile 1 (Innenbauteile ),
stung einer ausreichenden Betondeckung sind - Llc = 1,5 cm ist für Bauteile nach DIN 1045 Zei-
in DIN 1045 Abschn. 13 zusammengestellt. Hier- le 2 bis 4 anzuwenden.
durch soll eine zielgerichtete BündeJung der
Maßnahmen bei der Tragwerkplanung, beim Das Verlegemaß nom Cv und das Vorhaltemaß
Verlegen der Bewehrung sowie beim Herstellen Llc sind auf der Bewehrungszeichnung anzuge-
und Verarbeiten des Betons erreicht werden. Ei- ben.
ne wichtige Grundlage bilden dabei die DBV- Nach DBV-Merkblatt "Betondeckung und Be-
Merkblätter "Betondeckung und Bewehrung" wehrung" sollten in besonderen Fällen (z.B. bei
und "Abstandhalter". Nach DIN 1045 Abschn. schwierigen Herstellungsbedingungen) größere
13.2.1 gelten folgende Begriffe bei der Beton- Vorhaltemaße oder weitgehende Maßnahmen
deckung: . zur Sicherstellung der Mindestbetondeckung

Verlegemaß nom Cy
~ nom <bo
d,1(längsstab) ~ nomc1-d 1tMl } DIN1045
d,bo (Bügel) d,,
2: u- - - d ""
2 ·~
r;g ) DIN4102 Teil4
EJ" d~
~E nomc1 2: uI - - 2 - dI b
cuo
-.:: c:::
>"' e Abstand Achse LängsbewehrunQ von
der Außenkante der äußeren Bewehrung
Verlegemaß
nomc,.

Abb. 2.6-42 Veranschaulichung der Verlegemaße der Bewehrung [DBV-Merkblatt 1997)

2-278 Bauwirtschaft und Baubetrieb


vereinbart werden. Sind in begründeten Fällen 2.6-24).Außerdem werden Abstandhalter herge-
(z.B. im Fertigteilwerk) besondere Maßnahmen stellt, die besondere Anforderungen erfüllen:
zur Verminderung der Abmaße bei der Herstel- - Abstandhalter mit erhöhtem Frost-Tau-Wi-
lung zu treffen, können die vorab genannten For- derstand,
derungen auch mit geringeren Vorhaltemaßen - Abstandhalter für Bauteile mit Temperatur-
erfüllt werden. Die weitergehenden Maßnahmen beanspruchungen und
sind zu beschreiben, und ihre Wirksamkeit ist zu - Abstandhalter, die wasserundurchlässig sind
überprüfen [DBV-Merkblatt 1997). und einen erhöhten Widerstand gegen chemi-
sche Angriffe aufweisen.
Abstandhalter. Zum Einhalten der erforderli-
chen Verlegemaße sind die Abstandhalter ent-
sprechend den Forderungen des DBV-Merk-
blatts "Abstandhalter" zu bestellen und einzu-
bauen. Nach Art der Aufstandsfläche werden die A
in Abb. 2.6-43 dargestellten Typgruppen an Ab- Radform
standshaltern unterschieden.
Außerdem erfolgt nach dem DBV-Merkblatt 81
punktförmig,
"Abstandhalter" folgende Einteilung in Lei- nicht befestigt
stungsklassen:
82
- L1: Keine erhöhten Anforderungen an die punktförmig,
Tragfähigkeit und Kippstabilität. Verwendung befestigt
z.B. in Fällen, bei denen die Bewehrung nicht Cl
durch Begehen beansprucht wird (z. B. bei der linienförmig,
Herstellung von Fertigteilen). nicht befestigt•
- L2: Erhöhte Anforderungen an die Tragfähig- C2
keit und Kippstabilität Verwendung als Stan- liniennförmig,
befestigt•
dardabstandhalter im Ortbetonbau (z.B. bei
durch Begehen beanspruchter Bewehrung; bei Dl
flächenförmig,
Abstandhaltern, die beim Zusammenspannen nicht befestigt•
der Schalung beansprucht werden; bei äuße-
D2
ren Lasten, die auf der verlegten Bewehrung flächenförmig,
zwischengelagert werden). befestigt•
• Länge beim Verlegen auf 35 cmbegrenzt
Für die zwei Leistungsklassen zeigt Tabelle 2 des
DBV-Merkblatts "Abstandhalter" die unter- Abb. 2.6-43 Beispiele für die Klassifizierung von Ab-
schiedlichen Anforderungen an Tragfähigkeit standshaltem in Typgruppen [DBV-Merkblatt 1997]
und Kippstabilität der Abstandhalter (Tabelle

Tabelle 2.6-24 Regelanforderungen an Prüflasten und zulässige Verformungen [DBV-Merkblatt 1997]

Anforderungen an Leistungsklassen
L1 l2
Prüflasten:
statischer Kurzzeitversuch nach Abschnitt A2.2 2SONi 1000 Ni
Kippstabilität nach Abschnitt A2.3 SOON
Dauerstandversuch nach Abschnitt A2.4 350 Ni, 175 Nk

Zu lässige Verformungen:
nomc,$20mm 1mm 1mm
nomc, > 20 mm 2mm 2mm
i bei verformungssteifen Abstandhaltern, z.B. zementgebundenen Abmndhaltern, muß der Mittelwen der
. gemessenen Traglast (lstlast) doppelt so groß sein
l punklförmige Abstandhalter
k linienförmige Abstandhalter

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-279


Um eine eindeutige Bestimmung und Bestellung ringert und zusätzlich eine Kerbwirkung mit
von Abstandhaltern entsprechend der gestellten ungünstiger Spannungskonzentration auftritt.
Anforderungen sicherzustellen, ist nach dem Die zuverlässige Einhaltung der Maße für die
DBV-Merkblatt "Abstandhalter" die Bezeich- Betondeckung der eingebauten Bewehrung er-
nungsweise DBV-C-L/F/T/A/D zu verwenden fordert auch eine fachgerechte Überwachung.
(Tabelle 2.6-24). Die Angaben bedeuten: Dabei sind nach dem DBV-Merkblatt "Beton-
deckung und Bewehrung" zu prüfen:
für Regelanforderungen:
- Durchmesser, Anzahl und Biegerollendurch-
DBV die Abstandhalter erfüllen die Anforde-
messer der Bewehrungsstäbe,
rungen des Merkblatts "Abstandhalter",
- Lage der Bewehrung in der Schalung: Verlege-
C Verlegemaß der Betondeckung nom Cv in
maßnomcv,
mm,
- Eignung, Höhe bzw. Dicke und Anordnung der
L Leistungsklasse L1 oder L2;
Abstandhalter entsprechend dem DBV-Merk-
für besondere Anforderungen: blatt "Abstandhalter",
F erhöhter Frost-Tau-Widerstand, - Vorhandensein von Rüttelgassen und Beto-
T Eignung für Bauteile, die Temperaturbean- nieröffnungen,
spruchungen ausgesetzt sind, - Mindestabstände nach DIN 1045 Abschn. 18.2,
A Wasserundurchlässigkeit und Widerstand - Einhaltung von Sonderfestlegungen, z. B. bei
gegen chemischen Angriff nach DIN 4030 besonders schwierigen Herstellungsbedin-
Teil1, gungen.
D erlaubter Stabdurchmesserbereich für den
Abstandhalter. Schneiden, Biegen und Verlegen von Betonstahlmatten

Beispiele für die Bezeichnung der Abstandhalter Geschweißte Betonstahlmatten sind eine werk-
sind: seitig vorgefertigte Bewehrung aus einander
kreuzenden, kaltverformten, gerippten Stäben,
DBV-40-L2/F/T
DBV-35-Ll } auf der Bewehrungs-
zeichnung die an den Kreuzungsstellen durch Widerstands-
punktschweißung scherfest miteinander ver-

l
DBV-40-
auf dem Bestell- bunden sind. Betonstahlmatten werden angebo-
L2/F/T/8 ... 16
bzw. Lieferschein usw. ten als
DBV-35-Ll/12 ... 20
- Lagermatten (Standardgrößen ab Lager),Stan-
Abstandhalter sind nach den besonderen Emp- dardgröße 5,00mx2,15 m und6,00mx2,15 m,
fehlungen des DBV-Merkblatts so auszuwählen Lieferform: nur gerade Form;
und zu befestigen, daß das Verlegemaß auch bei - Listenmatten (regelmäßiger Mattenaufbau,
Querschnittschwächungen (z.B. durch Trapez- auf Bestellung), Länge 3,00 bis 12,00m, Breite
leisten) eingehalten wird. Werden Abstandhalter 1,85 bis 3,00 m, Lieferform: gerade und ge-
auf nachgiebigen Schichten (z. B. Dämmplatten) krümmte Form;
abgestützt, müssen Abstandhalter mit vergrö- - Zeichnungsmatten (unregelmäßiger Matten-
ßerter Aufstandsfläche verwendet werden, um aufbau, auf Bestellung), Maße und Lieferform:
ein Eindrücken beim Betonieren zu vermeiden. wie Listenmatten.
Für die Bewehrung in lotrechten Bauteilen sind
Abstandhalter so auszuwählen, daß durch das Schneiden von Betonstahlmatten. Listen- und
Setzen des Frischbetons im Bereich unter den Zeichnungsmatten werden ausschließlich auf
Abstandhaltern keine Fehlstellen im Beton ent- Bestellung gefertigt, deshalb müssen nur Lager-
stehen. Bei Anordnung langer, linienförmiger matten durch Schneiden und Biegen bearbeitet
Abstandhalter im Bereich der Zugzone ist mit werden, es sei denn, sie werden in Standardgröße
Rissen im Beton, insbesondere im Bereich der als Flächenbewehrung unmittelbar verlegt.
Abstandhalter, zu rechnen. Deshalb sollten dort Schneidarbeiten über die gesamte Mattenlän-
kurze, linienförmige Abstandhalter mit ausrei- ge bzw. -breite werden i. allg. vor der Anlieferung
chendem gegenseitigem Versatz eingebaut wer- (Biegebetrieb, Bauhof, Lagerplatz) ausgeführt.
den. Linienförmige Abstandhalter dürfen in der Das maschinelle Schneiden (Abscheren) von Be-
Druckzone biegebeanspruchter Bauteile nur tonstahlmatten erfolgt mit speziellen Beton-
parallel zur Spannrichtung eingebaut werden, da stahlmatten-Schneidemaschinen. Aussparungen
sich beim senkrechten Einbau die Nutzhöhe ver- und erforderliche Anpassungen werden mit

2-280 Bauwirtschaft und Baubetrieb


handgeführten Schneidegeräten (z. B. Bolzen- wehrungskörbe für Stützen, balkenartige Bau-
schneidern oder elektro-hydraulischen Geräten) teile, Bohrpfähle, aber auch Wände, werden zen-
ausgeführt. tral bzw. am Einbauort vorgefertigt und dann als
komplette Einheit eingebaut. Da die Arbeiten
Biegen von Betonstahlmatten. Biegearbeiten an beim Schneiden und Biegen des Betonstahls und
Betonstahlmatten werden meist zentral im Bie- die Herstellung der Bewehrungskörbe von ein-
gebetrieb oder bei großen Baustellen auf dem gespielten Fachkräften an modernen Maschinen
eingerichteten Biegeplatz durchgeführt. Gebo- und Geräten vorgenommen werden, ist eine
gen wird wie beim Stabstahl über Biegerollen wirtschaftliche Ausführung möglich.
mit einem bestimmten Durchmesser mit Ar-
beitsbreiten von 2,15 bis 6,00 m. 2.6.5.3
Betonarbeiten
Verlegen von Betonstahlmatten. Das Verlegen
von Betonstahlmatten wird auf der Grundlage Betonaufbereitung
der geprüften und freigegebenen Bewehrungs-
pläne vorgenommen. Aus den Verlegeplänen Die Arbeitsgänge bei der Betonaufbereitung
sind neben den Übergreifungslängen die ent- (Herstellen von Beton) gliedern sich in
sprechenden Positionsnummern zu entnehmen, - Lagerung der Mischungskomponenten im Ver-
mit denen auch die einzelnen Betonstahlmatten brauchslager: Beschickung der Verbrauchsla-
gekennzeichnet sind. ger, Lagerhaltung und Füllstandskontrolle,
Auf Bestellung gelieferte bauteilspezifische Li- - Dosierung: Entnahme der Ausgangsstoffe aus
sten- und Zeichnungsmatten werden verlegefer- den Verbrauchslagern, Abmessen bzw. Dosie-
tig auf die Baustelle geliefert und erzeugen we- ren, Entleeren der Dosierungseinrichtungen,
gen Wegfalls des Schneidensund Biegens auf der - Transport der dosierten Materialien zum Mi-
Baustelle den geringsten Aufwand. scher,
Mit Lagermatten wird häufig abschnittsweise - Mischen.
überbewehrt, oder sie müssen durch Schneiden
und Biegen angepaßt werden. Während Lager- Die aufgeführten Arbeitsgänge bilden in ihrer
matten jederzeit kurzfristig vom Stahlhandel be- Gesamtheit den Prozeß der Betonaufbereitung
zogen werden können, sind für Listen- und und stehen in unmittelbarem betrieblichen Zu-
Zeichnungsmatten bei der Festlegung der insge- sammenhang. Da jeder Teilprozeß besondere
samt erforderlichen Planvorlaufzeiten Bearbei- bauliche und gerätetechnische Einrichtungen
tungszeiten im Werk von mindestens zwei Wo- erfordert, sind diese baubetrieblich genau auf-
chen zu berücksichtigen. einander abzustimmen. Wesentlichen Einfluß
Wie beim Betonstabstahl wird die ausreichen- auf die Gleichmäßigkeit und damit die Qualität
de Betondeckung bei Betonstahlmatten durch des Betons hat der Mischvorgang, der im weite-
Abstandhalter gewährleistet. Betonstahlmatten ren behandelt wird.
erfordern Hebezeuge, die den Transport vom La-
gerplatz zum Einbauort übernehmen. Mischen von Beton. Der für einen Betonierab-
schnitt erforderliche Frischbeton ist in der ge-
Vorgefertigte Bewehrungskörbe forderten Konsistenz und Qualität herzustellen.
Betonzuschläge, Zement, Wasser und Betonzu-
Der hohe Anteil der Bearbeitungskosten für Be- sätze sind entsprechend der vorgegebenen Re-
tonstahl hat dazu geführt, daß die Bewehrung zeptur so lange zu mischen, bis die Charge ins-
heute zu einem großen Prozentsatz in zentralen gesamt eine gleichmäßige Zusammensetzung
Biegebetrieben hergestellt wird und für das Ver- und räumliche Verteilung der Bestandteile auf-
legen auf der Baustelle besonders spezialisierte weist.
Nachunternehmerfirmen zuständig sind. Für die
Bearbeitung des Betonstahls dienen programm- Einflüsse auf die Intensität des Mischvorgangs.
gesteuerte Schneide- und Biegemaschinen, wo- Neben der Dauer des Mischvorgangs und der
bei auch größere Transportentfernungen (200 Bauart des Mischers beeinflussen auch der Fül-
bis 300 km) noch wirtschaftlich sein können. lungsgrad des Mischers und die Reihenfolge bei
Wird Bewehrung vorgefertigt, trägt dies eben- der Komponentenzugabe die Intensität des
falls erheblich zur Kostenreduzierung bei. Be- Mischvorgangs.

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-281


Dauer des Mischvorgangs. Um ein gleichmäßi- Nach DIN 459 Pkt. 4.1 ist das Volumen der
ges Gemisch zu erhalten, muß nach DIN 1045 Trockenfüllmenge für Kiesbeton mit dem 1,5-fa-
Ab sehn. 9.3 die Mischzeit nach Zugabe aller Stof- chen und für Splittbeton mit dem 1,62-fachen
fe bei Mischern mit besonders guter Mischwir- des Nenninhalts anzunehmen. Der Nenninhalt
kung mindestens 30 s und bei den übrigen Mi- des Mischers VNenn ist gleich dem Volumen des
sehern mindestens 60 s betragen. verdichteten Frischbetons Vb.
Bei der Berechnung der Stoffmenge für eine
Bauarten von Mischern. DIN 459 Teil1 unter- Mischerfüllung wird von der Rezeptur für 1 m 3
teilt die Bauarten der Miseher für Beton und Festbeton ausgegangen.
Mörtel in absatzweise arbeitende Miseher (Mi-
schung einzelner Chargen) und stetig arbeiten-
de Mischer. Bei ersteren ist zwischen Freifall- mit mM Stoffmenge für eine Mischerfüllung in
und Zwangsmischern zu unterscheiden. Von den kg/Mischung, mR Stoffmenge lt. Rezeptur für
in Abb. 2.6-44 dargestellten Mischern können die 1m3 Festbeton in kg/m 3, VNenn Nenninhalt des
Zwangsmiseher (Teller-, Ringteller- und Trog- Mischers in m 3 •
mischer) mit genügend hoher Umdrehungsge-
schwindigkeit als Miseher mit besonders guter Berechnung der Mischerfüllung. Für einen
Mischwirkung eingestuft werden. 500-1- bzw. 750-1-Mischer (Nenninhalt nach
DIN 459) ist mM1 =mR · 0,5 m 3 bzw. mMz =
Füllungsgrad des Mischers. Mit den Vorgabe- mR · 0,75 m 3 anzusetzen (Tabelle 2.6-25).
mengen an Betonausgangsstoffen für eine Mi-
schercharge (Mischanweisung) wird der Fül- Reihenfolge der Komponentenzugabe. Beson-
lungsgrad der Mischmaschine festgelegt. Um ders beim Bauen im Winter bzw. kühler Witte-
diesen hinsichtlich der Mischwirkung optimal rung (+5 °C bis -3 °C} wirkt sich die Reihenfolge
zu gestalten, sind die Vorgabemengen nach dem der Komponentenzugabe beim Beschicken eines
Nenninhalt des Mischers zu ermitteln. Mischers aus. Wird das Wasser auf mehr als 70 °C

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~"' , rv a Kipptrommelmischer
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+ b Tellermiseher
c Trogmiseher
+ d Freifallmischer
d e e Zwangsmiseher

Abb. 2.6-44 Bauanen von Betonmischern [Liebherr 1990)

2-282 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.6-25 Beispiele zur Bere<hnung von Mischerfiillungen

Ausgangs- Rezept. 1, Massen mR Mengen f. 500..1-Mischer mM1 Rezept. 2, Massen mR Mengen f. 75(}-1-Mischer mM1
stoffe kgfml kg kgfml kg
Konsistenz KR KR KS KS
Zement 335 167,5 250 187,5
Zuschlagstoffe 1815 907,5 1950 1462,5
Wasser 200 100,0 150 112,5
Summe 2350 1175,0 2350 1762,5

erwärmt, so ist es nach DIN 1045 Abschn. 11.2 (3) Miseher unter Berücksichtigung von Bedarfs-
zuerst mit dem Betonzuschlag zu mischen, be- spitzen abdecken können muß.
vor Zement zugegeben wird.
Qerj=cp · Q0
Bestimmung der Mischergröße. Unter der theo- mit Q0 durchschnittlicher Bedarf, cp Ungleich-
retischen Mischleistung Qrh (Herstellerangabe) mäßigkeitsfaktor (cpsaustene= 1,5 ... 3,0; cpseton-
versteht man das Volumen des verdichteten werk= 1,2... 1,5).
Frischbetons je Stunde, das maximal (technisch
begründet) vom Miseher abgegeben werden Berechnungsbeispiel: Ermittlung der erforderli-
kann (Verdichtungsmaß 1,45). Für absatzweise chen Nenngröße des Mischers, die zur Ab-
arbeitende Miseher (Chargenmiseher) gilt deckung eines mittleren Bedarfs von 10 m 3/h
Festbeton bei einer Ungleichmäßigkeit im Be-
Mischleistung Qrh =VNenn· n in m 3/h
darf von ±30% notwendig ist, wenn die Dauer
mit Spielzahl n =3600/ts (Anzahl der Arbeits- eines Arbeitsspiels 120 s und der Betriebszeit-
spiele pro Stunde). beiwert 0,8 beträgt.
Unter einem "Arbeitsspiel" versteht man den
Q0 = 10 m 3/h Festbeton; cpsetonwerk = 1,3;
Vorgang, der mit gleicher Ablauffolge der Teil-
vorgänge Füllen, Mischen, Entleeren und Rück- t5 =120 s; nr =0,8.
stellen mehrfach wiederholt wird (Unterbre- OerJ =cp·~ =Qn >

chungen wie Stillstands- und Fahrzeiten werden cp. ~ =nr. VNenn. n,


nicht berücksichtigt).
Die Spielzeit ts ist die Zeit zwischen dem Be- VNenn -n_
_""'0 _cp_ _-
ginn zweier unmittelbar aufeinanderfolgender nr ·n
Einfüllvorgänge (Dauer eines Arbeitsspiels). 1' 30
10m3th · 0,542m 3
Spielzeit ts= tp+ tM+ tr + tR 0,8· 30h- 1

mit tp Einfüllzeit, tM Mischzeit, tr Entleerungs- Erforderlich ist ein 750-1-Mischer.


zeit, tR Rückstellzeit
Arten von Betonmischanlagen. Für die Herstel-
Nutzbare Mischleistung, Qn· Die nutzbare Misch- lung größerer Frischbetonmengen werden von
leistung On ist die Leistung, die im praktischen der Baumaschinenindustrie komplette Misch-
Betrieb unter Berücksichtigung von leistungs- anlagen angeboten. Diese Anlagen umfassen alle
mindernden Faktoren erreicht werden kann. Einrichtungen, die für die Lagerung des Zements
und der Zuschlagsstoffe sowie deren Dosierung,
Qn=nr·Qrh·
Förderung und für das Mischen erforderlich
Der Betriebszeitwert nL- im Mittel 0,8 - berück- sind.
sichtigt die Zeiten für Pflege und Wartung, Der Charakter der Betonmischanlagen wird
Transport- und Wartezeiten sowie die Maschi- im wesentlichen von der Art der Zuschlags-
nistenqualifikation. stofflagerung bestimmt. Man unterscheidet die
in Tabelle 2.6-26 zusammengestellten Arten von
Erforderliche Mischleistung Qerf• Die erforderli- Betonmischanlagen.
che Mischleistung Qerf ist die Leistung, die der

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-283


Tabelle 2.6-26 Zusammenstellung von technisch-wirtschaftlichen Kriterien von Betonmischanlagen (Grundtypen)
[Nickol1996)

Prinzipdes Vertikal- Horizontalanlagen


Materialdurchlaufes anlagen
Anordnung der Lager vertikal über den horizontal neben den Mischmaschinen
Dosier- und Misch-
einrichtungen

Lagerart für die Zuschläge Hochsilo Sternlager Hochsilo Taschensilo Reihensilo

Lagervolumen für 360 800 ... 1800 160.. .460 30 40/80/120


Zuschläge in ml

Bevorratungsdauer insges. 1... 2 Schichten 4... 5 Schichten 1.. . 2 Schichten 0,6... 1,2 h 1,5... 3,5 h

Bevorratungsdauer aktiv 1... 2 Schichten 1,5 ... 3 h 1.. . 2 Schichten Q,6 . .. 1,2 h 1,5 ... 3,5 h

Komponentenanzahl 4... 8 4... 6 3.. .6 3...4 2/4/6/8

Anordnung der zentral/in Reihe in Reihe zentral zentral in Reihe


Dosiermittel

Bedarf an Grundstücksfläche sehrgering groß gering am geringsten gering

Bedarf an Bauinvestionen mittel gering mittel gering gering

Bedarf an Ausrüstungen am höchsten gering hoch gering hoch

Schutz vor Witterung sehrgut schwierig gut mittel mittel

Umweltbelastung gering mittel gering hoch (häufige mittel


Beschickung)

Mobilität der Anlage stationär meist stationär stationär stationär leicht umsetzbar

Besonderheiten oft ein Vorrats- meistkein oft ein Vorrats- Vorratslager Vorratslager
Iager erforderlich Vorratslager Iager erforderlich immer erforder- immer erforder-
erforderlich lieh, sehr hohe lieh; hohe Be-
Beschickungs- schickungskosten
kosten

Fördern von Beton zur Baustelle fahrzeuggemischtem Transportbeton, der wäh-


rend der Fahrt oder nach Eintreffen auf der
Bei der Herstellung von Beton unterscheidet Baustelle im Mischfahrzeug gemischt wird.
man nach DIN 1045 Abschn. 2.1.2
- Baustellenbeton. Beton, dessen Bestandteile Die zulässigen Transportzeiten und Fahrzeugar-
auf der Baustelle zugegeben und gemischt ten für den Transport von Frischbeton nach
werden und dessen Transportentfernung von DIN 1045 sind in Tabelle 2.6-27 zusammenge-
einer benachbarten eigenen oder ARGE-Bau- stellt. Innerhalb dieser Transportzeiten muß der
stelle nicht mehr als 5 km Luftlinie beträgt. Frischbeton bereits entladen sein und darf nicht
- Transportbeton. Beton, dessen Bestandteile in infolge warmer Witterung oder anderer Einflüs-
einem Betonwerk außerhalb der Baustelle zu- se beim Entladen angesteift sein.
gemessen werden und der in Förderfahrzeu-
gen zur Baustelle transportiert und in ein- Bestellung von Transportbeton. Die Bestellung
baufertigem Zustand übergeben wird. Bei von Transportbeton erfolgt nach Betonsorten-
Transportbeton ist darüber hinaus zu unter- verzeichnis, das nach DIN 1045 Abschn. 5.4.4 fol-
scheiden zwischen werkgemischtem Transport- gende Informationen enthalten muß:
beton, der im Werk fertig gemischt und in - Eignung für unbewehrten Beton oder Stahl-
Fahrzeugen zur Baustelle gebracht wird, und beton,

2-284 Bauwirtschaft und Baubetrieb


- Eignung für Außenbauteile, stimmte Prüfungen bei der Abnahme und da-
- Festigkeitsklasse des Betons, nach vorgenommen werden.
- Konsistenzbereich des Frischbetons, Nach DIN 1045Abschn. 7.1 (2) können bei Be-
- Art, Festigkeitsklasse und Menge des Binde- zugvon Transportbeton auf der Baustelle fol-
mittels, gende Prüfungen entfallen:
- Wassergehalt und Wasserzementwert, - Prüfung der Bindemittel, Betonzusatzmittel
- Art, Menge, Sieblinienbereich und Größtkorn und Betonzusatzstoffe nach DIN 1045 Abs-
des Zuschlags sowie ggf. erhöhte oder vermin- chn. 7.2,
derte Anforderungen, - Prüfung des Betonzuschlags nach DIN 1045
- Art und Menge des ggf. zugesetzten Mehlkorns, Abschn 7.3,
- Art und Menge der ggf. zugesetzten Betonzu- - Eignungsprüfung des Betons nach DIN 1045
sätze, Abschn. 7.4.2.
- Festigkeitsentwicklung des Betons für Außen-
bauteile gemäß den Richtlinien zur Nachbe- Der Abnehmer von Transportbeton hat im glei-
handlung von Beton [DAfStb 1984]. chen Umfang wie bei Baustellenbeton nach
DIN 1045 die Güteprüfung des Betons sowie,
Abnahme und Güteüberwachung von Trans- wenn erforderlich, die Erhärtungsprüfung und
portbeton. Für Transportbeton ist nach DIN 1045 den Nachweis der Betonfestigkeit am Bauwerk
eine vollständige Gütekontrolle aller Ausgangs- durchzuführen.
stoffe sowie der Frisch- und Festbetoneigen-
schaften im Herstellerwerk durchzuführen. Dar- Während bei Verwendung von Baustellenbeton
über hinaus müssen für Transportbeton be- alle in Tabelle 2.6-28 zusammengestellten Prü-

Tabelle 2.6-27 Zulässige Transportzeiten für Frischbeton in Abhängigkeit von der Fahrzeugart nach DIN 1045

Betonart Fahrzeugart Zulässige Transportzeiten in min nach Konsistenz


KS KP KR KF
Baustellenbeton ohne Rührwerk 45 20 20 20
Misch- oder Rührfahrzeug 90 90 I 90 I 90
werkgemischter Transportbeton ohne Rührwerk 45 Fahrzeuge ohne Rührwerk nicht zulässig
Misch· oder Rührfahrzeug 90 90 I 90 I 90

Tabelle 2.6-28 Einzelprüfungen im Rahmen der Güteprüfung von Baustellen- und Transportbeton

Prüfung Betongr. BaustellenbetontHäufigkeit TransportbetontHäufigkeit


Zement- BI je Betonsorte beim ersten Einbringen, dann in darf dem Lieferschein oder Beton-
gehalt angemessenen Zeitabständen Sortenverzeichnis entnommen werden
Wasser- Bl1 je Betonsorte beim ersten Einbringen, dann wie vor, aber notwendig, wenn
Zementwert Bll einmal je Betoniertag Fußnote .o• genutzt wird
Konsistenz BI je Betonsorte beim ersten Einbringen, beim beim ersten Einbringen, beim
Bll Herstellen der Probekörper Herstellen der Probekörper
Bll zusätzlich in angemessenen
Zeitabständen
Druckfestig· BI tragende Wände 3 Würfel je 500 ml Beton oder
keit und Stützen aus je Geschoß oder
B5, 810,815, 825 je 7 Betonienagern bei BaustellenbetonP
Bll B35, B45, B55 6 Würfel0
1 nur bei Beton für Außenbauteile, gilt als erfOIIt 0 die Hälfte der geforderten Würfelprüfungen kann durch zusätzliche W/Z-Wert-
bei 32 N/mml Bestimmungen ersetzt werden; zwei W/Z-Werte ersetzen einen WOrfel
m die Forderung, die die größte Anzahl von P bei Frischbetonentnahme auf der betreffenden Baustelle dürfen die Festigkeits-
WOrfeln ergibt ist maßgebend prüfungen des Transportbetonwerks tordie Baustelle angerechnet werden

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-285


fungen im Rahmen der Güteprüfung durchzu- Betonabgabe vom Transportfahrzeug. Die Be-
führen sind, müssen bei Verwendung von Trans- tonabgabe direkt vom Fahrmiseher oder Kipp-
portbeton nur die in der letzten Spalte angeführ- fahrzeug findet dort Anwendung, wo sich die zu
ten Prüfungen vorgenommen werden. Zement- betonierenden Bauteile und die Schalung (z. B.
gehalt und Wasserzementwert des angelieferten Streifenfundamente, Bodenplatten) unterhalb
Transportbetons sind dem Lieferschein oder der Transportebene befinden und die Trans-
dem Betonsortenverzeichnis zu entnehmen. portfahrzeuge unmittelbar neben die Einbau-
stelle fahren können.
Fördern und Einbringen von Beton aufder Baustelle Die unmittelbare Betonabgabe vom Fahrzeug
direkt in die Schalung ist besonders wirtschaft-
Das Fördern des Betons auf der Baustelle be- lieh, weil keine zusätzlichen Fördergeräte für den
ginnt mit der übergabe des Transportbetons Beton erforderlich sind. Der Beton kann jedoch
bzw. bei Baustellenbeton mit der Entleerung des wegen der begrenzten Reichweite der Auslauf-
Mischers und endet mit dem Einbringen des Be- schurren nur in Ausnahmefällen direkt einge-
tons in die vorbereitete Schalung. Bei der Frisch- bracht werden. Um eine Entmischung zuverläs-
betonförderung und dem Einbringen darf keine sig zu verhindern, darf die zulässige freie Fall-
Entmischung des Betons eintreten. Die Wahl des höhe von 1,50 m dabei nicht überschritten wer-
Fördermittels (Auslaufschurre, Krankübel, För- den (Abb. 2.6-45).
derband, Pumpe) hängt dabei von den Bedin-
gungen der jeweiligen Baustelle (Bauwerksgeo- Betoneinbau mit Kran und Kübel. Das Betonie-
metrie), der Einbauleistung, der Förderweite ren mit Kran und Kübel ist besonders bei klei-
und -höhe, den Bauteilabmessungen und der nen Einbauleistungen bis 15 m3/h wirtschaftlich,
einzubringenden Menge ab. wie sie z.B. beim Betonieren von Bauteilen mit

a mechanische Schwenkhilfe erforderlich


b Hubhilfe erforderlich
6

Abb. 2.6-45 Flächen- und Linienverteilung auf Fahrbahnhöhedirekt vom Fahrmiseher [Riker 1996]

a Hand oder Hydraulik


b Rollboden mit Gummiplatte
c Zellenradwalze

Abb. 2.6-46 Krankübelverschluß-Lösungen [Riker 1996)

2-286 Bauwirtschaft und Baubetrieb


derbändersind mit Prallblech und Zementleim-
abstreifer und ggf. Fallrohren für das Zusam-
menhalten des Betons ausgerüstet. Besonders
für kleinere Bauvorhaben bei begrenzten För-
derleistungen ist dieses Verfahren wirtschaftlich
(Abb. 2.6-48).

Fördern mit Betonpumpen. Betonpumpen er-


möglichen im Gegensatz zur absatzweisen För-
derung mit Krankübeln einen kontinuierlichen
a Längsfahren und damit leistungsfähigeren Förderprozeß. Zu-
b Drehen sätzlich wird das Engpaßgerät Kran entlastet
c Querfahren und steht für die notwendigen Umsetzvorgänge
d Heben
e Katzausleger der Schalung und für den Transport der Beweh-
f Gegengewicht rung sowie weiterer Baustoffe zur Verfügung.
g Drehwerk Für ein störungsfreies Fördern von Pumpbe-
ton durch Rohrleitungen mit kleinem Durch-
messer sind an die Konsistenz und Zusammen-
setzung des Betons bestimmte Anforderungen
zu stellen: Der Beton muß über ein gutes Zusam-
menhaltevermögen verfügen, leicht verformbar
sein und eine gleichmäßige plastische Konsi-
stenz (KP) haben. Das Zuschlagsgemisch sollte
im günstigen Sieblinienbereich nach DIN 1045
(B16 bzw. B32) liegen und runde oder gedrun-
gene Kornform besitzen. Der Zementgehalt soll-
te mindestens 300 kg!m 3 Beton betragen und der
Mehlkornanteil bei 400 kg/m 3 (bei Größtkorn
32 mm) bzw. 450 kg!m 3 (bei Größtkorn 16 mm)
liegen. Der Wasserzementwert sollte sich zwi-
schen 0,42 und 0,65 bewegen.
Abb. 2.6-47 Krantransport mit Oberdreher-Laufkatz- Die Autobetonpumpe mit ausklappbarem Ver-
ausleger [Riker 1996] teilermastist heute das Standardgerät für die Be-
tonförderung. Die vier- bis maximal fünfteiligen
Ausleger von Betonpumpen haben einen Akti-
kleinen Abmessungen (Stützen, dünne Wände) onsradius von bis zu 62 m Reichhöhe, 48 m Reich-
auftreten. Beim Betonieren mit Krankübeln wird weite und 38 m Reichtiefe. Pumpe und Ausleger
vorwiegend Beton weicher (KR) oder plastischer sind auf ein Lkw-Fahrgestell montiert, das für
Konsistenz (KP) verwendet. Um die Fahrmi- größere Reichweiten durch Spreizfüße abge-
seher nur kurz auf der Baustelle zu binden, kann stützt wird. Bei größeren Bauwerkhöhen und
der Beton zunächst an Zwischensilos oder Be- größeren flächigen Baustellen, die von Autobe-
tonübergabestationen übergeben werden, die tonpumpen nicht mehr bedient werden können,
den gesamten Inhalt eines Fahrmischers auf- kommen Betonpumpen kombiniert mit Förder-
nehmen. Die Gefahr der Entmischung tritt bei leitungen und stationärem oder mitkletterndem
Förderung mit Krankübeln erst auf, wenn der Verteilermast zum Einsatz.
Beton in die Schalung eingebracht wird Bei den Bauarten von Betonpumpen ist zwi-
(Abb. 2.6-46 und 2.6-47}. schen den heute üblichen hydraulisch angetrie-
benen 2-Zylinder-Kolbenpumpen und den selte-
Betoneinbau mit Förderband. Die Betonabgabe ner verwendeten Rotorpumpen zu unterschei-
vom Fahrmiseher über ein angebautes Förder- den.
band gestattet es, Beton plastischer Konsistenz Als Förderleitungen von der Pumpe zum jewei-
(KP) vom Fahrmiseher aus bis 8 m hoch und ligen Einbauort dienen Stahlrohre mit Schnell-
15m weit zur Einbaustelle zu fördern. Die tele- kupplungen vorwiegend mit Durchmessern von
skopierbaren und mehrfach abknickbaren För- 100 und 125 mm. Beim Verlegen der Rohrleitun-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-287


Abb. 2.6-48 Aktionsbereich eines Fahrmischer-Verteilerbands [Riker 1996]

gen sind unnötige Richtungsänderungen und gezug-, Verschleißfestigkeit), der Frostbestän-


Bögen (Druckverlust) zu vermeiden. digkeit (niedrigere Wasseraufnahmefähigkeit),
Baubetrieblich sinnvoll sind die Rohrleitun- des Verbunds und des Korrosionsschutzes der
gen so zu verlegen, daß erst über die größte Ent- Bewehrung sowie auch der Oberflächenge-
fernung gepumpt und anschließend die Leitung schlossenheit (verringerter Porenraum).
durch Demontage einzelner Rohrschüsse rück-
gebaut wird. Die Abgabe des Betons in die Scha- Einflußfaktoren aufdie Frischbetonverdichtung.
lung erfolgt i. d. R. über Verteilschläuche. Wegen Die Qualität der Verdichtung hängt ab von der
auftretender Druckstöße darf die Rohrleitung Verarbeitbarkeit bzw. Verdichtungswilligkeit des
nicht an der Schalung befestigt werden. Bei Betons, der Ausbildung der Schalung und der Be-
Hochförderung von Beton ist in der unteren ho- wehrung sowie der gewählten Verdichtungsart.
rizontalen Leitung ein Absperrschieber vorzuse-
hen, bei Abwärtsförderung kann durch Staubö- Verdichtungswilligkeit des Betons. Die Verdich-
gen einAbreißen der Betonsäule verhindert wer- tungswilligkeit des Betons wird im wesentlichen
den (Abb. 2.6-49 und 2.6-50). bestimmt von der Kornform und Kornzusam-
mensetzung der Zuschlagsstoffe, der Zementart
Verdichten von Beton und der Zementmenge sowie vom Wasserzu-
satz.
Ziel der Frischbetonverdichtung. Zur Sicherstel-
lung eines hohlraumfreien, die Bewehrung satt Ausbildung der Schalung und Bewehrung. Scha-
umhüllenden Betons muß der Beton unmittel- lung und Bewehrung müssen so ausgebildet
bar nach Einbringen in die Schalung verdichtet sein, daß eine vollständige Ausfüllung der Scha-
werden. Eine gute Frischbetonverdichtung ver- lung und Ummantelung der Bewehrung mit Be-
bessert die geforderten Eigenschaften des Fest- ton möglich ist. Der Schalungsaufbau mit Ein-
betons hinsichtlich der Festigkeit (Druck-, Bie- bauten und Verankerungen sowie die Beweh-

2-288 Bauwirtschaft und Baubetrieb


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50
60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 0 5 10 m 15

Abb. 2.6-49 Aktionsbereich des bis 1990 größten fahrbaren Betonvertei lermastes [Riker 1996)

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-289


Einbau der
Rohrsäule in
Kletterschalung

Rohrsäule

Hut>einrichtung -

Führungslager
der Rohrsäule

Abb. 2.6-50 Verteilermast, auf höhenverstellbarer Rohrsäule aufgesetzt [Riker 1996)

rungsführung müssen aufeinander abgestimmt Verdichten durch Rüueln. Frischbetone der Kon-
sein, damit innerhalb der Schalung möglichst sistenz KS, KP und KR sind nach DIN 1045 durch
wenige Behinderungen vorhanden sind. Hieraus Rütteln zu verdichten, wobei die Verdichtung un-
ergibt sich die Forderung, daß der Größtkorn- mittelbar mit lnnenrüttler oder mittelbar mit
durchmesser der Zuschlagsstoffe kleiner oder Außenrüttler (Schalungs-, Oberflächen- und
gleich einem Drittel der kleinsten Bauteilab- Tischrüttler) erreicht wird.
messung bzw. kleiner als der Abstand zwischen Bei der Verdichtung mittels Vibratoren wer-
den Bewehrungseinlagen sein muß. den die Grenzflächenspannungen zwischen den
Zuschlagskörnern durch mechanisch eingeleite-
Verdichtungsart. Die auf der Baustelle gewählte te Schwingungen herabgesetzt, so daß sie infol-
Verdichtungsart richtet sich nach der Konsistenz ge der wirkenden Schwerkraft eine dichtere La-
des Frischbetons und der Betonzusammenset- gerung einnehmen. Der Zementleim nimmt aus
zung. Nach der Art der Verdichtung wird unter- dem gleichen Grund eine flüssige Konsistenz an,
schieden zwischen Stampfen, Rütteln und Sto- so daß Oberschußwasser und Luftblasen ent-
chern. Steifer Beton (KS) für untergeordnete weichen können.
Bauteile (z. B. Streifenfundamente) kann durch
Stampfen verdichtet werden. Die Schichten von Innenrüttler. Sie sind auf Baustellen heute am
maximall5 bis 20 cm werden gestampft, bis der häufigsten zu finden. Zur Vermeidung einer Ver-
Mörtel im Beton aufsteigt und eine geschlosse- dichtung, die das Entweichen der Luft aus den un-
ne Oberfläche entsteht. Eine Verdichtung des teren Schichten verhindert, soll beim Rüttelvor-
Frischbetons läßt sich heute besser und ratio- gang die Rütteltlasche schnell senkrecht in den
neller durch Rütteln mit Innnenrüttlern, z. T. Beton getaucht werden, im Tiefpunkt kurz ver-
Schalungsrüttlern, erreichen. In der Regel ist harren und langsam von unten nach oben gezo-
Rütteln die Verdichtungsart für plastischen Be- gen werden, so daß sich der Beton hinter der Rüt-
ton (KP). Weicher Beton (KR) und Fließbeton teltlasche schließt (Abb. 2.6-51). Eine ausreichen-
(KF) sollen i. allg. nur leicht gerüttelt oder gesto- de Rütteldauer ist i. allg. gegeben, wenn eine mitt-
chert werden. Beim Stochern ist der Beton so zu lere Geschwindigkeit von v =5... 8 cm/s beim Be-
bearbeiten, daß die Luftblasen entweichen. Ver- wegen der Rütteltlasche im Frischbeton einge-
tikale Schalungsflächen können zusätzlich abge- halten wird. Aus dieser Bedingung läßt sich die Vi-
klopft werden (Hammer, Elektrohammer). Als brationsdauer tv (ins) je Tauchstelle berechnen:
Maßstab für die Verdichtung gilt die erreichte
tv=2(s+b)!v
Frischbetondichte. Tabelle 2.6-29 zeigt den Ein-
fluß der Verdichtungsart auf den verbleibenden mit s Schütthöhe in cm, bEinbindetiefe in die be-
Frischbetonporenraum. reits verdichtete Schicht in cm, v mittlere Ge-
schwindigkeit in cm/s.

2-290 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.6-29 Te<hnisch bedingter Frischbetonporenraum P90S im verdichteten Frischbeton

Konsistenzbereich Verdichtungsmaß Fri.schbetonporenraum nach Verdidltung


mit Stampfen und Stochern
V von Hand mit Rüttlereinsatz
lfm3 1Jm3
(sehr steif) 1,50 .. . 1,32 35 .. .50 21 .. .40
steif KS 1,31... 1,20 25 ... 35 16 ... 20
plastisch KP 1,19... 1,08 20 ... 25 11 ... 15
weich KR 1,07 .. . 1,02 15... 20 ~1 0
fließfähig KF ~ 10

o Eintauchsteilen c Rütteltlasche
b Oberfläche der unverdichteten Schüttung d bereits verdichtete Schicht

Abb. 2.6-51 Verdichtung mit lnnenrOttlern [Bayer/Hampen/Moritz 1995]

Die Rütteltlasche muß in die bereits verdich- und der Anordnung des Antriebsmotors,Art der
tete Schicht mindestens 10 bis 20cm tief ein- Umwucht und Größe der Fliehkraft.
dringen, um eine gute Verbindung beider Schich- Die speziellen maschinentechnischen Kenn-
ten zu gewährleisten. Die minimale Schütthöhe werte sind den Unterlagen der Hersteller zu ent-
soll mindestens 30 cm betragen, da erst dann ei- nehmen. Hierzu gehören neben Rüttlergruppe,
ne ausreichende Menge Frischbeton unter der Fliehkraft, Durchmesser des Rüttlers und Masse
hotwendigen Auflast steht. Diese Schütthöhe der Unwucht auch die Motorleistung, Motor-
wird ebenfalls für das Herstellen von Sichtbeton- drehzahl und Anschlußleistung. Kenndaten der
flächen empfohlen, um eine ausreichende Ober- Rüttlergruppen sind in Tabelle 2.6-30 zusam-
flächengeschlossenheit zu erreichen. mengestellt.
Die maximale Schütthöhe soll 50 cm auch bei
hohen Wänden und Stützen nicht übersteigen, Auswahl von lnnenrüttlern. Form und Abmes-
da sonst die Luft zum Entweichen aus den unte- sungen der herzustellenden Bauteile bestimmen
ren Lagen einen zu langen Weg hat und die Ge- die Art und die Abmessung der Rüttler. Zum Ver-
fahr besteht, daß der Beton vor seiner vollständi- dichten von Bauteilen mit großen Abmessungen
gen Verdichtung bereits erstarrt. Hinweise zum und bei weitmaschiger Bewehrung empfiehlt
Betoneinbau und Verdichten werden auch im sich der Einsatz schwerer und mittlerer Innen-
DBV-Merkblatt "Betonierbarkeit von Bauteilen rüttler (Rüttlergruppe 2 und 3).ZurVerdichtung
aus Beton und Stahlbeton" gegeben (Abb. 2.6-51 ). feingliedriger Bauteile und bei enger Beweh-
rungsführung eignen sich wegen ihres geringen
Arten von Innenrüttlern. Die Klassifizierung der Durchmessers leichte Innenrüttler der Gruppe 1.
Innenrüctler erfolgt entsprechend DIN 4235 Da auf Baustellen i. d. R. Elektroanschlüsse
Teil1 nach Antriebsart, Art des Tragschlauches vorhanden sind, arbeitet man üblicherweise mit

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-291


Tabelle 2.6-30 Kenndaten der Rüttlergruppen (DIN 4235)

Rüttlergruppe 2 3
Fliehkraft N <2500 2500 ... 6000 >6000
Durchmesser mm <40 40 ... 60 >60
Masse kg
bei Elektroantrieb 0,5 ... 6,5 1,5 ... 8 5... 10
bei Druckluftantrieb <2 2,5 ... 3,5 >3,5
Durchmesser des Wirkungsbereiches cm 30 50 80
Abstand e der Eintauchsteile cm 25 40 70

Elektro-Innenrüttlern. Der Einsatz von hochfre- hohe Bauteile, besonders mit sichtbar bleiben-
quenten Rüttlern erfordert z. T. Frequenzum- den Betonflächen, mit Schalungsrüttlern oder
former, die zusätzlich zu den Rüttelgeräten vor- Schalungskiopfern nachzuverdichten. Dadurch
gehalten werden müssen. werden Wasserinseln, die an der Schalungsfläche
Poren oder sandige Adern hinterlassen, besei-
Wirkungsbereich von Innenrüttlern. Der Ab- tigt. Gleichzeitig läßt sich damit die Festigkeit
stand der Eintauchstellen ist so zu wählen, daß erhöhen, da das Nachrütteln i. allg. auch die Be-
sich die Wirkungsbereiche überschneiden. Für tondichte erhöht. Wichtig ist jedoch der richtige
die Baustelle gilt i.allg. vereinfacht: Abstand der Zeitpunkt für das Nachrütteln,damit der Frisch-
Eintauchstellen 5 bis 10 cm kleiner als der 10fa- beton beim Nachrütteln wieder vollkommen
che Durchmesser des Innenrüttlers. Der Wir- plastisch wird, weil sich nur dann die bis dahin
kungsbereich der Innenrüttler kann Tabelle entstandenen Hohlräume schließen können.
2.6-30 entnommen werden. Als grober Richtwert für das Nachrütteln kann
der Zeitraum von 2 bis 3 h nach dem Mischen
Außenrüttler. Sie werden an Schalungen (Scha- des Betons gelten. Dieser Wert hängt aber stark
lungsrüttler) oder an Platten und Bohlen (Ober- von der verwendeten Zementart, der Betantem-
flächenrüttler) befestigt. In Betonfertigteilwer- peratur und dem Wasserzementwert ab. Er soll-
ken kommen Außenrüttler an Rütteltischen, Rüt- te deshalb durch eine Prüfung des Erstarrungs-
telböcken oder auch an den Schalungsformen beginns nach Norm festgelegt werden.
zum Einsatz.
Schalungsrüttler werden an den Knotenpunk- Ausschalen und Nachbehandeln von Beton
ten der Schalungsaussteifung angebracht und er-
zeugen damit eine gleichmäßige Schwingungs- Ausschalen. Die zulässigen Ausschalfristen haben
verteilung über eine größere Fläche. Der Scha- einen wesentlichen Einfluß auf Vorhaltemengen
lungsrüttler und die Steifigkeit der Schalung der Schalung (erforderliche Anzahl der Schalsät-
müssen aufeinander abgestimmt sein. Bei be- ze). Außerdem darfkein Bauteil ausgeschalt wer-
sonders kleinen Bauteilabmessungen und dich- den, bevor der eingebrachte und verdichtete Be-
ter Bewehrungsführung werden Schalungsrütt- ton ausreichende Festigkeit besitzt, so daß alle
ler auch zusätzlich zu Innenrüttlern eingesetzt. wirksamen Lasten sicher getragen werden. Zum
Oberflächenrüttler werden zur Verdichtung Teil müssen unmittelbar nach dem Ausschalen
von .waagerechten oder leicht geneigten Dek- Hilfsstützen gestellt werden oder verbleiben bei
kenflächen in Form von Rüttelplatten, Rüttel- Verwendung moderner Deckenschalsysteme sy-
bohlen oder Abgleichbohlen verwendet, die z. T. stembedingt. Für normale Bedingungen, d.h. ei-
über Lehren oder Schienen geführt werden. Mit ner Betontemperatur, die ab Einbringen des Be-
der nachträglichen Vakuumbehandlung der tons dauerhaft +5°C nicht unterschreitet, gelten
Oberfläche können durch Wasserentzug Beton- die Ausschalfristen nach DIN 1045.
eigenschaften wie Druckfestigkeit, Dichtigkeit
und Verringerung der Schwindverformung ver- Nachbehandeln von Beton. Beton ist bis zum
bessert werden. genügenden Erhärten gegen alle schädigenden
Einflüsse zu schützen. Von der Baustelle sind
Nachverdichtung durch Nachrütteln. Nach deshalb Maßnahmen entsprechend der "Richtli-
DIN 4235 Teil4 Abschn. 11 sind rasch betonierte nie zur Nachbehandlung von Beton" [DAfStb

2-292 Bauwirtschaft und Baubetrieb


1984] gegen vorzeitiges Austrocknen, extreme ein Arbeitsverzeichnis aufzustellen, in dem alle
Temperaturen und Temperaturänderungen, me- zu erbringenden Teilleistungen nach Art und
chanische Beanspruchungen, Schwingungen so- Reihenfolge (Takt) einschließlich Materialauf-
wie Erschütterungen und chemische Angriffe zu wand, Personal- und Geräteeinsatz erfaßt sind.
ergreifen. Eine zweckmäßige Form für ein Arbeitsver-
Der frische Beton läßt sich gegen vorzeitiges zeichnis zeigt Tabelle 2.6-31.
Austrocknen sicher schützen und eine ausrei- Ein derartiges Arbeitsverzeichnis erfordert ei-
chende Erhärtung der oberflächennahen Berei- ne Gliederung der einzelnen Positionen des Lei-
che unter Baustellenbedingungen sicherstellen, stungsverzeichnisses in baubetrieblich sinnvol-
indem folgende Schutzmaßnahmen ergriffen le Teilleistungen wie Einschalen, Bewehren, Be-
werden: tonieren und Ausschalen sowie die Zuordnung
- Verlängern der Ausschalfrist durch Belassen der Aufwandswerte. Unter Berücksichtigung der
in der Schalung, Kolonnenstärke ergibt sich die Ausführungs-
- Abdecken mit Folien oder Aufbringen wasser- dauer der Einzelvorgänge und die Gesamtdauer,
haltender Abdeckungen, die der Taktdauer entspricht.
- Aufbringen flüssiger Nachbehandlungsmittel
und Bauarbeitsschlüssel (BAS ). Dabei handelt es sich
- Besprühen mit Wasser. um eine betriebsinterne Codierung für die we-
sentlichen (preis- und zeitbestimmenden) Lei-
Die Dauer der Nachbehandlung richtet sich im stungen nach fertigungstechnischen Merkma-
wesentlichen nach der Festigkeitsentwicklung len. Unter einer Schlüsselnummer werden dabei
des Betons, die abhängig ist von der Betonzu- nur Leistungen erfaßt, die hinsichtlich des Auf-
sammensetzung, der Frischbetontemperatur, den wandswertes als gleichartig anzusehen sind. Der
Umgebungsbedingungen und Bauteilabmessun- BAS dient der Vorgabe (Arbeitskalkulation), Er-
gen. Für Betongruppe B II muß auf der Baustelle fassung (Stundenberichte), Kontrolle (Soll/Ist-
eine schriftliche Arbeitsanweisung über die Vergleiche) und Sammlung (BAS-Datei) der
Nachbehandlungsmaßnahmen vorliegen. Stundensätze. Zudem dient die aktualisierte
BAS-Datei als Grundlage für die Bearbeitung
2.6.5.4 neuer Angebote.
Baubetriebliche Leistungswerte und Kennzahlen Die Positionen im Leistungsverzeichnis des
im Beton- und Stahlbetonbau Auftraggebers sind vielfach nicht für ausfüh-
rungsbezogene Zuordnungen geeignet. Abbil-
Arbeitsverzeichnis und Bauarbeitsschlüssel dung 2.6-52 zeigt die möglichen Beziehungen
zwischen der Position eines Leistungsverzeich-
Arbeitsverzeichnis. Zur Vorbereitung der Aus- nisses und der Gliederungsstruktur des BAS.
führung ist von der Arbeitsvorbereitung auf Der BAS wird den Bedürfnissen und beson-
Grundlage der maßgebenden Projektunterlagen deren Gegebenheiten der Unternehmung ange-

Tabelle 2.6-31 Arbeitsverzeichnis (Auszug)

Pos. BAS Menge Bau teil/ Tätigkeit/ Aufwand Gesamt AKJ Arbeitstage Bemerkung
E Abschnitt Leistung h/E h Kolonne d
116 331 250m2 Decke EG einschalen 0,50 125,0 6 2,31 Takt 1
415 3,1St bewehren 12,0 37,8 3 1,40 9h/d
433 4Sml betonieren 0,60 27,0 4 0.75
331 250m2 ausschalen 0,10 25,0 6 0.46
4,92
117 321 360m2 WändeOG einschalen 0,40 144,0 6 2,67 Takt 2
411 1,621 bewehren 14,0 22.7 4 0,63 9h/d
443 32,4ml betonieren 0.75 24,3 4 0,68
321 360m 2 ausschalen 0,15 54,0 6 1,00
5,01

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-293


Gliederung Gliederung nach Zuordnung der
Ausschreibungsunterlagen Bauarbeitsschlüssel (BAS) Aufwandswerte
Leistungsverzeichnis

-
BAS330 [m2]
~ Einschalen, Ausschalen
r- einschließlich Vorbereiten, WA = 0,50 ... 0,80 hfm2
Titelgruppe Reinigung
~
Position
~
- I BAS 392 [StOck)
Aussparungen
~ WA = 0,25 ... 0,65 h/St.
I
Pos.-Nr. 116
[m] Stahlbetondecke, 825,
d=18 cm einschließlich - -1 BAS 394 [ml]
Randschalung
1 WA = 0,80 ... 1,50 hfml
I
-1
Schalung und Bewehrung

~
Abrechnung
BAS415 [t)
Verlegen von Betonstahlmanen
-1 WA = 12.. .16h/t
]
-I BAS 433 [ml]
Betonieren
1 WA =0,50 ... 0,60 hfml
I
Abb. 2.6-S2 Bezugsgrößen im Leistungsverzeichnis und Arbeitsbereich [Petzschmann 1998]

paßt, i.d.R. dreistellig verwendet und kann zur werksgeometrie, Art des Bauteils, Qualifikation
Identifikation von Fertigungsabschnitten um des Personals und Anzahl sich wiederholender
weitere Stellen ergänzt werden. Die folgende Abschnitte (Einarbeitungseffekt) abhängig. We-
· Aufstellung zeigt die Struktur eines BAS: gen dieser vielfältigen Randbedingungen findet
0 Baustelleneinrichtungs- und Randarbeiten, man sowohl bei Angaben in der Literatur als
1 Transport- und Umschlagarbeiten, Stunden- auch bei Erfahrungswerten der Praxis für die
lohnarbeiten und Gerätebedienungstunden, Aufwandswerte erhebliche Spannweiten.
2 Erd-, Entwässerungs- und Abbrucharbeiten, Im folgenden wird ein Überblick über die Auf-
3 Schal- und Rüstarbeiten, wandswerte (Stundensatz) typischer Beton- und
4 Beton- und Stahlbetonarbeiten, Stahlbetonarbeiten nach der Literatur gegeben
5 Mauer- und Putzarbeiten, [Hoffmann 1996]. Diese Werte müssen den spe-
6 Straßenunterbau- und Deckenarbeiten, zifischen Bedingungen des zu kalkulierenden
7 Straßenbauarbeiten an Nebenanlagen, Bauvorhabens angepaßt werden.
8 Grundbau- und Wasserbauarbeiten,
9 Sonder- und Spezialarbeiten. Aufwandswerte für Schalarbeiten. Der BAS-ge-
ordnete Arbeitszeitbedarf für Schalarbeiten ent-
Aufwandswerte typischer Leistungen hält alle Haupt- und Nebenleistungen bei Aus-
führung der Arbeiten mit Kran und durch er-
Für die Kalkulation und Arbeitsvorbereitung der fahrene Facharbeiter (Tabelle 2.6-32).
Schalungs-, Bewehrungs- und Betonarbeiten ist
die Kenntnis von Aufwandswerten von beson- Aufwandswerte für Bewehrungsarbeiten. Bei
derer Bedeutung. Neben den Aufwandswerten der Planung und Kalkulation von Bewehrungs-
des gewerblichen Personals (Arbeitsstunden pro arbeiten ist zu berücksichtigen, daß das Vorbe-
Mengeneinheit) sind.auch das Leistungsvermö- reiten, Schneiden und Biegen i. d. R. in zentralen
gen der erforderlichen Maschinen und Geräte zu Biegebetrieben durchgeführt wird und atif der
berücksichtigen, die ebenfalls Einfluß auf die Baustelle nur noch der Stundenaufwand für das
Bauausführung und die Baukosten haben. Hier- Verlegen anfällt. Gute Arbeitsvorbereitung und
zu zählen der Kran für den Transport von Scha- Vorfertigung der Bewehrung (Bewehrungskör-
lung, Bewehrung und Beton, Betonpumpen und be) tragen z. T. zu einer erheblichen Reduzierung
weitere Geräte. dieser Werte bei. Dies gilt für Betonstabstahl
Aufwandswerte für Beton- und Stahlbetonar- ebenso wie für Betonstahlmatten. Tabelle 2.6-33
beiten sind von vielen Einflußfaktoren wie Bau- gibt einen Überblick über den mittleren Verle-

2-294 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.6-32 Aufwandswene für Schalarbeiten nach BAS [Hoffmann 1996]

BAS Vorgang Einheit Stundensatz


30 Gerüstarbeiten (bis 20m Höhe)
300 Stahlrohrgerüst mZ 0,20 .. .0,30
301 Rahmengerüst b = 0,7 rnJ 200 kg mZ 0,1S ... 0,25
302 Rahmengerüst b = 1,0 m/300 kg mZ 0,20 ... 0,30
303 Ausleger·Fanggerüst b =1,0 m m 0,20 ... 0,30
304 Schutzgeländer m 0,30 ... 0,50
31 Fundamente
310 Streifenfundamentschalung mZ o.so .. .1,20
311 Einzelfundamentschalung m2 0,90 ... 1,30
32 Wände (S 3,0 m hoch)
320 konventionelle Wandschalung mZ 0.70 ... 1,20
321 System- bzw. Rahmenschalung mZ 0,30 . ..0,60
322 Großflächenschalung mZ 0,20 ... 0,50
32-1 Zulage für Höhen > 3,0 m mZ 0,20 ... 0,40
33 Decken (Höhe s 3,0 m, DickeS 20 cm)
330 konventionelle Deckenschalung mZ 0,80 ... 1,00
331 Fallkopfschalung mZ 0,50 ... 0,80
332 Deckenschaltische mZ 0,35 ... 0,60
33-1 Zulage für Höhen> 3,0 m mZ 0,10 ... 0,50
34 Unterzüge und Balken (Fläche> 0,15 mZ)
340 konventionelle Schalung mZ 1.70 ...2,00
341 Systemschalung mZ 0,90 ... 1,30
34-1 Zulage für Fläche 0,05 ... 0,15 mZ mZ 0,10 ... 0.20
35 Oberzüge und Brüstungen (Höhe 0,50. _.1,40)
350 konventionelle Schalung mZ 1,10... 1,30
351 Systemschalung mZ 0.70 ... 1,05
35-1 Zulage für Höhe s 0,50 m m2 0,25 ... 0.45
36 Stützen (Fläche > 0,25 mZ)
360 konventionelle Schalung mZ 1,30 ... 1,80
361 Systemschalung mZ 0,90 ... 1.40
36-3 Zulage für Fläche< 0,25 mZ 0,35 ... 0.70
39 Sonstiges
390 Köcher umsetzen mZ 0,90 ... 1,10
391 Unterstützung v. Teilfenigdecken m 0,05 ... 0,15
392 Aussparungen St. 0,25 ... 0,65
393 Randschalung bei Bodenplatten m2 1,40 .. . 1,70
394 Randschalung bei Decken mZ 0,80 ... 1,50

geaufwand bei unterschiedlichen Bauweisen Vorhaltekosten für Schal- und Rüstmaterial. Die
bzw.Bauvorhaben. monatlichen Sätze für Abschreibung, Verzinsung
und Reparaturkosten für Schal- und Rüstmate-
Aufwandswerte für Betonierarbeiten. Tabelle rial sind auf der Grundlage der Baugeräteliste
2.6-34 gibt Aufwandswerte für den Betoneinbau [BGL 1991] in Tabelle 2.6-36 zusammengestellt.
mit Auslegerpumpe nach BAS an.
Einflüsse der Witterung
Ober- und Untergrenzen von Kranaufwands-
werten. Für den Baustellentransport von Scha- Beton- und Stahlbetonarbeiten sind unmittelbar
lung und Bewehrung werden i. d. R. Hebezeuge der Witterung ausgesetzt. Witterungsungünsti-
(Krane) verwendet. Das Betonieren erfolgt mit ge Umstände wie Niederschläge, extreme Tem-
Pumpen oder mit Kran und Kübel. Um die erfor- peraturen und Temperaturwechsel, aber auch
derliche Krankapazität (erforderliche Kranan- ungünstige Wind- und Lichtverhältnisse, senken
zahl) zu bestimmen, können auch für Krane spe- die Arbeitsproduktivität des gewerblichen Per-
zifische Aufwandswerte für Schal-, Bewehrungs- sonals. Ist vor Ausführungsbeginn der Ausfüh-
und Betonarbeiten angesetzt werden {Tabelle rungszeitraum bekannt, müssen die Erschwer-
2.6-35). nisse aus witterungsungünstigen Einflüssen auf

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-295


Tabelle 2.6-33 Aufwandswene filr Bewehrungsarbeiten nach BAS [Hoffmann 1996)

BAS Vorgang Einheit Stundensau


4 Beton· und Stahlbetonarbeiten
40 Vorarbeiten, Schneiden und Biegen von Betonstahl
400 Auf· und Abladen, unbearbeiteter Stahl 0,5. .. 0,7
401 bearbeitet und positionien 0,9 ... 1,1
402 Schneiden und Biegen von Stabstahl filr alle 0 4. .. 11
402.1 0<10mm 9 .. . 11
402.2 010 ... 20mm 6 .. .8
402.3 0> 20mm 4 ... 6
41 Verlegen von Stabstahl
410 in Fundamenten, alle 0 8.. .28
410.1 0< 10mm 24 ...28
410.2 010 ... 20mm 14 ... 20
410.3 0 22 ... 28 mm 8... 10
411 in Planen, alle 0 12 ... 33
411.1 0<10mm 29 ... 33
411.2 010 ... 20mm 22 ... 26
411.3 022 ... 28mm 12 ... 16
412 in Wänden, alle 0 16 ... 36
412.1 0<10mm 32 ... 36
412.2 010 ... 20mm 24 ... 28
412.3 022 ... 28mm 16 ... 20
413 in Balken und Unterzügen, alle 0 18 .. .38
413.1 0<10mm 35 .. .38
413.2 010 ... 20mm 26 . .. 30
413.3 022 ... 28mm 18 .. . 22
414 in Stützen, alle 0 20 ... 40
414.1 0<10mm 37 ... 40
414.2 010 ... 20mm 28 ... 32
414.3 022 ... 28mm 20 ... 24
Schneiden und Verlegen von Betonstahlmatten
415 in Platten, alle Mattengewichte 18... 26
415.1 Manengewicht < 3 kgfm2 22 ... 26
415.2 Manengewicht > 3 kgfm2 18 ... 22
416 in Wänden, alle Manengewichte 21 ... 29
416.1 Mattengewicht < 3 kgfm2 25 ... 29
416.2 Manengewicht > 3 kgfm2 21...25

2-296 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.6-34 Aufwandswerte Betoneinbau mit Auslegerpumpe nach BAS [Hoffmann 1996)

BAS Vorgang Einheit Stundensatz•


42 Gründung
420 Sauberkeitsschicht s 10 cm m2 0,08 .. . 0,10
421 Füllbeton ml 0,30 ... 0,50
422 Fundamente unbewehrt ml 0,30 ...0,50
423 Fundamente bewehrt ml 0,40 ... 0,80
43 Platten und Decken
431 waagerecht, alle Dicken ml 0,30 ... 0,80
432 d = 10 ... 1Scm > 100m2 ml 0.60 ... 0,80
433 d = 16 .. . 20cm > 100m2 ml 0,50 ... 0,70
434 d = 21 .. . 30 cm >200m2 ml 0,40 .. .0,60
435 d = 31 ... 50cm > 200m2 ml 0,35 .. . 0,55
436 d > SO cm > 500 m2 ml 0,30 ... 0,50
44 Wände
441 Wände s; 5 m Höhe, alle Dicken ml 0,35 ... 1,40
442 d = 10 ... 15cm ml 1,00 ... 1,40
443 d = 16... 25 cm ml 0,80 ... 1,20
444 d = 26 ... 40 cm ml 0,60 ... 1,00
445 d = 41.. .60cm ml 0,40 ... 0,80
446 d>60cm ml 0,35 ... 0,60
45 Balken und Unterzüge
450 alle Quersehn irre ml 0,50 ... 1,00
451 bis0,1 m2 ml 0,70 ... 1,00
452 >0,1 m2 ml 0,50 ... 0,80
46 Stützen
461 alle Quersehn irre ml 1,20 .. .2,80
462 bis0,1 m2 ml 2,00 ... 2,80
462 >0,1 m2 ml 1,20 ... 2,00
47 Sonderbauteile
471 Treppenlaufplanen mit Stufen ml 1,60 .. .2,00
• Der Betoneinb.Ju mit Krankübel erfordert ca. 25 % Mehraufwand

Tabelle 2.6-35 Kranaufwandswerte (nach [Drees/


Sommer/Eckert 1980))

Vorgang Unter- Ober-


grenze grenze
Schalen in hfm2
- konv. Deckenschalung 0,020 0,090
- Deckentische 0,020 0,030
- Stützen 0,020 0,045
- Großflächen Wände 0,040 0,080
- konv. Wandschalung 0,020 0,045
- Unterzüge 0,025 0,040
- Fundamente 0,010 0.020
Bewehrung in h/t
- Manen 0,30 0,55
- Rund-, Stabstahl 0,20 0,35
- Bewehrung gesamt 0,24 0,40
Betonieren in html
- Decken 0,060 0,120
- Fundamente 0,050 0,090
- Wände 0,080 0,150
- Stützen 0,120 0,260

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-297


Tabelle 2.6-36 Vorhaltesätze für Schalungen nach Baugeräteliste [8Gl 1991)

BGL-Nr. Bezeichnung Nutzungs· Vorhalte- monatt. Satz A+V monatl. Satz Reparaturko.
jahre monate % %
Großflächenschalungen
9632 - mit Stahlträgerkonstruktion 6 45 ... 40 2,7 .. .3,0 3,5
9634 - mit Holzträgerkonstruktion 4 40 ... 35 2,8... 3,2 3,5
9636 Rahmentafelschalungen 4 45 ... 40 2.7 .. .3,0 3,5
9638 Decken und Unterzugschalung
- Fallkopf-Paneelschalung 6 55 . .. 60 2,2... 2,4 3,0
9639 Stützensystemschalungen 4 40 . . .45 2,8 ... 3,2 2,0
9640/41 Stahlschalungsträger 6 45 . ..40 2.7 ...3,0 1,8
9645 Holzschalungsträger 4 35 . .. 30 3,2... 3,8 1,5
9660 Saustützen, ausziehbar 6 45 . ..40 2.7 ... 3,0 1,8
9661 Rahmenstützen 6 45 .. .40 2.7 ... 3,0 1,8
9670 Schwerlaststützen 8 40 . .. 35 3,2 ... 3,6 1.4
9675 Traggerüsttürme 8 40 ... 35 3,2 ... 3,6 1,4

Tabelle 2.6-37 Minderleistung in % der Normalleistung für gewerbliches Personal (nach [Vygen Schubert/ lang 1994))

Minderleistung in % der Normalleistung für


Tätigkeiten Vollschutz Teilschutz Einzelschutz
geschl. Gebäude oder Hallen Schutz einzelner Bauteile des Arbeitsplatzes im Freien
Transportarbeiten 2... 4 4 ... 6 6 . .. 10
Betonarbeiten 2... 4 5 .. . 8 10 ... 16
5chalungsarbeiten 4... 8 10 ... 18 20 ... 30
Bewehrungsarbeiten 6 .. . 10 12 ... 24 20... 35
Maurerarbeiten 5.. . 8 8... 12 16 ... 22
Fertigteilmontage 5... 10

die Schal-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Arbeiten
ausreichend in der Arbeitsvorbereitung und Ter- nicht in jedem Fall vor Witterungseinflüssen voll
minplanung berücksichtigt werden. Dies ge- oder auch teilweise geschützt werden können.
schieht entweder durch eingeplante Produktions- Wie die Praxis zeigt, erreichen die Leistungs-
unterbrechung (Winterpausen), Schutz der Ar- rückgänge in außergewöhnlichen Wintern bis zu
beitsabschnitte vor Witterungseinflüssen (Ein- 50o/o der Normalleistung, z. T. sogar darüber.
hausung) oder Verwendung von Sonder- oder Hinzu kommt, daß nach einer Unterbrechung
Warmbeton. Wird ein geplanter Bauablauf un- bei Wiederaufnahme der Arbeiten irrfolge des
vorhergesehen behindert oder unterbrochen, Einarbeitungsverlusts die volle Produktivität
kann es zu Verschiebungen ursprünglich nicht nicht sofort wieder erreicht wird.
von ungünstigen Witterungsbedingungen be-
troffener Bauleistungen in Schlechtwetterzeit- Einflüsse aufden Verlegeaufwand von Betonstahl
räume kommen mit der Folge entsprechender
Mehrkosten aus reduzierter Produktivität des Das verwendete Betonstahlmaterial, die Kon-
gewerblichen Personals und ggf. der Erfordernis struktion des Bauwerks (Art des Bauteils), die
zusätzlicher, nicht geplanter Winterbaumaßnah- Baustellenbedingungen und die Organisations-
men. struktur der Baustelle bestimmen den Verlege-
Nach [Vygen/Schubert/Lang 1994] können die aufwand maßgeblich. Tabelle 2.6-38 zeigt die
Minderleistungen des gewerblichen Personals in Vielfalt möglicher Einflüsse auf den Verlegeauf-
Abhängigkeit von der Art des Witterungsein- wand, wobei die Einflüsse iin einzelnen nicht
flusses die in Tabelle 2.6-37 genannten Größen- oder nur schwer zu quantifizieren sind. Die bau-
ordnungen erreichen. betrieblich relevanten Bezugsgrößen zur Be-

2-298 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Tabelle 2.6-38 Einflüsse auf den Verll!lJeaufwand von Betonstahl

Einflüsse auf den Verlegeaufwand aus


Betonstahlmaterial Bauwerk Baustelle Organisation
Betonstabstahl Art und Form der Bauteile Abschningrößen Baustellenorganisation
Durchmesser Abmessungen der Bauteile Bauverfahren Arbeitsvorbereitung
Durchmesserverteilung Bewehrungsführung Bauteilhöhen Taktfertigung
Betonstahlmanen Bewehrungsdichte Arbeitsräume Bewehrungsvorfertigung
Manenart, Manengewicht Biegeformen Transportwl!lje Liefertermine, Planvorlauf
Lager-, Nichtlagermanen Stablängen, Bügel Jahreszeit Lagerorganisation
Bewehrungsstöße Bewehrungsanteile Transportkapazität Kolonnenstärke

50 50
h/t r- h/t
40 40

30 30
c::=
20 r- 20
-, - ,l
10 --.J 10

0 0
0 5 10 15 20 kgf ml 5 10 15 20 25 30 mm
Gewicht {Manen) Durchmesser {Stabstahl)

Abb. 2.6-53 Streubereich der Verll!ljezeiten bei Manen und bei Stabstahl {alle Bauweisen) [Russwurm 1993]

20 r-------------------------------------------,
h/t 16
15

10 Stabstah I
LAMA
D liMA
• Streubereich
a b d e
a Mischbauweise (Wohnungsbau usw.) c Büro, Lager e schwerer Industriebau
b Sonstiges (Brücken, Klärwerke usw.) d leichter Industriebau

Abb. 2.6-54 Verll!ljeaufwand in h/t (nach (Russwurm 1993))

stimmung des Verlegeaufwands sind neben Ein günstiger Verlegeaufwand ergibt sich bei
Stabdurchmesser bzw. Durchmesserverteilung gleichartiger Bewehrungsstruktur, der Verwen-
und Mattengewicht v. a. Baustellen- und Organi- dung ausschließlich großer Stabdurchmesser
sationsbedingungen. Die Abb. 2.6-53 und 2.6-54 und einer optimalen Abstimmung der Baustel-
geben den Verlegeaufwand für Matten und Stab- leneinrichtung hinsichtlich der Lager- und Vor-
stahl sowie die Streubereiche an. bereitungsflächen sowie der Hebezeuge. Abbil-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-299


Tabelle 2.6-39 Baustoff- und Bauhilfsstoffverbrauch'

Bauwerk ml Beton je ml BRI ml Schalfläche je ml BRI kg Betonstahl je ml BRI


----------~-------------r------------;-------------
Bürobauten, Schulen 0,15 0,60 10
Parkhäuser 0,16 0,70 16
Tiefgaragen 0,18 0,80 18
r bezog•n auf d•n Bruttorauminhalt (BRI) (nach (Drees/Sommerl[ckert 1980]1

Tabelle 2.6-40 Bewehrungsanteile, bezogen auf


Um die Vorteile der stationären Fertigung und
1 ml Beton Baustellenmontage von Stahlbetonfertigteilen
wie geringere Herstellungskosten, kürzere Bau-
Bauteil Bewehrungsanteil zeiten, gleichbleibende Produktqualität und ho-
he Maßgenauigkeit sicherzustellen, müssen fol-
Fundamente 30 .. . 60 kg/ml Beton
Wände 20 ... 60 kgJml Beton gende Grundsätze bei der Planung berücksich-
Decken 50 ... 80 kgJml Beton tigt werden:
Balken 80 . .. 100 kg/ml Beton - Wahl geeigneter Bauwerksysteme (Wandta-
Stütlen 100 ... 130 kgJml Beton fel-, Stützen-, Deckensysteme),
- modularer Aufbau des Tragwerkrasters,
- Anpassung aussteifender Bauteile (Kerne,
Schächte usw.) an das Planungsraster,
dung 2.6-54 gibt einen überblick über den Ver- - Anpassung von Deckendurchbrüchen an das
legeaufwand bei unterschiedlichen Bauweisen Planungsraster,
bzw.Bauvorhaben. - hohe Elementhäufigkeit der Fertigteile (Serien),
- Regelaussparungen für gebäudetechnische
Baubetriebliche Kennzahlen Installationen sowie
- Standardquerschnitte und einfache Ausbil-
Mittelwerte des Baustoff- und Bauhilfsstoffver- dung der Knotenpunkte.
brauchs. Der Baustoff- und Bauhilfsstoffver-
brauch für Hoch- und Ingenieurbauwerke läßt Ausführungsplanung
sich anhand von Kennzahlen überschlägig er-
mitteln (Tabelle 2.6-39). Die Realisierung eines Bauvorhabens in Fertig-
teilhauweise erfordert eine enge Zusammenar-
Mittelwerte für Bewehrungsanteile. Liegen für beit zwischen Architekt, Fachingenieuren, Trag-
Bewehrungsanteile noch keine Angaben der werkplanem und Fertigungsingenieuren, damit
Tragwerkplanung vor, kann für normale Hoch- dem erhöhten Planungsaufwand und Planungs-
bauvorhaben von den in Tabelle 2.6-40 genann- vorlauf der Vorfertigung ausreichend Rechnung
ten Werten ausgegangen werden. getragen wird. Dabei muß die Ausführungspla-
nung alle Randbedingungen aus Herstellung,
2.6.6 Transport und Montage der Fertigteile erfüllen.
Bauverfahren und Maschineneinsatz Für die Ausführungsplanung von Stahlbetonfer-
im Fertigteilbau tigteilen müssen außerdem alle planerischen
Vorgaben für Aussparungen, Durchbrüche, Be-
2.6.6.1 festigungen und Einbauten aus der Gebäude-
Vorbereitende Arbeiten im Fertigteilbau technik, Fördertechnik und Fassadenplanung
rechtzeitig bekannt sein, damit diese vollständig
Stahlbetonfertigteile sind Bauteile, die - im Ge- in den Planungsprozeß einfließen können.
gensatz zu Ortbetonteilen - nicht im Bauwerk
vor Ort, sondern in stationären Anlagen außer- Fertigungsplanung und Arbeitsvorbereitung
halb des Bauwerks hergestellt und im erhärteten
Zustand zur Baustelle transportiert und dort Fertigungsplanung und Arbeitsvorbereitung er-
eingebaut werden. strecken sich auf den Prozeß der Herstellung von

2-300 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Fertigteilen im Fertigteilwerk, die Zwischenlage- wählten Bauweise, der Elementgewichte und
rung fertiger Teile sowie Transport und Montage. -abmessungen, der Montageart sowie der Stra-
Herstellung und Montage der Fertigteile stehen ßen- und Baustellenverhältnisse auch die Trans-
in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang portfahrzeuge und Montagekräne auszuwählen
und müssen eng aufeinander abgestimmt sein. und zu dimensionieren.
Die Fertigungsplanung berücksichtigt die
Auslastung der Fertigungsplätze im Werk durch 2.6.6.2
langfristige Belegungspläne und sichert damit Herstellung von Fertigteilen
den Produktionsrhythmus der Herstellung. Dies
erfordert eindeutige Festlegungen hinsichtlich Stahlbetonfertigteile werden i.d.R. in stationä-
Formenbau, Schalungsvorbereitung, rechtzeiti- ren Fertigteilwerken hergestellt und zur Bau-
gem Bestellen, Vorbereiten und Bereithalten von stelle transportiert. In Ausnahmefällen (z. B. bei
Bewehrung und Einbauteilen sowie Verfügbar- großen Baumaßnahmen und ausreichenden
keit von Zuschlagstoffen und Zement. Platzverhältnissen) kann die Fertigteilprodukti-
Zwingende Voraussetzung für einen störungs- on auch in zeitlich begrenzt eingerichteten Feld-
freien Produktionsablauf sind geprüfte und frei- fabriken in unmittelbarer Nähe des Bauwerks er-
gegebene Schal- und Bewehrungspläne, die alle folgen mit dem organisatorischen und kosten-
Informationen wie Abmessungen, Aussparun- seitigen Vorteil, daß der Transportweg zwischen
gen, Durchbrüche, Einbauteile und Installatio- Herstellungs- und Montageort der Fertigteile
nen enthalten. Dabei sind hinsichtlich des zeitli- kurz ist oder entfällt.
chen Vorlaufs alle Bestell-, Liefer- und Vorlauf-
zeiten zu berücksichtigen. Fertigungsverfahren
Im Rahmen der Arbeitsvorbereitung werden
unter Berücksichtigung des Produktionsvorlau- Bei der Herstellung von Stahlbetonfertigteilen
fes im Fertigteilwerk die Transport- und Monta- wird grundsätzlich zwischen Umlauf- oder
geplanung durchgeführt. Die Terminfeinpla- Fließbandfertigung und Standfertigung unter-
nung muß dabei die Reihenfolge des Montage- schieden.
ablaufs so rechtzeitig vorgeben, daß sich die Her- Kennzeichen der Standfertigung ist die Her-
stellung im Werk daran orientieren kann. stellung eines Fertigteils mit allen Arbeitsgängen
von der Schalungsvorbereitung über das Verle-
Fertigteilbauweisen. Nach Art der verwendeten gen des Betonstahls und die Montage der Ein-
Fertigteile unterscheidet man zwischen bauteile bis zum Betonieren und Ausschalen am
- Skelettbauweisen (Abb.2.6-55),bei denen stab- gleichen Ort (Arbeitsplatz). Die Arbeitsgruppen
förmige Fertigteilelemente wie Stützen, Rie- für die einzelnen Fertigungsprozesse wechseln
gel, Binder, Pfetten und Unterzüge als tragen- jeweils zum nächsten Fertigungsstandort.
de Bauteile verwendet werden, Das Standverfahren eignet sich für die Her-
- Großtafelbauweisen (Abb. 2.6-56), bei denen stellung stabförmiger Fertigteile (Stützen, Bal-
die tragenden vertikalen Bauteile plattenför- ken, Ffetten) und für schwere Elemente wie Bin-
mig sind (Wandplatten), und der, Stegplatten und Kranbahnträger, die auch
- Mischbauweisen, bei denen die Vorteile der Fer- vorgespannt im Spannbett hergestellt werden
tigteilbauweise mit den Vorteilen einer Ortbe- können (Abb. 2.6-57). Zur Standfertigung gehört
tonlösung, z. B. durch Verwendung von Fertig- auch die Herstellung von Decken- und Wand-
teildecken, Fertigteilunterzügen,-treppenläu- elementen in Batterieformen (Abb. 2.6-58), von
fen, -podest- und -balkonplatten, kombiniert mehrschaligen Wandelementen auf Kipptischen
werden. und von räumlichen Fertigteilen (Sanitärzellen,
Treppenläufe usw.).
Montagearten. Aus den verschiedenen Fertig- Bei der Umlauffertigung bewegen sich die For-
teilhauweisen ergeben sich unterschiedliche men (Schalungen) im Takt von Fertigungsort zu
Möglichkeiten der Montage, wobei zwischen Fertigungsort An jedem Fertigungsort (Arbeits-
vertikalem und horizontalem Montageablauf platz) werden jeweils die gleichen Arbeiten aus-
unterschieden wird (s. 2.6.6.4). geführt mit dem Vorteil, daß spezialisierte Ar-
beitskräfte gleichbleibende Arbeitsprozesse aus-
Transport- und Montagegeräte. Im Rahmen der führen und damit eine qualitativ hochwertige
Arbeitsvorbereitung sind entsprechend der ge- Leistung erzielen. Darüber hinaus können die

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-301


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a

a Innenwandtafel
b Deckentafel
II II c Außenwandtafel

Abb. 2.6-56 Typisches Bauwerk in Großtafelbauweise [Gerne 1991]

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~ - ----=-===
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I
I

b
Schnitt 8- 8
a Widerlager d Pressen zum Nachlassen
b vertikale Stützenprofile der Vorspannkraft
c Querbalken e Spannstähle

Abb. 2.6-57 S<hema eines Spannbetts [Kaymer 1991]

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-303


a Stützrahmen c Trennschaft als Rüttelelement e Spindeln oder Pressen
b Endschalungsplatten d Trennschaft als Heizelement f Rollenlager
g Fertigteile

Abb. 2.6-58 Batterieform mit aufgehängten Trennschonen [Kaymer 1991)

Materialzuführung und die maschinelle Einrich- sparungen und Durchbrüche, Gleitschutzkan-


tung beim Fließbandverfahren optimal gestaltet ten, Transportanker sind zu lagern und zuzu-
werden, weil immer der gleiche Fertigungsort führen.
versorgt werden muß (Abb. 2.6-59). - Beton. Der Beton wird in der geforderten Qua-
lität in einer werkseigenen Mischanlage her-
Anordnungen der Hilfsbetriebe, innerbetriebliche gestellt und mit dem vorhandenen Transport-
Transporte und Lagerung system in Kübeln zur Einbaustelle transpor-
tiert.
Die Herstellung von Stahlbetonfertigteilen in
stationären Anlagen erfordert eine abgestimm- Für die innerbetrieblichen Transporte und zum
te Organisation des Materialflusses von der An- Lagern der Fertigteilelemente werden i. allg.
lieferung, Vorbereitung und Bereitstellung der Brückenlaufkräne innerhalb der Fertigungshal-
Baustoffe und Einbauteile über die Arbeiten an le und Portalkräne außerhalb der Halle (Lager-
der Fertigungsstelle bis zu den Nacharbeiten platz) benutzt.
und der Einlagerung der fertigen Elemente. Die heute beim Entwurf von Baumaßnahmen
Hierfür ist die räumliche Zuordnung für folgen- genutzten computergestützten Methoden (CAD)
de Hilfsbetriebe räumlich und transporttech- dienen auch für Verlegepläne im Fertigteilbau.
nisch optimal zu gestalten: Zunehmend wird aber auch die Produktion im
- Schalung. Die Schalungsformen werden für Betonfertigteilbau weiter automatisiert und com-
Großserien aus Stahl, für Kleinserien oder puterunterstützt über CAM (Computer Aided
Sonderteile aus Holz oder Kunststoff herge- Manufacturing) gesteuert mit entsprechenden
stellt. Hierfür sind der Flächenbedarf, die Flä- Auswirkungen auf die Gestaltung von Konstruk-
chenzuordnung und der Materialfluß für Scha- tion und Entwicklung (CAD), von Produktions-
lungslager, Schalungsbau und Schalungsbe- planung und Fertigung einschließlich der Mate-
reitstellung zu ermitteln bzw. zu gestalten. terialwirtschaft (PPS) und des Prozeßablaufs
- Betonstahl und SpannstahL Die Vorbereitung (CAM) mit zugeordneter Betriebsdatenerfas-
der Bewehrung erfordert Biege- und Flecht- sung (BDE).
plätze mit Zwischenlager- und Bereitstel-
lungsflächen.
- Einbauteile. Einbauteile wie Leerrohre,Anker,
Ankerschienen und -hülsen, Einlagen für Aus-

2-304 Bauwirtschaft und Baubetrieb


I~
- I~
I:X
I
I
I
I
I

Abb. 2.6-59 Schema eines Herstellungsprozesses beim Fließbandverfahren [Brandt, Rösel u.a.l993)

2.6.6.3 Transport- und Montageplanung. Daraus resul-


Transport von Fertigteilen tiert, daß sich der Transport ebenso wie der Ein-
satz kostenintensiver Großhebegeräte mehr und
Der Fertigteilbau ist wie kein anderer Bereich im mehr zum Leitbetrieb entwickelt hat. Dies gilt
Bauwesen unabdingbar mit dem Transport der insbesondere für Fertigteilmontageabläufe ohne
Fertigteile vom Fertigteilwerk zur Baustelle ge- Zwischenlager im Just-in-time-Betrieb.
koppelt. Hohe Gewichte und große Abmessun- Die optimale Organisation des 1tanspottwe-
gen der Fertigteile erfordern eine sorgfältige sens erfordert gute Kenntnisse der Transport-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-305


möglichkeiten und -einrichtungen, die von den - extremer Spezialtransport mit vorausfahren-
Verkehrsträgern für Straßen-, Schienen- und den Warnfahrzeugen und Polizeibegleitung.
sonstige Transporte bereitgehalten werden. Die
Transportplanun g umfaßt und berücksichtigt Nach § 32 StVZO kann auf der Straße ohne Aus-
im einzelnen nahmegenehmigung nur transportiert werden,
- die örtliche Lage der Baustelle, wenn die Abmessungen folgende Werte nicht
- die vorhandenen Transportwege zur Baustelle, überschreiten:
- die Transportentfernung, - Breite über alles 2,50 m,
- die Abmessungen und Gewichte der Fertigteile, - Höhe über alles 4,00 m,
- die verfügbaren Hebezeuge bzw. Montagege- - Länge über alles bei Zügen 18,00 m,
räte, - Länge über alles bei Sattelzügen 15,50 m, nach
- die Stabilisierung der Fertigteile auf den Trans- EURO-Norm zukünftig 16,50 m.
portmitteln,
- besondere Sicherungsmaßn ahmen beim Nach § 34 StVZO dürfen Achslast und Gesamt-
Transportvorgang, gewicht folgende Werte nicht überschreiten:
- die Entladung auf der Baustelle, - Achslast der Einzelachse 11,0 t,
- die gesetzlichen Bestimmungen der StVO und - zul. Gesamtgewicht Sattelfahrzeug 40,0 t.
- die Transportkosten.
Darüber hinausgehende Werte bedürfen der
Straßentransporte Sonderzulassung nach§ 70 und§ 29 StVZO und
der Genehmigung für Leerfahrten bis 42 t. Be-
Das flächendeckende Straßennetz in Deutsch- reits beiüberschreitun geines der vorgegebenen
land und Westeuropa hat dazu geführt, daß der Grenzwerte für Länge, Breite, Höhe oder Gewicht
Transport über die Straße i. allg. dominiert. ist ein entsprechender Nachweis nach § 29 StV-
Grundsätzlich ist bei Straßentransport en zu un- ZO zu führen.
terscheiden zwischen (Tabelle 2.6-41) Nach § 32 und § 34 StVZO sind für beladene
- Transport auf normalen Lkw mit Abmessun- Straßentransportfahrzeuge die in Tabelle 2.6-41
gen entsprechend der Straßenverkehrszulas- genannten Abmessungen und Gesamtgewichte
sungsordnung (StVZO), zulässig.
- Transport auf Lastzügen mit Motorwagen und Die Abb. 2.6-60 und 2.6-61 zeigen Sattelzüge
Anhänger, wenn viel Ladefläche benötigt wird mit Tieflader und mit Nachläufer. Bei langen
(z.B. bei Palettenware), Stahlbetonbauteilen wie Hallenbindern und
- Transport auf Sattelzügen, wenn schwere Brückenträgern, die ein erhöhtes Biegemoment
Stückgewichte oder lange Träger transportiert aufnehmen können, kann unter Umständen das
werden sollen, Stahlbetonfertigteil selbst ein tragendes Teil des
- Transport auf Schwer- und Spezialfahrzeugen, Fahrzeugs sein. Der vordere Teil des Trägers ruht
für deren Verwendung Sonderbewilligungen dann auf dem Drehschemel der Zugmaschine,
erforderlich sind, da hierbei zulässige Ge- der hintere Teil auf dem Drehschemel des Nach-
wichte und Abmessungen des Normaltrans- läufers. § 46 StVO enthält Aussagen über Aus-
ports überschritten werden, nahmegenehrnigungen und die Erlaubnis von

Tabelle 2.6-41 Zulässige Abmessungen und Gesamtgewichte für beladene Straßentransportfahrzeuge (Petzschmann/Skufca
1991)

Straßentransporte ohne besondere Genehmigung Schwer- u. Spezialtransporte


Fahrzeuge Fahrzeuge Sattelkraftfahr- Lastzüge mit Jahresdauer- mit Einzelfahn-
mit 2 Achsen mit> 2 Achsen züge genehmigung genehmigung
länge in m 12,00 12,00 15,50' 18,00 25,00 >25,00
Breiteinm 2,50 2,50 2,50 2,50 3,00 > 3,00
Höhei nm 4,00 4,00 4,00 4,00 4,00 > 4,00
Gesamtgewicht in t 16,00 22,00 40,00 40,00 40,001 > 40,00
s nach EURO-Norm 16,50 m t 42,00 t filr unteilbare lasten

2-306 Bauwirtschaft und Baubetrieb


13700
10500

Nutzlast 28 t

Abb. 2.6-60 Sattelzug mit Tieflader [Brandt, Rösel u. a. 1993)

Länge abhängig vom Fahrweg

Abb. 2.6-61 Sattelzug mit Nachläufer [Brand!, Rösel u.a. 1993)

Spezialtransporten. Danach können die Straßen- porte werden bei der DB als Lademaßüber-
verkehrsbehörden für bestimmte Einzelfälle schreitungstransporte (LÜ-Transporte) geführt.
oder allgemein für bestimmte Antragsteller Aus- Zusätzlich sind Sondertransporte möglich, die
nahmen genehmigen. von einer zusätzlichen Streckenprüfung über
den Transport mit Hilfswagen bis zu der Mög-
Schienentransporte lichkeit einer Sperrung der Nebengleise und De-
montage der Strommasten reichen.
Schienentransporte sind aus Kostengründen nur Obwohl Schwertransporte von Stahlbetonfer-
dann sinnvoll, wenn Herstellungsort und Bau- tigteilen mit entsprechenden Tiefladewagen we-
stelle einen Gleisanschluß haben. Das Angebot niger den geometrischen oder gewichtsmäßigen
der Deutschen Bahn AG (DB) reicht vom norma- Einschränkungen unterliegen, ist aus Kosten-
len gedeckten Güterwagen (G) über Flachwagen gründen bei der Planung bereits darauf zu ach-
(K) bis zu Schwerlast- oder Tieflastwagen (SS). ten, daß die Lademaße nicht überschritten wer-
In Abb. 2.6-62 und 2.6-63 sind Regel-Flachwagen den. Bei Normaltransporten werden die Kosten
und Drehgestell-Flachwagen (R) dargestellt. Letz- anhand des Gewichts und der Transportentfer-
tere dienen der Beförderung von schweren und nung nach den Frachtsätzen der DB ermittelt.
langen Erzeugnissen. Sie haben 52 cm hohe Sei- Bei Auslandstransporten sind zusätzlich die in-
ten- und Stirnbordklappen. ternationalen Laderaummaße zu beachten.
Wenn die normalen Lademaße (Abb. 2.6-64) Die DB erwartet folgende Angaben:
überschritten werden - dies gilt v.a. für Abwei- - Verladetag und Beginn der einzelnen Verlade-
chungen in der Breite und Höhe -,muß ein Son- schichten,
dertransport durchgeführt werden. Diese Trans- - Anzahl und Kategorien der benötigten Wagen,

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-307


12500
410
6=2770
B .-
0

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Abb. 2.6-62 Flachwagen in Regelbauart (K) [Petzschmann/Skufca 1991]

18000

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ca.20000

Abb. 2.6-63 Drehgesteii-Fiachwagen in Regelbauart (R) [Petzschmann/Skufca 1991]

0
00

g ..........
V'\

""

a b
a Lademaß der deutschen Eisenbahnen
b Internationales Lademaß

Abb. 2.6-64 Nonnale Laderaummaße [Petzschmann/Skufca 1991]

2-308 Bauwirtsthaft und Baubetrieb


- Art des Ladegutes, Neben dem konstruktiven Entwurf müssen
- Gewicht der Wagenladung mit Anzahl, Länge weiterhin die Baustellensituation,die Zufahrten,
und Gewicht der Einzelstücke, die Befahrbarkeit und Belastbarkeit des Bau-
- Empfangsbahnhof, bei Auslandstransporten geländes durch Hebezeuge und Transportfahr-
auch Empfangsland, und zeuge, der Platz für die Baustelleneinrichtung
- gewünschte Beförderungsart und die Lagerung von Fertigteilen sowie die Be-
hinderung durch existierende Bauten, der lau-
Bei der Verladung von Stahlbetonfertigteilen ist fende Betrieb in einem Werk, gleichzeitig laufen-
darauf zu achten, daß die beim Transport ent- de Bauwerke und die Aufrechterhaltung des Ver-
stehenden dynamischen Kräfte keine Seitenbe- kehrs auf benachbarten Straßen geklärt sein.
wegungen und kein Kippen oder Schwingen der Zum Montageablauf gehören
Teile verursachen können. Eine entsprechende - der Startpunkt der Montage (nach Ort und
Lagerung muß einen unfallfreien Transport si- Zeit),
cherstellen. - die Montagerichtung,
- die Zwangspunkte aus konstruktiven Vorga-
Sonstige Transporte ben (Dehnungsfugen usw.) sowie
- endgültige und provisorische Stabilisierungs-
Wasser- und Lufttransporte sind bei der Anliefe- verbände.
rung von Stahlbetonfertigteilen Ausnahmen.
Der Wassertransport ist an die schiffbaren Bin- Die Montagedurchführung umfaßt
nengewässer gebunden, deren Gesamtlänge in - die maximalen Stückgewichte,
Deutschland z. Z. etwa 4500 km beträgt. Im Ge- - die Einsatzmöglichkeiten der Hebezeuge sowie
gensatz zum Straßen- und Schienentransport, - die Tragfähigkeit der Hebezeuge.
die eine wesentlich höhere Flexibilität auszeich-
net, schränkt dies die Nutzbarkeit des Transports Die Versorgung der Baustelle beeinhaltet
zu Wasser stark ein. In seltenen Fällen wird der - die Stromversorgung,
Transport von Stahlbetonfertigteilen mit Last- - dieWasserver-und -entsorgung (Brauch- und
hubschraubern durchgeführt. Diese Transpor- Trinkwasser) sowie
talternative kommt in beengtem oder schwer zu- - die Nachrichtentechnik (Kommunikations-
gänglichem Gelände (Hochgebirge) in Betracht. mittel wie Telefon und Telefax).

2.6.6.4 Im Rahmen der Montagegrobplanung sind fol-


Montage von Fertigteilen gende Einzelaufgaben zu erfüllen:
- Zusammenstellen und Vervollständigen aller
Die Zulieferung der Stahlbetonfertigteile zur für die Auftragsabwicklung erforderlichen Un-
Baustelle erfolgt nach einem Abrufplan, der auf terlagen,
die Montagefolge entsprechend der Vorgaben im - Bilden von Montageabschnitten und Festlegen
Montageablaufplan und die Montageleistung ab- der Montagerichtung unter Berücksichtigung
gestimmt sein muß. Die Fertigteile werden ent- der Fertigteilgewichte,
weder auf der Baustelle kurzfristig zwischenge- - Festlegen von Grobterminen für die einzelnen
lagert oder bei optimaler Organisation unmit- Montageabschnitte sowie
telbar ohne Zwischenlagerung vom Transport- - Erstellen eines Aufstellungsplanes für die
fahrzeug mit dem Montagegerät abgenommen Großgeräte.
und montiert.
Der Übergang von der Grobplanung zur Monta-
Montageplanung und Montageanweisung gefeinplanung ist i. allg. fließend. Der Detaillie-
rungsgrad ist abhängig vom Schwierigkeitsgrad
Die Montageplanung hat die Aufgabe, in planen- der Montage. Folgende technischen Unterlagen
der Vorausschau Maßnahmen einzuleiten, die ei- sind zu erstellen:
nen störungsfreien Montageablauf gewährlei- - Hilfskonstruktionen und Anschlagvorrich-
sten. Sie umfaßt die Terminplanung, die Monta- tungen,
gegrob- und Montagefeinplanung sowie daraus - Montageterminplan,
abgeleitet die Planung eines wirtschaftlichen - Versand- bzw. Abrufplan,
Montageablaufs. - Baustelleneinrichtungsplan,

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-309


- Personaleinsatzplan, - Bau- und Montageverfahren,
- Geräteeinsatzplan, ..:. Form,Abmessungen und Gewicht der zu mon-
- Montagebeschreibung sowie tierenden Fertigteile,
- Vermessungsplan. - Lagerung, Zwischenlagerung, Montage vom
Fahrzeug,
Für die Durchführung der Fertigteilmontage ist - Platzbedarf für Transport und Montage der
eine Fülle von Vorschriften und technischen Maß- Fertigteile sowie für den Betrieb des Hebe-
nahmen zu beachten. Zudem ist neben Monta- zeugs,
gefolgeplänen (Verlegepläne, Montagepläne) - Geräteleistung (Tragkraft, Ausladung, Hub-
und Montagefolgelisten (Positionslisten) auch höhe) und
eine Montageanweisung entsprechend den ge- - Gerätekosten (Vorhaltekosten, Auf- und Ab-
setzlichen Regelungen der Unfallverhütungsvor- baukosten).
schriften (UVV) der Bauberufsgenossenschaft
zu erstellen. In Anlehnung an die Mustermonta- Bauwerke in Skelettbauweise, die vorwiegend für
geanweisung für den Betonfertigteilbau der den Industrie- und Hallenbau Anwendung fin-
Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau den, werden üblicherweise achsenweise mon-
[Musteranweisung 1995] wird die in Tabelle tiert (vertikale Montage, Abb. 2.6-65). Als Hebe-
2.6-42 zusammengestellte Gliederung vorge- zeug dienen i. d. R. Autokrane mit Schrägausle-
schlagen. ger oder auf Schienen verfahrbare Turmdreh-
krane, die entweder neben dem Bauwerk (Sei-
Auswahl der Montagegeräte tenmontage) oder in seiner Längsachse stehen
(Vorkopfmontage).
Die Auswahl des geeigneten Montagegeräts Die Großtafelbauweise eignet sich für Wohn-
hängt von folgenden Kriterien ab: und Verwaltungsbauten. Die Montage der Fertig-
- Art, Form und Abmessung des Bauwerks (Ge- teile erfolgt geschoßweise (horizontale Montage,
schoßbau, Hallenbau, Brückenbau usw.), Abb. 2.6-66). Autokrane und auf Schienen ver-

Tabelle 2.6-42 Montageanweisungen [Unruh 1996)

Teil I Allgemeine Montageanweisung Teil II Spezielle Montageanweisungen


(objektunabh ängigl (objektunabhängig)

1 Personal (Montagevorschriften für häufig vorkommende


1.1 Qualifikation Elemente wie eingespannte Stützen, Pendelstützen,
1.2 Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme Riegel, Binder, Deckenplatten u. Wand platten)
2 Weisungsbefugnisse 1 Baufreiheitsbedingungen
2.1 Verantwonlicher Fachbauleiter 2Vorbereitungen zur Montage
2.2 Kolonnenführer 3 Montage
3 Persönliche Schutzausrüstung 4 Montagebedingte Nebenarbeiten
4 Arbeitsplätze u. Verkehrswege 5 Erforderliche Montagehilfsmittel
4.1 Allgemeines 6 Arbeitskräftebedarf
4.2 Absturzsicherung u. Auffangeinrichtung 7 Besondere Maßnahmen der Arbeitssicherheit
4.3 Anlegeleitern als Arbeitsplatz u. als Verkehrsweg
4.4laufstege u. Begehen von Bauteilen Teillll Planung u. Mont.age
4.5 Hochziehbare Personenaufnahmemittel (objektbezogen)
4.6 Fahrbare Arbeitsbühnen
5 Transponüberprüfung u. Abladen 1 Daten des Bauvorhabens
6 Lagerung 2 Arbeitsvorbereitung Montage
6.1 Allgemeines 2.1 Baustelleneinrichtungsplan einschl. Hebezeugnachweis
6.2 Waagerechte Lagerung 2.2 Abschnittseinteilung
6.3 Senkrechte Lagerung 2.3 Montagefolgeplan u. Montagefolgelisten
6.4 Geneigte Lagerung 2.4 Ressourcenplanung (Personal und Gerät)
6.5lagerung an u. auf Bauwerken 2.5 Montagezeitplan
7 Versetzen 2.6 Montagekalkulation
7.1 Hebezeuge 2.7 Meßtechnik
7.2 Auswahl der lastaufnahmemittel 3 Montagevorschriften für Sonderelemente
7.3 Anschlagen der Fertigteile (falls nicht in Teil II enthalten)
8 Geltende Vorschriften 4 Objektspezifische Maßnahmen der Arbeitssicherheit

2-310 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Abb. 2.6-65 Vertikale Montagerichtung von unten nach oben [Weller 1986)

Abb. 2.6-66 Horizontale oder geschoßweise Montagerichtung [Weller 1986]

fahrbare Turmdrehkrane übernehmen die ge- Anschlagmittel und Montagehilfskonstruktionen


schoßweise Montage von außen. Feststehende
Turmkrane können sinnvoll als Kletterkrane im Anschlagmittel. Für Transport und Montage der
Stahlbetonkern oder an den Geschoßdecken Stahlbetonfertigteile werden in den Fertigteilen
verankert eingesetzt werden. Transportanker angeordnet, die mit den zuge-
Die für die Fertigteilmontage geeigneten He- hörigen Lastaufnahme- bzw. Anschlagmitteln
bezeuge sind in 2.6.3 beschrieben. ein Transportankersystem bilden. Für Trans-
portanker, z. B. Gewindehülsen, verpreßter Be-

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-311


tonrippenstahl und Seilschlaufen mit verpreß- cherheit und Stabilität im Montageprozeß sowie
tem Gewindestück (Abb. 2.6-67), und die ent- die Genauigkeit des Zusammenbaus. Zur Anwen-
sprechenden Anschlagmittel müssen Einbau- dung kommen je nach Montageaufgabe Hilfs-
und Verwendungsanleitungen der Hersteller stützen, Gerüsttürme, Stapeltürme, Ab spannun-
vorliegen. Die Bemessung der Anschlagmittel gen und sonstige Hilfskonstruktionen für spezi-
und Schrägseile muß die Eigenlast des Stahlbe- elle Montageaufgaben wie Verschub bahnen, Zu-
tonfertigteils, Zuschläge für die Auswirkung dy- gangsgerüste, Hilfseinspannungen und Monta-
namischer Lasten und den Spreizwinkel des Seil- getraversen.
gehänges berücksichtigen (Abb. 2.6-68}.

Montagehilfskonstruktionen. Darunter versteht


man Konstruktionsteile, die vorübergehend be-
nötigt werden. Sie gewährleisten die Standsi-

a aus Gewindehülsen b aus verpreßtem Betonrippenstahl c Seilschlaufe mit verpreßtem


Gewindestück

Abb. 2.6-67 Transportanker [Kaymer 1991)

Spreizwinkel (l 120°
Vergrößerungsfaktor 2.0

Abb. 2.6-68 Seilhängearten und Lastdiagramme mit verschiedenen Spreizwinkeln [Geme 1991]

2-312 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.6.7 tungenhaben müssen (z. B. bei Erdkabelgräben),
Leitungsbau sind in Abhängigkeit von der Regelverlegetiefe
mindestens die in Tabelle 2.6-43 angegebenen
2.6.7.1 lichten Grabenbreiten einzuhalten. Die Mindest-
Allgemeines grabenbreite von Rohrgräben mit betretbarem
Arbeitsraum in Abhängigkeit der Nennweite DN
Zuverlässige Leitungssysteme für die Ver- und enthält Tabelle 2.6-44.
Entsorgung sind ein wesentlicher Bestandteil Gräben und Baugruben bis höchstens 1,25 m
von Siedlungsstrukturen. In Deutschland sind Tiefe dürfen ohne besondere Sicherung mit
die Leitungen unterirdisch im Straßenkörper, senkrechten Wänden hergestellt werden, wenn
durch DIN 1998 nach Lage und Tiefe geregelt, die sich anschließende Geländeoberfläche bei
untergebracht. Versorgungsleitungen für z. B. nichtbindigen Böden nicht stärker als 1: 10 und
Wasser, Gas, Strom und Kommunikation liegen bei bindigen Böden nicht stärker als 1:2 geneigt
i. d. R. in Gehwegen, Radwegen, Parkbuchten, ist [DIN 4124].
Grünstreifen (ohne Baumpflanzungen), Abwas- In mindestens steifen bindigen Böden sowie
serkanäle in der Fahrbahn. Die Leitungen wer- bei Fels darfbis zu einer Tiefe von 1,75 m ausge-
den in offenener, geschlossener und halboffener hoben werden, wenn der Wandbereich, der mehr
Bauweise verlegt. als 1,25 m über der Sohle liegt, unter einem Win-
kel ß :o; 45° abgeböscht oder entsprechend gesi-
2.6.7.2 chert wird. Bei festem Straßenoberbau ist auch
Offene Bauweise eine Sicherung mit mindestens 20 cm breiten
Saumbohlen möglich.
Die offene Bauweise wird charakterisiert durch Nicht verbaute Leitungsgräben, die tiefer als
das Ausheben eines Grabens, Verlegen der Lei- 1,25 m bzw.1,75 m sind, müssen in Abhängigkeit
tung im Schutze einer Böschung oder eines Ver- von den bodenmechanischen Gegebenheiten
baus und anschließendes Verfüllen des Grabens mit abgeböschten Wänden hergestellt werden
(Grabenleitung). Je nach Erfordernis sind bei [DIN 4124].
dieser Bauweise unterschiedliche Grabenquer- Ohne rechnerischen Nachweis der Standsi-
schnitte vom geböschten Graben bis zu Gräben cherheit dürfen folgende Böschungswinkel nicht
mit senkrechten Wänden möglich. Daneben überschritten werden:
kommen auch Kombinationen vor wie Stufen- - bei nichtbindigen oder weichen bindigen Bö-
gräben mit senkrechten, geböschten oder teil- den ß=45°,
weise geböschten Grabenwänden (Abb. 2.6-69).
Mit dem Grabenaushub ergeben sich unter- Tabelle 2.6-43 Lichte Mindestbreiten für Gräben ohne
schiedliche Baugrundzonen: der anstehende Bo- betretbaren Arbeitsraum [DIN 4124]
den und der gestörte Baugrund im Bereich des
Grabenquerschnitts bzw. in der Dammschüt- Regelverlegetiefe h lichte Grabenbreite b
tung. Dabei bestimmen die Grabentiefe und m m
-breite die Abmessungen des gestörten Bau- h s 0,70 0,30
0,70 ~ h ~ 0,90 0,40
grundbereichs. 0,90 ~ h ~ 1,00 0,50
Bei Gräben bis zu einer Tiefe von 1,25m, die 1,00 ~ h ~ 1,25 0,60
zwar betreten werden, aber keinen betretbaren
Arbeitsraum zum Verlegen oder Prüfen von Lei-

b mit geböschten Wänden c Stufengraben

Abb. 2.6-69 Graben [AlV-A 127]

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2- 313


Tabelle 2.6-44 Mindestgrabenbreiten in Abhängigkeit von der Nennweite [OIN EN 1610); 0 Außendurchmesser in m
ßBöschungswinkel des unverbauten Grabens, gemessen gegen die Horizontale • '

ON Mindestgrabenbreite (0, +x)" [m)


verbauter Graben u. unverbauter Graben ß > 60° unverbauter Graben ß :s; 60°
" bei den Angaben
::;225 0,+ 0.40 0,+ 0.40 0, +x entspricht x/2
> 225 .. .::;350 0,+0,50 0,+ 0,40 dem Mindemrbeiu-
> 350 .. .::; 700 O, + 0.70 0,+ 0,40 raum zwiS<hen Rohr
und Grabenwand
> 700 ... ::; 1200 0,+ 0,85 0,+ 0,40 bzw. Grabenverbau
> 1200 0,+ 1,00 0,+0,40 (Pölzung)

- bei steifen oder halbfesten bindigen Böden mung mit DIN EN 1295 Teil1 nachgewiesen, ent-
ß=60o, schieden oder vorgegeben sein [DIN EN 1610].
- bei Fels ß=80°. Die Verlegung und Prüfung von Rohrleitungen,
die unter Freispiegelbedingungen oder unter
Bei Baugrubentiefen größer als 3m sind Bermen Druck betrieben werden, sind in DIN EN 1610
mit einer Mindestbreite von 1,50 m zum Auffan- geregelt. Zu beachten sind weiterhin die in der
gen abrutschender Teile herzustellen. Sie müssen Literatur angeführten Normen und Regelwerke.
an der Böschungskante mit einem Trittschutz
versehen sein. 2.6.7.3
In allen davon abweichenden Situationen ist Geschlossene Bauweise
der Leitungsgraben zu verbauen. Als Verbau
kommen im wesentlichen folgende Verkleidungs- Die geschlossene Bauweise ist durch die unterir-
und Aussteifungs- bzw. Verankerungskonstruk- dische Verlegung der Leitungen gekennzeichnet.
tionen in Frage [DIN 4124]: Sie wird immer dann gewählt, wenn diese Aus-
- waagerechter Grabenverbau, führungsart aus verkehrstechnischen, baulichen
- senkrechter Grabenverbau, und wirtschaftlichen Gründen oder wegen ihrer
- großflächige Verbauplatten, sofern sie von der geringen Umweltbeeinflussung erforderlich ist
Prüfstelle des Fachausschusses Tiefbau beim bzw. besondere Vorteile bietet [ATV-A 125].
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenos- Neben den heute im Leitungsbau vornehmlich
senschaften in sicherheitstechnischer Hin- augewandten Rohrvortriebsverfahren gehören
sicht überprüft und als geeignet beurteilt wor- auch Schildvortriebe und andere Tunnel- und
den sind, Stollenvortriebsverfahren zu dieser Verfahrens-
- Spundwände, gruppe [ATV-A 125]. Zur unterirdischen Verle-
- Trägerbohlwände, gung von Kabeln und Druckleitungen werden
- Schlitzwände, auch Horizontal-Spülbohrverfahren angewandt
- Pfahlwände, [Stein/Möllers/Bielecki 1988]. Bei den Rohrvor-
- durch Injektion oder Vereisung verfestigte triebsverfahren unterscheidet man zwischen be-
Erdwände sowie mannt und unbemannt arbeitenden Rohrvor-
- Unterfangungswände nach DIN 4123. trieben.

Im Grabenquerschnitt unterscheidet man zwi- Bemannt arbeitende Rohrvortriebe


schen der Leitungszone, bestehend aus Bettungs-
zone, Seitenverfüllung und Abdeckzone, und der Beim bemannt arbeitendem Rohrvortrieb wer-
Hauptverfüllung. den Vortriebsrohre 2:DN 1200 von einem Start-
Rohrleitungen und zugehörige Bauwerke sind schacht oder einer Startbaugrube aus mit Hilfe
im wesentlichen technische Konstruktionen, bei einer hydraulischen Preßeinrichtung (Haupt-
denen das Zusammenwirken von Bau teilen, Ein- preßstation) durch den Baugrund bis in einen
bettung und Verfüllung die Grundlage für die Zielschacht oder eine Zielbaugrube vorgetrie-
Stand- und Betriebssicherheit ist. ben (Abb. 2.6-70). Gleichzeitig wird der Boden
Vor Beginn der Bauausführung muß die Trag- an der Ortsbrust abgebaut und durch den vor-
fähigkeit einer Rohrleitung in Übereinstim- getriebenen Rohrstrang entfernt.

2-314 Bauwirtschaft und Baubetrieb


Hebeeinrichtung

Widerlagerkonstruktion

Abb. 2.6-70 Hydraulischer Rohrvortrieb - Prinzipskizze und Begriffe

Der o.a. Innendurchmesser darf in Ausnah- - die Vortriebsstrecke bei Einhaltung der zuge-
mefällen auf 1000 mm verringert werden, wenn lassenen Abweichungen auf der geplanten Tras-
eine Vortriebsstrecke von 80 m nicht überschrit- se und Gradiente zu steuern.
ten wird und ein vorgeschaltetes Arbeitsrohr
(Innendurchmesser 1200 mm) von mindestens Prinzipiell können beim bemannt arbeitenden
2000 mm Länge vorhanden ist [ATV-A 125]. Rohrvortrieb Handschilde, mechanisch teilflä-
Die wesentlichen Funktionsteile beim hy- chig abbauende Schilde und mechanisch vollflä-
draulischen Rohrvortrieb sind chig abbauende Schilde Anwendung finden.
- der Schneidschuh oder Schild, Zur Beseitigung des Wassers in wasserführen-
- Vortriebselemente bzw. Vortriebsrohre, den Böden bestehen folgende Möglichkeiten:
- Zwischenpreßstationen und Ableitung des Wassers durch die Vortriebsstrek-
- die Hauptpreßstation. ke (offene Wasserhaltung), Grundwasserabsen-
kung sowie Stützung durch Druckluft und/oder
Von ihrem Zusammenwirken im Gesamtsystem Flüssigkeit [ATV-A 125].
hängt der technische und wirtschaftliche Erfolg
dieses Verfahrens in hohem Maße ab. Die Funk- Unbemannt arbeitende Rohrvortriebe
tionsteile sind deshalb in ihren Abmessungen,
Kräften und Geschwindigkeiten aufeinander ab- Von einem Startschacht oder einer Startbaugru-
zustimmen. In diese dem Rohrvortrieb unmit- be aus werden Mantel- oder Produktrohre mit
telbar dienenden Funktionsteile sind meist die Hilfe dynamischer Energie (Rammung) oder
Löse-, Lade- und Transporteinrichtungen inte- statischer Energie (Pressung) durch den Bau-
griert. grund bis in einen Zielschacht oder eine Zielbau-
Der Vortriebsschild oder Schneidschuh hat grube vorgetrieben. Der Boden wird entweder
die Aufgabe, verdrängt, an der Ortsbrust abgebaut und an-
- den Boden (auch Gebirge genannt) so vorzu- schließend mittels Förderschnecken, hydrau-
schneiden, daß die folgende Rohrstrecke mit lisch oder pneumatisch zum Startschacht oder
einem Mindestmaß an Setzungen beigeringst- zur Startbaugrube gefördert oder nach Fertig-
möglicher Mantelreibung vorgepreßt werden stellung des Vortriebs als Erdkern aus dem Rohr
kann, entfernt [ATV-A 125].
- den Ausbruchraum solange gegen das andrän- In Abhängigkeit von der erforderlichen Ziel-
gende Gebirge abzustützen, bis die nachge- oder Lagegenauigkeit des Vortriebs werden
preßten Rohre endgültig alle Lasten und Kräf- nichtsteuerbare oder steuerbare Vortriebsver-
te aufnehmen, fahren gewählt. Einen überblick über die unbe-
- die Ortsbrust gegen hereinbrechendes Gebir- mannt arbeitenden Rohrvortriebsverfahren ver-
ge zu sichern sowie mitteln die Tabellen 2.6-45 bis 2.6-47.

Bauverfahrenstechnik und Baumaschineneinsatz 2-315


Tabelle 2.6-45 Übersicht Ober die nichtsteuerbaren Verfahren - Bodenverdrängungsverfahren [ATV-A 125)

Verfahren und Arbeitsweisen Erfahrungswerte für den Anwendungsbereich


D, Vortriebslänge min. Oberdeckung
mm m mm
Bodenverdrängungshammer: Verdrängung des Bodens mit ~ 200 ~ 25 10· D,
Hilfe von Rammenergie bei selbsttätigem Vortrieb des
Bodenverdrängungshammers; gleichzeitiges oder
anschließendes Einziehen oder Einschieben der Leitung
Horizontalramme bzw. -presse mir geschlossenem Rohr: $ 150 12' o,
Verdrängung des Bodens durch den Vortrieb eines ge-
schlossenen Stahlrohrstrangs (Mantel- oder Produktrohr)
mit Hilfe von Ramm- oder Preßenergie
Horizontalpreßanlage: Verdrängung des Bodens durch $ 100 $15 10 · 0,
Einpressen eines Pilotgestänges; beim Zurückziehen des
Gestänges Einzug der Leitung bei - wenn erforderlich -
gleichzeitiger Aufweitung des Hohlraumes mit Ziehkopf

I
Tabelle 2.6-46 Obersicht der nichtsteuerbaren Verfahren- Bodenentnahmeverfahren [ATV-A 125)

Verfahren und Arbeitsweisen Erfahrungswerte für den Anwendungsbereich


D, Vortriebslänge min. Oberdeckung
mm m mm
Horizontalramme mit offenem Rohr: Vortrieb eines vom ~ 1600 ~ 70 2 · D,,
offenen Mantel- oder Produktrohrstrangs aus Stahl mit min. 1,0m
Hilfe von Rammenergie bei gleichzeitigem oder nachträg-
lichem Entfernen des eindringenden Bodenpropfens
Horizonta/preßanlage: Vortrieb eines Mantel- oder Produkt- ~ 1600 ~80 2- o,.
rohrstrangs aus Stahl bei gleichzeitigem mechanischen min.0,8m
Bodenabbau an der Ortsbrust mittels eines Bohrkopfes und
mechanischer Förderung des Bohrguts mit einer Fö rder-
schnecke. Der Antrieb des Bohrkopfs erfolgt über die Förder-
schnecke von der Startbaugrube aus

Tabelle 2.6-47 Übersicht der steuerbaren Verfahren [ATV-A 125)

Verfahren und Arbeitsweisen Erfahrungswerte für den


Anwendungsbereich
D, Vortriebslänge
mm m
Pilotrohrvortrieb: Gesteuerter Vortrieb eines Pilotrohrstrangs durch Bodenver- ~200 ~ 100
drängung oder -entnahme; folgenderVortrieb von Mantel- oder Produktrohren
ggf. mittels Aufweitung nach dem Bodenverdrängungs- oder -entnahmeprinzip
bei gleichzeitigem Herauspressen oder -ziehen der Pilotrohre in die Zielbaugrube
Preßbohrrohrvortrieb: Vortrieb von Mantel- oder Produktrohren bei gleichzeitigem ~ 1300 ~ 100
Bodenabbau an der Ortsbrust durch einen Bohrkopf und kontinuierliche Boden-
förderung mittels einer Förderschnecke; Antrieb des Bohrkopfes über die Förder-
schnecke i.d.R. von der Startbaugrube aus
Schildrohrvortrieb: Vortrieb von Mantel- oder Produktrohren bei gleichzeitigem ~ 1850 ~ 250
vollflächigen Bodenabbau an der mechanisch und flüssigkeitsgestützten Orts-
brust durch einen Bohrkopf und kontinuierlicher hydraulischer Bodenförderung;
Antrieb des Bohrkopfes in der Schildvortriebsmaschine

2-316 Bauwirtschaft und Baubetrieb


2.6.7.4 EN Europäische Norm
Halboffene Bauweise GF Großfläche
GSV Güteschutzverband
Die halboffene Bauweise beruht auf einer Kom- ISO ISO-Norm (ISO International Stan-
bination aus offener und geschlossener Bauwei- dards Organisation)
se, bei der Stahlbetonvortriebsrohre ~ DN 1200 LB Leistungsbuch für das Bauwesen
von einer Startbaugrube aus in den anstehenden Lkw Lastkraftwagen
Boden vorgetrieben werden. Im Gegensatz zum LÜ-Transp. Lademaßüberschreitungstrans-
hydraulischen Rohrvortrieb wird der gelöste Bo- porte
den jedoch durch eine Öffnung im Scheitel des NU Nachunternehmer
Schneidschuhs mit Hilfe eines unmittelbar "vor OG Obergeschoß
Kopf' stehenden Baggers ausgehoben. PPS Produktionsplanungssystem
Dies setzt die Herstellung eines verbauten, SAE Standard of Automotive Engineers
schmalen und bis in die Scheitelhöhe des vorge- (Kraftfahrzeugtechnische Norm
preßten Rohrstrangs auszuhebenden Grabens (USA))
voraus. Der gegenüber der offenen Bauweise in Skw Schwerlastkraftwagen
Breite und Tiefe reduzierte Rohrgraben bietet StB Straßenbau
die Möglichkeit der einfachen Entfernung in der StB Straßenbau
Leitungstrasse angetroffener Hindernisse. StLB Standardleistungsbuch für das Bau-
Besondere Vorteile ergeben sich für dieses kom- wesen
binierte Bauverfahren bei beengten Platzver- StLB Standardleistungsbuch für das Bau-
hältnissen infolge benachbarter baulicher Anla- wesen
gen und Bepflanzungen, bei geringer Bodenü- StVO Straßenverkehrsordnung
berdeckung (bis etwa 2m) und bei bis zum Rohr- StVZO Straßenverkehrszulassungsordnung
scheitel reichendem Grundwasserstand. u.R. umbauter Raum
uvv Unfallverhütungsvorschriften
Abkürzungen zu 2.6 uz Unterzug (Schalung)
VDI Verein Deutscher Ingenieure
AK Arbeitskraft VOB Verdingungsordnung für Baulei-
ARH Arbeitszeitrichtwerte im Hochbau stungen
ATV Allgemeine Technische Vertragsbe- ZTVA-StB Zusätzliche Technische Vertragsbe-
dingungen für Bauleistungen dingungen und Richtlinien für Auf-
BAS Bauarbeitsschlüssel grabungen in Verkehrsflächen
BDE Betriebsdatenerfassung ZTVA-StB Zusätzliche Technische Vertragsbe-
BE Baustelleneinrichtung dingungen und Richtlinien für Auf-
BGL Baugeräteliste grabungen in Verkehrsflächen
BRI Bruttorauminhalt ZTVE-StB Zusätzliche Technische Vertragsbe-
BstM Betonstahlmatten dingungen und Richtlinien für Erd-
BstS Betonstabstahl arbeiten im Straßenbau
CAD Computer Aided Design (rechner-
unterstütztes Konstruieren) Literatur zu 2. 7
CAM Computer Aided Manusfacturing
(rechnerunterstützte Fertigung) 1. Gesetze, Verordnungen, Vorschriften
CECE Committee for European Construc- AEntG (1996, 1997) Gesetz über zwingende Ar-
tion Equipment (Europäisches Bau- beitsbedingungen bei grenzüberschreitenden
maschinen-Komitee) Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsende-
DafStB Deutscher Ausschuß für Stahlbeton gesetz)
DBAG Deutsche Bahn AG AGBG (1976, 1996) Gesetz zur Regelung des
DBV Deutscher Betonverein Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingun-
DIN DIN-Norm (DIN Deutsches Institut gen (AGB-Gesetz)
für Normung) AktG (1965, 1998) Aktiengesetz
DN Nennweite eines Rohres AltersteilzeitG (1996, 1997) Altersteilzeitgesetz
EAB Empfehlungen des Arbeitskreises ArbGG (1979, 1997) Arbeitsgerichtsgesetz
Baugruben ArbPlSchG (1980, 1997) Gesetz über den Schutz

Literatur 2-317
des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum GWB (1990, 1998) Gesetzgegen Wettbewerbsbe-
Wehrdienst schränkungen
ArbSchG (1996, 1997) Gesetz über die Durch- HGB (1897, 1998) Handelsgesetzbuch
führung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes HOAI (1976, 1995) Honorarordnung für Archi-
zur Verbesserung der Sicherheit und des Ge- tekten und Ingenieure
sundheitsschutzes der Beschäftigten bei der InsO (1994, 1997) Insolvenzordnung
Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) JArbSchG (1976, 1998) Gesetz zum Schutze der
ArbSichG (1973, 1996) Gesetz über Betriebsärz- arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzge-
te, Sicherheitsingenieure und andere Fach- setz)
kräfte für Arbeitssicherheit KSchG (1969, 1997) Kündigungsschutzgesetz
ArbZG (1994, 1996) Arbeitszeitgesetz MitbestG (1976, 1994) Gesetz über die Mitbe-
AÜG (1995, 1997) Gesetz zur Regelung der ge- stimmung der Arbeitnehmer (Mitbestim-
werbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Ar- mungsgesetz)
beitnehmerüberlassungsgesetz) MuSchG (1997) Gesetz zum Schutze der erwerbs-
BaustellV (1998) Verordnung über Sicherheit tätigen Mutter (Mutterschutzgesetz)
und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Bau- ProdHaftG (1989) Produkthaftungsgesetz
stellenverordnung) PublizitätsG (1969, 1994) Gesetz über die Rech-
BBankG (1957, 1998) Gesetz über die Deutsche nungslegung von bestimmten Unternehmen
Bundesbank und Konzernen
BBiG (1969, 1997) Berufsbildungsgesetz Satzung des Europäischen Systems der Zentral-
BDSG (1990, 1994) Bundesdatenschutzgesetz banken und der Europäischen Zentralbank
BErzGG (1994,1997) Gesetz über die Gewährung (1998)
von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub Schlichtungsabkommen Bau (1979, 1993)
(Bundeserziehungsgeldgesetz) Schlichtungsabkommen für das Baugewerbe
BeschäftigtenschutzG ( 1994) Gesetz zum Schutz in der Bundesrepublik Deutschland
der Beschäftigten vor sexueller Belästigung SchwbG (1986, 1997) Gesetz zur Sicherung der
am Arbeitsplatz Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit,
BeschFG (1985, 1996) Gesetz über arbeitsrechtli- Beruf und Gesellschaft (Schwerbehinderten-
che Vorschriften zur Beschäftigungsförderung gesetz)
BetrAVG (1974, 1997) Gesetz zur Verbesserung SGB III (1997) Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes
der betrieblichen Altersversorgung Buch (III). Arbeitsförderung, §§ 209ff Förde-
BetrVG (1988, 1997) Betriebsverfassungsgesetz rung der ganzjährigen Beschäftigung in der
BetrVG (1952, 1994) Betriebsverfassungsgesetz Bauwirtschaft
1952, §§ 76-77a, § 81, § 85 und§ 87 StabG ( 1967) Gesetz zur Förderung der Stabilität
BGB (1896, 1998) Bürgerliches Gesetzbuch und des Wachstums der Wirtschaft (Stabili-
BiRiLiG (1985) Bilanzrichtlinien-Gesetz tätsgesetz)
BUrlG (1963, 1996) Mindesturlaubsgesetz für TVG (1969, 1990) Tarifvertragsgesetz
Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) UWG (1909, 1990) Gesetz gegen den unlauteren
EntgeltfortzahlungsG (1994, 1996) Gesetz über Wettbewerb
die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen WahlO (1972, 1995) Erste Verordnung zur Durch-
und im Krankheitsfall führung des Betriebsverfassungsgesetzes
Gastell F (Hrsg) (1999) Tarifsammlung für die
Bauwirtschaft. Otto Elsners Verlagsgesell- 2. Normen, Richtlinien
schaft, Dieburg Baukontenrahmen 1987 (BKR 87). Bauverlag,
GenG (1994, 1998) Gesetz betreffend die Er- Wiesbaden
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Literatur 2-333
Kapitel3
Konstruktiver Ingenieurbau
3
und Hochbau

• • Inhalt
3.1 Baustoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-3
3.2 Hochbaukonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-66
3.3 Massivbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-127
3.4 Stahlbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-220
3.5 Verbundbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-279
3.6 Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-342
3.7 Holzbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-380
3.8 Glasbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-419
3.9 Befestigungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-442
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-462

K. Zilch et al. (eds.), Handbuch für Bauingenieure


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002
Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau 3

3.1 deihölzern besteht das Festigungsgewebe aus


Baustoffe den Tracheiden, die auch das Wasser leiten, bei
Laubhölzern aus den Libriformfasern. Im Laub-
3.1.1 holz wird das Wasser v. a. durch die Gefaße ge-
Holz und Holzwerkstoffe für tragende Bauteile leitet, die im Querschnitt auch als Poren be-
zeichnet werden. Diese im Vergleich zu anderen
3.1.1 .1 Zellen sehr großen Gefäße sind häufig schon mit
Holzstruktur bloßem Auge zu erkennen. Die Holzzellen ver-
laufen ganz überwiegend in Stammrichtung. Die
Holz besteht aus Zellen unterschiedlichster Art, wenigen quer dazu verlaufenden Zellen bilden
Größe und Form. Gleichartige Zellen sind zu die Holzstrahlen.
Verbänden, den sog. "Geweben", zusammenge- Im Stammquerschnitt von Hölzern aus Kli-
faßt. Im Hinblick auf ihre Funktion können drei magebieten mit winterlicher Vegetationspause
Gewebearten unterschieden werden: Festigungs- sind die Zuwachszonen als jahrringe meist gut
gewebe, Leitgewebe und Speichergewebe. zu erkennen (Abb. 3.1-1). Sie bestehen aus dem
Beim entwicklungsgeschichtlich älteren und hellen Frühholzbereich und dem dunkleren
daher einfacher aufgebauten Nadelholz über- Spätholzbereich und sind im Verlauf eines Jah-
nehmen manche Zellen gleichzeitig mehrere res gewachsen. Bei laubabwerfenden Bäumen
Funktionen. Das auf einer höheren Entwick- subtropischer und tropischer Gebiete bilden sich
lungsstufe stehende Laubholz ist durch eine die Zuwachszonen in Abhängigkeit von Trocken-
größere Vielfalt an Zellarten, die jeweils nur ei- und Regenzeiten, also nicht jahreszeitenweise.
ne Funktion ausüben, gekennzeichnet. Bei Na- Bei Hölzern aus immergrünen Tropenwäldern

Borke (Außenrinde, tot)


- Rinde========
Splintholz Bast (lnnenrinde,lebend}

Kernholz

=Mark

=Jahrring - - - - - Frühholz (hell)


- - - - - Spätholz (dunkel)

Abb. 3.1-1 Querschnitt durch einen Nadelholzstamm (Douglasie) IGrosser 1985]

Baustoffe 3-3
mit ununterbrochenem Wachstum fehlen Zu- dem jungen Sproß v.a. zur Speicherung, ist im
wachszonen häufig. älteren Baum abgestorben und hat meist nur ei-
Die Zellen eines Stammes werden im Kambi- nen Durchmesser von wenigen Millimetern. Bei
um gebildet, das die Rindenzellen nach außen Laubhölzern werden aufgrund der Anordnung
und die Holzzellen nach innen abscheidet. Die und Größe der Gefäße innerhalb des Jahrrings
äußeren toten Rindenzellen werden "Borke", die drei Gruppen unterschieden: ringporige Hölzer
inneren lebenden Rindenzellen "Bast" genannt. mit besonders weiten Gefäßen im Frühholz (z.B.
Der Anfang eines Jahrringes besteht aus Zellen, Eiche), zerstreutporige Hölzer mit einer recht
die im Frühjahr gebildet werden und in erster Li- gleichmäßigen Gefäßverteilung über den Jahr-
nie dem raschen Wassertransport dienen. Die ring (z. B. Buche) und als Zwischenstadium die
sich im Sommer bildenden Spätholzzellen sor- halbringporigen Hölzer (z. B. Kirsche). Die große
gen v.a. für die Festigkeit (Abb. 3.1-2 und 3.1-3). Mehrzahl der tropischen Nutzhölzer weist eine
Bei Nadelhölzern werden im Frühholz weitlumi- zerstreutporige Struktur auf.
ge, dünnwandige Zellen und im Spätholz englu- Mit zunehmendem Alter verkernt der innere
mige, dicke Zellen gebildet. Dieser ausgeprägte Bereich des Stammes. Während das außenlie-
Unterschied in der Zellwanddicke verursacht die gende Splintholz als lebender Teil des Baumes
für Nadelholz typischen Farb- und Härteunter- Leit- und Speicherfunktionen ausübt, enthält das
schiede innerhalb der Jahrringe. Das Mark dient Kernholz i. d. R. keine lebenden Zellen mehr, und

Frühholz Harzkanal _,....------ Spätholz


- - - - - - - Jahrringgrenze

Holzstrahl

Abb. 3.1·2 2 Räumliche Darstellung eines Nadelholzes (Kiefer) (Giordano 1971]

~--- Gefaß im Frühholz


Spätholz
Holzstrahl

Gefäß

Abb. 3.1 -3 Räumliche Darstellung eines Laubholzes (Esche) (Giordano 1971)

3-4 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


sein Wassergehalt ist niedrig. Das Kernholz ist Zellwände, woraus sich die verschiedenen phy-
bei manchen Arten gefärbt (z.B. Kiefer, Lärche, sikalischen Eigenschaften der Hölzer ableiten.
Eiche, Nußbaum) und enthält oft fungizide und Die Hauptbestandteile der Holzsubstanz sind
insektizide Stoffe, welche die Dauerhaftigkeit Zellulose, Polyosen (Hemizellulosen) urid Li-
des Holzes wesentlich verlängern. Neben den gnin. Diese makromolekularen Verbindungen
Baumarten mit regelmäßiger Farbkernbildung stellen einen Anteil von 97 bis 99 M.-o/o. Der Rest
gibt es solche, die nur unter bestimmten Vor- besteht aus extrahierbaren und anorganischen
aussetzungen Farbkerne bilden (z. B. Rotkern Stoffen.
der Rotbuche, Braunkern der Esche). Bäume mit Zellulose besteht aus einer großen Anzahl von
hellem Kernholz werden auch "Reifholzbäume" Glucose-Einheiten (Polysacchariden) und bildet
genannt (z. B. Fichte, Tanne, Rotbuche ohne die Gerüstsubstanz der Zellwand. Sie hat einen
Farbkern). Bei ihnen unterscheidet sich das Anteil von 40 bis 50 M.-o/o und beeinflußt be-
Kernholz vom Splintholz nur durch den gerin- sonders die Zugfestigkeit. Die Polyasen haben ei-
geren Wassergehalt Bei Bäumen mit verzöger- nen Anteil von 15 bis 35 M.-o/o und sind wie die
ter Kernholzbildung, auch "Splintholzbäume" Zellulose aus Zuckereinheiten aufgebaut, wobei
genannt, bestehen zwischen Splint- und Kern- die Ketten jedoch wesentlich kürzer und ver-
. holz keine Farb- und Feuchteunterschiede; die zweigt sind. Sie sorgen für die Verbindung zwi-
Verkernungsmerkmale sind nur miroskopisch schen den Polysacchariden und dem Lignin.
erkennbar. Lignin ist mit einem Anteil von 20 bis 35 M.-o/o
Die radial verlaufenden Holzstrahlen haben ei- der dritte wesentliche Bestandteil des Holzes.
nen spindeiförmigen Querschnitt (s. Abb. 3.1-2) Lignin ist ein Gemisch aromatischer Verbindun-
und dienen der Stoffleitung und -speicherung. gen, das nach abgeschlossenem Wachstum der
Darüber hinaus leisten sie auch einen Beitrag zur Zellen das Gerüst aus Zellulose und Polyosen
Festigkeit quer zur Stammrichtung. Im Vergleich vollständig umhüllt und durchdringt und da-
zu Laubholz sind die Holzstrahlen bei Nadelholz durch die Verholzung bewirkt. Seine Aufgabe ist
sehr fein ausgebildet und makroskopisch kaum die Versteifung der Zellwand. Es sorgt v. a. für die
erkennbar. Eiche und Rotbuche zeigen besonders Druckfestigkeit des Holzes. Die Extraktstoffe
breite und das Holzbild stark prägende Holz- sind holzartenspezifische Gemische sowohl nie-
strahlen. Während die meisten einheimischen der- als auch hochmolekularer organischer Ver-
Nadelhölzer (Fichte, Lärche, Kiefer) längs und bindungen. Sie sind für Farbe, Geruch, Ober-
quer (immer im Holzstrahl) verlaufende Harz- flächenbeschaffenheit und Dau.erhaftigkeit bzw.
kanäle haben, fehlen sie bei der Tanne völlig. Schädlingsresistenz ursächlich. Ihr Anteil an eu-
Der Stoffaustausch zwischen den Zellen erfolgt ropäischen Hölzern beträgt 1 bis 3 M.-o/o. Die mit
bei Nadelhölzern durch verschließbare Öffnun- Lösemitteln extrahierbaren Stoffe können bei
gen, die "Tüpfel" genannt werden. Bei der Kern- tropischen Hölzern einen wesentlich größeren
holzbildung werden die Tüpfel verschlossen. Da- Anteil (bis zu 15 M.-o/o) haben, worauf die erhöh-
her läßt sich Kernholz i.d.R. schlechter impräg- te Schädlingsresistenz zurückzuführen ist. Stär-
nieren als Splintholz. Auch bei der Trocknung ke, Pektine und Eiweiße kommen zwar nur in ge-
saftfrischen Splintholzes bis unter 30 M.-o/o Holz- ringen Mengen vor, können dafür aber einen
feuchte werden die Tüpfel verschlossen. Bei Fich- entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung von
tenholz ist dieser Vorgang besonders stark aus- Schädlingen wie Insekten und Pilze haben.
geprägt, woraus sich die schlechte Imprägnier-
barkeit getrockneten Fichtenholzes ableitet. Bei 3.1.1.2
den Laubhölzern fließt das Wasser in Axialrich- Holzarten
tung ohne Tüpfel von einem Gefäßelement zum
anderen, nur in Querrichtung gibt es ebenfalls Als Bauholz werden in Deutschland vorwiegend
Tüpfel, die im Gegensatz zum Nadelholz jedoch die einheimischen Nadelhölzer Fichte, Tanne,
kein Fließen, sondern nur Diffusion erlauben. Kiefer, Lärche und Douglasie, aber auch Sou- ·
Holz ist aus den Elementen Kohlenstoff (rd. 50 thern Pine und Western Hemlock verwendet. Sie
M.-o/o }, Sauerstoff (rd. 43 M.-o/o }, Wasserstoff (rd. sind wegen ihrer verhältnismäßig geringen Roh-
6 M.-o/o) und Stickstoff (rd. 1 M.-o/o) aufgebaut, dichte gut zu bearbeiten und weisen doch gute
wobei zwischen den Holzarten nur sehr gering- Festigkeiten sowie gute Dimensions- und Form-
fügige Unterschiede bestehen. Im Gegensatz da- stabilität auf. Die einheimischen Laubhölzer Bu-
zu gibt es große Unterschiede im Aufbau der che und Eiche sind dagegen wegen ihrer höhe-

Baustoffe 3-5
ren Rohdichte schwerer zu bearbeiten und we- aber im Bereich von Anschlüssen ein großer
niger dimensions- und formstabil. Für Außen- Baumkantenanteil meist nicht toleriert werden
bauteile, an die hohe Anforderungen hinsicht- kann, darf er in der höchsten Qualitätsstufe nur
lich Dauerhaftigkeit, Tragfähigkeit oder Ge- sehr gering sein.
brauchstauglichkeit gestellt werden, wählt man
außer Eiche auch tropische Hölzer wie Azobe, 3.1.1.4
Greenheart, Afzelia, Merbau, Angelique, Teak Holzeigenschaften
und Keruing.
Feuchte des Holzes
3.1.1.3
Holzqualitäten Holz hat aufgrund seiner mikroskopischen Ka-
pillarporosität eine sehr große innere Ober-
Vollholz ist gewachsenes Holz. Es wird als Bau- fläche. Es kann daher Feuchtigkeit aus der Um-
rundholz und Schnittholz verwendet. Holz- gebung aufnehmen oder an sie abgeben. Die
werkstoffe werden in 3.1.1.5 beschrieben. Holzfeuchte wird auf das wasserfreie (darr-
Als "Baurundholz" werden entrindete und ent- trockene) Holz bezogen und in Massenprozent
ästete Stammabschnitte ohne weitere Bearbei- (M.-o/o) ausgedrückt. Beim Austrocknen des ge-
tung bezeichnet. Wegen des ungestörten Faser- schlagenen Holzes wird zunächst nur das sog.
verlaufs ist die Tragfähigkeit, bezogen auf die "freie" Wasser in den Zellhohlräumen abgege-
Querschnittsfläche, größer als bei einem gesäg- ben. Erst anschließend verdunstet das "gebun-
ten Querschnitt. Ein weiterer Vorteil besteht in dene" Wasser aus den feineren Poren der was-
den geringeren Kosten. Nachteilig wirken sich sergesättigten Fasern der Zellwände.
der über die Länge abnehmende Querschnitt Die Grenzfeuchte zwischen diesen beiden Aus-
und die gekrümmte Oberfläche aus, die für dau- trocknungsbereichen bezeichnet man als "Fa-
erhafte und hochfeste Anschlüsse nicht geeignet sersättigungsfeuchte". Bei den europäischen
sind. Verwendet wird Baurundholz z. B. für Pfo- Hölzern kann man mit Fasersättigung bei Holz-
sten und Lehrgerüste. feuchten zwischen 22 und 35 M.-o/o und im Mit-
Im allgemeinen wird Vollholz als Schnittholz tel von 30 M.-o/o rechnen. An der unteren Gren-
verwendet. Es wird im Sägewerk mittels Gatter-, ze liegen Nadelhölzer mit hohem Harzgehalt
Band- und Kreissägen meist aus dem entrinde- und ringporige Laubhölzer, an der oberen Na-
ten Stamm gewonnen. Unterschieden werden die delhölzer ohne Kern und zerstreutporige Laub-
Schnittholzarten Latte, Brett, Bohle und Kant- hölzer. Vom Fasersättigungspunkt bis hinab zu
holz. einer Holzfeuchte von etwa 15 M.-o/o wird das
Nadelholz wird nach DIN 1052 den Güteklas- Wasser in den Kapillaren angelagert. Von 15 bis
sen I, II und III zugeordnet. Die Einordnung des 6 M.-o/o wird es durch Van-der-Waalssche Kräfte
Schnittholzes in diese Güteklassen erfolgt nach und unterhalb von 6 M.-o/o durch chemische Re-
DIN 4074 Teil1 anhand von Sortierkriterien. Die aktion an die Zellulosefasern gebunden.
Sortierklassen sind nach der zulässigen Biege· In Abhängigkeit vom Umgebungsklima stellt
festigkeit in DIN 1052 benannt. Mit steigender sich eine Gleichgewichtsfeuchte im Holz ein. Sie
zulässiger Biegefestigkeit nehmen die zulässigen beträgt z.B. in einem Klima mit 20°C und 65o/o
Zahlenwerte hinsichtlich Ästigkeit, Fasernei- relativer Luftfeuchte 12 M.-o/o. Bei lOOo/o relativer
gung, Jahrringbreite, Krümmung, Baumkanten- Luftfeuchte sind die Fasern der Zellwände ge-
anteil sowie Anteil von Holzverfärbungen und sättigt. In Abhängigkeit von der Holzfeuchte än-
Druckholz (am lebenden Baum durch Druck dern sich praktisch alle Holzeigenschaften.
überbeanspruchtes Holz) ab. Hinsichtlich Insek- Während mit steigender Holzfeuchte das Volu-
tenfraß, Rissen und Mistelbefall (die Wurzeln men zunimmt, verringern sich z. B. die Festigkeit
der Baumschmarotzer führen zu einer Perfora- und das Wärmedämmvermögen.
tion des Holzes) gelten in allen Sortierklassen
dieselben Beschränkungen. Als "scharfkantig" Schwinden, Quellen
wird Schnittholz ohne Baumkantenanteil be-
zeichnet. Seine Tragfähigkeit ist zwar aufgrund Wegen der Ausrichtung der Holzfasern sind das
des stärker gestörten Faserverlaufs im Vergleich Schwinden und das Quellen in den drei anato-
zu Schnittholz, dessen Seitenflächen von der Sä- mischen Hauptrichtungen sehr unterschiedlich.
ge lediglich gestreift wurden, nicht höher. Da Die hygrische Längenänderung verhält sich bei

3-6 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Buche Fichte
20 20

16
a.,
Quellen im Volumen 16 tB
-
'#. <lt
_!'; 12 Quellen tangential zur Faser ~ 12
c:::: c a.,
~ ~
/
"' 8 a,
"'5 8

I/
:::1
0
Quellen radia l zur Faser ----u;-
a,
4 <lt 4
a,
~
Quellen in Faserrichtung /
<lt <lt
0 0
0 20 40
Holzfeuchte in M.-%
60
I FSB Fasersättigungsbereich I 0 20 40
Holzfeuchte in M.-%
60

Abb. 3.1-4 Abhängigkeit des Quellensvon der Holzfeuchte [Kollmann 1951]

Durch ungleiche Anteile von radialem und tan-


gentialem Schwinden im Querschnitt kann sich
Schnittholz erheblich verziehen (Abb. 3.1-5). Die
Volumen- und Formstabilität bei wechselnden
klimatischen Umgebungsbedingungen, das sog.
"Stehvermögen", ist v.a. vom Unterschied zwi-
schen radialer und tangentialer hygrischer Län-
genänderung und von der Geschwindigkeit der
Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe abhängig.
Das Stehvermögen wird mit zunehmender hy-
grischer Längenänderung und Anisotropie so-
Abb. 3.1 -5 Verformungserscheinungen
wie zunehmender Geschwindigkeit der Holz-
feuchteänderung reduziert.

Nadelholz etwa wie 1:10:20 (Abb. 3.1-4). Unter- Dichte, Rohdichte


halb der Fasersättigung hängen das Schwinden
und das Quellen linear von der Holzfeuchte ab. Die Dichte ist bei fast allen Hölzern praktisch
Oberhalb der Fasersättigung haben wechselnde gleich, da sie sich hinsichtlich ihres Grundstof-
Holzfeuchten keinen Einfluß auf das Schwinden fes kaum unterscheiden. Sie beträgt etwa 1500
und Quellen. Bei der Beurteilung von Schwind- kg!m 3 für sehr harzreiches Holz und 1600 kglm 3
und Quellwerten ist darauf zu achten, daß auf für stark verkerntes Holz. Unterschiede in der
unterschiedliche Ausgangsmaße Bezug genom- Rohdichte zwischen den Hölzern ergeben sich
men wird: Während das Quellmaß üblicherwei- bei gleicher Holzfeuchte fast ausschließlich durch
se auf die Länge im darrtrockenen Zustand be- den Porenraum bzw. die Zellwanddicke. Die Roh-
zogen wird, bezieht man das Schwinden auf den dichte ist die wichtigste Eigenschaft des Holzes,
wassergesättigten Zustand. weil alle anderen physikalischen Eigenschaften
Um die hygrischen Längenänderungen im von ihr abhängen. Die Holzart hat den größten
Verlauf der Nutzungsdauer, das sog. "Arbeiten", Einfluß auf die Rohdichte. Im darrtrockenen Zu-
möglichst gering zu halten, sollte Holz mit dem stand liegen die Extremwerte bei 0,13 g/cm 3
Feuchtegehalt eingebaut werden, der der Gleich- (Balsaholz) und 1,23 g/cm 3 (Pockholz). Da auch
gewichtsfeuchte beim mittleren Nutzungsklima das Wachstum eine wesentliche Rolle spielt, ist
entspricht. Infolge Schwindens können sich z. B. die Rohdichte stark von der Lage im Stamm ab-
Anschlüsse lockern; durch Quellen können er- hängig und kann bei Bauholz um ±35% vom
hebliche Drücke aufgebaut werden, die u. U. zu Mittelwert abweichen. Auch Standort und Um-
großen Zwängungsbeanspruchungen führen. weltbedingungen wirken sich auf die Rohdichte

Baustoffe 3-7
aus. Mittelwerte der Rohdichten gebräuchlicher
Hölzer können DIN 68364 (bei Raumklima) ent-
nommen werden. Die Rohdichte in Abhängig-
keit von der Holzfeuchte läßt sich nach DIN
52182 ermitteln.

Thermische Eigenschaften

Der Wärmedehnungskoeffizientistv.a. vom Win-


kel zur Faser abhängig. In Faserrichtung ist er
praktisch unabhängig von der Rohdichte und
damit auch von der Holzart und mit 3 bis 8 ·10-6 Abb. 3.1-6 Probekörper nach der Druckfestigkeitsprü-
K-1 nur etwa halb so groß wie bei anorganischen fung [König 1972]
Baustoffen, so daß der Einfluß von Temperatur-
dehnungen nach DIN 1052 i.d.R. vernachlässigt
werden darf. Quer zur Faser ist er dagegen sehr in Faserrichtung erfaßt. Aus Gründen der besse-
stark von der Rohdichte abhängig. Am größten ren Handhabbarkeit wird er i.allg. im Biegever-
ist er in Tangentialrichtung (etwa 30 bis 60 ·10-6 such ermittelt.
K-1) und etwas niedriger in Radialrichtung. Die Zugfestigkeit der trockenen, fehlerfreien
Die Wärmeleitfähigkeit wird v. a. durch die Holzfaser liegt mit 300 bis 600 Mpa, bezogen auf
Rohdichte und die Holzfeuchte bestimmt. Sie ist die Fläche der Zellwand, im Bereich der Zugfe-
in Faserrichtung etwa doppelt so groß wie quer stigkeit von Stahl. Die in der Praxis ansetzbaren
dazu. Nach [Kollmann 1951] kann sie mit Hilfe Festigkeiten sind jedoch viel geringer, da die auf-
der Rohdichte und unter Berücksichtigung der nehmbare Kraft auf den Gesamtquerschnitt
Holzfeuchte berechnet werden. Rechenwerte einschließlich der Poren bezogen werden muß
sind in DIN V 4108 Teil 4 gegeben. und die beschriebenen Inhomogenitäten und
Die spezifische Wärmekapazitätwird am stärk- Fehler zu berücksichtigen sind.
sten von der Holzfeuchte und kaum von der Roh- Zwischen der Rohdichte und den Festigkeiten
dichte beeinflußt. Bei einer mittleren Holzfeuch- der Hölzer besteht ein linearer Zusammenhang.
te von 12M.-% ergibt sich für alle Hölzer eine im Dieser ist beispielhaft für Fichte mit 15 M.-%
Vergleich zu anderen Baustoffen deutlich höhe- Holzfeuchte in Abb. 3.1-7 dargestellt. Die Druck-
re spezifische Wärmekapazität von 1,6 kJ I (kg ·K). festigkeit ist in Faserrichtung im Mittel etwa halb
Der Rechenwert von 2,1 kJ/(kg ·K) nach DIN V so groß wie die Zugfestigkeit. Die Biegefestigkeit
4108 Teil 4 entspricht einem Wert am oberen liegt etwa 10% bis 20% unter der Zugfestigkeit.
Rand des Fasersättigungsbereiches. Die Scherfestigkeit beträgt etwa ein Zehntel der
Zugfestigkeit.
Festigkeiten und elastisches Verhalten Die Festigkeiten und die E-Moduln der Höl-
zer sind in hohem Maße abhängig vom Winkel
Bedingt durch die Röhrenbündelstruktur, ist zwischen Kraftangriff und Faser (Abb. 3.1-8).
Holz v.a. für die Aufnahme von Kräften in Fa- Schon bei geringer Abweichung der Last- von
serrichtung geeignet. Die höchste Festigkeit wird der Faserrichtung nimmt v.a. die Zugfestigkeit
unter Zugbeanspruchung erreicht. Unter Druck- stark ab. Unter einem Faser-Last-Winkel von 45°
beanspruchung in Faserrichtung versagt Holz beträgt sie bereits weniger als 20% und unter 90°
durch Ausknicken der Faserbündel sowie ggf. weniger als 10%. Hierbei ist zu beachten, daß die
durch Aufreißen des Verbunds zwischen den Ge- Festigkeiten an fehlerfreien Proben ermittelt
fäßen. Bei weiterer Belastung bildet sich eine wurden, in der Praxis liegt die Zugfestigkeit aber
Gleitebene schräg zu den Fasern (Abb. 3.1-6) aus. quer zur Faser aufgrund von Rissen und Ästen
Von großer Bedeutung ist das im Vergleich zu nahe Null.
anderen klassischen Werkstoffen wie Stahl und Eine deutlich geringere Abhängigkeit vom Fa-
Beton wesentlich günstigere Verhältnis von Fest- ser-Last-Winkel weist die Druckfestigkeit auf: Sie
igkeit zu Eigengewicht. Bei Zugbeanspruchung beträgt bei 45° immerhin noch über 40%. Die
verhält sich Holz bei mittlerer Holzfeuchte bis Druckfestigkeit quer zur Faser ist dabei als Span-
kurz vor dem Bruch elastisch. Das elastische Ver- nung bei 1% Stauchung definiert. Die Kopplung
halten des Holzes wird meist mit dem E-Modul an die Stauchung ist erforderlich, weil sich die

3-8 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


90 18000
80 16000
'E
'E 70 14000 .€:z
.€:z .!:
.!: 60 11000 :;
"0
0
E
~50 10000
·s; :E·;::;
~ 40 8000 ·~

30 6000 "'
w

20 4000
300 350 400 450 500
Rohdichte darrtrocken in kgfml

Abb. 3.1-7 Abhängigkeit der Festigkeiten und des E-Moduls von Fichtenholz mit einer Feuchte von 15M.-% von der Rohdichte
im darrtrockenen Zustand [Würgler/Strässler 1976]

100

80

;§!.
.!: 60
~
"'
·~ 40
.....
CU
Druckfestigkeit
20 Biegefestigkeit

0
oo 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70°
Winkel a zwischen Faser- und Lastrichtung

Abb. 3.1-8 Abhängigkeit der Festigkeitendes Holzes vom Winkel zwischen Beanspruchungs- und Faserrichtung [Würgler/
Strässler 1976]

Röhrenbündel soweit zusammendrücken lassen, teils) und der Jahrringverlauf einen wesentli-
bis die Höchstspannung bei Porenfreiheit er- chen Einfluß haben.
reicht wird. Auch die Holzfeuchte hat einen bedeutenden
Die Biegefestigkeit liegt wegen des kombinier- Einfluß auf die Festigkeiten (Abb. 3.1-10). Zur
ten Beanspruchungszustands (teils Zug teils besseren Vergleichbarkeit sind die Festigkeiten
Druck) und einer geringeren Druck- als Zug- in Faserrichtung in diesem Bild bei einer Holz-
festigkeit des Holzes zwischen der Zug- und der feuchte von 12 M.-o/o jeweils zu 100% gesetzt. Bei
Druckfestigkeitskurve nahe bei letzterer. Oo/o Holzfeuchte sind Druck- und Biegefestigkeit
Für beliebige Faser-Last-Winkel kann die am größten. Mit steigender Holzfeuchte quellen
Druckfestigkeit z. B. nach der in DIN 1052 ge- und erweichen die Holzfasern zunehmend, wo-
nannten Formel berechnet werden. In [Hankin- durch die Festigkeiten abnehmen. Am stärksten
son 1921] wird sowohl für die Festigkeiten als ist hiervon die Druckfestigkeit betroffen, da die
auch für den E-Modul die Abhängigkeit vom Fa- angelagerten Wassermoleküle v.a. den Verbund
ser-Last-Winkel in Formeln angegeben. Abbil- der Holzfasern untereinander mindern. Ober-
dung 3.1-9 basiert auf diesen Formeln. Quer zur halb der Fasersättigung ändern sich die Festig-
Faser ist die Verformung wesentlich größer als keiten praktisch nicht mehr, da die Feuchtigkeit
in Faserrichtung, wobei die Vorholzlänge (nicht nur noch als freies Wasser aufgenommen wird.
beanspruchter Teil eines quer belasteten Bau- Je besser die Holzqualität ist, desto größer ist die

Baustoffe 3-9
12,5
............

10,0
['\_
..........
'E
~ 7,5
~\
z
\
--
'§ 5,0 [ \Laubholz
.!:

2,5
Nadelholz
K "'-- ~ r--
0
0 30° 60°
Winkel zwischen Kraft- und Faserrichtung

Abb. 3.1-9 Abhängigkeit des E-Moduls vom Winkel zwischen Kraft- und Foserrichtung [Wesche 1988]

180

160 r--...
............
140 r-....

-
120 1--

--
~

"""
.!: ~[\..
~
~100
~~
0>

~ 80 Zugfestigkeit -
"-.......
........
Biegefestigkeit

-
60

40
Druckfe1stigkeit
0
0 10 15 20 25 30 35 40
Holzfeuchte in M.-%

Abb. 3.1-10 Abhängigkeit der Festigkeiten in Faserrichtung von der Holzfeuchte [Kollmann 1951]; Ausgleichskurven, bezogen
ouf eine Holzfeuchte von 12M.-%

Abhängigkeit von der Holzfeuchte. Der Einfluß Von Bedeutung ist der Temperatureinfluß z. B. bei
der Holzfeuchte auf den E-Modul (ermittelt im Dachkonstruktionen und im Brandfall außerhalb
Biegeversuch) ist verhältnismäßig gering und des Brandbereichs. Die Temperatur beeinflußt
entspricht oberhalb einer Holzfeuchte von 6 M.- den E-Modul ähnlich wie die Festigkeiten.
% dem auf die Zugfestigkeit. Aus Abb. 3.1-11 ist Die Dauerstandfestigkeit von Vollholz ist mit
der große Einfluß der Holzfeuchte auf das Druck- weniger als 60% der Kurzzeitfestigkeit relativ ge-
spannungs-Dehnungs-Verhalten (hier in Faser- ring. Bei fehlerfreier trockener Fichte beträgt sie
richtung) ersichtlich. Je geringer die Holzfeuch- sogar nur SO%.
te ist, desto ausgeprägter ist der Hookesche Be- Die Dauerschwingfestigkeit kann mit 106 Last-
reich. Darrtrockenes Holz ist praktisch voll ela- spielen abgeschätzt werden. Bezogen auf die
stisch. Kurzzeitfestigkeit im statischen Versuch, beträgt
Mit zunehmender Temperatur verringert sich die Wechselbiegefestigkeit 25% bis 40%. Mit Aus-
die Festigkeit von Holz. Bei fehlerfreiem europäi- nahme der Holzfeuchte, die einen doppelt so
schem Nadelholz ist je 10 K mit einer Abnahme großen Einfluß auf die Dauerschwingfestigkeit
von 5% bei der Druck- und der Biegefestigkeit ausübt, wird sie von den anderen Einflußfakto-
und 1% bei der Zugfestigkeit zu rechnen (Aus- ren in gleicher Weise beeinflußt wie die statische
gangspunkt: 20°C; Holzfeuchte: 10 bis 15M.-%). Festigkeit.

3-10 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


80
/
~ u = 0,7M.-%
70
e 60 /
~
z
so /
.5
/
// -
0>
<= 40
"
<=
<=
"'0. 30
/ ~ u = 18,4 M.-%

-E2 20
,
~
0
u"'= 43 M.-%
10
0V
0 0,5 1,0
Dehnung Ein%

Abb. 3.1-11 Sponnungs-Dehnungs-linien von Fichtenholz bei verschiedenen Holzfeuchten u [Wesche 1988)

Fehlerfreies, darrtrockenes Holz verhält sich den Verschleißwiderstand erheblich verbessern.


unter Zugbeanspruchung rein elastisch. Mit zu- Einige Holzarten sind gegenüber chemischen
nehmender Holzfeuchte kriecht Holz jedoch zu- Substanzen verhältnismäßig widerstandsfähig.
nehmend. Bei häufigen Wechseln zwischen trok- Dies gilt v.a. für die Beanspruchung durch Lau-
kener und feuchter Beanspruchung kann Holz gen und Säuren mit pH-Werten zwischen 3 und
noch wesentlich stärker kriechen als bei gleich- 10. Holz wird daher in zunehmendem Maße
bleibender Feuchte. Ähnlich wie die Holzfeuch- beim Bau von Lagerhallen mit korrosivem Kli-
te wirkt sich auch zunehmende Temperatur auf ma (chemische Industrie, Salzlager für den
das Kriechen aus. Allgemein ist in Faserrichtung Straßen-Winterdienst usw.) verwendet.
mit Kriechzahlen zwischen 0,2 und 2,0 zu rech- Holz entzündet sich bei Temperaturen zwi-
nen. Quer dazu sind Werte bis 3,0 anzusetzen. schen 330°C und 470°C selbst. Dünne Quer-
schnitte können sich unter lang andauernder
Härte Einwirkung hoher Temperaturen sogar schon
bei weniger als 200°C selbst entzünden. Ist eine
Die Härte von Holz kann anhand des Verfahrens äußere Zündquelle vorhanden, brennt Holz aber
nach Brinell (DIN EN ISO 6506 Teil1) charakte- schon ab etwa 225 oc. Ab 250 oc bis 300 oc bildet
risiert werden. Sie wird durch Eindrücken einer sich auf der Holzoberfläche eine Holzkohle-
Stahlkugel in die Holzoberfläche bestimmt. Die schicht. Durch die gegenüber unbeanspruchtem
Härte kann als Spannungswert - berechnet aus Holz um 80% geringere Wärmeleitfähigkeit der
der Eindruckkraft, bezogen auf die Eindruck- Holzkohleschicht wird die Geschwindigkeit der
oberfläche - ausgedrückt werden. Die Härte sehr Schädigung erheblich verzögert. Dadurch kön-
weicher Hölzer (z.B. Weymouthkiefer) unter- nen entsprechend konstruierte Bauteile in recht
scheidet sich von der sehr harter Hölzer (z.B. hohe Feuerwiderstandsklassen eingeordnet
Pockholz) etwa um den Faktor 10. In Faserrich- werden (s. DIN 4102 Teil 4). Die Widerstands-
tung ist die Härte etwa doppelt so groß wie quer fähigkeit des Holzes wächst mit
dazu. Rohdichte und Holzfeuchte sind weitere - größer werdender Rohdichte,
wesentliche Einflußfaktoren. - zunehmender Feuchte,
- wachsendem Verhältnis von Volumen zu Ober-
Dauerhaftigkeit fläche,
- abnehmendem Harzgehalt,
Der Verschleißwiderstand spielt z. B. bei Böden - kleiner werdender Anzahl und Größe von Ris-
eine wichtige Rolle. Er wächst mit steigender sen.
Rohdichte und Härte sowie abnehmender Holz-
feuchte. Darüber hinaus ist er bei stehenden Jah- Die Abbrandgeschwindigkeiten sind in Faser-
resringen größer als bei liegenden. Oberflächen- richtung etwa doppelt so groß wie quer zur Faser.
schutzsysteme (z.B. Imprägnierungen) können

Baustoffe 3-11
3.1.1.5 inneren Lagen variiert zwischen 7 und 27 mm.
Holzwerkstoffe Es werden Platten mit einer Breite bis 2 m und
einer Länge bis 20 m bei Dicken bis 40 mm her-
Allgemeines gestellt. Die mechanischen Eigenschaften sind
mit denen von Baufurniersperrholz und Fur-
Holzwerkstoffe haben in den letzten Jahren stark nierschichtholz vergleichbar.
an Bedeutung gewonnen. Im Vergleich zu Voll- Unter Systembauteilen versteht man z. B. Holz-
holz ermöglichen sie nicht nur eine wesentlich blocktafeln, die aus kreuzweise verleimten Brett-
wirtschaftlichere Ausnutzung des Rohstoffes lagen zusammengesetzt sind und im genormten
Holz, sondern erlauben auch andere Formgebun- Rastermaß des Vielfachen von 12,5 cm zur Ver-
gen. Dadurch ergibt sich eine Fülle neuer Anwen- fügung stehen. Durch ihre große Holzmasse wei-
dungsmöglichkeiten. So können z. B. sehr große sen sie eine hohe Wärme- und Schalldämmung,
dreidimensionale Dachschalen gebaut werden, Feuerwiderstandsdauer und Festigkeit auf, wes-
die aus großen vorgefertigten Teilen bestehen. halb sie für Wandscheiben im Wohnungsbau
Darüber hinaus sind sie auch eine Basis der ra- und für gewerbliche Objekte dienen können.
santen Entwicklung im Geschoßwohnungsbau,
wo ebenfalls vorgefertigte Großtafeln eingesetzt Lagenholz
werden. In vielen Fällen weisen die Holzwerk-
stoffe gegenüber Vollholz bessere technische Ei- Furnierschichtholz wird aus etwa 3 mm dicken
genschaften auf. Bauaufgaben, die bisher anderen Nadelholz-Schälfurnierblättern mit Phenolharz
Stoffen vorbehalten waren, können mit den neu- verleimt. Die Längsstöße der Furniere sind ent-
en Materialien problemlos wirtschaftlich bewäl- weder geschäftet oder überlappt. Die Furniere
tigt werden. Zum Teil sind die im folgenden ge- sind bei einigen Fabrikaten ausschließlich faser-
nannten Holzwerkstoffe noch nicht genormt, son- parallel angeordnet. Es gibt aber auch Ausfüh-
dern können nur auf der Basis einer allgemeinen rungen, bei denen ein kleiner Anteil von Furnier-
bauaufsichtliehen Zulassung oder einer Zustim- lagen quer zur Plattenrichtung liegt; sie bieten
mung im Einzelfall genutzt werden. bei flächigen Anwendungen und insbesondere
Feuchtebeanspruchung wegen der geringeren
Brettholz hygrischen Längenänderung Vorteile. Aus Fur-
nierschichtholz werden Platten bis 24 m Länge,
Brettschichtholz (BSH) ist aus Brettern bis etwa 1,8 m Breite und rd. 9 cm Dicke hergestellt. An-
40 mm (meist 33 mm) Dicke,400 mm (meist 220 wendung findet Furnierschichtholz sowohl bei
mm) Breite und rd. 2,50 m Länge zusammenge- balkenförmigen als auch plattenförmigen Bau-
leimt. An den Kopfenden sind die Bretter durch teilen. Balken werden als Streifen aus den Roh-
Keilzinkung miteinander verbunden. Nach DIN platten gesägt und wie Brettschichtholz verwen-
1052 müssen Nadelhölzer verwendet werden (in det. Zur Bildung größerer Querschnittshöhen
Deutschland praktisch ausschließlich Fichten- kann es entweder lagenweise oder auch mit Voll-
holz). Ein wesentliches Argument für die Ver- holz z.B. zu n-Platten verleimt werden.
wendung sind Querschnitts- und Trägerformen Furnierstreifenholz, auch PSL (Parallel Strand
mit Abmessungen, welche die mit Vollholz er- Lumber) genannt, wird aus rd. 2m langen, 13 mm
reichbaren mehrfach übertreffen. So wurden breiten und 3mm dicken Nadelholz-Furnier-
Träger mit einer Höhe von 2,30 mundüber 100m streifen hergestellt. Die Streifen werden allseitig
Spannweite ebenso realisiert wie dreidimensio- mit Phenolharz beleimt und längenversetzt
nal gekrümmte Strukturen. Da Holzfehler aus flächen- sowie faserparallel zu endlosen Balken
den Brettern herausgeschnitten werden können mit Querschnitten bis etwa 30 cm x 50 cm verar-
und sich durch entsprechende Sortierung und beitet. Die auf 20m ab gelängten Stücke können
Trocknung sowohl die mittlere Festigkeit er- anschließend zu beliebigen Querschnitten zer-
höhen als auch deren Schwankungsbreite redu- teilt werden. PSL zeichnet sich durch hohe Bie-
zieren läßt, können höhere Spannungen als bei ge- und Schubfestigkeit aus.
Vollholz zugelassen werden (s. DIN 1052). Ver-
wendet wird BSH v. a. für Binder und Sparren. Sperrholz
Multiplan-Platten bestehen aus drei bis fünf
Lagen kreuzweise verleimter Nadelholzbretter. Sperrholz wird hinsichtlich seiner Feuchtebe-
Die äußere Lage ist etwa 7 mm dick, die Dicke der ständigkeit in drei verschiedenen Qualitäten

3-12 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


entsprechend den Holzwerkstoffklassen nach Spanholz
DIN 68705 Teil2 (20, 100, lOOG) angeboten.
Furniersperrholz besteht aus drei bis sieben Unter Spanplatten versteht man i. allg. Platten
Lagen 0,1 bis 6 mm dicker Furniere, die abwech- aus kurzen Spänen von wenigen Zentimetern
selnd rechtwinklig zueinander verklebt sind. Länge. Als Bindemittel werden meist Kunstharz,
Hierdurch wird erreicht, daß Schwinden und seltener Zement, Gips und Magnesit verwendet.
Quellen sowie die Festigkeiten in den beiden Die Späne bestehen aus Holz, aus dem kein Bau-
Hauptrichtungen (Faserrichtungen) nahezu holz mehr gewonnen werden kann, d.h. Abfall-
gleich sind. Die hygrischen Längenänderungen oder Altholz. Es werden aber auch andere holz-
werden auf Werte parallel zur Faser reduziert. artige Faserstoffe verwendet. In der Mittellage
Sperrholz eignet sich daher v. a. für flächige Ele- können bis zu 20o/o durch Altpapier ohne Festig-
mente. keitsverlust ersetzt werden. über die Rohstoff-
Baufurniersperrholz ist in DIN 68705 Teil2 ge- wahl und das Herstellverfahren lassen sich die
normt und wird für Decken-, Dach- und Wand- Eigenschaften der Spanplatten in einem weiten
scheiben verwendet. Baufurniersperrholz aus Bereich variieren. Gips als Bindemittel bedingt
Buchenfurnier weist eine besonders hohe Druck- z. B. sehr geringes Schwinden. Allgemein wird
festigkeit senkrecht zur Plattenebene und Schub- der Feuerwiderstand durch mineralische Binde-
festigkeit senkrecht zur und in Plattenebene auf. mittel deutlich erhöht.
Betonschalungssperrholz zeichnet sich durch Man unterscheidet Flachpreßplatten (Markt-
besonders hochwertige Oberflächen aus, um das anteil: rd. 95o/o) und Strangpreßplatten. In Flach-
Ausschalen und Reinigen sowie die Haltbarkeit preßplatten sind die Späne parallel zur Platten-
bzw. Verschleißfestigkeit zu verbessern. Hierfür ebene orientiert. In Plattenebene weisen sie in al-
werden z.B. mit Phenolharz getränkte Glasfa- len Richtungen gleiche Eigenschaften auf. Die
sermatten und in Fertigteilwerken sogar Metal- mechanischen Eigenschaften sind schlechter als
le verwendet. die von Vollholz in Faserrichtung. Mit abneh-
Großflächenschalungsplatten gibt es mit35m2 mender Verbundlänge der Späne werden die Fe-
Fläche bei 30 mm Dicke. stigkeiten geringer. Spanplatten sind sehr kosten-
Mittellagensperrholz besteht aus einer Mittel- günstig herzustellen und werden daher am mei-
lage 7 bis 30 mm breiter miteinander verleimter sten von allen Holzwerkstoffen produziert. An-
Vollholzleisten und zwei einige Millimeter dik- wendung finden sie in allen Bereichen mit ge-
ken Furnierdecklagen. Es ist in DIN 68705 Teil4 ringen Anforderungen an die Festigkeit, z. B. im
genormt. Bei Stäbchensperrholz werden für die Holztafelbau als aussteifende Beplankung. An-
Mittellage 7 mm dicke Schälfurnierstreifen ver- forderungen an Spanplatten für tragende Bau-
wendet. Die senkrecht zur Plattenebene stehen- teile sind in DIN EN 312 Teil 7 enthalten. Bei
den Jahrringe führen zu einer sehr geringen hy- Strangpreßplatten liegen die Späne, bedingt durch
grischen Längenänderung in Plattenebene. den kontinuierlichen Preßvorgang in einem
Für Kunstharzpreßholz (KPH) werden 8 bis 36 Formkanal, rechtwinklig zur Plattenebene. We-
mit Phenolharz getränkte Buchenfurnierlagen gen der geringen Biegefestigkeit werden sie nur
unter hohem Druck und hoher Temperatur zu- mit Beplankung z. B. für Türen und Wandver-
sammengepreßt. Die Rohdichte liegt zwischen kleidungen verwendet.
800 und 1500 kglm 3• Die Furniere werden je nach OSB-Platten (OSB Oriented Strand Board)
den gewünschten Eigenschaften lagenweise ent- sind in DIN EN 300 definiert. Sie werden aus 60
weder faserparallel, kreuzweise oder sternför- bis 75 mm langen und 0,6 mm dicken rechtecki-
mig verleimt. Weitestgehende Richtungsunab- gen Flachspänen in drei Lagen hergestellt. Die
hängigkeit der Eigenschaften in der Plattenebe- Flachspäne gewinnt man durch Brechen von
ne kann durch Verleimung mit !5°-Versatz er- Schälfurnieren (vorwiegend Kiefer). In den Deck-
reicht werden (Sternholz). KPH zeichnet sich schichten sind die Späne in der Hauptbeanspru-
durch sehr hohe Festigkeiten, hohe Abrieb- und chungsrichtung (Plattenlängsrichtung) ausge-
Verschleißfestigkeit, gute Dauerhaftigkeit und richtet, in der Mittellage quer dazu. Die mit we-
Temperaturbeständigkeit aus. Anwendung fin- nigen Prozent Phenolharz verleimten Platten
det es im Industriebodenbereich sowie im Klär- sind 6 bis 25 mm dick, bis 5,0 m lang und bis 2,5 m
anlagenbau. breit. Die zulässigen Spannungen liegen zwi-
schen Baufurnier-Sperrholz und Flachpreß-
Spanplatten. Verwendet werden OSB-Platten als

Baustoffe 3-13
mittragende Beplankung für Elemente in Holz- Kombinationsbauteile
tafelbauweise, Dachschalungen sowie Fußbo-
den- und Wandbeläge. Träger werden immer häufiger aus verschiede-
Langspanholz, auch LSL (Laminated Strand nen Werkstoffen zusammengesetzt. Angeboten
Lumber) genannt, besteht aus bis zu 30 cm lan- werden I-Träger mit Gurten aus sehr druck- und
gen, bis 4 cm breiten und 0,9 cm dicken Spänen zugfestem Furnierschicht- oder Vollholz und
des schnell wachsenden nordamerikanischen Stegen aus sehr schubfesten OSB-Platten oder
Aspenholzes (Pappelart). Die Späne werden all- auch Holzfaserplatten. Darüber hinaus sind auch
seitig beleimt und faser- sowie flächenparallel, 1- und Doppel-I-Träger mit Vollholzgurten und
aber längenversetzt mit einem Polyurethan-Kle- Stegen aus 0,5 mm dicken Blechen bekannt. Die
ber unter Druck verleimt. Die Herstellung um- Stege sind durch Nuten in die Gurte eingebun-
faßt sowohl balken-als auch plattenförmige Bau- den. Die Liefedängen der Kombination Furnier-
teile. Die Plattengrößen reichen bis 2,3 m x 10,7 m schichtholz/OSB reichen bis 22 m.
bei einer Dicke bis 14 cm. Kleinere Querschnitte
werden als Streifen aus Platten gesägt. Anwen- 3.1.1.6
dung finden die großformatigen Platten im Dach- Holzschädlinge, Holzschutz
und Fassadenbereich. Ebenso werden zusam-
mengesetzte Querschnitte aus Voll- und Lang- Unter bestimmten Randbedingungen kann Holz
spanholz (z. B. Plattenbalken) produziert. Für die von pflanzlichen und tierischen Holzschäd-
Anwendung ist z.Zt. noch eine bauaufsichtliche lingen befallen werden. Die größten Schäden
Zustimmung im Einzelfall erforderlich. Eine all- werden durch Pilze verursacht. Ganz allgemein
gemeine bauaufsichtliche Zulassung ist bean- fördern Holzfeuchten über 20M.-% und Tempe-
tragt. raturen oberhalb üblicher Raumtemperaturen
Holzwolle-Leichtbauplatten werden aus Holz- den Befall. Pilze schädigen Holz durch chemi-
wolle mit mindestens 80 mm Spanlänge und ei- schen Abbau, tierische Schädlinge durch Zerna-
nem mineralischen Bindemittel (Zement, Gips gen. Irrfolge des biologischen Angriffs können
oder Magnesit) hergestellt. Bei Magnesitbin- die Festigkeiten bis aufNull abnehmen. Manche
dung bleibt Holzwolle zäh, während sie bei Ver- Pilze und Insekten beschränken sich auf Nadel-
wendung von Zement und Gips versprödet. oder Laubholz oder sogar nur auf bestimmte
Holzwolle-Leichtbauplatten sind nach DIN 4102 Holzarten, andere bevorzugen zwar bestimmte
Teil4 schwer entflammbar; sie finden als Wärme- Hölzer, sind aber auch auf bzw. in anderen an-
schutz, Zwischenwände und Bekleidungen Ver- zutreffen. In erster Linie wird das Splintholz be-
wendung. fallen; bestimmte Pilze können aber auch Kern-
holz abbauen. Einige Tropenhölzer enthalten
Faserholz Kerninhaltsstoffe, die gegen Pilzbefall weitge-
hend schützen. Die eindeutige Identifizierung
Zur Herstellung von Faserplatten wird Nadel- pflanzlicher und tierischer Holzschädlinge soll-
holz minderwertiger Qualität einschließlich der te grundsätzlich Fachleuten vorbehalten blei-
Rinde verwertet. Das Holz wird als Hackschnit- ben.
zel ggf. unter Zumischung anderer pflanzlicher Pilze entwickeln sich aus Sporen. Unter günsti-
Faserstoffe in Wasserdampf aufgeschlossen und gen Bedingungen keimen sie, und es bildet sich
durch profilierte Mahlscheiben zerfasert. Die Art eine Keimhyphe, von der weitere Hyphen abge-
des Bindemittels und der Zusätze sowie der Grad hen, die sich schließlich zu einem Pilzgeflecht,
der Verdichtung bestimmen die Eigenschaften. dem Myzel, verdichten. Schließlich entstehen die
Entsprechend der Rohdichte werden poröse, mit- Fruchtkörper mit dem sporenbildenden Gewebe.
teldichte und dichte (harte) Faserplatten unter- Die Hyphenspitzen sondern Enzyme ab, die die
schieden. Durch die regellose Anordnung der Fa- Holzsubstanz abbauen. Pilze, die überwiegend
sern sind die mechanischen Eigenschaften der Zellulose abbauen und das braune Lignin übrig
Holzfaserplatten in allen Richtungen etwa gleich. lassen, werden "Braunfäulepilze" genannt; sie
Im konstruktiven Ingenieurbau finden Hartfa- treten vornehmlich bei Nadelhölzern auf. Das
serplatten z.B. Anwendung im Steg von I-Trä- befallene Holz reißt irrfolge des Austrocknens
gern. und starken Schwindens längs und quer in recht-
eckige Stücke auf, wodurch der typische Würfel-
bruch entsteht. Mit zunehmendem Befall wird

3-14 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


das Holz immer spröder. Im Endstadium läßt es rend er eine Holzfeuchte von 40 M.-o/o braucht,
sich zwischen den Fingern zerreiben."Weißfäu- benötigt der Braune Kellerschwamm eine Holz-
le" wird durch Pilze hervorgerufen, die sowohl feuchte von über 50 M.-o/o.
Zellulose als auch Lignin abbauen. Sie ist bevor- Zu den Pilzen, die das Holz lediglich verfär-
zugt bei Laubhölzern anzutreffen und hellt das ben, aber nicht abbauen, gehören Bläuepilze und
Holz vielfach auf. Das Holz schrumpft ohne Ris- Schimmelpilze. Beide Pilzgruppen benötigen
se; es wird weich und faserig. Holzfeuchten oberhalb der Fasersättigung.Bläue-
Der häufigste, gefährlichste und am schwie- pilze befallen insbesondere Nadelholz, und zwar
rigsten zu bekämpfende holzzerstörende Pilz ist vornehmlich Kiefer, aber auch Laubholz (z.B.
der Echte Hausschwamm (serpula lacrimans), Buche) und verschiedene Tropenhölzer. Bei Kern-
der zu den Braunfäulepilzen gehört und auch hölzern wird ausschließlich das Splintholz be-
Laubholz nicht verschont. Zu finden ist er im bo- fallen, da nur dort für die Pilze verwertbare Zell-
dennahen Bereich von Altbauten sowie nach un- inhaltsstoffe vorkommen. Bläuepilze bauen i. allg.
sachgemäßen Umbauten und Instandsetzungen die Zellwände nicht ab und verursachen deshalb
von Altbauten. In Neubauten tritt er dagegen nur auch keine Festigkeitsverluste des Holzes. Die im
äußerst selten auf. Als einziger pflanzlicher Holz- Querschnitt gut sichtbare Verblauung wird von
zerstörer ist er entsprechend den Bauordnungen dunkel gefärbten Pilzhyphen hervorgerufen, die
der Länder meldepflichtig. Er benötigt zu seiner sich bevorzugt in den nährstoffreichen Holz-
Entstehung nur feuchtes Holz, wobei er mit ge- strahlen ausbreiten und durch das Holz schim-
ringerer Holzfeuchte auskommt als andere Ge- mern.Aufgrund der Lichtbrechung erscheint das
bäudepilze. Darüber hinaus paßt er sich den Holz blau bis grauschwarz. Man unterscheidet
Umweltbedingungen weitgehend an und wächst Stammholzbläue (bereits am stehenden Baum),
unter bestimmten Bedingungen auch auf trocke- Schnittholzbläue und Anstrichbläue (Pilze kön-
nem Holz weiter. nen Anstrichfilme durchwachsen), die jeweils
Beim Hausschwamm bildet sich ein weißer, von bestimmten Pilzarten hervorgerufen wer-
watteartiger Myzelrasen, der sich später zu Häu- den.
ten zusammenzieht, aus denen sich kräftige, bis Schimmelpilze verfärben ebenfalls das Holz,
bleistiftdicke Myzelstränge bilden, die bis zu wachsen aber mit ihrem grünen bis blaugrünen
8 mm pro Tag wachsen können. Der Fruchtkör- oder schwärzlichen Rasen nur auf der Ober-
per hat die Form eines Fladens mit einem Durch- fläche des Holzes, ohne tiefer als 0,5 mm in das
messer bis zu einem Meter, ist innen rostbraun Innere einzudringen. Da sie nur von den Holzin-
und hat einen weißen Zuwachsrand. Wegen sei- haltsstoffen angeschnittener Zellen und eventu-
nes hochentwickelten Oberflächenmyzels bzw. ell vorhandenen Verunreinigungen leben, ohne
Strangmyzels kann er sich meterweit über holz- die Zellwände anzugreifen, verursachen sie
freie Stoffe ausbreiten und sogar Mauerwerk ebenfalls keine Festigkeitsverluste des Holzes.
durchwachsen. Er ist zwar, wie alle Pilze, auf ei- Weil sehr feuchte, unbewegte Luft ihr Wachstum
nen äußeren Feuchtigkeitszutritt angewiesen, begünstigt, sind sie ein Indikator für die poten-
kann die Feuchtigkeit aber über eine Entfernung tielle Gefährdung durch holzzerstörende Pilze.
von einigen Metern heranschaffen. Zu seiner Holzschäden durch Tiere werden v. a. von In-
Bekämpfung sind daher zuerst einmal sämtliche sekten - insbesondere Käfern - verursacht. In-
Feuchtigkeitsquellen auszuschalten. sekten durchlaufen vier Entwicklungsstadien: Ei
Weitere gefährliche und häufig auftretende -Larve- Puppe- Vollinsekt (Imago). Geschä-
Gebäudepilze sind der Braune Kellerschwamm digt wird das Holz ausschließlich durch die Lar-
(coniophora puteana), auch "Brauner Warzen- ven, deren Stadium mehrere Jahre dauern kann.
schwamm" genannt, und der Weiße Poren- Der in Mitteleuropa verbreitetste und gefähr-
schwamm (poria vailantii).Diese beiden Pilze be- lichste Käfer ist der Hausbockkäfer (hylotrupes
fallen ebenfalls vorwiegend Nadelholz- seltener bajulus). Er befällt ausschließlich Nadelholz, und
Laubholz - und verursachen Braunfäule. Sie sind zwar v. a. das eiweißreiche Splintholz. Dieser Kä-
sowohl in Alt- als auch in Neubauten bis ins Dach- fer kommt am häufigsten in Dachstühlen vor, da
geschoß anzutreffen. Der Braune Kellerschwamm er Temperaturen um 30°C braucht. Weil er auch
ist der am schnellsten wachsende Bauholzpilz; er Holzfeuchten um 30 M.-o/o benötigt, ist er in
führt zu ebenso großen Zerstörungen wie der feuchten Gebieten (Flußtäler, Küstenbereiche)
Echte Hausschwamm. Der Weiße Porenschwamm häufiger anzutreffen. Der Befall ist lediglich an
hat eine ähnlich große Zerstörungskraft Wäh- 5 bis 10 mm großen, ovalen Löchern im Holz zu

Baustoffe 3-15
erkennen, durch die die Käfer das Holz verlassen. Instituts für Bautechnik (DIBt) haben. Es stellt
Derweibliche Käfer ist 10 bis 25 mm lang, die Lar- sicher, daß die Wirksamkeit und die gesundheit-
ve bis zu 30 mm. Unter der papierdünnen Hol- liehe Unbedenklichkeit nachgewiesen wurden.
zaberfläche ist das Splintholz häufig weitgehend Im Prüfbescheid sind neben den Anwendungs-
zerfressen. Die Befallswahrscheinlichkeit ist bei bereichen und ggf. Anwendungsbeschränkun-
zehn bis 30 Jahre alten Gebäuden am größten. gen auch das erforderliche Einbringverfahren
Ein weiterer, weit verbreiteter und sehr schäd- (z.B. Kesseldrucktränkung) und die Einbring-
licher Holzzerstörer ist der Gewöhnliche Nage- menge genannt. Nach DIBt-Verzeichnis können
käfer (anobium punktatum), volkstümlich auch die Holzschutzmittel drei Gruppen zugeordnet
"Holzwurm" genannt. Er bevorzugt Raumtem- werden: wasserlösliche Mittel (z.B. Salze), ölige
peratur und Holzfeuchten zwischen 20 und 25 Mittel (z. B. Teeröl) und sonstige Mittel (z. B. Pas-
M.-o/o. Er befällt vorwiegend die hellen Früh- ten).
holzschichten einheimischer Hölzer. Bekämpfende Holzschutzmittel können z.B.
Der Braune Splintholzkäfer ist in den letzten dem RAL-Holzschutzmittel-Verzeichnis entnom-
Jahrzehnten für die Holzverarbeiter der mit Ab- men werden. Manchmal kommt es zu Unver-
stand gefährlichste Holzschädling geworden, da träglichkeiten von Holzschutzmitteln mit ande-
er- aus den Tropen kommend - trockene ( 15 bis ren Baustoffen, z. B. Verfärbung bei Putz, Korro-
16M.-o/o Holzfeuchte) und warme (um20°C) Be- sion von Metall und Glas sowie Auflösen von
dingungen bevorzugt. Er ist ein typischer Laub- Kunststoffen. Insekten lassen sich auch mit
holzschädling. Heißluft oder Gas erfolgreich bekämpfen, wobei
In salzhaitigern Meerwasser verbautes Holz ist zu beachten ist, daß diese Maßnahmen nicht vor-
durch verschiedene Meerestiere gefährdet. Zu ih- beugend wirken. Obwohl verschiedenen Litera-
nen gehören v. a. die Holzbohrmuschel und die turstellen zu entnehmen ist, daß auch der Echte
BohrasseL Insbesondere erstere kann Holz in Hausschwamm mittels Heißluft abgetötet wer-
wenigen Jahren fast völlig zerstören. den kann, ist dies z.Zt. nach DIN 68800 Teil 4
Die für tragende Bauteile erforderlichen vor- nicht zulässig. Die Bekämpfung bzw. vorbeu-
beugenden und bekämpfenden Holzschutzmaß- gende Maßnahmen gegen Pilz- und Insektenbe-
nahmen sind in DIN 68800 Teil1 aufgeführt. Vor- fall sollten immer von einer Fachfirma ausge-
beugender Holzschutz kann durch bauliche Maß- führt werden.
nahmen (DIN 68800 Teil2) oder Behandlung mit
chemischen Holzschutzmitteln (DIN 68800 Teil3 3.1.1.7
und TeilS) gewährleistet werden. Bauliche Maß- Regelwerke für Holz, Holzwerkstoffe
nahmen wie das Fernhalten von Niederschlag und Holzkonstruktionen
bzw. dessen schnelle Ableitung und das Abschir-
men gegenüber Feuchtigkeit aus dem Boden
oder aus angrenzenden Bauteilen können mit Der Holzbau befindet sich derzeit hinsichtlich
Ausführungsdetails z. B. [Natterer u.a.1996] ent- relevanter technischer Regelwerke in einer Um-
nommen werden. bruchphase. Neben DIN-Normen gibt es bereits
In DIN 68800 Teil3 sind allen vorkommenden etliche europäische Normen (DIN EN) und zahl-
Anwendungsbereichen fünf Gefährdungsklassen reiche Entwürfe, auf die hier nicht eingegangen
zugeordnet. In allen Klassen kann Holz ohne wird. Holzbauwerke können nach DIN 1052 oder
chemischen Holzschutz verwendet werden, wenn der in der Erprobungsphase befindlichen DIN V
man es der erforderlichen Resistenzklasse ent- ENV 1995 (Eurocode 5) bemessen werden (s. 3. 7).
sprechend DIN 68364 zuordnen kann und zu-
sätzliche Randbedingungen erfüllt werden. Die 3.1.2
erforderliche Holzschutzmittel- Wirkungsgruppe Bindemittel
(z.B. Iv: Vorbeugend gegen Insekten) ist eben-
falls von der Gefährdungsklasse abhängig (s. 3.1.2.1
DIN 68800 Teil 3). Für Holzwerkstoffe sind in Allgemeines
DIN 68800 Teil2 den Anwendungsbereichen die
erforderlichen Holzwerkstoffklassen (20, 100, Bindemittel sind Stoffe, die gröbere oder feinere
lOOG) zugeordnet. Körper -"Zuschlag" genannt - fest untereinan-
Vorbeugende Holzschutzmittel für tragende der verkitten. Sie werden nur selten als reine Bin-
Bauteile müssen ein Prüfzeichen des Deutschen demittelleime ohne Zuschlag verwendet, da sie

3-16 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


CaS0 4 • 2Hz0 zunächst Halbhydrat
CaS0 4 • 1/ 2Hz0, danach verschiedene Modifika-
100%5i02 tionen von Anhydrit CaS0 4• Als Rohstoffe dienen
Naturgips, aber auch gipsreiche Nebenprodukte
aus der chemischen Industrie (Chemiegipse)
oder der Kraftwerkindustrie (REA-Gips aus
Rauchgasentschwefelungsanlagen).
Zur Erzielung bestimmter Eigenschaften des
Baugipses können werkseitig Zusätze von bis zu
maximal 50 M.-% zugegeben werden (vgl. DIN
1168). Dabei handelt es sich einerseits um Stell-
mittel - Stoffe, die gezielt die Konsistenz, Haf-
tung oder Versteifungszeit verändern - oder
Füllstoffe (z. B. Sand).
Abb. 3.1-12 Einordnung der wichtigsten anorganischen
Bindemittel bzw. Bindemittelkomponeneten im Dreistoff- Anhydritbinder werden aus Naturanhydrit
system Ca0-Si0 2-Aip 3 [Wesche 1993] oder aus synthetischem Anhydrit, der als Neben-
produkt in der chemischen Industie anfällt, her-
gestellt. Die Zugabe sog. "Anreger" dient zur Be-
i.allg. zu teuer sind und z.T. ungünstige Eigen- schleunigung des Reaktionsvorgangs.Als Anreger
schaften haben. dienen basische Stoffe (z. B. Baukalk) oder salzar-
Als Kleber kommen organische und anorga- tige Stoffe (z. B. leicht lösliche Sulfate) oder eine
nische Bindemittel in Betracht. Die wichtigsten Kombination aus beiden (gemischte Anreger).
organischen Bindemittel sind Teer, Bitumen und
Kunstharze. Im folgenden werden ausschließlich Sorten
anorganische Bindemittel behandelt, insbeson-
dere Gipse, Kalke und Zemente als wichtigste Ty- DIN 1168 Teil! unterscheidet zwischen folgen-
pen. Latent-hydraulische und puzzolanische den Baugipsen:
Stoffe sind weitere wichtige Bindemittelkompo- - ohne werkseitig beigegebene Zusätze: Stuck-
nenten. Die grundsätzlichen Unterschiede in der gips und Putzgips,
chemischen Zusammensetzung der genannten - mit werkseitig beigegebenen Zusätzen: Fertig-
Stoffe sind in Abb. 3.1-12 dargestellt. putzgips, Haftputzgips, Maschinenputzgips,
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Haupt- Ansetzgips, Fugengips, Spachtelgips.
gruppen von anorganischen Bindemitteln:
- Luftbindemittel, die nur an der Luft härten Bei Anhydritbindern unterscheidet DIN 4208
und im erhärteten Zustand wasserlöslich sind, zwischen Produkten aus Naturanhydrit (Kenn-
und zeichnung "NAT") und synthetischem Anhydrit
- hydraulische Bindemittel, die an der Luft und (Kennzeichnung "SYN").
unter Wasser härten sowie im erhärteten Zu-
stand wasserbeständig sind. Verwendung

3.1.2.2 Baugipse werden vorwiegend als Bindemittel für


Gipse die Herstellung von Innenputzen, Gipsbauplat-
ten für den Innenausbau (Decken-, Wandbau-
Definition und Herstellung und Gipskartonplatten) sowie Stuckarbeiten
(Stuckgips) verwendet. Anhydritbinder dienen
Bindemittel auf Gipsbasis (Sulfatbindemittel) ebenfalls ausschließlich für den Innenausbau,
sind nicht hydraulisch, d. h., sie sind nicht was- insbesondere für Putze, Estriche und Bauteile
serbeständig. Man unterscheidet Baugipse und (Steine, Fertigteile).
Anhydritbinder.
Baugipse entstehen durch Temperaturbe- Verarbeitung
handlung von Rohgips (CaS0 4 • 2Hz0,Dihydrat).
Beim Brennen wird das gebundene Kristall- Nach dem Anmachen der Baugipse bzw. Anhy-
wasser ganz oder teilweise ausgetrieben. Mit dritbinder mit Wasser entsteht als Erhärtung-
steigender Brenntemperatur entstehen aus produkt wieder kristallisiertes Dihydrat

Baustoffe 3-17
CaS04·2HzO (Gips). Dabei entscheidet die mi- weitere Verfestigung hervorrufen. Die Calcium-
neralogische Zusammensetzung, aber auch die verbindungen sorgen dafür, daß. die hydrauli-
Art und Dosierung von eventuell zugegebenen schen Kalke schneller erhärten und höhere
Anregern oder Verzögerern, über die Reaktions- Druckfestigkeiten als Luftkalke erreichen. Die
geschwindigkeit. Prinzipiell reagiert das Halb- Luftlagerung vor der Wasserlagerung ist not-
hydrat schneller als der bei hoher Temperatur wendig, damit der Erhärtungsanteil der Karbo-
entstandene Anhydrit. natisierung genutzt und wirksam werden kann
und weil die Hydratation in einem Calcitgerüst
3.1.2.3 wirkungsvoller ist als in einer wässerigen Di-
Kalke spersion.
Hochhydraulischer Kalk zeichnet sich wegen
Definition, Herstellung und Eigenschaften des höheren Gehalts an reaktionsfähigen kiesel-
sauren Bestandteilen neben der Carbonaterhär-
Als "Baukalke" dürfen ausschließlich Bindemit- tung durch ein ausgeprägtes hydraulisches Er-
tel bezeichnet werden, welche der DIN 1060 Teil härtungsvermögen aus. Er ist nach Luftlagerung
1 entsprechen. Baukalk wird vorwiegend als pul- bis zu drei Tagen auch unter Wasser beständig.
verformiges Kalkhydrat geliefert. Kalkteig und Die Verarbeitungseigenschaften von hochhy-
Stückkalk haben nur noch untergeordnete Be- draulischen Kalken liegen zwischen denen der
deutung. Luftkalke und der Zemente. Traßkalk hat auf-
Weißkalke, vielfach auch"Luftkalke" genannt, grund der Feinheit des Trasses und des LP-Zu-
zeichnen sich durch sehr große Feinheit, niedri- satzes (LP Luftporenbildner) ein hohes Wasser-
ge Schüttdichte, hohe Ergiebigkeit, große Wirt- rückhaltevermögen, ein großes Verformungs-
schaftlichkeit und gute Verarbeitbarkeit (Ge- vermögen und damit eine geringe Rißempfind-
schmeidigkeit und Wasserrückhaltevermögen) lichkeit sowie eine erhöhte Widerstandsfähigkeit
aus. Sie werden aus möglichst reinem Kalk- gegen Auslaugung von CaO und gegen Frost-
stein (CaC03) unterhalb der Sintergrenze bei rd. Tau-Wechsel.
1000°C gebrannt. Diese Luftbindemittel sind im
erhärteten Zustand nicht wasserbeständig. Sorten
Mit der Aufnahme von Kohlendioxid aus der
Luft (Karbonatisierung) erhärtet der Luftkalk. Weiß- und Dolomitkalke werden nach DIN 1060
Die Karbonatisierung findet wegen der geringen Teill nach ihrer chemischen Zusammensetzung
C0 2 -Konzentration der Luft (0,03 Vol.-%) nur (( CaO+ MgO )-Anteil) klassifiziert. Je nach Klas-
langsam statt. Sie läuft desto schneller ab, je po- sifizierung beträgt der (CaO+MgO)-Gehalt für
riger der Mörtel ist und je mehr COz zur Verfü- Weißkalke ~ 70 M.-o/o und für Dolomitkalke ~ 80
gung steht. Luftkalkputze dürfen daher nicht ge- M.-o/o. Entsprechend dieser Klassifizierung wer-
gen Luft abgesperrt werden (z.B. durch dichte den Weiß- und Dolomitkalke mit dem Kurzzei-
Oberputze, Tapeten, Spachtelmassen u. ä. ). Unter chen CL und DL sowie dem Mindestgehalt an
günstigen Umständen (dauernde Berührung mit (CaO+MgO) bezeichnet. Weißkalke unterschei-
Luft) ist eine vollständige Karbonatisierung von den sich von Dolomitkalken durch ihren gerin-
Putzen mit 1 bis 2 cm Dicke in einigen Monaten geren Dolomitanteil, der im Fall der Weißkalke
möglich; bei Mauermörtel kann dies wegen der $5 M.-% sein muß.
geringen Fugendicke und relativ großen Fugen- Hydraulische Kalke (HL) werden nach ihrer
tiefe viele Jahre dauern. Mindestdruckfestigkeit (in N/mm2) im Alter von
Hydraulische Kalke haben wegen des begrenz- 28 Tagen klassifiziert. Die Mindestdruckfestig-
ten Gehalts an reaktionsfähigen kieselsauren Be- keit sollte für HL 2 zwischen 2 bis 7 N/mm2, für
standteilen ein begrenztes hydraulisches Erhär- HL 3,5 zwischen 3,5 und 10 N/mm2 sowie für HL
tungsvermögen. Es überwiegen jedoch die cha- 5 zwischen 5 und 15 N/mm2 liegen.
rakteristischen Kalkeigenschaften. Diese hy-
draulischen Bindemittel erhärten nach einer be-
stimmten Zeit der Luftlagerung auch unter Verwendung
Wasser. Bei Luftlagerung reagiert der Anteil an
Calciumhydroxid mit Luftkohlensäure zu Ca- Baukalke dienen als Mauermörtel für niedrige
C03. Calciumsilikate, -aluminate und -ferrite bil- Beanspruchung und Putzmörtel ohne längere
den mit dem Anmachwasser Hydrate, die eine Feuchtigkeitseinwirkung. Auch bei der Herstel-

3-18 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


lung von Kalksandsteinen und Porenbeton wer- Einfluß auf die Eigenschaften des Zements zu-
den Baukalke verwendet. kommt, ist eine exakte Abstimmung des Rah-
Hydraulische Kalke werden als Mauer- und stoffgemisches von besonderer Bedeutung.
Putzmörtel verarbeitet, wenn höhere, aber be- Sämtliches CaO muß in Calciumsilikaten,
grenzte Festigkeit sowie Widerstandsfähigkeit -aluminaten und -ferriten (Hydraulefaktoren)
gegen Feuchtigkeitseinwirkung gefordert wer- gebunden werden. Verbleibendes freies CaO
den. könnte im verfestigten Zementstein (bzw. Mör-
Hochhydraulische Kalkewählt man als Mauer- tel oder Beton) Kalktreiben auslösen. Der ent-
bzw. Putzmörtel, wenn die Festigkeit der Luft- stehende Klinker wird in Kugelmühlen unter Zu-
kalke und anderer hydraulisch erhärtender Kal- gabe von Calciumsulfat (Gips, Anhydrit) als Er-
ke nicht ausreicht oder eine schnellere Erhärtung starrungsregler gemahlen und schließlich in
gefordert wird. Sie sind in gleicher Weise wie Silos homogenisiert und gelagert.
Kalkzementmörtel zu verarbeiten. Sie dienen als
Mauermörtel im Schornsteinbau und Außen- Hydratation
putze für ungünstige Witterungsverhältnisse.
Traßkalk wird u. a. für Mauer- und Fugenmörtel Der Zement erstarrt und erhärtet infolge der
bei schlagregenbeanspruchtem Mauerwerk, in chemischen Reaktion zwischen Zementkorn
der Denkmalpflege, für Bodenverfestigungen und Wasser. Diese Hydratation beginnt sofort
und Fahrbahnunterbau verwendet. nach dem Anmachen mit Wasser. Dabei entsteht
Zementgel, welches aus feinsten, submikrosko-
3.1.2.4 pischen, kolloidalen Reaktionsprodukten besteht.
Zemente Der anfangs plastische Zementleim geht mit
fortschreitender Zeit in den erhärteten Zement-
Definition, Einteilung und Herstellung stein über. Zunächst wird Calciumhydroxid
Ca( OH)z in Form hexagonaler Kristalle gebildet,
Zemente sind feingemahlene hydraulische Bin- die praktisch keine Verfestigung verursachen.
demittel, die sowohl an Luft als auch (ohne vor- Nach einer bis mehreren Stunden kristallisieren
herige Luftlagerung) unter Wasser erhärten kön- infolge der schnellen Hydratation von Tricalcium-
nen. Anschließend sind sie auch unter Wasser silikat (C3S) und der langsameren Reaktion des
beständig. Sie bestehen im wesentlichen aus Ver- Dicalciumsilikats (C2S) Calciumsilikathydrate
bindungen von CaO mit den sog. "Hydraulefak- (CSH) in Form von Nadeln oder Leisten. Die sehr
toren" Si0z,Alz03 und Fe203. feinen Kristalle verwachsen miteinander und
Portlandzement unterscheidet sich von hy- bilden ein Netzwerk. Hierauf beruht die Festig-
draulisch erhärtenden Kalken v. a. durch den nie- keitsentwicklung des Zements.
drigeren Kalkgehalt, die gezielte Zusammenset- Das bei der Reaktion der Calciumsilikate ent-
zung und die dadurch gleichmäßigeren Eigen- stehende Calciumhydroxid Ca(OH)z ist für die
schaften. Die Rohstoffe werden bis zum Sintern Festigkeit belanglos, stellt aber eine hohe Alkali-
gebrannt, wobei sich neue Mineralphasen bil- tät des Porenwassers im Zementstein sicher. Die-
den. Das Produkt des Brennprozesses nennt man ses alkalische Milieu schützt den Betonstahl vor
"Klinker". Die Klinkermineralien haben hydrau- Korrosion (pH-Wert etwa bei 12,6).
lische Eigenschaften: Sie reagieren mit Wasser Der Zement bindet, bezogen auf das Zement-
unter Bildung von Hydraten und Calciumhydro- gewicht, etwa 25M.-% Wasser chemisch (d. h., es
xid. wird in das Kristallgitter der Minerale fest ein-
Die Zementindustrie siedelt sich aus wirt- gebaut). Außer diesem chemisch gebundenen
schaftliehen Gründen (Transportkosten) i.d.R. Wasser bindet der Zement noch etwa 10 bis 15
in unmittelbarer Nähe von Rohstofflagerstätten M.-% Wasser durch Adsorption. Die Summe aus
an. Die Rohstoffe werden gemahlen, gemischt chemisch gebundenem Wasser und Gelwasser,
und anschließend im Drehrohrofen bei 1400 oc die dem Zement zur vollständigen Hydratation
bis 1500°C gebrannt. Mit der chemischen Zusam- zur Verfügung stehen muß, beträgt etwa 35 bis
mensetzung des Zements, die bis auf Zumahl- 40 M.-% (das entspricht einem Wasserzement-
stoffe derjenigen des Rohmehles entspricht, ist wert von 0,35 bis 0,40).
näherungsweise auch die mineralogische Zu- Die Hydratation ist, wie alle chemischen Re-
sammensetzung definiert. Da der Art und dem aktionen, von der Temperatur abhängig. So ver-
Anteil der Mineralphasen ein entscheidender läuft die Hydratation i. allg. in der Wärme schnel-

Baustoffe 3-19
!er und in der Kälte langsamer. Tiefe Temperatu- diesem Grund wird vor oder während dem Mah-
ren können die Reaktion völlig unterbrechen. len des Zementklinkers Gips oder Anhydrit als
Wasserentzug (Austrocknung) unterbricht die Abbinderegler zugesetzt. Wenn Wasser zugege-
Hydratation ebenfalls. Die Hydratation des Ze- ben wird, reagieren diese Sulfatträger mit dem
ments verläuft exotherm, d.h., beim Erstarren Tricalciumaluminat unter Bildung von Ettringit
und Erhärten wird entsprechend dem Reakti- (Trisulfat). Mit dieser Reaktion wird das Erstar-
onsfortschritt Wärme, die sog. "Hydratations- ren des Zementleims verhindert. Später wandelt
wärme", frei. sich Ettringit ohne schädliche Nebenwirkungen
Je feiner ein Zement gemahlen ist, desto in Monosulfat um.
größer ist seine Oberfläche und desto schneller Bezogen auf die Gefügeentwicklung während
ist seine Reaktion mit dem Anmachwasser, was des Verfestigungsprozesses unterscheidet man
sich wiederum in der Festigkeitsentwicklung drei Hydratationsstufen. Nach dem Mischen mit
ausdrückt. Wenn die Mahlfeinheit zu groß ist, Wasser steift der Zementleim mit der Bildung
hat der Zement einen größeren Bedarf an An- von CSH-Phasen langsam an. Eine erste merkli-
machwasser, was die Festigkeit mindert. Außer- che Verfestigung wird "Erstarrungsbeginn" ge-
dem ist unter diesen Umständen mit schnelle- nannt. Mit "Erstarren" wird der Übergang des
rem und stärkerem Schwinden zu rechnen. Zementleims vom plastischen in den festen Zu-
stand bezeichnet. Die Erstarrungszeiten (Beginn
Erstarren und Erhärten und Ende) werden nach DIN EN 196 Teil 3 mit
dem Eindringversuch (Vicat-Nadel) bestimmt.
Die fortschreitende Verfestigung des Zements Mit dem Erstarrungsbeginn endet die erste Hy-
nach dem Anmachen mit Wasser geht über ein dratationsstufe. Während der weiteren Reaktion
anfängliches Ansteifen über das Erstarren bis bilden sich die Calciumsilikathydrate zunächst
zum Erhärten. Aus betontechnologischen Grün- langfaserig (2. Hydratationsstufe) und dann kurz-
den ist es sehr wichtig, den Verlauf der Verfesti- faserig (3. Hydratationsstufe) aus.
gung definiert erfassen zu können. Ein Zement Die mineralogische Zusammensetzung be-
muß ausreichend lange verarbeitbar sein, muß stimmt die physikalischen und chemischen Ei-
sich aber auch ausreichend schnell verfestigen genschaften des Zements. Dazu gehören z. B. die
(Entschalen, Belastbarkeit). Geschwindigkeit der Reaktion mit Wasser und
Wenn feingemahlener reiner Portlandzement- die Wärme, die dabei freigesetzt wird. Hinzu
klinker mit Wasser gemischt wird, reagiert das kommt, daß durch die Hydratation verschiede-
Tricalciumaluminat unverzüglich mit Wasser ner Minerale natürlich unterschiedliche Reak-
und bewirkt dabei ein unerwünschtes zu frühes tionsprodukte und damit auch unterschiedliche
Erstarren des Zementleims ("Löffelbinder").Aus Gefüge entstehen. Die Folgen sind gut zu erken-

80
3Ca0 · Si01 = C3S

-- -- --
70 -- -- -- ~

'E 60 ./ I ~
.-4~ · Si0 2 =C2 S
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50 I - ~-
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L- - -- --4
Ci 20

10 3Ca0 · Al203 = C3A


A ~ -- ---- - '1 ~---- ---- --- ---- ----4

4Ca0 · Al 203 · Fe203 CAF -


0 7 28 90 180 360
Alter in Tagen

Abb. 3.1-13 Druckfestigkeitsentwicklung der Klinkermineralien [Bouge 1955)

3-20 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


nen, wenn die Festigkeitsentwicklung durch Hy- - Hochofenzement (CEM III/B) mit ~66 M.-%
dratation der reinen Klinkerminerale verglichen Hüttensand. Hüttensand enthält kein C3A.
wird (Abb. 3.1-13). Ausschließlich die Calcium- Hochofenzemente sind daher C3A-ärmer als
silikate liefern hohe Druckfestigkeiten. Der ent- CEM I. Gegenüber sulfathaltigen Wässern und
scheidende Unterschied zwischen C3S und C2S Böden verhalten sie sich besser als CEM I, da
liegt in der Geschwindigkeit der Hydratation die nachträgliche Bildung von Ettringit im er-
und der Gefügeentwicklung. härteten Zementstein, die zu Treiberschei-
nungen führt, verhindert wird.
Sorten - Zemente mit niedriger Hydratationswärme
(Kurzzeichen NW). Diese Zemente entwickeln
Zemente sind im Hinblick auf ihre Zusammen- in den ersten sieben Tagen der Hydratation
setzung und Festigkeitsklasse in DIN 1164 Teil1 höchstens 270 J/g Zement. In der Regel sind
genormt. Mit der Verabschiedung dieser Norm NW-Zemente hüttensandreiche Hochofenze-
wurden große Teile der europäischen Vornorm mente (CEM III/B).
DIN V ENV 197 Teil 1 übernommen. Die Ände- - Zemente mit niedrigem wirksamen Alkalige-
rungen betreffen v.a. die genormten Zement- halt (Kurzzeichen NA). Diese Zemente weisen
klassen, die Festlegung neuer Festigkeitsklassen, i. allg. einen Gesamtalkaligehalt von höchstens ·
einige Anforderungen an Zemente mit Sonder- 0,60% Na20-Äquivalent auf. Darunter fallen
eigenschaften und die Bezeichnung der Zemen- aber auch Hochofenzemente (CEM III/A) mit
te. mindestens 50 M.-% Hüttensand und einem
In Abhängigkeit von der 28-Tage-Druckfestig- Gesamtalkaligehalt von $1,10% Na20-Äqui-
keit wird unterschieden zwischen den Festig- valent, Hochofenzemente (CEM III/B) mit
keitsklassen 32,5; 42,5 und 52,5. Diese drei Klas- einem Gesamtalkaligehalt von 2,00% Na 20-
sen werden nach ihrer Anfangsfestigkeit noch- Äquivalent, Hochofenzement CEM III/ A mit
mals unterteilt in üblich erhärtende (ohne Kenn- höchstens 49 M.-% Hüttensand und einem
buchstabe) und schnell erhärtende Zemente Gesamtalkaligehalt von höchstens 0,95%
(mit Kennbuchstabe R) . In Abb. 3.1-14 sind die Na20-Äquivalent sowie Portlandhüttenze-
Anforderungen an die Festigkeit von Zement ment CEM II/B-S mit einem Gesamtalkalige-
nach DIN 1164 Teil1 dargestellt. halt von höchstens 0,70% Na20-Äquivalent.
Nach dieser Norm gibt es Zemente mit zusätz-
lichen Eigenschaften: 3.1.2.5
- Portlandzemente (CEM I) mit $3M.-% C3A Latent-hydraulische Stoffe und Puzzolane
und $5 M.-% A}z03.
Eigenschaften und Herstellung

Latent-hydraulische Stoffe haben die Fähigkeit,


Festigkeit in N/mm1 selbständig mit Wasser zu reagieren. Dies ge-
schieht jedoch in einem weitaus geringeren Maß
70 als bei einem hydraulischen Bindemittel. Des-
60 halb werden keine technisch nutzbaren Festig-
keiten erreicht.
50
Die Hydraulizität - das Reaktionsvermögen
40 mit Wasser - eines latent-hydraulischen Stoffes
wird bestimmt durch seine physikalisch-mine-
30 --
ralogischen Eigenschaften. Die wichtigsten Kenn-
20 -- -- werte sind Glasgehalt und Mahlfeinheit We-
·-· Festigkeit nach
10 -- --- 1d- - - sentlichen Einfluß auf die Hydraulizität hat je-
7 d- · - · - doch auch der CaO-Gehalt. Latent-hydraulische
28d - -
32,5 32,5R 42,5 42,5 RI 52,5 52,5R Stoffe haben einen mittleren CaO-Gehalt, wenn
Festigkeitsklasse man sie mit Puzzolanen und Zementen ver-
gleicht (s.Abb. 3.1-12). Daraufbasiert die eigene
Abb. 3.1 -14 Anforderungen an die Festigkeit von Reaktionsfähigkeit nach dem Anmachen mit
Zement nach DIN 1164 Wasser. Zusätzliches, von außen zugeführtes
CaO beschleunigt diese Reaktion. Der "Anreger"

Baustoffe 3-21
CaO bzw. Ca(OH)z kann wiederum durch Mi- Anwendungsbereiche
schung des latent-hydraulischen Materials mit
Portlandzement (s. 3.1.2.4) oder Kalk (s. 3.1.2.3) Latent-hydraulische und puzzolanische Stoffe
zugeführt werden. sind wichtige Bindemittelkomponenten, die so-
Das meistverwendete latent -hydraulische Ma- wohl in Kalken (hydraulische und hochhydrau-
terial ist Hüttensand. Er wird durch schnelles Ab- lische Kalke) als auch in Zeroenten Anwendung
kühlen und feines Zerteilen (i. d. R. mit Hilfe von finden.
Wasserdüsen) von feuerflüssigen Hochofen- Für die Verwendung latent-hydraulischer und
schlacken, wie sie bei der Stahlherstellung als puzzolanischer Stoffe in großem Maßstab als Zu-
Nebenprodukte anfallen, hergestellt. Bei dieser mahlstoff für Zemente gibt es verschiedene
sog."Granulation" ensteht ein Sand mit sehr ho- Gründe wirtschaftlicher, technologischer und
hem Glasanteil, der zum latent-hydraulisch reak- ökologischer Natur:
tionsfähigen Hüttensandmehl aufgemahlen bzw. - Energieeinsparung (Zementproduktion er-
direkt als Zumabistoff zusammen mit Zement- fordert hohe Brenntemperatur),
klinker feingemahlen (Hochofenzemente) wird. - weniger Schadgasemission (da weniger Port-
Puzzolane sind Stoffe, die reaktionsfähige Kie- Iandzementklinker produziert werden muß),
selsäure (Si0 2 ) enthalten und CaO-arm (<10M.- - Rohstoffeinsparung (viele Zumabistoffe sind
o/o) sind (s. Abb. 3.1-12). Die Puzzolanität- die industrielle Nebenprodukte),
Fähigkeit zur puzzolanischen Reaktion - hängt - Deponieeinsparung (Verwertung industriel-
vom mineralogischen Zustand eines Materials ler Nebenprodukte) und
ab. Gut kristallisiertes Si0 2 (Quarz) ist weitest- - gezielte Verbesserung bestimmter Zementei-
gehend inert, während amorphes Si0 2 reakti- genschaften für bestimmte Anwendungsfälle.
onsfähig ist. Die Reaktionsfähigkeit wächst aus
physikalischen Gründen mit sinkender Korn- Grundsätzlich können alle latent-hydraulischen
größe (steigender spezifischer Oberfläche). und puzzolanischen Stoffe, die als Zementzu-
Die puzzolanische Reaktion liefert als Reak- mahlstoffe verwendet werden, auch als Beton-
tionsprodukte festigkeitsbildende CSH-Phasen zusatzstoffe dienen. In Deutschland werden auf-
(wie die hydraulische Reaktion). Puzzolane rea- grund bestehender Vereinbarungen zwischen
gieren in Anwesenheit von Feuchtigkeit mit Cal- der Zement- und der Stahlindustrie aber nur
ciumhydroxid Ca(OH)z.Als CaO-Spender kom- Steinkohlenflugasche, Silicastaub und Traß als
men sowohl Kalke als auch Zemente in Betracht. Betonzusatzstoffe eingesetzt.
Demzufolge haben Puzzolane kein eigenes Er-
härtungsvermögen, liefern aber in Kombination 3.1.3
mit CaO-Spendern durchaus einen festigkeits- Beton
steigernden Beitrag, da zusätzliche CSH-Phasen
gebildet werden. Mischungen von Puzzolanen 3.1.3.1
mit Kalk nennt man "Puzzolankalke", solche mit Allgemeines
Zement "Puzzolanzemente".
Puzzolane können auf natürlichem oder DIN 1045 bzw. DIN EN 206 (Entwurf) regeln so-
künstlichem Wege entstehen. Ein gängiger Weg wohl die Herstellung, die Eigenschaften und die
zum Erhalt eines Stoffes mit einem hohen Gehalt Anwendung von Beton als auch die entspre-
reaktionsfähiger Kieselsäure ist das plötzliche chenden Prüfverfahren. Grundsätzlich bietet Be-
Abkühlen von Si0 2-reichen Schmelzen von ho- ton als Baustoff sehr günstige Eigenschaften auf-
hen Temperaturen (hoher Glasgehalt). In der Na- grundseiner nahezu unbegrenzten Gestaltungs-
tur findet man deshalb Puzzolane vorwiegend möglichkeiten, seiner sehr flexibel einstellbaren
unter den vulkanischen Gesteinen (Tuffe, Laven). technologischen Eigenschaften, seiner hohen
Sie können außerdem durch sedimentäre Abla- Dauerhaftigkeit und seiner Wirtschaftlichkeit.
gerung von Kieselalgen gebildet werden (Kiesel- Die Nachteile des Baustoffs Beton sind im rela-
gur,Molererde). Künstliche Puzzolane entstehen tiv hohen Gewicht zu sehen, im unvermeidlichen
als Nebenprodukte z. B. in Steinkohlekraftwer- Kriechen und Schwinden, in der relativ geringen
ken (Steinkohlenflugasche aus den Filtern zur Zugfestigkeit und der relativ aufwendigen De-
Abluftreinigung). montierbarkeit. Die folgenden Erläuterungen
beziehen sich im wesentlichen aufNormalbeton;
Sonderbetone werden in 3.1.3.9 behandelt.

3-22 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.1.3.2 jedoch nicht nur anhand seiner Rohdichte, son-
Zusammensetzung und Klassifizierung dern auch unter anderen Gesichtspunkten ein-
geteilt werden, z. B. nach
Mörtel und Beton sind Strukturbegriffe, die an - dem Erhärtungszustand: Frischbeton, Festbe-
den Korndurchmesser des Zuschlags gebunden ton;
sind. Eine Mischung von Bindemittel und Zu- - der Nennfestigkeit Festigkeitsklassen B5 bis
schlag mit einem Korndurchmesser von bis zu Bll5;
4 mm wird als "Mörtel", eine mit einem Korn- - der verwendeten Zementart Portlandzement-
durchmesser von mehr als 4 mm als "Beton" be- beton, Hochofenzementbeton;
zeichnet. Das weitaus wichtigste Bindemittel für - der verwendeten Zuschlagart: Kiessandbeton,
Betone ist Zement. Beton mit Zement als Binde- (Naturstein-) Splitt beton, Grobbeton, Feinbe-
mittel wird deshalb im allgemeinen Sprachge- ton (Zementmörtel);
brauch als "Beton" (nicht als Zementbeton) be- - der Konsistenz: steif, plastisch, weich, flüssig;
zeichnet. - der Art des Transports, des Einbringens und
Beton ist prinzipiell als 5-Stoffgemisch zu be- des Verdichtens: Pump-, Spritz-, Schütt-, Pre-
trachten. Er besteht entsprechend Abb. 3.1-15 aus pakt-, Colcrete-, Rüttelgrob-, Unterwasser-,
Zement, Wasser, Zuschlag, Zusatzstoffen und Zu- Stampf-, Rüttel-, Schock-, Schleuder-, Walz-
satzmittel. Dabei sind die drei erstgenannten Stof- und Vakuumbeton;
fe immer enthalten, während die beiden letztge- - dem Ort und der Art der Herstellung: Bau-
nannten Stoffe optional sind: Sie dienen im we- stellenbeton, Transportbeton (werk- oder fahr-
sentlichen der technologischen und wirtschaft- zeuggemischt), Ortbeton, Betonwaren und Be-
liehen Optimierung der Betone. Die Unterschei- tonwerkstein (im Betonsteinwerk hergestellt),
dung zwischen Zusatzstoffen und Zusatzmitteln Betonfertigteile.
erfolgt über die Zugabemenge. An Zusatzmittel
werden maximal 5 M.-o/o, bezogen auf den Ze- 3.1.3.3
mentgehalt, zugegeben. Diese werden beim Mi- Betonausgangsstoffe
schungsentwurf und der Stoffraumrechnung
mengenmäßig nicht berücksichtigt, während Im folgenden werden die in Abb. 3.1-15 bereits
Zusatzstoffe (>5 M.-o/o) berücksichtigt werden aufgeführten Betonausgangsstoffe einzeln be-
müssen. handelt.
Normalbeton ist Beton mit geschlossenem Ge-
füge und einer Festbetonrohdichte von mehr als Zemente
2000,höchstens 2800 kg!m 3 (meist zwischen 2200
und 2500 kg/m 3). Wenn keine Verwechslung mit Das breite Spektrum an Zementarten wurde be-
Leicht- (Rohdichte <2000 kg/m 3 ) oder Schwer- reits in 3.1.2.4 beschrieben. Für die Herstellung
beton (Rohdichte >2800 kg/m 3) möglich ist, von Beton nach DIN 1045 Teil2 bzw. DIN EN 206
wird er nur als "Beton" bezeichnet. Beton kann (Entwurf) müssen die verwendeten Zemente

Mengenanteil Mischungs· Hauptbestandteile


etwa für B 25 verhältnis

Z= 300 kgJml ~

W= 180 kgJml ~

G= 1900 kg/ml
Betonzusatzmittel z.B. Betonverflüssiger
< SO glkgZ

Betonzusatzstoffe z.B. Steinkohlenflugasche


> SOglkgZ

Abb. 3.1·15 Betonbestandteile und ·Zusammensetzung

Baustoffe 3-23
entweder genormt oder bauaufsichtlich zugelas- hat eine Kornrohdichte von I?Rg<2200 kg/m 3.
sen und für den vorgesehenen Anwendungsfall Beispiele für natürlich gekörnte Leichtzuschläge
geeignet sein. sind Naturbims, Lavakies und Lavasand. Bei-
spiele für mechanisch zerkleinerte natürliche
Zugabewasser Leichtzuschläge sind Schaumlava, Tuffe und Holz-
fasern. Künstlich hergestellte Leichtzuschläge
Als Zugabewasser ist jedes in der Natur vorkom- sind Blähton, Ziegelsplitt, Hüttenbims und
mende Wasser geeignet, soweit es nicht Bestand- Schaumkunststoffe.
teile enthält, die das Erhärten oder andere Ei- Schwerzuschlag dient zur Herstellung von
genschaften des Betons ungünstig beeinflussen Schwerbetonen z. B. als Strahlenschutzbeton
oder den Korrosionsschutz der Bewehrung be- (Reaktor- und Krankenhausbau) und hat eine
einträchtigen. Ungeeignet sind demnach z.B. In- Kornrohdichte von I?Rg>3200 kg/m 3. Beispiele
dustriewässer, die Öle, Fette, Zucker, Humin- für natürliche Schwerzuschläge (i.d.R. mecha-
säure,Kalisalze oder größere Anteile an S03,frei- nisch zerkleinert) sind Schwerspat (Baryt,
em MgO und Chloriden enthalten. Da jeder BaS0 4 ), Magnetit und Hämatit. Beispiele für
Zement anders reagieren kann, ist im Zweifels- künstlich hergestellte Schwerzuschläge sind
fall eine Eignungsprüfung, ggf. auch mit einem Stahlschrot, Stahlspäne, Schwermetallschlacken.
Vergleichsbeton, nötig. Die Anforderungen an Zuschlag muß je nach Verwendungszweck und
Zugabewasser sind im einzelnen in DIN 1045 Teil Aufgabe hinsichtlich Kornzusammensetzung,
2 (Entwurf), im DBV-Merkblatt "Zugabewasser Reinheit, Festigkeit, Kornform, Widerstand ge-
für Beton" und auch- speziell für die Restwasser- gen Frost und Abnutzung nach DIN 1045 Teil2
verwertung im Betonwerk- in der entsprechen- (Entwurf) und nach DIN EN 206 (Entwurf) be-
den Richtlinie [DAfStb 1995] nachzulesen. sonderen Anforderungen genügen. Der Zuschlag
darf unter der Einwirkung von Wasser nicht er-
Zuschläge weichen, sich nicht zersetzen, mit den Zement-
bestandteilen keine schädlichen Verbindungen
Mit "Zuschlag" wird eine Mischung von unge- eingehen und den Korrosionsschutz der Beweh-
brochenen oder gebrochenen Körnern bezeich- rung nicht beeinträchtigen. Für die Prüfung des
net, die durch Zementleim zum Beton verkittet Zuschlags im Hinblick auf schädliche Bestand-
wird. Zuschlag bildet mit 70 bis 80 Vol.-% men- teile werden in DIN 4226 verschiedene Untersu-
genmäßig den Hauptbestandteil des Betons und chungsverfahren angegeben. So kann z.B. der
ist in DIN 4226 genormt. Zuschlag kann aus Anteil an abschlämmbaren Bestandteilen mit
natürlichem oder künstlichem, dichtem oder po- Hilfe des Absetzversuches bestimmt werden.
rigem Gestein bestehen. Nach der Rohdichte un- Eine betontechnologisch sehr wichtige Eigen-
terscheidet man zwischen Normalzuschlag, schaft des Zuschlaggemisches ist seine Kornzu-
Leichtzuschlag und Schwerzuschlag. sammensetzung (Sieblinie). Eine günstige Sieb-
Normalzuschlag hat eine Kornrohdichte von linie gewährleistet gute Betonqualität durch die
2200 bis 3200 kg/m3. Beipiele für natürlich ge- Erfüllung folgender Aufgaben:
körnte Normalzuschläge sind Flußsand, Fluß- - Der Kornaufbau soll ein dichtes Korngerüst
kies, Grubensand und Grubenkies. Sie werden ergeben, damit der Zementleimgehalt zum
durch Baggern oder Saugen gewonnen, gewa- Ausfüllen der Zwischenräume gering ist.
schen und zu Korngruppen aufbereitet. Die mi- - Die Oberfläche soll möglichst klein, der Zu-
neralogische Zusammensetzung wechselt stark, schlag also möglichst grob sein, um die zur
so daß Bezeichnungen wie "Rheinkies" oder Umhüllung benötigte Zementleimmenge ge-
"Mainkies" kein Gütemerkmal sind. Beispiele ring halten zu können.
für mechanisch zerkleinerte Normalzuschläge
sind Brechsand, Splitt und Schotter. Sie werden Die günstigsten Bedingungen werden durch die
aus natürlichem Gestein oder aus künstlichem Regelsieblinien z. B. der DIN 1045 Teil2 (Entwurf)
Gestein (Schlacken) gebrochen (z.T. mehrfach), gegeben. Dort existieren Regelsieblinien für
gewaschen und zu Korngruppen aufbereitet. Da- Maximalkorngrößen von 8, 16 und 32 mm (Abb.
rüber hinaus kann Zuschlag aus aufbereitetem 3.1-16). Man unterscheidet zwischen den steti-
Betonabbruch hergestellt werden (Betonsplitt). gen Sieblinien A, B und C und der unstetigen
Leichtzuschlag (Zuschlag mit porigem Gefü- Sieblinie U (Ausfallkörnung). Bei letzterer ist
ge) dient zur Herstellung von Leichtbeton und stets eine Eignungsprüfung erforderlich.

3-24 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


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Maschensiebe Quadrat Iochsiebe
(DIN 4188) (DIN4188, BI. 2)

Abb. 3.1-16 Regelsieblinie für Zuschlaggemische 0/32 mm nach DIN 1045

Betonzusatzstoffe geregelt wird (z. B. Traß und Braunkohlenflug-


asche), dürfen nur mit bauaufsichtlicher Zulas-
Betonzusatzstoffe sind fein aufgeteilte minerali- sung oder mit Prüfzeichen verwendet werden.
sche Stoffe, z.T. auch mit organischen Bestand- Eine Anrechnung auf den Zementgehalt ist der-
teilen, die (im Gegensatz zu Zementzumahlstof- zeit nur bei Steinkohlenflugaschen erlaubt; vgl.
fen, s. 3.1.2.5) dem Beton im Betonmiseher zu- [DAfStb 1996].
gegeben werden. Ziel der Zugabe ist die Beein-
flussung bestimmter Betoneigenschaften. Beim Puzzolane. Sie stellen die wichtigste Klasse der
Mischungsentwurf sind Zusatzstoffe prinzipiell Zusatzstoffe dar. Sie können
in die Stoffraumrechnung einzubeziehen. - die Verarbeitbarkeit bei gleichem Wasserge-
Als anorganische Zusatzstoffe werden haupt- halt verbessern und das Bluten vermindern,
sächlich puzzolanische Stoffe (s. 3.1.2.5) und - die Wasserdichtheit und die chemische Wi-
inerte Stoffe (Gesteinsmehl, Bentonit, Farbstof- derstandsfähigkeit durch eine Verfeinerung
fe, Zementfarben) verwendet. Hüttensandmehl der Porenstruktur erhöhen,
(latent-hydraulisch) findet in Deutschland nicht - die Hydratationswärme, das Schwindmaß und
als Zusatzstoff, sondern ausschließlich als Zu- damit die Reißneigung verringern,
mahlstoff im Zement Verwendung. Organische - die Entstehung von Ausblühungen durch
Zusatzstoffe (Kunststoffe, Kautschuk, Bitumen) Ca( OHh-Bindung verhindern.
kommen insbesondere für Instandsetzungsmör-
tel in Betracht. Diese Wirkung von Puzzolanen in Betonen und
Von den genannten Stoffen werden in Mörteln beruht auf folgenden drei prinzipiellen
Deutschland hauptsächlich künstliche Puzzola- Mechanismen:
ne als Betonzusatzstoff verwendet. Dies betrifft - der rheologischen Wirkung im Frischbeton
im wesentlichen Steinkohlenflugasche, die in gro- (vgl. 3.1.3.6),
ßem Umfang (etwa 2 Mio. t/a) verwendet wird, - dem im wesentlichen physikalischen Fülleref-
und in beschränktem Maße auch Silicastaub. fekt,
Alle anderen Stoffe findet man eigentlich nur in - ihrer puzzolanischen Reaktionsfähigkeit
Spezialanwendungen.
Betonzusatzstoffe, deren stoffliche Zusam- Dabei treten die beiden erstgenannten Wirkun-
mensetzung und Anwendung nicht in Normen gen ebenso bei inerten Zusatzstoffen auf. Der

Baustoffe 3-25
80 ~~--~,---~------~r--------------------,

Zusatzstoff
e~60 0
.11o.
o
ohne
Fl
F2
:z e F3
.E o Quarzmehl
·c;;
:t40+--l~+::-4''----t--=::=---:::==:~;......;F--t-
:8
"
-<;
~ 20 t-Ji~l--t--t---~-jr----r=============il
:::;: PZ 35 F
W(Z+f) = O,SO
FlugaS<hegehalt: 40 M.-%

14 28 91 365
Alter in Tagen, t

Abb. 3.1-17 Einfluß von Steinkohlenflugasche auf die Festigkeitsentwicklung

wesentliche Unterschied mit entscheidenden - rot, gelb, braun, schwarz: Eisenoxide;


Konsequenzen für die Dauerhaftigkeit und Fest- - weiß: Titanoxid;
igkeit des Betons basiert auf der puzzolanischen - grün: Chromoxid.
Reaktionsfähigkeit
Die in Deutschland gebräuchlichsten Puzzo- Kunstoffzusätze. Sie können aus verschiedenen
lane als Betonzusatzstoffe sind natürlicher Traß Kunststoffen bestehen, dürfen aber durch die Al-
nach DIN 51043, Steinkohlenflugaschen (SFA) kalien des Zements nicht verseifen. Sie können
und Silicastaub. Inwiefern Puzzolane die Fe- folgende Betoneigenschaften vergrößern:
stigkeit beeinflussen, soll anhand der in Abb. - Zugfestigkeit,
3.1-17 dargestellten Festigkeitsentwicklung von - Haftfestigkeit,
drei verschiedenen Steinkohlenflugaschen kurz - Schlagfestigkeit,
erläutert werden. - Kriechen,
Durch den Austausch im Verhältnis 1:1 gegen - chemische Widerstandsfähigkeit
Zement ist die Festigkeit der zusatzstoffhaltigen
Mischungen in jungem Alter im Vergleich zur bzw. verringern:
Referenzmischung deutlich niedriger. Dieser - Druckfestigkeit,
"Verdünnungseffekt" ist für SFA und Quarzmehl - Elastizitätsmodul,
etwa gleich, d. h., es liegt bis zum Alter von etwa - Rückprall bei Spritzbeton,
sieben Tagen kein signifikanter Festigkeitsbei- - Reißneigung.
trag durch eine Reaktion der SFA vor. Zwischen
sieben und 14 Tagen bewirkt die SFA im Ver- Betonzusatzmittel
gleich zu Quarzmehl eine stärkere Festigkeitsstei-
gerung, was auf den Beginn der puzzolanischen Betonzusatzmittel gibt man flüssig oder pulver-
Reaktion der SFA zurückzuführen ist. Durch die förmig dem Beton zu, um durch chemische
puzzolanische Reaktion kommt es im höheren und/oder physikalische Wirkung die natürlichen
Alter (ein Jahr) zu einer weiteren Porenverdich- Eigenschaften von Beton oder Mörtel besonde-
tung, so daß die flugaschehaltigen Mischungen ren Anforderungen anzupassen bzw. günstig zu
eine höhere Druckfestigkeit aufweisen als die beeinflussen. Die Wirkungsweise der Zusatzmit-
entsprechenden Vergleichsmischungen. tel ist vielseitig; sie beruht u. a. auf elektroche-
mischen Vorgängen, wobei organische Stoffe hy-
Zementfarben. Die anorganischen Pigmente aus drophob (z.B. bei Luftporenbildnern) oder hy-
Metalloxiden und Metallsalzen sind nach DIN drophil (z.B. bei Betonverflüssigern) wirken. In
EN 12878 genormt. Für die Farben werden fol- Abb. 3.1-18 ist eine Übersicht über verschiedene
gende Oxide verwendet: Betonzusatzmittel gegeben.

3-26 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Betonverflüssiger ~ - Herabsetzung Oberflächenspannung ~ Verflüssigung

Fließmittel 2 bis 3mal stärkere Wirkung als BV, verhindern Entmischung bei weicher Konsistenz

Stabilisierer verbessern Geschmeidigkeit, verhindern Entmischen und Bluten

Verzögerer ~- Schutzfilm auf Zementkorn ~ Verzögerung mehrere h (massige Bau teile, große
Flächen ohne Arbeitsfugen)
Beschleuniger raschere Hydration C3A, C4 (AF), C3S; CaCI 2 verboten!

Einpreßhilfe [}E] - verhindern Absetzen im Spannkanal (Al - Pulver)+ Wirkung FM

Abb. 3.1-18 Betonzusatzminel mit Wirkung auf den Frischbeton

Es ist zu berücksichtigen, daß gelegentlich ei- - Außenbauteile mit Frost-Tausalz- oder Meer-
ne Eigenschaft auf Kosten einer anderen ver- wasserbeanspruchung :::::0,50.
bessert wird. So können z.B. die Raumbestän-
digkeit, das Erstarren, der Frostwiderstand, die Neben dem geforderten Wasserzementwert
Wasseraufnahme oder die Wasserdichtheit nega- müssen auch der Mindestzementgehalt und der
tiv beeinflußt werden. Eine Eignungsprüfung ist Mehlkorngehalt des Betons eingehalten werden.
daher immer erforderlich. Für Spannbeton dür- Der Zementgehalt stellt einerseits die Hohlraum-
fen Betonzusatzmittel nur verwendet werden, ausfüllung zwischen den Zuschlagkörnern und
wenn diese Verwendung im Prüfbescheid aus- andererseits die Verarbeitung des Betons sicher.
drücklich genehmigt ist. Die Zementzugabemenge ist jedoch nach oben
hin durch folgende Eigenschaften bzw. wirt-
schaftliche Aspekte begrenzt:
3.1.3.4 - das Schwindmaß,
Betonzusammensetzung - die Hydratationswärme und
- die Kosten.
Die Betonzusammensetzung wird so konzipiert,
daß die im jeweiligen Anwendungsfall geforder- Damit Beton gut verarbeitbar ist, ein geschlos-
ten Verarbeitungs- und Festbetoneigenschaften senes Gefüge erhält und kein Wasser absondert,
(Festigkeit und Dauerhaftigkeit) gewährleistet muß er eine vom Größtkorn des Zuschlagge-
sind. DIN 1045 Teil2 (Entwurf) und DIN EN 206 mischs abhängige Menge Mehlkorn enthalten.
(Entwurf) regeln die Anforderungen an die Be- Als Mehlkorn sind alle Partikel mit Größen
tonzusammensetzung für verschiedene Einsatz- <0,125 mm definiert. Das bedeutet, daß der ge-
bereiche in tragenden und aussteifenden Bau- samte Zement- i. d. R. die gesamte Menge an Zu-
teilen aus bewehrtem und unbewehrtem Beton. satzstoffen- sowie Feinstanteile des Sandes dem
Die Betonzusammensetzung muß auf die An- Mehlkorn zuzurechnen sind. Die Unter- und
wendung abgestimmt werden. Um eine ausrei- Obergrenzen der Mehlkorngehalte liegen zwi-
chende Dauerhaftigkeit des Bauteils zu gewähr- schen 350 und 450 kg/m 3.
leisten, darf je nach Umweltklasse der maximale
Wasserzementwert nicht überschritten werden 3.1.3.5
bzw. der Mindestzementgehalt muß eingehalten Betonherstellung
werden. Eine weitere wichtige Einflußgröße auf
die Dauerhaftigkeit ist die Zementart. Mischen
Zur Einhaltung der geforderten Betonfestig-
keitsklasse ist der Wasserzement-(w/z)-Wert Die Wirksamkeit des Mischvorgangs hat Einfluß
ausschlaggebend. In Deutschland gelten z. Zt. auf Wasserbedarf, Verdichtbarkeit und Hydrata-
folgende Anhaltswerte, die je nach Vorschrift va- tion. Es soll eine gute und gleichmäßige Vertei-
riieren können: lung der Betonkomponenten gewährleistet wer-
- Innenbauteile :::::0,65; den. Die Mischdauer soll bei Maschinenmischung
- Außenbauteile :::::0,60; mit besonders guter Mischwirkung mindestens

Baustoffe 3-27
30s, sonst allgemein 1 bis 1,5 min, bei zement- beeinflussen würde, muß er möglichst vollkom-
reichen Mischungen im FreifaHrniseher jedoch men verdichtet werden (Abb. 3.1-19). Dazu die-
1,5 bis 2 min betragen. In Mischerfahrzeugen wird nen verschiedene Verdichtungsverfahren, deren
der zweckmäßig gemischte Beton während der Wirkung sehr unterschiedlich ist, so daß ihre An-
Fahrt ständig bewegt oder mit stehender Trom- wendung auf die Verdichtbarkeit des Betons ein-
mel zur Verwendungsstelle gefahren. gestellt werden muß. Außer in Sonderfällen wird
Beton durch Rütteln mit Innenrütteln, Außen-
Handmischung. Sie ist nur bei kleineren Beton- rütteln, Oberflächenrütteln, Schalungsrüttlern
arbeiten erlaubt und auf BS und B10 beschränkt. oder Rütteltisch verdichtet.
Beim Rütteln werden die statischen Kräfte
Maschinenmischung. Sie erfolgt chargenweise in aufgehoben: Der Beton verhält sich ähnlich wie
Freifall-oder Zwangsmischern oder kontinuier- eine Flüssigkeit, und die schweren Teile sinken
lich in Durchlaufmischern. Die Mischart muß nach unten und nehmen eine dichtere Lagerung
auf das Mischgut abgestimmt sein. ein. Besonders bei weichen Betonen ist darauf zu
achten, daß durch das Rütteln wegen des großen
Mischfahrzeug. Mischfahrzeuge dienen zum Dichteunterschieds von Zuschlagkorn und Ze-
Transportieren und Mischen von Beton weicher mentleim keine Entmischungen auftreten. Beim
und plastischer Konsistenz in Freifallmischern, Rütteln soll sich auf der Oberfläche eine ge-
der im Transportbetonwerk entweder nur do- schlossene Schicht zähen Mörtels bilden, wäßri-
siert oder auch gemischt wurde. ger Zementleim weist auf Entmischung hin.

Transport, Einbau und Verdichtung Nachbehandlung

Heute wird- bis auf Ausnahmen (sehr große Bau- Eine ausreichende Nachbehandlung ist nicht nur
stellen) -der gesamte Baustellenbeton als Trans- für den Schutz vor Wasserverlust im grünen und
portbeton geliefert und eingebaut, und zwar jungen Beton (Frühschwinden, Rißbildung) von
chargenweise in Behältern oder kontinuierlich Bedeutung. Wegen der Abhängigkeit der Hydra-
über Förderbänder oder durch Rohrleitungen. tation von Temperatur und Feuchtigkeit muß
Beim Einbringen des Frischbetons müssen Ent- der Beton auch während der ersten Zeit des Er-
mischungen vermieden werden, da sie und Ne- härtens gegen schädigende Einflüsse wie Hitze,
sterbildung die Festigkeit, die Wasserdichtheit, Wind (Austrocknen), Kälte, strömendes Wasser
das Aussehen (Sichtbeton) und den Korrosions- (Auswaschen), chemische Angriffe und Erschüt-
schutz der Bewehrung beeinträchtigen. terungen geschützt werden. Mit Rücksicht auf
Da der Frischbeton nach dem Mischen einen das Schwinden und insbesondere den Korrosi-
mehr oder weniger hohen Anteil an Luft enthält, onsschutz der Bewehrung ist er möglichst sieben
der die Festbetoneigenschaften sehr nachteilig bis 14 Tage lang dauernd feucht zu halten.

100

90
~',
~
~ , , , , / Biegezugfestigkeit
.s
',

~
................
,_
-- --- --
~
Druckfestigkeit"'

60

4
~
6 8
Luftporen in Vol.-%

Abb. 3.1-19 Einfluß der Verdichtung auf die Festigkeit

3-28 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Nach dem Reifegradkonzept wird die Nachbe- Physikalisch eindeutige Kennwerte für die Ver-
handlungsdauer in Abhängigkeit der Festig- arbeitbarkeit kann man nur in rheologischen
keitsentwicklung angegeben. Die Festigkeitsent- Untersuchungen erhalten. Sie liegen für Zement-
wicklung wird über das Festigkeitsverhältnis leim und Zementmörtel in großem Umfang vor,
fcm,zlfcm,28 abgeschätzt. Außenbauteile sollten sind jedoch nicht ohne weiteres auf den Frisch-
mindestens eine Reife von 50% bzw. besser 70%, beton zu übertragen, da hier nicht nur das Fließ-
bezogen auf die 28- Tage-Festigkeit, aufweisen, vermögen der Matrix, sondern in großem Maße
bevor die Nachbehandlung beendet wird. Damit die innere Reibung durch den Zuschlag maßge-
wird sichergestellt, daß der Beton ausreichend bend ist. Die Konsistenz quantifiziert die Verar-
vor Witterungseinflüssen, insbesondere Aus- beitbarkeit des Frischbetons. Beschreibend kann
trocknung, geschützt wird. man folgende Konsistenzbereiche unterschei-
Besonders wichtig ist eine sorgfaltige Nach- den:
behandlung - steif,
- bei Betonen, die relativ langsam erhärten (z. B. - plastisch,
bei Zement mit hohem Hüttensandgehalt, bei - weich,
Flugasche als Zusatzstoff, bei niedrigen Außen- - fließfähig.
temperaturen),
- bei Betonen, die an der Oberfläche besonders Je nach Land werden unterschiedliche Konsi-
stark beansprucht werden (z.B. Beton, der ho- stenzprüfverfahren bevorzugt. International ge-
hen Widerstand gegen Frost, chemischen An- bräuchlich sind
griff und Verschleiß haben soll), -Setzmaß,
- bei wasserundurchlässigem Beton, - Setzzeit,
- bei Sichtbeton und - Verdichtungsmaß,
- bei dünnen Schichten (z. B. Estrichen). - Ausbreitmaß.

Für die Nachbehandlung kommen z.B. Feucht- Konsistenzbereiche


halten durch Besprühen und/oder feuchte Tü-
cher in Betracht. Einen Schutz gegen Austrock- In der Praxis muß die angestrebte Konsistenz
nen bieten auch Schutzdächer und Abdeckungen den jeweiligen Verhältnissen vor Ort angepaßt
mit Gewebebahnen, Schilf- oder Strohmatten, sein. Auf Baustellen bieten normalerweise Re-
Kunststoffelien und Nachbehandlungsfilme, die gelkonsistenz oder Fließbeton die günstigsten
nach leichtem Abtrocknen des Betons aufge- Voraussetzungen.
sprüht werden.
Steifer Beton. Der Beton ist nach dem Schütten
3.1.3.6 ohne Zusammenhalt, der Feinmörtelanteil im
Frischbetoneigenschaften Beton ist etwas nasser als erdfeucht Der Beton
ist durch kräftig wirkende Rüttler bzw. durch
Die Verarbeitbarkeit ist eine komplexe, physika- kräftiges Stampfen dünner Schichten verdicht-
lisch nicht genau definierbare rheologische Ei- bar.
genschaft, die die Begriffe Mischbarkeit, Trans-
portierbarkeit (Widerstand gegen Entmischen Plastischer Beton. Beim Schütten ist der Beton
beim Transport) und Verdichtbarkeit umschließt. schollig bis knapp zusammenhängend. Der
Sie ist v.a. eine Funktion des Wasser-, Zement- Feinmörtelanteil im Beton ist weich. Er ist durch
und Mehlkorngehalts, der Zementart, der Korn- Rütteln leicht, aber auch durch Stochern und
zusammensetzung und der Kornform des Zu- Stampfen von Hand zuverlässig zu verdichten.
schlags. Der Beton wird bei Konstanthalten der
jeweils anderen Einflüsse weicher mit Weicher Beton (Regelkonsistenz). Der Beton ist
- größerem Wasser- bzw. Zementleimgehalt, beim Schütten schwach fließend, weil der Pein-
- kleinerem Zementgehalt, mörtelanteil annähernd flüssig ist. Zu seiner Ver-
- größerem Wasser-Zement-Wert, dichtung ist keine größere Verdichtungsarbeit
- gröberem Zement, erforderlich.
- kleinerem Mehlkorngehalt,
- sandärmerer Kornzusammensetzung und Fließbeton. Flüssiger Beton darf nur mit Hilfe
- rundlicherer Kornform. eines Fließmittels hergestellt werden. Die Konsi-

Baustoffe 3-29
stenzdes Ausgangsbetons soll einem Ausbreit- tongefüllt (drei Schichten mit jeweiligem Stamp-
maß von 38 bis 42 cm, höchstens aber 44 cm ent- fen). 5 bis 10 s nach dem Abziehen der Blechform
sprechen. wird die Höhe des Betonkegels gemessen. Das
Setzmaß ergibt sich dann aus der Differenz zwi-
Prüfung der Konsistenz schen der Höhe des Betonkegels vor und nach
dem Abziehen des Trichters.
Die im deutschsprachigen Raum gebräuchlich-
sten Prüfverfahren zur Bestimmung der Konsi- 3.1.3.7
stenz sind der Ausbreitversuch und der Verdich- Festbetoneigenschaften
tungsversuch gemäß DIN 1048 Teill. Das Aus-
breitmaß eignet sich nicht für steifen Beton, Junger Beton
während das Verdichtungsmaß für den Fließbe-
ton ungeeignet ist. Darüber hinaus ist der Trich- Etwa zwei bis vier Stunden nach Wasserzugabe
terversuch (Setzmaß bzw. Slump-Test) von Be- beginnt der Beton zu erstarren, wenn dieser Zeit-
deutung. raum nicht durch die Zugabe eines Zusatzmittels
Entformt man einen Beton unmittelbar nach oder Temperatureinflüsse verlängert bzw. ver-
dem Herstellen, so besitzt er bereits einen ge- kürzt wird. Die Erstarrungsphase erstreckt sich
wissen Widerstand gegen Belastung. Man nennt über mehrere Stunden und geht dann in die Er-
diesen jungen Beton auch "grünen Beton" und härtung über. Letztere verläuft in den ersten
charakterisiert den Widerstand entsprechend Stunden sehr langsam, danach dann schneller. In
über die sog."Grünstandfestigkeit". Diese ist ins- Abb. 3.1-20 ist die Entwicklung der Zugfestigkeit
besondere für die Erzeugung von Betanstein- und der Verformungsfähigkeit (Betonbruchdeh-
produkten von Bedeutung, bei denen die Scha- nung) dargestellt. Der Wendepunkt und damit
lung möglichst effizient genutzt werden soll. das Maximum der Erhärtungsgeschwindigkeit
liegen etwa zwischen sechs und zwölf Stunden.
Ausbreitversuch. Der Ausbreitversuch nach DIN Abbildung 3.1-20 zeigt, daß der Wendepunkt
1048 Teil1 wird auf einem feucht abgewischten der Erhärtungskurve mit einem Minimum der
Ausbreittisch durchgeführt. Auf ihn wird ein ke- spannungsabhängigen Verformung zusammen-
gelstumpfförmiger, oben offener Trichter gesetzt, fällt [Bergström/Byfors 1980]. Bis zu diesem Zeit-
in den der Frischbeton in zwei Schichten einge- punkt ist der Beton sehr verformbar, und Ver-
füllt und durch leichte Stöße mit einem Holzstab formungsbehinderungenwerden nur geringfü-
verdichtet wird. Die Oberfläche des Frischbetons gig in Spannungen umgesetzt. Im Bereich des
wird eben abgestrichen und der Trichter hoch- Wendepunkts, also beim Übergang vom plasti-
gezogen. Der zurückbleibende Frischbetonkegel schen in den viskoelastischen Zustand, ist die
(oder -kuchen) wird durch 15 Schockstöße (He- Verformungsfähigkeit am geringsten. Dieser
ben und Fallenlassen des Ausbreittisches) zum Zeitpunkt ist ein zeitlich definierter Grenzzu-
Ausbreiten gebracht. Als Bewertungskriterium stand, der als Erstarrungsende angesehen wer-
dient der Durchmesser des Betonkuchens (in den kann.
cm), der als "Ausbreitmaß" bezeichnet wird. Zwischen demAbschluß des Einbringens (grü-
ner Beton) bis zum Wendepunkt der Erhärtungs-
Verdichtungsversuch. Der Verdichtungsversuch kurve bzw.Minimum der Verformungskurve be-
nach DIN 1048 Teil1 wird mit Hilfe eines 400 mm zeichnet man den Beton als "jungen Beton".
hohen, oben offenen Blechkastens durchgeführt. Trocknet das auf der Oberfläche des jungen Be-
In ihn wird der Frischbeton lose eingefüllt und tons abgesonderte Wasser innerhalb kurzer Zeit
die Oberfläche eben abgestrichen. Danach folgt ab, kann Frühschwinden auftreten. Es beträgt
seine Verdichtung auf einem Rütteltisch oder mit mit maximal etwa 4 mm/m viel mehr als das
einem Innenrüttler. Zur Bewertung wird das Zehnfache der minimalen Bruchdehnung des
Verdichtungsmaß herangezogen, das sich aus jungen Betons. Darüber hinaus kann sich dem
dem Quotienten der Einfüllhöhen nach und vor Frühschwinden durch Austrocknen eine Ver-
dem Verdichten (400 mm) berechnet. kürzung infolge sinkender Außentemperatur
überlagern.
Trichterversuch. Im Trichterversuch (Slump- Die auftretenden Zwängungsspannungen
Test nach [ASTM C143-90]) wird ähnlich wie im sind nicht sehr groß, da der E-Modul noch sehr
Ausbreitversuch ein Kegelstumpf mit Frischbe- klein ist und die Spannungen in kurzer Zeit

3-30 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


8,0
4,0
E 5,0
' , mmlm N/mml
eE 2,0
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3,0
2,0 1:
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N

0,06 I 0,02
0,04 0,01

0,02 0,003
2h 4h 8h 12h 1d 3d 7d 28d
Betonalter

Abb. 3.1-20 Zeitliche Entwicklung der Zugfestigkeit und der Bruchdehnung [Weigler/Karl1989)

durch Relaxation um über 50% abgebaut werden dung von puzzolanischen Zusatzstoffen oder
können. Außerdem fällt der wesentliche Teil der niedrige Bindemittelgehalte sind ebenso wie das
Verkürzung in die ersten Stunden, in denen die Kühlen des frischen und eingebauten Betons
Verformungsfähigkeit des Betons noch sehr groß Maßnahmen, die Rißgefahr durch Herabsetzen
ist. Trotzdem können beim Zusammentreffen des Temperaturmaximums zu reduzieren. Beim
mehrerer Ursachen die Zugspannungen größer Betonieren im Winter kann die Hydratations-
als die nur geringe Zugfestigkeit werden und wärme dazu beitragen, daß der Beton auch bei
Risse auftreten, die wegen des weiteren Ablaufs niedrigen Außentemperaturen ausreichend er-
der Verformung sehr weit werden können. Da- härtet und gefrierbeständig wird.
her müssen Nachbehandlungsmaßnahmen - Wie sich verformungsbehinderter junger Be-
insbesondere bei Sonne und Wind - so früh wie ton unter Zwangsbeanspruchung beim Abflie-
möglich beginnen. ßen der Hydratationswärme verhält, zeigt Abb.
3.1-21 schematisch. Eine Erwärmung löst erst
Hydratationswärmeentwicklung dann Druckspannungen aus, wenn der E-Modul
des Betons so groß ist, daß der Beton entgegen
Die Hydratation von Zement ist ein exothermer der Wärmedehnung einen meßbaren Wider-
Vorgang. Die pro Zeiteinheit freigesetzte Wärme stand leistet (Temperatur Tod. Mit zunehmen-
steht in direktem Zusammenhang mit der Reak- der Temperatur steigen auch die Druckspannun-
tionsgeschwindigkeit. Sie hängt u.a. von der Zu- gen im Beton und erreichen wegen der Rela-
sammensetzung des Zements ab (Phasenzusam- xation vor dem Temperaturmaximum ihren
mensetzung des Klinkers, Zurnahtstoffe usw.). Höchstwert. Da der E-Modul des jungen Betons
Die Geschwindigkeit der Wärmeentwicklung klein und die Relaxation des jungen Betons sehr
wird außerdem von der Temperatur, der Mahl- hoch ist, erreichen die Druckspannungen im Be-
feinheit und dem w/z-Wert entscheidend beein- ton nur geringe Werte. Mit einsetzender Abküh-
flußt. Zemente mit einer hohen Hydratations- lung verkürzt sich der Beton, die Druckspan-
wärme entwickeln bereits im Laufe eines Tages nungen nehmen ab und werden bei einer be-
50%, im Gegensatz dazu Zemente mit einer nied- stimmten Temperatur T02 zu Null. Wegen der Re-
rigeren Hydratationswärme lediglich 15% ihrer laxation der Druckspannungen im vorangegan-
gesamten Wärmemenge. genen Zeitabschnitt ist T02 >T01• Eine weitere
Zur Verringerung der Hydratationswärme sind Abkühlung hat Zugspannungen zur Folge, die
in erster Linie Betone aus Zementen mit niedri- bei einer kritischen Temperatur TRiß die Zugfe-
ger Hydratationswärme (NW) bei möglichst ge- stigkeit des Betons überschreiten und einen
ringem Zementgehalt herzustellen. Die Verwen- Trennriß verursachen [Breitenbücher 1989].

Baustoffe 3-31
Zeit
Druck

Zeit

Zug

Abb. 3.1 -21 Temperatur- und Spannungs-Zeit-Vertauf[Breitenbücher 1989]

Festigkeit

Die bautechnisch wichtigsten Betonfestigkeiten


sind die Druckfestigkeit sowie als Zugfestigkeit
die Biegezug- und die Spaltzugfestigkeit.

Druckfestigkeit. Zur Ermittlung der Druckfestig-


keit an Betonprüfkörpern wird der Beton mit
gleichmäßigem Druck einachsig belastet. Im In-
neren des Betons entsteht aufgrund der unter-
schiedlichen Verformungseigenschaften von Zu-
schlag und Matrix ein ungleichmäßiger, räumli-
cher Spannungszustand. Bei Normalbeton wird
der verformungsfähigere Zementstein mit nied-
rigerem E-Modul stärker als die Zuschlagkörner
verformt. Dabei konzentriert sich der Kraftfluß
über den Zuschlagkörnern (Abb. 3.1-22).
Die Kraftumlenkung erzeugt im Zementstein
Abb. 3.1 -22 Spannungsverteilung in aufDruck bean-
Zugspannungen, und zwar vorwiegend in der spruchtem Normalbeton nach [Walz/Wischers 1976)
Verbundzone zwischen Zementstein und Zu-
schlag. Sie führen nach Bildung zahlreicher Ein-
zelrisse durch großflächiges Aufreißen des Ze- durch den Zementstein, sondern auch durch den
mentsteins,ggf.auch der Zuschlagkörner,schließ- Leichtzuschlag [Walz 1964].
lich zum Bruch. Das Bruchverhalten von Leicht-
beton unterscheidet sich von den für Normal- Zugfestigkeit. Die Betonzugfestigkeit kann
und Schwerbeton beschriebenen Vorgängen, da durch die Beziehung
der E-Modul des Zementsteins größer sein kann
als derjenige der Leichtzuschläge. Daher erfolgt
ßZ28 =k · ß~is {3.1.1)
der Kraftfluß im Leichtbeton bevorzugt inner- mit
halb der Zementsteinschichten. Die zahlreichen k = 0,25 für zentrische Zugfestigkeit und
Einzelrisse verlaufen nicht mehr vorzugsweise k= 0,45 für Biegezug

3-32 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


erfaßt werden. Sie beträgt demnach nur etwa 4% dicke Streifen aus Hartfilz oder aus harten Holz-
bis 20% der Druckfestigkeit ßozs. faserplatten vorgeschrieben, die die Last gleich-
Anders als bei der Druckbeanspruchung ist mäßiger einleiten. Im Einleitungsbereich treten
die Bestimmung der Festigkeit und des Span- dadurch bis zu einer Tiefe von etwa O,OS · d Druck-
nungs-Dehnungs-Verhaltens bei Zugbeanspru- spannungen senkrecht zur Lastebene auf, so daß
chung- v. a. bei zentrischem Zug- mit einer Rei- die Zugspannungen auf den inneren Bereich von
he versuchstechnischer Probleme verbunden. etwa (0,8S bis 0,90) · d beschränkt sind. In der Pro-
Daher werden vielfach andere Versuchsmetho- be wird somit ein zweiachsiger Spannungszu-
den- insbesondere der Biegezug- und der Spalt- stand erzeugt: Druck in Richtung der Linienbela-
zugversuch - angewandt, um das Verhalten des stung und Zug in der dazu senkrechten Richtung.
Betons bei Zugbeanspruchung zu bestimmen. Die Spaltzugfestigkeit berechnet sich zu
2·maxF
Biegezugfestigkeit. Die Biegezugfestigkeit ist als ßsz (3.1.2)
die maximal aufnehmbare Spannung am Zug- Tt·l·d
rand eines Biegebalkens definiert, die sich unter mit F Last, I Länge und d Durchmesser des Zy-
der Annahme linear-elastischen Verhaltens des linders.
Betons nach der Biegetheorie ergibt. Da der Bruch im Zugspannungsbereich- also
Die Biegezugfestigkeit wird nach DIN 1048 in Scheibenmitte- beginnt, ist die Prüfung rela-
TeilS an Balken mit den Abmessungen ( b x h x I) tiv unempfindlich gegenüber Lagerungseinflüs-
1SO mm x 1SO mm x 700 mm oder bei Größtkorn sen und Strukturänderungen im Bereich der
>32 mm an Balken 200 mm x 200 mm x 900 mm Oberfläche [Wesche 1996).
mit zwei Einzellasten in den Drittelspunkten
geprüft. Es ist auch möglich, Balken von Festigkeitsentwicklung
100mm x 1S0mm x 700mmmiteinerEinzellast
in der Mitte zu prüfen. Die Balken werden bis zur Die Festigkeitsentwicklung eines Betons wird
Prüfung unter Wasser bei +lS°C bis +22°C ge- vornehmlich durch die Eigenschaften des Ze-
lagert, um den Einfluß der Eigenspannungen aus ments, die Zusammensetzung des Betons und
dem Schwinden auf die Biegezugfestigkeit mög- die Umweltbedigungen, denen der Beton wäh-
lichst gering zu halten. rend der Herstellung und Erhärtung ausgesetzt
Die Belastung mit einer Einzellast in der Bal- ist, beeinflußt. Als grober Anhalt für die Festig-
kenmitte ergibt etwa 10% bis 30% höhere Werte keitsentwicklung des Betons kann Tabelle 3.1-1
als mit Einzellasten in den Drittelspunkten, da dienen.
bei der Einzellast nur an der Stelle des Mari- Selbst bei Zementen gleicher Art und Güte-
malmoments der Bruch auftreten kann, während klasse können unter Normbedingungen starke
bei zwei Einzellasten das Maximalmoment zwi- Schwankungen im Erhärtungsverlauf auftreten.
schen diesen Lasten konstant ist und der Balken Ohne diesen genau zu kennen, kann man mit
in diesem Bereich dort bricht, wo örtlich die ge- dem oberen Grenzwert der Tabelle rechnen, wenn
ringste Festigkeit vorhanden ist. man bereits in jungem Alter auf die Festigkeits-
klasse schließen will. Der untere Grenzwert wird
Spaltzugfestigkeit. Die Spaltzugfestigkeit wird verwendet, wenn im höheren Alter auf die Festig-
vorzugsweise an Zylindern, aber auch an Würfeln keitsklasse zurückgerechnet oder die Nacher-
oder Prismen bestimmt. Zur Lasteinleitung sind härtung, d.h. die Zunahme der Druckfestigkeit,
nach DIN 1048 TeilS ein 10 mm breiter und S mm über 28 Tage hinaus vorausgesagt werden soll.

Tabelle 3.1-1 Einfluß des Alters auf die Druckfestigkeit von Beton [Bauberatung Zement1990l

Beton aus Zement Druckfestigkeit in % der 28· Tage-Druckfestigkeit


der Festigkeitsklasse 3d 7d 180d 360d

52,5 u. 42,5 R 70 . .. 80 80.' .90 (91') 100 ... 105 105 ... 110
42,5 u. 32,5 R 50 . ..60 65 ... 80 (83') 105 ... 115 110 ... 120 • Rechenwerte
32,5 30 . .. 40 50.' .65 (77•) 110 ... 125 115 ... 130 nach DIN 1045

Baustoffe 3-33
Da die Betondruckfestigkeit annähernd line- Würfel mit 200 mm Kantenlänge. Dabei kann
ar von der Zementnormdruckfestigkeit abhängt, man beim Versuchswert die mittlere Kurve be-
kann die Einflußgröße Zementnormdruckfe- nutzen, während man beim Klassenwert mit
stigkeit ßz aus dem Einflußkoeffizienten heraus- dem angegebenen Streubereich rechnen muß.
gezogen und ßh/ßz anstelle von ßb gesetzt wer- Wie andere chemische Vorgänge wird auch die
den. In Abb. 3.1-23 ist dies für die Ordinate eines Erhärtung des Betons durch niedrige Tempera-
Festigkeits-w-Diagramms geschehen. Setzt man turen verzögert und durch höhere beschleunigt.
in dieses Verhältnis die im Versuch nach DIN EN Der Temperatureinfluß läßt sich nach verschie-
196 Teil1 ermittelte Zementdruckfestigkeit oder denen Reifeformeln abschätzen. Hier wird als
ohne diese Prüfung die Zementfestigkeitsklasse Beispiel die Reifeformel von Sau/ angegeben:
ein, so erhält man die Betondruckfestigkeit für
R=IM; ·(Tj+10) (3.1.3)
mit
R "Reife", von der die Festigkeit abhängt,
M; Intervalle der Erhärtungszeit bei gleicher
1,40
Temperatur (in d oder h),

1,20 =~~
- ~)<'
~
~~
T; Betontemperatur im Intervall (in °C).

-
- (Q
Der Formel ist zu entnehmen, daß bei -10 °C die
1,00 - \ Reife Null ist; die Erhärtung hört auf. Die Reife-
- :::...~ \
-- \ formel von Sau! gilt nicht mehr für höheres Be-
..r% tonalter und nur beschränkt bei starker Tempe-

,_
0,80
)<'
raturbehandlung. In Abb. 3.1-24 ist der Einfluß

"'r--
~
~(Q der Temperatur in Abhängigkeit vom Alter gra-
0,60 1'- phisch dargestellt. Wie zu erkennen ist, ergeben
;:::: sich Widersprüche zur Reifeformel, wenn wäh-
0,40
"" ..... rend der Erhärtung stark veränderliche Tempe-
""' -... raturen herrschen.
0,20
0,40 0,60 0,80 1,00 Festigkeitsklassen
(J)

Abb. 3.1-23 Beziehung zwischen der Betondruckfes- In Deutschland werden Betone z. Z. nach ihrer
tigkeit ßb2& der Zementnormdruckfestigkeit ß, 28 und 28-Tage-Druckfestigkeit unter definierten Nach-
dem w/z-Wert c.u für Betone ohne Luftporenbildner
[Walz/Wischers 1976] behandlungs- und Prüfbedingungen, die nach
DIN 1048 Teil 5 geregelt sind, klassifiziert. In DIN

200
erst 5°C, dann 20°(
-- --
- --
- -- -
-
~ ~
/
/ ...----: rr--
;F. dauernd 20°( -
.!"ö
~ y / Dampfbehandlung
·~ 100
I/I /
~
._,
;:J
c5
1/ /
/

I dauernd 5°(
I

0 3 4 5 6 8 9 10 11 12
Alter in Monaten

Abb. 3.1·24 Einfluß der Temperatur auf die Festigkeitsentwkklung von Beton [Walz 1964]

3-34 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


1045 sind die Festigkeitsklassen für Beton (B5 festigkeit der Betonfestigkeitsklassen das 5o/o-
bis B55) angegeben, die zugleich als Ausgangs- Quantil der Grundgesamtheit zugrunde.
werte für den Nachweis einer Betonkonstrukti- Die Konformität kann dann bestätigt werden,
on dienen. Hochfeste Betone werden gemäß der wenn die Prüfergebnisse beide Kriterien nach
Richtlinie vom Deutschen Ausschuß für Stahl- Tabelle 3.1-3 entweder für Erstherstellung oder
beton (DafStb) "Hochfester Beton" klassifiziert für stetige Herstellung erfüllen.
[DAfStb-Richtlinie von 1995/Ergänzung zu DIN Wenn die Übereinstimmung auf Grundlage
1045]. einer Betonfamilie beurteilt wird, ist Kriterium
Künftig sollen die Betone (Normal- und 1 auf den Referenzbeton unter Berücksichtigung
Schwerbetone) gemäß DIN 1045 Teil2 (Entwurf) aller transformierten Prüfergebnisse der Familie
bzw. DIN EN 206 (Entwurf) in 16 Festigkeits- anzuwenden; Kriterium 2 ist auf die ursprüngli-
klassen gemäß Tabelle 3.1-2 aufgeteilt werden. chen Prüfergebnisse anzuwenden.
Die Festigkeitsklassen der künftigten DIN 1045 Zum Nachweis, daß jeder einzelne Beton zur
Teil2 bzw.der DIN EN 206 (Entwurf) unterschei- Familie gehört, ist Kriterium 3 in Tabelle 3.1-4
den sich von der DIN 1045 sowohl bezüglich der nachzuweisen. Jeder Beton, der dieses Kriterium
Zahlenwerte als auch der Probengeometrie und nicht erfüllt, ist aus der Betonfamilie zu entfer-
den Lagerungsbedingungen. Wie auch bei DIN nen, und seine Konformität ist gesondert nach-
1045liegt bei DIN EN 206 (Entwurf) der Nenn- zuweisen.
Zu Beginn ist die Standardabweichung aus
mindestens 35 aufeinanderfolgenden Prüfergeb-
Tabelle 3.1·2 Festigkeitsklassen für Normal- und nissen zu berechnen, die in einem Zeitraum ent-
Schwerbeton nach DIN EN 206 (Entwurf) bzw.
OIN 1045 Tei l 2 (Entwurf)
nommen sind, der länger als drei Monate ist und
der unmittelbar vor dem Herstellungszeitraum
liegt, innerhalb dessen die Konformität nachzu-
Festigkeitsklasse fck,cyl fck.cuw prüfen ist. Dieser Wert ist als Schätzwert der Stan-
N/mml N/mml
dardabweichung (o) der Gesamtheit anzuneh-
(8/10 8 10 men. Die Gültigkeit des übernommenen Wertes
c12/15 12 15
ist während der folgenden Herstellung zu beur-
c16/20 16 20
c20/25 20 25
c25/30 25 30
c30/37 30 37 Tabelle 3.1-4 Konformitätskriterium füreinen Beton
c35/45 35 45 aus einer Betonfamilie nach DIN EN 206 (Entwurf) und
DIN 1045 Teil2 (Entwurf)
c40/50 40 50
c45/55 45 55
c50/60 50 60 Anzahl .n• der Kriterium 3
c55/67 55 67 Prüfergebnisse für Mittelwert von .n· Ergebnis-
c60/75 60 75 die Druckfestigkeit sen (f,ml !Ur einen einzelnen
c70/85 70 85 eines einzelnen Beton der Betonfamilie
c80/95 80 95 Betons N/mm2
c90/105 90 105 2 ~ f,k - 1 ,0
c100/115 100 115 ~f,k+ 1,0
f,~q~ charakteristische Festigkeit von Zylindern 4 ~f,k + 2,0
mit d = 150 mm. h = 300 mm nach 28 Tagen 5 ~ f,t+ 2,5
r,~cube charakteristische Festigkeit von Würfeln
mit 150 mm Kantenlänge nach 28 Tagen 6 ~ f,k + 3,0

Tabelle 3.1 ·3 Konformitätskriterien für die Druckfestigkeit nach DIN EN 206 (Entwurf) und DIN 1045 Teil2 (Entwurf)

Herstellung Anzahl.n" der Kriterium1 Kriterium 2


Prüfergebnisse für Mittelwert von .n· Ergebnissen (f,ml Jedes einzelne Prüfergebnis {fd)
die Druckfestigkeit N/mm2 N/mm2
Erstherstellung 3 ~ f,t+ 4
stetige Herstellung 15 ;:: fd + 1.480

Baustoffe 3-35
teilen.Zwei Verfahren sind für die Schätzung des spruchungsrichtung ausgelösten Dehnung wird
Wertes für a zulässig, wobei die Wahl des Verfah- durch die Spannungs-Dehnungs-Linie beschrie-
rens im voraus zu treffen ist: ben. Die inneren Bindungskräfte des Betons ver-
- Verfahren 1: Der Anfangswert der Standard- mögen es nicht, nach der äußeren Krafteinwir-
abweichung darf für den folgenden Zeitraum kung die ursprüngliche Form wieder herzustel-
angewendet werden, innnerhalb dessen die len, d. h., neben elastischen Vorgängen spielen
Konformität zu überprüfen ist, vorausgesetzt, bei der Belastung auch viskose oder plastische
daß die Standardabweichung der letzten 15 Vorgänge eine Rolle. Der Beton wird daher als
Ergebnisse (s,s) nicht signifikant von der an- "viskoelastischer Stoff" bezeichnet.
genommenen Standardabweichung abweicht. Wird der Beton einachsig ohne Querdehnungs-
Dies wird unter folgender Voraussetzung als behinderung belastet, folgt der Beton dem Hoo-
gültig angesehen: keschen Gesetz näherungsweise bei kurzzeitig
einwirkender Druckbeanspruchung bis ca. 40%
0,63 · o~s15 ~1,37 · a. (3.1.4)
seiner Druckfestigkeit und bei kurzzeitig ein-
Falls der Wert s1s außerhalb dieser Grenzen wirkender Zugbeanspruchung bis zu etwa 70%
liegt, muß ein neuer Schätzwert a aus den letz- seiner Zugfestigkeit. Bei höheren Spannungen
ten 35 verfügbaren Prüfergebnissen ermittelt steigt die Dehnung überproportional, bei einer
werden. Entlastung ist nur ein Teil der Verformung rever-
- Verfahren 2: Der neue Wert fürs darf nach ei- sibel, d.h. elastisch. Mit steigender Spannung
nem kontinuierlichen Verfahren geschätzt wer- nimmt der plastische Verformungsanteil zu. Nach
den, und dieser Wert ist zu übernehmen. Die dem Erreichen der aufnehmbaren Höchstspan-
Empfindlichkeit des Verfahrens muß minde- nung, der Druck- bzw. der Zugfestigkeit, nimmt
stens derjenigen des Verfahrens 1 entsprechen. die aufnehmbare Spannung mit steigender Deh-
Der neue Schätzwert für a ist für die nächste nung ab (Abb. 3.1-25).
Nachweisperiode anzuwenden. Bei einer Spannung über ca. 70% bis 90% der
Festigkeit, die etwa mit der Dauerstandfestigkeit
Güteüberwachung übereinstimmt, wird das Gefüge instabil: Die
Risse in der Verbundzone werden durch Risse
Nach DIN EN 206 (Entwurf) muß der Hersteller im Zementstein verbunden, das Volumen, das
eine Produktionslenkung durchführen, die alle bisher durch die Längsstauchung kleiner wurde,
notwendigen Maßnahmen umfaßt, um die Qua- wächst durch die größere Querdehnung wieder
lität des Betons in Übereinstimmung mit den an, bei konstanter Verformungsgeschwindigkeit
festgelegten Anforderungen zu sichern und zu wird die Steigung der Spannungs-Dehnungs-
steuern. Sie schließt Baustoffauswahl, Betonent- Linie zu Null. Darüber hinaus ist die Energie, die
wurf, Betonherstellung, überwachungund Prü- bei der Rißbildung frei wird, größer als diejeni-
fung von Ausstattung, Rohstoffen, Herstellver- ge, die für die Rißbildung benötigt wird.
fahren, Frischbeton und Festbeton und ggf.
Transport ein.
Die Produktionslenkung wird von einer aner-
Druckspannung cr, in N/mm2
kannten Überwachungsstelle oder dem Auftrag- ·100
geber bewertet und überwacht. Hierzu stehen in (80
80

I
Abhängigkeit von der beabsichtigten Verwen-
dung des Betons vier Bewertungssysteme zur Ver- 60
fügung, bei denen die maßgebenden Eigenschaf-
// KC40
ten des Betons vor Ort oder im Herstellungswerk
überprüft werden.
40

20
f
w+\.r\ \ ,.... (20
......
,_ ...- .... ...
_-:__--
Verformungseigenschaften ":.

·0,002 ·0,004 ..(),006 -0,008 -0,010


Spannungs-Dehnungs-Beziehungen. Bei Einwir- Stauchung~::,

kung einer äußeren Belastung setzen innere zwi-


sehenmolekulare Kräfte der Verformung des Be- Abb. 3.1·25 Spannungs-Dehnungs-Diagramme für
druckbeanspruchte Betone verschiedener Festigkeits-
tons Widerstand entgegen. Der Zusammenhang klassen nach CEB-FIP MC 1990 (CEB 1991]
zwischen Spannung und der von ihr in Bean-

3-36 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Der Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linie stant ist. Sie hängt im wesentlichen von der Span-
ist von zahlreichen Parametern abhängig (z.B. nungshöhe sowie der Betonzusammensetzung,
Betonzusammensetzung, Druckfestigkeit, Al- vom Betonalter und vom Feuchtezustand des Be-
ter, Hydratationsgrad, Belastungs- oder Verfor- tons ab. Im Bereich der Gebrauchsspannungen
mungsgeschwindigkeit, Temperatur, Feuchtig- schwanken die Werte zwischen 0,15 und 0,25.
keit), so daß es keine Linie gibt, die für alle An-
wendungsfälle gilt. Für die Bemessung von Stahl- Kriechen. Als "Kriechen" werden i.allg. zusam-
beton geht man deshalb von mittleren Werten menfassend die bleibenden und/oder zeitabhän-
aus. In DIN 1045 wird daher ein Parabel-Recht- gigen Formänderungen von Beton unter Dauer-
eck-Diagramm als idealisierte Spannungs-Deh- last bezeichnet. Im wesentlichen werden die
nungs-Linie gewählt mit einer maximalen Be- Kriechvorgänge auf die Bewegung und Umlage-
tondehnung max Eu von 3,5%o sowie einer Deh- rung von Wasser im Zementstein und damit ver-
nung Eu von 2 %o und der Rechenfestigkeit ßR im bundene Gleitvorgänge zurückgeführt. Durch die
ParabelscheiteL äußere Belastung werden die Wassermoleküle im
Zementstein zum Platzwechsel gezwungen. Dazu
E-Modul. Der E-Modul von Beton ist üblicher- kommen Gleit- und Verdichtungsvorgänge zwi-
weise als Sekantenmodul bei einer Spannung schen den Gelpartikeln. Diese Vorgänge können
von etwa 30% der Festigkeit definiert. Der E- durch Änderung des Feuchtegehalts (z. B. gleich-
Modul sollte für Konstruktionsbetone möglichst zeitige Trocknung) beschleunigt werden.
hoch sein, da eine hohe Festigkeit bei kleinen Für die Kriechverformung Ek wird i. allg. kei-
Verformungen angestrebt wird, während er bei ne absolute Größe angegeben und für die Ver-
Betonstraßen und Massenbeton möglichst klein formungsberechnung verwendet. Zur Vereinfa-
sein soll, um hohe Spannungen bei Dehnungs- chung der rechnerischen Behandlung wird Ek
behinderung zu vermeiden. Aus diesem Grund häufig auf die gleichzeitig auftretende Verfor-
ist es besonders wichtig, den E-Modul gezielt zu mung Eei bezogen. Diesen zeitabhängigen Quo-
beeinflussen. Ein kleiner Beton-E-Modul kann tienten nennt man Kriechzahl
bei relativ hoher Betonzugfestigkeit z. B. durch
Zuschlag mit niedrigem E-Modul oder bitumi- m-.:.tL
Tt- • (3.1.5)
Eez
nierte Zemente erreicht werden.
Bei gleicher Druckfestigkeit ist der E-Modul Zur Bestimmung der Kriechdehnung wird von
von der Betonzusammensetzung, v. a. vom E- der Gesamtdehnung das Schwinden und die ela-
Modul der Matrix Em und des Zuschlags Eg so- stische Dehnung abgezogen:
wie vom Zementsteingehalt Vm abhängig. So (3.1.6)
liegt der E-Modul des Zementsteins Em28 zwi-
schen 6000 und 30000 N/mm2 ; er ist insbeson- Die Größtwerte des Kriechens treten- besonders
dere vom w/z-Wert, d.h. vom Zementsteinpo- bei dicken Bauteilen - erst nach mehrjähriger
renraum, abhängig. Darüber hinaus wird Em28 Belastung auf. Die Größe des Kriechens hängt
durch die Hydratationsgeschwindigkeit beein- im wesentlichen von der Belastungsdauer, den
flußt: Bei Zementen mit schneller Anfangser- Umweltbedingungen, dem Zementsteinvolumen
härtung ist dieser E-Modul etwas höher als bei und dem Erhärtungzustand (Reifegrad) bei der
solchen mit langsamer Anfangserhärtung. Eben- Belastung sowie von der Bauteildicke bzw. Prüf-
falls schwankt der E-Modul des Zuschlags Eg für körperabmessung ab.
Normalzuschlag - aber auch für Leichtzuschlag Zur genaueren Erfassung des Kriechvorgangs
- in weiten Grenzen. ist es sinnvoll, die anteiligen Verformungsgrößen
anzugeben. Das Kriechen Ek setzt sich aus einem
Querdehnung. Zur Beschreibung mehraxialer Fließanteil Ef und einem verzögert elastischen
Spannungs- und Dehnungszustände ist es not- Anteil Evel zusammen.
wendig, das Hookesche Gesetz um die Querdeh-
nungszahl Jl, die das elastische Materialverhal- Schwinden und Quellen. Beton verändert sein
ten neben dem E-Modul beschreibt, zu erwei- Volumen bei einer Änderung des Feuchtege-
tern. Die Querdehnungszahl ist der Quotient aus halts. Trocknet der Beton aus, so bezeichnet man
elastischer Querdehnung Eq und elastischer diesen Vorgang, der mit einer Volumenabnahme
Längsdehnung Eh da im elastischen Bereich das verbunden ist, auch als "Schwinden". Bei einer
Verhältnis von Längs- und Querdehnung kon- Feuchtigkeitsaufnahme hingegen vergrößert der

Baustoffe 3-37
Beton sein Volumen; dieser Vorgang wird auch
(3.1.9)
als "Quellen" bezeichnet.
Nur bei dauernder Wasserlagerung tritt ein
Quellen ohne vorherige Austrocknung auf. Er- Die Wärmedehnzahl a 1 von Beton ist im we-
heblich größer ist das Quellen nach vorausgege- sentlichen abhängig vom
bender Austrocknung; es beträgt etwa 40% bis - Wärmedehnkoeffizienten des Zementsteins
80% der vorhergehenden Schwindverformun- am, der zwischen 8·10- 6 und 23·10- 6 K- 1 liegt
gen. Für baupraktische Belange sind die Auswir- und besonders vom Feuchtegehalt bestimmt
kungen des Quellens i. d. R. vernachlässigbar. wird,
Schwinden ist bei wiederholtemAustrocknen - Wärmedehnkoeffizienten des Zuschlags ag>
deutlich geringer als bei erstmaligem Austrock- der zwischen 4·10- 6 und 12·10-6 K- 1 je nach
nen, da nur ein kleiner Teil des Schwindens re- Zuschlagart liegt,
versibel ist. Da das Schwinden des Betons durch - Zementstein- bzw. Zuschlaggehalt Vm bzw. Vg.
das Schwinden des Zementsteins Esm entsteht,
hängt das Schwindmaß maßgeblich vom Ze- Der Wärmedehnkoeffizient des Betons schwankt
mentsteingehalt Vm ab. Normalzuschlag schwin- dadurch zwischen 5·10-6 und 14·10-6 K- 1, wobei
det i.allg. nicht. Nach [Pickett 1956] gilt Zuschlagart und -menge den größten Einfluß
haben. Den größten Wert erreicht man mit Quar-
{3.1.7)
zit bei lufttrockenem Beton mit niedrigem Zu-
Der Exponent n ergibt sich aus der Behinderung schlaggehalt, den kleinsten mit Kalkstein als Zu-
des Zementsteinschwindens durch den Zuschlag schlag bei wassergesättigtem Beton mit hohem
und wird daher in Abhängigkeit von den E-Mo- Zuschlaggehalt Bei Schwerbeton mit Baryt als
duln und Querdehnungszahlen von Beton und Zuschlag kann der Wärmedehnkoeffizient bis
Zuschlag angegeben. Er kann für normalen Kies- auf 20 ·1 o-6 K steigen.
sand mit 1,5 angenommen werden. Das Schwin- Eine der Voraussetzungen für die Anwendung
den ist also bei gleicher Matrix, gleichem Zu- des Verbundbaustoffs Stahlbeton ist die gleiche
schlag und gleichem Austrocknungsverlauf zu- Größe der Wärmedehnkoeffizienten von Beton
nächst dem Matrixvolumen proportional, das und Stahl. Die Wärmeleitfähigkeit des Stahles ist
Schwindmaß wird aber darüber hinaus durch jedoch rd. 30 mal größer als die von Beton, d. h.,
den nicht schwindenden Zuschlag behindert die Temperatur und die Dehnung des Stahls än-
und dadurch verringert. dern sich schneller als die des Betons, was bei
Darüber hinaus wird das Schwinden von der schnell ablaufenden Temperaturänderungen
Bauteildicke beeinflußt. Das Endschwindmaß (z.B. bei Bränden) zu hohen Zwängungsspan-
wird bei dünneren Bauteilen schon nach ein bis nungen führen kann. Auch bei Verbindung von
zwei Jahren, bei dickeren Bauteilen erst nach ei- Stahl und Beton außerhalb der Stahlbetonkon-
ner wesentlich längeren Zeit, erreicht. Es ergibt struktion (z. B. bei Brückengeländern) kann dies
sich für die betrachtete Richtung aus dem Ver- zu Schäden führen, denen man durch Ver-
hältnis der unter den vorhandenen Umweltbe- schieblichkeit des Geländers und Aussparungen
dingungen größten Schwindverkürzung tll zur zwischen Geländerpfosten und Beton begegnen
ursprünglichen Länge lo. muß.
t:.l
Es,==T· {3.1.8) Beständigkeit vgl. 1.4.3.
0

Das Endschwindmaß ist folglich abhängig von Umweltverträglichkeit


der Betonzusammensetzung, den Umweltbedin-
gungen und der wirksamen Bauteildicke. Für ein Als Aspekte der Umweltverträglichkeit von mi-
30 cm dickes Bauteil, das nach zwei Seiten aus- neralischen Baustoffen kommen im wesentli-
trocknet, beträgt es für ein trockenes Innenbau- chen das Auswaschen von Salzen, Laugen und
teil ca. 45 ·10-5 und für ein Außenbauteil etwa Schwermetallen sowie die radioaktive Strahlung
30·10-5 • in Betracht.

Wärmedehnung. Die Wärmedehnzahl a 1 ist das Schwermetalle. Schwermetalle, die in Spuren so-
Verhältnis der Wärmedehnung Et zur Tempera- wohl im Zement als auch in Zumahl- bzw. Zu-
turänderung M. satzstoffen (Hüttensand, Steinkohlenflugasche)

3-38 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


vorkommen, können bei dauerndem Kontakt 3.1.3.8
von Beton mit Wasser (z.B. Gründungen im Recycling
Grundwasser) aus dem Festbeton ausgewaschen
werden. Allerdings sind die Schwermetalle z.T. Aufgrund von Abriß- und Aushubtätigkeiten fal-
fest in die Mineralphasen des Zementsteins ein- len jedes Jahr große Mengen von Baureststoffen
gebunden und damit inmobilisiert. Die löslichen an. Nach dem Bodenaushub mit rd. 200 Mio. t/a
Anteile müssen durch den relativ dichten Beton macht dabei der Bauschutt den mengenmäßig
diffundieren und können nur über die Beton- größten Anteil aus [Bilitewski/Gewiese u. a.1995].
oberflächen an den Baugrund bzw. das Grund- Nur in besonderen Fällen (z.B. beim Abruch von
wasser abgegeben werden. Zusammenfassend ist Betonstraßen oder Flugplätzen) besteht das Ab-
festzustellen, daß Betone üblicher Zusammen- bruchgut aus weitgehend "sauberem" und ein-
setzung bezüglich der Auslaugung von Schwer- heitlichem Material. Häufig sind im Bauschutt
metallen unkritisch sind. neben Beton und Mauersteinen Mauermörtel,
Estriche, Putze und keramische Erzeugnisse wie
Chromatproblematik. Zemente enthalten Spu- Dachpfannen und Fliesen enthalten. Hinzu kom-
ren von Chromat (Chrom (VI)). Nach derzeiti- men Nebenbestandteile wie Metalle, Asphalt,
gem Erkenntnisstand ist nicht auszuschließen, Holz, Kunststoffe, Glas, Gips und Dämmstoffe,
daß das Chromat die Ursache von Hautsensibi- die je nach Verwendungszweck als Verunreini-
lisierungen beim häufigen Umgang mit Frisch- gungen anzusehen sind. Zukünftig ist mit einer
beton und Mörtel ist (Maurerekzem). Zur Ver- weiteren Zunahme an Bauschutt zu rechnen.
meidung solcher Ekzeme, die in Fällen extremer Schätzungen zufolge wird bis zum Jahr 2020 al-
Empfindlichkeit bis zur Berufsunfahigkeit füh- lein die jährliche Betonabbruchmenge auf etwa
ren können, ist bei berufsbedingt häufigem Um- 100 Mio. t steigen [Rahlwes 1991].
gang mit Frischmörtel und Frischbeton das Tra- Um als Baustoffbzw. als Sekundärrohstoff zur
gen von Schutzhandschuhen empfehlenswert. Herstellung von Baustoffen geeignet zu sein,
Im Festbeton wird das Chromatin die Zement- muß recyceltes Material drei grundsätzlichen
steinmatrix eingebunden und stellt i. d. R. kein Anforderungen genügen:
Gesundheits- und Umweltrisiko dar. - Der Baustoff muß die für den jeweiligen Ver-
wendungszweckgültigen Anforderungen und
Radioaktivität. Jedes Baumaterial natürlicher Regeln erfüllen.
oder künstlicher Art hat eine natürliche Radio- - Der Baustoff muß umweltverträglich sein,
aktivität, die im wesentlichen aus den Radionu- d. h., von ihm darf keine Gefährdung für die
kliden der Uran/Radium- und Thorium-Zer- Schutzgüter Boden, Wasser oder Luft ausge-
fallsreihen sowie aus Kalium-40 resultiert. In hen (z. B. Auslaugung von Schwermetallen).
beiden Zerfallsreihen entsteht auch das Edelgas - Die Verwendung des Baustoffs muß wirt-
Radon. Diese natürliche Radioaktivität der Bau- schaftlich sein (im Vergleich zu herkömmli-
materialien liefert einen Beitrag zu Strahlendo- chen (primären) Rohstoffen).
sis beim Aufenthalt in Gebäuden.
Der weitaus überwiegende Teil der Strahlen- Mauerwerk- und Splittbeton
exposition in Häusern wird durch die Inhalati-
on der radioaktiven Edelgase Radon-222 und Die Eigenschaften des aufbereiteten Bauschutts
Radon-220 (auch Thoron genannt) bzw. ihrer variieren naturgemäß mit der Zusammenset-
Folgeprodukte hervorgerufen. Bezüglich der Ra- zung. Daher ist die Eingrenzung der Haupt- und
donexhalation aus Baustoffen ist aber nachge- Nebenbestandteile eine wichtige Voraussetzung
wiesen, daß alle Außenwandstoffe (Beton, Mau- für genügend gleichmäßige und damit kalku-
erwerk) um Größenordnungen mehr Radon aus lierbare Eigenschaften. In [DafStb 1998) sind An-
dem Boden abschirmen als sie an die Innenräu- forderungen und Eigenschaften von Betonzu-
me abgeben. Wenn erhöhte Radonkonzentratio- schlägen aus Betonsplitt und Betonbrechsand
nen insbesondere in Kellerräumen auftreten, angegeben.
sind die angrenzenden Böden die Quellen. Wir- Besteht der aufbereitete Bauschuttaus >95 M.-
kungsvollste Maßnahme ist der Luftaustausch o/o Betonsplitt und <5 M.-o/o Nebenbestandteilen
durch Lüften. wie Mauerwerksplitt, Leichtbeton, Porenbeton,
Keramikerzeugnisse, Naturstein und/oder Mör-
tel, so spricht man von "Betonsplitt". Im Ver-

Baustoffe 3-39
gleich dazu enthält Mauerwerksplitt überwie- Matrixporigkeit. Der Porenraum entsteht durch
gend (bis zu 65 M.-o/o) Ziegel, Kalksandstein und Zugabe eines Schaumbildners während des
Normalbeton. Als Nebenbestandteile können Mischvorgangs oder Einmischen eines mög-
Leichtbeton, Porenbeton, keramische Erzeug- lichst stabilen Schaumes.
nisse wie Dachziegel, Naturstein und/oder Mau-
ermörtel vorkommen. Haufwerksporigkeit. Leichtbeton mit haufwerk-
Auch wenn aufbereitete Zuschläge nicht ein- sporigem Gefüge enthält ein engbegrenztes Zu-
deutig dem bestehenden Regelwerk der DIN 4226 schlaggemisch aus dichtem oder porigem Zu-
zuzuordnen sind, sollten grundsätzlich die Ge- schlag mit einem Kleinstkorn von mindestens
halte betonschädlicher Verunreinigungen im auf- 4 mm. Sein Gehalt an Feinmörtel ist so bemes-
bereiteten Zuschlag die Grenzwerte der Norm sen, daß dieser alle Zuschlagkörner umhüllt und
nicht überschreiten. Um den Eigenschaften sol- die Zwickel zwischen diesen freiläßt.
cher Materialien als Betonzuschlag Rechnung zu
tragen, umfaßt die Zulassungsprüfungvon Recy- Gemischtporigkeit. Die Kombination von Korn-
clingmaterial als Betonzuschlag neben Prüfun- und Haufwerksporigkeit ergibt die Gemischtpo-
gen nach DIN 4226 zusätzliche Zuschlaguntersu- rigkeit. Gemischtporiger Leichtbeton wird vor-
chungen sowie Eignungsprüfungen im Beton- wiegend für Wandbausteine, Deckenplatten und
maßstab. Schüttbeton (vgl. DIN 4232) verwendet, aber
auch für Lärmschutzwände, die einen hohen
3.1.3.9 Mikroluftporengehalt von 8% bis 11 o/o wegen des
Sonderbetone erforderlichen Frostwiderstands aufweisen. Die-
se gemischtporigen Leichtbetone sind meist
Leichtbeton nicht frostbeständig und müssen daher für
Leichtbetonstein-Mauerwerk nach DIN 1053 Teil
Für die Herstellung von Leichtbeton werden al- 1 bzw. Leichtbetonwände nach DIN 4232 immer
le kornporigen Leichtzuschläge, die künstlich er- mit einer zusätzlichen Putzschicht oder anderen
zeugt werden oder aus natürlichen Gesteinen be- Schichten bekleidet werden.
stehen können, verwendet. Weiterhin besteht die Leichtbetone mit geschlossenem Gefüge, die
Möglichkeit, bleibende Hohlräume zwischen höhere Festigkeitsanforderungen als wärme-
den Zuschlagkörnern, sog. "Haufwerksporen", dämmende Leichtbetone erfüllen müssen, be-
zu erzeugen, u. U. auch bei Verwendung von zeichnet man als "Konstruktionsleichtbeton".
Leichtzuschlag. Entsprechend wird zwischen Anwendung findet Konstruktionsleichtbeton z. B.
Leichtbeton mit geschlossenem und Leichtbeton bei Fußgängerbrücken wegen des günstigen Ver-
mit haufwerksporigem Gefüge unterschieden. Je hältniswertes Eigengewicht/Gesamtlast, bei der
nach Anwendung kann zwischen wärmedäm- Aufstockung von Hochbauten, für die Normal-
mendem Leichtbeton und leichtem Konstrukti- beton zu schwer wäre, bei Hängedächern und
onsbeton unterschieden werden. Leichtbeton weit ausladenden Kragarmen.
kann daher wie folgt eingeteilt werden:
- leichter Leichtbeton mit "R=300 ... 800 kg/m 3, Faserbeton
ß >5 N!mm 2 und .\<0,30 W/(m ·K),
- wärmedämmender Konstruktionsleichtbeton Faserbeton ist ein Beton, dem bei der Herstel-
mit "R=800 ... 1300 kg/m3 , ß>3,5 N/mm 2 und lung Fasern - vorzugsweise Stahl-, Glas- oder
.\<0,75 W/(m·K), Kunststoffasern - beigemischt werden. Die Fa-
- Konstruktionsleichtbeton mit sern sind im Zementstein bzw. im Mörtel einge-
"R = 1300 ... 2000 kg/m 3 und ß>5 N/mm 2 sowie bettet und wirken dort als Bewehrung. Eine in
- leichter Normalbeton mit die Matrix eingebaute Bewehrung aus zugfesten
"R=2000 ... 2100 kg/m 3 • und dehnbaren Fasern hemmt das Öffnen von
Rissen. Unter bestimmten Vorraussetzungen
Kornporigkeit. Das geschlossene Gefüge des verbinden die Fasern nach Rißbildung die Riß-
Normalbetons wird beibehalten, und die dichten ufer zugfest miteinander und ermöglichen auch
Körner des Normalzuschlags werden durch po- bei größerer Dehnung noch eine Übertragung
rige Leichtzuschlagkörner (z.B. Blähton oder von nennenswerten Zugkräften. Durch Beimi-
Blähschiefer) ersetzt bzw. ergänzt. schen von Fasern lassen sich bestimmte Eigen-
schaften des Betons wie Grünfestigkeit, Zugfe-

3-40 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


stigkeit, Schlagfestigkeit, Sprödigkeit, Verfor- Beim Naßspritzverfahren wird das Gemisch
mungsverhalten und Reißneigung verbessern. aus Zement, Zuschlag, Zugabewasser und ggf.
Daher werden bei besonderen Anforderungen, Zusätzen in die Förderleitung gegeben.
bei denen die erhöhten Betonkosten gegenüber Spritzmörtel und Spritzbeton werden vorwie-
anderen Baustoffen und Bauverfahren noch ak- gend im Stollen- und Tunnelbau zur Festigung
zeptiert werden, in eng begrenzten Anwen- des anstehenden Gesteins hinter Beton- und
dungsbereichen Mörteln und Betonen Fasern Mauerwerk verarbeitet oder als alleinige Schale
zugemischt (z. B. bei Spritzbeton, beim Schutz- bis zu 30 cm Dicke. Sie dienen zum Bau von Scha-
raum- und Tresorbau, bei Rammpfählen, Hang- len und Behältern (nur einseitige Schalung er-
sicherungen, Betonsteinerzeugnissen und Be- forderlich, die keinem Schalungsdruck ausge-
tonfertigteilen sowie Industriefußböden). setzt ist), zu Verstärkungs- und Sanierungsar-
Die Fasern bewirken v. a., daß die Bildung und beiten an Bauteilen sowie bei Baugruben und
Ausbreitung von Rissen behindert wird. Je nach Böschungen. Eine Verwendung ist jedoch nur
ihren Eigenschaften beeinflussen sie die Eigen- sinnvoll, wenn die verfahrensbedingten Mehr-
schaften des Betons unterschiedlich. kosten durch Lohneinsparung für aufwendige
Schalungen ausgeglichen werden [Wesche 1993].
Kunststoffasern. Kunststoffasern weisen i. d. R. Eine besondere Art des Spritzbetons ist der Fa-
einen kleinen E-Modul und geringe Zugfestig- serspritzbeton. Er wird sowohl im Trocken- als
keit bei sehr großer Bruchdehnung auf. Daher auch im Naßverfahren aufgetragen. Das Trocken-
wirken sie nur im grünen und jungen Beton. oder Naßgemisch enthält zusätzlich 1 bis 2 Vol.-
% Stahlfasern von 0,3 bis 0,5 mm Durchmesser
Glasfasern. Glasfasern, die einen mittleren E- und 15 bis 30 mm Länge. Die Stahlfasern richten
Modul, eine große bis sehr große Zugfestigkeit sich entsprechend der Auftragsfläche vorwie-
und mittlere Bruchdehnung aufweisen, eignen gend senkrecht zur Spritzrichtung aus. Anwen-
sich besonders gut als Zugabe bei weichen Mör- dung findet Faserspritzbeton überall dort, wo die
teln für dünnwandige Bauteile, v. a. bei stark Zugfestigkeit und das Arbeitsvermögen des nor-
strukturierten Oberflächen. Zu beachten ist, daß malen Spritzbetons nicht ausreichen oder eine
die Alkalien des Zements die Korrosion von geringere Dicke wirtschaftlicher ist.
Glasfasern bewirken.
Vakuumbeton
Stahlfasern. Stahlfasern bewähren sich besonders
bei Spritzbeton und dynamisch beanspruchten In der Regel enthält Frischbeton mehr Wasser als
Bauteilen, da sie sowohl einen großen E-Modul als zur vollständigen Hydratation erforderlich. Das
auch eine große Bruchdehnung und eine mittle- Bestreben, den Kapillarporenanteil gering zu
re bis hohe Zugfestigkeit aufweisen. Bei Verwen- halten, führte u.a. zur Entwicklung des Vakuum-
dung von Stahlfasern ist mit Korrosion an der Be- verfahrens. Bei ihm wird ein plastischer bis
tonoberfläche zu rechnen, die durch Deckschich- weicher Beton mit einem Ausbreitmaß
ten oder Anstriche verhindert werden muß. a=38 .. .44cm, der eine sehr gute Kornzusam-
mensetzung (A32) und geringen Mehlkornge-
Spritzbeton halt haben sollte, hergestellt. Aus dem in die
Schalung eingebrachten Beton wird während
Bei diesem Betonierverfahren wird der Beton im und nach dem Verdichten mit Hilfe einer Vaku-
Spritzverfahren gefördert, flächenhaft aufgetra- umpumpe und aufgelegter Saugmatten bzw. Spe-
gen und dadurch gleichmäßig verdichtet. Man zialschalungen ein Teil des Überschußwassers
unterscheidet zwischen Trocken- und Naß- abgesaugt, wodurch der Beton gleichzeitig wei-
spritzverfahren. ter verdichtet wird.
Beim Trockenverfahren wird das Betontrok- Der w/z-Wert kann bei diesem Verfahren um
kengemisch, bestehend aus Zement, Zuschlag bis zu 20% reduziert werden, womit eine Festig-
und ggf. pulverförmigen Zusätzen, vorgemischt keitserhöhung verbunden ist, die schon nach
und als Trockengemisch der Förderleitung zu- zwei Tagen die 28-Tage-Festigkeit erreicht. Das
geführt, wo es im Druckluftstrom befördert wird Vakuumverfahren wird besonders dort ange-
(Dünnluftstromverfahren). Das Zugabewasser wandt, wo es um verschleißfeste und wider-
wird, ggf. mit flüssigen Betonzusatzmitteln, an standsfähige waagerechte Oberflächen geht (z. B.
der Spritzdüse beigemengt. Parkhäuser und Tiefgaragen).

Baustoffe 3-41
3.1.4 lig von der Gangart getrennt und in reines Eisen
Stahl reduziert werden. Hierzu wird der Hochofen von
oben lagenweise mit Eisenerzkonzentrat, Koks
3.1.4.1 und prozeßregulierenden Zuschlägen beschickt.
Allgemeines Im oberen Bereich wird das absackende Eisen-
oxid durch das bei der Verbrennung des Kokses
Neben Beton ist Stahl der wichtigste tragende entstehende Kohlenmonoxidgas infolge der
Baustoff, obwohl er pro Tonne etwa sechsmal größeren Sauerstoffaffinität reduziert. Im unte-
teurer ist. Seine häufige Verwendung als Kon- ren Bereich wirkt bei höheren Temperaturen der
struktionswerkstoffist der Tatsache zuzuschrei- Kohlenstoff direkt als ReduktionsmitteL Eisen
ben, daß das Verhältnis von Festigkeit zu Ge- und Gangart schmelzen hier auf und sammeln
wicht bei Stahl günstiger ist und er somit v. a. sich im HochofengestelL Die flüssige Hoch-
dort Verwendung findet, wo das Eigengewicht ofenschlacke, die sich aus der Gangart und den
entscheidend ist. Außerdem ist die Zugfestigkeit Zuschlägen bildet, läßt sich leicht vom Roheisen
von Stahl wesentlich höher als diejenige von Be- trennen, da sie wegen des Dichteunterschieds
ton. Die Weltproduktion von Stahl beträgt ca. (2600 zu 7800 kg/m 3) auf dem Roheisen
700Mio. t/a [Peters 1994]. schwimmt.
Im Bauwesen werden i.d.R. unZegierte Profil- Das gewonnene flüssige Roheisen enthält ho-
stähle mit genormten Bezeichnungen und Ab- he Gehalte an Kohlenstoff und weiteren Begleit-
messungen verwendet (z.B. Formstahl, Stab- elernenten aus dem Erzkonzentrat (Phosphor,
stahl, Winkelprofil, I-Profil). Sie werden mittels Mangan, Silizium) und aus dem Koks (Kohlen-
spezieller Fügeverfahren - v. a. Schweißen - zu stoff, Schwefel), die das erstarrte Roheisen hart
Konstruktionen zusammengefügt. und spröde machen, so daß es nicht verformt
Für die Verwendung von Stahl im Bauwesen werden kann und damit als Konstruktionswerk-
sind die Festigkeitseigenschaften und das Form- stoff unbrauchbar ist. Aus diesem Grund müssen
änderungsverhalten maßgebend, die den Bean- die versprödend wirkenden Eisenbegleiter aus
spruchungen des Bauwerks durch (äußere) La- dem Eisen entfernt werden.
sten entgegenwirken. Die Zugfestigkeiten übli- Der Kohlenstoff wird dem Eisen durch Oxi-
cher Stahlsorten reichen entsprechend ihres Ern- dation entzogen, indem der zugeführte Sauer-
satzgebietes von 300 N/mm2 für einfache Bau- stoff den Kohlenstoff in CO oder C02 überführt,
stähle bis nahe 2000 N/mm 2 für Spannstähle. die als Gas aus dem flüssigen Eisen entweichen.
Wegen dieser Sortenvielfalt werden Stähle mit Die anderen Eisenbegleiter werden in Oxide um-
Kurznamen gekennzeichnet, aus denen grund- gewandelt, die sich als Schlacke auf der Schmel-
sätzlich die Stahlgruppe und die Festigkeit bzw. ze sammeln. In der Vergangenheit wurden bei
Streckgrenze ersichtlich sind. So werden allge- der Stahlerzeugung zur Kohlenstoffoxidation
meine Stähle für den Stahlbau mit dem Kurzzei- Frischverfahren wie das Thomas- und das Sie-
chenS und der Mindeststreckgrenze in N/mm2 mens-Martin-Verfahren angewandt. Heute wird
gekennzeichnet (z.B. S 235). Häufig findet man der Großteil des aus Roheisen erzeugten Stahls
auch noch die alten Bezeichnungen nach DIN im Sauerstoffblasverfahren hergestellt, bei dem
17100, wobei allgemeine Baustähle mit dem der Sauerstoff mittels einer Lanze von oben
Kurzzeichen St und die Mindestzugfestigkeit in durch die Schlackeschicht in das flüssige Rohei-
kp/mm2 angegeben wird (z.B. St 37, der dem S sen geblasen wird.
235 entspricht). Durch das Frischen kommt der Stahl mit er-
heblichen Mengen Sauerstoff in Berührung und
3.1.4.2 kann im flüssigen Zustand große Gasmengen
Erschmelzen und Vergießen des Stahls aufnehmen. Da hohe Sauerstoffgehalte den Stahl
ab 0,03 M.-% jedoch alterungsempfindlich und
Eisen kommt in der Natur nicht als reines Eisen, ab 0,07 M.-% rotbrüchig machen, muß der Sau-
sondern i. allg. in Form von Oxiden vor, die in erstoff der Stahlschmelze wieder entzogen wer-
Eisenerzen innig mit Gestein, der sog."Gangart" den; d. h., sie muß desoxidiert werden.
verwachsen sind. Je nach Grad der Desoxidation unterscheidet
In der Aufbereitung wird zunächst der Anteil . man bei den Vergießungsarten zwischen unbe-
der Gangart auf wenige Massenprozente (M.-%) ruhigtem (U), beruhigtem (R) und besonders
verringert. Im Hochofen muß das Eisenoxid völ- beruhigtem (RR) Stahl. Die Vergießungsarten

3-42 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


beschreiben das unterschiedliche Erstarrungs- nicht für unberuhigte Stähle, da im Strang ein
verhalten der Stahlschmelze. Beim unberuhigten Entweichen der Gase nicht möglich ist.
Vergießen wird der Stahl zum Erstarren in Blök- Neben der klassischen Stahlherstellung im
ke gegossen. Außen entsteht zunächst relativ rei- Hochofen wird Stahl auch im Elektroverfahren
ner Stahl, wodurch sich die im Kern befindliche hergestellt. Hierbei wird als Rohstoff nicht oxi-
Restschmelze mit Verunreinigungen anreichert. disches Eisenerz, sondern Stahlschrott verwen-
Beim weiteren Abkühlen sinkt die Löslichkeit det. Wegen dieser Möglichkeit des Recycling ge-
des Sauerstoffs; er scheidet sich aus und reagiert winnt das Verfahren immer mehr an Bedeutung.
mit dem vorhandenen Restkohlenstoff der Stahl- Beim Schrott muß unterschieden werden zwi-
schmelze zu CO. Letzteres steigt in Form von Bla- schen Eigenschrott, der in der Produktion oder
sen auf und erzeugt so die Badunruhe. Hierdurch der Weiterverarbeitung anfällt, und Altschrott
kommt es im Kern und am Kopf zu Anhäufun- (z. B. von Autos). Im Gegensatz zu Altschrott ist
gen von Verunreinigungen, die als "Seigerun- die Zusammensetzung von Eigenschrott be-
gen" bezeichnet werden. kannt, entsprechend kann er problemlos wieder
Beim beruhigten Vergießen (R) wird der eingesetzt werden. Altschrott ist durch Begleit-
Schmelze Silizium zugegeben, mit dem der Sau- elernente wie Kupfer und Zinn aus Überzügen
erstoff als Si0 2 chemisch gebunden wird. Da die verunreinigt. Der vorgewärmte und getrockne-
CO-Bildung unterbleibt, erstarrt die Schmelze te Schrott wird im Elektroofen mittels elektri-
ruhig. Ein Teil des Si0 2 wird mit der Schlacke scher Energie durch einen Lichtbogen zwischen
entfernt. Wegen der fehlenden Badbewegung Schrott und Graphitelektroden erschmolzen.
bleiben die Verunreinigungen und ein Großteil Verunreinigungen infolge von Brennstoffgasen
des Si0 2 gleichmäßig über den Stahl verteilt. Aus können nicht entstehen, und der Lichtbogen ver-
diesem Grund gibt es keine ausgeprägte verun- ringert den Sauerstoffgehalt im Stahl.
reinigungsarme Randzone, und die Qualität der
Oberfläche ist nicht so gut wie bei unberuhigten 3.1.4.3
Stählen. Im Kopf des Blockes bildet sich auf- Gefüge, Härten, Anlassen, Glühen
grund der Abkühlungsschrumpfung ein Hohl-
raum, der vor dem Walzen abgetrennt werden Beim Abkühlen aus der Schmelze kristallisiert
muß, um Dopplungen zu vermeiden. das Eisen, d.h., die Atome ordnen sich in regel-
Bei der dritten Vergießungsart erhält man mäßiger räumlicher Anordnung zu Kristallen.
durch zusätzliche Zugabe von Aluminium (Al) Bei weiterer langsamer Abkühlung wandeln sich
zu Silizium (Si) und Mangan (Mn) besonders be- diese Kristalle um. Die Umwandlungstempera-
ruhigten Stahl (RR). Die hohe Sauerstoffaffinität turen und die dabei auftretenden Kristallmodi-
von Al bindet den restlichen Sauerstoff unter Bil- fikationen, die sog. "Phasen", sind maßgeblich
dung von A}z03 (Tonerde). Die feinverteilten von der chemischen Zusammensetzung des Ei-
Tonerdeeinschlüssse wirken bei der Erstarrung sens abhängig (Abb. 3.1-26). Bei Stahl trifft dies
als Kristallisationskeime, die die Korngröße ver- in erster Linie für den Kohlenstoffgehalt zu. Das
ringern und einen reinen, feinkörnigen und Gefüge des Stahls setzt sich aus vielen Kristallen
zähen Stahl bilden, der sich gut verformen und zusammen, die zur besseren Unterscheidung
schweißen läßt sowie alterungsunempfindlich von den atomaren Kristallen als "Körner" be-
ist, da der Stickstoff gebunden wird. zeichnet werden und z. B. bei Zink auf der Ober-
In den Industrienationen hat der Strangguß fläche sichtbar sind.
den Blockguß inzwischen zu über 90o/o ersetzt. Das Gefüge ist von unterschiedlichen Faktoren
Während beim Blockguß der flüssige Stahl in ei- abhängig: der chemischen Zusammensetzung
ne unten geschlossene Kokille gefüllt wird, dort des Eisens, der Wärmebehandlung und der Art
als Block erstarrt und in vielen weiteren Schrit- der Verarbeitung, die der Stahl bis zu seiner end-
ten umgeformt werden muß, wird er beim Strang- gültigen Gestaltung erhält. Die Abkühlgeschwin-
guß in eine oben und unten geöffnete Durch- digkeit bestimmt die Größe der Körner wesent-
laufform gegossen. Infolge der kontinuierlichen lich; so haben die Körner bei langsamer Abküh-
Ausbringung entfällt die Entfernung des Kopfes, lung Zeit zu wachsen, und es bildet sich Grob-
wodurch sich eine erhöhte Ausbringung ergibt. korn. Das Gefüge des Stahls läßt sich an ge-
Da die Durchlaufform der späteren Profilform schliffenen und geätzten Proben mit "einfacher"
angenähert ist, verringert sich die Zahl der Ar- Vergrößerung erkennen. Die Korngrößen liegen
beitsstufen. Das Stranggußverfahren eignet sich bei sehr feinkörnigem Gefüge unterhalb von 0,01

Baustoffe 3-43
1600
A
1500

1400

@ 1300

1200
t:
-~
c; 1100
:!::
c:
~

~
<=
1000
_ _ G
900

t:
·s
~
800
c:
g
~

::> 700
~

600

500

400

300

200

100

Kohlenstoffgehalt in M.-%

Abb. 3.1 -26 Eisen-Kohlenstoff-Teildiagramm [Werkstoff-Handbuch Stahl und Eisen 1962]

mm und bei grobkörnigem bei maximal 0,5 mm; Jen, weicheren Streifen eingebettet, die wieder-
sie sind bei überhitztem Stahl sogar mit bloßem um aus kohlenstofffreiem Ferrit (Fe) bestehen.
Auge zu erkennen. Der Kohlenstoff ist also in den dunklen Körnern
Bei der Betrachtung von langsam abgekühl- in den harten Zementitstreifen enthalten. Der
tem Stahl unter dem Mikroskop erkennt man Kohlenstoffgehalt des Zementits beträgt 6,7%.
wie in Abb. 3.1-26 helle und dunkle Flecken, die Da der Anteil des Zementits an den Perlitkör-
die zuvor beschriebenen Körner darstellen. Die nern stets gleich ist, ergibt sich für die Perlitkör-
hellen Körner sind kohlenstofffrei und bestehen ner ein Kohlenstoffgehalt von 0,8%, so daß sich
im wesentlichen aus reinem Fe; sie werden als der Kohlenstoffgehalt des Stahls aus dem Gefü-
"Ferrit" bezeichnet. Die als dunkle Flecken er- gebild abschätzen läßt.
kennbaren Körner zeigen unter weiterer Ver- Die Gefügebilder in Abb. 3.1-26 entstehen nur
größerung ein streifiges Aussehen und werden bei langsamer Abkühlung. Das bei hoher Tem-
als "Perlit" bezeichnet. Die dunklen, härteren peratur entstehende y-Mischkristall wird als
Streifen im Perlit bestehen aus Eisenkarbid "Austenit" bezeichnet und kann viel Kohlenstoff
(Fe 3C), "Zementit" genannt; sie sind in die hel- aufnehmen. Bei tieferen Temperaturen ist das y-

3-44 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Mischkristall nicht mehr beständig und bildet Man nennt den Vorgang des plötzlichen Ab-
sich in das a-Mischkristall (Ferrit) um, das je- kühlens "Härten"- der Stahl ist gehärtet. Je hö-
doch nur wenig Kohlenstoff aufnehmen kann. her der Kohlenstoffgehalt ist, desto höher ist die
Der freiwerdende Kohlenstoff führt dann zur Härtbarkeit. Die Wirkung des Härtens ist an der
Bildung von Zementit (Fe3C). Dieser Vorgang Oberfläche wegen der höheren Abkühlungsge-
wird als "Perlitbildung" bezeichnet. Da die not- schwindigkeit am größten und nimmt zur Mitte
wendigen Kohlenstofftransportvorgänge im we- hin ab. Bei erneutem Erwärmen auf Temperatu-
sentlichen auf Diffusion beruhen und die Modi- ren unter700 oc undsogar bereits ab 100 °Cwer-
fikation vom y- zum a-Mischkristall bereits im den die beim Härten aufgebauten inneren Span-
erstarrten Gitter stattfindet, braucht dieser Pro- nungen deutlich abgebaut. Da es beim gehärte-
zeß Zeit, d. h. eine geringe Abkühlungsgeschwin- ten Stahl schwierig ist, die Bildung des Marten-
digkeit. sits exakt zu steuern, erwärmt man den Stahl
Die Umwandlungsvorgänge für eine unend- nach dem Härten auf Temperaturen zwischen
lich langsame Abkühlung .sind im eisenreichen 100 oc und 300 oc, wobei sich ein Teil des Kohlen-
Abschnitt des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms in stoffs aus der Zwangslage löst, die Eigenspan-
Abb. 3.1-26 dargestellt. Bei einem C~Gehalt von nungen abnehmen und der Stahl wieder zäher
0,8 o/o wird Austenit bei 723 oc vollständig in Per- wird. Eine Erwärmung nach dem Härten heißt
lit umgebaut, und der Stahl hat ein 100o/o perliti- "Anlassen". Den kombinierten Prozeß des Här-
sches Gefüge. Wenn sich der C-Gehalt unter 0,8o/o tensund Anlassens bezeichnet man als "Vergü-
befindet, so liegt bei hohen Temperaturen zu- ten".
nächst wiederum nur Austenit vor. In Abhängig- Beim Glühen wird der Stahl erneut auf Tem-
keit vom Kohlenstoffgehalt findet bei Abkühlung peraturen zwischen 500°C und 700 oc erwärmt
auf der Linie G-S teilweise eine Umwandlung des und dann langsam abgekühlt. Hierdurch ergibt
Austenits in Ferrit statt. Bei 723 oc vollzieht sich sich ein rekristallisiertes, spannungsarmes Ge-
dann die Umwandlung des verbliebenen Aus- füge mit geringer Zugfestigkeit und höherer
tenit-Mischkristalls in Perlit, so daß in Abhän- Zähigkeit. Auf diese Weise können beispielswei-
gigkeit vom Kohlenstoffgehalt ein Mischgefüge se geschweißte Bauteile bei 650 oc im Bereich der
aus Perlitkörnern und Ferritkörnern vorliegt. Schweißnaht wieder spannungsfrei geglüht wer-
Erfolgt die Abkühlungjedoch plötzlich, so ha- den.
ben die Kristalle nicht mehr genügend Zeit, sich
zu modifizieren. Wenn die Abkühlung stattfin- 3.1.4.4
det, bevor die Umwandlung des C-reichen y- Mechanische Eigenschaften
Mischkristalls begonnen hat, wird dieser Zu-
stand, der eigentlich nur bei hohen Temperatu- Einfluß der Legierungselemente
ren bestehen möchte, bei Zimmertemperatur
festgehalten. Es stellt sich dann nicht mehr Stahl Im Gegensatz zu den Eisenbegleitern, die wäh-
mit fleckenweise verteiltem Kohlenstoff in Per- rend der Stahlherstellung unbeabsichtigt aufge-
litkörnern ein, sondernder Kohlenstoff ist gleich- nommene Bestandteile sind, werden Legierungs-
mäßig im Stahl verteilt. Beim schnellen Abküh- elemente dem Stahl in genauen Mengen zuge-
len klappen die Eisenatome des flächenzentrier- setzt, um gewünschte Eigenschaften zu erzeugen
ten y-Mischkristalls schlagartig in das raum- oder zu verbessern. Für bestimmte Legierungs-
zentrierte a-Mischkristall um. Das dort befind- elemente gelten Stahlsorten bereits als legiert,
liche Kohlenstoffatom hat bei schneller wenn der Gehalt des Legierungselements
Abkühlung nicht genügend Zeit, seinen Platz zu 0,05 M.-o/o übersteigt. Die Vielfalt der Legie-
verlassen und nimmt zwangsweise einen Zwi- rungselemente erlaubt Eigenschaftsänderungen
schengitterplatz ein, in den es wegen seiner des Stahls in großem Umfang. Die Kenntnis dar-
Größe nicht paßt, wodurch das Gitter verspannt über ist für die Erzielung bestimmter Eigen-
wird. Diese Form des a-Mischkristalls wird schaften ausschlaggebend. Jedoch läßt sich der
"Martensit" genannt. Martensitischer Stahl er- Einfluß nur qualitativ vorhersagen, da sich die
hält mit zunehmender Abkühlungsgeschwindig- Legierungselemente in ihrer Wirkung nicht rein
keit höhere Festigkeiten. Gleichzeitig nimmt die additiv verhalten. Tabelle 3.1-5 gibt eine über-
plastische Verformbarkeit ab; sie ist geringer als sieht über den Einfluß der Legierungselemente.
die eines Stahls gleicher chemischer Zusam-
mensetzung bei langsamer Abkühlung.

Baustoffe 3-45
Tabelle 3.1-5 Einfluß der Legierungselemente und Eisenbegleiter

c P, S Si Al Cr Mn Ni
Festigkeit ++ + + + +
Ka ltverformba rkeit
+ Verbesserung
Schweißbarkeit ++ deutliche Verbesserung
Härtbarkeil ++ + + - Verschlechterung
Korrosionsbeständigkeit ++ + -- deutliche Verschlechterung

Festigkeits- und Verformungsverhalten lineare Zusammenhang wird auch als "Hooke-


sches Gesetz" bezeichnet (gilt nur im elastischen
Die grundlegenden mechanischen Kennwerte Bereich):
eines Stahls werden im einachsigen Zugversuch
E=o/E (3.1.10)
bestimmt. Da das Verhalten stark von der Fro-
hengeometrie abhängt, sind die Prüfkörperfor- mit Estahl =210000 N/mm 2.
men z. B. in DIN 50125 genormt. Während des Der elastische Bereich endet bei der Propor-
Versuchs wird die Belastung langsam quasista- tionalitätsgrenze, also bei dem Punkt, bis zu dem
tisch gesteigert, bis es zum Bruch kommt. In der Spannung und Dehnung proportional sind. Dar-
Spannungs-Dehnungs-Linie wird der Verlauf der an schließt sich eine mehr oder weniger ge-
Nennspannung o über die Dehnung E aufgezeich- krümmte Linie an, die von einem zunehmenden
net (Abb. 3.1-27). Anteil plastischer Verformung geprägt ist. Da
Hierbei werden neben der Festigkeit auch Ver- dieser Übergangspunkt meßtechnisch schwer zu
formungskennwerte bestimmt, die für die Beur- erfassen ist, verwendet man für die Streckgrenze
teilung des Werkstoffverhaltens notwendig sind. den Spannungswert, bei dem die Spannung erst-
Bis zu einer bestimmten Spannung zeigen Stäh- mals konstant bleibt oder abfällt. Bei Werkstof-
le ein rein elastisches Verhalten, bei dem nur Ver- fen, die keine deutliche Streckgrenze aufweisen,
zerrungen im Gitter entstehen, die sich bei Ent- wird als Ersatz die technische Streckgrenze Rpo,2
lastung sofort und vollständig zurückbilden. Der festgelegt, die als die Spannung definiert ist, bei
elastische Bereich ist durch einen linearen An- der der Stahl eine bleibende Dehnung von 0,2%
stieg der Dehnung E mit der Spannung o ge- aufweist, oder die technische Elastizitätsgrenze
kennzeichnet und wird durch einen Verhältnis- Rp0 ,1• Wird die Last weiter gesteigert, so kommt
faktor ausgedrückt, den Elastizitätsmodul E. Der es bei großen zusätzlichen Dehnungen zu einem
Lastmaximum. Diese Spannung repräsentiert
die Zugfestigkeit Rm und ergibt sich aus Höchst-
last Fm und Anfangsquerschnitt So mit
Einschnürung
(3.1.11)
Bis zur Höchstlast sind die Dehnungen gleich-
I mäßig über die gesamte Probenlänge verteilt. Bei
I
I weiterer Belastung jedoch schnürt der Stahl mit
I

r
I örtlich großen Dehnungen an einer Stelle ein,
wodurch der tatsächliche Querschnitt abnimmt
I
I und die wahre Spannung wächst, bis der Stahl
I
bricht. Die bleibende Längenänderung nach dem

---~_
, __ __:__ Epl
1
_, E (%)
JI
Bruch wird als "Bruchdehnung" bezeichnet. Da
unmittelbar an die Bruchstelle angrenzende Be-
reiche besonders viel bleibende Dehnung bei der
Einschnürung erfahren, muß die Bezugslänge
Abb. 3.1-27 Spannungs-Dehnungs-linie von unbehan- angegeben werden. Gebräuchliche Meßlängen
deltem Stahl
sind der 5- bzw. I 0 fache Probendurchmesser; sie
werden mit As und A 10 bezeichnet.

3-46 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Ein weiterer Verformungskennwert ist die Mittels Wärmebehandlung können ebenfalls
Gleichmaßdehnung Ag. Sie ist definiert als die bestimmte Werkstoffeigenschaften im festen Zu-
bleibende Verlängerung t:.Lm bei Beanspruchung stand geändert werden, ohne dabei die chemi-
durch die Höchstkraft Fm, also zu dem Zeit- sche Zusammensetzung zu ändern (s. Abb. 3.1-
punkt, an dem die maximale gleichmäßige Deh- 29, vgl. 3.1.4.3).
nung über die gesamte Probenlänge vorhanden Neben der bewußt geplanten Wärmebehand-
ist. lung beeinflussen Temperaturen während der
(3.1.12) Nutzung die Stahleigenschaften (die üblichen at-
mosphärischen Temperaturschwankungen tun
Das Verformungsverhalten von Stahl läßt sich dies nur unwesentlich). Bei hohen Temperaturen
durch Legierungen, Wärmebehandlungen und (z. B. im Brandfall) ist zu unterscheiden zwischen
Kaltverformungen entscheidend beeinflussen. den Stahleigenschaften während und nach der
Grundsätzlich gilt für alle drei Verfahren, daß ei- Temperatureinwirkung. Die Festigkeitsminde-
ne Festigkeitssteigerung immer mit einer Ver- rung nach der Temperatureinwirkung hängt
ringerung des Verformungsvermögens einher- stark von der Vorbehandlung des Stahls ab, da
geht. Legierungen können die Eigenschaften der die Temperaturen im Brandfall ähnlich denen
Stähle vielfältig beeinflussen. Der Einfluß des C- des Glühensund Anlassens sein können. Beson-
Gehalts auf die mechanischen Eigenschaften von ders bei kaltverformten Stählen kann bereits ei-
Stahl ist besonders ausgeprägt und steht hier ne geringe Erwärmung die aufgebrachten me-
stellvertretend für andere Legierungen. Die Zug- chanischen Kristallspannungen aufheben, wo-
festigkeit steigt bei einem Kohlenstoffgehalt von durch es zu Festigkeitsverlusten kommt.
etwa 0,8% auf rd. 900 N/mm 2 und ist damit drei- Bei sehr niedrigen Temperaturen (z. B. im
mal so hoch wie bei reinem Eisen. Dabei sinken Flüssiggas-Behälterbau) nehmen die Streck-
jedoch Brucheinschürung und A 5 deutlich (Abb. grenze, die Zugfestigkeit und auch die Dauerfe-
3.1-28). stigkeit zu. Die Dehnungswerte nehmen dabei
Bei der Kaltverformung erfolgt eine rein me- bis etwa -150°C geringfügig ab [Rostasy u.a.
chanische Formänderung unterhalb der Rekri- 1982]. Werden die Temperaturen weiter gesenkt,
stallisationstemperatur (etwa 450°C), und zwar fallen die Dehnungswerte jedoch sehr stark ab,
meist bei Raumtemperatur. Die aufgebauten Git- und der Stahl wird spröde.
terversetzungen und Eigenspannungen steigern
die Festigkeit, wobei die Zähigkeit sinkt. Kalt- Festigkeiten unter schwingender Beanspruchung
verformte Stähle weisen keine ausgeprägte
Streckgrenze mehr auf. Deshalb gilt hier die tech- Schwingende Beanspruchungen sind zeitlich
nische Streckgrenze Rpo,z (Abb. 3.1-29). veränderliche Beanspruchungen, die sich regel-

1000 100

800 80
e
.€
:z 600
"#.
60 .s
.E )T
E -c
a:: c::
-c :::>
c::
:::>
400 40
<
a::"

200 20

0
0,2 0,4 0,6 0,8 1.0
(..(iehalt in%

Abb. 3.1·28 Festigkeit und Verformungsverhalten von Stahl in Abhängigkeit vom (..(iehalt

Baustoffe 3-47
0 4 11 25 E(%)

a Einßuß der Kaltverformung b Einßuß derthermischen Behandlung

Abb. 3.1-29 Spannungs-Dehnungs-Linien

mäßig wiederholen. Am Bauwerk ändern sich


neben Beanspruchungshöhe und-wechselauch
der zeitliche Verlauf stark, wodurch sich das Ge-
biet der Schwingungsfestigkeiten sehr komplex
darstellt. Nach vielen Spannungszyklen kommt
es an Gitterversetzungen zu Mikrorißbildungen,
die in einen verformungslosen Ermüdungsbruch :"-. Wähler-Linie
übergehen können. Diese Ermüdungsbrüche ----- ~~~e~~~i~~-
t festigkeit
können bei Spannungen deutlich unterhalb der I

Streckgrenze auftreten, die üblicherweise zur


Bemessung benutzt wird, so daß für dynamisch
beanspruchte Bauteile auch ein Nachweis für die
Ermüdungsfestigkeit erbracht werden muß. Abb. 3.1·30 Darstellung der Schwingfestigkeit im
Im Labor wird der Nachweis der Schwingfe- Wöhler-Diagramm
stigkeit von Stählen mittels einer sinusförmigen
Beanspruchung simuliert. Diese ist gemäß Abb.
3.1-30 gekennzeichnet durch einen Mittelwert amplitudevon Prütkörpern, die eine Anzahl von
Um und den Spannungsausschlag oder die Am- 2 ·106 Schwingspielen ohne Bruch ertragen, als
plitude <Ja mit der Periodendauer T. Bei der Prü- Dauerschwingfestigkeit bei der vorgegebenen
fung der Schwingfestigkeit werden verschiede- Mittelspannung. Größere Spannungsamplituden
ne Proben mit gleicher Mittelspannung und va- führen zu kürzerer Lebensdauer. Erheblichen
riierenden Spannungsausschlägen geprüft, da- Einfluß hat zudem der Spannungshorizont und
bei wird die Zahl der Schwingspiele bis zum das Verhältnis zwischen Mittelspannung und
Bruch festgehalten. Trägt man für eine gewählte Spannungsausschlag. Je nach Lage des Span-
Mittelspannung den jeweiligen Spannungsaus- nungshorizonts unterscheidet man Zug- oder
schlag über die bis zum Bruch erzielte Schwing- Druckschwellbeanspruchung, bei der die Probe
spielzahl auf, so erhält man das in Abb. 3.1-30 ge- nur auf Zug oder Druck beansprucht wird, oder
zeigte Wähler-Diagramm. Wechselbeanspruchung, bei der die Probe auf
Bei kleinen Spannungsausschlägen kann die Zug und Druck beansprucht wird. Die Dauer-
Lebensdauer sehr lang werden. Unterhalb eines schwingfestigkeit hängt neben den Stahleigen-
bestimmten Spannungsausschlages tritt kein schaften auch von der Oberflächengeometrie ab.
Bruch mehr auf. Dies ist der Bereich der Dauer- Kerben (z. B. Rippen bei Betonstählen) mindern
schwingfestigkeit. Für Stahl gilt die Spannungs- die Dauerschwingfestigkeit erheblich. Selbst die

3-48 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Oberflächengüte wirkt sich aus. So erzielen po- (MAG) unterschieden. Im Unterschied zum E-
lierte Stähle höhere Dauerschwingfestigkeiten Schweißen sind MIG und MAG Hochleistungs-
als Stähle mit Walzhaut schweißverfahren für hohe Schweißgeschwin-
digkeiten.
3.1.4.5 Die Schweißbarkeit eines Bauteils ist gegeben,
Schweißen wenn die Verbindung durch Schweißen mit ei-
nem geeigneten Schweißverfahren bei Beach-
Schweißen ist das Verbinden von metallischen tung eines geeigneten Fertigungsablaufs erreicht
Bauteilen unter Wärmeanwendung oder Druck werden kann. Die geschweißte Konstruktion
durch Aufschmelzung der Werkstoffe im Kon- muß die für das Bauteil geltenden Anforderun-
taktbereich allein oder unter Hinzugabe eines gen erfüllen. Die wesentlichste Voraussetzung ist
Schmelzwerkstoffs, um eine unlösbare Verbin- eine dauerhafte Verbindung mit ausreichender
dung zu schaffen. Grundsätzlich gibt es zwei Verformbarkeit nach dem Schweißen, um Trenn-
Gruppen von Schweißverfahren: Beim Schmelz- brüche zu vermeiden. Unter dem Begriff
schweißen (E, M) wird die Lücke der zu ver- "Schweißbarkeit" werden die Schweißeignung
schweißenden Bauteile durch örtliches Auf- des Werkstoffs, die Schweißmöglichkeit der Fer-
schmelzen oberhalb der Liquiduslinie geschlos- tigung und die Schweißsicherheit der Konstruk-
sen. Beim Preßschweißen {RP, RA) werden die tion zusammengefaßt.
Flächen der zu verschweißenden Bauteile bis Die Schweißeignung ist eine Stoffeigenschaft
zum Teigigwerden unterhalb der Soliduslinie er- und gegeben, wenn chemische, metallurgische
wärmt und dann durch Druck verbunden. und physikalische Eigenschaften des Stahls eine
Beim Punktschweißverfahren (RP) werden auf- Schweißung entsprechend den Anforderungen
einanderliegende Bauteile unter Druck mit grundsätzlich ermöglichen. Im allgemeinen be-
Schweißpunkten verbunden. Strom und Kraft deutet dies, daß das nach dem Schweißen ent-
werden durch Elektroden aufgebracht. Das Ver- stehende Gefüge noch ausreichend verformbar
fahren wird z. B. bei Gitterschweißautomaten zur sein muß. Je mehr der Stahl beim Festlegen und
Fertigung von Betonstahlmatten angewandt. Ausführen der Schweißverbindungsart beachtet
Im Abbrennstumpfschweiß-Verfahren (RA) werden muß, desto schlechter ist die Schweiß-
werden gedrungene Bauteile unter Strom gesetzt eignung des Stahls.
und die Stirnflächen unter leichtem Berühren Die Schweißmöglichkeit gibt an, ob die jewei-
erwärmt. Dabei kommt es unter Lichtbogenbil- lige Verbindung mit den gewählten Fertigungs-
dung zum örtlichen Abbrennen sowie durch bedingungen hergestellt werden kann. Sie be-
schlagartiges Stauchen zum Verschweißen der trifft Vorbereitung, Ausführung und Nachbe-
Teile. handlung der Schweißarbeiten.
Beim Lichtbogenhandschweißen (E) brennt der Die Schweißsicherheit läßt sich nicht allein aus
Lichtbogen sichtbar zwischen einer abschmel- der Stoffeigenschaft Schweißeignung begrün-
zenden umhüllten Stabelektrode, die gleichzei- den, sondern ist eine konstruktive Eigenschaft,
tig Schweißzusatzstoff liefert, und dem Bauteil die der Stahlhersteller nicht beeinflussen kann.
ab. Gegen die Atmosphäre wird das Schweißgut Sie ist vielmehr durch den Verarbeiter beein-
durch Stoffe abgeschirmt, die von der Ummante- flußbar und hängt von der konstruktiven Ge-
lung der Stabelektrode gebildet werden. E- staltung wie Blechdicke, Nahtanordnung und
Schweißen ist für Baustähle jeder Art und auch -art ab. Auch der Beanspruchungszustand des
für schweißgeeignete Betonstähle in der Werk- Bauteils beeinflußt die Schweißsicherheit
statt und auf der Baustelle üblich, da nur eine Grundsätzlich sind fast alle Konstruktionen
einfache apparative Ausstattung nötig ist. aus fast allen Stahlgüten schweißbar, wenn die
Beim Metallschutzgasschweißen (M) brennt metallurgischen Zusammenhänge und Fragen
der Lichtbogen sichtbar zwischen der abschmel- der Schweißmöglichkeiten beachtet werden. Es
zenden Drahtelektrode und dem BauteiL Elek- ist wichtig zu bedenken, daß alle drei Einfluß-
trode, Lichtbogen und Schweißbad werden ge- größen einander beeinflussen und jede einzelne
gen die Atmosphäre durch ein eigens zugeführ- die Schweißbarkeit minimierend beeinflußt.
tes inertes oder aktives Schutzgas abgeschirmt. Tabelle 3.1-6 gibt an, wie der Herstellungspro-
Das Metallschutzgasschweißen wird nach der zeß die Schweißeignung von Baustählen beein-
Art des Schutzgases in Metall-Inertgasschwei- flußt. So spielen Seigerungen nur für unberu-
ßen (MIG) und Metall-Aktivgasschweißen higten Stahl eine Rolle. Die Neigung zum unbe-

Baustoffe 3-49
Abb. 3.1 -31 Wärmeeinflußzone beim Schweißen
absichtigten Härten ist nur für hochfesten St 52
zu beachten. Die Schweißeignung ist so vielfäl-
tig, da es an der Schweißstelle beim Schweißen schweißnahtnahen Bereichen. Je größer der
zu mehreren Beanspruchungen und Verände- Kohlenstoffgehalt ist, desto spröder wird der ent-
rungen kommt. Der Werkstoff wird örtlich zum stehende Martensit. In schweißgeeigneten Stäh-
Schweißgut aufgeschmolzen, welches aus Grund- len ist der Kohlenstoffgehalt daher auf etwa
werkstoff und ggf. Schweißzusatzstoff besteht. 0,25% begrenzt. Jedoch beeinflussen auch ande-
Dabei werden im Schweißgut hohe Temperatu- re Elemente wie Mn, Cr oder Ni die Aufhärtun-
ren (bis 2000°C) mit extrem hohenAufheiz-und gen und Gefügeänderungen in der Wärmeein-
Abkühlungsraten erreicht. Hierdurch gewinnt flußzone. Die gemeinsame Wirkung wird über
die Temperatur auch in benachbarten Bereichen das Kohlenstoffäquivalent abgeschätzt, d. h., die
Einfluß. Den Bereich, in dem es durch das anderen Elemente werden in ihrem Einfluß auf
Schweißen zu Gefügeänderungen kommen kann, die Aufhärtungsneigung und Gefügeänderung
bezeichnet man als "Wärmeeinflußzone" (Abb. mit Kohlenstoff verglichen. Die Wichtung der
3.1-31 ). Im Schweißgut oberhalb der Soliduslinie einzelnen Elemente hängt von der zu spezifizie-
I liegen Verhältnisse vor, wie sie bereits vom Er- renden Eigenschaft ab. Für die Schweißeignung
starren der Schmelze bekannt sind. Verunreini- gilt
gungen können zu Zähigkeitsahnahmen führen.
Aufgrund der hohen Gaslöslichkeit des flüssigen C·· =C+Mn+Cr+Mo+V+Ni+Cu . (3113 )
Schweißgutes können die Gase nur unvollstän- a 6 5 15 ..
dig ausscheiden. Sie verursachen Mikroseige-
rungen, Poren und atomare Lösungen, die bei Stähle mit Cä<0,45% sind erfahrungsgemäß
Wasserstoff und Stickstoff gefährlich sind. Aus herkömmlich schweißbar. Bei höheren Kohlen-
diesem Grund werden atmosphärische Gase stoffgehalten sind besondere Maßnahmen zu
möglichst vom Schweißgut ferngehalten (z. B. treffen (z.B. Vor- und Nachwärmen), wodurch
mit Hilfe von Schutzgasen). Aufgrund der hohen die Abkühlungsgeschwindigkeit und damit die
Temperaturen entsteht im schmelznahen Be- Gefahr der Martensitbildung sinken. Die Wär-
reich II grobkörniges Gefüge mit geringer Zähig- mezufuhr darf allerdings bei behandelten und
keit. Im Bereich III kommt es zur Perlitum- v.a. auch bei kaltverformten Stählen nicht zu
wandlung. Da Perlit einen C-Gehalt von 0,8% groß sein, da es sonst zu Entfestigungen kommt.
aufweist, besteht bei rascher Abkühlung die Ge-
fahr der Versprödung auch für niedriggekohlte 3.1.4.6
Baustähle. Im Bereich IV wird der Stahl ange- Genormte Baustähle
lassen, was zum Abbau von Eigenspannungen
führt. Im Bereich V mit Temperaturen zwischen Im Rahmen der europäischen Harmonisierung
200°C und 400°C werden kaltverformte Stähle wurde auch das Bezeichnungssystem der Stähle
künstlich gealtert und verspröden. Bei hohen in DIN EN 10027 neu geregelt. Dabei wurde das
Abkühlungsgeschwindigkeiten können sich in bewährte deutsche Werkstoffnummernsystem
der Schweißnaht Risse bilden. Im weiteren Be- unverändert in den Teil2 des europäischen Nor-
reich der Wärmeeinflußzone kann es zu Form- menwerks übernommen, bei dem für jede Stahl-
änderungen (Verzug) oder Eigenspannungen sorte eine Nummer in Anlehnung an die chemi-
kommen. sche Zusammensetzung vergeben wird. Die
Das zentrale Problem bei Stahlschweißungen Werkstoffnummer setzt sich aus der Werkstoff-
ist jedoch die Neigung zum Aufhärten in den hauptgruppe 1 für Stahl, der zweistelligen Stahl-

3-50 I Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


gruppennummer, welche die Stähle in Sorten für Stahl und der Angabe der Streckgrenze in
einteilt, und der zweistelligen Zählnummer, die N/mm 2 • Die Gütegruppenbezeichnung N, M, NL
nach der chemischen Zusammensetzung gebil- oder ML wird nachgestellt.
det wird, zusammen (z. B. 1.01 12: Stahl, Allg. Wetterfeste Stähle sind in DIN EN 10155 in den
Baustähle,S235JR). Das Bezeichnungssystem für Stahlsorten S 235 und S 355 genormt und stim-
Kurznamen hat sich jedoch geändert und ist in men in den mechanischen Eigenschaften weit-
zwei Hauptgruppen gegliedert, bei denen die er- gehend mit denen der entsprechenden allge-
ste Kurznamen mit Hinweisen auf die Verwen- meinen Baustähle überein. Die Bezeichnung er-
dung und die mechanischen Eigenschaften und folgt mit der zusätzlich nachgestellten Kennung
die zweite Kurznamen mit Hinweisen auf die W. Geringe Legierungszusätze (v.a. Phosphor
chemische Zusammensetzung verwendet. und Kupfer) bewirken, daß sich unter atmos-
Allgemeine Baustähle sind in DIN EN 10025 phärischen Bedingungen dichte und gut haf-
genormt, die im Rahmen der europäischen Har- tende Rostschichten bilden. Sie minimieren die
monisierung DIN 17100 ersetzt. Die Norm um- Abtragungsraten, obwohl der Stahl korrodiert
faßt warmgewalzte Stähle, die z. B. im Hoch-, erscheint. Die korrosionshemmende Schicht ist
Tief-, und Brückenbau verwendet werden. Die jedoch nur bei wechselndem Zutritt von Sauer-
Kurznamen geben die Mindeststreckgrenze in stoff und Wasser stabil, der im Bereich von Spal-
N/mm 2 an, im Gegensatz zu DIN 17100, welche ten, Schraubenverbindungen oder im Erdreich
die Zugfestigkeit angab. Ein vorangestelltes S be- evtl. nicht gegeben ist. Außerdem sind W-Stähle
zeichnet Baustahl und ein E MaschinenbaustahL bei Chiarideinwirkung nicht beständig. Die je-
Zur Abschätzung der Sprödbruchsicherheit und weilige Abrostung, die sich über die geplante Le-
der Schweißeignung werden die Stähle in Güte- benszeit ergibt, ist im statischen Nachweis ggf.
gruppen von JR bis K2 mit zunehmender durch Dickenzuschläge zu berücksichtigen.
Schweißeignung eingeteilt. Die Desoxidations-
art kann durch eine nachgestellte Kennzeich- 3.1.4.7
nung G1 bis G4 angegeben werden. Eine über- Korrosionsbeständige Stähle
sieht über vergleichbare Stahlbezeichnungen
gibt Tabelle 3.1-7. Sogenannte "nichtrostende Stähle", die im Bau-
Feinkornbaustähle sind schweißgeeignete wesen Verwendung finden, sind legierte Stähle
Baustähle mit höheren Streckgrenzen als nach und häufig unter Werknamen wie "V2A" oder
DIN EN 10025 und in DIN EN 10113 genormt. "Nirosta" bekannt. Sie sind in DIN EN 10088 ge-
Der Ansatz, die Festigkeit über die Kohlenstoff- normt. Hier wurden die Bezeichnungen der
zugabe zu steigern, endet beim S 355 aufgrund Kurznamen und Werkstoffnummern aus der bis
des dazu notwendigen Kohlenstoffgehalts von dahin gültigen DIN 17440 übernommen. Wich-
0,22%, der an der Grenze der Schweißbarkeit tigste Eigenschaft ist die höhere Beständigkeit
liegt. Weitere Festigkeitssteigerungen werden gegen Korrosion. Durch Zusatz bestimmter Le-
durch ein feinkörniges Gefüge erzielt. Die Be- gierungselemente wie Chrom und Nickel in er-
zeichnung erfolgt mit einem vorangestellten S heblich höheren (i.d.R. Chrom> 12%) Mengen
als bei wetterfesten Stählen bildet sich ein dich-
ter, fest haftender, sehr dünner Oxidfilm aus, wo-
Tabelle 3.1-7 Liste vergleichbarer früherer Stahlbe- durch der Stahl passiviert wird. Bei einer me-
zeichnungenvon Stählen der DIN EN 10025
chanischen Beschädigung erneuert sich die pas-
sivierende Oxidschicht selbständig. Aufgrund
Bezeichnungen gemäß
der Korrosionsbeständigkeit kann also auf be-
DIN EN 10027 DIN EN 10027 DIN 17100
Teil 1 Teil 2 (zurückgezogen) sondere Oberflächenschutzsysteme verzichtet
werden, zudem braucht ein Dickenverlust infol-
S23SJR 1.0037 St37-2
ge Korrosion nicht berücksichtigt zu werden.
S23SJRG1 1.0036 USt 37-2
S23SJRG2 t0038 RSt37-2 Allerdings ist zu beachten, daß die Korrosions-
S23SJO 1.0114 St 37-3 U beständigkeit stark von den Umgebungsbedin-
5235J2G3 1.0116 St37-3 N gungen abhängt. So sind bei chloridhaltigen
S355JO 1.0553 St 52-3 U Schwitzwässern in Schwimmbädern nur Cr-Ni-
S3S5J2G3 1.0570 St 52·3 N
Mo-Edelstähle beständig. Eine übersieht über
die Einteilung der Stähle in Abhängigkeit von der
......... Umgebung ist in Tabelle 3.1-8 gegeben .

Baustoffe 3-51
Tabelle 3.1·8 Einteilung nach Festigkeitsklassen und Wideßtandsklassen gegen Korrosion nach [DIBT 1998]

Korrisions· Legierungstyp Festigkeitskla.sse Korrosionsbelastung


klasse und Werkstoff-Nr. 5 235 5275 5 355 5460 5690 und typische Anwendu ng
I gering Cr 1.4003 X X X Innenräume
Cr 1.4016 X

II mäßig CrNi 1.4301 X X X X zugängliche Konstruktion ohne


CrNiTI 1.4541 X X X X nennenswene Gehalte an Cl und 50 2
CrNiN 1.431 8 X X
CrNiMo 1.4567 X X X X

111 mittel CrNiMo 1.4401 X X X X unzugängliche Konstruktion mit


CrNiMo 1.4404 X X X X X mäßiger Belastung von Cl und 502
CrNiMoTi 1.4571 X X X X X
CrNiMoN 1.4439 X

IV stark NiCrMoCu 1.4539 X X X Konstruktion mit hoher Korrosions-


CrNiMoN 1.4462 X X belastungdurch Cl und 502,
CrNiMnMoNbN 1.4565 X z. B. Bauteile in Meerwasser und
NiCrMoCuN 1.4529 X X X X Schwimmhallen
CrNiMoCuN 1.4547 X X

Die überwiegende Zahl der nichtrostenden den, kaltverformten, gerippten Stählen mit drei
Stähle ist schweißbar, jedoch ist zu beachten, daß Rippenreihen, die an den Kreuzungspunkten
Cr und Mo die Schweißeignung negativ beein- durch Schweißen scherfest miteinander verbun-
flussen (vgl. GI. (3.1.13)). Verbindungen zwi- den sind. Betonstahlmatten werden über den
schen nichtrostenden und allgemeinen Baustäh- Stahlquerschnitt in mm2 je m bezeichnet (z. B. Q
len sind möglich, wobei die allgemeinen Bau- 221 mit 0 6,5 alle 150 mm). Bewehrungsdrähte
stähle und die Schweißstelle jedoch unter kor- werden als BSt 500 G, glatt und BSt 500 P, profi-
rosiven Bedingungen vor Korrosion zu schützen liert hergestellt mit den gleichen Eigenschaften
sind. Die Bezeichnung erfolgt durch eine voran- wie BSt 500 M.
gestellte Kennzeichnung X für "korrosionsbe-
ständig", die Angabe des Kohlenstoffgehalts in 3.1.4.9
hundertstel Prozent, die Angabe der Legierungs- Korrosion und Korrosionsschutz
elemente und die Massenangabe der Legie-
rungselemente in Prozent (z.B.X 5 Cr Ni 18 9 für In trockener Atmosphäre werden auch un- oder
nichtrostenden Stahl mit 0,05% Kohlenstoff, niedriglegierte Baustähle nur von einer dünnen
18% Chrom und 9% Nickel) oder durch Angabe Oxidschicht überzogen, die keinen Einfluß auf
der Werkstoffnummer. das metallische Aussehen hat. Unter normalen
atmosphärischen Bedingungen stellt sich jedoch
3.1.4.8 ein fortlaufender Korrosionsprozeß ein, dessen
Betonstähle Korrosionsgeschwindigkeit von der Feuchte und
Reinheit der Luft abhängig ist. Stahlbau teile, die
Betonstähle sind in DIN 488 und DIN V ENV eines statischen Nachweises bzw. einer bauauf-
10080 genormt. Sie werden nach der Streck- sichtliehen Zulassung bedürfen, müssen daher
grenze und der Verarbeitungsform unterschie- mit einem Korrosionsschutz versehen werden.
den und kommen in Form von Stabstählen, Mat- Dieser muß auf die zu erwartende Korrosions-
ten und Bewehrungsdrähten zum Einsatz. Da belastung und die geplante Nutzungsdauer ab-
Betonstähle als Massenprodukt über den Handel gestimmt sein. Die Dauerhaftigkeit des Korrosi-
vertrieben werden, erfolgt die Kennung über onsschutzes ist im wesentlichen von der Art der
Walzkennzeichen in der Rippenanordnung, aus Untergrundvorbehandlung und der Schicht-
denen das Herstellerwerk ermittelt werden dicke abhängig. Geeignete Korrosionsschutzsy-
kann. Stabstähle werden in 0 6 bis 40 mm herge- steme bestehen aus ein bis vier organischen Be-
stellt und weisen grundsätzlich zwei Rippenrei- schichtungen, Metallüberzügen (Verzinken)
hen auf. Betonstahlmatten sind werkseitig vor- oder Metallüberzügen plus Beschichtungen
gefertigte Bewehrungen aus einander kreuzen- (Duplex).

3-52 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Betonstahl ist in Beton eingebettet und im bis 400 N/mm2 bei abnehmenden Bruchdehnun-
ordnungsgemäß hergestellten Beton ohne vor- gen A5 von 40% bis 2%. Festigkeitssteigerungen
genannte Korrosionsschutzsysteme vor Korro- infolge Kaltverformung gehen bei Erwärmen
sion geschützt. Auf Grund des hohen pH-Wertes über die Weichglühtemperatur wieder verloren.
des Betons von i. d. R. über 13 bildet sich ein sehr Aushärtbare Legierungen erhalten ihre Festig-
dichter, festhaftender Oxidfilm analog zu den keit nach dem Weichglühen bei Auslagerung un-
korrosionsbeständigen Stählen. Dieser Vorgang ter der Weichglühtemperatur. Kupfer ist bestän-
wird als "Passivierung" bezeichnet. Zur Auf- dig im basischen Milieu und gegen Sulfate; an
rechterhaltung des alkalischen Milieus an der der Luft entsteht eine dichte Patinaschicht. Chlo-
Stahloberfläche muß die Betondeckung ausrei- ride und Kohlensäure greifen Kupfer an. Bleche
chend dick und dicht sein. Die Mindestbeton- 0,6 bis 2,0 mm (z. B. für Dacheindeckungen) und
deckung nach Norm muß daher Vorgaben in Ab- Bänder 0,1 bis 0,2 mm (z.B. als Kupferriffelband
hängigkeit von den Umgebungsbedingungen für Abdichtungen) sollen vollflächig aufliegen
einhalten. Bei der Einwirkung von Chloriden und werden in Falztechnik oder auch mit Heiß-
(z. B. aus Tausalzen oder Meerwasser), die in den bitumen verklebt verlegt. Rohre werden für
Beton eindringen, kann der Passivfilm jedoch Brauchwasser-, Heizungs-, Öl- und Gasleitungen
auch bei ausreichender Alkalität durchbrachen verwendet. Bei der Wasserinstallation gilt die
werden und Korrosion stattfinden. Das Eindrin- Fließregel: erst der unedlere Stoff (Stahl), dann
gen von Chloriden muß deshalb vermieden wer- der edlere (Kupfer). Bei Warmwasserinstallation
den, z. B. durch die Erhöhung der Betondeckung, mit Zirkulationspumpe ist keine Mischinstalla-
die Verwendung höherer Betonqualitäten oder tion erlaubt. Bei Heizungen ist keine Fließrich-
außenliegende, dichte Schutzschichten. tung zu beachten. Bei tiefen Temperaturen (Käl-
tetechnik) versprödet Kupfer nicht. Der Zusam-
3.1.5 menbau von Kupfer mit Edelstahl gilt als unbe-
Nichteisenmetalle denklich, ebenso der von Armaturen aus Kup-
ferlegierungen mit verzinkten Stahlrohren.
Man unterscheidet Kupfer-Zinn-Legierung mit 2% bis 20% Sn
- schwere NE-Metalle wie Blei, Kupfer, Nickel, (Zinnbronze) ist hart, verschleißfest, hat hohen
Zinn und Zink sowie Korrosionswiderstand und gute Federeigen-
- leichte NE-Metalle wie Aluminium und Ma- schaften. Sie wird für Armaturen, Pumpen und
gnesium. Ventile verwendet. Bei Kupfer-Zink-Legierun-
gen mit 5% bis 45% Zn (Messing) steigt die Fest-
3.1.5.1 igkeit und sinkt der Korrosionswiderstand mit
Blei dem Zn-Anteil.

Dichte 11,3 glcm\ Schmelztemperatur 327°C, 3.1.5.3


Wärmedehnzahl 29,1·10- 6 K- 1• Blei absorbiert Nickel
Schallwellen, Röntgen- und radioaktive Strah-
len. Antimonzusatz (Sb) erhöht die Festigkeit; Dichte 8,9 g/cm 3, Schmelztemperatur 1453°C;
Rohrblei mit 0,2% bis 1,25% Sb, Hartblei mit 5% Legierungselement bei z. B. Chrom-Nickel-Stäh-
bis 13% Sb. An der Luft überzieht sich Blei mit len mit erhöhtem Korrosionswiderstand. Monei-
einer Schutzschicht aus Bleikarbonat, bei SOz- metall mit ca. 67% Ni ist sehr fest und wetterbe-
Einwirkung entsteht schwer lösliches Bleisulfat ständig und wird z.B. für Glasdachrahmen ver-
Weiches Wasser unter 8°dH und Alkalien greifen wendet.
Blei an. Bleibleche für Dacheindeckungen nicht
unter 2,0 mm Dicke wählen. Bleifolien und Blei- 3.1.5.4
bleche zwischen zwei Bitumendachbahnen für Zinn
Abdichtungen verwenden.
Dichte 7,3 glcm3, Schmelztemperatur 232 °C,sehr
3.1.5.2 weich und beständig an der Luft. Zinn findet für
Kupfer korrosionsschützende Oberzüge (Weißblech)
gegen schwache Säuren und Laugen Verwen-
Dichte 8,9 glcm\ Schmelztemperatur 1083°C, dung. Unlegiertes Zinn zerfällt bei -13 °C (Zinn-
Wärmedehnzahl 17 · 1o-6 K- 1, Zugfestigkeit 200 pest).

Baustoffe 3-53
3.1.5.5 rungsatome bewirken in der Aluminiummatrix
Zink Gitterdeformationen, die das Gleiten der Verset-
zungen behindern und deshalb die Festigkeit er-
Dichte 7,2 glcm 3, Schmelztemperatur 419°C, höhen. Kaltverformung bewirkt eine Erhöhung
Wärmedehnzahl 29 ·1 o- 6 K- 1• Bei Normaltempe- der Versetzungsdichte und somit ebenfalls eine
ratur ist Zink spröde und empfindlich gegen Festigkeitssteigerung. Wärmebehandlung kann
Säuren und Basen. An der Luft bildet es eine was- eine vorausgegangene Festigkeitssteigerung
serunlösliche Schutzschicht Anstriche auf fri- rückgängig machen. Aushärtbare Legierungen
schem Zink haften schlecht, daher Oberfläche lassen sich durch Lösungsglühen, Abschrecken
erst bewittern oder abbeizen. Titanzink D-Zn und Auslagern bei Raumtemperatur oder bei er-
mit 0,1 o/o bis 0,2% Titan hat geringere Wärme- höhter Temperatur erheblich in ihrer Festigkeit
dehnzahl20 ·1 o- 6 K- 1, verbesserte Dauerstandfe- steigern. Die Dehnbarkeit nimmt dabei, im Un-
stigkeit und ist nicht so spröde wie Zink. Bleche terschied zum Verhalten bei Festigkeitssteige-
und Bänder (z.B. für Abdeckungen und Dach- rung durch Kaltverformung, kaum ab.
eindeckungen) so verlegen, daß Bewegungen Nichtaushärtbare Legierungen (AlMg,
aus Temperaturänderungen möglich sind, Was- AlMgMn) sind leichter verformbar, haben gerin-
ser abgeleitet wird und Ablagerungen fortge- gere Festigkeit und können durch Kaltverformen
spült werden. Kondensatbildung vermeiden bzw. verfestigt werden. Aushärtbare Legierungen
für baldiges Abtrocknen sorgen. In Fließrich- (Mg, Si, Zn, Cu) haben höheren Korrosionswid-
tung Zink nie nach Kupfer anordnen. erstand und müssen nach einer Wärmebehand-
lung erneut ausgehärtet werden. Bei höherer
Verzinken als Korrosionsschutz Temperatur sinken Zugfestigkeit, Schwingfestig-
keit, Dehngrenze und Härte der Al-Legierungen
Feuerverzinken von Stahlbauteilen im Tauch- früher und stärker als bei Stahl. Der Anwen-
bad, von Bändern im Durchlaufverfahren.An der dungsbereich ist deshalb in verschiedenen Be-
Stahloberfläche bilden sich Eisen-Zink-Legie- messungsrichtlinien auf +60 oc begrenzt. Bei tie-
rungen. Zinkblumen an der Oberfläche sind rei- fen Temperaturen tritt keine Versprädung auf,
nes Zink. Verzinkte Stahlteile sind beständig was im Behälterbau oft von entscheidender Be-
auch im alkalischen Beton. Korrosion ist jedoch deutung ist. Den Korrosionswiderstand kann
möglich an der Trennfläche Beton/Luft. Von man durch Erzeugen einer künstlichen Oxid-
Spannstählen muß ein Mindestabstand (2cm) schicht (Eloxal) deutlich steigern. Im Meerwas-
eingehalten werden. ser verhält sich Al günstiger als Stahl, die Korro-
sionsrate nimmt mit der Zeit ab. Die Zugfestig-
3.1.5.6 keit reicht bis 420 N/mm 2 für schweißbare und
Aluminium bis 700 N/mm 2 für nichtschweißbare Legierun-
gen. Das geringe Gewicht und der gute Korrosi-
Dichte 2,7 glcm 3, Schmelztemperatur 660°C, onswiderstand bestimmen die Verwendung der
Wärmedehnzahl 24 ·10-6 K-I, Zugfestigkeit bis Aluminiumlegierungen.
80 N/mm 2,E-Modul70·103 N/mm2,d.h.ein Drit- Kennwerte, insbesondere für Mindestwerte
tel des E-Moduls von Stahl. An der Luft bildet der Festigkeit, finden sich z. B. für Bleche und
sich eine Deckschicht aus Al20 3• Alkcilien, Sulfa- Bänder in DIN 4113 mit Streckgrenzen von 80 bis
te und Chloride greifen Al an. Die Herstellung er- 275 N/mm2 und Zugfestigkeiten von 190 bis
fordert 12 bis 14 kWh je kgAI,das Schmelzen nur 350 N/mm 2 für sechs Standardlegierungen. Be-
5% dieser Energie. Recycling ist daher sehr wirt- zeichnet werden Al-Legierungen numerisch mit
schaftlich. einer vierstelligen Nummer, deren Ziffern die
Aluminiumlegierungen: Durch Zugabe von Si, Legierung beschreiben (z. B. ENAW-7050). Diese
Mg, Mn, Zn und Cu bis zu 6% entstehen Knetle- Kennzeichnung kann ergänzt werden um die
gierungen, die sich für spanlose Formgebung wie Angabe von bis zu vier Legierungselementen in
Walzen, Strangpressen, Ziehen und Schmieden fallender Reihenfolge des Nenngehalts (z.B.
eignen. Gußlegierungen enthalten 5% bis über ENAW-7050[AlZn6CuMgZr] ).
20% Legierungbestandteile.
Dichte, Schmelztemperatur, Wärmedehnzahl
und E-Modul sind weitgehend unabhängig von
der Legierungszusammensetzung. Die Legie-

3-54 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.1.6 nung erfaßt nur eine sehr dünne Schicht der
Bauglas Oberflächen, die Biegefestigkeit ist wesentlich ge-
steigert. Die Scheibe kann geschnitten werden.
3.1.6.1 Das Bruchbild entspricht dem von Floatglas.
Zusammensetzung, Beständigkeit, Eigenschaften Verbundsicherheitsglas (VSG) besteht aus
mindestens zwei Glasscheiben, die mit einer Fo-
Glas besteht aus ca. 72% Si0 2, 15% Na20, 8,5% lie oder Kunstharz fest miteinander verbunden
CaO, 3,5% MgO, 1,5% Ah0 3 und Spuren anderer sind. Beim Bruch bleiben die Splitter am Kleber
Oxide. In die unregelmäßige Netzstruktur aus Si haften. Bei Verwendung von TVG für die einzel-
und 0 sind die anderen Elemente eingelagert. nen Scheiben erreicht man höhere Festigkeit als
Bei längerer Einwirkung insbesondere eines mit Floatglas. Begehbare VSG-Platten müssen
dünnen Kondenswasserfilmes auf die Glasober- aus mindestens drei Glasplatten bestehen. Bei
fläche werden Na, Ca und Mg aus dem Netzwerk Zerstörung der obersten rutschfesten Verschleiß-
gelöst und die Glasoberfläche korrodiert. scheibe ist eine Resttragfähigkeit nachzuweisen.
Dichte 2500 kg/m3, Mohshärte 5 bis 6, E-Mo- Die Eigenschaften der einzelnen Glasplatten und
dul 73 ·103 N/mm2, Druckfestigkeit 700 bis der Zwischenschichten entscheiden im Verbund
900 N/mm2, Biegefestigkeit 45 N/mm2, Ausdeh- mit der Rahmen- und Haltekonstruktion, ob das
nungskoeffizient 9 ·1 o- 6 K- 1, Temperaturwechsel- VSG durchwurf-, durchbruch-, durchschuß-
beständigkeit 30 bis 40 K, Erweichungstempera- oder sprengwirkungshemmend ist. Mit Draht-
tur ca. 600 °C. einlage in der Zwischenschicht kann die VSG-
Scheibe beheizt und/oder an eine Alarmanlage
3.1.6.2 angeschlossen werden.
Glasarten Mehrscheibenglas mit Luftzwischenraum be-
steht aus zwei oder drei Floatglasscheiben, die
- Floatglas, 2 bis 25 mm dick, auf Zinnbad her- durch hermetisch abgeschlossene und entfeuch-
gestellt, hat plane Oberflächen. tete Zwischenräume voneinander getrennt sind.
- Gußglas, auch Ornamentglas, hat durch Wal- Zusammensetzung, Einfärbung und Beschich-
zen eine Oberflächenstruktur, die das Licht tung der Scheiben steuern Durchgang, Absorp-
streut und eine klare Durchsicht behindert. tion und Reflexion der Strahlung bestimmter
- Drahtglas ist Gußglas, in dem ein punktge- Wellenlänge. Schwere Gase im Scheibenzwi-
schweißtes Drahtnetz eingebettet ist. schenraum mindern die Wärmeleitfähigkeit. Bei
- Borasilikatglas enthält 7% bis 15% Boroxid, 2 x Floatglas + 12 mm Luft ist der Wärmerlurch-
hat einen niedrigeren Ausdehnungskoeffizi- gangskoeffizient kv der Verglasung 3,0 W/(m2 • K),
enten, deshalb bessere Temperaturwechselbe- bei Beschichtung + 15mm Krypton ist kv=
ständigkeit und ist gegen Säuren und Laugen 1,1 W/(m2 ·K).
beständiger als übliches Kalk-Natron-Glas. Bei Schallschutzglas ist die der Schallquelle zu-
gewandte Seite dicker (mind. 6 mm), der Schei-
Sicherheitsgläser benzwischenraum größer und die Verbindung
der beiden Scheiben schalltechnisch entkoppelt.
Einscheibensicherheitsglas (ESG ), thermisch vor- Brandschutzverglasungen (G) sind undurch-
gespannt, wird in seinen Endabmessungen auf lässig für Flammen und Gase und können z. B.
über 650°C erhitzt und mit kalter Luft abge- aus Drahtglas oder VSG aus ESG mit Spezialfolie
schreckt. Die Glasoberflächen haben dadurch ei- bestehen. Brandschutzverglasung (F) hemmt zu-
ne Druckvorspannung, das Glas eine erhöhte Bie- sätzlich den Durchgang von Hitzestrahlung in-
gefestigkeit und bessere Verformbarkeit; Tempe- folge Absorption und/oder Aufschäumen des
raturwechselbeständigkeit 200 K. Bei Zerstörung Materials im Scheibenzwischenraum.
krümeliger Bruch. Teilvorgespanntes Glas (TVG)
wird nach dem Erhitzen weniger schnell ab- 3.1.6.3
gekühlt und hat beim Bruch radiale Risse. Die Bauen mit Glas
Biegefestigkeit ist höher als bei Floatglas, die
Temperaturwechselbeständigkeit 100 K. Bei che- Mit Druck senkrecht zur Kontaktfläche und Rei-
misch vorgespanntem Glas werden in einer Salz- bung in der Ebene der Kontaktfläche sowie Kle-
schmelze an der Glasoberfläche die Na-Ionen bung werden Kräfte übertragen. Verkanten und
durch größere Ionen ersetzt. Die Druckvorspan- Kontakt des spröden Glases mit harten Aufla-

Baustoffe 3-55
gern müssen vermieden werden, der Lastab- und stanzen, deren elasto-viskoses Verhalten sich mit
-einleitungsbereich ausreichend dimensioniert der Temperatur ändert. Die für Bitumen typi-
sein. Das Tragvermögen von Klebeverbindungen schen Eigenschaften beruhen auf dem kolloida-
ist temperaturabhängig. Spannungen und Trag- len System, in dem eine disperse Phase (Asphal-
vermögen der dünnen Platten sind abhängig von tene) in einer zusammenhängenden (kohären-
Auflagerung und Verformungen. Bei vierseitig ten) Phase aus hochsiedenden Ölen (Maltene) in
gelagerten Platten entsteht mit zunehmender stabiler Verteilung vorliegt. Die Asphaltene sind
Durchbiegung eine Membranwirkung mit erhöh- keine einheitliche Stoffgruppe; sie sind die
ter Tragfahigkeit. Glasschwerter (lange, schmale höhermolekularen Anteile im Bitumen und las-
Tafeln) werden wie Scheiben in ihrer Ebene be- sen sich durch geeignete Lösemittel ausfällen.
ansprucht und bestehen wegen der hohen Span- Bitumen darf nicht mit Steinkohlenteerpech
nungen an den Kanten aus Sicherheitsglas. Mit (bisher "Teer" genannt) verwechselt werden.
zusammengesetzten Glasquerschnitten, Kombi- Zwischen Bitumen und Steinkohlenteerpech be-
nationen mit zugfesten Stoffen (z. B. Seilen) und stehen deutliche Unterschiede sowohl in stoffli-
durch Vorspannen werden weitgespannte Trag- cher Hinsicht als auch im Gebrauchsverhalten
konstruktionen möglich; vgl. [Schittich u. a. (Geruch, thermoviskoses Verhalten, Alterung,
1998]. toxikologisches Verhalten u.a.).
Bitumen weist je nach Sorte eine Dichte von
3.1.6.4 0,92 bis 1,07 g/cm3, einen Wärmeausdehnungs-
Schaumglas koeffizienten von 0,0006 K· 1 und eine Wärme-
leitfahigkeit von 0,16 W/(m · K) auf. Die Viskosi-
Mit Kohlenstoff aufgeschäumtes, weitgehend al- tät des Bitumens ist temperaturabhängig (ther-
kaliresistentes Glas; Platten und Formteile aus moviskos), die Steifigkeit hängt von der Bela-
dem Block geschnitten. Wasser- und wasser- stungszeit ab (elasto-viskos). Bitumen ist in der
dampfdicht, Rohdichte 105 bis 165 kglm3, Wär- Lage, aufgezwungene Spannungen durch visko-
meleitfahigkeitAR = 0,040- 0,055 W/(m · K);Aus- se Verformungen abzubauen (Relaxation). Die
dehnungskoeffizient 8,5 ·10·6 K· 1• Unkaschiert: Haftfestigkeit gegenüber trockenen und ent-
unhrennbar Baustoffklasse Al, Verlegung in Bi- staubten Mineralstoffen ist gut. In Wasser zeigt
tumen; kaschiert: normalentflammbar Baustoff- sich Bitumen unlöslich. Zwangsläufig löst sich
klasse B 2, Verlegung trocken oder im Frischbe- Bitumen in Kohlenwasserstoffen gleicher Her-
tonbett Schaumglas darf bei entsprechendem kunft (Öl, Benzin, Diesel) sowie in bestimmten
Zulassungsbescheid als Wärmedämmung be- chemischen Lösemitteln. Die das Bitumen bil-
rücksichtigt werden, auch wenn sie außerhalb denden Kohlenwasserstoffe sind sehr reaktions-
der Abclichtung angeordnet ist. träge gegenüber chemischen Substanzen. Durch
die Einflüsse von Luftsauerstoff, UV-Strahlung
3.1.6.5 (Licht) und Wärme erfährt Bitumen eine destil-
Glasfasern lative und oxidative Verhärtung.
Verarbeitungsformen des Bitumens sind Stra-
Im Vergleich mit massivem Glas erhöhte Zugfe- ßenbaubitumen, polymermodifizierte Bitumen,
stigkeit. Eine Schlichte an der Faseroberfläche Bitumenlösungen und -emulsionen. Bitumen
verbessert die Verarbeitbarkeit und den Verbund und seine Verarbeitungsformen werden zur Her-
zur Kunststoff- oder Zementmatrix. Glasfasern stellung von Asphalt und Estrichen, Dach- und
mit hohem Zirkongehalt haben erhöhte Alkalire- Dichtungsbahnen, Bautenschutzmitteln, Fugen-
sistenz. Cem-Fil AR Glasfasern: Dichte 2,7 glcm3, Vergußmassen und Rohrschutzmassen verwen-
Durchmesser 12 bis 20 Jlm, Zugfestigkeit 1,5 bis det. Weitere Anwendungsbereiche finden sich in
2,5·10 3 N/mm2, Elastizitätsmodul 70 bis 80·103 der Papierindustrie zum Imprägnieren, Ka-
N/mm2, Bruchdehnung 25%o. schieren und Beschichten, in der Gummiindu-
strie als Weichmacher sowie in der Kabel-, Elek-
3.1.7 tro- und Lackindustrie. Zu den Bitumen im wei-
Bitumen, Asphalt testen Sinne sind auch die in geologischen Zeit-
räumen aus Erdölen gebildeten Bitumenanteile
Bitumen ist ein bei der Aufbereitung geeigneter von Naturasphalt zu rechnen.
Erdöle gewonnenes schwerflüchtiges dunkelfar- Asphalt ist ein natürlich vorkommendes oder
biges Gemisch verschiedener organischer Sub- technisch hergestelltes Gemisch aus Bitumen

3-56 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


oder bitumenhaltigen Bindemitteln und Mine- [Vieweg/Braun 1975, Saechtling/Zebrowski 1986,
ra1staffen sowie ggf. weiteren Zuschlägen und/ Wesehe 1988] und- hinsichtlich Schutz und In-
oder Zusätzen. standsetzung von Baustoffen und Bauteilen -
Grundsätzlich läßt sich Asphalt in die Arten [Sasse 1994].
Walzasphalt und Gußasphalt unterteilen. Im Guß- Bei den Bildungsreaktionen werden drei
asphalt sind die Hohlräume im Mineralstoffge- Grundtypen unterschieden:
misch mit Bitumen voll ausgefüllt. Gußasphalt - Bei der Polymerisation liegen als Ausgangs-
bedarfkeiner Verdichtung und wird verstrichen. produkte ungesättigte Monomere vor. Deren
Seine Standfestigkeit hängt im wesentlichen von Doppelbindungen werden durch Energiezu-
der Steifigkeit des Mörtels (Bitumen-Füller-Ge- fuhr aufgebrochen, und dadurch wird die Ket-
misch) ab. Beim Walzasphalt ist für die Standfe- tenbildung ausgelöst. Als Beispiele seien ge-
stigkeit das Korngerüst von wesentlicher Be- nannt: aus Ethylen (C2H4 ) wird Polyethylen
deutung, der Mörtel hat lediglich verklebende· (PE), aus Vinylchlorid (CzH3Cl) wird Po-
Wirkung. Die Einbautemperatur liegt bei Guß- lyvinylchlorid (PVC). Bei zahlreichen Kunst-
asphalt mit 220°C bis 240°C höher als bei Walz- stoffen sind an den C-Atomen der Hauptkette
asphalt (120°C bis 180°C). kurze C-Ketten oder C-Ringe angebunden
Neben der Standfestigkeit spielen die Verar- (z.B. Polystyrol (PS), Polypropylen (PP)).
beitbarkeit und Verdichtbarkeit bei der Asphalt- - Bei der Polyaddition werden die Makromole-
konzeption eine wesentliche Rolle. Deckschich- küle verschiedener Monomere mit reaktions-
ten im Asphaltstraßenbau weisen ein hohes Maß fähigen Endgruppen durch intramolekulare
an Verschleißfestigkeit, Ebenheit und Griffigkeit Umlagerung von H-Atomen und Verkettung
auf. Bei Hohlraumgehalten unter 3 Vol.-o/o ist As- der freiwerdenden Valenzen gebildet. Ein Ab-
phalt wasserundurchlässig. scheiden von Spaltprodukten erfolgt nicht.
Neben den vorgeschriebenen Dichtungsauf- - Bei der Polykondensation gelten ähnliche
gaben als Brückenbelagkommt dem Gußasphalt Randbedingungen wie bei der Polyaddition,
als Estrich und als Bestandteil wasserdichter es werden jedoch niedermolekulare Anteile
Beläge in Naßräumen, in Tiefgaragen, auf Park- abgetrennt (Kondensat).
decks und begrünten Dächern wesentliche Be-
deutung zu. Walzasphalt wird im Straßenbau als Die Klassierung der Kunststoffe erfolgt mit Hil-
Asphaltbeton, Asphaltbinder, Splittmastixas- fe der Temperaturfunktion des Schubmoduls
phalt, Dränasphalt, Asphalttrag- und Asphalt- (Abb. 3.1-32). Der Bereich der Glasübergangs-
tragdeckschicht verwendet. Weitere Anwen- temperatur Tg stellt denübergangvom energie-
dungsbereiche sind der Flugplatzbau, Wasserbau elastischen Verhalten (Glaszustand) zum entro-
und Deponiebau. pie-elastischen Verhalten dar.
Duromere (1) fassen engmaschig vernetzte
3.1.8 Polymere zusammen. Der Schubmodul nimmt
Kunststoffe zwar bei über Tg steigender Temperatur deutlich
ab, die flüssige Phase wird jedoch nicht erreicht.
3.1.8.1 Dies ist bei Thermoplasten sehr wohl der Fall,
Allgemeines, Bildungsreaktionen, Klassierung wobei im Unterschied zu den amorphen Ther-
moplasten (3) - hier erfolgt ein rascher über-
Kunststoffe werden synthetisch aus verschiede- gang in die flüssige Phase - bei den teilkristalli-
nen niedermolekularen organischen Verbindun- nen Thermoplasten (2) der Abfalllangsamer er-
gen (Monomere) gebildet. Sie bestehen in ihren folgt, da zunächst die kristallirren Strukturen
wesentlichen Komponenten aus makromoleku- zerstört werden müssen. Bei Elastomeren (4)
laren organischen Ketten (Polymere). Der mole- liegt der Glasübergang i.d.R. unterhalb des Ge-
kulare Aufbau, d. h. Gestalt, Größe, Anzahl und brauchstemperaturbereichs, so daß bei Ge-
Art der Kettensegmente, beeinflußt die Werk- brauch Entropieelastizität vorliegt. Wie Duro-
stoffeigenschaftender homogenen und isotropen mere zersetzen sich Elastomere bei Erreichen
Kunststoffe entscheidend, sofern keine Verstär- der Zersetzungstemperatur (Tz}, ohne in die
kungen oder Füllungen vorhanden sind. Das flüssige Phase überzugehen.
Kohlenstoffatom (Kurzzeichen C) stellt bei der
überwiegenden Zahl der Kunststoffe das Ver-
bindungsglied der Kettensegmente dar, s. auch

Baustoffe 3-57
105
(j) Duromer I
I
Q) teilkristalliner Thermoplast
104 <D amorpher Thermoplast -!I
'E - - --, r<D @ Elastomer I
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Temperatur in °(

Abb. 3.1-32 Klassierung hochpolymerer Weltstoffe durch die Temperaturfunktion des Schubmoduls

3.1.8.2 stoff: Die Faser bestimmt im wesentlichen die


Kunststoffe als Konstruktionswerkstoffe mechanischen Eigenschaften und die Wärme-
dehnung, die Matrix die übertragungder inter-
Um die Tragfähigkeit und Steifigkeit zu erhöhen, laminaren Scherkräfte, den Diffusionswider-
werden in Kunststoffe häufig Fasern eingelegt; es stand und die Chemikalienbeständigkeit.
entstehen sog."faserverstärkte Kunststoffe" (FK). Im folgenden werden Kunststoffe bzw. Kunst-
Weit verbreitet sind glasfaserverstärkte kunst- stoffbauteile aufgezählt, die für die Standsicher-
stoffbauteile (GFK). Werkmäßig hergestellte Se- heit oder Funktionsfähigkeit einer Konstrukti-
rienbauteile wie Silos, Tanks, schalenförmige on entscheidende Bedeutung haben können:
Dachkonstruktionen, Großrohre, Kühltürme, - Kleber,
Fassadenplatten und Betonschalungen bestehen - Kunststoffdichtungsbahnen,
vielfach aus Polyesterharz, das durch Glasfaser- - Dichtungsmassen und
zugabe verstärkt wurde. Der Glasfasergehalt be- - Baulager.
trägt je nach Erfordernis rd. 20 bis 70 M.-%. Je
nach Orientierung der Fasern ergeben sich an- 3.1.8.3
isotrope mechanische Kennwerte. Die Fasern Kunststoffe für Schutz und Instandsetzung
werden nach Bedarf als Einzelfasern (Rovings), von Baustoffen und Bauteilen
als Matten (ungerichtet) oder als Gewebe (ge-
richtet) eingelegt. Kunststoffe als lmprägnier- bzw. Beschichtungsstoffe
In jüngster Zeit baut man auch verstärkt
Elemente aus Hochleistungsverbundwerkstoff Schutzbehandlungen kapillarporiger Baustoffe,
(HLV-Elemente) zur Verstärkung von bestehen- die das Porensystem nicht verstopfen und keinen
den Bauwerken ein. Bei diesen Elementen kann oberflächlichen Film bilden, nennt man "Im-
es sich um Stäbe (Einzelstäbe oder Spannglieder prägnierungen". Verhindert oder erschwert eine
zur z. T. externen Vorspannung) oder um Laschen Imprägnierung die Benetzung der Baustoffober-
bzw. Lamellen (zum Aufkleben auf vorhandene fläche mit Wasser und hebt sie die kapillare Saug-
Konstruktionen) handeln. Als Fasern werden im kraft gegenüber Wasser auf, so spricht man von
Bauwesen Kohlenstoff-, Aramid- oder Glasfa- einer "hydrophobierenden Imprägnierung" oder
sern verwendet. Die Matrix besteht meist aus un- "Hydrophobierung". Hydrophobiermittel wirken
gesättigtem Polyesterharz (UP) oder Epoxidharz durch physikalische Oberflächenkräfte, die den
(EP). Die stark unterschiedlichen Stoffkennwer- Randwinkel des benetzenden Wassers vergrö-
te von Fasern und Matrix bedingen eine weitge- ßern und somit kapillares Saugen unterbinden.
hende Aufgabenteilung der Komponenten je Bei den Wirkstoffen handelt es sich zumeist
nach Anteil im unidirektionalen Verbundwerk- um siliziumorganische Verbindungen (Silane,

3-58 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Siloxane). Da für den Erfolg einer Hydrophobie- Kunststoffhaltige Mörtel und Betone (PC, PCC)
rungsmaßnahme die Eindringtiefe (Penetrati-
on) von entscheidender Bedeutung ist, muß der Kunstharzmörtel (auch Reaktionsharzmörtel,
Wahl des Anteils und der Art des Lösemittels be- PC) werden mit flüssigen polymeren Bindemit-
sondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. In teln anstelle von Zementleim hergestellt. Sie un-
der Vergangenheit lag der Anteil an organischem terscheiden sich von den üblichen zementge-
Lösemittel bei vielen marktüblichen Produkten bundenen Betonen v. a. durch ihre sehr hohe che-
über 90 M.-%. Im Zuge eines gewachsenen Um- mische Beständigkeit, die wesentlich höhere
weltbewußtseins werden inzwischen von vielen Zugfestigkeit, ihren kleinen Elastizitätsmodul,
Herstellern auch in Wasser gelöste Hydropho- das Fehlen eines Kapillarporensystems und ihre
bierungen angeboten (Mikroemulsionen). sehr rasche Festigkeitsentwicklung. Im allge-
Bei der Mehrzahl der einkomponentigen Be- meinen werden als Bindemittel reaktive Stoffe
schichtungsstoffe, die zum Oberflächenschutz (Epoxidharze, ungesättigte Polyesterharze oder
oder zur Instandsetzung von Betonbauteilen Methacrylatharze) verwendet. Das Hauptan-
dienen, handelt es sich um physikalisch trock- wendungsgebiet von Kunstharzmörteln liegt im
nende Systeme, d. h., die molekulare Identität der Bereich Industrieböden, und zwar befahrener
Bindemittel wird im Zuge des Filmbildungspro- und chemisch bzw. mechanisch sehr stark bela-
zesses nicht verändert. Die Größe der vorliegen- steter Flächen.
den Partikel (Molekülknäuel) entscheidet letzt- Kunststoffhaitiger Zementmörtel und Zement-
lich über die Eingruppierung als Lösung (zu- beton (kunststoffmodifizierter Mörtel oder Be-
meist in organischem Lösemittel) oder als Dis- ton, PCC Polymer Cement Concrete) wird in
persion (zumeist in Wasser dispergiert). Zur Be- großem Umfang zur Reparatur von geschädig-
schichtung von Betonflächen werden i. allg. reine tem Beton eingesetzt. Da diese Stoffe selten allein
Acrylate oder Acrylat -Copolymere- entweder in verwendet werden, spricht man auch von "Be-
Wasser dispergiert oder in Lösemittel gelöst - tonersatzsystemen".Sie bestehen aus einem Kor-
verwendet, da diese Stoffe eine hohe Versei- rosionsschutzanstrich (zementgebunden oder
fungsbeständigkeit aufweisen (Hydrolyse von Epoxidharz zur Beschichtung freigelegter Be-
Estern in Anwesenheit von Hydroxylionen). Je wehrungsstähle),aus einer Haftbrücke (zement-
nach Art und Anteil des Polymers und der Pig- gebunden oder Epoxidharz) zur Verbesserung
mente, Hilfsstoffe und Zusatzstoffe werden wich- des Verbunds zum vorhandenen Altbeton, aus
tige Beschichtungseigenschaften wie Alterungs- dem eigentlichen kunststoffhaltigen Mörtel und
beständigkeit, Diffusionseigenschaften, chemi- einem Feinspachtel (zur Homogenisierung der
sehe Widerstandsfähigkeit und Rißüberbrük- Mörteloberfläche). Das Angebot umfaßt hän-
kungsverhalten bestimmt. disch verarbeitbare und spritzbare Systeme.
Bei den zweikomponentigen Beschichtungssy- Hinsichtlich der Zementgehalte und w/z-Werte
stemen handelt es sich um reaktive Systeme, und werden Mindest- und Maximalwerte vorgege-
zwar entweder um ben. Zur Modifizierung der Zementmörtel die-
- Epoxidharz- bzw. Polyurethansysteme, in bei- nen in Deutschland Acrylat, Styrol-Acrylat, Sty-
den Fällen erfolgt auf der Oberfläche eine Po- rol-Butadien, Epoxidharz und Vinylacetat-ethy-
lyaddition, oder len. Der Kunststoffanteil im Mörtelliegt i. d. R.
- um reaktive Acrylharze, hier kommt es auf der zwischen 5% und 10%, bezogen auf die Zement-
Baustoffoberfläche zu einer radikalischen Po- masse. Grundsätzlich wird von Instandsetzungs-
lymerisation, für die als Starter meist Per- mörteln dauerhafte Widerstandsfähigkeit gegen
oxidpulver verwendet wird. Umwelteinflüsse und Abnutzung durch Ge-
brauch gefordert, zudem dauerhaft ausreichen-
Die Produkte aus diesen Gruppen lassen sich in de Haftung zum Altbeton und keine negative Be-
ihren Eigenschaften in sehr weiten Bereichen ge- einträchtigung des Korrosionsschutzes der Be-
zielt einstellen, so daß hieraus Versiegelungen, wehrung.
Beschichtungen mit hohen chemischen und/
oder mechanischen Widerständen, gummiela- Kunststoffe zum Füllen von Rissen (EP, PUR)
stische (rißüberbrückende) Beschichtungen
und auch schnell reagierende Spritzabdichtun- Risse in Massivbauteilen müssen mit geeigneten
gen ("Flüssigfolien") hergestellt werden können. Materialien kraftschlüssig oder abdichtend ge-
füllt werden, wenn die Dauerhaftigkeit der Stand-

Baustoffe 3-59
sicherheit oder Gebrauchstauglichkeit beein- OSB Oriented Strand Board
trächtigt ist. Thermische und/oder hygrische PCC Polymer Cement Concrete (kunststoff-
Formänderungen der Bauteile führen an Rissen modifizierter Beton)
immer zu - wenn auch z. T. sehr kleinen - Riß- PSL Parallel Strand Lumber (Furnierstrei-
breitenänderungen, auch wenn die eigentliche fenholz)
Ursache entfallen ist (Überbelastung, Schwin- PZ Portlandzement
den, Kriechen, Stützensenkung o. ä.). Falls geeig- REA Rauchgasentschwefelungsanlage
nete Beschichtungssysteme zur Überbrückung SFA Steinkohlenflugasche
der Risse nicht tauglich sind, wird entweder TVG teilvorgespanntes Glas
kraftschlüssig verpreßt oder abdichtend inji- VSG Verbundsicherheitsglas
ziert. In den letzten Jahren wurden auch Feinst-
zemente entwickelt, die als Zementleim oder Ze- 3.2
mentsuspension zur kraftschlüssigen Füllung in
Hochbaukonstruktionen
Risse injiziert werden können.
Voraussetzung für eine erfolgreiche kraft-
schlüssige Verpressung (Wiederherstellen der 3.2.1
monolithischen Wirksamkeit eines Bauteils) ist, Problemstellung für den Bauingenieur
daß die Rißursache vor Durchführung der Maß-
nahme beseitigt wurde oder nicht mehr besteht. Heutzutage reicht es nicht aus, sich im Hochbau
Andernfalls käme es, bei gelungener Verpres- nur auf das Tragwerk zu konzentrieren. Viel-
sung, an einer benachbarten Stelle erneut zum mehr muß sich der Bauingenieur auch mit we-
Aufreißen. Im allgemeinen werden niedrigvis- sentlichen Aspekten der Bauphysik und solchen
kose, ungefüllte und lösemittelfreie Epoxidharze von Gebäudehülle und Ausbau auseinanderset-
verwendet. Die Viskosität darf nur langsam zu- zen, denn diese stehen immer mehr in einer aus-
nehmen, damit eine Penetration auch in feinste geprägten Wechselbeziehung mit dem Tragwerk.
Risse möglich ist. Voraussetzung für eine wirk- Somit ist eine ganzheitliche Betrachtung der
same Maßnahme ist eine ausreichende Adhäsi- Hochbauten anzustreben.
onsfestigkeit zwischen Rißflanke und Füllstoff. Abbildung 3.2-1 zeigt die Zusammenhänge.
Dies ist bei nassen oder verschmutzten (konta- Hauptaufgabe und Kerngebiet des Bauingenieurs
minierten) Rißflanken häufig ein Problem. ist die sachgemäße Gestaltung des Tragwerks.
Zur abdichtenden Verpressung, i.d.R. gegen Diese umfaßt den konzeptionellen Entwurf, die
drückendes Wasser, dienen schnell reagierende, Vorbemessung, Berechnung, Bemessung und
wasserbeständige Polyurethanharze. Die ausge- konstruktive Durchbildung. Dabei können zwei
härteten Harze sind schaumartig und elastisch. Arten unterschieden werden: Bauten mit tragen-
dem Mauerwerk und Tragwerke von Skelettbau-
Abkürzungen zu 3. 7 ten. Beim tragenden Mauerwerk haben die ver-
tikalen Tragelemente - die Mauerwerkswände -
ACI Americal Concrete Institute auch eine raumabschließende Funktion. Bei den
ASTM American Society for Testing and Mate- Skelettbauten hingegen sind die tragende und die
rials
BSH Brettschichtholz
CEB Comite Euro-International du Beton
DAfStb Deutscher Ausschuß für Stahlbeton
DBV Deutscher Beton-Verein
DIBt Deutsches Institut für Bautechnik
ESG Einscheibensicherheitsglas
FSB Fasersättigungsbereich
GFK glasfaserverstärkte Kunststoffe
HLV Hochleistungsverbundwerkstoffe
HÜS Hüttensand
KPH Kunstharzpreßholz
LP Luftporenbildner Abb. 3.2·1 Wechselwirkungen zwischen den Gebieten
LSL Laminated Strand Lumber (Langspan- Bauphysik, Gebäudehülle und Ausbau sowie Tragwerk
holz)

3-60 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


raumabschließende Funktion getrennt, sie wer- 3.2.2
den von verschiedenen Elementen - v. a. Stützen Zur Bauphysik
und nichttragenden Wänden - übernommen.
Auf die sachgemäße Gestaltung des Tragwerks Die Bauphysik ist in 1.3 behandelt. Hier werden
von Hochbauten haben Aspekte der Bauphysik, nur ergänzende Hinweise im Hinblick aufHoch-
v.a. Wärme-, Feuchtigkeits- und Schallschutz, baukonstruktionen gegeben. Eine integrale Dar-
eine wachsende Bedeutung gewonnen. Auch Ge- stellung findet sich in [Bachmann 1997].
bäudehülle und Ausbau haben einen wesentli-
chen Einfluß auf die sachgemäße Gestaltung des 3.2.2.1
Tragwerks von Hochbauten. Dazu gehören Au- Wärmeschutz
ßenwände, Innenwände, Dächer, Fenster, Ausbau
der Geschoßdecken, Sockelbereich, Treppen und Maßnahmen zur Verringerung des Wärme-
haustechnische Anlagen (Heizung, Sanitärbe- durchgangs von warmen zu kalten Bereichen
reich, Elektrizität usw.). Auch die beiden Gebie- sind aus Gründen der Energieeinsparung, Wirt-
te Bauphysik sowie Gebäudehülle und Ausbau- schaftlichkeit, Behaglichkeit und Hygiene erfor-
sind untereinander stark vernetzt derlich.
Ferner bestehen somit zwischen ihnen und Der Transport von Wärmeenergie (Wärme-
dem Tragwerk zahlreiche Wechselwirkungen. übertragung) erfolgt physikalisch auf drei ver-
Eine sachgemäße Gestaltung des Tragwerks von schiedene Arten:
Hochbauten erfordert auch solide Kenntnisse - Wärmeleitung: Transport von Wärmeenergie
auf den Gebieten "Gebäudehülle und Ausbau" in Baustoffen von Teilchen zu Teilchen,
sowie "Bauphysik". - Wärmeströmung (Konvektion): Transport von
In diesem Kapitel wird somit eine ganzheitli- Wärmeenergie an Oberflächen durch beweg-
che Betrachtung der Hochbaukonstruktionen te Luft,
angestrebt. Der Bauingenieur soll nicht nur ein - Wärmestrahlung: Transport von Wärmeener-
"Statiker" sein, der ein von anderer Seite schlecht gie von Oberfläche zu Oberfläche durch elek-
und recht entworfenes Tragwerk "hinrechnet". tromagnetische Wellen.
Er soll vielmehr befähigt sein, das Tragwerk ei-
nes Hochbaus sowohl für die maßgebenden Wärmedurchgang bei Bauteilen
Einwirkungen als auch für die zahlreichen
Wechselwirkungen mit Gebäudehülle und Aus- Der Wärmedurchgang bei Wänden und Decken
bau sowie unter Berücksichtigung der Bauphy- umfaßt durch Wärmeleitung in Baustoffen, Wär-
sik zu gestalten, und er soll auf diesen Gebieten meströmung und Wärmestrahlung an Oberflä-
ein kompetenter Gesprächspartner von Bauherr, chen alle Formen des Transportes von Wärme-
Architekt und Spezialisten sein. energie.
Bei Hochbaukonstruktionen handelt es sich Bei Fenstern treten zwei gegensätzliche Effek-
um ein außerordentlich vielfältiges und sehr te auf. Einerseits wird Wärmeenergie von innen
umfangreiches Sachgebiet. Im Rahmen dieses nach außen transportiert (relativ großer Verlust
Kapitels kann naturgemäß nur eine Einführung wegen des großen k- Wertes der Fenster im Ver-
für Bauingenieure gegeben werden. Zur Erwei- gleich zu Wänden und Dächern}, andererseits
terung und Vertiefung der hier vermittelten dringt Sonnenenergie in das Rauminnere ein
Kenntnisse soll daher die angegebene weiterfüh- (passive Nutzung der Sonnenenergie).
rende Literatur von Nutzen sein. Belüftete Wandkonstruktionen weisen einen
Im übrigen beschränken sich die Ausführun- Aufbau wie in Abb. 3.2-2 auf. Eine vorgesetzte
gen vorwiegend auf die Behandlung von mehr- Schale dient dem Wetterschutz und der Ästhetik.
geschossigen Wohn-, Büro- und Gewerbebauten Im Hohlraum entsteht eine Luftströmung durch
(keine eigentlichen Industriebauten, keine Hal- thermischen Auftrieb und Windeinwirkung. Die
lenbauten). * minimale Breite des Belüftungsraums beträgt 2
bis 5 cm. Belüftete Steildächer lassen sich grund-
sätzlich in Warm- und Kaltdächer unterscheiden
*Anm. d. Hrsg.: Entsprechend der Herkunft des Bei-
trags wird bei normativen Verweisen auf die in der (Abb. 3.2-3}. Für Warmdächer beträgt die mini-
Schweiz geltenden SIA-Normen Bezug genommen. Die male Höhe des Belüftungsraumes 5 cm. Kaltdä-
in Deutschland zu beachtenden Regeln sind in Klam- cher sollten eine minimale Höhe der beiden Be-
mern angegeben. lüftungsräume von 4-8 cm und eine Entlüftung

Hochbaukonstruktionen 3-61
Wärmedämmschicht --ft--&V
tragende und wärme-
dämmende Wandschicht
tragende Wand --ft---f?fY"

Abb. 3.2-2 Typischer Aufbau belüfteter Wandkonstruktionen

- Durchlüftungsraum
-..._ Unterdach
"'-.... Durchlüftungsraum
"-..._ Wärmedämmschicht
"-..._ Luftdichtigkeits- und
Dampfsperrschicht

a Kaltdach mit zwei Durchlüftungsräumen


- Durchlüftungsraum
-..._ Unterdach

"-..._ Wärmedämmschicht
"-..._ Luftdichtigkeits- und
Dampfsperrschicht

b Warmdach mit einem Durchlüftungsraum

Abb. 3.2-3 Typischer Aufbau belüfteter Steildachkonstruktionen

am First aufweisen. Für belüftete Flachdächer


sollte eine minimale Höhe des Belüftungsrau-
mes von I 0 cm nicht unterschritten werden (vgl.
auch gilt DIN 1053, DIN 4108 und DIN 18516).
Der Wärmewiderstand RL einer im Belüft-
ungsraum bewegten Luftschicht kann nach SIA
180 unabhängig von der Breite bzw. Höhe des
Belüftungsraumes angesetzt werden mit RL = außen
0,08 m 2 K/W. (vgl. DIN 4108). Der k-Wert eines R,
belüfteten Bauteils (Abb. 3.2-4) ergibt sich dann
zu
k =_I_=----- (3.2.1) Abb. 3.2-4 k-Wert belüfteter Wandkonstruktionen
Rtot R; +R+RL +Ra (nach SIA 180)

3-62 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Wärmebrücken 3.2.2.2
Feuchtigkeitsschutz
Wärmebrücken sind Stellen bzw. Bereiche der
Gebäudehülle mit lokal größerem Wärmefluß Es sind Maßnahmen erforderlich zur Verringe-
und somit lokal tieferen raumseitigen Oberflä- rung ungünstiger Wirkungen des Wassers wie
chentemperaturen. Sie sind kritische Stellen für Schimmelpilzbildung, Fäulnis, Frostabspren-
Kondensationsschäden und Schimmelpilzbil- gungen, Korrosion, Undichtigkeiten infolge
dung. Je wärmedämmender die Wand- und Dek- Schwinden des Betons (Risse) und Quellen des
kenteile sind, desto größer wird der relative Ein- Holzes.
fluß der Wärmebrücken. Beispiele hierfür sind
Balkonanschlüsse in Form durchbetonierter Dek- Wasser und Wasserdampf
ken und gedämmter Stahlkörbe in Baustahl; sie
bedeuten akute Schimmelpilzgefahr, im letzten Wasser kommt in Baustoffen als (physikalisch
Fall auch Korrosionsgefahr. Edelstahl anstatt Bau- gebundenes) Kristallwasser, Kapillarwasser in
stahl bewirkt eine Verbesserung. feinsten Röhrchen und freies Wasser bzw. Was-
Bei Fenstern besteht Schimmelpilzgefahr v.a. serdampf in Poren vor. Es bewirkt dort eine Ver-
im Bereich schlecht gedämmter Fensterstürze. schlechterung der Wärmedämmung durch er-
Fensterrahmen (Bereiche Sturz, Brüstung, Lei- höhten Wärmetransport (Wärmeleitfähigkeit
bung) bewirken Wärmeverluste. Am Glasrand Awasser :::: 25 · ALuft) sowie eine Veränderung der
kommt es wegen der kaum vermeidbaren tiefen mechanischen Eigenschaften und Schwinden
Temperaturen oft zu Kondenswasserbildung. bzw. Quellen.
Bei Flach- und Steildächern sind durchbeto- Der Transport von Wasser in Baustoffen be-
nierte Betonvordächer bezüglich Wärmebrük- ruht auf der treibenden Wirkung von Wasser-
ken ungünstig. Bei Pult-Steildächern tritt be- dampfdruckdifferenzen (Dampfdruckgradient)
sonders in Naßzellen (Badezimmer, Küche etc.) und anderen Druckdifferenzen (z.B. infolge
oft Schimmelpilz auf. Winddrucks }, Temperaturdifferenzen (Tempe-
raturgradient) und Wassergehaltsdifferenzen
Wärmeverluste ins Erdreich (Stoffeuchtegradient).

Der Wärmeverlust durch die Gebäudehülle ins Kondensation und Schimmelpilzgefahr an Oberflächen
Erdreich erfolgt gewissermaßen entlang der
Wärmestromlinien (Abb. 3.2-5). Der Anteil des Kondensation des Wasserdampfes an raumseiti-
Wärmeverlustes ins Erdreich am gesamten Ge- gen Oberflächen erfolgt, wenn die Oberflächen-
bäudewärmeverlust ist i.allg. relativ gering. temperatur {)-o; kleiner ist als die Taupunkttem-
Trotzdem lohnt es sich, in den beheizten Räu- peratur {)-T der Raumluft ({)-0 ; :::;{)-r). Die raum-
men gegen das Erdreich hin eine gute Wärme- seitige Oberflächentemperatur errechnet sich zu
dämmung anzuordnen. (Abb. 3.2-6, a; Wärmeübergangskoeffizient in-
nen)

Abb. 3.2·5 Wärmefluß im Erdreich Abb. 3.2-6 Oberflächentemperatur innen

Hochbaukonstruktionen 3-63
3.2.2.3
(3.2.2) Schallschutz

Schimmelpilzgefahr an raumseitigen Oberflä- Es sind Maßnahmen erforderlich zur Verringe-


chen besteht, wenn die längerfristige relative rung der Schallübertragung, sowohl von Innen-
Luftfeuchtigkeit an der Oberfläche, q>oh mehr als lärm infolge von Luftschall, Trittschall und haus-
etwa 70 bis 80% beträgt. Als längerfristige Au- technischen Geräuschen zwischen inneren Nut-
ßentemperatur kann das Januarmittel, das stati- zungseinheiten (Räume, Wohnungen etc.) als
stisch einmal in 20 Jahren auftritt, verwendet auch von Außenlärm infolge von Luftschall ins
werden (z.B. Zürich -1 °C). Kondensations- und Hausinnere.
Schimmelpilzgefahr besteht besonders in Räu-
men mit hoher Luftfeuchtigkeit wie Küchen, Ba- Schall und Schallübertragung
dezimmer, Waschküchen usw. Als Maßnahme
gegen Kondensation und Schimmelpilzgefahr an Schall besteht aus elastischen mechanischen
Oberflächen muß die Wärmedämmung verbes- Schwingungen und Wellen eines Mediums (Luft,
sert werden (kleinerer k- Wert), damit an der Beton, Stahl usw.), namentlich im Frequenzbe-
raumseitigen Oberfläche die Temperatur i}oi hö- reich des menschlichen Hörens von etwa 20 bis
her bzw. die relative Luftfeuchtigkeit q>m kleiner 20 000 Hz. Für das Bauwesen sind v. a. die Schall-
wird. ausbreitung in der Luft als Luftschall und in fest-
en Körpern als Körperschall von Interesse.
Kondensation im Bauteilinnern, Dampfsperre Luftschall breitet sich in der Luft aus; durch
Kompressions- und Dekompressionswellen
Kondensation des Wasserdampfes im Bauteil- (Dichtewellen) werden kleine Druckverände-
innern tritt auf, wenn dort der Wasserdampf- rungen gegenüber dem Atmosphärendruck be-
sättigungsdruck erreicht wird. Im Rahmen einer wirkt. Luftschall ist einerseits die Voraussetzung
einfachen Prüfung wird angenommen, daß dies für menschliche Verständigung durch Sprechen,
der Fall ist, wenn der scheinbare Wasserdampf- kann aber andererseits erhebliche Belästigun-
druck p größer wird als der Wasserdampfsätti- gen durch Lärm verursachen. Körperschallbrei-
gungsdruck Ps (p > p5 ). Kondensationsgefahr im tet sich in festen Körpern in Form von Biege-
Bauteilinnern besteht besonders dann, wenn die und Dehnwellen aus; er kann durch Luftschall
Wärmedämmschicht auf der warmen Innensei- oder andere mechanische Einwirkungen (z.B.
te angeordnet ist. Stöße) angeregt werden. Trittschall entsteht beim
Als Maßnahme gegen Kondensation im Bau- Begehen und bei ähnlicher stoßartiger Anre-
teilinnern kann auf der raumseitigen Oberfläche gung einer Decke, Treppe usw. als Körperschall
eine Dampfsperre angeordnet werden. Dadurch und wird teilweise als Luftschall abgestrahlt.
wird der Wasserdampf daran gehindert, weiter
in das Bauteil zu diffundieren; er kann also nicht Luftschalldämmung
mehr bis zur kalten Schicht vordringen und dort
kondensieren. Eine Dampfsperre (oder Dampf- Die Übertragungvon Luftschall von einer Schall-
bremse) besteht aus einem dünnen Material mit quelle (Senderaum) durch ein Trennbauteil hin-
extrem kleiner Wasserdampfleitfähigkeit .\0 . durch in einen angrenzenden Raum (Empfangs-
Übliche Materialien sind raum) geschieht wie folgt: Im Senderaum wird
- Kunststoffolie (bei Innenisolation einer Wand, Luftschall erzeugt (z.B. durch Radio, Fernseher,
Dachisolation usw.), Klavier, Singen). Die entsprechenden Druckwel-
- Alufolie (auf Wärmedämmplatten fertig auf- len in der Luft regen das Trennbauteil zu Schwin-
gezogen), gungen an (Körperschall). Im Empfangsraum er-
- Bitumendachpappe (bei Flachdächern). zeugen die Schwingungen des Trennbauteils wie-
derum Luftschall (Abb. 3.2-7 rechts).
In allen Fällen müssen die Fugen und Ränder Bei dieser Übertragung wird der Schallpegel
sorgfältig abgeklebt und gedichtet werden. Auch vermindert. Einerseits entstehen bei jedem Pha-
allfällige Verletzungen müssen sorgfältig repa- senwechsel von Luft zu Festkörper oder umge-
riert werden. kehrt Reflexionen, d.h. sowohl beim Eintreten
des Schalls in das Trennbauteil als auch beim
Verlassen. Andererseits tragen alle Oberflächen

3-64 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


II
0
~
~
~
'0

j
-;;;
~ ~L-------------~~---
100 3150 Hz Wandfläche S - /.
Frequenz f S<hallabsorptionsflä<he A

Abb. 3.2-7 Lufts<hallübertragung

im Empfangsraum durch Absorption der Schall-


wellen zur Verminderung des Schallpegels bei.
Diese Oberflächen umfassen die Wände und
Decken sowie die Oberflächen aller Möbel und
Einrichtungen.
-
1-_
tI t
Die Luftschalldämmung zwischen angrenzen- " "" ""' "
den Räumen umfaßt die Maßnahmen am Trenn- +'+ ~ +t +
bauteil, die zur Reduktion der Luftschallüber-
tragung beitragen. Um Trennbauteile bezüglich
L -- ~--
ihrer schalldämmenden Eigenschaften zu be-
schreiben, werden standardisierte Laborversu-
Abb. 3.2-8 Trittsrnallübertragung
che durchgeführt. Diese berücksichtigen auch
die bauüblichen Nebenwegübertragungen. Da-
bei wird ausgehend von der Schallpegeldifferenz teil hindurch in einen angrenzenden Raum
D=L 1 -L 2 in Funktion der Frequenz (Abb. 3.2-7 (Empfangsraum) geschieht wie folgt: Im Sende-
links) zuerst eine Normierung bezüglich der Flä- raum wird die Decke (Trennbauteil) durch das
ehe des Trennbauteils und anschließend eine Be- Begehen, das Fallenlassen von Gegenständen
wertung zur Bestimmung einer einzigen Kenn- oder Stühlerücken usw. in Schwingungen ver-
zahl durchgeführt. Die dabei resultierende Bau- setzt (Körperschall). Der Körperschall breitet
teilkenngröße ist das bewertete Bauschalldämm- sich im Trennbauteil und den daran angrenzen-
maß R'w. den Bauteilen aus. Im Empfangsraum erzeugen
Bei der Projektierung eines Hochbaus werden die Schwingungen der Bauteile Luftschall (Abb.
aufgrund der geplanten Nutzung eines Raumes 3.2-8). Bei dieserübertragungwird der Schall-
und der in Frage kommenden Luftschallquellen pegel wie im Fall der Luftschallübertragung durch
die Normanforderungen an den Luftschallschutz Reflexion an Materialübergängen und durch Ab-
festgelegt. Unter Berücksichtigung der gegebe- sorption im Empfangsraum vermindert.
nen Raumgeometrie wird daraus ein erforderli- Die Trittschalldämmung zwischen angren-
cher Wert für das bewertete Bauschalldämmaß zenden Räumen umfaßt die Maßnahmen am
R 'w< erf) errechnet. Soll in einem bestehenden Ge- Trennbauteil (Decke), die zur Reduktion der Tritt-
bäude der Luftschallschutz überprüft werden, so schallübertragung beitragen. Um Trennbauteile
müssen Messungen durchgeführt werden. Die bezüglich ihrer trittschalldämmenden Eigen-
vorhandene bewertete Standard-Schallpegeldif- schaften zu beschreiben, werden standardisier-
ferenz wird bestimmt und mit der nach der ein- te Laborversuche durchgeführt. Diese berück-
schlägigen Norm erforderlichen verglichen. sichtigen auch die bauüblichen Nebenwegüber-
tragungen. Dabei wird ausgehend vom Tritt-
Trittschalldämmung schallpegel L in Funktion der Frequenz zuerst
eine Normierung bezüglich der Fläche des
Die Übertragung von Trittschall von einer Trennbauteils (jedoch keine Pegelkorrektur)
Schallquelle (Senderaum) durch ein Trennbau- und anschließend eine Bewertung zur Bestim-

Hochbaukonstruktionen 3-65
mung einer einzigen Kennzahl durchgeführt. nach der einschlägigen Norm erforderlichen
Die dabei resultierende Bauteilkenngröße ist der verglichen.
bewertete Norm- Trittschallpegel L'n, w.
Bei der Projektierung eines Hochbaus werden 3.2.3
aufgrundder vorgesehenen Nutzung eines Rau- Gebäudehülle und Ausbau
mes und der in Frage kommenden Trittschall-
quellen die Normanforderungen an den Tritt-
schallschutz festgelegt. Unter Berücksichtigung Die wichtigsten Grundkenntnisse über die Bau-
der gegebenen Raumgeometrie wird daraus ein teile von Gebäudehülle und Ausbau umfassen
erforderlicher Wert für den bewerteten Norm- den Entwurf und die konstruktive Durchbildung
Trittschallpegel L~,w(erf) des Bauteils errechnet. der Bauteile sowie die Wechselwirkungen mit
Soll in einem bestehenden Gebäude der Tritt- dem Tragwerk (Material, Geometrie, Verfor-
schallschutz überprüft werden, so müssen Mes- mungsverhalten, bauphysikalische Eigenschaf-
sungen durchgeführt werden. Der vorhandene ten). Eine ausführliche Darstellung findet sich in
bewertete Standard-Trittschallpegel wird be- [Bachmann 1997]. Bei den haustechnischen An-
stimmt und mit dem nach der einschlägigen lagen werden nur Aspekte betrachtet, die in di-
Norm erforderlichen verglichen. rektem Zusammenhang mit dem Tragwerk ste-
hen.
Dämmung von haustechnischen Geräuschen
3.2.3.1
Schwingende Installationen und Einrichtungen Außenwände
(z.B. fließendes Wasser in Leitungen und Klo-
setts, Aufzüge, Ventilatoren) versetzen die Bau- Außenwände können unterschieden werden
teile, an denen sie befestigt sind, in Bewegung. nach ihrer Konstruktionsart und den hauptsäch-
Diese äußert sich in Form von Körperschall, der lieh verwendeten Baustoffen. Nach der Kon-
durch das Bauteil in andere Räume übertragen struktionsart lassen sich folgende Typen unter-
werden kann. Dort wird die Luft durch das scheiden: Massive Außenwände haben eine Mas-
schwingende Bauteil zu Luftschall angeregt. se von mindestens 200 kglm 2 und sind tragend
Die Dämmung von haustechnischen Geräu- oder nichttragend. Sie können gemauert, an Ort
schen umfaßt die Maßnahmen an den Bauteilen, betoniert oder aus vorfabrizierten Bauteilen (Be-
die zur Reduktion der Schallübertragung haus- ton, Mauerwerk) erstellt werden. Leichte Außen-
technischer Geräusche beitragen. Um die Anfor- wände haben dagegen eine Masse von weniger
derungen an die Dämmung gegen haustechni- als 200 kglm2 und sind meist nichttragend. Sie
sche Geräusche beschreiben zu können, wird werden entweder aus Einzelteilen vor Ort aufge-
vom bewerteten Schallpegel ausgegangen. Die- baut oder aus vorfabrizierten Fassadenbauteilen
ser Schallpegel wird im Empfangsraum gemes- zusammengesetzt.
sen, während die Schallquelle in Betrieb ist. Nach Nach den Baustoffen lassen sich Außenwände
Korrekturen resultiert der Beurteilungspegel unterscheiden in Mauerwerkswände, Betonwän- .
Lr,H· de, leichte Metallfassaden und Kollektorfassa-
Bei der Projektierung eines Hochbaus werden den. Im folgenden werden einige Wandarten ex-
aufgrund der vorgesehenen Nutzung eines Rau- emplarisch behandelt.
mes und der in Frage kommenden Quellen haus-
technischer Geräusche die Normanforderungen Mauerwerkswände
an die Dämmung solcher Geräusche festgelegt.
Da sich die Verhältnisse der Schallausbreitung Als Mauerwerkswände werden im folgenden
derartiger Geräusche kaum normieren lassen, Wände aus Backsteinen (Mauerziegel), Kalk-
ist der planende Ingenieur oder Architekt auf Er- sandsteinen (KS), Betonsteinen (Zementstei-
fahrungswerte angewiesen. Viele Schallproble- nen) und Porenbetonsteinen (Gasbetonsteinen)
me lassen sich mit sauber konstruierten Details bezeichnet. Sie können als homogene oder Zwei-
lösen (vgl. 3.2.3). Soll in einem bestehenden Ge- schalen-Mauerwerkswände, mit verputzter Au-
bäude der Schallschutz gegen haustechnische ßendämmung oder mit Außendämmung und
Geräusche überprüft werden, so müssen Mes- hinterlüfteter Verkleidung ausgeführt werden.
sungen durchgeführt werden. Der vorhandene Zur Anwendung kommen die folgenden Mate-
Beurteilungspegel wird bestimmt und mit dem rialien:

3-66 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


- Backsteine (Mauerziegel) sind Mauersteine angewandt, heute mit Ausnahme von Porenbe-
aus gebranntem Ton (Backsteine, Sichtback- ton-Mauerwerkswänden nur noch selten.
steine, Vollsteine für Kaminmauerwerk). Homogene Mauerwerkswände sind die klas-
- Kalksandsteine sind Mauersteine aus Kalk, sische Bauweise und zeichnen sich durch eine
Sand und Wasser. relativ einfache Ausführung aus. Sie besitzen ei-
- Betonsteine sind Mauersteine aus Beton oder ne sehr gute Wärmespeicherung, gewährleisten
Leichtbeton. - mit Ausnahme der Porenbeton-Mauerwerks-
- Porenbetonsteine sind Mauersteine aus Beton wände - jedoch keine den heutigen Anforde-
und einem Porenbildner (i.allg. Aluminium- rungen genügende Wärmedämmung. Konden-
pulver). sationsprobleme treten bei normalen Bedin-
gungen nicht auf. Vorsicht ist allerdings bei zu
Über die Herstellungsweise und die Fertigpro- dampfdichten Verputzen, z. B. Kunststoffverputz
dukte (Formate, Verarbeitung, Eigenschaften) auf Porenbeton-Mauerwerkswänden, geboten.
orientiert 3.6. Die Schalldämmung ist - außer bei den Poren-
beton-Mauerwerkswänden - gut, allerdings sind
Homogene Mauerwerkswände. Homogene Mau- hier meist Fenster und Türen maßgebend.
erwerkswände als Außenwände bestehen nur Für die in Abb. 3.2-9a dargestellte Wand ergibt
aus einer einzigen, im Läufer- und Binderver- sich k=0,46W/m 2 Kund R:V=SSdB, bei einer
band gemauerten und i.allg. beidseitig verputz- Vergrößerung der Mauerstärke von 39 cm auf
ten Wandschale. Ihre Dicke liegt je nach Steinart 47,5 cm ist k = 0,39 W1m2 K. Das anfallende Kon-
bei etwa 30 bis 50 cm. Sie wurden früher häufig densat kann, ohne Schäden zu verursachen, in

Backsteinmauerwerk
Außenputz (Q = 970 kg/ml, .A = 0,20 W/m K)

a homogene ca. 4 cm Kondensationszone kondensierende Wassermenge im Winter. 350 gfm2


Mauerwerkswand austrocknende Wassermenge im 5ommer.1990 gfm2

Kerndämmung - Mineralwolle
(Q = 100 kg!ml,.A =0,04 W/m K)
20 °(

~_ji.R"~i=:F~~ ~--Innenputz
Innenschale - Modulbackstein BN 15
'-.-1F-t"<~~-- Außenschale- Modulbackstein BN 12,5

b Zweischalen- !<J Kondensationsebene


Mauerwerkswand kondensierende Wassermenge im Winter. 766 gfm2
austrocknende Wassermenge im 5ommer.1435 g/m2

Abb. 3.2-9 Beispiele zum Wandaufbau

Hochbaukonstruktionen 3-67
den Poren/Kapillaren des Backsteinmauerwerks wolle oder/und einen Luftspalt auf der Außen-
gespeichert werden. Für normale Raumbedin- seite der Mineralwolle erzielen.
gungen und Klimakonditionen und bei minera- Wärmebrücken sind irrfolge der durch die
lischem Außenputz ist keine Diffusionsberech- Dämmschicht gehenden Anker unvermeidbar;
nung erforderlich. die Anker müssen wegen der Kondensation und
Da die ganze Wand tragend ausgebildet wird, der Korrosionsgefahr aus nichtrostendem Stahl
besitzen homogene Mauerwerkswände einen ausgebildet werden. Die Schalldämmung der
guten Tragwiderstand für Schwerelasten (Aus- Wandkonstruktion ist sehr gut, jedoch sind
nahme: Porenbeton-Mauerwerkswände). Sie meist Fenster und Türen maßgebend. Die Kon-
sind dagegen wenig geeignet für Erdbebenkräf- struktion bietet einen mäßigen Tragwiderstand
te (Sprödigkeit, geringe Duktilität, geringes En- für Schwerelasten und ist wenig geeignet für
ergiedissipationsvermögen). Erdbebenkräfte (geringe Duktilität).
Für die in Abb. 3.2-9b dargestellte Wand ist
Zweischalen-Mauerwerkswände. Zweischalige R:V> 55 dB und k = 0,35 W/m2 K; bei einer Dicke
Mauerwerkswände als Außenwände bestehen der Wärmedämmschicht von 40 mm erhöht sich
aus einer inneren tragenden Mauerwerksschale der k-Wert auf0,54 W/m2 K. Der Kondensatan-
und einer äußeren nichttragenden Schale, beide fallliegt knapp unter den nach SIA 180 zulässi-
aus Backsteinen oder Kalksandsteinen. Die äu- gen 800 glm 2• Das Wasser kann in der Mineral-
ßere Schale wird mit Ankern mit der inneren wolle nach unten sickern und Feuchtigkeitspro-
Schale verbunden. Im Zwischenraum der Scha- bleme beiAnschliissen und Übergängen verur-
len ist eine Wärmedämmung angeordnet. sachen. Es empfiehlt sich, zwischen Innenschale
Zweischalige Mauerwerkswände werden häu- und Dämmung eine Dampfsperre einzubauen.
fig im Wohnungsbau angewandt. Innen- und Bereits bituminiertes Kraftpapier reduziert den
Außenschale besitzen Dicken von etwa 10 bis Kondensatanfall auf ca. ein fünftel.
20 cm und werden meist als Einsteinmauerwerk
im Läuferverband gemauert. Dazwischen liegen Mauerwerkswände mit verputzter Außendäm-
Mineralwolleplatten mit Dicken von 6, 8 oder mung. Mauerwerkswände mit verputzter Au-
10 cm und evtl. ein Luftspalt von 2 cm gegen ßendämmung bestehen aus einer einzigen Mau-
außen. (Zur Mindestdicke des Belüftungsraums erwerksschale aus Backsteinen oder Kalksand-
s. DIN 1053 Teill.) Die Außenschale kann ver- steinen (evtl. Betonsteinen) mit einer außen an-
putzt oder als Sichtmauerwerk (evtl. aus vorfa- gebrachten, verputzten Wärmedämmschicht.
brizierten und bewehrten Mauerwerks-Wand- Sie kommen v.a. im Wohnungs- und Gewer-
elementen) ausgeführt und nachträglich aufge- bebau zur Anwendung. Die tragende Mauer-
mauert werden. Die tragende Innenschale wird werksschale hat eine Dicke von 15 bis 20 cm und
meist verputzt. Zur Verbindung von Außen- und wird meist als Einsteinmauerwerk im Läufer-
Innenschale sind spezielle Anker erforderlich. verband gemauert. Auf diese werden Polystyrol-
Für die Rissesicherung der Außenschale (Tem- oder Mineralwolleplatten mit Dicken von 6 bis
peraturdehnungen) sind an heiklen Stellen die 10 cm geklebt oder mechanisch befestigt. Der
Anordnung von Bewegungsfugen sowie Lager- Außenputz wird als Kunststoffputz oder mine-
fugenbewehrung, von Eckbügeln und von Verti- ralischer Putz aufgebracht; er muß zur Rissesi-
kalbewehrung aus rostfreiem Stahl empfehlens- cherung evtl. bewehrt werden.
wert. (Karbonatisierungsgefahr der geringen Mauerwerkswände mit verputzter Außendäm-
Mörtelüberdeckung). (Durchbildung und Kor- mung sind relativ wirtschaftlich. Sie bieten beige-
rosionsschutzder Bewehrung s. DIN 1053 Teil3.) ringem Platzbedarf eine sehr gute Wärmedäm-
Zweischalige Mauerwerkswände erfordern mung und gute Wärmespeicherung der auf der
wegen der Bewegungsfugen,Anker und Beweh- warmen Seite der Wärmedämmung angeordne-
rungen eine erhebliche Sorgfalt bei der Ausfüh- ten Mauerwerksschale. Die Verwendung von
rung. Sie bieten eine sehr gute Wärmedämmung Schaumkunststoffen (Polystyrolplatten) ist öko-
und eine gute Wärmespeicherung der Innen- logisch problematisch (FCKW, Entsorgung bzw.
schale. Im Winter kommt es allerdings zu einem Verbrennung); vollmineralische Systeme (Mine-
hohen Kondensatanfall (knapp zulässig) mit der ralwolleplatten) sind dagegen ökologisch unbe-
Gefahr einer Durchfeuchtung der Mineralwolle. denklich. Kunststoffputz ist anfällig für Algenbe-
Eine Verbesserung läßt sich hier durch eine fall/Verfärbungen,mineralischer Putz (Kalkputz)
Dampfbremse auf der Innenseite der Mineral- auf weicher Dämmschicht für Beschädigungen.

3-68 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


2 8 17,5 1 0,5 4 8 17,5 1
·~t ·r ·~ ·Fr ·t ~
Mineralwolle Mineralwolle -lt-,-E::l
(~ =85 kgfm3, (~ =85 kgfm3,
>. =0,036 W/m K) >. = 0,036 W/m K)

Modulbackstein BN 17,5
Außenputz- (~ = 1100kgfm3,
(mineralisch) ,._.......,...___,...___,.___,, >. = 0,44 W/m K)
kl Kondensationsebene Modulbackstein BN 17,5
I (~ =1100 kgfm3,
>. = 0,44 W/m K)
kondensierende Wassermenge im Winter: 742 gf m2
austrocknende Wassermenge im Sommer: 2158 gf m2 kondensierende Wassermenge im Winter. 0 gf m2
a Mauerwerkswand mit verputzter Außendämmung b Mauerwerkswand mit Außendämmung und
hinterlüfteter Verkleidung

Abb. 3.2-10 Beispiele zum Wandaufbau

Im Winter kommt es bei Mineralwolledäm- men im Wohnungs- und Gewerbebau zur An-
mung zu einem hohen Kondensatanfall (knapp wendung.
zulässig), der aber im Normalfall schadensfrei Auf die meist als Einsteinmauerwerk im Läu-
in den äußersten Schichten der Dämmung ge- ferverband gemauerte tragende Mauerwerks-
speichert werden kann. Die Schalldämmung schale (Dicke 15 bis 20cm) werden Polystyrol-
der Wände ist gut (jedoch sind meist Fenster oder Mineralwolleplatten mit Dicken von 6 bis
und Türen maßgebend), der Tragwiderstand 10 cm geklebt oder mechanisch befestigt. Die
für Schwerelasten mäßig. Die Wände sind we- Verkleidung (Wetter- und Beschädigungsschutz)
nig geeignet für Erdbebenkräfte (geringe Duk- wird mit einem Luftraum von 2 bis 4 cm vorge-
tilität) . hängt; sie besteht aus Faserzement-, Kunststein-
Für die in Abb. 3.2-10a dargestellte Wand er- oder Metallplatten.
gibt sich k = 0,35 W1m2 K und R;., == 54 dB; bei Wände mit Außendämmung und hinterlüfte-
einer Dicke der Dämmschicht von 60 (100) mm ter Verkleidung sind relativ aufwendig, bieten je-
ist k = 0,44 (0,29) Wlm 2 K. Der Wandaufbau ist doch eine bauphysikalisch optimale Lösung mit
"atmungsaktiv", d.h., der Feuchtigkeitsdurch- sehr guter Wärmedämmung und guter Wärme-
gang wird wenig gebremst. Der knapp zulässige speicherung. Kondensatprobleme treten nicht
Kondensatanfall kann schadlos in den äußeren auf. Wärmebrücken sind infolge der durch den
Schichten der Mineralwolle gespeichert werden, Luftraum gehenden Anker (Befestigung der Ver-
ein Abfrieren des als Putzgrund aufgebrachten kleidung) unvermeidbar; wegen Kondensations-
Zementanwurfs ist nicht zu befürchten. Trotz und Korrosionsgefahr müssen die Anker aus
weicher Dämmung ist der dicke Außenputz we- nichtrostendem Stahl ausgebildet werden. Es
nig anfällig gegen Beschädigung. wird eine gute Schalldämmung erreicht.
Bei der in Abb. 3.2-1 Ob dargestellten Wand ist
Mauerwerkswände mit Außendämmung und k =0,35 W1m 2 Kund R:V ==53 dB; bei einer Dicke
hinterlüfteter Verkleidung. Mauerwerkswände der Dämmschicht von 60 (100) mm ist k=0,42
mit Außendämmung und hinterlüfteter Verklei- (0,29) Wlm 2 K. Material und Aufbau der äuße-
dung bestehen aus einer einzigen Mauerwerks- ren Verkleidung haben in der Berechnung kei-
schale aus Backsteinen oder Kalksandsteinen nen Einfluß, sofern der Luftraum ausreichend
(evtl. Betonsteinen) mit einer außen angebrach- belüftet ist. Der Tragwiderstand für Schwerela-
ten Wärmedämmschicht und einer mit einem sten ist mäßig, die Eignung für Erdbebenkräfte
Luftraum vorgehängten Verkleidung. Sie kom- gering (geringe Duktilität).

Hochbaukonstruktionen 3-69
Betonwände Zweischalen-Mauerwerkswände). Sie haben oft
zu Schäden geführt, v. a. durch Kondensation im
Als Betonwände werden im folgenden Wände Bauteilinnern, und sollten nur mit entsprechen-
aus Ortbeton und Wände aus vorfabrizierten den Vorsichtsmaßnahmen (Dampfsperre auf der
Betonbauteilen bezeichnet. Sie können als Be- Innenseite) angewendet werden. Die in Abb.
tonwände mit verputzter Außendämmung oder 3.2-lla dargestellte Wand weist Werte von
Betonwände mit Außendämmung und hinter- k =0,54 W1m2 K und R;., :::: 53 dB auf; da es sich
lüfteter Verkleidung, als Betonwände in Sand- um eine für Fertigteilbauten der 70er Jahre typi-
wichkonstruktion oder Betonwände mit Innen- sche Konstruktion handelt ist die Dämmschicht
dämmung ausgeführt werden. Porenbetonwän- dünner als bei den Vergleichsbeispielen (k = 0,76
de werden meist aus in Blöcke zerschnittenem (0,42) W1m2 K bei einer Dicke der Wärmedämm-
Porenbeton erstellt. Sie fallen deshalb in die Ka- schicht von 40 (80) mm). Kondensation undAus-
tegorie der Mauerwerkswände. trocknung erfolgen ohne eine Gefährdung des
Die erste und die zweite Art haben ähnliche Wandaufbaus. Kritisch sind die Verbindungsbü-
Merkmale sowie Vor- und Nachteile wie die ent- gel zwischen Innen und Außenschale, da infolge
sprechenden Mauerwerkswände. Beide Arten lokaler Wärmebrücken zusätzliches Kondensat
kommen zur Anwendung in Betonbauten oder entsteht. Sie sind daher korrosionsbeständig
auch wenn in Mauerwerksbauten einzelne durch auszubilden.
Schwerelasten und/oder Erdbebenkräfte (zu) Betonwände mit Innendämmung (Abb.
hoch beanspruchte Mauerwerkswände bzw. Ab- 3.2-llb) kommen bei ausgebauten Sockelge-
schnitte derselben durch Betonwände ersetzt schossen am Hang, bei ausgebauten, nur teilwei-
werden. Betonwände in Sandwichkonstruktion se ins Erdreich eingebetteten Kellergeschossen
bestehen aus zwei Betonschalen mit zwischen- oder bei Sichtbetonhochbauten zur Anwendung.
liegender Wärmedämmschicht (ähnlich wie Bei Betonaußenwänden in Sichtbeton beträgt

Polystyrol -----t""'x'9t=:::::::Y'
(Q = 20 kgfml,
.A =0,038 W/mK)

Innenschale (Q = 2400 kgfml, }., = 1,8 W/m K)

kondensierende Wassermenge im Winter: 46 gfm1


a Betonwände in austrocknende Wassermenge im Sommer: 130 gfml
Sandwichkonstruktion
kJ Kondensationsebene
I
Dämmschicht
r-::7V"'~~~=t='!L Schutzschicht
Tragschicht
Yl=jlr======- Schutzschicht
IQ()()<~:Xjiiij;atllij:Irg:JIIJI!lJil:gii!!Jllil- Dämmschicht
Wärmeverluste
Tragschicht

Dreiecksleiste - -
(Arbeitsfuge)

b Sichtbetonwand mit Innendämmung (Detail Deckenanschluß)

Abb. 3.2·11 Beispiele zum Aufbau von Betonwänden

3-70 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


die Mindestdicke 22cm (vierlagige Bewehrung - Anschluß der Innenwände an die Fassade so-
mit 4 cm Betonüberdeckung wegen Karbonati- wie Lage der Tragwerksstützen in horizonta-
sierung, Vibrierlücke); bei außen verputzten ler Richtung (Tragkonstruktion der Metall-
Wänden 20 cm (vierlagige Bewehrung mit 3 cm fassade horizontal),
Betonüberdeckung, Vibrierlücke). Die Dicke der - grundlegende Konstruktionsprinzipien,
Innendämmung beträgt 6 bis 10 cm, sie besteht - verwendete Materialien,
z.B. aus Polystyrolplatten (relativ dampfdicht) - Windkraftabtragung durch die Fassade,
oder Mineralwolleplatten (mit Dampfsperre) so- - Brandschutzmaßnahmen,
wie einer Schutzschicht. - Art des Sonnenschutzes,
Betonwände mit Innendämmung sind eine - spezielle Energiefassaden,
konventionelle Betonbauweise. Sie bieten eine - architektonische Gestaltung.
gute Wärmedämmung, jedoch lassen sich kras-
se Wärmebrücken durch Deckenanschluß kaum Zu jedem Merkmal gibt es meist mehrere mög-
vermeiden (lokale Kondensation/Schimmelpilz- liche Lösungen. Diese können mit den verschie-
gefahr). Da die Betonschale auf der Kaltseite der denen möglichen Lösungen der anderen Merk-
Wärmedämmung liegt, ist das Tragwerk Tempe- male mehr oder weniger beliebig kombiniert
raturschwankungen ausgesetzt und trägt auch werden [Bachmann 1997].
nicht zur Wärmespeicherung bei. Kondensa-
tionsprobleme können bei Verletzungen der Kollektorfassaden
Dampfsperre von Mineralwolleplatten oder bei
mangelhaften Fugen von Polystyrolplatten (Ver- Außenwände können als Kollektorfassaden aus-
klebungen, BaukontrollenI) auftreten. Insbeson- gebildet werden. Diesbezüglich hat eine interes-
dere bei klimatisierten Gebäuden (z.B. Hallen- sante Entwicklung eingesetzt. Es gibt bereits ei-
bädern) ist die Konstruktion als risikoreich zu ne erhebliche Vielfalt von Angeboten, bei denen
bewerten; Details (Dampfdiffusion, Wärme- sich prinzipiell Kollektoren mit Flüssigkeits-
brücken) sollten mit dem Bauphysiker abge- kreislauf (ähnlich wie Sonnenkollektoren auf
sprochen werden. Die Schalldämmung ist wegen Dächern) und Kollektoren mit photovoltaischen
der möglichen übertragung von Körperschall Bauelementen zur Stromgewinnung unterschei-
mäßig. Die Wände besitzen einen sehr guten den lassen.
Tragwiderstand für Schwerelasten und sind mit Ein Beispiel der zweiten Gruppe, d.h. eine aus-
entsprechender Bewehrung geeignet für die Auf- geführte Kollektorfassade, ist in Abb. 3.2-12 dar-
nahme von Erdbebenkräften. gestellt: Das Bauelement vor der Fensterbrü-
stung besteht aus Verbundglaselementen mit
LeichteMetallfassaden eingegossenen Siliziumzellen oder aus Einfach-
glas mit laminierten Siliziumzellen (Gesamt-
Außenwände aus wärmegedämmten, relativ stärke 8 bis 20mm). Es dient hier in Mehrfach-
leichten Metallfassaden mit zugehörigen Fen- funktion außer zur Energiegewinnung auch als
stern werden in großer Vielfalt verwendet. Sie Wetterschutz im Brüstungsbereich (analog zur
können- im Gegensatz zu den massiven Außen- hinterlüfteten Metallfassade). Die Chromstahl-
wänden - kaum nach bestimmten Arten klassi- lamellen der Auskragung auf der Höhe der Ge-
fiziert werden. Vielmehr handelt es sich meist schoßdecken reflektieren und fokussieren die
um patentierte Firmensysteme, die sehr unter- Sonnenstrahlen auf die Siliziumzellen.
schiedliche Lösungsvarianten anbieten. Leichte Die Leistung beträgt 40 "W peak" pro m 2 Fassa-
Metallfassaden können bauphysikalisch hoch- de bzw. 100 Wpeak pro m 2 Photovoltaikelement
wertig gestaltet werden bezüglich Wärmedäm- Füreine Fassadevon 5 x 40m x 3m= 600m2 Flä-
mung, Kondensationsproblemen und evtl. che ergibt sich eine maximale Leistung von etwa
Schallschutz. Im Vergleich zu massiven Außen- 24 kWpeak· Die Kosten der Fassade liegen rund
wänden ist jedoch die Wärmespeicherung stark 40 o/o höher als bei einer vergleichbaren Me-
reduziert (geringe Masse). Verschiedene Systeme tallfassade. Das heute noch ungünstige Preis-
können durch folgende Merkmale charakteri- Leistungs-Verhältnis dürfte sich durch Weiter-
siert werden: entwicklungen und die Massenproduktion sol-
- Anschluß der Fassade an die Tragwerks- cher Bauelemente erheblich verbessern lassen.
decken in vertikaler Richtung (Tragkonstruk- Andere Beispiele für Kollektorfassaden sind in
tion der Metallfassade vertikal), der Literatur zu finden.

Hochbaukonstruktionen 3-71
I Photovoltaik
2 reflektierende
Chromstahllamellen
3 Hinterlüftung
4 thermische Isolation
5 Pfosten-Riegel-
Metallkonstruktion
6 Geschoßdecke
7 Metallfenster
8Stoffrollo

a Fassadenansicht b Schnitt

Abb. 3.2-12 Beispiel einer ausgeführten Energiefassade (errichtet für die Demosite-Ausstellung der ETH Lausanne in
Ecublens 1992)

3.2.3.2 - Betonwände ( nichttragend oder tragend),


Innenwände - Gipswände (nichttragend),
- Metallwände (nichttragend),
Innenwände können unterschieden werden - Kunststoffwände (nichttragend).
nach ihrer primären Funktion und den verwen-
deten Baustoffen. Nichttragende Innenwände Im folgenden werden einige Wandarten exem-
dienen v.a. der Abgrenzung von Räumen in Ske- plarisch behandelt.
lettbauten aus Stahlbeton oder Stahl und in Bau-
ten mit tragenden Mauerwerkswänden. Mauerwerkswände
Bei tragenden Innenwände lassen sich zwei Fäl-
le unterscheiden. Für primär vertikale Lasten Innenwände aus Mauerwerk werden als nicht-
(Schwerelasten) werden v.a. Mauerwerkswände tragende Mauerwerkswände, tragende Mauer-
in Bauten mit tragenden Außenwänden verwen- werkswände oder Schalldämmwände verwendet.
det. Die Verwendung in Mischbauweise (Skelett-
bau/Mauerwerksbau) hat sich nicht bewährt Nichttragende Mauerwerkswände. Nichttragen-
(unterschiedliche Verformungen von Tragskelett de Mauerwerkswände werden einschalig aus
und Innenwänden). Für primär horizontale Kräf- Backsteinen oder Kalksandsteinen mit Dicken
te (Wind, Erdbeben) werden v.a. bewehrte Be- von 7,5 bis 15 cm (je nach Steinart) als Einstein-
tonwände in Skelettbauten (Stahlbetontragwän- mauerweck im Läuferverband gemauert und
de) verwendet. meist nachträglich in das Tragwerk eingefügt.
Schalldämmwände werden vor allem als Mau- Die Beanspruchung durch allfällige horizontale
erwerkswände und Betonwände ausgeführt und Kräfte (Plattenwirkung) erfordert einen guten
als Wohnungstrennwände und Haustrennwän- Verbund mitder Decke (meist über Mörtel und
de (z. B. zwischen Reiheneinfamilienhäusern) Deckenputz erreicht) und evtl. Aussteifungen
angewendet. Sie können nichttragend oder tra- quer zur Wandebene (i.allg. durch Querwände,
gend sein. seitliche Halterungen, evtl. Stahlproflle). Maxi-
Nach den verwendeten Baustoffen lassen sich malhöhen und -längen (z.B. infolge Schwindens
folgende Typen unterscheiden: von Kalksandsteinmauerwerk) sollten eingehal-
- Mauerwerkswände (nichttragend oder tra- ten werden, sonst ist eine Lagerfugenbewehrung
gend), anzuordnen.

3-72 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


genügt i. allg. der Verbund aus Reibung zwischen
lastbringender Decke und Wand. Vor allem bei
Kalksandsteinwänden sind Dilatationsfugen in
regelmäßigen Abständen von 6 bis 8 m nötig
Nichttragende
Mauerwerkswand (Schwinden). Mehrstöckige Mischbauweisen
(verschiedene Mauerwerksarten oder Kombina-
tion von Mauerwerk mit Stahlbeton-Skelettbau)
STAHLTON· Sturzbrett sind problematisch, da die unterschiedlichen
6112 seitlich in Mörtel- Verformungseigenschaften beim Schwinden
ben aufgelegt und unter Last zu Rissebildung und zur (un-
kontrollierten) Umlagerung von Kräften führen.
Mauerschlitze für Leitungen müssen in den Plä-
nen vorgesehen werden, horizontale und schrä-
ge Schlitze bedürfen der Genehmigung des ver-
antwortlichen Ingenieurs. (In Deutschland zu-
lässige Schlitzes. DIN 1053 Teil1).
Abb. 3.2-13 Sich selbst tragende Zwischenwand durch
Sturzbrett Tragende Mauerwerkswände sind einfach aus-
zuführen, besitzen eine gute Wärmespeicherung
(Behaglichkeit), eine mäßige (Backstein) bis
Nichttragende Mauerwerkswände sind ein- gute (Kalksandstein) Schalldämmung (oft Türen
fach auszuführen und erfordern mit Ausnahme maßgebend) und einen guten Feuerwiderstand.
von Kalksandsteinmauerwerk einen Verputz. Der Tragwiderstand für Schwerelasten ist mäßig
Durch gute Wärmespeicherung tragen sie zu ei- bis gut, die Eignung für Erdbebenkräfte gering
nem behaglichen Raumklima bei. Ihre Schall- (geringe Duktilität).
dämmung ist mäßig (Backsteine) bis gut (Kalks-
andsteine: Gewicht!), oft sind jedoch die Türen Schalldämmwände aus Mauerwerk. Schall-
maßgebend. Sie bieten einen guten Feuerwider- dämmwände aus Mauerwerk können einschalig
stand, verhalten sich jedoch spröde bei Erdbe- aus besonders schweren Steinen mit Dicken von
beneinwirkung. 17,5 bis 20 cm ausgeführt werden. Die flankie-
Nichttragende Mauerwerkswände reagieren renden Wände sind zwecks Verringerung der Ne-
empfindlich auf Verformungen des Tragwerks benwegübertragung genügend schwer zu wäh-
und sind rißanfällig bei Durchbiegungen. Abhil- len (flächenbezogene Masse 300 kg/m 2) und bie-
fe schafft man z. B. durch ein vorgespanntes gesteif mit der Schalldämmwand zu verbinden
Sturzbrett am Mauerfuß oder Lagerfugenbe- (Abb. 3.2-14).
wehrung im unteren Wandbereich, so daß eine Wirksamer ist die Ausführung als mehrscha-
sich selbst tragende Wand entsteht (Bogen mit lige Wände mit zwei Mauerwerksschalen meist
Zugbandwirkung, Abb. 3.2-13). Bei Kalksand- gleicher Dicke(;::: 12 cm) und mit weicher Trenn-
steinmauerwerk besteht zusätzliche Rißgefahr schicht (Mineralwolle). Mehrschalige Wände
durch das oft relativ große Schwinden der Kalk- werden bei Wohnungstrennwänden, Haustrenn-
sandsteine. wänden und evtl. Treppenhauswänden verwen-
det (Abb. 3.2-15). Zweischalige Wände erreichen
Tragende Mauerwerkswände. Tragende Mauer- über einen großen Frequenzbereich eine we-
werkswände werden ein- oder mehrschalig mit sentlich bessere Schalldämmung als einschalige
einer Dicke ;::: 12 cm, meist als Einsteinmauer- Wände gleicher totaler Masse. Die Resonanzfre-
werk im Läufer- oder Binderverband, seltener quenz f, (ungünstige Wirkung) ist um so gerin-
als Verbandmauerwerk, gleichzeitig mit den ger, je größer die Masse und der Abstand der
übrigen Tragelementen erstellt. Sie erfordern mit Mauerwerksschalen sind. Die Resonanzfrequenz
Ausnahme von Kalksandsteinwänden einen Ver- sollte möglichst nicht höher als etwa 100Hz sein,
putz. was bei Mauerwerk mit m;::: 300 kg!m 2 pro Scha-
Für Beanspruchungen durch allfällige hori- le und einem mit Mineralwolle gefüllten Scha-
zontale Kräfte (Plattenwirkung) sind bei dünne- lenabstand von 3 bis 4 cm etwa erfüllt ist. Hart-
ren Wänden (12, 15 cm) evtl.Aussteifungen quer schaumplatten als Trennschicht sind akustisch
zur Wandebene erforderlich (Querwände, seitli- ungünstig (zu steif). Hinsichtlich der Nebenweg-
che Halterungen usw.); bei Kalksandsteinen übertragung ist bei zweischaligen Schall dämm-

Hochbaukonstruktionen 3-73
flankierende Wand

Detail Wandanschluß:
verzahnt stumpf
I ............ l
'I/
1'{..- volle Ver- J evtl.
~- = mörtelung 1- Anschlußbügel

Abb. 3.2·14 Nebenwegübertragung und biegesteife Verbindung von Wänden zwecks Schallschutz

Abb. 3.2·15 Mehrschalige Schalldämmwände zwischen benachbarten Wohnungen bzw. Treppenhaus

Wegeder weiche Trennschicht


Schallübertragung bis nach außen führen

Scha lldä mmwa nd Schalldämmwand

Abb. 3.2-16 Nebenwegübertragung und Gegenmaßnahmen bei zweischaligen Wänden (Grundriß)

3-74 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


wänden die Durchführung der Fuge mit weicher Schalldämmwände aus Mauerwerk sind rela-
Trennschicht bis nach außen zu beachten (Abb. tiv einfach herzustellen (keine Schalung). Siebe-
3.2-16); ebenso sind Decken wenn möglich zu wirken eine gute Schalldämmung, wobei Schall-
unterbrechen, und die weiche Trennschicht ist dämmwände aus Backsteinen etwas schlechter
bis auf das Fundament zu führen (Abb. 3.2-17). sind als Schalldämmwände gleicher Dicke aus
Sehr dicke Trennschichten erfordern spezielle Kalksandsteinen oder Beton. Ein Wechsel des
Maßnahmen im Fassadenbereich, da Kittfugen Baustoffs in Backsteinbauten sollte jedoch ver-
von z.B. 5 cm Breite teuer, anfällig und häßlich mieden werden (keine Mischbauweise!). Zwei-
sind. Zum Einfluß der Masse der Wandschalen schalige Schalldämmwände sind relativ massig
und der Dicke der weichen Trennschicht auf die und aufwendig, sie erfordern einen hohen Kon-
Schalldämmeigenschaften zweischaliger Wände trollaufwand während der Ausführung zur Ver-
s. Abb. 3.2-18. Je cm zusätzlicher Trennschiebt- meidung von Mörtelbrücken, d. h. Schallbrücken
dicke erhöht sich R:V um ca. 1 dB, bei wirksamer in der Trennschicht
Unterbrechung des Schallnebenweges durch die
Geschoßdecke um bis zu 2 dB. Betonwände

Innenwände aus Beton werden als Tragwände


(bewehrt) zur Abtragung von horizontalen Kräf-
ten (Wind, Erdbeben) in Skelettbauten verwen-
Haus 1 Haus2 det, evtl. auch zu Kernen (Lift, Treppenhaus)
zusammengefügt. Sie wirken als in der Grün-
dung oder in den Untergeschossen eingespann-
te Kragarme. Darüber hinaus werden sie als
stockwerkhohe Abfangträger zur Abtragung von
Schwerelasten und als Schalldämmwände (leicht
bewehrt) eingesetzt.
Betoninnenwände müssen eine Mindestdicke
von 22 cm haben (vierlagige Bewehrung mit ge-
nügender Betonüberdeckung, Vibrierlücke) und
Abb. 3.2-17 Unterbrechung der Geschoßdecken als
Maßnahme gegen Nebenwegübertragung (Aufriß)
sollten horizontal und meist auch vertikal eine
Mindestbewehrung von 0,2 o/o des Betonquer-

Putz 15 mm Putz 15 mm
Modulbackstein BN 15M Modulbackstein BN 15M
Mineralwolle 40 mm Mineralwolle 20 mm
1»0(<' X Modulbackstein BN 12.5M .X Modulbackstein BN 15M
~ Putz 15 mm Putz 15 mm

m' = 390 kgfml m' = 420 kgfml


R'w=57 dB (Meßwert) R'w= 56dB (Rechnung)
a (

Putz 15 mm
Modulbad<stein BN 15M
Mineralwolle40mm
=-~~?'S~;:!b-..,.,...,.,., Modulbackstein BN 20M
~~~~~~~~ Putz15mm
m' = 570 kgtml m' = 420kgfml
R'w = 63 dB (Meßwert) R'w = 59 dB (Rechnung)

a und b Einfluß der Wandschalenmasse c und d Einfluß der Trennschichtdicke

Abb. 3.2-18 l uftschaii-Dämmaße von zweischaligen Bad<stein-lnnenwänden

Hochbaukonstruktionen 3-75
schnittsaufweisen (zur sicheren Risseverteilung Schäden infolge Durchbiegungen und Verfor-
sind rund 0,6% erforderlich). Sie lassen sich mungen des Tragwerks.
konventionell, jedoch relativ aufwendig aus- Vorteile von Wänden aus Vollgipsplatten sind
führen (Schalung, Bewehrung), besitzen ein gut- die einfache Trockenbauweise, die glatte, für Ta-
es Wärmespeichervermögen, eine gute Schall- pete geeignete Oberfläche, die gute Wärme- und
dämmung (Masse) und einen guten Feuerwider- Feuchtigkeitsspeicherung (Behaglichkeit) sowie
stand. Sie sind zur Abtragung von Schwerelasten der relativ gute Feuerwiderstand. Die Schall-
und Erdbebenkräften (duktile Ausbildung mög- dämmung ist jedoch nur mäßig, zudem reagie-
lich) sehr gut geeignet. ren solche Wände empfindlich auf Verformun-
gen des Tragwerks.
Gipswände
3.2.3.3
Gips ist ein bewährtes Bindemittel, das im we- Dächer
sentlichen aus den Rohstoffen Gipsstein und An-
hydrit gewonnen wird. Dächer können unterschieden werden nach der
Neigung:
Wände aus Vollgipsplatten. Wände aus Vollgips- - Steildächer: Dächer mit einer Neigung, die ei-
platten werden als einschalige Wände mit Dik- ne geschuppte Eindeckung ermöglicht ( > ca.
ken (roh) von 6, 8, 10 bzw. 14 cm (Abb. 3.2-19) 15 o/o)
oder zweischalige Wände mit Dicken von 10,5 - Flachdächer: Dächer mit geringer oder prak-
bis 16 cm als Schalldämmwände ausgeführt. Sie tisch keiner Neigung, die eine fugenlose Ab-
können ohne Aussteifungen je nach Wanddicke dichtung erfordert.
und Raumnutzung etwa 3 bis 7 m hoch und 6 bis
14m lang sein; für größere Abmessungen ist ei- Dächer haben zahlreiche Funktionen zu über-
ne Aussteifung durch vertikale Metallproflie er- nehmen und vielfältige Anforderungen zu erfül-
forderlich. Dilatationsfugen sind etwa alle 5 bis len. Dazu gehören die Ableitung des Meteorwas-
7 m erforderlich. Bei Konsollasten (Waschbek- sers, die Übertragung der Schneelasten und
ken etc.) sind Mindestdicken einzuhalten. Der Windkräfte (Druck und Sog) auf das Tragwerk
Anschluß an Decken und Wände erfolgt mit ela- und der Schutz der Fassaden vor Schlagregen
stischen Zwischenlagen, d.h. Anschlußprofilen (Vordächer). Hinzu kommt der winterliche und
aus Preß- oder Mooskork zur Vermeidung von sommerliche Wärmeschutz mit k-Werten von 0,3

Schnitt horizontal

Code d hmax m R'w F


cm cm kgfm2 dB
A6 6 300 60 34 F 90
AB 8 400 80 38 F120
A10 10 500 100 40 F120
A14 14 700 (600)• 140 45 F240
• bei Brandbeanspruchung

Abb. 3.2-19 Einschaliges Wandsystem mit Vollgipsplatten

3-76 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


bis 0,4 W/(m2 K) (Dämmschichten bei wärmege- Hohlraum unter der Deckenverkleidung erfor-
dämmten Steildächern je nach.\ bis ca. 14cm derlich wird. Dampfbremsen bei Kaltdächern
Dicke!), der Feuchtigkeitsschutz (Kondensation) müssen einen minimalen Diffusionswiderstand
sowie evtl. Schallschutz und Brandschutz. von Rv = 2 m 2 h ·Pa/mg aufweisen.
Die Anordnung der Wärmedämmschicht zwi-
Steildächer schen den Sparren erhöht denk-Wert um rund
ein viertel. Eine Wärmespeicherschicht (z.B. aus
Steildächer (s. Abb. 3.2-3) müssen durch ihre Porenbeton) zur Verbesserung des sommerli-
Luftdichtigkeit das Austreten feuchtwarmer chen Wärmeschutzes muß raumseitig der Wär-
Raumluft in die Dachkonstruktion verhindern medämmschicht liegen ("Auffangfunktion").
und damit der Ge(ahr von Kondensatbildung Der Durchlüftungsraum zwischen Wärme-
und Pilzbefall begegnen. Sie müssen auch die dämmschicht und Unterdach bei Kaltdächern
Kondenswasserfreiheit an inneren Oberflächen muß je nach Sparrenlänge und Dachneigung
sowie eine beschränkte Kondensatbildung im 40 bis 80 mm, der Durchlüftungsraum zwischen
Dachinnern sicherstellen und so eine Durch- Unterdach und Eindeckung bei Kalt- und
feuchtung und Pilzbefall verhindern. Darüber Warmdächern mindestens 45 mm betragen. (In
hinaus sind die Anforderungen an den Luft- Deutschland gilt DIN 4108 Teil 3.) Wärmege-
schallschutz mit einem bestimmten erforderli- dämmte Steildächer müssen ein Unterdach auf-
chen bewerteten Bauschalldämmaß und an den weisen, das für frei abfließendes Wasser dicht ist
Brandschutz für eine bestimmte erforderliche (Ziegelbruch usw.). Dieses kann geschuppt, fu-
Feuerwiderstandsklasse zu erfüllen. gengedichtet oder fugenlos sein, je nach Region
Steildächer können als wärmegedämmte oder und Dachneigung. In jedem Fall müssen die Ma-
nicht wärmegedämmte Steildächer ausgebildet terialien für die Luftdichtigkeitsschicht, die Wär-
werden. Bei ersteren ist gemäß Abb. 3.2-3 zu un- medämmschicht und das Unterdach bestimmte
terscheiden zwischen Kaltdächern, d.h. Steil- Anforderungen gemäß den einschlägigen Nor-
dächern mit Durchlüftungsraum zwischen Wär- men erfüllen.
medämmschicht und Unterdach (insgesamt Ein bewertetes Schalldämmmaß R;., > 40 dB
zwei Durchlüftungsräume) und Warmdächern, (z.B. gegen Straßen- oder Flugzeuglärm) ist nur
d.h. Steildächern ohne Durchlüftungsraum zwi- mit zusätzlichen Maßnahmen erreichbar.
schen Wärmedämmschicht und Unterdach (ins- Je nach dem konstruktiven Aufbau, z.B.
gesamt nur ein Durchlüftungsraum). - Kaltdachkonstruktion mit sichtbaren Spar-
ren,
Wärmegedämmte Steildächer. Wärmegedämm- - Kaltdachkonstruktion mit nicht sichtbaren
te Steildächer kommen insbesondere bei ausge- Sparren und einlagiger Wärmedämmschicht,
bauten Dachgeschossen vor (Wärmedämm- - Kaltdachkonstruktion mit nicht sichtbaren
schicht in der Dachschräge). Der prinzipielle Sparren und zweilagiger Wärmedämmschicht,
Aufbau unterscheidet sich für Kalt- und Warm- - Warmdachkonstruktion mit nicht sichtbaren
dächer (s. Abb. 3.2-3). Die Sparren können sieht- Sparren,
bar oder unsichtbar sein; somit kann die
Deckenverkleidung über oder unter den Sparren ergeben sich unterschiedliche Vor- und Nachtei-
angeordnet sein (evtl. auch zwischen den Spar- le bezüglich
ren in eingefräste Nuten eingeschoben). - Reihenfolge des Einbaus (von unten nach oben
Grundsätzlich sind sowohl eine Luftdichtig- oder umgekehrt),
keitsschicht als auch eine Dampfsperrschicht - Sicherheit gegen Eindringen von Wind, Was-
(bzw. Dampfbremseschicht) erforderlich, wobei ser, Schnee,
meist in Doppelfunktion eine luftdichte Dampf- - Abführen der Feuchtigkeit vom Austrocknen
bremseschichtverwendet wird. Es ist zu beach- der Sparren und Lattungen sowie von Regen
ten, daß eine auf die Wärmedämmschicht auf- und Schnee während des Einbaus,
gezogene Folie nur als Luftdichtigkeitsschicht - Wärmebrückenbildung,
wirkt, wenn Stöße und Anschlüsse luftdicht ver- - Konstruktionshöhe,
klebt sind! Durchdringungen der Luftdichtig- - Raum für Elektroinstallationen.
keitsschicht sind zu vermeiden. Elektroleitun-
gen sollten daher raumseitig der Luftdichtig- Nicht wärmegedämmte Steildächer. Nicht wär-
keitsschicht angeordnet werden, wodurch ein megedämmte Steildächer kommen bei belüfte-

Hochbaukonstruktionen 3-77
ten Dachräumen vor, etwa wenn die Wärme- - Umkehrdächer: Flachbedachung mit der Wär-
dämmschiebt in der Decke über dem obersten medämmschicht über der Abdichtung;
Wohnraum liegt. Der Aufbau kann mit oder oh- - Verbunddächer: Warmdachsystem, bei dem
ne Unterdach erfolgen. Die Konstruktion mit alle Schichten (außer Schutz- und Nutzschicht)
Unterdach bietet Schutz gegen Meteorwasser vollflächig miteinander und mit der Unter-
(bei Ziegelbruch), Flugschnee, Staub, Laub etc. konstruktion verbunden sind;
Die Ausführung ohne Unterdach ist nur bei ein- - Flachdächer ohne Schutz- und Nutzschicht:
fachen Scheunen und ähnlichen Bauten üblich. Warm- oder Kaltdachsystem ohne separate
Schutz- oder Nutzschicht; die gesamte Flach-
Flachdächer bedachung wird kraftschlüssig verklebt oder
mechanisch verankert.
Bei Flachdächern sind Dampfdiffusion und
Kondensatbildung innerhalb vorgeschriebener Warmdächer. Warmdächer sind die häufigste
Grenzen zu halten. In der Vergangenheit traten Art der Flachdachkonstruktion; ihr prinzipieller
häufig Feuchtigkeitsschäden auf. Auch ist eine Aufbau von oben nach unten ist wie folgt:
möglichst geringe Empfindlichkeit auf Aus- - Schutzschicht (meist Kies und Sand),
trocknung der Unterkonstruktion bzw. Witte- - Abclichtung gegen Meteorwasser,
rungseinflüsse bei der Ausführung (Baufeuchte) - Wärmedämmschicht,
anzustreben. - Dampfbremse/Dampfsperre,
Der Luftschallschutz ist mit einem bestimmten - Tragkonstruktion (oft Stahlbetonplatte),
erforderlichen bewerteten Bauschalldämmaß, - Innenputz.
der Brandschutz für eine bestimmte erforderli-
che Feuerwiderstandsklasse sicherzustellen. Varianten des Aufbaus:
Flachdächer können in folgenden Formen - Traditionelles Kiesklebedach mit Bitumenbah-
ausgebildet werden: nen als Abdichtung. Der in Abb. 3.2-20a dar-
- Warmdächer: Einschalige, wärmegedämmte gestellte Aufbau ist eine typische Lösung der
Flachbedachung mit der Abclichtung (gegen 60er und 70er Jahre und heute nicht mehr
Meteorwasser) über der wärmedämmenden zulässig. Obwohl sich rechnerisch keine Kon-
Schicht; densatanreicherung ergibt, ist er diffusions-
- durchlüftete Kaltdächer: Flachbedachung aus technisch kritisch. Bleibt, wie im mitteleu-
einer Innenschale, einer Außenschale mit Ab- ropäischen Normalklima zu erwarten ist, die
dichtung und einem dazwischenliegenden Sandschicht ständig feucht, so kann eine Aus-
Belüftungsraum (entspricht einer Außenwand trocknung nur nach innen erfolgen (3,14 g/m 2
mit Außendämmung und hinterlüfteter Ver- pro Jahr); es kommt zur Kondensatanreiche-
kleidung, vgl. 3.2.3.1); rung. Auf eine ständige Durchfeuchtung der

Schutz5chicht
Kies 40 mm, Sand 20 mm
Abdichtung (1,2 mm)

3 Lagen Bitumendachbahnen
+ 3 Bitumenanstriche (10 mm)
Korkplatten (50 mm)
~'*"~~~#*""'*.!9-- Dampfsperre V 60 (3,5 mm) ---+~~~~~~'*"=!
Stahlbetondecke (180 mm) - - - v
==-==:;:.:.===:;:":,.===~--- Innenputz (10 mm) ----~6=~"",;"";"",~"",;"";"""~
Wärmedämmung: k=0,68 WJm2 K Wärmedämmung: k=0,30 Wfm2 K
kondensierende Wassermenge: 5,3 gJm2 a kondensierende Wassermenge: 0 gfml a
austrocknende Wassermenge: 6,8 gJmZ a
a traditionelles Kiesklebedach b Kiesklebedach, als Doppeldach sanien

Abb. 3.2·20 Flachdächer: Kiesklebedächer

3-78 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Korkdämmung weisen auch zahlreiche Durch- stellt, entfallen hier Kondensatprobleme. Bei
wurzelungsschäden hin. Bitumenbahnen gel- korrekter Ausführung,d.h. vollständigem Ver-
ten als nicht sicher gegen Durchwurzelung, da guß aller Fugen, kann auch bei Verletzung der
sich trotz Schutzmörtel die Wurzeln ihren Weg Abdichtungsschicht kein Wasser eindringen
durch Fugen und Anschlüsse suchen. Proble- und sich insbesondere nicht unkontrolliert im
matisch ist auch die oft zu geringe Zahl der Di- Dachaufbau verteilen (keine Abschottungen
latationsfugen in den Winkelblechen beim erforderlich).
Dachanschluß. Häufig kommt es zu einem Ab- - Dach mit Kunststoffbahnen als Abdichtung.
stoßen der Dachhaut.
- Kiesklebedach als Doppeldach saniert. Die in Die Unterkonstruktion (Tragwerk und evtl. Ge-
Abb. 3.2-20b dargestellte Variante stellt nicht fällebeton) muß ein durchgehendes Gefalle von
nur eine wärmetechnische Verbesserung, son- i. d. R.l ,5% aufweisen. Die Schutzschicht besteht
dern eine echte Sanierung dar. Allerdings ist i.allg. aus 20 mm Sand plus 40 mm Kies bei Bi-
der Aufbau einer neuen Abdichtungsschicht tumen- und Polymerbitumenbahnen bzw.aus 50
nur sinnvoll, wenn die Korkdämmung nicht mm Kies bei Kunststoffbahnen als Abdichtung.
oder nur unwesentlich durchfeuchtet ist Eine relativ dicke Wärmedämmschicht fällt ko-
(Oberprüfung durch Sondierung oder Innen- stenmäßig kaum ins Gewicht.
thermographie im Winter). Eine Änderung Allgemein ist ein Flachdach nur so gut wie die
der Spengleranschlüsse und Dachausgänge ist schlechteste Schweiß- oder Klebeverbindung.
i. allg. unumgänglich. Die Anschlüsse an den Dachrändern, Auf- und
- Dach mit Polymerbitumenbahnen als Abdich- Abbordungen usw. sowie die Spenglerarbeiten
tung und Wärmedämmung aus Schaumstoff sind daher mit großer Sorgfalt auszuführen!
(Abb.3.2-2la) oder Schaumglas (Abb.3.2-2lb). Schlüsselproblem bei Flachdach-Warmdächern
Bei der Schaumstoffdämmung ergibt die Dif- ist i.allg. die Kondensation des diffundierenden
fusionsberechnung ein labiles Gleichgewicht. Wasserdampfes an der (zu) dampfdichten Ab-
Da kondensierende und austrocknende Was- dichtung gegen Meteorwasser. Sie führt zur
sermenge nahe beieinanderliegen, kann die Durchfeuchtung der Wärmedämmschicht, zur
vollständige Austrocknung nicht mit Sicher- Durchwurzelung und zu Wasserschäden.
heit garantiert werden. In der Praxis ergibt Die diffusionstechnische Beurteilung der Va-
sich ein i.allg. tolerierbares Diffusionsverhal- rianten fällt sehr unterschiedlich aus. Das tradi-
ten. Vor allem über Naßräumen empfiehlt sich tionelle Kiesklebedach mit Bitumenbahnen als
jedoch der Einbau einer stärkeren Dampf- Abdichtung ist als kritisch einzustufen. Beim
sperre. Da die Schaumglasdämmung des Korn- Kiesklebedach als Doppeldach saniert tritt kei-
paktdachs eine absolute Dampfsperre dar- ne Kondensation auf, da die alte Abdichtung neu

Kies 16/32 (50 mm)

Schaumglasdämmung, in
Heißbitumen vollflächig
eingeschwommen, Stoßfugen
ausgegossen (70- 120 mm)
Polyurethanschaumplatten,
kaschiert (SD-90 mm)
- - Dampfsperre V60 (3,5 mm)
Stahlbetondecke (180 mm) - - - - f (
~~~~~~~"""=~--~ Innenputz (10 mm) ----l:l!=~l:"'=='!:"==:o=~~==

Wärmedämmung: k = (0,28 .. .0,49) WJmZK Wärmedämmung: k = (0,3 ... 0,49) WJm2K


Kondensierende Wassermenge: 5,4 gJm2a Kondensierende Wassermenge: 0 gJm2a
Austrocknende Wassermenge: 5,7 g/m2a
a PU-Dämmung b Schaumglasdämmung (Kompaktdach)

Abb. 3.2-21 Flachdächer: Polymerbitumenbahnen als Abdichtung

Hochbaukonstruktionen 3-79
als Dampfsperre wirkt. Dächer mit (sehr dampf- Verglasungen
dichten) Polymerbitumenbahnen als Abclich-
tung sind mit einer Wärmedämmung aus lsolierverglasung. Zwei oder drei Glasscheiben
Schaumstoff (relativ dampfdurchlässig) kritisch, mit Luftzwischenraum für verbesserte Wärme-
aus Schaumglas (sehr dampfdicht) dagegen gün- dämmung werden am Rand miteinander ver-
stig. Dächer mit Kunststoffbahnen als Abclich- klebt (Randverbund, Abb. 3.2-22). Eine dickere
tung sind günstig, da diese wesentlich dampf- Luftschicht bewirkt dabei einen kleineren k-
durchlässiger sind als Bitumen- und Polymerbi- Wert.
tumenbahnen.
Wärmeschutzverglasung. Die raumseitige Schei-
3.2.3.4 be wird auf der Seite zum Luftzwischenraum mit
Fenster einer dünn aufgedampften Schicht aus Edelme-
tall beschichtet. Diese Schicht reflektiert einen
Zum" Gesamtsystem Fenster" gehören das Bau- erheblichen Anteil der kurzwelligen Strahlung,
teil Fenster, die Brüstungsahdeckung (Wetter- die durch normales Glas vom Innenraum nach
schenkel), der Sonnenschutz (Store), die Sturz- außen gehen würde. Dadurch wird der Trans-
ausbildung und der Anschluß an die verschie- missionsverlust an das kalte Außenklima redu-
denen Schichten der Außenwand. Das Bauteil ziert (Abb. 3.2-23). Der Zwischenraum wird mit
Fenster selbst besteht aus Verglasung (meist zwei Edelgas gefüllt. Dadurch wird auch der Konvek-
oder drei Glasscheiben), Flügelrahmen (beweg- tionsanteil des Wärmeverlustes infolge Zirkula-
lich oder fest) und Fensterrahmen (fest). tion der Füllung des Glaszwischenraumes redu-

zweistufig geklebter Randverbund

1 Flachglasscheibe lsolierverglasung (2 IV) 4/12/4 4/18/4


Glaszwischenraum, bei IV k-Wert in W/m2K 3,0 2,9
mit trockener Luft gefüllt Lichtdurchlässigkeit in % 82 82
3 Aluabstandhalter, offen Gesamtenergiedurchlässigkeit in % 79 79
gegen Glaszwischenraum, Schalldämmaß R'w in dB 30 30
mit Trocknungsminel
gefllllt lsolierverglasung (3 IV) 4/6/4/6/4 4/12/4/12/4
Kleber für Lastüber- k-Wert in Wfm2K 2,3 2,1
tragung Lichtdurchlässigkeit in % 75 75
dampfdichte Gesamtenergiedurchlässigkeit in % 71 71
VersiegeJung Schalldämmaß R'w in dB 32 31

Abb. 3.2-22 Glasrandverbund und Kennwerte bei lsolierverglasungen

Wärmeschutzverglasung (21V) 4/12/4 4/18/4


k-Wert in Wfm2K 1,5 1,3
außen innen Lichtdurchlässigkeit in % 79 79
Gesamtenergiedurchlässigkeit in % 66 67
V V Schalldämmaß R'w in dB 30 30

"rx "rx Wärmeschutzverglasung (31V)


k-Wert in Wfm2K
4/9/4/9/4 4/12/ 4/12/4
1,3 1,1
Lichtdurchlässigkeit in % 62 62
Gesamtenergiedurchlässigkeit in % 63 63
Schalldämmaß R'w in dB 32 31

Abb. 3.2-23 Wirkung und Kennwerte von Wärmeschutzverglasungen

3-80 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


ziert. Es können erstaunlich niedrige k-Werte er- Metallfenster. Metallfenster werden hauptsäch-
reicht werden. lich im Zusammenhang mit Metallfassaden aus
Stahl oder Aluminium im Büro- und Gewerbe-
Sonnenschutzverglasung. Auf der Innenseite der bau angewandt. Besondere Anforderungen sind
Außenscheibe wird eine Reflexionsschicht auf- hier an den Korrosionsschutz der Metallprofile
gedampft. Sie reflektiert das einfallende kurz- (z. B. durch Eloxieren,Anodisieren,Anstreichen)
wellige Sonnenlicht. Diese Konstruktion ergibt sowie die durchgehende thermische Trennung
eine erhebliche Reduktion des k-Wertes, aber der Metallprofile zu stellen. Direkter Kontakt
auch des Lichtdurchgangs. zwischen Aluminium und Holz ist zu vermeiden,
da sonst mit Kondensatschäden zu rechnen ist.
Schallschutzverglasung, Sicherheitsverglasung, Bei Kontakt verschiedener Metalle, insbesonde-
Brandschutzverglasung. Für Zwecke des Schall- re auch der Beschläge, ist deren elektrochemi-
schutzes, der Sicherheit und des Brandschutzes sche Verträglichkeit zu beachten. Metallfenster
existieren spezielle Lösungen (s. Spezialliteratur besitzen einen relativ komplizierten Aufbau,
und Firmenunterlagen sowie 3.8). sind jedoch wegen der i.allg. guten Wetterfe-
stigkeit wartungs- und unterhaltsarm.
Fensterkonstruktionen
Kunststoffenster. Kunststoffenster kommen im
Fenster (inkl. Fenstertüren) in sonst geschlosse- Wohnungs-, Büro- und Gewerbebau zur Anwen-
nen Außenwänden können nach dem für die Flü- dung; ihren typischen Aufbau zeigt Abb. 3.2-24b.
gel und die Rahmen verwendeten Material un- Kunststoffenster müssen korrosionsgeschütz-
terschieden werden in Holzfenster,Metallfenster te Versteifungen aus Metall (evtl. Holz) enthal-
(Stahl, Aluminium) und Kunststoffenster. ten. Die unterschiedlichen Dilatationen ver-
schiedener Materialien erfordern ggf. spezielle
Holzfenster. Holzfenster kommen hauptsächlich Maßnahmen. Kunststoffenster besitzen einen re-
im Wohnungsbau zur Anwendung; typischer lativ komplizierten Aufbau, sind aber wartungs-
Aufbau s. Abb. 3.2-24a. Besondere Anforderun- und unterhaltsarm. Im allgemeinen besteht kei-
gen sind bei Holzfenstern an die Holzqualität, ne Korrosionsgefahr, jedoch evtl. Versprödungs-
die Astfreiheit des Holzes, seine Rohdichte (Laub- gefahr der Kunststoffteile infolge UV-Strahlung.
holz> 500 kglm 3 ) und die Holzfeuchte ( < 8% bis
15%) zu stellen. Es sind Grundierung, Zwischen- 3.2.3.5
anstrich und Fertiganstrich erforderlich. Holz- Ausbau der Geschoßdecken
fenster besitzen einen relativ einfachen Aufbau
mit"selbstisolierenden" Flügel- und Fensterrah- Beim Ausbau der Geschoßdecken können
men. Sie sind die klassische Fensterart, erfordern schwimmende Unterlagsböden, Doppelböden
jedoch einen periodischen Unterhalt (z.B. Au- ("Oberböden") und Unterdecken unterschieden
ßenanstrich). werden. Der Ausbau der Geschoßdecken über

7 Glasfalzbelüftung bzw.
Entwässerung
2 Mitteldichtung
3 innere Abdichtung
4 Beschlägefalz
5 einschiebbarer
Wetterschenkel
a Holzfenster b Kunststoff-Fenster

Abb. 3.2·24 Norrnfenster, unterer AnS<hluß

Hochbaukonstruktionen 3-81
und unter dem Deckentragwerk hat meist zahl- Bei Verwendung von Zementmörtel sollte zur
reiche Funktionen zu übernehmen und vielfäl- Vermeidung von Schwindrissen eine maximale
tige Anforderungen zu erfüllen. Er schafft eine Feldgröße von etwa 40m 2, eine maximale Sei-
begehbare Fläche mit einem bestimmten Boden- tenlänge von etwa 8 m und ein maximales Sei-
belag, stellt zusammen mit dem Tragwerk die tenverhältnis von 1:2 nicht überschritten wer-
Schalldämmung für Luftschall und Trittschall si- den; in manchen Fällen ist ein Bewehrungsnetz
cher und trägt zur Schallabsorbtion (Raumaku- in halber Höhe zweckmäßig. Bei Anhydrit-Fließ-
stik) bei. Gegebenenfalls nimmt er auch die Wär- mörtel ist die Feldgröße in rechteckigen Räumen
medämmung gegen Kalträume oder eine Bo- dagegen nicht begrenzt. Die Dicke der Dämm-
denheizung auf oder sichert den Brandschutz schicht muß bei einer Bodenheizung über Kalt-
von Holzbalkendecken, Profilstahldecken etc. räumen erhöht werden.
Kabel (für Licht, Kraft, Telefon, Computer Schwimmende Unterlagsböden sind bei sorg-
usw.), Heizungsleitungen, Warm- und Kaltwas- fältiger Ausführung eine bewährte Konstrukti-
serleitungen sowie Gasleitungen und evtl. Ab- on. Schallbrücken entstehen, wenn Mörtel durch
wasserleitungen werden vorwiegend im Hohl- die Dämmschicht fließt. Daher ist unter der Mör-
raum unter Doppelböden verlegt. Im Hohlraum telschicht eine sorgfältig verklebte Dichtungsfo-
über Unterdecken werden v.a. Lüftungskanäle, lie anzuordnen und vor Verletzungen zu schüt-
Klimaauslässe, Deckenleuchten und Rauchmel- zen. Vorsicht ist auch geboten bei falschen Wand-
der angeordnet. Besonders zu beachten sind anschlüssen oder falschem Einbau von Tür-
beim Ausbau der Geschoßdecken die Aufnahme schwellen und Stahltürzargen sowie der Verle-
bzw. Durchführung von Brand- und Schallab- gung von Leitungen in der Dämmschicht
schottungen und der Anschluß von Innenwän-
den. Doppelböden

Schwimmende Untertagsböden Doppelböden kommen praktisch nur in hochin-


stallierten Bauten vor,z.B.in Bürobauten mit vie-
Schwimmende Unterlagsböden kommen v.a. in len Kabeln für Licht, Kraft, Telefon, Computer-
Wohnungen, Hotels und Gewerbebauten zur An- netze etc., in Laborbauten mit zahlreichen Lei-
wendung; in Büro- und Verwaltungsbauten wer- tungen für Wasser, Gas, Druckluft etc. und in
den sie zunehmend durch Doppelböden (Über- Operationssälen in Spitälern.
böden) abgelöst. Sie bestehen aus einem Gehbe- Den typischen Aufbau zeigt Abb. 3.2-26. Die
lag auf einer Mörtelschicht aus Zementmörtel begehbare Fläche liegt ca. 20 bis 40 cm über dem
(60 bis 80 mm) oder Anhydrit-Fließmörtel (30 bis Deckentragwerk und besteht aus Metall, Holz
55 mm) über einer weichfedernden Dämm- etc. auf leichten Trägern (z.B. Stahlproflle) und
schicht (z.B. Mineralwolle-Trittschallplatte Stelzen mit Höhenregulierung. In dieser werden
;::: 30 mm). Schallübertragende Kontakte mit har- oft streifenartige, leicht anhebbare Bodenberei-
ten Teilen von Decken und Wänden sind zu ver- che über Kabel-Gitterträgern (z.B. entlang Fen-
meiden (Abb. 3.2-25). sterbrüstungen), andere über Wasser- und Gas-

Nutzschicht

Dämmschicht

Tragschicht

Nutzschicht geklebt Nutzschicht im Mönelbett verlegt


Unierlagsboden mit Heizungsrohren Untertagsboden mit Heizungsrohren
Trennlage Trennlage
Dämmschicht 21agig Dämmschicht
Tragschicht Tragschicht

Abb. 3.2-25 Typischer Aufbau von Geschoßdecken mit schwimmendem Untertagsboden

3-82 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


zusätzliche Probleme bei Schallschutz und Brand-
schutz.

3.2.3.6
Sockelbereich
Installationsraum
Als Sockelbereich wird bei Hochbauten der Bau-
werksteil unterhalb der normalen Wohn- oder
Geschäftsgeschosse bezeichnet. Im Sockelbe-
reich findet daher der Übergang vom Erdge-
schoß (EG) zu den Untergeschossen (UG) statt.
Abb. 3.2-26 Typischer Aufbau von Doppelböden Der Sockel befindet sich teilweise oder ganz im
Erdreich. Somit ist der Sockelbereich dem An-
griff von Sicker-, Hang- und evtl. Grundwasser
Ieitungen usw. vorgesehen. Nichttragende Innen- ausgesetzt.
wände gehen meist nicht bis auf das Decken- Die Untergeschosse werden genutzt als Keller,
tragwerk hinunter, wodurch Schallprobleme Lager usw. (unbeheizte Räume) oder als Bastei-
entstehen. Brandschutzabschottungen müssen raum, Verkaufsraum usw. (beheizte Räume). Der
dagegen immer bis auf das Deckentragwerk hin- Sockelbereich ist demnach gekennzeichnet
untergehen. durch den Übergang von beheizten zu unbe-
Doppelböden schaffen große Flexibilität be- heizten Räumen bzw. von unbeheizten oder be-
züglich Installationen und ermöglichen so eine heizten Räumen zum Erdreich (Boden, Wände).
einfache Anpassung an neue Bedürfnisse. Die
Konstruktion ist allerdings aufwendig und schafft Untergeschosse im Sicker-und Hangwasser
zusätzliche Probleme bezüglich Schallschutz
und Brandschutz. Untergeschosse im Sicker- und Hangwasser er-
fordern Maßnahmen zur Drainage, Abclichtung
Unterdecken und Wärmedämmung.

Unterdecken werden auch "abgehängte Decken", Drainagen. Zweck einer Drainage ist es, auftre-
"Hängedecken", "Montagedecken" (engl.: cei- tendes Sicker- und Hangwasser möglichst rasch
ling) genannt. Sie kommen häufig in Büro- und abzuführen und die Bildung von Stauwasser zu-
Verwaltungsbauten mit unter dem Deckentrag- verlässig zu verhindern. Normalerweise wird ei-
werk geführten Lüftungskanälen (klimatisierte ne Ringdrainage eingesetzt, seltener eine Flächen-
Gebäude), Abwasserleitungen usw. vor. Zudem drainage, in Spezialfällen Pumpenbrunnen etc.
können sie in Bauten mit brandgefährdeten Bei der Ringdrainage wird um das Gebäude
Deckentragwerken (z.B. Verbundträgerdecken) herum eine ringförmige Drainageleitung (Sik-
zur Verbesserung des Brandschutzes brandhem- kerleitung) verlegt, die Sicker- und Hangwasser
mend oder in Bauten mit schlecht schalldäm- erfaßt. Die Sickerleitung muß am Fuß des Ge-
menden Deckentragwerken (z.B. Hohlkörper- bäudes unter der Oberkante der Bodenplatte lie-
decken) schalldämmend ausgebildet werden. gen. Das Wasser muß an den Gebäudeaußen-
Sie bilden meist eine geschlossene Fläche als wänden und den UG-Wänden ungehindert ab-
obere Raumbegrenzung aus Metall, Gips, Holz fließen können. Dies wird erreicht durch Sicker-
etc., die ca. 20 bis 60 cm unter dem Deckentrag- platten, Sickerpackungen aus Kies, Perimeter-
werk an herabgehängten leichten Trägern (Rost) isolation usw.
befestigt ist. Nichttragende Innenwände gehen Bei der Flächendrainage werden Drainagelei-
meist nicht bis zum Deckentragwerk hinauf; da- tungen auch unter der Bodenplatte verlegt. Zwi-
durch entstehen Schallprobleme. Brandschutz- schen den Leitungen wird eine örtlich leicht ge-
abschottungen müssen immer bis zum Decken- neigte Drainageschicht (z.B. Sickerpackung aus
tragwerk hinaufgehen. Kies) angeordnet, in der das Wasser entspannt
Unterdecken ermöglichen- ähnlich wie Dop- wird und zu den Drainagerohren fließen kann.
pelböden - eine große Flexibilität, d. h. eine ein- Eine Flächendrainage soll verhindern, daß ge-
fache Anpassung an neue Bedürfnisse, sind je- spanntes Hangwasser von unten gegen die Bo-
doch aufwendige Konstruktionen und schaffen denplatte drückt.

Hochbaukonstruktionen 3-83
Besonders wichtig für das Funktionieren der Untergeschosse im Grundwasser
Drainage ist ein genügendes Gefälle zum Vorflu-
ter; ansonsten sind Pumpen aus Sammelschäch- Die Behandlung von Untergeschossen im Grund-
ten erforderlich. Für periodische Spülung gegen wasser würde den Rahmen dieser übersieht
Verstopfung durch Feinsand etc. sind Spülmög- sprengen. Für entsprechende Angaben wird auf
lichkeiten bzw. Spülstutzen anzuordnen. Die die Literatur und Firmendokumentationen ver-
Drainage muß eine genügende Tiefe unter der wiesen.
Erdoberfläche gegen Verwachsen bzw. Verstop-
fen durch Pflanzenwurzeln haben; evtl. ist das 3.2.3.7
Anbringen von Rattengittern erforderlich. Treppen

Abdichtungen. Außenwände in Untergeschossen Funktionen und Anforderungen


werden praktisch immer in Stahlbeton ausge-
führt. Wasserdichten Stahlbeton gibt es aber, ent- Treppen dienen dem Personenverkehr in vor-
gegen häufigen Behauptungen, nicht! Gründe wiegend vertikaler Richtung. Sie haben oft auch
dafür sind mikroskopische Poren und kleine eine raumverbindende oder raumgestalterische
Kanäle im Beton, die eine kapillare Feuchtig- Wirkung. Ihre Geometrie hat folgenden allge-
keitswanderung erlauben. Dadurch wird der Be- meinen Anforderungen zu genügen:
ton insgesamt durchfeuchtet, auch wenn kein Das Steigungsverhältnis muß der durch-
fließendes Wasser eindringt. Auch Schwindrisse, schnittlichen Schrittweite des erwachsenen
Setzungsrisse, Kiesnester bilden Kanäle, durch Menschen angepaßt werden; diese beträgt hori-
die Wasser einsickern kann. Arbeitsfugen sind zontal (Schrittlänge 1) ca.63 cm, vertikal (auf Lei-
besonders kritisch, v.a. die Fuge zwischen Bo- ter) ca. 31 cm. Als Regel gilt die sog. Treppenfor-
denplatte und aufgehender Wand (Verunreini- mel (Abb. 3.2-27):
gungen, Entmischen des Betons beim Betonie-
2 s + a = 61 63cm (3.2.3)
ren der Wände mit größerer Porosität im unte-
steilere flachere
ren Bereich, differentielles Schwinden von Wand
Treppen Treppen
und Bodenplatte usw.).
Ferner kann Wasser eindringen bei konstruk- Übliche Steigungsverhältnisse sind in Tabelle
tiv bedingten Unstetigkeilen wie Leitungsdurch- 3.2-1 angegeben. Die Breite beträgt mindestens
brüchen (Hauseinführungen),Dilatationsfugen, 80 cm, für bequemes Kreuzen von zwei Personen
Anschlüssen von Lichtschächten vor Fenstern 125 cm (mindestens llO cm), für drei Personen
und Anschlüssen von Fluchtröhren aus Luft- 187 cm. Die Mindestlänge von Podesten ist
schutzräumen. Aus diesen Gründen sind i.d.R. n · 1+ a;?: 100 cm (n Anzahl Schritte), z.B. Trep-
gegen Sicker- und Hangwasser Abclichtungen pe 17/29cm: 1+a=63+29=92cm,oder21 +a =
erforderlich. Dabei macht sich Sorgfalt bezahlt. 2 ·63+29= 155 cm usw.
Nachträgliche Abclichtungen beim Auftreten Beim Grundriß von gekrümmten Treppen
von Mängeln können sehr aufwendig und kost- sind besondere Regeln zu beachten (Verziehen
spielig sein. Abclichtungen sollten, wenn immer der Stufen über den gekrümmten Teil hinaus
möglich, als Außenabclichtungen ausgeführt usw., s. Literatur).
werden. Innenabclichtungen liegen bezüglich ei-
nes allfälligen Wasserdruckes auf der falschen
Seite, und sie verhindern ein Durchfeuchten der
Außenwand oder Bodenplatte nicht.

Wärmedämmungen. Bei unbeheiztem UG kann


die Wärmedämmung des EG gegen das unbe-
heizte UG unter- oder oberhalb der Kellerdecke
angeordnet werden; im zweiten Fall ist eine
Dampfbremse auf der Warmseite erforderlich.
Bei beheiztem UG und Wechsel von Außen- auf
Innendämmung der Wände auf Höhe der Kel-
Abb. 3.2-27 Bezeichnungen für die Steigung von
lerdecke ist auf Wärmebrücken und eine warm- Treppen
seitige Dampfsperre im UG zu achten.

3-84 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Haustechnische Anlagen umfassen folgende
Tabelle 3.2-1 Obliche Steigungsverhältnisse von Installationen und Einrichtungen:
Treppen
- Sanitäranlagen: Kaltwasserversorgung, Warm-
wasserversorgung, Gasversorgung, Gebäude-
s/a Anwendung entwässerung, Grundstücksentwässerung, sa-
cm/cm
nitäre Einrichtungen,
16/31 bequemeTreppen - Heizungsanlagen,
17/29 normale Treppen (a = 30°)
18/26
- Lüftungs- und Klimaanlagen,
20/22 steile Treppen (z.8. Kellertreppe) - Kälte- und Kühlanlagen,
- Beleuchtungsanlagen,
- Starkstromanlagen,
- Schwachstromanlagen: Telefonanlagen, Da-
Gegebenenfalls sind zusätzlich baupolizeili- tenleitungsnetze, Gegensprechanlagen etc.,
ehe Vorschriften über Steigungen, Treppenbrei- - Förderanlagen: Aufzüge, Rolltreppen, Behäl-
ten etc. zu beachten. Die Anforderungen an den terförderanlagen (Rohrpost usw.).
Schallschutz ergeben sich aus den einschlägigen
Normen, ebenso jene an den Brandschutz, wo- Problematik bezüglich des Tragwerks
bei evtl. spezielle feuerpolizeiliche Vorschriften
für bestimmte Treppen (z. B. Brandschutzschleu- Bei den meisten Arten der haustechnischen An-
sen bei Fluchttreppen) gelten. Anforderungen an lagen kann eine Aufteilung in Geräte und Appa-
Geländer, Brüstungen, Handläufe sind ebenfalls rate sowie in Zu- und Ableitungen entsprechend
den einschlägigen Normen zu entnehmen. Tabelle 3.2-2 vorgenommen werden. Bei der In-
tegration der haustechnischen Anlagen besteht
Treppenarten eine nach wie vor hochaktuelle Problematik. Bei
der Planung von Gebäuden und Anlagen wird
Unterscheidung nach der Funktion: für die Geräte und Apparate meist der erforder-
- Podesttreppen in Treppenhäusern, liche Platz vorgesehen. Der erforderliche Platz
- interne Treppen in Wohnungen, Eingangshal- für die Zu- und Ableitungen hingegen wird häu-
len etc., fig vergessen oder der Findigkeit der einzelnen
- externe Fluchttreppen, Handwerker überlassen!
- spezielle Treppenkonstruktionen. Wenn für die Leitungen kein Platz vorgesehen
wird, müssen sie auf improvisierte Weise irgend-
Unterscheidung nach der Form: wo untergebracht oder versteckt werden. "Ir-
- einläufige, gerade Treppe (überwindet ein gendwo" bedeutet häufig im Tragwerk. Dies hat
Stockwerk mit einem einzigen Lauf}, oft fatale Folgen: Da das Tragwerk von - meist
- einläufige, abgewinkelte Treppe (z.B. Viertel- improvisierten und oft nachträglich herausge-
wendelung), spitzten -Aussparungen "zerfressen" wird, erge-
- zweiläufige Podesttreppe,
- gegenläufige Treppe mit halber WendeJung
anstelle des Podests, Tabelle 3.2-2 Haustechnische Anlagen, zugehörige
Leitungen
- Wendeltreppe,
- dreiläufige Treppe mit zwei Podesten und ei-
Geräte und Apparate Zu- und Ableitungen
nem großen Treppenauge,
- freie Treppenformen. Boiler Warmwasserleitungen
Waschbecken. Dusche etc. Warm- und Kaltwasser
Ieitungen, Abwasser-
3.2.3.8 leitungen
Haustechnische Anlagen Heizkessel Heizleitungen
Radiatoren
Haus- oder gebäudetechnische Anlagen werden Klimazentrale Klimakanäle
in moderen Hochbauten immer wichtiger und ElektrotableauNerteiler- Elektroschläuche
kasten
umfangreicher. Der Installationsgrad nimmt so-
Telefonzentrale Telefonleitungen
wohl in Wohnbauten als auch in Büro- und Ge-
werbebauten sowie in öffentlichen Hochbauten
weiterhin zu [Daniels 1996].

Hochbaukonstruktionen 3-85
bensich ernst zu nehmende Tragsicherheitspro- de (Handwerkerwechsel, Nutzerwechsel, fehlen-
bleme! Die Beeinträchtigung der Wirkung mo- de oder verlorengegangene Installationspläne
derner und teurer bauphysikalischer Vorkehrun- usw.). Auch sind solche Anlagen sehr unflexibel
gen verursacht zudem Gebrauchstauglichkeits- bei Bedürfnisänderungen. In manchen Fällen
probleme. müssen alte Leitungen durch Aufspitzen müh-
Beispiele für Tragsicherheitsprobleme sind sam gesucht oder neue Leitungen (oft über Putz)
die - besonders gefährliche -Verringerung des gezogen werden.
tragenden Querschnitts von Stahlbetonstützen
durch Bündel elektrischer Installationsleitungen Bessere Lösungen
oder des Stegquerschnitts von Stahlbetonträ-
gern durch Lüftungskanäle mit der Gefahr eines Bessere sowie mittel- und längerfristig flexiblere
vorzeitigen Schubversagens. Tragende Mauer- und kostengünstigere Lösungen für die Leitungs-
werkswände werden mitunter rücksichtslos ge- führung sind i.allg. nur möglich durch Anwen-
schrotet und damit der tragende Querschnitt auf dung der folgenden Grundsätze:
1/2 bis 1/3 reduziert, was durch den Wirlee- Den Leitungen der haustechnischen Anlagen
standsbeiwert nicht abgedeckt werden kann. ist ein klar definierter, möglichst eigenständiger
Probleme der Gebrauchstauglichkeit ergeben sich Platz einzuräumen und in den Plänen vorzuse-
z.B., wenn elektrische Installationsleitungen in hen. Für die Führung in vertikaler Richtung sind
Unterlagsböden mit diversen Durchdringungen bei Leitungen unter Putz geplante bzw. kontrol-
die Trittschalldämmung durch Bildung von lierte Aussparungen im Grundriß vorzusehen
Schallbrücken etc. verringern oder wenn Sani- (gemauert, geschah, evtl. kontrolliert geschrotet
tärleitungen in Wänden die Wärmedämmung bzw. gespitzt). Besser sind jedoch eigentliche Lei-
verdrängen (Wärmebrücken) und Körperschall tungsschächte, wenn immer möglich zugäng-
verbreiten. lich, d.h. mit demontierbarer Abdeckung (z.B.
Das improvisierte Einbetonieren und Ver- gegen Treppenhaus, Korridor). Die Führung in
mauern der Leitungen hat zudem den Nachteil, horizontaler Richtung erfolgt geplant und kon-
daß im Bedarfsfall kein Zugang zu den Leitun- trolliert innerhalb des Deckentragwerks, in Fen-
gen mehr möglich ist. Auch weiß nach einiger sterbrüstungen, in Unterdecken oder in Doppel-
Zeit oft niemand mehr, woher ein Gerät ange- böden.
schlossen wurde, wohin eine bestimmte Leitung Schroten von Leitungskanälen in tragendem
führt oder für welchen Zweck sie eingelegt wur- Mauerwerk kann

Tabelle 3.2·3 Konzepte für die Leitungsführung von haustf!<hniS<hen Anlagen

Ort der Leitungen Art des Hochbau(---) zunehmender lnstallationsgrad)


Einfamilienhaus vielstöckiger Büro-/ öffentlicher Bau
mehrstöckiges Wohnbau Gewerbebau (Schule,
Wohnhaus Hochschule)
vertikale Führungen
• geplante/kontrollierte Aussparungen •
• zugängliche Leitungsschächte • • •
horizontale Führungen
• geplant/kontrolliert im Deckentragwerk • •
• in Fensterbrüstungen • oder
• in Unterdecken • • oder
• in Doppelböden •
Schroten in tragendem Mauerwerk
• in klar definierten Wänden zugelassen •
• nur in vertikaler Richtung zugelassen • oder • oder
• ganz verboten • • •
Aussparungen in Stahlbetondeckent-trägern
• in klar definierten Bereichen zugelassen • •
• nurgeplant •
Aussparungspläne • • • •

3-86 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


- in klar definierten Wänden in jeder Richtung integrale Darstellung findet sich in [Bachmann
ausdrücklich zugelassen werden, 1997).
- nur in vertikaler Richtung ausdrücklich zuge-
lassen werden (horizontale Leitungsführung 3.2.4.1
in den bzw.längs der Decken), Konzeptioneller Entwurf von Mauerwerksbauten
- ganz verboten werden (stark belastete Wände).

In SIA 177 ist eindeutig festgehalten: "Mauer- Beim konzeptionellen Entwurf von Mauerwerks-
schlitze für Leitungen müssen in den Plänen vor- bauten geht es u.a. darum, raumstabile Zellen zu
gesehen werden. Horizontale und schräge Schlit- erzeugen. Die Wände bestehen aus tragendem
ze bedürfen der Genehmigung des verantwortli- Mauerwerk, die Decken meist aus Stahlbeton
chen Ingenieurs. Im Mauerwerk dürfen vertika- oder bei einfacheren Bauten auch aus Holz oder
le Schlitze bis 20 mm Tiefe in ausgesteiften Wän- anderen Baustoffen.
den - keinesfalls aber in Pfeilern - eingefräst Abbildung 3.2-28 zeigt die anzustrebende
werden" (in Deutschland gilt DIN 1053 Teill). Konfiguration, d.h. eine für horizontale und ver-
Leitungsführung innerhalb bzw. Aussparun- tikale Einwirkungen raumstabile Zelle. Die Be-
gen in Stahlbetondecken und -trägem können in dingungen für die Stabilität und für die Auftei-
klar definierten Bereichen ausdrücklich zuge- lung einer horizontalen Einwirkung (H) aus
lassen lnw. ausdrücklich verboten werden (z.B. Wind (W) oder Erdbeben (E) auf die Wände
in Flachdecken nahe den Stützen) oder aber nur werden in 3.2.5 behandelt. Das Vorgehen bei
in geplanter und vom Ingenieur genehmigter Mauerwerkswänden ist prinzipiell gleich wie bei
Weise zugelassen werden. Bei jedem anspruchs- Stahlbeton-Tragwänden.
volleren Hochbau soll pro Tragelement (z.B.
Decke, Träger, Stütze, Wand), ein Aussparungs- 3.2.4.2
plan angefertigt werden, bei Stahlbetontragele- Laufmeterlast von Mauerwerkswänden
menten auf der Basis der Schalungs- und Be-
wehrungspläne. Tabelle 3.2-3 enthält Konzepte Bei der Ermittlung der für Nachweise benötig-
für die Leitungsführung von haustechnischen ten Normalkraft als Laufmeterlast müssen die
Anlagen bei verschiedenen Arten von Hochbau- Deckenlasten auf die einzelnen Wände verteilt
ten. Sie zeigen Möglichkeiten zur gezielten Be- werden. Die Auflagerkraft einer Decke kann
wältigung dieses häufig sehr ernsthaften Pro- längs eines Wandabschnitts zwar erheblich vari-
blems. Die Gliederung unterscheidet verschie- ieren (z.B. etwa sinusförmig gemäß elastischer
dene Arten von Hochbauten mit zunehmendem Plattentheorie ), benachbarte Bereiche des Wand-
Installationsgrad. Solche Konzepte können ver- abschnittes können sich jedoch aus Verträglich-
feinert werden, indem sie separat pro Art der keitsgründen (Verbund) nicht entsprechend un-
haustechnischen Anlagen ausgearbeitet werden. terschiedlich verformen. Dies führt zu einem
starken Ausgleich der Beanspruchungen. Bereits
3.2.4 ein bis zwei Stockwerke tiefer (je nach Wandlän-
Tragendes Mauerwerk ge) verläuft die Beanspruchung aus der erwähn-
ten Decke längs des Wandabschnitts mehr oder
Als Teile des Tragwerks von Hochbauten werden
tragende Wände aus Mauerwerk durch zentri-
sche und exzentrische Normalkraft, Schub mit
zentrischer bzw. exzentrischer Normalkraft so-
Stahlbeton-
wie Querlasten beansprucht. Die ingenieur- de<.ke
mäßige Bearbeitung von tragendem Mauerwerk
erfordert Entwurf, Berechnung, Bemessung und Mauerwerks-
konstruktive Durchbildung. Zu Entwurf und wand
konstruktiver Durchbildung sind wesentliche
Grundlagen und Zusammenhänge in 3.2.3 dar-
gestellt.
Die Berechnung und Bemessung von Mauer-
werk ist in 3.6 behandelt. Deshalb werden hier Abb. 3.2-28 Raumstabile Zellen
nur wenige ergänzende Hinweise gegeben. Eine

Hochbaukonstruktionen 3-87
weniger linear bzw. bei symmetrischen Verhält- nungenwie in Abb. 3.2-29) wird die Laufmeter-
nissen konstant. Zudem ist eine allzu hohe Ge- last der Tür- und Fensterstürze aus der Decke so-
nauigkeit meist nicht angebracht. Im allgemei- wie die Eigenlast der Stürze auf die angrenzen-
nen (besondere Fälle wie größere Einzellasten, den Wandquerschnitte umgelegt. Zusammen
stark unsymmetrische Verhältnisse, Wandquer- mit der Eigenlast des betrachteten Wandquer-
schnitte neben großen Aussparungen bei hoch schnitts ergibt sich die Gesamtlast pro Stock-
beanspruchtem Mauerwerk usw. vorbehalten) werk (Decke und stockwerkhohe Wand) und die
kann deshalb von der folgenden einfachen Mo- entsprechende gleichmäßige Laufmeterlast des
dellvorstellung ausgegangen werden: Wandquerschnitts.
Die Lasten gehen von den Decken auf die
Wandabschnitte und sind längs diesen als Lauf- 3.2.5
meterlast gleichmäßig verteilt. Die Laufmeter- Tragwerke von Skelettbauten
last auf Fenster- und Türstürzen geht in Form
von Auflagerkräften in die angrenzenden Wand- In diesem Abschnitt werden die wichtigsten
querschnitte, wo sie sich durch Lastausbreitung Grundkenntnisse über Tragwerke von Skelett-
ebenfalls gleichmäßig verteilen. Das Vorgehen bauten dargestellt im Hinblick auf die Gestal-
bei der Ermittlung der Laufmeterlast (Normal- tung für die maßgebenden Einwirkungen und
kraft) von Mauerwerkswänden ergibt sich hier- die Wechselwirkungen mit den Bauteilen von
mit wie folgt (Definitionen gemäß Abb. 3.2-29): Gebäudehülle und Ausbau (Materialien, Geome-
Pro Deckenfeld werden die Lasteinzugsflächen trie, Verformungsverhalten, bauphysikalische Ei-
festgelegt. In Ecken wird i.allg. die Winkelhal- genschaften usw.). Eine ausführlichere Darstel-
bierende (45°-Regel) als Grenze benachbarter lung findet sich in [Bachmann 1997].
Lasteinzugsflächen angenommen; wo einge- Die Beherrschung der Festigkeitslehre sowie
spannte und frei drehbare Deckenränder zu- der Berechnung, Bemessung und konstruktiven
sammenstoßen, kann auch die 60°/30°-Regel an- Durchbildung der Grundelemente des Stahlbe-
gewendet werden. tonbaus und des Stahlbaus wird vorausgesetzt.
Pro Wandabschnitt wird dann die Gesamtlast Es werden nur Tragwerke von mehrgeschossi-
aus der Decke und die gleichmäßige Laufmeter- gen Skelettbauten, vorwiegend Büro- und Ge-
last auf den Wandabschnitt ermittelt; Tür- und werbebauten, behandelt, also keine eigentlichen
Fensteröffnungen werden noch vernachlässigt. Industriebauten und keine Hallenbauten. Dabei
Pro Wandquerschnitt (i.allg. zwischen zwei Öff- stehen (quasi-)statische, monotone Einwirkun-

Wandabschnitt (schließt Tür-


und Fensteröffnungen ein)
Wandquerschnitt
lasteinzugsflächen der ....---.-..
entsprechenden Wandabschnitte

- mit Winkelhalbierender
--- mit60°/30°-Regel

Abb. 3.2·29 Bezeichnungen für die Ennittlung der laufmeterlast von tragenden Wänden

3-88 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


gen im Vordergrund. Für die Gestaltung von Ske- realisiert. Skelettbauten mit ausgeprägten Rah-
lett bauten, die wesentlichen dynamisch-zykli- men können als "Rahmensysteme" bezeichnet
schen Einwirkungen standhalten müssen, wird werden. Gelegentlich wird zur Abtragung der
auf [Bachmann 1995; Paulay 1990] verwiesen. horizontalen Kräfte eine Kombination von Trag-
wänden und biegesteifen Rahmen gewählt
3.2.5.1 (Tragwand-Rahmen -Systeme).
Merkmale von Skelettbauten Die nichttragenden Bauteile (Außenwände,
Innenwände) sind mit dem Tragskelett fest oder
Skelettbauten sind vielgeschossige Bauwerke, nachgiebig (flexible Fugen) verbundene Bautei-
bei denen die tragende Funktion und die raum- le, die bezüglich Materialwahl und Ausbildung
abschließende Funktion von verschiedenen Tei- auf die gegebenen Anforderungen abgestimmt
len- Tragwerk und nichttragende Bauteile, v.a. sind.
nichttragende Wände - übernommen werden. Der Vorteil von Skelettbauten ist ihre hohe Fle-
Das Tragwerk ist im wesentlichen ein Tragske- xibilität, da die konsequente Trennung von Trag-
lett, d. h. ein Gerippe, das die Schwerelasten (ver- skelett und raumabschließenden Wänden eine
tikale Einwirkungen infolge der Fallbeschleuni- problemlose Umgestaltung der Raumeinteilung
gung: Eigenlasten, Auflasten, Nutzlasten etc.) so- während der gesamten Nutzungsdauer erlaubt.
wie die horizontalen Kräfte (Wind, Erdbeben Sie sind daher eine v.a. bei Büro- und Gewerbe-
etc.) in den Baugrund abtragen muß. Die Kon- bauten oft angewandte Bauweise.
struktionselemente des Tragskeletts sind i. allg. Schlanke Tragelemente mit hoher Festigkeit
in Stahlbeton und/oder Stahl ausgebildet. und nichttragende Wände mit geringer Eigen-
Zur Abtragung der horizontalen Kräfte ent- masse ermöglichen die Realisierung von Bauten
hält das Tragskelett oft scheibenartige Wände mit zahlreichen Geschossen (Hochhausbauten)
aus Stahlbeton, die sog. "Tragwände" (Abb. 3.2- und großem Nutzraum im Verhältnis zum Brut-
30a). Sie können einzeln angeordnet oder zu toraum. Die vorhandene, oft teure Gebäude-
Kernen (Liftschachtkerne, Treppenhauskerne) grundrißfläche kann so optimal genutzt werden.
zusammengefügt werden. Skelettbauten mit Da die Baukosten überproportional zur Gebäu-
Tragwänden werden als "Tragwandsysteme" be- dehöhe anwachsen, ist die wirtschaftlichste
zeichnet. Höhe theoretisch abhängig vom Bodenpreis.
Horizontale Kräfte können auch über biege- Meist sind allerdings städtebauliche und gesetz-
steife Rahmen abgetragen werden. Die Erzielung liche Aspekte vorrangig (z. B. Höhenbeschrän-
einer Rahmenwirkung erfordert eine biegestei- kung, Ausnützungsziffer ).
fe Ausbildung der Knotenpunkte von Trägern Ein rascher Baufortschritt und kurze Bauzei-
und Stützen des Tragskeletts und v.a. kräftige ten (niedrige Bauzinsen) werden durch einheit-
Stützen, die Biegemomente und Querkräfte ab- liches Raster der Tragstruktur mit oftmaliger
tragen können (Abb. 3.2-30b). Rahmen werden Wiederverwendung gleicher Schalungen und
vorwiegend bei Bauten mit wenigen Geschossen den Einsatz von vorfabrizierten Konstruktions-

,fu, ---- ----


A- A:
Kern aus llllllllllllllllllllllllllllllllllll

Grundriß
-- t- biegesteife
Knoten

kräftige
xhwerelaststützen / Stützen

.
a durch Tragwände ausgesteiftes Skelett b Skelett als Rahmen

Abb. 3.2-30 Tragwand-und Rahmensysteme

Hochbaukonstruktionen 3-89
elementen in Beton (z.B .. Stützen) und in Stahl kalen Tragelemente übereinander angeordnet
ermöglicht. Die zeitlich unabhängige Erstellung werden. Große Stützweiten sowie große Auskra-
von Tragskelett sowie von Gebäudehülle und gungen sollten kritisch auf ihre Berechtigung ge-
Ausbau .erlaubt zudem ein Bauen auf mehreren prüft werden. Lastumwege und Roste zur Ab-
Geschossen gleichzeitig. fangung größerer Lasten sind nur dann gerecht-
Aus der bei Skelettbauten oft angestrebten fertigt, wenn dadurch andere eindeutige Vortei-
leichten Ausbildung nichttragender Wände kann le zu gewinnen sind.
jedoch im Vergleich zu Bauten mit tragenden Klar zu unterscheiden ist zwischen Elementen
Außen- und Innenwänden eine Beschränkung zur Abtragung horizontaler Kräfte und anderen
der bauphysikalischen Möglichkeiten resultie- Elementen entsprechend der Steifigkeit, d. h., die
ren. Beispielsweise muß oft eine stark reduzier- horizontalen Kräfte sind eindeutig zuzuweisen.
te Wärmespeicherung der Außenwände oder ei- Bei Vorhandensein von kragarmförmigen Stahl-
ne relativ geringe Schalldämmung der Innen- betontragwänden kann die Wirkung der viel
wände in Kauf genommen werden. weicheren Stützen meistens vernachlässigt wer-
den. Stützen werden daher oft als sog. Schwere-
3.2.5.2 laststützen ausgebildet, d.h. Stützen, die nur für
Entwurfsgrundsätze Schwerelasten dimensioniert werden, aber den
Verformungen des Gesamtsystems folgen kön-
Entwurfsgrundsätze können durch den Ingeni- nen, ohne ihren Tragwiderstand einzubüßen; sie
eur nur dann wirksam eingebracht werden, wirken im Gesamtsystem wie Pendelstützen (s.
wenn eine frühzeitige Zusammenarbeit zwi- Abb. 3.2-30a). Elemente zur Abtragung horizon-
schen Ingenieur und Architekt sowie zwischen taler Kräfte (v.a. Tragwände) sind im Grundriß
Ingenieur und Planern der Haustechnik möglich möglichst symmetrisch anzuordnen, um Torsi-
ist. Der Entwurf ist denn auch ein zeitaufwendi- onsbeanspruchungen im Grundriß zu vermei-
ger iterativer Prozeß aller beteiligten Planer. den. Es empfiehlt sich, L- und T-förmige Grund-
Der Bauingenieur muß einige wichtige Ent- risse mittels Fugen in rechteckige Grundrisse
wurfsgrundsätze befolgen. Große Bedeutung ha- aufzuteilen.
ben vor allem folgende Punkte: Statisch unbestimmte Systeme sollten statisch
- konzeptioneller Entwurf des Gebäudes und bestimmten Systemen vorgezogen werden, da in
des Tragwerks im Grund- und Aufriß, ihnen das Versagen einzelner Tragelemente nicht
- geometrische Gestaltung der tragenden Kon- zwangsläufig zum Einsturz führt, und weil bei
struktion über alle Geschosse bis zur Grün- vergleichbarem Materialaufwand größere Trag-
dung, reserven und eine größere Steifigkeit resultieren.
- Anordnung von Dilatationsfugen (Gebäude- Nachteilig ist allerdings der höhere Arbeitsauf-
trennfugen, vgl. 3.2.5.8), wand für biegesteife Anschlüsse im Stahlbau und
- Gestaltung von Gebäudehülle und Ausbau, im Betonelementbau.
- Erreichen bauphysikalischer Qualitäten, Der geforderte Feuerwiderstand ist oft schon
- haustechnische Optimierung, in der Entwurfsphase entscheidend für die Ma-
- Wirtschaftlichkeit (Erstellungskosten, Unter- terialwahl und die minimalen Querschnitts-
haltskosten). größen. Feuerpolizeiliche Anforderungen soll-
ten daher schon frühzeitig mit berücksichtigt
Fehler und Mängel beim konzeptionellen Ent- werden. Die Brandabschnitte und der Standort
wurf und bei der geometrischen Gestaltung des von Stahlbetontragwänden sind evtl. zu koordi-
Tragwerks können später durch eine auch noch nieren.
so ausgeklügelte ingenieurmäßige Berechnung
und Bemessung nicht kompensiert werden. Sol- Konstruktive Grundsätze
che Fehler und Mängel führen zu einer unnöti-
gen Verteuerung und letztlich trotzdem nur zu Tragwerk und haustechnische Installationen
Flickwerk. sind zu trennen, um den Rohbau von Koordina-
tionszwängen zu befreien (vgl. 3.2.3.8). Hier läßt
Statische Grundsätze sich durch eine geschickte Gestaltung des Trag-
werks Freizügigkeit bei der Planung der Instal-
Schwerelasten sollten auf dem kürzesten Weg in lationen schaffen, wenn separate Installations-
die Gründung geleitet werden, indem die verti- schächte und -ebenen vorgesehen sind. Die In-

3-90 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


stallationsdurchführungen im Bereich von Stüt- und Verarbeitung oft vor der Materialoptimie-
zenköpfen sind frühzeitig einzuplanen oder rung. Sinnvoll ist z. B. die Verwendung von Walz-
"wegzuplanen". Anforderungen des Trittschall- profilen "ab Stange" im Stahlbau bzw. von vor-
schutzes sollten frühzeitig mitberücksichtigt fabrizierten Stützen (Schwerelaststützen) in
werden, da diese oft für die Wahl des Deckensy- Stahlbeton oder Stahl und der Einsatz normier-
stems bestimmend sind und von dessen Abmes- ter Systeme zur Verstärkung von Flachdecken
sungen abhängen. gegen Durchstanzen. Die Transportmöglichkei-
Wichtige Konstruktionsdetails sollten bereits ten zur Baustelle und die Hebezeugkapazitäten
in einer frühen Planungsphase bis zur Ausfüh- auf der Baustelle sind dabei voll auszunutzen.
rungsreife durchgearbeitet werden. Dies ermög-
licht es, konstruktive Problempunkte frühzeitig 3.2.5.3
aufzuspüren und nach Möglichkeit zu eliminie- Einwirkungen
ren oder eingehend auf ihre Machbarkeit zu prü-
fen. Je früher dies geschieht, desto größer sind Die sichere und wirtschaftliche Bemessung von
die Freiheitsgrade aller Planer und desto größer Skelettbauten setzt gute Kenntnisse der auftre-
ist die Chance für Alternativlösungen. Es sollte tenden Einwirkungen voraus. Die in Normen an-
bedacht werden, daß Problempunkte in der Pla- gegebenen Last-, Kraft- und Verformungswerte
nung meist auch Problempunkte in der Aus- sind nur stellvertretende Modellgrößen für eine
führung sind. Sie sind immer Risikopotentiale; außerordentliche Vielfalt von Einwirkungen. Die
Kompromißlösungen dürfen die Tragsicherheit Angaben von Normen müssen oft modifiziert
nicht beeinträchtigen. und ergänzt werden.
Die Konstruktion ist auf die angestrebte Nut- Merke: Infolge des meist hohen Anteils von
zungsdauer des Bauwerks abzustimmen. Dies gut abschätzbaren Eigenlasten und ständigen
bedeutet v.a. eine angepaßte Materialwahl bzw. Auflasten an den vertikalen Gesamtlasten wirkt
angemessene Korrosionsschutzmaßnahmen. sich eine Fehleinschätzung der vertikalen Nutz-
Teilelemente mit geringerer Lebensdauer als die- lasten amTragwerk wesentlich weniger ungün-
jenige der Hauptkonstruktion (z.B. Fahrbahnü- stig aus als eine Fehleinschätzung der horizon-
bergänge in Parkhäusern) sind auswechselbar, talen Einwirkungen.
solche mit nicht gut abschätzbarer Lebensdauer
(z. B. Fassadenanker) kontrollierbar zu gestalten. Charakterisierung der Einwirkungen
Die Umweltbedingungen müssen sorgfältig ab-
geklärt werden (z. B. Tausalz im Garagenbereich Bei der folgenden Charakterisierung der Ein-
oder starke, die Fassade angreifende Luftver- wirkungen wird entsprechend der Norm SIA 160
schmutzung). nach Tabelle 3.2-4 unterschieden. (vgl. auch DIN
1055.)
Wirtschaftliche Grundsätze

Wirtschaftliche Skelettbauten sind i.d.R. einfach Tabelle 3.2-4 Charakterisierung der Einwirkungen
und klar strukturiert. Komplexe Gebäudevorga-
ben des Architekten sollten in einfache und sta-
enthaltene Wirkungen
tisch klare Tragskelette zerlegt werden. Die Ge-
nialität liegt oft in der Einfachheit der Lösung. Eigenlast des Tagwerks
ständige • Außasten
Die Kosten einer Tragkonstruktion werden Einwirkungen • Einwirkungen aus dem
durch den konzeptionellen Entwurf und die geo- Baugrund
metrische Gestaltung praktisch festgelegt, auf- • Vorspannung
wendige Optimierungen von Stahl- oder Beton- veränderliche • Nutzlasten in Gebäuden
Einwirkungen • Schnee
verbrauch im Ausführungsprojekt können die • Temperatur
Wirtschaftlichkeit meist nicht mehr wesentlich · Wind
beeinflussen. Ein größerer Zeitaufwand für den außergewöhnliche • Erdbeben
konzeptionellen Entwurf lohnt sich daher im- Einwirkungen · Anprall
· Brand
mer. • Explosion
Bauverfahren und Gestaltung der Tragwerke
bedingen einander. Infolge des hohen Lohnko-
stenanteils kommen heute rationelle Herstellung

Hochbaukonstruktionen 3- 91
Eigenlasten des Tragwerks. Eigenlasten sind sind dabei mit dem Ruhedruckbeiwert zu ermit-
Schwerelasten aus der Eigenmasse des Tragwerks. teln. Erd- und Wasserdrücke sind praktisch im-
Sie lassen sich aus den planmäßigen Abmessun- mer Leiteinwirkung.
gen und den mittleren Einheitsmassen ziemlich Differentielle Setzungen sind als systemabhän-
genau berechnen. Zu Beginn der Tragwerksdi- giges Verformungsproblem zu behandeln; eine
mensionierung sind Eigenlasten als Schätzwert Minimierung der Setzungsdifferenzen läßt sich
anzunehmen. durchangepaßte Gründung erreichen, indem ein
Eigenlasten wirken dauernd und verursachen ähnliches Setzungsverhalten aller Einzelfunda-
Betonkriechen. Probleme 2. Ordnung bei Stahl- mente anstrebt wird (Bodenpressung an Funda-
betonkonstruktionen sind daher unter Einbezug mentgröße anpassen). Alternativ können steife
der Langzeitwirkung zu untersuchen. Wirken Ei- Fundamentplatten oder Trägerroste bzw. Pfäh-
genlasten günstig, wie im Fall der M/N-Interak- lungen eingesetzt werden. Zwangsbeanspruchun-
tion bei St~hlbetonstützen, sind sie als unterer gen infolge nicht vermeidbarer Setzungsdifferen-
Grenzwert einzuführen. zen sind durch weiche und evtl. bewußt duktil ge-
Eigenlasten sind nur ausnahmsweise Leitein- staltete Systeme möglichst klein zu halten (dün-
wirkung. Beispiele sind der Freivorbau von !<rag- ne Zwischenstäbe, Soll-Fließgelenke, evtl. statisch
armen, der Bauzustand eines Abfangträgers, der bestimmte Systeme). Die Größe der vom Bauwerk
für den Nutzlastanteil vorgespannt wird (etap- verkraftbaren Setzungsdifferenzen wird oft durch
penweises "Aufpumpen" des Trägers) oder die Anforderungen nichttragender, aber verfor-
etappenweise Herstellung von Decken (noch kei- mungsempfindlicher Bauteile (Zwischenwände
ne günstige Durchlaufwirkung im Bauzustand). und Fassadenbauteile) bestimmt.
Wasserdrücke können zu großen Beanspru-
Ständige Einwirkungen. Ständige Einwirkungen chungen der Bodenplatte führen; sie wirken nicht
verursachen wie Eigenlasten Betonkriechen, wie die Bodenpressungen konzentriert unter
und sie sind bei günstiger Wirkung als unterer den Stützen, sondern hydrostatisch, d.h. gleich-
Grenzwert einzuführen. mäßig verteilt unter der ganzen Platte. Werden
Auflasten entstehen aus mit dem Tragwerk fest Wasserdrücke durch an Pumpen angeschlosse-
verbundenen nichttragenden Teilen, u.a. Belä- ne Drainagesysteme eliminiert, so sind Flutmög-
gen und Unterlagsböden, nichttragenden Raum- lichkeiten einzuplanen.
abschlüssen (Außenwände und Fassaden, Innen- Vorspannung wird bei Skelettbauten insbe-
wände usw.), Bedachungen (Erdauflasten, Kies, sondere erzeugt mittels Spannsystemen (Spann-
Isolation), Doppelböden, Unterdecken und fest glieder) oder einer Vorkrümmung von Verbund-
montierten Einrichtungen (auch haustechnische trägern im Bauzustand. Umlenkkräfte von
Installationen). Dabei ist zu beachten, daß die Spanngliedern und Spreizkräfte können bei kon-
plangemäße Schütthöhe auf erdbelasteten Dä- zentrierter Krafteinleitung zu lokalen Schäden
chern lokal wesentlich überschritten werden oder gar zuni Versagen des Tragwerks führen.
kann. Der Schüttvorgang ist mit dem Unterneh- Folgende Punkte sind besonders zu beachten:
mer abzusprechen (keine Anhäufungen, Ge- Bei Decken oder Abfangträgern mit hohem
wicht der Verteilmaschinen), die Schütthöhe ist Nutzlastanteil kann eine starke Vorspannung zur
sowohl im Sicherheitsplan als auch im Nut- kritischen Situation werden. Konzentrierte
zungsplan festzulegen. Nichttragende Innen- Spanngliedführungen in Decken (sog. Stütz-
wände sind i.d.R. verschmiert, d.h. als Flächen- streifen) sind sorgfältig zu untersuchen (Kraft-
lasten in die Berechnung einzuführen, die Auf- einleitung über Stützen, Wirkung der Sekundär-
last nichttragender Fassaden ist vorsichtig anzu- momente). Ist das Bewegungszentrum der Dek-
setzen (weiche Deckenränder).Auflasten sind im ken nicht klar definiert (mehrere auseinander-
Gebäudeinnern nur ausnahmsweise Leiteinwir- liegende gleichgerichtete Tragwände, mehrere
kung (evtl. bei festen Einrichtungen). Für die Kerne usw.), führen die Ankerkräfte der Vor-
Dachkonstruktion sind Auflasten oft die maß- spannung zu hohen Zwangsbeanspruchungen in
gebende Leiteinwirkung (Erdauflasten, Kies). den Tragwänden und oft zu klaffenden Schub-
Einwirkungen aus dem Baugrund sind u.a. rissen (Vorspannung gegen starre Widerlager).
Erddrücke, Wasserdrücke und aufgezwungene Vorspannung kann Leiteinwirkung sein.
Verformungen infolge von differentiellen Set-
zungen. Horizontale Erddrücke auf den steifen Veränderliche Einwirkungen. Nutzlasten in Ge-
Kasten des Untergeschosses eines Skelettbaus bäuden werden i. d. R. als gleichmäßig verteilte

3-92 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Flächenlasten angenommen. Es sind dies u. a. Außerhalb der Gebäudehülle angeordnete Fas-
Personen, Mobiliar, Warenlasten, Behälter, Ma- sadenstützen sind wenn immer möglich zu ver-
schinen und Fahrzeuge. Für Wohn-, Büro- und meiden, um ungleiche vertikale Längsausdeh-
Gewerbeflächen sind statistisch ermittelte Nutz- nung zwischen Innenstützen und ungeschützten
lasten in Normen mittels Kennwerten verbind- Fassadenstützen auszuschließen. Zudem sind
lich festgehalten. Für Lager- und Fabrikations- die Gebäudehülle durchdringende Tragelemente
flächen sowie insbesondere auch für Archiv- Problempunkte (Wärmebrücken, s. 3.2.2.1 und
flächen sind Nutzlasten mit dem Bauherrn ab- 3.2.5.9). Außerhalb der Gebäudehülle liegende
zusprechen und im Nutzungsplan festzuhalten. Deckenteile wie Balkone oder ähnliches können
Im Fall von konzentrierten Menschenansamm- konstruktiv vom inneren Deckenteil getrennt
lungen oder lokalen Warenstapelungen sind werden und sind zu dilatieren (Fugenabstand ca.
Nutzlasten nach Einflußzonen anzuordnen. 6 bis 8 m) oder mit einer kräftigen Mindestbe-
Archivlasten (Akten, Bücher) sindmithöchster wehi:ung (parallel zur Fassade) zu versehen. Spe-
Sorgfalt zu behandeln, und deren Auswirkung, zielle Beachtung ist stark besonnten Gebäude-
insbesondere auf die Durchbiegung der Decken, seiten zu schenken.
ist genau zu untersuchen. Archivlasten wirken Temperatureinwirkungen haben bei Skelett-
ständig (Kriechen) und oft nur in einem einzel- bauten selten statische, aber praktisch immer
nen Deckenfeld. Sie sind v. a. in Bürogebäuden we- konstruktive Konsequenzen. Aus dieser Sicht ist
sentlich höher als die Nutzlasten in den Nach- Temperatur immer als Leiteinwirkung zu be-
barräumen. Die für den Großteil eines Geschos- handeln.
ses genügende Deckensteifigkeit (Deckenstärke) Wind kann auf zwei Arten auf das Bauwerk
ist für den Archivbereich oft zu klein. Eine lokale einwirken, global als Mittelwert auf die Gesamt-
Verstärkung der Bewehrung genügt meist nicht. struktur des Skelettbaus und lokal in extremer
Insbesondere bei Skelettbauten sind verschie- Größe als Druck und Sog auf die Fassadenkon-
denartige Nutzungen während der Lebensdauer struktion. Windkräfte sind neben Erdbeben-
des Gebäudes häufig.· Daher sind Nutzlasten kräften konzeptbestimmend für die Ausbildung
weitsichtig und großzügig anzunehmen. Der dy- des Tragwerks zur Abtragung horizontaler Kräf-
namischen Wirkung bewegter Massen ist spezi- te.
ell bei schlanken und leichten Tragkonstruktio- Bei Skelettbauten genügt es i.d.R., die Wind-
nen nachzugehen (Stahl, vorfabrizierte Beton- kraft als statische Ersatzkraft, basierend auf dem
elemente). Resonanzerscheinungen sind zu ver- Staudruck q, anzunehmen. Windstöße (Böen)
hindern (Frequenzabstimmung). Beispiele sind instationärer Winde sowie eventuelle periodi-
Maschinenräume (z.B. Klimazentrale), Tanzräu- sche Wirbelablösungen stationärer Winde kön-
me bzw.Aerobicräume und Lagerräume mit fah- nen jedoch bei schlanken Skelettbauten (Hoch-
renden Gabelstaplern (Art und Drehfrequenz häuser) zu Schwingungsproblemen führen
der Räder). Nutzlasten in Gebäuden sind prak- (i.allg. Gebrauchstauglichkeitsprobleme). Der
tisch immer Leiteinwirkung. Kennwert des Staudrucks beträgt gemäß SIA 160
Schneelasten haben für das Gesamttragwerk je nach Gegend q,= 0,9 bis 1,4 kN/m2 • Es gilt die
von Skelettbauten meist eine untergeordnete Be- folgende Beziehung zwischen Windgeschwin-
deutung. Einzig lokal, d. h. für die Bemessung des digkeit und Staudruck:
·Dachtragwerkes, ist eine genauere Erfassung der
(3.2.4)
Schneelast, insbesondere ab ca.1 000 m ü. NN, er-
forderlich. Schneelasten sind nur für Dachkon- Dabei ist '? die Dichte der Luft (1,25 kg/m 3 =
struktionen Leiteinwirkung. 1,25 Ns2/m4 ) und v die Windgeschwindigkeit
Temperaturänderungen unterworfen sind u.a. Damit entspricht der Kennwert des Stau-
tragende Konstruktionselemente außerhalb der drucks einer Windgeschwindigkeit v von 38 bis
Gebäudehülle und Skelettbauten, die ungeheizt 47 m/s = 137 bis 169 km/h. Form, Abmessung,
als Lager oder Garage genutzt werden. Im allge- Oberflächenbeschaffenheit und Anströmrich-
meinen sind Temperaturschwankungen von ca. tung sowie Umgebung der Gebäude sind Ein-
20K für Stahlbeton- und 30K für Stahlelemente flußparameter auf die Windkräfte. Sie werden in
anzunehmen. Temperatureinwirkungen auf in- Normen durch zahlreiche Druckbeiwerte erfaßt.
nerhalb einer geheizten Gebäudehülle liegende Es ist zu beachten, daß lokale Sogkräfte außer-
Tragelemente können meist vernachlässigt wer- ordentlich groß werden können, größer als loka-
den. · le Druckkräfte! Insbesondere Fassadenelemen-

Hochbaukonstruktionen 3-93
te in Gebäudeecken sind gegen Sog gut zu ver- (Lastannahmen und Bemessung in deutschen
ankern. Windkräfte sind immer Leiteinwirkung. Erdbebengebieten sind in DIN 4149 geregelt.)
Von größter Bedeutung für ein kontrolliertes
Außergewöhnliche Einwirkungen. Außergewöhn- Erdbebenverhalten sind die Regelmäßigkeit des
liche Einwirkungen treten während der geplanten Tragwerks und eine symmetrische Anordnung
Nutzungsdauer nur mit relativ geringer Wahr- der Tragelemente zur Abtragung der horizonta-
scheinlichkeit, jedoch mit extremer Größe und len Erdbebenkräfte (meist Stahlbetontragwän-
während kurzer Zeit auf. Sie sind immer als Leit- de) im Grundriß und Aufriß. Die maßgeblichen
einwirkung zu behandeln. Alle Maßnahmen, die Entscheidungen bezüglich Erdbebenverhalten
aufgrund außergewöhnlicher Einwirkungen zu werden daher beim konzeptionellen Entwurf des
treffen sind, haben i.allg. nur die Erhaltung der Gebäudes und des Tragwerks getroffen. Bezüg-
Tragsicherheit zum Ziel (kein Einsturz!). Beein- lich Erdbebensicherung gilt in ganz besonderem
trächtigungen der Gebrauchstauglichkeit und so- Maße, daß Fehler beim konzeptionellen Entwurf
mit der Nutzungsmöglichkeiten nach einem Er- und bei der geometrischen Gestaltung der tra-
eignis werden je nach Bedeutung des Bauwerks in genden Konstruktion später durch eine auch
mehr oder minderem Maße in Kauf genommen. noch so ausgeklügelte ingenieurmäßige Berech-
Erdbeben ist eine dynamische Einwirkung. nung und Bemessung nicht kompensiert werden
Durch rasche, beliebig gerichtete Hin- und Her- können (vgl. 3.2.5.2).
bewegungen des Bodens entstehen Trägheits- Die Berechnung der Schnittkräfte in Skelett-
kräfte, die im Tragwerk zu relativen Verschie- bauten für Erdbebeneinwirkung kann meist mit
bungen und zu entsprechenden Schnittkräften Hilfe des Ersatzkraftverfahrens erfolgen. Dies
und Beanspruchungen führen. Beim Tragwider- bedeutet, daß die in Wirklichkeit dynamische
stand für vertikale Einwirkungen sind wegen des Einwirkung durch statische Ersatzkräfte darge-
hohen Anteils an ständigen Lasten meist erheb- stellt wird. Auf die Größe der anzusetzenden Er-
liche Reserven vorhanden. Der Tragwiderstand satzkraft hat die zur Verfügung stehende Dukti-
für horizontale Kräfte hingegen ist oft gering. lität (Verformungsvermögen) des Tragwerks ei-
Wesentlich sind daher v.a. horizontale Boden- nen großen Einfluß. Als Kenngröße hierfür dient
bewegungen und somit horizontale Trägheits- die globale Verschiebeduktilität (Verhältnis der
kräfte. Für das Bemessungsbeben (in SIA 160 globalen Gesamtverschiebung zur Verschiebung
mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit von ca. beim Fließbeginn). Abhängig davon kann ein
1 :400p.a.) wird i.d.R. eine Plastifizierung der Tragwerk für ein und dasselbe Bemessungsbe-
Haupttragelemente (Bildung von plastischen ben sehr unterschiedlich gestaltet werden (Abb.
Bereichen), jedoch kein Einsturz, zugelassen. 3.2-31 ).

Tragwiderstand für
horizontale Kräfte ..sz.. .elastischer"= sehr hoher Tragwiderstand:
Bemessungsbeben erfordert keine plastischen Verformungen

~-------___;::::..~..sz.. niedriger Tragwiderstand:


Bemessungsbeben erfordert
große plastische Vertonnungen

globale Verschiebung ll

Abb. 3.2-31 Tragwiderstand und Duktilität

3-94 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


In der Norm SIA 160 wird nur von der natür- stärkung standzuhalten. Bei Fassadenstützen im
lichen oder nominellen Duktilität der Tragwerke Straßenbereich sind i.d.R. Schutzvorkehrungen
mit relativ kleinen Duktilitätsfaktoren (K-Wer- zu treffen (Brüstungsmauer, Leitschranken
te von Bauwerksklasse I) bis zu 2,5 Gebrauch ge- usw.). Gabelstapler mit harter Fahrzeughülle und
macht (verlangt nur wenige Maßnahmen zur hohem Gewicht können erhebliche Anprallkräf-
Verbesserung der Duktilität). Dementsprechend te verursachen. Diese sind von Fall zu Fall fest-
sind die anzusetzenden Erdbebenkräfte relativ zulegen mit ca. 200 bis 400kN (in Deutschland
hoch. anzusetzende Stoßlasten sind DIN 1055 Teil3 zu
Die Stärke der Erdbebeneinwirkung hängt entnehmen).
von den Eigenschaften des Bauwerks ab (Eigen- Brand verursacht mit steigender Temperatur
frequenzen, v.a. Grundfrequenz; Abb. 3.2-32). und zunehmender Branddauer eine stetige Ab-
Die relative Größe der Verformbarkeit des Trag- nahme des Tragwiderstands. Zur Bestimmung
werks und der nichttragenden Elemente (v.a. des Feuerwiderstands werden nicht Beanspru-
Zwischenwände, Fassaden) ist entscheidend für chungen gerechnet, sondern es wird die Brand-
die Stärke des Bebens beim Auftreten erster dauer bestimmt, während der ein Tragwerk oh-
Schäden. Am ungünstigsten ist die Kombination ne Einsturz widerstehen kann.
eines flexiblen Tragwerks (Rahmen) mit steifen Brand ist insbesondere bei hohen Skelettbau-
und spröden nichttragenden Elementen (z.B. ten eine sehr ernst zu nehmende Einwirkung
Mauerwerkswände ). und oft das Entscheidungskriterium für die Ma-
Anprall in Skelettbauten ist u.a. in Parkgara- terialwahl, sowohl der tragenden Konstruktion
gen durch Fahrzeuge und in Lagerräumen durch (möglichst hoher Feuerwiderstand) als auch der
Gabelstapler sowie an Fassaden im Erdgeschoß nichttragenden Raumabschlüsse (möglichst
durch Straßenfahrzeuge möglich. Haupttragele- kleine Brandlast). Im allgemeinen sind bauliche
mente von Skelettbauten wie Stützen sind gegen Maßnahmen (Brandabschnitte usw.) mit be-
Anprallkräfte zu dimensionieren oder mit ge- trieblichen und löschtechnischen Maßnahmen
eigneten Vorrichtungen wirksam zu schützen. zu koordinieren. Normen und feuerpolizeiliche
Die Zerstörung von Sekundärtragelementen wie Vorschriften der zuständigen Ämter regeln Ein-
Brüstungen kann meist als akzeptiertes Risiko zelheiten.
hingenommen werden. Es ist zu beachten, daß Stahl eine gute Wär-
Stützen in Parkgaragen von Personenwagen meleitfähigkeit aufweist. Zur Verlangsamung des
vermögen oft aufgrund baulich bedingter Ab- Festigkeitsabfalls infolge Temperaturerhöhung
messungen den zu erwartenden Anprallkräften sind Stahlkonstruktionen in Skelettbauten auf-
(50 kN gemäß Norm SIA 160) ohne spezielle Ver- grundder feuerpolizeilichen Vorschriften prak-

gt/g gt/g
0,12 0,6

0,10 0,5

0,08 0.4
I
0,06 0,3

0,04 0,2

0,02 0,1

0,0 0,0
0,2 0,5 0,5 2 3 10 20 33 Hz 100

Abb. 3.2·32 Elastische Bemessungs-Antwortspektren der Beschleunigung für Erdbebeneinwirkung gemäß SIA 160

Hochbaukonstruktionen 3-95
tischimmer mit feuerbeständigen, dämmenden Der Entwurfsgrundsatz "Schwerelasten auf
Materialien zu verkleiden (Ausnahme: oberstes dem kürzesten Weg in die Gründung leiten"
Geschoß), Stahlbetonbauteile weisen dagegen ab steht oft in Konflikt mit den Nutzungsanforde-
einer minimalen Querschnittsgröße eine gute rungen des Bauherrn. Ein Beispiel hierfür ist ein
Feuerbeständigkeit auf. Minimale Betonüber- Gebäude mit Parkgeschoß (UG), Ladengeschoß
deckungen der Bewehrungen und minimale (EG) und Büros (OG). Entsprechend der Nut-
Bauteilabmessungen sind in der Norm SIA 162 zung des UG ergibt sich ein für PkW-Park-
festgelegt (vgl. DIN 4102). flächen sinnvolles Stützenraster von z.B.
Explosionen können im Innern des Bauwerks 7,25 m x 8,40 m. Im EG sind für Einkaufsflächen
auftreten oder von außen auf das Bauwerk ein- und Eingangshallen möglichst große Stützenra-
wirken. Keine Maßnahmen sind erforderlich, ster wünschenswert, d.h. in beiden Richtungen
wenn die Nutzung des Skelettbaus keine beson- mindestens 10m. Für die Büroräume im OG be-
dere Explosionsgefahr mit sich bringt. Ist dage- trägt ein wirtschaftliches Stützenraster für das
gen aufgrundder Nutzung eine besondere Ex- Tragwerk dagegen ca. 5,5 m x 5,5 m bis 7 m x 7 m.
plosionsgefahr gegeben, sind u.a. folgende kon- Ingenieur, Bauherr und Architekt haben sich
zeptionelle Maßnahmen zu treffen: im Gespräch auf geeignete Stützenraster und
Das Tragsystem ist so zu konzipieren, daß ei- Stützenstellungen zu einigen. Die Vielzahl mög-
ne lokale Zerstörung nicht zum progressiven Ein- licher Lösungen läßt sich bezüglich des Trag-
sturz des ganzen Gebäudes führt, was durch sta- werks für vertikale Lasten auf zwei Grundtypen
tisch unbestimmte Systeme und die Aufteilung zurückführen: stehende Konstruktionen und
in mehrere in sich stabile Gebäudeteile erreicht abfangende Konstruktionen.
wird. Die Fassade sollte als Leichtbauaußenwand
ausgebildet werden; Druckentspannungsele- Stehende Konstruktion. Bei der stehenden Kon-
mente (z. B. schwache Fassadenteile) sind einzu- struktion ist das Stützenraster in allen Geschos-
planen. Weitere Maßnahmen im Rahmen eines sen gleich. Die Stützen der Obergeschosse gehen
integralen Sicherheitskonzeptes sind von Fall zu somit auch durch das Erdgeschoß hindurch
Fall mit dem Bauherrn abzusprechen. (Abb. 3.2-33). Das Stützenraster entspricht z.B.
dem geeigneten Raster des Parkgeschosses oder
3.2.5.4 dem wirtschaftlichen Raster der Bürogeschosse.
Abtragung von lasten und Kräften Stehende Konstruktionen sind einfache, klare,
statisch kompromißlose Systeme. Es sind i.d.R.
Abtragung vertikaler Lasten wirtschaftliche Lösungen, daher werden sie häu-
fig angewandt.
Die Abtragung vertikaler Lasten (Schwerelasten) Probleme ergeben sich bei kleinem Stützen-
erfolgt über Biege- und Schubbeanspruchung in raster, da der Bauherr evtl. in einzelnen Geschos-
Decken, Unterzügen, Trägern, Rahmenriegeln sen (v.a. Erdgeschoß) Nutzungseinschränkun-
und Rahmenstützen und Druckbeanspruchung gen hinzunehmen hat. Sind dagegen bei mittle-
in Schwerelaststützen, Rahmenstützen und Trag- rem bis großem Stützenraster zahlreiche Büro-
wänden. In Knotenpunkten entstehen mehr- geschosse vorhanden und wird trotzdem ein grö-
axiale Zug- und Druckbeanspruchungen. ßeres Stützenraster gewählt, so ist dessen Wirt-

I I I I I I I I I I I I II
1111 111 11 111 11 11 ~ il_
11 1 111 111 111 11 11 / ~ }ol/ll

Abb. 3.2-33 Stehende Konstruktion (mit Randunterzügen)

3-96 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


I I I II I I I I I I I I I

1f
d=22cm
/StUtze
zurück versetzt
11 1 1 111 1111 1111 111

{
I 11 1 1 11 1 1111 1111 111
vorgehängte --1

i'~~HL
Fassade I
I

m=W///EW////~W////A 0
Abb. 3.2-34 Brüstungsträger (Überzug)
Abb. 3.2-35 Abfangende Konstruktion
schaftlichkeit zu überprüfen (große Deckenstär-
ken, hohe Eigenlasten, hohe Gründungskosten
usw.). Größere Stützenraster führen zu Durch-
biegungsproblemen bei freien Deckenrändern
(Fassaden). Als Maßnahmen sind Randunterzü-
ge oder Brüstungsträger (Überzug) zu empfeh-
len (Abb. 3.2-33 und 3.2-34)

Abfangende Konstruktion. Enge Platzverhält-


Abfang-
nisse in städtischen Gebieten zwingen zu opti- konstruktion
maler Nutzung der Gebäudefläche. Ein Wechsel
des Stützenrasters insbesondere vom EG zum
1. OG (und evtl. vom UG zum EG) kann unum-
gänglich sein (Abb. 3.2-35). Mögliche Abfang-
konstruktionen sind bei kleinen Abfanglasten
und kleinem Stützenraster massive Flach- oder Abb. 3.2-36 Geschoßhohe Abfangträger
Pilzdecken, bei mittleren Abfanglasten und re-
gelmäßigem Stützenraster sowohl der lastbrin-
genden als auch der lastabnehmenden Stützen Flach- und Pilzdecken sind durchbiegungs-
dagegen Abfangträger, Unterzugsdecken oder empfindlich und daher grundsätzlich für Abfan-
Trägerrostdecken. Geschoßhohe Abfangträger gungen wenig geeignet. Bei komplexen Bauten
werden bei hohen Abfanglasten oder großen mit unregelmäßigen Stützenstellungen sind sie
Spannweiten eingesetzt (Abb. 3.2-36). aber oft die einzig mögliche Lösung. Dabei soll-
Die Dimensionierung von Abfangkonstruk- te mit der Plattendicke nie gespart werden (dafür
tionen ist eine zentrale Ingenieuraufgabe bei sind andere Einsparungen möglich, z.B. dank
Skelettbauten. Dabei sind insbesondere die zu einfacher Schalung). Das Durchstanzen sowohl
erwartenden Durchbiegungen und deren Folgen bei lastbringender als auch bei lastabnehmender
zu betrachten, was oft zur Anwendung einer Vor- Stütze ist eingehend zu untersuchen, und in
spannung führt. Auch hier verspricht die Wahl Nachbarfeldern sind negative Momentenbean-
eines einfachen und klaren Systems am ehesten spruchungen zu beachten (d.h. obere Beweh-
Erfolg. rung vorsichtig abstufen).
Probleme ergeben sich bei Abfangkonstruk- Bei der Bemessung der Gründung ist zu be-
tionen aus den Durchbiegungen, da die Biege- achten, daß durch Abfangkonstruktionen die La-
verformungen der Abfangkonstruktionen Ein- sten auf wenige Stützen konzentriert werden.
senkungen der darüberliegenden Stützen verur- Die entsprechenden großen Einzellasten müs-
sachen.Abfangkonstruktionen sind daher mög- sen durch eine aufwendige Gründung wieder auf
lichst steif auszubilden und beispielsweise zur die erforderliche Bodenfläche verteilt werden.
Kompensation der Eigenlasten des Überbaus Große Konstruktionshöhen bei Unterzugs- und
durch Umlenkkräfte der Spannglieder vorzu- Trägerrostdecken schränken die freie Installati-
spannen (Träger bzw. Platte in Etappen mit wach- onsführung ein. Aussparungen in den Stegen
sendem Überbau "aufpumpen"). müssen von Anfang an eingeplant werden.

Hochbaukonstruktionen 3-97
Abtragung horizontaler Kräfte Rahmenriegel: (EI)eff= (0,35 ... 0,5) · (Elheton
Rahmenstützen: (EI)eff= (0,5 ... 0,7) · (EI)Beton
Die Abtragung horizontaler Kräfte erfolgt über (kleine Normalkraft)
Druck- und Zugbeanspruchung in den Decken- (EI)eff= (0,8 ... 1,0) · (EI)Beton
scheiben sowie Biege- und Schubbeanspruchung (große Normalkraft)
in Tragwänden oder in Rahmenstützen und Schwerelast-
Rahmenriegeln. Entsprechend dem Tragsystem stützen: (EI)eff= (0,8 ... 1,0) · (EI)Beton
für horizontale Kräfte wird unterschieden zwi-
schen Tragwandsystemen (häufigste Lösung), Bei Stahlbetontragwänden werden die Biegestei-
Rahmensystemen (Gebäude mit wenigen Ge- figkeit um die schwache Achse sowie die Drill-
schossen) und gemischten Tragwand-Rahmen- steifigkeit normalerweise vernachlässigt. Die
Sy~temen. Reduktion der Biegesteifigkeit um die starke
Horizontale Kräfte aus äußeren Einwirkungen Achse infolge Rissebildung kann mit
entstehen durch Wind, Erdbeben, Erddruck, (EI)eff = ( 0,3 ... 0,6) · (EI) Beton berücksichtigt wer-
Wasserdruck, Anprall oder Schiefstellung von den.
Stützen (Problem 2. Ordnung). Horizontale Kräf- Bei den angegebenen Steifigkeiten für Stahl-
te aus inneren Zwängen sind hauptsächlich die betonrahmen und für Stahlbetontragwände gel-
Folge von Temperaturänderungen, Schwinden ten die größeren Werte für Einwirkung von
von Betondecken, elastischen Verformungen Schwerelasten allein und für kombinierte Ein-
und Kriechverformungen bei Vorspannung und wirkung von Windkräften und Schwerelasten;
von Steifigkeitssprüngen einzelner Tragwände di.'e kleineren Werte gelten für kombinierte Ein-
(siehe Abschnitt 3.2.5.5). wirkung von Erdbebenkräften und Schwerela-
Die Abtragung horizontaler Kräfte aus äuße- sten.
ren Einwirkungen wird in 3.2.5.5 bis 3.2.5.7 be-
handelt.Auf die Problematikhorizontaler Zwän- Steifigkeit von Verbindungen. Rahmenknoten
ge wird in 3.2.5.5 kurz eingegangen. werden normalerweise als unnachgiebig ange-
nommen (Winkel zwischen den angeschlosse-
Modellbildung nen Stäben bleibt erhalten). Diese Annahme
trifft für Erdbebenbeanspruchung oft nicht zu
Zur Berechnung der Schnittkräfte infolge Ab- (Schlupf der Biegebewehrungen der Riegel im
tragung vertikaler Lasten und horizontaler Kräf- Knoten infolge ungenügender Verankerung für
te wird das reale Tragwerk durch ein entspre- zyklische Beanspruchung).
chendes Modell idealisiert. Von besonderem In- Schwerelaststützen können im statischen Mo-
teresse sind dabei die Annahmen bezüglich der dell des Gesamtsystems mit einer gelenkigen
Steifigkeit der Tragelemente und Verbindungen Verbindung zu den Decken angenommen wer-
sowie der Gebäudemassen. den, d.h., sie wirken als Pendelstützen. Da jedoch
die Enden der Schwerelaststützen bei Skelett-
Steifigkeit der Tragelemente. Im Zusammen- bauten (im Gegensatz etwa zu Brückenstützen)
hang mit der Verteilung horizontaler Kräfte bzw. i.allg. nicht mit speziellen Drehlagern versehen,
der Stockwerkquerkräfte auf verschiedene Trag- sondern eingespannt sind, wird in Wirklichkeit
wände oder Rahmen (vgl. 3.2.5.5) werden die Ge- den weichen Stützen die Deckenrotation aufge-
schoßdecken meist in ihrer Ebene als starr (un- zwungen (Abb. 3.2-37). Bei Fassadenstützen be-
endlich steif) und senkrecht dazu als sehr bie- wirkt die Stützenkopfverdrehung eine horizon-
geweich angenommen. Die Decken verschieben tale Stützenauslenkung 1. Ordnung von ca. der
und verdrehen sich horizontal (im Grundriß) als Hälfte bis einem Drittel der maximalen Decken-
starre Körper. Die Abstände zwischen den ein- durchbiegungdes Randfeldes. Mit der Annahme
zelnen Tragwänden und Stützen bleiben gleich Wnecke::::: l/300 ergibt sich Wstütze::::: l/600 ... l/900
(Diaphragmawirkung). Die Biegesteifigkeit der (l : Stützweite des Randfeldes). Der Größtwert
Decken wird i.allg. vernachlässigt. der Anfangsexzentrizität gemäß Norm ist für
Stahlbetonrahmen bzw. deren Elemente wei- den Nachweis der Fassadenstützen also um l/600
sen eine Biegesteifigkeit auf, die von der Risse- bis l/900 zu erhöhen.
bildung und damit auch von der Normalkraft Die Modeliierung der Schwerelaststützen als
abhängt. Sie kann näherungsweise wie folgt an- Pendelstützen im Gesamtsystem führt sowohl zu
genommen werden: einem einfachen und sicheren Nachweis der

3-98 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


I t t t t t t t t t t t lg +q

wlle<ke

l==h 1:: 2h
WStOttt:: 1/2 WDe<ko Wstatn"' 113 wlle<ke
(1. 0rdnung) (1. Ordnung)

Abb. 3.2·37 Abs(hätzung von Stützenverformungen

Stützen einerseits als auch der Gesamtstabilität Kasten) eingespannte Kragträger. Sie verhalten
des Gebäudes andererseits. Der wirklichkeits- sich in ihrer Ebene wie Biegeträger. Deshalb ist
fernen Annahme der gelenkigen Stützenendla- die gelegentlich gebrauchte Bezeichnung
gerung ist Rechnung zu tragen durch eine Er- "Schubwände" irreführend und unzutreffend.
höhung der Anfangsexzentrizität bei möglicher Die statische Wirkungsweise ist in Abb. 3.2-38
Stützenkopf- oder auch Stützenfußverdrehung dargestellt. Stahlbetontragwände sind horizon-
(Fassadenstützen) und eine gute konstruktive tal meist ein paar Meter lang (z.B. 2 bis 6 m) und
VerbügeJung der Stützenenden bei Betonstützen typischerweise etwa 0,3 m dick (Mindestdicke
(Krafteinleitungsbereich). aus konstruktiven Gründen 0,22 m). Mehrere
Fundamente werden i. d. R. als drehstarr ange- einzelne Tragwände sind durch die Decken (star-
nommen (starre Einspannung der Stützen). Die- re Scheiben) miteinander verbunden und bilden
se Annahme sollte jedoch ggf. überprüft werden mit diesen und den Stützen zusammen ein
(Nachgiebigkeit des Baugrundes). räumliches Tragwerk.
Tragwandsysteme sind relativ steif. Die hori-
Gebäudemassen. Für Erdbebeneinwirkungwer- zontalenAuslenkungen und die (relativen) Stock-
den die Gebäudemassen auf Höhe der Geschoß- werkverschiebungenbleiben gering. Schäden an
decken konzentriert. Die Massen der vertikalen nichttragenden Bauteilen (Zwischenwände,Fas-
Elemente (Wände, Stützen, Fassaden) werden sadenbauteile) entstehen erst bei verhältnis-
anteilmäßig auf die darüber- und darunterlie- mäßig starken Erdbeben.
genden Geschoßdecken verteilt. Es wird eine Tragwände bestehen i. allg. aus Stahlbeton, an
Punktmasse pro Stockwerk bestimmt, die sog. deren Stelle können aber auch Stahlfachwerke
"Stockwerksmasse". angeordnet werden. Häufig zu finden ist die
Kombination von Stahlskelettbauten mit Stahl-
3.2.5.5 betontragwänden. Umgekehrt lassen sich z. B.
Tragwandsysteme vorfabrizierte Betonelementbauten auch mit
Stahlfachwerken aussteifen. Bei allen Mischfor-
In Tragwandsystemen werden horizontale Kräf- men ist den Anschlüssen zwischen Beton- und
te ausschließlich den steifen Tragwänden zuge- Stahlteilen, insbesondere der Krafteinleitung in
wiesen. Die Stützen können als Schwerelaststüt- den Beton, höchste Beachtung zu schenken.
zen aus Stahlbeton oder Stahl entsprechend Tragwände sind im Hinblick auf ein gutes Erd-
schlank ausgebildet werden (nur für Normal- bebenverhalten trotz hoher Steifigkeit duktil zu
kräfte dimensioniert, wirken im Gesamtsystem gestalten. Dazu eignet sich insbesondere die Me-
wie Pendelstützen). Die Geschoßdecken (inkl. thode der Kapazitätsbemessung [Paulay 1990];
Unterzüge) können als Stahlbeton- oder Stahl- [Bachmann 1995]. Wichtig sind v.a. die entspre-
verbundkonstruktion konzipiert sein. chende Dimensionierung der Schub- und Stabi-
Tragwände sind vertikale, in die Gründung lisierungsbewehrung bei Stahlbetonwänden
bzw. im steifen Kasten der Untergeschosse (UG- bzw. die Anordnung und Dimensionierung ex-

Hochbaukonstruktionen 3-99
horizontales , Einzugsgebiet' der Tragwand

Tragwandbeanspruchung

M V

vertikales , Einzugs-
gebiet' der Tragwand
(bzw. entsprechend der
Verteilung der Stockwerk-
querkraft gemäß 5.3.3)

Bodenpressungen
ausg + q + H
0
H } Vertikalspannungen in der Tragwand
(am ungerissenen Querschnitt)
Og,+q+H

Abb. 3.2·38 Typische Tragwandbeanspruchung

zentrischer Anschlüsse in Knoten von Stahlfach-


werken.
Tragwände als einzelne Wände werden vor-
zugsweise an der Peripherie des Gebäudegrund-
risses angeordnet (Abb. 3.2-39a). Hiermit wird
die bestmögliche Torsionssteifigkeit des Gesamt-
tragwerks erreicht. Häufig werden sie zu Kernen
a einzelneTragwände
zusammengefügt und mit den vertikalen Er-
schließungsschächten wie Treppenhäusern, Lift-
und Installationsschächten kombiniert. Die Ker-
ne verlaufen vom UG-Kasten bis zum obersten D
Geschoß meist mit konstantem Querschnitt und
können ebenfalls als in die Gründung einge- b schachtartiger Kern, ist i.d.R. als offener
spannte Kragträger ausgebildet werden (Abb. Querschnitt zu behandeln
3.2-39b ). Aufgrund feuerpolizeilicher Vorschrif-
ten bilden v.a. die Treppenhäuser i. d. R. einen ei- Abb. 3.2-39 Anordnung derTragwände
genen Brandabschnitt (Fluchtweg) und sind des-
halb ohnehin mit massiven Wänden zu um-
schließen. Entwurf von Tragwandsystemen
Schachtartige Kerne bilden im Idealfall einen
Hohlkastenquerschnitt; sie sind daher biege- Die folgenden Regeln beziehen sich insbesonde-
und torsionssteif. Die Geschoßdecken wirken re auf die Gestaltung der Tragelemente im Hin-
dabei querschnittserhaltend. Der oft große An- blick auf die Abtragung horizontaler Kräfte. Im
teil an Öffnungen auf der einen Kernseite, z. B. Entwurf sind die Grundrißform der Geschoß-
wegen Lifttüren, reduziert jedoch vor allem den decken (inkl. Anordnung von Gebäudetrennfu-
Torsionswiderstand erheblich, so daß die Kerne gen), die Anordnung der Tragwände und der
eben eher als Stäbe mit offenem Querschnitt zu Schwerelaststützen im Grundriß und die Gestal-
behandeln sind (s. Abb. 3.2-39b ). tung im Aufriß ebenso festzulegen wie die Grün-
dung der Tragwände.

3-100 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Dafür müssen mindestens drei Tragwände vor-
handen sein, deren Wirkungslinien sich nicht in
einem Punkt schneiden dürfen (Torsionssteifig-
keit); höchstens zwei der drei Tragwände dürfen
parallel gerichtet sein.
Zweite Zielsetzung ist die Vermeidung großer
Torsionsbeanspruchungen. Hierfür sollten die
besser
Tragwände im Grundriß so angeordnet und aus-
gebildet werden, daß beim Angriff der horizon-
talen Kräfte möglichst keine Torsionsbeanspru-
chung des Tragwandsystems entsteht.
Hierbei sind folgende Grundlagen zu beach-
Abb. 3.2-40 Zusammengesetzte Grundrisse ten: Gegeben seien ein Tragwandsystem (Ske-
lettbau mit Tragwänden und Schwerelaststüt-
zen) und einwirkende horizontale Kräfte, d.h.
Windkräfte (aus einem Staudruck) bzw. Erdbe-
ungünstig besser benkräfte (aus den Trägheitskräften der Stock-
werksmassen). Die Einwirkungen in den Rich-
tungen x und y sowie daraus entstehende Bean-
spruchungen werden i.allg. getrennt behandelt.
Das ganze Gebäude wird vorerst als ein einziger
kragarmförmiger Ersatzstab aufgefaßt. Die Ach-
se des Ersatzstabes E und der Ursprung des Ko-
ordinatenkreuzes der x- und y-Achsen werden
beispielsweise im Kreuzungspunkt der Mittelli-
nien der Hauptabmessungen des Gebäudegrund-
risses definiert, wobei aber grundsätzlich ein be-
liebiger Ort möglich ist (Abb. 3.2-42 mit in X-
Richtung einwirkenden horizontalen Kräften).
Am Ersatzstab werden die Schnittkräfte M, V
Abb. 3.2-41 Aussparungen in Geschoßdecken undTEinfolge der horizontalen äußeren Kräfte
H ermittelt (Abb. 3.2-42 oben rechts).
Anschließend wird der Horizontalschnitt A-A
Grundrißform der Geschoßdecken. Bei der Wahl (Grundriß) am Fuß eines bestimmten Stock-
der Grundrißform von Geschoßdecken sollte ei- werks betrachtet. Bei über die ganze Gebäude-
ne möglichst kompakte Form gewählt werden. L- höhe unveränderter Grundrißform und unver-
und T-förmige Grundrisse sind mittels Fugen in ändertem Querschnitt der Tragwände ist für die
Rechtecke aufzuteilen (Reduktion von Zwangs- Beanspruchung der Tragwände der Horizontal-
beanspruchungen, Erzielung eines günstigeren schnitt unmittelbar über dem UG-Kasten maß-
Schwingungsverhaltens unter Erdbebeneinwir- gebend. Für den Horizontalschnitt A-A mit dem
kung; Abb. 3.2-40). Um bei Erdbeben einen Zu- Stockwerkmoment M, der Stockwerkquerkraft V
sammenprall der Teilbauwerke mit unterschied- und dem Stockwerktorsionsmoment TE sind al-
lichem Schwingungsverhalten zu vermeiden, lein die oberhalb von A-A angreifenden hori-
müssen die Fugen breit genug gewählt werden zontalen Kräfte maßgebend (Kragarm). Im Fall
und unbedingt hohl sein. Bei der Plazierung gro- von h =FO kann die vorerst in der Achse des Er-
ßer Aussparungen in Geschoßdecken sind die in satzstabes definierte Stockwerkquerkraft V
Abb. 3.2-41 dargestellten Grundsätze zu berück- (Abb. 3.2-42 unten links) um TE/V verschoben
sichtigen. und das Torsionsmoment dafür weggelassen
werden (statische Äquivalenz; s. Abb. 3.2-42 un-
Anordnung der Tragwände im Grundriß. Erste ten rechts).
Zielsetzung bei der Anordnung der Tragwände Für die Torsionsbeanspruchung des Tragwaucl-
ist die Stabilität. Sie müssen im Grundriß so systems im Schnitt A-A ist die Lage des Steifig-
angeordnet werden, daß das System für hori- keitszentrums (Schubmittelpunkt, Drehzen-
zontale Kräfte aus beliebiger Richtung stabil ist. trum) des Tragwandsystems relativ zu der um

Hochbaukonstruktionen 3-101
--- r Ersatzstab M

H----..
Schnitt A- A:

Ersatzstab E

Abb. 3.2-42 Beanspruchung am Ersatzstab

TEI V verschobenen Stockwerkquerkraft maßge- beanspruchungen der Decken und Tragwände


bend. Es ergeben sich folgende Anforderungen bewirken.
an die Lage des Steifigkeitszentrums: Im folgenden werden am Beispiel verschiede-
Für Windkräfte sollten Steifigkeitszentrum ne Anordnungen von Tragwänden mit dem ent-
und Windkraftzentrum zusammenfallen. Das sprechenden Steifigkeitszentrum S beurteilt. Da-
Windkraftzentrum ist der Angriffspunkt (Schnitt- bei wird Bezug genommen auf das Massenzen-
punkt der Resultierenden in x-und y-Richtung trum M und die dort wirkenden äußeren Hori-
im Grundriß) aller oberhalb von A-A angrei- zontalkräfte Hx und H1 . (Für die Bezugnahme
fenden Windkräfte und somit der Angriffspunkt auf das Windkraftzentrum gelten analoge Be-
der entsprechenden Stockwerkquerkräfte in trachtungen). Die Schwerelaststützen sind in
A-A. Für Erdbebenkräfte sollten Steifigkeitszen- den Abbildungen nicht dargestellt.
trum und Massenzentrum zusammenfallen. Das Eine Anordnung gemäß Abb. 3.2-43a stellt den
Massenzentrum ist der Angriffspunkt (Schnitt- Idealfall dar; es entsteht keine Gebäudetorsion,
punkt der Resultierenden in x-und y-Richtung die Beanspruchung der Tragwände ist minimal.
im Grundriß) aller oberhalb von A-A angreifen- Eine Anordnung gemäß Abb. 3.2-43b ist günstig
den Erdbeben-Massenkräfte (Trägheitskräfte für Einwirkung in y-Richtung, jedoch ungünstig
der Stockwerkmassen) und somit der Angriffs- für Einwirkung in x-Richtung sowie für gleich-
punkt der entsprechenden Stockwerkquerkräfte zeitige Einwirkung in x-und y- Richtung. Hx ver-
in A-A. Die Lage des Steifigkeitszentrums (Schub- ursacht erhebliche Torsion; diese Lösung ist für
mittelpunkt, Drehzentrum) wird durch Lage Erdbeben unzulässig (Lösung für Wind evtl.
und Querschnitt der Tragwände bestimmt. zulässig, dank großem Hebelarm der Tragwän-
Dritte Zielsetzung bei der Anordnung der de 1 und 2 kann Torsionsmoment evtl. mit be-
Tragwände ist die Vermeidung wesentlicher schränkten Verformungen aufgenommen wer-
Zwangsbeanspruchungen. Die Tragwände sollen den) . Bei einer Anordnung gemäß Abb. 3.2-43c
im Grundriß so angeordnet werden, daß Ver- ergeben sich ähnliche Verhältnisse wie bei An-
kürzungen der Decken infolge Schwindens, ordnung b; dem kleineren Torsionsmoment steht
Temperaturänderungen oder Vorspannung (ela- eine kleinere Torsionssteifigkeit gegenüber. Bei
stisch und Kriechen) keine erheblichen Zwangs- einer Anordnung gemäß Abb. 3.2-43d sind die

3-102 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


.....,.....
I
H,__. . · -·----~ e";s,;:;- t.~- ·1 H,__. ..
_._
a Idealfall b für H, ungünstige
Anordnung

j E= M H,..-.
H,__. . . -. +·-f-l.( __ ·-·
YH~ -

c zentrischer Kern d stabile allgemeine Anordnung

Abb. 3.2-43 Anordnungen von Tragwänden

--------- __ . . .. ---:
,,r--11 c" .
~ -.-
H,
- ·-·---- ~j E=
----·-·
M

b Verformung
tHy
a Aussteifung mit exzentrischem Kern
C ·s jl
zusätzliche
Tragwand

c mögliche Verbesserung

Abb. 3.2-44 Anordnungen von Tragwänden: Problemkreis Torsionsbeanspruchung

Tragwände beliebig gerichtet, erfüllen aber alle bereits unter Windbeanspruchung möglich! Ei-
Anforderungen für eine stabile Lösung. ne wesentliche Verbesserung kann durch An-
Bei der Anordnung gemäß Abb. 3.2-44a führen ordnung einer zusätzlichen Tragwand erreicht
sowohl Hx und insbesondere Hy zu großer Tor- werden (Abb. 3.2-44c}.
sion. Das Steifigkeitszentrum befindet sich Die Anordnung gemäß Abb. 3.2-45a ist pro-
außerhalb der Gebäudeecke. Der Kern mit offe- blematisch, weil Verkürzungen der Decken in-
nem Querschnitt ist relativ torsionsweich. Es folge Schwindens, Temperaturänderungen oder
entsteht eine Drehbewegung (Abb. 3.2-44 b) mit Vorspannung (elastisch und Kriechen) zu star-
großen Rotationsverformungen und einer star- ken Zwangsbeanspruchungen in der Decke und
ken Schiefstellung der Schwerelaststützen (Ein- in den längsgerichteten Tragwänden führen. Ei-
fluß 2. Ordnung!}. Die exzentrische Anordnung ne Dilatationsfuge gemäß Abb. 3.2-45b vermei-
von Aussteifungen ist eine der häufigsten Ein- det Zwangsbeanspruchungen, verschlechtert
sturzursachenbei Erdbeben. Schäden an nicht- aber das Tragverhalten (Torsion, Aneinander-
tragenden, verformungsempfindlichen Elemen- stoßen in der Fuge). Eine wesentliche Verbesse-
ten (Zwischenwände, Fassadenelemente) sind rung ergibt sich durch eine Anordnung gemäß

Hochbaukonstruktionen 3-103
I

H,-- - --- - --- ~~-S-=-M --1

b zwangfrei durch Fuge

a gezwängte Anordnung
r
c zwangfreie Anordnung derTragwände

Abb. 3.2-45 Anordnungen von Tragwänden: Problemkreis Zwangsbeanspruchungen

_ _ Querschnittts-
-____ __ -~~~ormung
I
H-- M'
' -- - - - - - -- 1= -------
E• Translationsbewegung
I

a Aussteifung mit exzentrischem Kern b Verformung

Abb. 3.2-46 Anordnungen von Tragwänden: Problemkreis Querschnittserhaltung des Kerns

I
' E= M
H- - - ------- ~ -------
'
1

a onhogonale Anordnung b beliebige Anordnung

Abb. 3.2-47 Labile Anordnungen von Tragwänden

Abb. 3.2-45c, bei der die Tragwände mit Recht- ment infolge YH kann nicht eingeleitet werden
eckquerschnitt nur um ihre schwache Achse ge- (Querschnittsverformung und Translationsbe-
zwängt werden. Winkelwände sind zu vermei- wegung). Zudem entsteht keine wesentliche
den, da sie nicht duktil ausgebildet werden kön- Vertikalbelastung der Tragwände durch die Ge-
nen. schoßdecken, daher ist die Kippsicherheit evtl.
Bei der Anordnung gemäß Abb. 3.2-46 wirkt problematisch.
die Decke nicht querschnittserhaltend für den Die Wirkungslinien der Tragwände im Grun-
offenen Querschnitt. Das große Torsionsmo- driß schneiden sich bei der Anordnung gemäß

3-104 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb. 3.2-47 in einem Punkt. Die Anordnung ist staltet werden (Abb. 3.2-49}. Eine vertikale Ver-
labil und hat praktisch keinen Torsionswider- setzung der Geschoßdecken produziert enorme
stand! Querkräfte in Tragwänden und Stützen. Die
Scheibenwirkung der Decken ist unterbrochen.
Gestaltung im Aufriß. Im Aufriß sind die Trag- Solche Versetzungen sind unbedingt zu vermei-
wände als Kragträger, wenn möglich mit kon- den.
stantem Querschnitt bzw. konstanter Steifigkeit
oder allenfalls mit nach oben abnehmender Stei- Gründung der Tragwände. Tragwände sind wenn
figkeit, vertikal durch sämtliche Geschosse zu immer möglich in den steifen Kasten der Unter-
führen. Örtliche Steifigkeitsreduktionen sind bei geschosse (UG-Kasten) einzuspannen (Abb. 3.2-
Erdbebenbeanspruchung gefährlich (Stützen- 50). Steht kein UG-Kasten zur Verfügung, ist ei-
mechanismus) und unbedingt zu vermeiden ne sehr massive Bodenplatte vorzusehen. Bei ho-
(keine weichen Zwischengeschosse, vgl.Abb. 3.2- hen Tragwandkragträgern werden Kippen und
48). Setzungsdifferenzen vorzugsweise mittels Pfäh-
Unterschiedlich hohe Gebäude sollten durch lung verhindert. Bei inhomogenem Baugrund
Fugen getrennt und die Verbindungen zwischen sind zusammenhängende Gebäudeteile zu pfäh-
verschiedenen Gebäuden frei verschieblieh ge- len oder Gebäude mittels Fugen zu trennen.

besser
.,1-----,
.<=
<0
:I:

/////

Translatationsbewegung des oberen Gebäudeteils


= Schiefstellung der Stützen
= Kollaps

Abb.3.2-48 Steifigkeitsverteilung über die Gebäudehöhe

ungünstig besser ungünstig


.--.-- .--.--

r--- r--- r--- -


1--1-- 1-- -

Abb.3.2-49 Fugen und Gebäudeverbindungen

Hochbaukonstruktionen 3-105
Tragwandbeanspruckung
M V

Krähe aus den


} Decken bzw.
Fundament-
platten

os (Keller) }
os (T ragwand)
Bodenpressungen
Os (ohne Abstützung auf
den Kellerdecken)

Abb. 3.2·50 Beanspruchungen im UG-Kasten und in der Gründung

Verteilung der Stockwerkquerkraft


auf verschiedene Tragwände

Für die Modellbildung bei Tragwandsystemen


unter horizontalen Kräften gelten die Annah-
men gemäß 3.2.5.4. Für Definition und Lage des
Ersatzstabes und der Stockwerkquerkräfte gilt
insbesondere Abb. 3.2-42.

Statisch bestimmte Tragwandsysteme. Werden Schwerelaststützen


nicht gezeichnet
die horizontalen Kräfte durch drei Tragwände
übernommen, deren Wirkungslinien im Grund-
Abb. 3.2-51 Beispiel: Grundriß eines statisch bestimm-
riß sich weder in einem Punkt schneiden noch ten Tragwandsystems
parallel sind, so liegt ein statisch bestimmtes
Tragwandsystem vor, und die Verteilung der
Stockwerkquerkraft kann allein über die Gleich-
gewichtsbedingungen bestimmt werden. Verteilung von Vx (Vy = 0, TE= TEx =0):
Grundlage hierfür ist die statische Äquivalenz
vx =v2x ::::} v2x =vx ,
der Stockwerkquerkraft einerseits und der ent-
sprechenden Querkräfte in den einzelnen Wän- Vy=O=\.'Jy+V3y ::::}V3y=-\.'Jy,
den andererseits. Schnittkräfte sind positiv de-
finiert, wenn sie in Richtung der Achsen x,y und
TEx= 0=-\.'Jy x, +V2xY2 +V3y x3, (3.2.5)
z zeigen. Der Biegewiderstand senkrecht zur ::::} \'I y = vx __1:1_ 0

Wandebene wird vernachlässigt. Das Vorgehen x1 +x3


wird anhand eines Beispiels demonstriert (Abb.
3.2-51):

3-106 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Schritt 1 Sch ritt 2

Abb. 3.2-52 Wandquerkräfte (nach Culman bestimmt in einem statisch bestimmten Tragwandsystem)

Verteilung von V1 (Vx = 0, TE= TEy): liehe Nachgiebigkeit der Gründung (Einspann-
Vx =O=Vzx =}Vzx =0, steifigkeit) beeinflußt. Wichtig ist, daß unter Ein-
haltung der Gleichgewichtsbedingungen die
vY = Vly + v3y =}v31 =V1 -VJ. 1 ,
steifsten Tragwände die Hauptanteile der Stück-
TEy =-VJ. 1 X1 + Vzx Yz +V3y X3, werkquerkraft zugewiesen erhalten und ein-
(3.2.6)
v1 x3 -TE wandfrei dafür bemessen werden. Rechnerisch
=}VJ.y=~--- allenfalls nicht mit berücksichtigte, weichere
xl +x3 Tragwände sind konstruktiv so zu bewehren,
Infolge Vx und Vy wird V1y relativ klein und V31 daß sie den Verformungen des Gesamtsystems
relativ groß. Die Wandlängen bzw. die Wider- schadensfrei folgen können (Mindestbewehrung
stände können entsprechend angepaßt werden. zur Risseverteilung).
Die Stockwerkquerkraft V läßt sich auch gra- In den anschließenden Erläuterungen zur Be-
phisch nach Culman auf drei Tragwände vertei- stimmung des Steifigkeitszentrums (Schubmit-
len (Abb. 3.2-52). telpunkt, Drehzentrum) sind I;x bzw. I;y das
Trägheitsmoment der Wand i bezüglich x- bzw.
Statisch unbestimmte Tragwandsysteme. Sind y- Achse, x;, y; der Abstand des Ersatzstabs vom
mehr als drei Tragwände vorhanden (Abb. 3.2- Schubmittelpunkt der Wand i und :X;, y; der Ab-
53), so liegt ein statisch unbestimmtes Trag- stand des Steifigkeitszentrums vom Schubmit-
wandsystem vor. Zur Verteilung der Stockwerk- telpunkt der Wand i.
querkraft sind zusätzlich zu den Gleichgewichts- Im folgenden werden die Betrachtungen für
bedingungen auch Verträglichkeitsbedingungen eine Querkraft in x-Richtung angestellt (Abb.
zu berücksichtigen. 3.2-53links). Eine Querkraft Vsx im Steifigkeits-
Grundsätzlich gelten die gleichen Grundlagen zentrum S erzeugt nur eine Translation in X-
und Annahmen wie bei statisch bestimmten Richtung und keine Rotation. Dies bedeutet glei-
Tragwandsystemen. Zusätzlich müssen die Bie- ehe Durchbiegung sämtlicher Tragwandkragar-
gesteifigkeiten der Wände in beiden Richtungen me in x- Richtung. Die Querkraft Vsx verteilt sich
berücksichtigt werden. Die Stockwerkquerkraft in diesem Fall auf die einzelnen Wände propor-
verteilt sich entsprechend der Biegesteifigkeit tional zu deren Steifigkeiten und, weil das stati-
bzw. der Trägheitsmomente auf die einzelnen sche System aller Tragwände gleich ist (Krag-
Tragwandkragträger. (Dabei wird vorausgesetzt, arm), proportional zu den Trägheitsmomenten
daß die Biegesteifigkeiten über die Gebäudehöhe um die y-Achse:
konstant bleiben).
- I!y . Izy
Eine große Rechengenauigkeit ist nicht ange- VJ.x- Vsx · ~, V2 x =Vsx · ~ etc. (3.2.7)
bracht, denn die effektive Steifigkeit der einzel- L)iy L)iy
nen Tragwände wird durch unterschiedliche Ris- Das Steifigkeitszentrum muß im Schwerpunkt
sebildungen, Aussparungen in den Wänden, der Querkräfte V;x und- weil die Querkräfte sich
Zwangsbeanspruchungen und die unterschied- proportional zu den Trägheitsmomenten ver-

Hochbaukonstruktionen 3-107
Einwirkung in X-Richtung Einwirkung in y-Richtung

y 1. Schritt y
CD CD
p;;.-+--r,--,;r , ® Eine äußere Horizontalkraft H
~-+-or ---,-, ®
cv -- ____L 2j_
greift (i.allg.) exzentrisch zum
ErsatzstabE an. 1 S
'2' .--- .
E ! i Im Fall von Erdbebeneinwir- \V 1· I
y:~~~~----~~~~M-+1--~~~~x I I I
kung greift Him Massenminel· -,,--.--+--'E~:--t--tl--+-

-- ----r-- ---,-:- punktMan.


~~~; :~:t~~~de sind
•M
-l,--- - ri-TL-
-·- .....
CDL_~~~--L-~-
(1) ® der entsprechenden Achsen
zeigen. Die konkreten Vorzeichen
t.,
positiv, wenn sie in Richtung CD a...--<-~~"'1--:--'----J'!!!!!"•
0
I IHy
®
filr das gezeigte Beispiel sind mit -1-$
e
EB und angegeben. XH

y 2. Schritt y
Oie Beanspruchung d~ Tragwerks
(Ober d~sen g~mte Höhe) wird
vorem am ErsatzstabE ermittelt.
lnfolge der Exzentrizität der
I
I
s!
I
I
äußeren Horizontalkraft ent· E l
.... . Tl. . .--Ll,-·--· M·E,·· ___:........
VEx .M I steht ein To~ionmoment.

I I

y 3. Schritt y
Pro Stockwerk wird die Beanspruchung
aus dem Ersatzstab in das Steifigkeits· 1 s-J~
zentrum d~ betrachteten Stockwerks
verschoben. Moment und Querkraft
bleiben unveränden. das
---- --~~
l sx
E •
X To~ionsmoment ändert skh
infolge der Exzentrizität X
zwischen Massen- und
Schubmittelpunkt Es gilt
Msx = Mex Msy= MEy
Ysx = VEx Vsy = VEy
= =
l sx TEx + VEx · Ys Tsy TEy-VEy · Xs

4. Schritt
Aus der Beanspruchung im Steiflg-
keitszentrum ei~ Stockwerks
läßt sich die Beanspruchung
der einzelnen Tr.~gwände
~timmen. Es lassen sich
zwei Anteile unterscheiden:
Wandbeanspruchung
infolge Querkraft im
Steifigkeitszentrum: ---1ro..
Wandbeanspruchung
infolge Torsion im
Steifigkeitszentrum: ~

Abb. 3.2-53 Beispiel: Grundriß eines statisch unbestimmten Tragwandsystems mit Bestimmung der Beanspruchung

3-108 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


halten- im Schwerpunkt der Trägheitsmomen- . . . der einzelnen Wände infolge des Torsions-
te Iiy liegen. Dieserwird ermittelt durch eine Mo- momentes Ts sind daher proportional zu den
mentenbedingung der Trägheitsmomente I;y um Trägheitsmomenten und zu den Hebelarmen (k
die Querschnittsachsen des Ersatzstabes: =Konstante):

~J.IY ·y·I
kJ ~x =-k I1yJI>· .., ~Y =k I1xxl> ... {3.2.11)
{3.2.8)
Ys = ~ J. Damit wird das Torsionsmoment:
.LJ IY
Eine analoge Betrachtung für eine Querkraft in
y-Richtung liefert (Abb. 3.2-53 rechts): {3.2.12)
=k· L:(I;y · Yf +I;x ·xf).
_
~Y- Vsy~ 8
L
Ilx etc., x -- ,hx · X; • {3 •2 .9) Die Anteile der einzelnen Wände am Torsions-
L)ix Liix moment ergeben sich zu
Für das Tragwandsystem in Abb. 3.2-53 ergibt I -2
T, - r, ly'Yl
sich mit der Wandstärke t und bei Vernachlässi- lx- S ' ( _2 _ 2)
gung der Biegung um die weiche Achse L I;y'Yi + I;x·X;
I -2 (3.2.13)
T, _ r, lx'Xl
ly - s '(
L
-2 -2) ,...
I;y'Yi +Iix·X;
a3 Und mit V1x =-T1xiJ1> .. ., V1y = T1yiX1> ... wer-
I2 X =I3 X =I4 y =Is y =t·-,
12 den die Querkräfte der einzelnen Wände infolge
Ilx =I2y =I3y =I4x =Isx =I6y =0 des Torsionsmomentes Ts im Steifigkeitszentrum
I -
v; _ r, ly · Y1
und damit die Lage des Steifigkeitszentrums zu
lx - - S ' ( -2
L Iiy · Yi +Iix ·X;
-2)
xs = 2 a und ys = 1,2 a . (3.2.14)
v, _ r, Ilx · X1
Die Beanspruchungen aus äußeren Einwirkun- ly- s L'( I;y. Yi
-2 -2)
+Iix ·X;
gen werden vorerst gemäß Abb. 3.2-42 an einem
Ersatzstab E bestimmt (Abb. 3.2-53, 1. und 2. Die gesamte Querkraft einer Wand i aus VEx• VEy•
Schritt). Für die Verteilung der Stockwerkquer- TE im Ersatzstab bzw. aus Vsx, Vsy. Ts im Stei-
kräfteauf die Tragwände werden die Schnitt- figkeitszentrum {4. Schritt) ergibt sich somit zu
kräfte des Ersatzstabes nach den Regeln der Me-
chanik aus der Achse des Ersatzstabes E in das
Steifigkeitszentrum S verschoben (Abb.3.2-53, 3.
Schritt). Dort wirken also die statisch äquiva-
lenten Kräfte Vsx= VEx• Vsy= VEy• Msy=MEy•
Msx=MEx• Tsx=TEx+VEx·Ys und
Tsy=TEy-VEy·Xs, wobei Ts=Tsx+Tsy und
TE= TEx+ TEy gilt. Zur Unterscheidung wird die
im Ersatzstab ermittelte Beanspruchung mit
dem IndexE, die im Steifigkeitszentrum ermit-
telte Beanspruchung mit dem Index S bezeich-
net.
Das Torsionsmoment Ts im Steifigkeitszen-
trum S erzeugt eine Rotation der starren Dek-
kenscheibe um das Steifigkeitszentrum. Es wird I· ·x·
von sämtlichen Wänden übernommen: +(TE+ VExYs- VEyxs) ' ( ~2 1 _ 2 )
L I;yYi +I;xxi
{3.2.10) (3.2.15)
+~y:xl +V2yi2 + ... In Abb. 3.2-53 (4. Schritt) sind die entsprechen-
Die Durchbiegungen der Tragwandkragarme in- den, statisch äquivalenten Querkräfte in den Trag-
folge der Rotation der starren Deckenscheibe wänden für eine Beanspruchung nur in x- bzw.
sind proportional zu den Hebelarmen X1> x2, ..., y-Richtung dargestellt. (Biegung der Wände um
Yl>Y2•··· • Die Querkräfte Vlx• V2x• ... , V1y. V2y• die weiche Achse vernachlässigt). Dabei wurden

Hochbaukonstruktionen 3-109
die Beanspruchungen der einzelnen Wände aus der Gesamtquerkraft bzw. dem Gesamtmoment
Vsx, Vsy und Ts getrennt dargestellt. gemäß Abb. 3.2-53 (auch Abb. 3.2-42) sein.
Für praktische Berechnungen und für die
überprüfung und die Beurteilung von Anord- Zusammenwirkende und gekoppelte Tragwände
nung und Querschnitten von Tragwänden emp-
fiehlt es sich, vorerst die Verteilung der Stück- Bei zusammenwirkenden Tragwänden sind die
werkquerkraft für eine Einheitsquerkraft ( Vx= 1 in den dünnen Decken entstehenden Biegemo-
bzw. Vy= 1 im Ersatzstab oder im Steifigkeits- mente und Querkräfte verhältnismäßig klein. Sie
zentrum) vorzunehmen [Paulay 1990]. dürfen i. d. R. vernachlässigt werden. Die Verbin-
Bei Tragwänden mit nicht rechteckigem Quer- dung zwischen den Decken und den Tragwän-
schnitt (Querschnitte mit Flanschen, Winkel- den kann somit im statischen Modell als gelen-
querschnitte, U-Querschnitte, Hohlkastenquer- kig angenommen werden. Bei gekoppelten Trag-
schnitte usw.) müssen die Querkräfte in den je- wänden hingegen sind die in den Koppelungs-
weiligen Schubmittelpunkten der einzelnen riegeln entstehenden Biegemomente und Quer-
Wände ermittelt werden. Dabei wird die Bigen- kräfte wesentlich. Sie müssen wegen ihres
torsionssteifigkeit vernachlässigt. In besonderen Einflusses auf die Normalkräfte, Biegemomente
Fällen (z.B. größere Hohlkastenquerschnitte) und Querkräfte in den beiden Tragwänden un-
können verfeinerte Betrachtungen angebracht bedingt berücksichtigt werden. Typische Verfor-
sein [Paulay 1990]. mungen von zusammenwirkenden und gekop-
pelten Tragwänden sind in Abb. 3.2-55 darge-
Ermittlung der Biegemomente in stellt.
den einzelnen Tragwänden
Zusammenwirkende Tragwände. Die Verteilung
Sofern sich die Lage der einwirkenden horizon- der am Ersatzstab berechneten Stockwerkquer-
talen Kräfte im Grundriß und/oder der Quer- kraft nach den Steifigkeiten gilt für zusammen-
schnitt der Tragwände über die Bauwerkshöhe wirkende Tragwände. Im Fall von Querschnitts-
ändern, müssen vorerst die Verteilung der Stück- sprüngen bei den Tragwänden sollte das Ver-
werkquerkraft und damit die Querkräfte V; in hältnis der Steifigkeiten der einzelnen Tragwän-
den einzelnen Tragwänden i in sämtlichen Stock- de zur Gesamtsteifigkeit unter- und oberhalb der
werken ermittelt werden. Daraus können für die Sprungstelle gleich sein (gleiche Biegelinien).
einzelnen Tragwände die pro Stockwerk einwir- Die Verteilung der Stockwerkquerkraft entspre-
kenden Kräfte und die entsprechenden Biege- chend den Steifigkeiten ist richtig, falls gilt (Abb.
momente bestimmt werden (Abb. 3.2-54). 3.2-56}:
Selbstverständlich muß in jeder Höhe des Trag-
wandsystems die Summe der Querkräfte bzw. ~=___lk__ (3.2.16)
Ilu +Izu Ilo + Izo
der Momente der einzelnen Tragwände gleich

einzelne Querkräfte der einwirkende Kraft Momenteder


Tragwände Tragwand pro Stockwerk Tragwand

Abb. 3.2-54 Ermittlung der Biegemomente in einer einzelnen Tragwand i

3-110 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


einzeln zusammenwirkend gekoppelt
M, Vvernachlässigbar M, Vsind zu berücksichtigen

I T
+ I l

-
Abb. 3.2·55 Zusammenwirkende und gekoppelte Tragwände

Gekoppelte Tragwände. Die Tragwirkung und


die Ermittlung der elastischen Schnittkräfte in
gekoppelten Tragwänden ist z. B. in [Franz 1988]
behandelt.

3.2.5.6
11,0 I:Z.o Rahmensysteme

-- In Rahmensystemen werden horizontale Kräfte


über relativ gedrungene, biege- und schubfeste
u
-- I2,u
Stützen sowie über ebensolche Riegel abgeleitet.
- Stützen und Riegel sind in Knoten biegesteif mit-
' einander verbunden (Abb. 3.2-58). Rahmen wir-
ken für horizontale Kräfte als kragarmartige, in
Abb. 3.2·56 Steifigkeitssprung mit gleichbleibendem
Verhältnis der Steifigkeiten die Gründung bzw. in den steifen UG-Kasten ein-
gespannte Tragwerke. Sie verhalten sich in ihrer
Ebene aber wie Schubträger. Zu beachten sind
Ist jedoch das Verhältnis der Steifigkeiten der die hohen Querkräfte in den Stützen.
einzelnen Tragwände zur Gesamtsteifigkeit un- Zwei Gruppen von rechtwinklig zueinander
ter- und oberhalb der Sprungstelle verschieden angeordneten ebenen Rahmen bilden zusam-
(Abb. 3.2-57),so müssen die gleichen horizonta- men mit den starren Deckenscheiben ein räum-
len Durchbiegungen auf der Höhe der Decken liches Rahmensystem. Rahmen lassen sich auch
erzwungen werden. Im Bereich des Steifigkeits- kombinieren mit Tragwänden und/oder Grund-
sprunges entstehen dadurch große Deckennor- rißbereichen, in denen nur Schwerelaststützen
malkräfte (Verbindungskräfte). Sie können z.B. angeordnet sind (s. 3.2.5.7).
mit einem Stabstatikprogramm ermittelt wer- Rahmen sind relativ weich, die Verformungen
den. Beim Momentenverlauf im Bereich der infolge horizontaler Kräfte dementsprechend
Sprungstelle der Tragwandsteifigkeit stellt sich groß. Stahlrahmen sind noch weicher als Stahl-
ein schleifender Übergang ein [Franz 1988]. Da- betonrahmen. Einflüsse 2. Ordnung können ins-
von abgesehen darf die Verteilung der Stack- besondere bei Stahlrahmenstützen bedeutungs-
werkquerkraft auch für diesen Fall wie oben ge- voll sein. Deshalb eignen sich reine Rahmen-
schildert erfolgen. bauten vorwiegend für niedrige Gebäude mit
Die Decken im Einflußbereich des Steifigkeits- wenig Geschossen.
sprunges (ca. zwei Stockwerke darüber und zwei Insbesondere im Betonelementbau ist die bie-
Stockwerke darunter) sind für die großen Ver- gesteife Ausbildung der Rahmenknoten kon-
bindungskräfte zu dimensionieren. Zu beachten struktiv aufwendig. Die zur Aufnahme der Stüt-
sind insbesondere die Krafteinleitungsbereiche. zenendmomente erforderlichen relativ hohen

Hochbaukonstruktionen 3-111
..- [/'"
/

4I VI
'
~

~
vs
A~B
~

"/

Momente in den beiden Tragwänden bei realistische Momente unter


Annahme genau gleicher Biegelinien, d.h. Berücksichtigung der Nach-
keine Längenänderungen der Decken giebigkeit der Decken

Abb. 3.2·57 Steifigkeits· und Momentensprung bei Zusammenwirtlenden Tragwänden

tauglich ist. Hierfür müssen die Verformungs-


größen der Rahmen unter horizontalen Kräften
und die Verformungsempfindlichkeit der nicht-
tragenden Elemente (Zwischenwände, Fassaden-
elemente) abgeschätzt werden. Zudem sind die
Auswirkungen der Horizontalverformungen auf
allenfalls angrenzende Nachbargebäude (Zu-
sammenprall bei Erdbeben) zu prüfen.
Das Verformungsproblem ist allein mit der
tragenden Konstruktion zu lösen. Eine allfällige
VI
..... aussteifende Wirkun·g nichttragender Elemente
r ist rechnerisch kaum erfaßbar. Wird ihnen den-
noch auf gut Glück eine derartige Aufgabe zuge-
Stützenreaktionen für q wiesen, sind Schäden infolge lokaler Spannungs-
(im Grundriß ist Iqwalalle Stützen verteilt)
spitzen in den spröden und gezwängten Elemen-
ten vorprogrammiert. Deshalb gilt: Sind reine
Abb. 3.2-58 Abtragung horizontaler Krähe durch
Rahmen Rahmensysteme für horizontale Kräfte zu weich,
muß das Konzept geändert werden (Tragwand-
systeme, gemischte Systeme).
Riegel erweisen sich oft als störend und beein-
trächtigen die Nutzung (Installationen). Anordnung der Rahmen im Grundriß. Eine sym-
metrische Anordnung der Rahmen in beiden or-
Entwurf von Rahmensystemen thogonalen Richtungen des Grundrisses ist noch
wesentlich wichtiger als bei Tragwandsystemen.
Bezüglich Grundrißformen der Geschoßdecken Das Steifigkeitszentrum muß nahe beim Wind-
und der Gestaltung im Aufriß gelten sinngemäß kraftzenteuro bzw. beim Massenzentrum liegen.
die Regeln aus 3.2.5.5. Zusätzlich sind bei Rah- Verformungen infolge Torsion im Grundriß sind
mensystemen unter horizontalen Kräften fol- kaum verkraftbar. Torsion im Grundriß kann
gende Aspekte zu klären: auch eine Folge unregelmäßiger Gebäudefor-
men sein.
Sind die Verformungen verkraftbar?Der Ingeni-
eur muß primär davon überzeugt sein, daß eine Querschnittsabmessungen von Riegeln und Stüt-
für horizontale Kräfte weiche Konstruktion tat- zen. Damit sich Rahmensysteme unter Erdbe-
sächlich sinnvoll und insbesondere gebrauchs~ beneinwirkung möglichst günstig verhalten,

3-112 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Detailausbildung der Knoten. Die Detailausbil-
dung der Knoten ist ein zentrales Problem bei
Rahmenbauten. Insbesondere räumliche Kno-
ten, d. h. Kreuzungspunkte zwei er orthogonal
gerichteter, ebener Rahmen, sind sowohl in Be-
ton als auch in Stahl konstruktiv aufwendig.
Platzverhältnisse, Bau- und Montagevorgänge
sind schon im Entwurf detailliert zu untersu-
a b chen.
Abb. 3.2-59 Riegelmechanismus (a) und Stützenme-
chanismus (b) [Bachmann 1995] Schnittkräfte in mehrgeschossigen Rahmen

Für die Berechnung von Rahmen für horizontale


muß sich ein sog. "plastischer Riegelmechanis- Kräfte stehen hochentwickelte Rechenprogram-
mus" ausbilden können (Abb. 3.2-59). Bei glei- me zur Verfügung. Die folgenden Ausführungen
cher Gesamtverformung ist die Energiedissipa- sollen das Verständnis für das generelle Tragver-
tion beim Riegelmechanismus wesentlich besser halten von Rahmen fördern und eine kompeten-
verteilt als beim Stützenmechanismus, und der te Kontrolle der Schnittkraftberechnungen von
Duktilitätsbedarf in den plastischen Gelenken Stabstatikprogrammen ermöglichen.
(Rotationsfähigkeit) ist wesentlich geringer Im Rahmen einer globalen Gleichgewichtsbe-
(6 1« e2),ebenso der Einfluß 2. Ordnung der Nor- trachtung können Auflagerreaktionen eines
malkraft auf die Stützen (sog. N-il-Effekt). mehrfeldrigen und mehrgeschossigen Rahmens
Um einen Riegelmechanismus zu bewirken, mit jenen eines Kragarmes verglichen werden
sind die Querschnitte von Stützen und Riegeln (Abb. 3.2-60). Dabei sind M0,;, V0,;, No,; die Auf-
mit ihren plastischen Momenten (Fließmomen- lagerreaktionen des i-ten Stützenfußes infolge
ten) so zu wählen, daß Mpi,Stütze ~ 1,2 · Mpi,Riegel horizontaler Windkraft qw und Mk> Vk die Auf-
gilt. Die einzigen beim Stützenmechanismus un- lagerreaktionen beim Kragarmfuß.
vermeidbaren Stützengelenke am Rahmenfuß Das Gleichgewicht bezüglich Punkt A liefert
sind sorgfältig zu bemessen und konstruktiv
einwandfrei auszubilden. Wichtig ist insbeson- L H2
dere eine starke Umschnürungsbewehrung aus LM=O: LMo,;+N0 JL+N 0 ,z2=qwz•
Bügeln über eine Höhe des 1,5- fachen der größe- LV=O: LVo,i =qwH ,
ren Querschnittsabmessung bei Betonstützen
und die Vermeidung lokaler Instabilitäten durch LN=O: LNo,; =0.
Aussteifungsbleche bei Stahlstützen. Eine einge- (3.2.17)
hendere Behandlung solcher Fragen findet sich Durch Schätzen der Momentennullpunkte in
in [Bachmann 1995]; [Paulay 1990]. Stützen und Riegeln läßt sich das hochgradig

--
0.~ ,_ h
h
- H

~ I=
h
1 2 3 4 5 ,- h
-'- -- -~ --
VoH-- +--
UMo · I...JI
No) ! ·' +
u u ul t
Vk = qw·H
Mk == qw. Hl/2

I
Abb. 3.2-60 Auflagerreaktionen am Rahmensystem und am Kragarrn

Hochbaukonstruktionen 3-113
statisch unbestimmte System auf ein statisch be- 3.2.5.7
stimmtes System zurückführen. Generell kann Gemischte Systeme
der Momentennullpunkt in Riegel- bzw. Stützen-
mitte (wirkt wie Gelenk) angenommen werden, Bei Tragwand-Rahmen-Systemenwird das Trag-
bei den untersten Stützen mit starrer Einspan- system für horizontale Kräfte als Kombination
nung im UG-Kasten (Kellerwände) etwa auf zwei von Tragwänden und Rahmen ausgebildet. Fol-
Drittel der Stützenhöhe. gende Kombinationen sind möglich:
Die Stützenfußmomente lassen sich aufgrund Bei langem, schmalem Grundriß können in
dieser Annahmen einfach abschätzen. Ein Bei- der weichen Richtung zur Ergänzung der Trag-
spiel ist in Abb. 3.2-61 dargestellt. Es gilt wände Rahmen angeordnet werden, in der stei-
fen Richtung dagegen nur Rahmen. In Abb. 3.2-

Vo=qw{H-~ · h), 62 stehen beispielsweise zur Abtragung hori-


zontaler Kräfte in Querrichtung sieben Rahmen
(2-feldrig) + zwei Tragwände zur Verfügung, in
2
'z1
2
V0 ·-·h 2 ) Längsrichtung drei Rahmen (achtfeldrig).
LMo,;= + qw · ( -:; ·h
3 Bei ungefähr quadratischem Grundriß ist ei-
~ '--v-----'
Verteilung entsprechend auf Randstütze direkt
den Biegesteiligkeilen auf wirkend
ne Abtragung der horizontalen Kräfte in beiden
die einzelnen Stützen orthogonalen Richtungen durch einen Kern aus
(3.2.18) Tragwänden und durch Fassadenrahmen ge-
Das globale Gleichgewicht wird sichergestellt meinsam sinnvoll (Abb. 3.2-63). Die Innenstüt-
durch das Differenzmoment auf der Höhe 2h/3 zen können dann als Schwerelaststützen ausge-
bildet werden.
11M= Mrot - L Mo,i = ~ · ( H- ~ · h) , Tragwand-Rahmen-Systeme können insbe-
(3.2.19) sondere bei hohen Skelettbauten zu einem gün-
Hz
stigen Tragverhalten führen. Ein Vergleich der
Mror=Mk=qw · z ·
unterschiedlichen Biegelinien von Tragwand-
11M wird durch die Stützennormalkräfte No,; in kragträgern und Rahmen veranschaulicht das
die Gründung abgeleitet (analog den gekoppel- Zusammenwirken (Abb. 3.2-64). Der Rahmen
ten Tragwänden). Von Bedeutung sind dabei ins- stützt sich in den unteren Geschossen am Trag-
besondere die Normalkräfte in den Randstüt- wandkragträger horizontal ab; er entlastet die-
zen. Die Stützenmomente in den oberen Ge- sen dafür am Kopf des Gebäudes. Moment und
schossen lassen sich analog abschätzen. Die Rie- Stockwerkquerkraft teilen sich qualitativ unge-
gelmomente ergeben sich aus dem Gleichge- fähr wie in Abb. 3.2-65 gezeigt auf Tragwände
wicht am Rahmenknoten. und Rahmen auf.

,,
h
,,lf-
h
H ,,lf-
h

V V h/3 ,,lf-
"........Y
I I
- - I
2h/3

-
0
l
Abb.l.2-61 Abschätzung der Stützenfußmomente

3-114 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Modell

Grundriß

n : ; ;.>; "' 7.' """'"'


Tragwand Querrahmen Längsrahmen Sekundärträger 7 Rahmen 2 Tragwände

Abb. 3.2-62 Kombination von Tragwänden und Rahmen

~ --4-- ~--4---.-- ~-- ·


Ij II II II I' I II

t--·~ ---~- { ---}-,---~


I I I I I I I
I I I I I I I
t --1---~ --~---t

T ... r-i---t
L.L.___,J
r-t--=
I I I I

t---J-- r I
I
---j---t
I
I I I
I I I

~-~ ---~~---~--~---'
I : I I : : :
~--4--~--~--~--~--'

Abb. 3.2-63 Kombination eines Kerns ausTragwänden


mit Fassadenrahmen

Rahmen Tragwand Rahmen und Tragwand


einzeln einzeln zusammenwirkend

Abb. 3.2-64 Verformungsverhalten eines Tragwand-Rahmen-Systems

Am Gebäudefuß wird praktisch die gesamte stimmten Fall mit relativ steifen Stützen und
Stockwerkquerkraft durch die Tragwände über- Riegeln die gesamte Horizontalkraft rechnerisch
nommen.Mitwirkende Rahmen können aber die den Tragwänden zugewiesen wird (Stützen als
Biegebeanspruchung der Tragwandkragträger Schwerelaststützen betrachtet), entsteht durch
erheblich reduzieren. Auch wenn in einem be- Einspannung der Stützen in die Decken unge-

Hochbaukonstruktionen 3-115
System Momente Stockwerkquerkräfte

,........

t~;t~
~,·,~
~Jl
~-

-..; ;:
~!·

I , ~ 7,
~
,",."

Abb. 3.2~5 Aufteilung der Schnittkräfte aufRahmen und Tragwände

wollt ein gemischtes Tragsystem. Die oft erheb- teile müssen je für sich standfest sein, d.h., sie
lichen Verbindungskräfte in den Decken sind zu müssen die auf sie einwirkenden vertikalen La-
berücksichtigen. sten und horizontalen Kräfte selbst abtragen
können.
3.2.5.8 Gebäudetrennfugen gehören zur Gruppe der
Gebäudetrennfugen Bewegungsfugen.Andere Arten von Bewegungs-
fugen sind Bauteilfugen (z.B. Schwindfugen in
Zweck und Problematik Kalksandsteinwänden, Fugen zwischen Fassa-
denelementen), temporäre Schwindfugen usw.
Zweck. Gebäudetrennfugen sind vertikale Fugen, Bestimmte Aspekte von Bewegungsfugen sind in
durch die größere Gebäude in einzelne weitge- der Empfehlung SIA 274 Fugenahdichtungen in
hend unabhängige Gebäudeteile (Abschnitte) Bauwerken geregelt. (in Deutschland siehe z.B.
aufgeteilt werden. [DBV 1996]). Wohnungstrennfugen hingegen
Die hauptsächlichen Zwecke von Gebäude- werden meist vor allem zwecks Schalldämmung
trennfugen sind die Vermeidung oder Reduktion angeordnet.
von Zwangsbeanspruchungen, die aus der Län-
genänderungen der horizontalen Tragelemente Problematik. Die Anordnung von Gebäudetrenn-
(Decken) aus Schwinden, Temperaturänderung, fugen kann zwar Probleme lösen, sie schafft in-
Vorspannung usw. entstehen oder solcher, die in- dessen häufig auch neue Probleme. Bevor in ei-
folge unterschiedlicher Setzungen des Bau- nem Gebäude Trennfugen v.a. zum Zweck der
grunds auftreten. Zudem dienen sie der Vermei- Reduktion von Zwangsbeanspruchungen aus
dung der übertragungvon Körperschall (v.a. horizontalen Längenänderungen angeordnet
Trittschall) zwischen benachbarten Nutzungs- werden, sollte deshalb stets geprüft werden, ob
einheiten (vgl. Abb. 3.2-17). Mit Gebäudetrenn- nicht andere Maßnahmen zum gleichen Ziel
fugen lassen sich auch die Beanspruchungen un- führen.
ter Erdbebeneinwirkung durch Erzielung eines Hierzu gehört v.a. die Reduktion der Verfor-
günstigeren Schwingungsverhaltens reduzieren mungsbehinderung durch die Schaffung klarer
(vgl.Abb. 3.2-40). Bewegungszentren (z. B. Kerne, Winkelwände) in
Bei den ersten drei Zwecken geht es darum, die Kombination mit weichen, bewegungsfähigen
Gebrauchstauglichkeit sicherzustellen. Insbe- Randzonen (Schwerelaststützen,gleitende Lage-
sondere sollen klaffende Risse in Decken, Trag- rung usw.) und die geschickte Anordnung der
wänden und evtl. Stützen aus Zwangsbeanspru- Tragelemente für horizontale Kräfte (vgl. 3.2.5.5,
chungen vermieden werden. Beim vierten Zweck Anordnung gemäßAbb. 3.2-45c). Tragwände mit
geht es v.a. um die Verbesserung der Tragsicher- Rechteckquerschnitt und Rahmen sollten nur
heit unter Erdbebeneinwirkung. Die einzelnen quer zu ihrer Ebene gezwängt werden, d.h. nur
durch Gebäudetrennfugen gebildeten Gebäude- Biegung um die schwache Achse erfahren. Auch

3-116 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


kann eine Reduktion der Steifigkeit von Stützen sammenprallen bewirken. Deshalb sind Min-
sinnvoll sein (evtl. Gelenke vorsehen). Das destfugenbreiten einzuhalten (SIA 160 Ziffer
Schwinden des Betons als Ursache des Zwangs 419 33). (vgl. DIN 4149.)
kann durch das Betonieren mit wasserarmem
Beton und einen Schutz vor Austrocknung bzw. Folgerungen. Die Anordnung von Gebäude-
ein langes Feuchthalten der Betondecken redu- trennfugen hat im Rahmen einer gesamtheitli-
ziert werden. ehen Betrachtung zu erfolgen. Vor- und Nach-
· Möglich ist auch eine Inkaufnahme des teile sind sorgfältig abzuwägen! Unzweckmäßig
Zwangs und eine Bemessung des Tragwerks für angeordnete und ausgebildete Gebäudetrennfu-
die Zwangsschnittkräfte. In diesem Fall ist die gen können mehr schaden als nützen. Sie kön-
Anordnung einer kräftigen Mindestbewehrung nen die Gebrauchstauglichkeit verschlechtern
in den Decken usw. erforderlich, so daß die Ver- und die Tragsicherheit beeinträchtigen.
teilung der Zwangsverformungen auf viele dün-
ne Risse gewährleistet ist. Vorsicht ist v.a. in Be- Einwirkungen auf Gebäudetrennfugen
reichen von Aussparungen geboten: Die ge-
zwängten Bauteile müssen auch die in der Aus- Grundlage für Entwurf, Bemessung und kon-
sparung weggefallene Bewehrung enthalten, da- struktive Durchbildung der Gebäudetrennfugen
mit sich die Verformungen nicht auf die Bereiche ist eine sorgfältige Analyse der Einwirkungen. Je
neben der Aussparung konzentrieren, sondern mehr Einwirkungen sich überlagern, desto auf-
auch die Nachbarbereiche aufgerissen werden. wendiger wird die Fugenausbildung (z. B. Bewe-
Auch in den gezwängten Tragwänden, Kernen gungsfuge aufbefahrbarem Dach).
usw. ist eine kräftige Mindestbewehrung anzu- Einwirkungen von innerhalb der Gebäudehül-
ordnen. le können Fugenbewegungen (v.a. durch hori-
Durch die Anordnungvon Gebäudefugen kön- zontale Längenänderungen), Kräfte aus Fugen-
nen neue Probleme geschaffen werden. Insbe- verdornung (Querkräfte vertikal und evtl. hori-
sondere ist zu bedenken, daß durch die Trennung zontal), mechanische Einwirkungen (z.B. durch
des Tragwerks in schlankere Einzelabschnitte, Befahren), chemische Einflüsse (z. B. durch Tau-
die aufhorizontale Kräfte empfindlicher reagie- salz) oder die Ausdehnung im Brandfall sein. Als
ren, die horizontale Steifigkeit und der Tragwi- Einwirkungen von außerhalb der Gebäudehülle
derstand sowie die Gesamtstabilität beeinträch- können Fugenbewegungen (z.B. durch Setzun-
tigt werden können. gen, Erdbeben), Wasser (z. B. Schlagregen, Grund-
Die Verschiebungen im Bereich von Gebäude- wasser), Temperatur, Sonneneinstrahlung und
trennfugen sind auch durch Verkleidungen (Bo- Wind auftreten.
den-, Wandbeläge) und durch Haustechnikan- Einwirkungen im Bauzustand - meist infolge
lagen (Leitungen) vollumfänglich mitzumachen, Unachtsamkeit, Fahrlässigkeit und/oder fehlen-
was eine gründliche Maßnahmenplanung bei der Information und Koordination- sind oft Ur-
Ausbau und Haustechnik erfordert. Da die Dich- sache von Fugenschäden. Hierzu gehören das
tigkeit ein wesentlicher Aspekt der Gebrauchs- Blockieren der Fugen durch unsorgfältig aufge-
tauglichkeit ist, sind Gebäudetrennfugen entspre- brachte Bodenbeläge, Verputze usw. und Verlet-
chend auszubilden und stellen diesbezüglich ein zung von ungeschützten Fugenbändern im
Schadensrisiko dar. Undichte Gebäudetrennfu- Sockelbereich (Kellerwände) vor dem Betonie-
gen können evtl. größeren Schaden anrichten als ren oder vor Aufbringen des Schutzmörtels. Mit-
wilde Risse einer fugenlosen Konstruktion. Ein- unter werden auch fixierte, aber noch nicht ein-
wandfrei ausgebildete Gebäudetrennfugen sind betonierte Fugenprofile verformt oder Fugen-
zudem teuer und erfordern je nach Verhältnis- flanken vor dem Einbringen der Dichtungspro-
sen auch Unterhalt. file lokal zerstört. Die wichtigsten Einwirkungen
Gebäudetrennfugen in Decken verhindern ei- werden im folgenden noch näher beschrieben.
ne statische Durchlaufwirkung. Die Folge kön-
nen größere Deckendurchbiegung, größere Bie- Fugenbewegungen. Fugenbewegungen lassen
gebeanspruchung in den Randfeldern und ein sich rechnerisch abschätzen. Zu unterscheiden
schlechteres Durchstanzverhalten bei getrenn- sind die Bewegungsrichtung (Schieben quer zur
ten Stützen von Flachdecken (Randstützen) sein. Fuge, längs der Fuge und Schieben durch Ver-
Ungleiche Schwingungen der getrennten Ge- drehung der Deckenscheiben im Grundriß) und
bäudeteile bei Erdbeben können auch ein Zu- die Bewegungsgröße (Differenz zwischen größ-

Hochbaukonstruktionen 3-117
ter und kleinster Fugenbreite, Maß der größten Entwurf und Bemessung von Gebäudetrennfugen
Verschiebung längs der Fugenflanken). Daneben
ist auch die Bewegungshäufigkeit von Bedeu- Ist der wohlüberlegte Entscheid zugunsten einer
tung. Es können irreversible, einmalige rich- Gebäudetrennfuge gefallen, so ist diese konse-
tungsbetonte Bewegungen oder reversible, mehr- quent und kompromißlos durch sämtliche Bau-
malige umkehrbare Bewegungen auftreten. teile durchzuziehen. Eine Ausnahme besteht bei
Durch Fugenverdornung kann die Bewegungs- der Gründung: Gebäudetrennfugen beginnen
richtung beeinflußt werden. i. d. R. oberhalb der Gründung und werden durch
das ganze Bauwerk einschließlich Fassadenver-
Kräfte aus Fugenverdornung. Fugenverdornung kleidung und Dachbelag durchgeführt.
kann zur Erhaltung des Gleichgewichts (Gleich-
gewichtsverdornung), d.h. zur Gewährleistung Fugenanordnung, Fugenabstände. L- und T-för-
der Tragsicherheit durch Querkraftübertragung mige Grundrisse sind durch Fugen in rechtecki-
im Fugenbereich, oder zur Erhaltung der Ver- ge Grundrisse aufzuteilen. Dadurch wird v.a. das
träglichkeit (Verträglichkeitsverdornung), d.h. Erdbebenverhalten entscheidend verbessert
zur Verhinderung von Relativverschiebungen (vgl. 3.2.5.5). Hohe und somit schwerere Gebäu-
der Fugenflanken (geringere Beanspruchung deteile sind von niederen, leichteren Gebäude-
der Fugendichtung und der Fugenflanken), er- teilen zu trennen, um Zwang infolge unter-
forderlich sein. schiedlicher Setzungen und differentieller Stüt-
Kräfte aus Verträglichkeitsverdornung lassen zenverkürzung (elastisch und Kriechen) zu ver-
sich oft nur schätzen. Eine duktile Ausbildung meiden.
des Dornbereichs ist daher von größter Bedeu- Zweckmäßige Abstände von Gebäudetrennfu-
tung (z.B. gute Verbügelung seitlich der Dorne). gen können stark variieren, von ca. 10 bis 50 m
oder mehr. Fugenabstände stehen in ausgepräg-
Mechanische Einwirkungen. Gebäudetrennfu- ter Interaktion mit dem Maß der Behinderung
gen durch Fußböden in Gewerbebauten, Lager- der horizontalen Längenänderungen (Anord-
häusern, Einkaufszentren, Parkgaragen usw. nung und Steifigkeit der Elemente zur Abtra-
sind oft relativ hohen und wiederholten Einzel- gung horizontaler Kräfte) und konstruktiven
radlasten ausgesetzt. Folgende Unterscheidun- Maßnahmen (Mindestbewehrung). Regeln über
gen der Gebäudetrennfugen sind zweckmäßig erforderliche Fugenabstände können einer spe-
(nach zunehmender Beanspruchung geordnet): zifischen Situation meist nicht gerecht werden.
- begehbar, ausnahmsweise befahrbar mit Pkw, Kleine Fugenabstände sind zweckmässig bei
- befahrbar mit Pkw, ausnahmsweise befahrbar einer starken Behinderung der horizontalen
mit Lkw, Längenänderungen und erheblicher Tempera-
- befahrbar mit luftbereiftem Lkw oder luftbe- tureinwirkung (schwach oder überhaupt nicht
reiftem Gabelstapler, wärmegedämmte Gebäudehülle). Große Fugen-
- befahrbar mit Hub- oder Transportfahrzeu- abstände oder überhaupt keine Fugen, dafür ent-
gen mit Vollgummi- oder Hartkunststoffrä- sprechende konstruktive Maßnahmen (Min-
dern. destbewehrung, Lager), sind sinnvoll, wenn das
Gesamtsystem durch die Auftrennung der Dek-
Für jede Einwirkung sind auf dem Markt sehr kenscheiben erheblich geschwächt würde (vgl.
unterschiedliche Fugenübergangskonstruktio- Abb. 3.2-45). Dies ist sinnvoll auch bei proble-
nen erhältlich. matischen Einwirkungen auf die Fugen wie Was-
serdruck, chemischen und starken mechani-
Wasser. Wasser kann in Form von Wasserdampf schen Einwirkungen oder bei problematischem
(Dampfsperre ), Schlagregen, Bodenfeuchtigkeit, Fugenunterhalt wie bei Gründungsplatten oder
vorübergehend oder dauernd stehendes oder ganzem UG-Kasten.
fließendes Wasser mit kleinem, mittlerem oder Bauteile außerhalb und auf der Außenseite der
hohem Wasserdruck einwirken. Durch kon- Gebäudehülle (Balkonplatten, Fassadenplatten
struktive Maßnahmen sind Wassereinwirkun- usw.) sind durch Bauteilfugen in Abständen von
gen wenn immer möglich zu minimieren (z.B. ca. 5 bis 8 m zu trennen (Temperatureinwirkung).
Reduktion von Wasserdruck durch Drainage, Wenn immer möglich sollten Gebäudetrenn-
kein stehendes Wasser dank ausreichendem Ge- fugen ohne Ecken und Versprünge in einer Ver-
fälle). tikalebene verlaufen. Gebäudeteile sind durch

3-118 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


gute Lösung ungünstigere Lösung

Schaumstoffzwischenlage
(bei Erdbebengefährdung
hohle Fuge erforderlich)

Abb. 3.2-66 Lösungen für Gebäudetrennfuge

gemeinsam fundierte Doppelstützen zu trennen


(Abb. 3.2-66).

Fugenbreiten. Die Fugenbreite wird bestimmt


durch die berechnete Fugenbewegung und die
Verformbarkeit der Fugendichtung. Die Ver-
formbarkeit von Fugendichtungen liegt für Fu-
gendichtungsmassen bei max. 25 o/o, d. h. ± 12,5 o/o
der Fugenbreite (vgl. SIA 274), für Profildich-
Abb. 3.2-67 Verträglichkeitsverdornung an Planenrän-
tungen bei max. 30 o/o bis 60%, d. h. ± 15 o/o bis dern
± 30o/o der Fugenbreite (vgl. Marktprodukte). Bei
Blechdichtungen mit Schleppfalz hängt sie von
der konstruktiven Durchbildung ab. Fugenbän-
der gegen eindringendes Wasser besitzen eine Gleichgewichtsverdornungen entlang von Ge-
Verformbarkeit von max. ca. 50 mm (ihre Dehn- bäudetrennfugen, z.B. für Querkraftübertra-
barkeit ist unabhängig von der Fugenbreite ). Die gung, sind problematisch und nach Möglichkeit
zweckmäßige Fugenbreite liegt hier bei 20 bis zu vermeiden, da der Tragwiderstand mit zuneh-
30mm. mender Fugenöffnung (Brand, Erdbeben) rasch
In Zonen mit Erdbebengefährdung sind Ge- abnimmt. Zudem sind Korrosionsverhalten (z. B.
bäudetrennfugen so breit auszubilden, daß die Parkdecks mit eingeschlepptem Tausalz) und
Gebäude nicht zusammenprallen. Nach SIA 160 Brandverhalten problematisch.
Ziffer 4 19 33 ist die Fugenbreite bei Aussteifung
mit Tragwänden oder Fachwerken mit 15 mm Konstruktive Durchbildung von Gebäudetrennfugen
pro Stockwerk, bei Aussteifung mit Rahmen mit
30 mm pro Stockwerk anzusetzen. Sie muß je- Zahlreiche konstruktiv gut durchgebildete Fu-
doch mindestens 40 mm über die ganze Gebäu- gensysteme sind auf dem Markt erhältlich. Die
dehöhe betragen. (vgl. DIN 4149). Bei höheren Wahl des richtigen Systems richtet sich nach
Gebäuden sind detailliertere Berechnungen an- dem vom Ingenieur ausgearbeiteten Anforde-
zustellen. Der Fugenzwischenraum darf nicht rungskatalog für die Fuge. Bei der Wahl von Fu-
ausgefüllt sein, und er darf keine Kontaktbrük- gensystemen soll auch ihre Bewährung an aus-
ken aufweisen (SIA 160 Tabelle 31), damit ein geführten Objekten geprüft werden (Referen-
freies Schwingen der angrenzenden Gebäude- zen). Die Beispiele in Abb. 3.2-68 zeigen einige
teile gewährleistet ist. konstruktive Möglichkeiten.

Fugenverdornung. Verträglichkeitsverdornun-
gen entlang von Gebäudetrennfugen sind zweck-
mäßig, um z.B. weiche Plattenränder zu verbin-
den (Abb. 3.2-67). Die Dauerhaftigkeit der Fuge
wird dadurch erheblich erhöht.

Hochbaukonstruktionen 3-119
30 20

ffl]% I.111111111111 Q240

I 85 I
I
44 111111 rrrr•::::tn
IP61 46
,1 I
190
I
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20
3
,j~~o
a 5 20 5 b

15

a- c Fugenbänder
d- g einfache Fugen
für Wände und
Decken
h-j befahrbare Fugen

Abb. 3.2-68 Fugensysteme

3.2.5.9 sprucht, daneben aber auch durch Temperatur-


Die Gebäudehülle durchdringende Tragelemente differenzen (Wärmebrücken), Wasser und che-
mische Angriffe (Meteorwasser, Kondenswas-
Problemstellung und Anforderungen ser) sowie Schwingungen bzw. KörperschalL

Problemstellung. Bei Skelettbauten (und ande- Anforderungen. Um sowohl statisch als auch
ren Bauten) finden sich häufig Bauteile außer- bauphysikalisch befriedigende Lösungen zu fin-
halb der Gebäudehülle. Solche sind beispiels- den, müssen an die Gebäudehülle durchdrin-
weise Balkone, Laubengänge, Brüstungen, Fas- gende Tragelemente etwa folgende Anforderun-
sadenbekleidungen, Dachaufbauten und Auf- gen gestellt werden:
hängungen von Vordächern. Diese Bauteile sind Eine minimale Störung bei der Durchdrin-
mit dem innerhalb der Gebäudehülle liegenden gung der Gebäudehülle erfordert möglichst
Tragwerk durch Tragelemente verbunden. Die punktuelle Tragelemente mit kleinem Quer-
die Gebäudehülle durchdringenden Tragele- schnitt und dementsprechend hoher Festigkeit.
mente werden durch Lasten und Kräfte aus den Daneben ist jedoch auch eine ausgewogene Stei-
Bauteilen außerhalb der Gebäudehülle bean- figkeit erforderlich. Die Tragelemente müssen

3-120 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


zwar mindestens in bestimmten Richtungen fest auf ein Minimum zu reduzieren. Im folgenden
genug sein, um Zug-, Druck- und Schubkräfte soll die Problematik dieser Tragelemente an zwei
einwandfrei zu übertragen, sie müssen jedoch Beispielen gezeigt werden.
oft gleichzeitig in bestimmten anderen Richtun-
gen weich genug sein, um differentiellen Ver- Balkonanschlüsse. Früher wurden Betonplatten
schiebungen aus unterschiedlichen Temperatur- für Balkone (Kragplatten) u.dgl. (z.B. Lauben-
verformungen der außer- und innerhalb der Ge- gänge bei Mehrfamilienhäusern) mit den Dek-
bäudehülle liegenden Bauteile folgen zu können. ken im Gebäudeinnern monolithisch verbun-
Durch eine geringe Wärmeleitfähigkeit er- den. Dies führte zu einer ausgesprochenen Wär-
reicht man eine Reduktion der Kondenswasser- mebrücke mit Gefahr der Kondensation und
bildung und der Schimmelpilzgefahr sowie ge- Schimmelpilzbildung:
samtheitlich geringere Energieverluste. Dane- Zur Verbesserung der Verhältnisse wurde an
ben ist eine ausreichende Dichtigkeit sicherzu- den Deckenrändern auf der Unterseite eine
stellen. Insbesondere im Dachbereich darf das meist 50 cm breite und 2 cm dicke Dämmschicht
Wasser die Dachhaut im Bereich von Durch- in die Schalung eingelegt (Abb. 3.2-69). Die kri-
dringungen nicht unterlaufen. Bei Durchdrin- tische Zone verschob sich damit von der Ober-
gungen im Grundwasserbereich stellt dies ein fläche in die übergangsschiebt zwischen Dämm-
besonderes Problem dar. Eine geringe Schall- schicht und Beton. Die Dämmschicht sog das
übertragung (Körperschall) ist eine oft schwer Kondenswasser kapillar auf und zeichnete sich
zu erfüllende Anforderung mit erheblichen Ko- mit der Zeit entlang der Deckenränder unschön
stenfolgen (Maßnahmen mit Bauphysiker ab- ab.
sprechen). Die monolithische Verbindung vermochte
Da Tragelemente im Bereich der Gebäudehül- auch in energetischer Hinsicht nicht zu befrie-
le oft nicht kontrolliert werden können, müssen digen (zu hohe Wärmeverluste). Zudem führten
sie mindestens die Lebensdauer der Gebäude- die ungleichen Längenänderungen infolge von
hülle selbst aufweisen. Diese und allenfalls wei- Temperatureinwirkung in Fassadenrichtung
tere Anforderungen haben oft gegenläufigen zwischen äußerer und innerer Betonplatte zu
Charakter. Sie sind zu gewichten. Kompromisse hohen Eigenspannungen und in der Balkonplat-
sind meist unumgänglich. Dabei hat aber die te zu starker Rissebildung.
Tragsicherheit Priorität. Die Gebäudehülle durch- Heute wird zur Verbesserung der Verhältnis-
dringende Tragelemente sind mit Vorteil bereits se der Beton im Bereich der Gebäudehülle un-
im Entwurf durch konzeptionelle Maßnahmen terbrochen und durch Tragelemente aus Stahl

Abb. 3.2-69 Typischer früherer Balkonanschluß

Hochbaukonstruktionen 3-121
ersetzt. Durch zusätzliche Balkonabstützungen Deckenrändern etwa gleich groß wie bei Fall I
wird außerdem die Beanspruchung der die Ge- mit Stahl S500; durch die Verwendung von Edel-
bäudehülle durchdringenden Traglernente redu- stahl anstelle von Stahl S500 werden die Verluste
ziert. bei Fall I etwa halbiert. Ideale Verhältnisse lie-
Konzeptionell können drei Fälle unterschie- gen bei Fall 3 vor. Die Verbindungselemente zur
den werden (Abb. 3.2-70}. Für alle drei Fälle ste- horizontalen Stabilisierung sind hier praktisch
hen heute zahlreiche mehr oder weniger geeig- vernachlässigbar.
nete Anschlußsysteme zur Verfügung. Der Inge- Die kritischen Oberflächentemperaturen im
nieur muß sorgfältig prüfen, ob das gewählte Gebäudeinnern liegen im schweizerischen Mit-
Produkt seinen Anforderungen entspricht. Der telland bei ca. 9,3 oc für Kondensation und bei
Preis allein darf nicht ausschlaggebend sein! ca. 12,6 °C für Schimmelpilzbildung. Der ungün-
Die Produkte unterscheiden sich insbesonde- stige Fall! mit Stahl S500 vermag dieser Anfor-
re in folgenden Punkten: derung nur sehr knapp zu genügen (13,7 °C}. Im
- Stahlqualität (Bewehrungsstahl S500 mit Bereich von Fensterstürzen besteht akute Kon-
Schutzbeschichtung, Edelstahl V4A (Nr. densations- und Schimmelpilzgefahr. Im allge-
1.4401 oder 1.4571}, Duplex-Edelstahl (Nr. meinen werden bei Verwendung von Edelstahl
1.4462) usw.). (V4A oder Duplex) dank seiner ca. viermal klei-
- Art der Schubübertragung: (Schrägeisen, neren Wärmeleitfähigkeit im Vergleich zum Be-
Stehblech, Dübel), wehrungsstahl S500 (16 gegenüber 60W/mK)
- Material und Dicke der Dämmschicht, die wärmetechnischen Probleme auch im Fall I
- Art und Weise der Verankerung der Biegebe- befriedigend gelöst (16 °C). Material und Dicke
wehrung. der Wärmedämmschicht haben dabei i.allg. se-
kundäre Bedeutung.
(In Deutschland ist für Anschlußsysteme eine Kondenswasserfilme infolge von Wärmebrük-
bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Zuge- ken und Chloride aus Tausalz, die evtl. durch die
lassen sind nur Elemente aus Edelstahl.) Wärmedämmschicht eindringen (Salzen von
Balkonen oder Laubengängen im Winter), füh-
Die wärmetechnischen Verhältnisse für die mo- ren zu einer erheblichen Korrosionsbelastung
nolithische Decke und für die in Abb. 3.2-70 ge- des ungeschützten Stahls im Bereich der Gebäu-
zeigten Fälle I und 3 sowie für weitere Konstruk- dehülle. Die Tragsicherheit darf jedoch länger-
tionsvarianten sind in Tabelle 3.2-5 dargestellt. fristig nicht durch das Maß der Korrosion be-
Die angegebenen Oberflächentemperaturen ba- stimmt werden.
sieren auf Lufttemperaturen von -l0°C außen Hieraus lassen sich folgende Empfehlungen
und +20°C innen. Bei durchbetonierter Decke ableiten: Bewehrungsstahl S500 muß im gefähr-
mit Dämmschicht sind die Verluste entlang den deten Bereich eine doppelte, einwandfrei ausge-

E
Fallt i ~l-V, M,N
auskragender Balkon
+ ~

ij E il- V.N
Fall2
außen abgestützter Balkon
+ ?));, ~
i

~ m
Falll :- N
selbsttragender Balkon
+ ?));, J/1/k
i

Abb. 3.2-70 Modeme Ansch lußsysteme filr Balkone

3-122 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


~
Grundarmierung Stahlbeton Mauerwerk homogen Außendämmung kw = 0,32 Wfml K Zweischalenmauerwerk !5
0,51 % (flächenanteil) kw = 0,46 Wfml K Hinterlüftung kw = 0,30 W/m2K kw = 0,29 W/m2 K li'
;..,
"'
durchbetoniert 81 87 813 .:..
Zusatzannierung 0,51 % I I II I I II I :;;
I
[""
c:
Linienzuschlag ~in (W/m K] 14.0°( [J}[] 13.30( @[] 14.1°( ~ g.
I I' II I' I II I' 10

89 815
"':::>
10
mit gedämmtem Stahlkorb 83 0..
I I I I I c:
Korbarmierung 1,3 % §.
V
g>
Linienzuschlag [W/m K] Baustahl I' 13,40( ' 13,70( 14.3°( ~
:::>
Linienzuschlag (W/m K] Edelstahl 15,3°( 1 16,0°( 6 16,3°( 4
Em - EHE I I' tm "'"'
g.
mit punktförmigen Verankerungen 83 89 815 c
Annierungsgehalt 1,3 % I I l l ~
bei 1 Auflager pro Meter
- = ~, 15.8°(
Linienzuschlag [W/m K) Baustahl 14,70( ' 15,3°(
Linienzuschlag (W/m K) Edelstahl
I' 16,3°( 09 17,1°( 1
1 17,40( 9
~ tEE I ~
Balkon abgstützt/Auflager 85 817
I ~ 811
dI 11
Linienzuschlag [W/m K] Balkon I"' 17,5°(
Linienzuschlag (W/m K] Auflager 1 1 1
~ l ~ ~ 11, ,. .~ ~
Zuschläge (W/m K] für Bodenheizung 0,01 0,01 0,01
Radiatorenheizung T=so•c. Ta =-1o•c
Balkon abgestützt/Auflager 0,15 0,09 0,09
Malus für durchbetonierte Oecke 0,01 0,04 0,03
:::1: 0,03 0,02
0
,.. Malus für ged. Stahlkorb (.1. = 60, I= 1,3%) 0.01
~
er Balkontür: Holztür 0,29 0,33 0,34
c:
"' Malusfür durchbetonierte Oecke 0,10 0,01 0,06
6 Malus für ged. Stahlkorb (). = 60, I = 1.3%) 0,08 0,01 0,04
"'~ Fenstersturz: Holzrahmen, Faltrolladen 0,29 0,37 0,38
2 0,10 0,03 o,os
~ Malus fllr durchbetonierte Oecke
c:r Malus für ged. Stahlkorb (). = 60, f = 1.3%) 0,1 1 0,01 0,07
I'D
"'
"'
UJ
I

N
UJ
-
führte Beschichtung aufweisen. Die beiden Bei selbsttragenden Balkonen (Fall3) ist ferner
Schichten müssen dicht, duktil und alterungs- zu beachten, daß Betonstützen träger auf Tem-
beständig sein, und es sind hierfür zwei unter- peraturdifferenzen reagieren als Stahlstützen.
schiedliche Materialien zu verwenden. Die äuße- Dunkle Anstriche der Stützen sind zu vermeiden,
re Schicht muß relativ weich sein, um Schläge im nichttragende Bauteile (z.B. Geländer) sorgfältig
Montagezustand zu dämpfen. Edelstahl hat min- zu dilatieren. Bei mehr als ca. fünf Geschossen
destens die Qualität V4A (Werkstoff-Nr. 1.4401 sind selbsttragende Balkone problematisch.
oder 1.4571) aufzuweisen. Bei Balkonen und
Laubengängen mit regelmäßiger Salzung im Verankerung schwerer Fassadenbekleidungen.
Winter ist nach dem heutigen Wissensstand Funktion und Konstruktionsarten von Außen-
nicht auszuschließen, daß durch Anreicherung wänden wurden in 3.2.3.1 behandelt. Schwere,
von Chloridionen auch in Edelstahl V4A Span- meist plattenartige Fassadenbekleidungen aus
nungsrißkorrosion auftreten kann. Für diese Beton, Mauerwerk, Natur- oder Kunststeinen
Fälle ist der noch resistentere Duplex-Edelstahl finden heute bei Skelettbauten häufig Verwen-
(Werkstoff-Nr. 1.4462) anzuwenden oder eine dung. Diese müssen mit die Gebäudehülle durch-
selbsttragende Lösung (s. Fall3) anzustreben. dringenden Ankern befestigt werden. Vorteile
Hinsichtlich der nötigen Verformbarkeit der solcher Fassadenbekleidungen sind die guten
Anschlüsse läßt sich folgendes feststellen: Un- Gestaltungsmöglichkeiten (insbesondere bei Be-
terschiedliche vertikale Temperaturdehnungen ton) sowie die gute Witterungsbeständigkeit und
von Außenstützen und Innenkonstruktion füh- damit gute Dauerhaftigkeit.
ren in den Fällen 2 und 3 der Abb. 3.2-70 zu ver- Nachträglich montierte, hinterlüftete Beklei-
tikalen Relativverschiebungen. Bei Balkonen mit dungsplatten werden an der Haupttragkonstruk-
Außenstützen (Fall 2) ist die Verbindung daher tion meist entweder mit zugstangenartigen Fas-
als Gelenk auszubilden. Bei Gebäuden mit mehr sadenplattenankern aufgehängt oder unten auf
als rund fünf Geschossen sind diesbezüglich ge- Winkelkonsolanker aufgelegt. Zusätzliche Stütz-
nauere Untersuchungen anzustellen. Bei selbst- schrauben und/oder Windanker leiten die Hori-
tragenden Balkonen (Fall 3) sind die Relativbe- zontalkräfte aus Wind und Erdbeben durch die
wegungen zu berechnen und die Verbindungen Isolationsschicht Brüstungen und Dachränder
mit der erforderlichen Verformbarkeit auszu- lassen sich durch winkelartige Brüstungsanker
bilden (Abb. 3.2-71). mit der Decke biegesteif verbinden.

Lösung mit Einzelstäben Lösung mit Blech

Relativ-
bewegung
t
Plane, z.B. vorfabriziert Dübel
und nachträglich montiert
außen innen außen innen

Anordnung im Grundriß

Zug-/Druckstäbe V4A, profiliert BlecheV4A

Abb. 3.2·71 Verformbare Balkonanschlüsse

3-124 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Analog zu den Balkonanschlüssen sind auch - Windanker für Mauerwerks-, Naturstein-
hier zahlreiche Ankersysteme auf dem Markt er- ader Betonbekleidung (Abb. 3.2-72d und e),
hältlich. Als Material wird i.d.R. Edelstahl V4A - Winkelplattenanker für oben aufgelegte win-
(Nr. 1.4571 oder Nr. 1.4401} gewählt. In den Abb. kelplattenartige Betonbekleidungen (siehe
3.2-72 und 3.2-73 sind typische Beispiele von Abb. 3.2-73a),
Verankerungen dargestellt: - Verbundanker und Verbundbügel für Sand-
- Fassadenplattenanker mit Stützschraube für wichplatten, meist nicht hinterlüftet, mit Ver-
oben aufgehängte Betonbekleidung (siehe bundankern in Plattenmitte und zusätzlichen
Abb. 3.2-72a), Verbundbügeln entlang den Plattenrändern
- Winkelkonsolanker für unten aufgelegtes zusammengehalten (Abb. 3.2-73b und c).
Mauerwerk, Natur- oder Kunststeinbeklei-
dung (Abb. 3.2-72b ), Bei ausschließlicher Verwendung von Edelstahl
- Brüstungsanker biegesteif, in Ortbetondecke führen die punktuellen Verbindungen mit ge-
eingelegt oder aufgedübelt (Abb. 3.2-72c), ringem Querschnitt zu kleinen, praktisch ver-

u
a b

Scheibe Ankerschiene

d e

Ankerschiene

a Fassadenplattenanker mit Stützschraube (Betonbekleidung oben aufgehängt)


b Winkelkonsolanker (Mauerwerk, Natur- oder Kunststeinbekleidung unten aufgelegt)
c Brüstungsanker (biegesteif, in Ortbetondecken eingelegt oder aufgedübelt)
d Windanker (Betonbekleidungen)
e Windanker (Mauerwerks·, Naturstein- oder Betonbekleidung)

Abb. 3.2-72 Typische Ankerfür Fassadenbekleidungen

Hochbaukonstruktionen 3-125
b

a Winkelplattenanker (oben aufgelegte, winkelplattenartige Betonbekleidungen)


b Verbundanker- und Verbundbügel (häufig verwendet)
c Kragenrohranker (Bewegungszentrum) und Flachanker (schubweich in einer Richtung)

Abb. 3.2-73 Typische Anker für Fassadenbekleidungen

nachlässigbaren Wärmedurchgängen. Fassaden- Es entstehen Ablagerungen, die stark chlorid-


bekleidungen befinden sich jedoch oft an bzw. haltig sein können. Da die Chloride vom Regen
über stark frequentierten Straßen oder Gehwe- hinter der Fassade nicht abgewaschen werden,
gen im innerstädtischen Bereich. Eine Beein- reichem sie sich bei den Fassadenankern (Kori-
trächtigung der Tragsicherheit der Verankerun- denswasserfilme) laufend an. Verankerungen in
gen durch Korrosion führt zu Absturzgefahr und einwandfrei ausgeführten Sandwichplatten oh-
damit zur Gefährdung von Menschenleben! ne Hinterlüftung (Stöße an Wärmedämmschicht
Bei hinterlüfteten Fassadenbekleidungen kön- mit Nut bzw. Stöße bei zweilagiger Wärmedäm-
nen Belüftungsstromgeschwindigkeiten von bis mung versetzt angeordnet) sind gut geschützt.
zu 0,4 m/s auftreten. In der Nähe von stark befah- Die chemische Belastung ist geringer, Chlori-
renen Straßen können im Winter die eingetrock- danreicherungen sind wenig wahrscheinlich.
neten Tausalzrückstände von den Fahrzeugen Fassadenanker sollten daher in jedem Fall
aufgewirbelt und mit dem Belüftungsstrom hin- mindestens aus Edelstahl V4A (Werkstoff-Nr.
ter die Fassadenbekleidung verfrachtet werden. 1.4401 oder 1.4571 }, d.h. nicht aus kunststoffbe-

3-126 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


schichtetem oder feuerverzinktem, Baustahl be- und Größe als monolithische Gebilde auszufüh-
stehen. (In Deutschland ist für Ankersysteme ei- ren. Die geringe Zugfestigkeit wird durch stäh-
ne bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Zu- lerne Bewehrung ausgeglichen, die die beim Rei-
gelassen sind nur Anker aus Edelstahl.) In der ßen des Betons freiwerdenden Zugspannungen
Nähe von stark befahrenen Straßen oder in In- aufnimmt, während Druckspannungen im we-
dustriezonen kann nach dem heutigen Wissens- sentlichen vom Beton abgetragen werden.
stand nicht ausgeschlossen werden, daß bei hin- Man erhält so einen preiswerten, robusten
terlüfteten Fassaden langfristig selbst im Edel- Verbundbaustoff mit sehr günstigen mechani-
stahl V4A Spannungsrißkorrosion auftritt. schen Eigenschaften, der bei sachgemäßer Aus-
Mögliche Alternativen sind die Ausführung führung eine hohe Korrosionsbeständigkeit
als nicht hinterlüftete Sandwichplatten oder die aufweist, da der Stahl im Beton vor Umweltein-
Anordnung mit Kontrollmöglichkeit für die Ver- flüssen weitgehend geschützt ist und die hohe
ankerungen, sofern diese nicht in resistenterem Alkalität des Betons die Korrosionsmechanis-
Stahl (z.B. Duplex-Edelstahl, Werkstoff-Nr. men des Stahls behindert.
1.4462) ausgeführt werden. Im Zweifelsfall kann Das Verhalten von Stahlbetontragwerken wird
es ratsam sein, leichte Fassadenbekleidungen zu bereits unter geringen Spannungen durch das
wählen. nichtlineare Materialverhalten, insbesondere die
Fassadenbekleidungen sind mittels Bauteilfu- geringe Zugfestigkeit des Betons, bestimmt. Vor-
gen horizontal und vertikal in Abständen von aussetzung für die Beherrschung des Materials
höchstens 6 m zu trennen. Die Fugen dienen zur ist die Kenntnis der komplexen mechanischen
Aufnahme von Temperaturverformungen und Zusammenhänge. Daher werden zunächst er-
Bautoleranzen. Verankerungen bei nachträglich gänzend zu 3.1 bemessungsrelevante Material-
montierten Bekleidungen müssen horizontale eigenschaften und-modelleder Einzelkompo-
und vertikale Verstellmöglichkeiten aufweisen. nenten Stahl und Beton sowie am einfachen
Die Anordnung steifer Anker definiert das Be- Modell des Zugstabs die Wirkungsweise des Ver-
wegungszentrum einer Fassadenplatte. Vom Be- bundbaustoffs Stahlbeton erläutert. Hierauf auf-
wegungszentrum entfernte Anker sind schub- bauend wird das Verhalten des Stahlbetons auf
weich auszubilden (vgl.Abb. 3.2-73 b). Querschnittsebene betrachtet, das zur Beschrei-
bung statisch bestimmter Systeme, in denen
Schnittgrößen allein durch das Gleichgewicht
3.3
ermittelt werden können, ausreicht. Durch Inte-
Massivbau gration des nichtlinearen Querschnittsverhal-
tens über die Systemlänge werden Verformun-
3.3.1 gen berechnet, die die Grundlage für die Erfül-
Einführung lung der Verträglichkeitsbedingungen und da-
mit die Beschreibung des Tragverhaltens in sta-
Der Massivbau als Sammelbegriff für Stahl- und tisch unbestimmten Systemen liefern.
Spannbetonbau stellt eines der klassischen und
zentralen Gebiete des Bauingenieurwesens mit Nachweiskonzept im Massivbau
erheblichem Anteil am gesamten Bauvolumen
dar. Nach einer etwa ISOjährigen Entwicklung Nachzuweisen sind die Grenzzustände der Trag-
seit den ersten Anfängen in der 2. Hälfte des 19. fähigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und der
Jahrhunderts hat er heute in der Ausführung Dauerhaftigkeit. Dies erfolgt durch explizite Be-
ebenso wie in der theoretischen Beherrschung rechnung, daneben aber auch in erheblichem
ein hohes Niveau erreicht (s. [fip 1998]). Umfang durch die Einhaltung konstruktiver Re-
Durch das Zusammenfügen von Stahl und Be- geln, die die Voraussetzung für die Gültigkeit der
ton im Verbundbaustoff Stahlbeton lassen sich Rechenmodelle schaffen.
die spezifischen Eigenschaften der beiden Werk-
stoffe ideal nutzen. Die kennzeichnenden Merk- Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT)
male des Betons sind seine relativ hohe Druck-
. festigkeit, seine Widerstandsfähigkeit gegen Wesentliche Forderung im GZT ist die Erfüllung
Umwelteinflüsse und seine unproblematische des statischen Gleichgewichts, ggf. unter Aus-
Verarbeitung. Seine freie Formbarkeit auf der nutzung plastischer Umlagerungen im Quer-
Baustelle ermöglicht es, Bauten fast jeder Form schnitt bzw. System. Die Betrachtung konzen-

Massivbau 3-127
triert sich daher auf Kräfte (bzw. Schnittgrößen). Richtwerte dar), letztere im Interesse einer lang-
Die Nachweise werden nach DIN 1045 Teil1 nach fristigen Tragfähigkeit dagegen zwingend ein-
dem Konzept der Teilsicherheitsbeiwerte ge- zuhalten sind.
führt, bei dem der Bemessungswert der Einwir-
kungen (Index Sd) mit dem Bemessungswert des Dauerhaftigkeit
Widerstands (Index Rd) verglichen wird. Dieser
Vergleich wird traditionell mit Schnittgrößen Unter Dauerhaftigkeit versteht man die Erhal-
geführt, z.B. Msd:::;,MRd· Die Bemessungswerte tung der zur Gebrauchstauglichkeit und Trag-
der aufnehmbaren Schnittgrößen ergeben sich fähigkeit erforderlichen Eigenschaften über die
mit den Bemessungswerten der Materialfestig- geplante Lebensdauer (i.allg. 50 bis 100 Jahre)
keiten, die mit mechanischen Modellen in des Bauwerks unter den chemischen und physi-
Schnittgrößen transformiert werden. Der Nach- kalischen Einflüssen der Umwelt, die durch die
weis kann im Rahmen plastischer oder nichtli- Einordnung in die in DIN 1045 Teil1 definierten
nearer ·Berechnungsverfahren jedoch auch auf Umgebungsklassen beschrieben werden. Mögli-
der Ebene der Einwirkungen geführt werden ehe Grenzzustände der Dauerhaftigkeit sind die
(qsd:::;, qRd), was die BerücksichtiguQg von Umla- Korrosion der Bewehrung und die Zerstörung
gerungen im System erlaubt. des Betongefüges durch chemischen oder me-
Geometrische Größen werden i. allg. mit ihren chanischen Angriff.
Nennwerten angesetzt, da der Einfl.uß ihrer Streu- Die Dauerhaftigkeit hängt in erster Linie von
ungen auf die Sicherheit der Konstruktion bei der richtigen Wahl der Baustoffe ab (im Massiv-
üblichen Querschnittsabmessungen gering und bau v.a. niedriger Wasser/Zement-Wert, geeig-
durch die Teilsicherheitsbeiwerte der Festigkei- nete Zementart, Zugabe von Zusatzmitteln und
ten abgedeckt ist. Bei Bauteilen mit sehr kleinen -stoffen usw.). DIN 1045 Teil1 erfaßt dies durch
Querschnittsabmessungen (z.B. dünnen Scha- eine Mindestbetonfestigkeitsklasse als Summen-
len) kann er dagegen erheblich sein [fib 1999]. parameter; in Sonderfällen können jedoch wei-
Daher ist die Einhaltung vorgegebener Mindest- tergehende Überlegungen erforderlich sein
abmessungen ebenso wie die Kontrolle (Güte- (vgl. 3.1). Daneben ist eine geeignete konstruk-
überwachung) der Baustoffe und Bauausfüh- tive Durchbildung (Entwässerung horizontaler
rung im Rahmen des Sicherheitskonzeptes zwin- Flächen, Vermeidung direkter Beregnung und
gend erforderlich. wechselnder Durchfeuchtung etc.) wichtig
Zu den Grenzzuständen der Tragfähigkeit ge- (s. 3.2).
hört ferner die Ermüdung, s. 3.3.14. Der Korrosionsschutz der Bewehrung wird in
Stahl- und Spannbetonbauwerken durch die Al-
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) kalität des Betons sichergestellt, die zur Bildung
einer schützenden Passivschicht aus Korrosions-
Nachweise der Gebrauchstauglichkeit umfassen produkten auf der Stahloberfläche führt. Durch
im Massivbau die Begrenzung von Spannungen, das Eindringen von Kohlendioxid in den Beton
Rißbreiten und Verformungen. Sie werden zum kommt es jedoch zu einer von der Bauteilober-
Erreichen der geforderten Zuverlässigkeit i.allg. fläche in das Innere fortschreitenden Umwand-
unter Verwendung von charakteristischen Wer- lung des alkalischen Kalziumhydroxids in neu-
ten der Materialeigenschaften für Einwirkungs- trales Kalziumkarbonat (Karbonatisierung) und
kombinationen mit definierter Auftretenshäu- somit zu einer Aufhebung des Korrosionsschut-
figkeit geführt. Die Sicherstellung der Verträg- zes.
lichkeit ist hierbei ein wesentlicher Aspekt. Im Die Geschwindigkeit der Karbonatisierung
Vordergrund stehen daher Verformungen. hängt von der Diffusionsdichtigkeit des Betons,
Vor allem dieRißbreiten-und Spannungsbe- der zur Verfügung stehenden Wassermenge und
grenzung dienen auch der Sicherstellung der der umzuwandelnden Menge an Kalziumhydro-
"Dauerhaftigkeit". Die Unterscheidung zwischen xid, also im wesentlichen der Zementmenge, ab.
echten Gebrauchstauglichkeitsnachweisen und Allerdings ist die Karbonatisierung keine not-
(versteckten) Dauerhaftigkeitsnachweisen ist wendige Bedingung für den Beginn der Korro-
entscheidend für die Verbindlichkeit des Nach- sion. Bei Vorhandensein von Chloriden und Sau-
weises, da erstere nur im Hinblick auf die Nut- erstoffkann es auch im alkalischen Milieu zu ei-
zung durch den Bauherrn formuliert werden nem lokalen Durchbrechen der Passivschicht
können (normative Empfehlungen stellen nur kommen [Nürnberger u.a.1988].

3-128 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Im Bereich von Rissen geht die Schutzwirkung eine an Vollständigkeit kaum zu übertreffende
der Betondeckung teilweise verloren. Mit zu- Sammlung von Material- und Bemessungsmo-
nehmender Rißbreite wird die Karbonatisierung dellen bietet der Model Code 1990 des CEB-FIP
der Rißufer und das Eindringen von Chloriden (CEB 1993a), im folgenden kurz MC 90 genannt,
zur Bewehrung beschleunigt. Die Korrosion er- sowie das zugehörige Textbuch des fib [fib 1999].
folgt nun entweder durch Eigenkorrosion im Riß, Man klassifiziert erhärteten Beton heute nach
bei der Anode und Kathode im Riß liegen, oder seiner Dichte in Leicht- (y~2100 kg!m 3), Nor-
durch die Bildung von Makroelementen, bei der mal- und Schwerbeton (y~2800 kg/m 3) oder
nur die Anode im Riß liegt, die kathodische Re- nach seiner Festigkeit in normalfesten und
aktion jedoch in den ungerissenen Bereichen hochfesten Beton. Gemeinsames Kennzeichen
zwischen den Rissen erfolgt. Im Fall der Makro- aller Betone ist ihr Aufbau aus einem Gerüst von
elementbildung ist der Einfluß der Betondek- Zuschlägen, das durch eine Matrix aus Zement-
kung auf den Korrosionsfortschritt weit größer stein verbunden wird. Das Zusammenwirken
als der Einfluß der Rißbreite. von Matrix und Zuschlag zeigt jedoch bei den
Die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit erfolgt verschiedenen Betonen charakteristische Unter-
heute i. d. R. nicht durch rechnerische Nachweise, schiede, die bei der Bemessung berücksichtigt
sondern durch die Einhaltung mehr oder weni- werden müssen.
ger empirischer Konstruktionsregeln. Diese er- Zur Beschreibung des Betons haben sich in der
geben sich aus den wesentlichen Einflußparame- Literatur drei Betrachtungsebenen entwickelt
tern Rißbreite, Betondeckung und Diffusions- [Wittmann 1983]: Während sich die Mikromo-
dichtigkeit. Letztere ist in erster Linie eine Funk- delle vor allem mit Struktur und Eigenschaften
tion des Wasser/Zement-Wertes und somit we- des Zementsteins befassen, beschreiben Meso-
gen der starken Korrelation zwischen w/z-Wert modelle das Zusammenwirken von Zuschlag
und Betondruckfestigkeit indirekt von der Fest- und Matrix unter Berücksichtigung von Poren
igkeitsklasse abhängig. Für eine gegebene Um- und mikroskopischen Rissen. In der Ingenieur-
weltklasse wird daher die Einhaltung einer Min- praxis beschränkt man sich auf die Betrachtung
destbetondeckung, einer maximalen Rißbreite von Makromodellen, in denen der inhomogene
und einer Mindestbetonfestigkeitsklasse gefor- Baustoff durch die integrale Betrachtung eines
dert. größeren Volumens zum Kontinuum homogeni-
Die unter Baustellenbedingungen erreichbare siert wird.
Betondeckung weist erhebliche Streuungen auf,
weshalb die Mindestbetondeckung als 5%- bzw. 3.3.2.1
10%-Fraktilwert definiert wird. Den anzustre- Mechanische Eigenschaften der Mesostruktur
benden Mittelwert, das sog. "Nennmaß der Be-
tondeckung", erhält man durch Addition eines Spannungen im erhärteten Beton
Vorhaltemaßes ßc, das aus der Standardabwei-
chung der Betondeckung folgt und aus Baustel- Das Verhalten des Betons wird auf der Mesoebe-
lenmessungen zu ca.10 bis 15 mm ermitteltwur- ne von den deutlich unterschiedlichen mechani-
de [Dillmann 1996] (s. hierzu die DBV-Merk- schen Eigenschaften der beiden Komponenten
blätter "Betondeckung und Bewehrung" und Matrix und Zuschlag bestimmt. Bei den üblichen,
"Abstandhalter"). Neben dem Korrosionsschutz normalfesten Betonen liegen die Festigkeit und
können auch der Brandschutz (s. 3.3.13) und das v. a. die Steifigkeit der Zuschläge erheblich über
Verbundverhalten (s. 3.3.5.1) maßgebend für die denen der Matrix, was dazu führt, das auch bei
Wahl der Betondeckung werden. einem makroskopisch homogenen Spannungs-
zustand die Spannungen im Korngefüge nicht
3.3.2 gleichförmig verlaufen (Abb. 3.3-1), da sie im In-
Beton neren v.a. durch die sehr steifen Zuschläge über-
tragen werden. Durch die Umlenkung der nicht
Die Eigenschaften des Betons werden hier nur geradlinig verlaufenden Kräfte entstehen senk-
insoweit behandelt, als sie für die Bemessung der recht zur Druckspannungsrichtung Querzug-
Bauteile von Bedeutung sind. Zu Fragen der Her- spannungen, die zwischen den Zuschlägen vom
stellung wird auf 3.1 und zu baubetriebliche Zementstein übertragen werden müssen.
Aspekten auf 2.6 verwiesen. Ausführlichere Dar- Die Kontaktfläche zwischen Zuschlag und Ma-
stellungen siehe z.B. [Hilsdorf/Reinhardt 2000]; trix ist die Schwachstelle des Gefüges, so daß es

Massivbau 3-129
Druck-
spannungen

Querzug-
spannungen

Abb. 3.3·1 Modellvorstellung für den Spannungsverlauf


im Komgerüst

Abb. 3.3-2 Lokalisierung der Rißbildung unter Zugbe-


hier bereits bei Spannungen weit unterhalb der anspruchung
Festigkeit zur Bildung von Mikrorissen kommt.
Dies führt zu einer Umlagerung der Spannun-
gen, die mit einer Auflockerung des Gefüges, d.h. bleibt auch unter höheren Spannungen nahezu
makroskopisch mit einem Abfall der Steifigkeit elastisch. Erreicht die Festigkeit des Zementstei-
und einer Zunahme der Querdehnung, verbun- nes die der Zuschläge, so erfolgt das Versagen,
den ist, und schließlich zum Bruch. ausgehend von kleineren Fehlstellen, sehr sprö-
de, u. U. sogar explosionsartig. Die Risse laufen
Makrorißbildung nicht mehr in der Kontaktfläche um die Zu-
schläge, sondern durch die Zuschläge hindurch,
Während die Mikrorisse zunächst im Körper so daß eine Zugkraftübertragung im Riß und
noch gleichmäßig verteilt und nicht einheitlich das damit verbundene langsame, duktile Versa-
gerichtet sind, kommt es bei Steigerung der Last gen nicht eintritt. Ein solches Verhalten stellt sich
in einem räumlich begrenzten Bereich, der sog. je nach Qualität der verwendeten Zuschläge bei
"Rißprozeßzone", zu einer fortschreitenden Ver- Betondruckfestigkeiten ab ca. 60 bis 80 MPa ein;
einigung der Mikrorisse, bis dort schließlich ein Leichtbeton zeigt wegen der geringen Festigkeit
durchgehender, mit bloßem Auge sichtbarer Ma- der Zuschläge ein ähnlich sprödes Versagen.
kroriß entsteht, der zum Bruch des Körpers und Zur Erhöhung der Duktilität können kurze Fa-
einem Abfall der Spannungen bei Steigerung der sern (l =30 ... SOmm) aus Stahl zugegeben wer-
Dehnung führt. Man bezeichnet diesen Vorgang den, die die Rißufer verbinden und die Übertra-
als Lokalisierung, da die Dehnungen im Körper gung von Zugspannungen ermöglichen. Bei
nun nicht mehr gleichmäßig verteilt sind, son- hochfesten Betonen bilden Kunststoffasern dar-
dern lokal stark zunehmen, während die übrigen über hinaus ähnlich wie die Kontaktfläche Ma-
Bereiche nach dem Überschreiten der Festigkeit trix/Zuschlag bei normalfesten Betonen Schwach-
entlastet werden (Abb. 3.3-2). Der Übergang von stellen im Gefüge, die eine Mikrorißbildung ini-
Mikro- zu Makrorissen erfolgt bei normalfestem tiieren und somit einen ähnlichen Versagens-
Beton kontinuierlich. Bis zur vollständigen Tren- mechanismus hervorrufen können [König/Küt-
nung der Rißufer werden diese durch den Riß zing 1998] .
überbrückende Zuschläge verbügelt, was die
Übertragung geringer Zugspannungen auch Rißverzahnung
nach Beginn der Makrorißbildung erlaubt [Du-
da 1991]. Die im Beton entstehenden Makrorisse sind
Ein abweichendes Verhalten zeigen hochfeste i.allg. rauh, wobei zwischen der lokalen Mikro-
Betone (König/Grimm 2000]. Bei steigender rauhigkeit, die durch den Verlauf der Makroris-
Festigkeit des Zementsteines und der Kontakt- se um die Zuschläge entsteht, sowie der globalen
zone (z. B. durch Zugabe von Mikrosilika und Re- Makrorauhigkeit aus dem unebenen Verlauf der
duzierung des w/z-Wertes) wird die Mikroeiß- Risse zu unterscheiden ist. Dies ermöglicht eine
bildung zunehmend unterbunden; der Beton Verzahnung der Rißufer und somit die übertra-

3-130 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


r I
~ I I
• ~

Ta
Detail
Mikro-
rauhigkeit
a b ::::;jts

w=0,2mm 0,6mm
t,Jfc
0,1

0,1
a Makrorauhigkeit
b Mikrorauhigkeit
c Spannungen im Riß für w=konst.

Abb. 3.3·3 Verzahnung der Rißufer

gung von Schubspannungen über den Riß, so- 3.3.2.2


lange die Rißöffnung verglichen mit der Größe Mechanische Eigenschaften der Makrostruktur
der Zuschläge klein bleibt. Im Modell kann die
Verzahnung als Eindringen der als starr ange- Im allgemeinen wird Beton als makroskopisch
nommenen Zuschläge in die starr-plastische Ze- homogenes, im unbelasteten Zustand isotropes
mentsteinmatrix beschrieben werden [Walraven Material beschrieben, was nur sinnvoll ist, wenn
1980]. So entsteht im Riß abhängig von der Riß- das betrachtete Bauteil wesentlich größer ist als
öffnung wund Rißuferverschiebungs eine Viel- die verwendeten Zuschläge. Die Anwendung der
zahl von Kontaktflächen, in denen jeweils Nor- gängigen Bemessungsmodelle ist daher an Min-
malspannungen und Reibung wirken, deren In- destabmessungen von etwa dem Fünffachen
tegral die makroskopischen Spannungen Tm Ocr Größtkorndurchmesser für die Bauteile gekop-
ergibt. Die Abhängigkeit von w, s ist stark nicht- pelt.
linear (Abb. 3.3-3 ). Eine Übertragung von Schub-
spannungen tcr im Riß führt immer auch zu ei- Zugbeanspruchung
ner Normalspannung Ocr< 0, d. h., eine Rißufer-
verzahnung ist nur möglich, wenn die Öffnung Die O-E-Beziehung von Beton unter Zugbean-
des Risses durch äußere Normalkräfte oder Be- spruchung zeigt den in Abb. 3.3-4 dargestellten
wehrung behindert ist. charakteristischen Verlauf. Bis zu einer Span-
Da mit steigender Festigkeit des Betons die nung von ca. 80% der Zugfestigkeit verläuft die
Risse zunehmend durch die Zuschläge verlau- Kurve geradlinig, bei höheren Spannungen
fen, nimmt die Mikrorauhigkeit bei hochfestem kommt es zu einer verstärkten Bildung von Mi-
Beton stark ab [Walraven/Stroband 1993] . Der krorissen und schließlich zum Zugversagen. Er-
Anteil der Makrorauhigkeit an der Verzahnung höht man nach Überschreiten der Festigkeit die
nimmt zu. Dehnung, so fällt die Spannung steil ab und geht
schließlich mit Bildung eines sichtbaren Trenn-
risses gegen Null.

Massivbau 3-131
digkeit hochfester Betone nimmt ich mit stei-
gender Festigkeit ab.
Zur Beschreibung der allmählichen Lokalisie-
rung eignet sich insbesondere das sog.fictitious
crack-model [Hillerborg et al. 1976]. Dabei wird
0,8
die gesamte, aus der verstärkten Mikrorißbil-
dung und -vereinigung in der Rißprozeßzone
auftretendende Längenänderung als Öffnung ei-
nes fiktiven Einzelrisses interpretiert (d.h. die
a
Ausdehnung der Rißprozeßzone wird zu Null ge-
setzt). Zur Umsetzung siehe z.B. [Rots 1988].
Die Zugfestigkeit liegt bei heute üblichen Be-
tonen zwischen 2 und 5 MPa. Zur Bestimmung
s. 3.1 sowie DIN 1048. Aufgrund des Maßstab-
effekts und der Überlagerung von Eigenspan-
nungen aus ungleichmäßigem Schwinden etc. ist
die Festigkeit von der Probekörpergeometrie,
b
dem Spannungszustand und den Lagerungsbe-
w[mm]
dingungen abhängig, was die Einhaltung defi-
a geminelte o·r·Beziehung
b Spannung in Abhängigkeit von der Rißöffnung nierter Prüfungsbedingungen und die Anwen-
dung von Korrekturfaktoren erfordert.
Abb. 3.3-4 Last-Verformungs-Kurven untern:hiedlicher
Probekörper unter Zugbeanspruchung Druckbeanspruchung

Unter einachsialer Druckbeanspruchung zeigt


Der Verlauf der Kurve im Nachbruchbereich Beton die in Abb. 3.3-5 dargestellte typische O-E-
(d.h. nach Überschreiten der Festigkeit) ist kei- Beziehung, die sich grob in drei Bereiche unter-
ne reine Materialeigenschaft, sondern stark von teilen läßt: Bei geringen Spannungen bis ca. 0,4fc
der Probekörperlänge abhängig (Maßstabef- ist das Verhalten nahezu linear, Be- und Entla-
fekt). Er wird für größere Körper deutlich stei- stung verursachen hier nur geringfügige Ände-
ler, da für die o-w-Beziehung eines Zugstabs mit rungen im Gefüge des Betons. Bei höheren Span-
einem Riß nungen nehmen die Dehnungen überproportio-
nal zu, was auf die verstärkte Mikrorißbildung
w=~·l+w
E er
(3.3.1) zurückzuführen ist, die ab ca. 0,8 fc zur Auflösung
c des Betongefüges und schließlich zum Bruch
gilt wobei Wer die lokalisierte Verlängerung der führt. Nach Überschreiten der Druckfestigkeit
Rißprozeßzone ist (Abb. 3.3-2); in der gemittel- fällt die Spannung mit zunehmender Dehnung
ten O-E-Beziehung wird diese mit Ecr = wcr!l über wieder ab, wobei auch hier ein deutlicher Maß-
die Länge verschmiert. stabeffekt zu beobachten ist. Spannungs-Deh-
Die zur Erzeugung eines Trennrisses der nungs-Beziehungen können daher im Nach-
Fläche "I" erforderliche Energie (d. h. die schraf- bruchhereich nur in Abhängigkeit von der un-
fierte Fläche in Abb. 3.3-4) wird als Bruchener- tersuchten Probekörpergröße angegeben wer-
gie Gtbezeichnet. Aus ihr leitet sich die charak- den [van Mier 1986].
teristische Länge Die experimentelle Bestimmung des Verhal-
tens unter Druckspannungen erfolgt durch zen-
E · Gf
I - _c- - (3.3.2) trische Druckversuche. Die gebräuchlichen Pro-
eh- r2
Jet bekörpersind dabei Zylinder (0/h=150 mm/
ab, die das Verhältnis zwischen der bei Rißbe- 300mm) und Würfel (h=150mm bzw. 200mm).
ginn gespeicherten elastischen Energie je Volu- Die Bruchspannung der Zylinder liegt bei ca.
meneinheit 0,5 -fc11Ec und der im Verlauf der 85% bis 92% der an Würfeln (h=200 mm) ge-
Rißbildung freigesetzten Energie wiedergibt. Sie messenen, wobei die niedrigeren Werte für nor-
ist als Materialkonstante ein Maß für die Dukti- malfeste, die höheren Werte für hochfeste Beto-
lität eines Baustoffs und liegt bei Beton zwischen ne gelten. Der Unterschied zwischen Würfel- und
200 und 400 mm. Wegen der zunehmenden Sprö- Zylinderfestigkeit beruht auf dem geometrisch

3-132 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bruchkörper

Bereichder ~'
Querdehnungs- ,
behinderung '

t t
Abb. 3.3-6 Einfluß der Querdehnungsbehinderung und
Abb. 3.3-5 Last-Verformungs-Kurve unter Druckbean- Bruchbild im Druckversuch bei unterschiedlichen Probe-
spruchung körperformen

bedingt anderen Spannungszustand (Abb. 3.3- Iokalisierung, so daß keine objektive (d.h. von
6). Da die Querdehnung des Betons durch die der Probekörpergröße unabhängige) O-E-Bezie-
Belastungsplatten behindert wird, entsteht in hung mehr formuliert werden kann, weshalb
der Querrichtung an den Lasteinleitungsstellen GI. (3.3.3) streng genommen nur für eine be-
eine Druckspannung, die mit zunehmender Ent- stimmte Bezugslänge, die i.allg. den üblichen
fernung von den Lastplatten abklingt und bei Probekörperlängen (15-30 cm) entspricht, gül-
den relativ schlanken Zylindern in der Mitte der tig ist. Dieser Effekt wird jedoch häufig ver-
Probekörperhöhe nahezu bedeutungslos ist, bei nachlässigt [Meyer/König 1998].
den gedrungenen Würfeln jedoch zu einer Stei- Bei hochfesten Betonen ist -2,2%o > Ec1 >-3%o.
gerung der Tragfähigkeit führt. Da die Querdeh- Die Kurve ist weniger stark gekrümmt und fällt
nungsbehinderung in Bauteilen i.allg. nicht vor- im Nachbruchbereich steiler ab, da die Mikro-
ausgesetzt werden kann, entspricht die Zylin- rißbildung erst bei höheren Spannungen ein-
derfestigkeit eher dem Bauteilverhalten. setzt und schneller zum Versagen führt.
Die Druckfestigkeit fc der heute üblichen Be- Gleichung (3.3.3) ist mathematisch unhand-
tone liegt zwischen 20 und 60 MPa, bei dem in lich. Vor allem die häufig erforderliche Integra-
den letzten Jahren an Bedeutung gewinnenden tion über einer gedrückten Fläche mit verän-
hochfesten Betonen werden unter Baustellenbe- derlicher Dehnung, etwa der Druckzone eines
dingungen Werte bis 120 MPa erreicht. Das ent- Balkens, ist, sofern sie analytisch erfolgt, relativ
spricht dem zehn- bis 20fachen der Zugfestig- aufwendig. Besser geeignet sind hierfür Poly-
keit. nomansätzeder Form Oe= la; Ej, deren Koeffi-
Im allgemeinen wird das Verformungsverhal- zienten a; sich z. B. durch Anpassung an GI. (3.3.3)
ten wie folgt beschrieben: gewinnen lassen (Jahn 1997], und die die An-
2 wendung von Konturintegralen nach den in
Beo Ee ( Ee ) [Fleßner 1962] dargestellten Prinzipien erlau-
ae - Bel Ee! Eel
fe -- 1+(Beo _ 2 )!.L (3.3.3) ben.
Im Bereich geringer Beanspruchungen (iacl :<:;
Be! Ee! 0,5fc) läßt sich das Verhalten durch eine lineare
Dabei ist Bc0 der tangentiale E-Modul im Null- Beziehung der Form ae=Be · Ee approximieren.
punkt, Be1 der Sekantenmodul und Ec1 =-f,!Bc~ Üblicherweise wählt man dabei für Be den Se-
die Dehnung im Spannungsmaximum;fe ist de- kantenmodul bei 0,4fe, der sich aus GI. (3.3.3) zu
finitionsgemäß positiv, a<> Ee bei Druck negativ. ca. 0,9 Bc0 ergibt. Die Querdehnzahl des Betons
Es sind also zur Beschreibung mindestens f<> Beo, wird in diesem Bereich i.allg. mit v"'0,2 angege-
Ee 1 erforderlich. Die Dehnung Ee 1 ist im Bereich ben. Mit einsetzender Mikrorißbildung nimmt v
der üblichen Festigkeiten relativ konstant und durch die fortschreitende Gefügeauflockerung
liegt bei etwa Ee! =-2,2%o. erheblich zu bis hin zur Volumenvergrößerung
Wie bereits erwähnt, ist der Kurvenverlauf im (v> 0,5) nach Erreichen der Druckfestigkeit.
Nachbruchbereich das Resultat einer Schadens-

Massivbau 3-133
Mehraxiale Beanspruchungen vorhandenen Spannungen die zum Versagen
führenden Querzugspannungen entweder kom-
Für zweiaxiale Beanspruchungen (a 1 #0, a 2 #0, pensieren oder verstärken. Der Würfeldruckver-
a3 = 0)wurde an Betonscheiben (20 cm x 20 cm x such liegt aufgrundder Querdehnungsbehinde-
5 cm) die in Abb. 3.3-7 dargestellte Versagens- rung im Druck-Druck-Bereich, was die gegen-
kurve ermittelt, die alle Spannungskombinatio- über dem Zylinderdruckversuch erhöhte Festig-
nen beschreibt, die zum Versagen führten, wäh- keit erklärt.
rend die innerhalb der Kurve gelegenen Kombi- In der praktischen Anwendung kommt häufig
nationen ertragen werden konnten [Kupfer das Mohr-Coulombsche Bruchkriterium (bzw.
1973]. Unter Druckbeanspruchung in zwei Rich- das daraus abgeleitete Druck-Prager-Kriterium)
tungen ergibt sich eine signifikante Erhöhung zum Einsatz, das Gleiten und somit einen Bruch
der Festigkeit auf maximal1,25fc für a 1 =0,5 a2 postuliert, sobald in einer beliebig gerichteten
und etwa 1,15fc für a 1 =az. Im Zug-Druck-Be- Schnittebene die dort wirkenden Spannungen
reich dagegen fällt die aufnehmbare Druck- die Grenzbedingung
spannung bei vorhandenem Querzug erheblich
t=c-a·tancj> (3.3.4)
ab. Dies entspricht dem nach Abb. 3.3-1 zu er-
wartenden Verhalten, da die in Querrichtung erfüllen. Für einen zweiaxialen Spannungszu-
stand läßt sich GI. (3.3.4) anschaulich in der a-t-
Ebene darstellen (Abb. 3.3-8). Da der Mohrsehe
Spannungskreis die Spannungen in allen mögli-
chen Schnittebenen enthält, ist ein Spannungs-
01
zustand möglich, wenn der zugehörige Mohr-
f, / ~ sehe Kreis vollständig innerhalb der Grenzgera-
- - - ---t-/"1 f,
den liegt; Gleiten tritt ein, wenn der Spannungs-
/
/
zentrischer kreis die Grenzbedingung tangiert. Die Orien-
/ Zugversuch
/
/
/
Spaltzug· tierung der Gleitebene kann aus dem Mohrsehen
/
/
versuch Spannungskreis abgelesen werden.
/

/
/ Im Zug-Zug-Bereich ergibt GI. (3.3.4) unrea-
/
/
/
listisch hohe Festigkeiten; daher wird das Über-
/
, ' Zylinderdruckversuch
schreiten der einaxialen Zugfestigkeit durch die
/ Würfeldruckversuch größte Hauptspannung als zusätzliche Grenzbe-
/
/
dingung eingeführt (Modifiziertes Mohr-Cou-
lomb-Kriterium, [Nielsen 1984)). Zu wirklich-
keitsnäheren Bruchkriterien und zum Verfor-
Abb. 3.3·7 Versagemkurve unter zweiaxialer Bean- mungsverhalten s. [Hofstetter/Mang 1995; CEB
spruchung 1996).

t
ol

:0 1

f~
- (J

rn
1/
EJ Trenn-
ßäche
1[;1 W-.p/2
r::J Gleitßäche
T =c - o tan .p

a o-t-Ebene ctJ rn b Hauptspannungsebene

Abb. 3.3·8 Modifiziertes Mohr-Coulomb-Kriterium

3-134 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bemessungskennwerte

Die Beschreibung der mechanischen Eigen- ~


schaften des Betons erfordert eine Vielzahl von f, C12/15 bisC 50/60
Parametern, die dem Ingenieur zum Zeitpunkt 1 ------ t~~~--.
der Planung i.d.R. nicht bekannt sind. Es ist da-
her sinnvoll, für die Bemessungspraxis einfache
Kenngrößen zu definieren, die das Verhalten
zwar nicht exakt, aber für die Bemessung hin-
reichend genau beschreiben. Hierfür nutzt man
die in Versuchen beobachteten Korrelationen
zwischen den Eigenschaften, um das Material 0,002 0,0035
durch einen Parameter zu beschreiben und alle
anderen näherungsweise daraus abzuleiten. Abb. 3.3-9 Parabel-Rechteck-Diagramm
Man klassifiziert Beton nach DIN 1045 Teil 1
durch die charakteristische Zylinderdruckfestig-
keit fe (z.B. C 35/45: fe=35MPa). Alle anderen die Steifigkeit und die zunehmende Sprödigkeit
Eigenschaften werden i.allg. unter Verwendung bei steigender Festigkeit, werden jedoch nicht
empirisch ermittelter Beziehungen aus fc abge- wiedergegeben. Gleichung (3.3.8) sollte daher
leitet. Diese gelten nur innerhalb des ihnen zu- nicht als Spannungs-Dehnungs-Linie verstan-
grunde liegenden Erfahrungsbereichs und er- den werden, sondern als rechnerische Span-
lauben keine Extrapolation. So überschätzt die in nungsverteilung am Querschnitt im Grenzzu-
MC 90 angegebene, an normalfesten Betonen er- stand der Tragfähigkeit unter Berücksichtigung
mittelte Beziehung von Langzeiteffekten [Grasser 1968] . Für hoch-
feste Betone lassen sich geeignete Beziehungen
2/3
f = r * ( fern -D.fc ) durch verallgemeinerte Parabeln mit nicht ganz-
J ctm J et /,* (3.3.5)
zahligen Exponenten (1 < n < 2) und variablen
Stauchungen Ec2<-2%o und Ee2u>-3,5%o defi-
mit fc = 10 MPa, fe; =1,4 MPa, Ne= 8 MPa die nieren [Quast 1981]; entsprechende Werte wur-
Zugfestigkeit hochfester Betone [Remmel1994]. den in DIN 1045 Teil1 aufgenommen. Der we-
Für diese gilt nach DIN 1045 Teil 1: sentliche Vorteil des Parabel-Rechteck-Dia-
gramms, die Unabhängigkeit von der Betonfe-
fctrn = 2,12 · ln(1 +fernlfc*). (3.3.6)
stigkeitsklasse, geht so jedoch verloren.
Der Elastizitätsmodul (Sekantenmodul bei Neben den rein mechanischen Eigenschaften
0,4f,m) darf wie folgt abgeschätzt werden: der Baustoffe ist zur Bemessung noch die Kennt-
nis ihrer stochastischen Streuungen erforder-
Ecrn = 9500 · fcV:· (3.3.7)
lich. Die charakteristischen Werte (5 bzw. 95%-
Da E em stark durch die verwendeten Zuschläge Quantilen, Index k) lassen sich in Ermangelung
beeinflußt wird, sollte Gl. (3.3.7) nur als An- genauerer Werte aus den Mittelwerten (Index m)
haltswert verstanden und bei anspruchsvollen wie folgt abschätzen:
Bauwerken in jedem Fall durch Versuche über-
fck =fern- N e (D.f,= 8 MPa) ,
prüft werden.
fctk,sup = 1,3 fetrn fctk,inf = 0,7 fctrn · (3.3.9)
Zur Vereinfachung wird weiterhin eine ideali-
sierte O-E-Beziehung eingeführt, das Parabel- Die Standardabweichung der Betondruckfestig-
Rechteck-Diagramm (Abb. 3.3-9): keit wird demnach unabhängig von der Festig-
keitsklasse mit etwa 5 MPa angenommen, was
zumindest für Betone üblicher Festigkeit (fern>
(3.3.8) 30 MPa) durch die Auswertung auf der Baustel-
le entnommener Stichproben bestätigt wird
(Rüsch et al.1969). Dies impliziert einen mit zu-
Mit Ec2 = -2%o, Ee2u= -3,5%o und n = 2 ist die nehmendem Mittelwert abnehmenden Variati-
Form bei normalfestem Beton von der Betonfe- onskoeffizienten V, da die Herstellung von Beto-
stigkeit unabhängig, was die Anwendung ver- nen mit höherer Festigkeit von vorneherein
einfacht. Das reale Materialverhalten, besonders mehr Sorgfalt erfordert.

Massivbau 3-135
Die an genormten Probekörpern bestimmten Festigkeit des Betons ist daher eine von der Be-
Festigkeiten erlauben keinen direkten Rück- lastungsdauer abhängige Größe [Rüsch u.a.
schluß auf die Festigkeit im Bauwerk, da deren 1968] (Abb. 3.3-10).
Streuungen von Unsicherheiten beim Einbrin- Bei Betonkörpern unter hoher Dauerlast wir-
gen und Verdichten des Betons sowie anderen ken zwei gegenläufige Effekte: Während die Mi-
Erhärtungsbedingungen auf der Baustelle über- krorißbildung zu einer zunehmenden Schädi-
lagert werden [Lewandowski 1971]. Diese müs- gung des Betongefüges führt, verfestigt sich der
sen im Rahmen des Sicherheitskonzeptes be- Beton durch die fortschreitende Hydratation wei-
rücksichtigt werden. ter. Zusammengenommen führt dies zunächst
zu einem Abfall der Festigkeit bis zu einem Mini-
3.3.2.3 mum und schließlich wieder zu einem Anstieg.
Zeitabhängiges Verhalten Der Körper versagt, sobald die Festigkeit unter
die einwirkende Spannung fällt. Somit definiert
Beobachtet man das Verhalten von Versuchskör- das Minimum der Kurve die Dauerstandfestig-
pern über längere Zeit, so stellt man eine signi- keit des Betons, die (theoretisch) unendlich lang
fikante Erhöhung der Verformungen fest. Man ertragen werden kann [Rüsch 1960]. Sie unter-
trennt die Langzeitverformungen gedanklich in liegt im Versuch starken Schwankungen zwi-
die beiden Anteile Kriechen und Schwinden. schen 0,65 und 0,85 der Kurzzeitfestigkeit [Rüsch
u.a. 1968]. Die Zeitdauer bis zum Erreichen des
Kriechen Minimums (kritische Standzeit) hängt von der
Geschwindigkeit des Hydratationsfortschritts
Kriechen bezeichnet die (um das Schwinden be- und damit vom Betonalter t0 bei Belastungsbe-
reinigte) Zunahme der Dehnungen mit fort- ginn ab. Für t0 =7 Tage liegt sie etwa bei einem
schreitender Belastungsdauer unter konstanter Tag, für t0 =28 Tage bei ca. 3 Tagen [Hilsdorf/
Spannung. Da jede reale Belastung eine gewisse Reinhardt 2000] .
Lasteinwirkungsdauer hat, beruht die Trennung Unter Zugbeanspruchung läßt sich ein ähnli-
in Kurz- und Langzeitverformung auf einer rei- cher Abfall der Festigkeit mit der Belastungs-
nen Konvention, wobei der Term kurzzeitig im dauer beobachten; die Dauerstandfestigkeit liegt
Verhältnis zur Dauer der Versuchsdurchführung
(etwa 1 bis 2 Minuten nach DIN 1048) zu sehen
ist.
Die zugrunde liegenden Mechanismen sind
0 Bruch
komplex und vom Spannungsniveau abhängig.
Bei geringen Spannungen kommt es lediglich zu
einer Umlagerung des nach der Hydratation im
Beton verbleibenden Wassers sowie zu Teilchen-
umlagerungen innerhalb der Zementsteinma-
trix. Die Kriechverformungen sind proportional
zur angreifenden Spannung (lineares Kriechen)
und nach einer Entlastung teilweise reversibel
0,002 0,004 0,006 1t , 1
(Rückkriechen). Formal kann die Kriechdeh-
a Verformung bei gegebener Belastungsdauer
nung in Grund- und Trocknungskriechen auf-
gespalten werden; ersteres bezeichnet die Kriech-
verformungen eines versiegelten Probekörpers
0,003
ohne Feuchteaustausch mit der Umgebung, letz-
teres den durch das Austrocknen hervorgerufe- 0,002
nen Anteil (s. auch [Hilsdorf/Reinhardt 2000, 0,001
Bazant 1988]).
Ab ca. 0,4 fc nimmt das Kriechen unter Druck- 10 100 1000 10000 min
beanspruchung durch die Mikrorißbildung stark 7 70 Tage
b Dehnung bei gegebener Spannung
zu (nichtlineares Kriechen) . Da dieser Effekt ei-
ne fortschreitende Zerstörung des Betongefüges
bedeutet, kann auch bei Spannungen unterhalb Abb. 3.3-10 Einfluß hoher Dauerspannungen
der Kurzzeitfestigkeit ein Bruch eintreten. Die

3-136 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


hier bei etwa 0,6 ... 0,7 der Kurzzeitzugfestigkeit durch die Wasserdiffusion von der Bauteilgröße
[Reinhardt/Cornelissen 1985]. abhängen muß, die des Grundkriechens dage-
Die Kriechdehnung Ecc(t) wird i.d.R. über die gen nicht. Eine Trennung der Anteil führt jedoch
Kriechzahl <1> als Vielfaches der elastischen Kurz- zu erheblich komplexeren Formulierungen [Ba-
zeitdehnung Eel berechnet. Dabei liegt es wegen zant/Baweja 1995]. ·
der teilweisen Reversibilität nahe, die Kriech- Durch Zusammenfassen der Kurz- und Lang-
dehnung in einen verzögert elastischen, d.h. re- zeitverformung erhält man mit der Komplianz-
versiblen, und einen irreversiblen Fließanteil funktionJ(t,to) die gesamte spannungsinduzier-
aufzuspalten (Summationsansatz): te Dehnung:
EccU,to) = Ev,ez(t,to)+ Ejl(t,to) E~o(t) = Eel (1+<\>(t,to)) = acf(t,to) (3.3.12)
= Eel(<!>v,el (t,to)+<!>jl (t,to)). (3.3.10)
Bei einer zeitlichen Änderung der Spannung
Die klassischen Summationsansätze setzen vor- wird zur Ermittlung der Kriechverformungen
aus, daß der zeitliche Verlauf der Fließverfor- i.allg. die Gültigkeit des Superpositionsgesetzes
mung und der vom Belastungsalter to abhängi- vorausgesetzt. Der prinzipielle Unterschied zwi-
ge Absolutwert durch die gleiche Funktion be- schen Produkt- und Summationsansatz ist in
schrieben werden, d.h. <I>Jl(t,to) = <I>Jl(t) -IJIJl(to). Abb. 3.3-11 dargestellt.
Dies steht jedoch im Widerspruch zu Versuchs- Eine grundsätzliche Vereinfachung der Pro-
beobachtungen [CEB 1990]. duktausätze folgt aus der Tatsache, daß die für
Daher werden in der neueren Literatur und eine konstante Spannung ermittelte Komplianz-
den aktuellen Normen (EC 2,DIN 1045 Teil1,MC funktion unabhängig von vorhergehenden Bela-
90) Produktansätze verwendet, die auf die for-
male Trennung der einzelnen Verformungsan-
teile verzichten. Die Einflußfaktoren werden hier
durch multiplikative Verknüpfung erfaßt. Für
eine zum Zeitpunkt t0 aufgebrachte Spannung
o,t CJ
Oc=konst gilt dann
Ecc(t) = EeziJI(t, to) = EeiiJio ß(t-to), (3.3.11) E~ ~ ~
wobei <!>o den Endwert der Kriechzahl bezeich-
net. Die Funktion ß( t- t 0 ) beschreibt den zeitli- ~-·' t ~
chen Verlauf der Kriechverformung; sie nimmt
für t= t0 den Wert 0 und für t --7 oo den Wert 1 an.
~~ ~---
CLt
Die Endkriechzahl ~Po ist von der relativen Luft-
feuchtigkeit der Umgebung, der Bauteilgröße
und -form sowie dem Alter des Betons bei Bela- E~at
stungsbeginn abhängig, da die Kriechfähigkeit
a Summationsansatz
mit zunehmendem Alter abnimmt. Der Produk-
tansatz beschreibt den Beton demnach als al-
terndes viskoelastisches Material. Der Einfluß o,t CJ
der Dichtigkeit des Betongefüges auf die Diffu-
sionsvorgänge wird aus Gründen der Einfach-
heit meist nur über die Betondruckfestigkeit er-
faßt. Üblicherweise liegt die Endkriechzahl bei
E~l ~ c
IJio =1,0 .. .4,0, die Kriechverformung beträgt al- [421
so i.allg. ein Mehrfaches der Kurzzeitverfor-
mung.
Das Kriechmodell der DIN 1045 Teil1 wurde
aus MC 90 weitgehend übernommen, jedoch zur
Erfassung hochfester Betone um einige Korrek-
b Produktansatz
turfaktoren erweitert. Es verzichtet auf eine for-
male Trennung von Grund- und Trocknungs-
kriechen, was eine Näherung darstellt, da die Abb. 3.3·11 Krie<hverlauf bei veränderlicher Spannung
zeitliche Entwicklung des Trocknungskriechens

Massivbau 3-137
stungen zu allen Zeitpunkten als gültig angese- (Index d) und autogenes Schwinden (Index a)
hen wird. In einigen Fällen führt dies zu unrea- getrennte Ansätze gemacht; dies ist insbesonde-
listischenErgebnissen [CEB 1990].DieseSchwä- re bei hochfesten Betonen erforderlich, da diese
che wird jedoch wegen der einfachen Handha- aufgrunddes geringeren Wassergehaltes und der
bung in Kauf genommen. hohen Diffusionsdichtigkeit ein geringes Trock-
Für höhere Spannungen ist die lineare Bezie- nungsschwinden aufweisen:
hung zwischen Kurzzeitverformung und Kriech-
verformung nicht mehr gültig, ab ca. 0,4 fc, d.h.
Ecs(t,ts) =Ecas~ ßas(t) +Ecds~ßds(t- ts) (3.3.14)
mit Beginn der Mikrorißbildung im Kurzzeit- Dabei ist t5 der Zeitpunkt des Beginns des Trock-
versuch, steigt die Kriechzahl deutlich an [Stöckl nungsschwindens durch eine Änderung der Um-
1981]. Näherungsweise kann man bei Belastun- weltbedingungen (Ende der Feuchtlagerung).
gen unterhalb der Dauerstandfestigkeit die End- Die Einflüsse auf die Schwindverformungen sind
kriechzahl mit dem Faktor im wesentlichen dieselben wie beim Kriechen:
Luftfeuchtigkeit, Dichtigkeit und Bauteilgröße.
(3.3.13)
Typische Werte des Endschwindmaßes liegen im
erhöhen. Das Superpositionsprinzip ist jedoch Bereich von -0,2%o bis -0,6%o.
nicht mehr anwendbar [Shen 1992]. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die
Für numerische Untersuchungen kann es vor- Trennung in Schwinden und Kriechen nur eine
teilhaft sein, das Kriechverhalten durch einfache rechentechnische Vereinfachung darstellt, da
rheologische Modelle- d.h. Kombinationen von man in Versuchen eine deutliche Interaktion
Feder- und Dämpferelementen- zu approximie- zwischen den Phänomenen beobachtet. Auch
ren. Solche Modelle können zur Berücksichti- berücksichtigen die vereinfachten Ansätze die
gung nichtlinearer Effekte um Reibelemente, vis- sehr komplexen Diffusionsvorgänge nur sum-
koplastische Elemente usw. ergänzt werden (sie- marisch über die Probekörpergröße. Die aus
he z.B. [Bazant 1988]). dem Vergleich der Kriech- und Schwindvorher-
sagen nach DIN 1045 Teil! mit Versuchsergeb-
Schwinden nissen ermittelten Variationskoeffizienten V be-
tragen etwa 25% für das Kriechen und 30% für
Die an spannungslosen Probekörpern beobach- das Schwinden. In vielen Fällen ist es daher sinn-
tete Volumenverringerung wird als Schwinden voll, obere und untere Fraktilwerte der Verfor-
bezeichnet. Sie beruht auf einer Austrocknung mungen zu ermitteln.
des Betons, also der Verdunstung des nichtge-
bundenen Wassers (Trocknungsschwinden), 3.3.3
und auf volumenreduzierenden chemischen Pro- Betonstahl
zessen bei der Hydratation (autogenes Schwin-
den). Beide Prozesse laufen zeitlich versetzt ab, Zur Herstellung sowie zu den chemischen und
da das Trocknungsschwinden von der Diffusion mechanischen Eigenschaften der Betonstähle
des Wassers zur Bauteiloberfläche und damit wird auf 3.1 sowie auf [fib 1999] verwiesen.
von der Probekörpergröße, seiner Dichtigkeit
und den Lagerungsbedingungen abhängt. Die 3.3.3.1
Verformungen aus dem Trocknungsschwinden Bemessungskennwerte
sind über den Querschnitt ungleichförmig ver-
teilt und können beträchtliche Eigenspannun- Bei der Untersuchung von Tragwerken wird das
gen bis hin zur Rißbildung an der Körperober- Verformungsverhalten des Stahls meist mit ver-
fläche verursachen. Bei einer Erhöhung des einfachten, ideal elastisch-ideal plastischen bzw.
Feuchtegehalts in einer Probe (z.B. Wasserlage- verfestigenden Modellen beschrieben; letztere
.rung) läßt sich eine Volumenvergrößerung berücksichtigen einen Anstieg der Spannung im
(Quellen) beobachten, die allerdings deutlich ge- Fließbereich bis zur Zugfestigkeitfi (Abb.3.3-12).
ringer ist als die Schwindverformung. Als Bemessungskennwerte des Stahls sind dem-
Die Beschreibung des Schwindens bzw. Quel- nach E5,fr,fi, Esu erforderlich. Die charakteristi-
lens erfolgt analog zum Kriechen durch einen schen Werte von Fließgrenze und Festigkeit wer-
Endwert Es~ und eine Funktion des zeitlichen den als 5%-Fraktilen definiert, die Bruchdeh-
Verlaufes ß5 {t-t5 ).Im Modell der DIN 1045 Teil! nung als 10%-Fraktile. Der E-Modul streut nur
werden für die Anteile Trocknungsschwinden geringfügig und kann mit E5 =200000 MPa an-

3-138 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


gungen ablaufenden Produktionsverfahren er-
heblich geringer als die des Betons. Der Variati-
ideal verfestigend onskoeffizient der Festigkeiten liegt unter An·
- - - 1- - nahme einer logarithmischen Normalverteilung
nur bei ca. 5%.
I
id~al plastisch
I
I
3.3.3.2
~ ideal elastisch Arten und Formen
I
I
Betonstähle werden in Form von Stäben oder
~
~L-------------~-- ~
Matten verwendet. Sie sind national in DIN 488
Ey Eso bzw. durch allgemeine bauaufsichtliche Zulas-
sungen geregelt. Auf europäischer Ebene wird
Abb. 3.3·12 Idealisierung des Verformungsverhaltens DIN 488 durch EN 10080 ersetzt.
von Betonstahl

Oberflächenprofilierung
genommen werden. Heute kommen fast aussch-
ließlich Stähle mit charakteristischen Fließ- Zur Verbesserung des Verbunds zwischen Stahl
spannungen von hk = 500 MPa und einer charak· und Beton kommen heute nahezu ausschließlich
teristischen Zugfestigkeit vonfik = 550 MPa zum gerippte Betonstähle zur Anwendung (Abb.
Einsatz. Rechnerisch darf nach DIN 1045 Teil 1 3.3-13). Der Grad der Profilierung wird durch
jedoch nur eine Zugfestigkeit von.ftic=525 MPa die bezogene Rippenfläche fR charakterisiert
bei einer Dehnung von Esu=25o/oo ausgenutzt (DIN 488 Teil 3}. Mindestwerte für /R liegen je
werden. nach Stabdurchmesser zwischen 3,9 und 5,6%
Neben der Festigkeit kommt durch den zuneh- (DIN 488).Da die Ausbildung der Rippen (Höhe,
menden Einsatz plastischer Berechnungsverfah- Breite,Abstand,Ausrundungen) durch die Kerb-
ren der Duktilität, d.h. der Fähigkeit, nach Errei- wirkung am Übergang zum Stabkern einen we-
chen der Fließgrenze die Dehnung ohne Abfall sentlichen Einfluß auf die Dauerschwingfestig-
der Spannung zu vergrößern, wachsende Bedeu- keit des Bewehrungsstabes hat sind entspre-
tung zu. Die hierfür wesentlichen Parameter sind chende Anforderungen nach DIN 488 Teil2 ein-
Esu sowie das Verhältnisft!fr, vgl. 3.3.5.2. DIN 1045 zuhalten.
Teil1 unterscheidet daher zwischen normalduk-
tilen und hochduktilen Betonstählen (Kategori-
en A und B). Ein als hochduktil eingestufter Stahl
muß mindestens Esuk=50o/oo sowie eine Verfesti-
gung von (filfr)k= 1,08 besitzen, ein normalduk-
tiler Esuk=25o/oo und (frljy)k= 1,05. Dabei ist zu be-
achten, daß (frljy)k der charakteristische Wert des
Verhältnisses von fi und h ist, nicht das Verhält·
nis der charakteristischen Werte. Für Sonderan-
wendungen mit sehr hohen Duktilitätsanforde-
rungen (z. B. für Bauten in Erdbebengebieten) de-
finiert prEN 10080 zusätzlich einen Stahl mit
Esuk= 80o/oo und (fr/jy}k= 1,15 (Kategorie C). a Rippengeometrie eines Betonstahles BSt 500 S
Die für Betonstähle der Klassen A und B ge- nach DIN 488
forderte Duktilität läßt sich auch durch andere
Kombinationen von Esuk und (fr//y) k erreichen, da
z.B. eine Unterschreitung der Mindestwerte für
(fr/jy)k durch eine Übererfüllung der Anforde-
rungen an Esuk ausgeglichen werden kann (s.
[CEB 1998]). b Tiefrippung
Die stochastischen Streuungen der Material-
eigenschaften des Stahls sind wegen der hoch- Abb. 3.3·13 Oberflächenprofilierung
entwickelten und unter kontrollierten Bedin-

Massivbau 3-139
Um die bei kaltverformten Stäben mit gerin- Die Kaltverformung führt zu einer Aufhärtung
gem Durchmesser herstellungsbedingt redu- und somit zu einem Verlust an Duktilität, wes-
zierte Duktilität auszugleichen, wurden in den halb Matten i.d.R. als normalduktil einzustufen
letzten Jahren Bewehrungsstähle mit Tiefrip- sind, sofern nicht durch allgemeine bauaufsieht-
pung entwickelt (s.Abb. 3.3-13b). Die Verbesse- liehe Zulassungen eine andere Einstufung er-
rung der Duktilität beruht auf dem weicheren folgt.
Verbundverhalten (s. 3.3.5), aber auch auf der
Verminderung der erforderlichen Kaltverfor- 3.3.4
mung beim Einprägen der Tiefrippen und der Spannstahl
daraus resultierenden geringeren Aufhärtung
[Schwarzkopf/Schaefer 1997]. 3.3.4.1
Arten und Formen
Stabstähle
Spannstähle werden als glatte oder profliierte
Die Durchmesser der Stäbe liegen zwischen 6 Stäbe, Gewindestäbe und Litzen bzw. Litzenbün-
und 28 mm nach DIN 488 Teil2 (Regellänge: 12 del hergestellt, wobei letztere die größten Markt-
bis 15m). Daneben existieren Betonstähle, deren anteile besitzen. Die Vielfalt der auf dem Markt
Anwendung durch allgemeine bauaufsichtliche befindlichen Spannverfahren erlaubt keine ein-
Zulassungen geregelt ist, beispielsweise GEWI- heitliche normative Regelung wie beim Beton-
Stähle mit Gewinderippen und Durchmessern stahl. Daher werden Spannstähle und Spannver-
12 bis 50 mm, verzinkte und nichtrostende Be- fahren in Deutschland durch allgemeine bau-
wehrungsstähle usw. (s. [Bertram 2000]}. Da in aufsichtliche Zulassungen erfaßt, die alle bemes-
den normativ geregelten Bemessungsmodellen sungsrelevanten Angaben enthalten müssen. Im
zahlreiche Materialeigenschaften implizit vor- Rahmen der europäischen Normung werden die
ausgesetzt werden, müssen auch Stähle mit bau- Spannstahlzulassungen durch EN 10138 ersetzt.
aufsichtlicher Zulassung die in der jeweiligen
Norm zugrunde liegenden Mindestanforderun- 3.3.4.2
gen erfüllen. Mechanische Eigenschaften
Betonstahl vom Ring, der heute einen erheb-
lichen Marktanteil besitzt, ist ebenfalls über Zu- Das mechanische Verhalten der Spannstähle un-
lassungen geregelt. Vor der Verarbeitung muß terscheidet sich nicht grundsätzlich von dem der
dieser gerade ausgerichtet werden; das Richten Betonstähle. Allerdings ist das Vorspannen nur
stellt eine Kaltverformung dar und beeinflußt sinnvoll, wenn dabei Stahlspannungen erreicht
somit die mechanischen Eigenschaften, insbe- werden, die erheblich über den im Betonstahl
sondere die Duktilität. Der Nachweis der Eigen- möglichen liegen (vgl. 3.3.11}. Ihre Klassifizie-
schaften muß daher stets nach dem Richten er- rung erfolgt durch die charakteristischen Werte
bracht werden. der 0,2 o/o- Dehngrenze fi,o, 2k und der Festigkeit
fi,k· Der heute häufig verwendete Spannstahl St
Betonstahlmatten 1570/1770 besitzt demnach eine charakteristi-
sche Festigkeit von fi,k= 1770MPa und fi,o,o 2k=
Betonstahlmatten bestehen nach DIN 488 Teil 4 1570MPa. Das entspricht etwa dem dreifachen
aus kaltverformten, gerippten Stäben mit Durch- Wert der Betonstähle.
messern von 4 bis 12 mm, die kreuzweise ver- Das Verformungsverhalten entspricht qualita-
schweißt werden. Zu unterscheiden ist grund- tiv dem des Betonstahles, allerdings liegt der
sätzlich zwischen Lagermatten und Listenmat- rechnerische E-Modul von Litzen etwas niedri-
ten. Lagermatten weisen feste Stabdurchmesser ger bei 190000 bis 200000 MPa. Für die Bemes-
und -abstände nach einem nicht genormten, sung werden ebenfalls bilineare Näherungen mit
aber allgemein verbreiteten Programm auf. Bei der 0,1 o/o- Dehngrenzefi,o,lk als technischer Fließ-
Listenmatten dagegen werden Stabdurchmesser grenze verwendet (für St 1570/1770 ist fi,o, 1k=
und -abstände vom Konstrukteur objektbezogen 1500 MPa).
festgelegt; sie erlauben eine optimale Anpassung Spannstähle zeigen unter hohen Dauerlasten
an die individuellen Erfordernisse eines Bau- ähnlich wie Beton zeitabhängige Verformungen.
werks, erfordern jedoch auch einen erhöhten Diese werden jedoch nicht als Kriechen, sondern
Planungsaufwand. als Relaxation bezeichnet, da für Spannglieder in

3-140 Konstruktiver Ingenieurbau und Hec:hbau


vorgespannten Bauteilen im wesentlichen
Ep=konst gilt. Es handelt sich hierbei um ein
hochgradig nichtlineares Phänomen, d.h., die
Relaxationsverluste steigen mit zunehmender
Spannung überproportional an. Der Anteil Qr der
Verluste an der ursprünglichen Spannung ist
vom Spannstahl, der Art des Spannglieds, der
Temperatur, dem Spannungsniveau und der Ein-
wirkungsdauerder Spannungen abhängig. Zah-
lenwerte sind der Zulassung zu entnehmen.
Abb.l.l-14 Kräfteverlauf vor einer Rippe

3.3.5
Verbundbaustoff Stahlbeton

3.3.5.1
Verbundverhalten des Stahls

Das mechanische Zusammenspiel von Stahl und


Beton wird durch den Verbund bestimmt, also
durch die Übertragung von Spannungen zwi-
schen Beton und Stahl. Diese beruht auf drei Me-
chanismen, nämlich der Adhäsion, also der che- a Abscheren der Betonkonsolen
mischen Bindung zwischen Beton und Stahl-
oberfläche, der mechanischen Verzahnung
durch die Rippen und der Reibung. Die Aktivie-

+
rung dieser Mechanismen ist mit einer Verzer-
rung in Form einer zwischen der Bewehrung
und dem umgebenden Beton auftretenden Rela-
tivverschiebung (Schlupf) s verbunden.
Die Adhäsion verhält sich sehr steif, kann je-
doch nur geringe Spannungen übertragen und b Sprengrißbildung
fällt bei zunehmendem Schlupf völlig aus. Der
Verbund ist somit bei geringen Beanspruchun- Abb.l.l-15 Mechanismen des Verbundversagens
gen nahezu völlig starr. Nach dem Ausfall der
Adhäsion tritt im Bereich zwischen den Rippen
eine Reibung zwischen Stahloberfläche und Be- desto eher kommt es zur Sprengrißbildung) und
ton auf, die vom Schlupf nahezu unabhängig ist. der vorhandenen Querbewehrung,abhängig. Ei-
Der Hauptanteil wird jedoch durch die mecha- ne zusätzlich vorhandene äußere Zugspannung
nische Verzahnung übertragen. Vor den Rippen senkrecht zur Bewehrungsrichtung kann die
werden durch den Schlupf hohe lokale Druck- Sprengrißbildung wesentlich beschleunigen, ei-
spannungen im Beton erzeugt. Da hier ein drei- ne äußere Druckspannung dagegen die Ver-
achsialer Druckspannungszustand vorliegt, bundwirkung verbessern.
kann Oe auf ein Vielfaches der einachsialen Fest- Die einzelnen Traganteile sind experimentell
igkeit ansteigen. Die Umlenkung der Druck- und bei der rechnerischen Untersuchung von
spannungstrajektorienerzeugt Zugspannungen Bauwerken nur schwer zu trennen. Man betrach-
im umgebenden Beton, die ringförmig um die tet sie daher meist in integraler Form als in der
Bewehrung verlaufen (Abb. 3.3-14). Kontaktfläche wirkende Schub- oder Verbund-
Das Versagen des Verbunds kann durch das spannung. Der Zusammenhang zwischen Ver-
Abscheren der Betonkonsolen zwischen den bundspannung und Schlupf wird als Verbund-
Rippen und das Aufspalten des Zugringes erfol- Schlupf-Beziehungbezeichnet [Rehm 1961; Mar-
gen (Abb. 3.3-15). Welche der beiden Versagens- tin/N oakowski 1981; Eligehausen et al. 1983; No-
arten maßgebend wird, ist dabei v. a. von der Um- akowski 1985]. Diese stellt kein Stoffgesetz im ei-
schnürung, also von der Betondeckung des Be- gentlichen Sinn dar, sondern ein Ersatzmodell
wehrungsstabes (je geringer die Betondeckung, für die komplexen Vorgänge im Beton in der un-

Massivbau 3-141
mittelbaren Umgebung der Bewehrung; sie ist
daher immer mit erheblichen Unsicherheiten
behaftet. Tb
Der ansteigende Ast wird i. allg. durch eine Po- tL,max
tenzfunktion beschrieben (a< 1): T~.max

Tb= Tb,max (s/ sJ)"' s :::; SJ (3.3.15)


Der prinzipielle Verlauf ist für die beiden Versa- tf
gensarten Abscheren und Sprengen des Betons in
Abb. 3.3-16 dargestellt. Die Sprengrißbildung t/ L---~~------~------~
führt zu einem wesentlich spröderen Versagen; s\ s? I Sprengrißbildung
beim Versagen durch Abscheren bleibt zwischen 2 Abscheren
den Betonkonsolen und dem umgebenden Be-
ton eine Reibung wirksam, die auch nach über- Abb. 3.3-16 Rechnerische Verbund-Schlupf-Beziehung
schreiten der Verbundfestigkeit die Übertragung nach MC90
von Spannungen ermöglicht.
Gleichung (3.3.15) gilt zunächst nur für unge-
störte Bereiche, die von Oberflächen oder Rissen
weit genug entfernt sind. Tritt der Stab aus dem
Beton aus, so ist die Ausbildung des in Abb. 3.3- Ausbruchkegel
14 dargestellten Spannungsverlaufes wegen der I
fehlenden Abstützung der Druckstreben am
Rißufer nicht mehr möglich. Die Einleitung der
Verbundspannungen in den Beton muß dort
über Zugspannungen erfolgen, die bei höheren
Verbundspannungen durch überschreitungder
Zugfestigkeit die Bildung eines Ausbruchkegels
und somit einen Abfall der dort übertragbaren
Verbundspannungen verursachen (Abb. 3.3-17).
Daher muß in der Tb-s-Beziehung auch noch der
Abstand x zum nächsten Riß berücksichtigt wer- Abb. 3.3-17 Störung des Verbundes durch Bildung eines
den. Dies kann z.B. nach MC 90 durch eine li- Ausbruchkegels
neare Abminderung in rißnahen Bereichen ge-
schehen:
mein sich unter horizontal liegenden Beweh-
X
tb=tb,o 50 für x~50. (3.3.16) rungsstäben. Unter diesen Stäben weist der Be-
ton demnach eine hohe Porosität auf, die zu ei-
Wegen der sehr hohen Druckspannungen im Be- ner Abminderung der übertragbaren Verbund-
ton zeigt der Verbund ausgeprägte Kriechver- spannungen um bis zu 50% führt. Dieser Effekt
formungen [Rohling 1987). Im allgemeinen un- ist desto ausgeprägter, je weiter ein Stab von der
terstellt man hier lineares Kriechen, das bei kon- Unterkante des Frischbetons entfernt liegt. Bei
stant gehaltener Verbundspannung den Schlupf vertikal in der Schalung stehenden Stäben ist die
um den Faktor <l>b auf s(t)=so(l +<l>b) vergrößert Abminderung zusätzlich von der Beanspru-
bzw. bei konstant gehaltenem Schlupf die Ver- chungsrichtung abhängig. Wird der Stab nach
bundspannung entsprechend verkleinert. unten, d. h. in Betonierrichtung gezogen, so ist
Neben offensichtlichen Faktoren wie der Be- wegen der Porosität des vor den Rippen liegen-
tondruckfestigkeit, der bezogenen Rippenfläche den Betons eine ähnliche Abminderung wie bei
und den Betonspannungen senkrecht zur Stab- horizontalen Stäben zu beobachten. Vereinfacht
achse wirkt sich auch die Lage des Stabes beim unterscheidet man hier zwischen Stäben im gut-
Betonieren auf das Verbundverhalten aus. Wäh- en und mäßigen Verbund.
rend des Verdichtens des Frischbetons kommt es
zu einem Absetzen der schweren Bestandteile;
die leichten Bestandteile (überschüssiges Was-
ser, Luft) dagegen wandern nach oben und sam-

3-142 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.3.5.2 zunehmender Länge des Stabes - d.h. einer zu-
Rißbildung in Stahlbetonbauteilen nehmenden Zahl von Rissen - wird die Linie ge-
glättet; der Unterschied zwischen Kraft- und Ver-
Bei ungerissenen, ungeschädigten Stahlbeton- formungssteuerung verschwindet.
bauteilen liegen Beton und Stahl wegen der in Mit zunehmendem Abstand vom Riß nehmen
diesem Zustand geringen Verbundspannungen die Betonspannungen durch den Verbund wie-
und der hohen Verbundsteifigkeit im ideellen, un- der zu, bis sie die Verhältnisse des ungerissenen
gestörten Verbund, d.h., die Dehnung des Stahls Zustands erreichen. Während der Rißbildungs-
ist überall gleich der Dehnung des ihn umge- phase verbleiben zwischen den Rissen also im-
benden Betons. mer Bereiche im ungestörten Verbund, Ver-
Bei Steigerung der Last geht das Bauteil in den bundspannungen wirken nur in der Nähe der
Zustand der Einzelrißbildung über. An der Stel- Risse.
le, an der die Spannung die Zugfestigkeit des Be- Bei weiterer Laststeigerung entstehen zwi-
tons zuerst überschreitet, entsteht ein Riß, an schen den vorhandenen Rissen neue Risse, bis
dessen Ufern die Spannung und damit auch die die Rißabstände so klein geworden sind, daß
Dehnung des Betons auf Null abfällt. Im einfa- zwischen den Rissen keine Bereiche mehr im un-
chen Fall des zentrisch gezogenen Stabes müs- gestörten Verbund verbleiben und auf ganzer
sen aus Gleichgewichtsgründen die freiwerden- Länge Verbundspannungen wirken. Die in den
den Betonzugspannungen wenigstens teilweise Beton eingeleiteten Zugspannungen erreichen
durch eine lokale Erhöhung der Stahlspannung die Zugfestigkeit nicht mehr, so daß auch bei ei-
aufgenommen werden. Dabei führt die Erhö- ner Steigerung der äußeren Last keine neuen
hung der Stahldehnung und der Abfall der Be- Risse mehr entstehen können. Dieser Zustand
tondehnung zu einer unterschiedlichen Verlän- wird als abgeschlossenes Rißbild bezeichnet. Die
gerung von Stahl und Beton im Bereich des Ris- Zunahme der Zugkraft zwischen Beginn und
ses und damit zu Schlupf und einer Verbund- Abschluß der Rißbildung hängt von der Streu-
spannung. ung von fcr im Bauteil ab und wird meist mit 30%
Hier sind grundsätzlich Kraft- und Verfor- angenommen.
mungssteuerung zu unterscheiden (Abb. 3.3-18). Die Verbundlänge, die erforderlich ist, um in
Im Fall der Kraftsteuerung wird die gesamte im den Beton Spannungen in Höhe der Zugfestig-
Verbundquerschnitt vorhandene Kraft konstant keit einzuleiten, wird als Eintragungslänge Ir be-
gehalten, die Betonzugspannungen müssen ganz zeichnet. Wenn zwischen zwei Rissen kein neu-
von der Bewehrung aufgenommen werden. Im er mehr erzeugt werden soll, muß der Rißab-
Kraft-Verformungs-Diagramm ergibt sich bei stand bei abgeschlossenem Rißbild kleiner sein
Bildung eines Risses wegen der sprunghaft auf- als die zweifache Eintragungslänge. Umgekehrt
tretenden Verlängerung des Bauteiles ein Sprung kann ein Riß aber nur entstanden sein, wenn
nach rechts. Im Fall einer Verformungssteuerung vorher der Abstand der benachbarten Risse min-
wird dagegen die gesamte Verformung konstant destens gleich der doppelten Eintragungslänge
gehalten. Da die Bauteilsteifigkeit durch den Riß war. Man erhält somit als obere und untere
schlagartig abnimmt, fällt die Zugkraft ab. Mit Schranke des Rißabstandes lr5. sr5. 211•
Der prinzipielle Verlauf der Spannungen zwi-
schen den Rissen ist in Abb. 3.3-19 dargestellt.
s ,__. Die maximalen Beanspruchungen der Beweh-
rung treten direkt im Riß auf, weshalb im Rah-

t
men der Bemessung der Zustand im Riß be-
trachtet werden muß. Bei der Ermittlung von
Verformungen werden dagegen Dehnungen
über die Bauteillänge integriert; sie gehen daher
nur mit ihrem über die Rißabstände gemittelten
s Wert Esm ein. Die Abminderungen gegenüber der
Dehnung des nackten Stahls wird als "Mitwir-
a verformungsgesteuert b kraftgesteuert
kung des Betons zwischen den Rissen" bezeich-
net (eng!: tension stiffening).
Abb. 3.3-18 Kraft-Verformungs-Beziehung

Massivbau 3-143
1. Riß I +-

+-
A, A,
'i-1 1-+ o,+do,
- o,

-I
j Tb
--+o,+do,

1-+
,~ dx ,l
Abb. 3.3·20 Verbundgleichgewicht am Zugstab
a Einzelrißbildung

d2
-s=Tb (s )(- - + - - us us ). (3.3.19)
dx2 EsAs EcAc
Dieser Zusammenhang ist als Differentialglei-
chung des verschiebliehen Verbunds bekannt
(zur Lösungs. insbesondere [Krips 1984)). Im
folgenden werden Lösungen für Einzelrißbil-
dung und abgeschlossenes Rißbild dargestellt.
b abgeschlossenes Rißbild Es sei darauf hingewiesen, daß die Annahme
einer gleichförmigen Spannungsverteilung und
damit einer konstanten Rißbreite über den Quer-
Abb. 3.3·19 Spannungsvertauf
schnitt eine starke Vereinfachung der Realität
darstellt. Aufgrund der zwangsläufig auftreten-
den Verwölbung des Betonquerschnitts nehmen
Differentialgleichung des Verbunds die Rißbreiten vom Rand zur Bewehrung ab
[Schießl1976].
Zur Ermittlung der Spannungen zwischen den
Rissen wird ein differentielles Element eines Einzelrißbildung
Zugstabes betrachtet (Abb. 3.3-20). Es wird ver-
einfacht davon ausgegangen, daß die Betonspan- Setzt man fürdie Tb·s-Beziehung (3.3.15) ein und
nungen überall gleichförmig über den Quer- wählt die Randbedingungen am Beginn der Ver-
schnitt verteilt sind, d.h., der Betonquerschnitt bundstörung (x=O) entsprechend dem Zustand
bleibt eben. bei Einzelrißbildung, also s(O) =Ö; ds!dx(O) =
Aus dem Gleichgewicht am Element ergibt E5(0)-Ec(O)=O, so ist die Differentialgleichung
sich analytisch lösbar. Mit dem Ansatz s(x) = C · xn er-
hältman
(3.3.17)
I

C=(Tb,max (~+~)(1-a)2 ) 1 -a
Dabei sind As und U5 Fläche und Umfang eines
Stabes. Der Schlupf ergibt sich an jeder Stelle aus sf E5 A5 EcAc 2+2a
der Differenz der Verschiebung von Stahl und
Beton s = u,- Uc. Unter Annahme eines linear- 2
n=-. (3.3.20)
elastischen Stoffgesetzes für Stahl und Beton er- 1-a
hält man damit die Beziehung Daraus läßt sich wiederum die Eintragungslän-
ge ermitteln als die Strecke, nach der die Zug-
ds du 5 duc a 5 ac
dx =--;};---;};=E 5 -Ec= Es- Ec (3.3.18) spannung im Beton zu Null wird:

Leitet man diese Beziehung nach·x ab und setzt ac(lt) =/er- f'
0
Tb Us dx = 0.
Ac
(3.3.21)
(3.3.17) ein, so ergibt sich

3-144 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Man erhält Für sehr hohe Bewehrungsgrade ~ = A 5 !Ac geht
die Eintragungslänge und damit der Rißabstand
nach Gl. (3.3.24) gegen Null, was aufgrundder
Lastausbreitung vom Stahl in den Beton nicht
(3.3.22)
möglich ist.In [Martin u. a.1979] wird dies durch
einen konstanten additiven Term, der etwa der
Betondeckung entspricht, berücksichtigt.
Die Breite des Risses läßt sich aus dem Schlupf Für die idealisierte tb-s-Beziehung ergibt sich
mit w= 2s(l1) bestimmen. Aus dem Ergebnis folgt ein zwischen den Rissen linearer Verlauf der Be-
auch der Verlauf der Stahlspannung, Verbund- tonzugspannungen. Die mittlere Betonzugspan-
spannung usw. nung ergibt sich dann, bezogen auf die maxi-
male Spannung zwischen zwei Rissen, zu Ocm=
Abgeschlossenes Rißbild 1/2oc,max· Da eine konstante Verbundspannung
aber nicht realistisch ist, liegt die Völligkeit ß1 et-
Für das abgeschlossene Rißbild ist die analyti- was höher. Rao leitete aus Versuchsbeobachtun-
sche Lösung der Differentialgleichung wegen der gen einen mit der Stahlspannung im Riß o52 hy-
dann vorliegenden Randbedingungen ds(O)/dx perbolisch abnehmenden Verlauf
> 0 schwierig. Man behilft sich hier meist mit
Näherungsverfahren und einigen ingenieur- ßt-_ fctAc (3.3.25)
mäßigen Annahmen. Os2As
Zunächst wird die Verbund-Schlupf-Bezie- ab [Rao 1966], der auch in den klassischen Riß-
hung durch ein starr-plastisches Modell ideali- theorien verwendet wird [Martin u.a. 1979]. In
siert. Die plastische (d.h. konstante) Verbund- DIN 1045 Teill wurde konstant ß1=0,6 gesetzt,
spannung wird dabei mit dem zwischen zwei das entspricht etwa einem parabolischen Verlauf
Rissen zu erwartenden Mittelwert abgeschätzt. der Betonzugspannungen zwischen den Rissen
Unter Annahme eines ungefähr linearen Verlau- [König/Fehling 1988].
fes für den Schlupf s(x) = w/2 · x/1 1 erhält man Die mittlere Stahlspannung ergibt sich dann
aus der Überlegung, daß F= o, A,+ o 5 A 5 in jedem
-1 b--Jo
- 1 rlt t b dx-
- ( - w )" -b,max
1
-. (3.3.23) Schnitt und somit auch für die Mittelwerte gel-
11 2s1 l+a
ten muß, zu
Dies ist ein oberer Grenzwert für die mittlere
OsmAs +o,mAc =os2As
Verbundspannung, da ein linearer Ansatz für s
_ A, (3.3.26)
einer zwischen den Rissen konstanten Stahl- =>Osm -Os2 --Ocm·
spannung entspricht, also sehr hohen Lastni- As
veaus, bei denen die verbundinduzierten Beton- Die maximale Betonzugspannung zwischen den
zugspannungen vernachlässigbar sind. Rissen Oc,max ist vom Rißabstand abhängig. Ist
Mit tb kann die Eintragungslänge ermittelt sr=211 (oberer Grenzwert), so wird.fc1 definiti-
werden, wenn man berücksichtigt, daß definiti- onsgemäß gerade erreicht, für Sr= 11 (unterer
onsgemäß am Ende der Eintragungslänge die Grenzwert) nur ca. 0,5 fct· Der für das mittlere
Zugfestigkeit im Beton erreicht wird: Verformungsverhalten entscheidende mittlere
Rißabstand liegt etwa bei Srm= 2/3 Sr,max· Damit
tbltUs = fctAc=> ist bei mittlerem Rißabstand und Bezug auf f, 1
lt = A, . ~ct . As =.!... ~ct 0 . anstelle von Oc,max die Völligkeit ß1 "' 2/3 0,6 = 0,4.
(3.3.24)
A5 tb U5 ~ tb 4 Die mittlere Stahlspannung ist dann

Entscheidend für die Eintragungslänge ist nicht Osm =Os2 -ßt A, fct· (3.3.27)
der Absolutwert der Verbundspannung, sondern As
deren Verhältnis zur Zugfestigkeit. Obwohl tb Bei bekannten mittleren Spannungen bzw. Deh-
u. a. von der Rißbreite w abhängt, wird hierfür in nungen E5 m, Ecm und bekanntem Rißabstand Sr
MC 90 und DIN 1045 Teil1 ein konstanter Wert ergibt sich die Rißbreite zu
lbklfctm = 1,8 (charakteristischer Wert) angesetzt.
W =Sr· (Esm- Ecm). (3.3.28)
Dies ist als vertretbare Näherung zu sehen, da
wegen a « 1 die Abhängigkeit von w deutlich Unter Dauerlast wird Ocm durch das Kriechen
unterproportional ist. des Betons und des Verbunds abgebaut [Rohling

Massivbau 3-145
1987], wobei als Näherungswert ein Verhältnis ginn des Fließens (Abb. 3.3-21), was auf die Ver-
von Omax,~lomax,o"" 2 /3 angenommen werden formungsfähigkeit plastischer Gelenke (vgl.
kann. Zur Ermittlung der mittleren Stahlspan- 3.3.7.1) einen erheblichen Einfluß hat [Alvarez
nung unter Dauerlast muß daher der Völlig- 1998; Eligehausen u.a. 1998].
keitsbeiwert aufßr= 2/ 3 • 0,4 "'"0,25 reduziert wer- Bei Biegebalken und hohen Bauteilen sind die
den. Zugspannungen - anders als bisher Angenom-
Grundsätzlich sind diese Zusammenhänge men - nicht mehr gleichförmig über den Quer-
auch für den Zustand der Bildung von Einzelris- schnitt verteilt. Zur Veranschaulichung des Pro-
sen gültig. Allerdings ist entsprechend den dann blems wird wieder ein zentrisch gezogenes Baue
herrschenden Randbedingungen als Einflußbe- teil betrachtet, dessen Bewehrung nun allerdings
reich für die Rißbreite die Länge des gestörten am Rand konzentriert ist (Abb. 3.3-22).
Bereichs, also die doppelte Eintragungslänge, Hier treten zwei Typen von Rissen auf, die man
und ßr=0,6 zu setzen. als Primär- und Sekundärrisse bezeichnet. Sind
Erreicht oder übersteigt die Stahlspannung die Spannungen vor der Bildung des Risses über
a52 die Fließgrenze, so sind die abgeleiteten Be- den Querschnitt gleichmäßig verteilt, so entsteht
ziehungen, die ein elastisches Verhalten des Stahls ein Primärriß,der über die gesamte Höhe durch-
voraussetzen, nicht mehr gültig. Man beobach- läuft. Bei Bildung der Sekundärrisse ist die Span-
tet hier wegen der im Riß stark zunehmenden nungsverteilung im Querschnitt durch die zuvor
Stahldehnungen eine allmähliche Auflösung des entstandenen Primärrisse bereits gestört, und
Verbunds und eine Abnahme der mittleren Be- die über den Verbund auf der Höhe der Beweh-
tonzugspannungen. Da oberhalb der Fließgren- rung eingeleiteten Zugspannungen breiten sich
ze die o-E- Linie des Stahls jedoch flacher verläuft in der in Abb. 3.3-22b skizzierten Weise aus. Da
als im elastischen Zustand, führt eine geringe weite Teile des Querschnitts nahezu spannungs-
Abminderung der Stahlspannung zwischen den frei bleiben, verlaufen die nun entstehenden Ris-
Rissen zu einer deutlichen Reduktion der mitt- se nur über einen begrenzten Bereich auf der
leren Stahldehnung. Die plastischen Dehnungen Höhe der Bewehrung.
lokalisieren sich in einem kurzen Bereich am Zur Vereinfachung wird die glockenförmige
Riß. Das Verhältnis zwischen Esm und Es2 kann Spannungsverteilung analog zur Erfassung der
daher je nach Verfestigung des Stahls im plasti- mittragenden Breite bei Plattenbalken durch ein
schen Bereich weit geringer ausfallen als vor Be- flächengleiches Rechteck mit gleichem Spitzen-

o,
..--- _.. _______. ---
o,
;;---. ---n r,
: :f ---,.....-- : :
I 1 Y : I I

a idea lisierte o, E,-Li nie b Rißelement

Eu
c Verhältnis der gernilleiten Dehnung zur Dehnung im Riß

Abb. 3.3·21 Verringerung der Dehnfahig keit im Fließbereich

3-146 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Ergebnisse führt. Eine Obergrenze für hefferhält
man aus der Überlegung, daß die rißerzeugen-
de Kraft Fcr=Act,efffct maximal die im ungerisse-
I
I nen Zustand im Beton vorhandene Kraft errei-
I
I
chen kann.
Primärrisse I Abschließend sei noch daraufhingewiesen, daß
I
I die abgeleiteten Beziehungen die Rißbildung nur
I
in der unmittelbaren Umgebung der Bewehrung
' ::l =t d,
,.",.. ', I

t::t::::t:::lt=t::ZJ erfassen können. Bei dem in Abb. 3.3-22 darge-


Sekundärrisse stellten Zugstab läßt sich dies leicht erkennen,

II
wenn man bedenkt, daß die Verträglichkeit der
i) )i Verformungen eine im Mittel gleiche Verlänge-
rung des Stabes in jeder Höhe erfordert. Dies be-
a Rißbild bei hohen Bauteilen
deutet, daß - unter Vernachlässigung der elasti-
schen Betonverformungen - die Breite eines
Primärrisses in der Bauteilmitte der Summe der
Breite aller zwischen den Primärrissen gelegenen
Sekundärrisse am Bauteilrand entsprechen muß.
b Modellvorstellung zur Ausbreitung der
verbundinduzierten Spannungen 3.3.6
Statisch bestimmte Balken
Abb. 3.3-22 Mitwirkende Zugzone
3.3.6.1
Beobachtungen im Versuch
wert ersetzt, dessen Höhe als mitwirkende Höhe
heff bezeichnet wird; die zugehörige Fläche ist Das Verhalten auf Querschnittsebene sowie sta-
dann Act,eff· Die für den Zugstab abgeleiteten Be- tisch bestimmter Konstruktionen wird anhand
ziehungen sind innerhalb der mitwirkenden Flä- eines Einfeldträgers erläutert (Abb. 3.3-23). Die
che näherungsweise wieder gültig. In der Brei- Bewehrung besteht aus einer Biegezugbeweh-
tenrichtung des Bauteils erfolgt die Spannungs- rung mit dem Querschnitt A 51 sowie umlaufen-
ausbreitung in ähnlicher Weise. Ist die Beweh- den, geschlossenen und im Abstand s verlegten
rung über die Breite gleichmäßig verteilt, so Bügeln der Querschnittsfläche Asw (Summe aus
kann angenommen werden, daß die volle Breite beiden Schenkeln). Sie entspricht damit der heu-
des Querschnitts mitwirkt. Bei Plattenbalken mit te üblichen Konstruktionspraxis. Die Belastung
gezogenem Gurt und einer im Bereich des Steg- wird durch zwei Einzellasten in den Drittels-
es konzentrierten Bewehrung ist dagegen die punkten aufgebracht, es entsteht ein querkraft-
Spannungsausbreitung entsprechend zu be- freier Bereich mit konstantem Moment im mitt-
rücksichtigen. leren Drittel sowie zwei Bereiche mit konstanter
Die Ermittlung der mitwirkenden Höhe bzw. Querkraft und linear veränderlichem Moment.
Breite kann unter Annahme eines Ausbreitungs- Wird eine Belastung aufgebracht und gestei-
winkels von ca. 45° in Abhängigkeit vom Rißab- gert, so bleibt das Bauteil zunächst ungerissen.
stand erfolgen [Fischer 1992]: Die ersten Risse entstehen i. d. R. im Bereich des
maximalen Moments. Die Verformungen neh-
d
heff = I +Z.
Sr (3.3.29) men nun bei steigender Belastung überpropor-
tional zu (Abb. 3.3-24). Bei Steigerung der Bela-
Meist verzichtet man aber auf eine "genaue" Er- stung schreitet die Rißbildung in Richtung der
mittlung und setzt unabhängig von Sr einen kon- Auflager fort. Ist das Bauteil auf ganzer Länge ge-
stanten Wert für hefffest, i.allg. ein Vielfaches des rissen, so ändert sich das Rißbild nur noch ge-
Abstands des Bewehrungsschwerpunktes von ringfügig.
der Bauteiloberfläche d1: Das Rißbild zeigt starke Unregelmäßigkeit, da
es von zufälligen lokalen Schwankungen der Be-
heff = (2 ... 2,5)d, . (3.3.30)
tonzugfestigkeit abhängt. Eine Vorhersage des
Andere Ansätze verwenden ein Vielfaches von 0, Rißverlaufs ist daher nicht möglich. Jedoch las-
was in baupraktischen Fällen i. allg. auf ähnliche sen sich einige Gesetzmäßigkeiten beobachten:

Massivbau 3-147
,.. t'
lll l lilllll
Schnitt A- A

' .. A

I 1/3 1/3 1/3 1

a Geometrie und Belastung


M,
~-~_Pit_3_____._I~
p
v,
b Schnittgrößen I P

,_" )I I \ \~""""'
I /////I I I 6tlll
c Bruch der Biegezugbewehrung

d Versagen der Biegedruckzone

I /d/;fl I I 6 II) ,, \ \ ~""""'


e Bruch der Bügel--

f
/r/////1 I 6 I I
Betonversagen im Steg
),1\\~~
' ~--
/
I

Abb. 3.3-23 Balkenversuch

- Die Rißabstände schwanken nach Abschluß


p der Rißbildung zwischen relativ engen Gren-
zen. Sie sind am Querschnittsrand im Bereich
der Biegezugbewehrung kleiner als in Balken-
mitte, wo sich die Risse zu Sammelrissen ver-
einigen. Dies folgt aus dem begrenzten Ein-
flußbereich der Bewehrung (vgl. Abb. 3.3-22).

Bei Erreichen der Traglast nehmen die Verfor-


w
mungen stark zu, ohne daß die Last weiter ge-
Abb. 3.3-24 Gemessene Verformungen am Versuchs-
steigert werden kann (duktiles Versagen); u.U.
balken fällt die Last bei Steigerung der Verformung auch
ab (sprödes Versagen). Es können folgende Ver-
sagensbilder beobachtet werden (Abb. 3.3-23c
- Im Bereich des konstanten Moments verlaufen bis f) :
die Risse etwa senkrecht zur Balkenachse. - An einer beliebigen Stelle des mittleren Bal-
- Im durch Querkraft beanspruchten Bereich kendrittels erreicht die Bewehrung die Fließ-
zeigen die Risse einen mit etwa 40° bis 45° ge- grenze. Die Rißbreite nimmt dort stark zu,
gen die Balkenachse geneigten Verlauf. und die Rißspitze wandert in Richtung der

3-148 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Druckzone, bis schließlich mit dem Erreichen des Bauteiles; z5 ;, A 5;, Osi bezeichnen Lage, Quer-
der maximalen Stahldehnung der Bruch der schnittsfläche und Spannung der einzelnen Stä-
Bewehrung eintritt. Ein solcher Versagensme- be der Biegezugbewehrung, evtl. zu Bewehrungs-
chanismus läßt sich nur bei Bauteilen mit re- lagen zusammengefaßt. Da GI. (3.3.31) lediglich
lativ geringen Mengen an Biegezugbewehrung das Gleichgewicht enthält, gilt sie unabhängig
beobachten. von kinematischen Annahmen und dem Verhal-
- Bei einer starken Biegezugbewehrung wird ten der Baustoffe. Zur analytischen Betrachtung
der Beton in der Druckzone zerstört, indem des Problems müssen hierfür jedoch Annah-
auf einer begrenzten Länge ein etwa dreiecks- mend getroffen werden. So wird in ausreichen-
förmiger Körper herausgesprengt wird. der Entfernung von den Lasteinleitungsstellen
- Tritt das Versagen im Bereich zwischen den entsprechend den üblichen Annahmen der Bal-
Lasteinleitungsstellen und den Auflagern auf, kentheorie zunächst ein Ebenbleiben der Quer-
so kommt es i.d.R. zu einem Fließen der Bügel- schnitte sowie starrer Verbund zwischen Stahl
bewehrung mit sich anschließender starker und Beton unterstellt, d.h. die Dehnung der Be-
Aufweitung der geneigten Risse und schließ- wehrung ist gleich der des umgebenden Betons.
lich zum Bruch der Bügel. Die Dehnung kann dann durch die beiden Pa-
- Bei Balken mit sehr starker Bügelbewehrung rameter Krümmung 1< und Längsdehnung der
kann der Beton im Bereich des Steges zerstört Schwerachse Eo vollständig beschrieben werden:
werden. Dies ist allerdings eher bei profilier-
E(z) = EQ+ KZ. (3.3.32)
ten Bauteilen (z.B. Plattenbalken mit dünnen
Stegen) als bei Rechteckquerschnitten zu er- Umgekehrt kann die Krümmung aus der Deh-
warten. nung in zwei Punkten, z. B. am gedrückten Quer-
schnittsrand und in der Zugbewehrung, be-
Die einzelnen Mechanismen können auch kom- stimmt werden:
biniert auftreten, beispielsweise als Versagen der K=Esl-Ec2. (3.3.33)
Druckzone nach dem Fließbeginn der Biege- d
zugbewehrung. Das Bauteilversagen ist jedoch
immer ein lokales Phänomen, findet also in Zustand I
räumlich begrenzten Bereichen statt, während
der Rest des Bauteils weitgehend intakt bleibt. Bis zum Beginn der Rißbildung läßt sich das Ver-
Neben den geschilderten können noch sekun- halten des Betons i.allg. durch ein linearisiertes
däre Versagensmechanismen (Verankerungs- Stoffgesetz der Form Oe= Ee Beapproximieren. Es
versagen usw.) auftreten. gelten dann in guter Näherung die aus der line-
aren Elastizitätstheorie bekannten Zusammen-
3.3.6.2 hänge:
Biegebeanspruchung
Eo = Ns ' K= Ms. (3.3.34)
EeA; Bel;
Grundlagen
Einzige Besonderheit ist das Zusammenwirken
Das mittlere Drittel des in Abb. 3.3-23 darge- der Baustoffe Stahl und Beton mit unterschied-
stellten Balkens wird nur durch ein Biegemo- lichen Steifigkeiten im Querschnitt. Da in der Be-
ment Ms=Pl/3 beansprucht (Ns=Vs=O). Das wehrung bei gleicher Dehnung höhere Span-
Gleichgewicht in einem Schnitt senkrecht zur
Stabachse erfordert Spannungen in Balken-
längsrichtung, die die folgenden allgemeinen
A1=b h+{a- 1lAs
Gleichgewichtsbedingungen erfüllen:
Al = Zs{a - 1) ~
A;
M5 =MR= JzoedA+2:Zs;A ;0 5 5; ,
A,

Ns =NR = JoedA+_2A 5;0 5;. (3.3.31)

Der Index S (von eng!. stress) bezeichnet aus den Abb. 3.3-25 Ideelle Quersdlnittswerte eines Re<hteck-
Einwirkungen resultierende Schnittgrößen, der querschnines
Index R (von eng!. resistance) den Widerstand

Massivbau 3-149
nungen entstehen, verhalten sich bewehrte Bau- Nm M cr werden als " Rißschnittgrößen" bezeich-
teile auch im ungerissenen Zustand etwas stei- net.
fer als unbewehrte. Dies kann durch ideelle Quer-
schnittswerte (Index i) erfaßt werden. Bei der Er- Reiner Zustand II
mittlung von A;, I;, W; werden die Bewehrungs-
flächen im Verhältnis der E-Moduln a =Es!E, ge- Mit dem Überschreiten der Zugfestigkeit fallen
wichtet (Abb. 3.3-25}. Der Schwerpunkt des die Betonzugspannungen in den gerissenen Be-
ideellen Querschnittes M; fällt bei unsymme- reichen auf Null ab. Zur Erfüllung der Gleichge-
trischer Bewehrung nicht mit dem des Beton- wichtsbedingung stehen nun im wesentlichen
querschnitts M zusammen. Gleichung (3.3.34} Betondruckspannungen und Stahlzugspannun-
gilt daher streng genommen nur, wenn als Be- gen zur Verfügung; der an der Lastabtragung be-
zugsachse für die Wirkung der Normalkraft M; teiligte Querschnitt reduziert sich auf Druckzo-
gewählt wird. ne und Bewehrung (Abb. 3.3-26). Die Spannun-
Allerdings ist der Unterschied zwischen den gen in der Bewehrung und im Beton am ge-
ideellen Werten und denen des reinen Beton- drückten Querschnittsrand nehmen stark zu.
querschnitts und damit die Wirkung der Be- Die Aktivierung der Bewehrung erfolgt also erst
wehrung im Zustand I i.allg. vernachlässigbar. mit der Rißbildung, die damit ein fundamenta-
Dies ist offensichtlich, da die Dehnung des Stahls ler Bestandteil der Stahlbetonbauweise ist.
hier die Zugbruchdehnung des Betons von ca. Der zu einer Beanspruchung gehörende Deh-
0,1 o/oo nicht übersteigen kann und sich somit nungszustand muß i.allg. iterativ ermittelt wer-
Stahlspannungen von maximal as=Es!E,-fct"" den. Dies kann in der Handrechnung durch eine
20MPa ergeben, also nur ein Bruchteil der Fließ- Variation der Dehnungen Es!> Ecz geschehen.
spannung. Hierfür werden die Betondruck-und Zugspan-
Die Grenze des ungerissenen Bereichs ergibt nungen zu Resultierenden F0 Fs 1 zusammenge-
sich durch das Erreichen der Zugfestigkeit am faßt. Die Gleichgewichtsbedingung vereinfacht
Querschnittsrand. Allerdings dürfen hierbei sich dann zu
nicht nur die aus den Schnittgrößen resultieren-
Ms = -F,(Zso-a)+Fsi(Zsu-dl),
den Spannungen betrachtet werden, da diese im-
Ns =F, +Fsl· (3.3.36}
mer von Eigenspannungszuständen infolge un-
gleichmäßigen Schwindens usw. überlagert wer- Wählt man als Bezugspunkt für das Momenten-
den. Die Größe der entstehenden Eigenspan- gleichgewicht die Achse der Zugbewehrung, so
nungen ist von den Abmessungen des Bauteils, ergibt sich stattdessen mit dem inneren Hebel-
den Erhärtungsbedingungen usw. abhängig und armz
kaum quantifizierbar; sie werden daher meist
durch eine Minderung der Zugfestigkeit (Mate-
Ms - Nszsl = -F, z, Ns= F, + Fs1 (3.3.37}
rialeigenschaft) zur nutzbaren Zugfestigkeit im oder
Bauwerk (Bauteileigenschaft) berücksichtigt:
Fsl -- Ms -Nszsl +
N
S· (3.3.38)
N M z
a c,max = _f!.. + ___f!_
A· w. =Jct,eff·
f (3.3.35}
I I

Widerstand Einwirkung
I
I
I
I
I
I
~---I d h
I
I

Abb. 3.3-26 Spannungen und resultierende Kräfte im Zustand II

3-150 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Für den häufigen Fall der reinen Biegung ist
Fs! =-Fc=Mslz.
Computerorientierte Verfahren bestimmen in
jedem Iterationsschritt i für einen geschätzten
Verzerrungszustand Ei=( EJ, Kif nach GI. (3.3.31)
den zugehörigen Schnittgrößenvektor oi= (N~,
Mj)T. Falls dieser mit den angreifenden Schnitt-
größen P = (Ns, Msf nicht im Gleichgewicht (3.3.40)
steht, verbleibt ein Ungleichgewichtsvektor oder näherungsweise durch einen Differenzen-
Ri=P-oi, aus dem ein verbesserter Dehnungs- quotienten gebildet werden, z.B.
zustand Ei+ I ermittelt werden muß. Beim New-
ton-Raphson-Verfahren geschieht dies durch ei- ~M = M(E 0 ,K+6)-M(E0 ,K)
(3.3.41)
OK R 6 °
ne Taylor-Reihenentwicklung des Schnittgrö-
ßenvektors nach den Verzerrungen: Für ein linear-elastisches Stoffgesetz entspre-
chen die Hauptdiagonalglieder von E unter Be-
zug auf die Hauptachsen des Systems (z=O im
Schwerpunkt) den elastischen Steifigkeit EcAi
bzw. Bel;; die Koppelglieder auf den Nebendia-
gonalen verschwinden.
Die exakte Erfüllung des Gleichgewichtes ist
i. allg. nicht möglich. Daherwird die Iteration ab-
gebrochen, wenn die Restkräfte unter eine zu de-
(3.3.39) finierende Schranke fallen (z.B.IIR;II < 6 ·IIPil).
Legt man diese linearisierte Form der Schnitt- Für den Fall der Biegung um zwei Achsen
größen-Verzerrungs-Beziehung der Gleichge- (Msy:;tO, Msz :;t O) läßt sich das Verfahren mit den
wichtsfindung zugrunde, so ergibt sich Ei+ 1 = drei unbekannte Verformungsgrößen Eo, Ky, Kz
Ei+ ÖEi; ÖE erhält man durch Invertieren von verallgemeinern.
GI. (3.3.39),indem mano i+I = P setzt. Durch wie- Als Ergebnis erhält man eine Beziehung zwi-
derhohes Anwenden dieser Iterationsvorschrift schen den einwirkenden Momenten und den
nähert man sich im Idealfall dem richtigen Ver- Krümmungen des Bauteils (M-K-Beziehung)
zerrungszustand an. In der Praxis können wegen und den Längsdehnungen der Schwerachse
der starken Nichtlinearität des Problems Kon- (Abb. 3.3-27). Sie ist wesentlich durch Rißmo-
vergenzschwierigkeiten auftreten, die ggf. Mo- ment, Fließmoment und Bruchmoment gekenn-
difikationen des Verfahrens erfordern. zeichnet, zwischen denen die Kurven näherungs-
Die partiellen Ableitungen der Schnittgrößen weise geradlinig verlaufen. Daher begnügt man
nach den Verzerrungen in GI. (3.3.39) können sich zur Vermeidung einer Iteration häufig mit
durch eine Integration der Tangentenmoduln der Bestimmung von Riß-, Fließ- und Bruchmo-
do/dE über den Querschnitt ment sowie der zugehörigen Krümmungen. Da-

Fließmoment

reiner Zustand II

E1J --- - - - - - ----'L------ - - - --K


Abb. 3.3·27 Momenten-Krümmungs-Beziehung nach Rechnung und Versuch (N 1 ""0)

Massivbau 3-151
zwischen kann dann näherungsweise linear in- gen gegen Null gehen, werden in den Bereichen
terpoliert werden. zwischen den Rissen durch den Verbund der Be-
Mit dem Aufreißen des Querschnitts wandert wehrung und die Ausstrahlung der in der Druck-
die Spannungsnullinie in Richtung des gedrück- zone wirksamen Spannungen Zugspannungen
ten Querschnittsrandes. So entsteht auch unter in den Beton eingeleitet. Das Verhalten eines ge-
reiner Biegung eine Längsdehnung in der Schwer- rissenen Stahlbetonbalkens unter Biegung wird
achse des Querschnitts. Die aus der elastischen also durch ein komplexes, nichtlineares Schei-
Stabstatik bekannte Entkopplung von Normal- benproblem beschrieben. Ein solches im Rah-
kraft und Moment bzw. Krümmung und Längs- men der Bemessung zu lösen, übersteigt den ver-
dehnung geht verloren. tretbaren Aufwand jedoch erheblich. Daher ist es
Nach dem Erreichen der Fließgrenze in der sinnvoll, die Gültigkeit der bisher getroffenen
Bewehrung ist eine Steigerung des Moments Annahmen in ggf. modifizierter Form für die Be-
durch die Verfestigung der Bewehrung möglich. rechnung zu prüfen.
Zudem nimmt der innereHebelarmzweiter zu,
da bei Vergrößerung der Krümmung die Höhe Kinematik. Den prinzipiellen Verlauf der Span-
der Betondruckzone ab- und die Randstauchung nungen zwischen den Rissen eines Biegebauteils
des Betons zunimmt. Das Versagen tritt ein, zeigt Abb. 3.3-28. Es ist offensichtlich, daß ebene
wenn die Krümmung so weit angewachsen ist, Dehnungsverteilungen die Wirklichkeit an ein-
daß entweder die Bewehrung ihre Bruchdeh- zelnen Stellen kaum wiedergeben können. Be-
nung erreicht hat (Zugversagen), was nur bei trachtet man allerdings einen längeren Ab-
sehr geringen Bewehrungsgraden der Fall ist, schnitt eines Biegebauteils mit (näherungswei-
oder die Druckzone infolge der Reduzierung ih- se) konstanter Momentenbeanspruchung, so er-
rer Höhe nicht mehr in der Lage ist, der Stahl- zwingt die Kompatibilität im Mittel über die Ris-
zugkraft das Gleichgewicht zu halten (Druck- se hinweg trotzdem ein Ebenbleiben der
versagen). Querschnitte.
Die in Abb. 3.3-27 dargestellten Beziehungen Bei der Betrachtung mittlerer Verzerrungszu-
gelten für die Erstbelastung. Da bei einer Entla- stände erscheint die Anwendung der Bernoulli-
stung die Risse nicht vollständig geschlossen schen Hypothese daher vertretbar. Sie beschreibt
werden und irreversible Dehnungsanteile in Be- das Verhalten des gerissenen Betons umso bes-
ton und Bewehrung verbleiben, geht die Krüm- ser, je kleiner die Rißabstände im Bauteil sind.
mung auch bei vollständiger Entlastung nicht Für den theoretischen Fall verschwindender
auf Null zurück. Bei Wiederbelastung folgt die Rißabstände gilt sie streng, für Stahlbetonbau-
Kurve der Entlastungslinie bis zur Einmündung teile mit im Verbund liegender Bewehrung in
in die Erstbelastungskurve. Die aus einer Bean- hinreichend guter Näherung, solange sicherge-
spruchung resultierende Verformung ist daher stellt ist, daß die Rißabstände ausreichend klein
nicht eindeutig, sondern pfadabhängig, d.h. ab- bleiben. Hierfür ist eine Mindestbewehrung er-
hängig von den vorher durchlaufenen Bean- forderlich, die in der Lage sein muß, die Riß-
spruchungen. schnittgrößen des Querschnitts aufzunehmen.
Dies wird in den normativen Mindestanforde-
Mittleres Verhalten im Zustand II rungen an die bauliche Durchbildung geregelt.

Beim Vergleich mit den Versuchsergebnissen


(Abb. 3.3-27) zeigt sich, daß die auf diese Weise
Oruckspannungen
rechnerisch ermittelten Riß-, Fließ- und Bruch-
momente das beobachtete Verhalten im Rahmen
1------\-----1
~................... ~~

cr~-~~-l)
der Streuungen der Materialeigenschaften zwar
gut wiedergeben, die zugehörigen Krümmungen
die Steifigkeit des Bauteils jedoch z. T. erheblich M L ... ------=-:.::::---, ) M
unterschätzen. Die Gründe hierfür sind offen-
sichtlich: Bisher wurden gleichförmige Span-
7-
Zugspannungen
nungen entlang der Balkenachse vorausgesetzt;
das beobachtete Rißbild zeigt dagegen erwar- Abb. 3.3-28 Verlauf der Betonspannungen zwischen
tungsgemäß Risse in endlichen Abständen. zwei Rissen (qualitativ}
Während in den Rissen die Betonzugspannun-

3-15 2 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Stoffgesetze. Bei Verwendung einer Kinematik Die verschmierte Betrachtung liefert einen
mit in der Balkenlängsrichtung "verschmierten" mittleren Dehnungszustand. Da jedoch im Riß
Rissen liegt es nahe, die Wirkung des Verbunds die Höhe der Betondruckzone kleiner ist als im
durch modifizierte, über die Risse gemittelte Mittel, werden der innere Hebelarm im Riß und
Stoffgesetze (Abb. 3.3-29) zu berücksichtigen, et- die Beanspruchungen in der Druckzone unter-
wa durch Ansatz einer mittleren Betonzugspan- schätzt. Bei der Ermittlung des Bruchmoments
nung im Bereich der mitwirkenden Zugzone. wird daher i.d. R. der reine Zustand II unter Ver-
Dies erfordert allerdings die Formulierung un- nachlässigung der Mitwirkung des Betons auf
terschiedlicher Stoffgesetze für den Beton in- Zug und unter Annahme einer ebenen Vertei-
nerhalb und außerhalb von heff· Auch ist zu be- lung der Dehnungen im Rißquerschnitt be-
achten, daß bei Ansatz einer konstanten Beton- trachtet. Wenngleich die letzte Annahme me-
zugspannung Ocm die Fließgrenze der Beweh- chanisch streng genommen nicht gerechtfertgt
rung künstlich erhöht wird, da die Zugtrag- ist, liefert dieses Vorgehen eine sehr gute Ab-
fähigkeit des Betons zwar im Mittel, nicht jedoch schätzung der wirklichen Verhältnisse.
im Riß selbst vorhanden ist. Daher werden die Der Dehnungszustand unter einem gegebe-
Betonzugspannungen bei Erreichen der Fließ- nen Moment ist bei gerissenen Bauteilen stark
spannung in der Bewehrung i.allg. zu Null ge- von der vorhandenen Bewehrung und gleichzei-
setzt [Kollegger 1988]. Zur Berücksichtigung der tig wirkenden Normalkräften abhängig.
verminderten Dehnfähigkeit der eingebetteten
Bewehrung sollte dann die Bruchdehnung der Einfluß des Bewehrungsgrades. Abbildung 3.3-30a
Bewehrung zusätzlich reduziert werden (vgl. zeigt Momenten-Krümmungs-Beziehungen un-
Abb. 3.3-21). ter reiner Biegung für verschiedene Beweh-
Die andere Möglichkeit besteht in der Modi- rungsgrade ((l=Asf(bd). Die Bewehrung ist hier
fikation der Spannungs-Dehnungs-Beziehung nur auf der Zugseite angeordnet.
des Stahls, bei der die Linie des "nackten" Stahls Im ungerissenen Zustand ist der Einfluß ge-
durch die eines im Beton eingebetteten Zugstabs ring. Im gerissenen Zustand steigt die Steifigkeit
ersetzt wird. Man verwendet also anstelle der dagegen mit dem Bewehrungsgrad erheblich an,
realen Stahldehnung die über die Risse hinweg ebenso Fließ- und Bruchmoment Der Unter-
gemittelte Esm> wobei der Einfachheit halber häu- schied zwischen dem mittleren Verhalten und
fig auch die Betonzugspannungen des Zustands dem reinen Zustand 11. nimmt mit steigendem
I der Bewehrung zugeschlagen werden. Die mo- Bewehrungsgrad ab, da der Rißabstand kleiner
difizierte Arbeitslinie ist keine Materialkonstan- wird und die mittleren Betonzugspannungen für
te mehr, sondern vom Bewehrungsgrad des Bau- das Gleichgewicht zunehmend an Bedeutung
teils abhängig. verlieren.
Besonders ausgeprägt ist der Einfluß auf die
Krümmung im Bruchzustand. Bei kleinen Be-

td-: :'L
wehrungsgraden ist sie relativ gering. Zwar er-
reicht hier die Bewehrung im Riß ihre Bruch-

n ~P
w 0:
dehnung, wegen des bei geringen Bewehrungs-
graden sehr stark ausgeprägten Tension-stiffe-
ning-Effekts wird die mittlere Stahldehnung und
damit die mittlere Krümmung im Vergleich zum
h,ff Oan t,
Rißquerschnitt jedoch stark reduziert. Mit zu-
a mittlere Betonzugspannung
nehmendem Bewehrungsgrad nimmt das Ver-
hältnis E5m/E5z zu, bis Km bei((!"" 0,4% ... 0,6% sein
Maximum erreicht. Dieser Punkt markiert den
Übergang vom Zugversagen zum Druckversa-
gen.
Bei hohen Bewehrungsgraden tritt Versagen
b mittlere Sta hldeh nu ng in der Druckzone auf, bevor die Bewehrung im
Riß ihre Bruchdehnung erreicht. Die Bruch-
krümmung nimmt entsprechend der im Ver-
Abb. 3.3-29 Möglichkeiten zur Berücksichtigung der
Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen gleich zur Bewehrung geringen Duktilität des
Betons mit steigendem Bewehrungsgrad ab. Bei

Massivbau 3-153
M
b · dl · f,
N

~
Q [%]
b . d . f,

0,25 2,0 -o,1


0

~}
1

~
0,01 K·d 0,01 K·d
a Einfluß des Bewehrungsgrades b Einfluß einer Normalkraft

Abb. 3.3·30 M·K-Beziehungen (reiner Zustand II und mittleres Verhalten)

sehr hohen Bewehrungsgraden kommt es be- Tragfähigkeit im Gll


reits vor dem Fließbeginn in der Bewehrung zum
Versagen der Druckzone. Diese Bewehrungsgra- Bei der Bemessung im Grenzzustand der Trag-
de sind als kritisch zu beurteilen, da ihre plasti- fähigkeit ist nachzuweisen, daß der Querschnitt
sche Verformungsfähigkeit gleich Null ist (na- unter Ansatz der Bemessungswerte der Festig-
hezu sprödes Versagen). Für Druckversagen läßt keiten
sich Ku im wesentlichen auf die Höhe der Druck-
-~ fck >
!.cd -..,. (3.3.43)
zone x und die Bruchdehnung des Betons zu-
rückführen: Yc
die Bemessungswerte der einwirkenden Schnitt-
(3.3.42) größen Nsd, Msd aufnehmen kann. Die Vertei-
lung der Betondruckspannungen wird nach dem
Bei sehr gering bewerten (unterbewehrten) Parabel-Rechteck-Diagramm (PRD) angenom-
Querschnitten kann die Bewehrung im gerisse- men. Eine Mitwirkung des Betons auf Zug darf
nen Zustand das bei Rißbildung vorhandene im GZT nicht in Ansatz gebracht werden, da sie
Moment nicht aufnehmen, so daß es beim Auf- wegen möglicher Eigenspannungszustände oder
reißen zum schlagartigen Versagen kommt. Vorschädigungen nicht mit ausreichender Si-
cherheit vorausgesetzt werden kann.
Einfluß einer Normalkraft. Abbildung 3.3-30b Der Grenzzustand ist dabei durch das Errei-
zeigt Momenten-Krümmungs-Beziehungen für chen einer Grenzdehnung in der Bewehrung
verschiedene Normalkräfte und \>! =Qz= 1%. oder im Beton definiert. Weder die Grenzdeh-
Durch Normalkräfte wird das Rißmoment er- nungen noch das PRD geben das wirkliche Ma-
höht (N<O) bzw. verringert (N>O),vgl.Gl. (3.3.35). terialverhalten wieder, sondern stellen starke
Der Abfall der Steifigkeit bei Rißbildung nimmt Idealisierungen dar, was zusätzliche Einschrän-
mit zunehmender Drucknormalkraft ab, da die kungen erforderlich macht. Im Fall eines zen-
im Zustand I unter Zugspannungen stehende trisch gedrückten Querschnitts wird nach dem
Fläche und somit die Querschnittsverminde- PRD die Bruchstauchung und die Völligkeit der
rung bei Rißbildung kleiner wird. Spannungsverteilung im Beton überschätzt. Da-
Für den Fall des Zugversagens führt eine her ist in solchen Fällen eine zusätzliche Deh-
Vergrößerung der Drucknormalkraft zu einer nungsbeschränkung auf Ec > Ecz erforderlich.
Zunahme der Fließ- und Bruchmomente und Alle bei gegebener Querschnittsgeometrie
damit der Querschnittstragfähigkeit Die Krüm- (Form und Bewehrungsgrad) möglichen Bruch-
mung im Bruchzustand wird durch eine Ver- zustände erhält man, indem entweder die Beton-
größerung der Drucknormalkraft ähnlich be- oder die Stahldehnung gleich dem Grenzwert ge-
einflußt wie durch eine Erhöhung des Beweh- setzt und die jeweils andere Dehnung innerhalb
rungsgrades. der zulässigen Grenzen variiert wird. Die Quer-

3-154 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Hierfür ist es sinnvoll, bei der Gleichge-
wichtsfindung den Bezugspunkt für I M in die
-N Achse der Zugbewehrung zu verlegen. Das wir-
kende Moment ist dann
Msds =Msd- Nsd Zs! (3.3.44)
Für den nur auf der Biegezugseite bewehrten
Querschnitt folgt dann die resultierende Belon-
druckkraft Fcd=-Msds z . Ihre Größe und Lage
kann bei rechteckigen Druckzonen mit den von
der Randstauchung abhängigen Hilfswerten cxR,
ka ermittelt werden:
(3.3.45)
Die Höhe der Druckzone folgt dabei aus der ebe-
Abb. 3.3-31 Interaktionsdiagramme für symmetrisch nen Dehnungsverteilung:
bewehrte, einseitig bewehrte und unbewehrte Quer-
schnitte (C 30/37, Q=1%je Lage)
;=~=~. (3.3.46)
d Ec2-Esl

Schnittsintegration liefert die Grenzkurve aller Damit läßt sich die Gleichgewichtsbedingung in
aufnehmbaren Schnittgrößenkombinationen die folgende dimensionslose Form bringen:
Nsd, Msd, die sich in Form eines Interaktions- Msds = -FcdZ = cxRfcdbx(d-kax),
diagramms dargestellt läßt (Abb. 3.3-31). Der M (3.3.47)
unbewehrte Querschnitt kann demnach nur Bie- Jlsd =~=cxR;(!-k ;).
s bd2 fcd a
gemomente aufnehmen, wenn gleichzeitig
Drucknormalkräfte wirken, d.h. die um die Ex- Hierin sind Es!>Ec2 unbekannt. Da aber im GZT
zentrizität e=MsdiNsd verschobene Normal- definitionsgemäß entweder E5 1=Esu oder Ec2=Ec2u
kraft innerhalb des Querschnitts angreift. Für gilt, enthält GI. (3.3.47) nur noch eine Unbe-
den einseitig bewehrten Querschnitt ist die Kur- kannte.
ve unsymmetrisch. Eine begrenzte Aufnahme Im Momentengleichgewicht taucht die Kraft
von Zugnormalkräften ist nur bei gleichzeitiger Fs!d nicht auf; sie kann nach der Ermittlung von
Wirkung von Biegemomenten möglich. Fcd aus dem Gleichgewicht der Normalkräfte
Für symmetrische Bewehrung ist die Kurve Nsd=Fcd+Fs!d bestimmt werden. Die Beweh-
symmetrisch zur Achse Msd= 0. Das maximale rungsmenge ergibt sich dann zu
Moment ergibt sich bei einer Normalkraft von
Nsd""-0,4/cd Ac. Für größere Druckkräfte wird Asl = Fs!d = - Fcd + N Sd
die Fließgrenze der Bewehrung nicht mehr er- 0 sl 0 sl
(3.3.48)
reicht.
In der Regel sind im Grenzzustand der Trag-
fähigkeit nicht die bei gegebener Bewehrung
aufnehmbaren Schnittgrößen gesucht, sondern mit
die zur Aufnahme gegebener Schnittgrößen er- w= - Fcd =Jlsds, l;=~ . (3.3.49)
forderliche Bewehrung. Im Unterschied zum bdfcd S d
Vorgehen im Stahl- und Holzbau liegen die äu- Die Bewehrung erreicht dabei i.allg. die Fließ-
ßeren Querschnittsabmessungen i.allg. bereits grenze (Os!~ /yd).
fest. Die Anpassung an die wirkende Beanspru- Wegeri der dimensionslosen Darstellung gilt
chung erfolgt allein durch die Wahl der Beweh- die für eine bezogene Beanspruchung Jlsds ge-
rung. Dabei liegt es aus wirtschaftlichen Grün- wonnene Lösung für Rechteckquerschnitte mit
den nahe, die Tragfähigkeit des Querschnitts voll beliebigen Abmessungen und Betonfestigkeiten,
auszuschöpfen und A 5 so zu bestimmen, daß sofern die Funktionen CXR, ka sich nicht ändern.
(Msib Nsd)=(MRib NRd) erfüllt ist. Unter dieser Dies ist bei normalfesten Betonen der Fall, wes-
Bedingung ist die Bemessungsaufgabe zwar ein- halb hier die Lösung der Bemessungsaufgabe in
deutig lösbar, erfordert jedoch meist ein iterati- Diagrammform einzig für den Eingangspara-
ves Vorgehen. meter Jlsds dargestelltwerden kann (Abb. 3.3-32).

Massivbau 3-155
Bei statisch unbestimmten Systemen können
weitere Begrenzungen für den Dehnungszu-
stand nötig werden.
In einem weiten Bereich von Jlsds erreicht die
Randstauchung des Betons den Grenzwert von
Ec2u. Für diese Fälle ist es möglich, die Span-
nungsverteilung nach dem Parabel-Rechteck-
Diagramm durch einen Spannungsblock mit ei-
ner konstanten Spannung ac= fcd zu ersetzen. Be-
grenzt man den Wirkungsbereich auf 0,8x, so
stimmt seine Resultierende bei rechteckigen
Druckzonen nach Lage und Größe mit der des
PRD überein. Die Bestimmungsgleichung für die
Nullinienlage vereinfacht sich dann zu einer
quadratischen Gleichung
-Fcd z =fcd 0,8 x b(d- 0,4x) = Msds (3.3.51)
mit der Lösung
Abb. 3.3·32 Allgemeines Bemessungsdiagramm für
normalfesten Beton
(3.3.52)

Bei hochfesten Betonen ist eine Darstellung un- Obwohl sie streng genommen nur für den Be-
abhängig von der Betonfestigkeit wegen der sich reich des Betonversagens gilt, ist sie auch für Be-
ändernden Form des PRD nicht mehr möglich; anspruchungen mit Stahlversagen eine sehr gute
hier sind für jede Festigkeitsklasse eigene Be- Näherung, da in diesem Fall die bezogene Druck-
messungshilfsmittel erforderlich [Zilch/Rogge zonenhöhe ~ klein ist und sich ein Fehler bei der
2000]. Völligkeit der Druckspannungen nur geringfü-
Für den Fall des Betonversagens kann es sinn- gig auf den inneren Hebelarm z auswirkt. We-
voll sein, die Druckzone mit einer Druckbeweh- sentliche Vorteile ergeben sich aus der Anwen-
rung As2 zu verstärken. Dies gilt insbesondere dung des Spannungsblocks aber erst bei kom-
dann, wenn für den aus Gl. (3.3.47) resultieren- plizierteren Querschnittsformen, z.B. bei Bie-
den Dehnungszustand die Fließgrenze der Be- gung um zwei Achsen. Hier kann die Druckzone
wehrung nicht erreicht wird, da in diesem Fall auch bei Rechteckquerschnitten komplexe For-
- die im Vergleich zum Beton teure Bewehrung men annehmen, was die Ermittlung der Resul-
nicht optimal ausgenutzt wird (die Summe aus tierenden Fcd bei Anwendung des PRD erschwert.
Druckbewehrung und Zugbewehrung ist klei-
ner als die erforderliche Zugbewehrung bei Nachweise im GZG
Verzicht auf die Druckbewehrung) und
- das Versagen ohne vorheriges Fließen der Be- Wegen der Begrenzung der Spannungen im Be-
wehrung, d.h. ohne Ankündigung des Versa- ton aufWerte weit unterhalb der Festigkeit kann
gens durch Bildung breiter Risse, erfolgt. CJc=Ec· Ec gesetzt werden. Hierfür können ge-
schlossene Lösungen für die Spannungsvertei-
Für diesen Fall erweitert sich Gl. (3.3.47) um lung im Zustand II abgeleitet werden. Für ein li-
den Momentenanteil der Druckbewehrung neares Stoffgesetz und eine ebene Dehnungs-
Fs2d(d- d2) und ist mit den zwei Unbekannten Es! verteilung ist die Spannungsverteilung drei-
und As2 ohne Einführung einer Zusatzbedin- ecksförmig und z=d-x/3. Die Randspannung
gung nicht mehr eindeutig lösbar. Fordert man infolge des auf die Stahlachse bezogenen Mo-
lediglich das Erreichen der Fließgrenze in der ments Ms ergibt sich für Querschnitte ohne
Zugbewehrung, so liegt mit EsJ =/ydl Es der Deh- Druckbewehrung zu
nungszustand vollständig fest; aus diesem folgt
der Traganteil des Betons fcd z und somit
2F" 2Ms 2Ms
0 c2 =h=- zbx =-bx(d-x/3) (3.3.53)
F _ Msds·IF"dlz
s2d- d-d2 . (3.3.50)

3-156 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Die Stahldehnung ist dann Begrenzungder Betonspannungen. Eine Begren-
x-d o x-d F zung der Betondruckspannung im GZG wird
2
Es =Ecz--=-c---=--s-. (3.3.54) durch die bei einer Spannung von ca. 0,4 fc ein-
X Be X EsAsl setzende und ab ca. {0,6 ... 0,8) fc bereits zu einer
Das Gleichgewicht der Normalkräfte N=Fc+Fs fortschreitenden Auflösung des Betongefüges
liefert schließlich die Bestimmungsgleichung für führende Mikrorißbildung erforderlich. Diese
die Druckzonenhöhe: erreicht im Bereich {0,4 ... 0,6) fc einen stabilen
Zustand. Mit der Vereinigung zu Makrorissen
Ms EsAsl 2Ms d-x
N = - - - + - - · - - · - . {3.3.55) oder gar einem Versagen ist hier i.allg. nicht zu
d-x/3 Ecbx d-x/3 x rechnen, wohl aber mit einer überpropotionalen
Mit den bezogenen Größen Zunahme der Kriechdehnungen.
DIN 1045 Teil! fordert daher in Fällen, in de-
'1 = Nd w = Es Asl S=~ nen die Gebrauchstauglichkeit oder Tragfähig-
Ms Ecbd d
keit durch Kriechverformungen beeinträchtigt
ergibt sich die dimensionslose Darstellung wird, eine generelle Beschränkung der quasi-

_1_(-I+
1-s/3
2w{l-s)) = '1·
s2
(3.3.56)
ständigen Betondruckspannungen auf 0,45 fck·
Diese Forderung ist mitunter sehr restriktiv, da
die Auswirkung der nichtlinearen Kriechverfor-
Für den allgemeinen Fall erhält man durch ein- mungen auf das Bauteilverhalten von der Art der
faches Umformen eine kubische Bestimmungs- Beanspruchung und der Querschnittsgeometrie
gleichung für 1;, die analytisch oder numerisch abhängen.
gelöst werden kann. Für die praktische Anwen- Unter reiner Biegung führt das erhöhte Krie-
dung findet sich eine Darstellung der Lösung in chen bei gedrungenen Querschnitten zu einer
Diagrammform z.B. in [Grasser u.a. 1996]. Umlagerung der Druckspannungen von den
Für den häufigen Fall der reinen Biegung oh- stärker beanspruchten Randbereichen in das
ne Normalkraft vereinfacht sich GI. {3.3.56) zu Bauteilinnere und somit zu einer Abnahme der
einer quadratischen Gleichung mit der Lösung Randspannungen (vgl. 3.3.10.2). Die Auswir-
kungen auf die Querschnittssteifigkeit bleiben
{3.3.57) dann gering [Zilch/Fritsche 1999], weshalb die
Beschränkung bei solchen Bauteilen weniger
Die effektive Biegesteifigkeit (reiner Zustand II) streng gehandhabt werden kann. Bei im wesent-
ergibt sich zu liehen zentrisch gedrückten Bauteilen oder Bau-
teilen mit ausgeprägten Druckgurten ist diese
{3.3.58) Umlagerung dagegen nicht möglich.
Bei Spannungen über 0,6 fck ist mit der Bil-
Häufig wird der innere Hebelarm im GZG aus dung von Makrorissen parallel zur Hauptdruck-
der Bemessung im GZT übernommen oder pau- Spannungsrichtung zu rechnen, die zu einer Re-
schal mit z"' (0,8 ... 0,9) d abgeschätzt. Dies ist bei duktion des Korrosionsschutzes der in den be-
Stahlbetonbauteilen ni.it üblichen Bewehrungs- troffenen Bereichen liegenden Bewehrung führt.
graden zur Ermittlung der Stahlspannungen ge- Für Bauteile unter aggressiven Umweltbedin-
rechtfertigt, erlaubt jedoch keine Ermittlung der gungen ist daher nach DIN 1045 Teil! eine Be-
Betonspannungen, da x nicht bekannt ist. grenzung der seltenen Betonspannungen auf
0,6 fck erforderlich, sofern der verminderte Kor-
Begrenzung der Stahlspannungen. Die Beton- rosionsschutznicht durch eine erhöhte Beton-
stahlspannungen sind im GZG so zu begrenzen, deckung ausgeglichen wird. Alternativ zur Span-
daß keine plastischen Verformungen entstehen. nungsbegrenzung kann die Öffnung der Längs-
Da die Plastifizierung irreversibel ist (die plasti- risse durch eine (senkrecht zum Riß verlaufen-
sehe Dehnung bleibt auch nach einer Entla- de) Umschnürungsbewehrung verhindert wer-
stung), ist dies eine Grundvoraussetzung für ei- den. Wegen der ab ca. 0,4 /ck abnehmenden Stei-
ne Beschränkung der Rißbreite. Nach DIN 1045 figkeit des Betons liegt eine Spannungsermitt-
Teil! ist daher nachzuweisen, daß unter der sel- lung unter Annahme linearen Verhaltens für die
tenen Einwirkungskombination o 8 <0,8 /yk ist. Betonspannungen auf der sicheren Seite. Wirk-
Bei statisch bestimmten Bauteilen wird dies lichkeitsnahe Oe-Er-Beziehungen liefern günsti-
i.allg. nicht maßgebend. gere Ergebnisse.

Massivbau 3-157
Eine Begrenzung der Betonzugspannungen ist ansprechenden Erscheinungsbildes nach
für Stahlbetonbauteile in DIN 1045 Teil 1 nor- DIN 1045 Teil 1 eine Breite Wk :::; 0,4 mm ange-
mativ nicht geregelt; sie kann bei Bauteilen mit strebt werden. Auch wenn solche Risse mit dem
strengen Anforderungen an die Verformungen bloßen Auge i. allg. kaum wahrnehmbar sind,
zur Begrenzung der Rißbildung jedoch sinnvoll kommt es durch Schmutzablagerungen an den
sein. Grenzwerte sollten unter Berücksichtigung Rißufern zu einem Nachzeichnen und Hervor-
der Dauerzugfestigkeit fallspezifisch festgelegt heben der Risse.
werden. Da eine Rißbildung aufgrund von Ei- Oft vergessen wird die Tatsache, daß viele der
genspannungen aber kaum sicher ausgeschlos- üblichen Nachweise und empirischen Beziehun-
sen werden kann, sollte sie nicht als Ersatz für ei- gen im Grenzzustand der Tragfähigkeit implizit
ne Begrenzung der Rißbreite angesehen werden. eine Beschränkung der Rißbreite voraussetzen,
v.a. zur Übertragung von Schubspannungen
Begrenzung der Rißbreite. Die Rißbildung in über Risse. Auch wenn eine Rißbreitenbeschrän-
nicht vorgespannten Stahlbetonbauteilen ist Be- kung im Grenzzustand der Gebrauchstauglich-
standteil der Bauweise und i.allg. kaum zu ver- keit die Tragfahigkeit nicht direkt erfaßt, kann
meiden. Die Breite der Risse muß jedoch aus ver- sie doch zum Erreichen des angenommenen
schiedenen Gründen begrenzt werden (vgl. Tragmechanismus beitragen.
DBV-Merkblatt "Begrenzung der Rißbildung"): Die Begrenzung der Rißbreite kann auf die in
Zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der 3.3.5.2 geschilderten Grundlagen zurückgeführt
Bewehrung und damit der Dauerhaftigkeit sind werden, wenn anstelle des Balkens ein Zugstab
die Rißbreiten bei Stahlbetonbauteilen auf 0,3 betrachtet wird, dessen Höhe gleich der effekti-
mm zu beschränken (vgl. 3.3.1.1). Da dies dem ven Höhe nach Abb. 3.3-22 ist. Der für den Nach-
langfristigen Erhalt der Tragfahigkeit dient, sind weis maßgebende obere Fraktilwert der Rißbrei-
diese Grenzwerte verbindlich. Die Karbonatisie- te ergibt sich nach DIN 1045 Teil1 für den ma-
rung der Rißufer ist ein langfristiger Prozeß, eine ximal möglichen Rißabstand Sr,max = 2lt unter
kurzzeitige Überschreitung der zulässigen Riß- Verwendung charakteristischer Werte der Ver-
breiten erscheint daher unbedenklich, sofern bundspannung.
sich die Risse bei Rückgang der Belastung weit- Die Vorhersagegenauigkeit der Rißbreitenbe-
gehend wieder schließen. Die Nachweise der Riß- rechnung ist wegen der stark streuenden Ein-
breitebegrenzungkönnen daher unter der qua- gangsgrößen und der vereinfachten Modelle re-
si-ständigen Lastkombination mit dem zeitli- lativ gering. Die berechnete Rißbreite sollte da-
chen Mittelwert der Rißbreite geführt werden, her nicht als Prognose der im Bauwerk wirklich
wenn gleichzeitig eine Begrenzung der Stahl- zu erwartenden Rißbreite verstanden werden,
spannung unter der seltenen Kombination si- sondern eher als Rechengröße zur Ableitung ob-
chergestellt wird. jektiver Konstruktionsregeln.
Werden z. B. besondere Anforderungen an die Die wesentlichen Einflußfaktoren für Wk sind
Wasserdichtigkeit des Bauwerks gestellt (z.B. Stabdurchmesser 0 5 und Bewehrungsgrad Qeff
weiße Wannen), so ist eine relativ strenge Be- im Wirkungsbereich der Bewehrung. Löst man
schränkung der Rißbreite erforderlich. Dabei ist Wk nach dem Stabdurchmesser auf, so ergibt sich
zu unterscheiden zwischen durchlaufenden der bei gegebener Bewehrungsmenge zulässige
Trennrissen (wk:s;0,1 ... 0,15 mm) und Biegeris- Stabdurchmesser zu (Abb. 3.3-33)
sen, bei denen die Dichtigkeit durch die unge-
rissene Druckzone sichergestellt werden kann. _ 3,6wk '!ef!Es
(3.3.59)
Hinweise enthält das DBV-Merkblatt "Wasser- 05- ( 1 ).
undurchlässige Baukörper aus Beton". Da es sich 0 srßtfct --+ EEs
'!eff c
hierbei i. d. R. um reine Gebrauchsnachweise
handelt kann die zulässige Rißbreite im Einzel- Hieraus lassen sich vereinfachte Verfahren zur
fallaufgrund der spezifischen Umstände zwi- Begrenzung der Rißbreite durch eine Begren-
schen dem Tragwerkplaner und dem Bauherrn zung des Stabdurchmessers ableiten, indem
festgelegt werden. zunächst unabhängig von Qeffder kleinste zu ei-
Gleiches gilt für die Beschränkung der Riß- ner Stahlspannung a5 gehörende Stabdurchmes-
breite aus ästhetischen Gründen. Da Risse trotz ser 0 5 als Grenzwert angesetzt wird. Entspre-
ihrer Unvermeidlichkeit subjektiv als Mangel chende Tabellen enthält DIN 1045 Teill. Da die
empfunden werden, sollte zur Wahrung eines Vernachlässigung von QeJJU. U. sehr konservativ

3-158 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Die Hauptspannungen verlaufen geneigt ge-
gen die Trägerrichtung, wobei der Neigungs-
0 winkel vom Verhältnis der Schnittgrößen Ms, Ns,
: Mindestbewehrung
40 V s abhängig ist. Allgemein verlaufen die Druck-
mm I
Spannungstrajektorien bei Drucknormalkräften
I
30 I
I eher in Richtung der Balkenachse, bei Zugnor-
20 I malkräften eher senkrecht dazu.
I

10 Bei überschreitung der Zugfestigkeit kommt


es zur Rißbildung. Der Ort der maximalen
As,min 0,02 O.Q3 Hauptzugspannung und damit der Rißentste-
Act.eff
hung ist vom Verhältnis der wirkenden Schnitt-
E,/Ec=7 ~I = 0,4
größen und von der Querschnittsgeometrie ab-
fct = 3,0MPa a12 = 320 MPa hängig. Im allgemeinen entstehen Risse auch bei
wk = 0,3mm gleichzeitiger Wirkung von Querkraft und Mo-
ment als Biegerisse am Querschnittsrand und
Abb. 3.3-33 Zusammenhang zwischen Bewehrungs- nur bei Bauteilen mit breiten Zug- und Druck-
grad und zulässigem Stabdurchmesser
gurten sowie schmalen Stegen evtl. im Bereich
des Steges. Im Gegensatz zu rein biegebean-
ist, erlaubt DIN 1045 Teil 1 eine entsprechende spruchten Bereichen verlaufen die Risse nicht
Modifikation des Grenzdurchmessers. senkrecht zur Balkenachse, sondern wie die
Für Platten mit einlagiger Bewehrung ist Hauptspannungen im Zustand I geneigt. Sie fol-
durch Einführung der Bewehrungsmenge je gen den Hauptspannungstrajektorien jedoch
0;
Längeneinheit a5 = rt/( 4 s) analog zur Begren- nicht exakt, da es bereits bei Beginn der Rißbil-
zung der Stabdurchmesser eine Rückführung dung zu Umlagerungen der Spannungen
der Rißbreitenbeschränkung auf eine Beschrän- kommt. Für Bauteile ohne Normalkräfte ist der
kung der Stababstände s möglich. Diese sind in Neigungswinkel der Risse etwa ß"" 40°.. .45°, mit
DIN 1045 Teil1 ebenfalls tabelliert. Druckkräften kleiner und mit Zugkräften
Durch den begrenzten Einflußbereich der Be- größer. Hierbei ist auch die Reihenfolge der Be-
wehrung kann es in größerem Abstand von der lastung zu beachten. Wird das Bauteil z.B. vor
Bewehrung zur Bildung von breiten Sammelris- dem Aufbringen der äußeren Last durch Zwang
sen kommen. Im Stegbereich hoher Balken soll- infolge Schwinden beansprucht, so entstehen die
te daher zusätzlich eine konstruktive Mindest- Risse wegen der beim Aufreißen fehlenden
bewehrung angeordnet werden. Querkraft senkrecht zur Bauteilachse. Über die-
se ersten Risse hinweg können sich unter Bela-
3.3.6.3 stung weitere geneigte Risse bilden. Zwischen
Querkraft den Rissen verbleiben intakte "Betonzähne", die
eine kammartige Struktur bilden.
Im Bereich zwischen den Auflagern und den Eine Aufnahme der freiwerdenden Betonzug-
Lasteinleitungsstellen treten im Balken nach spannungen durch die Bewehrung ist zunächst
Abb. 3.3-23 neben den Biegemomenten auch nicht möglich, da diese i.allg. nicht in Richtung
Querkräfte Vs = P auf. Im ungerissenen Zustand der Hauptspannungstrajektorien verläuft. Eine
entsteht hieraus zunächst ein zweiachsialer freie Öffnung der Risse wird jedoch durch die
Spannungszustand aus Normalspannungen a ungerissene Druckzone behindert. Nimmt man
infolge Biegung und Schubspannungen T. Ver- an, daß sich die zwischen den Rissen gelegenen
nachlässigt man die Wirkung der Schubverzer- Betonzähne als Starrkörper verschieben, so er-
rungen, so bleiben die Querschnitte auch hier hält man die in Abb. 3.3-34a skizzierte Kinema-
eben; die Bestimmung der Schubspannungen tik. Dabei läßt sich folgendes feststellen:
kann dann am differentiellen Element aus dem - Infolge der Rotation der Zähne bei Rißöffnung
Gleichgewicht der Kräfte in Längsrichtung er- ändert sich die Höhe des Balkens. Die Bügel
folgen. Die Spannungen Oz verschwinden in aus- werden gedehnt, und es entsteht eine Bügel-
reichender Entfernung von den Lasteinleitungs- spannung Osw·
stellen. Spannungen in der Schubbewehrung tre- - Die Biegezugbewehrung und die Bügel erhal-
ten somit nur infolge der Querdehnung aus den ten im Riß zwischen zwei Zähnen einen Knick,
CJx auf; diese sind vernachlässigbar klein. der aufgrund der endlichen Biegesteifigkeit

Massivbau 3-159
Li.P
F,--t

s, sinw "rl----,-,--,....----"~
b Gleichgewicht am Betonzahn

Abb. 3.3-34 Abtragung der Querkraft im gerissenen Zustand

der Bewehrung in Wirklichkeit nicht auftreten Bei Bauteilen mit üblichen Schubbewehrungs-
kann. Aus der Verdübelung entsteht somit ein graden kann die Wirkung der Verdübelung ver-
Widerstand gegen die Rißöffnung. nachlässigt werden. Die Änderung der Biege-
- Bei Öffnung der Risse entsteht gleichzeitig ei- zugkraft auf der Länge s, folgt aus der Momen-
ne gegenseitige Parallelverschiebung der Riß- tenänderung und ist damit proportional zur
ufer. Diese wird jedoch durch die Verzahnung Querkraft (z"" konst):
der Rißufer behindert; es entstehen Schub-
und (Druck-) Normalspannungen im Riß. llF, =11M= Vs,. (3.3.61)
- Die freie Verdrehung der Zähne gegen die z z
Druckzone kann sich nicht einstellen, da bei- Die Bügelkraft ergibt sich aus den Bügelspan-
de biegesteif verbunden sind. nungen und der im Bereich eines Betonzahns
liegenden Bügelmenge (Aswl s) · s., Damit folgt
Somit stehen auch im gerissenen Beton Mecha-
nismen zur Querkraftübertragung zur Verfü- V=osw A,w zcotß+(Tcr-locricotß)bz
s
gung (Abb. 3.3-34b). Die Vertikalanteile der
= vw + vc. (3.3.62)
Tragmechanismen Rißverzahnung, Dübelwir-
kung, Schubübertragung in der Druckzone und Es verbleibt also ein Anteil der Schubbewehrung
der Bügelkraft müssen der angreifenden Quer- und der Rißverzahnung. Für den allgemeinen
kraft das Gleichgewicht halten. Aus dem Momen- Fall einer mit dem Winkel a gegen die Balken-
tengleichgewicht an einem von der Druckzone achse geneigten Bügelbewehrung ergibt sich der
abgetrennten Betonzahn folgt (bei Vernachlässi- Traganteil der Bewehrung durch eine analoge
gung der Einspannung in die Druckzone): Betrachtung bei unverändertem Vc zu
llF,(d-x) =Fw(d- x)cotß+ VDosr
Vw=Osw A,w z(cotß+cota)sina. (3.3.63)
(d-x) . (d-x) s
+Tcr-.-bs,smß-iocrl-.-bs,cosß.
smß smß Die Ermittlung der Spannungen in den Bügeln
(3.3.60) und aus der Rißverzahnung erfordert zusätzlich

3-160 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


die Berücksichtigung von Kompatibilitätsbedin- erhält man die Spannungen
gungen und Stoffgesetzen für Beton, Stahl, Ver-
bund und Rißverzahnung [Kupferu.a.1983].Ei- (J = _5_ 0------ (3.3.67)
5 A 5 w sina(cotS+cota)'
ne empirische Abschätzung ist auch aufgrund z- -
der in Versuchen gemessenen Bügelspannungen s
möglich [Leonhardt/Walter 1962]. Der Tragan-
teil der Rißreibung zusammen mit den übrigen, iai=Vs_ 1 (3.3.68)
oben vernachlässigten Traganteilen ist demnach
c zb sin 2 8(cot8+cota)
für verschiedene Lastniveaus nahezu konstant. Einzige Unbekannte in dem sonst statisch be-
Die Bügelspannungen bleiben bei kleinem Vs stimmten Modell ist der Druckstrebenwinkel 8.
zunächst gering, erst wenn Vs den Widerstand Über ihn läßt sich ein direkter Zusammenhang
der Rißverzahnung übersteigt, nimmt der Trag- zwischen dem Stabwerkmodell und dem Modell
anteil der Bewehrung nennenswert zu. mit Rißverzahnung herstellen. Da beide Model-
Die Modellierung des Tragverhaltens unter le für die gleiche Querkraft die gleiche Bügel-
Querkraft kann auch durch Betrachtung eines spannung liefern müssen, erhält man durch Ver-
(fiktiven) Stabwerks erfolgen, in dem die Druck- gleich von Gl. (3.3.67) und Gl. (3.3.62) für den
spannimgen des Betons und die Zugspannun- Druckstrebenwinkel die Beziehung (a =90°)
gen der Bewehrung zu diskreten Streben zu-
cotß
sammengefaßt werden (Abb. 3.3-35a). Für den cote =---''-- (3.3.69)
allgemeinen Fall erhält man die Strebenkräfte 1-VcfVs
Die aktivierbare Rißverzahnung Vc erlaubt also
V:
F.w =-s- Fa=....YL . (3.3.64) je nach angreifender Querkraft Vs eine Abwei-
sma sinS
0

chung des Druckstrebenwinkels vom RißwinkeL


Mit der Breite der Druckstrebe Die Auswirkung der Querkraft auf die Biege-
zug- und-druckzoneerhält man durch Betrach-
aa = z (cot e + cot a) sin e (3.3.65)
tung eines Schnittes senkrecht zur Bauteilachse
und der im Bereich einer Zugstrebe liegenden (Abb. 3.3-35b). Die horizontalen Komponenten
Bügelmenge der Bügel- und Druckstrebenkräfte ergeben ei-
ne fiktive Normalkraft
A
Aw =~z(cotS+cota) (3.3.66)
s Nv = cos 8 Fa- cos a Fw
= V(cot 8- cot a). (3.3.70)
Da der Angriffspunkt von Nv in der Mitte der
Schubzone liegt, muß die Kraft zur Hälfte von
Druckzone und Zugbewehrung aufgenommen
werden. Man erhält also die Kräfte
M V
Fe= - -5 +-(cotS-cota),
z 2
M V
F, = -5 +N +-(cotS-cota). (3.3.71)
z 2
Die Beanspruchung der Biegedruckzone wird
a Stabwerkgeometrie
verringert, die der Zugzone um die gleiche Kraft

;'=::;:-1
vergrößert. Da die Steifigkeit der Druckzone
i.allg. wesentlich größer ist als die der Zugbe-
wehrung, resultiert daraus eine zusätzliche Krüm-
mung des Bauteils. Diese wird i.d.R. jedoch ver-
VR ~ nachlässigt.
--- F, F, --- "--- - - . . . J Die Ermittlung der aus V resultierenden Schub-
b Schnitt senkrecht zur Bauteilachse verzerrung des Balkens im gerissenen Zustand
ist aufgrund des komplexen Tragverhaltens
Abb. 3.3·35 Beschreibung der Querkrafttragverhaltens schwierig. Sie kann anhand der Dehnungen von
mit Stabwerken Beton und Bügelbewehrung unter Verwendung
der Kinematik des Stabwerkmodells qualitativ

Massivbau 3-161
abgeschätzt werden, wobei allerdings der durch
die Rißuferverschiebung auftretende Verfor-
mungsanteil vernachlässigt wird. Der Abfall der
Schubsteifigkeit im Vergleich zum Zustand I ist _ Plastizitätskreis
--,!....
von der Bügelmenge abhängig und wegen der ... ... f
erforderlichen Spannungsumlagerungen zur ' f
Aktivierung der Tragmechanismen i.allg. größer cot 8=7/4 '
als der Abfall der Biegesteifigkeit.

Tragfähigkeit im Gll o.s

Die Nachweise im GZT können auf der Grund-


lage eines Modells mit Rißreibung oder eines
Stabwerkmodells erfolgen. Die Bemessung mit
Stabwerkmodellen erfordert die Festlegung ei-
nes Druckstrebenwinkels 8. Unter Vorausset- o.s \)

zung einer unbeschränkten Rißverzahnung und


einer unbegrenzten Duktilität der Materialien Abb. 3.3-36 Zusammenhang zwischen bezogener
kann 8 frei gewählt werden; da mit kleineren Querkraft und Bewehrungsgrad: Plastizitätskreis;
OIN 1045Teill
Winkeln die erforderliche Schubbewehrung und
die Tragfähigkeit der Druckstreben abnehmen,
liegt es nahe, 8 so klein zu wählen, daß die Trag- Das Maximum von V ud tritt hier (a=90°) bei
fähigkeit der Druckstrebe eben noch ausreicht. 8=45° auf; für diesen Winkel wird die Druck-
Für eine gegebene Bewehrungsmenge folgt der strebentragfähgigkeit maximal, bei kleineren
zur Aufnahme einer Querkraft Vsd erforderliche und größeren Winkeln nimmt sie ab. Im Rahmen
Druckstrebenwinkel aus GI. (3.3.67), wobei ent- der Bemessung sind Winkel 8 > 45° daher i. allg.
sprechend den Annahmen der Plastizitätstheo- nicht sinnvoll, da hier die Bügelbewehrung grö-
rie ein Fließen der Bewehrung vorausgesetzt ßer ist als für 8 < 45°. Lediglich die Beanspruchung
wird (a=90°): in der Biegezugbewehrung wird hierdurch ver-
ringert, vgl. GI. (3.3.99).
Vsd
cot8 = ----""--- (3.3.72) Die genannten Voraussetzungen - unbe-
z -Aswf
5
- yd grenzte Rißverzahnung und Duktilität - gelten
für Stahlbetonbauteile jedoch nicht. Daher muß
Die maximale Querkraft erhält man durch Ein- für 8 eine pauschale Begrenzung eingeführt wer-
setzen in GI. (3.3.68), wenn man Oe gleich der den,z. B.4/7 <cot 8 <7/4 nach NAD zu EC 2. Hier-
Druckstrebenfestigkeit a c /cd (s. u.) setzt. Nach durch wird der Plastizitätskreis unten und oben
einigen Umformungen erhält man für die maxi- abgeschnitten.
mal aufnehmbare Querkraft bei gegebenem Be- Das Modell in DIN 1045 Teil1 kombiniert Stab-
wehrungsgrad eine Kreisgleichung (Plastizitäts- werkmodell und Rißverzahnung, indem es aus
kreis) der aktivierbaren Rißverzahnung nach GI. (3.3.69)
einen unteren Grenzwert 8grenz des Druckstre-
(3.3.73)
benwinkels ermittelt. Innerhalb des Bereichs
mit den bezogenen Größen cot8grenz>cot 8 > 1 kann der Druckstrebenwin-
kel für die Nachweise am Stabwerkmodell im
Aswf
- - yd
w =__"s_ _ Sinne der Plastizitätstheorie frei gewählt wer-
(3.3.74) den.
w bacfcd '
Die Rißverzahnung und Rißneigung werden
Abbildung 3.3-36 zeigt den Plastizitätskreis im dabei mit halbempirischen Ansätzen berechnet:
UuJ·Ww·Diagramm. Ein fester Winkel 8 ent-
spricht einer Ursprungsgeraden mit der Neigung rll3(1+1,2--
VRd.c = 0,24;ck Nsd )b z , (3.3.75)
tan 8, die Winkelhalbierende (8 = 45°) stellt den Acfcd
klassischen Bemessungsansatz mit rißparallelen N
Druckstreben nach Mörsch dar, der für ein Bau- cotß = 1,2-1,4---.M_. (3.3.76)
teil ohne Rißverzahnung anzunehmen wäre. Acfcd

3-162 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Für Leichtbetone ist VRd,c wegen der einge- Riß- und Druckstrebenwinkel im Modell durch
schränkten Rißverzahnung zu mindern. Dabei die Rißverzahnung begrenzt ist.
wird der Effekt der bei Wirkung einer Druck-
normalkraft flacher werdenden Rißwinkel so- Interaktion Querkraft- Biegung. Nach GI. (3.3.71)
wie der verbesserten Rißverzahnung qualitativ treten infolge Querkraft auch Beanspruchungen
berücksichtigt. Das Ergebnis für 9=9grenz zeigt in der Biegedruckzone und der Biegezugbeweh-
Abb. 3.3-36; eine begrenzte Rißverzahnung er- rung auf. Die Auswirkungen auf die Beton-
laubt keine Ausnutzung der vollplastischen Trag- druckzonekönnen auf der sicheren Seite liegend
fähigkeit. Die Ausnutzung der Rißverzahnung vernachlässigt werden. Die Erhöhung der Stahl-
impliziert eine Begrenzung der Schubrißbreite, zugkraft läßt sich mit Hilfe des Versatzmaßes
was große plastische Stahldehnungen und somit at= z/2( cot e- cot a) beschreiben. Setzt man Vsa=
die Ausnutzung der Verfestigung ausschließt; dMsasfdx in GI. (3.3.71) ein, so erhält man
daher ist bei der Bemessung der Schubbeweh-
rung o5 =/y"a zu setzen. dMsds z
Msds(x)+---(cot9-cota)
Für kleineu liegt die Gerade nach DIN 1045 F.= dx 2 +Nsa
Teil1 außerhalb des Plastizitätskreises; hier wäre z
demnach die Tragfähigkeit der Druckstrebe über- Msa.(x+at) N
:::: + Sd • (3.3.77)
schritten, was für entsprechend kleine Beweh- z
rungsgrade jedoch den im Versuch beobachteten Die tatsächlich aufzunehmende Zugkraft ergibt
Versagensmechanismen widerspricht. In diesem sich also aus dem Biegemoment, das um a1 ne-
Bereich können die vereinfachten Ansätze das ben der betrachteten Stelle angreift. Graphisch
Bauteilverhalten nicht widergeben, was für die erhält man die Zugkraftlinie durch das Ver-
praktische Anwendung aber ohne große Bedeu- schieben der M/z-Linie um das Versatzmaß (s.
tung ist, da dieser Bereich durch die konstrukti- Abb. 3.3-43).
ve Mindestbügelbewehrung abgedeckt wird. Bei Bauteilen mit geneigtem Druck- oder Zug-
gurt entsteht in den Gurten ein Anteil senkrecht
Druckstrebenfestigkeit. In die Druckstreben zur Balkenachse, der bei der Bemessung berück-
werden durch den Verbund mit der den Riß sichtigt werden muß bzw. darf. Dieser Anteil
kreuzenden Schubbewehrung Querzugspan- wirkt günstig, wenn der Verlauf der Gurte dem
nungen eingeleitet, die nach Abb. 3.3-7 die Fe- Momentenverlauf angepaßt ist, wenn also der in-
stigkeit auf acfcd abmindern. Die Größe des Ab- nere Hebelarm bei steigendem Moment zu-
minderungsfaktors ac ist vom Rißabstand, der nimmt (Abb. 3.3-37), da hier die gesamte Quer-
Rißbreite, dem Verbundverhalten der Bügelbe- kraft Voa mit der schuberzeugenden Querkraft
wehrung usw. abhängig. In experimentellen Un- Vsaund den in gleicher Richtungwirkenden Ver-
tersuchungen an Stahlbetonscheiben unter tikalanteilenvon F., Fe im Gleichgewicht stehen
Druck- und Querzugbelastung wurde ac"' 0,8 ... muß, d.h. in Abb. 3.3-37a
0,85 ermittelt, solange die Dehnung der kreu-
Voa=Vsa+ sin(<l>c)IFcl + sin(<l>s) Fs (3.3.78)
zenden Bewehrung im Bereich der Fließdeh-
nung bleibt [Kolleger/Mehlhorn 1990]. Bei sehr und in Abb. 3.3-37b
großen Stahldehnungen (Es >10o/oo) ergibt sich
Voa=Vsa- sin(<l>c)IFcl- sin(<l>s) Fs. (3.3.79)
eine stärkere Abminderung, die baupraktisch al-
lerdings kaum relevant ist, da solche Verzer-
rungszustände in Balkenstegen i.allg. nicht auf- Nachweise im GZG
treten [Roos 1995].
Eine gleichzeitige Aktivierung der Rißverzah- Die Stahlspannungen bleiben nach Bildung der
nung (ß -:t- 9) führt zu einer weiteren Abnahme Schubrisse zunächst klein. Auf einen Nachweis
der Druckstrebenfestigkeit. In [Schlaich/Schäfer der Rißbreitenbeschränkung kann daher i.allg.
1998] wird daher für rißparallele Druckspan- verzichtet werden, sofern eine konstruktive Min-
nungsfelder eine Abminderung der Druckstre- destbewehrung vorhanden ist.
benfestigkeit auf 0,8fca und für Druckspannungs-
felder mit kreuzenden Rissen auf 0,6fca vorge-
schlagen.
In DIN 1045 Teil 1 wurde pauschal ac=0,75
gesetzt, da die mögliche Abweichung zwischen

Massivbau 3-163
b ungünstige Wirkung

Abb. 3.3-37 Auswirkung geneigter Gurte bei der Querkraftbemessung

3.3.6.4
Torsion

Ein Torsionsmoment Ts verursacht im Quer-


schnitt Schubspannungen, die die Gleichge-
wichtsbedingung
Ts = TR =JA (y lxz-Z lxy) dA (3.3.80)
erfüllen müssen. Im allgemeinen Fall entstehen a am ungerissenen
QuerS<hnin
infolge Ts auch Normalspannungen aus derbe-
hinderten Verwölbung des Querschnitts; diese
sind jedoch bei kompakten Querschnitten in
ausreichendem Abstand von Lasteinleitungs-
stellen vernachlässigbar gering. Zur Bestim-
mung der Schubspannungen im ungerissenen
Zustand siehe z.B. [Mußchelischwili 1971; b am gerissenen Querschnitt
Gruttmann u.a. 1998] .
Am Bauteil resultiert aus Torsion eine Verdre-
Abb. 3.3-38 Verlauf der Schubspannungen
hung -8-, die im ungerissenen Zustand mit dem
Torsionsmoment über die Torsionssteifigkeit
Ge ly; verknüpft ist: zugfestigkeit) mit Beginn der Rißbildung eine
gewisse Plastifizierung einsetzt, liegen die expe-
d-8- =..IR_ (3.3.81) rimentell beobachteten Rißmomente etwas
dx Gclr; höher [Lampert/Thürlimann 1968].
Die gemeinsame Wirkung von Bewehrung und Da Bügel- und Längsbewehrung i.allg. am
Beton kann durch einen ideellen Querschnitts- Rand des Querschnitts angeordnet sind, erfolgt
wert !Ti berücksichtigt werden. Dabei bleiben die Lastabtragung im gerissenen Zustand v.a.
senkrecht zur Bauteilachse stehende Bügel im dort, d. h., der Querschnitt besteht dann aus einer
ungerissenen Zustand spannungsfrei. Der Anteil aktiven (bewehrten) Schale und einem nahezu
der Längsbewehrung ist i. allg. vernachlässigbar. passiven Betonkern [Leonhardt/Schelling 1974;
Die aus den Schubspannungen resultierenden Lampert/Thürlimann 1968]. Daher wird bei der
Rauptspannungen verlaufen unter reiner Torsi- Betrachtung der Torsion im gerissenen Zustand
on mit 45° Neigung gegen die Achse wendeiför- i. d. R. das Ersatzmodell des fiktiven Hohlkastens
mig um das Bauteil, entsprechend auch die bei mit der Wanddicke t zugrunde gelegt (Abb. 3.3-
Überschreiten der Betonzugfestigkeit entste- 38).
henden Risse. Das Rißtorsionsmoment Tcr folgt In den Wänden des Hohlkastens ergibt sich
für reine Torsion und elastisches Verhalten aus der Schubfluß unter Annahme eines konstanten
a,=tmax=Tcr!Wr=fct,eff (Wr und Ir siehe z.B. Verlaufes über die Wanddicke nach der Bredt-
[Grasser 1997]). Da jedoch (analog zur Biege- schen Formel:

3-164 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


T der inneren Arbeit bestimmen. Damit erhält
Vy=--. (3.3.82) man die Torsionssteifigkeit
2Ak
Der Term Ak bezeichnet darin die von der Mit- GI
c
=I_=
r.u ~·
2A~ E ~ Asl . Asw
uk s uk • (3.3.84)
5
tellinie der Hohlkastenwände umschlossene Flä-
che; Uk ist im folgenden der Umfang des Hohl- Die Drehachse des Querschnitts (d.h. der Schub-
kastens. Für Rechteckquerschnitte ist Ak= mittelpunkt) wandert bei Rißbildung in Rich-
(b-t)(h-t) und Uk=2(b+h-2t). Die Schuhbe- tung der steiferen Querschnittsteile, also bei
anspruchung in den Wänden entspricht der ei- gleichzeitiger Biegung und Torsion in die we-
nes Balkensteges infolge Querkraft, es gelten im sentlich steifere Biegedruckzone.
wesentlichen die gleichen Aussagen über das
Tragver halten. Tragfähigkeit im Gll
Die Betrachtung eines dünnwandigen Quer-
schnitts stellt für übliche Querschnittsabmes- Die Bemessung der Hohlkastenwände kann
sungen eine starke Idealisierung dar. Durch die analog zur Querkraftbemessung durchgeführt
Verdrehung des Querschnitts verwinden sich die werden. Man erhält nach Abb. 3.3-40 mit den
Seitenflächen zu hyperbolischen Paraboloiden Gln. (3.3.67) und (3.3.68)
(Abb. 3.3-39), was eine zusätzliche Biegebean-
spruchung in den Betondruckstreben verur- locl= Tsa . 1+core . (3.3.85)
sacht [Lampert/Thürlimann 1968]. 2Akt cot9+cota
Das T-~'-Diagramm zeigt einen ähnlichen A 1 T, 1
Verlauf wie die M-K-Beziehung unter Biegung ....1!!:.=- . .....M... . (3 3 86)
mit ungerissenem, gerissenem und Fließzu- s /ya 2Ak sina(cot9+cota) · ·
stand. Allerdings fällt die Steifigkeit mit Beginn Zusätzlich ist die in Balkenlängsrichtung wir-
der Rißbildung wegen der Reduzierung des mit- kende Komponente der Druckstreben nach Gl.
wirkenden Querschnitts und der erforderlichen (3.3.70) in den einzelnen Wänden durch eine
Spannungsumlagerung deutlich stärker ab. Die Längsbewehrung aufzunehmen:
qualitative Abschätzung kann wie für die Quer- A 1 T.
kraftbeanspruchung mit Stabwerkmodellen er- ___g_ = - · .....M.. (cot9-cota). (3.3.87)
folgen. Die innere und äußere Arbeit am freige- uk !ya 2Ak
schnittenen differentiellen Element unter dem Da die Torsionsbeanspruchung anders als die
Torsionsmoment T ist Querkraft nicht an das Biegemoment gekoppelt
o~ 51-+Uk-
1 ( Ukt-+A
-W;=- a;l Asw --a;w )a X,
ist, muß die Längsbewehrung gesondert ermit-
telt und zur Biegebewehrung addiert werden.
2 Be E5 S E5
Wie bei der Querkraft wirkt sich eine (hier
Wa =.!_T&'dx. (3.3.83) wendeiförmige) Neigung der Bügel a < 90° gün-
2 stig auf die Beanspruchungen der Streben aus.
Der Anteil in den Druckstreben ist i.allg. ver- Wegen des einfacheren Einbaus und der Ver-
nachlässigbar, die Druckstrebenneigung läßt wechslungsgefahr auf der Baustelle ist ein ortho-
sich näherungsweise durch eine Minimierung gonales Bewehrungsnetz aus Bügeln und Längs-
stäben jedoch vorteilhaft.
Hinsichtlich der Neigung der Druckstrebe e
gelten grundsätzlich die bei der Querkraft ge-
machten Aussagen. Eine explizite Berücksichti-
gung der Rißverzahnung ist allerdings schwieri-
ger, weshalb e nach DIN 1045 Teil1 i. allg. auf der
sicheren Seite liegend zu 45° gesetzt wird. Hier-
für ergibt sich bei a =90° auch das Minimum der
Gesamtbewehrung aus Asw und Asl·
Die ideelle Wanddicke t ist bei kompakten
Querschnitten unter Annahme ideal plastischen
Abb. 3.3-39 Verwindung der Seitenflächen zu hyperbo- Verhaltens frei wählbar. Wegen der größeren
lischen Paraboloiden Kernfläche Ak nimmt A 5 mit t ab; ein unterer
Grenzwert für t ergibt sich aus der Beanspru-

Massivbau 3-165
Mittelfläche

ac
vollplastisch [ ]

real Ll]

Abb. 3.3--40 Bemessung eines kompakten Querschnitts für Torsion

chung der Druckstrebe a,. Zusätzlich ist jedoch Profilierte Querschnitte. Diese können durch ei-
die Umlenkung der Druckstrebenkräfte in den ne Zerlegung in Rechteckquerschnitte erfaßt
Eckpunkten des Querschnitts zu berücksichti- werden, auf die das angreifende Torsionsmo-
gen, die nur für die innerhalb der Bügel gelege- ment zur Berücksichtigung der Verträglichkeit
nen Teile der Strebe durch die Abstützung aufBü- entsprechend der Steifigkeit des jeweiligen Teil-
geln und Längsbewehrung (die daher zumindest querschnitts verteilt wird. Meist ist eine Ab-
teilweise in den Ecken anzuordnen ist) erfolgen schätzung mit der Steifigkeit nach Zustand I aus-
kann, für die außerhalb gelegenen dagegen durch reichend genau, man erhält also mit Ir,i='lX~ Yi
Betonzugspannungen. Dies begrenzt t zusätzlich für den Teilquerschnitt i näherungsweise die Be-
nach unten. Nach DIN 1045 Teill wird die Wand- anspruchung
dicke t daher so festgelegt, daß die Längsbeweh- x~y-
rung in der Schwerlinie der Wand liegt. Tsd,i = Tsd ~· (3.3.88)
L.jXjYj
Druckstrebenfestigkeit. Wegen der aus der Ver- wobei Xi, Yi die Seitenlängen der Teilquerschnit-
formung der Oberflächen zum hyperbolischen te sind (xi :o; Yi).
Paraboloid resultierenden Biegebeanspruchung
wird die im Modell des ideellen, dünnwandigen Interaktion Torsion - Querkraft. Unter kombi-
Hohlkastens angenommene, über die Wanddik- nierter Beanspruchung aus Querkraft und Tor-
ke konstante Spannungsverteilung in den Druck- sion ist der Schubfluß je Steg des gedachten Hohl-
streben bei begrenzter Duktilität i. allg. nicht er- kastens Tsd ± Vsd , woraus sich die erforderli-
reicht (Abb. 3.3-40). Bei Beibehaltung des Mo- 2Ak 2
dells ist daher ein zusätzlicher Wirksamkeits- ehe Bügelbewehrung ergibt. Prinzipiell kann die
faktor einzuführen, der auch die ungünstigen Bewehrung für Torsion und Querkraft auch ge-
Einflüsse der Umlenkung in den Querschnitts- trennt ermittelt und nachträglich addiert wer-
ecken berücksichtigen muß. den, was allerdings voraussetzt, daß in beiden
Nach DIN 1045 Teill wird die Druckstreben- Fällen die Neigung der Druckstrebe gleich an-
festigkeit zur Berücksichtigung der genannten gesetzt wird. Bei der Addition der Bügelmengen
Effekte mit einem abgeminderten Faktor ist zu berücksichtigen, daß die Bewehrungs-
ac,red=0,7 a, reduziert. Ausgenommen hiervon menge für Querkraft für den Gesamtquerschnitt
sind echte Hohlkästen, da bei den in diesem Fall ermittelt wird, die für Torsion jedoch für eine
i.d.R. geringen Wanddicken der Einfluß der Bie- Hohlkastenwand. Daher wirken für die Abtra-
gebeanspruchung gering bleibt und durch die gung der Querkraft beide Bügelschenkel, für die
meist auf beiden Seiten der Wand vorhandenen der Torsion jedoch nur einer, so daß gilt
Bügel eine Umschnürung der Eckbereiche er-
reicht wird.

3-166 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


: ---: ~----:
~ -

g
+ I -
----1 ----

Sd
+
~
I[
~---1
- - -1
1 : ]I = I
I
---- ----

Abb. 3.3-41 Mögliche Verteilungen der Druckstrebenkräfte im Querschnitt

A
sw,tot = A sw,V + 2 A sw,T . (3.3.89)
s s s
A,.=I'\Asu
Für den Nachweis der Druckstreben ist bei Voll-
::::;t:t
querschnitten die Betrachtung nur der Hohlka-
stenwände sehr konservativ, da die im Inneren des ZI Asu A..,Js
fiktiven Hohlkastens gelegenen Bereiche an der TSd
Abtragung der Querkraft beteiligt sind. Daher ist ~
es prinzipiell zulässig, die Betondruckspannun-
gen innerhalb des Querschnitts entsprechend
Abb. 3.3-41 zu verteilen. Alternativ hierzu kann
der Nachweis durch folgende, quadratische Inter-
aktionsbedingung geführt werden:

(___54__)2
VRd,max
+ (__!g_)2 < 1
TRd,max - .
(3.3.90)
Abb. 3.3-42 Interaktionsdiagramm für Torsion und Bie-
gung
Dabei sind VRd,max und TRd,max die durch die
Druckstrebe maximal aufnehmbaren Schnitt-
größen unter reiner Querkraft bzw. Torsion für Daraus folgt die je Bewehrungslage aufzuneh-
den gewählten Winkel 9. Bei echten Hohlkasten- mende Normalkraftkomponente der Druckstre-
querschnitten ergibt sich dagegen eine lineare benkraft zu
Interaktionsbeziehung. 2
-(Tsd)
N T- - -uk · - -s . (3.3.92)
Interaktion Torsion -Biegung. Unter gleichzei- 2Ak 2 A 5 wfyd
tiger Wirkung von Biegung und Torsion werden und die Gesamtkraft in den Bewehrungslagen
die Hohlkastenwände neben dem Schubfluß aus
Torsion durch Biegedruck- und -zugkräfte be-
ansprucht. Für einen stark idealisierten Quer-
schnitt mit in den Ecken konzentrierter Längs- Das Erreichen des Grenzzustands folgt aus dem
bewehrung ist die Interaktion der aufnehmbaren Fließbeginn der oberen oder unteren Beweh-
Biege- und Torsionsmomente in Abb. 3.3-42 dar- rung, d.h. N 0 =/ydA 50 oder Nu=/ydAsu· Damit
gestellt. Das Versagen des Betons aufDruck wird läßt sich die Grenzbedingung dimensionslos
zunächst nicht betrachtet. schreiben:
Aus einer vollplastischen Betrachtung folgt 2
bei Fließen der Bügel der Druckstrebenwinkel Msd 1 ( Tsd )
unter einem Torsionsmoment Tsd zu
12:- MRdO · ~+ TRdO '
(3.3.94)
cot9= Tsd , __s_. (3.3.91)
2Ak Aswfyd

Massivbau 3-167
Die aufnehmbaren Schnittgrößen bei reiner Bie-
gung oder Torsion sind (3.3.97)
MRdO =Z Asu /yd
.-----
Asw 2Aso J mit TRdO =Akt ac,red/cd,
TRdO = 2Ak - · - - yd , MRao = z b t !ca .
s uk
A
q=____1Q..~l. Nachweise im GZG
Asu
Für den unsymmetrisch bewehrten Querschnitt Der Nachweis der Rißbreitenbegrenzung unter
wird das maximale Torsionsmoment bei gleich- Torsion wird i. allg. nicht explizit, sondern durch
zeitig wirkendem positivem Biegemoment er- Einhaltung von Konstruktionsregeln, d.h. eine
reicht. Für kleinere Biegemomente erfolgt das Begrenzung des Stababstands geführt. Eine Ver-
Versagen durch ein Fließen der oberen Beweh- teilung der Längsbewehrung über den Umfang
rung, obwohl infolge Biegung Druckbeanspru- erweist sich als günstig. Nach DIN 1045 Teil1 ist
chungen entstehen. bei Einhaltung der Regeln für die bauliche Durch-
Sofern die Bemessung nicht für die kombi- bildung kein weiterer Nachweis erforderlich.
nierte Beanspruchung durchgeführt wird, kön-
nen die Nachweise näherungsweise getrennt ge- 3.3.6.5
führt werden; bei der Ermittlung der Längsbe- Verhalten an Lasteinleitungsstellen
wehrung muß die im jeweiligen Querschnittsteil
vorhandene Biegezug- bzw. Biegedruckkraft mit Die oben geschilderten Modelle gelten zunächst
der aus der Schubbeanspruchung entstehenden nur für ungestörte Bereiche, die man wegen des
Normalkraft überlagert werden. In der Eiege- Ebenbleibens der Querschnitte nach der Ber-
druckzone wird daher i.allg. keine Längsbe- noulli-Hypothese als B-Bereiche bezeichnet. An
wehrung erforderlich sein, während die Beweh- Lasteinleitungsstellen bzw. Auflagern, den sog.
rungsmengen in der Biegezugzone zu addieren "D-Bereichen" (Diskontinuitäten), sind einige
sind. zusätzliche Besonderheiten zu berücksichtigen.
Beim Nachweis der Druckstreben ist die In- Die technische Balkenbiegetheorie idealisiert
teraktion von Biegedruck und Torsionsschub zu das Bauteil als in der Breiten- und Höhenrich-
berücksichtigen. Da bei großen Biegedruckkräf- tung ausdehnungslosen Stab, was dazu führt,
ten keine Zugkraft in der Längsbewehrung ent- daß eingeleitete Lasten sich wegen der nicht er-
stehen kann, folgt aus Nr=Miz der Druckstre- faßten Spannungsausbreitung senkrecht zur
benwinkel in der Biegedruckzone Stabachse unmittelbar in einer Änderung der
Schnittgrößen auswirken. Für die lokale Bemes-
cot9= 2Msa (3.3.95) sung ist diese Idealisierung aber nicht sinnvoll.
Tsa Ähnliche Abweichungen von der Balkenbiege-
und die Druckstrebenspannung theorieergeben sich an geometrischen Singula-
ritäten wie sprunghaften Querschnittsänderun-
Tsa- (2Msa
- -
I0 1- - - - +Tsa
- -) ~ gen. Zur Untersuchung eignet sich v.a. die Me-
c 2Akt Tsa 2Msa thode der Stabwerkmodelle (s. 3.3.8.3).
(3.3.96)
__!M__ _ 2 ( 1- Msa ) Msa
Aktlo,l- zbtlo,i zbtlo,l ' Direkte Lasteinleitung

Durch Begrenzung von Oe auf die Festigkeit er- Bei direkter Lasteinleitung bzw. Stützung wer-
hält man die Grenzbedingung für den Druck- den Lasten bzw. Auflagerkräfte durch Druck-
strebennachweis. Allerdings sind die effektiven spannungen am Bauteilrand eingeleitet. Da den
Festigkeiten mit ac,red fca für Torsion und /cd für Biege- und Schubspannungen des Balkens hier
Biegung unterschiedlich. Um einen glatten eine Spannung Oz < 0 senkrecht zur Balkenach-
Übergang zu ermöglichen, bietet sich ein (me- se überlagert wird, bilden sich die Risse und
chanisch nicht ganz sauberer) Bezug der Schnitt- Druckstreben fächerförmig aus (Abb. 3.3-43).
größen auf die jeweils maßgebende Festigkeit Am Auflager eines durch Gleichlast bean-
an: spruchten Balkens wandert daher ein Teil der
Last direkt in das Auflager, ohne eine Beanspru-

3-168 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


F, 11
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I I I I

l ' ' ' ''''


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bsup

---
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I

j I
I
VSd

MSd

--
- z

Abb. 3.3-43 End- und Zwischenauflager eines Durchlaufträgers

chung in der Schubbewehrung zu erzeugen. Bil- eine Abnahme des Versatzmaßes al> so daß die
det man an einem parallel zur Druckstrebe ab- Zugkraft in der Bewehrung weniger stark an-
geschnittenen Trägerende das Gleichgewicht, so steigt als das Moment. In der Auflagermitte lie-
erhält man für die mit Bügeln zu übertragende fert das Momentengleichgewicht
Querkraft
A b;up Absup
Fsz=Msd---·--=Msd---.
Vsd =A-q(zcot9+ b;P} bsup 8 8
(3.3.98) (3.3.100)
also die in einem Schnitt im Abstand x=z cot e Bei Auflagern mit endlicher Breite bewirkt der
neben dem Auflagerrand wirkende. Die Bemes- rückdrehende Anteil der Auflagerpressung also
sung der Bügel muß somit nicht für den Maxi- eine Ausrundung des Verlaufes von fs.
malwert der Querkraft direkt über dem Auflager Eine monolithische Verbindung des Balkens
erfolgen. Dies gilt jedoch nicht für den Nachweis mit dem unterstützenden Bauteil ermöglicht zu-
der Druckstrebenbeanspruchung. sätzlich eine Vergrößerung des inneren Hebel-
Die am Auflager zu verankernde Zugkraft in arms z durch Ausstrahlung der Betondruckkraft
der Längsbewehrung ergibt sich aus dem Mo- in die Unterstützung. Der Maximalwert der Kraft
mentengleichgewicht um die Auflagermitte bei F5 ergibt sich dann am Auflagerrand, so daß die
kurzen Auflagern (bsup"' O) und einer senkrecht Bemessung für das dort wirkende Moment er-
zur Balkenachse stehenden Schubbewehrung zu folgen kann.
Bei konzentrierten Einzellasten in der Nähe
zcot2 e cote A
F5 =q---+Vsd--=-cote. der Auflager überlagern sich die Fächer von Last
2 2 (3.3.99)2 und Auflager; ein Teil der Belastung wird über
Man erhält das gleiche Ergebnis mit der Ver- die Druckstreben direkt in das Auflager einge-
satzmaßreget leitet (Abb.3.3-44).Nach DIN 1045 Teill darf dies
An den Zwischenauflagern von Durchlaufträ- für a < 2,5d berücksichtigt werden. Da für eine
gern bewirkt die steilere Druckstrebenneigung direkt über dem Auflager angreifende Last (a = 0)

Massivbau 3-169
GI. (3.3.98) oder GI. (3.3.101) ist nicht zulässig.
Indirekte Lagerungen bzw. Lasteinleitungen tre-
ten z. B. bei Trägerrosten auf, bei denen Haupt-
und Nebenträger in einer Ebene liegen (Abb. 3.3-
45b).

3.3.6.6
Profilierte Querschnitte

Mitwirkende Breite

b auflagerfern Bei stark profllierten Querschnittsformen kann


das Ebenbleiben der Querschnitte über die Brei-
te nicht mehr vorausgesetzt werden; mit zuneh-
Abb.l.l-44 Tragwirkung bei einer auflagernahen Ein- mendem Abstand von den Stegen entziehen sich
zellast
Druck- und Zuggurte der Lastabtragung durch
nichtebene Verzerrungen des Querschnitts. Um
offensichtlich gar keine Schubbewehrung erfor- die Berechnung der Gurte als Scheiben zu ver-
derlich ist, liegt es nahe, für die Ermittlung von meiden, wird die unebene Spannungsverteilung
A 5w die Querkraft aus der Einzellast linear ab- durch einen flächengleichen Block mit gleichem
zumindern: Spitzenwert ersetzt, der reale Querschnitt also
a durch einen fiktiven Ersatzquerschnitt mit der
Vsd =Vod--· (3.3.101) mitwirkenden Breite beff• der unter Annahme ei-
2,5d
ner ebenen Dehnungsverteilung die gleichen
maximalen Spannungen wie der sich verzerren-
Indirekte Lasteinleitung de reale Querschnitt liefert. Die Breite hefthängt
v.a_ vom statischen System, der Lastanordnung
Die Krafteinleitung erfolgt durch Zugkräfte; für und der Querschnittsgeometrie ab.
diese ist eine Aufhängebewehrung erforderlich. Das einfache Modell in Abb. 3.3-46 gibt nicht
Da ein Teil der Kraft durch den Verbund über die die exakte Lösung des Scheibenproblems [Girk-
Bauteilhöhe verteilt eingeleitet wird, bildet sich mann 1959] wieder, ist jedoch zum Verständnis
kein Druckstrebenfächer aus. Da 9 konstant ist, hilfreich. Die ungleichförmige Spannungsvertei-
muß die Bewehrung die volle Zugkraft aus Bie- lung beruht demnach auf der Ausstrahlung der
gung, Normalkraft und Querkraft aufnehmen Spannungen in die Platte ausgehend vom Steg,
(Abb. 3.3-45a). Die Versatzmaßregel ist nicht an- der durch Schubspannungen die Biegezug- und
wendbar. Eine Abminderung der Querkraft nach -druckkräfte in die Gurte einleitet. Entscheidend

F 11 1 11 11 1 nF

v~EEE ~ELl:
Schnitt 1-1
F,
- "' -
I I ',, f)
I I '
I I '

a Kräfteverlauf b Beispiel Trägerrost


~

Abb. 3.3-45 Indirektes Auflager

3-170 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


M 00::::::::::::: .A, 00::::::::::::: Schnitt 1-1

~~·r:~<h
Abb. 3.3-47 Anschluß eines Gurtes
11 idealisiert
effektiver Querschnitt
a Biegung
zur gesamten Gurtfläche. Nach elastischer Rech-
-.r----....- - ----..:a- nung wäre Vfl etwa affin zur Querkraft. Eine bau-
N Na praktisch sinnvolle, in Bereichen konstante

~~~}· Querbewehrungsmenge läßt sich durch Ausnut-


zung plastischer Umlagerungen erreichen, wenn
dort Vf1 konstant angenommen, d.h. gemittelt
11
wird. Die Länge, über die Vfl gemittelt werden
b Normalkraft
darf, ist wegen der eingeschränkten Duktilität
nach DIN 1045 Teil I auf den halben Abstand
Abb. 3.3-46 Mitwirkende Breite eines Zweifeldträgers
zwischen Momentennullpunkt und -maximum
beschränkt.
für die Spannungsverteilung in der Platte ist Da die in den Gurten aktivierbare Längskraft
demnach der Abstand der betrachteten Stelle von der Schubtragfahigkeit im Anschluß ab-
von den Punkten der Krafteinleitung in die Flan- hängt wirkt sich diese auch auf beff aus. Umge-
sche, d.h. bei Biegebeanspruchung von den Mo- kehrt kann es zur Vermeidung hoher Anschluß-
mentennullpunkten. Bei vorgespannten Bautei- bewehrungen sinnvoll sein, heftund damit Ff1 im
len müssen als Einleitungsstellen der Normal- GZT gegenüber dem elastischen Wert abzumin-
kraft die Verankerungen der Spannglieder ange- dern. Zur Wahrung der Gebrauchstauglichkeit
sehen werden. In Abb. 3.3-46 wirkt demnach im sollte hiervon aber nur eingeschränkt Gebrauch
Stützbereich die Normalkraft aus Vorspannung gemacht werden.
bereits auf den gesamten Querschnitt, das Bie-
gemoment dagegen nicht. Dies ist insbesondere Krafteinleitung
im GZG zu beachten.
Eine hohe Genauigkeit bei der Ermittlung von Bei der Untersuchung der Lasteinleitung in den
beJtist i.d.R. nicht angemessen, da die im Schrif- Querschnitt begnügt man sich i. d. R. mit der ge-
tum angegebenen Ansätze unter Annahme ela- trennten Betrachtung von Längs- und Quer-
stischen Materialverhaltens abgeleitet wurden richtung. Für die Berechnung in der Längsrich-
und im GZT nur als Abschätzung angesehen tung werden die Auflagerreaktionen der Quer-
werden können; i.allg. nimmt beff durch Rißbil- richtung auf das Längssystem aufgebracht, in
dung und Plastifizierung zu. Der Einfluß auf das Abb. 3.3-48 getrennt auf jeden der beiden Stege.
Bemessungsergebnis ist i. d. R. ohnehin gering. Bei einstegigen Plattenbalken folgen die Schnitt-
größen der Längsrichtung unmittelbar aus dem
Gurtanschluß Gleichgewicht. Bei mehrstetigen Plattenbalken
und Hohlkastenquerschnitten ist die Verteilung
Zur Aktivierung von Längsspannungen in den der Schnittgrößen in der Platte in Querrichtung
Gurten müssen am Anschluß zum Steg Schub- und auf die Stege in Längsrichtung durch sta-
kräfte übertragen werden. Aus dem Gleichge- tisch unbestimmte Rechnung über die Verträg-
wicht folgt nach Abb. 3.3-47 lichkeit der Verformungen in Längs- und Quer-
richtung zu ermitteln (Abb. 3.3-48). Symmetri-
fta) Vjl dx =t. Ff1. (3.3.102)
sche Lasten erzeugen in den Stegen Torsion in-
Ff1 ergibt sich dabei aus der gesamten Gurtkraft folge der Verformung der Platte. Unsymmetri-
(i.allg. Biegedruck-oder Zugkraft) im Verhältnis sche Lasten werden durch St.-Venantsche Torsion
der abgetrennten (mitwirkenden) Gurtfläche der Teilquerschnitte und gegensinnige Quer-

Massivbau 3-171
3.3.6.7
Verformungen

Die Querschnittsverzerrungen sind (im Rah-


men einer geometrisch linearen Theorie) über
-w''=K-y' und u'=Eo an die Durchbiegung w
und die Längsverschiebung u gekoppelt. Die Be-
rechnung der Verformungen erfolgt durch Inte-
gration über die Bauteillänge, z. B. mit dem Prin-
zip der virtuellen Kräfte:

w(x)= J:'(KM +yV)dx,


(3.3.103)
u(x)= J:'E0Ndx.
Dies gilt unabhängig vom linearen oder nichtli-
nearen Materialverhalten, da die virtuellen
Schnittgrößen nur geometrische Wichtungs-
funktionen für den Einfluß einer Verzerrung auf
die gesuchte Verformung sind. Zu beachten ist,
daß bei gerissenen Bauteilen auch unter reiner
Biegebeanspruchung eine Verlängerung der geo-
metrischen Schwerachse des Bauteils auftritt.
In der Praxis wird der Anteil der Schubverfor-
mung i.allg. vernachlässigt (JC =-w''). Dies ist we-
gen des starken Abfalls der Schubsteifigkeit im
kräfte in den Stegen abgetragen (Wölbkrafttor- Zustand II nicht unbedingt gerechtfertigt. Bei
sion). gedrungenen Balken sollte y daher zumindest
Lediglich bei Vernachlässigung der St.-Ve- qualitativerfaßt werden, z. B. über eine reduzier-
nantschen Torsionssteifigkeit der Stege wird das te elastische Schubsteifigkeit, s. [Grasser/Thie-
Quersystem statisch bestimmt; die Kräfte ver- len 1991]. Die zeitabhängige Zunahme der Ver-
teilen sich nach dem Hebelgesetz auf die Stege. formungen muß in jedem Fall berücksichtigt
Diese Näherung ist im üblichen Hochbau zuläs- werden (s.3.3.10).Die Länge der als gerissen an-
sig. Im Brückenbau sind genauere Untersuchun- zunehmenden Bereiche muß neben der bei der
gen erforderlich (s. [Holst 1998J).Zur Aufnahme Durchbiegungsberechnung angesetzten Last
der Torsionsmomente ist i. allg. eine Verbindung evtl. auch vorhergehende höhere Lasten (i.allg.
der Stege mit Querträgern (meist nur im Aufla- die seltene Einwirkungskombination) berück-
gerbereich) erforderlich, die die gegenseitige sichtigen.
achsiale Verdrehung behindern. Bei der Auswertung von GI. (3.3.103) sind
zunächst die aus den wirkenden Schnittgrößen
Nachweise resultierenden Verzerrungen (unter Berücksich-
tigung der Mitwirkung des Betons zwischen den
Die Bemessung der Gurte kann für die Schub- Rissen) in einer ausreichenden Anzahl von
beanspruchung Vsd,fl> die Biegebeanspruchung Punkten entlang der Stabachse und die virtuel-
msd,q in Querrichtung und die Spannung in len Schnittgrößen für die gesuchte Verformung
Längsrichtung nach 3.3.9.1 erfolgen. Nach zu bestimmen. Die Integration erfolgt nume-
DIN 1045 Teil1 ist es jedoch zulässig, die erfor- risch, z. B. mit der Simpson-Regel.
derlichen Bewehrungsmengen für Schub a5, v Die numerische Genauigkeit hängt von der
und Querbiegung a5,m getrennt zu ermitteln. Auf Zahl der verwendeten Stützstellen ab. Bei nur ei-
der Biegedruckseite sollte dann 1has,v> auf der ner Stützstelle und Annahme eines zum Moment
Biegezugseite der größere Wert von 1has,v und affinen Verlaufs der Krümmung ergibt sich in
a5,m angeordnet werden. Abb.3.3-49

(3.3.104)

3-172 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


unverformte, überhöhte Systemlinie

~-TF~r~~Durchhang
verformte Systemlinie unter last
a Definition

störendes Gefälle

gerissen ungerissen

1/4 -M
-==:::::::c::==
Abb. 3.3-49 Berechnung der Durchbiegung eines Ein-
feldträgers
b Schadensbilder

Da der angenäherte Verlauf völliger ist als der


Abb. 3.3·50 Verfonnung
wirkliche, wird die Verformung überschätzt. Im
allgemeinen nähert man sich dem (numerisch)
richtigen Ergebnis bei einer Erhöhung der Zahl mung verursachten Schäden an der tragenden
der Stützstellen von oben an. und nichttragenden Konstruktion. Daneben
Die Integration der Verzerrungen bewirkt ei- sind aber auch die Auswirkungen auf das sub-
ne Mittelung des Bauteilverhaltens über die Län- jektive Wohlbefinden von Personen, das ein-
ge. Da lokale Störungen auf diese Weise ausge- wandfreie Funktionieren installierter Maschi-
glichen werden, können Verformungen für die nen, die Entwässerung von flachen Dächern etc.
Nachweise im GZG und GZT meist unter Ansatz zu berücksichtigen. Wegen der Vielfalt der mög-
der stochastischen Mittelwerte der Materialei- lichen Schäden ist die Festlegung allgemein gül-
genschaften berechnet werden. tiger Grenzwerte nicht möglich. In DIN 1045 Teil
Hinsichtlich der Zuverlässigkeit einer Durch- 1 werden in Anlehnung an ISO 4356 folgende
biegungsberechnung ist zu bedenken, daß die Grenzen angegeben:
hierfür maßgebenden Materialprameter (Elasti- - Zur Vermeidung von Schäden in Trennwän-
zitätsmodul und Zugfestigkeit des Betons) i. allg. den darf die Durchbiegung 11500 der Spann-
nicht experimentell bestimmt, sondern lediglich weite nicht überschreiten. Entscheidend ist
aus der Druckfestigkeit abgeleitet werden, vgl. hier aber auch die konstruktive Ausbildung
GI. (3.3.5)- (3.3.7). Die Vorhersagegenauigkeit und der Zeitpunkt des Einbaus, da nur der Teil
ist daher begrenzt. der Durchbiegung, der nach dem Einbau der
Wand noch auftritt, wirksam wird. Dieser ist
Begrenzung im GZG um den Anteil des Bauteileigengewichts und
die bereits eingetretenen Kriechverformun-
Zu unterscheiden sind Durchbiegung (Verfor- gen geringer.
mung, bezogen auf die unverformte, spannungs- - Andere Schäden können i.allg. durch eine Be-
lose Lage des Bauteils) und Durchhang (Stich der grenzung des Durchhangs auf 1/250 der Spann-
Biegelinie, bezogen auf die ideale Systemlinie, weite vermieden werden. Die Verformungen
z.B. die Verbindungslinie der Auflager). Durch- können in diesem Fall durch eine Überhöhung
hang und Durchbiegung unterscheiden sich um z. T. ausgeglichen werden. Die Überhöhung
das Maß der Überhöhung beim Betonieren. sollte jedoch so vorsichtig gewählt werden,
Die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken daß sie von der Verformung mit Sicherheit
kann durch Verformungen erheblich einge- überschritten wird, da ein sonst entstehender
schränkt werden (Abb. 3.3-50). Die Forderung negativer Durchhang i. d. R. schädlicher ist als
nach einer Begrenzung der Durchbiegung folgt ein positiver.
i.allg. aus der Begrenzung der durch die Verfor-

Massivbau 3-173
Unter periodischen Einwirkungen (z.B. durch lichkeitsbedingungen erforderlich. Diese for-
installierte Maschinen, Menschen, Fahrzeuge) dern für den in Abb. 3.3-51 dargestellten Träger
erfordert die Begrenzung der Schwingungsam- ein Verschwinden der Verdrehung an den Ein-
plituden neben einer ausreichenden Dämpfung spannstellen:
v.a. einen ausreichenden Abstand zwischen Ei- ri - ri
4>= JoKMdx= JoKdx=O. (3.3.105)
gen- (w) und Erregerfrequenz (Q), (vgl.1.5 und
[CEB 1991a]). Da i.allg. O<w angestrebt wird, Solange der Träger ungerissen bleibt gilt dabei
entspricht dies einer Mindestanforderung an die überall K=MI(Ecl), wenn der Einfluß ggf. unter-
Steifigkeit und ist demnach an die Beschränkung schiedlicher ideeller Querschnittswerte bei un-
der Durchbiegung unter ruhender Last gekop- gleicher Bewehrung im Feld- und Stützbereich
pelt. vernachlässigt wird. Die Krümmung ist dann pa-
rabelförmig, und es folgt:
3.3.7
Statisch unbestimmte Balken 4>= Msr 1+3_·!if_l=O=>M =- qP .
Bel 3 8EJ Sr 12
(3.3.106)
3.3.7.1
Bauteilverhalten Die ersten Risse entstehen an der Einspannung.
Da K im gerissenen Zustand größer ist als nach
Im Gegensatz zu statisch bestimmten Balken elastischer Rechnung entsteht eine zusätzliche
können Schnittgrößen aus Gleichgewichtsbe- Winkelverdrehung L\4>sr<O, die dem Integral
dingungen nicht eindeutig bestimmt werden. über dem Krümmungszuwachs entspricht (neg.
Daher ist zusätzlich die Beachtung von Verträg- schraffierte Fläche in Abb. 3.3-51 b):

~ ~
Ms,~ $12 $12
y i )Ms1
l
7}
l
7J

... qll
...
~------ t ~-- :;;1
K
~i~
a ungerissen

K ~-----!,;:;-----~I~
~ _ ~ E,l
b Einspannung gerissen

c Einspannung und Feld gerissen

Abb. 3.3-51 Krümmungen und Verträglichkeit der Verformungen

3-174 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


mungen auf einen relativ kurzen Bereich kon-
Mst 2 qlz
=-l+-·--l+L'1cl>s1=0, zentrieren, werden sie i.allg. zur Verdrehung ei-
E) 3 8E) nes (fiktiven) plastischen Gelenks zusammen-
(3.3.107)
gefaßt Die Zunahme der Krümmung im Feld bei
Steigerung der Feldmomente verursacht eine
Verdrehung des plastischen Gelenks; durch den
Die Verträglichkeit kann demnach nur gewähr- entstehenden Knick ist die Verträglichkeit der
leistet werden, wenn 1Ms11kleiner ist als der aus Verformungen nicht mehr gewährleistet.
einer elastischen Rechnung folgende Wert Der Grenzzustand der Tragfähigkeit ist er-
qfZ/12. Das Feldmoment folgt dann allein aus reicht, wenn mit der Bildung eines weiteren
dem Gleichgewicht zu Mp=Ms 1+ql2/8. Zum glei- Fließgelenks in Feldmitte eine kinematische Ket-
chen Ergebnis kommt man, wenn die aus der La- te entsteht. Anders ausgedrückt bedeutet dies,
sterhöhung gegenüber der Erstrißlast resultie- daß die Schnittgrößenverteilung im GZT durch
renden Schnittgrößen durch eine statisch unbe- die im Bauteil vorhandene Bewehrung bestimmt
stimmte Rechnung bestimmt werden, bei der wird, da sich eine entsprechende Momentenlinie
den gerissenen Stützbereichen die reduzierte durch Fließgelenkbildung automatisch einstellt;
Steifigkeit im Zustand Il zugewiesen wird. dies entspricht dem statischen Grenzwertsatz
Bei weiterer Laststeigerung entstehen auch im der Plastizitätstheorie. Voraussetzung für die
Feldbereich Risse, die durch die vergrößerte vollständige Aktivierung des Feldmoments ist
Krümmung einen zusätzlichen Drehwinkel L'1c!>F eine ausreichende Duktilität (Rotationsfähig-
>0 verursachen. Die Steifigkeit fällt auch dort auf keit) der Stützbereiche,die in der Lage sein müs-
den Wert im Zustand II ab. Die weitere Entwick- sen, die hierfür erforderliche plastische Verdre-
lung der Schnittgrößenverteilung ist wesentlich hung aufzunehmen.
von der vorhandenen Bewehrung abhängig. Für Die Abweichung der tatsächlichen Biegemo-
As,St » As,F ist die Steifigkeit im Stützbereich im mente M von den nach E-Theorie berechneten
Zustand II wesentlich größer, was zu einem An- Me1 wird als Momentenumlagerung bezeichnet.
stieg der Stützmomente über den elastisch be- Der Umlagerungsfaktor ist definiert als Ö=Mstf
rechneten Wert führen kann. Mst,el· Das Ausmaß der Umlagerungin den ein-
Mit dem Erreichen des Fließmomentes Ms 1,y zelnen Laststufen ist von zahlreichen Parame-
im Stützbereich nehmen dort die Krümmungen tern abhängig, v. a. den Bewehrungsmengen A 51 ,
ohne eine (wesentliche) Zunahme des Stützmo- Ap, der Querschnittsform (Rechteck, Plattenbal-
ments sehr stark zu. Eine weitere Lasterhöhung ken) und der Belastung (Form der Momentenli-
muß nun allein durch eine Vergrößerung des nie). Den qualitativen Verlauf für einen beidsei-
Feldmoments aufgenommen werden; das Bauteil tig eingespannten Träger unter Gleichlast mit
wirkt nun wie ein Einfeldträger mit einem Rand- Rechteckquerschnitt und gleicher Bewehrung
moment Mst,y· Da sich die plastischen Krüm- im Feld und an der Stütze zeigt Abb. 3.3-52. Da

M 4
MF
3 I
_..) MF,el
.... 1"
.... I
I
I

' q
qll/8
I
I
' I
2 3 4 q
', I
' ', Mst
b Umlagerungsfaktor 1 Riß im Stützbereich
2 Riß im Feldbereich
' ', Mst.el 3 Fließen im Stützbereich
4 Fließen im Feldbereich
a Entwicklung der Feld- und Stützmomente bei Laststeigerung

Abb. 3.3-52 Momentenumlagerung am beidseitig eingespannten Träger

Massivbau 3-175
bei gleicher Bewehrung auch die Steifigkeit im
Zustand II im Feld- und Stützbereich gleich ist,
verläuft die Linie im voll gerissenen Zustand
parallel zur elastischen. Im allgemeinen ist die
Bewehrungsmenge im Stützbereich jedoch grö-
ßer als im Feld; wegen der dann größeren Stei-
figkeit der Stützbereiche nähert sich die Schnitt-
größenverteilungnach Abschluß der Rißbildung
wieder der elastischen an.
Bei unsymmetrischen Querschnitten (Plat-
Mt\ ~\ \ 77l1M
v ~t ~ ~ v
tenbalken mit W0 » Wu) beginnt die Rißbildung , lpl l\

u. U. im Feld. In diesem Fall werden die Schnitt-


größen zunächst vom Feld zur Stütze umgela- Abb. 3.3-53 Ermittlung der möglichen Rotation 6p1
gert. Ebenso kann bei As,St » As,F das erste Fließ-
gelenk im Feld entstehen. Dieser Fall ist bei Bal-
ken mit Gleichlast und üblicher Bewehrungsan-
ordnung von geringer praktischer Bedeutung
und wird daher nicht weiter behandelt. Es sei
aber darauf hingewiesen, daß die folgenden Er-
läuterungen hierfür nicht unmittelbar anwend-
bar sind, da in einem solchen Gelenk V= 0 ist
und somit die Rotationsfähigkeit kleiner aus-
fällt.

Einfluß der Schubverzerrung 0,2 0,4 x/d

Bei Zweifeldträgern und den Randfeldern von Abb. 3.3·54 Bemessungswerte der zulässigen Rotation
eines plastischen Gelenks für hochduktile Bewehrungs-
Durchlaufträgern wird v. a. bei gedrungenen Bal- stähle nach DIN 1045 Teill (A =3)
ken das Stützmoment und damit die Durchlauf-
wirkung reduziert. Bei profilierten Querschnit-
ten mit dünnen Stegen ist der Einfluß der Schub- Querkraft ab, also der Steigung der Momenten-
verzerrung bereits bei größeren Schlankheiten linie im Bereich des Gelenkes, wobei die Aus.-
erkennbar, ebenso bei gerissenen Stahlbeton- rundung der Zugkraftlinie über direkten Aufla-
bauteHen wegen der i.allg. relativ geringen gern (Abb. 3.3-43) zu beachten ist. Die üblicher-
Schubsteifigkeit weise angegebenen Rotationsfähigkeiten sind
In der Praxis wird dieser Effekt meist ver- daher auf indirekte Auflager nicht ohne weiteres
nachlässigt, was im Rahmen des statischen übertragbar.
Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie gerecht- Die maximale plastische Krümmung wird von
fertigt ist. Bei hochausgenutzten Tragwerken der Duktilität der Bewehrung und des Betons,
kann eine Berücksichtigung der Abnahme der dem Verbundverhalten und dem Bewehrungs-
Stützmomente bzw. der Rotation in den plasti- grad beeinflußt (Abb. 3.3-30). Für Stahlversagen
schen Gelenken sinnvoll sein. ergibt sie sich über die Risse gemittelt zu Kum=
Esu,ml(d-x),für Betonversagen zu Kum= IEcu,ml!x.
Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke Somit ist die bezogene Druckzonenhöhe ein ge-
eigneter Summenparameter für die Duktilität
Die mögliche Rotation eines Fließgelenks ergibt (Abb. 3.3-54). Für sehr kleine Werte\> bzw. xld
sich aus dem Integral über den plastischen nimmt 6p1 wegen der zunehmenden versteifen-
Krümmungsanteilen im Bereich des Gelenks den Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen
(Abb. 3.3-53) [CEB 1998; Eligehausen u.a.l997]. ab. Für große x!d versagt die Druckzone vor
Die Länge lpiWird durch das Erreichen der Fließ- Fließbeginn der Bewehrung. Die Rotations-
grenze in der Bewehrung im Schnitt I und des fähigkeit ist dann gleich Null. Der Einfluß der
Bruchmoments im Schnitt 2 bestimmt. Sie hängt Querkraft wird durch die Schubschlankheit
damit v.a. vom Verhältnis zwischen dem Fließ- J...=Msdl( Vsdd) erfaßt, indem der Grundwert mit
und Bruchmoment des Querschnitts sowie der dem Faktor .J J.../3 multipliziert wird.

3-176 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.3.7.2 Verfahren (Quasi-Newtonsche Methoden) siehe
Sch nittg rößenerm ittl ung z.B. [CEB 1996].Eine schrittweise (inkrementel-
le) Steigerung der Last erweist sich i. d. R. als vor-
Nichtlineare Schnittgrößenermittlung teilhaft. Zu Einzelheiten der nichtlinearen Be-
rechnungen siehe z.B. [Hofstetter/Mang 1995;
Wirklichkeitsnahe Berechnungen unter Berück- Stempniewski/Eibl1996].
sichtigung von Rißbildung und Plastifizierung Bei der Wahl der Elementansätze zur nichtli-
erfolgen heute i. d. R. unter Verwendung der Me- nearen Berechnung von Stahlbetontragwerken
thode der Finiten Elemente (zu den Grundlagen ist insbesondere die Kopplung von Biegung und
s. 1.5). Die Knotenkräfte des Elements ergeben Normalkraft zu berücksichtigen. Bei den gängi-
sich hier jedoch als nichtlineare Funktion der gen, schubstarren Stabelementen mit zwei Kno-
Knotenverschiebungen: ten wird Klinear interpoliert, Eo dagegen konstant.
Somit kann sich die zur Krümmung zugehörige
Se =se(ve)= JHeTo(ve)dx+"se (3.3.108) Längsdehnung nicht frei einstellen, es entstehen
I,
fiktive, im Element veränderliche Normalkräfte.
mit dem Elementlastvektor ~e und den Ansatz- Als vorteilhaft erweisen sich Elementtypen, die
polynomen für die Elementverzerrungen He. Die für VerzerrungsgrößenKund Eo Ansatzpolynome
Ermittlung des Schnittgrößenvektors o erfolgt gleicher Ordnung verwenden [Zilch 1993].
für den aus den Knotenverschiebungen r resul- Das Verhalten plastischer Gelenke kann mit
tierenden Verzerrungszustand nach Gl. (3.3.31). schubstarren Elementen nicht zutreffend erfaßt
Eine Lösung für die Systemgleichgewichtsbe- werden, da der Einfluß der Querkraft nicht be-
dingung P = a T • s mit der Transformationsmatrix rücksichtigt wird. Hierfür sind ggf. Modifikatio-
a und dem Vektor der äußeren Knotenkräfte P nen erforderlich.
kann i. allg. nur iterativ gewonnen werden. Hier-
für werden meist analog zu Gl. (3.3.39) die Kno- Elastische Schnittgrößenermittlung
tenkräfte nach den Verschiebungen in eine Tay-
lorreihe um einen geschätzten Verformungszu- Da die nichtlineare Berechnung von Stahlbeton-
stand v<il am Beginn des Iterationsschrittes ent- tragwerken i. allg. für die praktische Anwendung
wickelt: se<i+I) = k~(i) llr + se<il. k~(i) heißt dabei zu aufwendig und fehleranfällig ist, werden
tangentiale Steifigkeitsmatrix und folgt analog Schnittgrößen in der Praxis heute meist auf Ba-
zur elastischen Rechnung aus sis der linearen Elastizitätstheorie ermittelt. Dies
J
,q<il = Her E(i) He dx (3.3.109)
entspricht einer Approximation durch die Tan-
gentensteifigkeit im Ursprung und ist somit v. a.
I, auf niedrigen Laststufen, insbesondere solange
mit der tangentialen Querschnittssteifigkeit E(i) der Beton ungerissen bleibt, zutreffend oder zu-
nach Gl. (3.3.39). Die Integration muß wegen der mindest eine gute Annäherung an die· Realität.
Veränderlichkeit von E im Element i. allg. nume- Für höhere Lasten weicht die Näherung zu-
risch durchgeführt werden (Gauß-Quadratur), nehmend von der Wirklichkeit ab, ist für die
siehe z.B. [Bathe 1986]. praktische Arbeit i.d.R. jedoch hinreichend ge-
Die Elementsteifigkeitsmatrizen können wie nau, wenn die Schnittgrößen nicht von der Ge-
in der Elastizitätstheorie zur Systemmatrix Ky> samtsteifigkeit, sondern nur von der örtlichen
kombiniert werden. Die Lösung der linearisier- Verteilung der Steifigkeiten im System abhän-
ten Gleichgewichtsbedingung KVlLlV= P-ar· s<il gen. Unter Zwangbeanspruchung und bei einer
liefert einen verbesserten Verformungszustand Berechnung nach Theorie II. Ordnung liefert sie
v(i+ 1)= V(il+.!lV. Die Iteration wird abgebrochen, jedoch keine sinnvollen Ergebnisse.
wenn der Verformungszuwachs LlV hinreichend
klein oder die globale Gleichgewichtsbedingung 3.3.7.3
hinreichend genau erfüllt ist. Nachweiskonzepte
Im allgemeinen kann bei Stabtragwerken mit
dem einfachen Newton-Raphson-Algorithmus Nachweis im GZT
Konvergenz erzielt werden; zur Vermeidung von
Divergenzen und zur Reduzierung der Rechen- Nichtlineare Berechnung. Der konsequenteste
zeit empfiehlt sich jedoch eine Modifikation Nachweis im GZT ist die Ermittlung der System-
durch Line-search-Algorithmen oder Sekanten- traglast durch eine nichtlineare Systemberech-

Massivbau 3-177
nung; der Nachweis ist erbracht, sofern sicher- bei Schnittgrößenermittlung und Querschnitts-
gestellt wird, daß für den Bemessungswert der bemessung unterschiedliche Dehnungszustän-
Einwirkungen in jeder denkbaren Anordnung de vorausgesetzt werden; sie liefert aber i.allg.
ein Gleichgewichtszustand gefunden werden sinnvolle Ergebnisse.
kann. Lediglich Schnittgrößen, denen im Rah-
men der gewählten Modellbildung keine Verfor- Elastische Schnittgrößenermittlung. Die Quer-
mungen zugewiesen werden (z.B. Querkraft bei schnittsbemessung wird für die elastisch be-
schubstarren Elementen), müssen für die im rechneten Schnittgrößen nach 3.3.6 durchge-
Traglastzustand vorliegenden Schnittgrößen ge- führt, die Betrachtung von System (Schnittgrö-
sondert nachgewiesen werden. ßenermittlung) und Querschnitt (Bemessung)
Da die Verteilung der Schnittgrößen jedoch also entkoppelt. Dies bedeutet, daß das Verhal-
wesentlich von der vorhandenen Bewehrung ab- ten des Querschnitts die Verteilung der Schnitt-
hängt, die zu bestimmen der eigentliche Zweck größen nicht beeinflußt und mögliche Umlage-
der Bemessung ist, kann diese nur noch iterativ rungen durch Fließgelenkbildung nicht erfaßt
erfolgen. Die Iteration läßt sich evtl. umgehen, werden können. Die globale Tragfähigkeit des
wenn die Bewehrung zunächst im GZG für die Systems ist somit definiert durch die lokale Trag-
Schnittgrößen nach der Elastizitätstheorie be- fähigkeit des schwächsten Querschnitts.
stimmt und damit schließlich die Tragfähigkeit Wegen des starken Näherungscharakters der
mit einer nichtlinearen Berechnung nachgewie- Elastizitätstheorie erlaubt sie nur im Rahmen
sen wird. des statischen Grenzwertsatzes der Plastizitäts-
Die Berücksichtigung der Unsicherheiten der theorie eine sichere Bemessung, da sie einen mög-
Materialseite ist im Rahmen des Teilsicherheits- lichen Gleichgewichtszustand liefert. Zum Er-
konzeptes schwierig. Da das globale Verhalten reichen der vollen Tragfähigkeit ist eine (relativ
des Tragwerks am besten durch die Mittelwerte geringe) Mindestduktilität erforderlich; nach
beschrieben wird, werden diese i. allg. für die DIN 1045 Teil 1 ist daher die Druckzonenhöhe
Schnittgrößenermittlung angesetzt. Die Quer- in den Bemessungsschnitten auf x!d~0,45 (x/d~
schnittsbemessungläßt sich aber von der Trag- 0,35 ab C 55/67) zu begrenzen.
lastermittlungnicht trennen, so daß die ermittel-
te Systemtraglast mit einem globalen Sicherheits- Plastische Nachweisverfahren. Die Ausnutzung
beiwerte YR abgemindert werd~n muß [Eibl! der Umlagerung durch Fließgelenkbildung bei
Schmidt-Hurtienne 1995]. Um für Beton- und der Bemessung im GZT bietet
Stahlversagen gleiche YR zu erhalten, wird nach - konstruktive Vorteile durch Entlastung hoch-
DIN 1045 Teil1 die Systemtraglast mit Rechen- beanspruchter Bereiche (Vermeidung von Be-
werten der Materialeigenschaften ermittelt, die wehrungskonzentrationen) sowie
so festgelegt sind, daß sich für reines Beton- oder - wirtschaftliche Vorteile aus einer günstigeren
Stahlversagen mit YR= 1,3 die gleichen Traglasten Momentengrenzlinie (Abb. 3.3-55).
ergeben wie unter Verwendung der Bemessungs-
werte, d.h. für die Betondruckfestigkeit fcRIYR"' . Plastische Nachweisverfahren gehen daher di-
fcd und die Fließgrenze der Bewehrung/yRIYR"' rekt von der zum Versagen führenden Fließge-
/yd [König et al. 1997]. lenkkette im Grenzzustand der Tragfähigkeit
Die globale Abminderung der Tragfähigkeit aus. Das Auffinden des maßgebenden Mecha-
impliziert jedoch auf Querschnittsebene eine nismus bereitet bei Stabtragwerken i. allg. keine
Abminderung der Schnittgrößen bei festgehal- Probleme, wenn die ersten Fließgelenke über
tener Verzerrung und damit auch der E-Moduln. den Stützen eingeführt und die Schnittgrößen
Für stark verformungsbeeinflußte Grenzzustän- im Feld aus den Gleichgewichtsbedingungen be-
de nach Theorie II. Ordnung liegt die Methode stimmt werden (z.B. Einhängen einer Parabel
daher evtl. weit auf der sicheren Seite [König/ mit dem Stich ql2!8, Abb. 3.3-56). Man erhält so
Quast 2000]. Für solche Fälle bietet es sich an, unmittelbar den Zusammenhang zwischen der
von vornherein mit den Bemessungswerten der Tragfähigkeit der Stützbereiche MRd, st und Feld-
Materialeigenschaften zu rechnen oder für die hereiche MRd,F und der Traglast.
mit den Mittelwerten berechneten in den kriti- Das Verhältnis MRd, stiMRd, Fist bei ideal-pla-
schen Schnitten eine Bemessung unter Verwen- stischen Baustoffen beliebig, bei Stahlbetontrag-
dung von Bemessungswerten durchzuführen. werken mit eingeschränkter Duktilität aber
Die zweite Möglichkeit ist nicht konsistent, da durch die Rotationsfähigkeit begrenzt. Diese ist

3-178 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


I I

elastis<h
M

-r
mit Umlagerung

Abb. 3.3-55 Momentenumlagerung beim Zweifeldträger

I I I I I I
~~
- -

A
Abb. 3.3-56 Plastis<he Traglastermittlung bzw. Bemes-
sung Abb. 3.3-57 Rotationsna<hweis beim Zweifeldträger

daher prinzipiell nachzuweisen. In Abb. 3.3-57 Querkräfte und evtl. andere Schnittgrößen um-
gilt bei Vernachlässigung der Schubverzerrun- gelagert werden müssen und der Momenten-
gen: nullpunkt sich verschiebt, was bei der Anord-
(3.3.110) nung der Bewehrung zu berücksichtigen ist. Da
9= J(li)M ·K·dx.
bei der Ermittlung der Fließmomente Bemes-
Die erforderliche Rotation e ist mit der mögli- sungswerte der Festigkeiten angesetzt werden,
chen Bpl,d nach Abb. 3.3-54 zu vergleichen. Die die wirklichen Festigkeiten i.allg. jedoch weit
Krümmung darf bei Ermittlung der erforderli- höher liegen, tritt die Fließgelenkbildung bei den
chen Rotation mit den Mittelwerten der Bau- angenommenen Bemessungslasten evtl. noch
stoffeigenschaftenberechnet werden; im plasti- nicht auf ( Überfestigkeit). Um ein vorzeitiges Ver-
schen Gelenk sind dagegen Bemessungswerte sagen durch spröde Mechanismen (z.B. Quer-
anzusetzen. kraft) unter den evtl. ungünstigeren Schnittgrö-
Vor allem bei hohen Bewehrungsgraden und ßen ohne Umlagerung auszuschließen, sind ggf.
schmalen Druckzonen, z.B. bei durchlaufen- Grenzwertbetrachtungen erforderlich.
den Plattenbalken mit schmaler Druckzone über Die Ausnutzung der Verfestigung, d.h. der Zu-
einer Innenstütze, bleiben so die möglichen nahme vom Fließ- zum Bruchmoment in den
Schnittgrößenumlagerungen begrenzt. Zu be- plastischen Gelenken, ist im Sinne der Plasti-
achten ist auch, daß bei einer Umlagerung der zitätstheorie nicht konsequent, da zum Errei-
Momente aus Gleichgewichtsgründen auch die chen der Bruchmomente im Feld eine wesentlich

Massivbau 3-179
größere plastische Rotation erforderlich ist als Zwangschnittgrößen
zum Erreichen der Fließmomente, was bei Be-
rechnung des Rotationsbedarfs mit Mittelwer- Zwangschnittgrößen entstehen durch einge-
ten der Materialeigenschaften aber nicht erfaßt prägt Verformungen und sind abhängig von der
wird. Im allgemeinen ist dies aber tolerierbar. Steifigkeit des Systems. Daher besteht für Bau-
Auf einen expliziten Nachweis der Rotations- teile mit nichtlinearem Verhalten ein fundamen-
fähigkeit darf nach DIN 1045 Teil I verzichtet taler Unterschied zu Schnittgrößen infolge La-
werden, wenn die Umlagerung in Abhängigkeit sten.
von der bezogenen Druckzonenhöhe x!d be- Das Prinzip läßt sich am Beispiel des Zugsta-
grenzt bleibt (linear-elastische Berechnung mit bes erläutern (Abb. 3.3-58). Der erste Riß entsteht
Umlagerung). Für normalfeste Betone (bis C 50/ unabhängig vom Bewehrungsgehalt des Bauteils,
60) gilt bei Verwendung hochduktiler Stähle sobald die Dehnung Lls/1 des Bauteiles die Riß-
dehnung.fctfEc des Betons überschreitet. Im Riß
X
ö ~ 0,64+0,8d wird ein Teil der Zwangsverformung abgebaut,
(3.3.111)
die Zugkraft reduziert sich um den Anteil w/Lls.
~ 0,7 Beginnt der Stahl im Riß zu fließen, so fällt die
und bei Verwendung normalduktiler Stähle Zugkraft auf fYAs ab, so daß die elastischen Deh-
nungen des Betons in den ungerissenen Berei-
X
ö ~ 0,64+0,8d chen ebenfalls abnehmen und im Bauteil kein
(3.3.112)
weiterer Riß entstehen kann, da die Zugfestigkeit
~ 0,85
des Betons nicht mehr erreicht wird. Daher wird
Die erste Bedingung entspricht jeweils dem Be- fast der gesamte Zwang Lls in einem einzigen,
tonversagen, die zweite dem Stahlversagen. Bei sehr breiten Riß abgebaut.
hochfesten Betonen sind die zulässigen Umla- Kann die Bewehrung die Zugkraft dagegen
gerungen wegen der geringeren Verformungs- aufnehmen ohne zu plastifizieren, so steigt bei
fähigkeit des Betons kleiner. einer weiteren Steigerung von Lls die Zugkraft
wieder an, bis der nächste Riß entsteht. Dabei
Nachweise im GZG kann sie die Rißschnittgröße nicht bzw. nur im
Rahmen der Schwankung der Betonzugfestig-
Die Nachweise in den Grenzzuständen der Ge- keit innerhalb des Bauteils überschreiten, solan-
brauchstauglichkeit werden nach 3.3.6 geführt. ge das Bauteil im Zustand der Einzelrißbildung
Die Schnittgrößen werden dabei i. allg. elastisch bleibt. Bei gleichzeitiger Wirkung von Last- und
ermittelt, obwohl durch die Rißbildung bereits Zwangbeanspruchungen gelten diese Aussagen
bei geringen Einwirkungen Umlagerungen auf- sinngemäß. Die Zwangschnittgröße kann dann
treten, deren Verfolgung mit nichtlinearen Be- maximal die Differenz zwischen Last- und Riß-
rechnungsmethoden möglich und zulässig ist. schnittgröße betragen.
Die Anwendung plastischer Verfahren ist dage-
gen wegen der hier vorausgesetzten Plastifizie-
rungen im GZG nicht zulässig.
Da bei einer Bemessung unter Ausnutzung
plastischer Umlagerungen die Schnittgrößen
nicht proportional zu den äußeren Lasten sind,
werden einzelne Bereiche im GZG relativ hoch
ausgenutzt (z. B. Stützbereich in Abb. 3.3-55). Die
Nachweise im GZG werden dort häufig bemes-
sungsrelevant, und zwar umso eher, je größer die a Bewehrung nicht ausreichend
angenommene Umlagerung im GZT ist.

CIIJJF~s
Nach DIN 1045 Teil I sind die Spannungen in
Beton und Bewehrung für ö < 0,85 daher grund-
sätzlich zu überprüfen. Dies begrenzt zusätzlich
b Bewehrung ausreichend
zur Rotationsfähigkeit die ausnutzbare Umlage-
rung und stellt Mindestanforderungen an die
Bewehrungsführung (z.B.die Länge der Stützbe- Abb. 3.3·58 Verhalten unter Zwangsbeanspruchung
wehrung) dar.

3-180 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Die explizite Berücksichtigung von Zwängun- minderte Zugfestigkeit k fct· Da aus den Eigen-
gen ist daher bei Nachweisen im GZG i. d. R. nicht spannungen definitionsgemäß keine Schnitt-
erforderlich, sofern die vorhandene Bewehrung größe resultiert, reduzieren sich die Rißschnitt-
zur Aufnahme der Rißschnittgrößen ausreicht. größen Ne,., Mcr entsprechend. Die Größe der Ei-
Diese ergeben sich aus genspannungen ist von der Bauteildicke abhän-
gig; i.allg. ist 0,5 < k < 1,0. Die Abminderung soll-
Ncr Mcr f
A.+ W = Jct,eff· (3.3.113) te nur ausgenutzt werden, wenn die gleichzeitige
I I
Wirkung von Zwang und Eigenspannung voraus-
Die erforderliche Mindestbewehrung läßt sich gesetzt werden kann, d.h. wenn beide die gleiche
in der folgenden Form schreiben: Ursache haben (z.B. behindertes Schwinden).
Treten die ersten Risse, etwa bei Zwang infol-
A . = kcfct ,eff Act (3.3.114) ge abfließender Hydratationswärme, schon vor
s,mm ·
Os dem Erreichen der endgültigen Festigkeit auf, so
Act ist die im ungerissenen Zustand unter Zug- kann die Zugfestigkeit entsprechend reduziert
spannungen stehende Fläche. Der Faktor kc läßt werden. Allgemein sollte jedoch bedacht wer-
sich aus einer Gleichgewichtsbetrachtung ge- den, daß die in der üblichen Bemessung ange-
winnen. Bei zentrisch gezogenen Bauteilen ist setzten Festigkeiten untere Grenzwerte darstel-
die Rißschnittgröße offensichtlich Ncr = fct,eff Aa len, die in den realen Bauwerken z. T. erheblich
und somit kc = 1,0. Für einen Rechteckquer- überschritten werden und bei der Ermittlung
schnitt unter reiner Biegung ist Mcr =fct,effb h2/6; der Mindestbewehrung auf der unsicheren Sei-
die Stahlzugkraft im gerissenen Zustand ist mit te liegen. Daher schreibt DIN 1045 Teil 1 einen
dem geschätzten inneren Hebelarm z::::: 0,8h und Mindestwert von 3 MPa vor.
Aa= b h/2 gleich Die Stahlspannung Os folgt i.d.R. aus der Be-
schränkung der Rißbreite; unter reiner Zwang-
fct,effbh2 beanspruchung sollte der Ermittlung der Riß-
Fs =Aps = 6·0,8h =0,4fct,effAct. (3.3.115)
breite der Zustand der Einzelrißbildung zugrun-
Damit ist kc=0,4. Die aufzunehmende Kraft ist de gelegt werden. In Sonderfällen kann der Ver-
also kleiner als die Biegezugkraft des ungerisse- formungszuwachs bei Einzelrißbildung nicht
nen Querschnitts 1/2 Act fct,eff• was auf die Zu- ausreichen, die Zwängung aufzunehmen. Dann
nahme des inneren Hebelarms von 2/3 h bei li- ist eine explizite (nichtlineare) Berechnung der
nearer Spannungsverteilung auf 0,8 h zurückzu- Zwangschnittgrößen erforderlich.
führen ist. Für kombinierte Beanspruchungen Im GZT werden Zwangschnittgrößen bei Be-
aus Zug und Biegung liegt der Wert bei ginn der Plastifizierung weiter abgebaut, da das
0,4 < kc< 1,0 und für Biegung mit Längsdruck bei System in einen statisch bestimmten und schließ-
O<kc<0,4; s. auch Gl. (3.3.201). lich kinematischen Zustand übergeht. Auflager-
Bei gleichzeitiger Wirkung von Eigenspannun- verschiebungen wirken sich auf die Rotation in
gen ergibt sich die Gesamtspannung aus der Sum- den plastischen Gelenken aus; i. allg. ist der resul-
me von Eigenspannung und äußerem Zwang und tierende Drehwinkel jedoch vernachlässigbar.
muß am Rand fct ergeben (Abb. 3.3-59). Demnach Im üblichen Hochbau dürfen Zwangschnittgrö-
verbleibt für den äußeren Zwang nur eine abge- ßen daher bei der Bemessung im GZT vernach-
lässigt werden. Sie sollten jedoch bei der kon-
struktiven Durchbildung berücksichtigt werden.

3.3.7.4
Membraneffekte

Bedingt durch die Verschiebung der Dehnungs-


nullinie entsteht in gerissenen Stahlbetonbau-
teilen auch unter reiner Biegebeanspruchung ei-
ne Dehnung in der Schwerachse und somit eine
Verlängerung des Bau teils. Bei in Längsrichtung
Abb. 3.3-59 Eigenspannung, Spannung aus äußerem statisch unbestimmt gelagerten Bauteilen (d.h.
Zwang und resultierende Spannung bei zwei unverschieblichen Auflagern) werden
hierdurch Drucknormalkräfte (Membrankräf-

Massivbau 3-181
Biegemomente durch Gleichgewichtsbildung am
verformten System nach Theorie II. Ordnung.
dx
Eine nichtlineare Berechnung unter Berücksich-
tigung von Membrankräften muß also auch die-
se Effekte sowie das Kriechen und evtl. vorhan-
dene Zugspannungen aus dem behinderten
Schwinden etc. berücksichtigen. Modellbildung
und Definition der Auflagerbedingungen erfor-
dern erheblich mehr Aufmerksamkeit als bei
Anwendung der E-Theorie.

Abb. 3.3-60 Differentielles Element im unverformten 3.3.7.5


und verformten Zustand Torsion in statisch unbestimmten Tragwerken

te) aktiviert. Diese können v.a. bei gering be- Treten in statisch unbestimmten Systemen Tor-
wehrten Bauteilen eine erhebliche Traglaststei- sionsbeanspruchungen auf (Abb. 3.3-61a), so
gerung hervorrufen (Bogentragwirkung). wird das Tragverhalten wesentlich vom deutli-
Ihre Ausnutzung in der Bemessung ist jedoch chen Abfall der Torsionssteifigkeit bei Rißbil-
problematisch, da die in der Berechnung unter- dung beeinflußt. Eine elastische Schnittgrößen-
stellten völlig starren Auflager in der Praxis nicht ermittlung mit den vollen Torsions- und Biege-
vorkommen und die Aufnahme der Membran- steifigkeiten liefert i.allg. unrealistische Ergeb-
kräfte nicht sichergestellt werden kann. Zudem nisse. Für die Torsionssteifigkeit sind daher ab-
überlagert sich der materiellen Nichtlinearität geminderte Werte anzusetzen, siehe z. B. [Grasser/
eine geometrische. Die Länge eines Stabelements Thielen 1991].
im verformten Zustand ergibt sich zu (Abb. In der Praxis hat dies und die Tatsache, daß die
3.3-60) Aufnahme großer Torsionsmomente u. U. mit er-
heblichen konstruktiven Problemen verbunden
(3.3.116)
ist, zu folgender Vereinfachung geführt: Bei Ver-
für kleine Dehnungen ((du!dx) 2 ::: O) folgt träglichkeitstorsion, d. h. Torsionsmomenten, die
zum Erhalt des Gleichgewichts nicht erforderlich
Eo = ~(l+u')2 +w'2 -1:::u' +.!w'2 •
(3.3.117) sind und nur aus der Verträglichkeit der Verfor-
2 mungen resultieren, darf auf eine Bemessung für
Mit zunehmender Verformung entsteht also in- Tverzichtet werden und bei der Schnittgrößen-
folge w' eine im Rahmen geometrisch linearer ermittlung eine freie Verdrillbarkeit der Stäbe
Theorien vernachlässigte Zugdehnung der um ihre Achse angenommen werden, was
Schwerachse, die die Bauteilverlängerung teil- zwangsläufig mit einer Erhöhung anderer
weis kompensiert. Ebenso vergrößern sich die Schnittgröße, z.B. des Biegemoments in Feld-

b Gleichgewichtstorsion

Abb. 3.3·61 Torsionsbeanspruchung

3-182 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


mitte in Abb. 3.3-61a, verbunden ist. Zur Ver- 3.3.8.2
meidung breiter Risse und anderer uner- Tragfähigkeit im GZT
wünschter Tragwirkungen ist dann jedoch eine
konstruktive Mindestbewehrung anzuordnen. Unter Annahme ideal-plastischen Materialver-
Bei Gleichgewichtstorsion, die zum Erhalt des haltens kann e für die Bemessung frei gewählt
statischen Gleichgewichts erforderlich ist, muß werden. Bei ausgenutzter Bewehrung in x- Rich-
eine entsprechende Bemessung dagegen durch- tung ergibt sich dann der Druckfeldwinkel nach
geführt werden (Abb. 3.3-61 b ). Gl.(3.3.118) zu
asxfyd -nx
3.3.8 tane= Inxy I . (3.3.121)
Scheiben
Eingesetzt in (3.3.119) erhält man die Interakti-
3.3.8.1 onsbeziehung für das Fließen der Bewehrung
Differentielles Scheibenelement
(asx/yd-nx) (asy/yd-ny)-lnxyl 2 :2:0. (3.3.122)
Am Element wirken die Schnittgrößen nx, ny, Ebenso erhält man unter Annahme kleiner Be-
nxy> die sich in die Hauptrichtungen ~, q mit wehrungsgrade für die Beanspruchung des
n~;l\=0 transformieren lassen. Diese fallen i.allg. Druckfeldes (ac=acfcd, vgl. 3.3.6.3)
nicht mit der Richtung der Bewehrung x, y zu-
(acfcd h+nx) (acfcd h+ny)-lnxyl 2 :2:0.
sammen. Zur Bestimmung des zugehörigen Ver-
(3.3.123)
zerrungszustands Ex, Ey, Exy s. [Vecchio/Collins
1986, Kaufmann 1998]. Im Spannungsraum beschreiben die beiden Be-
Vereinfacht kann angenommen werden, daß ziehungen das Innere zweier Kegelflächen.
im gerissenen Zustand im Beton ein einachsia- Da ein beliebiger Druckstrebenwinkel auf-
ler Druckspannungszustand (Druckspannungs- grund der eingeschränkten Rißuferverzahnung
feld) vorliegt. Aus dem Gleichgewicht an den nicht möglich ist empfiehlt sich eine Beschrän-
zwei Elementen in Abb. 3.3-62 folgt dann kung analog zur Querkraftbemessung. Bei Zug-
oder geringen Druckbeanspruchungen nx, ny
(3.3.118)
kann vereinfachte= 45° gesetzt werden. Hierfür
ergibt sich auch das Minimum der Bewehrung
(3.3.119)
a5x +a5y und der Betonspannung. Für hohe
Druckbeanspruchungen nx, ny> nxy erhält man
(3.3.120)
eine realistische Abschätzung des Winkels unter
Hinsichtlich des Druckfeldwinkels e gelten die der Annahme, daß die Zugkraft in der zu-
Aussagen aus 3.3.6.3 sinngemäß. gehörigen Bewehrung verschwindet. Für
nx<-lnxyl folgt dann aus asx Osx=O der Winkel
tane = -nxllnxyl· Ingesamt erhält man so die vier
in Abb. 3.3-63 dargestellten Fälle.

Abb. 3.3-62 Ermittlung der Bemessungsschnittgrößen in einer Scheibe

Massivbau 3-183
Hierfür sind v.a. die Winkel zwischen Beweh-
rung und Druckstreben in den Knoten zu be-
grenzen (30° < 9 < 60°). Einen ersten Anhalts-
punkt für einen sinnvollen Strebenverlaufbieten
tane =1 die Hauptspannungstrajektorien aus einer Be-
asx> 0 ny rechnung nach der Elastizitätstheorie. Ein objek-
asy> 0 lnxyl tives Kriterium zur Beurteilung der Qualität ei-
nes Modells ist die bis zum Erreichen des Fließ-
zustands zu leistende (elastische) Verformungs-
arbeit, wobei wegen der i.allg. geringen Beton-
druckspannungen nur die Arbeit der Zugstre-
ben berücksichtigt wird:
a".= O
I
asy> 0 Wv=-z2_Nhli . (3.3.124)

Abb. 3.3-63 Erforderliche ScheibenbewehrunQ Darin sind Nj, Ej , lj Kraft, Dehnung und Länge
der einzelnen Streben, wobei unter Annahme ei-
nes gleichzeitigen Fließbeginns in allen Streben
Ej =Ey gesetzt werden kann. Unter mehreren mög-
3.3.8.3 lichen Systemen ist das am geeignetsten, das die
Schnittgrößenermittlung minimale Arbeit leistet und demnach auch die
geringsten Verformungen des Bauteiles erfor-
Elastische Berechnung dert.
Lage und Richtung der Zugstreben liegen je-
Die Ermittlung der Schnittgrößen kann nach der doch durch die Anordnung der Bewehrung fest.
Elastizitätstheorie erfolgen (s. 1.5). Eine Bemes- Da diese i.d.R. unter baupraktischen Gesichts-
sung für die so ermittelten Schnittgrößen liefert punkten gewählt wird (z. B. nur vertikal und ho-
im Sinne der Plastizitätstheorie ein sicheres Er- rizontal) ergeben sich zusätzliche Randbedin-
gebnis, erfaßt das Tragverhalten im GZT jedoch gungen für die Stabwerkgeometrie (Abb. 3.3-64).
nur in sehr grober Näherung. Zudem sind die re- Beispiele enthält [Schlaich/Schäfer 1998].
sultierenden Bewehrungsführungen aus bau- Die Methode der Stabwerkmodelle führt nie
praktischer Sicht oft wenig sinnvoll. zu eindeutigen Lösungen und bietet erhebliche
Freiheiten bei der Bemessung. Das gewählte
Stabwerkmodelle Stabwerk kann kinematisch sein, solange sicher-
gestellt ist, daß im realen Tragwerk ein Kollaps
Ausgehend vom statischen Grenzwertsatz der durch die aussteifende Wirkung des rechnerisch
Plastizitätstheorie werden bei der Bemessung nicht berücksichtigten Betons verhindert wird.
mit Stabwerkmodellen die Hauptdruckspan- Sind mehrere Lastfälle zu untersuchen, so kann
nungen des Betons und die Stahlzugkräfte zu die Betrachtung verschiedener Modelle erfor-
einem fachwerkartigen System von diskreten derlich werden.
Druck- und Zugstreben zusammengefaßt,die in
den Knoten gelenkig gekoppelt werden [Schlaich/ Berechnung. Die Ermittlung der Kräfte in den
Schäfer 1998; Muttoni u.a. I996]. Zug- und Druckstreben erfolgt mit den elemen-
taren Mitteln der Statik (Knotengleichgewicht,
Stabwerkgeometrie. Die Geometrie des Stab- Ritterschnitt). Bei statisch unbestimmten Mo-
werks ist im Sinne der Plastizitätstheorie (d.h. dellen führt dies nicht zu eindeutigen Lösungen;
für ideal-plastische Materialien) zunächst frei wegen der vorausgesetzten Plastifizierung kann
wählbar, sofern Gleichgewicht möglich ist. We- die Aufteilung der Kräfte auf die Streben im Rah-
gen der eingeschränkten Fließfähigkeit und Riß- men des Gleichgewichts frei erfolgen. In der Pra-
uferverzahnungbei Stahlbetonbauteilen müssen xis geschieht dies durch die Zerlegung in meh-
die erforderlichen Plastifizierungen durch eine rere statisch bestimmte Teilsysteme, denen ein
geeignete Wahl des Stabwerks und eine qualita- Teil der Last zugewiesen wird. Für die Bemessung
tive Sicherstellung der Verträglichkeit der Ver- werden die Strebenkräfte der Teilsysteme über-
formungen begrenzt werden. lagert. Bei der Aufteilung der Last sollte die Stei-

3-184 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


a einfache Scheibe b gleiche Scheibe mit Öffnung

Abb. 3.3-64 Beispiel für die Anwendung von Stabwerkmodellen

figkeit der Teilsysteme zur Vermeidung extremer


Plastifizierungen qualitativ berücksichtigt wer-
den.

Nachweise im GZT. Bei der Bewehrungsermitt-


lung kann die Stahlmenge i.allg. mit der Fließ-
spannung bestimmt werden:
D
Querzug
A =.5_ (3.3.125)
5 !yd .
Da die Druckstreben zwischen den Knoten den
in Abb. 3.3-65 dargestellten flaschenförmigen
Verlauf annehmen, erfolgt der Nachweis der Be-
tondruckspannungen in den Knoten (locl = Abb. 3.3-65 Druckstrebenform zwischen den Knoten
max). Zur Aufnahme der Umlenkkräfte zwi-
schen den Knoten ist jedoch meist eine ortho-
gonale Netzbewehrung anzuordnen. Ebene der Umlenkung Spaltzugkräfte im Beton
Abbildung 3.3-66 zeigt einige typische Kno- wirken; der Nachweis von Knoten c wird jedoch
tenformen, auf die sich nahezu alle praktisch meist durch einen Mindestwert für den Biegerol-
vorkommenden Knoten zurückführen lassen (s. lendurchmesser der Bewehrung und eine kon-
auch [Schlaich/Schäfer 1998]). Die Abmessun- struktive Bewehrung senkrecht zu Krümmungs-
gen der Druckstreben bc in den Knoten folgen ebene erbracht. Wird die Zugkraft Z über Ver-
aus den geometrischen Verhältnissen der Kno- bund verankert, so gehört Knoten b ebenfalls in
ten mit den Neigungen der Streben 9. diese Kategorie, da durch die Rippenpressung
Die effektive Druckfestigkeit des Betons ist Spaltzugkräfte entstehen.
vom Spannungszustand im Knoten abhängig. Die erforderliche Verankerungslänge lb eines
Liegt ein zwei- oder dreiachsiger Druckspan- Stabes im Knoten ergibt sich aus dem Gleichge-
nungszustand vor, so steigt die Druckfestigkeit wicht zwischen Stabkraft und Verbundspannun-
an, z. B. bei Knoten a, wenn die angreifenden gen. Bei einem mit der Fließgrenze ausgenutz-
Zugkräfte Z"Z2 sehr klein sind,d.h., wenn F1 ei- ten Stab ist
ne Druckbeanspruchung ist. Beim Nachweis der
0 2n 0 !yd
Betondruckspannungen kann die Festigkeit auf !bd 0nlb = fyd - - => lb =- · - ·
1,1 fcd erhöht werden (vgl. Abb. 3.3-7). 4 4 !bd
(3.3.126)
Unter Querzugspannungen fällt die effektive
Festigkeit dagegen auf acfcd ab. Beispiele hierfür Dabei ist /bd der Bemessungswert der Verbund-
sind die Knoten a für den Fall großer Zugkräfte festigkeit, d.h. der über die Verankerungslänge
Z" Z2 (F1>0) sowie Knoten c, da senkrecht zur gemittelten Verbundspannungen. Bei nicht voll

Massivbau 3-185
Lager
a Kreuzung von Zug- und Druckstreben

b Verankerung einer Zugstrebe

1~ : Schnitt 1- 1

c Umlenkung einer Zugstrebe


'· ~ l~~ Z1 ~ 1 ~: II I I II o,

Abb. 3.3-66 Typische Knotenbereiche

ausgenutzten Stäben oder Haken bzw. Querstä- 3.3.9


ben am Stabende kann lb abgemindert werden. Platten
Bei Knoten b beginnt die vorhandene Veranke-
rungslänge am Schnittpunkt von Bewehrung 3.3.9.1
und Druckstrebe, also etwa an der Auflagervor- Biegung und Normalkraft
derkante. Da die Auflagerpressungen einen
Querdruck auf die Bewehrung erzeugen, redu- Am differentiellen Element wirken die Momen-
ziert sich lb wegen der Verbesserung des Ver- te mX> mY' mxy> im verallgemeinerten Fall zusätz-
bunds nach DIN 1045 Teill um 11J_ lich die Membrankräfte nX> nY' nxy· Der Deh-
nungszustand wird bei Annahme einer ebenen
Nachweise im GZG. Da sich die Methode der Dehnungsverteilung durch die drei Krümmun-
Stabwerkmodelle aus der Plastizitätstheorie ab- gen Kx, Ky, Kxy und die drei Mittelflächendeh-
leitet, ist sie für Nachweise im GZG prinzipiell nungen Exo, Ey0, ExyO beschrieben. Die Momente
ungeeignet. Sollte sie in Ausnahmefällen trotz- definieren sich dabei durch die hervorgerufenen
dem zur Anwendung kommen, ist bei der Ent- Spannungen; ein Moment mx bzw. my erzeugt
wicklung der Stabwerkgeometrie besondere Spannungen Ox bzw. ay, erfordert also eine Be-
Sorgfalt erforderlich und eine Anpassung der wehrung in der x- bzw. y-Richtung. Wegen der
Streben am Trajektorienverlauf nach elastischer gelegentlich abweichenden Definition über die
Rechnung sinnvoll. Richtung des Momentenvektors ist bei der An-
wendung von Tafelwerken und Programmen
Vorsicht geboten.

3-186 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bei einer elastischen (ungerissenen) Platte für allgemeine Bewehrungsführungen wird auf
sind die am differentiellen Plattenelement wir- das Schrifttum verwiesen [Baumann 1972]. Die
kenden Momente durch die elastische Platten- Koordinatenrichtungen x, y sollen dabei mit den
steifigkeit Richtungen der Bewehrung zusammenfallen.
Eh 3 Aus den Momenten m:x;, my, mxy entstehen an der
B= (3.3.127} Unterseite die Scheibenkräfte nx,w ny,w nxy,u• die
12(1-\i) nach GI. (3.3.118} in der Bewehrung die Kräfte
an die Krümmungen gekoppelt:
fsx,u = nx,u +lnxy,ultaneu
mx = B (Kx+V Ky), my = B (v Kx+Ky), (3.3.131}
mxy =B (1- V) Kxy. (3.3.128} m lmxyl
= ___;_ +--tane
z z u
Der Traganteil der Bewehrung ist dabei im Zu-
stand I praktisch immer vernachlässigbar. hervorrufen. Multipliziert man beide Seiten mit
Aus m:x;, m>" mxy lassen sich Hauptmomente dem Hebelarm z, so erhält man bei analoger Be-
mb mn analog zu den Rauptspannungen am trachtung der y- Richtung die Bemessungsmo-
Scheibenelement ableiten. Sie gehorchen dabei mente
den gleichen Transformationsbedingungen
(beide sind Tensoren li. Stufe) und können am mx,u = fsx,uZ =mx +lmxyltaneu,
(3.3.132}
Mohrsehen Kreis graphisch dargestellt werden. my,u =my +lmxylcoteu .
Es gilt
Ebenso ist die Plattenoberseite zu betrachten:

(mx~my )2 +m~y· mx,o = -mx +lmxyltan60 ,


(3.3.133}
my,o = -my +lmxyicot60 •
(3.3.129}
Die ersten Risse entstehen, wenn die größte Die so ermittelten Momente können zur Be-
Hauptzugspannung die Zugfestigkeit erreicht: stimmung der Bewehrungsmengen oder zur Er-
mittlung der Stahlspannungen verwendet wer-
r _ 6 max{lm1 1, lmul} den. Hinsichtlich der Druckstrebenneigung gel-
Jct,eff- h2 . (3.3.130}
ten die in 3.3.8.1 gemachten Aussagen sinn-
Mit Beginn der Rißbildung müssen die Momen- gemäß. Durch geeignete Wahl von 6 0 , 6u können
te wie beim Balken im wesentlichen durch Be- einzelne Bewehrungskräfte bei hinreichend
tondruck- und Stahlzugkräfte aufgenommen kleinen Drillmomenten zu Null gesetzt werden,
werden. Die Steifigkeit fällt ab. Da sie im Zustand und auf die entsprechende Bewehrung kann ver-
II v. a. von der vorhandenen Bewehrung abhängt zichtet werden.
und diese in x- und y- Richtung i. allg. nicht gleich
ist, geht die Isotropie verloren. Insbesondere die Tragfähigkeit im GZT
Drillsteifigkeit nimmt wegen der von der Beweh-
rungsrichtung abweichenden Beanspruchung Die Bemessung für die Bewehrung an Ober- und
stark ab [Schießl1996]. Es ergibt sich wie beim Unterseite erfolgt unter Verwendung der trans-
Balken eine Verschiebung der Spannungsnulli- formierten Schnittgrößen nach den GI. (3.3.132}
nie in Richtung der Druckzone und folglich ei- und (3.3.133) wie bei Stabtragwerken. Eine
ne Kopplungvon Krümmung und Dehnungen in Berücksichtigung zweiachsialer Spannungszu-
der Mittelfläche. Der zu einer gegebenen Bean- stände in der Druckzone von Platten erfolgt we-
spruchung gehörende Verformungszustand gen der meist geringen Ausnutzung der Druck-
kann durch Variation der Verzerrungsgrößen zone i.allg. nicht, obwohl eine Abminderung von
und Kontrolle des Gleichgewichts gefunden wer- fca auf acfca bei Druckzonen, die in Querrichtung
den [Kollegger 1991]. gerissen sind, sinnvoll wäre.
Für die praktische Anwendung ist dies zu auf- Aus den Bemessungsmomenten läßt sich fol-
wendig. Eine einfache Lösung erhält man, wenn gende Fließbedingung für die Bewehrung an
man die Platte in zwei Scheiben an Ober- und Plattenunter- und -oberseite ableiten:
Unterseite mit einer dazwischen liegenden Schub-
zone zerlegt. Im folgenden werden nur Platten (mRdx -msax) (mRdy -msay)-m!;.~ 0,
(3.3.134)
mit orthogonalen Bewehrungsnetzen behandelt;

Massivbau 3-187
(m'Rdx +msax> (m'Rdy +msdy )- m~~ 0 ·
nung v,,übertragen, die wegen der fehlenden
Schubbewehrung nicht mit der nach GI. (3.3.75)
(3.3.135) gleichgesetzt werden kann. ver ist von der Rißöff-
mRdx bzw. mildx sind die Fließmomente bei Be- nung abhängig. Da diese bei gleicher Krümmung
anspruchung durch positive bzw. negative Mo- mit der Bauteilgröße zunimmt, ergibt sich ein un-
mentemx. terproportionaler Anstieg der aufnehmbaren
Die Beanspruchungen der Betondruckzone Querkraft mit der Bauteilhöhe (Maßstabeffekt).
werden mit den GI. (3.3.132) und (3.3.133) nur Die Bewehrung trägt neben der Dübelwirkung
näherungsweise erfaßt. Für eine reine Drillbe- v.a. durch die Begrenzung der Rißbreite zur
anspruchung mxy erhält man je Seite eine Be- Schubtragfähigkeit bei. Ihre Konzentration am
tondruckkraft von.fc=-2lmxylfz (tan6=1), bei Querschnittsrand verstärkt den Maßstabeffekt.
einer reinen Biegebeanspruchung mx nur .fc= Das Versagen wird i. d. R. durch eine horizontale
-mxfz. Da mit zunehmender Betondruckkraft Verlängerung des Risses entlang der Bewehrung
der innere Hebelarm z abnehmen muß, stellt die (Versagen der Dübelwirkung) eingeleitet.
Verwendung eines gleichen Hebelarms für alle Für die Querkrafttragfähigkeit ohne Schub-
Beanspruchungen eine starke Vereinfachung bewehrung muß die Betonzugfestigkeit ausge-
dar; der resultierende Fehler ist jedoch bei übli- nutzt werden. Dies ist bei Flächentragwerken
chen Bewehrungsgraden vernachlässigbar. weniger problematisch als bei Balken, da solche
Für den allgemeinen Fall eines gleichzeitigen Bauteile die Möglichkeit besitzen, bei Über-
Auftretens von Momenten und Normalkräften schreitung der Tragfähigkeit an einzelnen loka-
kann analog vorgegangen werden, wenn die len Fehlstellen die Schnittgrößen auf alternati-
Scheibenkräfte um die Normalkräfte erweitert ven Lastpfaden um diese Bereiche herum zu lei-
werden: ten. Eine nur lokal verminderte Zugfestigkeit
mx +nxZs::::: mx + nx (3.3.136) wirkt sich auf das globale Tragverhalten des Bau-
nx,u =
z z 2 teils kaum aus. Die Zugfestigkeit wird so von der
(andere Richtungen analog). Die Bemessung er- Material- zur Systemeigenschaft. Voraussetzung
folgt direkt für die Scheiben mit den Dicken h0 , hierfür ist die zweiachsige Lastabtragung, für die
hu an Ober- und Unterseite. Der Hebelarm zwird auch bei einachsig gespannten Platten eine
vorab geschätzt (z=h- 1/z(h 0 +hu) "'0,75 h) und Querbewehrung von 20% der Hauptbewehrung
iterativ so verbessert, daß die Betondruckfestig- anzuordnen ist.
keit gerade ausgenutzt ist. Die Scheibendicken
h0 , hu können jedoch i. d. R. nicht kleiner werden Bemessung im Gll
als der doppelte Abstand der Bewehrung von der
Betonoberfläche. Die Ableitung analytischer Modelle ist wegen
der Komplexität der an der Querkraftabtragung
3.3.9.2 beteiligten Mechanismen äußerst schwierig und
Querkraft bisher nur ansatzweise gelöst [Bazant/Kim 1984;
Reineck 1991; Fischer 1997]. Im Rahmen der Be-
Platten werden wegen der Schwierigkeiten beim messung kommen daher empirische, an Versu-
Einbau aus wirtschaftlichen Gründen meist chen kalibrierte Formeln zur Anwendung. Die in
nicht mit einer Schubbewehrung zur Aufnahme DIN 1045 Teil1 übernommene Beziehung
der Querkraft versehen. Im gerissenen Zustand
stehen zur Übertragung der Querkraft die Trag- \JRd,ct = ( O,hc(lOO~fck)
1/3
-0,12
Nsa)
A d
mechanismen Rißverzahnung, Dübelwirkung
und Schubübertragung in der Druckzone zur (3.3.137)
Verfügung [Reineck 1991]. wurde ausgehend von der Beziehung in MC 90
Der Anteil der Druckzone vv ist von der Ein- in [Hegger u.a. 1999] abgeleitet. Darin erfaßt
spannung des Zahnes in die Druckzone abhängig,
die jedoch i.allg. bereits vor Erreichen der Bruch- K= 1+ .Jo,2/ d ::;; 2 (d in m) den Maßstabeffekt.
last versagt (horizontale Verlängerung des Risses Bemerkenswert ist, daß GI. (3.3.137) entspre-
unterhalb der Druckzone). Eine Vergrößerung chend dem gewählten Ansatz für ~=0, Nsa=O
der Druckzone - etwa durch eine äußere Druck- eine Bemessungsquerkraft von VRd = 0 liefert, das
normalkraft- führt zu einem Anstieg von vv. Der Vorhandensein einer Bewehrung demnach vor-
Hauptanteil wird jedoch durch die Rißverzah- aussetzt.

3-188 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


schilderten Prinzipien unter Verwendung zwei-
achsiger Stoffgesetze für Beton prinzipiell mög-
" dy t lich, für die praktische Anwendung z.Z. jedoch

\\1~Jx
noch nicht geeignet. Daher kommen geeignete
Idealisierungen zur Anwendung.
Grundlage hierfür ist die elementare Gleich-

·~
gewichtsbedingung der Platte:
()2m "2 mxy
u
"2 m
u 1
q=---x - 2 - - - - - . (3.3.141)
ax2 oxay ai
Abb. 3.3-67 Querkräfte am Planenelement
Elastische Schnittgrößenermittlung

Bei nicht ausreichender Querkrafttragfähig- Durch Einsetzen von GI. (3.3.128) in Gl.(3.3.141)
keit kann diese durch eine Schubbewehrung er- erhält man die elastische Plattengleichung
höht werden. Für die Bemessung gilt 3.3.6.3. Bei
dünnen Platten ist die Verankerung der Bügel in
q a4w
--=-+2--+-
a2w a4w (3.3.142)
der Druckzone jedoch problematisch; daher B ax 4 ax2a/ ay 4
müssen schubbewehrte Platten eine Mindest- Zur Lösung stehen für Standardfälle zahlreiche
dicke von 16 cm nach DIN 1045 Teil1 besitzen. Tafelwerke zu Verfügung [Czerny 1999]; für all-
In vielen Fällen ist eine Vergrößerung der Plat- gemeine Fälle ist die (elastische) FE-Methode
tendicke zur Erhöhung der Tragfähigkeit sinn- Stand der Technik (s. 1.5).
voller als eine Schubbewehrung. Die Querdehnzahl kann im Rahmen des
Die einwirkende Querkraft kann nicht ohne Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie im GZT
weiteres den Schnittgrößen Vsd,x bzw. vsd,y zwischen dem elastischen Wert v=0,2 und dem
gleichgesetzt werden. Am differentiellen Plat- für die gerissene Zugzone zutreffenden Wert
tenelement folgt aus dem vertikalen Gleichge- v =0 angenommen werden. Im GZG sollte wegen
wicht (Abb. 3.3-67) der i.allg. geringen Rißbildung v= 0,2 gesetzt
werden.
Vsd ds = Vsd,x dx + Vsd,y dy ~
VSd =Vsd,x COS 6 + VSd,y sin 6. (3.3.138)
Plastische Nachweisverfahren
Durch Quadrieren und einige trigonometrische
Umformungen erhält man daraus Statische Verfahren. Durch Vernachlässigung
der Drillmomente in GI. (3.3.142) erhält man die
2 2 2 ( . )2
Vsd = Vsd ,x+Vsd ,y- Vsd ,yCOS6-Vsd,x sm6 . Differentialgleichung der drillweichen Platte:
q
--=-+-
a4w a4w (3.3.143)
(3.3.139) B ox4 oy4
Als Maximalwert erhält man somit für dvsdl de = Die beiden verbleibenden Terme können als
Traganteile zweier in x- und y-Richtung ge-
0 die Bemessungsquerkraft Vsd =~v~d,x+v~d,y . spannter torsionsweicher Balkenscharen inter-
Da deren Wirkungsrichtung i.allg. nicht mit der pretiert werden (Abb. 3.3-68a). Fordert man ei-
Richtung der Bewehrung übereinstimmt muß in ne gleiche Durchbiegung im Kreuzungspunkt
GI. (3.3.137) ein effektiver Bewehrungsgrad in zweier Balken, so erhält man die klassische Strei-
der betrachteten Richtung eingesetzt werden, fenmethode nach Markus.
der sich nach MC 90 ergibt zu: Bei der Hillerborgschen Streifenmethode er-
folgt dagegen eine willkürliche Aufteilung der
(3.3.140)
Einwirkungen auf die beide Tragrichtungen oh-
ne Berücksichtigung der Kompatibilität. Dies er-
3.3.9.3 laubt die Behandlung komplizierter Plattengeo-
Schnittgrößenermittlung metrie in einer Handrechnung (Abb. 3.3-68b).
Die völlige Vernachlässigung der Drillmomente
Wirklichkeitsnahe, nichtlineare Berechnungen und der Verträglichkeit kann das Verhalten im
sind mit der FE-Methode nach den in 3.3.7.2 ge- GZG wesentlich beeinträchtigen. Da Platten im

Massivbau 3-189
a Re<hteckplatte b Platte mit Öffnung

Abb. 3.3-68 Streifenmethode

ungerissenen Zustand immer drillsteif sind, ist Reduziert man die Menge der oberen Beweh-
zur Ausbildung der angenommenen Tragwir- rungsoweit,daß mk=mR/2,so wäre GI. (3.3.135)
kung eine erhebliche Schnittgrößenumlagerung in den Ecken oben verletzt. Zur Einhaltung der
durch Rißbildung erforderlich. Zur Begrenzung Fließbedingung sind die Drillmomente mxy
der Rißbreite ist eine konstruktive Drillbeweh- ebenfalls zu halbieren (mxy=-mR2xy!l2 ). Die
rung anzuordnen. Traglast reduziert sich dann auf q =20m Rl [2. Bei
Da in drillweichen Platten keine abhebenden fehlender oberer Bewehrring muß mxy=O sein;
Eckkräfte entstehen, liefert eine Berechnung die Traglast q= 16mRf[2 entspricht dann der Lö-
nach GI. (3.3.143) eine zwar nicht realistische, sung nach der Hillerborgschen Streifenmethode.
aber auf der sicheren Seite liegende Lösung für
Platten, bei denen ein Abheben der Ecken nicht Kinematische Verfahren. Grundgedanke der
behindert wird. Bruchlinientheorie ist die Vorstellung, daß sich
Wegen mxy = 0 liegt die Streifenlösung i. a. auf bei Annäherung an die Traglast sukzessive ein
der sicheren Seite. Verfeinerte Methoden ver- System von Fließgelenk- oder Bruchlinien aus-
wenden statisch zulässsige Ansätze für die Mo- bildet, bis ein kinematischer, d.h. ohne weitere
mente m;o mY' mx1 ,die in allen Punkten der Plat- Lasterhöhung frei verformbarer Mechanismus
te die Gleichgewichtsbedingung (3.3.141) und entsteht [Nielsen 1984; Park/Gamble 1979].
die Randbedingungen erfüllen müssen und die Die Schwierigkeit der Methode liegt in der
Fließbedingungen nicht verletzen [Nielsen 1984; Wahl des Fließgelenkmechanismus, da nach dem
Marti 1981]. kinematischen Grenzwertsatz der Plastizitäts-
Für den einfachen Fall einer Quadratplatte un- theorie ein kinematisch zulässiger Mechanismus
ter Gleichlast mit mRdx=mRdy=mR und mRdx= lediglich eine obere Schranke für die wirkliche
m Rdy = m Rliefern die Ansätze Traglast liefert und ein beliebiger Gelenkme-
chanismus die Einhaltung der Fließbedingung
in den dazwischen liegenden Plattensegmenten
nicht unbedingt sicherstellt. Das Ergebnis liegt
somit für alle anderen als den maßgebenden Me-
m =-mR4 xy (3.3.144) chanismus auf der unsicheren Seite.
xy 12
Für eine Quadratplatte liegt aus Symmetrie-
in GI. (3.3.141) die Traglast q=24 mRf[2. Durch gründen ein Mechanismus nach Abb. 3.3-69a na-
Einsetzen in die Fließbedingung verifiziert man he. Nach dem Prinzip der virtuellen Verschie-
außerdem, daß mit mR=mk GI. (3.3.134) überall bungen erhält man mit öw in Plattenmitte die
erfüllt, GI. (3.3.135) in den Ecken gerade erfüllt äußere Arbeit
und nirgends verletzt ist. Die Auflagerkräfte er- 12
geben sich zu öWa = t)q<'iwdA=q<'iw3 (3.3.146)
om omx m
Yx =--x +2--y-=8____B._. (3.3.145) sowie mit der Gelenkverdrehung Ö<jl = 2 ..fzöw!l
ax ay 1
die geleistete innere Arbeit durch Integration
Die abhebende Eckkraft ist R=2 mxy=2 mR. entlang der Fließgelenklinie:

3-190 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


durch eine konservative Begrenzung der Druck-
zonenhöhe in den Fließgelenken auf x/ d 5, 0,25
Bruchlinien und die ausschließliche Verwendung hochduk-
tiler Stähle sichergestellt. Die Anwendung wird
damit stark eingeschränkt, da die bei Platten im
Hochbau übliche Mattenbewehrung als normal-
duktil einzustufen ist.

Membraneffekte

Die unter 3.3.7.4 geschilderten Membraneffekte


treten hier auch als innere Membranspannungs-
p zustände auf, da die um die gerissenen Bereiche
a mit oberer Bewehrung
liegenden ungerissenen Abschnitte deren Ver-
längerung behindern und als Zugring wirken
[Park/Gamble 1979]. Hinsichtlich der Ausnut-
zung bei der Bemessung gelten die Aussagen aus
3.3.7.4.

3.3.9.4
b ohne obere Bewehrung
Punktförmig gestützte Platten

Platten, die ohne Unterzüge unmittelbar auf


Abb.l.l·69 Bruchlinienverlauf
Stützen aufgelagert werden (Flachdecken), er-
fordern einen geringeren Schalungsaufwand
und eine geringere Bauhöhe als konventionelle
(3.3.147) Decken mit Unterzügen. Zudem ist die glatte
Deckenuntersicht für die Führung von haus-
Aus W;=-Wa folgt q=24mRiz2. Dies entspricht technischen Installationen vorteilhaft. Der Stahl-
für mR=mR. dem Ergebnis nach der statischen bedarf ist i.allg. höher als bei konventionellen
Methode; die gewählte Bruchlinienfigur ist so- Platten. Dies wird jedoch durch geringere Lohn-
mit die maßgebende. kosten kompensiert. Die Ermittlung der Schnitt-
Bei fehlender oberer Bewehrung ergibt sich größen kann mit FEM oder in einfachen Fällen
für den untersuchten Fließgelenkmechanismus anhand der Streifenmethode [Grasser/Thielen
die gleiche Traglast, da die oben liegende Be- 1991] erfolgen.
wehrung keinen Beitrag zur Energiedissipation
liefert. In den Plattenecken ist jedoch die Fließ- Durchstanzen
bedingung verletzt. Der in Abb. 3.3-69b darge-
stellte Mechanismus liefert eine kleinere Trag- Im Bereich der punktförmigen Auflager (oder
last. analog unter konzentrierten Einzellasten) läßt
Für allgemeine Plattengeometrien kann die sich bei Überschreiten der Tragfähigkeit ein
Suche des maßgebenden Mechanismus als ma- Durchstanzen, d.h. das Herausbrechen eines ke-
thematisches Optimierungsproblem q =min gelförmigen, um die Last annähernd rotations-
prinzipiell gelöst werden, erweist sich jedoch als symmetrischen Bruchkörpers, beobachten
schwierig. Eine Zusammenstellung von Lösun- (Abb. 3.3-70). Die Neigung der Kegelfläche gegen
gen enthält [Johansen 1972]. die Platte liegt i.allg. bei ca. 25° bis 30°. Außer-
halb der Kegelfläche bricht die Platte in sekto-
Rotationsfähigkeit. Der Nachweis der Rotati- renförmige Elemente. Es handelt sich um ein
onsfähigkeit ist für zweiachsig gespannte Platten komplexes, kombiniertes Biege-/Schubversagen.
kaum zu führen, da die Rotation in den Fließge- Ein relativ vollständiges Modell wurde in [Kin-
lenken ohne aufwendige nichtlineare Rechnung nunen/Nylander 1960] durch Gleichgewichts-
nicht ermittelt werden kann. Daher wird bei der und Verträglichkeitsbetrachtungen am Sekto-
plastischen Berechnung ohne expliziten Nach- renelement entwickelt. In der Bemessungspraxis
weis nach DIN 1045 Teil1 die Rotationsfähigkeit greift man jedoch auf einfachere Modelle zu-

Massivbau 3-191
Durchstanzkegel

(j ._:---'•L I .l.r?'_ _ __,:j)


Radialri~ __ r-~
"' ...
/ '
I
I
/
' \
\
I I
I I
I
I
I I
\ I
Kritischer I
I
Rundschnitt I
...
' ... ... __
a Schematisches Bruchbild b Kräfte am Sektorenelement

Abb. 3.3·70 Durchstanzen

rück, die den Nachweis auf einen Schubnachweis


entlang eines fiktiven kritischen Rundschnitts
zurückführen. Wegen des starken Näherungs-
charakters und der Entkopplung von der Biege-
beanspruchung ist eine ausreichende Biegetrag-
fähigkeit Voraussetzung für die Gültigkeit des
Bemessungsmodells. Diese wird nach DIN I 045
Teil I durch die Bemessung für Mindestmomen-
te sichergestellt.
VSei
Die wirksame Querkraft aus der Punktlast
bzw. Auflagerkraft Vsd ergibt sich aus vsd = a reine Querkraft b reines Moment
VsdiUcrit> wobei Ucrit der Umfang des kritischen
Rundschnittes ist. Dieser ist nach DIN I 045 Teil! Abb. 3.3·71 Querkräfte am Plattenelement
im Abstand 1,5 d vom Stützenanschnitt anzu-
nehmen. Bei nicht rotationssymmetrischen Fäl-
len muß der kritische Rundschnitt angepaßt Werden durch die Stütze auch Biegemomente
werden, insbesondere bei einer Lasteinleitung in die Platte eingeleitet, so ist die Verteilung der
am Plattenrand. Schubspannungen um den Umfang nicht mehr
Der Nachweis vsd::;; VRd entlang des kritischen gleichförmig (Abb. 3.3-71). Im üblichen Hoch-
Rundschnittes erfolgt für Bauteile ohne Durch- bau darf die Wirkung unplanmäßiger Momente
stanzbewehrung analog zu GI. (3.3.137) unter vereinfacht durch eine Erhöhung von vsd =ß Vsdl
Berücksichtigung der günstigen Wirkung der Ucrit mit ß >I berücksichtigt werden.
Rotationssymmetrie: Bei Einzelstützen auf Fundamentplatten tre-
ten konzentrierte Sohlspannungen direkt unter
VRd,ct = (0,14 K (100 "/ck) 113 - 0,12 Ocd) d. der Stütze auf, die die in der Platte zu übertra-
(3.3.148)
genden Kräfte reduzieren. Zur Berücksichtigung
Bei nicht ausreichender Tragfähigkeit kann die- von Unsicherheiten in der tatsächlichen Vertei-
se mit Durchstanzbewehrung erhöht werden. lung der Bodenpressung und des tatsächlich maß-
Hierfür werden heute i.d.R. vorgefertigte Be- gebenden Nachweisschnitts darf nach DIN I 045
wehrungselemente (z.B. Dübelleisten) mit allge- Teil I jedoch nur die Hälfte der Resultierenden
meiner bauaufsichtlicher Zulassung verwendet. aus den Bodenpressungen innerhalb des kriti-
Alternativ kann die Plattendicke im Bereich der schen Rundschnitts abgezogen werden.
Stützen vergrößert werden. In diesem Fall wird
zusätzlich ein Nachweis am Übergang von der
verstärkten zur unverstärkten Platte erforderlich.

3-192 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.3.9.5 liehe Diskretisierung auf der Grundlage von
Durchbiegungen Gl. {3.3.149) gewonnen werden [Bazant 1988].
Für praktische Anwendungen kann das Inte-
Die Berechnung der Durchbiegungen von Stahl- gral in Gl. (3.3.150) mit dem Relaxationsbeiwert
betonplatten ist in der Praxis angesichts des ho- X näherungsweise ersetzt werden durch [Trost
hen Rechenaufwands und der großen Unsicher- 1967]
heiten in den Eingangsparametern vielfach nicht
gerechtfertigt. Daher wird die Begrenzung i. allg. Ee{t) = o,{to) 1+<I> +(oe{t)-oe<to)) 1+x«<>
Be Be
indirekt durch eine Beschränkung der Biege-
schlankheit l!d nachgewiesen. Der in DIN 1045 +Ee5 (t) (3.3.151)
Teil1 empfohlene Grenzwert von l! d = 35 für Ein- mit «!>=«<>{t,to). Da der Relaxationsbeiwert x den
feldplatten im Hochbau geht auf die Auswertung Verlauf von o, im Zeitraum [t0, t] beschreibt, er-
tatsächlich beobachteter Schadensfälle zurück. gibt er sich formal aus der Lösung det Integral-
Lediglich bei Decken, die verformungsempfind- gleichung. Er hängt v.a. vom Alter des Betons bei
liche Trennwände tragen sollte die Schlankheit Belastungsbeginn t0 und dem zeitlichen Verlauf
auf l!d= 150/l (l in m) reduziert werden [Mayer/ der Spannungsänderung ab und ist üblicherwei-
Rüsch 1967]. se 0,5:5;X:5;1,0. Meist liefert x=0,8 hinreichend
Die Grenzwerte lassen sich kaum verifizieren, genaue Ergebnisse; genauere Angaben enthält
wenn man für die so bemessenen Platten die [CEB 1993b].
Durchbiegungen mit üblichen Verfahren rech- Durch Umformen der Kriechfunktion erhält
nerisch ermittelt; diese überschreiten die Grenz- man die Relaxationsfunktion
werte nach 3.3.6.7 z. T. erheblich. In der Praxis
sind jedoch bei Einhaltung der Grenzschlank- R(t,t0 )=Ee(1- «<>{t,to) ). {3.3.152)
heiten kaum Schäden aufgetreten. Sie sind für 1+x<ll<t.to)
Standardfälle daher empirisch abgesichert, soll- die den Spannungsabbau unter konstanter Deh-
ten aber in Sonderfällen durch rechnerische Ab- nung beschreibt:
schätzungen der Durchbiegung ersetzt werden.
o,(t)=EeR{t,t0 )-E,5 (t)~. {3.3.153)
3.3.10 1+x«<>
Einfluß zeitabhängiger Verformungen Bei veränderlicher Dehnunggiltmit Gl. {3.3.151)

3.3.10.1 o,(t) = (E,(t)-Ee5 (t))~


1+x«<>
Grundlagen (3.3.154)
+Ee(t0 )Ee ( 1 -«1>+1)
-- .
Wegen der Schwierigkeiten bei der Erfassung 1+x«<>
nichtlinearer Kriecheffekte und der i. allg. gerin- Setzt man näherungsweise X= 1, so gilt mit dem
gen, dauerhaft vorhandenden Betonspannungen effektiven E-Modul Ec,eff=Eel(1 +«!>):
(loei<0,4.fc) wird üblicherweise die Linearität
Oe (t) = (Ee (t)- Ees {t)) Ee,eff. (3.3.155)
des Kriechens vorausgesetzt. Die Dehnung unter
sprunghaft veränderlichen Spannungen kann
damit unter Anwendung des Superpositions- 3.3.10.2
prinzips mit Gl. {3.3.12) durch Querschnitt
Ec(t) = Oc,O J(t, to) + }2ßoe,j J(t, tj) + Ees(t)
Der Dehnungszustand kann unter Verwendung
{3.3.149)
von Gl. (3.3.154) nach Gl. (3.3.39) ermittelt wer-
beschrieben werden; durch einen Grenzüber- den. Hierbei ist es sinnvoll, die aus dem Kriechen
gang erhält man daraus infolge des vorab zu bestimmenden Verfor-
mungszustands zum Zeitpunkt t0 sowie dem
Ee{t)=oe of(t,to)+
'
flo
dOe
dT
J{t,t)dt+Ee5 (t). Schwinden resultierenden Schnittgrößenanteile
dem Lastvektor P zuzuschlagen.
(3.3.150) Vereinfacht kann jedoch eine geradlinige Span-
Für den allgemeinen Fall Oe* konst ist keine ge- nungsverteilung in der Druckzone angenommen
schlossene Lösung der Integralgleichung mög- werden (was allerdings wegen der Verschiebung
lich; numerische Lösungen können durch zeit- der Nullinie für t > t0 auch bei linearem Kriech-

Massivbau 3-193
verhalten nur eine Näherung darstellt). Aus der Zunahme der Biegezug- und -druckkraft, die zu
Dehnungsverteilung am gerissenen Querschnitt einem Anstieg der Stahlspannungen führt. Die
folgt (Abb. 3.3-72) Betondruckspannungen nehmen wegen der Ver-
größerung von x dagegen deutlich ab. Die Ver-
d-x
Es =-(Ec2 -E,s)--+Ecs (3.3.156) formungzunahme fällt bei gerissenen Quer-
X
schnitten geringer aus als bei ungerissenen, da
und mit den Gin. (3.3.53) und (3.3.155) sowie bei gerissenen das Kriechen nur auf der Biege-
N=F,+ Fs für den Querschnitt mit nur einer Be- druckseite stattfindet, bei ungerissenen dagegen
wehrungslage die Bestimmungsgleichung für auf Zug- und Druckseite.
die Druckzonenhöhe
Ergänzte Querschnitte
-1- ( -1+ 2w(1-s)) =fl • (3.3.157)
1-s/3 s2
Bei Fertigteilen, die zum Zeitpunkt t 1 durch Ort-
mit beton ergänzt werden, entstehen durch unter-
schiedliches Schwinden der Betone ebenfalls
• (N -E,sEsAs)d EsAs ( )
Tl = ,w=--. 3.3.158 Eigenspannungen und Verkrümmungen. Die
Ms Ec,effbd Berechnung zum Zeitunkt t > t 1 erfolgt wie vor-
Die Verkrümmung folgt aus K=(Es-Ed/d. herstehend mit der Schwindnormalkraft N, 5 =
Die durch die Bewehrung behinderte Schwind- L1Ecs A 0 Ec,eff,o> wobei L1Ecs die Differenz zwischen
dehnung des Betons wirkt wie eine zusätzliche dem Schwinden des Ortbetons und der Zunah-
Normalkraft Ncs auf Höhe der Bewehrung. Mit me des Schwindens im Fertigteil im Zeitraum
dieser Erkenntnis läßt sich auch der ungerisse- [ti>tl ist (Abb. 3.3-73).
ne Zustand I erfassen. Mit Ncs=As Es Ecs ergibt Spannungen, die vor dem Aufbringen und Er-
sich das Moment Mcs=As Es Ecs Zs und daraus ei- härten des Ortbetons im Fertigteil wirken (z.B.
ne Verkrümmung infolge Schwinden: aus Eigengewicht Fertigteil und Ortbeton) wer-
den durch das Kriechen z. T. in den Ortbeton
AsEsEcsZs
Kcs = (3.3.159) umgelagert. Bei ungerissenen Querschnitten
Ec,effii kann die Berechnung analog zum Schwinden er-
Für den gerissenen Querschnitt ist eine additive folgen. Der Verzerrungszustand des Quer-
Aufteilung in Lastverkrümmung und Schwind- schnitts wird nach dem Ergänzen zunächst ge-
verkrümmung infolge der Verschiebung der danklich festgehalten; dabei reduzieren sich die
Nullinienlage durch das Schwinden streng ge- Schnittgrößen im Fertigteil (Np, Mp) um
nommen nicht möglich. Näherungsweise gilt
GI. (3.3.159) mit der Steifigkeit In im Zustand II L1N)=- cp(t,t )-<p(tpt )(N).
(L1M 0 0
(3.3.160)
anstelle von I; jedoch auch hier, wenn infolge s 1+x«P(tpt 1) M
der äußeren Last berechnet und z5 auf die Nulli- Die verbleibenden Ungleichgewichtskräfte (.1. N,
nie bezogen wird. L1 M) werden auf den Gesamtquerschnitt aufge-
Im allgemeinen führen die zeitabhängigen bracht. Dabei sind die alters- und evtl. festig-
Verformungen bei gerissenen Querschnitten zu keitsbedingt unterschiedlichen effektiven E-Mo-
einer deutlichen Zunahme der Druckzonenhöhe duln der beiden Betone zu berücksichtigen.
x.Aus z"'"d-x/3 folgt damit eine (meist geringe)
3.3.10.3
Systemumlagerung

Ein überblick über baupraktische Verfahren zur


Berechnung der Schnittgrößenumlagerung in
Systemen findet sich in [Rüsch/Jungwirth 1976].
Beispielhaft wird der in Abb. 3.3-74 dargestellte
Zweifeldträger durch Freischneiden der Innen-
stütze mit dem Kraftgrößenverfahren unter Vor-
aussetzung eines ungerissenen Querschnitts un-
tersucht. Zum Zeitpunkt t =t0 gilt aufgrund der
Abb. l .l -72 Spannungsverteilung im Zustand II unter
BerUcksichtigung von Kriechen und Schwinden Kompatibilität 6 1q+X1 6u =0. Für t=t0 +L1 tver-
größert sich die Durchbiegung infolge q auf 6 1q

3-194 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


a Schwinden

b Spannungsumlagerung

Abb. 3.3·73 Fertigteil mit Ortbetonergänzung

In der Praxis sind die genannten Vorausset-


zungen i.allg. nicht erfüllt, da durch die Rißbil-
dung und das ungleiche Langzeitverhalten von
Stahl und Beton die Homogenität der Struktur
verlorengeht Bei monolithisch hergestellten
Stahlbetontragwerken kann auf eine Berück-
sichtigung der zeitabhängigen Umlagerung
durch Lasten hervorgerufener Schnittgrößen
meist jedoch verzichtet werden, da sie im Rah-
men der übrigen Unsicherheiten bedeutungslos
ist.
Durch Zwang hervorgerufene Schnittgrößen
können durch Kriechen erheblich abgebaut wer-
den. Für eine plötzliche Fundamentsetzung ßs
Abb. 3.3·74 Kriechen eines Zweifeldträgers unter dem Mittelauflager entsteht für t=to eine
Zwangskraft von X 1 =ßs/Öu. Aufgrund der Rela-
xation gilt jedoch
(1 +$q), infolge der anfänglichen Stützkraft auf ßs = X1ö11 (1 +<P)+MJöu(l +x<P),
XJÖu(l+$J). Zusätzlich tritt eine Verformung
Öles infolge der Schwindverkrümmung auf. Aus <P (3.3.163)
MI =-X~-----
der Kompatibilität 1+x<P
Für <jl(t,to)=2 und x=0,8 beträgt die Zwangs-
Ö1q(l + $q) +Öles+ X1 Öu(l +<PI)
kraft nur noch X1(t)=0,23 X 1(t0 ) .
+M1 Öu (1 +X $1) = 0 (3.3.161)
Bei horizontaler Festhaltung der beiden Rand-
folgt die Änderung der Auflagerkraft M 1: auflager entstehtinfolge der Schwindverkürzung
eine zentrische Normalkraft im Bau teil, für die
Ö1q<Pq + X!Öll<i'J +Öles
Ml=-~~---------- (3.3.162) eine Mindestbewehrung nach GL. (3.3.114) vor-
Öu(l +x<PJ) gesehen werden sollte. Zu berücksichtigen ist die
Für ein vollkommen homogenes System gilt Zwangschnittgröße auch bei der Bemessung der
$q=$ 1; im Zähler verbleibt wegen ö 1q+ X 1ö 11 =0 Lager oder der unterstützenden Bau teile. Da sie
lediglich der Anteil aus der Schwindverkrüm- nicht schlagartig auftritt und so durch das Krie-
mung. Ist dieser zusätzlich gleich Null, so tritt chen bereits während ihrer Entstehung wieder
keine Änderung der Schnittgrößen ein, da die abgebaut wird, bleibt sie weit unter dem Wert,
Verformung des Bauwerks mit der Zeit nur affin der sich bei elastischem Materialverhalten ein-
vergrößert wird. stellen würde:

Massivbau 3-195
zwischen dem des Bauzustands Mn (ohne Krie-
(3.3.164) chen) und dem eines (fiktiven) monolithisch her-
gestellten Tragwerks ME interpoliert wird; nähe-
rungsweise gilt (tl"' to):
3.3.10.4
Systemwechsel M=M8 +(MrM8 )--<P-. (3.3.166)
l+X<P
Bei der abschnittsweisen Herstellung von Ort- Zur genaueren Berechnungs. [Trost/Wolff 1970 ].
hetonbauwerken oder der nachträglichen Ver-
bindung von Fertigteilen ändert sich das stati- 3.3.11
sche System während der Bauzeit Zur Veran- Spannbeton
schaulichung der Umlagerung von Schnittgrö-
ßen aus Lasten, die vor dem Verbinden aufge- 3.3.11.1
bracht wurden, wird ein aus zwei nachträglich Prinzip der Vorspannung
verbundenen Fertigteilen zusammengesetzter
Zweifeldträger untersucht (Abb. 3.3-75). Zum Die Rißbildung kann stark reduziert oder ganz
Zeitpunkt to des Einbaus werden die Träger vermieden werden, indem durch Vorspannen
durch ihr Eigengewicht belastet. Über dem Mit- der Bewehrung ein Eigenspannungszustand er-
telauflager entsteht eine gegenseitige Verdre- zeugt wird, der die Zugspannungen aus äußeren
hung infolge Kurzzeitverformung 610, die beige- Einwirkungen kompensiert. Vorgespannte Bau-
lenkig verbundenen Einfeldträgern zum Zeit- teile verhalten sich somit wesentlich steifer und
punkt t durch das Kriechen auf 6w(l+<jl(t,to)) ermöglichen kleinere Querschnittsabmessun-
steigen würde. Werden die beiden Einfeldträger gen als Stahlbetonbauteile. Die Dauerhaftigkeit
jedoch in t =t 1 über der Stütze miteinander ver- wird ebenfalls verbessert.
bunden, so wird die Verbindungsstelle in diesem Am Gesamtquerschnitt aus Spannstahl und
Zustand "eingefroren", der gegenseitige Ver- Beton erzeugt die Vorspannkraft P zunächst kei-
drehwinkel 6 10 ( 1+ <P (tl>to)) ändert sich nicht ne Schnittgrößen, am Betonquerschnitt dagegen
mehr. Daher muß ein Stützmoment M 1 aktiviert im allgemeinen Fall Normalkraft, Querkraft und
werden, daß der Kriechverformung entgegen- Biegemoment Np, Vp, Mp (Abb. 3.3-76). Mit der
wirkt: Spanngliedneigung tan9p =dzpl dx und der Lage
610 (1 +<P(t,t0 )) + M 1611 (1 +x<P(t ,t1)) Zp, bezogen auf den Schwerpunkt des Beton-

= 610 (1 +<P(t1,t0 )) querschnitts, ist

A VI=- 610 . <jl(t,to)-<jl(tpto) • Np =-Pcosep. Vp=-Psinep,


-
(3.3.165)
--.'LU>
6u 1+ x<P(t ,t1) =
Mp -P cos ep zp. (3.3.167)
Dabei ist 610/6u das Stützmoment eines mono- Im allgemeinen kann cos9p =1,sin9p =9p gesetzt
lithisch hergestellten Tragwerks. werden.
Gleichung (3.3.165) läßt sich so verallgemei- Man erhält Np, Mp, Vp auch durch Betrachtung
nern, daß der tatsächliche Spannungszustand der vom Spannglied auf den Beton wirkenden
Verankerungs- und Umlenkkräfte. Die Umlenk-
kraft ergibt sich aus der Krümmung der Spann-
glieder:
1 d2 z
p = P-zP-P . (3.3.168)
~------~------~ rp dx2
xl ..::::::C 61
Die Ankerkräfte und -momente ergeben sich
analog zu GI. (3.3.167). Verlaufen die Spannglie-
der affin zum Moment, so stehen die Umlenk-
kräfte mit einem Teil der Last im Gleichgewicht
und erzeugen im Bauteil keine Schnittgrößen
außer einer Normalkraft.
Abb. 3.3-75 Änderung des statisc:hen Systems durch Die Höhe der Vorspannung wird i.d.R. durch
Verbinden zwei er Einfeldträger die Nachweise im GZG bestimmt. Eine Bestim-
mung der Vorspannung aus dem GZT ist meist

3-196 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


q

U·-
Vq

fr_- ......::
Mq

--,:...._X eP

----
NP
r=-----__

------
~ vP

MP

______---:l vq
~

~ + ~ Mq

Abb. 3.3·76 Schnittgrößen am Betonquerschnitt eines Einfeldträgers

nicht sinnvoll, da eine vorgespannte Bewehrung


hier keinen wesentlichen Vorteil bietet und eine

a
Bemessung mit Betonstahl wirtschaftlicher ist.

Jl.f1
Zu Technologie und Anwendung des Spannbe-
tons s. [Kupfer/Hochreiter 1993]. II"
3.3.11.2
Vorspannen im Spannbett

Das Vorspannen von Fertigteilen erfolgt über-


wiegend im Spannbett Dabei werden die Spann-
glieder (i.allg. sieben drahtige Litzen) im Fertig-
teilwerk zunächst in der noch leeren Schalung
~1
p ~--------------~
r p

zwischen zwei massiven Verankerungsblöcken


(Spannbett) vorgespannt und anschließend Be- Abb. 3.3-77 Vorspannung im Spannbett
wehrung und Beton eingebracht. Sobald der Be-
ton eine ausreichende Festigkeit erreicht hat,
wird die Verankerung der Spannglieder gelöst. sammenwirken von Spannstahl und Beton läßt
Eine Verkürzung der Spannglieder ist nur mög- sich im Zustand I mit den ideellen Querschnitts-
lich, bis die durch den Verbund im Beton entste- werten (s. Abb. 3.3-25) erfassen. Die Spannung
henden Druckspannungen der abnehmenden im Beton unter der Spanngliedkraft im Spann-
Spannstahlkraft das Gleichgewicht halten (Abb. bett Po und den äußeren Schnittgrößen M, N ist
3.3-77). Die Gesamtdehnung des Spanngliedes
N-Po M-P0 zp
setzt sich zusammen aus der Vordehnung im ac =---+ z. (3.3.169)
Spannbett und einer Zusatzdehnung Mp. A; I;
Beton und Spannstahl wirken hier von Anfang Die Spannungsänderung im Spannglied ge-
an als Verbundquerschnitt (Vorspannung mit genüber dem Spannbettzustand (Ec=O) ist
sofortigem Verbund). In ausreichender Entfer-
Ep
nung von den Einleitungsbereichen gilt daher !1a P =ac(zp)-. (3.3.170)
im ungerissenen Zustand Ec(Zp) =f1Ep. Das Zu- Ec

Massivbau 3-197
Die Spannglieder verlaufen im Bauteil i. d. R. ge- Erhärten des Betons vorgespannt. Dabei können
radlinig, da eine Umlenkung der vorgespannten, die Spannglieder (Abb. 3.3-78)
aber noch nicht einbetonierten Spannglieder - innerhalb des Betonquerschnitts in Hüllroh-
aufwendig ist. Werden in Abb. 3.3-77 die für die ren aus Blech oder Kunststoff (interne Spann-
Momente in Feldmitte bemessenen Spannglie- glieder mit oder ohne Verbund) oder
der vollständig bis zum Auflager durchgeführt, - außerhalb des Betonquerschnitts, aber inner-
so entsteht dort bei stark exzentrischer Anord- halb der Querschnittsumhüllenden, z.B. im
nung ein großes negatives Moment aus Vor- Inneren von Hohlkastenquerschnitten (exter-
spannung,dem keine Momente aus äußeren Ein- ne Spannglieder), verlaufen.
wirkungen entgegenwirken. Dies kann für die
Druckspannungen an der Unterseite und die Interne Spannglieder stehen auf ganzer Länge
Zugspannungen an der Oberseite bemessungs- mit dem Betonquerschnitt in Kontakt und kön-
relevant werden. Um dies zu vermeiden, kann nen daher fast beliebigen Raumkurven folgen,
ein Teil der Spannglieder an den Auflagern durch was eine sehr gute Anpassung an den Momen-
Überschieben eines Hüllrohrs verbundlos ge- tenverlauf und somit eine optimale Tragwirkung
macht (abisoliert) werden, so daß die Vorspann- ermöglicht. üblich sind Parabeln 2. Ordnung,ggf.
kraft erst in einer definierten Entfernung vom mit dazwischenliegenden geraden Abschnitten.
Trägerende in das Bauteil eingeleitet wird. Zur Beschreibung genügen dann die Lage der
Endpunkte und der Parabelstich f (Abb. 3.3-76):
3.3.11.3
x x 2 ) +zpo·
zp(x)=4f ( /-[2 (3.3.171)
Vorspannen gegen den erhärteten Beton

Spanngliedführung Wegen zf,' = konst ergibt sich eine konstante Um-


lenkkraft.
Bei Ortbetonbauwerken werden die Spannglie- Externe Spannglieder dagegen verlaufen ab-
der aus baupraktischen Gründen erst nach dem schnittsweise geradlinig und erfordern an den

a interne Spannglieder
ts: $1.JOI
CTl f ~ Spannglieder

b umgelenkte externe
Spannglieder
Nkt1
I
I

~ t
1

1•
I
I

Umlenksattel

I.

Verankerung

E ..
c geradlinige externe
Spannglieder

Abb. 3.3·78 Innenfeld eines Brückenträgers; Umlenkkräfte (Längsschnitt überhöht)

3-198 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Eckpunkten des Polygonzugs aufwendige Um- Die Auswertung der Integrale kann i.allg. mit
lenk- bzw. Verankerungskonstruktionen. Sie er- den 6ik- Tafeln erfolgen (vgl. 1.5 ). Bei der Ermitt-
lauben jedoch eine Reduktion der Abmessungen lung der Querschnittswerte ist die Fläche der
des Betonquerschnittes, der keine Spannglieder nicht verpreßten Hüllrohre abzuziehen (Netto-
aufnehmen muß, und bieten die im Hinblick auf querschnitt). Der Unterschied zum Bruttoquer-
die Korrosionsempfindlichkeit des Spannstahls schnitt, d.h. dem Querschnitt inklusive Hüll-
wichtige Möglichkeit, Spannglieder auf Schäden rohrfläche ist jedoch meist vernachlässigbar.
zu inspizieren und ggf. auszutauschen. Für eine nach dem Anspannen aufgebrachte
äußere Last q ergibt sich die Änderung der
Vorspannen statisch bestimmter Tragwerke Spannstahlspannung aus der Bedingung, daß an
den Verankerungsstellen keine Verschiebung
Das Anspannen erfolgt mit hydraulischen Pres- auftreten kann:
sen, die sich gegen den Betonkörper abstützen.
M (6p,11 + 6,,u) + 6c,lq = 0. (3.3.176)
Der Zeitpunkt für das Aufbringen der Vorspan-
nung auf den Beton folgt aus technischen und Das Anspannen mehrerer Spannglieder in ei-
wirtschaftlichen überlegungen. nem Bauteil erfolgt i.d.R. nacheinander, was ei-
Zum einen muß die Festigkeit des Betons be- nen Abbau der Spannung in den vorher gespann-
reits hoch genug sein, um die Kräfte v.a. im Ver- ten Spanngliedern verursacht. Die Verkürzung
ankerungshereich aufnehmen zu können. Ande- des Spannglieds 1 beim Anspannen von 2 auf die
rerseits verbietet der Bauablauf meist lange Er- Kraft P2 =1 ist
härtungszeiten. Häufig wird ein Teil der Vor-
spannkraft bereits sehr früh, i. allg. nach zwei bis I(
6c,l2 = (I) -
EA
1 Zp1Zp2)
- +E-I - dx. (3.3.177)
drei Tagen, aufgebracht, um durch das Erzeugen c c cc
kleiner Druckspannungen die Rißbildung infol- Die Kraft im ersten Spannglied reduziert sich
ge der Eigenspannungen aus Schwinden undAb- um
fließen der Hydratationswärme zu unterdrük-
'R-
'-' I --r2
n 6c,l2
(3.3.178)
ken.
6p,11 +6,,u
Beim Spannen des ersten Spannglieds auf die
Kraft P1 = 1 entsteht aufHöhe des Spannglieds ei- Um nach Beendigung des Anspannens aller
ne Betondehnung Ecp· Aus ihrem Integral folgt Spannglieder eine Kraft P im Spannglied zu er-
(unter der Voraussetzung cos8p"' 1) die Verkür- reichen, muß die Pressenkraft um die Verlustan-
zung des Betons in der Spanngliedachse [Kupfer teile der danach vorgespannten erhöht werden.
1994]:

z~l )dx.
Reibung und Ankerschlupf
c\,n = J(l)(-1-+
E,A, EJ,
(3.3.172)
Durch die Relativverschiebung zwischen Spann-
Die Verlängerung des Spannglieds ist glied und Beton sowie die Umlenkkräfte tritt
6 __I_ Reibung auf, die sich mit dem Reibungsbeiwert
p,ll- E A
p pl
. (3.3.173) p. durch die Differentialgleichung der Seilrei-
bung beschreiben läßt:
Meist verursacht das Anspannen eine Hebung
des Bauteils aus der Schalung, so daß das Eigen- dP =-dsp.Pl;l~ P=Pexp(-p.[I;Jds}
0
gewicht (bei nachfedernder Schalung ein Teil da-
(3.3.179)
von) aktiviert wird. Hieraus resultiert eine Ver-
längerung des Betons aufHöhe der Spannglied- Dabei ist Po die durch die Presse aufgebrachte
achse: Kraft, x der Abstand vom Spannende (Abb.
3.3-79a). Das Integral der Krümmung entspricht
6c,lg
r (-Ng- +Mgzpl)
=-J(l)
E,Ac
--
E,I,
dx. (3.3.174) dem Umlenkwinkel zwischen zwei Punkten. Da-
neben ist noch ein durch die ungewollte Abwei-
Aus diesen drei Größen ergibt sich der Spann- chung des Hüllrohres aus seiner idealen Lage
weg, d. h. die Verschiebung zwischen Spannglied verursachter Anteil k zu berücksichtigen:
und Beton an der Presse 1 1 d2zp
-=-+k .. --+k. (3.3.180)
(3.3.175) r rp d~

Massivbau 3-199
~ ~~
:
L ____
I I
_l !._ ____ ~
I

Abb. 3.3-80 Litzenspannglied mit Plattenverankerung,


beweglicher Kopplung und Innenverankerung
a Reibung beim Anspannen (Verbundanker)

~I unddamit

I
I EPAP!llsl
I (3.3.182)
b Reibungsumkehr durch Ankerschlupf PoJ.l~~~ .

Abb. 3.3-79 Spannen gegen den erhärteten Beton


Nachträglicher Verbund

Werte für J.l• k sind der Zulassung des Spannver- Der Korrosionsschutz der Spannglieder in den
fahrens zu entnehmen. Die unter Vernachlässi- Hüllrohren kann durch Verpressen mit Zement-
gung der Reibung abgeleiteten Beziehungen mörtel hergestellt werden. Dabei entsteht ein
(3.3.172) bis (3.3.178) gelten näherungsweise, kraftschlüssiger Verbund zwischen Spannglied
wenn für Pi der Mittelwert der Kraft über die und Beton (Vorspannung mit nachträglichem
Spanngliedlänge gesetzt wird. Der Vergleich zwi- Verbund). Alle nach Herstellen des Verbunds
schen Pressenkraft und Spannweg erlaubt Aus- aufgebrachten Beanspruchungen wirken auf den
sagen darüber, ob die in der Berechnung ange- Verbundquerschnitt Die Berechnung erfolgt
setzte Vorspannung planmäßig erreicht wurde. hierfür zweckmäßig mit ideellen Querschnitts-
Die Verankerung von Litzenspanngliedern er- werten.
folgt nach dem Spannen i.allg. mit Keilen (Abb. Das Verpressen erfolgt auf der Baustelle. Zur
3.3-80). Zum Herstellen eines kraftschlüssigen Vermeidung von Korrosionsschäden vor dem
Kontakts ist ein Keilschlupf lllsl im Millimeter- Verpressen muß die Verweildauer der Spann-
bereich erforderlich. Durch die Verkürzung des glieder im unverpreßten Hüllrohr gering gehal-
Spannglieds wird die aufgebrachte Vorspannung ten, das Hüllrohr vor dem Einbau des Spann-
vermindert. Im Bereich der Verankerung wech- glieds gereinigt und ein fehlerfreies Verpressen
selt die Reibung auf einer Länge /51, an deren En- ohne Hohlräume sichergestellt werden. Mangel-
de die Vorspannung vor und nach dem Veran- haft verpreßte Hüllrohre waren in der Vergan-
kern gleich ist, ihre Richtung (vgl. Abb. 3.3-79b ). genheit Ursache von Korrosionsschäden.
Die Summe der dort auftretenden Dehnungsän-
derungen muß dem Keilschlupf lllsl entsprechen. Verbundlose Vorspannung
Wird die Exponentialfunktion in GI. (3.3.179)
linearisiert (e""' 1+x), so entspricht die zu inte- Beim Verpressen mit Fett oder ähnlichen Mate-
grierende Fläche einem Dreieck: rialien bleibt das Spannglied verbundlos (Vorsp.
ohne Verbund) . Das Verpressen erfolgt im Her-
!ll = f/,1 !lP(x) dx;::;!... ~I .
stellwerk. Zur Anwendungs. [Eibl u.a. 1995].
sl Jo E A 2 E A sl
p p (3.3.181)
p p Das Zusammenwirken von Stahl und Beton
Für eine konstante Spanngliedkrümmung erhält muß auch im Endzustand durch Systembetrach-
man dann den Schnittpunkt des Spannkraftver- tungen analog zu den GI. (3.3.172) bis (3.3.178)
laufs vor und nach dem Verankern untersucht werden; für die elektronische Be-

3-200 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


rechnungkann das System wie in Abb. 3.3-81 ab- Betonzugfestigkeit (d.h. einer möglichst gerin-
gebildet werden. Die Integration der Betondeh- gen Rißbildung) ist daher meist erforderlich.
nungen über die Bauteillänge entspricht einer Nach DIN 1045 Teil1 ist für die Erhöhung 11ap ein
Mittelwertbildung. Die Spannungsänderung bei *
Sicherheitsbeiwert Yp 1 zu berücksichtigen. In
Änderung der äußeren Einwirkung fällt somit den Umlenkpunkten ist die Verschiebung zwi-
weit geringer aus als die eines bei gleichem schen Spannglied und Beton durch die Reibung
Verlauf im Verbund liegenden Spannglieds an behindert; eine volle Festhaltung kann im GZT
den höchstbeanspruchten Stellen. Verbundlose i.allg. jedoch nicht angenommen werden. In der
Spannglieder sind demnach bei der Quer- Praxis verzichtet man häufig auf die Berück-
schnittsbemessung weniger effektiv, aber auch sichtigung des Spannungszuwachses. Anker-
weniger ermüdungsgefährdet, v.a. beim Über- und Umlenkkräfte können dann als äußere La-
gang in den Zustand li. Der höhere Betonstahl- sten auf das Tragwerk angesetzt werden. Dies
bedarf wird durch den Wegfall des aufwendigen entspricht der Betrachtung als Stahlbetonbauteil
Verpreßvorgangs und die verbesserte Dauerhaf- mit Längskraft
tigkeit z. T. kompensiert.
Bei der Ermittlung des Spannungszuwachses 3.3.11.4
im GZT ist die Berücksichtigung der Rißbildung Statisch unbestimmte Wirkung
aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sinnvoll. Da-
bei ist jedoch zu beachten, daß der Zuwachs mit Der durch die Vorspannung induzierte Eigen-
zunehmender Verformung steigt. Die Berück- spannungszustand erzeugt i.allg. eine Verfor-
sichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen mung des Bauteils, die bei statisch unbestimmt
den Rissen sowie eines oberen Grenzwertes der gelagerten Systemen zu zusätzlichen Schnitt-
größen führt. Diese werden als statisch unbe-
stimmte Wirkung (Index ind) der Vorspannung
bezeichnet. Im Gegensatz zur bisher betrachte-
ten statisch bestimmten Wirkung (Index dir) des
Eigenspannungszustands am Querschnitt er-
zeugt sie auch am Gesamtquerschnitt Schnitt-
größen. Diese lassen sich über die Spannglied-
führung nahezu beliebig verändern. Man kann
sie daher gezielt zur Umlagerung von Vorspann-
momenten im Tragwerk nutzen, im Beispiel des
Zweifeldträgers typischerweise vom Feld in die
Abb. 3.3-81 Modeliierung bei verbundloser Vorspan-
nung Stütze. Die Bestimmung kann auf zwei Arten er-
folgen (Abb. 3.3-82).

~ . .f~_J.......J~L...p. . lf_
._1 _._t _jl

"---')~~r-x_ _:i.

Mp,tot ....-=:=--- ~
Npzp +X"\.__/

a Vorverformung b Anker- und Umlenkkräfte

Abb. 3.3-82 Bestimmung der statisch unbestimmten Schnittgrößen

Massivbau 3-201
Bei der Berücksichtigung als Vorverformung rechnung werden Spannglieder mit ungefähr
werden die Krümmungen und Dehnungen gleichem Zp zu einem Strang zusammengefaßt.
Pzp p
Kp=--- Eop=--- (3.3.183) Statisch bestimmte Systeme
EJ, E,A,
infolge des statisch bestimmten Anteils der Vor- Zum Zeitpunkt t = t0 sei die Spannung im Spann-
spannung als spannungslose Verformungen auf gliedstrang i gleich CJpo,i und die Spannung im
das System aufgebracht. Die resultierenden Beton auf Höhe Zp,i des Stranges aus der Vor-
Schnittgrößen (statisch unbestimmte Wirkung) spannung und der äußeren, ständig wirkenden
können mit den üblichen Verfahren der Bausta- Einwirkung CJcpo,i· Zum Zeitpunkt t hat sich die
tik berechnet werden. Betonspannung infolge der Spannkraftverluste
Alternativ können die Verankerungs- und Um- fl.CJp,jllm
lenkkräfte der Spannglieder als äußere Lasten
_ ~ ( 1 Zp,iZp,j)
auf das statisch unbestimmte System aufgebracht llu,p,i -- L.flup,jAp,j - + - - -
werden, woraus sich die gesamten Schnittgrößen j=l A I,
aus Vorspannung ohne die Trennung in den sta- (3.3.184)
tisch bestimmten und unbestimmten Anteil er- geändert. Die Dehnungsänderung ist
geben, die dann nachträglich vorgenommen
werden muß. Nachteilig ist hier die bei nicht "' 1+xcjl
flEcp,i =acpO,iß+lla,p,i-E-+E's· (3.3.185)
durch mathematische Funktionen definierten c c

Spanngliedführungen aufwendige Ermittlung Die wirksame Schwinddehnung Ecs ist dabei die
der Umlenkkräfte. Das Verfahren läßt sich je- zwischen dem Vorspannen und dem betrachte-
doch problemlos auf Flächentragwerke anwen- ten Zeitpunkt auftretende Zunahme.
den. Bei Vorspannung im Verbund ist die Änderung
Im allgemeinen wird unter der statisch unbe- der Betondehnung gleich der Änderung der
stimmten Wirkung nur die aus behinderter Bie- SpannstahldehnungflEp,i=flEcp,i·Zusammenmit
geverformung entstehende Schnittgröße ver- den Relaxationsverlusten flupr folgt
standen. Bei behinderter Längsverformung kön-
nen jedoch auch statisch unbestimmte Normal-
flup,i =flupr,i +flEp,i• Ep. (3.3.186)
kräfte entstehen. Im Brückenbau tritt dieser Fall Durch Einsetzen und Umformen erhält man ein
i.d.R. nicht auf, da durch spezielle Lager eine in lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der
Längsrichtung statisch bestimmte Lagerung er- Spannungsverlust. So gilt bei zweisträngiger Vor-
reicht werden kann. In monolithischen Trag- spannung
werken des Hochbaus ist dies meist nicht der
Fall. Bei statisch unbestimmter Anordnung ver-
tikaler Aussteifungselemente können in diesen
erhebliche Zwangschnittgrößen entstehen, so
daß nqr ein Teil der Vorspannung in das vorzu-
spannende Bauteil eingeleitet wird. Aus Vor-
spannung resultierende Verformungen müssen (3.3.187)
daher genau verfolgt werden. In Extremfällen
empfiehlt es sich, auf die Berücksichtigung der
Normalkraft infolge Vorspannung ganz zu ver- mit
zichten. Die Wirkung der Umlenkkräfte kann je-
doch unabhängig hiervon vorausgesetzt werden
[Wicke/Maier 1998].
Bei einsträngiger Vorspannung erhält man die in
3.3.11.5 DIN 1045 Teill angegebene Gleichung
Zeitabhängige Verluste
Ep
llu pr +E,5 Ep +-cjiCJcpo
Das zeitabhängige Verformungsverhalten von E,
__z~
flap=--E--A__( __A 2 )_____ (3.3.189)
Beton und Spannstahl verursacht einen mit der
Zeit fortschreitenden Abbau der Vorspannung 1+~ 1+__:___f_ (1+xcjl)
E,A, I,
um ca. 10% bis 20%. Zur Vereinfachung der Be-

3-202 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bei verbundloser Vorspannung können die Ver-
luste in analoger Weise ermittelt werden, wobei
allerdings die Kompatibilität systembezogen
eingeführt werden muß, vgl. die Gin. (3.3.172)
bis (3.3.177).Manerhält zu die Gin. (3.3.187) und
(3.3.189) analoge Bestimmungsgleichungen, wo-
bei allerdings
a Verankerungsbereich

- 2: I1(
n R0 ·
a cpO,r·- . - l •J o -
1 Z p,r·Z p,J·) d
A + -I- - x
j=l c c

+-1 ri(Ng b Spanngliedkopplung


, - + Mg
- z ·) dx (3.3.190)
l 10 Ac Ic p,r
Abb. 3.3·83 Stabwerkmodelle
zu setzen ist. Das entspricht den Mittelwerten
entlang der Spanngliedachse.
schnitt am Rand des zuletzt fertiggestellten Ab-
Statisch unbestimmte Systeme schnittes gekoppelt und im Bauzustand vorü-
bergehend verankert. Da das Anspannen nach
Hier ist die statisch Überzählige zusätzlich als dem Erhärten des nächsten Bauabschnitts wie
Unbekannte in die Berechnung einzuführen die Einleitung einer Einzelkraft im Bauteilinne-
[Mehlhorn 1998]. Die Berücksichtigung der Mo- ren an der Koppelfuge wirkt, verbleibt auch im
mentenwirkung eines Stranges kann nähe- Endzustand eine Störung der Dehnungsvertei-
rungsweise durch einen effektiven Hebelarm lung. Eine Kopplung aller Spannglieder in einem
Querschnitt sollte daher vermieden werden.

zp,j = M p,j,dir p.+ M p,j,ind fürzp,jinGI.(3.3 .188) Wegen der eingeschränkten Wirkung der Vor-
J spannung werden Koppelfugen i.allg. in Berei-
bzw. (3.3.190) erfolgen. chen geringer Beanspruchungen angeordnet
(Momentennullpunkte unter ständiger Last). Es
3.3.11.6 ist jedoch zu beachten, daß durch veränderliche
Verankerung der Spannglieder Lasten und gleichzeitige Wirkung von Zwang
auch dort Momente auftreten können. Daher ist
An den Verankerungs- und Umlenkstellen wer- eine angemessene Betonstahlbewehrung vorzu-
den große Kräfte konzentriert in den Beton ein- sehen. Die Mindestbewehrung nach 3.3.11.8 ist
geleitet. Zur Aufnahme der hinter den Anker- hierfür i.d.R. ausreichend.
platten auftretenden hohen Druckspannungen
sind i.allg. Wendeln entsprechend der Zulassung 3.3.11.7
des Spannverfahrens anzuordnen, die durch die Nachweise
Umschnürungswirkung einen dreiachsialen
Druckspannungszustand erzeugen. Die aus der Vorgespannte Bauteile werden durch eine äußere
Kraftausbreitung resultierenden Spaltzugkräfte Einwirkung und eine Vorspannung, die Schnitt-
sind durch Bewehrung aufzunehmen. Zur Be- größen etwa gleicher Größenordnung, aber ent-
stimmung werden i.allg. Stabwerkmodelle ver- gegengesetzten Vorzeichens erzeugen, bean-
wendet (Abb. 3.3-83). Beim Anspannen mehre- sprucht (Abb. 3.3-76). Daher kann neben der ma-
rer Spannglieder sind auch Zwischenzustände ximalen äußeren Einwirkung auch die minimale,
zu betrachten. Die durch die Verbundveranke- v.a. in Bauzuständen, maßgebend werden.
rung bei Vorspannung im Spannbett entstehen- Für die Höhe der Vorspannung und die Ex-
den Spaltzugkräfte sind ebenfalls durch Beweh- zentrizität der Spannglieder ergeben sich hier-
rung aufzunehmen. Hinweise enthält [Kupfer durch Grenzen, v.a. beim Vorspannen im Spann-
1994). bett, da der Vorspannung zunächst nur das i. allg.
In abschnittsweise hergestellten Bauwerken geringe Eigengewicht der Fertigteile entgegen-
werden die Spannglieder nach jedem Bauab- wirkt. Beim Vorspannen gegen den erhärteten

Massivbau 3-203
Beton kann es erforderlich werden, die Vorspan- Korrosionsschutz unabhängig vom umgeben-
nung schrittweise mit dem Baufortschritt (d.h. den Beton sichergestellt wird. Für diese gelten
der Zunahme der äußeren Einwirkungen) bzw. die Anforderungen an Stahlbetonbauteile. Nach
dem Ablassen des Lehrgerüstes aufzubringen. DIN 1045 Teil1 sind i.allg. folgende Nachweise
Die durch das Vorspannen hervorgerufenen zuführen:
Krümmungen können zu erheblichen Umlage-
rungen der Kräfte im Lehrgerüst führen; diese Dekompression. Unter einer in Abhängigkeit von
sind rechnerisch nachzuweisen. den Umgebungsbedingungen zu wählenden Ein-
Daneben führt die Differenz etwa gleich gro- wirkungskombination (quasi-ständige, häufige
ßer Zahlen zu einer starken numerischen Emp- oder seltene) ist nachzuweisen, daß die Spann-
findlichkeit der resultierenden Gesamtschnitt- glieder im überdrückten Beton liegen, d. h. nicht
größen aus Vorspannung und äußerer Einwir- vom Riß gekreuzt werden (Dekompression). Zur
kung, d.h., eine geringe Änderung des Vorspann- Vermeidung von Unklarheiten hinsichtlich des
moments kann einen Vorzeichenwechsel der Ansatzes für den gezogenen Beton (gerissen oder
Spannung am Querschnittsrand erzeugen. Dies ungerissen) ist nach DIN 1045 Teil1 im Endzu-
erfordert bei der Schnittgrößenberechnung v.a. stand eine volle Überdrückung des Querschnitts
im GZG eine höhere Genauigkeit als bei Stahl- gefordert, obwohl dies für den Korrosionsschutz
betontragwerken. Da hiermit wegen der in der nicht erforderlich ist. Unter Annahme einer li-
Baupraxis unvermeidlichen Unsicherheiten nur nearen o-E- Beziehung für den gedrückten Beton
ein Teil des Problems erfaßt wird, sind die kann aus
Schnittgrößen aus der Vorspannung als obere N+Np M+Mp
oder untere charakteristische Werte Pk =rP m an- ORand =---+---zRandSO (3.3.191)
A, I,
zusetzen. Der Variationskoeffizient ist wegen der
streuenden Kriech- und Schwindverformungen die erforderliche Vorspannung ermittelt werden.
sowie der unsicheren Reibungsbeiwerte von den Bei Beanspruchung durch Zwang ist zu beach-
Spannkraftverlusten abhängig. Daher ist nach ten, daß der durch die Rißbildung verursachte
DIN1045Teil1 rinf=0,9 bzw. r5 up=1,1 bei Vor- Steifigkeitsahfall hier nicht eintritt. Eingeprägte
spannung im nachträglichen Verbund und we- Verformungen müssen daher in jedem Fall bei
gen der fehlenden bzw. geringen Reibungsverlu- der Schnittgrößenermittlung berücksichtigt
ste rinf=0,95 bzw. rsup= 1,05 bei Spanngliedern werden.
mit sofortigem bzw. ohne Verbund.
Bei den Nachweisen werden die statisch un- Begrenzung der Rißbreite. Da eine gelegentliche
bestimmten Schnittgrößen auf der Seite der Ein- Überschreitung der Dekompressionslast durch
wirkungen berücksichtigt, die statisch be- die Wahl der Einwirkungskombination zugelas-
stimmten dagegen i. allg. als Widerstand. Im GZT sen wird, ist zusätzlich eine Beschränkung der
kann die statisch unbestimmte Wirkung durch Rißbreite auf Wk = 0,2 mm nachzuweisen, sofern
Fließgelenkbildung abgebaut werden. Hiervon unter der hierfür maßgebenden Einwirkungs-
wird wegen der infolge der großen Normalkräf- kombination Zugspannungen entstehen. Für die
te i. d. R. geringen Rotationsfähigkeit rechnerisch Ermittlung des Dehnungszustands kann die
kein Gebrauch gemacht. Druckzonenhöhe nach Gl. (3.3.56) bestimmt
werden, wenn die aus der Vorspannung resultie-
Nachweise im GZG renden Schnittgrößen P0 , Mpo als äußere Ein-
wirkungen und die Spannglieder wie eine schlaf-
Da das Vorspannen der Bewehrung auch wesent- fe Bewehrung berücksichtigt werden.
lieh der Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit Im allgemeinen liegt im Bauteil neben den
dient, besitzen diese Nachweise eine größere Be- Spanngliedern eine Bewehrung aus BetonstahL
deutung als bei Stahlbetonbauteilen. Hinzu kom- Wegen der geringeren Profilierung der Ober-
men die erhöhten Anforderungen an die Dauer- fläche und der v. a. bei Litzenbündeln weit größe-
haftigkeit wegen der größeren Korrosionsemp- ren Durchmesser ist der Verbund des Spann-
findlichkeit der Spannstähle. Ständig oder häu- stahls erheblich weicher als der des Betonstahls.
fig offene Risse müssen v. a. in chloridhaltiger Die Annahme eines starren Verbunds liefert kei-
Umgebung und bei wechselnder Durchfeuch- ne realistische Abschätzung der Stahlspannun-
tung vermieden werden. Ausgenommen sind gen. Für die Nachweise der Rißbreitenbegren-
hiervon Spannglieder ohne Verbund, da deren zung ist eine genauere Betrachtung erforderlich.

3-204 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Im Zustand der Einzelrißbildung ergeben sich Bei Einzelrißbildung ist die angreifende Kraft
unterschiedliche Verbundstörlängen 11s, l1p (Abb. (einschl. der auf der Einwirkungsseite berück-
3.3-84). Am Ende der Verbundstörlänge befin- sichtigten Vorspannung) gleich der Rißschnitt-
den sich Beton- und Spannstahl im nahezu star- größe:
ren Verbund. Dazwischen müssen sie die gleiche
Verlängerung erfahren. Vereinfacht wird ein af-
fct Aci = Os2 As + flop2 Ap = Os2 (As + SI Ap) .
finer Verlauf der Spannungen o s• flopentlang von Die Stahlspannungen im Riß sind also:
lrs bzw. l 1p vorausgesetzt:
os2= fctAci , flop2= SdctAci. (3.3.196)
l Os2 -Os! /lo p2 ·_ flo pi As +s1Ap A s +s1Ap
ts ltp (3.3.192)
Es Ep
Der maximale Rißabstand ergibt sich aus
Das entspricht Gleichheit der unterlegten
Flächen in Abb. 3.3-84. Mit dem Gleichgewicht fctAc = s; {tsm ns0s n+tpm np0p n)
entlang der Verbundstörlänge
~s, = 0 sfctAc (3.3.197)
0 2n 2tsm(As+siAp)
tsm0s nlts =(os2 -Os!)---!-,

t pm0p nl1p ={flo p2 -flop1 )--!-


0 2n
(3.3.193)
Bei abgeschlossenem Rißbild treten auf ganzer
Länge Verbundspannungen auf. Unter Annahme
im Mittel eben bleibender Querschnitte gilt
und GI. (3.3.192) folgt Esm=flEpm:
(os2 -osl)2 . 0s = {!lo p2- /lo pl)2 . 0 P Os2 -ßr(os2 -osl) flo p2 -ßr{!lo p2- flo pd
Estsm 4 Eptpm 4 Es Ep
(3.3.194) Mit
Vereinfacht wird angenommen Ep"' Es und
Os!= flOpi "'0:
2
flo p2 _ t pm 0 s _ 2
---- · --s~· (3.3.195) (3.3.198)
o;2 tsm 0p

Osl
a Erstrißbildung 60P1

b abgeschlossenes Rißbild
s,

Abb.l.l -84 Spannungen zwischen den Rissen

Massivbau 3-205
und dem Gleichgewicht im Riß Nachweise im GZT

F-Po = Osz As + 1'1op2 Ap, {3.3.199)


Der Nachweis am Querschnitt erfolgt analog
wobei Po die (fiktive) Spannbettkraft ist, die sich zum Stahlbeton mit der Vordehnung Epo in den
bei spannungslosem Betonquerschnitt ergibt, Spanngliedern, die unter Berücksichtigung der
folgt zum jeweiligen Zeitpunkt eingetretenen Verluste
als charakteristischer Wert anzusetzen ist.
_ F-Po A ( fctAc fctAc )
Osz ----+t't 2 • Die Anwendung der üblichen Hilfsmittel bei
As+Ap As+~!Ap As+Ap der Biegebemessung ist möglich, wenn die sta-
{3.3.200) tisch bestimmte Wirkung mit einer zunächst zu
Mit der Betonstahlspannung, Gl. (3.3.200}, und schätzenden Spannstahlspannung (i.allg. der
dem Rißabstand, Gl. (3.3.197),können die Nach- Fließspannung) als zusätzliche Einwirkung an-
weise der Rißbreitenbegrenzung analog zum gesetzt wird. Ergebnis ist die erforderliche Be-
Stahlbeton geführt werden. tonstahlbewehrung. Alternativ kann die Bemes-
Die am Zugstab abgeleiteten Beziehungen sung zunächst für eine reine Spannstahlbeweh-
können für andere Bauteile verallgemeinert wer- rung erfolgen. Die Differenz zur vorhandenen
den. Liegen Beton- und Spannstahl näherungs- Spannstahlmenge, die sich i.d.R. aus dem GZG
weise in einer Lage, so kann die Kraft F5 + 11P ergibt, ist durch eine gleichwertige Betonstahl-
zunächst unter Annahme starren Verbundes be- bewehrung abzudecken.
rechnet werden. Die Aufteilung erfolgt dann wie Beim Nachweis für Querkraft bzw. Durch-
für den Zugstab der Höhe he.ff(Abb. 3.3-22). Für stanzen darf der geneigte Anteil der Spannglied-
andere Fälle können analoge Beziehungen über kraft Vp berücksichtigt werden.
die ebene Verteilung der mittleren Dehnungen
abgeleitet werden. Es ist zu beachten, daß die 3.3.11.8
Rißabstände bei weit auseinander liegenden Be- Robustheit
wehrungslagen durch Sammelrißbildung unter-
schiedliche sein können [Alvarez 1998]. Wichtiger Bestandteil der Sicherheitskonzepte
Im Zustand der Einzelrißbildung kann bei im Massivbau ist die Vorankündigung des Ver-
ausreichend großer Vorspannung das Gleichge- sagensdurch die Bildung breiter Risse bei Annä-
wicht im gerissenen Zustand auch ohne Beweh- herung an die Tragfähigkeit. Diese ist bei ausge-
rung hergestellt werden. Da die Rißbreite bei ge- wogener Bewehrung im Stahlbetonbau i.allg.
gebener Krümmung etwa proportional zur Riß- sichergestellt. Vorgespannte Bauteile bleibenun-
tiefe ist, kann von einer ausreichenden Begren- ter den häufig auftretenden Lasten i.d.R. weit-
zung ausgegangen werden, wenn die Rißtiefe auf gehend ungerissen. Ihr äußeres Erscheinungs-
den kleineren Wert von h/2 und 0,5 m begrenzt bild läßt dann keine Aussage über den Zustand
wird [König/Fehling 1989]. Für den Rechteck- der Bewehrung zu. In seltenen, aber denkbaren
querschnitt ergibt sich daraus eine Spannung in Fällen kann durch fortschreitende Korrosion der
der Schwerachse o,=-PIA,=-max {h;1}·fct,eff Spannglieder die Vorspannung so weit abgebaut
(hin m). Bei der Ermittlung der Mindestbeweh- werden, daß eine geringfügige Erhöhung der
rung nach Gl. {3.3.114} kann daher nach äußeren Last eine Überschreitung der Zugfe-
DIN 1045 Teil1 stigkeit herbeiführt. Reicht der im Querschnitt
vorhandene Betonstahl und der noch nicht kor-
rodierte Spannstahl zur Aufnahme der Schnitt-
k, = 0,4[1 + ho, ] {3.3.201} größen nicht aus, so kommt es zum schlagarti-
1' 5 min(h; 1m/ct,eff gen Versagen. Durch eine ausreichende Beton-
stahlbewehrung läßt sich dies vermeiden.
gesetzt werden. Das entspricht einer linearen In- Die zum Aufreißen führende Belastung eines
terpolation zwischen vorstehend genanntem Fall nur auf Biegung beanspruchten Bauwerks folgt
und k,=0,4 für o,=O. Die Mindestbewehrung mit der zum Zeitpunkt t noch vorhandenen Vor-
darf ganz entfallen, wenn unter der seltenen EiD- spannkraft der nicht korrodiertenSpannglieder
wirkungskombination am Querschnittsrand P(t) aus [König u.a.1994]
Druckspannungen von mindestens -1 MPa ver-
_ P(t) Ms-P(t)zp
bleiben. fct - - - + . (3.3.202)
Ac ~

3-206 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bei statisch bestimmten Tragwerken muß das digung der unmittelbar benachbarten wegen der
gesamte Moment Ms nach der Rißbildung von mehr oder weniger identischen korrosionsför-
Beton- und Spannstahl aufgenommen werden. dernden Bedingungen wahrscheinlich ist. Nach
Es gilt (Abb. 3.3-85) DIN 1045 Teil 1 darf pauschal ein Drittel der
Spannglieder angerechnet werden.
Ms =(ta +P(t{~c + ~ ))wc Bei der Bestimmung der erforderlichen Be-
wehrung wurde vorausgesetzt, daß die Abnahme
=(P(t)+M)(zp + zc}+ F5 (zc +z,). von Ap kontinuierlich erfolgt. Da Ap mit Ausfall
(3.3.203) eines kompletten Spannglieds sprunghaft ab-
Dabei ist LV> die Zunahme der Spannstahlkraft nimmt, gelten die vorgenannten Zusammen-
im Riß. Daraus folgt hänge nur, wenn durch eine Mindestanzahl von

~ )=
Spanngliedern im Querschnitt die Abnahme von
fctWc -P(t>( Zc- Ap hinreichend geglättet ist. Liegt im Grenzfall
nur ein einziges Spannglied vor, so muß nach
t.P(zp + Zc )+ F5 (Zc + z,) . (3.3.204)
dessen Ausfall anstelle des Rißmoments die ge-
Für den Fall des Rechteckquerschnitts ist samte Beanspruchung vom verbleibenden Be-
WciAc= h/6, und mit Zc = h/3 ergibt sich eine Ab- tonstahl aufgenommen werden.
minderung des durch F5 , LV> aufzunehmenden Bei statisch unbestimmten Systemen kann ein
Moments um P(t) · h/6. Für den Grenzfall des Teil des freiwerdenden Rißmoments in andere
Zweipunktquerschnitts ist dagegen WciAc=Zn Tragwerkbereiche umgelagert werden. Je nach
so daß die Vorspannung P(t) keinen Beitrag zur Lage des betrachteten Querschnitts im System
Aufnahme des freiwerdenden Moments liefert. ergibt sich hieraus eine Abminderung der erfor-
Bei den meisten Querschnittsformen im Spann- derlichen Mindestbewehrung, sofern die Rotati-
betonbau ist der Anteil von P(t) ebenfalls ver- onsfähigkeit nachgewiesen werden kann. Dieses
nachlässigbar. Vorgehen ist jedoch aufwendig; auf der sicheren
Zur Sicherstellung der Robustheit ist daher ei- Seite liegend kann daher eine Mindestbeweh-
ne Mindestbewehrung A 5 anzuordnen, die bei rung analog zu statisch bestimmten Systemen
voller Ausnutzung bis zur Fließgrenze in der La- angeordnet werden.
ge ist, die Rißschnittgröße fctm · Wc aufzunehmen. Neben der Schadensbegrenz~ng gewinnt zu-
Die Berücksichtigung von Sicherheitsbeiwerten nehmend die Schadensvermeidung an Bedeu-
ist wegen der geringen Auftretenswahrschein- tung. Grundgedanke ist der Versuch, die die
lichkeit nicht erforderlich. Auf diese Mindestbe- Standsicherheit der Konstruktion gefährdende
wehrung darf der nicht korrodierte Spannstahl Korrosion von Spanngliedern rechtzeitig zu er-
mit der Differenz zwischen Vorspannung und kennen und vor dem Eintreten irreversibler Schä-
Fließspannung angerechnet werden. Der unge- den Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies
schädigte Spannstahlquerschnitt läßt sich aus setzt voraus, daß bereits bei der Planung Mög-
Gl. (3.3.202) bestimmen, wenn das Moment Ms, lichkeiten zur Kontrolle und ggf. zum Austausch
das mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt (z.B. geschädigter Spannglieder vorgesehen werden,
das Moment aus der häufigen Lastkombination), was bei verbundlosen Spanngliedern prinzipiell
bekannt ist. Es sollte jedoch berücksichtigt wer- möglich ist. Allerdings ist die Kontrollierbarkeit
den, daß bei Ausfall eines Spannglieds eine Schä- keine hinreichende Voraussetzung zur Erken-

(J

Ms

)-

Abb. 3.3-85 Spannungsverteilung vor und nach dem Aufreißen

Massivbau 3-207
nung von Spanngliedausfällen, diese wird erst Dabei wird nur der baupraktisch relevante Fall
durch eine Kontrolle in angemessenen Interval- N < 0 betrachtet.
len mit ausreichend genauen Methoden sicher-
gestellt. Da mit einer Korrosion der Spannglie- Elastische Näherungslösung
der aber frühestens einige Jahrzehnte nach der
Fertigstellung des Bauwerks gerechnet werden Die Verformung aus Mo ergibt sich mit dem Prin-
muß, sind hierfür langfristige Inspektionspläne zip der virtuellen Kräfte unter Annahme unge-
erforderlich, deren Einhaltung häufig fragwür- rissener Querschnitte zu
dig erscheint. Daher sollten Inspektionen als Er-
5 12
gänzung und nur in Sonderfällen als Ersatz für eo =-·_Q_Mo. (3.3.205)
die Robustheit angesehen werden. 48 EI
Der Verlauf kann in guter Näherung durch eine
3.3.12 quadratische Parabel approximiert werden. In-
Stabilität und Theorie II. Ordnung folge der Verformung entsteht dann ein eben-
falls parabelförmiges Moment L'l.M 1 = INI eo. Die
Bei druckbeanspruchten Bauteilen sowie schlan- Verformung hieraus ist
ken Biegeträgern entstehen durch die Verfor-
5 12
mung zusätzliche Beanspruchungen, die durch e1 =- · _Q_INie0 • (3.3.206)
eine Gleichgewichtsbetrachtung am verformten 48 EI
System (Theorie II. Ordnung) erfaßt werden müs- Durch wiederholte Verformungsberechnung er-
sen. Dies ist bei Erweiterung von GI. (3.3.1 09) um hält man schließlich die Gesamtverformung als
die entsprechenden Terme durch nichtlineare geometrisc(he Reihe i
Berechnung möglich. Für viele praktische Fälle = 5 12
können jedoch vereinfachte, ausreichend genaue e=e ' -·_Q_INI) = eo
OL.. 48 EI [2
Verfahren abgeleitet werden. r=o I-2_·_Q_INI
48 EI
3.3.12.1 (3.3.207)
Einzelstützen sowie den Verformungszuwachs

An dem gelenkig gelagerten Stab in Abb. 3.3-86 L'l.e


ergibt sich nach Theorie I. Ordnung ein para-
belförmiges Moment mit dem Maximalwert M0 .
Das zusätzliche Moment nach Theorie II. Ord- (3.3.208)
nung ergibt sich am verformten System zu Für N~N,,;1 =-48/5 EI!IÖ geht e~oo; dies ent-
L'l.M = e INJ. Gesucht ist der Zustand des Gleich- spricht der Knicklast des Systems, die von der ex-
gewichts zwischen dem angreifenden Moment akten Eulerschen Knicklast Ncr; 1=-n 2 EI!l5 nur
Ms=Mo+dM und dem Bauteilwiderstand MR. geringfügig abweicht. Die Schnittgrößen nach

Abb. 3.3-86 Einzelstütze

3-208 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Theorie II. Ordnung können somit näherungs-
weise mit einem Erhöhungsfaktor aus denen
nach Theorie I. Ordnung ermittelt werden:
1
M 11 =M0 +IN!e=M 0 --N- (3.3.209)
1- - -
Ncrit
Der Vergrößerungsfaktor gilt streng genommen
nur für einen parabelförmigen (bzw. zur Knick-
figur affinen) Verlauf von M0 , kann für andere
a stabiles System
Fälle jedoch als Näherung angesehen werden.
Der Einfluß der Verformungen ist v. a. von der
Knicksicherheit Ncrit!N abhängig, die indirekt M
proportional zu vsd · .A2 mit den bezogenen Grö-

ßen A. = 10 ·~Ac llc und vsd =Nsdi(Acfcd) ist. Zur


Abgrenzung schlanker (d.h. nach Theorie II.
Ordnung zu betrachtender) Stützen gilt nach
DIN 1045 Teil 1 daher die Grenzschlankheit
e
Acrit =max[ ~ ;25]. (3.3.210)
b indifferentes und instabiles System

vlvsdl
Abb. 3.3·87 Abhängigkeit des äußeren und inneren
Momentes von der Auslenkung
Stahlbeton

Durch Rißbildung und nichtlineares Verhalten Punkt 1 oder zum Kollaps führt (vgl. Kugelana-
des Betons aufDruck nehmen die Krümmungen logie in Abb. 3.3-87). Im Fall eines einzigen Schnitt-
mit dem Moment überproportional zu. Die Ver- punkts ist die Systemtraglast gerade erreicht; da
formungen e ergeben sich durch Integration von die Steigung der beiden Kurven in diesem Punkt
K. Abbildung 3.3-87 zeigt den Verlauf des inne- gleich ist, handelt es sich um ein indifferentes
ren Moments MR in Stützenmitte für den linea- Gleichgewicht, d.h. ein Stabilitätsversagen, das
ren und den nichtlinearen Fall in Abhängigkeit bei nichtlinearem Materialverhalten folglich
von der Verformung e~ Im Schnittpunkt mit der auch bei Stützen mit Momenten nach Theorie I.
Linie des äußeren Moments Ms herrscht Gleich- Ordnung auftreten kann. Für Mo= 0 entspricht
gewicht (MR=Ms). Das zugehörige Moment ist Ms einer Ursprungsgeraden; es liegt ein echtes
bei Berücksichtigung der Nichtlinearität größer, (elastisches) Knickproblem vor.
sie ist daher aus Gründen der Sicherheit erfor- Die Ermittlung der MR-Linie ist aufwendig.
derlich. Eine iterative Lösung ist wie im linearen Fall
Je nach Größe von N und Mo erhält man ent- möglich, wenn in jedem Iterationsschritt die
weder zwei, einen oder keinen Schnittpunkt (es zum Gesamtmoment gehörende Krümmung
sei darauf hingewiesen, daß neben der Ms- Linie entlang der Stabachse ermittelt und zur Verfor-
wegen der Abhängigkeit der M-K-Beziehung von mung integriert wird. Da das Superpositions-
der Normalkraft auch die MR-Linie von N ab- prinzip nicht gilt, muß anstelle des Zuwachses im
hängt). Im letzten Fall ist die Knicklast des Sy- Iterationsschritt die gesamte Verformung be-
stems überschritten, ein Gleichgewicht nicht rechnet werden.
mehr möglich. Zur Vereinfachung der Berechnung kann ein
Liegen zwei Gleichgewichtszustände vor, so ist affiner Verlauf von Mn und Kangenommen wer-
der erste stabil, bei einer Verminderung der Aus- den; das entspricht einer Approximation der M-
lenkung ist immer MR<Ms, so daß das System K-Beziehung durch eine Sekante. Die Anwen-
in den Gleichgewichtszustand zurückwandert, dung von GI. (3.3.209) ist unter Verwendung der
ebenso wie bei einer Erhöhung der Auslenkung, Sekantensteifigkeit möglich, liegt wegen der Ver-
da dann MR>Ms ist. Punkt 2 stellt dagegen ein nachlässigung der höheren Steifigkeit in den un-
labiles Gleichgewicht dar, da jede infinitesimale gerissenen Bereichen jedoch auf der sicheren
Änderung der Auslenkung entweder zurück nach Seite.

Massivbau 3-209
Die Verformung e läßt sich allein auf die Krüm- Ms immer links davon liegen. Fließmoment und
mung in Stützenmitte zurückführen: Fließkrümmung stellen damit obere Grenzwer-
te dar.
(3.3.211)
Stützen werden i.allg. symmetrisch bewehrt
Der Völligkeilsbeiwert a ergibt sich für einen pa- (A 51 =A 5z). Vor allem bei hohen Bewehrungsgra-
rabelförmigen Momentenverlauf zu a = 5/48. Für den bewirkt das Fließen der Druckbewehrung
beliebige Verläufe kann a= 1/10 gesetzt werden. einen ähnlichen Steifigkeitsahfall wie das Flie-
Der Vergleich zwischen MR und Ms kann dann ßen der Zugbewehrung. Im Grenzfall des gleich-
auf der Ebene einer M-K-Beziehung geführt, d. h. zeitigen Fließens ist xlh=0,5; die zugehörige
die Betrachtung auf einen Querschnittsnachweis Normalkraft Nbal entspricht der Betondruck-
zurückgeführt werden. kraft, da sich die Bewehrungskräfte aufheben
(Psi =-F5z), d.h.
Bemessung
h
Nbal =-aRb- fcd=-0,4bhfcd · (3.3.213)
Für die Bemessung, d.h. die Bestimmung der 2
Bewehrung, ist eine Modifikation des Verfahrens Die zugehörige Krümmung ist unabhängig vom
erforderlich, da die M-K-Beziehung vorab nicht Bewehrungsgrad:
bekannt ist. Das Modellstützenverfahren in DIN
2Eyd 2Eyd
1045 Teilliegt formal eine Kragstütze der Län- K = - - - z - -. (3.3.214)
ge h = 10 /2 zugrunde (Abb. 3.3-88). Die Rückfüh- Z 51 + Z52 0,9d
rung anderer Lagerungsbedingungen auf den Bei kleineren Normalkräften (INsdl <INbalD
Grundfall erfolgt durch die Ersatzlänge 10 , die nimmt die Fließkrümmung etwas ab, da die
i.allg. der elastischen Knicklänge entspricht (s. Stauchungen auf der Druckseite abnehmen;
aber [Quast 1986)). Hilfsmittel zur Bestimmung GI. (3.3.214) kann jedoch als gute Näherung an-
enthält [Kordina/Quast 1979]. gesehen werden. Für INsdl >INbad kann K zwi-
Die Bemessung erfolgt an der Einspannung schen GI. (3.3.214) und einer reinen Normai-
der Modellstütze oder allgemeiner im mittleren kraftbeanspruchung (NsJ=Nud> K=O) interpo-
Drittel der Ersatzlänge. Das Moment dort ist liert, d.h. mit
Mn=Mo+LlM=Vh+INI·(eo+ea+e). Kz = NurNsd <I (3.3.215)
(3.3.212) Nud -Nbal
Krümmung. Zur Verformungsberechnung wird abgemindert werden (Abb. 3.3-89). Da Nud von
eine obere Abschätzung der Krümmung K ver- der Bewehrung abhängt, ist bei der Bemessung
wendet. Da die MR-Linie nach Erreichen des i.allg. ein iteratives Vorgehen erforderlich, das
Fließmoments im Nachweisschnitt nicht mehr jedoch auf der sicheren Seite liegend mit K2 =I
wesentlich ansteigt, muß der Schnittpunkt mit vermieden werden kann.

N
!!.._ - NRd E

- Nud d0 t

dV

a
a unverformtes System, Moment nach Theorie
I. Ordnung;
b verformtes System, Zusatzmoment nach Theorie
II. Ordnung

Abb. 3.3·88 Modellstülle Abb. 3.3-89 Ermittlung der Fließkrümmung

3-210 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bei Querschnitten mit um den Umfang ver-
teilter Bewehrung existiert kein scharfer Knick
ln(ee~)+C = ljl
Ncrit IN -1
der M-1<-Linie. Obige Abschätzung stellt dann
__
$_
nur eine sehr grobe Näherung dar. Für sehr ==>e.,(t) =e.,(O) e NcntiN-1 • (3.3.218)
schlanke Stützen und kleine planmäßige Aus-
mitten liegt der Schnittpunkt MR=Ms weit vor Da mit Gl. (3.3.207) gilt
dem Fließmoment des Querschnitts. Gleichung
(3.3.214) ist hier anwendbar, da sie einen mögli-
chen Gleichgewichtszustand darstellt, liegt aber
u. U. erheblich auf der sicheren Seite.

Imperfektionen. Zur Berücksichtigung struktu-


reller und materialbedingter Imperfektionen ergibt sich die Kriechverformung zu
__
$_
wie Vorkrümmungen, Eigenspannungszustän-
de oder ungleichmäßige Verteilungen der Stei- ec =(e0 +ea) (e NcntiN-I -1). · (3.3.219)
figkeiten im Querschnitt ist eine ungewollte Aus- Bei der Ableitung wird lineares Verhalten vor-
mitte ea zu berücksichtigen, die nach DIN 1045 ausgesetzt, was aufgrund der Rißbildung und
Teil1 einer Schiefstellung der Modellstütze mit des nichtlinearen Verhaltens unter hohen Dau-
1 erlasten auf der unsicheren Seite liegt. Die ela-
(3.3.216)
aal= wo-Ji stische Steifigkeit EI ist daher bei der Ermittlung
von Ncrit mit 0,6+20As,totf(bd) abzumindern
enspricht. Der Verlauf der Imperfektion ist bei [Kordina/Warner 1975]. Dagegen kann ljl wegen
Anwendung von Gl. (3.3.212) ohne Bedeutung, der Kriechbehinderung durch die Bewehrung
da nur der Bemessungsquerschnitt betrachtet auf 80% abgemindert werden. Beim Nachweis
und der Völligkeitsbeiwert der Krümmung un- im GZT wird ec als zusätzliche Ausmitte bzw. als
abhängig vom Momentenverlauf angesetzt wird. Zunahme der ungewollten Ausmitte angesetzt.
Bei nichtlinearer Rechnung kann ea affin zur Bei der Ermittlung von ec sind nur die quasi-
Knickfigur angesetzt werden. ständigen Einwirkungen mit der zugehörigen
Exzentrizität zu berücksichtigen. In vielen prak-
Kriechverformungen. Die Kriechverformungen tischen Fällen kann auf eine Berücksichtigung
führen bei Stahlbetondruckgliedern zu einer Zu- der Kriechverformungen verzichtet werden, da
nahme von Mn für t > t0• Zur Berechnung wird die quasi-ständigen Momente sehr klein sind
ein infinitesimales Zeitintervall betrachtet, in (z.B. Windeinwirkungen) und die Kriechverfor-
dem sich der Zuwachs der Kriechverformung mungen nicht affin zu den Knickfiguren verlau-
unter Annahme ungerissener Querschnitte nähe- fen. In anderen Fällen kann zur Berücksichti-
rungsweise aus der elastischen Verformung eel ·gung des Kriechens die Ersatzlänge durch einen
zu dec = dq, ee1 ergibt [Dischinger 1937]. (Das zu-
grunde liegende Kriechmodell stimmt nicht mit Faktor ~1 + Mq.fMsd vergrößert werden, wobei
den Ausführungen in 3.3.10.1 überein, kann je- auf der sicheren Seite liegend jeweils die Mo-
doch als geeignete Näherung angesehen wer- mente nach Theorie I. Ordnung eingesetzt wer-
den.) Da die Kriechverformung wie eine zusätz- den können [Kordina/Quast 2000].
liche Anfangsausmitte wirkt, ergibt sich hieraus
nach Gl. (3.3.208) eine elastische Verformung Nachweise. Die Bemessung erfolgt an der Ein-
spannsteHe mit den üblichen Hilfsmitteln. Die
Bewehrung ist grundsätzlich ungestaffelt durch-
zuführen, da bei der Ermittlung von e eine kon-
stante Steifigkeit entlang der Stütze vorausge-
setzt wird. Ansonsten ist in Gl. (3.3.211) ein er-
höhter Faktor a =1/ 8 anzusetzen.
Integration beider Seiten und Anpassung an die Es ist zu beachten, daß bei der Querschnitts-
Anfangsbedingungen liefert die Lösung bemessung für INsdl <INbad die Drucknormal-
kraft günstig wirkt. Andererseits führt eine
größere Normalkraft nach Gl. (3.3.212) zu grö-
ßeren Biegemomenten M11 , so daß aufgrundder

Massivbau 3-211
gegenläufigen Effekte oft nicht a priori erkenn- Bei Annahme starrer Deckenscheiben existie-
bar ist, ob eine Erhöhung der Normalkraft sich ren im Grundriß Verschiebungen in x- und y-
ungünstig auf die Bemessung auswirkt. Vor allem Richtung sowie eine Verdrehung um den Schub-
bei gedrungenen Stützen sind daher auch Ein- mittelpunkt. Sofern die Größe der Verschiebun-
wirkungskombinationen mit minimaler Nor- gen bzw. Verdrehung klein bleibt (d.h. die zuge-
malkraft zu untersuchen. ordnete Steifigkeit ausreichend groß ist), kann
eine Bemessung der Aussteifungselemente nach
Biegung um zwei Achsen Theorie I. Ordnung unter Berücksichtigung ei-
ner Schiefstellung der Pendelstützen (lmperfek-
Bei einem möglichen Ausweichen in den zwei tion) erfolgen. Zur Ermittlung der erforderlichen
Hauptrichtungen ist eine getrennte Betrachtung Steifigkeit wird ein Kragstab mit der Gebäude-
wegen der Kopplung der Steifigkeiten i. allg. nicht höhe hrot und der Ersatzsteifigkeit Eclc, die sich
möglich (s. [Grasser/Galgoul 1986; Grzeschko- aus der Summe der Steifigkeiten aller Ausstei-
witz u.a. 1992]). Nach DIN 1045 Teil 1 sind ge- fungselemente in der betrachteten Richtung er-
trennte Nachweise nur zulässig, wenn die Mo- gibt, mit angeschlossenen Pendelstützen be-
mente nach Theorie I. Ordnung überwiegend in trachtet [König!Liphardt 1990]. Man erhält ei-
einer Richtung wirken. Bei großen Ausmitten in nen Momentenzuwachs unter 10%, sofern mit
Richtung der starken Achse ist zur Vermeidung der gesamten Vertikallast I F für die Labilitäts-
des "Seitwärtsknickens" in Richtung der schwa- zahl a gilt
chen Achse zusätzlich ein reduzierter Quer-
schnitt anzusetzen. Allgemein erfolgt die Bemes- a=hrot~ EJc
2) <min{0,6;0,2+0,1m},
sung zweckmäßig programmgesteuert.
(3.3.220)
3.3.12.2 wobei m die Zahl der Stockwerke ist. Hierbei
Rahmen werdenungerissene Querschnitte vorausgesetzt;
für gerissene Querschnitte kann in Überschlags-
Grundsätzlich sind ausgesteifte und nicht aus- rechnungen eine abgeminderte Steifigkeit ange-
gesteifte Rahmen zu unterscheiden (s. hierzu setzt werden.
auch 3.2). Eine entsprechende Bedingung läßt sich für
die Torsionssteifigkeiten Ecfu.>, Gclr ableiten. Ein
Ausgesteifte Rahmen expliziter Nachweis ist jedoch nicht erforderlich,
wenn eine ausreichende Steifigkeit durch die An-
Die Horizontallasten (v.a. Wind, Abtriebslasten ordnung der Wandscheiben im Grundriß offen-
aus Imperfektionen) werden überwiegend durch sichtlich ist.
einzelne, sehr steife Tragelemente (Treppen- Die Imperfektionen sind bei Rahmen als
hauskerne, durchlaufende Wandscheiben) auf- Schiefstellung der Stützen mit dem Winkel
genommen. Der Beitrag einzelner Stützen ist 1
aa1 = -----r bzw. äquivalente Horizontalkräfte
vernachlässigbar (Abb. 3.3-90a). 100"1

! ~
i

a Gesamtsystem

- \\
fa
Abb. 3.3·90 Ausgesteifter Rahmen, Modellbildung
b Randstütze

3-212 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


zu berücksichtigen, wobeil die Gebäudehöhe ist piseherweise besitzen diese einen T- oder 1-för-
(DIN 1045 Teil 1). Da jedoch eine gleichmäßige migen Querschnitt, deren Druckgurt- und Steg-
Schiefstellung allernStützen mit dem Maximal- breite zur Gewichtsersparnis beim Transport
wert unwahrscheinlich ist ist eine Abminderung möglichst gering gehalten sind. Für die über-
schlägige Berechnung solcher Bauteile wurden
mit dem Faktor a" = ~ (1 + 11 n) /2 zulässig. Näherungsverfahren entwickelt.
Einzelne Stützen können vereinfacht als Pen- Am gabelgelagerten Biegeträger mit einer
delstützen bemessen werden; eine Berücksichti- seitlichen Verformung v und einer Verdrehung 8
gung der Einspannung in die Riegel ist durch entstehen zusätzlich Querbiegemomente Mz und
Abminderung der Ersatzlänge möglich (s. [Kor- Torsionsmomente T (Abb. 3.3-91). Mit sinus-
dina/Quast 2000]). Biegemomente aus der Kno- bzw. cosinusförmigen Verschiebungsansätzen
-tenverdrehung der Riegel nach Theorie I. Ord- für 8, v erhält man aus dem Gleichgewicht am
nung sind jedoch v.a. bei Randstützen immer zu halbierten System folgende Maximalwerte der
berücksichtigen. Schnittgrößen:
Bei Pendelstützen mit Randmomenten fallen
qlot
die Momentenmaxima nach Theorie I. und II. Tsd =J,0lo,/2 v(x)qdx= -vtot
Tt
,
Ordnung nicht zusammen (Abb. 3.3-90b). Für
die Überlagerung darf daher aus den Endmo- z2 z2
M sd,y = !Lill..cos8tot = !Lill.. '
menten ein Ersatzmoment 8 8

Me=max {0,6Mo2+0,4Moi; 0,4Mo2} (3.3.221) M


Sd,z
= ql~t sin8tot = ql~t 8tot· (3.3.222)
8 8
ermittelt werden. In diesem Fall ist zu beachten,
daß das maximale Gesamtmoment auch an den Dabei wird vereinfachend angenommen, daß die
Stützenenden auftreten kann (z.B. für ~Mn=O). Last q im Schubmittelpunkt M des Querschnitts
angreift. Diese Annahme liegt bei üblichen Stahl-
Nicht ausgesteifte Rahmen betonquerschnitten geringfügig auf der unsi-
cheren Seite, da bei einem Lastangriff an der Bal-
Die Abtragung der Horizontallasten erfolgt kenoberseite auch aus der Verdrehung 8 um M
durch die einzelnen Stützen und deren Einspan- ein Torsionsmoment resultiert.
nung in die Riegel. In Einzelfällen kann die Ver- Die Verformungen des Systems ergeben sich
formung des Tragwerks so klein sein, daß der für parallelgurtige Träger aus Schnittgrößen und
Einfluß der Knotenverschiebung auf die Schnitt- Imperfektionen zu
größen vernachlässigt werden kann (unver-
8 = 8 + J,lo,/2 ~=8 + Tsdlot
schiebliche Rahmen). Meist ist jedoch eine Be- tot a o GJr a nG,Ir'
trachtung des Systems nach Theorie II. Ordnung
erforderlich. Diese erfolgt am sinnvollsten durch Vtot=va+ Jrt j,
0 ,/2 Mz(x) d 2
E,lz
X
nichtlineare Berechnung des Systems oder ela- 0
stische Rechnung mit abgeminderten Ersatz-
MsdAt
steifigkeiten. Für einfache Fälle kann ein verein- =va+
2 . (3.3.223)
fachter Nachweis geführt werden, bei dem der Tt E,lz

Einfluß der Verformungen durch eine Vergröße- Für 8a=va=O erhält man das ideelle Kippmo-
rung der Horizontallasten erfaßt wird [Fey 1966; ment
Kordina/Quast 2000 ].
Die Bemessung regelmäßiger Rahmen läßt M . = n 2 ~E,lz ·G,Ir (3.3.224)
mt r l
sich näherungsweise auf Einzelstützen zurück- "\18 Ot
führen. Zur Ermittlung der Ersatzlänge s. [Kor- Hiermit lassen sich analog zu Gl. (3.3.209) Er-
dina/Quast 2000]. höhungsfaktoren für die Schnittgrößen nach
Theorie I. Ordnung (einschl. Imperfektionen)
3.3.12.3 ableiten:
Kippen

Das seitliche Ausweichen der Druckzone schlan-


ker Biegeträger (Kippen) ist v.a. bei weit ge-
spannten Fertigteilbindern von Bedeutung. Ty-

Massivbau 3-213
Schubmittelpunkt
der Druckzone

I I I I

a Querschnitt
c::::::::::::::____:::::::-"" V

b Schnittgrößen

c verformtes System

Abb. 3.3·91 Kippen

rücksichtigung der entlang der Achse veränder-


T. +M Msd ,y ~GJr lichen Steifigkeiten v.a. bei Ge Ir aus wirtschaft-
SdO SdO,z M . BI
r.Sd-_ em eZ licher Sicht jedoch sinnvoll. Dies kann durchall-
gemeine Lösung der Differentialgleichung mit
2
1_(Msd:y ) veränderlicher Steifigkeit [Mehlhorn u.a. 1991;
Mcnt Röder 1997] oder Verwendung konstanter Er-
M
SdO,z +
T.
SdO
Msd,y ~ BJz satzsteifigkeiten geschehen [Kraus/Ehret 1992].
Dabei werden Geh Beiz i.d.R. parabelförmig
Msd.z = Merit GJT • (3.3.225) zwischen den Werten in Feldmitte und am Auf-
1-(Msd:y )2 lager interpoliert. In den gerissenen Bereichen
Mcrrt wird für Geh Beiz i.allg. nur die Betondruckzo-
ne angesetzt, die sich für das Biegemoment Msd,y
Der Nachweis der Tragfähigkeit kann durch ei- ergibt. Um das nichtlineare Verhalten zu berück-
ne Bemessung des Trägers für zweiachsige Bie- sichtigen können für B0 Ge=Bel[2(1 +v)] mittle-
gung geführt werden. Da Dachbinder i.allg. kei- re Sekantenmoduln in der Druckzone verwendet
ne wirksame Torsionsbewehrung besitzen, müs- werden.
sen die Torsionsmomente am Auflager durch Be- Da meist keine planmäßigen Querbiege- und
tonzugspannungen aufgenommen werden; das Torsionsmomente auftreten, hängt das Ergebnis
Torsionsrißmoment Ta= !er W r darf also nicht v.a. von den Imperfektionen ab. Systematische
überschritten werden. Tsd muß auch von der Ga- Untersuchungen hierzu liegen nicht vor. In den
bellagerung aufgenommen werden. Falls hieraus zitierten Veröffentlichungen werden 9a"' 1/200
nennenswerte Verdrehungen entstehen, müssen und Va"' lotf500 empfohlen, ggf. verdoppelt zur
diese in der Berechnung der Kippmomente be- Berücksichtigung von Kriechverformungen.
rücksichtigt werden (Streit/Gottschalk 1986]. Um den relativ aufwendigen expliziten Nach-
Die Querbiege- und Torsionssteifigkeit kann weis der Kippsicherheit zu vermeiden, ist nach
vereinfacht mit dem Wert an der höchstbean- DIN 1045 Teil1 ein überschlägiger Nachweis durch
spruchten Stelle angesetzt werden [König/Pauli Beschränkungen der Querschnittsgeometrie zu-
1992]. Da die maximalen Torsionsmomente am lässig. Die Kippstabilität kann als gesichert an-
meist ungerissenen Auflager auftreten, ist die Be- gesehen werden, wenn die Breite des Druckgur-

3-214 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


tes b, die Trägerhöhe h und der Abstand der Ga- hindern (E-Kriterium) sowie eine ausreichende
bellager 101 die folgende Bedingung erfüllen [Kö- Wärmedämmung gewährleisten, um eine Ent-
nig!Pauli 1992]: zündung an der brandabgewandten Seite zu ver-
hindern (I-Kriterium).
Die Forderungen lassen sich i.allg. nur für ei-
(3.3.226) ne bestimmte Branddauer erfüllen, z.B. REI 30
für eine 30minütige Widerstandsdauer. Diese
muß eine Evakuierung und Brandbekämpfungs-
3.3.13 maßnahmen ermöglichen. Anforderungen sind
Brandschutz in den Landesbauordnungen geregelt, s. hierzu
[Kordina/Meyer-Ottens 1999].
3.3.13.1 Tragende Bauteile werden heute noch nach
Anforderungen DIN 4102 mit dem Buchstaben F,der nachgestell-
ten Feuerwiderstandsdauer in Minuten und den
Der Brandfall stellt im Sinne unserer Lastannah- Buchstaben A, B für die Brennbarkeit der Bau-
men eine außergewöhnliche Einwirkung dar; stoffe gekennzeichnet. Die Feuerwiderstands-
dennoch läßt sich ein erheblicher Teil der kata- klassen reichen je nach Art und Nutzung des Ge-
strophalen Schadensfälle hierauf zurückführen. bäudes für die einzelnen Bauteile von feuerhem-
Brandschutznachweise sind daher v. a. im Hoch- mend (F30- B) bis feuerbeständig aus nicht-
und Industriebau wichtiger Bestandteil der Be- brennbaren Baustoffen (F 90- A).
messung. Man unterscheidet abwehrenden
(Löschmaßnahmen) und vorbeugenden Brand- 3.3.13.2
schutz; letzterer umfaßt organisatorische Maß- Verhalten und Bemessung im Brandfall
nahmen zur Branderkennung (Meldeanlagen)
und Bekämpfung im Entstehungsstadium Materialverhalten
(Sprinkleranlagen), sowie den eigentlichen bau-
lichen Brandschutz [Kordina/Kersken-Bradley Die in 3.3.2 bis 3.3.4 angegebenen, von der Tem-
1996]. peratur weitgehend unabhängigen Materialei-
Bauwerke müssen so entworfen werden, daß genschaften gelten nur innerhalb des üblichen
eine ausreichende Tragfähigkeit (R-Kriterium Temperaturbereichs. Unter den wesentlich er-
nach EC 2-1·2) erhalten und der Brand örtlich höhten Temperaturen im Brandfall (bis über
begrenzt bleibt, was durch die Anordnung von 1000 •C) nehmen Festigkeit und Steifigkeit ab ca.
Brandwänden und anderen trennenden Bautei- 2oo•c bis 3oo•c signifikant ab (Abb. 3.3-92). Zu-
le (Decken) erreicht wird, die das Bauwerk in sätzlich treten erhebliche thermische Dehnun-
einzelne Brandabschnitte unterteilen, zwischen gen auf. Angaben hierzu, zur spezifischen Wär-
denen ein Übergreifen des Feuers zu verhindern me und zur thermischen Leitfähigkeit des Be-
ist. Die Trennbauteile müssen daher die Aus- tons enthält EC 2-1-2 sowie [Kordina/Meyer-
breitung von Flammen und heißen Gasen ver- Ottens 1999].

a,
t;-
1,0

0,5 0,5

a Beton 10%o 20 b Betonstahl 10%o

Abb. 3.3-92 Spannungs-Dehnungs-Beziehungen bei verschiedenen Temperaturen, normien auf die Festigkeit bei 20 •c

Massivbau 3-215
Durch das Verdampfen des Porenwassers ent-
stehen Spannungen in den Porenräumen, die zu
explosiven Abplatzungen ganzer Betonschichten
führen können. Sie können jedoch durch die Ein-
haltung von Mindestabmessungen verhindert
werden. Bei hochfesten Betonen sind wegen des · et·'
i.allg. sehr dichten Gefüges und der fehlenden
Kanäle zur Entspannung des Oberdrucks zusätz-
liche Maßnahmen erforderlich [König/Grimm Abb. 3.3·93 Querschnitt unter Brandbeanspruchung
2000 ]. Durch Zugabe von Kunststoffasern, die im
Brandfall verdampfen und ein künstliches Poren- wehrung. Die kritische Temperatur 9crit im
system schaffen, kann das Problem entschärft Schwerpunkt der Bewehrung folgt aus der For-
werden. Eine flächenhafte Schutzbewehrung derung, daß diese mit der für außergewöhnliche
kann das Abfallen der abgesprengten Schichten Einwirkungskombinationen geforderten 1,0-fa-
verhindern. chen Sicherheit in der Lage sein muß, die wir-
kenden Schnittgrößen aufzunehmen, was etwa
Querschnittsverhalten beifYd9crit)lfyk=0,5 ... 0,6 oder 9crit=500°C der
Fall ist. Hieraus können Mindestabmessungen
Unter Brandeinwirkung erwärmt sich der Quer- und Mindestachsabstände des Bewehrungs-
schnitt ausgehend von beflammten Oberflächen. schwerpunkts von der Oberfläche abgeleitet wer-
Es stellt sich ein instationärer Zustand ein, d.h., den. Entsprechende Bauteilkataloge für übliche
die Temperaturverteilung im Bauteil ist eine Querschnitte und verschiedene Feuerwider-
Funktion der Zeit. Die Erwärmung verläuft um- standsklassen sind in EC 2-1-2 und DIN 4102 Teil
so schneller, je kleiner der Querschnitt und je 4 enthalten. In vielen Fällen sind die aus ande-
größer diebeflammte Oberfläche ist; man unter- ren Gründen gewählten Abmessungen für den
scheidet einseitig (z.B. Deckenplatten, Wände) Nachweis bereits ausreichend.
und mehrseitig (z.B. Innenstützen) beflammte Bei großen Betondeckungen (c>SO mm) be-
Querschnitte. Wegen ihrer großen Masse und steht die Gefahr des Abplatzens der außerhalb
thermischen Trägheit erwärmen sich Stahlbe- der Bewehrung gelegenen Schichten. Sie sind da-
tonquerschnitte i.allg. relativ langsam. her durch eine Schutzbewehrung zu sichern.
Die Tragfähigkeit kann durch Brandversuche
oder Rechnung ermittelt werden. Der rechneri- Systemverhalten
sche Nachweis erfordert eine Kopplung von ther-
mischer und mechanischer Analyse, d.h., als Da z. B. Deckenplatten i.allg. nur einseitig mit der
Ausgangspunkt für die Bemessung ist zunächst Brandtemperatur beaufschlagt werden und sich
die Temperaturverteilung im Bauteil zu bestim- demzufolge auch nur die auf einer Seite liegen-
men. Die Brandeinwirkung wird i. d. R. durch ei- de Bewehrung erwärmt, existieren bei Durch-
ne genormte Einheitstemperatur-Zeit-Kurve be- laufträgem Tragreserven, die im Rahmen einer
schrieben. Diagramme für die Temperaturver- plastischen Schnittgrößenumlagerung ausge-
teilung in üblichen Bauteilen enthält [CEB 1991 b, nutzt werden können (Abb. 3.3-94). Die Bauteil-
Kordina/Meyer-Ottens 1999]. katalogein EC 2-1-2 und DIN 4102 Teil 4 be-
Bei bekannter Temperaturverteilung können rücksichtigen dies durch eine Abminderung der
die zu einem Verzerrungszustand gehörenden erforderlichen Achsabstände der Bewehrung.
Schnittgrößen bestimmt werden, indem von den Dabei ist allerdings zu beachten, daß sich die
Gesamtdehnungen zunächst der thermische An- Momentennullpunkte zur Feldmitte hin ver-
teil Ee subtrahiert wird. Aus den verbleibenden schieben, die Stützbewehrung also entsprechend
Dehnungen E0 folgen mit den rechnerischen, verlängert werden muß.
temperaturabhängigen O-E-Beziehungen die Durch die thermische Dehnung entstehen
Spannungen und durch Querschnittsintegration Zwangschnittgrößen, die i. d. R. durch die Anord-
die Schnittgrößen (Abb. 3.3-93 ).Vereinfachte Ver- nung von Dehnfugen zu begrenzen sind [Kordi-
fahren zur Bestimmung der Querschnittstrag- na/Meyer-Ottens 1999]. Es ist zu beachten, daß
fähigkeit sind in EC 2-1-2 enthalten. die Fugen die Anforderungen an den Raumab-
Bei üblichen Bauteilen resultiert der Abfall der schluß ebenso erfüllen müssen wie das Bauteil
Tragfähigkeit v.a. aus der Erwärmung der Be- selbst.

3-216 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


l ! ..
Schnittgröße
MR -------------
t/ I
I
I :I II
j t )of--a
~ MRd,fi

~
t=O ):~ -=::::::=:;::::
t=60m in
I
ohne Um Iagerung 1 mit Umlagerung

Abb. 3.3·94 Schnittgrößenumlagerung eines von unten Abb. 3.3-95 Nachweis der Tragfähigkeit unter Kurzzeit-
bellammten Zweifeldträgers beanspruchung und Ermüdung

3.3.14 Die Schädigungswirkung eines Lastzyklus ist


Ermüdung dabei von der erreichten Oberspannung Oc,max
und der Schwingbreite ßa, (bzw. der Unterspan-
Unter wechselnden Lasten kann ein Bauteil nung Oc,min) abhängig. Bei Bezug dieser Werte
durch Ermüdung auch bei Spannungen weit un- auf die Kurzzeitfestigkeit ist die Ermüdungsfe-
terhalb der rechnerischen Kurzzeitfestigkeit ver- stigkeit bei Normalbetonen unabhängig von der
sagen. Die Ermüdung stellt somit einen Grenz- Betonfestigkeitsklasse, bei hochfesten Betonen
zustand der Tragfähigkeit dar. Während die üb- nimmt sie wegen der größeren Sprödigkeit ab.
lichen Nachweise der Tragfähigkeit für ein ein- Daher wird als Bezugswert eine modifizierte
maliges Eintreten mit dem Bemessungswert der Festigkeit
Beanspruchung geführt werden, ist für die Ermü-
dung die Integration der Lasten über die Lebens- fcd,fat =ß,,(to)f,a(1- {;~) (3.3.227)
dauer des Bauwerks erforderlich, da das Versa-
gen durch die Akkumulation der Schädigungs- verwendet. Der Beiwert ß,,(to) berücksichtigt
wirkung aller Einwirkungen ausgelöst wird die Tatsache, daß die Festigkeit bei Aufbringen
(Abb. 3.3-95). der Wechselbeanspruchung durch die Nacher-
Folgen für die Bemessung ergeben sich bei Bau- härtung i.allg. über dem Nennwert nach 28 Ta-
werken bzw. -teilen mit hohem Anteil an wech- gen liegt.
selnder Beanspruchung, z.B. Brücken, Kranbah- Die bei gegebener Ober- und Unterspannung
nen usw. Bei üblichen Hochbauten wird die Er- ertragbare Lastwechselzahl unter Druckschwell-
müdung wegen der geringen Anteile veränderli- beanspruchung kann durch die folgende, zwei-
cher Lasten i. allg. nicht bemessungsrelevant parametrige Wöhler-Linie beschrieben werden:

3.3.14.1 1_1ac,maxl
Baustoffverhalten logN= 14 . fcd,fat • (3.3.228)

Beton
~
~1-~

Die Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit erfolgt Für gegebene Lastspielzahlen N lassen sich aus
i.d.R. im Einstufenversuch unter sinusförmiger Gl. (3.3.228) Grenzbedingungen für die Ober-
Beanspruchung; gemessen wird die Zahl der und Unterspannungen ableiten (Goodman-Dia-
Lastwechsel bis zum Versagen. Ein Überblick gramm), z.B. für N= 1·107 (Abb. 3.3-96):
über experimentell gewonnene Erkenntnisse
findet sich in [König/Danielewicz 1994] . Eine zy- lac,maxl :::;o,S+0, 45 1a,,min1 <0, 9 . (3.3.229)
klische Beanspruchung führt zu einer fortschrei- fcd,fat fcd,fat
tenden Mikrorißbildung und Gefügezerstörung.

Massivbau 3-217
1,0
0,9

0,5

5 log N
f~ tat
a Definition der b Wöhler-Linie c Goodman-Diagramm
Spannungen (107 Lastwechsel)

Abb. 3.3-96 Beton

Betonstahl

Unter zyklischer Beanspruchung weiten sich an-


fänglich vorhandene Anrisse aus, bis der ver-
bleibende Restquerschnitt spröde versagt. Bei
gerippten Stäben entwickeln sich die Anrisse
i.allg. vom Obergang einer Rippe zum Stabkern
aus. Bei nackten Stäben tritt das Versagen an der
schwächsten Stelle der Probekörperlänge ein.
Diese liegt bei einbetonierten Stäben nur mit ge-
ringer Wahrscheinlichkeit an der Stelle maxi-
maler Spannungen (d. h. im Riß), so daß tenden-
ziell höhere Ermüdungsfestigkeiten zu erwarten logl!.oRs
wären. Diese werden jedoch weitgehend kom-
pensiert durch zusätzliche Reibbeanspruchun-
gen, die im Riß aus dem Schlupf entstehen. Die b Wöhler-Linie
Ermüdungsfestigkeit ist daher im einbetonier-
ten Zustand an Probekörpern nach DIN 488 Teil3 Abb. 3.3-97 Betonstahl
nachzuweisen. Festigkeitsmindernd wirken
Schweißungen (z. B. bei Betonstahlmatten), star-
ke Stabkrümmungen sowie i.allg. mechanische der Reibung zwischen einzelnen Drähten bzw.
Kopplungen (vgl. bauaufsichtliche Zulassung). Litzen und zwischen Spannglied und Hüllrohr
Der Einfluß der Oberspannung bei gegebener (Reibermüdung). Kunststoffhüllrohre bewirken
Schwingbreite ist gering, solange die Fließgren- deutlich höhere Ermüdungsfestigkeiten als
ze nicht erreicht wird. Zur Beschreibung genügt Stahlhüllrohre. In Spanngliedkopplungen und
daher eine einparametrige, i.allg. aus zwei Ge- -Verankerungen ist die Festigkeit im Vergleich
raden zusammengesetzte Wöhler-Linie (Abb. zur freien Länge erheblich reduziert.
3.3-97). Die Parameter N, !J.oRslo k1> k2 enthält
DIN 1045 Teil 1. 3.3.14.2
Bauteilverhalten
Spannstahl
Das Biegetragverhalten kann mit den Modellen
Das Verhalten entspricht qualitativ dem des nach 3.3.6.2 beschrieben werden. Zugspannun-
Betonstahls. Von größerer Bedeutung ist hier je- gen dürfen wegen möglicher Vorschädigungen
doch der Einfluß von Korrosionsnarben sowie nach DIN 1045 Teill nicht berücksichtigt wer-

3-218 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


den. Da die Spannungen i. allg. deutlich unter der Daher müssen auch Einwirkungen, die wegen
Festigkeit bleiben, kann eine lineare <Jc-Ec- Bezie- geringer Lastwechselzahlen an sich nicht ermü-
hung verwendet werden. Für den Nachweis der dungsrelevant sind, z.B. im Tagesverlauf wech-
Druckzone liegt dies auf der sicheren Seite, da selnde Temperaturverkrümmungen, sowie evtl.
unter Biegung Spannungsumlagerungen inner- deren zeitliche Korrelation mit ~ im Grund-
halb der Druckzone möglich sind. moment berücksichtigt werden. Falls das De-
Der Nachweis der Querkraftbeanspruchung kompressionsmoment nicht überschritten wird,
schubbewehrter Bauteile kann mit Stabwerk- besteht i.allg. keine Ermüdungsgefahr. Anson-
modellen nach GI. 3.3.6.3 erfolgen. Bei der Fest- sten empfiehlt sich die Anordnung einer ausrei-
legung des Druckstrebenwinkels 9fat ist die Ab- chend dimensionierten Betonstahlbewehrung,
nahme der Rißverzahnung unter Wechsellasten die zu einer Reduktion der Spannungsamplitu-
zu berücksichtigen; vereinfacht kann den in den Spanngliedern führt.

cote fat =~cot9GzT (3.3.230) 3.3.14.3


gesetzt werden. Für Bauteile ohne Schubbeweh- Nachweis der Betriebsfestigkeit
rung kann der Nachweis über rechnerische
Schubspannungen analog zu GI. (3.3.229) ge- Im Gegensatz zum Einstufenversuch treten un-
führt werden. ter Betriebslasten Spannungswechsel mit unter-
Die Schnittgrößen können in statisch unbe- schiedlichen Schwingbreiten auf. Der Nachweis
stimmten System i.d.R. nach der Elastizitäts- der Betriebsfestigkeit kann wie folgt geführt
theorie, ggf. mit den abgeminderten Steifigkei- werden:
ten im Zustand II, ermittelt werden, da sich das
endgültige Rißbild bereits nach wenigen Last- Nachweis über Beanspruchungskollektiv
wechseln einstellt [Frey/Thürlimann 1983) und
für die folgenden Beanspruchungen keine Um- Für ein gegebenes Verkehrslastmodell wird un-
lagerungen mehr stattfinden. ter Berücksichtigung dynamischer Effekte der
Vorgespannte Querschnitte können unter Zeitverlauf von Schnittgrößen und Spannungen
Wechselmomenten ~ vom voll überdrückten ermittelt. Mit geeigneten Zählverfahren, z. B. der
in den gerissenen Zustand übergehen. In diesem Rain-flow-Methode [Clormann/Seeger 1986)
Fall nehmen die Wechselspannungen ~a5 , bei wird die reale Spannungsgeschichte in einzelne
Spanngliedern im Verbund auch ~<Jp stark zu Klassen gleicher Schwingbreite (Stahl) bzw. glei-
(Abb. 3.3-98), wobei der Einfluß der unterschied- cher Ober- und Unterspannung (Beton) zerlegt;
lichen Verbundsteifigkeiten auf die Spannungs- diese werden gezählt und im Histogramm mit
amplituden im Betonstahl nach 3.3.11.7 zu be- der jeweiligen Häufigkeit dargestellt (Beanspru-
rücksichtigen ist. Die Größe des Grundmoments chungskollektiv).
Mo aus ständigen Lasten und Zwangschnittgrö- Bei der Ermittlung der Schadenswirkung Ds
ßen im Vergleich mit dem Dekompressionsmo- des Kollektivs wird aus Gründen der Einfachheit
ment Mveko ist von entscheidender Bedeutung. die Hypothese von Palmgren-Miner angewandt
(lineare Schadensakkumulation). Die Schadens-
wirkung einer Klasse von Schwingspielen wird
als Verhältnis der auftretenden Lastspielzahl n;
Op zur maximal aufnehmbaren N; gemäß der je-
Zustand I Zustand II
.......... weiligen Wöhler-Linie definiert. Durch Sum-
mierung aller i Klassen ergibt sich die Gesamt-

i[J ~
I
I
schädigung
------- ----~
Ds =,
L
n(~a;).
(3.3.231)
I : I I I i N(~a; )
~M 1.-.1 : ~M 1.-.1
Der Grenzzustand der Ermüdung ist erreicht, so-
bald Ds= 1 ist. Wird dieser Wert innerhalb der ge-
forderten Lebensdauer des Bauwerks nicht er-
Abb. 3.3-98 Zusammenhang zwischen Moment und reicht, so ist der Nachweis erfüllt.
Spannstahlspannung bei vorgespannten Bauteilen

Massivbau 3-219
Nachweis mit Betriebslastfaktoren 3.4
Stahlbau
Das Vorgehen kann durch Einführung eines
äquivalenten Einstufenkollektivs vereinfacht Dieses Kapitel geht besonders auf die Bemes-
werden, das die folgende Bedingung erfüllt: sungsregeln im Stahlbau und ihre Hintergründe
nequ ="' n(~o;) .
L.. ( ) (3.3.232)
ein. Die Bemessungsregeln befinden sich z. Z. im
Umbruch; während im Brückenbau noch mit
N ( ~O"equ ) i N ~0"; dem Konzept der zulässigen Spannungen gear-
Die äquivalenten Spannungsschwingbreiten ru- beitet wird, wird im Hochbau seit einiger Zeit die
fen bei nequ Lastspielen die gleiche Schädigungs- Bemessung nach Grenzzuständen vorgenommen
wirkung hervor wie das gegebene Beanspru- und hierbei nach nationalen Vorschriften in der
chungskollektiv [Bagayoko 1999]. Betriebslast- DIN-18800-Reihe und nach europäisch verein-
faktoren zur Ermittlung von ~O"equ bei Brücken heitlichten Regelungen in den Eurocodes, die
enthält EC 2-2. noch vervollständigt werden, unterschieden.
Die Ausführungen beruhen weitgehend auf
Nachweis der Dauerfestigkeit den europäisch vereinheitlichten Regelungen
entsprechend der Fassung der DINV ENV 1993-
Der Nachweis kann auf der sicheren Seite lie- 1-1 von 1993. Im Rahmen der z.Z. durchgeführ-
gend durch einen Vergleich oberer Grenzwerte ten Überführung in die EN-Fassung sind Ände-
der Schwingbreiten (bzw. der Ober-/Unterspan- rungen vorgesehen, die die eine oder andere For-
nungen) mit der Dauerschwingfestigkeit, d. h. ei- mel, weniger aber die grundsätzliche Vorgehens-
ner Schwingbreite, die unendlich oft ertragen weise und die Hintergründe betreffen. Einige
werden kann, geführt werden. Da weder die solcher Änderungen sind bereits berücksichtigt.
tatsächliche Lastwechselzahl noch die Verteilung
der Spannungsamplituden berücksichtigt wird, 3.4.1
ist der Nachweis i.allg. sehr konservativ. Bei feh- Allgemeines, Normen und
lender echter Dauerfestigkeit wird als techni- Genehmigungsverfahren
scher Wert derjenige angesetzt, der zu einer Last-
wechselzahl gehört, die über der insgesamt am 3.4.1.1
Bauwerk zu erwartenden liegt. Allgemeines
Nach DIN 1045 Teil1 gilt hier für Spannglie-
der und ungeschweißten Betonstahl ~0"5 ::::; Die Verwendung von Stahl im Bauwesen umfaßt
70 MPa; für Beton unter Druckbeanspruchungen praktisch alle Bauweisen. Stahlbau im eigentli-
gilt GI. (3.3.229). Die auftretenden Beanspru- chen Sinne besteht da, wo bestimmte Stahlpro-
chungen sind unter der häufigen Einwirkungs- dukte wie Stahlprofile, Stahlbleche oder Seile als
kombination, jeweils in der maßgebenden Stel- vorherrschende Tragelemente zum Einsatz
lung für Ober- und Unterspannungen, zu ermit- kommen, wobei Verbundwirkungen z.B. mit
teln. Sie sind streng genommen keine Ober- Stahl- und Spannbeton, Holz, Glas oder Kunst-
grenzen, da eine Überschreitung möglich ist. stoffen als Verbundbauweisen oder Mischbau-
Diese stellen jedoch meist nur einen geringen weisen mit eingeschlossen sind.
Anteil der auftretenden Lastwechsel dar. Wie alle Bauweisen unterliegt der Stahlbau ne-
ben den privatrechtliehen Vorschriften einer
Abkürzungen zu 3.3 Reihe von öffentlichen Baubestimmungen [Bos-
senmayer 1999], die im Hinblick auf die Stand-
GZT Grenzzustand der Tragfähigkeit sicherheit und das Brandverhalten baulicher An-
GZG Grenzzustand der Gebrauchstauglich- lagen gelten. Das Bauaufsichtsrecht zielt darauf
keit ab, bauliche Anlagen so zu errichten, zu ändern
PRD Parabel-Rechteck-Diagramm und instand zu halten, daß die öffentliche Sicher-
DAfStb Deutscher Ausschuß für Stahlbeton heit oder Ordnung - insbesondere Leben und
DBV Deutscher Beton-Verein Gesundheit - nicht gefährdet werden. Dazu be-
stehen in Deutschland Landesbauordnungen, die
die allgemeinen Anforderungen an Bauwerke
und Bauprodukte definieren und auf technische
Baubestimmungen, nämlich durch öffentliche

3-220 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau



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••
Bekanntmachung eingeführte technische Regeln mit den zugrundeliegenden technischen Regeln,
für Bauprodukte sowie für den Entwurf und die Zulassungen, Prüfzeugnissen oder Zustimmun-
Bemessung baulicher Anlagen und Bauproduk- gen im Einzelfall.
te, hinweisen.
Dabei sind "Bauprodukte" Baustoffe, Bauteile 3.4.1.2
und Anlagen, die hergestellt werden, um dauer- Technische Baubestimmungen
haft in Gebäude oder sonstige Anlagen einge-
baut zu werden, sowie aus Baustoffen und Bau- Technische Baubestimmungen sind
teilen vorgefertigte Anlagen, die hergestellt wer- - in der Bauregelliste A bekannt gemachte tech-
den, um mit dem Erdboden verbunden zu wer- nische Regeln für Bauprodukte,
den, (z.B. Fertighallen oder Silos). Sie dürfen aus - in der Liste der Technischen Baubestimmun-
Gründen der öffentlichen Sicherheit i.d.R. nur gen aufgenommene technische Regeln, insbe-
eingesetzt werden, wenn sie das deutsche Ü-Zei- sondere über Lastannahmen, die Berechnung,
chen oder das europäische CE-Zeichen tragen. Bemessung und Ausführung von Bauproduk-
Voraussetzung dafür ist der Nachweis der Kon- ten und baulichen Anlagen.
formität mit den dem Bauprodukt zugrundelie-
genden Regeln nach unterschiedlich strengen Bei Bekanntmachung durch die oberste Bau-
Verfahren (sechs Verfahren nach Systemen 1+ rechtsbehördeals Technische Baubestimmun-
bis 4), die alle die werkseigene Produktionskon- gen erhalten Technische Regeln den Charakter
trolle des Herstellers (Eigenüberwachung) und von Rechtsnormen.
darüber hinaus je nach Produktbedeutung Von den in der Bauregelliste A bekannt ge-
strengere Kontrollen durch externe Prüf-, Über- machten Technischen Regeln für geregelte Bau-
wachungs- ·oder Zertifizierungsstellen (PÜZ- arten (z.B. Bemessungsregeln) kann abgewichen
Stellen) enthalten. Für alle Stahlbauprodukte gilt werden, da sie ihrem Charakter entsprechend
System 2+ [Bossenmayer 1999]. nur eine Möglichkeit zeigen, die Anforderungen
Bauprodukte nach geltenden deutschen Vor- der Bauordnung im Hinblick auf die Abwehr von
schriften sind in der Bauregelliste Ades Deut- Gefahren zu erfüllen. Auch andere Wege sind er-
schen Instituts für Bautechnik (DIBt) bekannt laubt. Dabei ist nachzuweisen, daß die Ausfüh-
gemacht; für den Metallbau gilt Kapitel 4 der rung insgesamttrotzder Abweichung den bau-
Bauregelliste A Teil 1. Sie gilt für Bauprodukte rechtlichen Anforderungen gerecht wird.
nach bekannt gemachten technischen Regeln, Bei wesentlichen Abweichungen sind Anwend-
nach allgemeinen bauaufsichtliehen Zulassun- barkeitsnachweise in Form einer allgemeinen
gen des DIBt oder nach allgemeinen bauauf- bauaufsichtliehen Zulassung oder einer Zustim-
sichtliehen Prüfzeugnissen einer anerkannten mung im Einzelfall für die Bauart erforderlich.
Prüfstelle. Für Bauprodukte nach europäischen Durch diese Öffnung für Abweichungen wird der
Vorschriften ist die Bauregelliste B vorgesehen. innovativen Dynamik des Bauwesens Rechnung
Neben den Bauprodukten gibt es den Begriff getragen.
"Bauarten", im Sinne der Landesbauordnungen Die Liste der Technischen Baubestimmungen
entstanden durch Zusammenfügen von Baupro- hat folgende Gliederung:
dukten zu baulichen Anlagen oder Teilen davon, 1. Technische Regeln zu Lastannahmen,
(z.B. eine konventionell errichtete Halle). Bauar- 2. Technische Regeln zur Bemessung und Aus-
ten, die den technischen Baubestimmungen ent- führung,
sprechen, bedürfen keines besonderen Anwend- 3. Technische Regeln zum Brandschutz,
barkeitsnachweises. Bauarten, die von techni- 4. Technische Regeln zum Wärme- und zum
schen Baubestimmungen wesentlich abweichen Schallschutz,
oder für die es allgemein anerkannte Regeln der 5. Technische Regeln zum Bautenschutz,
Technik nicht gibt (nicht geregelte Bauarten) 6. Technische Regeln zum Gesundheitsschutz,
dürfen nur verwendet werden, wenn für sie eine 7. Technische Regeln als Planungsgrundlagen,
bauaufsichtliche Zulassung des DIBt oder eine Anlagen zu den Technischen Regeln.
Zustimmung im Einzelfall der zuständigen ober-
sten Bauaufsichtsbehörde erteilt ist. Die Liste enthält folgende Normen des Stahl-
Bauarten bedürfen keiner Kennzeichnung mit baus:
dem Ü-Zeichen oder CE-Zeichen; es genügt die - DIN 4119-1 und -2,
schriftliche Bestätigung der Übereinstimmung - DIN 4132,

3-222 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


- DIN 18800-1,-2,-3,-4,-7 sowieÄnderungA1 sowie die Anwendunggsnormen
zu den Teilen 1 bis 3, - EC3-2 Brückenbau,
- DIN 18801, - EC3-3 Hochbau,
- DIN 18806-1, - EC3-4-1 Tanks, 4-2 Silos, 4-3 Pipelines,
- Stahlverbundträger-Richtlinien und ergän- - EC3-5 Pfahle und Spundwände,
zende Bestimmungen dazu, - EC3-6 Kranbahnträger,
- DIN 18807-1,2 und 3, - EC3-7-1 Türme und Maste, 7-2 Schornsteine.
- DASt-Ri 016,
- DIN 18808, 3.4.2
- DIN 18809, Werkstoffeigenschaften und Grenzzustände
- DIN V ENV 1993-1-1,
- DASt-Ri 103 (NAD), 3.4.2.1
- DINV ENV 1994-1-1, Herstellungsmethoden, Erzeugnisse, Bezeichnungen
- DASt-Ri 104 (NAD);
Anforderungen an Baustähle
als Anlage:
- Verweis auf Anpassungsrichtlinie Stahlbau Stähle durchlaufen in Abhängigkeit von ihrer
(10/1998), chemischen Zusammensetzung und Wärmebe-
- Verweis auf Herstellungsrichtlinie Stahlbau handlung im Festkörper verschiedene Phasen-
(10/1998), umwandlungen, verändern ihre Mikrostruktur,
- Verweis auf DIN 18800-1, und es entstehen charakteristische Gefüge mit
- DIN 4114 in Verbindung mit dem Stahlbrük- spezifischen physikalischen und chemischen Ei-
kenbau und dem Verbundbau. genschaften. Ein Stahl kann durch eine definier-
te Zusammensetzung, (z.B. den C-Gehalt), und
3.4.1.3 durch eine gezielte Einstellung des Gefüges - das
Künftige europäische Normen zur Bemessung ist der bei mikroskopischer Vergrößerung er-
und Ausführung im Stahlbau kennbare innere Aufbau des Werkstoffs - für
unterschiedliche Anwendungsgebiete maßge-
Die zukünftigen europäischen vereinheitlichten schneidert werden: Er kann beispielsweise sehr
Normen zur Bemessung und Ausführung im weich für beste Umformbarkeit oder hart für ho-
Stahlbau sind als Eurocode 3 in Form von Vor- hen Verschleißwiderstand eingestellt werden.
normen ENV 1993 für die Bemessung und als Die Werkstoffwahl für Stahlbauten orientiert
prEN 1090 für die Ausführung veröffentlicht sich i.d.R. an folgenden Anforderungen, zu de-
worden und werden zur Zeit von CEN/TC 250 nen es bestimmte Werkstoffeigenschaften gibt:
und CEN/TC 135 in EN-Normen überführt. 1. Festigkeitsanforderungen, z.B. charakteristi-
In Deutschland werden sie als DIN-EN-Nor- sche Werte der Streckgrenze [y und Zugfestig-
men bekannt gemacht; sie werden nach einer keit fu (in Verbindung mit der Dehnung Eu bei
Übergangszeit die nationalen Normen ersetzen. Bruch).
Die vorgesehene EN -1993-Reihe für den Stahl- 2. Anforderung an die Verarbeitbarkeit, z.B.
bau umfaßt die Grundnorm EC3-1 mit den Tei- Schweißeignung (beeinflußt durch chemische
len Zusammensetzung, z.B. das Kohlenstoffaqui-
- 1-1 Allgemeine Bemessungsregeln, valent und Nachbehandlung), Kaltumform-
- 1-2 Tragwerksbemessung im Brandfall, barkeit (abhängig von 65) oder Verzinkbarkeit
- 1-3 Kaltgeformte dünnwandige Bauteile, (abhängig vom Siliziumgehalt).
- 1-4 Nichtrostende Stähle, 3. Anforderung bei verschiedenen Temperatu-
- 1-5 Plattenbeulen, ren, z.B. Warmfestigkeits- oder Kriechverhal-
- 1-6 Schalentragwerke, ten (bei Warm- und Heißbetrieb ), Festigkeits-
- 1-7 Plattenformige Tragwerke, verhalten im Brandfall oder Bruchverhalten
- 1-8 Anschlüsse, bei niedrigen Temperaturen.
- 1-9 Ermüdung, 4. Verhalten bei Korrosionsangriff, z. B. Stahl mit
- 1-10 Sprödbruchbemessung, normalem Korrosionsverhalten ohne oder mit
- 1-11 Zugglieder, Seile Korrosionsschutz durch Beschichtung oder
Überzug, wetterfester Stahl, nichtrostender
Stahl.

Stahlbau 3-223
Im Sonderfall können noch weitere Anforde- des Roheisens aus dem Hochofen mit 3%-4%
rungen, z. B. hinsichtlich des Verschleißwider- Kohlenstoffgehalt auf für Schmieden und Wal-
stands oder der Magnetisierbarkeit, dazukom- zen geeignete Gehalte von ca. 0,1% C handwerk-
men. lich im Flammofen (Puddelofen) erfolgte.
Mit der Erfindung des Bias-Frischverfahrens
Herstellungsmethoden des Roheisens mit Luft (Windfrischverfahren) in
der Bessemer-Birne und der Verbesserung dieses
Es gibt heute mehrere Stahlerzeugungsrouten Verfahrens zum Frischen von auch phosphor-
[Bleck 1999]. Die konventionelle Hochofen-Kon- haltigem Roheisen nach dem Thomas-Verfahren
verter-Route arbeitet mit flüssigem Roheisen, wurde ab ca. 1900 das industrielle Frischverfah-
das im Konverter gefrischt wird (Abb. 3.4-1 ); die ren zur Herstellung von wesentlich homogene-
Schrott-Lichtbogenroute verwendet feste Ein- ren und wirtschaftlichen Flußstählen eingelei-
satzprodukte, also Schrott oder Eisenschwamm tet. Günstigere Qualitäten als mit diesem Kon-
als Ergebnis direkter Reduktionsverfahren, (s. verterverfahren wurden mit dem aus dem Pud-
hierzu 3.1). delverfahren entwickelten Herdfrischverfahren
Bei historischen genieteten Stahlkonstruktio- (SM (Siemens-Martin)-Verfahren) wegen des
nen [Petersen 1994] wird noch Schweißeisen längeren und kontrollierteren Frischvorgangs
(Puddeleisen) angetroffen, bei dem das Frischen erzielt. Dabei kann auch Schrott verarbeitet wer-

Sauerstoffkonverter
a Hochofen-Konverter-Route b Schmelzreduktion

gas
m
Wirbelschicht Schrott

Elektrolichtbogenofen ~ Elektrolichtbogenofen

c Direktreduktion d Schrott-Elektro Iichtbogen ofen-Route

Abb. 3.4-1 Unterschiedliche Stahlerzeugungsrouten [Bleck 1999)

3-224 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


den. Beide Verfahren bildeten die Grundlage der Nach dem Frischen wird der flüssige Stahl mit
Massenbaustähle. Zur Unterscheidung von Alt- Aluminium beruhigt (desoxydiert) und in Ko-
stahlproben nach dem Herstellungsverfahren s. killen zu Blöcken oder heute meist im Strang-
[Langenberg 1995]. gießverfahren endproduktnah in Brammen oder
Heute ist das Thomas-Verfahren vollständig Rohprofile vergossen, um so bei der Warmum-
und das Siemens-Martin-Verfahren zum größ- formung die Zahl der Walzstiche für das Endpro-
ten Teil durch das Sauerstoff-KonverterverJahren dukt zu senken.
ersetzt, bei dem technisch reiner Sauerstoff auf
(LD-Verfahren) oder/und durch das Schmelzbad Verbesserung der Festigkeits-
geblasen wird. Dabei wird etwa 20% Schrott zu- und lähigkeitseigenschaften
gegeben. Mit diesen modernen Verfahren wer-
den besonders hochwertige Stahlgüten erzielt Die Streckgrenzenbereiche schweißgeeigneter
mit niedrigen Gehalten an Spuren- und Begleit- Baustähle gehen aus Abb. 3.4-2 hervor [Zimnik/
elementen. Freier/Seifert 1991]. Verbesserte Festigkeits- und
Auf der Schrott-Lichtbogen-Route wird der Zähigkeitseigenschaften können durch Korn-
Rohstoff Schrott zur Stahlerzeugung genutzt. verfeinerung und Vergleichmäßigung des Gefü-
Früher wurde diese Route vornehmlich für Edel- ges erzeugt werden, die durch
stahl, heute durch UHP-Lichtbogen in Ministahl- a) Legierungsbestandteile,
werken und großen Anlagen für Massenstähle b) geeignete thermische Behandlung, (z.B. Nor-
eingesetzt. Angesichts der Einsparung der auf- malisieren, Vergüten) oder durch thermome-
wendigen Erz- und Kohlevorbereitung sowie der chanische Behandlung (TM)
metallurgischen Reduktionsarbeit ist sie ein ko-
stengünstiger und umweltfreundlicher Produk- bewirkt werden.
tionsweg, mit dem bereits mehr als 30% des Der klassische S355N normalgeglüht nach EN
Stahls weltweit hergestellt wird. 10025 erhält z.B. seine Festigkeit durch C-Gehal-

1100
N/ mml
1000

900

800

700

600
.,c~
t;, 500
..><
~
"' 400

300

200
SEWD83 Werk-
Werk- Werk-
100 EN 10025 EN 10113 u. Werkn.
normen normen normen
u. DIN 17172
0---------------+--------------------r------
ferritisch-perlitisches Gefüge perlitreduziertes Gefüge Vergütungsgefüge
Kohlenstoffgehalte
::;; 0,20% 1 ::;; o,12% ::> 0,20%

Abb. 3.4-2 Streckgrenzenbereiche schweißgeeigneter Baustähle [Zimnik 1991 )

Stahlbau 3-225
konventionelles thermomechanisches
Walzen Walzen

Abb. 3.4-3 Warmwalzverfahren zur thermomechanischen Behandlung {Dahi/Hagen u. a. 1991)

te bis 0,22% und zusätzliche 1,6% Mn und 0,55% Die Terrassenbruchgefahr kann durch beson-
Si, während der Feinkornstahl S 355M nach dere Entschwefelungsverfahren, die zu Z-Güten
EN 10113 seine Festigkeit und Zähigkeit durch der Stähle nach DIN EN 10164 führen, beseitigt
eine Abstimmung der eng definierten Legie- werden. Wann solche Z-Güten erforderlich sind,
rungszusammensetzung (speziell der kornfei- kann mit Verfahren in EN 1993-1-10 ermittelt
nemden Elemente V, Ti, Nb) mit tiefen Kohlen- werden.
stoff-Äquivalenten mit einer temperaturgesteu-
erten Warmumformung und Abkühlung erhält, Liefertarmen
(Abb. 3.4-3). Kennzeichnend ist für die Walzung
der TM -Stähle die Herabsetzung der Endwalz- Warmgewalzte Erzeugnisse für die Weiterverar-
temperatur soweit, daß keine Rekristallisation beitung sind Walzprofile, Stabstähle, Breitflach-
des Austenits mehr erfolgt oder sogar der bereits stähle, Bänder und Bleche. Bleche werden auch
umgewandelte Ferrit durch Umformung direkt als Halbzeug mit oder ohne Oberflächenbe-
verfestigt wird. Dabei werden Wärmebehand- schichtungen und metallischen Überzügen in
lungsprozesse, die sonst hintereinander erfol- Kaltwalzwerken zu Profilblechen und Kaltprofi-
gen, in einen Vorgang integriert [Dahl/Hesse/ len weiter verarbeitet. Hohlprofile werden naht-
Krabiell 1991]. los warmgewalzt oder aus gewalzten Flach-
Ein niedriger Kohlenstoffgehalt von 0,08% bis stählen geschweißt. Einen Überblick über liefer-
0,12% C führt bei den Feinkornbaustählen zu ei- bare Proflle enthält z.B. [Schneider 1998].
ner verbesserten Zähigkeit in der WärmeeiD- Alle Lieferungen unterliegen Streuungen der
flußzone WEZ und ermöglicht Schweißen von 1. Geometrie wie Querschnittsabmessungen,
größeren Blechdicken auf der Baustelle ohne Rechtwinkligkeit und Ebenheit, Stegzentrie-
Vorwärmen. rung und Geradheit, die durch Liefertoieran-
zen eingeschränkt sind;
Quer- und Dickeneigenschaften 2. Werkstoffeigenschaften wie Festigkeitswerte,
Zähigkeitskennwerte der Proben, die durch
Bedingt durch den Umformvorgang besitzen Mindestwerte begrenzt sind;
Bleche in Walzrichtung ein günstigeres Deh- 3. Eigenspannungen und ungleichmäßigen
nungsvermögen als in Quer- und Dickenrich- Streckgrenzenverteilungen, die durch un-
tung, da die Auswalzung nichtmetallischer Be- gleichmäßige Abkühlungsvorgänge oder Kalt-
gleiter, v. a. von Mangansulfiden, zu zeilenförmi- verformungen eingeprägt sind.
gen Einschlüssen führen kann. Bei Zwängungen
in Dickenrichtung können sog. Terrassenbrüche Die Abweichungen dieser Eigenschaften von den
auftreten. Sollwerten werden als geometrische und struk-

3-226 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


turelle Imperfektionen bezeichnet. Soweit sie und Nachbehandlung ein. Abbildung 3.4-4 gibt
sich auf die Tragfähigkeit auswirken, werden sie einen Überblick über Stahlbezeichnungen.
in den Berechnungsverfahren berücksichtigt.
3.4.2.2
Bezeichnungen Festigkeits- und Zähigkeitseigenschatten
als Funktion der Temperatur
Baustähle werden nach der Streckgrenze und
nach ihrer Zähigkeit, ausgedrückt in Kerb- Festigkeitseigenschaften
schlagarbeit bei einer bestimmten Temperatur,
in Stahlsorten unterteilt. Die Stahlbezeichnun- Die Festigkeitseigenschaften der Werkstoffe wer-
gen gehen auf Stahlsorten, Sonderbehandlung den an standardisierten Rundzugproben oder

Abb. 3.4-4 Stahlbezeichnungen [SZS 199n

Stahlbau 3-227
Flachproben nach DIN EN 10002 ermittelt, die querschnittsfließen ermöglichen. Damit wird
die technische Spannungs-Dehnungslinie der die Anwendung plastischer Berechnungsverfah-
Probe oder die wahre Spannungs-Dehnungsli- ren für die Schnittgrößenverteilung möglich
nie des Stahls liefern, (Abb. 3.4-5). In den Werk- (z.B. Fließgelenkverfahren). Der Bereich ober-
stoffnormen sind Mindestwerte für die Streck- halb von Ta wird als "HochJage" bezeichnet und
grenze /y und die Zugfestigkeiten fu spezifiziert. ist durch makroskopisch zähes Bruchverhalten
Für die üblichen Baustähle mit ferritisch-per- mit vollständig mikroskopischem Gleitbruch ge-
litischem Gefüge unterschiedlicher Festigkeit kennzeichnet.
sind die wahren Spannungs-Dehnungslinien Unterhalb Tm schließt sich mit fallender Tem-
parallel verschoben; sie führen über das Stabi- peratur das "Obergangsgebiet" an, in dem ma-
litätskriterium o · 6A =A · cSo zu unterschiedli- kroskopisch geringere plastische Verformungen
chen Zugfestigkeiten fu und Gleichmaßdehnun- auftreten. Im Bereich zwischen Tm und Tgy (In-
gen der Proben [Dahl/Hesse/Krabielll983]. Die dex gy für general yield=Erreichen der Streck-
wahren Spannungs-Dehnungslinien kennzeich- grenze im Nettoquerschnitt) reichen die plasti-
nen das Werkstoffverhalten und können für FE- schen Verformungen aus, um mindestens Netto-
Untersuchungen eingesetzt werden; die techni- querschnittsfließen zu erzeugen. Das führt auf
sche Spannungs-Dehnungslinie gilt nur für den jeden Fall zum Abbau von Spannungsspitzen im
Zugversuch mit standardisierten Prüfkörpern. Querschnitt. Für die Berechnung der Schnitt-
Abbildung 3.4-6 zeigt schematisch das Bruch- größenverteilung liegt die elastische Systembe-
verhalten von zugbeanspruchten Bauteilen mit rechnung auf der sicheren Seite.
rißartigem Querschnittsfehler in Abhängigkeit Definitionsgemäß trennt die Temperatur Tgy
von der Temperatur und in Verbindung mit den den Bereich des makroskopisch spröden vom ma-
Lastverformungskurven und dem globalen ma- kroskopisch zähen Bruchverhalten. Ti kennzeich-
kroskopischen Bruchverhalten im unteren Teil- net den Temperaturübergang von einem zum an-
bild und dem lokalen mikroskopischen Bruch- deren mikroskopischen Bruchmechanismus bei
mechanismus Spalt- oder Gleitbruch im oberen Rißinitiierung und liegt i. allg. oberhalb Tgy·
Teilbild.
Der Temperaturbereich oberhalb Tm kenn- Zähigkeitseigenschatten
zeichnet den Bereich mit großen plastischen
Verformungen vor Bruch, die den plastischen Die qualitativen Zähigkeitseigenschatten der
Ausgleich lokaler Spannungsspitzen und die Bil- Werkstoffe werden bruchmechanisch mittels
dung globaler Fließmechanismen aus Brutto- standardisierter Kleinproben .ermittelt (Abb.

1200

--
N/mml ~do I I I
TE 800
I

1000 ,..../
5690- N/mm2
~6!90 I
I
I
I

/ ~ I 600
L/ V I
I I

~5460

v- ~
"'
c 800 ,../ I
:::>
c ~ N~ss
c .,..---.;; 5355 / ......-
v- -}--- n
./

V
&600
523~
~V -r==-
t'! ... 15235
..c
I I I I
~400 200 Probenformen: Rundzugprobe B8 · 80 -
/'
f-
I I
(Versuchslange-100 mm)
I I df =da · A +dA· a Prüftemperatur: RT
I I
200 df=O=> da =a 0
I I dt 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30
0
I
I : I I I I Dehnung
0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30
wahre Dehnung

Abb. 3.4-5 Wahre Spannungs-Dehnungslinien und Technische Spannungs-Dehnungslinien, ermittelt fiir Rundzugproben
B8 x 80, Prüftemperatur RT [Dahi/Hesse/Krabiell1983)

3-228 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bruchmechanismen (mikroskopisch) G)

""
c:
:::>
c:
c:
"'
0..
V>

B BD Tm

FLv !rt;-
Temperatur-
• o BnKh (D

Lv 'b.. I
linear-elastisch ! elastisch-plastisch

~ Sprödbruch ~~ Zähbruch ~M
Proben- und Bauteilverhalten (makroskopisch) 0
Abb. 3.4-6 Festigkeit-Temperatur-Diagramm [Liessem 1996]

3.4-7). Die bruchmechanische Zähigkeit kann in


Form eines kritischen Wertes des ]-Integrals
oder der Rißöffnung CTO D ausgedrückt werden
(Abb. 3.4-8). Im linear elastischen Bereich wird
auch der Spannungsintensitätsfaktor K verwen-
det, der mit dem]-Integral durch
K2 im ebenen Spannungs-
J=-
E zustand (ESZ)

im ebenen Dehnungs-
zustand (EDZ) (3.4.1) Abb. 3.4-7 CT-Probe zur Ermittlung des J-Wertes, CTDD·
Wertes oder K-Wertes [Verein Deutscher Eisenhütten-
leute 19921
verknüpft ist (Querkontraktionszahl v = 0,3 ).
Abbildung 3.4-8 zeigt analog zu Abb. 3.4-6 im
Werkstoffzähigkeits-Temperaturdiagramm den für stabile oder instabile Rißinitiierung (Indizes
Verlauf der bruchmechanischen Zähigkeits- i oder c) gelten allgemein als geometrieunab-
kennwerte und ihren Anwendungsbereich. hängig und auf Bauteile übertragbar. Die Tem-
Bruchmechanisch ist die Unterscheidung nach peratur Ti kennzeichnet den Übergang zwischen
dem Temperaturbereich, in dem Rißwachstum diesen Bereichen.
ausschließlich instabil (Spaltbruch, Index c) auf- In einem mit"u" indizierten übergangshereich
tritt, und nach dem Bereich, in dem ein stabiler, findet nach der Initiierung von stabilem Riß-
d. h. nur unter Lastzunahme wachsender Riß ini- wachstum noch ein Umklappen (u) des Bruch-
tiiert wird (Index i, Gleitbruch), von Bedeutung. mechanismus in einen instabilen Riß statt, be-
Bruchmechanische Kennwerte aus Kleinproben vor die Maximallast erreicht wird. Oberhalb der

Stahlbau 3-229
Bruchmechanismen {mikroskopisch) G)
K'\S\.,
~1 Spaltbruch ~'( <( ( <ZI Gleitbruch ~
Pi JT,

aoo•.J. : aoo.,..,J",..
I

I Tgy T,
Temperatur -

·L. !:t.
I
• Fm., ' FBruch CD

linear-elastisch 1
t~.
elastisch-plastisch
'b..
~ Sprödbruch ~~~Zähbruch ~&
Proben· und Bauteilverhalten {makroskopisch)

Abb. 3.4-8 Zähigkeit-Temperatur-Diagramm (Uessem 1996)

Temperatur Tm kann man trotz der genaueren !J.Te abgeschätzt werden. Dazu existieren Unter-
Definition mit Ta bereits von Hochlageverhalten suchungen für bestimmte Stähle. Moderne Stäh-
sprechen, weil dort kein instabiles Bruchverhal- le werden aluminiumberuhigt vergossen, und die
ten vor Erreichen der Maximallast stattfindet. Stickstoffgehalte werden auf unter 0,01% einge-
Bruchmechanische Übergangswerte (Index u) stellt; sie gelten als alterungsbeständig.
und Maximalwerte (Index m) aus Kleinproben Anstelle der bruchmechanischen Werkstoft-
sind geometrieabhängig und daher nicht über- kennwerte werden i.d.R. für die Stahlsortenbe-
tragbar auf beliebige Bauteilkonfigurationen. zeichnungen Werkstoffkennwerte des Kerbschlag-
Der Einfluß stoßartiger Belastung (z.B. bei biegeversuchs verwendet, bei dem für standar-
Anprallast) kann über das gleiche Temperatur- disierte gekerbte Probekörper die Schlagenergie
diagramm wie in Abb. 3.4-8 berücksichtigt wer- Av (in Joule) abhängig von der Temperatur TAv
den, indem die Temperaturkurve der bruchme- ermittelt wird. Die Av- T-Kurve (Abb. 3.4-9) hat
chanischen Zähigkeit Kc oder Je um einen ähnlichen Verlauf wie die Temperaturkur-
ve der bruchmechanischen Zähigkeit, läßt aber
1440- f [ f. ] 1' 5 keinen direkten quantitativen Sicherheitsnach-
!J.T = Y ln- (3.4.2)
' 550 f. 0 weis zu. Daher wird über die Sanz-Korrelation
ein Temperaturzusammenhang zwischen der
nach rechts (ungünstig) verschoben wird. Mit Av-T-Kurve und der Kc·T-Kurve hergestellt (s.
zunehmender Streckgrenze nimmt der Einfluß 3.4.3.2). In den Werkstoffnormen werden Tem-
der Dehngeschwindigkeit f. ab [Liessem 1996]. peraturen TAv= T271 angegeben, bei denen die
Der Einfluß der Kaltverformung und Alterung Mindestwerte der Kerbschlagarbeit (z.B. Av=
kann in ähnlicher Weise durch eine Verschiebung 27 J) erreicht werden müssen.

3-230 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


500 .... J,
o oben, längs kN/m • l;
"' oben,quer 400 " J.
• Mitte, längs D l.,.x
• Mitte, quer
~ 300
0>
~
~200

100

0~~~~~~=:~~ o -~-r...-,-...-.--,.-.-.....,.......,. ..........,.....,.,.....-.--T""T""..,.


- 150 - 125 - 100 - 75 - 50 - 25 0 25 50 °( - 150 - 125 - 100 - 75 - 50 - 25 0 25 50 °(
Temperatur Temperatur

Abb. 3.4-9 Verläufe der Av-T-Kurve und der J-T-Kurve [Liessem 1996)

1~
6
4
% Zugspannung 180 1
210, I
T
'

--
170j 100; so; N/mm2
""10
5 8
~ ~ 7
/
/ I
I
I
'; 2
."
c: / I /

- --
~ 1
~ 8 ~ / / /
6 / /
~ /

10-1
- ~
- 1--
--------
700 °(

4·102 I
N/mm2 1% Kriechgrenzkurve 1_:;.o Kriechspa~nungs-

-
360

----==::::::
2 ~ br~chkurve -

-
25,0 !,Q - -
42.
0,2% Kriechgrenzkurve
-
10
1 10 10"
Zeit

Abb. 3.4-10 Kriechkurven und Grenzspannungen [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992)

Warmfestigkeit und Kriechen warmfester Stähle (z. B.lS Mo 3) erforderlich ma-


chen [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992].
Normale Baustähle sind nur bis zu Temperaturen Für die Sicherheitsnachweise unter höheren
von 300 bis 350 °C verwendbar. Oberhalb dieser Temperaturen werden unter konstanten Span-
Temperaturen (z.B. im Kraftwerksbau) können nungen Kriechkurven ermittelt (Abb.3.4-10),die
Gefügeänderungen (Gefügeänderungen mit die Bestimmung der Bruchspannung a 8 r oder
Kriecherscheinungen) auftreten, die die Wahl Spannung mit festgelegter Kriechverformung

Stahlbau 3-231
(z.B. ao,Zt) in Abhängigkeit von der Standzeit

I
aus einer Festigkeitskurve im doppeltlogarith-
mischen Zeit-Festigkeitsdiagramm (a- t- Dia- kE<II• 1)41 fr E(in%ihres Wertes bei 20 °()
gramm) ermöglichen. ·

~~ • T
100 E
Werkstoffeigenschaften für den Brandschutznachweis

Für den Brandschutznachweis wird zwischen


thermischen und mechanischen Weckstoffei- 0 100 200 300 400 500 600 700 °(
genschaften unterschieden. Thermische Werk-
stoffeigenschaften sind Abb. 3.4-11 Elastizitätsmodul und Fließgrenze eines
- die Temperaturdehnung a 1, Baustahls in Abhängigkeit von der Temperatur
- die spezifische Wärmekapazität Ca und [Hirt/Bez 1998)
- die Wärmeleitfähigkeit Aa,
bei Schweißnähten) und die Eigenspannungen
die sämtlich temperaturabhängig sind (s. möglichst wirklichkeitsnah enthalten sind (s.
[Schaumann 1998]). Für vereinfachte Brand- 3.4.5).
schutznachweise kann mit den Werten Für Zwecke der Ermüdungsbemessung wer-
a1 = E<l>= 14·10-6 (cf>-20°), den Prüfkörper mit standardisierten Details
schwingenden Belastungen mit konstantem
Ca = 600 J/(kg · K), SpannungsspielfloR unterzogen und die Bruch-
Aa = 45 W/(m·K) lastspielzahlen NR registriert. Im doppeltloga-
gerechnet werden. rithmischen Maßstab lla-N ergeben Linien glei-
Die mechanischen Werkstoffkenngrößen wer- cher Bruchwahrscheinlichkeit für jedes Detail ei-
den in der Weise bestimmt, daß das Kriechen des ne Gerade (Wöhler-Linie) mit der Neigung m,
Stahls in die Beschreibung einer Spannungs- die unter normalen Korrosionsbedingungen
Dehnungslinie einbezogen wird. Dazu werden (nicht Seewasser) eine Dauerfestigkeit llav
an standardisierten Prüfkörpern Aufheizversu- kennt (Abb. 3.4-12).
che durchgeführt. Die Probe wird mit einer kon- Die bruchmechanische Berechnung der Er-
stanten Last unter Raumtemperatur belastet, müdung geht vom Vorhandensein von Anfangs-
dann wird die Probentemperatur erhöht, bis Ver- rissen a0 und einem Rißwachstum aataN auf-
sagen eintritt. Die Erwärmungsgeschwindigkeit geund der schwingenden Belastung bis zu einer
beträgt z. B. 10 K/min. Gemessen werden die Tem- kritischen Rißgröße acrit aus, bei der Bruch statt-
peratur und die Dehnung. Die Versuche werden findet. Das Rißwachstumsgesetz folgt der Paris-
mit unterschiedlichen Lastniveaus wiederholt. Gleichung
Aus den bei einer bestimmten Temperatur für
die einzelnen Lastniveaus erreichten Dehnun- (3.4.3)
gen können die Spannungs-Dehnungslinien und
die temperaturabhängigen Daten für den E-Mo- mit Konstanten C und m, die experimentell er-
dul und die Festigkeitswerte abgelesen werden mittelt werden. Bei geschweißten Konstruktionen,
[Heinemeyer 2000]. bei denen die Ermüdungsfestigkeit ausschließ-
Für vereinfachte Brandschutznachweise darf lich aus dem bruchmechanischen Rißwachstum
ein bilinearer Spannungs-Dehnungsverlauf mit erklärt werden kann, sind die Neigungswerte m,
den Werten E<1>=kE<1> E,fy<l>=ky<l>/y mit Bezug auf Dauerfestigkeiten und Schwellenwerte nach
die Werte E und /y bei Raumtemperatur ange- Abb. 3.4-13 miteinander verknüpft [Kunz 1992].
nommen werden (Abb. 3.4-11 ).
3.4.2.3
Ermüdungsfestigkeiten Grenzzustände und Anforderungen

Für die Anwendungen des Stahlbaus werden Er- Grenzzustände


müdungsfestigkeiten nach Möglichkeit mit bau-
teilähnlichen Prüfkörpern bestimmt, in denen Stahlbauten sind so zu entwerfen und zu bauen,
die Maßstabeffekte, die metallurgischen und geo- daß sie gegenüber den Einwirkungen z.B. aus
metrischen Bedingungen der Herstellung (z.B. Klima und Nutzlasten tragsicher und gebrauchs-

3-23 2 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


500
N/mm2
statis~e Festigkeit
''
:,~ / Mittelwert der Ergebnisse
' ' ' ...
100 ' '
·~··
o\~
' , ·1
'~ statistische Verteilung der Ergebnisse
50 /' I
95% Überlebens~ h, •
• Versuchsergebnisse Wahrscheinlichkeit ~ "_ _ o- Daue,;est1gkeit
', E
'
lO L-----~----~--------~-----T----~-----r----- N
102 W 104 1os 106 1Q7 lOS

Abb. 3.4-12 Ermüdungsfestigkeit aus Bauteilversuchen [Hirt/Bez 1998]

Spannungsdifferenz t..o da
dN
1000 Zeitfestigkeit N= C* · t..<r"'
m 104
mm
106

lOS

10 ~----+-----;-~--~----~ 1Q1 0 l - - - ----'- - - ; - - - -- - - ;


104 1QS 106 Ne W lOS 10 t..K.i, 100 N/mm3n 1000
Anzah l SpannungswechselN Spannungsintensität t..K

Abb. 3.4-13 Vergleich der Ermüdungsfestigkeitskurve mit der Rißwachstumskurve [Kunz 1992]

tauglich sind. Die Tragsicherheit ergibt sich aus


der Bauordnung und liegt im öffentlichen Inter-
esse. Die Bemessungsnormen (z.B. EN 1993) S,R
stellen Regeln für die Bemessung bereit, mit de-
nen die Tragsicherheitsanforderung erfüllt wird.
Die Gebrauchstauglichkeit wird im Stahlbau nicht
in Bemessungsnormen geregelt; die Definition Rd
der Gebrauchstauglichkeitsgrenze ist zwischen
sd .,__
-~ --
Bauherrn und Planer je nach Funktionsanforde- sk cd
rung zu vereinbaren.
- - --"

Dementsprechend gibt es bei der Bemessung IEd$ ( d I


Gebrauchstauglichkeitsnachweise und Tragsi-
cherheitsnachweise, die für sog. Grenzzustände
der Gebrauchstauglichkeit und der Tragsicher-
heit geführt werden. Abbildung 3.4-14 veran- max6 6
schaulicht die Grenzzustände der Gebrauchs-
Abb. 3.4-14 Grenzzustände der Tragfähigkeit ULS und
tauglichkeit und der Tragfähigkeit an der Last- der Gebrauchstauglichkeit SLS am Beispiel der Lastver-
Verformungskurve eines Biegeversuchs mit ei- formungskurve eines Biegevmuchs
nem Stahlträger, bei dem für die charakteristische

Stahlbau 3-233
Belastung Sk die Einhaltung einer Verformungs- zung von Hochlageverhalten durchgeführt wur-
grenze Cd= max 6 und für die Bemessungslast Sd den.
ausreichende Tragfähigkeit RJ, ausgedrückt Um diese Voraussetzung auch bei niedrigen
durch das Maximum der Last-Verformungskur- Temperaturen sicherzustellen, ist ein zusätzli-
ve, gefordert ist. cher Sicherheitsnachweis gegen Sprödbruch er-
Die Nachweise erfolgen in Form von Bilanzen: forderlich. Dieser erfolgt selten explizit anhand
der spezifizierten Werkstoffzähigkeiten (s.
(3.4.4) 3.4.3.2),sondern i.d.R. durch geeignete Stahlgü-
wobei die WerteSkund Sd Belastungsniveaus ei- tewahl, (z.B. nach EN 1993-1-10), der ein pau-
ner statistischen Verteilung darstellen, die im schaler Zähigkeitsnachweis zugrunde liegt.
Hinblick auf die geforderte Zuverlässigkeit Für die meisten Grenzzustände, wie Versagen
durch bestimmte extrem hohe Fraktilen oder von Zugstäben, Biegeträgern, Knicken von Stüt-
Wiederkehrperioden charakterisiert sind. Eben- zen, Beulen von Flächentragwerken oder Scha-
so ist der Bemessungswert der Tragfähigkeit Rd len, treten bei den Versuchen Lastverformungs-
als definierte untere Fraktile einer statistischen verläufe mit ausgeprägten Maxima auf, die ihre
Verteilung von R zu verstehen. Ursache in der Weckung plastischer Reserven
und Wiederverfestigungen im stabilen Bereich
Werkstoffdaten und Grenzzustände sowie der Wirkung von Einschnürungen und
Beulen im abfallenden Ast haben.
Während für die Gebrauchstauglichkeitsnach- Die Streckgrenze /y in Verbindung mit der pla-
weise, die durch Verformungs- oder durch stischen Verformbarkeit, ausgedrückt durch die
Schwingungskriterien bestimmt sind, der Ela- Gleichmaßdehnung, ist daher ein wesentlicher
stizitätsmodul E oder die thermische Ausdeh- Werkstoffparameter für die Höhe der plasti-
nungszahl a 1von Bedeutung ist, spielt bei Grenz- schen Beanspruchbarkeiten Knicken, Platten-
zuständen der Tragfähigkeit eine ganze Reihe und Schalenbeulen. Die Gleichmaßdehnung ist
von in den Werkstoffnormen spezifizierten Werk- stark von der Streckgrenze abhängig und liegt
Stoffeigenschaften eine Rolle (Tabelle 3.4-1). zwischen ca. 22 o/o bei niedrigfesten und ca. 2 o/o
Normale Stahlbauten wie Hochbauten, Brük- bei ultrahochfesten Baustählen. Demgemäß muß
ken und Maste werden für normale Temperatu- die konstruktive Gestaltung von Bauteilen aus
ren bemessen, und die Tragfähigkeiten R sind hochfesten Baustählen mehr auf das begrenzte
aufgrund von Versuchen ermittelt worden, die plastische Dehnvermögen eingehen als bei nied-
im Labor bei Raumtemperatur unter Vorausset- rigfesten Baustählen.
In der Regel wird bei der Bemessung über die
plastische Beanspruchbarkeit /y mit Rücksicht
Tabelle 3.4-1 ln Werkstoffnormen spezifizierte Werk- auf die Begrenzung der Bauteilverformungen
stoffeigenschaftenund Grenzzustände
nicht hinausgegangen, außer in einzelnen be-
schränkten Bereichen, z.B. im Bereich von Net-
Werkstoff- Beanspruchbarkeil toquerschnitten geschraubter Anschlüsse, wenn
eigen schatten
das lokale Fließen in diesen Anschlüssen keine
Zähigkeit Tm • Sprödbruch große Wirkung auf die Gesamtverformung hat.
Streckgrenze fy • plastische Grenzbeanspruch bar- Zugnachweise in Nettoquerschnittsflächen ge-
keit für Querschnitt oder Rahmen schraubter Verbindungen erfolgen deshalb nicht
• Stabknicken, Biegedrillknicken
• Plattenbeulen gegen Fließbegrenzungen, sondern gegen Bruch,
• Schalenbeulen und die Zugfestigkeit fu ist der maßgebende
Zugfestigkeit fu • Zugwiderstand im Nettoquer- Werkstoffparameter für Nettoquerschnittsnach-
schnitt weise und Lochleibungsnachweise. Für die
• Lochleibungswiderstand bei
Schrauben Schrauben selbst gelten die Kennwerte /yb und fub
• Abscherwiderstand bei Schrauben des Schraubenwerkstoffs, und fub ist der maßge-
• teilweise durchgeschweißte Nähte bende Parameter für Scherversagen und Zug-
und Kehlnähte
versagen.
Streckgrenzen- · plastische Rotationskapazität Bei Schweißnähten wird für Bauteile aus Stäh-
verhältnis f,Jf 1 • Empfindlichkeit aufWerkstoffehier
len S235 bis S460 unterstellt, daß die Nahtfestig-
keiten immer über den Festigkeiten des ver-
schweißten Grundwerkstoffs liegen, so daß die

3-234 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Werkstoffkennwerte des Grundwerkstoffs für
die Nahtfestigkeiten herangezogen werden kön-
nen. Das gilt auch für Kehlnähte, für die dem- 0
nach die Zugfestigkeit des Grundwerkstoffs der 0 / bMittelwert-
abweichung
für die Tragfähigkeit maßgebende Parameter ist.
Eine Besonderheit besteht bei Bauteilen von
Tragwerken, die bei Erdbebenbelastungen plan-
mäßig Energiedissipationen durchführen sol- 6 {m6 = 1,0;o6 = v~
len, indem sie auf zyklische Belastungen hin mit Streukorrektur
elastisch-plastischem Hystereseverhalten rea-
gieren sollen. Solche Bauteile werden für Druck
und Zug auf die Möglichkeit plastischer Deh-
nungen hin dimensioniert, um so zu einem Ver-
haltensfaktor q > 1 beizutragen, mit dem die
Erdbebenbelastung reduziert werden darf. Für
solche dissipativen Bauteile werden die An-
schlüsse so bemessen, daß sie die plastischen
Abb. 3.4-1S Bestimmung von Rd durch Kalibration d~
Schnittgrößen der Bauteile aushalten, so daß Bem~sungsmodells Re an Versuchsergebnissen R-.p
kein Bruch des Anschlusses vor Bauteilfließen
auftritt (Kapazitätsbemessung). In diesem Fall
sind hohe Streckgrenzenverhältnisse ful/y wün- sungsformeln in EN 1993 aufgrundvon Versu-
schenswert. chen in großem Umfang angewendet.
Das Streckgrenzenverhältnis steuert in Ver- Das Verfahren in Abb. 3.4-15 wird so ange-
bindung mit der Zähigkeit auch die Empfind- wendet, daß für einen Grenzzustand eine me-
lichkeit von zugbeanspruchten Konstruktionen chanisch sinnvolle Widerstandsfunktion R, für
hinsichtlich rißähnlicher Fehler. Größere Streck- die Bestimmung der Tragfähigkeit angenom-
grenzenverhältnisseund höhere Zähigkeiten er- men wird und hiermit Bauteilversuche nachge-
lauben größere Fehlstellen. Daher sind bei hoch- rechnet werden. Das führt zu einem Wertepaar
festen Stählen größere Ausführungsqualitäten Rexi und R,; für jeden Versuch und mit allen Ver-
erforderlich, da die Zähigkeitsanforderung mit suchen zu der Möglichkeit, die Mittelwertabwei-
dem Quadrat der angelegten Spannung wächst. chung b und die Streukorrektur ö für die ur-
Für Tragsicherheitsnachweise für höhere Be- sprünglich angenommene Widerstandsfunktion
triebstemperaturen gelten besondere Werkstoff- ermitteln zu können. Sind die Versuche nach An-
kennwerte, (s. 3.4.3.4), ebenso für den Katastro- zahl und Qualität ausreichend und repräsenta-
phenlastfall Brand, (s. 3.4.3.5). tiv, dann kann mit Hilfe vonbunddem Varia-
tionkoeffizienten v0 die Bemessungsfunktion Rd
3.4.3 einfach abgeleitet werden.
Grundlagen der Bemessungsregeln In der Regel sind jedoch die Verhältniswerte
Rex/Re; nicht normal verteilt, ihre Aufreihung
3.4.3.1 auf Gauß-Papier ergibt also keine Gerade, son-
Anforderungen und Sicherheit dern eine Kurve (Abb. 3.4-16). Eine Ersatznor-
malverteilung im Bemessungspunkt wird da-
Die Sicherheitsanforderungen sind in EN 1990 durch erzeugt, daß an den unteren Ast der Kur-
angegeben (zu den Grundlagen der Ermittlung ve eine Tangente angelegt wird, die zu der Er-
von Bemessungswerten in den Eurocodes s. auch satzmittelwertabweichung b und der Ersatz-
1.6). Für die Ermittlung der Bemessungswerte streugröße v 0 führt.
für die Beanspruchbarkeiten lag mit den getrof- Meistens sind die angenommenen Bemes-
fenen Vereinbarungen (Sicherheitsindex ß =3,80 sungsfunktionen zu sehr vereinfacht, als daß sie
und Sensitivitätsbeiwert <XR=0,80 für Wider- alle Parameter ausreichend berücksichtigen. Das
standswerte, also a:Rß=3,04) ein Verfahren zur schlägt sich in großen Streuungen nieder. Die
Bestimmung von charakteristischen Festigkeits- Streuungen können verkleinert werden, indem
werten RK und Teilsicherheitsfaktoren YM vor, die Rex/Rci-Werte über den Parametern aufge-
das im Anhang D der EN 1990 niedergelegt ist. tragen und die Funktion R verbessert wird oder
Das Verfahren wurde zur Herleitung der Bemes- indem die gesamte Versuchsanzahl in Unter-

Stahlbau 3-23 5
(m+ 2o) 97,3%

(m+ 2o) 2.7 %

Abb. 3.4-16 Annäherung der statistischen Verteilung durch eine Normalverteilung

gruppen, für die die Parameter konstant sind, YMI = 1,10 für alle Bauteilwiderstände R(fy, X),
aufgeteilt und dafür die Versuchsauswertungen die mit Stabilitätsversagen verbunden sind,
getrennt durchgeführt werden. Das führt zu be- YM2 = 1,25 für alle Bauteil- und Verbindungs-
sonderen Auswertungen, z. B. getrennt nach mittelwiderstände R(fu), bei denen Bezug
Werkstoffgüten für Schrauben. auf die Zugfestigkeit fu genommen wird.
Steht der Auswertemodus fest, so wird bei ei-
ner genügend großen Anzahl von Versuchen wie Indem diese festen YM-Werte vorausgesetzt wer-
folgt vorgegangen: Da sich der Bemessungswert den, werden die charakteristischen Werte RK
durch NennwerteRnen mittels eines Faktors K so
(3.4.5)
bestimmt, daß die BemessungswerteRd erreicht
aus dem charakteristischen Wert RK (meist die werden:
5%-Fraktile) und aus dem YM-Wert zusammen-
setzt, können diese Werte zunächst ermittelt • Rd
RK =Rnen =--yM ·Rnen · (3.4.9)
werden, um die Größenordnungen zu erhalten: ..__,_..__,
Rnen
K
(3.4.6)
Mit diesem Verfahren wurden alle Bemessungs-
Rk (1-1,645 v6 ) regeln in EN 1993 an Versuchen kalibriert.
YM=-= . (3.4.7)
Rd (1-3,04v6 )
3.4.3.2
In der praktischen Bemessung wird aber von Tragsicherheit im Temperaturübergangsbereich
Nennwerten für die Querschnittskennwerte,
(z.B. jy und fu nach den Liefernormen) ausge- Der Tragsicherheitsnachweis im Temperatur-
gangen, die keine charakteristischen Werte sind, übergangsbereich wird mit bruchmechanischen
sondern Mindestwerte. Daher ergibt sich ein an- Zähigkeitskennwerten geführt, indem vorausge-
derer YM*- Wert: setzt wird, das Bauteil sei imperfekt, d.h. durch
einen rißähnlichen Fehler vorgeschädigt Dieser
Y•M -_ R.zen . (3.4.8) rißähnliche Fehler wird als ein Sicherheitsele-
Rd ment in Form einer Imperfektion ähnlich den
Aus umfangreichen Auswertungen für verschie- geometrischen oder strukturellen Imperfektio-
dene Grenzzustände ergeben sich viele ver- nen bei druckbeanspruchten Bauteilen angese-
schiedene YM-Werte, die folgende Reduktion auf hen; er kann von der Fertigung oder Montage
drei Klassen von YM-Werten zulassen: oder vom Betrieb (z.B. Ermüdungsriß) her ein-
YMo = 1,00 für alle elastischen und plastischen gebracht sein (DASt-Richtlinie 009).
Querschnittswiderstände R(/y), die für Quer- Der Tragsicherheitsnachweis kann allgemein
schnittsnachweise zur Vermeidung extremer lauten:
Verformungen verwendet werden,

3-236 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


(3.4.10) GI. (3.4.11) der Wert KMat,d (TE,d) durch eine
standardisierte Kc-TK-Kurve (nach Wallin) und
wobei die bruchmechanische Beanspruchung eine Korrelation zwischen TK und T271 (nach
Jappl für die Geometrie des Bauteils, die Lage und Sanz) ersetzt werden. Dies führt zu
Größe des Fehlers sowie die angelegte Spannung KMat,d(TE,a) = 20+
ermittelt wird. lMat,d ist die bruchmechanische
I

o{exp TE,a-T271 ;;8oC+f).Ta }+10](~; )4


Beanspruchbarkeit, die aus Kleinproben für die
tiefste Temperatur TE,d, für die der Nachweis ge- [7
führt wird, mit geeigneten Verfahren bestimmt
wird. Als niedrigste Bauteiltemperatur wird die (3.4.12)
tiefste Lufttemperatur (etwa 50 Jahre Wieder- mit dem Sicherheitselement !).Ta und der effek-
kehrperiode) und eine geeignete Absenkung tiven Länge der Rißfront beff·
durch Kältestrahlung (::::: 5 oc bei Brücken) ange- Durch Logarithmieren von GI. (3.4.11) erhält
nommen (in Deutschland TE,a==-30°C). man schließlich das Nachweisschema mit Tem-
Aufgrund des katastrophalen Charakters des peraturen nach Abb. 3.4-17, in dem auch der
Eintreffens der tiefsten Temperatur zusammen Dehnrateneinfluß, der bei Fahrzeuganprall oder
mit dem hypothetischen Fehler wird für die Er- sonstiger stoßartiger Beanspruchung besteht,
mittlung der angelegten Spannung CJp die außer- berücksichtigt werden kann. Damit sind mit der
gewöhnliche Lastkombination angenommen, Maßgabe, daß Anfangsfehler bei der Herstellung
d.h. ständige Lasten gehen mit YG= 1.00 und ver- des Bauwerks übersehen werden und infolge Er-
änderlichen Lasten mit 'V 1 ·~(häufiger Wert) in müdungsschädigung über eine Strecke von etwa
CJp =CJG + \j) 1CJQ ein. Ober die Spannung aus Lasten einem Viertel der gesamten Lebensdauer des
CJp hinaus sollte zusätzlich eine Zwängungsspan- Bauwerks bis zum Erkennen bei den Bauwerks-
nung os berücksichtigt werden, die aus der Fern- inspektionen wachsen kann, Tabellen für zuver-
wirkung von Schrumpfungen herrührt. Diese lässige Blechdicken abhängig von Stahlgüte, Tem-
wird in EN 1993-1-10 mit 100 N/mm2 angesetzt. peratur TEd und Beanspruchungshöhe in EN
Das Sicherheitselement in der Nachweisglei- 1993-1-10 entwickelt worden. Bei einer Stahlgü-
chung sollte zweckmäßigerweise aus der Streu- tewahl nach dieser Tabelle ist Sprödbruchsi-
ung der lMar-Werte über der Temperatur ermit- cherheit und ausreichende Schadenstoleranz des
telt werden und durch eine Temperaturver- Bauteils bei Auftreten von rißähnlichen Fehlern
schiebung /).Ta bei der Ermittlung von JMat,d de- erreicht.
finiert werden. Es berücksichtigt auch die loka-
len Eigenspannungen, die durch die Herstellung 3.4.3.3
des betrachteten Schweißdetails (z.B. in einem Tragsicherheit bei Normaltemperatur
bauteilähnlichen Probekörper) entstehen.
Einfacher als mit den J- Werten erfolgt der Die Tragsicherheitsnachweise bei Normaltem-
Nachweis über Spannungsintensitätsfaktoren K peratur werden als Festigkeitsnachweise im
Hochlagenbereich der Zähigkeit geführt. Die
• _ Kappl,d
Kappl,d- -k--S KMat,d (TE,a), (3.4.11) Modelle für die Nachweise zielen darauf ab, die
R6-Q Maxima der Lastverformungskurven möglichst
wobei zur Erfassung der Nichtlinearität des realitätsnah zu erfassen, um infolge kleinerer
Werkstoffs eine Korrektur nach den R6- Verfah- Streuungen wirtschaftlichere Ergebnisse zu
ren vorgenommen wird und p näherungsweise bringen. Daher enthalten die Modelle die Wir-
zu null gesetzt wird, da die Wirkung der lokalen kungen von Werkstoffnichtlinearitäten und geo-
Eigenspannungen bereits durch das Sicherheits- metrischen Nichtlinearitäten [Petersen 1994;
element !).Ta bei der Bestimmung von KMat,d Roik 1978; Hirt/Bez 1998].
berücksichtigt wird. Der Vorteil von GI. (3.4.11) Die Nachweise werden hauptsächlich mit
liegt in der Verwendbarkeit von Handbüchern "Nennspannungen" geführt. Damit werden die
für die Bestimmung von Kapp~d (z.B. nach Raju- Wirkungen von Dehnungsspitzen, die aus Lö-
Newman). chern, Ausschnitten, ungleichen Lastverteilun-
Für einen pauschalen Nachweis als Grundla- gen in Schrauben oder Schweißnähten u.ä. her-
ge einer Normenregelung für die Stahlgütewahl, rühren können, auf die Nachweisspannungen
der auf die in den Liefernormen spezifizierten vernachlässigt und ein lokaler plastischer Span-
Zähigkeitskennwerte T27J Bezug nimmt, muß in nungsausgleich oberhalb der Fließdehnungen

Stahlbau 3-237
---
TEd=Tmin +t.T, I
• niedrigste luftemperatur in Kombination mit oec~
rmin"' - 25 oc
ITEd =T 100 +t.T1 +t.T. +t.T.
• Einfluß der Materialeigenschaften
T100 = T27 -18 °C
• Strahlungseinfluß • Spannungseinfluß um die Rißspitze
t.T,= - 5 oc

(~- 20}(~f -
t.T =52J
f l 70
10
] in °(

• Dehnrateneinfluß
1440 - fy(t) ( t )t,S
t.T · ln-
• 550 i: 0
• additives Sicherheitselement
t.r. =-7 °( (für ~ =3,8)
Abb. 3.4-17 Elemente des bruchmechanischen Tragsicherheitsnachweises unter Berücksichtigung des Dehnrateneinflusses
(OASt-Richtlinie 009)

mit der Folge der Vergleichmäßigung der Span- 3.4.3.4


nungen unterstellt. Tragsicherheit bei höherer Betriebstemperatur
Die Nachweise berücksichtigen auch keine Ei-
genspannungen. Wie schon bei den Nennspan- Bei höheren Betriebstemperaturen wird entwe-
nungen wird unterstellt, daß diese bei Über- der ein Spannungsnachweis gegen die Grenz-
schreitung der Streckgrenze herausplastizieren. spannung ab,tA für den Kriechzeitraum tA oder
Die Eigenspannungen sind nur mittelbar in den ein Nutzungsdauernachweis für das Spannungs-
Festigkeitsfunktionen für druckbeanspruchte niveau Ob,tAIY gegen den Grenzzeitraum tB ge-
Bauteile berücksichtigt, wo sie bei ungünstigem führt (Abb. 3.4-18) [Verein Deutscher Eisenhüt-
Vorzeichen eine Reduktion der Tragfähigkeit be- tenleute 1992).
wirken können. Ihr Einfluß ist auch in der Größe Bei zeitveränderlichen Spannungen oder
der geometrischen Ersatzimperfektion, die an- Temperaturen kann, wenn sich die Kriechbedin-
stelle genauerer struktureller und geometrischer gungen ändern, eine Akkumulationshypothese
Imperfektionsansätze bei der Berechnung der angewendet werden,
Tragfähigkeit druckbeanspruchter Bauteile an-
gesetzt werden, enthalten. (3.4.13)
Die Nachweise arbeiten auch mit vereinfach-
ten statischen Modellen für das wirkliche Trag- indem die relativen Zeitanteile als Schädigungen
werk, z.B. Fachwerke mit angenommenen Ge- addiert werden (Abb. 3.4-19). Bei höheren Fre-
lenken in den Knoten statt wirklicher kontinu- quenzen der Spannungsänderungen, für die Er-
ierlicher Knotenausbildung, da sekundäre müdungsschädigungen nach der Miner-Regel
Zwängungsmomente an den Knoten infolge der auftreten können,
Fachwerkverformung wegen plastischen Aus-
~ n·
gleichs vernachlässigt werden. L.-'-:o;1,0, (3.4.14)
NRi
Diese vereinfachten Berechnungsansätze mit
plastischem Spannungsausgleich gelten nur für besteht die Möglichkeit, die Schädigung aus dem
die Tragsicherheitsnachweise; für Ermüdungs- Kriechen mit der Schädigung aus der Ermüdung
nachweise müssen dagegen die Spannungs- zu akkumulieren:
schwingbreiten unter Berücksichtung elasti-
schen Werkstoffverhaltens mit allen Kerb- und (3.4.15)
Sekundäreffekten ermittelt werden.

3-238 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bemessungstemperatur TA = konst
Bemessungsspannung o A
Bemessungswert der Nutzungsdauer rA
Sicherheit gegen Spannungen: Abschnitt AB = o 81A/o A
Sicherheit gegen Nutzungsdauer: Abschnitt BC= t81tA

::-........;;:...........,,------ - - Streuband der Kriechbruchfestigkeit

lg Zeit r 1A

Abb. 3.4-18 Nachweismöglichkeiten bei höherer Temperatur [Verein DeutscherEisenhüttenleute 1992)

ständigen Lasten, Nutzlasten und Verformun-


gen, denen der Bauwerkswiderstand Rda entge-
genzusetzen ist, der durch die thermische Ein-
wirkung, die Temperatur 8, vermindert ist.
Abbildung 3.4-20 gibt einen überblick über die
in den Eurocodes angebotenen drei Berech-
nungsverfahren, die ein unterschiedliches Ein-
gehen auf die bauliche Situation erfordern.
Das einfachste "ecrit· Verfahren" verlangt
(3.4.16)
ta
Zeit 1
mit
Akkumulation der Akkumulation der
Nutzungszeitanteile Dehnungsanteile Sa,t maßgebende Bauteiltemperatur; das ist
die Bauteiltemperatur, die bei ISO-Brand
r1 r1 rn
- +- +... - =L", nach der in den Brandschutzanforderun-
ta, r82 r8,
gen festgelegten Zeit, (z. B. 30 min für F30),
oder bei Naturbrand nach Ablauf der
Abb. 3.4-19 Schädigungsakkumulation bei Kriechschä- äquivalenten Branddauer erreicht wird.
digung [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992)
Scrita kritische Temperatur, die direkt aus dem
Ausnutzungsgrad des betrachteten Bau-
Angaben zum Grenzwert L sind in den Vor- teils bestimmt wird.
schriften zu finden.
Bei den etwas eingehenderen "Tragfähigkeits-
3.4.3.5 verfahren" wird das betrachtete Bauteil für die
Tragsicherheit im Brandfall maßgebende Bauteiltemperatur festigkeitsmä-
ßig untersucht, indem
Die EurocodesEN 1991 und EN 1993 bieten ein (3.4.17)
umfassendes Brandschutzkonzept an, das - aus-
gehend von den Maßnahmen für den Personen- gefordert wird. Hierbei sind Efi,d die Schnitt-
schutz- im Brandfall die Möglichkeit liefert, das größen aus dem außergewöhnlichen Lastfall
Tragverhalten des Gebäudes in dieser Brandsi- und Rfi,d,t die Bauteilwiderstände zum Zeitpunkt
tuation zu prüfen [Schleich 1998]. t des Brandes, die in weitgehender Analogie zur
Der Brandfall gilt als außergewöhnlicher Last- "kalten Bemessung" bei der "warmen Bemes-
fall mit den mechanischen Einwirkungen Eda aus sung" mit infolge der Temperatur zum Zeit-

Stahlbau 3-239
.....
:> I
Festlegen des Brandverlaufs
EC1-T2.2 I
.......
i!:
"i + +
vereinfachte Berechnungsverfahren erweiterte Berechnungsverfahren
ü:i (Bauteilverfahren) (Teil- und Gesamnragwerke)
.1: EO-T1.2 (2.4.4), (4.2) EO·T1.2 (2.4.2, 2.4.3), (4.3)

..e
.l!!

-s I Berechnung der Bauteiltemperatur


EC1 -T2.2(4) und ECH1.2 (4.2.5) I
Berechnung der
Temperaturverteilung
im Tragwerk EC3-T1.2 (4.3.1)
I I
.....
.~:..,
Tcm·Verfahren
aufTemperaturbasis
ECH1l(4.2.4)
Bauteilverfahren
auf Festigkeitsbasis
EO-T1.2 (4.2.3)
..,_
i~ t
1!1
E"'
Bestimmung des
Lastausnutzungsgrades
Aufstellung der maßgebenden
Lastkombination und Ermittlung
Aufstellung der maßgebenden
Lastkombination und Ermittlung
llo der Einwirkung der Einwirkung

....
....
' ' t

..
'il
....
j
Berechnung von E>crit als
f(p.,)
Berechnung der temperatur-
abhängigen Bauteilwiderstände
Berechnung des Tragverhaltens
(Grenzzustand der Tragfahigkeit)
EC3-T1.2 (4.3.2)

...
'ii
'
ertragbare >vorhandene
' t
Widerstand 2: Einwirkung
~ Widerstand 2: Einwirkung Rd ;:: fd
...
.1: Temperatur- Temperatur
Rd ;:: fd bzw. auf Zeitebene
z"' eai,<: e, t<:tcrit

Abb. 3.4-20 Nachweisverfahren für den Brandschutz [Heinemeyer 2000)

punkt tabgeminderten Steifigkeiten und Streck- wicht, Nutzlasten, Schnee und Wind werden so
grenzen ermittelt werden. aufgefaßt, als würden sie ständig wirken. Ein für
Die weitestgehende Methode ist das "Erwei- solche Lasten möglichst wirklichkeitsnah ge-
terte Berechnungsverfahren", bei dem das Er- führter Nachweis orientiert sich wieder an dem
wärmungsverhalten des gesamten Gebäudes bei Versuch, (s. 3.4.2.3), den man mit dem Tragwerk
Brand an einer bestimmten Stelle in einem Zeit- unter den Bemessungswerten der Lasten und
schrittverfahren simuliert wird. Ebenso wird zu der Beanspruchbarkeiten durchführen könnte.
jedem Zeitpunkt für die gerade erreichte Tem- Das in den Versuchen beobachtete Verhalten der
peratur die Tragfähigkeit des Gebäudes an jeder Bauteile des Tragwerks geht in das Gesamtver-
Stelle überprüft. Die Berechnung wird beendet, halten des Tragwerks ein, z.B. das Momenten-
wenn das Ende der Brandkurve erreicht wird Rotationsverhalten von Biegeträgern.Abbildung
oder wenn das Tragwerk versagt. Bei Tragwerks- 3.4-21 zeigt beispielsweise, wie aus den Momen-
versagen interessiert, ob die erforderliche Feu- ten-Rotationskurven der Elementarträger eines
erwiderstandsdauer erreicht wurde. Durchlaufträgers die Momenten-Rotationskur-
ve des Durchlaufträgers zusammengesetzt und
3.4.4 so die Tragfähigkeit bestimmt werden kann
Tragfähigkeitsnachweise [Hoffmeister 1998].
Die einfachste Bestimmung der Tragfähigkeit
3.4.4.1 erfolgt mit dem allgemeinen Fließgelenkverfah-
Tragfähigkeit von Tragwerken ren, bei dem nur die "plastischen" Anteile der
Momenten-Rotationskurven verwendet und als
Die Tragfähigkeitsnachweise für die gewöhnli- Eigenschaften von Fließgelenken gedeutet wer-
chen Belastungssituationen sind i.d.R. Nach- den (Abb. 3.4-22). Daraus hat sich das spezielle
weise für statische Belastungen, d.h., Eigenge- Fließgelenkverfahren entwickelt, bei dem an-

3-240 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


~ ~ I I I I I I I I I III I ~ ~ I ~ ~ III I I II I r---+Pk

a Tragwerk Durchlaufträger

b Elementarträger A

~Stlllze
c Rotationsversuche füry-fache last ~

d Rotationsversuche Winkel q~
über Lastfaktor y

e Zusammensetzung der
Rotationskurven

Abb. 3.4-21 Zusammensetzung der y-cp-Kurve einesTragwerksaus den y~-Kurven der Elementarträger [Hoffmeister 1998)

stelle der wirklichen "plastischen" Rotations- da der Rotationsnachweis nicht wie beim allge-
kurve eine ideelle lineare Rotationskurve ange- meinen Fließgelenkverfahren im Verfahren
setzt wird, bei der die Beanspruchbarkeil des Ge- selbst enthalten ist.
lenks als vom Rotationswinkel unabhängige Um einen solchen zusätzlichen Rotations-
konstante Größe angesehen wird. Das Rotations- nachweis einzusparen, sind vorneweg für ver-
plateau ist allerdings durch die Rotationskapa- schiedene Tragwerke Rotationsuntersuchungen
zität <i'ror begrenzt, die meist als bezogene Größe durchgeführt worden, die zu einer Klassifizie-
RR=<i>rorl<j>e[-1 ausgedrückt wird. rung von Querschnitten und Verfahren geführt
Bei Anwendung des speziellen Fließgelenk- haben. Für die Begrenzung der Rotationsfähig-
nachweises für die Tragfähigkeitsbestimmung keit von Bauteilen oder Anschlüssen sind näm-
ist deshalb ein zusätzlicher Rotationsnachweis lich im Hochlagenbereich der Zähigkeit des
für die aktiven Gelenke RE5,RR unumgänglich, Werkstoffs und bei Kapazitätsbemessung der

Stahlbau 3-241
V elastisches Verhalten

Abb. 3.4-22 Gesamtrotationskurven und Rotationskurven für die plastischen Anteile IPp~an

Von der praktischen Seite her wird immer das


elastische Berechnungsverfahren mit Annahme
elastischer oder plastischer Querschnittswider-
stände (also Klasse 2 oder Klasse 3) der erste An-
satz bei der Vorbemessung sein, da die Fließge-
lenkverfahren für Klasse-I-Querschnitte und die
Verfahren für die Berechnung der Beanspruch-
barkeiten für Klasse-4-Querschnitte bereits
nähere Vorstellungen von den Abmessungen der
Querschnitte voraussetzen.
Bei elastischen Berechnungsverfahren werden
Abb. 3.4-23 Verhältnisse b!t und h!t druckbeanspruch- zunächst Schnittgrößen ermittelt und dann
ter Querschnittsteile als Maßzahlen für Beulanfälligkeit
und Rotationsverhalten Querschnittsnachweise oder Nachweise für Bau-
elemente wie Anschlüsse, Zugstäbe, Druckstäbe
und Biegeträger geführt, während bei plasti-
Schweißverbindungen die Heulbedingungen der schen Berechnungsverfahren die Gesamtsicher-
mit Druck beanspruchten Querschnittsteile und heit des Systems durch Betrachtung des Ge-
Komponenten verantwortlich, die am besten samtverhaltens im Grenzzustand bestimmt wer-
durch die b/t-Verhältnisse der Heulfelder ausge- den kann (Abb. 3.4-26).
drückt werden können (Abb. 3.4-23).
Abbildung 3.4-24 zeigt den Verlauf der plasti- 3.4.4.2
schen Anteile der Momenten-Rotationskurven Behandlung der geometrischen Nichtlinearität
abhängig von den b!t- Verhältnissen, und Abb.
3.4-25 zeigt die Schlußfolgerungen für die Klas- Die geometrische Nichtlinearität (Theorie 2.
sifizierung von Querschnitten und Berech- Ordnung) muß da berücksichtigt werden, wo sie
nungsverfahren im Hinblick auf die spezielle für die Tragsicherheit einen wesentlichen Bei-
Fließgelenktheorie. Tabelle 3.4-2 gibt die Zah- trag liefert. Als wesentlich wird der Beitrag dann
lenwerte für b!t- Verhältnisse für die verschiede- angesehen, wenn die Biegemomente im Trag-
nen Querschnittsausnutzbarkeiten und Rechen- werkinfolge Theorie 2. Ordnung M" gegenüber
verfahren an. Auf die Eigenschaften von An- Biegemomenten nach Theorie 1. Ordnung M1
schlüssen hinsichtlich der Verformungen und um mehr als 10% anwachsen:
Rotation wird in 3.4.4.5 eingegangen.

3-242 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Klasse 1: für Fließgelenktheorie geeignet (plastisch/plastisch)
Klasse 2: für Ausnutzung des plastischen Querschnittswider-
stands geeignet (elastisch/plastisch)
Klasse 3: für Ausnutzung des elastischen Querschnittswider-
~~~~~------~~ stands geeignet (elastisch/elastisch)
1,0 +,...-.,--~,------i-~ Klasse 4: Berücksichtigung der Querschnittsabminderung in
Form .effektiver Querschnitte• bei Ausnutzung des
elastischen Querschnittswiderstands notwendig
Klasse 1
Klasse 4 Klasse 2
L - - - - - - - - - 1 - - - - - - - - < > R= <p,., - 1
Rmln =3 fü r Klasse 1 <po~

Abb. 3.4-24 Beispiele für die plastischen Anteile von Momenten-Rotationskurven und Zuordnung zu den Querschnittsklassen

Querschnittsausnutzung spezielles Fließgelenkverfahren mit


Mu Ausnutzung des Rotationsvermögens
~M =--
Mol
IE"- elastisches Berechnungsverfahren ohne
I
----'
Berücksichtigung des Rotationsvermögens

~pl +r-77--r-c.-+-=..,
1.0 -14~~,4-- 1----=:....~

'Klasse 1 Klasse 3
Klasse 2 Klasse 4

Abb. 3.4-25 Berechnungsverfahren und Querschnittsausnutzbarkeit in Abhängigkeit vom b/t-Verhältnis

Tabelle 3.4-2 Grenzverhältnisse bft für Druckflansche für verschiedene Berechnungsverfahren und Querschnittsausnutzun-
gen nach OIN V ENV 1993·1-1

H ,_,_,

Jt[
Querschnitts-

t=~
ausnutzung
fy
elastisch plastisch

]:f
gewalzt <=
~
.<=
{! elastisch c/t $ 14t c/IS10t

JE ~tt "'0'>
;:;
I 171 <=
"
<=
.z:;
~
plastisch - c/t$9t
geschweißt
"""'

Stahlbau 3-243
virtuelle Vers<hiebungsfigur
bei RieBgelenkbildung

y AM r Mpr q>
..---.....::-.::-_Y_u_=-;;;- = --u:6
kinematische Kette

Abb. 3.4-26 Last-Verschiebungsfigurdes Tragwerks unter der Lastyp bis zur Bildung der Fließgelenkkette mit den plastischen
MomentenM111

MII-MI 11M 1
---=--~- . (3.4.18)
MI Ml 10
Für Tragwerke mit einem Verformungsverhalten,

/
das weitgehend durch die 1. Knickeigenform,
Tragwerk mit Belastung p
d.h. die Biegelinie, die zur niedrigsten Knicklast

AI
gehört, beschrieben werden kann, kann das Kri- I
terium in ---- Verteilung der Längskräfte NSd
aus Belastung p
1 1
--<- (3.4.19)
Ycrit - 10
Verteilung der Längskräfte
ausgedrückt werden, wobei
Ycrit · NSd = Nait
_1_< Nsd

r-r---t-l H~"
(3.4.20)
Ycrit - Ncrit
das Verhältnis der Normalkraftverteilung Nsd
zur kritischen Normalkraftverteilung Ncrit am
Tragwerk ist, die man bei Weglassung aller Bie-
gemomente erhält (Abb. 3.4-27). Abb. 3.4-27 Ermittlung der .Knicklast" Nait = Yai~Sd
Anstelle des Systemkriteriums kann auch das bei Tragweri<en mit beliebiger Belastung p
lokale Kriterium
/lMI 1
--<- (3.4.21) Bei Einfluß der Theorie 2. Ordnung verändert
MI -10
sich das Lastverformungsverhalten von Syste-
treten, wobei ilMI die zusätzlichen Momente men von dem Verhalten nach Abb. 3.4-26 in das
sind, die infolge der Verformungen I)I aus den Verhalten nachAbb. 3.4-29, wobei die Tragfähig-
Momenten MI nach Theorie 1. Ordnung und den keit schon vor Bildung der Fließgelenkkette er-
Normalkräften Nsd entstehen (Abb. 3.4-28). Da- reicht werden kann.
bei wird vorausgesetzt, daß die /)I-Verformun-
gen ungefähr den Knickverformungen unter
N crit entsprechen.

3-244 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


t t -
f------1 ""'-"

r.~ -

Abb. 3.4-28 Ermittlung des Verhältnisses t!.M1,iJMSIJ1aus Momenten MSIJI und Verformungen W;l nach Theorie 1. Ordnung
Ober fiktive Horizontalkräfte H6.., = NSIJW 11

y
- - - -----·-:::-..:..--=--=-=JZ Ycrit System 1

·--~--;::'"""""-----=-- -=---=-~~~'iZ Ycrit System2


/A; ...-----
·-·r-:·
/
/ 'System 2
ycrit kinematisches System
V

Abb. 3.4-29 Last-Verformungsfigurdes Tragwerks unter der Lastyp bis zum Erreichen des Maximums !=y.), hier identisch mit
der Bildung der Fließgelenkkette mit den plastischen Momenten Mp1

3.4.4.3 nungsverfahren abhängig. Die Berechnung kann


Behandlung der Imperfektionen auch mit Ersatzquerlasten qfict durchgeführt
werden.
Die strukturellen und geometrischen Imperfek- Die Rahmenimperfektionen orientieren sich
tionen der Querschnitte und Bauteile werden an den beobachteten Abweichungen bei Bau-
durch geometrische Ersatzimperfektionen be- ausführungen und sind so gewählt, daß eine ein-
rücksichtigt, die für Einzelstäbe und Tragwerke zige Gesamtschiefstellung des gesamten Gebäu-
getrennt formuliert sind (s. Abb. 3.4-30) (DIN V des und keine mehrfache Schiefstellung für je-
ENV 1993-1-1). des Stockwerk betrachtet werden muß.
Die Formulierung der Stabimperfektionen eod Das Zusammenwirken von Stabimperfektion
ist derart, daß eine Berechnung mit eod und und Rahmenimperfektion bei der statischen Be-
Querschnittsnachweisen dieselbe Beanspruch- rechnung des Tragwerks darf bei
barkeit ergibt wie der Knickstabnachweis nach
3.4.4.4, der an Knickversuchen kalibriert wurde. e=f~Nsd
EI
::;;s (3.4.22)
Die Ersatzimperfektion ist also vom Berech-

Stahlbau 3-245
Einzelstabimperfektionen Stockwerkimperfektionen

eo.d N

N ~----- !
~---------,.-------~ =~0,5+ n,1 s 1,0

V
k, (Beiwert)

-
e0 = ko:(.A - 0,2) kyA
w abhängig von der Anzahl der
Stützen in der Reihe

I< Beiwert abhängig vom Bere<hnungsverfahren


a Parameter abhängig von Knickkurve, s.Tabelle 3.4-3 k, =~0.2+ n,1 $ 1,0 (Beiwert)
k, = (1-k6)+2k 6 X mit 1<, ~ 1,0 abhängig von der Anzahl der
k6 Parameter abhängig von Knickkurve N Stockwerke

Abb. 3.4-30 Geometrische Ersatzimperfektionen für Einzelstäbe oder Stockwerksrahmen nach DIN VENV 1993· 1-1

vernachlässigt werden. Bei Vernachlässigung Auswertungen von Werten Npfi, die aus der Mes-
der Stabimperfektionen ist jedoch darauf zu sung von Ai für Walzprofile, Stabprofile und Ble-
achten, daß Einzelstabknicken durch einen Ein- che und den gleichzeitig vorhandenen Streck-
zelknicknachweis nach 3.4.4.4 berücksichtigt grenzen /yi herrühren, zeigen, daß bei Bezug auf
wird. die Nennwerte für Npl> YMo=1 ,00 angesetzt wer-
Rahmenimperfektionen dürfen vernachläs- den darf.
sigt werden, wenn ihre Wirkung über die fikti- Für den Bruchlastnachweis gilt
ven Horizontalkräfte gegenüber der Wirkung _ 0,9 · Anetfu
N Rd-
sonstiger Horizontalkräfte Hsd vernachlässigbar (3.4.26)
ist. Das ist i.d.R. der Fall, wenn stockwerkswei- YM2
se gilt: mit YM2 = 1,25. Dieser Nachweis entspricht
auch dem Bruchnachweis für zugbeanspruchte
l,Nsd ·'Vo <0,01 (3.4.23) Schrauben im Gewindequerschnitt (DIN V ENV
'L.Hsd 1993-1-1).
oder auf der sicheren Seite Für andere Zugelemente (z.B. Seile) sind an-
dere Sicherheitsfaktoren anzusetzen, die sich aus
(3.4.24) den jeweiligen Grenzbeanspruchungsdefinitio-
nen und Versuchsdefinitionen ergeben. Für Sei-
le gilt gegenüber der Seilbruchkraft YMSeil = 2,40.

3.4.4.4 Zentrisch belastete Druckstäbe- Bauteilnachweise


Nachweise für Bauteile und Verbindungen
Aus Druckstabversuchen sind mit dem Modell
Zugstab- Querschnittsnachweise des imperfektenStabesdie Europäischen Knick-
kurven hergeleitet worden (DIN V ENV 1993-1-
Für Zugstäbe gilt ein Doppelnachweis für die 1), die im Bereich xN~ 0,2 die plastische Quetsch-
Querschnitte: last ermöglichen und für XN> 0,2 den Imperfek-
I. Sicherheit gegen die Fließlasten des Gesamt- tionseinfluß beschreiben:
stabes, 1
XN = ::;1 (3.4.27)
2. Sicherheit gegen lokalen Bruch.
4>N+[4>~-X2N( 5
Die Fließlast wird gegenüber der Streckgrenze mit
geführt:
Afy Npl,nom 4>N =0,5[1+aN(\N-0,2)+X/],
NRd =--=--- . (3.4.25)
YMo YMo aN Im perfektionsbeiwert,

3-246 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Druckstäbe, wenn sich bei reiner Druckbelastung
AN =~ßAAfy ' die Querschnittsachsen des effektiven Quer-
Ncrit schnitts Ared nicht gegenüber den Querschnitts-
N crit elastische Knicklast (V erzweigungslast) achsen des Bruttoquerschnitts verändern. Sonst
ist Druck mit Biegung aufgrund der aus der
Für die Nachweise ist Achsverschiebung entstehenden Exzentrizitäten
zu beachten.
(3.4.28)
Biegeträger- Querschnittsnachweise

(3.4.29) Biegeträger sind durch Biegemomente Msd und


Querkräfte Vsd belastet. Bei den Tragsicherheits-
mit nachweisen kann nach
ßA Beiwert für den effektiven Querschnittswert - Querschnittsnachweisen und
abhängig von der Querschnittsklasse, hier - Bauteilnachweisen
ßA =1,00 für Klassen 1 bis 3 und ßA < 1,00 für
Klasse 4,
YMO = 1,00, Tabelle 3.4-3 Zuordnung der Knickkurven zu Walzpro-
YMI = 1,10. filen und deren Knickachsen für 5235 bis 5420 (5460)

In Abbildung 3.4-31 sind Knickkurven angege- flanschdicket in mm


ben. Abbildung 3.4-31 zeigt auch die Größe der h/(2b)
Knickachse t:s;40 40<t:s;100 > 100
lmperfektionsbeiwerte. Tabelle 3.4-3 gibt ein
Beispiel für eine Knickkurvenzuordnung, die im
:'5 1,2
·I b(a) b (a) d (c)

wesentlichen von den Eigenspannungsvertei-


lungen über die Querschnitte abhängt. · H· c(a) c (a) d (c)

Der Beiwert ßA liefert für Klasse-4-Quer-


schnitte die wirksame Quetschlast
> 1,2
-I - a (aoJ b (a) -
N pl =ßA Afy =Ayed fy · (3.4.30) ··H · b (aoJ c(a) -
Er wird aus Beulüberlegungen ermittelt und ge-
stattet den Nachweis für zentrisch belastete

1,1 I I I I I I

1,0 1
0,9 I~ ~ ilo XN
~
<l'N+ <l'N
'\
R'\' ~
0,8
0,7
'\ ['\~ ~ "' $N=0,5 [1+a(>." - 0,2)+>." 2 ]

Knickspannungslinie
JaoJajbjc d
·d-{ 1 "-~ · ~
XN 0,6 Imperfektionsbeiwert a I0,13 10,21 I0,3410.49 0,76
0,5

0.4
"""
~~
""-"' ~
~~~
0,3 --.........;
0,2
~~~
0,1
0,0
o.o 0,2 0.4 0,6 0,8 1.0 1.2 1.4 1,6 1,8 2.0 2.2 2.4 2,6 2,8 3,0 X

Abb. 3.4-31 Knickspannungslinien mit Gültigkeitsbereich x <1,00

Stahlbau 3-247
unterschieden werden, wobei Bauteilnachweise Steg). Dieser Ansatz ist dadurch gerechtfertigt,
im wesentlichen Stabilitätsnachweise sind, die daß die maximalen Spannungen osa und tsa
mehr Parameter als die Querschnittsparameter nicht an gleicher Stelle auftreten und eine loka-
einschließen. Dazu gehören das Knicken und das le Überschreitung der Streckgrenze keinen we-
Biegedrillknicken aus der Biegeebene oder der sentlichen Einfluß auf die Bauteilverformungen
Heulnachweis aus der Blechebene (DIN V ENV hat.
I993-I-1}. Für die Interaktion von Schub und Biegung
Bei Klasse-3-Querschnitten gelten die aus gilt
Spannungsnachweisen für einen Querschnitts-
2 +[
punkt abgeleiteten allgemeinen Interaktionsfor-
meln (~)
f/YMo
sd
tA..f3YMo)
) 1
2
<I
- .
(3.4.35)
~::z Nsd + Mysd + Mzsd + Mwsd ::;;I Bei Querschnitten der Klasse I und Klasse 2, bei
fyiYMo NRd MyRd MzRd MwRd denen von plastischen Querschnittsreserven Ge-
(3.4.3I) brauch gemacht wird, dürfen diese für
mit
M yRd =WplyfyiY MO,
NRd ::zA· f/YMo'
MzRd ::z Wplzf/Y MO, (3.4.36)
MyRd ::zW.IyfyfYMo'
MwRd =WplwfyiY MO
MzRd =W.Izf/YMo,
unter Verwendung plastischer Spannungsblöcke
MwRd ::z Welwfyf YMO • ermittelt werden (Abb. 3.4-32).
Für die Schubspannungen gilt Die Interaktionen der plastischen Schnitt-
größen N, M und V sind von der Querschnitts-
tsd = Vysd + Vzsd + Vwsd + Mrsa ::;; 1. ausbildung abhängig. Wird nicht die Interaktion
für Klasse-3-Querschnitten benutzt, so ist z.B.
tA..f3YMo) VyRd VzRd VwRd MrRd
für I-Profile die Interaktion (DIN V ENV I993-
(3.4.32) I-1}
Dabei dürfen anstelle der vollständig elastisch
ermittelten Beanspruchbarkeiten
(3.4.37)
..[;. Ayy
VyRd ::z fyl 3 ·-t/yMO'
Ay mit

vzRd ::z fyM.


A
_.B_ t/y MO '
MN
yRd
::zi,llMP1
yRd
(I- NNsa)::;;Mp
Rd 1yRd ,
Az
..[;. Aww MNzRd ::zi,56MplzRd(I- Nsd (Nsa +0,6))
VwRd = f yf 3 ·--t/yMO' NRd NRd
Aw
.C Aqnp eine Möglichkeit. Die zusätzliche Interaktion mit
MrRd ::z fyfv3 ·--t!YMo' (3.4.33) der Querkraft kann durch eine reduzierte Streck-
Aw grenze
die aus dem Gleichgewicht mit den o-Spannun-
!y =(I-(?)fy (3.4.38)
gen herrühren, auch teilplastisch ermittelte Be-
anspruchbarkeiten mit

VyRd ::z fyt../3 LAvyiYMo, (? ::z (2 Vsd -I)2


Vpl,Rd
VzRd = fyt../3 LAvzfYMO,
in den betroffenen Teilen A v berücksichtigt wer-
VwRd ::z fyM L hw · AvwiYMO' (3.4.34) den.
Dabei berücksichtigt der (?-Wert, der erst bei
verwendet werden, bei denen die über die Quer- VsdiVp~Rd > 0,5 anspringt, daß die Inanspruch-
schnittsteile A v konstant angenommene Span- nahme der Wiederverfestigung nach lokalem
nungsverteilung aus dem Ansatz konstanter Durchschreiten des Fließplateaus lokal möglich
Schubverformungen herrührt (z.B. über den ist.

3-248 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb. 3.4-32 Definition plastischer Schnittgrößen

Zu beachten ist, daß die plastische Interakti- sung für zentrisch belastete Druckstäbe (DIN V
on nur angewendet werden darf, wenn Theorie- ENV 1993-1-1 ). Dabei gelten
2.-0rdnung-Effekte aus Torsion konstruktiv ver-
mieden sind.
(3.4.40)
Biegeträger- Bauteilnachweise
und die Nachweise
Biegeträger-Bauteilnachweise decken folgende
Effekte ab:
für XM ~0,2,
1. Vergrößerung von Biegemomenten zwischen
den Stabenden, die durch Stabimperfektionen
und Theorie 2. Ordnung bedingt sind. Dieser für AM >0,2,
Fall tritt besonders bei Biegeträgern mit
Druckkraft auf, wenn durch die Querschnitts- (3.4.41)
ausbildung (torsionssteife Hohlprofile) oder mit
konstruktive Maßnahmen (Stützung) Torsi- ßw Beiwert für den effektiven Querschnittswert
onsverdrehungen verhindert sind. abhängig von der Querschnittsklasse, hier
2. Biegedrillknicken in Richtung der schwachen für I-Profile ßw= 1,14 für Querschnittsklas-
Achse des Biegeträgers, wenn der Biegeträger se 1 und 2, ßw= 1,00 für Querschnittsklasse
planmäßig nur in der Hauptachsenrichtung 3 und ßw< 1,00 für Querschnittsklasse 4,
beansprucht wird. YMO = 1,00,
YMI = 1,10.
Für die Theorie-2.- Ordnung-Effekte von Biege- .
trägem mit Druckkraft gibt es verschiedene Lö- Der Beiwert ßw liefert für Klasse-4-Querschnit-

l
sungen, z. B. te das wirksame plastische Moment

Mp1 =ßw Wel,yfy · (3.4.42)


Da die plastische Plateaulänge beim Biegedrill-
_XzNpl
_!!_g_l+k ( XMMply
1
Mysd ]+k [Mzsd]< 1
z Mplz -
knicken häufig größer als beim Biegeknicken
eingeschätzt wird (Größenordnung XM= 0,4 statt
YM! YM! YMI X=0,2), sind auch Anpassungen der Biegedrill-
(3.4.39) knickkurven an XM,o= 0,4 in der folgenden Form
mit den Anpassungsfunktionen k1 und kz, die (DIN V ENV 1993-2) vorgeschlagen worden:
von der Form der Momentenlinien Mysd und
Mzsd, der plastischen Querschnittsausnutzbar- (3.4.43)
keit und der Schlankheit abhängig sind.
Für das Biegedrillknicken von Biegeträgern
ohne Druckkraft gilt eine Lösung analog zur Lö-

Stahlbau 3-249
mit 1. die Wirkung der mittragenden Breite aus der
Schubverzerrung breiter Gurte,
~M =0,5[1+aM(~M-0,4)+~], 2. die Wirkung wirksamer Breiten aus der Beu-
aM Imperfektionsbeiwert, lenbildung in gedrückten Gurtteilen,
aM = 0,21 für Walzprofile, 3. die Bildung effektiver Breiten aus der Interak-
aM = 0,49 für geschweißte Profile. tion von mittragenden Breiten und wirksa-
men Breiten.
Für Biegeträger mit gleichzeitiger Wirkung von
Druckkräften darf folgende Interaktion zwi- Abbildung 3.4-33 zeigt die Regelungen (DIN V
schen l{nicken in Richtung der schwachen Ach- ENV 1993-2) für die mittragenden Breiten für
se unter reinem Druck und Biegedrillknicken Bleche, die nicht ausgesteift oder ausgesteift
unter reiner Biegung angewendet werden: sind, und die Bestimmung der effektiven Breiten,
wenn sich mittragende Breiten und wirksame
Nsa +k Msa <1 (3.4.44) Breiten überlagern.
NRd y MRd-
Die Bestimmung der wirksamen Breite (DIN
mit V ENV 1993-1-5) ist ein Ergebnis einer drei-
trängigen Behandlung des Heulproblems (Abb.
~pl
-AM=--, 3.4-34) [Johansson et al. 1999]. Danach werden
Mcrit die Wirkungen von Längsspannungen Oxsd,
Schubspannungen tsd und quer zum Stab einge-
MRa=XMMpl. leiteten Spannungen Ozsd getrennt verfolgt,. da
YMI für jedes dieser Probleme eine andere Heulkur-
Diese Interaktion geht von idealen gleichartigen ve gilt. Erst nach Kenntnis der Ausnutzungsgra-
Randbedingungen für Knicken und Biegedrill- de Jlax• llt> Jlcry für die einzelnen Heulphänomene
knicken aus (DINV ENV 1993-1-1). werden Interaktionsbeziehungen zwischen den
Eine Alternative (DIN V ENV 1993-2) dazu be- Ausnutzungsgraden angewandt.
steht darin, für den Biegeträger zunächst unter Die wirksamen Breiten werden der Wirkung
der gemeinsamen Wirkung von Druck und Bie- der Längsdruckspannungen infolge der Normal-
gung mit einem elastisch-plastischen Modell oh- kräfte Nsa und Momente Msa zugeschrieben.
ne Biegedrillknicken den Wertyp1=FRkiFsa und Während für ausgesteifte Blechfelder mit Längs-
dann mit einem hyperelastischen Modell den und Quersteifen (z.B. von Brückenhauptträ-
Wertycrit=FcritiFsa für Biegedrillknicken zu be- gern) die Abminderungsfaktoren "'zur Ermitt-
stimmen und mit der Gesamtschlankheit lung der wirksamen Breiten aus der Wirkung
knickstabähnlichen Verhaltens und plattenähn-
~N,M = ~y pliYcrit unter Verwendung der Knick-
lichen Verhaltens interpoliert werden, liegt bei
linie c die tatsächlichen Tragsicherheit Yu= Klasse-4-Querschnitten nur plattenartiges Ver-
XN,M · Ypl zu ermitteln. Diese Methode hat den halten vor, und die effektiven Querschnittswer-
Vorteil, daß sie auch für Konstruktionen ohne te können nach Abb. 3.4-35 ermittelt werden
die Bedingungen [ECCS 1991].
- gerader Stab mit über die Länge konstantem Dabei wird in DINV ENV 1993-1-1 und DIN
Querschnitt, V ENV 1993-1-5 die Plattenheulformel
- gleiche Randbedingungen für Knicken und ~ -0,22
Biegedrillknicken ...n::: P~
< 1,00 (3..
4 45)
)\p

gilt. Damit sind praktisch alle Biegedrillknick- mit


Berechnungen mit Finiten-Element-Berechnun-
- b!t
gen möglich. .AP = r:-,
28,4 · E · "/ ka
K/asse-4-Querschnitte
E= ~ 235
fr
{fy in N/mm 2)

Klasse 4-Querschnitte sind dünnwandig, so daß


bei druckbeanspruchten Teilen wegen des man- angewendet, die zur Berücksichtigung des Ein-
gelnden plastischen Verformungsausgleichs i. flusses des Spannungsgradienten lp in [Maquoi/
allg. drei Wirkungen betrachtet werden müssen: de Ville de Goyet 1999] entsprechend Abb. 3.4-36

3-250 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Berücksichtigung von Schubverzerrungen

Vorgehen bei der Vorgehen bei der Bestimmung von Verformungen und Spannungen
Schnittgrößenberechnung
L, = 0,2S (L1 + L2) für ~ 2 L3 = 2L1für ~ 2
b,n= L0 18 s b0

~'
b,ff b,n

~ I'--!
Cl
J
bo J
I
l bo
für ein~eilig
gestüute _ ._
Gurte
!Ur zwei~eitlg
gestützte Gurte LI J L2 JJ
LJ

lL11'!J L1 /2 ~~!4 J L2/4 I L2 12 I L2/4 JJ LJ/4

~0 I ~d ~ ~~ 1 l i f l ro= 1

'

~
A~ Fläche aller längsstreifen

a 0 = }1+ ~
b0 r
K = a 0 b0 1L.

I
Faktor ~ für die mittragende Breite
aobo
K=-- Nachweisort ~-Wert
L. I

S O,Q2 ~ = 1 ,0

1
Feldmoment ~ = ~~ =--
1+6,4 Kl
0,02._. 0,70
1
~ = ~l
Stützmoment
1+6,0( K- - 1- )+1,6K 2
2500K
1
Feldmoment ~ = ~ ~=-
5,9K
> 0,70
1
Stützmoment ~ = ~ 2=-
8,6K
alleK Endauflager ~ 0 = (0,55 + 0,025/K) ~ 1 . jedoch ~o< ~ 1

alleK Kragarm ~ = ~ 2 am Auflager, ~ 0 = 1,0 am Ende

l '
mittragende Breite im SLS
b,n = ~ bo
I
I
'
effektive Fläche im ULS
A,n = A~,n ~·
I
Abb. 3.4-33 Interaktion von mittragender Breite aus Schubverzerrung und wirksamer Breite in folge Beulens nach
DIN VENV 1993-1-5 [Johansson/Maquoi u.a. 1999)

Stahlbau 3-251
Einwirkungen

V M~~ch
Y . - ~kble mit mittragenden Breiten

N
- -- M '
z Gesamtfeld
1' ~•IEinzelblech: ~:• L '
y \ 'I
_, I

~ t
Längsspannungen in I ISchubspannungen in Blechfeldern Querspannungen infolge
Blechfeldern infolge Querkräften und Torision konzentrierter Lasteinteilung
~--------,,--------~ + +
Längsspannungsverteilung filr die S<hubspannungsvertellung fOr die Spannungs~erteilung infolge
maßgebende Lastfallkombination (berech- maßgebende Lastfallkombination (berech- konzentrierter Lasteinteilung

t:f~~~> ·rr
net mit Brunoque~hnittswerten) net mit Brunoque~hninswerten)
c

t t
Plattenbeulen der EJnzelfelder II Schubbeulen der Einzelfelder
t
Abmlnderungsfaktor "pon
(Annahme: Blechr~nder und Steifen starr)
II t
Abminderungsfaktor x~.
(Annahme: Blechränder und Steifen starr)
t t

~I I I .d
t t
Plattenbeulen der Gesamtfelder II Schubbeulen der Gesamtfelder

II
~-------~
, ------~~-------,,--------~

Abminderungsfaktor " ' Abminderungsfaktor XVJ


(Annahme: Feldränder starr) (Annahme: Feldränder starr)
~--------,,,-------~ ~--------.-
,--------~

----4;
--- - ----t----
e s e --..--
----·---
s ~I I I J
+ Qpon und Q,
Oberlagerung von
t
II~-------,
Min lxv1;'Xv2l = Xv
.-------~
Abminderungsfaktor XI
t

--~-- - -------~
- - - - - ------
- --'1.-eN
--t--
e a. e r
Ve~hiebung der neutralen Achse!
I I
t
Einzelnachweis Einzelnachweis Einzelnachweis

Abb.3.4-34 Flußdiagramm zur Bemessung von Blechfeldern nach DIN V ENV 1993·1·5 [Johansson/Maquoi u.a. 1999]

3-252 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bauteile unter Druckbeanspruchung
Brunoquerschnitt i \J,* wirksamer Quersehn in

ii<D r- 8 t
b 1 ti2bQ)
1-

rr==11 =t Q, ·t ii0
56,8

~~~1·1 II

b::d
II

ii0ii0 Ql·b
1
\ ~
1
\
1 8 b 1
t 56,8 HCD
-=f:r=t
'0I~
0 b 1 , - ", .2\D 1-
t 18,6
-·t-·
~-eh~
Bauteile unter Biegebeanspruchung
1-
tiiCDt Q,·2\D
8 t r:r:----:.""11+-+ ~ /
I!l
b 1
04 . lij
.!_ ii
-UJ· ' QJ 2 0
t 56,8

'0 0 t
b 1
18,6
2 0 ' QJ .lij
-06 2 0

~~·iiW 0 b 1 Ql ·b

t I=<----- .. ,ii00
t 138,8 tt0 04 . lij

-r~
lb
2 0 -·- ·- -o ~ 6 .l
'QJ
bQ) - - 3 2

'<DW
_l
8 b 1
t 21,4 iiQ''
0
4_.
II

H·+Q4·b0
Ij'lI -

* filr 5235

Abb. 3.4-35 Ermittlung effektiver Querschnittswerte fllr Klasse-4-Querschnine [ECCS 1991)

verbessert wurde. Bei nicht voller Ausnutzung N Rd = ßA . A . fyfy MO ,


der Streckgrenze /y darf die Plattenschlankheit
um M yRd = ßwy. wely . fyiY MO ,

MzRd = ßwz . Welz . fyly MO (3.4.47)

~=~0;:
,
(3.4.46)
wobei der Bestimmung von ßA, ßwy und ßwz die
verkleinert werden. jeweils zutreffende Verteilung der wirksamen
Für die Querschnittsinteraktion gilt die For- Breiten zugrunde liegt.
mel für elastische Spannungsverteilung, also wie Tritt bei der Ermittlung der effektiven Fläche
bei Klasse-3-Querschnitten, jedoch mit den ßA • A eine Achsenverschiebung eyN oder ezN auf,
Tragfähigkeiten so sind diese als Exzentrizitäten für Nsd bei der

Stahlbau 3-253
1,2
....
I 0,723= (blt) 91tnl = 41,1c-42c
1,0
~- 123 l ~?prEN = 1/.>.P -0,05 O+~j~)/.>.~ 1-
2 0,816= (b/t)9....., =64,8c - 63c
0,8 ~~ - 3 0,887 = (blt)gttnl = 123,2t-124t

Q 0,6
~~- -- 01NV EN 1993+5
"""'"

-,.__ _
-- prEN·Vorschlag (1j>=1)
~~ --
0,4
I -l
lilENV =1/Ap - 0,22/Ap I
prEN-Vorschlag Cv=O)
- · - prEN·Vorschlag ('I' =- 1)

0,2

0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5
-

Abb. 3.4-36 Formel für die wirksame Brei1e nichtausgesteifter Bleche [MaquoVde Ville de Goyet 1999)

Ermittlung der Biegemomente Mysd und Mzsd zu Dieses Verfahren ist besonders vorteilhaft bei
berücksichtigen. Stegblechen mit regelmäßigen und unregel-
Bei der Ermittlung der Schubbeulsicherheit mäßigen Ausschnitten.
hängt die Plattenschlankheit davon ab, ob die
Bleche längs und quer, nur quer oder gar nicht 3.4.4.5
ausgesteift sind. Die Plattenbeulformel für Schub Verbindungsmittel und Anschlüsse
hängt davon ab, ob sich im Steg eine Zugkraft bil-
den kann, die in biegesteifen Endpfosten veran- Allgemeines
kert werden kann (steife Endpfosten) oder nicht
(verformbare Endpfosten). Auch die Vergröße- Tabelle 3.4-4 gibt eine übersieht über verschie-
rung des Schubfeldes durch steife Flansche kann dene Verbindungstechniken. Davon sind die
berücksichtigt werden. häufigst verbreiteten Techniken das Schweißen
Beulen infolge eingeleiteter Querlasten wird und das Schrauben. Die Überlegungen zum
für drei verschiedene Einleitungsmuster behan- Einsparen von Montageaufwand führen aber zu-
delt und erfordert eine dritte Plattenbeulkurve. nehmend zu Techniken, bei denen die Montage-
Anstelle des Nachweises mit den vorerwähn- schritte
ten drei verschiedenen Nachweissträngen, die je- - Ausrichten,
weils eigene Schlankheitswerte Xp und eigene - Absetzen und Sichern,
Beulkurven definieren,. kann näherungsweise - Verschlossern
auch mit dem Spannungsfeld bei gleichzeitiger
Wirkung von Oxsd, tsd und Oysd ohne Aufteilung durch geeignete Konstruktionen beschleunigt
in die Nachweisstränge gerechnet werden, wenn werden. Das führt zu Schnellverbindungen mit
mit Finiten Elementen nach folgendem Schema geringen Kranhaltezeiten und Verschlosse-
vorgegangen wird: rungsaufwand wie in Abb. 3.4-37 (weitere Bei-
1. Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors Yplast> spiele s. [Bauberatung Stahl 1996; Stahl-Infor-
der zu plastischem Versagen des Beulfeldes mations-Zentrum 2000]).
ohne Berücksichtigung von Beulverformun- Die Bemessungstechniken für Verbindungen
gen führt, können am besten anband der Schraubenver-
2. Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors ycrit> der bindungen und Schweißverbindungen über-
zu Beulversagen des Beulfeldes bei hyperela- blickt werden.
stischem Verhalten des Beulfeldes führt,
3. Ermittlung der Gesamtschlankheit Schrauben und Schraubenverbindungen
XP =~ y pl I ycrit und des Abminderungsfak-
Schrauben entsprechen den Produktnormen
tors xaus der ungünstigsten Beulkurve, DIN 6914ff oder prEN 780ff (Abb. 3.4-38). Sie
4. Ermittlung der Sicherheit Yu=XYplast· werden mit verschieden Stahlgüten (Tabelle

3-254 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.4-4 Obersicht über Verbindungstechniken

Montagetechnik Verbindungskonstruktion Verbindungsmittel


Aufsetzen formschlüssige Verbindung geeignete Bauteilgestaltung für Stapeln
Einhaken Hakenverbindung Haken, Öffnungen
Verbolzen Bolzenverbindung Augen, Bolzen
Verschrauben Schraubenverbindung Löcher, Laschen, Schraubengarnituren, Injektions-
schraubengarnituren, selbstfurchende Schrauben
Vernieten Nietverbindung Löcher, Laschen, Niete, Blindniete
Vorspannen vorgespannte Verbindung Löcher, Laschen, HV-Schrauben, evtl. vorbereitete
Flächen, Schließringbolzen
Durchsetzfügen Durchsetzfügeverbindung Gerät für Durchsetzfügeverbindungen
Setzverbindungen Setzbolzen Schußgerät für Setzbolzen
Verschweißen Schweißverbindung Schweißzusatzwerkstoffe
Kleben Klebeverbindung Kleber

Tabelle 3.4-S Mechanische Eigenschaften von Schrau-


benstählen

Schrauben- Festigkeits- fyb fub


sorte kla.sse N/mm2 N/ mm2
Stahlbau- 4.6 240 400
schrauben 5.6 300 500
hochfeste 8.8 640 800
Schrauben 10.9 900 1000

Abb. 3.4-37 Sigma-Knoten von Rüter [Stahl-lnforma-


tions·Zentrum 2000]

hochfeste Schraube

Klemmlänge

Abb. 3.4-38 Stahlbauschrauben und hochfeste Schrauben [Hirt/Bez 1998]

3.4-5) und Schaftdurchmessern (Tabelle 3.4-6) Tabelle 3.4-7 zeigt die angenommenen Festig-
geliefert. Hochfeste Schrauben können wie Stahl- keitsfunktionen für die verschiedenen Bean-
bauschrauben oder als vorgespannte Schrauben spruchungen und Bruchstellen. Die Versuchs-
eingesetzt werden. Schrauben können auf Ab- auswertungen nach 3.4.3.1 führten zu den in Ta-
scheren, auf Zug oder kombiniert auf Abscheren belle 3.4-7 angegebenen Bemessungsfunktionen
und Zug belastet werden. [ECCS 1991).

Stahlbau 3-255
Tabelle 3.4-6 Kennwerte und Sinnbilder von Schrauben [Hirt/Bez 1998)

M12 M16 M20 M24 M27

Schaftdurchmesser d in mm 12 16 20 24 27
Lochdurchmesser d0 in mm 14 18 22 26 30
Schaftquerschnitt Ain mml 113 201 314 452 573
Spannungsquerschnitt A, in mml 84 157 245 353 459
Stahlbauschrauben
+ + + + 30+
Hochf. nicht vorgesp. Schrauben ~ + ~ ~ 30~
Hochf. vorgesp. Schrauben ~ lO~
~ ~ ~

Tabelle 3.4-7 Bemessungsfunktion Schrauben

Versagensfall Bruchstelle angenommene Festigkeitsfunktion Bemessungsfunktion

Abscheren 1 0,6·fub ·A

i··
Schaft fv= .fiA ·fub FvRd=---
YMl
für Schrauben 4.6, 5.5:
0,6 ·fub ·A
FVRd=---
Gewinde 1 YMl
F. = -A, ·fub
2 für Schrauben 4.8, 5.8, 10.9:
0,5 ·fub ·A,
FVRd
YMl
Zug

0,9 ·fub ·A,


Gewinde fv =A, ·fub FtRd
YMl

Ft

Kombination
Abscheren-Zug A·fub F F
Schaft fv,t ~+~~1.0
~ cos 2 <p+ 2 sin 2 <p FR5d 1,4 ·ftRd

~··~" fy
Gewinde fv t =
A, · fub
· ~ cos 2 <p+ 2 sin 2 <p
fvs.t +~S 1,0
FRS<I 1,4·F1Rd

Neben den Versagensformen in den Schrau- Nettoquerschnittsversagen entweder in Blechen


ben selbst sind auch Versagensformen im oder Winkeln.
Grundwerkstoff zu beachten (Tabelle 3.4-S).Die- Die aus den Versuchsauswertungen ermittel-
se gliedern sich in Lochleibungsversagen und ten Bemessungsfunktionen in Tabelle 3.4-8 ste-

3-256 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.4-8 Festigkeit von Schrauben und Schraubenverbindungen

Sauteil Versagensfall Bereich angenommene Bemessungsfunktion


Festigkeisfunktion

~Fb Ausreißen vor


Kopf
Fb= a· d"· I· fu

2,5·a ·d·t ·f,


fbRd
"'
~
<::
YM2
Ble<h
:::>
.0 Ausreißen vor Fb= a · dn' I · fu
·;;;
:2
Kopf, zur Seite a=min( -.!1_ .--'l__..!_ .~.l 0)
.3 3d 0 ' 3d 0 4 ' f, ' '

~Fb Lochaufweitung Fb= a · d"· t · fu

Zug

~Fb
0,9 ·A""1 ·f,
Blech Nettoquerschnitt Rnet= Anet · fu Rnet =
YM2

1 Schraube:
2,0(e 2 - 0,5d}t · fu
Rnet,d
YMl
Zug n Schrauben:
Fb R _ ß·Anet 'fu
Winkel Nettoquerschnitt Rnet= ß . Anet . fu net,d-
YMl

ß- Werte
p, ~2. 5 d0 ~ 5,0 d0
2 Schrauben 0.4 0,5
3 Schrauben 0,5 0.7

hen in Zusammenhang mit den Randabständen auch, v.a. bei Belastungen mit Richtungsum-
e und den Lochabständen p, die mit folgenden kehr, als Paßschrauben mit sehr kleinem Spiel
Mindest- und Höchstwerten für die Konstrukti- (Toleranzen Hll/hll entsprechen einem Spiel
on spezifiziert sind: von 0,2 mm) eingesetzt werden.
Hochfeste SL-Schrauben werden auch vorge-
1,2d0 S e1 S max(12t; 150 mm), spannt, um einen festen Sitz der Muttern zu er-
1,5d0 S e2 S max(12t; 150 mm), zielen. Vorsicht ist bei kleinen Klemmlängen und
2,2d0 S p1 S max(14t; 200 mm), Vorspannung über Beschichtungen und Über-
(3.4.48) zügen angebracht, bei denen Vorspannverluste
3,0d0 S p2 S max(14t; 200 mm).
durch Kriechen der Beschichtungen und über-
In Tabelle 3.4-9 sind für empfohlene Abstände, züge auftreten können [Katzung/Pfeiffer/
die zu hoher, mittlerer oder niedriger Trag- Schneider 1996].
fähigkeit führen, die charakteristischen Festig- Die Vorspannung der hochfesten Schrauben
keiten für 10-mm-Bleche angegeben. ist v.a. bei Zug-(Z)-Verbindungen sinnvoll, da
Schrauben, die im Hinblick auf Abscher- oder die Vorspannung eine Kompression der vorge-
Lochleibungsversagen bemessen werden, bilden spannten Fuge erzeugt, die in ihrer gesamten
Scherlochleibungs (SL)-Verbindungen. Diese Fläche die angelegte Zugbelastung bis zur De-
wirken i. d. R. mit Spiel1 bis 3 mm, können aber kompression übernimmt und dadurch die

Stahlbau 3-257
Tabelle 3.4-9 Lochleibungswiderstände [ECCS 1991]

Lochleibungswiderstand je Schraube in kN für eine Blechdicke von t = 10 mm

' 1 ~--~
P2
e2
I
-@---<Ir
I
fb.Rk = 2,5 · (l · fu

3d0 '3d 0 4 ' fu ' '


·d · t

<X = min( i.!J...._..!.. fub ·1 0)

,~

el PI

Schraubendurchmesser d in mm 12 16 20 22 24 27 30 36
Lochdurch messer d0 in mm 13 18 22 24 26 30 33 39

el 20 27,5 35 37,5 40 45 so 60
P1,P2 30 40 50 55 60 67,5 75 90
geringe
Beanspruchung e2 20 25 30 32,5 35 40 45 55
(l "' 0,5
s235 55.4 70,7 91.4 101,8 110,8 121,5 136.4 166,2
5275 66,2 84.4 109,1 121,5 132,3 145,1 162,9 198,5
5 355 78,5 100,1 129,4 144,1 156,9 172,1 193,2 235.4
el 30 40 50 55 60 70 75 90

P1, P2 40 55 70 75 80 90 100 120


mittlere
Beanspruchung el 25 30 40 45 50 55 60 70
(l "' 0,75 5235 83,1 106,7 136.4 151,3 166,2 182,3 204,5 249,2
5275 99,2 127,4 162,9 180,7 198,5 217,7 244,3 297,7
5355 117,7 151 ,1 193,2 214,3 235,4 258,2 289,8 353,1
el 40 55 70 75 80 90 100 120

P1 P1 50 70 85 95 100 115 130 150


hohe 35 so 60 65 70 80 90 110
el
Beanspruchung
(l "' 1,0 s235 108.0 144,0 180,0 198.0 216,0 243,0 270,0 324,0
5275 129,0 172,0 215,0 236,5 258.0 290,3 322,5 387,0
5 355 153,0 204,0 255,0 280,5 306,0 344,3 382,5 459,0
Hinwei1: Bei untern:hiedli<hen Plattendicken lp in mm müssen dieWerte mit y1o multipliziert werden.
Die Werte gellen nur für futlfu $ l.FOr jedes Blech ist ein Einzelnachweil zu führen.

Schraubenbelastung aus äußerer Zugbelastung Sind die Kontaktflächen für Gleitfestigkeit


klein hält [Katzung et al.l996).Abbildung 3.4-39 vorbereitet (s. Tabelle 3.4-lO),dann kann die vor-
zeigt ein typisches Kompressionsdiagramm in- gespannte Verbindung als Gleitfeste-Vorge-
folge der Vorspannkraft Fp,cd und die Aufteilung spannte (GV)-Verbindung eingesetzt werden,
der außen angelegten Zugbelastung Fr,Sd in die die die Abscherkräfte in den Fugen nicht über
Zuganteile auf die Schrauben und auf die vorge- die Abscherfestigkeit im Schraubenschaft, son-
spannte Fuge. Das Kleinhalten der Schrauben- dern durch Reibung in der Kontaktfläche über-
belastung aus Fr,Sd ist besonders wichtig, wenn trägt. Dabei wird danach unterschieden, ob die
F1,sd zu ermüdungswirksamen Lastspielen M 15 Gleitfestigkeit nur als Gebrauchstauglichkeits-
führt, da die Ermüdungsfestigkeit im Schrau- forderung besteht und nach dem Rutschen ober-
bengewinde klein ist (s. 3.4.5). halb der Gebrauchsgrenzen die SL-Verbindung

3-258 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Schraubenverlängerung Blechstauchung

Abb. 3.4-39 Vorspannungsdiagramm und Wirkung von Zugkräften f~Sd auf den Gleitwiderstand fs,Rd

Tabelle 3.4-10 Reibbeiwene fürgleitfeste vorgespannte Schrauben

Vorspannkraft Gleitfestigkeit
Reibbeiwene aus Dauerstandversuchen

FS.Rd __ll·Fp.cd J.l Klasse Oberflächenbehandlung


_ _
YMs 0,5 A gestrahlte Oberßäche
Fp.cd= 0.7 ' fub ' A.,
Tragsicherheit YMs=1,25 0,4 8 Alkali-Zink-Silikat-Beschichtung
Gebrauchtauglichkeit YMs=1,10 0,3 c Flammstrahlen
0,2 D ohne Vorbehandlung

für die Tragfähigkeit anspringen kann oder ob


GV-Eigenschaften auch für den Tragsicherheits- Tabelle 3.4-11 Kategorien für geschraubte Anschlüsse
nachweis gefordert werden. Im letzten Fall darf
im Grenzzustand der Tragfähigkeit kein Fließen Kategorie Typ Gebrauchs- Trag sicher-
im Nettoquerschnitt des Grundwerkstoffs auf- tauglichkeit heit
treten, da infolge der mit dem Fließen verbun- A SL SL SL
denen Querkontraktion die Vorspannung abfal- 8 GV~, GV SL
len würde. Abbildung 3.4-39 zeigt auch, wie die c GVult GV GV•
Gleitfestigkeit der Verbindung Fs,Rd bei einer an-
gelegten Zugbelastung F1,sa abfällt.
D z"' ~ ~
E Zmv Zmv z".
Methoden zur Aufbringung der Vorspannung,
• Nenoquersch nittsnachweis
deren Mindestwert Fp,cd= 0,7 }ub · As oder
0,63 fub · As erreicht werden muß, sind das Dreh-
momentenverfahren mit definiertem Drehmo-
ment, das Drehwinkelverfahren mit definiertem macht es möglich, bei der Tragsicherheitsbe-
Drehwinkel nach festem Anziehen und das kom- messung von Schraubengruppen von einfachen
binierte Verfahren. elastischen oder plastischen Lastverteilungsmo-
Tabelle 3.4-11 gibt einen überblick über die dellen auszugehen. Abbildung 3.4-40 zeigt solche
möglichen Schraubenkategorien je nach Be- Modelle für die Beanspruchung von Schrauben-
handlung von Schrauben, Kontaktfuge und Ein- gruppen durch Momente, Zug, Druck oder Quer-
satzzweck. kräfte oder durch eine Kombination von Quer-
Das ausgeprägte plastische Last-Verformungs- kräften und Momenten. Grenzen für solche ver-
vermögen von 51-beanspruchten Schrauben einfachten Modelle treten nur dann auf, wenn

Stahlbau 3-259
Moment
elastisch: f; = ~
M
· r1
L./n

Kraft

- '---!- - r - f l ::tlltll~==~/-
L..llll:::!tll - I L - - - _'---"--'---*"*"% %::%1 s_ __,/ -

N
f.=-
1 n
Kombination

:: ·:::::::::::::::::::1:):::::::::··· · · · · '~.:~ ti.:::::::::::::::::::::::::


· · · · · · · · · · · ··· · · · ·i r::::::::::::::····· sch: : : : : : : J·:~:I~ tIis.::::::::::::
~h..:::::::
0 ··································· 'f- ·············· ··················· ............. .

Abb. 3.4-40 Kräfteverteilung bei Scherverbindungen

Grenzen der Verformungsfähigkeit erreicht wer- Träger-Stützen-Verbindungen


den (Abb. 3.4-41).
Die vorgenannten elastischen und plastischen Die früheren Methoden zur Dimensionierung
Modelle gelten auch im Grenzzustand der Trag- von Schraubenverbindungen wurden von Niet-
sicherheit für GV-Verbindungen des Typs C, da konstruktionen abgeleitet. Dabei war das schritt-
die plastischen Ausgleichsmöglichkeiten durch weise Vorgehen:
Rutschungen einzelner Schrauben erreicht wer- - Berechnung der Schnittgrößen an der Stoß-
den. stelle,
BeiZ-Verbindungen mit nicht vorgespannten - Aufteilung der Kräfte aus den Schnittgrößen
Kopfplatten ist gemäß Abb. 3.4-42 besonders da- auf einzelne zu stoßende Bauteile,
rauf zu achten, daß - bedingt durch die Verbie- - Stoß dieser Bauteile derart, daß Festigkeits-
gemöglichkeit der Kopfplatte - Hebelkräfte Q und Steifigkeitskontinuität besteht.
auftreten können, die die Schrauben über die an-
gelegten Zugkraft F1sd hinaus belasten können. Wendet man dieses Vorgehen auf eine Rahmen-
Nur eine steife Kopfplatte, die zu vollständiger ecke an, so erhält man zwangsläufig Aussteifun-
Klaffung der Fuge führt, kann die Hebelkräfte gen und Detailverstärkungen (Abb. 3.4-44).
vermeiden. VonOffshore-Konstruktionen ist für das Kon-
Sind die Kopfplatten vorgespannt (Abb. 3.4-43), struieren mit Hohlprofilen eine andere Vorge-
so hängt die Frage, ob dies zu einer Entlastung hensweise übernommen worden. Man gibt nicht
der Schrauben führt, im wesentlichen davon ab, die Kräfte vor und konstruiert danach, sondern
wo sich die komprimierten Flächen befinden: gibt wirtschaftliche steifenlose Konstruktionen
Liegen diese auf der direkten Linie des Last- vor und fragt nach deren Festigkeit (Abb. 3.4-45).
durchgangs, dann sind die Schrauben entlastet Abbildung 3.4-46 zeigt ähnlich ausgebildete stei-
(Fall A). Liegen diese dagegen am Plattenrand fenlose Walzträgerverbindungen.
(Fall B), so treten erhebliche Hebeleffekte auf, Während sich bei Fachwerken die Steifenlo-
die die Schraubenkräfte vergrößern. Daher ist sigkeit im wesentlichen in geringerer Festigkeit
besonders bei Ermüdungsbelastung M 15 darauf niederschlägt und die lokalen elastischen und
zu achten, daß der Fall A realisiert wird. plastischen Verformungen bei ausreichender

3-260 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


lSd 6Sd
Oberlappte Verbindungen

l,S·d ·t ·fu
fb/14=---
YMl

Pakete

9·d
fOr r, > d/3 ~p=~

Abb. 3.4-41 Begrenzung der Tragfiihigkeit von langen Schraubenverbindungen oder bei Exzentrizitäten

N=FI5tJ+Q N=FI5tJ+Q Fl5tJ t fFI5tJ

+
Q~ t t ,o
~Ff· Foli A+ ~ $

2FtSd Fl5tJ ~ Fl5tJ

nMpl.R<J vollständige
Fl5tJ t t FtSd

" '+ +
V VMpl.Rd plastische Verteilung

"::::}
QMpi.Rd
V' M<Mp~.Rd
teilweise
plastische Verteilung I: jl

___....... M <Mpt.Rd elastische Verteilung


l lFI5tJ

Abb. 3.4-42 Kräfteverteilung bei zugbeanspruchten Abb. 3.4-43 EinHuB der Gestaltung von Kopfplattenver-
Kopfplattenverbindungen bindungenauf die Zugbeanspruchung der Schrauben

Stahlbau 3-261
KK-Knoten KY-Knoten K-Knoten

,,,~
I
I
I

--------r-- I

1
I
I

~y~y~
I

I
I
I
I
I
- ---4-
I
--- -

Abb.l.4-4S Steifenlos geschweißte Hohlprofilknoten


Abb. 3.4-44 Ausgesteifte Rahmenecke

'

~AP
- -f-
i
i
;
;

-1-------------~o'-------------+ ~--·
I
·--- --- ----- ·t ·-
; I
;

-.-
;
i
i
i
,_ ------------1- ;
-
Anschluß Modell

Abb. 3.4-47 Winkelverformungen (Rotationen <I>) im


Rahmenknoten aufgrund verformbarer steifenloser An-
Abb. 3.4-46 Steifenlos geschweißte Walzprofilknoten schlüsse

Bemessung der Schweißnähte genügen, um die lichkeit nach der Tragfähigkeit, nämlich in ge-
der Berechnung zugrunde gelegten Bedingun- lenkige Verbindungen, volltragfähige Verbin-
gen für Gelenkfachwerke herzustellen, entstehen dungen und die dazwischen liegende Teiltrag-
bei Rahmenknoten neben dem lokalen Festig- fähigkeit
keitsabfall auch lokale Winkelverformungen, die Die zweite Klassifizierungsmöglichkeit be-
einen erheblichen Beitrag zur Gesamtverfor- trifft die Steifigkeit, wobei sich die elastische Ini-
mung liefern können und damit die Verteilung tialsteifigkeit als zweckmäßig herausstellt (Abb.
der Schnittgrößen beeinflussen können (Abb. 3.4-49); für eine bilineare Approximation der
3.4-47). Momenten-Rotationskurven wird natürlich eine
Die Beschreibung des Verbindungsverhaltens geringere Sekantensteifigkeit verwendet. Die
erfolgt anhand von Bauteilversuchen, bei denen Steifigkeitsklassifizierung geht aus Abb. 3.4-50
die Beziehung zwischen Moment und Verdre- hervor, wobei nach seitlich unverschieblichen
hung, die sogenannte Momenten-Rotationskurve und seitlich verschiebliehen Rahmenelementen
aufgenommen wird (Abb. 3.4-48). Man erhält ty- unterschieden wird. Die Bewertung der Initial-
pische Kurven für bestimmte Verbindungsty- steifigkeit der Verbindung erfolgt durch Bezug
pen, die neben der Tragfähigkeit MRd auch Auf- auf die Steifigkeit der angeschlossenen Träger.
schluß über Anfangssteifigkeit und Rotations- Die Grenzkurven für "starr", "verformbar" und
verhalten geben. Durch Vergleich mit der Trag- "gelenkig" erlauben eine rasche Einteilung.
fähigkeit Mp1 des angeschlossenen Trägers erhält Die Kostenoptimierung für steifenlose Ver-
man zunächst eine erste Klassifizierungsmög- bindungen kann also folgende Wege gehen

3-262 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


111

Träger Träger
-~~o:_b~~~~~L ___ _
Mpt Mpl
!i~Rd

""-------<!> .___ _ __.. <!> '------<1>


nicht tragfähig teiltragfahig voll tragfähig
(gelenkig)

Abb.3.4-48 Klassifizierung von Anschlüssen nach Tragfähigkeit gemäß der Momenten-Rotationskurve

Moment

-- ----- -- - l M

Abb.l.4-49 Steifigkeitswerte aus der Momenten-Rotationskurve

M
Steifigkeitsgrenze unverschieblich verschieblieh
sj.lrn

Lb f/b
~8 -
Lb

.
starr

Jl EI
Lb ::; os ....!
, Lb
gelenkig

Si Anfangssteifigkeit

Abb.3.4-SO Klassifizierung von Anschlüssen nach der Verformungssteifigkeit

Stahlbau 3-263
[Weynand 1997; Dt. Stahlbau-Verband 2000; Jeder dieser Komponenten kann ein typisches
prEN 1993-1-8]: Federverhalten und ein bestimmtes Versagen
- Es wird wie bisher die Anforderung nach mit einer typischen Festigkeit zugeordnet wer-
"starrer" Verbindung beibehalten und mit ei- den, und durch Abbildung der gesamten Verbin-
ner Steifigkeit an der Grenze zwischen "starr" dung als Federmodell mit Federn in Serie und
und "verformbar", also einer Steifigkeit so Reihe können die Initialsteifigkeit und die Fest-
groß wie nötig, eine Gestaltungsoptimierung igkeit der gesamten Verbindung bestimmt wer-
im Hinblick auf ausreichende Festigkeit vor- den (Abb. 3.4-52).
genommen. EN 1993-1-8liefert einen Katalog standardi-
- Es wird mit Steifigkeits-und Festigkeitsvaria- sierter Verbindungen (Tabelle 3.4-12),für die das
tionen optimiert und dazu die Verformung Verhalten der einzelnen Komponenten durch
der Verbindungen in das statische Modell für Formeln beschrieben wird. Die Berechnung der
das Gesamttragwerk einbezogen. Das kann zu Verbindungen ist damit mit kleinen Rechnern
einem Optimum einer verformbaren Verbin-
dung an der Grenze zwischen "verformbar"
und "gelenkig" führen.
Stützenflansch
- Es wird planmäßig mit dem Auftreten plasti-
scher Gelenke an den Verbindungen gerechnet.

Für die einfache Bestimmung der Festigkeits-


und Steifigkeitseigenschaften von Verbindungen
existieren einfache Berechnungsmodelle in EN
1993-1-8, die darauf beruhen, daß man die Ver- Anschi ußwi nkel
bindungen in Grundkomponenten zerlegt. Eine
Komponente ist z.B. der T-Stummel zur Erfas-
sung der Flanschbiegung (Abb. 3.4-51). Weitere
Komponenten, die Festigkeit, Steifigkeit und Ro-
tationsverhalten beeinflussen, sind
- Stützensteg (Schub, Druck, Zug),
- Stützenflansch (Biegung),
- Kopfplatte (Biegung), Abb. 3.4-51 T-Stummel als Modell für das Verhalten der
- Betonstahl (Zug), Komponente .Flansch"
- Beton (Druck).

E·z2
5---
..... = - 1
2:-k;
1

Abb. 3.4-52 Modeliierung des Verformungsverhaltens von Verbindungen aus Komponenten

3-264 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


einfach möglich, so daß Kostenoptimierungen Schweißverbindungen
schnell durchgeführt werden können.
Grundsätzlich sind die Verfahren für die Be- Für Schweißverbindungen gelten die Bezeich-
handlung von Träger-Stützenverbindungen auch nungen nach Tabelle 3.4-13 und Abb. 3.4-53.
auf Rahmenecken oder Rahmenfußpunkte an- Grundsätzlich gilt für Schweißnähte, deren Her-
wendbar. stellung einem besonderen Qualitätssicherungs-
verfahren unterworfen ist (s. 3.4.1), daß für
Stahlsorten S235 bis S460 die Festigkeit der Näh-
te mindestens der Festigkeit des verschweißten
Tabelle 3.4-12 Beispiele aus dem KataiGg von Verbin- Grundwerkstoffs entspricht. Damit entfallen alle
dungstypen in prEN 1993-1-8 besonderen Tragsicherheitsnachweise für durch-
geschweißte Nähte, da für Nähte die Festigkeits-
Verbindungen werte des Grundwerkstoffs verwendet werden
dürfen. Besondere Nachweise gelten nur für die
Ermüdung von Schweißnähten, da die geome-
geschweißt
trischen und "metallurgischen" Kerben einer
Naht besondere Auswirkungen auf die Ermü-
dungsfestigkeit haben (s. 3.4.5).
Bei Kehlnähten und anderen nicht durchge-
schweißten Nähten wird von einer wirksamen
Nahtdicke a ausgegangen, die sich als Höhe des
mit bilndigen eingeschriebenen Dreiecks gerechnet für die
Kopfplatten
Konturen der Nahtvorbereitung ergibt (Abb.
3.4-54). Bei durch Schweißverfahrensprüfung
belegtem größeren Einbrand darf die Nahtdicke
auch einen Teil der Einbrandtiefe mit berück-
sichtigen. DieNahtfestigkeit bezieht sich auf den
mitüber- durch die Nahtdicke a und die Nahtlänge Cauf-
stehenden
Kopfplatten gespannten Nahtquerschnitt (Abb. 3.4-55).
Für die Ermittlung der Beanspruchung gibt es
zwei Verfahren (DINV ENV 1993-1-1):
l. Ein Verfahren, daß unabhängig von der Aus-
mit Flansch- richtung des Nahtquerschnitts zur Kraft ist,
winkeln bei dem also der Nahtquerschnitt in eine der
beiden Nahtschenkelflächen geklappt werden
darf.
Dann lautet der Nachweis (Abb. 3.4-56):

Tabelle 3.4-13 Ausführungsmöglichkeiten verschiedener Verbindungs- und Nahtformen [Hirt/Bez 1998]

Verbindung Schweißnaht
durchgeschweißte Naht nicht durchgeschweißte Naht Kehlnaht

Stumpfstoß
I I I I I I
T-Stoß
IR IR ~
Überlappungsstoß I , ...
I

Stahlbau 3-265
Stumpfstoß T-Stoß

r
40°bis60° ' 2

V-Naht
~
GXJ w
3bis15mm

U-Naht (Tulpennaht)
>30mm 5 bis40 mm

[lJ

r
8°bis 10°

\jbis15mm
[I] 5 bis40 mm

HV-Naht
G HU-Naht
[I] ~
40°bis60°

> 10mm

DV-Naht (X-Naht) 00 [l]


Abb. 3.4-53 Beispieledurchgeschweißter Nähte und ihre symbolische Darstellung [Hirt/Bez 1998]

a Unterpulverschweißen b nicht durchgeschweißte Nähte

Abb. 3.4-54 Definition der rechnerischen Nahtdicke o [Hirt/Bez 1998]

I 2 2 2 fu 1
Die Beiwerte ßw= 0,8/0,9/1,0 fürS 235/S 355/5460
owsa =voj_ +Tu +Tj_ s .[;. · - - - .
3 ßwYMw sind aus Versuchen ermittelt; sie gelten füryMw=
(3.4.49) 1,25 für alle Richtungen, die die Nahtachse zur
2. Ein Verfahren, das abhängig von der Ausrich- Kraftrichtung einnimmt, so daß die Festigkeiten
tung des Nahtquerschnitts ist, bei dem der von Nahtabschnitten unabhängig von der Rich-
Nachweis lautet (Abb. 3.4-57): tung addiert werden können.
Bei langen überlappten Anschlüssen mit Kehl-
I 2 2 1
ow =voj_ +3(Tj_ +Tu) Sfu·--- . nahtlängen f> 150a, bei denen ungleichmäßige
~ ~y~
Spannungsverteilungen zu überlastungen füh-
(3.4.50) ren können, ist die Nahtfestigkeit mit

3-266 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb.l.4-55 Kraftübenragung einer Kehlnaht und Nahtquerschnitt ol [Hirt!Bez 1998]

Abb.l.4-56 Definition der Spannungskomponenten


a.1.• t .1. und t u nach Klappen des Nahtquerschnittsol in Abb.l.4-57 Definition der Spannungskomponenten
eine der Nahtschenkelflächen o.1.• t .1. und t u am nicht geklappten Nahtquerschnitt

Schnittgrößen der angeschlossenen Teile. In der


ßwL =1,2-0,2· U(lSOa)$1,0 (3.4.51)
Regel führt das zur Wahl durchgeschweißter
zusätzlich abzumindern. Näheres siehe EN 1993- Nähte oder gleichfester nichtdurchgeschweißter
1-8. Nähte (z.B. Kehlnähte). Das gleiche Prinzip der
Die Ermüdungsfestigkeit nicht durchge- Kapazitätsbemessung gilt auch für geschweißte
schweißter Nähte ist wegen der Kraftumlenkun- Hohlprofilkonstruktionen oder geschweißte
gen und größeren Kerbwirkungen an den Naht- Mischkonstruktionen aus Hohlprofllen und of-
wurzeln geringer als bei durchgeschweißten Näh- fenen Profllen.
ten.Auch die Spannungsspiele ßaw und ßtw wer- Bei diesen steifenlosen Anschlüssen rekrutie-
den bei Ermüdung von Schweißnähten anders ren sich die Tragfähigkeiten aus Kräfteumlage-
gehandhabt als beim Grundmaterial (s. 3.4.5). rungen infolge plastischer Verformungen, und
die Tragfähigkeiten sind nicht mehr in einfacher
Geschweißte Anschlußkonstruktionen Form aus Gleichgewichts- und elastischen Ver-
formungsmodellen für die Einzelteile der An-
Für geschweißte Träger-Stützen-Verbindungen schlüsse herleitbar. Es gelten vielmehr Festig-
oder die geschweißten Kopfplattenanschlüsse keitsfunktionen, die an den Ergebnissen von
von geschraubten Träger-Stützen-Verbindungen Tragfähigkeitsversuchen, die in bestimmten Be-
müssen die Schweißnähte so bemessen werden, reichen geometrischer und werkstofflicher Para-
daß sie die Kräfte und Verformungen, die den meter durchgeführt wurden, nach dem Verfah-
Komponenten abverlangt werden, ohne Bruch ren in 3.4.3.1 kalibriert wurden (Tabelle 3.4-14).
überstehen. Zu den Ermüdungsnachweisen für solche stei-
Die Bemessung erfolgt also nach der Kapazi- fenlosen Konstruktionen s. 3.4.5.
tätsbemessungsmethode für die plastischen

Stahlbau 3-267
Tabelle 3.4-14 Beispiel für die Gestaltfestigkeit von geschweißten Anschlüssen aus Hohlprofilstreben und einem 1- oder H-
Profii-Gurtstab nach DIN VENV 1993-1-1

Anschlußform Gestaltfestigkeit
K- und N-Anschlüsse mit Spalt Instabilität des Gurt- Nachweis für Bruch durch
stabstegbleches Dehnungsakkumulation
nicht erforderlich, wenn
_ f1o·tw·bw[ 1,0] glt, ;;1; 2Q-28 ~
N;.Rd . -
sm e, YMJ
~ S 1,0-0,03y mit y = bof2t

Bruch durch Dehnungs- 0,75:5 d1/d2 :5 1,33 für Rund-


konzentration hohlprofile CHS
1,0 ]
N;,Rd =2fy~ · t; ·beff [ - 0,75 :5 b1/b2 :5 1,33 für
YMJ Rechteckhohlprofile RHS

Abscheren des Gurtstabquerschnitts


f10 ·A. [ 1,0]
N;.Rd = - - - - -
../3
si ne 1 YMJ

N0 .Rd =[(A 0 - A. lfya+ Av ·fya~l-( vpiM


2
V5c1 ) ] - 1
YMi

Funktion

bw= h/ (sin 9) + 5(t1+ rl


jedoch bw:5 2t1+ 1O(t1+ r) fürRHS:a = Kl
A. = Ao- (1 - a ) b0 • t 1+ (tw +2r)lj

-
b0 ff = 1w + 2r + 7·lj·fyO /fyi
f
jedoch bell S b1 fürCHS:a = 0

3.4.5
Ermüdungsnachweise
o(log)
3.4.5.1
Historisches
~ ORH

Frühere Berechnungsvorschriften beruhten auf


Ermüdungsfestigkeiten, die anhand von Ermü-
~F( ~ ORO
dungsversuchen mit kleinen Proben ermittelt
wurden, zunächst als Wöhler-Kurven aus Bruch-
spielzahlen für mehrere Niveaus ~a=a0 -0u bei lOS n (log)
2' 106
einer Unterspannung au. Bei 2 · I 06 Lastwechseln
wurde die Versuchsreihe abgebrochen und in Abb. 3.4-58 Wöhler-Linie im doppeltlogarithmischen
~ORD eine ausreichende Annäherung an die Maßstab
Dauerfestigkeit gesehen. Im doppeltlogarithmi-
schen Maßstab würde diese Auswertung zu der
bilinearen Festigkeitsfunktion nach Abb. 3.4-58 werden, die bei Vorgabe von Sicherheitsfaktoren
führen. Yy für das Erreichen der Streckgrenzen fY und YJ
Ausgehend von der Dauerfestigkeit ~ORD• die für das Erreichen der Oberspannung a 0 zu zuläs-
der Nutzlastwirkung a0 -au zugeschrieben wer- sigen Spannungen unter Berücksichtigung von
den kann, kann über der Unterspannung au ei- ~aRD führt (Abb. 3.4-59). Eine Auftragung die-
ne maximale Beanspruchbarkeil a0 definiert ser zulässigen Spannungen über R=aula0 führt

3-268 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Oberspannung o0 f1 360 N/mm2

-------- -1---·""_....;;.
1 t..o 0
__
I
Unterspannung o 0 I
I
I
I
Abb. 3.4-59 Zulässige Beanspruchbarkeit bei schwin-
gender Beanspruchung über Unterspannung

Abb. 3.4-61 Definition der Ermüdungsfestigkeit nach


prEN 1993-1-9 fiir geschweißte Konstruktionsdetails

f1 36 kN/cm2
l ·.- 2. Die statistische Auswertung der Versuche
/ führt zu Geraden für Mittelwerte (m) und
/ Mittelwerte minus 2 x Standardabweichung
/
(m-2o), die für geschweißte Details etwa die
_, ·/ ...21 kN/mm2 Neigung 1/m=l/3 haben.
~
,/_..,:.
- zulässige
Spannungen
3. Die Dauerfestigkeit liegt eher bei Nv= 5 ·106
Lastwechseln.
4. Die charakteristische Ermüdungsfestigkeit
- 1,0 0 1,0 R= Ou wird durch die ( m- 2o) ::::: Pü = 95 %-Gerade be-
o. stimmt, und im Hinblick auf die Unsicherheit
zur Größe von Nv wird der Einhängepunkt in
Abb. 3.4-60 Zulässige Beanspruchbarkeit bei schwin- Anlehnung an die Vorgehensweise von Wöhler
gender Beanspruchung über R= ojo0
bei 2 ·106 Lastwechseln gewählt.
5. Die Ermüdungsfestigkeiten sind weitgehend
zu dem Verlauf in Abb. 3.4-60, der prinzipiell unabhängig von der Stahlsorte und Stahlgüte.
dem Verlauf der zulässigen Spannungen bei den Sie gelten also z.B. in gleicher Weise für S235
früheren Eisenbahnvorschriften entspricht. undS690.

3.4.5.2 Damit ist eine Wöhler-Festigkeitsfunktion für


Grundlagen der Ermüdungsfestigkeit in EN 1993-1-9 ein bestimmtes Konstruktionsdetail durch die
Funktion (Abb. 3.4-61)
Die Ermüdungsregelungen in EN 1993-1-9 ba-
(3.4.52)
sieren auf den Empfehlungen der EKS und des
IIW, die auf Versuchsergebnissen von Ermü- beschrieben, und die Dauerfestigkeit beträgt
dungsversuchen mit großen, bauteilähnlichen
Proben beruhen. Diese ließen folgende Schluß- 3[2 (3.4.53)
ßov =Vs ·ßoc .
folgerungen zu:
1. Für geschweißte Konstruktionen ist die Ermü- Für die Einstufung vieler Details bot sich ein Ge-
dungsfestigkeit ßoR unabhängig von den Span- radenraster mit gleichen Abständen nach Abb.
nungsniveaus o 0 und Ou, also z. B. unabhängig 3.4-62 an, wobei der Abstand nach der Norm-
davon, ob sie im Zugbereich oder Druckbe- zahlenreihe R20 = 1,12 gewählt wurde und ausge-
reich ermittelt wurde, da die Eigenspannun- hend von ßoc= 100 N/mm 2 die Festigkeitsreihe
gen die Mittelspannung aus der Last überla- festgelegt wurde. In Sonderfällen, in denen die
gern. Wöhler-Linienneigung flacher ist als 1/3 (z. B.l/5

Stahlbau 3-269
500
Nlmm2
300

200 Dauerfestigkeit
öa 0

103118
100
83 92
66 74
52 59
50 46
41
37
33
29
26

10~--------~--~----+-----+---------~ N
lOS 5 106

Abb. 3.4-62 Normierte Ermüdungsfestigkeitskurven [Hirt/Bez1998)

3.4.5.3
J.l Behandlung von a-t-Verläufen

In der Regelliegen die wirklichen Zeitverläufe a-


t der Ermüdungsbeanspruchungen nicht als har-
I monische mit konstanter Amplitude wie im Er-
Druck Zug : müdungsversuch vor, sondern als unregelmäßi-
I
'-öa/2
ge Spannungszeitverläufe (Abb. 3.4-64).
+öa/2 ' a0 +a,
Om=-
2- Solche Zeitverläufe können aus Messungen,
Mittelspannung
aus rechnerischer Auswertung von Betriebsvor-
gängen (z.B. Auswertung von Einflußlinien bei
Abb. 3.4-63 Vergrößerungsfaktoren J.l für die Ermü- Brücken), oder dynamischen Simulationen des
dungsfestigkeit öaR in Abhängigkeit von der Mittel- Betriebs von Bauwerken ermittelt werden. Für
spannung om die Auswertung gibt es anerkannte Zählmetho-
den, z.B. die Rainflow-Methode oder die Reser-
bei Schubbeanspruchungen Ln), wurde- wenn voir-Methode, die in Abb. 3.4-64 dargestellt ist.
möglich- das gleiche Prinzip beibehalten. Kerb- Das Ergebnis der Auswertung ist entweder ein
falltabellenenthält EN 1993-1-9. Histogramm, geordnet nach der Spannungsspiel-
Für nicht geschweißte Konstruktionsdetails höhe !1a;, oder eine Dichteverteilung für !1a;.
ohne Eigenspannungen oder geschweißte und
spannungsfrei geglühte Bauteile dürfen die Re- 3.4.5.4
geln wie bei geschweißten Konstruktionsdetails Schädigungsverhalten und Schadensäquivalenz
auf der sicheren Seite liegend angewendet wer-
den. Der Vorteil, den die Ermüdungsbelastung Jedem der Beanspruchungsblöcke !1a;, n; kann
im Druckbereich liefert, darf nach Abb. 3.4-63 im Bereich oberhalb der Dauerfestigkeit der
dadurch berücksichtigt werden, daß die ermü- Wöhler-Linie eine Schädigung
dungsschädigende Wirkung der Druckkompo-
nente des Spannungsspiels !1a; auf 60% redu-
(3.4.54)
ziert oder die Ermüdungsfestigkeit 11aR gleich-
wirkend erhöht wird.

3-270 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Histogramm

Häufigkeitn Anzahl In

Abb. 3.4-64 Auswertung von Spannungszeitverläufen mit Zählmethode Rainflow oder Reservoir und Ordnung der ßo1,
nrWerte in Histogrammen oder Dichteverteilungen

Schaden: ßo(log)
D= n;
N,

NR(Iog)
N, =2 · 106 N,=5 · 106

Schadensäquivalenz:
ao1
Ao;·2:n1= 2:( ol·n1)
ßOäquiY.

"" 13·n1]1/3
[L.ao
ao. = '\'
L.nl
Häufigkeitn In n

Abb. 3.4-65 Schadensakkumulation nach der Miner-Regel und schadensäquivalentes Spannungsspiel

zugewiesen werden. Der Bruch ist erreicht, wenn gen tJ.o;, n; ein schadensäquivalentes Einstufen-
D; =1,0 (Abb. 3.4-65). histogramm mit der Amplitude t:.oe und der Ge-
Bei verschiedenen Blöcken tJ.o;, n; können die . samtzahl Ln; berechenbar, das direkt mit der
Schädigungen D; nach der Miner-Regel akku- Wöhler-Linie verglichen werden kann:

t:.o; ·l n; = l {t:.oi · n;)


muliert werden, und der Gesamtschaden lautet
(3.4.56)
' ' n· '
D=L.D·=L.-'-=L. t:.o~ · n·
I I <1. oder
1
N Ri t:.oc3 · 2 ·106
(3.4.55)
(3.4.57)
Damit ist für das unregelmäßige Histogramm
der verschiedenen Ermüdungsbeanspruchun-

Stahlbau 3-271
3.4.5.5 mit
Ermüdungsnachweis

Ausgangspunkt des Ermüdungsnachweises ist


A=~ 2L1~6.
der Ermüdungsschädigungsnachweis Dieser Nachweis gilt für den Fall 1 nach Abb.
3.4-66, wenn sich alle Spannungsspiele von
ßo 3 ·'n·
D= e L ' <l (3.4.58) ßOmax bis ßOmin im Bereich der Wöhler-Gera-
M; ·2 · 106 den befinden, also ßOmin ~ ßov gilt.
oder Für den Fall2 nach Abb. 3.4-66, wenn sich alle
Spannungsspiele ßoi unterhalb der Dauerfestig-
(3.4.59)
keit befinden, also keine Begrenzung der Nut-
Dieser Nachweis wird für die meisten Anwen- zungsdauer besteht, gilt die Bedingung
dungen in einen Nachweis mit Spannungsspie-
(3.4.61}
len umgeschrieben:
(3.4.60)

Falll 6oR

t.o. 6o :· 2:n1 ~ 6o:· 210 6

60m;n2: 60o 6o0 I.\ · 6o 0 ~ 6o, I


------------
6omin
~.\ =~ In;
2·106
NR
5 · 106

Fall2 6oR
6o",.,~ t.o 0

k·6o 0 =6o",.,
6omax$ 6oo 6omax 6o 0
----------- IAmax ·6o• S6u, I
6o•

NR
~ Amax =k · ~2
5· 106

Fall3 6oR
- , · 2: n ~ 6o s · 5 · 10 6
60e 1 0

modifizierte
•Wöhler-Linie· für
t.o. I.\ ·t.o. s t.o, I
Miner·Regel

~.\=~2 · {!.$
5·10 6
NR
5 · 106 5 · 10S

Abb. 3.4-66 Nachweisfalle bei verschiedener Position der Dichteverteilung von 6o1zur Dauerfestigkeit 6o0

3-2 72 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Dieser Nachweis kann mit mit
~Omax =k·~ae,

~a0 =~·~a, v2 v~
A.=3/i.5rr,;;.

Bei zusammengesetzten Beanspruchungen mit


in a und t an einer Kerbstelle dürfen die Nachwei-
se wie folgt geführt werden:
Amax. ~Oe::;; ~a, (3.4.62)
1. Verlaufen die o-Spannungen und t-Spannun-
mit gen an einer Kerbstelle im Grundmaterialzeit-
lieh in Phase, dann ist für das Grundmaterial
A.
max
=k)i_
V2 die Hauptspannung wirksam, und ~an be-
zeichnet die Hauptspannungsspiele.
umgeschrieben werden und hat damit das glei- 2. Verlaufen die o-Spannungen und t-Spannun-
che Aussehen wie Gl. (3.4.60). gen an einer Kerbstelle im Grundmaterialzeit-
Für den Fall3 nach Abb. 3.4-66, bei dem Teile lieh nicht in Phase oder handelt es sich um
der Spannungsspiele ~a; oberhalb der Dauerfe-
stigkeit ~o0 liegen und Teile darunter, muß be-
Schweißnahtspannungen ~aw =~
achtet werden, daß die Dauerfestigkeit infolge quer zur Naht und tw =tn längs zur Naht, (s.
der Ermüdungsschädigung absinkt, also nach auch 3.4.4.5), dann gilt der Nachweis für die
Aufbringen von Spannungsspielen ~a; oberhalb Schädigungssumme
~av auch Spannungsspiele unterhalb von ~oo
zur Ermüdungsschädigung beitragen können. Da, +Da, ::;; 1 (3.4.65)
Dies wird dadurch berücksichtigt, daß die oder mit schadensäquivalenten Beanspruchun-
Wöhler-Linie für die Auswertung über die Dau-
erfestigkeit hinaus mit einer Neigung (2m-1),
im Fall m=3 also mit der Neigung m=5, verlän-
gert wird. Nur Spannungsspiele unterhalb des
gen

~a,
r r
(A0 ·~oe +(A.,·~te
~t,
::;;1.
(3.4.66)
Schwellenwertes der Ermüdungsfestigkeit (Cut-
off-Punkt) werden nicht mehr berücksichtigt, da Zur Abgrenzung von Spannungsspielen ~a; ge-
sie nach bruchmechanischer Deutung keinen gen die obere Gültigkeitsbegrenzung des Wöh-
Beitrag mehr zum Rißwachstum liefern, da sich ler-Linienbereichs, durch die plastische Deh-
M( unterhalb von Mth befindet (s. Abb. 3.4-13 ). nungsspiele ausgeschlossen werden sollen, (s.
Der Ermüdungsnachweis lautet dann mit den auch 3.4.5.8), wird noch
Schädigungsanteilen
(3.4.67)
2)ai ·n; _L~a} · nj
(3.4.63)
gefordert. Damit wird erreicht, daß sich die
3 6 + 5 6 <1. Spannungsschwingspiele im elastischen Bereich
~a, ·2·10 ~o 0 ·5·10
'-----v---' '-----v-------' einschwingen. Gleichzeitig ist dieser Nachweis
m=3 m=5 auch eine Sicherung gegen plastische Dehnungs-
Vereinfacht kann man nach Abb. 3.4-66 auf der akkumulation, die zur plastischen Verformungs-
sicheren Seite liegend nur den Anteil mit m =5 akkumulation (Shake-down-Effekt) führen
der Wöhler-Linie in Anspruch nehmen, so daß könnte.
mit Für bestimmte Detailpunkte, die in die Details
5 ~ 5 6 in EN 1993-1-9 nicht unmittelbar einstufbar
~ae·L.nj:s;~a 0 ·5·10,
sind, sich aber von bestimmten Schweißdetails
wobeimit nur durch geometrische Veränderungen des
Bauteils unterscheiden, darf das "geometrische
Verfahren" angewendet werden. Dabei wird die
Nennspannung ~a, für die das Kerbdetail gilt,
mit dem Kerbfaktor vergrößert, der sich bei An-
der Nachweis lautet: nahme elastischen Verhaltens aus der gegenüber
dem Kerbdetail veränderten Geometrie ergibt,
(3.4.64) und dann der Nachweis mit der Ermüdungsfe~
stigkeit geführt, die sich ohne Kerbfaktor ergibt.

Stahlbau 3-273
Ein wichtiges Feld, in dem solche Kerbfaktoren 3.4.5.6
angewendet werden, bilden geschweißte Hohl- Ermüdungsbelastung
profilkonstruktionen.
Für einfache Fälle solcher geschweißter Hohl- Ermüdungsbelastungen liegen entweder als ge-
profilkonstruktionengibt es auch Wöhler-Lini- messene oder gerechnete Spannungszeitverläufe
eneinstufungen, in denen die ungünstigsten a-t vor, sind in Form von Dichteverteilungen
Kerbfaktoren auf der Festigkeitsseite berück- oder Spannungsspektren der Spannungsschwing-
sichtigt sind, so daß man direkt mit Nennspan- breiten schon aufbereitet, oder werden in Nor-
nungen arbeiten kann (prEN 1993-1-9). men oder Spezifikationen bereits als schadensä-
Wenn die geometrischen Verfahren nicht aus- quivalente Größen angegeben (Tabelle 3.4-15).
reichen, um ein Kerbdetail einzustufen, dann Typisch für solche Angaben sind die ermü-
kann dies nach dem sog. "kombinierten" Ver- dungswirksamen Kranlasten auf Kranbahnträ-
fahren durchgeführt werden, bei dem zwei Pha- gern, für die drei Parameter vorgegeben werden:
sen der Ermüdungsschädigungen unterschieden - Lastmodell zur Bestimmung der Bezugsgröße
werden (Abb. 3.4-67) [Jo 1991): ~Omax>
- die Rißinitinierungsphase bis zum Entstehen - Lastwechselzahl I.n,
von kleinen Rissen a0 - 0,25 mm; diese Phase - Standardisiertes Spektrum.
kann nach dem Kerbgrundverfahren be-
schrieben werden.
- die Rißfortschrittsphase, bei der - ausgehend Tabelle 3.4-15 Unterschiede bei der Spezifizierung der
von Anfangsrissen - Rißwachstum stattfindet, Ermüdungsbelastung
bis die kritische Rißgröße zum Bruch erreicht
wird. Diese Phase kann mit bruchmechani- Lastmodell für Ermüdung
schen Verfahren beschrieben werden. direkt indirekt
• Lastmodell zur Bestim- • Lastmodell zur Bestim-
Die Rißinitiierungsphase liefert den überwie- mung von D.a,... mung von D.omax
(sog. häufige La.st) (sog.häufige Last)
genden Anteil der Nutzungsdauer NR bei kleinen
Bauteilen, (z.B. Schrauben oder Maschinenbau- • standardisiertes • Lastmodell zur Bestim-
teilen) oder bei dünnen Blechkonstruktionen. Spektrum mung des schadens-
D.o; äquivalenten D.oe
Die Rißfortschrittsphase liefert den überwie- (sog.Ermüdungslast)

"f~q,;~~
genden Anteil der Nutzungsdauer bei üblichen
geschweißten Stahlbauteilen größerer Abmes- beiwert
vJ(
sungen und wird deshalb in diesen Bereichen
vorwiegend eingesetzt. Die Anfangsgröße wird n;
so gewählt, daß sie D.K- Werte liefert, die gera~e l:n
oberhalb des Threshhold-Wertes D.Kth liegen, es • Lastwechselzahl l:n • Lastwechselzahl l:n
sei denn, es müssen größere Anfangsrisse a pri-
ori angenommen werden.

Rißtiefeo

o0 = 0,25mm }
====•· =======~:=!:·----------
l: =====-----.:..._- Lastwechsel
Anzahl der
I------ N~'----1.
Rißinitialphase
NP
Rißwachstumsphase
N1= N1+ Np

Abb. 3.4-67 Zusammensetzung der Gesamtnutzungsdauer N1 [Jo 1991]

3-27 4 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Damitkann fordert, daß ein rißähnlicher Schaden, der infol-
ge Ermüdung zu einer bei der Prüfung erkenn-
ßoe = A· ßomax (3.4.68)
baren Größe angewachsen ist, aber bei einer sol-
berechnet werden. chen Prüfung übersehen wird, über mindestens
Für Brücken werden ermüdungswirksame ein weiteres Betriebszeitintervall bis zur näch-
Fahrzeuge als Bezugsfahrzeuge für die Belastung sten Prüfung ohne Gefährdung der Tragsicher-
angegeben, mit denen eine Bezugsspannung heit wachsen kann. Dieser Nachweis wird bruch-
ßoref bestimmt werden kann, um dann mit meh- mechanisch geführt.
reren A.-Werten die schadensäquivalente Bean- Bei modernen Konstruktionen, bei denen die
spruchung ßoe ermitteln zu können. Für Eisen- Stahlgütewahl nach dem in 3.4.3 angegebenen
bahnbrücken lautet z.B. Verfahren getroffen wurde, ist bei funktionieren-
den Inspektionen die Schadenstoleranz gege-
(3.4.69)
ben. Auch bei Mehrfachanordnung von Bautei-
mit len besteht Schadenstoleranz, wenn Brüche er-
cll 2 dynamischer Vergrößerungsbeiwert, kennbar sind. Häufig besteht Schadenstoleranz
A. 1 Spannweitenbeiwert, auch, wenn die Ermüdungsbelastung nicht last-
A.2 jährliches Verkehrsaufkommen, induziert, sondern zwängungsinduziert ist, d.h.
A. 3 Lebendauer, mit der Rißbildung sofort abfällt, so daß der Riß
A.4 Begegnungshäufigkeit, stehen bleibt.
ßOuic ßOretfür UIC-Belastung. Im Fall der Schadenstoleranz und für die Prü-
fung gut zugänglicher Konstruktionen dürfen
Für andere ermüdungswirksame Belastungen die Sicherheitsfaktoren YFfund YMfmit dem Wert
(z.B. Maschinen oder für Schwingungen aus 1,0 angesetzt werden (s. Tabelle 3.4-16), und alte
Winderregung), gibt es Berechnungsverfahren Konstruktionen dürfen auch dann, meist mit zu-
für ßoe und n,die in den Normen,(z.B.EN 1991- sätzlichen Maßnahmen, sicher weiterbetrieben
1-4 fürWindoder EN 1991-5 für Maschinen), zu werden, wenn die rechnerische Grenzschädi-
finden sind. gung des Ermüdungsnachweises schon erreicht
ist, ohne daß Ermüdungsschäden aufgetreten
3.4.5.7 sind. Denn die Prüfungen liefern ja rechtzeitige
Sicherheitskonzept für Ermüdungsnachweise Vorwarnungen.
Bei nicht schadenstoleranten Konstruktionen
Für den Ermüdungsnachweis gelten Teilsicher- wäre es dagegen möglich, daß Ermüdungsrisse
heitsfaktoren auf der Beanspruchungs- und Be- auftreten, die ohne Vorwarnung zum Bruch füh-
anspruchbarkeitsseite: ren können. Daher bestehen erhöhte Sicherheits-
anforderungen für den Ermüdungsnachweis, und
, ßoc
y Ff ~~. . ßo e :5 - - . die Konstruktion muß nach Ablauf der rechneri-
YMf (3.4.70) schen Grenzschädigung sofort aus dem Betrieb
Grundsätzlich wird bei allen Konstruktionen, genommen werden. Die Sicherheitsfaktoren wer-
die wesentliche Ermüdungsbelastungen erfah- den in diesem Fall nach zwei Kriterien abgestuft:
ren, so daß sie auf Ermüdungssicherheit hin zu - Wird die Ermüdungsbelastung während des
dimensionieren sind, vorausgesetzt, daß sie in Betriebs hinreichend genau kontrolliert, so
bestimmten Zeiträumen (den sog. Prüfinterval-
len) geprüft werden, um mögliche Schäden zu
Tabelle 3.4-16 Sicherheitsbeiwerte in prEN 1993-1-9
erkennen.
Wenn die Konstruktion und die Werkstoffe
Versagensfolge
immer so gewählt sind, daß ein Ermüdungs-
normal hoch
schaden bei den Prüfungen rechtzeitig erkenn-
Schadenstolerante l ,OOb 1,15b
bar wird, bevor er für die Tragsicherheit gefähr- Bemessung
lich wird, spricht man von Konstruktionen, die Bemessung für
hinsichtlich der Ermüdung schadenstolerant schadenskritisches 1,J5b 1,35b
sind. Dieser Fall trifft für die meisten Konstruk- Verhalten
tionen zu. b kleinere Werte in nationalen Anhängen möglich
Der Nachweis der Schadenstoleranz erfolgt
mit dem Betriebszeitintervall-Nachweis. Dieser

Stahlbau 3-275
daß die Bedingungen des rechnerischen Er- Spannungs-Dehnungslinie und eine Wöhler-Li-
müdungsnachweises nicht überschritten wer- nie, die aus einer Wöhler-Linie für die wahren
den. Spannungswechsel öa und einer Wöhler-Linie
- Sind solche Überprüfungen der Ermüdungs- für die wahren plastischen Dehnungswechsel
belastungen nur mit Abschätzungen, z.B. be- ÖEpi zusammengesetzt ist (Abb. 3.4-68).
dingt durch schlechte Zugänglichkeit zum In der Regel können für Stahlprofile mit alter-
Standort, möglich. nierender Plastizierung in plastischen Gelenken
die lokalen wahren Spannungen und plastischen
3.4.5.8 Dehnungen wegen Beulenbildung in diesen Be-
Ermüdungssicherheit bei plastischen Verformungen reichen nicht angegeben werden. Deshalb ver-
zichtet man auf eine Mikrobehandlung und
Treten bei hohen Lasten, für die mit plastischen führt den Nachweis im Makrobereich gegen
Bauwerksreaktionen gerechnet wird, Beanspru- Wöhler-Linien für die plastischen Rotations-
chungswechsel auf (z.B. bei Erdbebenbelastung winkel Ö<ppi durch, die experimentell aus Bau-
oder bei extremer Starkwindbelastung), dann teilversuchen bestimmt werden (Abb. 3.4-69)
interessiert die Sicherheit gegen alternierende [Sedlacek et al. 1994].
Plastizierung. Die Auswertung erfolgt mit der Wöhler-Linie
Für das Spannungs-Dehnungsverhalten im der plastischen Rotationswinkel unter Anwen-
niedrigzyklischen Bereich gilt eine zyklische dung der Reservoirmethode und der Miner-Re-

E- logN-

Abb. 3.4-68 Zyklische Spannungs-Dehnungslinie und Wöhler-Linie für wahre Dehnungsschwingbreite l!.E

-or------,-----.---~----,

r- 4
logn, N -

Abb. 3.4-69 Sicherheitsnachweis für das Spektrum l!.<pp1,n gegen die Wöhler-Linie der plastischen Rotationswinkel [Sedlacekl
KucktFeldmann 1994]

3-276 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


gelanalog zum Vorgehen im elastischen Bereich 3.4.6.2
[Sedlacek /Kuck!Feldmann 1994]. In den plasti- Rationalisierung von Fertigung und Montage
schen Nachweisregeln für Windbelastungen
nach EN 1993 und Erdbebenbelastungen nach Für die Wirtschaftlichkeit von Stahlkonstruk-
EN 1998 sind die Sicherheiten gegen alternie- tionen sind zwei Komponenten entscheidend:
rende Plastizierung von Stahlbauten bereits ent- - die Kostenentwicklung von Material und Lohn,
halten. - die konstruktive Gestaltung und der damit
verbundene Bearbeitungsaufwand.
3.4.6
Fertigung und Montage Aus der Entwicklung der Stundenlöhne (1955:
2,2 DM/h; 1995: 48 DM/h) und der Stahlpreise
3.4.6.1 (1955: 460/DM/t; 1995: 1100 DM/t) folgt die Not-
Auftragsabwicklung in der Einzelfertigung wendigkeit der Arbeitseinsparung durch Ratio-
nalisierung der Fertigungsmethoden, der Mon-
Die Auftragsabwicklung in der Einzelfertigung tagemethoden und des Konstruktionsentwurfs
von Stahlbauten geht aus Abb. 3.4-70 hervor. Die zur Einsparung von Arbeitskosten.
technische Bearbeitung kann in der Genehmi-
gungsplanung (Herstellung geprüfter Konstruk- 3.4.6.3
tionszeichnungen und statische Berechnung) Fertigungsmethoden
und der Planung für Werkstatt und Montage
(Werkstattzeichnungen und Stücklisten, Ter- Die Rationalisierung in der Fertigungstechnik
minplanung, Fertigungsplanung, Versand, Mon- ist gekennzeichnet durch
tageplanung und Abnahme) in einer Hand oder - den Einsatz NC-gesteuerter halb- und voll-
in aufeinanderfolgenden Schritten bestehen. automatischer Fertigungsverfahren (Brenn-,
Abbildung 3.4-71 gibt eine übersieht über ei- Bohr-,Schweiß- und Konservierungsanlagen),
ne typische Stahlbaufertigung. - die universelle Verbreitung der Schweißtech-
nik und die Entwicklung der hochfesten Ver-

Anfrage
I
I l
Mengengerüst Wertans<itze
I technische/kaufmännische Projektbedingungen Kalkulationssätze
I Angebotsbearbeitung
I Angebotskalkulation
+
I Angebot Angebotspreis
I
I + !
f- - Verkaufsverhandlung -----
Mengengerüst
Änderungen/Korrekturen
c
1
+ Auftrags- +
0>
c ~
I bedingungen ::>

I
Auftragserteilung Angebotskalkulation c:
-5 ~
I + I Solimingen l interne Vorgabe I!!
c
0>
c:

!
:::>
c:
"'
I 0>
c:
technische Bearbeitung Sollwerte t:(
0 ""'a:~
I ""'
--~} c:::;:)
:::>
=8 auftragsbegleitende
I Kalkulation
]
r--·
I Materialbeschaffung
~
0> Soll/Ist-Vergleich
1
~
-1:: Werkstattfertigung ~ I
:::>
I < 15
Montage .5 ~
I -"'- Nachkalkulation
I t
I
I
Abnahme
---------- --- ·- -
Ergebnis
Abweichungsanalyse
_____ ..,

Abb. 3.4-70 Auftragsabwicklung in der Stahlbaueinzelfertigung [Gibitz 20001

Stahlbau 3-277
Lager Vorbearbeitung Vorfertigung Zusammen- Zwischenlagert
bau Versand

Abb. 3.4-71 Schema einer Stahlbaufertigung [Gibitz 2000)

schraubung zu einer die Schweißtechnik ide- - Entwicklung eines Tragwerkes mit günstiger
al ergänzenden Verbindungsmethode, Gliederung für
- Rollgänge als dominierende Transportmittel, • Schaffung von Wiederholteilen bei der Fer-
- Ansätze zur Entwicklung vollautomatischer tigung zur besseren Typisierung,
Fertigungsstraßen. • geringer Aufwand für Montage- und Hilfs-
konstruktionen, die möglichst typisiert sein
3.4.6.4 sollten,
Montagemethoden • Zerlegung in geeignete Transportteile für
Versand und Montage möglichst vom
Die Rationalisierung der Montage besteht in Transportmittel aus ohne Umschlag und
- verbesserten Transportmöglichkeiten, die zu Zwischenlager,
größeren und schwereren Montageeinheiten, • Anschlüsse und Verbindungen, die günsti-
Transporten ohne Umladen, Containereinsatz ge Fertigung und schnelle Montage ohne
für Personal usw. führen, Paßprobleme erlauben.
- verbesserte Hebeeinrichtungen, z.B. durch - Verlagerung von Zusammenbau-, Schweiß-
Verwendung von Baustellenkranen, Mobil- und Anpaßarbeiten sowie Montagevorberei-
und Autokranen, hydraulischer Hebesysteme tungen und Korrosionsschutzmaßnahmen in
und von Bauaufzügen, die Werkstatt, um einfacher rationalisieren zu
- verbesserte Verbindungstechniken, z. B. Schlag- können und einen zügigen Montageablauf zu
schrauben hochfest vorgespannter Schrauben, gewährleisten.
verbesserte Elektroden für Baustellenschwei- - Integrierung von Montagehilfen, Schalungen,
ßung, Dübeltechnik zum Beton hin, selbst- Arbeitsschutzvorkehrungen und Wartungs-
schneidende Blechschrauben und Setzbolzen, einrichtungen in die endgültige Konstruktion.
Aufschweißen von Kopfbolzen mit Pistole. - Reduktion des Schweißnahtvolumens durch
größeren Materialeinsatz (weniger Abstufung)
3.4.6.5 und hochfeste Werkstoffe (geringere Blech-
Konstruktionsentwurf dicken).

Ein guter Konstruktionsentwurf geht auf ko-


stengünstige Fertigung und Montage ein. Dabei
gelten folgende Leitlinien:

3-278 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abkürzungen zu 3.4 teilen durch eine optimale Querschnittsgestal-
tung die hohe Zugfestigkeit des Baustahls und
VDEh Verein Deutscher Eisenhüt- die große Druckfestigkeit des Betons gleichzei-
tenleute, Düsseidorf tig ideal ausgenutzt werden können. Durch die
DASt-Richtlinie Richtlinie des Deutschen Aus- schubfeste Verbindung von biegesteifen Stahl-
schusses für Stahlbau profilen mit Betonteilen werden beide Materia-
DIBt Deutsches Institut für Bau- lien zur gemeinsamen Tragwirkung herangezo-
technik, Berlin gen. Auf diese Weise entstehen Konstruktions-
ECCS European Convention for elemente wie Verbunddecken, Flachdecken, Trä-
Constructional Steelwork ger, Stützen und Rahmenkonstruktionen, die
EKS Europäische Konvention für sich durch hohe Tragfähigkeit und Dauerhaftig-
Stahlbau keit sowie durch große Steifigkeit auszeichnen.
GV-Verbindung gleitfeste vorgespannte Ver- Die in Abb. 3.5-1 dargestellte Auswahl umreißt
bindung die Vielfalt der Konstruktionsformen, die dem
IIW International Institute for planenden Ingenieur zur Verfügung stehen. Die
Welding Hauptanwendungsgebiete des Verbundbaus lie-
SL-Verbindung Scheriochleibungsverbin- gen heute neben dem Brückenbau [Keller 1988,
dung Nather 1990, 1997; Haensel1992; Seifried/Stetter
SM-Verfahren Siemens-Martin-Verfahren 1995; Schwarz/Haensel 1995; Hagedorn 1997]
TM-behandelt Thermo-Mechanisch-behan- insbesondere im Geschoß-, Hochhaus- und In-
delt dustriebau sowie im Hallen- und Parkhausbau
UHP-Lichtbogen Ultra-High-Power (Hochlei- [Muess 1982, 1996; Muess/Schaub 1985; Bra-
stungs-Elektrolichtbogen- schel/ Schmid 1989; Mascioni u.a. 1990;
Verfahren) Spang/Hass 1986; Joest/Hanswille u. a. 1992; Ko-
WEZ Wärmeeinflußzone barg 1992; Ladberg 1996; Tschemmernegg 1996;
Z-Verbindung Zugverbindung Eichhorn/Kühn/Muess 1996; Baumgärtner/
Krampe u.a. 1997; Hanswille 1997; LangeiEwald
1998]. Bei konsequenter Nutzung der techni-
3.5
schen Möglichkeiten ergeben sich für den Bau-
Verbundbau
herrn, den Planer und die ausführenden Firmen
eine Reihe von Vorteilen . Die industrielle Vor-
3.5.1 fertigung von Verbundbauteilen ermöglicht ho-
Einleitung, Regelwerke he Maßgenauigkeit sowie weitgehende Witte-
Verbundkonstruktionen aus Stahl und Beton rungsunabhängigkeit, die erhebliche Bauzeit-
eröffnen neben den traditionellen Bauweisen verkürzungen zur Folge hat. Durch die hohen
des reinen Stahl- und Massivbaus eine Vielzahl Tragfähigkeiten von Verbundbauteilen ergeben
von neuen Möglichkeiten, da bei Verbundbau- sich kleine Querschnittsabmessungen, die zu

Verbundträger

Verbundstütze
m
~ rn::
.. o.·: o.·:
. ...
Verbunddecke !n n!
t!/\..!..J\!l

Flachdecke 0
Abb. 3.5·1 Konstruktionselemente des Verbundbaus

Verbundbau 3-279
Europäische Regelwerke
EUROCODEl

EUROCODE3
Stahltragwerke
EUROCODE 4
Verbundtragwerke
1- EUROCODE 2
Stahlbeton- und
~---~
Spannbetontragwerke

Nationale Regelwerke
DIN 1055 (alt)
alte Normengeneration
DIN 18800 (3.81) Verbundträgerrichtlinien (1981) DIN 1045 (1 988)
DIN 4114 (1952) DIN 18806 Verbundstützen (1984) DIN 4227 (1988)

neue Normengeneration

EDIN 1045-1 (1997)

Abb. 3.5·2 Übersicht über den derzeitigen Stand der Regelwerke für Verbundkonstruktionen (Stand 2000)

größeren Nutzungsflächen und der damit ver- stischen Sicherheitskonzeptes ermöglichtAlter-


bundenen Flexibilität führen. Die Ausbauf- nativ kann die Bemessung auf der Grundlage des
reundlichkeit von Verbundtragwerken zeigt sich Eurocode 4 erfolgen. Eine übersieht über die
in einer großen Installationsfreiheit, da bei Ver- derzeit gültigen Normen und Richtlinien zeigt
bunddecken großflächige Abhängesysteme zum Abb. 3.5-2. Der vorliegende Beitrag bezieht sich
Einsatz kommen und bei Trägern und Stützen schwerpunktmäßig auf die Regelungen in Euro-
zusätzliche Befestigungsmöglichkeiten an den code 4-1-1 und E DIN 18800-5.
sichtbaren Stahlflanschen bestehen. Die frühere
Nutzung infolge kürzerer Montagezeit führt zu 3.5.2
finanziellen Vorteilen für den Investor. Die im Grundlagen der Bemessung
Geschoß- und Industriebau gestellten Anforde-
rungen an den Brandschutz können mit unter- 3.5.2.1
schiedlichen Methoden erfüllt werden. Neben Allgemeines, Sicherheitskonzept
den herkömmlichen Plattenbekleidungen und
Putzbeschichtungen werden heute i.d.R. Stahl- Zur Sicherstellung eines ausreichenden Zuver-
profile mit Kammerbeton verwendet, der mit lässigkeitsniveaus bezüglich der Tragfähigkeit
Kopfbolzendübeln und Steckhaken aus Beweh- und Dauerhaftigkeit sowie einer ausreichenden
rungsstahl verankert wird. Gebrauchstauglichkeit wird bei Verbundtrag-
Die Regelwerke für Verbundkonstruktionen werken zwischen Nachweisen in den Grenzzu-
aus Stahl und Beton zeichnen sich in den letzten ständen der Tragsicherheit und der Gebrauchs-
Jahren durch eine innovative Weiterentwicklung tauglichkeit unterschieden. Die Dauerhaftigkeit
aus. Die Bemessung und Ausführung von Ver- ist dabei eine entscheidende Voraussetzung für
bundkonstruktionenkann derzeit auf der Grund- die im folgenden erläuterten rechnerischen
lage nationaler und europäischer Regelwerke Nachweise in den Grenzzuständen der Trag-
(Eurocodes) erfolgen. Die z. Z. noch gültigen na- fähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit Eine
tionalen Regelwerke DIN 18806-1 und die Ver- ausreichende Dauerhaftigkeit wird durch kon-
bundträgerrichtlinie (03.1981) basieren noch auf struktive Regeln und durch rechnerische Nach-
dem alten Sicherheitskonzept mit globalen Si- weise, die i. allg. für das Gebrauchslastniveau ge-
cherheitsbeiwerten auf der Einwirkungsseite. führt werden, sichergestellt. Bei den Einwirkun-
Mit der Einführung von E DIN 18800-5 wird in gen F wird zwischen direkten und indirekten
Deutschland auch die Bemessung von Verbund- Einwirkungen und nach ihrer zeitlichen Verän-
tragwerken auf der Grundlage eines probabili- derlichkeit zwischen ständigen Einwirkungen G,

3-280 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


R u c
COMPOSITE STRUCTURES

Die vollständige Nachweisführung der Bauteile (Gebrauchsfähigkeit, Tragfähigkeit,


Verbundsicherung) erfolgt nach den nationalen Vorschriften und nach Eurocode 4
einschließlich der Heißbemessung auf der Grundlage von Berechnungsverfahren
der Stufe 2 (brandreduzierte Querschnitte).

COBEM composite beams


für Verbundbau
(Verbunddurchlaufträger)
COSIB g>mposite single beams
(Verbu ndei nfeldträger)
COCOL composite columns
(Verbu ndstützen)
COSLAB composite slabs
(Verbund decken)
COSECB composite section beams
(Verbundquerschmtte -Träger)
COWOP composite web ogenings
(Verbundquerschnitte- Stegöffnungen)
COVISU composite visualization
(Visualisierung von Verbundbau-
konstruktionen)

SYSTEMLÖSUNGEN
Adresse: FÜR STAHLBAU
Mazartstraße 25 UNO VERBUNOBAU

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Telefax: 0631/36621-20
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veränderlichen Einwirkungen Q, außergewöhn-
lichen Einwirkungen FA undEinwirkungenPaus
planmäßig eingeprägten Deformationen oder
Spanngliedvorspannung unterschieden. Aus dem
Kriechen und Schwinden des Betons resultieren
bei Verbundbauteilen Eigenspannungen im
Querschnitt sowie Krümmungen und Längsdeh-
nungen in Bauteilen. Die bei statisch bestimmten
Systemen auftretenden Eigenspannungszustän-
de werden als primäre Beanspruchungen be-
zeichnet. In statisch unbestimmten Systemen tre-
w
ten aufgrund der Verträglichkeitsbedingungen
zusätzliche Zwängungen auf, die als sekundäre
Beanspruchungen (Zwangsbeanspruchungen)
bezeichnet werden. Die zugehörigen Einwirkun-
gen, i.allg. Auflagerkräfte, werden als indirekte
Einwirkungen behandelt.

3.5.2.2
Grenzzustand der Tragfähigkeit

In den Grenzzuständen der Tragsicherheit ist


nachzuweisen, daß die mit den Bemessungswer- I
ten der Einwirkungen Fd ermittelten Beanspru- : Bauteilwiderstand

ilö~u~
chungen Sd (z.B. Schnittgrößen oder Spannun-
gen) die mit den Bemessungswerten der Wider-
standsgrößen ermittelten Beanspruchbarkeiten
Rd nicht überschreiten. Tritt der Grenzzustand I
durch Bruch oder übermäßige Verformung eines
Bauteils ein, so ist nach Abb. 3.5-3 nachzuweisen,
daß
Abb. 3•.5-3 Grenzzustände der Tragfähigkeit und Ge-
Sd(Fd)=Sd(Yp1p;Fk)5,Rd =R( /;,k
YM,i
,anom ) .
brauchstauglichkeit

(3.5.1) mengefaßt werden, da die Unsicherheiten be-


Die Bemessungswerte der Einwirkungen Fd er- züglich der Beanspruchungen in erster Linie aus
geben sich in den Grenzzuständen der Tragsi- den Streuungen der Steifigkeit (Elastizitätsmo-
cherheit aus den mit dem Teilsicherheitsbeiwert dul des Betons und Rißbildung) sowie den zeit-
YF nach Tabelle 3.5-1 und gegebenenfalls mit ei- abhängigen Einflüssen aus dem Kriechen resul-
nem Kombinationsbeiwert 1p; vervielfachten tieren. Für Tragwerke, die nach elastischen Be-
charakteristischen Wert der Einwirkungen Fk. rechnungsverfahren bemessen werden, wurden
Die charakteristischen Werte Fk sowie die Korn- auf der Grundlage probabilistischer Untersu-
binationsbeiwerte 'Pi sind dabei den Regelwer- chungen von Hanswille (1999) die Teilsicher-
ken für Einwirkungen zu entnehmen. heitsbeiwerte nach Tabelle 3.5-1 hergeleitet. Die
Bei Verbundtragwerken kann der Beanspru- Beanspruchungen aus dem Schwinden können
chungszustand mittels planmäßig eingeprägter wegen der relativ großen Streuung der Schwind-
Deformationen vorteilhaft beeinflußt werden. maße nur grob abgeschätzt werden. Ein Teilsi-
Die aus planmäßig eingeprägten und kontrol- cherheitsbeiwert yp= 1,0 ist jedoch gerechtfer-
lierten Deformationen (z.B. durch planmäßiges tigt, da größere Schwindmaße bei Durchlaufträ-
Absenken an den Innenstützen von Durchlauf- gern zu einer verstärkten Rißbildung im Beton-
trägern) resultierenden Beanspruchungen kön- gurt führen, die einen nennenswerten Abbau der
nen bei Verbundtragwerken nicht mit den Be- sekundären Beanspruchungen zur Folge hat.
anspruchungen aus dem Eigengewicht zu einer Die Bemessungswerte der Beanspruchbarkeit
resultierenden ständigen Einwirkung zusam- Rd (z.B. aufnehmbare Schnittgrößen) werden

3-282 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.5-1 Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen (Grundkombination) und Kombinationsbeiwerte

Bemessungswert der Einwirkung: Fd = YF IJI; Fk


Teilsicherheitsbeiwerte filr Einwirl<ungen Kombinationsbeiwerte
Auswirkung Einwirkung 'Po 'P t 'P2
Art der Einwirkung
günstig ungünstig Verkehrslasten auf Decken:
ständig YG 1,00 1,35 Wohn- und Büroräume 0,7 0,5 0,3
veränderlich Yo - 1,50 Versammlungsräume 0,8 0,8 0,5
Schwinden YF 1,00 1,00 Ausstellungsräume 0,8 0,8 0,8
Zwang Yo - 1,200 Windlasten 0,6 0,5 0
planmäßig eingeprägte Deformation YP 1,00 1,10 Schneelasten 0,7 0,2 0
Spanngliedvorspannung YP 1,00 1,00 Alle anderen Einwirkungen 0,8 0,7 0,5
• bei Anwendung elastiS<her Berechnungsverfahren,ansonsten y0 = 1,5

tung die festgelegten Bedingungen Ca für die


Tabelle 3.5-2 Teilsicherheitsbeiwerte zur Berechnung
der Beanspruchbarkeil
Funktion und die äußere Erscheinung (z.B.
Rißbreite oder Verformung) nicht mehr erfüllt
"'..c: -o- sind. Es muß die Bedingung
Kombination :;::· ~ ~
c::..C:

-...
:>~ -6
c::
~~~ C:~ c:: (3.5.3)
=>o..,
o<=
...
B ~~
~~- ~~ ~ ·e
C.VI
"" nachgewiesen werden (s. Abb. 3.5-3). Hierbei ist
y, y, bzw. Yp Yc Yr Ea der jeweilige Bemessungswert der Lastaus-
Grundkom- 1,10 1,15 1,5 1,25 wirkungen, der bei mehreren Einwirkungen mit
bination
den in 1.6 angegebenen Einwirkungskombina-
außerge- 1,00 1,00 1,3 1,00 tionen zu ermitteln ist. Grenzzustände der Ge-
wöhnliche
Kombination brauchstauglichkeit betreffen bei Verbundtrag-
werken die Rißbreitenbeschränkung, Span-
nungsbeschränkungen, Verformungen sowie
das Schwingungsverhalten.
mit den Bemessungswerten der Festigkeiten
f;,a=J;,kiYM,i der Werkstoffe bzw. den Bemes- 3.5.2.4
sungswerten PRd der Verbundmittel berechnet. Werkstoffe
Sie ergeben sich aus den charakteristischen Wer-
ten der Festigkeiten fi.k und den jeweiligen Teil- Nachfolgend sind die wichtigsten Grundlagen
sicherheitsbeiwerten YM nach Tabelle 3.5-2 zu für die Bemessung zusammengestellt. Bezüglich
weitergehender Angaben wird auf 3.1, 3.3 und
Ra= R(acfck, fyk, fsk, 0, 9 fpk , PRk). (3.5. 2) 3.4 verwiesen.
Yc Ya Ys Ys Yv
Die charakteristischen Werte der Festigkeiten Baustahl, Profilbleche
für Beton (fck) und Beton- und Spannstahl (/sk
bzw. fpk) sowie für Baustahl (/yk) und für die Für die charakteristischen Werte der Festigkeit
Schubtragfähigkeit von Verbundmitteln (PRÜ der Baustähle sind die Werte nach DIN EN 10025
werden in 3.5.2.4 behandelt. und DIN EN 10113 anzunehmen. Die Regelun-
genimEurocode4-1-1 undinEDIN 18800-5gel-
3.5.2.3 ten nur für die Stahlsorten S235, S275 und S355
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit nach DIN EN 10025 (Tabelle 3.5-3). Bei Verwen-
dung der höherfesten Feinkornbaustähle S420
Die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und S460 sind bei der Bemessung von Verbund-
sind diejenigen Zustände, bei deren überschrei- konstruktionen weitergehende Einschränkun-

Verbundbau 3-283
Baustahl, Profilblech Beton Betonstahl

--- ~- --- ,,..


{II!
f
f - yk
rd- Ya

Abb. 3.5·4 Rechneri~che Spannung~-Oehnungslinien für Beton, Baustahl und Betonstahl

Beton das Parabel-Rechteck-Diagramm und ver-


Tabelle 3.5-3 Nennwerte (charakteri~ti~che Wertel der einfacht eine bilineare Spannungs-Dehnungsbe-
Streckgrenze fy und der Zugfestigkeit fu nach ziehung zugrunde gelegt werden (Abb. 3.5-4).
DIN EN 10025
Die Langzeitfestigkeit des Betons ist geringer als
die im Kurzzeitversuch ermittelte Festigkeit.
"'
t::
~
Nennwert der Blechdicker
Diese Tatsache sowie weitere ungünstige Aus-
::;:: r:S:40mm 40mm :S: I:S: 100mm
!'l
wirkungen aus der Art der Lasteintragung wer-
V'l fyinN/mml fuinN/mml r,inN/mml fuin N/mml den beim Bemessungswert der Druckfestigkeit,
5235 235 360 215 340 /cd• durch einen zusätzlichen Abminderungsfak-
5275 275 430 255 410 tor a, erfaßt. Dieser hängt von der Form der
sm 355 510 335 490 Druckzone und der Art des Betons (Normal-
oder Leichtbeton) ab. Für Normalbetone darfbei
Verbundbauteilen mit a,=0,85 gerechnet wer-
den.
gen erforderlich, die im folgenden noch erläutert Der Elastizitätsmodul Ecm ist als Sekantenmo-
werden. Der Bemessung wird die in Abb. 3.5-4 dul zwischen den Spannungen a,=O und a,=
dargestellte bilineare Spannungs-Dehnungslinie 0,4 }ck definiert. Die Querdehnzahl für die ela-
zugrunde gelegt. Die mechanischen Kennwerte stische Dehnung darf mit v= 0,2 und, wenn Riß-
für Profilbleche sind in Eurocode 4-1-1 sowie in bildung zu erwarten ist, näherungsweise zu null
bauaufsichtliehen Zulassungen geregelt. Für die angenommen werden. Für Normalbeton darf
Bemessung wird wie beim Baustahl eine biline- der Temperaturausdehnungskoeffizient verein-
are Spannungs-Dehnungsbeziehung nach Abb. fachend wie für Baustahl und für Leichtbeton
3.5-4 verwendet. mit ar=7·I0·6 K- 1 angenommen werden. Die
Festigkeits- und Formänderungsbeiwerte für
Beton Leichtbeton können in Abhängigkeit von der
Rohdichte aus den entsprechenden Werten für
Für die Bemessung wird der charakteristische Normalbeton umgerechnet werden (s. 3.3). Zeit-
Wert der Zylinderdruckfestigkeit fck zugrunde abhängige Betonverformungen aus dem Krie-
gelegt. Nach Eurocode 4-1-1 und E DIN 18800-5 chen und Schwinden werden bei Verbundtrag-
dürfen für Verbundtragwerke mit Normal- und werken i.allg. durch einen reduzierten Elastizi-
Leichtbeton Betonfestigkeitsklassen kleiner als tätsmodul des Betons und daraus resultierende
C 20/25 bzw. LC 20/22 nicht verwendet werden. Reduktionszahlen für die Querschnittskenn-
Nach Eurocode 4-1-1 sind Betonfestigkeitsklas- größen der Betonquerschnittsteile erfaßt. Be-
sen bis C 50/60 und nach E DIN 18800-5 bis C züglich der Bestimmung der Kriechzahl q>(t,to)
60/75 zugelassen. Die hochfesten Betone sind und des Schwindmaßes E,5 ( t,t5 ) wird auf 3.3 ver-
derzeit in den nationalen und europäischen Re- wiesen.
gelwerken für Verbundkonstruktionen nicht ge-
regelt. Als Spannungs-Dehnungsbeziehung für
die Ermittlung der Beanspruchbarkeit darf für

3-284 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Betonstahl, Spannstahl 3.5.3
Verbundträger
Für gerippte Betonstähle als Stabstahl oder Mat-
te gelten die Regelungen nach Eurocode 2-1-1 3.5.3.1
bzw. E DIN 1045-1. Die mechanischen Werte von Allgemeines
Spannstählen sind bauaufsichtliehen Zulas-
sungsbescheiden zu entnehmen. Als charakteri- Verbundträger bestehen aus einem biegesteifen
stischer Wert der Streckgrenze von Betonstahl Stahlprofil oder aus Fachwerkträgern,die mit ei-
ist bei Erzeugnissen ohne ausgeprägte Streck- nem oder zwei Betongurten (Doppelverbund)
grenze die 0,2%-Dehngrenze zu verwenden. Für sowie im Hoch- und Industriebau zusätzlich mit
die Querschnittsbemessung sind die rechneri- dem zwischen den Flanschen angeordneten
schen Spannungs-Dehnungsbeziehungen nach Kammerbeton schubfest verbunden sind. Die
Abb. 3.5-4 zu verwenden; vereinfachend darf für Betongurte und der Kammerbeton sind i.d.R.
Betonstahl (wie für Baustahl) auch ein horizon- schlaff bewehrt. Im Brückenbau werden in Trä-
taler oberer Ast angenommen werden (s. Abb. gerbereichen mit Zugbeanspruchungen im Be-
3.5-4). Die Dehnung Es ist bei der Bemessung auf tongurt auch Spannglieder angeordnet. Typische
den charakteristischen Wert der Stahldehnung Querschnitte von Trägern des Hoch- und Indu-
unter Höchstlast, EukS0,025, zu begrenzen. Wenn striebaus sind in Abb. 3.5-5 dargestellt. Quer-
eine vollplastische Bemessung ohne Dehnungs- schnitte ohne Betongurt, jedoch mit Kammer-
beschränkung durchgeführt wird, sind bei Ver- beton, werden als Profilverbundquerschnitte be-
bundbauteilen zusätzliche Anforderungen an den zeichnet. Die Gurte von Verbundträgern dienen
Bewehrungsgrad und die Duktilität des Beton- im Hoch- und Industriebau gleichzeitig als
stahls zu stellen. In diesen Fällen dürfen nur hoch- austeifende Bauteile und in erster Linie zur Ab-
duktile Betonstähle verwendet werden (s. 3.3). tragung der örtlichen Deckenlasten. Als Gurte
werden alle aus dem Massivbau bekannten Dek-
Verbundmittel kensysteme verwendet. Neben Ortbetondecken
kommen heute vielfach Teilfertigteil- und Fer-
Die charakteristischen Werte der Tragfähigkeit, tigteildecken zum Einsatz. Eine weitere oft aus-
PRk, sowie die der Werkstoffestigkeit von Ver- geführte Variante sind Verbunddecken. Sie be-
bundmittelnsind als 5%-Fraktilwerte definiert. stehen aus einem profilierten Stahlblech, das mit
Die in Eurocode 4-1-1 , E DIN 18800-5 und in dem Aufbeton einen Verbundquerschnitt bildet.
bauaufsichtliehen Zulassungen angegebenen Das Tragverhalten von Verbundträgern wird
Werte basieren auf Versuchen. entscheidend durch die Ausbildung der Verdü-
belung zwischen Stahlprofil und Beton bestimmt
(s. Abb. 3.5-31). In Deutschland werden über-
wiegend Kopfbolzendübel mit Durchmessern

Verbundträger mit Verbunddecke

Stahlprofilblech
Betonstahlbewehrung
Stahlträger mit Kammerbeton
Stahlträger mit Kammerbeton

Abb. 3.5-S Typisthe Verbundquersthnitte des Hoch- und Industriebaus

Verbundbau 3-285
von 19,22 und 25 mm verwendet, die im Bolzen- Querschnittstragfähigkeit entwickeln. Durch lo-
schweißverfahren mit Hubzündung halbauto- kales Beulen und/oder Zerstören des Betons ist
matisch aufgeschweißt werden. Bei Parkhäusern die Rotation in Fließgelenken jedoch einge-
und bei Konstruktionen, bei denen die Forde- schränkt. Bei der Schnittgrößenermittlung darf
rung nach Demontierbarkeit besteht, kommt die Momentenumlagerung infolge Rißbildung
auch der sog. Reibungsverbund zum Einsatz sowie Teilplastizierung vor Entstehen des ersten
[Beck!Heunisch 1972; Roik!Bürkner 1978; Roik! Fließgelenks berücksichtigt werden. Die Quer-
Hanswille 1984a]. Vereinzelt wurden bei ver- schnitte der Klasse 3 werden als halb-kompakte
schiedenen Bauvorhaben auch Dübelleisten ein- Querschnitte bezeichnet. Bei ihnen ist im Druck-
gesetzt [Andrä 1985].Neben den genannten Ver- flansch des Stahlträgers nur eine (elastische)
bundmitteln werden im europäischen Ausland Ausnutzung des Querschnitts bis zur Streck-
noch Schenkel- und Winkeldübel verwendet. Die grenze möglich. Eine Momentenumlagerung im
zu Beginn des Verbundbaus oft verwendeten System wird im wesentlichen nur durch Rißbil-
Blockdübel und Schlaufenanker werden heute dung im Betongurt und durch Fließen in zugbe-
aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr ver- anspruchten Stahlteilen ermöglicht. Schlanke
wendet. Diese Dübelformen besitzen nur eine Querschnitte der Klasse 4 sind bei elastischer
geringe Duktiltät und sind bei Trägern, bei de- Druckbeanspruchung wegen des lokalen Beu-
nen nach modernen Bemessungsverfahren pla- lens im Baustahlquerschnitt nicht bis zur Streck-
stische Querschnitts- und Systemreserven aus- grenze ausnutzbar. Momentenumlagerungen im
genutzt werden, ungeeignet. System werden nur durch Rißbildung im Beton-
gurt hervorgerufen. Der Zusammenhang zwi-
3.5.3.2 schen Querschnittsklassifizierung, Querschnitts-
Tragverhalten von Verbundträgern-Grundlagen tragfähigkeit und Schnittgrößenermittlung ist in
Abb. 3.5-6 dargestellt. Weiteres kann [Bode/Fich-
Allgemeines ter 1986; Bode/Minas/Sauerborn 1996; Johnson/
Chen 1991; He 1991; Sedlacek/Hoffmeister 1997]
Das Trag- und Verformungsverhalten von Ver- entnommen werden.
bundträgem wird entscheidend durch die Rota- Die Zuordnung eines Querschnittes zu einer
tionskapazität der Querschnitte, die Belastungs- der vier Querschnittsklassen erfolgt über die bit-
geschichte, die Rißbildung im Beton, die Einflüs- Werte der Gurte bzw. Stege, die Lage der plasti-
se aus dem Kriechen und Schwinden des Betons schen Nullinie und den Bewehrungsgrad des Be-
sowie das Verformungsverhalten der Verbund- tongurts. Mit der Beschränkung der b!t~ Werte
mittel und den Verdübelungsgrad beeinflußt. wird das örtliche Beulen der Stahlquerschnitts-
teile erfaßt. Die Regelwerke für Verbundkon-
Rotationskapazität sowie plastische Querschnitts- struktionen beziehen sich dabei auf die Normen
und Systemreserven für Stahlbauten. Für die Stege ist bei den Quer-
schnittsklassen 1 und 2 die plastische Spannungs-
Im Hinblick auf die Ausnutzung plastischer verteilung und bei den Querschnitten der Klas-
Querschnitts- und Systemreserven sowie die da- sen 3 und 4 die elastische Spannungsverteilung
zu erforderliche Rotationskapazität der Quer- unter Berücksichtigung des Kriechens zugrun-
schnitte werden im Eurocode 4-1-1 und in EDIN de zu legen. Da das örtliche Beulen bei Quer-
18800-5 vier Querschnittsklassen unterschieden. schnitten mit Kammerbeton wesentlich günsti-
Mit Hilfe der Querschnittsklassen wird die Me- ger zu beurteilen ist, sind für diese Querschnit-
thode der Schnittgrößenermittlung und die te höhere Grenzwerte zulässig, die für die Ein-
Querschnittstragfähigkeit (Nachweisverfahren stufung der Gurte etwa 40% über den Werten für
plastisch-plastisch, elastisch-plastisch und ela- Stahlträger ohne Kammerbeton liegen.
stisch-elastisch) festgelegt. Querschnitte der Bei Anwendung der Fließgelenktheorie liegen
Klasse 1 (plastische Querschnitte) können die bisher noch keine ausreichenden experimentel-
vollplastische Querschnittstragfähigkeit und len Erfahrungen hinsichtlich der Auswirkung
gleichzeitig plastische Gelenke mit einer so gro- des Kammerbetons auf die vorhandene Rotati-
ßen Rotationskapazität entwickeln, daß eine onskapazität vor. Es ist zu erwarten, daß der sta-
vollständige Schnittgrößenurnlagerung ermög- bilisierende Einfluß des Kammerbetons bei grö-
licht wird (Fließgelenktheorie). Kompakte Quer- ßeren Rotationen in den Fließgelenken und ei-
schnitte der Klasse 2 können die vollplastische nem damit verbundenen überschreiten der

3-286 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


,-T -cf)
Tragfahigkeit 0

~-
w=+r
!) 0

Querschnittstragfähigkeit b
vollplastisch plastisch elastisch
I oder elastisch I o < o._P,Rd
E< tg...,. nach DIN 18800-3 oder
o 1 < o._Rd wirksame Querschnine
nach EC 3

Fleißgelenktheorie_ I I
I
I
E-Theorie mit E-Theorie
Momentenumlagerung I ...
grenz (blt)
Querschnittsklasse

I. .I. Q) .1. 0) .. I.
Abb. l.S-6 Querschninsklassitizierung, Querschninstragfahigkeit und Schningrößenerminlung

Grenzdehnungen im Beton teilweise verloren zen unterstützt. Der Stahlträger bleibt somit
geht. Auf der sicheren Seite liegend wird daher beim Betonieren praktisch spannungslos. Nach
die Einstufung bei Trägern der Klasse 1 wie bei Freisetzen der Hilfsstützen wirken alle Eigenge-
Querschnitten ohne Kammerbeton vorgenom- wichtslasten und ständigen Lasten sowie die Ver-
men. Bei der Klassifizierung der Stege dürfen kehrslasten auf den Verbundträger. Man spricht
Stege der Klasse 3 in die Klasse 2 eingeordnet dann von einem Träger mit Eigengewichtsver-
werden, wenn die Kammern des Trägers ausbe- bund. Der Träger C wird wie im Fall B hergestellt.
toniert sind und der Kammerbeton mit Bügeln Vor dem Betonieren werden jedoch die Hilfs-
und Dübeln entsprechend verankert wird. stützen angedrückt. Der Stahlträger wird "vor-
gespannt" und erhält im Bauzustand ein negati-
Belastungsgeschichte, Herstellungsverfahren ves Biegemoment Ma.
Wie Abb. 3.5-7 verdeutlicht, beeinflußt das Her-
Für das Verformungs- und Tragverhalten sind in stellungsverfahren die Verformungen unter Ge-
Abhängigkeit von der Querschnittsklasse die brauchslast sowie den Beginn des Fließens im
Einflüsse aus der Belastungsgeschichte von Be- Untergurt des Stahlträgers (Biegemoment Met) .
deutung. In Abb. 3.5-7 ist ein einfeldriger Ver- Auf die Grenztragfähigkeit des Trägers hat das
bundträger dargestellt, der mit drei unter- Herstellungsverfahren keinen Einfluß. Alle Trä-
schiedlichen Bauabläufen hergestellt wird. Beim ger erreichen die vollplastische Momententrag-
Träger A wird der Stahlträger während des Beto- fähigkeit Mpt,Rd des Verbundquerschnitts. Beim
nierens nicht unterstützt. Das Eigengewicht der Träger A wird im Untergurt des Stahlträgers sehr
Betonplatte und des Stahlträgers wird somit vom früh die Fließgrenze erreicht, da infolge der auf
Stahlträger aufgenommen. Ständige Beanspru- den Stahlträger wirkenden Eigengewichtslasten
chungen aus Ausbaulasten sowie die Verkehrsla- bereits relativ hohe Untergurtspannungen ent-
sten wirken nach Erhärten des Betons auf den standen sind. Nach Überschreiten der Fließ-
Verbundquerschnitt. Es liegt ein Verbundträger grenze plastizieren die Spannungen infolge des
ohne Eigengewichtsverbund vor. Der Träger B Eigengewichtsmomentes im Stahlträger heraus
wird während des Betonierens durch Hilfsstüt- und lagern sich auf den Verbundquerschnitt um.

Verbundbau 3-287
resultierende Spannungsverteilungen

L rl-r
@ ® ©

Abb. 3.5-7 Einfluß der Belastungsgeschichte und des Herstellungsverfahrens

Im TrägerB wird die Streckgrenze im Untergurt her erst bei einem deutlich höheren Lastniveau
des Stahlträgers erst unter einem höheren Last- überschritten. Mit Erreichen der plastischen
niveau erreicht, da alle Lasten auf den Verbund- Grenzlast ist jedoch der Eigenspannungszu-
querschnitt wirken. Im Grenzzustand der Trag- stand aus dem Anheben der Hilfsstützen her-
fähigkeit stellt sich auch hier eine vollplastische ausplastiziert, und es stellt sich wie bei den Trä-
Spannungsverteilung im Querschnitt ein. Der gern A und B eine vollplastische Spannungsver-
Träger C besitzt einen Eigenspannungszustand teilung ein.
aus dem Anheben der Hilfsstützen, der im Un- Das in Abb. 3.5-7 dargestellte Verhalten kann
tergurt des Stahlträgers "entlastende" Druck- nur dann beobachtet werden, wenn vor Errei-
spannungen erzeugt. Die Streckgrenze wird da- chen der Traglast keine Instabilitäten (Beulen

3-288 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


oder Biegedrillknicken) auftreten. Dies ist bei Elastische Berechnung und zeitabhängige
den zuvor beschriebenen Querschnitten der Betonverformungen aus Kriechen und Schwinden
Klassen 1 und 2 der Fall. Bei der Berechnung der
Schnittgrößen für den Grenzzustand der Trag- Für kurzzeitig wirkende Beanspruchungen aus
fähigkeit darf daher die Belastungsgeschichte Verkehr, Wind und Temperatur sowie für die Be-
des Trägers vernachlässigt werden. Querschnit- anspruchungen aus ständigen Einwirkungen bei
te der Klassen 3 und 4 dürfen nur bis zur Streck- Belastungsbeginn wird für die Berechnung der
grenze bzw. bis zur Tragspannung infolge Beu- Spannungen ein ideeller Gesamtquerschnitt zu-
lens ausgenutzt werden. Da das erste Erreichen grunde gelegt. Dabei wird das Ebenbleiben des
der Streckgrenze stark von der Belastungsge- Gesamtquerschnitts sowie die Gültigkeit des
schichte abhängt, ist für diese Querschnittsklas- Hookeschen Gesetzes für Beton und Baustahl
sen beim Nachweis des Grenzzustands der Trag- angenommen. Die ideellen Querschnittskenn-
fähigkeit die Belastungsgeschichte stets zu be- größen werden auf den Elastizitätsmodul des
rücksichtigen. Grenzzustände der Gebrauchs- Baustahls bezogen und können mit einem fikti-
tauglichkeit, wie der Nachweis von Verformun- ven Stahlquerschnitt berechnet werden, bei dem
gen oder die Beschränkung der Rißbreite im die Querschnittsfläche A, des Betongurts und
Betongurt, sind für alle Klassen ebenfalls immer das Trägheitsmoment I , des Betongurts mit der
unter Berücksichtigung der Belastungsgeschich- Reduktionszahl no=Ea!Ecm reduziert werden.
te zu untersuchen, da das Herstellungsverfahren Bei Beanspruchungen aus ständigen Einwir-
die Verformungen sowie die Schnittgrößen un- kungen führt das Kriechen des Betons bei Ver-
ter Gebrauchslast nennenswert beeinflußt. bundquerschnitten zu querschnittsinternen
Umlagerungen der Teilschnittgrößen.
Die in Abb. 3.5-8 dargestellten Teilschnittgrö-
ßen Nc0 und Mc0 des Betongurts bei Belastungs-
beginn werden durch Kriechen umgelagert, d. h.

g.
ständige Einwirkungen

t =0 Kriechen Schwinden

~~0 + ir::M
;:;- ~ ~ -~ M~l-N~L i "M:_s- ~
~ol I
~·1I
/M LII
JN:: s Il
.,. ~-Mstr
~ c.
-) M~ 1 ~n.l = Nl I ~ Mn.s I
. +I N I I
1
l
Nst.o I -N I n. I st.S I
L _ _2l~_L L __ _ _j
- - - - primäre - - - -
Beanspruchung

sekundäre Beanspruchung

I
aus Kriechen und Schwinden
t = t;

Abb. 3.5-8 Primäre und sekundäre Beanspruchungen aus dem Kriechen

Verbundbau 3-289
die Teilschnittgrößen des Betongurts werden Die Spannungen können dann direkt an einem
durch die aus dem Kriechen resultierenden Um- ideellen Gesamtquerschnitt berechnet werden.
lagerungsgrößen Ncr und M,, verringert und die In [Haensel 1975] wird gezeigt, daß beide Ver-
Beanspruchungen im Stahlträger entsprechend fahren zu identischen Ergebnissen führen, da die
vergrößert. Die Umlagerungsgrößen M,, und N,, lastfallabhängigen Reduktionszahlen aus den
aus dem Kriechen bilden mit den zugehörigen Lösungen nach dem Verfahren der Teilschnitt-
Teilschnittgrößen im Stahlquerschnitt einen Ei- größenhergeleitet werden können. Die Kriech-
genspannungszustand, der in den Regelwerken beiwerte \j)A,L und \j)I,L sind von der Beanspru-
als primärer Beanspruchungszustand aus dem chungsart abhängig. Bei der Berechnung muß
Kriechen bezeichnet wird. zwischen zeitlich konstanten Beanspruchungen
Die aus dem primären Beanspruchungszu- (L=P), Beanspruchungen aus dem Schwinden
stand (Umlagerungsgrößen) resultierenden des Betons (L = S}, Beanspruchungen aus sich
Krümmungen und Längsdehnungen erzeugen zeitlich affin zum Kriechen aufbauenden Schnitt-
in statisch unbestimmten Systemen aufgrund größen (L =PT) und Beanspruchungen infolge
der Verträglichkeitsbedingungen Zwangsschnitt- eingeprägter Deformationen (L = D) unterschie-
größen, die als sekundäre Beanspruchungen be- den werden.
zeichnet werden. Abbildung 3.5-8 zeigt ein typi- In den Tabellen 3.5-4 bis 3.5-6 sind die Bezie-
sches Beispiel eines Zweifeldträgers. Die aus den hungen zur Berechnung der ideellen Quer-
primären Beanspruchungen im Feld A resultie- schnittskenngrößen, der Reduktionszahlen, der
renden Krümmungen rufen aus Gründen der Teilschnittgrößen (Abb. 3.5-9), der Längsschub-
Verträglichkeit ein sich mit der Zeit aufbauendes kräfte in der Verbundfuge und der Spannungen
Zwangsmoment Mpy (sekundäre Beanspru- zusammengestellt.
chung) hervor. Das Schwinden des Betons führt Die Querschnittskenngrößen Ast und Ist be-
bei Verbundquerschnitten infolge der Behinde- ziehen sich auf den aus Bewehrung und Baustahl
rung der Schwindverformungen durch den sich bestehenden Gesamtstahlquerschnitt. Die Quer-
elastisch verhaltenden Stahlquerschnitt ebenfalls schnittskenngrößen des reinen Baustahlquer-
zu einem primären Beanspruchungszustand, der schnittes werden mit Aa und Ia bezeichnet. Wie
in statisch unbestimmten Systemen wiederum aus Tabelle 3.5-6 ersichtlich ist, ergeben sich bei
sekundäre Beanspruchungen zur Folge hat. strenger Betrachtungsweise bei ständigen Be-
Zur praktischen Berechnung der Beanspru- anspruchungen unterschiedliche Kriechbeiwer-
chungen aus dem Kriechen und Schwinden wer- te bei Momenten- und Normalkraftbeanspru-
den heute zwei Berechnungsmethoden verwen- chung.
det. Bei der ersten werden die aus dem Kriechen Für die praktische Berechnung kann vereinfa-
resultierenden Umlagerungsgrößen im Beton chend auch bei Normalkraftbeanspruchung mit
und Stahlquerschnitt direkt berechnet. Die Be- den Kriechbeiwerten für Momentenbeanspru-
anspruchungen der Teilquerschnitte zu einem chung gerechnet werden. Nach E DIN 18800-5
Zeitpunkt t ergeben sich dann aus den Teilschnitt- und Eurocode 4-2 sind weitere Vereinfachungen
größen bei Belastungsbeginn t0 und den aus dem zulässig. Danach dürfen die Reduktionszahlen
Kriechen resultierenden Umlagerungsgrößen. zur Berücksichtigung des Kriechens auch mit
Dieses Verfahren wird als Teilschnittgrößenver- konstanten Zahlenwerten für die Kriechbeiwer-
fahren bezeichnet [Sattler 1959]. te lp A,L und lp I,L ermittelt werden. Für ständige
Für die praktische Berechnung ist das sog. Ge- Einwirkungen darf vereinfachend 'P p = 1,1, für
samtquerschnittsverfahren nach Haensel {1975} Schwinden und zeitlich veränderliche Einwir-
von größerer Bedeutung. Bei diesem Verfahren kungen lps=lppr=0,55 und für planmäßig ein-
wird der Einfluß des Kriechens analog zur Berech- geprägte Deformationen lp D = 1,5 angenommen
nung bei kurzzeitigen Beanspruchungen durch werden. Bei der vereinfachten Berechnung wird
lastfallabhängige Reduktionszahlen nA,L für die wie bei der Berechnung für kurzzeitige Bean-
Betonfläche und n1,r für das Betonträgheitsmo- spruchungen eine einheitliche Reduktionszahl
ment erfaßt, die von der Kriechzahl <f>t und den nr = nA,L = nr,L für die Betonfläche und das Be-
Kriechbeiwerten lp A,L und lp I,L abhängen: tonträgheitsmoment verwendet:
nA,L =no(l+lpA,L<f>t), (3.5.4} (3.5.6)

{3.5.5) Diese Näherung [Hanswille 1999] ist für übliche


Tragwerke des Hochbaus sowie für Brückentrag-

3-290 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.5-4 Ideelle Querschnittskenngrößen des Verbundquerschnitts

1
Reduktionszahl für Kurzzeitbelastung:
~~werach~ . -L.!.... .!.... .!..j. . !.... . !.... . !.:(-~ _ _ fa
Betonquerschnin · _ no=-=nA;. =nt;.

~~we~ach~!._· - · - · - · - · - · - - -~ - ~ ~
E,m
- ..---' z. l -Z· l
a Reduktionszahl unter Berücksichtigung des
Verbundquerschnitt z- z~l 11 Kriechens (<p1 Kriechzahl des Betons)
ISf..l
~hwerachs!._ _ _ _ _ _ _ _ _ __ __ _ _ __ __ nA.l = no(1 + 1p A.L <p,)
Gesamtstahlquerschnitt n l,l = no(1 + 1p I,L<p,)
Kriechbeiwerte 't'.w 't' t,Ls. Tabelle 3.5-5

reduzierte Querschnittsgrößen des Betongurtes


Fläche des ideellen Verbundquerschnitts
Lage der Schwerachse des Verbundquerschnitts

ideellesTrägheitsmomentdes Gesamtquerschnitts

Tabelle 3.5-5 Kriechbeiwerte 1p A.L und 1p 1,L

Kriechbeiwerte für Momentenbeanspruchung ML


Art der Beanspruchung Kriechbeiwert 1p A.l Kriechbeiwert 1p i.L

1 1
ständig (L = P) 't'A,P 't'iJ' =
1- 0,5aN<pt +0,08(aN<p1 ) 2 1- 0,SaM <p 1 +0,08(aM<pt )2

zeitlich verändertich (l = PT)


und Schwinden (L S) = 't'A,PT = 't'A,S = 0,5 +0,08 aN <p 1 lt'iJ'T = 'Pi,S = 0,5 + 0,08 aM <p 1

1 1
eingeprägte Deformation II'A.O ll'i,o= l
(l=Dl 1- 0,5aNA<pt +0,08(aNA<p 1 ) 2 1- 0.S <p 1 +0,08<p 1

Kriechbeiwerte für Normalkraftbeanspruchung NL

ständig (L= P)

zeitlich verändertich (l = PT)

-~
a NA-
f\,o

werke ohne Spanngliedvorspannung ausrei- Längskraft ermittelt werden können. Die resul-
chend genau. tierende Längsschubkraft VL,Sd darf entspre-
An Betonierabschnittsgrenzen und bei kon- chend Abb. 3.5-10 über die Trägerlänge verteilt
zentrierter Einleitung von Normalkräften Fsd werden. Dabei ist be.ffdie mittragende Gurtbrei-
ergeben sich nach Abb. 3.5-10 konzentrierte te und bei Lasteinleitung in den Stahlträgere =ev
Schubkräfte in der Verbundfuge, die aus der Dif- der vertikale Abstand der Kraft Fsd von der Ver-
ferenz der Teilschnittgrößen zwischen den kri- bundfuge. Wird die Normalkraft im Abstand
tischen Schnitten vor und hinter der Quer- e =eh in den Betongurt eingeleitet, so ist für e der
schnittsänderung bzw. der Lasteinleitung der Abstand eh bis zur Stegachse zu berücksichtigen.

Verbundbau 3-291
Tabelle 3.5-6 Teilschnittgrößen und Spannungen bei Momenten- und Normalkraftbeanspruchung sowie Längsschubkraft in
der Verbundfuge

Betonquerschnitt
I Stahlquerschnitt
Teilschnittgrößen bei Momentenbeanspruchung ML

N, .L = ML-zk.l
A.: .t Nstl = - N,.l
I;.L /II
Mll.l= ML -
/<.l /l.l
M,,t= ML -
/l.l

Spannungen bei Momentenbeanspruchung ML

ML
o,.t= -ML- ( Zk,t +nu
-z, ) Oll,t= - zl.l
nA.L /1.l IIJ.t i;.l

Teilschnittgrößen bei Normalkraftbeanspruchung NL

N, .l = NL [-A.: .t - (zic.o- zk.l)-


A..t zk.l J Nll.l =NL[_1!_-(zk.o-Zk.L) ~Z111.1. J
A1.1. /1.1. AI,L /1.1.
J,.l
M .L =-NL(z. 0 -z. . l ) -
( ~. ~ /1.1.
Mst.L =-Nl ·(Zk,O - zk.L ) -
/I.L '··
Spannungen bei Normalkraftbeanspruchung NL

[ 1 zic.o - zk.l ( nA.L )]


Oc ,t= Nl - - - - - - - Zic,t+ Z , -
[ 1 zk.o -ziel
o 11 .l = Nl ~---11- .1.- Z;,t
J
nuA I.L nul;,t IIJ.t

Längsschubkräfte in der Verbundfuge

A,.l Zk,t + A, Z;s,L


Längsschubkraft infolge einer Querkraft Vz.Sd : VL =-V,.Sd
/I.L

resultierende Längsschubkraft bei Einleitung einer Längskraft FSd


Lasteinleitung im Betongurt Lasteinleitung im Baustahlquerschnitt

VlH=FSd ( -A,+ zif.l - VlN= fSd ( 1-Aa


- +Zif. A,zia.l
l - -)
A,zia.L)
-
A;,t /1.1. AI.L 1;.1.

resultierende Längsschubkraft an Betonierabschnittsgrenzen infolge ML VLE= Ml- l ;a,t


Aa
l;,t

.
I

--L• -•~~~~1 -------1


z I
PA,,/,

~lzkL
I

'
--
______
)
M~L

N~l
j_)M~
0 11
E,,Awl11 ..._ . _-_- _ _ _ -_-r~1~~f-~!
zia,L
Z1t I -
)Ms~L
-
'
Vz.Sd
NL

Nll.l
------- - -- --I
z, I
===::j
i:::l

Abb. 3.5-9 Bezeichnungen und Teilschnittgrößen

3-292 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb.l.S-10 längsS<hubkraft bei örtlicher Lasteinleitung von Normalkräften und an Betonierabschnittsgrenzen

Berechnung mit Hilfe von .O.t0 Berechnung nach dem Kraftgrößenverfahren

tp
u; 1 l
~

'~1'1

~
.A A A
~

Abb.l.S-11 Ermittlung der sekundären Beanspruchungen (Zwangsschnittgrößen) infolge Kriechens

Die Beziehungen zur Berechnung der resultie- verfahrens können diese Zwangsschnittgrößen
renden Längsschubkraft VLN bei Einleitung ei- vorteilhaft mit dem Kraftgrößenverfahren oder
ner Längskraft Fsd sind in Tabelle 3.5-6 angege- bei Verwendung von Stabwerkprogrammen mit
ben. An Betonierabschnittsgrenzen ergeben sich Hilfe eines äquivalenten Temperaturlastfalles
bei Momentenbeanspruchung die resultieren- einfach berechnet werden. Die Zusammenhän-
den Längsschubkräfte VLE aus den Teilschnitt- ge lassen sich an dem in Abb. 3.5-11 dargestell-
größendes Baustahlquerschnitts. In diesem Fall ten System besonders gut veranschaulichen.
wird von einer dreieckförmigen Verteilung der Die Momentenverteilung MPO aus der ständi-
Längsschubkraft nach Abb. 3.5-10 ausgegangen. gen Einwirkung Fp ergibt sich zum Zeitpunkt t0
Wie bereits zuvor erläutert, resultieren in sta- mit den zugehörigen Biegesteifigkeiten Eaho un-
tisch unbestimmten Systemen aus dem Kriechen ter Verwendung der Reduktionszahl n0 • Wird das
sekundäre Beanspruchungen (Zwangsschnitt- Moment an der Innenstütze als statisch unbe-
größen), die sich zeitlich affin zum Kriechen auf- stimmte Größe eingeführt, so sind die Verfor-
bauen. Bei Anwendung des Gesamtquerschnitts- mungen an der Mittelstütze mit zunehmendem

Verbundbau 3-293
Belastungsalter nicht mehr verträglich, da die Aus dem Schwinden resultieren in statisch be-
Biegesteifigkeit des Verbundquerschnitts von stimmten Systemen primäre Beanspruchungen.
Eali,o auf den Wert Eali,P abfällt. Die Verträglich- Sie können mit Hilfe des in Abb. 3.5-12 darge-
keitsbedingung an der Mittelstütze erfordert stellten Modells ermittelt werden. Dabei wird die
somit eine sich zeitlich aufbauende Zwangs- Betonplatte im ersten Schritt in Gedanken vom
schnittgröße Mpr. Da die Momentenverteilung Stahlträger gelöst und die aus der freien
Mo=MPO zeitlich konstant ist, sind die zugehöri- Schwinddehnung resultierende Unverträglich-
gen Verformungen öf0 zum Zeitpunkt t;. unter Ver- keit durch Einführung der Schwindnormalkraft
wendung der mit nA,P und nr,P berechneten Bie- Nsh (Sh: shrinkage) rückgängig gemacht:
gesteifigkeit Eali,P zu bestimmen. Für das statisch
unbestimmte, zeitlich veränderliche Zwangsmo- Nsh = -Ec5 (t,t 5 ) Ba Ac. (3.5.8)
ment (statisch Unbestimmte XfT) sind die zuge- nA,S
hörigen Verformungsgrößen öiT
mit der Biege- Im zweiten Schritt wird die Schwindnormalkraft
steifigkeit Eal;,PT unter Verwendung der Reduk- entgegengesetzt wieder auf den Verbundquer-
tionszahlen nA,PT und nr,Pr zu ermitteln. schnitt aufgebracht. Hieraus resultiert im Ver-
Die resultierenden Teilschnittgrößen und bundquerschnitt eine Normalkraftbeanspru-
Spannungen sind dann für die ständigen chung N=-Nsh und eine Momentenbeanspru-
Momentenanteile MPO mit den mit nA,P und nr,P chungMsh =-Nsh Zic,S· Die resultierenden primä-
ermittelten Querschnittskenngrößen und die ren Beanspruchungen ergeben sich aus der
zeitlich veränderlichen Momentenanteile MPT überlagerung der Schritte A und B nach Abb.
mit den mit nA,PT und nr,Pr berechneten Quer- 3.5-12. Die Beziehungen zur Berechnung der
schnittskenngrößen zu bestimmen. Wenn Teilschnittgrößen und Spannungen aus dem
gleichzeitig Normalkräfte auftreten (z.B. bei Schwinden sind in Tabelle 3.5-7 zusammenge-
Vorspannung mit Spanngliedern), ist zusätzlich stellt.
der aus der Änderung der Schwerachse resultie- An den Trägerenden resultieren aus den pri-
rende Momentenanteil infolge der Normalkraft mären Beanspruchungen konzentrierte Längs-
zu berücksichtigen. schubkräfte VLE,S• die aus der Teilschnittgröße
Wenn die Schnittgrößen mit konventionellen des Baustahlquerschnitts ermittelt werden kön-
Stabwerkprogrammen berechnet werden, kön- nen (s. Tabelle 3.5-7). Für die Verteilung der
nen die zeitlich veränderlichen Zwangsschnitt- resultierenden Endschubkraft in Trägerlängs-
größeneinfach mit Hilfe eines äquivalenten Tem- richtung darf die inAbb. 3.5-12 dargestellte drei-
peraturlastfalls ermittelt werden. Dabei wird die eckförmige Verteilung angenommen werden. In
Krümmungsänderung ßKcr infolge Kriechens statisch unbestimmten Tragwerken resultieren
durch einen äquivalenten Temperaturunter- aus den primären Beanspruchungen Zwangs-
schied Mcr erfaßt: schnittgrößen (sekundäre Beanspruchungen),
die mit Hilfe des Kraftgrößenverfahrens (Abb.
ßJ< = Mp,o - Mp,o =ar ßtcr 3.5-13) oder eines äquivalenten Temperaturlast-
er Eali,P Eali,O h falies unter Ansatz der Biegesteifigkeit Eal;,s be-
=?ßtcr =!!_ Mp,o (1- I;,P). (3.5.7)
stimmt werden können. Bei der Berechnung mit
Hilfe eines äquivalenten Temperaturlastfalls
llr Ei;,P I;,o
folgt für den Temperaturunterschied
Werden bei der Systemberechnung die Biege- h
steifigkeiten Eal;,PT für zeitlich veränderliche Msh = -Nshz.•c,s (3.5.9)
Einwirkungen zugrunde gelegt, so sind die aus Eali,S llr

dem äquivalenten Temperaturlastfall resultie- Der Beanspruchungszustand kann bei Verbund-


renden Zwangsschnittgrößen mit den zeitlich tragwerken durch planmäßiges Einprägen von
veränderlichen Zwangsschnittgrößen MPT aus Deformationen, z.B. Absenken von Lagern bei
Kriechen identisch. Sich zeitlich entwickelnde Durchlaufträgern, beeinflußt werden, wobei der
Normalkraftzwängungen (z.B. in Rahmentrag- Abbau dieser Beanspruchungen durch das Krie-
werken) können analog durch eine äquivalente chen des Betons berücksichtigt werden muß. Bei
Temperaturschwankung und einen zusätzlichen der Berechnung der zeitabhängigen Einflüsse
Temperaturunterschied, der die Momentenbe- aus dem Kriechen können zwei Berechnungs-
anspruchung aus dem Schwerachsenversatz er- methoden verwendet werden. Die Methode I
faßt, berechnet werden. geht von den zuvor hergeleiteten Reduktions-

3-294 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


+4 ®

Ü
i I I !....____,~I

_j;,+;
NSh

D D = +
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· /--.-.--;~ --f-------- I~ -
A, {
A-
-----------1---- !
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Z;_s l;.,,s I
VLE.S
a
----p;------ ---- l I

-- ~==""
~ ben (,
1

Abb. 3.5-12 Modell zur Berechnung der primären Beanspruchungen aus dem Schwinden, Endschubkräfte an Trägerenden

Tabelle 3.5-7 Teilschnittgrößen und Spannungen aus den primären Beanspruchungen infolge des Schwindens

Betonquerschnitt
I Stahlquerschnitt
Teilschnittgrößen aus primären Beanspruchungen

Nc.s= NSh ( 1- -1\:,s - -


A,z
.s k.S
2 ) ( A,1
Nu.S = -NSh -
Au
+ - Zbt,SZk,S
)
A1.s l;,s A;,s I i,S
I, s Ist
M, ,s= - NSh zk.s / Mst,s=-NSh zic,S 1
i,S i,S

Spannungen aus primären Beanspruchungen

NSh NSh NSh zk,S ( nA.S ) NSh NShzic.S


0 _ s = - - - - - - - - - Zks + Z - o s = - - - - ---z;s
' I\ nA.S AI.S "A.S l;,s • ' 1b st, AI,S II,S •

resultierende Längsschubkraft am Trägerende

VlE.s= N,,s= - Nsh ( - ~ +,z;.,,s


A, zu )
-'\.s ;,s

zahlen nA,D und n1,D für eingeprägte Deforma- handen sind (Durchlaufträger mit konstanter
tionen aus. Sie kann nur angewendet werden, Bauhöhe). Das Moment Mv,t zum betrachteten
wenn in Trägerlängsrichtung konstante bzw. Zeitpunkt t ergibt sich durch Reduzierung des
näherungsweise konstante Querschnitte vor- Moments Mvo bei Erstbelastung mit dem Ver-

Verbundbau 3-295
genals zeitlich konstant betrachtet (Reduktions-
zahlen nA,P und n1,P ), und die zeitabhängigen
Zwängungen werden wie bei ständigen Einwir-
kungen ermittelt. Dieses Verfahren gilt allge-
mein und kann bei beliebigen Steifigkeitsvertei-
lungen in Trägerlängsrichtung angewendet wer-
den. Bei der Berechnung der Schnittgrößen mit
Stabwerkprogrammen kann ebenfalls die für die
ständigen Einwirkungen beschriebene Methode
mit Hilfe eines äquivalenten Temperaturlastfalls,
s. GI. (3.5.7), angewendet werden.

Einfluß der Rißbildung, Mitwirkung des Betons


zwischen den Rissen

In Bereichen, in denen die Zugfestigkeit des Be-


tons überschritten wird, führt die Rißbildung zu
einer Reduzierung der Dehn- und Biegesteifig-
keit des Stahlbetongurtes und bewirkt eine Um-
lagerung der Teilschnittgrößen vom Betongurt
auf den Stahlträger, d.h., die Normalkräfte im
Betongurt und im Stahlträger sowie das Moment
Abb. 3.5·13 Ermittlung der Zwangsschnittgrößen
(sekundären Beanspruchungen) aus Schwinden im Betongurt werden abgebaut, und das Biege-
moment im Stahlträger wächst. Gleichzeitig
führt die Rißbildung dazu, daß die primären Be-
anspruchungen aus dem Schwinden stark abge-
baut werden. Bei Durchlaufträgern findet die
Rißbildung nur im Bereich der Innenstützen
(negativer Momentenbereich) statt. Die mit der
Rißbildung verbundene Abnahme der Biegestei-
figkeit bewirkt somit für Beanspruchungen aus
äußeren Einwirkungen eine Umlagerung der
Biegemomente in die Feldbereiche. Die bei sta-
tisch unbestimmten Systemen aus den primären
Beanspruchungen infolge Schwindens resultie-
renden sekundären Beanspruchungen werden
durch Rißbildung ebenfalls abgebaut, da in den
gerissenen Trägerbereichen ein erheblicher Ab-
bau der primären Beanspruchungen stattfindet.
Die grundlegenden Zusammenhänge zwi-
schen dem Biegemoment Msd und der Krüm-
mung K bzw. der Gurtnormalkraft N5 und dem
Abb. 3.5·14 Ermittlung der Schnittgrößen aus plan- Biegemoment Msd sind in Abb. 3.5-15 dargestellt
mäßig eingeprägten Deformationen bei Trägem mit
konstanten Querschnittskenngrößen [Hanswille 1986, 1996; Roik/Hanswille 1986,
1991; Maurer 1992]. Bei der Berechnung der Teil-
schnittgrößen und Spannungen ist dabei zwi-
hältniswert der Biegesteifigkeit Eal;,v zum Zeit- schen den BereichenAbis C nach Abb. 3.5-15 zu
punkt t und Ealio zum Zeitpunkt to (Abb. 3.5-14). unterscheiden. Der Bereich A beschreibt das Ver-
Die Teilschnittgrößen und Spannungen können halten des ungerissenen Querschnitts, der Be-
dann mit den Querschnittskenngrößen unter reich B den Zustand der Erstrißbildung und der
Zugrundelegung der Reduktionszahlen nA,D und Bereich C den Zustand der abgeschlossenen Riß-
n1,D nach Tabelle 3.5-6 bestimmt werden. bildung. Im Vergleich zu den Verformungen und
Bei dem Berechnungsmodell II werden die Teilschnittgrößen des reinen Zustand-li-Quer-
zum Zeitpunkt to eingeprägten Beanspruchun- schnitts führt die Mitwirkung des Betons zwi-

3-296 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


0
- !- .......... - · ~'

l +.N
-M
,
-- -'--- ) -Msd
+ -N,
- M,

I
+;'
I ./''" I
.- I
I .- {~ reiner
I _, .-" I Zustand II
I " KR I KRn
Kt K

I.A.I B I I c I I .I
Teilschnittgrößen
Erstrißbildung
effektive Biegesteifigkeit S<hwinden + Biegemoment MSd
M"'
a
--1---= N,t -+::- M,N, )Msd
I Mac
I ~ -N _'L_ - N,
/ ac -;- M,
~~.!!. ___ l _ _____ _
1 I abgeschlossene Rißbildung
I I
I I
Msd ~ -t;~s,n ----AN, ) Msd
N, ·o
+ -N,,n +AN,
- Ma.lt

Abb. 3.5·1 S Zusammenhang zwischen Biegemoment MSd, Teilschnittgröße N, des Betongurtes und der Krümmung K des Ge-
samtquerschnitts

sehen den Rissen zu einer Reduzierung der


Krümmung des Gesamtquerschnitts, d.h. zu ei- (3.5.10)
ner Erhöhung der Biegesteifigkeit Diese führt
dazu, daß im Vergleich zum reinen Zustand II die Die Randspannung ac,e=a,,s aus den primären
Normalkraft des Stahlbetongurtes durch die Beanspruchungen infolge Schwindens ist dabei
Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen nach Tabelle 3.5-7 zu berechnen. Wie Abb. 3.5-15
vergrößert und das Biegemoment des Stahl- zeigt, setzen sich die Beanspruchungen N5 und
querschnitts verringert wird. M 5 des Stahlbetongurtes im Bereich der Ersteiß-
Das Rißmoment MR bei Erstrißbildung ergibt bildung aus den primären Beanspruchungen in-
sich aus der Bedingung, daß infolge der primä- folge des Schwindens (Teilschnittgrößen Nse und
ren Beanspruchungen aus dem Schwinden und M5e) und den Teilschnittgrößen aus dem äuße-
dem Rißmoment MR in der Randfaser des Be- ren Moment Msd zusammen. Der Abbau der
tongurtes die mittlere Betonzugfestigkeit fctm er- primären Beanspruchungen Nse und Mse kann
reicht wird: näherungsweise durch die in Abb. 3.5-15 darge-
stellte lineare Interpolation zwischen dem Riß-

Verbundbau 3-297
moment MR bei Erstrißbildung und dem Biege-
moment MRn bei abgeschlossener Rißbildung
erfaßt werden [Hanswille 1994]. Das Biegemo-
ment bei abgeschlossener Rißbildung ergibt sich
zu

Astist M
<Xst=--. (3.5.12)
Aala
Dabei ist Nsr,n die Gurtkraft bei abgeschlossener
Erstrißbildung, die sich aus dem 1,3-fachen -N (Druck)
Wert der Gurtkraft Nsr,I bei Erstrißbildung er-
gibt, As die Betonstahlfläche innerhalb der mit- Abb. 3.5-16 Ennittlung derschädigungsäquivalenten
tragenden Gurtbreite, a der Abstand zwischen Nonnalkraftamplituden des Betongurtes beim Nachweis
der Ennüdung
den Schwerachsen des Baustahls und des Beton-
querschnitts und l?s der Bewehrungsgrad des Be-
tongurtes. Der Beiwert ßt kann mit 0,4 ange- ne vereinfachte Beziehung angegeben, bei der
nommen werden. die Belastungsabhängigkeit vernachlässigt wird.
Die Gurtnormalkraft Nsr,I resultiert mit den Dabei wird aus der Spannungs-Dehnungslinie
Querschnittskenngrößen des ungerissenen Quer- des zentrisch gezogenen Stahlbetonzugstabes ei-
schnitts aus dem Rißmoment MR und der Gurt- ne ideelle Betonstahlfläche As,id ermittelt, mit der
kraft infolge der primären Beanspruchungen die effektive Biegesteifigkeit des Verbundquer-
aus dem Schwinden. Im Bereich der abgeschlos- schnitts berechnet wird (Abb. 3.5-23).
senen Rißbildung (Bereich C) kann der Einfluß Die zuvor erläuterten Zusammenhänge gelten
der primären Beanspruchungen vernachlässigt für eine erstmalige Beanspruchung des Quer-
werden. Die Teilschnittgrößen und Spannungen schnitts. Bei Entlastung ergeben sich die in Abb.
können dann aus den Teilschnittgrößen des rei- 3.5-16 dargestellten Zusammenhänge, die für die
nen Zustand-li-Querschnitts und den in Abb. Berechnung der Spannungsschwingbreiten beim
3.5-15 dargestellten Urnlagerungsgrößen aus der Nachweis der Ermüdung benötigt werden [Hans-
Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen be- wille 1994]. Man erkennt, daß die Teilschnittgrö-
stimmt werden. Für den Bereich der abge- ßen bei einer Entlastung von der maximalen Be-
schlossenen Rißbildung erhält man z. B. für die anspruchung Mmax während der Nutzungsdauer
Spannung im Bewehrungsstahl abhängen. In Eurocode 4-2 und EDIN 18800-5
wird für Mmax die seltene Lastkombination zu-
- a s,ll + Ll
a s- •a s - - - z st,s +ßt fctm
- Msd -- . grunde gelegt.
Ist '?s<Xst Für den Nachweis des Baustahlquerschnitts
(3.5.13) liegt die Vernachlässigung der Einflüsse aus der
Die effektive Biegesteifigkeit des Verbundquer- Mitwirkung des Betons stets auf der sicheren
schnitts unter Berücksichtigung der Mitwirkung Seite. Bei der Bewehrung und bei den Dübeln
des Betons zwischen den Rissen kann aus der muß der Einfluß dagegen berücksichtigt wer-
Biegesteifigkeit des Baustahlquerschnitts und den. Die Doppelspannungsamplituden in der
der zugehörigen Krümmung des Baustahlquer- Bewehrung infolge der Ermüdungsbelastung
schnitts berechnet werden: können dann mit Hilfe der Beanspruchungen in-
Eafa folge Mmax und der zugehörigen Spannung Os
( ) (3.5.14)
Bai eff = ( ) nach GI. (3.5.13) einfach ermittelt werden, weil
1- Ns-Ns,< a
die aus der Ermüdungsbelastung resultierenden
Msd Spannungen näherungsweise linearvon den Wer-
Der qualitative Verlauf der von der Momenten- ten infolge Mmax abhängen. Für die Spannungen
beanspruchung abhängigen Steifigkeit ist in ini Betonstahl ergibt sich mit Abb. 3.5-16
Abb. 3.5-15 dargestellt.In E DIN 18800-5 wird für
die Ermittlung der effektiven Biegesteifigkeit ei-
~0 s,equ =Ia s,max,f- 0 s,min,f I> (3.5.15)

3-298 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Mmax,f fuge (Schlupf) zu beobachten. Es wird daher zwi-
0 s,max,f = 0 s- - - ' schen starrer und nachgiebiger Verdübelung un-
Mmax
terschieden. Bei starrer Verdübelung ist der Ein-
Mmin,f
(3.5.16)
fluß des Schlupfes so klein, daß seine Auswir-
0 s,min,f =0 s~ ·
kungen auf die Teilschnittgrößen, Spannungen
max
und Verformungen vernachlässigbar sind, d.h.,
Die Biegemomente Mmax,f und Mmin,f ergeben im Querschnitt stellt sich eine Dehnungsvertei-
sich dabei aus den ständigen Einwirkungen, dem lung mit einer Dehnungsnullinie ein. Der Schub-
häufigen Wert der Temperatureinwirkung, dem kraftverlauf ist dann bei elastischem Material-
charakteristischen Wert der Vorspannung bzw. verhalten affin zum Querkraftverlauf (Abb. 3.5-
planmäßig eingeprägten Deformation und dem 17). Bei nachgiebigem Verbund stellt sich im
schädigungsäquivalenten VerkehrslastanteiL Querschnitt eine Dehnungsverteilung mit zwei
Wenn infolge Mmin,Jim Betongurt Druckbean- Nullinien ein. Die Annahme vom Ebenbleiben
spruchungen entstehen, sind die .Spannungen des Querschnitts gilt hier nur für die Teilquer-
Oa,min und CJs,min mit den Querschnittskenn- schnitte. Der nachgiebige Verbund führt zu einer
größen des ungerissenen Querschnitts zu be- Umlagerung der Teilschnittgrößen auf den Stahl-
rechnen. Die Längsschubkraftamplitude tJ. V L,equ querschnitt und zu einer Reduzierung der Längs-
ergibt sich mit Abb. 3.5-16 aus der Differenz der schubkräfte (Abb. 3.5-17}.
Normalkräfte des Betongurtes zwischen zwei Bei elastischem Materialverhalten können die
kritischen Schnitten zu Beanspruchungen nach der Theorie des elasti-
Ws,f schen Verbunds [Hoischen 1954; Sattler 1955;
ß VL,equ = tJ.M (vmax,r Vmin,f) · (3.5.17} Heilig 1953] berechnet werden. Im Grenzzu-
f stand der Tragfähigkeit führen Teilplastizierun-
Die maximalen und minimalen Querkräfte gen im Stahlquerschnitt zu einem Anwachsen
V max,f und V min,f sowie die zugehörigen Biege- der Längsschubkräfte in den plastizierten Trä-
momente Mmax,f und Mmin,f sind dabei für die gerbereichen, weil mit der Plastizierung ein über-
beschriebene Kombination zu ermitteln. Wenn lineares Anwachsen der Normalkräfte im Stahl-
das zu Vmin,f zugehörige Biegemoment Mmin,f querschnitt und somit ein Anstieg der Längs-
im Betongurt Druckbeanspruchungen hervor- schubkraft verbunden ist. Es stellen sich dann
ruft, muß die zugehörige Normalkraft Ns,min,f die in Abb. 3.5-17 dargestellten Schubkraftspit-
mit den Querschnittskenngrößen des ungerisse- zen in den plastizierten Trägerbereichen ein,
nen Querschnitts ermittelt werden. d.h., die Affinität zwischen Querkraft- und
Schubkraftverlauf geht verloren.
Verbundsicherung und Verformungsverhalten Der Einfluß des Verdübelungsgrades soll zu-
der Verbundmittel nächst an dem in Abb. 3.5-18 dargestellten Ein-
feldträger und dem zugehörigen Teilverbund-
Das Tragverhalten eines Verbundträgers wird diagramm verdeutlicht werden. Verzichtet man
ferner durch die Ausbildung der Verdübelung auf eine Verdübelung zwischen Stahlträger und
zwischen Stahlträger und Betongurt entschei- Betongurt, so wird die Tragfähigkeit durch die
dend beeinflußt. Die Schubkräfte in der Ver- plastische Momententragfähigkeit des reinen
bundfuge werden aus der Normalkraftänderung Stahlprofils bestimmt (Punkt A). Eine optimale
im Stahl- bzw. Betonquerschnitt ermittelt. Der Tragfähigkeit des Verbundträgers ergibt sich,
Verlauf der Längsschubkraft kann im Grenzzu- wenn sich die im Punkt C dargestellte vollplasti-
stand der Tragfähigkeit von dem nach der Ela- sche Spannungsverteilung einstellt. In diesem
stizitätstheorie ermittelten Verlauf unter Zu- Fall wird das gesamte Stahlprofil durch Zug-
grundelegung der Hypothese vom Ebenbleiben spannungen und der Betongurt nur durch
des Gesamtquerschnitts erheblich abweichen, da Druckspannungen beansprucht. Die vollplasti-
im Traglastzustand die Einflüsse aus der Plasti- sche Momententragfähigkeit Mp~Rd=Npt,a z er-
zierung im Stahlträger und aus der Nachgiebig- gibt sich aus der vollplastischen Normalkraft-
keit der Verbundmittel sowie dem Verdübe- tragfähigkeit Npt,a des Stahlprofils und dem zu-
lungsgrad von Bedeutung sind [Bode/Becker/ gehörigen inneren Hebelarm z. Die zugehörige
Kronenherger 1994]. resultierende Längsschubkraft in der Verbund-
Bei allen Verbundmitteln ist eine mehr oder fuge zwischen Stahlprofil und Betongurt ist
weniger große Nachgiebigkeit in der Verbund- gleich dervollplastischen Normalkraft des Stahl-

Verbundbau 3-299
I I I I I I II I

~)·~~
Fließzone starre Verdübelung

Lf ~ =::::
~X t a, fcd

)MpJ,Rd
NpJ,a
'======'

nachgiebige Verdübelung

~ j ~;.. )·~
E acfcd

'======'
fyd

Abb. 3.5·17 Starrer und nachgiebiger Verbund, Einftuß von Plastizierungen im Stahlträger

profils. Man spricht in diesem Fall von einem


Träger mit vollständiger Verdübelung und dem
MRd Verdübelungsgrad '1 = nlnt= 1,0. Die zugehörige
Mp~,Rd Anzahl nf der Verbundmittel bei vollständiger
l,or - -- --..."..,© Verdübelung ergibt sich zu nt=Npz,a!PRd-
MRd Eine Reduzierung des Verdübelungsgrades
Mpi,Rd führt zu einer teilweisen Verdübelung (Bereiche
Abis C in Abb. 3.5-18). Bei teilweiser Verdübe-
lung stellt sich in der Verbundfuge Schlupf ein,
und es entsteht eine Spannungsverteilung mit
N, n
fl =-=- zwei plastischen Nullinien. In diesem Fall wird
L-----.L.-.-----1.-.f>Nd nr die Momententragfähigkeit durch die Längs-
1,0
schubtragfähigkeit in der Verbundfuge be-
stimmt. Da in der Verbundfuge eine gegenseiti-
ge Verschiebung zwischen Stahlprofil und Beton
(Schlupf) auftritt, müssen die Verbundmittel ei-
ne ausreichende Duktilität besitzen. Um infolge
übermäßigen Schlupfes ein Abscheren der Ver-
bundmittel zu verhindern, wird in den Regel-
werken ein Mindestverdübelungsgrad gefordert.
Dieser Mindestverdübelungsgrad hängt von der
Art der Einwirkung (Gleichstreckenlasten, Ein-
zellasten), von der Trägerstützweite und der
Streckgrenze des Baustahls ab. Auf diese Weise
wird sichergestellt, daß der Schlupf in der Ver-
bundfuge den charakteristischen Wert des Ver-
Abb. 3.5· 18 Teilweise und vollständige Verdübelung
formungsvermögens, Öb nach Abb. 3.5-19 nicht
überschreitet.

3-300 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


P o::)
Il l l l l l I

v,

Np~..~
I

Abb. 3.5-19 Verformungsverhalten von duktilen und


nichtduktilen Verbundmitteln
0,1 0,2 0,3 0,4 0,5
1--1[> 'l
t----ilr--il- tl-+1-+
Die im Traglastzustand und bei teilweiser Ver- 0,2 0.4 0,6 0,8 1,0
dübelung mit der Umlagerung der Schubkräfte
verbundenen Relativverschiebungen in der Ver- Abb. 3.5-20 Zur Momentendeckung bei äquidistanter
bundfuge (Schlupf) erfordern eine ausreichende Dübeleinteilung
Duktilität der Verbundmittel. Ein duktiles Ver-
halten ist zudem für den Ausgleich von Schub-
kraftspitzen im Bereich von Querschnittsände- in Trägerlängsrichtung. Im Hochbau wird daher
rungen und bei der Einleitung von konzentrier- für die Verbundmittel eine äquidistante Dübel-
ten Kräften in Trägerlängsrichtung erforderlich. einteilung bevorzugt, insbesondere dann, wenn
Verbundmittel werden als duktil bezeichnet, Träger mit Profilblechdecken verwendet werden.
wenn ein Verformungsverhalten nach Abb. 3.5- Eine äquidistante Verteilung der Verbundmittel
19 mit einem charakteristischen Schlupf von setzt grundsätzlich duktile Verbundmittel vor-
6k=6mm vorhanden ist. Im Gegensatz zu den aus. Ferner ist zu beachten, daß über die Träger-
duktilen Verbundmitteln stellt sich bei Ver- länge eine ausreichende Momentendeckung vor-
bundmitteln ohne ausreichende Duktilität un- handen ist, da auch bei Trägern mit vollständi-
mittelbar nach Erreichen der Traglast ein plötz- ger Verdübelung und äquidistanter Verteilung
licher Lastabfall oder ein unangekündigter der Verbundmittel zwischen kritischen Schnit-
Bruch ein. ten bereichsweise ein Verdübelungsgrad 'l ~ I ,0
Ein duktiles Verhalten ist bei Kopfbolzendü- vorhanden sein kann. Die nach der Teilver-
beln und Reibabscherverdübelungen gegeben. bundtheorie berechnete Momententragfähig-
Blockdübel nach Abb. 3.5-31 weisen insbeson- keit MRd kann dann kleiner als das aus den äuße-
dere dann, wenn der Bruch in der Schweißnaht ren Lasten resultierende Biegemoment Msd sein
auftritt, nur eine sehr geringe Duktilität auf. Un- (Abb. 3.5-20), wenn das Stahlprofil keine ausrei-
ter Gebrauchslasten kann bei vollständiger und chende plastische Momententragfähigkeit be-
teilweiser Verdübelung bei der Berechnung mit sitzt. Dies ist z.B. der Fall, wenn Stahlquer-
ausreichender Genauigkeit von einer starren schnitte ohne Obergurt oder mit sehr kleinem
Verdübelung ausgegangen werden. Eine Ausnah- Obergurt verwendet werden.
me bilden Verbundträger mit teilweiser Verdü-
belung und sehr nachgiebigen Verbundmitteln 3.5.3.3
wie Träger mit Profilblechen und großen Rip- Grenzzustand der Tragfähigkeit
penhöhen. Im Traglastzustand ist insbesondere
bei teilweiser Verdübelung immer ein nachgie- Erforderliche Nachweise
biger Verbund vorhanden.
Wie Abb. 3.5-17 verdeutlicht, führen die Teil- Bei Verbundträgern sind in kritischen Schnitten
plastizierungen und die Nachgiebigkeit der Ver- im Grenzzustand der Tragfähigkeit die in Abb.
bundmittel zu einem Ausgleich der Schubkräfte 3.5-21 zusammengestellten Nachweise zu füh-

Verbundbau 3-301
lliiiill
!U I' 111' !lll

~~
~ I i I I
111 Ii llli 1111 v11!
Schnitt:
1-1 Momententragfähigkeit
11- 11 Querkrafttragfähigkeit
111- 111 Interaktion Biegung - Querkraft
IV-IV Verbundsicherung
V-V Dübelumrißfläche
VI- VI Schubsicherung im Betongurt
VII-VII Biegedrillknicken

Abb. 3.5·21 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähig-


keit, kritische Schnitte

ren. Als kritische Schnitte sind beim Nachweis


der Querschnittstragfähigkeit neben den in Abb.
3.5-21 dargestellten Stellen (extremale Biegemo-
mente und Querkräfte, Querschnittssprünge)
auch Angriffspunkte von Einzellasten und Ein-
Feldbereiche u. boff.l =b0 + l:bo; L.-wirksame
leitungspunkte von konzentrierten Kräften in Bereiche von Stützweite
Trägerlängsrichtung (z.B. aus Spanngliedvor- ln nenstützen
und Kragarmen
spannung) zu untersuchen. Beim Nachweis der
Längsschubtragfähigkeit im Schnitt IV nach Endauflager b•tto = bo + l:ßiboi L
Abb. 3.5-21 wird die maßgebende kritische Län- ß1= 0,55 + 0,025 L.fbi bo; =-f
Sl,O
ge durch zwei benachbarte kritische Schnitte be-
grenzt. Bei diesem Nachweis sind zusätzlich die
Enden von Kragarmen und bei Trägern mit Abb. 3.5-22 Mittragende Gurtbreite
Querschnitten der Klasse 3 und 4 sowie bei Trä-
gern mit nichtduktilen Verbundmitteln die pla-
stizierten Trägerbereiche als kritische Länge zu lung der Querschnittstragfähigkeit und der
betrachten. Bei Trägern mit veränderlicher Schnittgrößen durch Einführung einer mittra-
Bauhöhe sind beim Nachweis der Längsschub- genden Gurtbreite erfaßt werden. Bei der Er-
tragfähigkeit ferner Trägerabschnitte, bei denen mittlung der Schnittgrößen von Durchlaufträ-
das Verhältnis der Flächenmomente zweiten gern darf eine feldweise konstante mittragende
Grades den Wert 2 überschreitet, als kritische Breite angenommen werden. Hierbei ist i.allg.
Länge zu betrachten. Im Fall nicht vorwiegend der Wert der mittragenden Breite in Feldmitte
ruhender Beanspruchung sind zusätzlich für und für Kragarme der Wert am Auflager zugrun-
den Stahlträger, die Bewehrung und die Verdü- de zu legen. Die mittragende Breite kann bei
belung ausreichende Ermüdungsfestigkeiten Durchlaufträgern in Abhängigkeit von der wirk-
nachzuweisen. samen Stützweite Le nach Abb. 3.5-22 bestimmt
werden, wobei Le näherungsweise dem Abstand
Mittragende Gurtbreite der Momentennullpunkte entspricht.

Bei biegebeanspruchten Verbundträgern mit Schnittgrößenermittlung


breiten Betongurten ist die Voraussetzung des
Ebenbleibens des Gesamtquerschnittes wegen Eine exakte Berechnung der Schnittgrößen von
der Schubverzerrungen der Gurtscheiben nicht durchlaufenden Verbundträgern bereitet in der
mehr erfüllt. Dieser Einfluß darfbei der Ermitt- Praxis relativ große Schwierigkeiten, da im

3-302 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Grenzzustand der Tragfähigkeit der Einfluß aus Querschnittsklasse abhängige Prozentwerte für
der Schubverformung der Betongurte (mittra- die Momentenumlagerung erfaßt. Bei Trägern
gende Gurtbreite ), das Langzeitverhalten des Be- mit Querschnitten der Klasse 3 und 4 ist dabei
tons (Kriechen und Schwinden), die Rißbildung zu beachten, daß sich die in den Regelwerken an-
im Betongurt und der Einfluß der Mitwirkung gegebenen Momentenumlagerungen nur auf die
des Betons zwischen den Rissen, die Ausbildung Momentenanteile nach Herstellung des Ver-
von Fließzonen und örtliches Stabilitätsverhal- bunds beziehen.
ten im Stahlträger, die Nachgiebigkeit der Ver- Der Eurocode 4-1-1 und E DIN 18800-5 un-
bundmittel sowie die Herstellungs- und Bela- terscheiden hinsichtlich des Einflusses der Riß-
stungsgeschichte berücksichtigt werden müs- bildung zwei Methoden der elastischen Schnitt-
sen. In den Regelwerken werden daher zur Be- größenermittlung. Bei der Methode I wird bei
rechnung der Schnittgrößenverteilungen von der Schnittgrößenermittlung über die gesamte
Durchlaufträgern Näherungsverfahren auf der Trägerlänge die Biegesteifigkeit Eah des unge-
Grundlage der Elastizitätstheorie und der Fließ- rissenen Verbundquerschnitts zugrunde gelegt.
gelenktheorie I. Ordnung angegeben, die eine auf Die so ermittelten Biegemomente dürfen bei
der sicheren Seite liegende Abschätzung des Be- Verbundträgern mit feldweise konstanter Bau-
anspruchungszustands erlauben. Die Anwen- höhe in Abhängigkeit von der Querschnittsklas-
dung der unterschiedlichen Verfahren hängt da- se und unter Beachtung der Gleichgewichtsbe-
bei von der Querschnittklasse ab. dingungen nach Abb. 3.5-23 von der Stütze zum
Feld umgelagert werden.
Elastische Tragwerksberechnung. Eine elastische Bei der Methode II wird der Einfluß der Riß-
Berechnung der Schnittgrößen ist grundsätzlich bildung im Betongurt auf die Momentenvertei-
für alle Querschnittsklassen zulässig. Das nicht- lung näherungsweise durch Einführung einer ab-
lineare Verhalten aus der Rißbildung im Beton- geminderten Steifigkeit (EI)effnach Abb. 3.5-23
gurt, aus örtlicher Plastizierung im Stahlträger im Bereich der Innenstützen berücksichtigt. Der
und in der Bewehrung sowie das Herausplasti- Einfluß aus der Mitwirkung des Betons zwischen
zieren von primären und sekundären Beanspru- den Rissen auf die Steifigkeit wird dabei durch
chungen aus dem Kriechen und Schwinden des eine ideelle Betonstahlfläche erfaßt [Hanswille
Betons werden näherungsweise durch von der 1989]. Näherungsweise darf bei Trägern, bei de-

Methode I Methode II
II + + + + I + I + ll qd II + I I I I I I I II

lI. 1 k 1
1< 1~1d 1·
7A ~ ~ ~
ti+l I
1I L;
.I. .I I.
t. LI+ I
.1. t,
.I. .I L•
- ~-

Biegesteifigkeit

Momentenumlagerung aus Querschnittsklasse ideelle Betonstahlfläche


1 2 3 I 4 {) -- A,
Rißbildung im Betongurt (Methode I) 10% 10% 10% 110 %
,- A, A
A icl= - - - ' -
Fließzonen im Stahlträger und in der 25% 1S% nicht zulässig ~ O,Sfnm
Bewehrung (Methoden I und II) 1- - -

"' '"'
Abb. 3.5-23 Methoden I und II bei der elastischen Tragwerkberechnung, zulässige Momentenumlagerungen

Verbundbau 3-303
nen das Verhältnis benachbarter Stützweiten die gleichzeitig in den Feld- und Stützbereichen, so
Bedingung Lmin1Lmax ~ 0,6 erfüllt, über jeweils daß eine nennenswerte Umlagerung der Mo-
15% der Stützweite der angrenzenden Felder die mente in die Feldbereiche nicht stattfindet [Bo-
reduzierte Biegesteifigkeit (E[)effangesetzt wer- de/Fichter 1986]. Bei der Schnittgrößenermitt-
den. Bei Trägern mit Querschnitten der Klasse 1 lung sollten im Grenzzustand der Tragfähigkeit
oder 2 werden die so ermittelten Biegemomen- daher bei großen Einzellasten die in Abb. 3.5-23
te im Grenzzustand der Tragfähigkeit durch ört- angegebenen Momentenumlagerungen für die
liches Plastizieren weiter umgelagert. Dieser Einflüsse aus dem Plastizieren nicht berück-
Einfluß wird in den Regelwerken durch eine zu- sichtigt werden.
sätzliche Momentenumlagerung nach Abb. 3.5- Für Verbundträger mit Kammerbeton sollten
23 erfaßt. die Schnittgrößen mit der Methode II ermittelt
Die primären und sekundären Beanspruchun- werden. Dabei ist in den Feldbereichen der Ein-
gen aus Kriechen und Schwinden werden bei fluß der Rißbildung im Kammerbeton zusätzlich
Trägern mit Querschnitten der Klasse 1 oder 2 zu berücksichtigen. Wie Trägerversuche gezeigt
im Grenzzustand der Tragfähigkeit durch Plasti- haben, wird die effektive Biegesteifigkeit (E[)eff
zieren des Baustahlquerschnitts und der Beweh- in den Feldbereichen (gerissener Kammerbe-
rung sowie durch Rißbildung im Beton nahezu ton) realistisch ermittelt, wenn der Mittelwert
vollständig abgebaut. Sie dürfen daher wie die aus den Biegesteifigkeiten Eall und Eah genom-
Einflüsse aus der Belastungsgeschichte vernach- men wird. Bei der Ermittlung der Biegesteifig-
lässigt werden. Bei Querschnitten der Klassen 3 keit des gerissenen Querschnitts darf die Druck-
und 4 wird die Tragfähigkeit durch das lokale zonenhöhe im Kammerbeton näherungsweise
Stabilitätsverhalten der Stege und Gurte im Be- aus der Lage der plastischen Nullinie berechnet
reich der Innenstützen bestimmt, so daß die Ein- werden (Abb. 3.5-24). Wie bereits zuvor erläu-
flüsse aus dem Kriechen und Schwinden für die tert, können Verbundträger mit Kammerbeton
Beurteilung der Tragfähigkeit von Bedeutung bei negativer Momentenbeanspruchung wegen
sind. Da im Bereich der Innenstützen der Be- fehlender experimenteller Erfahrungen bezüg-
tongurt im Grenzzustand der Tragfähigkeit ge- lich des gedrückten Kammerbetons nicht in die
rissen ist und die primären Beanspruchungen Querschnittsklasse 1 eingestuft werden. Die in
aus dem Kriechen und Schwinden durch die Abb. 3.5-23 angegebenen Werte für die Momen-
Rißbildung nahezu vollständig abgebaut wer- tenumlagerung dürfen daher nur angesetzt wer-
den, müssen bei den Tragfähigkeitsnachweisen den, wenn der Kammerbeton bei der Quer-
von Trägern mit Querschnitten der Klasse 3 oder schnittstragfähigkeit nicht berücksichtigt wird.
4 nur die sekundären Beanspruchungen aus dem Bei Trägern mit Vorspannung durch planmä-
Kriechen und Schwinden berücksichtigt wer- ßig eingeprägte Deformationen und/oder Vor-
den. Einflüsse aus der Belastungsgeschichte sind spannung mit Spanngliedern sowie bei Trag-
bei der Schnittgrößenermittlung von Trägern werken mit Querschnitten der Klasse 3 oder 4,
mit Querschnitten der Klasse 3 oder 4 grund- bei denen die Schnittgrößenverteilung durch die
sätzlich immer zu berücksichtigen. Rißbildung im Betongurt stark beeinflußt wird
Bei der Wahl der Methode I oder II ist zu be- (z.B. Mischsysteme aus Verbundquerschnitten
denken, daß die Methode I zwar einen geringe- und reinen Stahlbeton- bzw. Stahlquerschnit-
ren Aufwand bedeutet, für den Grenzzustand der ten), sollten genauere Berechnungsverfahren
Gebrauchstauglichkeit jedoch i.d. R. eine genau- angewendet werden. Der Eurocode 4-2 für Ver-
ere Berechnung unter Berücksichtigung der Riß-
bildung erforderlich ist. Eine zweifache Bestim-
mung der Schnittgrößen wird bei Anwendung
der Methode II vermieden. Die in Abb. 3.5-23 an-
gegebenen Umlagerungen für den Einfluß aus
dem Plastizieren des Stahlträgers gelten für Trä-
ger,die überwiegend durch Gleichstreckenlasten
beansprucht werden, da sich in diesem Fall die
plastischen Zonen zunächst im Bereich der In-
nenstützen ausbilden und eine Umlagerung der Abb. 3.5-24 Biegesteiligkeilen beiTrägem mit Kam-
Momente ins Feld bewirken. Bei großen Einzel- merbeton
lasten bilden sich die plastischen Zonen nahezu

3-304 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


bundbrücken empfiehlt in diesen Fällen im er- ßer als die zur Ausbildung einer Fließgelenkkette
sten Schritt die Schnittgrößen für die nichthäu- erforderliche Rotationskapazität Rerfist. Die er-
fige Kombination unter Ansatz der Biegesteifig- forderliche Rotationskapazität hängt bei Durch-
keitendes ungerissenen Querschnitts zu berech- laufträgem von der Art der Belastung (Gleich-
nen. In Trägerbereichen, in denen die Beton- streckenlast, Einzellast), dem Stützweitenver-
randspannungden 95o/o-Fraktilwert der Beton- hältnis und dem Verhältnis der plastischen Mo-
zugfestigkeit überschreitet, wird die Biegestei- mententragfähigkeiten der Querschnitte an den
figkeit in Abhängigkeit von dem im ersten Be- Innenstützen und im Feld ab.
rechnungsschnitt ermittelten Biegemoment auf Da bei Verbundträgern die plastischen Mo-
die effektive Biegesteifigkeit (EI)eff nach mententragfähigkeiten bei negativer Momen-
GI. (3.5.14) abgemindert. Die so ermittelte Stei- tenbeanspruchung i. allg. erheblich kleiner sind
figkeitsverteilung darf anschließend für alle als bei positiver, ergeben sich an den Innenstüt-
Lastfallkombinationen zugrunde gelegt werden. zen von Durchlaufträgern nennenswert größere
erforderliche Rotationen als bei reinen Stahl-
Berechnung nach der Fließgelenktheorie. Unter tragwerken. Eine ausreichende vorhandene Ro-
bestimmten Voraussetzungen ist eine Berech- tationskapazität wird in den Regelwerken bei
nung nach der Fließgelenktheorie I. Ordnung Verwendung der Baustähle S235 und S355 durch
mit der Annahme uneingeschränkter Rotations- Anforderungen an die Querschnittsausbildung
fähigkeit der Fließgelenke möglich. Da die vor- sichergestellt. Systeme mit hohen Rotationsan-
handene Rotationskapazität von Verbundquer- forderungen, z.B. Träger mit stark unterschied-
schnitten in Wirklichkeit eingeschränkt ist, muß lichen Stützweiten, werden durch Beschränkung
bei der Bemessung sichergestellt werden, daß in der Stützweitenverhältnisse ausgeschlossen
Fließgelenken mit Rotationsanforderungen die (Abb. 3.5-25) und [Bode/Fichter 1986; Bode/Uth
vorhandene Rotationskapazität Rvorh stets grö- 1987; Kemp 1991). Bei Verwendung der hochfe-

betf
'I A(

~~~\
b/t-Verhättnisse der Gurte und Stege:
b/t ~ grenz (b/t)
A,
~;>,= -
) Duktilität des Betonzuggurtes:
A<
l?s <! l?s,min

I: ~~a
Druckzonenhöhe:
lp~
71$0,15
(+) )

~ :;;z;;: ~-- Stützweitenverhältni.sse:

1 Li .I
Endtel der: L. < 1.15 L1
I L.
L,
Mittelfelder: 0,5 < T; < 2,0

~ :;;z;;: ~--

I. .1L, Lz 1

Abb. 3.5-25 Anforderungen an die Querschnitte und Systeme bei Anwendung der Fließgelenktheorie

Verbundbau 3-305
sten Baustähle S420 und S460 ist immer ein di- Die erforderlichen plastischen Momente im Feld
rekter Nachweis der erforderlichen und vorhan- und an den Innenstützen können mit Hilfe des
denen Rotationskapazität erforderlich. Prinzips der virtuellen Verrückungen einfach er-
Die genannten Bedingungen können als er- mittelt werden [Duddeck 1972].
füllt angesehen werden, wenn im Bereich von
Fließgelenken Querschnitte der Klasse 1 und in Querschnittstragfähigkeit für Biegung und Querkraft
den restlichen Bereichen Querschnitte der Klas-
se 2 vorhanden sind. In den Bereichen von Fließ- Die Momententragfähigkeit MRd von Verbund-
gelenken müssen ferner in bezug auf die Steg- querschnitten ist bei vollständiger Verdübelung
achse symmetrische Baustahlquerschnitte vor- i.allg. unter Zugrundelegung einer linearen Deh-
handen sein. Der Druckgurt des Stahlträgers nungsverteilung unter Beachtung von Dehnungs-
muß im Bereich von Fließgelenken seitlich ge- beschränkungen zu ermitteln. Im Stahlträger sind
halten sein, und die Abmessungen des Stahlträ- die Zugdehnungen unbegrenzt; im Druckbe-
gers und weiterer stabilisierender Bauteile müs- reich ist bei Querschnitten der Klassen 1 und 2
sen so gewählt werden, daß ein Biegedrillknick- ebenfalls keine Dehnungsbegrenzung erforder-
versagen ausgeschlossen ist. Bei Durchlaufträ- lich, wenn keine Biegedrillknickgefahr besteht.
gern mit Gleichstreckenbelastung bilden sich die Bei Querschnitten der Klassen 3 und 4 muß die
ersten Fließgelenke mit Rotationsanforderun- Dehnung im Untergurt so begrenzt werden, daß
gen i.d.R. an den Innenstützen, d.h., der Unter- ein seitliches Ausweichen des Untergurts infolge
gurt und der Steg des Baustahlquerschnitts wer- Biegedrillknicken bzw. ein örtliches Stabilitäts-
den gedrückt, und der Betongurt liegt in der versagen des Steges infolge Beulens ausgeschlos-
Zugzone des Querschnitts. Die Rotationsfähig- sen wird. Für die Bewehrung und den Beton sind
keit wird dann außer durch das örtliche Stabili- die in Abb. 3.5-5 dargestellten Spannungs-Deh-
tätsverhalten der gedrückten Bereiche des Stahl- nungsbeziehungen zugrunde zu legen.
querschnitts auch durch das Verhalten des Be- Die dehnungsbeschränkte Berechnung ist
tonzuggurtes bestimmt. Im Betonzuggurt führt i. allg. sehr aufwendig, weil der maßgebende Deh-
die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen nungszustand iterativ berechnet werden muß.
im Betonstahl zu plastischen Dehnungskonzen- Für die praktische Berechnung werden daher ei-
trationen an den Rissen. Es dürfen daher nur nige Vereinfachungen gemacht, die das tatsäch-
hochduktile Betonstähle verwendet werden. liche Tragverhalten ausreichend genau abschät-
Gleichzeitig ist zur Sicherstellung einer aus- zen. Für Querschnitte der Klassen I und 2 ist im
reichenden Duktilität ein Mindestbewehrungs- Baustahlquerschnitt keine Beschränkung der
grad nach Abb. 3.5-25 und GI. (3.5.18) vorzuse- Dehnungen erforderlich. Wie aus Abb. 3.5-26
hen, der eine ausreichende Rißverteilung er- hervorgeht, weicht die tatsächliche Spannungs-
möglicht und ein vorzeitiges Versagen der Be- verteilung dann nur geringfügig von der vollpla-
wehrung durch örtliche Dehnungskonzentratio- stischen Spannungsverteilung des Querschnitts
nen an Rissen verhindert. Querschnitte mit ab. Die Momententragfähigkeit kann in diesen
Kammerbeton in der Druckzone erfüllen nicht Fällen vollplastisch berechnet werden.
die Bedingungen der Klasse 1. Eine Bemessung
nach der Fließgelenktheorie ist daher nur zuläs-
sig, wenn der Kammerbeton bei der Quer-
schnittstragfähigkeit nicht in Rechnung gestellt MRd
wird. Bei Trägern mit großen Einzellasten in den
Feldern können die ersten Fließgelenke mit Ro-
)
tationsanforderungen im Feld entstehen. In die-
sen Fällen wird die Rotationskapazität des Quer-
schnitts durch Erreichen der Grenzdehnungen
im gedrückten Betongurt beschränkt. Bei Trä-
gern, bei denen mehr als die Hälfte der Bemes-
sungslast auf einer Länge von einem Fünftel der
Stützweite konzentriert ist, darf dann der Ab-
stand der plastischen Nullinie von der Randfa- Abb. 3.5·26 Zur Ermittlung der Momententragfähig-
ser des Betongurtes nicht größer als 15% der Ge- keitMRd
samthöhe des Querschnitts sein (s. Abb. 3.5-25).

3-306 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Vollplastische Querschnittstragfähigkeit für Bruch der Bewehrung zu verhindern, muß daher
Querschnitte der Klassen 1 und 2 bei vollständi- ein ausreichender Mindestbewehrungsgrad vor-
gf!r und teilweiser Verdübelung. Bei der Ermitt- handen sein und die Betonstahlbewehrung eine
lung der vollplastischen Momententragfähigkeit ausreichende Duktilität besitzen, insbesondere,
wird angenommen, daß jede Querschnittsfaser wenn die Bemessung nach der Fließgelenktheo-
ohne Begrenzung der Dehnungen plastiziert. Bei rie erfolgt. Nach E DIN 18800-5 und [Hanswille/
positiver Momentenbeanspruchung und hoch- Schmitt 1996] ist für die Baustähle S235, S355
liegender plastischer Nullinie liegt die tatsächli- und S460 der folgende Mindestbewehrungsgrad
che Momententragfähigkeit über der vollplasti- l?s,min erforderlich, wenn hochduktiler Beton-
schen Momententragfähigkeit, weil der Bau- stahl verwendet wird:
stahlquerschnitt im Untergurt in den Verfesti-
gungsbereich kommt und im Betondruckgurt l?s,min = As =Ö fyk fctm .Jk;. (3.5.18)
Ac 235 N/mm2 fsk
die Dehnungen relativ klein sind.
Wenn die plastische Nullinie des Querschnitts Dabei sind fsk und /yk die charakteristischen Wer-
zu weit in den Steg des Stahlträgers absinkt, wird te der Streckgrenze von Bewehrung und Baustahl,
die Momententragfähigkeit durch Erreichen der f ctm die mittlere Betonzugfestigkeit und kc ein
Grenzdehnung im Betongurt beschränkt. Dies Beiwert, der sich nach GI. (3.5.34) ergibt. Der
kann der Fall sein, wenn die mittragende Breite Wert ö ist bei Querschnitten der Klasse 2 mit
des Betongurtes sehr klein ist (z.B. bei größeren Ö= 1,0 und bei Querschnitten der Klasse 1 mit
Deckendurchbrüchen im Gurt) oder wenn hoch- Ö= 1,1 anzunehmen. Wie bereits erläutert, wird
feste Baustähle verwendet werden. In Eurocode bei der Ermittlung der vollplastischen Momen-
4-2 wird aus diesem Grund die vollplastische tentragfähigkeit davon ausgegangen, daß alle
Momententragfähigkeit für Werte Zpiih >0,15 Fasern des Querschnitts plastiziert sind. Die La-
mit dem Faktor ßpl nach Abb. 3.5-27 abgemin- ge der plastischen Nullinie wird bei vollständi-
dert. Bei negativer Momentenbeanspruchung ger Verdübelung und reiner Biegung aus der Be-
führt die Mitwirkung des Betons zwischen den dingung bestimmt, daß die Summe der aus den
Rissen dazu, daß die plastischen Verformungen plastischen Spannungsblöcken resultierenden
im Betonstahl nur in der unmittelbaren Umge- inneren Kräfte null ist. Das vollplastische Moment
bung der Risse auftreten. Um einen vorzeitigen ergibt sich dann aus den inneren Kräften und
den zugehörigen Hebelarmen. In Tabelle 3.5-8
sind die Beziehungen zur Ermittlung des voll-
plastischen Moments für vollständig verdübelte
r Q,<:: Qs,min
Träger ohne Kammerbeton zusammengestellt.
I• • • • • •I In Trägerbereichen, in denen der Betongurt in
der Druckzone liegt, darf das Grenzmoment MRd
für Querschnitte der Klassen 1 und 2 auf der
Grundlage der Theorie der teilweisen Verdübe-
lung mit zwei plastischen Nullinien ermittelt
werden, wenn duktile Verbundmittel verwendet
werden. Wie bereits zuvor erläutert, wird die Mo-
mententragfähigkeit bei teilweiser Verdübelung
durch die Längsschubtragfähigkeit der Ver-
bundfuge bestimmt. Die Druckkraft Ne in der
Betonplatte ergibt sich dann in Abhängigkeit
vom Verdübelungsgrad 'l zu Ne= 'l Ncf• wobei Ncf
die Betondruckkraft bei vollständiger Verdübe-
lung ist. In Tabelle 3.5-9 sind die Beziehungen
zur Ermittlung der Momententragfähigkeit MRd
bei teilweiser Verdübelung für Träger ohne Kam-
merbeton zusammengestellt.
Die Querkrafttragfähigkeit VRa wird bei Ver-
Abb. 3.5-27 Ennittlung der vollplastischen Momenten- bundquerschnitten ohne Kammerbeton aus der
tragfähigkeit
vom Stahlquerschnitt aufnehmbaren Querkraft
mit der Stegfläche Av bestimmt. Sie darf vollpla-

Verbundbau 3-307
Tabelle 3.5-8 Vollplastische Biegemomente ffir Querschnitte ohne Kammerbeton bei vollständiger Verdübelung

A
Nullinie im Betongurt

B
Nullinieim
Stah lträgeroberg urt

(
Nullinie im Steg

vollplastisches Moment bei negativer Momentenbeanspruchung


beff

stisch ermittelt werden, wenn die in Tabelle 3.5-


10 angegeben dlt- Werte nicht überschritten wer-
den. Andernfalls ist der Einfluß des Schubbeu-
lens durch Reduzierung der vollplastischen Quer-
krafttragfähigkeitmit dem Abminderungsfak- (3.5.19)
tor Kt zu berücksichtigen:

3-308 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.5-9 Vollplastische Momententragfähigkeit MRd bei teilweiser Verdübelung

Lage der plastischen Nu !Iinie

Nd Normalkraft im Betongurt bei vollständigerVerdübelung

A
plastische Nullinie im
Stahlt~gerobergurt

B
plastische Nullinie im Steg

theorieermittelt werden [Heinemann 1990; Al-


Tabelle l.S· 10 Grenzwerte grenz(d/tl von nicht ausge- lison/Johnson/May 1982]. Bei Verbundträgern
steiften Stegen ohne Nachweis des Schubbeulens
mit Kammerbeton, bei denen die in Tabelle 3.5-
10 angegebenen Grenzwerte eingehalten sind,
Stahlsorte 5235 5355 5460
darf der Kammerbeton bei der Ermittlung der
Querschnitte ohne dl t s 70 di r s 56 di r s 49
Kammerbeton Querkrafttragfähigkeit berücksichtigt werden.
Querschnitte mit d!t S 124 dl t s 101 dl t s 89
Die anteiligen Querkräfte des Stahlprofils und
Kammerbeton des Betonteils dürfen dabei die Querkrafttrag-
fähigkeit des Stahlprofils bzw. des Kammerbe-
tons nicht überschreiten. Die Aufteilung der Be-
messungsquerkraft in die Anteile, die vom Stahl-
Der Abminderungsfaktor Kr (bezogene Trag- profil und vom Kammerbeton aufgenommen
beulspannung) ist in Abhängigkeit von der be- werden, darf im Verhältnis ihrer Beiträge zur
zogenen Schlankheit Xp und der idealen Platten- Momententragfähigkeit erfolgen. In den Kam-
beulspannung lPi nach Eurocode 3 oder nach mern sind dabei entweder an den Steg ange-
DIN 18800-3 zu ermitteln. Alternativ darf die schweißte Bügel oder in jeder Kammer geschlos-
Querkrafttragfähigkeit auch nach der Zugfeld- sene Bügel anzuordnen.

Verbundbau 3-309
Bei größeren Querkraftbeanspruchungen weismodellen erfolgen (Abb. 3.5-29). Bei dem
muß der Einfluß der Querkraft auf die Momen- Modell 1 wird ein Beulnachweis nach DIN
tentragfähigkeit berücksichtigt werden (Inter- 18800-3 unter Zugrundelegung des geometri-
aktion Biegung und Querkraft).Auf eine Abmin- schen Querschnitts geführt, d.h., für den Steg
derung der Momententragfähigkeit darf ver- bzw. für den Gurt darf die Spannung asd die je-
zichtet werden, wenn der Bemessungswert Vsd weilige Grenzheulspannung Ox,P,Rd nach DIN
den 0,5-fachen Wert der Querkrafttragfähigkeit 18800-3 nicht überschreiten. Bei gleichzeitiger
VRd nicht überschreitet. Wenn diese Bedingung Wirkung von Normal- und Schubspannungen
nicht eingehalten werden kann, muß der Anteil sind die Interaktionsbedingungen nach DIN
des Steges an der Momententragfähigkeit mit 18800-3 einzuhalten. Alternativ kann der Nach-
dem Faktor I? nach GI. (3.5.20) abgemindert wer- weis mit einem effektiven (wirksamen) Quer-
den. Bei der praktischen Berechnung wird schnitt nach DIN 18800-2, Abschn. 7 bzw. Euro-
zweckmäßig entsprechend Abb. 3.5-28 im Steg code 3-1-1 geführt werden (Modell 2). Dabei
eine reduzierte Streckgrenze ~;>jjd angesetzt oder wird der wirksame Querschnitt in Abhängigkeit
eine reduzierte Stegdicke ~;>tw des Stahlprofils bei von der bezogenen Plattenschlankheit der Stege
der Ermittlung der Momententragfähigkeit bzw. Gurte ermittelt. Die am wirksamen Quer-
berücksichtigt. schnitt elastisch ermittelten Spannungen dürfen
2 die Bemessungswerte der Festigkeiten nicht
2V.
~;>=1- ( ___M!__1 ) . (3.5.20) überschreiten.
VRd

Biegedrillknicken
Elastische Querschnittstragfähigkeit. Bei Quer-
schnitten der Klasse 3 sind die Spannungen auf Bei Durchlaufträgern ist im Bereich der Innen-
die jeweiligen Bemessungswerte der Festigkei- stützen eine ausreichende Sicherheit gegen Bie-
ten zu beschränken. Dabei sind der Einfluß aus gedrillknicken, d.h. gegen das seitliche Auswei-
der Belastungsgeschichte, die Rißbildung und chen des gedrückten Untergurtes, nachzuwei-
die Einflüsse aus dem Kriechen und Schwinden sen. Wie Abb. 3.5-30 verdeutlicht, ist das Biege-
zu berücksichtigen. Bei Nachweisen in den drillknicken bei Verbundträgern im Vergleich zu
Grenzzuständen der Tragfähigkeit darf der Ein- Stahlträgern wesentlich günstiger zu beurteilen,
fluß aus der Mitwirkung des Betons zwischen da der Stahlquerschnitt durch die Betonplatte
den Rissen bei der Ermittlung der Spannungen seitlich gehalten und zusätzlich drehelastisch
im Betonstahl vernachlässigt werden. Bei den eingespannt wird. Das Versagen wird ferner
Querschnitten der Klasse 4 muß das örtliche durch das Verformungsverhalten des Steges be-
Beulen der Stege und Gurte berücksichtigt wer- einflußt (ProfJ.lverformung).
den. Dies kann mit zwei verschiedenen Nach-

Modell1

Modell2
1,00 1-----.--~
MrRd I
- · 1-----t------
MRd I
~----~~----~--~D v~
0,50 1,00 ,.... VRd

Abb. 3.5-28 Interaktion zwischen Querkraft und Biege-


moment Abb. 3.5-29 Elasti.sche Momententragfähigkeit

3-310 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


P,
11 11111 1

y(v)

~ .. .
~

tz

Abb. 3.5·30 Biegedrillknicken bei Verbundträgern

Tabelle 3.5-11 Biegedrillknicknachweis

Querschnittsklasse 1 und2 3 und4


Nachweis

bezogene Schlankheit XM

XM :S 0.4 kein Biegedrillknicknachweis erforderlich KM= 1

geschweißte Querschnitte: n= 2.0


1
Abminderungsfaktor KM

KM= ( l+(L )2n )"


gewalzte Profile: n = 2,5

Mpl,k, Mel,k: vollplastische bzw. elastische Momententragfähigkeit, ermittelt mit den charakteristischen Werten
der Streckgrenze von Baustahl und Bewehrung

Eine ausreichende Tragfähigkeit gegen Biege- KM muß das ideale Biegedrillknickmoment MKi
drillknicken ist gegeben, wenn die in Tabelle bzw. in der Schwerachse des gedrückten Gurtes
3.5-11 angegebenen Bedingungen eingehalten die Spannung OKi infolge des idealen Biegedrill-
sind. In Tabelle 3.5-11 ist der Abminderungsfak- knickmoments bekannt sein. Zur Berechnung
tor KM nach DIN 18800-2 angegeben. Nach Eu- von MK; werden die in Abb. 3.5-30 dargestellten
rocode 4-1-1 wird der Abminderungsfaktor bei Lagerungsbedingungen angenommen. Der Be-
gewalzten Profilen nach der Knickspannungs- tongurt bewirkt eine seitliche Halterung am
kurve a und für geschweißte Profile nach der Obergurt sowie eine kontinuierliche drehelasti-
Knickspannungskurve c ermittelt. Diese Werte sche Bettung. Der Einfluß der ProfJJ.verformung
liegen unter den Werten nach DIN 18800-2. Die kann ebenfalls bei der Ermittlung der drehela-
Auswertung von Versuchsergebnissen zeigt, daß stischen Bettung erfaßt werden (s. hierzu DIN
die Abminderungsfaktoren nach DIN 18800-2 18800-2 und [Roik/Hanswille 1990]). Das ideale
das Tragverhalten von Verbundträgern realisti- Biegedrillknickmoment kann z.B. nach [Fischer/
scher erfassen. Für die Berechnung der bezoge- Berger 1997] und [Hanswille/Lindner 1998] er-
nen Schlankheit und des Abminderungsfaktors mittelt werden.

Verbundbau 3-311
Tabelle 3.5-12 Grenzprofilhöhen h (in mm) für Quer-
schnitte ohne Kammerbeton
/
/
/
Profil Stahlsone /

5235 5355 5460


IPE 600 400 270
HEA Kopfbolzendübel
800 650 500
HEB 900 700 550

In vielen Fällen kann auf einen direkten Bie-


I
gedrillknicknachweis verzichtet werden [Roik/ L-------
Hanswille 1990 ]. Durchlaufträger des Hoch- und OübeJieiste Winkelstahldübel
Industriebaus, die über die gesamte Trägerlänge
als Verbundträger ausgebildet sind und über- Abb. 3.5 -31 Verbundmittel
wiegend durch Gleichstreckenlasten bean-
sprucht werden, dürfen ohne zusätzliche seitli- Verbundmittels ergibt. Die Verbundmittel sind
che Halterungen zwischen den Auflagerpunkten i.allg. in Trägerlängsrichtung nach dem Verlauf
ausgeführt werden, wenn sich die Stützweiten der Längsschubkraft VL,Sd anzuordnen. Die Be-
benachbarter Felder, bezogen auf die kürzere rechnung der Längsschubkraft sowie die Vertei-
Stützweite, um nicht mehr als 20% unterschei- lung der Verbundmittel hängt dabei von der
den, das Verhältnis von ständiger Einwirkung zu Querschnittsklasse und von der Duktilität der
Gesamtlast größer als 0,4 ist, die Verdübelung Verbundmittel ab.
zwischen Stahlträgerobergurt und Betongurt Für Kopfbolzendübel und bei der Verbund-
nach den im folgenden Abschnitt beschriebenen sicherung mittels Reibungsverbund darf von ei-
Grundsätzen ausgeführt ist und die Profilhöhen nem duktilen Verhalten ausgegangen werden.
ha des Stahlträgers die in Tabelle 3.5-12 angege- Die anderen in Abb. 3.5-3I dargestellten Ver-
benen Grenzhöhen nicht überschreiten. Zusätz- bundmittel werden in den Regelwerken als Ver-
lich darf die Biegeschlankheit der Betongurte bundmittel ohne ausreichende Duktilität einge-
quer zur Trägerrichtung den Grenzwert l!d=35 stuft. Die gleichzeitige Verwendung von duktilen
bei Durchlaufplatten und lld=25 bei Einfeld- Verbundmitteln und Verbundmitteln ohne aus-
piauen nicht überschreiten. Bei Trägern mit reichende Duktilität solltevermieden werden, da
Kammerbeton dürfen die in Tabelle 3.5-I2 an- die auf die einzelnen Verbundmittel entfallende
gegebenen Grenzhöhen um 200 mm vergrößert Längsschubkraft vom Verformungsverhalten
werden. der Verbundmittel abhängt.

Verbundsicherung Träger mit Querschnitten der Klassen 1 und 2 und


duktilen Verbundmitteln. Zwischen kritischen
Die Verbundmittel zwischen dem Stahlträger Schnitten ergeben sich bei Trägern mit Quer-
und dem Betongurt müssen in Trägerlängsrich- schnitten der Klassen I und 2 die Längsschub-
tung so angeordnet werden, daß die Längs- kräfte bei vollständiger Verdübelung ( 'l =I) aus
schubkräfte VL zwischen Betonplatte und Stahl- der Differenz der Normalkräfte des Betongurtes
träger im Grenzzustand der Tragfähigkeit über- bzw. der Betonstahlbewehrung infolge der voll-
tragen werden können. Der natürliche Haftver- plastischen Grenzschnittgrößen (Abb. 3.5-32}.
bund darf dabei nicht berücksichtigt werden. Die zwischen den betrachteten kritischen
Typische Verbundmittel sind in Abb. 3.5-3I dar- Schnitten erforderliche Dübelanzahl bei voll-
gestellt. Zwischen kritischen Schnitten muß die ständiger VerdübeJung wird mit nt bezeichnet.
Bedingung VL,sdiVL,Rd S I,O eingehalten werden. Bei Einfeldträgern und im positiven Momen-
Hierbei sind VL,Sd der Bemessungswert der tenbereich von Durchlaufträgern darf die
Längsschubkraft und VL,Rd die übertragbare Längsschubkraft nach der Theorie der teilweisen
Längsschubkraft, die sich aus der im betrachte- VerdübeJung vollplastisch berechnet werden. In
ten Trägerabschnitt vorhandenen Anzahl n der Abhängigkeit vom Verdübelungsgrad 'l ist eine
Verbundmittel und der Grenzscherkraft PRd des ausreichende Momentendeckung nachzuweisen,

3-312 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


plastischen Grenzmoments des Verbundquer-
schnitts Mpl,Rd nicht unterschreitet. Anderenfalls
ist unter Berücksichtigung der zwischen kriti-
II I I I I I I I I I I I I II schen Schnitten bereichsweise teilweisen Verdü-

1
belung eine ausreichende Momentendeckung
über den jeweiligen Trägerabschnitt nachzuwei-
sen. Bei äquidistanter Anordnung der Verdübe-
lung treten im Grenzzustand der Tragfähigkeit
in der Verbundfuge größere Relativverschiebun-
gen auf. Die Größe des Schlupfes hängt dabei
neben der Verformbarkeit der Dübel von der
Ausbildung des Verbundquerschnitts, von der
Stützweite des Trägers und von der Belastung
(Gleichstreckenlasten, Einzellasten) ab [Bode
1994). In den Regelwerken wird daher der Ver-
dübelungsgrad in Abhängigkeit von diesen Pa-
rametern beschränkt.
Für Träger mit Gleichstreckenlasten und
Kopfbolzendübeln sind die in Tabelle 3.5-13 an-
gegebenen Mindestverdübelungsgrade einzu-
halten. Für die Feldbereiche von Durchlaufträ-
gern darf näherungsweise anstelle der Stützwei-
te L die wirksame Stützweite Le nach Abb. 3.5-22
verwendet werden. Die in Tabelle 3.5-13 angege-
benen Mindestverdübelungsgrade stellen sicher,
daß bei Trägern mit Gleichstreckenbelastung
der maximale Schlupf auf den Wert Öuk =6,0 mm
beschränkt wird. Bei Trägern mit überwiegender
Beanspruchung durch Einzellasten ist der Schlupf
Abb. 3.5-32 Kritische Schnitte und Längsschubkräfte
bei vollständiger und teilweiser Verdübelung (Endfeld in der Verbundfuge geringer als bei Gleich-
eines Durchlaufträgers) streckenlasten. In diesen Fällen sind daher auch
geringere Verdübelungsgrade zulässig, wenn
durch eine nichtlineare Berechnung nachgewie-
oder die für die Ermittlung der Längsschubkraft sen wird, daß der charakteristische Wert des Ver-
erforderlichen Normalkräfte des Betongurtes formungsvermögens nicht überschritten wird.
werden vereinfacht an den kritischen Schnitten
nach GI. (3.5.21) berechnet, d.h., es wird von ei- Träger mit Verbundmitteln ohne ausreichende
ner linearen Interpolation zwischen den Punk- Duktilität oder mit Querschnitten der Klassen 3
ten A und C nach Abb. 3.5-18 ausgegangen: und 4. Bei Trägern mit Querschnitten der Klas-
sen 3 und 4 erfolgt die Bemessung auf der Grund-
N = Msd -Mpl,a,Rd . N
c if· (3.5.21) lage der Elastizitätstheorie, wobei Ebenbleiben
M pl,Rd- M pl,a,Rd des Gesamtquerschnitts angenommen wird. Von
Hierbei sind Mpl,a,Rd das plastische Grenzmo- dieser Annahme ist stets auszugehen, wenn un-
ment des Baustahlquerschnitts, Mpi,Rd das pla- abhängig von der Querschnittsklasse Verbund-
stische Grenzmoment des Verbundquerschnitts mittel ohne ausreichende Duktilität verwendet
bei vollständiger Verdübelung und Nct die zuge- werden, da sich in diesem Fall keine Dehnungs-
hörige Druckkraft des Betongurtes. Bei Trägern verteilung mit zwei Dehnungsnullinien (Schlupf
mit Kammerbeton ist in GI. (3.5.21) Mpl,a,Rd in der Verbundfuge) einstellen kann. Wenn sich
durch das Grenzmoment des kammerbetonier- das gesamte Tragwerk elastisch verhält, ergeben
ten Profilverbundquerschnitts zu ersetzen. sich die Längsschubkräfte nach Tabelle 3.5-6 aus
Die Dübel dürfen zwischen kritischen Schnit- den auf den Verbundquerschnitt wirkenden Be-
ten äquidistant verteilt werden, wenn das voll- anspruchungen. Bei Trägern mit Querschnitten
plastische Grenzmoment des Baustahlquer- der Klassen 3 und 4 sind dabei die Einflüsse aus
schnitts Mpl,a,Rd den 0,4-fachen Wert des voll- dem Kriechen und Schwinden zu berücksich-

Verbundbau 3-313
Tabelle 3.5-13 Mindestverdübelungsgrade bei Trägem mit Querschnitten der Klassen 1 und 2 und teilweiser Verdübelung

doppeltsymmetrische Baustahlquerschnitte mit doppeltsymmetrische Baustahlquerschnitte mit


Vollbetonplatten und Kopfbolzendübeln 0 16, 19, 22 Profilblechen, Kopfbolzendübeln 019 und 22
und 25 mm mit h!d~ 4 hp s 60 mm und brJhP ~ 2,0

l S 25m Jlmin ~ 1-
355 N/mm 2
f
ylc
(0,75 - 0,0HJ ~ 0,4 Ls25m
T U
Jlmin~1
355 N/mm 2
fytc
(1,0-0,04·l)~0,4

l>25 m Jlmin ~ 1,0 (L in m) l>25 m Jlmin ~ 1,0 (l in m)

den. Der Zusammenhang zwischen Biegemo-


ment und Gurtnormalkraft kann dabei im pla-
stischen Zustand durch die in Abb. 3.5-33 dar-
gestellte linearisierte Beziehung angenähert
werden.
Der Bereich A bis B beschreibt das elastische
Verhalten des Querschnitts. Bei Trägern ohne Ei-
gengewichtsverbund resultiertaus dem auf den
Stahlträger wirkenden Anteil Ma,Sd keine Nor-
malkraft und somit auch keine Längsschubkraft
Im plastischen Zustand (Bereich B bis C) ergibt
sich die Normalkraft N, durch lineare Interpo-
lation zwischen den Werten bei Erreichen des
elastischen Grenzmoments Mel,Rd und des voll-
plastischen Moments Mpl,Rd· Für die Gurtkraft
Abb. 3.5-33 Zusammenhang zwischen der Gurtkraft N,
und dem Biegemoment MSd N, im Bereich Mel,Rd<Msd5.Mpl,Rd erhält man
Msd-Mel,Rd
N, =Nel,d+ ·(N,f-Nel,d).
tigen. An den Trägerenden, an Betonierab- M pl.Rd - Mel,Rd
schnittsgrenzen und an Einleitungsstellen von (3.5.22)
Normalkräften sind zusätzlich die konzentrier- Dabei ergibt sich Mei,Rd aus der Bedingung, daß
ten Schubkräfte zu beachten. in der Randfaser des Stahl- bzw. Betonstahl-
Bei Einfeld- und Durchlaufträgern mit Quer- querschnitts die Grenzspannungen /yd bzw. fsd
schnitten der Klasse 3 oder 4 an den Innenstüt- erreicht werden. Bei Trägern ohne Eigenge-
zen sind in den Feldbereichen i. d. R. Quer- wichtsverbund ergibt sich Mel,Rd aus der Summe
schnitte der Klasse 1 oder 2 vorhanden, d. h., die der Bemessungsmomente vor Herstellung des
Querschnittstragfähigkeit wird an diesen Stel- Verbunds (Ma,sd) und desjenigen Momentenan-
len vollplastisch berechnet. Die Längsschub- teils t.Msd auf den Verbundquerschnitt, der in
kräfte nehmen in den teilplastizierten Bereichen den maßgebenden Randfasern die resultieren-
deutlich zu, weil das zum vollplastischen Mo- den Spannungen /yd bzw. [sd hervorruft. Auf der
ment gehörige Kräftepaar auf relativ kurzer Län- sicheren Seite liegend, darf die Gurtkraft und die
ge aufgebaut werden muß (Abb. 3.5-17). Der erforderliche Dübelanzahl immer durch lineare
Schubkraftverlauf muß dann aus der Differenz Interpolation zwischen den Punkten A und C
der Normalkräfte im Betongurt berechnet wer- nach Abb. 3.5-33 bestimmt werden. Der Verdü-

3-314 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


belungsgrad 'l = Nc/NcfSOllte den Grenzwert 0,4 matisch verschweißt [Triiimich 1997]. Bezüglich
nicht unterschreiten. der Tragfähigkeit muß zwischen Bolzen in Voll-
Bei duktilen Verbundmitteln ist bei Quer- betonplatten und Bolzen in Kombination mit
schnitten der Klassen 3 und 4 ein Einschneiden Profilblechen unterschieden werden (Abb.3.5-34
in die Deckungslinie der Längsschubkraft zuläs- und 3.5-35). Bei Verwendung von Kopfbolzen-
sig, wenn die ermittelte Längsschubkraft die dübeln mit Profllblechen werden die Bleche ent-
Längsschubtragfähigkeit örtlich um nicht mehr weder vorgelocht und auf der Baustelle über die
als 15% überschreitet und die Gesamtanzahl der
Verbundmittel zwischen kritischen Schnitten
ausreichend ist. In plastizierten Trägerbereichen
eq ~ 2,5 d1
darf bei Verwendung von duktilen Verbundmit-
teln näherungsweise von einer konstanten ·1 I·
Längsschubkraft zwischen kritischen Schnitten
ausgegangen werden.
: dl
I
[rr__1f h

Beanspruchbarkeit von Verbundmitteln. Wie be- ~ 20mm II


reits in 3.5.3.1 erläutert, werden heute überwie-
gend Kopfbolzendübel zur Verbundsicherung
verwendet. Nachfolgend werden daher nur die-
se Verbundmittel näher behandelt. Bezüglich der
Beanspruchbarkeil anderer Verbundmittel wird
auf die Regelungen im Eurocode 4-1-1 und in
E DIN 18800-5 verwiesen. Kopfbolzendübel be-
stehen aus kaltverformten Rundstählen mit auf- ~30mm
I
I
I
gestauchten Köpfen. Die Abmessungen und I
I._ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ ...j
I
Materialeigenschaften sind in EN ISO 13918 fest-
gelegt. Die Kopfbolzen werden mittels Boizen-
schweißanlage und Schweißpistole im Bolzen- Abb. 3.5-34 Kopfbolzendübel in Vollbetonplatten
schweißverfahren mit Hubzündung halbauto-

a Profilblech verläuft senkrecht zur Trägerachse

CiI I
I
1=1f·d1
Ll_L_DLJ1
I
dr: . ~::!sr=::::::!::~=~=if
:~
L __ ____ J _ ___ j
Schwerachse des Profilblechs
b Profilblech verläuft parallel zur Trägerachse hP s 85 mm
bo b0 ~ hP

Abb. 3.5-35 Kopfbolzendübel bei Verwendung von Profilble<hen

Verbundbau 3-315
auf den Stahlträger geschweißten Dübel ge- und eine ordnungsgemäße Einleitung der Dü-
stülpt, oder die Dübel werden auf der Baustelle belkraft in den Stahlflansch ohne örtliche Ober-
direkt durch die Bleche durchgeschweißt Das beanspruchungen oder übermäßige Verformun-
Durchschweißen von Kopfbolzendübeln ist nur gen sichergestellt ist. Werden die Dübel nicht di-
unter bestimmten Bedingungen zulässig [Bode/ rekt über dem Steg des Stahlproflls angeordnet,
Künze!I99I]. In Deutschland wurden in der Ver- so sollte der Durchmesser des Dübels den 2,5-
gangenheit mit der Durchschweißtechnik keine fachen Wert der Flanschdicke des Stahlträgers
gute Erfahrungen gesammelt. Die Bleche werden nicht überschreiten.
daher in der Regel vorgelocht Bei Kopfbolzendübeln in Kombination mit
Zur Beschreibung des relativ komplizierten Profilblechen erfolgt die Ermittlung der Bemes-
Tragverhaltens von Kopfbolzendübeln existieren sungswerte der Tragfähigkeit in Abhängigkeit
bisher keine einfachen mechanischen Berech- von der Orientierung des Profilbleches durch
nungsmodelle. Die Regelungen in den Normen Abminderung des Bemessungswertes der Trag-
basieren auf experimentellen Untersuchungen fähigkeit für Vollbetonplatten. Verlaufen die Pro-
von Ollgard (1971}, Oehlers/Johnson (1987), filbleche parallel zur Trägerachse (Abb. 3.5-35 b ),
Johnson/Huang (1995), Roik/Hanswille (I983), so ist die Grenzscherkraft des Dübels aus der
Bode/Schanzenbach (1989 ), Bode/Künzel (1990) Grenzscherkraft für Vollbetonplatten durch
und HanswilletJost ( I998). Der Bemessungswert Multiplikation mit dem Abminderungsbeiwert
der Beanspruchbarkeit (Grenzscherkraft) ergibt
sich für Dübel in Vollbetonplatten mit Schaft- kl = 0,6~(..!!._-I):s;
hp hp
I,O (3.5.25)
durchmessern d 1$;25 mm und einem Verhältnis
hl d 1 > 3,0 aus dem jeweils kleineren Wert der zu ermitteln.
Gleichungen Die Dübelhöhe h darf in GI. (3.5.25) nur mit
maximal hp+75mm in Rechnung gestellt wer-
PRd) =0,8·
nA 2
fu ·- - · - ,
I
(3.5.23) den. Für Dübel in Rippen von Profilblechen, die
4 Yv senkrecht zur Trägerachse verlaufen (Abb. 3.3-
35a), ergibt sich die Grenzscherkraft durch Ab-
PRd,2 = 0,29 · a · d/ ~ Ecm · fck · ....!..__ (3.5.24) minderung der Tragfähigkeit für Vollbetonplat-
Yv ten mit dem Abminderungsbeiwert
Dabei ist
d1 Schaftdurchmesser des Dübels mit d 1 :s;
(3.5.26)
25mm,
fu spezifizierte Zugfestigkeit des Bolzenmate-
rials nach DIN 32500-3 lfu darf höchstens Der obere Grenzwert kt,max ist dabei der Tabelle
mit 450 N/mm 2 in Rechnung gestellt wer- 3.5-I4 zu entnehmen [Hanswille/Kajzar/Faß-
den), bender I993].In GI. (3.5.26) ist nR dieAnzahl der
fck charakteristischer Wert der Zylinderdruck- Bolzendübel je Rippe, die rechnerisch den Wert
festigkeit des Betons im entsprechenden Al- 2 nicht überschreiten darf. Die geringste Breite
ter, von ausbetonierten Rippenzellen darf nicht klei-
Ecm Elastizitätsmodul des Betons, ner als 50 mm sein.
a Beiwert zur Berücksichtigung des Einflus- Werden die Dübel sowohl aus dem Trägerver-
ses der Dübelhöhe bund als auch aus dem Deckenverbund bean-
(a=0,2 [(h/d 1)+I] für 3<h!d1 <4 und
a = I,O für h!d 1 '2:.4), Titbelle 3.5-14 Obere Grenzwerte k~max torden
Yv = I ,25 Teilsicherheitsbeiwert Faktor k1

Die Gin. (3.5.23) und (3.5.24) setzen voraus, daß Anzahl durchge- vorgelochte Profil-
innerhalb der Dübelumrißfläche eine Querbe- der Dübel schweißte Dübel bleche und Dübel
wehrung angeordnet wird. Bezüglich der Maxi- pro Rippe d1 < 20 mm d1 = 19mmund
d1 =22mm
mal- und Mindestabstände sowie der konstruk-
tiven Ausbildung der Verbundfuge sind die in nR= 1 0,85 0,75
nR = 2 0.70 0,60
Abb. 3.5-34 zusammengestellten Bedingungen
einzuhalten. Die Dicke des Stahlflansches ist so
zu wählen, daß eine einwandfreie Schweißung

3-316 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


sprucht, so ist bei gleichzeitiger Wirkung dieser
Schubkräfte die Bedingung
VRd2 =0,22fc~3 Acv + Asvfsd +Vpd· (3.5.29)
Hierbei ist fck der charakteristische Wert der Zy-
(~)2 +(l)\1
Pr
PL,Rd
0
,Rd - )
(3.5.27) linderdruckfestigkeit des Betons in N/mm2,Acv
die im jeweils betrachteten Schnitt maßgebende
einzuhalten. Hierbei ist VL die Längsschubkraft Querschnittsfläche des Betons und Asv die anre-
je Dübel aus dem Trägerverbund und V1 die chenbare Querbewehrung. In zugbeanspruchten
rechtwinklig dazu wirkende Schubkraft je Dübel Gurten darf in GI. (3.5.29) der erste Term nicht
aus der Verbundwirkung mit der Decke. berücksichtigt werden. Der Traganteil Vpd
berücksichtigt den Einfluß von senkrecht zur
Schubsicherung des Betongurtes Trägerachse verlaufenden Profilblechen, die mit
ihrem Bemessungswert der Streckgrenze wie ei-
Die Querbewehrung des Betongurtes ist für den ne Querbewehrung angerechnet werden kön-
Grenzzustand der Tragfähigkeit so zu bemessen, nen, wenn sie über dem Träger durchlaufen oder
daß ein Versagen des Betongurtes infolge Längs- kraftschlüssig angeschlossen werden.
schub bzw. örtlicher Krafteinleitung in den Be- Bei Verwendung von senkrecht zur Träger-
tongurt (Dübelumrißfläche) vermieden wird. Im achse verlaufenden Profilblechen, die über dem
Plattenanschnitt erfolgt die Bemessung in über- Träger nicht gestoßen sind, ist es nicht erforder-
einstimmung mit den Regelungen für Platten- lich, Schnitte vom Typ b-b zu untersuchen, wenn
balken in Massivbauweise (s. 3.3). Neben der Be- die Tragfähigkeit der Kopfbolzendübel unter
messung im Plattenanschnitt ist die örtliche Berücksichtigung des Abminderungsbeiwerts k1
Ausleitung der Längsschubkräfte im Bereich der nach GI. (3.5.26) ermittelt wird. Bei der Ermitt-
sog. Dübelumrißfläche nach Abb. 3.5-36 nach- lung der anrechenbaren Flächen Acv von Trägern
zuweisen. mit senkrecht zur Trägerachse verlaufenden Pro-
Der in dem jeweils betrachteten Schnitt maß- filblechen darf der Beton in den Rippen im
gebende Bemessungswert der Längsschubkraft Schnitt d-d nicht in Rechnung gestellt werden.
VL,Sd wird dabei aus der für den Grenzzustand Werden die Bleche dagegen über dem Träger ge-
der Tragfähigkeit erforderlichen Dübelanzahl er- stoßen, so darf beim Nachweis für den Schnitt
mittelt. Der Nachweis kann nach E DIN 1045-1 e-e der Beton in den Rippen berücksichtigt wer-
oder wie nachfolgend erläutert nach Eurocode 4 den.
geführt werden. In den für das Längsschubver- Bei den Schnitten in der Dübelumrißfläche
sagen maßgebenden Schnitten dürfen die Werte vom Typ b,cundedarfin Gl.(3.5.29) nurdie Be-
VRdi und VRd2 nicht überschritten werden: wehrung angerechnet werden, die die jeweils be-
trachtete Schnittebene kreuzt. Bei kombinierter
(3.5.28)
Beanspruchung durch den aus der Trägerwir-
kung resultierenden Längsschub und örtliche
Querbiegung ist nach Eurocode 4-1-1 der größe-
re erforderliche Stahlquerschnitt anzuordnen,
der sich aus der Trägerwirkung oder aus der ört-
Iichen Querbiegebeanspruchung ergibt. Für die
Mindestbewehrung im Plattenanschnitt und in
der Dübelumrißfläche gelten die Regelungen für
Stahlbeton-Plattenbalken. Der Mindestbeweh-
rungsgrad ist bei Trägern mit Profilblechen auf

fP
d die maßgebende Betonfläche oberhalb des Pro-
fllbleches zu beziehen.

Ermüdung

Für Verbundträger unter nicht vorwiegend ru-


i
hender Beanspruchung ist für die Verbundmit-
Abb. 3.5-36 KritiS<he S<:hnitte im PlattenanS<hnitt und tel ein Nachweis der Ermüdung erforderlich. Die
in der Dübelumrißfläche Spannungen infolge der Ermüdungsbelastung
sind stets durch eine elastische Tragwerksbe-

Verbundbau 3-317
rechnung zu bestimmen. Dabei wird von einer prägt ist. Die maßgebenden Größen zur Beurtei-
starren Verdübelung ausgegangen. Mit dieser lung der Ermüdungsfestigkeit sind die Schub-
Annahme werden die Längsschubkräfte in der spannungsschwingbreite im Bolzenschaft und
Verbundfuge auf der sicheren Seite liegend er- die überlast. Ermüdungsversuche zeigen, daß
mittelt. Bezüglich des Nachweises der Ermüdung der Einfluß der Oberlast vernachlässigbar ist,
für den Baustahlquerschnitt, den Beton und die wenn diese den 0,6-fachen Wert der charakteri-
Bewehrung wird auf 3.3 und 3.4 verwiesen. Nach- stischen Dübeltragfähigkeit PRk nach den Gin.
folgend werden nur die Besonderheiten beim (3.5.23) und (3.5.24) nicht überschreitet. Die Er-
Nachweis der Verdübelung erläutert. Bei wie- müdungsfestigkeit kann dann allein mit Hilfe
derholter Beanspruchung wird bei Kopfbolzen- der Schubspannungsschwingbreite im Bolzen-
dübeln in Vollbetonplatten der Beton im Bereich schaft mit der in Abb. 3.5-38 dargestellten Er-
des Schweißwulstes mit zunehmender Lastspiel- müdungsfestigkeitskurve beurteilt werden.
zahl geschädigt. Diese Schädigung führt zu einer [Roik/Hanswille 1987, 1989].
verstärkten Biegebeanspruchung des Bolzen- In Trägerbereichen, in denen der Betongurt in
schaftes und schließlich zu den in Abb. 3.5-37 der Druckzone liegt, kann der Ermüdungsnach-
dargestellten Ermüdungsbrüchen [Roik/Hans- weis mit Hilfe der rechnerischen Spannungs-
wille 1987, 1989]. schwingbreite ßt im Bolzenschaft geführt wer-
In Betondruckgurten werden die Brüche vom den. Bezieht man die schadensäquivalente Span-
Typ A oder B nach Abb. 3.5-37 beobachtet, d.h. nungsamplitude auf die Lastspielzahl n = 2 ·106,
Rißbeginn am Schweißwulst und Rißfortschritt so ergibt sich:
durch den Schaft, den Schweißwulst oder durch ßtc
die Wärmeeinflußzone im Flansch. In Gurten YFfME5.- . (3.5.30)
YMf
mit Zugbeanspruchung kann der Typ C beob-
achtet werden, d.h., der Riß beginnt wie bei den Für Vollbetonplatten aus Normalbeton ergibt
Typen A und B am Schweißwulst und wandert sich nach Abb. 3.5-38 die Ermüdungsfestigkeit
dann durch den Flansch des Trägers. Aus der Be- ßtR für die Bezugslastspielzahl n = 2 ·106 zu
tonschädigung resultiert mit zunehmender Last- ßtc=95 N/mm 2• Bei Betongurten mit unterbro-
spielzahl eine Zunahme des Schlupfes, die kurz chener Verbundfuge (Profilblechdecken) ist das
vor dem Ermüdungsbruch besonders ausge- Ermüdungsverhalten der Dübel ungünstiger zu
beurteilen. Für spezielle Profilblechgeometrien
können die Ermüdungsfestigkeitskurven der Li-
teratur entnommen werden [Bode/Becker 1993;
Druckgurt
Becker 1997]. Für Brücken sind die ermüdungs-
t.Pd
wirksamen Verkehrslasten zur Ermittlung von
Schweiß - beginn
ßtv,E im Eurocode 4-2 angegeben. Für übliche
- Hochbauten kann ßtv,Evereinfacht mit der häu-
- 1TypA 1- tl.o figen Lastkombination ermittelt werden. Die
I I
Teilsicherheitsbeiwerte dürfen nach Eurocode
4-1-1 mit YMt=1,0 und YFt =1 ,0 angenommen
werden. In Trägerbereichen mit negativer Mo-
mentenbeanspruchung (Betongurt in der Zug-
zone und Rißbildung im Betongurt) ergeben
sich im Obergurt des Stahlträgers nennenswer-
te Spannungsamplituden. Das Ermüdungsver-
Zuggurt
halten wird dann zusätzlich durch die Span-
n~ nungsamplituden ßo im Obergurt des Stahlträ-
gers bestimmt (s. Abb. 3.5-37), Versagenstyp C.

-~ -tl.a
Der Ermüdungsnachweis ist dann mit der Inter-
aktionsbedingung (3.5.31} zu führen, vgl. Abb.
3.5-38. Dabei ist ßaE die schadensäquivalente
Spannungsschwingbreite im Stahlträgerober-
Abb. 3.5-37 Ermüdungsbrüche und Rißfortschritt bei
Kopfbolzendübeln in Vollbetonplatten gurt für nE=2 · 106 •

3-318 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


logN
1,0

--~--
~!J.o 0,3

____ ...1I ___ _:-..__ _ _


I
I

logN

Abb. 3.5·38 Ermüdungsfestigkeitskurven filr Kopfbolzendübel in Vollbetonplanen

nommen keine reinen Gebrauchstauglichkeits-


nachweise darstellen, weil mit diesen Nachwei-
sen eine ausreichende Dauerhaftigkeit nachge-
wiesen wird und somit diese Nachweise eine
YFf!loE :'>1,0 (3.5.31) Voraussetzung für die in 3.5.3.3 beschriebenen
llocfYMf Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit
bilden.

3.5.3.4 Berechnung der Schnittgrößen Spannungen


Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit und Verformungen

Allgemeines Die Schnittgrößen und Verformungen sind bei


den Nachweisen in den Grenzzuständen der Ge-
In den Grenzzuständen der Gebrauchstauglich- brauchstauglichkeit auf der Grundlage der Ela-
keit ist nachzuweisen, daß bestimmte Anforde- stizitätstheorie unter Berücksichtigung der Riß-
rungen an Bauwerks- oder Bauteileigenschaften bildung, von Kriechen und Schwinden sowie der
erfüllt werden. Die Gebrauchstauglichkeit kann Belastungsgeschichte zu berechnen. Der Einfluß
bei Verbundträgern durch übermäßige Rißbil- der Schubweichheit des Betongurtes darf durch
dung im Betongurt, durch übermäßige Verfor- eine mittragende Gurtbreite nach Abb. 3.5-22
mungen sowie durch das Schwingungsverhalten berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der
eingeschränkt sein. In den Regelwerken wird fer- Verformungen ist die Nachgiebigkeit der Ver-
ner beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit in bundmittel nur in Sonderfällen zu berücksichti-
Sonderfällen die Einhaltung von Grenzspan- gen.
nungen gefordert. Dabei ist zu bedenken, daß die In Trägerbereichen mit gerissenen Betongur-
Begrenzung von Spannungen unter Gebrauchs- ten sind die Spannungen im Betonstahl bzw.
lastniveau sowie bei aggressiven Umweltbedin- Spannstahl unter Berücksichtigung der Mitwir-
gungen die Rißbreitenbeschränkung strengge- kung des Betons zwischen den Rissen zu ermit-

Verbundbau 3-319
teln. Da die Mitwirkung des Betons zwischen den
(3.5.33)
Rissen nur beim Beton- bzw. Spannstahl zu ei-
ner Erhöhung der Beanspruchungen führt, kön- 1
nen die Spannungen für den Baustahlquerschnitt k, = +0,3 ~ 1,0 (3.5.34)
1+ hcf( 2z;,,o )
auf der sicheren Seite liegend auch ohne Berück-
sichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen gut approximiert werden kann.
den Rissen bestimmt werden. Bei Trägern ohne Der Faktor k, nach GI. (3.5.34) berücksichtigt
Eigengewichtsverbund mit Querschnitten der dabei näherungsweise den Einfluß der Span-
Klassen 1 und 2, die im Grenzzustand der Trag- nungsverteilung im Betongurt aus dem Rißmo-
fähigkeit nach der Fließgelenktheorie oder un- ment MR und den primären Beanspruchungen
ter Berücksichtigung der Momentenumlagerun- aus dem Schwinden bei Erstrißbildung. Der Bei-
gen nach Abb. 3.5-23 bemessen werden, kann im wert kE=0,8 erfaßt den Einfluß von nichtlinear
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit örtli- verteilten Eigenspannungen aus dem Schwinden
ches Plastizieren auftreten. Die daraus resultie- und der Beiwert kR =0,9 den Einfluß aus der Um-
renden Verformungen können vereinfacht mit Iagerung der Gurtnormalkraft in den Stahlträ-
Hilfe der Fließgelenktheorie abgeschätzt werden. ger infolge Erstrißbildung und Schlupfes in der
Verbundfuge.
Rißbreitenbeschränkung Mit der Betonstahlspannung Os=Nc+s,riAs er-
hält man für den erforderlichen Mindestbeweh-
Die Anforderungen an die Beschränkung der rungsgrad
Rißbreite werden im wesentlichen durch die
Umweltbedingungen bestimmt. Grundlage ist '?s> kEkRfctmkc . (3.5.35)
die Forderung einer Mindestbewehrung zur Be- Os
schränkung von möglichen Einzelrissen in Trä- Wenn keine Anforderungen an die Rißbreite ge-
gerbereichen mit wahrscheinlicher Rißbildung. stellt werden, darf in GI. (3.5.35) für die Belon-
Als Bereiche wahrscheinlicher Rißbildung sind stahlspannung Os maximal der charakteristische
diejenigen Trägerbereiche anzusehen, in denen Wert der Streckgrenze /sk eingesetzt werden. Bei
sich aus der seltenen Lastkombination rechne- Anforderungen an die Rißbreite ist 0 5 in Abhän-
risch Zugbeanspruchungen im Beton ergeben. gigkeit vom verwendeten Stabdurchmesser und
Dabei ist zu bedenken, daß die Beanspruchun- dem Bemessungswert der geforderten Rißbrei-
gen aus dem Schwinden nur mit relativ großer te einzusetzen. Der Bemessungswert der gefor-
Ungenauigkeit rechnerisch ermittelt werden derten Rißbreite ist von den Umweltbedingun-
können und in Verbundträgern zusätzlich aus gen abhängig und wird in Obereinstimmung mit
der Entwicklung der Hydratationswärme primä- den Regelungen für Massivbauten festgelegt (s.
re und sekundäre Beanspruchungen resultieren, 3.3).
die im allgemeinen rechnerisch nicht berück- In Trägerbereichen, in denen der für den
sichtigt werden [Pamp 1992]. In den Regelwer- Grenzzustand der Tragfähigkeit erforderliche
ken wird die erforderliche Mindestbewehrung Bewehrungsquerschnitt den Mindestbeweh-
in Anlehnung an die Regelungen für den Massiv- rungsquerschnitt nach GI. (3.5.35) überschrei-
bau aus der bei Erstrißbildung resultierenden tet, ist die Betonstahlspannung entweder in Ab-
Betonstahlspannung und aus dem für die einzu- hängigkeit vom Stabdurchmesser oder in Ab-
haltende Rißbreite w maßgebenden Stabdurch- hängigkeit vom Stababstand zu beschränken.
messer bestimmt. Für die resultierende Normal- Die Spannungen sind bei diesem Nachweis für
kraft Nc+s,r des Betongurtes und der Bewehrung die quasi-ständige Kombination und unter
unter dem Rißmoment MR und den primären Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons
Beanspruchungen aus dem Schwinden folgt mit zwischen den Rissen nach GI. (3.5.13) zu ermit-
GI. (3.5.10) und den Näherungen z,0 <::h,/2 sowie teln.
Zic<::Zic,s

(fctm -o,,t)A,(l+'?sno) Verformungen


N - +N
c+s,r- 1+h,/(2z;,,o) c+s,E.
Bei Hoch- und Industriebauwerken sind die Ver-
(3.5.32) formungen für die quasi-ständige Kombination
Von Maurer (1992) und Hanswille (1997) wurde der Einwirkungen zu bestimmen. Bei Trägern
gezeigt, daß GI. (3.5.32) durch ohne Eigengewichtsverbund müssen die Eigen-

3-320 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


denelemente) ist zu bedenken, daß die durch
überhöhungausgeglichenen Verformungen aus
Kriechen und Schwinden für die Ausbauteile voll
wirksam werden. Zur Beurteilung der Ge-
brauchstauglichkeit von Ausbauteilen ist somit
die in Abb. 3.5-39 angegebene Verformung Öw zu-
grunde zu legen.
Die Auswirkungen der Nachgiebigkeit in der
Verbundfuge können bei Trägern mit vollstän-
diger Verdübelung vernachlässigt werden. Bei
Trägern mit teilweiser Verdübelungkann der Ein-
61 Eigengewicht 63 Kriechen und Schwinden fluß auf die Verformungen ebenfalls vernachläs-
62 Ausbaulasten 64 Verkehr und Temperatur sigt werden, wenn es sich um einen Träger ohne
Eigengewichtsverbund handelt, der Verdübe-
Abb. 3.5·39 Überhöhung bei Verbundträgem lungsgrad größer als 0,5 ist oder die Beanspru-
chungen der Verbundmittel unter der quasi-stän-
digen Einwirkungskombination den 0,7-fachen
gewichtslasten des Stahlträgers und des Beton- charakteristischen Wert der Dübeltragfähigkeit
gurtes vom Stahlträger allein aufgenommen wer- nicht überschreiten. Wenn die genannten Be-
den. Daraus resultieren bei großen Trägerstütz- dingungen nicht eingehalten sind, können die
weiten nennenswerte Durchbiegungen, die Verformungen bei Trägern mit Kopfbolzendü-
durch eine Überhöhung der Träger ausgeglichen beln anstelle einer genaueren Berechnung unter
werden müssen. Aber auch bei Trägern mit Ei- Berücksichtigung der Nachgiebigkeit der Ver-
gengewichtsverbund sind bei größeren Stütz- bundfuge auch nach GI. (3.5.36) abgeschätzt wer-
weiten i. allg. Überhöhungen erforderlich. Bei den:

~=l+a(l-rt}( 6 a -1).
der Festlegung der Überhöhung sind dabei die
folgenden Verformungsanteile zu unterscheiden (3.5.36}
Öc Öc
(Abb. 3.5-39):
ö1 Durchbiegung aus dem Eigengewicht der Be- Dabei ist Öa die Durchbiegung bei Ansatz der
tonplatte und des Stahlträgers, Steifigkeiten des Stahlträgers allein, Öc die
ö2 Durchbiegung aus Ausbaulasten (Fußboden- Durchbiegung bei Ansatz der Steifigkeiten des
aufbau, Trennwände, Installationen, abge- Verbundträgers ohne Berücksichtigung der
hängte Decken usw.}, Nachgiebigkeit der Verbundfuge, '1 der Verdü-
ö3 Verformungen aus Kriechen und Schwinden belungsgrad und a ein Beiwert zur Erfassung
des Betons, der Belastungsgeschichte, der mit a = 0,5 für Trä-
ö4 Verformungen aus Verkehrslasten und even- ger mit Eigengewichtsverbund und a=0,3 für
tuell zu berücksichtigenden Temperaturun- Träger ohne Eigengewichtsverbund angenom-
terschieden zwischen der Ober- und Unter- men werden kann.
seite des Trägers.
Spannungsbegrenzungen
Neben den Verformungsanteilen ö" Öz und Ö3
werden i.d.R. bei Bauwerken mit einem hohen Bei Trägern des üblichen Hoch- und Industrie-
ständigen Anteil der Verkehrslasten (z. B. Büche- baus ohne Vorspannmaßnahmen und unter vor-
reien, Lagerräume usw.) auch die Verformungs- wiegend ruhender Beanspruchung sind unter
anteile der ständig wirkenden Verkehrslast über- Gebrauchslasten i. d. R. keine Spannungsbegren-
höht. zungen erforderlich. Hinsichtlich der Spannungs-
Für Beschränkungen bezüglich des maxima- begrenzungen bei Brückentragwerken wird auf
len Durchhangs (Lichtraumprofil) ist die in Abb. den Eurocode 4-2 verwiesen.
3.5-39 angegebene maximale Verformung Ömax
maßgebend. Der mögliche Durchhang aus den Schwingungsverhalten
nicht überhöhten Verkehrslastanteilen und der
Temperatur ist bei Verbundträgern relativ klein. Die Regelwerke enthalten keine Angaben zur Be-
Im Hinblick auf mögliche Schäden an Ausbau- urteilung des Schwingungsverhaltens von Trä-
teilen (z.B. nichttragende Innenwände, Fassa- gern. Das Schwingverhalten kann jedoch in be-

Verbundbau 3-3 21
stimmten Fällen ein wesentliches Kriterium für (a) mechanischer Verbund, hervorgerufen
die Gebrauchstauglichkeit sein. Bei Gebäuden durch spezielle Formgebung des Bleches
zum häufigen Aufenthalt von Personen sollten (Sicken oder Nocken),
die Eigenfrequenzen3Hz und in Turnhallen und (b) Reibungsverbund für Profile mit hinter-
Tanzsälen 5Hz nicht unterschreiten (s. auch schnitteuer Querschnittsgeometrie (nur
[Bachmann 1995]). zulässig in Kombination mit (c)),
(c) Endverankerung durch aufgeschweißte
3.5.4 Kopfbolzendübel oder andere örtliche Ver-
Verbunddecken bindungen (z.B. Setzbolzen) in Kombination
mit (a) oder (b),
3.5.4.1 (d) Endverankerung durch Verformung der Rip-
Allgemeines pen an den Enden in Kombination mit (b ).

Verbunddecken bestehen aus durch Kaltwalzung Zusätzlich ist bei niedrigen Belastungen eine
profilierten verzinkten Stahlblechen mit Dicken natürliche Haftung (Adhäsion) zwischen Blech
zwischen 0,75 und 1,0 mm sowie Aufbeton. Die und Beton wirksam. Mit zunehmender Rißbil-
Bleche werden zunächst von Hand ausgelegt und dung und den daraus resultierenden Schub-
dienen als Schalung für den Frischbeton. Nach spannungsspitzen geht dieser Haftverbund je-
dem Erhärten des Betons steht das Blech mit doch weitgehend verloren. Er darf daher rech-
dem Beton in schubfester Verbindung, und es nerisch nicht in Ansatz gebracht werden.
entsteht ein gemeinsam tragender Verbundquer- Der Reibungsverbund (Abb. 3.5-40b) wird
schnitt. Diese Bauweise bietet eine Reihe von Vor- durch die hinterschnittene Profliierung der Ble-
teilen, da das Blech von Hand verlegt werden che ermöglicht. Sie erzeugt eine Klemmwirkung,
kann und anschließend sofort als Arbeitsbühne die es erlaubt, im gerissenen und im ungerisse-
zur Verfügung steht. Im Betonierzustand dient es nen Beton Reibungskräfte dauerhaft zu über-
als Schalung und zur Stabilisierung der Decken- tragen. Durch das Einprägen von Rippen oder
träger. In den Sicken von hinterschnitteneu Pro- Noppen oder das Einstanzen von Löchern nach
filen können Installationen und Abhängungen Abb. 3.5-40a wird eine verbesserte"mechanische
schnell und sicher befestigt werden. Verdübelung" des Bleches mit dem Beton er-
Die dauerhafteübertragungder Längsschub- reicht, die planmäßig sehr große Längsschub-
kräfte zwischen dem Profilblech und dem Beton kräfte übertragen kann. Bei glatten Blechen mit
kann durch eine oder mehrere der in Abb. 3.5-40 offener Profilgeometrie (Abb. 3.5-40c) führt die
dargestellten Verbundarten sichergestellt wer- Querkontraktion des Blechs bei Zugbeanspru-
den: chung zu einem Ablösen des Bleches vom Beton.

Onbeton a mechanischer Verbund

~~~~
~~
b Reibungsverbund

~~
~~
Stahlprofilblech
Kopfbolzendübel rur
den Träger· und Mattenbewehrung als Quer-
Deckenverbund und Rißveneilungsbewehrung
sowie rur Brandschutz

Abb. 3.5-40 Typischer Aufbau einer Verbunddecke und Verbundarten

3-322 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


In diesem Fall sind zusätzliche Endverankerun- 3.5.4.2
gen an den Deckenauflagern erforderlich. Grenzzustand der Tragfähigkeit
Zur Sicherstellung einer ausreichenden Quer-
verteilung der Lasten muß bei allen Verbund- Allgemeines, erforderliche Nachweise
decken eine Querbewehrung angeordnet wer-
den. Diese wird in aller Regel direkt auf dem Pro- Verbunddecken sind stets für den Bauzustand
filblech verlegt. Falls bei sehr großen Stützwei- und den Endzustand nachzuweisen. Im Bauzu-
ten die Tragfähigkeit der Verbunddecke nicht stand wirkt das Blech als Schalung. Die erfor-
ausreicht, kann in Längsrichtung noch eine zu- derlichen Tragsicherheitsnachweise sind im Eu-
sätzliche Betonstahlbewehrung angeordnet wer- rocode 3 bzw. in DIN 18807 geregelt. Die Schnitt-
den. Im Eurocode 4-1-1 und in E DIN 18800-5 größen sind dabei nach der Elastizitätstheorie
sowie in den Zulassungen für Verbunddecken unter Berücksichtigung von Montage- und Er-
ist für beide Richtungen eine konstruktive satzlasten aus Arbeitsbetrieb zu ermitteln. Wenn
Mindestbewehrung (Schwindbewehrung) von die maximale Durchbiegung des Bleches unter
1,0cm2/m vorgeschrieben. Die statisch vorhan- seinem Eigengewicht und dem Gewicht des
dene Bewehrung kann dabei voll als Schwind- Frischbetons im Grenzzustand der Gebrauchs-
bewehrung mit angerechnet werden. Verbund- tauglichkeit geringer als L/250 und geringer als
decken können in Gebäuden mit Gabelstapler- 20 mm ist, darf das Mehrgewicht des Betons in-
betrieb als tragende Konstruktionen eingesetzt folge der Durchbiegung des Bleches bei der Be-
werden. Eine Anrechnung der Profilbleche ist messung vernachlässigt werden.
dann jedoch nur möglich, wenn für die Decke ei- Im Grenzzustand der Tragfähigkeit sind für
ne bauaufsichtliche Zulassung für dynamische Verbunddecken die in Abb. 3.5-41 dargestellten
Belastung vorliegt. kritischen Schnitte zu untersuchen. Die Längs-
Die möglichen Spannweiten im Bauzustand schubtragfähigkeit in der Verbundfuge zwischen
werden durch das Frischbetongewicht, die Pro- Blech und Beton (Schnitt 11-11) bestimmt dabei
filhöhe und die Blechdicke sowie das statische meistens die maximale Momententragfähigkeit,
System (einfeldriges oder durchlaufendes Blech) d. h., es liegt i. d. R. eine teilweise Verdübelung vor.
bestimmt. Wenn bei größeren Stützweiten die Biegeversagen im Schnitt I-I wird nur bei voll-
Tragfähigkeit des Bleches für Frischbetonlasten ständiger Verdübelung maßgebend. Der Nach-
nicht ausreicht oder die Verformungen zu groß weis der Querkrafttragfähigkeit im Schnitt III-
werden, müssen im Bauzustand Hilfsunterstüt- III sowie der Nachweis der Momententragfähig-
zungen angeordnet werden. Eine Montageunter- keit im negativen Momentenbereich (Schnitt IV-
stützung mit Hilfsstützen ist insbesondere bei IV) erfolgen in Obereinstimmung mit den Re-
größeren Geschoßhöhen unwirtschaftlich. Hin- gelungen für Stahlbetonplatten. Dies gilt auch
zu kommt, daß durch Hilfsstützen der Ausbau in für den Nachweis gegen Durchstanzen (s. 3.3).
den darunterliegenden Geschossen stark einge- Nachfolgend werden daher nur die für Ver-
schränkt wird. bunddecken typischen Nachweise für die Schnit-
Um größere Spannweiten ohne Zwischenun- te I und II näher erläutert. Dabei ist insbesonde-
terstützungen zu erreichen, können die Decken
zweilagig betoniert werden. Dabei wird das
Blech nur durch das Eigengewicht der unteren
Betonschicht sowie durch die Verkehrslasten ~- 111 ~I ~ IV
·während des Betonierens beansprucht. Nach- II - . II
dem der Beton der ersten Lage erhärtet ist, wirkt ~t--·~--·---·r·---·---~·-----·-tlL
der Querschnitt für die restlichen Betonierlasten
bereits wie eine dünne Verbunddecke. Die Auf-
~ I I 4"
~111 ~I ~IV
betondicke der ersten Lage sollte mindestens
40 mm betragen. Zur Sicherstellung des Ver- Schnitt 1- 1
bunds in der Arbeitsfuge ist eine entsprechende o I
Bewehrung in Form von Gitterträgern sowie ei- ~
ne ausreichend rauhe Oberfläche der ersten Be-
tonierschicht erforderlich. Nach dem Betonieren Abb. 3.5-41 Maßgebende kritische Schnitte beim Nach·
der ersten Lage ist ferner auf eine sorgfältige weis des Grenzzustands der Tragfahigkeit
Nachbehandlung des Betons zu achten.

Verbundbau 3-323
re die Frage der Längsschubtragfähigkeit und direkte Kontrolle der Rotationsfähigkeit ist nur
der Duktilität des Verbunds zwischen Profil- zulässig, wenn an den Innenstützen die in
blech und Beton von Bedeutung. E DIN 1045-1 angegebenen Bedingungen bezüg-
Verbunddecken werden nach Eurocode 4-1-1 lich der Druckzonenhöhe und der Duktilität des
als duktil bezeichnet, wenn bei Versuchen nach Betonstahls eingehalten werden, Profilbleche
deutlichem Endschlupf zwischen Blech und Be- mit hinterschnittener Profilblechgeometrie und
ton die Prüflast um mehr als 10 o/o gesteigert wer- mechanischem Verbund verwendet werden und
den kann und bei weggeregelten Versuchen kein die Stützweite 6,0 m nicht überschreitet [Sauer-
plötzlicher Lastabfall stattfindet. Da die Längs- born 1995].
schubtragfähigkeit von Blechen nur mit Hilfe
von Versuchen ermittelt werden kann, sind die Querschnittstragfähigkeit
Bemessungswerte in bauaufsichtliehen Zulas-
sungen geregelt. Dies gilt auch für die Trag- Verbunddecken gelten als vollständig verdübelt,
fähigkeit von Endverankerungen. Der Nachweis wenn die für das vollplastische Grenzmoment
der Längsschubtragfähigkeit kann nach den Re- erforderlichen Längsschubkräfte zwischen Pro-
gelwerken mit der sog. "m+k-Methode" und bei filblech und Beton übertragen werden können,
Decken mit duktilem Verbundverhalten nach andernfalls liegt eine teilweise Verdübelung vor.
der Teilverbundtheorie geführt werden [Bo- Bei vollständiger Verdübelung darf bei positiver
de/Sauerborn 1992; Bode/Minas/Sauerborn Momentenbeanspruchung (Profilblech in der
1996; Minas 1997]. Bei der "m+k-Methode" han- Zugzone) das Grenzmoment Mpl,Rd wie bei Ver-
delt es sich um ein in den USA entwickeltes, hal- bundträgem nach Abb. 3.5-42a vollplastisch be-
bempirisches Bemessungsverfahren, das für rechnet werden, wenn die plastische Nullinie
Decken ohne ausreichende Duktilität entwickelt nicht im Profilblech liegt.
wurde.
Ap/ypd+Asfsd
Zpz = , (3.5.37)
Schnittgrößenermittlung bacfcd

Die Schnittgrößen für Verbunddecken können Mpl.Rd =Ap/ypd(dp- Z~z )+Asfsd(ds- Z~z).
in Übereinstimmung mit den Regelungen für
Stahlbetonplatten ermittelt werden, d.h., es dür- (3.5.38)
fen linear-elastische Verfahren mit und ohne Bei Decken mit duktilem Verbundverhalten
Momentenumlagerung oder Verfahren auf der kann das Grenzmoment MRd in Übereinstim~
Grundlage der Plastizitätstheorie mit Kontrolle mung mit der Vorgehensweise bei Verbundträ-
der Rotationsfähigkeit verwendet werden. Eine gern nach der Teilverbundtheorie berechnet
Berechnung nach der Fließgelenktheorie ohne werden. Für das Grenzmoment erhält man mit

Abb. 3.5·42 Plastische Spannungsverteilungen zur Ermittlung des vollplastischen Moments MP1Rrl und des Grenzmoments MRrl
bei teilweiser Verdübelung ·

3-324 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb. 3.5-42b in Abhängigkeit vom Verdübelungs- auflager, so ergibt sich die bis zum Schnitt über-
grad '1 tragbare Längsschubkraft zu VL,Rd=tu,Rd b Lx.
Den zugehörigen Verdübelungsgrad '1 erhält
(3.5.39) mandann zu
lu,Rd b Lx
'1 = (3.5.41)
Apfypd
Im Abstand Lx =Lst=Ap/ypal(b tu,Rd) vom Aufla-
ger entfernt ist die Längsschubtragfähigkeit aus-
(3.5.40) reichend, um die vollplastische Normalkraft des
Profilblechs zu aktivieren. Für Längen Lx?. Lst
Das vollplastische Biegemoment Mpl,r des Pro- liegt somit vollständiger Verbund vor. Für Lx < Lsf
filbleches bei gleichzeitiger Wirkung der Nor- kann die Momententragfähigkeit bei teilweiser
malkraft Np='l Ap /ypd kann dabei vereinfacht Verdübelung auch durch lineare Interpolation
mit der Normalkraft-Momenten-Interaktion für zwischen den Punkten A und B nach Abb. 3.5-43
Stahlquerschnitte berechnet werden und ergibt ermittelt werden.
sich mit dem vollplastischen Biegemoment Das Tragverhalten von Verbunddecken ent-
Mpl,a,Rd des Profilblechs zu Mpl,r= 1,1 Mpl,a,Rd spricht bei negativer Momentenbeanspruchung
(1-'1). Bei Anordnung von Zulagebewehrung dem Verhalten von Stahlbetondecken. Bei der
muß ferner die Bedingung (A 5 fsa)I(Ap/ypa)::;; 0,7 Bemessung muß jedoch die durch die Profilgeo-
erfüllt sein. Der Verdübelungsgrad '1 ergibt sich metrie des Bleches hervorgerufene Schwächung
dabei aus der zwischen den kritischen Schnitten der Betondruckzone berücksichtigt werden.
übertragbaren Längsschubkraft Sie wird mit Nach E DIN 18800-5 darf die Ermittlung negati-
dem Bemessungswert der Verbundfestigkeit ven Momententragfähigkeit auch unter Anrech-
tu,Rd ermittelt, der die Längsschubtragfähigkeit nung des Profilblechs erfolgen, wenn das Blech
bezogen auf die Deckengrundfläche angibt. Be- an Innenstützen durchlaufend ist und das örtli-
trachtet man im Teilverbundiagramm nach Abb. che Beulen des Bleches berücksichtigt wird.
3.5-43 den Querschnitt im Abstand Lx vom End-

@ N=O

r----~ r::P ~ , Mpl~

0,5 1,0
I I [> rt
• teilweise Ivollständig;
Verdübelung Verdübelung

Abb. 3.5-43 Ermittlung der Momententragfähigkeit nach der Teilverbundtheorie

Verbundbau 3-325
Längsschubtragfähigkeit als erbracht, wenn nachgewiesen wird, daß das
Bemessungsmoment Msd das Grenzmoment
Bei Anwendung der m + k-Methode gilt nach MRd nach GI. (3.5.40) an keiner Stelle überschrei-
Abb. 3.5-44 der Nachweis der Längsschubtrag- tet. Abbildung 3.5-45 zeigt diesen Nachweis bei-
fähigkeit als erbracht, wenn die größte Bemes- spielshalber für eine einfeldrige Decke.
sungsquerkraft Vsd die Grenzquerkraft Wenn Endverankerungen berücksichtigt wer-
den, vergrößert sich die Betondruckkraft N, um
m Ap ) 1 die Grenzscherkraft Ved der Endverankerung.
VRd ,L =bdp ( --+k · - (3.5.42)
b Ls Yvs Dies kann beim Nachweis nach Abb. 3.5-45 durch
nicht überschreitet. eine Verschiebung des Teilverbundkurve für MRd
Dabei sind b die Breite des Querschnitts, dp die in der Lx-Richtung um den Betrag Vedl(b tu,Rd)
statische Nutzhöhe nach Abb. 3.5-42,Ap die wirk- erfaßt werden.
same Querschnittsfläche des Profllblechs, L5 die
Schublänge sowie m undkinVersuchen ermit- 3.5.4.3
telte Werte, die bauaufsichtliehen Zulassungen Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit
entnommen werden können. Der Teilsicher-
heitsbeiwert Yvs für das verwendete Blech ist Die Nachweise der Rißbreitenbeschränkung in
ebenfalls in den jeweiligen allgemeinen bauauf- negativen Momentenbereichen sind in überein-
sichtliehen Zulassungen angegeben. Für den stimmung mit den Regelungen für Stahlbeton-
Nachweis nach GI. (3.5.42) ist bei Einfeldträgern decken zu führen. Dies gilt auch für die Begren-
als Schublänge L 5 für gleichmäßig verteilte Bela- zung von Verformungen. Bei einfeldrigen Ver-
stung über die gesamte Stützweite der Wert L/4 bunddecken und in den Endfeldern von Durch-
zugrunde zu legen. Wenn die Decken als durch- laufdecken kann der Schlupf zwischen Profil-
laufende Verbunddecken ausgeführt werden, blech und Beton zu einer Vergrößerung der
muß die Bemessung der Längsschubtragfähig- Verformungen führen. Dieser Einfluß darf ver-
keit für äquivalente Einfeldträger mit der nachlässigt werden, wenn in den jeweiligen Zu-
Stützweite Le.fferfolgen. Die effektive Stützweite lassungen für das Profilblech keine abweichen-
ergibt sich dabei aus dem Abstand der Momen- den Angaben enthalten sind. Wenn der Nachweis
tennullpunkte bei Annahme einer konstanten der Verformungen nicht indirekt durch Begren-
Beanspruchung in allen Feldern. zung der Schlankheit erfolgt, sollte als effektive
Bei Anwendung des Teilverbundverfahrens Biegesteifigkeit der Mittelwert der Biegesteifig-
gilt der Nachweis der Längsschubtragfähigkeit keiteil des gerissenen und des ungerissenen

V MSd MRd (mit Endverankerung)

/ MRd (ohne Endverankerung)


/
/ u ... "'
- -- -- /-"!.. -- -:r:,--- -
/ Querkraft
/
/
/

Abb. 3.5-44 Nachweis der Längsschubtragfähigkeit Abb. 3.5-45 Nachweis der Längsschubtragfähigkeit
nach der m+k-Methode nach der Teilverbundtheorie

3-326 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Querschnitts verwendet werden. Der Einfluß des voller Lastausnutzung kann eine Feuerwider-
Kriechens kann vereinfacht durch eine redu- standsklasse bis Rl80 ohne weitere Maßnah-
zierte Biegesteifigkeit mit den Reduktionszah- men erreicht werden. Nachteilig sind die ho-
len nach Tabelle 3.5-4 berücksichtigt werden. hen Schalungskosten und die sehr aufwendi-
ge konstruktive Ausbildung von Anschlüssen
3.5.5 sowie die fehlende Möglichkeit einer nach-
Verbundstützen und Rahmentragwerke träglichen Verstärkung.
- Teilweise einbetonierte Stahlprofile. Auch die-
3.5.5.1 ser Stützentyp kann insbesondere bei ge-
Einleitung, Nachweisverfahren schweißten Stahlprofilen mit einem hohen Be-
ton- und Bewehrungsanteil ausgeführt wer-
Verbundstützen werden bevorzugt aus voll oder den und ist somit besonders wirtschaftlich.
teilweise einbetonierten Stahlprofilen oder aus Für die Herstellung ist keine Schalung erfor-
betongefüllten Hohlprofilen hergestellt. Typi- derlich und die Anschlüsse von Trägern kön-
sche Querschnitte zeigt Abb. 3.5-46. Sie zeichnen nen einfach ausgeführt werden. Die freiliegen-
sich gegenüber reinen Stahl- und Stahlbeton- den Flansche erlauben zudem eine nachträg-
stützen durch hohe Tragfähigkeiten bei kleinen liche Verstärkung und die Befestigung von
Querschnittsabmessungen und gegenüber Stahl- Ausbauteilen. Ein zusätzlicher Kantenschutz
betonstützen durch eine größere Duktilität aus. ist bei diesem Stützentyp nicht erforderlich.
Bei der Wahl des Querschnitts sind neben archi- Bei Brandschutzanforderungen ist auf eine
tektonischen und herstellungstechnischen Ge- brandschutztechnisch günstige Querschnitts-
sichtspunkten insbesondere die Brandschutzan- gestaltung zu achten. Da die Flansche im
forderungen und die Konsequenzen für die kon- Brandfall ausfallen, ist in jedem Fall eine
struktive Ausbildung der Anschlüsse von Be- Längsbewehrung erforderlich.
deutung. - Betongefüllte Hohlprofile. Dieser Querschnitts-
- Vollständig einbetonierte Stahlprofile. Die typ wird vielfach aus architektonischen Grün-
Querschnitte sind hinsichtlich der Material- den gewählt. Er erlaubt wegen der optimalen
kosten wegen des hohen Beton- und Beweh- Materialverteilung die Ausführung besonders
rungsanteils günstig zu beurteilen. Auch bei schlanker Stützen und ist insbesondere bei

I '*@
,~ ~ ·.
w ~
z

Abb. 3.5-46 Typische Querschnitte von Verbundstützen

Verbundbau 3-327
zweiachsiger Biegung vorteilhaft. Bei kleinen und [Lindner 1998] wird ein erweitertes, modi-
Stückzahlen sind die relativ hohen Material- fiziertes Verfahren auf der Grundlage der Elasti-
kosten für die Rohre und im Vergleich zu kam- zitätstheorie II. Ordnung angegeben, das auch
merbetonierten Profilen das relativ aufwendi- bei seitlich verschiebliehen Rahmentragwerken
ge Betonieren von Nachteil. Bei hohen Brand- angewendet werden kann. Dieses neue Bemes-
schutzanforderungen ist dieser Querschnitts- sungsverfahren unterscheidet sich von dem Ver-
typ ungünstiger zu beurteilen, da das Rohr im fahren in Eurocode 4-1-1 nur durch die unter-
Brandfall nahezu vollständig ausfällt und schiedliche Berücksichtigung der geometri-
durch Bewehrung ersetzt werden muß. schen und strukturellen Imperfektionen. Nach-
- Betongefüllte Hohlprofile mit zusätzlichen Ein- folgend wird das vereinfachte Verfahren auf der
stellprofilen. Bei Verwendung von betonge- Grundlage der Elastizitätstheorie II. Ordnung
füllten Hohlprofilen in Kombination mit zu- erläutert, das auch in E DIN 18800-5 aufgenom-
sätzlichen Einstellprofilen (gewalzte oder ge- men wurde und die Grundlage für die EN-Fas-
schweißte I-Profile bzw. Vollkernprofile) erge- sung des Eurocode 4-1-1 bilden wird.
ben sich extrem hohe Tragfähigkeiten. Gleich-
zeitig wird eine hohe Tragfähigkeit bei An- 3.5.5.2
forderungen an die Feuerwiderstandsdauer Vereinfachtes Bemessungsverfahren
sichergestellt. Bei diesem Querschnittstyp ist
zudem bei mehrgeschossigen Bauwerken und Allgemeines, Anwendungsgrenzen
insbesondere Hochhäusern eine Ausführung
der Stütze mit konstanten Außenabmessun- Der vereinfachte Tragsicherheitsnachweis gilt
gen über alle Geschosse möglich, da der Quer- für Stützen mit doppeltsymmetrischen und über
schnitt des eingestellten Profils von Geschoß die Stützenlänge konstanten Verbundquer-
zu Geschoß optimal abgestuft werden kann. schnitten mit gewalzten, kaltprofilierten oder ge-
schweißten Stahlprofilen. Im Rahmen der Be-
In den nationalen und europäischen Regelwer- messung sind folgende Nachweise zu führen:
ken werden zwei Methoden für die Bemessung - Tragfähigkeit der Stütze für Druck, Biegung
von Verbundstützen angegeben: ein allgemeines und Querkraft,
Bemessungsverfahren, mit dem die Tragfähig- - örtliches Beulen von Stahlteilen,
keit von Stützen mit beliebigen und über die - Schubtragfahigkeit der Verbundfuge,
Stützenlänge veränderlichen Querschnitten be- - Krafteinleitung an den Stützenenden bzw. an
urteilt werden kann, und ein vereinfachtes Be- den Einleitungsstellen von großen Querlasten
messungsverfahren für Stützen mit doppelt- und Momenten sowie an Stellen mit Quer-
symmetrischem und über die Stützenlänge kon- schnittsänderungen.
stantem Querschnitt.
Bei Anwendung des allgemeinen Bemessungs- Das vereinfachte Bemessungsverfahren wurde
verfahrens sind beim Nachweis der Gesamtstabi- durch Vergleich mit Versuchsergebnissen und
lität die Auswirkungen der Theorie II. Ordnung durch Vergleichsrechnungen mit genaueren Be-
unter Berücksichtigung von geometrischen und rechnungsverfahren hergeleitet [Bergmann
strukturellen Imperfektionen sowie örtlichen 1981; Roik/Bergmann 1989]. Bei der Anwendung
Instabilitäten zu beachten. Ferner sind die Ein- sind daher neben den genannten Voraussetzun-
flüsse aus der Rißbildung, dem nichtlinearen gen weitere Anwendungsgrenzen zu beachten.
Materialverhalten sowie dem Kriechen und Der Querschnittsparameter 6, der das Verhältnis
Schwinden des Betons zu berücksichtigen. Bei der Bemessungswerte der Normalkrafttrag-
der Berechnung kann i.allg. vollständiger Ver- fahigkeit des Baustahlquerschnitts und des Ver-
bund zwischen Stahlprofil und Beton angenom- bundquerschnitts angibt, muß folgende Bedin-
men werden. Detaillierte Angaben zu diesem gung erfüllen:
Verfahren enthält [Bergmann 1981]. N
Das vereinfachte Bemessungsverfahren nach 0,2::;;6::;;o,9 mit 6= pl,a,Rd {3.5.43)
Npl,Rd
Eurocode 4-1-1 basiert auf dem Ersatzstabver-
fahren unter Verwendung der Europäischen Ferner darf der bezogene Schlankheitsgrad X
Knickspannungskurven. Es ist nur für Einzel- den Wert 2,0 nicht überschreiten. Bei vollständig
stützen und Stützen in unverschieblichen Rah- einbetonierten Profilen nach Abb. 3.5-46a dürfen
mentragwerken anwendbar. In [Bergmann 1996] rechnerisch maximal die Betondeckungen

3-328 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.5-15 Grenzwerte grenz(d/t) für betongefüll-
te Profile, Hohlprofile und grenz(b/t) fürteilweise einbe-
tonierte I-Profile mit fyt. in N/mm2

Querschnitt Grenzwerte

235
grenz (d/t ) = 90-
fyk

J[l*r
yltd_j
z

Abb. 3.5-47 Interaktionskurve für Druck und einachsige


Biegung

Hierbei sind Aa, Ac und A 5 die Querschnitts-


flächen von Profilstahl, Beton und Bewehrung,
/yd, fcd und /sd die Bemessungswerte der Festig-
keiten und <Xe ein Beiwert zur Berücksichtigung
der Dauerstandfestigkeit des Betons, der bei be-
max Cz=0,3hc bzw. maxcy=0,4bc berücksichtigt tongefüllten Hohlprofilquerschnitten mit <Xe= 1,0
werden, und das Verhältnis von Querschnitts- und bei voll oder teilweise einbetonierten Profi-
höhe h zu Querschnittsbreite b muß zwischen len mit <Xc=0,85 angesetzt werden darf.
0,2 und 5 liegen. Eine vorhandene Längsbeweh- Die Bemessung für Druck und Biegung basiert
rung darf rechnerisch maximal mit 6% der Be- auf der vollplastischen Interaktionskurve des
tonfläche berücksichtigt werden. Der Nachweis Querschnitts. Zur Ermittlung der Interaktions-
gegen örtliches Beulen von Stahlteilen in Ver- kurve nach Abb. 3.5-47 wird - ausgehend von
bundstützen darfbei vollständig einbetonierten der plastischen Spannungsverteilung bei reiner
Stahlprofilen entfallen, wenn die Betondeckung Momentenbeanspruchung- die plastische Null-
der Flansche von I-Profilen 40 mm oder 1/6 der linie so weit über dem Querschnitt verschoben,
Flanschbreite nicht unterschreitet. Für teilweise bis der gesamte Querschnitt überdrückt ist. Die
einbetonierte I-Profile und für ausbetonierte Summe der Resultierenden aus den Spannungs-
Hohlprofile darf der Nachweis entfallen, wenn blöcken ergibt jeweils die innere Normalkraft-
die Grenzwerte grenz(d/t) bzw. grenz(b/t) nach tragfähigkeit NRd >und das Moment aus den Re-
Tabelle 3.5-15 eingehalten werden. sultierenden der Spannungsblöcke (bezogen auf
die Mittelachse des Querschnitts) liefert die zu-
Querschnittstragfähigkeit gehörige Momententragfähigkeit MRd·
Der Einfluß von Querkräften ist bei der Er-
Grundlage des vereinfachten Nachweisverfah- mittlung der Querschnittsinteraktionskurve zu
rens ist die vollplastische Querschnittstrag- berücksichtigen, wenn die anteilige Querkraft
fähigkeit Die Grenznormalkraft eines Verbund- des Stahlprofils den 0,5-fachen Wert der vollpla-
querschnitts im vollplastischen Zustand ergibt stischen Grenzquerkraft des Stahlprofils über-
sich aus der Addition der Bemessungswerte der schreitet. Die Aufteilung der Bemessungsquer-
Grenznormalkräfte der einzelnen Querschnitts- kraft Vsd in die Anteile, die vom Stahlprofil ( Va,sd)
teile. und vom Stahlbetonquerschnitt (Vc,sd) aufge-
nommen werden, kann näherungsweise im Ver-
N pl,Rd = Aa fyd +Ac <Xe f cd + As f sd (3.5.44)
hältnis der Momententragfähigkeiten erfolgen,

Verbundbau 3-329
die aus der Spannungsverteilung im vollplasti- ten Polygonzug mit den PunktenAbis D appro-
schen Zustand (ohne Berücksichtigung der ximiert werden [Bergmann 1984].
Querkraft und Normalkraft) resultieren. - Punkt A beschreibt den Zustand der zentri-
M pl,a,Rd schen Normalkraftbeanspruchung:
V _V.
a,sd- sd· M
pl,Rd
' N A,Rd =N pl,Rd =Aafyd + Acacfcd + Asfsd ,
(3.5.45) M A,Rd =0 . (3.5.46)
Wenn die Querkraft beim Nachweis der Quer- - In Punkt D stimmt die Lage der plastischen
schnittstragfähigkeit zu berücksichtigen ist, Nullinie mit der Querschnittsmittellinie über-
kann der Einfluß der Querkraft auf die Normal- ein. Aus der zugehörigen plastischen Span-
kraft- und Momententragfähigkeit (s. Abb. 3.5- nungsverteilung ist ersichtlich, daß sich bei
47) durch eine reduzierte Streckgrenze in den dieser Verteilung die maximale Momenten-
querkraftübertragenden Stahlquerschnittstei- tragfähigkeit Mv,Rd=Mmax,Rd ergibt. Die zu-
len berücksichtigt werden. Der Abminderungs- gehörige Normalkraft Nv,Rd erhält man aus
faktor '?ist dabei nach GI. (3.5.20) zu ermitteln. der Resultierenden des plastischen Span-
Im Stahlprofil darf die anteilige Querkraft Va,Sd nungsblocks des Betonquerschnitts, da sich
die Grenzquerkraft Vpl,a,Rd des Stahlprofils nicht die Anteile in der Bewehrung und im Bau-
überschreiten. Die Querkrafttragfähigkeit des stahlquerschnitt aufheben:
Stahlbetonteils ist für die anteilige Querkraft
(3.5.47)
Vc,Sd nachzuweisen.
Die Querschnittsinteraktionskurve nach Abb.
3.5-47 kann durch den in Abb. 3.5-48 dargestell- Mv,Rd =Mmax,Rd =!ydWpl,a
+tacfcdWpl.c + fsdWpl,s · (3.5.48)

Dabei sind Wpl,a> Wpl,c und Wpl,s die plasti-


N schen Widerstandsmomente des Baustahl-,
Beton- und Betonstahlquerschnitts. Sie sind
für einige Profile in Tabelle 3.5-16 zusam-
mengestellt.
- Punkt B beschreibt den Zustand bei reiner
Momentenbeanspruchung (NB,Rd=O) . Da die
Normalkrafttragfähigkeit in Punkt B gleich
1/2 Npk.Rd D null ist, muß die in Punkt D vorhandene in-
nere Normalkrafttragfähigkeit nur aus den
zusätzlich überdrückten Querschnittsberei-
chen resultieren. Mit Nv,Rd nach GI. (3.5.47)
kann der Wert hn und somit die Lage der pla-
stischen Nullinie in Punkt B direkt berechnet
werden. Bezeichnet man das aus den Span-
nungsblöcken im Bereich 2 · hn resultierende
Biegemoment mit Mn,Rd, so folgt für die Mo-
mententragfähigkeit in Punkt B
Mn,Rd =/ydWpl,an +tacfcdWpl,cn + fsdWpl,sn'
(3.5.49)
MB,Rd =M pl,Rd =Mmax,Rd -Mn,Rd >

N B,Rd =0. (3.5.50)


In Tabelle 3.5-16 sind die Beziehungen zur Be-
rechnung von hn und der zugehörigen plasti-
schen Widerstandsmomente Wpl,am Wpl,cn und
Wpl,sn zusammengestellt.
Abb. 3.5·48 Approximation der Interaktionskurve für
Druck und einachsige Biegung durch einen Polygonzug - Punkt C der Interaktionskurve ist dadurch ge-
kennzeichnet, daß das Moment Mc,Rd genau

3-330 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.5·16 Ermittlung von Mpt.Rd fürvollständig und teilweise einbetonierte Profile

n
• t • • •
Jr
r-·-..:.;: f-t
fr1 h,
I- r-!!,
,t
Y<l- b,
!
!
'II

• i • • • w

~ b, ~ h,

2
(h- 2t1)t~ t1b1
Wpt.a (h-2t1) Iw
4 +btr (h - tr ) wp,.• = - -4--+-2-

Wpl,c -- b,h; -Wpl.a -Wpl,s w.pl,c -- h,bj -W.pl,a -W.pl,s


4 4
n n
Wpt,s "'2:A,;ezi w.P-', "' ,L.
' "si
d·eY'-
i~l i~l

Nullinie außerhalb des Profils: h/2 ::; h0 < h,/2 Nullinie außerhalb des Profils: b/2 ::; h. < b, 12
h Npm.Rd -A.(2fyraJ,d)-.4,.(2fsd -a, f,d) NpmM-A.(2fyra, f,d)-A, 0 (2fsd -a, -f,d)
~=-~~~~-~~~~~~~
" 2b,a, f,d 2h,a, f,d
Wpt,an "'Wpt.a

Nullinie im Flanschbereich: h/2-t1 < h0 < h/2 Nullinie im Flanschbereich: twf2 < h0 < b/2
Npm.Rr(A• - bh)(2f)'d - a, f,dl -.4,.(2fsd - a , f,dl Npm.Rd -(A.- 2t1h)(2fyd -a, f,d)- A, 0 (2fsd- a, f,d)
h - -----'-";:;.;::_____.:;_--:-=---'-=-__:;;____.:;:_..:....:;:.... h. =-~~~~~~~~~~~~~c:....
.- 2-b,aJ,d+2t1(2·fyd - a, -f,d) 2h,a , f,d+4tr(2fyd - ac f,dl
b 2 2 Ir 1 1
wpl.an "'wpl,a- 4(h -4hnl Wpl,an= Wpt_. - l(b - 4h0 )

Nullinie im Stegbereich: 2 hn::; h/2- t1 Nullinie im Stegbereich: 2h0 ::; tJ2

h "' Npm,Rd -A,.(2fsd - ac f,d) h "' Npm,Rd-.4,. (2fsd-a c f,d)


" 2b,a, -f,d+2tw(2fyd-ac f,d) " 2h,a , f,d + 2h(2fyd -a, f,d)

wpl.an = twh~ wpl,an = hh~

n n
wpl,sn = 2: A.nlezi Wp1,.., = 2: A,. ey1
1
I= I i=l

Verbundbau 3-331
Tabelle 3.5·16 Fortsetzung


y


d y

4 d

tJ (

(b-2t)(d-2r) 2 2 3 l d
+.;
w.pl,c-- (d - 2t) 3 -W.pl,s
wpl,c .:....____:_:_ _:_ _ _ ~1 -r, (4-n)(--r )-W. 1
4 3 1 l • p,s 6

bd 2 2 3 2 d d3
W.pt = - - - r -r (4 - n)(- - r )- W. 1 - W. 1
,a 4 3• • 2 • p ·' p ·'
Wpr,. =6 - Wpr,c - Wpl,s
n n

wP'·' =.Z:A.rerl wpl.• = L A.;e,;


1=1 i=-1

Npm.Rd- A,0 (2fsd -f,d)


h - --'---'-----"--
"- ldf,d +4t(2fyd -f,d)

wpl,an =2th~
Anmerkungen: Anmerkung:
a) Die Berechnung für Biegung um die z-Achse erfolgt Die getroffene Annahme von .geraden• Außenwan-
durch Ersetzen von b durch d sowie z durch y dungen im Bereich von 2h 0 führt zu einem geringen
und umgekehrt in allen Gleichungen Fehler
b) Das Vernachlässigen der Terme mit r. und r1 führt
nur zu geringen Ungenauigkeiten

wpl,cn = (b-2t)h~ -wpl,sn Wpl,cn = (d - 2t)h~ - Wp1,111


n n
Wpt,sn = LA.niezi
1=1
wpl.•• =I A,.;ezj
i=l

so groß ist wie das plastische Moment Mpl,Rd


in Punkt B. Der Abstand zwischen der plasti- Mc,Rd =M pl,Rd •
schen Nullinie und der Querschnittsmittelli- Nc,Rd =Nplc,Rd =a,j,dAc · (3.5.51)
nie muß dann hn sein, weil sich diejenigen Mo-
mentenanteile aufheben, die aus den Span-
nungsblöcken im Bereich 2 · hn resultieren. Die
Normalkrafttragflihigkeit Nc,Rd ist dann dop-
pelt so groß wie im Punkt D:

3-332 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Bezogener Schlankheitsgrad und charakteristischer Langzeitverhaltens des Betons kann nach [Ro-
Wert der wirksamen Biegesteifigkeit ik/Bode/Bergmann 1982; Roik/Mangerig 1987;
Roik!Bergmann 1990] näherungsweisedurch ei-
Der bezogene Schlankheitsgrad für die betrach- nen reduzierten Elastizitätsmodul Ecm,K+S nach
tete Biegeachse ergibt sich zu: Gl. (3.5.55) erfaßtwerden,dabei sindNsadie ma-
ximale Bemessungsnormalkraft und NG,Sd der
-
AK= - - ~Npl.Rk (3.5.52)
ständig wirkende, kriecherzeugende Anteil der
Bemessungsnormalkraft:
NKi,k

(3.5.53)
_
Ecm,K+S- Ecm
[
1-z---
1 NG,Sd]
Nsa
· (3.5.55)

In Gl. (3.5-52) ist NKi,k die Normalkraft unter der


kleinsten Verzweigungslast, die mit dem cha- Berechnung der Schnittgrößen, geometrische
rakteristischen Wert der effektiven Biegesteifig- Ersatzimperfektionen
keit (EI)w,k zu berechnen ist. Der charakteristi-
sche Wert der wirksamen elastischen Biegestei- Für Einzelstützen und Stützen in Rahmentrag-
figkeit des Querschnitts ergibt sich für kurzzei- werken mit unverschieblichen und verschiebli-
tige Einwirkungen zu: ehen Knoten sind die Biegemomente nach Ela-
stizitätstheorie II. Ordnung zu berechnen, wenn
(EI)w,k = Eala + KeEcmlc + E5 I 5 • (3.5.54)
die Bedingung
Dabei sind Ea Ia die Biegesteifigkeit des Bau-
stahlquerschnitts, Es I5 die Biegesteifigkeit der NKi,d ~10 (3.5.56)
Bewehrung und Ecm I, Q.ie Biegesteifigkeit des Nsa
Betonquerschnitts. Das Flächenmoment 2. Gra- nicht eingehalten werden kann oder der bezo-
des I, ist dabei für den ungerissenen Betonquer- gene Schlankheitsgrad XK > 0,2 ist. In Gl. (3.5.56)
schnitt zu berechnen. Der Faktor Ke wurde aus ist NKi,d die nach der Elastizitätstheorie mit dem
Versuchen und genaueren Traglastberechnun- Bemessungswert der wirksamen Biegesteifigkeit
gen errechnet und berücksichtigt den Einfluß ermittelte Normalkraft unter der kleinsten Ver-
der Rißbildung auf die Biegesteifigkeit Er darf zweigungslast Der für die Bestimmung der Bie-
zu Ke =0,6 angenommen werden. gemomente und der Verzweigungslast maßge-
Wenn für die jeweils betrachtete Biegeachse bende Bemessungswert der Biegesteifigkeit er-
der bezogene Schlankheitsgrad XK unter Ansatz gibt sich mit Ke,a=0,5 und Ko=0,9 zu
der Biegesteifigkeit nach Gl. (3.5.54) die Grenz-
(EI)w,d = Ko(Eia + Ke,dEcmlc + E5 I,). (3.5.57)
werte der Tabelle 3.5-17 überschreitet und gleich-
zeitig die zugehörige nach Theorie I. Ordnung Durch Einführung des Bemessungswertes der
ermittelte größte Lastexzentrizität e/ dkleiner als effektiven Biegesteifigkeit wird berücksichtigt,
2 ist, muß der Einfluß des Langzeitverhaltens des daß insbesondere der Elastizitätsmodul des Be-
Betons auf die Tragfähigkeit berücksichtigt wer- tons und die Einflüsse aus der Rißbildung größe-
den. Die größte Lastexzentrizität ergibt sich da- ren Streuungen unterworfen sind. Wenn der Ein-
bei zu e=Mmax,sa/Nsa. Die Berücksichtigung des fluß des Kriechensund Schwindens berücksich-
tigt werden muß, ist in Gl. (3.5.57) der reduzier-
te Elastizitätsmodul Ecm,K+S nach Gl. (3.5.55) zu
Tabelle 3.5·17 Grenzwerte des bezogenen Schlank- berücksichtigen. Bei Stützen mit Randmomen-
heitsgrades XK zur Berücksichtigung von Kriechen und
Schwinden ten darf in Anlehnung an die Regelungen für
Stahlbetonstützen auf eine Berechnung der
unverschiebliche verschiebliehe
Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung ver-
System
Ra hmentragwerke Rahmen- zichtet werden, wenn der bezogene Schlank-
und Einzelstützen tragwerke heitsgrad XK die Grenzschlankheit
vollständig u. teil- 0,8 0,5
weise einbeto·
nierte Stahlprofile grenz XK =0,2(2- Mol) (3.5.58)
Mo2
betongefüllte 0,8 0,5
Hohlprofile 1- 6 1-6 nicht überschreitet. Hierbei sind Mo 1 und Mo2
die nach Theorie I. Ordnung ermittelten Rand-
momente der Stütze mit IMoJI:S:IMo21·

Verbundbau 3-333
Bei der Berechnung der Schnittgrößen darf trisehen Ersatzimperfektionen sind von Lindner
der Einfluß von geometrischen und strukturel- (1998) angegeben worden.
len Imperfektionen mit Hilfe von geometrischen Für den Ansatz von Vorverdrehungen können
Ersatzimperfektionen berücksichtigt werden. die Regelungen nach DIN 18800-2 angewendet
Sie erfassen neben den geometrischen Imper- werden. Bei seitlich verschiebliehen Rahmen-
fektionen auch die Einflüsse aus Walz- bzw. tragwerken müssen bei der Berechnung der Ein-
Schweißeigenspannungen, aus Werkstoffinho- fluß der Rißbildung in den Rahmenriegeln, der
mogenitäten sowie die Ausbreitung von Fließ- Einfluß aus dem Kriechen und Schwinden des
zonen und die Rißbildung im Betonquerschnitt Betons sowie die Belastungsgeschichte be-
Bei den geometrischen Ersatzimperfektionen rücksichtigt werden. Der gleichzeitige Ansatz
wird zwischen Vorkrümmungen und Vorverdre- von Vorverdrehungen und Vorkrümmungen ist
hungen unterschieden. Sie sind in ungünstigster bei Rahmentragwerken nur für Stützen erfor-
Richtung so anzusetzen, daß sie sich der zum derlich, die am verformten Stabwerk Stabdreh-
niedrigsten Eigenwert gehörigen Verformungs- winkel aufweisen können und bei denen die
figur möglichst gut anpassen. Vorverdrehungen Stabkennzahl Ed nach GI. (3.5.59) größer als 1,6
sind für Stäbe und Stabzüge anzusetzen, die am ist. Für Stützen, die innerhalb eines Rahmensy-
verformten Tragwerk Stabdrehwinkel aufweisen stems als Pendelstützen ausgeführt werden, ist
können und durch Normalkräfte beansprucht grundsätzlich immer eine Vorkrümmung zu
werden. Anstelle von Ersatzimperfektionen kön- berücksichtigen:

.
nen bei der Ermittlung der Schnittgrößen
gleichwertige Ersatzlasten verwendet werden. Ed =L~ (:~:,d (3.5.59)
Beispiele für den Ansatz von gleichwertigenEr-
satzlasten zeigt Abb. 3.5-49. Hinsichtlich des Einflusses der Belastungsge-
Bei Einzelstützen und unverschieblichen Rah- schichte zeigt Abb. 3.5-50 ein typisches Beispiel.
mentragwerken ist eine parabel-oder sinusför- Im Bauzustand mit der Normalkraftbeanspru-
mige Vorkrümmung mit dem Maximalwert nach chung NB ist der Riegel vor Herstellung des Ver-
Tabelle 3.5-18 bei der Ermittlung der Schnitt- bunds ein reiner Stahlquerschnitt, die Stützen
größen zu berücksichtigen. Die angegebenen sind bereits Verbundstützen. Nach Herstellung
geometrischen Ersatzimperfektionen wurden so des Riegels als Verbundquerschnitt wird das Sy-
ermittelt, daß sich bei Ermittlung der zentri- stem im Endzustand durch die Normalkräfte NE
schen Normalkrafttragfähigkeit der Stütze mit beansprucht. Im Bauzustand ergeben sich aus
Hilfe der Europäischen Knickspannungskurven der Stützenschiefstellung (geometrische Ersatz-
die gleichen Tragfähigkeiten wie bei einer Be- imperfektion) Horizontalverformungen nach
messung nach Theorie II. Ordnung ergeben. Ta- Theorie II. Ordnung. Wenn nach Herstellung des
belle 3.5-18 enthält daher neben den geometri- Verbundquerschnitts des Riegels das System
schen Ersatzimperfektionen für Vorkrümmun- durch weitere Normalkräfte aus Ausbau- und
gen auch die Zuordnung der Querschnitte zu den Verkehrslasten beansprucht wird, sind für die
Europäischen Knickspannungskurven. Detail- Ermittlung der aus diesen Lastanteilen resultie-
lierte Informationen zur Ermittlung der geome- renden Biegemomente die geometrischen Ersatz-

Bauzustand Endzustand

Abb. 3.5-49 Ansatz von geometriSI:hen E15atzimperfek- Abb. 3.5-50 Einßuß der Belastungsgeschichte und Ein-
tionen, Vorkrümmungen und gleichwertige E15atzlasten nuß von Systemwechseln

3-334 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.5-18 Zuordnung der Verbundquerschnitte zu den Knickspannungslinien und geometrische Ersatzimperfektionen
für die Vorkrümmung für Stahlsorten S235 und 5355

Querschnitt Grenzen Ausweichen um Knickspannungs- geometrische


die Achse kurve Ersatzimperfektion

vollständig
einbetonierte
Stahlprofile r~ffi)] y-y b L/200

z-z c L/150
~
z
teilweise
einbetonierte
Stahlprofile ,~m y-y b L/200

~ z-z c L/150

. . •.
z
betongefüllte y-y
Hohlprofile (>,::; 3% a L/300

.'l .
z- z
r-
y- y
3%< !;,>,!0 6% b L/200
~ z-z
z
betongefüllte

3:
Hohlprofi Ie mit y- y b L/200
zusätzlichen r-
Einstellprofilen

z- z b L/200
~
z
teilweise ein-

'~ffi
betonierter
Querschnitt y-y
mit gekreuz- b L/200
Z-Z
ten I-Profilen

~z

imperfektionen (Vorverdrehungen) und zusätz- vergrößerte Vorverdrehung bei der Berechnung


lich die aus dem Bauzustand resultierenden Ver- der Schnittgrößen mit den Steifigkeitendes End-
drehungen nach Theorie II. Ordnung zu be- zustands berücksichtigt wird.
rücksichtigen, d.h., in der Regel wird eine auf- Bei der Ermittlung des Erhöhungsfaktors cr
wendige Berechnung der Schnittgrößen unter sind NB und NE jeweils die Summe aller im Bau-
Berücksichtigung der Belastungsgeschichte und zustand bzw. im Endzustand in dem betrachte-
der Steifigkeitsänderungen während der Bela- ten Geschoß und in der betrachteten Rahmen-
stungsgeschichte erforderlich. Diese aufwendige ebene zu übertragenden Vertikallasten und 'lKi,B
Vorgehensweise kann vermieden werden, wenn und 'lKi,E die zugehörigen Verzweigungslastfak-
eine mit dem Faktor toren im Bau- und Endzustand. Bei unver-
schieblichen Rahmentragwerken dürfen die Bie-
1 NB gemomente in Riegeln mit Verbundquerschnit-
1- - -- -
'lKi,E NE ten der Klasse 1 oder 2 im Grenzzustand der
cr= (3.5.60)
1 Tragfähigkeit in Übereinstimmung mit 3.5.3.3
1--- unter Beachtung der Gleichgewichtsbedingun-
'lKi,B
gen umgelagert werden. Eine Berechnung nach

Verbundbau 3-335
der Fließgelenktheorie ist bei unverschieblichen Tragfähigkeitsnachweis für ein- und zweiachsige
Rahmentragwerken nur dann zulässig, wenn die Biegung mit Normalkraft
Querschnitte der Riegel in die Klasse 1 eingestuft
werden können und Verbundstützen mit ausbe- Der Tragsicherheitsnachweis ist für das Auswei-
tonierten Hohlprofilen verwendet werden. An- chen in der betrachteten Momentenebene unter
dere Stützenquerschnitte besitzen keine ausrei- Verwendung der Interaktionskurve und der
chende Rotationskapazität Es ist daher nachzu- Schnittgrößen nach Elastizitätstheorie II. Ord-
weisen, daß in den Stützen keine Fließgelenke nung unter Einschluß von Imperfektionen nach-
mit Rotationsanforderungen entstehen. Bei der folgender Bedingung zu führen:
Bemessung darf bei Anwendung der Fließge-
lenktheorie keine elastische Einspannung der Msd = Msd <0,9. (3.5.63)
Mpl,N,Rd lldMpl,Rd
Stützen in die Riegel angenommen werden.
Der in GI. (3.5.63) und Abb. 3.5-51 für die be-
Tragfähigkeitsnachweis für planmäßig trachtete Momentenbeanspruchung maßgeben-
zentrischen Druck de Beiwert jld= lldz bzw. lldy ist hierbei die auf
Mpl,Rd bezogene Momententragfähigkeit des
Der Nachweis kann entweder nach dem folgen- Querschnitts.
den Abschnitt nach Theorie II. Ordnung unter Aus der Querschnittsinteraktionskurve ist zu
Berücksichtigung von geometrischen Ersatzim- ersehen, daß sich für Normalkräfte Nsd< Nplc,Rd
perfektionen oder mit Hilfe der Europäischen eine Momententragfähigkeit ergibt, die größer
Knickspannungskurven geführt werden. Für die als die plastische Momententragfähigkeit Mpl,Rd
maßgebende Ausweichrichtung ist bei einer Be- ist, d.h., lld ist größer als 1,0. Werte lld> 1,0
messung auf der Grundlage der Europäischen dürfen beim Tragfähigkeitsnachweis nach
Knickspannungskurven eine ausreichende Trag- GI. (3.5.63) nur berücksichtigt werden, wenn das
fähigkeit nachgewiesen, wenn die Bedingung

___!!g_ $1,0 (3.5.61)


KNpl,Rd N
eingehalten ist.
Der Abminderungsfaktor K (=Ky bzw. Kz) er-
gibt sich in Abhängigkeit von der bezogenen
Schlankheit XK nach GI. (3.5.52) und der zuge-
hörigen Knickspannungskurve nach Tabelle 3.5-
18. Für XKs; 0,2 gilt K = 1, und für 0,2< ÄK$2,0 er-
gibt sich der Abminderungsfaktor zu
1
K = ----.===
k+~k 2 -Xi '--------~~~My

Mpl,y,Rd
mit k=0,5(1+a(XK-0,2)+Xi). (3.5.62)

Der Parameterain GI. (3.5.62) erfaßt Imperfek-


tionsannahmen wie unterschiedliche Eigenspan-
nungen und kann Tabelle 3.5-19 entnommen
werden.

Tabelle 3.5-19 Parameterazur Berechnung des Ab-


minderungsfaktors
'-----------"'----{> Mz
Knickspannungskurve I a I b I c Mpl.z.Rd

a 1 o.21 1 o,34 1 0,49


Abb. 3.5-51 Tragfahigkeitsnachweis bei Druck und Bie-
gung, bezogene Momententragfahigkeiten J.ldy und J.ldz

3-336 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Biegemoment Msd und die zugehörige Normal- bundsicherung in den Krafteinleitungsberei-
kraft Nsd nicht unabhängig voneinander wirken chen und in den restlichen Bereichen ist daher
können (z.B. wenn das Moment Msd nur aus ei- so auszubilden, daß kein nennenswerter Schlupf
ner Exzentrizität der Normalkraft Nsd resul- in der Verbundfuge zwischen Stahlprofil und Be-
tiert). Bei Stützen, bei denen die Biegemomente tonquerschnitt entstehen kann. Bei zentrisch be-
und Normalkräfte aus unabhängigen Einwir- anspruchten Stützen ist ein Nachweis nur für die
kungen resultieren (z. B. ständige Einwirkungen Krafteinleitungsbereiche erforderlich. Für Stüt-
und Wind) ist beim Tragfähigkeitsnachweis ent- zen mit Querkräften aus Querlasten oder Rand-
weder der Wert ].ld auf 1,0 zu beschränken, oder momenten ist die Verbundsicherung für die
es sind die Teilsicherheitsbeiwerte für diejenige Krafteinleitungsbereiche und für den Quer-
Schnittgröße auf 80% abzumindern, die zu einer kraftschub in maßgebenden kritischen Schnit-
Erhöhung der Beanspruchbarkeil führt. ten nachzuweisen.
Die Begrenzung nach Bedingung (3.5.63) auf
den Wert 0,9 deckt zwei wesentliche Vereinfa- Krafteinleitungsbereiche
chungen im Nachweis ab. Da die Interaktions-
kurve unter Ansatz vollplastischer Spannungs- Die Schubkräfte in den Krafteinleitungsberei-
verteilungen ermittelt wird, ist eine Abminde- chen können im Grenzzustand der Tragfähigkeit
rung der vollplastischen Tragfähigkeit im Ver- aus den Teilschnittgrößen im vollplastischen Zu-
gleich zu einer genaueren Ermittlung der Quer- stand ermittelt werden. Für reine Normalkraft-
schnittstragfähigkeit unter Berücksichtigung beanspruchung ergibt sich mit Abb. 3.5-52
von Dehnungsbeschränkungen für den Beton-
querschnitt erforderlich. Bei der Berechnung der Na ,Sd = Na,Rd = Aafyd =Ö,
Biegemomente Msd nach Theorie II. Ordnung Nsd NRd Npl,Rd
wird eine über die Stablänge konstante effektive (3.5.66)
Biegesteifigkeit zugrunde gelegt. Der Einfluß der
Rißbildung im Beton auf die Verformungen nach Bei Einleitung von Normalkräften und Biege-
Theorie II. Ordnung kann bei dieser vereinfach- momenten müssen die Teilschnittgrößen des
ten Vorgehensweise nur näherungsweise erfaßt Stahl- und des bewehrten Betonquerschnittes
werden. unter Berücksichtigung der Interaktion aus den
Bei zweiachsiger Biegung dürfen die bezoge- jeweiligen plastischen Spannungsblöcken ermit-
nen Momententragfähigkeiten Jldy und ].ldz nach telt werden. Die Vorgehensweise ist in Abb.
Abb. 3.5-51 für jede Hauptachse getrennt ermit- 3.5-53 exemplarisch dargestellt. Aus dem Vektor
telt werden. Der Einfluß von Imperfektionen ist der auf die vollplastischen Tragfähigkeiten Npl,Rd
nur bei der stärker versagensgefährdeten Achse und Mpl,Rd bezogenen Schnittgrößen Nsd und
zu berücksichtigen. Der Tragfähigkeitsnachweis Msd erhält man den maßgebenden Beanspru-
ist mit den nachfolgenden Bedingungen zu füh-
ren:
M M z,Sd
y,Sd <0,9, <0, 9 ,
JldyM pl,y,Rd JldzM pl,z,Rd
(3.5.64)
Mysd M Sd
' + z, <1,0 . (3.5.65)
JldyM pl,y,Rd JldzM pl.z.Rd

3.5.5.3
Krafteinleitung und Verbundsicherung

Allgemeines

Bei der Bemessung der Stütze wird vom Eben-


bleiben des Gesamtquerschnitts ausgegangen, Abb. 3.5·52 Ermittlung der Teilschnittgrößen bei Ein-
d. h.,es wird ein vollständiger Verbund der Quer- leitung von Normalkräften
schnittskomponenten vorausgesetzt. Die Ver-

Verbundbau 3-337
N

Schnitt A-A

N,,Rd
M,,Rd

Abb.l.S-53 Ermittlung der Teilschnittgrößen bei Ein-


leitung von Normalkräften und Biegemomenten

chungszustand aus der Interaktionskurve (Punkt


Rd in Abb. 3.5-53). Abb. 3.5-54 Reibungskräfte bei Kopfbolzendübeln in
den Kammern von I-Profilen
Für die Schnittgrößenkombination NRd und
MRJWerden dann dievollplastischen Spannungs-
verteilungen des Verbundquerschnittes ermittelt [Roik/Bode 1981]. Die rechnerische Lasteinlei-
und daraus die Teilschnittgrößen des Baustahls tungslänge LE darfbei Verbundstützen i.d. R. mit
und des bewehrten Stahlbetonquerschnitts be- 2,5d angenommen werden, wobei d bei voll-
rechnet. Für die Teilschnittgrößen infolge Nsd ständig oder teilweise einbetonierten Quer-
und Msd folgen dann schnitten und bei ausbetonierten rechteckigen
Hohlprofilen die kleinere der beiden Außenab-
Na,Sd _ Ma,Sd _ Nc+s,Sd _ Mc+s,Sd _ Rsd
messungen der Stütze und bei Rohren der Au-
Na,Rd - Ma,Rd - Nc+s,Rd - Mc+s,Rd - RRd,
ßendurchmesser ist.
(3.5.67) Werden die Lasten nur über den Stahl- bzw.
den Betonquerschnitt eingeleitet, so ist in den

Rsd = ( Msd
)2 ( Nsd )2 (3.5.68)
Krafteinleitungsbereichen eine Verdübelung er-
forderlich. Bei Verwendung von Kopfbolzendü-
M pl,Rd + N pl,Rd
beln in den Kammern von I-Profilen darf dann
die günstige Wirkung berücksichtigt werden, die
2 2 aus den Reibungskräften an den Flanschinnen-
R ( MRd ) ( NRd ) (3.5.69)
Rd = M pl,Rd + N pl,Rd seiten resultiert. Abbildung 3.5-54 zeigt das zuge-
hörige Berechnungsmodell, bei dem zusätzlich
Wenn die Krafteinleitung nur über den Beton- zur Tragfähigkeit des Kopfbolzendübels PRd nach
querschnitt erfolgt, werden die Längsschubkräf- den GI. (3.5.23) und (3.5.24) für jeden Flansch
te durch das Kriechen des Beton vergrößert, da und jede Reihe zusätzlich der Wert JlPRdl2 in
sich die Teilschnittgrößen mit zunehmender Rechnung gestellt werden darf, wobei ein Rei-
Kriechverformung auf das Stahlprofil umlagern. bungsbeiwert JI=0,5 zu berücksichtigen ist. Der
In diesem Fall ist zusätzlich nachzuweisen, daß günstige Einfluß der Reibungskräfte wurde
sich aus einer elastischen Berechnung unter durch umfangreiche Versuche von Roik und
Berücksichtigung des Kriechens und Schwin- Hanswille ( 1983) nachgewiesen. Da diese Versu-
dens keine ungünstigeren Schubkräfte ergeben che für Profile mit lichten Flanschabständen bis

3-338 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


zu 600 mm durchgeführt wurden, dürfen die zu- Knotenblechen ausgeführt wird (Abb. 3.5-55b).
sätzlichen Reibungskräfte bei größeren Profilen Die unter dem Knotenblech aufnehmbare Be-
nicht in Ansatz gebracht werden. In den Kraft- tonspannung kann nach [Roik/Bergmann 1990I
einleitungsbereichen ist ferner eine Bügelbe- ebenfalls nach GI. (3.5.70) ermittelt werden.
wehrung anzuordnen, die mit den von [Roik/
Hanswille 1984b I vorgestellten Fachwerkmodel- Oc,Rd = 0,6fcd(l+ fco) JA:~ Acfcd. (3.5.70)
len bemessen werden kann. fck fA; AI
Bei einer Lasteinleitung über Kopfplatten ist Dabei sind fcd und fck der Bemessungswert und
keine Verdübelung erforderlich, wenn die Fuge der charakteristische Wert der Betondruckfe-
zwischen Betonquerschnitt und Kopfplatte un- stigkeit,fc0=30N/mm2 ist eine Bezugsfestigkeit,
ter Berücksichtigung von Kriechen und Schwin- Ac ist die Betonquerschnittsfläche der Stütze und
den ständig überdrückt ist. Wenn die Lasteinlei- A 1 die Lasteinleitungsfläche nach Abb. 3.5-55 un-
tungsfläche kleiner als der Stützenquerschnitt terhalb der Kopfplatte bzw. unterhalb des Kno-
ist, dürfen die Lasten über die Kopfplattendicke tenblechs. Das Verhältnis Ac!A 1 darf rechnerisch
im Verhältnis 1:2,5 verteilt werden. Als übertrag- maximal mit 20 berücksichtigt werden.
bare Betonpressung kann dann bei vollständig
oder teilweise einbetonierten Stahlprofilen die Nachweis der Verbundsicherung außerhalb
übertragbare Teilflächenpressung des Betons der Krafteinleitungsbereiche
nach E DIN 1045-1 angenommen werden.
Bei Rohren liegen günstigere Verhältnisse vor. Bei Stützen mit planmäßiger Querkraftbean-
Ein typisches Beispiel, bei dem die Lasteinlei- spruchung ist die Verbundsicherung auch au-
tung mit Hilfe einer Kopfplatte und eines Stei- ßerhalb der Krafteinleitungsbereiche nachzu-
fenkreuzes erfolgt, zeigt Abb.3.5-55a. Durch Ver- weisen. Die Schubkräfte können, wie erläutert,
suche [Hanswille/Bergmann 19991 konnte nach- zwischen kritischen Schnitten aus der Differenz
gewiesen werden, daß bei Rohren unter den Stei- der Normalkräfte des Stahlprofils ermittelt wer-
fen vom Beton sehr hohe Pressungen ertragen den. Die Verbundmittel dürfen näherungsweise
werden können. nach dem Querkraftverlauf verteilt werden.
Der Bemessungswert der Teilflächenpressung, Wenn die in Tabelle 3.5-20 angegebenen Grenz-
Oc,Rd> kann nach GI. (3.5.70) ermittelt werden. werte tRd nicht überschritten werden, darf auf
Vergleichbare Verhältnisse liegen vor, wenn die die Anordnung von Verbundmitteln verzichtet
Krafteinleitung bei Rohren mit durchgesteckten werden.

NSd
® ®
I II II
·--~ :![_ ~

eg ==f r.

Schnitt 11-11
Schnitt 1-1


~·t.
1

- · ·-

Abb. 3.S-SS Lasteinleitung bei Rohren

Verbundbau 3-339
siert auf der vollständigen thermischen und me-
Tabelle 3.5·20 Grenzwerte tRd für den Nachweis der chanischen Analyse des Tragwerks und kann all-
Schobspannungen zwischen Stahlprofil und Beton gemein für Bauteile und gesamte Tragwerke ver-
wendet werden. Für die Bemessungspraxis sind
Profil TRd insbesondere die Nachweisverfahren der Stufen
in N/mml
1 und 2 von Bedeutung, weil die Anwendung der
vollständig einbetonierte Profile 0,3 Nachweisstufe 3 i. allg. mit einem sehr hohen nu-
betongefüllte Hohlprofile 0.4 merischen Aufwand verbunden ist [Schleich
Flansche von teilweise einbetonierten 0,2 1988, 1993].
Profilen Das Tragfähigkeitskriterium im Brandfall er-
Stege von teilweise einbetonierten 0,0 gibt sich aus
Profilen
(3.5.71)
Der Bemessungswert der Beanspruchbarkeit im
Brandfall, Rfi,d,t> ist dabei auf das Niveau des Be-
3.5.6 messungswertes der Lastauswirkungen, Efi,d,t>
Brandschutztechnische Bemessung abgefallen. Der Bemessungswert Efi,d,t ergibt sich
von Verbundbauteilen mit der außergewöhnlichen Kombination unter
Berücksichtigung indirekter Brandeinwirkun-
3.5.6.1 gen sowie mit den Kombinationsbeiwerten nach
Allgemeines, Nachweisverfahren Tabelle 3.5-1. Die Indizes fi (fire) und t (time)
deuten darauf hin, daß die Einwirkungen und
Wenn bei Verbundkonstruktionen eine Feuer- die Beanspruchbarkeit von der maßgebenden
widerstandsdauer im Brandfall gefordert wird,. Dauer der Brandbeanspruchung abhängen. Der
müssen die Bemessung und die Ausführung Teilsicherheitsbeiwert für ständige Einwirkun-
sicherstellen, daß das Tragwerk während der gen ist dabei mit y GA= 1,0 anzusetzen. Für die
maßgebenden Brandbeanspruchung über eine Nachweisverfahren der Stufen 1 und 2 kann der
vorgegebene Branddauer seine Tragfähigkeit Bemessungswert Efi,d,r näherungsweise aus den
nicht verliert. Dieses Kriterium wird im Euroco- Bemessungswerten Rd bei Normaltemperatur
de 4-1-2 entsprechend der Feuerwiderstands- ermittelt werden. Für normale Gebäude in Ver-
dauer unter Normbrandbedingungen durch die bundbauweise darf mit rtfi=0,6 und für Kon-
Klassen R30, R60, R90, R120 und R180 ausge- struktionen der Kategorie D nach Eurocode 4-1-
drückt. Normbrandbedingungen werden dabei 2 mit rtfi=0,7 gerechnet werden.
durch den zeitlichen Verlauf der Brandraurn-
temperaturen entsprechend der Einheitstempe- Efi,d,t ='lfi Ed'
raturzeitkurve definiert. y GA +ljll,J Qk,l'L Gk,j
(3.5.72)
Der Nachweis einer ausreichenden Feuerwi- 'lfi YG+YQ Qk.IILGk,j .
derstandsdauer kann nach Eurocode 4-1-2
durch Klassifizierung der Bauteile mit Hilfe von
Tabellen (Nachweisverfahren der Stufe 1) oder 3.5.6.2
durch eine vereinfachte brandschutztechnische Nachweisverfahren der Stufe 1
Bemessung (Nachweisverfahren der Stufe 2) er-
folgen. Die Anwendung der Nachweisverfahren Bei den Nachweisverfahren der Stufe 1 erfolgt
der Stufen 1 und 2 ist auf Einzelbauteile mit di- der Nachweis mit Hilfe von klassifizierten Be-
rekter Brandbeanspruchung über die volle Bau- messungswerten in Tabellenform für bestimm-
teillänge beschränkt. Ferner wird unterstellt, daß te Bauteile (Träger, Stützen}, denen die Norm-
die Brandbeanspruchung den Normbrandbe- brandbedingungen zugrunde liegen. Der Be-
dingungen entspricht, und eine einheitliche messungswert der Beanspruchbarkeit zum Zeit-
Querschnittstemperaturverteilung über die Bau- punkt t ergibt sich in Abhängigkeit vom Bemes-
teillänge vorhanden ist. sungswert bei Normaltemperatur Rd zu
Ein Nachweis mit Hilfe von "exakten Berech-
(3.5.73}
nungsverfahren" zur Simulation des Verhaltens
von Gesamttragwerken wird als Nachweisver- Dabei ist Rd nach GI. (3.5.2) für den Kaltzustand
fahren der Stufe 3 bezeichnet. Diese Methode ba- zu ermitteln.

3-340 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


In Abhängigkeit von 'lfi,t und der geforderten Profilbreite und die Bewehrung zu erfüllen. Da-
Feuerwiderstandsklasse müssen entsprechende bei gibt 11fdie auf die Untergurtfläche des Stahl-
Anforderungen an die Abmessungen und die querschnitts bezogene erforderliche Längsbe-
konstruktive Ausbildung der Querschnitte einge- wehrung im Kammerbeton an. Bei der Anwen-
halten werden. Tabelle 3.5-21 zeigt ein typisches dung der Tabelle 3.5-21 ist zu beachten, daß der
Beispiel für die Einstufung von kammerbeto- Kammerbeton und die Längsbewehrung bei der
nierten Verbundträgern nach Eurocode 4-1-2. Bemessung für Normaltemperaturen nicht in
In Abhängigkeit vom Ausnutzungsfaktor und Ansatz gebracht werden dürfen. Anderenfalls ist
dem Verhältnis von Profilhöhe zu Profilbreite die Bemessung mit dem Nachweisverfahren der
sind die angegebenen Anforderungen an die Stufe 2 durchzuführen. Für Verbundstützen sind

Tabelle 3.5-21 Mindestquerschnittsabmessungen min bunderforderlicher Bewehrungsgrad minI]( der Zulagebewehrung


für Verbundträger mit ausbetonierten Kammern

b•« S S,Om
h, ;:>: 120mm
I I Ir S 2 · Iw lwS b/1 5

--
h
i!"!"!'\' f,k = 500 N/mm1
1-- A, ___i__ s 0,05
Iw h
A"+A,
~o- A,
00 O_! I rr Ar= b11
b I rf 355 N/mm 2
e A, = Atf1r f.
y1c

Feuerwiderstandsklasse
Ausnutzungsfaktor
R30 R60 R90 R120
'YJro,t=0,3 minb min llr minb mini]( min b mini]( minb min llr
h ;:>: 0,9 · minb 70 0,0 100 0,0 170 0,0 200 0,0
h ~ 1,5 · minb 60 0,0 100 0,0 150 0,0 180 0,0
h ;:>: 2,0 · min b 60 0,0 100 0,0 150 0,0 180 0,0
'Ylfl,t=O,S
h ;:>: 0,9 · min b 80 0,0 170 0,0 250 0.4 270 0,5
h ~ 1,5 · minb 80 0,0 150 0,0 200 0,2 240 0,3
h~ 2,0· minb 70 0,0 120 0,0 180 0,2 220 0,3
h<': 3,0· min b 60 0,0 100 0,0 170 0,2 200 0,3
'1ro,t=0,7
h "'0,9· minb 80 0,0 270 0,4 300 0,6 - -
h ~ 1,5· minb 80 0,0 240 0,3 270 0,4 300 0,6
h ~ 2,0· minb 70 0,0 190 0,3 210 0,4 270 0,5
h ;:>: 3,0 · min b 70 0,0 170 0,2 190 0,4 270 0,5

Mindestachsabstände u1 und u2 in mm
b inmm R60 R90 R120
-- -- 170 Ut 100 120 -
u2 45 60 -

·-
200 Ut 80 100 120
•• • u.
Ir 250
u2

Ut
40
60
55
75
60
90
35 50 60
~
u2
"' 300 Ut 40 50 70
u2 (25) 45 60

Verbundbau 3-341
weitere Klassifizierungstabellen in Eurocode 4- pisches Beispiel zur Ermittlung der Momenten-
1-2 angegeben. tragfähigkeit für einen Verbundquerschnitt bei
positiver Momentenbeanspruchung. Weitere In-
3.5.6.3 formationen bieten [Hass 1986; Hass/Mayer-Ot-
Nachweisverfahren der Stufe 2 tens/Quast 1989; Dorn/Hosser u.a. 1990; Dorn/
Hosser/El-Nesr 1994; Hosser/Dorn/El-Nesr
Die Nachweisverfahren der Stufe 2 basieren auf 1994]. Bezüglich der Verankerung des Kammer-
vereinfachten Annahmen für die Temperatur- betons sind weitere Konstruktionsregeln zu be-
verteilung im Querschnitt. Der Temperaturein- achten, die dem Eurocode 4-1-2 entnommen
fluß wird bei der Ermittlung der Beanspruch- werden können.
barkeit Rfi,d,t entweder durch Reduzierung der Wenn der Verformungseinfluß bei der Ermitt-
Materialfestigkeiten oder durch Reduzierung lung der Beanspruchungen berücksichtigt wer-
der nominellen Querschnittsabmessungen anom den muß (z.B. bei Verbundstützen),ist zusätzlich

l
erfaßt. Der Tragsicherheitsnachweis im Brand- der Einfluß der Temperatur auf die Steifigkeiten
fall ist erbracht, wenn die Bedingung (3.5.71) sowie der Einfluß von thermischen Zwängungs-
eingehalten ist. Für den Bemessungswert der Be- spannungen zu berücksichtigen. Siehe hierzu
anspruchbarkeit gilt [Klingsch/Würker 1984; KlingschiBode 1984;
Klingsch/Muess/Wittbecker 1988; Hass 1986] und
kc f ck, ka /yk, Eurocode 4-1-2. Informationen zur Beurteilung
R - R [ y fi,c y fi,a der Feuerwiderstandsdauer von Anschlüssen fin-
fi,d ,t - fi ,t k f ke R . den sich in [Dorn/Hass/Quast 1988; Dorn 1991] .
....l.....2!i.' _Efs..' ka anom
Yfi,s Yfi ,v Abkürzungen zu 3.5
(3.5.74)
Dabei sind /ck>/yk und /sk die charakteristischen ASCE American Society of Civil Engineers, New
Werte der Festigkeiten von Beton, Bau- und Be- York
tonstahl; PRk ist der charakteristische Wert der DASt Deutscher Ausschuß für Stahlbau, Köln
Tragfähigkeit der Verbundmittel bei Normal- DIBt Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin
temperatur (20°C). DSTV Deutscher Stahlbauverband
Die zugehörigen Abminderungsfaktoren k,, DVS Deutscher Verband für Schweißtechnik,
ka, k 5 und ke berücksichtigen den Einfluß der Hannover
Temperatur auf die Beanspruchbarkeit. Der Bei-
wert ka erfaßt die Reduzierung der nominellen
3.6
Querschnittsabmessungen. Die Abminderungs-
Mauerwerk
faktoren können nach Eurocode 4-1-2 in Ab-
hängigkeit von der Feuerwiderstandsklasse und
3.6.1
der Querschnittsausbildung ermittelt werden.
Mauersteine
Die Teilsicherheitsbeiwerte dürfen dabei mit
Yfi,c=Yji,a=Yji,s=1,0 und Yji,v=Yv=1,25 ange-
3.6.1.1
nommen werden. Abbildung 3.5-56 zeigt ein ty-
Arten, Ausbildung
Für Mauerwerk aus künstlich hergestellten Mau-
ersteinen werden hauptsächlich folgende vier

·r-:
•I cx,· fd
b,ff
I· Mauersteinarten verwendet:
- Mauerziegel,
~
11- fyk
- Kalksandsteine,
- Porenbetonsteine und
- Leichtbeton- und Betonsteine.
.;. k,- fst.
k, ·fyk Außerdem werden noch Hüttensteine produ-
~ ziert, die jedoch nur eine sehr geringe Marktbe-
deutung besitzen.
Abb. 3.5·56 Plastische Spannungsverteilungen und
reduzierte Querschnitte zur Ermittlung von Mpl,fi,<l,t Hinsichtlich der Steingröße ist zu unterschei-
den zwischen Steinen: Höhe s; 113 bzw. 115 mm

3-342 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


und Blöcken: Höhe > 113 bzw.115 mm und (mei- mörtelung werden Plansteine genannt und be-
stens) ::; 238 bis 250 mm sowie Elementen mit sitzen eine hohe Maßgenauigkeit,die in Steinhö-
größeren Höhen (Längen). Das kleinste Steinfor- he ± 1 mm beträgt.
mat ist das Format DF: 240 mm Länge x 113 mm Grundsätzlich zu unterscheiden sind genorm-
Breite x 52 mm Höhe. Aus diesem Format sind te Mauersteine (Abb. 3.6-1) und Mauersteine, die
die meisten größeren Formate unter Bezug auf aufgrund einer allgemeinen bauaufsichtliehen
das Verhältnis der Steinvolumen einschließlich Zulassung verwendet werden dürfen. Beispiele
des zugehörigen Fugenanteils abgeleitet, z. B. für Mauersteine zeigt die Abb. 3.6-2
2 DF, 5 DF, 10 DF usw.
Hinsichtlich des Lochanteils ist zu unterschei-
den zwischen Vollsteinen mit einem Lochanteil
von max. 15o/o und Lochsteinen mit einem max.
Mauerziegel
Lochanteil von 55 o/o. Die Lochungen dienen ent-
DIN 105-1: Vollziegel und Hochlochziegel
weder der einfacheren, ergonomisch günstige- DIN 105-2: Leichthochlochziegel
ren Handhabung (Verlegung) der Mauersteine- DIN 105-3: Hochfeste Ziegel und hochfeste Klinker
DIN 105-4: Keramikklinker
Grifflöcher, Grifföffnungen, Griffhilfen - oder DIN 105-5: Leichtlanglochziegel und Leicht-
der Erhöhung der Wärmedämmung. Hierfür langloch-Ziegelplatten
eignen sich besonders schmale, schlitzförmige K.alksandsteine
Lochungen, die gegeneinander versetzt sind, um DIN 106-1: Voll-, Loch-, Block- und Hohlblocksteine
den Wärmestromweg ohne nennenswerte Kon- DIN 106-2: Vormauersteine und Verblender
vektion möglichst zu verlängern. Dies ist tech- Porenbetonsteine
nologisch nicht in allen Fällen möglich. Bei grö- DIN 4165: Porenbeton-Blocksteine und
ßeren Lochungen muß die im Mauerwerk oben- Porenbeton-Plansteine
DIN 4166: Porenbeton-Bauplatten und
liegende Lagerfläche der Steine geschlossen sein Poren beton-Planbauplatten
(Deckel}, damit der Mörtelauftrag möglich ist. Leichtbetonsteine
Aus Rationalisierungsgründen ist bei einer DIN 18151 : Hohlblöcke aus Leichtbeton
zunehmenden Anzahl von Steinen die Stoßfläche DIN 18152: Vollsteine und Vollblöcke aus
so ausgebildet, daß sie entweder nur noch teil- Leichtbeton
weise- Mörteltaschen- oder gar nicht mehr ver- Betonsteine
mörtelt- Nut und Feder-Ausbildung- werden DIN 18153: Mauersteine aus Beton (Normalbeton)
muß- (s.a. Abb. 3.6-2). Hüttensteine
Die Maßtoieranzen der Mauersteine müssen DIN 398: Voll-, Loch -, Hohlblocksteine
in Abhängigkeit von der Vermörtelungsart (Nor-
malfuge oder Dünnbettfuge) entsprechend be- Abb. 3.6-1 Genormte Mauersteine
grenzt werden. Mauersteine für Dünnbettver-

Porenbetonsteine

"'"0'"'" ~
Leichthochlochziegel (Hlz)

mit Grifflöchern mit Nut und Feder ohne Griffmulde mit Griffmulde

Leichtbeton- und Betonsteine


Kalksandsteine

Vollstein (KS)
mit Griffloch Hohlblock (Hbl) geschlitzter Vol lblock (Vbl S)
Planelement (KS, PE) mit Stirnseitennut

Abb. 3.6-2 Mauersteine, Beispiele

Mauerwerk 3-343
3.6.1.2 te bei Leichtziegeln wird durch porenbildende
Herstellung, Zusammensetzung Zusätze (Polystyrolschaumkugeln, Holzspäne
u.a.) erreicht. Diese Zusätze verdampfen beim
Mauerziegel Brennen und hinterlassen überwiegend kugel-
förmige Luftporen.
Mauerziegel werden aus Ton, Lehm oder tonigen Nach dem Brennen und Abkühlen besitzen die
Massen mit oder ohne Zusatzstoffe geformt und Mauerziegel ihre "endgültigen" Eigenschaften
anschließend gebrannt. Zusatzstoffe, z. B. Säge- und sind sofort verwendungsfähig. Für am häu-
mehl oder Polystyrolkugeln, dienen der Vermin- figsten angewendete Mauerziegel gelten folgen-
derung der Stoffrohdichte (Leichthochlochzie- de Kurzbezeichnungen:
gel). Mauerziegel mit ausreichend hohem Frost- Mz Vollziegel
widerstand werden Vormauerziegel genannt. Sie HLz Hochlochziegel
können für außenliegendes Sichtmauerwerk ver- VMz Vormauer-Vollziegel
wendet werden. Bis zur Sinterung gebrannte VHLz Vormauer-Hochlochziegel
Mauerziegel mit hohem Frostwiderstand und ei-
ner Scherbenrohdichte von mind. 1,90 kg/dm 3 Vormauerziegel mit ausreichend hohem Frost-
sowie einer Druckfestigkeitsklasse von mind. 28 widerstand erhalten als Vorsatz zum Kurzzei-
werden als Klinker bezeichnet. Die Herstellung chen den Buchstaben V ( VMz, VHLz). Bei Leich-
von Mauerziegeln ist schematisch in Abb. 3.6-3 hochlochziegeln mit besonders guten Wärme-
dargestellt. Die Festigkeit der Mauerziegel ergibt dämmeigenschaftensind am Markt häufig nicht
sich durch den Brennvorgang, und zwar durch die DIN-Bezeichnungen, sondern die Handels-
Trockensinterung (Umwandlung und Reaktio- namen üblich.
nen im festen Zustand) oder durch Schmelzsin-
terung (Verkittung durch partielle Schmelzflüs- Kalksandsteine
se).
Die Trockensinterung findet bei Ziegeln, die Kalksandsteine sind Mauersteine, die aus kalk-
Schmelzsinterung bei Klinkern statt. Mit zuneh- und kieselsäurehaltigen Zuschlägen hergestellt,
mender Brenntemperatur steigen Rohdichte und nach innigem Mischen geformt, verdichtet und
Druckfestigkeit. Die niedrige Scherbenrohdich- unter Dampfdruck (im Autoklaven) gehärtet

1. Abbau (Ton, Lehm)

2. Aufbereitung Kollergang
(Zugabe von Wasser,
ggf. von Zusätzen z.B.
Porenbildner) Walzwerk

3. Formen Strangpresse und Abschneider

4. Trocknen

5. Brennen

6. 7. B. 9.
Güteprüfung Lager Verpackung Verladen

Abb. 3.6-3 Herstellung von Mauerziegeln

3-344 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


werden. Die Festigkeitsbildung bei den Kalk- KS Voll- und Blocksteine
sandsteinen (und auch bei den Porenbetonstei- KSL Loch- und Hohlblocksteine
nen) erfolgt durch Reaktion des Kalkhydrates KSVm KS-Vormauersteine
mit dem SiOz des Quarzsandes. Diese Reaktion KSVb KS-Verblender
findet im Autoklaven (Härtekessel) bei hohem
Druck und hohen Temperaturen, die für die Re- Das Herstellverfahren für Kalksandsteine ist
aktion bzw. deren Beschleunigung erforderlich schematisch in Abb. 3.6-4 dargestellt.
sind, statt. Es entstehen Calciumsilikathydrate,
die den Hydratationsprodukten des Zementes Porenbetonsteine
ähnlich sind und hohe Festigkeiten ergeben.
Nach dem Verlassen des Autoklaven und einer Porenbetonsteine bestehen aus dampfgehärte-
ausreichenden Abkühlung sind die Kalksand- tem Porenbeton. Das ist ein feinporiger Beton
steine verwendungsfähig. Sie besitzen nahezu (zutreffender eigentlich Feinmörtel), der aus Ze-
ihre Endeigenschaften, eine gewisse Nach- ment und/oder Kalk und feingemahlenen oder
erhärtung (max.lO bis 20% Druckfestigkeitszu- feinkörnigen, kieselsäurehaltigen Stoffen (meist
wachs) ist möglich. Quarzmehl) unter Verwendung von gasbilden-
Kalksandvormauersteine (mindestens Druck- den Zusätzen (i.d.R.Aluminiumpulver), Wasser
festigkeitsklasse 12, ausreichender Frostwider- und ggf. Zusatzmitteln hergestellt und in ge-
stand) und Kalksandverblender (mindestens spanntem Dampf gehärtet wird. Die Herstellung
Druckfestigkeitsklasse 20, besondere Anforde- von Porenbetonsteinen erfolgt in ähnlicher Wei-
rungen an Maßhaltigkeit, Ausblühneigung, Ver- se wie die nach Abb. 3.6-5 für Porenbetonbau-
färbung und Frostwiderstand) sind für Sicht- teile.
mauerwerk mit unterschiedlichen Anforderun- Die gießförmige Rohmasse enthält zur Luft-
gen bestimmt. porenbildung ein sogenanntes Treibmittel (Alu-
Für am häufigsten angewendete Kalksand- miniumpulver) und wird in große Formen ein-
steine gelten folgende Kurzbezeichnungen: gefüllt. Dort kommt es zu einer Reaktion des

+ Sand
Ko t:a +l
Wasser
k Pre,ck Hitz(j)e
und Dampfdruck

-
~ KS-Steine

- -~
Mischen Pressen
- Härten

Abb. 3.6-4 Herstellung von Kalksandsteinen

Mauerwerk 3-345
Rohstoffe Bewehrung

Ablängen ~I o sf±J
....
2 2

Matten- und
Korbschweißen
....
Tauchen
....
Einbauen

Gießen
....
Treiben ASE+""+3P h
Schneiden

c::::r -=-
1 .......
Dampfhärtung 1 1 1...,.. Lager/Baustelle
T Se-------3 p g g;;;;;;;< p

Abb. 3.6-S Herstellung von Porenbetonbauteilen

Treibmittels mit dem Calciumhydroxid, wodurch bestimmten Zusatzstoffen und Zusatzmitteln ist
Wasserstoffgas entsteht, das Poren erzeugt und zulässig.
die Rohmasse aufbläht. Das Wasserstoffgas dif- Analoge Regelungen gelten für die Herstellung
fundiert schon während des Herstellungsvor- von Mauersteinen aus Beton (Normalbeton).
ganges aus dem Porenbeton, so daß sich danach Die Leichtbeton- und Betonsteine werden
nur noch Luft in den Poren befindet. Nach dem überwiegend mit haufwerkporigem, z.T. auch
Treibvorgang und dem Erreichen einer ausrei- mit dichtem Gefüge hergestellt. Je nach Vorbe-
chenden Schneidefestigkeit wird der junge Po- handlung (Lufthärtung, Wärmebehandlung) er-
renbeton mit Hilfe von Schneiddrähten in die ge- reichen sie spätestens im Alter von 28 Tagen, z.T.
wünschten Steinformate geschnitten. Anschlie- auch früher, ihre Solldruckfestigkeit. Die Hohl-
ßend erfolgt die Dampfhärtung im Autoklaven blöcke enthalten kammerförmige Lochungen.
in analoger Weise wie bei den Kalksandsteinen. Bei der Steinkurzbezeichnung wird die Anzahl
Nach dem Herstellvorgang besitzen Porenhe- der Kammern vorangestellt (z.B. 3 K). Es gelten
tonsteine praktisch ihre Endeigenschaften. Für folgende Kurzbezeichnungen:
Porenbetonsteine gelten folgende Kurzbezeich- Hbl Hohlblöcke aus Leichtbeton (Vorsatz Kam-
nungen: merzahl, z. B.: 3 K Hbl)
PB Porenbeton-Blocksteine V Vollsteine aus Leichtbeton
PP Porenbeton-Plansteine Vbl Vollblöcke aus Leichtbeton

Leichtbeton- und Betonsteine 3.6.1.3


Eigenschaften, Anforderungen
Steine und Blöcke aus Leichtbeton werden aus
mineralischen Zuschlägen (Leichtzuschläge nach Die wichtigsten Eigenschaftskenngrößen mit
DIN 4226-2 und Zumischungen von Zuschlägen Anforderungen in den DIN-Normen für Mauer-
mit dichtem Gefüge nach DIN 4226-1) und hy- steine sind:
draulischen Bindemitteln (genormte Zemente - Maße, Maßtoieranzen
oder bauaufsichtlich zugelassene hydraulische - Rohdichte (-7 Lastannahmen, Wärmedäm-
Bindemittel) hergestellt. Die Verwendung von mung, Schalldämmung)

3-346 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


- Druckfestigkeit (--7 Tragfähigkeit) stigkeit. Für Mauerwerk mit mittlerer bis hoher
- Frostwiderstand (--7 Vormauer-, Verblendstei- Druckfestigkeit und guten bis sehr guten Schall-
ne; Dauerhaftigkeit). dämmeigenschaften (bezogen auf die Bauteil-
masse) bieten sich Kalksandsteine, Betonsteine
In Klammern sind die betreffenden Mauerwerk- und auch Voll- und Hochlochziegel an.
eigenschaften angegeben. Dünnbettmauerwerk erfordert wegen der ge-
Die Tabellen 3.6-1 und 3.6-2 enthalten die ringen Mörtelfugendicke von 1 bis 3 mm Mau-
möglichen, die Tabelle 3.6-3 enthält die üblichen ersteine mit entsprechend geringen Maßtoieran-
Druckfestigkeits- und Rohdichteklassen für zen - sogenannte Plansteine.
Mauersteine. Für Sichtmauerwerk müssen die Mauersteine
ein dauerhaft gutes Aussehen der Sichtfläche
3.6.1.4
Anwendung
Tabelle 3.6-2 Rohdichteklassen (QN)
Aus der Tabelle 3.6-3 ist zu entnehmen, daß sich
für Mauerwerk mit guten Wärmedämmeigen- Klasse Wertebereichb der Mittelwerte
kg/dml
schaften Leichthochlochziegel, Porenbeton-und
Leichtbetonsteine eignen. Dieses Leichtmauer- 0,35 0,30 . .. 0,35
0,40 0,36 . .. 0,40
werk besitzt eine niedrige bis mittlere Druckfe- 0,45 0,41 ... 0,45
0,50 0,46 ... 0,50
0,55 0,51 . .. 0,55
0,60 0,56 . .. 0,60
Tabelle 3.6-1 Druckfestigkeitsklassen (ßN) 0,65 0,61 .. . 0,65
0,70 0,66 . . . 0,70
0,80 0,71 .. . 0,80
Klasse Mindestdruckfestigkeit 0,90 0,81 ... 0,90
Mittelwert Einzelwert• 1,00 0,91 .. . 1,00
N/mml N/mm2 1,20 1,01 .. . 1,20
1,40 1,21 .. . 1,40
2 2,5 2,0 1,60 1,41 ... 1,60
4 5,0 4,0 1,80 1,61 ... 1,80
6 7,5 6,0 2,00 1,81 ... 2,00
8 10,0 8,0 2,20 2,01 ... 2,20
12 15,0 12,0 2,20 2,21 ... 2,50'
20 25,0 20,0 2,40 2,21 .. . 2,40
28 35,0 28,0
36 45,0 36,0 Rohdichte: Trockenrohdichte
48 60,0 48,0 b Einzelwerte dOrfen die Klassengrenzen i. allg .
60 75,0 60,0 höchstens um folgende Werte unter- bzw.
übers<hreiten
Druckfestigkeit: Prüfkörperfestigkeit x Formfaktor • bei einer Klassenbreite von 0,05 um 0,03 kg/dml
· bei einer Klassenbreite von 0,10 um 0,05 kg/dml
• Entspricht dem 5 %-Quantil der Grundgesamt- ·bei einer Klassenbreite von 0,20 um 0,10 kgldml
heit mit 90 % Aussagewahrscheinlichkeit ' DIN 105-3, 105-4

Tabelle 3.6-3 ÜblicheDruckfestigkeits-und Rohdichteklassen bei Mauersteinen

DIN Kurzbezeichnung Drudefestigkeitsklasse Rohdichteklasse


105Teil 1 Voll-, Hochlochziegel 8 ... 28 1,2 .. . 2,2
105Teil2 Leichthochlochziegel 6 .. . 12 0,7 ... 0,9
106Teil1 Kalksandsteine 12... 28 1,2 ... 1,8
106Teil2
4165 Poren betonsteine 2.. . 6 (0,4)
0,5 ... 0,7
18151 Hohlblöcke, 2.. . 6 0,5 .. . 0,8
18152 Vollblöcke aus Leichtbeton
18152 Vollsteine aus Leichtbeton 2 ... 12 0.7 ... 1,8
18153 Mauersteine aus Norma lbeton 4 ... 12 0,9 . .. 1,8

Mauerwerk 3-347
gewährleisten (keine Gefügezerstörungen, keine Die Bestandteile müssen den bauaufsichtli-
dauerhaften Ausblühungen, keine Kantenab- ehen Vorschriften für den Anwendungszweck
platzungen u.ä.). Bei der Witterung ausgesetz- genügen (Norm, Brauchbarkeitsnachweis).
tem Sichtmauerwerk ist ein dauerhaft ausrei- Mauermörtel sind im AnhangAder DIN 1053-
chend hoher Widerstand gegen Witterungsein- 1 genormt. Die Herstellung, Überwachung und
flüsse (i. w. Frostwiderstand) der Mauersteine Lieferung des Werkmörtel erfolgt nach
(Vormauersteine, Verblender) erforderlich. Groß- DIN 18 557.
formatige, schwere Mauersteine dürfen nur mit Mauermörtel werden in 3 Arten, nämlich Nor-
mechanischen Verlegehilfen versetzt werden. malmörtel, Leichtmörtel und Dünnbettmörtel
Grundsätzliche Anwendungsbeschränkungen unterteilt. Kennzeichnende Merkmale dieser
genormter Mauersteine für Mauerwerk nach Mörtelarten enhält Abb. 3.6-6.
DIN 1053-1 bestehen nicht. Grundsätzliche Lieferformen der Mauermör-
Mauersteine für Mauerwerk nach Eignungs- tel sind: Baustellenmörtel und WerkmörteL
prüfung (DIN 1053-2) müssen bestimmten An- Normalmörtel dürfen als Baustellen- oder
forderungen an die Gleichmäßigkeit der Druck- Werkmörtel, Leicht- und Dünnbettmörtel müs-
festigkeit genügen. sen ausschließlich als Werkmörtel hergestellt
Mauersteine für bewehrtes Mauerwerk nach werden.
DIN 1053-3 dürfen bis höchstens 35% Lochan- Der Anteil an Werkmörteln hat sich seit ihrer
teil aufweisen und müssen bestimmte Anforde- Markteinführung ständig vergrößert und liegt
rungen an die Steganordnung erfüllen. Sie sind derzeit bei etwa 90%. Durch die werksmäßige
mit BM (bewehrtes Mauerwerk) zu kennzeich- Herstellung sind eine hohe Gleichmäßigkeit der
nen. Eigenschaftskennwerte erreichbar und eine ge-
zielte Optimierung von Eigenschaftswerten für
3.6.2 den jeweiligen Anwendungsfall möglich.
Mauermörtel Bei Werkmörteln sind zu unterscheiden
- Werk-Trockenmörtel (WTM)
3.6.2.1 Ein fertiges Gemisch der Ausgangsstoffe, dem
Definition, Arten, lieferform bei der Aufbereitung auf der Baustelle nur
noch Wasser zugemischt wird, um eine verar-
Mauermörtel ist ein Gemisch von Sand, Binde- beitbare Konsistenz zu erreichen.
mittel und Wasser, ggf. auch Zusatzstoff und Zu- - Werk-Vormörtel (WVM)
satzmittel. Das Größtkorn des Sandes ist 4 mm. Ein Gemisch aus Zuschlägen und Kalk sowie

I Normalmönel (NM)
I I Leichtmönel (LM)
I I Oünnbettmönel (DM)
I
li?d ~ 1,5 kgldml li?d < 1,5 kg/dml li?d ~ 1,5 kg/dml
Zuschlag mit Leichtzuschlag Zuschlag DIN 4226 Tl
dichtem Gefüge (OIN 4226 T2, Zu lassung) Größtkorn: 1mm
(OIN 4226 Tl) Zuschlag DIN 4226 Tl
MG 1,11, lla, lll,llla LM 21, LM 36 MGIII
nach Rezept - - . .
nach Eignungsnachweis

I Baustellenmönel
I
Werkmönel
------ ------,---------
Werk-Vormönel 1
---------------- --------
--------- ---------------------------------
Werk·Trockenmönel
----
---------- --------------- -------T---------- ---
Werk-Frischmönel 1

Sollfugendicke: 10 bzw. 12 mm - Fugendicke: 2- 3 mm __..

Abb. 3.6-6 Merkmale von Mauermöneln nach DIN 1053-1

3-348 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


ggf. weiteren Zusätzen. Auf der Baustelle wer- standteile enthalten. Die Trockenrohdichte liegt
den Zement (nach Herstellerangabe) und Was- i.a. über 1,5 kg/dm 3•
ser zugegeben. Werk-Vormörtel ist vor allem Weitere grundsätzliche Anforderungen wer-
in Norddeutschland verbreitet. den an den Zuschlag, die Zusatzstoffe und Zu-
- Werk-Frischmörtel (WFM) satzmittel gestellt - vor allem hinsichtlich Un-
Gebrauchsfertiger Mörtel in verarbeitbarer schädlichkeit, auch in bezug auf den Korrosi-
Konsistenz onsschutz von Bewehrung und stählernen Ver-
ankerungen.
Mehrkammer-Silomörtel. In einem Silo sind in
getrennten Kammern die Mörtelausgangsstoffe 3.6.2.3
enthalten. Sie werden unter Wasserzugabe auto- Eigenschaften, Anforderungen
matisch dosiert und gemischt, so daß am Mi-
scherauslauf auf der Baustelle verarbeitungs- Die bedeutendsten Eigenschaften des Mauer-
fahiger Mörtel entnommen werden kann. Bei mörtels sind eine ausreichend gute Verarbeit-
nach DIN 18 557 überwachtem Mehrkammer- barkeit, ein auf die Steineigenschaften abge-
Silomörtel kann das Mischungsverhältnis der stimmtes Wasserrückhaltevermögen (Behinde-
Trockenstoffe baustellenseitig nicht verändert rung des Wasserabsaugens durch den Mauer-
werden. stein), die Druckfestigkeit, die Verbundfestigkeit
zum Mauerstein, die Wärmeleitfahigkeit bzw.
3.6.2.2 Trockenrohdichte bei Leichtmörteln sowie de-
Herstellung, Zusammensetzung ren Querverformungsverhalten im Hinblick auf
die zulässigen Druckspannungen für Mauer-
Normalmörtel sind Mörtel mit Zuschlag mit dich- werk.
tem Gefüge nach DIN 4226-1 und einer Trocken- Die Anforderungen an Normal-, Leicht- und
rohdichte \,'a?.1,5 kg/dm3• Normalmörtel kön- Dünnbettmörtel sind in der Tabelle 3.6-4 zu-
nen als Rezeptmörtel (ohne Zusätze) nach fest- sammengestellt. Die Tabelle 3.6-5 gibt Hinweise
gelegten Mischungsverhältnissen und Binde- auf die Bedeutung der zu prüfenden Mörtelei-
mitteln (s.in TabelleA.1 DIN 1053-1,AnhangA) genschaftswerte für das Mauerwerk.
hergestellt werden. Wegen der großen, langjähri- Bei Normalmörtel - ausgenommen Rezept-
gen Erfahrung mit diesen Mörteln sind weniger mörtel- und Leichtmörtel ist außer der Druck-
Eigenschaftsnachweise erforderlich. festigkeit nach Norm bei der Eignungsprüfung
Sobald bei Rezeptmörteln Zusätze verwendet auch die Druckfestigkeit des Mörtels in der La-
werden, sind Eignungsprüfungen erforderlich. gerfuge nachzuweisen. Durch diese Prüfung soll
Die Normalmörtel werden nach steigender der Einfluß des Mörtel-Stein-Kontaktes (im we-
Mindestdruckfestigkeit in die Gruppen I, II, Ila, sentlichen Absaugen von Mörtelwasser durch
III und lila eingeteilt. den Stein) auf die Mörteldruckfestigkeit im Mau-
Leichtmörtel sind Werk-Trocken- oder Werk- erwerk berücksichtigt werden.
Frischmörtel mit Leichtzuschlagarten nach Die Anforderung an die Haftscherfestigkeit
DIN 4226-2, ggf. auch mit Anteilen von Zuschlag betrifft Normalmörtel - außer Rezeptmörtel -,
mit dichtem Gefüge nach DIN 4226-1 oder Leicht- Leichtmörtel und DünnbettmörteL Durch diese
zuschlag, der nach den bauaufsichtliehen Vor- Verbundprüfung zwischen Mörtel und einem
schriften aufgrund eines Brauchbarkeitsnach- Referenz-Kalksandstein soll eine nach Mörtel
weises verwendet werden darf. Die Trocken- bzw. Mörtelgruppen abgestufte Mindestverbund-
rohdichte der Leichtmörtel muß kleiner als festigkeit gewährleistet werden. Diese wird- ent-
1,5 kg/dm3 sein. Sie werden nach dem Rechen- sprechend ab gemindert- für die Bemessung von
wert der Wärmeleitfahigkeit AR in die Gruppen Mauerwerk auf Zug bzw. Biegezug und Schub
- LM 21 (AR= 0,21 W/(m·K)) und angesetzt.
- LM 36 (AR= 0,36 W/(m·K)) eingeteilt. Beide Prüfungen, die Druckfestigkeit des
Mörtels in der Fuge und die Haftscherfestigkeit,
Dünnbettmörtel sind Werk-Trockenmörtel aus sind bei Mörteln mit verlängerter Verarbeitungs-
Zuschlag mit dichtem Gefüge nach DIN 4226-1 zeit jeweils zu Beginn und am Ende der angege-
- Größtkorn 1,0 mm -, Normzement sowie Zu- benen Verarbeitungszeit durchzuführen.
sätzen. Sie werden der Gruppe III zugeordnet Da besonders bei Leichtmörteln die Druckfe-
und dürfen höchstens 2 M.-% organische Be- stigkeit des Mauerwerks durch die i.allg. relativ

Mauerwerk 3-349
V>
I
V>
V1
0

~ ö}
:I

j [
Prüfg röße Kurz· Eignungs·, Normalmörtel Leichtmörtel Dünnbettmörtel
Prüfno rm zeichen Güteprüfung ...iD
f Einheit (EP.GP) I I II I lla I 111 I 111 a I lM21 I LM36 I t
Ei >:::>
IG Mörtelzusammensetzung - EP muß ermittelt werden
ID Ö'
:I a
Druckfestigkeit ßo EP - 2! 3,5" "<! 7• "<! 14• ~ 25• ~ 7• ~ 7• "<! 14•
:g· DIN 18555Teil3 N/mm2 GP - ~ 2,5 ~ 5 "<! 10 ~ 20 ~ 5 ~ 5 "<! 10 2
:::>
2'
c Druckfestigkeit Fuget ßo.F EP - "<! 2,5 "<! 5,0 "<! 10,0 ~ 20,0 ~ 5,0 ~ 5,0 - ""..."':::>
c :::>
:I vorläufige Richtlinie N/mm2 "<! 1,25 "<! 2,5 ~ 5,0 ~ 10,0 ~ 2,5 ~ 2,5
c:a. ~
::c c:
Druckfestigkeit bei ßo.r EP - - - - - - - ~ 70 % vom Istwert
Feuchtlagerung N/mm 2 GP ßo ~
0 '
DIN 18555 Teil3
a.Z'
c ii
o;-
Haftscherfestigkeit ßHs EP - ~ 0,10 ~ 0,20 ~ 0,25 ~ 0,30 ~ 0,20 ~ 0,20 ~ 0,5 c:
DIN 18555 Teil 5 N/mm2 ~
""
:0
Trockenrohdichte EP <1,5 ~ 0,7 ~ 1,0 -
li?d ~
DIN 18555 Teil3 kg/dml GP - max.Abweichung §
± 10% vom Istwert 0'
;;
Querdehnungsmodul Eq EP - > 75009 > 150009 3
- :::>
DIN 18555 Teil4 N/m m2 GP - ...g.
0
Längsdehn un gsmodu I fl EP - > 2000 > 3000 - z
DIN 18555 Teil4 N/mml GP - - - -
~
Wärmeleitfahigkeit A10.u EP - ~ 0,18h ~ 0,27h - ~
DIN 52612Teil1 W/(mK)
Verarbeitbarkeitszeit lv EP - - - ~ 4
...~
~
;.,
DIN 1855 TeilS h
"'
Korrigierbarkeitszeit tk EP - - - ~ 7 So""
DIN 1855 TeilS min

d fOr diese gelten die Anforderung als erfüllt


• Richtwert für Werkmörtel
f obere Zeile: Anforderungen fOr Würfeldruckverfahren; untere Zeile: Anforderungen für Plattendruckverfahren - es kann ein Verfahren gewählt werden
9 Trockenrohrdichte als Ersatzprüfung
h gill als erfüllt bei Einhalten der Grenzwerte für Qd in GP
Tabelle 3.6-5 Bedeutung der Mörtelkennwerte für die Mauerwerkeigenschaften

Mörtelkennwert Beeinflußte Mauerwerkeigenschaften Wichtig für Mörtelart

Druckfestigkeit Druckfestigkeit NM,lM


- nach Norm ßo.N ßo.F ist aussagekräftiger als ßo.N
- nach Vorl. Richtlinie (Fuge) ßo.F
Haftscherfestigkeit PHs Zug-, Biegezug-, Schubfestigkeit NM,LM,DM
(Stein/Mörtel) Witterungsschutz
Dauerhaftigkeit
Quer-, Längsdehnungsmodul fw f1 Druckfestigkeit LM
Trockenrohdichte l?d Wärmeschutz LM
Wärmeleitfähigkeit >.R (Eigenlast, Schallschutz)

j
große Querverformbarkeit des Mörtels in der wiegend karbonatisch (durch Reaktion mit Luft-
Fuge verringert werden kann, wird bei diesen kohlensäure) erhärtet, was bei langzeitig hoher
Mörteln der Querdehnungsmodul Eq als dafür Feuchtigkeit nicht möglich ist.
charakteristischer Eigenschaftswert ermittelt. Er Besonders bei Verblendschalen soll der Mör-
ist der Sekantenmodul aus der Spannung bei 1/3 tel gut und hohlraumfrei verarbeitbar und sehr
der Höchstspannung und der zugehörigen verformbar (kleiner Elastizitätsmodul) sein, um
Querdehnung, ermittelt an einem größeren Mör- eine möglichst große Dichtigkeit gegen Regen
telprisma. Je kleiner Eq ist, desto größer ist die und eine hohe Rißsicherheit der Verblendschale
Querverformbarkeit des Mörtels und desto ge- zu erreichen. Dies ist mit Mörteln der Gruppen
ringer ist die Mauerwerkdruckfestigkeit, vor al- III und IIIa nicht oder nur sehr eingeschränkt
lem bei höherfesten Mauersteinen. möglich. Deshalb sind diese Mörtel für das Ver-
Zur Abgrenzung von Normal- und Leichtmör- mauern von Verblendschalen nicht zugelassen.
teln und deren Gruppenunterscheidung (LM 21, Mörtel der Gruppe III ist abweichend davon al-
LM 36) ist die Trockenrohdichte zu bestimmen. lerdings zulässig für das nachträgliche Verfugen
Bei den Dünnbettmörteln kann sich die und in Bereichen von Verblendschalen, die als
Druckfestigkeit durch Feuchtlagerung wegen bewehrtes Mauerwerk nach DIN 1053-3 ausge-
der vorhandenen organischen Bestandteile ver- führt werden.
ringern. Durch eine entsprechende Prüfung muß Die Anwendungsbeschränkungen bei Leicht-
nachgewiesen werden, daß der Festigkeitsabfall mörteln betreffen zum einen Gewölbe, wo wegen
nicht unakzeptabel hoch ist. Wichtig ist außer- des Schwindensund der größeren Querverform-
dem, daß der augemischte Dünnbettmörtel aus- barkeil des Leichtmörtels eine wesentliche Be-
reichend lange verarbeitbar - (Verarbeitbar- einträchtigung des Tragverhaltens zu erwarten
keitszeit) - und nach Auftrag auf den Stein der ist, und zum anderen außenliegendes Sichtmau-
aufzusetzende Stein noch kurzfristig in seiner erwerk, wo höhere langzeitige Durchfeuchtung
Lage im Dünnbettmörtel korrigiert werden des Mörtels (Leichtzuschlag) und Frostgefähr-
kann (Korrigierbarkeitszeit). dung eintreten können. Dünnbettmörtel kom-
men dann nicht in Frage, wenn durch den Mör-
3.6.2.4 tel größere Maßtoieranzen auszugleichen sind
Anwendung (Gewölbe, "normale Mauersteine").
Anwendungsempfehlungen gibt die Tabelle
Nicht zulässige Anwendungen von Normal-, 3.6-7. Der heuteammeisten verwendete Nor-
Leicht- und Dünnbettmörteln sind in der Tabel- malmörtel ist Mörtel der Gruppe Ila. Dieser Mör-
le 3.6-6 zusammengestellt. tel ist sehr gut verarbeitbar, ergibt genügend ho-
Die Anwendungsbeschränkungen für Nor- he Druckfestigkeits- und Haftscherfestigkeits-
malmörtel der Gruppe I beziehen sich auf sta- werte und ist zudem wegen seines nicht zu ho-
tisch und durch Feuchte stärker beanspruchtes hen E-Moduls noch ausreichend verformungs-
Mauerwerk. Dies ist berechtigt und notwendig, fähig, um Spannungen im Mauerwerk (z.B.
da für Mörtel der Gruppe !keinerlei Festigkeits- durch das Schwinden der Steine) vermindern zu
anforderungen bestehen und dieser Mörtel über- können.

Mauerwerk 3-351
Tabelle 3.6-6 Unzulässige Anwendungen (N) von Mauermörtel (nach DIN 1053 Teil 1 bis 3)

Anwendungsbereich Normalmörtel Leichtmörtel Dünnbettmörtel


MG
11/lla 111/llla
Gewölbe Ni N N
Kellermauerwerk NI
Gebäude > 2 Vollgeschosse N
Wanddicke < 240 mml N
Nichttragende Außenschale von zweischaligen
Außenwänden
- Verblendschale N Nk N
-geputzte Vormauerschale N Nk
DerBewitterung ausgesetztes Sichtmauerwerk N N
Ungünstige Witterungsbedingungen (Nässe, N
niedrige Temperaturen)
Mauersteine mit einer Maßabweichung in der N
Höhe von mehr als 1,0 mm
Mauerwerk nach Eignungsprüfung- EM nach N
DIN 1053Teil2
BewehrtesMauerwerk nach DIN 1053 Teil3 N N N N
i Ausnahme:Instandsetzung von mit MG I hergestelltem Natursteinmauerwerk
J bi!i zweischaligen Wänden mit oder ohne durchgehende Lohschicht gilt als Wanddicke dieDicke der Innenschale
k außer nachträglichem Verfugen und für Bereiche, die alsbi!wehrtes Mauerwerk nach DIN1053 Teil 3ausgeführt werden

Tabelle 3.6-7 Anwendungsempfehlungen für Mauermörtel

Bauteil Normalmörtel Lei chtmörte I Dünnbettmörtel


Außenwände einschalig ohne Wetterschutz +(vorzugsweise 0
(Sichtmauerwerk) MGII,IIa)
mit Wetterschutz _I bis+ 0 bis+ I 0 bis+
(z. B. Putz)
zweischalig Außenschale + 0
(Verblendschale) (MGII, IIa)
Innenschale + - bis+ I 0 bis +
Innenwände schalldämmend + 0 +
wärmedämmend Obis - + +
hochfest +(MGIII,IIIa) +
+ empfehlenswert,Omöglich,- nicht empfehlenswert
I bi!i wärmedämmendem Mauerwerk

3.6.3 (Putzarten) für verschiedene Anforderungen,


Putze wie:
- wasserhemmender, wasserabweisender Putz
3.6.3.1 - Außen- oder Innenputz mit erhöhter Festig-
Definition, Arten, Normung keit bzw. Abriebfestigkeit
- Innenwand- und Innnendeckenputz für
Putz ist ein an Wänden oder Decken ein- oder Feuchträume
mehrlagig in bestimmter Dicke aufgetragener - Putze für Sonderzwecke: Leichtputz, Wärme-
Belag aus Putzmörteln oder Beschichtungsstof- dämmputz, Putz als Brandschutzbekleidung,
fen, der seine endgültigen Eigenschaften erst Putz mit erhöhter Strahlungsabsorption.
durch Verfestigung am Baukörper erreicht.
Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen Die Lagen eines Putzes (Unter-, Oberputz), die
Innen- und Außenputz sowie zwischen Putzen in ihrer Gesamtheit und in Wechselwirkung mit

3-352 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.6-8 Putzarten

Putzart Bezugsnorm Mörtelgruppen Grenzwert Besondere Kennzeichen


Trockenrohdichte
DIN kg/dm3
Normalputz 18 550Teil1 PI bis PV ""1,4 ... 1,9 mineralische Bindemittel
(NP) 18 550Teil2 Zuschlag i.allg. 0,25 bis 4 mm
18 550Teil1 POrgl Organische Bindemittel
18558 POrg 2 (Kunstharzputle), wasserabweisend
Wärmedämmputz 18 550Teil3 ~0,2 wärmedämmender und
(Systeme) (WDP) oderm ~0,6 wasserhemmender Unterputz aus
mineralischen Bindemitteln und mind.
75 Vol.-% EPS,andemfalls m,
Druckfestigkeit~ 0,40 N/mm2,
>.R ~ 0,2 W/(m K)
wasserabweisender mineralischer
Oberputz, Druckfestigkeit 0,80 bis
3,0N/mm2
Leichtputz (LP) 18550Teil4 Plc,P II ~0,6 mineralische Bindemittel, mineralische
~1,3 und/oder organische Zuschläge,
Druckfestigkeit mind. 2,5 N/mm2,
soiiS,O N/mm2 nicht überschreiten,
Putzsystem muß wasserabweisend sein
mnach bauaufsichtlichem Brauchbarkeilsnachweis

dem Putzgrund die Anforderungen an den Putz > 4 mm überwiegen. Bei Mörteln aus Baugipsen
erfüllen, werden als Putzsystem bezeichnet. und Anhydritbindern kann der Zuschlag entfal-
Mineralische Putze bzw. Putze aus minerali- len.
schen Bindemitteln sind wie folgt genormt: Putzmörtel werden i.allg. bestimmten Mörtel-
- DIN 18 550-1 - Putz; Begriffe und Anforde- gruppen - ähnlich wie Mauermörtel - zugeord-
rungen net (Tabelle 3.6-9) .
- DIN 18 550-2 - Putz; Putze aus Mörteln mit Für Putzmörtel kommen neben den Kalken
mineralischen Bindemitteln; Ausführung und Zementen als Bindemittel auch Gips und
- DIN 18 550-3 - Putz; Wärmedämmputzsyste- Anhydrit zur Verwendung. Die beiden letztge-
me aus Mörteln mit mineralischen Bindemit- nannten Bindemittel sind nicht wasserbeständig
teln und expandiertem Polystyrol (EPS) als und deshalb nur für Innenputze zulässig. Die Zu-
Zuschlag sammensetzung der Putzmörtelgruppen P I bis
- DIN 18 550-4 - Putze; Leichtputze; Ausfüh- P III entspricht etwa den Mauermörtelgruppen
rung MG I bis MG III, die Putzmörtelgruppen P IV
- DIN 18 558 - Kunstharzputze; Begriffe, An- und P V sind Gips- und Anhydritputze, die je-
forderungen, Ausführung weils auch Kalk enthalten können.
Normal-Putzmörtel können- wie Mauermör-
Die Putzarten können nach der Tabelle 3.6-8 ein- tel - als Rezeptmörtel (Tabelle 3 in DIN 18 550-
geteilt werden. Dabei werden der Normalputz 2) hergestellt werden. In diesem Falle gelten die
sowohl als Innenwand- als auch als Außen- Festigkeitsanforderungen nach Tabelle 3.6-9 als
wandputz, die Wärmedämmputze und Leicht- erfüllt. Die Putzmörtel können dann der jewei-
putze praktisch nur als Außenputze eingesetzt. ligen Putzmörtelgruppe zugeordnet werden.
Bei von der DIN-Tabelle abweichender Zu-
3.6.3.2 sammensetzung (ggf. auch bei Zugabe von Zu-
Herstellung, Zusammensetzung, Putzaufbau sätzen, s. dazu DIN 18 550-2) sind Eignungsprü-
fungen erforderlich. Normai-Putzmörtel kön-
Putzmörtel ist ein Gemisch von einem oder meh- nen als Baustellen- oder Werkmörtel (DIN
reren Bindemitteln, Zuschlag mit einem über- 18 557) und diese wiederum alsWerkfrisch- oder
wiegenden Kornanteil zwischen 0,25 und 4 mm Werktrocken-Putzmörtel hergestellt werden.
und Wasser, ggf. auch Zusätzen. In Sonderfällen Heute werden kaum noch Baustellenmörtel als
kann bei Mörtel für Oberputz der Kornanteil Putzmörtel angewendet.

Mauerwerk 3-353
Tabelle 3.6-9 Mörtelgruppen für Putze

Mörtelgruppe Arte der Bindemittel bzw. Mörtelart Mittlere Mindestdruckfestigkeit


des Putzmörtels im Alter von 28 Tagen
N/mml
PI a Luftkalke keine Anforderungen
b Wasserkalke keine Anforderungen
hydraulische Kalke 1,0
Pli a hydraulische Kalke, Putze und Mauerbinder 2.5
b Kalk-Zement 2,5
Plll a Zement und Kalkhydratzusatz 10
b Zemente 10
PIV a Gipsmörtel 2,0
b Gipssandmörtel 2,0
c Gipskalkmörtel 2,0
d Ka lkgipsmörtel keine Anforderungen
PV a Anhydritmörtel 2,0
b Anhydritkalkmörtel 2,0
POrgl Beschichtungsstoffe mit organischen keine Anforderungen
Bindemitteln, geeignet für Außen- und
Innenputze
POrg2 Beschichtungsstoffe mit organischen keine Anforderungen
Bindemitteln, geeignet für Innenputze

Tabelle 3.6-1 0 Putzaufbau derverschiedenen Außenputzsysteme

Putzsystem Putzaufbau
DIN 18 550 ln der Regel Unterputz und Oberputz, mittlere Dicke 20 mm. bei einlagigen Putzen 15 mm;bewährte
Teil 1 Putzsysteme s. DIN 18 550 Teil1, Tab.3; andere Systeme bedürfen eines Eignungsnachweises.
DIN 18 550-3 wärmedämmenderUnterputz, Dicke <:! 20 mm, $ 100 mm (i.d.R.)
Teil 3 wasserabweisender Oberputz, ein- oder mehrschichtig, Dicke ;;:: 8 mm,$1 5 mm
DIN 18 550 ln der Regel Unterputz und Oberputz, mittlere Dicke 20 mm, Leichtputz als Unterputz 15 mm;
Teil4 bewährte Putzsysteme s. DIN 18 550 Teil4, Tab.1; andere Systeme bedürfen eines Eignungsnachweises
DIN 18558 Unterputz aus Putzmörtel mit mineralischen Bindemitteln, Oberputz Kunstharzputz; bewährte
Putzsysteme s. DIN 18 550 Teil4, Tab. 2; andere Systeme bedürfen eines Eignungsnachweises

Die Putzmörtel nach DIN 18 550-2 (Normal- Für Leichtputze können mineralische und/
putz), nach DIN 18 550-3 und DIN 18 550-4 ent- oder organische Zuschläge mit porigem oder
halten mineralische Bindemittel, Kunstharzput- dichtem Gefüge verwendet werden.
ze nach DIN 18 558 organische Bindemittel. Der Putzaufbau richtet sich nach den Anfor-
Für Normalputze nach DIN 18 550-2 sind derungen an den Putz und der Beschaffenheit
mineralische Zuschläge zu verwenden, für alle des Putzgrundes. Dieser muß eine Reihe von An-
anderen Putzmörtelarten können mineralische forderungen erfüllen; ggf. muß der Putzgrund
und/ oder organische Zuschläge verwendet wer- entsprechend vorbehandelt bzw. vorbereitet
den. werden - u. U. Aufbringen eines Spritzbewurfes,
Wärmedämmputze - Unterputze eines Wär- eines Putzträgers, Anordnen einer Putzbeweh-
medämmputzsystems - enthalten als Leichtzu- rung bei schwierigem Putzgrund. Angaben zum
schlag expandiertes Polystyrol (DIN 18 550-3) Putzaufbau sind in der Tabelle 3.6-10 zusam-
oder auch mineralische Leichtzuschläge (z.B. mengestellt. In der DIN 18 550-1 sind bewährte
Naturbims, Blähton, Blähglas). Unter- und Putzsysteme für Außen- und Innenputze für be-
Oberputz des Wärmedämmputzsystems sind als stimmte Anforderungen bzw. Anwendungen ta-
Werk-Trockenmörtel herzustellen. bellarisch aufgeführt.

3-354 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.6.3.3 Putzweisen sind z. B. gefilzter oder geglätteter
Eigenschaften, Anforderungen Putz, geriebener Putz (Reibputz), Kellenwurf-,
Kellenstrichputz, Spritzputz, Kratzputz und
Um den verschiedenen Anforderungen zu ge- Wasch putz.
nügen, muß der Putz, vor allem der Außen putz, In der Regel sind feine Haarrisse auf der Putz-
eine ganze Reihe von Eigenschaften erfüllen. Ne- oberfläche nicht sicher zu vermeiden. Damit die-
ben den feuchtetechnischen und ggf. wärme- se optisch weitgehend unsichtbar bleiben, emp-
schutztechnischen Eigenschaften sind es vor al- fiehlt sich eine "rauhe" Oberflächenstruktur, z. B.
lem Eigenschaften, welche die Rißsicherheit und ein Kratzputz.
die ausreichende Haftung des Putzes am Putz- Grundsätzlich zu beachten ist - i. w. bei Au-
grund betreffen (Tabelle 3.6-11). ßenputzen -, daß der Putz mit dem Putzgrund
Wichtige feuchtetechnische Eigenschaften "verträglich" ist. Dies heißt, daß i.d.R. (ausge-
sind die Wasserdampfdurchlässigkeit, die mög- nommen Wärmedämmputzsysteme) der Putz
lichst hoch sein soll, um den Wasserdampftrans- weicher, verformungsfähiger als der Putzgrund
port nach außen nicht zu behindern und die ka- sein muß, um schädliche, breitere Risse (etwa
pillare Wasseraufnahme, die klein sein soll, um über 0,2 mm) durch behinderte Putzverformun-
einen ausreichenden Regenschutz zu gewähr- gen (Schwinden, Temperatur) zu verhindern.
leisten. Nach der Größe der kapillaren Wasser- Nur wenn der Putzgrund steifer als der Putz ist,
aufnahme- bei genügender Wasserdampfdurch- kann er rißverteilend wirken. In diesem anzu-
lässigkeit - unterscheidet man wasserhemmen- strebendem Falle entstehen dann im "Rißfall"
de und wasserabweisende Putze. schmale, fein verteilte, unschädliche Risse im
Soll der (Außen-)Putz zur Wärmedämmung Putzbereich (s.a. [Schubert 1993)).
beitragen, so erfordert dies möglichst geringe Um dies sicherzustellen, kann in erster Nähe-
Wärmeleitfähigkeit (derzeit beträgt der klein- rung die Putzregel der DIN 18 550-1 angewendet
ste Rechenwert der Wärmeleitfähigkeit AR= werden, nach der Festigkeit und Steifigkeit vom
0,07 W/(m · K)) und größere Putzdicke. Der Au- Putzgrund nach außen nicht zunehmen sollen
ßenputz wird dann als Wärmedämmputz bzw. (besser ist eine deutliche Abnahme!).
Wärmedämmputzsystem nach DIN 18 550-3 Das bedeutet, daß auf relativ weichen Putz-
oder bauaufsichtlichem Brauchbarkeitsnach- gründen mit vergleichsweise geringer Festigkeit
weis ausgeführt. - Leichtmauerwerk, vor allem Leichtziegelmau-
Außenputze mit hoher mechanischer Bean- erwerk - entsprechend wenig feste und steife
spruchbarkeit müssen ausreichend hohe Druck- Putze anzuwenden sind. Dies sind Leichtputze,
festigkeit und Abriebfestigkeit aufweisen. Ästhe- Wärmedämmputzsysteme aber auch geeignete
tisch relevante Eigenschaften von Putzen sind Normalputze.
die Oberflächenstruktur (Putzweise) und die Die Anforderungen an Putze beziehen sich
Farbgebung. i. w. auf ausreichende Witterungsbeständigkeit,

Tabelle 3.6-11 Putz - wichtige Eigenschaften

Eigenschaften Wichtigfür
Druckfestigkeit ßo mechanische Beanspruchbarkeit, Anpassung an Putzgrund (Putzregel)
Zugfestigkeit ßz Rißsicherheit
Haftzugfestigkeit ßHz ausreichende Haftung am Putzgrund, Rißsicherheit
Haftscherfestigkeit ßHs
(Druck-E-Modul E0) Größe der entstehenden Spannungen, Rißsicherheit
Zug-E-Modul Ez
Bruchdehnung Eu
Feuchtedehnung Größe der entstehenden Spannungen, Rißsicherheit
(Schwinden Es· Quellen Eql
Wärmedehnung Ey
Relaxation 'I' Rißsicherheit
(Spannungsabbau)
(Kriechen, Kriechzahl <p)

Mauerwerk 3-355
Feuchteschutz (wasserhemmend, wasserabwei- rechnung) kann nach einem vereinfachten Nach-
send), Druckfestigkeit (Mindest- und z.T. auch weisverfahren unter Bezug auf zulässige Span-
Höchstwerte) sowie Rohdichte und Wärmeleit- nungen oder nach einem genaueren Verfahren
fähigkeit (bei Leicht- und Wärmedämmputzen). (Rechenfestigkeiten ßR, Traglastverfahren) er-
folgen. Die Norm enthält neben detaillierten
3.6.3.4 Ausführungshinweisen auch Regeln für die Kon-
Anwendung struktion und Ausführung von Mauerwerkbau-
ten und die notwendige Beschreibung der ver-
Putzsysteme nach DIN 18 550-2 und DIN 18 558 wendbaren Mauermörtel mit den entsprechen-
können grundsätzlich auf Außen- und Innen- den Anforderungen.
bauteilen aus Mauerwerk- unter Beachtung von In DIN 1053-2 Mauerwerk; Mauerwerkfestig-
DIN 18 550-2 - angewendet werden. Auf Leicht- keitsklassen aufgrund von Eignungsprüfungen
mauerwerk sollten nur ausreichend "weiche" sind die Verfahrensweise für die Eignungsprü-
Putze (DIN 18 550-3, DIN 18 550-4 bzw. geeigne- fung und die Zuordnung von Rechenfestigkeiten
te Normalputze) aufgebracht werden. und Grundwerten der zulässigen Druckspan-
Mit genormten Außenputzsystemen läßt sich nung geregelt.
ein genügender Witterungs-, vor allem Feuchte- DIN 1053-3 02.90 behandelt bewehrtes Mau-
schutz erreichen. erwerk - s. dazu Abschnitt 3.6.5.
Eine wesentliche Verbesserung der Wärme- Die DIN 1053-4 09.78 befaßt sich mit Bauten
dämmung von Außenbauteilen ist mit Wärme- aus Ziegelfertigbauteilen. Sie wird derzeit über-
dämmputzsystemen erzielbar. Bei Neubauten ist arbeitet und auf Fertigbauteile aus Mauerwerk-
die Kombination mit Leichtmauerwerk sinnvoll. das sind Mauertafeln,Vergußtafeln und Verbund-
tafeln - erweitert. Nach der Neufassung können
3.6.4 Mauertafeln aus allen Mauersteinen und Mauer-
Mauerwerk mörteln (wahrscheinlich ausgenommen Mauer-
mörtel der Gruppen I und II),die nach DIN 1053-
3.6.4.1 1 verwendbar sind, hergestellt werden. Für Ver-
Definition, Normung, Sicherheitskonzeption guß- und Verbundtafeln werden besondere
Mauerziegel verwendet. In der DIN 1053-4 wer-
Definition, Normung den außer den Baustoffen die Berechnung und
Bemessung der Fertigbauteile bzw. der Bauten
Mauerwerk wird aus Mauermörtel (i.allg.) und aus Fertigbau teilen, Konstruktionsdetails, Trans-
Mauersteinen hergestellt. Der Mauermörtel ver- port und Montage der Fertigbauteile sowie die
bindet die Mauersteine kraftschlüssig miteinan- Qualitätssicherung behandelt.
der und gleicht deren Maßtoieranzen aus. Mau-
erwerk kann deshalb als Verbundbaustoff be-
zeichnet werden.
Trockenmauerwerk besteht nur aus- beson-
Ausreichende Standsicherheit
ders maßhaltigen - Mauersteinen (Plansteinen) • Aufnahme Eigenlast, Verkehrslast, Windlast
ohne Mauermörtel und bedarf einer allgemei- • Brandschutz
nen bauaufsichtliehen Zulassung.
Ausreichende Gebrauchsfähigkeit
Mauerwerk ist ein Baustoff für den Hochbau. • Rißsicherheit gegenüber Verformung aus
Wegen der vergleichbaren großen Flexibilität Belastung, Feuchte-, Temperaturänderung
und vor allem wegen der guten bauphysikali- · Wärmeschutz (Wärmedämmung, Wärmespeiche-
rung, winterlicher und sommerlicher Wärmeschutz)
schen Eigenschaften wird Mauerwerk über-
• Schallschutz
wiegend im Wohnungsbau eingesetzt. Mehr als • Witterungsschutz (Durchfeuchtung, Frost,
85% der Wohnungsbauten werden in Mauer- Dauerhaftigkeit)
werk ausgeführt. Aber auch im Industrie- und Architektur/Ästhetik
Verwaltungsbau wird Mauerwerk verwendet. ·Ansprechende Oberflächengestaltung- Sicht-
Mauerwerk ist in DIN 1053-1 bis -4 genormt. mauerwerk
Die DIN 1053-1 behandelt unbewehrtes Mau- • Fassadengliederung
erwerk; Berechnung und Ausführung und zwar
Rezeptmauerwerk (RM) und Mauerwerk nach Abb. 3.6-7 Aufgaben von Mauerwerkbauteilen
Eignungsprüfung (EM). Die Bemessung (Be-

3-356 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Die wesentlichen Aufgaben von MaueTwerk- Wände) angesetzt. Entsprechend werden auch
bauteilen sind in Abb. 3.6-7 aufgeführt. die Rechenwerte abgemindert.
Durch die vielfältigen Kombinationsmöglich- Bei der Druckbeanspruchung werden die
keiten von Mauersteinen und Mauermörtel mit Grundwerte o 0 für die zulässige Spannung auf
jeweils unterschiedlichen Festigkeits-, Verfor- eine Bauteilschlankheit von A. = 10 bezogen. Da-
mungs- und bauphysikalischen Eigenschaften, von abweichende Schlankheiten werden durch
können Mauerwerkbauteile für viele verschie- entsprechende Faktoren berücksichtigt.
denartige Aufgaben funktionswirksam und wirt- Beim Mauerwerk nach Eignungsprüfung nach
schaftlieh eingesetzt werden. Um für den jewei- DIN 1053-2 entsprechen die Sicherheitsbeiwerte
ligen Anwendungsfall die günstigste Mauerstein- bzw. das Sicherheitskonzept denen in DIN 1053-1.
Mauermörtel-Kombination auswählen zu kön-
nen, müssen Baustoffeigenschaften, das Zusam- 3.6.4.2
menwirken der Mauerwerkbaustoffe, Verträg- Herstellung; Mauerwerkarten
lichkeitskriterien und Anwendungsgesichts-
punkte ausreichend bekannt sein und berück- Mauerwerk wird nach wie vor zu mehr als 90 o/o
sichtigt werden. bauseits hergestellt. Es kann auch im Werk in
Form von Einzelbauteilen weitestgehend vorge-
Sicherheitskonzeption fertigt werden (DIN 1053-4}. In jedem Falle muß
die Herstellung des Mauerwerks mit Verband
Wie bei Beton u.a. Baustoffen wird auch die der Mauersteine erfolgen. Das heißt, die Mauer-
Mauerwerkfestigkeit auf den 5%-Quantil-Wert steine werden schichtweise versetzt verlegt und
bezogen. Aus dieser Nennfestigkeit werden dann i. d. R. durch Mauermörtel im Stoß- und/ oder La-
unter Berücksichtigung einer langzeitigen Be- gerfugenbereich verbunden. Die DIN 1053-1 gibt
anspruchung (Dauerstandeinfluß), der Bauteil- Mindestwerte für die Versetzlänge - das über-
schlankheit (bei der Druckfestigkeit) ein Rechen- bindemaß- an (Abb. 3.6-8}.
wert der Festigkeit oder eine zulässige Spannung Zunehmend werden die Stoßfugen nur noch
abgeleitet. teilvermörtelt oder unvermörtelt ausgeführt (s.
Für die zulässige Spannung werden Sicher- dazu Abb. 3.6-9}.
heitsbeiwertevon 2,0 (Wände, bestimmte kurze Mauerwerk kann nach verschiedenen Merk-
Wände) bzw. 2,5 (pfeilerartige Bauteile-kurze malen eingeteilt werden. Verbindliche, in DIN

Überbindemaß ü
Stoßfugen (Ansicht) Längsfugen (Querschnitt)

Stoß- und Längsfugen übereinanderliegender Schichten müssen versetzt sein


0 ~ 0.4 · hw ~ 45; der größere Wert ist maßgebend

Längen-, Höhenausgleich an Wandenden Schichten mit Längsfugen-Verbandmauerwerk


und Stürzen (Ansicht) (Querschnin)

Zulässig: eine zusätzliche

rn~
Steinhöhe hn $ Steinbreite bn
Lagerfuge in jeder 2. Schicht, Ausnahme:
wenn Länge der Steinauf- bei h11 =175; 240: bn~ 11 5
standsfläche ~ 11 Smm und
üwieoben
Festigkeit der Steine und des
Mörtels nicht kleiner als im
übrigen Mauerwerk sind. 1- 1
~ 115 Maßeinmm

Abb. 3.6-8 Mauerwerksverband nach DIN 1053-1 11.%

Mauerwerk 3-357
a"' 10

~"
Vollständig vermörtelt,

a ~:;s
"7"--

~"
Steine mit Mbrteltasche;
Steine mit Mörteltasche; Mörteltasche vermörtelt,
Steinflanke venmörtelt, Steine knirsch verlegt

d~ 115

a~ 5
"7"--
Steine mit ebener ~ Steine mit Nutund Feder;
Stoßfläche; ~ knirschverlegt
knirsch verlegt
d ~ 115 Maße in mm

Abb. 3.6-9 Möglichkeiten für die Stoßfugenausbildungen

Tabelle 3.6-12 Einteilung von Mauerwerk nachRohdichte-und Festigkeitsklassen und Mauermörtel

Mauerwerk Mauersteine (s. Tabellen 3.6-1 und 3.6-2) Mauermörtel (s.Tabelle 3.6-4)
Gruppe Festigkeitsklassen Rohdichteklasse Festigkeitsklasse Art GruppeP
Leichtmauerwerk L .4 (5) ~ 1 .0 ~ ... 6(8, 12)0 LM LM 21, LM 36 (lla)Q
(LMW) DM
(NM)
Normalmauerwerk ~ ... 2,5 (4) ~ ... 1,0 ~ 12 NM ll,lla,lll (llla)Q
(NMW) ~ ... 9 (11) (~ 1.4) S 28 DM 111
Hochfestes ~13 (11) ~ 1.6 ~ 36 NM (lla)Q, III, IIIa
Mauerwerk (HMW) S 25 S 60 DM 111
n vgi.Tabelle 1in DIN 1053Teil2 P Mindestdruckfestigkeit im Aller von 28d in N/mml: ll:2,5;11a:5; 111: 10; llla:20
o () LeichthO<hiO<hziegel,sonst nicht sinnvoll q () nicht sinnvoll

1053 geregelte Einteilungen sind: Rezeptmauer- 3.6.4.3


werk (RM) und Mauerwerk nach Eignungs- Eigenschaften
prüfung (EM) sowie unbewehrtes und bewehr-
tes Mauerwerk. Allgemeines
Die Unterscheidung zwischen RM und EM be-
zieht sich jedoch i.w. nur auf Grundlagen und Wie Beton ist auch Mauerwerk ein Baustoff, der
Verfahrensweisen für die Bemessung (auf in erster Linie für eine Druckbeanspruchung ge-
Druck). eignet ist. Die Beanspruchbarkeit auf Zug, Bie-
Weitere mögliche Einteilungen bzw. Unter- gezug und Schub ist wesentlich geringer als die
scheidungen sind aufDruck.
- Die Gruppierung nach Rohdichte- bzw. Festig- Die Eigenschaften des Verbundbaustoffes
keitsklassen (Tabelle 3.6-12). Mauerwerk werden sehr wesentlich von den Ei-
- Die Unterscheidung nach Mauerstein und genschaften seiner Einzelbaustoffe Mauermörtel
Mauermörtel; z. B. Kalksandstein-Mauerwerk, und (vor allem) Mauersteine bestimmt. Von we-
Dünnbett-Mauerwerk. sentlichem Einfluß auf die Tragfähigkeit von
Mauerwerk sind die Festigkeiten von Mauerstein
und Mauermörtel sowie ihre Verbundfestigkeit

3-358 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Außast

********+

D Drucktrajektorien
f f f f f f f f t Z Zugtrajektorien

Abb. 3.6·10 Spannungsverteilung im Wandquerschnin; Spaltzugkräfte und Spannungsspitzen durch Fehlstellen in der
Lagerfuge

Außerdem beeinflussen der Feuchtegehalt der Da sich bei druckbeanspruchtem Mauerwerk


Mauersteine beim Vermauern, die Art des der Mörtel in der Lagerfuge wegen seiner ge-
Mauerwerkverbandes (Einstein-, Verbandsmau- genüber dem Mauerstein i.allg. größeren Quer-
erwerk), die Überbindelänge der Mauersteine verformbarkeit stärker als dieser querverformen
von Schicht zu Schicht und die Ausführungs- will, daran jedoch durch den Verbund mit dem
qualität (z. B. das vollfugige Mauern) die Festig- Stein gehindert wird, resultieren daraus zusätz-
keitseigenschaften von Mauerwerk. liche Querzugspannungen im Stein (Abb. 3.6-11 ).
Durch den Mauerwerkverband können Hori- Die zusätzlichen Querzugspannungen wach-
zontalkräfte durch Haftung und/oder Reibung sen mit dem Querverformungsunterschied ßEq
zwischen Stein und Mörtel übertragen bzw. auf- zwischen Mörtel und Stein und verringern die
genommen werden. Der Verband ist deshalb Druckfestigkeit des Mauerwerks. Diese wird so-
i.allg. eine wesentliche Voraussetzung für die mit im wesentlichen von der Steinquerzugfestig-
Zug- bzw. Biegezugbeanspruchbarkeit von Mau- keit und der Mörtelquerverformung bestimmt
erwerkAber auch bei Druck- (mehrseitige Hal- (s.a.Abschn. 3.6.2.3). Da aber die Steinquerzug-
terung) und Schubbeanspruchung bewirkt der festigkeit relativ schwierig zu bestimmen ist, ist
Verband i.d.R. eine wesentlich höhere Trag- die Steindruckfestigkeit nach wie vor die maß-
fähigkeit. gebende mechanische Eigenschaftskenngröße.
Der Mörtel in den Fugen, im wesentlichen der Wesentliche Einflüsse auf die Druckfestigkeit
Lagerfugenmörtel, sorgt für die Kraftübertra- von Mauerwerk sind:
gung von Mauerstein zu Mauerstein und durch - die Druckfestigkeit der Mauersteine (genauer
Ausgleich von Maßabweichungen der Mauer- die Querzugfestigkeit) und
steine für eine gleichmäßigere Spannungsver- - die Druckfestigkeit des Mauermörtels (ge-
teilung. Durch unvollständig vermörtelte Lager- nauer das Querverformungsverhalten unter
fugen entstehen Spannungsspitzen (Abb. 3.6-1 0). Druckbeanspruchung),
- der Feuchtezustaqd der Mauersteine beim
Druckfestigkeit Vermauern,
- die Dicke der Lagerfugen,
Die Druckfestigkeit von Mauerwerk ist sehr viel - die Art des Mauerwerkverbandes sowie
größer als die Zug- und Biegezugfestigkeit. Des- - die Ausführungsqualität
halb wird Mauerwerk vorzugsweise für druck-
beanspruchte Bauteile verwendet. Auch wegen des i.allg. sehr großen Steinanteils
Wird Mauerwerk senkrecht zu den Lagerfu- im Mauerwerk ist die Festigkeit der Mauerstei-
gen auf Druck beansprucht, so entstehen im Mau- ne von ausschlaggebender Bedeutung für die
erstein Querzugspannungen. Das Druckversa- Mauerwerkdruckfestigkeit Mit zunehmender
gen tritt durch überschreiten der Steinquerzug- Mauersteindruckfestigkeit steigt auch die Mau-
festigkeit ßz,st ein. erwerkdruckfestigkeit.

Mauerwerk 3-359
--~
~ Stein:
Druck-Zug-Zug

unbehinderte
Querdehnung
-~Mörtel:
~ Druck-Druck-Druck
Stein: Eq,st

+ Mörtel: tq.mö
d._ Stein:

J::: ::: :: ::1 Zugspannungen im Stein


--~- Druck-Zug-Zug
f-c._~._'---....
~ ....:-'1 durch behinderte Quer-
l verformungdes Mörtels Spannungszustand
im Stein, Mörtel

Abb. 3.6-11 Mauerwerk unter Oruckbeanspruchung; Spannungszustand, vereinfachte schematische Darstellung

Der Einfluß des Mauermörtels wird im we-


sentlichen durch die Querverformbarkeit des
Mörtels unter der Druckbeanspruchung sowie
die Lagerfugendicke bestimmt. Steifere Mörtel
und dünnere Lagerfugen ergeben eine höhere
Mauerwerkdruckfestigkeit Eine deutlich gerin-
gere Mauerwerkdruckfestigkeit entsteht, wenn
sehr verformungsfähige Leichtmörtel verwendet
werden.
Plansteine und Dünnbettmörtel führen zu den
vergleichsweise höchsten Druckfestigkeitendes
Mauerwerks.
Der Feuchtegehalt der Mauersteine beim Ver-
mauern kann die Mauerwerkdruckfestigkeit er-
heblich, je nach Steinart unterschiedlich stark,
beeinflussen. Bei Mauerziegeln ist der Einfluß Abb. 3.6-12 Verbandsmauerwerk
des Feuchtegehaltes nicht so groß wie bei ande~
ren Mauersteinen. Die größte Mauerwerkdruck-
festigkeit mit Mauerziegeln wird erreicht, wenn damit auch eine Lastabtragung in horizontaler
trockene Steine vermauert werden; bei Kalk- Richtung erforderlich.
sandsteinen dagegen mit feuchten Steinen. Hinsichtlich der Ausführungsqualität ist der
Der Mauerwerkverband beeinflußt die Druck- Vermörtelungsgrad der Lagerfugen von großem
festigkeit des Mauerwerks bzw. die Tragfähigkeit Einfluß. Nach [Kirtschig 1989], [Meyer 1989]
bei Druckbeanspruchung besonders dann, wenn verändert sich die Mauerwerkdruckfestigkeit
es sich um sogenanntes Verbandsmauerwerk proportional mit der Größe der auf die Gesamt-
handelt (Längsfugen im Wandquerschnitt s. fläche der Lagerfuge (Sollfläche) bezogenen sach-
Abb. 3.6-12) und bei Ansatz mehrseitiger Halte- gerecht vermörtelten Fläche (Istfläche).
rung von Mauerwerkwänden. Wegen der ungün- Die Mauerwerkdruckfestigkeit kann ver-
stig wirkenden Längsfuge bei Verbandsmauer- suchsmäßig nach DIN 18 554-1 oder rechnerisch
werk ist dessen Druckfestigkeit etwa 10 bis 15o/o auf empirischer Basis aus der Steindruckfestig-
niedriger als bei Einsteinmauerwerk (ohne keit und der Mörteldruckfestigkeit wie folgt er-
Längsfuge). mittelt werden:
Um mehrseitige Halterung und damit auch ei-
ne Lastabtragung in horizontaler Richtung an- ßD,mw = a · ßt,st · ßv,mö
setzen zu können; ist ein ausreichendes Über- (ßv,st Mauersteindruckfestigkeit, ßv,mö Mörtel-
bindemaß (Mindestwert nach DIN 1053-1) und druckfestigkeit).

3-360 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Für alle Mauersteinarten und Normalmörtel Mauerwerk zu beurteilen. Eine ausführliche Ab-
ergibt sich nach [Mann 1983] folgende Glei- handlung dazu findet sich in [Schubert 1995].
chung (Mittelwerte): Die für die Bemessung von Mauerwerk nach
DIN 1053-1 erforderlichen Grundwerte der zuläs-
ß D,mw -- 0, 83 · ß0,66 ß0,18
D,st · D,mö • sigen Druckspannungen a 0 (vereinfachtes Be-
rechnungsverfahren) und die Rechenwerte für die
Die Aussagegenauigkeit dieser Gleichung wird Mauerwerkdruckfestigkeit ßR (genaueres Berech-
erheblich verbessert, wenn nach Stein- und Mör- nungsverfahren) sind DIN 1053-1 zu entnehmen.
telarten unterschieden wird. Heute existiert ei- Zwischen ao und ßR besteht der Zusammenhang
ne Reihe von Gleichungen zur Errechnung der
ßR = 2,67 0 0 •
Mauerwerkdruckfestigkeit für spezielle Stein-
Mörtel-Kombinationen, welche die Druckfestig- Bei der Festlegung von a0 wurde i. allg. nicht
keit des Mauerwerks mit guter Genauigkeit wie- nach Mauersteinart unterschieden, sondern ao
dergeben. Sie sind in der Tabelle 3.6-13 (aus wurde jeweils auf den ungünstigsten Fall bezo-
[Schubert 1998]) zusammengestellt. gen. Dies bedeutet, daß für bestimmte Mauer-
Wegen der sehr dünnen Lagerfuge und der ho- stein-Mauermörtel-Kombinationen die Druck-
hen Maßhaltigkeit der Plansteine ergibt sich für festigkeit des Mauerwerks bzw. die Grundwerte
Dünnbettmauerwerk praktisch kein Einfluß der a0 in Wirklichkeit deutlich höher sind, als die in
Mörteldruckfestigkeit. der DIN 1053-1 zugrunde gelegten Werte. Um
In verschiedenen Fällen kann es notwendig nun solche günstigen Mauerstein-Mauermörtel-
werden, die Druckfestigkeit von ausgeführtem Kombinationen nutzen zu können, besteht die

Tabelle 3.6-1 3 Rechenansätze zur Bestimmung der mittleren Mauerwerkdruckfestigkeit, Schlankheit).= 10


(aus (Schubert 1998])

Mauerwerk, Mauersteine Mörtel n a b c BEST


Art Sorte
Mauerziegel Mz NM 55 0,73 0,73 0,16 (52)
Hlz 342 0,55 0,56 0,46 88
Kalksandsteine KS NM 276 0,70 0,74 0,21 81
(Vollsteine) DM 21 0,005 1,92 0,60 (53)
KS NM 24 0,44 0,92 0,17 96
(Biocksteine) DM 40 1,29 0,50 0,35 (30)
KSL NM 108 0,85 0,57 0,20 66
(Lochsteine)
KSL NM 70 0,99 0,64 0,05 72
(Hohlblocksteine) DM 61 0,40 0,93 0,14 69
KS (Biocksteine, DM 151·1 0,55 0,98 0 83
Planelernentel 0,51 1,00 0 80"
Porenbetonsteine PB NM 140 0,98 0,68 0,02 67
0,99 0,69 0 64
LM 17 0,80
0,99
0,64
0,64
0,09
0
_,-'
PP DM 224 0,81 0,84 0 88
831 0,89 0,84 0 97

Leichtbetonsteine V,Vbi,Hbl DM 35 0,85 0,84 0 97


LM 80 0,85 0,58 0,15 82
NM 167 0,82 0,73 0,07 87
V,Vbl LM 21 0,70 0,66 0,16 76
Hbl LM 59 0,86 0,57 0,14 83
V,Vbl NM 61 0,85 0,72 0,09 94
Hbl NM 106 0,89 0,69 0,05 78

Normalbetonsteine Hbn NM 15 0,03 1,82 0,23 88

ßO,mw-- a . ~'o.sr
nb nc
. ~'o.mo n Anzahl der Versuchswerte, 1 neueste Auswertungen (1997)
BEST: Bestimmtheilsmaß in% t Minelwerte n = 3
1 zu wenigeVersuchswerte u Näherung

Mauerwerk 3-361
Möglichkeit einer sogenannten Eignungsprü- Biegehaftzugfestigkeit bestimmt. Die Versuchs-
fung. Diese ist in DIN 1053-2 beschrieben und werte betragen bis zu etwa 0,7 N/mm2• Die hö-
geht von dem versuchsmäßigen Nachweis der heren Werte wurden für Dünnbett-Mauerwerk,
Mauerwerkdruckfestigkeit für eine bestimmte Hochlochziegel sowie Leichtbeton- und Nor-
Mauerstein-Mauermörtel-Kombination aus. Aus malbetonsteine mit Normalmörtel ermittelt.
den Versuchswerten werden dann der Rechen- Eine planmäßige Beanspruchung von Mauer-
wert und der Grundwert der zulässigen Druck- werk auf Zug oder Biegezug senkrecht zu den La-
spannung abgeleitet (s. Tabellen 1 in DIN 1053-2 gerfugen ist nach DIN 1053 nicht zulässig.
und 4c in DIN 1053-1) wobei die "Einstufung" Die Zug-, Biegefestigkeit parallel zu den La-
max. um 50% höher erfolgen darf als für das ent- gerfugen wird sowohl von der Steinzugfestigkeit
sprechende Mauerwerk nach DIN 1053-1. als auch von der Scherfestigkeit zwischen Mau-
Durch diese Verfahrensweise kann bestimm- erstein und Mauermörtel bestimmt. Die Scher-
tes Mauerwerk in Hinblick auf seine Drucktrag- festigkeit hängt dabei von der Haftscherfestig-
fahigkeit wesentlich besser ausgenutzt werden. keit ßHs und dem auflastbedingten Anteil p· o 0
Die Sicherheitsbeiwerte betragen 2,0 für Wän- (Reibungsbeiwert x Normalspannung) ab. Ist
de und 2,5 für bestimmte pfeilerartige Bauteile, keine oder nur eine sehr geringe Auflast vor-
die als "Kurze Wände" bezeichnet werden. handen, so wird die Haftscherfestigkeit bestim-
Mauerwerk aus natürlichen Mauersteinen - mend. Diese unterscheidet sich nach. Mörtelart
Natursteinmauerwerk- wird in DIN 1053-1 in und Mörtelgruppe. Bei hoher Haftscherfestig-
analoger Weise wie Mauerwerk aus künstlichen keit und vergleichsweise geringer Mauersteinfe-
Mauersteinen behandelt, allerdings mit einer stigkeit kann ein Versagen auch durch über-
Reihe von Einschränkungen. Diese betreffen i. w. schreiten der Steinzug-, biegezug- und ggf. der
die Mindestdicke tragender Wände (240 mm), Steinlängsdruckfestigkeit eintreten.
die zulässige Bauteilschlankheit sowie die zuläs- Bisher vorliegende Versuchswerte unterschei-
sigen Zug-, Biegezug- und Schubspannungen. den sich sehr stark je nach Mauermörtel- und
Mauerstein-Kombination. Es wurden Biegezug-
Zug-, Biegezugfestigkeit festigkeitswerte bis zu etwa 2 N/mm2 erreicht. Zu
den Versagensfällen, Einflußgrößen und der
Mauerwerk hat im Vergleich zu seiner Druckfe- rechnerischen Ermittlung s. die Abb. 3.6-13. Re-
stigkeit eine geringe Zug- und Biegezugfestigkeit chenwerte bzw. zulässige Werte für die Haftscher-
Die wesentlichen Einflüsse auf die Zug-, Bie- festigkeit, die Steinzugfestigkeit und den Rei-
gefestigkeit von Mauerwerk sind: bungsbeiwert sowie die maximalen Zug- und
- die Mauersteinzug- und -biegezugfestigkeit, Biegezugspannungen (vereinfachtes Berech-
- die Verbundfestigkeit zwischen Mauermörtel nungsverfahren) finden sich in DIN 1053-1.
und Mauerstein (Scherfestigkeit, Haftzugfe-
stigkeit), Schubfestigkeit
- die Art des Mauerwerkverbandes und die
überbindelänge der Mauersteine von Schicht Die Schubfestigkeit von Mauerwerk ist für die
zu Schicht sowie Aufnahme von Horizontalkräften in Richtung
- die Ausführungsqualität der Bauteilebene (Scheibenschub) und senk-
recht dazu (Plattenschub) von Bedeutung. Dies
Die Zugfestigkeit kann versuchsmäßig nach betrifft in der Regel die Beanspruchung durch
[Backes 1983], die Biegezugfestigkeit nach EN Wind.
1052-2 bestimmt werden. Die wesentlichen Einflüsse auf die Schubfe-
Bei der Zug- und Biegezugbeanspruchung von stigkeit von Mauerwerk sind:
Mauerwerk senkrecht zu den Lagerfugen wird - die Zugfestigkeit der Mauersteine,
die Tragfähigkeit meist ausschließlich von der - die Verbundfestigkeit zwischen Mauerstein
Verbundfestigkeit zwischen Mauermörtel und und Mauermörtel (Scherfestigkeit bzw. Haft-
Mauerstein bestimmt. Diese ist in der Regel - scherfestigkeit) sowie
ausgenommen Dünnbettmörtel - sehr gering - die Ausführungsqualität.
und hängt zudem erheblich von der Ausfüh-
rungsqualität ab. Wie bei der Zug- und Biegefestigkeit wird die
Zugfestigkeitswerte sind nicht bekannt. Die Beanspruchbarkeit auf Schub wesentlich durch
Biegezugfestigkeitswerte werden meist von der die Auflast bestimmt.

3-362 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Zug Biegezug

Beanspruchung, Versagensfälle

s. Abschn. 3.6.4.3, Biegezugfestigkeit

(j) Versagen Stein CD Versagen Verbund


Einflüsse auf die Festigkeit
Scherfestigkeit ß,, (Haftscherfestigkeit) ßHs Scherfestigkeit ß,, (Haftscherfestigkeit) ßHs
Steinzugfestigkeit ßz.w (Richtung Steinlänge) Steinzugfestigkeit ßz.st
Steinlängsdruckfestigkeit ß01,, 1
Berechnung der Festigkeit
CD ßz.mw · (hst + hmö) "' ßz.11 • h,1/2 • unvermönelte Stoßfugen: s. links
h,. • vermönelte Stoßfugen
ß ß
Z.mw "' Z.st 2 (h,t + hmol
ßz.mw "' ßz.,. /2
CD ßsz = 0,59 · ßz.st

ßHS + f!· Oo + 1,24 · k· ßHS · h.,/bst Ü


0 ßz.mw · (hst + hmö) = ß, · Ü
r-i\
~ ß~= . .
0,71 - 0,75 ·f!· u/b., h,1
ßz.mw "' ß, -h Üh _ k= 0,75 (vorläufige Annahme)
st+ mo
ßz.mw = ß,· ü/h,1= (ßHs + f! · Oo)ü/h,1

Abb. 3.6-13 Zug- und Biegezugfestigkeit von Mauerwerk parallel zu den Lagerfugen; Versagensfalle, Einflußgrößen, rechneri-
sche Erminlung

Die Schubfestigkeit bzw. Schubbeanspruch- erstein relativ gering, so daß auch in diesem
barkeit von Mauerwerk wird unter Bezug auf die Falle keine wesentlichen Schubkräfte übertra-
Schubbruchtheorie von [Mann/Müller 1985] er- gen werden können. Dies trifft allerdings nicht
mittelt. Dieser Theorie liegen folgende wesentli- für vollflächig vermörtelte Stoßfugen mit
che Erkenntnisse zugrunde: Dünnbettmörtel zu. Wegen der wesentlich
( 1) In den vertikalen Fugen zwischen den Mau- größeren Verbundfestigkeit des Dünnbett-
ersteinen - den Stoßfugen - können keine bzw. mörtels zum Mauerstein, sind in diesem Falle
nur geringe, vernachlässigbare Schubspannun- auch nennenswerte Schubspannungen im Be-
gen 1 übertragen werden. Die Gründe dafür sind: reich der Stoßfuge möglich;
- Planmäßig zu vermörtelnde Stoßfugen sind - senkrecht zur Stoßfuge sind keine Druckspan-
häufig nicht vollfugig ausgeführt; es entstehen nungen vorhanden, so daß deshalb auch kei-
oft Randablösungen des Mörtels vom Mauer- ne Reibungskräfte erzeugt werden können;
stein infolge Mörtelschwinden; - heute werden immer häufiger planmäßig teil-
- selbst bei ordnungsgemäßer Ausführung von vermörtelte oder unvermörtelte Stoßfugen
planmäßig vollvermörtelten Stoßfugen ist die (Nut- und Federausbildung der Mauersteine)
Verbundfestigkeit zwischen Mörtel und Mau- ausgeführt.

Mauerwerk 3-363
(2) In den horizontalen Fugen (Lagerfugen) wir- - Versagen der Lagerfuge aufAbscheren. Dies ist
ken Schubspannungen r (Abb. 3.6-14) und er- dann der Fall, wenn die Druckspannungen
zeugen ein Drehmoment am Einzelstein. Unter senkrecht zur Lagerfuge klein sind. In diesem
der Voraussetzung in [Mann/Müller 1985), daß Fall wird die Scherfestigkeit- das ist die Sum-
in den Stoßfugen keine nennenswerten Schub- me aus Haftscherfestigkeit ßHS und Rei-
kräfte übertragen werden können, muß das not- bungswiderstand ].1 · ax - überschritten. Der
wendige Gleichgewicht gegen Verdrehen durch Bruch verläuft dann im Bereich der Lager-
ein vertikal wirkendes Kräftepaar aus den und Stoßfugen des Mauerwerks (@ in Abb.
Druckspannungen senkrecht zur Lagerfuge er- 3.6-15).
reicht werden. Dieses Kräftepaar entsteht da- - Versagen der Mauersteine durch Zugbeanspru-
durch, daß in einem Steinbereich die Druck- chung. Bei höherer Druckspannung senkrecht
spannung größer (axd, im anderen Steinbereich zur Lagerfuge vergrößert sich die Scherbean-
kleiner (ad ist - s. Abb. 3.6-14. Diese ungleiche spruchbarkeit im Bereich der Lagerfuge we-
Druckspannungsverteilung, die hier in der Mo- gen des höheren Reibungswiderstandes. Das
dellbetrachtung vereinfacht und schematisiert Versagen wird dann i.d.R. im Mauerstein auf-
in Form eines Spannungssprunges dargestellt treten. Dadurch, daß die Mauersteine in
ist, wurde versuchsmäßig in [Mann/Müller 1985) jeder zweiten Schicht doppelt so große Schub-
nachgewiesen. kräfte übertragen müssen- weil nach der Vor-
Nach [Mann/Müller 1985) ergeben sich i. w. aussetzung in den Stoßfugen keine Schub-
folgende 4 mögliche Schub-Versagensfälle (Abb. kräfte aufgenommen werden - entsteht zu-
3.6-15): sammen mit den Druckspannungen senk-
- Versagen durch Oberschreiten der Haftzug- recht zur Lagerfuge eine schiefe Hauptzugs-
festigkeit zwischen Mauerstein und Lagerfu- pannung im Mauerstein. Diese führt bei
genmörtel. Sind die Druckspannungen senk- Überschreiten der Mauerstein-Zugfestigkeit
recht zur Lagerfuge sehr gering, so wird die zum Versagen. Die in diesem Falle entstan-
kleinere Normalspannung im Bereich des denen Risse sind deshalb im Steinbereich
Mauersteines zur Zugspannung. Setzt man leicht geneigt und setzen sich in den Stoßfu-
diese Oxz = ßHz (Haftzugfestigkeit) so ergibt gen fort. Das Bruchkriterium folgt aus (@in
sich (Q) in Abb. 3.6-15) Abb. 3.6-15).

Wandscheibe Einzelstein Ay
- t;.y
V ~ßo ·­
r - - - , .._ H
;
l!J.o,WJJ
mn
' ' 2

I_t _ t 1t
Ht _ _
o,

Element
nmmmmmm+ o,

t :- - ,, - - : Oz fiiifiiil 0I

T·~ ~ CJI= ~ c :Tn


t c=Jc=:; ~
·---- --T--
fflfflffflflftffffft+ o,

Abb. 3.6-14 Mauerwerk unter Schubbeanspruchung; Spannungszustande, Bruchtheorie

3-364 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Scherversagen zwischen Stein und Mörtel
I
T=(ßHs +j.l·0,)· - - -
2·ßx
1+11·--
D.y

,----
T= ßz... . I+~
2,3 \ ßz,11

Abb. 3.6-1 S Mauerwerk unter Schubbeanspruchung; Hüllkurvendiagramm und Versagensfalle

- Versagen durch Überschreiten der Druckfe- Normalspannung in der Lagerfuge, ßRz Rechen-
stigkeit des Mauerwerks. Sind die Druckspan- wert der Steinzugfestigkeit)
nungen senkrecht zur Lagerfuge sehr hoch, so Die zusätzlich, grundsätzlich möglichen Ver-
versagt das Mauerwerk auf Druck, wenn die sagensarten: Überschreiten der Haftzugfestig-
größere Druckspannung im Steinbereich keit zwischen Lagerfugenmörtel·und Mauerstein
(ax 1) die Druckfestigkeit des Mauerwerks sowie Überschreiten der Druckfestigkeit des
ßD,mw übersteigt. Das Bruchkriterium ergibt Mauerwerks werden i.allg. durch den Nachweis
sich dann zu(@ in Abb. 3.6-15). der Scherfestigkeit ohne Auflast bzw. den Nach-
weis auf Druck mit erfaßt.
Aus diesen verschiedenen Versagenskriterien Rechenwerte bzw. zulässige Werte für die
läßt sich eine Brucheinhüllende [Mann/Müller Haftscherfestigkeit, die Steinzugfestigkeit und
1985] ableiten, oberhalb der ein Versagen auf- den Reibungsbeiwert sowie die maximale
tritt (Abb. 3.6-15). Schubspannung (vereinfachtes Berechnungsver-
In [Mann/Müller 1985] wird ausdrücklich da- fahren) finden sich in DIN 1053-1.
rauf hingewiesen, daß die dargestellten Zusam- Die max. zulässige Schubspannung beträgt
menhänge für Mauerwerk im Läuferverband - 0,84MN/m2 •
Überbindelänge etwa halbe Steinlänge - abge-
leitet wurden. Sie gelten deshalb für andere Ver- Formänderungen und Rißsicherheit
bandsarten, z.B. Blockverband, nur näherungs-
weise. Allgemeines, Bedeutung. Durch behinderte
In DIN 1053-1 11.96 sind sowohl mit dem Formänderungen von Mauerwerk können- wie
vereinfachten als auch mit dem genaueren Be- bei anderen Baustoffen auch - rißgefährliche
rechnungsverfahren jeweils 2 Nachweise zu füh- Spannungen entstehen. Dadurch hervorgerufe-
ren. Der erste Nachweis bezieht sich auf das Ver- ne Risse beeinträchtigen in der Regel nicht die
sagen der Lagerfuge, der zweite auf das Versagen Standsicherheit von Bauteilen oder Gebäuden, es
des Mauersteins. Die beiden Nachweis- kann jedoch die Gebrauchsfähigkeit im Einzel-
gleichungen des genaueren Berechnungsverfah- fall wesentlich verschlechtert werden. Dies be-
rens sind nachfolgend aufgeführt. trifft den Feuchteschutz bei Außenbauteilen so-
wie möglicherweise auch den Schallschutz.
Y 'T $ßRHS +ji. Ox,
Durch eine stärkere Durchfeuchtung können die
Wärmedämmung vermindert werden und bei
y · T$ 0,45· ßRz · ~1+ax !ßRz
Frostbeanspruchung örtlich begrenzte Schäden
(ßRHS Rechenwert der abgeminderten Haft- entstehen. Derartige Rißschäden sind nur durch
scherfestigkeit, P, = 0,4 Rechenwert des abge- ausreichende Kenntnis der Verformungseigen-
minderten Reibungsbeiwertes, ax zugehörige schaften von Mauerwerk und entsprechende

Mauerwerk 3-365
Maßnahmen zu vermeiden. Dies muß bereits im bleibenden Dehnungen, der aber nicht beson-
Planungsstadium beachtet werden. Eine nach- ders berücksichtigt wird. Auch der Druck-E-Mo-
trägliche Instandsetzung von Bauteilen mit Riß- dul von Mauerwerk wird nach DIN 18 554-1 un-
schäden kann im Einzelfall sehr kostenintensiv ter Bezug auf die gesamten Dehnungen bei der
sein. Prüfspannung (etwa 1/3 der max. Druckspan-
nung) ermittelt.
Formänderungsarten, Zahlenwerte. Die Abb. Druck-E-Modul-Werte für Mauerwerk sind in
3.6-16 gibt einen Überblick über die beim Mau- der Tabelle 3.6-14 angegeben. Sie können auch
erwerk auftretenden Formänderungsarten. Es mit den Gleichungen der Tabelle 3.6-15 aus der
sind bis auf das chemische Quellen, das bei Mau- Mauerwerkdruckfestigkeit (s. a. Abb. 3.6-17) oder
erziegeln auftreten kann, dieselben Formände- aus a0 (Tabelle 3.6-16) abgeleitet werden.
rungsarten wie bei Beton. Die E-Moduln von Mauerwerk verändern sich
In der Tabelle 2 der DIN 1053-1 sind Zahlen- im Gegensatz zu Beton altersbezogen ver-
werte für die Formänderung angegeben und gleichsweise wenig. Sie können zumindest ab ei-
zwar sowohl als Rechenwert (i.allg. zutreffender nem Alter von einem Monat als praktisch kon-
Wert) und als Wertebereich (unterer und oberer stant angesehen werden.
Grenzwert). Die Werte in DIN 1053-1, 11.96,
stammen weitgehend unverändert aus [Schu- Feuchtedehnung. Die Feuchtedehnung beinhal-
bert 1998]. Die Angaben in der DIN sind keine tet alle Formänderungen infolge Feuchteeinwir-
Anforderungen. Deutlich sind die großen Unter- kung, das sind: Schwinden bzw. Quellen und che-
schiede im Wertebereich für die einzelnen misches Quellen.
Mauerwerksarten (Steinarten) sowie vor allem Unter Schwinden wird die Volumenverringe-
die Unterschiede zwischen den verschiedenen rung bzw. Verkürzung durch Feuchteabgabe
Mauerwerksarten. Die Mörtelart kann zwar auch (Austrocknen) verstanden. Quellen ist der um-
die Formänderungswerte beeinflussen, der Ein- gekehrte Vorgang.
fluß ist jedoch gegenüber den Formänderungen Einflüsse auf das Schwinden, Quellen von
der Mauersteine in den meisten Fällen vernach- Mauerwerk sind:
lässigbar, vor allem bei großem Steinanteil in - die Schwindcharakteristik der Steine, des
Mauerwerk (großformatige Steine). Mörtels,
- Porenstruktur, Zusammensetzung,
Formänderungen infolge kurzzeitiger Lastein- - der "Einbau"- Feuchtegehalt,
wirkung. Die durch kurzzeitige Lasteinwirkung - der Stein-, Mörtelanteil,
bei Mauerwerk entstehenden Formänderungen - die Bauteilgröße (Wanddicke),
werden näherungsweise als elastische Dehnung - die Schwindrichtung: horizontal, vertikal,
Eel bezeichnet, obwohl sie versuchsmäßig durch - das Schwindklima, relative Luftfeuchte, Luft-
einmalige Belastung ermittelt werden. Aus die- bewegung (Temperatur)
sem Grunde enthalten sie auch einen Anteil von - die Anzahl der Schwind-, QuellwechseL

Abb. 3.6·16 Formänderungen von Mauerwerk

3-366 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3o6-14 E-Modui-Werte von Mauerwerk in 101 N/mmZ (aus [Schubert 1998])

Mauersteine Mauermörtel
Steinsorte DIN Festigkeits Normalmörtel, Gruppe Leicht- Dünnbett-
klasse II lla III lila mörtel mörtel
Hlz 105 4 - - - - 2,5 4,0
6 - - - - 4,0 4,5
8 - - - - 5,0 5,5
12 3,5 5,0 6,0 8,0 6,5 -
20 5,0 6,5 8,5 11 ,0 - -
28 6.5 8,5 10,5 13,5 - -
36 - - 12,5 16,0 - -
48 - - 15,0 19,0 - -
60 - - 18,0 22,5 - -
KS 106 4 1,9 2,2 2,5 2,9 - -
6 2,6 3,0 3.4 4,0 - -
8 3,2 3,7 4,2 1,9 - -
12 4,3 5,0 5,7 6,6 - 8,0
20 6,3 7,2 8,4 9,7 - 10,0
28 8,1 9,3 10,7 12,4 - -
36 9,7 11,2 12,9 15,0 - -
48 12,0 13,9 16,0 18,5 - -
60 14,2 16,4 18,9 21,8 - -
KSL 106 12 3,2 3,7 4,2 4,9 - -
20 5,0 5,8 6,6 7,7 - -
28 6,1 7,0 8,0 9,3 - -
Hbl 18151 2 2,2 2,2 2,3 - 2,2 2,0
4 3,5 3,6 3,8 - 3,0 -
6 4,6 4,8 5,0 - 3,6 -
8 5,6 5,9 6,1 - 4,1 -
V,Vbl 18152 2 2,2 2,4 2,5 - 2,0 2,0
4 3,7 3,9 4,1 - 3,0 3,5
6 4,9 5,2 5,6 - 3,7 5,0
8 6,0 6,4 6,8 - 4,3 -
Hbn 18153 4 4,5 5,8 7,6 - - -
6 5,8 7,5 9,8 - - -
8 6,9 9,0 11 ,7 15,2 - -
12 8,8 11 ,5 15,0 19,5 - -
PB, PP 4165 2 1,1 1,1 1,1 1,1 1,1 1,0
4 1,8 1,8 1,8 1,8 1,8 1,8
6 2,4 2,4 2,4 2,4 2,4 2,5
8 3,0 3,0 3,0 3,0 3,0 3,1

Tabelle 3o6-15 E-Mod uln von Mauerwerk (aus [Schubert 1998])

Mauerstein Mauermörtel Gleichung • Streubereich %


Mauerziegel Normalmörtel E= 1200. ßo.mw ±50
(io woHoch Iochziegei) Leichtmörtel E= 1500. ßo,mw
Kalksandsteine Normalmörtel E= 600 ßo,mw
0 ± 50
Dünnbettmörtel
Porenbetonsteine Normalmörtel E= 520 ßo.mw ± 50
E= 570 ° ß8:~,9
Dünnbettmörtel E=470ßo.mw ± 20
E= 420· ß&~
Leichtbetonsteine Normalmörtel E= 1040 ßo.mw ± 20
Leichtmörtel
E= 1240 · ß&~w
v Po.mw: Mauerwerkdruckfestigkeit. Po...:Steindruckfestigkeit

Mauerwerk 3-367
Eomw
20000 .--·- - - - - - - . - - - - - - . - - - - . - - - - - - - - - ,
E" mw (Sekantenmodul) in
N/mm2 · Abhängigkeit von der
Hlz/NM Mauerwerkdruck-
festigkeit ßo.-
KS Kalksandvollsteine
Hlz Hochlochziegel
PP, PB Porenbeton-Piansteine,
-Blocksteine
LB Leichtbetonsteine
NM Normalmörtel
LM Leichtmörtel
DM Dünnbettmörtel

5 10 15 20
Po.mw

Abb. 3.6-17 Druck-E-Modul von Mauerwerk

Tabelle 3.6-16 E-Moduln von Mauerwerk aus DIN 1053-1

Mauersteinart/DIN

Rechenwert Wertebereich
MNfm2 MNfm2
Mauerziegei/DIN 105 Teile 1 und 2 3500 3000 ... 4000
Kalksandsteine/DIN 106 x 3000 2500 ... 4000
Porenbetonsteine/DIN 4165 2500 2000 .. ' 3000
Leichtbetonsteine/DIN 18151,DIN 18152 5000 4000 ... 5500
Betonsteine/DIN 18 153 7500 6500 ... 8500
wa 0 Grundwert der zulässigen Druckspannung x Gilt auch fOr HOttensteine/DIN 398

Zur Prüfung des Schwindens, Quellens s. [Schu- Das chemische Quellen ist die Volumen- bzw.
bert 1992]. Wegen des i. allg. sehr großen Mauer- Längenzunahme durch Anlagerung von Wasser-
steinanteils im Mauerwerk kann ausreichend ge- molekülen (Chemisorption).Eskann bei Mauer-
nau aus den Schwindwerten von Einzelsteinen ziegelnauftreten und zeitlich unterschiedlich ver-
auf das Schwinden von Mauerwerk geschlossen laufen (Abb. 3.6-19). Die im Bild dargestellten
werden. Kurven 1 und 3 sind in der Regel ohne bauprak-
Aus Untersuchungsergebnissen abgeleitete tische Bedeutung, weil in diesen Fällen das che-
Kurven für den zeitlichen Verlauf des Schwin- mische Quellen sehr schnell auftritt und beendet
dens zeigt Abb. 3.6-18. ist. Kritisch und rißgefährlich kann das chemi-
Anhand dieser Kurven, die als sehr grobe sche Quellen nach dem Kurventyp 2 werden,
Näherung anzusehen sind, kann das Schwinden wenn es eine bestimmte Größenordnung erreicht.
für einen bestimmten Zeitraum abgeschätzt wer- Einflüsse auf das chemische Quellen von
den. Mauerziegeln sind:
Für verschiedenes Mauerwerk existieren de- - die Rohstoffzusammensetzung, die Brenn-
taillierte Angaben zu den Schwindendwerten von bedingungen bei der Mauerziegel-Herstel-
Einzelsteinen und Mauerwerk- auch in Abhän- lung,
gigkeit von der Vorlagerung und den verwende- - die Quellrichtung (Höhe, Länge ... Stein),
ten Baustoffen (s. dazu in [Schubert 1998]). - die (Feuchtigkeit), i.allg. ist normale Luft-
Das Schwinden ist bei Mauerwerk nach etwa feuchtigkeit ausreichend,
3 bis 5 Jahren weitgehend beendet. - der Stein-, MörtelanteiL

3-368 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


1,0
0,9
0,8
0,7
a[ =
E, (I)
Es:--
d,r=k.r · u
Rf 1<.1
30 'o.S
2A

/
1/
2.."
/
--
,',.;:-
,//~~
/ /.,.."'//
,_,
.",.-::,'
,-- d,r
I 240-PB, PP
2 70-KS, KS L
3 120-KS, KS L
4 240-KS, KS L
so 'oT / ///
/

65 Ta
0,6
/
5 120-V, Vbl
V 37-// . 6/ 6 160-Hbl
0,5
0,4
I 4,/ //-- / 5
7 240-V, Vbl, Hbl

0,3
/_ ~~/_ / / / /
Unverputzte Wände, die
dtf Effektive Dicke, etwa
gleich Wanddicke
0,2 / /V/>/ Mauersteine wurden vor dem
Vermauern 2d in Wasser und
RF Relative Luftfeuchte

/ h in %
~ / /
".- 1 d in Raumluft gelagert.
0,1 ~----0/ -'
~~,.-'
0
0 10 100 1000 10000
Schwinddauer (d)

Abb. 3.6-18 Zeitlicher Vertauf des Schwindens t, (I) von Mauerwerk bezogen auf den Endschwindwert t,_; Mauerwerkalter
bei Schwindbeginn i. a. 3 bis 7 d

im Bereich der Gebrauchsspannung - Druck-


spannung bis etwa 30% der Höchstspannung -
konstant. Bei Kenntnis der Kriechzahl ergibt sich
- -3
die Kriechdehnung wie folgt
- 2
Ek =<p • Eel =<p • vorh a I E .
I

~--- -1
Untersuchungsergebnisse zum zeitlichen Verlauf
des Kriechens sind in Abb. 3.6-20 aus [Glitza 1984)
dargestellt. Das Kriechen ist bei Mauerwerk nach
0 20 40 60 80 100 I
etwa 3 bis 5 Jahren weitgehend beendet.
Abb. 3.6-19 Zeitlicher Verlauf des chemischen Quellens;
Kurventypen Wärmedehnung. Die Wärmedehnung Er ist die
Volumen- bzw. Längenänderung infolge Tempe-
raturänderung ß T (Erwärmung, Abkühlung)
Das chemische Quellen kann versuchsmäßig,
Ey=cx.y · ßT
auch nachträglich ermittelt werden (s. [Schubert
1992)). Bei der nachträglichen Bestimmung ist mit cx. T Wärmedehnungskoeffizient
zu berücksichtigen, daß ein bestimmter Anteil Einflüsse auf die Wärmedehnung von Mauer-
des chemischen Quellens vor dem Vermauern werksind:
aufgetreten und damit rißunwirksam ist. - die Baustoffeigenschaften - Wärmedehnungs-
koeffizient cx.y der Mauersteine, des Mauer-
Formänderungen infolge langzeitiger Lastein- mörtels,
wirkung- Kriechen. Kriechen ist die Verkürzung - die Feuchtigkeit im Mauerwerk,
unter langzeitiger Lasteinwirkung. - Konstruktion und Farbgebung des Bauteils.
Das Kriechen wird wie bei Beton aus der im
Versuch ermittelten Gesamtdehnung des belaste- Zur Prüfung des Wärmedehnungskoeffizienten
ten Prüfkörpers abzüglich der elastischen Deh- s. in [Schubert P 1992].
nung und der Feuchtedehnung ermittelt:
Rißsicherheit von Mauerwerk
Ek = Eges - Ee[ - Ef •

Die Feuchtedehnung muß dabei an unbelasteten Entstehen von Spannungen und Rissen. Durch
Vergleichsprüfkörpern bestimmt werden. Die Formänderungsunterschiede innerhalb des Bau-
Kriechzahl <p ist das Verhältnis von Ekl Eei· Sie ist teils (z.B. Wärme-, Feuchtedehnung) oder zwi-

Mauerwerk 3-369
- - Hl.z
/ - - · KS
- .. .. _ PB2
/ -·-·- PB4,PB6
/ ---- V
......... Hbl

..~·· Hlz
KS
Hochlochziegel
K.llkl.andvollsteine
PB Porenbetonblockl.teine
V, Hbl Leichtbeton·Vollblöcke,
•Hohlblöcke

10 100 1000 10000


Alterind

Abb. 3.6-20 Zeitlicher Verlauf des Kriechens (nach [Schubert 1991])

sehen benachbarten Bauteilen entstehen Span- sehen benachbarten Bauteilen auftreten. Beispie-
nungen, wenn die Formänderungen nicht zwän- le dafür sind lange wenig oder gar nicht vertikal
gungsfrei ablaufen können. Rißgefährlich sind belastete Wände, die sich durch Schwinden und
wegen der geringen Mauerwerkfestigkeit Zug-, ggf. Temperaturabnahmeverkürzen wollen (z.B.
Scher- und Schubspannungen. Durch innere Verblendschalen), oder Innen- und Außenwän-
Kriecheffekte und Spannungsumlagerungen de im Verband, die sich in vertikaler Richtung
wird die aus behinderten Dehnungen entstande- sehr unterschiedlich verformen.
ne Spannung relativ rasch abgebaut. Die Span- Derartige Risse beeinträchtigen nur in selte-
nungsabnahme wird durch die Relaxationszahl nen Fällen die Standsicherheit, i.allg. aber die
ljl gekennzeichnet. Diese kann ersatzweise in et- Gebrauchsfähigkeit (Schall-, Wärme-, Feuchte-
wa mit Hilfe der Kriechzahl beschrieben werden schutz; Ästhetik).
1
ljl=--, Beurteilung der Rißsicherheit. Wegen der Viel-
1+<p
zahl von kaum ausreichend genau erfaßbaren
und für den Endzustand Einflußgrößen ist die rechnerische Beurteilung
1 der Rißsicherheit in der Regel nur sehr einge-
ljl oo : : : - - - . schränkt möglich, in den nachfolgend beschrie-
1+<poo
benen Fällen jedoch mit brauchbarer Aussagesi-
Der Spannungsabbau ist bei langsamer ablau- cherheit (s. dazu auch in [Schubert 1988)).
fenden Formänderungen - wie Schwinden und
jahreszeitliche Temperaturänderungen- größer Formänderungsunterschiede überwiegend in
als bei kurzzeitigen Formänderungen. vertikaler Richtung (Verformungsfall V)
Die Rißsicherheit SR hängt von der Größe der Durch Belastungsunterschiede und/oder unter-
vorhandenen Spannungen vorho oder Dehnun- schiedliche Formänderungseigenschaften von
gen vorhE und der Größe der Festigkeit ß bzw. Innen- und Außenwandmauerwerk entstehen
Bruchdehnung Eu ab. Verformungsunterschiede.
Die Größe von vorho wird bestimmt durch die Diese können zu einer Verkürzung der Innen-
gesamte vorhandene Dehnung bzw. den Deh- wand gegenüber der Außenwand (Fall Vl) oder
nungsunterschied, den E-Modul, die Relaxation auch zum umgekehrten Fall führen (Fall V2).
und den Behinderungsgrad für die Dehnungen. Eine unabhängige und unbehinderte Verfor-
Der Behinderungsgrad hängt von den Lagerungs- mung von Außen- und Innenwand ist aber im
bedingungen ab und kann theoretisch zwischen Regelfall nicht möglich. Da die auftretenden Ver-
0 (frei beweglich) und 1 (volle Einspannung) be- formungsunterschiede nicht spannungsfrei ab-
tragen. laufen können, entstehen im Bereich der größ-
Rißgefahr besteht vor allem dann, wenn gro- ten Behinderung (im Anschlußbereich Außen-
ße Verformungs- (Dehnungs-)unterschiede zwi- Innenwand) Zug- bzw. Schubspannungen, die zu

3-370 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


den in Abb. 3.6-21 dargestellten Rissen führen schiedes ist die Rißgefahr im Falle V2 i.d.R.
können. Die Rißgefahr und im Schadensfall die größer als bei Vl. Eine grobe Einschätzung der
Rißweite sind im obersten Geschoß (oberste Rißsicherheit verschiedener Mauerstein-Kom-
Querwand) am größten. Sie hängen i. w. von Art binationen enthält die Tabelle 3.6-17.
und Größe der Formänderungen und den Stei- Zur Erhöhung der Rißsicherheit kommen
figkeitsverhältnissen (Querwände, Außenwän- grundsätzlich folgende Maßnahmen in Frage:
de) ab. - Mauerwerk der Innen- und Außenwände so
Beim Fall V1 sind die Verformungsunterschie- wählen, daß die Dehnungsdifferenz L'1E mög-
de - und damit auch die Rißgefahr - besonders lichst klein wird.
groß, wenn für die Innenwände stark kriechen- - Statisches System so wählen, daß L'1E möglichst
des und schwindendes Mauerwerk und für die klein wird bzw. weitgehend unwirksam ist
Außenwände wenig kriechendes und wenig (Stumpfstoßtechnik",weiche Anker").
schwindendes bzw. chemisch quellendes Mauer- - Bauseitige Ursachen für Dehnungsunterschie-
werk verwendet wird. de zwischen Innen- und Außenwänden (z.B.
Besteht dagegen die Innenwand aus Mauer- unterschiedliche Herstellfeuchte der Wände)
werk, das sich infolge Belastung nur wenig ver- möglichst vermeiden ~ Baustoffe, Mauer-
formt (verkürzt) - hoher E-Modul, niedrige werk trocken halten.
Kriechzahl -, wenig schwindet oder ggf. che- - Wände möglichst spät verputzen.
misch quillt, und die Außenwand aus stark - Konstruktive Bewehrung im rißgefährdeten
schwindendem Mauerwerk, das sich u. U. noch Wandbereich der obersten Innenquerwand
unter die Herstelltemperatur abkühlt (Fall V2), nahe Außenwand (Verformungsfall V1, Be-
so entstehen Zugspannungen in der Außenwand wehrung in den Lagerfugen, z.B. Murfor-Be-
senkrecht zu den Lagerfugen. Die Rißgefahr ist wehrungselemente, Abb. 3.6-22.
wegen der geringen Zugfestigkeit senkrecht zu - Günstige Steifigkeitsverhältnisse von Innen-
den Lagerfugen groß. und Außenwand wählen.
Die Rißgefahr kann für beide Verformungs-
fälle (V1, V2) rechnerisch beurteilt werden. Das Formänderungsunterschiede in horizontaler
Rechenverfahren ist in [Schubert 1996] ausführ- Richtung (Verformungsfall H)
lich mit Beispielen dargestellt. Wegen des gerin- Bei längeren, nicht oder nur wenig belasteten
gen rißfrei aufnehmbaren Verformungsunter- Mauerwerkwänden (Ausfachungen, leichte

~
I \
( \
( \ b

"\.-:_-_y ~ s::::: s::::: l


Ansicht Querschnitt
I \
~---:..

I!Fenster Riß : : Riß


,..~
I
- Fenster 1

Grundriß Innenwand

Außenwand

Abb. 3.6-21 Risse durch Formänderungsunterschiede in vertikaler Richtung; a Verformungsfall Vl, b Verformungsfall V2

Mauerwerk 3-371
Tabelle 3.6-17 Miteinander verbundene Außen(A)- und tnnenquer(I)-Wände;häufige Kombinationsfalle und Einschätzung
der Rißgefahr

Mauerwerk dw,A ßc1.A sich ver- sich ver- Rißgefahr


Außen Innen (Querwand) (trEA) kürzende längernde nein ja möglicher-
dw=115 ... 240 mm mm/m Wand Wand weise
Kalksandsteine Kalksandsteine 175 - 0,2 lW - X - -
NM, DM NM, DM (WDVS) + 0,2 AW - X - -
- 0.4 lW - X - -
+0.4 AW - - - X

Mauerziegel Mauerziegel 300,365 +0.2 - lW X - -


LHLz6 .. . 12 LHLz6 ... 12 -0,2 - AW X - -
LM LM +0,4 - lW - xY -
- 0.4 - AW - - X

Mauerziegel Kalksandsteine 300,365 - 0,2 lW - X - -


LHlz6 ... 12
LM
NM(DM) - 0,4
- 0,6
lW
lW
AW
AW
-
-
-
X
X
-
Leichtbetonsteine Leichtbetonsteine 300,365 - 0,2 lW - X - -
Vbi,Hbl V12.. . + 0,2 AW - X - -
LM,DM NM, DM - 0,4 lW - - - X
Kalksandsteine + 0,4 AW - - X -
NM, DM
Porenbeton- Kalksandsteine 300,365 -0,2 lW - X - -
Plansteine (NM), DM + 0,2 AW - - - X
DM - 0,4 lW - X - -
dw Wanddicke in mm; DM,LM, NM Dünnbett·, leicht·, Normalmörtei;WDVS Wärmedämm·Verbundsystem
=
Y bei hohen chemischen Quellen <cq > 0,2mm/m der Innenwand und <cq 0 der Außenwand

rungsgrad - d.h. stärkerem Verbund mit be-


nachbarten, sich anders verformenden Bauteilen
- mit höherem E-Modul des Mauerwerks in
Wandlängsrichtung, geringerer Zugfestigkeit
und abnehmendem Verhältnis Wandhöhe/
Wandlänge.
Die maximal mögliche Wandlänge ohne Risse
- rißfreie Wandlänge -,die gleichzusetzen ist mit
dem Dehnungsfugenabstand, kann rechnerisch
oder aus Diagrammen (Abb. 3.6-24) in guter
Näherung ermittelt werden.
Der rechnerische Nachweis ist in [Schubert
Abb. 3.6-22 Lagerfugenbewehrung mit Murfor-Beweh- 1996) ausführlich mit Beispielen dargestellt.
rungselementen Im Diagramm Abb. 3.6-24 sind auf der Ordi-
nate die rißfreie Wandlänge lr1 für 1 m Wand-
Trennwände, Verblendschalen) können Form- höhe und auf der Abszisse die gesamte Dehnung
änderungen in horizontaler Richtung infolge ges Einfolge Schwindensund Temperaturabnah-
Schwindensund Abkühlens unter die Herstell- me angegeben. Die Kurven gelten für eine unten
temperatur des Bauteils zu Rissen führen. Die aufgelagerte Wand, die sich am oberen Wand-
Formänderungen werden durch die obere, unte- ende frei verformen kann (z.B. Dehnungsfuge).
re und seitliche Verbindung der Mauerwerk- Je nach Auflagerungsbedingungen werden ver-
wände mit angrenzenden Bauteilen behindert schiedene BehinderungsgradeR für die Verfor-
und führen zu Zugspannungen, die bei halber mung ges E angegeben. Bei Wänden auf einer
Wandlänge annähernd horizontal verlaufen Feuchtesperrschicht (Dachpappe) kann R zu 0,4
(Abb. 3.6-23). Die Rißgefahr vergrößert sich mit bis 0,6 angesetzt werden, ohne Zwischenlage
höherem Schwinden und größerem Behinde- sollte R = 0,8 gewählt werden.

3-372 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Ansicht Spannungsverlauf bei 1/2

{~
Riß durch Fugen
maßgebend ist Steinzugfestigkeit Pz.11 maßgebend ist Scherfestigkeit PaMörtel/Stein

(keine bzw. vernachlässigbare Verbundfestigkeit im Stoßfugenbereich)

Abb. 3.6-23 Risse durch Formänderungen in horizontaler Richtung; Verformungsfall H, Wand unten verformungsbehindert
(aufgelagert)

1,,
12,5 R= 0,5

10,0
0,5 Mauerwerk aus
KS, KSL
Hlz, V, PB (PP) 1
7,5
1unsicher

5,0
1, =1, 1 · hmw
hmw = Wandhöhe

2.5

0
0 0,1 0,2 0,3 0.4 0,5 0,6 0.7 0,8 mm/m
geSE

Abb. 3.6-24 Verformungsfall H; rißfreie Wandlänge für eine 1 m hohe Wand 1,1 in Abhängigkeit von der Gesamtdehnung ges E
und dem Behinderungsgrad Ram Wandfuß

Mauerwerk 3-373
Mit dem ermitteltenges E und dem anzuset- - geringe Verformungsbehinderung am Wand-
zenden R kann nun aus dem Diagramm lrl für fuß (Wandkopf)
das gewählte Mauerwerk abgelesen werden. Die - ggf. 2 Lagen Pappe
rißfreie Wandlänge l, bzw. der Dehnungsfugen- - konstruktive Lagerfugenbewehrung (vor al-
abstand ergibt sich dann mit der tatsächlichen lem im Brüstungsbereich)
Wandhöhe hmw zu - gute Nachbehandlung (Schutz vor Durch-
feuchtung bzw. schneller Austrocknung)
l, = lr! · hmw• - Vergrößerung der Haftscherfestigkeit
Beispiel: Verblendschale aus Kalksandsteinen - Anordnung von Dehnungsfugen
auf Feuchtesperrschicht, Wandhöhe: 5,50 m, - bei größeren Wandlängen
Schwinddehnung Es = 0,20 mm/m, Wärmedeh- - anGebäudeecken
nung (Temperaturabnahme gegen Herstelltem- - an Schwachstellen (Brüstungen u.ä.)
peratur,~T= 10K,
Ohne rechnerischen Nachweis für die rißfreie
ET = 10 K · 8 · IQ-6/K = 0,08 · 10-3 = 0,08 mm/m)
Wandlänge bzw. den Dehnungsfugenabstand
Gesamtdehnung: ges E = 0,20 + 0,08 werden vertikale Dehnungsfugen in folgenden
=0,28mm/m Abständen empfohlen:
Behinderungsgrad: R = 0,6 Mauerwerk aus DF-Abstand m
Rißfreie Wandlänge: l, = 1,3 · 5,5 = 7,2 m - Kalksandsteinen 6bis 8
- Porenbetonsteinen 6 bis 8
Erhöhte Rißgefahr kann im Bereich von Brü- - Leichtbetonsteinen 4 bis 6
stungen wegen der Belastungs- und Formände- - Mauerziegeln 10 bis 20
rungsunterschiede zwischen Brüstung und an-
grenzendem Wand- bzw. Pfeilerbereich auftre- Da Mauerziegel praktisch kaum schwinden, be-
ten. Zur Vermeidung von Rissen empfehlen sich steht bei diesem Mauerwerk i. allg. keine Rißge-
eine Lagerfugenbewehrung, die beidseits der fahr; bei langen Verblendschalen (etwa über 10
Brüstung mindestens 0,5 m ins angrenzende bis 15m) empfehlen sich Dehnungsfugen im Be-
Mauerwerk reichen sollte, oder die Anordnung reich der Gebäudeecken, um Verformungen in-
von Dehnungsfugen zwischen Brüstung und an- folge Temperaturänderung und ggf. chemischen
grenzendem Mauerwerk, wobei die Standsi- Quellens im Eckbereich schadensfrei aufneh-
cherheit der Brüstung durch konstruktive Maß- men zu können. Wegen des häufig höheren End-
nahmen (z. B. Verankerung) zu gewährleisten ist. schwindwertes sind die rißfreien Wandlängen
Bei belasteten Wänden ist die Rißgefahr durch für Leichtbetonstein-Mauerwerk meist etwas
behinderte horizontale Formänderungen we- kleiner als die für Mauerwerk aus Kalksandstei-
sentlich geringer, weil die auftretenden Zug- nen und Porenbetonsteinen. Hinsichtlich weite-
spannungen weitgehend überdrückt werden. rer Angaben zur Anordnung, Ausbildung und
Anhaltswerte für die Dehnungsfugenabstände Ausführung von Dehnungsfugen (auch horizon-
sind je nach Wandkonstruktion und Wärme- taler) s. in [Schubert 1988].
dämmung 30 bis 50 m.
Möglichkeiten zur Vergrößerung der rißfrei- Rißgefahr im Mauerwerk durch Verbindung mit
en Wandlänge bzw. der Rißsicherheit sind: Bauteilen aus anderen Baustoffen
- Verwendung von Mauersteinen mit geringem (Beton, Stahl)
Schwinden Durch die Verbindung von Mauerwerkshautei-
- lufttrockene Steine vermauern len (Wände) mit Bauteilen aus anderen Baustof-
- ggf. leicht vornässen für guten Mörtelver- fen mit anderen Verformungseigenschaften und/
bund oder anderen Verformungsrichtungen sowie an-
- Verwendung von Mörtel der Gruppen li, lla deren Belastungen können große Verformungs-
- hohe Haftscherfestigkeit unterschiede und Spannungen entstehen, die,
- keine zu hohe Druckfestigkeit (kleiner E- wenn es sich um Zug- oder Schubspannungen
Modul) - verformungsfähig handelt, meist erhöhte Rißgefahr für das Mau-
- halbsteinige überbindung (größte Verbund- erwerk bedeuten. Besonders rißgefährdet sind
länge bzw. -fläche) Mauerwerkwände unter Stahlbetondachdecken.
- günstige Wand-Geometrie (keine flachen, lan- Aber auch durch die Verbindung von Mauer-
gen Wände) werkwänden mit Stahlbetongeschoßdecken

3-3 74 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


(z.B. leichte Trennwände aus Mauerwerk auf barkeit der Salze aus den Baustoffen in Abhän-
Stahlbetondecken) können Rißschäden entste- gigkeit von der auslaugwirksamen Zeit wichtig.
hen. Zur Untersuchung des Auslaugverhaltens von
Derartige "Riß bzw. Verformungsfälle" sind in Mauerwerkbaustoffen stehen eine Reihe von
[Glitza 1984] ausführlich behandelt. Auslaugtests zur Verfügung, die jedoch derzeit
noch nicht in der Lage sind, Auslaugraten und -
Ökologische Eigenschaften mengen ausreichend praxisnah zu ermitteln. Es
gibt auch in Deutschland bislang kein genormtes
Allgemeines. Die Ökologie befaßt sich mit den Auslaugverfahren für Mauerwerkbaustoffe.
Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen Von großer Bedeutung beiAuslaugtests ist das
und ihrer Umwelt. Bezogen auf den Baustoff in- Volumen-/Feststoff-Verhältnis der untersuchten
teressieren vor allen Dingen die direkten Wech- Stoffe. In diesem Zusammenhang spielen Prüf-
selwirkungen zur Umwelt. Dies betrifft die Um- körpergröße bzw. Korngröße, Korngrößenver-
weltverträglichkeit, d.h. die Auswirkung der teilung eine entscheidende Rolle. Diese wieder-
Baustoffe während der Produktion, der Nutzung um hängt von den Anwendungsbedingungen
als Bauwerk und nach der Nutzung auf die der produzierten Baustoffe bzw. der Recyclate ab.
Schutzgüter Mensch, Wasser, Boden und Luft; die Die Untersuchung fein aufgemahlener Baustoffe
Funktion von Bauwerken zum Schutz der Um- führt naturgemäß zu höheren Auslaugraten und
welt vor gefährlichen Stoffen sowie die Bestän- -mengen. Die Ergebnisse von Auslaugtests an
digkeit von Baustoffen gegenüber Einwirkungen zerkleinertem Material oder Baustoffen sind
aus der Umwelt (Dauerhaftigkeit). Darüberhin- deshalb außerordentlich vorsichtig zu bewerten.
aus ist die Frage der Wiederverwendbarkeit der Meist geben sie nur Anhaltswerte für den Anteil
verbauten Baustoffe von großer Bedeutung. an insgesamt mobilisierbaren Stoffen.
Die Bilanzierung der verschiedenen Gesichts- Verschiedene Untersuchungen an Mauer-
punkte der Umweltrelevanz von Baustoffen in werkhaustoffen (z.B. [Kreißig 1997]} zeigen, daß
Form von sogenannten Ökobilanzen ist schwie- auch bei den derzeitigen ungünstigen Versuchs-
rig und derzeit noch kaum in einer objektivier- bedingungen die Anteile an auslaugbaren schäd-
ten, einheitlichen und uneingeschränkt ver- lichen Salzen und Schwermetallen außerordent-
gleichbaren Form möglich. In bezug auf Öko- lieh gering sind. Die meisten Untersuchungs-
bilanzen der Baustoffe wird deshalb nur auf die ergebnisse erfüllen die Anforderungen an Trink-
entsprechende Literatur verwiesen: [Schneider wasserqualität.
1996], [Schubert 1996], [Wagner/Harr/Meyer Es ist deshalb nach den derzeit vorliegenden
1998], [Eden/Kaczmarek/Meyer/Waltermann/ Untersuchungsergebnissen davon auszugehen,
Zapf 1995]. daß durch die konventionellen Mauerwerkbau-
Im folgenden werden die Umweltverträglich- stoffe Schwermetallsalze nicht in bedenklichen
keit, die Radioaktivität und die Wiederverwend- Mengen in die Umwelt gelangen können. Dies
barkeit von Mauerwerkbaustoffen behandelt. gilt auch i.allg. für schädliche Salze.

Umweltverträglichkeit. Unter Umweltverträg- Radioaktivität. Alle natürlichen und künstli-


lichkeit wird die Beeinflussung der Umwelt chen Baustoffe enthalten radioaktive Stoffe in
durch die Baustoffe verstanden. Wesentliche Ge- sehr geringem Anteil. Dies sind vor allem Radi-
sichtspunkte der Umweltverträglichkeit bei um (Ra 226), Thorium (Th 228 bzw. 232) sowie
Mauerwerkbaustoffen sind das Auswaschen von insbesondere das Zerfallsprodukt des Radiums,
Salzen (z.B. Sulfate und Schwermetallsalze) und das Edelgas Radon (Rn 222). Durch diese radio-
Laugen sowie die radioaktive Strahlung (s.a.Ra- aktiven Stoffe wird die ionisierende Strahlung
dioaktivität). von Baustoffen im wesentlichen verursacht. Aus
Grundsätzlich besteht auch bei Mauerwerk- den durch Messung bestimmten Aktivitätskon-
baustoffen - Mauersteinen, Mauermörtel sowie zentrationen der radioaktiven Stoffe in Baustof-
Innen- und Außenputzen auf Mauerwerk - die fen kann die dadurch verursachte Belastung
Möglichkeit, daß schädliche Salze (vor allem durch Gammastrahlen in Wohnräumen abge-
Schwermetallsalze) durch Einwirkung von Nie- schätzt werden. Dies erfolgt i.allg. durch die so-
derschlagswasser, Grundwasser ausgewaschen genannte Summenformel. Ergibt sich nach der
werden. Für die Beurteilung der Umweltverträg- Summenformel ein Wert~ 1, dann handelt es
lichkeit ist deshalb die Kenntnis der Auslaug- sich um eine für den Menschen unbedenkliche

Mauerwerk 3-375
Strahlenbelastung. Die Tabelle 3.6-18 enthält für winnen. Angestrebt wird ein sogenanntes kreis-
Mauerwerkbaustoffe entsprechende Angaben laufgerechtes Bauen. Das heißt, die Baustoffe
aus verschiedenen Untersuchungen. werden im Kreislauf auf einem möglichst hohen
Wie aus der Tabelle 3.6-18 ersichtlich, liegen Wiederverwendbarkeitsniveau gehalten. Dies
die Meßergebnisse für alle Mauerwerkbaustoffe verlangt entsprechende Anstrengungen bei der
weit unter den empfohlenen Grenzwerten. In der Herstellung der Baustoffe in bezugauf Vermei-
Tabelle sirtd auch die Exhalationsraten für Radon dung bzw. Gewährleistung von unbedenklichen
angegeben. Darunter ist der Anteil von Radon zu Anteilen an möglicherweise schädlichen Stoffen
verstehen, der aus dem Baustoff in die Raumluft aber auch in bezugauf die Bauteil- und Gebäu-
gelangt. Auch in diesem Fallliegen die Meßwer- dekonstruktion. Hier wird eine möglichst pro-
te weit unter den empfohlenen Grenzwerten. blemlose Rückbaubarkeit, d.h. Trennbarkeit der
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, verschiedenen Baustoffe angestrebt, sodaß sie
daß die mittlere Strahlenbelastung der Bevölke- nahezu sortenrein einer Wiederverwendung zu-
rung in Deutschland baustoffunabhängig mit geführt werden können.
mindestens rd. 2,4 mSv ein Mehrfaches der mög- Für die Wiederverwendbarkeit von Baustof-
lichen Strahlenbelastung durch verbaute Bau- fen ist deren Umweltverträglichkeit nachzuwei-
stoffe beträgt, wobei regional erhebliche Unter- sen (s.a. Umweltverträglichkeit).
schiede auftreten können. Von allen Mauerwerkbaustoffe herstellenden
Industrien liegen z. Z. eingehende Untersuchun-
Wiederverwendbarkeit von Baustoffen - Recyc- gen in Zusammenarbeit mit öffentlichen Insti-
ling. Die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen tutionen vor, die sich sowohl auf die Wiederver-
auf einen möglichst hohen Wiederverwertbar- wendbarkeit von sortenreinen Baustoffen als
keitsniveau wird unter den Gesichtspunkten der auch auch auf Baustoffe mit anhaftenden
Resourcenschonung und der Vermeidung der "Fremdstoffen"- wie Restevon Mauer- und Putz-
Deponierung immer mehr an Bedeutung ge- mörteln - beziehen. Die Wiederverwendbarkeit

Tabelle 3.6-18 Konzentrationen der natürlichen Radioaktivität (Radium-Ra, Thorium-Th und Kalium-K) und Radion-Exhala·
tionsrate verschiedener Baustoffe

Baustoff Radionuklidkonzentration z Exhalationsrate Quelle


Mittelwert (Höchstwert) f. 100 mm Dicke
Bq/ kg Bqfm2h
Ra·226 Th-232 K-40 Rn-222
Kalksandstein 11 (19) 7 (15) 384 (592) 0,6 2
Ziegel, Klinker 40 (74) 30 (44) 771 (955) 0,2 4
Leichtbetonsteine aus 48 (104) 59 (111 ) 888 (1110) 1,8 1
Naturbims
Hüttenbims 81 (118) 104 (207) 333 (592) 0,9 2
Blähton 56 (67) 33 (93) 573 (925) 0.4 2
Beton 11 (33) 15 (44) 415 (740) 0.7 2
Porenbeton 20 (80) 20 (60) 200 (800) 1.1 3/1
Naturgips 20 (70) 9 (10) 70 (200) 0,4 3/1
Industriegips aus Apatit 60 (70) < 20 < 40 0,4 3/1
Phosphorit 518 (1036) 19 (-) 74 (222) 24,1 1
empfohlener Grenzwert ::; 130 ::; 130 kein Grenzwert ::; 5,0
erforderlich
1 die Radionkomentration hängt von der Radionukleidkonzentration (Ra 226) der Baustoffe ab und v.a.von der Exhalationsrate filr den
betreffenden Stoff
Quellen:
1 Keller,G.: Einftuß der natürlichen Radioaktivität. arcus (1984) S249
2 Prüfbericht des Boris·Rajewski-lnstituts für Biophysik der Univer;ität des Saallandes
3 Der Bundesminister des lnneren:.Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung". Jahresbericht 1982
4 Meßwerte aus den Jahren 1987 und1990gemäß Prufberichten des Instituts für Biophysik der Universität des Saallandes

3-376 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


von sortenreinen Baustoffen bereitet i.allg. kei- gen vor, die über den Weg der allgemeinen bau-
ne Probleme; die Baustoffreste können i. d. R. der aufsichtliehen Zulassung eine erweiterte Anwen-
Produktion wieder zugeführt werden. Dies ist dung von bewehrtem Mauerwerk ermöglichen.
nach den bisher vorliegenden Untersuchungser-
gebnissen auch in gewissem Maße für Baustoffe 3.6.5.2
mit anhaftenden Mörtelresten möglich. Darü- Baustoffe für bewehrtes Mauerwerk
berhinaus bestehen zahlreiche Möglichkeiten
der Verwendung von Mauerwerkbaustoffrest- Die Tabelle 3.6-19 gibt eine übersieht über die
massen. Auch sind derzeit bereits sehr wirksa- verwendbaren Baustoffe bzw. die Anwendungs-
me Verfahren zur Trennung von Mauersteinen bedingungen.
und anhaftenden Mörtelresten verfügbar.
3.6.5.3
3.6.5 Korrosionsschutz der Bewehrung
Bewehrtes Mauerwerk
Im Gegensatz zu Beton kann Mauerwerk keinen
3.6.5.1 dauerhaften alkalischen Schutz der Bewehrung
Allgemeines gewährleisten. Dies ist durch die in der Regel ho-
he Porosität des Mauermörtels (hoher Wasser-
Die Bewehrung von Mauerwerk kann mit zwei bindemittelwert für die Verarbeitung) und der
Zielsetzungen erfolgen: Erhöhung der Tragfä- Steine bedingt. Dadurch ist die Diffusion des
higkeit und Verhinderung größerer, breiterer Kohlendioxids nur wenig behindert, und die Kar-
Risse. Im ersten Fall handelt es sich um eine sta- bonatisierung des Mörtels verläuft sehr schnell.
tisch wirksame und in Rechnung gestellte Be- Die Bewehrung in Mörtel muß deshalb stets zu-
wehrung, im zweiten Fall um eine konstruktive sätzlich geschützt werden, wenn nicht ein dau-
Bewehrung zur Rißbreitenbeschränkung (s. a. in ernd trockenes Klima gewährleistet ist (Um-
[Schubert 1988]). weltbedingungen nach DIN 1045 07.88, Tabelle
Da die Zug- und Biegezugfestigkeit von Mau- 10, Zeile 1, z.B. Innenwände von Wohnbauten).
erwerk im Vergleich zu seiner Druckfestigkeit In Außenwänden ist in der Regel geschützte Be-
gering ist (s. dazu auch Zug-, Biegezugfestigkeit), wehrung zu verwenden. (s. a. Tabelle 3.6-20 ). Un-
kann analog zu Beton die Tragfähigkeit des Mau- geschützte Bewehrung darf nur in betonverfüll-
erwerks durch eine Bewehrung, die die Zug- ten Aussparungen unter bestimmten Anforde-
kräfte aufnimmt, erheblich verbessert werden. rungen verwendet werden. Maßnahmen für aus-
Bewehrtes Mauerwerk wird in der DIN 1053-3 reichenden Korrosionsschutz der Bewehrung
behandelt. sind:
DIN 1053-3 gilt für die Berechnung und Aus- - Verwendung von Edelstahl,
führung von bewehrtem Mauerwerk, bei dem - Kunststoffbeschichtung,
die Bewehrung statisch in Rechnung gestellt - Feuerverzinkung, wenn Gehalt an zinkaggres-
wird. Konstruktiv bewehrtes Mauerwerk ist siven Bestandteilen (vor allem Sulfate, Chlori-
nicht Gegenstand der Norm. Die DIN gibt ledig- de) im Mörtel und in Mauersteinen begrenzt
lich eine Mindestbewehrung zur Vermeidung ist (DIN 1053-3) undkeine äußere Einwirkung
größerer Rißbreiten an. Die Anwendung von von aggressiven Medien (z.B. Sulfate, Chlori-
Mauerwerk mit statisch in Rechnung gestellter de) auftritt. Die beiden letztgenannten Maß-
Bewehrung hat in Deutschland bislang - im Ge- nahmen bedürfen einer allgemeinen bauauf-
gensatz zu vielen anderen Ländern- keine große sichtliehen Zulassung.
Bedeutung erlangt. Dies ist sicherlich zum einen
darauf zurückzuführen, daß es eine entspre- 3.6.5.4
chende Norm erst seit 1990 gibt, zum anderen Ausführung
aber auch darauf, daß geeignete Formsteine für
die Bewehrung in vertikaler Richtung noch nicht Die Tabelle 3.6-21 gibt eine übersieht über die
ausreichend zur Verfügung stehen und die zuläs- Bestimmungen der DIN 1053-3 zur Ausführung
sigen Anwendungsbereiche des bewehrten Mau- von bewehrtem Mauerwerk.
erwerks nach DIN 1053-3 wegen des damaligen Die Lagerfugen sind stets vollfugig auszu-
Kenntnisstandes noch sehr begrenzt sind. Zwi- führen, Fugen mit Bewehrung dürfen bis z~
schenzeitlich liegen eine Reihe von Untersuchun- 20 mm dick sein- Richtmaß für Fugen dicke: 2fa-

Mauerwerk 3-377
Tabelle 3.6-19 Bewehrtes Mauerwerk nach DIN 1053-J:Verwendbare Baustoffe

Mauersteine
Verwendbar sind alle genormten Mauersteine und Formsteine, wenn
- der Lochantei l nicht mehr als 35 % beträgt ••,
- bei nicht kreisförmigen Löchern die Stege in Wand längsrichtung durchgehen (kein Stegversatz),
- die Kennzeichnung der Mauersteine zusätzlich . BM" (Bewehrtes Mauerwerk) enthält.

Mauermörtel
- !Ur unbewehrte Mauerwerkbereiche:
Mauermörtel nach DIN 1053-1 (No rmalmörtel,außer MG I; Leichtmörtei;Dünnbettmörtel),
- für bewehrte Mauerwerkbereiche (Lagerfugen, Aussparungen):
nur Normalmörtel der Mörtelgruppen 111 und lila, Zuschlag mit dichtem Ge!Uge nach DIN 4226 Teil1
Beton
Für bewehrte Bereiche in Formsteinen, großen und ummauerten Aussparungen:
Beton mind. Festigkeitsklasse B1 5 nach DIN 1045,Zuschlag Größtkom 8 mm,ggf.höhere Festigkeitsklasse
erforderlich wegen Korrosionsschutz

Betonstahl
Gerippter Betonstahl nach DIN 488 Teil1 ab
•• HO<:hiO<:hziegel n~ch Zul~ssung Nr.Z-17.1-480 des DeutS<hen Instituts fiir Sautechnikdürfen unter bestimmten Bedingungen mit
LO<:h~nteilen bis zu 50% für bewehrtes M~uerwerk verwendet werden.
ab FOr andere Bewehrung (kleinere Durchmesser als 6 mm, Bewehrungselemente- auch mit glatten Stählen)- ist eine bauaufsicht-
liehe Zul~ssung erforderlich. Derzeit sind zugelassen:
- MURFOR-Bewehrungselemente mit Duplex-BeS<hichtungen fOr bewehrtes Mauerwerk (Z-17.1-469)
- MURFOR-Bewehrungselemente aus nichtrostendem Stahl für bewehrtes Mauerwerk (Z- 17.1-541)

Tabelle 3.6-20 Vorschläge zur Einordnung von Wandbauteilen hinsichtlich des Korrosionsschutzes

Bauteil Korrosionsschutz
Innenwände dauerhaft trocken nicht erforderlich
Trennwände zwischen Bädern u. Küchen erforderlich
u.ä.
Einschalige Außenwände Innenseite u. U.erforderlich, wenn Wasserzutritt nicht sicher aus-
(auch Kellerwände) geschlossen werden kann. Korrosionsschutz ist jedoch
grundsätzlich sinnvoll, da Verwendung geschützter
und ungeschützter Bewehrung (Gefahr einer Makro-
elementbildung) im gleichen Bauteil nicht sinnvoll
und baupraktisch kaum durchführbar ist.
Außenseite erforderlich
Zweischalige Innenschale nicht erforderlich
Außenwände Außenschale erforderlich

3-378 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


......
![
;;-
....
~
~

""
~
Bezug horizontale Bewehrung vertikale Bewehrung 3"
3c
in Lagerfuge in Formsteinen in Formsteinen mit kleinen in Formsteinen mit großen oder in ::>
Aussparungend ummauerten Aussparungend """'::>
N

Mörtelgruppe Mörtelgruppe Beton~ B 15 Mörtelgruppe Mörtelgruppe Beton~ B 15 s;


Füllmaterial >
111 oderlila 111oderlila llloderllla 111 oder lila c
21
~
Verfüllen der vertikalen Aussparungen - in jeder Lage mindestens nach jedem MeterWandhöhe 2
.g
maximaler Stabdurchmesser d, (mm) 8 14 14 nach DIN 1045 es
::>
CT
Überdeckung (mm} zur Wandoberfläche allseitig mindestens nach DIN 1045 allseitig mindestens Mörtelgruppe nach DIN 1045
;:: 30 das 2fache des das 2fache des llloderllla ~
~
~
Stabdurchmessers; Stabdurchmessers;
zur Wandoberfläche zur Wa ndoberfläche ~ 30 "'3
;;:: 30 ...c::;:;:
Korrosions- bei dauernd trockenem "'
keine besonderen Anforderungen
schutz Raumklima i
::>
)!:
Feuerverzinken oder andere dauerhafte Maßnahmen< nach DIN 1045 ::r
in allen andereren Fällen Feuerverzinken oder andere dauerhafte nach DIN 1045 0
Maßnahmen< z
Mindestdicke des bewehrten Mauerwerks 115
.....:...~
(mm}
>
CT
?""
' Die Brauchbarkeit ist z. B.durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachzuweisen; (Abschn. 3.6.5.3} ....
d Vgl. Abb. 3.6-25 '?-
....,
V.

s::
"'<=
"'
~
""
\,;)
.:..,
'-I
1.0
a b
lagerfuge Kleine Aussparung, Formsteine

• genormte Mauersteine • NM 111, NM lila


• Lochanteil ~ 35 % • Überdeckung
• kein Stegversatz bei - allseitig 2: ld,
eckiger Lochung - Wandoberfläche 2: 30 mm
• NMIII,NMIIIa • Verfüllen: jede Steinlage

I Formsteine I Große Aussparung, Formsteine


2: 135

2: 135

• NM 111, NM lila oder Beton B15 Ummauerte Aussparung • NM III, NM lila


• Überdeckung 2: 135 oder Beton 2: B15
- Mörtel: allseitig 2: 2d1 • Überdeckung:
Wandoberfläche 2: 30 mm 135 - Mörtel: allseitig 2: 2d1
- Beton: nach DIN 1045 Wandoberfläche 2: 30 mm
IStoßfugen sind vollständig zu vermörteln I - Beton: nach DIN 1045
Ummauerte Aussparung • max. Stabdurchmesser:
- in Mörtel: 14 mm

~100
- in Beton: nach DIN 488 Tl
• Verfüllen:
- mind. je Meter Wandhöhe

Abb. 3.6-25 Bewehrungsführung und wichtige Maße bei bewehrtem Mauerwerk nach OIN 1053-3, a horizontale und b verti-
kale Bewehrung

eher Stabdurchmesser. Die Stoßfugen müssen stühle, Bauernhäuser. Diese Bauwerke sind aus
nur bei horizontaler Spannrichtung und Beweh- der Erfahrung der Baufachleute entstanden. Be-
rungsführung vollvermörtelt werden. Ansonsten rechnungsmethoden haben erst später geholfen.
gilt DIN 1053-1. Ein zunächst in der Vorstellung oder als Zeich-
Die Möglichkeiten der Bewehrungsführung nung existierendes Bauwerk wird als abstraktes
sind in Abb. 3.6-25 dargestellt. mathematisches Modell abgebildet. Dieses wird
berechnet und daraus wird dann auf ausführba-
re Abmessungen geschlossen. So bringt der In-
3.7
genieurholzbau ebenfalls überzeugende Bau-
Holzbau
werke hervor. Heute sind mit Ingenieurwissen
Holzbauwerke gut und sicher zu bauen. Die Abb.
3.7.1
3.7-1 und 3.7-2 zeigen Beispiele.
Einleitung
Die Eigenschaften des Naturstoffes Holz er-
Holz begleitet unser Leben in vielfältiger Weise: fordern diesem gemäße Konstruktions- und Be-
sprichwörtlich von der Wiege bis zur Bahre. Da- messungsregeln. Holz ist ein gewachsener Bau-
zwischen werden z.B. Bleistifte, Spielzeug, Mö- stoff, er hat deshalb Besonderheiten, die ein tech-
bel und Musikinstrumente wichtig. nisch produzierter Baustoff nicht aufweist. Im
Der Wald ist für unser Klima wichtig und hat natürlichen Kreislauf der Natur muß Holz ver-
einen großen Erholungswert Ferner liefert er rotten. In Bauwerken dagegen soll dies vermie-
den Baustoff Holz. Beeindruckende alte Holz- den werden. Der Holzschutz, vor allem der kon-
bauwerke zeigen auf der ganzen Welt die Lei- struktive, dient dieser Aufgabe. Bedeutsam ist
stungsfahigkeit von Holz: Holzbrücken, Dach- die Ökobilanz für Holz: es speichert Kohlendi-

3-380 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb. 3.7·1 Brücke (Sausender Graben, Oberbayern)

Abb. 3.7·2 Hütte im Ha<hgebirge

oxidund erfordert im Vergleich zu anderen Bau· tions- und Berechnungsregeln angegeben und
stoffen für gleiche Bauaufgaben einen geringe- erläutert werden. Zahlenwerte sind in DIN 1052,
ren Energieeinsatz. E DIN 1052 und EC 5-1 mit NAD (02.95) zu fin-
In diesem Beitrag sollen Eigenschaften des den.
Baustoffes Holz und die notwendigen Konstruk-

Holzbau 3-381
3.7.2 ment und durch die Buchstaben der Achsen die
Bautechnische Eigenschaften Zuordnung. Bei den Längsspannungen o gibt
der Index die Schnittfläche (senkrecht zur ange-
3.7.2.1 gebenen Achse) und die Richtung an, bei den
Festigkeiten und Steifigkeiten Schubspannungen T der erste Index die Schnitt-
fläche, der zweite die Richtung an, z.B.:
Für die Bemessung sind die Festigkeits- und Stei- 01 Spannung am Schnitt 1in Richtung 1, Längs-
figkeitswerte des Holzes erforderlich. Die Aniso- spannung in Faserrichtung
tropie ist stark ausgeprägt. Für die Beschreibung Ttr Schubspannung am Schnitt t in Richtung r,
wird nach Abb. 3.7-3 zunächst, am Stamm ori- "Rollschuh"
entiert, das Koordinatensystem 1, r, t gewählt:
1 Faserrichtung Zu den einzelnen Spannungen gibt die Tabelle
r Radialrichtung, senkrecht zu den Jahrringen 3.7-l,aus NAD (02/95),charakteristische Festig-
Tangentialrichtung, entlang der Jahrringe keiten f, Elastizitätsmoduln und Rohdichten an.
Bei den Sortierklassen bedeutet S visuelle und
Meist wird anstatt mit Polarkoordinaten in der MS maschinelle Sortierung. Die Festigkeiten
Ebene senkrecht zur Faserrichtung 1 (= x ) am werden den Koordinaten und der Art der Bean-
Element mit den kartesischen Koordinaten spruchung durch die tiefgestellten Indizes zuge-
r(=y) und t (=z) gearbeitet. Abbildung 3.7-4 ordnet: m Biegung, t Zug, c Druck, v Schub, 0 in
zeigt durch die Pfeile der Spannungen am Eie- Faserrichtung 1, 90 senkrecht zur Faserrichtung,
das sind die Richtungen t und r. Bei der Schub-
festigkeit sind fir oder fi, gemeint, aber nicht die
Rollschubfestigkeit f, 1! Diese liegt bei etwa
Hirnschnitt 0,4N/mm 2•
Faserrichtung Die visuelle Holzsortierung erfolgte und er-
X
folgt nach optischen Gesichtspunkten: Jahrring-
breite, Ästigkeit, Wuchs. Die maschinelle Sortie-
rung ist zuverlässiger. Hölzer mit hohen Festig-
keitswerten können sicher aus dem Angebot
herausgefunden werden. Die maschinelle Sor-
(t y tierung beruht auf den einfachen Zusammen-
Radialrichtung hängen zwischen Festigkeit und Elastizitätsmo-
I Radialschnitt dul sowie Dichte. Die Dichte (kg/m 3) bzw. Mas-
Tangentialschnitt se m kann direkt gemessen werden, der Elasti-
zitätsmodul über die Verformung w oder über
Abb. 3.7-3 Holzstück mit Achsen die charakteristische Frequenzfo und die Schall-
geschwindigkeit c:

v;;
w-_!_, /o- fE, c- fE.
E v;; (3.7.1)

Die maschinelle Sortierung bezieht sich dabei


auf Eigenschaften in Faserrichtung. Zwischen
den Eigenschaften in Faserrichtung und denen
in den beiden Richtungen senkrecht dazu beste-
hen große Unterschiede. Besonders die Zugfestig-
keit senkrecht zur Faserrichtung und die Schub-
festigkeit in der Ebene senkrecht zur Faser-
richtung sind gering und erfordern konstrukti-
ve Aufmerksamkeit: Querzug bei gekrümmten
Trägern,Auflagerausklinkungen,Lasteinleitung,
sowie Rollschub (englisch: rolling shear) bei
Holzflächen. Diese Größe ist beispielsweise in
Abb. 3.7-4 Element mit Spannungen Tabelle 3.7-1 nicht enthalten, diese Beanspru-
chung kommt bei stabförmigen Bauteilen aus

3-382 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.7-1 Materialkennwerte nach NAD in N/mm2(Rohdichte in kg/ml)

Sortierklasse nach DIN 4074-1


S 7/MS 7 S 10/MS 10 513 MS 13 MS1 7
Biegung fm,k 16 24 30 35 40
Zug II Faser fi,O,k 10' 14 18 21 24
l_ Faser '1.90,k 0.2• 0,2 0,2 0,2 0,2
Druck II Faser fc,O,k 17 21 23 25 26
l_ Faser f,,90,k 4 5 5 5 6
Schub und Torsion '•.k 1,8 2,5 2,5 3,0 3,5
E-Modul II Faser fo,mean 8000 11 000 12000 13000 14000
fo.os 5400 7400 8000 8700 9400
l_ Faser f 90,mean 270 370 400 430 470
f 90,0S 180 250 270 290 310
Schubmodell Gmean 500 690 750 810 880
Gos 330 460 500 540 590
Rohdichte ~k 330 380 380 400 420
•für S 7:0

Vollholz kaum vor. Bei aus Schichten zusam-


mengefügten Flächen (Brettsperrholz) ist infol-
ge Querkraft aus Plattentragwirkung immer
auch ein Rollschub vorhanden. Die Größenord-
nung der Rollschubfestigkeit liegt in der der
Querzugfestigkeit! Aus den Festigkeiten werden
für die Bemessung in den Bestimmungen zuläs-
sige Spannungen bzw. charakteristische Festig- X

keiten bestimmt.
Für das orthogonale Koordinatensystem
(x, y, z) = (l, r, t) wird der Zusammenhang Deh-
Abb. 3.7-5 Aufgehängter Stab
nung und Spannung, bzw. Spannung und Deh-
nung in Tabelle 3.7-2 angegeben. Um einen Ein-
druck von den Größenordnungen zu vermitteln mit quadratischem Querschnitt bei der Euler-
sind als Beispiele Werte für kleine Holzproben knicklast Fki?
nach [Keylwerth 1951] angegeben.
Zum Vergleich der dichtebezogenen Festigkei- G= .fl2 .Jz . .JF;; ._2_ (3.7.3)
ten verschiedener Materialien gibt die Reißlän- Tl JE
ge I an, wie lang ein aufgehängter Stab mit kon-
stantem Querschnitt sein kann, ehe er infolge Werte der Reißlä~ge und der Größe -fitQ sind
seines Eigengewichts reißt (Abb. 3.7-5): in Tabelle 3.7-3 angegeben.

(3.7.2) 3.7.2.2
Verhalten bei Feuchteänderungen
mit
f Zugfestigkeit Holz enthält Wasser. In feuchterer Umgebung
Q g (spezifisches Gewicht=) Dichte mal Fallbe- nimmt Holz Wasser auf, in trockenerer gibt es
schleunigung Wasser ab. Bei einem stationären Zustand wird
von Ausgleichsfeuchte gesprochen. Die Feuchte
Eine andere Größe -fitQ bestimmt das Gewicht f des Holzes wird in Gewichtsprozenten des ent-
einer Stütze: welches Gewicht G hat eine Stütze haltenen Wassers angegeben:

Holzbau 3-383
Tabelle 3.7-2 Beziehung zwischen Spannung und Dehnung

E= S ' 0 0 = ( ·E

Ex -~ _ ll xz
0 0 0 o,
E, E, E,
- ll yx 1 - ll yt
Ey 0 0 0 Oy
Ey Ey Ey
llzx - llzy 1
Ez 0 0 0 o,
E, E, E,

Yxy 0 0 0 0 0 l xy
Gxy

Yyt 0 0 0 0 0 Tyt
G"
Yzx 0 0 0 0 0 Tzx
Gzx

Zahlenbeispiel Ex 60 - 28 - 27 0 0 0 o,
Ey - 28 910 -545 0 0 0 Oy

Ez - 27 -545 1725 0 0 0 o,
Yxy 0 0 0 535 0 0 l xy
y" 0 0 0 0 14705 0 Tyt
Yzx 0 0 0 0 0 1450 Tzx
5 in 10--1i m2/MN

o, 17300 864 545 0 0 0 Ex


Oy 864 1400 456 0 0 0 Ey
o, 545 456 733 0 0 0 Ez
l xy 0 0 0 1800 0 0 Yxy
Tyt 0 0 0 0 68 0 Yyz
Tzx 0 0 0 0 0 690 Yzx
CinMNfm2

Tabelle 3.7-3 Kennwerte filr Stahl und Holz [Gordon 1987)

Material Reißlänge JE I ~ in .JN.m2/ kg


Stahl 360 MN/m2/(7800 kgfm2· 9,81 mfs2) = 4,70 km 59
Fichte 30 MN/mZ/(350 kgfm2· 9,81 mf s2) =8,74 km 290

Zur Bestimmung der Holzfeuchte gibt es einfach


(3.7.4) zu handhabende Meßgeräte, bei denen aus dem
elektrischen Widerstand des Holzes zwischen
mit zwei Stahlspitzen auf die Holzfeuchte geschlos-
G1 Gewicht des trockenen Holzes bei (103 ± 2) sen wird. Es gelten folgende Begriffe und Werte:
oc, - Bauholz trocken:f < 20%
Gt Gewicht des feuchten Holzes. - Bauholz halbtrocken: f < 30% bzw. < 35% bei
Holzquerschnitten A > 200 cm 2

3-384 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.7-4 Schwind· und Quellmaße von Fichtenholz

Richtung Schwind· und Quellmaß


tangential ~ = 0, 32
radial ~ = 0,1 6
Kantholz
Faserrichtung ~ = 0,01

o:, + o:, f
öb = - 2-· 100 ·b

Abb. 3.7-7 Schwind· und Quellverformung eines Kant·


holzes

3.7.2.3
Weitere Holzeigenschaften

Temperaturänderung

Die Wärmedehnzahl (der thermische Längen-


ausdehnungskoeffizient) von Holz in Faserrich-
Abb. 3.7-6 Stamm mit Schwindverformung
tung beträgt etwa die Hälfte des Wertes von Stahl
a,
und Beton: = (3 ... 6) · w- 6/K
Bei Feuchteänderung ändern sich die Holzab-
messungen: bei Trocknung schwindet das Holz, Wärmeleitfähigkeit
bei Wasseraufnahme quillt es. Werden diese Än-
derungen behindert, entstehen Spannungen, Die Wärmeleitfähigkeit hängt, wie alle Holzei-
überschreiten die Spannungen die Festigkeit, genschaften, stark von der Feuchtigkeit ab. Für
entstehen Risse. Die Änderung der Abmessun- Wärmeschutzberechnungen kann A.=0,14
gen kann mit dem Schwind- und Quellmaß a be- W/(m · K) angesetzt werden.
rechnet werden. Tabelle 3.7-4 gibt Schwind- und
Quellmaße an. Dabei ist a die Änderung der Ab- Kriechen
messung in Prozent bei 1% Feuchteänderung, N
ebenfalls in %. Die Längenänderung ist dann Die Verformungen einer belasteten Holzkon-
a struktion nehmen mit der Zeit zu. Das vom Be-
t:.l=l·-·N (3.7.5) ton her bekannte Kriechen tritt beim Holz eben-
100
falls auf, aber in erheblich geringerem Maß. Die
In tangentialer Richtung treten rund doppelt so Kriechzahl <p (kaetin E DIN 1052 und EC5-1) er-
große Änderungen auf wie in radialer. Daraus er- reicht je nach der Feuchtigkeit Werte von bis zu
klären sich die Verformungen beim Trocknen 1,5. Die Verformung einschließlich des Krie-
von Hölzern entsprechend Abb. 3.7-6 und auch chens berechnet sich aus der elastischen Verfor-
die Risse bei einem ausgetrockneten Baum- mung:
querschnitt. In den Vorschriften ist nur ein Wert
Ufin = Uinst (1 +<p) · (3.7.6)
angegeben, der Mittelwert zwischen radialer und
tangentialer Richtung, da baupraktisch die Lage Die Kriechverformungen müssen beim Durch-
eines Balkens oder Brettes in bezugauf die ra- biegungsnachweis und bei Holz-Beton-Ver-
diale und tangentiale Richtung nicht festgelegt bundkonstruktionen berücksichtigt werden.
werden kann. Die Querschnittsverformungen ei-
nes Kantholzes,Abb.3.7-7, berechnen sich nach Dauerstandfestigkeit
Gl. (3.7.5).
Die Lasteinwirkungsdauer hat einen erhebli-
chen Einfluß auf die Festigkeit. Eine zeitlich un-
begrenzt einwirkende Last, z.B. das Eigenge-

Holzbau 3-385
wicht, kann nur bei Spannungen, die höchstens Ermüdung
etwa 60% der Kurzzeitfestigkeit betragen, auf
Dauer getragen werden. Die Abhängigkeit der Bei wechselnder Beanspruchung kann Material-
Festigkeit von der Lastdauer für Fichtenholz ermüdung auftreten. Die Wöhlerlinie gibt die
zeigt Abb. 3.7-8. Aus der Abbildung kann auch Zahl der aufnehmbaren Spannungswechsel an.
abgelesen werden, wie lange eine Last getragen Dabei ist die Art der Spannungswechsel ent-
werden kann. Dabei ist darauf hinzuweisen, wie scheidend: mit Vorzeichenwechsel oder ohne.
schwierig die Bestimmung solcher Kurven we- Holz selbst ist dabei weniger ermüdungsgefähr-
gen der langen Einwirkungsdauer (10 10 Sekun- det als die VerbindungsmitteL Für Brücken und
den= 317 Jahre!) und der Streuung der Festig- bei anderen Bauwerken, die nicht vorwiegend
keiten ist. In E DIN 1052 und EC 5-1 wird dies ruhenden Einwirkungen unterliegen, sind die
durch den Faktor kmod berücksichtigt. zulässigen Spannungen bzw. charakteristischen
Festigkeiten abzumindern. DIN 1052, DIN 1074,

1,4

{!:! 1,2
~
'g
... E
1,0
~
.rJ

"'c
"" 0,8
2
"'c
"0

·e
.0 0,6
<

0
0 4 6 8 10
Einwirkungsdauer lg t, t in s

Abb. 3.7·8 Dauerstandfestigkeit

0,75

Biegeschwellen SH
Zugschwellen
0,50
0,41 Biegewechsel VH
0,32 Zug-Druck-Wechsel

Biegewechsel SH

-1,0 - 0.7 -0,5 - 0,3 0 0,3 0,5 0.7 1,0


K

Abb. 3.7·9 Abminderungsfaktor bei wechselnder Beanspruchung

3-386 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


E DIN 1052 und EC 5-2 enthalten dazu Angaben. 3.7.3.3
In Abb. 3.7-9 sind Abminderungswerte kerm in Nachweis nach EDIN 1052 und EC5-1
Abhängigkeit vom Spannungsverhältnis K =
mina/maxa angegeben [Mohr 2000]. Dabei be- Mit Teilsicherheitsbeiwerten YE multiplizierte
ziehen sich min und max auf den Betrag, für K Kräfte bzw. Spannungen aus Einwirkungen wer-
bleibt aber das Vorzeichen erhalten. den durch Teilsicherheitsbeiwerte YM geteilten
Festigkeitsgrößen gegenübergestellt. Die Neben-
3.7.3 bedingungen (Lasteinwirkungsdauer und Nut-
Normen, Zulassungen und Vorschriften zungsklasse) werden im Holzbau durch einen
Faktor kmod berücksichtigt, was eine Besonder-
3.7.3.1 heit des Holzbaues ist:
Allgemeines
a · YE < f/yM · kmod· (3.7.9)
Einheitliche Qualität und Sicherheit im Bauwe- Die Einwirkungs- und Festigkeitswerte sind cha-
sen erfordern Spielregeln, an die sich die Trag- rakteristische Werte, sie sind in DIN 1055 bzw.
werksplaner halten müssen. Diese Regeln sind in EC 1 gegeben. Bei mehreren Einwirkungen gel-
bindenden Normen, Zulassungen und Vorschrif- ten überlagerungsregeln mit verschiedenen Teil-
ten festgelegt. Die für den Holzbau wesentlichen sicherheitsbeiwerten YE und Kombinationsfak-
Normen für Entwurf, Berechnung und Bemes- toren 'P·
sung von Holztragwerken sind auf nationaler Formal betrachtet könnte durch Teilen der
Ebene DIN 1052 und DIN 1074 sowie auf inter- Ungleichung durch den Teilsicherheitsbeiwert
nationaler Ebene EC 5-1 und EC 5-2. Derzeit YE die Nachweisform nach DIN entstehen. Dies
können sowohl DIN wie EC angewendet werden, würde aber den Vorteil der unterschiedlichen
selbstverständlich jeweils allein, nicht gemischt! Teilsicherheitsbeiwerte für einzelne Lasten und
Für die Anwendung des EC 5 gibt es ein Natio- Materialien wieder zunichte machen!
nales Anwendungsdokument NAD. Der von der Nutzungsklasse und der Einwir-
Hier sollen nicht die Einzelheiten der Vorschrif- kungsdauer abhängige Faktor kmod macht vor
ten erläutert werden, vielmehr sollen die Grund- allem bei mehreren möglichen Lastfällen den
lagen dargestellt und das Verständnis für notwen- Nachweis unübersichtlich, da nicht sofort zu er-
dige Regeln erleichtert werden. Dabei kann auf kennen ist, welche Lastfallkombination maßge-
die Iiteratur [Step 1-3 1995] verwiesen werden. bend ist.

3.7.3.2 3.7.3.4
Nachweis nach DIN 1052 Beispiel für die Überlagerung

Kräfte oder Spannungen aus Einwirkungen wer- Für Spannungen aus Eigengewicht, ag, Verkehr,
den zulässigen Kräften bzw. Spannungen ge- ap, Schnee, a 5 und Wind, aw, sind für den Grenz-
genübergestellt. Die Nachweisform für Span- zustand der Tragfähigkeit überlagerungen mit
nungen lautet dem Ausdruck (3.7.10) durchzuführen:
a<zula, (3.7.7) YG · Gk + YQI · OK1 + ryQ,i ·'Po,;· OK,i.
(3.7.10)
zul a =f/y. (3.7.8)
Dabei sind für alle Lastfälle Q die Lastfälle p, s
Der zulässige Wert ist gleich der durch einen glo- und w zu verwenden. Die Reihung erfolgt nach
balen Sicherheitsbeiwert y geteilten Festigkeits- der Größe des zugehörigen kmod- Wertes: Für den
größe f. Alle Nebenbedingungen, wie beispiels- Nachweis darf der größte kmod- Wert der betei-
weise Feuchte und Lasteinwirkungsdauer, wer- ligten Lastfälle verwendet werden. In EDN 1052
den durch Änderung des zulässigen Wertes be- und EC 5-1 sind Tabellen für Lasteinwirkungs-
rücksichtigt. Dieses Nachweisverfahren hat lan- dauer und kmod-Werte angegeben. Die Zuord-
ge für alle Bauingenieuraufgaben gegolten. Ein nung der Lasten nach DIN 1055 zur Lasteinwir-
gleichmäßigeres Sicherheitsniveau wird jedoch kungsdauer erfolgt im NAD (02.95); dies ist eben-
mit Teilsicherheitsbeiwerten erhalten. Der neue so wie die Kombinationsbeiwerte in Tabelle 3. 7-
Entwurf EDIN 1052 (05.2000) berücksichtigt 5 dargestellt. Für die Lastfälle Verkehr, Schnee
dies und ist entsprechend dem EC 5 aufgebaut. und Wind muß bei derüberlagerungimmer ein

Holzbau 3-387
Tabelle 3.7-5 Lasteinwirkungsdauer und kmod für Nutzungsklasse 1, Überlagerungsbeiwert

Lastfall Lasteinwirkung kmod o/o 'Vt


Eigengewicht ständig 0,6
Verkehr p z.B. Lagerraum lang 0,7 0,8 0,8
Schnee s0 > 2 kNfm2 mittel 0,8 0.7 0,2
Wind kurz 0,9 0,6 o.s

Tabelle 3.7-6 Grenuustand der Tragfähigkeit, führende veränderliche Einwirkung hervorgehoben

od
fmk
YG· Og yp· o/op' Op Ys · 'l'os · o, Yw·'l'ow· Ow od -·k
YM mod
fmk kmod
1.3
5,4 5,40 12,92 0,25 < 0,6
2 5,4 3,9 9,30 15,07 0,43 < 0,7
3a 5,4 3,9 5,25 14,55 17,23 0,67 < 0,8
3b 5,4 3,12 7,5 16,02 17,23 0.74 < 0,8
4a 5,4 3,9 5,25 3,06 17,61 19,38 0,81 < 0,9
4b 5,4 3,12 7,5 3,06 19,08 19,38 0,89 < 0,9
4c 5,4 3,12 5,25 5,1 18,87 19,38 0,88 < 0,9

4b
0,9 ::::::::::::: 4c
0,8 ------------- 4a
·-·-·-·-
3b
-·-·-·-·-
0.7 +----l------+----+------1
· -·- · - · - - ·- ·- ·- ·- -- Lastfall1
0,6 -l-- - --+----::..:
3a+ - - -- r -- - - - i ---- Überlagerung 2
-·- ·- Überlagerungen 3
0,5 t -- - - t - - - - - j - - - - t - - - - - - 1 ------- Überlangerungen 4

"&
_",E 1-----+---___.:.-+------l-------i

lg t
1 Woche 6 Monate 10 Jahre 50 Jahre
kurz mittel lang ständig

Abb. 3.7-10 Ausnutzungsgrad

'I'- Wert gleich eins sein. So wird die "führende Op=2,6N/mm2 , a 5 =5,0 N/mm2 und ow=
veränderliche Einwirkung" gekennzeichnet. 3,4N/mm2 • Den Ausnutzungsgrad odl(fk/1,3)
In Tabelle 3.7-6 sind für ein Bauteil aus Brett- zeigt Abb. 3.7-10. Dabei ist nach oben aufgetra-
schichtholz BS 4 mit fmk = 28 N/mm2 die Nach- gen der Ausnutzungsgrad für die jeweilige Last-
weise zusammengestellt. Dabei wird von folgen- fallkombination und nach rechts die Dauer der
den Spannungen ausgegangen: og=4,0 N/mm2, Lastfallkombination. Der Faktor kmod kann da-

3-388 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.7-7 Grenzzustand der Tragfahigkeit- vereinfachte Kombination

crd
fmk
YG · cr 9 1,35. <Jp 1.35 · cr, 1.35 · crw crd - ·k od fmk kmod
YM m
1,3
5,4 3,51 6.75 4,59 20,25 19,38 0,94 > 0,9

Tabelle 3.7-8 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Insektenbefall

cr9 ljiiP. crP lj11s · cr, ljiiW · crw crd Insekten zerstören das Holz mechanisch. Für
4,0 2.60 5,0 3.4
Baukonstruktionen sind die Insekten problema-
4,0 2,60 1,0 1,7 9,30 tisch, die auch trockenes Holz befallen. Ihre Lar-
4,0 2,08 5,0 1.7 12,78 ven fressen Gänge in das Holz, oft ist austreten-
4,0 2,08 1,0 3,4 10,48 des Holzmehl sichtbar. Es ist offensichtlich, daß
dadurch die Tragfähigkeit von Holzkonstruktio-
nen verloren gehen kann.
bei auch als erlaubter Ausnutzungsgrad gedeu- Wärme fördert das Wachstum von Pilzen und
tet werden. Insekten. Dies ist ein Grund, warum in arkti-
Eine vereinfachte Überlagerungsmöglichkeit schen und antarktischen Gebieten und im Hoch-
zeigt der Ausdruck gebirge auch unbehandelte Hölzer sehr langle-
big sind.
YG·GK+l,35 · IQK,i· (3.7.11)
Das Ergebnis ist in Tabelle 3.7-7 angegeben. Die 3.7.4.2
größte Ausnutzung beträgt hier 0,94 anstelle von Vermeidung von Holzschädigung
0,89 und ist größer als kmod= 0,9 und damit nicht
mehr erlaubt. Der beste Holzschutz besteht darin, die Umge-
Für den Grenzzustand der Gebrauchstaug- bungsbedingungen für die Schädlinge ungün-
lichkeit gelten andere Teilsicherheitsbeiwerte stig zu gestalten. Die Konstruktion muß trocken
und Kombinationsbeiwerte. Die Überlagerung und belüftet sein, und die Holzart muß richtig
erfolgt gemäß (3.7.12) (Tabelle 3.7-8 zeigt dies gewählt sein. Erst wenn diese Bedingungen nicht
am Beispiel der Spannungen): eingehalten werden können, sollte chemischer
(3.7.12) Holzschutz angewendet werden. In DIN EN 350-
2 ist die natürliche Dauerhaftigkeit von verschie-
denen Holzarten bewertet: Dauerhaftigkeits-
3.7.4 klasse 1: sehr dauerhaft, Dauerhaftigkeitsklasse
Holzschutz, Dauerhaftigkeit 5: nicht dauerhaft. Tabelle 3.7-9 zeigt einige
Holzarten und die zugehörige Dauerhaftigkeits-
3.7.4.1 klasse.
Ursachen von Holzschäden DIN 68800 behandelt den Holzschutz. Im Teil
3 ist geregelt, wann chemische Holzschutzmaß-
Ursachen von Holzschädigungen sind Pilz- und nahmen nicht erforderlich sind. Dies ist bei-
Insektenbefall, deshalb muß Holz in Baukon- spielsweise der Fall bei Holz in Innenräumen,
struktionen davor geschützt werden. wenn es ständig trocken, durch eine allseitig ge-
schlossene Bekleidung gegen Insektenbefall ge-
Pilzbefall schützt oder so angeordnet ist, daß es sichtbar
und somit kontrollierbar ist. Damit kann in In-
Pilze sind Organismen, die Feuchtigkeit und nenbereichen von Gebäuden auf chemischen
Sauerstoff zum Wachsen brauchen. Holz mit ei- Holzschutz verzichtet werden! Dies ist im Hin-
ner Feuchte von über 20 % kann befallen werden. blick auf die gesundheitliche Gefährdung und
Die Tragfähigkeit wird dadurch stark vermin- die Entsorgung von Hölzern mit Holzschutzmit-
dert. teln sehr wichtig.

Holzbau 3-389
bauphysikalisch richtige Ausbildung zu schüt-
Tabelle 3.7·9 Dauerhaftigkeitsklassen zen. Historische Holzbrücken, Holzhäuser und
Scheunen bieten eindrucksvolle Beispiele für
Dauerhaftigkeits· Holzart den konstruktiven Holzschutz.
klasse
1- 2 Robinie 3.7.5
2 Eiche, Edelkastanie Systeme aus Holz- bzw. Holzwerkstoffen
3- 4 Lärche, Douglasie, Kiefer
4 Fichte
5 Buche, Birke, Esche, Erle
3.7.5.1
Allgemeines

Nach dem Zersägen der Stämme im Sägewerk


bieten sich zunächst stabförmige Bauteile für
Chemischer Holzschutz Holzkonstruktionen an. Die geschichtliche Ent-
wicklung des Holzbaues entspricht dem. Viele
Chemischer Holzschutz sollte so viel wie not- Systeme sind im Holzbauatlas zusammengetra-
wendig, aber so wenig wie möglich verwendet gen [Natterer 1991].
werden. Holzschutzmittel sind Gifte für Pflan-
zen und Tiere. Der Bauingenieur und Tragwerks- 3.7.5.2
planer sollte beim chemischen Holzschutz einen Stabförmige Bauteile
Spezialisten beiziehen!
Aus stabförmigen Bauteilen werden Dachtrag-
Konstruktiver Holzschutz werke und Hallen sowie Brücken errichtet. Ab-
bildungen 3. 7-11, -12 und -13 zeigen Beispiele von
Zum konstruktiven Holzschutz zählen die Ver- Stabwerken. Die Berechnung der Schnittgrößen
wendung geeigneter Holzarten sowie alle Maß- nach Theorie I. Ordnung und Theorie II. Ord-
nahmen, die verhindern, daß das Konstrukti- nung erfolgt mit Rechenprogrammen.
onsholz feucht wird bzw. bewirken, daß es wie- Die konstruktiv aufwendigen Aufgaben sind
der trocknet, wenn es feucht geworden ist. die Verbindung der einzelnen Stäbe und die Aus-
Konstruktionsholz ist vor Regen und auch steifung. Die Lösung dieser Aufgaben entschei-
Schlagregen durch ein Dach mit genügendem det auch über den Gesamteindruck der Konstruk-
Überstand, vor Spritzwasser durch genügenden tion. Abbildung 3.7-14 zeigt die notwendigen
Abstand vom Boden, vor Kondenswasser durch Aussteifungselemente einer Halle. Die Kräfte zur

Abb. 3.7·11 Dachstuhl

3-390 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Abb. 3.7-12 Fachwerk, Nagelplattenbinder

Längssehn in

J2,4 J2,4} -I

Hilfsjoch, 1982 entfernt

Abb. 3.7-13 Fachwerkbrücke

Windverband im
1. oder 2. Feld -=-----~

Abb. 3.7·14 Aussteifungskonstruktionen einer Halle

Holzbau 3-391
Dimensionierung dieser Aussteifungsteile fol- Abbildungen 3.7-15 bis -18 zeigen Fahrbahnen
gen aus der Horizontalbelastung durch Wind für Straßenbrücken.
und aus den Umlenkkräften, die bei Druckbe- Gekrümmte Flächen für Schalenkonstruktio-
anspruchung und ungenauen Systemen entste- nen werden aus Brettern zusammengebaut. Un-
hen. Die Wirkung des ungenauen, d.h. imper-
fekten Systems wird am geometrisch perfekten
System durch Ersatzlasten erfaßt.

3.7.5.3
Flächenförmige Bauteile

Einfachste Flächen werden durch Nebeneinan-


derlegen von Stäben gebildet. Jeder Stab trägt
noch für sich, es findet keine Lastverteilung, kei-
ne Platten- oder Scheibentragwirkung statt. Erst
durch eine kraftübertragende Verbindung der
Stäbe entsteht im statischen Sinne eine Fläche.
Bei Fahrbahnplatten von Brücken kann dieser
Übergang deutlich werden: nebeneinander ge-
legte Bohlen - kreuzweise übereinandergelegte
Bohlen- zusammengespannte Bretter (QS-Plat-
te) - zusammengeleimte Brettschichtholzträger
(Blockverleimung) - kreuzweise übereinander Abb. 3.7·15 Belag aus Beplankung
gelegte und verleimte Bretter (Brettsperrholz).

Abb. 3.7-16 OS-Platte

Asphalt 2-lagig

*
~ Abdichtung

r1 r
- - - - - - - - - - - - :::.-- BFU-Piatted =40 mm
-- -
-111111 ~ 11111!;1 IE
11111 11111 1111 ~ 111111111111111~>:;::::
~a~ung 6/4 e = 16

r 1 ~=:::, KenoQ 27

Abb. 3.7-17 Blockverleimte Brettschichtholzträger

3-392 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3,5 cm AFB
3,5 cm Schutzschicht
1 cm 2lagen Bit-Bahn
4 cm Baufurnierplatte
3 cm Lattung _..-::::i Dickholzplatte
0,5 cm Bit-Bahn / 8 Schichten
a27mm
.... KertoQ27
r-
Stabdübel30, e = 15 cm, 3 Reihen

- t-- Brettschichtbin der, 40/45-65

Abb. 3.7-1 8 Brettsperrholz

Abb. 3.7·19 Rippenschale

terschiedlichste Lösungen sind verwirklicht


worden (Abb. 3. 7-19 bis -22). Die Berechnung der Brettlamelle (quer)
Schnittgrößen von Flächentragwerken erfolgtmit
Platten- bzw. Schalenprogrammen oder, wegen
der sehr unterschiedlichen Steifigkeiten in un-
terschiedlichen Richtungen, oft besser mit Stab-
werksprogrammen für räumliche Stabwerke.

Abb. 3.7-20 Rippen, Querschnitt

Holzbau 3-393
Abb.3.7-21 Rippenschale, Kirche Altötting

3.7.6
Nachweise für Holz- und Holzwerkstoff-Bauteile

3.7.6.1
Allgemeines

·Die vom Bauherrn gewünschte und vom Archi-


tekten dargestellte Konstruktion wird vom Trag-
werksplaner gedanklich in ein statisches System
überführt. Dabei wird stark vereinfacht. Aus Stä-
ben werden Linien, aus Wänden oder Decken
werden Flächen. Meist wird die räumliche Struk-
tur in Ebenen behandelt. Am statischen System
werden mit den Einwirkungen Schnittgrößen
und Verformungen berechnet. Mit den Schnitt-
größen erfolgt die Dimensionierung. So erhalt
das Bauwerk Abmessungen. Der Tragwerkspla-
ner trifft eine Vorhersage, ob das geplante Bau-
Abb. 3.7-22 Zollinger-Schale werk in Zukunft seine geforderten Aufgaben er-
füllen kann. Dabei bedient sich der Tragwerks-
planer der anerkannten Regeln, die in Normen
niedergelegt sind.
Schritte, die von der Idee zur Verwirklichung
führen:
1. Geplante, zeichnerisch dargestellte Konstruk-
tion
2. Statisches System aus Linien und Flächen: Ein-
wirkungen,Schnittgrößen und Verformungen

3-394 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3. Dimensionierung mit Vorschriften (DIN, EC, Bei Berechnungen nach Theorie II. Ordnung und
Zulassung): Linie erhält eine Querschnittsflä- Berücksichtigung von Vorverformungen ist im
che, Fläche erhält einen Aufbau und eine Dicke Nachweis auch der Stabilitätsnachweis von Stab-
4. Verbindung der Einzelbauteile systemen und Platten enthalten. Hinweis: das oft
bösartige Nachheulverhalten von Schalen muß
Die Erfahrung zeigt, daß Bauwerke, nach den Re- gesondert berücksichtigt werden.
geln der Mechanik berechnet und nach den ent- Die notwendigen Vorverformungen sind Ver-
sprechenden Normen dimensioniert, sicher und krümmungen der Stäbe bei unverschieblichen
brauchbar sind. Systemen und Schrägstellungen der Stäbe bei
verschiebliehen Systemen. Die Wirkung der Vor-
3.7.6.2 verformung kann durch Einwirkungen erfaßt
Tragsicherheitsnachweis werden. Eine Schiefstellung IP eines Stabes mit
der Druckkraft P ruft an den Knickstellen eine
Berechnung der Schnittgrößen Einwirkung senkrecht zur Stabachse der Größe
P · IP hervor, eine Verkrümmung durch eine Vor-
Die Schnittgrößenermittlung erfolgt am stati- verformung w eine linienförmige Einwirkung
schen System mit den recherischen Einwirkun- der Größe P · w". Wird die Vorverformung sinus-
gen. Meist genügt die Theorie I. Ordnung, bei der förmig angesetzt, so ist auch die Ersatzlast si-
die Auswirkung der Verformungen des Systems nusförmig mit der Amplitude P · n 2 • e/1 2• Bei pa-
auf das Gleichgewicht vernachlässigt wird. Bei rabelförmiger Vorverformung ist die Ersatzlast
Anwendung der Theorie II. Ordnung, besonders konstant und die Größe P · 8 · e !1 2• Abbildungen
bei Druckbeanspruchung, sowie bei statisch un- 3.7-23 und -24 zeigen Vorverformungen und Er-
bestimmten Systemen und zur Berechnung von satzlasten.
Verformungen sind Steifigkeiten notwendig. Die Aus einer angenommenen Auslenkung des
Berechnung nach Theorie II. Ordnung bedeutet Druckgurtes von 1/300 entstehen die Formeln in
durch die Anwendung von Programmen keine DIN 1052 und EC 5-l für die Lasten für Ausstei-
Erschwernis mehr und sollte deshalb dem Er- fungsverbände:
satzstabverfahren vorgezogen werden. 2 NGurt
Die Systemberechnung erfolgt mit den in qs = NGurt. (1/ 300) . -TI ::::--. (3.7.14)
12 301
Tabelle 3.7-10 zusammengefaßten Annahmen.
Mit den aus der Systemberechnung folgenden Wird für die Gurtkraft Biegemoment durch He-
Schnittgrößen werden Spannungen berechnet, belarm und das Verhältnis Hebelarm zu Träger-
die folgende Bedingung einhalten müssen: breite mit etwa 10 angenommen, so folgt
(3.7.13) M/z M
qs =""""301:::: 3501· b. (3.7.15)
Diese Nachweisart gilt für Spannungen in
Schnitten und zwar für Beide Gleichungen gelten für je einen Träger. Da-
- Spannungen in Faserrichtung (Zug, Druck, mit die Berechnung mit den Ersatzlasten nach
Biegung), Theorie I. Ordnung ausreichend ist, dürfen die
- Spannungen senkrecht zur Faserrichtung Verformungen der Aussteifungskonstruktionen
(Zug, Druck), nicht größer als 1/1000 bei zulässigen Lasten bzw.
- Schubspannung (Querkraft, Torsion). 1/700 bei Bemessungslasten sein. Anzumerken ist,
daß Einwirkungen durch Vorverformungen und
Druckkräfte immer Gleichgewichtsgruppen sind.
Tabelle 3.7-10 Annahmen fu r die Systemberechnung

EDIN 1052 DIN 1052 Ersatzstabverfahren für auf Druck oder Biegung
Einwirkung YF·fach 2- bzw. 3-fach beanspruchte Bauteile
Steifigkeit (1/yM)-fache 1-fache
charakteristische Werte für Elastizitäts- Für einfache auf Druck beanspruchte Bauteile
und Schubmodul kann auf die Berechnung nach Theorie II. Ord-
Festigkeit (1/yM kmodHache I Hache zulässige nung verzichtet werden, wenn die zum Stabili-
charakteristische Spannung
Festigkeit tätsversagen führende kritische Druckspannung
bekannt ist. Die kritische Druckspannung eines
Stabsystems dient als Vergleich mit dem Euler-

Holzbau 3-395
~p ~p
I I

-P ·1jf

=P · 21jf-

Abb. 3.7-23 Verkrümmung und Schrägstellung mit Ersatzlast

~ ------~--------~-------~- ~ ,,

y,~-==- . ~
• . ------:
a Vorverformung v, ß l p~
p~
~

b Ersatzlasten

Abb. 3.7·24 Vorverformung und Ersatzlast beim Biegeträger

stab II, dem beidseits gelenkig gelagerten Druck· Faktor, mit dem die Druckkraftverteilung beauf-
stab. schlagt werden muß, damit das System knickt,
Ein nur durch Druckkräfte beanspruchtes die Eigenform ist die zugehörige Knickfigur. An
Stabsystem kann im Stabilitätsfall mit Verfor- jeder Stelle des Stabsystems mit der Quer-
mungen senkrecht zu den Stabachsen ausknik- schnittsfläche A und der Biegesteifigkeit EI kann
ken. Die Druckkraftverteilung im System muß dann die kritische Druckspannung berechnet
bekannt sein. Das Stabilitätsversagen ist dann werden. Aus dem Vergleich folgt die Länge des
ein Eigenwertproblem: der Eigenwert liefert den Ersatzstabes.

3-396 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Querschnitt: E, A, I
Druckkraft bei Stabilitätsversagen: h ;
Kritische Druckspannung: Oki =Fk;/A
Länge des Ersatzstabes: Sk
rr 2 EI
Ok;=-2-·A,
sk

·H;
(3.7.16)
sk =z·n· -
(Jki
mit i=f-f.
Für den baupraktischen Nachweis wird die vor-
handene Druckspannung mit einer um den Fak-
tor kc verminderten Festigkeit verglichen:
Abb. 3.7-25 Druckstab mit Vorverlormung
F o
o=-, --:o;l. (3.7.17)
A J · kc
Aus dieser Beziehung kann kc in Abhängigkeit
Im Faktor kc sind die Schlankheit A, die Vorver- von der bezogenen Schlankheit Are/ dargestellt
formung e und die Theorie li. Ordnung enthal- werden.
ten. Für den einfachsten Fall, den Druckstab A 2
nach Abb. 3.7-25 mit linear elastischem Werk- e · W · kc +(kc -I) ·(I-Xrel · kJ=O (3.7.22)
stoffverhalten und Vorverformung e wird die
Herleitung eines Faktors kc gezeigt. Die geometrische Schlankheit A wird mit der
Schnittgrößen nach Theorie li. Ordnung: Festigkeitfund dem ElastizitätsmodulE zur re-
N=-F, lativen Schlankheit Are/ umgerechnet. Dadurch
wird der kc- Wert, wenn auf Unterschiede in der
!I 1
M =F·e ·- - , Vorverformung und auf nichtlineares Verhalten
1-K (3.7.18)
verzichtet würde, unabhängig vom Werkstoff.
F
K=-. Die Diagramme für die k, (AreJ)-Linien sind des-
Fki halb auch in allen Vorschriften sehr ähnlich. Für
Der Spannungsnachweis in Trägermitte wird e·AIW= 0/0,1/0,2 sind die Linien in Abb. 3.7-26
dem Druckspannungsnachweis mit dem Faktor dargestellt: Bei den kc(AreJ)-Linien im EC 5-I
kc gleichgesetzt. Im Grenzzustand erreicht die nach Abb. 3.7-27 sind das nichtlineare, für Zug
Spannung o den Wert der Festigkeit f. und Druck unterschiedliche Verhalten des Hol-
zes und die Streuung der Eigenschaften mit
F F ·e 1 F
-+-·-=o=f=-- (3.7.19) berücksichtigt [Step I I995]. Die beiden Linien
A I-K W A · kc nach den Gleichungen im EC 5 gelten für Voll-
Aus Einsetzen und Umformen folgt holz bzw. Brettschichtholz. Für Are/< 0,5 gilt kc =
1. Nur die Gleichungen liefern Werte über 1.
K- _f_- f. A. kc In beiden Abbildungen hat die Linie für e = 0
- Fki - (n 2 /1 2 ) · EI zwei Bereiche:
z2 f kc =I Festigkeit ohne Stabilitätsversagen,
--·-- ·k
- i2 n 2 . E c kc =1/Arer Stabilitätsversagen.
Der umfangreiche Spannungsnachweis für Bie-
gung und Druck wird ersetzt durch einen
Druckspannungsnachweis, wobei die Biegung
und die Theorie li. Ordnung im von der relati-
ven Schlankheit Arel abhängigen Faktor kc be-
rücksichtigt sind. In Tabelle 3. 7-Il sind für eini-
(3.7.20) ge Systeme Knicklängenbeiwerte ß angegeben,
mit denen die geometrische und die bezogene
(3.7.2I) Schlankheit berechnet werden kann. Die Ersatz-
stablänge Sk wird mit dem Knicklängenbeiwert
ß aus der Stablänge berechnet:

Holzbau 3-397
kc
1-t-------,
------... .....
----" ""
0,8

0,6
------'---,, 0,2
',

0.4

0,2

0 0,5 1,5 2 2,5 3


Arel

Abb. 3.7-26 Knickspannungslinien fur e = 0 und e · AIW = 0,1 und 0,2

kc
..::::::-.~

0,8

0,6

0.4

0,2

0 0,5 1,5 2,5 3 A,el

Abb. 3.7-27 Knickspannungslinie nach EDIN 1052 und ECS

Sind neben den Druckspannungen auch plan-


(3.7.23)
mäßige Biegespannungen im Querschnitt, so er-
Bei Berücksichtigung der Schubsteifigkeit S wird folgt der Spannungsnachweis mit der Druck-
die Ersatzstablänge spannung, bezogen auf die um kc verminderte
Druckfestigkeit zuzüglich der Biegespannung,
Eln 2 bezogen auf die Biegefestigkeit.
sk =ß·s· 1+--2- (3.7.24)
(ß·s) · S
Ersatzstabverfahren für kippgefährdete Biegeträger
Das Zusatzmoment aus Theorie Il. Ordnung in
der elastischen Feder bei den Systemen 2, 3 und Die Berechnung von Biegeträgern nach Theorie
5 darf wie folgt angenommen werden: II. Ordnung, bei der die seitliche Verschiebung

(_!_-1).
und die Verdrehung (Biegedrillknicken, Kippen)
M=N·!!_ (3.7.25) berücksichtigt werden, ist nicht so verbreitet wie
6 kc die Theorie II. Ordnung von Stäben, bei denen
Hierin sind h die Querschnittshöhe des an die nur die Verschiebung berücksichtigt wird (Knik-
Feder angeschlossenen Stabes und kc der Knick- ken). Deshalb hat bei diesen Problemen, hohe
beiwert des an die Feder angeschlossenen Stabes. schlanke Träger aus Brettschichtholz mit Recht-

3-398 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.7-11 Knicklängenbeiwerte ßfür Stäbe

System Knicklängenbeiwert ß

ß=l

2
n 2 ·EI
ß= 4+--
h · C~

C~ Federkonstante der elastischen Einspannung


(Kraft· Länge)

ß= (4+ n 2· f/) ·(1+a)


h · C~
für die eingespannte Stütze

mit a=.!!.. .2_!i


N h;

4 q
fürO,lS :s; %::; 0,5 undsk =ß·s:

~ I •
ß= 1,25

(für antimetrisches Knicken)

6 fürs 1 < 0,7-s:


ß=0,8
fürs 1 ;?: 0,7-s:
ß = l,O

(für antimetrisches Knicken)


N

7 bei gelenkiger Lagerung (C~ "' 0):


ß=l,O

bei nachgiebiger Einspannung (C<P >> 0):


ß=0,8

Holzbau 3-399
eckquerschnitt, das Ersatzstabverfahren noch - Drehfeder CG am Auflager:
mehr Bedeutung und Berechtigung. Ausgehend
von der kritischen Biegdruckspannung Om,crit 1
a=
wird die relative Schlankheit 3,5T
1+- -
CG .[
(3.7.26)

H .
- Druckkraft P:
berechnet und ebenso wie beim Knicknachweis
n 2 ·E·b 3 · h
die Festigkeit mit einem Beiwert ks abgemin- ß= mit pki = - - - -
dert. Abbildung 3. 7-28 zeigt wieder den bekann- kz 12s~
ten Verlauf von ks (Are/). Die Herleitung kannwie
beim Knicken am Sonderfall des gabelgelagerten - Wölbsteifigkeit C:
Einfeldträgers mit konstantem Grundbiegemo-
ment analytisch erfolgen. Sie ist wegen der zwei
Verformungen umfangreicher. In Tabelle 3.7-12
sind für einige Systeme und Belastungen Bei-
werte a 1 und a2 angegeben, mit denen kritische - elastische Bettung Cy und C~:
Kippmomente und daraus die kritische Bie-
gespannung sowie die bezogene Kippschlank-
heit berechnet werden können:

Mo . = n. ai . .,Ji;T.
y,crrt I

[1-a2 · ~z ·+fla·ß·y·Ö. (3.7.27) Ziel der Berechnung ist die zuverlässige Dimen-
sionierung der Bauwerke. Die Systeme im Holz-
Nach Abb. 3.7-29 ist B die Biegesteifigkeit um die bau können vom Werkstoff her linear elastisch
schwache, d.h. die z-Achse, und T die Torsions- berechnet werden. Die geometrische Nichtlinea-
steifigkeit. Mit den Faktoren a, ß, y und ö kön- rität muß bei Druckbeanspruchung berücksich-
nen die Wirkung einer Drehfeder CG am Aufla- tigt werden.
ger, einer Druckkraft P, der Wölbsteifigkeit C so-
wie der elastischen Bettung Cy und C~ erfasst
werden:

0,8

0,6
0,51
0,4

0,2

0 0,5 0,75 1,4 1,5 2,5

Abb. 3.7·28 kb bzw. kw1 nach DIN und EC 5

3-400 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.7-12 Kippbeiwerte

System Momentenverlauf a, a2

v= v' =0,
ß=0 Ce=:======
h··-
1.1

~
1 1,77 0
M~'"'
-
y, I l
1.2
~ 1,35 1,74

M~'"'
-
gabelgelagerter Einfeldträger
Draufsicht I I I I I I I I I 11
1.3
g s ~
M~cril
1,13 1,44

-
1.4 ~I
My,CIII
I) 1 0

M~cril r----___[
v=v'=O,
2.1 ~ ß =0 1,27 1,03

- ;r-;x.ß--
y; V z I
K ) I
Il l
2.2
Kragarm M~'"'~l ll 2,05 1,50

V= v'=O,
~ ß =0
~ D l ?1
3.1
y, V
rr-; x,ß--
I
<z::::v 6,81 0,40

I< ) I M~cril
-

3.2
beidseitig eingespannter Tr~ger
Draufsicht M~,J,~l 1 I I j 1 ~ 5,12 0,40
oc:::::::=r::::
~ ~

v= v'=O,
ii ß =0 "'~ D I ./'1
4.1 riil x,ß .....- <::::I? 1,70 1,60
y, V 9 Z
I( )I
M~cril
-

4.2
Minelfeld, Durchlaufträger
Draufsicht I I 1I I 11I 1 J J 1,30 1,60
M:«il
. ~ c::::::=:c::::: __/]
8 8

Holzbau 3-401
Pz

5 M Abb. 3.7-30 Spannungen in der Klebefuge

nung führt zwangsläufig zur Schäftung oder dann


zum Keilzinkenstoß! Abbildung 3.7-32 zeigt
auch die Störung durch die geometrische Unste-
tigkeit und daß demzufolge die Kraft nur in ei-
nen kleinen Bereich übertragen wird. Nur der
Abb. 3.7-29 Kippen, Querschnitt
Eigenspannungszustand erzeugt Schubspan-
nungen.
Die Ausführung von Klebeverbindungen er-
3.7.7 fordert Gewissenhaftigkeit, da einer fertigge-
Verbindungen stellten Klebeverbindung die Qualität nicht an-
zusehen ist. Die Eignung einer Firma zur Her-
3.7 .7 .1 stellung muß mit einer Leimgenehmigung des
Allgemeines Otto-Graf-Instituts an der Universität Stuttgart
nachgewiesen sein. Die Verwendung von Kleb-
Die Abmessungen von Vollholz sind begrenzt. stoffen ist ebenfalls geregelt: Zur Anwendung
Deshalb sind Verbindungsmittel zum Bau größe- kommen Resorcinharzleime (rotbraun) und
rer Tragwerke, alles was über den Vollholzbalken Melaminharzleime (weiß) für Bauteile die der
hinausgeht, notwendig. Neben dem Nagel, der Feuchtigkeit ausgesetzt, Harnstoffharzleime für
Schraube und dem Bolzen waren die zimmer- Bauteile, die nur kurz der Feuchtigkeit ausgesetzt
mannsmässigen Verbindungen lange die einzi- sein können. Der Kaseinleim aus Milchsäureka-
gen VerbindungsmitteL sein und gelöschtem Kalk ist nur für Bauteile, die
dauerhaft vor Feuchtigkeit geschützt sind, ge-
3.7.7.2 eignet. Dafür gibt dieser Klebstoffbeim Aushär-
Geklebte Verbindungen ten kein Formaldehyd ab. Der Holzleimbau be-
gann mit Kaseinleim. Dann wurde er durch die
Holzflächen können zusammengeklebt werden. feuchtebeständigen Klebstoffe ersetzt. Heute
In der Klebefuge treten bei Beanspruchung wird Kaseinleim für Bauteile in trockenen In-
Spannungen auf. Welche Spannungen das sind, nenräumen wieder verwendet.
hängt von der Art der Beanspruchung und von Der Tragwerksplaner verwendet geklebtes
der Anordnung der Fuge ab. Abbildung 3.7-30 Brettschichtholz und andere geklebte Holzwerk-
zeigt ein Klebefuge im Winkel 90 - a gegen die stoffe, ohne sich rechnerisch mit der Klebever-
Spannungsrichtung von Ox geneigt. Die Span- bindung zu befassen. Bei keilgezinkten Voll-
nungen in der Klebefuge sind: stößen ist die Querschnittschwächung im Zin-
kengrund zu berücksichtigen.
Oa = OxCOS 2a
(3.7.28)
Ta= Ox cosa sina
3.7.7.3
Sollen in der Fuge im wesentlichen Schubspan- Mechanische Verbindungen
nungen übertragen werden, ist die Neigung
90-a klein zu wählen. Geometrische Unstetig- Wirkungsweise
keiten haben Spannungsspitzen zur Folge. Ein
Wegnehmen von Material (schraffierter Bereich Zwei Holzteile können am Vorbeigleiten gehin-
in Abb. 3. 7-31) führt zu nahezu konstanten Schub- dert werden, wenn sie geometrisch verzahnt
spannungen. Eine andere geometrische Anord- werden (Abb. 3.7-33).Dies kann auch durch quer

3-402 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


1
3

Abb. 3.7-31 Geometrische Unstetigkeit

IJ~

~IJ
IJ ~
II

:::
-::::
cr/2 ::::
::::
:::
~oll
+

"")
Abb. 3.7-32 Kraftübertragungsbereich

zur Fuge eingebrachte Teile erfolgen: Holzdübel,


'
Unterschiedliche Verbindungsmittel haben
Dübel in Sonderbauweise, Nägel, Schrauben, ein stark unterschiedliches Verformungsverhal-
StabdübeL Bei der Kerbe oder beim Dübel sind ten. Abbildung 3.7-36 zeigt Last-Verschiebungs-
die Kontaktpressungen und die Scherspannun- Kurven. Verbindungsmittel mit unterschiedli-
gen nachzuweisen. Ein zum Gleichgewicht not- chen Steifigkeitsverhalten in einer Verbindung
wendiges Versatzmoment muß berücksichtigt bekommen dann auch sehr unterschiedliche
werden (Abb. 3.7-34}. Beim stiftförmigen Ver- Lastanteile. Deshalb gilt die Empfehlung, in ei-
bindungsmittel wirkt vom Holz aus gesehen eine ner Verbindung nur eine Art von Verbindungs-
Reaktionskraft (=Lochleibungsspannung mal mittel zu verwenden. Auf jeden Fall ist die Ver-
Durchmesser) auf den Stift und erzeugt in die- wendung einer Klebeverbindung zusammen mit
sem Biegemomente und Querkräfte. Abbildung einem mechanischen Verbindungsmittel unsin-
3.7-35 zeigt eine Aufnahme eines Versuches. nig. Die rechnerische Tragfähigkeit einer Ver-

Holzbau 3-403
==,b==go~~==~c=JF======~I===
Kerbe Dübel Stift

Abb. 3.7·33 Me<hanische Verbindungen

17"~C ~
1: (Ab:cheren) o-0 /im Winkel Cl zur Faser

Abb. 3.7-34 Kontaktpresung, Scherspannung, Versatz-


moment

Abb. 3.7·35 Stiftförmiges Verbindungsmittel

Leim Nägel Dübel Bolzen


F
--.
F ;
-i
I

~ ! + I --.'
F ; ' F
;-:-- ! + I ~
' I
'

I :f-;
F/2 F/2

.t:: Bruchlast
S l-r-1---.:..:..=~::..:....- s J-t-~
.t:: Höchstlast
....;.;.:..=:.:==,;........-
.t::
S H~
~~
Höchstlast .t::1 Höchstlast
S J-l-:..:. :c.::c..::..:;.::..:.._

zul 1:
I
zul F zul F V;;
1/ J
0 1,5 mm 0 1,5 mm 0 1,5 mm 0 1,5 mm
Verschiebung v Verschiebung v Verschiebung v Verschiebung v

Abb. 3.7-36 Last-Verschiebungskurven

3-404 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


bindungist einmal begrenzt durch die Sicherheit In den Vorschriften wird dies, das elastisch-pla-
gegen Versagen und einmal durch die auftreten- stische Verhalten und vor allem die gegenseitige
de Verschiebung. Beeinflussung der Verbindungsmittel, durch ei-
In Kraftrichtung hintereinander angeordnete ne Abminderung der Tragfähigkeit in Abhän-
Verbindungsmittel erhalten unterschiedliche gigkeit der Zahl der hintereinander geschalteten
Lastanteile. Abbildung 3.7-37 zeigt den Schub- Verbindungsmittel berücksichtigt. Für Stabdü-
fluß nach GI. (3.7.29) zwischen zwei elastisch bel wird im EC 5 ab sechs in Kraftrichtung hin-
verbundenen Stäben. Der mittlere Schubfluß to tereinander liegenden Verbindungsmitteln jedes
ist F/(2a). Je steifer die Verbindung, desto größer weitere nur zu 2/3 angerechnet. Die Tragkraft ei-
wird die Schubflußspitze am Rand: ner Reihe mit n Verbindungsmitteln ist dann die
Tragkraft eines Verbindungsmittels mal der
t(x) · 2a t(x) a e-x/1 +ex/1 wirksamen Anzahl nefnach Tabelle 3.7-13.
--F-=t;;=z · -e-a/1+ea!l
(3.7.29)
Stiftförmige Verbindungsmittel
·
mtt z=~A
-.
2c Ein Traglastmodell für stiftförmige Verbin-
dungsmittel das einfach handhabbar ist, entsteht
bei folgenden Annahmen: Vom Holz auf den Stift
wirkt eine Linienlast q = /h · d. Diese verläuft je-
Tabelle 3.7-13 Wirksame Zahl in Kraftrichtung hinter- weils konstant, immer gegen die Einpreßrich-
einander angeordneter Verbindungsmittel
tung des Stiftes in das Holz. Sprünge bei Rich-
tungswechsel der Eindrückung werden in Kauf
Verbindungs- n.r n< Quelle
mittel genommen. Der Einfluß der Abweichung vom
stetigenübergangauf das Berechnungsergebnis
Dübel 2+(1- 2n0 )<n-2) 10 DIN 1052, ist gering. Der Stift ist starr, erreicht das Biege-
EDIN 1052
2 moment die Größe des Fließmomentes, bildet
Stabdübel 6+ - (n - 6) 12 DIN 1052 sich ein plastisches Gelenk aus. Abbildung 3.7-38

r
3
zeigt einen Stift in einem Holz der Dicke t. Der
- EDIN 1052
Stift wird durch eine Randkraft R belastet. Die
min
no.s.f7 Reaktionskraft und die Schnittgrößen im Stift
o1: Abstand parallel sind angegeben. Wenn q die maximale Reakti-
Faserrichtung onskraft ist, wird die Kraft
d: Stabdübel-
durchmesser R1 =q·t ·(.J2-1). (3.7-30)
2
Nägel 10 +-(n - 10) 30 DIN 1052 Das zugehörige Moment im Stift wird
3
Rz
M=- (3.7-31)
2q

F- .::_EA
55 5
,T --F

r-x 0
ll= 2·c
EA
'I t}o '
5
4

\ J
--
3
2
........_ 1

Abb. 3.7-37 Verteilung der Schubkraft

Holzbau 3-405
Holz
d~======t= R
j
Stift
Reaktionskräfte im Holz

Schnittgrößen im Stift

M-Fiäche
R2f2q

Q-Fiäche
Grenzen

R=~2M · q StiftM
R=q ·t(.Jl - 1) Holz q

Abb. 3.7-38 Stift im Holz

Die Traglast ist erreicht, wenn das Biegemoment


die Größe des Fließmoments erreicht. Die Auf-
lösung liefert dann die zugehörige maximale R
Randlast
R2 =~2·M·q. (3.7-32)
Die kleinere Last R ist die maßgebende. Abbil-
dung 3.7-39 zeigt den Einfluß der Holzabmes-
sung tauf die Traglast R. Eine Vergrößerung der
Holzabmessung über tgrhinaus bringt keine Stei-
gerung der Last R. Sinnvoll erscheint eine Durch-
messerwahl der Stabdübel, bei der die Traglast
aus der Lochleibung und dem Fließmoment zu- Abb. 3.7·39 Traglast in Abhängigkeit der Holzab-
sammenpassen. Das trifft etwa zu, wenn der messung
Durchmesser ein Fünftel der Holzdicke ist.
In DIN 1052 sind die beiden Tragweisen durch
zwei Gleichungen für die zulässige Beanspru- Weitere mechanische Verbindungsmittel
chung angegeben. Im EC 5-1 sind auf der Grund-
lage des Traglastmodells für unterschiedliche Neben den stiftförmigen Verbindungsmitteln
Verbindungen - einschnittig, zweischnittig, gibt es eine Reihe von weiteren mechanischen
Holz-Holz, Holz-Stahl - Gleichungen für die Verbindungsmitteln. Sie werden hier nur kurz
möglichen Modelle angegeben. Dabei gilt dann aufgezählt: Dübel in Sonderbauweise, eingekleb-
jeweils die kleinste Traglast. Neben der Geome- te Gewindestangen, Nagelplatten, Stahlformtei-
trie (Stabdurchmesser und Holzabmessung) le. Die Anwendung ist meist in Zulassungen ge-
sind Festigkeitswerte notwendig. regelt.

3-406 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.7.8 durch geeignete Lastaufteilung auf die beiden
Träger aus nachgiebig miteinander Einzelträger erreicht werden.
verbundenen Teilen Zur Berechnung derartiger Träger wird für bei-
de Träger die technische Biegetheorie angesetzt
3.7.8.1 und der Schub t über eine elastische Feder c oder
Allgemeines k (Kraft/Länge2) übertragen. Die Differentialglei-
chungen für die Durchbiegung w beider Träger
Zwei Träger mit Dehn- und Biegesteifigkeit wer- und die Längsverschiebungen u1 und u2 für die
den übereinander gelegt und in der Fuge nach- beiden Stabachsen sind für den Einfeldträger un-
giebig miteinander verbunden. In der Fuge kön- ter sinusförmiger Belastung analytisch lösbar.
nen Schubkräfte t (Kraft/Länge) übertragen Diese Lösung liegt den Angaben in DIN 1052 und
werden (Abb. 3.7-40 und -41). Eine senkrecht zu im EC 5-1 zugrunde. Für andere Lasten und an-
den Stabachsen wirkende Kraft erzwingt die ge- dere Systeme bedeutet die Anwendung der For-
meinsame Biegelinie beider Teile, dies kann auch meln eine mehr oder wenig gute Näherung.

llllllllllllllllllll l

Abb. 3.7·40 Träger aus zwei Teilen, nachgiebig miteinander verbunden

Abb. 3.7-41 Querschnitt, Verformungen und Schnittgrößen

Holzbau 3-407
3.7.8.2 Abminderungsfaktoren:
Analytische Lösung für den Einfeldträger 1
mit konstanten Querschnittswerten und sinusförmig
verteilter Belastung

In DIN 1052 und EC 5 sind für diesen Fall die Lö-


sungen angegeben. Dabei werden zwei- und drei- Y2 = 2
(3.7.33)
teilig miteinander verbundene Querschnitte be- 1+ _n_·_
E_A..,_2
g2. c
handelt. In [Schelling 1982) ist auch die Lösung
für mehrteilige Querschnitte angegeben [STEP Geometrie:
1995].
Abbildung 3.7-42 zeigt den Querschnitt, das
System und als Ergebnis die Längsspannungen.
Der Querschnitt aus zwei Teilen und der elasti- bzw. (3.7.34}
schen Verbindung wird nach links durch einen
Querschnitt mit der um y 1 verminderten Quer- ai =a· Y2EA2
EA1 +y2EA2
schnittsdehnsteifigkeit y 1EA 1 oder nach rechts
mit der um y2 verminderten Querschnittsdehn- Steifigkeit:
steifigkeit y2EA 2 ersetzt. Einmal wird der Quer-
schnitt entsprechend den Rechenregeln von un- ef EI = EII + EI2 +a2. YIEAI. EA2
ten und einmal von oben betrachtet. Einmal wird YIEAI +EA2
(3.7.35)
der Spannungsnulldurchgang im Teil2 und ein- -- EI1 + EI2 +a2 · BAI · y2EA2
mal der im Teil 1 als Rechenausgangspunkt für EA1 +y 2EA2
die Geometriegrößen a 1 und a2 verwendet. Bei-
de Wege führen selbstverständlich zum seihen Längsspannung:
Ziel. M
a= ef EI ·E·z, ~ II Verschiebungy (3.7.36)

Abb. 3.7-42 Zweiteiliger Träger, Sinuslösung

3-408 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Schubfluß: Schubfluß t0 == Oß/a
Q Q Biegemomente M1 == MA EI 1/LEI
t 0 ==--·y1EA1 ·a1 ==--· EA2 -~ bzw. M2 = MA EI2/LEI
ef EI ef EI
Normalkräfte N1 == -MBia
Q Q N2 ==MBia
t 0 ==-- · EA1·a1 ==-- · y 2 EA2 · a2
ef EI ef EI Querkraft Q1 == ~Eh/"f.EI + ~ h 1/(h 1+h 2 )
(3.7.37) Q2 == ~EI2/l.EI + ~ h2/(h1+h2)

3.7.8.3 Abbildung 3.7-43 zeigt einen Träger aus zwei


Schubanalogie nachgiebig miteinander verbundenen Teilen und
die zugehörige Systemtransformation. Der Be-
Die Wirkung der Nachgiebigkeit c oder k wird rechnungsgang wird in Abb. 3.7-44, die Längs-
durch eine Schubsteifigkeit erfaßt. Dabei werden und Schubspannung in Abb. 3.7-45 vorgestellt.
die beiden Dehnsteifigkeiten BA zusammen mit
der nachgiebigen Verbindung c bzw. k durch ei- 3.7.8.4
nen Träger mit einer Biege- und Schubsteifigkeit Holz-Beton-Verbundbauweise
beschrieben. Die Eigenbiegesteifigkeit der bei-
den Träger wird durch zusätzliche Träger, die Bei der Holz-Beton-Verbundbauweise werden
gleiche Durchbiegung w haben müssen, rechne- ein Holzträger und ein Betonträger nachgiebig
risch mitberücksichtigt. Es werden geometrisch miteinander zu einem Holz-Beton-Verbundträ-
ein Träger mit Biege- und Schubsteifigkeit und ger verbunden. Beim Biegeträger mit einem
ein Träger nur mit Biegesteifigkeit verbunden. Querschnitt nach Abb. 3.7-46 übernimmt die
Die analytische Herleitung erfolgt über die Dif- Druckplatte aus Beton die Aufnahme der Biege-
ferentialgleichungen, die numerische Anwen- druckkraft sowie die Lastverteilung quer zu den
dung über Rechenprogramme für Stabwerke Trägern und auch die Aufgabe der Aussteifungs-
[Kreuzinger 1999]. scheibe im Gesamtsystem. Der Holzteil in der
Damit können Träger mit unterschiedlichen Biegezugzone trägt auf Biegung und Zug. Auf-
Lasten, mit veränderlichen Querschnittswerten gabe der Verbindungsmittel ist neben der Über-
und verschiedenen Randbedingungen berech- tragung der Schubkräfte die Sicherung des Zu-
net werden. Die Berechnung liefert Schnitt- sammenhalts der beiden Teile. Die Berechnung
größen der Träger, die auf die Querschnittsteile und Konstruktion von Betonteilen sind in DIN
aufgeteilt werden können. 1045 bzw. EC 2, die von Holzteilen in DIN 1052
bzw. EC 5 geregelt. Das Zusammenwirken beider
Träger A EIA == EI1 +Eh
Teile, die Verbundbauweise, ist (2000) noch nicht
MA,~
geregelt! Sie wird in E DIN 1052 angesprochen.
TrägerB Eis== a2 (EA1 EA2)/(EA 1+EA2)
Es gibt grundsätzliche Untersuchungen und vie-
S == c a2
le ausgeführte Konstruktionen.
MB,Oß

GegebenerTräger

;+~- · - · ---- -·-- -·-- -·-·- ~'


~- -·- · -·-·- · -·-·- · -·-·- · -·- · - · - · - · - ·

• El1, EA 1 _

Systemtransformation

l 1111111 1111111l EA ·EA


TrägerB E/8=al.-1- -
2 ; 5=c -al
EA 1+EA 2

Abb. 3.7-43 Schubanalogie, Systemtransformation

Holzbau 3-409
Berechnung (z.B. Einzellast in Feldmittel Rücktransformation

A TrägerA
MA

TrägerB
Ma N1=-M.ta, o s,-
- N,
• ~

M,+M 8 =M

Abb. 3.7-44 Berechnung, Einzellast in Feldmitte

Verbundmittel:
Schrauben Vollholz oder
Stabdübel, Dübel Brettschichtholz
Nocken, Kerben
~ ~ '
Balkensch uhe
<Js2 <Js2
eingeklebte Gewindestangen
Längsspannungen Nagelplatten
(MNfml] Nägel

Abb. 3.7-45 Spannungen und Schubßuß Abb. 3.7-46 Holz-Beton-Verbund

3-410 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


können. Zur Berechnung der Konstruktion ist
die Steifigkeit der Verbindung und die zulässige,
beziehungsweise charakteristische übertragbare
Kraft notwendig.
In folgenden Vorschriften und Zulassungen
werden Holz-Beton-Verbundkonstruktionen be-
handelt (Stand Mai 2000):
- E DIN 1052, Abschnitt "6.4 Zusammengesetz-
te Bauteile (Verbundbauteile)"
- EC 5-2 und zugehöriges NAD, Abschnitt "6.4
Verbundbauteile aus Holz und Beton" undAb-
Kr. 33 14 31.
schnitt "8.2 Holz-Beton-Verbindungen in Ver-
bundbauteilen".
Abb. 3.7-47 Patentschrift - DIBt,Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung,
Z.9.1-342, "SFS-Verbundschrauben VB-48-
7,5 x 100 als Verbindungsmittel für das SFS
Für Umbaumaßnahmen, wie Verstärkungen Holz-Beton-Verbundsystem.":
von bestehenden Holzbalkendecken, eignet sich Die Verbindung erfolgt durch Schrauben, die
die Verbundkonstruktion: Zug- oder Druckkräfte übertragen können.
- Die vorhandene Konstruktion kann erhalten Durch zugeordnete Anordnung, wie Abb.
bleiben, 3. 7-48 (aus Anlage 2 der Zulassung) zeigt, ent-
- die aufbetonierte Betonplatte erhöht die Trag- steht zur Abtragung der Schubkraft ein Kräf-
fähigkeit und die Steifigkeit, tedreieck mit Zug- und Druckkräften. Zwi-
- die zusätzlichen Lasten sind gering, schen dem Holz und dem Beton kann auch ei-
- der Schall- und Brandschutz werden verbes- ne nicht tragende Trennschicht angeordnet
sert, sein. In der Zulassung sind die notwendigen
- die Betonplatte kann für die Gebäudeausstei- Berechnungsgrößen angegeben.
fung herangezogen werden. - DIBt, Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung,
Z.9.1-331, "EW-Holz-Beton-Verbundelemen-
Auch für Neubauten von Decken- und Brücken- te":
platten ist die Holz-Beton-Verbundbauweise ge- In der Zulassung ist ein System beschrieben,
eignet. Bei Brücken schützt die Betonplatte mit bei dem die Schubübertragung durch Nägel
der Fahrbahn als Element des konstruktiven erfolgt.
Holzschutzes die darunterliegende Holzkon-
struktion. In beiden Zulassungen wird für den Beton ein
Die Idee, die Baustoffe Holz und Beton zu- Rechenwert des E-Moduls angegeben mit
sammen für Tragwerke, besonders Biegebalken Eo= 32000 N/mm 2 • Das Kriechen wird durch
zu verwenden, ist nicht neu: eine Patentschrift Abminderung dieses Rechenwertes auf
über einen Holz-Beton-Verbundträger aus dem E~ = 9000 N/mm 2 berücksichtigt. Die Steifig-
Jahre 1922 (Abb. 3.7-47) zeigt dies. Darüberhin- keitswerte des Holzes und der Verbindungsmit-
aus gab es Untersuchungen über bambusbe- tel müssen dabei auf 2/3 der ohne Kriechen an-
wehrte Betonteile. genommenen Werte vermindert werden.
Weitere Schubverbindungsmittel werden in
Verbindungsmittel Prospekten und der Literatur angegeben. Zwei
Beispiele:
Die Verbindungsmittel übertragen die Schub-
kraft zwischen beiden Querschnittsteilen. Ein- Bertsche Schubverbinder. Ein rahmenartiges
mal werden mechanische Verbindungsmittel in Stahlteil überträgt die Schubkraft über jeweils
den Holzteil eingebracht und in den Betonteil zwei im Beton und Holz druckbeanspruchte
einbetoniert, oder die Schubübertragung erfolgt Kontaktflächen. Die Kraftübertragung erscheint
über Kontaktflächen, die durch geometrische deshalb berechenbar. Der Verschiebungsmodul
Verzahnung entstehen. Damit die Querschnitts- muß angenommen werden. Die konzentrierte
teile einen Zusammenhalt haben, muß die Ver- Schubverbindung an einzelnen Stellen kann mit
bindung senkrecht zur Fuge Kräfte übertragen der analytischen Lösung nicht er faßt werden, ei-

Holzbau 3-411
Schubkraft

Abb. 3.7-48 Verbundmittel Schraube

ne numerische Lösung ist erforderlich. Für einen


Verbundanker können angenommen werden:
zul T= 200kNund C= SOOMN/m [Fritzen 1998]. Konsole

Brettstapel-Beton-Verbund, System Natterer.


Auf hochkant nebeneinander gestellte Bretter
wird eine Betonschicht aufgebracht. Die Schub-
verbindung erfolgt über Kerben nachAbb. 3.7-49.
Die Bretter sind verleimt oder vernagelt. Die Ker-
ben verlaufen senkrecht zur Spannrichtung. Die Abb. 3.7-49 Verbundmittel Kerbe
Kraftübertragung erfolgt über die "Betonkonso-
le" und die Kontaktspannung zwischen der Be-
tonkonsole und dem eingeschnittenen Holz. Der 3.7.8.5
Zusammenhalt der beiden Querschnittsteile er- Querschnitte aus mehreren miteinander nachgiebig
folgt durch Anker. Durch die konische Ausbil- verbundenen Schichten
dung der Kerbe und das Anspannen der Anker
nach der Aushärtung des Betons entsteht eine Die im Abschnitt 3.7.8.3 hergeleitete Schubana-
sehr kraftschlüssige Verbindung. Die Verbin- logie gilt streng nur für den Querschnitt aus zwei
dung ist weitgehend berechenbar. Die Zugkraft Teilen. Für Querschnitte aus mehreren Teilen
im Anker folgt aus der Annahme der Neigung kann sie aber als sehr gute Näherungslösung an-
der Druckkraft von 10°. Der Steiner-Anteil der gewendet werden. Dem Träger A wird die Sum-
Biegesteifigkeit wird auf 90% abgemindert. Ver- me der einzelnen Biegesteifigkeiten zugewiesen,
suche haben diese Werte bestätigt, viele Decken dem TrägerB die Biegesteifigkeitder Steinec-An-
wurden erfolgreich ausgeführt. teile und eine Schubsteifigkeit, die nach Abb. 3.7-
Die Berechnung von Holz-Beton-Verbundträ- 50 hergeleitet wird.
gern erfolgt nach den Regeln für Träger aus
nachgiebig miteinander verbundenen Quer- t ·i
u = --=t . {n-2: -+-1-+
1 1 d n-2: _!_+_n_
d· d }
1

schnittsteilen. S 1 C; 2 · G1 i=Z G; 2 · Gn
(3.7.38)
Hierin bedeuten:
n Anzahl der Schichten,

3-412 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


uoderv

I 1 I I
2 I I I
I I / / - xodery
i I / /
! I I
-· I n y I
xoder y

Abb. 3.7·50 Schubsteifigkeit

Längsspannung o Schubfluß t

- 10 kN/m ----
~~,," ......--____; _::;,.
_:...:
--- ==-
,,._____
--------
____-
I ---
. I - --
- ·-· --~ ~-:- ·-..:.

c"' 1 - genaue Theorie -- Schubanalogie

Abb. 3.7·51 Mehrteiliger Querschnitt mit weicher Verbindung

Längsspannung cr Schubfluß t

,______.... 1 MN/ml i - 10kN/m

' "' 100 - genaueTheorie -- Schubanalogie

Abb. 3.7-52 Mehrteiliger Querschnitt mit steifer Verbindung

c; Verschiebungsmodul infolge Nachgiebigkeit Dafür gilt die analytische Lösung nach [Schel-
der Verbindungen zwischen der Schicht i und ling 1982] .
i + 1, (Kraft/Länge 3 )
d; Dicke, 3.7.9
G; Schubmodul der Schicht i Beanspruchung rechtwinklig zur Faser

Die Näherung besteht in der Annahme einer li- 3.7.9.1


nearen Dehnung der Schwerpunkte der einzel- Einleitung
nen Teilschwerpunkte. Abbildungen 3.7-51 und
3.7-52 zeigen für einen siebenteiligen Quer- Die ausgeprägte Anisotropie von Holz erfordert
schnitt die genauen und genäherten Ergebnisse die besondere Berücksichtigung der Richtungen
eines Einfeldträgers unter sinusförmiger Bela- und Beanspruchungen mit geringeren Festig-
stung einmal für eine weiche Schubverbindung keiten. Die Zugfestigkeit senkrecht zur Faser und
und einmal für eine steife Schubverbindung. damit auch die Schubfestigkeit in der Ebene

Holzbau 3-413
senkrecht zur Faser sind gering und auch unzu-
verlässig. Abbildung 3.7-53 zeigt die r-t-Ebene (3.7.40)
mit den zugehörigen Spannungen.
Am Spannungskreis, Abb. 3.7-54, ist ersicht- (3.7.41)
lich, daß für den Fall reiner Schubbeanspru-
chung t,1 durch Drehen des Koordinatensystems
(3.7.42)
um 45° ein Zug-Druck-Spannungszustand ent-
steht. Deshalb können die Festigkeiten f, (Zug) I
und f, 1 (Rollschuh) nicht weit auseinander lie- fRollschub = -J3 ·fzug =0,58 · fzug · (3.7.43)
gen! Beidebetragen nur einen Bruchteil der Fest-
igkeit.fi (Zug in Faserrichtung). Für diese Aussage fehlt aber noch die Bestäti-
Eine vorsichtige lineare Spannungsinterakti- gung durch Versuchsergebnisse. Einleuchtend ist
on für den Tragsicherheitsnachweis liefert das aber, da die einachsige Zugfestigkeit durch
zusätzlichen Querdruck sicher abgemindert
o, +~+~::;;}, (3.7.39) wird.
fr frt fr Die Berechnung der Querzugspannungen in
Wird für die r-t-Ebene eine Vergleichspannung Trägern kann aus dem Gleichgewicht der Längs-
nach der Gestaltänderungshypothese berechnet, und Schubspannungen nach der technischen
einmal für Zug und einmal für Schub, und wird Biegetheorie erfolgen. Die Längsspannung Ox
von den Spannungen auf die Festigkeit ge- folgt aus der technischen Biegetheorie. Abbil-
schlossen, so folgt: dung 3.7-55 zeigt, daß aus dem Gleichgewicht in

~----------------------- x

'"'Dt"'
- 'tu ro,
t ".-

r
z
o, o,
t + t'"' -dx
~ o , +o', ·dx

t ,. +r~ ·dz

o , +o; ·dz

Abb. 3.7-55 Querzugspannung, Gleichgewicht am


Abb. 3.7-53 r-t-Ebene mit Spannungen Element

Abb. 3.7-54 Spannungskreis

3-414 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


x-Richtung zunächst die Schubspannungtzx und im EC gegebenen Formeln. Beim Tragsicher-
dann aus dem Gleichgewicht in z-Richtung mit heitsnachweis ist noch zu beachten, daß die
Tzx = Txz die Querspannung Oz berechnet werden Querzugfestigkeit von der Größe des Bereichs
kann: abhängig ist in dem diese wirkt. Die Festigkeit
wird mit einem Volumenfaktor (V0 !V)a multi-
dt
dx
do
__.E_+--
dz
2 =0, o =-
z
Rand dt
-E....dz+C .
dx
J pliziert. Dabei ist:
z V0 Bezugsvolumen (0,01 m 3 nach EC 5)
(3.7.44) V Volumen mit Querzug
Bei gekrümmten Trägern kann die Querspan- a Faktor (0,2 nach EC 5)
nung mit der Scheibentheorie berechnet wer-
den. Eine einfache Lösung liefert wieder das 3.7.9.2
Gleichgewicht ausgehend von der Längsspan- Beispiele
nung nach der technischen Biegetheorie (Abb.
3.7-56): Krafteinleitung
Rand
(J
z
=-·
r·b
1
J (J
x
· b ·dz Eine Einzellast liefert im Träger einen Sprung
z der Querkraftlinie. Die Querzugspannung er-
(3.7.45)
M rechnet sich aus der Änderung der Schubspan-
J z·b·dz.
1 Rand
=-·-· nung. Wenn diese Änderung zu einem Sprung
r ·b I z wird, kann nur eine resultierende Zugkraft im
Für den Rechteckquerschnitt mit b = const folgt Querschnitt aus dem Gleichgewicht berechnet
werden. Zur Spannungsberechnung ist eine Ver-
teilungslänge notwendig. In [Ehlbeck 1991] wer-
den dazu Nachweisverfahren angegeben. Abbil-
(3.7.46)
dung 3.7-57 zeigt, daß der Schubfluß t mit der
eingeleiteten Kraft F im Gleichgewicht steht. Je
nach Höhe der Krafteinleitung gibt es eine ent-
und für z = 0 folgt sprechende Zugkraft im Querschnitt. Die Inte-
I h gration des Schubflusses im Träger oberhalb der
(J z max =- · (J x,Rand · - · (3.7.47) Krafteinleitung liefert die Zugkraft (Abb. 3. 7-58 ).
' r 4

Dies entspricht dem ersten, wichtigsten und t(z)=t 0 ·(1-4 · z2 /h 2 ), t0 =l,5·Fih,


meist ausreichenden Term der in der DIN oder Rand, oben
Nz = J t(z)dz
Lasteinleitung,z

=F· ( 0 , 5+15 z · -z 3 )
, ·--2
h h3

=F -(l-3·:: +2 · ::) (3.7.48)

mit a=h/2-z.
Der Klammerausdruck erscheint in der Litera-
tur als Faktor zur Berücksichtigung der Lage.

Ausgeklinkte Auflager

Beim ausgeklinkten Auflager tritt in der ein-


springenden Ecke Zug auf. Nach Abb. 3. 7-59 muß
der Schubfluß unterhalb der Ausklinkung hoch-
gehängt werden. Die Zugkraft entspricht der
schraffierten Fläche des Schubflusses:
Abb. 3.7-56 Umlenkspannungen

Holzbau 3-415
IF
Achse t
-·-·-·-·-·t:- ·-·- ·-·-
Träger

Abb. 3.7·57 Krafteinleitung im Querschnitt

Aufgrund der Exzentrizität wird diese Zugkraft


Z zur Dimensionierung noch mit einem Faktor
(1,3 nach DIN 1052) multipliziert.

Durchbrüche

Bei Durchbrüchen in Trägern tritt ebenfalls in


jeweils gegenüberliegenden Ecken Zug bzw.
Druck auf. Die Zugkraft (bzw. Druckkraft) ent-
spricht der Differenz der schraffierten Schub-
flußflächeinder Abb. 3.7-60:

(3.7.50)

Abb. 3.7·58 Zugkraft N,


Angeschnittene Faser am Trägerrand

Bei Brettschichtholzträgern veränderlicher Hö-


he wird in einem Schnitt senkrecht zur Träger-
achse nach der technischen Biegetheorie die
Längsspannung Ox berechnet. Senkrecht zum
h um den Winkel a zur Stabachse geneigten Rand
darfkeine Spannung vorhanden sein. Aus dieser
z Bedingung liefert der Mohrsehe Spannungskreis
oder das Gleichgewicht Spannungen senkrecht
0
zur Stabachse. Im Mohrsehen Spannungskreis
nach Abb. 3.7-61 ist ax und a gegeben. Der Ra-
dius und damit Oz sind dann
Abb. 3.7·59 Ausgeklinktes Auflager
r = -t- = .......,_
ox _ · tana
_
sin2a sin2a
2tana ) 2
cr =2r-o =a · ( - - - 1 =a · tan a
3 z x x sin2a x
z z )
Z=A- ( 0, 5-15·-+2·-
) h h3 t=ox · tana
(3.7.49) (3.7.51)
Für die Spannungskombination Ox, Oz und t ist
der Nachweis zu führen.

3-416 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


können solche Platten wie auch Platten mit
nachgiebig verbundenen Schichten natürlich
auch berechnet werden.
Die Berechnung von aus Schichten aufgebau-
h ten Flächen für Platten- und Scheibenkonstruk-
tionen soll mit gängigen Programmen erfolgen.
Dazu müssen bei den Eingabewerten der Stei-
figkeiten die Besonderheiten der Holzkonstruk-
tionen berücksichtigt werden:
- Anisotropie: verschiedene Steifigkeiten in un-
Abb. 3.7-60 Durchbruch terschiedlichen Richtungen
- Berücksichtigkung der Schubverformung
- Berücksichtigung der nachgiebigen Schub-
verbindung zwischen den Schichten

Es darf mit linear elastischem Materialverhalten


und den Mittelwerten der Steifigkeiten gerech-
net werden. Die Berücksichtigung der nachgie-
bigen Schubverbindung zwischen den Schichten
durch eine Ersatzschubsteifigkeit des Gesamt-
querschnitts stellt eine Näherung dar. Die Deh-
nungen der Schichtschwerpunkte liegen auf ei-
ner Geraden durch die Schwerlinie (vgl. Ab-
schnitte 3.7.8.3 und 3.7.8.5}. Grundlage ist die
technische Biegetheorie mit Berücksichtigung
der Schubverformung. Die Steifigkeiten werden
auf die Breite 1 bezogen.

3.7.10.2
Platten aus nachgiebig miteinander
Abb. 3.7-61 Angeschnittene Fasern am Trägerrand verbundenen Schichten

Abbildung 3.7-62 zeigt ein Element dx mal dy


aus n Schichten der Dicke di. Die Orientierung
3.7.10 der Faser der Schicht i zeigt in x- oder y-Rich-
Platten aus Schichten tung. Wie im Abschnitt 3.7.8.3 für den Träger ge-
zeigt, wird die Platte aus nachgiebig miteinander
3.7.10.1 verbundenen Schichten für die Berechnung
Allgemeines durch die Platte A und die Platte B ersetzt. Dabei
erhält die Platte A die Summe der Steifigkeiten
Furniere oder Bretter werden kreuzweise über- der lose (c=k=O) aufeinander gelegten Schich-
einandergelegt und miteinander verbunden. Bei ten. Die Platte B erhält die Biege- und Torsions-
Verklebung entsteht ein schubstarrer Verbund, steifigkeit aus den Steiner-Anteilen und eine
bei Vernagelung oder Verschraubung ein nach- Schubsteifigkeit, welche die Nachgiebigkeit c
giebiger Verbund der einzelnen Schichten. Die bzw. k erfaßt. Die Schubsteifigkeit wird nach Gl.
Nachgiebigkeit wird durch eine elastische Feder (3.7.38} für beide Richtungen berechnet. Beide
c bzw. flächenbezogen k je Flächeneinheit (Kraft/ Platten A und B müssen so gekoppelt werden,
Länge 3) beschrieben. Die Faserrichtungen der daß sie eine gemeinsame Biegefläche w(x,y) er-
einzelnen Schichten sollen parallel oder senk- halten. Das kann durch Koppelstäbe zwischen
recht zueinander verlaufen. Platten mit starrem den übereinandergelegten Platten erreicht wer-
Verbund sind Baufurniersperrholzplatten, Ker- den oder, wenn es das verwendete Programm er-
toplatten oder Brettsperrholzplatten. Zur Be- laubt, dadurch, daß zwischen dem Knotennetz
rechnung dieser Platten liegen oft Zulassungen der einen gegebenen Platte die zwei Berech-
des Instituts für Bautechnik, Berlin, vor. Doch nungsplatten A und B eingebaut werden.

Holzbau 3-417
Abb. 3.7-62 Plattenelement

Die Berechnung der verbundenen Flächen lie-


fert Schnittgrößen der Fläche A und der Fläche (3.7.55)
B. Die Steifigkeiten und die aus den Schnitt-
größen folgenden Spannungen werden wie folgt
berechnet: Schubspannung Txz,i> parabelförmig über die
Höhe d; verteilt, infolge qAxz:
FlächeA
(3.7.56)
Biegung um die y-Achse (Biegemoment mAx),
Biegesteifigkeit B Ax und Biegerandspannung der
Schicht i in x-Richtung:
d3
T xz,i =1,5 · qAxz,i fd; · (3.7.57)
BAx= LEx,i .-.!.... > (3.7.52)
12
Schubspannung Tyz,i> parabelförmig über die
mAx d· Höhe d; verteilt, infolge qAyz: In den Gin. (3.7.56)
o X,l·=+E
-
. - - · _!_
X,l BAx 2 - (3.7.53) und (3.7.57) ist der Index x durch y zu ersetzen.

Biegung um die x-Achse (Biegemoment mAy), FlächeB


Biegesteifigkeit BAy und Biegerandspannung der
Schicht i in y-Richtung: In den Gin. (3.7.52) und Biegung um die y-Achse (Biegemoment mBx),
(3.7.53) ist lediglich der Index x durch y zu er- Biegesteifigkeit BBx und Normalspannung aus
setzen. Biegung in der Schicht i in x-Richtung:
Verwindung der x-y-Ebene (Drillmoment
mAxy= mAyx), Drillsteifigkeit BAxy und Schub-
(3.7.58)
randspannung der Schicht i, <xy,i =<yx,i:
_ msx
ox,i- Ex,i ßsx . Z;. (3.7.59)
-t,
d3
BAxy= LGxy,i . (3.7.54)
Biegung um die x-Achse (Biegemoment m 81 ),
Biegesteifigkeit B81 und Normalspannung aus
Biegung in der Schicht i in y- Richtung: In den

3-418 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Gln. (3.7.58) und (3.7.59) ist der Indexx durchy
zu ersetzen. (3.7.67)
Verwindung der x-y-Ebene (Drillmoment
mBxy =mByx), Drillsteifigkeit BBxy und Schub- Biegung um die x-Achse (Biegemoment my),Bie-
spannung in der Schicht i, Txy,i = Tyx,i: gesteifigkeit By und Biegespannung in y-Rich-
ßsxy =L> Gxy,i -d; · zf ' (3.7.60) tung: In den Gln. (3.7.66) und (3.7.67) ist der In-
dex x durch y zu ersetzen.
mBxy Verwindung der x-y-Ebene (Drillmoment
Txy,i =~. Gxy,i. Z;. 2. (3.7.61) mxy = myx), Drillsteifigkeit Bxy und Schubspan-
~Bxy
nung Txy = Tyx:
Querkraft qBxz• Schubspannung Txz in der Fuge
Bxy=BAxy+BBxy
ili+ 1:
(3.7.68)
ESxili+l = d~ .L 2·G .. d .. z·2
LGxy,z.. .....!...+
T xz,i/i+! =-B-'- · qBxz ' (3.7.62) 6 xy,z ' ' >
Ax
n
ESx,i/i+l = L Ex,j · Zj · dj • (3.7.63)
- mxy
Txy-Gxy·--·z.
Bxy
(3.7.69)
j:i+l
Querkraft qByz• Schubspannung Tyz in der Fuge Schubspannung Txz:
ili+ 1: In den Gln. (3.7.62) und (3.7.63) ist der In-
_ESx
dex x durch y zu ersetzen. Txz-B·qx • (3.7.70)
Die mittlere Schubspannung über die Quer- X

schnittshöhe a kann berechnet werden zu: d/2

Txzm =qBxzfa • (3.7.64)


ESx= J Ex·z'·dz' mit z<z' <d/2. (3.7.71)
z

(3.7.65) Schubspannung Tyz: In den Gln. (3.7.70) und


(3.7.71) ist der Index x durch y zu ersetzen.
a ist der Abstand der beiden äußeren Schichten.
Die so berechnete Schubspannung ist über die 3.7.10.4
Querschnittshöhe betrachtet ein Mittelwert. Ei- Hinweis
ne der Änderung der Längskräfte in den Schich-
ten entsprechende Verteilung liefert die Berech- Für vorwiegend einachsig gespannte Platten des
nung nach GI. (3. 7.62) und ihre Entsprechung für Wohnungsbaues ist die Schnittgrößenberech-
Tyz,ili+l· nung nach der Plattentheorie meist nicht not-
wendig. Die Balkentheorie genügt. Bei Fahr-
3.7.10.3 bahnplatten für Straßenbrücken ist dagegen ei-
Platten aus schubstarr miteinander ne Plattenberechnung notwendig. Die Aufnahme
verbundenen Schichten von Radlasten kann nur so beurteilt werden. An-
stelle der Plattenberechnung eignet sich oft bes-
Bei Verklebung der Schichten tritt keine Ver- ser eine Trägerrostberechnung. Die Anisotropie
schiebung in der Fuge auf. Rechnerisch wird dies ist damit meist einfacher zu berücksichtigen.
erreicht, wenn c bzw. k unendlich gesetzt wird.
Platte A und B werden wieder zu einer zusam-
3.8
mengefügt. Die einzelnen Steifigkeiten werden
Glasbau
addiert. Die Spannungen berechnen sich aus den
Schnittgrößen und den für jede Schicht unter-
3.8.1
schiedlichen Moduln.
Allgemeine Werkstoffeigenschaften
Biegung um die y-Achse (Biegemoment mx),
Biegesteifgkeit Bx und Biegespannung in x- Rich- Zum sicheren Einsatz des Glases als Konstrukti-
tung: onswerkstoff sind werkstoffspezifische Eigen-
Bx=BAx+ßsx schaften zu beachten, die sich von denen ande-
rer Baustoffe (z.B. Stahlbeton, Stahl und Holz) in
d3 l
=L EX,l· . .....!...+ 2
EX,l· ·d·l ·Z·, (3.7.66) wesentlichen Punkten unterscheiden. Dazu ge-
12 l
hören u.a. das nahezu linear elastische Verhal-

Glasbau 3-419
ten bis zum Bruch, die Sprödigkeit und der da- Bruchmechanik abgeleitete Bruchzähigkeit Krn
mit große Einfluß der Oberflächenbeschaffen- ein Maß für die Sprödigkeit eines Werkstoffs, be-
heit auf die Glasfestigkeit. trägt für Kalk-Natron-Glas 0,78N/mm 2 m 112 •
Der Glaszustand ist der eingefrorene Zustand Zum Vergleich: Die Bruchzähigkeit von Stahl
einer unterkühlten Flüssigkeit, die ohne zu krisfal- kann Werte zwischen 8 und 135 N/mm 2 m 112 an-
lieren erstarrt ist (Tammann). Die daraus resul- nehmen. Die Oberflächenhärte (Mohs-Härte)
tierende amorphe Isotropie führt zu richtungs- von Kalk-Natron-Silicatglas beträgt 5,3.
unabhängigen Eigenschaften. Die Druckfestigkeit von Glas kann über
Im Bauwesen werden fast ausschließlich Sili- 300 N/mm 2 betragen, wird aber im konstrukti-
catgläser verwendet. Am häufigsten handelt es ven Glasbau meist nicht ausgenutzt, da i. d. R. die
sich um Kalk-Natron-Silicatglas, das im wesent- Biegebeanspruchung dominant ist. Wenn die
lichen aus den Grundstoffen Quarzsand, Kalk Glasfestigkeit genannt wird, ist daher immer die
und Soda besteht. Die Glasschmelze setzt sich Biegefestigkeit gemeint (Abb. 3.8-1 ).
somit aus Si0 2 (ca. 70%), CaO+MgO (ca. 12%) Die Sprödigkeit von Glas führt zu besonderer
und Na 20 (ca. 15%) zusammen und wird bei Kerbempfindlichkeit Da Kerben im wesentli-
ca. 1600 °C geschmolzen. Die Siliciumoxide bil- chen auf der Oberfläche zu finden sind, haben
den beim Erstarren ein Netzwerk aus Si0 4- Te- auch die Größe der auf Zug belasteten Oberflä-
traedern, in welche die Alkalien eingelagert sind. che und die Belastungsdauer einen wesentlichen
Eisenoxide (Fe2+, blau-grün und FeH, gelb- Einfluß auf die Festigkeit, denn mit der Größe
braun) geben dem Glas die grünliche Färbung. der Oberfläche steigt die Wahrscheinlichkeit ei-
Der Elastizitätsmodul für Kalk-Natron-Sili- ner Kerbstelle an ungünstiger Stelle. Das Riß-
catglas beträgt ca. 73000 N/mm 2, die Querkon- wachstum kleinster Fehlstellen aufgrund che-
traktionszahl 0,23 und die Dichte 2500 kg/m 3• mischer Vorgänge am Rißgrund - sog. "sub kri-
Die theoretische Festigkeit aufgrund der zwi- tisches Rißwachstum"- führt unter Dauerbela-
schenmolekularen Bindungen (5000 bis stung zum Versagen. Die mechanischen Festig-
10000 N/mm 2) ist bei Glas um ein vielfaches keitswerte,die üblicherweise im Kurzzeitversuch
höher als die tatsächliche (technische) Festig- ermittelt werden, müssen daher für den Einsatz
keit, die nur 0,5 o/o bis I o/o der theoretischen (Bie- unter Dauerbelastung erheblich gemindert wer-
ge-) Festigkeit erreicht (30 bis 50 N/mm 2 ) . Der den. Die chemischen Vorgänge am Rißgrund
Grund: Glas ist kein idealer Körper, sondern werden insbesondere bei der Anwesenheit be-
weist zahlreiche Diskontinuitäten, Mikrorisse stimmter Medien (z. B. Wasser infolge hoher Luft-
und Kerben auf. Diese Oberflächenfehler führen feuchtigkeit) beschleunigt, aber auch rißheilen-
dazu, daß sich bei der Belastung an ihrer Riß- de Effekte sind bekannt.
spitze nach der Theorie der Bruchmechanik Glasfaserstränge dagegen können aufgrund
[Griffith 1920] hohe Spannungen aufbauen. Da ihres speziellen Herstellverfahrens und der Re-
Glas spröde reagiert und nicht plastiziert, kön- dundanz durch die große Zahl von Filamenten
nen Spannungsspitzen nicht abgebaut werden Zugfestigkeiten erreichen, die näher an die theo-
und führen zum Versagen des Glases. Die aus der retische Festigkeit heranreichen (Abb. 3.8-2).

o [N/mm2] o [N/mm 2) fy,k - o (N/mm2]

200 200 200


Glas Stahl (St 37) Beton (C45/SS}

(ESG} 120
100 I 100 100
1-<=
(TVG} 70 1:5
(Fioat) 4S Iei> 45
I

2 3 4 E (%o) 3 4 E [%o) 4 - E (%o)


a b

Abb. 3.8-1 Spannungs-Dehnungs-Diagramme von a Glas, b Stahl und c Beton im Vergleich

3-420 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


MPa
Glasfasern

fw
glasthermisch verfestigt

Glas nach der Herstellung

Mikrorisse
Submikrorisse (Kerbstellen) aus der
in der Glasstruktur Formgebung sichtbare Risse
10 1 +---------r-------~r-~----~~~----~--~-----r----------~
10 ~ 10·S 10"' 10·3 10·l mm 10·1
Wirksame Rißlänge - -

Abb. 3.8·2 Zugfestigkeit von Glas in Abhängigkeit von der wirksamen Rißlänge nach (Petzold 1990]

Auch die Beachtung der Temperaturdehnung glas das Basisprodukt für die Weiterverarbei-
ist wegen der Empfindlichkeit des Glases bei tung zu vorgespannten Gläsern (ESG, TVG) und
Spannungsspitzen wichtig, denn hohe Beanspru- Isoliergläsern. Es wird üblicherweise in den
chungen durch Zwängungen können bereits in- Dicken 2, 3, 4, 6, 8, 10, 12, 15 und 19 mm herge-
folge der unterschiedlichen Ausdehnung des Gla- stellt. Die Temperaturwechselbeständigkeit des
ses und einer Unterkonstruktion entstehen. Die Floatglases ist mit ca. 40 K relativ gering. Die
Temperaturdehnungszahl CXt.r von Kalk-Natron- Dickentoleranzen nach den Normen für Glas
Silicatglas beträgt ca. 9 ·10·6 1/K für den bau- sind z. T. erheblich, z.B. ±0,2 mm für Floatglas bis
praktischen Temperaturbereich, die des Boro- 8 mm Dicke, ± 0,3 mm für Floatglas ab 10 mm
silicatglases ca. 3·10·6 1/K. Dicke,± 0,5 mm für Floatglas von 15 mm Dicke.
Spiegel werden aus hochwertigem Floatglas
3.8.2 mit einer chemisch aufgebrachten Silberschicht
Gläser im Bauwesen fabriziert, die durch mehrere Deckschichten
geschützt wird. Sonnenschutzgläser stellt man
3.8.2.1 her, indem optisch aktive dünne Schichten im
Grundprodukte Tauch-,Sprüh- oder Hochvakuumverfahren auf-
gebracht werden. Man unterscheidet harte und
Floatglas weiche Beschichtungen.

Floatglas (früher: Spiegelglas) ist das heute am Gußglas, Drahtglas, Profilglas


meisten verwendete Bauglas. Es ist nach seinem
Herstellverfahren benannt (to float- aufschwim- Im Unterschied zu Floatglas wird Gußglas nach
men, Abb. 3.8-3). Dabei fließt das Kalk-Natron- dem Prinzip der überlaufenden Wanne herge-
Silicatgemisch nach dem Schmelzen unter stellt, direkt von Walzen abgezogen, gekühlt und
Schutzgasatmosphäre auf ein flüssiges Zinnbad geschnitten. Gußglas wird häufig mit einer aus-
und wird am Ende des Bades abgezogen, gekühlt geprägten Ornamentierung (Dicke 4, 6, 8 mm)
und geschnitten. Es ist in allen Bereichen des täg- oder Drahtnetzeinlage (Drahtglas, 7 oder 9 mm)
lichen Lebens anzutreffen und findet u.a. Ver- produziert. Gußglas ist mit Ausnahme des Draht-
wendung in Fenstern, Schaufenstern, Spiegeln, spiegelglases (poliertes Drahtglas) meist nahezu
Oberlichtern und Möbeln. Außerdem ist Float- undurchsichtig, jedoch lichtdurchlässig. Ein Vor-

Glasbau 3-421
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Ziehen Blasen Pressen Floaten Gießen und Walzen

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Kühlen Kühlen Kühlen Kühlen Kühlen
.... .... .... .... ....
Schneiden, Schleifen, Gravieren, Ätzen, Schleifen, Löten, Verschmelzen, Schneiden, Facettieren, Schleifen, Keramisieren, Schleifen, Bohren,
Bedrucken Polieren, Mattieren, Sand- Gravieren, Ätzen, Polieren, Bohren, Beschichten. Bedrucken, Schneiden, Beschichten,
strahlen, Bedrucken, Lackieren, Mattieren, Sandstrahlen, Lminieren, Vorspannen, Biegen, Bedrucken, Biegen
Bemalen, Vergolden, Bedrucken, Lackieren, Verspiegeln, Sandstrahlen,
Etikettieren, Sleeven Bemalen, Vergolden Mattieren
.... .... .... .... ....
Rohre, optische Fasern, Hohlglas (Behälterglas, Bildschirme, Kristall· und Basisglas für alle Fenster- und Großstückoptiken. Kochßächen,
Flachglas Kristall- und Wirtschaftsglas) Wirtschaftsglas, Brillenglas Fahrzeugverglasungen, Flachglas (Gußglas),
Lampenglas, Laborglas Glasmöbel und Ladenbau, Glasbausteine
Spezial-Flachglas, Spiegel

Sand und Soda oder Pottasche sowie Kalk oder Dolomit sind die natürlichen Rohstoffe zur Glasgewinnung.
Auch Scherben sind Rohstoffe: Im Recyding-Prozeß spart Altglas Energie und schont die Umwelt.
teil des Drahtglases ist, daß die Bruchstücke nach verwendet, wobei die Fasern über 10% Zirkon-
dem Bruch zusammengehalten werden. Draht- meid (Zr0 2) enthalten (Tabelle 3.8-1).
glas kann so feuerhemmend wirken, da es zwar
nicht den Durchtritt der Wärmestrahlung, aber Glaskeramik
den Flammen- und Brandgasdurchtritt verhin-
dert. Glaskeramik ist ein Glasprodukt, das beim Ab-
Eine spezielle Form des Gußglases ist das Pro- kühlen durch eine vorgegebene präzise Tempe-
filglas,das z.B. in Form von U-Profilen gegossen raturführung in verschiedene Phasen auskristal-
wird und häufig im Industriebau, aber auch zur lisiert. Durch die gesteuerte Kristallisation kön-
Fassadenkonstruktion eingesetzt wird. nen erwünschte Eigenschaften wie hohe Bruch-
und Verschleißfestigkeit sowie gute Tempera-
Schaumglas turwechselbeständigkeit gezielt eingestellt wer-
den. Die Farbgebung und das Aussehen der
Schaumglas (eng!.: foamglas) ist ein in einem Oberfläche lassen sich ebenfalls in weiten Gren-
thermischen Prozeß aufgeschäumter Stoff mit zen wie gewünscht erzielen. Glaskeramiken sind
vielen kleinen geschlossenen Zellen. Es wird zur dabei meist undurchsichtig und werden bei-
Wärmedämmung eingesetzt, z. B. beim Bau von spielsweise als Fassadenplatten eingesetzt
Flachdächern oder zur Isolierung von Boden- (structuran®).
platten. Vorteile des Schaumglases sind der be-
sonders geringe Wärmedurchgang bei hoher Glassteine
Wasserdampfdiffusionsdichte, die Beständigkeit
gegen chemischen oder organischen Angriff und Glassteine nach DIN 18175 sind Hohlkörper, die
die geringe Trockenrohdichte (0,1 bis 0,17 g/cm3). in einem Preßverfahren in verschiedenen Grö-
Die geringe Druckfestigkeit (0,5 bis 1,2 N/mm2) ßen (meist zwischen 19 und 30 cm Kantenab-
begrenzt allerdings die Anwendungsmöglich- messung) hergestellt werden. Sie können glatt
keiten. und durchsichtig, ornamentiert oder in der Mas-
se eingefärbt sein. Glassteinwände müssen nach
Glasfasern DIN 4242 bemessen werden, Betonglaskonstruk-
tionen nach DIN 1045.
Glasfasern gibt es als Kurz- und Langfasern. Sie
finden Verwendung in Tapeten, zur Bewehrung Glasrohre
von Putzen, in Fassadenplatten, in glasfaserver-
stärkten Kunststoffen (GFK) oder zur Verstär- Glasrohre werden insbesondere in der chemi-
kung von Beton. Beim Einsatz in Beton ist Glas schen Industrie für den Transport von Flüssig-
allerdings wegen der geringen Alkali-Beständig- keiten verwendet. Zur Herstellung wird meist ein
keit des Kalk-Natron-Glases (A-Glasfaser) und Borosilicatglas verwendet, das aufgrund seiner
der E-Glasfaser (Alumno-Borosilicatglas mit ei- geringen Wärmedehnung eine besonders ho-
nem Alkaligehalt < 1 %) problematisch. Daher he Temperaturwechselbeständigkeit aufweist
wird heute häufig das AR-Glas (alkali-resistent) (> 100 K). Glasrohre stellen für den konstrukti-

Tabelle 3.8-1 Mechanische Eigenschaften von Glasfasern im Vergleich mit anderen Fasem

Faser Du rehmesse r Dichte E·Modul Zugfestigkeit Bruchdehnung


11m g/cml N/mm2 N/mm2 %

A-Glas 5 ... 15 2,54 ... 2,6 75000 1700.'. 2700 2,5 .. ' 3,0
E·Gias 10 ... 15 2,46 73000 1600 ... 2300 3,3 .. ' 4,8
AR-Glas 10 ... 30 2,68 73000 1400 ... 2500 2,0 ... 4,3
Baumwolle 1,5 6000 300 ... 700 7,0 ... 10,0
Naturseide 1,25 8000 400 ... 600 15,0 ... 30,0
Polyester 18 ... 35 1,3 4000 400 ... 750 8,0 ... 20,0
Polyamid 15...50 1,15 2000 250 ... 900 20,0 . '. 30,0
Stahl 80 ... 1000 7,87 210000 400 ... 2500 1,0 ... 5,0
Carbon 10 ... 20 1.75 200000 ... 400000 3000 ' . ' 5000 1,2 ... 1.4

Glasbau 3-423
Abb. 3.8-4 Glasrohr im Herstellungsprozeß [Schott 1990)

ven Glasbau eine interessante Ausgangsform dar, Eigenspannungszustand versetzt wird, bei dem
da große Biegemomente übertragen werden der Kern einer Scheibe unter Zugbeanspruchung
können, ohne daß Verbindungsmittel erforder- und die Oberfläche unter Druckbeanspruchung
lich sind (Abb. 3.8-4). steht. Dadurch kann der festigkeitsmindernde
Einfluß der Oberflächenfehler drastisch vermin-
Acrylglas dert werden, denn diese können erst wirksam
werden, wenn aus Last oder Zwang Zugspannun-
Acrylglas ist ein Hochpolymer-Kunststoff (Poly- gen an der Oberfläche erzeugt werden. Auch die
methylmethacrylat, PMMA, Plexiglas®) und so- Temperaturwechselbeständigkeit des voll vorge-
mit kein Glas gemäß vorstehender Definition. spannten Glases nimmt erheblich zu (ca. 200 K).
Vorteile des Acrylglases bestehen in seiner Flexi- Der Spannungsverlauf (Abb. 3.8-5) entspricht in
bilität, mechanischen Bearbeitbarkeit, kleineren guter Näherung einer einfachen Parabel mit
Dichte ( 1180 kg!m3 ) und geringeren Sprödigkeit
o= oo[l-3(z/h)2]; (3.8.1)
gegenüber Glas (K1, = 1,62 N/mm2 m 112), Nach-
teile in der weicheren Oberfläche (Mohs-Härte o 0 Zugspannung in Scheibenmitte, h Scheiben-
2 bis 3), dem geringen, temperaturabhängigen dicke/2. Als Ausgangsmaterial dient meist Float-
E-Modul und den ausgeprägten Kriecheigen- glas, aber auch Gußgläser können vorgespannt
schaften. werden.
Nach dem Vorspannen kann thermisch vor-
3.8.2.2 gespanntes Glas aufgrund des Eigenspannungs-
Veredelungsprodukte zustands nur sehr bedingt bearbeitet werden;
deshalb müssen Kantenbearbeitungen vorher
Vorgespanntes Glas vorgenommen und Bohrungen oder Ausschnit-
te vorher angebracht werden. Bei der Planung ist
Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG). ESG, oft fäl- zu beachten, daß aufgrund der thermischen Be-
schlicherweise als "gehärtetes Glas" bezeichnet, handlung Maßtoieranzen im Bereich von Boh-
ist ein Glas, das durch erneutes Erhitzen bis zum rungen sowie eine leichte Vorkrümmung der
Transformationspunkt und anschließendes Scheibe entstehen. Eine ESG-Scheibe zerfällt bei
schnelles Abkühlen (Anblasen mit Luft) in einen Bruch infolge der über den Eigenspannungszu-

3-424 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


- + - + - +
a b

Abb. 3.8-5 Spannungsvertauf bei thermisch vorgespanntem Glas. a Eingeprägte Vorspannung; b äußere Belastung;
c Uberlagerung

Abb. 3.8·6 Bruchbild von Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG)

stand gespeicherten Energie [Blank 1979] in vie- Chemisch vorgespanntes Glas. Durch Ionenaus-
le kleine stumpfkantige Bruchstücke, die unter- tauschvorgänge an der Oberfläche, bei denen
einander lose zusammenhängen (Abb. 3.8-6). z.B. bei Kalk-Natron-Silicatglas (kleinere) Na-
trium-Ionen gegen (größere) Kalium-Ionen aus-
Teilvorgespanntes Glas (TVG ). TVG wird in dem getauscht werden, können wie bei thermisch
gleichen Produktionsprozeß wie ESG hergestellt, vorgespanntem Glas Oberflächendruckspan-
jedoch langsamer abgekühlt, und unterscheidet nungen erzielt werden. Dieser Vorgang findet
sich so durch das geringere Maß der eingepräg- nur in einem Bereich von wenigen p.m Dicke
ten Vorspannung. TVG hat folglich eine geringe- statt. Die Vorspannung kann jedoch sehr hohe
re Biegefestigkeit als ESG, das Bruchbild der Werte bis 1000 N/mm 2 erreichen, die chemisch
Scheiben (Abb. 3.8-7) ähnelt dem des Floatgla- vorgespannte Gläser für Spezialanwendungen
ses, die Temperaturwechselbeständigkeit be- interessant machen.
trägt ca. 100 K. Momentan ist die Herstellung von
TVG aus verfahrenstechnischen Gründen nur Emailliertes bzw. bedrucktes thermisch vorge-
bis zu einer Dicke von 12 mm möglich. TVG ist spanntes Glas. Bei emaillierten bzw. bedruckten
in Deutschland noch kein genormter Baustoff, es Gläsern bringt man vor dem Vorspannprozeß
existiert jedoch eine europäische Vornorm auf der Schutzgasseite des Floatglases eine
(prEN 1863). Emailschicht (Fritte) auf, die beim Vorspannen
eingebrannt wird.Auf dieser Seite des Glases ver-

Glasbau 3-425
kleines
Bruchstück 100mm Insel

25mm
Außager-
' - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ' tiefe
1100mm l
a

Abb. 3.8-7 Bruchbilder von teilvorgespanntem Glas (lVG) a im Bruchversuch nach prEN 1863, baneiner punktgelagerten
Scheibe (x =Anschlagstellen)

-,-- r--

Glasscheiben --!-+-~ Glasscheiben --++-M..

PVB-Folie --+--1111 Reaktionsharz --+-~


(0,38 bis 2,28 mm) (1 bis4mm)

Abb. 3.8-8 Aufbau von Verbundsicherheitsglas (VSG) Abb. 3.8-9 Aufbau von Verbundglas (VG)

ringert sich die Zugfestigkeit. Je nach Farbge- verfahren mit anschließendem Pressen unter
bung muß die mögliche Aufheizung der Schei- Druck und Hitze in einem Autoklaven wird ein
ben durch Sonneneinstrahlung und die damit dauerhafter Verbund von Glas und Folien ge-
verbundene Temperaturdehnung beachtet wer- schaffen.
den. Der Aufbau des VG entspricht dem des VSG,
jedoch werden als Zwischenmaterialien keine
Verbundgläser (VG), Verbundsicherheitsglas (VSG) PVB-Folien verwendet, sondern beliebige Mate-
rialien, normalerweise Reaktionsharze. Herstel-
VSG besteht aus mindestens zwei Glasscheiben, lungstechnische Vorteile und Spezialanwendun-
die mit einer elastischen, reißfesten Hochpoly- gen (z.B. Verbundglas mit innenliegenden So-
merfolie (meist Polyvinylbutyral, PVB) so mit- larzellen) machen den Einsatz von Verbundglas
einander verbunden sind, daß bei Bruch der interessant (Abb. 3.8-8 u. Abb. 3.8-9).
Scheiben die Bruchstücke an der Folie haften
bleiben. Dadurch wird das Risiko von Schnitt- /solierglas
oder Stichverletzungen bei Zerstörung der Schei-
ben vermindert und eine Resttragfähigkeit der Der Begriff "lsolierglas" bezieht sich auf Mehr-
VSG-Einheit ermöglicht. Als Ausgangsmateria- scheibenisolierglas, eine Verglasungseinheit aus
lien werden Flachgläser sowie PVB-Folien ver- mindestens zwei Gläsern, die durch einen Schei-
schiedener Dicken verwendet. In einem Walz- benzwischenraum (SZR, meist 8 bis 16 mm) ge-

3-426 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Gekrümmtes Glas

Im Fahrzeugbau setzt man heute fast ausschließ-


lich gekrümmte Gläser ein. Im Bauwesen wird
gekrümmtes Glas im Fassadenbau, für Über-
kopfverglasungen oder im Innenausbau als Ge-
staltungselement verwendet. Neben Floatglas-
scheiben können auch thermisch vorgespannte
Gläser, Verbund- und Isoliergläser gekrümmt
hergestellt werden. Die Fertigung von gekrümm-
ten Verbundgläsern mit Bohrungen ist aufgrund
Trocknungsmittel
der Maßtoieranzen sehr aufwendig. Man unter-
scheidet das Schwerkraftbiegeverfahren und ma-
schinelle Verfahren. Da eine Beschichtung der
Gläser nach dem Biegen i. d. R. mit den üblichen
Abb. 3.8·10 Aufbau eines lsolierglases Beschichtungsmechanismen nicht möglich ist,
können nur Gläser mit harter Beschichtung ge-
bogen werden [VEGLA 1997].
trennt und nur durch einen Randverbund mit-
einander verbunden sind. Der Randverbund 3.8.2.3
wird mittels eines Abstandhalters hergestellt, der Mechanische Eigenschaften von Gläsern
mit einem Trockenmittel gefüllt ist und mit Sili-
kon eingeklebt wird. Der so dampfdicht abge- Die wichtigsten mechanischen Eigenschaften
schlossene SZR ist entweder Iuft- oder gasgefüllt der beschriebenen Gläser sind in Tabelle 3.8-2
Isoliergläser werden zur Wärme- und Schall- aufgeführt.
dämmung eingesetzt. Isolierglas wird Wärme-
schutzglas genannt, wenn mindestens eine der 3.8.3
Scheiben zum SZR beschichtet ist und der SZR Bemessungskonzepte für Glas
mit einem Edelgas (z.B. Argon oder Xenon) ge-
füllt ist (Abb. 3.8-10). 3.8.3.1
Bemessungskonzept mit globalen
Brandschutzglas Sicherheitsbeiwerten

Bei einseitiger Hitzeeinwirkung "springen" Bis heute ist in Deutschland kein abgesichertes
Float- und Gußgläser in kurzer Zeit, und es droht und anerkanntes allgemeines Bemessungsver-
durch das Herausfallen von Bruchstücken ein fahren für Glas als Baustoff in einem Regelwerk
Feuerüberschlag. Brandschutzverglasungen festgeschrieben. In den vorhandenen techni-
können den Feuerwiderstandsklassen G oder F schen Regeln, z. B. [TRV 1998], wird der Nachweis
zugeordnet werden. Wenn sie den Flammen- durch Vergleich der vorhandenen Zugspannung
und Brandgasdurchtritt einen bestimmten Zeit- mit einer zulässigen Spannung geführt:
raum verhindern, werden sie als Brandschutz-
(J <o _oR (3.8.2)
glas eingestuft (G30 bis G120 ), so z. B. Drahtglas, s- zul- >
y
Glasbausteine und bestimmte vorgespannte
Gläser (ESG aus Borosilicatglas). Hochwertige wobei OzuJ die zulässige Spannung, y den globa-
Brandschutzgläser, die den Durchtritt von Hit- len Sicherheitsbeiwert und crR die Glasfestigkeit
zestrahlung verhindern und sich auf der dem bezeichnen. Der Begriff "globaler Sicherheits-
Feuer abgekehrten Seite im Mittel nicht mehr als beiwert" bedeutet, daß der Faktor y gleichzeitig
um 140 K erwärmen, gehören den Klassen F30 alle, d.h. mit den Einwirkungen, den Widerstän-
bis 120 (DIN 4102 Teil2) an. Isoliergläser,bei de- den des Glases und dem Berechnungsmodell be-
nen im Scheibenzwischenraum ein anorgani- hafteten Unsicherheiten und Einflüsse abdecken
sches aufschäumbares Material, eine spezielle soll. Ein globaler Sicherheitsbeiwert y kann aber
wasserhaltige Gelschicht oder eine Bor-Alumi- die Einflüsse der Glasscheibenfläche und der Be-
niumphosphat-Schicht enthalten ist, erfüllen lastungsdauer nicht ohne weiteres hinreichend
diese Klassen. berücksichtigen.

Glasbau 3-427
Tabelle 3.8·2 Mechanische Eigenschaften von Gläsern

Glasart E-Modul Biegefestigkeit f1 ~ Dichte Wärmeausdehnungskoeffizient a 61


N/mml N/mml kgfml 10~· 1/K

a) Kalk-Natron-Glas
Floatglas 73000 45• 2500 9
Gußglas 73000 25• 2500 9
Drahtglas 73000 25' 2700 9
Profilglas 73000 45• 2500 9
ESG (aus Floatglas) 70000 120b 2500 9
TVG (aus Floatglas) 70000 7o< 2500 9
VSGNG Werte sind abhängig von verwendeten Glasarten und Zwischenmaterialien
b) Borosilicatglas
Floatglas 62000 45 2230 3,3
ESG 62000 120 2230 3,3
c) Acrylglas ca.3000 45 ... SS 1180 70
d) Schaumglas 53.. .120 0,5... 1,2 N/mml 100 ... 170 8,5
(Druckfestigkeit)
' DIN 1249Teil10 ' prEN 1863
b DIN 1249Teil 12 d 0,5 ... 1,2 N/mml Drudefestigkeit

Tabelle 3.8-3 Zulässige Spannungen für Glas (globale Sicherheitsbeiwerte)

Glasart Einsatzbereich <1zul Regelwerk


N/mml
Floatglas Vertikalverglasung 18 TRV 1998
Überkopfverglasung 12 TRV 1998
als VSG aus Floatglas 15 TRV 1998
unter Dauerlast 6 -
ESG aus Floatglas unabhängig vom Einsaubereich 50 TRV 1998
ESG aus Gußglas unabhängig vom Einsaubereich 37 TRV 1998
TVG aus Floatglas unabhängig vom Einsaubereich 29 -
Emailliertes ESG Emaille auf der Zugseite 30 TRV 1998
Emailliertes TVG Emaille auf der Zugseite 18 -
Gußglas Vertikalverglasung 10 TRV 1998
Drahtglas Überkopfverglasung 8 TRV 1998
Acrylglas abhängig von eingeprägten Zwängungen 5 ... 10 -
VSG/VG abhängig von verwendeter Glasart 5 ... 10 -
Berechnung ohne Schubverbund
des Zwischenmaterials
lsolierglas abhängig von verwendeter Glasart
Koppeleffekt beachten

Vom Nachweiskonzept her ist es für normale lässige Spannungen (Sicherheit auf der Wider-
Biegebemessung unerheblich, ob der globale Si- standsseite) zugrunde gelegt werden (Tabelle
cherheitsfaktor auf der Einwirkungs- oder Wi- 3.8-3).
derstandsseite angesetzt wird. Insbesondere bei
Verlassen des linearen Zusammenhangs zwi- 3.8.3.2
schen Belastung und Beanspruchung (z. B. Effek- Bemessungskonzept mit Teilsicherheitsbeiwerten
te aus der Theorie Il. Ordnung) sind Betrach-
tungen der Streuungen auf der Einwirkungs- und Da die Berechnung von Einwirkungen und des
der Widerstandsseite und daraus folgend die An- Widerstands mit Hilfe von Teilsicherheitsfakto-
wendung von Teilsicherheitsbeiwerten sinnvoll. ren und charakteristischen Werten im Bauwe-
Mit dem Konzept der globalen Sicherheitsbei- sen nunmehr allgemeine Akzeptanz gefunden
werte können folgende Bemessungswerte als zu- hat (z.B. in den Eurocodes), wurde auch für den

3-428 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


Tabelle 3.8-4 Teilsicherheitsbeiwerte y und charakteristische Werte

Art der Einwirkung Teilsicherheitsbeiwert für Teilsicherheitsbeiwert für die Charakteristische


oder Widerstand die Tragfähigkeit Gebrauchsfähigkeit Werte
Eigengewicht 1,35 1,0 50 %(DIN 1055)
Wind 1,5 1,0 98 % (DIN 1056)
Schnee 1,5 1,0 98 %(EC1)
Biegefestigkeit 1.25 1,0 DIN 1249
Nachweis der Durchbiegung 1,0

Tabelle 3.8-5 Einfl ußfaktoren 'lo der Belastungsdauer auf die Glasfestigkeit

Glasart Biegefestigkeit Wind Schnee Wasserdruck Eigenlast


N/mm l (10min) (lOTage ) (~10Jahre) (SO Jahre)
ESG 120 1,00 0,85 0,80 0,75
Floatglas 45 0,70 0,45 0.30 0,30

konstruktiven Glasbau ein entsprechendes Vor-


gehen realisiert. Aufgrund der vielen Einfluß- Tabelle 3.8-6 Einflußfaktoren 'IF der Flächengröße
(vierseitig gelagerte Scheibe) auf die Glasfestigkeit
faktoren sind die Teilsicherheitsbeiwerte auf der
Basis probabilistischer Überlegungen zu er mit-
teln. Dabei werden die verschiedenen Effekte Glasart Einflußfaktor 'IF Einflußfaktor 'lF
0,5 bis 4,0 m2 4 bis10m2
- Einwirkungsstreuung und -häufigkeit,
ESG 1,0 1,0
- Materialstreuung, Floatglas 1,0 0,9
- Flächeneinfluß sowie
- Einwirkungsdauer

erfaßt und in praktische Werte umgesetzt [Shen y c Teilsicherheitsbeiwerte für ständige Einwir-
1997]. Dieses Konzept wird daher dem Material- kungen,
verhalten von Glas wesentlich besser gerecht als YQ,i Teilsicherheitsbeiwerte für veränderliche
das Bemessungskonzept mit globalen Sicher- Einwirkungen,
heitsbeiwerten. ljlo,i Kombinationsbeiwerte für veränderliche
Die Einflüsse der Belastungsdauer und der Einwirkungen,
Flächengröße auf die Glasfestigkeit können durch ak charakteristischer Wert der Glasfestigkeit,
Abminderungsfaktoren erfaßt werden. Die Teil- YR Teilsicherheitsbeiwert für Glasfestigkeit,
sicherheitsbeiwerteund Abminderungsfaktoren llD Einflußfaktor der Belastungsdauer auf die
werden mit Hilfe der probabilistischen Sicher- Glasfestigkeit,
heitstheorieund der Bruchmechanik hergeleitet. 'lF Einflußfaktor der Flächengröße der Glas-
Der Nachweis hat die Form scheiben auf die Glasfestigkeit,
f Grenzwert der Durchbiegung.
Sa[L (Yc · Gk )+yQ,. Qk,l + L(YQ,i ·'l'o,i · Qk,il
z<l
Siehe Tabellen 3.8-4, 3.8-5 und 3.8-6.

3.8.3.3
llD 'llf" ak
<Ra [ ,f] (3.8.3) Grenzwerte der Durchbiegung
YR
Zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit ist die
Gk charakteristische Werte der ständigen Ein- Festlegung von zulässigen Durchbiegungen sinn-
wirkungen, voll. Für Verglasungen gelten folgende Durch-
Qk,l Leitwert der veränderlichen Einwirkungen, biegungsbeschränkungen nach [TRV 1998] (Ta-
Qk,i weitere veränderliche Einwirkungen, belle 3.8-7).

Glasbau 3-429
Tabelle 3.8·7 Durchbiegungsbegrenzungen für Überkopfverglasungen nach den Technischen Regeln für die Verwendung von
linienförmig gelagerten Verglasungen (TRV 1998)

Lagerung Überkopfverglasung Vertikalverglasung


vierseitig 11100 der Scheibenstützweite in Haupttragrichtung keine Anforderungen•
zwei- und dreiseilig Einfachverglasung: 1/100 der freien Kantenlängeb
11100 in der freien Scheibenstützweite in Haupttragrichtung
Scheiben der lsolierverglasung: 1/ 100 der freien Kantenlänge•
1/200 der freien Kantenlänge
• Durchbiegungsbegrenzungen des lsolierglasherstelle~ sind zu beachten.
b Auf die Einhaltung die~r Begrenzung kann verzichtet werden, sofern nachgewiesen wird,
daß unter Last ein Gla~instand von Smm nicht unterschritten wird.

Zur Vermeidung größerer Spannungen irrfol- Werkstoffen, deren E-Modul (oder Härte) höher
ge Nachgiebigkeit der Unterkonstruktion sind als der des Glases ist, vermieden wird. Ein Schub-
Vorgaben bezüglich der Steifigkeit der Unter- verbund zwischen Verbundgläsern darf nicht
konstruktion erforderlich. berücksichtigt werden, da bei Dauerbelastung
Nach [TRV 1998] darf die Durchbiegung der und Temperaturen > 50 °C der Schubverbund
Auflagerprofile nur 1/200 der aufzulageroden zwischen den Scheiben nur noch sehr gering ist
Scheibenlänge betragen (:o; 15mm). Bei punktge- (s. 3.8.4.5).
lagerten Scheiben kann als Stützweite der maß-
gebende Abstand der Punktlager angesetzt wer- 3.8.4.2
den [Landesgewerbeamt Baden-Württemberg Zwängungsbeanspruchungen
1998]. Bei zwei- oder dreiseitig gelagerten Iso-
lierverglasungen darf die Durchbiegung des Zwängungen können bei Glasbauteilen leicht
freien Randes nicht mehr als 1/200 der Länge des zum Bruch führen, da Spannungsspitzen nicht
freien Randes betragen. Für Vertikalverglasun- durch lokales Plastizieren o. ä. abgebaut werden
gen ist eine Durchbiegungsbeschränkung für die können und somit keine Spannungsumlagerun-
Scheibenmitte bisher umstritten. Für große Ver- gen möglich sind. Daher müssen Scheiben so ge-
formungen können daher die Randbedingungen lagert werden, daß die Beanspruchung aus Zwän-
der linearen Plattentheorie nicht mehr eingehal- gungslasten möglichst gering ist. Dies betrifft
ten sein, und es kann ein genauer Nachweis nach besonders die Zwängungen aus Temperaturla-
höherer Ordnung geführt werden (Membran- sten und aus Verformungen der Unterkonstruk-
effekte). Dies wirkt sich rasch günstig auf die er- tion. Dabei sind die unterschiedlichen Wärme-
forderliche Scheibendicke aus. ausdehnungskoeffizienten der Unterkonstrukti-
on und des Glases zu berücksichtigen. Punktge-
3.8.4 lagerte Scheiben können z. B. in der Ebene durch
Besonderheiten der Bemessung eine gelenkige Lagerung mit einem Kugelgelenk
statisch bestimmt gelagert werden (s. Abschn.
3.8.4.1 3.8.4.8).
Stabilitätsnachweise Bereits in der Planung ist darauf zu achten,
daß Ausgleichsmöglichkeiten von geometri-
Bei der Verwendung von Glas als tragendes Ele- schen Paßungenauigkeiten (z.B. bei Bohrungen
ment müssen die Stabilitätsprobleme besonders in Verbundgläsern aus thermisch vorgespann-
beachtet werden. Aufgrund seiner amorphen ten Glasscheiben) vorgesehen werden. Die in den
Isotropie hat Glas dabei in allen Richtungen die Rechennachweisen vorausgesetzten Randbedin-
selben Eigenschaften. Die i. d. R. sehr schlanken gungen hinsichtlich Drehbarkeit und Möglich-
Bauteile sind mit Vorverformungen aus Maßto- keiten der Verschieblichkeit von Auflagern müs-
ieranzen nach Theorie li. Ordnung nachzuwei- sen auch unter Last- und Temperatureinwirkung
sen. Es muß bereits bei der Modellbildung sicher- auf Dauer gesichert sein.
gestellt werden, daß dabei keine lokalen Über-
beanspruchungen auftreten (z. B. im Bereich von
Verbindungen) und ein Kontakt von Glas mit

3-430 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau


3.8.4.3
Stoßlasten
Winddruck Überdruck Unterdruck
Glas reagiert sehr empfindlich auf Stoßbelastun-
gen, die hinsichtlich Masse, Form und Verfor-
mungseigenschaften der Stoßkörper sehr unter-
schiedlich sein können. Üblicherweise unter- Ver-
formung
scheidet man im Bauwesen zwischen harten und
weichen Stößen. + +
Unter einem harten Stoß versteht man den
Aufprall eines im Verhältnis zum Bauteil harten außen --------0----- innen
Stoßkörpers mit hoher Geschwindigkeit (z.B.
Hagel oder Blumentopf). Die Auswirkung des Abb. 3.8-11 Koppeleffekt und Auswirkung von Klima-
harten Stoßes bleibt i.d.R. auf die unmittelbare lasten bei lsolierglaseinheiten
Umgebung der Stoßstelle beschränkt. Bei einem
weichen Stoß dagegen prallt ein Stoßkörper mit effekt günstig auf die erforderliche Scheiben-
niedrigerer Geschwindigkeit auf das Bauteil und dicke aus; er darf unter bestimmten Bedingun-
verformt sich merkbar an der Aufprallstelle. Die gen zur Berechnung von Vertikalverglasungen,
Beanspruchung ist auf weitere Bereiche ausge- nicht jedoch bei Überkopfverglasungen, ange-
dehnt. setzt werden.
Harte Stöße lassen sich besonders bei spröden
Bauteilen i. d. R. nur experimentell nachweisen 3.8.4.5
(z.B. nach DIN 52338: Kugelfallversuch für Ver- Schubverbund bei Verbundgläsern (VSGNG)
bundglas}, für den weichen Stoß existieren Re-
chenverfahren lETB-Richtlinie 1985], die - ba- Je nach Temperaturbereich und Belastungsdau-
sierend auflmpulsüberlegungen- bei Glas noch er herrscht bei VSG/VG ein mehr oder weniger
den Materialeigenschaften anzupassen sind, um guter Schubverbund zwischen den Scheiben, da
realitätsnahe Ergebnisse liefern zu können. Die PVB-Folien (thermoplastische Kunststoffe) und
Widerstandsfähigkeit u.a. bei harten Stößen ge- reaktionsfähige Harze ein ausgeprägtes Kriech-
gen die Oberfläche ist bei vorgespannten Glä- verhalten aufweisen. Bei Kurzzeitlasten (z.B.
sern wesentlich höher als bei Floatglas. Bei Ver- Windlasten) und Temperaturen unter 50 °C kann
bundgläsern hat die Zwischenschicht einen zu- man von vollem Verbund ausgehen. Für Lang-
sätzlichen positiven Einfluß, da sie einen Teil der zeitlasten (z.B. Schneelasten) herrscht bei nied-
Stoßenergie absorbiert. rigen Temperaturen (um den Gefrierpunkt) sehr
hoher Schubverbund, bei Raumtemperatur teil-
3.8.4.4 weise Schubverbund, aber bei hohen Tempera-
Koppeleffekt bei lsolierglaseinheiten turen (ca. > 50 °C) nahezu kein Schubverbund
mehr. Nach den zur Zeit gültigen Regeln [TRV
Wegen des dampfdicht abgeschlossenen Schei- 1998] darf bei der rechnerischen Bemessung
benzwischenraums entsteht bei Isolierglasein- kein Schubverbund angesetzt werden, wenn er
heiten ein Koppeleffekt zwischen den Scheiben, sich günstig auswirkt, muß jedoch angesetzt
wobei sich beide am Lastabtrag beteiligen. Ver- werden, wenn er sich bei Klimalasten ungünstig
formt sich die äußere Scheibe, entsteht eine Vo- auswirkt (Isolierglas).
lumenänderung im Scheibenzwischenraum In allen baupraktischen Temperaturbereichen
(Abb. 3.8-11 ). Sie führt zu einer Druckverände- kann man von vollständ

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